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THE LIBRARY OF THE

UNIVERSITY OF

NORTH CAROLINA

THE LIBRARY OF THE

UNIVERSITY OF

NORTH CAROLINA

ENDOWED BY THE

DIALECTIC AND PHILANTHROPIC

SOCIETIES

BUILDING ÖSE ONLY

PA3 .P6 Bd.U 1872

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PHILOLOGISCHER

ANZEIGER..

ALS ERGÄNZUNG

DES

PHILOLOGUS

HERAUSGEGEBEN

VON

EKNST von LEUTSCH.

VIERTEM BAND.

| 1872. |

GÖTTINGEN,

VERLAG DEE DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG.

1872.

$"r# \9 Januar 187Ä.

Philologischer Anzeiger.

Herausgegeben als ergänzung des Pliilologus

Ernst von Leutsch.

Vorwort.

Es kann und wird auffallen, dass, obschon von des Ph. Anzei- gers bd. HI (1871) lieft 11 und 12 nocb feblen, schon dieses lieft 1 hervortritt. Davon liegt der grund lediglich in dem Verzeich- nisse der philologen, welche in dem deutsch -französischen kriege 1870. 1871 gekämpft haben; je weiter nämlich ich in ihm fort- schritt, desto grössere Schwierigkeiten stellten sich dem in bd. III beabsichtigten abschluss desselben entgegen. Denn da während des kriegs ich oft hörte, dass die für mein unternehmen noth wen- digen notizen in gewünschter Vollständigkeit erst nach dem krieg herbeigeschafft werden könnten, war auf diesen Zeitpunkt zu war- ten zur genüge angedeutet : ich habe aber nichts desto weniger, wie die vorliegenden hefte zeigen, doch, wenn auch langsam, ohne Unterbrechung fortgearbeitet. Als aber nach dem ersehnten frie- den die lücken ausgefüllt und das ende herbeigeführt werden sollte, offenbarte sich bei <len>v grössern universi täten die Unmöglichkeit, durch diese in den Jisteju ;-voll£tätidigkek zu .erreichen , vor allem wegen der Unsicherheit der betreffenden vorstände und behörden über den verbleib der commilitoneq. Meine in den heften 9 12 des bds III erscheinenden listen werden" demnach trotz aller aufge- wandten mühe in vieler beziehung unvollständig und ungenau aus- fallen; ich will aber diesem übelstand nach kräften abzuhelfen ver- suchen. Denn bei der zu meiner freude vielfach anerkannten mannig- fachen Wichtigkeit dieses Verzeichnisses bin ich entschlossen, selbiges zu überarbeiten und nochmals in so viel als möglich berichtigter ge- stalt dem publicum vorzulegen : um dabei aber billigen anforderun- gen zu genügen, bedarf es nach jetziger Sachlage, des mitwirken» der überlebenden kämpfe r selbst: an diese richte ich somit Philo!. Anz. IV. 1

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2 Vorwort

hier die bitte, wo sie in den bd. II und III gegebenen Verzeich- nissen entweder über ihre gefallenen collegen und commilitonen oder in betreff ihrer selbst, anslassungen oder ungenauigkeiten, irr- tbümer u.s.w. finden, davon mich baldmöglichst in kenntniss setzen zu wollen; zugleich ersuche ich aber auch an dieser stelle alle vor- stände und beb örden so wie die verwandten und an ge- hörigen der kämpf er auf das dringendste, mich für die neue bearbeitung bereitwillig und nach kraften zu unterstützen.

Gleichzeitig mit dem verzeichniss gedenke ich die chronik abzuschliessen; liegt auch das material zu einer nach allen seiten gerechten darstellung des denkwürdigsten kriegs annocl) unvoll- ständig vor, für meine zwecke wird das vorhandene genügeu. Kaum steht aber Deutschland nach gewaltigem ringen als sieger glän- zend da, als auch im innern mit erneuter gewalt kämpfe losbrechen, welche in dem bei triumphen auch den gegebenen Verhältnissen rechnung tragenden vaterlandsfreund die besorgniss wachrufen, ob es denn unserm volke und seinen leitern gelingen werde, die nach aussen errungenen vortheile für die im innern zu lösenden aufga- ben befriedigend zu verwertbeu. Die lösung verlangt weitern uud selbständigen fortschritt : jedes diesen erstrebende volk vor allen das der freunde ermangelnde deutsche muss seine kriegerische an- läge auf das nachhaltigste entwickeln; es wird aber nur dann seinen feinden überlegen sein, wenn es diese nicht allein in der ausbildung des kriegers, sondern auch durch die cultur und pflege der geistigen anlügen weit übertrifft. Somit hängt aller gedeihliche fortschritt von der erzieh ung des Volkes ab, also davon, dass diese als die erste aufgäbe des Staats betrachtet und als solche in der Wirk- lichkeit behandelt werde: ist das bei uns der fall ? entspricht die einrichtung der dieser aufgäbe obliegenden Staatsanstalten den be- dürfnissen der gegen wart? Weifen wir einen blick auf die Volks- schule, so sind dem dieser zugewiesenen (heile deutscher natioa neuerdings in rascher folge grosse politische freiheiten und grosser politischer einfluss anvertraut und ich meinerseits wünsche ihm die- sen erhalten und thunlichst erweitert: aber soll dieser fortschritt zum segen gereichen, so muss die Volksbildung gleiche höhe mit der politischen freiheit erstreben; möge man, da das erreichen die- ses ziels die zeit von generationen erfordert, selbst wenn vor dem ziele für die gegenwart gar beschwerliche wirren auftreten, weise sich gedulden uud durch momentane Schwierigkeiten sich nur ver-

Vorwort. S

anlasst sehen, die zahl der schulen in innerer den Verhältnissen an- gemessener Verschiedenheit zu mehren, den Unterricht zu vervoll- kommnen und ehen darum dem lehrer einen auskömmlichen gehabt sichern, der staat also schon um der ehre des Staatsdienstes wil- len es nie an dem fehlen lassen, was hei uns allein das wahre gedeihen auf diesem felde noch immer hemmt, an deu der Wich- tigkeit der sache entsprechenden geldmitteln.

Eine andere Stellung nimmt das gymnasium ein, jetzt leider nicht die ihm gebührende. Denn das gymnasium bleibt für den im staate einflussreicbsten volkstheil als die grundlegende die bei weitem wichtigste anstalt , dient am kräftigsten dem schütz und der förderung und der weiten Verbreitung wahrer cultur; dass es jetzt anders und ungünstig angesehen wird, ist eine beklagenswer- te und vom preussischen staat zumeist verschuldete erscheiuung. Denn da dieser staat in folge der ohne ausreichende kräfte zu be- hauptenden Stellung als grossmacht den für die geistige erziehung der nation erforderlichen bedeutenden aufwand sich versagen musste, dagegen doch diese erziehung und vor allen den gymnasial - Unter- richt trotz der nur eine Zeitlang mit vorliehe behandelten realsclm- len als für die förderung seiner hauptsächlich militairischen zwecke ganz besonders befähigt klar erkannte, so suchten die leitenden be- hörden die gymnasien für die verschiedensten kreise dadurch nutz- bar zu machen, dass an stelle der nur wissenschaftlichen und somit idealen richtung des Unterrichts eine, ich möchte sagen, enkyklo- pädische trat : dies führte zur einengung des Studiums der bis dahin vorherrschenden classischen sprachen, zur heranziehung bis- her ausgeschlossener lehrstoffe, zur ausdehnung schon vorhande- ner, zu manchen sonstigen änderungen , die alle in der verderb- lich genug allmählig zu einem Staatsexamen umgeschaifenen ma- turitäts- prüfung gipfelten. Dass diese dem deutschen wesen wi- dersprechenden maassnahmen bei der masse Unterstützungen fanden, erklart sich einerseits aus einer reaction gegen das alterthum : als die philologie in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts durch jugendlich kraftige entwicklung die schönste popularität errungen glaubte man nicht weit genug sie auf der schule treiben zu kön- nen und übertrieb : andrerseits aus einer immer mächtiger auftre- tenden materialistischen Strömung, die begünstigt von engherziger politik und irriger auffassung des altert hu ms die ausdehnung des Unterrichts auf neuere sprachen, geographie, naturwissenschaften

1 *

4 Vorwort.

u. s. w. laut als gewinn begrüsste. Dass bei dem durch derarti- ges experimentiren geübten drucke das, was geleistet worden, ge- leistet ist, erklärt sich aus der zäbigkeit des deutschen volksgei- stes, dem verhalten der kleinstaaten, die dem preussiscben system gegenüber sich meist abwehrend verhielten, vor allem durch die stille Opposition oder vielmehr durch die nicht genug anzuerkennende auf- opfernde hingebung des philologischen lehrerstandes. Aber ist der grund des drückenden Systems geschwunden, die grossmacht fest be- gründet, so muss auch der druck und mit ihm das auf ihn basirte System fallen, zumal dessen naclitheilige Wirkungen grell genug hervortreten. Denn die durch obiges dem gymnasium gewordene, mancher eitelkeit schmeichelnde Selbständigkeit hat vor allem den Zusammenhang zwi- schen gymnasium und Universität gelockert, ein übelstand von gröss- ter tragweite. Man frage nur einmal den Juristen auf der Univer- sität, ob für seine vortrage die kenntnisse der zuhörer im latein ausreichen und er wird es leugnen, auch behaupten, früher sei das besser gewesen. Der philolog muss leider dem beistimmen: er vermisst Übung im lateinsprechen, fertigkeit im lateinschreiben, Si- cherheit in der grammatik und anderes, vor allem passliche Vor- bereitung zum selbständigen arbeiten, alles dinge, die, soll die Uni- versität auf der ihr zukommenden hohe bleiben, von der schule mit- gebracht werden müssen. Damit dem gründlichst abgeholfen werde, bedarf es zwar der beseitigung vieler nur zum tlieil im obigen ange- deuteter übelstände, als völlige trennung der sg. realklassen vom gymnasium, Schutzmittel gegen übeifüllung der classen, entfernung der scliulräthe vom Vorsitz in der muturitatsprüfung, vor allem aber solcher erweiterung des Unterrichts in den clussischen sprachen, dass mit der Sicherheit in ihnen wirkliche liebe zu ihnen wieder er- wache. Aber das bedürfniss der zeit erheischt auch das aufge- ben des prineips, den Unterricht in allen gymnasien auf gleiche weise einzurichten ; es sollte vielmehr in den dem alterthumsstu- dium beigeordneten Wissenschaften Verschiedenheit walten , so dass während an dem einen gymnasium als zweites hauptfach die ge- schieh (c hervortrete, an dem andern dies der mathematik zukomme, andre lehrzweige dagegen zurücktreten, auch dem eignen willen der lernenden überlassen bleiben: es mag wohl bei der mannichfaltig- keit der äussern, die gymnasien beeinflussenden bedingungen hie und da anders zu helfen sein : nur nenne man nicht solche mittel, die mit dem gegenwärtigen nothstande abzurechneu suchen. Unsre

Vorwort. 5

vorschlage, welche errichtung noch vieler schulen in sich fassen, werden allerdings aufwand an geld erfordern: aber wir haben es ja: warum es also nicht für das edelste, für das beste auf- wenden ?

Wenn nun schon aus dem gesagten dem lehrer manche vortheile erwachsen: bescbränkung und doch grössere freibeit des Unterrichts, Wegfall des Zwanges halbjährlich übergrosse partien der klassiker erklä- ren zu müssen : so verlangt noch ausserdem die materielle läge desselben dringend Verbesserung. Weniger allgemein anerkannt und doch wohl eben so sehr geboten erscheint aber die erhohung des etats für die gymnasial -bibliotheken. Denn wie soll man es nennen, dass dem lehrer und namentlich dem philologischen das für gründlichen Unter- richt durchaus noth wendige material dauernd vorenthalten wird? Vergil wird gelesen : es fragt aber niemand, ob dem erklärer der commentar des Servius, ob die ausgaben von Heyne - Wagner, von Ribbeck zu geböte stehen: die so nöthigen altern, wie Cerda, sind schon ganz verschollen. Die grossartige entwicklung unsrer Wis- senschaft verlangt gebieterisch Zeitschriften: kommen sie dem gym- nasium zu gute % Wohl hilft die regierung zuweilen aus; aber der natur der sache nach ungenügend: nun sehe man, wie diesem vom Staate verschuldeten mangel die collegien abhelfen : sie ver- wenden die den maturitäts- prüfungen entfliessenden gehler zu sol- cherlei anschaffung, sie errichten lesevereine und schenken das mit ihren geringen mittein beschaffte der schulbibliothek mit einem worte, es entwickelt sich hier in der stille ein Patriotismus, wie er selten in zweigen des Staatsdienstes betroffen werden dürfte. Aber auch der stärkste bogen zu stramm gespannt, zerbricht: bringe man hülfe zur rechten zeit und somit baldigst: sie besteht auch hier lediglich in geld! Warum es hier nicht aufwenden? hat man es doch für die ausbildung des offiziers; denn wo dieser sich bildet, fehlt es nicht an büchern, an karten ; was aber vor allem an- dern ihn bildet, ist der angemessene Wechsel von theoretischen Stu- dien mit der praxis. Warum dasselbe nicht auch für den gym- nasiallehrer schaffen? warum nicht dem hoffnungsvollen jungen gymnasiallehrer nach den ersten jähren des amtes mittel schaffen, um auf der Universität oder an anderm passlichem orte ohne exa- mensfurcht eine Zeitlang nach eigner neigung zu studiren ? warum ein gleiches nach längern jähren dem bewährten lehrer nicht gön- nen, wenn der Wissenschaft daraus vortheil erwächst? Da wir das

$ Vorwort.

geld haben, warum es nicht für das edelste, das beste, für die erziehung der nation aufwenden?

Die gymnasien bedingen die blütbe der Universitäten, unserer höchsten bildungsanstalten: daher kränkeln auch diese und zwar schon lange; schönfärbende reden heilen mitnichten. Vor allem krankt auf ihnen die philologie; denn abgesehen von ihrem vorzugsweise engen Zusammenhang mit der schule, abgesehen von der Unzuläng- lichkeit der seminare nur in Göttingen hat man ohne irgend zuthun des curatorium den bedürfnissen der zeit zu entsprechen gesucht hemmen der neuzeit eigenste maassnahmen befriedigen- den aufschwung und erfolg. Denn befindet sich nach mancherlei mühen des professor der studiosus kaum auf wissenschaftlicher bahn, plötzlich verlässt er sie er muss in die letzten semester gelangt sich auf das Staatsexamen vorbereiten, muss philosophie, geographie, religiou, vor allem neuere geschichte und altdeutsch lernen: „habe ich nicht diese Vorlesungen gehört, nicht dieser societät wenig- stens ein jähr als mitglied angehört, so mache ich ein schlechtes examen", lautet es, bei guten unter klagen: mit wie viel recht, lasse ich natürlich dahingestellt sein. Und nun wird die philologie zur nebensache, eine vielversprechende, auf eigne neigung begrün- dete entwicklung unterbrochen, das leben des freien, beglückenden forschens mit der Zwangsjacke des reglements vertauscht. Daraus entnehme man, welche Verwüstung im Studium der philologie auf Universitäten die sg. wissenschaftlichen prüfungs - commissionen an- gerichtet haben. Ganz natürlich : denn folgerichtig verderben sol- che commissionen^ nicht den Studenten allein , auch den professor, indem die lehr- und lernfreiheit, das palladium der deutschen Universitäten, nun vernichtet und die Universität auf das unverant- wortlichste an ihrer empfindlichsten seite unheilbar geschädigt wird. Der edle wettkampf unter den lehrern muss aufhören, da zu dem mitglied der commission der hörer schon kommen muss; der Zwie- tracht sich thür und thor öffnen, da der onkel den neffen , der Schwiegervater den Schwiegersohn in die commission als das för- dersamste mittel für volle collegien zu bringen sucht, die Wissen- schaft verliert, da durch die masse der von der commission ver- langten höchst zeitraubenden arbeiten der professor seinem wissen- schaftlichen berufe entzogen und zum praktiker umgewandelt wird. Und was das schlimmste ist, durch all dies selbstmörderische thun wird der zweck, abhaltung der untauglichen vom Staatsdienst, doch

Vorwort. 7

nicht erreicht: es scheint eben das eigentümliche verhältniss zwi- schen Studenten und professoren unbeachtet geblieben, welches al- lein schon der einrichtung eine genügende bürgschaft für die tüchtig- keit des bestandenen entziehen inuss. Somit müssen die Universitäten aus pflicht der selbsterhaltung auf beseitigung dieser verderblich- sten einrichtung dringen, die, dauert sie fort und würde sie gar auf andre facultäten ausgedehnt, die wahre aufgäbe der Univer- sität, welche einer unsrer besten männer dahin formulirt, „dass nur die Universität blühe, in welcher die forsch ung den Un- terricht an die tiefe und der Unterricht die forschung an das leben knüpfe", grade zu unmöglich machen müsste. Und das bes- sere liegt ja gar nicht fern: bedarf der staat der prüfungen, so müssen die sitze der dazu nötbigen bebörde von den Universitäts- städten entfernt, diese selbst zum geringsten theil aus professo- ren und zwar unter stetem wechseln, zum grö'ssten aus gymnasial- lehrern und andern passlichen staatsdienern bestehen; dazu müsste, um allem zu genügen wobei ich freilich mein gebiet über- schreite — , ein unsern anforderungen entsprechendes unterrichts-mini- sterium kommen, da die jetzige Organisation mit ihrem eingehen in das detail dem Ungeheuern ihr plötzlich zugewachsenen gebiet nicht mehr vorzustehen vermag, zugleich mit diesem aber eine von der Universitätsstadt entfernte mittelbehörde zwischen ministerium und Universität geschaffen werden, die, den frühern curatorien nachge- bildet, die jetzigen curatoren beseitigte: man sieht auch hier, was bis jetzt das neunzehnte Jahrhundert an den Universitäten geneuert, hat sich nur selten bewährt. Freilich verlangt dies alles geld, vieles geld: aber wir haben es ja: warum es also nicht für das edelste , für das beste aufwenden ?

Dies über das unterricbtswesen, die sorge des vaterlandfreundes; tadelnswertb wäre, wegen der gegenwärtigen schwäche desselben ein- zelne männer, treue diener ihres königs, anzuklagen: der grund der sorge liegt im system: dagegen offen anzukämpfen, nicht das dulden, fordert unsre pflicbt. Denn wenn zum schütz des volkes und seiner edelsten guter das beer unentbehrlich, dieses aber den feind nur bei geistiger bildung niederwerfen kann muss nicht auch der noch so glänzend ausgeführte oberbau , ruht er auf morscher und zer- fressener grundlage, unaufhaltsam zusammenbrechen?

Ernst von Lentsch.

8 2. Palaeographie. Nr. 1.

2. Studia palaeographica. Scripsit I. C. Vollgraff, Phil, theor. et litt, doctor. 8. Lugduni - Bat. S. C. van Does- burgh. MDCCCLXXI. PP. 100.

Die schrift zerfällt in acht kapitel, von denen 1, de male contractis et distractis} de dittograpliiis et eis , quae bis scribenda erant, semel scriptis, 2. de erroribus ortis ex vitios asequiorum pro- nuntiatione , 3. de scriptura unciali, 4. de scriptura minuscula, 5. de antiquissimis abbreviationibus, 6. de notis praepositionum, 7. de compendiis handelt. Die palaeographischen Ursachen also der Verderbnisse in den Schriftstellern und die heilmittel gegen sie sind die längst bekannten; das verdienst der schrift beruht nur darauf, dass anschauliche und sichere beispiele für die einzelnen versehen gesammelt sind. Und dass diese vorzugsweise aus den Schriften holländischer und englischer gelehrten entnommen werden, fällt bei einem Holländer nicht auf. Neben Bentley und Dobree wird besonders Badham , neben Hemsterhuis und Valckenaer namentlich Cobet angeführt. Von Badham werden mehrere, zum theil schöne Verbesserungen zu Piaton und Thu- kydides aus seiner antrittsrede in Sidney, von Valckenaer man- che bisher unbekannte aus seinen Schedae criticae , die sich in der bibliothek zu Leyden befinden , mitgetheilt. Bisweilen fügt der vf. auch eigene vermuthungen hinzu. Diese beziehen sich zum grössern theil auf die scholien zur Odyssee und sie treffen dann meist das richtige. So schob zu £, 162 einXni'jati für ov nlotosi (p. 31. 90), zu A, 568 tide für o78e und siSsvai f. sivai zu v. 580 (p. 34), zu i>, 10 ngoa&qaoftev für ngoOtjao- fiev (p. 67) und v. 14 jrooööäfAev f. ngodcofAev (p.82), zu £, 334 vnodTQSxpai und v. 521 sV vpoißrj f. vn> äfwißjj (p. 80), zu £, 398 xaza ns7QT]Q f. inl ntiQaq (p. 81), zu v, 142 naoamnydq- vui f. neQia£[iq,&7jtat (p. 85), zu §, 230 cög Qovxvdidyg f. xal OovxvdiStjt; (p. 92). Doch sind auch andere darunter, die der vf. in seinem etwas altmodischen notenjargon mit unrecht für sicher ausgiebt. Im schob zu v} 215 will der vf. p. 22 iit'Xms f. Hins schreiben. Ich meine, um hier nicht auf eine schon viel vorgekommene erörterung des Unterschiedes von tVeCneiv und Xeineiv einzugehen, dass tline für diese scholien durch das XeC- nei der handschriften hinreichend geschützt wird. Zu ;r, 305 inl tov ö zovog will der vf. p. 27 aul lesen. Er hat also das scholion falsch aufgefasst: denn es muss vorher heissen to

Nr. 1. 2. Palaeographie. 9

r so äogiazov, wie auch nach La Roche in mehreren handschrif- ten steht. P. 28 vertheidigt der vf. im sehol. zu £, 199 zav izigav, was der cod. harl. in den worten des Kallimachos bie- tet, indem er Ko\o3vuku> zojv izsgoov auf die zwei demen Ko- lonos bezieht. Es ist gefährlich in einem bruchstück , dessen eigentliche beziehung und meinung man nicht kennt, wie sie hier auch Naeke (op. 2 p. 125 ff.) nicht festzustellen vermochte, irgend etwas von dem sinn des ganzen abhängiges ändern zu wollen : aber der gedanke an die beiden Kolonos scheint mir selbst für Kallimachos unpassend. Ich denke mir als das wahrscheinlichste , dass Theseus bei Hekale seinen weg nach Marathon erzählt, und dann scheint Porsons izuocov durchaus passend; vorher würde ich 81juov . bezüglich auf einen vorher von Theseus genannten , nördlich von Kolonos gelegenen ort, schreiben. Zu |, 222 soll der scholiast geschrieben haben k'g- yo»] im yijg sgyaotag für egyöv] rj yecogyla, anb tfjg pgug (p. 43). Aber die weiteren worte des scholiasten zeigen, dass er meint, es müsse hier in tgyov schon eine beziehung auf den ackerbau liegen, weil sonst überall egyov., wenn es etwas ande- res bedeute, einen genetiv, wie "dgqog, bei sich habe. Also ist die lesart der handschriften richtig, so thöricht der gedanke ist, dass ega in sgyov stecke. Aber ich dächte, wir wären an noch andere etymologieen bei den alten grammatikern gewöhnt. Zu r, 174 soll rwv fit] ava^icav aus zä>r ^/} uvanCmv verdorben sein (p. 65). apatri'cov für unschuldig ist in diesem zusammen- hange kaum zulässig; vielmehr ist wohl nur ftrj a^lmv das rich- tige. Es sind aber zwei scholien zu scheiden: no\ino\ anav- rar] ort xai zäv \ir\ a^i'oov. und antmove^ (*r) iärzsg avzoig nr\- fiaivsaüai. Zu v, 215 will vf. p. 85 nag a zi\v uymyrjv JjSCxt]- aav. Aber nsgl z\v aycoyijv ist eben so richtig: in beziehung auf die zurückführung in die heimath. So finden sich auch unter den änderungen in andern Schriftstellern neben manchen guten, wie Eur. Alk. 552 ?j [tägog ü für ti pägog ü (p. 55) und v. 1117 xugazouüv für xagazofAqj (p. 98), die jedoch längst von Lobeck zu S. Aias 801 gemacht war, Arist. Ach. 612 eldev f. olStv (p. 34), aber schon von Bergk vorgeschlagan und in cod. J gefunden, neben diesen und andern finden sich auch manche unrichtige. Z. b. bei Athenaeos 13, p. 592. E will vf. p. 23 Tour' ova i/rofijas lesen, aber warum ist zoiiz' inoirjas

10 2. Palaeographie. Nr. 1.

(dass er die kinder ohne die mutter vorführte) nicht eben so gut? Bei dem bruchstück des Lysias , das Athen. 13, p. 592 E anführt, hat vf. p. 23 übersehen, dass es noch einmal p. 586 E sich findet und dort xal vor ht fehlt , wie vf. es will, weshalb es auch von mir Fragin. oratt. gr. p. 195 längst weg- gelassen ist. Thuk. 1, 18 will. vf. p. 30 mit Badham jut-j'/ara dt] iydvn lesen, wie längst H. Stephanus gewollt hatte, aber discpari] wird durch 2, 51. 4, 108 hinreichend geschützt. P. 33 will vf. bei Ilomer Od. x, 314 = 366 (nicht y, 162 wie dasteht) und an andern orten lae für flae gelesen wissen : er hat nicht an eaag und die ähnlichen öfter vorkommenden for- men gedacht. Bei Plutarch. Fab. c. 16 will vf. p. 79 co avene- q>vQ7o lesen für övvenzcpvoro , aber damit bringt er einen bei Plutarch , wie bekannt , unzulässigen hiatus herein und av/jbrfv- Qsa&ai besudelt werden ist der stelle ganz angemessen. Die banalen phrasen also: Quantocyus repone av£7i£(pVQtoi quod verbum in talibus unice verum esse non opus est docere. sind ganz an unrechter stelle. Ebenso der geschmacklose ausdruck: ubi necessarium esse oti ev mqwovgi vel coeeus videat p. 91 über Plutarchs reg. et imperat. apophth., denn ov xoivovat, nämlich tovzo o nqnasta^s uolvai 6 ßaaiXsvg, ist vollkommen richtig.

J. C. Vollgraff, um zu schliessen , ist nicht ohne kritische begabung, aber es fehlt ihm an geschmack und bescheidenheit. Sonst würde er nicht p. 3 über die Deutschen geschrieben ha- ben: At neque (so braucht er neque einigemal falsch für ne quidem) in vicina Germania criticis sua laus constat aptid omnes. Et olim fuit et nunc superest obscurum quoddam genus anonymorum, qui quidquid e scriniis philologorum, nostratium imprimis, prodit in lucem cupide damnant, despicatui habent, derident cum ira et stu- dio prope Dorvillianis. Ecquando haec natio iniqua bella compo- netf Nihil tarnen istorum (iixQO\pv%ia umquam movit popidares nostros, qui fiiya qionvovvreg illa omnia non midtum curare assolent. Was irgend in Holland tüchtiges geleistet wird, findet in Deutsch- land volle anerkennung, wie, um die früheren nicht zu erwähnen, Geel, Bake , Hofmann - Peerlkamp, Cobet zur genüge zeigen. Der entgegengesetzte Vorwurf, dass man in Holland sich gern abschliesst und viele sich um das, was Deutsche leisten, wenig

kümmern, würde vielleicht eher berechtigt sein.

H. S.

Nr. 1. 3. Griechische grammatik. 11

3. Leopoldi Schmidtii observationes de analogia et anomalia in syntaxi graeca. (Universitätsprogramm). 4 Mar- burg. 1871. pp. ix.

Der Verfasser hat zu den früher erschienenen abhandlungen (De omissa apucl optativum et eoniunctivum äv parlicula commen- tatio. Marb. 1868. s. Philol. Anz. I, p. 2 5: De tractandae Syn- taris graecae ratione commentatio. Marb. 1871. s. Philol. Anz. III, p. 8—10) die obengenannte hinzugefügt, welche nicht min- der geistreich als die früheren ist. Selbst wenn man die grund- anschauung des verf. nicht ganz zu theilen vermag, so legt man doch keine seiner arbeiten aus der hand, ohne dabei tiefgehende anregung empfangen zu haben. Schmidt ist nämlich der ansieht, dass der feste usus bei der spräche vor allen dingen in be- tracht kommt. Bei vereinzelten abweichungen von demselben ist dann zuerst die handschriftliche Überlieferung in's äuge zu fassen; denn aus einigen schlecht überkommenen stellen gleich eigene Sprachphänomene ableiten zu wollen, bleibt immer eine gewagte sache. Etwas anderes ist es, wenn vereinzelte erschein nungen sich auf gute handschriftliche quellen stützen. Hier sind wir verpflichtet, nach der ratio der erscheinung zu forschen und, falls sie stichhaltig ist, die erscheinung trotz der Verein- zelung zu aeeeptiren. Hiebei darf jedoch nicht verschwiegen werden , dass die zahl der dissentirenden stellen immerhin mit in die wagschale bei der entscheidung gelegt werden muss. So sind wir, um gleich einen speciellen fall anzuziehen, vollkom- men mit dem verf. (p. v) einverstanden, dass die Verbindung des futurs mit uv statthaft ist. Der Sprachgebrauch wird aus Plato, für den uns so gute quellen zu geböte stehen, genügend festgestellt. Mit recht betrachtet der vf. Eep. X, 615 D als entscheidendes zeugniss und weist völlig überzeugend die con- jeetur Sauppe's zurück. Aus Plato lassen sich zu den bekann- ten beispielen noch hinzufügen: Euthyd. 274 E ftaXiot* uv tiQ07Qt\pe7s etg cptloaoqi'uv, wo das futurum durch den Clarkia- nus bezeugt ist, und das. p. 287 C, wo wahrscheinlich zu lesen ist y.a) vvv ot>5' uv 'miovv anoxgivti, denn der Clarkianus hat hier annxottet ohne accent, der Vaticanus aber anoxotiei. Steht av mit indicat. futuri fest, so ergibt sich weiter, dass daraus uv mit dem optat. futuri in der oratio obliqua wird. Also auf die oratio obliqua ist dieser gebrauch des uv mit dem optat, futuri

12 3. Griechische graramatik. Nr. 1

zu beschränken. Aber auch hier sind die beispiele sehr spär- lich und fussen auf keiner guten Überlieferung. Von ihnen be- handelt der vf. eingehend und umsichtig Lys. I, 22 elScog 8' syeo oti TTjvixauTa aquyfievog ovdev av ttazaX7j\pot7o otxoi iäv iniT7]8sio3v} um die Bekker'sche vermuthung ovdha für ovdsv av , welche auch Sauppe billigt, als unbegründet nachzuwei- sen. Wenn der verf. weiter auch Xen. Cyrop. VII, 3, 10 ov iovto ivsvösi o ti TTsCaoizo, äXXa iL av noir)aag aoi %aol* aono zu vertheidigen sucht, so vermag ich ihm nicht bei- zustimmen. Hier liegt doch ausserordentlich nah, %aoiGai70 zu ändern, und niemand wird statt dessen zu laoiolro grei- fen. Auch was der vf. über einen unterschied des futurums in (am und in vermuthet, scheint verfehlt zu sein. Den schluss der abhandlung bildet eine eingehende behandlung von PI. Symp. 175 B, wo von unwesentlichen dingen abgesehen Clar- kianus und Vaticanus (ich füge noch den von mir in den ver- gangenen herbstferien verglichenen Venetus II hinzu) geben: jvdvzoag Ttagatl&srSj 6n av ßov/Tja&s, ijttiSuv 7ig ifxlv (xtj ecpe- Orqxei' o eyco ovdsncönoTs innCijaa. In dieser stelle handelt es sich in erster linie um die richtige auffassung von o iyco oüß«- Trtan 07 s inoirjna. Es fragt sich, ob damit gesagt werden soll, vorher habe niemals beauf sichtigung der sklaven oder es habe vorher niemals nich tbeauf sich t igung derselben statt- gefunden. Es unterliegt keinem zweifei, dass nach dem vor- gange Vermehrend (Plat. Stud. p. 42) mit dem vf. im letzten sinne entschieden werden muss. Es fragt sich nun weiter, wie die worte £n£i8av (irj icpsaztjxei zu emendiren sind. Man sieht, schon grammatisch sind dieselben unmöglich. Mit der correctur des icpsotijxei in sq>£GT>]yy ist der grammatik, nicht aber dem sinne genüge geschehen. Wenn aber der sinn der worte o inoitjau der oben angegebene ist, so kann in dem vorausgehenden der gedanke liegen: sklaven, heute werdet ihr ausnahmsweise nicht beaufsichtigt. Es springt in die äugen, dass dieser gedanke nur mit inei, nicht mit irzsidav an das vorhergehende närzcog naQaz!&£7£ ozi av ßovXrjo&£ angeschlossen werden kann. Der vf. statuirt nun hier eine stufenweise verderbniss. Zuerst sei ov vor fit) aus- gefallen, dann von einem zweiten Schreiber inel in in£i8av verwandelt worden. Er schreibt daher: ittei rig vpiv ov /*/)

Nr. 1. 4. Homeros. 13

icpsGzijxr}. Allein da in den ältesten und besten handschriften icpeoTt'jxsi überliefert ist, so müsste der process des verderbnis- ses durch drei stufen hindurchgegangen sein: 1) ausfall von ov, 2) Veränderung von sntl in sneidäv, 3) Verwandlung des eye- Gzijxr] in iqtaTtjxtt. Es hängt nun alles davon ab, dass die letzte Verwandlung nicht früher erfolgt ist, denn dann wäre ja kein grund abzusehen, warum ein Schreiber intl in inei- bav verwandelt haben sollte. Dies macht sonach die conjectur verdächtig. Es kommt aber noch hinzu , dass in der emenda- tion des vfs. das itg höchst bedenklich ist. Offenbar wäre es doch das natürlichste gewesen, zu sagen ovdelg fxq icpearqxy.

Wir bitten schliesslich den verf. , uns recht bald wieder mit einer grammatischen abhandlung zu erfreuen. M. Seh.

4. Homers Odyssee. Für den schulgebrauch erklärt von Dr K. Fr. Ameis. Zweiter bd. Zweites lieft. Gesaug XIX XXIV. Vierte vielfach berichtigte aufläge besorgt von Dr C. Hentze. 8. Leipzig. Teubner. 1871. IV u. 163 s„ nebst einem anhange p. 116 125. 12 gr.

Da mit diesem hefte ein anderer als der Verfasser die neuen ausgaben dieses als tüchtige leistung anerkannten Schul- buches zu besorgen übernommen hat, erscheint es nicht unpas- send die arbeit des neuen bearbeiters zu betrachten. Die kurze vorrede lässt entnehmen, dass Hentze seine Selbständig- keit Ameis gegenüber festhalten und nach eigenem ermessen bessern und ändern wird. Mit recht. Denn abgesehen von manchen eigenthümlichen ansichten des verstorbenen Ameis schreitet doch wohl unsere Wissenschaft im laufe der zeit weiter vorwärts und stellt noch mehr dem wesen der sache entspre- chende grundsätze auf: geschieht dies, dann wird es kaum ir- gendwo mehr fühlbar sein, als bei Homer, wo trotz so vieler vortrefflichen arbeiten noch alles eigentlich im flusse und im werden begriffen ist. Denn da die behandlung der homerischen Sprache mit den ansichten über die entstehung der griechischen und deren Zusammenhang mit den andern gliedern des mittel- ländischen sprachstamms in engster Verbindung steht, hängt etymologie und somit die wichtige bestimmung der grundbedeu- tung vieler worte von den richtungen in der vergleichenden grammatik ab und bleibt mancherlei Schwankungen unterwor-

ü 4. Homeros. Nr. JL

fen. Darüber tröstet sich der philolog leichter: liegt doch, denkt er, der grund dieses mangels nicht auf meinem gebiet. Aber wie steht es denn mit dem eignen gebiet ? Zu diesem gehört bekanntlich die kritik ; sie gebort auch in gewisser weise in die Schulausgaben der für die höhern classen bestimmten au- toren: wie erscheint sie denn im Homer? Ich brauche nicht erst zu sagen , wie vortreffliche leistungen hier den forscher fördern: aber die Schulausgaben ignoriren kritik fast gänz- lich, so dass von handschriften , so wichtig sie auch sind , von Varianten und conjecturen, sonst das Steckenpferd des philologen, gar keine rede ist und man meinen sollte, der Schulausgaben wegen habe unser herrgott die homerischen gedichte grade so erhalten , wie ihr Verfasser sie vor dreitausend jähren gesungen habe. Es ist freilich an diesem köhlerglauben etwas wahres; es verdiente unter die grössten wunder der weit gerechnet zu werden, dass ein so uraltes gedieht, wie z. b. II. *P' in solcher reinheit, wie wir es jetzt noch besitzen, sich hat erhalten können: schon um deswillen dürfte kritik hier nicht iguorirt sein. Doch macht davon, wie ich erst jetzt sehe , die ausgäbe Kayser's eine rühmliche ausnähme: manche ihr jetzt gewordene schöne bemerkung verdankt der berücksichtigung der kritik ihr dasein. Aber im ganzen ist man auf diesem gebiet zurückgeblieben, es wird also, sollte man meinen, die exegese, das eigeaste feld des philologen, um so üppiger blühen. Aber thäte die erklä- rung ihre Schuldigkeit, gäbe es keine sg. Homerfrage; denn wird ein gedieht nach der richtigen von Schleiermacher und Böckh (s. Boeckh. Pindar. H, 2, praef. p. 7) schon angebahnten me- thode erklärt, können fragen wie die über einheit gar nicht um- gangen werden, weil auf diesen die auffassung und erklärung des einzelnen beruht: so wie aber im Homer nur erst ein- mal ausgesprochen war , die Homerfrage sei von der erklärung zu scheiden, hat man dankbar die Verkehrtheit aeeeptirt und erklärt ohne sie. Wo bleibt da die deutsche gründlichkeit?

Unternimmt demnach jetzt ein philolog , der es gut mit seiner Wissenschaft meint, eine ausgäbe der homerischen gedichte, so muss er mit gar manchem jetzt bestehendem gründlichst bre- chen. Dies aber von uuserm vf. bei diesem hefte zu verlangen wäre nicht gerechtfertigt, da er vollkommen richtig iu der vorr. p. HI sagt: „die rücksicht darauf" (dass dem herausgeber Ameis'

Nr. 1. 4. Homeros.

handexemplar vorlag) „so wie der umstand, dass dies das letzte heft eiuer vom herausgeber noch selbst besorgten aufläge war, legten es mir nahe, mit Veränderungen sparsamer zu sein, als ich unter andern umständen gewesen sein würde. Ich habe mich daher darauf beschränkt, wo entschieden richtigeres ge- funden war zu bessern , manche für die auffassung der schüler schwer verständliche erklärung durch eine einfachere zu ersetzen und hie und da den anmerkungen eine zweckmässigere fassung zugeben: dagegen sind eine reihe von abweichenden erklärun- geu in die dem hefte beigegebenen zusätze und berichtigungen verwiesen". Diese liegen denn auf einem losen, 116 125 paginirten bogen bei : man erfährt aber nicht , worauf diese paginirung sich beziehe: man muss als herausgeber aber auch auf solche kleinigkeiten aufmerksam sein. Fassen wir diese zusätze nun ins äuge, so bezieht sich die erste bemer- kung auf tftTiqg in r, 37 : sunt]*; fioi ro?%oi /Atyüomv -atX., wo Hentze allerdings mit recht von Araeis abweicht: aber ob die erklärung des i(*n^g durch certe, jedenfalls das richtige treffe, möchte ich bezweifeln, indem kaum abzusehen, wie dieses wort zu solcher bedeutung komme. Kayser zu ff, 353 beruft sich frei- lich auf die Zusammensetzung desselben : aber das ist doch auch nur vermuthung: denn Apollonios, der das wort so oft gebraucht, kennt es nur adversativ: auch Argon, lll, 260, wo runtjg aber nur an dieser stelle wagt dies der dichter eine rede beginnt, ist es der regel gemäss gesetzt. Meines erachtens war Ameis auf dem rechten wege, wenn er an ellipse dachte : vs. 36 spricht Tele- mach zweifelnd, und den gedanken: „oder soll ich schweigen um der «icr^/oc willen", unterdrückend fährt er mit 'i^nrjg doch es leuchten fort: dies bestätigen die worte des Odysseus vs. 42. 43; so auch Od. ff, 353, wo ich glaube, dass ein oder zwei den in r, 42. 43 entsprechende verse ausgefallen sind; 'ifAni^g steht also ähnlich dem aXXä, 8s u. s. w. im anfang von re- den, s. Philol. XXIX, p. 661. XXX, p. 197. 208: ver- wandt unserer stelle erscheint Theogn. 817. Auch die folgende bemerkung über ai/ty t, 104 reizt mich zum Wider- spruch: ich meine, es stellt das pronomen die königin der Me- lantho gegenüber, „ich die herrin", so dass stellen wie Od. £, 99 ÖfAtoaC zu nat ulrij zu vergleichen, und finde dies durch Pe- nelope's rede vs. 91 vorbereitet ; demgemäss finde ich t, 509

1$ 4. Homeros. Nr. 1*

einen gegensatz zu Eurykleia in avTtj. Aber um auf eine wichtigere stelle zu kommen, v, 14 xQadi't] de oi hSov vtuxiet, schliesst sich vf. an Nutzhoru die Entsteh, cett. p. 137 an, der übrigens keine gründe für seine ansieht beibringt: die meinung ist nun, dass Odysseus wirklich herzklopfen gehabt und dies mit hundegebell verglichen werde: so schon Eustathios. Ich will nun gern zugeben, dass Odysseus in seinem leben herz- klopfen zuweilen gehabt habe, obgleich Homer doch selbst in dem abentheuer bei Polyphem davon nicht spricht und mir dergleichen bei einem helden eben nicht in den sinn will : aber herzklopfen und selbst das eines heros mit einem nvwXayfibg zu vergleichen, scheint mir eine noch grössere und daher unzulässige hyperbel, als wenn der verwundete Ares stärker als 10000 mann schreit. Vielmehr ist xgadiq vlüxtti wie z. b. r, 92 o Gfj x.£q)u.\{\ drafid^sig aus der Volkssprache genommen und bezeichnet der ebenfalls volkstümlichen rydug vhamovaa, des Maecius (Suid. s. vlaxTovarj) und dem stomachus latrans des Horaz entsprechend lediglich die innere bewegung des gemüths, welche vs. 10 die worte nolld 8s ^{(j/jt'joi^s xr).. beschreiben, so dass in dem gleichniss selbst in vs. 15 fis/jtopev re (tax^aOui die hauptsache enthalten. So erst entspricht auch das gleichniss der natur der hiindin : den ihr gefährlich scheinenden unbekannten bellt sie in aufregung gekommen an und überlegt bei dem bel- len, ob sie zubeissen soll oder nicht : grade in solcher aufregung ist Odysseus und in ihr überlegt er, ob er die mägde tödten soll oder nicht. Um mit einer allgemeinen bemerkung zu scbliessen, der vf. scheint mit Vorliebe die versuche der ver- gleichenden grammatik, homerische worte zu erklären, zu be- achten : wir haben gar nichts dagegen, nur möchten wir wün- schen, dass darüber streng philologische arbeiten nicht verges- sen würden: wenn bei t, 224 wegeu h-duXhtftai. auf Fulda ver- wiesen wird, war auch auf Merkel. Apoll. Rhod. proll. p. ci zu verweisen, weil man das material bei diesem am besten findet. Hieraus wird man entnehmen, dass der neue herausgeber trotz der spärlich ihm zugemessenen zeit eifrigst und mit erfolg bemüht gewesen, die brauchbarkeit des ihm anvertrauten buchs zu erhöhen: man darf sich also freuen, dass die weitere her- ausgäbe desselben einem gelehrten so ernsten strebeus übergeben woi'den. Eben deshalb kommen wir auf uusre Vorbemerkungen

Nr. 1. 5. Alkman. H

noch einmal zurück. Wir haben mehre sg. Schulausgaben Ho- mers, alle sich sehr ähnlich: warum suchen sie sich nicht durch einschlagen neuer wege zu überbieten? Man sollte doch um der aufgäbe zu genügen und fortschritte anzubahnen vor allem 1) der kritik den gebührenden räum gestatten : es ist kein grund vorhanden, bei Homer anders als z. b. bei Sophokles zu verfahren. Dafür müssten 2) die scholien und Eustathios mehr berücksichtigt } zum theil wörtliche auszüge aus ihnen gegeben werden , wie J. A. Müller und Baumgarten-Crusius schon ver- sucht haben, damit die methode und spräche der alten erklärer bekannter würden; ein paar bogen den Ameis'schen anhängen beigegeben könnten hier ungemein viel gutes wirken. Ueber- haupt ist es ein nicht genug zu beklagender umstand, dass den studirenden die scholienliteratur so schwer zugänglich ist : man sollte dem mit aller macht zu steuern suchen; denn es wirkt leicht nachtheiligst in dem folgenden leben nach. Und endlich 3) ist auf passende weise die Homerfrage zu verwerthen: wo z. b. Lachmann angestossen ist, hat der erklärer, auch wenn er Lach- mann's ansieht nicht mittheilt , in seiner erklärung zu sorgen, dass der leser wo möglich auf die richtige auffassung geleitet und vor irrthum und Verführung bewahrt werde. Man hat ähn- liches schon gethan , wie in diesem hefte von xp, 296 an auf die unechtheit der partie öfter aufmerksam gemacht wird: aber, wie ich meine, für den Jüngern verwirrend; um hier richtig zu verfahren, dazu gehören praktische einleitungen zu den verschie- denen büchern, auf die bedacht zu nehmen, wir den herzusge- bern ganz besonders ans herz legen möchten. Es gilt dies auch für die kritik : Kayser's noten verlangen eine grundlegende einleitung. E. v. L.

5. De Alcmane poeta Laconico. Diss. philol. scr. Theo- dorus Niggemeyer, presb. Paderb. Monasterii 1869. 8.

Man war schon im alterthum zweifelhaft darüber, ob die blüthezeit Alkmans in die erste oder in die zweite hälfte des siebenten Jahrhunderts zu setzen sei: einige gaben ol. 27 oder 30, andere ol. 42 an. Der verf. der genannten dissertation entkräftet im ersten abschnitt derselben die gründe, mit welchen man die frühere Zeitbestimmung zu widerlegen suchte und spricht sich zu gunsten derselben aus. Dem negativen theil dieser beweis- Philol. Anz. IV. 2

18 5. Alkman. Nr. 1.

führung wird man zustimmen müssen ; was aber dann Nigge- meyer seinerseits vorbringt, um jene angäbe als besser beglau- bigt und wahrscheinlicher zu erweisen, ist von geringem belang, und mit demselben recht, mit welchem er sie auf das initium iuventu- üs bezieht (p. 6), lässt sie sich mit annähme einer öfter vorkom- menden Verwechslung, als die des geburtsjahres betrachten. Der zweite abschnitt handelt de metris Alcmanis, und zwar werden zuerst die in den fragmenten Alkmans vorkommenden verse aufgezählt. Der Verfasser hält sich beinahe durchgängig an den Bergkschen text ; aber da derselbe häufig auf conjectur beruht, so bleibt auch hier vieles in hohem grade unsicher. Falsch ist die angäbe p. 16, dass fr. 60, v. 3 mit einem spondeus be- ginne. Weil der katalektische iambische trimeter am anfang der dritten dipodie die länge nicht zulässt, will der Verfasser nach dem Vorgang anderer diesen vers als „monometer trochaieus cum anacrusi et ühyphallicus" aufgefasst wissen (p. 17); die er- scheinung beruht vielmehr auf dem bekannten bedürfniss, dass am ende des verses das inetrum rein hervortritt. Auch bei der bespre- chung der Strophen Alkmans bedenkt der Verfasser nicht immer die art der Überlieferung; so wenn er (p. 28) fr. 25 und 27 als strophae betrachtet und ihnen eine maioris spatii stropha entgegen- stellt. Was berechtigt uns denn, jene zwei bruchstücke als voll- ständige Strophen anzusehen? Das dritte capitel trägt die Überschrift: cuius Graecorum nationis arti lyricae Alcmanis poesis sit trihuenda. Neben mehreren richtigen , aber nicht gerade neuen bemerkungen findet sich manches , dem entschieden zu widersprechen ist. So die behauptung (p. 41), Alkman verleihe seinen eigenen gefühlen und empfindungen auch in chorliedern ausdruck. Das neu gefundene partheneion, auf welches sich der Verfasser dafür beruft (er nennt es noch irrthümlich einen hym- nus auf die Dioskuren) giebt dafür nicht den mindesten anhalts- punkt: das lob der Agido enthält nichts, was nicht auch von den Jungfrauen passend gesagt sein könnte, und frigayis col. 2 v. 10 gehört zum text des gedichtes. Noch unbegreiflicher ist, wie der Verfasser p. 41 von dem an die Jungfrau gerich- teten fr. 26 sagen kann, durch den sinn ergebe sich: carmen a choro virginum cantatum esse.

Nr. 1. 6. Aeschylos.

6. Aeschylus Prometheus. Erklärt von Dr L. Schmidt. Berlin H. Ebeling und C. Plahn. 1870.

Mit recht bemerkt L. Schmidt in einem nachworte , dass der Prometheus des Aeschylus in der schullektüre noch nicht den platz gewonnen hat welcher ihm gebührt. Die leichtigkeit und durchsichtigkeit der spräche, die verhältnissmässige correct- heit des textes, das grossartige des inhalts, der personen und der handlung, das interesse der ästhetischen auffassung , alles das sollte man meinen wäre grund genug dieses stück den Schülern zur bildung und zum genusse vorzulegen. Daran, dass es nicht geschieht oder wenigstens nicht gewöhnlich ge- schieht, ist vielleicht die liebe gewohnheit, zum theil auch wohl der mangel einer geeigneten Schulausgabe schuld. Die Schul- ausgabe von L. Schmidt „möchte nun das stück weiteren krei- sen als den fachgelehrten zugänglich machen" und gewiss hat sie was die grammatische erklärung betrifft einen verdienst- lichen beitrag dazu geliefert. „Die sachliche erklärung ist auf das unumgänglich nothwendige beschränkt" ; ein grösseres maass würde zumal bei dem Prometheus nicht nur den „weiteren krei- sen" sondern auch der schule sehr zu statten kommen. Der ästhetischen erklärung ist in einer einleitung und in einem an- hange bei der besprechung der bruchstücke des gelösten Pro- metheus soweit genüge gethan, dass die bedeutenderen ansichten über die composition der Prometheustrilogie besprochen werden. Es fehlt jedoch dabei der sichere halt und das bestimmte ziel; der Verfasser schwankt noch zwischen den verschiedenen an- sichten der gelehrten hin und her und hat sich nicht zu ei- nem festen Standpunkt durchzuarbeiten vermocht, ein mangel, der uns auch bei manchen anmerkungen z. b. zu v. 510, 860 fühlbar goworden ist. Doch das liegt vielleicht an der sache selbst und an der ungenügenden Überlieferung. Um aber ins einzelne einzugehen , so muss als sehr lobenswerth hervorge- hoben werden, dass alle bernerkenswerthen eigenthiimlichkeiten der spräche erörtert und durch parallelstellen deutlich gemacht werden. Die früheren ausgaben sind fleissig und mit verstän- diger auswahl benutzt. Auch die Sophokles -ausgäbe von Schnei- dewin-Nauck ist herangezogen worden. Dass dieses immer stillschweigend geschehen , kann man bei dem zwecke der aus- gäbe nicht tadeln; weniger lobenswerth ist es freilich, wenn

2*

20 6. Aescbyloö« Kr.

nicht blos parallelstellen daher genommen , sondern ganze an- merkungen ohne weiteres einfach herübergesetzt werden (z. b. zu v. 458 vgl. zu Oed. Tyr. 802 f.). Einmal hat sich dieses verfahren gerächt, in der anmerkung zu v. 21, wo die lücke nach Soph. Trach. 3 sich aus den anmerkungen der Schneide- winschen ausgäbe zu Trach. 3 erklärt. Ebensowenig ist zu billigen, wenn der herausgeber eines Stückes von Aeschylus die gesammelten parallelstellen des Sophokles entlehnt und nicht die bei Aeschylus vorkommenden betrachtet oder vielmehr zu- sammensucht-, in erster linie soll jeder Schriftsteller aus sich selbst erklärt werden. Auch das muss man rügen , wenn der Verfasser die citate anderer nicht immer nachschlägt oder con- trolirt, wenn er v. 317 und 936 die bei Schütz und Blomfield stehenden citate Cic. Phil. I und Plat. de rep. V ohne nä- here bestimmung lässt, wenn er vs. 907 und 1007 in den ci- taten aus Aeschylus die zahlen Weils aufnimmt, der nach sei- ner ausgäbe citirt, während Schmidt's ausgäbe der Dindorfschen Zählung folgt, wenn er vs. 888 und p. 103 zu vs. 609 die bei Weil stehenden druckfehler oder versehen Thesm. 430 für 438, II. IV, 377 für 277 herübernimmt, wenn endlich vs. 163 das bei Schömann stehende citat Theogn. 89 in der Übertragung zu Hes. Theog. 89 wird. Die textverbessungen des Ver- fassers zu vs. 214 tbv vvv %6lov aagovr upo%doi> aaiöidv , zu vs. 926 rävds ngog nanmv (Med. tcöÖc ngog xu-acoi' pr. xaxui rec.) , der Vorschlag zu Ag. 520 qatÖQolai irjpiog (!) opftaai können wir nicht billigen. An der ersten stelle wird der scharfe gegensatz der in naiöiuv liegt durch das epitheton afxox&ov abgestumpft ; an der zweiten ist das wegen seiner Stellung unberührt gebliebene im 8t- das deutlichste kennzeichen, dass xuxöJ unwillkürlich in den geläufigen casus x«xo5»» überging. Was der Verfasser dabei von scholien spricht , die mit ihren wunderlichen erklärungen auf diese lesart hinweisen sollen, das gilt nur dem schol. B., dessen erklärung hier ganz bedeutungs- los ist. Ich weiss nicht, was der Verfasser für eine ansieht von den scholien hat; aufgefallen ist mir nur, dass er zu vs. 801 Schol. A. und B., nicht aber das medieeische scholion, wel- ches mit dem schol. A. identisch ist, anführt, und zu vs. 877 „Schol. Med. intquivtjfict &Qijvr]Tut6t>j beibringt, was, aus verse- hen wie es scheint, bei Weil steht, für ögijKßÖEg inlydeynaj

Nr. 1. 6. Aeschylos. 21

wie es im med. scholion heisst. Sehr gut ist die änderung von loydai in Xayoai in dem zu vs. 675 aus Blomfield angeführten scholion zu Apoll. Rh. I, 1263. Wenn wir dagegen zu vs. 377 den vers des Cicero so geschrieben finden : Mederi posse rationem (orationemt) iracundiae, so wollen wir nicht hoffen, dass oratio- nem als Verbesserung von rationem gelten solle. Von selbst- ständigen erklärungen des sinnes ist nur die zu vs. 514 zu erwähnen ; die bisherigen herausgeber beziehen dort t?%vtj nach vs. 506 auf die ?txvrI des Prometheus, Schmidt versteht dar- unter nach vs. 87 die kunstvolle fesslung des Prometheus, wel- che Zeus durch Hephästos hat vollziehen lassen : ist das mög- lich bei der allgemeinen fassung des satzes : rs'pjy °^ Kvdyytjg da&srsarsQa fia^QW? Das metrische Schema ist zum grössten theile nach Weil gegeben, auch in vs. 696 , wo Schmidt ei- nen andern text als Weil hat; vs. 901 ist die abweichung des Schema vom texte wohl nur die folge eines druckfehlers (opa- Xbg yäfiog für bfiaXog 6 yd{iog). Störende druckfehler sind nicht eben selten, im texte wie in den anmerkungen; so sind z. b. vs. 55 ff., v. 938 die personenangaben in Unordnung, v. 410 steht avpaifxövcov y 493 tivd für viva, 537 iXniaiv (gegen das versmass) für iXniaiy vs. 1058 fehlt y. Auch andere Uneben- heiten finden sich; so ist z. b. zu vs. 377 von einem griechi- schen bezeichnenden ausdruck ayoiytivra die rede, welcher in der Übersetzung Cicero's verloren gegangen sei ; aber von jenem acpQiyävta ist dort keine spur vorhanden. Im text ist daselbst nebenbei gesagt aus Stobaeus öoyrjg \naxaiag aufgenommen, wäh- rend fiaralag doch nur als ein offenbarer gedächtnissfehler er- scheint und von einer boyt; paraia in der rede des Okeano8 und bei dem zusammenhange des sinnes auch nicht im entfern- testen die rede sein kann. Doch genug der ausstellungen ; wollen wir über dem tadel das lob und das verdienst nicht ver- gessen , welches sich der Verfasser durch seine ausgäbe erwor- ben hat. Wenn derselbe wie es scheint auch eine bearbeitung der Perser und Eumeniden beabsichtigt, so werden wir ihm, ar- beitet er nur sorgfältiger, dafür nur dankbar sein. Gewiss wird eine gute Schulausgabe der Eumeniden auch dieser herrlichen dichtung eingang in die schulen verschaffen.

22 7. Sophokles. Nr. 1.

7. Quaestiones Sophocleae criticae. Particula prior. Scripsit Carolus Georgius Eggert. Paderbornae in llbraria Schoe- ninghiana 1868. 61 s. 8.

Eggert hat sich redlich bemüht verschiedene meistens offen- bare corruptelen des sophokleischen textes zu beseitigen ; er behandelt zuerst fehler, welche durch falsche Verbindung, dann solche, welche durch falsche trennung der Wörter entstanden sind, hierauf wird die vertauschung gleichlautender Wörter, darauf die correctur, welche einen fehler der Überlieferung zu heben suchte und damit neue fehler in den text brachte , endlich das miss- verständniss des sinnes als Ursache der Verderbnisse erklärt und den besserungen zu gründe gelegt. Der erfolg ist kein so bedeutender, als man dem grossen fleisse und der gründlichen Sorgfalt der arbeit wünschen möchte; es ist eben leichter an einem verdorbenen texte herum zu corrigieren als eine evidente oder doch wissenschaftlich befriedigende emendation zu stände zu bringen. Die vorgebrachten conjecturen betreffen vier stücke des Sophokles, die Electra, die beiden Oedipus und die Anti- gone. Als das beste betrachtet ref. die änderungen zu 0. Col. 390 Tt ö' dvr) toiovS' di>8obg SV nou^eiav är, 588 ■/} rov it- ysig, als das am wenigsten genügende die verschlimmbesserun- gen zu EL 193 £p a xdcpiazafxai rgans^ag, 363 Sfxot, ydg sötoo, rovg crti , [xij Ivnslv fiörov , 0. T. 600 ovx av \ yivoir'1 ) drovg roaövb' | antjQ | q>Q0v<äv: 725 XQV^V 5'' (particula Heathiana) squv- vav, 861 'iv8ov y' anav ngä^aifi av wv ri aoi (pi\ov , 883 8ui- liovwv sntj (Tf'^ooj', 0. C. 1249 f. &vog. dl)' &t> ys fxovrog. Wel- che Wortstellung wird dem dichter zugemuthet, wenn O. T. 328 soä ö' ab fiif nozs 7u.fi mg av sitvoov firj rd o' sxcpijto) xaxd coniciert wird? Und ist nicht iya im gegensatz zu ndrisg ob qpyo- fshs nothwendig? Wie kann man ebd. 424 dllmv 8s für cor- rupt erklären und in d.XV olv ys corrigieren? Oder ebd. 583 tag oder mv soä vorschlagen? Ebd. 624 wird ro <p&nt<etr in TÖvS* 6lsh>[!) geändert und dieses soll „perdere velle" heissen! Im folgenden vers soll dlV dniar/jctoav lebhafter und geeigneter sein als ob8s ni.<SZBvami>. Was soll ebend. 1326 ti'ji< ys aqv av- 8t]v hfjiov (oder qttkov) oder 0. Col. 62 sv Xöyoig bedeuten ? El. 76 wird inTxQaTijg für sjticnäjijg geschrieben, als ob iniatd- rqg nicht durchaus passend wäre. Ebd. 466 wird ro ydg 8i~ xvuov, obS' e%ei loyov geändert und „nam iustum hoc est" er-

Nr. 1. 7. Sophokles. 23

klärt. Ebenso wenig kann man etwas mit den vermuthungen zu Ant. 211 av tavta Qs'^sig oder av tctvt «£>' 'ioiaig und 776 fiCaafta 7xüv anfangen. Ungerechtfertigt ist auch die änderung in ebd. 1182 t] nov xXvovca nuiöbg , ov tvpj, ndgu ; welchen grund soll der Chorführer haben den zufall zu verneinen ? Min- der bedenklich sind die übrigen änderungen, überzeugend ist keine derselben. El. 112 wird aixcog ergänzt: f,oüt\ tvvüg z? ainäg vTcuxXentouivovg. Ebd. 226 f. vermuthet Eggert züv yög not' gV . . noöaqoQOv äxovoai 'c>t' snog ; zu diesem gerlauken passt cfoovovvti nötigtet nicht. Ganz unstatthaft ist die änderung ebd. 232 von ix xa^dtav in iv xauütotg: darüber brauchte man nicht zu sprechen, auch wenn dnoTruvaouai dann einen richtigen sinn hätte. Nicht sehr geschickt hätte der dichter ge- schrieben, wenn es ebd. 327 zciavz' otft aXXaig hiesse. Die erklärung von Meineke orx eyco uövov noiä uXXu xai as ßnv- Xouai noiEiv ist in der kürze familiärer rede begründet. Un- nütz ist die änderung zu ebd. 763 OTtcons zig für 'Lncan1 eyco: oniun iyo) steht nicht für bnoinantv ; während der erzahler bei zot»' <5' iSovöiv oirrso z'i'douev sich unter den vielen Zuschauern sieht, kann er bei fxtytata nüvzav oov bnton iycb xay.mv nur an seine eigne lebenserfahrung denken („etwas ärgeres habe ich noch nicht erlebt als was wir damals mit ansahen'1). Ebd. vs. 1329 vermuthet Esgert ot ov ncio, «.XXoig, («/.?»' f.v altoTaiv xaxoig tolow ueyiatoig), was bedeuten soll „dass ihr bei keinen andern als eben (mitten) unter euren ärgsten feinden seid" : wann kann xay.org zolaiv (Aeyiazoig „den ärgsten feinden" hei- ssen? Eggert führt cpiXog ut'yiatog als beleg an: wenn es nur auch i^&goig toig [teyCotoig hiesse. 0. T. 681 f. wird xu\ für falsch erklärt und Süxvsi ö' ät\ zb oder Ös toi zb vermuthet : ridicule si quid aliud dicitur, mordet vero etiam iniusta criminatio (non solum iusta). immo vel maxime multoque magis quam iusta mordet iniusta. mirum ni stolidissimus quisque id intellegat. Al- lerdings; aber y.ai gibt nicht zu zo (irj evdixov den gegensatz ov pötov tb adixov , sondern drückt aus, dass auch auf der anderen seite gefehlt worden. Ebd. vs. 702 [syxaXööi' iosig) schlägt Eggert für das von M. SeyfTert vermuthete iyxaXsiv fysig vor zu lesen lyxaXäv xvgslg, was allerdings der Überlie- ferung näher kommt, aber eben so unnöthig ist als lyxaXtJv £££«4,". Vs. 1031 verstösst die änderung ix xaxär (für iv xa-

24 7. Sophokles. Nr. 1.

xoig) wie die obige iv xa^droig (für in napidtcov) gegen kriti- sche methode, zumal da bei der annähme einer corruptel die lesart des Laur. iv xatgoig für die emendation massgebend sein muss. Ebd. vs. 1083 vermuthet Eggert tu, nävia 8fj '<-/]xei *aaq>tj: jedenfalls ist Nauck's Vorschlag tu nävt> a^ i^ijxsi aaqirj vorzuziehen. Vs. 1512 ist die vermuthung vvv de tovr"1 ev^ at' ifioC (ort fxoi) nicht besser als viele andere. 0. C. 22 hat Eggert die conjektur von Sehrwald sv iia&stv jw' e8si in ev fia&sh \xs 8ei geändert: das soll heissen „propter (longum) tempus bene me hoc didicisse oportet" ; Eggert möge erst aus sei- ner grammatik lernen, was svsna bedeutet. Unnütz sind die conjekturen zu ebd. v. 332 co tijgSs xdfinv (seil. SvGa&Xioi tqo~ cput), 500 ep rd%si 7s, 625 ap|jafM/f(/). Zu dem letzteren be- merkt Eggert: „in verbo tjQ^dfitjr ita offendo, ut non reiciam qui- dem, sed tarnen praestare putem t]v^durjviC : dieser Standpunkt der kritik dürfte als überwunden gelten. Werthlos ist der Vor- schlag zu ebd. vs. 813 (iaQTVQO(iai tovg8\ ov ah nqog ys („par- ticula ys cum acerba quadam indignatione intendit CfClov*") rovg (pilovg toiavt' uueixpei p^fta*', rjv ö' eXco noii (kann man dafür die anwesenden zu zeugen aufrufen ?) ; ebenso der zu ebd. vs. 976 mv sSgmv sig ovg y1 l'Sgcov („nesciens in quos perpetrarem quae patravi") : dadurch würde die stelle ausserordentlich matt; mit recht aber scheint Eggert die erklärung von Schneidewin, Oedipus habe im zorn und in blinder leidenschaft gehandelt, zu bekämpfen: sig ovg sdgwv ist nur eine nähere bestimmung zu der allgemeinen angäbe „was ich that". Grammatisch unzulässig ist die änderung zu ebd. 1108 rq> tsxovti y' av gu'Äa, werthlos die zu vs. 1118 xal aoi ys jovgyov tovto XQsrai ßga%v (vor- aus xolg TT]\ixOiö8s) „et tibi quidemf?) utpote seni viro (rolg ttjXi- xotifSe) longaeque orationis ambagibus non delectanti breviter(t) (a Theseo) res narrabitur (der logische Zusammenhang der gedanken ist mir nicht recht klar). Ebd. vs. 1132 ff. schreibt Eggert nag av d&)iog y1 iym und ovx syatys ge ov8' av /u' idom, vs. 1370 ov ti nov «r' av&ig, sineg, vs. 1640 ro ysvvaiov zgEyeiv. Wir hegen den wünsch, dass particula altera mit gleichem fleiss und eifer bearbeitet zahlreichere glückliebe emendationen auf- zuweisen habe. Uebrigens kann sich der Verfasser einer klei- nen und bescheidenen abhandlung damit trösten, dass oft grosse und glänzende ausgaben für die kritik und erklärung des dich- ters wenig oder nichts leisten.

Nr. 1. 8. Sophokles. 25

8. Studia Sophoclea. Commentationes criticae de Oedipi Colonei locis LXII. Scripsit L. Peters. 4. Gottingae 1869.

Das erste, was man von einem kritiker der emendationen zu Sophokles veröffentlicht verlangen kann, ist, dass er keine metrischen, grammatischen und andere fehler in den text cor- rigiere. Diese forderung hat Peters nicht erfüllt; unter den 60 vorschlagen zum Oed. Coloneus sind manche gradezu fehler- haft. V. 44 heisst bei Peters all'' IXeco 70tö' lusrtjv 8e<;uiazo, v. 553 yiaiov, a vvv #' 0801g sv zoia8y cckovco (wegen des hiatus wird auf co ovzog v. 1627 und v. 1720 all' ins) olßicog y* slvasr verwiesen!), v. 912 ovd- ov jrsyvxug aazeog o'vzs atjg X&ovog, v. 1551 'fjöf] yuQ eonca tov isXsiöv fiov ßCov (giebt es auch manche verse dieser art, so ist es doch niemals gestattet den schö- nen rhythmus des überlieferten verses zu verunstalten) ; v. 1584 neivöv 70i (oder ys) Seiva ßi'ozov H-eniazuao (die kürze von zoi wird mit 0. T. 155 äfiqn 6ol u^opsvog rl fxoi tj viov und mit dem kurzen oi in zoiovzog, zoiöaSs, noico belegt!)*, v. 1469 wird eSeiaa für dsdia eingesetzt und dabei wird vergessen, dass da- durch die position für die vorausgehende silbe wegfällt ; v. 135 soll mit (ov)8ev avov&'' (für ovSsv ct£ov&') ein anapäst hergestellt ■werden; v. 48 soll ivSsi^co ti 8gäg heissen „detulero quid per- petres". An anderen stellen werden rein unverständliche dinge zum Vorschein gebracht, so v. 402 6 zvußog Svcfiermv „tumulus tuus hostium (oh Jiostibus exstructusj", v. 1021 tm na.18' acr^ioii1 „si virgines abditas tenes", v. 1077 za% äv %a)QSiv zäv Setva rlaaäv „recedere a virginibus", v. 1265 TQOcpolg zolg aolaiv „eo- rum qui nunc tibi victum praebent iudicio", v. 1640 tläaag %ot}, to ö' ivvaiop qposr'', icaosiv d. i. zo ö' (ro zhtjrai) ivvalov (icrz«)

qiQsvl (yftETgQO).

Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass die arbeit von Peters nur eine flüchtige sei, ein fleissiges Studium des Stückes ist nicht zu verkennen. Mit conjekturen geht es nicht anders : sie befriedigen den Verfasser mehr als den leser. Einige ver- muthungen von Peters verdienen beachtung, wenn auch keine davon sicher ist; ich hebe hervor die zu v. 29 avSg'' i6t>ra väjv, die erklärung zu v. 71 „quam ad rem vis nuntium dicere vel efficere ut rex veniat?" (nimmt man fioXslv an, so gehört cog tigog tC nolelv zusammen; dann aber ist xal xazagziacov für « xctTaQTvGcov nothwendig) ; die conjektur zu v. 113 jöda für

26 8. Sophokles. Nr. 1.

jtoda (schon andere) , v.243 nazgbg bälg z68' ifiov fxovor, 500 iv rettet zig TTgaaahco , v. 589 xeio\ ava%, tj^nvai (xs (voraus wird iyyevcov „propinquorum11 erklärt), v. 603 i^avayuä^ei, v. 1113 KUfie navaazov oder vielmehr navaezov , v. 1333 ngbg vvv as Kotvmv Kai deäjp bfJLoytnav , v. 1413 zijg ifitjg vnovgyiag von aXXov (enaivov) abhängig (vgl. Wunder's anm.) , v. 1685 ab&i ydg (schon Heimsoeth). Die übrigen änderungen, die zum theil ganz unnütz sind, können auf Wahrscheinlichkeit wenig oder gar keinen anspruch machen; es sind folgende: 55 Uoasidäv, ev&' o, 156 ava für Iva, 257 zäv ngoaßs zm8' slgijflsi'mv , 277 Sita zöov ■&£Üv fioTgav ngoija&s, ^rjSaficög, 307 b8oi(l), 357 t\v t'aig, voluntas, Studium (l), 380 äg%ag für "Agyog , dux f actus sive exercitui praefectus(l), 502 rotö' vqirjyijzov 8i'%a , 523 xaxäv ö' (und mit Gr. Wolff axd&agzov), 570 ßga%£' spov „deme", 575 oncog nur ixpd&co, 658 noXXo) 5' änstXaig, 755 a.XV mg ydg sazi „ab sie enim", 813 nagzvqo^ai &soi>g tovads . . Q^fiaz''' tjv o' eXm nozi „testor hosce deos atque (insuper) istos tuos amicos, quod talibus respondes verbis ; ubi te quando cepero , 861 Xtyeig ii. zoiizo, 919 923, welche nach v. 931 eingesetzt werden, 1083 &mg daaaa zobfibv appa nach aluazog a<ra/(!), 1098 ngoanortanivag, 1116 zoTg zqXixoloSs (mit Nauck, aber auf The- seus bezogen, der kein lobpreisen seiner thaten verlange), 1117 f. rovSs xai kXvsiv, ndzsg, %gr] aoC ysft) zovgyov zovz'' spov 8 iazat ßga%v, 1192 ag'' ob aog;(l), 1231 zig nXävr\ ; „nam quum adolescentia adest stultitias leves ferens, quis error multarum miseria- rum effieiens abest (ab adolescentia), quae molestia non inest", 1358 sv jtögw, 1390 aivyvbv naväXeg sgsßog, 1436 fioi, #a*>oW inei ovzoi t,ävzs fx1 av&tg „mortuum enim dum vivetis me non iterum habebitis" (!), 1444 7?jö' iqitivai , 1454 ivetg [*iv szega (tztga = infausta), 1466 f. ovgavip zi [iat> iqitjaei zsXog; 1526 /Atjös KivHcdai Xöym „quae vero nefas est vel oratione tangi", 1534 dXXd fivgiai kuv sv zig otxrj „etiamsi quis bene administret", 1690 f. eXoi , nazgi ^vv&atslv ysgaigm („cum patre mori laudem iudico magnam") , zdXaiva' nüg ('noty' b fie'XXoiv ßlog ßi<orog; „Versum antistrophicum ut metrum eius versui strophico aecommode- tur, sie mutandum conjicio: ina^^ivEi er« z\ co q<(Xa, zov nazgog k>8' igtjpus"' (und wie soll das zusammenstimmen?), 1695 ovtt Hatäfisfinz'1 ißt] tiov, 1698 pLrßapta 8>] zi („zi vim particulae (Atj- dapa äuget"!), 1701 ovzi yag ovr, 1749 ig ziv ov pe, 1752 Jgvtf

Nr. 1. 9. Aristophanes. 27

(mit Reisig) = pariter, simul, „ubi simul (praeter obitum patris solatii plenumj in grato civium animo certa spes reponi possit , non est lugendum" (wie ist eine solche erklärung nur im entfernte- sten möglich?).

9. Untersuchungen über das griechische drama von E. W. H. Brentano Dr phil. Erster theil. Aristophanes. Frankfurt a. M. Heyder und Zimmer. 1871. 1 thlr.

Es ist kein gewöhnliches buch, das wir hiermit zur anzeige bringen, kein buch von bloss speciellem interesse oder unterge- ordnetem werthe, sondern ein solches, das wegen der neuheit und überraschenden tragweite seiner hypothesen und resultate, insbesondere, aber wegen der rücksichtslosigkeit des darin beob- achteten kritischen Verfahrens allgemeiner bekannt und gewür- digt zu werden verdient.

Eine höhere kritik hat es schon längst gegeben, und an kühnheit hat es ihr nicht gerade gefehlt; die schritt von Bren- tano dagegen treibt höchste und allerhöchste kritik. Oder ist es nicht eine ansieht, die weit über alles hinausgeht, was in dieser hinsieht jemals gehört wurde, wenn der verf. in seinem Vorwort die behauptung aufstellt, nicht bloss das griechische drama, sondern die griechische litteratur überhaupt habe im be- ginn der byzantinischen periode eine systematische über- und Umarbeitung erfahren ?

Es ist hier nicht der ort, eine derartige ungeheuerliche hy- pothese genauer zu besprechen, auch ist der richtige Zeitpunkt dazu noch nicht gekommen, da der verf. erst in einem später folgenden theile seiner Untersuchungen diese frage eingehender zu behandeln gedenkt , ausserdem auch versichert, sie sei erst nach den vorliegenden aristophanischen Untersuchungen entstan- den und demnach ohne allen ursprünglichen einfluss auf diesel- ben geblieben. Aber auch abgesehen von jener extravaganz denn für eine solche müssen wir vorläufig die hypothese noch halten bewegt sich die interessante schrift auf schwindeln- der höhe, und es verlohnt schon der mühe zu ihr hinaufzuklim- men, um von dort aus die ganze weit , insbesondere die arme weit der philologen in grauer, nebelhafter ferne zu unseren fü- ssen liegen zu sehen.

Es sind vier aristophanische stücke, denen der verf. spe-

28 9. Aristophanes. Nr. 1.

ciell seine aufmerksamkeit zuwendet, die Wolken, der Plutos, die Vögel und die Wespen, und zwar nimmt die behandlung der Wolkenfrage als der schwierigsten und am meisten verfah- renen die grössere hälfte des buches ein.

Im ersten abschnitt referirt verf. die ansichten der neue- ren über die Wolken. Er thut das mit grosser gründlichkeit und sicherem urtheil. Ob auch immer mit richtigem ? Wir wagen es zu bezweifeln. Die animosität gegen die Hegeische philosophie und ihre Stellung zu Sokrates, 'die sich durch das ganze buch hinzieht , (p. 70 giebt es eine „hegelianische wirr- construction", p. 146 eine „sinnverwirrende hegelei"), tritt schon hier mit einer stärke und heftigkeit auf, dass sie als ein schreiendes unrecht bezeichnet werden muss. Wie die Sa- che bisher lag und wahrscheinlich, trotz der scharfsinnigen Un- tersuchungen des verfs. auch in Zukunft liegen wird, waren Hegel und alle die sich ihm anschlössen, oder, wie der verf. p. 19 sagt, „dem banne der hegelianischen Zauberformel" sich nicht zu entziehen vermochten, befugt zu sagen, dass Sokrates, so sehr er sich auch sonst von den Sophisten unterschied, doch im princip sehr vieles mit ihnen gemein hatte und dass also der dichter recht gut auf den gedanken kommen konnte, gerade ihn, der in den äugen der menge auf Seiten der Sophisten stand und dazu ein mann von ausgeprägtem charakter und markirter individualität war, zum Vertreter der sophistik zu erwählen. Diese momente beachtet der verf. nicht genug, wiewohl er sie kennt, und daraus erklärt sich seine , mit nicht geringer Selbstzufriedenheit gepaarte Verwunderung, dass in diesen din- gen philologen und philosophen mit so grosser blindheit ge- schlagen seien.

Im n. abschnitt werden die angaben der V. u. VI. hypothesis besprochen. Während man sich bisher an dem ergebniss genügen liess , dass die uns vorliegenden Wolken eine noch vom dichter selbst begonnene aber nicht vollendete Umarbeitung der ersten Wolken seien, gelangt der Verfasser auf grund dessen, was in der V. u. VI. hypothesis überliefert ist, zu folgendem resultat: „in dem überlieferten stück besitzen wir weder die I. Wolken noch die IL, sondern eine unvollen- dete bearbeitung der ersteren, also die III. Wol- k en" u. s.w. (p. 50).

Nr. 1. 9. Aristophaneö. 29

Es ist die V. hypothesis, auf die sich der verf. vor allem beruft. Aber einmal ist zu bemerken, dass sieb die angaben derselben doeb noeb anders deuten lassen, als er sie deutet, insofern unter der diaoxivtj reebt wohl die devregai NsqieXai verstanden werden können (s. p. 37, anm. 2), und dann lassen sieb die naebriebten der VI. hypothesis, die doeb allen glauben verdienen (s. Teuffei, die Wolken etc. p. 22), durchaus niebt damit vereinigen. Denn da es bier beisst, das vorliegende stück sei dasselbe wie die ersten Wolken , es sei nur eine Umarbei- tung derselben bebuts beabsichtigter aber unterbliebener auf- fübrung , kann da im ernst noeb eine stillschweigende Voraus- setzung der II. Wolken angenommen werden? Soll wirklich der betreffende grammatiker es für möglich gehalten haben, dass der diebter ein stück, das ibm bereits zwei niederlagen einge- tragen batte, von neuem bearbeitete, um es zum dritten male aufzuführen ? Nein, für den Verfasser dieser hypothesis giebt es ganz gewiss keine drei Wolkenkomödien, und so stehen seine angaben mit denen der V. im Widerspruch. Was der verf. dann weiter über diögßaaig und dann diaaxsvrj bemerkt, ist ge- sucht und kann uns nicht für seine ansieht gewinnen ; wir stim- men vielmehr dem bei, was Teuffei (a. a. o. p. 23) so klar und verständig darüber gesagt hat.

Im III. abschnitt („Scheidung des inhalts unserer Wol- ken") sucht der verf. zunächst zu beweisen, dass uns Strepsia- des hinsichtlich des Standes als ein ,, gedoppelter" und hinsicht- lich des Charakters als ein „unmensch" entgegentrete. Wir halten diese ganze partie für völlig misslungen. Wie Strepsia- des nur landmann das ganze stück hindurch, nun und nimmer aber bäcker ist, so ist er andrerseits trotz aller Schwankungen in seinem wesen doch ein einheitlicher Charakter. Es wäre ein leichtes, die angriffe auf ihn einen nach dem andern zurückzu- schlagen, allein der räum verbietet uns näher darauf einzugeben.

Die vielen ausstellungen , die an der cbarakterzeichnung des Sokrates gemacht werden, sind zum theil begründet und erklären sich hinreichend aus dem unfertigen zustande, in dem das stück auf uns gekommen ist, zum theil aber müssen sie als ganz willkürliche ansichten bezeichnet werden. Sonach können wir die Überzeugung nicht theilen, die vf. im IV. ab- schnitt ausspricht, dass von den drei Wolkenkomödien die

30 9. Aristophanes. Nr. 1*

erste nur den Sokrates und seine genossen persi- flirt und die zweite sich lediglich auf einen an- griff gegen die sophistik beschränkt habe (p. 76).

Mit der indirekten Überlieferung, von welcher der V. ab- schnitt handelt, weiss der verf. ziemlich geschickt sich abzufin- den. Die platonische apologie , die seinen ausführungen direkt widerspricht, ist entweder überhaupt unecht, oder doch an den betreffenden stellen „aller Wahrscheinlichkeit nach interpolirt" (p. 82). Desgleichen werden die Zeugnisse aus Diogenes, Ailia- nos und Quintilianus , welche die ganze deduction des verf s in frage stellen, als sinnstörende fälschungen bezeichnet (p. 83 ff.). Man sieht, besondere rücksichteu kennt diese kritik nicht, ja sie rühmt sich dieser rücksichtslosigkeit noch und hofft von ihr allein errettung aus den Wirrnissen der Wolkenfrage (p. 86).

Im VI. abschnitt („die dritten Wolken"^ wird dies unser stück als ein nachalexandrinisches werk bezeichnet und zwar soll dasselbe von irgend einem „nichtswürdigen , welcher mit kalter teufelsfaust jene unsterblichen kunstwerke des griechischen dichters zertrümmerte , um material für sein elendes machwerk zu gewinnen" aus Wolken I und II und auch noch aus andern aristophanischen und selbst nichtaristophanischen stücken conta- minirt worden sein.

Dieser nichtswürdige mit der kalten teufelsfaust ist nun zum glücke keine wirkliche erscheinung , sondern nur ein ge- spenst, das in der phantasie des verf's sein wesen treibt. Wohl war das byzantinische Zeitalter geschmacklos , wohl hat es sich durch sein unkritisches verfahren, durch seine Sorglosigkeit und durch unzählige interpolationen am geiste des alterthums schwer versündigt ; aber kann man auch nur einen augenblick glauben, ja sich den fall überhaupt nur denken , dass ein mensch mit gesundem verstände, der es sich mit andern Zeitgenossen ange- legen sein liess , die meisterwerke der alten zu studieren und kommenden geschlechtern aufzubewahren, dass ein solcher mensch den vorsatz fasste, aus verschiedenen stücken die alle regelrecht gebaut waren und zu keinerlei Umarbeitung herausforderten, die heterogensten Stoffe, charactere und anschauungen herauszuueh- men und sie zu einem buntscheckigen, regelwidrigen ganzen zu verschmelzen? Und wenn es ein solches ungeheuer, einen solchen „gottvergessenen" bösewicht gegeben hätte , sollte der

J$r. 1. D. Aristophanes. 3i

wirklich im stände gewesen sein, ein kunstwerk zu schaffen, zu dem trotz aller seiner schwächen Jahrhunderte staunend empor- geblickt haben und das erst vor dem vernichtenden blicke un- seres kritikers in staub und asche zerfällt ?

Gleich den Wolken werden noch der Plutos, die Vögel und die Wespen unter das scheermesser der kritik genommen, und auch diese stücke haben sich keiner sonderlichen gunst zu erfreuen. Im Plutos, meint der verf., liege eine contamination zweier komödien und zwar einer mit socialistischer und einer mit moralischer tendenz vor und die unkünstlerische Verbindung des völlig heterogenen materials sei durchaus nicht das werk des Aristophanes selber. Die Vögel erklärt er für die plumpe ver- quickung einer Titanen- und einer colonistenkomödie hört es, ihr philologen alle, die ihr die Straffheit der composition ge- rade in diesem stücke nicht genug bewundern konntet! und die Wespen zerfallen nach ihm ganz handgreiflich in zwei ge- sonderte hälften, wovon die eine heliasten-, die andere ekklesia- stenkomödie genannt zu werden verdienen.

Die argumentation des verfs ist auch hier bestechend und ausserordentlich fesselnd , weil sie sich auf umfassende belesen- heit, tiefeindringendes dichterverständniss und einschmeichelnde combinationsgabe stützt: dessen ungeachtet sind die ergebnisse, zu denen er kommt, der art; dass sie jeder vorurtheilsfreie le- ser perhorresciren wird.

Es ist eben ein ganz neuer Aristophanes, den man uns hier im ganzen wie im einzelnen bietet. Der Aristophanes, den alle weit bisher dafür gehalten , wird als fratze und unerträg- liche carricatur bezeichnet. Die Überlieferung wird in echtes und unechtes geschieden, und aus dem wenigen, was dem verf. noch für aristophanisch gilt, wird schliesslich der wirkliche ko- miker mühsam reconstruirt.

Denn dass mau ja nicht glaube , nur die genannten stücke hätten vor den äugen unseres kritikers keine gnade gefunden. Auch über die Acharner, die Lysistrate und selbst die Kitter ,,die doch den eindruck eines leidlich einheitlichen dramas machen können " hat er auf der letzten seite den Stab ge- brochen.

Wehe also dem jetzigen Aristophanes, wenn der verf. recht behält. Aber seine methode ist verfehlt, der ganze stolze bau

32 10. Longinos. Nr. 1

ruht auf morscher grundlage. Mit dem massstabe einer ganz neuen willkürlich ersonnenen und in nichts begründeten definition von der alten komödie, wonach dieselbe ihr Privilegium, sich über die regeln strenger dramatik hinwegsetzen zu dürfen, ver- liert, tritt er an den Aristophanes heran, und weil derselbe sei- nen anf orderungen natürlicherweise nicht entspricht , so zer- stückt, zerreisst, zerfetzt er ihn in einer weise, dass man nicht umhin kann, mit dem gemisshandelten mitleid zu empfinden.

Von der wunderbaren praxis, die der verf. befolgt, um entgegenstehende Zeugnisse zu beseitigen, haben wir schon frü- her einige proben kennen gelernt; hier sei nur noch darauf hingewiesen, wie willkürlich er mit dem texte des dichters um- spriagt. Die stelle der Vögel vss. 1432 1452 wird einfach ge- strichen; die erste und zweite parabase der Vögel werden conta- minirt, um zu ihrer ursprünglichen einheit und reinheit zurück- zukehren; Wolken 991 „wird sofort als ungehörige einfügung erkannt"; im Plutos wird die echtheit aller der stellen ange- zweifelt , die für das hohe alter der greise sprechen ; dass die einfügung der eselepisode in den Wespen (168 202) eine ganz unvermittelte ist, soll auf der hand liegen u. s. w. u. s. w. Bei- spiele dieser art könnten wir noch in grosser menge anführen, aber wozu? können sie bei der grundanschauung des verf 's noch wunder nehmen?

Nach dem allen glauben wir das buch von Brentano als eine weit über das ziel hinausschweifende und sowohl in ihrem ver- fahren wie ihren endergebnissen unhaltbare, trotz alledem aber sehr anziehende und lehrreiche Schrift bezeichnen zu dürfen. Denn das muss man dem verf. lassen , er weiss seine sache mit grosser gewandheit zu vertreten, dazu ist sein ton frisch und von stolzem selbstbewusstsein gehoben. Gälte es einer partie des werkes besonderes lob zu zollen, so würden wir auf die kritische betrachtuug des Plutos als auf ein wohldurch- dachtes, prächtig construirtes ganzes, als auf ein wahres meister- werk in seiner art hinweisen. Ch. M.

10. Della sublimita , libro attribuito a Cassio Longino, tradotto da Giovanni Canna. 8. Florenz, Le Monnier. 1871.

Die vorliegende italienische Übersetzung der schrift nsgl vxjjovg liefert einen neuen erfreulichen beweis, wie auch jenseits der

Nr. 1. 10. Longinos. 33

Alpen die klassischen Studien, insbesondere durch berührung mit der deutschen philologie, sich zu regem leben wiederum entfalten. Ich beziehe mich dabei nicht sowohl auf die Übersetzung selbst, als auf die vorausgeschickte einleitung, welche auf 51 seiten erstlich die frage nach dem Verfasser der Schrift , und zweitens die nach dem eigentlichen thema behandelt. Die Übersetzung ist in der that höchst geschmackvoll und bei aller freiheit doch eine durchaus treue nachbildung; aber für uns Deutsche könnte sie doch nur so besonderen werth haben, wenn in ihr und den beigefügten kurzen noten wesentliche beitrage für kri- tik und verständniss des textes enthalten wären. Nun aber hat der vf. ; dessen starke seite die niedere kritik nicht zu sein scheint, lediglich den SpengeFschen text zu gründe gelegt und sodann nach dem von 0. Jahn eine revision durchgeführt, ohne an mehr als drei stellen nach eigner oder fremder conjektur eine abweichung von dieser grundlage sich zu gestatten, s. p. 57 f.. Er will nämlich 13, 4 für xal (podasig schreiben rag qiQäaeiQ, welches Subjekt zu avveftßjj*a.i sein soll , wie im vor- hergehenden zqlixavzd xiva zu dem von ihm für unverdorben gehaltenen lnuv^iü<5a.i , und vermuthet ferner 44 , 5 für das corrupte avvctQOi entweder avaq)7]xoc oder avncpr^oi^ endlich adoptirt er 21, 2 Cumanudes' conjektur arovsi für a.ya.vax'isZ. Mir scheint diese letztere ganz annehmlich, dagegen Canna's ver- muthungen an der zweiten stelle als dem Wortlaut nach zuweit abliegend, und seine auffassung in der erstgenannten als unzu- lässig, indem auch ich den fehler in iizaxftdaat suche. IJonjTi- xag vlaq heisst nicht selve poetiche , sondern poetische materien, an welches wort sich dann cpacicst? trefflich anschliesst.

In der einleitung dagegen zeigt sich der vf. ohne frage als ein sowohl durch kenntnisse als auch durch gesundes ur- theil und klare auffassung den behandelten gegenständen durch- aus gewachsener philologe. Er ist vollkommen bekannt und vertraut mit den einschlägigen Schriften, auch Hallenser und Marburger dissertationen, und gibt nun zunächst von dem gange, welchen die Untersuchung nach dem vf. der schrift ntgl vipovg ge- nommen, eine ebenso genaue wie übersichtliche darstellung. So- dann folgt von p. 39 an die entwickelung der gegen die autorschaft des Longinus vorgebrachten argumente, denen er selbst noch manches hinzufügt. Man ist ganz für diese ansieht, die man auch Philol. Anz. IV. 3

34 10. Longinos. Nr. 1.

für die von Canna hält, gewonnen, als plötzlich, auf p. 26, die avaaxsvrj alles vorgebrachten beginnt und sodann , nachdem er dargethan , wie wenig entscheidend alle jene argumente seien, die Vorführung der positiven momente für Longinus (p. 34). Auch hier ist die Wirkung auf den leser experto crede eine gleiche wie vorhin, aber nochmals folgt auf p 40 eine art von avaaxsvij , und das schliessliche resultat ist , dass Longin's autorschaft als wahrscheinlich, wenn auch durchaus nicht als sicher, hingestellt wird. Es ist dies resultat wirklich das ge- naue ergebniss der für und wider vorgebrachten argumente-, jeder, dessen entgegengesetzte ansieht nicht völlig fest ist, wird dem Verfasser zunächst beistimmen müssen ; aber nach erneu- ter Untersuchung der beweisquellen selbst muss ich doch die autorschaft Longin's entschieden verwerfen. Wir lernen diesen autor aus seiner theilweise erhaltenen re%ri] qijtoqixJj und aus einigen fragmenten hinreichend kennen, um das urtheil fällen zu dürfen, dass er ein mittelmässiger und beschränkter köpf und weniger originell und schöpferisch als vielseitig gebildet und gelehrt war. In seiner techne zeigt sich der sophist der zeit, der am kleinen haftet und gewaltigen werth auf gewählte atti- sche Wörter legt , deren er einzeln eine grosse zahl empfiehlt und auch gewissenhaft selbst anwendet : vgl. p. 307 die Vor- schrift: ov yag ofioiov ovös xata fitxoöv, zo aijdsg .,&y}.svxegiC slnslv , „aZsQneg'1 rs xal ,,ovx iv %aQiti(i, und die befolgung derselben 311, 8: qiai'vstai yocg afivdoög te xul aa&siijg x«' a %ö.qi ar og, ar s gn ij g rs xai dyl svxi'j g. Das ist doch kein schlichter und einfacher stil , wie Canna zu meinen scheint (p. 31), sondern ein über die massen sophistisch und geistlos ge- spreizter, und mag mau nun an dem stil der schritt nsgl vxpovg tadeln was man will, von einem festkleben an gewissen formen und von einem mangel an geist, lebendigkeit und Originalität in demselben wird man nicht reden dürfen. Ebenso ist es aber auch mit den gedanken. Ich verlange nicht den schwung der schrift nsgl vxpovg in der rhetorik wiederzufinden, wohl aber das philosophische und geistreiche gepräge derselben, und finde nun zwar recht viel philosophie, viel mehr als für die rhetorik irgend wünschenswerth wäre, aber eine recht triviale, langwei- lige und am ende anwidernde. Vgl. den abschnitt nsgi fwjjftqg p. 312 ff. und gleich zu anfang desselben die erörterung der

Nr. 1. 11. Catullus. 35

feinen frage, ob nicht das vergessen auch sein gutes habe, was der vf. mit gewichtigen der moral entnommenen gründen leug- net. Endlich zeigt sich in den fragen des stils und des kunst- urtheils überall die stärkste abhängigkeit von den frühern, theils mit theils ohne anführung derselben . So stammt nr. 3 der excerpte (p. 325 Sp.) ziemlich wörtlich aus Caecilius (s. Phot. Bibl. p. 485 Bk.), in den fragmenten des commentars zum Ti- maeus wird Dionysios benutzt (s. besonders nsol avv&. p. 117 f. Reisk.), desgleichen in der Rhetorik in dem abschnitt tvsqI %s%scoq. Longin's bedeutung für seine zeit scheint darin zu bestehen, dass er der rhetorik, statt der trockenen scholastischen, wieder eine mehr ästhetische richtung gab, in anlehnung an Dionysios und andre ; daher die ihm von den späteren gegebene bezeich- nung o «Qirixög oder y.Qirty.ojturog , und daher der titel der schritt neyl v\povg: diorvatov \ Aoyyivov , indem der Urheber desselben keinen andern rhetor von der ästhetischen richtung kannte als eben jene beiden, und deshalb meinte , dass das na- menlose gut entweder dem einen oder dem andern von ihnen gehören müsse. Auch Canna ist natürlich weit entfernt, dieser Überschrift besondere autorität beizumessen; doch scheint mir auch das noch zu viel, was er p. 41 sagt, man müsse doch wohl, weil sie aus einem altern dokumente stammen könne, sie mit in rechnung ziehen. Wir haben dasselbe, wir haben ein grösseres recht nach gutdünken auf einen Verfasser zu rathen wie der byzantinische Schreiber. Wenn aber die scholiasten des Hermo- genes die stelle über die Oreithyia des Aeschylus (n. v\p. 3, 1) aus den cptXo'Aoyoi ofxüaui des Longin citiren, so mag sie recht wohl da gestanden haben , aber als citat oder entlehnung aus der schritt negl vipovg, die dem Longin natürlich nicht unbe- kannt war und welche derselbe dann ebensogut verwerthete wie Dionysios' oder Caecilius' schritten.

I. Blass.

11. G. Rettigii Catulliana HL De epigrammatis in Gel- lium scriptis. Bernae, typis Fischeri MDCCCLXXI. 4. 15 S.

Der Verfasser bespricht sieben epigramme Catull's ge- gen Gellius (74. 80. 88. 89. 90. 91 und 116) rücksichtlich ihres adressaten und findet mit Schwabe, dass sie sämmtlich auf den Jüngern Gellius sich beziehen, während von dem altern

3*

36 11. Catullus. Nr. 1.

nur beiläufig in seiner eigenschaft als patruus und zielscbeibe der deliciae des angegriffenen Gellius die rede ist. Wa9 man sonst zu gunsten der person des altern Gellius, besonders mit rücksiebt auf die stelle in Cicero's Sestiana glaubt anführen zu können und was in diesem sinne Scbwabe beispielsbalber um des „audiatur et altera pars" willen angeführt hat, wird entkräftet, worauf der Verfasser sich gegen Westphal wendet, der neuer- dings die von Schwabe aufgestellte ansiebt insofern wesentlich verlassen hat, dass er einmal die gedichte zwischen den perso- nen des Gellius oheim und Gellius neffe theilte, nämlich jenem nr. 74. 80 und 116, diesem 88. 89. 90 und 91 zuschrieb, an- dererseits die letzteren in umgekehrter reihenfolge auf einander folgen lassen will , als diese durch die tradition vorgezeich- net ist.

Eettig beginnt damit, die überlieferte reihenfolge der zu- letzt genannten gedichte zu vertheidigen. Bei 88. 89 und 90 ist die sacbe ganz klar; 90, weil es von den folgen des incests von tnutter und söhn spricht, muss nach 88 und 89 folgen, da in denselben der incest selber erwähnt wird; 89 setzt gedieht 88 voraus, denn sonst findet das epitheton des patruus, nämlich bonus, keine erkläning. Wenn aber Eettig hinzufügt, erst, wenn 88, v. 1 4 vorangegangen seien, verstehe man, wer in c. 89 die puellae cognatae seien , so ist dies nicht richtig, da in c. 88 von puellae cognatae nichts zu finden ist. Vielmehr kann gel- tend gemacht werden, dass in c. 89 den in c. 88 genannten cri- mina ein neues hinzugefügt werde , eben das verhältniss des Gellius neben mutter, Schwester und tante auch noch zu den puellae cognatae. Eine Steigerung war vom dichter gewiss bei allen diesen gedichten beabsichtigt. Denn das ist doch klar, dass die mehrzahl dieser epigramme gegen Gellius, wenn nicht alle, produete gleicher zeit sind und nur dadurch eine be- stimmte reihenfolge für sie motivirt wird, als der dichter selbst in bewusster weise von einem gedieht zum andern eine steige- •rung eintreten lässt, die aber durchaus nicht einer in Wirklich- keit successive eingetretenen Verschlechterung des Gellius ent- spricht , sondern nur aus rücksichten dichterischer composition unternommen worden ist.

Verwickelter wird die frage bei nr. 91. Westphal fasste das gedieht als eine kriegserklärung auf, was es aber, wie Ret-

Nr. 1. 11. Catullus. 37

tig zeigt , nicht ist. Weil es nun ferner nur von dem incest des Gellius mit mutter und Schwester spricht, glaubte West- phal, es den andern voranstellen zu müssen. Aber wer sieht nicht, dass die erwähnung der blutschande des Gellius in dieser fassung, wie sie das gedieht bringt, an stärke und kraft alles überbietet, was in den früheren gedienten darüber gesagt wor- den war? Welcher höhn liegt nicht darin, wenn Catull sagt, er habe den Gellius nur deshalb für unschädlich gehalten, weil Clodia nicht dessen mutter oder Schwester gewesen sei? Das enthält eine überaus kräftige Steigerung gegenüber den einfa- chen angaben der früheren gedichte, dass Gellius mit mutter und Schwester umgang gepflogen. Dass die in c. 88 und 89 er- wähnte tante, sowie die in c. 89 erwähnten cognatae puellae hier nicht auch noch einmal genannt werden, ist ganz passend; es werden hier nicht nur, wie Rettig dies erklärt, die hauptsäch- lichsten und gravirendsten inceste verzeichnet, sondern die mater steht zugleich als repräsentantin der arnita und die soror als Vertreterin sämmtlicher puellae cognatae. Also steht das gedieht auch in der Überlieferung an seinem rechten platze.

Hierauf bekämpft Rettig die ansieht Westphals bezüglich der angeblich gegen den altern Gellius gerichteten epigramme. Mit recht erwähnt er bei c. 74, dass überall der jüngere Gellius subjeet sei, überall er als thäter, als Verbrecher erscheine, wäh- rend dem oheim nur eine passive rolle zugetheilt sei. Wie soll sich ferner ein gedieht auf einen mann beziehen, dessen name gar nicht genannt ist, der einfach als patruus eines andern be- zeichnet wird, dessen name ausdrücklich an die spitze des gan- zen gedichts gerückt ist?

Selbst in den zwei letzten versen, die noch dazu nur etwas von Gellius möglicher weise beabsichtigtes (wie Rettig gut aus- führt) enthalten, erscheint der ältere Gellius nur als der Über- fallene, der jüngere dagegen als einziger übelthäter. Rück- sichtlich des gedichts 80 weist Rettig überzeugend nach , dass ein mensch, dem in c. 74, v. 5. 6 die aktive betkeiligung an einem verbrechen zugetraut worden ist, gewiss auch der passi- ven fähig sein konnte. Ferner, wie kann Catull im einen ge- dieht mit dem namen Gellius den neffen meinen und im andern ohne nähere bezeichuung denselben für dessen oheim anwenden ? Dann wird auf das epitheton rosea labella hingewiesen, das

38 11. Catullus. Nr. 1.

wohl vom jungen, nicht aher vom alten gebraucht werden konnte. Daran anschliessend weist der Verfasser Westphals emendationsversuche zu v. 7 und 8 zurück; mit recht: an Gel- lius waren nur die blass gewordenen lippen als auffällig be- zeichnet worden , nichts anderes. Dagegen ist Kettig' s vermu- thung, für Victoris sei appellativ uictoris zu schreiben und dar- unter der oheim zu verstehen, ebenfalls zu verwerfen. Vom oheim ist im ganzen gedieht keine rede, sonst hätte ihn der dichter nicht einfach mit vir bezeichnet, sondern das verwand t- schaftsverhältniss mit gebührendem höhn hervorgehoben. Aber auch ohne beziehung auf den oheim kann Victoris nicht appel- lativ genommen werden , weil Catull bei viri sicherlich eine be- stimmte persönlichkeit im äuge hatte, die er nennen musste. Wir halten daher an der person des Victor als irrumator des Gellius fest. Daneben schlägt Kettig vor , huic nach emulso (v. 8) einzuschieben, was allerdings das verhältniss zwischen Gel- lius und Victor klarer hervortreten lässt , obwohl darüber nach v. 1 und 2 kein zweifei obwalten kann. Die worte sie certe est in v. 7 möchte ref. als inhalt des clamant mit anfiihrungszeichen versehen wissen: es ist die antwort, welche der dichter auf seine v. 5 ausgesprochenen zweifei von den schreienden indicien sel- ber erhält. Als schliessliche meinung des dichters nehmen sich diese worte nach den vorangegangenen zweifeln eigen- tümlich aus.

Endlich wird gezeigt, dass auch c. 116 an den jungen Gellius gerichtet sein müsse. Nur bin ich nicht damit einver- standen, dass Catull damit die ganze Gelliussammlung habe ab- schliessen wollen. Vielmehr enthält das gedieht lauter anzeichen dafür , dass es die Sammlung einleitete , wenn natürlich auch zugegeben werden kann, dass der zeit nach Catull dasselbe erst schrieb , nachdem er mit den eigentlichen schniähgedichten fer- tig geworden war und das geschaffene überschauen konnte. Dem sinne nach ist c. 116 immer ein einleitungsgedicbt , wie schon Rettig sah, wenn er es als eine art exordium bezeichnete, und wurden, wie wohl anzunehmen ist, die Gelliusgedichte in form eines kleinen pasquill's von Catull separat veröffentlicht, so musste c. 116 dieselben einleiten. Das im scblussvers ent- haltene siqiplicium da bis ist drastischer und zeichnet die sie- gesgewisshoit dos dichters bessor, wenn die gedichte erst folgen |

Nr. 1. 12. Lateinische elegie. 39

sollte c. 116 den schluss bilden, so würde Catull mit bezug auf das vorhergehende nicht dabis gesagt haben können, son- dern eher das oder dedisti. Dazu kommt nun aber noch die eigenthümliche haltung der ersten hälfte des gedichts. Catull spricht darin, wie sehr er sich früher alle mühe gegeben habe, Gellius versöhnlich zu stimmen, d. h. er stellt sich so, als habe er es aus furcht vor ihm um keinen preis mit ihm verderben wollen, vielmehr alles versucht, um ihn zu gewinnen. Denkt man sich nun, diese furchtbar treffenden gedichte ständen vor diesem, so hat darauf die Schilderung der (simulirten) früheren angst keine Wirkung mehr, während der effekt des contrastes in ungebrochener kraft uns entgegentritt, wenn man aus dem folgenden gleich zu seinem erstaunen inne wird , wie wenig es dem dichter mit der Schilderung seiner angst ernst gewesen war, und wie sehr er recht hatte, des Gellius' bestrafung als eine ohne zweifei und aufschub alsbald zu gewärtigende selber zu prophezeien.

H.

12. De Tibulli Propertii Ovidii distichis quaestionum elegia- carum specimen. Diss. inaug. scr. Gualtherus Gebhardi. Regim. 1870. 8.

Diese sorgfältige dissertation beschäftigt sich mit denje- nigen pentametern der drei elegiker, welche zwei mit attributen versehene substantiva in verschränkter Stellung enthalten. Die vollständigen Zahlenangaben finden sich in einer der schrift bei- gegebenen tabelle, wo die beiden substantiva mit a und a, die beiden attribute mit b und ß bezeichnet sind. Bei weitem am häufigsten sind die drei formen b \ ß a a (seu vetus in trivio florea serta lapisj, b ß \ a a (tristia cum multo pocula feile bibatjf b \ u ß a (stetque peregrinis arbor operta co- mis). Man erkennt das gemeinsame derselben, nämlich 1) ein attribut steht an erster und ein Substantiv an vierter stelle; 2) das attribut des letzteren steht im ersten halbvers, und 3) in diesem halbvers folgt auf dasselbe keines der beiden anderen Wörter. Ganz vereinzelt sind die pentameter , wo im ersten halbvers drei von den vier Wörtern stehen. Tibull vermeidet solche verse gänzlich, bei Properz finden sich zwei fista decem men- ses non peperere bona , ungue nie am morso saepe querere fi-

40 12. Lateinische elegie. Nr. 1.

dem), bei Ovid 21. Auf das einzelne dieser erörterungen kön- nen wir hier selbstverständlich nicht eingehen. Am meisten allgemeines interesse hat die Untersuchung über den grad der Übereinstimmung, welcher in diesen dingen zwischen den Herol- den und den übrigen Ovidischen dichtungen herrscht. Bei einigen gewinnt die durch andere gründe festgestellte unecht- heit auch hierin ihre bestätigung. So findet sich z. b. in der epistel der Sappho dreimal hinter einander die form des penta- meters, in welcher am ende des ersten halbverses ein Substantiv, am ende des zweiten das dazu gehörige adjectiv, zwischen beiden ein anderes Substantiv mit adjectiv steht (70, 72, 74 : accumulat curas filia parva meas, non agitur vento nostra carina suo , nee premit articulos lucicla gemma meosj , ein fall, wie er nach Geb- hardi sonst bei den drei elegikern nicht vorkommt. Vieles der art ist freilich von sehr geringem belang und nichts von zwin- gender beweiskraft (worüber sich auch der Verfasser nicht täuscht), dankenswerth bleibt indessen jedenfalls die feststellung und aufzählung. Aber nicht zu billigen ist es, wenn Gebhardi p. 35 zusammenfassend behauptet: her oidum epistolae non ad amores vel artem amatoriam usu ac ratione formarum accedunt, sed cum exilii potius elegiis conferantur necesse est. Denn auch hier zeigen sich, wie gerade die Untersuchungen Gebhardi's leh- ren, bedeutende differenzen zwischen den verschiedenen Herol- den. Gegen die briefe der Oenone und der Hypsipyle z. b. hat Gebhardi auch nicht das geringste vorbringen können, was von den in den Amores und in der ars amatoria herrschenden regeln abwiche. Ein versehen ist es, wenn p. 20, z. 3 als beispiel für die form a a \ b ß (nee facies oculos iam capit ista meos) der vers a verbis facies dissidet ista meis angegeben wird. Ebenso wenn es p. 50 heisst: Heroidum 4, 166 trux sie unaS, tXorixai (am schluss des pentameters), da kurz vorher für dasselbe adjectiv Her. 19, 144 angeführt worden. Wenn Gebhardi , der die bezeichuung pentameter verbannt wissen will, p. 5, anm. 3 bemerkt, dass „schon" Ovid die verkehrte theorie, auf welcher jener nauie beruht, kenne, so mag hinzugefügt wer- den, dass bereits Hermesianax des [iulaxov nvttfA und nepra- fiiiQov ei wähnt.

Nr. 1. 13. Justinus. 41

13. Die Verbreitung des Justinus im mittelalter. Eine li- terarhistorische Untersuchung von Dr. Franz ßühl. Habili- tationsschrift der Universität Leipzig. 3 871. 52 pagg. 8.

Nachdem für eine grosse anzahl namentlich lateinischer autoren ein, wenn nicht vollständiger, doch für die ergründung der textgescbichte genügender kritischer apparat gewonnen ist, muss man mit freuden jeden versuch begrüssen , auf grundlage dieses materials eine geschichte der Verbreitung der klassischen autoren im abendlande während des mittelalters von dem unter- gange des weströmischen reiches an bis zu den zeiten des Wie- derauflebens der Wissenschaften anzubahnen. Einem solchen versuche wird die vorstehende Schrift des auf dem gebiete der litteratur der quellen des Plutarch vortheilhaft bekannten Ver- fassers verdankt. Justins auszug aus Pompejus Trogus ist in kritischer beziehung ungemein vernacblässigt gewesen. Die neuesten ausgaben , wie die von Duebner und Jeep , beruhen auf einer allzulückenhaften und in folge dessen unsicheren hand- schriftlichen grundlage, als dass es bisher irgendwie möglich gewesen wäre, mit genauer sichtung des diplomatischen mate- rials an die restitution des in einzelnen worten , wie durch lü- cken und glosseme gleichmässig über gebühr corrumpirten textes des Justinus zu gehen. Wenn Justinus auch nicht zu den autoren geborte, welche während des mittelalters in den schulen gelesen und in folge dieser Verbreitung in unzähligen hand- schriften vervielfältigt wurden, so hat doch wenigstens die ge- lehrtenwelt bis zum 12. Jahrhundert hin, sowohl in Italien als im norden , mit Vorliebe ihre kenutniss der ausserrömischen ge- schichte aus diesem autor geschöpft , und in folge davon ist eine bei weitem grössere anzahl von handschriften des Justinus vorhanden, als sich vor den dankenswertheu mittheilungen des Verfassers ahnen liess. Wir hoffen, dass die von ihm angekün- digte abhandluug über die textesquellen des Justinus recht bald erscheinen wird. In der vorliegenden habilitationsschrift hat der Verfasser bei dem nachweis der mittelalterlichen autoren, welche direkt oder indirekt den Justinus, sei es paraphrasirend benutzt, sei es direkt ausgeschrieben haben, eine umfassende belesenheit und ein gutgeschultes kritisches talent bekundet. Die ein- schlägliche mittelalterliche litteratur, für welche übrigens wich- tige anleitungen in der meisterhaften schrift Alfred von Gut-

42 14. Griechische alterthümer. Nr. 1.

schmids über die fragmente des Poropejus Trogus vorlagen, beherrscht der Verfasser vollkommen , und wenn auch die zum theil minutiösen resultate der arbeit zunächst vorwiegend meh den historiker als den philologen interessiren, so ist doch durch gelegentliche philologische bemerkungen auch für diesen des anziehenden genug vorhanden. Wir heben vor allem den in- teressanten ansatz der schriftstellerei des Gellius für das jähr 169 n. Chr. (p. 35) hervor, welcher bei Radulphus de Di- ceto (um 1210) geschickt eruirt ist, und welcher allem an- scheine nach auf eine neben Hieronymus und unabhängig von diesem einst bestehende chronik voll litterarhistorischer angaben zurückgehen dürfte. Eine genaue durchforschung der endlich einmal genau zu sichtenden masse mittelalterlicher lateinischer glossare wird hoffentlich noch mehrere auf Hieronymus nicht zurückführbare daten für die römische litteraturgeschichte er- geben, als Usener bisher herausgeschält hat. Immer mehr tritt ja überhaupt das bedürfniss hervor, aus dem wüste der halb- dunklen, mittelalterlichen Schriften neues licht für die antike litteratur zu gewinnen. Möchte doch der Verfasser, der selbst die Wichtigkeit einer erforschung der quellen des Vincenz von Beau- vais bei gelegenheit der besprechung des von diesem aus Justi- nus geschöpften betont, sich bestimmen lassen, namentlich zu- nächst die antiken quellen des Vincenz im Zusammenhang zu erörtern. Besonders anziehend ist namentlich der nachweis, wie namentlich der transalpinische norden seine eigene handschrift- liche Justinüberlieferung gehabt hat, und dieser sowohl die älte- ren nordischen handschriften des Justin angehören, als auch die excerpte der nordischen historiker entnommen sind.

Beiläufig bemerken wir, dass der mehrmals unter richtiger, aber ungewohnter bezeichnung erwähnte codex Eusebianus des Justinus offenbar ein Vercellensis in der bibliothek des dom- capitels zu Vercelli (über welche zu vergleichen Neigebauer in Neumanns Serapeum 1857, nr. 12) ist.

14. Griechische alterthümer von G. F. Schömann. Er- ster band. Das Staatswesen. Dritte aufläge. Berlin , Weidm. buchhandlung. 1871. VIII und 600 s. 8. lVs thlr.

Eine bei uns noch immer seltene Vereinigung von solider for- schung mit geschmackvoller darstellung hat Schöniann's behand-

Nr. 1. 14. Griechische alterthümer. 43

hing der griechischen alterthümer rasch und andauernd auch in weiteren kreisen zahlreiche freunde finden lassen, wie von den nicht - geschichtlichen werken kaum ein zweites der Weidmann'- schen Sammlung von handbüchern. Mit genugthuung begrüssen wir daher den beginn der dritten aufläge dieses werkes.

Das verkältniss der neuen aufläge zu der vorhergehenden, gerade vor zehn jähren erschienenen bezeichnet der verf. selbst folgendermassen: „auch diese dritte ausgäbe erscheint nicht ohne einige Verbesserungen und zusätze, zu denen mich die benutzung neuer behandlungeu der betreffenden gegenstände ver- anlasste. Einiges, was sich nicht füglich durch kurze änderun- gen im texte oder in anmerkungen unter demselben anbringen Hess, was ich aber doch nicht mit stillschweigen übergehen zu dürfen glaubte, ist im anhange besprochen".

Was zunächst die äussere Vermehrung betrifft, so haben die beiden ersten abschnitte ,,einleitung" und „das homerische Grie- chenland" eine solche so gut wie nicht erfahren; von dem dritten sind die beiden ersten kapitel („allgemeine Charakteri- stik des griechischen Staatswesens" und ,,geschichtliche angaben über die Verfassungen einzelner Staaten") zusammen etwa um vier seiten vermehrt ; das dritte , „der spartanische Staat" hat einen Zuwachs von zwei Seiten erhalten, das vierte, „der atheni- sche Staat" einen solchen von sieben ; endlich im anhang (p, 573 588) ist bei weitem das meiste ganz neu hinzugefügt. Doch sind auch die im äussern umfang unverändert gebliebenen theile keineswegs ganz dieselben geblieben ; auch sie haben im einzelnen und kleinen vielfach die bessernde hand erfahren. Nicht immer bloss auf fremde anregung hin sind durch das ganze buch änderungen und zusätze vorgenommen; die neuere littera- tur ist nachgetragen (auch die citate sind nach den neuen auf- lagen durchkorrigirt) , polemisches dagegen soweit es inzwi- schen berücksichtigung gefunden hatte oder sonst erledigt war ist weggelassen. Ich gehe beispielsweise die neunzehnseitige ein- leitung durch, gerade weil sie nur um wenige zeilen vermehrt erscheint. Hier finden sich p. 7 anm. 1, p. 12 anm. 1, p. 14 anm. 2, p. 15 anm. 1, p. 17 anm. 1 citate aus der neusten literatur hinzugefügt; p. 18 ist die anm. 2 mit rücksicht auf Nutzhorn weiter ausgeführt, p. 9 eine anmerkung auf grund der Hercher'- scheu kritik der fahrt des Telemachos von Pylos nach Lake-

44 14. Griechische alterthümer. Nr. 1.

dämon ganz neu hinzugekommen ; ausserdem ist p. 5 der pas- sus über Hellas in Thessalien schärfer und korrekter gefasst, p. 14 im text und der zugehörigen anmerkung die gewagte be- merkung über die Aegyptiden unterdrückt, in der anmerkung auch die Zurückweisung des Prellerschen erklärungsversuches weggelassen und vielmehr die stelle der neuen auüage der grie- chischen mythologie Preller's citirt, die des vf.'s frühere Warnung berücksichtigt; endlich wird p. 19 über Pheidon hinzugefügt „oder wahrscheinlicher des siebenten (Jahrhunderts)", und dess zur be- kräftigung in der anmerkung auf das (schon 1844 erschienene) buch von Weissenborn verwiesen.

Eine vollständige anführung der litteratur liegt ja ausser- halb des Scbömann'schen planes; indessen wird von grösseren antiquarischen arbeiten , die in dem decennium zwischen der zweiten und dritten aufläge erschienen sind, kaum eine nicht genannt und benutzt sein. Anders steht es mit der kleineren litteratur, insbesondere soweit sie den nächstliegenden , vielfach auch in die alterthümer hineingreifenden disciplinen, wie geschichte, epigraphik, archäologie angehört. Mancherlei ist zwar auch hier gelegentlich erwähnt, eine erschöpfende ausnutzung all dieser arbeiten für die neue aufläge ist aber nicht erfolgt. Kein verstän- diger wird daraus dem hochverdienten greisen koryphaen unse- rer Wissenschaft einen Vorwurf machen wollen : und wenn ich mir erlaube ein paar beispiele anzuführen , wo der einblick in neuere arbeiten auch für sein handbuch von nutzen gewesen sein würde, so geschiebt dies nur, um meine behauptung nicht unbewiesen zu lassen. So hätte p. 3 neben Jablonsky's und Lassen's behandlungen der karischen spräche die von Lagarde (ges. Abb. p. 267 ff.) oder p. 19 für die chronologische fixiruug des lebens Pheidon's neben Weissenborn die gründliche Untersuchung von Unger im Philolog. XXVIII, p. 399 ff. und XXIX, p. 245 ff. doch recht sehr die erwähnung und berücksichtigung verdient-, und wenn der verf. davon notiz genommen hätte, dass in Athen jetzt exemplare der \pi}q)o<; azgijtog oder nXt'jQtji und der ipqqioQ TeTQVTTtj^tvtj zum Vorschein gekommen sind (s. arch. Anzeig. XVIH, 1861. p. 223 f.; vgl. auch Bulletin, d. inst, arch. 1865 n. X), so würde er p. 516 nicht mehr von durch- löcherten und ganzen „kügelchen" gesprochen haben , die auch schon Aristoteles beschreibung bei Harpokr. u. d. w. tetqvjtij-

Nr. 1. 14. Griechische alterthümer. 45

fisvt] ausschliesst. So hätte p. 538, um eine Vorstellung zu ge- ben von der bereicherung, welche unsere kenntnisse von der at- tischen epbebie der späteren zeit durch zahlreiche inschriften ge- wonnen haben, ausser Böckh's bekanntem programm , von an- dern ganz zu schweigen, mindestens W. Dittenberger , de ephe- bis Atticis (Gott. 1863) herangezogen werden müssen.

Von den besprechungen im anhange ist die längste, ganz neu hinzugekommene die zu p. 237 auf p. 573 577 , wel- che den neueren annahmen über das spartanische doppelkönig- thum gewidmet ist. Da sich dieselbe wesentlich gegen meine ausführungen in Fleckeisens Jahrb. 1868, p. 1 ff. richtet, so darf auch ich wohl gerade auf diesen punkt noch mit ein paar Wor- ten eingehen, um zu \»ersucken, den verf., den noch einige be- denken von der Zustimmung fern halten, für mich zu gewinnen. Vor allen dingen scheint ganz unberücksichtigt geblieben, dass all- gemeine erwägungen darauf führen, in den beiden königshäu- sern ursprünglich repräsentanten zweier verschiedener nicderlas- sungen auf dem boden des spartanischen Stadtgebietes zu sehen, und das institut des doppelkönigthums, als aus einem synoikis- mos dieser sondergemeinden hervorgegangen zu betrachten. Diese anschauung hat sich mir bei weiteren Studien über die altspartani- sche geschichte durchaus bewährt, und ich glaube manchen weite- ren beleg für ihre richtigkeit geben zu können, was freilich nur im Zusammenhang einer eingehenden behandlung der mangel- haften Überlieferung möglich ist. Die officielle darstellung der älteren Zeiten war natürlich hier, wie sonst, bestrebt die spuren ursprünglicher geschiedenheit möglichst zu verwischen; auch Tyrtäu3, der mit seinem gedieht EvtofAia eine nicht unbedeutende rolle in der geschichte der inneren bewegungen in Sparta spielt, steht auf diesem Standpunkt. Es könnte daher auch nicht wun- der nehmen, wenn überhaupt in der tradition gar kein direktes zeugniss für die Stammesverschiedenheit der beiden könige vor- läge. Die parallelen anderer diarchien (die von Geizer in der abschiedsschrift des göttinger philologenvereins für Curtius 1868, p. 39 ff. gut zusammengestellt sind), die eigenthümli- che mischung achäischer und dorischer demente, welche in der Stellung des spartanischen königthums wahrzunehmen ist, die von dorischem sonderinteresse freie politik der Agiaden (s. Curtius gr. G. III, p. 37 und p. 751 anm. 17) würden auch

46 14. 15. Griechische alterthümer. Nr. 1.

dann dafür sprechen, sich diese Verschiedenheit so zurecht zu le- gen, dass die Agiaden Acbäer, die Eurypontiden Dorer waren. Allein nun sind wir so glücklich bei Polyaen. I, 10 wirklich eine Version der sage zu besitzen, welche die Eurystheniden in Sparta schon vor der dorischen einwanderung angesessen zeigt. Kann es da genügen zu entgegnen, dass Polyän „einer der geistlose- sten und stümperhaftesten compilatoren" sei? Oder haben nicht solche compilatoren zuweilen dennoch auch vorzügliche quellen ausgeschrieben und so überaus wichtige nachrichten erhalten, und steht es denn nicht notorisch eben so mit Polyän ? Weiter hatte ich, um den bekannten ausspruch des königs Kleo- menes für meine ansieht verwenden zu dürfen, behauptet, dass die Spartaner aus dem Heraklidenthum ihrer könige keinerlei ethnographische consequenz gezogen hätten und finde das kei- neswegs dadurch widerlegt, dass Dorieus, der bruder des Kleo- menes, sieb in Sicilien als Heraklide gerirt. Der verf. un- terstellt dabei durchaus gegen meinen sinn , dass sich so Kleomenes, weil als Acbäer, nicht als Heraklide gefühlt haben könne. Eben das leugne ich ja, dass Heraklide sein und Acbäer oder Dorer sein kongruente begriffe sind; es konnte Herakliden, d. i. solche die ihre abstammung auf Herakles zurückführten, ebensogut unter Achäern wie Dorern geben (was ja der vf. p. 574 selbst indirekt einräumt) ; erregte es den Hellenen doch sogar kein bedenken, Lyderkönige als Herakliden zu betrachten (Herod. I , 7) : es verfiel eben niemand darauf , daraus einen schluss auf jeuer nationalität %\\ ziehen.

Beiläufig noch eins. Auch in dieser aufläge finde ich p. 554 anm. 2 ein offenbares versehen wiederholt; der Pausanias, auf den sich Eustath. zur II. p. 1279, 40 beruft, kann unmög- lich, wie der verf. annimmt, der perieget sein, der I, 17, 1 weder der '/Icptltta noch der läge auf der bürg gedenkt: es ist vielmehr der von Eustathius so oft benutzte lexikograph gemeint, worauf auch das vorkommen der entsprechenden glosse bei Hesych. u. d. w. Atdovg ßcopög weist. C. W.

15. Conrad Trieber. Forschungen zur spartanischen Verfassungsgeschichte. 8. Berlin. Weidmann. 1871. 15 gr.

Das hier anzuzeigende buch von Trieber enthält zur spar- tanischen verfassuugsgeschichte in fünf kapiteln zwei untersu-

Nr. 5. 15. Griechische alterthümer. 47

chungen allgemeiner und drei Untersuchungen specieller natur. Was die beiden ersteren betrifft , so behandelt cap. 5 die spar- tanische Verfassung im allgemeinen, cap. 4 den Zusammenhang der spartanischen Verfassung mit der kretischen. Mit recht ist von Trieber betont worden, dass die spartanische Verfassung nicht als eine allgemein dorische aufzufassen sei, sondern aus der alt- griechischen, d. h. homerischen, erklärt und verstanden werden müsse. Dass sich manche phoenikische einflüsse in den spartani- schen alterthümern nachweisen lassen, darin stimmt rec. mit dem Verfasser überein , während ihm dagegen die tyrannenfurcht als motiv einzelner spartanischer einrichtungen z. b. der t-eiqluot'a sehr wenig bewiesen zu sein scheint. Auch mit den resultaten des vierten capitels darf man sich im wesentlichen einverstan- den erklären, dass nämlich die kretische Verfassung auf die spartanische, nicht umgekehrt zurückzuführen sei. Cap. 3 wird die geschichtlichkeit des Lykurgos einer prüfung unterzogen. Zuerst wird auf die Widersprüche in der Chronologie des Lykurgos hingewiesen und daraus weiter auf die Unsicherheit der von Erato- sthenes benutzten ävayQayai geschlossen. Wenn der vf. die ganze spartanische königsliste bis auf Leon und Anaxandridas wegen der unverhältnissmässig langen durchschnittlichen regierungszeit der einzelnen könige für unhistorisch hält, so scheint mir das zu weit zu gehen. An eine Vollständigkeit dieser liste darf gewiss nicht gedacht werden , auch einzelue personen mögen ungeschichtlich sein. Dagegen darf aber an der geschichtlich- keit der mehrzahl dieser könige nicht gezweifelt werden , wie dafür denn auch die angaben der bei Pausanias erhaltenen einheimischen tradition zu zeugen scheinen. Unterschieden muss werden zwischen einer altern und Jüngern recension dieser kö- nigslisten , von denen uns die ältere zuerst bei Herodot , die jüngere bei Eratosthenes vorliegt. Die jüngere unterscheidet sich von der altern durch hinzufügung der zahl der regierungs- jahre zu dem namen der einzelnen könige, und müssen diese Zahlenangaben auf eine reine erfindung der Alexandriner zu- rückgeführt werden. Dass sie wenigstens in Sparta unbekannt waren, lässt sich aus Pausanias mit ziemlicher Sicherheit erwei- sen. — Der vf. führt dann die Überlieferung der lebensschick- sale des Lykurgos bei Plutarch mit Wahrscheinlichkeit auf Ephoros zurück, wobei rec. für Plutarch nur eine zwischenquelle

48 15. Griechische alterthümer. Nr. 1.

annehmen zu müssen glaubt. Cap. 1. behandelt die spartani- sche heeresorganisation. Als richtig darf in demselben gelten, dass zur zeit der schlacht bei Leuktra das spartanische heer in 6 moren, 12 lochen, 48 pentekostyen, 96 enomotien einge- teilt wurde. Die moreneintheilung bereits bei Herodot anzu- nehmen , ist von dem verf. durch nichts bewiesen. Die ein- zige stelle, bei Her. 9, 60 in der aufforderuug des Pausa- nias an die Athener vor der schlacht bei Plataiai, dtv.uioi iais Vftelg nQog rijv nit£o[iSvi]v [iuliOTa räv (AOigt'atv ufAvveopisg tV- poli, hat einen ganz andern sinn , als der verf. ihr unterlegt. Pausanias unterscheidet in seiner botschaft an die Athener vor der schlacht bei Plataiai einestheils die Athener, anderntheils dio Spartaner und Tegeaten, die den angriff der Perser aufzuneh- men haben. Beide theile wollen sich deshalb gegenseitig un- terstützen. Wenn die Athener zuerst angegriffen wären , so würden die Spartaner und Tegeaten denselben zu hülfe geeilt sein. Nun aber seien sie zuerst angegriffen und deshalb seien die Athener verpflichtet: ngog tijp ntt^ofitiijv puXiota zäp f*oi- gttüv äfivvsovTEQ ispui. Die folget kann hier nur den einen theil des heeres bezeichnen, nämlich die ^Spartaner und Tegea- ten. — Der Tlizaviljtijg X6%og bei Her. 9, 53 wird von dem vf. ganz mit stillschweigen übergangen, eine angäbe, die in Verbin- dung mit Schol. Aristoph. Lysistr. 453, das der verf. ungenügend gewürdigt hat, und mit Her. 1, 65 den ausgangspunct für eine Untersuchung über die ältere spartanische heeresorganisation bilden muss. Ebenfalls darf auch auf eine kenntniss der moren bei Thukydides aus der erwähnung der polemarchen allein (Thuc. 5, 66) mit dem verf. nicht geschlossen werden. Als gänzlich verfehlt endlich, sowohl was die dort gewonnenen resultate, wie was die methode der forschung betrifft, muss das zweite capitel gelten, welches „die rhetra des Lykurg nebst dem zusatze des Theopomp und Polydor" behandelt. Es darf als ein mangel aller behandluugen der spartanischen Verfassungsgeschichte bis auf unsere tage gelten, dass diesen authentischen Urkunden bei denselben nie das gewicht beigelegt ist, das sie zu bean- spruchen berechtigt sind. Den höchsten grad dieses fehlcrs hat der verf. in dem zweiten capitel des uns vorliegenden buches erreicht, das sich die aufgäbe gestellt hat, dio unechtheit dieser Urkunden nachzuweisen. Die gründe, die dafür angeführt werden,

Nr. I. 15. Griechische alterthümer. 49

sind so nichtssagender natur, dass sie eine Widerlegung kaum verdienen. Der verf. geht von dem theopompischen zusatze aus und behauptet, derselbe bedeute, das volk sei nicht berech- tigt, anders als ja und nein zu den vorschlagen der gerusie zu sagen. Diese neuerung des Theopomp soll dann im Wider- spruch stehen mit der durch diesen könig erfolgten einsetzung der ephorie , die der verf. als eine Schwächling der königlichen gewalt auffasst. Ebenso soll sich auch mit dieser rhetra des Polydor und Theopomp der umstand nicht vereinigen lassen, dass das amtssiegel der ephoren, der eigentlichen Vertreter des Volkes, das bildniss des Polydor trug, obwohl er zugleich mit der förderung der ephorie die Volksmacht in der ekklesia geschwächt haben soll. Zunächst scheint der einzig richtige ausgangspunct der Untersuchung über diese frage der zu sein, nach der Rhetra, die nach Plut. Lyc. 9 zu urtheilen auf Aristo- teles zurückgeht, die ansieht Triebers, der name des Ari- stoteles sei von dem falscher der Urkunde, um derselben eine grössere glaubwürdigkeit zu verleihen, eingeschoben worden, ist eine ganz unhaltbare vermuthung die angaben der übrigen autoren zu regulieren, zumal da der tradition über die Schwä- chung der künigsgewalt durch einsetzuug der ephorie eine eben so gut beglaubigte Überlieferung gegenübersteht , die die ephoren ursprünglich als diener der könige darstellt. Nimmt man diese tradition an, so ist damit jeder Widerspruch beseitigt. Endlich ist aber auch der Inhalt des theopompischen Zusatzes ein ganz andrer, als der verf. in demselben gefunden hat. Aus fast noch unhaltbareren gründen wird die lykurgische rhetra selbst verwor- fen. Weil der Ztvg 'EXXdvtog und die 'Adavä 'EXXaiia „ein wahres kreuz der erklärer" gewesen sind, weil die zahl 30 in der rhetra schwierig zu erklären ist, deshalb muss die rhetra selbst unecht sein. Darauf soll ferner auch die einrichtung neuer phylen durch Lykurg bei dem Vorhandensein der alten dorischen hinweisen. Wenn jede Schwierigkeit der erklärung ein argument für die unechtheit der betreffenden stelle sein soll, dann hat man allerdings ein sehr bequemes mittel, einen jeden bericht, der einer vorgefassten meinung nicht entspricht, zu beseitigen. Die identificierung des Knakion mit dem Oinus bei Plut. Lyc. 6 hält der verf. für unzuträglich, weil nach den neuern topographen der Knakion im Süden der Stadt fliessen Philol. Anz. IV. 4

50 16. Archa'eologie. Nr. 1.

müsse. Die neuern topographen können doch selbstverständlich den Knakion nur nach den angaben der alten Idealisieren und wie man dann denselben im süden der Stadt Sparta ansetzen kann, während die alten ihn im norden der stadt localisier- ten, ist mir unerfindbar. Wenn endlich der verf. glaubt, der falscher habe die rhetren aus Tyrtaios entlehnt, so ist das ein- fach deshalb unmöglich , weil in der stelle des Tyrtaios (fr. 4. Bergk.), wie eine genaue betrachtung ergiebt, die lykurgische rhetra und der theopompische zusatz bereits verarbeitet erschei- nen und weil aus einer solchen einheitlichen behandlung die trennung in zwei verschiedene rhetren ganz unerklärlich sein würde. Wenn der verf. glaubt, mit Göttling in dem satze übereinstimmen zu können : wer die drei kleinen (rhetren) für erfunden hält, muss auch die grössere für erfunden halten, so ist das ganz verfehlt. Diese drei rhetren, (Plut. Lyc. 13), un- zweifelhaft erflndungen einer späten zeit, werden durch die be- zeichnung al y.a%ov(i£vai tgst*; ql^gai (Plut. Ag. 26) als eng zusammengehörig bezeichnet und treten dadurch in einen be- stimmten gegensatz zu der lykurgischen rhetra und dem theo- pompischen zusatz. Dem rec. hat deshalb denn auch diese Untersuchung des verf. nur von neuem die Überzeugung befe- stigt, dass jede betrachtung der spartanischen Staatsverfassung, wenn sie fruchtbringend werden soll, ihren ausgangspunet von der lykurgischen rhetra und dem theopompischen zusatz neh- men muss.

16. Der Parthenon, herausgegeben von Ad. Michaelis. Atlas in fol., XV taf. Dazu: text, gr. 8. XVI und 370 s. Mit einer hülfstafel. Leipzig, Breitkopf und Härtel. 1871. 6 thlr.

Das endliche erscheinen des schon auf der pbilologenversamm- lung zu Halle 1867 angezeigten, 0. Jahn gewidmeten buche9, an dessen früherer Vollendung der Verfasser leider durch die schmerz- lichsten Verluste, die ihn in seiner familie betroffen haben, verhindert worden ist, wird gewiss in weiten kreisen freudig begrüsst wer- den. Das hauptwerk eines berühmten autors, von dem bis jetzt nur bruchstücke und zwar vielfach verdorben, vielfach in schlechter Überlieferung bekannt gemacht waren, wird hier zum ersten male vollständig und in gutem getreuen texte veröffent-

Nr. 1. 16. Archaeologie. 51

liebt, viele stellen die bis dabin gar keine oder böebst mangel- hafte erklärung gefunden batten, erhalten im commentar durch genauere feststellung des textes oder durch herbeiziehen von parallelstellen neues licht , und dadurch ergiebt sich auch für das ganze, das man bis dahin gewohnt war als aus einzelnen wenig oder gar niebt unter einander zusammenhängenden tbeilen bestebend anzuseben, ein neuer ungeahnter Zusammenhang. Und war der rühm des autors sebon gross wegen der einzelnen theile, wie viel mehr wird er jetzt gefeiert werden wo man er- kennt; dass vom ersten bis zum letzten tbeile seines werkes al- les auf ein gemeinsames ziel hinausläuft! Der autor ist Phi- dias, sein hauptwerk der Partbenon, die einzelnen tbeile die met- open, die giebelfelder, der fries und die goldelfenbeinerne statue. Es würde leiebt sein in der spräche der philologischen kritik weiter zu reden über jenes buch, in welchem der Verfas- ser abgeseben von dem hauptzweck die vielfach zerstreuten und meist schlecht publicirten sculpturen des Parthenon zu sammeln und zu sichten, zugleich den nebenzweck verfolgt hat, durch ein- richtung der tafeln zu zeigen, dass die archäologie, die leider nach der meinung noch vieler philologen nur ein tummelfeld für unbegründete und unbewiesene vermuthungen ist, an ebenso strenge regeln gebunden ist wie nur irgend die pbilologie, ja dass für beide zweige der alterthumswissenschaft ganz genau dieselben gesetze gelten; ich könnte fortfahren zu reden von text und den darunter gestellten Varianten, von conjeeturen und ergänzungen früherer bearbeiter u. s. w., wenn es überhaupt der zweck dieser zeilen wäre eine genaue eingehende besprechung des buebes zu liefern ; doch kann dies unmöglich meine absieht sein: einmal weil ich dann den mir gestatteten räum weit über- schreiten müsste , dann aber auch weil zu einer genauen Ver- knüpfung aller der vielen im „Parthenon" aufgehäuften einzel- heiten ein bedeutend längerer zeitraum erforderlich wäre als mir jetzt zu geböte steht. Und selbst wenn es einem recen- seuten gelänge nachzuweisen, dass ein oder das andre sculptur- fragment sich den scharfen bücken des Verfassers entzogen habe, oder dass er bei anführung der Zeugnisse eins oder das andere übersehen habe, so könnten dies doch nur kaum in be- tracht kommende kleinigkeiten sein und würden dem Ver- dienste von Michaelis , zuerst die erhaltenen reste gesam-

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52 16. Archaeologie. Nr. 1,

melt und dem allgemeinen urtheil zugänglich gemacht zu ha- ben , keinen abbruch thun. Nein, es kann nur mein zweck sein in kurzen Worten das werk anzuzeigen , plan und einrich- tung desselben zu entwickeln und auf das , was für einzelerklä- rung und für deutung des ganzen neues vorgebracht wird, hinzu- weisen ; gelingt es mir damit die aufmerksamkeit solcher, die sonst vielleicht gleichgültig an dem werke vorübergegangen wären, auf dasselbe hinzulenken, so ist meiner absieht genüge geschehen.

Der erste, historische theil handelt von der geschichte des Parthenon, von der grundsteinlegung auf dem nur wenig er- weiterten unterbau des ehemaligen von den Persern zerstörten hekatompedos an durch alle phasen der geschichte hindurch bis auf die neueste zeit. Der architektonische theil, wenn auch nur kurz, ist doch mit grosser genauigkeit behandelt, nament- lich den farbenspuren viel aufmerksamkeit geschenkt. Von ein- zelheiten wäre hervorzuheben, dass der name hekatompedos der tempelcella zukommt, die mit der westlichen scheidemauer (nach dem opisthodom zu) fast genau 100 attische fuss misst *j, wäh- rend mit „Parthenon" im eigentlichen sinne nur der unmittel- bare räum vor der statue des Phidias bezeichnet wird. Für sie wird mit Bötticher, dessen neueste Untersuchungen für den architektonischen theil überhaupt zu gründe gelegt sind, als aufstellungsplatz ein räum an der westlichen cellawand nachge- wiesen, wo zwei mauervorsprünge eine nische bilden ; die wei- ter nach osten sich findenden spuren (zu tage liegende Paros- quadern), die früher als rest der aufstellung des bildes galten, werden mit grosser Wahrscheinlichkeit für ein bema in anspruch genommen, von dem aus an den panathenäen die Siegerpreise vertheilt wurden. Gitter zwischen den säulen trennten die cella in mehre räume die nach ausweis der inschriften zur aufbe- wahrung der bei processionen gebrauchten heiligen kostbaren geräthe und anderer weibgeschenke benutzt wurden; zwei thüren zu beiden seiten der nische führten aus der cella in den opisthodom, das schatzhaus der Athener. Ueberhaupt war der zweck, als schatzhaus und als aufbewahrungsort der heiligen geräthe zu dienen, eine der hauptbestimmungen des gebäudes ; es war nicht ein kulttempel , sondern vielmehr mit

1) Die breite des stylobats, die zufällig auch 100 attische fuss beträgt, hat nichts mit dieser benenuung zu schaffen.

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allem seinem inhalt gleichsam ein weihgeschenk der Athener an die göttin, der sie den segen des landes und schütz in allen gefahren verdankten. Daher auch der schmuck an der statue, in den giebelfeldern und metopen darauf berechnet ist, die macht der Pallas, sei es im kämpfe mit einem gott um die herrschaft des landes, sei es gegen die erdgeborenen Giganten, sei es wo sie dem athenischen volke oder einzelnen athenischen helden beisteht, zu zeigen. Schön schliesst sich daran der fries, das fest der panathenäen darstellend, den dank, den das athenische volk seiner göttin bringt.

Die Schicksale des tempels nach seiner Vollendung, wie er unter der habgier der dreissig zu leiden hatte, dann durch Ly- curg wieder mit kostbarkeiten angefüllt wurde, seine entwei- hung durch Demetrios, seine beraubung durch Lachares, bis zur endlichen Zerstörung der statue durch die Christen und zur Um- wandlung des tempels in eine kirche der mutter gottes werden anschaulich geschildert; die vermuthung dass die entwendung des goldenen gewandes durch Lachares nur auf einer falsch verstandenen wendung eines komikers ' beruhe, ist sehr wahr- scheinlich; denn wie wäre es denkbar, dass der dieb, dem es darauf ankommen musste die gestohlenen werthsachen transpor- tabel herzurichten, das gewand in einem zustande zurückgelas- sen habe, der die Wiederanfügung an die statue erlaubte?

Von den Umänderungen, die der Parthenon erfuhr, als man ihn zur christlichen kirche weihte, ausführlich zu berichten würde zu weit führen; nur so viel sei bemerkt, dass die sculpturen bis auf eine platte des ostfrieses (die man aber sorgfältig auf- hob) an ihrer stelle blieben , dass aber die langseiten des frie- ses dadurch, dass das alte dach abgebrochen und durch ein kleineres nur bis zur cellamauer reichendes ersetzt wurde, al- len einflüssen der Witterung preisgegeben wurden. Diesem um- stände vorzüglich ist die grosse Zerstörung, die einzelne platten durch abblätterung des marmors getroffen hat, zuzuschreiben. Auch die Umwandlung der kirche in eine moschee durch die Türken führte wenig Veränderungen herbei; desto mehr die ver- hängnissvolle belagerung durch Morosini im jähre 1687; ein glück dass wenigstens ein grosser theil der sculpturen durch Carrey, den Zeichner des französischen gesandten in Constanti- nopel, Nointel, vorher gezeichnet waren!

54 16. Archaeologie. Nr. 1.

Die nachherigen Schicksale des terapels nach der Zerstö- rung durch die Venetianer lassen sich in wenigen worten zu- sammenfassen. Absichtliche Zerstörung durch die Türken und Verstümmelung durch die reisenden gehen hand in hand. Da kann man das auftreten Elgins nur mit genugthuung begrüssen, man kann sich freuen, dass die sculpturen dem sichern verfall oder der Verschleppung und Zerstörung entzogen und die haupt- stücke wenigstens nach London geschafft wurden.

Der Verfasser lässt lord Elgin gerechtigkeit widerfahren : so wenig die art und weise gebilligt wird , mit welcher theile des gebäudes der sculpturen wegen zerstört worden, so sehr nimmt er ihn gegen unberechtigte angriffe in schütz 2). Und wahrlich, wenn man sieht dass auch noch im jähre 1871 die sculpturfragmente allen unbilden der Witterung ausgesetzt auf der Akropolis herumliegen (das p. 51 erwähnte museum auf der bürg ist noch nicht über das unterste Stockwerk hinaufge- kommen, und scheint definitiv aufgegeben; ein anderes grösse- res museum, das man in der Patissiastrasse einrichten wollte, scheint gleichfalls ins stocken gerathen zu sein), kann man nur zufrieden sein, dass ein grosser theil dieser meisterwerke schon seit langer zeit allen weiteren Zerstörungen entzogen worden.

Der zweite theil enthält übersieht und kritik der quellen. Unbedingte glaubwürdigkeit gebührt natürlich nur den origina- len; da wo diese verloren oder zerstört sind, treten zumeist gypsabgüsse ein, die, von den originalen in einer zeit genom- men, wo diese besser erhalten waren , manches und theilweise höchst wichtiges überliefert haben. An dritter stelle folgen die Zeichnungen, vor allen die vor der venetianischen belagerung ge- machten von Carrey, dem trotz mancherlei versehen, die er sich hat zu schulden kommen lassen (er zeichete von unten ohne gerüste), doch die grösste glaubwürdigkeit für den inkalt zukommt, wäh-

2) Ich bemerke hier, dass die englische regierung darauf ausgeht, sämmtliche zum Parthenon gehörige fragmente in gypsabgüssen zu vereinigen. Im mai dieses Jahres hatte der formatore Martinelli in Athen den auftrag erhalten, alle auch die kleinsten fragmente sammt allen noch an ort und stelle befindlichen platten abzuformen, so dass zu hoffen steht, dass man in kurzer zeit die sämmtlichen sculpturen auf das bequemste in London wird studiren können. Die kleinen versehen oder auslassungen, die auf den tafeln des vorliegenden Wer- kes sich finden, können dann bei einer zweiten aufläge berichtigt werden.

Nr. 1. 16. Archaeologie. 55

rend er, der schaler Lebruns , den styl des Phidias nicht wie- derzugeben wusste. Für einige metopenplatten sind noch die Zeichnungen von d'Otiere' s ingenieuren wichtig. Getreuer im styl als Carrey, doch dafür nicht frei von willkürlichen Zusä- tzen und ergänzungen ist Stuart , um der andern weniger in betracht kommenden zu geschweigen. Die tafeln sind demge- mäss so angeordnet , dass in hauptstreifen der text , d. h. die durch die originale überlieferte gestalt gegeben ist ; wo diese uns fehlen oder die bildwerke in gypsen oder Zeichnungen besser erhalten sind, werden diese in den text gesetzt, doch durch hellere sehraffirung kenntlich gemacht ; die abweichungen der anderen Überlieferungen, so weit sie jedesmal von Wichtig- keit sind , werden in halber grosse als Varianten unter den hauptstreifen gegeben.

Somit wären wir bei dem atlas und dem theil III des textes, dem entschieden wichtigsten theile des buches, bei der erklärung der tafeln angelangt. Von den 15 tafeln enthalten I und II ansichten und plane vom Parthenon und architekto- nisches ; t. III— V die metopen; VI bis VIII die giebelgruppen, und IX bis XIV den fries der cella. Taf. XV endlich behan- delt die Athena Parthenos. Auf der dem texte zugegebenen hülfs- tafel ist eine Zeichnung des westgiebels von Dalton, und eine darauf beruhende reconstruction des ganzen giebelfeldes abge- bildet. Was die Zeichnungen anbetrifft, so lässt sich sagen dass sie mit grosser Sorgfalt ausgeführt sind ; kleinere versehen und auslassungen fehlen zwar nicht, sind aber regelmässig im texte angemerkt.

Die erklärung geht vor allen dingen darauf aus nachzu- weisen, dass nicht beliebig zusammengewürfelte scenen den schmuck des Parthenon bilden , sondern dass alles auf einen gesichtspunkt, die Verherrlichung der Athene und damit die Verherrlichung ihrer lieblingsstadt hinausgeht. Im ganzen kann man sagen, dass dies dem Verfasser gelungen ist; bleiben der scenen auch noch viele in den metopen, die einer wahrscheinli- chen deutung sich entziehen und wegen ihrer schlechten erhal- tung wohl immer entziehen werden, so ist ja der Centauren- kampf auf der Südseite (die menschlichen kämpfer sind nicht Lapithen, sondern Athener, die unter Theseus dem Peirithous zu hülfe kommen) nicht angezweifelt; der Gigantenkampf und

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der gegen die Amazonen auf ost- und Westseite scheinen sicher und eine scene wenigstens auf der nordseite 3) wird, glaube ich, mit recht auf die Zerstörung Troja's bezogen, an der die Athe- ner nicht verabsäumt hatten, durch die söhne des Theseus ihren antheil sich zu sichern. Ob der Verfasser mit recht annimmt, dass auf süd - und nordseite metopen mit andern darstellungen zwischen die fortlaufende scene eingeschoben sind, nur um die lange reihe gleichartiger darstellungen zu unterbrechen , lasse ich dahingestellt; äusserliche umstände könnten ebenso gut schuld daran gewesen sein, ohne dass deshalb der rühm des künstlers verringert würde.

Bei den giebelfeldern verwahrt sich der Verfasser gegen die neuesten annahmen Böttichers, der gegen allen augenschein und gegen die Überlieferung den torso der Nike (taf. VI n. 14, I) aus dem ostgiebel in den westgiebel versetzt, ebenso wie gegen die einmischung der Minerva Medici. Die figuren des ostgiebels werden von ihm genannt: Helios, die liegende figur4) Dionysos (?) , dann Persephone (?), Demeter (?) , Iris, weiter auf der rechten seite Prometheus (?), Nike, Pandrosos (?), Thalia (?), Karpo(?), Selene, die des westgiebels Kephisos, (Morea?), Askle- pios, Hygieia, Demeter, Iakchos, Köre, Nike, Hermes, Athena, Poseidon (hippokampen), Nereide, Amphitrite, Palaimon, Leuco- thea, Eros, Aphrodite, Thalassa, Nereide, Ilissos, Kalirrhoe.

Der fries wird hingestellt als eine ideale darstellung des panathenaeenfestes. Der künstler hatte nicht nöthig allen die festkränze aufzusetzen; einige genügten (und diese sind vor- handen), um bei allen gleiche bekränzung annehmen zu lassen. Der zug bewegte sich nach zwei Seiten hin, nicht der Wirklich- keit entsprechend, sondern aus künstlerischen gründen wegen der anordnung um den tempel; auf der ostseite, als im tempel sitzend zu denken, erwarten die götter den zug, als solche deut- lich bezeichnet durch die gegenwart der Nike und des Eros, unsichtbar thronend ; zwischen ihnen die priesterin der Polias und der Schatzmeister, jene beschäftigt stuhle mit polstern von den zuerst angekommenen der procession in empfang zu neh-

3) Metope XXIV und XXV. Mehrfach wird es wahrscheinlich gemacht dass zwei auf einander folgende metopen zu einer scene ge- hören.

4) Die fragezeichen hat Michaelis selbst dazugesetzt.

Nr. 1. 16. 17. Archaeologie. 57

men, dieser im begriff den ihm überreichten peplos, das ge- schenk an die göttiu, zu falten. Mit recht wird Böttichers Übungs- marsch zurückgewiesen ; die sitzenden götter werden der reihe nach links von der mittelgruppe als Hermes, Dionysos, Deme- ter, Triptolemos, Nike, Hera, Zeus, die rechte als Athena, He- phaistos, Poseidoü, Apollon, Patroos, Peitho, Aphrodite, Eros bezeichnet.

Der erläuterung von taf. XV geht eine Sammlung aller auf die Parthenos bezüglichen stellen voraus; darnach wird die statue reconstruirt ; die auf jene statue zurückgehenden statuen, reliefs und münzen finden sich auf taf. XV in grosser Vollstän- digkeit abgebildet.

Nicht wenig mühe hat der Verfasser auch auf die beigege- benen anhänge verwandt, die die inschriften über den bau des Parthenon, die Schatzverzeichnisse und nachrichten über restau- ration (vgl. zu anh. I, 2 noch nachtrage, p. 366) möglichst vollständig geben; nicht weniger verdienstvoll ist eine neue Zu- sammenstellung aller auf panathenäen, agone, festzüge und opfer bezüglichen stellen, und der HI und IV. anhang: „Aeltere be- richte über den Parthenon bis 1688", und „aktenstücke über Elgins erwerbungen'', werden nicht weniger beifall finden. Ein vollständiges register macht den schluss.

So kann denn dies buch „der Parthenon" allen freunden der alten kunst auf das wärmste empfohlen werden. Nament- lich steht zu hoffen dass alle Schulbibliotheken nicht versäu- men werden dies werk anzuschaffen , zur anregung und beleh- rung für lehrer und schüler.

R. E.

17. Griechische kunstmythologie von J. 0 verbeck. Be- sonderer theil. Erster band. Erstes buch: Zeus. (Mit 14 li- thographirten tafeln und 17 holzschnitten). Leipzig, verlag von Wilhelm Engelmann, 1871. 6 thlr.

Dass eine neue kunstmythologie ein bedürfniss für die ar- chäologische weit ist, weiss jeder, der sich mit dem handbuche von Otfried Müller bisher dem einzigen buche dieser art auch nur einigermassen vertraut gemacht hat. So verdienstlich die in demselben enthaltene Zusammenstellung für ihre zeit auch war, bei der jetzt riesenhaft angeschwollenen menge des Stoffes

58 17. Archaeologie. Nr, 1.

kann Müllers arbeit nicht länger genügen. Dass seit vierund- zwanzig jähren kein neuer versuch gemacht worden ist, die ge- sammten resultate jener Wissenschaft systematisch zu verarbei- ten, erklärt sich wohl hauptsächlich aus der Schwierigkeit und mühseligkeit des Unternehmens. Um so verdienstlicher ist der entschluss Overbecks , die lange reihe seiner archäologischen arbeiten durch ein solches werk zu krönen. Bis jetzt liegt ein stattlicher band von 600 selten vor, ausschliesslich die auf Zeus bezüglichen denkmäler behandelnd; der zweite band, Hera, Po- seidon und Demeter umfassend, soll bald nachfolgen.

Overbecks arbeit bietet, wie dies die sache mit sich bringt, neben den speciell kunstmythologischen auch kunsthistorische erläuterungen , und es entspricht dieses verhältniss eben nur demjenigen , welches im alterthume selbst zwischen mythologie und kunst obwaltete. So dankenswerth es nun auch ist, dass der Verfasser seinem buche eine historische Übersicht der künst- lerischen entwicklung der gestalt des Zeus vorausgeschickt hat, so will es uns doch bedünken , als ob bei besprechung der einzelnen denkmäler, die doch meistens nur von mittelmässigem werthe sind, die ästhetische beurtheilung noch mehr, als es ge- schehen ist, hätte in den hintergrund treten können. Bei der anordnung des Stoffes, der classificirung der einzelnen Zeus- darstellungen ist Overbeck nicht, wie man vielleicht erwarten möchte, von religiösen gesichtspunkten ausgegangen, sondern hauptsächlich von äusserlichen formalen kriterien, Verschieden- heiten der bekleidung, der Stellung und dergleichen. Es ent- spricht aber dieses verfahren durchaus dem gegenwärtigen Stand- punkte der Wissenschaft, die sich bisher allerdings sehr ausge- breitet, aber nicht in gleichem masse vertieft hat. Ob es je- mals gelingen wird, mit der nöthigen Sicherheit die verschiede- nen kultusgestaltungen des Zeus und der andern götter auch im bilde nachzuweisen und die kunstmythologie zu der wün- schenswerthen wissenschaftlichen höhe zu erheben, darüber mö- gen die ansichten verschieden sein. Aber dass nach diesem ziele gestrebt werden muss, wenn die kunstmythologie anders ihrer aufgäbe gerecht werden will, dürfte wohl niemand leugnen, und Overbecks buch wird hoffentlich einen nachhaltigen anstoss zu grösserer Vertiefung der kunstmythologischen Studien geben. Die beigefügten abbildungen, vorzugsweise müuzen und ge-

Nr. 1. 17. Archaeologie, Theses, 59

schnittene steine darstellend, zeichnen sich durch genauigkeit und charakteristische auffassung vor vielen andern vortheilhaft aus, und erwecken ein sehr günstiges vorurtheil für den ver- sprochenen atlas der kunstmytkologie, der die grösseren werke (statuen, büsten, reliefs u. dergl.) umfassen soll. Hoffentlich wird dieses unternehmen nicht an financiellen Schwierigkeiten scheitern. Wie freilich die Verhältnisse in Deutschland liegen, ist es sehr wahrscheinlich, dass das unerwünschte geschieht, da es den freunden der kunstwissenschaft meistens an den mittein zur anschaffung kostspieliger werke fehlt, und den bemittelten meistens an interesse. Den letzteren ist daraus auch kai;m ein Vorwurf zu machen ; denn wie sollen sie sich für eine sache in- teressiren , von der sie in der schule nicht einmal den namen gehört haben ? So lange unsere gymnasien die künstlerische seite des alterthums gänzlich unberücksichtigt lassen und sich fast ausschliesslich mit grammatik und phraseologie beschäftigen, so lange muss auch die kunstwissenschaft auf jede theilnahme von Seiten des grösseren publikums verzichten.

L. G.

THESES quas . . in universitate Fridericia Gruilelmia Ehe- nana . . . d. XVI m. Decemb. a. MDCCCLXXI , . in publico defendet Georg. Kaibel: I. Diogenem Sinopensem cynicum comicus nescioquis cavillatur apud Iulian. or. VI, p. 105 B. Sp. versibus hisce leviter immutatis :

anoXiq uoixog naTQidoq laxsoriiiivoq,

ovx oßoXov ov doa%[ir]v fywv ovd* oixhqv,

aXk ovSe (id£av. cod. ovx oßoXov ov doayjiriv ovx olxhrjv h'%u)v. Deridet autem comicus tragici cuiusdam verba ap. Laert. D. VI, 38 (coli. Ael. V. H. HI, 29); II. Pomponii comici vv. 21 sq. Ribb. sie in duas personas dispertiendi :

immo mane,

non esuribis diutius! Qua re? rogas? (Nonii codd. roga.) coli. Terent. Andr. 909 ; III. Arist. Pac. 1220 M. scripsit: xqsTttov yao bnovv (codd. w ruv) lanv i} firiötv laßelv coli. Demosth. XX, 16 ; IV. Valerius Mar- cellinus (Capit. vit. Max. et Ball. IV, 5) et Fabius Marcellinus (Vopisc. Prob. 11, 7 coli. Lamprid. Alex. Sev. 48, 6) duo unius hominis nomina sunt ; V. Arist. Eccles. 69 spurius coli. vs. 25; VI. Herodes Atticus a. 115 Athenis archon fuit eponymus; VII. Arist. Eccles. 72 scribendum: iifiiXg de xi <jpaV; s'xovcif' xavarevovat yuq. (codd. ri (fdre; (paaC)] —■%

60 Neue auflagen und Schulbücher. - Bibliographie. Nr. 1.

VIII. Varron. Atac. Argon. III. fr. 2 ed. R. prirao libro vindico; IX. Arist. Plut. 184 sq. emblema sunt; X. Anth. Pal. VII, 18 Leonidae Tarentini est; XL Statuae, quam Lolliano sophistae Phjlostr. V, 5. 1, 23 in foro Atheniensi positam re- fert, epigramma superest in Ephem. arcb. 53; XII. Adde lexicis substantivum to epyog ex tit. ap. Le Bas. part. V, p. 205 n. 640 [An. PrE02) et ibid. p. 428 n. 1720: egysai aal Gocpiq. Utrumque temere mutavit Waddington.

NEUE AUFLAGEN. 18. Homer's Odyssee erklärt von J. H. Faesi. Dritter bd., gesang XVII— XXIV. Fünfte aufläge besorgt von W. C. Kayser. 8. Berlin. Weidmann. 1871; 15 ngr. 19. Sophokles. Erklärt von F. W. Schneidewin. Er- stes bändeben. Allgemeine einleitung. Aias. Sechste aufläge besorgt von A. Nauck. 8. Berlin. Weidmann. 1871; 12 gr. 20. T. Lucretii Cari de rerum natura libri sex. Gar. Lach- mannus recensuit. Editio quarta. 8. Berol. G. Reimer. 1871; 1 thlr. 10 gr. 21. Kühner ausführliche grammatik der griechischen spräche. 2. thl. 2. abth. 8. Hannover. Hahn ; 2 thlr. 10 gr. „22. J. Scherr, allgemeine geschichte der literatur. 4. aufl. 2. Ifg. 8. Stuttgart. Conradi, ä 8 ngr. 23. H. Göll, kulturbilder aus Hellas und Rom. 2. aufl. 3. bd. 8. Leipzig. Hartknoch; a 1 thlr. 6 gr. 24. G. F. Puchta, Institutionen. 2. bd. 7. aufl. besorgt von F. A. Rudorff. 8. Leipzig. Breitk. u. Härtel; 3 thlr. 15 gr. 25. H. Allmers, römische schlendertage. 3. aufl. 8. Oldenburg. Schulze ; 1 thlr. 26 ngr.

NEUE SCHULBUECHER. 26.27. Freund's schülerbi- bliothek. 1. abth. Präparationen zu den griechischen und latei- nischen schulklassikern. Präparation zu Xenophons Memora- bilien. 2. heft. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr. 28. E. Ber- ger griechische grammatik für den Unterricht auf gymnasien nebst einem anhange vom homerischen dialekt. 8. Berlin. G. Reimer. 1871; 20 gr. 29. P. D. Ch. Hennings elemen- tarbuch zu der lateinischen grammatik von Ellendt - Seyffert. 1. abthl. für Sexta. 2. aufl. 8. Kiel. Homann; 8 ngr.

BIBLIOGRAPHIE. Unter neuern erscheinungen nicht streng philologischen inhalts bemerken wir ausser den fortsetzun- gen von Spinoza's und Kant's werken, s. Phil. Anz. III, nr. 8, p. 417, Sanctorum Patrum opuscula sclecta. Ed. H. Hurter. Vol. XVI. Augustini enchiridion ad Laurentium et Fulgentii de fide. 16. Insbruck, Wagner; 9 ngr. R. Reif f er scheid, biblio- theca patrum latinorum italica. 2. Ed. 2. hft. IV. Die biblio- theken Piemonts. 8. Wien. Gerold's s. ; 26 ngr. Aus-

Nr. 1. Kleine philologische zeitung. 61

wähl aus den kleinen Schriften von Jacob Grimm. 8. Ber- lin. Dümmler; 1 thlr. 10 ngr.

Georg Reimer versendet: Ephemeris epigraphica, heft 1, deren titel unter p. 62 genauer angegeben: er sagt auf dem Umschlag, es sei das unternehmen hervorgerufen durch den wünsch, das unter der autorität der berliner academie der Wis- senschaften herausgegebene Corpus inscriptionum Latinarum nicht veralten, sondern von den neu aufgefundenen inschriften die wichtigsten so bald als möglich veröffentlichen zu lassen: deshalb sollen jährlich vier hefte zu 4 5 bogen erscheinen, in denen, gestattet es der räum , auf dem gebiete der epigra- phik sich bewegende Untersuchungen mitgetheilt werden sollen; der preis des bandes beträgt 2 thlr. Die Meyer' sehe hof- buchhandlung in Detmold bietet A. Fr. Pott's Etymologische forschungen auf dem gebiete der indo - germanischen sprachen, bd. 1 3. 2. aufl. in völlig neuer Umarbeitung zu dem ermä- ssigten preise von 25 thlrn. an.

Cataloge von antiquaren: antiquarischer anzeiger von Felix Schneider in Basel, nr. 21; XXIX. catalog einer auswahl von werthvollen, seltenen und grösseren werken aus allen Wis- senschaften, vorräthig auf dem antiquarischen lager von Max Cohen und söhne in Bonn; Köhler's in Leipzig Antiquari- sche Anzeigehefte nr. 228 auetores graeci et latini} nr. 229 ver- mischte Schriften und Zeitschriften, geschichte u. s. w. enthal- tend, Leipzig. 1872.

Nuovo Catalogo di libri rari e di occasione vendibili presso Detken e Rocholl. IX. Napoli, piazza del plebiscito. 1871.

KLEINE PHILOLOGISCHE ZEITUNG. Das „Journal für buchdruckerkunst'' brachte nach dem Börsenblatt 1871, nr. 287 die nachricht, dass der kronprinz des deutschen reichs die buchdruckerkunst erlernt habe. Auf desfalsige anfrage bei der privateanzlei sr. königlichen hoheit erfolgte die rückantwort, dass die angäbe des Journals auf Wahrheit beruhe. Somit steht jetzt für die buchdrucker fest , dass der künftige kaiser des deutschen reichs „einer der ihrigen" ist: mögen sie sich der ehre würdig zeigen !

Das zu St. Petersburg am 8. dec. 1871 begangene fest des Ordens des heiligen märtyrers und siegbringers Georg wird genau beschrieben vom Staats-Anz. 1871 n. 193, 2te beilage.

Sehr beachtenswerth erscheint die thätigkeit, welche in Oesterreich die gelehrten, denen die schulfrage am herzen liegt, auch in Zeitungen entwickeln. So hat die in Wien erscheinende „Deutsche Zeitung" eine eigne rubrik unter dem titel „Un- terrichts-Zeitung " eingerichtet , ein unsern Zeitungen höchst em- pfehlenswerther Vorgang. In nr. 2 vom 18. december findet sich ein äusserst lesenswerther aufsatz von Wihelm Hartel

62 Kleine philologische zeitung. Nr.

„die österreichischen gymnasien" tiberschrieben, der offen eine menge mängel, von deren gar manchem auch wir leiden , und kenntnissreich bekämpft. Dieselbe nummer enthält ferner einen aufsatz: „mangel an schulen in Wien", der auch auf grössere Städte bei uns passt, eine sehr hübsch geschriebene anzeige von Trendelenburg' s Kleinen Schriften, mit besonderm anschlusse an dessen rede ,,die übernommene aufgäbe unsrer Universitäten". Wir wünschen diesen anstrengungen besten erfolg.

Wie wenig und wie oberflächlich unsre tagesblätter die wichtigsten ereignisse der gegenwart beachten , zeigt das still- schweigen über die Veränderungen, welche Ungarn im Schul- wesen macht. Die Oesterreicher nämlich sprechen offen aus, dass dadurch , dass die schulanstalten in Ungarn mit einem schlage auf eine neue basis gestellt seien, eine unüberbrückbare kluft zwischen West- und Ostösterreich geschaffen worden, ein riss tiefer und nachhaltiger, als sich durch den politischen dua- lismus allein hätte herausbilden können. Man sieht hieran, wie man die macht der volkserziehung dort erkannt hat und wie eifrig die Ungarn ihre plane verfolgen. Es kann und darf uns das nicht gleichgültig sein.

In dem Preuss. Staats. -Anz. 1871 n. 193 lte beil. p. 3912 und nr. 200, p. 4085 liegen aus dem Athenäum nähere mittheilungen über die von J. T. Wood geleiteten ausgrabun- gen in Ephesos vor. Schon vor zwei jähren stiess Wood auf die von Augustus errichtete mauer, deren vier inschriften diese mauer als die bezeichneten , welche den tempel der Diana und das Augusteum umschloss. Man verfolgte die mauer mehre hundert fuss weit und stellte innerhalb des heiligen weichbildes mehre versuchsnachgrabungen an, wobei man das pflaster des tempels so wie stücke von weissen marmorsäulen und zwei ca- pitäle von kolossalen dimensionen fand. Später fand man die aus dem fussgestell und dem untern theile bestehenden Über- reste einer der äussern säulen, die 6 fuss 4 z. im durchmesser hatte. Das fussgestell scheint roth gewesen. Die ausgrabun- gen werden fortgesetzt und Wood hofft in einem werke über sie die noch bestehendeu controversen über den bau des tempels der Diana lösen zu können, da im laufe des december eine anzahl der erfahrensten Unteroffiziere des königlichen genie-corps zu Chatham nach Ephesus abgegangen sind , um die arbeiten zur freilegung des tempels der Diana zu leiten und zu überwachen. Vom sultan ist die erlaubniss zur vornähme dieser mit gro- sser anstrengung fortgesetzten ausgrabungen erwirkt worden.

Eine neue Zeitschrift kommt uns von Berlin zu: Ephemeris epigraphica, corporis inswiptiomim latinarum Svpplcmentum. Edita jussu instituti Archaeologici Romani. MDCCCLXXII. Fasciculus pri- mus. Venu Romae apud intstitutum, Bcrolini apud Georgium Reimerum. 1871. gr. 8; der erfreuliche aufschwuug, den die epigraphik

Nr. 1. Kleine philologische zeitung. 63

bei uns genommen, erklärt dies unternehmen, dem wir bestes gedeihen wünschen : aber warum von Berlin aus nicht ein unter- nehmen für die griechischen inschrifteu begründen, da diese doch bedeutenderes interesse zu bieten pflegen?

Das immer von neuem wieder auftauchende gerücht, die Universität Kiel solle nach Hamburg verlegt werden, scheint jetzt seine bestimmte Widerlegung gefunden zu haben, indem nach der Voss. Ztg. definitiv beschlossen ist, ein würdiges, neues Universitätsgebäude im schlossgarten zu Kiel unter leitung des prof. Gropius aufzuführen. Es ist übrigens ein trauriges zeug- niss für die gedankenlosigkeit , mit welcher das grosse publicum die Universität betreffende fragen behandelt, dass als ausgemachte Wahrheit gilt, Verlegung einer Universität in eine grosse Stadt sei ohne weiteres ein fortschritt und gewinn. Jeder , der die Ver- hältnisse kennt, wird im gegentheil der meinung sein, dass solche Verlegung nicht zum besten der deutschen Wissenschaft gereicht ; Berlin wie München liefern dafür die schlagendsten beweise, da sie den erwartungen , welche man für die Wissen- schaft und die erziehung der jugend bei ihrer gründung hegte, auch nicht im entferntesten entsprochen haben.

In Phokäa am aegeischen meere und nicht weit von der nordseite des golfs von Smyrna ist ein Bas - relief gefunden, was der besten zeit der griechischen kunst anzugehören scheint. Es stellt einen hahn in streitbarer Stellung dar , worin ein gelehr- ter zu Smyrna das Sinnbild der alten Phokäer erblicken will. (Augsb. Allg. Ztg. 1872, nr. 2).

AUSZUEGE aus Zeitschriften : Augsburger allgemeine zeitung, 1871, nr. 350 : das Braunsberger gymnasium : klage den religionsunterricht betreffend. Beil. zu nr. 350: ausgrabungen auf der ebene von Troja (IV), von Dr H. Schliemann; auf die alte Troia ist er noch nicht gekommen und zweifelt, ob sie da, wo er gräbt, gelegen: mit- getheilt wird eine unlesbare inschrift. Auss. beil. zu nr. 353 : re- gierung und kirehe in Ungarn. Nr. 354: zur Braunsberger schul- frage. Nr. 355: die Universität zu Strassburg. Beil. zu nr. 355: die ältesten denkmäler Armeniens. Auss. beil. zu nr. 356: die dreitägige debatte über die schulirage in Bern. Nr. 359: Bern- hurd Schmidt das Volksleben der Neugriechen und das hellenische alter- thurn bd. I : lobende anzeige. Festsitzung des Instituts für archäolo- gische correspondenz: wichtig wegen angaben über neue ausgrabun gen. Nr. 36 1 : die Braunsberger angelegenheit. Nr. 363 : die antrage zum etat des cultusministeriums in Berlin. Universitäts- comniis- sion in Strassburg. Beil. zu nr. 363: Zeuss , keltische grammatik in neuer bearbeitung. Studentische sitten vor drei Jahrhunderten. O. Keller's forschungen über das Oehringen der Bömerzeit. Beil. zu nr. 364: L. Friedländer 's darstellungen aus der Sittenge- schichte Roms. Dritter bd.: anzeige. Beil. zu nr. 365: ein ge- retteter dichter des 12. Jahrhunderts : bezieht sich auf 2Ja?inenborg's abhandlung über den Ligurinus: man vrgl. Philol. Anz. II, nr. 5, p. 266 flg.: die anzeige ist von dem leider jüngst verstorbenen Dr Co- hen, der noch eine reihe verwandter anzeigen folgen sollten.

64 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 1.

1872, nr. 1: die jüngsten alterthumsfunde in der umgegend von Bologna: der aufsatz bezieht sich erstens auf das werk von Ant. Zannoni , sugli scavi della Certosa. Bologne. 1871 es ist eine ganze nekropole, wahrscheinlich die eines theils der alten stadt Fel- sina und aus dem dritten jahrh. v. Chr. stammend gefunden, und zwei- tens auf zwei Schriften des grafen Giov. Go zzadini, di uri antica necropoli a Marzaboito nel Bolognese, Bologna , 1 865 und Di ulteriori scoperte neu' antica necropoli ä Marzabotto, ib. 1870. Beil. zu nr. 2: die debatte über den cultus- und unterrichtsetat im abgeordneten- haus zu Pesth.

Ephemeris epigraphica, corporis inscriptiouum latinarum supple- nientum , edita jussu instituti archaeologici Romani. MDCCCLXXEI. Fasciculus I. Venit Romae apud institutum, Berolini apud Georgium Reimerum : p. 1 6 kurzes von Gail. Henzen und J. Bart, de Rossi zu Rom, Th. Mommsen zu Berlin, Gust. Willmanns zu Dorpat unter- zeichnetes vorwort, worin das sup. p. 61. 62 mitgetheilte ausführlicher gesagt wird; p. 7 32, additamenta ad corporis volumen I. Ad in- scriptiones bello Hannibalico anteriores , von G. Wilmanns , meistens schon bekannte: darunter 12 die aus Präneste: dabei sind ab und zu bemerkungen von Th. Mommsen eingeschoben, in denen tbeils frühere ansichten zurückgenommen, theils verbessert, theils neue beitrage zur erklärung der inschriften gegeben werden, wie p. 17. 18 über namen der männer wie frauen. P. 33 41: additamenta ad Fastos anni iuliani, von Th. Mommsen, mit einem kurzen vorwort die neuer- dings gefundenen akten der fratres arvales , in gewöhnlicher Schrift: sie ergänzen C. J. I, p. 293 412. P. 42—43: additamenta ad fa- stos co?isulares, aus Hermes V, p. 379. P. 44 48 : additamenta ad Corporis vol. II, von A. Hiibner , spanische inschriften, P. 49 54 : additamenta ad corporis vol. IV, von R. Zangemeister .• meist schon publicirtes : dabei wichtige nachtrage ; den schluss bildet ein distichon: lectum a nie Romae in montis Palatini parietinis hoc: OMNIA FORMONSIS CVPIO DONARII PVIILLIS S1IT MIHI DU POPVLO NVLLA PVLILLA PLAC1IT P. 55 80: Observationes epigraphicae , von Th. Mommsen; I. Ursus togatus vitrea qui primus pila mit besonderin bezug auf Bücheler's Anth. epigr. specimen (s. Phil. Anz. II, heft I, p. 17) ; II. De Juniis Sila?iis, mit einem stemma; p. 57, III. de Jide Leonhardi Gutenstenii, p. 67: die art seiner interpolation wird sicher bestimmt; IV. Grammatica ex actis Arvalium, p. 77, von Th. Mommsen : nach allgemeinen, sehr be- achtenswerthen bemerkungen über die anwendung und benutzung der lateinischen inschriften sie sind ganz anders zu behandeln als die griechischen werden die jetzt mehr als 200 (von den letzten jäh- ren des Augustus bis auf Gordian) umfassenden akten der fratres Arvales als besonders lehrreich für Orthographie und grammatik an- gegeben und bemerkungen über die Schreibung von collega, collegium, dann über den gebrauch von suns mitgetheilt.

Fichte, Ulrici und Wirth, Zeitschrift für philosophie und philoso- phische kritik; neue folge, bd. LX, heft 1, 1872: p. 1—38, H. Sie- beck, die lehre des Aristoteles von dem leben und der beseelung des Universum. Folgen recensionen, darunter von F. Brentano über Fr. F. Kampe die erkenntnisstheorie des Aristoteles, p. 81.

Peizholdt, neuer anzeiger für bibliographie und bibliothekswis- senschaft, 1871, heft 12: Dr Pichler und der St. Petersburger bücher- diebstahl. Zweite beispiehsanimlung aus der französischen kriegs- literatur (schluss). Allgemeine bibliographie.

Kr. 2. Februar 1872.

Philologischer Anzeiger,

Herausgegeben als ergänzung des Philologus

von

Ernst von Leutsch.

30. Index lectionum in univers. litter. Vratislaviensi per aestatem anni MDCCCLXX a. d. XXV april. habendarum. In- est locus Piatonis (Conv. p. 182 sq.) enarratus et eraendatus a Martin o Hertz. 4. Vratisl. 10 pp.

Hertz bebandelt in diesem proömium eine der vielversuch- testen stellen des Symposion. Indem er den text von Jabn zu gründe legt, bekennt er sich zunächst an der stelle: u h t ig joXftcärj noitiv ä).V otiovv dia/.cav xui ßovlöftsvog dianQit^anOui nXtjP toi to \<(i\()GO(\Ca*.\ ra {ity/aza y.ai)T70i^ uv oi'sidr] , nicht für die ansieht des herausgebers , der q>iloffO(piag als glossem ansieht und darin dem Vorgang von Schleiermacher, Bekker, Zeller, Prantl, ßaiter, Vögelin und Lehrs folgt, welche die weg- lassung des wortes theils mit theils ohne argnmeute vollzogen haben. Hertz ist der ansieht, dass die bisherigen Übersetzun- gen oder Interpretationen wenigstens so viel erreicht haben, dass es besser als früher in den gedankenzusammenhang passt, aber dass keiner durch seine erklärung das wort dem gedan- ken ganz habe anpassen können (p. 5 narn ut plane zVs, quae iure h. I. expectes, vocabulum hoc responderet , nemo effecit). Auch sei es nicht einmal allen geglückt, den nachweis zu führen, dass der inbalt, der ihrer meinung nach darin liegen soll, wirklich dahinter steckt. Z. b. führt er den versuch von Ast an, der übersetzt : ,,ohne den grössten Vorwurf der philosophie davon- zutragen", in der anmerkung aber erklärt : d. h. so, dass jeder gesittete und gebildete ihm den Vorwurf darüber machen würde". Auch die zweite WolPsche ausgäbe fasst das wort im weiteren sinne, und ebenso will es Stallbaum uubedingt konserviren, ob- schon seine gründe nicht stichhaltig sind. Selbst wenn (filo- aoqiu hier so viel bedeuten könne, als weiter unten naibtvaig Philo!. Anz. IV. 5

66 30. Piaton. Nr. 2.

und Gorpfu (p. 184 D), so würde es doch nicht hier passen, wie Vögelin und Schleiermacher richtig eingesehen hätten. Auch Hommel, Hirschig und Teufel hätten es vorgezogen (pdoGocpCag als glossem auszuscheiden. Hertz nimmt schliesslich nicht ein glossem , sondern eine korruption des vorhandenen textes an. Sowohl Zeller, der roviov für jovto und tptXoGotpluv für (fiXo- üocpiuq, als auch Teufel, der zeitweilig fpiXoiijxiug vorgeschlagen habe, seien von ihren versuchen zurückgekommen. Ersterer habe auch die vermuthung von o.cpiXooocfiug (mit vergleiclmng von Rep. IH, p. 403 B) wieder aufgegeben. Endlich seien vorschlage, wie (pXvagfu von Creuzer und (pXrtvaofa von Schenkl, aber nur mit vorbehält gemacht und könnten ebensowenig als das gezwungene itjg uiomug von Rückert , (pi'Xoig ocp&tfg von Badkam oder die schon von Zeller wiederlegte konjektur C. F. Hermann's nlijv (tovto) oder nXqv roviov tpiXiug zur lösung der Schwierigkeit beitragen. Der verf. selbst glaubt yilonovlug lesen zu müssen , weil erstlich tptXoGotpiag kurz vorhergehe (182 B), woher die Verwechselung seitens der abschreiber er- klärlich sei und weil zweitens dieses wort dem geforderten sinn am meisten entspreche. Indessen sind die beweismittel, welche der verf. zur empfehlnng seiner emendation verwendet, für mich nicht schlagend und überzeugend genug. Denn trotz des ci- tates aus Alcib. I, p. 122 C, wo unter den hervorragenden eigenschaften der Spartaner die yiXonovkt neben der cpiXoreixia und rpiXonfiCa glänzt, ist doch bis jetzt noch aus keiner stelle erwiesen , dass Plato den ausdruck in malam partem gefasst habe. Ausserdem spricht die aus den bqoi IIXut. p. 412 C. citirte definition der <ptXonov(a als einer e£ig ujiokXiGtixj] , ov uv itQOfX)]iui, xuoreolu ixovGiog, e%ig uStußXtjwg ngbg novor, eher gegen als für die ansieht des Verfassers. In den Piaton. Stu- dien von Vermehren (p. 55) findet sich endlich noch der Vor- schlag (piXeoaoTiuc, ist aber schon von Peipers im Piniol. Anz. IH, 7, p. 376 zurückgewiesen. Es ist nun die frage, ob man einfach zur annähme des glossems zurückgehen müsse oder ob es sich der mühe lohne, noch einen andern weg einzuschlagen. Versuchen wir das letztere und gehen wir zunächst von der erkenntniss der thatsache aus, dass die rede des Pausanias für die des Socrates propädeutischen werth hat , dass sie einzelne züge, wenn auch nur flüchtig enthält, die in der nachfolgenden

Nr. 2. 30. Piaton. 67

rede des Socrates alle berücksichtigung finden. Schon des Pau- sanias rede gebt darauf aus , neben der sinnlichen seite der kuabenlifbe eine ideale nachzuweisen und die letztere als die wahre und berechtigte und von dem gesetz geheiligte darzu- stellen, gleicliwie die rede des Socrates die liebe zur gestalten- scbönbeit (tu tn tl'd'ti xakov p. 210 A) nur als Vorstufe der liebe des absolut schönen, der idee , gefasst wissen will. Also von vornherein soll auch den mit Sinnlichkeit behafteten be- strebungen vorschweben der höhere, der philosophische zweck. Das Vorgefühl oder die ahnung von dieser sokratischen er- kenntniss prägt sich meiner ansieht nach in den spätem worten des Pausanias aus, nämlich p. 184 C: de! 6rj iw vofjoj tovtü) %v[ißaliXv dg iuvtc , tov ts nioi irtv nuidtouGx(uv xui rov mql xr\v (pü oGoyiuv is xui tt])' uIXyjv ugarj)', tt fiiXXst ^vfjkßqvut xa— 7,vv yfiiodou ib iguGTtj ttuiÖixu yuoiGuG&ui» Es wäre wunder- bar , wenn keiner der vorhergehenden gedanken darauf bezug nähme. Unzweifelhaft findet sich die erwähnung beider Seiten, des sinnlichen und des nicht sinnlichen, in den worten von 182 B : jolg yug ßuoßuootg diu rüg xvquwidug alß^qov tovto Tt xui r\ ys tpiXoGocplu xui fj (piXoyv/xvuGiCu. Noch mehr be- dürfen wir des scharfen gegensatzes zwischen der edlen und unedlen liebe in der folgenden entwickelung. Dieser gegensatz aber bietet sich an der fraglichen stelle ebenfalls, wenn wir an- statt TtXijv rot/70, cpiXoGoyCug tu fiiyiGw xuqtioXt uv ovtidr] mit Veränderung von zovzo in tuvto und von yiXoGocpCug in t7\ yt- ).oGO(pia lesen: aXX' önoiiv diuixwv xui ßovXöfttvog diunou^aG&ut tcXtjv tuvto ifi (fiXoGo(f)i'u, tu /JtyiGTu xuotioIt uv ove(6q} d. h. wenn der touGT^g irgend etwas anderes verfolgte und erreichen wollte, als den mit der philosophie (d. h. der wahren philoso- phischen erkenntniss und läuterung) identischen zweck, so würde er sich den grössten schimpf zuziehen". Dann findet sich darin zugleich eine anspielung niedergelegt auf das wesen des wahren iuuGitjc , wie es erhellt aus p. 183 E: ö ds tov ij9ovg xqtjgjov bi'iog iouGirjg diu ßtov fjttvsi, uts ^oii'/jm Gvvtuxtlg.

In der emendation der folgenden stelle (183 A), welche erreicht wird durch die weglassung des als interpolation be- zeichneten ofivvvieg und die dadurch gewonnene mitbeziehung von notov^troi auf die nicht als glossem zu verwerfenden worte xui xoifirJGHg ini &vouig} kann ich dem verf. meine volle

5*

68 30. 31. Piaton. Nr. 2.

Zustimmung nicht versagen. Auch kann ich ihm nur beipflichten, wenn er p. 183 B die von Jahn acceptirte konjectur Osann's, den zusatz von t^nolvi^iov zu den an das bekanute sprüchwort erinnernden Worten: ücpgoötGiov yuo oqxov ov (puGiv tlvut für überflüssig erklärt; indessen geht er in seinem bestreben, die worte durch Wiederholung von oqxov vor ov (puGiv in wünschens- werten fluss und gute abrundung zu bringen , zu weit. Z. b. haben auch die herausgeber der Züricher ausgäbe die worte so, wie sie waren in den text aufgenommen, jedenfalls in der Über- zeugung, dass ein so bekanntes nugotfxiov auch in dieser knap- peren form jedem Griechen verständlich sein musste.

Zum schluss sei mir noch eine bemerkung erlaubt über p. 182 A, wo die worte des herkömmlichen textes lauten: Xi/ovat de dg rovjovg unoßliTtovng, bgcovieg uvrtZv itjv üxuigtav xui äöixiuVj intl ov dij tcov xoG^fiog ye xal va/ilpoug onovv ■nqurrö^xivov vjöyov uv Sixuiwg cjpiooi. Anstatt äxaigfur, welches in dieser bedeutung, nämlich „Unanständigkeit*', sich nur für diese eine stelle aus Plato verzeichnen lassen würde, während es Legg. IV, 709 D. im andern sinne, Phaedr. 272 A. als ge- gensatz von evxuigia und Polit. 305 D. als gegensatz von iyxuigiu sich findet, würde uxoGfiiu erstlich aus dem gründe richtiger sein, weil es unstreitig das frecbe und ungebührliche betragen kennzeichnet und zweitens deshalb, weil es dem nach- folgenden ov xoGfi,(cog am schlagendsten entspricht, ebenso wie das dabeistehende udixia mit dem folgenden ov vofiffiojg be- grifflich am besten korrespondirt. Sollte man nicht diesen pa- rallelismus der glieder und der analogen begriffe in die wag- schale fallen lassen ? Uebrigens findet sich uxoGfifw unter andern Symp. 188 B, und in der bedeutung Unordnung Gorg. 508 A. und in der fortsetzung der erstgenannten stelle (p. 188 C) lassen sich für die erklärung des gedankens unstreitig noch die worte heranziehen : nuna yug t] uGtßtiu yiXeT yfyvs-

O&Ut, luv (llj Jig 7M XOGflf(0 "EgiüTl XUQlt.JIMU fi1]Sk JlfJU IE ßü-

xbv xui ngsoßivi] iv nuvü tQyw, uXXu rov eiiQov x. 7. A.

C. Liebhold.

81. Commentatio de Piatonis Phaedii aliquot locis. Scr. Albert Grumme. (Programm von Gera). 4. 8 ss.

Der verf. behandelt in dem vorliegenden programm fol-

Nr. 2. 31. Piaton. 69

gende stellen : 233 D vertheidigt er mit Heindorf und Stall- baum rwv aXXiüv in dem glauben , dass dies die lesart des Clarkianus sei; er scheint sonach das fragezeichen in Bekker's comment. crit. p. 7, 15, 4 nicht beachtet zu haben. In der that liegt aber hier ein übersehungsfehler Gaisford's vor, denn da meine collation zu Hermann keine abweichung aufzeigt, so glaube ich berechtigt zu sein , auch dem Clarkianus mit den übrigen handschriften Bekkers (G ausgenommen) iciig uXXoig zu vindiciren. Dass dieses nicht haltbar ist , davon bin ich überzeugt; nebenbei bemerke ich, dass Badham, dessen ausgäbe verf. nicht zu kennen scheint, xuv roXg üXXoig vermuthet hat. P. 229 C wird richtig die einsetzung des äv nach rputr])1, 231 C das Hermanu'sche o'C y' oGwv, 270 D das Hermann'scbe ugifr- fxrjGufiivovg vertheidigt } im letzten fall aber ein beispiel beige- bracht , dem keine beweiskraft zuzumessen ist. P. 230 B nimmt der verf. nach dem vorgange auderer wg als exclamandi particula; vielleicht ist das wort zu streichen, s. p. 231 A. Un- glücklich ist der verf. mit den zwei conjecturen, die er vor- bringt : p. 240 E liest er nämlich irtulvovg rs xul v.xuigovg xul vmgßäXXovrug für uxutgovg rs xul Inuivovg xul vjregßuXXovTug. Hier soll nun ts dem vorausgehenden is, xul dem nachfolgenden xul entsprechen. Es wäre sonach rs von xul abzutrennen , was wohl durch kein beispiel erhärtet werden kann. Es ist zu le- sen u/.utgovg xt iautvovg xul InsgßuXXovrag, da xul hier nach ebenso interpolirt ist wie Euthyd. 283 E : xul 6 KiiqGnvnog uxovGug rjyuvuxjrjGtp re xul vnsg xwv mtidixtui1 xal tlnsv, und an andern stellen im Piaton. Falsch ist auch die conjectur uviog für uviu) 246 B, wie schon aus den gegenüberstehenden Worten 1% ivuptiiav rs xul ii'uvriog hervorgeht. Endlich interpretirt der verf. noch zwei stellen, 235 A, wo er tovto ds richtig auf ro grjTogtxuv bezieht und 235 E 236 A. Aus diesem re- ferate wird ersichtlich sein, dass der verf., wenn er auch in den meisten fällen ein richtiges urtheil zeigt, doch keinen fortschritt in der kritik des Phädrus durch seine arbeit begründet hat.

M. Seh.

32. Ueber den mythus bei Plato. Vom Oberlehrer Dr. Volquardsen. Progr. Schleswig. 1871. 4. 21 ss.

Die vorliegende abhandlung, welche sich mit der „geschichte

70 32. Piaton. Nr. 2.

der ansichten über den mythus" befas^t, soll nur der Vorläufer von einigen andern sein , in welchen die kritik der verschiede- nen ansichten, die gcnesis dieses philosophischen künstlerischen mythus und die theorie Piatons, endlich die platonischen my- then selbst dargestellt und auf ihren wissenschaftlichen werth hin geprüft werden sollen.

Es ist ein entschiedenes verdienst des Verfassers, die an- sichten der verschiedenen gelehrten über den mythus möglichst vollständig gesammelt und auch in dieser Schrift schon mit ei- nigen kritischen bemerkungen begleitet zu haben. Indem er die meinungen der gleichzeitigen Schüler Plato's in dieser ab- handlung vorläufig übergeht , referirt er in chronologischer rei- henfolge die ansichten von Aristoteles, den Epikuräern, Macro- bius, Meiners, Eberhard, Morgenstern, Tennemann, Herder, Schleiermacher, Ast, Marx, Hegel, Ackermann, Bauer, Hermann, Jahn, Brandis, Krische, Deuschle, Steinhart, Susemihl, Stallbaum und Zeller.

Trotzdem dass diese abhandlung ihrem ganzen inhalt nach wenig für die kritik bietet, sei es mir doch erlaubt, einiges zu berühren und auf einige gesichtspunkte in der behandlung der mythenfrage aufmerksam zu machen. Wenn sich z. b. der verf. wundert (p. 5) , dass Tennemann den Timäus einen my- thus nennt, so ist freilich für den ganzen dialog der ausdruck nicht zutreffend , aber im allgemeinen kann man dem urtheil von Deuschle (Piaton. Mythen, p. 11) beistimmen, wenn er sagt, dass im Timäus ,,die dialektische betrachtung der natur von mythischen dementen ganz durchzogen sei", wenn auch die folgenden worte: „oder der mythus von der natur erscheine hier in annähernd dialektischer form " weniger glücklich ge- wählt sind. In der kritik der ansieht von Schleiermacher hebt der verf. mit recht hervor, dass Plato in der gattung allegori- scher mythen unter den vorsokratischen philosophen Parmenides, unter den Sophisten Prodikos und Gorgias zu Vorgängern ge- habt habe. Mit gleicliem recht wird die ansieht von Ast, wel- cher behauptet, dass in den mythen die erkenntniss und das dogma gebunden und befestigt werde, verworfen (p. 8). Denn gebunden wird die erkenntniss allerdings nicht, sondern höch- stens veranschaulicht in einer dem volksbewusstsein möglichst angemessenen form. Mit unrecht tadelt der verf. dagegen

Nr. 2. 32. Piaton. 71

Krische (p. 16), wenn er als quelle mancher platonischer mythen das dialektische Unvermögen bezeichnet. Denn unbedingt hat Plato in der frühem periode seiner philosophischen entwickelung man- ches objekt in mythischer form darstellen müssen, das er später in rein dialektischer weise behandelt und über die objekte der transscendeutalen philosophie hat seine darstellung meistens nur eine mythische bleiben können! Welchen werth aber und welche kraft selbst Aristoteles dieser mythischen hülle zuschrieb, erhellt unter andern aus Met. II , 3 , 2 : o'<q tu fxv&wör] xui nuiduoiwörj /xiT^ov tö/vet tov yiyvaiGxtiv nsol uviütv diu lo t&og (vom verf. citirt auf p. 1). Diesen begriff der nuiöiu gebraucht auch Plato mit Vorliebe, wenn von einer derartigen darstellung die rede ist, z. b. Polit. p. 268 D: G%tdbv nuidiuv iyxsouGufxii'Ovg und ähnlich nuiduQiwSr] xul gadiu im Phileb. 14 D; denn er musste sich sagen, dass es der menschlichen demuth geziemt, einen naiven und kindlichen Standpunkt einzu- nehmen in dem begreifenwollen der ausserhalb der menschlichen erfahrung liegenden dinge.

Das wesen des platonischen mythus kann überhaupt nur dann richtig ergründet werden , wenn man die verschiedenen arten dieser darstellungsform unterscheidet und definirt, und wenn man genau die stellen ermittelt, wo einmal der mythus ein- treten musste , d. h. zur Unterstützung dialektischer partien, zweitens platz greifen konnte an stellen , wo seiner form vor einer reinen , aber ermüdenden dialektischen beweisführung ein Vorzug gegeben ward. Daraus wird sich besonders die noth- wendigkeit der eschatologischen mythen neben der möglichkeit der kosmologischen und politischen ergeben. Auch darf bei dieser frage nicht unberücksichtigt bleiben der ganze bilduugs- gang unseres philosophen, sein kultus der tragischen muse im jugendlichen alter , die unverkennbare einwirkung früherer und gleichzeitiger philosophen und die nach dem massstab der dia- lektischen Sicherheit gemessenen verschiedenen perioden seiner philosophischen erkenntniss. Dazu kommt, dass Plato unstreitig den inhalt des religiösen volksbewusstseins weiter ausgesponnen und bisweilen begriffe oder sittliche kräfte wie die liebe perso- nificirt und damit der plastisch gestaltenden phantasie seiner nation auf diesem gebiete rechnung getragen hat.

72 33. Isokrates. Nr. 2.

Mit nicht geringem interesse sehen wir nach diesem der fortsetzung der vorliegenden fleissigen aibeit entgegen.

C. Liebhold.

33. TA AT1QPPHTA TOT I20KPAT0Y2 H I1EPI AOrS2N EZXHMATIZMENS2N, vnu A. Kvnoiuvov, yvfi- vuGid(j%ov 70v iv ^A&rjvcug ß\ yvfjraßCov. ^Ev *Adi\iaic} ix tov Tvnoyoayttov 'Eopov. 8. 1871. XX u. 235 ss.

Die vorliegende schritt des im juli 1859 verstorbenen gym- nasialdirektors Aristides Kypriantfs in Athen , der sich schon früher durch seine arbeit über Xenophons Hellenika bekannt gemacht hat, zeigt schon in ihrem titel, dass sie; gleichwie jene, der darlegung einer paradoxen behauptung gewidmet ist. Sämmt- liche reden des Isokrates sollen anders aufgefasst und anders erklärt werden als bisher immer geschehen , nämlich nicht in dem sinne wie sie sich selber geben, als hoyot unlol, sondern als Xdyoi iG%r][jaTt6~fiivo(,, d. h. als solche die einem andern als dem ostensibeln zwecke dienen. Hierin beständen, meint Ky- prianos, die uTtogQrjzu iov 'laoxgaTovg , welche nach einer notiz bei Diogenes Laertius (IV, 1, 6) Speusippos zuerst veröffentlicht habe. Es seien nun in walnheit die reden nicht für das grös- sere publikum, sondern lediglich für den engen kreis der schule bestimmt, und sie seien nicht enkomien , berathende und ge- richtliche reden, sondern Sammlungen von material, welches Isokrates' Schüler für solche hätten verwerthen sollen, und wel- ches Isokrates an einem faden aufgereiht hätte , wie wenn man beispiele für grammatische regeln zu einer äusserlich zusammen- hängenden darlegung verarbeite. Hierdurch werde auch Iso- krates' ehre wiederhergestellt , der in folge der bisherigen auf- fassung seiner reden, mit grund bei den modernen den ruf ver- wirkt habe, der im alterthum seinen namen geschmückt, während nunmehr die an dem redner gemachten schweren ausstellungen einfach wegfielen , dagegen sein rühm als lehrer und als stylist hell und ungetrübt hervortrete.

Man sieht nun allerdings: was der Verfasser gewinnt, ver- lieren die werke, zu deren Vorzügen, die auch sonst nicht eben unbedeutend noch wenig zahlreich sind, bisher immer auch der gerechnet wurde, dass sie kunstvoll und durchdacht componirt seien, während jetzt sie lediglich als aggregate und conglome-

Nr. 2. 33. Isokrates. 73

rate gelten sollen. Es ist nun aber, nach dem urtheile des rec. Kyprianos der beweis seiner bebauptung nicht gelungen. Die art, wie er denselben zu führen sucht, sowie der inhalt und gang seiner schritt ist in kürze folgender.

Nach einer vorläufigen darlegung der leitenden idee (p. 1 10) folgt zunächst als einleitung eine darstellung von Iso- krates' leben ( 43) und lehrweise ( 75), dann wird, eben- falls noch einleitend , die art der löyoi iG^fiunßfiivoi erörtert. Von p. 102 an beginnt die durchführung des aufgestellten satzes, zuerst einzeln am Panathenaicus , der rede vom vermö- genstausch , der Helena und dem Panegyricus , und dann noch summarisch an den übrigen reden, woran sich eine zusammen- fassende Würdigung des Isokrates anschliesst. Dass nun der verf. seinen Isokrates gründlich studirt hat, geht aus allem her- vor , und es sind insbesondre in denjenigen theilen der Schrift, die sich nicht mit dem beweise der these beschäftigen, viele gute gedanken und darlegungen enthalten. Aber wo er auf sein eigentliches tbema kommt , ist was er sagt nirgends über- zeugend, trotz der ermüdenden breite, mit der zumal die haupt- gedanken immer von neuem eingeprägt werden. Beim Pana- thenaicus zunächst ist das ja von Isokrates selbst ausdrücklich ausgesprochen, dass diese rede weder einfach, noch ihrem ei- gentlichen zwecke und ziele nach offen und unverhüllt, mit an- dern worten, dass sie ein Xoyog fiixröq und ia^tj/janGfitiog ist. Ebenso gibt sich die Antidosis zwar den anschein einer ge- richtlichen rede, ist aber nichts weniger als das, und der Pane- gyricus ist weder einfach eine lobrede noch eine berathende, sondern etwas aus beiden gemischtes. Ferner hat Kyprianos auch das richtig dargelegt, dass diese reden dem zwecke, den sie zur schau tragen , an vielen stellen gar nicht entsprechen, wie denn z. b. auch der Philippos, der zuletzt noch etwas ein- gehender besprochen wird, eiue menge in dieser hinsieht höchst anstössiges enthält. Aber Kyprianos hat mit nichts bewiesen, dass der wirkliche zweck ausschliesslich der von ihm behauptete sei, und dass Isokrates reden an kein grösseres publikum als das seiner schule sich richteten. Nach meiner meinung suchte er in der that ernstlich für die ziele zu wirken , denen seine reden gewidmet sind, also für den nationalkampf, für die Her- stellung gesunderer zustände und richtungen in Athen u. s. w.,

74 33. Isokrates. Nr. 2.

aber er ist neben dem politiker immer auch sophist, der sein lesepublikum und dessen beurtheilung und bewunderung im ange hat. Drittens ist er lehrcr, und seine reden sind aller- dings auch musterstücke für seine schüler; es lasen sie aber nicht bloss diese, sondern überhaupt die litterarisch interessirten leute in ganz Hellas, und dass diese sie auch nach Isokrates' absieht lesen sollten, geht einfach aus ihrer Veröffentlichung hervor. Nun kann es nicht fehlen, dass manches, was für den einen zweck gut, für den andern minder passend ist, und dass in sofern gewisse Unebenheiten in den reden sich zeigen. Ky- prianos aber, der dieselben als kunstwerke auflösen und zer- stören will, betont diese discrepanzeu über gebühr, und macht ferner auch solche Widersprüche mit allem nachdruck geltend, die entweder von Isokrates mit voller absieht zugelassen waren z. b. Panegyr. 4 (14) und 187 oder unwesentlich sind und nur in der form beruhen; ja er vermehrt die zahl noch durch eigne missverständnisse. So ist es keineswegs ein Widerspruch, wenn Isokrates im Panegyr. §. 20 und 99 einerseits die hegemonie für Athen in ansprach nimmt, und andererseits §.17 eine theilung derselben zwischen Athen und Sparta ver- langt, sowie §. 166 tadelt dass man sich um die hegemonie zanke statt gegen den perserkönig krieg anzufangen. Denn auch an jenen ersten stellen verlangt er nur die hegemonie zur see, wie im Zusammenhang ganz klar ist (§. 17 ou xul ngo- Tf qov fj nolic Tjftuiv dixafwg rijg 9uluaßrjg rj^s xal vvv ovx udixwg afjKpiaßrixii rij'g rjysfjovfag), und dies ist dann die thei- lung, welche er §. 20 will; der tadel aber §. 166 richtet sich natürlich nur an diejenigen welche sich dem widersetzen , d. h. an die Spartaner. Noch in andrer weise hat Kyprianos wie- derholt stellen des redners missverstanden , um ihn selbst zum zeugen für seine hypothese zu gewinnen. Antid. 12 gibt Iso- krates seinen lesern anweisung, wie sie die rede lesen sollen, und ermahnt sie dabei it. a. : nQogtyuv xov vovv cn fiüXXov loig TAytü&m ^iXkovGiv i] roTg ijdr] noofioiifiFvotc, d. h. stets zu den- ken dass das beste noch kommt, eine für eine so lange und langweilige rede wohl angebrachte regel. Aber Kyprianos setzt so zu sagen stillschweigend Ityofjiroig für )Jys<r9-ai /jtXXovm,, und behauptet dass Isokrates hiermit zugäbe, dass die theile sich widersprächen und dass jeder theil und jedes theilchen für

Nr. 2. 34. Lykurgos. 75

sich zu nphmen sei. Paneg. 98 sagt Isokrates, dass er über den vorliegenden gegenständ nicht alles sagen wolle was sich sagen Hesse , sondern nur was besonders bedeutungsvoll und ferner loig noouorifitvoig 6fi,o%oyovf*sva sei. Also, meint Kypria- nos , gibt es in der rede auch manches was mit dem vorherge- sagten nicht zusammenstimme. Ebend. 165 heisst es: di- Seixiai yäg, omv Tic noXsprj noog ui'frqLojiovc ix tioXXüjv icnutv cvXfoyofjiiovg, ort Sil (/,)] jregi/j£i>eiv xik.: „es versteht sich, ist durch die erfahrung erwiesen, dass'' u. s. w. Der verf. aber meint, es heisse: „ich habe bewiesen", und da nun vorher in der rede nichts derartiges vorkommt, so schliesst er, dass Isokrates sich auf frühere mündliche Unterweisung beziehe und dadurch nun die rede als lediglich einen theil dieses Unterrichts be- zeichne. Endlich die Zeugnisse aus dem alterthum, auf die Ky- prianos sich noch beruft, wollen gar wenig bedeuten, und das enkomion auf die byzantinischen gelehrten , welches er anläss- lich seines hauptzeugen Photios vorbringt, wird wohl das von ihm so stark getadelte abschätzige urtheil der deutschen philo- logen über dieselben nicht zu ändern im stände sein.

Uebrigens wiederhole ich, dass die schrift, wiewohl in ihrem eigentlichen ziele verfehlt , doch nebenher manches gute bei- bringt, wie gegen den schluss die erörterung über die angeb- liche jtyvri des Isokrates.

B.

34. Quaestiones Lycurgeae. Dissertatio inauguralis quam ... scripsit Samuel Elias. Halis Saxonum 1870. 8. 58 ss.

Die dissertation behandelt in zwei capiteln das genus di- cendi des Lykurg im allgemeinen und die in der Leocratea vom redner angewandte beweisführung. Eine gewisse belesenheit in den attischen rednern soll dem Verfasser nicht abgestritten wer- den; auch die Würdigung des rhetorischen characters des Ly- kurg, im anschluss an die urtheile des Dionys und Hermogenes vorgetragen, fasst die wesentlichen gesichtspunkte sachgemäss zusammen, des reduers Vorliebe für Übertreibung (au'^Gig) und Schwarzmalerei (ötfrwGig) , für langathmige parekbasen , für kühne Übertragungen (selbst das monströse im roTg boioiq rov ßfov §. 109 sucht Elias durch eine gewagte translatio zu ret- ten : „an der grenzmark ihres lebens") , den mangel an urba-

76 34. Lykurgos. Nr. 2.

nität in seiner ausdrucksweise. Im übrigeu aber ist die arbeit eine durchaus verfehlte. Zwar erkennt der verf. im zweiten capitel die schwäche der lykurgischen argumente an, bemerkt auch richtig (p. 22), dass die Sprecher vor den attischen ge- schworenen nicht sowohl auf das rechtsgefühl, als auf die leicht erregbaren affecte der hörer speculirten , aber in der gesammt- auffassung wie im einzelnen wimmelt es von groben irrthümern und missverständnissen. Der redner konnte, nach Elias' an- sieht, anstatt der weitschichtigen argumentation einfach den volksbeschluss (§. 53) : ho^ovq tlvai Trj -wgodoGfa tovg (ptvyovrag (Schäfer, Demosthenes III, 11) gegen Leokrates geltend machen; da er dies nicht gethan, so ergebe sich daraus, dass er zur zeit der Leocratea wieder aufgehoben gewesen sei (p. 34); er sieht also nicht ein , dass Leokrates gerade die anwendbarkeit des begriff's cpvyrj, 6 cpsvyuv auf seinen weggang, der angeblich zu handelszwecken erfolgt war, bestritt, dass sonach der be- weis dafür, dass das psephisma den Leokrates mit in sich be- greife, selbst erst wieder durch einen Cro^aff^oe zu erbringen war. Wenn Elias aus §. 147 (p. 50. 53) schliesst, die eisan- gelia habe nicht bloss auf ngodoGfo, sondern wirklich auch auf drjfiov xuru),vGig} uGißuttj yoriwv xdxwciq, Iutotu&ov (der verf. schreibt beharrlich Xswiom&ov , trotz Cobet, Nov. lect. 78) und ußigartCa gelautet, so verkennt er in praxi den vorher in thesi anerkannten satz von des Lykurg stieben nach uv^rjciCj ebenso wenn er (p. 10. 55) aus §. 133 herausliest, Leokrates sei aus Rhodos ausgewiesen worden, und darin einen Widerspruch zu §. 21 findet. Zuzugeben ist dem Verfasser, dass die beweis- führung, Leokrates' handlungsweise characterisiere sich als ngo- doGtu, kaum möglich war ; moralisch mochte sein thun verächtlich erscheinen, aber nach den gesetzen war die auswanderungsfrei- heit unbeschränkt (zu Lys. XIV, 38; XXXI, 6). Dagegen weiss er (p. 48) nichts von dem bei den redneru so beliebten beweis ex consecutione (ad Herenn. II , 5 , 8) , wenn er die ver- nünftigkeit des antieipierten einwandes §. 90 bestreitet (zu Lys. XII, 85) ; den vergleich zwischen der auswanderung des Leokra- tes nach Rhodos und der der Athener nach Salamis §. 68 findet er (p. 48) so absurd, dass die (fvrijyogot, ihn jedenfalls gar nicht vorgebracht haben würden ; aber er ist nicht gewagter , als die parallele zwischen des Alkibiades' auftreten gegen sein vater-

Nr. 2. 34. Lykurgos. 77

land und dem befreiungskatnpf der patrioten im jähre 403, durch welche der jüngere Alkibiades bei Isokr. XVI, 13 seinen vater zu entschuldigen sucht und welche Lys. XIV , 32 zurück- wies. Mindestens ein schiefer ausdruck ist es, wenn er die athenischen geschworenen p. 21 als a populo quotannis delecti bezeichnet, ein handgreiflicher irrtbum, wenn er p. 50 als- die bei der yoaipq uGißtiag herkömmliche strafe die geldstrafe (Meier, Process 306) nennt. Auch in der interpretation der worte des redners ist Elias wiederholt sehr fehl gegangen; p. 37 findet er in tu fivrjfieia uvrwv (züiy loxewv) uyavtf^wv §. 147 eine fälschung , nam maiorum monumenta excisa non sunt; offenbar heisst ucpavt&tv , „verfallen lassen" ; Leokrates sorgte während seiner achtjährigen abwesenheit nicht für instandhaltung des erbbegräbnisses ; auch die versagung der todtenehren (r« vofjLt^ö/jivu) gehörte zur xdxwaig yoriwv (Meier, Process 288, vgl. van den Es, de iure familiarum apud Athenienses p. 142 f.). P. 41 macht ihm das xtvt 6' uv tqv nuiQida Truoidwxs fiet^ova [noodoßfa] §. 78 scrupel; er fasst xin = noaco und will lieber xt corrigieren; schon Mätzner hat tivb richtig als masculin ge- deutet und so Rosenberg in der num. 35 angeführten schrift p. 9 ; in dem ephebeneid hiess es ja : i\v nurqidu nuoudwaui nXfiu) xal uQttuj oarjg av Ttaoudi'%tjj{iai , in welchen Worten bei nuQfxduüGio ein tchc dutäe%Oft£vfHg (Lys. XIII, 62) vorschwebt. Selbst die auf den ersten blick bestechende ausscheidung von uv §. 78 (p. 40 und in den thesen) ist unnöthig ; ijfiwsv uv ist potentialis praeteriti: „wo hätte eintreten können". (Aken, Tempus und Modus §. 72, beispiele zu Lys. I, 27. 44; XXV, 12).

Noch ein wort über die form. Man ist ja in inaugural- dissertationen an conflicte mit dem seligen Donat gewöhnt, aber die anspräche der philosophischen facultät zu Halle an die la- tinität ihrer doctorandi sind doch, wenn man aus der vorliegen- den arbeit den schluss machen darf, allzu bescheiden. Das la- tein ist durchaus schülerhaft und durch und durch germanistisch; dies beweist nicht nur der falsche gebrauch von adhuc, sane> passus, plane, etiam, iam (für vel, p. 22. 29. 34. 57, ein lieb- lingsschnitzer von obersecundanern), etiam non für ne quidem, iste , aliquis für quisque (p. 22), exspectare mit folgendem accus, c. inf. (p. 35 ; hat der verf. Keisig's Lat. sprachwissensch. p. 789

78 34. Lykurgos. Nr. 2.

Haas, oder Döderleins Lat. syn. und etym. 3, 57 nicht gelesen?), post hac für postea (p. 32), paullulum für paullisper (p. 30. 58), sondern auch die fast habituelle Vernachlässigung der consecutio temporum (z. b. p. 31: institerit, impediverit; 36: ostendi oportuiti cur sit; 41 : ostendat; 49: populus decrevit, ut fuga pu- niatur; 51: habucrint u. ö.), der indicativ im ideellen rdativ- satze (p. 42: quifugit), condemnari als hypothetischer iofinitiv (p. 58), potuissent für potuerunt fp. 36), durch die ganze disser- tation geht der falsche gebrauch von antiquare im sinne von abrogare. Und nun gar anfängerfehler wie ut haud scio an (p. 14), a nomine (p. 16), duodeviginti annorum natus (p. 40), ali- quod für aliquid) und logische Ungeheuerlichkeiten wie apud Iso- cratem saepe ea reperiuntur , quae Lycurgi proprio esse videbimus p. 16, tum temporis (nach der Schlacht bei Chäroneia), ea mens, quae in Lycurgo semper vigebat, in omnibus Aiheniensibus inerat p. 55. Anderes mag auf druckfehlern beruhen, wie videbitur für videretur (wo freilich quemvis für quemeunque steht) , exercitio für exercitu (p. 37), motus quae (p. 56 j, obschon man nach den son- stigen proben von des Verfassers sprachkenntniss einigermassen misstrauisch sein darf. In summa erscheint die selbstrecension, die vf. p. 56 ausspricht: mihi hac disputatione (t) clariorem lucem aecusationi offudisse videor, doch als ausdruck eiues wenig be- gründeten Selbstgefühls, und die Veröffentlichung der im index angekündigten , durch die kürze der arbeit vorläufig ausge- schlossenen ferneren drei capitel : de Leocratea ex Anaximenis praeeeptis iudicium, de transitionibus in Leocratea adhibitis, locorum quorundam Leocrateae interpretatio , wird ohne eine gründliche re- vision des inhalts und der form wohl nur eine arbeit von sehr problematischem werthe zu tage fördern.

Hermann Frohbcrger.

35. De Lycurgi orationis Leocrateae interpolationibus. Dis- sertatio inauguralis quam . . scr. Emil. Rosenberg. Greifs- walde 1869. 46 s. gr. 8.

Auch eine doefordissertation, aber auf's vorteilhafteste von der vorher besprochenen verschieden. Dem Verfasser stfht nicht bloss eine umfassende belcsenheit wie überhaupt in der attischen dekas so speciell in der literatur über Lykurg zur seite; von den älteren ausgaben scheint er nur die von Friedrich Osann,

Nr. 2. 35. Lykurgos. 79

Jena 1821 , recensiert (zugleich mit der von Heinrich) in der Hall. A. L. Zeitung 1822, märz, nr. 63, p. 498— 512 und von Novalis in der Jen. L. Zeitung, Ergänz. Bl. 1827, nr. 26, p. 201. 204, übrigens ein buch von geringem werthe , ohne selb- ständige kritik, nicht gekannt zu haben, von der sonstigen li- teratur findet sieh Jenicke, symhölae criticae in Lycurgi Leocra- team, Leipzig 1843, nicht citiert; sondern auch Scharfsinn und gesundes urtheil in der entscheidung bäkliger fragen. Die lati- nität ist fast mustergiltig, nur dass er, freilich ein auch bei routinierteren Stilisten beliebter usus, iam vero einfach als über- gangsformel, ohne die darin liegende gradatio („nun gar, nun vollends'', Seyffert, scholae latinae p. 29. 35) anzuerkennen, ge- braucht und ohne ersichtlichen grund p. 36 nisi forte mit dem conjunctiv verbindet, zuwider der feststehenden regel (Krüger, lat. Gr. §. 603 , anm. 2 u. a.). Auf welcher autorität die lo- cativform Marathon* beruht (p. 36 zweimal), gesteht ref. nicht zu wissen; ist's eine unwillkürliche reminiscenz an Mugudu/vi? Germanistisch klingen die Wendungen iusiurandum joraestare p. 44 und imparem esse ad quaestionem absolvendam p. 41. Un- richtig ist die p. 30, anm. 75, ausgesprochene behauptung, dass bei den attischen rednern selten vergleichungen regelrecht durch beide glieder durchgeführt würden; es genügt, dem ge- genüber darauf hinzuweisen, dass die bekannte correlative an- wendung des zweifachen xui in vergleicbungssätzen aus den rednern sich vielfach belegen lässt (zu Lys. XIV, 24). Eine yQuyrj TvQuvvCdog (p. 4) gab es wohl nicht zu Athen, sondern drjfiov xuTalvGewg, wofür die grammatiker jvquvvldoq setzen.

Seinen stoff hat Rosenberg in drei capitel zerlegt. Im ersten (p. 2 13) behandelt er die vor der ausgäbe Scheibe's bereits ermittelten oder doch vermutheten interpolationen. Bei der besprecbung von §. 26 hatte er sich der Bekkerscbeu ver- muthung angeschlossen, derzufolge trjv *ASriiüv oficovvfiov aiifi ausgeschieden werden sollte-, aufmerksam gemacht durch eine conjectur Schöne's (Jahrb. f. Philol. 1869, p. 739) hat er neuerdings (Jahrb. 1860, p. 806) diese ansieht aufgegeben und setzt hinter eiXrj/vTuv ein nfxwvxsq ein, wogegen er das erste blAiürvjjov uvrij und ol rt/jtZvng tilgt. Adhuc sub iudlce lis est; dass freilich Lykurg selbst den aecusativ tijv yA3r\var gesetzt und dann duich ein hartes anakoluth die periode gestört habe

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(Polle, Jahrb. 1869, p. 748), kann ref. nicht glaublich finden. An der vielbesprochenen stelle §. 109 entscheidet vf. sich, al- lerdings faute de mieux , für Wurni's ini xoig fjQioig für bgfocg und die ausscheidung von xov ßfov; neuerlich (Jahrb. 1870, p. 809) ist er auf die freilich äusserst gewagte vermuthung ge- kommen, der ganze passus von §. 105 108 sei das einschieb- sei eines gelehrten grammatikers, der bei der belobiguDg der Athener die Spartaner nicht habe zu kurz kommen lassen wol- len ; die weitere consequenz dieser bypothese ist, dass auch das simonideische epigramm auf die Spartaner nebst den worten ixtiroig fiiv und idig de vfitiiqoig ngoyovotg §. 109 in Wegfall kommen muss; unter diesen Voraussetzungen billigt Rosenberg die vermuthung Schöne's (Jahrb 1869, 744) ini idig r^ajoig iov Thfißov. Was wird von den alten schliesslich übrig bleiben, wenn das seciermesser der kritik so unverdrossen arbeitet? Ref. ist schon lange der ansieht, dass die so überflüssige Ortsbestim- mung ini roig ögloig ein unverständiges glossem aus §. 47 und ßiov eine durch jotacismus und compendium herbeigeführte Ver- stümmelung des dort am rechten platze stehenden Botwjfug ist; die Veränderung des artikels war dann die nothwendige folge der corruptel; uvaysyQafjifiiva bedarf natürlich keiner Ortsbestim- mung, der gedanke ist: die Zeugnisse ihrer tapferkeit sind schriftlich überliefert, nicht bloss uxoTj. §. 124 billigt Rosenberg Scheibe's Supplement vnc %(Sv %eru)v hinter 'EkXqvutv, mit aus- stosBung des sinnlosen rfeliaas (Polle, Jahrb. 1869, p. 755 ver- muthet dafür i'^tavuGs, nicht recht deutlich; Meutzner, de inter- polationis apud Demosth. obviae vestigiis quibusdam, Progr. Plauen 1871, ergänzt ntnor&e aus ntnor&ortg, ein gedanke, der sich schon bei Jenicke , p. 28 der oben genaunteu schrift, findet); ich glaube Philol. p. XXIX, 629 nachgewiesen zu haben, dass durch den gebrauch der redner 'vno xüJv noXffitwv mehr em- pfohlen wird, wie er auch §.18 gegenüber Rosenberg's behaup- tung (p. 11), die dittologie xaiu%frtig xui uyixo/jeiog (l^'Pudov sei unverfänglich , bei seiner vermutbung uvux&etg (ib. p. 628) stehen bleibt.

Im zweiten capitel (p. 13 29) recensiert Rosenberg die interpolationsvermuthungcn der Holländer (van den Es, v. Her- werden), die diesen äbnlicben Dobree's und die von Jacob, der in den emendationcs Lycurgeae (Progr. Cleve 1860) einige

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conjecturen von van den Es , theils ablehnend theils billigend, besprochen hat. Mit recht weist er darauf hin, dass viele ver- muthungen der erstgenannten auf den hohen ansprüchen beru- hen, die sie an Lykurg stellen als einen redner , der tag und nacht an seinen reden gefeilt habe und dessen Leocratea ein lieblingsgegenstand der lectüre in den rhetorenschulen gewesen sei. Diese behauptungen sind unbeweisbar und der darauf ge- baute schluss , dass man dem Lykurg keine nachlässigkeiten, keinen mangel an concinnität, keine Wiederholungen u. dgl. zu- trauen dürfe, beruht auf falschen prämissen, die daraus gefol- gerten conjecturen also auf einem nowTOv tpsvdog. Die reich- haltigkeit der arbeit gestattet nur einzelnes hervorzuheben. Mit recht wird p. 18 van den Es abgewiesen, der §.71 rcy^'wg ausscheiden will , sonach nichts weiss von dem ironischen ge- brauche des wortes (Andok. IV, 27) und, wie ich hinzufüge, des noch häufigeren tu%v ys (Demosth. XXI, 209. XXV, 95. Aesch. I, 191. Aristoph. Wölk. 547), p. 21 mit gleichem rechte Herwerden, der §. 116 in egyco xul ov löyo) eine lästige ditto- logie findet und xul ov Xoyco streicht , mit verkennung einer ganz gewöhnlichen amplificatio (zu Lys. XIII, 19. Rehdantz, Demosth. I, index u. d. w. „erweiterung", 2. aufl.) Im §. 134 will van den Es das lafiTiowg hinter rtrQi7]QuQxr]xs streichen, weil es nur zu xoQqysiv passe , als ob nicht auch bei der trierarchie der eine sich mehr als der andere „splendid" erwiesen habe! Man weiss ja, wie sehr manchen die rpilonfiCa kitzelte ein übri- ges zu thun und concurrenten auszustechen ; die zweite rede des Lycurg, Demosth. L, 7, LI, 5 f. mögen als belege dienen. Von p. 22 an bespricht Eosenberg die stellen , wo er die re- sultate der holländischen kritik acceptirt ; doch hätte §. 40 TiiQicpoßovi vor xanniriyviaz, an einer stelle von poetischem co- lorit, schon durch das homerische öuauvis xuzanirJTrjv (II. VIII, 136) geschützt sein sollen; §. 105 ist o? utl ßuffiltvovdtv iv ^jiuQirj nicht ein insipides einschiebsei (van den Es) , sondern qualificiert die Herakliden als erbliche repräsentanten der virtus imperatoria, denen gegenüber die bevorzugung des Athe- ners durch das orakel um so bedeutsamer erscheinen musste. Die vermuthung Rosenberg's zu §. 107 i^iCTQuiavfiivoi (an die übrigens auch van den Es annot. ad Lyc. Leoer. 52 gedacht hat) anstatt des kaum zu deutenden ixoiquitvofisvot, trifft mit Piniol. Anz. IV. 6

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einer randnotiz in meiner handausgabe zusammen, wie ich mich denn auch mit der ansieht, dass Lys. XX, 4 die worte diu TfQcG&ev ufiuQTrjfi-ura hinter imdvftTJGai zu tilgen seien (p. 16, anm. 52) in Übereinstimmung befinde (Philol. XXIX, 628).

Im dritten capitel (p. 30 ff.) entwickelt Rosenberg fünf von ihm selbst aufgestellte interpolationsbypothesen, die den beifall Bücheler's im greifswalder philologischen seminar gefunden ha- ben. Es bedarf nicht der erwähnung , dass derartige vermu- thungen in der regel mehr noch disputabel sind als solche, die in den bereich der diplomatischen kritik gehören. §. 15 will Rosenberg den passus ot Xgugi oviu ausgeschieden wissen. Ohne sonst in die controverse einzutreten, bemerke ich nur, dass das schon von Bekker geltend gemachte, von Rosenberg wiederholte argument, öiunsnqayuivoi könne nicht passivisch gebraucht werden, auf einem irrthum beruht; Rosenberg hat nicht an jiuviwv diantnQayuivwv bei Lys. I, 38 gedacht. §. 25 streicht er xul ehat o&vtla iij %ujqu , namentlich wegen der nimia laquacitas , ein ästhetisches bedenken, das freilich nach dem auf p. 16 von Rosenberg erörterten nicht allzuschwer in's gewicht fallen sollte; §. 48 soll der ganze passus von tlxorcog Ökxxsivzui in wegfall kommen , wobei zugegeben werden muss, dass der vergleich nach strenger logik nicht recht zur begründung des vorhergehenden gedankens passt, da r; &qi\puGa (yrj) nicht nothwendig auf die vielgerühmte autochthonie der Athener hinweist, sondern schlechthin attribut des Vaterlands als altrix ist; für die autochthonen dagegen ist das Vaterland jQocpog xal (ir\ir\Q (Isokr. IV, 25. Plat. Menex. 237 C. : i\ ts- xovGu xul &Qi\puGa , parens altrix Cic. p. Flacco 26, 62, wo neuerdings Kayser nach einer handschrift die der stelle des Isokrates nachgebildeten worte gestrichen hat). Allzu scrupulös dagegen ist das zu den folgenden Worten erhobene bedenken, die kämpfe von Chäroneia könnten nicht durch die worte cha- ractei'isiert werden : ioTg ugiGioig uvdQuGiv Xaov twv xirdvrwv usTaGxovTtg , similes aut pares optimis viris , vielmehr müssten sie nach des redners gedanken selbst als optimi viri bezeichnet wer- den. Welcher unterschied ist zwischen par optimo viro und optimus vir? Und wenn Rosenberg meint, rolg ugiGioig «v- Öqügiv müsse eine bestimmte beziehung haben auf irgend eine besonders ausgezeichnete kämpferschaar (weshalb er nach Bü-

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cheler's vermuthung in den worten eine corruptel sucht, hinter welcher eine andeutung der kämpfer von Marathon stecke), so verkennt er merkwürdiger weise, wie correct der gedanke ist: sie haben den besten männern gleich „gekämpft", aber nicht „dem entsprechend" (bpolwg) glück gehabt, wobei es wenig in frage kommt, ob dem redner bei ol ugiffroi, uvdgsg der ideelle begriff „die denkbar besten" oder der empirische, die erfahrungs- mässig besten vorgeschwebt hat. In §. 60 verwirft Rosen- berg den allerdings Schwierigkeiten bietenden abschnitt von äaneg bis ävddiuxot yivwvxai; ich glaube, dass der stelle we- niger gewaltsam durch die Verbesserung wjg dxv^tug für tt}v dxv/Cav (van den Es) abgeholfen werden könne ; zum beleg für die redensart nigug iXHV 1ll'og, den höchsten grad {nigug = per- fectio) in etwas erreicht haben (hier : das Unglück der Staaten ist vollendet, wenn u. s. w.) will ich nicht auf die angefochtene stelle Lys. XII, 88 verweisen, wohl aber auf Aristot. Polit. I, 2 , p. 3 Bekker. : t\ ix tvXuovcüv xwfiöjp xotvcoviu xiXsiog noXig, rj Sr\ ndffijg t%ovGa negag xrjg uvtagxHug , über deren sinn kein zweifei möglich ist; vgl. auch Aristid. or. XXXIV, (I, 654 Dindorf.): unanlrfeiug doxü nigug ilvui. Den wortreichthum der stelle und die allerdings überflüssige erklärung il yug dtl yivia- &ut, kann ich nicht weiter auffällig finden. §. 94 möchte Eo- senberg die worte dxöxwg fiiytaxov ußtßrjfiu iüxtv tilgen, ohne jedoch die authentie der worte unbedingt zu verneinen. End- lich inissfällt ihm (p. 40, anm. 79) der schluss von §. 80, der passus von ov aS,iov bis ugsirjv, erstens weil die beziehung von ov undeutlich sei; aber die folgenden worte lassen ja keinen zweif'el, dass der von den Hellenen ehedem geleistete, nicht der zur zeit noch in Athen bestehende eid gemeint ist; ausserdem würde nach Streichung der angefochtenen worte gegen uviöv hin- ter uvuyiyvwoxt sich das gleiche bedenken, und nur mit grös- serem rechte geltend machen lassen ; alsdann weil die folgenden worte prorsus inepta seien; aber der gedanke: ,,die thatsachen liegen zwar weit hinter uns , aber die schriftliche aufzeichnung giebt genügendes zeuguiss für ihre trefflichkeit", ist doch nicht anzufechten; der eid war vermuthlich wie andere documente (selbst der problematische cimonische friedenstractat) auf einer säule aufgezeichnet. Allerdings das handschriftliche lap'wg Zguv idilv ist nicht zu Reuten; la%v(Zg als ästhetisch kritische

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randglosse eines lesers zu betrachten (Polle, Jahrb. 1869, p. 754) scheint nicht räthlich , da eine beziehung zu nuXuiuiv erwartet wird ; Scheibe's av/vaig ist mir unverständlich ; Ixavwg scheint am meisten sinnentsprechend und liegt der Überlieferung nicht fern.

Anhangsweise bespricht Rosenberg (p. 39 ff.) noch die viel- fach ventilierte frage, ob die §.81 angeführte eidesformel acht sei ; er kommt zu einem verneinenden resultate ; die weitere frage, ob überhaupt jemals ein solcher eid vor der schlacht bei Platää geleistet worden oder ob er eine erfindung der Athener in maiorem patriae gloriam sei , beantwortet er dahin , dass eine absichtliche Verwechslung mit dem zu anfang des krieges von den Hellenen geleisteten eid (Herod. VII, 132) vorliege; be- kanntlich bezweifelte schon Theopomp die von den panegy- rikern adoptierte angebliche thatsache (Wesseling zu Diodor. XI, 29). Aehnlich hat unlängst Schöne (Jahrb, 1869, p. 743) sich erklärt. Uebrigens irrt Rosenberg, wenn er Grote für den einzigen Verfechter der authentie der Überlieferung des Lykurg (Diodor und Isokrates) hält ; TeMfy macht in seinem Corpus iuris attici (p. 331) daraus sogar, nach seiner gewohnheit, ein ge- s e t z (Graeci hoc iusiurandum invicem sibi dentj.

Habe ich also auch manchen Widerspruch erheben müssen, so stehe ich doch nicht an , die arbeit Rosenberg's als einen beachtenswerthen beitrag zur kritik des Lykurg zu bezeichnen. Von druckfehlern ist mir nur nou für nois p. 17 a. e. aufge- fallen. Nebenbei bemerke ich noch , dass §. 28 für nuQtxuXt- Gufjrjv unzweifelhaft ji()ovxuXiGÜfj,r]v (so schon Taylor), aber auch avzov für avTovg gelesen werden muss, dass §. 29 hinter ä dei wohl ein (idircu ausgefallen ist, und dass §. 65 der paralle- lismus, so gut wie in den beiden folgenden gliedern, zu tnnt^tov ein besonderes verbum, etwa tnoi>](>ur, zu fordern scheint.

Hermann Frohberger.

36. De Dionysii Thracis grammaticae epitoma partim inedita quae est in codice Veneto Marciano 531, scripsit A d ol- fus Hart. 4. Berolini. 1871. 35 ss.

Diese dankensvverthe schritt handelt von einem byzantini- schen lehrbuch dor griechischen grammatik , welches , wie der Verfasser p. 24 zusammenfassend urtheilt , zur grundlage die

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rtXvtl des Dionysios Thrax hat, daneben aber eine beträchtliche anzahl von lehren und erörterungeu aus anderen quellen (und zwar besonders aus den scholien zu Dionysios) enthält. So richtig wie diese angäbe , ebenso unbegreiflich ist es . weshalb der Verfasser fortwährend das buch epitome grammaticae Diojiysii Thracis bezeichnet: worunter sich doch jedermann nur eine Ver- kürzung der r£xrrl denken wird und nicht eine erweiterung von viel bedeutenderem umfang. Die schrift ist vollständig enthal- ten im codex Marcianus 531 (saec. 15 16). Der erste theil war bereits von Titze aus einer Königgrätzer handschrift ver- öffentlicht und ohne grund dem Manuel Moschopulos zuge- schrieben worden [Manuelis Moschopuli opuscula grammatica p. 17 43). Aus dem Marcianus wurde nun das zweite buch von Studemund, Hart und Scholl abgeschrieben, das erste von Stu- demund und Hart nach dem gedruckten text collationirt. So- weit sich nach dem publicirten theil und nach Hart's angaben über den zweiten theil urtheilen lässt , bietet uns das buch für unsere kenntniss von den Studien der älteren zeit nichts neues von wesentlichem belang. Einen gewissen werth hat es nur für die beurtheilung der byzantinischen Studien, sowie dadurch, dass sich aus ihm die Bekkersche ausgäbe der schoben zu Dio- nysios zuweilen verbessern lässt. Harts bemerkungen verbreiten sich in sorgfältiger weise über mehrere auf die geschichte der alten grammatik bezüglichen punkte. Zu anfang des zwei- ten theils wird von dem unterschied zwischen der bedeutung des nomen und der des pronomen gehandelt: filv yuq ovofiaTU Or\ixalvu ouGluv xul noiojrjta diu zrjg <pix)vr)g, r) (sc. uvKOWfiia) oGov xuru (pwvrjv fxovov ovGluv ar\{xuCvn , it xal (puvsQOvrui rj noioTrjg diu zrjg dsC^iwg (p. 26 , 3 ff.). Statt tl vermuthet Hart i] ; mit unrecht , xuza (pwv^v (oder diu zrjg (ftüvrjg) und diu zrtg öfC&uig stehen sich entgegen: „durch die de7%ig wird mittelbar (nämlich durch die Verbindung und den Zusammenhang im satze) auch die noiozrjg bestimmt; aber wenn dies auch der fall ist, das wort an sich, die (pwvrj, bezeichnet lediglich die ovGtu"._ Weiterhin heisst es vom unterschied des verbum und parti- cipium: il d av nufov r\ cpwrr] Gr\^,ulvu ovöiag dtu&eGiv rj ivig- yeiav (fw/iuzo^ rj ipvxrjg diädsGiv avsv nzwGmg xt%u)oiG[j,ivrig,

iftOflSV TO Q^fM*. 7] Gt][XUlV£l OVGlUV XUI dlU&SGlV XUZU ZUVZO XUI

jtoih zqv fiiioxrjv (z. 12 ff.): vor xui tioisi ist vielleicht

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/ma mwöeioc, im gegensatz zu uvev mwGeoig, einzuschieben. P. 29 : oGa de räiv em&eiojv tt]v uliiuv e% tjfiwv t%H XeyeG&ai, Tuvxa enuivov ij ipoyov ffrjfiuvnxu. de fiy oviiog e'xovia /jeGa' wg Tftvrjg vytfjg likwßrjfjivog. ravia de utio tujv ixrog eGnv wg Ix Tv%rig Gvfißaivovra , 5 (irfi enuivov e^et fjtijie ipoyov ' ov yäg eTtaivovfiev tov vyia «AA« rlqg eviv^iag olxieiQOfxev. Hier bricht die mittheilung dieser stelle ab , und mit Sicherheit lässt sich daher über die Verbesserung der corrupten Schlussworte noch nichts sagen. Es scheint , dass mehreres ausgefallen : ov yag Inaivovfiev xov vyiä v.Xla rTjg eviv^Cag fiuxag Ct,o fiev , ovde zöv it ivvza tpe y o [i ev dXX> olxreigoaev. Oder ergiebt sich etwa aus dem folgenden , dass die worte durch Umstellung zu heilen sind? Auch die entsprechenden worte bei Bekker p. 865 sind fehlerhaft : vytrtg ußd-evrjg TtlovGiog mvrjg. zuvtu ärco zöjv ixzog tGzt xqg ipvx^g (sie) Gv/jßuivoviwv } u jjrjze h'jtouvov /u>;Ve ipoyov SrjXovöiVj ukku fxuxagi^ovGi xul ipeyovGi. Hier ist olxzeC- govGv an die stelle von tpeyovGt zu setzen. Mehrfach stimmt die schrift genau überein mit dem dialog des Maximus Planudes über die grammatik. Unter den gründen, weshalb man diesen nicht als quelle betrachten dürfe , führt Hart auch an : quod in Philemonis quoque Xe^ixov xtxvoloyixov s. v. JrjfioG&err} et *Enl- &ezov orofia particulae nonnullae similes reeeptae sunt. Id autem lexicon duobus saltem saeculis ante Maximum conscriptum et uber- rimis optimorum fontium copiis instruetum est , quarum iacturam quodammodo hodie resarciat (p. 29). Kennt Hart nicht die (so- viel ref. weiss bis jetzt noch nicht widerlegte) ansieht von Lehrs über diesen Philemon ? Herod. scr. tria p. 439 : Philemo qui fertur descriptus ex Phavorino. Qui si Apuleio Pseudographo et Draconi Stratonicensi idem dixerit quod Dionysius tyrannus amicis Pythagoreis apud Schillerum , non poterunt detreetare. P. 33: ftol^og o zov rcvQog xzX. xdgxaigog rJx°S i^dwv zuv xqexövzojv In- nuiv. ßofifiog xul zoiavza. Statt ßöfjfiog ist ßö/ußog zu schreiben.

37. The Mostellaria of Plautus with notes critical and explanatory, prolegomena and excursus. By William Kam- say, M. A. formely Professor of humanity in the university of Glasgow. Edited by George G. Kam say, M. A. trin. coli.

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Oxoo. Professor of humanity in the university of Glasgow. London. 8. Macmillan and Co. 1869. XII. CXVI. 295.

Ist die beurtheilung eines postumen Werkes , an das der Verfasser selbst nicht mehr die letzte hand angelegt bat, schon an sich eine missliche sache , so ist dies in gauz besonderem masse bei dem vorliegenden buche der fall. Denn wie der herausgeber in der vorrede mittheilt, hat er dasselbe erst aus den von seinem oheim incomplete and inarranged hinterlassenen materialien mit mähe zusammengestellt. Allerdings kann unter diesen umständen ein etwaiger tadel und tadellos ist ja fast nur die äussere ausstattung des werkes umso weniger als gegen die person des Verfassers gerichtet erscheinen , der als one of the most accomplished scholars, and certainly one of the most distinguished and successful professors, that Scotland ever produced, das buch wohl nicht in dieser gestalt veröffentlicht haben würde; dagegen muss den herausgeber schwerer tadel treffen , dass er sich durch falsche pietät und nicht ausreichende kenntniss die- ses gebietes hat verleiten lassen, zum weit überwiegenden theile so wenig werthvolle aufzeichnungen der öffentlichkeit preis- zugeben.

Die 116 seiten umfassenden prolegomena enthalten in ihren drei capiteln, the text, the orthography of Plautus , the metres and prosody of Plautus, des nützlichen verschwindend wenig, dage- gen des völlig werthlosen die fülle. Besonders gilt dies von dem letzten capitel, von dem es allerdings in der vorrede heisst: the MS. of this portion of the work was in much confusion, had evidently undergone little or no revision , and had apparently ieen written at different times. Die in demselben besprochenen metra sind in ganz oberflächlicher weise behandelt; bezeichnend für die au gründe liegenden anschauungen von plautinischer verskunst sind z. b. folgende messungen Tace dtque muliebri parce supellectüi ; Trapezitae mille" drachumarum Olympicum ; Quo nemo adaeque iuventute ex omni Attica; Ego servabo, quasi seque- stro detis: neütri reddibo dönicum (apparently Jamb. Tetr. Acat.l). Ganz oberflächlich ist auch die wichtige hiatusfrage abgefunden, in bezug auf welche sich ziemlich deutlich die ansieht ausspricht, dass man sich der heiligkeit der Überlieferung unterwerfen müsse. Zur beseitigung der prosodischen Schwierigkeiten dient als Universalmittel die Silbenunterdrückung; nichts ist dabei so

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unwahrscheinlich , dass es nicht als möglich hingestellt würde. Messungen wie aljos , hodje, muljeris , satjetas , patrja, quonjam, nuncjam, simlem, homnem, opram, facle, Phlölacheti ff Philolacheti), trähre (f. trahere), zum theil wo keine nöthigung vorliegt, z. b. um ganz unverfängliche auflösungen in bacchischen versen zu beseitigen, sind noch nicht das schlimmste; Plautus soll auch z. b. esse, necesse, omnis, eccum (man vergleiche besonders Stich. 577), interim (vgl. bes. Most. 1094), inter (vgl. bes. Cist. 1. 1. 54), inde (vgl. besonders Pers. 394) u. a. einsilbig, resp. zweisilbig gebraucht haben. Doch es ist wahre Zeitvergeudung, auch nur noch ein wort über diese offenbar nur so auf's papier hinge- worfenen erörterungen zu verlieren.

Besondere erwartungen erregt der kritische apparat zur Mostellaria nach den mittheilungen in der vorrede, dass der Verfasser selbst a careful collation der vaticanischen handschriften, besonders des Vetus veranstaltet und der herausgeber dieselbe an zweifelhaften stellen nachgeprüft habe, und dass die kriti- schen noten embrace a considerable number of readings not recor- ded by Ritschi and in sorne few instances correct Ms errors. Ueber die Zuverlässigkeit der Ramsay'schen angaben mögen andere urtheilen, die die handschriften nach Ritschi erneuter prüfung unterworfen haben; soviel aber glaubt ref. mit bestimmtheit ver- sichern zu können, dass unter den neuen lesarten keine einzige enthalten ist, aus der sich ein wirklicher gewinn für die gestal- tung des textes ergäbe. Was den text selbst betrifft , der sich fortunately in a completed State vorfand, so ist derselbe über alle begriffe roh. Die notwendigsten besserungen des metrums sind unterlassen, wie auch die vorrede, natürlich in lobendem sinne, hervorhebt die rigorosität in ihe demand for definite evidence before admitting an emendation of the text on ihe ground of metre only ; beseitigt sind fast nur die obvious oder evident blunders der hand- schriften, wie gleichsam zur entschuldigung meistens hinzugefügt wird, soweit sie in früheren Jahrhunderten von den bearbeitern des Plautus verbessert sind , von denen auch hin und wieder anderweitige vermuthungen, und oft ganz offenbar falsche, auf- nähme gefunden haben, die neueren haben höchst selten berück- sichtigung erfahren, auch wo sie zum mindesten besseres als ihre Vorgänger geben; ein nennenswerther eigener versuch, den text lesbarer zu machen, ist nirgends gemacht. Es giebt kaum

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einen grelleren contrast als zwischen dieser leistung und dem Bentleyschen Terenz, dessen beispiel ohne jede anregung geblie- ben zu sein scheint.

Von den erklärenden anmerkungen , die oft gerade da im stiche lassen, wo eine erklärung erwünscht wäre, lässt sich auch nicht viel rühmenswerthes sagen, vielmehr wären bei näherem eingehen recht bedenkliehe mängel und irrthümer (z. b. der un- sinn von der construktion von clam mit dem genetiv) zu berüh- ren \ auch hinsichtlich der XVII excurse möge die bemerkung genügen, dass sie in ihren recht kritiklosen Zusammenstellungen wenigstens für uns in Deutschland nichts neues enthalten.

38. Ueber Commodians Carmen apologeticum adversus Gentes et Iudaeos. Von reallehrer pfr. L ei m ba eh. 4. Pro- gramm der höheren bürgerschule zu Schmalkalden 1871. 28 s.

Das vorliegende programm zeigt so recht wieder den gros- sen übelstand bei der bearbeitung der antiken christlichen lite- ratur, dass entweder die nöthige theologische oder philologische bildung fehlt. Recensent sieht sich grade aus diesem gründe genöthigt auf eine beurtheilung der theologischen seite des pro- grammes zu verzichten, muss aber offen gestehen, dass dem Ver- fasser die erforderliche philologische bildung zur behandlung seines Stoffes abgeht. Vor begründung dieses urtheils verzeich- nen wir kurz den inhalt der Schrift. Nach einleitenden bemer- kungen über die literatur zu Commodian , speciell zu seinem Carmen apologeticum, über den inhalt desselben, die besonder- heiten in metrik und spräche folgt eine ziemliche anzahl von emendationen, aus denen ein resultat auf die thätigkeit des er- sten und bisjetzt einzigen herausgebers des carmen, (Pitra im spicil. Solesm. 1. bd. p. 20 ff.) und auf die beschaffenheit der handschrift gezogen wird; dann beweist Leimbach aus form und inhalt, dass der Verfasser des carmen apologeticum und der schon früher unter dem namen Commodian's bekannten instruetiones per literas versuum primas der nämliche ist, was übrigens schon Pitra gesehen hatte; hieran reiht sich schliesslich ein kurzes urtheil über die beiden werke Commodian's.

Leimbach hat an manchen stellen den text Pitra's ent- schieden verbessert z. b. v. 56: merent quod ab ipso ridentur; 142: sit licet nunc pulvis; 228: dum respuunt forma s; 481:

90 38. Commodianus. Nr. 2.

nugaces aestimat esse; 776: et in poena sero declamat; 824: hunc ipse senalus. Wie sollte er es aber auch nicht besser machen als ein mann, der, so ausgebreitet auch sonst seine gelehrsamkeit sein mag, doch so tief unter dem niveau der gewöhnlichsten philologischen bildung steht, dass er unter anderm behauptet , Lucrez habe in omnis die vorletzte silbe, Vergil in potest die letzte als kürze gebraucht ! In den bemer- kungen über die äussere gestalt des gedichtes verräth Leimbach jedoch selbst auch den mangel genügender philologischer kennt- nisse: das gute alfclassische wort f acuta stellt er ohne weiteres neben die späten bildungen aeramen und excusamen; dass finis in einer menge klassischer schriftstellen femininum ist, scheint ihm unbekannt zu sein; die Schreibart der handschrift (oder gar Pitra's ?) sequutus rechnet er unter die besonderheiten der biegung; die ganz gewöhnlichen fehler der handschriften lebior st. levior , primitibus st. primitivus, dimissum st. demissum unter die besonderheiten der Schreibung Commodian's; dass über die ausspräche von diabulus als zabulus anderweitig Untersuchun- gen geführt worden sind, weiss er nicht; aus missverstand von v. 465 nimmt er eine construktion ponere de vita st. vitam an : ipse potestatem habeo de illa ponendi et sumendi iterum habeo po- testatem in illam ; warum also nicht auch sumere in illam st. il- lam? Am schlimmsten tritt der mangel philologischer Sorgfalt hervor bei dem urtheile Leimbach's über die metrische form. Hier konnte er sich ausschliesslich auf das vorliegende gedieht beschränken ohne weiterer eigentlich philologischer kenntnisse zu bedürfen , und doch kommen auch in diesem abschnitte die sonderbarsten behauptungen vor. So heisst es im anfaug des- selben: „nicht nach längen und kürzen, nach natürlich oder durch position langen silbeu fragt der dichter beson- ders unregelmässig sind die ersten fünf halbfüsse,

die folgende vershälfte ist in der regel correkt gebaut; na- mentlich ist der fünfte fuss fast stets ein daktylus1'. Nach die- sen Worten muss jedermann glauben , .der fünfte fuss sei fast stets ein prosodisch richtiger daktylus , schlägt man aber das gedieht nach, so sieht man sich arg getäuscht: es finden sich alle möglichen füsse statt des daktylus vom tribraehys bis zum molossus und manche davon gar nicht selten. Weiter unten behauptet Leimbach: „die synizesis kommt öfters vor. So wird

Nr. 2. 38. Commodianus. 91

deus und deum meist einsilbig gebraucht". Dabei bezeichnet er die behauptung von L. Müller de re metr. p. 444, dass der ge- brauch der synizesis in der rythmischen poesie sehr selten sei, als irrig. Nun hat aber grade Müller recht, und was speziell deus mit den dazugehörigen casusformen betrifft , so hat recen- sent in dem carmen 96 fälle gezählt, in welchem zweisilbige messung eintreten kann oder muss , und nur einen, der noth- wendig synizesis verlangt 609: ipsa spes est tota deo credere qui ligno pependit; aber grade hier tilgt Leimbach das allerdings sinnlose ipsa, was aus dittographie von spes entstanden zu sein scheint und so haben wir auch hier deo zweisilbig, wofür dann Leimbach ganz ohne grund domino einsetzt! Eine richtige ein- sieht in die gesichtspunkte , welche Commodian bei abfassung seiner quasi -hexameter beobachtet hat, ist bei dem gegenwär- tigen stand der dinge kaum möglich : die instruetiones kennen wir nur aus älteren collationen, das carmen apologeticum hat Pitra „raptimu abgeschrieben, wir entbehren also einstweilen eine ir- gendwie zuverlässige grundlage ; allein wenn Leimbach etwas genauer hätte zusehen wollen , so wäre er doch vor manchem missgriffe bewahrt worden. Wegen mangel an räum heben wir nur einzelnes hervor. V. 133 ist nach Leimbach hypermetrisch: quis potent scire quid sit trans 'Oceani finem. Aber Commodian verletzt n i e im sechsten und wohl auch nicht im fünften vers- fusse den wortaccent , er lässt auch keine synalöphe in der mitte der verse eintreten, also sicher nicht am ende; der vers war demnach zu skandiren : quis poterü scire quid sit trdns Oceani finem; auch 637 ist nach Leimbach hypermetrisch: surge, inquit, iuvenis; surrexit ille de feretro; der codex hat et resurrexit ; zu schreiben ist: surge inquit iuvenis; resurrexit ille feretro; v. 537 steht nach Pitra, dessen worte Leimbach ganz merkwürdig miss- verstanden hat, im codex : respiciunt cervicosis et is rectis; daraus macht Leimbach : respiciunt ipsi cervicosi caeci et erecti , oder mit synalöphe: caeci et erecti, beides gegen die metrik des carmen; die constante endung is in den adjektiven weis't darauf hin, dass ein ablativ, etwa animis, ausgefallen und so zu lesen ist: respiciunt animis cervicosis caecis erectis, oder vielleicht mit rück- sicht auf 473 : caecis superbis. Den unterschied zwischen plan- losem umhertasten und methodischer emendation hätte Leimbach v. 802 sehr wohl empfinden können, wo er ohne rücksicht dar-

92 39. Cornelius Nepos. Nr. 2.

auf, dass im carmen fast immer die cäsur nach der dritten arsis eintritt, sehr selten die nach der zweiten und vierten arsis ver- bunden, andere fälle aber mit ausnähme offenbar corrupter verse nicht vorkommen, folgenden vers zu stände bringt: ecce iänua pülsat-är et cogitur ipsa , der ausserdem einen sehr schlechten, auch von Commodian gemiedenen anfang hat. Ebert dagegen schreibt zufolge einer an Leimbach ergangenen mittheilung statt des handschriftlichen ecce ianua pulsat eben mit rücksicht auf die cäsur durchaus richtig : ecce idm ianudrn pulsat. Aus dem gesagten wird ersichtlich sein, dass wir philologen es nicht sehr zu bedauern haben , wenn Leimbach auf seine ursprüngliche absieht verzichtet hat , das ganze gedieht auf's neue zum ab- druck zu bringen.

39. Cornelii Nepotis quae supersunt. i Apparatu critico adiecto edidit Carolus Halm. 8. Lipsiae in aedibus B. G. Teubneri. MDCCCLXXL 136 pp. 24 gr.

Nicht vielen alten autoren ist es beschieden gewesen, im laufe weniger jähre zwei so bedeutende herausgeber zu finden, wie sie dem unbedeutenden Nepos in Nipperdey und neuerdings in Halm zu theil geworden sind. Denn obgleich die jüngste ausgäbe sich nur als Sammlung des kritischen apparats ankündigt, so gibt sie doch eine selbständige recogni- tion des textes, wie sich von Halm nicht anders voraus- setzen liess. Die kritische grundlage , welche von Roth und Nipperdey festgestellt worden ist , hat auch der neue heraus- geber nicht erschüttert ; vielmehr sucht er den von Roth ans licht gezogenen und von Nipperdey zuerst verwertheten Par- censis noch strenger zur richtschnur bei der constituirung des textes zu nehmen. Daneben kommen noch namentlich der Gu- dianus und Sangallensis, sowie die Ultraiectiua in betracht; von dem codex des Collegium Romanum stand eine collation von A. Wilmanns , von einer 1482 zu Ulm geschriebenen münche- ner handschrift wahrscheinlich eine eigene collation zu geböte. Im Atticus sind auch die lesarten eines Haeneüanus mitgetheilt. Leider aber hat es Halm unterlassen , prolegomena über das gegenseitige verhältniss und den relativen werth der Neposma- nuscripte zu geben , so dass seine bearbeitung, die doch zu- nächst, wie auch die beigefügte sylloge der fragmente

Nr. 2. 39. Cornelius Nepos. 93

zeigt , eine abschliessende sammelausgabe sein will , nun doch die kenntnissnahme der abhandlungen von Roth im Aemilius Probus p. 207 257 uud im Rheinischen Museum VIII, 626— 639 , ferner der andeutungen von Nipperdey vor seiner text- ausgabe (1867) und von Vischer im Philologus XXVI, 706 707 voraussetzt ; wenn die einzelnen lesarten entsprechend ge- würdigt werden sollen. In merklich höherem grade als Nip- perdey gönnt Halm der emendation Spielraum, was der jun- gen und fehlerhaften Überlieferung gegenüber gerechtfertigt ist. In der aufnähme eigener vermuthungen ist jedoch Halm zu- rückhaltend gewesen. Zwar wird in den kritischen noten eine nicht geringe zahl mitgetheilt , die zum grössern theile mit ge- linden mittein die latinitat in einer weise herstellen , dass man wünschen möchte, Nepos habe so und nicht anders geschrieben; aber in den text sind nur verhältnissmassig wenige conjecturen Halm's aufgenommen. Diese im einzelnen anzuführen oder gar zu besprechen ist an dieser stelle nicht möglich. Es sollen da- her nur zwei punkte, in welchen man anderer meinung als Halm sein kann , erörtert werden , nemlich die frage der transpositionen und der glosseme.

Gegen die von anderen vorgeschlagenen Umstellungen hat sich Halm ablehnend verhalten ; uud doch scheinen folgende stellen durch transposition richtig gebessert zu sein : Them. 1. 4. 10, 3 von Dederich, Arist. 2, 2 von Kellerbauer, Alcib. 1, 3 vom ref. (Philol. Anz. II, 448), Epam. 10, 1 von Puteanus, Euro. 11, 3 von Nipperdey, 11, 5 von Bosius, Phoc. 2, 5 von Bremi, Hann. 10, 2 und Att. 18, 5 von Fleckeisen. Einige andere stellen bedürfen noch einer transposition, wie hier ge- zeigt werden soll: Dion. 7 , '6 id eiusmodi erat, ut , cum milites reconciliasset, amitteret optimates, quarum verum cura frangebatur et insuetus male audiendi non animo aequo ferebat, de se ab iis male existimari, quorum paulo ante in caelum fuerat elatus laudibus . vulgus autem offensa in eum militum voluntate liberius loquebatur et tyrannum non fercndum dictitabat. Die letzten zeilen sprechen von der ungünstigen Stimmung der Soldaten gegen Dion so un- befangen, als ob nicht kurz vorher das gerade gegentheil aus- gesagt wäre, dass nemlich Dion durch seine contiscationen und largitionen die soidaten für sich gewonnen habe. Nun ist al- lerdings ein plötzlicher Umschlag dieser günstigen Stimmung

94 39. Cornelius Nepos. Nr. 2.

der truppen in das entgegengesetzte verhältniss leicht möglich ; dann würde aber doch Nepos wahrscheinlich auf den gegensatz der gereizten haltung gegenüber der früheren ergebenheit auf- merksam gemacht und dadurch auch den schein eines Wider- spruchs vermieden haben. Bedenkt man nun noch was übrigens nicht von besonderem gewicht ist dass mit aus- nähme des Romauus die guten handschriften Ms (Parc. hiis) bie- ten, wodurch die beziehung des pronomen auf optimales auch ohne erläuternden relativsatz verständlich ist , so wird sich fol- gende Ordnung der sätze empfehlen : id eius modi erat, ut, cum milites reconciliasset , amitteret optimates . quarum verum cura frangebatur et insuetus male audiendi non animo aequo ferebat, de se ab his male existimari . vulgus autem offensa in eum militum voluntate, quorum paulo ante in caelum fuerat elatus laudibus , liberius loquebatur et tyrannum non ferendum dictita- bat. Durch den hinblick auf den zuletzt angeführten satz erscheint noch an einer anderen stelle eine transposition ange- zeigt, die .sich jedoch auf die Versetzung von zwei Worten be- schränkt. Da es nemlich nur vom pöbel heisst, dass er in Dion den unerträglichen tyrannen sah , während von den Sol- daten nur berichtet wird , dass ihre geneigtheit gegen den herr- scher einen stoss erlitten habe {offensa in eum militum vo- luntate) : so wird auch 8 , 2 statt der überlieferten Wortfolge propter offensionem populi et odium militum zu lesen sein : propter odium populi et offensionem militum. Dadurch wird auch die richtige beziehung des folgenden quod auf periculum deut- lich, die vorher durch das neben quod stehende neutrum odium verdunkelt war. Dass odium mit populi und nicht mit militum verbunden sei, wird auch 10, 2 vorausgesetzt, wo es heisst: nam qui vivum eum tyrannum vocitarant [cf. 7, 3 vulgus . . ty- rannum non ferendum dictitabat] , eidem liberatorem patriae tyran- nique expulsorem praedicabant . sie subito misericordia odio succes- serat. Att. 13, 4 neque tarnen horum qucmquam nisi domi natum domique factum habuit: quod est signum non solum conti- nentiae , sed etiam diligentiae . nam et non intemperanter coneu- piscere , quod a plurimis videas , continentis debet duci , et potius diligentia quam pretio parare non medioeris est industriae. Da die begriffe continentia und diligentia im folgenden erläutert werden, so sind die worte continentis debet duci ebenso natürlich, als der

Nr. 2. 39. Cornelius Nepos. 95

schluss non mediocris est industriae unerträglich ist. Hier müsste diligentiae eingesetzt werden , selbst wenn der Zusammenhang keine erklärung für die ersetzung dieses begriffs durch indu- striae in den handschriften böte. Nun ist aber diligentia an einer anderen stelle des satzes überliefert, wo industria ebenso gut passt. Die Umstellung beider begriffe ist demnach ein sehr gelindes mittel, um die richtige Ordnung der gedanken herzu- stellen. Man lese also: . . . continentis debet duci, et potius industria quam pretio parare non mediocris est diligentiae. Kühner und darum nur mit vorbehält zu weiterer erwägung vorzulegen ist eine transposition Att. 13 , 7 atque hoc non au- ditum, sed cognitum praedicamus. Diese worte bieten zunächst keinen anstoss. Aber im vorausgehenden satze ist scimus als überflüssig und ungehörig von Bosius erkannt und von Halm ausgeschieden worden ; doch bleibt das bedenken , was denn durch scimus glossirt worden sei. Eine lösung ergibt sich durch die annähme, dass das verbum aus dem folgenden sich hieher verirrt habe und dass in folge der auslassung von scimus an seiner richtigen stelle die worte des betreffenden satzes so geordnet wurden , wie unsere Überlieferung sie aufweist. Ur- sprünglich aber würde der satz gelautet haben: atque hoc non auditum praedicamus , sed cognitum scimus. Eine transposition hat Ziuk vorgeschlagen Thras. 1, 4, wo die Über- lieferung lautet: sed illa tarnen omnia communia imperatoribus cum militibus et fortuna, quod in proelii concursu abit res a consilio ad vires vimque pugnantium . itaque iure suo nonnulla ab imperatore miles, plurima vero fortuna vindicat. Statt der unhaltbaren worte ad vires vimque pugnantium, die weder durch die von Halm an- genommene conjectur Lambins virtutemque} noch durch Madvig's Vorschlag usumque emendirt sind, hat Ziuk geschrieben: ad vires pugnantium vimque fortunae. Die einsetzung von fortunae er- scheint nothwendig, wenn man den folgenden satz erwägt ; aber in Verbindung mit einer Umstellung ist die einfügung eines di- plomatisch gar nicht angedeuteten wortes zu gewaltsam , zumal da die Verbindung vimque pugnantium mit Heerwagen als mög- lich anerkannt werden muss. Man wird aber ohne transposition mit änderung eines buchstabens auskommen, indem man schreibt: ad vices fortunae vimque pugnantium. Die zurückbeziehun"- der

96 39. Cornelius Nepos. Nr. 2.

folgenden begriffe miles und fortuna ist hier cbiastisch geordnet, was auch sonst dem usus des Nepos nicht fremd ist.

Viel unbedenklicher als mit der durchführung von trans- positionen zeigen sich die herausgeber des Nepos überhaupt und insbesondere Halm mit der annähme von glossemen und interpolationen. Wenn Halm fast zweimal so viele glosseme bezeichnet hat, als einst Fleckeisen annehmen wollte , so kön- nen wir nicht überall beipflichten, da wir vom Schriftsteller Ne- pos eine geringere meinung haben. Stellen wie Milt. 3, 2; Cim. 3, 1 ; Con. 3, 3 scheinen uns mit der Schreibart des Ne- pos nicht im Widerspruch zu stehen. Manches , was wirklich ungehörig ist und daher von Halm ausgeschieden wird , lässt sich durch transposition beseitigen , worauf schon im vorausge- henden zu Epam. 10, 1; Eum. 11, 5; Phoc. 2, 5 hingewiesen worden ist. Hie und da kann man, wo Halm ein glossem zu erkennen meint, bei der bekannten breite im stile des Nepos eher an eine lücke denken, z. b. Paus. 3, 3 aditum petentibus conveniundi non dabat, wo Halm conveniundi als glossem expun- girtj während wir vermuthen, dass veniam nach veniundi ausge- fallen sei und dass demnach geschrieben werden müsse : con- veniundi veniam non dabat. Manches hat wiederum weder Halm noch, soweit wir wissen, ein Vorgänger angetastet, was unseres bedünkens dem rbetor Nepos kaum zugemuthet werden darf und als interpolation auszuscheiden ist. Arist. 2 , 2 neque aliud est ullum huius in re militari inlustre factum quam huius im- perii memoria, iustitiae vero et aequitatis et innocentiae multa. Die worte et aequitatis scheinen von einem leser interpolirt zu sein, welcher, da er in dem reste des capitels ausser der iustitia auch die aequitas erwähnt fand, diesen begriff auch in obiger stelle für nöthig hielt, weil er nicht beachtete, dass im folgenden iu- stitia und aequitas nur als synonyme bezeichnungen für einen und denselben begriff verwendet sind, wie auch cap. 3 der be- griff innocentia durch abstinentia variirt wird. Eum. 8, 1 Hie in Paraetacis cum Antigono conflixit, non acie instrueta, sed in itinere, eumque male aeeeptum in Mediam hiematum coegit redire. Es ist ebenso sachgemäss, dass von einem feldherrn gesagt wird, er habe seinen gegner zum rückzug in ein anderes gebiet gezwungen , als es sinnwidrig ist zu sagen , er habe den feind zurückgedrängt, damit dieser in den Winterquartieren ruhe

Nr. 2. 40. Tanzkunst. 97

finde. Dies lassen aber die handscbriften und ausgaben den autor sagen, indem sie schreiben: hiematum coegit redire. Es muss daher hiematum gestrichen werden , mag es nun aus der folgenden zeile, wo es in anderem zusammenhange richtig steht, auch oben in den text gerathen sein, oder mag eine bewusste interpolation stattgefunden haben , indem ein leser der worte §. 4 ex Medis , ubi ille hiemabat , diese geistreiche bemerkung schon bei der ersten gelegenheit angebracht wissen wollte. Doch wir brechen ab , ohne diesen aphoristischen bemerkungen weiteres hinzuzufügen. Halms kritische methode bedarf unseres lobes so wenig als seine ausgäbe unserer empfehlung.

A. B. E.

40. Die tanzkunst des Euripides von Hermann Buch- holtz. 8. Leipzig, Teubner. 1871. VIII und 190 s.— 20 gr.

Ueber die tanzbewegungen, von denen die aufführung grie- chischer tragödien begleitet war, haben schon August Böckh und Otfried Müller viele interessante aufschlüsse gegeben. Aber eine geraume zeit ist seit dem erscheinen ihrer Schriften ver- strichen und bedeutend hat sich unterdess die philologische lit- teratur vermehrt. Während früher Müllers Eumeniden, Böckhs Pindar und Antigone als die hauptsächlichsten , um nicht zu sagen einzigen werke über metrische und dramatische fragen von jedem philologen zu rathe gezogen wurden, sind jetzt, zu- mal was die metrik betrifft, bequemer eingerichtete und leichter zu beschaffende bücher an ihre stelle getreten, in denen das dort gebotene nach den verschiedensten seiten hin verwerthet und ausgebeutet ist. Das dort über den tanz gesagte jedoch drohte in Vergessenheit zu gerathen. Gewiss ist es darum eine zeitgemässe aufgäbe, auch was über die tanzbewegungen im antiken theater theils durch jene männer ermittelt ist, theils sich durch erneute forschung feststellen lässt, zu einem gesammt- bilde zu vereinigen. Was der Verfasser in dem oben genannten buche schildert, ist auch nicht sowohl die specielle praxis des Euripides, als vielmehr die griechische orchestik überhaupt.

Sicheren boden findet die forschung nach orchestischer dar-

stellung zunächst an den anapästischen marschliedern.

Man braucht ja nur die ausdrücke -dioig niedersetzen, ägctg

aufheben des fusses, novg aufsetzen eines, dmoöCa (auch ßdaig

Philol. Anz. IV. 7

98 40. Tanzkunst. Nr. 2.

oder passus) aufsetzen zweier füsse genau anzusehen, um zu wissen, wie viele silben sowohl bei den kriegsmärschen der spar- tanischen kampfer als bei den friedlichen aufzögen der atheni- schen choreuten je auf einen schritt kamen.

Den nächsten anhält findet sodann der verf. an dem eph- hymnion der päane. Betrachten wir die über den trochaios semantos und den spondeios der alten processionslieder erhal- tenen notizen in Verbindung mit den in tanzlieder der tragödie regelmässig eingestreuten spondeischen anrufungen der gottheit, so wird es uns zur gewissbeit, dass jene rufe , die das eigent- liche wesen des päan oder gebetliedcs ausmachten, aus lauter langgedehnten silben wie unsre choralnoten bestanden , und denkt man sich diese schwerwiegenden silben mit tanzschritten verbunden, so wird man gerne mit dem Verfasser an besonders starke tritte für solchen refrain denken. Dieser refrain, wie er ausser im cult des Apollon auch in dem anderer götter, beson- ders des Pan und Dionysos erschollen sein soll, lautete nach Buchholtz lrj nuu'jwv. Derselbe citirt dafür den homerischen hymnus auf Apollon v. 182 (wir fügen bei: Kallimachos auf Apollon v. 21. 97. 103. Apollonios Argonaut. 702) und misst ihn als katalektischen anapästischen trimeter oder prosodiakos, und nimmt an , dass dabei je ein starker tritt auf die beiden jj und ein schwächerer auf die schlusssiibe gekommen sei. So sollen jene kretischen männer geiufen und getanzt haben, die sich Apollon nacb der erzählung des homerischen hymnus zu priestern in Delphi auserseben. Hier müssen wir jedoch wi- dersprechen, indem wir daran erinnern, dass der im delphischen culte eingebürgerte päansruf jedenfalls nicht im ionischen, son- dern im dorischen dialekt eesuugen wurde, so dass er vielmehr ir] nuiüv lautete. So lautete in der that auch der refrain des auf Lysander gesungenen päan (Plut. Lys. 18), und dasselbe ist der Wortlaut des ephhymnion bei Athenäos 15, 52 (vgl. ebd. 62), Terentianus Maurus 15, 91, Macrobius Sat. 1, 17, 17. Andere Schriftsteller weichen zwar im Wortlaute etwas ab; doch auch bei ihnen bleibt jener ruf viersilbig 1), ist also kein tri-

1) Bei Athenäos 15, 62 gibt Klearch von Soloi den refrain in der form Oj i\uu>Lv , ebenso Aristophanes im Frieden 453 (vgl. Ritter 406). Nach Heraklides Pontikos in der eben angeführten stelle des Athenäos lautet der ruf : i>) mawv, Ir, rtcawv, itj Tiaiüy. Claudian. praef.

Nr. 2. 40. Tanzkunst. 99

meter, sondern ein dimeter. Wir können demnach dem verf. nicht recht geben, wenn er (zum theil schon 1864 im Cottbuser programm de Euripidis versibus anapaesticis) alle in ausschliess- lich langen silben gehalteneu anrufungen einer gottheit auf fünfsilbiges mass bringen möchte. In den Trachinierinnen 221 lu> toi Uuiuv und im Aias 693 tut tu) Uav Tläv ergeben sich, je nachdem man tut einsilbig oder (was weniger wahrscheinlich) zweisilbig fasst, entweder vier oder sechs silben. Sechssilbige rufe finden sich zweimal im Ion. 125 f. und in den Hiketiden des Aeschylos 162, ein achtsilbiger im Philoktet 829. Im Ion 907 und den Phönissen 246 ist die fiinfzahl der silben minde- stens zweifelhaft. Die ansieht von der ausschliesslichen herr- schaft des katalektischen prosodiakos in allen päanen ist wohl damit genügend widerlegt, und wir glauben der Zustimmung der leser gewiss zu sein , wenn wir als die im päau auf Apollon ursprünglich übliche formel die worte ?/) IJaiüv bezeichnen. Sie bildeten vermuthlich den gedehnten orthischen rhythmus, nach analogie dessen Terpander den trochaios semantos bildete (Plut. de mus. 28).

Wirklich gebraucht aber wurde der von Buchholtz so sehr in den Vordergrund gestellte katalektische prosodiakos in den nomen des Olympos, jenes Phrygiers, auf dessen namen nicht nur die einführung der asiatischen flöte in den Peloponnes, son- dern noch manch andere musicalische neuerung zurückgeführt wird. Für die nomen dieses musikers hat der verf. das vor- kommen jener silbenreihe erwiesen durch eine recht scharfsin- nige combination mehrerer stellen Plutarchs de musica, durch welche zugleich auf eine andre metrische frage überraschendes licht fällt.

Nach Plutarch cap. 33 hat Olympos, nach demselben in cap. 28 hat auch Archilochos im eingang von liedern, die sich im weiteren verlauf iambisch oder trochäisch gestalteten , den Huiwv imßuzög angewandt, jenen aus fünf langen silben (Aristid. Quint. 38, 34) bestehenden rhythmus, den man bisher kretisch oder fünftheilig messen zu müssen glaubte. Nun berichtet aber Glaukos, Plutarchs (c. 10) bester gewährsmann, päonen und

in Rufin. 11 gibt io Paean. Nach Hesychios v. wva^ wäre vielmehr (oi'ßl lhauy die form des rufes gewesen; so steht auch im rasenden Herakles 820.

7*

100 40*, Tanzkunst. Nr. 2.

kretischer rbythmus seien von Archilochos noch nicht gebraucht worden, erst Thaletas , des letzteren schüler habe solche rhyth- men in anwendung gebracht. Also schliesst Euchholtz mit recht kann der von älteren dichtem angewandte päon epi- batos kein kretischer rhythmus sein. Der Phryger Olympos hat aber nach Plutarch 29 den ngoaoduixog erfunden und in seinem nomos auf Ares gebraucht, nach einer stelle in den scholien zu Pindar hat er in eben diesem nomos den nqooodiu- xbg nouciv angewendet. Auch für Archilochos ist der gebrauch des prosodiakos von Plutarch bezeugt. Was wird also der imßuTog naiwv anderes sein als der beim hintreten zum altare gesungene päan, der bei anderen jiQo6odiuy.be nutdv oder schlechtweg ngoGodiuxog heisst?

Das von uns dem apollinischen päan abgesprochene me- trum ist also durch jene aus Asien stammende schule aller- dings in Griechenland heimisch geworden und Archilochos hat dasselbe angewandt. Ob auch Terpander, der in Delphi am meisten begünstigte sänger des kilharodischen nomos , sich des- selben bedient, ist zweifelhaft. Plutarch erwähnt mit keiner silbe eines prosodiakos bei jenem Lesbier. Aber für das feier- liche Ziv nuvTCüv ag^d müssen wir gestehen, dass uns keine andre abtheilung besser zusagt als die in je fünf silben. Es ist natürlich, dass, nachdem durch Olympos, Archilochos und andre das fünfsilbige ephhymnion sanktionirt war, dasselbe auch in der tragödie 2) nicht verpönt ist. Was wir oben leug- neten , war ja nur die ausschliessliche herrsebaft der fünfsil- bigen formel.

Wir glauben, dass Buchholtz manchmal besser gethan Latte, das über bestimmte gegenden , religionen oder dichtgattungen tiberlieferte schärfer zu sondern und vor Vermischung zu be- wahren. Besonders ist das der fall, wenn wir lesen, was p. 71 ff. über entstehung des dithyrambos gesagt ist. Auch

2) Sicher gehört hieher w ßa yas nal Ztv Aesch. Hiket. 892, vielleicht auch 890, wenn dort wirklich ßoav einsilbig zu messen, äggyf dgofnov im König Oed. 454, iv yn xgovovaat Iph. in Aulis 1043, ßiix/ut y.ttö'fjttlai, Bakch. 1160, auch wohl fttai t' w Wolga* Eumen. 961, wo freilich der auftakt eine kürze. Weniger passen die worte vaiov ovgiyywy Ion. 498 zu einem ephhymnion. Dagegen ist der prosodiakos bei Hephästion 7 'l^t Bcuop wohl zu beachten, vielleicht ist das 7^«« jAUt Ilatd» im König Oed. 154 dichterische ausschmückung dieses bekannten anrufs.

Nr. 2. 40. Tanzkunst. 101

dieser gesang nämlich soll aus dem iepäeon hervorgegangen 6ein. Aber ist es denn wahrscheinlich, dass die art und weise, in der die nordischen Thraker den stürmisch betäubenden wein- gott anriefen, mit der in Kreta und dem Peloponnes herrschen- den Verehrung des mild erleuchtenden Apollon auch nur das geringste gemein hatte? Während im Peloponnes und in Delphi die aus Asien gekommenen kü'nstler sich abmühten unter den starr am hergebrachten klebenden Doriern neuen formen wie dem prosodiakos berechtigung zu verschaffen, sollte da nicht im norden Griechenlands völlig unabhängig von jenen formen und neuerungen Dionysos in einer seinem wesen entsprechenden weise verehrt worden sein? Und auch in jenen nördlichen ge- genden fehlte es nicht an Jüngern der kunst, die berufen wa- ren den im volksmund hergebrachten weisen festere fügung und schönere form zu geben. Gerade in jenen gegenden waren ja die Musen heimisch und die namen Orpheus und Thamyris bürgen dafür, dass es ihnen dort weder an gehorsamen noch an widerstrebenden sängern fehlte. Dass die dorische Apollo- verehrung mit dem thrakisch-thessalischen Dionysoscultus zumal in bezug auf den tanz nichts gemein hat, beweist schon die thatsache, dass der spartanische chor immer im viereck stand, während der dithyrambische einen kreis bildete (Buchholtz p. 75. 83). Von der letzteren art werden gewiss immer die tanze gewesen sein, welche die muntere jugend , sei es zur eigenen belustigung oder zum dienste einer fröhlichen gottheit wie Dio- nysos , unter dem schalle der jedermann geläufigen lyra auf- führte. So drehen sich in der nach Klemens urtheil interpo- lirten stelle der Ilias 18, 594 Jünglinge und mädchen in lustigem ringeltanze älXftwv inl xuontn x^QaS f^ovref. Wenn auch Apollon im homerischen hymnus v. 182 ff. bei einem ähnlichen tanz betheiligt gedacht wird, so ist er da nicht als der ernste delphische gott, sondern rein menschlich aufgefasst, und es will uns gar nicht nöthig erscheinen, dass er dabei , wie Buchholtz p. 73 meint, „die das ganze weihenden schritte" (des iepäeon) thue. In den bei Homer geschilderten kreistänzen werden wir also nicht „ebensowohl Vorboten des dithyrambos als des ver- vollkommneten päan" erkennen, sondern werden vielmehr fest- halten, dass der im Dionysoscult zum dithyrambos ausgebildete rundtanz etwas wesentlich anderes sei als der päan und die aus

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ihm hervorgegangenen ernsten chorgesänge. Beim kitharodischen nomos, bei den apollinischen prosodien, auch bei festzügen zum altare anderer ernst erhabener götter wie z. b. der Athene, erklang im gegensatze zur begleitung jener harmlosen tanze die grosse mit prunkenden zierrathen versehene kithara (vgl. den parthenon-fries), deren spiel besondere ausbildung erforderte.

Erhaben und feierlich waren diese gesänge , ruhig gemes- sen und nicht im kreise wirbelnd die bewegungen der füsse. Etwas lebhafter zwar wurden die rhythmen , als an stelle der spondeen und anapästen der kreter Thaletas seine kreti- schen maasse in den gymnopädien und pyrrhichien zur gel- tung brachte; aber auch bei ihm drehte sich der chor nicht im kreise , er stand sich vielmehr in reihen gegenüber (so auch Buchholtz p. 59 ff.). Die bewegung war dabei die , dass bei der ersten länge ein fuss vorwärts stark aufgesetzt, bei der kürze der andre fuss nur nachgezogen, nicht vorgesetzt wurde, Während bei der zweiten länge wieder derselbe fuss wie zuerst vortrat. Der nächste kretiker wurde sodann mit dem bisher zurückstehenden fusse angetreten. So nimmt Buchholtz p. 61 gewiss mit allem rechte an. Wenn er nun aber verlangt , dass nach jedem versfusse die tanzenden einen augenblick ruhig ste- hen sollen, so erscheint uns dies sehr bedenklich. Unmöglich darf doch ein kretiker, dessen Hauptmerkmal die fünf moren sind, durch eine pause zum ditrochäus verlängert werden. Ein ritardando aber, ein aufheben des taktes nach jedem versfusse will uns ebensowenig in den sinn. Wir wissen nicht, wie wir uns jenes ruhig stehen denken sollen , ohne dass der rhythmus vollständig zerstört wird.

Von den ruhigen anapästen gehören je zwei zu einer ßuffig oder einem doppelschritt , ebenso verhält es sich bei iamben und trochäen. Es wird also bei diesen metreu auf die kürze kein niedersetzen des fusses kommen, der tänzer schreitet, er tanzt eigentlich nicht. Ein kretiker aber bildet schon alleiu eine ßdoig, da bei ihm auch auf die kürze ein fuss niederge- setzt wird ; die bewegung ist also lebhaft, nicht gehend, sondern hüpfend. Kretiker und ebenso daktylen werden im gegensatz zu jenen erstgenannten metren nicht geschritten, sondern ge- tanzt. Hier kommt auch auf jede kürze ein kleiner schritt, so löst sich auf höchst plausible weise das räthsel, warum ana-

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pästen dipodisch, daktylen monopodisch gemessen werden (p. 102 f.). Weniger sicher als diese sätze ist wiederum des verf. ansieht über den tanz bei aufgelösten längen. Es soll nämlich immer, wo zwei kürzen statt einer länge stehen, ein und derselbe fuss zweimal rasch hintereinander aufgetreten ha- ben und dadurch eine hastige unruhe durch den tritt sowohl wie durch das wort ausgedrückt worden sein. Dieselbe auffas- snng findet sich an verschiedenen stellen des buchs bei den verschiedenartigsten metren wieder und es lässt sich nicht leug- nen, dass die dafür beigebrachten beispiele etwas bestechendes haben , indem sich manche dichterische Schönheit durch solche auffassung nachweisen lässt (p. 107 f. 136). Aber für alle beispiele von auflösungen kann dieser trippeltritt unmöglich an- gewendet worden sein, (man nehme Ant. 159 ort cvyxXrjTov rrjvde ytQOPTwv 7rgov&sro Xißxqv oder ein beliebiges andres beispiel), das fühlt wohl der verf. selbst p. 106 und 111. Es wäre doch auch zu auffallend, wenn man auf die beiden kürzen des anapäst und ebenso auf die kürze des iambus gar keinen vollen schritt gemacht, auf jene illegitimen kürzen dagegen im- mer gewissenhaft zwei schrittchen gebracht hätte. Da der dichter selbst auch den tanz zu seinem stück einübte, so wird er wohl die fälle, in denen auflösungen mit dem fusse zu mar- kiren waren, jedesmal angegeben haben ; immerhin aber können fälle der art nur eine ausnähme, nicht die regel gebildet haben. Was den tanz der iamben und trochäen betrifft, so wurde da natürlich immer auf der rationalen länge ein fuss nie- dergesetzt, und zwar begann, wenn iambische trimeter getanzt wurden , der rechte fuss : das erfahren wir aus Marius Victori- nus. Der trochäus ist, wie schon sein name andeutet, zu hastig laufenden schritten geeignet, das sagt besonders deutlich die fortsetzung des vom verf. nur zum theil benutzten scholion der Acharner 204. Oft soll er ein mühevolles weiterstreben be- gleiten, bei dem der gehende grosse anstrengungen macht und wenig vom flecke kommt, und dies erscheint in der that nicht unpassend für das heraneilen des kranken Philoktet. Ein sol- cher eindruck wird um so leichter erreicht, wenn, wie Buch- holtz annimmt, der einmal vorgesetzte rechte fuss immer der vorgeschobene blieb , während der linke beim zweiten , vierten u. s. w. versfuss zwar nachgezogen , nicht aber dem rechten

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wirklich vorgesetzt wurde. Bei ruhigen tanzen, meint der verf., wäre dann immer derselbe fuss der vorgeschobene geblieben, bei fröhlicheren, lebhafteren habe man dagegen öfter mit dem vorgeschobenen fusse gewechselt. Erst im zehnten capitel, das von dochmien und anderen lebhaften rhythmen handelt, gibt er zu, dass auch zuweilen im iambus und trochäus auf die kürze ein fuss niedergesetzt sein könne. Diese lebhaftere tanzart mag wohl nicht ganz selten gewesen sein.

Nachdem wir oben im Widerspruche mit der meinung des verf. angenommen haben , dass bei auflösuDg einer länge die füsse der tanzenden in der regel nicht betheiligt , also von der bewegung der zunge und lippen emancipirt waren, sei hier noch eines anderen damit verwandten falles erwähuung gethan. Es kann keinem zweifei unterliegen , dass wenn in den marschlie- dern der parömiakos eintrat, die vorletzte silbe zu vier moren gedehnt wurde, ohne dass die bewegung der füsse darum eine Verzögerung erlitt. War auf die vorletzte silbe der linke fuss niedergesetzt, so wurde während derselben auch noch der rechte erhoben und zur letzten silbe niedergesetzt. Derselbe fall tritt bei der katalektisch iambischen dipodie ein. Bei einem vers wie ßovlsa&e Srjia xoivfi muss zur vorletzten silbe nicht nur der rechte fuss aufgesetzt, sondern auch noch der linke erhoben worden sein, um zur schlusssilbe wieder niedergesetzt zu wer- den. Das wird uns Buchholtz und jeder andre leser gewiss sofort zugeben.

Da die Choriamben zu den lebhaftem rhythmen zählen, wird man sich gerne in ihnen auf jede silbe einen fuss nieder- gesetzt denken. Dasselbe ist der fall bei den dochmien, deren namen Buchholtz aus den schräg nach der seite hin füh- renden tanzschritten erklären zu können glaubt. Der durch die Sprünge der Kybele - priester eingebürgerte ioniker wird ebenfalls so gedacht, dass auf jede kürze ein fuss auftritt. Der verf. lässt beim ionicus a minori zuerst mit beiden füssen einen kurzen anlauf nehmen , bei der ersten länge soll dann der rechte fuss (nach Eur. Bakch. 94, 3) einen kräftigen abstoss zum sprunge geben, bei der zweiten der andere fuss den kör- per auffangen. Die heftigkeit dieser bewegung wird in tanz und melodie zugleich gemässigt bei der anaklasis.

Drei capitel, das sechste, eilfte und zwölfte sind dem tanz

Nr. 2. 40. Tanzkunst. 105

im attischen theater gewidmet. Im sechsten wird mit hülfe der aus Hesychios bekannten drei linien die gewöhnliche Stellung des tragischen chors in drei gliedern zu je fünf mann angege- ben, wie dies in der hauptsache schon in Müllers Eumeniden geschehen ist. Dass die choreuten sich unter einander ansehen sollen ohne der bühne oder den Zuschauern deu rücken zuzukeh- ren, veranlasst den verf. zu mehreren hypothesen. Alle laufen übrigens darauf hinaus, dass die choreuten, die durch eine schräg durchgezogene linie in eine rechte und eine linke ab- theilung gesondert sind , aus der frontstellung mit dem einen flügel eine viertel-, mit der andern eine dreiviertelwendung 3) nach der mitte zu machen. Sie sehen sich dabei allerdings an, zeigen aber auf dem einen flügel den Zuschauern, auf dem an- dern der bühne doch noch den grösseren theil des rückens. Uns kommt es wahrscheinlicher vor, dass die auf dem linken flügel stehenden zwei choreuten jeder reihe einfach rechtsum, die rechts stehenden einfach linksum machten und der mittlere mann einer jeden reihe entweder die bewegung der rechten oder der linken abtheilung mitmachte. So wurde zwar noch immer den am ende de-? halbkreises sitzenden Zuschauern von den zunächst stehenden choreuten der rücken gekehrt , den in der mitte des theatron auf den hauptplätzen sitzenden aber drehte niemand den rücken, und das scheint uns den gegebenen anforderungen genügend zu entsprechen.

Das eilfte capitel zeigt uns den chor in bewegung. Nächst den eigentlichen tanzliedern oder hyporchemen bot dem chore am meisten gelegenheit zu entfaltung seiner tanzkunst die p a r- odos. Die möglichen bewegungen des chors zu der parodos der Phönissen werden p. 165 fi°. eingehend geschildert. Nach beendigung der Strophen und gegenstrophen der parodos zog sich der chor in seine grundstellung zurück, und zwar geschah dies, wenn der Chorführer oder einige wenige stimmen eine epodos zu singen hatten, so dass die rhythmen derselben ge- tanzt wurden; fehlte jedoch die epodos, dann begab sich der chor in ruhigen schritten ohne tanz an seinen platz. Während der stasima lässt der verf. die gesammtheit des chors den platz behaupten, nur einzelne choreuten führen, wie auch Müller

3) Dieser ausdruck ist so zu verstehen , dass linksum als eine halbe Wendung angesehen wird.

106 40. Tanzkunst. Nr. 2.

annahm, bewegungen aus, wobei sie gegenseitig die platze tau- schen. Wie sich Buchholtz diese bewegungen im einzelnen denkt, zeigt er p. 170 ff. an dem ersten stasimon der PLönis- sen. Er gibt zu, dass sich dabei vieles immer wiederholte, während mannigfaltigkeit und neuheit der formen vielmehr in der parodos am platze gewesen sei. Für die stasima des Ae- schylos wird sich vieles jetzt genauer und sichrer bestimmen lassen, seitdem Westphal das gesetz von der nomos-artigen tri- chotomischen theilung derselben entdeckt hat. Von den hyp- orchemen der sophokleischen und euripideischen stücke gibt der verf. p. 93 nur einen allgemeinen überblick , da eine ge- naue beschreibung der tanzart gerade bei diesen liedern denn doch nicht möglich ist. Dagegen bespricht Buchholtz im letz- ten capitel seines buches noch zwei monodieen des Euri- pides, die eine ohne antistrophische responsion (Iph. Taur. 831), die andre mit einer solchen (Androm. 1173). Bei diesen stü- cken fällt das hauptgewicht nicht auf den tanz mit den füssen, sondern vielmehr auf die gesten der hände und arme, die sich aus dem gesprochenen schon mit ziemlicher Sicherheit entneh- men lassen.

Nachdem wir den hauptinhalt des buches dargelegt mit hervorhebung gerade der Seiten , an denen wir etwas zu mä- keln fanden, sei jedoch der Wahrheit gemäss nun auch erwähnt, dass diese schrift unter dem vielen neuen das sie bietet auch viel des guten und richtigen enthält. Der verf. bekundet eine ge- naue bekanntschaft mit der gesammten poetischen litteratur der Griechen und ein feines vei*ständniss für die metrischen Schön- heiten derselben. Neben vielfachen hübschen einzelbemerkungen finden sich auch längere excurse über die metra einzelner lie- der oder dramatischer abschnitte. So ist besonders gut p. 77 das hyporchem des Pratinas behandelt, aus den tragödien des Aeschylos nennen wir die parodos des Prometheus p. 111, aus Sophokles das tanzlied der Trachinierinnen p. 140, von Aristo- phanes den ersten chor aus dem Frieden p. 146, endlich von dem bevorzugten Euripides das auftreten der Hekuba und des Ion in den gleichnamigen stücken p. 103 und 108, sowie das tanzlied der Bakeken p. 140. Da trockener citatenkram ver- mieden, die darstellung dagegen fliessend und lebendig gehalten ist, liest sich das buch durchweg höchst angenehm. Gern ge-

Nr. 2. Theses. 41. Neue auflagen u. s. w. 107

steh ich aus demselben vielfache anregung und belehrung empfan- gen zu haben und möchte recht vielen lesern dasselbe wünschen.

J.

THESES quas ... in academia Friclericia Guilelmia Rhe- nana . . d. XX m. Ianuar. . . . publice defendet Carolus Rubel: 1. Vit. Getae 2, 1 pro „septenario" scribendum „ca- pite varia" ; 2. Vit. Nigri 10, 9 pro ,,perniciem" scribendum „per vitam", pro ,,magis'" „minus"; 3. Vit. Albin. 4, 1 ,,Vene- riae" scribendum est pro „anarbo" (cf. vit. Max. et Balb. 7, 6);

4. Vit. Alex. Sev. 1, 7 „severat" corruptum est ex „crea- verat" ; 5. Proelium Lngdunense a. 196 neque 197 commis- sum est; 6. Auetor chronici Paschalis nisus est factis qui vocantur Idatiani ; 8. Fidelissimus auetor belli Cautabrici Orosius ist.

NEUE AUFLAGEN. 41. F. Ueberweg, grundriss der geschichte der philosophie der neuzeit. 3. aufl. 8. Berlin. Miller; 2 thlr.

NEUE SCHUf/BUECHER. 42. Freund's schulerbiblio- thek. 1. abth. Präparationen u. s. w. Präparation zu Xeno- phons Memorabilien. 6. hft. 3. aufl. Leipzig. 16. Violet; 5 ngr.

43. 0. Eichert, vollständiges Wörterbuch zu den ge- schichtswerken des C. Sallustius Crispus. 2. aufl. 8. Hanno- ver. Hahn; 12 ngr. 44. H. Schmidt's u. W. Wen seh, Elementarbnch der griechischen spräche. 1. abth. 7. aufl. Halle. 8. Waisenhaus; 20 ngr. 45. K. H alm, anleitung zum übersetzen aus dem deutschen ins griechische. 1. thl. 1. cur- sus. 9. aufl. 8. München. Lindauer; 12*/2 ngr. 46. M. Seyffert, Palaestra Musarum. 1. thl. 7. aufl. 8. Halle. Waisenhaus; 15 ngr. 47. G. Fischer, Übungsbuch zum übersetzen aus dem deutschen ins lateinische für mittlere gym- nasialclassen. 2. aufl. Besorgt von Dr. Otto Müller. 8. Braunschweig. Vieweg; 15 ngr. 48. C. Wernicke, ge- schichte der weit. 1. thl. Geschichte des alterthums. 2. und 3. lieferung. 5. aufl. 8. Berlin. Paetel; ä 5 ngr.

BIBLIOGRAPHIE. Von den mittheilungen der verlags- handlung B. G. Teubner ist nr. 6 erschienen, in denen von A. Böckh's gesammelten kleinen Schriften der 6. bd. ange- kündigt wird, akademische abhandlungen aus den jähren 1836 58 und bd. 7 recensionpn enthaltend; ferner Acta Socictatis phi- lologae Lipsiensis edidit Fr. Ritsch elius. T. I. fasc. II; Fr. Rühl die textesquellen des Justin fs ob. nr. 1, p.41); Claudiani carmina, recognovit Lud. Jeep, zur Bibl. Teubneriana gehörig.

108 Bibliographie. Nr. 2.

Neue erscheinungen sind: Max Müller, Essays, 3. bd., beitrage zur literaturgescbichte, biographie und alterthumskunde. Mit einem anhange : Briefe Bunsens an Max Müller aus den j. 1848 59. Aus dem engl, übertragen an F. Liebrecht. 8. Leipzig. Engelmann; 2 tblr. 15 gr. Catalogus codicum manuscriptorum bibl. regiae Monacensis. T. III. P. II, Codices latinos continens. Secundum A. Schmelleri indices composuerunt Car. Halm, G. Laubmann, G. Meyer. Tom. I, p. II, add. num. 2501 5250 complectens. gr. 8. Müncben. Palm, in comm.;

1 tblr. 20 gr. Bei Fr: A. Brock haus ist von Er seh und Grubers allgemeiner encyclopädie sect. I. Bd. 91 er- schienen, von Grias-Grizi gebend. Neuer verlag von S. Hir- zel in Leipzig aus dem jähre 1871 : enthält mancherlei philo- logisches; Mauke's verlag (H. Dufft) in Jena ermässigt den preis von M. Schmidt's ausgäbe des Hesychius, 5 bde, 4, auf 16 thlr.

Cataloge von antiquaren: E. Carlebach in Heidelberg an- tiquarisches verzeichniss n. 31 (Sprachwissenschaft, heidelberger dissertationen), n. 32 (alterthumskunde, editt. Bipontinae); St. Boas in Frankfurt a. M. , verzeichniss n. 26, eine werthvolle Sammlung von werken aus dem gebiete der linguistik, klassi- schen philologie und alterthumskunde; bücher-anzeiger nr. 6 von Graff und Müller in Braunschweig; Kirchhoff, und Wi- gand in Leipzig, antiquarisches bücherlager, nr. 332 (literärge- schichte); K. F. Köhler' s in Leipzig antiquarische anzeige- hefte nr. 230 (linguistik; mit ausschluss jedoch der werke die speciell griechische und lateinische spräche betreffen); 58. ver- zeichniss einer Sammlung bücher aus der philologie, alterthums- kunde u. s. w. , welche bei J. D. Meusel und söhn in Co- burg zu haben sind; 59. verzeichniss einer Sammlung bücber aus der theologie, pbilosophie und pädagogik, welche bei J. D. Meusel und söhn in Coburg zu haben sind; B. Seligsburg in Bayreuth, catalog nr. 129 des antiquarischen bücherlagers (geschichte); Ernst Wagner in Augsburg, antiquarische an- zeigen nr. 12; catalog 105 des antiq. bücherlagers von Frie- drich Wagner in Braunschweig (philosophie und pädagogik).

Preisermässigungen zeigt St. Goar in Frankfurt am M. an von Ast Lexicon Platonicum, zu 6 thlr. 20 gr., dess. Piatonis Opera 11 voll, zu 7 thlr. 15 gr., Aristophanes von Enger zu

2 thlr., Buttmann's Lexilogus zu 1 thlr. 10 gr., Dicaearch von H. Fuhr zu 20 gr. , Alexandri et Philemouis rell. von Mei- neke zu 1 thlr. 12 gr. , Valerius Cat. von Naeke zu 1 thlr. 10 gr., Vitruv von A. v. Eode zu 2 thlr. 20 gi\, Sallust von Ger lach, 3 bde. 4, zu 2 thlr. 20 gr.

Bücherauction am 20. märz in Leipzig, durch H. Francke, die bibliothek des weiland g.-dir. Jastrebzoff zu Dünaburg.

Nr. 2. Kleine philologische zeitung. 1Ö9

KLEINE PHILOLOGISCHE ZEITUNG. Bernb. Freyer's annoncenbüreau kündigt einen universal-zeitungs-catalog an, der ausser der eigentlichen zeitungsstatistik auch noch allerlei son- stige nützliche mittheilungen enthält, so eine illustrirte maass- und gewichtstabelle ; geheftet 15 gr.

Ueber Schenkungen und begünstigungen der neuen biblio- thek zu Strassburg stellt mehres zusammen Börsenbl. nr. 11.

Die französischen Zeitungen (s. unt. p. 112) haben schon länger es sich zum geschäft gemacht, lügenhafte berichte über Th. Mommsens verhältniss zum kaiser Napoleon zu verbreiten. Daher folgender brief, deu die Vossische zeitung mittheilt:

Geehrter herr redacteur!

Ich finde in der französischen correspondenz ihres heutigen blattes den auszug aus einem jetzt durch die pariser blätter die runde machen- den artikel, der mich betrifft. Demselben zufolge hat der krieg mich des mir von dem kaiser Napoleon für meine beihülfe (collaboration) an dem leben Cäsar's ausgesetzten jahresgehaltes von 10,000 fr. beraubt. Ich habe mich ferner nach dem frieden an herrn Kenan gewendet, um die fortführung dieser Studien (les etudes commencees) durch die pa- riser akademie und den fortbezug dieser pension zu erwirken, jedoch ohne guten erfolg. Der correspondent knüpft daran die wohlmeinende bemerkung, dass ich nicht verfehlen werde, diesen verleumderischen anschuldigungen die gebührende abweisung widerfahren zu lassen.

Einer solchen directen aufforderung der deutschen presse nicht folge zu leisten , könnte , ich will nicht sagen missverstanden werden, aber doch seltsam erscheinen. Ich will denn also erklären, dass ich nie für Napoleon's leben Cäsar's eine zeile geschrieben habe, noch sonst in irgend einer weise dafür thätig gewesen bin ; dass ich nie von der französischen regierung oder dem kaiser persönlich auch nur einen franc empfangen, vielmehr bei einer bestimmten, an sich völlig legiti- men Veranlassung ( es handelte sich um die herausgäbe der werke Borghesi's) die mir von dem dortigen gouvernement angebotene lite- rarische Vergütung zurückgewiesen habe, um möglichen missdeutungen aus dem wege zu g-ehen ; dass ich endlich zwar nach dem frieden mich pflichtmässig bemüht habe, das früher zwischen den akademien von Berlin und Paris bestandene gute einvernehmen, insbesondere in betreff des inschriftenwerkes, nach möglichkeit wieder herzustellen, dass dabei aber weder Napoleon's ,, angefangene Studien'1 noch irgend eine geld- frage in betracht gekommen sind.

Ich würde diese erklärung nicht abgegeben haben , wenn jene deutsche correspondenz sie mir nicht abgefordert hätte. Für die äusse- rungen der französischen presse habe ich keine antwort und nicht etwa blos ihrer albernheit wegen; wie denn dieser letzte article de Paris nicht verfehlen kann, in allen der literarischen Verhältnisse einiger- massen kundigen kreisen heiterkeit zu erregen , theils wegen der mir darin beigemessenen mitschuld an Napoleon's Cäsar, theils wegen des feinen gedankens, die unterbrochenen „Studien" des exkaisers durch die pariser akademie vollenden zu lassen. Es ist eine ernsthaftere erwä- gung, die mir gegen solche angriffe schweigen auferlegt. Seit dem letzten kriege hat der pariser klatsch und sein niederschlag , die fran- zösische presse, es sich zum System gemacht, gefälschte und, wenn sie wahr wären , ehrenrührige thatsachen gegen die in Frankreich be- kannten und dort missliebigen deutschen gelehrten in umlauf zu setzen.

110 Kleine philologische zeitung. Nr. 2.

Was mich betrifft, so könnte ich, wenn ich es der mühe werth hielte, von pasquillen dieser art erbauliche proben vorlegen, und die in glei- cher läge befindlichen haben ähnliche erl'ahrungen gemacht. Eine öf- fentliche meinung, an die der Deutsche in Frankreich appelliren könnte, giebt es nicht mehr. Wie es meritorisch zu sein scheint, den dort an- wesenden Deutschen todtzuschlagen, so scheint es gleichfalls der Patrio- tismus zu fordern , den abwesenden um seine ehre zu bringen , indem man Verleumdungen gegen ihn theils erfindet, theils verbreitet, theils dazu schweigt. Wenn der zweck ist, den Deutschen gleichgültig gegen das zu machen, was man in Frankreich aut seine rechnung erzählt, so ist er nahezu erreicht. Unsere landsleute aber werden es billigen, wenn der deutsche gelehrte jeden aus französischer quelle stammenden be- richt über deutsche persönlichkeiten behandelt wie eine ligurische in- schrift, zu deren kritik die angäbe der quelle ausreicht.

Berlin 3. Januar 387*2. Th. Mommsen.

Am 3. januar wurde zu Hanau an dem geburtshause von Jacob und Wilhelm Grimm eiue noch nicht ganz vollendete gedenktafel aus weis-em marmor aufgestellt. Man denkt am 24. februar, dem geburt*tag Wilhelms, fertig zu sein.

13. Januar. Auf ein gesuch des strassburger bibliothekars erliess der metropolitanbisehof in Athen Theophilos ein schrei- ben an die gelehrten Griechenlands mit der aufforderung ihre sämmtlichen druckschriften an die bibliothek zu Strassburg zu schicken.

Börsenblatt nr. 1 7 enthält unter der Überschrift: „Verbote" folgende auffallende mittheilung: ,, Mittelst patents vom 23. de- cember v. j. ist vom hiesigen königlichen handeisgericht im be- zirksgericht auf autrag von gebr. Bornträger in Berlin das werk: Diudorf, G., Lexicon Sophocleum fasc. 1 8. Leipzig. 1870. 71. Teubner, als widerrechtlicher uachdruck des im verlag von gebr. Bornträger erschienenen Lexicon Sophocleum von Fr. El- len dt. Köuigsb. 1835 provisorisch mit beschlag belegt wor- den''. Es ist das eine ganz unbegreifliche maassrege!, nach der, consequent durchgeführt, z. b. eine ganze reihe von bei Teub- ner , Weidmann u. s. w. erschienenen ausgaben ohne weiteres mit beschlag belegt werden könnten ! Aber abgesehen davon, hat das werk von W. Diudoif eine solche Verschiedenheit von dem Ellendt's , hat ferner vor .diesem eine menge jedem sach- kundigen in die angen springenden Vorzüge voraus , dass man wirklich nicht weiss, was mau bei solchem urtheile denken soll.

lieber den Phil. Anz. 111, nr. 10, p. 517 erwähnten archäolo- gischen congress in Bologna ist eine besondre Schrift von J. Me- Btorf. 8. Hamburg. Meissner. 1871 erschienen.

Es ist die drucklegung eines catalogs der überaus reichen kaiserlichen privat- und familien-bibliothek zu Wien angeordnet worden (Allg. Ausgb. Ztg. beil. nr. 5).

Die erste nummer der Wochenschrift für literatur , kunst und öffentliches leben „die gegenwart" (vorlag von G. Stilke, redacteur P. Lindau) soll am "20. jauuar erscheinen. Die „Ge-

Nr. 2. Kleine philologische zeitung. 111

genwart" will nach ihrem program m alle wichtigen erscheinun- gen auf dem gebiete des öffentlichen lebens und des geistigen Schaffens in den bereich ihrer besprechungen ziehen.

Bei Lussowo ist ein urnenfeld und pfahlbauten entdeckt, die der Reichs - Anz. nr. 8 näher beschreibt: eine desgl. bei Thorn ebendas. nr. 27 erste beil. beschrieben.

Im königlichen münzkabinet zu Berlin ist jetzt eine aus- wahl von münzen aller zeiten (diese münzsammluug gehört zu den ausgezeichnetsten) für das publicum auf schautischen neu ausgelegt worden und ein gedruckter leitfaden daselbst zu ha- ben, welcher nachrichten über die münzen enthält.

Ueber bibliotheken in Ostindien giebt der Keichsanz. nr. 16 einige interessante nachrichten.

Am 24. jan. starb zu Berlin der professor rlr. Friedrich Adolph T rend elen bur g, geboren am 30. octob. 1802 zu Eu- tin : ein verzeichniss seiner Schriften giebt Eeichsanz. nr. 23.

Eiue statue des Apoll von bronze, welche für das etruski- sche museum in Florenz angekauft ist, bespricht der Eeichsanz. n. 27 in beil. 1, p. 597.

28. jan. An diesem tage constituirte sich zu Münster ein westphäliscber provinzialverein für Wissenschaft und kunst, wor- über die westphälische zeitung dd. das nähere berichtet.

Am 30. jan. starb zu Puckolet, grafschaft Down, der beson- ders durch seine Euphrat-forschungeu bekannte general C hes n ey.

Der Reichsauz. nr. 31 giebt p. 686 genauere nachrichten über die bis jetzt hinsichtlich der gründung der Universität Strassburg von Seiten der regierung entwickelte thätigkeit.

Am 8. f'ebr. ist dem hause der abgeordneten von der re- gierung das schul-aufsichtsgesetz vorgelegt. Es lautet:

Wir Wilhelm, von gottes gnaden könig von Preussen etc., ver- ordnen in ausführung des art. 23 der Verfassungsurkunde vom 31. Ja- nuar 1850 mit Zustimmung der beiden häuser des landtages für den umfang der monarchie was folgt :

§. 1. Die aufsieht über alle öffentlichen und Privatunterrichts- und erziehungsanstalten steht dem Staate zu.

Demgemäss bandeln alle mit dieser aufsieht betrauten behörden und beamten im auftrage des Staates.

§. 2. Die ernennung der lokal- und kreis- schul -Inspektoren und die Abgrenzung ihrer aufsichtsbezirke gebührt dem Staate allein.

Der vom Staate den Inspektoren der Volksschule ertheilte auftrag ist, sofern sie dies amt als neben- oder ehrenamt verwalten, jederzeit widerruflich.

Diejenigen personen , welchen die bisherigen Vorschriften die in- spektion über die Volksschulen zugewiesen, sind verpflichtet, dies amt gegen die etwaigen bisherigen dienstbezüge im auftrage des Staats fort- zutühren, oder auf ertordern zu übernehmen.

Alle entgegenstehenden bestimmungen sind aufgehoben.

Urkundlich etc.

112 Auszüge aus Zeitschriften. &r. 2.

AUSZUEGE aus Zeitschriften: Augsburger allgemeine zeitung: beil. zu nr. 4: Ludwig Lange, römische alterthümer: übertrieben lobende anzeige : s. ob. III, nr. 1 1, p. 548. Nr. 5 : Nekrolog 1871. Beil. zu nr. 7: ausgrabungen in der ebene von Troia. V: Fortsetzung der berichte von IT. Schliemann. Die troianische inschrift: G. P. Heller liest sie: 'ifoiiov. Nr. 8: das brittische museum und seine gründer. Beil. zu nr. 9: zu Fr. Diez' 5 (»jährigem Jubiläum. Nr. 10: Th. Mommsen und Napoleon's Cäsar: bnef Mommsen's s. ob. p. 109 , zu dem die redaction noch ähnliche angriffe der schlechten Franzosen fügt: 8. unt. n. 27. Beil. zu nr. 10: Felix Dahn, die könige der Germanen, abth. V: zu beachtende anzeige. Beil. zu nr. 11. 12: zur geschichte der katholischen reformbestrebungen : II. Fra Andrea d'Altagene: sehr le- senswerth. Pirkheimer und Scheurl: dabei kommt Luther und Me- lanchthon betreffendes zur spräche. Beil. zu nr. 12: Pompeji und seine wandinschriften. I: anzeige von F. Zangemeister Corp. Inscr. Lat. t. IV , welche ins einzelne eingeht und nr. 575 genauer bespricht.

Beil. zu nr. 13. 14: Pompeji und seine wandinschriften. II. III: be- achtenswerthe characteristik der inschriften. Nr. 15: die , .Studen- tinnen" auf der Züricher hochschule: es wird ernsthaft für sie plaidirt: vrgl. ob. III, nr. 12. Nr. 17: Lyceum in Colmar. Minister's v. Mühler rücktritt. Auss. beil. zu nr. 17: die Universität Strassburg.

Beil. zu nr. 19: Sammlung von sanskrit-handschriften in Benares. Nr. 18: hr. Falck und hr. v. Mühler. Nr. 23: die schulfrage in England. Beil. zu nr. 23: Sebastian Brands narrenschiff, von L. Simrock: anzeige. Beil. zu nr. 26: pariser chronik. I. Die deut- schen schulen in Wälschtirol. Nr. 27: dieMommsen'sche angelegenheit: neue belege für die französische Verleumdung: s. ob. n. 10. Das cultus- ministerium in Berlin. Beil. zu nr. 27: Dr. H. Schliemann: notizen zu dessen leben. Nr. 28: das alter der deutschen Universitätslehrer.

- Nr. 29: Rothe's ethik: anzeige. Nr. 30: der Wechsel im preus- sischen ministerium für kirchen- und schulsachen. Nr. 31: die ge- halte der Gymnasiallehrer. Nr. 32: die schulinspectionen. Ein- führung des minister Falck. Nr. 33: General von Werder predigten- recensent. - Nr. 35 : das budget der strassburger Universität. Das schulaufsichtsgesetz. Nr. 30: gründung einer römischen bibliothek in Rum. Hettnei's literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts.

Beil. zu nr. 37: pariser chronik. III. Zur musikliteratur. Beil zu nr. 38 : ein stück aus der hinterlassenschaft des hrn v. Mühler': anzeige der schrift, welche nachzuweisen unternimmt, dass unter Mühler die evangelisch-theologischen facultäten Preussen's mit entsetzlichem (?) erfolge Verwahrlust worden seien. Nr. 39: strengere schuldisciplin in Berlin. Fürst Bismark gegenüber dem ultramontanismus ; höchst beachtenswerthe darlegung, wie die ansichten des reichskanzlers über die ziele und das wesen der päbstlichen tendenzen in der gegcnwart an- noch ungenügend seien.

Göttingische gelehrte anzeigen 1872, nr. 1: Franciscus Fabricius Markodurauus. Ein beitrag zur geschichte des humanismus von Wil- helm Schmitz. Köln. 1871: anzeige von L. Geiger, welche die beur- theilung des Fabricius zu lobend findet. St. 2 : kulturpflanzen und hausthiere in ihrem übergange ans Asien nach Griechenland und Italien so wie in das übrige Europa. Historisch-linguistische Studien von Victor Huhn. 8. Berlin. 1870: anzeige von J. G. Kohl, die eben die lin- guistische seite ganz übergeht. St 3: Mythology of the Aryan na- tions. By George W. Cok. 2 Bde. 8. Lond. 1870: ausführliche anzeige von F. Wilken.

flr. 3. März 1873.

Philologischer Anzeiger.

Herausgegeben als ergänzung des Philologus

von

Ernst von Leutsch.

49. Novae commentationes Platonicae. Scripsit Marti- nus Schanz. 8. Wirceburgi. Typis et Sumptibus Stahelii. MDCCCLXXI. X und 168 s. 1 thlr.

Der verf. bespricht in §. 1 die formen tavrö und Tavrov, toiovzo und joioiTor, 7oaov70 und 7oaov70v und weist ihr nu- merisches verhältniss nach ; dasselbe geschieht in §. 2 mit ov- tcag und ovzoi. Der §. 3 behandelt die anaphora und palin- dromie der periode, §. 4 die figur ix naouX'kißov , besonders bei adverbien der zeit. Dabei ist zu bemerken , dass Legg. III, 701 D zt'fot; 8/j %agiv tfsau x. t. X. wohl weniger an eine Verschiebung einer von beiden präpositionen , als an eine Interpolation gedacht zu werden braucht. An sich wäre es ja gleichgültig , welcher von beiden man den Vorzug geben soll, wenn nicht die grössere Wahrscheinlichkeit für idoiv spräche wegen der vorhergehenden Wendung: tivos 8tj xai tuvü"1 rjfxlv av %<igiv iliy&ij. §. 5 enthält ein räsonnement über die beiden attischen redensarten cpi.vaosig, XtjQslg ?%u)i> und über die Zusam- menstellung roür' sxsivo. Die letztere scheint mir nicht überall aufrecht erhalten werden zu können ; z. b. würde ich Symp. 210 E, um den begriff der identität zu urgiren, schreiben: i^aCqivtjg mtzoxpetaC ri üavftaazov zrtv (pvaiv xu).6v , ravzo ixstvq), w ^(axQuzsg , ob Ö/j 'tvtxfv xal ol euttoogOev näv7sg noroi tjaav. Ebenso bedarf man des identitätsbegriffes im Phaedr. 242 C, wo demnach richtiger zu schreiben ist: i'/ACog rj yz auia [sc. 7ov nuüoi's] xai zo näOog rä>v igmvitov 7 alt 6 ixeCvcp [sc. to) "E(j(oti] ivyfävu li, weil gesagt werden soll, dass „der zu- stand der liebenden und dessen grund" in den dichterischen Worten mit dem Eros identisch gesetzt werden müsse. Mit den PMlol. Anz. IV. 8

114 . 49. Piaton. Nr. 3.

Schwurformeln bei Plato beschäftigt sich §. 6, sodann §. 7 mit formein zur Stärkung der kraft des imperativs , §. 8 mit der neigung der abscbreiber, die enge Verbindung verschiedener tempora, wie des imperfekts und des aorists zu beseitigen, §. 9 mit der figur dmXaaiaafiög , §. 10 mit der konstruktion Xafi- ßdveiv, 8tü< u.s.w. und der präposition eV, §.11 mit der auslas- sung der kopula und §.12 mit der geschickte der stelle Euthyd. 289 B. lieber den codex Clarkianus , der für den verf. fast unbedingte norm und oberstes gesetz für die platonische kritik geworden ist, enthält §. 13 zunächst vorläufige andeutungen und berührt unter andern das bedürfniss, welches ihn bestimmt hat, nach der kollation von Gaisford noch eine neue, eindring- lichere vorzunehmen. Von einzelnen dialogen existirt auch sonst noch eine kollation, wie die des Symposion von Jowett, die der verf. ebenfalls für ungenau hält und deswegen vornehm- lich auch für diesen dialog eine gewissenhaftere mit hülfe der ausgäbe von C. F. Hermann veranstaltet. Das ergebniss die- ser kollation ist unter andern die erkenntniss, dass der Clar- kianus und Vaticanus viel häufiger übereinstimmen, als man bisher geglaubt und dass alle Verbesserungen, weil aus ganz später zeit, nur von geringem werthe sind. In §. 14 folgt eine reihe von emendationen. Euthyd. 302 E lautet der über- lieferte text : tujv 8t ys ^cücor, s q q , mfioXoytjxag tavt tfoui ad} vaa uv aoi i^ij xal öovvai xat anodüadai xai dvoai uv &tw orcp uv ßoLiliß. Das uv hinter Ouaai glaubt Stephanus streichen zu müssen und ebenso Heindorf. Die Züricher und Hirschig klammern es ein , während es von Badham ausgelassen, von Stallbaum und C. F. Hermann vertheidigt wird. Die gründe, welche Schanz dagegen anführt, sind anzuerkennen, die Ver- besserung in 8i'j , selbst wenn es mit denique wiederzugeben wäre, nicht; denn es handelt sich um eine selbstverständliche aufeinanderfolge der begriffe Bovrai, anodoa&at und dvoai, und ein zwischengeschobenes öi'j würde die handlung des letzten verbi nur mühsam nachschleppen. Da aber einmal die meisten anzeichen das Vorhandensein einer silbe vermuthen lassen, » so dürfte das ominöse dvaai uv am leichtesten in dvaaa&ai zu verändern sein , zumal da die mediale form dieses verb's gar häufig bei attischen Schriftstellern sich findet und durch das vorangehende Gut eher berechtigt, als überflüssig gemacht wird.

Nr. 3. 49. Piaton. 115

Dieselbe stelle giebt dem verf. Gelegenheit , den nachweis zu versuchen, dass an vielen stellen eine vertauschung von 8f] und uv anzunehmen sei. Das lässt sich zwar für eine anzahl derselben einräumen, aber selbst nicht für alle diejenigen, wo av neben einer indicativform , wie itfti* oder slatv zu stehen kommt, weil in einigen der sinn vielmehr ein bewahren von av und demgemäss eine Veränderung des indicativ in die ent- sprechenden optatiyformen tu] oder thv zu fordern scheint. Mit recht schreiben daher die Züricher Gorg. 492 E: Ol ).C9oi yag av ovtco ys neu ol vexool evdaifxuvicfTazoi, da ovzco offenbar die stelle eines in den vorhergehenden Worten (xyStvog Stousvot ent- haltenen konditionalen nebensatzes vertritt, während der verf. das von mehreren codd. beglaubigte tlaiv bereitwillig aufnimmt, um die beliebte Verwandlung von av in 8r] vornehmen zu können. Um ferner das in Clark. Vat. 0. Vindob. vorhandene iaxiv zu halten, sieht er sich Euthyd. 298 A B: ovxovv xal 6 Xui- gedt'ifAog i(ft] BTBQOg av TmTQOs ovn av auTrjQ sitj, genöthigt , die worte ovx av fallen zu lassen, o'vxovv zu accentuiren anstatt ovxovv und dadurch eines wirksamen gegensatzes verlustig zu zu gehen. Dieser gegensatz würde aber, vorausgesetzt dass die lesart der guten codd., iauv, richtig wäre, ungeschwächt erhal- ten, wenn man das zu dem indicativ nicht passende ovk av in ovdajxr^ verwandeln könnte. An einer andern stelle, die in §. 15 besprochen wird, nämlich Euthyd. 295 A, hat Schanz die von Clark. Vat. 0. beglaubigte auslassung von GjMoXo- yovvxa adoptirt und ausserdem xüv oni anstatt xal a& geschrie- ben, indem er sich auf die bekannte struktur deixvvvai xi lv iivi beruft. Indessen hat doch der Vorschlag von Badham, ouoicog s%ovta die meiste Wahrscheinlichkeit. Dagegen hat unter andern die konjektur zu Euthyd. 301 A r]8r] ö' 18 ia 8s roh up8qoiv xtjv ooqiuv ine%tiQOvv fAifitladai anstatt ißt] 8s xolv ävSoolv sehr viel empfehlenswerthes. Zu Protag. 312 A, wo die textesworte lauten : ii av eirzoipev avzov sivat, od J^ooxgareg, Tj imaT(i.7r}v xou tzoiqoai Seuov Xsyeiv glaubt Schanz , indem er sich durch die weglassung von r\ in den bessern handschriften gebunden fühlt, xC uv, ti t'inoifxEv x, x. X. verbessern zu müs- sen, natürlich nicht ohne ergänzung von Xiyoig oder si'noig. Zu gleicher zeit glaubt er , dass diese wendung der schüchter- nen haltung des Hippokrates besser entspreche, führt aber als

8*

116 49. Piaton. Nr. ».

gewähr für dieselbe keine stelle aus Plato, sondern nur zwei aus Aristophanes an (Nub. 154 und Lys. 399). Jedoch wäre mei- ner ansieht nach viel einfacher die Veränderung von rl av in Ti «/.?-.', weil dem v sehr leicht ein doppeltes X zu gründe lie- gen kann und weil die konstruktion dann weiter nichts auffallen- des bietet. Die Worte würden dann lauten: ti aW1 sinointv av~ tov mai, w ^cüx/mret,', )j iniarätrtv tov notijaai deitnv. Aehn- lich findet sich die aufeinanderfolge von ti und aXXo , wenn auch durch einige worte getrennt , im Phaed. 63 D und den stellen, welche der verf. selbst p. 86 citirt. Von der thatsache ausgehend , dass die platonischen codd. interpolirt sind , weist der verf. (§. 14) nach, dass die bessern oft mehr, als die schlechteren an interpolation gelitten haben. So wird z. b. Gorg. 461 C -nai vißls als interpolation bezeichnet und an Euthyd. 278 B nachgewiesen, dass iai zweimal auszulassen sei. Die autorität des Clarkianus ist für den verf. so zwingend, dass er, weil Euthyd. 276 D dieser codex und der Vaticauus xai hinter tjQOjra nicht haben, auch dies letztere wort als überflüssig ver- wirft. Im Euthyd. 300 C lautet der überlieferte text: olxovv xal ia Xt'yovra ötya^ , sirrtg tcöv andvTwv iari sc. ia Xt'yorta, wie der verf. in gedanken ergänzen will. Die lesart Winkel- mann's \t-y6fitra ist nicht zu halten und leyovtn, was^ Vat. 0 bietet, kann allerdings für eine interpolation gelten, aber noth- wendig ist es nicht; denn in dem sophistischen schluss ist eine Wiederholung des Wortes , auf welches das volle gewicht der rede fällt, durchaus nicht so überflüssig. Dagegen ist vollkommen zu billigen die ansieht des verf. 's, dass Protag. 319 D der müssige zusatz des Bodl. und Vat. ötoix/JtftoK zu tilgen sei und nur zu schreiben nsg) tä>v iq^ wo'Xfcoc, was allerdings mehr platonische färbung verräth. In den folgenden stellen (p. 63 ff ) weist der Verf. nach , dass in viele platonische partien konjunetionen eingeschmuggelt sind, die nach gewähr der besten codd. uud nach aualogie anderer stellen entfernt werden müssen, wie nXXoi vor ort in Euthyd. 274 B. Dass derselbe process in einigen ßtellen auch mit ovv vorzunehmen sei, lasst sich wohl anneh- men; wenn aber der verf. diese partikel auch aus Phaedr. 246 inkta. (»UV ovv ovaa xat MiTSQUifJLSPlj (itTtcononoyti te xut nuvTa tov xoafiov dioixti. tj 8f. TTTEoocipvi'jauaa cpt^erui, sag ccv ortQtov tivoa ml. entfernen will, so kann ich dieser mass-

Nr. 3. 49. Piaton. 117

regel nicht beistimmen, da es sich hier um eine nothwendige Schlussfolgerung aus der ganzen vorhergehenden entwickelung des mythus handelt und ich nicht durch eine der kleinen ungenauig- keiten, von denen eingestandenermassen selbst die besten codd. nicht frei sind, den gedanken selbst beeinträchtigt sehen möchte. Der Euthydemus, den der verf. mit Vorliebe behandelt und von dem er eine besondere ausgäbe verheisst, wird in §. 20 noch- mals einer besondern durchsieht unterworfen und es werden, abgesehen von der an diesem dialog im ganzen glücklich geüb- ten kritik zu p. 279 D und anderen stellen bemerkungen ge- macht, die für die kenntniss des platonischen Sprachgebrauchs von grosser Wichtigkeit sind. Hinsichtlich des textes von p. 280 D ist mir die verderbniss der Worte dög ovöh oytXog rijg xr/Juioos' yiyrEjai ebensowenig zweifelhaft wie dem verf. , aber ich weiche in der herstellung der richtigen lesart ein wenig von ihm ab , indem ich nicht aXXtog hinter mg ergäuze, sondern annehme, dass mg das noch vorhandene Überbleibsel von aXXcog sei, wie ich schon Philol. XXX, p. 685 nachgewiesen zu haben glaube. Auch ist ja in keiner der drei vom verf. angezoge- nen belegstellen (Rep. HI, 390 E. Gorg. 525 B. Charm. 168 D) ein mg vor äXXmg zu entdecken. Ferner will der verf. p. 290 B statt avirjg schreiben ctv^r}, was wegen der folgenden Wendung im nXsov ean'v sich wenig empfiehlt. Dem sinne kommt die konjektur von Heindorf dvvafiig und die von Orelli uGxitaig am meisten entgegen. Indessen vermuthe ich, dass hinter avt^jg die worte « X X r\ rs^vi] verborgen sind, so dass zu lesen sein würde: ovdtfiia sqiJ] rrjg &7]Q8vrmtjg uXXi] ri^v?] im nXtov £oz)r, /} ogov &rjQnvaai neu ysiQmaaa&ai. Nach recht ein- gehenden Untersuchungen über die krasis bei Plato (§. 22), werden in §. 25 die sckicksale des cod. Clarkianus erzählt, das werthvolle buch selbst einer genauen beschreibung gewürdigt und in seiner eigenthümlichkeit und seinen charakteristischen formen dargestellt. Die zahl der compendien ist gering, grösser verhältnissmässig die zahl der schadhaften stellen. Der§. 27 han- delt von den scholien des Clarkianus, von denen besonders zwei hauptklassen, die eine vor, die andere nach saec. XH unter- schieden werden. Dann beschäftigt sich §. 28 mit emendation von stellen aus Phaedon (nach den codd. Clark, et Tubing.), und in §. 29 werden zwei rezensionen dieses dialogs mit hülfe der-

118 49. Piaton. Nr. 3.

selben codd. unterschieden und diese Scheidung auf mehrere stellen mit erfolg angewendet. Es wird mit diesem kritischen apparat unter andern der beweis geführt, wie gar oft von spä- terer hand die kopula , verschiedene pronominal - und arti- kelformen, endlich auch falsche tempora sich in den text einge- schlichen haben , wenn die abschreiber an den ursprünglichen anstoss nahmen. Bei dieser gelegenheit wird auch an das ver- ständige urtheil von Cobet appellirt und weiterhin (p. 142) bemerkt , dass manche interpolationen aus dem bestreben der abschreiber hervorgegangen seien, den lesern zu zeigen, dass der schriftsteiler auch so und so hätte schreiben hönnen oder wie sie wohl wünschten, dass er geschrieben hätte. So kann man un- ter andern die annähme von svlaßovfxsvoi als interpolation im Phaed. 91 C entschieden billigen , entstanden aus der absieht, die wendung itavxi Xoycp avTizsivstE , oncog (iq thunlichst zu erklären. Dass die abschreiber bisweilen durch eine glückliche konjektur den schwankenden text hergestellt , wird nach Co- bets Vorgang nicht bezweifelt und an mehreren stellen erläutert (p. 148 ff.). Gegen ende dieses paragraphen werden die ver- hältnissmässig wenigen differenzen zwischen dem tübinger codex und dem Clarkianus aufgezählt und endlich das verhältniss, in welchem Vat. A und Ven. II zu den oben besprochenen codd. stehen, dargelegt. Welche änderungen in einzelnen for- men vorzunehmen seien, besonders hinsichtlich der mit er oder £ anfangenden Wörter, des i subscriptum und des v icpsXxvoTixöv, wird in §. 30 behandelt, sodann in §. 31 der cod. Tubing. ge- nauer beschrieben, in §. 32 die auffallenden spuren einer ma- wus seeunda, wie früher am Phädon, an andern dialogen nach- gewiesen und endlich in §. 33 mit der emendation einer klei- neren anzahl von stellen der beschluss gemacht.

Wirft man noch einen kurzen rückblick auf Phaed. 70 C (p. 134), so scheint die verbessernde hand, von welcher das marginale des Clarkianus stammt, das richtige wenigstens an- gedeutet zu haben, weil das pronomen oviog bei der patheti- schen einführung von mythen oder mythisch gehaltenen stellen häufig wiederkehrt, so dass nicht, wie Schanz annimmt, zu schrei- ben ist: naXatog [iev ovv eati iig o Xöyog, ov fiefirtjfie&a , son- dern mit verwerthung von ovrog, das hinter ovv verborgen sein kann und indem man zig als dittographie der letzten silbe von

Nr. 3. 50. Galenus. 119

iöii bezeichnet, vielleicht: naXaihg ^sv ooiog sariv 6 Xöyog, ov [A8^p^[xedat womit zu vergleichen p. 97 D und ähnliche stellen. Dieser für die fülle des materials nur kuze bericht zeigt doch wohl, wie durch dies buch die platonische kritik und ne- benher auch die kenntniss des platonischen Sprachgebrauchs wesentlich gefördert worden ist.

C. Liebhold.

50. Regiae Friderico - Alexandrinae literarum universitatis prorector Dr. C. Hegel successorem suum commendat. Praemissae sunt Iwani Muelleri quaestiones criticae de Galeni li- bris n £ gl i <äv x a #' 'lnnoxgäzi]v xal Jlldt a> v a So y p «- tod»'. Erlangae, 1871. 4. pp. 19.

Prof. Müller will diese neun bücher Galens neu herausge- ben und hat dafür die vergleichungen dreier handschriften , ei- ner der Marcusbibliothek in Venedig (284), des 15. Jahrhun- derts, einer der Laurentiana (74, 22), des 14. Jahrhunderts, und einer Cambridger (47), ausserdem zweier auszüge, die sich in Paris finden. Aber für die florentiner und die Cambridger er- giebt sichj dass sie die sich ergänzenden theile einer und der- selben handschrift sind (p. 10). Wie verdorben der text Ga- lens sei, klagt auch der vf. mit vollem recht; wie viele lücken sich füllen, wie viele sinnentstellende fehler sich verbessern las- sen, wenn man die handschriften zu rathe zieht, so jung und nachlässig geschrieben sie sein mögen , zeigen die acht stellen, die p. 15 ff. besprochen werden. In den meisten derselben leuch- tet die richtigkeit der aus den handschriften gewonnenen Ver- besserungen ohne weiteres ein. Auch p. 495, 15 ist es si- cher, dass zu lesen sei: ovötig yovv [iür yug) insrifiijasv iavzcp nore xal dagyia&i], 8iöti tmv dxai'gmg (doch wohl dxaCgav) ini~ &Vfniäv äqitöiao&ai ngoaigsiiai. zig (f. ngoutgshai. ei'neg rig) ydg Iv voacp räv ufis'rgcog diaxato ft iv oo v In i& v fiovvt cav TS n 6 [iazo g \pv%gov (für dphgoog avyxaiofit'pcov ogeyoftevog nd\na io \pv%gov ögixrjv nXeovu^ovauv, ivrev&sv negt no/Autog xpv- %gov), Xoyiad/xevog 6).s&gov o'iativ avrw (1. avrcjj) io nö\xa xal ßXdßrjv ia%äT?]v (für ib nofia iaxuTijv), tlt iniaiav ttjv ogfxtjv xaid TTjv xpv^ijv BTiszlftrjaev avTap (für aurcö) xal (hoyioOrj, 8i6ti xaXäg iXoyiauTo ; ovdslg, cog olftut, dndviwv. Bis auf eine än- derung, die von Iw. Müller selbst herrührt. Statt xard rrjv

120 51. 52. Antiphon. Dinarchus. Nr. 3.

ipv%r]v haben die ausgaben und handschriften xal xatd rag \pv- %oig cii,'. Das dafür vermuthete nara rqv ipv%i]i> liegt weit ab und wäre ganz überflüssig. Auch drückt sich Galen sonst nir- gend so aus. Vergleicht man dagegen p. 794 z. e. aal noXld* mg [asv EXQCttrjGEv afia 7(jj XoytG(*q) ir/g ufitTQov xivtjoeoog 10V dxolda-iov r7jg tyv%rjg ei'dovg, so ergiebt sich, wie ich glaube, mit grosser Wahrscheinlichkeit die besserung: rijv ögurjv rov dy.o'käßtov rtjg xpv^tjg instCfAtjaEv . Der ausgäbe der galenischen schrift darf man also mit schöner erwartung ent- gegensehen. H. S.

51. Antiphontis orationes et fragmenta adiunetis Gorgiae Antisthenis Alcidamantis quae feruntur declamationibus edidit Fridericus Blass. 8. Lipsiae. Teubner. 1871. 15 ngr.

52. Dinarchi orationes adjeeto Demadis qui fertur fragmento edidit Fridericus B lass. 8. Lipsiae. Teubner. 1871. 15ngr.

Wir nehmen diese beiden ausgaben, die sich schnell folg- ten, nicht blos deswegen in eine anzeige zusammen, weil sie von dem gleichen gelehrten veranstaltet sind, sondern auch aus dem gründe, weil der text der beiden redner durch die glei- chen handschriften repräsenlirt ist: was wir also allenfalls über das verhältniss der Codices zu einander und über die art, wie der herausgeber sich zu der handschriftlichen Überlieferung stellt, zu bemerken haben, trifft beide redner und beide ausgaben gleichmässig.

Die von Blass in der bibliotheca Teubneriana besorgten edi- tionen der redner (ausser den beiden hier zu besprechenden be- kanntlich noch Hypereides 1869 und Andocides 1871) sind sehr zweckmässig und bequem eingerichtet. Die frühere sitte, die adnotatio critica in die vorrede zu verweisen , mag für das äuge gefälliger sein: die jetzt bei Weidmann und Teubner nach altern mustern wieder eingeführte einrichtung, einen kurzen ap- paratus criticus unten am rande mit dem texte fortlaufend an- zubringen, ist nicht bloss für den gelehrten viel bequemer, son- dern hat auch den noch höher anzuschlagenden vorzug, den herausgeber zu consequenter rechenschaft und zu einer gewis- sen Vollständigkeit zu nöthigen. Blass hat es nun verstanden in knappem räum das wesentlichste des handschriftlichen mate- riales sowie der besserungsvorschläge der gelehrten vollständig

Nr. 3. 51. 52. Antiphon. Dinarchus. 121

und genau mitzutheilen. Das erstere hat er aus den frühern ausgaben, unter denen besonders die von Mätzner hervorzuhe- ben sind, zusammengestellt: eigenes bietet er dabei wenig, nur sporadisch hat er an besonders schwierigen oder wichtigen stel- len (s. praefatio zu Antiphon, p. III, zu Dinarch. p. VII) den Crippsianus (cod. A) selbst eingesehen und insbesondere sich bemüht, den zweiten corrector vom ersten in dieser handschrift genauer zu scheiden als es bisher der fall war: doch theilen wir den wünsch R. Schölls (in der anzeige der ausgäbe des Antiphon in den neuen Jahrb. f. phiiologie 103, p. 298), es möchte dies noch consequenter geschehen sein; das bedürfuiss hiezu empfand, wie es scheint, Blass erst bei Dinarch (praef. p. III note) und zwar zu einer zeit, wo er ihm nicht mehr vollstän- dig gerecht werden konnte. Hier und da ist uns auch die Tragweite der ausdrücke, deren sich Blass im apparatus criticus bedient, nicht ganz klar. Z. b. Dinarch 1,77, hat der text Httßövrag: in der adnotatio steht: laßoviag pr. A corr1. Ist nun Xaßoptag die ursprüngliche Schreibart oder die durch cor- rectur entstandene? Ferner wodurch unterscheidet sich A. corr1 von A corr, welche bezeichnung nach praefat. p. VII not. doch auch nur die correctur von erster hand ausdrücken soll? Din. 1, 102 extr. sollte wohl statt vuszigag stehen: rm er s q a g NAB Bk Turr.

Die vorreden geben eine dankenswerthe Übersicht über die kritischen fragen, die sich bei diesen beiden rednern und über die kleinen ihnen angehängten stücke von zum theil sehr be- strittener echtheit erheben ; ausserdem führen sie die literatur, die sich an diese fragen knüpfte, die monographien, abhandlun- gen neuerer gelehrter vollständig an. Unter den vertheidigern der echtheit der reden des Dinarch praef. p. IX, note *** hätte auch Leopold Schmidts aufsatz : die politik des Demo- sthenes in der harpalischen sache im Neuen Rhein. Mus. XV, p. 212 ff. (vgl. insbes. über Dinarch p. 217, p. 232: über die stilistische eigenthümlichkeit des Dinarchos) genannt werden sollen.

In der gestaltung des textes selbst ist der herausgeber mit Scharfsinn , aber auch mit ziemlicher kühnheit verfahren. Er nimmt eine reihe von conjecturen anderer, so wie eigene, wor- unter mehrere treffend zu nennen sind , in den text auf : eine

122 51. 52. Antiphon. Dinarchu3. Nr. 3.

ziemliche zahl neuer vorschlage macht er ferner frageweise un- ter dem texte geltend. Wir besprechen zunächst in zwanglo- ser folge solche stellen, in welchen die handschriften überein- stimmen : Din. 1, 5 ist die Verwandlung des sonderbaren aus- druckes itjv niativ tijv tzbq! avt^g in t?]v ni'aziv irjv nat g {av avttjs beifallswerth ; unnöthig 1, 6 die conjectur ovaiag statt tfjv^tjg, vgl. die von Maetzner beigebrachten beispiele 5 1, 66 ist uns die tilgung von tiqmtov unverständlich: denn die übrig blei- benden worte sind ein ganz nichtssagender von jedem bestoche- nen gültiger zusatz und der von Mätzner herausgefundene Wi- derspruch gegen 3, 7 hat bei einem solchen redner wahrlich keine bedeutung. 1, 80 schiebt Blass zur herstellung eines richtigen erst mit insidi] (yag) beginnenden satzes vor avaaxeva- aäfisvog ein cpxeT0 eiQ ; m^ dem grundgedanken einverstanden, möchte ich doch im vorhergehenden statt xazaaxtvdaag einfa- cher xatsaxsvd cssv schreiben, wodurch das verbum finitum herge- stellt ist, vgl. 103: ixsivov vvv asavzbv xaraaxsvd^eig. 1, 105 ist es gewiss ein sehr richtiger gedanke des herausgebers nach arzocpdasai einen punkt zu setzen und das folgende /ttj^oa&tvtjg siadysrai ngärog als selbständigen satz zu fassen: im vorher- gehenden leuchtet uns dagegen die Verwandlung der corrupten Worte: zb yeyevqfjie't'ov sldog in avzov zo y s ysP^f*B*o $ elöo- zog nicht viel mehr ein als andere zu dieser bedenklichen stelle beigebrachte Verbesserungsvorschläge. Ich glaube hier den gleichen sinn statuiren zu müssen wie 3, 5 ov rag dnotfdatig ol/xai vvv xoüeaftai, ... dlla negi fiovTjg zijg zi^oogiag vfiäg dtir, und conjicire also hier: ov zo ytyevquiiov i l-ez «' a ovz s g, nfimoiag ö' eWx«. ..: über das part. fut. vrgl. 3, 16. Hübsch ist 2, 7 die conjectur ov Sixaimg ov8e iacog statt ovÖtlg ws' von N und A, wenn wirklich die ergänzung xavvq mazevasi in A nur dem zwei- ten corrector angehört; warum aber nicht einfach ov Öixaioog, welches so leicht in ovdelg d>g übergehen konnte? 3, 4 wird von Blass mit recht ein s v 0 g eingeschoben , was der gegensatz /4&?]i>aiovg ndvzag verlangt, 2, 22 in dXXd xonovg xai xaia rüp aXXoov dv&Qmnojv ist nicht dirdtzcov , wie Blass meiut, statt av- domnaiT zu schreiben; denn das passt nicht in den Zusammen- hang, wohl aber ein begriff wie xaxäv oder döixcov oder 7Tov7]Qmv einzuschieben: s. 3, 14. 2, 4.

In Antiphon 1, 3 hätte das von Lehner und Mätzner ge-

Nr. 3. 51. 52. Antiphon. Dinarchus. 123

strichene nsol xaTn\ptj<fCaecog nicht wieder in den text einge- setzt werden sollen, ebenso wenig nvdnfjth'rjin 1, 14; denn dass die angeklagte damals noch nichts von dem vorhaben des Phi- loneos wusste, geht aus dem folgenden alu&ofiei")] xtX. her' vor. In 1, 10 ist Mätzners conjectur: dlnuiöv iartv elvai, welehe Blass in den text aufnahm statt des von den handschrif- ten gebotenen dwcuov sazai, falsch; denn nicht was er jetzt darüber denkt, sondern was er damals dachte, soll angegeben werden; dass dies in indirecter rede geschah beweist der ohne einen vorhergehenden accus, c. infinitivo oder ort unbe- greifliche optativ uvayxätoi im folgenden. Ref. schreibt sae- G&ai, und ixavov statt Sixatov, das letztere mit Eeiske. 1, 1, hat Blass richtig vor avra eingeschoben. Dagegen be- greifen wir nicht , was die conjectur nagaitela&ai statt alrsT- c&ai in 1, 12 bedeuten soll: man vrgl. die nämliche construc- tion in 1, 23: iya> <5' vfiäg vnlg roh itüngog fiov Ts&iewzog al- zovfiai, oncoq navt\ zoönoa dw. Und 5, 32 : vvv 8s avtoi r\Gav xai ßaGariGTal ttat inni^r/zul (,u£7«) räv acpiotv avzoTg avfxcps- qovtcov , leuchtet uns dieses eingeschobene i*etu ebenso wenig ein als R. Scholl in Jahrb. f. Philol. 103, p. 303. Indessen ist auch dessen erklärung nicht befriedigend. Wir schreiben in t- fislrjtai 7wv aqti'aiv xtX.

An der oben angeführten stelle Antiphon 1, 23 hat codex A: vmo Trjg ^rj7Qog zijg avTOii ^äarjg ; N lässt das erste rijg weg; ibid. A: vnso rov nargög pov re&vsöozog ; N bloss vnso narnog pov. Blass hat nur dem codex N zu liebe nach Franke geschrieben: vnso nqzoog und vjtsq nargbg roifiov. Wir ge- ben zu, dass auch dies griechisch ist; aber es entspricht nicht dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und am allerwenigsten dem- jenigen unserer rede ; dann narijn und i^r^tjo haben, wenn sie mit einem pronomen possessivum oder einem genetiv verbunden sind, den artikel immer vor sich: vgl. 3,6,7,9, 14,15, 16. 19 (in 6 zrjg [ir]7Qviäg 7ijg l/ui/g), 20, 24 u. s. f. : nie steht der artikel bloss nach dem Substantiv. Ebenso wenig können wir es bil- ligen, wenn von Blass 1, 12 demselben codex N zu lieb 7ov- 7cov öeXoptcov statt l9slöv7(ov geschrieben wird gegen die regel (Kuehner Ausf. gr. gr. I, p. 148), dass &s'\co nur nach vocalen oder diphthongen stehe mit ausnähme des formelhaften av &sog &tXrj, welches z. b. Din. 2, 3 vorkommt. Nach unse-

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rer beobachtung wäre dies das einzige beispiel im ganzen An- tiphon, welches dieser regel widerspräche. Ebenso ist 1 , 30 nai dt]\o7<Tiv fc»qp' <äv av annXwvtai , was Blass dem av anoXnvv- rai desselben N zu liebe in den text gesetzt hat, falsch; denn was soll hier der begriff von quicunque? (s. Scholl p. 301): und so kommen denn auch wir zu dem resultate , dass Blass die consequenz, die lesarten des Oxoniensis zum ausgangspunkt zu nehmen, zu weit getrieben hat.

Es führt uns dies auf die allgemeine frage über das ver- hältniss der handschriften in unsern beiden rednern. Folgendes sind die von Blass darüber aufgestellten grundsätze:

1) der Consensus von NAB gegenüber den andern (LZM) ergiebt überall oder fast überall das richtige. In der tbat stimmen diese drei handschriften z. b. im ganzen Dinarch an 17 oder 18 stellen gegen die andern; und nur an einer (Din. 1, 113, NAB: sri; LMZ: ort) könnte a priori ein zweifei an der richtigkeit ihrer lesart aufgestellt werden ;

2) sehr bedeutsam ist der consensus von N und A, d. h. mit abzug dessen was der zweite corrector in A hineinbrachte. Die zahlen, welche Blass besonders in der vorrede zum Dinarch gegeben hat, sind im ganzen richtig wir unserseits haben in dem letzten redner zwischen 50 60 solche fälle gezählt; in circa 40 sind alle ausleger einig, NA zu folgen.

Wir erhalten nun freilich darüber keinen aufschluss, wie sich Blass das verhältniss von BLZM zu einander denkt. Ich rechne dieselben als repräsentanten einer familie und mache aufmerksam auf Din. 1, 71, wo BLZM gemeinsam iv toig statt ivrog haben; Din. 1, 83 und 84 ist ihnen ferner ge- mein die auslassung von -ipijCfiafia und ?} ßnvltj. Weiter bilden aber LZM innerhalb dieser familie eine für sich stehende gruppe: B steht ihnen coordinirt gegenüber und nähert sich A.

Es erhebt sich aber eine zweite wichtige frage, wie sich die gruppe BLZM zu A verhalte. Ist dieselbe aus A durch cor- rectur, interpolation, willkür u. s. w. entstanden oder stammt sie aus einer andern familie, die für sich kritische gewähr hat, wenn auch ihre quelle getrübt erscheint? Blass scheint das letztere anzunehmen; nach ihm schöpfte der zweite corrector von A (p. IV in vorr. zu Din.) aus einem Über omnibus numeris dete- rior, ab, immerhin also aus einer handschrift; praef. p. VI meint

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er ceteros ex A correeto ßuxisse non improbabile est ; vielleicht verhält es sich in dieser letzten beziehung umgekehrt. So viel ist aber sicher : A2 (der zweite corrector von A) gehört zur gruppe BLZM; schöpft er aus einer vom A unabhängigen handschrift? wenn ja, wie verhält sich diese zu A selbst?

Man könnte nun freilich einwenden, diese frage sei irrele- vant, da A (resp. A1) und N meistens ausreichen, und da Blass als dritten grundsatz aufstellt bei abweichungen von N und A ist dem erstem unbedingt der vorzug zu geben. Hierin stimmt nämlich Blass mit Mätzner und Franke gegen Sauppe, welchem sich R. Schoell im genannten aufsatze angeschlossen hat. Un- beschadet der oben gemachten bemerkung, dass Blass die con- sequenz seines dritten satzes übertrieben hat , bemerke ich hier nur soviel, dass auch ich in dem Schreiber des codex N nicht jenen homo doctus und emunctae naris entdecken kann, welchen Sauppe sich unter ihm vorstellt : dazu hat er zu viel sinnloses geschrieben. Er scheint mit der griechischen moduslehre auf sehr gespanntem fusse zu stehn ; er verwechselt oft t und rj, o und oj: s. Din. 2, 102, Antiph. 1 , 29. Din. 1, 80 hat N sinnlos ^QijfASvag ; es liegt aber dem richtigen ^Qrjfif.vag näher als das auf einer art subjectiven Verbesserung der Wörter be- ruhende siotjuhag ; und so könnten wir noch mehrere stellen der art anführen , die sich an das von Blass selbst citirte ztjv avtrjv r(QX>)v Diu. 2, 10 (cf. praef. Din. p. VI) anschliessen.

Auf der andern seite aber lassen sich auch die von Sauppe und neuerdings von Scholl nachgewiesenen willkürlichkeiteu im N nicht alle wegdisputiren ; sie finden sich allerdings weniger in Dinarch als im Antiphon. Aber auch Din. 1, 7 ist acpuXegwg statt £t}Ttiv und das wahrscheinlich verdorbene anqXd$aze für inrjiiauzs doch nicht reine corruptel: wahrscheinlich sollte ayalegtüc den gegensatz zu dem vorangegangenen uacfaXzg bil- den und das trügerische spiel , weiches Demosthenes und an- dere mit dem areopag getrieben hätten, bezeichnen: statt unrj- Xü'lurs. stand wohl ursprünglich a na X i a a t s. Allein der Schrei- ber des codex N selbst ist es sicher nicht gewesen, der der- gleichen etwa wagte : auch nicht ein gelehrter, der desultorisch an dieser handschrift herumcorrigirte: denn von correctuien ist sie fast ganz frei. Was folgt daraus? dass wir eine gemeinsame behauptung von Sauppe und Blass

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(praef. ad Din. p. VI: videtur autem Crippsianus , quae etiam Sauppii nunc sententia est, ex eodem exemplari descriptus esse quod Oxoniensis fons fuitj nicht für wahrscheinlich halten können. Vom Standpunkte Sauppe's aus, der den Schreiber von N selbst für den scharfsinnigen interpolator hält, ist sie übrigens berechtigt ; mit dem Blass'schen Standpunkte steht sie aber in Widerspruch. Sind nämlich N und A wirkliche abschrif- ten aus demselben codex, so lässt sich eine so colossale abwei- cbung wie sie zwischen den beiden vorliegt, nicht nur durch blosse nachlässigkeit erklären, sondern wir müssten systema- tische correctur des einen oder des andern annehmen: bei N nimmt Blass diese nicht an, bei A wird er sie noch weniger statuiren wollen. Dagegen lassen sich die vielen discrepanzen, wenn man sie successiv durch mehrere glieder hin- durch bald in der form von nachlässigkeiten bald in derjeni- gen kecker einfalle auftreten lässt, recht wohl erklären. Die nachlässigkeit des Schreibers von A ist entschieden noch grösser als die von N : er hat offenbar sehr unsicher geschrieben, sich sehr oft versehen, so dass er genöthigt war, durch radiren und corrigiren nachträglich wieder so viel wie möglich gut zu ma- chen. Aus diesem gründe halten wir auch nicht viel auf die ra- suren dieses codex. Ebensowenig als Din. 1, 82: qv. yüöag, oder 1, 13: xaza . . . zrjg nargCSog auf eine andere im ori- ginal von A pr. zu gründe liegende lesart hindeutet, ebenso wenig ist dies der fall 1, 70 in iovg fisv . . . igya^ofisvovg oder in 1, 84: ngoyaeode nybg rovg . . & . . ovg evofflttav, wo allerdings unser Schreiber vielleicht zuerst äi'&Qoonovg ge- schrieben haben mag, wie Blass annimmt, aber ohne dass wir darin etwas anderes als eines seiner vielen versehen erblicken. Auf der seite von N liegt dagegen eine grössere keckheit der neuerungen, die jedoch einem frühem Vorgänger oder corrector, nicht aber ihm selbst zuzuschreiben ist.

Eine besonders schwierige frage bilden die häufigen abwei- chuugen in der Wortstellung. Mätzner und Blass sind hier ein- fach N gefolgt; und es lässt sich nicht leugnen , dass die von diesem codex befolgten Stellungen in der regel glücklich , alle unanfechtbar, die des codex A und der übrigen öfters fehlerhaft oder gesucht sind. Zur völligen eutscheiduug aber darüber, ob die oft so trefflich scheinenden abweichungen von N auf

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Nr. 3. 53. Horatius. 127

conjectur oder handschriftlicher gewähr beruhen, können wir erst dann kommen, wann eruirt sein wird, wie sich BLZMA2 zu A verhalten. Stammen diese aus einer dem gemeinsamen Stammvater von A und N coordinirten alnchrift eines frü- hem archetypus, oder liegen sie schon auf der sehe von A? Im ersten falle wird die kritik vom consensus von ABLZM aus- gehen müssen, die abweichungen von N sind subjective ände- rungen ; im letztern falle dagegen steht N als gleichberechtig- ter zeuge dem consensus von ABLZM gegenüber: zufällig ist dann diese letztere familie durch viele glieder repräsentirt, die familie von N nur durch eines. Dann haben wir so viel als zwei gleichberechtigte handschriften und das verfahren wird einfach ein eclectisches sein müssen; in der Stellung würden wir dann unbedingt N folgen , wie es Blass gethan hat. Zur lösung der frage mag eine nochmalige genauere vergleichung des Crippsianus mit möglichster Scheidung der correcturen bei- tragen, wie dies auch Scholl hervorgehoben hat. Jedenfalls ist sie noch einer näheren prüfung werth.

A. H.

53. De Acrone, qui fertur, Horati scholiasta. Ernesti Schweikerti epistola critica ad Hermannum Usenerum. 4. Confl. 1871. 15 pag.

Der vf., der schon 1865 eine dissertation De Porpnyrionis et Acronis scholiis Horatianis herausgegeben , auch im Philol. bd. XXII einen beitrag zu Horaz geliefert hat, wendet sich wieder der heiklen frage über die sg. acronischen scholien zu und be- rücksichtigt insbesondere das ihm in seiner ersten schrift ent- gangene berner programm Useners von 1863 und die sich daran schliessende literatur. Er hält Usener und Keller gegen- über an der ansieht von dem einen Acro fest, gewinnt zum theil im anschluss an des ersteren mittheilungen als äusserste zeitgrenzen für diesen saec. IV IX und sucht nachzuweisen, commentarium Acronis iam antiqulssimis temporibus mutilatum esse, novissimos autem Acronis libros manuscr. multifariam descriptos ideo non integra exhibere scliolia , quod extrema commentarii pars iam in illius aetatis, cuius liber B land - anti quissimus fuit, libris manuscr. evanuerit. Die schrift enthält mancherlei wissens- werthe mittheilungen, so über die veronesische handschrift, mit

128 54. Horatius. Nr. 3.

recht jedoch macht der verf. die endgültige entscheidung der höchst verwickelten frage von dem nachweis der Verwandtschaft der handschriften abhängig. Bei der bisher unvollständigen mittheilung derselben ist man, allen takt des letzten herausge- bers in der auswahl vorausgesetzt, doch nicht im stände sich ein einigermassen zuverlässiges urtheil über ihren Zusammenhang zu bilden; auf weiteres entdecken solcher notizen, wie Usener eine des Bonaventura Vulcanius bekannt gemacht hat, darf man aber ebensowenig warten wie rechnen.

Th. Fritzsche.

54. Horatius en zijne uitgevers. Een bibliographisch over- zicht door Dr H. Riedel. Niet in den handel. Leeuwarden, Gr. T. N. Suringar. 1870. 42 s. 8.

An bibliographischen Zusammenstellungen namentlich der älteren Horazliteiatur fehlt es nicht, doch ist diese Übersicht willkommen durch glückliche auswahl des wesentlichen (auf Voll- ständigkeit macht der vf. von c. VII an ausdrücklich keinen an- sprach) und klare, anziehende darstellung. Die schritt, die wohl aus langjähriger liebhaberei für Horaz und seine literatur hervorgegangen ist (vorwort fehlt, aber vf. erzählt gelegentlich, dass er schon 3 831 die Epist, ad Augustum edirt habe) und meist nach autopsie, zum theil auch die eigne Sammlung be- schreibt (p. 10, 11, 12, 13, 28) zerfällt in sieben capp., die füglich hätten mit Überschriften versehen sein können. C. I III enthält gesamm tausgaben, I Bentley, II Bentley und die antikritiken, III von Baxter bis auf unsre zeit, c. IV aus- gaben einzelner werke, c. V Übersetzungen, c. VI Prachtaus- gaben etc., c. VII erklärungsschrit'ten, scholien, vitae etc. c. VIII die radicale kritik, Peerlkamp, Gruppe, Lehrs. Neues bringt der vf. ausser einigen unbedeutenden berichtigungen seiner Vorgänger, p. 27. 28, nicht, hat aber vor Brunet, Ebert u. a. den Vorzug kurzer darlegung des wissenschaftlichen Zusammenhanges der ein- zelnen ausgaben. Die folioausgaben hören mit dem siebenzehn- ten Jahrhundert ganz auf, die quartanten reichen bis ins acht- zehnte Jahrhundert, wo auch sie durch die modernen „dunlijvge" octavaus-gahen (deren erste die Aid. 1 v. 1501) verdrängt wer- den. Die tür einen grösseren leserkeis bestimmten ausgaben beginnen mit J. Bond, Loud. 1606 (46. aufl. Orleans 1767).

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Castrirte ausgaben zuerst Horatius obscoenitate Romae purgatus, Keulen 1603, besonders verbreitet die des Jesuiten Jos. de Jou- vency (Juventius) , Par. 1696, zuletzt aufgelegt Par. 1869 2 voll. 18°. Bei dem ^praktischen Engelschman" fand die Desprez- sche ausgäbe in usum Delphi ni wegen ihrer prosaischen Um- schreibung die grösste Verbreitung (24. auf]., v. 1694 1824). Cap. II gibt nächst dem, was wir durch Zangemeister bereits wissen, eine interessante Zusammenstellung der anti - Bentley- schen Horaze in England, das seinen spieen auch hier nicht verleugnet. In Übersetzungen hat Frankreich das meiste geschafft; dort sind allein bis 1830 152, meist prosaische, nach Tanaq. Faber und den Daeiers, erschienen. Unter den luxus- drucken ist nächst der berühmten Locherschen mit holzschuitteu, Strassb. 1498, der Parmensischen typ. Bodonianis 1752, der Lon- doner, John Murray 1849, namentlich die Pariser Firm. Didot fr., 1855. 16°, „ein echte kunstiuwecl der drukkunst'. Als rarität bemerkenswerth die kleinste Liliputausgabe , London, Picke- ring 1824 in 48° (192 pag.). Bei aufzählung der neueren in Deutschland erschienenen ausgaben zeigt der vf. seine Vertraut- heit mit unsrer gelehrtengeschichte; hin und wieder eingestreute urtheile beschränken sich meist auf attribute der herausguber ; Orelli's commentar heisst ,, verstandig", Nauck und Krüger „heu- rig bewerkt", Dillenburger „zeer gezochl", Fr. Ritter „zeer prijzens- waard", Doederlein „smaakvoll" , Meineke „vor de critiek bijzon- der belangrijka, während sonst die hurnanität des verf. auch mancherlei unbedeutendes noch belangrijk findet. Das einz'ge- mal, wo er sich echauffirt, geschieht es über G. Braunhard, in dessen ausgäbe der vf. an loordelijk afgedrukt uittrckscl (!) ut zijn eegen commentaar op de ep. ad Aug. to lezen het pleizier hedu. Ueber des vf. Stellung der modernen radicaleu kritik gegenüber finden sich einige auslassungen in c. VIII; Giuppe und Lehrs sind ihm schon als nachfolger seines landmanns Peerlkamp (der beiläufig nur 664 verse der öden für unächt erklärte) ehrwürdig, Lehrs kritik ist „noch scherpzinniger" als die„Peerlkamps", man wird dem vf. aber beistimmen in dem satze p. 37: „Hoe wenig men ook möge geneigd zijn den uit de mss. in de vier laatste eeuwen opge- maakten en gezuiverden tekst 200 willekeurig te besnijden en een groot deel als geheel onecht te beschouwen, zal inen toch moeten er- kennen, dat door diezel/de radicale critiek een geheel nieuw leven Philol. Anz. IV 9

130 55. Julius Caesar. Nr. 3.

in de interpretatie en wardeering van Horatius is ontstaan". Auf ein- zelnheiten lässt er sich nicht ein ; nur über die Archytasode be- merkt er ganz richtig p. 41: De 20 eerste reg eis , dit stemmen wij volgaarne aan Lehrs toe, mähen zonder twijfel een fraai geheel uit; maar wij taten de IQ volgende aan latere critici over, om hun oorsprong of beteekenis op voldoende wijze te onderzoeken en te ver- klaren". Ungern vermisst man die anführung der Haupt'schen texte p. 16, die als Prachtausgaben man sieht , wohin rein bibliothekarischer Standpunkt führen kann erst p. 29 ge- nannt werden ; Eibbecks Epp. stehen unter den einzelausgaben p. 19 als laatste belangrijke editie der Epp. ohne dass im schluss- capitel die erwartete beziehung auf das buch genommen ist. Unbegreiflich, dass Lucian Müllers ed. Teubn. übersehen ist, zu- mal deren herausgeber der holländischen philologie so nahe steht. Belehrend ist es , das interesse der verschiedenen nationen am Horaz und ihre eigenthümlichen Verdienste um ihn zu verfol- gen; wir Deutschen dürfen auch in diesem wettkam pf einige genugthuung empfinden , wenngleich der Holländer sich wohl hütet, dies gefühl in uns zu nähren. Dem für solche gesichts- punkte empfänglichen sei das behagliche schriftchen empfohlen.

Th. Fritzsche.

55. C. Iulii Caesaris de bello civili commentarii tres. Für den schulgebrauch erklärt von Dr AlbertDoberenz. Dritte aufläge. 8. Leipzig, Teubner. 1871. 15 gr.

In dieser neuen aufläge seines buchs hat Doberenz die all- gemeinen Inhaltsangaben vor den verschiedenen büchern weg- gelassen und sie der leichteren Übersicht wegen abschnittsweise in die anmerkungen eingeschaltet. Ferner sind jetzt von ihm eben da die abweichungen des textes der Kramer -Hoffmann- schen ausgäbe, welche allerdings wohl vielfach neben der seiui- gen in den klasseu gebraucht werden wird, angegeben, auch einige vermuthungen Köchly's angemerkt. Die hauptaufgabe, welche der Verfasser bei seiner bearbeitung der commentarien sich gestellt hat, ist bekanntlich, den schillern das übersetzen zu erleichtern und dabei zu einer guten ausdrucksweise im deut- schen anzuleiten. Zu diesem zweck gibt er selten die Über- setzung selbst, gewöhnlich deutet er nur an, wie sie hergestellt Werden solle: mit recht will er den schülern die sache wohl

Nr. 3. 56. Julius Caesar. 131

leicht, aber nicht allzubequem machen. Ob diese andeutungen von den tertianern immer verstanden werden, ist fraglich. Der Verfasser sagt z. b. p. 1 „summa contentione; ablativ mit concessivem sinne"; werden die schüler durch diese bemerkung auf die präposition geführt werden, welche er haben möchte? „non defuturum: übersetze durch ein Substantiv; denn häufig vertreten lateinische Infinitive deutsche Substantive"; werden sie auf das substantivum kommen, welches er meint? und wenn sie es finden sollten, entspricht der entstandene positive aus- druck wirklich ganz genau dem vom schriftsteiler gewählten negativen? Der Verfasser räumt auch der grammatik in seinen bemerkungen eine bedeutende stelle ein und in den meisten fällen ganz richtig so, dass er den schülern die regeln selbst zu finden aufgiebt. Auch hier ist ihnen wegen der kürze viel- leicht nicht immer die meinung des Verfassers verständlich. Wenn er z. b. p. 17 sagt: „ante iturus sit, definire, ut , si non profectus esset, videretur: beispiele für die lehre von der con- sec. temp." , so glaube ich, dass die schüler vielmehr auf die abweichung von der regelmässigen consecutio temporum , welche hier gerade wegen des bedingungssatzes stattfindet, hätten auf- merksam gemacht werden müssen. P. 16 zu quonam perti- nere (I? 9) heisst es: „diese oratio obliqua giebt beispiele vom relativ mit dem infinitiv". Es soll heissen: giebt ein beispiel zu dem gebrauch des interrogativ -pronomens mit dem infinitiv; denn die relativsätze stehen in dieser indirecten rede wie es bei wirklichen, relativsätzen , die nicht der anknüpfung we- gen bloss demonstrative sätze vertreten , auch der fall sein muss alle im conjunctiv. Die verdiente anerkennung, welche die Doberenzsche bearbeitung als Schulausgabe sich er- worben hat, weil sie im allgemeinen im bereich der fassungs- kraft der schüler bleibt, wird sie gewiss sich auch fernerhin erhalten.

56. Cäsar und die Gallier. Vortrag von H. Köchly. Berlin. Franz Duncker. 1871. 10 gr.

Der professor Köchly, zu anfang dieses jahres als reichs- tagsabgeordneter in Berlin anwesend , hat vor einer Versamm- lung von bürgern mehrerer zu geselligen und politischen Zu- sammenkünften vereinigter bezirke diesen Vortrag gehalten, zu

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132 56. Julius Caesar. Nr. 3.

welchem ihm offenbar der deutsch -französische krieg die Ver- anlassung gegeben hat. Er benutzt sehr geschickt eine stelle aus Cicero's rede de prov. cons. (cap. 13), um in einer einlei- tung diesen kämpf nach seinem wesen und seiner entwicklung mit dem römisch -gallischen kriege Cäsar's in vergleich zu stel- len. Er geht sodann zu einer Schilderung des gallischen Vol- kes und seiner eroberungszüge über und findet, wie der ehe- malige kaiser Napoleon, dass ein krieg gegen diesen erbfeind in Eom für ganz besonders volksthiimlich gelten musste, giebt jedoch bei diesem unternehmen dem persönlichen ehrgeiz Cä- sar's und streben nach der herrschaft über sein Vaterland den gebührenden antheil, den Napoleon aus naheliegenden gründen übergangen hatte, und lässt dann , knapp wie es der rahmen eines abendvortrags erfordert, die verschiedenen kriegsunterneh- mungen Cäsar's an dem zuhörer vorübergehen. In dem ganz gerechtfertigten bestreben, die ehemaligen Gallier den beutigen Franzosen als ähnlich an die seite zu stellen, begegnet es frei- lich dem Verfasser, sich hier und da auch wohl in dem rechten ausdruck zu vergreifen. Er schreibt den Galliern , wohl mehr an die jetzigen Franzosen denkend, p. 17 ^sittliche rohheit, vom glänzenden firniss äusserer civilisation bedeckt" zu ; diese Schil- derung „des glänzenden firniss äusserer civilisation" widerspricht gänzlich der von dem verf. p. 9 11 gegebenen darstelluug des eulturzustandes der Gallier und der characterisirung Cicero's gentibus immanibus et barbaris, welche er selbst anführt und be- zieht sich wohl eher auf die beschreibung , welche Tacitus (z. b. A. III, 40) ein Jahrhundert später von den Aeduerh giebt. Köchly kommt zuletzt wieder auf die Franzosen unsrer tage zurück und führt anerkennend an , dass sie , im gegensatz zu den Galliern der zeit Cäsar's, gegen äussere feinde stets einig und seit Jahrhunderten das gewesen sind, was wir erst jetzt anfangen zu werden „eiue nation ". Den beifall, wel- chen der verf. vor seinen zuhörern gefunden hat, wird mau sicherlich auch dem zum besten der deutschen invaliden - Stif- tung herausgegebenen büehlem zollen. Es ist auch in der form recht anziehend. Nur ist es mir aufgefallen, dass der verf. häufig die dem französischen eigenthüinliche art der inversion zur anwendung bringt: „das erste mal ist's, dass Deutschland mit Frankreich ordentlich krieg geführt" ; „das war es ja, was

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seit Jahrhunderten jeder klar erkannt hat etc."-, „es war nicht über ein Jahrhundert, dass das heutige Oberitalien romanisirt worden war; „das ist es, was wir nicht mehr partei-, sondern cliquenregiment nennen" u. s. w. Nicht erst seit dem letzten kriege, sondern seit längerer zeit schon hat man bei uns mit recht angefangen, diese aus der fremde ohne bedürfniss einge- führte wendung aus der deutschen rede zu verbannen.

57. Gallische zustände zu Cäsars zeit. Von Labarre, Programm des Friedrica - Wilhelms - Gymnasiums zu Neu Kap- pin. 4. 1870.

Der verf. glaubt, dass die darstellung der zustände Gal- liens zur zeit der eroberung des lande s durch die Kömer bisher weder erschöpfend noch durchweg zuverlässig dargestellt wor- den ist; er führt allerdings von den bisherigen arbeiten darüber nur 0. Klemm's „allgemeine kulturgeschichte der menschheit'* und des ehemaligen kaisers Napoleon 111. „geschichte Julius Cäsar's" an, übersieht also, dass derselbe gegenständ auch sonst schon tbeils in besonderen monographien, theils in ausführlichen aufsätzen in Zeitschriften behandelt worden ist. Er benutzt fer- ner als hauptquelle nur Cäsar's bellum GalUcum, Strabo und Diodor; und doch lässt sich das leben und der eulturzustand der Gallier nicht erschöpfend behandeln, wenn man nicht auch die denkmäler und die münzen , welche in der letzten zeit in überraschender fülle zu tage gefördert worden sind und die auf veranlassung des kaisers unternommenen ausgrabungen, welche über so viele dinge licht verbreitet haben, zugleich berücksich- tigt. Die abhandlung ist in drei abschnitte getheilt : 1) die po- litischen und socialen Institutionen ; 2) die localen eigenthümlich- keiten ; 3) die militairischen einrichtungen ; von diesen ist die letzte abtheilung, aus mangel an räum, nur theilweise veröffent- licht. In dem ersten theile der abhandlung vermisst man eine deutliche abgränzung der angemassten macht der prineipes von den gesetzlichen befugnissen des senats, so wie die klare Schil- derung der von Cäsar doch so stark hervorgehobenen gegen- überstellung einer demokratischen und einer aristokratischen partei in den sämmtlichen gallischen staateu. Da die plebs, wie Cäsar sagt, für sich keine bedeutung hatte, so konnte eine demokratische partei nur dann zur geltung kommen, wenn sich

134 57. Julius Cäsar. Nr. 3.

ein princeps an ihre spitze stellte , wie Dumnorix bei den Ae- duern, Casticus und vor ihm Catamantaloedes bei den Sequanern u.s.w. Hatte der adel die überhand, so war der ganze staat aristokratisch, wie die Aeduer vor dem principatus des Dumno- rix unter der leitung seines bruders Divitiacus. Der streit der Sequaner und der Aeduer war ein ähnlicher wie derjenige, wel- cher Athen und Sparta entzweite , der kämpf eines demokra- tisch und eines aristokratisch regierten Staates. Die demokra- tischen Sequaner hatte Ariovist gegen die aristokratisch regier- ten Aeduer zu hülfe gerufen-, wenn gleichwohl der aristokrat Divitiacus sich für die Sequaner bei Cäsar verwendete, so that er es in der hoffnung, dass die aristokratische partei durch das einschreiten desselben bei ihnen das übergewicht bekom- men würde. Der senat (oder adelsausschuss) stand im gegensatz zu den principes, wenn diese demokraten waren ; er war ihnen ergeben, wenn sie der aristokratischen richtung angehörten; die magistrate ( Vergobrete) waren bisweilen aus der aristokratischen, bisweilen aus der demokratischen partei hervorgegangen, je nachdem die eine oder die andere partei die überhand hatte und befanden sich daher hier und da im gegensatz zu den principes oder denen , welche nach der königlichen macht streb- ten, ein andermal waren sie ihnen befreundet. Die aristokrati- sche partei, welche unter andern bei den Remern und gewöhn- lich auch bei den Aeduern die oberhand hatte, schloss sich an Cäsar an; dies zeigt das beispiel des Divitiacus, des Tasgetius u. s.w.; und wenn die demokratischen principes, wie im zweiten kriegsjahr bei den Suessionen, das volk zum krieg gegen die Römer aufgefoi'dert hatten, genügte ihre flucht, um es, unter vortritt des Senats , zur Unterwerfung unter Cäsar zu bringen. Wenngleich diese und manche andre Verhältnisse, so klar sie auch in den commentarien hervortreten, nicht genau genug in der abhandlung dargestellt worden sind, so ist doch die Zu- sammenstellung des verf., weil er überall seine quellen für sich sprechen lässt, ganz verdienstlich ; dass ihm in seiner kleinen stadt eben keine anderweitigen hülfsmittel zu geböte gestanden haben, ist wenigstens nicht seine schuld.

58. Observationes grammaticae in Sallustium. Scripsit Guil. Lilie. Progr. des gymnasiums zu Jauer 1870. 22s. 4

Nr. 3. 58. Sallustius. 135

Im gegensatze zur mehrzahl der neueren arbeiten über den Sprachgebrauch einzelner autoren beschränkt sich die abhand- lung von Lilie keineswegs auf die statistische Zusammenstellung einzelner sprachlicher erscheinungen , sondern behandelt ihren stoff streng rationell. Ia der vf. ist in diesem löblichen stre- ben sogar entschieden zu weit gegangen, indem er nicht sowohl die thatsachen durch seine abhandlung beleuchtet, als vielmehr seine theoretischen erörterungen in den mittelpunkt stellt und durch die als belege angeführten thatsachen illustrirt. So bie- ten diese Observationes grammaticae etwas ganz anderes , als der titel erwarten lässt; sie sind eher ein capitel aus der allgemei- nen grammatik mit belegen aus Sallustius, als ein beitrag zur kenntniss sprachlicher eigenthümlichkeiten des Schriftstellers zu nennen. Das thema betrifft den unterschied zwischen der par- ticipialconstruction und der anwendung vollständiger nebensätze. Von den drei theilen, in welche die Studie zerfällt, wird in der vorliegenden schrift nur der erste behandelt, welcher die als adjectiva zu Substantiven gefügten participia erörtert. Der zweite theil, welcher die als substantiva gabrauchten participia behandelt, und der dritte über diejenigen participia, welche ih- ren verbalen Charakter bewahrt haben, soll später nachfolgen. Was zunächst hier geboten wird, ist mit gründlichkeit, ja Um- ständlichkeit ausgeführt; das schwerfällige ein mal (p. 7) auch durch einen sinnstörenden fehler entstellte latein, die einförmige darstellungsweise und die zahlreichen Wiederholungen in gedan- ken und phrasen machen die leetüre weniger erquicklich. Mit eingehender Sorgfalt versucht der verf. aus der je nach form und bedeutung verschiedenen natur der participia bestimmte regeln über die beschränkung ihres gebrauches zu entwickeln; aber während er einzelne unbequeme beispiele hinweg zu inter- pretiren versucht , ist er bisweilen zu künstlichen oder auch nachweisbar unrichtigen auffassungen und deutungen gelangt. Wenn z. b. p. 6 behauptet wird, man könne Jug. 46, 6 mu- nito agmine (incedere) und 100, 1 quadrato agmine (incedere) als absolute ablative fassen, so widerlegt sich dies durch beispiele wie or. Lep. 24 tanto agmine atque animis incedit oder Hist. fr. III, 71 D. ire laxiore agmine. In der stelle ep. Pomp. 6 quid deinde proelia aut expeditiones hibernas, oppida excisa aut re- cepta enumerem, weist sowohl der ganze Zusammenhang als auch

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der begriff enumerare unzweifelhaft darauf hin, dass an einzel- nes zu denken ist. Dennoch behauptet der vf. p. 17 f., dass nicht singulae urbes, sondern totum genus urbium zu verstehen sei ; von einem totum genus proeliorum oder einem genus expedi- tionum hibemarum aber schweigt der vf. ; freilich könnte hier nicht einmal der schein für seine künstlich ersonnene deu.ung sprechen. Doch bildet eine reihe feinsinniger erklärungen ein volles gegengewicht gegen solche deutelnde Übertreibungen und machen die schrift von Lilie zu einer wirklich belehrenden, de- ren fortsetzung man mit Spannung erwarten darf.

59. Quo iure Sallustius Tacito in describendis Germanorum moribus auctor fuisse putetur. Scr. Carol. Breuker. Progr. des Friedr -Wilh.-gymn. zu Köln 1870. 14 s. 4.

Nach strengen Worten gegen die conjecturalkritiker wird vom vf. dieser schrift als optima ratio vitia, quibus peccant multi iicpie praeclarissimi homines , perspicue demonstrandi ein exempel verheissen, wozu R. Köpke's deutsche forschungen und Th. Wiedemann's abhandlung über eine quelle von Tacitus Germa- nia den stoff bieten sollen. Aber dieser stolzen ankiindigung folgt die überraschende Vertröstung auf einen zweiten theil, in welchem erst der beweis geführt werden soll , homines Mos do- ctissimos nimia narium sagacitate deeeptos magis verborum quam rerum studlosos mera somnia pro veris venditasse. Der vorliegende theil gibt nichts weiter, als eine recapitulation des von jenen beiden forschem gebotenen bevveises. Es will daher bei dem mangel selbständiger forschungsergebnisse des vfs. für die be- urtheilung seiner schrift wenig bedeuten, wenn manche punkte in seiner darstellung als bedenklich bezeichnet werden, z. b. über die angeblich gleiche Ordnung in den übereinstimmenden stellen des Vergilius und Tacitus ; über die aus den worten des vfs. keineswegs erhellende nothwendigkeit, die directe benutzung der Georgica in der Germania zu leugnen; über den durch nichts gerechtfertigten satz, dass Tacitus von zwei Schrif- ten (duobus scriptis) für seine Schilderungen über wohnung und kleidung und über sitten und gewohnheiten der Germanen ge- brauch gemacht habe ; über die von Sallustius und Tacitus ge- gebene Charakteristik, die nur auf jenen vollständig passt. Auch steht es einer schrift, die über die methode anderer forscher

Nr. 3. 60. Tertullianus. 137

den stab bricht, übel an, wenn sie in den einfachsten dingen sich selbst widerspricht, wie wenn Cornelius Nepos unter die scriptores summt ingenii atque artis excellentissimae gerechnet und gleich darauf als scriptor tanta negligentia atque credulttate bezeich- net wird. Aber das schlimmste ist der man<rel irgend weicher andeutungen, an welche die in aussieht gestellte kritik im zwei- ten theile anknüpfen könnte. Er lässt befürchten, dass dort eine Wiederholung dieser Wiederholung geboten werde ; uud dadurch wird die beweisführnng nur breit, nicht stark. Soll ref. seinen Standpunkt zur vorwürfi-ren frage kennzeichnen, so muss er die beriihrungspunkte zwischen Vergilius Georgica III (über die Scy- then) und Horatius III , 24 (über die Geten) mit Tacitus Ger- mania als spuren gemeinsamer benutzung der Historien des Sallustius für unzweifelhaft erklären. Dagegen scheint ibm die frage, ob jene uns nicht erhaltene stelle des Sallustius auch auf die Germanen bezng genommen habe, noch nicht erledigt. Je nachdem man diese sicher entscheiden kann, wird dann ent- weder Sallustius als eigentliche quelle der Germania gelten müssen oder wird anzunehmen sein, dass Tacitus manches von Sallustius über Scythen (vgl. Just. I, 8, 7) erzählte auf die Germanen übertragen habe, wie auch eine stelle (5) seiner Schil- derung Germaniens an die angaben des Sallustius über Afrika (Jug. 17, 5) erinnert. In letzterem falle ist Sallustius nicht historische quelle, sondern auch hier nur stilistisches vorbilddes Tacitus gewesen.

60. Das neue testament Tertullians. Aus den schritten des letzteren möglichst vollständig reconstruirt, mit einleitungen und anmerkungen textkritischen und sprachlichen Inhaltes. Von Hermann Rons eh. 8. Leipzig. Füs's verlag (R. Reisland). 1871. 42/3 thlr.

H. Rönsch, bereits durch sein werk Itala und Vulgata rühm- lichst bekannt, hat auch in dieser neuen schrift seinen beruf zu solchen arbeiten bethätigt. In den höchst lesenswerthen be- merkungen (p. 1 44) bringt er zum verständniss das nöthige über Tertullian's lebensverhältnisse , schritten (besonders über die mutmassliche reihenfolge ihrer abfassung) und biblische citate bei. Dann widmet er ein besonderes capitel dem neuen testamente Tertullians, indem er die bezeichnungen der bibel

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und ihrer theile bei Tertullian, ihre eintheilung und den be- stand nach den einzelnen büchern bespricht (p.45 54). Hier- auf folgt das eigentliche neue testament Tertullian's in zwei haupttheilen, den evangelica instrumenta (den vier evangelien) und den apostolica instrumenta (den übrigen Schriften des neuen testaments). Die einrichtung ist der art, dass die erste columne jeder seite die directen citate enthält, welche den eigent- lichen Wortlaut des textes, der bisweilen durch ausdrück- lichen hinweis eingeleitet ist , vor äugen stellt , die zweite co- lumne dagegen die indirecten anführungen in der oratio obliqua beibringt , ferner neutestamentliche ausdrücke, anklänge u. s. w., nebst proben tertullianischer exegese und reflexion (p. 55 574). Angefügt sind anmerkungen zu den neutestament- lichen citaten (p. 575 726). Den beschluss macht ein regi- ster über die in den anmerkungen besprochenen Wörter u. s. w. Die citate sind nach der Semmler'schen ausgäbe des Tertullian, doch mit eigener auswahl anderer lesarten , wo die von Semm- ler aufgenommenen nicht zu genügen schienen , weshalb unter dem texte die discrepantia lectionis nach der Oehlerschen aus- gäbe (von der sonst der verf. nicht viel zu halten scheint) ab- gedruckt ist.

Wir haben für unsere zwecke hier nur die anmerkungen zu berücksichtigen , aus denen wir daher unsern lesern das wichtigste vor äugen führen wollen.

P. 583 wird retro = antea, olim , prius besprochen und mit stellen aus den Eccl. belegt, welche in den Lexicis fehlen. P. 584 wird über aemulus = adversarius, inimicus, über aemu- latio = adversatio, invidia, über aemulor = adversor u. dgl. ge- handelt. — P. 587 wird die bedeutung von sub = coram bei Petron. 118 durch den häufigen gebrauch bei Tertullian bestä- tigt. — P. 595 wird advocare = naoaxa'ke.iv (trösten, auf- richten) in drei stellen des Tertullian gegen Hildebrand zu Apul. Met. 1, 21, p. 65, der avocare lesen will, mit recht in schütz genommen. P. 595 f. wird über expungere = aus- thun (streichen) und = abthun, auszahlen, zufriedenstellen, ge- handelt. — P. 598 werden tubicinare und tubare = aaXnC^eip aus alten bibelübersetzungen nachgewiesen, wozu wir bemerken, dass tubicinare auch so bei Augustin. in Psalm. 76. no. 4 (noli tubicinare ante te) steht. P. 602 ff. wird si forte = et iv%oi in

Nr. 3. 60. Tertullianus. 139

verschiedenen bedeutungen bei Tertullian nachgewiesen. P. 604 wird über famulo als factitivum von famulor gesprochen, wozu wir bemerken, dass famulo sich aucb Diom. p. 360 P. (= p. 368, 18 K.) findet. P. 604 f. handelt der verf. aus- führlich über ableitung und bedeutung von suggilare, wobei er bemerkt, dass suggilo (nicht suggillo) wohl die älteste Schreibart zu sein scheine. Allerdings hat auch Varr. Sat. Men. (lex Mae- nia) 48, 6 (2) cod. Leid, suggilent, und Gloss. „suggilatus vtio- s7/«(7t>£/V" 5 und Mommsen schreibt Ulp. Dig. 2, 4, 10, §. 12 auch suggüat. Wir erinnern dabei an focilo früher auch facillo in den ausgaben geschrieben. P. 612 bespricht consistere als t. t. der fechtersprache = sich feststellen, dann übertragen auf das forum = vor gericht streiten, und seine sache wider jemand behaup- ten. — P. 613 f. wird gesprochen über capit absolut oder mit folgendem infinitiv, oder mit folgendem ut = es ist möglich, zulässig, kann füglich oder recht wohl. P. 620 ff. wird ausführlich über dispungere gehandelt, dessen bedeutungen in den lexicis noch nicht genau genug ertörtert sind. Es ist bald = vergleichen und berechnen, bald = vergleichen und ausgleichen. Zu dem p. 623 über lactans (== saugend, von jungen thie- ren) gesagten bemerken wir, dass diese form (nicht lactens) nicht blos in den alten bibelübersetzungen, sondern auch Edict. Diocl. 4, 46 (wo porcellus lactans) vorkommt; auch Pelagon. vet. 12, p. 55, wo statt vel etiam iactans occiditur, gelesen werden muss: vel etiam lactans (sc. porcellus) occiditur ; vgl. Gloss. Labb. : „lactans, yaXovyovfxsvog ; yuAa&rivög" , weshalb Schuch Apic. 8. §. 387 wohl auch mit cod. Vat. 1145 und 1146 in porcello lactante (nicht lactente) schreiben musste. Die behauptung p. 632, dass antistes durchgängig nur = tempelvorsteher , wird durch zwei vom verf. aus Tertullian selbst angeführte stellen widerlegt, nämlich Apol. 1 in., wo Romani imperii antistitis, und Pall. 4 extr., wo latrinarum antistites ; ausserdem s. Colum. 3, 21, 16. P. 633 wird merito mit genitiv = kraft, auf grund, wegen, besprochen, und mit stellen aus den EccI. und dem Cod. Just, belegt. Dieselbe wendung findet sich auch oft bei den Scriptor. hist. Augustae, z. b. Capitol. Maxim, et Balb. 9, 5. Treb. Poll. trig. tyr. 22, 7. Lampr. Heliog. 6, 2. P. 641 wird laciniosus in übertragener bedeutung genauer als in den lexicis durch schwülstig, schwerfällig, weitschwei-

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fig erklärt. P. 649 wird die existenz des Wortes sonium = cura nachgewiesen. P. 667 f. wird genauer als in den lexi- cis über passivus (von pando) = keinen unterschied machend, ohne unterschied und beliebig geschehend, unstät , regellos, ge- handelt. — P. 676 f. handelt der verf. über die verba auf ficare (z. b. ludificare) und bespricht dann ausführlich ableitung und bedeutung von prodificare , welches er als gleichbedeutend mit ludificare nachweist. Wenn Rönscb p. 684 strumentum = instrumentum bei Tertull. ad uxor. 1, 7 in. (wo Oehler in- strumentum) durch Apul. Met. 8, 30 belegen will, so ist diese autorität sehr zweifelhaft, da Hildobrand und Eyssenhardt dort stramentis lesen, nicht strumentis, wie Rönsch aus ed. Bip. p. 187 citirt. P. 685 weist der verf. detexere in der bedeutung unten einsäumen, verbrämen aus Fronto laud. fumi §. 4 (p. 211 Nab.) und Tertull. pudic. 14 und resurr. 43 nach. Zu p. 688 ad summam bemerken wir, dass diese verbiudung nicht Cic. ad Attic. 15, 5, sondern 7, 7, 7; 14, 1, 1 und ad Fam. 14, 14, 2 steht. P. 695 bespricht der verf. das ver- bum praevaricari in der bedeutung sich der untreue, des abfalls (der apostasie) schuldig machen. Zu p. 709 bemerken wir, dass aqualiculus bes. = schweinsmagen, s. Schuch zu Apic. 7, 7, §. 289 (wo im texte agualiculum zu le- sen ist).

K. E. G.

61. Hellas und Rom. Populäre darstellung des öffentli- chen und häuslichen lebens der Griechen und Römer. Von Albert Forbiger. Erste abtheilung : Rom im Zeitalter der Antonine. Erster band. Leipzig. 1871. 8. 420 s.— 2 thlr.

Ueber den zweck des vorliegenden buches spricht sich der Verfasser in der vorrede dahin aus , dass es nicht etwa für die zunft der gelehrten bestimmt sei , sondern die kennt- niss des culturlebens der Griechen und Römer in weitere kreise bringen soll. Daher kann der werth desselben nicht so sehr in neugewonnenen resultaten bestehen, als vielmehr in ei- ner sorgfältigen und übersichtlichen Zusammenstellung des vor- handenen materials. Nur auf die Vermehrung der citate legt der Verfasser gewicht; denn die anmerkungen seien allerdings für die gelehrten geschrieben, während der text auf ein grosse-

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res publicum berechnet sei; daher sei „um die aufmerksamkeit des lesers mehr zu fesseln , die form einer reisebeschreibuug oder eines von einem gleichzeitig lebenden Griechen abgefassten tagebuchsa gewählt; die besprechung von einzelnbeiten dage- gen in die anmerkungen verwiesen. Ob man dieses verfahren gutheissen darf, ist mindestens sehr fraglich; wenigstens ist wohl heutzutage, besonders nachdem Friedländer in seinem vor- trefflichen, jetzt vollendeten werke gezeigt hat, in welcher art solche darstelluDgen populär und doch streng wissenschaftlich gegeben werden können, kaum mehr ein zweifei darüber, dass die ähnliche einkleidung in den bekannten werken Becker's, Charikles und Gallus, keineswegs dazu beigetragen hat, den werth dieser sonst überaus verdienstlichen arbeiten zu erhöben. Ein historischer roman darf kein lehrbuch sein und ein lekr- buch kein roman, denn die form ist nicht etwas rein äusser- liches, sondern bedingt die ganze anläge uud disposition des Wer- kes. Man kann nicht leugnen, dass die von Forbiger gewählte einkleidung sich ungleich leichter dem gegenstände anpasst: eine reisebeschreibung hat immer ein didactisches element in sich und ist sehr geeignet, in das kulturleben eines fremden Volkes einzuführen. Aber geschick gehört freilich auch dazu und dieses geschick, die darstellung einigermassen zu belebten, zu individualisiren und auch nur für einen moment d-n eindruck zu erwecken, dass man es wirklich mit einem reisenden Griechen zu thun habe, auf den der anblick von Rom und von römischem leben unmittelbar einwirkt dies geschick fehlt Forbiger leider gänzlich. Mit eingestreuten bemerkungen, wie p. 14 über die fischsauce (garum) : ,,doch gestehe ich offen, dass ich nicht recht begreife, wie die Kömer so grossen geschmack daran finden können, wenn ich auch nicht leugne, dass es ein sehr pikantes geriebt ist", oder p. 251: „nun aber wäre es unverantwortlich gewesen, das brautpärchen noch länger stören zu wollen", oder p. 284: „wäre es mir nun auch ungleich erwünschter gewesen, meine neugier (nämlich bei der toilette zu assistiren) im hause einer anständigen dame befriedigen zu können" mit solchen und ähnlichen bemerkungen glaubt der Verfasser seiner pflicht zur cha- racterisirung des erzählers genug gethan zu haben und wohlweis- lich wird derselbe sofort aller nationalität durch seine eigene erkläiung (p. 13) entkleidet: „ich werde, wie in allen folgen-

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den Schilderungen, auch was mit den griechischen sitten völlig übereinstimmt, so darstellen, als ob es mir neu wäre".

Man wird vielleicht einwenden , dass das hervortreten der persönlichkeit und seiner individuellen anschauung nicht dem rein didactischen zwecke des buches entsprechen würde, mag sein, aber was beweist das anderes, als dass auch diese form der dar- stellung dann eine verfehlte ist? Und doch, selbst wenn die person desbescbreibers ganz im hintergrunde bleiben sollte, so konnte doch der stil wenigstens und die darstellung einigermassen geschickt und belebt sein. Aber das ganze buch liest sich wie eine un- gelenke Übersetzung aus einer fremden spräche und zahlreiche parenthesen hemmen den leser auf schritt und tritt ; man sieht eben überall , dass Forbiger nichts weiter im sinne hat , als nur ja keine kostbare notiz, die er in seinen excerpten ver- zeichnet fand, dem leser vorzuenthalten und ist es ganz un- möglich, dieselben sofort zu verwerthen, so tröstet er uns mit der öfters wiederkehrenden Versicherung , dass er darauf noch an einem anderen orte eingehend zurückkommen werde. War gar keine passende stelle zu finden, so musste ein anhang am Schlüsse des kapitels gemacht werden, wenn derselbe auch mit dem vorhergehenden absolut nichts zu thun hat ; geradezu ko- misch ist es z. b., in welcher weise der Verfasser eine ausein- andersetzung über die entstehung und entwickelung der patri- cier, plebejer und ritter, die überdies auf einem äusserst niedri- gen niveau steht, am ende des ersten kapitels angeknüpft hat. Unser Grieche wird nämlich von seinem vornehmen römischen gastfreunde Sulpicius seiner geraahlin vorgestellt, „die gleich ihrem gatten einem alten patricischen geschlechte angehörte"* . . . „Diese erwähnung ihrer patricischen herkunft aber bestimmt mich, alles was ich namentlich durch mittheilung des Sulpicius und Narcissus, aber auch aus büchern , die mir letzterer aus seinem laden lieh, über die Verhältnisse der drei stände(!) in Rom, patricier, ritter und plebejer, in erfahrung brachte, unten am ende dieses kapitels meiner erzählung als anhang kurz zu- sammenzustellen". Schon am folgenden tage, nachdem er mit Narcissus (einem freigelassenen des Sulpicius, der einen buch- handel eröffnet hat) eine grosse rundreise in Rom gemacht und bei seinen gastfreunden unter sehr belehrenden gesprächen sou- pirt hat, wird das versprechen eingelöst: „ich zog mich auf

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mein zimmer zurück, um noch bis in die nacht hinein in den mir von Narcissus geliehenen geschichtswerken zu studiren und theile schon hier das resultat meiner forschungen über die entstehung und Verhältnisse der drei stände Korns als anhang meiner heutigen erlebnisse mit" : wir hätten gern auf die fol- genden theils trivialen, theils falschen ausführungen verzichtet und dem müden Griechen etwas mehr schlaf gegönnt , um sich für die Wanderungen des folgenden tages und ihre beschreibung zu stärken.

Es ist nicht unsere absieht, ihn auf allen seinen irrfahrten zu begleiten; zum theil sind es auch bedenkliche orte, in die ihn sein führer Narcissus bringt, aber wir sehen mit befriedigung, dass der keusche Grieche, seinen übrigen landsleuten jener zeit wenig ähnlich, überall nur die gelegenheit benutzt, seine und unsere kenntnisse zu bereichern.

Wir wollen nicht ungerecht gegen den Verfasser sein : er hat sich redlich bemüht, ein grosses material aus ursprüngli- chen und seeundären quellen zu sammeln und zu verwerthen, und man wird den abhandlungen über das römische haus, villa, landleben, familienleben, Schauspiele u. s. w., wenn sie auch we- nig neues enthalten, fleiss und genauigkeit im detail nicht ab- sprechen ; aber zu einer populären darstellung fehlt ihm durch- aus alle begabung. Hätte er sich damit begnügt, eine Schilde- rung dieser interessanten erscheinungen etwa für vorgerückte schüler zu geben, so würde das buch, obgleich ein eigentliches bedürfniss dafür nach B<jcker's und Friedländer's arbeiten ebenfalls nicht vorlag, nicht ganz ohne nutzen gewesen sein ; hoffent- lich wird der Verfasser, wenn er die versprochene fortsetzung liefern sollte, auf eine solche halb romanhafte einkleidung ver- zichten und sich auf eine einfache und übersichtliche darlegung des materials beschränken. O d.

62. Lehrbuch der griechischen privaialterthümer mit ein- schluss der rechtsalterthümer von Karl Friedrich Her- mann. 2. auf!., unter benutzung des vom Verfasser hinterlas- senen handexemplars neu bearbeitet von Dr Karl Bernh. Stark, professor in Heidelberg. Heidelb. Mohr. 1870. 8. XIX und 595 seiten. 2l/2 thlr.

Wir haben den ersten theil dieses bandes im Philol. An-

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zeiger bereits besprochen. Auch der zweite theil enthält über- all reiche Zusätze, wie z. b. der ganze §. 50 über hühere be- rufszweige eingeschaltet ist: daher der index, welcher früher 16 seiten betrug, jetzt deren 35 enthält.

Ich erlaube mir wiederum einige nachtrage zu machen. §. 33 anm. 39 konnte bei dem xslidöriafAa bemerkt werden, dass noch jetzt die kinder in Griechenland am 1. märz ein ähnliches lied singen , während sie eine hölzerne schwalbe auf einem cylinder umdrehen. Das. anm. 27 handelt von puppen: man vgl. dazu Heydemaun im Bull. d. inst, di corr. arch. Rom 1868, welcher p. 38 solche auf attischen grabmälern nachweist, p. 35 einen drachen, dsrög, auf einer vase in Neapel. Eine thon- puppe, ein mädchen, mit beweglichen gliedern aus einem grabe der Krim bildet Stephani compte-rendu pour 1868 auf taf. 1, no. 18 ab, G. Krüger im programm des Charlottenburger pro- gymn. (Berl. 1866) über Charon und Thanatos ein spielwerk aus Athen, wohl einen kinderkahn, Valentin im Jubelprogramm für Gerhard 1865 eiaen knaben, welcher einen kleinen wagen zieht, von einer vase aus Canosa zu München. Dies würde zu 23, 25 gehören. §. 37, 16 bei dem (paivii öVspiel ist schob ad Clem. Alex. vol. 4 p. 135 Klotz, mit recht ausgelassen als aus Pollux entlehnt. Auf kunstwerken weist dies spiel Ste- phani compte-rendu pour 1863 p. 13 anm. 3 nach. Ich ver- misse §. 33 den aay.roXiaapirx; , über welchen ausführlich Gras- berger Eos 1865, p. 329 handelt, und die ecoloxQaoia bei Pho- tius, Bekker Anecd. I, 258, Eust. zur Od. 1451, 56, Apostol.prov. 18, 70 mit Leutschs anm. , und Stephani compte-rendu pour 1868 p. 89 f., welcher sie auch auf einer vase findet. Zu 37, 3 kommt noch Clarac mus. de sculpt. band 4, pl. 712, no. 1696, ein Faun, welcher über einen geschwungenen strick spriugt. Das reifeuspiel (33, 20) ist auf vielen vasen in Sicilien darge- stellt, besonders auf lt]xv&ois: s. Benndorf arch. anz.1867, p. 114*. So viel zu den spielen. Zum Unterricht §. 34 gehöriges bietet noch 0. Jahn handwcrk p. 288 ff. §. 35, 5 wird der scliüler- tafeln aus ägyptischen grabern gedacht. Vgl. dazu Fröhner soc. de numism. et d'arcMol. Paris 1867, p. 5 ff. f wo vier sol- che zu Marseille und eine in New - York genau beschrieben werden, die letzto nach besserer copie als von Welcher Khein. Mus. XV, p. 155. Ein schwarzer ziegel zu Athen mit einge-

Nr. 3. 63. Archäologie. 145

ritzten buckstabirübungen ag ßao u. s. w. sg ßsg u. s.w. r}Q und so fort durch alle vocale ist behandelt Philistor 4, p. 527. Zu § 35: über das rechnen der Griechen s. Cantor rnathem. beitr. p. 126. Zu §. 48, 8 über Wechsel fehlt das gelehrte buch von Gneist: die formellen vertrage des neueren römischen Obligationenrechts in vergleichung mit den geschäftsformen des griechischen rechts. Berlin 1845 , besonders p. 414 482. Zu §. 65 : über die bei der adoption gebräuchlichen ausdrücke s. Keil Rhein. Mus. XX, p. 535: yorcp, yevei, vpvast, qvaixog na~ tqg \'>yty, k«#' vjinOtGi'ar , xaza noiqaiv. In Attika wenig- stens bleibt der alte name, doch tritt der neue demos dazu. Diese notizen mögen als kleine beitrage zu dem in der bear- beitung von B. Stark sehr verbesserten handbuche dienen.

Gustav Wolff.

63. Der Parthenon, herausgegegeben von Adolph Mi- chaelis. Mit einem atlas und einer hülfstafel. 8. Leipzig, Breitkopf und Härtel, 1871. 10 thlr.

Bei l) der ungemeinen Wichtigkeit, welche der Parthenon für die kunstwissenschaft besitzt , und bei der Schwierigkeit, die es für den einzelnen hat , sich mit dem überall zerstreuten künst- lerischen und wissenschaftlichen material vollständig bekannt zu machen, war eine erschöpfende Zusammenstellung und kritische Sichtung des vorhandenen schon längst zur nothwendigkeit ge- worden, zumal da jetzt wohl kaum noch eine weitere Vermeh- rung des Stoffes durch neue entdeckungen zu erwarten steht. Der Verfasser hat dies dankbare aber auch mühselige unterneh- men, über welches er bereits früher auf der philologenversamm- lung zu Halle mittheilungen gemacht hatte, jetzt in einer weise zu ende geführt, die dem werke eine hervorragende stelle in der archäologischen literatur sichert. Für die einrichtung des atlas ist eine neue und sehr praktische methode angewendet worden, die dem philologen übrigens so nahe liegt, dass man sich wun- dern muss, sie jetzt zuerst angewendet zu sehen. Wie bei der herausgäbe eines alten Schriftstellers eine bestimmte handschrift zu gründe gelegt wird und die abweichungen der übrigen nur in form von noten unter dem texte ihre stelle finden , so enthält auch der atlas grössere zusammenhängende textstreifen

1) S. ob. nr. 1, p. 50 flgg. Die Wichtigkeit des werks wird diese zweite anzeige rechtfertigen. E. v. L.

Philol. Anz. IV. 10

146 63. Archäologie. Nr. 3.

abbildungen der originale resp. der der Carreyschen Zeich- nungen — während alles andere, was zur ergänzung oder be- richtigung dienen kann, in kleinerem formate, so zu sagen in notenform, darunter beigefügt ist, und zwar nicht in überflüssi- ger Vollständigkeit, sondern nur in den jedesmal wichtigen thei- len. Dadurch wurde die wünschenswerthe Übersichtlichkeit ge- wonnen und unnöthiger luxus vermieden. In ebenso sparsa- mer und übersichtlicher art wird auch das umfangreiche wis- senschaftliche material mitgetheilt ; die verschiedenen erklärungs- versuche früherer sind mehrfach in tabellenform oder sonst in möglichst knapper fassung mitgetheilt. Trotzdem ist aus dem texthefte, welches der titel des atlas verspricht, ein recht ansehn- licher band geworden, wofür man dem Verfasser nur dank wis- sen kann. Namentlich ist die Sammlung aller auf die panathe- näen bezüglichen stellen und der den parthenon betreffenden inschriften eine erwünschte zugäbe. Dass übrigens ein buch, welches einen so oft untersuchten gegenständ behandelt, nicht viele neue entdeckungen bringen kann, versteht sich von selbst. Die kritik der bisher aufgestellten eiklärungen musste in den Vordergrund treten, und sie wird durchweg mit einsieht und Unparteilichkeit und ohne wortaufwand geübt.

Referent hat in dem buche nur wenige punkte gefunden, bei denen er sich mit dem Verfasser im Widerspruch weiss. Der wichtigste unter diesen punkten ist die erklärung der sta- tue D des ostgiebels als Diouysos. Michaelis widerlegt sich aber gewissermassen sogleich selbst, wenn er sagt : ,;nächst Dio- nysos hätte wohl der attische gott Herakles die nächsten an- spräche auf diese figur". Ist dies wirklich so, kann die statue sowohl für einen Dionysos wie für ein Herakles gelten , so hat Phidias von charakterisiruug keinen begriff gehabt. Ueberdies hat Dionysos so wenig wie Herakles irgend ein anrecht auf einen platz im ostgiebel, da beide zur zeit der geburt Athene's noch nicht existirten. Der künstler kann zwar unter umständen von der Chronologie absehen , wie z. b. Lukas Kranach sich selbst bei der kreuzigung darstellt. Hier ist aber eine geistige ge- meinschaft vorhanden , was von den im ostgiebel vermutheten personen nicht gilt. Hier müssen wir uns au die thatsachen halten, dass in D ein junger mann von eisenfester muskulatur dargestellt ist, dass es einer der Olympier sein muss, und dasa

Nr. 3. 63. Archäologie. 147

er ehedem als attribut einen stab von bronze (eine lanze) in der hand gehabt hat, auf dessen befestigung noch ein bohrloch hinweist. Alles dies passt ausschliesslich auf Ares.

Die erklärung der erwähnten giebelstatue wirkt wiederum ein auf die erklärung der figur 25 des östlichen frieses, in der Michaelis ebenfalls den Dionysos erkennen will. Auch diese gestalt zeichnet sich durch ihren kraftvollen körperbau aus, und die erhebung der linken hand wird nur verständlich, wenn man eine lanze als attribut annimmt. Da überdies zur erklä- rung der götterversammlung schon sämmtliche namen der Olym- pier in anspruch genommen sind, so bleibt auch hier nur Ares übrig.

Der irrthum des Verfassers hat schliesslich auch noch auf die beurtheilung stylistischer besonderheiten eingewirkt. Er meint, dass bei der ausführung der gibelstatuen verschiedene hände thätig gewesen sind, und beruft sich hierfür auf den un- terschied zwischen dem Dionysos, der einen anflug von sche- matischem, akademischem, stilisirtem habe, und dem Kephisos, der voll des allerindividuellsten lebens sei. Er übersieht, dass der unterschied nicht bloss in der ausführung, sondern schon in der auffassung liegt , dass er bereits in der ersten skizze, falls Phidias eine solche angefertigt hat, sich geltend gemacht haben muss. In der figur des Ilissos oder Kephissos , wie Mi- chaelis ihn nennt, beruhet der reizvolle fluss der Knien, so an- gemessen für das bild des flussgottes , auf dem doppelten mo- tive der bewegung, welches einigermassen an Corregio erinnert; für den ruhig daliegenden kriegsgott hingegen ergab sich die anwendung eines grossen styles aus der bedeutung des gegen- ständes. Diese Verschiedenheit deutet aber nicht auf verschie- dene hände. Phidias besass ebenso wie Beethoven nicht einen styl , sein universales genie vereinigte alle stylarten in sich, und seine eigenthümlichkeit besteht gerade darin, dass er jedem gegenstände die am meisten passende behandlung zu theil werden liess , dass er also z. b. einen strengen styl wie in D wohl bei einem Ares anwendete, aber nicht bei einem Dionysos.

In der götterversammlung des ostfrieses bezeichnet Michae- lis zwei figuren, die sonst Aeskulap und Hygieia hiessen, als Athene und Hephästos, und findet sogar bei der sitzenden ge-

10*

148 63. Archäologie. Nr. 3.

stalt des gottes eine andeutung des hinkens heraus. Hiernach muss es auffallen, dass das hinken in einem andern falle über- sehen worden ist, wo es weit deutlicher sich geltend macht, nämlich bei dem schreitenden manne in metope 17 der Südseite. Ich wenigstens kann auch hier nur Hephästos neben Athene erkennen. Der viereckige kästen oder korb in den händen der göttin, den übrigens Carrey sehr undeutlich ge- zeichnet hat, weil er die sich herausriugelnde schlänge nicht erkannte, deutet darauf hin, dass metope 17 und 18 zusam- mengehören, wie auch Michaelis annimmt. In 18 erkennt man allgemein die Schwestern der Pandrosos , welche wahnsin- nig zum abhänge der akropolis eilen, um sich herabzustürzen. Phidias folgte also jener sage, welche den Erichthonios zu ei- nem söhne des Hephästos und der Athene machte und die doppelmetope ist im wesentlichen nach Ovid. Metam. 2, 552 sq. zu erklären. Diesem zusammenhange schliesst sich dann me- tope 19 trefflich an, wenn wir hier mit ßröndsted Pandrosos als angehende priesterin der Athene sehen, wie sie von Telete oder Thenios belehrung über ihr priesteramt empfängt. Dies ist der natürliche Übergang zu 20 und 21, welche auf den kul- tus der Athene bezug haben. Nur dadurch, dass in 21 die Verehrung des vom himmel gefallenen bildes der Athene selbst dargestellt ist, enthält der mit 13 beginnende cyklus seinen abschluss; dieser abschluss fehlt aber, wenn wir mit Michaelis 21 zur folge der Centaurenkämpfe ziehen. Als idee aller neun me- topen ergiebt sich unschwer die entwicklung der kultur in Attika, und es ist wohl nicht ohne bedeutung, dass diese bilderfolge mitten zwischen die Centaurenkämpfe eingereihet ist, denn jene entwicklung vollzog sich nicht im frieden, sondern war begleitet von heroischen kämpfen gegen kulturfeindliche mächte. Eine symbolische auffassung des metopenfrieses aber wird zur noth- wendigkeit durch seine nahe Verbindung mit dem panatheuäi- schen friese. Beide zusammen sind der künstlerische ausdruck der ideen, welche in der berühmten leichenrede des Perikles bei Thucydides enthalten sind. L. G.

64. Kritische bemerkungen zur ältesten geschichte der griechischen kunst von Dr Eugen Petersen. 4. Programm des gymnasiums zu Ploen 1871.

Nr. 3. 64. Archäologie. 149

Diese mit reifem urtheil wie mit grosser schärfe und klarheit geschriebene abhandlung gehört unbedingt zu dem be- sten, was über die anfange der griechischen kunstgeschichte in neuerer zeit gesagt worden ist. Den ausgangspunkt der dreigetheilten Untersuchung bildet die frage nach der berechti- gung der annähme eines mehrhundertjährigen Stillstandes zwi- schen der homerischen zeit und den ersten historischen nach- richten über die anfange der griechischen plastik.

Bei der besprechung der kuust des homerischen Zeitalters, die den ersten abschnitt der eigentlichen Untersuchung bildet, con- centrirt sich das hauptinteresse natürlich auf den Achillesschild. Petersen schliesst sich hier der neuesten von Brunn herrühren- den besprechung dieses gegenständes insoweit an , als er aner- kennt, dass derselbe kein willkührliches phantasiegebilde sei, sondern der dichter rücksichtlich des Stoffes und der form nach analogien schildere. Mit recht ist er dagegen der ansieht, dass man auch nicht weiter gehen dürfe , und namentlich von einer räumlichen disposition der scenen über die einzelnen streifen durchaus absehen müsse, welche sich vorstellig zu machen der dichter auch nicht den geringsten anhält bietet. Brunn hatte ferner darauf aufmerksam gemacht, dass zwischen diesen äusse- rungen eines kunsttriebes , der allein darauf ausgeht ein ge- räth reich zu verzieren , und selbständig losgelösten kunst- werken ein sehr grosser unterschied sei. Auch Petersen ist dieser ansieht und er spricht es entschieden aus, dass diese ho- merische im wesentlichen vom Orient abhängige kunst mit nich- ten einfach als eine unvollkommene stufe der späteren be- trachtet werden dürfe.

Der in der beschreibung des homerischen Schildes als ver- fertiger des tanzplatzes der Ariadne angeführte Daidalos bildet den gegenständ der Untersuchung des nächsten capitels. "Wenn man in ihm immer noch den personificirten Vertreter einer wenn auch dem räum und der zeit nach weit auseinanderliegenden kunstübung sieht, so betont Petersen gewiss richtig, dass sich bis dahin niemand die mühe genommen, die auf ihn bezüglichen notizen in ihrer geschichtlichen abfolge zu prüfen. Geschieht dies, so ergiebt sich das einfache resultat, dass die ältere Über- lieferung in ihm durchaus nur einen mythischen tausendkünst- ler erblickt, der seinen statuen leben und bewegung, ja spräche

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zu verleihen weiss , ganz in Übereinstimmung mit den an wun- dern so reichen sagen, die sich an seinen aufenthalt in Kreta, Sicilien uud Athen anknüpfen. Erst eine spätere stark rationa- listisch gefärbte richtung versucht es erhaltene bildwerke mit seinem namen in beziehung zu setzen. Daidalos sollte es gewe- sen sein, der zuerst die figuren schreitend mit losgelösten armen und geöffneten äugen dargestellt habe. Indem die archäologie, wenn auch den Urheber selbstverständlich negirend, doch das factum jenes angeblichen fortschrittes anerkennt, so übersieht sie dabei wie jene nachricht sich schon dadurch als eine ge- machte erweist, dass sie nicht im stände ist das zu erklä- ren , was in der älteren Überlieferung als das wesentliche an den dädalischen gebilden hervorgehoben wird : die selbststän- dige bewegung. Auch wird es nicht zufällig sein, dass sich die Unterscheidung vordädalischer und nachdädalischer statuen nach den von den alten selbst an die hand gegebenen merkmalen an den uns erhaltenen bildwerken schlechterdings nicht durch- führen lässt. Diese betrachtungsweise wirft ein helles und schar- fes licht auf ähnliche fabelhafte gebilde, die bei Homer vor- kommen und für welche etwas wirkliches vorauszusetzen man daher bedenken tragen muss. Hat sich so ergeben, dass der daidalosmythus nichts weniger als einen historischen kern hat, so hört auch die Verpflichtung auf ihn chronologisch unterzu- bringen; jener unbequeme Zeitraum von 300 jähren stillstand denn vor Homer musste Dädalus doch wohl gelebt haben (II. 2, 599) fällt in sich zusammen und damit natürlich auch die nothwendigkeit ihn zu erklären.

Wie wenig begründet die bisherige annähme eines hierati- schen zwanges sei, ist Petersen bemüht im dritten abschnitt darzu- legen. Drei nachrichten, auf die man sich hauptsächlich dabei stützte , werden als nicht hierhergehörig abgewiesen. Auch an uns erhaltenen werken lässt sich die existenz eines solchen nicht nachweisen, und wenn behauptet wird, dass gewisse theile: gewand, haar und gesicht mit scheinbar verhaltener kunst im gegensatz zu den körpern gebildet seien, so erklärt sich das nicht aus einer Vorschrift der priester, auch nicht daraus, dass auf diese theile die nachahmung von so angekleideten kultus- bildern eingewirkt, sondern aus der naturgemässen entwicke- lung der kunst selbst, die diese theile, welche gewisse schwie-

Nr. 3. 65. Archäologie. 151

rigkeiten boten, eben noch nicht anders zu bilden vermochte. Doch ist es nicht unsere absieht durch diese mittbeilungen die leetüre dieser vortrefflichen und gehaltvollen schrift tiberflüssig zu machen , auf die wir um so nachdrücklicher hinweisen , je näher die gefahr liegt, dass sie das gewöhnliche Schicksal der schulprogramme theile. Z.

65. Vortrag über zwei antike köpfe des Baseler museums, gehalten an der elften Jahresversammlung des Vereins schwei- zerischer gymnasiallehrer von W. Vis eher. 4. Aarau, buch- druckerei von H. E. Sauerländer, 1871.

Die kleine schrift behandelt zwei für Basel erworbene an- tiken, erstens einen Apollokopf, der mit dem belvederischen die grösste ähnlichkeit hat und zweitens einen dem farnesi- schen verwandten Herakleskopf. Den in Basel befindlichen Apollo hält der Verfasser nach dem vorgange von Kekule" für das original, die belvederische statue für copie. In betreff des Herakles sagt er : „er ist wenn nicht selbst original, was dahin gestellt werden muss, doch nach dem griechischen originale in griechischem geiste, wenn auch vielleicht in Born gearbeitet; der farnesische ist unter römischem einflusse nach dem gleichen original, aus dem griechischen typus gleichsam in den römischen übersetzt".

Derartige Untersuchungen über original und copie sind heutzutage bei den archäologen sehr beliebt, und der uneinge- weihte würde über die feinheit der beobachtungen erstaunen, wenn nur nicht leider die einzelnen beobachter sich gewöhn- lich direkt widersprächen , wie z, b. im vorliegenden falle Ke- kule* und Brunn. Hat man aber erst die Überzeugung gewon- nen, dass die sichere entscheidung solcher fragen zu den Un- möglichkeiten gehört, und muss man trotzdem sehen, dass man- che archäologen mit gleicher ernsthaftigkeit wie Cicero's au- gurn die entscheidung fällen, so wird das erstaunen ganz ande- rer art. Giulio Romano konnte das portrait des papstes Leo, an dem er selbst in gemeinschaft mit Rafael gemalt, nicht von del Sarto's copie unterscheiden ; und dass unsere kunstrichter in dieser beziehung auch nicht klüger sind, hat der streit über die Holbeinschen Madonnen sattsam bewiesen. Und doch müsste bei der neueren maierei eine solche kritik noch am ersten zu

152 66. 67. Archäologie. Nr. 3.

ermöglichen sein, weil man hier sicher beglaubigte originale von der hand der grossen meister in genügender anzabl be- sitzt, um sich daraus über die besonderbeiten eines jeden gründ- lich unterrichten zu können; aber wo ist bei der antike auch nur diese Vorbedingung erfüllt? Und wenn sie es wäre, ist nicht schliesslich jedes marmorwerk immer nur eine copie nach einem thonmodelle, so dass man niemals wissen kann, wie viel der meister und wie viel seine gehülfen daran gethan ? Für die Verschiedenheiten, welche bei Wiederholungen desselben ge- genständes vorkommen, lassen sich überdies so vielerlei erklä- rungen aufstellen, dass man es lieber ganz unterlassen sollte, diese gleichungen mit zehn unbekannten aufzulösen.

L. G.

66. Epigraphische und archäologische kleinigkeiten von Wilhelm Vischer. Mit zwei lithographischen tafeln. Ba- sel, Carl Schultze's universitätsbuchdruckerei, 1871.

Ausser verschiedenen schleuderbleien, unter denen eins mit dem bilde des blitztragenden adlers und dem namen des De- metrius besonderes interesse erregt, publicirt der Verfasser auch noch einige auf das gerichtswesen der Athener bezügliche al- terthümer. Als besonders seltenes und merkwürdiges stück ist unter diesen ein athenisches stimmtäfelchen hervorzuheben, des- sen gestalt sich am besten mit einem farbenkreisel vergleichen lässt. Aus der abbildung ersieht man deutlich, was Aristoteles sagen will, da er von dem avltanog spricht, den diese stimm- täfelchen in der mitte gehabt hätten. L. G.

67. Römische hochzeits- und ehedenkmäler erläutert von August Eossbach. 8. Leipzig. 1871. 1 thlr. 14ngr.

Schon in seinem buche über die römische ehe hatte der vf. in einem besondern abschnitte anhangsweise auch die be- züglichen kunstdenkmäler betrachtet. Da er dabei jedoch nur auf die grade für diesen gegenständ besonders unzuverlässigen publicationen angewiesen war, so Hess sich voraussehen, dass die ergebnisse seiner besprechung sich nicht überall als sicher und richtig bewähren würden. Ausserdem fehlte ihm damals offenbar die nöthige Vertrautheit mit der ganzen gattung von monumenten, die für seinen zweck besonders in betracht kommt.

Nr. 3. 67. Archäologie. 153

Gerhards paradoxon: qui unum monumentum vidit nulluni vidit, gilt ganz eigentlich von den römischen Sarkophagen.

Auf einer reise nach Italien und insbesondere bei einem längeren aufenthalt in Eom hat nun der vf. gelegenheit gehabt die in frage kommenden monufnente selbst zu untersuchen und unter einander so wie mit verwandten zu vergleichen. Das er- gebniss dieser Studien sind sehr zahlreiche berichtigungen in der einzelerklärung, und, was wichtiger ist, eine wesentliche Verän- derung des standpunctes von dem die betrachtung ausgeht.

Naturgemäss schreiten wir von den einfachen zu umfang- und inhaltsreicheren darstellungen vor. Der act der eheschlie- ssung, welcher durch die dextrarum iunctio ausgedrückt wird, ist als der wichtigste moment, wie die grosse zahl der uns er- haltenen denkmäler beweist, besonders gern zur darstellung ge- bracht; aber es musste den künstler reizen auch damit unmittelbar zusammenhängendes, wie das opfer, das hier wie bei keiner feierlichen handlung fehlen durfte, oder den zug glückwünschen- der gaste vorzuführen. Endlich konnte er auch die hocbzeit als den höhepunct des ganzen lebens betrachten und dieselbe von scenen umgeben erscheinen lassen, die andere wichtige mo- mente desselben veranschaulichen, oder den rang und die lebens- verhältnisse oder die lieblings -beschäftigung der verstorbenen in bunten und bewegten bilde™ zur anschauung brachten. So sehen wir denn das neugeborene kind mit seiner amme, im hinter- grund bedeutungsvoll die drei Parzen ; ferner den knaben wie er von seinem pädagogen Unterricht erhält. Als den mann beson- ders ehrende beschäftigungen galten noch in der späten kaiser- zeit jagd und krieg. Hierauf bezügliche darstellungen sind des- halb besonders beliebt. Bald erblicken wir den verstorbenen von einem schwärm seiner begleiter umgeben auf einen mäch- tigen eber einstürmend, bald erscheint er als sieggekrönter feld- herr, vor dessen stuhl gefangene barbaren geführt werden. Alle diese darstellungen haben sowie die der mythischen Vorgänge et- was typisches und eine Zusammenstellung lehrt, dass wir es hier mit nichts weniger als mit individuell erfundenem zu thun haben.

Was nun die hochzeitsdarstellungen selbst betrifft, so ist es ein unbestreitbares verdienst Eossbachs gegen seine eigene frühere ansieht zum ersten male ohne rückhalt ausgeführt zu

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haben, dass, einzelner auf den ersten blick täuschender realisti- scher details ungeachtet der Vorgang stets idealistisch geschil- dert wird und namentlich nie auch nur der versuch gemacht ist, seine in Wirklichkeit so überaus wichtige juristische seite hervorzuheben , die eben künstlerisch durchaus unfruchtbar sein musste. Dass bei der herstellung des stehenden typus der gruppe der dextrarum iunctio griechische Vorbilder theilweise be- nutzt worden sind, hebt Eossbach mit recht hervor. Unver- kennbar ist dies, wenn man das wundervolle in mehrfachen re- pliken erhaltene terracottarelief bei Campana: Overe in plastica tav. 64 vergleicht : zugleich werden aber auch die sehr tiefge- henden änderungen klar, die sich der römische künstler im sinne seiner nationalen anschauungen erlaubt hat. Man wird doch zugestehen müssen, dass mit jenem material von ihm et- was durchaus neues geschaffen worden ist. Der Grieche als ächte künstlernatur legt hier, wie überall, den hauptnachdruck auf das psychologische element. Die Schüchternheit und Verschämt- heit der braut in dem moment, wo sie dem manne zugeführt wird ist es, der der dichter wie der bildende künstler eine fülle der anmuthigsten und wirksamsten motive abzugewinnen weiss. Zögernd naht sich die Jungfrau, ja von ihrer begleiterin muss sanfte gewalt angewendet werden; sie ist tief verschleiert und ihr blick auf den boden geheftet, während der mann in fester und entschiedener Stellung ihr gegenüber steht. In den römischen dar- stellungen ist daraus ein steifer ceremoniös feierlicher act gewor- den. Zwar ist der blick der braut noch immer gesenkt, aber sie erscheint, in ihrer ganzen haltung selbstbewusster und, wenn man will, würdiger. Das sanfte vorwärtsschieben durch die be- gleiterin war nicht mehr nöthig , und nur mitunter finden sich an dieser noch schwache spuren dafür, dass das hauptmotiv aus der griechischen darstellung abgeleitet ist. In dem gewand der braut, das aus einem weiten sie ganz umhüllenden tuche be- steht kann man die römische palla erblicken ; wichtig ist es, dass die für diese gelegenheit vorschriftsmässige tracht, zu der auch das flammeum gehörte, vom künstler nicht nachgebildet worden ist-, dagegen ist dem bräutigam die feierlich umgewor- fene toga gelassen worden, und ihm um den eindruck des gan- zen noch etwas ceremoniöser zu machen die den geschriebe- nen ehecontract enthaltende rolle in die band gegeben.

Nr. 3. 67. Archäologie. 155

Nicht zugeben kann ich dem verf., dass die eben ange- deutete Umbildung und namentlich die einschiebung der Inno pronuba doch schon von griechischen künstlern vorgenommen sei, Eossbach beruft sich hier für diese seine behauptung auf mehrere römische Sarkophagreliefs mit scenen mythischer begebenheiten, namentlich auf einen Medeasarkophag im Louvre, Clarac pl. 199, 210, n. 373, und ein merkwürdiges relief, welches den ehebruch des Ares und der Aphrodite darstellt (Winckelmann M. I. n. 27) -1). Aber je deutlicher uns dort in den mythischen scenen griechische typen entgegentreten, um so unverkennbarer ist doch der römische Ursprung grade dieser darstellung, welche in die- sen und den verwandten fällen durchaus als eine äusserlich angeflickte erscheint. Was für einen grund konnte ein griechi- scher künstler auch haben in dem einen wie in dem andern fall grade den moment der eheschliessung zur darstellung zu brin- gen? Dem römischen künstler dagegen, dem es darauf ankam, möglichst viele bezüge auf das wirkliche leben zu gewinnen und der die köpfe der beiden mythischen verlobten wohl noch als porträts auszuarbeiten beabsichtigte, lag dagegen wieder nichts näher. Wenn auf dem Medearelief, wie zugestanden werden muss, namentlich durch die Seitenwendung der Iuno die Steifheit des ganzen etwas gemildert scheint, so verdient das bestreben des künstlers die scene dem lebendigen linienflusse der be- nachbarten griechischen composition einigermassen zu assimi- liren, allerdings lob. Römisch bleibt im gründe die gruppe aber dennoch; und die disharmonie der beiden völlig heterogenen theile springt noch immer unangenehm genug ins äuge.

Die allgemeinen bemerkungen über diese scene gelten nun im besondern vor allem für das weitaus vorzüglichste denkmal dieser art, den berühmten Sarkophag in San Lorenzo fuor delle mura, von dem wir leider noch immer keine auch nur einiger- massen genügende publication besitzen. In betreff der auf die- sem nach links folgenden darstellung kann ich Rossbach nur beipflichten. Es ist hier wiederum kein bestimmter, weder für die confarreatio , noch für eine andere form der römischen ehe

1) Ich weiss nicht worauf die nachricht beruht, das relief existire poch in Villa Albani (Jahn Ber. d. s. ges. d. wiss. 186S, p. 212), schon Winckelmann sagt in seiner Allegorie, dass er den Standort nicht wisse. Ich habe es in ganz Rom vergebens gesucht.

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characteristischer moment zu erkennen, sondern der durch seine rolle auch hier wieder characterisirte bräutigam empfängt vor seinem hause stehend einen zug göttlicher heil und segen brin- gender gestalten. Auch hier liegt wieder im wesentlichen ein griechisches vorbild zu gründe, das sich wie Rossbach hervor- hebt bis auf eine bekannte darstellung der Francoi9vase zurück- verfolgen lässt. Nur möchte ich in der hauptfigur nicht den zum opfern stets bereiten, sondern den wirklich opfern- den bräutigam erkennen, dem gradein dem moment des opferns der besuch der götter zu theil wird. Ist nämlich , wie auch Rossbach annimmt, die rechte hand des bräutigams mit einer patera zu ergänzen, so kann der mit fruchten beladene cylin- der vor ihm auch nur ein altar sein trotz des flechtwerks mit dem er überzogen ist. Ein blosser fruchtkorb wäre an dieser stelle ein ganz unverständlicher gegenständ ; auch sind mir keine von solcher höhe auf antiken monumenten bekannt. Ausserdem sprechen für eine ara entschieden die Vorbereitun- gen zum opfer : der bekannte opferdiener, der den widder führt und die beiden camilli im Hintergrund. * Dass jener an die stelle eines widderführenden Hermes getreten sei ist eine ver- muthuug Rossbachs, die wohl berücksichtigung verdient; je- denfalls durfte er aber aus der körperbildung desselben keine stütze für dieselbe entnehmen. Die erklärung der auf ein tä- feichen gereihten rundlichen körper auf opferfladen (p. 51) ist durchaus überzeugend. (Zoega denkt in seiner ref. vorliegenden beschreibung des Sarkophags gewiss mit unrecht an die bei der hochzeit eine gewisse rolle spielenden nüsse.) Mit unrecht stellt Rossbach als zweifelhaft hin, dass der andere camühis die doppelflöte geblasen. Es ist richtig, dass heute der köpf und eine hand fehlen , aber analogien sprechen entschieden für die von Sante Bartoli vorgenommene ergänzung. Rossbach hätte sich nur des von ihm selbst veröffentlichten Sarkophags der villa Taverna in Frascati zu erinnern brauchen , ausserdem kannte er wenigstens nach einer ihm von mir mitgetheilten be- schreibung das mittelstück eines Sarkophags von bedeutenden dimensionen , welches sich in der villa Rössler (via quattro fon-

2) So auch schon auf der Coburger Zeichnung Monatsber. der berl. Academie 1871, p. 497 n. 234 uud dem daraus abgeleiteten Pi- ghianus.

Nr. 3. 67. Archäologie. 157

tane) befindet. Hier erscheint zwischen den beiden ehegatten über einem leider weggemeisselten altar der bekränzte tibicen.

Von den vier nach rechts schreitenden figuren ist die erste wohl sicher als Venus zu betrachten, wenn auch das sehr zerstörte und abgeriebene attribut nicht ganz sicher zu deuten ist. Mir schien es wie Rossbach ein vogel, also wohl eine taube. Grössere Schwierigkeiten macht die deutung der beiden folgenden. Für eine frühlingshore ist die lorbeerguirlande eine so unpassende beigäbe , dass es mir unmöglich ist diese deu- tung zu adoptiren. Für den folgenden Jüngling hat Eossbach jetzt mit recht den von ihm vorgeschlagenen namen Talassio aufgegeben, aber ein männlicher Stellvertreter der Polyhymnia ist hier kaum zu rechtfertigen , wenigstens nicht mit dem Sarko- phag des vaticanischen museums, Visc. M. P. Cl. IV, 15, auf welchem knabengestalten mit attributen von Musen erscheinen, weil der verstorbene ein knabe war. Hier liegt nicht der ge- ringste grund zu einer solchen vermummung vor. Unzweifel- haft ist wieder die durch füllhorn und mauerkrone deutlich cha- racterisirte figur der städtischen Tyche. Mit unrecht scheint uns Rossbach die nebenseiten von der hauptseite zu trennen, die an und für sich durchaus unselbständige und durch die rich- tung ihrer figuren so entschieden als möglich auf die frontseite hinweisende scenen enthalten. Allerdings ist der Zusammenhang nur ein sehr loser und vielleicht sogar nicht einmal dem sinne nach ganz zu rechtfertigender. Aber wie soll man mit Ross- bach erkennen , dass die drei opferdiener links sich zu einem opfer an die Manen und Laren anschicken?

Was die höchst merkwürdige mittelgruppe des deckeis an- langt, so kann der vf. das verdienst in anspruch nehmen zum ersten mal das thatsächliche genau festgestellt zu haben, was bei der Zerstörung gewisser characteristischer theile trotz der so überaus günstigen aufsteilung des monumentes nicht leicht war. Niemand wird mehr bezweifeln können, dass die nackte zeusartig gebildete mittelfigur in der rechten einen speer hielt, in der linken dagegen die leine des neben ihm sitzenden hun- des fasste. Beides wird durch die coburger Zeichnung, die das monument an diesem theile besser erhalten gekannt haben muss, bestätigt. Rossbach hat nun diese als , Jäger" characteri- Birte figur für Hades, von seinen begleiterinuen die zu seiner

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linken für Persephone, die zur rechten für die herbstbore er- klärt. Bei gänzlichem mangel an analogen darstellungen wird man zu einem ganz sicheren resultate hier vorläufig nicht ge- langen können. Bedenklich scheint ref. an Rossbachs deutung die gegenüberstellung zweier so verschiedenartiger gottheiten und der gedanke, den er in den ganzen complex hineininterpre- tirt, entspricht nicht der sich sonst nicht grade in besonders tie- fer Symbolik ergehenden phantasie der alten Sarkophagkünstler. Die deutung der figur zur linken auf Demeter hat auch jetzt noch für ref. viel wahrscheinliches.

Bei der kürze des hier zugemessenen raums kann sich ref. über die übrigen zur besprechung kommenden monumente nur einzelne bemerkungen erlauben. Für den Sarkophag des Belve- dere tritt bei der heutzutage sehr starken Verwitterung der .Oberfläche des monumentes als erwünschtes hülfsmittel die co- burger Zeichnung ein (Ber. der berl. academie 1871, p. 497, n. 236), die noch manche details deutlicher wieder giebt , als sie sich jetzt erkennen lassen , namentlich die geräthe des opfer- schlächters und die palrae des siegesdämons. Die erklärung der rechten querseite auf den todtenritt ist hervorgegangen aus einer pbase archäologischer hermeneutik, die wir hinter uns zu- rückgelassen zu haben glaubten. Was Rossbach p. 113 über den gestus des reiters und über die rapide geschwindigkeit des j,todtenführers sagt" ist mir deshalb unfassbar.

Der grund, weshalb auf den nebenseiten des Sarkophags von Monticelli Jäger - und hirtenleben einander gegenüber ge- stellt sind, ist von Rossbach richtig erkannt und ausgesprochen worden ; weshalb aber die ganz betreffenden scenen , die ohne künstlerisches verdienst sind, einer weitläufigen erörterung für würdig gehalten weiden und wie der vf. dazu kommt anzuneh- men, die eine sei nach einem gemälde copirt, gesteht ref. nicht einzusehen.

Auf der einen nebenseite des Sarkophags von Mantua (Mus. di Mantova I, 47 a) will Rossbach die drei Grazien erken- nen. Aber abgesehen davon dass eine Grazie in der tracht eines kurzgeschürzten camülus etwas ganz unerhörtes wäre, so las- sen solche unterschiede in der äusseren erscheinung, wie sie sich hier bemerklich machen, in dem betrachter gar nicht den gedauken aufkommen, dass es sich hier um drei wesen handele,

Nr. 3. 67. 68. Archäologie. 150

die man unter sich so eng verbunden dachte. Ist die figur zur linken wirklich weiblich , was ref. sich vorläufig noch zu be- zweifeln erlaubt, so mag man anstatt eines camillus hier an eine camüla denken. Diese reliefplatte erregt übrigens bei mir keinen geringen zweifei, ob in den entsprechenden, auch sonst auf die nebenseiten verwiesenen darstellungen, wie man allge- mein annimmt, in der that die drei Grazien zu erkennen seien und nicht vielmehr freundinnen der braut, welche geschenke bringen.

In dem etwas ungeschickt angedeuteten erdboden in der betreffenden scene des Sarkophags von Frascati sollen wir hin- gestreute aromata erkennen ; aber auch für andere werden sich diese steine schwerlich in Weihrauch und myrrhen verwandeln. Unmöglich ist es mir auch Rossbach's urtbeil über die arbeit dieses Sarkophags zu theilen, von welchem eine Zeichnung dem buche bei- gegeben ist. Die worte grazie und leichtigkeit scheinen mir nicht die richtigen bezeichnungen für diese unangenehm gereck- ten ja zum theil verzerrten gestalten und von einem hauch acht griechischen Stiles habe ich auch vor dem originale nichts ge- spürt.

Auf absolute Vollständigkeit in der aufzählung der antiken reliefs und relieffragmente, welche die dextrarum iunctio darstellen, hatte es der Verfasser von vorn herein nicht abgesehen. Er hat dafür eine lehrreiche Zusammenstellung von münzen gege- ben, auf denen diese scene in derselben weise wie auf Sarko- phagen dargestellt ist: es ist gewiss nicht zufällig, dass sich diese münzen nicht vor Antoninus Pius finden, während dessen regierungszeit die sitte Sarkophage mit reliefschmuck zu verzie- ren allgemeiner ward. Vielleicht gehört auch das eine oder das andere der monumente, die uns hier beschäftigt haben, noch dieser zeit an. Jedenfalls fehlt in Eossbachs buch von den wichtigeren denkmälern keines und ref. hätte ausser dem er- wähnten relief in Villa Eössler höchstens noch zwei bruchstücke einer gut gearbeiteten replik des Sarkophags in Frascati nach- zutragen, die sich in Villa Wolkonsky befinden. z.

68. Schultz, bericht über eine ausgrabung. Mit einer lithographischen tafel. 4. Zweite abhandlung des programms von Neu -Kuppin v. 1871.

160 68. Archäologie. Nr. 3.

Die ausgrabung, über welche direktor Schultz in dem vor- liegenden programm bericht erstattet, ist von ihm in den pfingst- ferien 1868 in der nähe von Rheinsberg unternommen worden. Die gefundenen gegenstände sind , wie zu erwarten war , von derselben art, wie unsere vaterländischen museen sie zahlreich aufweisen. Sehr beachtenswerth ist jedoch, was der Verfasser über die continuität in der fabrikation der verschiedeneu gegen- stände an ein und demselben orte bemerkt. Die eigenthü'm- liche technik, welche bei anfertigung der kranzartigen kopfringe aus bronze angewendet wurde, und über welche Lindenschmitt zuerst aufklärung gegeben hat , findet der Verfasser wieder in manchen alten griffen an kirchthüren, welche die sage ob ihrer wunderbaren biegungen und verschlingungen oft dem teufel zu- schreibt. Diese merkwürdige thatsache ist in den äugen des Verfassers noch kein beweis, aber doch ein wahrscheinlichkeits- moment für die continuität in der anfertiguug derartiger arbei- ten in derselben gegend. Nun ist es aber von höchster Wich- tigkeit, durch weitere Untersuchungen diese Wahrscheinlichkeit zur gewissheit zu erheben. Damit wäre bewiesen: 1) dass die alterthümer der bronzezeit nicht importirt , sondern an ort und stelle fabricirt sind; 2) dass sie nicht, wie gewisse naturforscher behaupten, von einer untergegangenen kleinen und zierlichen menschenrasse, sondern von uusern vorfahren herrühren , und 3) würde damit auch für die ältere deutsche kunsfgeschichte manche aufklärung gewonnen sein. Ein wichtiges material für eine solche Untersuchung bieten die bauwerke des romanischen Stils. Man unterscheidet hier auf den ersten blick formen, wel- che aus griechischer wurzel hervorgewachsen, und andere, wel- che einheimischen Ursprungs sind. Zu den letzteren gehören das zickzak - und zinnenoruament , der kugelfries , die nagel- köpfe, Sterne und schachbrettverzierungen , die man in gleicher weise schon an den alterthümern der fränkischen, alemannischen und nordischen grabstätten findet ; und zwar zeigt es sich, dass die fränkischen, alemannischen und nordischen formen sich vorzugs- weise in Süddeutschland erhalten haben, die nordischen mehr in den bauwerken der Normanneu und Skandinavier. Ausser den eigent- lichen Verzierungen findet man auch ganze gegenstände nach- geahmt, z. b. die gewundenen halsringe als Ornament an säu- lenhälsen und portaleinfassungen Weiteres material bietet die

Nr. 3. 69. Eömiscbe antiquitäten. 161

kleinkunst des mittelalters. Eine gründliche durchfuhrung der hier scizzirten Untersuchung möchte ein recht zeitgemässes und dankbares unternehmen sein, namentlich seitdem Karl Vogt und genossen die Urgeschichte der menschheit zu ihrem tummelplatze erkoren haben. L. G.

69. Oeuvres completes de Bartolomeo Borghesi, pu- blikes par les ordres et aux frais de S. M. l'Empereur Napolöon III. Paris, imprimerie imperiale. Vol.I VI. 1862 1869. 4.

Im april 1860 starb in San Marino der graf Bartolomeo Borghesi. An die hohe bedeutung zu erinnern, welche das wirken dieses echten gelehrten für das Studium des römischen alterthums gehabt hat, ist für leser dieser blätter überflüssig. Nur insofern dasselbe für die entstehung und gestaltung der vorliegenden bände massgebend gewesen ist , soll seiner in den folgenden zeilen gedacht werden, welche übrigens nichts enthal- ten, was nicht allen durch ihre wissenschaftliche besckäftigung an Borghesi's arbeiten gewiesenen längst bekannt wäre. Leider konnten die unzähligen herrlichen fruchte seiues unermüdlichen eifers, welche im laufe eines halben Jahrhunderts vereinzelt, wenn auch in rascher folge reiften, weder zu allgemeinerer kenntniss noch zu voller Wirkung gelangen, sie konnten nicht gemeingut der jünger der Wissenschaft werden, theils weil sie meistens in den schwer zugänglichen Schriften der gelehrten ge- sellschaften Italiens, vielfach auch nur in privatbriefen nieder- gelegt waren, theils wegen des noch heutzutage höchst mangel- haften buchhändlerischen Verkehrs zwischen Italien und Deutsch- land. — Borghesi hat ein langes, rastlos und unermüdlich man kann sagen von kindheit auf seinem Studium gewidme- tes leben auf sorgfältigste Sammlung und sichtung der materialien zu einer umfassenden darstellung der römischen familienver- bände verwendet, von welcher die herstellung der consulver- zeichnisse nur einen theil bildet. Diese materialien aber wurden von ihm nicht roh in die magazine gelegt, sondern sofort von allen seiten beleuchtet und bearbeitet , ihre berührungspunkte mit dem bekannten aufgesucht und , wenn sie sich nicht un- mittelbar in das mosaik einfügen liessen, ihnen gleichsam ange- schliffen, wenigstens ihre wahrscheinliche läge und Stellung in dem grossen tableau angewiesen. Eine gesammtanschauung des- Philol. Anz. IV. 11

162 69. Römische antiquitaten. Nr. 3.

selben zu gewähren, sei es in einer systematischen Übersicht der gewonnenen generellen und speciellen resultate, sei es in einer zusammenfassenden darstellung besonders wichtiger oder minder lückenhafter gruppen, mit einem worte , in seinem schaffen einen abschluss zu machen und ein relativ fertiges werk hinzustellen, wozu auf diesem gebiete ganz unbestritten Borghesi wie keiner ausgerüstet und berufen war, das war ihm nicht vergönnt. Und so blieben seinen unmittelbaren und mit- telbaren schülern, seinen mitarbeitern, nacheiferern und Vereh- rern gleich einer köstlichen reliquie nur die als muster gründ- licher forschungsmethode, als documente umsichtigsten sammler- fleisses und scharfsinnigster combination schwerlich übertroffe- nen einzelarbeiten und zahllose gelegenheitserörterungen, zu welchen der liebenswürdigen zugänglichkeit und bereitwilligkeit des von weit und breit wie ein orakel in anspruch genomme- nen gelehrten von San Marino fast unausgesetzt und auch wohl nicht unwillkommene veranlassung geboten wurde. Diese für das Studium und die erkenutniss des römischen alterthums unendlich reiche fundgrube unschätzbarer materialien zum theil aus der Verborgenheit des Privatbesitzes herauszuziehen, theils zur förderung der Wissenschaft aus ihrer Zerstreuung zu sammeln und allgemein zugänglich und nutzbar zu machen, war ein wünsch, der namentlich in Deutschland und Frankreich, wo das thätige interesse an den bestrebungen und arbeiten des ar- chäologischen instituts in Kom dem eifer der Italiäner die wage hielt, ebenso tief gefühlt, ein bedürfniss, welches ebenso stark empfunden werden musste, wie die hoffnung auf erfüllung und abhülfe nur eine schwache, wenigstens nur eine weitaussehende sein konnte.

Das verdienst die Sammlung von Borghesi's Schriften mit einschluss der briefe in kürzester frist ermöglicht und die her- ausgäbe in würdiger ausstattung und der fortschreitenden wis- > senschaft angemessen veranstaltet zu haben , ist lauteren dan- { kes werth und dieser dank gebührt Napoleon III. Wenige wochen nach Borghesi's tode reiste in des kaisers auftrage Er- i nest Desjardin nach Italien, um die erforderlichen schritte zur herbeischaffung des materials zu thun , und schon am 9. august ; 1860 verkündete der Moniteur, dass Borghesi's werke auf kosten der civilliste publicirt werden sollten und eine commission, be-

Nr. 3. 69. Römische antiquitäten. 163

stehend aus Leon Renier , Jean - Baptiste de Rossi , Noel des Vergers und Ernest Desjardins mit der leitung der herausgäbe betraut sei. Diese commission verstärkte sich, kraft der im patent ertheilten befugniss , sofort durch Zuziehung von sechs correspondenten : Cavedoni in Modena, Henzen in Rom, Miner- vini in Neapel, Th. Mommsen in Berlin, F. Ritschi (damals) in Bonn, Roccbi in Bologna. Später sind wohl noch H. Wadding- ton und E. Hübner dazugekommen. Die Vereinigung sol- cher kräfte, welche (ein jedes blatt legt davon zeugniss ab) mit ganzer liebe sich ihrer aufgäbe widmeten, musste wohl ein würdiges denkmal literarischen fleisses, ein werk, welches allen, die daran theil haben, zur höchsten ehre gereicht, zu stände bringen. Leider hat der krieg hier einen schaden angerichtet, an dessen ausgleichuDg in den massgebenden kreisen wohl noch kaum gedacht sein mag. Die herausgäbe des schönen werkes ist natürlich unterbrochen, ja durch den stürz des imperators die weiterführung zunächst ganz in frage gestellt, die Vollen- dung wenigstens in unabsehbare ferne gerückt. Wer wird, wenn auch die Wissenschaft hellen auges über die hass- und neiderfüllte kluft, welche leidenschaft und Verblendung zwischen Frankreich und Deutschland aufgerissen hat, hinwegschauen sollte, die geldmittel gewähren? Möchte die regierung der französischen republik es nicht verschmähen , ein rühmliches unternehmen, welches kaiser Napoleon begonnen, in würdiger weise zu ende zu führen und das deutsche reich die kosten- summe an den milliarden der kriegscontribution erlassen.

Der nach dem „Vorwort" vom 15. juli 1862 vollständig im besitz der commission befindliche, zur herausgäbe bestimmte gedruckte und handschriftliche nachlass Borghesi's ist in vier selbständige, in sich chronologisch geordnete, gruppen getheilt: Oeuvres numismatiques , 2 bände (I 1862. II 1864); oeuvres epi- graphiques, 3 bände (HI 1864, IV 1865, V 1869) ; lettres, von welchen der erste band (VI 1868) erschienen ist, einer oder zwei(?) noch rückständig sind; und endlich die fastes consulai- res, von denen nur die in wenigen exemplaren für die heraus- geber bestimmte , also nicht in den buchhandel gelangende, nackte namensliste als manuscript gedruckt ist. Abgesehen von den fastes consulaires , welche natürlich ein in sich abge- schlossenes ganze bilden und allein einen band füllen werden,

11*

164 69. Komische antiquitäten. Nr. 3.

erscheint die sonderung der übrigen aufsätze in drei gruppen dem obersten zwecke der Sammlung, nämlich eröffnung und zu- gänglichkeit des mannichfaltigen inhalts, nicht eben förderlich, zumal da ein einheitliches princip der Scheidung nicht festge- halten, wenigstens nicht ersichtlich ist. Es wäre meines erach- tens zweckmässiger gewesen, die „briefe" als solche nicht zu einer besonderen abtheilung zu machen, sondern sie den Oeu- vres numismatiques und epigraphiques einzuordnen, wobei immer- hin einige briefe zerstückt werden durften. Schon, dass da- durch die zahl der indices , die den schlussbänden der gruppen beigegeben sind und ohne welche ein umfassender gebrauch des buches überaus schwierig und zeitraubend geblieben sein würde, sich von drei auf zwei reducierte , war ein grosser gewinn; falls es nicht im plane lag nach Vollendung des gan- zen werkes generalregister über alle bände auszuarbeiten. Die aussonderung der numismatischen aufsätze bedarf keiner rechtfertigung; sie war schon dadurch, dass Borghesi selbst sie zum theil in decaden vereinigt publicirt hatte, angedeutet. Wenn es aber angemessener erschien, denselben wegen ihres speciell numismatischen inhalts die ,, briefe" an Sestini (1823) sulV era Bitinica, und an Cavedoni (1849) delle variazioni sofferte dal bronso monetario sotto Vimpero anzureihen , so durfte man aus demselben gründe auch die erst in band VI aufgenommenen sieben briefe aus den jahreu 1820 1829 (Opp. VI, p. 162. 168. 306. 323. 349. 371. 397), sämmtlich nur von münzen han- delnd , schon unter den oeuvres numismatiques im zweiten bände zu finden erwarten; oder jene beiden mussten für den 6. oder 7. band verspart werden. Ebenso auffallend ist es, die briefe vom 20. august 1837 (sul luogo del congresso triumviralej , vom 1. juli 1842 (Familie Sejans), vom 7. novbr. 1845 (über Vel- lej. 2, 116) und vom 23. febr. 1847 (über Vibius Crispus), die beiden letzten aus Annali 1844 und Bullett. 1846 unter die oeuvres epigraphiques in band IV aufgenommen zu sehen, wäh- rend die briefe über die quinquefascales (Bullett. 1843) und über die beiden ersten alimentarpiäf'ecten (Bullett. 1844) sich nicht hier vorfinden, sondern wohl erst in band VII abgedruckt wer- den sollen, wie der lange brief vom 1. juli 1813 über Vespa- sians tribunenjahre die reihe der lettere in band VI eröffnet. Eine solche Zerstreuung des überreichen vorrathes erschwert die

Nr. 3. 69. Komische antiquitaten. 165

zugänglichkeit statt sie zu erleichtern; es war genügend, nach ausscheidung der aufsätze und briefe numismatischen inhaltes alles andere (die epigraphische und literarische Überlieferung behandelnde) zu einer einzigen, nach der abfassungszeit chrono- logisch geordneten, gruppe zu vereinigen. Vermisst wird in der Sammlung ein brief an Orioli aus dem j. 1824 über die inschrift des L. Mummius Niger, Q. Valerius Vigetus (Henzen 6634), erwähnt Annali 1829 p. 176, der sich weder im dritten noch im sechsten bände vorfindet, dessen original also wohl ver- loren gegangen ist. Ferner fehlt eine abhandlung sugli Ottoviri, die im Bullett. 1839, p. 53 als im Giornale di Perugia fasc. aprile, maggio, giugno 1838 abgedruckt erwähnt wird.

In allen übrigen beziehungen ist, was die herausgeber für das werk gethan haben, ein muster von fleiss und Sorgfalt. Der text der abhandlungen ist zunächst ohne alle und jede än- derung wiedergegeben ; die Seitenzahl früherer abdrücke ist am rande bemerkt, so dass jedes ältere citat einer borghesischen Schrift benutzt werden kann ; Borghesi's eigene citate sind theils präcisiert, theils durch hinzufügung eines hinweises auf neuere, leicht zugängliche inschriftenwerke vervollständigt. Sodann aber ist überall durch anmerkungen, deren inhalt die einzeln unter- zeichneten Verfasser vertreten, dafür sorge getragen , auf eine später veränderte auffassung oder wiederholte behandlung des- selben gegenständes von seiten Borghesi's hinzuweisen, so wie jede durch neuere entdeckungen oder forschungen evident un- haltbar gewordene darstellung zu notieren und zum theil zu berichtigen, auch die behandelten inschriften und münzen in der jetzt bestbeglaubigten lesung vor äugen zu führen.

Da die Überschriften der aufsätze sehr häufig die darin ab- gehandelten gegenstände nicht erkennen lassen, gebe ich eine auswahl des wichtigeren inhaltes der einzelnen bände.

Vol. I (oeuvr. num. I) beginnt mit einer abhandlung über eine münze des kaisers Heraclius, welche Borghesi im j. 1792 als elfjähriger knabe verfasst hat ; es folgt im inhaltsver- zeichniss des bandes übergangen dodici sesterzj illustrati, (1808) ; dann die berühmte abhandlung della gente Arria und decade I X der osservazioni numismatiche (Giornale Arcad. 1821 1823) fast ausschliesslich über münzen aus der zeit der repu- blik und des zweiten triumvirats ; VI, 5. 6 und X, 4. 5 über

166 69. Römische antiquitäten. Nr. 3.

proconsularmünzen von Africa unter August und Tiber; VIII, 10 : familie der Valerii Messallae.

Vol. II (oeuvr. num. II) enthält zuerst decade XI XVII (Giorn. Are. 1824—1828 und 1840), darin XI, 3: C. Antius A. Iulius Quadratus ; XV, 3 : Agrippa und sein haus ; XV, 8 10: münzen und Statthalter von Moesia inferior im zweiten und dritten Jahrhundert. Es folgen abhandlungen sulV era Bitinica (1823), über die münzen des Augustus mit dem bogen von Ari- minum (1825), über die zeit der annexion von Cyrenaica (1843), über die kupferprägung unter den kaisern (1849), delV era Efe- sina (1857); ferner ausser ein paar kleineren Sachen die be- leuchtung des mailänder medaillons der kaiser Marc Aurel cos III und L. Verus cos II mit dem revers vict. Germ, und eines ähnlichen von Sever und Caracalla. Den schluss des ban- des bilden vier indices: 1) table des noms p. 489—525 mit spe- cieller angäbe der personalien ; 2) legendes des monnaies nach den familien alphabetisch geordnet ; 3) index epigraphique ; 4) index des choses, in welchem unter anderem die in dem werke vorkommenden beamten bei den namen der betreffenden pro- vinz zusammengestellt sind.

Vol. III (Oeuvr. epigr. I) umfasst die aufsätze aus den j. 1819 1835, darunter: museo lapidario Vaticano (voreitern des L. Verus p. 10); über die beiden Domitiae Lucillae p. 35; ara scoperta in Hainburgo (die Orfiti p. 51); sul digesto antegiu- stinianeo [== fragm. Vatic], darin Pompeianus cos 209, p. 124; arco di Fano (inschrift der Turcii p. 159); iscriz. di Urbisaglia (C. Salvius Liberalis und leg. V Maced. p. 177); excerpta Vati- cana (die töchter M. Aureis p. 237, wozu jedoch vol. V, 425 zu vergleichen ist); marmo di S. Paolo (Statilius Barbarus; Ver- waltung von Thrakien) p. 264; C. Eprio Marcello p. 285; iscr. Veneta (Valusii Saturnini p. 313 ; praef. Urbis bis Domitian p. 323); due tessere gladiatorie (das haus der Asinii p. 344; die Petronii p. 356); fasti sacerdotali [Henz. 6053 1 (Egnatii Lolliani p. 415); lapide Gruteriana [271, 4 = Henz. 5587] (Fab. Titianus p. 465 ; Pasiphilus p. 472; Simonius Iulianus p. 477; sondername an der spitze z. b. Triturii p. 503).

Vol. IV (oeuvr. epigr. II) abhandlungen aus den j. 1836 1846; darunter: über die censoren seit 662 p. 1 88; über Burbuleius p. 103 178 (darin: leg. IX Hisp. p. 113, curatores

Nr. 3. 69. Bömische antiquitäten. 167

viarum p. 121 134, leg. XVI p. 139, Verwaltung von Cappa- doeien, Judäa, Syrien p. 157); iscriz. del Reno (die legionen in Germanien bis Gallienus p. 200 265); diploma di Decio ["Henz. 5534] (die Fulvii Aemiliani p. 299 310); tre consolati di Mu- ciano p. 345; figuline Vellejati p. 367 388, darin über das consulat des Cn. Nerius p. 368; iscriz. del museo Campana (fa- milie Sejans) p. 435; Vellej. II, 116 (Aelius LamiaJ p. 455; iscriz. Latine (vorname Sergius p. 493); due Aviti coss. 144 und 209 p. 507; i Lolliani p. 519; über Vibius Crispus (und Pas- sienus Crispus) p. 529.

Vol. V foeuvr. epigr. III) abhandlungen aus den j. 1846 1857, darunter: due iscriz. di Fuligno (Haterius Nepos; orna~ menta triumphalia) p. 3 39 ; etä di Giovenale p. 49 76 ; fasti di Lucera [Henz. 6441] (die familien der Sullae und Scauri; die Pompeji] die consulate des Augustus) p. 109 161; lapide di Giunio Silano [Ins. Neap. 641] e della sua famiglia p. 165 232; darin: über praef. fabrum p. 206; iscriz. Perugina [Orell. 94] (benennung der colonien mit kaisernamen) p. 257 287; anmerkungen zu Tacitus Annalen und Historien [für Nipper- dey's ausgäbe] p. 287— 328; iscriz. di Sepino (die Neratii; über item und et) p. 345; iscriz. di Concordia [Henz. 6485] (praetores tutelares; juridici Italiae) p. 383; lapide di Narona [Henz. 7416 77=(?) Berl. M. B. 1870 p. 626] (Schwiegersöhne Marc Anrels) p. 425; Mario Massimo p. 455; kaiser Pupienus p. 485; an- merkungen zu Juvenals satiren p. 529. Es folgen dann: Additions et Corrections aux volumes I ä V, bei welchen indessen noch immer eine ganze anzahl von druckfehlern übersehen wor- den ist. Z. b. man lese vol. III, p. 107, 5: 296 st. 196; p. 107, 9 : 9 febr. st. 8 febr. ; vol. IV, p. 367, 26 : 741 st. 740; ib. not. 1 : lib. ni st. X; p. 394 not. 6: Annal. XIV st. XIX; p. 402 not. 3: Grut. p. 50 st. 40; Vol. V, p. 176 not. 8: Vellej. II, 72 st. 64; p. 279 not. 1 : Orelli n.997 st. 977. Die indices über band IH bis V bestehen in 1) table des noms, die personen senatorischen und ritterlichen Standes betreffend; 2) index epigraphique. Ein Sachregister ist für diese bände nicbt beigegeben.

Vol. VI [Lettres I) enthält briefe aus den j. 1813 bis ende 1833. Die orientirung in diesem bände ist, bis dereinst recht reichhaltige und genaue indices vorliegen werden, überaus schwie-

168 Theses. Nr. 3.

rig, da nirgends die geringste andeutung über den gegenständ der einzelnen briefe gegeben ist. Die columnentitel bieten nur jähr und monat der abfassung, die Überschriften eben nichts als die adresse. Die jetzt so vielfach angewendeten kurzen inhaltsangaben am rande hätten hier eine leichte und sehr dan- kenswerthe aushülfe gewähren können. Ein paar kurze nach- weisungen werden für diesen band deshalb vielleicht am ehe- sten erwünscht sein: Borghesi behandelt die tribunenjahre des Vespasian und Titus p. 3 46 ; kaiser Julian und die familien der Didii und Salvii p. 49 ; die inschriften der Postumia Paulla und Juventius secundus p. 47 und p. 154: die Nonii Mucianus und Macrinus p. 64; die Insteji p. 139; die tilgung von Ale- xanders namen in Henz. 6523, p. 233; M. Cluvius Rufus und P. Clodius Turrinus in Insc. Neap. 2224 (vergl. Opp. II, 74) p. 258; M. Claudius Fronto in Henz. 5479 p. 263 ; die cos. suff. des j. 756 p. 272 ; die S er ii Augurini und den titel 6 xociriGioq p. 298 ; L. Bellicius Sollers = Ti. Claudius Alpinus p. 329. 411 ; die allmähliche Verkürzung der consulate p. 359; Q. Petillius Cerialis p. 474; die consulate Domitians p. 478; die bezeichnung cos. ord. und Ser. Calp. Dom. Dexter cos 225 p. 483. Von druckfeh- lern bemerke ich : man lese p. 6 not. 2 : Doctr. num. vet. tom. VI p. 321 (statt 391) und füge hinzu: „und p. 342. p. 6 not. 3: tom. VIII p. 409 (st. 419); p. 420 not. 1: Henzen 6039 statt 5705; p. 363 not. 1: lib. IX Epist. XIII statt XVIII; ib. not. 5: tav. XXXII p. CXLV sqq. statt p. 148. Au- sserdem war p. 250 not. 5. hinzuzufügen: „voyes plus haut vol. III, p. 428"; p. 413 not. 3 das citat zu nr. 4: Henzen 5134; zu p. 483 not. 4 am Schlüsse: Henzen 6503.

St.

THESES quas ... in alma literarum universitate Via- drina . . d. IX m. April. MDCCCLXX . . publice defendet G. Fries: II. Soph. Oed- R. 1136 propono: Enlyato^ov rooöe 7av5oe tqsii; olovg: III. Nominativi et accusativi qui dicuntur absoluti aut ab anacoluthia profecti sunt aut per appositionem explicari possunt; IV. Iuvenalem in Aegypto militasse, in Sco- tia exulasse auctore Trajano contendo.

Theses quas .... in acad. Fridericiana Halensi cum Vi- tebergensi consociata . . . d. XXIX m. Iulii a. MDCCCLXXI . . defendet Bern. Lengnick Berolinensis : I. falso adhuc A. Cornelius Celsus sub Tiberii demum imperio vixisse crede-

Nr. 3. Theses. 169

batur. II. Cic. or. p. Süll. 1, 1 in verbis bis: in ceteris malis facile patior ollatum mihi tempus esse, in quo loni viri lenitatem meam misericordiamque . . agnoscerent , improbi ac per diu cives re- domiti atque vidi, . , . vehementem me fuisse . . . faterentur, seri- bendum est pro redomiti: re domiti.

Theses quas amplissimi philosophorum Marburgensium or- dinis auctoritate .... die XV m. Decemb. a MDCCCLXXI publice defendet E. C. F. Eeuss Solitariensis: I. Eur. Iph. Taur. v. 15 haecce levis medicina admoveuda est: 8sii'f, 8 anvoi'a TTvsvfiäzcav ivrvy^ävcov Elg i^nvo t]).&e xzk.; II. Ihu- cydideum illum I, 39 in summam controversiam vocatum ita vere seribendum esse profero sententiam : niuai 8e xow'vr- oavreg tjjv dvvafiiv xoiva xa) zu. änoßuCi'Ovza ?xeiv, iyxlijfturav 8s zovzcov d[iez6%oig ovza zwv fiera. rag ngä^stg fiovoav (ir\ y.oi- voavHv. III. A vulgata ceterorum scriptorum opinione , Tbemi- stoclem ipsum manum sibi attulisse, Tbucydidis memoria non abhorret. VIII. Lex Hortensia post quartam plebis seces- sioriem a. 287 a. Chr. lata non ad legem Publiliam (a. 330) redit, sed ad infimam plebem potestatemque tribuniciam augen- dam valet.

Theses quas ... in universitate Fridericia Guilelmia Rhe- nana . . . d. XXIV m. Februarii a. MDCCCLXXII . . in publico defendet Frid. Schultess: I. Seoec. Quaest. Nat. 3, 1, 1 et 3, 26 , 6 (quorum locorum conexum difificile est non videre) haec scribo (cf. Koeler p. 464): 3, 1, 1 : Eleus Sicnlis de fonti- bus exsilit amnis : 3, 26, 6: hoc et a te creditum exstat in primo cett. : II. Ovid. ex Pont. III, 3, 43 legas : praemia nee Chiron ab alumno talia cepit : III. Xen. Symp. 9, 7 scripsit oncog zoinvzcov zv^oiev: VI. Virg. Aen. I, 396 recte Weidner (Comm. p. 172) comparatiouis rationem declaravit: idem acu- tius quam probabilius tradita defendit: seribendum videtur cap- tis iam respeetare" cett.: VII. Plat. ßeip. 370 E fin. part. av tertia sede (tu»' av avroig ^oft«) movenda est ; similiter quidem media sede apud Sen. Ep, 41, 5 coli. Fickerti edit. : IX. Se- nec. Dial. II, 7, 4 scribe remixtum: X. Senecae dialogi II et IX circa idem tempus scripti sunt (coli. IX , 7, 5 II, 1, 3 II 7, 11): XI. Eis quae Muetzell, Teuffei, nuper- rime Eussner (Philol. XXXII, 157) de Curtii historici aetate exponunt, quem Claudio imperitante scripsisse statuunt, addi- derim : verbis illis X, 9, 28 vhuius ortus lucem c alig anti red- didit mundo1' scriptorem ludere videri ; quandoquidem ad istud verbum quivis homo Latinus imperatoris Caligulae nomen sub- audire putandus est.

Theses , quas . . auctoritate . . . ordinis philosophorum Marburgensium ... die XVIII m. Mart. MDCCCLXXII publice defendet C. Fl o eck Rhenanus: I. Soph. Ant. 23 rectissime Caesar iq^azoig coniecisse videtur: III. Soph. Oed. 321 cum

170 Neue auflagen und Schulbücher 70 92. Nr. 3.

Herwardeno lego „eW äöeAqDoV: VI. Errant, qui in structura,

quae perfecti infinitivum post quaedam verba pro praesente

praebet, Latinos Graecorum dicendi morem esse imitatos putent. Theses . . quas . . in univ. literarum Gryphiswaldensi . . .

publice defendet d. XXVII m. Mart. MDCCCLXXII. Leop.

Reinhardt: I. Bellum, quod Aethiopes contra populum Ro-

manum moverint, annis 23 et 22 a. Chr. gestum esse contendo.

(Cf. Peter H. rom. III, p. 27) : II. Plaut. Amphitr. 510. 11 sie

legendura esse censeo :

'Edepol tunc si istis rebus te* sciat operära dare

ego faxim ted Amphitruonem mälis esse quam Iovem :

III. Frontonis Arion. p. 237 N. lego: cognovit socios , qui vehe-

rent, cupidinis potiri.

NEUE AUFLAGEN. 70. Pape, handwörterbuch der griechischen spräche. 2 bde. 8. Braunschw. Vieweg. 1872: 6 thlr. : ist fünfter unveränderter abdruck der zweiten aufläge.

71. A. Forcellini totius latinitatis lexicon .. cura V. de Vit. 4. Distr. 43. Padua. Prati (Leipzig, Brockhaus) ; 25 ngr.

72. E. Guhl und W. Kon er: das leben der Griechen und Römer. 3. aufl. 1. lief. 8. Berlin. Weidmann; 10 sgr.

73. F. Kugler, handbuch der kunstgeschichte. 5. aufl. be- arbeitet von W. Lübke. 5. lief. 8. Stuttgart. Ebner u. S. ; 1 thlr. 6 ngr. 74. A. v. Reumont, geschichte der Stadt Rom. Neue ausgäbe. 6. lief. 8. Berlin. Decker ; 1 thlr. 75. K. Bädeker, Italien, handbuch für reisende. 2 thl., Mit- telital. und Rom. 3. aufl. 8. Coblenz. Bädeker; 1 thlr. 20 gr. 76. K. Bädeker, Italien, handbuch für reisende. 3 thl. Unter - Italien und Sicilien. 3 aufl. 8. Coblenz. Bädeker ; 1 thlr. 20 gr. 77. Dr Ed. von Hartmann, philosophie des unbewussten. 8. 3. beträchtlich vermehrte aufl. Berlin. C. Duncker; 3 thlr. 10 ngr.

NEUE SCHULBUECHER. 78—82. Freund's schüler- bibliothek. 1. abth. Präparationen u. s.w. Präparation zu Plato's Apologie des Sokrates. 1. heft. 16. Leipzig. Violet ; 5 ngr. ; Dess. zu Xenophons Cyropädie. 2. aufl. 5. hft. , ebendas. ; 5 ngr.; Dess. zu Piatons Apologie. 2. hft. ebendas.; 5 ngr.; desselben präparationen zu Livius römische geschichte. 2. aufl. 5. hft. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr. zu Ovids Meta- morphosen. 2. hft. 4. aufl., ebendas.; 5 ngr. 83. C. Sehen kl, Chrestomathie aus Xenophon. 5. aufl. 8. Wien. Gerold; 1 thlr. 84. M. Seyffert, lesestücke aus griechischen und lateinischen Schriftstellern. 4. aufl. 8. Leipzig. Holtze ; 22x/2 ngr. 85. Th. K rafft griechisches vocabularium für den Schulunterricht. 8. Nürnberg. Korn; 8 gr. 86. W. Bäum-

Nr. 3. Bibliographie. 171

lein, griechische schulgrammatik. 4. aufl. bearbeitet von W. Gaupp. 8. Stuttgart. Metzler; 1 thlr. 87. G. Lang- reuter, anleitung zum übersetzen aus dem deutschen ins grie- chische für tertia bearbeitet. 8. Celle. Schultze ; 13 ngr. 88. Fr. Ellendt's lateinisches lesebuch für die unteren klas- sen höherer lehranstalten. 17 aufl. v. M. Seyffert. 8. Ber- lin. Bornträger; 15 gr. 89. E. Brock, lateinische syn- tax. Eegelbuch für quarta und tertia. 8. Leipzig. Brauns ; 5 gr. 90. R. Minzlaff, literaturgeschichte der Völker des alterthums. 2. ausg. 8. Hannover, Hahn; 12 ngr. 91. E. Rohde, historischer schulatlas zur alten, mittlem und neuern geschichte. 9. aufl. qu. fol. Glogau. Flemming; 1 thlr. 15 ngr. 92. W. Ropp, römische literaturgeschichte. 2. aufl. gr. 16. Berlin. Springer ; 8 ngr.

BIBLIOGRAPHIE. In nr. 1 v. j. 1872 der „mittheilun- gen der Verlagshandlung B. G. Teubner in Leipzig" werden als künftig erscheinende bücher genannt: Homeri Ilias, ad fidem librorum optimorum ed. J. La Roche, welcher auf grund des Venetus A, Laurentianus D, vier anderer neu verglichenen handschriften, des Eustathius und der fragmente alter handschriften den text neu constituiren will ; handbuch der griechisch-lateinischen metrik von W. Christ, in dem auch die metra der lateinischen komiker berück- sichtigt werden sollen, sonst wird nur sehr im allgemeinen der Standpunkt des vrfs angegeben; geographie von Griechenland von C. Bursian, II, 3; germanistische alterthümer und zugleich erklärung von Tacitus Germania. Vorlesungen an der Uni- versität Heidelberg gehalten von Holtzmann. Herausgegeben von A. Holder; ist nach den eignen heften Holtzmann's ge- arbeitet; endlich des P. Cornelius Tacitus Germania. Für den schulgebrauch aus dem nachlass von Ad. Holtzmann erklärt von Alfred Holder. Dann folgen noch angaben über fortsetzung der Bihliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Schulausgaben u. s. w.

Cataloge der antiquare: antiquarischer catalog nr. 57 der T h. B a r t ling' sehen buch- und antiquarhandlung in Dan- zig; bericht 25 von Calvary, darin I. Bekker's Homer- sammlung: es sind darin vorwiegend neuere Schriften: wir he- ben hervor das handexemplar Bekkers von den ScJwlia Veneta in Hom. Iliadem mit handschriftlichen noten behufs einer neuen ausgäbe , namentlich lexiealiseben und grammatischen inhalts, z. th. in den homerischen blättern benutzt; Schul-Catalog. Ue- bersicht der neuesten philologischen und pädagogischen werke, welche im Hahn' sehen Verlage zu Hannover und Leipzig er- schienen sind ; K. F. K ö h 1 e r1 s in Leipzig antiquarische an- zeige-hefte, nr. 231, gottesdienstliche, Staats- und privat-alter- thümer enthaltend; Verzeichnis nr. 149 des antiquarischen bü-

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cherlagers der Otto'schen buchhandlung in Erfurt, literaturge- schichte , deutsche spräche enthaltend ; Antiquarischer anzeiger (nr. 127) der S chletter'schen buchhandlung in Breslau; VII. Antiquariats- katalog von Simmel u. Co. in Leipzig, literatur- geschichte und bibliographie , Sprachwissenschaft enthaltend; Ernst Wagner in Augsburg, antiquarischer anzeiger nr. 13; Friedrich Wagner in Braunschweig, catalog 92 des an- tiquarischen bücherlagers.

Bibliotheca Venetiana. Supplernento II. al catalogo d'una raccolta di libri, carte geografiche e vedute di Venezia e del suo territorio vendibili presso H. F. et M. Münster: auch Sache« von Aldus darin.

Fortegnelse over en del af de paa den Gyldendalshe bog- handels forlag udkomne skriften, der fra 20de Oktober 1871 til 31te december 1872 saelges til de vedfejede betydelig- ned- satte priser: es sind einzelne sachen von Dorph (Virgil) Hen- richsen, Koes, Madvig (auch politische), Ussing u. s. w. darin.

Livres anciens modernes en vente au prix marque's chez Martinus Nijhoff ä la Haye ; linguistik und orientalia.

Frederik Muller zu Amsterdam, verzeichniss von Co- bet's und anderer holländischen philologen werke zu ermässig- ten preisen: auch die Mnemosyne zu 29 holl. gülden, Cobet's ausgaben des Lysias und Xenophon, Hirschig Aristoph. Vespae, Cicer. de orat. von Baake, Luzac lectiones atticae u. s. w.

Bücher auctionen: bei A. Hoyer in Göttingen am 29. april : bei H. Härtung in Leipzig am 22. mai.

KLEINE PHILOLOGISCHE ZEITUNG. John Under- wood, der bei seinem im j. 1733 erfolgten tode in Wittlesea begraben wurde, vermachte seiner Schwester sechstausend pfund unter der bedingung, dass seine beerdigung auf folgende excen- trische weise stattfinden müsste. Als nämlich das grab zuge- schüttet und mit rasen bedeckt war, sangen sechs seiner freunde, die er namentlich dazu bestimmt und männiglich mit zehn gui- neen bedacht hatte, die zwanzigste ode des zweiten buchs des Horaz, wobei sie nicht schwarz gekleidet sein durften. Auch das glockengeläute war untersagt , und nur sie allein folg- ten dem sarge. Dieser war Underwood's bestimmung zufolge grün angestrichen, der leichnam vollständig bekleidet. Unter seinem köpf lag Sanadon's Horaz, zu seinen füssen Bentley's Milton, in seiner rechten band hielt er ein kleines griechisches neues testament mit vergoldetem titel , in seiner linken eine taschenausgabe des Horaz mit dem titel „Musis Amicus J. U.", unter dem rücken lag Bentley's Horaz. Nach beendigung des gesanges kehrten die sechs herren in des verstorbenen haus zurück, woselbst ein sehr gutes abendbrot sie erwartete; sobald dies verzehrt war, sangen sie die 31. ode des ersten buchs des

Nr. 3. Kleine philologische zeitung. 173

Horaz, leerten noch heiter eine flasche und begaben sich dann heim. Alles dies war aufs genaueste in seinem testament vorge- schrieben, welches mit folgenden worten schloss : „hierauf wün- sche ich dass sie noch heiter eine flasche leeren und nicht wei- ter an John Underwood denken mögen". (Percy Anecdotes).

Unter der leitung des studieuraths Dr I. H. Müller in Hannover soll im verlag der Schlüter'schen hofbuchhandlung eine ,, Zeitschrift für deutsche kulturgeschichte " erscheinen, welche nach ihrem programm auch die Universitäten berück- sichtigen und von männern, die auf die kultur des deutschen volks für längere zeit bedeutungsvoll (?) eingewirkt haben, bio- graphien bringen wird.

Die in Wien erscheinende Deutsche Zeitung enthält in ihrer nr. 28 einen aufsatz zur maturitäts-prüfungs -frage, eben so mittheilungen über das pädagogium in Wien , auf welche unsre leser aufmerksam zu machen wir nicht unterlassen wol- len. Näher berührt uns ein „die österreichischen Universitäten'' überschriebener aufsatz von Wilhelm Hartel in nr. 14, in welchem als erste bedingung für die regeneration derselben gefor- dert wird, dass man tüchtige lehrkräfte erlange uud dabei nicht den heimathschein entscheiden lasse, nicht den gebornen Oe- sterreicher allen andern vorziehe, sondern aus Deutschland sich recrutire. „Fürwahr , jeder österreichische minister sollte gott danken, dass es ein Deutschland giebt, welches die tüchtigsten kräfte ihm bietet und reichlich zu ernten gestattet, was nicht er gesäet. Aber freilich , die besten kräfte sind auch die theuer- sten. Doch sollte man meinen, dass ein Staat, der für gute kehlen und flinke beine hunderttausende, für Schauspielhäuser und kasernen millionen verausgabt, noch ein kleines Sümmchen für diesen posten des budgets einstellen könnte, zumal ja keine weise unsern Staatslenkern geläufiger geworden ist, als die: Wissenschaft ist macht". Man sieht , wie die zeitung ihr pro-" gramm, den Zusammenhang mit Deutschland in dem volksbe- wusstsein der Oesterreicher wach und lebendig zu erhalten, kräftig ausführt : es wird aber auch jede berufung aus Deutsch- land gerade von oben mit grossem misstrauen verfolgt. Daher thut auch, um diese lehrkräfte zu erhalten, „ein wahrer Sturmwind neuen und freien geistigen lebens noth, der den mittelalterlichen plunder", (z. b. den hochwürdigen kanzler, die canonicate, die doctoren - coüegien), „der an allen ecken und enden sich zäh er- halten, wegfege und die luft von dem confessionellen und reac- tionären dünsten, die schwer auf dem universitätsieben nament- lich der beiden grössten hochschulen des reichs lasten, reinige". Was aber an die stelle des veralteten setzen? Das 1870 vom minister Stremayer vorgeschlagene genüge nicht : vielmehr müsse, solle die universitas literarum nicht bloss phrase sein, ein kräfti- ges centralorgan geschaffen werden: das Hesse sich erreichen

174 Kleine philologische zeitung. Nr. 3.

mit directer wähl des rectors durch sämmtliche professoren, dadurch dass jeder decan vier jähre dem academischen Se- nat angehöre und aus jedem collegium eine bestimmte anzahl von mitgliedern für bestimmte zeit in denselben gewählt werde. Der vf. scheint dies nur als andeutungen gegeben zu haben : auch hier mag nur andeutungsweise gesagt sein , dass zum gedeihen einer deutschen Universität vor allem zwei dinge gehören, die freilich jetzt grade schwer herzustellen sein dürften: 1) ein aus sämmtlichen ordiuarien bestehender senat, von denen wenigstens viele wissen, was eine deutsche Universi- tät sein soll und dass der professor nicht bloss beamter und Schulmeister ist, und 2) eine dem wahren wesen der Universität entsprechend handelnde, wohlwollende regierung, die trotz ihres regiereus der Universität die nöthige freibeit gönnt: für beides giebt das curatorium in Hannover und GöttiDgen bis c. 1850 ein vortreffliches, bis jetzt viel zu wenig erkanntes beispiel: denn von ungefähr 1850 an war auch das curatorium in Hannover ohne festes Steuerruder und System und - vielleicht ohne seine schuld den verschiedensten einflüssen zugänglich.

In der sitzung der archäologischen gesellschaft zu Berlin vom 6. febr. gab Adler eine Chronologie der dorischen bau- kunst, indem er von Böttichers nachweis ausging, dass die do- rische beleuchtung der tempel durch metopen ursprünglich nur einen tempel in antis gestatte, und erst der ionische tempel, weil hypäthral, ein peripteros sein könne. Der mit Säulengang rings umgebene dorische tempel zeige schon die entartung, so 617 v. Chr. in des lihoikos lunotempel zu Samos, schon früher in zwei tempeln zu Selinus und im Apollotempel in Or- tygia zu Syrakus. Letzterer, um 680 gegründet, sei noch mo- notriglyphos, er habe je einen tropfen zwischen den säulen, wel- che sehr eng stehen. Nachher erweiterte man die intercolum- nien und nahm nur halbe tropfenplatten; so in zwei, nach äl- terer art noch oblongen tempeln zu Selinus, um 580. Doch hat dort bei dem sogenannten tempel C ein umbau stattgefun- den* der zweite pronaos mit einer inschrift etwa vom jähre 490 sei erst später zugesetzt, vom älteren bau sei jetzt aber eine ecktiiglyphe gefunden worden. Auch der dorische perip- teros zu Assos sei wohl erst später an den Schmalseiten erwei- tert ; hier wie sonst setze Texier in seiner abbildung vieles aus eigener erfindung hinzu. Nach einer gegenbemerkung des prof. Lohde zeigte prof. Curtius die sterbende Medusa (wohl eher eine Amazone) der Villa Ludovisi in einer genauen ab- bildung des Dr Dilthey vor. Adler macht darauf aufmerk- sam, dass Schlüter, welcher Rom besucht, die masken am zeug- hause danach gebildet habe. Curtius zeigte ferner einen klei- nen widdertragenden Merkur aus bronze vor, welcher, in Bo- logna gefunden , jetzt dem berliner museum angehört. Ob-

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wohl die Statuette sehr alt, sei Merkur doch unbärtig, wie ihn wohl noch Kaiamis gebildet habe. Einen gleichen Merkur wies Curtius auf einer münze und einer terracotta für die zeit vor der kunstblütbe nach, uud besprach die verschiedene art des widdertragens in solchen darstellungen. Endlich bebandelte Cur- tius neu gefundene inschriften von einer quelle zu Opus. Dr Scholl besprach Kumanudes sammluug attischer grabin- schriften, von denen etwa 1600 noch nicht herausgegeben waren. Von den gegen hundert athenischen inschriften, welche Franz Lenormant im rheinischen Museum veröffentlicht hat, ist keine wieder aufgefunden worden. Prof. Müllenhoff zeigte eine glaspaste aus Alsen mit drei rohen figuren. Prof. Hüb- ner besprach einige Schriften über ausgrabungen in Deutsch- land und neu herausgegebene spanische inschriften und eine aus Portugal über den schriftsteiler L. Cornelius Bocchus, tribunus militum der legio III. Augusta, welche in Africa stand. Es sind ausserdem aus zwei spanischen orten inschriften über ihn be- kannt. Aus seinem werke über Spanien schöpfte Plinius , aus seiner weltchronik Solin. Schliesslich gab Adler über einige inschriften zu Jerusalem auskunft.

AUSZUEGE aus Zeitschriften : Augsburger allgemeine zeitung, 1872: nr. 33. 40. 47. 54. 61. 75. 82. Döilinger über die Wiedervereini- gung der christlichen kirchen I. VII. Nr. 40 : die schulinspectio- nen. Beil. zu nr. 40 : zur kriegsgeschichte : weis't nach , dass die falsche nachricht von einem siege Mac-Mahon's nicht am fünften, sondern sechsten august eingetroffen sei, in folge deren Paris in diesem kriege zum ersten und letzten male geflaggt hat. Beil. zu nr. 41: Ad. Trendelenburg: nekrolog. Nr. 43: die poesie im neuen Deutschland: besprechung der unter diesem titel erschienenen broschüre von F. K. Schubert. Beil. zu nr. 44 : Mäelarts trojanischer krieg.

Die mitrailleusen und ihre leistungen im kriege 18/70/71. Zopf- abschneiderei in Halle a. d. S. Nr. 45 : das schulaufsichtsgesetz.

Nr. 46: das herrenhaus und das schulaufsichtsgesetz. Beil. zu nr. 47: M. Heinze's lehre vom logos in der griechischen philosophie.

Nr. 48: zur abstimmung über das schulaufsichtsgesetz. Beil. zu nr. 48 : die reichshochschule und die fachschulen des reichs. Nr. 53 : Dr Ernst Nizze f. Nr. 54 : statistisches über den besuch hö- herer lehranstalten. Nr. 55 : H. v. Lutz und das bayrische cultus- ministerium. Beil. zu nr. 55. 58. 59. 77. 78. 79. 80. 81 : zur Darwin- literatur. — Beil. zun. 55: Berichtigung zu dem vortrage Döllingers. Beil. zu nr. 56 : Heilmann, antheil des II. bayerischen armeekorps am feldzug 1870 71. Das bevorstehende Jubiläum der Universität München. Nr. 58: M. A. Levy f. Beil. zu nr. 59: Dahn, die könige der Germanen. Beil. zu nr. 60: eine autobiographie von Gervinus. Nr. 62 : herrenhaus und schulaufsichtsgesetz. Beil. zu 63: zwangslose briefe über deutsche Universitäten. 1. Die neu- gründung in Strasburg; sehr zu beachtender artikel, wenn gleich wohl zu scharf gegen einzelne persönlichkeiten: es werden am aus- führlichsten die berufungen in der philosophischen facultät bespro- chen: „aber allerdings beruhen die für jene fächer geschehenen berufun-

176 Auszüge aus Zeitschriften. Kr. 11,

gen ausnahmslos und ausschliesslich auf den Weisungen des berliner akadeniie-hauptquartiers, „jener kleinen aber mächtigen" partei, welche im preussischen cultus-ministerium nicht ohne stütze, für ihre protectionen vor allem „Verwandtschaft" oder „zugethansein" fordert, erst in zweiter linie, wenn überhaupt, auf wissenschaftliche leistun- gen oder gar auf „lehrerfolge" sieht": auch sonst habe sich Roggen- bach zu sehr an „diese Unfehlbarkeit an der Spree" gehalten, so dass doch bei der neugründung Strassburgs vielfach das so nachtheilige „durch Mühler in Preussen zu ehren gebrachte Universitätssystem" sich nur zu deutlich zeige. Nr. 64: die kunst- und reliquienschätze zu Maestricht : betrifft das mittelalter. Nr. 66 : Zeller lehnt einen ruf nach Berlin ab. Unterstützung der bibliothek in Strassburg durch den deutschen kaiser. Nr. 67: die theologische disputation in Rom. Nr. 69. 70. 71: das schulaufsichtsgesetz im herrenhause: ausführliche mittheilung der debatten. Beil. zu nr. 72, zur kir- chen- und schulfrage. Nr. 73: zur abstimmung im herrenhause. Beil. zu nr. 76: Joh. Sturm, Strassburgs erster schulrektor. Nr. 80: ausgrabung zu Pompeji vom 8. märz in gegenwart des prin- zen Friedrich Karl. Beil. zu nr. 81. 82 (schluss) : zwischen Rom und Neapel. Nr. 84: der kirchliche liberalismus in Preussen. Beil. zu nr. 84. 85. 86 : französische kriegsliteratur. III. Nr. 85: Michaud und das katholische Frankreich. Beil. zu nr. 87 : Th. Benfey, ent- deckung der ältesten recension des Pantschatantra. Beil. zu nr. 88: der Rumänen herkunft. Nr. 91: schulnachrichten aus Lon- don. — Beil. zu nr. 93: zur geschichtsliteratur : bezieht sich auf die römische kaiserzeit im anschluss an Höfner. Beil. zu nr. 94: re- ligion und staatsidee. Beil. 97 : zum schulaufsichtsgesetz: bezieht sich speciell auf Hannover.

Bekanntmachung.

Mit allerhöchster genebmigung wird die achtundzwanzigste Versammlung deutscher philologen und Schulmänner in rück- sicht auf die für den herbst gleichfalls in Leipzig beabsichtigte naturforscher -Versammlung bereits in den tagen von 22 25 mai d. j. in Leipzig stattfinden, zu welcher das unterzeichnete Präsi- dium hierdurch ergebetist einladet. Indem dasselbe die geehrten fachgenossen ersucht, beabsichtigte vortrage sowohl für die allge- meinen Sitzungen als auch für die Verhandlungen der sectionen, deren Präsidenten die herren professoren Fleischer, 0 ver- beck und Zarncke sind, baldmöglichst anmelden zu wollen, er- klärt es sich zugleich bereit, anfragen und wünsche, die sich auf theilnahme an der Versammlung, namentlich auch auf Woh- nung beziehen, entgegen zu nehmen und zu erledigen.

Leipzig den 1. märz 1872.

Das präsidium der achtundzwanzigsten Versammlung deutscher philologen und

schulmäuner. G-. Curtius. F. A. Eckstein. -

Ur. 4. April 1873

Philologischer Anzeiger.

Herausgegeben als ergänzung des Philologus

Ernst von Leutsch.

93. Ed. Lübbert, De structura participii perf. passivi pro substantivo verbau positi. Giessen. 1872. 20 s. 4.

Diese cornmentatio , von welcher das Giessener Ludwigs- programm von 1871 den atifang bietet, bildet die part. I einer reihe von Commentationes syntacticae, welche Lübbert damit in aussieht stellt. Die abhaodlung geht aus von der redensart provincias decretas rescindere bei Cic. de dorn. 9, 24 und will gegen Nägelsbach (Lat. Stil. p. 96; vgl. in kürze auch schon Savels im programm des Essener gymnasiuins von 1833, p. 18 f.) nachweisen, dass jene ausdrucksweise unciceronisch sei. Zu dem ende wendet sie sich zuvörderst zu einer allgemeinen darlegung de vi ac potestate jener struetur, nach welcher ein part. perf. passivi an die stelle eines Verbalsubstantivs tritt, und einer Zusammenstellung ihrer varia genera et modi. Die behandlung ist methodisch und gründlich, nimmt auch mit recht rücksicht auf die geschichtliche entwicklung dieser construetion bis auf Livius, in welchem sie eulminirt. Man folgt daher gern und mit interesse , wenn man sich auch noch keineswegs der zweifei erwehren kann, ob es dem vf. schliesslich gelingen werde wirklich das unciceronische der betreffenden redensart zu erhärten. Der verf. steht in betreff der vier von Fr. A. Wolf ange- griffenen reden zwar nicht geradezu auf dessen seite, aber doch auch keineswegs auf seiten derjenigen, welche nach unserer meinung mit recht in neuerer zeit jene reden in schütz genommen haben (vgl. über den stand der sache Philol. XXI, p. 300, 25 ; ausserdem J. Jeep im Wolfenb. Progr. 1863, p. 5 f . ; Literar. Centralbl. 1865, p. 1094). Er sucht vielmehr eine gewisse mittelstellung zu behaupten; er mag zwar im allgemei- PhiloL Anz. IV. 12

178 93. 94. Lateinische grammatik. Nr. 4.

nen die echtheit der rede de domo nicht bezweifeln, nimmt aber erhebliche corruptelen innerhalb derselben an , welche omnino fidem orationis infirmant, so dass auch in rebus ad antiquitates iuris publici pertinentibus haud iam eadem fiducia, quam ceteris orationibus tribuimus, huius orationis testimoniis uti licebit (p. 5). In dieser beziehung ist , gleichfalls in Giessener programmen und ausserdem in den römischen alterthümern in den letz- ten jahren die rede de domo mehrfach herangezogen von L. Lange, jetzt in Leipzig; und ich glaube, Lange braucht sich zunächst darob noch keine sorge zu machen. Wenig- stens scheint das, was der Verfasser vorläufig p. 17, 5 über Cic. Tusc. I, 12, 27 und Caes. de b. G. 1, 4, 1 gesagt hat, keineswegs so einleuchtend und zweifellos, dass gerade für den accusativ (denn für den nominativ wird p. 13 alle freiheit zu- gestanden; vgl. z. b. Tac. ab exe. d. A. 1, 8 cum occisus dieta- tor Caesar . . . pulcherrimum facinus videretur) die beschränkung anerkannt werden dürfte: illa struetura in aecusativo tum solum admittitur, si substantivum quod pro obiecto est iam ^rect. velj per se aliquam cum verbo praedicativo communionem habet (p. 16). Doch wollen wir das urtheil suspendieren, bis die abhandlung zu ende geführt ist, worauf wir hoffentlich nicht lange werden zu warten haben.

Auf seine eigene latinität muss der verf. allerdings etwas mehr Sorgfalt verwenden ; er gebraucht z. b. wiederholt ita ut (== so dass), p. 11 non possum quin und meritissimus (= hoch- verdient), p. 14 und p. 18 uterque in unstatthafter weise, p. 12 vigorosius. Dergleichen findet man freilich viel bei neueren la- teinern; aber ein so tüchtiger spraclikenner, wie der verf., muss sich fern davon halten.

94. Karl Abel, dr: über einige gruudzüge der lateini- schen Wortstellung. Zweite aufl. 8. Berliu. 1871. 23 s.

Dass dies schriftchen die zweite aufläge erlebt hat, kann Verwunderung erregen. Denn zunächst findet sich ein wesent- licher theil des zu behandelnden Stoffes in jeder grösseren grammatik, und zwar vielfach richtiger dargestellt, klarer ge- fasst uud übersichtlicher geordnet. Auf specialia feinerer art, wie man sie iu einer solchen monographie erwartet, ist der vf. mehrfach nicht eingegangen (so hätte p. 7 zur Stellung der

Nr. 4. 94. Lateinische grammatik. 179

römischen namen auf Philol. XXII, p 481 ff. bezug genommen werden können) ; und wenn derselbe eigene beobachtungen mit- theilt, so werden diese nur durch wenige beispiele belegt und mehr als axiome hingestellt, an deren richtigkeit doch um so eher zweifei erlaubt ist, als es der verf. bei seiner schrift of- fenbar an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen.

Das zeigen schon die zahlreichen druckfehler. Auf p. 8 allein finden sich drei (Mitatae st. Usitatae viden , Cutric. st. videntur, Cic. ; maioris moliri st. maiora moliri). Was soll man zu regeln sagen, wie p. 18: „Qwwm tritt immer (!) hinter sein subject, indem es einen eigenen Zwischensatz bildet; und hat der hauptsatz ein anderes subject und sein eigenes kann (construction ! ) weil es im verbo liegt, ihm nicht voraufgehen, so pflegt es wenigstens einen objectsaccusativ vor sich zu nehmen" ! oder p. 8 : „bei amtsbezeichnungen galt in der republik der eigenname für das erste, zur kaiserzeit der der würde: Cicero consul , Imperator Augustus", als ob nicht auch zur zeit der republik rex meistens vor den namen gesetzt wäre, und andererseits Imperator in der späteren zeit durch seine Vor- stellung nicht eine specifische bedeutung erhalten hätte. Was auf derselben seite über fratres gemini angeführt wird , ist schon von Freund in seinem Wörterbuch s. v frater widerlegt. Nach p. 9 soll man immer sagen: mea manu. Ja, wenn es ei- genhändig heissen soll! Ueberbaupt ist bei dem Possessiv- pronomen übersehen, dass drei fälle zu unterscheiden sind: 1) sie werden im lateinischen ganz weggelassen, wenn der sinn sie entbehren kann; 2) wenn die deutlichkeit sie verlangt, so werden sie gesetzt, stehen aber hinter ihrem nomen ; 3) vor ihrem nomen (was nach dem verf. das gewöhnliche sein soll) nur dann, wenn ein nachdruck auf ihnen ruht.

Schliesslich sei noch erwähnt, dass auf p. 6 nicht nur Bona Dea einfach für Ceres erklärt wird, mit hiuweisung auf Juven. 2, 86 (wo schon Heinrich's note den verf. eines besseren hätte belehren köunen), sondern auch dem verf. das arge quidproquo passiert ist, dass er in Plin. N. H. 9, 3, 15 (secundas partus) den gen. singularis partus für den acc. plur. fem. generis (!) hält und dem entsprechend in umgekehrter sttllung seinerseits bildet: partus secundae, zweite niederkuuft.

12*

180 95. Metrik. Nr. 4.

95. Observationes metricae in poetas elegiacos Graecos et Latinos. Pars prior. Scripsit Fr. C. Hultgren. 4. Pro- gramm des Nicolaigymnasiums. Leipzig 1871.

In dieser schrift werden, in der art der forschungen vonDro- bisch , die hexameter und pentameter der griechischen distichen einer Untersuchung namentlich in bezug auf zahl der dactylen und spondeen und auf den dactylischen oder spondeischen an- fang unterworfen-, die hexameter mit dem spondeus im fünften fuss werden meistens von der betrachtung ausgeschlossen, mit recht, da sie eine specielle behandlung verdienen und theilweise auch bereits erhalten haben. Bei dem grossen reichthum der griechischen spräche an dactylen ist hier bei weitem über- wiegend die zahl der ,, dactylischen hexameter", d. h. nach der ausdrucksweise des Verfassers derjenigen , unter deren vier er- sten füssen sich drei dactylen befinden. Was speciell den er- sten fuss betrifft, so ist der spondeische anfang bei den älteren dichtem nur um ein geringes seltener als der dactylische, am wenigsten beliebt bei den Alexandrinern, wo ungefähr von drei hexametern zwei mit dem dactylus beginnen. Ganz anders ge- staltet sich dieses verhältniss bei den Römern. Hier müssen bei der geringeren anzahl dactylischer wortformen viel mehr spondeen zugelassen werden; um aber gleichsam ein gegenge- wicht dagegen zu bilden und den dactylischen Charakter des verses nicht allzusehr zu beeinträchtigen, wird nun der dacty- lus an der ersten stelle, welche für den rhythmus des ganzen verses am wichtigsten und beinahe bestimmend ist, das weitaus gewöhnlichste. Am wenigsten gilt dies noch von Ca- tull, welcher, was dactylischen und spondeischen anfang betrifft, ungefähr den Alexandrinern gleichsteht, am meisten von Ovid, der auch abgesehen vom anfang die zahl der dactylen möglichst zu vermehren sucht. Für manches andere, z. b. für die Untersuchung über die silbeuzahl der den vers schliessenden wöiter verweisen wir auf die schrift selbst. Nur darauf wollen wir noch aufmerksam machen, dass im dritten buch der Tibul- lischen Sammlung, wie die tabellen p. 19 und 20 zeigen, die zahl der spondeischen anfange und der spondeen überhaupt im verhältniss viel beträchtlicher ist als im ersten und zweiten buch ; die athetese des dritten buches würde damit eine neue gewichtige stütze erhalten , wenn eine solche überhaupt noch

Nr.. 4. 95. Metrik. 181

nöthig wäre. Weiterhin zeigt der Verfasser auch den noch beträchtlicheren unterschied der verse des Lygdamus von denen des Ovid, um die hypothese Gruppe's zu widerlegen; dieselbe hat indessen wohl niemals einen erwäbnenswerthen anhänger gebabt. Niemand wird verkennen , dass solche scheinbar auf äusserliche dinge gerichtete forschungen zu interessanten resultaten führen können. Der versbildner steht unter dem einflusse des in den sprachformen vorherrschenden rhythmus; er muss sich bei der behandlung eines recipirten metrums nach dem rhythmischen charakter der spräche richten ; mehr oder weniger bewusst wird er, wo dem letzteren das wesen des me- trums nicht ganz entspricht, nacb einem ausweg suchen, der beiden mögliebst ihr recht wiederfahren lässt. Der Verfasser ist sich wohl bewusst gewesen , dass nur wenn solche allgemei- nen und wichtigen gesichtspunkte im äuge behalten und conse- quenzen für dieselben gezogen werden, Untersuchungen über die Zahlenverhältnisse in den verschiedenen versformen ihren werth und ihre berechtigung haben. Dagegen können wir ein bedenken über seine arbeit nicht unterdrücken. Er beschränkt sich bei der Untersuchung über die griechischen dichter durch- aus auf den ersten theil von Bergks anthologia lyrica. Dies verstand sich , was die dichter bis auf Theogois betrifft, von selbst ; aber für die späteren dichter hat er sich auf diese weise die sache doch etwas gar zu bequem gemacht. Dass es nicht etwa seine absieht war , das epigramm auszuschliessen , zeigt der umstand, dass die epigramme des aristotelischen Peplos be- rücksichtigt sind fp. 6). Wie lässt es sich nun rechtfertigen, dass die weit wichtigeren epigramme des Simonides , des Kalli- machos, des Leonidas u. s. w. ganz ausser acht gelassen sind, da doch die Sicherheit solcher Untersuchungen durch die menge der herbeigezogenen verse- bedeutend erhöht wird? Es be- fremdet einigermassen, wenn der Verfasser p. 13 sagt: quo mi- nor fuit versuum copia quam nostris de disticho Graeco commen- tationibus subieeimus , eo uberiorem materiam nobis praebent Roma- norum poetae, als wenn die geringe copia bei den späteren Griechen nicht seine eigene schuld wäre. Wir geben ihm da- her diesen punkt für eine weiterführung seiner dankenswerthen forschungen, die wir nur wünschen können, zu bedenken.

182 96. 97. Homeros. Nr. 4.

96. Schwarz, über die Boeotia des Homer, namentlich in ihrem verhältniss zur composition der Ilias. 4. Programm des gymnasiums zu Neu-Ruppin, 1871.

Der Verfasser , der in der homerischen frage sich zu der vermittelnden richtung bekennt, sieht in dem schiffskatalog und in den zunächst vorhergehenden partien ( Thersites auftre- ten, Odysseus und Nestors reden , wozu noch die gleichnisse kommen) die poetische darstelluug einer grossen Volksver- sammlung mit alien vorkommenden einzelnheiten, eine pane- gyris , also ein ursprünglich selbständiges werk, das erst spä- ter in den Zusammenhang der Ilias eingefügt worden sei.

Das bedenkliche am schiffskatalog ist bekanntlich we- nigstens für moderne leser seine ungebührliche länge; das missverhältniss wird aber ganz unerträglich, wenn diese beiläufig 300 verse gar als schluss eines kürzeren liedes gelten sollen. Eine so ausführliche armeeliste bat wohl sinn, wenn sie der beschrei- bung des krieges zur orientirung vorausgeschickt ist, nicht aber als theil einer panegyrie. Am wenigsten lässt sich begreifen, worin das vermittelnde der oben angeführten ansieht bestehen soll. Die vermittelung muss doch davon ausgeben, dass in beiden einander gegenüberstehenden ansiebten das richtige her- ausgefunden und anerkannt wird. Nun lässt sich nicht leug- nen, dass diejenigen, welche den schiffskatalog aus der Ilias entfernen und für ein selbständiges lied erklären wollen , dabei von einem richtigen poetischen gefühle geleitet werden ; aber nicht weniger sind auch die im rechte, welche es unbegreiflich finden, wie ein solches lied habe für sich allein interesse er- wecken können. Die vermittelung zwischen beiden ansichten kann nur darin liegen, dass der schiffskatalog von vorn herein zu dem zwecke gedichtet wurde, in die bereits fertige Ilias eingeschoben zu werden, und dass weniger poetische, als vielmehr patriotische erwägungen dabei bestimmend waren, woraus sich dann auch die trockenheit des ganzen Stückes erklärt. L. G.

97. Beiträge zur syntax der causalsätze bei Homer, von Pfudel. 4. Osterprogramm der ritterakademie zu Liegnitz. 1871.

Mit recht statuirt Pfudel für die kausale Satzverbindung

Nr. 4. 97. Homeros. 183

bei Homer drei verschiedene formen: 1) beide sätze sind haupt- sätze, welche unverbnnden neben einander treten. Diese kind- lich naive Sprechweise findet sich nur in reden, und zwar meist dann, wenn die beiden gedanken von verschiedenem werthe und gewichte sind, so dass eine Verschiedenheit des satztones möglich ist z. b. Ä, 204. 2) Beide sätze sind hauptsätze; der begründende satz wird durch eine partikel angeknüpft, welche das kausale verhältniss auch äusserlich bezeichnet. Dazu dient y(tQ, häufig auch das unbestimmtere Sp. 3) Der begründende satz tritt zum hauptgedanken auch äusserlich in ein unterge- ordnetes verhältniss und erscheint entweder in der form eines wirklichen relativsatzes oder eines nebensatzes , der mit subor- dinirenden conjunktionen meist relativen Ursprungs wie o , on, otvexa, <»(,* und inet eingeleitet ist. Wenn Pfudel bei der ein- theilung der causalsätze nach ihrer bedeutung zu den begrün- denden und erläuternden als dritte klasse noch motivi- rende hinzufügt, so ist dies nur zu billigen; nur hätte es sich, um eine nahe liegende Verwechslung zu verhüten, empfohlen, dieselben „elliptische" zu nennen. Vrgl, «, 208, an welcher stelle die worte zu ergänzen sind: ich darf dies wohl be- haup ten.

Nachdem die Zusammensetzung des ydg aus yi und aya gebilligt und Aristarch als derjenige genannt ist , der den ge- brauch des proleptischen 8s zuerst bemerkt habe , geht Pfudel zum proleptischen ydg über und vermittelt zwischen denjenigen, welche diesen gebrauch auf zu enge grenzen eingeschränkt ha- ben, und denen , welche ihn ohne zwingende gründe zu weit ausdehnen. In 36 fällen entscheidet sich Pfudel für die an- nähme des proleptischen yäg. Ich stimme ihm zunächst bei für «, 337. <, 431. B, 802. e, 318. H, 73, nicht für K, 378. X, 66. An jener stelle begründet yüg den vorhergehenden satz: ich werde (und kann) mich loskaufen, denn ich habe viel erz, gold und eisen; davon würde mein vater viel ge- ben, wenn u. s. w. An der zweiten der beiden stellen finde ich mit Ameis blos eine motivirung der vorher ausgesproche- nen bitte. Während die eben behandelten stellen sich auf das explicativ - proleptische yäg bezogen, handeln die folgenden vom kausalen proleptischen: a) der nachsatz wird mit äXXd oder 8s eingeleitet: N, 735. f, 890. x, 226. 190. i, 70. x,

184 97. Homeros. Nr. 4.

174. (x, 154. \f), 248. x, 383. p'j 320. r, 406. m, 208. er, 259. t, 350. Bios {>, 78 folgt der nachsatz ohne dlld oder de. Fast bei allen diesen beispielen geht eine einfache anrede im voca- tiv vorher. Auch ich sehe (mit Pfudel) nicht im mindesten ein, wie Ameis in dem satze mit ydg eine begründung der nach- drucks vollen anrede finden kann; eine solche würde blos dann berechtigt sein, wenn an der anrede etwas sonderbares haftete, zu dessen erläuterung der redende einige worte hinzu- fügen zu müssen glaubte; dies ist aber an keiner der obigen stellen der fall. b) Im nachsatz steht im = deshalb und weist auf den Vordersatz mit ydg zurück; H, 327. P, 220. iV, 228. P, 338. O, 737. *P, 606. c) Der causalsatz mit yäQ unter- bricht den hauptgedanken parenthetisch : A, 286. M, 326. ß, 223. a, 301. £, 354, t, 589. H, 242. Alle diese beispiele ge- hören eben deshalb, weil ydg nicht völlig proleptisch voransteht, nicht hierher, wohl aber W, 857, wo die parenthese zwischen dem Vordersatz und hauptsatz eingeschoben ist. Demnach bleiben von den 36 stellen, die Pfudel annimmt, blos 27 als berechtigt stehen.

Die annähme, dass der satz mit ydg den vocativ begründe, ist zu billigen für ß, 334. s, 29. W, 156. P, 475. Auf das vorgehende, nicht auf das folgende bezieht sich ferner ydg in den eigentlichen und rhetorischen fragesätzen mit näg ydg und ztt; ydg; in ihnen ist ydg in eigenthümlich - elliptischem sinne gesetzt, wie Pfudel richtig annimmt für die stellen X, 424. 61. X 182. x, 501. £, 115. A, 122. K, 337. Ebenso sind zu er- klären &, 154, A, 293. |, 402. 0, 201; auch A, 421. v, 271. o, 545. Auf dieselbe einfache und leichte weise lassen sich auch drei andere stellen *, 417. o, 509. n, 222 deuten , wo manche editoren ohne allen grund r' dg vorziehen ; daher hat Pfudel nicht recht, wenn er an der ersten stelle nach Bekker's und Düntzer's Vorgang sich für die einfiihrung dieser lesart entscheidet. Folgender gedanke ist daselbst zu suppliren : da- ran hast du sehr unrecht gethan, dass du meinen söhn nach Pylos und Sparta schicktest; warum denn hast du ihm das nicht gesagt, dass er mich nicht treffen würde?

Klar schildert der vf. die erstarrung des ursprünglichen casus zur conjunktion und belegt diesen Übergang mit beispie- len. Mit recht erklärt er sich gegen die hypothese Bekkers,

Nr. 4. 98. Hesiodos. 185

dass on nicht elisionsfähig sei und deshalb eine form ö is [o t') zu statuiren sei. Iu der Ilias ist Vorliebe für transitives ort , in der Odyssee für causales o, wogegen transitives o und causales Ott verhältnissmässig gleich oft in beiden gedienten erscheinen. Im ganzen wird o häufiger transitiv , oti häufi- ger causal gebraucht.

Nachdem sodann Pfudel die homerischen beispiele für ei- gentliche causalsätze mit o und ort gesammelt und die fälle des hypothetischen "re besprochen hat, geht er zu den expli- cativen und motivirenden o und ort über und weist ersterem sechs, letztem achtzehn stellen zu. Für die letzte derselben, rp, 253, kann ich diesen gebrauch nicht zugeben. Die stelle er- klärt Pfudel so: ,, sondern ich klage, wenn wir so sehr an kraft hinter dem göttlichen Odysseus zurückstehen; (ich darf dies aber behaupten) , weil wir den bogen nicht spannen kön- nen." Ich ergänze weder oSvgoftai, noch nehme ich oz im sinne von ,,dass"; ich lese r\ 8r'j statt et dt] und erkläre, in- dem ich oV im hypothetischen sinne = et nehme, wie folgt: wir sind doch wahrlich rechte Schwächlinge , wenn wir nicht einmal den bogen spannen können ! C. Härtung.

98. De prooemio Theogoniae Hesiodeae. Pars prima. De prooemio vere Hesiodeo sive de versibus 1 35. Diss. in- aug. quam scr. Gustavus Ellger. 8. Berolini 1871.

Fragen von so schwieriger, verwickelter und unsicherer art wie diejenigen , welche die höhere kritik der hesiodischen gedichte betreffen, sollten nicht zu Stoffen für promotionsschrif- ten gewählt werden; fehlt es doch nicht an aufgaben, welche weniger hohe anforderungen stellen und zu bestimmteren er- gebnissen führen können. Der Verfasser der genannten göttin- ger dissertation über das erste proömium der Theogonie hat of- fenbar die darauf bezügliche litteratur fleissig studirt und be- rücksichtigt und über sein thema ernstlich und eifrig nachge- dacht; aber die complicirte Untersuchung über dasselbe, bei welcher die scharfsinnigsten gelehrten zu so verschiedenen re- sultaten gelangt sind , in wesentlichen punkten zu fördern ist ihm nicht gelungen. Er ist der ansieht, dass von Hesiodos, dem Verfasser der Theogonie , den er für identisch mit dem Verfasser der werke und tage zu halten scheint (p. 11 f.), als

186 98. Hesiodos. Nr. 4.

prooemium zur Theogonie gedichtet worden sei: v. 1 4. 9 f. 22—24. 26—35. Die beiden folgenden theile (v. 36—115) spricht er dem Hesiodos ab. Was nun zunächst die ausge- schiedenen verse 11 21 betrifft, so stimmen wir mit dem vf. in der ansieht überein, dass dieselben wahrscheinlich (mehr lässt sich nicht sagen) nicht vom dichter der Theogonie herrühren, wenn wir auch keineswegs seine beweisführung in allen ein- zelheiten für zutreffend halten. Sie wären daher für einsebieb- sel zu halten, wenn es sicher wäre, dass der rest des ersten prooemiums ganz oder theilweise von jenem dichter abgefasst ist. Aber dies ist nichts weniger als sicher , und die gründe , die Ellger dafür vorbringt, sind äusserst schwach. Er geht aus von 26 noi[*?v£<; nygavXot, x«V fXsy%ta, yactT? geg olnv. Dieser vers, so meint er, sei älter als der des Epimenides KgTJieg dsl iptvcsrai, x«x« ötjoia, yuan-'oeg ägyai. Gestehen wir der kürze halber zu, dass letzterer vers dem Epimenides angehört und dass er dem hesiodischen nachgebildet ist: wie kann der vf. daraus folgern (p. 10), dass der vers von den hirten im sieben- ten Jahrhundert sich bereits an dieser stelle befunden habe? Kann derselbe z. b. nicht ein alter spottvers sein? Dem vf. aber scheint seine folgerung so sicher , dass er auf der folgen- den seite unbedenklich sagt: hanc partem (v. 22 35) antiquis- simis temporibus iam in Theogonia infuisse demonstravi. Tref- fen wir also hier auf einen fehlschluss, so ist auch was weiter für die autorschaft des „Hesiod" in bezug auf v. 22 35 geltend ge- macht wird, völlig bedeutungslos: der dichter nenne sich selbst Hesiodos und ein mendacium könne man jenen alten zeiten nicht zutrauen; gegen die annähme einer interpolation spreche die ungewöhnliche form des prooemiums ; es zeige sich in dem- selben der stolz und das Selbstvertrauen des dichters der werke und tage (!) u. s. w. Also wie gesagt : rührt das erste prooe- mium in seinen wesentlichen theilen vom dichter der Theogonie her, so hat der vf. recht, v. 11 21 für eine interpolation zu halten. Im anderen falle aber fehlt dazu eine genügende ver- anlassung. — Gegen die sehr gegründeten bedenken , welche jener v. 26 erregte, hat der vf. weiter nichts zu sagen als: at quis est, qui Hesiodo id ipsum dicendum /wisse concedat , quod Deitersius in eius locum substitutus narraturus fuissett (p. 16) Glaubt er in der that, mit dieser leichtfertigen bemerkung eine

Nr. 4. 99. Theokritos. 187

Widerlegung gegeben zu haben? Dagegen soll der formel- hafte vers 25 unecht sein , weil er sich auch an anderen stel- len unserer Theogonie findet (52. 965. 1022), weil die Musen hier nicht helikonische, sondern olympische genannt werden und weil er wider die sonstige kürze des ersten proömiums ver- stösst lauter nichts entscheidende gründe. Es lässt sich hier, wie so häufig in der kritik der he*iodischen gedichte die spätere hinzufügung eines in der that überflüssigen verses we- der mit Sicherheit behaupten noch mit Sicherheit bestreiten. Ganz unmöglich ist endlich Ellgers erklärnng von v. 35 i'tlXu 7tr] fioi luvtet nsQi 8(>7v // niroi nh^qv ; Er verbindet ntQi 8gvi> q nty} nfTgrjv (in örtlicher bedeutung) mit lavia und erklärt: „warum soll ich von diesem ereinniss erzählen, welches ich am fusse des Helikon erlebte ? Supplendnm enim est: potius id, quod Musae iusserunt, exsequens deorum genus praedicare volo. Auf ungefähr dieselbe erklärung verfiel bereits Wolf ,# verwarf sie aber mit recht ; Klausen ist ihr dann beigetreten , Rhein. Mus. III, 1835, p. 441. Der gedanke der so interpretirten stelle wäre noch erträglich; aber ist es glaublich, dass ein dichter, der (wer er auch gewesen sein mag) doch von seinem publikum verstanden sein wollte, den besuch der Musen mit den worten tuvia ntf)) 8qvv rj neot n?Ty?]v, also durch einen gleichgültigen nebenumstand, bezeichnet habe? Denn bei jenem von Ellger angenommenen gedanken ist es völlig gleichgültig, wo der be- such stattgefunden. Dazu kommt ferner, dass, wenn es sich um den bestimmten ort handelt, wo Hesiodus seine schafe wei- dete , die conjunction /} durchaus unstatthaft ist. (Anders bei der Schömannschen erklärung, nach welcher sich nen) öqvv % 7?fp« aeTQtjv auf die einsamkeit des ländlichen aufenthaltes bezieht). Somit fällt auch die vermuthung, dass jener zu supplirende gegenständ vom dichter ausgedrückt, aber in un- serem texte weggefallen sei.

99. De locis aliquot primi idyllii Theocritei difficilioribus. Scr. Adrian. (Glogau, Osterprogramm 1871).

Während der erste theil der schrift über die strophenab- theilung des von I, 64 ab beginnenden liedes handelt, werden im zweiten einige stellen des idylls kritisch besprochen. Neues wird darin nicht geboten, sondern Adrian folgt der strophischen

188 99. Theokritos. Nr. 4.

eintbeilung, die M. Haupt im Rhein. Museum veröffentlicht hat. Danach zerfällt das lied, wie aus inhalt und form nachgewiesen wird, in drei theile , deren erster von v. 70 83 reicht ; der zweite umfasst v. 94 113, der dritte v. 114 136. Vorauf geht ein exordium mit zwei versen und ein prologus mit vier versen, den schluss bildet ein in zwei abschnitte zerfallender epilogus von 137 145. Dass der dichter eine strophische ein- theilung beabsichtigte und dass obiger strophenbau sehr viele Wahrscheinlichkeit für sich hat, lässt sich nicht läugnen; nur das eine bestreite ich , dass die versus intercalares an den an- fang der Strophen gehören. Freilich scheint der umstand, dass sie eine aufforde rung enthalten, für diese Stellung zu spre- chen; doch da der refrainvers in den Volksliedern aller natio- nen an den schluss der Strophe gesetzt wird und da in den übrigen strophischen compositionen der griechischen und latei- nischen dichter dieselbe Stellung sich nachweisen lässt, so stelle ich denselben mit Ahrens {^Bionis ßmyrnai epitaph. Adon. p. 29 : de ephymniis bucolicis) ans ende.

Der kritische theil bietet weiter nichts, als eine eingehende aufzählung und beleuchtung der zu jeder stelle gemachten ver- muthungen und erklärungen. I, 15 betont Adrian, dass av- QtaStv gesagt sei im gegensatz zur asidsiv, dass also der grelle schreiende ton der pfeife dem melodischen gesang gegenüber- stehe. — V. 19 entscheidet er sich für die lesart alysa sl- dsg. An zwei stellen will Adrian etwas neues bieten; denn v. 51 conjicirt er, indem er sich auf die worte des scho- liasten stützt:

(patt 7TQiv tj annunGum sni fyootm xa&iSr] und eiklärt : priusquam vulpes ientaculo eum (puerum) privarit. Hätte er die grosse kritische ausgäbe Fritzscke's von 1865 bd. I, heft 1 nachgelesen, so hätte er gefunden, dass dort dieselbe conjectur schon gemacht ist. Nur in der erklärung ge- hen beide aus einander: während Fritzsche die stelle so er- klären zu müssen glaubte: ,, durch sein pfiffiges gesicht verräth der fuchs, dass er das knäblein nicht eher locker lassen wolle, als bis er das frühstück, das in dem ranzen ist, in nummer si- cher gebracht d. i. wegstipitzt habe", deutet er jetzt die stelle 60 : dicit se puerum non prius dimissuram , quam ille ad siccum ientaculum sonsederit = bevor sich jener zu einem nüchternen

Nr. 4. 100. Aeschylos. 189

frühstück niedergelassen habe d. i. durch den fuchs der speise beraubt und ohue frühstück sei. Er macht also den knaben, nicht den fuchs zum Subjekte des letzten satzes und nimmt w>t&lt,£iv im intransitven sinne, wie es immer bei Theokrit vor- kommt. Wie Adrian erklärt, haben wir oben schon gesehen; er beachtet nicht, dass tnt hjQoiat xudi&tv tird = einen aufs trockene setzen = „prellen, berauben", nicht nachweisbar ist. An der zweiten stelle v. 85 passirt dem Verfasser dasselbe versehen. Den Vorschlag, den er macht, daselbst £arei o' == „sie sucht dich" zu lesen, hat seiner zeit schon Fritzsche in seiner Schulausgabe des Theokrit von 1857 gemacht ; neuer- dings in der grossen kritischen ausgäbe schreibt er mit aus- stossung des vorhergehenden versus intercalaris das particip £a- Toirj' = suchend. Da jedoch einerseits dieser vers der regel- mässigen responsion zuliebe beizubehalten ist und andrerseits das an der spitze der antistrophe stehende particip nur schwer- fällig auf das in der vorigen Strophe stehende hauptverbum sich zurückziehen Hesse, so ist die lesart £urtl <j' vorzuziehen und die erklärung, die Adrian gibt, zu billigen: immo ipsa te quae- rit, quum tuum sit eam ubique quaerere; tu vero hie iaces miser et tabescens et tantopere amore deperditus, ut nihil agas teque puel- lamque morti devoveas. Zum schluss noch eine mehr pä- dagogische bemerkung! Wenn Adrian in seinem vorwort sagt, er habe diese kritischen Übungen für die primaner eines gymnasiums oder für Jünglinge, die sich der philologie wid- men wollen, niedergeschrieben, so muss ich ihm bemerken, dass handschriftliche kritik zunächst für den fachphilologen be- rechnet ist und für den schüler nur äusserst sparsam zur an- wendung kommen darf, am allerwenigsten an Theokrit.

C. Härtung.

100. Aeschyli quae supersunt in codice Laurentiauo veter- rimo quoad effici potuit et ad Cognitionen! necesse est visum typis descripta edidit R. Merkel. Oxonii e typographeo Cla- rendoniano 1871. Londini apud Alexandrum Macmillan. 8. und 139 s.

Bei den sorgfältigen collationen der medieeischen hand- schrift des Aeschylus vermisste man bisher genaue angaben über die versabtheilung der handschrift wie sie für Sophocles

190 101. Euripides. Nr. 4.

in der Oxforder ausgäbe von Dindorf vom j. 1860 geboten sind; man vermisste sie um so mehr, seitdem man angefangen der alten kolometrie der handschriften grössere aufmerksamkeit zuzuwenden und höheren werth beizulegen. Diesem bedürfnisse ist durch das trefflich ausgestattete werk von K. Merkel in der befriedigendsten weise abgeholfen. Nach kurzer einleitung über die haudschrift und die metbode der ausgäbe giebt Merkel ohne irgend welchen anderen zusatz den text nach einer in den j. 1863/4 angefertigten abschritt und zwar so, dass rasuren durch punkte, stellen wo nachbesserungen ersichtlich sind durch ge- sperrten druck , Verbindungszüge der schritt durch ein strich- lein (z. b. diä durch 8-a) angezeigt, die handschriftliche tren- nung und Verbindung von silben und Wörtern sowie die ver- theilung der verse und zeilen auf die eiuzelnen Seiten beibehal- ten wird. So wird uns ein anschauliches bild der handschrift geboten, welches manches vor einem facs;mile voraus hat, in an- derem hinter einem solchen zurückbleibt. Ueber die Zuverläs- sigkeit der abweichungen von früheren collationen lässt sich nicht ohne weiteres urtheilen. Näheres hierüber wird der dem- nächst im Philologus XXXI und XXX II erscheinende Jahresbe- richt über Aeschylus bringen. Der hauptwerth des vorliegen- den Werkes ist oben bezeichnet; der textkritik werden beson- ders die in aussieht gestellten angaben über die unter den rasuren noch lesbaren bnchstaben , über correkturen und nach- trage verschiedener bände und anderes der art zu gute kommen müssen, wenn man sich viel versprechen darf nach den w orten der vorrede: de quibus rebus exponetur in voluminibus aliquot, quibus quiequid instrumenti critici Aeschylei maximam partem ignoti adhuc restat, congestum est.

W.

101. E\iwtduv Btixxut'. The Bacchae of Euripides with a revision of tbe text and a commentary by Robert Yel- v ertön Tyrell, fellow and tutor of Tiinity College, Dublin. 8. London. Longmanns Green cett. 1871. Lli u 9.'i 8.

Der Verfasser, sclion in England durch seine schönen me- trischen Übersetzungen im dubliner Kottabos bekannt, hat hier eine sehr nützliche schulau>gabe der Bakcheu herausgegeben. Die erklärungen sind bisweilen knapp, und die textveibesserun-

Nr. 4. 101. Euripides. 191

gen vielleicht etwas kühn, aber im ganzen zeigt das buch ein freies urtheil und gute kenntniss des tragischen Sprachgebrauchs. Die vorrede handelt unter auderm über den zustand des textes, und über den theologischen Standpunkt des dichters. Leider hat der Verfasser die zwei handschriften P und C, auf denen unsere ausgaben beruhen , nicht selber verglichen. Er stützt sich auf Kircbhoff s vorrede zu dessen gesammtausgabe des Eu- ripides, macht aber mehrere treffende beinerkungen über die Verhältnisse dieser quellen. Die fehler des P (Vaticanus) hält er meistens für Schreibfehler, und darum leichter als die feh- ler des C (Florentinus) zu verbessern, da die letzteren mei- stens verschlimmbesserungen eines mönches sind. Das eigen- tümliche aber dieser ausgäbe ist doch der verständige ge- brauch der nachahmungen im Christus patiens und in den Dionysiaca des Nonnus, da zur zeit dieser Schriften bessere handschriften noch da waren. Aus diesen quellen sind et- liche Verbesserungen geschöpft. Seine correcturen theilt der Verfasserin zwei classen : die erstem, wo er sich den handschrif- ten näher als andre herausgeber gehalten hat, die zweiten wo er bisher unverdächtigte stellen aus eigenen gründen geändert hat. Als beispiele der ersteren dürfen wir folgende stellen an- führen : v. 25 piloi; der handschriften statt des Stephanus ds'Xog da das letztere wort gar nicht von dem thyrsus gebraucht , ja ihm gar (v. v. 761. 2) entgegengesetzt werde. Vs. 235 svoaumv nöfA^q. V. 406 nücfav #' uv #' exatöat opot. V. 447 m>8wv statt Meineke's neSöiv, mit vergleichung von Hom. Hymn. ad Dionys. vs. 13. Vs. 451 interpungirt er gut fiudtaOf yeiyiüv tovö1 e* unxvatv yuQ wr und veriheidigt die Stellung des yao durch Sophokles Phil. 1451, und hier v. 477. V. 1Ü01 liest er in dieser schwierigen stelle yiw/iuv nwiypo*1 u&dvnrov , ohne Madvigs Adversaria gelesen zu haben, übersetzt aber ä&ävu- 7oj, unerschütterlich, fest, was mir sehr zweilelhaft erscheint. Vs. 1020, tO, U) pax%t Otjfj, {ftjyit.yoira p'uxjfüv kzX, und meint Or,Q sei vor folgendem OijQaygeTa herausgefallen. Vs. 1060 ovx i^mtouftai fiiiitudoji' oaaoiv töOooi, und bestätigt es durch starke grüude. Diese correctur ist wohl eine seiner besten. Vs. 1091 schreibt er fyovatu und übersetzt, „in ihrem laufe aushaltend", was er aus Fragm. 776 Nauck. bestätigt. Vs. 1352 u.{ßdrtp av ö' q zuXaiut , statt KirchhofFs conjeetur nut-

192 102. Aristophanes. Nr. 4.

tsc, aus der paralJelslelle im Christ. Pat. 1701 gezosen. Denn in derselben stelle kommt dies u(td/ji vor, und Tyrell, denkt der Verfasser hätte es, ein seltenes wort, nicht geschrieben, hätte er es nicht vor äugen gehabt.

Aus den stellen die er verdächtigt sind wohl folgende die wichtigsten: v. 54 setzt er zwischen vv. 22 und 24. Vs. 100 tiOtv aytjtiv | &t]QnzQoqoi> fxatriidiss y-il. wo der abschreibet' des codex C &vQ(>o(f6i)Oi verbessert haben soll. Vs. 209 di<u(jdjt> für die vulgata öt' uQid/jüJi, da StuQiOnwi unrichtig im activum stehen würde. Vs. 506 (/.Q elatTi £rjc, ovo' oquc §&' onnc ti ; was er aus dem Christ. Patiens entnommen, v. 279 mit der bemerkung dass das wort eiö&Ti dem Verfasser anderswoher wahrscheinlich nicht bekannt wäre. Vs. 864 für dtgav will Teyrll doyuv. Vs. 1157 vüg&ijxd t' inuntov Aihav und noch mehreres dergleichen. Solche kritische Untersuchung des textes fällt unter englischen philologen auf, die doch meistens sich schülerhaft an den recipirten text halten. Ueber das ästhetische der Bakchen ist viel verständiges be- merkt, auch hat der Verfasser Pfandeis und andere deutsche Schrif- ten gut verwerthet. Als palinodie will er nicht mit K. 0. Müller diese tragödie halten, zeigt auch recht treffend wie sie sich ganz gut mit dem viel früheren Hippolytus verträgt. Ueber die ge- ringschätzung des dichters bei neuern wegen seiner treuen und bisweilen an das gemeine herangehenden characterzeichnung spricht Tyrell sehr gut; möge sein rath auch auf die kritik an- derer Schriftsteller angewandt werden. Schliesslich dürfen wir be- merken, dass die philologischen Studien der Universität Dublin denen der englischen Universitäten gar nicht nachzustehen scheinen.

J. P. Mahaffy.

102. De Nubibus Aristophanis. Diss. inaug. philol. quam scripsit Paulus Wey lan d Pommerauus. 8. Gryphiswaldiae. MDCCCLXXI.

Der Verfasser dieser dissertation hat sich die aufgäbe ge- stellt, die ersten und die zweiten Wolken mit einander zu ver- gleichen und spcciell diejenige stelle der sechsten hypothesis, welche von der dtaGxsvij handelt, eingehender zu prüfen. Dern- gemäss ist im ersten capitel der schrift von der parabase , im zweiten von der logossccue, im dritten von der schlusspartie des Stückes die rede. Mit der einschlägigen litteratur die im

Nr. 4. 103. Apppianos. 193

laufe der zeit so sehr angewachsen ist, besitzt der verf. die nöthige bekanntschaft und aus der fülle der hypothesen weiss er mit geschick die wichtigsten herauszuheben und klar zu ent- wickeln. In den meisten punkten schliesst er sich, wie das ganz natürlich ist, an bewährte Vorgänger an, wiederholt ist er aber auch dazu fortgeschritten eigene ansiclrten aufzustellen. Können wir die letzteren auch nicht alle für stichhaltig erklä- ren, wie denn namentlich diejenigen auf sehr schwachen f'üssen stehen, welche die vv. 854 ff. und dann die Strafvollstreckung am ende betreffen, so haben doch einige unsern vollen beifäll, und hierher gehören in erster reihe die besprechungen, welche das epirrhema und die vv. 783 804 gefunden haben. Chr. M.

103. Appianus und seine quellen von Dr Emanuel Han- na k. Allgemeines über Appian und sein werk. Die frag- mentarisch überlieferten bücher, 8. Wien, Beck. 1869. 184 s.

24 ngr.

Nachdem Hannak. nach den andeutungen Appians prooem. §. 15. ohne freilich wesentlich neues zu dem von Schweig- häuser App. III, p. 118, p. 8 bemerkten zu liefern die äu- sseren lebensumstände desselben besprochen hat, geht er p. 12 zur eintheilung def appianischen schritten über. Er unterschei- det nach des Schriftstellers eigener andeutung zwei hauptabthei- Irnigen : die eine geht bis zur eroberung Aegyptens durch Au- gustus, die zweite bis auf die zeit Appiaos (p. 1 3 J : die Unterab- teilungen, die Hannak nach Appians andeutungen statuirt, können wir hier übergehen und bemerken nur , dass vf. richtig

nach App. Civ. V, 145, vrgl. dazu Schweighäuser die 'IWvQiyq als anhaug zur May.tdoviY.fj, die Niioicnrty.fi zur £i/.£- \ixfj. die Ki(0^tl8(iny.fj uud NoftuiSiy.fi zur ydifivyf/ (s. Photius) auf- fasst. Ebenso wird p. 18 mit recht eine "Aoiavt] als selbständige schritt neben der 'Ei).t]iiy.^ und 'lcaiixfj angenommen und die Tluudiv.fi als ein eignes buch hinter die bürgerkriege gestellt. Die erklärung des ig zu ivv ovta p. 26 ist nicht originell, da schon Schweigliauser übersetzt: donec . . . Carthago in eum quo nunc est statum devenit (prooem. c. 12, z. 42).

Ueber die beuutzung der quellen sind Hannaks bemerkun- gen meist zutreffend, wenn auch nicht neu (s. nur Nissen, quellen des Livius p. 11 4j; p. 31 zu frgt. Ital. 9 hätte E. Schulze's Pbilol. Anz. IV 13

194 103. Appianos. Nr. 4.

emendation (de exe. constant. p. 33) zu gründe gelegt werden sollen. P. 34 findet sich eine ungenauigkeit, da Dionys. AR. VIII, 39 die Valeria nicht gemahlin, sondern Schwester des Poplicola nennt. Die von Hannak betonte rationalistische Verbesserung Appians in der tradition um chronologischen Schwierigkeiten aus dem wege zu gehen findet sich auch bei Plutarch (Momm- sen, Hermes IV, 31). Wenn für das proömium Dionysius als rnu- ster genannt wird, so ist dies zutreffend, aber keineswegs durfte die ähnlichkeit mit Polybius, auf die schon Schweighäuser hin- weist, übersehen werden.

Nach kurzen, nur die form berührenden bemerkungen über die constantinischen excerpte, Suidas und Photius, geht Hannak zu seiner hauptaufgabe über und bespricht zunächst I. die kö- nigsgeschichte. Dass Dionys hauptquelle, ist entschieden zuzugeben, nicht zu billigen aber ist, dass auf Fabius Pictor als nebenquelle hingewiesen wird; jedenfalls stimmt an einzelnen stellen das reiche detail weniger mit den älteren als den jün- geren annalisten. Was einzelnes anlangt , so ist der Vorwurf der ungenauigkeit, den Hannak p. 49 macht, wohl dem Pho- tius zuzuweisen; die von Dionys abweichende Chronologie aber wird richtig der flüchtigkeit Appians zur last gelegt. Dagegen ist nicht zu billigen, was Hannak p. 56 sagt. Die worte: 6 de dsvieyog ovösv ijt7ov ßfßaolXsvxß)^ ti [xi] xat fiuXXov , tov iav- zov ßiop izelsvTijtys £rjoag ... sollen so durchaus dem berieht bei Dionys II, 76 entsprechen, dass man keinen anstand zu neh- men hätte, aus diesem die ausgefallene anzahl der jabre zu er- gänzen. Diese sucht aber, für die unbedeutendsten und abge- blasstesten fragmente quellen nachzuweisen, zeigt sich klar frgt. 5. 6. Zudem ist Hannak hier eine arge Verwechselung passirt, denn das iSiö^eroi; des fragmentes entspricht keineswegs dem tSh> naQÖviwv rig des Dionys III, 8.

IL Italische geschieht e. Auch für diese wird Dio- nys als quelle angenommen und wahrscheinlich gemacht. Für Plutarchs Coriolan freilich brauchte dieser nicht mehr als quelle vermuthet zu werden (s. Peter quellen Plutarchs p. 8 ff., den Hannak gar nicht zu kennen scheint). Unrichtig wird p. 71 von einem schatzhaus der Massalier geredet, da Appian ausdrücklich sagt: iv •*■<£ Poi^afcop x«J MaaaulnjTcäf d>jn<tV(jM. Auch für frgt. 8 weist vf. Plutarchs Camillus (s. Peter 1. 1. p. 22)

Nr. 4. 103. Appianos. 195

und Dionys als quelle nach. Aber für frgt, 9 weist Mommsen Hermes V, 255 mit recht darauf hin, dass die notiz bei Appian über schuldenerlass u.s. w. durchaus nicht isolirt steht.

III. Samnitica. Auch hier weist Hannak Dionys als quelle nach; eine besprechung der wichtigsten stelle frgt. 4, c. 6, p. 26, 15B. avftnaptsg oaoi fj.tzu rovg ÖitqdaQuevovg //pjfov, frei- lich sucht man vergebens; auch irrt Hannak, da Appian wie Plut. Pyrrh. 16 von Pyrrhus erster ankunft in Tarent han- delt; dass aber die quelle Plutarchs Dionys ist, sagt er selbst c. 21, s. Peter 1. 1. p. 70 ff. Mit unrecht ist auch p. 93 der bericht des Polybius 1,7 der durchaus frei ist von der rhetorischen Übertreibung bei Livius 24, 28, der unwahrschein- lichere genannt; und wenn p. 99 Hannak von einer durch Livius Perioch. 13 bezeugten gesandtschaft nach der Schlacht von Asculum redet, so findet sich bei Livius 1. 1. von einer solchen durchaus nichts, und schwebt desshalb die polemik ge- gen Mommsen E. G. I, 511 4014 in der luft.

IV. Celtica. Wichtig ist hier, dass Appian selbst einige male quellen zu nennen scheint, so fr. 1, p. 36, 16 B. Paulus Claudius s. Schweighaeuser III, 172 Peter 1. 1. p. 162 frgt. 6 Cassius s. Schweigh. p. 117. Hannak p. 118. 11 1, frgt. 17. tcvv 7ig avyyfjucftaiT qrjci und o de Kulaao sv tolg idiai^ avayQntpalg imv Jqiijfjeocov ?{jyc»v. Die Übereinstimmung mit Plut. Caes. 22 ist nicht weiter verfolgt, eben sowenig das p. 131 gezogene resultat, s. p. 124 und vrgl. Peter 1. 1. p. 121. Auch Wijnne, de fiele et auetoritate Appiani scheint Hannak nicht zu kennen.

Die besprechung über die sicilische gesebichte be- stätigt nur das urtheil Nissens (1. 1. p. 114), dass Appian erst vom zweiten punischen krieg ab Polybius benutzt habe. Pur frgt. 3. 4. 5 wird auf Übereinstimmung mit Livius, d. h. mit Polybius hingewiesen, die besprechung von frgt. 6 und 7 führt zu keinem resultat. Für die numidische geschichte, in der Appian mehrfach von Sallust abweicht, vermüthet Hannak p. 146 Juba als quelle, freilich ohne zulänglichen grund, für die macedonische geschichte beruht er ganz auf Nissen, den er nur in einigen puneten von untergeordneter Wichtigkeit corrigirt.

Neues von durchschlagender Wichtigkeit wird demnach in

13*

196 104. Menippos. Nr. 4.

dem Hannak'schen buche nicht geboten; die leetüre desselben aber wird durch die häufigen druckfehler, von denen einer frei- lich — excerpatoren so stehend ist, dass man ihn fast als etwas anderes anzusehen geneigt sein möchte, nicht gerade an- genehmer gemacht.

104. Menipp und Horaz. Ein beitrag zur geschichte der satire. Festschrift von The o dor Fri tzs ch e. Güstrow. 1871. VI und 30 s. 8.

In dieser dem director der domschule zu Güstrow, Dr Raspe, zu seinem 25jährigen directorjubiläum im namen des lehrerkollegiums dargebrachten festschrift beabsichtigt der vf. den Zusammenhang, der zwischen der menippeischen satire und der horazischen besteht, nachzuweisen, indem er verschiedene von sei- nem vater theils in academischen Schriften, theils in vorreden und noten zu seinem Lukian (insbesondere in den prolegom. zu vol. II, part. II 1870, §. 6 und 7) ausgesprochene gedanken weiter ver- folgt uud zu einem gesammtbild abrundet. Zu diesem behuf handelt er über die vorlauter des Menippos, als welche er den Borystheniten Bion und den Phliasier Tinion hinstellt, dann des genaueren über Menippos, seine Persönlichkeit und seiue Schrif- ten, sowie über das verhältniss des Varro und Lukianos zu Me- nippos und sucht schliesslich nachzuweisen, dass sich in Horaz selbst spuren der kenntniss und benutzung der menippeisek- var- ronischen satire finden; und diese bestrebungen lauten in die behauptung aus, dass das genaue Studium der schritten des Lu- kianos, der aus denselben quellen wie Horaz geschöpft habe, nämlich den menippeischen Satiren, noch wichtige ausbeute für das verständuiss des Horaz verheisse. So wird mit emsigkeit ein ganzes künstliches netz von zarten Verbindungsfäden gespon- nen: sobald man sie aber anfasst, zerreissen sie.

Für die natur dieser Untersuchungen sehr bezeichnend ist gleich die zur exempliticirung der „feinen fäden, mit denen der schaffende poetische geist an bereits vorhandenes anknüpft" an den aufaug gestellte behauptung, dass die alte komödie „natürlich durch mancherlei mittelglieder auf den Homer zurückgreifen muss, des- sen Thersites eine fruchtbare anregung für sie wurde". Dass Lukianos des Timon sillen kannte, studierte, ja unmittelbar ausbeutete, soll die wörtliche Übereinstimmung des Lukianos im

Nr. 4. 104. Menippos. 197

Hermotimos §. 74 mit Timon bei Sextus Empir. adv. geom. 3, 10 erweisen. Und da nun die wesentlich aus der menippeischen abzuleitende satire des Lukianos die beiden vorzüglichen eigen- schaften der Timonischen sillen, dialogische form und geschick- tes parodiren zeige, so dürfe wohl angenommen werden, dass es Menipp war, welcher diese beiden eigenthümlichkeiten der Ti- monischen darstellung dem Lukian vermittelte und diesen „über- haupt auf das Studium des Timon hinführte". Nun ist die auf- fallende Übereinstimmung zwischen Lukianos und Sextus ein- fach die, dass beide gegen die geometrie als Wissenschaft den bei den Skeptikern landläufigen Vorwurf erheben, dass sie von gewissen unerwiesenen gruudvorstellungen ausgehe und dass beide sich dabei des bildes bedienen , das auf diesem morschen fundament [aaOgoig &ffisllotg) errichtete gebäude von schluss- folgerungen könne nicht haltbar sein. Zugegeben, was möglich, aber durchaus nicht nöthig ist, dass beide dabei einer und der- selbe quellen , der schritt irgend eines Skeptikers folgen : woher weiss der vf., dass dieser Timon ist? Er meint p. 6, des Sextus quelle sei nach seiner eigenen aus sage Timon gewesen. Soll diese eigene aussage etwa die bemerkung im anfang der schrift ngng yscoutTgag sein, wo gesagt wird dass in ähnlicher weise, wie Timon bei seinem angriff gegen die j)hysiker vorgegangen, er (Sextus) gegen die geometer vorgehen werde? oder soll gar die anführung der figürlichen (sprichwörtlichen) redeweise mit den worten aattnoig ag qi a a i dt/Atlloig als ein hinweis auf Timon gedeutet werden ? Und selbst, wenn eine philosophische schrift Timons hier von Sextus und Lukianos benutzt wäre, so wäre damit für den Zusammenhang zwischen den sillen Ti- mons und der lukianischen satire doch noch gar nichts erwie- sen. Ferner ist es eben so incorrect, in der dialogischen form einen „besondern vorzog" der Timonischen sillen zu erkennen, wie ihre dialogisch gehaltene partie mit den lukianischen dialo- gen zu parallelisiren; denn was es mit diesem dialog bei Timon für eine besondere bewandtniss habe, zeigen die genauen worte eben bei Laert. Diog. IX, 111 qialvszai yovv avcoiglvcav iSevoxpctpqv zov Ko)~oqo3ii,ov nsgl ixiiazcov , 6 8s avzoSitjyovfietog sazi. xat sv fisv zä> 8svzs'gq> nsgl zdiv c/.QXatozs'gcav, sv 8s reo rgircp nsoi tcov vazs'gcav. Und wiederum, selbst wenn das alles richtig wäre, wie würde es anhält geben zu der vermuthung über Men ipp os?

198 104. Menippos. Nr. 4.

Aehnlicb verhält es sich mit den übrigen beitragen znr „geschiente der satire" in dieser Schrift, soweit sie eigen- tümlich sind ; ref. darf sich wohl begnügen nur noch das nach des Verfassers ansieht wichtigste ergebniss dieser Un- tersuchungen kurz zu prüfen, dass Lukianos und Horatius öfter übereinstimmen, dass beide aus der gemeinsamen quelle (Menip- pos) geschöpft haben und so Lukianos öfters den einzigen Schlüs- sel zum richtigen verständniss des Horatius biete. Der schla- gendste beweis ist dieser.' Die worte bei Hör. serm. I, 1, 20 quid causaest merito quin Ulis Iupiter ambas iratus buccas infletl Würden nur verständlich durch die stelle in Lukian. Ikarome- nipp. c. 26, wo Zeus geschildert wird, wie er durch eine him- melsöffnung die gerechten wünsche der menschen durchlässt und sie neben sich legt, die ungerechten aber zurückbläst. Die- ses bild hat Lukiauos aus dem Menippos-, das lässt sich zwar nicht beweisen, aber „es giebt dinge , die nur neben einander gestellt zu werden brauchen, damit ihre Zusammengehörigkeit einleuchtet" ; und eben aus Menippos hat Horatius dieses bild entlehnt, das er als reminiscenz hier einflicht. Nun handelt es sich ja aber von allem übrigen, wie von dem unterschied, dass hier gerade von den beiden entscheidenden zügen jener komi- schen scene, der himmelsöffnung und dem wegblasen der wün- sche, nichts gesagt ist, oder von der gänzlichen unmotivirtheit des ,,fast unmerklichen" Übergangs aus einer Situation in eine ganz verschiedene andere und aus dieser wieder zurück in jene, von alle dem ganz zu schweigen , es handelt sich ja aber hier gar nicht um zu gewährende oder zu verweigernde wün- sche: denn Iupiter hat ja die auf den tausch des lebenslooses mit einem andern stand gerichteten wünsche der unzufriedenen bereits erhört : „iam faciam quod voltis", und nur die menschen Wollen nicht auf diesen ihnen bewilligten tausch eingehen ; und eben so wenig kann man an die zukünftigen wünsche der be- treffenden denken , die Iupiter künftighin (posthac) nicht so leicht erhören zu wollen droht, da er ja doch nicht in eventum um diese wegzuscheuchen , gleich jetzt die backen aufblasen kann. Durfte das der vf. p. 27 wirklich einen „nachweis" nennen? und er das im wesentlichen sich genügen lassen zu der behauptung: „den gefundenen spuren weiter nachzugehen

Nr. 4. 105. Ovidius. 199

ist eine 6ehr wichtige aufgäbe, die sicher noch mehr ausbeute für die Sermonen, vielleicht auch einige für die Episteln verheisst1' ?

C. W.

105. Ovidius und sein verhältniss zu den Vorgängern und gleichzeitigen dichtem, von Dr A. Zingerle, professor zu Innsbruck. Zweites heft: Ovidius, Ennius, Lucrez, Vergib Innsbruck. Wagner, 1871. XXII und 121 s.

Wie das 1869 erschienene heft das verhältniss Ovids zu den römischen elegikern, so betrachtet dieses seine Stellung zu den dichtem des hexameters, epikern und didaktikern. Die nachahmung derselben in ganzen beschreibungen, einzelnen Sä- tzen, versanfängen und' versausgängen, im anklang von versthei- len und in einzelnen Wendungen ist von so massenhaftem und dadurch überzeugendem umfange bisher noch nicht zusammen- gestellt worden, und müssen wir dem vf. für seinen fleiss und für die aufklärung, die uns nun deutlicher als bisher über die- sen punkt der technik der römischen dichter gegeben ist, dank- bar sein. Denn nicht nur der geistvolle Ovid und mit ihm die andern dichter seines Jahrhunderts erscheinen nun als ausseror- dentlich häufige nachahmer oder als wiederholer ihrer eigenen Wendungen; sogar Ennius schon hat dem Naevius manches ent- lehnt und auch (vgl. p. 5 und 7, worauf der vf. nicht auf- merksam machte) sich selbst wiederholt *). In der begründung dieser thatsachen aber müssen wir Zingerle entschieden wider- sprechen. Er nimmt die in Köne's buche über die spräche der römischen epiker ausgeführte ansieht von der ungeeignetheit der römischen spräche für das daktylische metrum wieder auf, wo- durch die dichter genöthigt seien , an einer einmal gefundenen Wendung , in ermangelung einer bessern möglichkeit , fest zu halten. Auch die beabsichtigten (oft pikant genug angebrach- ten) reminiscenzen seien ursprünglich aus diesem gefühl der dürf- tigkeit hervorgegangen. Wäre diese grundfalsche ansieht rich- tig, so verdiente wahrlich die römische dichtung nicht, dass ein gebildeter heutigen tags sich nur im geringsten mit ihr befasste. Zum glück aber ist's anders, und zeigt uns gerade Ovid, wie unendlich mannigfaltige nuancirung ein gewandter dichter in

1) Enn. v. 30, 162, 343; ferner v. 168, 404 sind auch hierher zu ziehen.

200 105. Ovidius. Nr. 4.

die spräche des römischen hexameter legen konnte. Weiter: wenn auch Ennius, dem die flüssigkeit der poetischen spräche au- sserordentlich viel verdankt, schon dem Naevius entlehnte (Cic. Brut. 19, 76), der noch in saturniern schrieb, so that er es doch nicht etwa, weil die für den hexameter richtige form durch Naevius gefunden war? Die Ursache ist vielmehr eine ganz andre. Von anfang an fand das alterthum im Homer unzählige selbst- wiederholungen, und zwar bei weitem nicht nur in den sg. ste- henden epischen versen, was theilweise eben aus der ent- stehungsait der homerischen gedichte zu erklären ist; und was das ideal der dichtkunst (o nnirjTv^) darbot, musste nach- ahmungswerth sein. Daher herrscht diese sitte weiter in der griechischen, besonders alexandrinischen poesie , und ebenso aus diesem Ursprung von anfang an in der römischen bis zu ihrem spätesten ausleben ; allmählich wurde die sache immer äusserlicher gefasst und es entstand die centouendichtung, deren frühesten repräsentanten, noch unter Augustus, man in der Ci- ris finden darf.

Zingerle's buch beginnt mit den nachahmungen aus Ennius. Obgleich Ovid diesen als Urvater der dichtung ehrt (nicht: lobt; er nennt ihn „kunstlos"), hat er doch keine direkte nach- ahmung aus ihm, wird ihn auch wohl nicht viel studirt haben. Von den neun beispielen , in denen Zingerle directe nachah- mung findet, sind zwei durch Horaz vermittelt2) (Met. 6, 597 durch Herrn. I, 4, 61; A. a. I, 459 durch Serm. H, 2, 52), an- dre sind als nachahmungen unsicher (Enn. 37. 94. 264. 357), die letzten mögen durch verlorene dichter (Varro Atacinus oder ähnliche?) vermittelt sein. Interessante beispiele des weitgrei- fenden mittel- oder unmittelbaren einCusses, selbst in gering- fügigen einzelnheiten, von Ennius finden wir p. 7 ff. P. 12 47 finden wir die nachahmungen aus Lucrez zusammengestellt (hier ist jedenfalls direkte entlehnung anzunehmen), und zwar auch 1) in ganzen Situationen, 2) in gleichen versausgängen, 3) in anklingenden versen und verstheilen, 4) in gemeinsamen Wendungen. Lucr. 6, 515 (p. 23) ist übrigens vielleicht durch

2) Auch p. 4 zu rumore secundo vgl. Horaz Epp. I, 10, 19 und Sucius (?) bei Macrob. 6, 1, 57 referant petita rumore secundo), wo schon die stellen, welche Zingerle anführt, L. Müller's Umstellung rumore petita secundo widerrathen, von dem an solcher stelle des he- xameter unschönen und seltenen amphibrachys ganz abgesehen.

Nr. 4. 105. Ovidius. 201

Vermittlung von Verg. Ecl. 8, 79 bei Ovid. Met. 3, 487 nach- geahmt 3). Zu Ov. Met. 4, 6 (p. 22) vgl. auch 9, 770. Ist Anth. Lat. 4, 72 aus Verg. 7, 390 oder aus Ovid Met. 4, 7 oder aus beiden entlehnt? Desselben gedichts v. 100 ist auf p. 88 sowie Anth. Lat. 726, 18 auf p. 21 zu notiren. Ueberhaupt müsste nun dieselbe arbeit auch auf die spätem dichter ausge- dehnt werden: gewiss ergäbe sich im einzelnen manches auch literarhistorisch interessante. Dass selbst die textkritik dabei nicht ganz leer ausgeht (vorsieht ist natürlich geboten) zeigen die bemerkungen auf p. 86 f. heft III , p. 25. Ganz be- sonders reichhaltig ist natürlich die Sammlung vergilischer nach- ahmungen p. 48 113. Käme jemand etwa auf den gedanken, alle solche stellen in einer ausgäbe des Ovid durch andern druck hervorzuheben, so würden dessen dichtungen stellenweise ein halbcentonenartiges aussehen erhalten! Ein neuer beweis, wie wenig, bei der eminenten formbegabung Ovids , die obige begründung Zingerle's die richtige sein kann. Zu p. 76 : hier steht Ov. Met. 39 vario sermone levemus mit Verg. 8, 309 varioque viam sermone levabat zusammen. Wenn nun auch Varro's Menippeen sowohl Endym. fg. 6 E. (wo schon ein citat aus Ennius vorkommt) sermone cenulam variamus, als besonders Pr. par. fg. 1 itiner longum sermone levare bieten, so wird die vermuthung nicht gewagt erscheinen, dass dieselbe phrase sich schon bei Ennius fand und von ihm zu Varro und zu Vergil gelangte. Zu demselben resultat ennianischen Ursprungs wird man p. 96 für moriemur inulti unter hinzufügung von Hör. Serm. II, 8? 34 gelangen. So dürfte wohl durch vergleichung der ausdrucks- weisen gerade für Ennius noch mancher gewinn zu erlangen sein. Möge die dankenswerthe arbeit des vf.'s hierzu an- regen! Dass er der kürze halber manches ihm weniger wich- tig scheinende aus seinen Sammlungen unterdrückt hat, ist nicht zu billigen, da möglichste Vollständigkeit hier durchaus wün- schenswerth ist. Vielleicht findet er noch gelegenheit , diese nachtrage anderweitig und hoffentlich wenigstens mit Zuzie- hung der kleineren sg. Vergiliana, die doch zum theil der zeit und auch den kreisen Vergils entstammen zu veröffentlichen.

3) Zum ersten heft ist nachzutragen: Catull 64, 132: 143; vgl. Ov. Fast. 3, 469; 471.

A. R.

202 106. Publilius Syrus. Nr. 4.

106. Publilii Syri Senteutiae. Ad fidem codicum optimo- rum primum recensuit Eduardus Wölfflin. Accedit in- certi auctoris liber qui vulgo dicitur de moribus. 8. Lipsiae in aed. B. G. Teubneri 1869. 1 thlr.

Bereits 1853 bat der herausgeber seine Studien auf diesem gebiete mit der vergleichung der freisinger bandscbrift begon- nen, 1865 im Pbilologus seine bahnbrechende abhandlung „der mimograph Publilius Syrus" veröffentlicht, 1869 folgt auf grund sorgfältigster vorarbeiten endlich die ausgäbe des textes, die somit erwarten darf, als reife frucht einer lieblingsarbeit auf ungewöhnlich krautigem felde mit freuden begrüsst zu werden. In der erforschung des handschriftlichen materials ist Wölfflin seit 1865 weiter vorgedrungen, wie die beurtheilung der handschriften in Proll.p. 15 verglichen mit Philol. XXII, p. 437 zeigt. Doch ver- misst man in diesem dankenswerthen abschnitt noch mancherlei; abgesehen von der doch nur sehr relativen Vollständigkeit, von der Wölfflin am besten wissen wird , dass sie der sache nicht schadet, fehlt es an dem versuch, die handschriften nacb an- dern gesichtspunkten zu ordnen, als nach dem umfang ihrer Überlieferungen, und verwöhnt wie man jetzt ist möchte man mindestens die erklärung haben , dass eine aufstellung ihrer Verwandtschaft bei dem chaos der traditionen eine kaum loh- nende arbeit sein würde. Besondere belehrung gewähren Pro- legg. cap. IV über die kriterien der ächtheit, c. V über die In- terpolationen, und c. VI über die emendation , wo eine reihe interessanter thatsacben zusammengestellt ist; gewiss wünschte mancher diese abschnitte auf kosten der früheren, in denen sich Wölfflin häufig mit einem citiren des Philologus hätte begnü- gen können, noch weiter ausgeführt und namentlich wäre eine aufstellung der aus den Sententiae selbst für deren emendation sich ergebenden gesetze, beispielsweise des 1 o gi sehen gegen- satzes dercorrespondirenden hauptbegriffe will- kommen gewesen. Von einem genaueren referat sehe ich ab und glaube dem berausgeber die beste anerkennung durch eingehen auf einige einzelheiten zu bezeugen. Proll. p. 11 hätte wohl bei dem vs. Desunt inopiae die frage erörte- rung verdient , ob nicht ein derartiges citiren aus dem köpfe zur emendation zu brauchen ist, d. h. welche lesart unter den bereits im alterthum verbreiteten vom dichter selbst her-

Nr. 4. 106. Publilius Syrus. 203

rührt. Denn darauf kommt doch alles an. P. 52 note und vs. 9 fehlt der nachweis, dass aspicere überhaupt bedeuten könne oculis custodire. Vgl. auch vs. 47. P. 54 soll Tzschu- cke's conjektur valeat in vs. 348 nicht ins metrum gehen: aber dech wohl mit Maehly's Umstellung , s. vs. 375. Vs. 50 musste emori schon nach Bentleys und Ritschis vorgange ent- fernt werden. Vs. 75 ist vielleicht zu schreiben: brevis summae ipsa est memoria iracundiae. Vs. 90, wo mir die quantität oderunt praef. p. 56 bei der beschaffenheit der codd. keineswegs gesichert erscheint, steckt die corruptel in cives. Ich vermuthe, der vers heisst : Cuius mortem amici expectant , filius vitam oderat. Vs. 110 (die verszahl ist im commentar ausge- fallen) ist der anfang stark verdorben. Vermuthlich hat der vers gelautet Consilium in dubiis inveniunt multi , docti se explicant. Vgl. vs. 593. Vs. 137 wird durch vs. 542 nicht erklärt; ich dachte zuerst, dass in Dies vielleicht Danaus stecke ver- derbungen durch nichtverstehen von eigennamen sind ja häufig, s. Bergk Arist. Xub. 282 u. a. allein durch vergleichung von 382 ita ludit dies und vs. 480 intellegere quid donet dies, ist es mir doch wahrscheinlich geworden, dass dies unverderbt ist und den zufall den der tag bringt, bedeutet. Vs. 151 verlangt deest nothwendig superest anstatt superat, wie schon Bentley sah. Vs. 152 ist für quid sis mindestens mit Bent- ley qui sis zu schreiben, sehr möglich aber bei der Unklarheit des gedankens , dass die corruptel weiter gegangen ist und qui seit da stand, wo dann auch expedit natürlich nicht richtig sein könnte. Vs. 181 macht die vergleichung von vs. 39 nicht das eo der vulgata überflüssig, das daher auch Eibbeck mit recht beibehalten hat. Vs. 187 wird man sich mit des Pithoeus otium wohl begnügen müssen, wie Wölfflin gethan hat. Der vers heisst dann : man erspart viel zeit und sorge, wenn man darauf verzichtet, die weiber zur vernunft bringen zu wollen. Oper am perdere et otium,, was nahe genug liegt, lässt sich wegen de3 unentbehrlichen desperare nicht herausbringen. Vs. 248 heisst es bei Ribbeck und Wölfflin : Invidia tacite sed ini- mice irascitur. Mancherlei unbefriedigende änderungen sind ver- sucht; der gedanke in der reeipirten lesart ist wo nicht gradezu unsinnig, doch gewiss nichts weniger als geistreich. Ich möchte glauben, dass irascitur eine verschreibung aus ira nascitur

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ist; dann ergiebt sieb, die schlagende gegenüberstellung invidia und ira. Durch inimicum an derselben stelle des folgenden ver- ses ist offenbar die richtige lesart verdrängt; erfordert wird ein gegensatz zu tacite; vermuthlich ist ilico oder manifeste zu schrei- ben. Wem diese änderung zu kühn scheint, der findet Proll. c. V interessante aufklärung. Vs. 325 ist kein senar, die auch von Ribbeck beibehaltene vulgata ist nicht zu ändern ; vs. 347 ist des schlechten ictus wegen tarnen cogitat umzustel- len. — Vs. 348 und in ähnlichen fällen halte ich die ausfü'h- rungen p. 54 nicht für zwingend, das fragepronomeu, das Mähly hier richtig hergestellt, abzuweisen. So ist z. b. vs. 373 si scias quod nescias unmöglich und nur die wähl zwischen quid nescias oder quod nescis. Vs. 380 ist opteritur wohl etwas gesucht. (NB. in der Orthographie sind gewisse neuerungen mit recht festgehalten; unliebsam ist auf derselben seite vs. 52 ac- commodas und vs. 57 adeommodat). In den Provv. p. 90 n 6 und 7 ist offenbar ein gleichmässiger bau, daher neges oder petes zu schreiben, wofür auch handschriftliche anhaltspunkte da sind, Ib. p. 91 vs 17 ist ein hexameter; für Nulla pu- silla domus quae multos reeipit amicos ist reeepit mit weglassung von quae wiederherzustellen, vielleicht auch nidlos für multos zu setzen. Vs. 412 ist für Meyers sehr gesuchtes facultas wohl Gruters felicitas mit Ribbeck beizubehalten. Vs. 430 ist nicht recht klar ; man erwartet wohl hier in morte mortali, cf. vs. 286. P. 94 Pro v. 31 ist ein senar: Peccandi oportet odium non facias metum.

Damit mag es genug sein. Die conjecturalkritik hat be- greiflich einen weiten Spielraum in versen, die bis zu ihrer fixi- rung als Sententiae im munde des volks vielfachen Wandlun- gen unterworfen waren und nachher die Schicksale der hand- schriften des Seneca u. s. w. zu theilen hatten. Dass sich der text von Wölfflin durch eine reihe eigener emendationen aus- zeichnen würde, war zu erwarten ; zu deu trefflichsten gehören z. b. vs. 24 und 230. Im allgemeinen hätte wohl Bentley noch öfter gefolgt werden sollen, wie vs. 44. 45. 54. 151 (wo auch Eibbeck die vulgate beibehält) 191 u. ö. Doch soll der Schwer- punkt dieser ausgäbe offenbar nicht sowohl in der gestaltung des textes im einzelnen, als in der unendlich schwierigeren er- forschung des wahren eigenthums des Publilius Syrus beruhen,

Nr. 4. 107. Griechische antiquitäten. 205

das sich incl. der Sententiae Turicenses nunmehr auf 639 verse 149 zeilen prosaischer ausspräche beläuft, während Bentley nur 273 ächte verse, Bothe dagegen deren 10'20 zählte. Eine wei- tere aufgäbe bleibt noch die herstellung eines comtnentars nach art von Ahrens' Theocrit mit angäbe der auctores und imi- tatores, der für dies gebiet unerlässlich ist und für den bereits mancherlei dankenswerthe vorarbeiten in dieser ausgäbe vorlie- gen. Mit Spannung erwarten wir die zweite aufläge der Co- mici latini, in denen Bibbeck sich die gründliche arbeit Wölff- lins zu nutze gemacht haben wird. Th. Fritzsche.

107 Adolph Philippi, beitrage zu einer geschickte des attischen bürgerrechts. 8. Berlin 1870. 296 s. 1 thlr. 20 gr.

Der Verfasser dieses beachtenswerten buches, der in die- sem gebiet zuerst durch seine Untersuchungen über die authen- tie der unter JDemosthenes' namen gehenden rede gegen Zeno- thernis (Jahrb. f. Phil. 95, 577 ff.) vor die Öffentlichkeit getre- ten ist, sucht nachzuweisen, dass sogut wie im alten römischen staat; auch in Athen eine reine geschlechterverfassung bestan- den, dass bis auf Sol o n jeder volibürger einem ges ch 1 ec hte {yitog) und nur dadurch der phratria, der phyle uud als bürger dem Staate angehört habe, dass durch Solon an stelle der gentilität die angehörigkeit an eine q-QazQta die bedingung der civität geworden und zu den altbüigern, den ytvvijtai oder OfioyäXaxreg, die neubürger, die ayytavki; hinzugekommen seien, dass endlich Kleisthenes das bürgerthum an die einordnung in den einen demos geknüpft habe, wodurch die geschlechterverbände zwrar nicht aufgehoben , aber politisch bedeutungslos wurden, wogegen die einführung des neubiirgers in eine phratrie ais noth- wendig beibehalten ward. Durch diesen historischen process wrard allmählich aus dem g e n t i lic i seh en Staate der vor- wiegend dem alterthum angehört, derauf corporativer grund- lage coustituierte, der an seine bürger nicht mehr die forderung adliger, sondern nur reiner bürgerlicher abkunft (xa&aQiäs oder fx dvolv 'ddr/iatar, bei theoretikern wie Aristot. Polit. III, 2, p. 60 Bekker. auch e| ufsqfnsijwi nuXtiäv ytyovirui) stellt. Den nachweis für diese entwickelung giebt Philippi nament- lich in der einleitung (p. 1 27) und dem vierten und fünf- ten abschnitte des buches (p. 147 229j; ausserdem enthält

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das buch sorgfältig ausgeführte Untersuchungen über die Stel- lung der halbbürtigen (lo'flo/) zum attischen bürgerrechte und die wiederholt ergriffenen massregeln zur Säuberung des bürgerstan- des von unberechtigten eindringlingen (capitel 1; p. 31 65), über das das matrimonium iustum begründende connubium (ini- ycLI*ta) und die formen der eheschliessung bei den Athenern (capitel 2, p. 69 78), über die Stellung der unehelichen im eigentlichen sinne (auch diese heissen vd&oi) zum bürgerrechte (capitel 3, p. 81 143), endlich im 6. capitel (p. 233 296) die durch klarheit und präcise berichterstattung über den derma- ligen stand der frage besonders ausgezeichnete erörterung über die bildung des attischen gesammtstaates tavi o/xmuoV), die al- lerdings nicht in allen punkten mit dem plane des buches in engem zusammenhange steht.

Die arbeit Philippi's ist ein muster von besonnener for- schung, massvoller polemik (namentlich in der frage über die Stellung der vö&oi und die epigamie gegen die hypothesen in van den Es' de jure familiarum apud Athenienses libri III t nicht selten auch gegen K. F. Hermann u. a.), umfassender benutzung der quellen, auch der Inschriften im C. I. und in Ross' Demen von Attika, und der hülfsmittel, von denen ihm nur einzelne monographieen entgangen zu sein scheinen; die durch die römi- sche geschlechterverfassung gebotenen parallelen sind , nament- lich auf grund der von Mommsen gefundenen ergebnisse, tref- fend zur vergleichung herbeigezogen , die rückschlüsse aus der historischen, sicher beglaubigten zeit auf die ältere minder oder gar nicht durch positive quellenangaben beleuchtete verlieren sich nicht in ein gewagtes conjecturiren, wenn schon, der uatur der erörterung gemäss, die acten noch nicht allenthalben ge- schlossen sind; der Verfasser hat in seinem bescheidenen Vor- wort diese prätension auch nicht erhoben, sondern seiner arbeit ausdrücklich den character einer weitere forschungen auzuregen bestimmten vindiciert. Bei der benutzung der quelleu hat Phi- lippi hier und da, so glaubt wenigstens referent , die behaup- tungen der redner im interesse ihres dienten (man gestatte der kürze wegen das wort), namentlich ihre invectiven gegen die gegner, zu schnell für baare münze genommen (vgl. beson- ders p. 119jj man weisss ja, dass das calumniari audacter, mit

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seltenen ausnahmen, den Sprechern vor den geschwornen wenig gewissensscrupel machte.

Referent giebt nachstehend einige nachtrage, resp. berich- tigungen zu dem reichen inhalte des buches. Bei der begriffs- bestimmung des bürgers nach Aristoteles (p. 4) fehlt das aus Polit. III, 13, p. 81 Bekker. zu entnehmende merkmal, der hin- weis auf die p flicht, sich der bestehenden Ordnung zu fü- gen (o [ieTt%(ap tov ctQ%eiv hui ag^sa&ai), P. 18 wird mit recht die politische theorie, dass die civität abhängig sei vom grundbesitz, zurückgeführt auf den ethischen fundamentalsatz, den Menander bei Stob. Floiil. 56, 5 ausspricht: uy1 lai}v dgs- t7jg xflt/ ßtov SiduoxtiXng iXsv&sgov roig nuaiv an&goanoig uyoögi der ackerbau galt nicht bloss als der dixaioiuTog räv xorjua- TiGfJicöv (Plut. Philop. 4), sondern auch, im gegensatz zum handvverk und handel, als garantie für die Gmrpgooüvq und da- mit für conservative gesinnung im staatsieben, eine idee , die nicht bloss als theorem des Aristoteles (Polit. VII, 4, p. 182 Bekker.), sondern als die volksthümliche aus den dichtem, Xe~ nophon u. a. hätte belegt werden hönnen. Schief ist der aus- druck p. 20, der bekannte antrag des Phormisios unter dem ar- chontat des Eukleides habe ,,aus dem grundbesitz bürgerloose machen wollen'' ; Dionysios iudic. de Lys. sagt: yvcopifv tUrjyijaaro irjv noÄirelav rolg ytjv eyovßi jiuquöolkh. Bei der sorgfältigen Untersuchung über die ygo.qi\ &*iag p. 38 ff. findet sich nicht citiert die abhandlung von de Bruyn de Neve Moll, de peregri- norum apud Athenienses conditione (Dortrecht 1839), die p. 56 ff. diese sowie ihre möglichen consequenzen sehr eingehend be- handelt. Dass die Säuberung der bürgerschaft unter Perikles nicht durch das mehrmalige verfahren der diayjijcpiaig , sondern durch yoacpal %eviag erfolgt sei, schliesst Philippi mit recht aus dem plutarchischen berichte (Perikl. 37J ; es wurden damals gegen 5000 noXliai naQfyyQajtroi ausgestossen und , nach Plutarch, en masse als sclaven verkauft; dass diese letztere an- gäbe ungenau ist, bemerkt vf. p. 35 f. ; nach seiner ansieht be- zieht sich das innä&ijaur bei Plutarch nur auf die, die bei dem Spruche der heliasten sich nicht beruhigten, sondern ,,appel- lierten". Aber eine ,,appellation" (i'qriötc) von der heliaea, die ja die höchste instanz bildete, war unmöglich ; Philippi hat an die appellation von dem spruch der demoten an das ge-

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schwornengericht , wie sie bei der diapsephisis statthaft war, gedacht; wohl aber konnte der %uviag verurtbeilte die restitu« tions - oder nullitätsklage (avadixiu) anstellen, denn die yoaqrj ^sviag war „qivadiitoQ" (de Bruyn, p. 67 f.); der verlust der persönlichen freiheit traf jedenfalls damals diejenigen, die nach dem verlust des bürgerrechts vergebens eine rescissio judicii an- gestrebt hatten. P. 70 konnte als beleg dafür, dass die epi- gamie auswärtiger Staaten auch ohne gleichzeitige Verleihung der civität geschenkt werden konnte, auch das cyprische Sala- mis angeführt werden, welches unter Euagoras von den Athe- nern durch' das connubium ausgezeichnet war (Isokr. IX, 5ü). Bei der besprechung der doxifAaaia f«V ardyug (p. 104) ist nicht angeführt die wenigstens in citaten sehr reiche dissertation von Heinrichs, de ephelia attica (Berlin. 1851), ob absichtlich (vgl. Vorwort p. v), steht dahin Die p. 113 erwähnte Urkunde über die Verleihung des bärgerrechtes an die mörder des Phryniehos ist nicht von Ussing zuerst veröffentlicht, sondern, allerdings in drei stücken, von Pittakis (vgl. Westermann , de locis aliquot orat. att. intcrpolatione corruptis, Leipzig 1859, p. 9), recon- struiert von Velsen, dessen redaction Kirchhoff besprochen hat in den Abhandl. der berliner akad. der wissensch. 1861, juui- heft. Wo Philippi die etymologie und Schreibung des Wortes CpQUToia (euphonisch q^argta) bespricht (p. 177), hätte die ge- wichtige autorität von Curtius (Grundzüge der griech. etym. 272) doch nicht unerwähnt bleiben sollen bei dem nachweise, das (fQargia collectivbegriff" ist zu qroar//y, frater ^Hesych. tj>{H]T/]Q = a8e\q>6<i) die „brüderschal t". Nicht befriedigend erscheint dem ref. die vermuthung, . der übliche ausdruck ti<; reflJ«; qp^u'rf- gag {eUdytd&ai und dgl.) sei nicht auf sämmtliche genossen der phratrie, sondern nur auf einen ausschuss, etwa einen „con- gress der näc h s tb et h ei 1 igten verwandten1' zu beziehen. Bei der reeeption der söhne von neu bürgern in die phra- tria wenigstens lässt sich dies nicht füglich denken ; glaubwür- diger ist, da allerdings nicht wohl die ganze „brüderschaft" um jeder eiuführung willen sich vollständig versammeln konnte, dass jede phratria an den apaturien jedesmal durch einen ge- wählten ausschuss vertreten war, der eben die anmeldungen zur reeeption abstimmungsweise richtete (vergl. A. Mommsen, Heortologie p. 306, aum. l.J, worauf die eintragung der nameu

Nr. 4. 107. Griechische antiquitäten. 209

der recipierten in's qgazogtxov ygaptitureiov durch den cpgargCao- %og protokollmässig erfolgte (zu Lys. XXX, 2). Bei der vor- trefflichen darstellung der Verknüpfung der demen - und nau- krarienverfassung durch Kleisthenes (p. 151 ff.) ist nicht ange- führt die abhandlung : Herodoti et Aristotelis de Nuvxgdgoig te- stimonia , in Hulleman's quaestiones graecae p. 19 ff. Ein irrthum ist es, wenn p. 195 behauptet wird, die Verpflichtung zur blutrache habe schon Drakon beschränkt auf bestimmte Verwandtschaftsgrade (ßixQi apexpiaÖäv Demosth. XXXXVII, 72, ivrng apetytOTtjtog Demosth. XXXXIH, 57, vgl. Piaton Legg. IX, 871 B), ohne dieselbe auf die gesammtheit der verwandten und phrateren auszudehnen ; Drakon hat im gegentheil ausser den consanguinei bis zu den vetterskindern auch die nächsten af- finitätsgrade und in dritter linie die phrateren gesetzlich ver- pflichtet, wie ein im j. 1843 in Athen aufgefundenes, früher von Pittakis und Rhangabe, neuerdings correcter von Köhler, Her- mes II, 1, 27 ff., edirtes fragment der dracontischen legislatur über qötog uxovaiog beweist; es heisst dort (Köhler a. a. o. p. 31) ganz bestimmt : ngoeiTtetv tw xttlvavri in uyogci ivzog avsxpiözqiog y.al upsipiov, ovtötcüxstv 8s xul dvsxpiovg y.al uvtxpiäv Ttuldug xai yuftßgovg xai nsv&sgnbg xai cpgu7ugag.

Im letzten abschnitte entscheidet sich Philippi, nach licht- voller auseinandersetzung seiner gründe, für die ansieht, dass die vier sogenannten ionischen phylen nicht durch rangun- terschiede abgestufte berufskasten, sondern alle vier gleichbe- rechtigte adelsstämme gewesen seien, die nicht durch colonisa- tion so zu sagen importiert, sondern auf attischem boden er- wachsen und von da nach Milet und Kyzikos übertragen wor- den seien; in Attika hätten sie sich gebildet durch die Ver- schmelzung einer autochthonen und einer später zugewanderten bevölkerung, aus welcher letzteren namentlich die hopleten her- vorgegangen seien ; diese vier phylen hätten von haus aus für sich getrennt, in örtlich geschlossenen Wohnsitzen existirt ; sie seien theilkönigthümer gewesen, aus denen nach der tradition unter Theseus sich der gesammtstaat zusammensetzte; die in der historischen zeit vorkommende sacrale behörde der (fvlo^a- aiXttg sei so gut eine remiuiscenz an die fürsten der alten par- ticularkönigreiche wie der rex sacrificulus zu Rom und der ug%aov ^uaiXti'g in Athen eine erinnerung an den monarchen des ge- Philol. Anz. IV. 14

210 108. Römische antiquitaten. Nr. 4.

sammtstaats (p. 246). Die Überlieferung über die dodekapo- lis, die in verschiedener fassung bei den lexicographen und bei Strabon vorliegt, habe nur problematischen werth (p. 269) und sei vermuthlich spätere combination, um die über die zahl der partikularstaaten schweigende stelle Thukyd. II, 15 zu ergän- zen. — P. 273 vermisst ref. die anführung der monographie von Müller, de primarum quatuor populi Athen, tribuum origine (Mar- burg 1849), in welcher p. 83 ebenso wie bei Schümann und Duncker die deutung der 'doyadeii; als ackerbauer (nicht hand- werker; wie die Interpretation durch Squmvoyo'i bei Plut. Solon 23. Strabon VIII, p. 383 erklärt) vertreten wird.

Druckfehler sind dem ref. nicht aufgefallen ; ein versehen ist es, wenn p. 61 f. das archontat des Eukleides identificiert wird mit dem j. 404/3 v. Chr.-, es muss 403/2 heissen. Ein missverständniss sucht p. 72 in der phrase ?fpjj ovds u?i%arri oi>8?fjtä einen sinn, der den begriff der worte Ttpt] und fttj/air] urgiert; sie bedeutet doch nur: „in keinem falle, unter allen umständen nicht" (zu Lys. XIII, 95). Die deutung der stelle Lys. XXX, 2 auf p. 123 macht nicht deutlich genug, in wie- fern dem Nikomachos der Vorwurf der erschleichung des bür- gerrechtes gemacht werden konnte; ref. hofft in seiner bemer- kung zu der stelle, (wo statt Demosth. XXXXVI, zu lesen ist XXXXIV, 41) den richtigen gesichtspunkt angedeutet zu ha- ben. Endlich war p. 133, aum. 137 als officieller ausdruck für die erwerbung von grundbesitz neben p^ xal oixiat; syxrijöig noch anzuführen der in bürgerrechts - verleihungsdecreten vor- kommende terminus: yriniftmv eyxzqaig.

Hermann Frohherger.

108. Handbuch der römischen alterthümer von Joachim Marquardt und Theodor Mommsen. Erster band: römi- sches Staatsrecht von T h. Mommsen. I. Leipzig. Verlag von S. Hirzel. 1871. 8. XVIII und 527 s. 3 thlr.

Ein vierteljahrhundert hindurch ist das Becker- Marquardt- sche bandbuch der römischen alterthümer ein unentbehrliches und vorzügliches hülfsmittel bei den Studien, welche sich dem leben des römischen volkes zuwandten , gewesen , ein ge- wissenhafter rathgeber und treuer Wegweiser auf der ruinen- stätte, der mit seiner fackel überall herum- und hineinleuchtete,

Nr. 4. 108. Römische antiquitäten. 211

mit aufmerksamkeit und Sorgfalt auch die kleinsten fragmente sammelte und das gebäude des römischen Staatslebens, in seinen einzelnen theilen so weit als möglich hergestellt , in den ver- schiedenen hauptepochen seiner erscheinung zur anschauung zu bringen versuchte. Doch schon seit längerer zeit machte sich das bedürfniss einer neuen aufläge der ersten bände des Wer- kes geltend, äusserlich, weil sie nur noch im antiquarischen buchhandel zu haben waren, innerlich, weil das material inzwi- schen vielfach bereichert und dadurch hie und da die gesichts- und ausgangspunkte bei der behandlung verändert waren, weil mit einem worte das ganze einer vervollständigenden, theilweise berichtigenden Umarbeitung bedurfte. Der erste band des Beckerschen handbuchs (die topographie der Stadt Rom) ist in den kreis des neuen Unternehmens nicht hineingezogen worden; er wird durch den ersten band von H. Jordan's buch ersetzt werden. Dagegen ist nun eine neue bearbeitung^ der bände II bis IV des Becker -Marquardtschen handbuchs durch J. Marquardt und Th. Mommsen in angriff genommen, von wel- cher der erste theil des römischen Staatsrechtes vorliegt. Vor allem dürfen wir wohl dem „zunächst zu dieser arbeit be- rufenen, dem Vollender des Beckerschen handbuchs" aufrichtigen dank dafür aussprechen, dass derselbe und wäre es auch nur, um die Vollendung des buches zu beschleunigen, „denn handbücher sind nun einmal bestimmt noch kürzer zu dauern als andere gelehrte arbeiten " mühe und rubmeslohn der so umfangreichen wie anstrengenden arbeit nicht für sich allein genommen hat und wir es „seinem eigenen wünsche" zu ver- danken haben, dass Th. Mommsen eine „vor vielen jähren mit leichterem sinn gegebene zusage die neue bearbeitung des zwei- ten bandes des Beckerschen handbuchs, wenn sie einmal nöthig werden sollte, zu übernehmen" jetzt zu lösen veranlasst wor- den ist. Wir erhalten dadurch endlich von des Verfassers System der römischen Verfassung ein vollständig nach allen Sei- ten ausgeführtes bild. Waren auch die grundzüge desselben durch seine „römische geschichte" längst bekannt und einige haupt- und kernfragen theils in den „römischen forschungen", theils in der „rechtsfrage zwischen Cäsar und dem Senat" und dem „stadtrechte von Malaca und Salpensa", manches andere in zahlreichen abhandlungen und gelegentlichen bemerkungen

14*

212 108. Römische antiquitäten. Nr. 4.

an den verschiedensten orten und zu den verschiedensten Zei- ten entwickelt und zu einem vorläufigen abschluss gebracht, so blieb es doch überaus schwierig, immer und überall die einwir- kung veränderter anschauung im einzelnen auf die Verhältnisse des ganzen sich zu vergegenwärtigen und von der errichtung des römischen Staatsgebäudes , wie es im geiste des verf. sich gestaltet hatte, ein einheitliches bild zu gewinnen, während unab- lässig der ausbau in den einzelnen theilen gefördert und hie und da ein umbau im innern nöthig wurde. Solch ein grosses einheitliches bild wird vor uns liegen, wenn die drei bände von Mommsens „römischem Staatsrecht", auf welche die Umarbei- tung von Beckers zweitem bände berechnet ist, nach der ver- heissung der Verlagshandlung in nicht langer zeit vollendet sein werden. Wir können uns nur freuen, dass der vf. seinem wün- sche „die schwierige arbeit noch länger zurückzuhalten, insbe- sondere um die vorhandene literatur vollständiger dafür auszu- nutzen", im interesse der beschleunigung der herausgäbe nicht nachgegeben hat. Einmal musste doch ein strich gezogen wer- den. Und je eher dies jetzt geschieht, desto besser für alle diejenigen, deren Unterstützung und mitarbeit bei seinem bau der meister nicht verschmäht. Denn nun erst werden, von ihm selbst bezeichnet, die weiterer forschung oder genauerer Un- tersuchung bedürftigen theile nach umfang und Wichtigkeit deut- lich zu tage treten und von den „vielen geschäftigen leuten, welche auf dem antiquarischen bauplatze bloss die balken und ziegel durcheinanderwerfen, aber weder das baumaterial zu ver- mehren noch zu bauen verstehen", doch einer und der andere sich noch zu nützlichen arbeitern heranzubilden in den stand gesetzt werden. Und dies wird um so eher sich erfüllen kön- nen, als die anläge des buches sich in einem sehr wesentlichen stücke von der des früheren unterscheidet: es wird uns um in dem bilde zu bleiben vor dem aufriss des gebäudes der grundriss gezeichnet.

Der vorliegende erste band enthält die darlegung der recht- lichen grundanschaunngen und grundbedingungen in ihrer all- gemeiuheit und ihrem innern zusammenhange , denen sich die faktisch und äusserlich in den verschiedeneu magistraten des römischen Staates in die erscheinung tretenden speciellen gestal- tungen unterordnen. Erst durch eine solche darstellung gelangt

Nr. 4. 108. Römische antiquitäten. 213

die locale und faktische Zusammengehörigkeit der erscheinungen zu einer begrifflichen einigung, und in dieser anordnung finde ich einen hauptvorzug der neuen bearbeitung. Auch darin kann man dem vf. beistimmen, dass durch das aufgeben der sonderung nach historischen entwicklungsepochen als des obersten einthei- lungsprincipes die Orientierung erleichtert wird. Was im übrigen das verhältniss des inhalts zu dem des Beckerseben handbuchs betrifft, so sagt der verf. in der vorrede, dass „des- sen gesammter lehrstoff, so weit sich dies mit dem arbeitsplan irgend vertrug, auf dies handbuch übernommen worden sei und über dasjenige, worüber bei Becker belehrung zu finden war, man sie hier nicht vermissen werde". Nun, so weit sich darüber aus dem vorliegenden bände ein urtheil abgeben lässt, wird diese zusage nicht nur in vollem masse erfüllt , sondern ein reichliches mehr, namentlich auch an detail , geliefert wer- den ; den 1171 seiten (zu 37 zeilen) des Beckerschen bandes II, 1 3 werden circa 1500 Seiten (zu 39 zeilen) entsprechen; bei der bekannten conciesen darstellungsart des verf. beweist dies zahlenverhältniss zur genüge.

Ein näheres eingehen auf den inhalt des vorliegenden ban- des in diesen blättern wird niemand erwarten. Von besonde- rem interesse erscheinen mir die ausführungen über die maior und par potestas, über das coercitions- und intercessionsrecht, die schärfere Scheidung der patricischen und plebejischen magistratu- ren, die wesentlich berichtigte lehre von der intervallierung der äm- ter. Dass es, abgesehen von dem streit über prineipienfragen, an anfechtungen und manchen bedenken gegen einzelne ausführun- gen und vermuthungen nicht fehlen wird , dürfte den verf. we- der überraschen noch beunruhigen; jedenfalls wird zur sicheren begründung und durchführung solcher einwände erst das er- scheinen der folgenden bände abzuwarten sein. Nur ein, wie mir scheint , guter alter brauch wird wohl nicht von mir allein in dem buche vermisst werden; es ist das vor den haupt- abschnitten die Zusammenstellung der bedeutenderen darüber handelnden literatur, namentlich der älteren, wo möglich mit einer kritischen notiz. Für ein handbuch halte ich einen der- artigen nachweis für eine unerlässliche zugäbe; es ist jedoch vielleicht eben nur für diesen ersten band wegen seines allge- meineren inhaltes davon abstand genommen worden.

214 109. Vergleichende grammatik. Nr. 4.

Es wäre unbillig in einem werke mit einer solchen Un- zahl von citaten einen ganz fehlerfreien druck zu verlangen; mir sind, bei genauerer vergleichung einiger partieen , verhält- nissmassig nur wenige einer berichtigung bedürftige stellen auf- gefallen. Z. b. p. 243 z. 10 unt. F. Hofmanns programm ist 1851 (nicht 1861) erschienen; p. 377 anm. 1 muss auf p. 376 anm. 4. 5 (nicht, 6) 7 zurückgewiesen werden; p. 448 anm. 1 lies L. (statt C.) Fulvius Aemilianus; p. 457 anm. 1 gehören die worte „gilt davon das" an den anfang der nächst vorhergehenden zeile; p. 473 anm. 2 lies cos 108 (statt 109) im 33. (statt 34.) lebensjahre; p. 475 anm. 3. Tibe- rius war am 16. (nicht 15.) november 712 geboren. Nicht ohne Verwunderung aber bemerkt man bei der her Übernahme der amts - und standesbenenuungen auf atus in betreff des gram- matischen geschlechts ein fortwährendes schwanken. Es ist füg- lich ziemlich gleichgültig, ob man im deutschen an stelle des altgewohnten neutrums das richtigere masculinum gebrauchen will; aber: entweder oder! Denn z. b. p. 455 im texte 2mal (z. 5. 18) „den volkstribunat" und in der anmerkung zu der letzten stelle gleich in der ersten zeile „das tribunat" zu le- sen (vergl. p. 437 p. 20 mit 29), beleidigt auch ein minder feines ohr. Auf den pp. 107 bis 458 habe ich bei nur flüchti- ger durchsieht 16mal „das oder sein (accus.) consulat", keinmal das masculinum gefunden, 8tnal „das", 24mal „der tribunat", einmal „das", 6mal „der vigintivirat, eiumal „das", 4mal „der patriciat"! Wenn danach es scheint, dass der verf. dem masculinum im deutschen den Vorzug gibt, so war es sache, mein' ich, des correctors bei der durchsieht der probebogen die leidige inconsequenz zu beseitigen.

St.

109. räXa [räla-ATo^] Lac (Lactis) der graecoitalische name der milch. Ein monographischer beitrag zur ältesten empfin- dungsgeschichte der indogermanischen Völker. Von dl Her- mann Brunnhofer. Aarau 1871. 44 s. 8.

Bekanntlich gehören ynla und lac zu den Wörtern, die seit begründung der wissenschaftlichen etymologie den Scharfsinn der meister und jünger derselben mehrfach beschäftigt, und be- reits eine ausführlichere monographische behandlung (Hugo We-

Nr. 4. 109. Vergleichende grammatik. 215

bers Etymologische Untersuchungen I. Halle 1861) erfahren ha- ben. Der verf. beginnt daher mit der besprechung und Zurück- weisung seiner Vorgänger. Die deutung Potts, Benfey's und Leo Meyer's aus wz. marg = melken wird gewiss mit recht ent- schieden verworfen; auch Bopps (A. Webers, Max Müllers) er- klärung, wonach yülaxr aus yu = skr. gäus, kuh und Xaxz = lad (= dukta oder rahta oder ragas) zusammengesetzt sei, wird wegen der unerklärbaren gestalt des ersten theils als verfehlt betrachtet werden müssen; wiewohl der einwand Bruunhofers p. 6, ydXaxz könne schon darum nicht ,,kukmilch" bedeuten, weil es die animalische milch überhaupt, ja den pflanzensaft be- zeichne, nicht stichhaltig ist. Denn es ist keine seltene er- scheinung, dass der Ursprung des ersten theils einer Zusammen- setzung aufhört empfunden zu werden und das wort eine all- gemeinere bedeutung erhält: so im skr. go - kuhhirt, hirt: go-juga rinderpaar, aber ushtra-go-juga ein paar kameele, go-shta kuhstall , aber agva-go-shta pferdestall u. a. bei Benfey Vollst, skrtgr. 233, Innoi ßov -xoXeqvto Hom. T221, Inno-ßov-xoloi Eurip. Phoen. 28, ßov-Ovrsi vv Ar. Plut. 819, mo-toxsl nuxoa Ösid^ea Emped. 286, vinrag i-epvo-%6ei z/ 3, yigovTa natb-aycoy^Gm Eur. Bacch. 193, tojV oxt'Xeai %hqo-vouuv Herodt. VI, 129, oixo-do- fi£?i> nvQapida Herodt. VIII, 71, aeclificare naves u. a. Die be- zeichnung des pflanzensaftes als milch ist überdies im indischen wie im griechischen spät und jedenfalls durfte der verf. aus dieser jedem volke sehr nahe liegenden Übertragung eine der- artige Verwendung des wortes in der indogermanischen Ursprache nicht erschliessen. Wenig schlagend erscheint die Widerlegung der ansieht H. Weber's, der eine wz. gal = glänzen augesetzt hatte mit Zustimmung von Curtius Gr. Et.3 p. 164. Denn wenn auch Brunnhofer mit recht sich gegen das alles mögliche und unmögliche in glänz und Schimmer auflösende etymologisieren Webers wendet, so ist doch eine benennung grade der milch von ihrer hellen färbe sehr wohl denkbar, wie schon Schweizerin Kuhn's Ztsch. XVI, 130 beiläufig bemerkt hat, und widerspricht keineswegs dem naiven naturleben jener urzeit, da ja naturmenschen und naturvölker be- kannter massen eine kindliche freude an allem hellen und glän- zenden haben und die Indogermanen insbesondere in folge der temperaturverhältnisse ihrer Urheimat allen grund hatten des lichten und leuchtenden froh zu sein , wie sie denn auch im

216 109. Vergleichende grammatik. Nr. 4.

allgemeinen licht und gutes, finsterniss und böses identifizierten und die zahlreichen wurzeln mit der grundbedeutung des glän- zens, hellseins reiche sprossen in allen töchtersprachen getrieben haben. Brunnhofer selbst setzt ydla = skr. gala-rn ursprünglich gala-m wasser , wovon auch ydlax-eg = skr. galaha muschel, und führt beides zurück auf wz. gal: gar essen, trinken, wo- von skr. gara trank, ydgog, yär>ov brühe u. a. Eine herleitung von ydXa aus einer wz., die „trinken" bedeutet, ist an und für sich recht ansprechend, wenn man die milchnamen skr. pajas n. von pT, dadhi und dhenä v. dhe trinken vergleicht (die ab- leitung von Jcshira von wz. ghas essen ist zu wenig sicher, um sich darauf zu berufen, vgl. Bß. II, 557 Justi Zendspr. p. 23); wohl aber ist die gleichsetzung von ydla. und skr. g'alam unmög- lich, da einem altindischen galam einzig ydXov entsprechen kann. Die von Brunnhofer p. 14 f. angeführten angeblichen ana- logieen sind, abgesehen von der theilweisen Unsicherheit ihrer erklärung, schon darum ohne beweiskraft, weil sie ganz andern gebieten der Wortbildung entnommen sind, und die Ebelsche er- klärung (Kuhn Z. V, 65) des ersten theiles von da- ntdov aus skr. dam haus wird eben dadurch noch verdächtiger, abgesehen von der nichtberücksichtigung von £dns8ov (Ahrens Aeol. Dial. 46. Curtius Gr.2 Et. 548). Die vermeintliche ursprüngliche form yd- Xav im heutigen trapezuntischen dialekt erklärt sich einfach aus Mullach Gr. vulgspr. 163. Es ist ydXaxz nun nach Brunnhofer aus ydla durch zwei diminutivsuffixe erweitert, die dem ganzen die bedeutung, der- „liebe, liebe trank" geben sollen. Dagegen spricht ungefähr alles. Liebkosende diminutivbildungen sind durchaus nur ausdruck einer momentanen Stimmung und für den augenblicklichen gebrauch von der volks- oder dichterspra- che geschaffen; undenkbar aber ist es und ohne jede analogie, dass ein volk bei dem recht ernsten geschäft der benennung eines seiner hauptexistenzmittel in so liebenswürdig kindlicher weise verfahren wäre. Ferner stützt Brunnhofer sein diminutives t 7i einzig auf die sehr zweifelhafte erklärung von vtjnvttog Cur- tius Gr. 3 451, denn yaldtiov erklärt richtig Schwabe de di- min. p. 53. „Weniger selten, fährt Brunnhofer fort, begegnet to ; Curtius erblickt es p. 6 in rvvvov-zo-g". Die logik dieses eatzes richtet sich von selbst. Ebenso wenig kann der verf. eine Verbindung dieses t mit dem diminutiven xo nachweisen ;

Nr. 4. Neue auflagen u.s.w. 110 117. Bibliographie. 217

und schliesslich wäre die abstumpfung beider zu xr selbst für die graecoitalische periode schwer möglich. Die erklärung Brunn- hofer's ist also, so scharfsinnig sie sein mag, entschieden ver- fehlt; weit einfacher kann man aber die verschiedenen formen des wortes mit yaX trinken auf die nämliche weise vereinigen, wie es Curtius a. a. o. mit yäl glänzen macht. Zu derselben wz. gal stellt Brunnhofer auch ßdXavog glano (die essbare frucht, nicht unwahrscheinlich, wenn auch die beweissteilen aus den Schilderungen des goldnen Zeitalters bei späten dichtem nicht bindend sind, doch vgl. yrjyög von cpay , axvXog von skr. ag essen) gut-tur = gul-tur, vultur der „fresser" (ginge also mit guttur auf eine grundform gvultur zurück, daher besser mit Cors- sen Ausspr. II2 157 zu var zerreissen), vultus die „fresse" (! der Sprachgebrauch spricht für eine der bisherigen deutungen s. Auf- recht KZ. I, 154. Corssen Ausspr. II2 157. Fick Wtb.2 397), yavXog milchnapf = yavXog schiff, ydXomg ydXcog glas (grdf. ga- lavas, für die deutung „milchschwester'', „die mit (derselben) milch begabte" fehlt grade der eingeklammerte hauptbegriff, vgl. u-dtXcpeog, a-yäXaxrsg u. a.).

NEUE AUFLAGEN. 110. Homer's Iliade erklärt von J. U. Fähsi. 2. bd. 5. aufl., besorgt von F. R. Franke. 8. Berlin, Weidmann; 15 ngr. 111. Schwegler römi- sche geschichte. 3, bd. 2. aufl. 8. Tübingen. Laupp; 2 thlr. 112. J. M. v. Mauch, die architektonischen Ordnungen der Griechen und Römer. 6. aufl. besorgt von L. Loh de. 1. heft. 4 imp. Berlin. Ernst und Korn; 4 thlr. 25 ngr.

NEUE SCHULBUECHER. 113. Bell er mann griechi- sche schulgrammatik nebst lesebuch. 1. thl. Grammatik. 3. aufl. 8. Leipzig. Felix; 1 thlr. . 114. Freund Schüler- bibliothek. 1. abth. Präparation zu Horaz' werken. 2. aufl. 2. heft. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr. 115. Wörterverzeich- niss zu "Weller's lateinischem lesebuch aus Livius. 3. aufl. 8. Hildburghausen. Kesselring; 5 ngr. 116. E. Dettmer, Vocabularium und Übungsbuch für den griechischen elementar- unterricht. 5. aufl. 8. Braunschweig. Bruhn ; 12 ngr. 117. G. Weller, lateinisches lesebuch aus Herodot. 12. aufl. 8. Hildburghausen. Kesselring; 10 gr.

BIBLIOGRAPHIE. Verlagsbericht für 1872 von F. A.

Brockhaus in Leipzig; enthält wenig eigentlich philologisches.

Verzeichniss im preise ermässigter werke aus dem verlage

218 Bibliographie m\ 118 137. Nr. 4.

von W. Weber in Berlin: es sind bücher von Böckh, Bonitz, Christ, Mützell,Dirksen, Engel, Meineke, Vater, Villoison darunter.

Versendet ist ein prospect von der Sammlung gemeinver- ständlicher wissenschaftlicher vortrage, herausgegeben von J. Virchow und Fr. v. Ho 1 tz e n d or ff : die ersten sechs Se- rien umfassen nr. 1 144; aus dem von der Vllten Serie an- gekündigtem erwähnen wir hier: B. Stosch, aus dem reiche des Tantalos und Krösus, eine reisestudie; Dr W. Masing über das tragische: Dr Abel, der begriff der liebe in alten und neuern sprachen.

Preisherabsetzung werthvoller philologischer werke zeigt Mauke' s verlag in Jena an: darunter die ausgaben des He- sychius von M. Schmidt, Eichstädt's Opuscula oratoria, Weissenborn' s Hellen u. s. w.

Wichtigere werke der ausländischen literatur: 118. F. Ravais- sou la Venus de Milo. (68 pp. 8 s. u. 3 pl.) Paris; 119. Scip. Maffei della antiche epigrafi Veronesi in volgare; frammenta dal autografo nella capitolare biblioteca di Verona (IV. 4 pp. 4) Verona; 120. H. Rezi, essay sur le droit prive* athenien. 66 pp. 8. Toulouse; 121. P. V idal- Lablache, commentatio de titulis funebribus graecis in Asia minore (100 pp. 8.) Paris; 122. desselben Hdrode Atticus, dtude critique sur la vie cett. (188 pp. 8.), Paris; 123. V. Duruy, bistoire des Romains de- puis les temps les plus recules jusqu'a la fin du regne des An- tonios. T. 3 (HI. 571 pp. 8.), Paris; 7 fr. 50 c. (der vierte band fehlt nocb>, 124. E. G erm er- Dur and, decouvertes ar- cb^ologiques faites ä Nimes et dans le G-ard pendant l'anne'e 1869 (84p. 8.), Nimes; 125. H. Martin, etudes d'arche'olo- gie celtique. Notes de voyages dans les pays celtiques et scandinaves (IV, 480 p. 8.1, Paris; 126. B. G. de Lagrece, Pomp&, les catacombes, l'Alhambra, etude k l'aide des monu- ments de la vie pai'enne ä son declin, de la vie chretienne a, son aurore, de la vie musulmane ä son apogee. Ouvrage illustre de 95 grav. dessinees par Eacinat. Retard cett. (496 pp. 8.) Paris; 127. J. C. Moffat a comparative history of religions. Part. I. Ancient scriptures (250 p. 12), London; 128. G. Long, the decline of the roman empire. Vol. 4 (160 p. 4), 75. bd.; 129. Le Bas et Wad d ingt o n voyage archeologique en Grece et en Asie mineure, fait par ordre du gouvernement francais pendant les anneSes 1843 et 44. Livr. 75. 76. 77 (p. 649- 744), Paris; 130. La Colonne Trajane d'apres le surmoulage exe'cute ä Rome en 1861 62, reproduite en Photographie par G. Arosa. 220 pl. imprimees en couleur, avec texte orn6 de nombreuses vignettes, par W. Fro ebner. Liv. 7 12 (4 p. fol. et 11 pl.), Paris, 30 fr.; 131. P. A. Curti Pompei et le sue vovine. Vol. I. (XVI, 302 p. 16. con incisioni), Milano; 132. A. Matsch eg Cesare ed il suo tempo. Vol. III (234 p.

Nr. 4. Kleine philologische zeitung. 219

8.), Venezia; 133. L. Becq de Fouquieres, Aspasie de Milet. Etüde historique et morale (Vlll. 376 p. 8.), Paris, 3 fr. 50 c; 134. W. Froehner, les Musees de France, recueil de monuments antiques (glyptique, pointure, ceramique, verre- rie, orfevrerie). Keproductions en Chromolithographie, eaux-for- tes, gravures sur bois, phototypographies cett. Liv. 1. 2. (16 p. fol. et 8 pl.), Paris; 135. J. Crametz, etude sur le divorce romain et la Separation de corps , suivie d'un essay contre le rätablissement du divorce (216 p. 8.), Abbeville; 136. Du Mesnil- Marig ny histoire de Feconomie politique des anciens peuples de Finde, de FEgypte, de la Grece. 2 voll. (937 p. 8.), Paris; 137. Biographie universelle (Michaud) ancienne et moderne. T. 9. (638 p. 8.), Paris; 8 fr. 50 c. (Aus Zarncke's Lit. C e ntr albl a tt).

Cataloge der antiquare: Sam. E. Taussig in Prag, Anti- quarisches verzeichniss nr. 7: Ernst Wagner in Augsburg, antiquarischer anzeiger, nr. 14.

Catalogue du magasin de livres anciens et modernes de E. Gr. B rill, libraire- editeur, imprimeur de Funiversite ä Leyde. Vol. III, Auteurs grecs et latins, philologie, archeologie cett.

Bücher -emotionen: zu Bonn bei M. Lempertz am 2. mai, verzeichniss der von den hh. Dr Passow zu Lingen, Dr F. Köh- ler in Marburg, pfarrer Jonas in Emden nachgelassenen biblio- theken ; zu Halle a. d. S. bei J. F. Lippert und M. Nie- meyer am 13. mai, verzeichniss der von Dr Wiegand, GR. Winkler, pastor Jacobi nachgelassenen bibliotheken.

KLEINE PHILOLOGISCHE ZEITUNG. Der oberst von Cohausen hat bei dem dorfe Nieder-Ockstadt (provinz Hessen- Nassau) spuren eines römischen Castells gefunden. Die auffindung ist insofern von werth, als durch dieselbe eine bis- her bestandene liieke in dem römischen befestigungsnetze jener gegend ergänzt wird. Es werden in nächster zeit sorgfältige nachgrabungen vorgenommen werden.

A utoren em pf i nd lichkeit] 1870 erschien im Hahn- schen verlage zu Leipzig die „griechische schulgrammatik für alle klassen, auch zum Selbstunterricht, von Dr. B. Suhle, 1. th. formenl gr. 8, VIII und 53 ss. 1/3 thlr. Vor diesem buch ist bereits im Anzeiger III, p. 287 gelegentlich wegen ungründ- lichkeit der documentirten kenntnisse gewarnt. Jetzt scheint es das interesse des philologischen oder doch des lehrerpublicums in anderer weise herausfordern zu wollen eiue sturmfluth ungezogener antworten des verf. auf ihm unliebsame kritiken sind erschienen , insbesondere gegen die ganz unverfängliche besprechung des Dr Kohl im 11. heft der Jahrb. f. philol. und päd. Suhle hat nicht bloss zwei flugschriften mit den klassi- schen titeln : „Anti-Kohl, nachweisung wundersamer aber zweck-

220 Kleine philologische zeitung. Nr. 4.

massiger angriffsmittel gegen eine neue griechische schulgram- matik, die man nicht todtschweigen kann" und „Anti-Kohl, - 2. theil, der unfehlbare recensent" in die weit geschickt, sondern es haben sich ihm auch die für besseres zu nutzenden Jahrbb. d. philol. und päd. im 1. hefte d. j. zu „einem letzten wort gegen Dr Kohl's polemik" aufgethan. Wenn sich ein durch werth- volle ausgaben des Thukydides, Xenophon, Arrian u. s. w. be- rühmter Verfasser einer ausgezeichneten grammatik nicht beru- higen konnte über die von Herold , Bäumlein und namentlich Curtius drohende concurrenz und zu auslassungen seine Zuflucht nahm, deren gallige natur aus krankhafter Verbitterung stammte, oder wenn nicht minder bekannte lexicographen sich in die haare geriethen, weil es dem sonst trefflichen altern herrn nicht mehr recht begreiflich werden wollte, dass die Wissenschaft keine privatdomäne kennt so war es immerhin zu bedauern, dass so bedeutende männer ein kleinliches Schauspiel gaben ; aber sie hatten durch ihre Verdienste um die Wissenschaft ein recht, das gelehrte publicum zum Schiedsrichter ihres zwistes aufzurufen. Wo aber ein solches verdienst durchaus fehlt, sollte man nicht durch Zänkerei eine bedeutung prätendiren wollen, die nur durch reelle leistungen erworben werden kann. [S. unt. hft. 5, p. 226.]

Es ist das verzeichniss der Vorlesungen , welche an der Universität Strassburg im sommersemester 1872 vom 1. mai bis 15. august gehalten werden sollen, erschienen; einen aus- zug davon giebt auch der Eeichsanzeiger nr. 64.

In Medun, einem dorfe am eingange nach Fayum in Egyp- ten, ist ein altes grabmal entdeckt. Dasselbe ist eine für- stengruft, 100 meter lang und 50 meter breit, wahrscheinlich aus der zeit vor der dritten dynastie, folglich älter als irgend ein bisher entdecktes grabmonument. Man fand darin zwei herr- liche statuen. Mariette Bey liess sie sorgfältig einpacken und nach Cairo überführen, wo sie im museum zu Bulak bald zur allgemeinen besichtigung aufgestellt sein werden. Auf dem eingange zum grabmal fand man eine arabische, 500 jähre alte inschrift, in welcher der Schreiber die personen verflucht, welche ihm den rath gegeben, in dem grabe nach schätzen zu suchen.

Mr. Wood hat im laufe des jahrs 1871. s. Philol. Anz.III, nr.10, p. 517, ob. hft. 1, p. 62 einen grossen theil desDiana-tem- pels in Ephesos blosgelegt, und wie der „Times" aus Smyrna ge- schrieben wird verschiedene, mehr oder weniger verstümmelte architektonische marmorblöcke, Säulen u. s. w. aufgefunden, aus de- nen sich schliessen lässt, dass die proportionen dieses bauwerkes weit grossartiger waren, als die irgend eines anderen Überbleibsels griechischer architektur. Die säulen nämlich, welche noch so da lagen, wie die Zerstörer der byzantinischen zeit sie liegen Hessen , messen nicht weniger als sechs fuss im durchmesse^ und das ungeheuere gewicht derselben hat es nothwendig ge.

Nr. 4. Kleine philologische zeitung. 221

macht, das englische marine- ministeriura um hülfeleistung anzu- gehen. Dieses stellte dann auch das panzerschiff ,,Caledonia" zur Verfügung, und seit anfang januar ist dasselbe mit dem einladen der von Mr. Wood für das britische museum ausge- wählten marmorsäulen beschäftigt. Der grösste block , welcher über 11 tons wiegt, ist ein theil einer der von Plinius erwähn- ten 36 elevatae columnae und zeigt Herkules, wie er mit einer weiblichen gestalt ringt, während auf einem anderen bruchstück die unteren hälften einiger sitzenden und stehenden weiblichen figu- ren zu sehen sind. Der tempel war im ionischen styl aufgeführt, und Mr. Wood hat die bruchstücke so gewählt, dass sich ein ur- theil bilden lässt, wie die basis, das kapital und die anordnung im allgemeinen gewesen ist. Noch ende januar sollte die „Ca- ledonia" mit ihrem werthvollen kargo nach England absegeln.

Ueber die am 24. febr. vollzogene enthüllung der marmor- tafel, welche in Hanau zu ehren von Jacob und Wilhelm Grimm gestiftet worden (s. ob. heft 2, p. 110) giebt der Reichsanz. nr. 49 ausführliche nachricht.

Aus Zürich wird vom 8. märz gemeldet, dass in dem be- cken des Untersees zwischen dem weissen Hörn und dem sg. Staad in der nähe von Ermattingen alte pfahlbauten entdeckt sind.

Unter den letzten erwerbungen des britischen museums befindet sich auch die statue eines jungen mannes, ohne drape- rie, dargestellt in dem akt, wie er sein haupt mit einem stirn- bande schmückt. Dieses kunstwerk wurde im theater zu Vais- son, dem alten Vasio, in Frankreich entdeckt, und scheint kein zweifei darüber zu herrschen, dass es eine copie des berühmten Diadoumenos von Polykletos ist. Der entwurf ist edel, die aus- führung verhältnissmässig dürftig.

In der kirche zu Seligenstadt ist das grab von Egin- hard und Emma kürzlich, wie das ,, Mainz. Abendblatt" er- zählt, durch das bischöfliche Ordinariat von Mainz geöffnet wor- den. Ausser den gebeinen von Eginhard und Emma fanden sich die einer dritten leiche, einer tochter Eginhards, Gisela ge- nannt, wie die bei derselben befindliche inschrift besagt, die bis- her in der geschiebte Eginhards nicht geuannt ist und erst durch diese inschrift bekannt wird. Man kannte nur einen söhn desselben, Vussinus genannt, den er seinem freunde Rha- banus Maurus, nachherigem bischof von Mainz, damals abt in Fulda, zur erziehung übergab. Von den gebeinen Eginhards fehlt das haupt.

Ueber im Wilhelms - Gymnasium zu Berlin aufgestellte marmortafeln, welche die namen der im deutsch -französischen kriege 1870/u gefallenen lehrer und schüler dieses gymnasiums enthalten, giebt nähere nachricht der Reichsanz. nr. 73.

Am 12. märz feierte der procurist der B. G. Teubner'schen

222 Kleine philologische zeitung. Nr. 4.

buchhandlung August Schmidt den tag, an welchem er vor 25 jahien in dieses haus eingetreten war: näheres giebt Bör- senbl. n. 64. Wir theilen hier die tabula gratulatoria mit, mit welcher Fr. Ritschi den Jubilar beehrt hat:

Viro omni humanitatis laude ornatissimo | Henrico Au- gusto Schmitt | Hachenburgo-Nassoviensi j inclutac libra- riae Teubneriae Lipsiensis curatori | redimendis libris praepo- sito | postqaam per quinque lustrorum spatium cum illius pos- sessoribus atque | moderatoribus honestissitnis | Ad. Rossbachio et A. Ackermanno | felicissima laborum negotiorum consilio- rum societate coniunctus | in administrando munere tarn et praedicabilem industriam gnavitatemque | et singularem pruden- tiam atque intellegentiam comprobavit | ut officina Teubneria edita librorum utilissimorum insigni multitudine | cum de aliis litterarum partibus egregie meruerit tum in philologicis potissi- mum | disciplinis sine controversia hodie principatum teneat tarn autem strenua | contentione publicis commodis praeclare inser- vierit I laetissimi diei sollemnitatem ex animo gratulatur | plu- rimorumque annorum parem et vigorem et prosperitatem ex- optat Fridericus Ritschelius | iucuuda mutuorum officio- rum consuetudine coniunctissimus amicus | Lipsiae die XII men- sis Martii anni MDCCCLXXII.

Ans dem regierungsbezirke Merseburg sollen der Magdebur- ger Zeitung zufolge seit einem halben jähre über 70 lehrer ausgetreten und nach dem königreich Sachsen gegangen sein.

Ein erlass des ministers von Lutz vom april empfiehlt auf königlichen befekl allen lehranstalten die anschaffung von Pe- stalozzis werken, herausgegeben von L. W. Seyffarth, 16 bde.

Anfang april ist auf dem kircbliof zu Bonn das von colle- gen und Schülern gestiftete, von Robert Cauer in Kreuznach ausgeführte monument Fr. G. Welcker's aufgestellt. Ein por- traitmedaillon von weissem marmor giebt getreu die edlen ziige des verewigten wieder, darunter auf der geschmackvoll ausge- führten stele Welcker's name mit geburts- und todestag.

Zu Baden im Aargau sind vor kurzem nach der ,, Neuen Züricher Zeitung" bei der fundamentirung des neuen kursaales ansehnliche Überreste römischer gebäulichkei- ten aufgedeckt. Bis jetzt sind zwei seiteumauern, jede von 24' länge und 2' 7" stärke, zu tage getreten, welche sich noch weiter auszudehnen scheinen. An dieselbe schlieset sich unmit- telbar der sogenannte hypokaust oder die heizeinrichtung an, von welcher in sieben reihen je zwölf ca. 2 fuss hohe mauerpfeiler sichtbar geworden. Der estrich und die Steinplatten, die auf diesen pfeilern ruhten, sind eingebrochen, und der Zwischen- raum mit schuft erfüllt; bruchstücke von heizröhren zeigen sich überall massenhaft. Eine weitere nachforschung dürfte viel- leicht auch verschiedene alterthümtr zu tage fördern, wie sie

Nr. 4. Kleine philologische zeitung. 223

im letztvergangenen herbst bei der herstellung eines Waschhau- ses gefunden wurden. Man stiess dabei nämlich auf mauern zweier aneinander stosseuder gebaude, deren konstruktion allein schon die Wohlhabenheit des erbauers bezeugte. Iu dem engen räume zwischen diesen beiden häusern fand man in verschiede- nen tiefen von 8 bis 11' eine menge gerät hschaflen , die sich entweder auf die bauliche eiurichtuug des hauses oder die aus- rüstung der verschiedenen gemacher bezichen, wie z. b. dach- ziegel, heizröhren, stücke von bemalten wänden, handmithlen- steine, amphoren, Scherben von kochgeschirr und aretinischer (rother) erde, thonlampen, sodann verschiedene dinge aus bronze und endlich eine menge eiseugeräthe, ketten, beschlage an thüren, und wagen, schlüssei , acker- und gaitengeräthe. Von den bronzegegenstäuden sind zu erwähnen eine weibliche büste (höhe Mieter 0,14), eine Statuette des Merkur (höhe m. 0,8) und ein höchst seltsames bronzebild, welches das gewicht einer schnell- waage gebildet hat. Das bild besteht aus einer doppelfigur, einem wohlbeleibten manne von völlig fratzenhaftem aussehen und einem rehbocke, sodann noch aus verschiedenen weiteren attributen. Die abbilclung oder erwähnung einer ähnlichen figur ist bis jetzt in archäologischen werken und Zeitschriften nicht gefunden worden. bämmtliche aufgefundene alterthümer sind in der nr. 1 des Anzeigers für schweizerische alterthumskunde pro 1872 beschrieben und zum theil abgebildet.

Auf der sg. Emeraner- breite bei Kegensburg sind ansehn- liche partien eines römischen todteufeldes augefunden, deren blosslegung sich der historische verein zu Kegensburg besonders angelegen sein lässt. Auffallend erscheint besonders, dass zu- weilen an einer und derselben stelle sich fünf bis sechs ver- schiedene begräbnissarten finden: so zeigen sich einzelne aschen- urnen, dann mehrere zusammen in einer art gewölbe (columba- rien) , ferner sorgfältig ausgemauerte gräber und platten , die den Stempel der dritten legion tragen. Auch eine grosse menge starker steinsärge siud gefunden. Augsb. Allg. Ztg. beil. zu nr. 103.

Im münchener kunstverein ist eine neuerdings bei Kehl- heim ausgegrabene Statuette des Bacchus aufgestellt.

Von Strassburg ist ein rundschreiben einer commission, an deren spitze der maire Ernst Lauth steht, vor kurzem verbrei- tet worden, welches um Zusendungen von büchern und dgl. bittet, um die bei der belagerung zerstörte Stadt bibliothek wie- der herzustellen: dieses unternehmen wird als eine von franzö- sisch gesinnten Strassbuigern ausgehende demonstration von Petzholdt im Börsenbl. nr. 82 dargestellt.

AUSZUEGE aus Zeitschriften: Augsburger allgemeine zeitung, beil. zu nr. 95: italienische lexicographie : bezieht sich nur auf die italie- nische spräche, zeigt aber die Vorliebe der Italiener für arbeiten die- ser art.— Beil. zu nr. 08: beitrage zur Völkerpsychologie. Betrach-

224 Kleine philologische zeitung. Nr. 4.

tungen eines Franzosen aus der zeit des krieges. I: nach G. Mo- nod, Souvenirs de campagne. Paris. 1871, jedenfalls bei allen ihren schwächen eine beachten swerthe schritt: das ergebniss seiner benier- kungen über Deutsche und Franzosen drängt er in den satz zusam- men, dass die deutschen Soldaten verglichen mit den französischen männer waren, welche gegen kinder fochten. Nr. 99 .• Frosscham- mer, die philosophie und die Darwinsche lehre : vertheidigt die Phi- losophie gegen die vorwürfe vom 31. W. in nr. 80. 81 der allgemei- nen zeitung. Joh. Wolff's Jerusalem: kurze anzeige. Nr. 100: eine Universität in Bromberg. Bericht über die erste generalver- sammlung des Vereins von lehrern an bayerischen Studienanstalten. Beil. zu nr. 102. 103. 104: beitrage zur Völkerpsychologie. II. III. Beil. zu nr. 103: Römergräber bei Regensburg: s. ob. p. 223. Beil. zu nr. 104. 105. 107 : Uhlands Schriften zur geschichte der dichtung und sagen I: besprechung. Beil. zu nr. 109: die processacten des Hugo Grotius: höchst interessanter aufsatz, an holländische Schriften über diesen gegenständ anknüpfend. Beil. zu nr. 110: der cultus- minister und das oberconsistorium zu Berlin: das schulaufsichtsgesetz betreffend. Nr. 111: zur eröffnung der Universität Strassburg. Beil. zu nr. 112: zur ophirfrage. Nr. 113: Konrad Halder, nekro- log. Das ziel der ultramontanen. Beil. zu nr. 114. 115: zwei französische werke über deutsche litteratur: bezieht sich auf G. A. Heinr ich , histoire de la litlerature allemande , 2 voll., und A. Bos- sert, la litteratur e allemande au mögen age et les origines de l'epopee germanique, welche beide sehr empfohlen werden.

Blätter für das bayerische gymnasialschulwesen , redigirt von TV. Baur und Dr Friedlein, bd. VII, München 1871, heft 10, p. 335: des Pseudo -Ovidius XX und XXI. heroide von J. Mahly: Dilthey's behauptung, dass die planudeische Übersetzung der heroiden für die kritik völlig werthlos sei , gehe zu weit. Für einzelne stellen sei sein text der bessere und ursprüngliche. Unter theilweiser bezugnahme hierauf wird vorgeschlagen: XX, 2 promissam satis; eben so XXI, 4 promissam scires; XX, 4 ut meus est le ulla; und v. 13 Oudendorp's teneo und acrius urit; v. 19 ut erant tua verba; v. 20 sei unverdorben: coma = capite, dicta tulisse sei durch Planudes' noog- dide/ftai, tlotj/uiva gerechtfertigt; v. 36 sei zu schreiben: teque, pe- tam caveas te licet, usque petam; v. 53 tu si esses; v. 87 qua?nvis violens satiaverit; v. 74 parta mihi; v. 93 fac quoque, quod tu vis, sit scriptum; v. 101 aper quo scimus et ipsa; v. 127 in caput en nostrum; v. 134 adsideoque toro : v. 140 Candida percontans; V. 153 tibi, nostif dicimus; v. 175 hoc a deunte; v. 189 at mo- nita es; v. 193 haec repetensque alias audita oder repetensque an- tehac audita; v. 215 nube proco; v. 220 inveniet votis; v. 228 talis avendus erat; XXI, 24 et pacta dat ; v. 30 sed melius iusto quamque mereris ago; v. 41 quam exortus in altum : v. 59 perdere feile velis; v. 98 in sanctis; v. 119 nullus Amazonius caelato; v. 180 a noslraque tuast spreta; v. 189 spem tibi dira mei; v. 193: de re ; v. 197 adjicit; v. 203 subit in de voluptas ; v. 205 mens nisi laeva foret; v. 227 vellem me, ut et ipse ; v. 231 moe- stis vocibus; v. 235 hoc deus en vates. P. 343: equus , etymolo- gisch behandelt von Zehetmayr. P, 351: Horat. carm. III, 5, 27 sqq, von A. Therm : weist die von Ohlenschläger im 4. hefte gege- bene erklärung von fucus als nicht neu und ungeeignet energisch zurück. P. 355: Cornelius Nepos und sein ende von Adam Fuss- ner. Von literarhistorischem interesse. Schliesslich wird dem autor für schulzwecke das wort geredet und die ausgäbe Dähne-Fbeling im ganzen empfehlend besprochen.

Nr. 5. Mai 1872.

Philologischer Anzeiger,

Herausgegeben als erganzung des Philologus

von

Ernst von Leutsch.

138. Ueber aufgäbe und Stellung der classischen philolo- gie insbesondere ihr verhältniss zur vergleichenden Sprachwis- senschaft. Academische antrittsrede gehalten in der grossen aula zu Giessen am 4. november 1871 von Dr Wilhelm Clemm, a. professor der classischen philologie. 8. Giessen (Kicker) 1872.

Diese mit voller sachkenntniss und recht lebendig geschrie- bene rede erörtert zuerst die aufgäbe der classischen philologie als der Wissenschaft des gesammten griechischen und römischen alterthums und die Stellung , welche dieselbe gegenüber den anderen Wissenschaften einnimmt. Hierauf handelt der verf, von dem Verhältnisse der classischen philologie zur vergleichen- den Sprachwissenschaft, deren hohe bedeutung für die gramma- tischen und etymologischen Studien er mit recht hervorhebt, und fordert die Vertreter der classischen philologie auf die Ver- mittlung der beiden richtungen in der grammatik , der histo- risch-kritischen und der historisch -comparativen, zu überneh- men und ein für die Wissenschaft sehr gedeihliches zusammen- wirken derselben herbeizuführen. Man wird in der darstellung und begründung dieser ansichten kaum etwas vermissen, nur darauf konnte wohl noch hingewiesen werden, dass mit dem bestreben die indogermanische Ursprache in ihrem baue und Wortschatze wieder herzustellen zugleich auch und zwar we- sentlich auf etymologischer grundlage die forschung nach dem culturzustande jenes indogermanischen urvolkes, nach dem ge- meinsamen in silte, religion u. s. w. bei den einzelnen zweigen des grossen Stammes, immer weiter schreitet, und dass daher auf alle zweige der griechischen und römischen antiquitäten, Philol. Anz. IV. 15

226 139. Griechische grammatik. Nr. 5.

namentlich auf die mythologie , ein reiches licht fällt , welches besonders die früher so dunklen anfange wunderbar erhellt. Der rede sind reiche anmerkungen beigegeben, welche für viele, namentlich für junge philologen ein willkommenes repertorium über die einschlägige literatur bilden dürften. Der verf. hat darin manche treffende bemerkungen niedergelegt, z. b. über die art und weise, wie der angehende philologe seine Studien an der Universität mit rücksicht auf die vergleichende Sprachwis- senschaft einzuriahten habe, über die noth wendigheit, dass der lehrer der classischen sprachen an gymnasien von der bürde an- derer gegenstände enthoben und bloss auf sein fach beschränkt werde, über die verschiedenen richtungen in der indo -germani- schen Sprachforschung u. s. w. Wir zweifeln nach dieser rede nicht, dass der verf. das, wozu er die Vertreter der classischen philologie auffordert, nach seinem vorbilde, Georg Curtius, in wahrhaft gedeihlicher weise leisten wird.

K. S.

139. Eine neue erklärung der sogenannten epischen zer- dehnung. Von Berthold Suhle. 8. Leipzig. 1872. 8 s.

Die neue erklärung läuft , wenn ich den Verfasser recht verstehe, darauf hinaus, dass der durch contraction entstandene vocal nicht zwei, sondern drei moren enthalten und folglich nicht bloss für die arsis, sondern auch für die halbe und bei hinzutretender position für die ganze thesis ausreichen soll. Erst später habe mau sich veranlasst gesehen, dies verhältniss durch die schrift anders zu bezeichnen; „die schriftliche tren- nung ist nichts weiter als späteres zeichen für die vom metrum erforderte vertheilung auf arsis und thesis; je nach der stelle im verse musste die theilung verschieden ausfallen, bald o<u, bald coo u. s. w." Der gedauke, dass bei einem aus kurzem und langem vocal, z. b. aus «a>, hervorgegangenen contractions- vocal (oj) noch eine nachwirkung in der Quantität sich fühlbar gemacht, derselbe also den rhythmischen werth von drei moren gehabt habe, ist an sich nicht widersinnig, zumal formen wie oQoietoi>, OQitofitv nur contraction, nicht distraction erleiden; es wäre das ein analogon zu der s. g. ersatzdehnung, bei der eine verloren gegangene positionslänge durch dehnung des vocals er- setzt wird. Auf die frage, wie man die zerdehuung oooo statt

Nr. 5. 140. Lateinische grammatik. 227

(oo zu erklären habe, giebt der Verfasser (p. 7) die antwort, man solle die ursprünglich vorhandene position herstellen, also etwa statt ftaificomai ftai/AODOvzt = /aui^ooizi aus [Aai/jäortt u. s. w. schreiben oder lieber dehnung des die halbe thesis füllenden vocals annehmen. Das letztere auskunftsmittel möchte sich mehr empfehlen als das erstere. Gegen die annähme von G. Curtius angleichung nebst ersatzdehnung des ersten oder zweiten vocals für ausgefallenes j hat der Verfasser das ,, schwere" bedenken, dass durch ersatzdehnung im ionischen und attischen in onav , onjn , ovtt stets o zu ov werde. Al- lein zeigt nicht der dorische dialect z. b. Xoyug für Xöyovq aus \üynvii} und ist es unmöglich, dass in einer altern periode der spräche diese art der ersatzdehnung einen weitern umfang hatte? Empfiehlt es sich doch unter anderm sehr, die form [lifiucüTs^ durch ersatzdehnung aus fx^fiupons^ abzuleiten.

Jedenfalls möchte die einführung der neuen erklärung in den Schulunterricht, die der Verfasser wünscht, ,,da das beste für den schüler eben gut genug sei", so lange beanstandet

! werden müssen, bis er dieselbe gegen alle bedenken sicher ge-

, stellt haben wird.

H. D. M.

140. Regeln und wörterverzeichniss für die lateinische Or- thographie zum schulgebrauch herausgegeben von einem gym- nasial-Oberlehrer. (Berlin, H. Ebeling und C. Plan). 7 s. 1 sgr.

Dass eine einheitliche Orthographie, mit Zugrundelegung der Schreibweise des quintilianischen Zeitalters, in unseren gelehrten- schulen dringend noth thut , darüber kann nur eine stimme sein. Ebenso ist es erwünscht, dass jedem schüler, bis er sich an die neue Orthographie gewöhnt bat, ein verzeichniss , wie das vorliegende es sein will, in die band gegeben werde. Aber man sollte doch ein solches verzeichniss von druckfehlern rein halten können, zumal es eigentlich nur fünf Seiten umfasst. Aber da liest man p. 6 lauterna statt lanterna, ebds. ne (nicht ne naea) statt ne (nicht nae]; auch in dem Schlussworte dieser

I Seite ist falsche Silbentrennungsbezeichnung. Pag. 3 zeile 33 steht zu anfang ein den sinn arg verwirrendes Gai. Es ist

) fast unglaublich, dass sich auf diesem geringen räum eine in-

15*

228 141. Griechische lexikographie. Nr. 5.

consequenz findet, wie p. 6 für eluor auf nr. 4 verwiesen wird, wo aber von helluor nichts steht. Auch dürfte es noch keines- wegs ausgemacht sein, dass illico, und nicht ilico zu schreiben ist; ebensowenig, dass Kalendae und haput (legis) nur mit an- lautendem K geschrieben werden müssen: denn so stehend auch für die abkürzungen (notae) bei diesen Worten das anlautende K ist, weil die notae hierfür eben in einer zeit aufkamen , in welcher K zur bezeichnung des harten gutturalen angewandt wurde, so grundlos ist doch die anwendung des K im anlaute, sobald diese worte ausgeschrieben werden. Manches, was noth- wendig zu besprechen war, ist fortgelassen, wie der unterschied von discribo und describo, ob, wenn scaena zu schreiben ist, des- halb auch etwa proscaenium etc. geschrieben werden solle. Ohne weitere bezeichnung der bedeutung wird der schüler es nicht verstehen können, wenn p. 4 ihm befohlen wird tempto mit p, aber tento ohne p zu schreiben, vollends da es p. 7 heisst: „tento und tempto1'. P. 4 unter nr. 3 war einfacher zu sa- gen , dass die adjectiva auf -icius überhaupt mit c zu schrei- ben sind, dabei aber war propitius zu besprechen. Doch wir wollen mit dem flüchtigen machwerke, desseu verf. zu seinem glücke anonym geblieben ist, nicht mehr zeit verlieren.

141. Griechisch- deutsches Wörterbuch für den schul- und handgebrauch von Dr Val. Christ. Friedr. Rost, ober-schul- rath und gymnasialdirector in Gotha. Vierte, gänzlich um- gearbeitete aufläge, siebenter abdruck, unter mitwirkung von prof. Dr Karl Fr. Am eis und Dr Gustav M üb 1 mann. Er- ster band XX und 616 s. Zweiter band 673 und eigennamen 150 s. gr. 8. Braunschweig, druck und verlag von George Westermann. 1871.

Die vorliegende ausgäbe des allbekannten trefflichen Wer- kes ist leider nur ein unveränderter abdruck der schon im j. 1851 erschienenen neuen bearbeitung des Kostschen Wörterbuchs. Dass in den seitdem verflossenen zwanzig jähren die ganze griechische lexikographie durch sorgfältige recensionen der Schriftsteller und durch die fülle neuer auf'schliisse der verglei- chenden Sprachforschung in ein ganz neues Stadium eingetreter ist, dass in folge dessen vieles hier gebotene längst nicht raehl stichhaltig, anderes aber in reichem masse nachzutragen ist,

Nr. 5. 141. Griechische lexikographie. 229

bedarf keines ausführlichen nachweises. Wohl aber dürfte es angemessen sein , hier in der kürze die grundsätze darzulegen, nach welchen ein so hochverdientes, immer noch vielgebrauch- tes und weitverbreitetes werk neu zu bearbeiten wäre. Das buch soll ein „Schulwörterbuch" sein, und auf p. vi heisst es: „weil aber das bucb auch für solche bestimmt sein soll, die nach ihrer Schulzeit noch einen Griechen aus irgend einem nichtphilologischen gründe zu lesen gedenken, so sind alle übri- gen schriftsteiler bis auf die Byzantiner herab nicht unbeachtet geblieben. Selbst die Septuaginta, das neue testament und die kirchenschriftsteller sind mit ihrem eigentümlichen wort- vorrathe herbeigezogen". Solche zwecke in einem buche von eng begrenztem umfange zu erreichen, ist kaum möglich; für einen philologen bietet das Wörterbuch immer zu wenig, für einen schüler zu viel und doch auch in mancher beziehung nicht genug. Die wenigen aber welche vielleicht „aus nicht philologischen gründen" einen spätem Schriftsteller lesen, wer- den leicht andere hülfsmittel finden und kaum darauf kommen, grade dieses Wörterbuch zu wählen. Mit weglassung aller ne- benzwecke würde sich nun das buch am besten für den schul- gebrauch und etwa noch für den bedarf von theologen umge- stalten lassen, da ja das neue testament ohnehin auch für die schule zu beachten ist. Die in der schule gelesenen autoren, namentlich Homer und Sophokles, Xenophon und die redner wären möglichst vollständig zu berücksichtigen, fragmente, In- schriften und spätere Schriftsteller dagegen würden fehlen müs- sen. Die in den zu beachtenden schritten vorkommenden ei- gennamen wären überall unter die übrigen Wörter einzureihen, geographische und geschichtliche mit einer kurzen orientirenden notiz zu versehen; die behandlung der partikeln könnte sehr knapp sein, da der schüler sich selten im lexikon darüber raths erholen wird. Die etymologie müsste durch Zerlegung der composita in ihre bestandtheile , durch beisetzung der Stamm- wörter zu ihren ableitungen angedeutet werden. Ein grö- sseres lexikon der griechischen spräche, wie es den jetzigen an- forderungen der Wissenschaft entspricht, lässt sich auf so en- gem räume natürlich nicht geben. Auch ist uns schon von höchst competenter seite die forderung der etymologischen an- ordnung nach Wortfamilien gemacht worden ; wir glauben je.

230 141. Griechische lexikographie. Nr. 5.

doch mit unrecht. Ein etymologisch geordneter Sprachschatz wird immer nur für einige wenige eingeweihte bequem zu gebrauchen und wirklich brauchbar sein ; für die mehrzahl de- rer aber, welche ein solches buch benutzen könnten und möch- ten, würden die so aufgespeicherten schätze für immer unter schloss und riegel liegen. Alphabetisch muss die Ordnung sein mit den nöthigen literarischen nachweisen bei den einzelnen grundwörtern ; auf diese wiederum muss bei den abgeleiteten verwiesen werden. Um jedoch zugleich den streng wissenschaft- lichen forderungen gerecht zu werden, könnten etymologische indices beigegeben werden. Diese würden auch den vortheil bieten, dass sie sich leichter erneuern Hessen als ein umfang- reiches theures werk. Ueberhaupt um umfang und preis nicht übermässig gross zu machen und der bequemüchkeit des käu- fers und benutzers nach möglichkeit gerecht zu werden, dürfte es sich ferner empfehlen, die partikeln, präpositionen und con- junctionen besonders zu behandeln, in dem wortschalze selbst aber nur einen kurzen überblick über deren gebrauch und bedeutung zu geben, um auch dem ein vollständiges lexicon zu bieten , wel- cher sich den band partikeln u. s. w. nicht anschaffen will. Der übrige Wortschatz wäre aber so zu behandeln, dass der Sprach- gebrauch der attischen redner, komiker und historiker zu gründe gelegt und vollständig aufgeführt würde; das bei andern Schrift- stellern übereinstimmende wäre kurz anzudeuten, das abweichende genau und vollständig zu verzeichnen. Vorarbeiten sind jetzt eine grosse zahl in specialwörterbüchern und einzeluntersuchun- gen vorhanden, noch mehr fehlen jedoch und müssen vor beginn einer so umfassenden arbeit gemacht werden. Es ist hier und auf grammatischem gebiete ein ebenso reiches als ergiebiges feld für kleinere abhandlungen und gelegenheitsschriften ; neues bie- tet jede durcharbeitung eines noch so gelesenen Schriftstellers, und doch sieht man so wenig in dieser weise arbeiten. Es ist eben bequemer, ohne mühsame Sammlungen, denen man bei ihrem geringen umfange nicht sogleich die darauf verwandte zeit und arbeit ansieht, raisonnirende abhandlungen zusammen- zuschreiben, denen meist die feste basis gewissenhafter beob- achtung gänzlich gebricht. Doch wollen wir hoffen, dass sich bald eine anzahl tüchtiger gelehrten zu einem ähnlichen werke

Nr. 5. 142. Euripides. 231

wie wir es eben skizzirt haben und wie es wirklieb noth tbut, sich vereinigt.

H. Ebeling.

142. De Orestis Euripideae versibus 836 1010 (ed. Kirch- hoff. 1855) scr. Henricus Schäfer. 8. Diss. inaug. Be- rolini (typis Muelleri) 1871.

Nacb einer ziemlich breiten und nicht immer streng lo- gisch gehaltenen einleitung giebt der verf. einen kritischen und erklärenden commentar zu Euripides Orestes vv. 844 1012 (N.) , dem er noch eine lateinische Übersetzung dieser stelle beifügt. Es ist nicht recht abzusehen, welchen zweck eine sol- che arbeit hat, und zwar um so mehr als der commentar nicht nach einem bestimmten principe verfasst ist, indem sich darin neben kritischen erörterungen auch ganz gewöhnliche dinge, z. b. das imperfectum des conatus, noch dazu bisweilen mit einer ausführlichkeit behandelt finden, die selbst in einer Schulausgabe nicht am platze wäre. Wie breit die darstellung ist und wie sehr sie einen niederen standpunet des lesers voraussetzt, mag die note zu v. 984 lv iv fry/jvoioiv dvaßodaa) beweisen : ,,tV« par- ticulam hoc loco finalem, non localem vim habere, ita ut coniuneti- vus aoristi avaßoäaco sequatur, inde cognosci potest, quod verbi uva- ßoäv futurum activum non exstat". Offenbar hätte der verf. bes- ser gethan , wenn er sich auf die behandlung einiger schwieri- gen stellen beschränkt hätte. Ganz überflüssig ist die lateini- sche Übersetzung, die ein gemisch von poetischem und prosai- schem stile darbietet und auch an ungenauigkeiten leidet. Wenn wir nun weiter über den werth des commentares ein urtheil abgeben sollen , so erkennen wir gern den fleiss des verf. und die meist sorgfältige benutzung der literatur an, müssen aber andrerseits uns dahin aussprechen , dass die arbeit wenig selbständiges enthält und auch dieses wenige schwerlich ir- gendwo Zustimmung finden wird. So ist es gewiss unwahr- scheinlich , wenn der verf. behauptet Euripides habe in diesem drama mit "Aofoq beide städte, Argos und Mykenä, wegen ihrer nähe gleichsam als glieder eines leibes bezeichnen wollen. Die scene ist sicher in Argos und , wenn manchmal Mvvqvaloi ne- ben '/ioydoi vorkommt , so ist dies eine art concession an den mythos. Ganz undenkbar ist die construetion v. 859 f., wo-

232 142. Euripides. Nr. 5.

nach die beiden accusative fjv und zh /aHXov von qnßovfulrt] abhän- gen sollen; es ist vielmehr zo uiXlov mit cpoßovfjsvj] und fjv mit ?£e- rrjxn/irjv ycoig zu verbinden. Dass xqe(6v v. 938 richtig ist, klingt unglaublich. Da die rede des angelos mehrfach interpoliert, der vers 938 sehr matt und überflüssig, ausserdem v. 941 durch die Wiederholung der wendung xov tp&dmi &rtjaxeov zig av verdächtig ist, so vermuthe ich, dass die verse 938 und 941 zu streichen sind und v. 942 zu lauten hat: xtivrjg (oder zavztj<) ys z6X— [it]g ov anätig yevtjoe.zai. Vs. 990 entspricht die erklärung von neXüye'Si Sutblyobvai- durch „ad mare usque curru vectus est" weder dem Wortlaute noch dem zusammenhange, man muss vielmehr jTulciytai als localen dativ „am meere" und diadwpQeveiv in der bedeutung ,, hindurchfahren, den weg fahrend zurücklegen" fas- sen. Auch lässt ä(i(ia7e vaag [v. 994) die deutung nicht zu, welche der verf. den versen 992 ff. geben will, dass Pelops am festlande gegenüber von Gerästos den Myrtilos ins meer gestürzt habe, abgesehen davon, dass die allerdings wohl nicht ursprüngliche sage die that nach Gerästos verlegte. Die (aovg- ncolog umg (v, 1004) erklärt sich weder durch Verweisung auf philosophische doctrinen noch durch die bemerkung, dass Euri- pides hierbei hauptsächlich an den yaxsqiöyog oder ecsTiEQog ge- dacht habe, sondern durch die notiz des scholiasten: die Eos reite auf dem Pegasos oder fahre mit demselben, wie denn der Pegasos auch dem Zeus zum reitross dient oder dessen wagen zieht (vgl. die von Klotz z. d. v. angezogenen stellen). Vcs. 1007 wird mit unrecht die erklärung G. Hermanns gebilligt, wonach das subject von afxe/ßsi : za incovvfia dtinva Qviarov und za XsnTQa Kyijaaag sein soll; denn woher entnimmt man, dass unter zuivds Atreus und Thyestes zu verstehen sind , und wie verträgt sich damit die nennung des namens Thyestes im fol- genden? Dagegen aber erklärt sich zävSs leicht, wenn man es auf das ganze geschlecht der Pelopiden bezieht, wobei man natürlich mit Matthiä, dem Dindorf beistimmt, als subject Ztvg ergänzen, dtinva aber und XtxzQu als object, wie Oaräiovg fas- sen muss. Uebrigens findeu sich noch in dem schriftchen man- cherlei ganz seltsame grammatische erklärungen, so von ös (v. 874), dem nach des verf. meinung eigentlich immer ein per vorhergehen soll, von <ag xaläg (901), das mit „quam probe" wiedergegeben wird, von ozsyavou* (924), wozu man folgende

Nr. 5. 143. Valerius Flaccus. 233

note liest: ,,non GTscput <är>ai , quia agricola censet non uno Mo die, sed omnibus deinceps diebus Orebtem coronandum esse"1 ; cog (959) soll „exclamandi vim" haben, TtoXvnoroig aväyxaig (1012) soll eiu dativus commodi sein u. dgl. mehr. Hie und da wie- derholt auch der vf. ansichten von Kirchhoff, welche dieser in der grösseren ausgäbe vorgebracht, aber schon längst aufgegeben hat, z. b. v. 729, wo Kirchhoff früher nach A ttqo äciTstog schrieb, während die neuere textausgabe richtig di aareoag bietet. "Was über v. 901 bemerkt wird, liest man schon in der neuen ausgäbe der Poetae scenici graeci von Dindorf, welche der verf. besser hätte benutzen sollen. Das schriftchen ist sehr nach- lässig gedruckt und daher durch viele fehler entstellt; einige davon, wie p. 22 VlO rjryoiv , p. 23 davaXSäv (statt /Javaidär), p. 64 tu navvatata ö' (für 8') mögen wohl dem verf. zur last fallen.

Karl Schenkt.

143. De Valerii Flacci in adhibendis comparationibus usu. Von Oberlehrer Dr Bussenius. Gymnasialprogr. 4. Lü- beck. 1872.

Indem der verf. seinen stoff im steten hinblicke auf die anderen epiker von Homer an behandelt, gibt er eine willkom- mene Übersicht über die Verwendung der gleichnisse in der epischen poesie überhaupt Avie bei den einzelnen dichtem und stellt eben durch diese vergleichung die kunst des Valerius in das rechte licht. Nach der vorliegenden berechnung hat Vale- rius in 5600 versen 111 gleichnisse angewendet, zeigt also in dieser beziehung einen grösseren reichthum als Vergil, bei wel- chem auf 9896 verse nur 105 vergleichungen kommen. Frei- lich ganz genau ist die rechnung des verf. nicht, da er einiges derartige übersehen hat, z. b. II, 453 (wo mit Schott ceu für cum zu schreiben ist), 461 (wo man ebenfalls cum in ceu ändern muss , vgl. meine "Studien zu Val. Flacc. p.14), IV, 531, 564 und dgl. Es sind daher auch die folgenden zahlen vielfach nur als vorläufige zu nehmen. Die gleichnisse des Valerius sind gewöhnlich kurz gefasst, entsprechend der übrigen diction, wegen welcher man nicht unpassend den Valerius als den Ta- citus unter den dichtem bezeichnet bat; nur 15 überschreiten den umfang von vier versen , während sich bei Vergil unter

234 143. Valerius Flaccus. Nr. 5.

105 vergleichungen 42 länger ausgeführte finden. Häufungen von gleichnissen kommen bei Valerius dreizehnmal (eigentlich zwölfmal, denn VI, 334 gehört ja nicht hieher und auch 355, was etwa gemeint sein könnte, lässt sich nicht so fassen) vor, also gerade so oft wie bei Vergil , der bei freilich grösserem umfange zwölf solcher vergleichungen gebraucht. Bemerkens- werth ist, dass Valerius mit sehr richtigem tacte die meisten gleichnisse für die hauptfiguren seines gedichtes verwendet, wo- nach für Iason 22, für Medea 17 entfallen.

In dem zweiten abschnitte spricht der verf. über die quel- len, aus denen die vergleichungen geschöpft sind, und unter- scheidet drei: mythen, natur, das menschliche leben mit seinen beschäftigungen, wie kunst, Jagd, schifffahrt u. dgl. Während nun Vergil nur vierzehnmal seine gleichnisse aus der mythologie geschöpft hat, hat dies Valerius 43mal gethan und zeigt sich so als einen gelehrten dichter. Die natur hat ihm etwa 50mal den stoff dazu dargeboten, wobei er allerdings wie Vergil den Homer nachgeahmt hat , aber viel seltener und zum theil mit grösserer Selbständigkeit, Der verf. giebt hierüber p. 9 eine art tabelle, die aber nicht immer genau ist. So erinnert z. b. Arg. VII, 581 ff. weit mehr an Aen. XI, 624 ff. als an Aen.

VII, 528 ff.; Aen.X, 272 ff. stimmt mehr mit Arg. V, 368 ff.,. als mit Arg. VI, 607 f. Welche ähnlichkeit besteht übrigens zwischen Arg. HI, 581 ff. und II. XU, 299 ff., Aen. IX, 339 ff.? Viel- leicht ist v. 587 ff. gemeint, obwohl die drei stellen nichts als dasselbe bild des löwen gemein haben, sonst aber ganz ver- schieden sind; die vergilische stelle hat Valerius VI, 613 f. vor äugen gehabt. Eben so wenig kann ich eine besondere ähnlichkeit zwischen II. XXII, 139 ff., Aen. XI, 721 ff., Argon.

VIII, 32 ff. herausfinden; allerdings kommt an allen drei stel- len das bild der vom habicht verfolgten taube vor , aber die Situation ist überall eine wesentlich andere. Aus dem kreise des menschlichen lebens hat Valerius 22 vergleichungen, Ver- gil 16 entnommen. Ganz neue bilder bietet unser dichter frei- lich bloss zwei, das des eisvogels IV, 45 flg., und des bürger- krieges VI, 402 ff. , aber auch Vergil hat in dieser hinsieht nicht viel mehr aufzuweisen. Sehr bezeichnend für das grössere talent das Valerius im vergleiche mit seinem vorbilde Apollonios ist es, dass er, wie er überhaupt die gemüthszustände seiner

Nr. 5. 143. Valerius Flaccus. 235

helden weit mehr und viel lebendiger darstellt als sein Vorgän- ger und besonders in seiner Medea eine wahrhaft grossartige figur geschaffen hat, so auch gerade zur Schilderung dieser see- lenzustände dreimal so viel gleichnisse verwendet als Apollonios. Der dritte abschnitt handelt von der grammatischen form der comparationes , d. i. einerseits über den gebrauch der tem- pora und modi in denselben, andererseits über die Verwendung von pronomina, adverbien , conjunctionen bei der Verknüpfung des vergleichungssatzes mit dem hauptsatze. Diese darstellung lässt wohl manches zu wünschen übrig. Der verf. hat nämlich die ausgäbe von Thilo zu gründe gelegt, welcher bekanntlich streng an der Überlieferung festhält, und nach dessen texte man- che gebrauchsweisen von einzelnen partikeln oder Verbindungen derselben angenommen, welche dem gesammten sprachgebrauche, zum theil auch dem zusammenhange oder sinne widersprechen. Man muss hiebei noch bedenken, dass der Vaticanus, die ein- zige quelle des textes (denn von Codices hier zu sprechen ist ganz verkehrt), gerade in diesen kleinen wörtchen alle die feh- ler und Verwechslungen zeigt, wie sie gewöhnlich bei nachlässi- gen Schreibern vorkommen (vgl. meine Studien p. 75 ff.). So gibt z. b. der verf. an, dass I, 489 f. der vergleichungssatz durch „haud aliter cum" eingeleitet werde. Wo findet sich aber in der ganzen latinität eine ähnliche construction? Die auslas- sung von ac, mit welcher man sich etwa helfen könnte, ist eine blosse annähme, welche durch nichts bestätigt wird. Der verf. scheint zwar eine solche erklärung für möglich zu halten; denn er sagt später (p. 19): Iam Lucanus uno quod apud cum exstat exemplo „aca omisit neque aliter Valerius , apud quem in- veniuntur „non secus quam'1 et sie ubi haud secus. Aber bei Lucanus 1 , 303 lesen wir ja die Verbindung non secus . . . quam si , in welcher doch von einer auslassung des ac keine rede sein kann. Unserer stelle hingegen ist nur zu helfen wenn man schreibt: abseidit haut aliter, saltus ... venator ceu lu stra fugit". Eben so wenig zulässig ist „sie ubi .... sie" IV, 507 was der verf. ruhig hinnimmt , obwohl schon Thilo (Prolegg p. XXXV) es für unmöglich erklärt hat. Ich habe sicut .. urbes , turbine sie und in der ganz gleichen stelle IV, 661 si- cut .... artus , haud secus geschrieben (vgl. meine Studien p. 78). Manche stelle hat der verf. auch etwas oberflächlich an-

236 144. Horatius. Nr. 5.

gesehen, z. b. I, 704, wo nach seiner angäbe haut secus cum den vergleichungssatz einführt , während doch haut secus mit infremuit, hingegen cum mit prosiluit verbunden werden muss. Den beschluss machen Animadversiones criticae, in welchen vier stellen, nämlich III, 737 ff., IV, 714ff, VI, 256 ff., VII, 560ff., aber ohne erfolg behandelt sind. Merkwürdig ist hiebei, dass der vf., welcher sich gescheut hat, eine kleine partikel zu ändern, bei diesen stellen zum theil sehr kühn und willkürlich vorgeht. So will er III, 738 f. sedet inde viis inclusaque longo pervigilant castella rnetu in sedet indignans incensaque longo pervigil ante cubile metu verändern, während doch die Überlieferung ganz heil ist. Und wie matt wäre dies indignans, wie verkehrt das incensa longo metu"} da doch die löwenmutter nach verlast ihrer jungen nichts mehr zu fürchten hat. Die conjectur zu IV, 715 f. litora, neo tantas oris Tyrrhenus et Aegon volvat aquas, geminis et desint Syrtibus undae ist mir unverständlich. Wenn der verf. meine vermuthung tenues für tantas anführt , so hätte er doch auch erwähnen müssen , dass ich et desint in vel desint umgeän- dert habe. Auch mit dem Vorschlag dies für axis VII, 560 ist nichts geholfen ; denn axis ist, wenn man es richtig erklärt, durchaus nicht sinnlos (vgl. meine Studien p. 84).

Karl Schenlcl.

144. De interpolationibus in carminibus Horatii certa ra- tione diiudicandis scripsit S. Heyne mann phil. dr. 8. Bon- nae apud Adolphum Marcum. 1871. IV und 72 s.

Eine tüchtige arbeit und unter den neueren Horatianis eine höchst erfreuliche erscheinung. S. Heynemann, ein Schü- ler Haupts , wie man auch ohne das ausdrückliche zeugniss p. 17 erkennen würde, steht auf dem durch Lachmann, Meineke, Haupt und Lucian Müller repräsentirten Standpunkt und hat dabei den nicht zu unterschätzenden vorzug der Selbständigkeit des urtheils. Die schrift zerfällt in drei abschnitte: einleitung, p. 13, Übersicht der geschichte der horatianischen textkritik von Guiet bis L. Müller, p. 8 und kritische metbode sit ve- nia verbo Peerlkamps, p. 13. Sodann folgt die eigentliche abhandlung, deren erster theil nach dem grundsatz Non pugnan' tia secum poeta loquitur eine reihe von stellen aus den öden (auf diese beschränkt sich die schrift) als interpolirt verwirft,

Nr. 5. 145. Phaedrus. 237

die mit ausnähme von II, 20, 17—20, III, 30, 10—12 (Peerl- kamp allein verdächtigte bisher v. 1 1 und 12) und der be- sonders ausführlich und scharfsinnig behandelten IV, 8 sämmt- lich bereits in den texten von Meineke, Haupt nnd L. Müller als unecht bezeichnet sind. Giebt der vf. somit auch nur an den letztgenannten stellen neues, so erwuchs ihm doch die fähigkeit dazu wesentlich aus dem eingehenden Studium seiner Vorgänger, deren methode in ihren resul taten nachgewiesen und weiter verfolgt zu haben ein entschiedenes verdienst ist. Nicht zu billigen dagegen ist die hier und da auftretende herbigkeit des urtheils ; behauptungen wie: Orellium cuius totus commentarius minoris pretii est quam ipsi errores Peerlkampii, sind weder neu noch wahr. Dass die literatur in weiterem umfange benutzt ist, als die citate erweisen , bedarf keiner entschuldigung j in zwei significanten fällen muss indess die nichterwähnung Kel- lers und A. Kiesslings auffallen. Der zweite theil behandelt die fragen über die entstehungszeit und die characteristischen merk- male der Interpolationen, und endigt mit dem kritischen canon p. 70: Nego ullum locum probabiliter suspectari nisi talem, qui licet non posse a poeta scriptus esse non demonstretur, tarnen et ha- beat quiddam, in quo gravüer offendas, et ad genus illud quod de- lineavi amplificationum variationum interpretationum pertineat et ita segregari possit, ut neque lacunosum carmen relinquatur neque opus fiat transpositionibus. Eine Zusammenstellung der loci de interpo- latione suspecti bildet den schluss. Dem verf. steht eine klare und anschauliche darstellung zu geböte, deren reiz durch ein fliessendes latein erhöht wird. Die ausstattung der schritt, die durch marginalcompendien an Übersichtlichkeit gewinnt, macht der verlagshaudlung ehre.

Th. Fritzsche.

145. Komulus, die paraphrasen des Phädrus und die äsopi- sche fabel im mittelalter. Von Hermann Oesterley. Ber- lin, Weidmannsche buchhandlung, 1870. 1 XXXVII und 38— 124 s.

„Die vorliegende arbeit hat einen doppelten zweck: erstens einen philologischen, die möglichste nutzbarmachung der älte- sten prosaauflösungeu des Phädrus für die textkritik der phä- drianischen fabeln; zweitens einen literärgeschichtlichen , die

238 145. Phaedrus. ffr. 5.

darlegung der historischen gestaltung und entfaltung sowohl des Romulus selbst, des einflussreichsten unter den paraphrasten des Phädrus, als auch der späteren ausflüsse und erweiterungen des Romulus, eine darlegung also von der geschichtlichen eut- wicklung der sogenannten äsopischen fabel im mittelalter''. Mit diesen worten beginnt die einleitung des oben genannten Werkes. Der zweite der hier angegebenen gesichtspunkte hat ein mehr allgemeines, literarhistorisches interesse ; es sei uns desshalb ge- stattet, ohne der Wichtigkeit des buches in dieser beziehung zu nahe treten zu wollen, uns auf ein paar bemerkungen rein phi- lologischen inhaltes zu beschränken. Der text der sogenannten paraphrasen des Romulus war bis jetzt im wesentlichen nur nach jüngeren Handschriften und einer im 1 7. Jahrhundert durch Guden gemachten und jetzt in Wolfenbüttel befindlichen ab- schritt des verschollenen Divionensis bekannt, welcher angeb- lichs aus dem .12. Jahrhundert stammte. Oesterley hat nun im britischen museum einen codex Burneianus des Romulus aus dem 10. Jahrhundert gefunden, welchen er in der weise seinem text zu gründe legt, dass er ihn bis auf einiges in den noten bemerkte buchstäblich genau abdruckt. Der Divionensis stimmt mit diesem text in allem wesentlichen, überdies in vielen schreib- und lesefehlern genau überein. Die dritte quelle des textes ist eine handschrift aus Weissenburg, jetzt in Wolfenbüttel als co- dex Gudianus, aus der bereits einiges mitgetheilt wurde von L. T r o s s ad Iulium Fleutelot de codice Weissenburgensi epistola. Hamm, 1844. Sie euthält einen sich enger an Phädrus an- schliessenden text, welcher nach Oesterley gradezu auf eine allerdings defekte und interpolirte Phädrushandschrift als mit- telbare quelle zurückzuführen ist; sie hat jedoch später noch durch correkturen und rasuren grosse änderungen erfahren. Tu einer appendix haben bei Oesterley die zahlreichen fabeln platz gefunden, welche in dem Burneianus und Divionensis nicht er- halten sind und fast alle sich nur in jüngeren haudschriften finden.

Der gewinn für die texteskritik der im codex Remensis, Pithoeanus und bei Perotti erhaltenen fabeln des Phädrus ist uunseres erachteus ausserordentlich dürftig; Oesterley legt in dieser beziehung den paraphrasen viel zu grosse Wichtigkeit bei. In vereinzelten iällen finden wir freilich eine fast wört-

Nr. 5. 145. Pbaedrus. 239

liehe Wiederholung, z. b. Phaedr. 5, 9 M. app. 2 Oesterl. ; da- gegen auch so freie paraphrasen selbst in dem von Oesterley besonders hervorgehobenen Wisseburgensis, dass der unverdorben überlieferte text des Phädrus einen ganz anderen sinn gibt, z. b. Phaed. 1, 21 vergleiche man die drei letzten verse : at ille expirans : fort es indigne tuli mihi insultare: te, naturae dedecus, quod ferre cogor , certe Ms videor mori, mit nachstehender para- phrase bei Oesterl. 1, 15: Et ille cum gemitu suspirans sie di- xisse fertur: cum esset virtus mea, fuit honos fuit timor, ut omnes viso me fugerent et opinio ipsa terreret plures, Quos cum benevo- lus non laesi, quibus et auxiliator fui, ipsi malignantur mihi et quia sum sine viribus, nullus est honor pristinus. Da sich die para- phrasen in diesem weiten rahmen bewegen, befinden wir uns, offenbar , wenn wir dieselben bei emendationen des Phä- drus zu gründe legen wollen , auf einem äusserst schlüpfrigen boden und es ist gar nichts damit gewonnen, dass wir in ein- zelnen wortconstellationen des stark abweichenden textes der paraphrasen sehr leicht anklänge an iambische verse herausfin- den können. So bringt Tross a. a. o. p. 13 in der sehr freien paraphrase von Phädr. 1, 13 (2, 12 Oesterl.) mit leichter Um- stellung folgenden vers zu stände : sie et deripiunt vestrae me fallaciae. Die fabel ist jedoch bei Phädrus in sich durchaus teres atque rotunda und es würde eine ganz fehlerhafte kritik sein, durch gewaltige interpolationen und zum theil selbstge- machte verse eine Übereinstimmung zwischen dem paraphrasten und dem dichter herbeiführen zu wollen. Wichtiger sind un- streitig die paraphrasen der verlorenen fabeln. Wir lernen auf diese weise wenigstens den in halt vieler kennen. Was jedoch die form derselben betrifft, so ist im wesentlichen richtig das urtheil von L. Müller in seiner vorrede zu Phädrus p. vn: -operam vanam (die Wiederherstellung der bezeichneten fabeln) nee aut Phaedro aut ipsius studiosis profuturam cito damnavit ani- mus. Nur für ganz vereinzelte fälle kann diese behauptung nicht gelten, z. b. bei app. 1 Oesterley, wo der text der para- phrase sich von der ursprünglichen poetischen form nicht ent- fernt, einzelne änderungen ausgenommen , die jedoch den um- fang gewöhnlicher corruptelen nicht überschreiten. Fassen wir das gesagte zusammen, so ergiebt sich, dass von einer verwer- thung der paraphrasen für die kritik des Phädrus kaum die

240 146. Sallustius. Nr. 5.

rede sein kann, dass ferner Oesterley auf einem ganz verkehr- ten Standpunkt sich befindet, wenn er p. xv sagt: „bei einer demnächst etwa vorzunehmenden ausnutzung des damit nutzbar gemachten wird als gruudsatz festgehalten werden können, dass im grossen und ganzen der Wisseburgensis dem Burneianus und Divionensis als controle dient, also alles ihnen gemeinschaftli- che als unzweifelhaft dem Phädrus angehörend betrach- tet werden muss". Die Pbädrushandschriften selbst müssen also gegen die paraphrasen überhaupt zurücktreten!

146. Bemerkungen über die einleitungen zu Sallust's bel- lum Catilinarium et Jugurthinum von Rud. Kuhn. Beilage zum programm des grossherzoglichen gymnasiums zu Tauber- bischofsheim 1868. 8.

Obschon etwas älteren datums verdient doch diese ziem- lich gut geschriebene abhandlung, dass die betrachtung auf sie gelenkt werde; denn sie betrifft eines der schwierigsten pro- bleme für die interpretation des Sallustius. Ausgehend von dem alten und noch immer nicht ganz gelösten widerstreite der mei- nungen über den persönlichen und schriftstellerischen Charakter des autors glaubt der vf. in dem nachweise des Zusammenhan- ges der proömien mit den werken und der person des Sallu- stius einen beitrag ,,zur richtigeren und für den Schriftsteller günstigeren beurtheilung liefern zu können". Aber die ausfüh- rung dieses Vorwurfes entbehrt der durchdringenden schärfe kri- tischer beobachtung und lässt bei aller ausfiihrlichkeit in der paraphrase des einzelnen doch gerade den gesuchten nachweis des geistigen bandes vermissen. Der in beiden proömien do- minirende grundgedanke, den Sallustius seinem materiell gesinn- ten Zeitalter wiederholt einschärft, lässt sich in die worte fas- sen: der geist ist es, der lebendig macht. Diese in der erzäh- lung beider monographieen mehr negativ angedeutete philoso- phische gruudanschauung des autors ist in den einleitungen po- sitiv mit beziehung sowohl auf das dasein des einzelnen als auf die grossen Verhältnisse des Staatslebens durchgeführt und nach einem rhetorisch nicht tadellosen Übergänge mit der darlegung des individuellen Standpunktes des autors abgeschlossen. Die- ser schluss dient in doppelter weise einer apologetischen ten- denz, indem Sallustius eine historische rechtfertigung dafür giebt,

Nr. 5. 146. Sallustius. 241

dass und wie er geschiente zu schreiben unternommen hat. So weit reicht die geschichte beider proömien ; ist sie von dem vf. nicht deutlich genug markirt , so ist die für die vorliegende aufgäbe noch wichtigere Verschiedenheit derselben nicht einmal angedeutet. Versuchen wir es , sie in kürze zu charakterisiren. Die behandlung erscheint im proöraium zum Catilina objeetiver in den gedanken, ruhiger im ausdruck , während die einleitung zum Jugurtha subjeetiver gehalten ist und einen gereizteren ton annimmt. Die polemik bricht hier offen durch : wie in den anfangs Worten 1, 1 falso queritur genus humanuni, so in der per- sönlichen Wendung 1, 4 suam quisque eulpam auetores ad negotia transferunt, und insbesondere in dem bitteren satze 4, 3 atque ego credo fore qui, quia decrevi proeul a re publica aetatem agere, tanto tamque utili labori meo nomen inertiae inponant, certe quibus muxuma industria videtur salutare plebem et conviviis gratiam quae- rere. Man wird nicht irre gehen, wenn man, obgleich diese worte sich nur auf die möglichkeit eines missverstandnisses von seite andersdenkender beziehen, zwischen den Zeilen einen hinweis auf eine bereits wirklich eingetretene verkennung der bestrebungen des Sallustius herausliest. Und hierin liegt der Schlüssel zur auflösung der frage, warum Sallustius bei sei- nem ersten auftreten als historiker und schriftsteiler ein raisonni- rendes hors d'oeuvre als einleitung für nothwendig halten konnte, warum er bei seiner zweiten historischen arbeit die im ersten werke bereits dargelegten grundgedanken wiederholen mochte, endlich warum er unwillkürlich dazu kam, dieselben hier mehr zuzuspitzen und zu verschärfen. Man vergleiche zum beweise für den letzteren punkt nur die gegenüberstellung der staatsmännischen und schriftstellerischen thätigkeit im Catilina und die im Jugurtha : Cat. 3, 1 pulchrum est bene facere rei publicae: Jug. 3, 1 magi- stratus et imperia, postremo omnis cura verum publicarum minume mihi hac tempestate cupiunda videntur ; Cat. 3, 1 bene dicere haud ab sur dum est: Jug. 4, 1 magno usui est me- moria rerum gestarum. Dass mit solchen theoretischen erörte- rungen in einer historischen monographie das künstlerische mass überschritten wird , hat Sallustius selbst erkannt und in einer für den rhetorischen techniker nicht befriedigenden , dem fühlenden menschen aber vollauf genügenden weise mit den Philol. Anz. IV. 16

242 147. Sallustitts; Nr. 5.

vielsagenden Schlussworten Jug. 4, 9 entschuldigt: verum ego liberius altiusque processi , dum me civitatis morum piget taedetque. _

147. Sallust's bedeutung in der römischen literatur vom prof. Karl Stejskal. Programm des k. k. deutschen gym- nasiums in Olmütz. 1870. 8.

Der verf. scheint den sinn seines dankbaren themas nicht verstanden zu haben. Denn nach einer sehr allgemeinen be- merkung über die vielen Sallustausgaben wirft er die frage auf: „worin liegt der grund der so vielseitigen und zahlreichen (!) be- schäftigung gerade mit diesem geschichtschreiber? Woher diese seine bedeutung in der römischen literatur?" Als ob die beschäftigung der um viele Jahrhunderte später lebenden mit einem autor und die bedeutung desselben für seine literatur identisch wären! ,,Die Ursachen dieser erscheinung dürften in etwa folgenden gründen (!) zu suchen sein: 1. ist Sallust ein geistreicher, ebenso anziehender als anregender und belehrender Schriftsteller, . . . den, wie der vortreffliche schuhuann K. F. v. Nägelsbach in seiner Gymnasialpädagogik schreibt (richtiger: zu sagen pflegte), jeder philologe wenigstens einmal im jähre lesen sollte." Also weil ein schulmanu vor zwanzig jähren gerathen hat, fleissig Sallust zu lesen, darum es ist wenig- stens ein grund darum sind seit vierhundert jähren so viele ausgaben erschienen und darum ist Sallust so bedeutend in der römischen literatur gewesen! ,,2. Die unsicheren nachrichten über die Verfasser seiner biographie(I), die Schreibart seines na- mens Salustius und Sallustius (!) , sein name und beiname und die umgekehrte folge derselben in Überschriften (!) " So geht es fort : im ganzen sind es fünf gründe, die der verf. vorbringt. Hierauf wird die berechtigung der ,, günstigen und ungünstigen urtheile über Sallust" in sechs abschnitten mit derselben logik und der gleichen Unterscheidung des wichtigen und unwichtigen, wie sie aus den gegebenen proben erhellt, untersucht. Aeusse- rungen, wie die p. 7, dass zu Sallust's zeit „in Kom, wie von jeher, noch immer vorzugsweise die geschichte und bered- samkeit . . . gepflegt wurden", deuten auf eine originelle an- sieht von der entwicklung der römischen literatur , deren an- fange sonst wohl später angesetzt werdeu. Leider lässt sich aber an der auf Sallust selbst bezüglichen darstellung originali-

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tat nicht rühmen; vielmehr werden die vom verf. benutzten arbeiten über Sallust bis auf stilistische Wendungen ausgebeutet Dagegen sind die endlos sich fortwindenden sätze, ferner phra- sen wie die p. 18 von der „völligen Vertrautheit des Sallust und Thucydides" eigenthum des verfs. Auch die Verwechse- lung von Karl Friedrich und Gottfried Hermann p. 5 scheint nicht entlehnt zu sein.

148. Die hauptpunkte der livianischen syntax. Für das bedürfniss der schule entworfen von Ludwig Kühn ast. Zweite mit einem überblick über die lateinische formenlehre und mit Sammlungen zur livianischen Stilistik uud glottographie ver- mehrte bearbeitung. Zweite hälfte, Berlin, W. Weber. 1872. p. 193—402. 8. 1 thlr.

Jetzt erst, nachdem das werk von Kühnast abgeschlossen vorliegt, lässt sich die volle bedeutung desselben ermessen. Das lob, welches seiner zeit in dieser Zeitschrift (bd. III, 1871, 2, p. 84 90) aus vollster Überzeugung der ersten hälfte ge- spendet worden, verdient in gleichem, in gewisser beziehung noch in höherem grade die zweite. Beide theile enthalten die reichsten, sorgfältigsten Sammlungen und sind eine wahre fund- grube für lexicographie und grammatik, aber der zweite bietet dem in der literatur des Livius bewanderten noch viel mehr neues als der erste. Ich meine damit hauptsächlich die an- hänge, von denen der erste von p. 273—331 die liviani- sche Stilistik (pleonasmus , ellipse, brachylogie, asyndeton und polysyndeton, die construction anh xouov, zeugma, hendia- dys, enallage, die metapher , die specifisch rhetorischen figuren, Wortstellung und periodenbau), der zweite von p. 331 bis zum schluss die dem Livius eigenthümlichen oder von ihm zuerst oder mit besonderer Vorliebe angewendeten Wörter und con- structionen, nach Wortklassen geordnet, aufführt. Der aus- drücklichen erklärung des Verfassers (p. 273 anm.), dass diese beiden anhänge in noch geringerm masse als die voraufgehende syntax anspruch auf Vollständigkeit erheben könnten , hätte es gar nicht bedurft. Noch besitzen wir für keinen lateinischen Schriftsteller vollständige stilistische Sammlungen auch Drä- ger' s syntax des Tacitus wird diese prätension nicht erheben, : wie wäre es auch möglich eine nur annähernd vollständige

16*

244 148. Livius. Nr. 5.

Zusammenstellung der stilistischen eigenthümlichkeiten gerade des Livius zu geben ? Ebenso wenig liegen für eine arbeit, die es sich zur aufgäbe gestellt die lexikalischen eigenthümlich- keiten des Livius zu behandeln, zur zeit noch die nöthigen vorarbeiten vor weder für Livius selbst noch für die Schriftstel- ler, mit denen es gilt ihn zu vergleichen.

Aber es ist ja auch zu vielen zwecken Vollständigkeit der Sammlungen gar nicht erforderlich. Sie ist dann unerlässlich, wenn bestimmt formulirte sätze deducirj, und in strittigen fragen das Züng- lein der entscheidung auf die eine oder andere seite gezogen wer- den soll. Aber daraufhat es Kühnast gar nicht abgesehen, weniger, als es sicher manchen ungeduldigen lesern lieb sein wird, die sich gern durch präcis gefasste Schlussparagraphen der mühe, die vorausgehenden abschnitte durchzuarbeiten , überhoben sehen würden. Ihm kam es darauf an, die geistige eigenthümlichkeit des Livius, seine stilart, die kunstmittel seiner rhetorik, seinen Wortschatz und die art, wie er mit demselben schaltet, insbe- sondere den einfluss, den das Studium der griechischen literatur auf die ausbildung seiner Schreibweise geübt hat, durch eine reich gegliederte und sorgfältig distinguirende beispielsam m- lung zu illustriren. Nur selten zieht er selbst die endresul- tate (wie z. b. p. 301); meist übt er die resignation, reihen von beweisstellen aufzuführen die frucht langjähriger, müh- samer Sammlung, ohne dem leser vor äugen zu führen, wie werthvoll diese bausteine sind und was nacharbeitende forscher dereinst aus ihnen machen können.

Am werthvollsten ist meines erachtens der äusserst reich- haltige abschnitt über die metaphern des Livius (p. 293 302) und die glott ographische Zusammenstellung p. 335 384, an die sich ein verzeichniss der „seltnen Wörter bei Livius" anschliesst, welches dem literarhistoriker und lexicogra- phen, der versteht zwischen den zeilen zu lesen , viel zu den- ken geben wird , wie nicht minder die bei gelegenheit der be- sprechung der metapher (p. 298 anm.) beiläufig gegebene Zu- sammenstellung von zumeist bildlichen ausdrücken, welche sich bei anderen Schriftstellern der classischeu zeit, nicht aber oder wenigstens nicht metaphorisch bei Livius finden. Derartige Zusammenstellungen sind, dafern sie anders sorgfältig sind, im höchsten grade instruktiv, wenn man sich auch hüten

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muss, sofort bestimmte satze aus denselben herleiten zu wollen. Jedenfalls regen sie den forscher an, causalzusammenhänge auch da zu suchen , wo der flüchtige betrachter nur ein spiel des zufalls zu sehen vermag. In diesen capiteln um nur auf eines hinzuweisen stösst der leser hier und da auf einzel- heiten, die den eindruck des Provinzialismus, der patavinitas, machen, während die syntax und Stilistik nur sehr wenige Sin- gularitäten aufweisen, welche nicht als nachbildungen dichteri- scher oder griechischer ausdrucksweise und als gemeingut der rhetorischen geschichtsschreibung bezeichnet werden könnten.

Doch nun noch einige einzelheiten, damit man ersehe, dass ref. in dem fleissigen buche nicht bloss geblättert hat. P. 196 stehen wohl nur aus versehen quidvis und quavis unter den all- gemeinen relativen, ,,die im classischen latein selten ohne ver- bum vorkämen", während man den hinweis auf das zuerst (?) bei Livius in prosa vorkommende quantuslibet vermisst. P. 2 00 sind die auseinandersetzungen über quisque nicht erschö- pfend. Zu den von Weissenborn zu 4, 58, 13 und 45, 38, 12 angeführten stellen, wo quisque keine der üblichen stü- tzen hat, ist ausser 26, 44, 9 noch 24, 45 , 4 libera de quoque arbitria, 21, 58, 10 quisque inops und 34, 34, 7 respicienda cuique domestica nachzutragen, wenn auch an der letztgenannten stelle das voraufgehende omnes (s. Fabri - Heerwagen zu 21, 45 , 9) dem sinne nach als stütze des distributiven prono- mens angesehen werden kann. Die assimilation an das vor- aufgehende reflexiv findet sich 3, 22, 6 suae cuique parti\ 25, 17, 5 suae cuique genti, 24, 3, 5 sui cuiusque generis 1). Etwas anderer art ist 33 , 46, 9 suo quoque anno. Zwi- schen dem (voraufgehenden) relativum und dem reflexivum ist quisque gestellt 5 , 20, 8 ; 6 , 25, 9 ; 22, 7, 10 5 32, 19, 9-, dem reflexivum steht es einfach nach 21, 48, 2; 28, 22, 15; 33, 45 , 6 ; 37, 54, 19; 42, 53, 3, während es sonst immer (?) bei Livius die regelrechte Stellung vor demsel- ben einnimmt. Der grund der ungewöhnlichen Wortfolge ist

1) Auch ohne reflexiv gewähren genus und modus dem pronomen quisque genügende stütze, was beiläufig erwähnt werden mag, da die gangbaren lehrbücher diesen fall zu übergehen pflegen. Vgl. cuius- que generis Nep. 17, 8; Sali. Cat. 24, 3; 28, 4; 40, 6; Caes. BC. 1, 51, 2; 3, 63, 6; BG-. 5, 12, 5; cuiusque modi Sali. Cat. 39, 6; Jug. 75, 4; Flor. 3, 4, 2 u. aw.

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offenbar an allen fünf stellen ein rhetorischer, nämlich das voran- gehen eines betonten mehrsilbigen Substantivs. Noch sei nachge- tragen, dass sich quaeque als femin. pluralis 32, 16, 9; 39, 31, 12; quosque auch 4, 56, 7 findet, während quique 42, 44, 1 und quisqne = quibusque 24, 16, 17 nur zweifelhafte lesarten sind. Den plural des Substantivs verbindet Livius mit dem singulari- schen quisgue, z. b. 21, 48, 2 in civitates quemque suas; desgl. 25, 12, 2; 42, 58, 4 und 64, 2. Offenbar war es gar nicht absieht des Verfassers, das vorkommen dieses prouomens bei Livius erschöpfend zu behandeln ; das könnte auch nur in einer umfänglichen monographie geschehen. P. 2 1 1 postquam c. imper- fecta ist im classischen latein nicht so selten, als es nach der be- merkung des vf. a. a. o. scheinen könnte, vgl. Cic. p. Quint. 70 postquam poterant ; p. Rose. Com. 30 postquam explodebatur ; Caes. BG. 7, 87, 5; BC. 3, 58, 5 ; 3, 60, 5. P. 2 2 7 der anwen- dung der zweiten person conj. präsentis für den imperativ zieht der verf. doch zu enge grenzen ; sogar ein an eine bestimmte einzelne person gerichtetes gebot oder verbot wird biswei- weilen in dieser weise ausgedrückt [so Cic. Off. 3, 2, 6 fac ut efficias neve committas; de Nat. d. 2, 74 nolitote et mehercule ne experiamini quidem; ad Att. 13, 23, 3 ne existimes; ebendas. 14, 1, 2 ne pigrere; Epp. ad fam. 9, 26, 1 vivas in literis; eben- das. 14, 4, 3 conßrmes, adiuves; ad Att. 1, 17, 11 eures; eben- das. 10, 15, 4 literas des], allgemeine aufforderungen oder verböte aber allerwärts häufig. Jedenfalls hat der verf. den letzteren fall bei seinem satze : „bei Cicero sehr selten und viel- leicht nur im briefstil" stillschweigend ausgeschlossen. S. über diesen ganzen punkt Teipel, praktische anleit. z. übersetzen cp. I, p. 12; II, p. 55, wo freilich irrthümlich auch einige ab- sichtssätze (ne putes, ne mireris u. ä.) als imperativsätze aufge- führt werden. P. 2 41. Ausser BG. 6, 24, 1 hat Cäsar cum mit conjunktiv nach fuit tempus und gleichartigen Wendun- gen auch anderwärts z. b. BG. 1, 23, 1; BC. 3, 1. Vgl. Proksch, gebrauch der nebensätze bei Cäsar, progr. v. Bautzen

1870, p. 24. P. 2 43. Für die besprechung der hypothetischen Sätze wird bei einer zweiten aufläge zu berücksichtigen sein die unlängst erschienene arbeit ven Günther, die formen der hypo- thesis aus Livius für den schulgebrauch entwickelt, 4 Bromberg

1871. P. 2 44. Die bemerkung, dass quamvis ohne ver-

Nr. 5. 148. Livius. 247

bum bei Cicero selten sei, ist in dieser form schwerlich stich- haltig. Bekanntlich findet sich diese conjunktion gerade bei ihm äusserst häufig, gewissermassen adverbiell gebraucht, ohne verbum in unmittelbarem anschluss an adjectiva (Cato maj. 4; Tusc. 3, 73; 5, 46; p. Rose. Am. 47; Off. 2, 69; 3, 19; Verr. 3, 224; de Orat. 2, 131; de Legg. 3, 24; Lael. 91 u. ö\), oder adverbia (Tusc. 1, 47; 4, 57; p. Rose. Am. 91; de Or. 3, 101, wo quamvis und dicatur nicht zusammengehören; Verr. 2, 134 u. ö.). Auf derselben seite war die notiz über das vor- kommen von quamvis mit dem conjunktiv bei Cicero bestimm- ter zu fassen; es steht fest de Legg. 3, 18; Tusc. 5, 85 ; Fin. 3, 70; Orat. 183, wo überall der conjunktiv potentiell zu fassen ist; Off. 1, 6 hat Orelli den indikativ reeipirt; de Orat. 3, 27 findet der conjunktiv durch das oblique Satzgefüge seine erklä- rung. P. 2 4 7. Bei besprechung des von adjektiven ab- hängigen infinitivs war der dichtergebrauch mehr zu berücksich- tigen. Reiche Sammlungen hierfür enthalten die arbeiten von Kubier , de infinitivo ap. Roman, poetas a nominibus adjeetivis apto, Berol. 1861 und H. Merguet , de usu syntactico infinitivi latini, maxime poetico. Itegimonti, diss. inaug. 1863. 8. P. 2 5 2. Auch Cicero verbindet eunetari mit dem infinitiv Tim. 3 non eunetandum profiteri; p. Balb. 8 euneter agere; an beiden stellen ist der satz (der form oder dem sinne nach) negativ. P. 2 6 7. Das über den gebrauch des attributiven part. perf. passivi zur Umschreibung eines abstrakten substantiv's gesagte (terruit animos extinetus ignis , transportati milites causa fuere und dgl.) lässt sich vervollständigen aus Lübbert's akademischer schrift Comment. syntaet. part. L, Giessen 1871. P. 2 7 1. Zu emensus mit passivem sinn macht Kühnast die bemerkung: ,, nicht vor Livius". Zu erwähnen war wenigstens Mommsen's geist- volle, von mehreren neueren herausgebern gebilligte conjektur zu Caes. BC. 1, 5, 2 toto denique emenso spatio für oetavo de- nique mense und hinzuweisen auf den passiven gebrauch von dimensus BC. 2, 19, 6; 4, 17, 3; Cic. Orat. 38 und Cato 59, wo sogar esse dabei steht (wie de Orat. 2, 118 meditatum esse sich findet); auch das simplex mensus findet sich passivisch ge- braucht de Nat. d. 2, 69. Vgl. die reichhaltige Zusammenstel- lung von Tischer zu Cic. Cato §. 4. P. 3 1 7 die Stellung der präposition ex hinter dem relativ war als „äusserst selten

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zu bezeichnen; 35, 12, 10 wird sie gemildert durch den nach- folgenden comparativ. Vgl. eo cum maiore 33, 2, 4; 36, 36, 7 (wo die lesart schwankt) und quam in optimo Cic. Finn. 5, 26 ; quam de variis, ebendas. 4, 13 ; überall liegt derselbe rhetorische grund zur inversion vor , der auch in den demonstrativverbin- düngen tarn ex nobili , Verr. 4, 96; tarn in paucis 5, 127 u. ä. gewirkt hat. P. 3 19. Drei verschiednen sätzeu angehö- rige verba unmittelbar hinter einander hat vor Curtius verein- zelt schon Cicero: so de Or. 2, 112 ab Ulis causis , in quibus, qualis quaeque res sit, disceptatur, seiungunt. P. 3 2 4. Bei der behandlung der inconcinnität konnte wohl darauf hingewie- sen werden, dass Sallust hierin wacker vorangegangen war; bei diesem ist das vermeiden paralleler syntaktischer Wendungen geradezu manier; er ist hierin der entschiedene Vorgänger des Tacitus. Die classiker dagegen opfern häufig sogar logi- sche und grammatische richtigkeit zu gunsten des parallelismus auf, wie dies denn auch Sallust, Tacitus und Livius (s. die ausleger zu 24, 45. 3 aliunde stet, aliunde sentiat) bisweilen thun. P. 3 51. Bei mox = paullo post war auf extemplo mox 40, 48, 6; jprimo mox 33, 8, 10; ibi mox tum 39, 2, 4 hinzuweisen, s. Hand. Turs. III, 657. P. 35 8 wird beiläufig unter Verweisung auf Weissenborn zu 32, 31. 5 non ita ut = „so dassa gesprochen. Es sei erlaubt, bei dieser gelegenheit die gewöhnliche schulregel, dass ita ut = so dass nur statthaft sei, wenn beide worte durch quidem, tarnen u. dgl. getrennt oder ita sich eng an ein wort des hauptsatzes (zumal sed) anschliesse, in etwas zu modificiren. Ita ut einfach = ut steht sicher Cic. p. Marc. 12; p. Sest. 100; ad Att. 12, 19, 2 2); Caes. BC. 1, 12, 1; 1, 38, 5; BC. 2, 9,1; 3, 27, 2; Liv. 8, 7, 1 ; 8,31, 5; 9, 32, 9; 10, 29, 7; 23, 35, 15; 27, 20, 6; 27, 22, 2; 28, 11, 13; 32, 31, 5; 39, 8, 8 und öfter anderwärts. Vgl. auch Lepid. in Cic. Epp. 10. 34, 1. Bei Nepos und Sallust scheint diese Verbindung nicht vorzukommen, dagegen findet sie sich, zum theil sehr häufig,

2) Absichtlich übergangen sind stellen wie edixit ita ut, ad Att. 11, 7, 2; et quidem ita, ut Finn. 3, 58; compositis rebus iüi, ut Curt. 4, 7, 5. Selbstverständlich lässt sieh oft schwer entscheiden, ob ita zu ei- nem worte des hauptsatzes zu beziehen sei oder nicht. Aber an ei- nigen der oben angeführten stellen steht offenbar ita mit dem hauptsatze in keiner engeren beziehung als unser tonloses „so" in: „so dass".

Nr. 5. 148. Livius. 249

bei Varro, Vellejus , Curtius , Seneca, Columella, Justin und späteren. Ferner findet sich sie ut(i) in gleicher weise ge- braucht Cic. Brut, 302; Caes. BG. 2, 32, 4; 5, 17, 2(?); 5, 51, 5; 5, 11, 2; BC. 2, 16, 2 ; 3, 80, 6 ; Nep. 15, 2. Phaedr. Append. 3, 9, 7 und adeo ut Caes. BC. 1, 80, 5; 2, 28, 1 ; 3, 58, 3; 3, 82, 2; Epp. ad Q. fr. 1, 2, 15; Nep. 2, 1, 1; 10, 9, 4; Liv. 2, 57, 2; 5, 13, 1; 44, 2, 12; Vell. 1, 18, 1; 2, 55, 3; 2, 87, 2; 2, 103, 4 3). Ausserdem haben, was ref. mit ziffern beweisen kann, diese Verbindung : Celsus, Curtius (we- nigstens sechsmal), Justin, Tacitus, Sueton, Mela, Florus, Quin- tilian und andere spätere schriftsteiler. P. 3 6 9. Ueber at enim geben genaueres Fabri zu 21, 18, 9; Hand Tursell. I, p. 444 sqq.; Reissig, anm. 427. P. 3 7 3 nee = „auch nicht1' ist bei Cicero nicht gar selten: nee interire , suspicari Tusc. 1,71; Acad. post. 1, 7: nee in deo Tusc. 1, 65; sed nee in Cat. 2, 8 ; at nee, p. Eosc. Am. 120 u. am.. P. 3 7 7 füge zu den bemer- kenswerthen construetionen hinzu animo est 29 , 36, 7 (?) und submittere se in aliquem statum [privatum fastigium, humilitatem) 27, 31, 6; 38, 52, 2. P. 383. Füge hinzu: pugnam eiere 1, 12, 2. Zu in spe esse 35, 12, 2 konnte Caes. BC. 2, 17, 3 magna esse in spe verglichen werden. Auf der folgenden seite konnte füglich die construetion volutare in animo 28, 18, 11 und volutare animum tacitis consiliis 9, 17, 2 (?) einen platz fin- den, über welche die ausleger zu d. ang. st. zu vergleichen sind. Illucunde abii redeo; was man auch im einzelnen an Kühnast's arbeit mäkeln mag, jedenfalls ist es ein hülfsmittel von ganz bedeu- tendem werth für jeden, der sich eingehend mit lateinischer sprä- che beschäftigt. Dies mit dank auszusprechen, hat ref. für seine pflicht gehalten ; zu seiner freude hat er aus mancher jüngst erschienenen schrift ersehen, dass er mit seiner ansieht über das buch nicht allein steht. Zum schluss kann er nur den in der anzeige des ersten theils ausgesprochenen wünsch wiederholen, dass dieses werk im kreise der Schulmänner recht weite Verbreitung finden möge, zu deren nutz und from-

3) Obige beispielsammlung erhebt nicht im geringsten an- sprach auf Vollständigkeit. Schwerlich fehlt sie ut = so dass ganz bei Livius, adeo ut bei Cicero in den reden und philosophischen Schrif- ten. Aus nachklassikern eine nubes exemplorum anzuführen erschien überflüssig; in den Script, hist. Aug. z. b. findet sich adeo ut und ita ut äusserst häufig, fast auf jeder dritten seite.

250 149. Eutropius. Nr. 5.

men es vom verf. (s. das vorwort) hauptsächlich bestimmt ist. Sie werden sich aus demselben nach vielen Seiten hin bessere und gründlichere belehrung holen als aus einer ganzen reihe do- gmatisirender sehulgrammatiken.

149. Eutropi breviarium ab urbe condita. G-uilelmus Hartel recognovit. Berolini, apud Weidmannos. MDCCCLXXII. VIII und 84 pp. 8.

Th. Mommsen, der zuerst aus dem Gotbanus s. IX (Ful- densis) n. 101 den wirklichen tite! des von Eutropius verfasse ten werkchens bekannt gemacht und diesen codex zugleich als die quelle des echten textes bezeichnet hat (Hermes I, 468), ist auch um Hartel's ausgäbe besonders verdient, indem er seine collation der genannten handschrift dem herausgeber zur Verfü- gung gestellt hat. Die von Hartel gerühmte genauigkeit dieser vergleichung kann ref. bestätigen, indem er die wenigen und unbedeutenden abweichungen seiner eigenen collation zum ersten buche mittheilt: p. 3, 5 vitae grecia. 5, 5 aeditus. 5, 12 praeter F: propter s. I. m. 2. 5, 13 tum s. I. m. 2. 5, 15 atque (ex adque corr.) earum uirgines add. in mar gine inferiore m. 2. 5, 18 tempe~ state ex tempestatem F. 5, 19 tricensimo addeos F: septimo s. I. m. 2. et consecratus in marg. m. 2. 6, 3 pompilius ex pomplius. 6,6 consuetudine ex consuetudinem. 6, 9 quadragensimo. 6, 15, mar- cius s. I. m. 2. 6, 16 nepus. 6, 22 qui ex quia. 6, 23 isdem. 6, 28 tullius F: i expunctum. 6, 29 sabinus ex sanos. 7, 1 sceleri. generi F: s s. I. m. 2. 7, 6 capitolio ex capitolo. 7, 13 contra in marg. add. tarquinii F: v s. I. 7, 15 reliquid F: t s. Z. 7, 21 cepere. 7, 28 pelleretur et tarquinius in marg. in/er. m. 2. 8, 5 receserunt F: s s. I. 8, 15 poene c^pit. 8, 18 pre- staret. 8 , 20 quattuordecem. 8, 22 lucius ualerius. 8, 27 socrz. vindicandam ex iudicandam ut videtur. 8, 28 apellatur. 8, 33 c^ssar. 8, 35 honore ex honorem. 9, 3 adque F: t s. 2. 9, 11 accepit ex acepit, 9, 12 sepe. 9, 14 uenisent F: s s. I. 9, 15 removit ex renovit. 9, 17 fauio lucio. 9, 21 exercitum F: u s. I. 9, 22 pre- lio. 9, 25 anno tarnen. 9, 27 dictator ex dictor. 10, 9 prestabant. 10, 13 aequitum. 10, 14 deinde om. 10, 17 caepit. 10, 18 coe- pit. 10, 22 apud ex aput. 10, 24 laborarent ex laboroarent. 10, 26 gravissimaeque. 10, 28 datum ex tatum. 10, 30 apellatus. Bedenkt man, dass Hartel res ad meram orthographiam pertinen-

Nr. 5. 149. Eutropius. 251

tes von seinem apparat ausgeschlossen hat nnd dass eine reihe der angeführten stellen nur eine bestimmtere Vorstellung über die art der in F eingetragenen nachbesserungen geben soll, so schwindet die zahl der discrepanzen zwischen der hier mitgetheilten und der für die ausgäbe verwertheten col- lation auf ein miniraum zusammen. Ausser F als dem re- präsentanten der echten tradition sind auch ein Bambergensis s. IX (B) nach Eyssenbardt's collation und ein vom herausge- ber selbst verglichener Monacensis s. X (A) als Vertreter des von Paulus (P) überarbeiteten textes für die recognition beige- zogen, da F von fehlem aller art, insbesondere kleineren lücken, entstellt ist. Geringere hülfe für die emendation gewähren die griechischen Übersetzungen des Paeanius aus dem ende des vierten Jahrhunderts und die über ein Jahrhundert jüngere nur in zerstreuten bruchstücken erhaltene des Capito. Von der conjecturalkritik hat Hartel nur mit höchster, ja übertriebener vorsieht gebrauch gemacht und sowohl fremde als eigene ver- muthungen nur selten in den text gesetzt, häufiger sie in den noten mitgetheilt. In neuester zeit ist fast gar nichts für die kritik des Eutropius veröffentlicht worden ; vereinzelte beitrage in Eussner's Specimen criticum ad scriptores quosdam latinos (Würz- burg 1868) und in den blättern f. d. bayr. gymn.- schulw. VIII, 75 f. scheint der herausgeber übersehen zu haben. Es ist wohl noch nicht an der zeit auf die constituirung der einzelnen stel- len in der neuen ausgäbe einzugehen, da wohl erst das erschei- nen der abhandlung de Eutropi emendatione , welche der heraus- geber in aussieht gestellt hat, abzuwarten sein dürfte ; dagegen mögen einige Verbesserungsvorschläge hier mitgetheilt werden. II, 23 decrevit senatus ut a maritirnis proeliis recederetur et tantum sexaginta naves ad praesidium Italiae salvae essent. Das unpassende salvae ist aus dittographie von Italiae entstanden und muss, worauf auch das einfache pavg txstv bei Paeanius führt, gestri- chen werden. III, 3 (Hasdrubal) vivus est captus, occisa cum eo duodeeim milia, capti mille quingenti. Der Widerspruch zwi- schen vivus captus und occisa cum eo liegt am tage; es ist zu transponiren : occisa duodeeim milia, capti cum eo mille quin- genti. — VI, 16 nulla umquam pompa triumpM similis fuit. Wahrscheinlich ist nach pompa ausgefallen Pomp ei. VIII 4 orbem terrarum aedißcans, multas inmunitates civitatibus tribuens.

252 149. Eutropius. Nr. 5.

Das unerträgliche orbem terrarum aedificans ist durch auswerfung eines buchstaben und eiuschiebung der präposition zu beseitigen: p er orbem terrarum aedificans multa, inmunitates civitatibus tri- buens , vgl. Paeanius oixodouijudroov ds avtöp navTU^ov rjjg oixovfisvqg noXvg tjv 6 Xöyog' nal zag noXsig dzsXsiag rjgi'ov. Die nachstellung des objects multa kann nicht befremden; un- mittelbar vorher heisst es ähnlich ditans omnes. VIII, 6 ne multi cives Romani barbaris traderentur. Vielleicht ist zu lesen inulti. VIII, 13 ac Pannoniis servitio liberatis Romae rur- sus cum Commodo . . triumfavit. Ein passender gegensatz zu dem vorausgehenden cum apud Carnuntum iugi triennio perseveras- set würde sich ergeben, wenn man läse: Romam reversus, vgl. IX , 1 3 ingressusque Romam nobilem triumphum . . egit.

VIII, 23 militarem disciplinam severissime rexit. Das ist dem usus des Eutropius fremd; ebenso erexit , woran man zunächst denken könnte. Man lese „cor rexit, wie IV, 17 militem . . correxit. IX, 14 disciplinae tarnen militaris . . corrector. IX, 9 Tarn desperatis rebus. Es ist zu lesen: iam, worauf auch Paeanius deutet : Ansyioaaixsvcov de Tjdtj zäv ngnt/fiaTav. IX, 9 quod Mogontiacum, quae adver sus eum rebellaverat . ., diripiendam militibus tradere noluisset. Die femininformen quae und diripiendam lassen , da Eutropius die form Moguntia nicht kennt, auf den ausfall von civitatem, das der autor so oft gebraucht, vor dem relativsatz schliessen. Dies bestätigt Paeanius Moyoviia- küv r y v n o X iv. IX, 24 adver sum Narseum proelium inse- cundum habuit. Man lese proelium minus secundum, da inse- cundum, wie es scheint, wenigstens den historikern fremd ist.

IX, 27 hie (Herculius) naturae suae indulgens Diocletiano in Omni- bus est severioribus consiliis obsecutus. So F; Hartel schreibt et severioribus ; dem sinne entspricht besser in omnibus, certe seve- rioribus consiliis', vgl. IX, 20 proditum ab exercitu suo, quem for- tiorem habebat, certe desertum. Paeanius: tag ynvv aniitsoTfQag JtouXrjTtavov ßovXdg. Vielleicht geht aus diesen emenda- tionsversuchen hervor, dass Paeanius doch weniger werthlos ist, als gegenwärtig angenommen zu werden scheint, und dass eine neue ausgäbe der metaphrasten erwünscht sein muss. Darnach muss man mit Spannung der abliandlnng entgegensehen, welche wie oben erwähnt, Hartel in aussieht gestellt hat.

A. B. E.

Nr. 5. 150. Griechische alterthümer. 253

150. Karl Lugebil, zur geschichte der Staatsverfas- sung von Athen. Separatabdruck aus dem fünften supplement- band der jabrbücber für classische philologie. 8. Leipzig, Teubner. 1872. - 1 thlr.

Der verf. des hier anzuzeigenden bucbes hat seinen Ver- diensten um die erforschung der athenischen Verfassung beson- ders durch die zweite der in seiner scbrift enthaltenen Unter- suchungen ein neues hinzugefügt. In beiden Untersuchungen zeigt sich Scharfsinn und grosse gründlichkeit 3 die man aller- dings an einzelnen stellen Weitschweifigkeit zu nennen sich ver- sucht fühlen möchte. Die erste Untersuchung, nur von einem geriugen umfange, behandelt „könig Kodros und die sogenannten lebenslänglichen archonten". Der verf. tritt in derselben der gewöhnlichen auffassung entgegen, dass mit Kodros' tode das königthum iu Athen abgeschafft sei, indem er nachweist, dass neben dieser gewöhnlichen tradition eine andre Überlieferung hergeht, nach welcher sich auch nach diesem zeitpuncte die monarchie unverändert erhielt, ja durch diese heldenthat noch mehr befestigt wurde. Der unterschied , welcher in der Über- lieferung zwischen den königen und den lebenslänglichen ar- chonten gemacht wird, indem die erstem unverantwortlich, die letztern verantwortlich genannt werden, wird wegen der Unmög- lichkeit einer juridischen Verantwortlichkeit bei einer lebensläng- lichen magistratur als unhaltbar zurückgewiesen. Der verf. kommt dann zu dem Schlüsse, dass die beseitigung der monar- chie in Athen erst von der einführung der zehnjährigen ar- chonten datiert werden könne.

Die zweite untersuschung, welche den bei weitem gröss- ten theil des buches umfasst, führt den titel: „das archon- tat und die Strategie zur zeit der Perserkriege und die hi- storische bedeutung der beamtenerloosung" , und behandelt die vielfach erörterte frage über die einführung des looses in die athenische Verfassung. Der Verfasser giebt zunächst eine geschichte dieser frage von Sigonius bis auf unsere tage, deren entwicklung ein dreifaches Stadium durchgemacht hat. Sigonius nahm als Zeitpunkt für die einführung des loo- ses die Verfassungsänderung des Solon, Ubbo Emmius die des Kleistbenes, Jacob Perizonius die des Aristeides nach der schlacht bei Plataiai an, während Tittmann die vermittelnde ansieht auf-

264 150. Griechische alterthümer. Nr. 5.

stellte, die einführung habe zwischen der reform des Kleisthe- nes und der schlacht bei Marathon stattgefunden. Alle neuern bebandler dieser frage haben sich der ansieht eines dieser Vor- gänger angeschlossen. Da wir eine directe Überlieferung über die zeit der einführung selbst nicht besitzen, so beruht die entscheidung dieser frage im wesentlichen darauf, ob Kallima- chos, der polemarch der schlacht bei Marathon, als 6 ?<ji xväfi(p Xayoov 'd&qraicov nüXsfiäg^eHv bei Herodot (6, 109) bezeichnet und Aristeides, als archont des jahres 489 von Demetrios von Phaleron rw xvu^cp laimv (Plut. Arist. 1.) genannt, in dieser Über- lieferung als genügend beglaubigt erscheinen. Was zunächst die erloosung des polemarchen Kallimachos betrifft, so tritt der vf. der annähme derselben durch den nachweis entgegen, dass sich aus einer genauen interpretation der herodoteischen Schilderung der schlacht bei Marathon der polemarch als oberanführer des atti- schen heeres ergiebt, dass aber ein erlooster befehlshaber un- denkbar ist. Die hauptgründe, welche für die oberanführerschaft des polemarchen in der schlacht bei Marathon sprechen , sind folgende. Der polemarch ist als svbixaioq xptjyiöoqöoog (Her. 6, 109), als derjenige, welcher zuletzt seine stimme abgiebt und bei Stimmengleichheit durch seine stimme entscheidet, der Vor- sitzende des kriegsraths, der als solcher aber auch selbstverständ- lich Oberbefehlshaber auf dem schlachtfelde gewesen sein muss. Die Stellung des Kallimachos auf dem rechten flügel des heeres in der schlacht, welche Stellung dem polemarchen bei den Athe- nern gesetzlich zukam (Her. 6, 111), kennzeichnet denselben gleichfalls als Oberbefehlshaber. Der verf. hat an zahlreichen beispielen nachgewiesen, wie bei den Griechen jeuer zeit der rechte flügel der ehrenplatz des oberanführers war. Aber auch Herodots eigne worte, fjysofiiivov de tovtov, weisen dem Kalli- machos den oberbefehl über das ganze beer zu, eine auffassung die gegenüber andern ansichten bei dem verf. richtig bewiesen erscheint. Hatte nun aber der polemarch den oberbefehl über das heer, so kann selbstverständlich die bei Herodot erwähnte pry- tanie der Strategen denselben nicht bezeichnen. Indem der verf. aus Plut. Cim. 8. Arist. 5 erweist, dass in der damaligen zeit je ein Stratege aus jeder phyle gewählt wurde, bezieht er mit recht die piytanie der Strategen zugleich auf die phylen und erkennt dieselbe in der ehrenstelluug auf dem rechteu flu-

Nr. 5. 150. Griechische alterthümer. 255

gel. Diese prytanie wurde von den übrigen Strategen dem Miltiades abgetreten, damit dieser am tage der schlacht dem po- lemarchen zur hand war. An die cpvltj Tcgvravsvovaa schlössen sich die übrigen phylen in der bekannten officiellen reibenfolge an, wie aus den worten : ijytnutinv 8s tovtov i^eSsxovto cög TjoiitfJt'irTo ai cpvlal £%6ftst>ai ullijlwv (Her. 6, 111), gegen Boeckh richtig erwiesen wird. Nachdem der verf. dann noch die Zeugnisse secundaerer natur in der Überlieferung für die er- wählung des Kallimachos zusammengestellt hat , kommt er zu dem, wie es ref. scheint, kaum anfechtbaren resultate, dass die worte o tw xvünm kayrnv von Herodot ohne besondere beto- nung nach analogie derartiger ernennungen zu seiner zeit ge- braucht seien. Das zweite scheinbare zeugniss für das Vor- handensein der beamtenerloosung in jener zeit, nämlich das von Demetrios von Phaleron überlieferte erlooste archontat des Aristeides im jähre 489 (vergl. Plut. Arist. 5) , wird von dem verf. gleichfalls mit recht widerlegt. In dem zusammenhange seiner darstellung war es für Demetrios ganz gleichgültig, ob Aristeides erwählt oder erloost war und es lag demselben sehr nahe , nach der analogie der spätem zeit das letztere anzuneh- men. Dem gegenüber wird man dem Zeugnisse des Idomeneus von Lampsakos : y.a\ fxrjv uo^ai ys ton '/4(jifiTti8r}v 6 'löo/jgievg ov xvafÄtvTcv , aXV iln/nsicüv ' ' Aftr\vat<av q>7]6iv (Plut. Arist. 1.), in diesem falle, wenn auch sonst die glaubwürdigkeit dieses Schriftstellers sehr erheblichen bedenken unterliegt , seine Zu- stimmung nicht versagen können. Der verf. schliesst dann, nachdem die entgegenstehenden Zeugnisse so beseitigt sind, dass die beamtenerloosung erst seit der reform des Ephialtes eingeführt sein könne, weil erst durch diesen das archontat so weit seiner frühern machtfülle entkleidet worden sei, um eine erloosung desselben denkbar erscheinen zu lassen. Als zweck des looses hat der verf. gut den erkannt , dass man durch einführung desselben kleinliche parteiintriguen vermeiden wollte, um die ganze aufinerksamkeit auf die besetzung der höchsten ämter hinzulenken. Die zum schluss gegebene an- sieht des verf. von den vorkleisthenischen phylen findet in der Überlieferung keine stütze, kann hier aber, wegen der Schwie- rigkeit dieser frage s* nuQf-'oyq) nicht berücksichtigt werden. Im ganzen kann man nicht umhin, die angezeigte schrift als einen

256 151. Römische geschichte. Nr. 5.

sehr dankenswerthen beitrag zur kenntniss der athenischen Ver- fassungsgeschichte anzuerkennen.

151. Karl Peter, geschichte Roms in drei bänden. Dritter band: elftes bis dreizehntes buch, die geschichte der kaiser bis zum tode Marc Aureis. Dritte verbesserte auf- läge. 8. Halle, verlag der buchhandlung des Waisenhauses. 1871. XXXII und 520 s. 2 thlr.

„Der gegenwärtige dritte band", beginnt die vorrede, ,,in welchem nunmehr die früher getrennt erschienenen zwei abthei- lungen desselben vereinigt sind , bringt die römische kaiserge- schichte und somit die gesammte(l) römische geschichte zum abschluss, so weit es sich um eine darstellung dessen handelt, was der eigentliche (!) römische geist gewesen ist und geleistet hat. Dieser(!) römische geist ist nach unserer ansieht bereits zu der zeit erloschen, wo das julisch-claudische kaiserhaus aus- stirbt. Zum völligen (!) abschluss schien es uns aber nöthig u. s. w." In der vorrede zu der 1867 erschienenen ersten ab- theilung hiess es: „der dritte band bringt, wie mir scheint, die eigentliche (!) römische geschichte zum abschluss" und: ,,der ur- sprüngliche (!) römische geist, das eigentliche römerthum ist er- loschen". — Eine so veränderte fassung der neuen vorrede war dadurch geboten, dass eine im j. 1869 erschienene zweite abtheilung des dritten bandes, welche die schon zum abschluss gebrachte geschichte Roms unerwartet fortsetzte und zum „völ- ligen" abschluss zu bringen bestimmt war, also ein blosser an- hang, als ein integrirender theil des buches auftreten sollte. Je- doch ist und bleibt diese Vereinigung eine rein äusserliche; ja sie hebt meines erachtens das einheitliche des eindruckes, wel- chen das dreibändige buch als ganzes machte, wieder auf.

Wenn geschichte „Roms", wie Peter sein buch betitelt, etwas anderes bedeuten kann oder soll, als was man „römische" geschichte oder geschichte „der Römer" zu nennen pflegt, so kann dem Verfasser die berechtigung nicht abgesprochen wer- den, dieselbe mit dem untergange der römischen repuhlik als beendigt anzusehen, gleichviel ob er dieses „Rom" nach der tödtiiehen wunde von Thapsos durch den gnadenstoss von Ac- tium sterben oder noch langsamer verbluten lassen will. Aber wer hat je unter Trajan oder gar unter Marc Aurel noch ein

Nr. 5. 151. Römische geschichte. 257

todeszucken jenes alten Rom wahrzunehmen geglaubt und wer hat nicht, statt das starre äuge voll bedauern auf die letzten spuren der Verwesung des entseelten leichnams geheftet zu hal- ten, lieber den forschenden blick nach den keimen und ersten regungen des neuen lebens ausgesendet, welches aus einer ver- gangenen herrlichkeit emporblühen sollte? ,,Rom" d. h. das Rom, welches nach Peter (p. x) auf dem höhepunkt seiner ent- wickelung in der zeit der punischen kriege stand , hatte aller- dings nach einem leben von 800 und etlichen jähren zu sein gänzlich aufgehört, denn, was der Verfasser (p. i) den „ei- gentlichen römischen geist" oder (p. xi) „römischen Patrio- tismus" nennt und fp. x) als das „auf freier Selbstbestimmung des volkes beruhende aufgehen des individuums in dem Staate" definiert, war freilich damals bereits „erloschen". Aber ein von diesem „eigentlichen" Römerthum zwar verschiedenes, je- doch immer noch ein Römerthum ich würde es lieber abgeartet als „entartet" nennen war doch nicht nur vor- handen, sondern fing an, sich in eigenthümlicher weise zu ent- wickeln und zu entfalten und ist erst nach mehrhundertjähri- gem wirken, nachdem es seine aufgäbe den occident zu civilisie- ren und der christlich - germanischen culturepoche die statte zu bereiten erfüllt hatte , von der weltbühne abgetreten. Sonach kann eine „römische" geschichte, die freilich zugleich mit dem abstreifen der republikanischen Staatsformen und dem erlöschen der alten eriunerungen mehr und mehr eine Universalgeschichte wird und werden muss, ihren „völligen" abschluss erst da fin- den, wo die morsche formhülle des längst mit neuem inhalt gefüllten gefässes gänzlich zusammenbricht und die römische culturepoche der christlich -germanischen das feld räumt, d. h. wo alterthum und mittelalter sich scheiden.

Von dieser „römischen" geschichte will Peter's „geschichte Romsu nur den ersten grossen abschnitt , welchen er in der früheren vorrede des dritten bandes die „eigentliche" römische geschichte nannte, zur darstellung bringen. In diesem abschnitt bilden aber, wie der Verfasser richtig gefühlt hatte, die julisch- claudischen kaiser die äusserste grenze seines Stoffgebietes, und in solcher beziehung konnte und durfte ihr sein und wirken kaum anders aufgefasst und behandelt werden , als von dem Verfasser geschehen. Eine wesentlich hievon verschiedene be» Philol. Anz. iy 17

258 151. Kömische geschichte. Nr. 5.

deutung haben aber diese selben fürsten und diese selben jahrzehente , insofern mit ihnen der zweite grosse abschnitt der römischen geschichte beginnt. Wer eine geschichte nur der römischen kaiserzeit schreiben wollte, würde einer darstel- lung der letzten zeiten der republik (sei es seit den Gracchen oder seit Sulla) als einleitung nicht entbehren können, und diese würde neben den merkzeichen des Verfalles der alten Ordnun- gen namentlich und ganz besonders alle keime der künftigen entwickeluug und gestaltung aufzusuchen und zu beleuchten ha- ben ; dann aber bildet das julisch - claudische kaiserhaus nicht ende und abschluss einer abgelebten, sondern anfang und grund- stein einer werdenden zeitepoche und eine wahrhaft histo- rische darstellung des achten Jahrhunderts der Stadt müsste sicher- lich ein anderes bild desselben vor uns aufrollen, als es Tacitus hat thun können, der jenen zeiten viel zu nahe stand , und als es Peter gethan hat. Es dürfte überhaupt noch mehr als zweifel- haft sein, ob die zeit zu einer umfassenden darstellung der rö- mischen kaisergeschichte schon gekommen sei, wenn man unter einer solchen mehr als die Verarbeitung und Vervollständigung des Tillemont'schen quellenmaterials versteht.

Nach diesen erörterungen kann ich meine ansieht über das in dem vorliegenden bände gebotene in wenige worte zusam- menfassen. Der erste theil (buch XI. XII: das julisch -claudi- sche kaiserhaus) bildet einen der auffassung der geschichte der römischen republik, wie sie in den beiden ersten bänden ent- wickelt ist, entsprechenden abschluss und einem solchen er- scheint inhalt und behandlung angemessen. Er bringt uns den Vernichtungskampf zur anschauung , welchen das Cäsarenthum, nachdem das republikanische regiment in Rom für immer ge- stürzt und beseitigt war, gegen alles führte, was der neuen Ordnung der dinge sich nicht fügen konnte oder wollte ; wir sehen die letzten regungen jenes geistes, der einst die republik gehoben und getragen hatte, völlig erstickt. Die bekannten und allgemein anerkannten Vorzüge der historischen darstel- lungsweise des Verfassers, welche seinem buche einen platz in erster reihe erworben haben, finden sich hier wieder; die schwäche den quellen gegenüber konnte hier weniger ein- fluss üben. Der zweite theil dagegen (buch XIII, die zeit von Nero's tode bis zum ende Marc Aureis umfassend) erscheint

Nr. 5. 151. 152. Komische geschichte. 259

mir als ein nicht nur überflüssiger, sondern die totalität des eindruckes störender anharig. Darstellungen einzelner Zeitab- schnitte der römischen kaisergeschichte haben für jetzt meines erachtens nur einen werth in monographischer bearbeitung, bei "welcher das quellenmaterial in möglichster Vollständigkeit vor- geführt und beleuchtet, sodann die bedeutung der gewonnenen ergebnisse ganz vornehmlich nach vorwärts gewürdigt wer- den. Keines von beiden trifft im vorliegenden falle zu. Und was dem ersten theile (buch XI. XII) trotz derselben mängel berechtigung und interesse verschafft, der unmittelbare äussere und innere Zusammenhang mit der katastrophe von Actium und dem thatsächlichen ende der republik, das fehlt dieser fortse- tzung so gänzlich, dass sie in der that als ein theil dieses buches keine bedeutung beanspruchen kann, während sie für sich betrachtet der Vorzüge und des werthes einer monographi- schen arbeit schon wegen des mangelnden details entbehren muss. Was das verhältniss der neuen, verbesserten aufläge zu der älteren betrifft, so beziehen sich die Veränderungen hauptsäch- lich auf feilung der darstellungsform. Vielfach sind perioden umgebaut, der ausdruck präcisiert , an einigen stellen der stoff zweckmässiger gruppiert (z. b. in der geschickte des Germani- cus, in den letzten paragraphen des schlusscapitels über litera- tur u. a.) ; die anmerkungen gekürzt oder erweitert; überall aber, wie es nicht anders von der Sorgfalt des Verfassers zu erwarten war, einzelresultate neuester forschungen gewis- senhaft verwerthet; bei der Chronologie von Seneca's Schriften konnte noch : de brevitate vitae im j. 49, s. Otto Hirschfeld Philol. 29, p. 95, hinzugefügt werden. Die sehr wenigen druckfehler der ersten ausgäbe (auch im zweiten theile) sind berichtigt, merkwürdigerweise ist aber p. 237 noch immer (doch wohl nicht absichtlich) M. Claudius Silanus als der name von Caligula's Schwiegervater zu lesen. Einwendungen und be- denken in sachlicher beziehung gegen einzelnes zu erheben ist hier nicht der ort. St.

152. Kritische erörterungen über den römischen Staat, von Dr Octavius Clason. Rostock 1871. (3 hefte. 8. 210 s.. ä 12. 15. 77a sgr.).

Die grosse bedeutung der „römischen geschichte" Theod.

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260 152. Komische altertbümer. Nr. 5.

Mommsen's beruht nicht zum geringsten theil in einer vielfach neuen grundanschauung von dem boden , auf welchem und den Verhältnissen, unter und aus welchen sich das politische le- ben Eoms entwickelte. Namentlich muss es sich dabei um We- sen und bedeutung von politischen Institutionen handeln, wel- che zu der zeit, als unsere quellen über sie berichten, in ihrer ursprünglichen form und geltung theils gänzlich erstorben waren, theils abgeschwächt und verändert in dem späteren Staatsorganismus eine durchaus verschiedene und darum häufig missverstandene Stellung einnahmen. Ob. wie lange und in- wieweit das patricierthum auch nach ausgleich des ständekam- pfes im besitz von besonderen, aus seiner früheren privilegier- ten Stellung herübergetragenen rechten geblieben und welches während des ringens der beiden stände jene Vorrechte gewesen, welche bedeutung das patricierthum innerhalb der gemischten körperschaften gehabt und bebalten habe: das sind hauptfragen, welche die forschung auf dem gebiete der älteren römischen geschichte seit Niebuhr immer wieder beschäftigt haben und welche Mommsen aufs neue in ihrem innern zusammenhange erläutert und beantwortet hat. Die bestimmtheit und lücken- lose consequenz dieser antwort, vermöge deren seine „geschichte" ein so lebensvolles, einheitliches bild der staatlichen entwicke- lung Roms vor uns aufrollt, verbunden mit der autorität, die tiefem und breitem wissen und glänzender combinationsgabe so gern zugestanden wird , haben der darstellung Mommsen's wie deren fundamentalanschauungen schnell begeisterte freunde er- worben — besonders, seitdem in den „römischen forschuugen" eine ausführliche begründung und entwickelung der in der ,, ge- schichte" verwendeten resultate antiquarischer Studien erschien und damit in ergänzung der zu einem theile schon früher in den „römischen tribus" gegebenen ausfiihrungen , nun das voll- ständige material zur erkenntuiss und prüfung des neugebote- nen in ganzer ausdehnung und scharfer beleuchtung vorgelegt wurde.

Durch die an der spitze dieser bemerkungen genannte kleine schritt nun hat deren Verfasser den nicht leichten und schon deshalb jedenfalls dankenswerthen versuch gemacht, Momm- sen's theorie und beweisführung in allen theilen einer eingehen- den betrachtung und beleuchtung zu unterziehen, und diese

Nr. 5. 152. Römische alterthümer, 261

aufgäbe wie mir scheint sine ira et studio und mit dem erfolge gelöst, dass die erörterungen über die betreffenden fragen als abgeschlossen noch durchaus nicht erachtet werden dürfen.

Die beiden ersten hefte behandeln zunächst „die Zusam- mensetzung der curien und ihrer comitien , das wesen der tri- bus und der tribusversammlungen der älteren republik, das we- sen und die Zusammensetzung des Senats" den ausführun- gen Mommsen's schritt für schritt folgend und nicht nur deren resultate an und für sich und in ihren Wechselbeziehungen, son- dern auch die methode, durch welche sie gewonnen, scharf und umsichtig beleuchtend. Gegen die methode wird hauptsächlich der Vorwurf geltend gemacht, dass vielfach erst durch künst- liche Interpretation, ja durch gänzliche Verwerfung oder Verän- derung der literarischen oder historischen Überlieferung die fun- damentalsätze geschaffen werden, welche dann wieder dazu die- nen müssen , die glaubwürdigkeit anderer berichte zu stärken oder abzuschwächen. Das gesammtergebniss dieser auf Momm- sen's , Forschungen" bezüglichen Untersuchungen ist : den beweis zu führen, dass die plebejer viel vor anfang des sechsten Jahr- hunderts der Stadt in die curien eingetreten sind ; dass die tribus vor Rullianus nur die ansässigen bürger enthielten, dass es seit 305 d. st. zwei verschiedene tribusversammlungen (pa- tricisch- plebejische tribut c o m i tien , aiif deren beschlösse der name plebiscita nur missbräuchlich anwendbar sei, und rein ple- bejische tribus co ncilien, aus deren berathungen die plebiscita hervorgingen) gegeben hat; dass in dem senat vor dem vierten Jahrhundert faktisch plebejische mitglieder zutritt erlangt und stets die patricier eine Corporation mit besonderen rechten in- nerhalb desselben gebildet haben, alles dies überzeugend zu erweisen sei Mommsen nicht gelungen.

An diese ablehnung der Mommsenschen ansichten über das verhältniss der plebejer zu den patriciern reiht sich dann in dem letzten abschnitt des zweiten heftes (p. 139 164) ein versuch, im zusammenhange „den entwickelungsgang des gesammten ple- bejischen Staatsrechtes zu verfolgen", in welchem mit beson- derer beachtung der beiden aufsätze von J. Ptaschnik (Zeitschr. f. österr. gyinn. 1866 und 1870) die oben beiläufig gewon- nenen resultate systematisch geordnet werden. Es ergeben sich

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durch die erörterung vier entwickelungsstufen der plebejischen rechtsverhältnisse : 1) die zeit bis zur ersten secession; 2j seit der errichtung des volkstribunates, 3) seit dem j. 283, wo durch die rogationen des Volero die plebejischen concilien die rechte der comitien d. h. einer Standesversammlung erhalten, 4) seit dem j. 305, wo die tribut comitien, an welchen nun auch die pa- tricier sich zu betheiligen anfingen, die befugniss zu legislatori- scher thätigkeit erhielten. Die gesetze von 415 und 467 seien dann nur eine zweimalige erneuerung des Valerisch-Horatischen gesetzes gewesen. Eine vermuthung über eine durch dieselben bewirkte competenzenerweiterung wird p. 114 aufgestellt.

Das dritte heft endlich construiert in ,, positiver" Unter- suchung: „die grundlage und wurzeln jener späteren staats- entwickelungen", behandelt also 1) die entstehung des römischen Staatswesens (die vereinigten römischen urgemeinden, nun tribus, mit dem wahlkönig ein künstliches abbild der römischen fami- lie unter dem paterfamilias ; die dreissig curien bilden die Staatseinheit , den populus; ihre angehörigen sind die Quirites) ; 2) das wesen des römischen königthums (die persönliche Übertragung und die inauguration nothwendige erfordernisse der legitimität; die tyrannis beginnt, nach einem verunglückten versuche des älteren Tarquin, mit Servius Tullius, welcher durch die ertheilung politischer rechte an die plebs der eigentliche Schöpfer eines bevorrechteten patricierthums wird).

Diese andeutungen werden genügen , die aufmerksamkeit auf die hefte zu lenken, da dieselben beachtenswerte Streif- lichter in das dunkel jenes hypothesenwaldes werfen und die objectivität der betrachtung nach möglicbkeit gewahrt erscheint. Nur an einer stelle glaube ich eine offenbare Übereilung bemerkt zu haben, die zwar das resultat im ganzen nicht beeinträchtigt, aber durch den ziemlich scharfen ton , mit welchem Mommsen des irrthums geziehen wird, um so auffallender hervortritt. Es ist die erörterung über verhältniss, unterschied und färbe des calceus senatorius und patricius. Der Verfasser bemerkt ganz richtig, dass an den von Mommsen (Forsch, p. 255) citierten stellen nirgends die rothe färbe ausdrücklich erwähnt ist; nichts desto weniger aber wird Mommsen gegen Marquardt (Handbch. 5, 2, 191) und gegen den verf. darin recht behalten müssen, dass der an jenen stellen in rede stehende senatorenschuh roth

Nr. 5. 153. Kömische alterthümer. 263

gewesen, wie mit Sicherheit aus Festus p. 142 hervorgeht. Da- mit sind nun zwar die von dem Verfasser aus seiner bemerkung hergeleiteten folgerungen hinfällig, jedoch hebt uns Mommsen auch durch seine neuesten zusätze (Staatsrecht I, p. 341) darum noch nicht über alle Schwierigkeiten der frage hinweg, auf wel- che ich an anderer stelle ausführlich zurückzukommen gedenke.

St.

153. Cassius Dio LTT, 20: zur frage über die leges annales der römischen kaiserzeit. Von Dr Octavius Clason. Bres- lau. 1870. 8. 40 seiten. 10 gr.

Nachdem Wex gezeigt hatte , dass Masson in seiner vita Plinii bezüglich der annalgesetze durch die anwendung der republikanischen Ordnung auf die kaiserzeit zu falschen resulta- ten habe kommen müssen, sind von ihm , dann später von Ur- lichs und Mommsen mehr oder weniger ausführliche erörterun- gen über den gegenständ veröffentlicht worden , alle aber eben nur zur begründung und erläuterung ihrer ansieht über die Chronologie einer speciellen amtslaufbahn. Auch Nipperdey fügte seiner grundlegenden arbeit über die leges annales der re- publik einen kurzen excurs über die bestimmungen der kaiser- zeit bei. Diesen arbeiten reiht sich die in der Überschrift be- zeichnete Untersuchung über die bekannte stelle Dio's an , de- ren ganz unzweideutiger sinn einerseits unzweifelhaft den we- sentlichen inhalt der kaiserlichen bestimmungen über die amts- altersgrenzen ausdrückt , andrerseits aber weder durch die hi- storisch überlieferten beispiele bestätigt zu werden noch in sei- nem verhältniss zur republikanischen Ordnung genügend erklär- bar zu sein scheint. Zum zweck der lösung dieser Widersprü- che, die doch eben nur scheinbare sein können, sobald man in Dio's worten den ausdruck einer gesetzlichen normirung aner- kennt, müht der verf. wie alle seine Vorgänger sich ver- gebens ab durch künstliche rechnungen nachzuweisen, wie den gesetzlichen forderungen in betreff der intervallfristen auch nach einführung der neuen altersgrenzen (25 und 30 jähre) habe ge- nüge geleistet werden können. Vergebens denn das coeptus annus pro pleno habetur ist wohl für berechnung der altersgren- zen, aber nie der intervallfristen verwendet worden. Dass der verf. einen offenbaren Widerspruch bei Dio in betreff von

264 153. Römische alterthümer. Nr. 5.

Tiberius amtslaufbahn (ihm wurde die bewerbung fünf jähre vor der gesetzlichen zeit 25 j. gestattet und doch die quästur schon im 19. lebensjahre gegeben) damit erklärt, Dio habe jenen rechtsgrundsatz eigenmächtig zu annus plenus pro coepto ponitur erweitert und verändert" und so 25 aus 24 ge- macht, dürfte ein keineswegs glücklicher einfall zu nennen sein. Ebenso verfehlt scheint es, die Zahlenangabe für das prätorische alter (30 jähre) für eine nicht ausdrücklich im gesetze bestimmte, sondern von Dio berechnete zu halten, und obenein diese grenze durch addition des alten biennium zum ädilicischen alter, wel- ches nun gar nirgends angegeben wird , gefunden zu denken. Verwunderlich ist ferner die ansieht, dass die curulädilität ei- gentlich das als mittelstation in betracht gezogene amt gewe- sen sei und doch wurde nicht aedilicii , sondern tribunicii die bezeichnung der rangstufe! Unter den beispielen der amtslaufbahnen wird ausser Tiberius , Germanicus , Agricola, Plinius und anderen hauptsächlich Hadrian ausführlich bespro- chen. Aber die ergebnisse in betreff der prätur entfernen sich noch weiter als Henzens nicht ausreichend gestützte bestimmung von der Wahrscheinlichkeit; ist doch seit vier jähren Hadrians consulatsjahr durch das weissenburger diplom sicher auf das j. 108 bestimmt. [Ich glaube, dass bei Spartian die consulatsangaben irrthümlich an die falschen stellen gerathen sind und Hadrian 100/1 q., 102/3 tr. pl., 105 praetor gewesen ist]. So weit für jetzt deut- lichere einsieht in die annalgesetze der kaiserzeit zu gewinnen ist, hat dieselbe in den wesentlichsten punkten Mommsen in seinem „Staatsrecht" gebracht, der namentlich auf die nothwendigkeit der Unterscheidung zwischen der früheren befristung der inter- valle und den spätem fixirten altersgrenzen aufmerksam ge- macht hat. Mit seiner darstellung, obwohl darin noch manches unerledigt, einzelnes bedenklich bleibt, werden wir uns vorläufig begnügen müssen. Ob je vollständige klarkeit in die sacke kom- men kann, steht dahin, da das kaiserliche dispensatiousrecht eine rationelle berechnung in den meisten fällen illusorisch macht, sich also aus den historisch überlieferten beispielen ganz sichere Schlüsse auf die gesetzlichen bestimmungen nicht ziehen lassen.

St.

Bibliographie nr. 154—158. 265

NEUE AUFLAGEN. 154. H. W. St oll, anthologie griechischer lyriker. 1. abth. Elegie und epigramme. 4. aufl. 8. Hannover, Rümpler; 15 ngr. 155. G. F. Puchta, institutionen. 3. bd. 6. aufl. besorgt von A. F. Rudorff, 8. Leipzig, Breitkopf und Härtel ; 2 thlr.

NEUE SCHULBUECHER. 156. Corn. Nepotis Vitae ex- cellentium imperatorum. In usum scholarum ed. 0. Eichert. 16. Ed. VI. Breslau, Korn; 4 ngr.: mit Wörterbuch 8. aufl. 12 ngr.; Wörterbuch apart 8 ngr. 157. F. Spiess Übungs- buch zum übersetzen aus dem deutschen ins lateinische zu der lateinischen schulgrammatik von Siberti und Meiring f. d. quarta bearbeitet. 12. aufl. 8. Essen, Bädeker; 12x/2 ngr. 158. A. Buttmann, kurzgefasste geographie von Alt-Griechenland. 8. Berlin, Nicolai; 18 ngr.

BIBLIOGRAPHIE. Von neu erschienenen büchern bemer- ken wir: A. Prüsker, lexikon der bedeutenderen schlachten, belagerungen und gefechte von den ältesten zeiten bis auf un- sre tage. 8. Leipzig, Luckhardt; 20 gr.; A. Franz, M. Au- relius Cassiodorus. Ein beitrag zur geschichte der theologi- schen Literatur. 8. Breslau, Aderholz-, 20 ngr.

Verlags - bericht von H. Ebeling und C. Plahn in Berlin, januar märz 1872 : kündigt erscheinende werke an , von R. Volkmann, die rhetorik der Griechen und Römer, 3 thlr. 28 gr., T. Terenti Hauton timorumenos von W. Wagner, 12 gr. u.a.

Verzeichnisse des musikalischen Verlags von G. W. Fritzsch zu Leipzig gehen uns zu : wir heben daraus hervor die Schrif- ten von Dr. C. Fuchs, präliminarien zu einer kritik der tonkunst. 8. Leipzig. 1871: Virtuos und Dilettant, ideen über clavier- Unterricht und über reproductive kunst. 8. Eberi- das. 1871. Auch die gesammelten Schriften und dichtungen von Richard Wagner sollen hier erscheinen.

Verzeichniss im preise ermässigter werke aus dem Verlage von W. Weber in Berlin: darunter Schriften von Bonitz, Christ, Mützel, Meineke, Panofka: aus dem verlage der Meyer'- schen hofbuchhandlung in Detmold, Schriften von Fr. Q. Pott, sonst meist veraltete Sachen. Is. St. Groar offerit Sui- dae Lexicon ed. G. Bernhardy zu neun thlrn.

Cataloge von antiquaren: bücheranzeigen von Graff und Mül- ler in Braunschweig; 80. lager - catalog von F. Schmitz an- tiquariat in Elberfeld ; antiquarische anzeigen nr. 15 von Ernst Wagner in Augsburg.

KLEINE PHILOLOGISCHE ZEITUNG. Durch ein gün- stiges geschick ist uns eine so viel wir wissen in weitern krei- sen nicht bekannt gewordene tabula gratulatoria Ritschl's zu ge-

266 Kleine philologische zeitung. Nr. 5.

sieht gekommen und da wir hoffen, dass der vf. ihre Veröffent- lichung uns nicht verübeln werde, auch sicher wissen, durch diese unsern lesern einen dienst zu erweisen, so theilen wir sie hier mit :

Q. b. f. f. f. q. s | Viro omni humanitatis laude ornatissimo| Alfredo Graffunde r | Pomerano nunc Berolinensi | augustis- simo Borussorum regi a consiliis regiminis sanetioribus | regii ordinis aquilae rubrae equiti | postquam per decem lustrorum spatium publicis commodis civitatis praedicabili [ gnavitate sin- gularique intellegentia pro viribus consuluit | praeter cetera au- tem et rem scholasticam territorii Erfordiensis prudentissimo] consilio raroque exemplo promovit emendavit adauxit | et libro- rum pari subtilitati elegantia scriptorum varietate j cum institu- tionis publicae artem ac diseiplinam ad certorum praeceptorum| salubritatem revoeavit | tum quaestiones phdosoj)bicas in acade- miae Erfordiensis consessibus peculiari | acumine inlustravit tum de philologicis litteris strenue investigata luculenterque enarrata Zingarorum lingua egregie meruit | laetissimi diei XIX. m. Martii a. MDCCCLXXII sollemnitatem ex | animo gratula- tur | multorumque annorum cum parem vigorem tum etiam | ma- jorem prosperitatem exoptat | diutinae consuetudinis suavis- simae memoria animique vere fraterni pietate | coniunetissi- mus | Fridericus Kitschi | natu Borussus Vargulanus mu- nerum longinquitate Halensis Vratislaviensis Bonnensis | Mueble- rianae potentiae tetricis consiliis extorris nunc Saxo Lipsiensis] honorificae pacis felicitate perfruens.

Berlin. In der sitzung der archäologischen gesellschaft am 9. april zeigte professor G. Wolff den neuesten rechenschaftsbe- richt der archäologischen kommission zu St. Petersburg vor, verfasst von dem grafen Stroganoff und dem wirklichen staats- rath Stephani , und begleitet von seebs zum theil farbigen ta- feln und mehreren holzschnitten. Prof. Wolff hob einige der gelehrten erörterungen Stepbani's hervor. Baurath Adler be- handelte die Atbena Parthenos des Phidias und bereebnete die zeit ihrer Verfertigung auf etwa 471 65 v. Chr., ihre höhe auf 52 54', mit sockel auf 70 74', so dass sie den 64' hohen obersten first des Parthenon überragte. Sie werde als schlüs- selhalterin bezeichnet, könne aber nicht als die hüterin der pro- pyläen gelten, sondern als die des Poliastempels. Er zeigte eine in diesem jähre von der bürg Athens in das berliner mu- seum gekommene bronzestatuette vor , deren attribute er nach den naebrichten der alten ergänzt hatte. Ihre grosse beträgt Vioc der von ihm berechneten grosse des Originals. Dr von Sallet wies ein bronzefigürchen des niederlausitzer alterthums- vereins vor, einen Iupiter, Dr Heydemann durchzeichnungen interessanter vasenbilder der Sammlung Jatta's zu Kuvo , Dr Graser die Zeichnung eines alten brouzeoinaments von dem vor-

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derbug eines Schiffes, des kopfes der göttin Eoma, herrn Dou- glas in England gehörig, und besprachen die vorlagen. Ma- ler Wittich las über die maasse des Artemisions zu Ephesus. Hermann Grimm wies den einfluss des Appulejus und von 1517 an auch des Philostratus auf kompositiouen Eafael's nach: besonders in der Vermischung von liebesgöttern mit hindern zeige sich nachahmung von Philostratus bildern, ebenso auf einigen kupfern Albrecht Dürer's, welchem vermuthlich Pirkhei- mer mittheilungen aus einer handschrift des Philostratus ge- macht habe. Prof. Hübner, welcher in abwesenheit des prof. Curtius den Vorsitz führte, beklagte den 8. april zu Rom erfolgten tod des alterthumsforschers Dr Parthey. [S. Augsb. Allg. Ztg. nr. 102: auch Börsenbl. nr. 86]

Dass die ob. heft 4, p. 223 erwähnte warnung Petzhol dt's in betreff der zu gründenden strassburger Stadtbibliothek das richtige getroffen, führt ein artikel im Börsenbl. nr. 88 aus und wird auch durch zeitungen bestätigt, vrgl. auch Börsenbl. nr. 86, Augsb. Allg. Ztg. nr. 123.

Zur erinnerung an Friedrich Perthes ist ein lesenswerther aufsatz von H. Böhlau im Börsenbl. nr. 88.89 erschienen: vrgl. ebendas. P. Moebius in nr. 91 ; ebendas. nr. 100 F. J. From- mann.

Arnold Perls zu Gleiwitz in Schlesien versendet einen prospect und einladung zur subscription auf eine „Zeitschrift für die deutschen gymnasiasten und realschüler", welche im verlag von Issleib und Rietschel in Gera erscheinen soll : „den gesinnungen der deutschen schülerweit ausdruck zu geben, eine geistige Verbindung in ihr herzustellen , das wird die aufgäbe der Zeitschrift sein", die nicht bloss die von ihr angeredeten „deutschen Jünglinge" brandschatzen will, sondern auch Oester- reich, die deutsche Schweiz, die baltischen provinzen Russlands, kurz „so weit die deutsche znnge klingt" in den bereich ihrer speculationen zu ziehen wünscht. Kann der Schwindel noch höher steigen?

Der Sentinella hresciana wird aus Chiari (Lombardei) u. 4. april geschrieben , dass man daselbst ein meter unter der erde anf eine todtenstadt gestossen sei, die nach den Untersuchungen des professors Biondelli den Cenomanen angehöre, mithin noch in vorrömische zeiten hinaufreichen würde. Es wurden bis jetzt 17 skelette aufgefunden.

Bei der fundamentirung zu den gebauden der aktienbraue- rei an der Altenburg in Cöln sind 5. april römische baureste ge- funden. Dieselben weisen sich als Überbleibsel eines mit Sorg- falt ausgeführten, umfangreichen, starken bauwerkes aus, welches mit einem kleinen und einem grossen thurme, sowie einem nach dem Rheine führenden portale versehen war und ausser einer reihe kleiner räumlichkeiten einen grossen , 2400 quadratfuss

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fassenden saal hatte. Nach anläge und konstruktion dieses Werkes scheint dasselbe dem alten römischen wasserkastell an- zugehören.

Stockholm. 9. april. Bei einigen im südöstlichen Norwegen durch den jungen norwegischen alterthumsforscher Anders Lorange aus Frederikshald vorgenommenen ausgrabungen sind mehrere gegenstände aus dem steinalter ans tageslicbt befördert worden.' Bei Stenkjär in der nähe von Drontheim hat man sogar einen sogenannten „Kjökken mödding" (häufen von küchenabfall) aus dem steinalter vorgefunden, was von interesse für die alter- thumsforscher scheint, da mau bisher so hoch im norden keine spuren von bewohnern aus dem steinalter gefunden hatte.

Athen, 13. april. In einem garten zu Sparta wurde ein wohlerhaltener mosaikboden, wahrscheinlich aus römischer zeit entdeckt: die darstellnng ist der raub der Europa.

Aus Tiflis wird berichtet, dass 20 werste von dort, am flusse Kur, bei dem orte Mzchet, ein grosses todtenfeld mit steinkastengräbern unter der leitung des naturforschers Baiern ausgegraben wurde. Fast jedes grab enthielt vier leichen von erwachsenen und zwei bis vier hindern. Als beigäbe der lei- chen sind thränenfläschchen aus glas und thon zu erwähnen, goldene ringe mit rubinen und perlen, goldene knöpfe und na- deln, Schmuckgegenstände aus bronze, Werkzeuge aus stahl und eisen. Die form der schädel sowohl, als die kunstgegenstände weisen auf einen semitischen stamm , welcher zwischen Assy- rer und Egypter zu stellen sein wird. Die alten nannten sie Iberier, die gräber mögen in die zeit der macedonischen könige gehören. Das volk scheint sehr reich gewesen und handel mit Indien und Egypten getrieben zu haben. Sein kult war der sogenannte Molochdienst. Menschen- und ganz besonders kin- deropfer im grossartigsten maasstabe wurden Bai und der sido- nischen Astarte dargebracht. Besonders häufig findet sich als beigäbe der leichen die stachelkeule des Mars und die knollen- keule des Herkules, an spangen der hammer des Hephästos, an den Siegelringen gemmen mit Priapus, kornähren, hase und esel. [Reichsanz. nr. 102, beil. 1].

Aus Oester reich. Durch eine Verordnung des Unterrichts- ministerium vom 15. april, deren Wortlaut in dem abendblatt der Deutschen zeitung vom 26. april zuerst veröffentlicht wurde, ist endlich eine reform der rigorosen - Ordnung durchgeführt wor- den, an deren Zustandekommen die sämmtlichen facultäten und die aufgeklärte öffentliche meinung seit mehr als zwanzig jähren unablässig gearbeitet haben. Das philosophische doctorat an den österreichischen Universitäten war bisher ein unicum und forderte Deutschland zu berechtigtem spott heraus. Wer einen doctor machen wollte, hatte sich drei „strengen" prüfungen aus geschichte, philosophie und mathematik in Verbindung mit

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physik zu unterziehen, ohne rücksicht darauf, dass der betref- fende doctorand vielleicht keines dieser fächer während seines universitäts -trienniums eingehender studirt hatte. Der philo- loge also musste seine Wissenschaft bei seite legen und zwängte sich in der regel drei compendien der bezeichneten fächer so weit ein, dass er bei den rigorosen ungefähr dasselbe quantum von kenntnissen, gewöhnlich aber ein ansehnlich geringeres, als er drei jähre vorher bei der ablegung der maturitäts-prüfung für den calciil der reife haben musste, zeigen konnte. Und dass man nicht mehr forderte, war durchaus billig; denn die prüfen- den professoren mussten das ministeiium doch um die einsieht übertreffen, dass es bei dem heutigen umfange dieser einzelnen dis- ciplinen unmöglich sei, ein universelles wissen in dem bezeichneten umfange sich anzueignen. Aber immerhin war damit für jenen, der nun einmal z. b.§für eine universitäts -carriere des doctor- titels benöthigte, ein unersetzlicher schaden für den betrieb sei- nes facb.es verbunden.

Wie konnte sich aber eine so unsinnig lächerliche, die Wissenschaft und ihre Vertreter herabwürdigende einrichtung so lange halten? Das wird nur der begreifen, der eine richtige Vorstellung von dem im österreichischen universitätsieben herr- schenden gesetz der trägheit und einen einblick in unsere spe- eifischen einrichtungen gewonnen hat. Die österreichischen Uni- versitäten (wenigstens die zwei grössten , Wien und Prag) be- stehen nämlich nicht, wie die der übrigen weit, aus den leh- renden und lernenden, den Studenten und professoren, sondern an ihnen hängt noch ein dritter gleichberechtigter bestandtheil, das bleigewicht der d oct o r en -c o 1 leg i en. Wer nämlich auf die angegebene weise sein doctorat bestanden und 150 gülden auszugeben lust hat, kann in die gesellschaft der doctoren sich einkaufen , kann jährlich einen decan wählen und sobald die reihe au ihn kommt, selbst zum decan gewählt werden, und hat dann als solcher sitz und stimme im professoren - collegium und in der obersten universitäts - behörde (consistorium) und das recht bei allen rigorosen zu prüfen und taxen einzustrei- chen. So wichtige rechte sind also an den nachvveis von kennt- nissen, mit denen ein gymnasiast zur noth ausreicht und an die Zahlung der paar gülden geknüpft. Das doctoren- collegium vereinigt auch thatsächlich nicht Vertreter der Wissenschaft, ja nicht einmal nur solche, die zur Wissenschaft in irgend einer beziehung stehen oder jemals in einer anderen gestanden haben als dass sie einige compendien disparater fächer ihrem gedächtniss einge- prägt. Mit rücksicht auf die doctoren - decane also , wie sie nun einmal ein solcher verein von mitteimässigkeiten hervor- zubringen vermag, mussten jene prüfungsforderungen aufrecht erhalten werden; denn man hätte diese prüfenden decane in arge Verlegenheit gebracht , wenn man ihnen zugemuthet

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hätte, eineu candidaten ein stück Piaton wollen wir sagen über- setzen zu lassen oder selber zu übersetzen.

Das gegenwärtige ministerium scheint den muth zu haben, an diesen mit dem katholischen charakter der Universität eng zusammenhängenden doctoren - collegien zu rütteln. Wenn das interesse der Universität es in diesem vorsatz nicht bestärken sollte, so mussten politische erwägungen diese reform gebiete- risch erheischen; denn die prager Universität ist wesentlich durch die starken czechischen majoritäten ihrer doctoren - colle- gien zu einem tummelplatz des nationalen radicalismus, welcher der deutseben Wissenschaft tod geschworen, herabgesunken. Die neue rigorosen- Ordnung ist ein erster schritt auf dem wege der reform, die endlich auch den mittelalterlichen plunder der doc- toren-collegien hinwegfegen wird. Es ist durch dieselbe das prineip der fachprüfungen aeeeptirt worden, welche wissenschaft- liche dilettanten als prüfungs-commissaire von selbst aus- schliessen.

Die neue rigorosen -Ordnung verlangt von dem candidaten zunächst eine gedruckte oder nicht gedruckte dissertation aus einem der zum bereich der philosophischen facultät gehörigen fächer und zwei rigorosen, eines aus philosophie und das zweite aus einer der folgenden fachgruppen, zwischen denen die wähl freigestellt ist: 1) geschichte in Verbindung mit der griechischen oder lateinischen philologie , 2) classische philologie in Verbin- dung mit der geschichte der alten weit, 3) mathematik und phy- sik oder einen dieser gegenstände mit chemie oder einem zweig der descriptiven naturwissenschaften (zoologie , botanik, minera- logie). Ausserdem bietet das specielle wissenschaftliche gebiet, dem das thema der dissertation entnommen ist, einen bestand- theil der von dem candidaten abzulegenden faebgruppenprüfung.

Im grossen und ganzen entspricht diese reform unseren wün- schen und nähert sich dieselbe dem an den meisten deutschen Universitäten herrschenden gebrauch. Aber eine speeifisch öster- reichische schrulle klebt ihr doch an, welche wir erwar- ten es die praktische durchführung abstreifen oder unschäd- lich machen wird, nämlich der respect und die ganz unverhält- nissmässige berücksichtigung der philosophie. Jeder muss ein rigorosum aus philosophie machen und wird demnach ein phi- lologe, da philosophie in einem rigorosum für sich, philologie aber in Verbindung mit alter geschichte geprüft wird, eingehen- der aus philosophie als aus seinem speciellen fache geprüft wer- den können. Hierin steht die reform auf einem völlig veralte- ten Standpunkt. Sie nimmt an dass philosophie heutzutage noch die rolle spielt, die ihr nicht gebührt. Indessen ist phi- losophie eine im niedergang begriffene Wissenschaft, die also bestenfalls als ein fach neben andern, niemals aber als köni- gin über alle gestellt werden durfte.

Nr. 5. Kleine philologische zeitung. 271

Strassburg. 29. april. Heute wurde am akademiege- bäude in der über dem kaupteingange befindlichen cartouche eine marmortafel mit folgender inschrift angebracht:

Universitatem litterariam summis auspiciis Maximiliani II Imperatoris Augusti in illustri civitate Argentinensi anti- quissima in Germania bonarum artiura sede anno MDLXVI constitutam et Ferdinandi II anno MDCXXI novis privile- giis auctam quae ab initio huius saeculi sub Academiae no- mine floruit Guilelmus Imperator Germaniae in integrum re- stituit ac renovavit MDCCCLXXII.

Die innere einrichtung des akademiegebäudes ist vollen- det und die vorlesuugen, die bereits zahlreich am schwarzen brett angekündigt sind, werden am montag den 6. mai beginnen. London. 31. april. In einem sumpfe in der nahe von Otisville , orange County , New- York , wurden unlängst die Überreste eines mastodons entdeckt. Es sind nunmehr beinahe alle knochen ausgegraben worden, und das zusammengesetzte gerippe repräsentirt ein thier von 14 fuss höhe und 25 fuss länge. Auch ermittelte man den inhalt des magens , der aus sehr grossen blättern und halmen einer unbekannten grasart von 1 3 zoll breite bestand.

Der ausbruch des Vesuv wird genau in Köln. Ztg. v. 27. april und danach im Eeichsanz. nr. 105 beil. 1 beschrieben.

AUSZUEGE aus Zeitschriften: Augsburger allgemeine zeitung, beil. zu nr. 117: zur mythen- und legenden -literatur. Nr. 118: die Universitäten Heidelberg und Strassburg. Dr Deiters in Düren: dessen ernennung zum director des gymnasium scheint einen conflict mit dem erzbischof von Köln zu veranlassen. Nr. 119: ausbruch des Vesuv. Beil. zu nr. 119: l'k. Waiiz, anthropologie der natur- völker, fortgesetzt von G. Gerland: anzeige. Nr. 120 : anzeige des buchs voq H. Kurz, aus den tagen der schmach : der ref. theiit aus „Teutsche Sprach und Weissheit. fol. Augsburg 1616" unter anderm den satz mit : »Deutschland ist wie ein schöner weidlicher hengst, der futter und alles genug hat , und fehlt im nur an einem guten reuter«. Ausbruch des Vesuv. Nr. 121: ausbruch des Vesuv. Beil. zu nr. 121: zur geschichte des alterthums: macht auf- merksam auf Mahaffy Prolegomena of ancient history , die sich zu- meist auf den Orient beziehen. Nr. 122: ausbruch des Vesuv. Beil. zu 122: die römischen ausgrabungen. I. Das forum: sehr zu beachten. Die confessionellen schulen Tirol's. Nr. 123 : die Verwerfung des neuen züricherischen Schulgesetzes. Zur eröff- nung der Universität Strassburg: auch in den vorhergehenden nurn- mern sind hinsichtlich dieser feier mehrfach notizen mitgetheilt. Beil. zu nr. 123: pariser chronik. XII. Ueber die quelle des Do- lopathos, von Herrn. Oesterley ; sie wird in der rectificirten historia Lucinii gefunden, über die vf. sich ausspricht. Nr. 124: festfeier in Strassburg. Prag und Strassburg. Der Vesuv. Beil. zu nr. 124: unterrichtswesen in Japan. Nr. 125. 126. beil. zu nr. 126: die eröffnung der Universität Strassburg. I. IL III. Beil. zu nr. 124, nr. 127: zur geschichte der Universität Strassburg. I. II.

272 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 5.

Deutsche kriegsliteratur. Auss. beil. zu nr. 126: Vorlesungen Cl. Groth's über deutsche literatur in deutscher spräche zu Oxford. Nr. 127: tschechische- gänge. Beil. zu nr. 128. 129: Karolina Bauer: wir fügen hinzu, dass sie eine vortreffliche darstellerin der Antigone des Sophokles war. Nr. 129: die betheiligung der El- sässer bei der einweihung der strassburger Universität: der artikel wie auch was sonst in den Zeitungen zu lesen, will nicht recht mit der spräche heraus. Warum denn nicht? Die Wahrheit kommt doch heraus : man sieht aus allen mittheilungen, wie die masse der Elsässer kein herz für die feier gehabt hat. Beil. zu nr. 129. 180 : die strassburger festtage: enthält auch einzelne an ihnen gehaltene re- den. — Nr. 131: der oberkirchenrath in Berlin und das schulaufsichts- gesetz. Beil. zu nr. 131: anfang der Vorlesungen, wähl des pro- rektor und Ordnung der Verfassung der Universität Strassburg.

Blätter für das bayerische gymnasial Schulwesen , redigirt von W. Baur und Dr Friedlein, VIII. bd. München 1871. Heft 1, p. 1: die grie- chischen deponentia (fortsetzung). III. Media mit passiven formen und umgekehrt. Sechs verba mit medialer und intransitiver bedeutung von Scholl. P. 16: Novae commentationes Platonicae. Scrijjsit Mar t onus Schanz. Wircehurgi. 1871. Sendschreiben an herrn prof. Bauer in München von Chr. Cron. Begrüsst die schrift als »eine höchst wich- tige, ohne jedoch von ihr immer befriedigtzu sein«. [S.ob. nr.3, p.113].

P. 20 : Beiträge zur erklärung des platonischen Georgias im ganzen und einzelnen von Christian Cron. Leipzig 1870: Markhauser bestreitet in seiner im zweiten hefte (p. 62) beendeten anzeige unter anerkennung der gediegenheit des buches , dass Kallikles identisch sei mit Kritias, und dass die scene überallhin verlegt werden könne, nur nicht in das haus des Kallikles (vgl. Philol. Anzeiger III, 2, p. 69). P. 33: Ovidius und sein verhältniss zu den Vorgängern und seinen gleichzei- tigen römischen dichtem. Von Dr Anton Zingerle. Zweites heft: Ovid, Ennius, Lucrez, Vergib Innsbruck 1871 : angez. von Gross. Wird als sorgfältige arbeit bezeichnet. [S. ob. n. 4, p. 199.]

Zarncke, literarisches centralblatt. 1872, nr. 1: G. Rettig, Catul- liana III. De epigrammatis in Gellium scriptis. 4. Bern. 1871: bil- ligt die polemik gegen Westphal, will aber gegen Rettig i. c. 80, 7 Victoris als nomen proprium, nicht als appellativum gefasst und c. 116 nicht als. schluss, sondern als anfang der gedickte gegen Gellius betrachtet wissen. (S. ob. nr. 1, p. 35.] 31. C. Pamikas, beitrage zur byzantinischen literatur. 8. Münch. 1871: anzeige von Bu.

B. Schmidt, das Volksleben der Neugriechen und das hellenische alterthum. 8. Lpzg. 1871: anzeige von Bu. A. Michaelis, der Par- thenon. 8. Leipzig. 1871: anzeige von Bu, der abweichende ansich- ten ausspricht. [S. ob. n. 1, p. 50; nr. 3, p. 145.]. A. Salinas, le monete delle antiche citta di Sicilia, fol. fasc. 1. Palermo. 1871: an- zeige von Bu. Nr. 2: A. v. Sollet, die künstlerinschriften auf griechischen münzen. 8. Berlin. 1871: anzeige von Bit. Fr. Reher, kunstgeschichte des alterthums. 8. Leipzig. 1871: anzeige von Bu: vrgl. Phil. Anz. III, nr. 6, p. 315. - Nr. 3: G. Curtius, studien zur griechischen und lateinischen grammatik. 8. Bd. IV, heft 1. Leipzig. 1871: anzeige von C, welche sich besonders über die abhandluno- von C. Brugmann de Graecae linguae pnxluctioiie sup- pletoria ausführlicher auslässt. ./. Schneider, neue beitrage zur al- ten geschichte und geographie der Rheinlande. Dritte folge. Der kreis Duisburg unter den Römern. 4. Düsseldorf. 1871: anzeige von Bu. Der srabfund von Wald-Algesheim erläutert v. F. aus in Jl'erth: anz.v.-Bw.

Nr. 6. Jmii 1872.

Philologischer Anzeiger.

Herausgegeben als erganzung des Püilologus

Ernst von Leutsch.

159. Georg Kai bei, de monumentorum aliquot Grae- corum carminibus. 8. Dissert. philol. Bonn 1871. 46 s.

Die hübsche abhandlung offenbart gründliche Vorstudien zu einer Anthologia epigraphica , welche der Verfasser zu bear- beiten gedenkt. Zu mehreren lückenhaften metrischen inschrif- ten werden ergänzungen geboten, durch herstellung von g#' ai für das aus fehlerhafter ausspräche entstandene aitf i wird die von Longpe'rier in der Rev. arch. 1849, p. 198 und darnach von Welcker im Rh. Mus. VIT, p. 619 veröffentlichte Inschrift emendiert für das in Constantinopel gefundene von Henzen im Bull. arch. 1847, p. 122 bekannt gemachte epigramm wird auf das gleichlautende epigramm in der Anthol. Palat. V, 340 ver- wiesen und daran aus der geschichte der rennbahnparteien der grünen und blauen in Constantinopel eine erläuternde ausein- andersetzung geknüpft. Am interessantesten für uns ist der versuch an die stelle des von Karsten , Kayser , Westermann als unecht erkannten epigramms in der kranzrede des Demo- sthenes §. 289 das ächte zu setzen. Der versuch scheint ge- lungen. Bisher glaubte man, dass Demosthenes mit den Wor- ten: uxoveig, Alo"flvr[^ xui iv aüzcp rovrq) ib „/xr/ösv afxaQtdv iazi &sov xal nävta y.uTGQ&ovv", einen vers des vorgelesenen epigramms wiederhole ; Kaibel bemerkt mit recht, dass der red- ner sich auf einen alten sprichwörtlichen vers berufe, der für die Verhältnisse des redners, nicht aber für das fragliche epi- gramm passe. Kaibel hat nun gefunden , dass das von einem in der nähe des Olympieions gefundenen 'stücke pentelischen marmors abgeschriebene, von Pittakis in der Eph. archaiol. n. Philol. Anz. IV. 18

274 159. Epigraphik. 160. Homeros. Nr. 6.

545 veröffentlichte fragment eines epigramms gleichlautend ist mit dem epigramm der Anthol. Palat. VIT, 245 :

fi Xqops, navtolxov Qvr\xolg Tinventaxons duifxov,

ayysXog ijpisriooiv näai yerov na&sav. oog ItQav acö&iv netQCüfiSvoi ' EXXd8a ^ccQav

BOIGOZGQV xÄSlVOig &V)JGX0flEV SV 8a7I8Ö0ig,

und hat sich von Koehler mittheilen lassen, dass der Charakter der schrift den jähren 350 300 v. Chr. angehöre. Es ist also die beziehung des epigramms auf die niederlage von Chä- ronea durchaus wahrscheinlich, da caifceiv nsigmusvoi auf eine niederlage hindeutet und keine andere niederlage der Athener in Athen ist ja die Inschrift gefunden worden der zeit, dem orte, der Stimmung der inschrift in gleicher weise entspricht. Dass das lemma der Anthologie iov axnov (d. i. des Gaetulikus) sig rovg avrovg jiaxsduiptoviovg einer solchen annähme nicht im wege stehe, hat Kaibel erwiesen. Die provenienz der marmor- inschrift, welche wir eher in der gegend des äusseren Keramei- kos erwarten (Paus. I, 29, 11), darf auch niemanden zwei- fei erregen ; denn die fälle , wo solche steine verschleppt wor- den sind, gehören nicht zu den Seltenheiten. Die entdeckung dieser beziehung ist nicht nur für die lücke der demostheni- schen rede sehr willkommen, sondern verleiht auch dem epi- gramme selbst eine eigenthümliche spräche, die unser warmes mitgefühl weckt.

W.

160. Prolegoraena ad hymnum in Venerem Homericum quartum scripsit K. Thiele. 8. Halis, sumptibus et typis or- phanotrophei. MDCCCLXXII. 81 ss. 15 gr.

Von den vier grösseren homerischen hymnen hat merkwürdi- gerweise gerade derjenige, der bei den alten der bekannteste ge- wesen zu sein scheint und von ihnen mit dem uamen des n^^nixcö- ratng ausgezeichnet wurde, bei den neueren die verhältnissmä- ssig geringste beachtung gefunden und so muss man es dem verf. dank wissen, dass er sich der aufgäbe unterzogen hat, die wichtigsten , diesen hymuus betreffenden fragen eingehend zu erörtern und, so gut es gehen wollte, zu einer art von ab- schluss zu bringen.

Die schrift umfasst drei grössere capitel. Im ersten der-

Nr. 6. 160. Homeros. 275

selben werden die ansichten referiert, welche die gelehrten von Groddeck an bis auf Baumeister in betreff dieses hymnus auf- gestellt haben , im zweiten kommen die metrischen und stilisti- schen punkte zur spräche, und im dritten wird von dem Inhalt des gedichtes, von dem orte der entstehung und dem muth- masslicben Verfasser gehandelt.

Das erste capitel bietet selbstverständlich nichts neues und eigenthümliches , ist aber insofern nicht ohne interesse , als es erkennen lässt, wie man im verlaufe der zeit zu immer gereif- teren urtheilen über den Ursprung und den gehalt der dichtung fortschritt.

Die metrischen und stilistischen Untersuchungen , die den inhalt des zweiten capitels bilden, sind unter zugrundlegung der resultate, welche Köhn, Windisch und Hoffmann gefunden ha- ben, und unter anlehnung an die bewährte methode von Gr. Curtius mit grosser genauigkeit und umsieht geführt. Unter anderem wird hier der beweis geliefert, dass unser hymnus rück- sichtlich des gebrauchs der cäsuren , der behandlung der posi- tion, der Verwendung der daktylen u. dgl. m. mit den homeri- schen gedienten die grösste ähnlichkeit besitzt, dass er dagegen in behandlung des digamma, in der Verlängerung und Ver- kürzung der silben u. s. w. sich mehr den hesiodischen epen nähert. Verdient also schon aus metrischen gründen unser hymnus öfArjoiMoÖTazog genannt zu werden, so noch mehr aus grammati- schen und lexicologischen. Denn erinnert auch einiges im Wort- schatz und in der formbildung an Hesiod , so trägt doch das allermeiste homerischen Charakter. Es liegt nahe an direkte entlehnung aus den grossen epen zu denken ; möglich auch, wie hier vermuthet wird, dass der Verfasser dieses hymnus nur aus derselben gemeinsamen quelle der Überlieferung schöpfte.

Im dritten capitel weist der Verfasser zunächst nach, dass der inhalt des hymnus in vielen punkten sich durchaus nicht mit echt griechischer anschauung verträgt, dass z. b. Zeus hier eine ungewöhnliche rolle spielt; dass aber namentlich die Venus wie sie hier gezeichnet ist , wenig oder gar nichts mit der ge- mein hat, der wir in der übrigen litteratur begegnen. Das sind notorische Schwierigkeiten; wie werden sie gehoben? Zumeist im unmittelbaren anschluss an die vortreffliche arbeit von Klau- sen (Aeneas und die Penaten) setzt der verf. klar auseinander,

18*

276 160. Homeros. Nr. 6.

dass die Venus dieses gedientes nicht die griechische Venus, sondern jene troische göttermutter ist , welche sich im wesent- lichen von der phrygischen Kybele und der thrakischen Kotytto nicht unterscheidet , und dass sich mit der natur dieser magna mater und ihrem Sagenkreise alles vereinigen lässt, was sich in der dichtung befremdliches findet.

Die physikalische exkursion , die der verf. auf p. 64 an diese gehaltvolle Untersuchung anschliesst , hätte er füglich un- terlassen können, da sie das verständniss der dichtung in nichts fördert und uns kaum etwas anderes als sehr problematische hypothesen vorführt.

Wenn schliesslich der verf. p. 67 ff. zu dem resultate kommt, die trojanische sage vom Anchises habe sich im lande der Trojaner auch noch nach dem trojanischen kriege erhalten, sei dann, wie nach anderen colonien, so auch nach der pflanz- stadt Gergition im gebiete von Cumä mit ausgewandert, und hier sei unser hymnus von einem ionischen rhapsoden nicht lange nach abschluss des Homerepos zur zeit der Kypriendich- tung, also gegen ende des neunten oder anfang des achten Jahr- hunderts verfasst worden, so wird man diesen vermuthungen, da sie hinreichend begründet sind, einen hohen grad von Wahr- scheinlichkeit nicht absprechen können.

Auf textkritik hat sich der verf. für diesmal absichtlich nicht eingelassen; die wenigen Verbesserungen, die er gelegent- lich in Vorschlag bringt, wie z. b. das qiaaiv v. 284, vermögen wir durchaus nicht als solche zu betrachten. Einige thatsäch- liche irrthümer sind auch mit untergelaufen. So ist falsch, wenn behauptet wird ai/iö^oio finde sich stets nur in der buko- lischen cäsur-, v. 8 unseres hymnus und Hom. 11. Ä', 553 be- weisen das gegentheil.

Die spräche ist verständlich , entbehrt aber allzuoft der eleganz und selbst der nöthigen correetheit. Ein viermaliges cui resp. quibus inscriptum est, die bis zum überdruss wiederhol- ten Wendungen nee non, quum dicat, facere non possum quin, deutsch- lateinische phrasen wie contra Vossium surrexit Mat- thiaeus in ludo puer iam non ignorat ita ut optis non ha- beam disputatione ampliore probare postquam iJraemisimits , re- vertamur in Gordiam(l) offenderunt ne %mo quidem tempo- ris puncto dubito Carmen epicum, quorum(l) multa a Graecis

Nr. 6. 161. 162, Aristophanes. 277

tum confecta sunt dies und vieles andere der art gereicht der abhandlung nicht gerade zur zierde. Chr. M.

161. Der chor in der griechischen komödie vor Aristopha- nes. Vom Oberlehrer Dr Chr. Muff. Programm der lateini- schen hauptschule in Halle. 1871. 4. 40 s.

162. Ueber den Vortrag der chorischen partieen bei Aristo- phanes von Chr. Muff. Halle. 1872. 8. 175 s. 1 thlr. 10 ngr.

Weil die geschichte des chors im gründe die geschichte der komödie selber sei, betrachtet die erste abhandlung, um ein anschauliches bild vom ersten auftreten und der ältesten Verfas- sung des komischen chores zu gewinnen, die entstehungsge- schichte der komödie in ihrem verlaufe. Neue ergebnisse dürfte diese betrachtung nur in der genaueren bestimmung und richti- geren auffassung einiger bruchstücke der älteren komiker er- zielt haben. Der Verfasser fasst die resultate seiner Untersu- chung in folgenden Worten zusammen : „der bau der komödie ist, schon rein änsserlich betrachtet, von dem, wie wir ihn bei Aristophanes finden, durchaus nicht verschieden. Es sind alle die chorlieder vorhanden, welche die eigentliche gliederung der alten komödie bedingen. Denn es finden sich spuren einer par- odos; von dem Vorhandensein der nagußaatg legen zahlreiche Überreste zeugniss ab; die vielen melischen fragmente skopti- schen und hymnodischen inhalts sind unbedenklich als verse aus verloren gegangenen aräaifAa zu betrachten, und endlich glauben wir auch reste einer s^odog gefunden zu haben (Cra- tin. fr. XXII ralta dvoh> iv IroTv r/fxiv fiöl.ig i^anovrj&r] , vgl. Aristoph. Nub. 1510. Thesmoph. 1227). Damit war die com- position der komödie vollendet; das lyrische und dramatische element waren in diejenige beziehung zu einander getreten, welche von nun an massgebend bleibt, und das ganze umfasst dieselben theile, welche ein regelrechtes stück zu haben pflegt".

In der verdienstlichen schritt über den Vortrag der cbori- schen partieen bei Aristophanes sucht Muff die kriterien für die Unterscheidung des dialogischen und melischen Vortrags und die vertheilung der chorpartieen unter koryphaios und gesammt- chor festzustellen. Solche kriterien findet er in dem inhalte, je nachdem dieser der funktion eines Schauspielers (koryphaios) oder der funktion eines sängers (gesammtchor) entspreche, in

278 162. Aristophaiies. Nr. 6.

der nachahmung und parodie melischer partieen, im tanze, der nur dem gesammtchor zukomme, in charakteristischen textwor- ten, welche eine partie als gesang bezeichnen, endlich in den metra. Mit recht weist Muff abweichend von Kock Av. 1720 1725 dem chore, v. 1726 1730 dem koryphaios zu. Dagegen scheint die auffassung von Eccl. 1167 ff. nicht richtig zu sein. Muff betrachtet nämlich das lied mit Westphal als hyporchema, welches der chor unter lebhaftem tanze vortrage, während Bergk und Meineke darin eine monodie des koryphaios er- blicken. Der chorführer fordert in gleicher weise den Blepyros wie den chor (xou ov xivei . . x«< r«u5f) zu einem kretischen tanze auf, während er fortfahrend das motiv des tanzes an- gibt (tä%a y a q snsiat xtX.). Man muss also annehmen, dass der chor ebenso wie Blepyros den gesang des koryphaios mit lebhaftem tanze begleite. In den metra schliesst sich Muff zumeist den Untersuchungen und ansichten von Westphal an und bespricht zuerst die metra (iamben, trochäen , anapäste, daktylen), welche sowohl dialogisch als melisch gebraucht wer- den, darauf diejenigen, welche nur melischen Vortrag zulassen. So treffend manche bemerkungen sind , so wird doch der Ver- fasser selbst gern zugeben, dass diese frage, besonders soweit sie die Unterscheidung des melischen und melodramatischen Vor- trags betrifft, noch nicht zu einer durchaus befriedigenden lösung geführt sei. In einem weiteren abschnitt werden die haupt- chorlieder der komödie behandelt. Für die parodos wird nur melischer Vortrag angenommen, weil sie den chor bei seinem einrücken in die orchestra begleitet und weil die darin ange- wandten metra eine durchweg melische behandlung erfahren ha- ben. „Die parodoi der Ritter, der Wolken, der Wespen, des Friedens und der Vögel sind nur vom cköre, dagegen die der Acharner , der Lysistrata , des Plutus und der Frösche sind theils vom chore, theils vom koryphaios vorgetragen". In betreff der parabase tritt Muff der ansieht derjenigen bei, welche das xofifxdnov vom koryphaios gesungen, die anapäste und das nvlyoq von eben demselben melodramatisch oder monodisch vorgetragen , ode und antode von dem gesammten chor unter tanz gesungen, ebenso die epirrhematische syzygie vom ganzen chor gesungen und von orchestischer bewegung begleitet sein lassen. Ist die ansieht über das epirrhema richtig und die

Nr. 6. 162. Aristophanes. 279

strophische gliederung desselben sowie die öftere Verbindung mit lyrischen versen scheint dafür zu sprechen , so zeigt sich nur , wie unsicher der schluss von dem inhalte man denke z. b. an das epirrhema der Frösche auf die art des Vortrags ist. In dem nächsten abschnitt über die theilung des chors kommt Muff zu demselben resultat wie Kolster und Richter, dass eine theilung des chors in zwei halbchöre in sel- tenen fällen vorgenommen sei. Der neunte abschnitt handelt über die parachoregemata. Der Verfasser versteht unter aaua- %ogt]yTjftaza jedes aussergewöhnliche auftreten des chorpersonals sowie jede Vermehrung desselben zum zwecke besonderer Ver- wendung bald auf der bühne bald hinter der bühne bald in der orchestra. Nichtsdestoweniger fasst er 7TaQa%oQ)'jy>j[Aa in dem sinne einer ausserordentlichen leistung des choregen. Man müsste also annehmen, dass der begriff einer nebenauslage des choregen der ursprüngliche gewesen sei und dass sich aus diesem der begriff jeder aussergewöhnlichen Verwendung auch der ohnedies vorhandenen kräfte gebildet habe. Das ist aber kaum annehm- bar. Da die erklärung bei Poll. IV, 109 völlig unverständlich ist, so bleiben uns nur die namen nanaG-A^viov und 7zaQa%0QTjy?][ia und es empfiehlt sich vielleicht folgende erklärung. Wenn die regelmässigen Schauspieler oder choreuten hinter der bühne sprachen oder sangen, so hiess das nngaaxTJviov ; der chor der Frösche ist also ein TrtXQCicsxijpiov, kein naQa^ooijy^na , wie die scholiasten erklären , welche die begriffe verwechselten ; wenn dagegen zu den drei gewöhnlichen schauspielern ein vierter Schau- spieler gemiethet und eingeübt wurde oder zu dem chor ein ne- benchor kam wie der chor der frauen und mädchen in den Fröschen, so wurde diese extraordinaere leistung des choregen mit naoayoQi'iytjua bezeichnet. Im zehnten abschnitt über das auftreten einzelner choreuten wendet sich Muff gegen die an- sieht von R. Arnoldt (scenische Untersuchungen über den chor bei Aristophanes, Elbing 1871), welcher eine häufige Verwen- dung der reihe nach sprechender choreuten annimmt. Die Wi- derlegung dieser modernisierenden auffassung scheint hinreichend geliefert zu sein. Der Vollständigkeit halber wird in dem elften abschnitt über den tanz gesprochen und mit Bode eine seltene anwendung des kordax bei Aristophanes angenommen, mit Kock überhaupt die anwendung des kordax in der para-

280 163. Lateinische poesie. Nr. 6.

base der Frösche, wo ihn Kock noch zugesteht, verneint. Da- bei scheint der irrthum , dass der erste vers der antistrophe eine euripideische stelle parodire (p. 130), nur Schreibfehler zu sein, da das scholion tovto "Icotög iaiw ix &owixog •)] Kauscog ausdrücklich citirt wird. Der zwölfte abschnitt endlich enthält eine spezielle besprechung der einzelnen stücke, indem die chorpartieen aller elf komödien der reihe nach auf- gezählt und nach den voraus angegebenen grundsätzen in be- zug auf Vortrag und tanzbegleitung bestimmt werden. W.

163. Exempla poetarum e codice Vaticano edita ab Hen- rico Keilio. Ind. schol. aestiv. un. Hai. 4. Halae 1872.

Nachdem aus einer pariser handschrift eine Sammlung von 166 als prosodische beispiele im siebenten oder achten Jahrhun- dert zusammengestellten versen im Rhein. Museum XXVI, p. 332 ff. edirt war, wird uns nun dieselbe Sammlung aus einer noch älteren Vaticanhandschrift (cod. Reg. 215) saec. VHI IX auf die zabl von 272 versen vermehrt dargeboten. Am rand ist überall das wort, für dessen prosodie der vers gewählt ist, mit den quantitätszeichen versehen angegeben. Wenn dabei der vers Lucans VIII, 697 durch einen Schreibfehler (digna statt indigna) zu einem pentameter umgestaltet und in diesem nun die prosodische bezeichnung maüsoleä (!) angewendet wird, so ist dies von interesse, indem es uns eines der motive nach- weist , welche bei den spätem dichtem zu der Vernachlässi- gung der quantität führten. Die benutzten autoren sind Ver- gil, Horaz, Ovid, Martial, Prudentius, Priscians Periegesis, dane- ben noch manche andere. V. 199 201 stammen übrigens aus Anthol. lat. 448, 2. 417, 3 ; 5. Zu mehreren versen ist der zusatz Catal. beigefügt, und zwar zu solchen aus Martial, Iuve- nal, Lucan, der Anthologie und zu einem christlichen verse; was bedeutet er? Catalecta? oder catalecticus? Mit recht nimmt H. Keil p. iv an, dass spätere grammatiker ihre dich- terstellen bisweilen solchen Sammlungen entnahmen , worin die namen der autoren zu andern versen als den ihrigen rücken konnten. Hierfür finde ich einen deutlichen beweis in der schrift de dubiis nominibus (Gramm, lat. V), deren poetische au- ctores im ganzen derselben art wie hier, und wo Varro mit Vergilius und Ovidius, dieser mit Livius und Prudentius, letzte-

Nr. 6. 164. Valerius Flaccus. 281

rer mit Propertius u. a. verwechselt sind. Der Parisinus ist mit Keil's handschrift sehr nahe verwandt, jedoch wie mir scheint (cf. v. 1) nicht aus ihr abgeschrieben. Zu bedauern ist, dass der in der vorrede erwähnte Mico nicht vollständig abgedruckt ist, der seinen versen wie es scheint die richtigen autoren beifügt, und nach welchem v. 52 (Anthol. lat. 680) von Prudentius stammt. [„Unter den noch nicht nachgewiesenen stel- len stehn v. 1 Paulin. de vit. S. Mart. 3, 77; v. 2 Venant. Fortun. de vit. S. Mart. 3, 234; v. 3 Paulin. de vit. S. Mart. 3, 95; v. 41 Paulin. de vit. S. Mart. 5, 675; v. 116 carm. de Aetna 321 ed. Iac: H. KeU."] A. R.

164. Observationes Valerianae scr. Ernestus ßeuss. Diss. inaug. 8. Marburg, (El wert) 1871.

Die vorliegende dissertation zerfällt in zwei theile. In dem ersteren handelt der verf. über den dichterischen werth der Ar- gonautica des Valerius unter besonderer rücksicht auf die bei- den Vorbilder desselben, Apollonios und Vergilius. Schon aus dem geringen umfange dieses theiles (23 seiten, von denen neun mit einer allgemeinen einleitung über die entwicklung der epischen poesie bei den Römern nach Ennius und eben so viele mit einer vergleichenden inhaltsangabe der beiden Argonautica des Apollonios und Valerius ausgefüllt sind, wornach für das ei- gentliche thema kaum fünf seiten entfallen) ergibt sich zur genüge, dass hier nur eine leichte skizze gegeben werden konnte, die sich mit dem , was Weichert und selbst Thilo (in den prolego- menen zu seiner ausgäbe des Valerius) erörtert haben, nicht messen kann. Indessen wollen wir doch gern anerkennen, dass die polemik des verf. gegen das urtheil von Bernhardy über Valerius berechtigt ist und dass sich hie und da eine gute be- merkung findet, z. b. über das talent des Vergil für das drama (p. 8). Wenn der verf. (p. 22) die diction des Valerius cha- rakterisirt, so musste doch hervorgehoben werden, dass derselbe sich nicht selten kühne und ganz eigenthümliche fügungen er- laubt und mitunter entschieden gegen den Sprachgebrauch ver- stösst (vgl. meine Studien p. 4 f.).

In dem zweiten theile (p. 23 46) bespricht der verf. eine reihe von kritisch bedenklichen stellen, wobei er die reihen- folge der bücher einhält. Er schliesst sich hiebei an die an-

282 164. Valerius Flaccus. Nr. 6.

sichten von G. Meynke in dessen Quaestiones Valerianae (Bonn 1865) an, welcher nicht bloss den codex des Carrion als gleich- berechtigt neben dem Vaticanus hinstellt , sondern auch den übrigen handschriften und selbst den texten alter ausgaben (wie der editio princeps oder Bononiensis I und der ausgäbe des Pius) einen kritischen werth beilegen will. Auch nimmt er gleich- falls nach dem vorgange von Meynke an , dass der text des gedichtes sehr durch Interpolationen und willkürliche Verbesse- rungen gelitten habe. Aber alle diese ansichten sind, wie ich in meinen Studien nachgewiesen zu haben glaube, entschieden unrichtig. Der Vaticanus ist die einzige quelle für unseren text, aus ihm sind alle anderen handschriften , welche sämmt- lich dem fünfzehnten Jahrhundert angehören, geflossen. Dies gilt auch von dem codex des Carrion, bei welchem übrigens wohl erwogen werden muss, dass eine ziemliche anzahl der von Carrion aus ihm angeführten lesearten rein erdichtet und blosse einfalle dieses Windbeutels sind. Die Bononiensis ist aus einer jungen handschrift geflossen und Pius hat ausser dem Vatica- nus nur noch zwei andere Codices aus dem fünfzehnten oder gar sechszehnten Jahrhunderte vor sich gehabt. Der text im Vaticanus ist nicht im entferntesten interpoliert oder durch will- kürliche besserungen entstellt, sondern leidet eben nur an den fehlem , wie sie sich unkundige und sorglose abschreiber zu schulden kommen Hessen, namentlich auslassungen von buch- staben, sylben und Wörtern , und Verwechslungen von solchen Wörtern, die sich den lauten oder schriftzügen nach ähnlich sind. Wer sich also bei der kritik dieses dichters nicht genau an die Überlieferung anschliesst, der muss in seinen emendationsversuchen nothwendiger weise fehlgehen. Dies gilt auch von dem Verfasser der vorliegenden abhandlung , dem es meiner ansieht nach nicht gelungen ist irgend eine stelle wirklich zu verbessern. Seine conjeeturen sind gewaltsam und willkürlich, z. b. III, 737 f., wo er für das überlieferte: non aliter gemitu quondam lea prolis ademptae Ter (ja dedit, sedet inde viis, schreiben will : non aliter gemitu quaerit lea prolis ademptae indicia insistitque viis, wobei überdies indicia quaerit unlatei- nisch ist, oder III, 133 f., wo das handschriftliche: tollitur Jiinc totusque ruit Tirynthius arcu Pectore certa regens adversa spicula fiamma , in tollitur hinc tentoque ruit Tirynthius arcu fundere

Nr. 6. 164. Valerius Flaccus. 283

eerta regens adversa spicula flamma, umgeändert werden soll. In der ganzen stelle ist nichts auffällig als pectore, das übri- gens, wie der verf. selbst anerkennt, in dem verse 472 eine bedeutsame analogie bat. Und wie seltsam würde sieb bei die- ser fassung regens ausnehmen? Oft verschmäht auch der verf. emendationen, welche einen hohen grad von Wahrschein- lichkeit haben, um seine eigenen vermuthungen, die nicht den gleicben werth haben, vorzutragen, z. b. II, 243, wo er für orsa feram, das ich nach Heinsius vorgeschlagen und durch Verweisung- auf V, 470 gestützt habe^ vota feram empfiehlt, welches doch sieber der Überlieferung ora feram nicht näber liegt und dem sinne nach unpassend ist; die stelle III, 415 bat mit der vorliegenden keine ähnlichkeit. Und welchen Vorzug soll denn die conjeetur : namque ego te quocumgue voees seguar; agmina ferro dura metam , vor der leseart mei- ner ausgäbe, die theilweise auf Heinsius und Jacobs zurück- geht : en egomet quocumgue vocas seguar ; agmina ferro prima metam haben? Steht doch diese dem überlieferten et ego et quocumgue voces qua tegmina ferro plura metam ungleich nä- her ; zudem ist prima ein sehr bezeichnender ausdruck, während mit dura nichts anzufangen ist. Das gleiche gilt von I, 157, wo statt vegit nicht evehit, sondern gerit, wie schon die zweite hand im Monacensis bietet, zu lesen ist (vgl. meine Studien p. 49), oder von VIII, 444, wo schon Bon. I für das sinnlose parentum das unzweifelhaft richtige parantem gibt , gegen wel- ches paventem oder morantem nicht in betracht kommen kann. Auch verdächtigt der verf. ohne noth ganz gesunde stellen und sucht sie dann in seiner weise zu verbessern. So will er I, 150 natosque mit Burmann in matresque und in der paralle- len stelle IV, 89 pectore nati in pectore amici ändern, weil er nicht begreift, was hier die erwähnung der kinder bedeuten solle. Aber man braucht nur die verse I, 255 ff. zu lesen, um zu fühlen, wie bedeutungsvoll jenes nati an beiden stellen ist. Oder sollten die anderen helden nicht das gleiche fühlen wie Peleus ? I, 755 schlägt er für das überlieferte flagrantes aras vestemque nemusque sacerdos Praecipitat vor flagrantique (was soll jenes quet) arae vestemque vittamque sacerdos praecipitat, weil er sich die construetion und nemus nicht erklären kann. Es war freilich sehr kühn von Valerius nemus für corona zu gebrau-

284 165. Horatius. Nr. 6.

chen; aber man wird dies ihm zutrauen, wenn man hört, dass er VI, 223 silva im sinne eines iazog „webebaum" verwendet hat; flagrantes aras aber ist mit dem folgenden durch ein zeugma verbunden. IV, 201 habe ich die ursprüngliche lesart: quem nee sua turba tuendo it taciti (nicht tanti) secura metus in meinen Studien p. 20 f. gerechtfertigt, V, 187 wird Pario (Maserius' con- jeetur für parvo) de marmore, woran auch Meynke anstoss nahm, durch die nachahmung des Claudius Marius Victor III, 138 bestätigt (vgl. meine Studien p. 38, 98). Zweimal will der verf. die Überlieferung festhalten, ohne dies aber eingehend zu begründen, nämlich I, 156 {conanti), VII, 32 f. (parantem, frei- lich mit änderung von ante aperit in antevenit). Aber conanti ist ganz ohne sinn und an der zweiten stelle begreife ich nicht, wie vultus auf Iason gehen kann, während durch die besserung paratas, die schon in der Juntina II steht , und die beziehung auf Aeetes alle bedenken auch hinsichtlich ante aperit behoben sind. Karl SchenM.

165. Beiträge zur kritik und zur erklärung der Horazi- schen satire I, 3. Von dem professor Dr Heinrich Muther, Programm des Casimirianums zu Coburg 1871. 35 s. 4.

Im anschluss an Keck und Peerlkamp sucht der verf. nach- zuweisen, dass der etwas ungeschickte eingang der satire über Tigellius bis v. 23 und der erste theil der betrachtung über die toleranz gegen freunde (bis v. 75) in v. 24 42 und 72 ernst- lichen anstoss biete. Der nachweis ist nicht überall gelungen, insbesondere nicht p. 12, wo als indicieu für corruptelen in v. 38 42 angeführt wird: 1) „der mit at beginnende satz setzt vor- aus, dass ein negativer satz vorausgeht, zu dem der mit at einen gegensatz bildet; 2) der conjunet. imperfecti in den Wor- ten vettern in amicitia lässt sich nicht rechtfertigen, da zu vel- lem kein geeigneter conditionalsatz ergänzt werden kann". Man traut seinen äugen kaum bei dieser antediluvianischen gramma- tischen expectoration. Das praeter, conjunetivi als modus der nichtwirklichkeit und die Verschiebung der modalität bei den hülfsverbis sollten doch einem schriftsteiler über Horaz geläufig sein! Die worte können nur heissen: ,,ich möchte wünschen (vgl. opt. c. av) dass man in dem verhalten den freunden gegen- über sich solcher Selbsttäuschung überliesse, und dass diese so-

Nr. 6. 166. Römische tragodie. 285

gar für einen Vorzug gelte allein, da dies leider nicht der fall ist, so ist es wenigstens unsre Schuldigkeit, die milde, wie sie der vater den gebrechen des sohnes gegenüber zeigt, auch bei der beurtheilung der freunde zu beachten". Der ne- gative gedanke ist somit allerdings vorhanden, und also at ganz in der Ordnung. Andere bedenken sind besser begründet, aber auch sie treten zurück , sobald man nicht den maasstab poeti- scher Vollkommenheit anlegt, wozu man in dieser satire am al- lerwenigsten berechtigt ist. Muther schlägt nun vor, 1) v. 20 zu schreiben imo, alii et fortasse cett. Der fragende füge selbst die ant- wort hinzu: o ja, du hast fehler und andere haben vielleicht kleinere als du (hier durfte Lehrs conjectur nicht übersehen werden imo aio et cett. , in der für et besser at folgte). 2) v. 24 hinter 42 zu setzen ; 3) v. 25 28 seien worte des ali- quis von v. 19 an Horaz ; 4) v. 29 37 seien hinter v. 72 zu stellen ; 5) zwischen v. 28 und 38 seien zwei verse ausgefallen, in denen Horaz sagte: „ich will mich mit meinen freunden verständigen, wie wir es in beziehung auf unsre fehler gegen- seitig halten wollen"; 6) v. 41 für et isti sei zu schreiben ei si, v. 48 zwischen fultum male ein haud einzuschalten; 8) v. 57. 58 Uli tardo cognomen pingui daraus gegen Bentley's berühmte re- stitution aus Bland, vetus (wofür sich wunderbarer weise auch Lucian Müllers autorität hätte anführen lassen) ; 9) v. 65 für mo- lestus modestus , 10) v. 76 für irae ira. Dass kein versuch gemacht ist, diese kleinigkeiten irgendwie palaeographisch zu rechtfertigen, ist leider ! nach bekanntem vorgange kaum zu verwundern ; ich muss sie alle für verfehlt halten. Bes- ser ist der gedanke, dass Horatius durch den aliquis zu an- fang nicht bloss mögliche reden seiner gegner, sondern wirkli- che äu^serungen eines ihm feindlich gesinnten mannes, eines anmassenden stoikers, aussprechen lässt und zu bedauern , dass der verf. anstatt seiner kritischen versuche nicht lieber seine ansichten aber den gedankengang der weniger unvollkommnen zweiten hälfte des gedichts und über die person des Alfenus (Alfenius ist ein ärgerlicher druckfehler) mitgetheilt hat.

Th. Fritzsehe.

166. Scaenicae Romanorum poesis fragmenta secundis curis

286 166. Römische tragodie. Nr. 6.

recensuit Otto Eibbeck. 8. Vol. I. Tragicorum fragmenta. Lipsiae in aedibus Teubneri. 1871. LXXIX. 1685. 3 thlr.

Die höchste anerkennung an der angezeigten bearbeitung des werthvollen buches verdient der ausserordentliche fleiss, mit dem zusammengetragen und verwerthet worden ist , was die seit dem ersten erscheinen verstrichenen zwei Jahrzehnte an einschläglichem materiale jeder art nur irgend mit sich gebracht haben. Nimmt man hierzu die selbständigen ermittelungen des vf. in diesem Zeiträume, so darf es nicht wunder nehmen, wenn sich die neue ausgäbe sehr wesentlich von der ersten unterscheidet ; ref. hat bei sorgfältiger vergleichung nur wenige seiten gefunden, die nicht mehr oder minder erhebliche änderungen theils im texte theils im kritischen apparate aufweisen. In zahlreichen fällen bezeichnen die änderungen im texte einen fortschritt, indem sie an die stelle des früheren richtigeres oder doch wahr- scheinlicheres setzen. Dass bei alle dem noch recht viel zu thun übrig gelassen ist, wird jedem begreiflich sein, der nur ei- nigermassen einsieht in die mit der kritischen behandlung die- ser trümmer verknüpften ausserordentlichen Schwierigkeiten hat, bei denen eben nur ein ganz allmähliches fortschreiten möglich ist. Wie weit übrigens Ribbeck selbst von selbstgenügender Zufriedenheit entfernt ist, geht deutlich aus dem inhaltreichen corollarium hervor, in dem er zu einer reihe von stellen theils berichtigungen theils neue vorschlage beibringt. Jedoch darf bei aller anerkennung des geleisteten und bei voller berücksichtigung der zu überwindenden Schwierigkeiten nicht verhehlt werden, dass es an fällen nicht fehlt, wo Ribbeck's verfahren gerade kein lob zu verdienen scheint. Zur begrüudung dieses urtheils sei es verstattet, auf einen nicht unwesentlichen punkt näher einzugehen.

Dass Ritschl's von den „schwachen des marktes" allerdings mit einigem misstrauen aufgenommenen , von den starken gei- stern aber mit enthusiasmus begrüssten jüngsten entdeckungen über auslautendes d im alten latein von einem so hervorra- genden gliede der Ritschrschen schule zur praktischen anwen- dung gebracht werden würden, war von vornherein zu erwar- ten, und ist auch nicht gerade sparsam geschehen, mit wel- chem rechte, möge das folgende lehren. Dass Plautus die for- men med und ted braucht, ist jetzt ausser allem zweifei, ebenso

Nr. 6. 166. Römische tragoedle. 287

aber auch, dass es für das von Ritschi diesen formen entspre- chend angenommene sed keinen einzigen sicheren beleg giebt. Diese form hat Ribbeck auch nur an einer stelle auf Ritschl's autorität hin in den text zu setzen gewagt, Pacuv. p. 82, 39, mit welchem gefühle der Sicherheit ergiebt sich zur genüge aus der anführung dieser stelle im index : sed vel sese. Sodann ist sie zu einem verse desselben dichters p. 98, 17 in der anmer- kung vermutungsweise vorgeschlagen ; aber hier ist überhaupt jede änderung bei folgender messung unnöthig:

Habet hoc sönectus in se, cum pigra est ipsa, ut spisse

ömnia

Videantur confieri. Schliesslich, wenn uns nichts entgangen ist, findet verf. diese form coroll. p. LI., aber ohne zwingenden grund, in einem sonst für die partikel gehaltenen sed bei Acc. p. 146, 81, wo er mit einem argen fehler zu schreiben vorschlägt:

Sed angustitäte inclusam säxi, [situ] squälidam. Auch die an sich ja nicht verfänglichen formen med und ted hat Ribbeck nicht mit sonderlichem glücke in anwendung ge- bracht. Handschriftliche spuren derselben finden sich unseres wissens in diesen fragmenten nirgends; denn in dem Acc. p. 142, 53, wo zumal med für das metrum ganz unnöthig ist, überlieferten me esse eodem hat eine solche spur [quod „meed eodem" interpretari possis , wie p. 137, 8 zu dem überlieferten me esse bemerkt wird fort, ex „meed" ortum) wohl nur der wünsch sehen lassen, irgend einen handschriftlichen anhält ausfindig zu machen, ein wünsch, der auch die bemerkung zu p. 155, 152: dbsque testimonio Nonii esset, „huius med invidia"' (statt huius me dividia) non displiceret, veranlasst zu haben scheint. Eine ge- wisse Wahrscheinlichkeit, insofern durch einsetzung dieser for- men vollständige verse gewonnen werden, haben (med) Pac. p. 95, 150. p. 129, 395. Acc. p. 173, 283. p. 202, 515; (ted) Pac. p. 108, 248. Am wahrscheinlichsten ist ted im letzten verse, im vorletzten liegt mindestens eben so nahe me uti für me ut als med ut, bei den übrigen liegt ebenso wenig ein zwin- gender grund vor, warum sie senare sein müssen, als warum z. b. p. 12, 48 (ut videam Volcani öpera haec flammis fierit Flora), p. 28, 102. p. 57, 288. p. 71, 385. p. 107, 241. p. 194, 453 nicht senare sein dürfen. Gar keine Wahrscheinlichkeit haben,

288 166. Komische tragödie. Nr. 6.

ausser dem oben berührten Acc. p. 172, 53, Naev. p. 9, 19 (vgl. coroll. p. xi), Enn. p. 18, 26. p. 34, 142. p. 41, 192 (vgl. d. anm.), ine. ine. p. 257, 148, der vermuthungen in den anmerkungen zu Acc. p. 184, 370 (wo übrigens das tete im texte auch schwerlich richtig ist). 372. ine. ine. p. 242, 52 zu ge- schweigen. Aus dem anderweitigen pronominalgebiete entsinnen wir uns nicht ein beispiel im texte gelesen zu haben; nur in der anm. zu Enn. p. 38, 174 heisst es zu der handschriftlichen lesart quos quis oder quo quis (is quo im texte): an: quod ist und zu Pac. p. 123, 364, wo die handschriften isla oder isto, der text istoc hat: an: istod? Ziemlich zahlreich sind dagegen wieder die beispiele für d im nominalgebiete , bei dreien sind sogar nach Ribbeck's meinung deutliche spuren in der Überlie- ferung enthalten: Naev. p. 9, 19 (cf. coroll. p. x) soll vel hoc auf velod hinweisen, das sogar vor consonantischem anlaute ste- hen würde, Pac. p. 119, 338 pro sua parte anf pro suad arte (auch hier wird die form mit d nicht vom metrum gefordert), Acc. p. 219, 644 novo dabunt auf novod avuneulo. Die Enn. p. 39, 184 in den text aufgenommene conjeetur: Quam cum quis negötiosod ütitur negötio (für quam cum est negotium in negotio) hat er selbst coroll. p. xxvi fallen lassen, dafür aber ib. p. xix zu p. 20, 40 neben ubi illa pausillo in Vorschlag gebracht ubi illa paulod, und p. xxi zu p. 25, 76 für das im texte stehende Aüxilio [aut] ixili aüt fugae freta sim jetzt: Aüxiliod exili aut [quo] fugae freta simf wo sich jedoch ein trochäischer vers annehmen lässt : Aüxilio ixili aut fugae freta sim. Pac. p. 106, 237 schreibt Ribbeck jetzt: Qua super red interfectum [tu] e"sse dixisti Hippotem; aber was hindert ohne, änderung der Überlieferung zu messen: qua super\ Re interfectum esse Hippotem dixisti (oder qua super re \ Inter- fectum ss)t Nicht wahrscheinlicher sind Pac. p. 116, 315: Postquäm defessus perrogitantod ddvenas [Fuit] de gnatis, nöque quemquain invenit scium, und Acc. p. 146, 85:

An malad aetate mävis male mulcdri exemplis Omnibus; denn dort lässt sich das nothwendige verburn substantivum (aber gerade die form fuit scheint bedeuklich) auch an an- derer stelle ergänzen und damit ohne weitere änderung eine genügende metrische fassung gewinnen (vgl. Bücheier in der anm.); und der zweite vers ist ein zu wenig schöner iambi-

Nr. 6. 166. Römische tragödie. 289

scher teframeter, als dass er dem dichter einer blossen conjec- tur zu liebe zugemuthet werden dürfte. Hat Accius wirklich, wie Ribbeck angenommen haben muss, da er die in der an- m erkung erwähnte messung an mala | Aetüte mavis nicht zuge- lassen hat, die vierfache alliteration in demselben verse beab- sichtigt, so ist eine zum mindesten nicht unwahrscheinlichere vermuthung als die Ribbeck'scke:

'An mala aetate mavis male mulcäri[er]

Exemplis Omnibus? Den ersten vers mit beibehaltung von mulcari als catalectischen cre- tischen tetrameter zu messen, dürfte deshalb nicht gerathen sein, weil die sicheren beispiele catalectisch cretischer verse bei den al- ten scenikern stets im vorletzten fusse einen reinen creticus, wenn auch mit auflösungen, haben; die vermuthung mulcarier hat von seiten der Überlieferung jedenfalls mehr stütze als die von adirier bei Enn. p.59, 306, abgesehen davon dassEnnius sicherlich nicht so geschrieben hat, falls er nicht hinter der von Plautus geüb- ten technik zurückgeblieben ist, einen bacchius auf eine dacty- lische wortform nicht ausgehen zu lassen. Sollte übrigens nicht eine solche infinitivform auch Pacuv. p. 132, 410 herzustellen sein : nee tuendi sdiietas capier potest. Eine gewisse Wahrschein- lichkeit haben hingegen Acc. p. 146, 84 Ut tarn öbstinatod dnimo confisüs tuo, und p. 153, 131 Aüt infandod hömine cett., da durch einsetzung dieser formen vollständige verse gewon- nen werden; aber kann, abgesehen von der auch von Rib- beck erkannten möglichkeit im zweiten verse hörnerne zu schreiben, dieser umstand die gewissheit geben, dass wie der eben genannte zu p. 146, 84 einfach statuirt, derartige formen zur zeit des Accius wenn auch nur in der tragödie noch in gebrauch waren? Aus dem adverbialgebiete wäre, um von Acc. p. 143, 62 (vgl. die anm.) abzusehen, ein urkundliches beispiel Pac. p. 104, 225 Quid tandem? ubi ea est? quöd reeeptast? cett., wenn die lesart etwas mehr Sicherheit böie und zweitens selbst bei der gewissheit, dass Pacuvius derartige formen zugelassen doch immer noch nicht ohne weiteres die anwendung derselben auch ohne metrischen zwang anzunehmen wäre. Ein interead ist angenommen Liv. p. 4, 26 Ego puerum interead aneülae cett .: aber die richtigkeit der von Ribbeck angenommenen metrischen fassung vorausgesetzt , so erregt doch in erster linie der pro- Philol. Anz. IV. 19

290 167. Sallustius. Nr. 6.

celeusmaticus ego puerum anstoss ; beseitigt man diesen z. b. durch die naheliegende änderung von puerum in puellum, so ist auch zugleich der fehlerhafte hiatus nach interea beseitigt. Ein praed schliesslich hat Ribbeck nur in der anm. zu Acc. p. 155, 146 in Vorschlag zu bringen gewagt.

Ein ähnliches verfahren, bald übermässig conservativ, bald ziemlich gewaltsam , Hesse sich noch in anderen beziehungen nachweisen; doch wird diese darlegung genügen, um obiges urtheil in den äugen von vorurteilsfreien nicht als ein unge- rechtes erscheinen zu lassen. Im einzelnen wäre noch manches zu bemerken; doch muss es in rücksicht auf die hier gesteck- ten grenzen unterbleiben. Zum schluss noch die bemerkung, dass die ausstattung des buches eine vorzügliche ist; druck- fehler entsinnt sich referent nur zwei gesehen zu haben, p. 22 anm. zu v. 58 continuo statt contuo, p. 140 anm. zu v. 30 mali g. statt mali p.; viel mehr können es auf keinen fall sein.

167. De archaismis Sallustianis. Diss. inaug. quam . . . defendet auetor Paulus Schulze, Berolinensis. Halis Saxo- nura [1871]. 33 pp. 8.

Eine kritische Zusammenstellung und sichtung der schon im alterthume berufenen archaismen bei Sallust ist auch nach den verschiedenen von einzelnen herausgebern z. b. Gerlach angelegten Sammlungen ein daukenswertb.es unternehmen. Die ausführung dieser aufgäbe ist jedoch dem verf. der neuesten hierauf bezüglichen Schrift trotz des unverkennbaren fleisses nicht völlig gelungen. Zunächst vermisst man im einzelnen die allein vertrauen erweckende akribie. Trotz der durch wörtlichen abdruck vieler stelleu neuerer grammatiker und her- ausgeber herbeigeführten breite und trotz vielfacher Wiederho- lungen , die aus der unterlassenen Zusammenfassung des gleich- artigen unter einen gesichtspunkt entstanden sind, genügt die arbeit doch nicht einmal der ersten forderuug der Vollständig- keit. Um nur ein beispiel zu geben, so ist p. 77 bei der erör- terung der zahlreichen im plural gebrauchten abstraeta ein ein- faches „eic." um so weniger am platze, da gerade sehr aufal- lende, wie famae, luces , paecs, saevitiae fehlen; während umge- kehrt die anführung von gloriae nach den gegen diesen gebrauch erhobenen bedenken von Beruays und liergk unterbleiben oder

Nr. 6. 167. Sallustius. 291

wenigstens mit einem worte gerechtfertigt werden musste. Wich- tiger noch erscheint, um von unvollständiger aufzählung der belegstellen zu schweigen, die auslassung einiger unleugbaren archaismen in der von Schnitze gegebenen Übersicht ; man ver- misst hier u. a. decor und dedecor (Priscian. : apud vetustissimos), obsequela, sallere, turbamentum. Am wenigsten aber lässt sich die beschränkung auf grammatische und lexikalische archaismen und die nichtbeachtung der archaischen elemente in der Stilisierung des Sallust billigen , wofür doch bei Deltour , de Sali. Catonis imüatore p. 26 sqq. eine brauchbare Vorarbeit gegeben war. Aber auch bei dem, was der Verf. wirklieh geboten hat, zeigt sich dieser mangel an akribie; nicht nur die ansichten der for- scher über einzelne stellen sind mehrmals unbeachtet geblieben, auch die Überlieferung ist nicht immer gehörig beachtet, z. b. lug. 44, 4, wo die besten hanclschriften alle (PP'BET) odor bieten, wird vom verf. p. 32 gerade als beleg für -os angeführt, wel- che form nur in geringeren handschriften und bei Fronto p. 110 N. überliefert ist. Auch die vom verf. vorausgesetzten oder ausdrücklich gegebenen erklärungen treffen nicht immer das richtige, z. b. lug. 102, 9, welches beispiel nach der einstimmi- gen lesart von V und P gar nicht in die vom verf. p. 71 be- liebte kategorie gehört. Noch anderes weist deutlich auf den mangel einer durchgreifenden feile hin; ausser fehlenden oder unvollständigen anführungen und abgesehen von irrungen um einen § sind mir ungesucht folgende unrichtige citate aufge- fallen: p. 23 Cat. 51, 1 statt 53; lug. 38, 3 statt Cat. ; p. 40 lug. 45, 6 statt 54; lug. 85, 2 statt 26; p. 47 lug. 92, 2 statt 96; p. 49 lug. 37, 5 statt 27; p. 65 lug. 38, 1 statt 10; p. 67 lug. 11 statt 111, 2; p. 71 Cat. 37, 4 statt lug.; p. 72 lug. 168, 3 statt 108; p. 79 lug. 7, 16 statt 6. Unan- genehmer sind , von den vielen druckfehlern nicht zu reden, zahlreiche Schreibfehler, z. b. adhibere mit nominativ p. 45 und mit ablativ p. 63 ; indicativ bei ut p. 46 (potest) oder cum p. 73; falsche negation p. 52, 53 u. s. w. Am schwersten aber wiegen die groben Verstösse gegen die latinität im gebrauche der partikeln, in dem satzbau und in einzelnen unrichtigen, jedoch stets wiederkehrenden, Wendungen, z. b. p. 75 Quin- tiliano auctore Sallustium archaismum . . adhibuisse , was sich öfter bei teste, testibus, auctore, auctoribus, praeeunte u. s. w. wie-

19*

292 167. Sallustius. Nr. 6.

derholt. Begegnen derartige Unebenheiten fast auf jeder seite, so fehlt es ab und zu auch nicht an sünden gegen die logik, z. b. p. 70 locutio . . antiquior est, quia eam haud raro a Plauto usurpatam esse cognovi. Ja p. 81 scheint in der eile sogar eine spur doppelter redaction der arbeit stehen geblieben zu sein. Doch genug der einzelheiten.

Auch die auf fas s u n g Schultze's bezüglich der arebaismen des Sallust im ganzen unterliegt manchen bedenken. Richtig wird die schon von Seneca und Quintilian erkannte nothwen- digkeit einer Scheidung der lateinischen archaismen überhaupt nach bestimmten zeitperioden hervorgehoben, dann bezüglich Sallust's speciell eine doppelte beschränkung seines archaismus festgestellt : p. 7 Sallustius quidem ex antiquissimis temporibus non formas grammaticas , sed tantum singula vocabula nonnullaque ad syntaxin pertinentia repetiit ; nee vero Catonis aetatem in oratione for- manda et verbis cligendis transgressum esse . . arbitror; p. 10 sq.: Sallustius archaismos usurpavit, qui tarnen iniuria ita augebantur, ut cum multa, quae in optimis scriptoribus etiamnunc sunt , prisca ha- berentur, tum iusti graecismi in archaismis adnumerarentur. Dieser satz, dass man, insbesondere Gerlach (der übrigens in seiner ausg. 1870, p. 89 gewissermassen widerruft) in der annähme von archaismen zu weit gegangen ist, hat der verf. erwiesen 5 dagegen wird jeder leser erkennen, dass der verf. seinerseits in der ableugnung von archaismen das ziel überschritten hat. Oder ist es etwas anderes, wenn er über den mangel eines evidenten beweises für die annähme eines archaismus klagt und auf grund hievon zur annähme einer Wirkung des sermo vulga- ris greift, ohne jedoch selbst den schein eines beweises zu lie- fern? Unrichtig ist auch der öfter ausgesprochene satz, dass Sallust omnino antiquos scriptores (p. 15. 16. 64 und sonst) nach- geahmt habe, sowie die ausdrückliche Scheidung zwischen ar- chaismus und der nachahmung des Cato (z. b. p. 79). Die alten Zeugnisse führen auf das gegentheil, indem sie beides zu- sammenfassen, vgl. Sueton. Gramm. 15 priscorum Catonis verborum furem; Quintil. VIII, 3, '29 verba antiqui multum furate Catonis. Die Würdigung dieser uud der übrigen Zeugnisse führt auch zur allein richtigen erklärung des archaismus bei Sal- lust. Weder gloriae splendorisque causa, wie der Franzose Del- tour wähnt, noch weil er oraüoncm aetatis suae propter ambi-

Nr. 6. 168. Tacitus. 293

tus corruptricem habebat, wie Laws glaubt, noch auch um admira- tionem antiquitatis taediumque verum praesentium auszudrücken, was nach Kritz und Badstübner der verf. annimmt, hat Sallust seiner rede das alterthümliche gepräge gegeben; vielmehr er- scheint der archaismus bei dem schriftsteiler als etwas sekundä- res. Wie zunächst die Vorliebe des autors für Thucydides das seinem wesen entsprechende streben nach kürze und die hin- neigung zu griechischen Wendungen bewirkte , so hat die be- wunderung des Cato, die beschäftigung mit seinen werken und das eindringen in den geist derselben die freude am alterthüm- lichen und an strengeren formen überhaupt genährt. Können wir trotz des geringen bestandes der erhaltenen schritten des Sallust und trotz der weit geringeren reste von Cato immerhin zahlreiche und unverkennbare berührungspunkte finden, so sind wir im zusammenhalte mit den alten Zeugnissen zu dem schlösse berechtigt, Cato als muster und meister des Sallust in seinem archaismus überhaupt zu betrachten. Vgl. die erörterung in der Zeitschr. f. d. g. w. XXV, 741.

168. Gerber, Dr. A. , nonnulla de usu praepositionum apud Tacitum. Gymnasial -Programm von Glückstadt. 1871.

Was in dieser Schrift des sonst schon in der Tacituslitera- tur bekannten Verfassers zu finden, gibt er selbst an: in prima parte de anastropha quae dicitur et de media praepositionum col- locatione egi, quibus pauca de variandi genere addidi quoad in ip&is praepositionibus conspicitur; in altera parte primurn praepositio- num compositiones collegi, deinde de praepositione in, tum de non- nullis aliis praepositionibus disserui. Zum schluss hat Gerber ei- nen index alphabeticus omnium particularum quae apud Tacitum leguntur hinzugefügt, über welche er bald genaueres veröffent- lichen möge, da es bei mancher partikel noch an specialforschun- gen mangelt. Neben gratia habe ich in dem index causa ver- misst, das sich mehrfach findet z. b. im Dial. 20, 13, in den Hist.: III, 68, 10. 70, 22. IV, 3, 5. An. 1, 13, 22. 3, 53, 20. 4, 1, 18. 16, 14. 35, 6. 39, 16. 11, 27, 5 (in einer for- mel) und 27, 8. 14, 57, 20. Der zufall hat es gefügt, dass ihm die arbeit des ref. : De praepositionum usu apud Tacitum dissert. Gotting. 1869, obgleich schon im 1. hft. v. 1869 der Biblioth. philologica von Müldener angezeigt, und Maud: De praeposi-

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positionis „ad" usu Taciteo. Frankfurt 1870 (Müldener 2. heft 1870) nicht bekannt geworden sind. Eefercnt handelte bereits über mehrere präpositionen , die auch Gerber hat: namentlich über apud und im vergleich dazu ad, coram, wie über adversus, contra, erga, ferner in der einleitung über propter , prope, iuxta, praeter, super, pone, sccundum, infra, citra, eis, circa, circum, prae, trans und tenus. Es wäre gut und für Eine arbeit notwen- dig, dass in Ann. buch VI. nach Einer methode citirt wird, so dass nicht wie bei Gerber unter apud (p. 2) 6, 37 (= 6, 31) und hinwiederum z. b. unter ob (p. 7) 6, 39 (statt 6, 45) steht, an welcher letzteren stelle es jedoch nicht nullam ob invidiam heisst, sondern nullam ob eximiam artem. Am besten wäre es, wenn alle in gleicher weise verführen, und da dürfte sich die in den sehr verbreiteten ausgaben von Nipperdey und Dräger (bei Halm ist beides) befolgte Zählung am meisten empfehlen. Da ferner Eiae präposition manchmal mehrfach in Einem kapi- tel vorkommt und auch das aufsuchen besonders bei massenhaf- ten citaten zu viel zeit in anspruch nimmt, so wäre es prak- tisch, wenn, wie ich bereits oben und schon in meiner dissertation gethan, dem auch Maue* gefolgt ist, die Zeilenzahl angegeben würde und zwar nach der allgemein verbreiteten textansgabe von Halm. Genauigkeit und Vollständigkeit ist aber, sollen derartige forschungen zu endgültigen resultaten führen, unum- gänglich nothwendig. Wie leicht jedoch etwas übersehen wer- den kann, zeigt gleich die erste präposition bei Gerber: apud. Zu den vier unter ß angeführten beispielen kommen nämlich noch weitere fünf, vgl. meine diss. p. 12. Ferner steht Ann. 1, 31, 4 nicht ripam apud Rheni, sondern regelmässig apud ripam Rheni. Es wäre wünschenswert!) gewesen, wenn Gerber bei anführung der stellen sich der von Draeger Syntax p. 76, §. 225 gegebenen eintheilung in die sieben klassen angeschlos- sen hätte. Zu coram ist zu bemerken , dass me coram Ann. 3, 52 (muss übrigens 3, 53, 2 heissen) nicht richtig ist , denn co- ram ist dort adverbium. Nr. 3 5 und 8 13 sind voll- ständig, vgl. Nipperd. zu Ann. 3, 64. Bei inter vermisse ich Ann. 6, 41, 13 Artabanum Scythas inter eduetum und 14, 33, 1. Ann. 2, 83, 15 veteres inter scriptorcs. Wie z. b. bei de hätte auch das einmalige 16, 27, 4 inter quorum aspectus et mi- nus herangezogen werden können. Unter intra fehlt 13, 4,

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8 und statt 11, 20 muss es 11, 10, 14, statt 14, 40 4, 40, 19, statt 16, 7 16, 17, 1 heissen, wie auch unter super nicht Hist. 3, 16, sondern 3, 19, 2 und nicht Ann. 4, 40, sondern Hist. 4, 40, 23. Bei tenus hätte Gerber nicht 13, 41, 15 anführen dürfen, giebt er doch auch selbst gleich darauf dieses beispiel unter hactenus an: vgl. Nipperd. und Draeger zu d. st. Mit recht verwirft er (doch zuerst Wölfflin im Jahresbericht Piniol. XXV, p. 116) die Ritter'sche conjectur Ann. 3, 34, 5. Unter a und ab giebt Gerber zuerst die stellen, wo sich ab vor con- sonanten (Neue, Formenlehre II, p. 533) findet: bei ante literam ,,s" fehlen Ann. 4, 20, 10 ab saevis adul. und 5, 4, 15, wie 15, 18, 2 ab senatu. Da sonst in den kleinen schritten und historien vor s stets a steht und ferner die cod. CDE im Dial. 14, 24 auch a haben , so ist wohl hier a scholasticis (Michaelis, Halm, Gerber schreiben ab) zu lesen. Ferner führt Gerber un- ter ab mit Otto, Halm Ann. 6, 54 (48), 18 «5 semet an: die cod. haben ac , wie verschreibungen sich mehrfach finden z. b. Ann. 2, 62, 11 und 6, 9, 15 steht in den cod. ad, wofür man „ab" sedibus und „ab" Sejano geschrieben hat. Ich glaube je- doch, dass Rhenanus das richtige getroffen und Nipperdey auch in seiner neuen Weidmann'schen textausgabe mit recht ,,a" se- met aufgenommen hat. Denn Tacitus hat in den bei Gerber und oben von mir angeführten beispielen ab nur vor den Wor- ten: sedeeim, senatu (doch auch „a" senatu: 3, 48, 2. 13, 2, 15 und 10, 3. 14, 48, 9), solidis, sedibus, Suria, Sejano (nach emend., doch „a" 3, 16, 5), Servüio, während er stets vor dem pronomen se die form „a" hat (Ann. I, 13, 20. 17, 23. 4 7, 9. 3, 12, 3. 6, 18, 5. 13, 34, 12. 14, 25, 6. 55, 7. 15, 26, 12. 55, 10. 67, 21. 70, 4), ferner gerade „a" semet sich auch noch findet

12, 44, 14 und 15, 45, 11, überhaupt auch in den Ann. vor s das gewöhnliche die form „a" ist : ausser den schon angeführten stellen noch 1, 67, 9. 3, 50, 7. 66, 2. 6, 3, 7. 50, 23. 12, 34, 6.

13, 32, 2. 14, 20, 4. 59, 4. 15, 35, 2, wie vor S 1, 57, 1. 2, 47, 10. 80, 8. 3, 66, 6. 11, 35, 13. 12, 53, 6. 13, 3, 7 =

14, 65, 5 = 15, 45, 15. Zu den drei stellen, wo ab vor L steht, ist noch Ann. 1, 53, 22 hinzuzufügen, wie unter denen für die anastrophe (4, 24, 2 nationibus statt primoribus) Ann. 3, 10, 10 iudice ab uno und Ann. 4, 5, 9 initio ab Suriae nicht hatten vergessen werden dürfen. Unter den beispielen in

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der anm. p. 4 für a tergo, wofür bei Tacitus nie ab tergo, wie bei Caesar (s. Neue Formenl. p. 534, Caes. BG-. 7, 87, 4. BC. 3, 86, 3, doch auch „a" tergo: BC. 3, 44, 4. 93, 6. 94, 2. B. Alex. 20, auch „a" B. Afr. 5. 40, B. Hisp. 40), Sallust (s. Dietsch zu lug. I, 58, 4), Livius, und auch ähnlich nie post tergum steht, fehlt Hist. 3, 23, 12. Ueber adversus vgl. meine diss. p. 39 ff. ad ist zu ergän- zen nach Maue* , s. diss. p. 71 und 72, der mit recht die ver- schiedenen arten der anastrophe gesondert giebt; bei Maue" feh- len jedoch unter a) 11, 28, 6. 15, 46, 6: auch ist hier 3, 13, 8 fälschlich angegeben, b) Ann. 4, 74, 15 quod quisque ad ne- gotium, c) 11, 37, 7. d) 14, 61, 17 steht ad cuius nutum. Unter den stellen von cum hätte vor allem nicht Germ. 40, 11, multa cum veneratione fehlen dürfen, weil derartiges bekanntlieh in den kleineren Schriften äusserst selten ist. Quieta c. indu- stria steht nicht Hist. 4, 50, sondern 3, 50, 11. Zwar ist es richtig, was Gerber sagt: cum est unica praepositio quae in M- etoriarum libris frequentius hunc medium locum obtinet, doch darf von weniger mit dem schriftsteiler vertrauten daraus nicht geschlos- sen werden , dass die gewöhnliche Wortstellung nicht die übli- che in den Historien wäre; diese ist vielmehr die durchgehende, ja im ersten buche die alleinige, wie bei Sallust cum nie zwi- schen adjectiv und Substantiv steht. Unter den beispielen fehlt noch Ann. 1, 34, 14, wie auch Ann. 12, 14, 6 erwähnenswerth war. Cum mit dem personalpronomen ist es bei Gerber (p. 6 oben) recht übel ergangen und thut hier die controle sehr noth : es zeigt dieser im lateinischen constante gebrauch der postposition auch in der entwicklung der Schriften des Ta- citus nichts ungewöhnliches , denn in den kleineren Schriften findet es sich 5mal, in den Hist. 12, in den Ann. 20mal und zwar (ich gebe die stellen wegen des irrthums bei Gerber) me- cum: Dial. 15, 12. Hist. H, 47, 14. Ann. 3, 53, 6. 13, 21, 12. 15, 2, 3., tecum nur Dial. 10, 19., secumt Agr. 46, 10. Hist. 1, 12, 6. 88, 6. 3, 20, 15. 4, 17, 19. 71, 17. 76, 5. Ann. 2, 12, 9. 4, 12, 8. 6, 15, 13. 11, 25, 13. 12, 2,

9. 22, 2. 13, 15, 3. 14, 23, 9. 34, 11. 35, 12. 15, 54, 15. 16, 26, 19. 32, 2. nobiscum: G. 29, 11. Hist. 1, 15, 27. 38, 8. 84, 21. 3, 20, 21. 4, 65, 10. Ann. 4, 55, 23. 12, 10,

10. 18, 5. 62, 3. vobiscum nur Dial. 22, 2. Bei dem ein-

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maligen quibuscum (Ann. 1, 25, 10) muss bemerkt werden, dass es sich in einem briefe findet: in diesen hat ja Tacitus man- ches besondere; sonst sagt er, wie auch stets Livius , Com. Nepos, Curtius Rufus *), cum quibus , und auch cum quo, cum qua. Wenn Dial. 37, 38 die emendation von Latinus Latinius in seiner bibliotheca profana p. 37 Rom 1677 für das hand- schriftliche qui richtig ist (s. auch Dryander conjecturae in Dial. de orat. progr. v. Halle 1851 p. 29), so würden wir für die erstlingsschrift des Tacitus noch ein dem relativum ange- hängtes cum gewinnen: vgl. Michaelis ed. (die stelle bei Halm ganz anders) und Sirker, Taciteische Formenlehre Berl. 1871, p. 43. P. 6, z. 4 ist fälschlich Ann. 1, 25 wiederholt. Für de giebt Gerber alle beispiele: es hätte nur noch Ann. 12,

14, 16 Arsacis de gente erwähnt werden können. Ferner steht adverso de proelio Hist. 2, 52, 3 und quaqua de re Ann. 6, 7 (13), 18. - Zu ex will ich bemerken, dass in der Germ. 2, 12 Tacitus noch e quorum nominibus sagt und auch Ann. 13, 13, 5 ex cuius familiaribus (wie auch bei in z. b. 15, 22, 9 in cuius locum): dies kann, wie bei de, mit den beiden stellen aus den Ann. verglichen werden. Ann. 3, 1, 6 muss es vicinis e municipiis heissen und unter den sechs stellen für magna ex parte, wofür Tacitus nie ex magna parte sagt, Hist. II, 37, 16 statt Hist. 37. Die besprechung über die Stellung der prä- position in, wie über ihre bedeutung p. 10 ff. behalte ich mir einstweilen vor, da ich bei dieser präposition kein volles zu- trauen zu meinen collectaneen habe. Sehr vieles giebt Maue zur vergleichung mit ad. Der recenseht W(ölfflin) in Zamke's Liter. Centralblatt 1871, nr. 25 sagt, dass unter den Verbin- dungen von in mit adjectiv, die bekanntlich Tacitus mit schö- pferischem geiste ausgebildet, bloss in prominenti Ann. 1, 53, 17 fehle, bei in lubrico und in publice- die stellen 6, 51, 8. 59 (muss 15, 59, 17 heissen, für welche stelle Gerber fälschlich

15, 19 angiebt) übergangen seien und Ann. 4, 22, 2 in prae- ceps statt in aneeps citirt werde. In hinsieht auf jene recen- sion will ich nebenbei bemerken, dass per idem tempus (Maue* p.

1) "Wenn Kräh im Insterburger progr. 1871 „Curtius als schul- lectüre" th. II, p. 9 übrigens angiebt: „Cum quibus" hat Curtius 3mal, so hat er sich wahrscheinlich zu sehr auf die anmerkung in Mützell's ed. p. 559 verlassen: es steht noch VII, 6, 8. X, 2, 16 und 2, 29 au- sser VI, 7, 14. VII, 11, 6. VIII, 5, 9.

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33) sich doch schon einmal in den Historien findet: 1, 73, 1. Ob ist vollständig. Bei per fehlt Hist. 1, 62, 16, Ann. 15, 36, 7, wie unter den neun stellen für das beliebte tot per annos Ann. 14, 54, 12, wofür Tacitus, selbst wenn der nach- druck auf tot liegt z. b. Ann. 3, 58, 10, das regelmässige per tot annos noch hat: Ann. 1, 12, 13. 54, 10. 2, 27, 4. 6, 32, 9. 12, 18, 9. 13, 50, 12. Den sieben stellen mit vorgesetzten numeralien stehen in den Annalen ebenso viele gegenüber, z. b. Ann. I, 9, 6 per Septem et triginta annos etc., einmal mit nach- druck hinter dem Substantiv 3, 55, 3, wie auch 3, 34, 24 per plures annos vgl. 6, 25, 14 = 11, 22, 7. Bei pronominen (Maue* p. 50) hat per stets (ausgenommen I, 23, 2 quorum per umeros) seine Stellung vor diesen, z. b. in vergleich mit den stellen bei Gerber für dies: wie Ag. 41, 1 per eos dies, so Hist.

1, 20, 13. 88, 1. 3, 38, 1. 63, 9. 46, 1. Ann. 1, 69, 5. 14, 21, 23. 1, 42, 7 per hos dies, 3, 44, 12 per Mos dies = 4, 42, 1. 63, 10. 16, 2, 5. cf. 2, 24, 9. Ann. 3, 60, 4 muss es Graecas per urbes heissen. Zu post und zur anm. p. 8 will ich bemerken, dass multos post annos Ann. 2, 52, 20 und 14, 12, 12 steht (vgl. über Sallust, Dietsch zu lug. 41, 1 und

11, 2), ferner dass Tacitus immer paucos post dies sagt. Vgl. zu Ann. 4, 8, 3 und 29, 14, wie 12, 27, 14 auch Ann. I, 17, 22 post sedecim annos und 6, 46, 20 post iricesimum annum. paucos ante dies wird Hist. 2, 76 statt Hist. 3, 76, 9 citirt. Neben Ann. 2, 85, 16 certam a. diem und Ann. 3, 51, 8, wo das zahlwort mit nachdruck nachsteht, steht Hist. 2, 95, 3 a. illum diem. Vgl. Ann. 13, 53, 5 (Dial. 25, 4) mit 13, 58,

2. Erwähnenswerth wäre die merkwürdige anastrophe in Ann.

12, 69, 1 gewesen: vgl. Draeger und Nipperd. zu d. St. Unter sub muss es Ann. 14, 48, 15 egregio sub principe heissen. P. 8 und 9 handelt Gerber nur im allgemeinen über die varia- tio, weshalb ich nicht genauer darauf eingehen will : er hätte jedoch (Roth Agric. p. 277. Zernial genetiv p. 14) für die kleineren Schriften, weil Draeger „Syntax und Stil des Taci- tus" p. 36, §. 104 irrt, noch andere beispiele z. b. aus der Germania als nur c. 46 „victui herba etc. (Draeger Syntax p. 82) bringen müssen: vgl. z. b. die 4 in meiner diss. p. 10 oder für den Wechsel einer präposition mit einem casus (Drae- ger §. 105) neben G. 32, 4 apud Chattos quam Tencteris

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G. 17, 15 non libidine, sed ob nobilitatem pluribus nuptiis ambiun- tur oder G. 40, 2 non per obsequium, sed proeliis et periclitando tuti sunt. Die unter den drei aus Agr. c. 12, 4 angeführte stelle, in welcher Draeger mit unrecht das pro nobis als ver- dächtig anzweifelt, enthält doch gewiss keine variatio. Eine bis jetzt noch wenig beobachtete variatio (fehlt auch bei Drae- ger Syntax p. 82), besteht darin, dass mit einem adjectiv ein präpositionaler ausdruck wechselt, wie bei sine2): G. 35 , 8 sine cupiditate , sine impotentia, quieti secretique nulla provocant bella, Hist. 3, 8, 16 incruentam et sine luctu victoriam, Hist. 4, 58, 38 maturam et sine noxa poenitentiam) Ann. 3, 69, 20 insidam Gyarum inmitem et sine cultu hominum. Ein schlagendes bei- spiel für die variatio aus den Historien wäre gewesen 4, 11, 1: Tali rerum statu, cum discordia int er patres, ira aptid victos, nulla in victoribus auctoritas, non leges essent, etc.

P. 11 giebt Gerber im anschluss an in die beispiele der häufigen Verbindung von e und ex mit einem adject. neutr. gen. Diese ist in den kleineren schritten zwar noch sehr sporadisch (Dial. nicht, Ag. zweimal, G. einmal), aber dann dehnt sie sich besonders in den Historien aus (I 4mal, 86, 12 e publico fehlt bei Gerber; n 5mal , 97, 8 ex aequo fehlt, oder 6mal, wenn 77, 11 ex. tuto von Haase statt tu hos bei Halm richtig ist, III 8mal oder 9mal , wenn Heraeus 23, 4 richtig „e" vacuo atque aperto vermutbete, IV 6mal), während sie hin- wiederum in den Annalen nicht so häufig ist, wie dies ja in manchen erscheinungen bei Tacitus der fall ist (I lmal, II und HI je 2mal, 3, 1, 9 ex alto fehlt, IV 6mal, in V lmal, in XH und XIV je einmal, Xni 3mal, XV 2mal, in den übrigen bü- chern nicht). Ich gebe diese übersieht , weil sie bei Gerber nicht recht deutlich hervortritt. Bei ex propinquo fehlt Ann. 4, 33, 23 und Ann. 2, 24 muss es revenerat heissen. Es hät- ten hier auch die ausdrücke mit per und mit einem adject. sing, neutr. gen. erwähnt werden können, die sich, statt eines adverbs gebraucht, jedoch auf per oecultum (vgl. in u. ex oeculto) reduciren (nur in den Ann. 4, 42, 8. 71, 21. 5, 4, 13. 6, 7, 15 cum primores senatus infimas etiam delationes exercerent, alii propalam, multi per

2) Oft zwar aus mangel an einem adjectiv, doch nicht immer. Der Wechsel namentlich mit sine häufig, besonders bei dichtem, doch auch andere präpositionen z. b. de bei Ovid Met. 9 , 730 naturale et de more malum.

300 168. Tacitus. Nr. 6.

occultum) vgl. weiterhin Agr. 23, 4 per inmensum = Ann. 15, 40, 2 und namentlich zu dieser stelle Draeger. Ann. 3, 65, 1. 4, 62, 5 (63, 8). 11, 21, 4 = 14, 59, 8 vgl. Heraeus zu Hist. 3, 79, 1 und 82, 15. 16, 1,8.— Zu p. 16 anm.: für inter se giebt Gerber alle stellen mit ausnähme von 12, 30, 8. 44, 2. 14, 27, 11 (und unter 5) Hist. 1, 85 st. H. 2, 85, 7. Ann. 15, 72 ist fälschlich angeführt), wie auch für inter nos; c. 26 st. Hist. 5, 26, 7. Zu der präpos. ob p. 22, auf deren entwicklung Gerber p. 9 aufmerksam macht (Dial. nicht, Ag. 2, G. 3, Hist. 27 (nicht 25), Ann. 138 (nicht 135) mal), will ich bemerken, dass mir Ann. 1, 79, 1 in ob nicht das id ipsum quod quis agendo assequi studet, consilii ac finis notio enthalten scheint, son- dern dies in der ausdrucksweise mit dem gerundivum liegt. An- ders sind natürlich die zwei anderen beispiele mit dem gerund, zu fassen: Ann. 4, 31, 11 und 11, 5, 10. Es hätte wohl ge- nügt zu sagen, dass an dieser stelle das von Tacitus beliebte ob etwa in der bedeutung des sonst gewöhnlichen ad stehe. Ferner erscheint mir die erhlärung von Ann. 1, 44, 15 egui- dem interpretari mallem ,, gegen" die, non vero ,, wegen" der zu gesucht oder vielmehr unrichtig. Ob hat gerade bei Tacitus grossentheils die funktion des bei ihm nur zweimaligen (vgl. meine diss. p. 5), bei Caesar, Cicero u. a. so häufigen causa- len propter oder ähnlicher ausdrücke. Ferner ist zu beachten, dass Tacitus mit dem gebrauche von ob in den ersten büchern der Annalen im vollen zuge ist (in I und III je 21, in II 24mal etc., in den letzten büchern lässt jedoch eine von mehr- fachen erscheinungen der gebrauch von ob sehr nach), ferner, dass, wenn Tacitus an dieser stelle die bedeutung ,,gegeu" im äuge gehabt hätte , er wohl nicht specie defendendae provinciae ob inminentis Suebos geschrieben, sondern eben schon der merk- würdigen bedeutung wegen, von welcher Gerber selbst zugiebt quamvis unicum (d. h. übrigens nicht allein bei Tacitus, sondern in der ganzen latinität) huius usus exemplum esset, sich der Wort- stellung sp. prov. def. ob inm. S. bedient hätte. Mag immer- hin etwas alterthümliches, ein antiquus color in den beispielen dafür ist Gerber etwas zu weit gegangen in ob sein, so haben wir darin eben einen grund, weshalb Tacitus diese präposition allmählich so bevorzugt hat. Schade, dass Gerber mitten in der darstellung von ob abbricht. Gewiss hätte sich mancher freund

Nr. 6. 168. Tacitus. 301

des Tacitus gegenüber dem von Gerber mitgetheilten interessirt, wenn er z. b. noch erfahren hätte, dass trotz des so häufigen ob Tacitns das sonst so beliebte quam ob rem , quam ob causam und ähnliches nicht gebraucht, gewiss weil zu abgenutzt, son- dern, wie zuweilen auch Sallust und schon mehrfach Livius vgl. Kühnast, „llauptp. der liv. Synt." p. 365, dafür stets neben dem einmaligen easque ob res ,,zur belohnung dieser thaten" Ann. 4, 44, 10 sagt ob quae: Ann. 2, 30, 16 ob id 2, 35, 4. 66, 9. 3, 42, 9.-75, 9. 6, 8, 2. 9, 8. 25, 12. 13, 5, 5. 14, 60. 7. ob ea 2, 87, 3. 11, 25, 17. ob eaclem 4, 52, 14 ob liaec 12, 65, 3. 13, 41, 17. 14, 64, 11 und endlich für das einmalige (2 45, 5) non aliam ob causam, quam quia in 2 , 82, 7 neque ob aliud quam quia und 2, 86, 6 non ob aliud quam quod. P. 23 bespricht Gerber mit herbeiziehung auch anderer Schriftsteller propter. Für das bei Tacitus einmalige und zwar metaphorisch gebrauchte prope (Gerber p. 24), worüber Kühnast p. 366 „me- taphorisch selten, Livius zuerst", konnten zwei ganz ähnliche beispiele (vergl. meine diss. p, 6) aus Livius beigebracht wer- den. Im anschluss an prope handelt Gerber p. 25 über propius etc., dann über juxta und p. 26 über pone in Übereinstimmung mit mir p. 7. Unter super giebt Gerber (p. 26) im ver- gleich mit insuper den „adverbialen" gebrauch und zeigt , dass in locis Tacitinis meram localem notionem in adverbio „super" inesse, quod nunquam in locum adverbii „insuper" i. q. noch dazu, noch oben- drein ccssit. Ueberzeugend scheint mir deshalb seine leichte Ver- besserung Hist. 2 , 34 , 9 iactls insuper ancoris statt super, denn der zweite erklärungsversuch als praeposition „die schiffe wurden über ausgeworfenen ankern (ruhend) gegen die Strö- mung des flusses gerichtet" ist abgesehen von dem dage- gen vorgebrachten doch wohl nicht ernstlich gemeint. Le- ber den präpositionaleu " gebrauch habe ich in meiner diss. p. 6 anm. 3 und p. 7 gehandelt und durch anführuug der beispiele gezeigt, quantum Tacitus paullatim pro magis vulgari „praeter" praepos. „super", qui usus primum invenitur apud' Li- vium, (vgl. jetzt dazu Kühnast p. 367) adamaverit. Mit der er- klarung (p. 27) von Ann. 15, 63 vrgl. die meinige p. 51 ff. Zum schluss theilt Gerber den adverbialen und präpositionalen gebrauch von coram mit. Unter den beispielen für den letzteren giebt er ausser den schon von mir (p. 36) angeführten stellen

302 169. Seneca. Nr. 6.

noch Ann. 4, 75, 2: doch mit unrecht, denn Cn. Domitio ist dativ und coram adverbium, welches Tiber war, wie kurz vorher berichtet ist, nicht mehr in Rom dem in urbe gegenübersteht.

Greef.

169. De L. Ann. Senecae quaestionibus naturalibus et epistolis diss. scr. Fr. Schul tess. 8. Bonn. 1872.

Haase hatte sich durch auszüge des Vinceotius aus den Quaest. Naturales zu der vermuthung bestimmen lassen, die ursprüng- lichen acht bücher der schrift seien in Verwirrung gerathen, in- dem ein zu anfang und am ende beschädigtes exempiar in der mitte zerschnitten und die hälften später verkehrt zusammenge- fügt wurden. Die von ihm angenommene reihenfo'ge der bü- cher: IVb (IV, 3 13) V. VI. VII. I. IL IE. IV» (IV, 1. 2) hat sein schüler Larisch im cod. Leidensis wirklich gefunden.

Mit recht macht Schultess hiergegen geltend: 1) die schwung- volle vorrede des üb. I gehört dem ganzen werke an und kann darum nicht in der mitte gestanden haben ; 2) die worte quam magnarum verum fundamenta ponam (praef. lib. III) müssen einem früheren als dem vorletzten buche angehören; 3) die ein- theilung des Stoffes (init. lib. II) und besonders die futura §. 4 weisen diesem buche einen früheren als den drittletzten platz zu; und versucht auszuführen, dass die jetzige reihenfolge die ursprüngliche sei mit ausnähme von lib. I, welches aus versehen statt an die letzte stelle hinter die gesammt-voirede gekommen. Unter den gründen hierfür ist der schwächste, wenn aus VI, 23, 4 und VII, 5, 3. 5 folgen soll, dass lib. VII nach lib. VI geschrie- ben ist, während mit gutem recht aus der handschriftlichen les- art dictum est (I, 15, 4) geschlossen wird, dass lib. I hinter lib. VII gehört. Unbeachtet geblieben sind die epiloge lib. II, V und VI, welche einerseits die annähme einer herausgäbe nach Seneca's tode (p. 25 not.) ausschliesseu , andrerseits dafür spre- chen, dass praef. lib. I, VII, I und II, ferner IV8, lVb und V zusammen, III und VI, jeder für sich herausgegeben sind. Hinsichtlich der briefe widerlegt Schultess die bedenken, welche gegen die aus der schrift selbst sich ergehenden Zeitbestimmun- gen erhoben sind, lässt sich aber seihst durch das behagen an seiner conjectur ac Pompciorum tuorum conspectus (ep. 49) ver- führen, ep. 68 70 zwischen 48 und 49 zu setzen. Mehr an-

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sprechen dürften seine vorschlage: 22, 1 quaedam non nisi prae- senti monstrantur ; 26, 3 düigenter excutere, quae non possim fa- cere, quae nolim posse, habiturus aequi, si nolim quidquid non posse me video; 40, 4 incompta für incomposita ; 53, 7 sopor aniraum al- tius rnergit, quam ut in ullo intellectu sui sit\ 61, 1 ea desii velle quae puer volui; Qu. N. IV praef. 10 quod consectari malles quam contueri.

H. Lehmann.

170. Considerations sur les causes de la grandeur des Ro- mains et de leur decadence par Montesquieu. Für den schulgebrauch erklärt von Dr W. Wendler, Oberlehrer am gymnasium zu Zwickau. 8. Leipzig, Teubner. 1871.

Ganz gewiss bat der Verfasser einen glücklichen griff da- mit gethan , dass er das wegen seines gediegenen inhalts und seiner körnigen spräche noch immer sehr lesenswerthe werk Moutesquieu's zur lectüre für die oberen gymnasialklassen aus- gewählt und eingerichtet hat. Nach seiner vorrede will er ,, durch herbeiziehen des lateinischen den Unterricht im franzö- sischen auf den höheren lehranstalten unterstützen und die- sen Unterricht in Verbindung bringen mit andern disciplinen". Ohne zweifei meint der verf. damit die geschichte und die geo- graphie. Beide Wissenschaften sind in den anmerkungen auch reichlich bedacht, oft vielleicht zu reichlich. Eine geschmack- volle interpretation beschränkt sich auf das, was zum verständ- niss des Schriftstellers förderlich ist; was darüber hinausgeht, ist vom übel. Die blosse erwähnung Thessaliens und der kö- nige von Macedonien erfordert z. b. p. 42 und 43 die aus- führliche beschreibung beider länder nicht im entferntesten-, durch die Schilderung erhält die stelle Moutesquieu's nicht die mindeste beleuchtung.

Ob der verf. in den grammatischen anmerkungen immer seinem Vorsatz treu geblieben ist , die lateinische grammatik herbeizuziehen, bezweifle ich. Gerade für die gymnasiasten müsste die gruppirung der fälle, in welchen die französische grammatik dem subjonctif die einfache Verneinung ne hinzuzu- fügen gebietet, durch die vergleichung des lateinischen sehr leicht und sehr förderlich sein. Denn 1) nach den verbis ti- mendi braucht man im lateinischen für unser dass ne, im fran-

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zösischen (wenigstens für das affirmative zeitwort des fürchtens) den subjonctif mit ne; 2) nach non dubito etc. steht im latei- nischen quin, im französischen nach den Zeitwörtern des zwei- felus und bestreitens , und auch nur wenn sie verneint sind, ne mit dem subjonctif ; 3) nach den verbis impediencü folgt quominus (d. h. ein verneinender ausdruck) oder wenn sie selbst verneint sind, auch wohl quin; im französischen nach empeclier, iviter und ähnlichen regelmässig, nach dem affirmativen wie verneinten verbum, ne beim subjonctif; und 4) im lateinischen nach non multum abest gleichfalls quin, im französischen nach peu sen faut der subjonctif mit ne. Statt nun aber die fälle in dieser übersichtlichen weise zu gruppiren und auseinander- zuhalten, bringt der verf. durch seine bcmerkungen nur Verwir- rung in die sache. Er sagt p. 51 : ,,die verba douter, nier, conte- ster enthalten an und für sich schon eine negation, durch welche die befürchtungen vor dem eintreten eines ereignisses in abrede gestellt werden. Tritt aber eine negation hinzu, so wird durch dieselbe die in den verbis liegende negation aufgehoben, es wird also aus dem verbum des zweifelns ein verbum des be- hauptens und fürchtens; es ist demnach falsch zu sagen : diese verben werden umgekehrt construirt als die verben des fürch- tens ; man muss vielmehr sagen, sie werden durch hinzutretende negation zu einem verbum des fürchtens und müssen demge- mäss construirt werden". Man denke : „je ne doute pas quHl n'y ait un dieuu. soll nach dem Verfasser bedeuten: ,,je crains qu'il n'y ait un dieu" ; und nach ihm ist: „ich behaupte, dass es einen gott giebt" und „ich fürchte, es könnte einen gott geben" dasselbe! Zu solchen abenteuerlichkeiten kommt man, wenn man im bestre- ben allgemeine gesichtspunkte zu erfassen, ungehöriges mit ein- ander vermengt, und gerade die historische Sprachforschung, mit welcher der Verfasser sich beschäftigt hat, hätte ihn von solchen versehen zurückhalten müssen. Jeder gymnasiast weis9, dass nach nemo est qui , nihil est quod der conjunctiv ge- setzt werden muss. Die regel ist im französischen dieselbe; aber statt auf den Ursprung derselben aus der lateinischen ausdrucks- weise aufmerksam zu machen, sagt der Verfasser p. 28 zu den Worten il n'y avait point d'csp&rancc qui put Völliger ä faire la paix: „ne point hat die bcdeutung eines Superlativs" und verwirft damit auf die erst abgeleitete eigenthümlichkeit des

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französischen, nach dem Superlativ in relativsätzen den subjonctiv zu gebrauchen, statt auf das ursprüngliche aus dem lateinischen stammende Sprachgesetz.

Für die grammatischen regeln, welche der Verfasser in den anmerkungen herbeizieht, hat er im allgemeinen die besten quel- len benutzt, Mätzner und Holder; gleichwohl hätte manches deutlicher und genauer gefasst werden müssen. Wenn er p. 12 sagt, zu den worten VEtat sembla avoir perdu Väme qui le faisait mouvoir: ,, mouvoir: der infinitiv hat passive, reflexive oder intransitive bedeutung, da „le" object der handlung ist", so wird weder die spracheigenthümlichkeit begriffen, noch der lernende in stand gesetzt , in ähnlichen fällen richtig zu schrei- ben. Aber freilich giebt auch keine grammatik , so viel ich weiss, auskunft über diesen fall. Bei reflexiven Zeitwörtern (oder verbes pronominaux) nämlich wird hinter faire stets se (oder das zurückbezügliche fürwort überhaupt) ausgelassen. Man sagt se taire, aber faire taire qlq. , s'asseoir , aber faire asseoir qlq. , se repentir, aber faire repentir qlq. etc. (man findet mehr beispiele in Herrig's Archiv XXI, p. 319 flg.). Diese ellipse des für- worts hat selbst grammatiker getäuscht. So hat Plötz in ei- nem französischen Schriftsteller gefunden: Cliopätre jeta une perle dans un vase de vinaigre et Vy fit resoudre und übersetzt das: „und liess sie darin auflösen", als wenn sie einem diener befohlen hätte, die perle aufzulösen. Er hätte übersetzen müs- sen „und liess sie sich darin auflösen", da resoudre hinter fit für se risoudre steht. Doch sagt man: faire se retourner qlq. bewir- ken, dass jemand sich umdreht, weil faire retourner zurückkehren lassen heisst. Nach der erklärung Wendler's könnte der schüler leicht auf die Vorstellung kommen, dass mouvoir (wie allerdings bisweilen das lateinische movere) auch intransitiv gebraucht wer- den könne. Aber man muss sagen : VEtat se meut und cela fuit mouvoir VEtat. Eben so unklar ist die bemerkung p. 112 respecter ist als infin. passivi anzusehen, daher steht auch der ablativ des soldats. Es heisst bei Montesquieu : ils se firent re- specter des soldats; das passive ist nicht respecter, sondern se faire. Bisweilen ist die begränzung der regel nicht scharf ge- nug. P. 37 heisst es: „etre mit dem blossen infinitiv ist ein verbum der beweguug. Das präsens hat dabei die bedeutung eines perfects" Welcher schüler würde nicht daraus schliessen, Philol. Änz. IV. 20

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dass man auch das präsens von etre, das ja ausdrücklich ge- nannt wird, mit dem blossen infinitiv verbinden kann? und doch kann man zwar in den präteritis sagen: fai eti me pro- mener, aber niemals je suis me promener, etre se promener. Es ist die gewöhnliche grammatische regel , dass meme hinter meh- reren Substantiven kein s bekommt: aber diese gewöhnliche grammatische regel ist eben nur ein nothbehelf. Besser sagt schon Holder, dass meme unverändert bleibt , wenn es , wie an der stelle Montesquieu's p. 9, eine Steigerung ausdrückt. Sonst ist es auch hinter zwei Substantiven veränderlich; mit einem von mir gemachten zusatz müsste Barthelemy an einer bekann- ten stelle gesagt haben : Les Romains n'ont vaincu les Grecs et les Gaulois que par les Grecs et les Guulois memes. Andere bemer- kungen, welche als allgemein gültig hingestellt werden, passen höchstens auf einzelne fälle und treffen gar nicht den kern der sache. Zwei adjectiva, sagt der Verfasser p. 5, stehen nach dem substantivum , wenn der ton auf dem letzteren ruht; wer wird in dem ausdruck une terre rousse et ferrugineuse und tau- tend ähnlichen das substantivum betonen ? Einzelne erklärun- gen sind geradezu falsch. Zu p. 55 z. b. bringt der Verfasser einen ganz unbegründeten unterschied von pret de und pret ä vor. Man höre zuerst, was das dictionnaire critique von Feraud, Marseille 1788 darüber sagt: On dit, dans le Dict. Gram, (wel- ches gleichfalls von Feraud herrührt), qu'il regit „ä" et „de": on le dit d'apres Vexemple de plusieurs auteurs, qui ont employi le second regime: mais c'est une inattention de leur part: ils ont con- fondu pret avec pres Montesquieu dit, pret de. „II n'y avait point de Services que les peuples et les rois ne fussent prets de rendre ni de bassesse quils ne fissent pour Vobtenir (le titre d'allies des Romains)" . On doit dire pret a rendre Ce se- rait une faute de dire „pret de partir". Plusieurs fönt cette faute. Acad. Wailly. Und welchen unterschied bringt der verf. zu eben dieser stelle Montesquieu's heraus? Er schreibt: prets de = etre disposis; prets h = etre au point. Gerade umgekehrt : wo die älteren schrittsteiler , in folge einer Verwechslung, pret de gesagt haben, ist es gewöhnlich in der bedeutung von prbs de genommen, zu dessen Umschreibung der verf. etre sur le point hätte sagen müssen ; au point heisst „in dem grade". Zu p. 56 II n'y a qu'ä voir comme ils terminerent les guerres d'Atta-

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lus et de Prusias, fragt der verf.: „warum nicht comment?" Das letztere ist für die jetzige spräche nothwendig ; comme wird in indirecten fragen nur in einem mit combien ähnlichen sinne, Ver- wunderung oder indignation ausdrückend, gebraucht, wie in dem von der academie angeführten satze : voyez comme il m'a traitel Zu aisement lässt der Verfasser p. 57 communement etc. vergleichen ; aber das erstere ist adverbium zu aise, das andere von commun; der verf. hätte lieber die adverbien von eigen- schaftswörtern auf e zusammenstellen sollen, wie passionnement etc. und hätte dann auch noch diejenigen dieser adjectiva an- geben können, die kein adverb bilden, wie zele etc.

In einzelnen fällen hat der Verfasser den sinn des Schrift- stellers nicht recht gefasst. Auf p. 47 zu dem satze: Enfin les rois de Syrie tenaient la haute et la hasse Asie: mais Vexpe- rience a fait voir que dans ce cas, lorsque la capitale et les princi- pales fovces sont dans les provinces basses de V Asie , on ne peut pas conserver les hautes ; et que , quand le siege de Vempire est dans les hautes, on s'affaiblit en voidant garder les basses, bemerkt er: ,,nacb dem deutschen Sprachgefühl müsste que stehen, d. h. wir würden den gedanken consecutiv auffassen: wenn das ver- hältniss derart wäre, dass etc. Montesquieu aber denkt nicht nur an einen nur gesetzten fall, sondern an die Wirklichkeit und sagt: „jedesmal, wenn die hauptstadt etc. und in dem vor- liegenden falle war's so". Der verf. bezieht fälschlich lorsque auf en ce cas und übersetzt es : in diesem falle wo . Aber en ce cas bezieht sich auf das vorgehende und will sagen : für den fall, dass der Staat sowohl das hochland als die tief- ebene Vorderasieus umfasst; und dazu Werden zwei Unter- abteilungen gemacht , welche durch lorsque und quand ein- geführt werden: einerseits wenn die hauptstadt im tiefland liegt, kann man das hochland nicht behaupten, andererseits, wenn sie im hochland liegt, ist das tiefland schwer zu halten. Hätte der verf. vor dans ce cas ein komma gesetzt, würde er nicht dazu gekommen sein, dans ce cas und lorsque für correla- tiv zu halten; auch hätte er wissen müssen, dass man wohl au cas que und en cas que, aber dans le cas ou, dans ce cas sagen muss. So zieht ein versehen immer das audere nach sich. Auf p. 54 ferner meint er, dass in dem satze: Par la üs recevaient rarement la guerre, mais la faisaient toujours dans

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le temps, de la maniere et avec ceux quHl leur convenait, die worte guHl leur convenait den relativsatz qui leur convenaient ersetzen, ohne gewahr zu werden, dass qitil leur convenait nicht nur auf avec ceux, sondern auch auf dans le temps und auf de la ma- niere bezug hat; durch den relativsatz würde diese beziehung fortfallen. Er hätte sagen sollen: die natürliche Verbindung welche que auf dans le temps und auf de la maniere hat, führt die ungewöhnliche Verbindung mit dem dritten damit verbunde- nen satzgliede avec ceux herbei.

Die jetzt nicht mehr üblichen ausdrucksweisen, von welchen Montesquieu noch gebrauch macht, hat der Verfasser nicht an- gemerkt, doch hätte es wohl für den lernenden geschehen müs- sen. Man sagt nicht mehr donner la bataille, sondern livrer ba- taille, nur noch absolut donner angreifen; zu fuit p. 15 hätte der Verfasser wohl bemerken können, dass dies passe defini jetzt nicht mehr gebräuchlich ist, sondern dass man dafür s'enfuit, prit la fuite sagen muss. Man findet es, doch äusserst selten, bei Bossuet, Voltaire (Charles XII am ende des zweiten buchs); die neueren französischen grammatikeu lassen es; als veraltet, ganz fort, obgleich es die academie noch aufführt.

Ein hauptaugenmerk hat der Verfasser auf die etymologie gerichtet; es ist zu befürchten, dass er hierin für die schule zu viel thnt. Ganz gewiss gehört es zum französischen Unterricht, namentlich auf einem gymnasium, die ausdrücke dieser spräche, welche auf das lateinische durch leicht ersichtliche ableitung zurückgeführt werden können, nach ihrer abstammung zu erläu- tern ; auf denjenigen schulen, in welchen das mittelhochdeutsche in den kreis des Unterrichts hineingezogen wird, werden gewiss auch einzelne herleitungen aus dem gothischen oder alihochdeutschen mit nutzen angeführt werden können, aber überall doch immer nur die fälle, in welchen völlige gewissheit vorliegt. Was kann es helfeu, dass der Verfasser, wenn die etymologie nicht fest- steht oder unter den gelehrten streitig ist , sich bei den Schü- lern durch ein fragezeichen darnach erkundigt. So findet man p. 13: „blit etymologie? p. 15: javelot : mittelhochdeutsch gabilöt, etymologie?, Grimm aus nord. gefja, Speer, ags. lac, spiel" ; p. 26 : „retrancher: etym. ? Dies aus internecare (soll wohl heissen intersecare) = abschneiden durch einen wall von der übrigen gegeud"; p. 34 : „chiourme: etym.? Nach Diez aus xf-

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levcritci, nach andern türkischen Ursprungs" etc. Ich glaube nicht, dass durch die übertriebene hinweisung auf die etymologie die fertigkeit des ausdrucks befördert wird, welche doch in den neueren sprachen, selbst auf dem gymuasium, die hauptsache bleibt. Die schüler haben wenig oder gar keinen gewinn von weit hergeholten ableitungen. Ich erinnere mich, dass einer unserer lehrer bei der lectüre der Cyropädie uns regelmässig die wurzeln oder Wörter des sanskrit angeführt hat , welche den griechischen Wörtern, die gerade bei Xenophon vorkamen, verwandt sind: es hat keiner von uns auch nur einen einzigen fall dieser art aufgefasst, geschweige denn behalten, selbst nicht die wenigen, welche schon damals den entschluss gefasst hat- ten, das sanskrit kennen zu lernen. Im besten fall werden solche etymologische notizen vergessen; wer sie behält, geräth leicht in die gefahr, das nmherwerfen mit denselben für sprach- kenntniss zu nehmen und sie in der Unterhaltung auszukramen, wie einer meiner bekannten, der dadurch eine leibhaftige in- carnation des Holofernes in Love's lalour's lost geworden ist und von dem man, wie von dem Shakspearischen Schulmeister, 6agen möchte : he has been at a great feast of languages and has stolen the scraps. Ausserdem könnte den lernenden, die mehr auf die etymologie versessen als bemüht sind, die bedeutung der Wörter richtig aufzufassen, leicht ein so böser Unfall zustossen, wie es dem Verfasser des buches begegnet ist. Er sagt p. 6 :

„miprisable ; von prendre: le mepris, der missgriff; von

priser: la meprise die Verachtung". Umgekehrt, herr doctor!

Man sieht , ich habe eine nicht unbeträchtliche reihe von ausstellungen an dem buche gemacht. Wer daraus den schluss machen wollte , dass ich es für schlecht halte , würde sich ir- ren. Ich habe im gegentheil die Überzeugung , dass es mit weglassung des ungehörigen und überflüssigen und unter Ver- besserung des fehlerhaften und ungenauen ein sehr brauchbares buch werden kann; wäre dies nicht der fall, würde ich der beurtheilung desselben nicht so viel zeit und räum gegönnt ha- ben. Es enthält schon jetzt viel nützliches und schätzenswer- thes : gute grammatische bemerkungen, wirklich für schüler be- achtenswerthe etymologien , knapp und scharf ausgedrückte Un- terscheidungen sinnverwandter Wörter. Wir haben wenige werke französischer Schriftsteller, welche in empfehlenswerther weise

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erklärt sind; die kunst der Interpretation moderner Schriften muss erst noch erlernt werden; die befolgung des Verfahrens und die genauigkeit der klassischen philologie allein kann den weg dazu bahnen. Und weil ich dieser Überzeugung bin, habe ich in einer sonst nur den alten sprachen gewidmeten Zeitschrift die ausführliche philologische besprechung eines buches, welches übrigens durch den iuhalt des textes auch noch in einer andern beziehuug zum alterthum steht, nicht für unstatthaft gehalten.

H. J. Heller.

171. Cheirisophos des Spartiaten reise durch Böotien. Bei Isarlik als griechisches manuscript aufgefunden und ins deutsche übersetzt von Dr Schliemaun d. j. 8. Gotha, Perthes, 1872. XU und 112 s. 20 ngr.

Unter diesem titel erschien vor wenigen wochen ein schrift- chen, das streng genommen seinem inhalte nach in diesen blät- tern nicht zur spräche gebracht werden sollte; aber doch muss ref. bitten, ihm aus barmherzigkeit und um gotteswillen ein kleines plätzchen einzuräumen und wäre es auch ein armensün- derwinkel. Denn wo soll er sich sonst hinwenden , um die schrift eines mannes anzuzeigen, dessen name zwar in ganz Deutschland durch seine wissenschaftlichen und poetischen lei- stungen wohl bekannt und geachtet ist, der aber die Untugend hat, sich in allen dingen ein selbständiges urtheil anzumassen, das eben deshalb weder in eine liberale noch reactionäre Schablone passt ? Soll er bei den grossen deutschen zeitungen herumbet- teln ? Sie haben jetzt nur zeit für die wichtigen fragen des reichs und dürften wenig geneigt sein sich mit den innern Verhältnissen des deutschen Böotiens abzugeben und namentlich mit seinen Schulangelegenheiten, denen die satire in erster linie gewidmet ist , wenngleich sie mit ihrem köstlichen humor auch eine anzahl anderer wichtiger fragen bespricht, die durch die blauweissen grenzpfähle nicht eingeschlossen sind. Die bay- rische liberale presse? Wird sie es wagen ein buch zu em- pfehlen, das mit rücksichtslosem sarkasmus das schosskind un- serer zeit, den Darwinismus lächerlich macht und horribile dietul in der Unverschämtheit so weit geht, mit seiner lauge sogar die „volksbildner" zu bespritzen? Aber die bayrischen gymnasialblätter werden sich doch die gelegenheit nicht entge-

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hen lassen, die gymnasial - und Universitätsfrage an der band eines gewiss urtheilsfähigen mannes aufs neue zu beleuchten? Um Vergebung hier sitzt gerade das hühnerauge!

Diejenigen fachgenossen, welche vor einigen jähren an der Würzburger philologenversammlung sich betheiligt haben, wer- den sich erinnern, dass damals in der pädagogischen section die bayrischen gyrnnasialveihältnisse , namentlich der Unterricht im lateinischen in einer für Bayern gerade nicht schmeichelhaf- ten weise besprochen wurden. Die norddeutschen, oder besser gesagt die nichtbayrischen Schulmänner behaupteten geradezu, es ginge ihnen das verständniss für die bayrische auffassung ab. Dies hinderte jedoch nicht, dass diese specifisch bajuvari- sche anschauung auch heute noch in voller blüthe steht, ja heute vielleicht noch mehr als sonst unsere gymnasien geradezu beherrscht. Sie hat ihren sitz im bayrischen gymnasiallehrer- verein, ihr organ sind die bayrischen gymnasialblätter , denen wir übrigens nichts schlechtes nachsagen wollen.

Es ist seit decennien in Bayern klage darüber erhoben wor- den, dass unsere gymnasien in den händen der bureaukratie sind und deshalb sich nicht frei entwickeln können. Die klage war berechtigt und ist berechtigt. Auch unser Satiriker erhebt seine stimme laut gegen diesen missstand. Aber thöricht wäre es zu glau- ben, man dürfe die Oberleitung unserer schulen nur in die häude von fachmännern legen, so stände alles gut. Der schaden liegt tiefer, und dies wieder einmal klar ausgesprochen zu haben, ist das verdienst des Cheirisophos , der in Chäronea gelegenheit hatte, einen blick in das böotische unterrichtswesen zu werfen. Auch früher war die Oberleitung unserer gymnasien in den hän- den von bureaukraten, und doch stand es besser ; einige gym- nasien wenigstens nomina sunt odiosa waren ächte bil- dungsanstalten ; der geist, den tüchtige, vom classischen alter- thum durchdrungene rectoren ihrem lehrercollegium und ihren anstalten einzuhauchen verstanden, durchbrach eben die schran- ken des bureaukratismus und bewies, dass der geist wehet, wo er will wenn er nur überhaupt vorhanden ist. Hie haeret aqua. Der gefährlichste feind des besserwerdens für unsere gym- nasien sind die schulmänner selbst. Ref. weiss, was er sagt. Mau lobt zwar unaufhörlich, um nur verstorbene zu nen- nen — männer wie Thiersch, Roth, Doederlein, Naegelsbach j

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aber wenn sie heute wieder auferstehen würden aus ihren grä- bern, sie würden mit einer stimme rufen: „wir kennen euch nicht. Was ihr unter bildung versteht, das zu bekämpfen ha- ben wir stets als unsere lebensaufgabe angesehen. Missbraucht unsere worte und unsere namen nicht!"

Cheirisophos trifft in Chäronea in den händen eines Schü- lers die grammatik des Dr Anglandros (Englmann) , die in den meisten böotischen anstalten eingeführt ist. Einen besseren griff hätte der Satiriker gar nicht thun können, um mit einem ßchlage die ganze herrschende richtung zu characterisiren. Diese grammatik ist die incarnation der specifisch bayrischen anschau- ung von classischer bildung, ein conglomerat von einzelnen mit gleicher berechtigung neben einander gestellten regeln, aber kein aus einer einheitlichen auschauung herausgewachsenes sprach- gebäude. Nimmt man dazu eine dem entsprechende behand- lung des Unterrichts selbst, so wird man begreifen, dass man in Böotien nur darauf ausgeht, den schülern eine gewisse summe einzelner kenntnisse beizubringen und einige fertigkeit in ihrer anwendung zu erzielen. Diese utilitarische, nichts weniger als bildende unterrichtsweise ist es, die sich auch auf alle anderen fächer erstreckend mehr und mehr auf unsern gymnasien breit macht und ihrem gedeihen viel mehr hinderlich ist als jeder bureaukratische druck.

Bei solcher auffassung ist es allerdings einerlei, ob der lehrer katholik oder protestant ist, und in sofern liegt eine gewisse berechtigung in dem bestreben die confessionelle tren- nung unserer gymnasien aufzuheben. Die Verschiedenheit des im katholicismus und protestantismus waltenden geistes kommt hiebei nicht mehr in betracht, weil überhaupt von keinem geist mehr die rede sein kann. Auch ref. sieht das ganze heil der Zukunft, auch der zukunft unserer gymnasien darin, dass man den in unserm volke vorhandenen kräften eine möglichst freie bewegung gestattet, aber vor einem solchen liberalismus möge gott unsere gymnasien in gnaden bewahren. Die folge würde nur die sein, wie auch unser Satiriker mit recht hervorhebt, dass mehr und mehr unsern protestantischen anstalten das ge- nommen, worauf sie bisher, ganz abgesehen von ihren leistun- gen im einzelnen, mit recht stolz waren, ohne dass deshalb die katholischen anstalten dem protestantischen einflusse geöffnet

Nr, 6, Theses. 313

würden. Und wenn einmal wieder, was gott verhüten wolle, was aber doch nicht im bereiche der Unmöglichkeit liegt, die ultramontane richtung oberwasser erhält, so ist dann trefflich vorgearbeitet, dass es im ganzen lande keine anstalt mehr gibt, wohin sich das freiere leben noch flüchten könnte. Aber auch schon für die gegen wart hat die sache ihre bedenkliche seite; denn auch der liberale katholieismus bleibt immer katholicis- mus und ist im tiefsten gründe ein gegner des protestantischen geistes.

THESES quas ... in acad. Christi ana Albertina . . . d XIII. m. Mart. . . . publice defendet J. Claussenus Tychopo- litanus : 1. Quintiliani I. 0. 1, 5, 31, ubi secundum edi- tionem Halmianatn haec leguntur : Praeterea nunquam in eadem flexa et acuta [quoniam est in flexa et acuta]. Itaque neutra cludet vocem latinam : ea vero , quae sunt syllabae unius, erunt acuta aut flexa [ne sit aliqua vox sine acuta]", verba, quae uncis inclusi, delenda sunt. 2. Quintiliani I. O. 1, 6, 19 genuina est librorum scriptura: „Sed Augustus quo- que . . . emendat, quod is calidum dicere quam caldum tnalit" (cf. Keili adnot. in editione Halmiana II, p. 367). 3. Se- necae philosophi Dialog. 2, 7, 2 „Denique validius debet esse quod laedit eo quod laeditur. Non est autem fortior nequitia virtute. [Non potest ergo laedi sapiens]. Iniuria in bonos nisi a maus non temptatur: bonis inter se pax est. [Mali tarn bouis perniciosi quam inter se.] Quodsi laedi nisi infirmior non potest, malus autem bono infirmior est, nee iniuria bonis nisi a dispari verenda est : iniuria in sapientem virum non ca- dit. Illud enim iam non es admonendus neminem bonum esse nisi sapientem." duae illae, quas a ceteris segregavi , senten- tiae spuriae sunt. 4. In verbis Gellianis N. A. 4, 17, 7 „Secunda enim littera in his verbis per duo i, non per unum scribenda est", illi ,,litera" vox „syllaba" erit substituenda. 5. Versus qui exstat in Septem Aeschylea deeimus :

Vfiäg 8s iqt\ vvv v.a.1 Ti>v iXXsinov^ Sti graviter corruptus est. 6. In verbis quae leguntur Theo- phrasti Charact. 22 : „aal avaazag ti\v oixiav ixxogTjaai xat rag xXtvag xaXXvvaf aal aa&e^öfxsvog nagaßTQsxpai rov zgCßonva, ov avtog qiOQeT", vox avrng post verbum auXXvvai erit transpo- nenda. 7. Quintiliani I. 0. 1 , 7 , 2 in verbis ,,Ut longis syllabis omnibus adponere apicem ineptissimum est , ... sed interim necessarium etc." adverbium „ut" delendum est. 8. Verba Quintilianea 1, 5, 12 „At in eadem vitii geminatione Me- tioeo Fufetioeo dicens Ennius" a Eitschelio immerito sollicitata sunt (Mus. rhen. 22, p. 600 sq.).

314 172 183. Neue buchen Bibliographie. Nr. 6.

NEUE AUFLAGEN. 172. Sophokles. Für den schulge- brauch erklärt von G. Wolff. 2, thl. Electra. 8. Leipzig. Teubner ; 10 ngr. 173. Novum testamentum graece. Ad autiq. festes denuo rec. C. Tischendorf. Ed. V11I critica maior. Vol. II fasc. 4. 8. Lips. Gies. et. Devrient ; 1 thlr. 174. E. Guhl und W. Kon er das leben der Griechen und Eömer. 3. aufl. 2. und 3. heft. 8. Berlin. Weidmann; ä 10 gr. 175. G. Bernhardy, grundriss der griechischen literatur. 3 bearbeit. 2. thl. 2. abth., 8. Halle; 4 thlr.-— 176. Seh wegler, römische geschickte. 3. bd. 2. aufl. 8. Tübingen. Laupp; 2 thlr. 177. A. v. Beumont, geschiebte der stadt Born. 8. Neue ausg. 10. 11. lief. Berlin. Decker; ä, 1 thlr.

NEUE SCHULBUECHEB. 178. Freund's Schülerbi- bliothek, 1. abth. piäparation zu Sophokles werken. 4. heft. 2. aufl. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr. 179. Dess. Schü- lerbibliothek, 1. abth. präparation zu Cicero's werken. 9. heft. 2. aufl. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr. 180. Dess. Schülerbi- bliothek, 1. abth. präparation zu Horaz werken. 7. heft. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr.; desselb. 8. heft. ebendas ; 5 ngr. 181. L. Viel h aber, aufgaben zum übersetzen ins lateinische zur einübung der syntax. 8. 2. aufl. 1. heft. Casuslehre. Wien. Beck; 16 ngr. 182. P. D. Ch. Hennings, ele- mentarbuch zur lateinischen grammatik von Ellendt-Seyffert. 1. abth. für sexta. 2. aufl. 8. Halle. Waisenh.; 8 ngr. 183. M. Seyffert, Übungsbuch zum übersetzen aus dem deut- schen ins latein für seeunda. 10. aufl. 8. Leipzig. Holtze; 1 thl.

BIBLIOGBAPHIE. Ueber L eipzig's buchhandel luden jähren 1869 und 1870 finden sich notizen und nach Weisungen im Börsenbl. nr. 94.

Es ist jetzt erschienen : Deutscher universitäts- und schul- kalender auf die zeit vom 1. octob. 1871 bis 31. märz 1873 von Dr E. Mushacke. 8. Berlin. Schulze 1872: es ist XXI Jahrg. Bd. II und III.

Es ist erschienen: Bibliotlieca plrilologica oder geordnete Übersicht aller auf dem gebiete der classischen alterthnmswis- senschaft wie der altern und neuern Sprachwissenschaft in Deutsch- land und dem ausländ neu erschienenen bücher. Herausgege- ben von Dr W. Mulde ner. XXIV. jahrg. 2. heft. Iuli december 1871. Göttingen. Vandenhöck und Buprecht.

Die von professor B ergmann gegründeten philosophi- schen monatshefte sind zu einem central organ erweitert, welches allen richtungen zur ausspräche sich darbietet und die gegenwärtige entwickelung der deutschen philosophie und auch

Nr. 6. Kleine philologische zeitung. 315

"die praktische seite der philosophischen bewegung so wie ihre eiuwnkung auf die übrigen Wissenschaften objectiv darstellen will. Die redaction ist durch hinzutritt des Dr. F. Ascher- son und S. E. Bratuschek erweitert.

Im verlag von Otto Leuckart (Constantin Sander) in Leipzig soll erscheinen: Des Auicius Manlius Severinus Boetius fünf bücher über die musik. Aus dem lateinischen in die deut- sche spräche übertragen und mit besonderer berücksichtigung der griechischen harmunik sachlich erklärt von Oskar Paul. 27 bogen 8; 5 thlr. 10 gr.

Cataloge von antiauaren : 24. verzeichniss des antiquarischen bücherlagers von Georg Friedrich in Breslau: ausschliess- lich philoiogie und altdeutsch ;. auch neulateiner; Ferd. Stein- kopf in Stuttgart, verzeichniss einer Sammlung von biichern aus dem gebiete der literär- geschickte und der älteren deut- schen literatur.

Bibliotheca literaria. Catalogue des livres anciens et mo- dernes en vente aus prix marqiuis chez J. van B aalen et fils, Rotterdam; Livres anciens et modernes en vente, aux prix marque's chez Martinus Nijhoff, k la Haye (Linguistique et literature Orientale ; Bibliotheca Venetiana. Supplemento II al catalogo d'una raccolta di libri, carte geografi che e veduta di Venezia e äA suo territorio vindibili presso H. E. et M. Münster, Venezia.

Weigels bücherauction. 12. juni 1872. Verzeichniss der hauptsächlich das gebiet der kunst umfassenden bibliothek des zu Paris verstorbenen kunstforschers Otto Mündler: dabei auch noch andre Sammlungen.

KLEINE PHILOLOGISCHE ZEITUNG. Es gehen uns zu: Proceedings of the third annual Session of tlie American Philolo- gical Association Held at New - Haven , CT., July, 1871. New- York: S. W. Green, Printer. 16 and 18 Jacob Street. 1872. 34 s. Die Verhandlungen dieser americanischen philologen be- ginnen mit einem bericht des secretairs, der gegen 60 mitglieder aufzählt darunter auch eine dame, die während des jahres 1870 71 beigetreten sind. Dann berichtet der Schatzmeister. Die ein- nahmen betrugen doli. 587,86, die ausgaben 486,26. Darauf folgen vortrage über sehr verschiedene dinge. Die gesellschaft hat nach p. 8 ihre vorzüglichste aufgäbe in erforschung america- nischer sprachen, doch auch alle anderen, auch die classischen sprachen berücksichtigt sie. Gleich der erste Vortrag p. 4 des professor Fisk Brewer beschäftigt sich mit dem nachweis, dass Grote in seiner darstellung des rückzuges der Zehntausend mehrfach ungenau sei. Der zweite Vortrag betrifft die spräche der Dakota, der dritte das passivum im englischen; dann

316 Kleine philologische zeitung. Nr. 6.

sprach der prä'sident Goodwin über die Bedeutung und We- sen der Sprachwissenschaft, forderte professor Com fort, dass die kinder zunächst eine lebende spräche lernen und zwar durch Sprechübungen, darauf grammatisch, darauf eine zweite lebende spräche, darauf latein und zuletzt griechisch. Dies der erste tag 25. juli.

Am 26ten folgten auf drei vortrage über englische gram- matik, einer über die zweite attische decünation von Allen, darauf zwei über americanische sprachen. Am 27. juli sucht in dem ersten vortrage: Strictures on the Views of August Schleicher respecting the nature of Language and other related subjects überschrie- ben, professor W. D. Whitney die bezüglichen ansuchten Schlei- chers zu widerlegen. Der zweite Vortrag ist von professor F. A. March über den Ursprung der spräche; der dritte An old Latin Text - Boolc vom colonel T. W. Higginson seitdem erschienen in den Atlantic Essays desselben rühmt den se- gensreichen einfluss des Unterrichts der kinder in den alten spra- chen. Namentlich werde nicht nur das wissen gemehrt, sondern zugleich auch der Schönheitssinn geweckt. Der vierte Vor- trag behandelt die Zeichensprache. Der fünfte (Dr J. Tho- mas und Dr N. W. Benedict) über die ausspräche des grie- chischen und lateinischen, veranlasste eine lebhafte debatte. Die gesellschaft hat ein eigenes committee on pronounciation. Am abend folgten vortrage über: The Celtic Elements in French von professor A. H. Mixer an der Rochester University; ferner Stu- dies in Cymric Philology von Professor E. M. Evans of Cornell University, Ithaca, N. Y. Der letzte über indianische namen.

28. 1) Ihe Chronology of some of the Events mentioned in Demosthenes on the Crown , by Professor W. W. Goodwin , of Harvard University, Cambridge, Mass. - 2) Ueber zahlen in indianischen sprachen. 3) Ueber ein lexicon einer indianer- sprache. 3) An Ancient Bulgarian Poem concerning Orpheus über- setzt von C. F. Morse, der dreizehn jähre lang als missionär in Bulgarien lebte. Das gedieht ist in Moscau gedruckt 1867 durch S. J. Vercovich. Von der griechischen sage ist nur der name Orpheus genommen. 4) Pronounciation of the Greeh Aspirates von Professor A. C. Kendrick of Rochester Uuiversity , N. Y.: die Untersuchung bietet eine kritik der ansieht von Curtius, weniger ein eigenes System. 4) M. J. B. Gr eenough of Harvard University sucht zu zeigen, that the „General Supposition in Greeh, which is expressed by the subjunetive or optative in the protasis and the indicative of a general truth in the apodosis, was also found in Latin, sei ein erbe der zeit of Indo-European unity, or, what practically amounts to ihe same thing if it is not really the same, the Urne of Graeco- Italic- Sanskrit unity. 5) Hon. J. H. Trumbull: Contributions to ihe Comparative Grammar of ihe Al~ gonkin Languages, gestützt auf 25 Übersetzungen des Vaterunser

Nr. 6. Kleine philologische zeltung. 31 7

in neunzehn sprachen und dialecten desAlgonkinstammes. 6) Der präsident Samson gab aus mangel an zeit nur einen auszug aus einem vortrage über die „Families of Languages as developed in the Mediterranean Civilization, and their inßuence wpon each other. Es folgen förmlichkeiten und beschlüsse: l)„eine com- mission zu ernennen, für die frage: ob es räthlich sei eine gramma- tik des in America gesprochenen und geschriebenen englisch abzufas- sen; 2) den vorstand zu ersuchen, der nächsten Versammlung einen genauen arbeitsplan der gesellschaft vorzulegen und über die abhaltung von Versammlungen der ortsvereine. Dann folgt das verzeichniss der 228 mitglieder darunter auch einige damen, des Vorstandes und bekanntmachungen für die nächste Zusammenkunft 24. juli 1872.

In der Wochenschrift „im neuen reich" nr. 3 wird über den oben erwähnten aufruf der Strassburger zur gründung ei- ner Stadtbibliothek gehandelt und darnach im Börsenbl. nr. 94.

Stade, 28. april. In der stader feldmark ist kürzlich eine interessante römische münze gefunden , welche bereits zu verschiedenen beschreibungen und erklärungsversuchen veran- lassung gegeben hat. Dieselbe führt im avers einen männlichen, mit einem lorbeerkranze geschmückten köpf. Die Umschrift, von perlkranz und stab umgeben, lautet: TL CLAVDIVS. CAE- SAR AVG. P. M. TR. P. IMP. P. P. und lässt sich wahrschein- lich in folgender weise ergänzen : Tiberius Claudius Caesar Augu- stus. Pontifex rnaximus. Tribunicia potestate. Imperator. Pater pa- triae. Auf dem revers befinden sich drei behelmte krieger, de- ren einem eine mit der toga bekleidete figur (entweder die hoff- nung [S/>es] oder der kaiser) die hand reicht. Die Umschrift, von perlkranz und stab umgeben, lautet: SPES AVGVSTA. Der revers scheint demnach die entsendung eines heeres zu ei- nem feldzuge, mit der ausgesprochenen hoffnung eines glückli- chen erfolges anzudeuten und könnte sich vielleicht auf die un- ter Claudius (41 54 nach Chr. geb.) unternommenen feldzuge gegen Mauritauien oder Britannien beziehen. Die münze ist von sehr harter bronce und hat die grosse und stärke eines alten ungeränderten preussischen thalers von der kleineren sorte. Sie ist wohlei halten und ohne ansatz von oxyd und verdankt ihre konserviiung dem umstände, dass sie von einer dicken und festen, aus sog. ortstein bestehenden kruste eingeschlossen war. Das stück scheint nach dem gepräge des revers eine gedäclit- nissmünze, nicht aber eine conrantmünze zu sein. D. Reichs- anz. nr. 103.

Nach Rossi's ansieht wird im verlauf von zwei jähren die völlige freilegung des forum Romanum zu erwarten sein; bis jetzt sind die fundamente desCastor- und Pollux - tempels, der Ba-älica Iulia, der Phocassäule , des Saturn-, Vespasian - und Concordia-tempels, endlich che unterbauten des ttmpel des lulins

318 Kleine philologische zeitung. Nr. 6.

Caesar zu tage gefördert. Vrgl. Augsb. Allg. Ztg. 1872, beil. zu nr. 147. Keichsanz. nr. 114 beil. 1.

Näheres über den ausbruch des Vesuv giebt nach neapo- litanischen Zeitungen der Staatsanz. nr. 113, beil. 2.

Zu Lucera (bei Eoggia) ist beim bau einer strssse eine statue der Venus von 7 palmen höhe, eine marmorvase von 8,5 m. umfang und bruchstücke eines mosaikbodens gefunden worden. Die Venus hat zu den füssen einen delphin und soll von sehr guter arbeit sein; sie ist zerbrochen, aber sämmtliche stücke sind erhalten. Die vase trägt die inschrift: Divo Com- modo. Das munizipium lässt die ausgrabungeu fortsetzen.

Koni. 8. mai. Bei Koccasecca in der Terra di Lavoro ist ein grab aus der Steinzeit eutdeckt worden. Dasselbe be- steht aus einer ungefähr einen meter breiten und drei meter langen, mit schweren steinen gedeckten gruft, in welcher ein skelett von ungewöhnlicher grosse, mit dem haupte nach westen gewendet, sich befand. Neben dem schädel stand ein roh mit der band gearbeitetes rothbraunes thongefäss, während rings- herum 22 steinerne waffeu, 18 pf'eile, 2 dolciie und 2 lauzen- spitzen lagen. Die waffen sind von kiesel und mit bewunde- rungswürdiger Sorgfalt gearbeitet. Die pfeile mit scharfer zwei- schneidiger spitze, Stil, griff und flügelchen, einer der dolche vollkommen dem bei Altamura gefundenen ähnlich, welcher im geologischen museum zu Neapel aufbewahrt wird. Er ist 170 milliineter lang, am griffe 35 millimeter breit, hatte scharfe spi- tzen und schneiden und einen halbkreisförmigen griff. Ein rand vertritt die stelle des Stichblattes. Auch die beiden ianzenspitzen, 120 mm. lang und an der stärksten stelle 27 mm. breit, sind von ganz vorzüglicher arbeit. D.e iustrumente sind alle mit absieht zerbrochen worden, als sie ms grab gelegt wurden, als andeutung, dass die tapfere band, welche sie führte, erlahmt war. Das skelett wurde leider von den arbeiiern gänzlich zerstört, während die übrigen gegenstände in den besitz des herrn Giunt. Nicolazzi gelangt sind, welcher das alter des grabes in die blü- hendste periode der Steinzeit, etwa 5U00 jähre vor unsere Zeit- rechnung, setzt. D. Reichsanz. nr. 117 beil. 1.

London, 25. mai. Dem soeben veröffentlichten Jahresbericht des British Museums zufolge sind die literarischen und wis- senschaftlichen Sammlungen dieser anstalt im vorigen jähre durch werthvolle acquisitionen bereichert worden. Die bibliothek des museums wurde um nicht weniger als 08,579 bände, brochuren und vermischte schritten verstärkt. Unter letzteren verdient er- wähnung eine fast vollständige Sammlung der während des jüngsten krieges zwischen Frankreich und Deutschland , und während der herrschaft der französischen Kommune veröffentlich- ten Journale, flugschrifteu , Proklamationen und karrikaturen. Das landkarten- departement erhielt u. a. 187 Photographien des

Nr. 6. Auszüge aus Zeitschriften. 319

Schauplatzes des letzten krieges zwischen Frankreich und Deutsch- land. Das manuscriptea - departenient empfing unter seinen vie- len acquisitionen sieben blätter der unvollständigen lateinischen abhandlung über die laster , illuminirt durch den „mönch von Hyeres" im 14. Jahrhundert ; ferner eine Sammlung von Original- briefen von bischof Gardiner, bischof Hooper , Martin Bucer, Peter Martyr, Beza und anderen mit der reformation in Eng- land verknüpften personeu. Während des Jahres 1871 wurden die Sammlungen des museums von 418,130 personen frequentirt.

Zur Strassburger bibliothek finden sich notizen im Bör- senbl. nr. 103.

Nachträgliche decorationen von buchhändlern, für im kriege 1870/7i geleistete dienste verzeichnetBörsenbl. nr. 103. 106. 116.122.

Rom. 29. mai. Der historisch-archäologische rath war dieser tage unter Contu's vorsitz versammelt. Unter an- derm behandelte er die erwerbung und Wiederherstellung der acten der fratres Arvales , die restauration der mosaiken der Palatina, mehrerer kirchen, die art die wahre patina der antiken metalle von der nachgemachten zu erkennen ; auch besprach man eine Verbesserung des Systems der bibliotheken , museen, der archäologischen proviozialcommissionen ; auch soll darauf gesehen werden , dass die erforschung der classischen alterthü- rner nicht zur Zerstörung etwaiger reste aus dem mittelalter führe (Augsb. allg. ztg. beil. zu nr. 157).

AUSZUEGrE aus Zeitschriften: Augsburger allgemeine zeüuny, nr. 132 : Urhchs kauft die Feoli'sehe vasensammlung für die Univer- sität zu Würzburg. Beil. zu nr. 132: Übersetzung von des Apu- leius Cuptdo und Psyche durch Bintz. Beil. zu nr. 136 : fran- zösische kriegslitteratur. IV. Beil. zu nr. 137. 138: das franzö- sische untemchtswesen. I. IL Beil. zu nr. 138: Dr Deiters keine persona grata. Nr. 139: nachtrag zu der ob. nr. 120 er- wähnten vergleichung Deutschlands mit einem hengst. Beil. zu nr. 140: Roms bevölkerungs- und wohnungsverhältnisse. Nr. 141 : zum ausbrach des Vesuvs. Beil. zu nr. 142: J. H. Müller 's Zeitschrift für deutsche culturgeschichte. 1. heft: wird gerühmt; es enthält nichts philologisches. Beil. zu nr. 143: zur archäologi- schen literatur: eiugehende anzeige von: / retievi dcl.e urne etrusche publicali a nome dad Instttuto di corrtspondenza urcheologica da Enrico Brunn., Vol. I. Cyclo iroico. Borne. 1870: namentlich für das epos auch zu beachten : s. Ph. A. III, nr. 4, p. 240. Beil. zu nr. 144 : Cheirisophos des spartiaten reise durch Böotien: empfehlende anzeige dieser satire auf die gelehrten studienanstalten in Bayern und Deutschland: „möge jeder, der ein freund des humor ist und interesse für die brennenden fra- gen der gegenwart hegt, das büchlein selbst zur band nehmen" : vrgl. ob. p. 312. ■— Nr. 145: notiz über die zu Berlin gebildete „acade- mie der moderneu philologie". Beil. zu nr. 146: kurze notiz über die eröffnung der philologen- Versammlung in Leipzig. Beil. zu nr. 147: die römischen ausgrabungen (s. ob. n. 122): betreffen: 3. das forum : unter anderm ward entdeckt das marmorne gesims eines eh- rendenkmals mit der inschrift:

320 Auszüge aus Zeitschriften. ftr. 6.

Dominis omnium Gratiano Valentiniano et Theodosio | imperato- rib. aug. L. Val. Sept. Bass. v(ir) C(larissimus) praef(ee£ws) urb(*s) majestati(5ws) eorum dicavit: dieser präfect L. Valerius Septimius Bassus sei unbekannt; 4. der palatin ; 5. die Caracallathermen ; 6. die ausgrabungen am quirinal ; 7. die ausgrabungen in der umgegend: diese beschränken sich auf die villa Hadrians bei Tivoli und auf den hafen von Ostia. Beil. zu nr. 152: die philologenversammlung in Leipzig: Zusammenstellung der berichte einiger Zeitungen. Beil. zu nr. 154: Karl Ludwig Kayser: nekrolog, mit dem motto: ovioi ktlxpava xiav aya&iZu avdywv äytugtiiai, xqövog: wahre und liebevolle Schilderung des edlen men- schen und unermüdlichen forschers! Nr. 155: über den Ursprung der Semiten. Nr. 157: der kämpf der hochschule zu München ge- gen errichtung neuer lehrstühle für vaticanische dogmatik und phi- losopbie. Beil. zu nr. 158: aus dem reiche des Tantalus und Krö- sus, von B. Stark: anzeige. Beil. zu nr. 160: die reform des österreichischen Universitätswesens : bespricht die neuere Opposition der Universität zu Wien: vrgl. ob. nr. 5, p. 268.

Güttingische gelehrte anzeigen, st. 5: E. Wilken, geschichte der geistlichen spiele in Deutschland: selbstanzeige. St. 6: Anecdota graeca et graecolatina. Mittheilungen aus handschriften zur geschichte der griechischen Wissenschaft von Dr Val. Rose. 2. heft.8. Berlin. 1870: an- zeige von H. Sauppe, der über die einzelnen stücke genau referirt, am Schlüsse aber über III : des Aristophanes Byzantius iwv 'Aqwtot&ovs nfol £üW iniTo/urj, eine reihe textes -Verbesserungen vorträgt. Nr. 7: das volksieben der Neugriechen und das hellenische alterthum von Bern- hard Schmidt. Bd. I. Leipzig. 8 : beachtenswerte anzeige von C. Wachs- muth. St. 14 : Gaudeamus igitur. Eine studie von Hoffmann von Fallersleben. Nebst einem Sendschreiben und Carmen an denselben von Gustav Schwetschke. 8. Halle: anzeige von E Hissen , der von Schwetschke's lied: patri patriae die schlussstrophe mittheilt:

Gaudeamus et teramus

Salamandras maximas

Dissipanti incultorum

Et virorum obscurorum

Cultum et nequitias. Zarncke, literarisches centralblatt : nr. 4: Ewald Schmidt, über das römische decemvirat. Ein beitrag zu den römischen staatsalterthü- mern. 8. (ohne angäbe des druckorts und jahrs): eingehende anzeige von L., der den ansichten des vrfs. überall widerspricht. T. Ranke, August Meineke, ein lebensbild. 8. Leipzig: lobende anzeige. W. S. Teuffei, Studien und Charakteristiken zur griechischen und römi- schen so wie zur deutschen literaturgeschichte. 8. Leipzig: anzeige von (), die genauer auf Plat. Symp. p. 194 B eingeht. Nr. 5: An- tiphontis orationes et fragmenta ... ed. Fr. Btuss. 8. Lips. 1871: wird sehr gelobt: s. ob. nr. 3, p. 120. M. Tullii Ciceronis de Le- gibus IL III ex rec. J. Vuhleni. 8. Berlin. 1871: anzeige von K., der die Wichtigkeit der ausgäbe anerkennt, aber theils findet, dass Vahlen olt uumögliches veitheidige, wie I, 2, 6. II, 5, 11. 17, 42 an letzterer stelle nimmt ref. eine lücke an - 25, 63: theils die eig- nen vorschlage Vahlen's für ungenügend hält, wie 1, 4, 11: ei^ne ausführungen enthält die anzeige nicht. - E. Buchholz, die home- rischen realien. 1. bd. Welt und natur. 1. abth.: homerische kos- mographie uud geographie. 8. Leipzig. 1871: anzeige von W. B. Th. Benfeg, lube.o und seine verwaudte. 4. Göttingen. 1871 ablehnende anzeige von Wi.

Nr. 7. Juli 1872.

Philologischer Anzeiger.

Herausgegeben als ergänzung des Püilologus

Ernst von Leutsch.

184. Historische syntax der lateinischen spräche von Dr A. Dräger, director des gymnasiums zu Friedland i. M. Er- ster theil. Gebrauch der redetheile. 8. Leipzig. Teubner, 1872. 1 thlr.

Dräger, der bekannte Verfasser der fleissig gearbeiteten schritt ,, über syntax und stil des Tacitus " und herausgeber der vortrefflichen Schulausgabe der Annalen des Tacitus wurde nach vorr. p. iv im anfang der fünfziger jähre gewahr, dass unseren lateinischen grammatiken nicht überall zu trauen sei. Er entschloss sich daher zunächst den Livius auszubeuten , zu welchem zwecke er Drakenborehs ausgäbe genau durchging; dann studierte er Cäsar und Sallust und excerpirte den Cicero. Auch das genügte ihm nicht, und er zog daher den Cornificius (Auetor ad Rerennium), dann nach und nach alle dichter der classi- schen und fast alle prosaiker und dichter der nachclassischen zeit in den bereich seiner Untersuchungen. Selbst die kirchen- schriftsteller blieben nicht unbeachtet , weshalb der verf. den Bunnemannschen commentar zum Lactanz studierte und etwas aus Tertullian und Augustin auszog. So viel über die entste- hung des buchs. P. vh der vorrede lässt sich Dräger speciell über diese I. abth. also aus: ,,die darstellung der wort formen und ihrer entstehung gehört allerdings nicht in die syntax, aber die an wendung, welche sie in verschiedenen Zeitaltern oder bei den einzelnen autoren gefunden haben , wüsste ich in kei- nem anderen abschnitte unterzubringen". Warum nannte Drä- ger diese I. abth. nicht „Historische formenlehre" ?, wie Neue sein so reichhaltiges , aber auch nur aus sporadischer leetüre Philol. Anz. IV. 21

322 184. Lateinische grammatik. Nr. 7.

hervorgegangenes buch „Formenlehre der lateinischen spräche" benannt hat.

In wie weit nun obige angaben über die erstaunens- werthe lectüre des verf. in bezug auf die eigentliche syntax wahr sind, weiden die folgenden abtheilungen zeigen; für diese I. abth. müssen wir die Wahrheit derselben sehr in zweifei zie- hen. Wie wir unten zeigen werden hat Dräger für diese I. abth. seine notizen nur aus gelegentlichen aufzeichnungen aus den genannten Schriftstellern und aus dem handwörterbuche der la- teinischen spräche von R. Klotz, aber auch diesem nur flüchtig entnommen. Neue's buch ist gar nicht benutzt worden, und selbst Tacitus , den Dräger doch in syntaktischer und exegeti- scher beziehung besonders tractirt hat , ist nicht gründlich aus- gebeutet worden.

Nachdem Dräger in einer einleitung (p. ix xxn) eine kurze Charakteristik der einzelnen Schriftsteller in bezug auf wortfor- men und darstellung gegeben hat, geht er zu seiner eigentlichen aufgäbe über und bespricht in vier capiteln das substantivum, ad- iectivum, die pronomina, Zahlwörter, adverbia, das verbum. Da der uns zugemessene räum die prüfung des ganzen buches nicht zulässt, so wollen wir c. I, §. 7 (p. 9 ff.) die pluralia abstracta etwas genauer ansehen.

Nach Drägers angäbe giebt es im lateinischen 3814 ab- stracte substantiva, wovon 2889 nur im singular, 925 auch im plural vorkommen. Er scheidet : a) vorclassische zeit bis Te- rentius incl. (mit 58 Wörtern); b) klassische prosa, d. h. Ci- cero, der auctor ad Herennium, Cäsar, Varro und Sallust (mit 383 Wörtern) ; c) klassische dichter, nachklassische prosai- ker incl. Livius und nachklassische dichter (mit 484 Wörtern). In jeder dieser abtheilungen sind die Wörter in alphabetischer Ordnung verzeichnet, jedoch ohne jede genauere angäbe der f'undorte, während man doch in einer historischen syntax gerade eine solche angäbe hätte erwarten müssen, da durch die- selbe gleichsam die geschichte eiues jeden Wortes gegeben wird. Aber das schlimmste ist, dass Dräger die rechnung ohne den wirth gemacht hat. Es fehlen bei ihm viele Wörter aus den drei classen gänzlich, viele hat er unter nr. b gebracht, die un- ter nr. a gehören. Nach einer flüchtigen Zählung könnte ich gegen vierhundert fehlende pluralia abstracta nachweisen.

Nr. 7. 184. Lateinische grammatik. 323

Aus mangel an räum werde ich nur die aus der vorklassischen zeit, welche Dräger übergangen hat, vollständig aufführen und dann für die klassische und nachklassische nur die aus einem und dem andern buchstaben beibringen , damit der leser sich überzeuge , dass meine oben ausgesprochene meinung über die entstehung der angaben Drägers gegründet sei.

a) Es fehlen aus vorklassischer zeit gänzlich: amoenitates, argumenta, argutiae, ariolationes, artes, auxilia, benefacta, beneficia, blanditiae, clades, cognationes, compressiones, colloquia, consilia, con,' tumeliae, corruptelae, cupidines, cupiditates, curae, damna, deleni- menta, deliramenta, deliciae, deportationes (Cato RR. 144, 3), de- sertitudlnes, doli, dolores, edictiones, exempla, exitia, facinora, fa- ctiones, furta, Mstoriae, ictus, illecebrae, incommoditates, iniuriae, in- satietates, itiones, iura, iura iuranda (Poet. vet. be: Fest. p. 133, 29 M.), iurgia, lamentae, malefacta, malitiae, morsiunculae, pericula, perlecebrae, potationes, querimoniae, rictus, risiones (rissiones), rumo- res, scelera, Servitutes (Plaut. Pers. 418 R stabulum servitutium, wo aber die besten handschriften servitriciurn haben), subigitatio- nes, sumsiones (Cato RR. 145, 2), unctiones, victus, vitia, vota.

b) Es gehören in die vorklassische zeit, sind aber von Dräger für die klassische oder nachklassische zeit aufgeführt : aegritudines (Plaut. Stich. 526 , wo freilich Spengel im Philolo- gus 28, 370 f. omni me . . . aegritudine lesen will), blandimenta, captiones} conditiones, consuetudines , discordiae, famae, ßagitia, flc tus, fortunae, gaudia, gratiae, inimicitiae, laetitiae, laudes, liquores, luctus, noxiae, operae, ordines (Plaut. Amphitr. 224) , sollicitudi- nes, sonitus (Plaut. Menaechm. 866, wo freilich Ritschi appareat liest; auch Cic. ad Att. 1, 14, 4, bei Dräger falsch unter nr. c, nachklassisch) , Status, studio, sumptus, suspiciones, tempestates, vadimonia , virtutes, vitae, voluptates : die belege aus Plautus und Terenz findet man im index zu den ausgaben in usum Delphini Paris. 1679 und 1675, aus fragmenten der alten tragiker und komiker in den indices zu den ausgaben von Ribbeck und Vah- len, aus dem Cato im index zur ausgäbe von H. Jordan.

c) Es fehlen aus der klassischen zeit oder sind falsch aus der nachklassischen angeführt: adiumenta, admirationes admissurae (Varr. RR. 2, 4, 8), admixtiones , adoptiones , (Cic. Tusc. 1, 14, 31 ed. Sorof., Tertull. adv. nat. 2,1: an bei- den stellen mit Variante adoptationes) , aegrotationes , aemulationes

21*

324 184. Lateinische grammatik. Nr. 7.

ambulationes , analogiae, angores , animadversiones , appellationea, arbitria , ardores , argumentationes , artificia , attributiones , aucu- pia} auguria, auspicia , calores, calumniae, cantus, celeritates, col- ligationes (Cic. Tim. 7, 21. Vitr. 10, 1, 2), commendationes, commotiones, commutationes, conatus, concitationes, confessiones, con- sitiones, contemplationes , contrectationes (Cic. Rep. 4, 4, §.4), con- troversiae} conubia, curationes, culpae, debilitates, defectiones, defen- siones, demonstrationes, detrimenta, devotiones, differentiae (Cic. Top. 7, 31), dimicationes , dimissiones, dinumerationes (Cic. Rep. 3, 2, 3) , disceptationes , discidia , discrimina , disputationes , divinationes, documenta, ductus aquarum (Cic. Off. 2, 4, 14) u. s.w., es fehlen noch über hundert Wörter.

d) Es fehlen aus der nachklassischen zeit: abactus, abitus, abiectiones (Augustin. Serm. 302, nr. 3 = erniedrigungen, de- müthigungen) , ablaqueationes, absentiae, absolutiones , accensiones, accentus, acceptiones, accubitationes, accubitiones, decubitus , aeeibatio- nes (Cyprian. ep. 45, 2), acores, adaerationes, adhortamina (Apul. Flor. no. 18), adimpletiones, adinventiones, aditiones (iCt ), adiudi- cationes (ICt.) adiutoria, adorationes, adustiones, adversationes (Sen. de ira 1, 4, 3 ed. Haase), aequalitates, aequüates, aeternitates, qfflic- tiones, affricationes, agitationes, algores, allenimenta, alligationes, al- loquia, alucinationes, amictus, amplificationes Quintil. I. Or. 10, 1, 49), annotationes, antecessus, antepassiones, aniiquitates, anxietates (Cy- prian. de bono patient. 12), apparationes , appetentiae, apportatio- nes (Vitruv. 2, 9, 16), appositiones epularum (Vulg. Eccl. 30, 8), arcaturae (Cassiod. Var. 3, 52), arcuationes (Frontin. aqu. II, §. 121), ariditates, arrogation.es, articulationes (Fulgent. Contin. Virg. p. 154 ed. Muncker.), arurae, aspiramina , aspirationes (Lactant. 2, 14, 10), assaturae, assequelae, assessiones, assumptiones (Lactant. 2, 5, 31. Vulg. Thren. 2, 14), assumptus, astruetiones, augmenta, augmina, auraturae, auscidtatus (Fulgent. Contin. Virg. p. 142), aversiones, aviditates, avocamenta u. s. w. , noch über zweihun- dert Wörter: (die fehlenden belege zu nr. c und d stehen in den lexicis won Gesuer, Forcellini [besonders in der neuen aus- gäbe von De-Vit|, Freund, Klotz, Georges, in Nizolii lexicon Cic. ed. Facciolati , im Manuale latinitatis fontium iur. civil. Kom. ed. Dirksen., in den indices zu den ausgaben in usum Delphini des Tacitus und Apulejus, in Bibliorum vulg. ed. Con-

Nr. 7. 184. Lateinische grammatik. 325

cordantiae, beste ausgäbe Venet. 1768, und in Neue's Formen- lehre der lat. spräche. Bd. 1, p. 434 ff.

Die angaben Drägers sind übrigens nicht einmal nach den neuesten texten rectificirt, welche überhaupt in Drägers biblio- thek nicht stark vertreten zu sein scheinen ; so citirt Dräger den Tertullianus nach der Seitenzahl der ausgäbe von Eigaltius, den Apulejus noch nach der von Elmenhorst. Aber auch bei Solin steht c. 23 extr. (ed. Mommsen) nicht mehr adauctus, sondern ad auctus (als zwei Wörter) , infelicitates ist bei Apul. de dogm. Plat. 2, 10 zweifelhaft (sicher steht das wort Firmic. Math. 3 , 7. no. 9), pestilentiae ist bei Gell. NA. 1, 2, 4 zweifelhaft, puncturae ist zweifelhaft, da Cels. 8, 10. no. 7 ed. Daremberg. (p. 351, 22), wie auch schon in früheren ausgaben, punitiones steht (das ci- tat Cels. 10, 9 bei Klotz-Hudemann ist falsch), suspiritus steht nicht mehr bei Apul. Met. 8, 13; Hildebrand und Eyssenhardt lesen spiritus; endlich steht violentiae nicht mehr TJlp. Dig. 1, 18, 6 in. ; Beck und Mommsen lesen et violentia factas.

Auch sonstige fehler, falsche citate, auslassungen und dgl. finden sich mehrfach im buche. So muss es p. 2, §. 2 heissen Cic. de Div. 2, 8, 20 (st. bl. 8, 20), p. 8, §. 6 Terent. Andr. 5, 3, 20 (st. 30). P. 17, no. 4 hält der verf. Cic. de Sen. 21, 78 (bei Dräger bl. 78, während er sonst nur nach buch und capitel citirt) tantae scientiae für nominat. pluralis (s. aber Nauck und andre z. st.). P. 22, §. 11, A wird directior aus Quadrig. ap. Gell. NA. 9, 1, 2 angeführt; aber das wort gehört dort dem Gellius selbst. P. 24. I, 1 lies separatius Cic. de Inv. 2, 51, 156 (st. 2, 5. 1). P. 27, 1 war nicht blos der Superlativ von scelerate, sondern auch der von seleratus (s. Klotz's Handwörterbuch) an- zuführen. P. 28, §. 12 a. e. fehlt Superlativ von exornatus bei Cornif. ad Her. 4, 47, 60 (den comparativ bringt Dräger p. 29 A a. e. aus Anthol.Lat. 1, p. 692, vs. 25 Burm.). Ebendas. durfte egregius nicht aus Lucr. 4, 469 angeführt werden, da Lach- mann und Bernays 4, 465 (467) dort aegrius lesen. Ebendas. muss es heissen expolitior (st. impolitior) Catull. 39, 20 und Co- lum. 2, 20, 6 {impolitior steht Veget. Mil. 2, 4 extr.) P. 30 Seneca der ältere hat auch candidissimus (Suas. 6, §. 22, p. 35, 27 ed. Burs.), exactissimus (Contr. 2, 12, 8 ed. Burs.). P. 31 fehlt aus Plinius der comparativ von niger (HN. 37, §. 95). P. 32 fehlt aus Plin. Ep. 8, 23, 5 der Superlativ von exactus. P. 41

326 185. Rhetorik. Nr. 7.

unten haben Hertz und Weissenborn Liv. 5 , 33, 1 die lesart 8i quidquam humanorum certi est beibehalten-, die lesart scheint ihnen also nicht so unerhört vorgekommen zu sein, wie Drä- ger. P. 110 ist für vix et aegerrime die belegstelle Apul. Met. 1, 14 extr. P. 129, no. 2 wird Quint. Declam. 556(ü) statt 287 citirt. P. 130 ist excretus bei Virg. Georg. 3, 398 von excerno abzuleiten (s. Wagner z. st.). Doch der zugemessene räum ist schon überschritten ; ich ersuche schliesslich noch Drä- ger, wenn er Wörter als in den lexicis fehlend angeben will, doch zuvor mein Handwörterbuch einzusehen ; er wird das be- treffende wort (z. b. p. 42 in concavum und p. 134 potento) in der regel in demselben finden. Aus demselben handwörterbuche können Dräger und Heraus die in ihren ausgaben des Tacitus über das vorkommen eines wortes oder einer construction jre- machten angaben oft berichtigen , wie bereits prof. J. Ott in Eottweil in der Zeitschrift für österr. gymnasialw. 1871, p. 152 nachgewiesen hat.

K. E. Georges.

185. Gustav Dzialas, Rhetorum antiquorum de figuris doctrina. Paris prior. (Prgr.). 4. Breslau. 1869. 27 s.

Der verf. behandelt im anschluss an R. Volkmann's Her- magoras die lehre der alten von den figuren im allgemeinen und sodann die von den einzelnen figurae verborum, indem er die erörterung der figurae sententiarum , der grammatischen figu- ren und der tropen auf eine andre gelegenheit verspart. Die darstellung ist genau und sorgfältig mit wörtlicher auführung der in betracht kommenden stellen der rhetoren. Wer indes- sen es unternimmt das bei Volkmann dargelegte System der rhetorik in einem einzelnen punkte noch weiter auszuführen, müsste sich eigentlich, um mehr wirklich neues zu liefern, be- streben das System nicht als etwas abgeschlossenes , sondern in 6einem werden darzustellen, also z. b. die lehre von den figuren bis auf ihre anfange bei Gorgias und Isokrates zurückzuverfol- gen und weiterhin ihren allmählich erfolgenden ausbau zu zeich- nen. Dies ist von seiten des vf s. nicht geschehen ; man ver- misst überhaupt eine genauere berücksichtigung der nicht bei Walz enthaltenen griechischen rhetoren, wie des Dionysios von Halikarnass, dessen Schriften wenn nicht viel und namentlich

Nr. 7. 186. Homeros. 327

nichts zusammenhängendes , so doch immer hie und da einiges auch für diesen gegenständ bieten.

186. Fedde über Wortzusammensetzung im Homer. 8. Breslau. Elisabetbgymnasium, programm von ostern 1871.

Im ersten capitel spricht Fedde im allgemeinen seine an- sieht aus über ableitung, abwandlung und Zusammen- setzung. Der letzte ausdruck bezeichnet nach seiner ansieht nicht das, was dem einen der drei bildungsprocesse der sprä- che, welchem dieser name beigelegt wird, besonders eigen- thümlich ist, sondern das ihnen allen gemeinsame. Die ablei- tungssuffixe dienen dazu, um die ungeforrnten wurzeln zu selbständigen Wörtern zu formen und die allgemeinheit der wur- zelvorstellungen zu individualisiren und begrifflich zu gestalten. Die flexion send unge n werden verwendet, um die gramma- tischen Wechselbeziehungen, in welche die Wörter im zusammen- hange des satzes zu einander treten, namentlich die congruenz und dependenz, auszudrücken. Die composition dagegen ist eine Verbindung von stoffwurzeln , also von Wörtern, welche sich in der spräche noch einer lautlichen und begrifflichen Selb- ständigkeit erfreuen.

Im zweiten capitel wird die Verbindung von Wörtern in der reihenfolge behandelt , dass von der losesten bis zur feste- sten vorgeschritten wird, lediglich mit rücksicht auf den epi- schen dialekt der griechischen spräche. Diese stufen benennt der Verfasser: 1) Verbindung der Wörter in construktion; 2) zusammens ehr eibung; 3) zusammenrückung; 4] z u- s amm enf ügung ; 5) eigentliche Zusammensetzung. Stufe 1 4 werden im programm besprochen.

Nr. 1 wird mit wenigen Worten abgethan und hätte recht gut völlig wegbleiben können, da diese ganz lose und lockere Verbindung eben deshalb gar nicht composition genannt zu wer- den verdient.

Zu nr. 2 ist zu bemerken, dass die annähme graphischer com- posita überhaupt eine sehr gewagte sache ist. Fedde selbst sagt darüber: da die accentzeichen erst von den alexandrinischen ge- lehrten gesetzt wurden und die graphische trennung der Wör- ter noch später eingeführt wurde, so haben selbst die besten Überlieferungen in orthographischer hinsieht nur wenig werth,

328 186. Homeros. Nr. 7.

namentlich bei Homer. Also bleibt die entscheidung dem sub- jectiven ermessen der neueren forscher überlassen. Graphische composita sieht der Verfasser in: aQtji xTa^svog, ßagv oteräymr, dal' HTapevog, öuxqv ^e'coj', iv xvipsfog, iv vaiEracov, iv i/ai6(*i- vog, evqv xqeCwv, evqv qs(üv , X.ÜQ11 xofiocüvreg, ndXtp nXayy&sig, näXiv oQfiEvog, näai (xiXovaa. Ich bin der ansieht, dass alle diese Verbindungen in einem worte zu schreiben seien. Jeden- falls aber ist kein unterschied zu machen zwischen iiv.mog und et? vaio/xsvog, da in beiden fällen das zweite wort eine verbal- form ist; gerade so gut wie man behaupten kann, dass das ad- jeetivum verbale aus dem bereiche des verbi, dessen weseu doch immer in zeitlichen hergängen begründet ist, herausgetreten sei, ebenso kann man letzteres für häufig vorkommende partieipia statuiren. Eine ähnliche zusammenschreibung existirt nach Fedde's ansieht in den adverbien, welche durch zusammenrücken von präpositionen mit casusformen entstanden sind; und zwar ist ihm dies ganz sicher für: holz* avrrjariv , vnsg (xoqov, ■nar' axQrj&ei', im ds^ia, vnsg (aoqcc, x«z' iväna; hinsichtlich der an- dern auf p. 11 aufgezählten adverbia hält er es für wahr- scheinlich.

3) Zusammenrückung. Das wesen derselben besteht nach Fedde darin , dass zwei selbständige Wörter zu einer toneinheit verschmolzen werden, ohne im übrigen eine andere formation anzunehmen, eine andere auch nur innigere logische einigung einzugehen , als in der parathesis. Daher zeigt sich die kraft der Verknüpfung bei den primitiven verbis compositis nur darin, das präposition und verbalform unter einen hauptton gestellt werden; eine wesentliche modificirung des verba'begriffs durch die hinzutretende präposition tritt nicht ein, ein neuer gesammt- begriff wird nicht geschaffen. Nächst diesen sieht Fedde zu- sammenrückungen in den adverbien, welche aus präpositionen und casusformen entstanden sind, wie ur-dtyn u. s. w. Ferner sind dieselben zu sehen in einer anzahl von zusammengesetz- ten nominibus, welche in ihrem ersten theile adverbiell gebrauchte präpositionen enthalten: ducpt-daavg, noXvduidaXog u.s.w. Daran schliessen sich die zusammengesetzten Zahlwörter und haupt- wörter, wie TQiq-yiXioi, im-ßovxoXog. Endlich gehören dahin viele nomina , in deren ersten gliedern casusformen erkannt werden. Zunächst werden alle hierher gehörigen Wörter in al-

Nr. 7. 187, Alkman. 329

phabetischer reihenfolge aufgezählt, doch lässt Fedde blos fol- gende als uneigentlich zusammengesetzte Wörter gelten: 'EM.qg- noviog , SovQi-ulsizog, öovQi-xlvrög, dovQi-xzi]T6g, xtjQeaai-cpoQi]' tog, Navat-ß-aog, vavai-xlettog, vavGi-nkvxög. Die übrigen p. 25. 26 aufgezählten zusammenrückungen verweist derselbe Verfasser p. 27 ins gebiet der zusammenfügungen (dixag-noX-og, iix-nvQi-ßtj- Ttjg, Nawji-xa-a, öSot-noQ-og, odoi-noQ-iov, ov8evog-03QO-g, ITaai- &s'-7], nvXoi-yer-ijg , ][afxai-evt>7j-g, lOQOi-ivn-iat^ vielleicht auch l&ai-)'£t>-?jg, 'l&ai-fih'tjg, K'kvTai-firrj-cs-TQt], ölooi-7QO^-og, IlvXai- fih-rjg) und zeigt eben durch dieses schwanken und durch das geständnis, die grenze zwischen beiden gebieten lasse sich nicht immer scharf ziehen, dass die ganze eintheilung auf etwas un- sicheren füssen stehe. Ferner ist zu tadeln, was Fedde p. 24 über a.Q?i-i-cpu7og und ägy-t-cpilog sagt: ,,weil die zwei anderen composita ägti-i'-ftoog und 'ÄQtj-i-lvxog die annähme eines da- tivs nicht zuliessen, so sei auch für die zwei ersten Verbindun- gen i als hülfsvokal aufzufassen". In den zwei ersten Wörtern ist mir der dativ unzweifelbar und jede andere erklärung eine gesuchte; wenn auch in den zwei anderen Verbindungen das i sich nicht auf dieselbe weise erklären lässt, so ist darum noch nicht alles über einen kämm zu scheeren.

4) Zusammenfügungen. Während die äusseren kennzeichen der zusammenrückung die gemeinsamkeit des tones und die fle- xionsendnng des ersten gliedes waren, tritt hierbei noch hinzu, dass das zweite glied träger einer dem compositum gemeinsamen endung ist, vgl. 'E/X>']g-7Tovtog und Fft-TzvQi-ßq-TrjQ. Zunächst wer- den zusammenfügungen aufgezählt, welche in ihrem ersten gliede ein adverbium , im zweiten ein verbales nomen enthalten, z. b. $£-ojj-o-ff, i*-on-tj , noo-[xa%-i-£-co , ifji-ßtt-ddv. Dann folgen sol- che, deren zweite glieder in isoiirtem gebrauche schon vorkom- mende nomina sind: vxpi-avlo-g, afityi-eiX-o-g, ä/.tq-rjx^g. Zu- letzt reihen sich an präpositionale zusammenfügungen: &■/$• &eo-g , iv-ala-i/AO-g, ini-yovv-i-g u. a.

C. Härtung.

187. Gustav Benseier, Quaestionum Alcmanicarum pars I. 4. Progr. Eisenach. 1872. 11 s.

In dem ersten abschnitte dieser abhandlung, überschrieben de Alcmanis vita, indole, carminibus, werden mit anerkennenswer-

330 188. Griechische tragoedie. Nr. 7.

ther Sorgfalt die fragen nach Alkman's herkunft und lebenszeit nochmals erörtert. Der vf. spricht sich gegen Welcker's an- nähme dahin aus, dass Alkman nicht etwa der in Sparta geborene söhn eines Lyders, sondern selbst in Sardes geboren und als knabe nach Sparta gekommen sei: was er aus dem epigramm des Alexander Aetolus und aus Alkman's eignen versen (fr. 25) zu beweisen sucht. Allerdings sind diese beweisquellen kaum für die feststellung der lydischen abkunft überhaupt , viel weniger für solche genaueren bestimmungen zureichend. Ueber indoles und earmina wird kaum etwas beigebracht ; in einem 2. abschnitt handelt sodann der vf. de digammate et aeolismis apud Alcma- nem occurrentibus, in einem 3. de vocalium ei diphthongorum mu- tationibus in carminibus Alcmanis exMbitis. Man hätte mehr ge- wünscht die frage nach gebrauch oder Vermeidung speziell la- konischer formen mit zuhülfenahme der inschriften erörtert zu sehen , z. b. ob Alkman selbst a für & geschrieben , oder ob solche formen, die den altlakonischen inschriften fremd, erst durch spätere redaktion in seinen text hineingebracht seien. Für das von ihm behandelte hat der verf. um so weniger wesentlich neues beibringen können , als er die wichtigste quelle, das ägyptische fragment, lediglich aus Bergk's Veröffent- lichungen (im Philologus und in den Lyrici Graeci) kennt, wäh- rend doch die späteren arbeiten von Ahrens, Blass, Canini und andern (s. Phil. Anz. II, n. 10, p. 506) die herstellung weit darüber hinaus gefördert haben.

188. E. Krause de attractionis usu in infinitivo tragi- corum locis collatis. 4. Breslau, programm des Friedrichsgym- nasiums. 1871.

Krause liefert als nachtrag zu seiner früher erschienenen dissertation ,,über den gebrauch der attraction" den dritten theil über die anwendung derselben beim infinitiv. Zunächst bespricht er die erscheinung, dass überall, wo die intinitive das- selbe subject haben wie das verbum finitum, die Griechen das Subjekt des infinitivs weglassen und die sogenannte attraction der prädikate anwenden, z. b. Aesch. Agam. 1613 (ich citire nach Dindorf):

ah 5' üt'ÖQa tavös gifig ixen* yarayrafBiv^ fiövog d'' eaowjov t6v8e (iovlevaat yövov.

Nr. 7. 188. Griechische tragoedie. 331

Darauf werden die stellen aufgezählt, an denen diese regel nicht beachtet wird. Sodann wird das subjekt beim infinitiv wegge- lasssen , wenn es dasselbe ist wie das objekt des verbi finiti und das prädikat oder das zu jenem subject gehörige beiwort richtet sich nach eben diesem objekt, z. b. Soph. Trach. (ed. Dind.) 453;

mg slsv&EQCp

\psvSsi xalelG&ai y.ijQ fiQvgeoTiP ov xaXtj. Eine ausnähme hiervon bilden Soph. Phil. 348. Aesch. Sept. 785. Eum. 34. Nun folgen die ansichten neuerer grammatiker: während Buttmann und Bernhardy eine berichtigung erhalten, wird Krügers m einung verworfen.

Wichtiger als das erste capitel , welches nichts neues und wesentliches bietet, ist cap. II, in welchem diejenigen stellen aufgezählt werden, an denen die genitivische und dativische attraktion nicht beachtet ist. Im gegensatz zu Buttmann, Rost u. a. welche behaupten, die attraktion werde beliebig bald gebraucht , bald nicht , statuirt Krause , die attraktion werde oft deshalb vernachlässigt, weil die Griechen dieselbe für lä- stig befunden hätten, z. b. Soph. Trach. 468:

aol ö' iym (jP(j«£co xaxov ngng aXXop slvai. Aehnliche stellen, in denen das prädikat im accusativ statt im dativ steht, sind: Aesch. Choeph. 140. Soph. Ai. 116. Phil. 1470. Eurip. Heracl. (ed. Nauck) 477. Die beiwörter , meist participia, bleiben im accusativ, um das verbum finitum und den infinitiv zu unterscheiden : Aesch. Agam. 27. 341. 923. 1199. 1610. Choeph. 704. 1029. Eum. 622. 804. 867. Prom. 216.— Soph. Oed. Col. 92. El. 962. Ai. 1007. Phil. 669.— Eurip. Ale. 357. Iph. Taur. 907. El. 1250. Med. 290. 659. 743. 814. 886. 1236. In allen diesen stellen, zwei ausgenommen, hat das verbum finitum den dativ bei sich , der genetiv steht nur Agam. 1199. Eurip. Iph. Taur. 907. Meiner meinung nach fällt die erste stelle durch die einzig berechtigte lesart Dindorfs: &av(id^m de as

tiüvtov negetv TQacpsiaav xtX. und verliert ihre beweiskraft; an der zweiten stelle:

oocfcav yug up8qcÖp tavTa, f<il *xßävzai; iv%t]g,

naigov kaßovraii, rjdopag aXXag Xaßstv,

332 189. Euripides, Nr. 7.

steht aocpöov avÖQüiv ian = sapientis est in einem so bestimmt ausgeprägten sinne, dass sie ebenfalls nicht in betracht kömmt.

C. Härtung.

189. Euripides Kyklops im versmasse des originales über- tragen, mit einer einleitung über das satyrdrama und kurzen erläuternden bemerkungen von Val. Hintner. 8. Progr. des gymnasiums zu Czernowitz. 1871.

Die einleitung bietet nichts neues und giebt zum theile nur das wieder , was in der einleitung Kock's zu lesen ist. Die Übersetzung ist nicht ohne werth; sie schliesst sich zwar ziemlich an die Übertragung Kock's an, ist aber im einzelnen treuer und gibt manche stelle recht glücklich wieder. Einiges ist entschieden verfehlt, z. b. „69 Jakchos, Jakchos sing ich, 104 schlauen schreihals, 152 heraus damit, 235 und durch dein äuge dann zu ziehn die eingeweid'f, u. dgl. Auch leidet die Übersetzung sehr an unangenehmen härten, z. b. 231 „sie wussten nicht, dass ich ein gott von göttern stamm" ? Endlich ist noch zu tadeln, dass der Verfasser, freilich nach dem vorgange Kock's, die derben stellen in seiner Übersetzung verkleidet hat, z. b. 169 f. „der wein ja ist's, der alle lebensgeister weckt, der uns das kosen lehret, liebeslust entfacht", 180 „habt ihr nicht alle, mann für mann, es (das frauchen) durchgeküsst" u. dgl., wodurch die Sprache des satyrdrama nothwendig ihre eigenthümliche fär- bung verliert. Die beigegebenen anmerkungen zeigen, dass der Verfasser mit der euripideischen literatur ausreichend bekannt ist, was man gewiss anerkennen muss, wenn man bedenkt, wo dieses programm verfasst wurde. Unter den kritischen bemer- kungen verdient die zu v. 551 beachtung, welchen vers der verf. mit den handschriften dem Odysseus gibt, während man ihn jetzt allgemein nach dem vorgange Lentings dem Seilenos zuweist. Sonst aber sind die vorschlage des vf. verfehlt, z. b. 136 alyag für J/o<,'(!), 566 Xnßoöv w $«V olri? olvo%6oe fi f*ot ys- vov. Bei dieser gelegenheit geben wir noch ein paar kleinig- keiten zur kritik und erklärung des Kyklops. Vs. 153 ist viel- leicht oapqv eine glosse zu dem ursprünglichen ar&ijv, durch welches alle Schwierigkeiten der stelle behoben wären. Die verse 480—482 erregen durch die breite des ausdrucks und das aus v. 478 wiederholte (pllov^ den verdacht der unechtheit.

Nr. 7. 190. Plutarchos. 333

Vs. 502 versteht man unter Ovgav die thüre der geliebten, es muss aber, wie schon Hermann erkannt hat, hier offenbar eine zote vorliegen. Bedenkt man, dass der chor von einem zecher spricht, der links seinen liebling, rechts eine üppige dirne neben sich hat und nun übermüthig ausruft: wer öffnet mir die thüre?, so kann man über den sinn von Qdqöl nicht im zweifei sein. Zum Überflüsse möge noch auf den gebrauch von elviivou [slae'k- Oeiv) verwiesen werden, der sich in Aesop. fab. 148 Halm, findet.

190. G. Treu, de codicibus nounullis Parisinis Plutarchi Moralium narratio. Progr. des gymnasium zu Jauer. 1871. Der Verfasser, Oberlehrer Treu, zählt zu anfang alle hand- schriften der pariser bibliothek auf, in welchen eine oder die andere der moralischen Schriften Plutarchs enthalten ist. Dann bespricht er die beschafienheit der handschriften, die zu der Schrift de profectibus in virtute enthalten sind, und theilt dieselben (no. 1211. 1671. 1672. 1955. 1957. 2076) in zwei klassen. Von den fünf übrigen ist zu trennen cod. 1211 aus dem vierzehn- ten Jahrhundert. Derselbe enthält viele glossen und scholien am rand und zwischen den zeilen, deren ein grosser theil an- geführt wird; sie reichen bis X, 81, d. Die scholien taugen zwar nichts, desto mehr aber der codex; er stammt mit dem Tischendorfer VH in Leipzig aus einer quelle; denn beide stimmen ganz überein bis auf wenige fehler des abschreibers. Sodann werden die richtigen lesarten, welche beide allein bie- ten, aufgezählt. Die übrigen fünf handschriften haben nur we- nige ihnen eigenthümliche Varianten, die der erste Schreiber gegeben hat; auch sie werden namhaft gemacht. Unter ih- nen ist wieder eine engere Scheidung zu treffen, insofern 1671. 1672 auf der einen seite und auf der anderen 1955. 1957. 2076 unter einander näher verwandt sind. Nachdem darauf die einzelnen handschriften in betreff ihrer individualität bespro- chen sind, gelangt Treu zu folgendem resultat: 1211 und Tischendorf. Vn sind durchweg der textgestaltung zu gründe zu legen; die übrigen haben nur manchmal werth, um die feh- ler jener beiden zu beseitigen oder ihre lücken auszufüllen. Da- her hat Dübner unrecht, wenn er 1672 und 1671 für die besten handschriften erklärt; er übersieht, was Volkmann Plutarchs le- ben und schritten I, 101 u. s. w. schreibt, dass das corpus mo-

334 191. Plutarchos. Nr. 7.

ralium nicht vor dem zehnten Jahrhundert zusammengestellt sein könne; dass der Sammler handschriften von sehr verschie- denem werthe benutzt habe; dass diejenigen handschriften, wel- che einzelne Schriften Plutarchs enthalten, einer älteren und besseren recension entnommen sind.

Ueber den apparat des Coutus, der in der pariser biblio- thek vorhanden ist , fällt Treu nach aufzählung der demselben anhaftenden fehler das urtheil, derselbe tauge nichts, weil er den Vorschriften der heutigen kritik sehr schlecht entspreche ; denn nicht über die gute einer jeden handschrift werde in demselben gehandelt und nicht über die Verwandtschaft der einzelnen werde geurtheilt, sondern Contus habe sich begnügt, möglichst viele Varianten zu sammeln 5 er befolge nicht einmal die gruudsätze, welche er selbst zu anfang seines werkes aufgestellt habe, son- dern biete bald die erste lesart und die correctur, bald blos die correctur, er unterscheide nie die handschriften und bringe man- ches falsche aus versehen. Nach dieser auseinandersetzung wird allerdings wohl kein neuer herausgeber Plutarchs auf die- sen apparatus zurückgreifen. C. Härtung.

191. De Plutarchi libro, qui inscribitur „de communibus notitiis" commentatio. Scrips. Ed. Rasmus. (Programm des Friedrichs -gymnas. zu Frankfurt a/O. 1872).

Der Verfasser dieser abhandlung als kenner des Plutarch schon durch frühere arbeiten bekannt {Emendationes in Plutarchi libro qui inscr. non posse suaviter v. s. Ep, und advers. Colot. Frank- fürt a/O. 1863 ; beide programme sind bei S. Calvary erschie- nen — ) bat eine aufgäbe übernommen und gelöst, die Volk- mann auf sich zu nehmen nicht den muth gehabt hat. Seine abhandlung zerfällt in zwei theile; der erste beschäftigt sich mit dem autor der schritt de comm. notitiis (p. 1 12). Nach- dem Rasmus zunächst die titel der Schriften aufgezählt hat, welche Plutarch nach angäbe des cod. Florentinus (des sogenann- ten catalog des Lamprias) gegen die philosophie der stoiker geschrieben haben soll, bemerkt er, dass das buch tifqI owt]- &eCag ngog toiv 2itai)tov$ und neo) (xoDUf) ivvoiäv nyag toog JSimixove ein und dasselbe sein müssen, indem er das argument, mit welchem A. Schaefer bewies , dass der sogenannte catalog des Lamprias nicht von einem söhne des Plutarch herrühre, mit

Nr. 7. 191. Plutarchos. 335

recht auf diese titel anwendet. Hinsichtlich der anderen titel der gegen die stoa gerichteten Schriften ist alles schwankend und mehr als zweifelhaft, mit ausnähme der drei noch erhalte- nen Schriften. Von diesen sind de Stoicorum repugnantiis und Stoicos absurdiora quam poetas dicere als plutarchisch unbezwei- felt, gegen die echtheit von de comm. notitiis sind aber mehrfach und auch gerade von bedeutenden autoritäten zweifei erhoben worden, wenn es auch dabei nicht zu einer sachgemässen begrün- dung, sondern nur zu einem subjectiven raisonnement gekom- men ist. Auch Rasmus beginnt, wie alle neuern Untersuchungen über echtheit und unechtheit einer plutarchischen schrift mit einer Untersuchung des hiat. Auf grund des zu häufigen Vorkom- mens von hiaten hatte Benseier und ihm folgend Volkmann diese schrift dem Plutarch abgesprochen (bei Volkmann treten allerdings noch einige andere gründe hinzu). Inzwischen sind mehrere neuere forschungen nicht mehr auf dem boden stehen geblieben, auf welchem Benseier basirte. Das urtheil über das wesen des hiats ist jetzt ein anderes, als früher; man nennt nicht mehr hiat den zusammenstoss zweier vocale am anfang und ende eines wortes schlechthin, sondern beschrankt ihn auf die fälle , wo ein langer vocal mit einem kurzen oder ebenfalls langen zusammentrifft. Auch ist die zahl der ausnah- men, in denen sich Plutarch den hiat gestattete, vermehrt und erweitert ; Rasmus hat das verdienst den bekannten sechs aus- nahmen noch eine siebente hinzugefügt zu haben : vor den for- men des verbi e?v«i. Und diesen fall der hiatzulässigkeit hat Rasmus mit einer hinreichenden anzahl von beweissteilen aus den Moralia gestützt; ob aber derselbe auch auf die Vitae ausgedehnt werden darf, ist nicht ersichtbar; mir wenigstens ist kein fall bekannt mit ausnähme des hiats nach [* rj , der schon an sich erlaubt ist.

Dann giebt Rasmus das urtheil Benselers über die beiden Schriften und bespricht die hiatstellen in de notitiis. Benseier hatte 29 gröbere hiate in dieser schrift entdeckt; darum glaubte er, ein nachahmer des Plutarch habe diese schrift geschrieben; auf dieses urtheil stützte später Volkmann seine ansieht. Ras- mus untersucht nun diese hiate genau und beseitigt sie theils auf grund seiner neuen ausnähme telvat) theils durch Umstellung, theils dadurch, dass er zeigt, wie mehrere vom hiat inficirte

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stellen ausspräche oder formein der stoiker sind, theils durch grö- ssere interpunction oder constatirung einer lücke im texte. Ganz anders erscheint der text der handschrift de stoic. repugnantiis, wo in folge der sehr häufigen anführung von aussprächen anderer die zahl der hiate sehr gross ist. So z. b. finden sich in den Worten des Chrysippos beinahe 50 gröbere hiaten ; dagegen in Plutarch's eigenen Worten nur sehr wenige. Ein vergleich aber beider Schriften ergiebt, dass die art und weise, wie in beiden Schrif- ten der hiat vermieden resp. zugelassen worden sei , ganz die- selbe ist. Somit ist denn aus dem hiat kein argument gegen die autorschaft des Plutarch zu gewinnen. Im folgenden wendet sich Rasmus gegen Volkmann der an dem stil und in- halt der schrift de comm. notitiis vielerlei auszusetzen hatte (I, p. 210). Zunächst bespricht Easmus den Vorwurf Volkmann's, dass Plutarch sich einer gehässigen art von polemik gegen die stoiker bedient habe, die er selbst in advers. Colotem diesem zum Vorwurf mache. Die art der Widerlegung erscheint mir nicht sehr glücklich; dass die menschen oft selbst das thun, was sie an andern tadeln ist gewiss richtig, allein aus diesem allgemeinen erfahrungssatze lässt sich doch die erklärung von Plutarch's ge- hässiger polemik nicht herleiten; Plutarch zeigt sich in sehr vielen Schriften als ein sehr energischer gegner der stoa , die er mit allen waffen bekämpft und auch oft lächerlich zu ma- chen sucht ; so gehässig aber , wie hier , zeigt er sich nirgends gegen sie, und dieser punkt bedarf noch einer erklärung, die ich mich vergebens bemüht habe, zu finden. Die behauptung Rasmus, dass Plutarch nicht immer nach einer logischen dispo- sition und nach genau vorher überlegten planen seine Schriften angelegt und geschrieben habe, ist richtig und die meisten plutar- chischen Schriften liefern hierfür den beweis ; so ist es auch hier geschehen, wenn auch Plutarch nicht so ganz ohne plan verfahren ist, wie Volkmann meint; (s. p. 11). Uebrigens ist die Zusammengehörigkeit der gedanken und der Zusammenhang der einzelnen abschnitte in de comm. notitiis nicht unterbrochen. In dem punkte aber hat sich Volkmann geirrt, dass in de comm. no- titiis mehr citate anderer sind, als in de Stoic. repugnantiis ; dazu kommt, dass der plan beider schritten wesentlich von einander ab- weicht; denn in letzterer bekämpfen sich die stoiker selbst, in de comm. notitiis wird in der form eines dialogs auseinandergesetzt,

Nr. 7. 191. Plutarchos. 337

wie sehr die ansiebten der stoiker im widersprach stehen mit den ansiebten anderer menschen; es folgt daraus, dass , während in de repugnantiis Chiysipp's lehre mit Chrysipp's aussprächen ge- schlagen wird, in de comm. notitüs dagegen den aussprächen Chry- sipps andere entgegengestellt weiden, die zahl der Chrysippci- tate in de repugnantiis doppelt so gross, als in der andern schrift ist. Ferner hatte Volkmann gerügt , dass in keiner dieser beiden Schriften auf die andere bezug genommen worden sei. Easmus sucht nun zwar de rcp. XII 1 und LV mit de comm. not. XXV in einklang zu bringen und eine gegenseitige bezie- bung auf einander darin zu finden, allein diese von Rasmus selbst levis mentio genannte beziehung ist für mich wirklich nicht da. Und es bleibt dies immer noch ein bedenklicher punkt, wenn man bedenkt, wie Plutarch es liebt sich auf seine andern Schriften zu beziehen, und hier, wo stoff und zweck derselbe war, konnte man allerdings eine häufigere beziehung erwarten. Wie es nun auch geschehen sein mag, dass diese be- ziehungen nicht da sind und aus. welchen nicht bekannten gründen Plutarch eine solche vermieden hat, ein argument gegen die echtheit wird sich hieraus schwerlich ableiten lassen. Uebrigens sind in dieser schrift sehr viele lücken und es ist nicht unmög- lich, dass in einigen dieser lücken gerade beziebungen der einen schrift auf die andere sich gefunden haben. Dass aber sonst zwischen beiden schritten eine Verwandtschaft sei , hat Easmus gezeigt; so findet sich im citiren der ausspräche der stoiker vollkommene Übereinstimmung; es folgt eine Zusammenstellung der citate der stoiker, welche sich in beiden schritten fin- den; die zahl in ersterer , de Stoic. repugnantiis, ist 18, in der zweiten 19 (p. 7 11). Und dieser Zusammenstellung schenke ich meinen ganzen beifall, da die stellen mit gro- ssem fleisse und philologischer genauigkeit gesammelt sind. Bei dieser Zusammenstellung hat vf. auch noch auf einen unterschied aufmerksam gemacht, der sich zwischen beiden schritten findet: nämlich in de notitüs sind die aussprüche der stoiker meist enger zusammengefasst und nicht so ausführlich angegeben, als in de repugnantiis. Mit recht weist Easmus dann darauf hin, dass je zwei stellen des Chrysipp sich in beiden schritten verbunden finden; ferner haben beide schritten das gemeinsame, dass zuerst die ethik, dann die physik zum gegenständ der Untersuchung ge- Philol. Anz. IV. 22

358 191. Plutarchos. Nr. 7.

wählt wurde, nicht also die disputation sich nicht in dem ge- wohnten gang der stoiker bewegte. Es wäre also auch die zweite frage erledigt , dass hinsichtlich des iubalts und der ganzen gestaltung der schrift de comm. notitiis gegen die autor- schaft Plutarch's eigentlich nichts spräche. Wenn es sich aber noch urn Stützpunkte für die autorschaft Plutarchs handelt , so möchte ich doch nicht übergangen wissen, was Volkmann I, p. 210, der die ganze frage zweifelhaft lässt, wenn er auch mehr gegen, als für Plutarch's autorschaft spricht, angeführt hat. Für Plutarch spricht der umstand , dass Lamprias als unterredner auftritt und die in der schrift zu tage tretende grosse ge- lehrsamkeit des Verfassers, die es schwerlich erlaubt, in ihr das werk eines nachahmers zu erblicken, der seine arbeit für plu- tarchisch hätte ausgeben wollen. Die rein sprachliche Seite hat Basmus nicht behandelt: er hätte leicht nachweisen können, dass die von Plutarch immer und überall gebrauchte Wortver- bindung sich auch hier fände , dass alle partikeln , die ihm ei- genthümlich sind, auch in dieser schrift nicht fehlen, dass über- haupt die ausdrucksweise ganz plutarchisch sei. Dafür hat er uns mit einer grossen anzahl Verbesserungsvorschläge beschenkt, die den ganzen zweiten theil seiner arbeit ausmachen ; vorher giebt er aber eine art literaturgescbicbtlichen überblick über alle die- jenigen j die sich mit der emendation de comm. notitiis beschäf- tigt haben und spendet bei dieser gelegeuheit vor allem Mad- vig reiches lob. Es führt zu weit gegen 80 emendationen und conjecturen hier anzuführen, von denen viele allerdings das rich- tige getroffen zu haben scheinen , andre wie z. b. cap. IX, 2 mit cot," 'inog tlneiv oder XI, 8 auf schwachen füssen stehen. Immerhin aber ist durch Piasmus arbeit unsere kenutniss der weise des Plutarch gefördert und dankbar müssen wir aner- kennen, was er geleistet hat. Der druck ist durchaus correct.

H. H.

192. Andocidis orationes edidit Fr idericus B lass. Lip- siae in aedibus B. Gr. Teubneri. XVIII und 110 s. 8.

Auf seine bearbeitung des Antiphon hat Blass rasch die vorliegende ausgäbe des Andokides folgen lassen, die mit jener die gleiche zweckmässige einrichtung gemein hat: hinter der

Nr. 7. 192. Andokides. 339

praefatio die iudicia veterum und kurze argumenta orationum, am ende des bandes die spärlichen fragmente und einen index no- minum et verum memorabüium, unter dem texte der reden selbst in einer gedrängten adnotatio critica eine auswabl des kritischen apparats , darunter die lesarten des codex Crippslanus (A) voll- ständig nach Bekkers und Dobsons angaben. Auf eine neue vergleichung dieser handschrift hat Blass leider verzieht gelei- stet. Allerdings war sie für unsern redner nicht so unumgäng- lich, wie für Antiphon und Deinarchos, da die für die kritik der letztem fundamentale frage nach dem verhältniss des codex A zum Oxoniensis ohne eine neue collation von A nicht zu entscheiden ist. Aber wenn Blass meint, dass im Andokides die lesarten der ersten band von A darum von geringerem werthe seien, weil die correcturen sämintlich von derselben band herrührten, so bedarf dies urtbeil doch einiger beschränkung. Eine anzahl von lesarten haben die berausgeber lediglich auf die autorität von A pr. in den text genommen, manche darun- ter zuerst Blass selbst, wie I; 30. 114. Danach verlangt aber die consequenz dasselbe auch anderwärts zu thun , also I, 23 zu schreiben ovdiva nänot'' eyco tlnötia oida statt oldivag tiiiöiTuig, ebenso I, 39 herzustellen b(jmv de avtöjv ngög rijp otl/jiijv ngooeana Ttltlara (für iäv nXtCarcor) yiytäoxtiv. Für die emendation des textes sind die beitrage älterer und neuerer gelehrter sorgfältig herangezogen worden. Nur weniges mag Blass entgangen sein. Für das psephisma des Tisamenos war Köhler , Urkunden und Untersuchungen p. 63 ff. zu benutzen •, die dort restituirte Schätzungsurkunde von Ol. 88, 4 erweist nicht allein die ächtheit des decrets, sondern be- stätigt auch im einzelnen Sluiters ol 8txa ftorjfAtroi toftoßitai und widerlegt die von Blass vorgenommene (übrigens schon von Petitus und Taylor verlaugte) Umstellung der worte ol ntv- rw/.öatoi hinter /} ßovXrj. Die entscheiduugen über probabilität der neueren besseruugsversuche zeugen überall von besonnenem urtheile ; nur hier und da sind sie zu conservativ ausgefallen, z. b. I, 86 uou ... ntuitXtintto ntgi ozov olüv z' /) aQXVv siadysiv rj bfiäiv Tiüäiat Tut, wo Sluiters unentbehrliches iwa nicht ein- mal in der anmerkung erwähnt ist. Ueberhaupt hätte ref. ge- wünscht , dass Blass sich nicht auf anführung der conjeeturen beschränkt hätte, die ihm satis verisimües (p. x) erschienen,

22*

840 192. Andokides. Nr. 7.

Je weniger zu erwarten ist, dass die reden des Andokides so- bald wieder einen bearbeiter finden werden, um so mehr hätte es sich empfohlen, die in Zeitschriften nnd programmen zerstreu- ten beitrage zu ihrer kritik im wesentlichen vollständig zu ver- zeichnen, wie dies auch in andern bänden der Teubnerscken Sammlung geschehen ist. Wohl zu spröde steht Blass der an- nähme von interpolationen gegenüber. Die worte I, 64 u&sv ögucöfjEvoi lavi"1 inoiovv inslvoi sucht er gegen die athetese des ref. durch eine erklärung zu halten, mit welcher wenigstens die überlieferte fassung der worte nicht zu vereinbaren ist. Eben so wenig kann ich die von mir empfohlene Streichung der worte ab mar sigöfistog I, 15 durch die gegenbemerkungeu in der vor- rede widerlegt finden. Die möglichkeit der deutung , welche Blass dem vorausgehenden \pT]q>toai*-evi]g rfji; ßnvX7j<,' geben will, ist doch durch den zusatz r/v ydg «t Toy.ouT<ug ausgeschlossen. Dagegen möchte ich I, 75 avimv nicht mit Blass streichen, son- dern nur in uvtwv ändern und dies mit der bekannten demo- sthenischen stelle 41, 12 schützen.

Wir sind hiermit zu den eignen leistungen des herausge- bers für die emendation des textes gelangt, welche einen aner- kennenswerthen Scharfsinn bezeugen, wenn er auch in der auf- nähme seiner vermuthungen mehrfach zu rasch verfahren ist. Namentlich hat er die schon früher gemachte beobachtung, dass der text des Andokides nicht selten durch ausfall einzelner worte gelitten hat, noch weiter verfolgt und manchem anstosse auf diesem wege glücklich abgeholfen. Sehr gut ist besonders I, 45 durch eiufügung des nyo vor vvxiog geheilt; auch I, 56 ist der gedanke, dass vor tha de ein dllu nnwzov pe* vpa$ ausgefallen sei, zwar auf den ersten blick überraschend , aber der sonst beliebten zusetzung von Ipiv in den vorausgeheuden Worten weitaus vorzuziehn. Entschieden falsch ist wohl nur die ergänzung I, 11 iuv \pr]q)iai]o9e ubtiav (w di>) jj-co ytXnvm wegen des «v, da Pythonikos die ubtiu für eine bestimmte person verlangt. Anderes erscheint aber wenigstens überflüssig, wie I, 88 nvgiat nicht nöthig ist, wenn man tiev richtig inter- pretirt. Von den sonstigen besseruugen des herausgebers hebe ich als zweifellos richtig heraus 1, 136 au1 yaq nltiöiov^ für iov$ yuQ nkttöTov^i 14, 12 (itya).oit uyaßdtjv aitta für fAsyäktav dyuöoji »• kJik, III, 20 {iHüntt ftii /(itutza^; letztere beiden ände-

Nr. 7. 193. Isaios. 341

rungen stehn seit jähren am rande meines handexemplars. Ir- rig ist. I, 24 die änderung des überlieferten 7«/« oder raXka in jux«., da der artikel nicht zu entbehren ist. Und III, 31 ist statt des in den text gehetzten lxxa.Xe.lv aviäv tov üvfxöv wenigstens das medium erforderlich.

Durch die verdienstliclie leistung von Blass werden hof- fentlich auch andre angeregt werden, sich mit der kritik des An- dokides zu beschäft'gen , der noch gar manche rückstänrle ver- blieben sind. Ref. beschränkt sich darauf einige kleinigkeiten zu berühren, die sich in aller kürze erledigen lassen. Eine ganz verkehrte interpunktion hat man bis jetzt in dem locus classicus über die atimia I, 76 geduldet; es ist zu lesen: hsooig ovx r\v ynaxpaa&io, rolg 5' ivdsiqäi' rolg 8s fit] avanXevGai elg EXXtj— GTCovtnv, aXXoig 8 etg Iooviav , rolg 5' etg tijv ayooav [irj eiais- vai ngnarahg r\v, I, 89 onoz* ovv idn^sv vulv wäre nach dem sprachgebrauche des Andokides auch wenn kein sirav&ol folgte, onov zu schreiben, vgl. I, 58. 86. 90. II, 1. 27. III, 2 (an- ders steht önnrs I, 7). I, 41 tot 8s naTsoa tov suov rv^slv shnvra na} einslv ai<7ni>, nahm an avrnv schon Reiske mit recht anstoss; man wird dafür avtm zu setzen haben. Anderes würde eine ausführlichere erörterung nöthig machen , als uns hier ge- stattet ist. Nur das eine mag noch angedeutet sein , dass das oben erwähnte psephisma des Tisamenos ebenso wenig vollstän- dig sein kann, wie das vorausgebende des Patrokleides ; in je- nem ist eine lücke vor anhatov 8' av ngoads'y, in diesem vor nsol 8s icöv imysygafxfjievmv anzusetzen. Denn an der ächtheit des letztgenannten decrets wird heutzutage wohl niemand mehr zweifeln ; man vergleiche darüber jetzt auch R. Scholl im Her- mes VI, p. 21 dessen deutungen ich freilich in keiner .weise folgen kann.

J. H. L.

193. Arnold Laudahn; welchen einfluss hat Isaios auf die demosthenischen vormundschaftsreden ausgeübt ? Abthei- lung I. Die prooemien jener reden. 4. Progr. Hildesheim. 1872. 12 s.

Der vf. unternimmt hier, die Überlieferung über Isaios' mit- betheiligung bei der abfassung von Demosthenes' vormundschafts- reden, daneben auch die über den vierjährigen aufenthalt des

342 194. Lucretius. Nr. 7.

lehrers im hause des schülers nach dessen mündigkeitserklärung aus den reden selbst zu prüfen und zwar als falsch nachzuwei- sen. Er will auf dreierlei sein augenmerk richten : auf den bau der reden, auf die periodenbildung, endlich auf einzelne dem Demosthenes eigenthümliche ausdrücke, Wendungen und figuren, die sich etwa in diesen reden wiederfinden. Soweit nun des vfs. darlegung hier vorliegt , hat er offenbar sein ziel vollstän- dig erreicht: ausgerüstet nicht nur mit der kenntniss der ein- schlägigen litteratur , sondern vor allen dingen auch mit ei- nem feinen verständniss für rhetorische und stilistische fragen, legt er an den prooemien der reden mit genauer analyse dar, wie Demosthenes anfänglich nur nach mustern seines lehrers, aber in einer ihm selbst eigenthümlichen weise, die der des Isaios noch sehr nachsteht, und später mit voller Selbständig- keit und mit schon entwickelter kunst gearbeitet hat. Ausser den beiden prooemien der ersten reden gegen Aphobos und gegen Onetor wird noch drittens das der rede gegen Spudias zur vergleichung mit herangezogen, über welche der vf. Schä- fer's ansieht theilt, dass sie echt und zwar eine Jugendarbeit des Demosthenes sei. Möge nur die so sehr zu wünschende fortsetzung dieser trefflichen Untersuchungen nicht zu lauge auf sich warten lassen.

194. Syntaxis Lucretianae Lineamenta. Scripsit Fr. Guil. Holtze. Lipsiae. 8. Otto Holtze. 1868. 1 thlr. 4 sgr.

Ohne zweifei war eine Lucrez - grammatik , seitdem Lach- mann dem grossen dichter durch seine mustergültige ausgäbe neue und zahlreiche Verehrer gewonnen, ein dankenswerthes unternehmen. Schon als beitrag zu einer künftigen grammatik der lateinischen dichter musste diese arbeit, wie die früheren desselben verf. , willkommen sein. Auf 197 seiten wird die syntaxis lucretiana behandelt: ein stattlicher umfang für die Specialgrammatik eines lateinischen dichters. Aber gerade in dieser ausführlichkeit liegt eine aufforderung zu untersuchen, ob die auswahl der gesammelten stellen denn darin besteht die arbeit hauptsächlich eine geeignete ist; ferner, ob alle für einen dichter wesentlichen punkte berücksichtigt sind. Auf der einen seite hat nun der verf. zu viel gethan; denn gerade für grammatisch ganz triviale und selbstverständliche dinge ist eine

Nr. 7. 194. Lucretius. , 343

ermüdende und überflüssige menge von stellen citirt; auf der andern ist sowohl in den bebandelten abschnitten der gramma- tik mancbes bemerkenswerte und interessante übergangen , als auch eine reibe von punkten unberührt geblieben, die man in einer syntaxis lucretiana ungern vermisst. Endlich weist die eintbeilung der einzelnen materien, namentlich im gebrauche der casus, sowie die terminologie eine reihe von eigenthümlichkeiten auf, die gewiss keinen allgemeinen beifall finden werden. So- weit der dieser besprechung angewiesene räum es gestattet, mö- gen beispiele und beweise für unsere behauptungen folgen. Welchen zweck hat es , als beispiele des plurals terrae rationes fortunae motus fines catervae anzuführen? (p. 2. 3). Ueberflüssig, weil der prosaischen syntax entsprechend , war ferner opus est c. nom. p. 3 mit 5 stellen, die anführung von exire (5 st.), procul dubio (5 st.) und extorris c. abl., loco (3 st., p. 8), hoc tempore (9 stellen, p. 11), die abl. absoluti (24 st., p. 13), ablativ beim com- parativ, bei egeo privo spolio compleo abundo careo, dignus (p. 13 15), beispiele für orior und fast sämmtliche des abl. instrumenti (p. 15 21), quare (p. 21): die meisten beispiele des abl. modi (p. 22. 23), z. b. ratione, modo und des abl. qualitatis (p. 28. 29), namentlich mit esse verbunden. Der accusativus qualitatis umfasst allein fünf Seiten. Ebenso ist unter den präpositionen eine menge von beispielen des gewöhnlichsten Sprachgebrauchs angehäuft, die grammatisch ohne inteiesse sind. Dasselbe gilt von den übrigen abschnitten des buches mehr oder weniger. So werden für Jiaud (p. 165. 166) 33 stellen citirt, von denen 20 abgedruckt sind. In einem wörterbuche zu Lucrez würde dies vielleicht am platze sein : für eine grammatik des dichters ist es bailast. Trotz dieser übermässigen ausführlicbkeit in ein- zelnen abschnitten ist manches übergangen, was beachtung ver- diente. Einige kleine nachtrage , die auf Vollständigkeit nicht den geringsten anspruch machen, mögen dies veranschaulichen. So braucht Lucrez zu ' Umschreibungen des begriffes (cp. I, 3, p. 1) ausser vis noch natura [acpcae I, 281), potestas (aeris III, 287), corporis atque animi (III, 334), auctus (arboris VI, 168 corporis II, 482. V, 1171). Die beispiele zu vis sind unvoll- ständig: es fehlen IV, 681. V, 28. 1286. I, 738. III, 397. Zum pluralis ist zu bemerken: p. 2 aeres IV, 291, coeli omnis II, 1097, lumina = vita III, 1025, silentia, öfter sapores, II, 430,

344 194. Lucretius. Nr. 7.

aestus III, 1012, loquellae I, 39, contemptus V, 833. 1278, adi- pesIV, 641. Der poefische plnral von naturgegenständen, wie absinthia I, 11 und sonst, habrotoni, centaurea IV, 125, von ab- stracten, wie ortus, von orten, gegenden, Aussen u. s. w. [aequora ponti, laeus, u. ä.), wie überhaupt der eigentlich dichterische ge- brauch dieses numerus ist nicht angegeben. Beim nominativ (p. 3. 4) fehlt satis esset causa profecto 1, 241. Zum abl. loci nach eintheilung des vf. fügen wir: manat uberibus lacteus umor 1,259, abrupti nubibus ignes II, 214: zum locativus p. 8 peeudes pin- gui per pabula laeta Corpora deponunt 1 , 257, speculis quaeeun- que apparent IV, 98. vrgl. 331. VI, 1254 casa iacebant, VI, 376 tempestas coelo cietur: zum abl. copiae et inopiae p. 14, der unter der rubrik abl. medii figurirt: II, 845 quae sonitu sterila aut sueo ieiuna feruntur. Der ablat. instrumenti wird als zum abl. qualitatis gehörig durch zahllose beispiele (allein für consto sind neun beispiele abgedruckt) illustrirt , und neben ihm erscheint der abl. prineipii und medii. Schon unter dem abl. quantitatis p. 4 wurde ein abl. prineipii aufgeführt und in der that möchte es schwer sein, anzugeben , aus welchem gründe exire finibus, erumpere caelo, Jundo, corpore nicht unter dieselbe kategorie fal- len wie p. 15 oriri alienigenis, exsistere terra, denn in beiden fäl- len beantwortet der ablativ die frage: von wo? Unter dem abl. instrumenti ist eine anzahl von beispielen angeführt die gar nicht dahin gehören, z. b. reeubare corpore saneto, minitanti mur- mure caelum comprimere, donare mit ablativ, seminibus certis creari, während creata figuris und zwei andere beispiele desselben verbnm unter dem abl. originis angeführt werden , usus est spatio, opus est semine (vier beispiele), semine certo crescere, con- stare mit abl.; praeditus, floreo, pingui corpora deponcre, coniunetus colore, mulier coniuneta viro u. s. w. Sogar frui wird unter die- sem ablativ aufgeführt. Weit bemerkenswerther ist z. b. I, 256 novis avibus canunt silvae, und beim abl. limitationis (p. 22) : II, 387 ignis noster hie e lignis ortu taedaque creatus (die handschrif- ten geben, wie VI, 909, ortus), II, 505 daedala chordis carmina, II, 408 bona sensibus et mala tactu, VI, 779 taetn vitanda aspectu fugtenda saporeque tristia , VI, 1140 exhausit civibus ur- bem, IV, 12 47 admiscetur semine semen, wonach auch wohl das häufige admixtum rebus inane zu beurtheilen ist. Der abl. modi und qualitatis p. 22 ff. bringt zwölf beispiele für hoc modo,

Nr. 7. 194. Lucretius. 345

oder modis und 34 ausgedruckte für ratione. Mit dem ablativ wie mit dem accusativ sind eine reihe von adverbien verbunden quae eanclem hahent significationem. So treffen wir unter dem abl. prm- cipii als einer unterabtheilung des abl. qualitatis an: inde hinc illinc utrimque extrinsecus intrinsecus penitus aliunde deorsum seorsum, und unter dem abl. habitus : qua hac extra supra ultra prope una; unter dem der zeit: dbhinc deinde exinde und sogar extemplo ; ferner quando tunc tum nunc; endlich unter dem abl. modi p. 23 ff. : ingratis alte certe conseque longe und eine reihe anderer, sogar ut, so dass man sich erstaunt fragt , wie diese adverbien in die casuslehre verschlagen worden sind. Dasselbe gilt vom accusativ. Doch genug über diesen punkt: das gesagte wird genügen , um unsere ansieht zu begründen , dass sich gegen die anordnung des Stoffes manches einwenden lässt. Zum acc. temporis war p. 29 anzuführen: DI, 907 aetemumque Nulla dies nobis merorem e pectore demet, 1 , 905 ullum tem- pus celarier: ferner der gebrauch von aetatem = diutissime; auch zu p. 30 (acc. graecus) ist zu bemerken III , 568 id eo conclusa moventur Sensiferos motus, p. 32 wo unter dem accus, quantitatis plötzlich tarn auftritt, fehlt die angäbe, dass Lu- crez neben quanto magis tarn magis auch sagt : quam magis

tanto magis VI, 460, auch magis ac magis III, 546, so wie minus et minus ib. 547 verdiente erwähnt zu werden. Merk- würdig ist auch der accusativ beim comparativ mit auslassung von quam', IV, 414: digitum non altior unum. P. 34 38 wo vieles unnöthige sich findet (z. b. 19 stellen für sequi mit accu- sativ) fehlt insinuo mit acc. V, 74: dbuti mit acc. V, 1033, sonst mit abl. II, 656. Auch VI, 1136 geben die handschriften quod

uti, was Lachmann in quo änderte, ob mit recht ist um so mehr fraglich, als bekanntlich auch Cicero diese construetion ge- braucht : so Ep. ad Attic. XII, 22 ne Silius quidem quidquam utitur.

Auch aeeido V, 608 'segetes) bemerken wir, wie ineido aures IV, 568, wo Lambin. vermuthete aeeidit ; impendere mare, I, 326 saxum III, 980, wie Lucilius: quae res me imp endet, agat-ur; dann penetrare quasvis res IV, 197. 894, hoc increpare alicui III, 932. Un- ter dem gen. qualitatis p. 46 wird eine reihe von genetiven citirt, die in der that einfach nur die frage wessen? beantwor- ten, z. b. elementa rationis, via sceleris, finis aerumnarum , natura animin, ähnliches. Wir fügen einiges weniger gewöhnliche hinzu :

346 194. Lucretius. Nr. 7.

süvae ferarum V, 201, mortis timentes VI, 1239, verborum daedalus IV, 549, ne poenarum solvendi tempus sit adultum V, 1224, quod liquimus eius IV, 372- P. 49 würde eine vollständigere an- gäbe der neutra von adjectiven mit dem genetiv von Substan- tiven erwünscht gewesen sein. Wir. vermissen: prima virorum (ganz griechisch), cava calamorum, cuncta viai , munita viai, aliena rogorum , vitalia rerum, terrai abdita, aperta promptaque caeli. Zur präposition ab p. 52 ff. ist zu bemerken, dass bei Lucrez der ablativ. instrumenti oft durch ab verstärkt wird: stellen giebt schon Farbiger in seinem index. Bei cum war der gebrauch von cum primis = imprimis zu beachten:

II, 336.849. V, 621. VI, 260; zu de, p. 57 a: 1, 413 fundo de pectore, cf. II, 1122. IV, 397, zu p. 59, c: II, 390. 791. 975. IV, 1214; de in der bedeutung: gemäss, erscheint V, 155. Dort geben die handschriften tenues de corpore eorum. Ad (p. 70—72) heisst auch: in bezug auf, für, cf. I, 750. III, 214. 397 . P. 74 unter contra war der pleonastische gebrauch zu erwähnen: I, 67. II, 1043, IV, 712. Infra als präposition steht auch noch III, 274, also an zwei stellen. Zu indu p. 100 fehlt die form endo, VI, 890; unter den pronomiuibus vermisst man das seltene correlativ totus: VI, 652 nee tota pars, homo terrai quota totius unus. Bei ut p. 146 fehlt die an- gäbe dass der temporale gebrauch Lucrez unbekannt ist, Lackm. p. 363; quamvis (p. 147) scheint der verf. nur mit dem con- junetiv zu kennen. Es hat bei Lucrez den indicativ II, 391.

III, 403. IV, 426. 679, denn man wird hier nicht überall sa- gen können, quamvis beziehe sich nur auf ein einzelnes wort. Quianam (Lachra. zu I, 599) fehlt ganz. Das causale oder con- cessive cum mit dem indicativ (p. 141) findet sich noch diese angäbe wäre nicht überflüssig gewesen II, 29 cum tarnen curant , III, 107 cum tarnen laetamur , DI, 109. III, 146 cum commovet. Zu si (p. 195) ist nachtzutragen, dass in den conditionalsätzen der modus variirt: II, 1090 quae benc cognita si teneas, natura videtur ; was allerdings bei possc das ge- wöhnliche ist, II, 1033. Si non mit eilipse des verbums steht I, 174. 203. Der modus bei si non variirt: I, 515. II, 40. 1017. Unvollständig ist p. 119 das verzeichniss der verba intran^itiva, die Lucrez transitiv braucht: es fehlen consistere vi- tam tutam VI, 11, sc ipsum indignari III, 870, conßigere semina

Nr. 7. 194. Lucretius. 347

IV, 1216, induimus nos in fraudem IV, 817, mors manenda III, 1075; vgl. decurso lumine vitae III, 1042; tempestas et tenebrae impensa miperne IV , 491 , conventa primordia V, 430, morte obita I; 135. IV, 734. So sagt Lucilius sol oecasus. Dage- gen steht intransitiv sistere IV, 415. T, 1014. 1055 II, 603, nie transitiv; parare II, 643. V, 1269. Auch turbare ist intransitiv II, 126. 438. V, 504; ferner vibrare III, 657, volventia lustraY, 931 =se volventia: endlich resolvo IV, 953. Ein passivisch ge- brauchtes deponens (zu p. 121) ist noch comitari hymenaeo I, 97. Auffallend ist übrigens die Vorliebe des dichters für die verba com- posita; namentlich mit rc, oft pleonastisch mit retro oder rursus ver- bunden. Ich zähle deren 23. Zum substantivirten adjectiv p. 152 machen wir noch aufmerksam auf I, 164 cidta ae deserta, II, 488 summa atque ima locans, transmutans dextera laevis , V, 417 ponti profunda. Der Infinitiv (p. 123 ff.) als subject er- scheint ausser den von Lachmann und dem verf. angeführten stellen noch II, 122 iactari quäle sit. Unter dem infinitiv als object (p. 125 128) ist eine menge unnöthiges angehäuft allein für cogo mit infin. 21 stellen! , es fehlt dagegen

V, 1186 ergo perfugium sibi Tiabebant omnia divis Tr ädere et illo- rum nutu facere omnia flecti, III , 239 nil horum quoniam recipit quem posse creare, VI, 69 remittis . . . putare. Doch wir würden den uns gestatteten räum überschreiten, wenn wir diese nachtrage, was nicht schwer sein möchte, weiter fortsetzen woll- ten. Hätte der verf. sich auf das wesentliche beschränkt , so würde er räum genug übrig behalten haben , um dinge zu be- sprechen, die in einer dichtergrammatik nicht fehlen dürfen, z. b. die substantivirung der participien (e.ventum medentes volantes venantes u. a.), den adverbialen gebrauch des adj. g. neutrius (mu- tua vivere oder fungi, crebra revisere, acerba tueri, longum morari, rectum fern; die von participien gebildeten comparative, z. b. contractior V, 570, cunctantior HE, 193, distractior VI, 392, do- minantior III, 397. VI, 238, superantior V, 394, divisior IV, 958, welche übrigens auch die dissertation von Reinh. Schubert {de Jjucretiana verborum formatione Hai. Sax. 1865) unbeachtet lässt. Auf anwendung rhetorischer figuren z. b. der enallage, gen- tes liominum italae, I, 119 impia rationis elementa I, 81, verna species diei I, 10, Thessaliens concharum color II, 501, Cerbereae canum facies IV, 733,, Nemeaeus hiatus leonis V, 24, war zu

348 195. Persius und Iuvenalis. Nr. 7.

achten; desgleichen auf die anaphora: vgl. IV, 1173 etc.; ferner die bei Lucrez besonders beliebte anadiplosis, z. b. II, 935 vin- cere saepe, Vincere ; so III, 12. V, 950. VI, 528; ferner die gräcismen und manches andere, z. b. die sog. constructio ad in- tellectum (I, 351. IV, 1274. IV, 60 etc., vgl. auch I, 238—240. III, 184 res, quorum): alles dies wird man vergeblich suchen. Wir erwähnen noch die metaphern, welche eine besondere Zu- sammenstellung verdient hätten (zum beispiel: arta claustra naturae, moenla mundi, tela diei, rnater certa rerum, vada leti, fa- ces coeli, adytum cordis, aestus belli, fax und fluctus irae , lampas solis, fretus anni, mucro = finis, navis corporis, templum linguae, mentis), ferner transitionen, periodenbau, und übergehen dagegen anderes, wofür sich räum gefunden haben würde, wenn der grund- satz befolgt wäre, nur das zusammenzustellen, was dem Lucrez eigenthümlich ist oder von der prosaischen syntax abweicht.

Bouterwek.

195. Demonstratur brevi disputatione, quid elocutio Iu- venalis a Persiana differat. Sciipsit Dr H. Wilcke. 4. Sten- dal. Progr. 1869. 18 s.

Die abhandlung entspricht insofern nicht dem titel, als verf. wegen mangels an räum genöthigt gewesen ist, die besprechung der eigentlichen elocutio für eine andere gelegenheit aufzuspa- ren. Das geburtsjühr beider dichter und der character ihres Zeitalters werden zunächst festgestellt: Sueton (Nero c. 39) er- hält in seiner angäbe über Nero's nachsieht gegen persönliche angriffe trotz Tacitus' entgegenstehender bemerkung (Annal. XV, 67) recht. Wir können dieser ansieht nicht beistim- men. In c. II folgt eine vergleichung der persönlichen Verhält- nisse beider dichter, wobei der einfluss nachgewiesen wird, den ihr leben auf den ton ihrer darstellung geübt (c. II). Hieran schliesst sich eine besprechung ihres bildungsganges, ihrer Stel- lung zur philosophie und des moralischen gehaltes ihrer dich- tungen. Es wird ferner untersucht, welchen dichtem beide in einzelnen stellen gefolgt seien ; die erwähnung des Sophron giebt veranlassung, in diesem abschnitte die kunst der characte- ristischen darstellung von personen , welche beiden dichtem ei- gen ist, zu beleuchten (c. III).

B.

Nr. 7. 196. Sallustius. 349

196. Quaestiones Sallustianae maxime ad librum Vatica- num 3864 spectantes scripsit A. Weinhold Lipsiensis. (Aus den Actae societ. Eitschl. I, 2, p. 183).

Wenn auch Sallust mit zu den gelesensten und am mei- sten herausgegebenen Schriftstellern gehört, so ist doch die grundlage, auf welcher der text aufgebaut werden soll, noch immer ein gegenständ wissenschaftlicher controverse. Die kri- tische ausgäbe von Dietsch (1859), obwohl an sich ein ver- dienstliches unternehmen, zeigte, wie viel erst noch zu thun sei: der bailast von lesarten aus wertlosen handschriften abge- sehen von den vielen Unrichtigkeiten in den angaben er- schwerte die Übersicht, eine methodisch gehandhabte kritik wurde vermisst. Dagegen lieferte Jordan in seiner textrecognition (1866), die sich mit möglichster consequenz an den besten pa- riser codex (Sorb. 500) als an die relativ beste quelle anschliesst, eine ausgäbe , durch welche er sich die philologische weit zu dank verpflichtete. Indess erhob sich gegen die von Jordan eingeschlagene methode Widerspruch, zunächst von seite des ref. (Aarau 1867), der, gestützt auf eine genaue collation des pari- ser codex Sorb. 1576 zu beweisen suchte, dass dieser (PI) mit dem von Jordan bevorzugten (P) eng verwandt sei, ja auf dieselbe urhandschrift zurückgehe, und daher zur controle von P herbeizuziehen sei, dass er eine reihe von lesarten enthalte, die gegen P das richtige oder das dem richtigen näherstehende ent- weder allein oder mit andern biete. Jetzt wird das von Jor- dan befolgte verfahren durch die angeführte abhandlung Wein- holds von anderer operationsbasis aus angefochten. Bekannt- lich giebt es eine classe Sallusthandschriften, die nur excerpte enthält, die reden und briefe; ihr massgebender repräsentant ist der Vaticanus 3864 aus dem zehnten Jahrhundert, zuerst durch Gerlach, wie es scheint, ans licht gezogen, dann von Lin- ker (1855) und Dietsch (1859) bevorzugt und verwerthet. Die- ser handschrift (V) hat der verf. , gegenüber Jordan, welcher sie als die durchcorrigierte recension eines willkürlich ändernden redactors darstellend dem codex P nachgesetzt hat (Hermes I, 231), deren autorität auch Dietsch (1867) preisgegeben, zu ih- rem rechte verholfen, und wenn irgend in solchen dingen ein beweis erbracht werden kann, bewiesen, dass V weit entfernt, in seinen eigenthümlichen lesarten die band eines bessernden rhe-

350 196. Sallustius. Nr. 7.

tors oder grammatikers zu verrathen, an einer stattlichen reihe von stellen allein das richtige bewahrt habe, und dass durch vergleichung des von ihm gebotenen mit der Überlieferung an- derer handschriften ein schluss auf die gewähr dieser gezogen werden könne.

Mit recht hält sich der verf. nur kurz dabei auf, zu ver- werfen, was Jordan zu schnell an die vermuthung knüpfte, dass die allein in V überlieferten epistulae Caesarum zum Verfasser denselben rhetor haben , der die excerpte aus Sallust zusam- mengestellt habe, um sich auf den festen boden der über- lieferten lesarten zu stellen und von da aus die eigenthümlich- keit und die gute der handschrift zu prüfen. Zuerst geht er die- jenigen stellen durch, die Jordan seinerseits als Zeugnisse schul- mässiger Umänderung vorgebracht hatte Cat. 29, 7. (52, 1) 52,35. lug. 14,12. 24,1.9. 31, 28. 85, 16. 29 , und weist nach, dass einige allein durch V richtig überliefert sind , dass an andern zweifelhaft, ob die lesart von V oder von P vorzüg- licher, dass endlich an noch andern offenbare fehler, wie sie selbst die besten handschriften aufweisen , vorliegen , nirgends aber die willkürlich bessernde hand eines redactors zu tage trete. Zu den stellen der letzten gattung möchte ich auch C. 52, 35 : intra moenia atque in sinu urbis, rechnen, im gegensatz zum verf. , der urbis nach V ausscheidet ; denn , wenn moenia im gegensatz zu sinu steht, so bedeutet es nicht urbs, für welche bedeutung zumal belege aus Vergil, Vitruv, Florus ihr bedenkliches haben, sondern den durch die befestigung ge- bildeten umkreis, und kann also nicht moenium zu sinu ergänzt werden ; vielmehr ist ebensowohl die ergänzung vou urbis zu moenia gefällig und leicht, als der ausfall des wortes in V mög- lich, doch nicht aus absieht eines correctors, sondern aus ver- sehen des abschreibers : an sechs stellen hat V einzelne Wörter ausgelassen.

Der zweite haupttheil beschäftigt sich mit der prüfung der von V allein oder zugleich mit andern mauuscripten richtig überlieferten stellen; die beweisführung ist überzeugend, bündig und erschöpfend, gestützt auf vorurt heilsfreies und gesundes urtheil, auf berücksichtiguug des sallustianischeu Sprachgebrauchs und auf vollständige benutzung der bezüglichen litteratur; man müsste denn etwa die erwähnuug von Gerlach's neuester arbeit

i

tfr. 7. 196. Sallustius. 351

vermissen; aber einmal ist die abhandlung schon seit bald zwei jahren verfasst, andrerseits wäre nicht viel daraus zu holen, selbst nicht für die kenntniss der baseler handschrift, s. Euss- ner in Berl. Zeitschr. für gymn.-wes. 1871. Die stellen, wo nach dem verf. V allein die richtige lesart enthält, sind folgende, ab- gesehen von orthographischen kleinigkeiten : Cat. 20, 2. 6. 15. (3 3, 2). 51, 4. 9. 33. 35. 40. 5 2, 2. 18. 35 (s. oben). lug. 10, 2. 14, 1. 3. 9. 11. 12. 18. 2 4, 3 (bis). 31,8. 10. 16. 18. 19. 25. 85, 2. 11. 14. 23. 24. 26. 30, (bis). 31. 42; im verein mit andern handschriften: Cat. 2 0, 10. 16. 3 3, 1 (bis). 51,4. 5. 15. 21. 43. 52,28. 33. 5 8, 11. 12. 13. lug. 10, 1. 14, 11. 21. 39, 17. 28. 85, 3. 13. 17. 26. 29. 34. 40. Man muss dem verf. zugeben , dass er sorgfältig und sparsam bei der auswahl dieser über 60 stellen verfahren ist; nur in bezug auf I, 14, 11: regno meo nach V erhebe ich einspruch; da er- fordert gerade der nachdruck die Stellung meo regno mit PC. Ferner sind 14 stellen aus Catilina, 21 aus Iugurtha, wo der vf. nicht entscheiden will, ob V allein oder mit andern gegen PC die bessere lesart habe; es genügt ihm sie aufzuzählen; ebenso die 40 stellen, wo V oder VC entschieden falsches bieten. In kei- nem fall aber findet sich eine stelle, wo die spur einer absicht- lichen correctur eines redactors nachgewiesen werden könnte. Im gegentheil vertheidigt der verf. beiläufig an drei durch con- jectureu heimgesuchten stellen der Historien-excerpte die autori- tät der lesart des V: or. Phil. 10: agitur (auch von Jordan gebilligt), or. Lep. 1 : in tutandis periculis, 21 : praeter victoriam; an der letzten nicht so , dass Kritzs' begründung seines prae- ter victor em widerlegt wäre.

Ferner zieht der vf. die frage in den kreis seiner erörterun- gen, auf welche quelle die Varianten am rande von P, welche, wie schon Wölfflin gesehen, mit den V eigenthümlichen lesarten stimmen, zurückgehen; es wird nachgewiesen, dass sie nicht schon im archetypus von P und PI gestanden, denn in lezterm findet sich keine spur davon; sondern dass sie erst inP von zwei- ter band eingetragen seien, und zwar nicht aus V selbst, sondern aus einem demselben nahe verwandten codex. Endlich prüft der verf. die lesarten des nur einen theil der excerpte enthalten- den Berner-codex 357(53), um zu dem schluss zu kommen, dass er nicht aus V abgeschrieben, sondern aus einen aus demselben

352 197. Tacitus. Nr. 1.

archetypus mit V geflossenen handschrift, und dass er keine gewähr neben V beanspruchen dürfe.

In einem epirnetrum emendationum werden vier stellen behan- delt, und können Cat. 33, 1 und lug. 97, 5 als durch glückliche benutzung geheilt erklärt werden ; der vf. liest statt plerique patriae (oder patria) sed ornnes'. patria sede expertes; und statt novi- que et ob: veteres novique ob ea scientes belli. Ob dasselbe von den verinuthungen zu Cat. 20, 7 : strenui imbellesque, nobiles atque ignobiles und lug. 38, 10: mortis metu maturabantur, gelten darf, scheint zweifelhaft zu sein : gegen imbelles lässt sich dasselbe einwenden, was der verf. gegen Jordans boni malique mit recht geltend macht, es passe nicht in Catilina's anrede an seine genossen, mit denen er sich selbst zusanimeufasst (omnes volgus sumus); man wird sich bei der lesart von V zu beruhi- gen haben: boni atque strenui nobiles et ignobiles; maturabantur endlich scheint nicht das wort, das man natürlicherweise hier erwartet.

197. Cornelii Taciti Germania. Erläutert von Dr Hein- rich Schweizer -Siedler. 8. Halle, buchhandl. des Wai- senhauses 1871. 15 ngr.

Schweizer - Siedler gehört nicht zu den unbedingten be- wunderern der Germania. Er findet p. vin, dass der stil noch nicht vollendet ist. „Neben änigmatischer kürze in fällen wo wir uns sehr nach einlässlicherer darstellung sehnten, herrscht zuweilen überfülle des ausdruckes, welchen man umsonst aus vorurtheil mehrbedeutend zu machen sucht, ja, wir läugnen nicht, es giebt stellen in der Germania, wo das streben antithesen zu gestalten und rhetorischen ausdruck zu gewinnen recht unbe- deutende gedanken zu tage fördert".

Dieser taclel trifft meines erachtens die unrichtige stelle. Sicher ist es, wir werden bei den wichtigsten dingen mit änigma- tischer kürze abgespeist, die zu der grösseren ausführlichkeit, zu den widerholuogen bei minder wichtigen dingen in Wider- spruch steht. Aber mit unrecht klagt Schweizer-Siedler deshalb den stil des Tacitus an: dieser mangel liegt in der anläge des Werkes. Die Germania ist nicht, wie Schweizer-Siedler p. vin will „ein abgeschlossenes ganze": sehr wohl hätten mehrere ca- pitel hinzugefügt werden können, in denen z. b. die Versammlung

Nr. 7. 197. Tacitus. 353

des pagus, der unterschied des princeps pagi und des princeps civitatis u. s. f. geschildert wäre. Auch sind die einzelnen theile nicht ,, innig unter sich verbunden'', sondern äusserlich. Denn es ist eine sehr äusserliche Verbindung, wenn ein ausdruck, der gebraucht ist bei der darstellung des ersten gegenständes, die wähl des folgenden veranlasst, es sei denn dass eine sachliche Ordnung die grundlage bildet. Aber diese sachliche Ordnung fehlt bei Tacitus, schon die inhaltsübersicht, welche Schweizer- Siedler p. XII, xin giebt, lehrt dies. Die Schilderung des Pri- vatlebens soll c. 16 beginnen bis c. 17 und c. 5 bringt gerade hierfür die wesentlichsten züge. Cp. 6 15 soll das öffentliche leben umfassen, aber blutrache, Stellung der sclaven, feldgemein- schaft steht c. 21. 25. 26.

Dies alles lässt sich erklären , wenn man ausspricht , dass die Germania keine staatswissenschaftliche abhandlung ist, dass sie keine vollständige, keine zusammenhängende darstellung der recht- lichen, wirthschaftlichen, staatlichen und gesellschaftlichen zustände Deutschlands giebt. Tacitus besass ohne zweifei eine grosse an- zahl vortrefflicher einzelbeobachtungen über Deutschland, die neuere forschung hat das wiederholt bestätigt, vgl. Sohm frän- kische reichs- und gerichtsverfassung p.552 anm. 19 ende. Aber abgesehen von dem häuslichen leben hat er sich aus denselben nicht einmal selbst ein zusammenhängendes bild entworfen , ge- schweige denn dass wir es aus ihm gewinnen könnten.

Tacitus ist auch in dieser schritt redner und nicht geschichts- forscher. Die einzelne thatsache berührt sein gemüth und den so erregten gefühlen ausdruck zu leihen ist ihm die vorzüglich- ste aufgäbe. Und dies gemüth ist krankhaft erregt, über die zustände Korns ist er so hoffnungslos betrübt , dass er in dem schlusscapitel die rohheit, ja die thierische Stumpfheit der Fin- nen, die auf bäumen hausen, mit den worten preist: sed beatius arbitrantur quam ingemere agris, illaborare domibus, suas alienasque fortunas spe metuque versare securi adversus homines, securi adversus deos rem difficillimam assecuti sunt, ut Ulis ne voto quidem opus sit.

Dies musste gerade in einer Schulausgabe mit aller schärfe

betont werden; denn wenn man ein werk in der schule liest,

so ist es doch die aufgäbe des lehrers , zu sorgen , dass die

schüler sich eine deutliche Vorstellung von dem gelesenen ma-

Philol. Anz. IV. 23

354 197. Tacitus. tfr. 1.

chen und wenn die schrift keine deutlichen Vorstellungen ge- währt, zu zeigen wo der mangel liegt.

Jeder lehrer aber, dessen fachstudien die Untersuchungen über den altdeutschen staat ferner liegen, wird sich von dem herr- schenden vorurtbeil als biete die Germania eine vollständige darstel- lung der wichtigsten lebensordnungen nur schwer losmachen. Und doch gestaltet sich der eine das bild des princeps, des rex, des adels, der wehrhaftmachung, der gefolgschaft, des ackerbaus u. s. w. so, der andere so.

Die rechtlichen Verhältnisse des grundbesitzes z. b. und die art der bestellung behandelt Tacitus in 3V2 reihen und zwar im anschluss an den satz, dass wucher bei den Deutschen un- bekannt sei und deshalb völliger unterbleibe als wenn er ver- boten wäre. Diese bemerkung ist nicht so thöricht, wie sie scheint , sie ist ein ausdruck der klage : in Rom hilft kein ge- setz gegen den wucher. Aber freilich ist diese klage hier um so störender als niemand , der das fünfte capitel der Germania gelesen hatte, auf den gedauken kommen konnte, Wucherer in Deutschland zu suchen. Hierfür hat Tacitus platz, die Ordnung des grundbesitzes berührt er dagegen so kurz , dass man ihn nicht versteht. Ferner: c. 27 spricht von den belustigungen der Deutschen, erst von dem tollkühnen waffentauz , dann von dem tollkühnen spiel, bei dem sie zuletzt die eigene freiheit auf den wurf des würfeis setzen. Die erwähnung der so in sclaverei verfallenen führt zur Schilderung der läge der sclaven überhaupt und dann weiter zu der der freigelassenen. Mit ei- nem wort: fast alles was Tacitus von den Standesverhältnissen der Deutschen sagt, wird erwähnt an dieser stelle, in gelegent- licher bemerkung auf die das Würfelspiel geführt hatte.

Aus der einleitung hebe ich noch hervor, dass Schweizer- Siedler in der übersieht der taciteischen Schriften den Dialogus dem Tacitus zuschreibt „weil kein anderer gleichzeitiger Schrift- steller zu einer so tiefsinnigen und feinen compositiou befähigt gewesen wäre". Das ist ein ganz unbrauchbares argumentum ex süentio. Ueber die lieder der Suleika würde mau vielleicht das- selbe gesagt haben, wenn es bezweifelt wäre, dass Goethe der Verfasser sei, ehe die dichterin bekauut wurde. Man begnüge sich zu sagen, dass man die gründe, durch welche die gegner

Nr. 7. 197. Tacitus. 355

dem Tacitus den dialogus absprechen, nicht für überzeugend halte.

Kann ich mich so mit der einleitung nicht einverstanden erklären, so erkenne ich um so freudiger an , dass die ausgäbe selbst eine reiche fülle von belehrenden anmerkungen bietet. Der verf. hat sich offenbar mit dem deutschen und weiter noch mit dem indogermanischen alterthum eingehend beschäftigt. Am sichersten bewegt er sich in der sage, sitte und poesie der Deutschen. Für die sprachvergleichenden bemerkungen erbat ich mir das urtheil meines freundes Fick; den meisten erklä- rungen stimmt er zu, einigen nicht. Bedenklich scheint ihm z. b. franca von framea abzuleiten, falsch c. 23 a. 3 wo Schweizer- Siedler bestreitet, dass der becher sticklos genannt ward, weil die ältesten becher die spitzen hörner waren, s. Fick in Kuhns Ztschr. XX, p. 360.

In dem streit der ansichten über den altdeutschen staat scheint der vf. dagegen keine selbständige Stellung gewonnen zu haben. Denn im c. XIII liest Schweizer-Siedler principis dignitatem statt dignationem und erklärt „würde des pi-inceps", während der Zu- sammenhang fordert, dass diese adolescentuli in das gefolge ein- treten. Schweizer-Siedler fühlt den Widerspruch, dass die ado- lescentuli das gaugericht leiten sollen und erklärt, es sei nur die anwartschaft auf die Stellung des princeps ertheilt aber 1) sagt Tacitus das nicht, 2) ist dies mit den bewegten zuständen jener tage schwer vereinbar. Ist dignitas zu lesen, so ent- schliesse man sich zu sagen, dass Tacitus sich hier ver- wirrt. — Nicht glücklich scheint mir c. VIII nubiles statt nobiles. Die wehrhaftmachung wird irriger weise dem ritterschlag ver- glichen , s. meine abhaudlung : wehrhaftmachung kein ritter- schlag im Philol. bd. XXXI (1871), p. 490—510.

Ganz unglücklich ist, was vf. c. 13 a. 14 aus Müllenhoff auf- nimmt. Asdingi, der name des vandalischen köuigsgeschiechts wird gleichgesetzt dem goth. Razdiggüs und soll deshalb bedeu- ten männer mit frauenhaar. Weil nun c. 43 bei den Nahanar- valen ein sacerdos muliebri ornatu erwähnt wird, so soll dies ein priester mit frauenhaar und deshalb aus dem geschlecht der Asdinge sein. Dieses spielen mit möglichkeiten richtet sich selbst aber auch die erklärung Asdinge = männer mit frauen- haar ist bedenklich. Jord. XXII erklärt guae (Asdingorum stirpsj

23*

356 198. Griechische literaturgeschichte. Nr. 7.

genus indicat bellicosissimum und Asdingi ist zugleich name des volks, s. Jord. c. XVI. Doch im einzelnen wird jeder an jeder ausgäbe manches anders wünschen im ganzen bietet diese ausgäbe ein willkommenes hülfsmittel für das verständniss der Germania.

Georg Kaufmann,

198. Histoire de la litterature grecque , par Emile Bur- nouf, directeur de l'ecole francaise d'Athenes. 8. Paris 1859. 2 bände, 400. 476 s. 2 thlr. 10 gr.

Wie schon aus dem umfange dieses werks ersichtlich, ent- hält dasselbe nicht etwa eiuzelforschungen über das gesammte ungeheure gebiet der griechischen litteratur , sondern lediglich eine übersichtliche, manchmal mehr, manchmal weniger ausführ- liche darstellung ihres entwickelungsganges, ohne allen gelehr- ten apparat und mehr für laien und lernende als für fachge- nossen geschrieben. Der vf. hat eine angenehme form der darstellung , einen gebildeten geschmack und geistreiche ge- danken in fülle; dazu kennt er den klassischen boden und seine denkmäler überall aus eigener anschauung und weiss diese kenntniss an geeigneter stelle trefflich zu verwerthen. Daher kann auch der philologe manche partien dieser literaturgeschichte mit vergnügen und mit interesse lesen; wer allerdings nicht blosse anregung, sondern gründliche belehrung sucht, der hat sich an andre, auf tiefere Studien gegründete darstellungen zu halten. Wiewohl Burnouf manche nichtfranzösiche und beson- ders auch deutsche werke kennt und benutzt, vor allem die litteraturgeschichte von 0. Müller, so ist doch im ganzen seine bekanntschaft mit der einschlägigen litteratur sehr lückenhaft und ungenügend; auch seine sprachlichen kenntnisse reichen nicht über- all zu, und es kann ihm begegnen, in dem alkmanischen fragment 75 Bgk. eoqxE (f's'-jpe) mit ü a envoye" und aüXlttv (wegen saliret) mit danser zu übersetzen, wie er denn auch den namen dieses dich- ters '/4Xxinh>o<: schreibt und folglich Alcmane wiedergiebt. Vollends in metrischen Sachen theilt er ganz und gar die bekanute schwä- che seiner landsleute : nach seiner meinung giebt es in den me- lischen gedichten und in den dramatischen chören keiue proso- dische messung (memre prosodique) , sondern nur „rbythmen" (d, i. wohl zeilen von bestimmter silbeuzahl), und wo er lyri-

Nr. 7. 198. Griechische literaturgeschichte. 357

sehe verse in musik setzt (z. b. I, p.305), ist er im stände ein wort wie OiÖCnov mit zwei viertel - und einer achtelnote zu bezeich- nen. Dieser mangel an gründlichem Studium muss denn im einzelnen zahlreiche verkehrte ansichten und schiefe auffassun- geu zur folge haben. So stellt er sich zur homerischen frage so, dass er zwar die Odyssee als einheitliches kunstwerk eines einzelnen dichters, als xotquet, die Iliade dagegen lediglich als ag- gregat von liedern ansieht , welchem jede einheit ausser der chronologischen mangle und welches ohne nachtheil eines be- liebig früheren anfangs und einer beliebigen fortsetzung fähig sei; diese lieder aber zeigen nach ihm manchmal eine solche na- turwahrheit der darstellung, dass sie auf augenzeugen der troi- schen kämpfe zurückzugehen scheinen. Er kennt Wolf und erwähnt ihn; Lachmann dagegen und die ganze spätere Homer- forschung scheint ihm völlig fremd zu sein.

Aehnlicb verhält es sich auch mit der grundidee des gan- zen werkes, der wir noch einige worte widmen müssen. Aus- gehend von dem angeblich empirisch festgestellten satze, dass nur verwandte racen auf einander dauernd einwirken könnten, leug- net er jede wesentliche beeinflussung der Hellenen durch Aegyp- ter oder Semiten, behauptet dagegen, neben dem ursprünglichen zusammenhange mit Persern und Indern, auch einen fortgesetz- ten nie unterbrochenen einfluss derselben, der nach der abtreu- nung der Hellenen anfänglich mehr und mehr abnimmt, bis zur epoche des Perikles, dann aber wiederum sich steigert und am ende, vermöge des mit den altarischen lehren wesentlich iden- tischen christenthums, die eigenthümlich hellenische bildung völ- lig erdrückt. Diese theorie ist a priori aufgestellt und wird nach- her im einzelnen nur äusserst mangelhaft begründet: die ablei- tung des namens Tlvd-ayogag von buddhaguru (buddhistischer mis- sionar) ist dem Verfasser selber zweifelhaft, und bei Piaton be- hauptet er kurzweg, dass derselbe in Aegypten, welches da- mals in den höheren ständen längst persische bildung gehabt, diese und nicht etwa die altägyptische kennen gelernt hätte, und dass kein grund sei die Überlieferung des alterthums(?) zu verwerfen, wonach Piaton auch Persien selber besucht. Wei- tere schüler des Zoroaster sind die stoiker mit ihrer lehre vom künstlichen feuer; dann kommen Philon, Hermes Trismegistos (Hermes = Krishna?), die Evangelisten und der hirt des Her-

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mas; und am ende Gnostiker, die Neuplatoniker und Kirchen- väter. Der aufgäbe diese theorie zu beweisen ist Burnouf of- fenbar nicht gewachsen,

B.

199. Untersuchungen zur geschichte des kaisers L. Septi- mius Severus und seiner dynastie. Von Dr J. Höfner, pri- vatdocenten an der Universität Giessen. I. bd. 1. abtheilung. 8. Giessen 1872. 20 gr.

Diese Untersuchungen sollen nach der vorrede die basis bilden, auf welcher der Verfasser die geschichte des Septimius Severus und seiner nächsten nachfolger aufzubauen gedenkt. Abschnitt I V geben eine Charakteristik der quellen, abschnitt VI enthält eine kritische prüfung der nachrichten über das le- ben des Septimius Severus bis zu seiner thronbesteigung 1. juni 193 nach Chr.

Wenn gleich eine durch kritische erörterungen nicht unter- brochene darstellung wünschenswerther gewesen wäre, so geben doch diese ins kleinste detail eingehenden Untersuchungen an einigen punkten eine genauere feststellung der thatsachen und haben wegen der kritischen Untersuchungen über den Zusam- menhang und die abhängigkeit der quellen werth.

Es sei erlaubt einige ausstellungen und wünsche mitzuthei- len. Bei der beurtheilung der „denkwürdigkeiten des Severus" hat vrf. die tendenz dieser schritt scharf genug hervorgehoben. Zwei Überlieferungen charakterisiren sie uns hinreichend : zu- nächst die nachricht, dass der kaiser in seine autobiographie die prodigien und Vorzeichen aufgenommen habe , welche seine erhebung zum kaiser voraus verkündigt, und dann die darstel- lung seines Verhältnisses zu den gegenkaisern Pescennius Niger und Clodius Albinus. Es ist bemerkenswerth, dass schon der Senator Cassius Dio ein von Sever mit vielem bei fall aufgenom- menes büchlein über diese wunderzeichen herausgegeben hatte. Der Senator wie der kaiser selbst konnten offenbar hierbei nur die absieht haben, allgemein im volke den glauben zu verbrei- ten, dass Severus von den göttern nach so gewaltigen katastro- phen als retter des kaiserreichs berufen sei. Die darstellung seines Verhältnisses zu den gegenkaisern, welche als undankbare, dann als unfähige und schlechte menschen geschildert werden,

Nr. 7. 199. Komische geschichte, 359

lässt deutlich die absieht durchblicken, die perfide politik gegen Albinus zu vertuschen, die harte und grausamkeit gegen beide gegner, deren familien und anhänger zu entschuldigen und zu rechtfertigen, endlich die energische Wandlung in seiner Stellung zum Senate zu begründen. Die denkwürdigkeiten sind also eine rechtfertigung seiner ersten regierungshandlungen. Die scharfe hervorhebung dieses Charakters der schrift ist für die kritik im einzelnen, wie für die gesammtauffassung der ersten regierungsjahre Sever's von wesentlicher bedeutung.

Endlich hat der Verfasser eine für die denkwürdigkeiten des Severus wichtige stelle im Herodian übersehen, II, 15. 6 ed. Becker.: rt/g /<£»• ovr o8oinogiag rovg aTuOuovg xai ra xaö' sxdaT)]r noXiv avTw Xsy&tvta y.ui. aijusla &sCa ngovoia dö^uvTa aoXXdxig qr«3-/J;«/; #<»£>£« ts BKaara xai nugaru^eig xal rov jcov attariQoa&sv nsaovtcov ugi&pov GzguTtcozäv iv tatg (iu^aig, lato- giag TS jroXkot avyyoaqislg x) y.al noirjTai (tsrgcov tzXutvtsqov avi-

STuht V , V 71 6 & S 6 I V 71010V [iE f Ol TT Ct O t] $ T 7] $ 77 Q d f (l « 7 S tu. Q

7 o »• JZsovtjQov ßCov. Wenn auch Herodian unmittelbar dar- auf sagt: suoi 8s GHonog vnagysi stwv sßdofiTjKOrza nga^eig noX- Xäv ßaaiXscov avvtd^avTi ygriipm ag avtog olda, so ist doch unzweifelhaft anzunehmen, dass er die genannten Schriften und denkwürdigkeiten des Severus gekannt und benutzt hat und dass die genaue bekanntschaft mit den orientalischen Verhältnis- sen während des feldzuges gegen Niger nicht persönlicher er- fahrung, sondern eben diesen quellen zuzuschreiben ist.

In des verf. beurtheilung des Marius Maximus gegen Mül- ler in Büdinger's Forschungen muss man einstimmen. Dagegen hätte bei der beurtheilung des Cassius Dio viel mehr, als das bisher geschehen, seine Stellung als parteimann in's äuge ge- fasst werden müssen.

Cassius Dio hat in seiner rede, welche er den Mäcenas an Octavian halten lässt, die grundsätze auseinandergesetzt, welche ihm für das kaisertkum als die richtigen und einzig erspriess- lichen erschienen. Bei aller rücksichtnahme auf die faktische autokratie der kaiser steht er niemals an, die rechte des sena-

1) Zu diesen ist auch wohl der sophist Antipater aus Hieropolis Talg ßatiilsicus imoroXcäg innny^slg (Galen. Theriac. II, p. 458) und er- zieher der söhne des Severus zu zählen, welcher nach Philostratus (Vit. sophist. II, n. 24) eine geschichte des Severus schrieb.

360 200. Römische antiquitäten. Nr. 7.

tes, als des legitimen Vertreters des römischen volkes mit aller energie zu vertheidigen. Eine aufmerksame beobachtung wird den strengsenatorischen Standpunkt fast überall in der beurthei- lung der einzelnen kaiser herausfinden. In der beurtheilung des Septimius Severus zeigt sich dieser Standpunkt deutlich in dem Wechsel der gesinnung , welchen des Sever veränderte politik gegen den senat hervorgerufen. Gerade die schriftstellerische thätigkeit Dio's, welche anfangs im interesse des neuen kaisers sich bewegte und sein später modifizirtes urtheil über ihn hätte den Verfasser dazu führen müssen, diese politische Stellung des historikers und Senators zu fixiren und ihren einfluss auf seine auffassung und darstellung zu untersuchen.

Dr J. W. Schulte.

200. Caroli Nipperdeii variarum observationum an- tiquitatis Romanae caput II. (Index scholarum aestiv. in univ. litt. Ienensi , habendarum). 4. 1872.

Wir greifen, anschliessend an die besprechung von Weinholds arbeit über die vaticanische Sallusthandschrift (s. ob. p. 349) aus Nipperdey's Observationes zunächst das heraus, was über Sallust handelt. Der verdiente herausgeber des Nepos und des Tacitus, der seit zwanzig jähren über Sallust liest, erklärt sich ebenfalls gegen Jordan's versuch den text Sallusts hauptsächlich nach Par. 500 festzustellen, und empfiehlt einen methodischen eclec- ticismus, in der weise, dass aus dieser und den andern an gute ihr gleich oder nahekommenden büchern der familie die lesungen ihres archetypus hergestellt werden; als solche gute hand- schriften bezeichnet er den Par. 1576, den von Havercamp benutzten Leidensis L, den Nazarianus (oder Palatinus I) Gru- ters jener von Dietsch nicht benutzt, s. krit. ausg. I, p. 10 anm. 2, dieser wohl in Rom verborgen, vgl. Jordan im Hermes III, 461 mit I, 240 , den etwas schlechtem Basler (I), fer- ner die vom einsiedler, wolfenbiittler (V, nach Corte) und dem Commelinianus gebildete gruppe. In Würdigung des Vatica- nus theilt der verf. Jordan's ansieht: deteriorem cum esse altera optima familia, sed qui complura vera solus servavent et, cum non ex eodem codice ortus sit atque ii, quos supra nominavi, in dissensu horum magnum pondus addat ei parti, quacum consentit, nisi hoc casui aut consilio, in quod pluribus ineidere proelive fuit tribuen-

Nr. 7. 200. Römische antiquitäten. 361

dum esse probabüe sit. Dies die ohne weitere beweise aufgestellte ansieht Nipperdey's über den werth der handschriften Sallusts. Im weitern vindicirt der verf. der schritt über Catilina auf grund der handschrift P den titel bellum Catilinae, in Überein- stimmung mit Quint. I. Or. III, 8, 9. Zu Cat. 10, 3 empfiehlt er folgende lesungen : igitur primo imperii, deinde peeuniae cupido crevit , eae quasi materies omnium malorum fuere, die Umstellung mit rücksicht auf 11, 1, die Änderung von ea , weil singularem non admittit fuere, neutrum pluralis attractionis lex, quae pronomen aut ad cupidines imperii et peeuniae aut ad materies aecomo- dari iubet. Die letztere wird widerlegt durch den Sallustiani- schen Sprachgebrauch , s. Badstiibner de Sali, dicendi genere, Berlin, 1863, p. 5; die erstere durch folgende auslegung : durch den satz 10, 3 wird bezeichnet die zeitliche folge, in der geldgier und herrschgier eingerissen, durch den satz 11, 1, dass nach dem einreissen beider (10, 6 haec primo paulatim crescere) die ambitio zuerst intensiver wirkte als die avaritia. Zu den gegen Linkers Versetzung von Cat. 28, 4 31, 4 nach 27, 2 geltend gemachten gründen fügt der verf. noch einen neuen : gegen sie spreche, dass 27, 4 docet se praemisisse etc. nach 30, 1 gelesen werde, wo vom publikwerden der erhebung des Manlius die rede ist. Ebenso wendet sich der verf. gegen Mommsen's (Hermes I, p. 430) von Jordan gebilligte conjeetur zu lug. 43, 1 consides de senatus sententia statt designati, da das folgende : is ubi primum rnagistratum ingressus est etc. zeige, dass Sallust zwi- schen dem, was vor dem amtsantritt und nach demselben ge- schehen, unterscheide. Dieser einwand ist triftig genug; frei- lich wird so die annähme unabweislich , dass Sallust eine be- denklich verwirrte erzählung giebt, insofern die consuln in ih- rem amtsjahr selbst gewählt (37, 2. 44, 3) „nicht erst designati werden, sondern extemplo antreten" (Mommsen 1. c). Aber es scheint dieser irrthum mit dem andern ebenfalls von Momm- sen aufgedeckten und nur allzusehr beschönigten irrthum in Wechselbeziehung zu stehen , dass nämlich Sallust (39, 2. 4) den Albinus noch im jähre 645/109 als consul fortamtiren lässt.

Ein anderer theil der observationes Nipperdey's giebt Zu- sätze zu seiner schritt, über „die leges annales der römischen, re- publik" in bezug auf das Staatsrecht in der kaiserzeit. Per

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erste punkt betrifft die qualification für die quaestur; aus in- schriften und Schriftstellern , besonders Tacitus wird nachgewie- sen, dass für die bekleidung der quästur, abgesehen von der al- tersgrenze von 25 jähren, nothwendige Vorbedingung gewesen die bekleidung des vigintivirats oder seltener einer militäri- schen charge, und zwar gewöhnlich des tribunats; dass aber häufig genug vor der quästur sowohl vigintivirat als auch eine militäri- sche charge, und zwar gewöhnlich jener vor dieser, bekleidet worden. In bezug auf die qualification für die praetur nimmt der verf., wiederum ausgehend von einer anzahl inschriften, an, dass das Augusteische gesetz , das zur bekleidung der praetur die vorherige bekleidung der aedilität oder des tribunats forderte, unter Traian modificirt worden, in dem sinne dass diese ämter zu übergehen wenigstens gestattet war, wobei jedoch die zwi- schenfrist von einem jähr und die altersgrenze von 30 jähren festgehalten wurde; ferner dass das gesetz des Severus Alexan- der das tribunat und die aedilität nicht aufgehoben, wohl aber die quaestores candidati unmittelbar, nur mit einhaltung der ein- jährigen zwischenfrist, antwartschaft auf die praetur hatten. Mit diesen aufstellungen sind zu vergleichen die betreffenden stellen in Mommsen's Römischem Staatsrecht I, mit welchem der verf. in einer anmerkung auch in bezug auf andere rechte ein hühnchen rupft.

Weitere bemerkungen beschäftigen sich mit Tacitus ; einige geben ausführungen und excurse zu des verf. ausgäbe der An- nalen : zu TU, 18 über die restitution von M. Antonius nameu in den Fasten durch Augustus ; zu TI, 41 betreffend den doppel- namen des C. Caelius, zu IT, 36 über die zeit der wahlcomi- tien; andere beziehen sich auf die kritik des Agricola: c. 42 wird mit Hs. r, zum theil nach Lipsius, gelesen Africae ant (vel) Asiae, gegen Urlichs (festgruss zur Würzburg. Philologenver- sammlung p. 8), der die worte streichen will ; c. 24 wird prima nave unerklärbar gefunden, aber Madvigs (Advers. crit. I, 147) conjectur Sabrinam verworfen, dagegen versucht: in Clotac pro- xima. Endlich giebt der vf., indem er zurücknimmt, was er in der zweiten abhandlung de locis quibusdam -Horatii ex primo satira- rum, Jena 1858, p. 7 gesagt, Heindorf recht, dass I, 10, 28 nur zwei männer erwähnt seien, L. Pedius Poplicola und M. Mes- sala Corvinus, hält aber aufrecht, dass die beiden nicht brüder,

Nr. 7. 201. Römische alterthümer. 363

sondern v. 85 mit dem bruder des Messala L. G-ellius Popli- cola, consul 36 v. Chr.. gemeint sei.

201. Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms in der zeit von August bis zum ausgang der Antonine. Von L. Fried- länder. Dritter theil. 1871. 8. XVIII und 678s.— 2 thlr.

Der neu erschienene dritte theil , mit welchem der verf. „vorläufig seinen versuch , die bedeutenderen erscheinungen der römischen kultur in den beiden ersten Jahrhunderten der kai- serzeit darzustellen, beschliesst", wird den zahlreichen freunden des werks willkommen sein. Derselbe besteht aus sechs ab- schnitten, in welchen nach einander der luxus (p. 1 104), die künste (p. 105 270), die schöne literatur (p. 271—420), die religiösen zustände (421 540), die philosophie als erzieherin zur Sittlichkeit fp. 543 612) und der Unsterblichkeitsglaube (p. 615 652) behandelt werden. Die art der behandlung ist im allgemeinen bekannt. Während z. b. Marquardt im fünften band der Beckerschen alterthümer, worin er sich der natur der sache nach vielfach mit unserem verf. berührt, seinen gegen- ständ überall in seiner gründlichen weise dem leser vollständig und, wo es nöthig, mit dem nöthigen material zur eigenen be- urtheilung darzulegen sucht, so ist es unserm verf. mehr darum zu thun, eindruck auf den leser zu machen und aus seiner aus- gebreiteten lectüre interessante und bezeichnende züge hervor- zuheben und zusammenzustellen. Dies geschieht mit grosser sachkenntniss und gelehrsamkeit und demnach auch mit ent- sprechendem erfolg, wenn man sich auch öfter bei der nutzan- wendung der belegstellen grosser bedenken wegen ihrer beweis- kraft nicht enthalten kann. Als zugäbe sind zu abschn. I. II. III mehrere gelehrte abhandlungen anhangsweise hinzugefügt, z. b. über die Chronologie der epigramme Martials, der Silven des Statius, chronologisches zu Gellius , die ich aus der zahl der übrigen hervorhebe, theils weil sie vorzugsweise geeignet sind, das interesse des gelehrten publikums zu erregen , theils weil sie nicht frei sind von dem fehler, an welchem derartige Unter- suchungen häufig leiden, nämlich von dem fehler, dass aus un- sicheren, höchstens wahrscheinlichen prämissen consequenzen in Widerspruch mit den regeln der logik gezogen werden.

So weit etwa stimmt der gegenwärtige dritte theil in sei-

364 201. Römische alterthümer. Nr. 7.

nem allgemeinen Charakter mit den beiden früheren theilen tiberein. Es bleibt aber noch etwas übrig , was diesen theil von den übrigen unterscheidet und worauf wir noch besonders aufmerksam machen zu müssen glauben; dies ist das hier mehr hervortretende tendentiöse der ausführungen des verf., nämlich das bestreben die einzelnen erscheinungen zur begründung all- gemeiner urtheile über die zustände Roms und des römi- schen reichs zu benutzen: ein unterschied, den der verf. selbst in der vorrede anzudeuten scheint, wenn er sagt , dass der In- halt dieses theils ,,mehr kultur- als sittengeschichtlich" sei. Ins- besondere sucht er zu beweisen, dass die allgemein verbreiteten ansichten vom luxus der zeit unhaltbar seien , ferner stellt er die poesie und literatur der Römer in den beiden ersten Jahr- hunderten der kaiserzeit in ein sehr günstiges licht und stimmt endlich lebhaft in das bekannte bonmot Mommsens ein, „dass die römische kaiserzeit mehr geschmäht als gekannt sei". In- dess scheint uns der beweis für alle diese sätze wesentlichen bedenken zu unterliegen. Wenn aus anderen und namentlich aus neuern zeiten beispiele von noch grösserem luxus angeführt wer- den, worauf der verf. seinen beweis zu gründen sucht, so bleibt doch, abgesehen davon, dass eine solche vergleichung überhaupt nicht als rechtfertigung dienen kann, die frage übrig, ob denn der luxus der neueren zeit nicht auch verwerflich und gefährlich sei, ferner ist dabei unbeachtet gelassen, dass der luxus der kaiser- zeit jedenfalls für Rom, zwar nicht gegen das letzte Jahrhun- dert der republik , wo der luxus bereits begonnen hatte , aber gegen die früheren Jahrhunderte eine entartung in sich schloss und daher nachtheilig wirkte, und dass in Rom die Verhältnisse in einer menge beziehungen ganz andere waren, so dass schon ein geringerer grad des luxus eine verderbliche Wirkung äussern konnte. Einen wesentlichen unterschied bildet in dieser hin- sieht schon der umstand, dass den Römern der mittelstaud, dem heutzutage der luxus als förderer der freien arbeit und der bildung hauptsächlich zu gute kömmt, fast völlig fehlte. Was sodann die vermeintliche blüthe der poesie und literatur an- langt, so kann es hierfür nach unserer ansieht nicht auf ein gewisses interesse der kaiser und einiger hohen Mäcenate oder auf die lebhaftigkeit im äusseren betrieb der schriftstellerei an- kommen, auf die der verf. seinen beweis gründet , sondern nur

Nr. 1. 202. 203. Orthographie. 36ä

oder doch hauptsächlich auf die kraft, die einfachheit, den In- halt der literarischen productionen , und hierüber wird wohl kaum ein sachverständiger ein sehr günstiges urtheil fällen wol- len. Eben so wenig endlich scheint uns auch der beweis für das glück dieser zeiten im allgemeinen erbracht zu sein, wenn der verf. nachweist, dass damals im allgemeinen ruhe, friede und ein gewisser (übrigens doch mehrfach bedingter) Wohlstand geherrscht habe, denn dann würde etwa ein schaafstall und eine schaafheerde das ideal eines Staates und volkes bilden: dazu scheinen uns vielmehr noch manche andere dinge zu gehören, welche hier zu erörtern uns der räum verbietet.

202. Die wichtigsten punkte der lateinischen rechtschrei- bung für schulen. Nebst einem orthographischen register. Von Dr Konrad Bock. 8. Berlin. Weidmannsche buchhandlung. 1872. 3 ngr.

203. Hülfsbüchlein für lateinische rechtschreibung von Wil- helm Brambach. 8. Leipzig, druck und verlag von B. G. Teubner. 1872. 5 gr.

Der verf. von nr. 1 will nach Eitschl's und Brambachs Vorgang die für uns mustergültige lateinische Orthographie auf die Zeugnisse der römischen grammatiker, besonders des Quintilian basirt wissen ; die Zeugnisse der inschriften und handschriften haben in seinen äugen nur eine sehr untergeordnete Stellung.

Bock stellt in in 21 §§ allgemeine regeln für die lateini- sche rechtschreibung auf und Iässt dann ein Wortregister folgen in welchem jedem worte die zahl des paragraphen, in welchem es aufgeführt ist, beigefügt wird. Der vf. scheint keine besondere orthographische Studien gemacht zu haben, sondern die 21 §§ ba- siren auf Brambach's schrift „die neugestaltung der lateinischen Orthographie", welche schrift er aber im Vorworte mit keiner silbe erwähnt. Wo ihn Brambach im Stiche lässt, geräth er zuweilen auf abwege. Er will z. b. §. 9, c, p. 9 exhodus, pe- rihodus schreiben ; aber die handschriften der Eccl. und Not. Tir. p. 196 kennen nur exoclus; und periodus schreibt Halm im Quintilianus, wenn auch hie und da, z. b. VIII, 3, 10 der cod. M perihodus hat; ebenso Keil in Plin. Ep. 6, 20, 4 (wo cod. M ebenso perihodus bietet); exodium, welches Bock übergeht ist nie in den handschriften exhodium geschrieben. Noch schlim-

366 202. 203. Orthographie. Jfr. 7.

meres begegnet Bock §. 19, d, p. 12, wo er behauptet Ap- pulus habe bessere auctorität als Apulus ; aber s. Lennep zu Terent. Maur. 1430, p. 94. Peiikamp und Eitter zu Hör. carm. III, 4, 10 (Ritter : monstra scripturae sunt Appulus, Appulia, Apullia) , Martini Laguna zu Lucan. 2, 608. Für Appuleius und Ajpuleius ist zu scheiden die classische zeit, welche wohl Appuleius schrieb, und die kaiserzeit, welche Apuleius vorzog; vgl. Hildebrand zu Apul. Opp. tom. 1, p. 1 f und Osann zu Apul. de orthogr. p. 14.

Der verf. von nr. 2 (der noch im j. 1869 im Ehein. Mus. bd. 24, p. 542 ein alphabetisch geordnetes hülfsbuch der lateinischen Orthographie weder für die schule noch für die Wissenschaft er- spriesslich findet!!!) schickt p. 1 20 ebenfalls allgemeine regeln der lateinischen rechtschreibung voraus, und zwar in drei capi- teln : A. über die schritt (§. 1 und 2); B. regeln, welche sich der lautlehre entnehmen lassen (§. 3 12); C. regeln, welche sich der fiexionslehre entnehmen lassen (§. 13 20). Dann folgt ein orthographisches wörterverzeichniss in alphabe- tischer reihenfolge, und zuletzt ein handweiser der lateinischen rechtschreibung (2 blätter) , der auch für die schüler besonders käuflich ist.

Den in diesem wörterbuche aufgestellten Schreibungen kann im ganzen nicht die billigung versagt werden, auffallend ist es nur, dass Brambach sich in diesem schriftchen meist auf hand- schriftliche und inschriftliche Zeugnisse beruft , während er in seinem grösseren werke die Zeugnisse der grammatiker in den Vordergrund gestellt hat. Auch will es uns nicht gefallen, dass der verf. sich grösstentheils nur auf die angaben von Keller und Hol- der zum Horatius und die von Eibbeck zum Virgilius beschränkt, da die ausgaben dieser gelehrten in den händen deren, für die das schriftchen bestimmt ist, sich nicht leicht befinden dürften. Wenn daher Brambach z. b. caepe, nicht cepe, mit Verweisung auf Eibbeck und Keller, schreiben will, so steht er im geraden Wi- derspruche mit der Schreibung der neuesten ausgaben , indem in fast allen in Neue's Formenlehre 1. bd., p. 577 augeführten stellen cepe geschrieben wird, wie ich bereits Philol. Anz. bd. 3, p. 266 f. bemerkt habe. Ebenso steht es mit caespes und cespes, s. meine bemerkungen im Philol. Anz. bd. 3, p. 267. Ferner empfiehlt Brambach auch jetzt noch promunturium, nicht

Nr. 7. 202. 203. Orthographie. 56?

Promontorium; aber s. meine bemerkung a. a. o. p. 268 und Ribbeck Annotatt. Corollar. p. XLI (vor der 2. ausg. der Tra- gic. Rom. fragm.), der sich ebenfalls für Promontorium entschei- det. Endlich will Brambach volaemus, nicht volemus geschrieben wissen , mit berufung auf Ribbeck zu Virg. Ge. 2, 88. Aber in den handschriften aller andern stellen mit volemus (bei Cato, Columella, Plinius, Cloatius bei Macrobius, Servius zu Virgil) findet sich keine spur dieser Schreibung, sondern überall volemum, vo- lema; dazu noch Grloss. Labb. : „volenti (so ! ) aolonv v&ideg anioi. Was ich bei der Wagnerschen schrift (Philol. Anz. bd. 3 , p. 266) gerügt habe, dass der verf. eine grosse anzahl Schreibungen bringe, die niemand gebraucht, gilt auch vielfach von Brambach's an- gaben. Wer schreibt actarius statt actuarius, erumna statt ae- rumna} alumentum statt alimentum, bassis statt basis u. dgl. ?

Die angaben in nr. 1 stehen mit denen in nr. 2 oft in Widerspruch. Bock sagt z. b. p. 6 „glaeba und gleba", Brambach p. 39 b : „glaeba nicht gleba1', aber die handschriften des Lucr., Cic, Liv., Ovid u. a. haben keine spur von glaeba; ebenso nir- gends glaebula, glaebarius, und auch Gloss. Labb. schreiben gleba glebula. Varr. R. R. 1, 27, 2 hat der cod. Victor ii glaeb a, der des Ursinus gleba. Bock bemerkt p. 9 ,,tentare ist besser als temp- tare"1, Brambach p.62 (b) tentare und temptare (richtig! denn temptare steht jetzt in allen neueren texten des Lucr., Cic, Virg., Liv. u. a.; vgl. Wagner Orthogr. Verg. p. 475). P. 11 will Bock nur unquam, nunquam gelten lassen, Brambach 49 (b) unquam und umquam, nunquam und numquam. Ebendas. sagt Bock „nanc- tus und nactus" sind gleich gut"; Brambach p.48 (a) „nactus bes- ser als nanctus"- : nactus haben auch Not. Tir. p, 93. Bock will p. 12 illico (es steht verdruckt illicio) geschrieben wissen Brambach ilico (richtig nach Lachmanns theorie zu Lucr. 1, 313; vgl. Ritschi zu Plaut. Irin. 608). Bock lässt p. 12 villi- cus und vilicus gelten, Brambach p.65 (a) blos vilicus (richtig nach Lachmann a. a. o. und den besten handschriften und inschriften).

Auch in diesen beiden schriftchen vermisst man einzelne Schreibungen, die eher zur kenntniss der schüler gebracht zu werden verdienten, als viele der angeführten. So z. b. Boeoti und Boeotii, faeles oder feiest [faeles jetzt überall in der Zürcher aus- gäbe des Cicero von Halm und Baiter, Tuse. 5, 27, 78 p. 252, 28; de N. D. 1, 29, 82. p. 390, 26; de Legg. 1, 11, 32. p.

S68> 204. Lateinisches elementarbuch. Nr. 7.

865, 14: ebenso schon Varr. E. E. 3, 11,. 3 und 3, 12, 3

ed. Schneid.), Herculaneum, nicht Herculanum. mytilus, nicht mi- tylus, mitulus, mutulus u. dgl. Den nom. pluralis triumviri kann ich jetzt (vgl. Philol.-Anz. bd. 3, p. 268 f.) aus Not. Tir. p. 61 nach- weisen, wo Triumviri capitalis (so!) und Triumviri rei publica^ constituendae steht: das. auch Duumvir, aber nom. plur. Duoviri ca- pitalis (so!), was Zumpt für seine behauptung anführen könnte. Wie wir hören, ist auch in der pädagogischen abtheilung der philologenversaminlung zu Leipzig über die einfiihrung der neueren lateinischen Orthographie verhandelt und die verstän- dige ansieht ausgesprochen worden, dass das nöthige den Schü- lern mündlich mitzutheilen sei. Man sage etwa dem schüler, ,,du musst nicht coelum, sondern caelum, nicht coena , sondern cena, nicht concio, sondern contio u. s. w. schreiben" ; die punkte aber, über welche selbst die männer von fach noch nicht einig sind (z. b. Fleckeisen convitium , susjpitio, Brambach convicium, susjpicio, Fleckeisen und Brambach promuntorium , Eibbeck Pro- montorium) übergehe man mit stillschweigen.

K. E. G.

204. Dr F. Bleske' s Elementarbuch der lateinischen sprä- che, bearbeitet von Dr Albert Müller, director des gymna- siums zu Ploen. 8. Hannover, Meyer 1871.

Der Verfasser dieses mit Übungen zum übersetzen verbun- denen elementarbuchs schickt, um die sämmtlichen von den Schülern erlernten formen (aecusativ, dativ, ablativ) sogleich in beispielen verwenden zu können, in ganz praktischer weise den declinationen das präsens der vier conjugationen vorauf. Durch eine an den anfang des buchs gestellte und für den lehrer be- stimmte genetische entwicklung will der Verfasser die art und weise , wie er die paradigmen der dritten declination gegeben hat, erläutern ; er declinirt achtzehn beispiele der ganz regel- mässigen flexion durch; es ist zu fürchten, dass diese fülle der paradigmen den anfänger eher einschüchtert als aufklärt. Auch in der comparation muss die weitläufigere bildung der formen dem anfänger die sache erschweren. Früher lernte mau : an den casus auf i wird für den comparativ or, für den Superlativ ssimus gehängt; jetzt heisst es: durus, duri, dur-, dur- ior dur- issimue. Man unterrichtet jetzt in den schulen schon von der

Nr. 7. 205. Geschichte der philologie. 369

sexta an so, als ob alle scliüler einmal vorzugsweise historische Sprachforschung und vergleichende Sprachkunde lernen sollten und wollten. Dagegen sind die regeln über den ablativ auf i, über den gen. pluralis auf ium vereinfacht und mit recht durch paradigmata zur anschauung gebracht; auch in den genusregeln ist manches überflüssige weggelassen; einzelne von den leidigen versen, welche die schiiler gegen rhyfchmus und ausspräche ab- stumpfen müssen, kehren auch hier wieder, wenngleich etwas verändert, doch nicht verbessert, zurück, wie: Wörter, die auf e-x enden, Zum männlichen geschlecht sich wenden; Aber merke : lex und nex Verbleiben weiblichen geschlechts. Warum nicht kürzer so :

Männlich ist, was schliesst auf ex, Aber weiblich lex und nex. Die beispiele, welche zur einübung der formen dienen, sind zweckentsprechend nicht hochtrabende Sentenzen, sondern ein- fache sätze. Und doch wird der Verfasser hier und da an ihnen zu ändern finden. In dem satze p. 119: orator, qui saejpe populum verbis suis rexerat , a populo ipse damnatus est, hat ipse keinen gegensatz ; sollte es ihn haben, müsste der relativsatz etwa heissen, qui multos damnandos curaverat. Wenn die Schü- ler p. 94 „0 Iunius Brutus und Tarquinius Collatinus , nicht ■ein jähr seid ihr consuln gewesen", nach dem, was sie bisher gelernt haben , übersetzen : non unum annum statt ne unum qui- dem annum, das sie noch nicht kennen, so wird ihnen eine fal- sche Vorstellung entweder von der thatsache oder von dem lateini- schen ausdruck mitgegeben. Unter den zu lernenden Wörtern findet sich mehrmals „Amaryllis , name eines hirtenmädchens"; sollte der wohltönende name des hirtenmädchens den sextanern wenigstens einer grossen stadt nicht spasshaft vorkommen ? Das buch verdient, wegen seiner überwiegenden Vorzüge, angelegent- lich, empfohlen zu werden.

205. L'hellenisme en France, lecons sur l'influence des eludes grecques dans le developpement de la langue et de la littdrature francaises, par E. Egger. Paris 1859. 2 bände, 472 u. 498 s. 8. 2 thlr. 15 gr,

Piniol. Anz. IV. 24

870 205. Geschichte der philologie. Nr. 1.

Wie der titel besagt, ist das werk aus Vorlesungen her- vorgegangen, die der bekannte vf. nicht lange vorher an der Sorbonne gehalten ; es hat die form von legons, in ganzen 32, behalten, und ebenso ist der inhalt wesentlich unverändert ge- blieben, ausser dass die erforderlichen noten mit den citaten sowie einige anhänge hinzugekommen sind. Behandelt wird der einfluss des hellenismus auf die gallische bez. französische bildung von den zeiten der Massalioten an bis auf die erste re- volution; einiges ist kürzer, anderes ausführlicher dargestellt, je nachdem der Verfasser genügende vorarbeiten fand, auf die er verweisen konnte, oder selbst erst das material zusammenzustel- len und zu verarbeiten hatte. Ausser einer lebendigen und an- genehmen darstellung zeichnet sich das werk einerseits durch ausgedehnte gelehrsamkeit und bücherkenntniss, andrerseits durch strenge und nüchterne kritik aufs vortheilhafteste aus. Egger beginnt seine darstellung nicht früher, als er auf festem histori- schen boden steht; er bespricht in der höflichsten form, aber in der sache mit unbarmherziger strenge die vielfältigen be- hauptungen von direkt dem griechischen entstammenden de- menten in der französischen spräche und insbesondre in den provencalischen dialekten; ebenso klar und unbeeinflusst ist auch sein urtheil über die entwicklung der griechischen spräche, über das verhältniss des neugriechischen zum altgriechischen und über die vorzuziehende ausspräche des letzteren, über wel- che punkte im ersten und dritten anhange zum ersten bände ge- handelt wird. Das gebiet, über welches sich die darstellung sonst ausbreitet, ist ein sehr ausgedehntes : die litteratur in ihren sämmt- lichen gattungen, seit den ersten zeiten der renaissance, die spräche in ihren verschiedenen perioden ; in den anhängen zum zweiten bände kommt noch das Wiederaufleben der griechischen Studien im gegenwärtigen Jahrhundert nsch allen Seiten hin zur besprechung. Egger theilt nicht die von vielen auch in Frank- reich gehegte ansieht, dass das Studium des griechischen einer vergangenen zeit angehöre und gegenwärtig in abnähme und im verschwinden begriffen sei; im gegen theil glaubt er durch zahlen nachweisen zu können, dass vielmehr eine fortwahrende ausbreitung desselben stattfinde, und lebt überdies der Überzeu- gung, dass der werth der denkmäler des hellenischen Volkes

Nr. 7. 206. Sammelwerke. 371

unvergänglich sei und dass darum auch das Studium derselben niemals aufhören dürfe.

206. Acta Societatis philologae Lipsiensis edidit Frideri- cus Ritschelius. 8. Tom. I. Lipsiae , in aedibus B. Gr. Teubneri. MDCCCLXXII. - XVIII und 414 s. 2 thlr.

Dieser in zwei heften ausgegebene band enthält abhand- lungen von mitgliedern der von Kitschi vor einigen jähren zu Leipzig gegründeten ßocietas phüologa ; in dem ersten hefte (1871 erschienen) steht voran die widmung des herausgebers:

Dis manibus Godofredi Hermanni Saxonis C a r o 1 i E, e i s i g i Thuringi verae severaeque artis luminum atque custodum superstes pietas discipuli sacrum esse voluit.

Dann folgt ein vorwort von Ritschi, in welchem er kurz das löbliche unternehmen durch hinweisung auf ähnliche Sammlungen, wel- che seit 1801 in Leipzig durch leipziger philologen veröffentlicht sind, rechtfertigt; darauf die abhandlungen I >VI: dies der erste fasciculus, dem andere folgen sollen, si primus, id quod spera- raus, harum verum peritis non displicuerit. Und diese hoffnung hat nicht getäuscht, da das zweite heft (1872) schon da ist: in ihm stehen, wiederum nach einem kurzen vorwort Kitschl's, in dem weiter unten anzugebende nachtrage zu einigen auf- sätzen des ersten heftes enthalten sind, die abhandlungen VII XI nebst einem index locorum. Die abhandlungen sind :

I. Certamen quod dicitur Homeri et Hesiodi: e codice Florentino post Henricum Stephanum denuo eclidit Fridericus Nietzsche Numburgeusis (nunc Basileensis) p. 1 ; II. isigoni Ni- caeensis de rebus mirabilibus breviarium: e codice Vaticauo nunc priraum edidit Eroinus Rohde Hatnburgensis (nunc Kiloaiensis), p. 25, dazu vrgl. fasc. II, praef. p. vn; III. Quaestiones Ful- gentianae (cap. I et II): scripsit Aemilius Jungmann Thuringus (nunc Freibergensis), p. 43, dazu vrgl. fasc. II, praef. p. yu; IV. floovaeXeip: ein kritisch - etymologischer verbuch von Wil- helm Clemm in Giessen, p. 75; V. Satura critica: scripsit Guh

24*

372 206. Sammelwerke. Nr. 7.

lelmus Röscher Gottingensis (nunc Budissinensis) p.91, vrgl. dazu fasc. II, praef. p. vm; VI. Emendationes Taciti qui fertur dia- iogi de oratoribus: scripsit Georgius Andresen Holsatus (uunc Berolinensis) p. 108, vrgl. dazu fasc. II, praef. p. vni; VII. Quaestiones Sallustianae maxiine ad librum Vaticanurn 3864 spectantes scripsit: Alfredus Weinhold Dresdensis, p. 183; VIII. De incisionibus anapaesti in trimetro comico Graecorum : scripsit Curtius Bernhardi Lipsiensis (nunc Zittaviensis), p. 243; IX. Observationes criticae in Dionysii Halicarnassensis Antiquitates Komanas: scripsit Carolus Iacobiy Borussus Memelensis (nunc Dresdensis), p. 287 ; X. Die handschriften von Claudian's Raptus Proserpinae : von Ludwig Jeep aus Wolfenbüttel (jetzt in Leip- zig), p. 345; XL Miscella critica ad Aeschylurn, Euripidem, Mimnermum, Thucydidem, Ciceronem, Livium , Tacitum spec- tantia ; scripserunt Otto Sievers Brunsvicensis, Justus Sigismund Lipsiensis, Walterus Gilbert Dresdensis et F. ß., Carolus Brug- mann Mattiacus, Theodorus Forssmann Archangelopolites, Ludovi- cus Mendelssohn Oldenburgensis , Edmundus Lammert Tburingus Sondersbusanus, Theodorus Opitz Dresdensis, Ernestus Wezel Saxo Limbacensis, eques crucis ferreae, p. 391.

Die einzelnen abbandlungen sollen, wie scbon bei einer gescbeben (s. ob. p. 349), einzeln besprocben werden ; da dazu die Miscella critica (nr. XI) sieb niebt eignen, beben wir zu ih- rer cbaracterisirung ein paar stellen beraus : Aescb. Pers. 228

sagt Atossa:

•zavta ö", mg icpießat,

nävta &tJgo[a,ev &soiai toig r' ti'to&e yrjg giiloig,

evt uv elg olxovg fxoXcofisf Sievers will cp&itoig statt qCXoig: allein dagegen scheint vs. 220 davTEQot' ös XQV X°u-£ || Y Vi Tl yat cpüitcug xwadai zu sprechen; nicht an Darius, wie nach Schütz auch Sievers will , muss bei cpi'Xoig vorzugsweise gedacht werden, sondern auch an die erde, weshalb 1% wohl besser geschrieben würde, mit grossem an- fangsbuchstaben. Weiter will Sievers Choeph. 91. 92 ohne ge- nügende gründe streichen: denn diese ganz an ihrer stelle ste- henden verse schliessen die zweite masse der symmetrisch ge- gliederten rede ab: deshalb wiederholt vs. 92 den vs. 87 Ti'^p'cp so ist wegen vs. 92 zu schreiben %?ovc>a xtX., wie vs. 100 Ttjg iau htI. den vs. 86 nofinn} y.rX. Das schwanken der Elektra wird so klar geschildert. Dagegen erscheint gelungen die von Kitschi selbst vorgetragene emendation W. Gilberts in Eur. Cycl. 326 nXiwv statt des überlieferten ninlov : den vs.

Nr. 7. 206. Sammelwerke. 373

325 dagegen durch dntrvfxsvog' iyysXwv yantfQ1 vjttCav ktX. zu heilen dürfte kaum glücklich sein, da meines erachtens vn- ziog geschrieben und das mit Inezrumv verbunden werden muss: ■yuatrjo vnria ist hier gar nicht zu denken , da eine solche sich doch übergeben müsste, etwas, was ein Kyklop schwerlich thut. Für Iv aityovti freilich weiss ich bis jetzt auch keinen rath. Auch E. Brugmann's behandlung von dem so schwie- rigen Mimn. fr. 1 scheint mir das richtige nicht zu treffen : er meint dem fragment durch änderung von u in oig vs. 4 auf- zuhelfen ; es wäre gut gewesen , hätte der verf. was übri- gens auch sämmtlichen Verfassern der miscellen ans herz zu legen eine Übersetzung beigefügt : er würde sonder zweifei dann selbst das ungefüge der von ihm geschaffenen rede be- merkt haben. Aber er konnte überhaupt deshalb zu keinem befriedigenden resultat gelangen, weil er trotz meiner mahnung in Piniol. XIX, p. 664 dies fr. 1 für ein in sich abgeschlosse- nes gedieht hält: es fehlt in ihm doch jede gliederung, au- sser vs. 5 jede andeutung neuer theile. Meines erachtens sind vs. 1. 2 als ein für sich bestehendes fragment anzusehen und also vom folgenden ganz zu trennen: denn, wie Plutarch. de virt. mor. c. 6, Apost. XVI, 61c darthun , standen diese verse in Anthologien allein-, ferner wie das fehlen der vss. 3 10 bei Trincavellus zeigt, stand in alten handschriften des Stobäus vor vs. 3 rov ainov ; endlich geben vs. 1. 2 auch für sich einen sinn. Damit haben wir eine ganz neue basis für die behandlung von vs. 4 gewonnen: er muss nämlich eng mit vs. 3 zusam- menhängen-, da nun AB n "\ßr\g av&ea, Arsenius aber Viol. X, 11 (nach meiner Zählung) i]ßrjg eiv av&si geben, so ist Sauppe's uv yßt]? ap&si das richtige; darin aber geht auch Sauppe mit den andern fehl, dass er mit vs. 4 den anfang von vs. 5 avdQciaiv qds yvvai^lv verbindet: denn da diese Verbindung mit dem vo- rigen nie einen vernünftigen sinn giebt, so folgt, dass hier verse ausgefallen, die 1) die lieblichkeit der blüthenreichen Jugendzeit schilderten, darauf 2) ausführten, wie das alter der männer wie frauen nichts wünschenswerthes enthielte , vrgl. fr. 2, 9. fr. 3 : dazu Theogn. 1009 ov yar> avqßäv A)g ntXsrui ngog &EK>r, und dürfte auch ib. vs. 1066 sq. auf solchen sinn sich beziehen und darnach herzustellen sein: darauf folgte dann die uns erhaltene

374 Theses. Nr. 7.

klage über das alter, wodurch denn in dem ganzen ein anklang an fr. II erreicht wird.

Dock ich muss kier abbrecken: nur einer kurzen, trocknen anzeige kalber blickte ich in die miscellen und gerathe so- fort ins disputiren und recensiren : doch wohl ein beweis , wie viel des anregenden und guten hier geboten wird. Daher möge in aller kürze der freude über*diese Zeugnisse von Ritsckl's auch in Leipzig wieder so glänzend sick bewährender lehrerthä- tigkeit ausdruck gegeben werden : jetzt, wo der erspriesslicken Wirksamkeit des classischen philologen an der Universität durch reglements und examina und zeitströmungen grössere Schwierig- keiten als je entgegensteken, muss ein solches wirken, wie es kier hervortritt, um so höher geschätzt, um so lauter aner- kannt werden : möge es also Eitschl'n gegönnt sein, noch lange trotz aller kleinlicken und mit nichts viel lärm machenden geg- ner und neider seine für die wahre philologie so segensreiche thätigkeit rüstig und mit bestem erfolg fortzusetzen.

E. v. L.

THESES quas consensu et auctoritate amplissitni philoso- phorum ordinis in . . universitate Friderica Guilelma . . d. XVI m. Marti MDCCCLXXII publice defendet auctor Sa- muelis Herrlich: 1. in Tac. dial. de Orat. c. 19 legendum est : nam quatenus antiquorum admiratores nunc velut terminum antiquitatis constituere eumque Cassium S everum faciunt quem et q. s. ; 2. Ps. Xenoph.d. r. p. Ath. I, §. 5 scribendum est: svi rovrotg röov av&Qnncov : 3. ibid. II, §.3 verba sie transponencla sunt: al fxsv fimgal 8ia df.og aoyovTca, al 8? [if- yälai navv 8ia xqsiccv: 4. apud Spart. Vit. Getae c. 2 scriben- dum est : ex formulario forensi.

quas . . in universitate Gryphiswaldensi . . d. XXVI m. Aprilis a. MDCCCLXXII publice defendet Paulus Giese: 1. Mart. Ep. XIV, 114 sie legendum esse censeo:

hanc tibi Cumanae rubieundam pulvere terrae Municipem misit casta Sibylla suam. 2. Liber XII epigrarnmatum a. 102 p. Chr. n. editus est; 3. Tac. Dial. de Orat. c. 10 scribendum est: ut si in Grraecia na- tus esses, ubi ludicras quoque artis exercere honestum est, ac tibi Nicostrati robur ac vires du dedissent, non paterer immanes istos et ad pugnam natos laecrtos levitate iaculi aut disci vancscere : iactu enim vocabulum ex dittographia ortum delendum est.

quas amplissimi philosophorum Marbur gens iura or- dinis auctoritate . . <1. XIV m. Maii MDCCCLXXII publice

Nr. 7. 207—218. Neue bticher. Bibliographie. 376

defendet Adolphus Steubing: 1. vs. Terentianus Eun. III, 5, 12 hac ratione sanandus esse videtur :

Ad. Quid taces? Ch. o festus dies huius hominis! a

amice, salve: Nemöst quem' cett. ; 3. genetivus singnlaris substantivorum secundae declinationis in ius et zum terminatorum antecedente consonanti etiam e scri- bendi usu temporum imperatorum simplici litera i exarandus est; 5. Hör. Epist. 1, 5, 9 verbis eras nato Caesare festus Dat veniam somnumque dies, non C. Iulii Caesaris sed Caesaris Au- gusti diem natalem designari existimo ; 7. locum Mecleae euri- pideae vss. 1386 88 Nauckio iure suspectum (cf. Eur. Stud. 1, p. 138) ita emendari posse iudico, ut vs. 1387 secludatur.

NEUE AUFLAGEN. 207. Platon's auserwählte Schriften. Erklärt von C h. Cron und J. Deuschle 1. thl. 5. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 9 gr. 208. Taciti historiarum libri qui supersunt. Schulausgabe von C. Heraus 1. bd. 2. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 15 ngr. 209. M. Tullii Ciceronis Cato maior de senectute. Für den schulgebrauch erklärt von G. La hm eye r. 3 aufl. 8. Leipzig. Teubner; 5 ngr. 210. A. F. St en zier, elementarbueh der Sanscrit- spräche. Gram- matik, text, Wörterbuch. 2. aufl. 8. Breslau. Melzer ; 1 thlr.

NEUE SCHULBUECHER. 211. G. Böhme, aufgaben zum übersetzen ins griechische. 4. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 24 ngr. 212. II. Warschauer, die syntax der lateini- schen spräche. 8. Jena. Frommann; 12 ngr. 213. M. Seyffert, scholae latinae. Beiträge zu einer methodischen praxis der lateinischen stil - und compositionsübungen. 2. thl. die chrie. 3. aufl. 8. Leipzig. Holtze; 1 thlr. 10 gr. 214. E. Dorschel, lateinisches Übungsbuch für die untern classen der gymnasien und realschulen. 1. cursus. Für sexta. 8. Jena. Frommann; 8 ngr. 215. H. Warschauer, mate- rialien zur einübung der lateinischen syntax. 8. Jena. From- mann; 18 ngr. 216. M. Meiring, Übungsbuch zur latei- nischen grammatik für die unteren classen der gymnasien, real- und bürgerschulen. 1. abth. 8. Bonn. Cohen und söhn; 10 ngr. 217. F. Wyss, leitfaden der Stilistik. 3. aufl. 8. Bonn. Dalp.; 5 ngr. 218. F. A. Heinichen, deutsch-la- teinisches Schulwörterbuch. 2. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 1 rthlr. 18 ngr.

BIBLIOGRAPHIE. Nach Börsenbl. nr.132 ist der Verfasser der broschüre: „Hartmann's philosophie des unbewussten. Ein schmerzensschrei des gesunden menschenverstandes von J. C.

376 Bibliographie. Nr. 7.

Fischer". Lpzg. Wiegand, ein buchhändler dieses namens in Wien.

Verlag von L. Heimann in Berlin, Wilhelmstr. 84: Hi- storisch-politische bibliothek ,,oder Sammlung von hauptwerken aus dem gebiete der geschichte und politik alter und neuer zeit; in wöchentlichen heften zu 5 sp.: darunter: Grützma- cher über die erste dekade des Titus Livius; Winckelmann geschichte der kunst des alterthums nebst einer auswahl seiner kleinem Schriften. Mit biographie und einleitung versehen von Dr J. Lessing. 6 hefte, 1 thlr. Philosophische biblio- thek oder Sammlung der hauptwerke der philosophie alter und neuer zeit. Unter mitwirkung von namhaften gelehrten heraus- gegeben , beziehungsweise übersetzt , erläutert und mit lebens- beschreibungen versehen von J. H. von Kirch mann: wö- chentlich ein heft zu 5 sgr. : darunter Aristoteles Poetik, über- setzt von Ueberweg, Metaphysik übersetzt von J. H. v. Kirchmann, drei bücher über die Seele von demselben; Plato's staat.

Rom. Die J. Sp ithö ver'sche buchhandlung (W. Haass) fährt der Ungunst der zeit ungeachtet mit anerkennenswerthem eifer fort, dem literarischen verkehr zwischen Italien und Deutsch- land durch den verlag gediegener werke ehre zu machen. Das bezeugen von neuem zwei so eben von ihr veröffentlichte opera postuma von Angel o Mai, deren inhalt wir hier kurz anfüh- ren: Novae patrum bibliothecac ab Angel o card. Maio editae tomus octavus a. J. Cossa monacho Basiliano absolutus, continens in parte I: S. Theo d ori Studitae epistolas et fragmenta , in parte II: Georgii Metochitae diaconi historiae dogmaticae li- brum I et II, in parte III: SS. Simeonum Stylitarum ser- mones et S. Isaaci Syri epistolam , das ganze ein quartband von 664 s. Das zweite werk giebt auf 268 s. zwei ausführ- liche nachtrage: 1) Appendix ad opera edita ab Angelo Maio S. R. E. presbytero cardinali continens quaedam scriptorum veterum poetica, historica, philologica e codd. collecta (O r estis fabida ab Enoch Asculano reperta, de Dracontio poeta meritum, epimetrum de epitome Valerii Maxim i et Auli Gellii, Blossii Aemilii Dracontii V. C. raptus Helenae, ad Draco ntii poema de laudibus Dei collatio cod. Vaticani h855, de Chalcidii commento in Horatii carmen, de Dr acone normannico monitum, Draco normannicus, carmina varia , Petronius Arbiter de antiquis di- ctionibus, Imagontes de vetustis vocahdis , Viceconitum Esten- lisque familiae veteris affinitatis diuturnae amicitiae ac muftä prae- sidii memoria Georgii Merulae , S. Gregorii Papae VII vita Onuphrio Panv inio auctore , historia Brittonum edita ab ana- choreta Marco ciusdem gentis episcopo, Virgilius gr ammati- cus de octo partibus orationis, eiusdcm epitomae Vergilii ; 2) Appendix altera ad opera edita ab Ang. Maio S. R. E. presbytero

Nr. 7. Kleine philologische zeitung. 377

cardinali continens loh. Scoti Er igen ae expositiones super hie- rachias caelestes sancti Dionysii. [Augsb. Allg. Zeit. beil. zu nr. 161].

Mittheilungen der verlagshandlungB. G. T eubner in Leip- zig 1872, nr. 2 : enthält in ihrer ersten abtheilung notizen über künftig erscheinende werke folgendes : über die spräche der Etrusker von W. C o r s s e n : genaue angäbe des inhalts mit dem schlusswort: ., diese Untersuchungen haben zu dem ergeb- niss geführt , dass das etruskische eine rein italische spräche ist , durch innige blutsverwandtschaft verbunden mit dem latei- nischen, umbrischen und oskischen , so regelmässig und sinn- reich in lautgestaltung und formenbildung wie jede der ver- wandten sprachen". Untersuchungen über das System Platon's von Dr D. Peip ers. 1. abth.: die platonische erkenntnisstheo- rie : Inhaltsangabe vom vrf. : diese 1. abth. beschäftigt sich vor- zugsweise mit dem Theätet. Demosthenis de corona oratio. In usum scholarum ed. J. H. Lipsius: ist darauf berechnet acade- mischen Vorlesungen zur grundla?e zu dienen. Anthologia latina epigraphica ed. Fr. Buecheler : als probe sind Pro- gramme des vfs u. a. zu betrachten (s. Philol. Anz. II, nr. 1, p. 18). Die conjunction quorn etymologisch und syntak- tisch untersucht von Dr G. Autenrieth.

Bibliorum sacrorum graecus codex Vaticanus. T. III cora- plectens libros psalmorum , proverbiorum, ecclesiastae . cantici, lob, Sapientiae Salomonis et Sirach. gr. fol. Eom. ; 40 thlr. : bei Brockhaus Sort. in Leipzig zu haben.

Cataloge von antiquaren: verzeichniss nr. 149 des antiqua- rischen lagers von H. Härtung in Leipzig, „vermischte Schrif- ten" enthaltend; Lang und Ein sie' s buchhandlung in Wien, antiquarischer catalog nr. 7, philosophie und theologie ; Ren- tel, buchhandlung in Potsdam, antiquarischer catalog nr. 22, theologie und philosophie; schweizerisches antiquariat in Zürich, nr. 42, Sprachwissenschaft.

KLEINF PHILOLOGISCHE ZEITUNG. „Zur erinne- rung an Dr Ludwig Schweiger": eine A. E. unterzeichnete kurze biographie des am 23. april in Göttingen verstorbenen bibliothekars und professors in Petzholdts anzeiger für bi- bliographie heft 6. 1872.

Heinrich Lämmert buchhändler in Rio de Janeiro wurde von dem grossherzog von Baden in anerkennung seiner Verdienste um die Sammlungen für die verwundeten in dem deutsch -französischen kriege mit dem erinnerungskreuz von 1870 und 1871 decorirt. [Börse nbl. nr. 140.]

Coblenz. Zu Acron. Im Philol. Anz. 1872, 3 (p. 127) wird von mir berichtet, ich hätte als äusserste zeitgrenze für

378 Kleine philologische zeitung. Nr. 7.

Acron saec. IV.— IX aufgestellt. Ich habe diese ungefähre Zeitbestimmung in ermangelung einer bestimmteren für den ano- nymus der sogenannten Vita II angenommen, indem ich mich hauptsächlich darauf stützte, dass sie jedenfalls jünger als Acron sein müsse, und ausführte, dass mir die annähme KelJer'Sj diese Vita rühre sammt dem grössten theil unserer acronischen scho- lien von Fabius Placiades Fulgentius her, nicht stichhaltig er- scheine. Ich ging dabei von der annähme aus, dass Hele- nius Acron in die zeit des Iulius Eomanus (um 200 p. Chr.) gehöre und wahrscheinlich wenig älter als Pomponius Porpby- rion sei (p. 12 : Verumtamen Acronem saeculi tertii p. dir. n. mitio vel altero extremo fuisse non modo Schottmuellero ferocius re- pugnare meum non est , sed Porphyrione Acronem paulo superiorem fuisse probabile mihi videtur). Die uns erhaltene recension der scholien aber setzte ich p. 7 in's IX. oder X. Jahrhundert. [E. Schiveikert].

In der sitzung der philosophisch-historischen classe der kaiser- lichen academie zu Wien am 15. mai a. c. wird über den inhalt der von Dr Ad. Horawitz eingesendeten abhandlung: ,,des Beatus Rhenanus literarische thätigkeit in den jäh- ren 1508 1531", folgendes mitgetheilt: die literarische thätig- keit des Beatus Rhenanus ist in eingehender, zusammenhängender darstellung noch nicht besprochen. So ansprechend auch die kurze abhandlung ,J. Mähly's (Alsatia 1856—57) ist, so erschöpft sie doch den stoff bei weitem nicht. In dem vorliegenden aufsatze sollteu vorerst eine genaue bibliographische aufzählung der werke des Rhe- nanus von 1508 1531, sowie eine besprechung der verschiedenen aus- gaben und kurze Charakteristik des werthes jener Schriften gegeben werden. Es ist die vornehmlich philologische periode des Rhenanus, die hier besprochen wird, jene epoche, in der er als herausgeber von classikern und kirchenvätern thätig ist. Hie und da konnten bisher gar nicht besprochene kleinere Schriften des rastlos fleissigen mannes beschrieben und charakterisirt werden. In diesem Zeitraum und in den kreis dieser abhandlung gehört die ausgäbe der Epistolae prö- verbiales des Faustus Andrelinus (1508) , die- abfassung der Vita J. Geileri (1510) , die edition einiger tendenziöser Sammelwerke (1510, 1511), darauf folgten die ausgaben des Ludus L. Annaei Scnecae de morte Claudii , des Synesius de. laudibus caluitii (1515),, des Curtius Rufus (1518), Maximus Tyrius (1519), der Formulae familiarium Col- loquiorum des Erasmus (1519), der Panegyriker (1520), des Tertullia- nus (1521 und 1528), des Vellejus (1522), der Autores Historiae ec- clesiasticae (1523) und die Plinius-Emendationen (1526). Alle diese werke finden eine kurze besprechung ; zum Schlüsse wird die eigen- thümliche philologische methode des Rhenanus in den äussersten um- rissen dargestellt.

Ferner legte in derselben sitzung prof. C o n z e mit einigen erläuternden worten über den stand des Unternehmens die erste kupfertafel der mit Unterstützung der kaiserlichen akademie vor- bereiteten und für die denkschriften bestimmten publication : , römische bildwerke einheimischen fundorts in O esterreich" vor. Zugleich überreichte derselbe für die

ftr. 7. Kleine philologische zeitung. 379

Sitzungsberichte einen aufsatz ,,über griechische grabre- liefs", der sich kritisch mit einem grabrelief in der Bibliotheca civica zu Triest und einem andern im Museo lapidario zu Ve- rona beschäftigt; den besondern anlass hierzu geben die mit beiden reliefs vorgenommenen fälschungen. Bei dem relief in Triest lassen sich diese fälschungen sehr bestimmt durch eine von Fourmont herrührende Zeichnung erweisen. Diese ist vor der jetzt mit dem relief vorgenommenen Umgestaltung ge- macht und ist, so sehr sie gegen Fourmonts treue in der wie- dergäbe eines bildwerkes zeugniss ablegt, werthvoll nach zwei Seiten hin, indem sie die später gefälschten theile noch nicht zeigt und dieselben somit verurtheilt, die an sich sonst anstös- sige inschrift dagegen als schon zu Fourmonts zeit vorhanden und so wahrscheinlich als echt sichert. Bei dem veroneser grabsteine war schon früher der versuch gemacht ein in einer ge- fälschten beischrift irrthümlich auf den Eros Uranios bezogenes figürchen vielmehr als eine Sirene und damit zugleich die in- schrift um so deutlicher für gefälscht zu erklären. Den zwei- feln Stephani's gegenüber kann diese erklärung jetzt durch her- beiziehung eines griechischen grabsteins in Wiltonhouse bei Sa- lisbury und eines andern in der Calvert'schen Sammlung an den Dardanellen ganz festgestellt werden.

In der Sitzung derselben classe vom 29. mai a. c. berich- tete Dr Kenner über zwei abhandlungen , deren erste den ti- tel „über eine griechische inschrift aus Erythrae", die zweite den titel „über die römische reichsstrasse von Virunum nach Ovilaba und über die ausgra- bungen von Win d i s ch- Garsten in 0 b er ö s t err eich

führt. Die erste abhandlung betrifft eine in dem alten Erythrae in Ionien gefundene raarniorstele mit griechischer inschrift, welche das kaiserliche münz- und antiken -cabinet durch die Vermittlung des contreadmirals ritter von Millosich im letzten herbste zu erwerben gelegenheit erhielt. Sie stammt aus dem ersten drittel des zweiten Jahrhunderts vor Chr. und enthält den volksbeschluss einer gemeinde, deren name zwar nicht genannt wird, aber aus veschiedenen krite- rien des denkmals selbst und aus einer andern schon bekannten de-- lischen inschrift mit grosser Wahrscheinlichkeit sich ergänzen lässt ; es war Mytilene auf Lesbos. Wohl wegen zeitweiliger schärfung des parteihaders, an welchem die einheimischen richter betheiligt sein mochten, ersuchten die Mytilenaeer die befreundete stadt der Erythraeer um aushülfe ; diese sandte einen gerichtshof bestehend aus zwei richtern und zwei unterbeamten. Am ende ihrer verdienstlichen thätigkeit wurden sie , sowie die stadt der Erythraeer selbst , durch unsern volksbeschluss mit verschiedenen auszeichnungen bedacht, be- lobungen, goldenen kränzen und mit dem officiellen mahl im pryta- neion; ausserdem erhielten die Strategen den auftrag, für die beiden richter auf Verleihung des bürgerrechts und des rechtes der gast- freundschaft anzustragen. Die antrage über diese punkte, die ihnen entsprechenden beschlüsse selbst mit der angäbe der motive und die ausführungsbestimmungen bilden die drei theile , in welche die in- schrift zerfällt. Es mangelt nicht an parallelen aus den griechischen

£80 Kleine philologische zeitung. Nr. 7.

inseln und den städten an der Westküste von Kleinasien; sie sind al- lerdings nicht zahlreich, lassen aber an der ähnlichen Stilisierung doch erkennen, dass sich ungeachtet der Verschiedenheit der orte eine gewisse gleichförniigkeit der behandlung solcher fälle gebildet habe, die letzteren also ziemlich häufig eingetreten sein müssen. Daher bietet auch die stele von Erythrae im einzelnen wenig neues dar. Es lässt sich aus ihr folgern, dass Mytilene eine der attischen sehr ähnliche Verfassung gehabt habe, was auch an sich wahrscheinlich ist, da es durch lange zeit, wenn gleich unter wechselnden Schick- salen ein wichtiges mitglied des attischen seebundes war. Statt der sonst üblichen auszeichnung von porträtstatuen an die fremden rich- ter wird hier die politie und proxenie verliehen. Auch eine ganz neue amtsperson taucht hier auf, der dikastogog , welcher als unter- ster beamter dem fremden gerichtshof beigegeben ist. Wie aus den motiven der beschlüsse gefolgert werden kann, hatte er die Obliegen- heiten eines sachverständigen zu erfüllen, um die richter in die nö- thige kenntniss über persönliche und tbatsächliche Verhältnisse in den strittigen dingen einzuführen und ihnen die fällung gerechter urtheile möglich zu machen. In sprachlicher beziehung ist die ver- mengung ionischer und aeolischer formen bemerkenswerth. Der entwurf der inschrift war im aeolischen dialecte abgefasst, die stele aber in Erythrae selbst von einem ionischen Steinmetz gearbeitet, auf dessen rechnung die meisten ionismen kommen mögen.

Die zweite abhandlung bildet den ersten theil einer Untersuchung über die römische reichsstrasse von Virunum nach Ovilaba und über die ausgrabungen von Windisch -Garsten in Ober-Oesterreich. Kaum bei einem andern anlasse gehen die meinungen über die richtung der Strasse und die bestimmung der einzelnen orte so weit auseinan- der als bezüglich dieser route, für welche im Itinerarium Antouini bis auf die höhe des Pirn ganz andere Stationen genannt werden, als in der Peutinger'schen tafel; selbst da, wo in beiden die gleichen Stationen erscheinen (vom Pirn bis Wels) , sind die distanzangaben verschieden. Im wesentlichen dreht sich der streit um zwei punkte, ob die beiden quellen denselben oder theilweise verchiedene strassen- züge im äuge haben, dann ob der Rottenmanner- Tauern direct über- setzt oder im thale der Mur und des Paltenbaches umgangen worden sei. Nachdem aus keltischen Ortsnamen nachgewiesen ist, dass schon in vorrömischer zeit sowohl über den Pirn als den Tauern ein uralter Verkehrsweg geführt habe , wird das eigenthümliche verhältniss des Itinerars und der Tabula bezüglich dieser route einer eingehenden kritik unterzogen. Ihre ergebnisse laufen darauf hinaus , dass beide •quellen dieselbe Strasse darstellen und diese den Rottenmanner-Tauern direct übersetzt habe. Dabei lassen sich die spuren einer gründli- chen Umgestaltung erkennen , welcher die route zur zeit Alexander's Severus' unterzogen wurde. Die ältere, nur auf den dienst der staats- couriere berechnete eintheilung der tagreisen, die manche auffallende Ungleichheiten und Unbequemlichkeiten die dritte und vierte nacht- herberge entfielen auf die höhe des Tauern und des Pirn mit sich brachte , wurde späterhin zum vortheile des zahlreicher gewordenen reisepublicums abgeändert, indem die tagreisen gleichförmiger einge- teilt und die herbergen sämmtlich in die thäler verlegt wurden. Damit war eine Verschiebung der neuen Stationen um durchschnitt- lich fünf millia pussmim gegen die alten verbunden, welche sich aus der vergleichung der distanzangaben beider quellen mit völliger Si- cherheit nachweisen lässt. Der umstand, dass bei dieser Verschiebung die neuen Stationen südwärts vom Pirn auf andere Ortschaften entfie- len, als früherhin , während sie nordwärts desselben mit den alten

jfr. 7. Kleine philologische zeitung. 381

Ortsnamen erschienen, ist ein beweis, dass dort die römisch norischen ansiedlungen viel dichter neben einander standen , als hier , wo nur einzelne über lange Wegstrecken ausgedehnte Keltendörfer lagen; es lässt sich nachweisen, dass die heutige Ortschaft Klaus, welche zwei stunden weges lang sich hinzieht, genau mit den grenzen des alten Tutatio zusammenfällt. Nach den also gewonnenen anhalten wird eine neue bestimmung der orte versucht und zum Schlüsse die länge der ganzen und halben tagereisen Dach anderwärtigen parallelen be- stimmt, um eine neue grundlage für die bemessung der durchschnitt- lichen fahrgeschvvindigkeit der römischen post zu gewinnen. Sie stellt sich als eine im vergleich mit unseren heutigen begriffen ge- ringe heraus, indem besondere fälle ausgenommen bei einer täglichen fahrzeit von nur sechs stunden , im besten falle d. h. bei günstigem terrain, ein weg von 15 bis 1772 stunden länge, bei un- günstigem terrain von 6 bis 10 stunden zurückgelegt wurde.

In Bergmann's Philosoph. Monatsheft. VIII, 1 findet sich ein aufsatz von E. B rat us ch eck Adolph Trendelenburg's Jugendgeschichte.

8. juni ward in Dresden im japanischen palais ein denk- mal für J. J. Winckelmann im beisein mehrer minister ent- hüllt: es besteht aus einem von Brossmann modellirten , in bronze gegossenen reliefportrait, was auf einer platte von sächsi- schem serpentinstein eingesetzt und im treppenhaus zur öffent- lichen bibliothek eingefügt ist. Genaueres giebt Augsb. Allg. Ztg. beil. zu nr. 164.

Stade, 20. mai. Der hiesige verein für geschiente und alterthümer erhielt im verflossenen winter die mittheilung, dass in der nähe von Nincop bei Neufelde im Altenlande bei gelegenheit des dort in ausführung begriffenen chausseebaues Pfahlbauten aufgefunden seien. Die eingezogenen erkundi- gungen haben folgendes ergeben: in der nähe von Nincop zieht sich in einer breite von ca. 100 bis 200° östlich, d. h. rechts- seitig von der erte und parallel zu dieser eine sumpfige niede- rung hin, welche sich von der Geest bis zur Elbe erstreckt und vermuthlich ein zugeschlemmter ertearm ist. In der niederung befindet sich eine in der marsch sehr vereinzelt dastehende er- scheinung, nämlich eine aus reinem körnigen geestsande beste- hende anhöbe, die bei einer stärke von 6 fuss etwa 2 morgen fläche hat. Unter dieser sandbedeckung sind nun bei jenen erdarbeiten spuren eines alten pfähl baues aufgefunden , dessen Überreste , so weit sie sich in dem feuchten und moorigen Un- tergründe befanden, sich wohl erhalten zeigten. In der nähe dieser pfähireste, namentlich in der mit sand bedeckten rnoor- schicht, hat man ausserdem noch Scherben, gebrannte ziegel, knochen,' zum theil in versteinertem zustand etc., gefunden.

Aargau. Das ,, Tagblatt" berichtet über interessante ent- deckungen, die kürzlich wieder bei den erdarbeiten auf dem kurhausplatze von den Baden gemacht wurden. So grub man in den letzten tagen eine römische topfbrennerei aus. Der

882" Kleine philologische zeitung. Nr. f.

töpferofen hat eine länge von 6 bis 7' und ist eben so breit und etwa 6 bis 7' hoch. Er ist aus ziegelstücken aufgemauert, mit einem grösseren gewölbe von etwa 3' höhe und 2' linien breite, von welchem rechtswinklig horizontal nach jeder der beiden Seiten hin je 3 züge auslaufen von 3 bis 4" weite und 2' höhe. Die züge, sowie die innere wand des gewölbes sind meist noch mit lehm ausgestrichen. Dass es nicht eine ge- wöhnliche ziegelbrennerei war, beweisen die kleinen dimensionen der anläge, während für eine töpferei in der nähe befindliche häufen von grösseren und kleineren scherben zeugen. Ziemlich häufig sind auch grössere, zwei mass haltende becken , in der form unserer milchbecken, zu finden. Wie die gefundenen Über- reste zeigen, wurden geschirre gemacht aus gewöhnlichem lehm und aus feinem thon. Der hals einer aufgefundenen amphore mass 3x/2" durchmessen

Regensburg, 9. juni. Die erdarbeiten, welche aus ver- anlassung der bauten der ostbahn und Donauthalbahn in unmit- telbarer nähe der Stadt vorgenommen werden, fördern bestän- dig eine erhebliche zahl von römischen gr abstatten zu tage. Die Sammlungen des hiesigen historischen Vereins, der dieselben überwacht, haben daher erhebliche Vermehrungen , na- mentlich an aschenurnen der verschiedenartigsten gestalt , thrä- nenfläschchen, grablämpchen von der einfachsten bis zur kunst- reichsten form erhalten; besonders bemerkenswerth ist die auf- findung kleiner glöckchen von eisen oder bronze. Die partien, welche gegenwärtig zur aufdeckung gelangen, bergen die gräber aus dem ende des 2. Jahrhunderts, wie man nach den aufge- fundenen münzen, welche den kaisern aus jener zeit angehören, schliessen darf. Als ein interessantes resultat ergiebt sich aus den beobachteten ausgrabungen die Überzeugung, dass das ver- brennen der leichen zu gleicher zeit mit dem beerdigen dersel- ben in gebrauch war ; freilich war die erstere art die bei wei- tem häufigere, so dass man ungefähr 25 brandstätten begegnet, ehe man eine unverbrannte leiche findet. Noch verdient bemerkt zu werden , dass an mehreren stellen quaderkonstruktionen zu tage gefördert wurden, welche offenbar als unterbau für monu- mente dienten, von denen manche reste, wie z. b. der wohler- haltene köpf eines greifen, zum Vorschein kamen.

Aus Athen, 8. juni, schreibt man: ein interessanter ar- chäologischer fund wurde vor einigen tagen hier bei Hagia Trias gemacht, nämlich eine säule mit inschriften , welche ihrer läge nach die glänze zwischen dem äussern und innern Kera- meikos bildete. In der nähe wurden die fundameute eines grossen thores, höchst wahrscheinlich des dipylon , an den tag gelegt. Die hiesige archäologische gesellschaft, welche die aus- grabungen leitet, wird darüber eine dissertation veröffentlichen.

Der kämpf des Staats mit der katholischen kirche nimmt,

Nr. f. Kleine philologische zeitung. 383

wie es scheint, immer grössere dimensionen an, greift daher natürlich auch tief in die Verhältnisse der schule und das we- gen der Wissenschaft ein. Um zu zeigen, wie in Oesterreich als einem katholischen lande der kämpf geführt wird , machen wir auf den bei uns wohl weniger bekannten, in Wien erschei- nenden „Sonn- und Fei er tags- C ouri er " aufmerksam : er hat z. b. in nr. 27 vom 20. mai einen die ,,aussöhnung mit Rom" überschriebenen artikel, in dem es unter anderm heisst : „mit dem ultramontanismus giebt es nur einen einzigen modus vivendi, und dieser ist: strenge aufrechthaltung der gesetze ohne Schonung der würden oder titel, und Währung der staatsautori- tät gegenüber der clericalen anmaasung: jeder andre weg führt unvermeidlich zur demüthigung des Staats, zur Verletzung der Ver- fassung, zur reaction". In derselben nummer ferner, dann in nr. 29. 31, ist von einem katholischen geistlichen unter dem titel: „die bischöfe und ihr Wirkungskreis" die jetzige Stellung der bischöfe einer strengen kritik anch mit rücksicht auf die schule , auf den Unterricht in alumnaten und knabensemina- ren unterzogen-, endlich in nr. 30 ,,das verhältniss zwischen kirche und staat" besprochen, dabei die prunksucht bei pro- cessionen u. dergl. getadelt, der verfall der katholischen kirche überhaupt geschildert und abhülfe verlangt: ,,mit dem populär gewordenen schlagworte „trennung des Staates von der kirche" ist blutwenig gesagt , zu seiner durchfuhrung wenig geholfen, wenn dieser trennung nicht radicale reformen vorangehen. So müsste vor allem andern den bischöfen jede art von staatsrecht- licher autorität entzogen werden : die priester müssen privat- und nicht amtspersonen sein" .... „Eine weitere consequenz wäre, dass die guter der kirche nicht mehr den bischöfen zur freien Verfügung überlassen, sondern dass dieselben ihren eigent- lichen eigenthümern, den kirckeugemeinden, zurückgegeben wer- den" .... „Wollen wir auf kirchlichem gebiete etwas wahr- haft erspriessliches schaffen, dann müssen wir die autonomie der katholischen kirchengemeinde auf unsre fahne schreiben. Die gemeinde muss ihre priester frei wählen und absetzen können, sie muss das kirchengut verwalten und über ihr geistiges wohl und wehe berathen und beschliessen können. Dann brauchen wir keine ausnahmsgesetze gegen die Jesuiten, dann werden wir würdige priester finden, welche nur des erlö- senden wortes harren, um wahre, ehrliche und freie führer und berather ihrer gemeinden sein zu können". Dies um diese den extremen auch nicht fremde richtung zu charakterisiren : sie trifft auch mit Rüge zusammen: s. unt. nr. 8.

Augsburger Allgemeine Zeitung nr. 161 : zum confhct zwischen der münchener Universität und dem kultusniiDisterium : betrifft in- fallibilistische professoren. Nr. 162: Fr. Arnold Brockhaus: refe- rat über dessen biograpkie, Beil. zu nr. 164: Römergräber bei

384 Auszuge aus Zeitschriften. Nr. 7.

Regensburg: s. ob. p. 382. Nr. 165: Zusammenkunft der profes- soren aus Freiburg, Heidelberg und Strassburg in Baden-Baden. Beil. zu nr. 166. 167: sonst und jetzt. Klar und wahr: anzeige von A. F. Quenstedt's populären vortragen über geologie. Zur inschrif- tenfälschung in Jerusalem: kurze inittheilung von Socin. Beil. zu nr. 168: „was wir von Frankreich lernen können"? anzeige einer broschüre dieses titeis von Sybel. Nr. 169: die erzthüren von St. Paul und die Platon-herme von Tivoli: aufsatz von F. Piper, der auf die jetzt verschollene Herme aufmerksam macht. Ausserord. beil. zu nr. 171: gründung einer neuen gesellschaft in Paris, Associa- tion fr an^aise pour l'avancement des sciences. Beil. zu nr. 172: zeit- betrachtungen. Ausserord. beil. zu nr. 172 : kurze notiz über Mordt- mann's studien über die geschichte Armeniens. Nr. 173 : aus Ae- gypten ; vorzugsweise den process des marquis de Bassano betreuend. Der neue etat für die Universität Bonn. Beil. zu nr. 174: über nationale erziehung : anzeige der vom Verfasser der „briefe über berliner erziehung" unter diesem titel veröffentlichten schrift. Nr. 175: Ringseis contra Döllinger. Nr. 176: zur characteristik der Jesuiten und ihres Stifters. Beil. zu nr. 177: Robert Prutz f. Beil. zu nr. 179 : Graf Montalembert über die Jesuiten Münche- ner kunst. Nr. 180: die ausweisung der Jesuiten und ihre gründe. Denkmal des ministers vom Stein in Nassau. Nr. 181. 182: schule und kirche in Preussen. I. IL Beil. zu nr. 181: die serailsbibliothek und Kritobulos, von Tischendorf: erzäh- lung von der auffindung des werkes eines sonst nicht bekannten mön- ches aus Inibros, Kritobulos, welches die geschichte der eroberung Konstantinopels durcb Mahomed II enthält. Beil. zu 184: nach dem griechischen Orient: von B. Stark. I. Vom Rhein zur Donau: beschreibung der reise von Heidelberg nach Wien.

Nachrichten von der königl. gesellschaft der wiss. zu Göttingen: nr. 1 : Th. Benfey, die sanskritische femininalendung km (vermittelst tkni) für tni von einem masculinoneutralem tna = dem griechischen tvo oder cJVo.

Preussische Jahrbücher von H. v, Treitschke und W. Wehrenpfen- nig, bd. XXIX, heft 4: E. Fritze, zur reform des frühern Schulwesens, p. 396. E. Üonze , vom berliner museum, p. 506: kurze anzeige von C. Friederichs Berlins antike bildwerke, bd. 2, Düsseldorf, 1871: C. Bötticher , erklärendes verzeichniss der abgüsse antiker werke. Berlin. 1871: Friederichs wird gelobt, nur die bitterkeit gegen Ger- hard getadelt, dagegen Bötticher's buch stark getadelt, erstens we- gen der anordnung des Stoffs, die im berliner museum ausgeführt ist, dann dass er seine ansichten überall und unmässig in den Vorder- grund gestellt , endlich , dass diese sehr häufig verfehlt seien : in der ganzen anzeige kann man animosität gegen Bötticher nicht verken- nen. Es ist das zu beklagen: grade von solchen catalogen gilt das naaw udtlv %alknöv. [Es wird Bötticher's buch im Anzeiger noch besprochen werden].

Z arncke, literarisches centralblatt , nr. 6: 31. Heinze , die lebre vom logos in der griechischen philosophie. 8. Oldenburg: sehr em- pfehlende anzeige von K. Nr. 7: Pseudo-Callisthenes. Nach der leidener handschrift herausgegeben von H. Mensel. 8. Leipzig. Teub- ner ; anzeige. W. Christ , werth der überlieferten kolonietrie in den griechischen dramen. 8. München: lobende anzeige.

Nr. 8. August 1873.

Philologischer Anzeiger.

Herausgegeben als ergänzung des Philologus

Ernst von Leutsch.

219. Sammlung der parallelstellen zum ersten buche der Odyssee. Aus dem nachgelassenen manuscripte des „Parallel- Homer" von Job.. Ernst Ellendt herausgegeben durch Georg Ellen dt. Progr. des königl. Friedrichs - collegiums. 4. Kö- nigsberg in Pr. 1871.

Die absieht des herausgebers den im manuscript vollstän- dig vorhandenen Parallel-Homer seines vaters im ganzen her- auszugeben ist an der Schwierigkeit einen Verleger zu finden gescheitert, da die nicht unbedeutenden kosten der typographi- schen herstellung abschrecken, ein bedeutender gewinn aber bei diesem unternehmen wohl nicht in aussieht steht. Auch ein durch I. Bekker's Vermittlung gemachter versuch von der berliner academie eine beihülfe zu den druckkosten zu erlangen hatte keinen erfolg. Unter diesen umständen blieb nichts übrig, als einzeln mit der publication vorzugehen: und so liegt denn hier zunächst das erste buch der Odyssee vor, nach demselben prin- cip bearbeitet, welches der Verfasser selbst bei dem elften buch der Ilias (Joh. Ernst Ellendt drei homerische abhandlungen. Leipzig. 1864. p. 53 ff.) in anwendung gebracht hatte-, vorbe- reitet für den druck sind ausserdem A und r, sowie ?/.

Wie sehr es nun zu bedauern ist, wenn dies mühsame werk langjähriger arbeit, wie es wohl nur deutscher fleiss und deutsche ausdauer zu stände bringen konnte, durch Ungunst der Verhältnisse zu einer stückweise erfolgenden publication verur- theilt ist, wird jeder empfinden, der darauf einen näheren, prü- fenden blick wirft. Der Verfasser hat sich nämlich nicht darauf beschränkt die halben und ganzen verse, die ganz oder fast gleichlautend sind , die Wiederholung derselben Wendungen und Philol. Anz. IV. 25

386 219. Homeros. NV. Ö.

formein oder umgekehrt das alleinstehen und die eigenartigkeit des ausdrucks zu verzeichnen, sondern er hat seine anfmerk- samkeit auch auf die Stellung der wort- und ausdrucksweise innerhalb des verses, auf die rhythmischen anklänge, die ety- mologischen formen, die syntaktischen constructionen , partikeln u. s. w. gerichtet und überall das gleichartige, wie das verschie- denartige verzeichnet. Von diesen Zusammenstellungen ver- sprach sich der verf. „eine nicht unwesentliche Unterstützung zur klärung, wenn auch nicht lösung der schwebenden fragen sowohl über die allmähliche gestaltung der beiden epopoeen, wie sie uns jetzt vorliegen, als über das fremdartige , das sie enthalten" : und gewiss ist nur auf solchem wege für die erör- terung dieser fragen eine feste grundlage zu gewinnen, die vor der Willkür subjectiven beliebens bewahren und zu annähernd sicheren resultaten führen kann. Aber auch abgesehen von die- sem dem Verfasser bei seiner arbeit vorschwebenden ziel wird das verständniss des dichters selbst durch solche Untersuchun- gen, wenn sie vollständig vorliegen, im einzelnen bedeutend gefördert werden können. Denn wie in gleicher weise vielleicht bei keinem andern Schriftsteller, bedarf es für das verständniss der homerischen gedichte der genauesten vergleichung des dich- ters mit sich selbst und vielfach giebt erst die Zusammenstel- lung des ähnlichen, abweichenden oder auch völlig verschiede- nen den einzelnen stellen ihr rechtes licht. Dass aber die für diese zwecke nothwendige Sorgfalt und genauigkeit die arbeit auszeichnet, lässt sich von vornherein von der auch sonst be- währten akribie des Verfassers erwarten : absolute Vollständig- keit in den angaben zu verlangen wäre bei einer solchen arbeit nicht gerechtfertigt , und so wird trotz der Sorgfalt des Verfas- sers immer noch eine nicht ganz unbedeutende nachlese von parallelen gehalten werden können. So habe ich bei der durch- sieht des ersten buches folgendes bemerkt , was nachgetragen werden kann : v. 4 der versanfang no).Xa ö' eye = 1 541 ; v. 11 werden für das erste hemistich mehr parallelen angege- ben von Ameis im anhang zur stelle; v. 83 fehlt v. 239; v. 115 zum versschluss ß 351; v. 122 ß 269; v. 146 zum ver- schluss <5 216; v. 149 8 218; v. 150 7 67; /* 308. 0 303. 7*480. B 432. *F57; v. 170 zum ersten hemistich >/ 238; zu v. 179 giebt mehr Ameis im anhang zu £ 192; v. 296 kann zu ovde

Nr. 8. 220. Antiphon. 387

zi as %qtj hinzugefügt werden T 133., vgl. i 118. T 67. Möge es dem herausgeber vergönnt sein, bald mehr nachfolgen zu lassen.

C. Hentse.

220. Arnold Hug, de arte critica in Antiphontis oratio- nibus factitanda. 4. Universitätsprogr. Zürich. 1872. 26 s.

In der vorliegenden Schrift wird die oft behandelte frage nach dem gegenseitigen verhältniss und dem relativen werthe der handschriften des Antiphon von neuem einer besprechung unterzogen, und zwar tritt der vf. dem ref. gegenüber , welcher mit Mätzner den Oxoniensis bevorzugt , auf die seite Sauppe's, der diesen für willkürlich interpolirt und den Crippsianus A für den sichereren führer erklärt hat. Zunächst ist es nun dem vf. sehr zu danken, dass er durch einen früheren schüler, B. Sigg, den Crippsianus an ort und stelle vollständig neu hat vergleichen lassen, von welcher collation ein grosser theil in die- ser schrift mitgetheilt wird. Hug zeigt nun zuerst mit hinläng- licher evidenz, dass der zweite corrector des Crippsianus (A2) nicht nach conjektur, sondern nach einer ihm vorliegenden handschrift emendirt hat, welche zu der familie ß (codd. BLZM) gehörte; zu dieser familie zählt sich folglich auch A2. Sodann aber behauptet er, dass die familie ß einen selbständigen werth neben A und N besitze beweis sei die anzahl von ihr allein gebotener trefflicher lesarten und stellt das stemma der hand- schriften so auf, dass von einer urhandschrift x einerseits das original von N und A (a), andrerseits das der familie ß (ß) sich herleitet ; zwischen a und N steht eine handschrift n, in der die angebliche Interpolation stattgefunden. Nun ist eine Selb- ständigkeit der klasse ß allerdings zuzugeben, ein selbständiger werth aber nur in äusserst geringem maasse, indem hier wirk- lich interpolation gewaltet hat. Was heisst denn eigentlich in- terpolation? Doch wohl hewusste freie änderung einer ver- derbten stelle, wodurch ein täuschender schein von unverderbt- heit hervorgebracht wird. So etwas hat in ß an zahlreichen stellen stattgefunden; dagegen was beim Oxoniensis interpola- tion genannt wird , ist von ganz andrer art und theils einfache verderbniss, theils nicht auf conjektur sondern auf handschrift- liche gewähr zurückzuführen. Hug zählt p. 19 f. die intet -

25*

388 220. Antiphon. Nr. 8.

polationen des Oxoniensis auf; darunter befindet sich 2 a 7 nu&[öT7]6ep aus na&i'atTjaiv (A und ß) ist das ein do- ctus grammaticus, der so etwas schreibt? 1 , 3 an?i\i](i[i4Mp statt äaeilsifupiivcp (A), wogegen ß und A2 das richtige cn.no- XeleiiApevq) bieten: ist hier interpolation, so ist das die les- art von ß, während in N lediglich die verderbniss um ein klei- nes weiter gegangen. Ganz ähnlich 2 a hypotb. reo loycp tqj TiQog MixCrtjv richtig A, Mvx/jvqv N, quod nomen grammatico notum erat, sagt Hug. Eichtiger librario , denn den kann ich nicht grammaticus nennen, der hier den namen einer Stadt hin- einbringt und unmittelbar vorher die leichte änderung von Av- Gi'q> in Avala (so auch A corr.1, A jpr. wie N) unterlässt. Und dieser selbe mann soll willkürlich die Wortfolge an zahlreichen stellen mit richtigem und feinem gefühl geändert, er soll 2/6 ayäva statt xivbvvov , 2 y 2 nQoidövrsg statt iSövTsg willkürlich geschrieben haben, wo jeder schein eines zu bessernden ver- derbnisses fehlte. Ebenso 4Ö2 tolv o<y§a\\ioh statt zotg ocp&oü- fiois , während er unmittelbar darauf zoig caafv stehen Hess. Eef. hat an allen diesen stellen die lesart des Oxoniensis auf- genommen, an der letztern um so mehr, weil auch sonst tcocpa)ft(6 oft, Too ocze dagegen seines wissens nirgends vorkommt; diesem Sprachgebrauch gemäss kann wohl Antiphon geschrieben, aber nimmer ein grammatiker gewöhnlicher art geändert haben. Hug seinerseits hält es für unglaublich, dass die lesart von ß in 5, «, 46 i^eltjTat für e^slaiiai, oder die hinzufügung von dwa^ifimr 5, «, 3 auf conjektur zurückgehe: besserungen, die spräche und sinn forderten, und die jeder grammaticus machen konnte. Ich muss nach wie vor meine ansieht dahin aussprechen, dass für die ab- weichenden lesarten in N die annähme einer auf conjektur und Willkür beruhenden interpolation keine zureichende erklärung ist, und dass dafür eine handschriftliche grundlage dagewesen sein muss. Wenn ich nun im Ehein. Museum XXVII, p. 92 ff. diese in beigeschriebeneu lesarten der urhandschrift suchte , so ist Hug, wiewohl er die existeuz von Varianten in derselben anerkennt, dadurch nicht befriedigt, indem sich nach seiner meinuug in A dann noch mehr spuren der doppelten lesart fin- den müssteu. Mir kommt wenig darauf an, wo diese lesarten gestanden haben , ob in « (wo sie nach der anfertigung von A eingetragen sein konnten , so dass der spätere Schreiber von

Nr. 8. 220. Antiphon. 389

N sie benutzte, der von A nicht) oder in n, der von Hug nach Scholl zwischen a und N eingeschalteten handschrift, an deren existenz ich übrigens zweifle : da x und a und n unbekannte grossen sind, so lässt sich am ende nichts so bestimmtes dar- über wissen. Aber nach der innern beschaffenheit der lesar- ten des Oxoniensis muss ich daran festhalten, dass sie nicht auf Willkür und conjektur beruhen können, und darnach ihre werth- schätzung für die kritik. Vor allem müssen wir, nach meiner auffassung, unbeschränktes misstrauen hegen wider die interpo- lirte klasse ß, und ich bedaure nur, in meiner ausgäbe hierin lange nicht weit genug gegangen zu sein. Z. bsp. 3 5 9 ha- ben a und A2 o 8s xa&aobg 7?jg ah lag iäv diacp&ag^ , aber A pr. (Sigg) und N geben 6 xa&aQog rrjg alziag og 8s sav qi&agrj : aus dem og 8s wird n8s einzuschieben sein, während allerdings Siayüaoy beibehalten werden muss. 3 y 6 ff. hält Hug das von mir im Rhein. Mus. a. o. nach A pr. und N herge- stellte für unannehmbar und hält sich lieber an die lesarten von ß. Aber der interpolator, der sonst alles recht hübsch um- gestaltet hat, wird überführt an dem fiällov 8s sacov ovrs sßa- Xsv ovrs am'xTsive, wo seine Herstellung eine durchaus ungenü- gende ist. Hingegen die fassung in A pr. und N hat nur das eine, was eben Hug gegen sie einnimmt, dass sie mehr so- phistisch als logisch ist ; aber ist das ein grund dagegeu , hier bei diesen tetralogien? Vorher (§. 5) hat der Sprecher gesagt, dass er mit mehr recht auf absichtlichen mord klagen als der gegner die that ganz leugnen könne. Jetzt aber sagt er, dass der mord nicht absichtlich geschehen sei , aber doch eher die- ses als, wie jener behauptet, gar nicht. Das stimmt doch zu- sammen, und wenn er nun fortfährt, dass die that ebensogut (oi'x rjnnov) absichtlich als unabsichtlich sei, so ist das zwar keine folge aus dem vorigen, sondern ein sprung, aber als sol- cher innerhalb dieses ganzen recht wohl zu begreifen.

Wenn ich übrigens auch in der cardinalfrage, der nach der autorität von N, und ebenso betreffs der relativen werth- schätzung von ß die ansieht von Hug nicht theilen kann, so darf doch dies die sonstige anerkennung der höchst sorgfältig gearbeiteten und bedeutende resultate bietenden schrift nicht im geringsten schmälern.

F. Blass.

390 221. Plautus. Nr. 8.

221. Collationen des codex vetus Camerarii (B, biblioth. Vatic. cod. Palat. 1615) und des codex Ursinianus (D, Vatic. 3870) zur Aulularia desPlautus. "Von Aug. 0. Fr. Lorenz. Berlin. 1872 (programm des kölnischen gymnasiums). 20 s. 4.

Zu den mannigfachen Verdiensten, die sich Lorenz um kritik und erklärung des Plautus erworben, hat er mit der oben ange- gebenen Veröffentlichung ein ganz besonders dankenswerthes hin- zugefügt; denn nunmehr besitzen wir für eines der plautinischen stücke mehr und zwar für eines der interessantesten die voll- ständige critische grundlage. Die collationen machen durchaus den eindruck der höchsten Zuverlässigkeit und lassen nur in höchst seltenen und unwesentlichen fällen zweifei übrig : so II,

2, 21 über die lesart von D, ob diese handschrift wirklich, wie bei Gronov (nach dessen ausgäbe sind die collationen angefer- tigt) nach Gruter's schlechter vermuthung steht, qui sibi und nicht vielmehr wie die übrigen qui iubi oder quin ibi giebt, ferner ob IV, 7, 7 in BD wirklich wie bei Gronov caussa steht ; von III,

3, 6 giebt Ritschl bei Reifferscheid Sueton. Kell. p. 508 an, dass Ba Hern perii, Bb Temperi hat, Lorenz bemerkt nur, dass das T von zweiter hand, das übrige vielleicht schon von erster hand sei. Dass p. 7 z. 1 nach legibus ein si ausgefallen, lehrt z. 5 ; III, 6, 24, wo als lesart von Ba uellemi angegeben ist mit der bemer- kung, dass durch ein übergeschriebenes gi daraus uel legioni gemacht sei, darf man wohl aus dieser bemerkung folgern, dass uellemi verdruckt ist aus uelleoni, wie Pareus und Schwarzmann angeben und auch die anderen handschriften haben ; II, 2, 57 ist uumquam wohl auch nur druckfehler für numquam, wie deren ausser einigen falschen oder ausgelassenen zahlen noch II, 2, 64 in der lesart von D, II, 5, 7 und IV, 5, 1 in der von B vorzuliegen scheinen.

Abgesehen von dem speciellen ertrage für die Aulularia, deren text durch die Vervollständigung und die berichtigung der früheren angaben über den Vetus und der hier zum ersten male mitgetheilten collation des Decurtatus immerhin an einer ziemlichen anzahl von stellen festgestellt wird so ist jetzt durch das gemeinsame zeugniss von BD jeder zweifei an der Wortfolge tibi me II, 1, 31, an der liuic nuptum II, 3, 4 (s. IV, 10, 13 apud me te) beseitigt; III, 2, 10 wird künftig nach BD zu schreiben sein aequom me erat (Brix vermuthete schon me ae-

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quom erat) ; IV, 1 5 sin dormitet , IV, 1,8 eo impellere, IV, 7, 11 em (schon von Brix vermuthet), IV, 9, 8 quid est quod ri- detis, nach Bb und D wohl III, 6, 13 de senatu sevocas: in B ausgefallene Wörter werden durch D ergänzt: so ausser dem schon von Ritschi mitgetheilten nunc I, 1; 5 in I, 1, 16 (t Äbscede etiam- nunc, etiam nunc, etiam , [etiam] ohe) , II, 2, 74 (te nach ego), II, 5, 16 (andern nach facj: andrerseits ist wohl II, 2, 73 mit D das in B auch nur von zweiter hand vor me übergeschriebene tu ganz zu tilgen (tImpero[que] auctörque sum, ut me cett.), wie auch II, 1, 41 das mit Festus übereinstimmende fortuito derselben handschrift das fortuitu des Vetus ziemlich zweifelhaft macht. Aber abgesehen 7on dergleichen lässt sich mit hülfe dieser collationen nunmehr eine wichtige frage entscheiden, in welchem Verhältnisse nämlich die handschriften der acht ersten stücke zu einander ste- hen. Denn nach den sonstigen erfahrungen darf man anneh- men, dass das aus einem stücke sich ergebende resultat auch für die andern geltung hat. Ritschl's übertriebene Vorstellung von dem werthe der von ihm mit J bezeichneten handschrift des britischen museums (proll. p. xxxvn. xli) hat Wagner in seiner ausgäbe der Aulularia, Cambridge 1866, p. ix sq., widerlegt; doch scheint auch er noch eine zu günstige meinung von die- ser handschrift zu haben. Eine vergleichung derselben mit den von Pareus ausser dem Vetus benutzten handscbriften ergiebt in so vielen und so gravirenden fällen eine so fatale Überein- stimmung, dass man sie nothwendig auf ein und dieselbe quelle zurückführen muss ; folgende belege von einer grossen zahl wer- den genügen: III, 2, 12 lassen sie alle ganz aus, desgleichen II, 1, 19 te, IV, 9, 14 das con von concustodivi, I, 2, 6 geben BD quispiam sisi quispiam «7, si quispiam Pall., II, 8, 11 ventri cordique cordi ventrique , II, 2, 61 quod dem quidem, II, 4, 7 diuidi diuium J, di uum Pall., DI, 5, 10 poscamus que ad aravin (poscarn usque ad ravim) poscamus ad ar- ram J, aram Pall., III, 2, 37 medico medio, EU, 5, 15 namque neque, IV, 8, 1 Picis Vites J, dites Pall. An- drerseits zeigt J mit D dem Vetus gegenüber in zahlreichen punkten eine auffallende Übereinstimmung; eo lassen sie II, 1, 33. DI, 1, 6 ganz aus, I, 2, 34 das est nach prope, II, 5, 13 in vor principio, II, 8, 2 me, geben sie falsch II, 2, 45 uti (ut), DU, 5, 34 lanarius (linarius), 46 dicuntur (ducuntur), ELI, 6, 6 mi-

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nerunt D, meminerunt J [meminerint), 24 obseguium (ofooramm), 30 laterna

i (lantema), IV, 1, 9 inductur D, inducitur J (induetur BJ, IV, 5, 4 <se- cre* D, ferret J (feret), IV, 10, 65 impulsum (impulsu), II, 1, 36 haben sie beide tibi dare frater , nur dass in D durch punkte die in B überlieferte Wortstellung tibi frater dote angezeigt wird. Da sich an allen diesen stellen die Übereinstimmung füglich nicht auf einen blossen zufall zurückführen lässt, an eine ablei- tung aber aus D zu denken neben anderen gründen der um- stand nicht zulässt, das J ausser anderen, aber durchweg leich- teren versehen in D eine reihe von auslassungen mit dieser handschrift nicht theilt (est prol. 4. III, 2, 9. IV, 2, 14; ei prol. 13; exl, 1,5; meas I, 2, 20; ut 11,2, 6; ego II, 3, 7. II, 4, 9; mihi III, 6, 36; atque etiam IV, 2, 7; i IV, 7. 16; ni IV, 10, 12; es IV, 10, 38), so muss man wohl annehmen, dass'D und J sammt den verwandten handschriften einer gemeinsamen quelle entstammen , und es wäre daher das von Ritschi proll. p. xxxvn aufgestellte stemma in diesem theile in folgender weise zu berichtigen: 8

D ' * J cum reliquis octo priorum fere omnibus. Gegen diese annähme würden nur solche fälle sprechen, wo J mit ß in offenbaren fehlem D gegenüber übereinstimmte. Entscheidende fälle dieser art finden sich aber nicht. Wenn I, 2, 34, wo numquam das richtige ist, D nüquam statt nusquam BJ bietet, so kann hier derselbe fall vorliegen wie z. b. Trin. 1068. Merc. 364, wo B charmide, solü , Merc. 822, wo C alu- mnü, für cliarmides, solus, alumnus bieten; wenn III, 6, 1 statt edi in D di, in Ba di audivi, in J audivi steht, so zeigt das von Bb über audivi geschriebene id est , dass audivi in dem archetypus übergeschrieben war, dasselbe war auch in £ der fall, der abschreiber des Vaticanus liess es einfach weg, während es in J an die stelle des unverständlichen di gesetzt wurde, wie II, 1, 2 die in BD über das unverständliche haec gesetzte Variante hoc in J statt jenes einfach in den text gesetzt ist ; wenn schliesslich III, 6, 18 D gerynaces, BJ gerronaces haben, in B aber das zweite r aus y corrigirt ist, so erklärt sich dies daraus, dass in £ wie in 5 eine doppelte lesart stand, die eine

Nr. 8. 222. Plautus. 393

ging in D, die andere in die handschriftenklasse über, zu der J gehört, ein Vorgang, wie er m, 6, 12 klar zu tage liegt, wo B die lesarten e senatu und de senatu bietet, D die letztere , J aber die erstere. Es hat demnach die von J reprasentirte handschriftenklasse dem gemeinsamen Zeugnisse von BD gegen- über gar keinen werth (wo sie allein das richtige bietet wie gar nicht selten , ist dies also als blosse conjectur anzusehen), wohl aber in der Übereinstimmung mit B oder D ; in letzterem falle wird dadurch die lesart von £ festgestellt, in ersterem wie bei der Übereinstimmung von D mit B die des gemeinsamen archetypus 8, so dass also auch an sich statthafte Varianten von D, wie Aul. II, 1,12 das wegen des metrums (zwei catalecti- sche iambische dimetri) ganz erwünschte occultatum neben occul- tum BJ, höchstens als conjectur gelten können. Wo aber die controlle von D fehlt, können die von B abweichenden lesarten der interpolirten klasse im allgemeinen als für sich allein keine gewähr bietend nicht in betracht kommen.

222. De retractatis fabulis Plautinis. Dissertatio quam scripsit LeopoldReinhardt.8.Gryphisvald. 1872. 35 s. (doctordissert.). Einer unserer aus dem kriege zurückgekehrten helden (re- dux per raedios Tiostes /actus sagt er in der vita) bietet uns hier als erstlingsprobe seiner Studien theile einer grösseren arbeit, deren rest nächstens bei Weidmann erscheinen soll. Im ersten abschnitte behandelt er im anschluss an Dziatzko (Rhein. Mus. XXVI, p. 421 folgg.) den Mercatorprolog und gelangt dabei zu dem ergebnisse, dass der echte prolog vorliege in den versen 1 2, 7—9, 106—110, dass w. 3-6, 10 11, 40—54, 61—105 nach Plautus tode von einem dominus gregis bei gelegenheit ei- ner neuen aufführung hinzugefügt sind , von einem anderen in- terpolator ungefähr um 700 d. st. vv. 12 17, 18 39 und 55 60 schliesslich zu einer zeit, wo die stücke nur noch gelesen, nicht mehr aufgeführt wurden, und zwar vielleicht von verschie- denen interpolatoren, vv. 18 39 wohl erst im frontonianischen Zeitalter. Von 106 110 ist es gar nicht anders denkbar, als dass sie dem ursprünglichen prologe angehören, dasselbe ist von 1 2, 7 9 kaum zu bezweifeln, ebensowenig als von 5 6, 12 39; dass sie unplautinisch sind. Dass aber diese zehn verse den ganzen ursprünglichen prolog bilden, ist schwer zu glauben:

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nicht nur lässt die ausdrucksweise von vs. 2 et argumentum et meos amores eloquar eine ausführlichere erzählung erwarten , es fehlt auch zum mindesten zwischen v. 9 (Ibi amare occepi forma exi- mia mulier em) und 106 Quid verhis opus est? emi eam atque ad- vexi heri , eine das emi begründende notiz. Dies spricht schon von vornherein wenig für die annähme, dass die v. 106 voran- gehende erzählung, in der das amores in v. 2 und das emi in v. 106 zur genüge gerechtfertigt werden, ganz und gar auszu- scheiden sei. Aber auch die von dem verf. beigebrachten gründe sind nicht der art , dass sie von der unechtheit der ganzen partie 10 11. 40 105 überzeugen können, wo- mit nicht geleugnet werden soll, dass sich im einzelnen man- che verdächtigen spuren finden. So zeigen nicht nur v. 61 63 mit Terenz And. 51. Haut. 110 Verwandtschaft, sondern die ganze stelle 46 folgg. mit Haut. 102 flgg. Dagegen er- scheint die athetisirung von 3 6 wohl begründet.

Im zweiten capitel de compositione Truculenti erweist Verfasser die erste scene des Stückes als den ursprünglichen prolog. Dagegen können wir den für die unechtheit von n, 1, 5 13 und IH, 2, 14 15 versuchten nachweis nicht für erbracht halten. An letzterer stelle bezieht der verf. ganz willkürlich die worte: postquam in urbem crebro commeo , auf die begegnung mit Astapliium in II , 2, wodurch dann allerdings eine unzuträglichkeit entsteht. Wie die worte aber dastehen, bedeuten sie einfach : seit ich häufiger zur Stadt komme. Ge- rade mit diesen versen wird die Sinnesänderung des früheren Truculentus motivirt der natürlich der handlung des Stückes als vorangegangen zu denkende häufigere besuch der stadt hat seine trucidentia erschüttert und die erwähnte begegnung mit Astapliium ihr den letzten stoss gegeben , und zwar für eine solche nebenperson, wie sie Stratullax ist, trotzdem er die titel- rolle spielt, in ganz ausreichender weise. Damit fällt auch die auf den nach ausscheidung dieser verse eintretenden mangel an motivirung für die Umwandlung des Tructdentits gegründete behauptung, dass ganze scenen ausgefallen seien, in denen nach der jedes sicheren anhaltes entbehrenden vermuthung des verf. auch von Diniarchus Verhältnisse zu Callicles tochter ausführli- cher die rede gewesen wäre.

Im dritten capitel de Epidico sind die verse I, 1, 44 47

Nr. 8. 223. Ovidius. 395

richtig als Interpolation erkannt und die V, 2, 54 von anderen erst hineingetragenen Schwierigkeiten durch verständige Inter- pretation beseitigt. Auch für II, 2, 109 ist der richtige weg gefunden, nur befriedigt die vorgeschlagene emendation nicht vollständig: Ego conveniam hunc atque adducam ad illum quoiast fidicina (Ego illum conveniam atque adducam huc ad te , quoiast fidicina der Vet., vielleicht: Ego illum conveniam atque adducam hunc ad eum, quoiast fidicina , so dass mit illum und eum der leno, mit hunc Apoecides gemeint ist). Ueber die behandlung der schwierigen stelle III, 2, 28 30 bescheiden wir uns vorläufig eines urtheiles , da verf. eine genauere erörterung noch in aus- sieht stellt. Die von der nicht minder schwierigen stelle III, 2, 33 34 gegebene erklärung beseitigt noch keineswegs alle bedenken. Während bei dem Epidicus an eine contamination nach dem von K. Müller und dem verf. gegebenen nachweise nicht zu denken ist, wird eine solche zum Schlüsse für den Poenulus in klarer weise dargelegt.

Sollen wir schliesslich ein zusammenfassendes urtheil über die arbeit geben, so müssen wir dieselbe trotz mancher ausstel- lungen als eine ganz tüchtige leistung bezeichnen, die wohl ge- eignet ist, uns das recht baldige erscheinen des restes wünschen zu lassen.

223. P. Ovidii Nasonis Metamorphoses. Auswahl für schu- len .... von Dr Johannes Siebeiis . . . . Zweites heft, buch X XV und das mythologisch - geographische register ent- haltend. Sechste aufläge, besorgt von Dr Friedrich Polle . . . . Leipzig. B. G. Teubner. 1871. IUI und 212 s. 8. 15 gr. Dess. erstes heft. Siebente aufläge. 1871. XVIIII und 186 s.

Nachdem bereits vor geraumer zeit (bd. III, heft 5, nr. 113, p. 254 57) die sechste aufläge des ersten heftes besprochen worden und nicht nur die am Schlüsse der besprechung 2) aus-

1) Darin sind ausser einigen von selbst in die äugen fallenden kleinigkeiten noch mehrere versehen zu berichtigen und einige stel- len gestalten sich nach der neuen aufläge anders. Es muss heissen:

P. 254, z. 6 v. u. statt XX . . . XVI

» 255 » 3 » 117 ... 17, ebend. statt 341 .. . 336

» > > 15 » 162 ... 157

» » » 10 ▼. ti. fehlt nach ist: vgl. 2, 45; statt 15 .... 2

396 223. Ovidius. Nr. 8.

gesprochene erwartung in erfüllung gegangen, sondern auch fast gleichzeitig mit dem zweiten hefte schon eine neue aufläge des ersten erschienen ist, dürfte es jetzt, nach beseitigung der drin- gendsten abhaltungen, immer noch nicht zu spat sein , das in aussieht gestellte abschliessende urtheil folgen zu lassen. Die- ser Verpflichtung wäre ich um so lieber viel früher nachgekom- men, eine je dringendere aufforderung dazu ich selbst mir aus den anerkennenden worten des herausgebers im vorwort zu der letzteren (p. HU. a. e.) nehmen zu müssen glaubte.

Auch in diesem hefte hat fast jede seite mehrfache spuren von der bessernden hand des herausgebers aufzuweisen. Nach Vollendung des ganzen muss sich dem unbefangenen beurtheiler beim vergleiche mit der ursprünglichen arbeit noch lebhafter als zuvor die Überzeugung aufdrängen, dass die Umarbeitung Polle's auf selbständigen philologischen Studien und auf gereifter päda- gogischer erfahrung beruht. Unter den stellen des zweiten hef- tes, die entschieden durch die anmerkungen gewonnen oder erst durch Polle ihre richtige erklärung gefunden haben, hebe ich folgende hervor: 27, 5 Chaonis. 7. 20. 25. 100. 121. 28, 14. 30. 47. 62 Umtos. 29, 9. 47. 62. 30, 23. 44. 69 (nach Bentl.). 81 (zusatz). 88. 103 haustae. 31, 15. 18. 32, 1 und 6 (zusätze). 54. 68 (mit ansprechender eigner conjeetur). 78. 80. 91. 100 und 116 (zusätze). 33, 3 (nach Bentley, Verkürzung). 109. 114. 123 und 128 (zusätze). 187. 206. 242. 34, 13 (wird aber überflüssig , wenn man mit dem herausgeber, Jahrb. für phil. 101, p. 210 die beiden vorhergehenden verse für unecht er- klärt, eine plausible athetese, ob aber nothwendig?). 35, 6 (durch blosse Verweisung). 36, 16. 30 (zusatz). 77. 80 (wo jedoch noch auf 1, 52 pondere terrae zu achten ist). 106. 37, 12. 42 und 51. 91. 99 (zusätze; der letzte dem sinne nach richtig). 147.

P. 255 z. 9 v. u. statt 26 .... 25

» 256 » 3 » 112 .. . 9. 21; vor 228 fehlt 226

» » » 3— 6 ist in der 7. aufl. befolgt.

» » » 16 statt 39 . . . 93.

» » » 18 » quom . . . quem.

» » » 14 v. u. statt 163 .. . 148 (Sieb. 155)

» 257 » 1 beseitigt durch die, von mir nicht gebilligte auf- nähme der lesart feretis nach Bentley, vgl. vorr. p. III, z. 10 v. u.

» » » 2 statt 29 ... 20.

» » » 8 kommt ebenfalls durch änderung in der 7. aufl. in wegfall.

Nr. Ö. 223. Ovidms. 397

167. 171. 176. 185. 191. 290. 304 saxo. 327 (Verkürzung). 370 (wo die ziffer fehlt und statt Polydamanta e steht). 38, 28. 33. 43 (rückkehr zur richtigen lesart Oileos). 46. 99. 177 (zusatz). 200. a. e. 203. 205. 249. 281. 283 (nach Bentley). 302 und 325 anm. 1 a. e. 331 (fehlt ) 339. 367 (nach Bentley). 372. 416. 423. 439 (conjectur; warum quoad nicht ein wort?). 39, 50 f. 107. 125 (nach Bentley). 154. 40, 13. 32. 41, 65. 69.

72 (nach Bentley). 42, 28. 53. 69 a. e. 102. 43, 47 (was zu 38, 174 f. zu vergleichen war). 44, 14 f. 98. 45, 2 f. 33 (bis auf tantum). 53 f. 70. 88. 46, 16, 36 und 38 a. e. (zusätze). 52.

73 (war kürzer zu fassen). 77 ff. 101 f. 47, 24. 32. 66. anm. 2. 103. 210. 242—245. 303 (zusatz). 358 (wesentliche Verkürzung). 48, 46. 49, 65 (zusatz). 87. 97 anm. 2. 122 (zu- satz). 50, 14. 78 anm. 2. 106 (zusatz). 116. Nur wenige stel- len dürften zu finden sein, wo das neue nicht als ein entschie- dener fortschritt zu bezeichnen wäre. So scheint mir die er- klärung auch in der neuen fassung noch nicht das rich- tige getroffen zu haben 26, 13, wo Taenaria porta ein ab- lat. instrumenti ist , wie Siebeiis will, nicht loci, wie es Polle auffasst. 38, 311 ist zwar eine neue zweckmässige note hin- zugekommen, welche sich mehr auf das verhältniss dieses ver- ses zum folgenden bezieht (Adspicite en), allein Siebeiis' bemer» kung durfte modificiert und mit berichtigter Verweisung auf v. 58 fictis verbis wegen des Zusammenhangs nicht ganz beseitigt werden. Nicht nöthig hingegen finde ich die neuen anmerkungen zu 27, 74. 39, 66, die alten , theilweise umgeänderten zu 33, 14. 38, 235 (wo vielmehr das in zu erklären wäre). 39, 11, während hingegen das et v. 75 einer erklärung bedurfte, also auch in das letzte register kommen musste ; sogar falsch in betreff der Metamorphosen die zu 41, 1 vor Sperrt, eingescho- bene bemerkung, vgl. Siebeiis1 Wörterbuch zu den Metamorpho- sen unter tarnen (21 stellen). Diesen andeutungen füge ich noch einige ausführlichere bemerkungen über einzelne punkte im texte oder in den anmerkungen hei, in denen ich mich mit dem verfahren des verdienten herausgebers, meist weil oder in- soweit er den spuren seines Vorgängers folgt, nicht einverstan- den erklären kann, vorzugsweise aus dem 37. und 38. stück (Xu. XIII). Zu 26, 18 anm. frage ich 1): auf welcher aucto- rität beruht die Schreibweise reccidimus , wie 13, 67 recciditt

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doch auf keiner anderen als der falschen relligio: vgl. Luc. Mül- ler de re metr. VI, p. 361 f. So sehr dieselbe beim perfectum 26, 88 (X, 180) zu billigen ist, wiewobl auch da Merkel nach den handschriften das einfache c hat , so wenig sollte sie an den beiden anderen stellen (praesens) gegen die handschriften eingeführt werden, trotz Neue, der Formenl. II, p. 365 sogar an der richtigkeit des perfects reccidit zu zweifeln scheint; 2) wird daselbst mit recht auf eine Cicerostelle verwiesen , dass dieselbe aber p. 125 zu 47, 240 wieder ausgeschrieben ist, kann nicht gebilligt werden. Ebenso ist in der kurzen an- merkung zu 26, 21 des guten zu viel gethan: es wäre nur zu verweisen gewesen auf 11, 155 crinitos draconibus und dort wieder auf 11, 84. 124, so dass die drei stellen IUI, 699. 741. 771 mit jener (X, 21) zusammengehalten einander zur erklä- rung dienten. - 37, 19 anm. enthält, trotzdem dass sie der gewöhnlichen terminologie entspricht, eine ungenaue erkläruug oder wenigstens die Versuchung zur falschen auffassuug der worte domito Cycno (Merkel Cygno) ; es wird dem schüler die möglichkeit gelassen zu verstehen: den sieg, den Achilles davon getragen, nachdem er den Cycnus überwunden hatte, während doch der ablativ den näheren umstand augiebt, die erklärung, worin der sieg bestanden habe: der sieg, der in der Überwältigung des Cycnus bestand. Würde man etwa den abl. causae caeso genitore 11, 321 (V, 145) schlechtweg abl. absolutus nennen dürfen, ohne befürchten zu müssen, den schüler geradezu zum falschen verständniss desselben zu nöthigen? Wie überflüssig die anmer- kung zu 37, 21 ist, geht schon aus der fassung hervor: wiesollte es auch als etwas besonderes hingestellt zu werden verdienen, dass z. b. miserabilis II, 329 mit luctu aegro, placabilis X, 399 mit sacris, BjpectabilisYI, 166 mit intexto auro und VII, 705 mit roseo ore verbunden ist , oder wer möchte wohl an den negativen ausdrücken (mit abl. causae) nullaque domabüe flamma Villi, 253, non habitabilis aestu 1 , 49, caput insuperabile bello XII, 613 (während dasselbe adjectiv XV, 807 absolut steht), nullis sa- nabilis lierbis I, 523 (absolut Eemed. Amor. 101: s. Ep. ex Pont. II, 2, 59. ebd. 61 narrabilis) ansloss nehmen? lauter gleichar- tige ablative, trotz der Verschiedenheit der deutschen Überse- tzung — ganz zu geschweigen davon, dass die mehrzahl dieser zahlreichen, namentlich von Ovid (vgl. Ziugerle, Ovid. I, p. 14

Kr. Ö. 223. Övidmö. 399

f.) mit Vorliebe gebrauchten, zum grossen tlieile von ihm neugeschaf- fenen classe von adjectiven auf übilis (und die wenigen auf ebilis) denn nur diese kann der herausgeber gemeint haben eine so selbständige, absolute geltung haben , dass sie einen ablativ gar nicht bei sich haben können, wie admirabilis VI, 14, agitabilis I, 75, dubitabilis XIII, 21, das nicht verbale, doch analog gebildete exitiabilis VI, 25 f. VIII, 425, habitabilis affir- mativ VIII, 624. XV, 830, iaculabilis VII, 680, lacrimabilis II, 796. VIII, 44, lamentabilis VIII, 262, memorabilis IUI, 416 (mit abl. loci). 615. VI, 12. X, 608. XIIII, 225, das auch sonst sehr gewöhnliche mirabilis II II, 271. 747. VIII, 199. (hingegen mit ablativ III, 424, wegen der antithese Hör. Ep. I, 6, 23 mit dativ der person }, das schon genannte miserabilis III, 396. 495, V, 118 (trotz casu, was zum ganzen praedicat ge- hört). VI, 90. 582. 665. VIII, 782. XIIH, 751, memorabilis V, 588 (nur noch Hör. A. P. 206 vorkommend) , optabilis Villi, 759, sonabilis und resonabilis (activ) VHII , 784. III, 358. [flebi- lis VII, 518. XI, 52 f. dreimal XHI, 620. XIII, 748); dazu, ausser den schon genannten, die negativen ausdrücke in ama- bilis IUI, 477. XIIII, 590 (= inamoenus X, 15), in-consola- bilis V, 426, nee - dubitabilis I, 223 (das Vergilische inelucta- bilis , das sogar Velleius braucht, fehlt bei Ovidius), in- und non- evitabilis IH , 301. VI, 234, in - excusabilis VII, 511, non- und in - exorabilis , letzteres in prosa sehr gewöhnlich, II, 546, V, 244, im -medicabilis I, 190. II, 825. X, 189, in-nabilis I, 16, dem vorhergehenden instäbilis zu liebe erfunden, (statt des sogar in prosa vorkommenden innumerabilis braucht Ovid [trotz immedicabilis\ mit andern dichtem aus rhythmischen grün- den innumerus; hingegen steht es als zweite hälfte des Asclepia- deus minor Hör. Carm. IH, 30, 4, dafür I, 28, 1 im dactyli- schen rhy thmus [Alemanische strophe] numero . . carens, zu ver- gleichen mit den Ovidischen Umschreibungen Met. II, 762. IH, 226. VH, 851. VHn, 331. XIIH, 132. XV, 130. 531), im- placabilis (neben implacatus VIII, 845.) HH , 452, in-delebilis XV, 876, nur ovidisch, noch Ep. ex Pont. II, 8, 25. Während es also vollkommen zu billigen ist, dass jenem ablativ im letzten re- gister s. v. adiectiva die letzte stelle gelassen worden ist, müsste einerseits vor demselben, eben wegen der zu 37, 21 aus nr. 34 ange- führten stelle, der dativ der person erwähn* sein, andrerseits in den

40Ö 223. Ovidius. Nr. 8.

anmerkungen zu 37, 21 (wo das ungenaue citat expugnabüis statt (nee) -inexpugnabilis sich von der ersten Siebelis'schen ausgäbe bis jetzt fortgepflanzt hat) das Siebelissche „ist gewöhnlicher" un- bedingt beseitigt werden. Genau genommen aber gehörte die ganze anmerkung, wenn sie ihrem wesen nach bleiben sollte, schon zu 34, 19, oder richtiger in das erste heft unter nr. 25, wo drei einschlägige stellen kurz nach einander vorkommen, nämlich v. 154 das oben erwähnte nullaque domabile flamm a, v. 156 eunetisque meum laetabile factum | Dis fore confido, v. 163 quodeunque fu.it populabile flamm ae. Da also schon dort unge- fähr folgende regel hätte aufgenommen werden sollen: „die verbaladiectiva auf dbilis können einen ablativ der sache oder einen dativ der person bei sich haben, selten einen dativ der sache (personification)" , wäre es an der fraglichen stelle sehr wohl nöthig gewesen auf 11, 240 und 42; 125. (V, 67. XIII, 857) zu verweisen als die einzigen stellen, wo das- selbe penetrabilis activisch steht , vielleicht auch auf die not- wendige beschränkung dieser adjeetiva auf den vierten und fünf- ten versfuss, welche zugleich den grund für die häufigkeit ihrer anwendung bei Ovid abgiebt. Doch habe ich der anmerkung, wie sie einmal lautet, noch folgendes hinzuzufügen: 1) 12,211. (V, 486) steht inexpugnabilis absolut, ohne dativ ; 2) unmittelbar nach der oben unter miserabilis erwähnten stelle, 23, 59 (VIII, 783) regiert dasselbe eben erst absolut und affirmativ gebrauchte ad- iectiv, negativ gebraucht, um des Wortspiels willen zugleich den dativ der person und den ablativ der sache: si non J liu suis esset nulli miserabilis actis; 3) die beiden einzigen mir bekannten stellen aus Ovid für den dativ der sache (beidemal affirmativ) sind die schon erwähnte Met. Villi, 262, wo dem populabile flamm ae das negative nulla flamm a v. 253 gegen- übersteht, und Remed. Am. 135 Ergo ubi visus eris nostrae me- dicabilis arti (wo es kaum zulässig erscheint den dativ von vi- den abhängig zu denken) = mihi medico, verglichen mit ib. v. 123 nee adhuc traetabilis arte und Ep. ex Pont. I, 3, 25 nulla medi- cäbili8 arte interessante analogien, welche, die Vollständigkeit meiner Sammlung, sowie die bestätigung meiner lesarten durch Riese's forschungen vorausgesetzt, den dativ der person bei diesen Ovidischen nachbildungen auf die negative ausdrucks- weise beschränken, die der sache von derselben ausschliessen.

Nr. 8. 223. Ovidius. 401

Wenn zu 37, 28 auf die Wiederholung von lucina 3, 175 verwiesen wird, so ist dabei der wesentliche unterschied zwi- schen beiden stellen aus den äugen gelassen: wegen des Chias- mus war vielmehr auf 3, 78 una domus domus una, 142 f. vehit unda unda vehit , oder wegen des die chiastische Wie- derholung herbeiführenden relativsatzes auf das musterbeispiel (wo ebenfalls nur auf bucina verwiesen ist) 11, 302 f. Donylas cett. zu verweisen, wo zu dem dreifachen chiasmus aus metri- schen gründen noch die Verwandlung des Superlativs in den positiv (deterrimus Dives) und der gebrauch von agri mit verschiedener quantität hinzutritt; gewiss ist jedes davon einer an- merkung werth. Zu 37 ', 34 wäre statt der langen Siebelis'schen anmerkung doch eine erwähnung des eigentlichen Verhältnisses zwischen certamen und pugna am platze gewesen, zumal da, ab- gesehen von anderen ähnlichen ausdrücken, in ipso certamine pugnae sogar bei Livius XXXVI, 19, 12 vorkommt, und das wesentliche bei ersterem, ursprünglich das streben, die entscheidung herbei- zuführen, in solchen Zusammenstellungen (vgl. Weissenborn ebd. XXIII, 45, 7) die „anstrengung" ist. 37, 37 passt die Übersetzung von fugit „entfällt" nicht in den Zusammenhang: es müsste heissen: „ist entfallen", oder um das lateinische tempus beizubehalten : „ich entsinne mich nicht mehr" (gegensatz meniini v. 38). Ferner kann ich mich nicht von der rich- tigkeit der gewöhnlichen , althergebrachten erklärung von 38, 51 Surgit ad hos überzeugen, nach der dies dem schüler als eine brachylogie für surgit, ut ad hos dicat, loquatur erscheinen müsste letzteres ohne zusatz nicht einmal in der poesie zu- lässig (Verg. AeD. 9, 5 Ad quos sie locutast, Ovid. Ep. ex Pont. IUI, 6, 10 pro me ] Numeri ad Augustum supplice voce logui). Auch das mit recht herbeigezogene homerische analogon widerspricht dem. Natürlich ist der sinn beider ausdrücke : er stand vor ihnen auf. Da man sagt dicere, loqui, contionari, verba facere apud hat surgere folgerichtig ad zu beanspruchen: dasselbe verhält- niss wie zwischen esse und venire. Wie in fictis 38, 58 der begriff „schlau" (so auch Gross) mit liegen soll, sehe ich nicht ein. Dass nun das reden dem kämpfen, der zungenkampf dem faustkampf entgegengesetzt wird, geht, wie auch die an- merkung zu v. 59 ausdrücklich andeutet, aus dem satze selbst Tutius manu (wo Gross statt des ausrufungszeichens die an- Philol. Anz. iy. 26

402 223. Ovidius. Nr. g.

merkung: „Sarkasmus!" hat) wie aus dem folgenden, v. 59 61, hervor*, warum aber die zu erwartenden worte des Ulixes ficta genannt, d. h. als aufschneiderei bezeichnet werden, aus v. 63 f. sua (nämlich facta) quae sine teste gerit; vgl. 85 ff. furore ficto, commenta (106 f.), 115 non finge auch 24, 31 f. 55 58. 38, 174 f. (unter 173 a. e.) kann ich exspectato sono (vgl. 47, 74 f.) ebensowenig wie 48, 6 venturis fatis als dativ fassen ; es ist derselbe ablativ, der bekannt ist aus proelio lacessere, tergeminis tollere honoribus u. ä , und neben dem das haec in verba 4, 313 ebensowohl bestehen kann wie neben diesen ausdrücken ad pugnam provocare, evehere in und ad summum fastigium, promovere ad maiores honores cett. 38, 246 wäre es nicht überflüssig gewesen eine anmerkung über Plena vi- ris hinzuzufügen, wiewohl nicht alle einschlägigen stellen in der auswahl vorkommen. Während nämlich plenus elfmal in den Metamorphosen den genetiv der sache regiert (darunter plena patris d. i. seminis paterni = gravida ex patre X, 469), hängen ausser unserer stelle nur zweimal personen im ablativ da- von ab, VIII, 358. Villi, 195, an den drei übrigen stellen drückt der ablativ der sache, der sich zum theil auch durch metrische rücksichten erklären lässt, die bewirkende Ursache aus : VI, 509. VIII, 273 (die Übersetzung von Siebelis-Polle „reich an" ist deshalb nicht zu verwerfen). Villi, 694. Die in Klotz hand- wörterbuch mit verzeichnete stelle XV, 176 gehört nicht hier- her: ventis ist dativ. 47, 424 ist ,, erprobt" gewiss nicht der richtige ausdruck für nota, da notum aliquid habeo doch nichts anderes heissen kann als notum mihi est aliquid.

Das erste verzeichniss : „abweichungen" musste sich nach dem bedeutenden fortschritt in der gestaltung des textes, worin jedoch Polle, wie sich muthmasslich durch Kiese's ausgäbe her- ausstellen wird, namentlich in betreff der aufnähme der schla- genden aber nicht nothwendigen Bentleyschen conjecturen eher zu viel als zu wenig gethan hat , bedeutend reichhaltiger ge- stalten als es ursprünglich war: es ist noch einmal so umfang- reich geworden. Während es aber nur zu billigen ist, dass er 42, 101 mit Heinsius capraeque statt caperque schreibt, muss es befremden, dass er dem sinne zu liebe, trotz seiner richtigen anmerkung zu den st. p. 95. p. 152 die vermuthung ausspricht, es sei lepores capreaeque zu schreiben. Dass

Nr. 8. 223. Ovidius. 403

dies ein völlig unovidischer rhythmus ist, wird weder durch VII, 130 (16, 125) sunt nata \ viris simul \ arma, noch durch den eigennamen Ganymedes XI, 756 (34, 8) widerlegt. Ueber- gangen ist in diesem verzeichniss 6, 93, wo mir jedoch schon der Stellung wegen irnae beizubehalten zu sein scheint; 7, 135 (vgl. vorw. p. in) , mir sehr bedenklich trotz des schönen gegen- satzes vultu-ore (die änderung in v. 134 bedingt übrigens den wegfall der anm. zu 135); 25, 1, aber auch diese änderung, ad- monuit, ist rhythmisch unzulässig, und domuit verstösst durch- aus nicht gegen den sinn und Zusammenhang: perdiderat v. 5. ist nur eine Steigerung desselben.

In dem schon ursprünglich sehr sorgfältig gearbeiteten zweiten, „mythologisch geographischen register" ist in folge neuer lesar- ten nur ein neuer artikel hinzugekommen, Athamanes, hingegen fordert die lesart der 7. aufl. des 1. heftes 11, 84 Lampetide (s. vorw. p. in) noch einen neuen. Das dritte register ist in folge des bedeutend vermehrten anmerkungsstoffes wesent- lich bereichert ; neue , sehr dankenswerthe artikel sind z. b. personification (auch im mythologischen register öfters statt „gott" gesetzt), Systole, versaccent, witzworte u. s. w. Während darin p. 195, nur mit einem druckfehler (155) richtig auf 16, 150 verwiesen ist mit den worten, auctor als femininum, ist an der citirten stelle, h. I, p. 124 a. e., immer noch die anmer- kung zu finden: „auctor auf ein femininum zu beziehen ist unge- wöhnlich". Das „ungewöhnlich" würde nicht einmal richtig sein, wenn es sich um ein abstractum beliebigen geschlechts handelte; vgl. ausser den grammatiken, in denen das wort mit recht als commune aufgeführt wird, das ziemlich vollständige quellenverzeichniss bei Klotz unter (auctrix und) auctor 3, b, (darunter fünf beispiele aus prosaikern) und aus Metam, VIII, 108 meritorum auctore relicta, besonders aber die characteristische stelle Fast. VI, 709 Sum tarnen inventrix auctorque ego carminis huius,

Druckfehler sind mir ausser den schon erwähnten noch folgende aufgefallen: p. 51 anm. zu 37, 143 z. 4 v. u. ad- versus st. adversum; p. 78 anm. zu 38, 371 steht das anfüh- rungszeichen immer noch an der falschen stelle; p. 83 anm. zu 39, 64 steht 4 6 st. 64; p. 95 anm. zu 42, 90 (wo „beziehe auf" durch „denke hinzu" zu ersetzen wäre) ist das citat 16,131 falsch.

Da das feststehende maass in dieser anzeige einmal über-

26*

404 224. Ovidius. Nr. 8".

schritten ist, füge ich noch einige vorschlage zu kürzungen und besserungen für den anfang der gewiss bald erscheinenden 8. aufl. des 1. heftes hinzu. Ich wünschte, dass die drei anmer- kungen zu 1, 25. 40 und 3, 11 in eine zusammengezogen wür- den (mit zweimaliger Verweisung auf 1,25); dass p. 14 anm. zu 3, 40 bedeutend verkürzt, zu 51 auf 1, 78 verwiesen, zu 53 beseitigt, zu 3, 94 in fatis richtig erklärt würde; zu 103 der schluss wegfiele, zu 108 verkürzt, 116 anders erklärt („macht"), zu 118 (.itrarpoga, statt der germanisirten form geschrieben, zu 142 verkürzt wegen v. 78, zu 204 anders gefasst („einzigen manemus" Widerspruch), zu 207 verkürzt und auf 52 verwiesen würde.

Möge der tüchtige herausgeber aus allen meinen bemer- kungen den wünsch herauslesen, dass seine sorgfältige und von grosser liebe zur sache zeugende arbeit immer brauchbarer und vollkommener werde. B. D.

224. Ottonis Kreussleri Observationes in Ovidii Fa- stos. 4. Programm von Bautzen, ostern 1872.

Der vf. vermuthet zu Ov. Fast. I, 49 richtig nee toti, ob- wohl die andern formen auf -e bei Ovid (fide, die) nicht dative sondern genetive sind ; I, 53 nonus, gegen das ovidische Sprach- gefühl (dasselbe gilt für sein geminum Amor. I, 8, 16); I, 331 nam pecus, und schliesst diesen vers an 326 an, was richtig ist , jedoch in andrer weise geschehen muss als er es will ; I, 637 wird Candida zu Concordia 639 bezogen, was die Vorstel- lung verbietet; 639 prospiciens ; 640 nunc\ ut (läge nicht nam näher?); II, 854 nee (so schon H. A. Koch in Symbola phil. Bonn.) ; III, 594 a votis (so derselbe) ; III, 105 Hyadas, quis; III, 693 castae (quare Haupt im Herrn. I, 259); IV, 866 rite professa- rum (falsch); V, 661 restituistis ; nach VI, 662 sei ein distichon ausgefallen. Die zu I, 41 f. vorgeschlagene interpunktion ist in Merkels kleinerer ausgäbe schon befolgt. Zu beachten ist, was p. 3 f. über die Quantität der adjeetiva auf -inus und über die folgerungen, welche sich über die quantität einiger worte aus ih- rem nichtvorkommen bei dichtem ziehen lassen, bemerkt wird.

A. R.

225. Catonis philosophi liber post Jos. Scaligerum vulgo dictus Dionysii Catonis disticha de moribus ad filium ad fidem

Nr. 8. 225. Cato. 405

vetustissimorum librorum manuscriptorum atque impressorum recensuit Ferdinandus Hauthal. 8. Berolini , sumptibus Calvarii sociorum 1870. 1 tblr.

Es ist ein eigenthümliches gefühl , welches einen bei der lectüre dieses buches ergreift. Fühlt man sich doch ganz in das achtzehnte Jahrhundert zurückversetzt ; so wenig entspricht diese ausgäbe den anforderungen, welche man gegenwärtig an die kritische bearbeitung eines autors stellt. Schon die ziem- lich umfangreiche einleitung (38 pp.) mahnt uns in ihrer anord- nung an eine praefatio der alten zeit, wie man sie z. b. in den Poetae latini minores von Wernsdorf lesen kann. Der verf. zählt zuerst die handschriften auf, welche er für seine ausgäbe ver- glichen hat, allerdings eine ganz stattliche zahl (12 pariser, 3 in Oxford und Cambridge, eine in Bern), aber er gliedert sie nicht nach familien, erörtert nicht ihren werth , sucht nicht festzustellen, welche von ihnen eigentlich als grundlage des tex- tes zu gelten haben. Man begreift nicht, wozu die vergleichung von sechs pariser handschriften aus dem zwölften bis vierzehn- ten Jahrhundert unternommen wurde, da sie doch gegenüber den alten handschriften des neunten und zehnten Jahrhunderts ]) kei- nen werth haben. Und warum wurden denn nicht andere, schon längst verglichene Codices in dieser vorrede erwähnt, vor allen der sehr beachtenswerthe Turicensis C. 78, dessen text im deut- schen Cato von Zarncke p. 174 ff. abgedruckt ist. In dieser hand- schrift hat sich allein II, 3 in der ursprünglichen fassung : an dii sint caelumque regant , ne quaere doceri, erhalten, während sonst überall die christliche Umformung : mitte arcana dei caelum- que inquirere quidsit, eingedrungen ist, die auch im Turicensis vor- ansteht 2). Nach den handschriften bespricht Hauthal in ganz

1) Uebrigens scheint Hauthal das alter der pariser Codices zum theile etwas überschätzt zu haben; denn von den beiden Codices 2772 und 8319, die Hauthal ins zehnte Jahrhundert setzt, schreibt Riese den ersteren dem 10. oder 11., den letzteren dem 11. Jahrhundert zu.

2) Von den fünf versen, welche der Tur. irn zweiten buche mehr hat, liest man das distichon nach v. 8: Laetandum est vita, nullius morte dolendum: cur etenim doleas a quo dolor ipse rccessit , sowie den vers nach 13: dulcis enim labor est cum fructu ferre laborem in den Monosticha (Anth. lat. ed. Riese n. 716), die auch in einigen handschriften den ti- tel Proverbia Catonis philosophi führen. Da sie aber begreiflicher weise dort später eingeschoben sind , so scheint allerdings der Tur. uns den Cato vollständiger überliefert zu haben als die anderen Co- dices. Ausser den genannten drei versen giebt er unmittelbar nach

406 225. Cato. Nr. 8.

unnötliiger breite die alten ausgaben des Cato, die doch für die kritik g-anz werthlos sind, und giebt dann ganz nach alter weise varia de istis libellis testimonia, Die fragen dagegen nach dem Verfasser der schrift, nach der zeit ihrer entstehung, ihrer spä- teren Überarbeitung behandelt er ganz oberflächlich oder geht auf sie gar nicht ein. Weil der Parisiensis 8320 die aufschrift Catonis Cordub. hat, so nimmt verf. einen Spanier Cato als Verfasser an, ohne zu bedenken, dass Cordubensis nur der will- kürliche zusatz eines Schreibers ist, der diesen von dem berühm- ten Seneca Cordubensis entlehnte. Es hat dies aber ebensowe- nig zu bedeuten als der beisatz philosoplii in einigen handschrif- ten. Die aufschrift Cato erklärt sich vielmehr einfach so. Da das gedieht nach dem citate in der epistula des Vindicianus comes archiatrorum vor 378 n. Chr. entstanden sein muss , so darf man annehmen, dass schon im vierten Jahrhunderte eine spruch- sammluug Sententiae Catonis, wie ähnliche unter dem namen des Seneca und Varro, vorhanden war. Aus derselben stammen möglicher weise die 56 prosaischen Sentenzen am eingange des ersten buches. Auf grundlage einer solchen Spruchsammlung und der tradition von den längst verschollenen praeeepta ad filium des M. Porcius Cato so wie dessen carmen de moribus verfasste nun wahrscheinlich irgend ein rhetor das vorliegende buch, das er Cato betitelte. Es ist bezeichnend für die armse- lige bildung der zeit, dass dasselbe , wie aus jenem citate bei Vindicianus erhellt, eine ungemein rasche Verbreitung fand und sogar für ein werk des alten Cato gehalten wurde. Was die angebliche aufschrift in dem codex des Bosius : Dionysii Catonis disticha de moribus ad filium, anbetrifft, so legt ihr Hauthal mit recht keinen werth bei; doch irrt er wohl, wenn er sie für eine erdichtung hält. Kann ja doch, wie Haupt vermuthet hat, jenes Dionysii davon herrühren, dass der Cato einmal in einer

jenem verse dulcis enim etc. das distichon Quod scieris esse tibi opus (lies opus esse tibi), dimittere noli; oblatum auxilium stultum est dimit- tere cuiquam. Dazu kommen noch aus den Monosticha der vers Quod nocet interdum, si prodest, ferre inemento , der mit jenem dulcis enim etc. ein paar bildet und dann noch das distichon Cum vitu alterius sa- tis acri lumine cernas nee tua prospicias , fis verus {vero Bücheier) cri- minc caecus. Uebrigens sei noch bemerkt, dass die aufschrift jener Monosticha im Vindobonensis 281 : Versus Piatonis de ijrceo in latinum translati von n. 490 jenem hymnus des Tiberianus herrührt, was Riese übersehen hat (vgl. Zeitschrift für österr. gymn. 1864, p. 716).

Nr. 8. 225. Cato. 407

handschrift mit der periegese des Dionysius verbunden war; ad filium aber konnte ein Schreiber leicht aus dem fili carissime des prologus entnehmen 3). Das gedieht ist, wie sich aus vie- len stellen entnehmen lässt, noch im heidnischen sinne abge- fasst, lässt aber hie und da, wie das in jener zeit vielfach der fall ist, die einwirkung des christenthums auf das heidenthum erkennen, z. b. I, v. 1, IV, v. 75.

Was nun die textesrecension in dieser ausgäbe betrifft , so ist die vergleichung der ältesten pariser Codices allerdings dan- kenswerth, obwohl sie für die herstellung des stark verderbten textes nur sehr wenig bieten. Ob diese vergleichung eine ge- naue ist, kann rec. nicht sagen. Man ist gegen Hauthals col- lationen misstrauisch geworden, seitdem man erfahren , wie gar ungenau er den Monacensis für die scholien des Horaz vergli- chen hat (W. Meyer, beitrage zur kritik des Porphyrion. Mün- chen. 1870). Darf man nach der collation des Par. 2772 für das Epitaphium Vitalis mimi (Praef. p. vu) , die auch Riese Anth. lat. II, 193 gibt, einen schluss ziehen, so wäre diesmal wenig- stens Hauthal genauer verfahren. Aber die art, wie der text des Cato kritisch behandelt ist, kann eben so wenig als in der ausgäbe der scholien befriedigen. So finden wir gleich im Pro- logus die ganz verkehrte manier , die Hauthal so oft in dem texte der scholien angewendet, zwei verschiedene lesarten neben einander aufzunehmen, wie [errori] opinioni, oder Wörter, die in einigen handschriften fehlen, ohne entscheidung, ob sie als echt zu betrachten sind oder nicht, mittelst klammern in den text zu setzen, wie plurimos [homines]. Dazu kommt, dass er sich blindlings an die handschriften anschliesst und ihre lesarten auch da festhält, wo dieselben rein sinnlos sind und dafür schon in den älteren ausgaben richtige emendationen vorliegen, z. b. IV, v. 62 quod (st. qua), 64 cui (st. quo), 71 quae sunt (st. quae- sita) u. dgl. Was aber Hauthal selbst an conjeeturen vor-

3) Wenn sich im Tur. und den Par. 2772 und 8319 unmittelbar nach dem Cato das epitaphium Vitalis mimi und zwar im Par. 2772 mit dem beisatze ßlii Catonis findet , so darf man daraus , wie Hau- thal mit recht bemerkt, durchaus nicht auf irgend eine beziehung zwi- schen beiden gedichten schliessen. Ein Schreiber hat in einem co- dex ein leeres blatt mit jenem epitaphium ausgefüllt und der bei- satz Catonis ßlii erklärt sich wiederum ganz einfach aus dem ßli ca- rissime. Es hätte daher Riese in der Überschrift diese worte tilgen oder doch in klammern setzen sollen.

408 225. Cato. Nr. 8.

schlägt, ist sämmtlich verfehlt, oft geradezu verkehrt. Man möge nur die textesrecension des Epitaphium Vitalis, wie sie Hauthal p. vu gibt, mit dem texte in der Anth. latina von Riese oder auch in der von Meyer vergleichen und man wird sich über die akrisie , die uns hier entgegentritt, geradezu verwun- dern müssen. So hält er v. 13 die lesart tragica quoque verba placebant fest, obwohl schon Pithoeus richtig tragica quoque voce placebam verbessert hat; v. 18 nimmt er für das überlieferte vultus se magis ense (hse, isse) meos seine ganz verkehrte con- jectur vultus se maris isse suos auf, während man doch schon bei Meyer das richtige vultu se magis esse meo liest ; v. 21 hat er für das verderbte videbantur, das allerdings noch nicht emen- dirt ist , das ganz unverständliche ridebant in den text gesetzt. Und da sagt er noch: hoc epitaphium , quod multis vitiis macula- tum singulari cura emendavi.

Der britische commentar ist allerdings fleissig gearbeitet, indem alle ansichten der früheren herausgeber in denselben zu- sammengetragen sind, aber er hat andererseits dadurch an Über- sichtlichkeit verloren. Auch bleibt es fraglich, ob all die er- klärungen eines Erasmus und anderer hier nochmals abgedruckt zu werden verdienten. Wenn Hauthal die griechischen Über- setzungen des Planudes und Scaliger anführte, so hätte er doch bei dem einen die fehler der abschreiber, bei dem anderen die druckfehler der offlcina Raphelengiana verbessern können. Denn dass diese verse in so jämmerlicher gestalt vorliegen, ist nicht die schuld der Übersetzer.

Zum Schlüsse noch einige beitrage zur emendation des, wie schon oben bemerkt wurde , stark verderbten textes. I, v. 10 cur culpas st. cum culpiant, v. 73 Servorum cidpa; v. 79 f. wahrscheinlich mit Versetzung der beiden ersten vershälften also zu schreiben: Cum fueris felix, notis haud parcas amicis, dapsüis in- terdum, semper tibi proximus esto, II, v. 16 at tempore; v. 95 In- dignos noli successus, III, v. 9 wahrscheinlich qua vitae, v. 15 f. Quae tibi fors dederit tabulis suprema notato: at eadem serva, ne sis quem fama loquatur, IV, v. 7 f. vielleicht Dilige denarium, sed parce, despice fenus, quod nemo sanctus nee honestus captat habere, wobei übrigens denarium nicht etwa als molossus sondern als choriambuB mit willkürlicher Verkürzung der zweiten silbe gelesen werden

Nr. 8. 226. Cicero. 409

muss, v. 71 Exerce studio qnamvis perceperis artem, v. 56 wohl amicum.

226. Hugo Weber, Coniectmae Tullianae. Programm- abbaadlung des gymnasium zu Weimar. 1871. 13 s. 4.

Vorstehende abhandlung bringt ausser einem kurzen latei- nischen briefe C'aroli Reisigii ad C. F. Heinrichium de loco quodam (10, 21) orationis pro Scauro eine reihe von emendationsver- suchen Webers zu Livius und Cicero 'besonders Philipp. 1, 2 und 3 und Tusculanen) und daneben auch conjecturen eines Anonymus zu Cic. Tusc. 1.

Was die Weberschen vorschlage betrifft, so werden freilich schwerlich viele derselben auf allgemeinere Zustimmung rechnen dürfen. So wird z. b. Philipp. 1, 13, 31 gewiss nicht vestri animi für veterani zu schreiben sein ; schon die Wortstellung spricht dagegen, und der sinn verlangt vielmehr ein wort gleich dem Ernestischen senatus. 1, 14, 35 scheint von Weber, welcher nee iueundus für das handschriftliche nee unetus vorschlägt , die doch schon von Halm halb und halb gebilligte emendation von P. R Müller (Philol. 1858, XII, p. 315) nee munitus nicht beachtet zu sein, welche ent- schieden den Vorzug verdient vor dem Ostermannschen nee ul- lus (= von irgend einem werthe : ebendas. 1859, XIV, p. 331). 2, 22, 55 soll mit Umstellung des genetivs belli geschrieben werden: Ut Helena Troianis belli, sie iste huic rei publicae causa pestis atque exitii fuit. Hierdurch würde aber der ausdruck bel- lum in einen gegensatz zu pestis -atque exitium hineingedrängt werden, welcher nicht sachgemäss ist. Wenn 3, 5, 12 tum vero intolerabilius est geändert würde, so würde der lebhafte gegensatz, welcher zwischen den beiden begriffen misera und intolerabilis obwaltet, zu einem bloss graduellen unterschiede ab- geschwächt. Vielleicht ist zu bessern: tum vero res intolerabi- lis est.

Einige conjecturen Webers dagegen verdienen alle beach- tung, wie z. b. Tusc. I, 22, 50, wo vorgeschlagen wird: ut , si iam possent .... teeta sunt, sciant, casurusne . . ., während C. Meissner letzthin (N. Jahrb. 1869, 99, p. 798 f.) schreiben .wollte: ut ... . casurus in conspectum videatur animus , ac non (dem vorhergehenden quasi vero entsprechend) . . . Ferner I, 30, 73 qui tarn acriter oculis deßeientem solem intuerentur , ut

410 227. Cicero. Nr. 8.

. . . Weiter 5, 37, 106 quam sit ea contemnenda sententia, paulo ante dictum est. Mit recht stimmt Weber in Phil. 2, 19 (nicht 29), 49 mit J. Jeep überein, dass aus dem hand- schriftlichen tu a me ovatus besser als observatus, oder adiutus, oder ähnliches herauszunehmen ist: tu a me auctus.

Bei den conjecturen des Anonymus, welche Weber in die Kühnersche ausgäbe der Tusculanen auf der bibliothek seines gymnasiums hineingeschrieben fand , lag es von vorn herein nicht fern, an Herrn. Sauppe zu denken, der ja bis 1856 di- rector des Weimarschen gymnasiums gewesen ist; und diese vermuthung würde sich bei Weber zu grösserer Wahrscheinlich- keit gesteigert haben, wenn er beachtet hätte, dass mehrere die- ser von ihm mitgetheilten emendationen , ganz oder doch theil- weise so, bereits von Baiter in der edit. Turicensis unter Sauppe's namen veröffentlicht sind; so Tusc. I, 31, 75 ecquidnam aliud est mori discere; 36, 87 quis est qui id dixeritt 36, 88 at ita carere in morte non dicitur (was neuerdings durch C. Feldhügel im programm des Magdeb. Pädagog. zum kloster U. L. F. 1871, p. 22 f., mit hereinziehung des von Seyffert verlangten ablativ re, vervollständigt ist zu: at ita re ca- rere in morte non dicitur, wie denn allerdings das ATITAKE leicht ausfallen konnte nach dem unmittelbar vorhergehenden PATIAEE). Dankenswerth bleibt die mittheilung der Sauppe- schen emendationen zu I, 24, 59: quam habet vim aut unde na- tum; 28, 69: contemplatorem caeli et agrorum cultorem, wo schon Klotz früher agrorumque cultorem vorgeschlagen hat; 31, 77: doctissimus quisque contendit, statt des handschriftlichen contemnit; 32, 78 : illud autem, .... consequens, id vero non dant, eine lesung, welche gleichfalls schon in Klotz ihren Vertreter gefunden hat, während Mähly nicht so wahrscheinlich (Philol. 23, 1865, p. 678) mit Silbenumstellung ändern wollte: id non concedant.

227. W. Oetling; Librorum manuscriptorum , qui Cice- rouis orationem pro L. Flacco continent, qualis sit condicio, demonstratur. Programm -abhandlung des gymnasiums zu Ha- meln. Ost. 1872. 21 s. 4.

Derselbe fleissige forscher, dessen abhandlung über die Li- bri manuscripti, qui Ciceronis orationem pro Caelio continent, 1867 in Göttingen den preis davon getragen hat, hat jetzt die band-

Nr. 8. 227. Cicero. 411

Schriften der rede pro L. Flacco zum gegenstände einer einge- henden Untersuchung gemacht.

Bei dieser rede ist die kritik hauptsächlich auf die codd. S und T angewiesen. Oetling sucht darzulegen, dass diesel- ben, wenn auch nicht direct, aus dem alten, von demselben ar- chetypon, wie B, stammenden cod. F.1) geflossen seien, von welchem wir freilich nur noch einen theil haben. Bei der ver- gleichung von S und T will Oetling der letzteren handschrift grösseres ansehen vindicieren, so dass man , wenn die lesarten beider guten sinn gäben, es doch vielmehr mit T halten müsse. Uebrigens böten beide handschriften genug stellen, an welchen eine corruptel anzunehmen und durch correctur zu bessern sei. Die abhandlung schliesst mit einem stemma der handschriften, welches die ergebnisse der vorhergehenden betrachtung in an- schaulicher und übersichtlicher form zusammenstellt.

Eine grosse zahl einzelner stellen ist angeführt, welche obigen sätzen zur begründung dienen sollen. Die programm- abhandlung von H. A. Koch (Pforta 1868) scheint dem verf. nicht bekannt gewesen zu sein; sonst würde er wohl auf die dort gemachten vorschlage hier und da rücksicht genommen haben, auch wenn er sie nicht billigte.

Eine prüfung des einzelnen würde sich für diese blätter nicht eignen. Nur so viel sei gesagt , dass , was der verf. (p. 12 f.) anführt, um den Vorzug von T vor S zu erweisen, doch manchem zweifei unterworfen ist und am wenigsten überzeu- gende kraft zu haben scheint. So wird §. 5 repetitur beizu- behalten sein (statt rapitur). Ich sehe nicht ein, warum vin S. aliquis, gui vim verbi rapiendi interpretaturus erat , minus grave verbum rep etendi substituerit". In repetere liegt, wie so viel- fach in den compositis mit re , der begriff dessen, was als schuldig in anspruch genommen werden kann. Weiter scheint mir §. 33 die lesart genus vor der bereits von Manutius em- pfohlenen onus nichtsdestoweniger den vorzug zu verdienen. Auch das ist nicht zuzugeben, dass §. 64 die lesart maritima „optime se habet1'. Dass §. 30 dieselbe küste maritima genannt

1) Oetling verweist p. 5 auf das, was über diese handschrift Baiterus in ed. Orell. II ante Valerianam et Pisonianam et Philippi- cas scripsit. Vor Pisonianam musste hinzugefügt werden: Halmius ante.

412 228. Minucius Felix. Nr. 8.

wird, thut offenbar nichts zur sacbe. Dagegen weist der ge- gensatz, welcher in den vprhergehenden Worten parvum quendam locum liegt, unverkennbar auf die richtigkeit der lesart maxi- mam oram hin.

228. De Minucio Feiice commentatio. Scripsit Dr. Al- bert Faber conrector. 4. Nordhusae 1872. apud C. Haacke.

Die vorliegende dem rector Dr W. Herbst in Magdeburg gewidmete abhandlung beschäftigt sich mit dem dialog Octavius des Minucius Felix, der, seitdem er durch die in der wiener Sammlung lateinischer kirchenväter erschienenen Halm'schen aus- gäbe wieder auf die tagesordnung philologischer besprechung ge- setzt worden ist , den stoff zu interessanten literarhistorischen und kritischen Untersuchungen geliefert hat. Der dialog Octa- vius steht an der schwelle der christlich lateinischen litteratur und beansprucht schon dadurch ein hohes interesse, welches durch seine einem klassischen muster nachgebildete form und seinen relativen gedankenreichthum nur gesteigert wird. Aber diese ehrenstelle , eine neue gattung der litteratur zu beginnen, wird ihm streitig gemacht durch eine schritt ähnlichen inhalts, das Apologeticum Tertullians , das spätestens 199 n. Chr. ver- fasst sein muss. Allerdings hat Ebert in einer eingehenden Untersuchung (Tertullian's verhältniss zu Minucius Felix im V. bände der philologisch-historischen klasse der königlich säch- sischen gesellschaft der Wissenschaften 1868) für die priorität des Octavius plaidirt. Wer aber vorurtheilsfrei die vom refe- renten vei-suchte kritik der Ebert'schen argumente verfolgt (in der Zeitschr. für österr. gymn. 1869, p. 348—368), dürfte eher zu der gegentheiligen annähme hinneigen. Diese Streitfrage könnte für eine betrachtung des inhaltes und gedankenganges des Octavius, welche die vorliegende abhandlung in ihrem er- sten theile zu geben unternimmt, gleichgültig erscheinen, wenn sie nicht ausscbliesslich aus inneren gründen , durch eine verglei- chung auffällig übereinstimmender stellen in beiden schritten ge- löst werden müsste. Ebert fand, dass diese stellen im Octa- vius eben so innig und organisch mit. dem gange zusammen- hängen, wie sie lose und äusserlich an dem Apologeticum kle- ben, dass der klaren und lichtvollen erörterung des Minucius eine confuse und theilweise unverständliche auseinandersetzung

flr. 8. 228. Minucius Felix. 4lSS

bei Tertullian gegenüberstehe. Ich hingegen fand, dass Tertul- lian an den bezüglichen stellen die gedanken ebenso vertiefte wie sie Minucius verflachte, dass der streng logische Zusam- menhang bei jenem, die ausserliche aneiuanderreihung bei die- sem zu tage trete. Noch wichtiger wird aber für eine genaue analyse des Octavius die richtige lösung jener Streitfrage sein müssen. Es lässt sich nämlich zu voller evidenz erweisen, dass weder Tertullian aus Minucius noch Minucius aus Tertullian ge- schöpft habe, sondern dass beide eine uns verlorene ältere quelle mit jener freiheit benutzten, welche auf diesem gebiet der literatur stets üblich war.

Wäre der verf. vom stand und ziel dieser Untersuchungen unterrichtet gewesen, so hätten sich ihm andere, ungleich frucht- barere gesichtspunkte eröffnet. Er würde auf jene stellen ein besonderes augenmerk gerichtet haben und durch sie auf eine reihe anderer geführt worden sein, an welchen gleich auffällige mäugel des Zusammenhanges auf weitere entlehnungen zu schlie- ssen erlauben. Statt dessen wird uns im engen anschluss an das original der gang der Unterredung vorgeführt und ansätze einer kritischen auffassung finden sich nur darin, dass der eine oder andere gedanke gelobt oder getadelt wird oder wohl auch (p. 11) gelehrt wird, wie Minucius die disputation hätte führen sollen. Vielleicht hätte sich dann auch dem vf. eine andere be- autwortung der frage, ob dem dialog eine wirkliche Unterredung zu gründe liege, ergeben als die p. 28 hingestellte: re vera aliquando Antonini Pii aetate Octavium et Caecilium coram Minu- cio de fide Christiana sermonem instituisse, welche durch die an- schauliche Schilderung der eingangsscene erwiesen werden soll. Der vf. scheint also nicht zu bedenken, dass durch Piaton und seine nachahiner leicht zu befolgende stilgesetze dem wissenschaft- lichen dialog vorgezeichnet waren.

Dankenswerther als der erste theil der Untersuchung ist der zweite p. 31 44 (Commentatio de nonnullis locis M. Minucii Fe- licia) und davon besonders die erste abhandlung, welche stellen behandelt, quorum difficultates interpretanda expediri possunt. Wir hätten es gern gesehen, wenn er sich nicht bloss auf die kleine auswahl beschränkt hätte. Auf diesem wege ist noch mancher sichere gewinn zu erreichen, welcher bis jetzt der mit Vorliebe gepflegten conjecturalkritik nicht werden wollte. Die eigenen

414 229. Aristides. Nr. 8.

vorschlage des vfs. überzeugen wenig : 4, 3 liest er : de toto de in- tegre) mihi cum Octavio res est (der codex hat von erster hand de toto integro, von zweiter de toto et integro, Halm sieht in toto ein glossem), was sprachlich anstössig ist. Vielleicht schrieb Minucius de toto in- tegro. Das totum, worüber entschieden werden soll (integra res est), ist, wie p. 37 richtig bemerkt wird, die frage , num fides Christiana gentilium erroribus sit praeferenda 7, 1 speeta de libris me- moriam (memoria P), iam eos deprehendes initiasse ritus omnium religionum , will der vf. mit Wopkens de libris als dittographie des vorausgehenden delubris tilgen und mit Rigault memorias lesen. Aber de libris memoriam ist so viel wie librorum memo- riam nach einem selbst Minucius nicht fremden Sprachgebrauch, von dem reiche belege im 3. bände meiner ausgäbe Cyprians p. 419 zusammengestellt sind 31, 7 et quod in dies nostri numerus augetur, non est crimen erroris , sed testimonium laudis; nam in pulcro genere vivendi et perstat et perseverat suus et ad- crescit alienus, finde ich durchaus nichts anstössiges, wohl aber in dem, was Faber dafür gesetzt wissen will : perseverat adsuetus et aecreseit alienus, weil adsuetus keinen rechten gegensatz zu alienus bildet und weil durch das adsuetus das perseverare nach einer seite hin motivirt ist, welche hier nicht in betracht kom- men darf, ohne dem Zusammenhang zu schaden ; denn wenn es die liebe gewohnheit ist, welche die glieder der heerde zusam- menhält, so wird das testimonium laudis doch sehr herabgedrückt. Suus ist allein das richtige, in der kirche verbleibt, wer ihr ein- mal angehört und fremde wachsen zu. "Lieber diesen prägnan- ten gebrauch von suus vrgl. Cyprian p. 598, 21 ecclesiae catho- licae corpus suum scindere nituntur, 603, 6 litter as ad te collegae nostri manu sua (eigenhändig) subscriptas miserunt, und meinen in- dex p. 455.

W. H.

229. Aristides. Erster theil. Doctordissertation von C. A. Berg. Göttingen 1871. 44 s. 8.

Der verf. behandelt das leben des Aristides bis zum ab- schlusse seines konflikts mit Themistokles. Wenn auch an eine erstlingsschrift nicht ein allzustrenger massstab angelegt werden darf, so kann doch nicht gelaugnet werden , dass die treffliche göttinger philologisch -historische schule uns darangewöhnt hat,

$fr. g. 230. Epaminondas. 415

tüchtige, gewissenhafte, reichlich durchgearbeitete und inhaltvolle arbeiten von ihren Schülern zu erwarten, und dass obengenann- ter Aristides sich zu seinem nachtheil von den sonstigen göt- tinger dissertationen unterscheidet. Dies im einzelnen nachzu- weisen ist hier nicht der ort, und ebensowenig fordert die dis- sertation zu einer eingehenden prüfung auf, die übrigens ref. unternommen hat, ohne zu eiuem anderen resultate zu kommen, als dass das nonum prematur in annum dieser arbeit gegenüber sein recht behält. Vermisst wird vor allem ein übersichtlicher und geregelter gang der Untersuchung , weshalb der vf. sich häufig wiederholt und zu gehäuften Verweisungen genöthigt ist. Es finden sich mehrfache ausätze zu speciellen Untersuchungen, ohne zum abschluss gebracht zu werden, und besonders bei der frage nach den quellen der plutarchischen biographie hätte der vf. gut gethan, sich die von ihm gelobten arbeiten von Sauppe, Kühl, Stedefeldt, Fricke zum muster zu nehmen. Hierbei er- laubt sich ref. die anfrage, ob es wahr ist , was vf. p. 5 anm. 1 erwähnt, dass Dr W. Fricke gestorben ist? Ihm ist nur bekannt , dass der unmittelbar vorher genannte Dr H. Stede- feldt im letzten kriege gefallen ist, und ref. giebt sich der hoffnung hin, dass hier ein verseben vorliegt, und dass der Wis- senschaft nicht zwei so hoffnungerweckende jünger geraubt wor- den sind. Dem vf. aber wird bei ernstlich und gewissen- haft fortgesetztem Studium die anerkennung nicht fehlen , die wir bedauern seiner erstlingsschrift versagen zu müssen.

A. S.

230. Das leben des Epaminondas, sein charakter und seine politik von Dr L. P o m t o w. Jahresbericht des Joachims- thalschen gymnasiums in Berlin 1870. 4. 122 s.

Es kann nicht oft genug gesagt werden, dass die bearbei- tung eines jeden historischen Stoffes, zumal eines der alten ge- schichte angehörigen, nur dann aussieht auf gesicherte resultate hat, wenn sie auf grund einer vorangegangenen kritischen prü- fung der tradition und ihrer quellen unternommen wird. Die- ser grundsatz, den die philologie seit lange für die textkritik als richtschnur erkennt und betrachtet, den die geschichtschrei- bung der römischen, mittelalterlichen und modernen geschichte mit so glänzendem erfolge seit jähren festhält, ist leider für die

416 230. Epaminondas. Nr. $.

griechische geschichte noch immer nicht zu allgemeiner geltung gekommen. So geschieht es, dass noch immer wieder gelehrte, welche entschiedenes historisches talent, respektable allgemeine und politische bildung, umfassende belesenheit in den quellen und eine tüchtige kenntniss des alterthums besitzen, sich damit begnü- gen, aus den verschiedensten nachrichten von quellen, die wiede- rum unter einander national, parteiisch, zeitlich und subjektiv ver- schieden sind, ein mosaikbild zusammenzustellen, das im wesentlichen das richtige treffen kann, aber vermöge der art seiner Zusammen- setzung die Wahrscheinlichkeit weit eher gegen als für sich hat. Allerdings giebt es auch in der griechischen geschichte ge- stalten von einer so ausgeprägten Individualität, dass alle diffe- renzen der traditiou nur in einzelheiten störend einwirken können, während das gesammtbild in seinen grundzügen klar ausgeprägt erscheint, und Epaminondas gehört in die reihe die- ser auserwählten. Trotzdem muss man bedauern , dass eine so tüchtige historische kraft wie Pomtow ist, den mühevollen, aber lohnenden und nothwendigen umweg einer vorausgeschickten quellenuntersuchung verschmähte, und demgemäss in seiner dar- stellung Polybius, Diodor, Plutarch, Pausanias, Polyän so ziem- lich auf einer stufe historischer glaubwürdigkeit stehend erschei- nen. Vermag man es, von diesem prinzipiellen differenzpunkte abzusehen, so folgt man seiner darstellung von Epaminondas' leben und wirken mit vergnügen und interesse, wenn man auch hie und da ein etwas bescheideneres mass von reflexion und hi- storischer parallelisirung wünschen möchte. Das gilt, um dies gleich hier zu bemerken, besonders von p. 121 f., wTo der vf. auf den sonderbaren einfall geräth, Caesar und Epaminondas zu vergleichen, was recht gut ist, wenn es yvftvaßtutms^ etwa als thema zu lateinischer oder deutscher abband lung der prima behandelt wird, aber irgend welchen historischen gewinn durch- aus nicht bringt noch bringen kann. Einige speziellere ausstellungen füge ich im folgenden an. Unverständlich ist mir die citirmethode des vf., der zuweilen volle und genaue, weit öfter aber ganz ungenügende citate giebt, wie z. b. p. 32, 1_45 36, 2. 3; 72, 2; 73, 1; 78, 1; 79, 1; 98, 1; 100, 1; 102, 1 ; 109, 1. So polemisirt er auf p. 75 gegen Polybius und meint da jedenfalls die stelle 2, 39, 9. Nach dem vf. soll Polybius berichten, dass „an Sparta noch einmal neue vermitt-

Nr. 8. 230. Epaminondas. 417

lungsvorschläge gerichtet worden seien, und dass ihm angetra- gen worden, die achäischen Städte als Schiedsrichter der schwe- benden Streitigkeiten gelten zu lassen". Eine nachricht, die dem vf. völlig unglaublich erscheint. Allein Polybius sagt aus- drücklich nur, dass die Achäer zu schiedsrichtern über den beiden theilen zweifelhaften ausgang der Schlacht bei Leuk- tra, und zwar gleichmässig von Sparta und Theben gewählt worden seien, und diese nachricht verdient allen glauben, ein- mal um ihrer selber willen, dann weil sie von Polybius stammt. Die p. 120 erwähnte stelle des Plutarch ist de garrul. 22, p. 514C. Der dort spottend Epaminondas genannte Schwätzer hatte aber nicht wahrscheinlich den Ephoros gelesen, sondern Plutarch sagt ausdrücklich täv nuQ1 f/ph Tig xutu rv-pp dpeyvmxGog ovo räv 'Eyöoov ßißlicov ?} roia. P. 80, 2 werden vier dif- ferente datirungen bei Pausanias, Marm. Parium, Plutarch und Diodor für die gründung von Megalopolis angeführt; sie sollen sich vortrefflich vereinigen lassen ,, indem sie bezeugen, dass vier jähre hintereinander daran gebaut worden". Die griechische Zeitrechnung in dieser weise behandelt würde verzweifelte re- sultate ergeben. P. 116 wird die letzte äusserung des Epa- minondas über seine beiden ,, töchter " Leuktra und Mantineia mit den worten zurückgewiesen : „er hat nachweisbar derglei- chen weder im leben noch im tode gesagt". Abgesehen von dem etwas seltsamen ausdruck lässt sich fragen: wieso nach- weisbar? — Auf derselben seite anm. 1 heisst es, Polyaen. 2, 3, 1 lasse den Epaminondas gegen das einstimmige zeug- niss des alterthums vermählt sein. Die dagegen sprechende stelle des sogenannten Kt'esiphon bei Müller Fr. hist. gr. 4, 375 hat der vf. vermuthlich um deswillen unberücksichtigt gelassen, weil sie der albernen fälschung der Pseudoplut. Parall. min. c. 12 entstammt. Die gleiche vorsieht dürfte aber einigen anderen häufig von ihm citirten sogen. Plutarchischen Schriften gegen- über geboten gewesen sein. Desgleichen darf die Plutarchische abbandlung de genio Socratis, von der p. 37 47 eine sehr hüb- sche Übersetzung gegeben wird, nicht so unbefangen als histo- rische quelle verwendet werden , wie es vom verf. geschehen ist. Einen anhang über die böotischen städte, ihre feste und Verfassungen u. s. w. verspricht der verf. demnächst zu Philol. Anz. IV. 27

418 231. Griechische alterthümer. Nr. 8.

veröffentlichen , was seine fachgenossen mit dank aufnehmen werden. As.

231. Symbolae ad doctrinam iuris Attici de syngraphis et de ovaCag notione. Habilitationsschrift durch welche mit Zu- stimmung der philosophischen facultät der Universität Leipzig zu seinem probe -Vortrag ergebenst einladet Dr Adolf Phi- lip pi. 8. Leipzig. 1871. 18 s.

Die kleine schrift , welche sich als Vorläufer einer grö- sseren arbeit auf dem gleichen gebiete ankündigt, hat zur auf- gäbe den nachweis, dass in der reconstruction des attischen pri- vatrechts nach einer doppelten richtung noch grössere vorsieht als bisher zu üben sei, einmal in der herübernahme von römi- schen rechtsanschauungen, andrerseits in der benutzung der von den griechischen grammatikern und lexikograpken überlieferten angaben. In ersterer beziehung wird im anschlusse an Gneist's Untersuchungen die seit Salmasius herkömmliche meinung wi- derlegt, dass für testamente und Vertragsurkunden die un- terschreibung und untersiegelung durch zeugen auch in Athen erforderlich gewesen sei. Nach der andern seite wird die no- tiz des Harpokration über den ixnterschied der yetvegd und ayavrß ovoia einer erneuten erörterung unterzogen; als ursprüng- liche bedeutung der cpavegix ergiebt sich dem verf. quae quis ita possidet, ut se possidere negare nequeat, daher dann einerseits das baarvermögen im gegensatz zu den aussenständen, andrerseits das vermögen , sofern es zu den Staatsleistungen herangezogen wird, mit dem gleichen ausdrucke bezeichnet wird. Diese er- gebnisse werden durch eine sorgfältige prüfüng der einschlagen- den quellstellen gewonnen , der man meistentheils nur zustim- mend folgen kann. Unrichtig behandelt ist jedoch von Philippi die stelle des Isaios VIII, 32. Die worte: cv^inavta de öaa (fategä i\v nliov i\ ivsvtjxovra [tvcov, müssen nothwendig die ge- sammtsumme aus allen vorher einzeln aufgezählten vermögeus- posten mit einrechnung der sclaven und des mobiliars ziehen und da man dem Isaios einen groben rechnungsfehler nicht zutrauen darf, so muss in den vorausgehenden zahlen irgend ein fehler stecken, wahrscheinlich in öia^iKui.', was leicht aus %ih'a<; xal sxazov (XX statt XH) verderbt werden konnte. Danach bedürfen auch die bemerkungen auf p. 17 einer niodification. J.H.L.

Nr. 8. 232. Römische alterthümer. 419

232. Die ausrüstung und bewaffnung des römischen heeres in der kaiserzeit. Zur erklärung von 14, nach den angaben des Verfassers von Ernst du Bois in Hannover entworfenen und gravierten modellfiguren kurz zusammengestellt von Dr Albert Müller, director des gymnasiums in Ploen. 8. Han- nover. 1872. 32 ss.

(Die modellsammlung nebst beschreibung ist zum preise von 1 thlr. 25 sgr. zu bekommen entweder auf directe bestel- lung bei J. E. du Bois' zinnfigurenfabrik in Hannover, oder durch Vermittlung des Verfassers).

Wir haben hier die ausführung des von dem verf. auf mehreren philologen- Versammlungen , namentlich auf der zu Kiel 1869 angekündigten Unternehmens (vgl. Verhandlungen der 27. Versammlung deutscher philologen und Schulmänner in Kiel p. 172 175), und es freut uns, versichern zu können, dass diese ausführung eine gelungene ist.

Die den denkmälern und schriftquellen nachgebildeten vier- zehn modelle römischer krieger sind bestimmt durch lebendige an- schauung das verständniss der zahlreichen stellen der classiker über das kriegswesen zu fördern; die beschreibung macht auf die einzelnen bei jeder figur besonders zu beachtenden thei'e der ausrüstung aufmerksam und stellt das nöthige zur erklärung zusammen.

Die vierzehn figuren zerfallen in zwei durch die färbe des helmbusches (soweit ein solcher überhaupt da ist) unterschiedene parteien. Die eine derselben, mit rothem helmbusche, giebt ei- nen legionarius, einen centurio, einen aquilifer, einen buccinator, einen eques, einen vexillarius und einen imperator; die andere, mit schwarzem helmbusche umfasst einen praetorianus , einen centurio, einen signifer, einen tubicen, einen eques, einen vexil- larius und einen imperator.

Sowohl der auswahl der dargestellten krieger, als der sorg, fältigen nachbildung der gegebenen muster und der auf die be- sten (in den anmerkungen angeführten) quellen bezug nehmen- den umfassendes Studium bezeugenden beschreibung können wir unsern beifall nicht versagen.

C L. G.

27*

420 233. Geschichte der philologie. Nr. 8.

233. Aus meinem bühnenleben. Erinnerungen von Ka- roline Bauer. Herausgegeben von Arnold Wellmer. 8. Berlin. E. v. Decker. 1871. XVI u. 475 s. 2 thlr. 15 ngr.

Dies buch hier? denkt kopfschüttelnd wohl mancher. Nun, der philolog als reconstruirer einer ganzen weit, muss auf gar vieles achten, um sichere leitfaden für seine thätigkeit zu erlan- gen. Und so gab es denn auch im classiscben alterthum eine Schauspielkunst: für ihre geschichte aber wie für die der Schau- spieler selbst stehen uns nur trübe und lückenhafte quellen, nur zusammenhangslose notizen zu geböte, was nicht allein aus der allgemeinen über das alterthum verhängten Zerstörung, son- dern, fassen wir zunächst Griechenland ins äuge, auch aus der beschaffenheit der schriftstellerei grade in der classischen pe- riode Athens sich erklärt, vor allem jedoch aus der natur die- ser kunst selbst ; die leistung des Schauspielers ist so an die gegenwart gefesselt, dass sie wie diese rasch und unwiederbring- lich vergeht. Da nun in der politischen geschichte die analo- gie eine freilich gefährliche und in keiner zeit mehr als in der unsern missbrauchte , dagegen richtig angewandt eine vortreff- liche hülfe gewährt : warum soll sie diese bei aller innern Ver- schiedenheit der zeiten nicht auch der kunst gewähren ? Hat doch die kunst eine für alle culturvölker geltende allgemeine grundlage, welche auch für das verständniss des einzelnen för- dernd einzugreifen vermag. So treten in der blüthezeit Athens die dichter wie in Alt -England zugleich als Schauspieler auf, um die grösste Übereinstimmung zwischen dichtung und darstel- lung zu erzielen: aber solche Verbindung scheint gar bald zu schwer befunden und wie Sophokles hat auch Aristophanes sich allmählig von der bühne zurückgezogen, so dass grade die vollen- detsten dramatiker am liebsten ihre Schöpfungen andern, d. h. den schauspielern anvertrauen: es liegt mein' ich darin das zu- geständniss , dass auch der Schauspieler eine den ganzen mann verlangende kunst übe, wie denn auch sonst in dem classischen griechenthum der grundsatz sich erkennen lässt ; es solle nie- mand zweien herren dienen. Daher das streben der dichter nach kunstsinnigen schauspielern; daher der enge verkehr zwi- schen beiden; der dichter sucht das verständniss seiner dich- tung dem Schauspieler zu eröffnen , der Schauspieler begeistert durch die poesie mit aufbieten aller kräfte die idealen gedan-

Nr. 8. 233. Geschichte der philologle. 421

ken der natur entsprechend darzustellen; schon Polos beweist dies : Gell. NA. VII, 5. Dabei ward den schauspielern dieser alten zeit viel mehr als bei uns zugemuthet: denn sie mussten, da Schauspielerinnen in diesem sinne es nicht gab , auch die weiblichen rollen übernehmen, ein umstand , der sicherlich auch auf die dichtung selbst seinen einfluss wie bei Shakespeare ge- übt hat; man prüfe darauf nur Aeschylos' Klytaimnestra oder die Elektra des Sophokles rollen, in die ein mann wegen des zurücktretens des eigentlich weiblichen leicht sich hineinversetzt, während einem mädchen, einer frau sie schwerer geworden wä- ren: eine Jungfrau von Orleans ist ja etwas ganz anderes. Aber ausserdem verlangte das alterthum noch von dem Schau- spieler, dass er in einer und derselben aufführung mehre rollen gab, so dass er in einem stücke nur geringe zeit von der bühne kam; es konnte dies übrigens auch bei einer rolle vorkommen, wie in der der Elektra im gleichnamigen stücke des Sophokles. Diese einrichtung hatte ihre grosse gefahr : konnte sie doch dra- men veranlassen, welche dem Schauspieler Ludwig- Devrient's kunststück, Franz und Karl Moor an einem abend zu spielen, als aufgäbe stellten : vor dergleichen sicherte das alterthum aber das treue anschliessen an die natur. So viel zum beweis, dass bei aller Verschiedenheit der alten und modernen hypokritik beide bei richtiger erkenntniss sich auch vielfach berühren ; stim- men sie doch auch darin überein, dass es schon bald nach dem abieben der meister sehr schwer hält, eine richtige erkenntniss über sie zu gewinnen, indem wohl kaum über die jünger einer andren kunst so früh schon so viel falsche und unwürdige Vorstellungen im volke bestehen, als grade über diese: stellt der Schauspieler üppiges, schlechtes wahr dar , nun so muss er dies schlechte aus eigener erfahrung kennen. Und das führt uns nun zu dem oben angezeigten buche zurück: denn es wird vor allem dazu dienen würdige Vorstellungen von Thalia's kunst und ihen Jüngern zu verbreiten, dabei überzeugen, dass der wirk- liche Schauspieler nicht in der gemeinen Wirklichkeit , sondern von seiner kunst begeistert nur in der idealen darstellung der Wirklichkeit seine wahre befriedigung finde , sich daher in seine rolle so hineinversetze, dass er das, was er spielt, selbst zu er- leben glaube; wie denn Devrient (p. 115) in einer sterbescene wirklich gestorben zu sein glaubte. Zu solcher begeisterung

422 234. Reiseliteratur. Nr. 8.

führt allein das völlige verständniss einer classiscben dichtung : daher also das anhaltende Studium , die genaue analyse des drama; die Schauspieler sind, wie fast auf jeder seite unser buch darthut, die genauesten interpreten des dichters. Dabei gilt es denn auch, die eigne kraft, den eignen charakter zu er- kennen; es wirkt der letztere wohl immer, am meisten wohl bei Schauspielerinnen ein; wie denn auch Karoline Bauer, das deutsche mädchen , als donna Diana nicht völlig genügte (vorr. p. xn), weil sie diese deutsch, nicht als Spanierin auffasste.

Dies mag genügen, um auch in unserm kreis auf dies buch aufmerksam zu machen, namentlich auch noch deshalb, weil gar manche hübsche notizen über gelehrte und philologen, die der verf. auf ihrem lebenswege begegnet, in ihm vorkommen. So trifft sie in Berlin (p. 154) mit A. W. von Schlegel zu- sammen und macht er auf sie nur natürlich keinen gün- stigen eindruck: von Varnhagen von Ense heisst es p. 91: „er machte auf mich von vornherein einen recht unbedeuten- den, ja unangenehmen eindruck. Er hat nicht die spur von ernster, würdiger, imponirender männliehkeit. Er gilt auch in ganz Berlin für eine klatschbase prima sorte". , worte, die ich hieher setze, weil mir einst der edle Heinrich Ritter diesen cha- racterlosen mann fast mit denselben worten schilderte. Nur liebes dagegen wird p. 336 von Bötticher berichtet und wahrhaft köstlich ist p. 364 erzählt, wie selbiger die skizze eines ita- lienischen räuberhäuptlings und seiner derben geliebten für Tieck und die mit ihrem fast zu seele gewordenen körper nur in zarter Spitzenumhüllung einherschwebende gräfin von Finken- stein hält: grade aber über Tieck, der uns ja auch schon we- gen Sophokles' Antigone nahe steht , wird verf. am ausführ- lichsten. Und somit wollen wir das buch der beachtung unsrer fachgenossen empfohlen haben und wünschen, dass es an seinem theil auch zur richtigen auffassung und Würdigung des griechi- schen drama mithelfen möge. E. v. L.

234. Italienische blätter von Hermann Riegel. 8. Hannover, Rümpler. 1871.— 358 s. u. X. 1 thlr. 20 gr.

Diese blätter sind vorzugsweise dem jetzigen Italien und seiner kunst gewidmet : aber auch sie bezeugen, dass der einsich- tige beschauer der gegenwart immer auf das alterthum zurück-

Nr. 8. 234. Reiseliteratur. 423

geführt wird und fast wider willen beitrage zu der kenntniss des altertliums liefert. So begegnen wir denn aucb in diesem buche Schilderungen der sitten und des volkscharacters , welche die alte zeit erläutern: z. b. berichtet vf. p. 339 über eine vortreffliche aufführung des Hamlet in Neapel und schliesst: „nach dem Schlüsse des Hamlet folgte eine posse „in hemdsär- meln", die ich jedoch nicht mit ansah , um mir den eindruck nicht zu stören. Diese einrichtung erinnerte aber ganz an die satyr spiele, die nach den antiken tragödien einst gegeben wurden" : characteristisch ist auch das weggehn des vfs : man sieht, wie wir ganz andre ansprüche an das theater machen, als die alten. Dazu vergleiche man noch Schilderungen aus Genua, Urbino, Eom, p. 6. 166. 290 u. s. w. Unverändert ist aber die natur geblieben und so sind die skizzen beachtenswerth, welche der vf. unter andern von Umbrien p. 278, von Pästum p. 351 entwirft. Oefter aber führt ihn die kunst der zeit auf die alte, auch auf die byzantinische : so wird hübsch das am- phitheater in Verona, p. 50, beschrieben: viel beschäftigen Rie- gel in Ravenna die bauten Theoderichs und die geschichte ein- zelner mit ihm in Verbindung stehender personen, p. 137 sqq.: anziehend sind die betrachtungen über die Laokoonsgruppe p. 44, zu denen ein gemälde von Giulio Romano in Mantua den anlass giebt, der von Vergil dabei sich hat bestimmen lassen : kurzum man sieht, auch für den philologen hat das buch sein interesse. Natürlich ist auch von den verkommenen zuständen in Italien die rede : einen auffallenden beleg dafür giebt die Schilderung, welche der vf. vom zustande des museum zu Neapel im j. 1868 macht. Grade dies mag denn den schluss des bu- ches hervorgerufen haben : „der letzte bedeutende eindruck mei- ner gesammten reise war die wohlthuende und beglückende em- pfindung, wieder im deutschen laude zu sein. Die art der menschen kommt uns wieder heimisch und vertraut entgegen, der muttersprache vielgeliebter klang tönt wieder in unser ohr, und bedeutendes wirken und schaffen der gegenwart erfüllt uns mit stolz und hoffnung. Nicht würdiger und freundlicher kann man im vaterlande empfangen werden, als wenn man, wie ich, das glück hat, sogleich im anschauen eines werkes, wie der Gluck'- schen Armide, die ich in München sah, sich an der kraft und herrlichkeit deutschen geistes zu stärken, und wenn mau die-

424 235 246. Neue auflagen und bücher. Nr. 8.

sen erhabenen genuss mit wohlwollenden und freundlich ge- sinnten menschen theilt. Man fühlt mit neuem bewusstsein sein eignes wesen, dessen tiefste eigenschaften und höchste bedürfnisse mächtig an das heimathsland gebunden, und wie sehr auch das rückverlangen nach dem schönen Hesperien von nun an immerdar uns durchs leben begleitet, so müssen wir doch sagen: nur im vaterlande selbst zu leben ist wahrhaft würdig und recht, wahrhaft beglückend und heilsam!" Wir wol- len wünschen und hoffen, dass des Vaterlands geschicke zu sol- cher ansieht dem Deutschen immer den anlass geben mögen.

NEUE AUFLÄGEN. 235. Homers' Odyssee. Für den schulgebrauch erklärt von F. K. Am eis. 1. bd. 1. heft. 5. aufl. besorgt von C. Hentze. 8. Leipzig. Teubner; 12 gr. 236. G. E. Benseier, griechisch deutsches Schulwörter- buch. 4. aufl. besorgt von J. Ri eck her. Gr. 8. Leipzig. Teubner; 2 thlr. 237. J. Lattman.n und D. Müller lateinische schulgrammatik für alle classen des gymnasium. 3. aufl. 8. Göttingen. Vand. u. Euprecht ; 1 thlr. 5 gr. 238. Cheirisophos des Spartiaten reise durch Böotien. 2. aufl. 8. Gotha. Perthes; 16 ngr.

NEUE SCHULBUECHFR. 239. Frennd's schülerbi- bliothek. Präparationen cett. : Homers Ilias. 2. heft. 4. aufl. Leipzig. Violet. 16.; 5 sgr ; 3. heft. 2. aufl. ib.; 5 gr.

240. F. Franke, aufgaben zum übersetzen in das griechische. 3. cursus. 5. aufl. 8. Leipzig. Brandstetter ; I7V2 ngr.

241. Freund' s Schülerbibliothek. Präparationen cett.: Cice- ro's werke. 8. heft. 3. aufl. 16. Leipzig. Violet; 5 sgr.

242. Aurelius Victor de viris illustribus. Mit Wörterbuch von G. Keil. 2. ausg. 8. Breslau. Max; 9 gr. 243. 244. Freund's Schülerbibliothek. Präparationen cett.: Virgü's Ae- neis. 3. heft. 4. aufl. 16. Leipzig. Violet; 5 gr. : Horaz werke. 3. heft. 2. aufl. 16. Leipzig. Violet; 5 sgr.: 9. heft ib. 5 ngr. 245. J. Lattmann und D. Müller kurzge- fasste lateinische grammatik für gymnasien und realschulen. 8. Göttingen. Vand. u. Ruprecht; 24 ngr. 246. F. Franke Chrestomathie aus römischen dichtem. 4. aufl. 8. Leipzig. Brandstetter; 12 gr.

BIBLIOGRAPHIE. Im Verlage von ErmannoLoe- scher zu Turin soll unter der redaction von Giuseppe Mül- ler und Dominico Pezzi erscheinen: Rivista di filo- logia e d* istruzione classica, über deren inhalt eine im mai a. c. erlassene ankündigung folgendes sagt: Pubblicheremo

Nr. 8. Bibliographie. 425

pertanto : dissertazioni intorno agl'idiomi ed alle letterature, ai miti ed ai sistemi filosofici , talvolta eziandio intorno ai mo- numenti, ai costumi, alle vicende civili, politiche , militari dei Greci e dei Romani; monografie, nelle quali verranno dis- cussi i problemi, generali e speciali, che concernono lo insegna- mento delle lingue e delle lettere classiche nelle scuole ginna- siali, liceali, universitarie, e le leggi che governano o governe- ranno tale insegnamento , non senza fare menzione delle piü importanti fra le notizie che si riferiranno a si fatte scuole in Italia e fuori d'Italia; cenni critici intorno ai nuovi libri e giornali, italiani e stranieri , in cui verranno trattati argomenti affini alla natura di questa Rivista. E nostro fermo proposito serbarci sempre ed in tutto fedeli ai principii , agl'intendimenti, ai metodi, ai risultati della filologia e della pedagogica odierna, accogliere e significare liberamente il vero, qualunque esso siasi e da qualunque parte ci provenga.

Es soll erscheinen : „Catalogus codicum Bernensium. (Bi- bliotheca Bongarsiana.) Edidit et praefatus est Herrn an nus Hagen". Jedenfalls ein sehr gewünschtes unternehmen. Denn die gedeihliche benutzung der durch die berühmten handschrif- tenkenner und freunde des alterthums Peter Daniel und Jakob Bongars im 16. Jahrhundert gesammelten und seit dem jähre 1628 durch eine Schenkung in den besitz der Stadt Bern übergegangenen bibliotheca Bongarsiana codicum manu- scriptorum , ist dadurch so sehr erschwert, dass von dem vorhandenen mindestens ein drittheil gar nicht bekannt , weil nicht verzeichnet ist , und vom übrigen nur ungenaue und we- gen der Seltenheit des Sinner'schen ungenügenden catalogs schwer erhältliche künde gegeben ist. Dies bestimmte den professor H. Hagen, schon seit sieben jähren auf vielfache auf- forderung hin die herstellung eines neuen catalogs anzubahnen; er hat sämmtliche in das gebiet der classischen und christlichen (kirchenväter besonders) litteratur, sowie der geschichte des alt- deutschen einschlagende handschriften , deren zahl die summe von 700 übersteigt , untersucht , sowie der redaction der von competenten fachmännern theils übernommenen , theils noch zu übernehmenden beschreibung der handschriften der arabischen, hebräischen und altfranzösischen litteratur (zusammen gegen 150 stück) sich unterzogen. Der plan der daraus erwachse- nen lateinisch geschriebenen arbeit ist folgender. Jede hand- schrift wird, der reihe der jetzigen numerirung nach, genau bis in die einzelsten theile beschrieben, und zwar so, dass bei behannten schritten titel und subscriptio (natürlich alter, schrift- charakter, folienzahl und sonstige eigenthümlichkeiten), bei frag- menten und anonyma die anfangs- und Schlussworte, bei den letz- teren endlich noch in wenig worten der inhalt angegeben wird.

426 Bibliographie. Nr. 8.

Mehrere detaillirte indices rubriciren den inhalt so, dass der forscher alsbald die gesammte hier erhaltene litteratur über den von ihm in angriff genommenen autor oder stoff überblicken kann. Dagegen verzichtete der unterzeichnete darauf, in der Sinner'schen manier excerpte von wirklichen oder scheinbaren ineditis einzuflechten, da dies Sache der Specialuntersuchung ist und der gelehrten einzelforschung nicht zu viel vorweg genom- men werden sollte. Auch mnss sich ein wissenschaftlicher ca- talog trotz aller Studien durch grösstmögliche kürze und Über- sichtlichkeit auszeichnen. Dem buche wird endlich eine vor- rede vorausgeschickt, in welcher die historischen nachweise über herkunft und geschichte der bibliothek und einzelner theile der- selben geliefert werden ; dies führt von selbst zu einigen spe- cialuntersuchungen über die gründer Peter Daniel und Ja- kob Bongars. Ferner gehört hierher der nachweis über die seitherige benutzung (soweit dies ermittelt werden konnte), was den künftigen benutzern nur angenehm sein kann, und endlich eine zum ersten male mitzutheilende aufzählung sämmtlicher mit collationen u.s.w. versehener alter drucke der Bongarsiana, von denen Sinner ebenfalls geschwiegen hatte. Eine arti- stische beilage von einigen lithographirten facsimiles wird pa- läographisch wichtige proben von allen hier vertretenen Jahr- hunderten , und zwar namentlich von datirten handschriften geben. Den vertrieb hat die Hai ler sc he Verlagshandlung in Bern übernommen.

Von Waldow's typographischer bibliothek ist das fünfte heft erschienen, welches enthält : „Anleitung zum zeichnen von correcturen auf druckarbeiten nebst erklärung typographischer fachausdrücke und belehrung über die herstellung von druck- werken". 8. Leipzig. Waldow ; 5 sgr.

Es ist erschienen : Mittheilungen der Verlagsbuchhandlung von B. G. Teubner in Leipzig nr. 3, aus deren ersten ab- theilung: „Notizen über künftig erscheinende bächer u wir nach- stehendes entnehmen. Es sollen demnächst erscheinen: Era- tosthenis carminum reliquiae. Disposuit et explicavit Ed. Hil- ler: der inhalt wird angegeben und bemerkt, dass die anfüh- rungen aus Eratosthenes, die sich auf mythen von Sternbildern beziehen, vom vf. eben so wie die Katasterismen auf ein pro- sawerk zurückzuführen seien. Sie scheinen also von diesem werke ausgeschlossen werden zu sollen : es scheint das doch nicht wünschenswertb. Ferner: Poetae latini minores. Eccensuit et emendavit Aemilius B aehrens: soll Wernsdorfs Poetae la- tini minores ersetzen: auch ein gewiss nur zeitgemässes unter- nehmen; doch möchten wir darauf aufmerksam machen, dass passende einleitungen zu den einzelnen gedienten nöthig er- scheinen und solche vom philologischen publicum gewiss nur dankbar aufgenommen werden würden. Ferner: Technologie

Nr. 8. Kleine philologische zeitung. 427

und terminologie der gewerbe und künste bei Griechen und Römern von Hugo Blümner. 2. bd. : wenn der vf. das wirklich leistet, was hier angegeben wird, darf er der höchsten anerkennung versichert sein. Dabei möchten wir den wünsch aussprechen, dass 1) so viel als möglich Griechen und Römer getrennt würden, und dass 2) controversen u. dgl. sowohl um des vfs willen als um des lesers willen nicht in noten, sondern in excurse oder anhänge verwiesen würden. Historische aufsätze und festreden von Arnold Schäfer: nur die drei ersten der fünfzehn hier verzeichneten aufsätze beziehen sich auf die alte weit. Aus der Bibliotheca scriptorum Graecorum et Latinorum Teuhneriana werden angekündigt : Plutarchi Chaero- nensis moralia ex recensione R. Hercheri. Vol. I, und Dictys Cretensis ephemerides belli Troiani libri VI. Recognovit F. Mei- ster, beides sehr erwünschte gaben, so wie auch Theodori Pro- dromi Catomyomachia. Ex recensione R. Hercheri, da dies kleine gedieht hier zum ersten mal mit hülfe eines codex Vene- tus in lesbarer gestalt erscheinen wird.

Catäloge von antiquaren: verzeichniss des antiquarischen la- gers (nr. 149) von H. Härtung in Leipzig, vermischte Schrif- ten enthaltend; antiquarischer anzeiger (nr. 25) der Weller'- schen buchhandlung in Bautzen, classische philologie, bücher sämmtlich gut erhalten.

KLEINE PHILOLOGISCHE ZEITUNG. In Nord Arne- rica sind wieder meetings über Verlagsrecht gehalten: im eige- nen lande will man es wohl anerkennen, aber dem ausländ ge- genüber wehrt sich noch die mehrzahl der buchhändler: s. Bör- senbl. nr. 152.

Die neue bearbeitung von Forcellini's lexicon, besorgt von V. de Vit schreitet rasch vorwärts: das 44. 45 heft ist jetzt angekündigt. Vrgl. Phil. Anz. bd. III, nr. 9, p. 446.

In der sitzung der philologisch -historischen classe der k. k. academie der Wissenschaften zu Wien vom 5. juni hielt prf. Vahlen folgenden Vortrag „über eine controverse stelle in Ari- stoteles' büchern von der seele, wie folgt: der letzte herausge- ber der Aristotelischen schrift über die seele, A. Torstrik, hat sich das grosse verdienst erworben für einen erheblichen theil des zweiten buches eine zweite redaction dieser schrift ans licht zu zie- hen und hat beide fassungen in einer weise neben einandergestellt, die eine nach mehreren seifen anziehende vergleichung und prüfung der abweichungen ermöglicht. In dieser urkundlich festgestellten thatsache , dass von der schrift über die seele im alterthum eine doppelte recension vorhanden war, beide, wie man annimmt, von Aristoteles selbst herrührend hat Torstrik geglaubt, den Schlüssel zu gewinnen zur lösung der vielen und grossen Schwierigkeiten, wel- che namentlich das dritte buch dieser schrift dem verständniss ent- gegensetzt: er nimmt an, dass an einer reihe von stellen klarheit

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und Zusammenhang der Aristotelischen erörterung dadurch gestört und getrübt sei, dass zwei verschiedene redactionen derselben stelle in eins verarbeitet seien. Auf grund dieser hypothese bat er, obne den text selbst umzugestalten, in den kritischen anmerkungen mehr- fach die nach seiner meinung in einander geflossenen redactionen ge- sondert und das der editio prior und der editio posterior angehörige neben einander gestellt. Gegen diese annähme und das darauf ge- gründete verfahren hat man einspruch erhoben, mehr aus allgemeinen gründen, deren sich verschiedene geltend machen lassen, namentlich aus der vergleichung der beiden redactionen , da wo sie urkundlich vorliegen. Doch wird man vielleicht sicherer zum ziele gelangen, wenn man von der prüfung der einzelnen in dieser art behandelten stellen ausgeht und untersucht, ob das angewendete mittel eine wirk- liche lösung der Schwierigkeit gewährt oder die kritik dieses heilver- fahrens überall entrathen kann. Diese Untersuchung erscheint um so gebotener, da man dasselbe verfahren bereits auf andere Schriften des Aristoteles übertragen hat, bei denen nicht einmal wie bei den büchern von der seele die verbürgte thatsache des Vorhandenseins ei- ner doppelten recension zu hülfe kommt. Eine solche stelle aus den büchern von der seele, deren Untersuchung zu einem befriedigenden abschluss geführt hat, ist gegenständ des vorgelegten aufsatzes: wie- wohl das resultat gegen Torstriks annähme gewendet ist, so darf doch nicht verschwiegen werden, dass die Untersuchung durch nichts so sehr gefördert worden als durch dieses herausgebers scharf und scharfsinnig eindringende art der behandlung, mit der er an keiner wirklich vor- handenen Schwierigkeit vorübergeht, nur in der anwendung der heil- mittel sich manchmal vergreift. Der fragliche abschnitt, der sich ohne nachtheil für das verständniss aus der weiteren Umgebung herausheben lässt, steht im eingang des 6. capitels des III. buches. Aristoteles redet davon, dass im denken des einfachen (adtaigsra) der irrthum nicht sei, sondern, dass wo Wahrheit und irrthum sich einstelle , bereits eine Zusammensetzung (<fvv&sais) der begriffe statt- finde: und erläutert zunächst diese synthesis selbst an einem beispiel, welches ihm Empedocles' naturanschauung darbietet , vermöge deren erst die glieder für sich vorhanden gewesen , dann eine Vereinigung derselben eingetreten sei: so seien im bereich des denkens die ein- zelbegriffe erst gesondert, wie incommensurabilität und diagonale (olov ro ußvfXfxttQov xai r\ di&fxiTQog der weitere zusatz ist vom über- fluss), könnten aber eine synthesis zur einheit eingehen, wie in dem satz, die diagonale ist incommensurabel (versteht sich zur seite des Parallelogramms) ; oder auch so , dass beim denken des vergangenen oder zukünftigen die zeit mitgedacht und so eine synthesis herge- stellt werde {tov xqüvov iiqoGtvvouiv xccl Gwn&tls , worin man letz- teres nicht auch mit /qövov verbinden darf). Nachdem so die synthese nach zwei seiten erläutert ist , kehrt Aristoteles zurück zur begründung des hauptgedankens , dass wo Wahrheit und irr- thum sei, da bereits eine Zusammensetzung von begriffen statt- gefunden habe. Der irrthum, sagt er, besteht immer in der Zu- sammensetzung: denn wer das weisse nicht weiss und weiss das nichtweisse nennt, macht eiue synthesis. Man kann aber auch, fügt er hinzu, alles von der diairesis aussagen, die man schon nach dem platz, an dem diese bemerkung steht , nur von der negativen aussage wird verstehen dürfen ; daher Aristoteles anderwärts (n. iq/j*]v. c. 1) Wahrheit und irrthum in synthesis und diairesis setzt, doch indem er hier diesen nur angedeuteten unterschied auf sich beruhen lässt, fasst er in form eines beispiels die beiden seiten des haupt-

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gedankens zusammen, dass Wahrheit und irrthum nicht blos in der einfachen Zusammensetzung von begriffen, sondern auch in der die zeit mitdenkenden synthese gegeben sei, und schliesst ab mit dem satz: das aber, was die begriffe zur einheit verbindet, ist der geist. Aus dieser kurzen bezeichnung des gedankenfortschrittes , bei welcher die gerade in diesen büchern vielfach überaus schroffe und karge ausdrucksweise des Aristoteles nur ein wenig in fluss gebracht ist, springen zwei seiten des gedankens hervor, die erläuterung der synthesis als solcher, und zweitens, dass in der Zusammensetzung erst Wahrheit und irrthum gelegen sei. Und diese beiden in einander verschlungenen theile des gedankens hat Torstrik von einander ge- löst und in die beiden redactionen verlegt: es wird der nachweis versucht, wie keine dieser beiden von ihm erst erfundenen fassungen für sich allein befriedigend genannt werden kann , und andrerseits dargethan, dass die gegen den überlieferten Zusammenhang geltend gemachten Schwierigkeiten bei sorgsamer exegese verschwinden, die freilich den weg durch sehr detaillirte ausführungen über Aristoteles' arfc und ausdrucksweise nehmen muss. Auch im einzelnen hat Tor- strik noch mehrfach abänderungen des überlieferten textes nothwendig erachtet, die nicht stichhaltig sind, wie, ausser dem schon im frü- heren angedeuteten , an ndvia 430b 4 , das man nur in der durch den Zusammenhang gebotenen einschränkung zu nehmen hat, um es richtig zu finden , und an dem nach dem sonstigen Aristotelischen Sprachgebrauch durchaus untadeligen all' ovv %ßu yt ov (xövov xrk. Nur an einer stelle ist augenscheinlich eine verderbniss der Über- lieferung eingetreten , die man längst erkannt und in verschiedener weise zu verbessern gesucht hat, für die aber eine einfache und der weise des Aristoteles besser entsprechende herstellung in Vorschlag ge- bracht wird: xccl yay «V to Xsvxbv firj ktvxbv (xal Xtvxbv~) rb fxrj Itvxöv,

GVVS&r]X£V.

»Ueber den bedeutungswechsel gewisser, die Zurech- nung und den ökonomischen erfolg einer that bezeich- nender technischer 1-ateinischer ausdrücke« ist der titel einer abhandlung, welche Moritz Voigt, professor zu Leipzig in den abhandlungen der philologisch - historischen classe der sächs. ge- sellsch. d. wiss. VI, p. 159 flg. veröffentlicht hat. Wir finden in der abhandlung sehr eingehende forschungen über den allmählichen be- deutungswechsel der folgenden ausdrücke der römischen rechtssprache : culpa, fortuna, voluntas, prudentia, scienüa, animus, dolus, fraus, no- xia, noxa, damnum und andere, und resumiren wir den inhalt der ab- handlung mit dem Verfasser (p. 157, 158) wie folgt: »allenthalben be- kundet sich somit der process, dass eine anzahl von worten , die von alters her zur technischen Vertretung gewisser juristischer begriffe be- rufen sind , im laufe der zeit diese ihre function einbüssen und be- ziehentlich die Vertretung des betreffenden begriffes an einen andern ausdruck abgeben. Und zwar tritt hierbei ein zweifaches verhältniss zu tage: zunächst nämlich, dass die alttechnischen ausdrücke infolge jenes processes selbst ihre technische function verlieren und somit aus dem kreise der juristisch technischen begriffe ganz heraustreten; und dies ist der fall mit den worten fortuna, prudentia , im- prudentia , noxa, lax, wie auch sciens dolo malo. Und zwar sind hier die agentien solchen processes theils intuitiver beschaffen- heit, beruhend in einem Wechsel der nationatanschauung oder der wissenschaftlichen autfassung, wie bezüglich der worte fortuna und prudentia , imprudentia, theils sind sie gegeben in dem bestreben nach kürzung einer lästig vollen formel , wie bei sciens dolo malo, während dieselben wiederum bezüglich der worte la?

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und noxa unserer kenntniss sich entziehen. Sodann tritt aher auch darin die andere erscheinung zu tage, dass ein von alters her über- lieferter technischer ausdruck, die altvertretene bedeutung aufgebend und an ein anderes wort abtretend, selbst zugleich wieder die Ver- tretung eines anderen technischen begrifl'es übernimmt , der von al- ters her mit einem ganz anderen worte verbunden war. Und dies ist in isolirter weise der fall, wenn fr aus in der nachaugusteischen zeit die Vertretung des begriffes von nachtheil aufgiebt und dagegen von hinterlist übernimmt. In viel weiterer ausdehnung und Verket- tung aber tritt solcher process auf innerhaLb der wortreihe: dam- num, noxia, culpa, imprudentia oder inscientia und casus, wie fortuna. Denn damnum, von alters her die rechtsverbind- lichkeit bezeichnend, übernimmt durch die lex Aquilia von 467 die technische Vertretung des begrifl'es schaden ; dadurch nun wird noxia, welches von alters her diesen letzteren begriff technisch repräsentirt, aus dieser seiner Stellung verdrängt und übernimmt im sechsten Jahr- hundert die Vertretung des begrifl'es Verschuldung; hiermit wiederum ward das wort culpa, welches den letzten begriff von alters her tech- nisch repräsentirt hatte, frei zur übernähme der technischen Vertretung des begrifl'es fahrlässigkeit, welche ihm von Qu. Mucius Scaevola Pont., sonach in der mitte des siebenten Jahrhunderts, übertragen ward; und in folge dessen verloren ebenso die imprudentia und inscien- tia ihre Stellung als technische bezeichnungen der fahrlässigkeit, wie auch die indirecte Vertretung dieses begrifl'es durch das wort casus, als des aus fahrlässigkeit nicht berechneten , aber berechenbaren er- folges einer handlung entbehrlich wurde, daher nun in der zweiten hälfte des siebenten Jahrhunderts casus diese seine altüberlieferte bedeutung verliert und die technische Vertretung des begrifl'es zufall übernimmt, infolge des wiederum fortuna seiner altüberlieferten repräsentation dieses begrifl'es entsetzt und aus dem kreise der juri- stisch technischen ausdrücke gänzlich verdrängt wurde«.

Heidelberg, 18. juni. Vor kurzem ist ein bemerkens- werther fund gemacht worden, der sich auf die im dreissig- jährigen kriege von hier nach Rom geführte grösste bibliothek der damaligen zeit, die bibliotheca Palatino,, bezieht. Mit der Verpackung und dem transport derselben nach Rom war vom pabste als bevollmächtigter Leo Alacci beauftragt, welcher über seine hin - und herreise eine bisher unbekannte, sehr genaue beschreibung handschriftlich hinterlassen hat. Diese handschrift wurde kürzlich in einem dorfe bei Udine aufgefunden und so- fort dem oberbibliothekar der hiesigen Universitätsbibliothek, geh. hof-rath Dr Bahr, iibersandt, welcher sie in den „Heidel- berger Jahrbüchern" veröffentlichen wird. Der inhalt der hand- schrift ist in vielfacher beziehung von interesse. Unter ande- rem wird die vom stadtpfarrer Herbst hier neuerdings aufgestellte behauptung, die bibliothek sei auf der zweiten emporkirche der im jähre 1400 u. ff. erbauten Stiftskirche zum heiligen geist aufbewahrt gewesen, durch Alacci vollkommen bestätigt.

AUSZUEGE aus Zeitschriften : Archäologische zeitung herausgege- ben von E. Hübner, 1872, bd. IV. heft 2: H. Megdemann, v'asen- sammlung des museums zu Palermo, dabei taf. nr. 45—48 nebet ei-

Nr. 8. Auszüge aus Zeitschriften. 4ol

nem holzsclinitt (zu taf. 47 s. Conze hft. 4, p. 163); p. 53: besonders zu beachten die darstellung von Aias des Telamoniers tod und die der weihung des ofupeckds zu Delphi. H. Iordan , über römische aus- hängeschilder, mit holzschnitt; p. 65: enthält viel wichtiges über to- pographie Rorn's; daneben auch einen anhang: tres Fortunae , mit bezug auf Krinagoras in Anth. Plan. IV, 40, p. 77. J. Friedlän- der, Philoktet und Aeacus auf zwei münzen des k. rnünzkabinets in Berlin, mit einer lithographie ; p. 79. A. Conze, athenisches se- pulcralrelief, mit tafel nr. 49 ; p. 81. K. Bötticher, zwei hermen- bildnisse der Sappho , mit photographischer tafel nr. 50; p. 83. E. Hühner, die madrider Sapphoherme, p. 86: sucht sich gegen tadel in Bötticher's vorherstehendem aufsatze zu rechtfertigen. Mi sc ei- len und berichte: Sitzungsbericht des arch. instituts zu Rom vom 21. april, p. 87. Archäologische gesellschaft in Berlin, p. 89. E. Hübtier, die fälschung der nenniger Inschriften, p. 95. L. Schwabe, Aphrodite mit der sandale drohend, p. 97. Ad. Michaelis, Priamos bei Achilleus, p. 100. H. Heydemann, apulische vasenbilder, p. 101. A. I. Murray, etruskische Spiegel, p. 102. E. aus'm Werth, ausgrabungen in Nennig und Cöllig, p. 103. E. Herzog, neue inschrift aus Africa, p. 104, mit zusatz von Th. Mommsen , der den schluss der inschrift aus dem jähr 186 p. Chr. anders als Herzog lies't.

Heft 3, 1872: H. Wittich, von den maassen des Parthenon, des vorpersischen und des perikleischen, p. 105. A. Michaelis, zu den Parthenonsculpturen, p. 110: bezieht sich auf Böttiger's catalog und auf erörterungen von Matz: s. ob. nr. 3, p. 145 und Philol. Anz. III. nr. 12, p. 604. H. Heydemann, relieffragmente , mit tafel 54; p. 116: wegen der Aeneassage zu beachten. Miscellen: R. För- ster, archäologische miscellen, mit taf. 55, p. 123: nr. V bezieht sich auf den cult der Hera in Sicilien und bespricht dabei folgende in- schrift :

APKE29.1 A12XYAOY HP AI EYXAN Stalin, neue inschriften aus Würtemberg, p. 131. Forchham- mer, Eirene mit dem Plutos und Athene Lemnia, p. 131.

Augsburger allgemeine zeitung, beil. zu nr. 185: geschichtsforschung am Oberrhein. I. : sehr lesenswerth. L. Stark, nach dem griechi- schen Orient. IL Die Donaufahrt zwischen Linz und Wien : ohne alles interesse. Beil. zu nr 186: Steger, platonische Studien: anzeige. Beil. zu nr. 187. 188. 189: M. Wagner, über den einfluss der nahrungs- mittel auf völkerzustände und kurlturgeschichte. Nr. 188. Beil. zu nr. 189. nr. 90. beil. zu nr. 193: zum Jubiläum der Universität Mün- chen. — Beil. zu nr. 189: die bildung des geistlichen.— Nr. 190. beil. zu nr. 190 : nach dem griechischen Orient. III. Zehn tage in Wien. Historischer gesammteindruck der stadt. Die antike kunst und ihre Sammlungen. Moderne bauten und ihr styl: dies die Überschrift, welche genügen wird, um jeden über die bedeutung des hier gegebe- nen zu unterrichten. Beil. zu nr. 191: bericht über das todten- feld bei Regensburg (s. ob. nr. 7, p. 382), wo namentlich merkwür- dige thierreste gefunden. Nr. 183. 194. 195 : die enthüllung des Steindenkmals. I. IL III. Nr. 195 : das werk des grossen ge- neralstabs: nämlich des preussischen über den krieg gegen Napo- leon III. Beil. zu nr. 195. 196: die geschichtsforschung am Ober- rhein. IL Beil. zu nr. 196 : die frage über das 25jährige pontifi- cat Petri. Nr. 197: ein illustrirtes conversations - lexicon. Beil. zu nr. 198. 199. 200. 201 : nach dem griechischen Orient von B. Stark, IV: von der Donau zum Bosporus. Donaufahrt von Wien nach Pest,

432 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 8.

Gesammteindruck von Buda-Pest. Die bäder. Das nationalmuseuni und die Esterhazy-gallerie. Von Pest nach Konstantinopel : ohne philologi- schen inhalt. Beil. zu nr. 199. 200/ das reich und die Wissen- schaft, von L. Bamberger, I. II: geistreiche betrachtungen ; auch über die Verbreitung der classiscben literatur bei dem kaufmannsstande in England,; leider ist ein gleiches von Deutschland nicht zu sagen. Beil. zu nr. 201 : Kraus, die »nachfolge Christi« und die Jesuiten. Die orakel: anzeige des schriftchens von Dühler über diesen gegen- ständ. — Beil. zu nr. 204 : das reich und die wissenschdft. III. IV. Die abteikirche zu Seligenstadt und das grab von Einhard's und Emma's. Unermessliche heuschreckensckwärme in Sardinien. Nr. 203: der katholicismus in England. Beil. zu nr. 203: J. Gr. Hamann. Pho- tographie und lichtdruck in ihrer bedeutung für die Wissenschaft. Nr. 204: gottesdienst bei dem Jubiläum der Universität München.

G, Füllner , deutsche b lütter , eine nionatsschrift. 1871, nr. 11, november: G. M**, das Elsass und seine bedeutung für Deutschland: I. Die politischen zustände. Nr. 12, december, p. 149: A. Schä- fer, die bedeutung des Studiums der alten geschichte für die gegen- wart, rede: nimmt unter anderem beachtenswerthen auch besonders auf Niebuhr rücksicht. P. 205 : G. M**, das Elsass und seine bedeutung für Deutschland. II. Die religiösen und kirchlichen zu- stände : sehr beachtenswerthe abhandlung , die nach allen seiten un- parteiisch und einsichtsvoll sich zeigt.

Zar n che s literarisches ccntralblatt, nr. 9: Anisii Manlii Severini Boetii philosophiae consolationis libri quinque. Acccdunt eiusdem atque incertorum opuscula Sacra. Bec. B. Peiper. 8. Lips. Teubner. 1871: kurze anerkennende anzeige , jedoch scheint dem reo. zu wenig für eine neue ausgäbe im texte verändert. Sonderbare leute diese recen- senten! G. Soltau, de fontibus Plutarchi in secundo belle- Pu- nico enarrando. 8. Bonn. Weber. 1870: kurze, den ansichten des vfs. beitretende, aber das greuliche latein noch schmerzlich empfindende anzeige. Nr. 10 : F. W. Cuhnann, versuch einer erklärung der ad- spiraten nebst beleuchtung gewisser grundsätze der neueren Sprach- forschung. 8. Leipzig: wird von ref. C. als ganz verfehlt bezeich- net. — S. Thasci Caecili Cypriani opera omnia et appendix . . ex rec. G. Hartelii. 2 voll. 8. Wien. 1871: anzeige, die doch dem fleisse des vrfs gerechter hätte sein sollen. Joannis Zonarae epitome historiarum cum C. Ducangii suisque annotationibas ed. Lud. Din- dorfius. Vol. IVum. 8. Lips. Teubn. 1871: referat ohne urtheil. Nr. 11: Analecta philologica historica I . . . diss. A. Schoen e. 8. Lips. 1870 : lobende inhaltsanzeige : genaueres s. Philol. Anz. II, nr. 9, p. 436. Nr. 12 : Nie. Madvigii adversaria critica ad scri- ptores graecos. Praemittitur artis criticae conjecturalis adumbratio. 8. Kopenh. 1871: anzeige von W., der trotz vielen lobes doch mit der theoretischen abhandlung über die sg. ars critica sich nicht ein- verstanden erklärt. Wie wenig befriedigend die griechischen dich- ter von Madvig behandelt seien ist von Heimsöth (s. Philol. Anz. III, n. 8, p. 395) schlagend nachgewiesen. Das sollten doch die re- ferenten nicht verschweigen. 31. Schanz, novae commentatio- nes platonicae. 4. Würzburg. 1871, anzeige vou B. F., welche die Wichtigkeit der schritt eben nicht erkennen lässt: s. oben nr. 3, p. 113. Nr. 13: Bevue critique d'histoire et de litterature, red. de M. Breal, P. Meyer, C. Morel, G. Paris. 8. Paris: anzeige, dass diese Zeitschrift wieder erscheine, dabei bemerkungen über fran- zösische Verkehrtheiten in betreff des letzten krieges.

Nr. 9. September 1872.

Philologischer Anzeiger,

Herausgegeben als ergänzung des Pkilologus

von

Ernst von Leutsch.

247. Corpus inscriptionum latinarum consilio et auetori- tate acaderniae literarum regiae Borussicae editum. Volumi- nis quinti pars prior, fol. Berolini apud Georgium Reimerum. MDCCCLXXII.

A. u. d. t. : Inscriptiones Galliae cisalpinae latinae. Con- silio et auetoritate academiae literarum regiae Borussicae edidit Theodorus Mommsen. Pars prior inscriptiones regionis Italiae deeimae comprehendens. fol. Berolini apud G. Reime- rum. MDCCCLXXII. 56 u. 544 ss.: 16 thlr.

Es ist sehr erfreulich , dass die academie und die heraus- geber in folge mehrfach geäusserten Wunsches mit diesem bände beginnen einzelne abtheilungen des grossen inschriftenwerkes herauszugeben, da ja die in dem hier aufgespeicherten material geborgenen schätze so wie die an sie sich anknüpfenden gelehr- ten ausführungen und bemerkungen nicht früh geuug der for- schung und benutzung übergeben werden können. Da diesem bände weder vorrede noch register beigegeben, beschränken wir uns auf eine möglichst kurze inhaltsangabe , eine genauere besprechung späterer zeit vorbehaltend. Der band beginnt mit: inscriptiones falsae vel alienae, auf 56 Seiten 590 inschriften : die arabischen zahlen sind mit einem Sternchen versehen ; etwas unbequem ; besser wären doch lateinische gewesen. Darauf fol- gen auf pp. 1 544 in 56 abschnitten 5091 inschriften, alle mit gleicher Sorgfalt behandelt: p. 1. 2 enthalten einen ab- schnitt: de Histria et histricarum inscriptionum auetoribus , dem aber bei jeder folgenden Stadt, ist nur stoff dazu vorhanden, zur ergänzung specielle gleicher art folgen, so p. 53 eine kurze geschichte von Tergeste, dann de auetoribus Tergestinis, p. 78 Philol. Anz. IV. 28

434 247. Epigraphik. Nr. S.

83 inschriftensammler von Aquileja, p. 83 geschiebte der stadt, p. 178 von Colonia Iulia Concordia, p. 186 von Opitergium, p. 201 von Tarvisium , p. 319 von Verona u. s. w.: auf solche einleitungen folgen dann in der aus den frühern bänden be- kannten behandlungsweise die inschriften selbst. Die einzelnen abschnitte sind folgende :

I. Nesactium? Barbana. Momorano. Altura, p. 2; II. Colonia pietas lulia Pola (PolaJ. Tribu Velina? p. 3; III. Rovigno, p. 33; IV. Pedena et Pisino cum locis vicinis , p. 34; V. Colo- nia Iulia Parentium (Parenzo). Tribu Lemonia, p. 35 ; VI. Abrega, p. 39; VII. Neapolis (Cittanuova) , p. 39; VIII. Volles Quieti fluvii et Montonensis, p. 41 ; IX. Piquentum (Pinquente) , p. 44; X. Umago. Salvore. Pirano. Isola , p. 48; X (sie), Capodistria. Acc. Lonche et Cernical, p. 49; XL Tergeste colonia (Trieste). Tribu Pupinia, p. 53 ; XII. Ager inter Tergeste Aquileiam Alpes Iulias, p. 75; XIII. Histriae incertae, p. 77; XIV. Mun. Aqui- leia (Aquileja). Tribu Velina, p. 78 ; XV. Forum Iulium (Civi- dale d' Austria sive Patria dl Friuli). \Tribu Scaptia, p. 163; XVI : Friulanae incertae, p. 166 ; XVII. Ad Tricesimum (Trice- simoj. San Daniele et vicinia, p. 167: XVIII. Glemona? (Ge- mona). Acc. Moggio et Resiulta, p. 169 ; XIX. Col. Iulium Carnicum (Zuglio). Tribu Claudia. Acc. Monte della Croce et Comegliano, p. 172; XX. Col. Iulia Concordia (Concordia). Tribu Claudia? p. 178; XXI. Opitergium (Oderco). Tribu Papiria, p. 186; XXIII. (sie) Pagus Lacbactium (Castello Lavazzo), p. 191; XXIV. Bellunum (Belluno). Tribu Papiria, p. 192; XXV. Feltria (Feltre). Tribu Menenia , p. 195; XXVI. Acelum ? (Azolo) et vicinia, p. 198; XXVII. Tarvisium (Treviso). Tribu Claudia, p. 201; XXVIII. Altinum (Altino). Tribu Scaptia. Venezia, p. 201 ; XXIX. Pelestrina. Chioggia, p. 210; XXX. Atria (Adria). Tribu Camilia, p. 220; XXXI. Ferrara cum agro , p. 225; XXXII. Rovigo cum agro, p. 236 ; XXXIII. Col. Ateste (Este). Tribu Romilia, p 239 ; XXXIV. Patavium (Padova). Tribu Fabia, p. 263; XXXV. Vicetia (Vicenza). Tribu Menenia, p. 304; XXXVI. Verona (Verona). Tribu Poblilia, p. 319; XXXVII. Arusnatium Pagus (Fumane in Volle Palicella), p. 390; XXXVIII. Ager inter Benacum et Athcsin a Bardalino ad Roveretum, p. 398 ; XXXIX. Avilica (Peschiera). Sirmio (Sirmione), p. 400; XL. Ager inter Benacum Mincium Oll/um Clesum, p. 403 : XLI. Man- tua (Manlua). Tribu Sabatina, p. 40b; XLII. Ager inter Man- tuam et Cremonam. Betnacum (prope Calvatone), p. 411; XLIII. Col. Ciemona (Cremuna). Tribu Aniensi, p. 413 ; XLIV. Ager inter Cremonam et Brixiam, p. 419; XLV. Col. civica Aug. Bri- xia (Brcscia). Tribu Fabia, p. 426; XLVI. Benacenses» (Tos- colano). Tremofcine. Limone, p. 507; XLVII. Val Bona. Sa* biui (Val Sabbia), p. 512; XLVIII. Trumpliui (Val Trompia),

Nr. 9. 247. Epigraphik. 435

p. 515; XLIX. Caraunni (Clvidate dl Val Camoniea). Tribu Quirina, p. 519; L. Riva-Vallis Gludicavia, p. 524; LI. Col. Tridentum (Trento). Tribu Papiria , p. 529; LH. Ausugum (Borgo d. Val Sugan), p. 536 ; LUX Anauni (Val di Non), p. 537; LIV. Vallis Eisack ß. Sublavio (Sehen). Vipitenum (Ster- zing), p. 542 ; LV. Vallis Athesis supra l'ridentum, p. 543.

Aus dieser dürren übersieht ergiebt sich zunächst, wie zer- streut die inschriften sind und wie grade die orte, wo man die meisten und auch ältere erwartet und wünscht, die erwartung täuschen. Viel wichtiges enthalten sie aber und dies nun mit Sicherheit und bequem ausnutzen zu können, haben wir der meisterhaft durchgeführten behandlung zu danken, welche über- all den ausdauerndsten und wahrhaft bewundernswürdigen fleiss, die grösstmögliche Sorgfalt und aufmerksamkeit erkennen lässt. Ueberall begegnet man Mommsen's descripsi, contuli, überall wer- den um einer inschrift willen massen von büchern eingesehen und benutzt und verglichen : wo Interpolationen sich finden, wo ein stein schwierig zu lesen war, wird es angegeben; glaubt der verf. allein nicht durchzukommen, zieht er hülfe zu, wie Stu- demund, s. p. 359, vrgl. p. 378. 417 und erregt durch die- ses u. a. überall das grösste vertrauen für seine angaben und texte. War gleich die grösste kürze geboten, so findet sich doch räum für ergänzung der Kicken, für erklärung schwieriger formein und ausdrücke, für Verweisungen in betreff der in den inschriften erwähnten personen , z. b. über die Nonii p. 330, für berichtigung alter und neuer autoren , wie über Drusus p. 521, über Julius Cäsar, p. 57, die dispensatores p. 15 kurzum es tritt uns hier ein reichthum von angaben aller art und eine meisterschaft in behandlung desselben entgegen, auf die Deutschland mit vollem recht stolz sein darf. Viel mehr wird sich das bei genauerer beschäftigung zu der die zeit ja noch nicht ausreichte und nach Vollendung des bandes aufdrängen: möge dem vf. kraft nicht fehlen, die Vollendung bald zu be- werkstelligen.

E. v. L.

248. Homerische abhandlungen von Dr Heinrich Dün- tzer, professor und bibliothekar. 8. Leipzig. Hahn'sche Ver- lagsbuchhandlung. 1872. XVI u. 604 ss. 3 thlr.

Die vorrede, bestimmt, wie es scheint, die Selbständigkeit

28*

436 248. Homeros. Kr. 9.

der in den abhandlungen vorgetragenen ansichten nachzuweisen, erzählt wie vf. schon auf dem gymnasium eigne ansichten über das wesen und die Schicksale der epen des Mäoniden sich ge- bildet habe, so dass weder Nitzsch's forschungen noch später auf der Universität Welcker's und Näke's Vorlesungen ihn hät- ten befriedigen und in seiner rneinung wankend machen kön- nen: er unternahm daher „zu seiner eigenen belekrung" (p. rv) eine vollständige darleguug seiner auffassung, deren Schilderung p. v mit den worten schliesst: „man wird gestehen, dass eine solche arbeit des eben zwanzigjährigen studirenden nicht allein grosse liebe zu dem dichter, sondern auch ein streben nach all- seitigem eindringen verräth". Darnach begreift sich, dass auch Böckh, den vrf. im winter 1834/35 zugleich mit Alexander von Humboldt warum wird der eigentlich hier erwähnt? hörte, ohne einfluss auf Düntzer's Homer -forschung blieb: we- nigstens ist p. v von einem solchen nichts zu lesen. Seit 1836 beginnt dann der vf. einzelne theile seiner Studien durch den druck bekannt zu machen: er führt sie chronologisch auf, un- termischt mit mancherlei wie ich meine den leser nicht immer angenehm berührenden bemerkungen. So heisst es p.vm: „im jähre 1847 ich war ein jähr vorher in folge wohlgeleiteter, kein mittel scheuender und über leider zu grosse verfügender Verfolgung eines neuerdings in anderer weise entlarvten gegners aus meiner verkümmerten academischen thätigkeit geschieden legte mir" u. s. w.: eine klage und anklage, wie sie nie sollten geschrieben werden : denn nur wenigen ist beschieden durch's leben ohne kämpf zu kommen und wer in ihm von seiner bahn sich abdrängen lässt, ist eben der schwache will man anklagen, lege man rücksichtslos und klar das erlittene unrecht dar, so dass auch der fernstehende urtheilen kann: verfährt man an- ders , so ruft man vermuthung über die schwäche der eignen sache wach. Anziehender sind die mittheilungen aus briefen von Böckh und Welcker, welche der vf. als solche, die seinen „homerischen forschungen mit innigem antheil und lebendiger an- erkennung gefolgt seien'' p. ix, mit gebührendem danke erwähnt: wir heben von den briefen des erstem hier nur den letzten (p. Xl) hervor: Düntzer scheint über mangel an anerkennung geklagt zu haben, worauf Böckh schreibt: „aber zum theil ist auch die wähl der litteratur darau schuld, der Sie sich widmen; ich

Nr. 9. 248. Homeros. 437

meine die homerische, die ein unauflösliches knäuel ist, obwohl" u. s. w. : eine merkwürdige mahnung, hervorgerufen wohl durch das Schicksal der Schriften über Homer; denn während auf an- dern gebieten gute bücher den Verfassern dank mancher zeiten einbringen, vermögen hier kaum die, welchen grade in den hauptfragen für ganze generationen grundlage und richtung zu finden vergönnt war, sich dauernder Wirkung zu freuen: al- les andre verschwindet schneller als rauch. Auch sonst ver- hält sich Böckh" abwehrend gegen Düntzer's resultate : ,,und ich stimme ihnen in den meisten fällen bei", heisst es p. xi, „so- bald ich mich auf Ihren Standpunkt stelle, obgleich durch die athetesen grosse Schönheiten verloren gehen'': ja, wenn der Standpunkt nicht wäre! Und so noch öfter: natürlich findet er auch zu loben; doch in betreff der hauptsache muss man verstehen, zwischen den zeilen zu lesen.

Auf diese vorrede folgen die abhandlungen selbst; nicht alle die fehlenden finden sich p. xm verzeichnet , aber fast unverändert, Verbesserungen des ausdrucks abgerechnet: ich billige das nicht, meine vielmehr, dass ein Schriftsteller nie die gelegen- heit, früher geschriebenes umzugestalten und zu bessern unbenutzt vorüber gehen lassen sollte. Die abhandlungen sind folgende :

1. Peisistratos und Homeros. Nebst zusatz, p. 1 ; 2. Ueber Lach- manns kritik der homerischen gesänge. I. II, p. 28; 3. Lachmanns nächste nachfolger. Nebst zusatz, p. 101; 4. Das prooemium der Ilias. Nebst zusatz, p. 164; 5. Das erste buch der Ilias in seiner untheilbarkeit. Nebst zusatz; p. 180; 6. Der schiffskatalog der Ilias. Nebst zusatz; p. 212; 7. Das dritte bis siebente buch der Ilias als selbständiges gedieht. Nebst zusatz, p. 234; 8. Die Doloneia, p. 305; 9. Ueber das vierundzwanzigste buch der Ilias, p. 326; 10. Die Wächter im letzten buche der Ilias, p. 377; 11. Ueber den schluss der Ilias, p. 383; 12. Das kunstgesetz des Homeros nach 2000 jähren wieder entdeckt durch W. Jordan (dieser aufsatz war bisher noch nicht gedruckt, s. vorr. p. XIII), p. 399; 13. Der zorn des Poseidon in der Odyssee, p. 409; 14. Die composition des ersten buches der Odyssee, p. 429; 15. Eine noch unentdeckte interpolation im eilften buche der Odyssee, p. 446 ; 16. Zur homerischen darstellung der Skylla und Charybdis. p. 451; 17. Die bedeutung der Wiederholungen für die homerische kritik, p. 464 ; 18. Zu den homerischen gleichnissen , p. 485; 19. Zur beurtheiluug der stehenden homerischen beiwörter, p. 507; 20. Ueber den einfluss des metrums auf den homerischen ausdruck. Nebst zusatz, p. 517; 21. 'A^ctiol, TlttvctycaoL, 'Agyelot, Javctoi bei Homeros, p. 565 ; 22. Ueber av, ewre, avng und av&tg, p. 573. Dazu p. 593 flg. register.

Die längst bekannten aufsätze hier zu kritisiren, kann un-

sre aufgäbe nicht sein; über die zu s ätze dagegen müssen

wir wohl ein wort sagen. Als characteristisch für den ton des

438 248. Homeros. Nr. 9.

vrfs. heben wir den gegen I. Bekker's ansieht vom proömium der Ilias gerichteten zusatz p. 176 hervor: dass Diintzer diese an- sieht eine „höchst unglückliche" nennt, dazu hat er gewiss das recht; aber sätze wie dieser: „wenn ein mann von Bekkers kenntniss des alterthums im ernste meinte , wegen der schreck- lichen folgen des zorns würde dieser Stoff des gesanges den zu- hörer gleich abgestossen haben , ... so weiss man nicht, was man dazu sagen soll" sollten nicht vorkommen. Schreibt ein gelehrter ersten rangs einmal leichtfertig, so soll man ihn rücksichtsloser als jeden andern tadeln: wo aber resultate gewissenhaftesten Studiums von einem solchen wie in unserm falle vorliegen, da darf auch wo man irrthum zu finden glaubt, die acktung und der respect nicht ausser acht gelassen wer- den, namentlich dann nicht, wenn an stelle des. getadelten man selbst nichts besseres als hier geschieht zu setzen vermag; denn Düntzer will II. A, vss. 3 5 auswerfen, sieht also nicht, dass dann «£ ov und noäta nicht genügend motivirt sind, da für sie (xvQia alysa nicht ausreicht: vrgl. nur 0, 295. co , 309. |, 378. r, 595. n, 142. i/j, 18. Aber nach solcher behandlung Bekker's muss ich längst zufrieden sein, wenn es p. 392 heisst: „schon v. Leutsch im Philol. XII, 33 ff. hat die klaggesänge (in II. ,ß) als strophisch nachweisen wollen , welche mühe er sich bei einer so schlechten arbeit billig erspart hätte" : und p. 393 a. e.: „wer die von Leutsch gefundenen Strophen als sol- che mit ihm bewundern will, mag es auf seine gefahr thun!" Dagegen lässt sich nun freilich nicht streiten : eher gegen fol- gendes : „Leutsch . . tilgt 764 f., obgleich diese offenbar 766 ff. einleiten, woher sie mit der ganzen rede stehen und fallen", p. 393: denn 1, tilge ich gar nicht vs. 764. 65, sondern 765 und 766, den ersteren (765), vielleicht eine reminiscenz aus Od. m, 310, ausserdem von Düntzer p. 391 selbst ausgeworfenen, mit den alten; und 2, enthalten die vss. 765. 66 nichts, was nicht vs. 764 enthielte ; warum soll also 764 zum einleiten nicht genügen? Düntzer findet freilich Ij psv unerträglich: wir setzen die verse deshalb hierher :

"Ehtoq, £[acZ) Ovfuo 8aSQ03v nolv qn'Xrazs nccvr(or} tj fiiv (xoi noaig iartp 'yäls^avögog O-Eosid/jg, ng ft ayays TqoItjvS'' oj? ttq\v cöcfsXlov nXfadai. 765 [Jjdq yaQ vvv fioi toö" iawoazov hos iöTtv,

Nr. 9. 248. Homeros. 439

ov xel&ev sßrjv xal iftrjg aneX?jlv&a jtuTQi]?.].

dlV ov nco atv anovaa xaxov 'inog ovo* afsiyrjlov xrX. Zur rechtfertigung der stelle bemerke man, dass Helena psy- chologisch fein und richtig in dieser rede der der Hekabe folgt und zwar am genauesten im anfang; dass ferner der sinn der drei ersten verse dem inhalt nach den II. Z, 345 ausgespro- chenen gedanken enthalten; dieser sinn endlich auch hier voll- kommen der Situation entspricht : „Hektor, fürwahr mein ge- mahl ist gewiss Alexander , der mich leider nach Troja führte, d. h. du hättest mir als der Urheberin vieles leides für Troja zürnen und mich hassen können aber du hast mir immer liebe bezeugt und das berechtigt mich dich (vs. 772) zu beklagen": somit enthalten diese ersten verse die grundlage der ganzen folgenden klagrede und daher wird am schluss mit vs. 773 auf vss. 763. 64, mit vs. 775 auf vs. 762 [noXv q>(XTatf) schön zurückgewiesen. Indem ich noch hinzufüge, dass auch vs. 772 vortrefflich passt und (vrgl. II. H, 119) nicht anzutasten ist, wende ich mich noch zu Q, 721, der p. 388 besprochen wird ohne meine behandlung Philol. Suppl. bd. I, p. 72 zu berücksichtigen : die richtige lesart soll sein : &Qr'jvovg, l^aQ^ova' oizs axovötaaav aoidrjv, eine lesung, welche La Roche verworfen hat: dagegen replicirt Düntzer wie folgt: „weil er in gewohnter leichtfertigkeit meinte, das relativ müsse nothwendig am anfange des satzes stehen. Er kennt also diese von Homeros ab allen dichtem geläufige freiheit gar nicht!" Aber wo steht denn bei Homer das prädicat vor dem relativ und vor allem gerade vor o gts ? Zu dem beweise dafür genügen selbst stellen nicht wie IL B, 125. La Roche ist also sehr sorgfältig hier verfahren, hat in diesem falle ganz recht, wird auch gewiss noch aus andern gründen sich an Düntzer's ansieht nicht haben anschliessen mögen: was mich betrifft, so halte ich auch jetzt noch an der im Suppl. bd. 1. c. angenom- menen lücke fest. Freilich will zu solchen Vorkommnissen der in der vorrede für diese abhandlungen in ansprach genom- mene „besonnene ernst" nicht recht passen: es mag ausser an- derm auch darin der grund von solchen fehlgriffen liegen, dass auch Lachmann's forschung auf den vf. nicht gewirkt hat : das was ich Philol. XIII , p. 238 über diese geschrieben , dürfte zumeist auch von diesem hier angezeigten buche gelten. E. v. L.

440 249. Homeros. Nr. 9.

249. Bemerkungen über den gebrauch von iditv bei Homer, I. Von Skerlo x}. 4. Progr. Graudenz 1869. 20 s.

Das verbum iSsh erblicken bezeichnet das eintreten eines gegenständes in den gesichtskreis und ist mit recht aoristisch, weil nur den moment ausdrückend. Einen imperativ kann das verbum streng genommen nicht bilden, doch sei schon Homer über diese grenze hinausgegangen und habe ihn dreimal. Das geistige sehen, bei dem p. 3 stellen wie 0105, 316, N 449, fi 44, a 375 übergangen werden, sei vorzüglich dem medium ei- gentbümlich und komme in der Ilias deshalb mehr vor, weil da eidsvai und idslv noch nicht so vollständig geschieden wa- ren als in der spätem Odyssee. Das medium unterscheide sich vom activum dadurch dass es hervorhebe dass das erblicken des gegenständes von umständen abhängig sei. Ob dieser un- terschied des mediums sich behaupten lässt , soll hier nicht un- tersucht werden, jedenfalls ist er nicht qualitativ, sondern quan- titativ und deshalb Schwankungen unterworfen , die im vorlie- genden falle über die grenzen einer gesunden interpretation hinausgehen. Ohne die in den ausgaben hie und da verstreu- ten bemerkungen z. b. von Ameis und La Roche zu erwähnen, bemüht sich der vrf. an jeder einzelnen stelle nachzuweisen, dass ein solches hervorheben und also das medium nöthig sei oder im gegentheil das activum platz finden müsse. Dabei muss er sein ursprüngliches princip vielfach erweitern und um- gestalten und kommt doch nicht ganz aus. So wird p. 10 die zweite pers. medii ä 205 vertheidigt , und z/ 195 die dritte pers. activi weil bei der dritten person kein grund vorhanden sei die Schwierigkeiten welche sich dem sehen entgegenstellen her- vorzuheben. Dagegen ist p. 9 in A 203, die zweite pers. activi vorgezogen, weil da ein perfect dabei stehe. Es scheint als ob bei der Vergangenheit die schon überwundenen Schwierigkeiten keine weitere beachtung finden sollen. Wenn vf. A 262 in i8ov die nicht mehr abhängige thatsache, in i'öcofuti die erwar- tung, also die abhängigkeit sieht, so liegt letztere ja im coniunctiv, nicht im medium und konnte man fragen, warum die in der Vergangenheit einmal vorhanden gewesene Schwierigkeit nicht

1) Die schrift ist schon Phil. Anz. II, nr. 121, p. 189 besprochen, aber ohne angäbe des namens des vrfs: doch hoffen wir, dass auch diese anzeige unsern lesern willkommen sein wird. Die redaction.

Nr. 9. 250. 251. Homeros. 441

auch durch das medium l8ö/j>]v hätte ausgedrückt werden sollen. Aehnliches wie von diesem coniunctiv gilt von der bebandlung des opt. medii in 2 524. Beim optativ fühlt vrf. die Schwierigkeiten in die er sich verwickelt selbst und gesteht sie auch ein. Er hätte besser gethan sie auch beim infinitiv zuzugeben, als zwischen &avua idt-'nftui und &avftot i8eiv so zu unterscheiden, dass jenes ausdrücke wie man ein wunder nur unter umständen zu sehen bekomme, dieses „dass der mensch nicht in den fall kommen könne dieses &avfia zu sehen". A 249 wird Cp. 10) t'fyr' in löqvd'' geändert und 2 65 gar idco/xai hergestellt (?), das gar nicht in den vers geht. Homer hat jedenfalls nach versbe- dürfniss zwischen activ und medium gewechselt, daher am ende &u.Tf.ia iSraftui , in der mitte einmal davfict ideiv. Ob er noch ein gefühl für den unterschied in der bedeutung hatte, ist min- destens sehr fraglich.

Giseke.

250. 0. Hecht, de epithetis Homericis, imprimis de pa- tronymicis Atridej, Pelides, Tydides, Kronides. 4. Programm des gymnasiums zu Tilsit, 1869 (21 s.).

Enthält nichts von bedeutung für die Wissenschaft.

Giseke.

251. W. Büchner, homerische Studien. H. Die sagen von Ilion und ihre Verbreitung nach Ionien. Homer und Kreo- phylos. Programm des gymnasiums zu Schwerin 1872. (36 s. 4.).

Dem vf. ist nach seiner vorjährigen abhandlung (s. Philol. Anz. 1871 p. 340) der troianische krieg, sammt dem Selbst- morde des Aias eine unzweifelhafte historische thatsache , nicht weil sie gut beglaubigt auf uns gekommen ist, sondern weil die erzählung zum zustande der troianischen ebene gut passt und innere Wahrscheinlichkeit hat. Die stelle wo die zerstörte Stadt gelegen hatte, entschwand dem gedächtniss, denn sie war verflucht ; und nicht einmal den alten namen wagte man ihr zu geben, man nannte sie dmuaia ßaailijog, welches deshalb schon bei Homer als bezeichnung für die stadt selbst dienen soll und von den Türken in Hissarlik d. h. paläste gewandelt wurde. Den stoff zur Ilias soll der dichter aus den localsagen

442 251. Homeros. Nr. 9.

entnommen haben, selbst die Charakteristik Hectors, dessen grab vfr. noch aufweisen zu können meint. Es ist der namenlose grabhügel auf dem bergzuge unweit der alten stadt, den man ausgraben sollte um Hektors gebeine zu finden. Weiter süd- lich .findet sich ein zweiter hü^el Alavrjtov rärpng, bei den Türken Pascha-te'pe genannt. So genau kennt Homer, ohne dort gewesen zu sein, aus den sagen dies local, dass er ß, 799 bei Hektors beisetzung späher ausstellen lässt, weil man von dem grabe das lager der Griechen nicht sehen konnte, wohl aber von Hissarlik und Pascha- te"pe. Die meisten sagen haften am mee- resstrande: die von Achill und seinem freund an dem gleich- falls Pascha -tepe genannten hügel ; die von Antilochos an dem kleinen anstossenden; die von Aias, seinem Zweikampf mit Hek- tor, der vertheidigung der schiffe und seinem tode am In -tepe"; eine grosse fülle endlieh von stoff z. b. über Diomedes, Odysseus u. a. an dem naustathmos. Sonst hat sich die sagenfülle nach Ionien geflüchtet und den culturzustand dieses landes zur zeit des kriegs schildert vfr. ganz genau, wenn auch nach unbe- kannten quellen. Durch noth gezwungen hatte sich das volk auf die see geworfen und bedurfte zur regelung des ruderschlags eines niXsvctfia , welches drei , sage drei ruderschläge in einem athemzuge umfasste (et ö' nyi, all'' äye) und aus der Verbin- dung von zwei dreifüssigen reihen war der hexameter entstan- den, welcher Weissagungen und gebete enthielt und gesprochen wurde von einem xsXsvatTJe, der nach umständen anch mit dem stabe tactirte und also gaßdcpSog war. Zu der in diesem zu- stande eingetretenen Stagnation trat dann belebend die troische sage, den Seefahrern interessant, weil Troia ein seeräubernest gewesen war, und gab anlass zu der zweiten periode des ioni- schen gesangs , in welcher die troischen lieder gesungen wur- den. Es bemächtigten sich dieser lieder die aoeden , fahrende sänger, auf die mildthätigkeit der menschen angewiesen und von dem lorbeerzweige in ihrer hand iyrqpfioC genannt. Sie sangen im gegenseitigen Wetteifer alle troischen sagen, bis einer von ihnen eine grosse menge der einzelnen lieder mit dichterischer kraft zur einheit zusammenfasste. Die existenz Homers ist ,,eine durch die einstimmigkeit des alterthums beglaubigte thatsache", er war blind und persönlicher ahuherr der Homerideu auf Chios, im h. in Apoll. 172 spricht er in eigener person. Aber als blinder konnte

Nr. 9. 252. Homeros. 443

er nicht ohne begleiter umherziehen , er war an denselben ge- bunden, also o[atjpo<;, woraus dann sein eigenname wurde. Der begleiter war Kreophylos, richtiger Kreophilos, Fleischlieb, weil er die guten bissen liebte u. s. w. Alles dies ist nach dem vf. streng historisch, beweis ist immer der consensus der alten und die innere glaubwürdigkeit , die beide ihre kraft auch dadurch bewähren , dass vom vf. die grössten Schwierigkeiten wie spie- lend gelöst werden. Es ist förmlich wohlthuend in unserm skeptischen Zeitalter solchem glauben zu begegnen. ff.

252. H. Dtintzer, Kirchhoff, Köchly und die Odyssee. 1872 (125 s in 8). 20 gr.

Indem Kirchhoff eine Telemachie , einen alten nostos und zusätze von einem spätem bearbeiter annimmt, sucht er über weite strecken hin mängel von einer und derselben art aufzu- spüren, geht also mit einer gewissen planmässigkeit zu werke, welche in gefahr kommt an eingenommenheit zu streifen , wie ihm denn Düntzer (vgl. auch Phil. Anz. 1870, p. 37, 1871, p. 371) nachweist, dass die apologe nicht aus dritter person in die erste umgesetzt sind und dass der dichter von a nicht ein nachahmer und verderber von ß gewesen ist, also seine an- nähme eines zweiten bearbeiters über den häufen wirft. Köchly mit „chevaleresker kühnheit" wie es Düntzer nennt, zu werke gehend, betrachtet die Odyssee als ein regelloses aneinander, und operirt an ihr indem er einzelne stücke ausschneidet und kleine Umänderungen und positive zusätze nicht scheut, um die stücke zu einem für uns neuen ganzen zu verbinden ; vielmehr aber zu dem alten ganzen, welches sie waren ehe der grausame zusammensetzer der Odyssee sie zerriss und unordentlich nach seinem plane wieder an einander reihte. Köchly's fünfte rhap- sodie, die heimkehr des Odysseus , allerdings die schwächste partie seines werks, ist ein wunderliches gemisch von scenen, bei denen man , Köchly's meinung zugegeben , nicht weiss soll man mehr bewundern, dass das alte gedieht so zerrissen und an ganz verschiedenen stellen der Odyssee eingefügt einen leid- lichen sinn behielt, oder dass es gelungen die discerpta membra wieder zu sammeln. Auch ihm schwebt ein plan vor, nach welchem aus kleinen wohlgeordneten ganzen ein grosses aber schlechtverbundenes gedieht entstanden sei; nur scheut er ge-

444 252. Homeros. Nr. 9.

waltaamkeiten nicht und geht der genesis dieser Umbildung nicht so ganz systematisch nach, wie Kirchhoff. Beiden hat Düntzer nachgewiesen, dass sie Unebenheiten übersehen, welche sich in den gesuchten plan nicht schicken. Düntzer selbst geht vorsichtiger zu werke, indem er das anstössige als interpolirt ausscheidet, ohne daraus wieder fertige lieder gestalten zu wol- len und überhaupt ohne aus solchen mangeln einen einheitlichen plan für die gestaltung der heutigen Odyssee gewinnen zu wol- len. Wir gestehen aber seine bekanntlich sehr zahlreichen athe- tesen nicht überall billigen zu können. So verwirft er (p. 93) C 178 f. als durchaus fremdartig. Odysseus bitte allgemein um schütz, hätte er ein besonderes verlangen gestellt, so wäre die frage nach dem lande wo er sei das erste. Aber der nackte wird zu allen zeiten zuerst eine decke für seine blosse verlan- gen, gleichviel wie das laud heisst wo er friert, und der ver- lassene wird zur nächsten stadt verlangen und erst wenn er sie sieht nach dem namen fragen. So wird s 272 7 athetirt (p. 89), weil Odysseus nur nach dem baren zu blicken habe, nicht nach den andern Sternen: als könne jemand siebenzehn tage lang das äuge auf einen einzigen punkt heften. Wäre das auch möglich, so dürfte der dichter die gelegenheit den schö- nen Sternenhimmel zu beschreiben nicht abweisen. Ueberhaupt ist mit diesen massenhaften interpolationen doch nicht immer auszukommen und Kirchhoffs forderung , für jede interpolation müsse eine veranlassung nachweisbar sein, hat wenigstens mehr als Düntzer zugesteht für sich. Wer immer n 281 98 ge- dichtet hat, hat bei tevooo xecpalf, eine andere Situation in ge- danken als sie t 2 uns vorliegt. Wir dürfen doch nicht diese rhapsoden als menschen denken, denen solche abweichungen in der Schilderung einer und derselben Situation unwillkürlich vor- kamen , wie allerdings Köchly geneigt ist sie zu stümpern zu machen, die ewig umhersuchen nach den worten anderer um ei- nen cento daraus zu fabriciren. So scheint Kirchhoff mit recht anzunehmen dass über die Unkenntlichkeit des Odysseus und die wegschaffung der waffen verschiedene ansichteu neben ein- ander herlaufen. Düntzers beispiele von dem wegfallen früher benutzter motive (p. 63) sind nicht treffend. Nausikaa z. b. kann verschwinden, weil man sie im frauengemach vermuthet und die handlung im männersaale vorgeht. Aber ungläubig werden

Nr. 9. 253. Homeros. 445

wir, wenn der kahlköpfige bettler wir wissen nicht wie zum männlich schönen Odysseus wird; das zeugniss unserer äugen lassen wir uns durch keine poetische fiction streitig machen. So gross übrigens auch die Verschiedenheit Düntzers und sei- ner beiden gegner ist, stehen sie doch im gründe auf demsel- ben boden, alle drei verwerfen die einheit und nehmen Zusammen- setzung aus grösseren und kleineren gedichten an. Giseke.

253. R. Thiele, prolegomena ad hymnum in Venerem homericum quartum v). Halle. 1872. (81 s. 8.) 15 gr.

Mit sorgfältiger berücksichtigung der meinungen anderer, aber in etwas breiter, unnöthiges einmischender und bekann- tes wiederholender darstellung (p. 31 fortasse nimium fusae), wird der versbau des hymnus nach caesur , position , gebrauch von dactylen und auch spondeen, Verlängerung kurzer silben in basi und Verkürzung langer, hiatus , digamma, gebrauch ho- merischer verse, worte und formen untersucht und nachgewie- sen, dass er den echten homericis näher steht als alle andern. Aus den homerischen forschungen des referenten (§. 177), die vfr. hier nicht benutzt, würden sich noch andere puncte ähnlicher

art ergeben, wie z. b. worte des masses 0 &L vor der cae"

sur Hat« tqi'tov Tgo%aiov in diesem hymnus durchschnittlich eben so oft vorkommen als in der Ilias und weniger als in den andern hymnen, namentlich dem auf Merkur, der sich in dieser bezie- hung den spätem nähert. Dass die Verlängerung von t in ivt fttfttQoiai» v. 231 eine erinnerung an die alte länge des vocals sei, kann man nicht zugeben , vfr. beruft sich auch nebenbei noch auf ^sola arsis vi". Vs. 285 vertheidigt er die lesart der codd. cpaaC, indem er quaiv schreibt, aber der sinn würde dann ein futurum verlangen. Des digammas halber und von Bau- meister abweichend nimmt er vs. 6 mit Mose, und Ambr. Hoff- mann's Vorschlag nüoi 8h egya in schütz, schwerlich mit recht auch v. 44 xtrövu idviav und vs. 134 xtdvu löuirj, mit recht aber weist er vs. 164 lös elfiaTa zurück, welches Baumeister gegen M. in den text genommen hat. Die aus Homer entlehnten verse 35. 60—63. 68. 99. 143. 165 hält er nicht für recht passend, aber thut recht sie nicht zu verwerfen, denn re-

1) Wir lassen von dieser schrift eine zweite anzeige s. ob. nr. 6, p. 274 hier folgen. Die redaction.

446 253. Homefos. Nr. 9.

miniscenzen konnte auch der ursprüngliche dichter anbringen und ganz so gut sind sie nie am platze wie im originale. Die andern zehn homerischen verse habe der dichter entweder ab- sichtlich aus Homer oder aus derselben quelle mit Homer. Es ist nicht sonderlich wahrscheinlich dass diese quellen in später zeit noch flössen. Unrichtig ist dass v. 93 hesiodeischen cha- racter habe wegen der drei namen mit einem beiwort oder vs. 94 wegen der zwei namen mit je einem beiwort. Diese formen sind homerisch und namentlich im katalog gebräuchlich; hesio- disch ist die Verbindung von vier oder mehr namen ohne ad- jectiv (Gieseke, hom. forsch. §.110). Die zeit der abfassung wird in den ausgang des neunten oder anfang des achten Jahrhun- dert v. Chr. gesetzt. Groddecks meinung, der hymnus sei ein stück der Cypria wird mit recht zurückgewiesen und bemerkt, dass Aphrodite im hymnus nicht die griechische göttin sei, sondern züge der göttermutter Cybele trage. Diese habe sie in Troja von den kleinasiatischen culten angenommen und so sei sie zu den Griechen in dieser gegend gekommen. Asia- tisch sei namentlich die sage von dem Ursprünge eines für- sten, hier des Aeneas , aus der umarmung eines mannes und einer göttin. Dardaner im Ida sind in historischer zeit bekannt und ihre herrscher, die Anchisiaden , haben natürlich die sage von ihrer herkunft bewahrt und verbreitet. Aus diesem asiati- schen Ursprünge des Stoffes erklärt sich die lange erzählung von Ganymed, Diana als schützerin der Stadt der gerechten männer, Vesta und z. b. auch des gebrauchs des worts aurirag v. 13. Wegen der münzen bei Claussen wird gegen Baumei- ster festgehalten, dass diese Völkerschaft griechisch und zwar aeolisch gesprochen habe ; aber der hymnus sei nicht im Ida gedichtet, weil er sich dann nicht so eng an Homer anschliessen würde, sondern von einem griechischen dichter und zwar in dem kymeischen Gergis, wo sich troisches und griechisches We- sen vermischt habe. Das ist eine kühne vermuthung, hat aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit, mit der mau zufrieden sein kann, wo historische Überlieferung fehlt. Das druckfehlerverzeichniss geht bis p. 48, es hätte wenigstens bis p. 59 z. 12 und p. 64 z. 19 fortgesetzt werden sollen. Vfr. theilt ab invec-tum u. s. f. und beschwert sich dass der setzer mehrmals das richtige hergestellt hat. Gisehe.

Nr. 9. 254. Hipparchos. 447

254. Die geographischen fragmente des Hipparch. Zu- sammengestellt und besprochen von Hugo Berger, 8. Leipz. Teubner. 1869. 126 s. 15 ngr.

Die wenigen auf uns gekommenen fragmente der drei bü- cher umfassenden Hypomuemata, in welchen Hipparch die geographie des Eratosthenes einer eingehenden kritik unter- warf, hat H. Berger in dem vorliegenden werke mit grossem fleisse aus den verschiedenen griechischen und lateinischen Schrift- stellern gesammelt, dieselben nach bestimmten gesichtspuucten mit glücklicher umsieht geordnet und zusammengestellt und daran eine so eingehende kritische besprechung geknüpft, dass wir eine möglichst vollständige kenntniss von den forderungen Hipparchs gegenüber den geographischen bestrebungen des Era- tosthenes erhalten. Indem wir auf einige hauptpunete der vor- liegenden schrift etwas genauer eingehen , machen wir dabei zugleich auf die interessanten abschnitte über „die erdmessung des Eratosthenes" und über „die geographie nach Pytheas" iu MüllenhofFs Deutscher Alterthumskundel, (s. Ph. Anz III, nr. 9, p. 456) aufmerksam, welche namentlich auch die geographischen leistungen des Eratosthenes und Hipparch sehr ausführlich bespre- chen und im folgenden wiederholt mit in betracht gezogen sind.

Einen wie bedeutenden werth die Bergersche Sammlung der fragmente des Hipparch und die daran geknüpfte kritik haben, und wie sehr die oft allzukühnen Schlüsse MüllenhofFs dadurch erschüttert werden, erklärt MüllenhofF selbst in den nachtragen seines genannten werkes (p. 500 f.), indem er sagt: „diese blätter [p. 326 349] waren eben, abgesetzt und druckfertig, als ich „die geographischen fragmente des Hipparch , zusam- mengestellt und besprochen von Hugo Berger, Leipzig 1869" zu gesicht bekam. Ich musste mir sofort sagen, dass, wenn die darin vorgetragene ansieht richtig ist, jene besser unge- druckt blieben und nie das tageslicht erblickten Auch

meine daistellung uud auffassuug des Eratosthenes hätte eine ganz andere und manches im folgenden geändert werden müs- sen1'. Wenn wir nun auch jene inhaltreichen selten des Mül- lenhoff'schen werkes sehr ungern entbehren möchten, so müssen wir allerdings doch gestehen, dass die dort vorgetragenen an- sichteu durch Berger's schrift sehr wesentlich modificirt werden, und sowohl Eratosthenes, der bei Müllenhoff mit grosser vor-

448' 254. Hipparchos. Nr. 9.

liebe behandelt ist, als auch der minder günstig beurtheilte Hip- parch vielfach in anderem lichte erscheinen. Auch der arme Strabo, welcher bei Müllen hoff (p. 313 ff.) sehr schlecht weg- kommt und sich dem Eratosthenes gegenüber einen „argen töl- pel" nennen lassen muss , wobei jedoch Müllenhoff selbst (p. 314) in seiner spottenden kritik des Strabo eine mathematische Unmöglichkeit behauptet, erscheiut bei Berger weit mehr ge- rechtfertigt und mit grund eutschuldigt , indem nachgewiesen wird, wie Strabo von ganz anderen forderungen für die geo- graphie ausgehe. Da ferner Berger mit grosser vorsieht und strenge seine Schlüsse aufbaut, stets sicheren grund unter den füssen zu behalten sucht und den so schwankenden bodeu der hypothesen thunlichst vermeidet, so sind seine resultate um so werthvoller und in vielen punkten kaum noch anfechtbar.

Einen ungefähren anhält für die lebenszeit Hipparchs ge- ben dessen früheste und späteste bezeugte astronomische beob- achtung, welche in die jähre 161 und 126 v. Chr. fallen. Die abfassung der in rede stehenden hypomnemata gegen Eratosthe- nes verlegt Müllenhoff (p. 350 f.), welcher sie „nicht zu den ältesten arbeiten Hipparchs rechnet", in die „dreissiger jähre des zweiten Jahrhunderts vor Chr.", welche worte allerdings zwei- felhaft sein könnten, da sie eigentlich auf die jähre 30 bis 39 des zweiten Jahrhunderts v. Chr., also auf 170 161 v. Chr. gedeutet werden müssten, wenn Müllenhoff nicht des Polybius werk als ungefähr gleichzeitig setzte, demnach wohl die zeit zwischen 139 und 130 v. Chr. im sinne hat. Als Hipparchs aufentbaltsort vermag Berger ausser dessen heimath Bithynien nur Rhodus mit Sicherheit anzugeben , selbst ein besuch in Alexandrien, so wahrscheinlich er ist, lässt sich nicht beweisen (p. 8 f.), wird aber deunoch unbewiesen von vielen behauptet, wie allerdings auch Müllenhoff (p. 270) unter berufung auf Le- tronne sagt, Hipparch habe „sehr kurze zeit in Alexandrien gelebt und dort wenige beobachtungen angestellt'.

Indem darnach Berger sich den fragmenten selbst zuwen- det, giebt er in der „reihe I" derselben „allgemeine Zeugnisse über Hipparchs kritik der Eratosthenischen geographie" und legt in der „reihe II" die „forderungen und grundlageu" dar, die „Hipparch vom geographen befolgt wissen wollte", indem er vor allem auf astronomische Ortsbestimmungen dringe und

Kr. 9. 254. Hipparchos. 449

nur solche kartenzeichnungen in zukunft brauchbar nenne, wel- che die orte nach länge und breite richtig anzugeben vermögen. Wenn Hipparch das fehlen derselben in den karten des Erato- sthenes tadelt, so hat er gleichwohl, wie die VI. reihe der fragraente nachweist, keine eigene karte zu entwerfen unter- nommen, sondern nur sich bemüht, für spätere geographen nach möglichkeit vorzuarbeiten. Mit recht legt Berger auf diese „vorarbeiten" (IV. reihe) besonderen werth, durch welche Hip- parch der eigentliche begründer der mathematischen geographie wurde, und vermag es wahrscheinlich zu machen, dass Hip- parch nicht nur projectionen zu entwerfen versuchte, sondern auch behufs messung der geographischen längen eine fiusterniss- tabelle aufgestellt und die phänomene des himmels berechnet habe, deren beobachtung allein zu einer genauen breitenbestim- mung führen konnte. Nicht eine „klimentafel" (Müllenhoff''j, die nach der dauer des längsten tages von Viertelstunde zu Viertelstunde fortschreitet, sondern eine ,,breitentabelle" (Berger) entwarf Hipparch, welche von grad zu grad die für einen jeden der 90 parailelkreise der nördlichen hemisphäre berechneten himmelserscheinungen verzeichnete, wie es abgesehen von den noch erhaltenen derartigen bestimmungen aus Strabo's Worten erhellt, welcher, 700 Stadien als abstand (diaar^jua) zweier pa- rallelen, also als länge eines breitengrades in Übereinstimmung mit Hipparch rechnend, sagt (p. 132 Cas.) : inelvos ['innaQ- yoi] i*ev ötj aQ%8Tat anb iwc iv io) ia?j[Atgito} oixoipicat , xul "Kombv ael öY inzaxoaiwv Gzadioov tug i(pe£/}$ oini^iig inuuv xutu luv Xt^Oivtu [diu Megdr^] (*8at](tßgii?öv ntiQuzai Xiytiv za nag sxäoiotg yuu Optra. Mit unrecht greift MüllenhofF (p. 327 f.) diesen bericht an, indem er sagt, es sei ,,noch deutlich genug, dass Strabo sich nur irreleitend ausgedrückt" habe, und führt zum beweise noch einige stellen btrabo's an, die aber weit eher gegen als für die behauptung Müllenhoff's zeugen. Hipparch berechnete nicht die grade für bestimmte tageslängen, sondern die tageslängen für alle grade. Diese tabelle, welcher Strabo nur „die bezeichnendsten und einfacheren" data (p. 132 Cas.) entlehnen wollte, lässt sich nicht reconstruireu aus den etwa zwölf bestimmungen, die Berger mit ziemlicher Sicherheit als hipparchisch gesammelt hat, und auch Müllenhoff (auf der letzten seite seiner nachtrage und berichtigungen) scheint sei« Philol. Anz. IV. 29

450 254. fiipparchos. Mr. 9.

ber nicht geneigt, seinen ausführlichen entwurf von „Hipparch's klimentafel" (p. 335 349) aufrecht zu erhalten.

Eingehend wendet sich Berger der Besprechung jener von Hipparch als besonders wichtig betonten mathematischen de- mente der geographie zu und legt in der III. reihe der frag- mente die ansichten Hipparchs über die erdmessung des Era- tosthenes dar , um dann die einzelnen data der breitentabelle (IV und V. reihe), soweit sie noch nachweisbar sind, genauer zu erörtern.

Betreffs des ersteren punktes verweisen wir auf unseren aufsatz „über die angaben der alten von der grosse des erd- umfaogs" im Philologus XXXI, p. 698 ff., der zwar erst kürz- lich zum abdruck gelangte, aber mit ausnähme eines letzten nachtrages und einiger kleinen änderungen bei der druckrevi- sion bereits vor den werken Berger's und Müllenhoff's in Göt- tingen war und daher leider auf diese nicht die gebührende rücksicht nehmen konnte, und wollen gegenüber der von Ber- ger p. 25 (und ähnlich von Müllenhoff p. 293) ausgesproche- nen ansieht, als seien von mathematikern der nacheratostheni- schen zeit wiederholt „messungen" des erdumfängs unternom- men worden, zwischen denen Hipparch zu wählen gehabt, be- sonders betonen, dass ausser der eratostheuischen keine einzige wirkliche gradmessung im alterthum nachweisbar ist, dass die von Cleomedes, Meteor. I, 10 (p. 49 52 Balf.), gegebene darstellung trotz der worte : xul piv Jlootiöcoviov syoÖo<; ntpi roi narä tii* yt/v fAtye&ov*' roiaüri], durchaus keine „messung des Posidonius", sondern nur etwa ein dem Posidonius entnomme- nes beispiel (viraxeia&io oi>i(ü<; 'i%tiv sagt Cieomedes) lür die methode einer erdmessung ist, und dass das von Ptolemaeus (Geogr. I, 3) und dessen scholiasten angeführte verfahren zwar theoretisch ganz richtig, aber, wie Deiambie (bist, de l'astron. anc 11, p. 521) mit recht bemerkt, praktisch sehr unsicher und kaum ausführbar war (vgl. Ptol. Geogr. p. 10 sqq. ed. Wilberg.). Nur solche auf hypothetischen aunahmen bashte Berechnungen, also Schätzungen des erdumfängs, die man gleichwohl uvu^htq/^ atitj nannte, mögen von mathematikern olt angestellt sein (vgl. z. b. Aiistot. de coel. LI, 14, 16; Strab. p. 95 und 113 Cas. ; Ptolem. Geogr. 1, 3 und VII, 5; 12j, aber Hipparch konnte dieselben, weil sie zu hypothetisch waren, nicht gebrauchen,

Ür, 9. 254. Hipparcbos. 451

konnte nur die wirkliche m essung des Eratosthenes trotz ih- rer aus den unvermeidlichen beobachtungsfehlern folgenden un- genauigkeit als die möglichst beste annehmen , wenn er nicht selber eine bessere messung an die stelle setzen wollte, zu der ihm aber hinreichend sichere grundlagen fehlten. Aus gleichem gründe haben später Marinus von Tyrus und Ptolemaeus keine eigenen messungen gemacht.

Müllenhoff sucht ausführlich darzuthun, dass allerdings Era- tosthenes aus der entfernung von Syene und Alexandrien und der grosse des zwischen beiden orten liegenden meridianbogens den erdumfang erhalten, aber dies nur als einen ersten vorläu- figen versuch angesehen, ,, diese berechnung nur der kürze und fasslichkeit halber und vorläufig angegeben", nachher aber noch eine sorgfältigere bestimmung für den werth des mittleren erd- grades durch eine gradmessung zwischen Meroe und Syene unter- nommen habe, da es ,, leichtfertig und einfältig zugleich gewesen" wäre, denselben „unbesehens der Überlieferung abzunehmen" (p. 273). Doch diese ansieht, so zuversichtlich sie auch auftritt, scheint völlig unhaltbar, nicht allein, da vor Eratosthenes kein werth für den mittleren erdgrad existirte und selbst Eratosthenes die kreiseiutheilung in 360 grade noch nicht kannte, sondern vor allem, da Müllenhoff jene behauptung vorzugsweise auf eine einzige höchst unvollständige notiz bei Martianus Capeila (die bekannte stelle p. 194 Grot.) begründet, von dessen unmittel- bar vorhergehenden worten, welche die beschreibung des gno- mon enthalten, Müllenhoff doch selbst sagt, dass sie die eines „unverständigen und unkundigen seien". Aber trotz der zuhiilfe- nahine zweier in dieser hinsieht durchaus unklaren stellen des Plinius (III, c. 73 und 74, §. 183—185 und VI, c. 29, §.171), dessen „unsinnige behauptung" sowie „gedankenlosigkeit und unkuDde" in behandlung seiner excerpte grade hier Müllenhoff rügt, scheint uns jene behauptung, als sei aus dem gradbogeo zwischen Meroe und Syene durch Eratosthenes eine genauere grosse des mittleren erdgrades gefunden, so scharfsinnig sie von Müllenhoff auch vertkeidigt wird, gleichwohl unbewiesen, ja nicht einmal wahrscheinlich gemacht zu sein.

Bei Berger sind die fragmente der eigentlichen breitenta- belle in der V. reihe eingehend besprochen , und man wird wohl der hauptsache nach dieselben als durchaus richtig ausge»

29*

ihi 264. Hippärchos. $r. 9.

wählt und die daran geknüpfte kritik als völlig zutreffend an- erkennen müssen. Im einzelnen sei noch folgendes erwähnt.

Unrichtig ist es, dass p. 46 das fragment V, 3 c. auf den zwölften grad bezogen und behauptet wird, im Strabo (p. 77 Cas.) sei es „augenscheinlich an falsche stelle gerathen" und Hipparch könne, da er selbst die zeit vom frühlingsäquinoctium zum soinmersolstitiuin zu 94*/2 tage angebe, die bestimmung, dass die sonne 45 tage vor der Sommersonnenwende im Schei- tel stehe -1) , „unmöglich für Meroe angenommen haben". Es lässt sich leicht vermuthen, durch welche falsche Voraussetzung Berger zu jener behauptung veranlasst sei, während doch in der that die angegebenen astronomischen thatsachen durchaus richtig sind. Denn in Wahrheit berechnet sich für die mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. aus der schiefe der ecliptik, welche 23° 43' 12" im jähre 150 v. Chr. betrug , und dem mittleren bogen von 0,°952381, den die sonne in derselben zur zeit des Hipparch im frühlingsvierteljahr täglich zurücklegte, für den 45. tag vor dem sommersolstitium die länge der sonne zu 47° 8' 34" und daraus die declination derselben zu 17° 9' 1, 8. Diese letztere zahl ist also für den ort (Meroe), wo die sonne im scheitel gesehen wurde, die geographische breite, mit der auch die von Förster bei Müllenhoff (p. 277) iür Meroe mitgetheilte polhöhe fast genau übereinstimmt. In der that ist also die stelle bei Strabo ganz in Ordnung.

Zu fragm. V, 5 sei erwähnt, dass die bestimmung der schiefe der ecliptik zu der hälfte von n/s3 des ganzen kreises, welche Ptolemaus (Alm. I, 10) als eratosthenisch und hippar- chisch mittheilt und auch damit übereinstimmend selbst gefun- den haben will, allerdings 23° 51' 20" ergiebt, dass aber aus den zusammengehörenden angaben über die dauer des längsten tages und die darauf zu beliebenden geographischen breiten, welche Ptolemaeus in seiner geographie autstellt, sich recht verschiedene werthe berechnen lassen, die er als schiefe der ecliptik dabei vorausgesetzt haue. Und da Hipparch nach Ber- ger (p. 55) die längsten tage für die einzelnen graddistanzen berechnete, so würde, wenn wir beispielsweise die bei Berger

1) Bei Müllenhoff (p. 336) steht durch druckfehler 45° statt 45 tage.

Nr. 9. 254. Hipparchos. 453

p. 46 54 gegebenen bez'ehungen zwischen längsten tagen und geographischen breiten auch als hipparchisch ansehen sollen, daraus folgen, dass Hipparch (und ebenso Ptolemaeus) die schiefe der ecliptik verschieden gross gerechnet habe, bald zu 23° 48' 52" (1474h bei 33° 20'), bald zu 23° 53' 32" (143/5h bei 37°), wobei wir natürlich nicht in rechnung ziehen dürfen, wie jene zahlen sich unter berücksichtigung von refraction und parallaxe herausstellen. Das mittel aus den bei Berger p. 46 54 genannten angaben ergiebt eine zu gründe gelegte schiefe der ecliptik von 23° 51' 5", 9. Der wahre werth betrug je- doch zur zeit des Eratosthenes (250 v. Chr.) 23° 44', zur zeit des Hipparch (150 v. Chr.) 23° 43' 12", zur zeit des Ptole- maeus (150 n. Chr.) etwa 23° 40' 48", und Eratosthenes und Hipparch wie Ptolemaeus hätten denselben recht gut mit grö- sserer genauigkeit bestimmen können , da die aus der grosse des scheinbaren sonnendurchmessers bei der gnomonbeobachtung resultirenden fehler auf das resultat ohne einfluss bleiben muss- ten, wenn man, wie es die regel war , dasselbe aus der gröss- ten und kleinsten Sonnenhöhe ableitete.

Die satzstellung im fragm. V, 6 (Strab. p. 133 Cas.) wird in der überlieferten form, wie auch Meineke in seiner ausgäbe de3 Strabo (vol. I, 179 sq.) sie giebt, gegen Grosskurd (bd. I, p. 217 f.) festgehalten, dagegen mit recht darauf aufmerksam gemacht, dass dieworte: 6 aoxrnvooQ piixonv fxxXtrcov ngng vo- rov, wie sie bei Grosskurd, Meineke, Müllenhoff (p. 338) bei- behalten sind, ungenau seien ; denn da Hipparch mehrfach er- wähne, der Arctur stehe auf dem 31. parallel im Scheitel, so müsse es also in der dort in rede s'ehenden breite von etwa 30° 20' vielmehr heissen: o aoxrnvQOQ ftixnov ixxXivcov ngog agxiov.

Die fragmente V, 7 a) und 7 b) scheinen bei Müllenhoff übersehen zu sein, wenigstens sind sie im entwurf der klimen- tafel nicht benutzt.

In fragm. V, 9 (Strab. p. 137 Cas.) liest Berger wie bisher ia, ZvQ(VA.oGitav voritoTega, während Müllenhoff (p. 341 und auch schon in einer früheren abhandlung über die weitkarte des Au- gustus) der ansieht ist , es sei voticots qo. verschrieben für agx- Tixmteoa, weil dasselbe wort unmittelbar vorhergehe. Doch ist Berger, dem die hypothese Müllenhoffs nicht bekannt gewesen zu sein scheint, gewiss völlig im recht, sowohl, da der text so

454 254. Hipparchos, Nr. 9.

überliefert, als namentlich auch, da zugleich der Sachverhalt durchaus richtig ist, so richtig, dass Berger sogar den schluss zieht, Syrakus sei „der breite nach von Hipparch berechnet und in die tabellen aufgenommen worden".

Zweifellos aber muss es wohl sein , dass Hipparch weder in Athen noch in Byzanz selbst beobachtungen angestellt habe, da es sonst nicht wohl denkbar wäre, sowohl dass er für Athen die breite von „ungefähr 370u („nfgi finmäv '' in V. fragm. 11 a) und b)) annähme, welche nur für den südlichsten theil des Peloponnes gilt, als auch dass er für Byzanz ein sehr un- genaues gnomonverhältniss überliefert hätte, zu welchem er nur durch die ohne die möglichkeit einer prüfung als richtig vor- ausgesetzte annähme gelangte, dass Byzanz unter demselben parallel mit Massilia liege und die für letzteren ort von Py- theas gegebene messung also auch für Byzanz gültig sei. Dass Hipparch für Byzanz einfach das von Pytheas für Massilia beob- achtete zahlenverhältniss angenommen habe, ist auch Müllen- hofTs ansieht (p. 308 f.), während Berger diese behauptung nicht so bestimmt aussprechen will.

In fragm. V, 15 a) (Strab. 135 Cas.") bringt Berger die ohnedies in ihrer erklärung schwierige stelle in bessere Überein- stimmung, indem er x«/ 8txarov statt na) 8m8t'xa7or schreibt, und stellt in dem als parallelstelle dazu angeführten fragm. V, 16 (Strab. 75 Cas.) mit recht (und in Übereinstimmung mit Müllen- hofF p. 347 f ) die handschriftlich überlieferte lesart xarit vwTimrtQa gegen die neueren herausgeber, namentlich auch ge- gen Grosskurd, Meineke u. a. wieder her.

Recapitulirend erinnert Berger nochmals daran, wie gering demnach die zahl der wirklichen breitengradmessungen gewesen sei; und man sieht sich ja den oft sehr ungenauen angaben des Ptolemaeus gegenüber, auf die mit recht Müllenhoff (p. 309 anm.) aufmerksam macht, gradezu zu der annähme gezwun- gen, dass selbst Ptolemaeus nur sehr wenige wirkliche breiten- messungen, vielleicht kaum mehr als Hipparch, kannte und fast alle seine breitenangaben nur berechnet, aber nicht beobachtet habe.

In den vier letzten reihen (Vn— X), welche umfangreichere aber in ihrer kritischen behandlung im ganzen weniger Schwierig- keit bietende fragmente enthalten, legt Berger zunächst „Hip-

Nr. 9. 254. Hipparchog, 455

parch's ansieht über die homerische geographie" dar (reihe VII) und geht dann ausführlich auf die hipparchische „beurtheilung der Eratosthenischen karte , ihrer neuerungen und des dabe zur anwendung gebrachten Verfahrens sowie auf die abwägung des rechtes der älteren karten gegen dieselben" ein. Nachdem er in der ersten gruppe (reihe VTII) die fragmente mitgetheilt, welche die frage der „trennung des Weltmeeres" behandeln, giebt die XI. reihe die fragmente, in denen „Hipparch die cor- rectur bekämpft, die Eratosthenes in der Zeichnung der asiati- schen gebirge vollzogen hatte'*, während endlich in der X. reihe „Hipparch die eratosthenischen sphragiden auf trigonometrischem wege analysirt".

Leider verstattet der räum uns nicht, auf diese interessan- ten fragen hier näher einzugehen, mit deren besprechung man sich in der hauptsache wird einverstanden erklären müssen, wie überhaupt die Eergersche kritik wegen der schon erwähn- ten vorsieht und möglichsten Vermeidung aller hypothesen eine sehr glückliche ist.

Was endlich die berechnung der vielen Zahlenangaben be- trifft, so ist von einigen derselben schon oben die rede gewe- sen, und wir fügen hinzu, dass dieselben bei Berger meistens nur genäherte werthe geben sollten, so dass wir uns nicht für berechtigt halten, dafür die ganz genauen werthe zu substituiren. So weist beispielsweise das gnomonverhältniss 4 : 3 bei Berger auf eine geographische breite von „etwa 36° 53''', bei Müllen- hoff von 36° 52' 2", während man 36° 52' 12" finden muss, wenn man ohne berücksichtigung des stets vernachlässigten constanten fehlers die rechnung genau ausführt.

Der druck ist sehr correct; uns ist von wesentlicheren druckfehlem nur aufgefallen, dass auf p. 67 nach „V. fragm. 13 a)" statt „fortsetzung" stehen soll Str. II C. 13 4.

Indem wir unsere kurze besprechung des werthvollen werk- chens hiemit schliessen, machen wir nochmals besonders darauf aufmerksam, dass in zukunft eine darstellung der geographi- schen leistungen des Hipparch wesentlich von der vorliegenden schrift Berger's auszugehen hat, in der die basis für eine rich- tige kritik des Verhältnisses des Hipparch zu Eratosthenes und Strabo gegeben ist. H. W. Schaefer.

456 255. Horatius. Nr. 9.

255. Des Q. Horatius Fl accus Episteln und buch von der dichtkunst mit einleitung und kritischen bemerkungen von 0. Ribbeck. 8. Berlin. J. Guttentag. 1869. IV u. 260s.— 1 tblr.

Es sind allerdings „eigentümliche resultate, zu welchen den Verfasser sein bemühen in den gedankengang der horazi- scben briefe einzudringen geführt hat". Nur sieben briefe (I, 3. 4. 7. 8. 11. 13. 19) sind ohne umste'lungen geblieben, durch welche alle anderen mehr oder weniger gelitten haben. Die erste epistel hat folgende gestalt erhalten : v. 1 12; dann 20 26; dann 13—19; dann 41—48; 52—69; (v. 56, die hälfte von 60 und v. 61 fallen aus, so dass nach si rede fa- des eine lücke bleibt). Dann 49 51, 28—40, 27, zuletzt 70— 108. Die vierzehnte epistel sieht also aus: 1 5, 10 13, 31, 14—30, 6—9, 37—39, 32—36, 35, 40—44; in der zwölften epistel wird nach v. 1 11 aus der zwGiten epistel des zwei- ten buchs v. 184 191 eingeschoben; die achtzehnte epistel besteht nur aus v. 1 20 und 89 103, wobei noch aus v. 91 und 92 nur einer geworden ist : potores porrecta negantem pocula, quamvis, und v. 98 und 99 ausfallen. Das übrige ist in die siebzehnte epistel aufgenommen, die also umgeformt ist: v. 1 37, 52 62, 43—51 (38—42 fallen aus); dann aus der acht- zehnten epistel: v. 21 36 (23 und 24 fallen aus), 39 67, 72 75, 37 und 38, 68—71, 76 88. Dies wird genügen, um einen einblick in das verfahren des Verfassers zu ge- währen. In der sechsten epistel hat Döderlein bekanntlich ein Zwiegespräch angenommen zwischen Horaz und Numicius. Rib- beck gestaltet sie so, dass auf v. 1 16 zunächst 28 66 fol- gen, dann aus der zehnten epistel v. 26 41, dann aus der sechsten 17 27 und 67 und 68. Abgesehen von der einschie- bung aus der zehnten epistel , in welcher dadurch eine unaus- gefüllte lücke entsteht, kann in diesem falle zugegeben werden, dass die ganze auseinandersetzung den besten abschluss gewinnt dadurch, dass die verse 17 27 an das ende kommen, die mit I nunc beginnen und endigen mit Ire tarnen reMat , Numa quo devenit et Ancus. Aber haben wir denn überhaupt das recht, wenn wir einem dichter in seinem gedankengang nicht auf die Sprünge kommen können, alle Überlieferung umzustossen und die gedichte nach unserm gedankengang umzumorleln ? Referent muss dies entschieden bezweifeln selbst auf die gefahr hin in

Nr. 9. 255. 256. Horatius. 457

den äugen des Verfassers „der tiefen neigung der meisten Ho- razerklärer zum verkehrten" (p. 128) anheimzufallen. Diese und ähnliche kraftausdrücke werden auch nicht grade dazu bei- tragen, die eigenthümlichen ansuchten des Verfassers bestens zu empfehlen.

Verbesserungsvorschläge zu einzelnen stellen kommen nur gelegentlich vor; so schreibt Ribbeck in der zwanzigsten epistel v. 24 „lusibus aptum, zu scherzen aufgelegt" statt solibus aptum. Das kann Horaz um von andern gründen zu schweigen, schon deshalb nicht gesagt haben, weil er am anfang desselben buchs (ep. 1, 10) das gegentheil sagt: ludicra pono.

256. Bemerkungen zum ersten buch der Satiren des Ho- raz vom director Dr T. Mommsen, programm des gymna- siums zu Frankfurt a. M. 1871. 4. 30 s.

Ausgehend von dem unstreitig richtigen satze , rdass die geistige einheit in den Satiren und Episteln des Horaz weit mehr beruht auf der Stimmung des dichters als auf bewusster logischer durchf ührunsr eines einzelnen gedankens , dass also auch einer solchen dichtung mit dem blos urtheilenden ver- stände nicht beizukommen ist", gibt der Verfasser werthvolle beitrage zur erkenntniss des gedankenzusammenhangs und ein- zelner beziehungen auf gleichzeitige ereignisse und personen; nur möchte man zuweilen wünschen, dass sich bestimmter für eine erklärung entschieden wäre. So wird in 1, 88 das Ab si mit recht beibehalten (als anaphora, wie das nicht seltene dop- pelte dilti der redner) mit der ergänzung: so lange du näm- lich bei deinem geize bleibst. Dagegen wird zu v. 108 schliess- lich die Nipperdey'sche conjectur Quia empfohlen, die doch un- nöthig ist, wenn, wie zuvor ausführlich bewiesen wird, die beste trarlition Qui in der direkten frage auch am klarsten für die auffassung des Zusammenhangs ist. Ferner glaubt Mommsen trotz des chronologischen gegenbeweises von Kirchner, dass mit dem Labeo in 3, 82 doch der nachmalige berühmte rechtsleh- rer M. Antistius Labeo gemeint sei , „da ja beispiele genug selbst der neuesten zeit sich dafür anführen Hessen , dass wer in reiferen jähren ein sehr bedeutender mann geworden ist, in seiner jugend fast für einen abenteuerlichen narren gegolten hat". Nur als bescheidene andeutung, die auch kaum be->

455 257, Livius. Nr. 9

friedigen möchte, erklärt Mommsen zu 4, 21 (ultro delatia eapsia et imagine), dass dem Fannius ohne sein bitten von seinen an- hängern hefte und illustrationen auf die kathedra gelegt wor- den seien, damit er selbst sofort habe anfangen können zu le- sen. — Dass der Oassius Etruscus in 10, 62 identisch sei mit dem Cassius Parmensis wagt der Verfasser nicht zu läug- nen, indem er die Widersprüche gegen die identitat als mehr scheinbar denn wirklich nachweist und sich auf das directe zeugniss des Porpbyrio stützt,

S.

257. Otto Kohl: über zweck und bedeutung der Livia- nischen reden. Programm. Barmen 1872. 29 s. 4.

Die vorliegende schrift , welche auf fleissiger lectüre des Livius und anderer lateinischen und griechischen historiker be- ruht, stellt, wie der titel sagt, sich das ziel die reden des Li- vius nach möglichst allen seiten hin zu betrachten, also im Ver- hältnisse zu den begebenheiten , zu den sprechenden personen, zu Livius selbst und wie er in ihnen seinen eigenen Standpunkt zu erkennen gibt , zu andern antiken geschichtschreibern und ihrer besondern art reden in ihre werke zu verweben , zu den quellen, die Livius benutzt hat, und betrachtet zuletzt kurz die rhetorische form. Man sieht, das schriftchen enthält viel, und doch glaube ich muss man noch das eine und andere vermis- sen. Darunter rechne ich vor allem den begriff „rede'', denn die p. 2 gegebene aufzählung aller directen anführungen mit der colossalen nummer 407, die dann ganz äusserlich nach zeilen des Teubnerschen textes klassificirt werden , hat doch eine zu materielle basis ; warum wird denn nicht im vorliegenden falle rede z. b. als ein kunstwerk definirt, welches deutlich die drei haupttheile exordium, tractatio, peroratio zeigt? alsdann würde sich gezeigt haben dass auch die vielen indirecten re- den nicht bloss auszüge sind, sondern wirkliche reden, die sich eben nur in der form von den directen unterscheiden, wie z. b. die des alten Fabius 8, 33, oder das redenpaar 10, 24, oder die des Scipio 28, 33. Bei besprechung der arten, welcher die Livianischen reden angehören, p. 24, scheint es dem referenten , als hätte der Vollständigkeit wegen auf einen dop- pelten Standpunkt hingewiesen werden müssen. Bedenkt mau

Nr. 9. 258. Tacitus. 469

nämlich dass, als Livius diese reden schrieb, keine einzige einen wirklich praktischen zweck hatte, so sind sie alle deelamationea, also dem yfaoq tntdemtmov angehörig, und treten erst in Ver- bindung mit dem inhalte in eine der bekannten drei arten, un- ter denen dann hier das genus deliberativum natürlich bei wei- tem vorwiegt. In wie weit aber die ansieht des vfs., dass sich kaum eine rele bei Livius finden lässt, in welcher nicht die utilitas mit ihren unterabtheilungen eine rolle spiele, stichhaltig ist (p. 24), das ist doch etwas zweifelhaft: was macht man denn, wenn in dieser beziehung die rtlixtl xecfdkain angewendet werden, z. b. mit der rede des Camillus 5, 51 54, die doch wohl zu den am sorgfältigsten gearbeiteten gehört?, die propositio ist: wir müssen in Rom bleiben 1. (51, 4 52 extr.) : der götter we- gen: a, wegen ihres sichtbaren waltens (4 10), b, der reli- gion, hei!ij;thümer und des eultus wegen (c. 52); 2, unsertwe- gen (c. 53), 3, des ortes wegen (c. 54). Vielleicht wäre hier die umgekehrte folge in der climax ad malus (3. 2. 1) vorzu- ziehen. — Referent ist mit dem verf. vollkommen der an- sieht, dass in diesen reden alles nach Schema gearbeitet ist, aber ein einziges Schema liegt sicher nicht zu gründe und gewiss würde es sich der mühe verlohnen , wenn jemand darauf hin eine gründliche Untersuchung anstellen und nachweisen wollte, weche Schemata und aus welchen schulen so weit es nach- weisbar ist angewendet sind, welche fundorte Livius für die exordien benutzt hat u. ä. ; dabei müsste aber zugleich auch auf den genauen schmuck der rede in figuren u. s. w. rücksicht genommen werden.

W. Teil.

258. Cornelius Tacitus a Carolo Nipperdeio recogni- tus. Pars I, ab excessu divi Augusti lib. I VI, pars II, ab exe. d. A. lib. XI— XVI. 8. Berlin, Weidmann. 1871. 1872 je 9 gr.

Diese neue Tacitusausgabe von Nipperdey verzeichnet un- ter dem texte die wichtigeren Varianten der haupthandschrift, Medic. I und II, die autoren der gebilligten emendationen, un- ter denen ein ganz neuer erscheint , P. Candidus , der besitzer und emendator der wolfenbüttler handsebrift, endlich eine sehr beschränkte auswahl von conjeeturen. Wenn wir nach unserem

460 258. Tacitus. Nr. 9.

persönlichen geschmacke vorgezogen hätten , die abweichungen der M durch ausscheidung handgreiflicher und bedeutungsloser Bchreibfehler zu reducieren und dafür die besserungsvorschläge weniger sparsam mitzutheilen, so ersehen wir freilich aus der vorrede, dass Nipperdey entgegengesetzter ansieht ist; hält er doch selbst von den wenigen mitgetheilten conjeeturen wieder nur wenige für probabiles.

Man wird unter solchen umständen erwarten, dass Nipper- dey seine eigenen conjeeturen mit demselben strengen mass- Stabe beurtheilt habe; indessen wenn man auch mit vergnügen bemerkt, dass Nipperdey hin und wieder eigene früher verfoch- tene ansichten aufgegeben, so sind doch noch genug: conjeetu- ren im texte stehen geblieben , welche voraussichtlich bei kei- nem einzigen späteren editor billigung finden werden. So bleibt es 2, 13 nobilitatem decorem, patientiam comitatem, per seria per iocoa eundem in (in ego addidi) animum laudibus ferre, gleich räthselbaft, wie man an der Überlieferung des letzten objeetes (= animi con- stantiam, ähnlich aequanimitatem) anstoss nehmen, als wie man die vorgeschlagene änderung im sinne von eandem in sententiam, uno ore laudare verstehen könne ; unerklärlich wie man 3, 55 Verum haec nos (nos ego addidi); nobis maiores: certamina ex honesto mancant, dem Tacitus ein solches muster zerhackten stiles zu- muthen, oder wie man 15, 44 die durch Sulpicius Severus 2, 29 geschützten worte: aut crueibus afftxi aut flammati, auswerfen könne, während das folgende atque . . . urerentur , welches wohl Nipperdey nicht mit aut zu stimmen schien, einfacher in utque zu ändern freistand. Auch 14, 7 hat Nipperdey seine verunglückte conjeetur an aperiens nicht aus dem texte zurückge- zogen, obschon doch offenbar zu emendieren ist: quos (nämlich Burrus und Seneca) Nero statim aeeiverat, incertum experiens (cod. expergens, wie in demselben buche c. 48 magestas, 50 vegento) an et ante (schon vorher) gnaros. 15, 13 braucht man nicht zwischen den zeilen, sondern einfach die buchstaben der Über- lieferung exemplis caudi nenum antineque zu lesen um zu erken- nen, dass in derselben nicht Caudi et Numantiac stecke, sondern Caudinae Numantinaeque und dass ein Substantiv wie ignominiae ausgefallen ist. In dieselbe classe der uns unbegreiflichen än- derungen müssen wir 1, 10 nuberet quae edito , 15, 12 per eo~

tök. 9", 258. TacituS. 461

rum numerum obrueretur , 15, 35 quin ne occultet, und etwa ein halbes dutzend ähnlicher stellen einreihen.

Mit besonderer ausfiihrlichkeit spricht sich Nipperdey in der vorrede zu P. I über die im Philologus bd. 25. 26. 27 dargelegte genetische entwicklung des taciteischen Stiles aus, die er im ganzen unter belobung des vf. anerkennt, von der er aber erklärt, der langen rede kurzen sinn habe er selbst in seiner vorrede längst angegeben. Vgl. Annalen, 4. aufl. p. xxxvi : „Agricola und Germania haben am wenigsten erhebuug: fehlerfrei und am blühendsten ist der taciteische stil in den Histo- rien ; in den b. ab excessu ist das sprachliche theilweise noch mehr dem poetischen genähert" u. s. w. Wir bedauern, dass niemand den vollen sinn dieser worte verstanden zu haben scheint und können nur constatieren, dass erst seit der Veröffentlichung der aufsätze im Philologus eine reihe von philologen jenen neuen grundgedanken weiter untersucht und dabei mit seltener Über- einstimmung sämmtlich auf den mitarbeiter des Philologus, nicht auf Nipperdey bezug genommen haben. Dräger, Gerber, Greef, Liebaldt, Maue, Morgenstern, Pohlmau, Teuffei, Zernial das sind in wenigen jähren die ,}multi qui nova arripere sine iudicio consuerunt", während es an einer entgegengesetzten kundgebung unseres Wissens fehlt. Wenn es kaum zu vermeiden war, dass im ersten anlaufe die natürlichen grenzen hie und da überschrit- ten worden sind, so bemüht sich nun umgekehrt Nipperdey vergeblich, die resultate zu weit zurückzudrängen. Während er selbst aus der einen stelle 3, 59 varie disserere folgert, dass Linker und Ritter mit unrecht die handschriftliche Überlieferung variae disserere Hist. 4, 81, Ann. 1, 11 in varia edisserere aufge- löst haben, weil die Verwechslung von e und ae ein jrequentis' simus error sei, hält er doch 2, 57 an dem überlieferten post« que (adverb) zähe fest, indem er den einwurf, dass Tacitus nie so, sondern nur post quae, analog post haec und postea ge* schrieben habe, für nichts erachtet, und zur vertheidigung die längst bekannten stellen von inque (präpositionj aulzählt. Die bemerkung , dass Tacitus in den Historien von sich rettulimue, diximus, memoravimus, memorabimus schreibe, in den Annalen fast regelmässig die entsprechenden singularformen gebrauche, wie ähnliches bei Livius beobachtet wird, verdunkelt er dadurch, dass er als scheinbare ausnahmen reddemus, trademus , silebimus,

259. Griechische geschickte. Nr. §.

memoramus etc. aus den Annalen anführt, womit sicher alle gewonnen werden, welche nicht den Pbilologus zur hand haben. Dort aber steht 25, 98 note: „wir übergehen hier einige ver- einzelte Wendungen, namentlich futural formen, die wegen des seltenen gebrauches nicht eine feste form auszuprägen im stände waren", so dass also die ausdrücke darum absichtlich übergan- gen wurden, weil sie bei Tacitus nur einmal vorkommen, und silebo, memoro etc. gegenübersteht. Aehnlich verwirft Nipper- dey die beobachtung, dass die auf den vf. bezüglichen conjunc- tivformen stets im singular stehen, bringt aber gegen die mit einschluss des perf. conjunctivi 48 Singularbeispiele kein das gegentheil beweisendes bei (weil im ganzen Tacitus keines auf- zutreiben ist) und wir auch selbst schwerlich crediderimus für crediderim schreiben, er müsste denn die bescheidenheit weiter treiben wollen als sie die Lateiner getrieben haben.

So wenig mehrfache berichtigungen abzustreiten sind, so wenig kann es hier gestattet sein zur rechtfertigung das schon früher veröffentlichte zu wiederholen. Warum z. b. Agric. 4 emendirt werden müsse: pater Uli (statt Iuli) Iulius Graecinus, was bereits von dreifacher seite Zustimmung gefunden, ist schon Piniol. 26, 140 auseinandergesetzt: Nipperdey weist die emen- dation zurück, weil er in den aus einer Vielheit von beispielen gezogenen stilistischen consequenzen das spiel des Zufalles, nicht das walten einer ratio, gleichviel ob einer in der spräche selbst begründeten oder einer nur persönlichen liebhaberei erkennen zu müssen glaubt.

E. W.

259. Quaestionum Amphictyonicarum specimen. De gente Aetolica Ampbictyoniae participe. Scripsit Carolus Bücher. 8. Bonnae. 1870.

Den wichtigsten theil seiner aufgäbe, die frage, von wel- cher zeit an und bis wann die Aetoler am Amphiktyonenbund theilgenommen haben , hat der vf. dieser promotionsschrift in Behr anerkennenswerlher weise behandelt. Er zeigt aus neuer- dings, besonders von Wescher , veröffentlichten Inschriften und weiterbauend auf dem von Aug. Mommsen Piniol. XXIV, p. 1 ff. gelegten chronologischen grund, dass die Aetoler bald nach 340 v. Chr. (wahrscheinlich durch Philipps Vermittlung) aufgenom-

Nr. 9. 259. Griechische geschichte. 463

men worden sind und gegen hundert jähre lang dem bunde an- gehört haben. Den überwiegenden einfluss, welchen sie in dem- selben bald gewannen, weist er urkundlich nach und erklärt ihn treffend aus der einverleibung vieler Amphiktyonenvölker in den aetolischen buud, welche er nur nicht p. 19 und 36 im Widerspruch mit seiner eigenen ausführuug p. '62 als ein abhäugigkeitsverhältniss hätte auffassen sollen.

Die zwei von den vierundzwanzig stimmen der zwölf bun- desvölker, welche den Aetolern bei ihrer aufnähme zugewiesen wurden, hatten vorher wohl den Makedonern gehört, von wel- chen in den Urkunden der aetolischen periode keine Hieromne- monen aufzutiudeu sind. Diesen gedanken, auf welchen der vf. selbst gekommen war (p. 22], hat er gegen die vermuthung aufgegeben, dass die zwei stimmen vorher den Lacedaemoniern und den ozolischen Lokrern gehört hatten. Nun ist nirgends bezeugt oder bewiesen, dass die eine der zwei dorischen srim» men eigeuthum Sparta's und nicht vielmehr sämmtlicher pelo- ponnesjscher Dorier gewesen ist ; fest steht nur, dass die Lace- daemonier im j. 346 von der amphiktyonie ausgeschlossen wor- den sind. Eben daraus folgt jedoch, dass 339 oder später die Aetoler eine stimme nicht erhalten konuten, über welche, wenn sie überhaupt vorhanden gewesen, schon 346 verfügt worden war. Die ozolischen Lokrer ferner sind nach Bücher 339/8 wegen des freveis, welchen die Amphisseer verübt hatten, nach dem hiedurch herbeigeiührten heiligen kriege ausgestossen wor- den. Dann hätten aber, was schwer zu glauben , die unschul- digen städte Axis, Eupalion, Oiauthe, Oinoe, Phy&kos, Tolo- phon, Tritaia und andere mitgebübst, was bloss Amphissa ver- schuldet hatte. Der verf. weiss (p. 9 aum. 4) für seine be» hauptung weiter kein argument beizubringen als den umstand, dass die ozolischen Lokrer von Amphissa einige mal schlecht« hin als Lokrer bezeicuuet werden, z. b. Demosth. cor. I5ü— - 152, wo zweimal jene vollständige und (offenbar der kürze we- gen! zweimal die&e einfachere beuennung gebraucht wird; eine beziehuug auf bämnitliche ozoliscue Lokier ist an keiner der vom vf. citirten stellen aufzufinden. Nirgends wird einer ausstossung , sei es der Amphisseer oder sämmtlicher Ozoler, aus dem Amphiktyouenbuud gedacht. 6ehr natürlich, weil sie sich in demselben damals noch gar nicht befunden hatten. Dies

464 259. Griechische geschichte. Nr. 9\

beweist Pausanias 10, 8, 2 bei auf Zählung der ursprünglich (bis 346) zum bunde gehörenden Völker. Die andern nennt er einfach Ioner, Doloper, Thessaler u. s. w. , die Lokrer dagegen bezeichnet er durch den zusatz: riß <l>a)xiöi öfiögovg v nb zqj öyei 7\j Kirjuidi, als die östlichen. Das andere verzeichniss der mit- glieder im j. 346, bei Aeschines fals. leg. 116, nennt schlecht- weg Lokrer. Ein drittes über diese ältere zeit giebt es nicht, wenigstens sucht Bücher mit unrecht ein solches bei Diodor 16, 29 (wo auch einfach AuxqoC steht). Nachdem Diod. 16, 28 er- zählt hat, dass im j. 354 die Amphiktyonen krieg gegen Pho- kis beschlossen und darauf hin ganz Hellas sich in zwei par- teien, für und wider die Phoker, gespalten habe, fügt er im nächsten capitel eine aufzählung der Völker ein, welche für das delphische heiligthum sich erklärten. Um dies zu thun, brauchte man nicht der ainphiktyonie anzugehören und Diodor nennt un- ter diesen Völkern auch die Athamanen, welche wir dem Am- phiktyonenbund einreihen müssten, wenn dort eine Amphiktyo- nenliste zu lesen wäre: die von Bücher p. 6 fg. aufgestellte diodorische liste lässt aber inconsequenter weise die Athamauen weg. Das bestreben , aus den Schriftstellern dinge herauszule- sen, welche sich bei ihnen nicht vorfinden, kehrt p. 18 wieder: wo die gesandtschaft des Philipp und der Thessaler, Aetoler, Aenianen, Phthioten und Achäer an die Athener nach dem falle Elateias (Demosth. cor. 211. Philochoros b. Dionys. ad Amm. 1, 11) für eine Amphiktyonenbotschaft erklärt und als ein be- weis für die behauptung angeführt wird, dass die Aetoler 339/8 schon aufgenommen waren.

Bei Stephanus Byz. v. (frvoxog und in den ausgaben des Skymnos 590 wird Aitolos ein nachkomme des Amphiktyon genannt, eine genealogie, in welcher vf. einen versuch erkennt, die ansprüche der Aetoler auf die amphiktyonie mythologisch EU begründen. Dieser versuch wäre überflüssig gewesen: die hergebrachte ableitung des Aitolos von Aethlios , dem enkel des Deukalion und schwestersohn des Amphiktyon reichte für jenen zweck so gut aus wie die ähnliche genealogische Verbin- dung des Achaios, Ion, Magnes u. a. mit Amphiktyon. Dass der uame Aitolos an jenen zwei stellen (bei Skymnos hat die handschrift 'Izcolog) in "hwrog zu ändern ist, glauben wir Piniol. Supplem. II, p. 684 erwiesen zu haben. U.

Nr. 9. 260—268. Neue auflagen und Schulbücher. 465

NEUE AUFLAGEN. 260. H. Bonitz, über den Ur- sprung der homerischen gedichte. 3. aufl. 8. Wien. Gerold söhn; 20 gr. 261. A. v. Reumont, geschichte der stadt Rom. Neue ausgäbe. 14. ]fg. 8. Berlin. Decker; 1 thlr. 262. Ed. Guhl und W. Koner das leben der Griechen und Römer. 3. aufl. 5. und 6. liefg. 8. Berlin. Weidmann; ä 7a thlr.

NEUE SCHULBUECHER. 263. Homers Odyssee erklärt von V. H. Koch. 4. lieft. 8. Hannover. Hahn; 6 ngr. 264. Freund's schülerbibliotbek. Präparatiouen cett. : präpa- ration zu Horaz werken. 10. bft. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr. 265. Ausgewählte stücke aus der 3. decade des Livius. Mit anmerkungen für den schulgebrauch von W. Jo rdan. 8min.

2. aufl. Stuttgart. Neff; 15 ngr. 266. R. Kühner, ele mentarbuch der griechischen spräche. 27. aufl. 8. Hannover. Hahn; 27J/2 gr. 267. F. E. Lindner, griechische syntax.

3. aufl. 8. Breslau. Gosohorsky; 8x/2 ngr. 268. R. Küh- ner, elementargrammatik der lateinischen spräche. 35. aufl. 8. Hannover. Hahn; 1 thlr.

BIBLIOGRAPHIE. Zur ausführung von Illustrationen wissenschaftlicher werke in Ölfarbendruck erbietet sich die litho- graphische kunstanstalt von H. J. Grebe zu Arnstadt.

Bibliotheken werden zu den höchsten preisen stets ange- kauft von J. A. Stargardt zu Berlin Jägerstrasse 53, W. L. Prag er ebendas. linienstrasse 138, vonA. Hoyer in Göttingen.

Um den nachtheiligen einfluss der neuesten gesetzgebung des norddeutschen bundes über nachdruck zu erkennen, beachte man die im juli a. c. von der Hahn' sehen hofbuch- handlung ia Hannover erlassene ankündigung der XV. Original- ausgabe von J. C h. A. Heyse's fremdwörterbueb, die am 1. october a. c. erscheinen soll : zwei buchhandlungen eignen sich den titel des buches an, um ihrem fabricat dadurch ein grösse- res publicum freilich auf eben nicht anständige weise zu ver- schaffen.

In der Schräg' sehen Verlags - anstalt (H. Klemm) iu Dres- den ist erschienen: „Der neuaufgefundene Luther -codex v. j. 1530. Eine von dem grossen reformator eigenhändig benutzte und ihm von dem kursäcksischen capellmeister J. Walther ver- ehrte handschriftliche Sammlung geistlicher lieder und tonsätze. Herausgegeben von 0. K a d e : " diese Sammlung bestand aus mehrern bänden, von denen aber nur dieser sich erhalten hat; wenigstens sind andre bis jetzt nicht bekannt: diese composi- tionen sind zum theil von Josquins de Pres, dem bedeutend- sten tonmeister der vor - palestrinischen zeit, dann von J. Wal-

Philol. Anz. IV. 30

466 Bibliographie. Nr. 9.

ther, L. Senfl u. a.; über dies und a. giebt Kade's den liedern vorausgeschickte abhandlung Luther und Walther als begrün- der des evangelischen gemeinde - gesanges" nähere auskunft : wir machen auf diese sowohl für Luther und seine liebe zur musik als auch überhaupt für die geschichte des gesangs höchst wichtige arbeit hier kurz aufmerksam.

Albert Cohn in Berlin, besitzer der firma A. Asher und comp, hat eine Sammlung englischer autoren , britischer sowohl als amerikanischer, zu veröffentlichen begonnen, über welche die Augsb. Allg. Ztg. beil. zu nr. 224 sich empfehlend auslässt.

Wichtige werke der ausländischen literatur: 269. H. M. Westropp prehistoric phases; or introductory essays on pre-historic archaeology; with illustr.; 270. R. Brown Poseidon, a link between Semite, Harmite and Aryan; 271. A. Hovelacque Instructions pour l'etude elementaire de la linguistique indo - europe'enne , Paris; 272. Biographie uni- verselle (Michaud) ancienne et moderne, T. IX; 273. C. M a- spero une enquete judiciaire a Thebes au temps de la 20. dynastie. Etüde sur le papyrus Abott, Paris; 274. G. Spezi degli antichi studi greci e latini discorso, Koma; 275. C. We- scher, notice des plusieurs textes palimpsestes qui se recon- trent parmi les inscriptions grecques de FEgypte, Paris; 276. M. Haldvy, examen critique du temoignage d'Herodote sur la religion des Arabes, Paris; 277. L. Heuzy, un palais grec en Macedoine. Etüde sur l'architecture antique. Avec un plan restaure" et un parallele des ordres d'architecture par H. Dau- met, Paris; 278. Jos. Val entin el li, Bibliotheca manuscripta ad S. Marci Venetiarum. Codd. manuscr. latini. T. IVus. Ve- nezia; 279. AI. Ciofi lectio inscriptionum in sepulchro Q. Sul- picii Maximi ad portam Solariam iterum vindicata, Roma; 280. St. Augustin oeuvres completes, traduites en francais et an- notees par Pdronne, Ecalle, Vincent , Charpentier et H. Bar- reau. Renfermant le texte latin et les notes de l'edition des Be'ne'dictins. T. XVII, Sermons au peuple , Paris; 281. L. Sissa, i due manuscritti di C. Sallustio Crispo conservati nelle biblioteca municipale di Fermo, notizia, Feimo : 282. W. H. Waddington, fastes des pronvinces asiatiques de l'empire romain depuis leur origine jusqu'au regne de Diocletien, Paris; 283. de Saulcy, memoire sur les monnaies des Seleucides, Paris; 284. Berger et Cucheval histoire de l'e'loquence la- tiue depuis l'origine de Rome jusqu'a Ciceron , d'apres les no- tes de M. A. Berger. 2 voll. Paris; 285. Roget deBel- loguet, eHhnogenie gauloise, ou M^moires critiques sur l'ori- gine et la parente" des Cimme'riens, des Cimbres, des Ombres, des Beiges , des Ligures et des ancients Celtes. Iutroduction, le partie , Paris; 286. J. Roidot origines d'Augustodunum. Etüde critique sur les textes d'Eumene et d'Ammien Marcel-

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lin, Autun; 287. J. Dixmier de l'action farailiae, en droit romain, Paris; 288. H. Maurin la repetition de l'indu en droit romain et en droit franQais, Paris; 289. L. Juliemies du gage en droit romain et en droit fran^ais, Paris; 290. E. Pilavoine de la lesion en droit f'ran9ais, Paris; 291. H.Du- rand de Lau r, Erasme precurseur et initiateur de l'esprit moderne, 2 voll. Paris. (Aus Zarncke's literarischem cen- tralblatt).

Cataloge von antiquaren: XV. verzeichniss des antiquari- schen bücherlagers von E. Mohr in Heidelberg; m\ 18. anti- quarischer anzeiger von E. Wagner in Heidelberg; antiquari- scher anzeiger nr. 26 der Well ersehen buchhandlung (0. Kösger) in Bautzen : enthalten alle philologisches.

KLEINE PHILOLOGISCHE ZEITUNG. Weimar, 20. apr. Während meines aufenthalts in Eom fand ich in einer zeitung eine notiz, die ich bisher in keiner deutschen zeitung erwähnt gefun- den habe. Nämlich UTribuno, freitag d. 5. april 1872 nr. 266 meldet: „das alte gefängniss aus der epoche der römischen kö- nige ist neulich entdeckt worden in den kellern, die zu einigen häusern in der via cli Marforio und dem vicolo del Ghettarello gehören, zugleich mit einem unterirdischen durchgang, der es verbindet mit der vorhalle des gefängnisses, das bekannt ist unter dem namen „gefängniss von St. Peter"'. Dieser durch- gang ist 80 meter laug und die construetion dieselbe , wie im ältesten theil der cloaca maxima. Besagter räum soll freitag den 5ten april nachmittag 5x/2 uhr illuminirt werden"- Zu leichte- rem verständniss der notiz will ich nur noch hinzufügen, dass das gefängniss von St. Peter, gelegen unter der Kirche St. Giuseppe de' Falegnani an der nordecke des forum bisher mit dem carcer Mamertinus identificirt wurde. [iü. M^\

Grimma. Das gymnasium hat schwere zeiten durchzuma- chen gehabt: das daselbst unter den schülern tief eingewurzelte Verbindungswesen hat endlich unzuträglichkeiten schlimmer art hervorgebracht und ist nur durch strenge carcerstrafe und di- missionen zu bändigen gewesen : aber ob dieser krebsschaden für die dauer geheilt, steht dahin. Ueberhaupt wäre sehr zu wünschen, dass die schulbehörden auf das Verbindungswesen in schulen und gynmasien ein strengeres augenmerk richteten; denn mit ihm zieht der ärgste pennalismus wieder ein ; es kommt auf gymnasien wieder vor, dass die neu in classen auf- genommenen durch Ofenröhren, gitter und dergl. gezogen wer- den, was in einzelnen fällen von den traurigsten folgen für knaben gewesen ist.

Strassburg. Am l.mai ist in den wieder gewonnenen reichslanden die Universität Strassburg von neuem gegründet und feierlich eröffnet worden. Die alte hochschule, welche gleichfalls am,

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l.mai 1567 ins leben trat, hatte, obwohl Strassburg 1681 in die bände Frankreichs fiel, dennoch deutschen geist und deutsche wis- senschaftlichkeit bewahrt, bis sie 1794 ein opfer der revolution wurde, welche, um den eigenen ausdruck der commissäre Ro- bespierre's zu gebrauchen, die hyder des deutscbthums zu er- würgen sich beeilte. Koch, Schöpflin, Oberlin, Schweighäuser, die glänzenden Vertreter der Strassburger Universität unmittel- bar vor ihrem untergange waren deutsche männer ; Schweighäu- ser schreibt in einem briefe an Thomas Tyrwhitt mit stolz : „for i am of German blood". Die schöne feier fand in dem hofe des kaiser- lichen Schlosses statt, welcher in ein festzelt umgewandelt und reich geschmückt war. Eine glänzende Versammlung füllte denselben, die spitzen der behörden, zahlreiche Vertreter des officierscorps, der gemeinderath, eine menge von ehrengästen, darunter ein reicher kränz von damen waren erschienen. Die Studenten der neuen Universität und die zahlreichen Studentendeputationen der verschiedenen hochschulen nahmen die linke seite des saales ein. Hinter der rednerbühne erhoben sich tribünen, auf welchen der neue gesangsverein, eine gründung des tüchtigen Sering, musik- directors am schullehrerseminar , und ein Orchester platz ge- nommen hatten. Um 11 uhr traten unter den klängen eines marsches von Mozart die mitglieder der neuen hochschule nach facultäten geordnet und hinter ihnen die deputationen der aus- wärtigen Universitäten nach alphabetischer reihenfolge in den festraum. Die adressen der deutschen hochschulen an ihre neue Schwester, welche in reicher ausstattung prangten, wurden feier- lichst überreicht. Ausser fast allen deutschen Universitäten wa- ren aus Oesterreich Wien, Prag, Graz, Innsbruck, aus der Schweiz Zürich, Bern, Basel durch deputationen vertreten. Nach- dem das Orchester die Ouvertüre zur weihe des hauses von Beet- hoven in trefflicher weise aufgeführt hatte, verlas der regierungs- präsident von Möller die kaiserliche gründungsurkunde vom 23. april und hob unter herzlichen glückwünschen für das ge- deihen der neuen anstalt die bedeutung derselben für Deutsch- land und Elsass hervor. Hiernach sprach der doctor Bruch, professor der theologie , ein Elsässer , der regierung und der gemeinde den dank für die opfer aus, die sie gebracht hatten, so wie dem staatsmiuister von Eoggenbach für sein unermüdli- ches wirken, dem es zu verdanken sei, dass die Universität schon in diesem semester eröffnet werden könne , und be- tonte mit warmen Worten seine zuversichtliche hoffnung, dass die Universität das grosse werk der Versöhnung im Elsass glück- lich vollziehen werde. Nach einem chore aus der Schöpfung von Haydn hielt prof. Springer in meisterhafter weise die fest- rede. Er entwickelte die bedeutung von Elsass für deutsche dichtung und Wissenschaft, indem er die zuhörer durch die ein- zelnen perioden derselben führte, und entwarf in grossen zu-

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gen ein Charakterbild der deutschen Wissenschaft, die keusch und rein, nicht dem gewinne und eigennutze dient, sondern nur auf das wahre und gute hinarbeitet, die nur baut, nicht zer- stört. Wenn er den wünsch aussprach, dass die deutsche Wis- senschaft auch an dieser statte in gleicher weise segnend wir- ken werde, so zeigte ihm der tausendfache Widerhall seines Schlusswortes „das walte gottu, dass sein wünsch eigentlich schon jetzt in erfüllung gehe. An die rede Spriuger's schloss sich wieder ein der Schöpfung entnommener chor an. Es folgten die begrüssungen der neuen hochschule durch die drei Sprecher, welche die deutschen, österreichischen und schweizerischen Uni- versitäten für sich gewählt hatten, professor Waitz aus Göttin- gen, prof. Tomascheck aus "Wien, prof. Wyss aus Zürich, deren worte ebenfalls von der Versammlung begeistert aufgenommen wurden, namentlich als Tomaschek des einträchtige zusammenge- hen von Deutschland und Oesterreich betoute und Wyss der alten freundschaft zwischen den Schweizerstädten und dem deut- schen Strassburg gedachte. Tief ergriffen dankte der greise rector für diese theilnahme, welche er als einen kostbaren schätz der neuen hochschule bezeichnete. Die Jubelouvertüre von Weber bildete den schluss des schönen festes , das in ganz würdiger weise ohne jeden missklang verlief. Es wäre noch viel zu erzählen von dem festmahle mit seinen trefflichen trinksprüchen, der zaubervollen beleuchtung des Münsterthurmes, der lusti- gen fahrt nach dem Ottilienberge, aber das würde die grenzen dieser notiz überschreiten. Darum sei nur am Schlüsse der wünsch für ein schnelles , glückliches gedeihen der strassburger hochschule ausgesprochen. Möge sie wachsen und blühen und männer schaffen gleich jenen aus der schönsten zeit ihrer frü- heren blüthe. Das walte gott!

Konstanz. 28. juni. Man ist auf grosse Überreste al- ter mauer - und festungswerke gestossen und sonstige römische alterthümer , welche letztere der städtischen alterthumssammlung im Rosgarten einverleibt sind. Es ist dies bis jetzt der ein- zige anhaltspunkt dafür, dass sich ehemals hier ein römisches castell befand.

Luzern. 30. juni. Es sind pfahlbauten am Baldeggersee aufgefunden und dabei allerlei gegenstände wie hämmer, meis- sel, hirschgeweihe, knocken von auerochsen u. s. w. : sie werden im museum zu Luzern aufbewahrt.

Regens bürg. 30. juni. Vom pfarrer Dahlem ist in dem historischen verein von Oberpfalz und Regensburg ein Vor- trag über das bei Regensburg entdeckte römische leichenfeld gehalten (s. ob. nr. 7, p. 382), über den Deutsch. Reichsanz. nr. 156 beil. I berichtet: derselbe Reichsanz. nr. 163 berichtet weiter, dass die ausgrabungen immer grössere bedeutung ge- wönnen: um den 6. juli ist eine grosse uroe von glas gefun-

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den, in der sich ein reifchen von golddraht birgt, an das eine perle geschnürt ist; in einer zweiten urne fand man zwei fast noch unversehrte eier, ferner in der umgegend knochen von thieren, eierschaalen, münzen drgl.

Berlin. In der sitzung der archäologischen ges ell- schaft vom 2. juli besprach E. Curtius zuerst das neu erschie- nene werk von Richard Schöne über griechische reliefs und machte auf den reichen inhalt desselben aufmerksam, in- dem er besonders auf die plastische ausstattung der öffentlichen schrifturkunden und die sogenannten melischen thonreliefs nä- her einging. An die letzteren anknüpfend, legte er einige von ihm neuerdings für das museum erworbene thonreliefs vor, na- mentlich eine gruppe von Eos und Kephalos, wie sie in ähnli- cher weise auf dem dache der königshalle vorzustellen ist; zwei- tens eine tafel aus Melos, welche eine sterbend zusammensin- kende frau darstellt, die von einem hinter ihr stehenden manne gehalten wird; drittens eine terracotta aus Olympia, das mo- dell einer spiegelkapsel , Aphrodite und Adonis in rundem re- lief darstellend. Engelmann sprach sodann über die in vie- len exemplaren erhaltene statue des Amor mit dem bogen. Während die erklärung von Friederichs über die handhabung des bogens allgemeinen beifall gefunden hat, ist seiner deutung, dass Amor nicht seinen bogen, sondern den des Herakles spanne, mehrfach, und zwar mit recht, widersprochen worden. Der letzte, der darüber gehandelt hat, L. Schwabe (s. Phil. Anz. II, p. 105), hat zugleich eine Zusammenstellung der vorhandenen exemplare der statue gegeben, in welcher sich jedoch einige, die nur in kata- logen als bogenspannend bezeichnet werden , fälschlich aufge- zeichnet finden, nämlich die aus der Galleria Lapidaria des Va- tikans (nr. 211) und die aus dem Museo Chiaramonti (nr. 653). Erstere stellt einen trunkenen Eroten aus der spätesten zeit der kunst, letztere zwar einen bogenspanner , aber von einem ganz anderen typus dar. Es giebt zwei verschiedene auffassun- gen des Amor mit dem bogen, die zweite durch jene statue des Museo Chiaramonti und durch die von Friederichs publi- zirte berliner gemme vertreten , zu denen der vortragende als drittes beispiel das reliefbild einer in Corfu gefundenen und in seinem besitz befindlichen lampe hinzufügen konnte. Mit bezug auf den ursprünglichen künstler bemerkte er noch, dass der berühmte Eros des Praxiteles in Thespiä entweder gleich oder wenigstens ganz ähnlieh aufgefasst gewesen sein muss, da er nach den epigrammen den bogen hielt, aber noch nicht schoss, son- dern sich nach einem ziele umsah (noXX1 ä.Teri£6[teing). Der umstand, dass von dem thespischen Eros mehrere nachbildungen erwähut werden (eine von Menodoros aus Athen, eine andre im sacrarium des Heius in Messina) könnte zu dem gedanken ver- leiten, die beiden erhaltenen typen des bogenspanuers mit dem

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praxitelischen Eros und seinen nachbildungen in Zusammenhang zu bringen; doch behielt dies der vortragende einer genaueren Un- tersuchung vor. Zugleich legte er die abgüsse und Zeichnungen zweier alterthiimlichen athenischen werke, eines terrakotten- reliefs und eines reliefs aus marmor, beide eine frau dar- stellend, vor. G. Wolff legte Stephani's jüngst erschienenen kata- log der antik ensammlung des grossfürsten Konstantin. Niko- lajewitch zu Pawlowsk (aus den Memoiren der petersburger akademie von 1872) und die dazu gehörigen bemerkungen dessel- ben (im Bulletin derselben akademie von 1872) vor und besprach kurz den inhalt. Hübner legte zuerst die jüngst erschienenen hefte der pariser Revue archeologique vor , welche seit dem juli 1870 unter den ausliegenden novitäten der gesellschaft gefehlt haben. Er hob ferner hervor, dass der seit dem krieg unter- brochene austausch dieser Zeitschrift gegen das organ der ge- sellschaft, die archäologische zeitung aus freiem antriebe von den herausgebern der revue, ohne dass von hier aus, wie selbst- verständlich, irgend welche dahingehende schritte gethan wor- den seien, wieder aufgenommen worden ist und begrüsste darin ein erfreuliches sympton für die allmähliche Wiederherstellung des wissenschaftlichen Verkehrs mit Frankreich. Derselbe zeigte ferner noch zwei andere arbeiten französischer gelehrter, näm- lich die erste hälfte von Waddingtons ausführlichem werk Faates des provinces asiatiques de Vempire Romain jusqu'au regne de Diocle- tien, welches aus Schriftstellerzeugnissen, inschriften und münzen einen wichtigen theil der römischen geschichte vom jähre 131 v. Chr. an neu aufbaut, und eine studie Leblant's, Recherches sur V accusation de magie dirigee contre les premiers chritiens (aus dem 31. bände der Memoiren der Antiquaires de France), welche mit berücksichtigung der antiken Zeugnisse über magie beson- ders des Apulejus in seiner bekannten schrift, und des Vorkom- mens von zauberstäben auf antiken darstellungen das gleiche vorkommen auf den altchristlichen fresken, gläsern und Sarko- phagen als mitwirkendes motiv zu jenen anklagen hervorhebt. Endlich besprach derselbe kurz die so eben erschienene abhand- lung von Veit Valentin über die melische Venus (die hohe frau von Milo; eine ästhetische Untersuchung. Mit vier tafeln geometrischer Zeichnungen. Berlin, 1872. 4.) Der vortragende sah sich genöthigt, bei aller anerkennung für den umständlichen fleiss, mit welchem die besprochene statue hier von neuem be- handelt worden ist, zu konstatiren, dass damit, seiner Überzeu- gung nach, die frage nach der ursprünglichen komposition und bedeutung derselben um nichts wesentliches gefördert sei; ins- besondere musste er die versuchte restauration (mit einem schrei- tenden mann, „etwa Mars ", welcher der göttin das schon sin- kende gewand gänzlich herabzureissen sucht) als verfehlt be- zeichnen. — Erwähnt wurde endlich noch der diesjährige bericht

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über die Verwaltung des britischen museums, welcher Newton verdankt wird. Die Sammlungen griechischer und römischer alterthümer sind dieses mal nicht so stark vermehrt worden, wie in den letzten jähren; dagegen hat die Sammlung von in England selbst gefundenen alterthümern durch ihren eifrigen vorstand, hrn. Franks, einige sehr erhebliche bereicherungen er- fahren. Endlich wurde Overbeck's grosser bilderatlas zu dessen werke über den Zeus vorgelegt; eine besprechung der einzelheiten einer so umfangreichen und im format nicht so handlichen publikation musste jedoch für spätere Sitzungen ver- schoben werden. E. Curtius legte seine durch die lithographi- schen arbeiten lang verzögerten „beitrage zur geschichte und topographie Kleinasiens" vor, in gemeinscbaft mit major Regely, baurath Adler, Dr. Hirschfeld und Dr. Gei- zer gemachte erforschungen , welche auf dem boden von Ephe- sos, Pergamon, Alt-Smyrna und Sardes vorgenommen sind. Endlich legte er noch den abdruck einer mine von Antiochia vor, mit dem anker der Seleuciden, einem schiffe als neben- stempel , den namen der agoranomen und der angäbe des jahres. Heydemann legte die aus dem nachlass des ver- storbenen professors C. Friederichs erschienenen Reis ebri efe aus Griechenland, dem Orient und Italien (Düssel- dorf 1872) vor, welche ein anschauliches bild von dem enthu- siasmus gewähren, mit dem der Verfasser sich seiner Wissen- schaft hingegeben hat. Ferner theilte er die durchzeichnun- gen einiger vasenfragmente aus Ruvo mit, die eine prozession der Adonisfeste darzustellen scheinen. Näheres dar- über wird die archäologische zeitung 1872 bringen.

Berlin. Der rücktritt Kiessling's vom Joachimsthal'- schen gymnasium. Nachdem das lehrercolleginm schon am 3. juli zu ehren des scheidenden directors ein abschiedsmahl im englischen hause veranstaltet hatte, versammelten sich am 5. juli abends 8uhr lehrer und schüler in der aula der anstalt , um dem seitheri- gen haupte ein feierliches lebewohl zuzurufen. Die feier wurde durch den gesang zweier verse des liedes ,,von gott will ich nicht lassen" eingeleitet. Darauf hielt der direktor (proviuzialschul- rath Dr Kiessling) die letzte seiner stets durch ihren reichen und klassisch stilisirten inhalt ausgezeichneten reden; er führte in kürze aus, mit welchen absiebten er das mühevolle amt über- nommen, wie er hoffe, dass es gute fruchte getragen habe und noch tragen werde. Er habe aber in der letzten zeit eine ab- nähme seiner kräfte gespürt und deshalb das ihm so lieb ge- wordene amt aufgegeben. Daran knüpfte er heisse Segenswün- sche für das Wohlergehen der alten schule, des Vaterlandes und seines erlauchten monarchen , des nachkommens der grüuder des Joachimicum. Zuletzt bat er den allmächtigen auch um heil und segen für seine person. Auf diese rede folgte eine

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kurze antwort unseres collegen 0. Schmidt, der zeit ersten professors, in der die Verdienste, die sich der scheidende leiter während seiner fünfzehnjährigen direktion um die förderung der gelehrten Studien unter derjugend, um die bildung tüchtiger Cha- raktere und um das zusammenwirken derlehrer erworben habe, tref- fend hervorgehoben wurden. Dann gab sie dem grossen schmerze der lehrer und schüler ausdruck , um dem abtretenden chef schliesslich lauge und gesegnete müsse und erholung zu wünschen und ihn zu bitten, auch ein äusseres zeichen unserer Verehrung, einen tafelaufsatz, anzunehmen. Nachdem dann die chorklasse einen psalm gesungen hatte , folgte eine kurze anrede des pri- mus omnium im namen der schüler , die der direktor in herzli- chen worten beantwortete. Drei verse des liedes „ich singe dir mit herz und mund" schlössen die schöne feier. Noch will ich erwähnen, dass auch die schüler ihrer lateinischen valedictionsepistel ein kostbares geschenk (eine stutzuhr) beige- fügt hatten. So schied ein mann aus unserer mitte, dessen hu- maner charakter und praktische tüchtigkeit bei umfassendem wissen stets in dankbarster erinnerung der schüler und colle- gen leben wird. Kiessling war 43 jähre im amte; er hatte in Halle studirt, war dann in Halle, Zeitz, Hildburghausen und Posen als lehrer und direktor thätig. Von Posen kam er als provinzialschulrath nach Berlin. Die Sehnsucht, wieder in le- bendigen verkehr mit der jugend zu treten, liess ihn aber schon 1857 die stelle als schulrath aufgeben, um das ihm angebotene direktorat des Joachimsthalschen gymnasiums an stelle des ab- tretenden H. Meineke zu übernehmen. Vom 1. juli 1857 bis zum 1. juli a. c. leitete er die anstalt. Daran knüpfen wir: Gustavo Kiesslingio | amico fidelissimo | exacta gloriosissime ae- tate | in otium recedenti j hoc pietatis summique amoris do- cumentum | D. D. | Mauritius Seyffertus. | Postdamiae, mense Iunio a. MDCCCLXXH.

Quam vellem veteri numine percitus

Laudes posse Tuas plenius aureis

Inspirans fidibus ferre sub aethera

Et, quod longa Tibi materies iubet, 5 Passim Pieridum prata perambulans

In sertum innumeros nectere flosculos.

Sed pridem prohibet me nemorum sacris

Arcetque Aonio fönte deus potens

Inclusum tenebris pallidulae domus, 10 Tristi cum senio quam subiit lues,

Imis implicitum visceribus malum.

Ergo quid faciam perditus ac miser?

Scriberis aliis nempe valentibus

Immortalis honos ac patriae decus, 15 Artes ingenuas remque scholasticam

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Dum vel consilio vel cathedra iuvas Et miti sapiens, quisquis eget Tui, Grermanus recreas alloquio pater, Aut monstras pueris atque aperis vias 20 Ad vitae facilis raunera publicae. Me libare decet talis adoreae Summas ac memorem pectore prosequi. Sed, quod res patitur nee deus abnegat, Pro dono pretium non operosius 25 Effictumque manu possumus addere, Quod pro me faciat verba disertius. Ergo propitiis, quid velit hie scyphus Simplex munditiis, auribus aeeipe. Qualis forma scypho , sie niteant Tibi 30 Et puri redeant perpetuo dies, Dum fessum assidua militia latus Tranquillo relevas abditus otio. Quod cum neetarei, quos sibi proprios Deposcit, latices imbuerint scyphum, 35 Sumens innocui munera Lesbii.

Hinc ducas animos et Senium grave Longe distineas quidquid habet mali. Sic laeta poteris mente resuscitans Exactis iterum temporibus frui, 40 Haerens in gremio coniugis unicae, Ac, dum plena vides plurima gaudii, Et nostri memorem spargere lacrimam. Hanau, 10. juli. In der nähe von Hanau, bei dem dorfe Rückingen sind aschenkrüge, steine mit dem zeichen der XXII römischen legion u. s. w. gefunden , woraus sich auf ein Standquartier der Römer schliessen lässt. Schon früher sind reste eines bades und gräber in dieser gegend gefunden.

Berlin, 13. juli. Ueber den letzten ausbruch des Ve- suv veröffentlicht prof. Palmieri, director des Observatorium in Neapel einen bericht unter dem titel: Incendio Vesuviano del 26e Aprile. 1872, wovon eine deutsche Übersetzung von Dr C. Rammeisberg in Berlin bei Denicke erscheint.

Köln, 14. juli. Vorige woche sind in der nähe der villa Weisshaus mehrere steinerne sarge ausgegraben; man vermu- thet es seien römische.

Augsburg, 19. juli. In der tiefe von fünfzehn fuss fand man bei legung des fundaments des justizpalastes eine broncemünze aus 3. jahrh. p. Chr. , eine vase von schwarzem thon, einige backsteine, gerippe von thieren: diesem orte ge- genüber lag der tempel des Pluto und der Proserpina, mit de- ren kult man diese gegenstände in Verbindung bringen möchte. Nach dem Deutsch. Reichsanzeig. n. 175 haben die aus-

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grabungen in Athen zu dem resultat geführt, dass die nörd- liche ringmauer als die von Themistokles aufgeführte anerkannt worden ist. Man fand in derselben neuerdings verschiedene materialien, grabsteine und dergleichen ungebräuchliche aushül- fen, die man in der eile zusammenraffte und mit eingebaut hat, wie aus den alten bekannt.

Karlsruhe, 30. juli. Der ägyptologe Eisenlohr hat die von Harris aufgefundene 4072 meter lange, 4272 centime- ter breite papyrosrolle untersucht und gefunden , dass sie sich auf die geschichte von Ramses III (Rampsinit bei Herodot) be- zieht: näheres giebt der Deutsch. Reichsanz. nr. 179, beil. 1; auch Augsb. Allg. Ztg. a. c. beil. zu nr. 245.

München. Der Speisezettel des am 1. august bei dem Jubiläum zu München im odeonssale veranstalteten festmahles war lateinisch abgefasst und lautet nach der Augsb. Allg. Ztg. a. c. beil. zu nr. 217 wie folgt:

Symposium. Gustatio: pisciculi oleo perfusi et salmo- nes fumo siccati ad cibi appetentiam excitandam. Mensa prima: ius pingue testudinaceum, carnali succo Liebigiano conditum. Salmones Danubiani, qui Rhenanos saporis gratia facile vincunt, cum liquamine et bulbis rotundis Americanis. Bovini lumbi assi, omnibus horti olitorii deliciis coronati. Caro ferina inter fungos natans, opere pistorio inclusa. Squillae cum vitellis, oleo et aceto in unum mixtis. Capones pingues ex incluta urbe Ratisbonensi advecti. Pisa novella coctura Apiciana macerata. Mensa secunda. Placenta maior dulciaria , opere tectorio sigillis aliisque artificiis mirabilem in modum ornata. Fi^ura pueruli Monacensis (a barbaris dicti „münchener kindl") Praxitelis in- genio inventa et ipsius manu expressa, quae ut Alpes trans- cendit prob dolor! frigorum vi correpta et conglaciata est. Frugum regionis glacialis genera varia, botanicorum oculis et studiis nunc primum proposita. Vinum dulce Hispanicum; molle Silvestre; mite Burdigalense; fortius Palatinum ex vineto Iesuitarum depromptum; ex Castro Rosario oriundum; spumans Campanum.

Weimar, 2. august. In Capua ist eine vase aufgefun- den worden, welche man mit der 332 a. Chr. den Siegern in spielen zu Athen gegebenen identificirt ; neben ihr fand man das skelett eines mannes. Auf der einen seite dieser amphora steht die athenische Pallas zwischen zwei säulen und schleudert einen wurfspiess, auf jeder säule eine Victoria; auf der andern seite ist eine ringergruppe dargestellt, dazu ein jüngling , der dem kämpf zusieht, ein Schiedsrichter, ein greis mit einem stabe. Oben steht der name des ersten archonten des j. 332 und die worte „belohnung von Athen". Weira. Ztg.

London, 2. aug. Ein grosses stück einer säule vom tempel der Diana zu Ephesos, das umfangreichste, was bis jetzt

476 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 9.

von diesem gebäude nach England gekommen, ist dieser tage nach dem British Museum gebracht. Zehn pferde waren zum transport nöthig : vrgl. Deutsch. Reichsanz. nr. 187 beil. 1.

München, 7. aug. Die in München erscheinende „Ge- meindezeitung" hat dem universitäts -Jubiläum eine eigne fest- nummer gewidmet mit einem aufsatz von E. von Destouches: „die stadt München in ihren äussern beziehungen zur Universi- tät": jetzt bringt sie in ihren nummern vom 6. august von demselben Verfasser als nachklänge zum universitäts -Jubiläum einige artikel „über die grossen stadtfeste in München seit dem 14. Jahrhundert". Das älteste urkundlich nachweisbare fest der art war der siegeseinzug Ludwig des Bayern nach der schlacht bei Ampfing im november 1322. Es ist sehr erfreulich zu sehen wie in unserer so materiellen zeit, die stadt München an dem ehrentage ihrer Universität sich so lebhaft betheiligt; zugleich möchten wir letzterem aufsatz um deswillen auch jetzt viele Ver- breitung wünschen, damit von den vorvordern unsre gegenwart lerne, wie Volksfeste eingerichtet werden sollen ; denn das scheint unre zeit ganz verlernt zu haben.

AUSZUEGE aus Zeitschriften : Archäologische zeitung herausgege- ben von JE. Hübner, bd. IV. heft 4, 1872: R. Schöne, reliefgruppe in Marsala, mit taf. 51 ; p. 133, dazu nachtrag p. 188. Matz, goldschaale von Pietraossa, mit taf. 52; p. 135 ; wird auf Triptolemos und Segnungen der eleusinischen gottheiten bezogen. Ad. Michae- lis , griechische grabreliefs, mit taf. 53, 53a; p. 138; auch wegen der daselbst behandelten inschriften zu beachten. H. Heydemann, das morraspiel, mit taf. 56; p. 151. H. Heydrmann , Iason bei Aie- tes, vasenbild aus Rufo, p. 154. H. Heydemann, darstellungen aus dem mythos der Phädra und des Hippolytos, p. 157. Mise ei- len: J. Friedender, über das von hrn prof. Wieseler gefundene »bisher nicht richtig erkannte wichtige attribut des Vulcanus, »p. 162: weist nach , dass, was Wieseler für den omphalos hält, ein hut ist. A. Conze, zu taf. 47, p. 163: s. ob. p. 431 : bestätigt Heydemann's erklärung. P. Pervanoglu , zur topographie Athens, p. 164. G. Willmanns, bonner inschriftensteine, p. 165. H. Bergan, antiken- fund in Nürnberg, p. 166. H. Heydemann , zum urtheil des Pa- ris, p. 167. H. H. , Museo Espagnol de antiauedados , p. 167. H. Heydemann , zusatz zu dieser zeitung 1871, p. 11, p. 168: be- zieht eine vase auf Memnon's kämpf mit Achilles. H. Heyde- mann, Kurze beschreibung der vasensammlung könig Ludwig des I, p. 169: kurze anzeige. H. Schliemann, inschriften aus Neu-Ilion, p. 169: drei sollen aus den letzten Jahrhunderten v. Chr. sein. I. Becher, römische inschriften aus Deutschland, p. 171. Sitzungs- berichte der archäologischen gesellschaft in Berlin, p. 172. Chro- nik der Winkelmannsfeste, p. 175. E. Merzbacher, litera- turbericht, p. 180: es wäre gut gewesen, das datum der abfassung dieses berichtes anzugeben: denn er ist sehr unvollständig. Ver- zeichniss der mitarbeiter, p.186. JE. Curtius, neue funde aus Klein- Asien und Griechenland: zwei inschriften: 1) eine aus Smyrna , aus der zeit des Lysimachos , wo nach dem aufbau von Smyrna der alte bund der ionischen städte wieder hergestellt ist; sie lautet, nach Ku- manudes, der sie in Palingenesia vom 15. april veröffentlicht:

Nr. 9. Auszüge aus Zeitschriften. 477

sdoZtv 'Iojpcov tw xotyw tüv iQt[ioxa£]dixcc nöksav Imi&ri InnödTQct- tos cInn[odq][xov Mvkrjßiog ffikög wV rov ßa6ikm\g Avci\fxd^ov xai ctqcc- trjyog Ini tuü/li n[oXtu>v] xai xoivr, ndct xq<ü[i£VOQ dianktl' dya[xtf, i&]xfl dtdü^&ui tw xowui '/7in 6[cTQtt\iov 'Imioö'r/juov Mikitßiov dqttrig iyt[xa xai] tvvoiag tjy iyuiv diaitkti nqbg 10 xoiv]uy twV] 'lutvwv xai tlvai avtbv cnikrj navmv i\y raig] nöktot Talg twV '/wVwj>* lavra dt vtikq\j(uv\ cIti- nooTQÜTO) uvtw xai Ixyövotg' GT>joa[i dt av]rov xai tixüva %akxrtv $q>' in- nov iu üavKJi\yi(p\ ' tkiaüoi, dt nöktig dvo ydr/ , ainvtg in^i/utk^Gourai bnwg av >i tlxmv tj ' Innocrtjaro\y 6ia\&fi xuia Tuyj>g, Xva xai ol komol nuvTtg [tidü)]6iv, ön ol viWs? tovg xakovg xai dya&oi>\4\ üvdqag xai XQtiafi naQfYOfievovg ial[g nükt]oi nfiüSci dwyiulg zaig nQogrjxovaut.g' \^avti/ty\xtiv dt txaaiovg iw/u ßovkiviiov tu &y\yu)0{At\va* ImGt tig rag Idiag nvktig, vnwg vna[(>Yij £v\ rdig dtjfxooloig (lyaytyQuju/utva tc'c l\yv(üd\fjtsva vnö 'Iujvojv to dt döyfxa tudt \civa\yyuipat, tig to ßäd-Qov Ttjg tixoyog tijg . 2) In Sparta hat man eine iebensgrosse männliche marmorstatue mit abge- schlagenem köpf gefunden, auf deren kreisförmigen basis zu lesen sein soll: KJAV VPAZUA TON llATKPA. Das kenotaphion des Bra- sidas erwähnt Paus. III, 14, 1 bei dem theater.

Augsburger allgemeine zeitung , beil. zu nr. 205. 207. 208 : das studium der frauen mit besonderer rücksicht auf das studium der medicin. I V. Schopenhauer und Hartmann. Nr. 206. 207. 208 : zur religiösen einigung der deutschen nation. I. II. III. Beil. zu nr. 206 : das neue Italien und seine kunstschätze. Schopenhauer und Hartmann (schluss). Stanley's Livingstone - espedition : weist Stan- ley viele fehler und Unrichtigkeiten nach. Nr. 209: die auswei- sung der Jesuiten und ihre gründe. Die haltung des klerus in Braunsberg. Beil. zu nr. 209. nr. 210. nr. 212: M. W., das stu- dentenleben auf der Ludwig. Maximilians - Universität. Ein beitrag zu der vierhundertjährigen Jubelfeier derselben: holt sehr weit aus und berichtet von dem treiben in Ingolstadt, geht dann zur verle- guDg der Universität nach Landshut (1800) über, spricht vom dorti- gen Verbindungswesen , sucht das mangelnde interesse an der bur- schenschaft zu erklären und kommt so zu der 1826 erfolgten Über- siedlung nach München ui)d der geschichte der dortigen Verbindungen: verherrlicht wird durch diese artikel weder die regierung noch die Universität. Nr. 210: England im kämpfe mit der kirche. Die schulen in Posen. Nr. 212: Stanley als retter Livingstone's : vrgl. auch nr. 218, beil. zu nr. 219. Beil. zu nr. 212: ein brief Living- stone's: giebt nachricht von der Wasserscheide im südlichen Central- africa; sie ist über 700 englische meilen lang, die in ihr zahllosen quellen laufen in vier grosse flüsse zusammen und diese münden in zwei mächtige ströme im grossen Nilthal; ausserdem berichtet vf. von vier seen und kommt auf die bei Herodot II, 28 erwähnten quellen des Nils; doch ist da der bericht nicht ganz deutlich. (Vgl. unt. r. 10). Beil. zu nr. 213: Versammlung der deutschen anthropologischen ge- sellschaft in Stuttgart. Nr. 214: Stellung der regierung zum zweithei- lungsproject der prager Universität. Beil. zu nr. 214: volksgeist und Volksbildung. Die vierhundertjährige Jubelfeier der Universität München. I. Nr. 215: Jubelfeier der Universität München. Nr. 216, beil. zu nr. 216, nr. 217, die vierhundertjährige Jubelfeier der Universität München IL III. IV. V : es werden die dabei gehaltenen reden und toaste u.s.w. auch mitgetheilt.

Ephemeris epigraphica 1872 fasciculus secundus: G. Wil- manns: de praefecto castrorum et praefecto legionis (p. 81 105) weist nach chronologischer Zusammenstellung der auf diese Offiziere bezüglichen Zeugnisse aus Schriftstellern und inschriften nach, dass die praefecti castrorum von August bis Septimius Severus bestanden ha-

478 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 9.

ben und seit dieser zeit praefecti legionis genannt worden sind. Ue- ber die functionen und carriere dieser Offiziere finden sich manche werth volle bemerkungen. W. Wittenberg er, de ütulis nonnullis Atticis ad res romanas spectantibus *) (p. 106 117) : bespricht und er- gänzt fünf inschriften aus der ersten kaiserzeit, die zum grösseren theil historisch bedeutende persönlichkeiten betreffen ; philologisch von besonderem interesse ist die zweite inschrift, da aus inr hervor- geht, das virgo Vestalis griechisch durch laoä nagd-wog wiedergegeben und ferner , wie Dittenberger nachgewiesen hat , bei Tacit. Ann. II, 48: Vibidium Virronem statt Varronem zu lesen ist. F. Bor- mann, de quorundam aedißciorum publicorum urbis JRomae titulis (p. 118—122): knüpft an vier stadtrömische inschriften topographisch -hi- storische bemerkungen an und weist nach, dass aus den von dem Anonymus Einsiedlensis noch vollständig kopirten inschriften auf dem drei-säulen- und acht-säulen-tempel in Rom mit Sicherheit geschlos- sen werden kann, dass der erstere dem Vespasian, der zweite dem Saturnus geweiht gewesen sei. Es darf diese bestrittenste aller fra- gen aus der römischen topographie durch die bündige beweistührung Bormann's als definitiv erledigt betrachtet werden. Th. Monim- sen: observationes epigraphicae n. 5 8 (p. 123 150): 5) de Diocle- tiani collegarumque nominibus erasis; 6) quinquefascalis titulus Cistensis; 7) de titulis C. Octavii Sabini cos. a.p. Chr. CCXIV; mit vergleichender erörterung der senatorischen ämtercarrieren im anfange des dritten Jahr- hunderts; 8) titulus Atticus Frugi et Piso?iis, an den der verf. wichtige bemerkungen über die Calpurnii, Pisones und Licinii Crassi im ersten Jahrhundert n. Chr. knüpft und nachweist, dass das cognomen Frugi seit dem anfange der kaiserzeit bei den Calpurnii Pisones nicht mehr erscheine , sondern auf die Licinii Crassi, wahrscheinlich durch adop- tion übergegangen sei ; zuerst tritt es bei M. Licinius Crassus Frugi cos. 27 auf, den Mommsen für den jüngeren der Pisonen hält, an die Horaz seine sogenannte ars poetica gerichtet : eine vermuthung, die al- lerdings nicht als erwiesen erachtet werden kann. Den schluss des reichhaltigen heftes (p. 151) machen einige nachtrage von Mommsen zu seiner abhandlung über die Iunii Silani im ersten hefte der Ephe- meris.

Zarncke's literarisches centralblatt , nr. 15: Kiepert, neuer atlas von Hellas und den hellenischen colonien. 3. lief. Berlin. 1871: lo- bende anzeige von Bu. A. Böckh's akademische abhandlungen: auch u. d. t. : A. Boeckh's gesammelte kleine schritten bd. 5: an- zeige : am ende angäbe einiger druckfehler : sonst vgl. Phil. Anz. III, n. 11, p. 551. E. W. H. Brentano, imtersuchungen über das griechische drama. Bd. 1. Aristophanes. Frankf. a. M. 1871: aus- führliche und das verkehrte der ansichten des vis klar aufdeckende anzeige von Bu ; vrgl. ob. nr. 1, p. 27. Der vf. hat sich in nr. 18, p. 490 gegen Bu zu vertheidigen gesucht: die ihm auch da von Bu gewordene abfertigung wird jeder ruhige beurtheiler billigen ; lasse sich der offenbar talentvolle vf. gesagt sein , dass ohne strenge nie- thode und gewissenhafte forschung man in der philologie nichts er- reichen kann. Acta societatis philologae Lipsiensis ed. Fr. R ti- schet ins. T. I fasc. 2. Lips. 1871: der ref. W. beschäftigt sich nur und auch das sehr kurz mit Weinhold (s. ob. n. 7, p.347) und

1) Allerdings könnte man trotz dieses Zusatzes zu der frage be- rechtigt sein, ob griechische inschriften in ein Corporis inscriptionum Latinarum supplementum gehören V Eine trennung der älteren grie- chischen inschriften und derjenigen aus römischer zeit erscheint frei- lich durch inhalt und form geboten.

Nr. 9. Auszüge aus Zeitschriften. 479'

zeigt, dass vom vf. Sali. Jug. 24, 2. 85, 14 falsch, behandelt sei: sonst vrgl. ob. heft 7, p. 371. P. Schnitze, de archaismis Sallustianis. 8. Halle (ohne jahresangabe): anzeige von W: s. ob. nr. 6, p. 290. JE. Koch, griechische schulgrammatik. 2. aufl. 8. Leipz. 1871: anzeige von C, die Veränderungen in der zweiten aufläge beträfen meist die darstellung. J. Laßmann und D. Müller, lateinische schulgrammatik für alle classen des gymnasiums. 3. aufl. 8. Göt- tingen : anzeige von C, der die behandlung der formenlehre als ge- lungen bezeichnet, in der syntax dagegen den stoff nicht hinlänglich erschöpft und deshalb Zumpt nicht ersetzt findet ; dabei erkennt ref. aber Selbständigkeit des urtheils und besonnenheit in der durchfüh- rung an und steht nicht an trotz abweichenden ansichten dieser gram- matik vor den andern verwandter richtung den Vorzug zu geben. Fr. Wieseler, über den delphischen dreiiüss. Götting. 1871: anzeige von Bit, der der conjectur des verfs bei Cedren. Hist. compl.(?) 1, p. 532 Bekk. sei xikißuv statt xakvßav zu lesen entgegentritt. A. Rossbach, römische hochzeits - und ehedenkmäler. 8. Leipz. 1871: ausführliche und anerkennende anzeige von Bu; s. ob. n. 3, p. 152. Nr. 16: J. C. Vollgr äff , studio palaeographica. 8. Leiden. 1871: anzeige von Bu , der das griechische paläographic behandelnde buch empfiehlt. Fragmenta scaenicae Romanorion poesis secundis curis rec. Otto Ribbeck. Vol. I. 8. Lips. 1872: anerkennende anzeige von (o, welche eine reihe sehr beachtenswerther eigner vorschlage ent- hält. Vgl. ob. n. 6, p. 285. A. Kiessling, neue beitrage zur kritik des rhetor Seneca. 8. Hamburg. 1871 : anzeige von Bu, mit einigen ge- genbemerkungen. A. Martens, de L. Annaei Senecae vita et de tempore quo scripta eius philosophica quae supersunt, composita sunt. 8. Hamburg. 1871: anzeige von Bu, abweichende meinungen und nach- trage enthaltend. Itinerarium Alexandri ed. Lid. Volkmann. 4. Naumburg. 1871: anerkennende anzeige von Bu, mit einigen vor- schlagen zur Verbesserung des textes. H. Buchholtz, die tanzkunst des Euripides. 8. Leipzig. 1871: anzeige von Bu, der viele Seltsam- keiten und falsches in dem buche findet, schliesslich aber meint, dass auch manches gute darin sei: s. ob. nr. 2, p. 97. Nr. 17: R. Westphal, elemente des musikalischen rhythmus mit besonderer rück- sicht auf unsere opern-musik. 1. theil. 8. Jena: ausführliche an- zeige von K. L. . . s , (d. h. Lehrs) der sich gegen die ihn betreffen- den angriffe in der vorrede Westphal's scharf vertheidigt, dabei die zweite aufläge von Westphal's griechischer rnetrik als eine »breiige« und als einen rückschritt bezeichnet, namentlich das verfehlte und un- genügende des abschnittes über den epischen hexameter hervorhebend: man muss diesem tadel wohl beistimmen , den ton der anzeige aber missbilligen , es wäre nach dieser art des auftretens doch wohl nur in der Ordnung, wenn Lehrs, statt bloss zu orakeln und zu höhnen, statt Schmidt's und Brill's wenig philologische Schriften zu verthei- digen, selbst im zusammenhange seine rhythmischen ansichten darlegte, damit man endlich aus seiner eigenen darlegung genau ersehe, wie er denn eigentlich seine modernen ansichten auf die antike an- gewendet wissen will. Nr. 18 : Herodoti historiae. Rec. Henr. Stein. T. Ilus. 8. Berol. 1871: lobende anzeige: ref. vermuthet, VII, 20 /jtjdiy av tfaivta^ca, sei zu schreiben, ib. 149 y.ainig rb xorjorrjoiov (foßio/uiyovs, ib. 169 imUyta&t für tm/ui/wftc&s, zugleich auch auf übersehene conjecturen in Houisma Lex rhetor. Cantagrigiense auf- merksam machend. II. Hübschmann , ein zoröastrisches lied über- setzt. 8. München: anzeige von J. E. R. Lepsius , über einige ägyptische kunstformen und ihre entwicklung. 4. Berl. 1871: an- zeige von E. G. Nr. 19: K. Knebel, de fontibus quaiuor prio-

Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 9,

rum historiae Augustae scriptt. pars I. 8. Bonn. : anzeige von J. J. M., der in vielen punkten die ansichten des vfs bestreitet, einzelne stellen auch emendirt , in Ael. Spart. Vit. Sever. 91 apud Cyrrhum oder Cilicam statt apud Cyzicum gelesen wissen will. M. Höf- ner, Untersuchungen zur geschichte des kaisers Septimius Severus und seiner dynastie. Bd. I. 1. Giessen. 8: anzeige von J. J. M . , der in vielem, einzelnem abweicht, ein urtheil über die schrift aber nicht ausspricht: vgl. ob. n. 7. p. 858. Ephemeris epigraphica corpo- ris imcriptionum latinarum supplementum. 8. Rom.: anzeige: s. ob. n. 1, p. 64. Stoli , bilder aus dem altrömischen leben. 8. Leipz. 1871: im allgemeinen lobende, im einzelnen ausstellungen machende anzeige. Nr. 20: Andociäis orationes ed. Fr. Blass. 8. Lips. 1871: Dinar chi orationes adjecto Demadis qui fertur fragmento ed. Fr. Blass. 8. Lips. 1871: anerkennende anzeige, in der Di- narch. adv. Demosth. §. 7 behandelt wird. A. F. v. Vel- sen über den codex Urbinas der Lysistrata und die Thesmophoriazu- sen des Aristophanes. 8. Halle. 1871: anzeige. Cebetts tabula, praefatus est, app. crit. et verb. indice instruxit Fr. Drosihn. 8. Lips. 1871: anzeige. Nr. 21: F. Hitzig, spräche und sprachen Assyriens. 8. Leipzig. 1871: ausführliche anzeige von J. W. Hartel, homerische studien. 8. Wien. 1871: anzeige von C, der dem von Gr. Curtius studien IV, 1 gegen den ersten theil gesagten bei- stimmt, sonst zustimmt, ohne eignes beizubringen. Nr. 22: E. L eg r and, collection de monuments pour servir ä l'etude de la langue neo- hellenique. Paris. 1869: anerkennende anzeige, die nur den preis des buches zu hoch findet. E. Muff, über den Vortrag der chori- schen partien bei Aristophanes. 8. Halle : lobende anzeige : s. ob. nr. 6, p. 277. M. Schnitze, über den lautwerth der griechi- schen sehriftzeichen. 8. Thorn: wie es scheint sehr wenig zustim- mende anzeige von C. Hesiodea quae feruntur carmina ad codd. mss. et antiquorum testium ßdem recensuit, criticorum coniecturas adje- cit Aem. Koechly , lectionis varietatem adscripsit G. Kinkel. 8. Lips. 1870: die richtung der ausgäbe schildernde anzeige von C. J. Bühlmann, die architectur des classischen alterthums und der renaissance. 1. abth. Die säulenordnungen. 8. Stuttgart: anerken- nende anzeige von A. Nr. 23: Ad. Trendelenburg, kleine Schriften. 8. Lpzg. 1871: anzeige. H. Steinthal, einleitung in die psychologie der Sprachwissenschaft. 8. Berlin. 1871: ausführliche anzeige. Nr. 24: Friederichs kleinere kunst und industrie im alterthum. 8. Düssel- dorf. 1871: kurze lobende anzeige von A: vrgl. ob. nr. 7, p. 384.

Druckfehler. Heft 8, p. 408 z. 16 v. o. lies: kritische

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Achäer

Nr. 10. October 1872.

Philologischer Anzeiger.

Herausgegeben als ergänzung des Philologus

von

Ernst von Leutsch.

292. Des Euripides Herakliden zum schulgebrauch mit er- klärenden anmerkungen versehen von Wolfg. Bauer, professor am königl. Wilhelmsgymnasium zu München. 8. München. Lin- dauer. 1870. 54 ss. ; 8 ngr.

293. Des Euripides Medea zum schulgebrauch mit erklä- renden anmerkungen versehen von Wolfg. Bauer 8. Mün- chen. Lindauer (Schöpping). 1871. 81 ss. ; 8 ngr.

294. Des Euripides Alkestis zum schulgebrauch mit er- klärenden anmerkungen versehen von Wolfg. Bauer. 8. München. Lindauer. 1871. 60 ss.; 8 ngr.

295. Zu den Herakliden des Euripides. Kritisches und exegetisches. (Programm). 4. München. 1870. 20 es.; 4 gr.

296. Zur Medea des Euripides. Kritisches und exegeti- sches. (Programm des Wilhelmsgymnasium). 4. München. 1870. 31 ss.; 4 ngr.

Der verf. von dem gedanken ausgehend, dass neben So- phokles auch Euripides auf dem gymnasium und zwar am besten vor Sophokles gelesen werden solle, hat sich die aufgäbe ge- stellt eine auswahl euripideischer dramen mit einem knappen, bloss für die bedürfnisse der schule berechneten commentare herauszugeben. Der schüler soll bloss die unentbehrlichsten winke erhalten , um sich mit erfolg für die lehrstunden vorbe- reiten zu können, das andere möge dem mündlichen unterrichte vorbehalten bleiben ; der schüler darf nicht in den anmerkungen eine masse material finden, das er nicht bewältigen, theilweise gar nicht verdauen kann. Daher soll, wie es in dem pro- gramme von 1870 p. 6 heilst, eine solche ausgäbe zuerst eine kurze darstellung der fabel, wie sie der dichter zu gründe ge- Pbilol. Anz. iy. 31

482 292—96. Euripides. Kr. 10.

legt hat, geben, woran sich eine in wenigen Worten bestehende angäbe des ortes, an dem das drama spielt, und der zeit der aufführung, soweit sich das mit Sicherheit oder Wahrscheinlich- keit bestimmen lässt, eventuell auch eine summarische andeutung über die tendenz des Stückes schliessen kann. Der commentar hat unter Zugrundelegung eines lesbaren textes und unter hin- weis auf die scenische darstellung alles das und nur das zu geben, was auf dieser unterrichtsstufe noch erklärt werden muss, um die dem Verständnisse des textes entgegenstehenden Hinder- nisse zu beseitigen. Sprachliche und sachliche erläuterungen müssen möglichst präcis und verständlich sein und dürfen nur insoweit in citaten bestehen , als sie der schüler wirklich finden und verstehen und aus ihnen für die richtige auffassung des vorliegenden nutzen ziehen kann. Kritische und ästheti- sche bemerkungen in dem beschränkten masse , als sie in der schule zulässig sind, müssen dem mündlichen Unterricht überlas- sen werden und können auch wohl den gegenständ schriftlicher ausarbeitungen bilden. Nach diesem plan sind nun die vorlie- genden ausgaben eingerichtet. Ohne das redliche bestreben, das hier zu gründe liegt, zu verkennen, möchte ich mich doch ge- gen diese allzu knappe form der Schulausgaben erklären. Warum soll z. b. die einleitung bloss auf das obige mass beschränkt sein? Wird nicht für den schüler eine kurze erörterung über die entstehung und fortbildung des mythos anziehend und be- lehrend sein, besonders da er daraus ersehen wird, wie ihn der dichter für seine zwecke umgebildet hat? Muss nicht der schü- ler in den Herakliden schon bei der Vorbereitung auf die grosse lücke nach v. 629 aufmerksam gemacht werden? Auch für den commentar ist eine solche allzu kurze fassung nicht em- pfehlenswerth. Die kritik möge allerdings, wie ja das gegen- wärtig meistens geschieht, von demselben ausgeschlossen und in einen besonderen anhang verwiesen sein , aber eine präcise ästhetische beinerkuug wird auch schon bei der Vorbereitung gute fruchte tragen und kurze erörterungen über Sprachgebrauch, nachahmungen und dergl. lassen sich ohne allen schaden im commentare anbringen, wie denn auch citate aus anderen dra- men desselben dichters oder aus anderen tragikern und beson- ders auch aus Homer dem fleissigen schüler bei der ersten durcharbeitung sehr zu statten kommen werden. Wenn ich nun

Nr. 10. 292—96. Euripides. 483

auch die ansieht des verf. über die form von schulcommenta- ren nicht theile , so will ich doch gerne an den vorliegenden ausgaben anerkennen, dass die anmerkungen klar und verstän- dig abgefasst sind und man in dieser beziehung nur selten et- was zu tadeln findet. So ist z. b. in der einleitung zu den Herakliden die bemerkung : das stück spielt in Marathon vor dem tempel des Zevg äyogalog; doch hat sich der dichter erlaubt den ort in unmittelbare Verbindung mit Athen zu bringen", weder richtig noch leicht verständlich. Für die attische bühne bestehen die entfernungen in räum und zeit vielfach nicht. Wenn in dem Agamemnon des Aeschylos der könig von Troia nach Mykenai kommen, wenn in den Trachinierinnen des Sopho- kles der todtkranke Herakles von der nordwestlichen landspitze Euböa's nach Trachis gebracht werden kann, so ist es doch nicht auffallend, wenn die könige Attika's mit solcher Schnelligkeit von Athen aus in Marathon erscheinen. V. 2 muss es wohl heissen: „dUaiog avr<Q ist prädicat"; nach der note zu v. 239 „navrjyvQiv schaar, wegen der grossen anzahl der söhne des Herakles (nach Apollodor mehr als 70)" wird der schüler an- nehmen dass Iolaos mit vielen kindern auf der bühne erschie- nen ist, was sich bei den Verhältnissen der griechischen bühne nicht annehmen lässt; unrichtig ist die bemerkung, dass v. 387 sig tag 'A&rivag dem sinne nach eben so zu naiv wie zu ob g^imqov (fQOväv gehöre. Ueberflüssig sind wohl noten, wie v. 3 y)avEiftevov zu IT^a zu construieren" oder v. 112 ,,[xij gehört bloss zu ayelxsip, nicht auch zu ofßovz'1".

Diese wenigen andeutungen werden wohl genügen, um die vorliegenden ausgaben zu charakterisieren. Was den text an- betrifft, so hat ihn der verf. selbständig constituiert und seine ansichten über eine reihe von stellen der Herakliden und der Medea in den beiden oben erwähnten programmen entwickelt. Er zeigt sich hierbei meistens als der Vertreter der conserva- tiven richtung und schliesst sich häufig an die Klotz'sche aus- gäbe an, von deren erklärungen auch viele in seinen commen- tar übergegangen sind. Bedenkt man aber, in welch traurigem zustande uns die euiipideischen tragödien überliefert sind, so wird man viel mehr dafür sein , dass der Verfasser einer Schul- ausgabe eine wenn auch nicht sichere conjeetur aufnehme, als dass er zu einer verkehrten, geradezu unmöglichen erklärung

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greife. Gerade in solchen deutungen hat Klotz unglaubliches geleistet und auch die vorliegenden ausgaben enthalten genug noten, die als beispiele jener falschen richtung gelten können. Ich will, um dies nachzuweisen , hauptsächlich auf die Herakli- den eingehen, da der text derselben sehr stark verderbt ist und ich die gelegenheit benutzen will, um einige beitrage zur kritik dieses drama mitzutheilen. So hat der verf. eine reihe sicherer emendationen verschmäht, die ohne weiteres in den text aufge- nommen zu werden verdienten, z. b. v. 140 ikoav, 152 äßovXwg, 197 HQavovoi ]), 202 nolsi, 211 avzavsxptmv u. dgl., was dann zu unmöglichen erklärungen des überlieferten führte, z. b. 152 „äßovXovg rathlos" (aber aßovXog ist nicht anogog oder dfA^a- vog), 197 Xoyovg xgivovai aovg „deine vorschlage wählen, nach deinen vorschlagen entscheiden", 202 nöXiv (xbv dgxsl „eine apo- siopesis, die aus dem folgenden zu ergänzen ist (?}: loiavra inaiv£aat(l, 211 avzavetpioo „(leibliche vettern) nicht genau , da sie nicht geschwisterkinder , sondern kinder von geschwister- kindern, also eigentlich s^apsxpico sind". Was die in dem genannten programme gegebenen erklärungen und conjecturen anbetrifft, so findet sich darunter manche gute bemerkung, z. b. v. 95 über zi %Qtog; v. 577 über ngoüv/xog dov; einiges war schon von anderen gegeben worden, wie die vermuthung jtta- %oi>ias&' v. 689 von Dobree oder die Streichung von dpcoeg ... xzavovzag v. lo5o f. von F. G. Schmidt. Anderes ist entschie- den verfehlt, wie v. 38 der Vorschlag oqov in ogwv zu ändern, wornach ziqfxovag ogoov einen begriff ,grenzmarken" bilden soll (man könnte an zovad' d(ptx6(AEO&'1 ifiov denken; doch ist hier alles unsicher), v. 103 die conjectur äntXäaat öe 8ti (da der begriff des freveis gegen das heiligthum erfordert wird ; ob F. G. Schmidt mit seinem zdS1 dhrsiv ö' idij das richtige getroffen hat, lasse ich dahingestellt), v. 640 i]net> (richtiger itxei y', wie Linder und Firnhaber wollten) u. s. w. Es mögen nun noch einige stellen folgen, für deren heilung ich einiges bieten au können glaube. Ueber v. 2, wo der verf. die erklärung von Klotz festhält, dass dUaiog uvijg prädicat sei und den dativ zoig niXag regiere, habe ich schon in der Zeitschrift für öster-

1) Trotz der vertheidigung des überlieferten xQtvovat in dein pro- gramme über die Medea (p. 17); denn in der stelle der Med. v. 642 Hat xqIvov die bedeutung „möge urtheilen, möge walten über . . ."'

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reichische gymnasien 1868, p. 351 gesprochen und gezeigt, dass hier dem sinne nach und mit rücksicht auf das folgende ein gedanke, wie Hesiod, "Egy. 436 rrij^a xaxog ysirav oaaov x1 dya&og psf oveictg, erfordert wird. Jetzt glaube ich auch das entsprechende wort für avrjg gefunden zu haben, nämlich dgog was Aesch. Suppl. 875 (vgl. Eusth. p. 1422, 19) steht. Aller- dings ist dgog ein sehr seltenes wort, aber Euripides hat auch derartiges nicht verschmäht; dazu kommt, dass unser drama wie in der Situation, so auch im ausdrucke sich öf- ters mit den lIxfaid$g des Aeschylos berührt (vgl. Firnhaber Piniol. I, p. 445 ff.). Wir haben hier eine, wie es scheint , sehr alte verderbniss. Vs. 176 ist wahrscheinlich qnlovai statt cpi- Ieize, das dem vorhergehenden Stsgyac&Eh'' av seinen Ursprung verdankt, zu schreiben, desgleichen v. 171 anlia(ihoig statt doTiliOfisvoi; vv. 255 ff. ist, wie dies in unserem drama sich mehrfach nachweisen lässt, die Ordnung der verse zerstört; man wird schreiben müssen:

259 KO. Ssi>g\ mg eoixe rotg xaxolai cpEvxiiov, 255

260 AH. ccnaai xoivov gvfxa Saifiormv e8qu.

257 KO. gv ö' e!~6qi£e, x«i' exei&ev a^ofxsv.

258 AH. axaiog ns'cpvxag rov ■Beov nlslco qtQovmv.

255 KO. o'vxovv ipol zo'ö' aloftgov, dXld aoi ßXdßog;

256 AH. ifiot f, idv coi rovgtf ECfiXxEa&ai fisüa. 260. So wird ßXdßog dem ßXdtircov und ßlanzsads v. 263 f. näher gerückt und diese erst durch die anspielung auf jenes verständ- lich. V. 480 empfiehlt sich wohl s7fti ydg nag ngooyogog (gleich einem ngooxaigog), 582 f. oroor (so Nauck) fatj nag' A\8r\ (Med. 1059) xagSia atpakrjasrai (so Badham), v. 522 scheint unecht zu sein.

Ich will nun noch mit einigen worten das andere programm (über die Medea) besprechen, in welchem eine grosse an zahl von stellen dieses drama behandelt sind. Aueh hier finden wir einige ganz treffende erklärungen und bemerkungen, z. b. v. 25, wornach zu &wrrjkoifoa das object von vq>Eiß-a, nämlich cäpa, zu ergänzen ist, v. 862 fioiguv mit <povov zu verbinden, was aueh Dindorf mit recht aufgenommen hat, während Nauck die lefeeart des Vaticanus von zweiter hand yvvtp billigt und dieses wort zu dem folgenden satze zieht; nur komme ich auf meinen in der Zeitschrift für österr. gymnasien 1868, p. 357 gemachten

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Vorschlag zurück, aöaxgvg statt uöaxgvv zu schreiben, das doch mit axrißsig verbunden viel ausdrucksvoller ist ; vv. 930 932 als parenthese zu fassen, v. 1216 r\ 5' dvxeXi'tXsvz> „die vergiftete kleidung der Glauke (oder wohl noch richtiger: der vergiftete leib) schloss sich so fest an" gegen Schöne, der in seinem com- mentar hier die bemerkung macht „indem sie in ihrer Verzweif- lung in ihm einen schmerzenslinderer zu finden wähnte". Da- gegen finden sich auch ganz verfehlte erklärungen, wie v. 195, wo ßgoröov mit atvyiovg Xvnag verbunden wird, v. 232, wo tiQwza fASf, dem, wie Klotz ganz richtig erkannt hat, tlg xatva ö' rj&tl (238) entspricht, seine fortsetzung in Ssanorrjv ta acc/iazog XaßeTv haben soll, v. 538 (x-q ngoq la^vog %ügiv die nicht nach dem belieben der gewalt, nach willkühr gegeben sind", v. 600, wonach ixsrsv^iß und cparrjg (so soll statt qp«»rj geschrieben werden) als ex- hortative conjunctive erklärt werden, wofür als beweis die stelle Soph. Oed. Col. 75 oigV tag vvv firj ocpaXrjg gelten soll u. dgl. Auch in dieser abhandlung zeigt sich das bestreben entschieden verderbten stellen durch erklärungen aufzuhelfen, welche natür- lich nur gekünstelt und gezwungen, bisweilen ganz verkehrt aus- fallen mussten. So z. b. soll v. 44 xaXXtvixor, wozu der vf. mit recht Gxfxpavov nicht ergänzen will, mit ty&gav verbunden und dann xaXXlvixov e%&guv oi'aerai gleich fCxtjv 'fy&gag oiasrai ge- fasst werden, während Murets leichte conjectur aaerai alle Schwierigkeiten hebt, v. 135 will der verf. uftcpinvXov mit ptXddQov verbinden und die beiden präpositionen in'' nnd sam so fassen, dass die erste durch die zweite näher bestimmt werde; gewiss eine seltsame erklärung, der man wohl die geringe än- derung Schöne's vn? dfiqunvXov vorziehen wird ; v. 150 soll die lesart unXtjorov gegen die emendation von Elmsley dnXdtov (der Vat. hat dnXdaTov) festgehalten und als „unbefriedigtes d. i. ein solches lager, das man nicht haben kann" erklärt wer- den; anX)]GTov gehöre eigentlich zu egcag , sei aber nach einer bei den tragikern nicht seltenen enallage mit xoirag verbunden. Unter den eigenen conjecturen des verf. sind nur zwei beach- tenswerth, nämlich v. 183 cntvanv ö' eri (Hermann ansvaov de rt); v. 1304 iym 8s statt ifiööp de; die anderen ziemlich zahl- reichen sind verfehlt oder haben doch keine Wahrscheinlichkeit, z. b. v. 297 xoivd (statt xaivd), 404 dopoig (statt ydfioig, wel- ches ganz richtig ist; nur wird man mit Herwerden lolatf für

yjr, 10. 297. Lukianos. 487

roig t schreiben müssen); die verse 785 und 786 will der verf. umstellen, welche Ordnung übrigens schon im Parisinus 2712 vorkommt; doch ist der vers 785, dessen zweite hälfte v. 940 und 943 wiederkehrt, eben dieser ähnlichkeit wegen, dann mit rücksicht auf seine Stellung und endlich wegen des seltsamen gebrauches des infinitives dringend der unechtheit verdächtig; es ist also mit dieser Umstellung nichts geholfen. Uebrigens verweise ich auf das, was ich a. a. o. p. 356 erör- tert habe. V. 1317 hat der verf. ähnlich, wie Weil, der il- aovaav yövov vermuthete, riaovaav dtxtjv vorgeschlagen; aber an diesem verse sollte man wahrhaftig keine besserung versu- chen; denn derselbe ist ohne zweifei untergeschoben.

Die ausstattung der ausgaben ist eine ganz entsprechende, nur könnte der druck correcter sein, namentlich die interpunc- tion, vgl. Her. v. 468, 511, 929; denn 468 sollte nach dys- veig, 929 tjxopsv kein komma stehen.

Karl Schenhl.

297. Lucianus Samosatensis. Franciscus Fritzschius recensuit. Vol. I, pars I. Rostochii 1860. Vol. I, pars II. Rost. 1862. Vol. II, pars I. Rost. 1865. Vol. II, pars II. Rost. 1870.

Allen freunden des Lucian ist über die hohe bedeutung dieser ausgäbe von vorläufig 22 Schriften dieses autors nichts neues zu sagen: sie wissen selbst wie dieselbe, lange erwartet, alle hoffnungen die man für die herstellung des lucianischen textes auf die nun seit langen Jahrzehnten so vielfach erprobte kritische befähigung des herausgebers setzte , reichlich erfüllt hat; sie kennen schon aus seinen Quaestiones Lucianeae und zahl- reichen weiteren Lucianea seine acht kritischen eigenschaf- ten : den besonnenen Scharfblick , den feinen sinn für die art, die genaueste beobachtung des eigenthümlichen ausdruckes sei- nes autors, die sicherste hand in der rectificirung des im laufe der zeit verbogenen und verkrümmten. Zu diesem allen die reifste Überlegung eines mit beharrlicher liebe festgehaltenen Studiums, das, in immer erneuter bemühung, nie zu steifer ab- geschlossenheit erstarrte , bei keiner Schwierigkeit sich mit ei- nem bequemen compromiss genügen Hess , und nun sein end- gültiges ergebniss mit viel mehr recht, als es den meisten her-

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ausgebern alter texte zusteht, als eine wirkliche reöensio bezeich- nen darf. Auch dafür wollen wir dem herausgeber dankbar sein, dass er nicht allzu strenge sich an jene mürrische kürze gebunden hat, mit der heutzutage philologische kritiker ihre entscheidungen dem leser hinzuwerfen lieben , sondern stellen- weise in lehrreicher ausführlichkeit über sprachlich und sach- lich merkwürdige punkte sich verbreitet, vornehmlich auch die vielfachen persönlichen bezüge der lucianischen satiren aufzu- klären sich bemüht, die abfassungszeit mancher Schriften (wie des Demonax, Eunuchüs, der Fugitivi, der Necyomantia, des Pere- grinus u. s. w.) genauer festgestellt, etwaigen quellen des lucia- nischen witzes bei älteren komikern, cynischen und skeptischen popularpkilosophen nachgespürt hat. Dieses alles nur an- deutend , wollen wir einzig das handschriftliche material der ausgäbe etwas näher in's äuge fassen. Die frage nach der handschriftlichen Überlieferung der lucianischen Schriften ist aus mancherlei gründen sehr verwickelt. Die allermeisten dersel- ben waren zunächst für den mündlichen Vortrag vor einer grö- sseren gesellschaft bestimmt: ausser den ngoluXtd! und den ei- gentlichen reden auch die menippischen dialoge (wie „Zeuxis" und „Prometheus" deutlich bezeugen), ja selbst die in brief- form an einen freund gerichtete schritt negl iäv im [uadw a^vövrmv (vgl. Apolog. 3) ; und überhaupt haben wir uns die geduld eitles gebildeten publicums der damaligen reciiatiönes sehr gross und wenig wählerisch zu denken: wurden doch z. b. alle die werke über den parthischen krieg, die Lucian in der schrift über die geschichtschreibung erwähnt, zunächst nur vorgelesen, und waren auch dem Lucian nur aus solchen Vorlesungen be- kannt x). Wie übel es nun solchen arbeiten noch bei lebzeiten ihres Verfassers gehen konnte, bezeugen die klagen des Galen ; und So mochte schon eine erste Sammlung lucianischer aufsätze eine vielfach entstellte gestalt zeigen. Wurde sie aber gar von einem andern als dem autor selbst veranstaltet, so konnten sich auch damals schon mancherlei xpevSsni'yQaqta einschleichen; denn dass man darin im Sophistenzeitalter leichtsinnig genug verfuhr, lehren mancherlei beispiele in den Bi'oi aocptaräi' des Philostratus.

1) Das bezeugen seine ausdrücke in der ganzen echrift überall. Daher wird denn auch wohl cap. 32 statt aviyvoiv yaQ zn lesen sein : ttyiyvti) ydg, oder lieber noch: avvaviyvu) yaQ.

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Die Schriften des unbequemen Spötters scheinen übrigens in der nächsten zeit nach seinem tode wenig gelesen worden ZU sein; und als nun viel später, zu einer zeit da die von ihm verhöhnte Sophistenherrlichkeit längst verklungen war, die schmiegsame grazie seiner Schreibart ihm neue bewunderer und aufmerksame leser erweckte (vielleicht unter den Byzantinern des zehnten Jahrhunderts), da fand sich nur ein codex seiner aufsätze, der zum Stammvater unsrer sämmtlichen abschritten wurde. Von diesem stammen nun alle unsre handschriften keineswegs in gerader linie ab, sondern sie gehören zwei familien an , deren jede von einer copie jenes archetypus sich herleitet. Dass unsre handschriften von einem gemeinschaftlichen Stammvater (a) herrühren, beweist ihre Übereinstimmung in entschiedenen lücken und corruptelen ; dass sie mit a nur durch die Vermittlung zweier Zwischenglieder, ß und y zusammenhängen, zeigt ihre auffallende divergenz an zahllosen stellen, wo eine förmliche itio in partes, nach immer gleichbleibenden parteien, stattfindet. Dieses scheint denn auch Fritzsches ansieht zu sein (s. I, 1, p. xni. II, 1, p. ix. II, 2, p. vm); mit Scharfsinn und beson- nenheit hat Siemonsen (Qnaestt. Luc. Hadersl. 1865) die- ses verhältniss entwickelt. Nur ist eine sehr wesentliche frage noch nicht genügend erwogen : ob nämlich die familie ß wirk- lich, im gegensaiz zur familie y, von interpola^krtten frei ge- blieben sei, und ob an den ausserordentlich zahlreichen stellen, wo die verschiedenen lesarten in ß und y dem sinne in glei- cher weise genug thun, man so unbedenklich der von ß darge- botenen lesart zu folgen habe, wie Siemonsen anräth und Fritz- sche in der regel thut. Zur familie ß ist, ausser B (Vindöbon.), A (G-orlic.) und W (Marcian. 436), namentlich Und vor allen andern der Vaticanus 81 (21) zu rechnen 2); zur familie y aber gehören von vortrefflichen handschriften nicht nur (p (Floren- tin.) und (jo (Marcianus 434 3), sondern, als bester Vertreter, der Vaticanus 90 (r) (wovon Vatic. 89 eine copie Zu ßein

2) Mit dem ein Urbinas (n. 121) im Charon ganz auffällig ge* rade in den vortrefflichen, von Sommerbrodt Lucianea p. 158. 159 hervorgehobenen lesarten übereinstimmt.

3) Dieser in seiner ersten , bis fol. 369 reichenden hälfte ; der rest, auf s. g. niedieeerpergament im 15. Jährhundert isehr sauber geschrieben, scheint aus irgend einer handschrift der familie y copirt zu sein.

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scheint), daneben auch (wenigstens in dem von mir verglichenen Peregrinus) Palatinus 73, auch ein bisher ganz unbenutzter bom- bycincodex der urbinatischen Sammlung (n. 120). Vergleicht man nun (z. b. im Gallus) die lesarten beider familien genau, so zeigt sich allerdings, dass die familie ß meist einen reineren text erhalten hat; aber die stellen, wo die von y abstammenden hand- scbriften allein das richtige, die familie ß} aus fiüchtigkeit und gar nicht selten auf grund willkührlicher interpolation , ganz falsches bietet, sind ebenfalls sehr zahlreich, und ich meine dass in sehr vielen fällen ein nicht praeoccupirtes urtheil schwan- ken wird, welcher von beiden familien man zu folgen habe. Man lese darauf hin z. b. den von Fritzsche und Sommerbrodt gesammelten apparat zum 24sten capitel des Gallus durch. Kurz, die sache scheint bei reiflicher Überlegung so zu liegen, dass man keineswegs die familie ß kurzweg als die von inter- polationen reine überall zu bevorzugen, sondern dass man hier einmal, auf kosten der beliebten kritischen reinlichkeit, ein frei- lich recht scrupulöses und spinöses eklektisches verfahren zu beobachten habe; denn wirklich ergänzen sich die beiden fami- lien4), wo sie aber mit gleich guten, verschiedenen lesarten einander schroff gegenüberstehen, da fehlt es an jedem zurei- reichenden gründe, der uns in der einen lesart die eigne hand des Lucian, in der andern eine spätere Veränderung erkennen Hesse. Ich fürchte sogar dass in solchen fällen oft genug keine von beiden lesarten den ursprünglichen Wortlaut darstellt. Ue- brigens scheinen manche Schriften nur in den handschriften der familie y erhalten zu sein, z. b. der Peregrinus, der, soweit mir bekannt, sich nur in ruOFM und Palat. 73 findet. Andre Schriften sind bis jetzt nur in der gestalt bekannt, die ihnen in der familie y gegeben wurde : so der Philopseudes (edirt aus $M, einem codex Graevii V, und einer höchst bedenklichen autorität, genannt T, Varianten aus Wesselings exemplar der er- sten Aldina). Die Varianten aus CO (zweite hälfte) zu dieser schrift theilt Sommerbrodt mit (Lucianea p. 61 ff.); die Schrift findet sich auch im Palatinus 213 (fol. 230* ff.), und im Vati-

4) Schwerlich aber wird man jemals die verschiedenen lesarten der beiden familien zu Einer verschmelzen dürfen, wie z. b. Som- merbrodt einmal im Gallus 23, Fritzsche im Philops. 39 {*$*}*> liyay), Bis accus. 10 gethan hat.

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canus 90. Diese letzte handschrift ist nun aber von einer zwei- ten hand durchcorrigirt, und bei einer genauen betrachtung dieser correcturen (wie sie ein jeder in der von Sommerbrodt mitge- theilten collation des Gallus anstellen kann) zeigt es sich, dass diese zweite hand einen codex der familie ß zu ih- ren nachtragen benutzte. So ist denn auch im Philo- pseudes der Vat. 90 so gut wie zwei handschriften beider fami- lien ; die zweite hand bietet hier einige sehr beachtenswerthe Varianten: z. b. c. 12 s^i)laasv\ slzexdXeaev, c. 19 tj yuo , fir\ oxänzs (ohne xa«), c. 20 näg 3' ovv (welche drei lesarten Fritz- sches conjecturen bestätigen), c. 20 noo tolv nodolv (wie Sola- nus wollte), c. 22 fy&ero] tjhovszo (toi, c. 24 zagzciosiov zo [*i- ys&og] z. zo ßd&og u. s. w. Dieses sind keine conjecturen, sondern abweichungen der im allgemeinen jedenfalls besseren familie ß ; und so wäre denn, neben einer gründlichen benutzung des Vatic. 87 (als des besten Vertreters der familie ß), eine sorgfältige vergleichung des Vat. 90, nach seinen beiden hän- den, als grundlage für die weitere fortsetzung der Fritzscheschen ausgäbe vor allem zu wünschen. Die Sicherheit der kritischen entscheidung wird durch eine ausgedehntere kenntniss des ap- parats zwar eher vermindert als vermehrt werden , aber die merkwürdige geschichte des lucianischen textes wird erst dann sich ganz klar darstellen.

Wenn ich nun so die eigentlichen cardinalfragen luciani- scher texteskritik nur ganz kurz berühren durfte, so möge es auch vergönnt sein, eine anzahl einzelner stellen, an denen auch nach der neuesten recension noch zu zweifeln veranlas- sung ist, nur in aller kürze zu besprechen.

Somn. 11.6 ßovXsvad(isv6g zi mgl dysvvovg ovtto ti%vr\q. So die handschriften. Schi*eibe: 6 ßovXsvadpisvog szi vitkq dysvvovg xzX.— De hist. conscr. 13 sl de zig advzmg zo zsonvov tjysizai syna- zttfieiiix&ui 8siv zq tazogta nag dXXd avv dXtj&sicc zsonvöv sazi* iv zolg dXXotg xdXXsai zov Xöyov. Ueber diese verzweifelte stelle s. Fritzsche I, 1, p. 46 sq. Vielleicht ist das T1ACAAAA entstan- den aus : UAOAAAEIA nuaa dbsta, ähnlich wie man sonst sagt: noXX'q avyyrcofitj. Dann wäre fortzufahren: avv 81 dXrj&sCa zo zsqnvov svsazco iv nzX. Ib. c. 26 zäv tzoXvzsXojv ixslvcov deiTzvcov. Deutlicher wäre: sxstvov, des Severianus. C.51 zd fiev Xsx&i]a6- fiBva sazi xal elotjcsszcti. Statt des unverständlichen eioijaazai ist

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vielleicht EVitögiorai zu schreiben; was dann weiter in Evfzogrjrai zu corrigiren wäre (s. Lobeck Phryn.576). Gall. 28 extr. dög [ttj ymlsvoig dtd ftdrsgov zi\g oigäg pegog. Fritzsche: öia [roi/ro] &a- rsgov, nicht ganz klar. Klarerund einfacher wäre : cog fx^ luiXevoig 8% &UTSQOV xzX.: mg-dtj mit ironischer färbung, wie bei Lucian eo oft. Alex. 10. Der rühm des Alexander drang ig ro Aßeovov rsfyog xal ranixEiva ' o? xal vsav avtiy.cn. ixptjqiiaavzo iysigai xal rovg &sfisliovg rjdi] taxanrov. So Fritzsche. Aber das „xal rämxeiva", an sich wenig passend, ist vor dem gleich folgenden ol ganz unerträglich. Die handschriften : ... tü'/oi' xäxEivoi yag und ixeTvoi ydg. Man wird wohl nur xuxeivoi drj zu schreiben haben. Auch c. 21 ix ydg rovzmv dndvrmv ist vielleicht das ydg in Srj zu verwandeln. C. 25: ... slra &av/ia£stg ei im fiiya qgfti] ro xQqatijgiov , ogmv rag igtarT]- ösig rtav ngoaiovrmv ßvvsrdg xal jisnaidEv/ihag; Vor avvsrag scheint ovrta ausgefallen zu sein. Peregr. 7. im al&ofiivoig Toig ngorigoig hgoig int^si röov ajrovSmv. Für im ist vielleicht Ett zu schreiben. Cap. 13 rbv dveüxoXomafisvov ixsTrov co- y>iati}t> «»-r' avrmv ngoaxvvovai (die Christen nämlich) : dvri hat Fritzsche zugesetzt; äocfnsztjv avzmv haben FM: in r sind die beiden worte halb ausradirt, eben so in Pal. 73, in welchem aber von der ursprünglichen schrift noch avzov zu erkennen ist : und dieses ist das richtige: s. Sommerbr. Lucian. p. 127. Cap. 23 init. Öga r und Pal. 73; Fritzsche's, auf das dgäv in F gestützten vermuthungen sind also unnöthig. C. 39 dvixgivov lue Xiyorrsg: das überflüssige Myovrsg fehlt in r und Pal. 73. Philops. 4 OEfii'OTe'gag änocpaivovrEg rag nazgldag. So 7YÜ, offenbar, nach dem vorausgegangenen iyxazafiiyvvvzsg , passen- der als das gewöhnliche unocfalvovrai. Vgl. Somn. 8. C. 5 steht : ov8t\g av vidi; mozEvoEisv. Dass das ovds sinnlos sei, be- merkt schon Fritzsche. Schwerlich ist es aber ganz zu tilgen; man schreibe: övSslg av, ev ol8a , thözevoeiev. Cap. 19 tj ov vopt&ig zov avzov eIvui xal ininifinEiv jjmdXovg o'tg av i&s'Xy ei ys xal dnonifittEiv övvazbv avriö ; So die handschriften, auch ro). Cobet tilgt Ei ys und Svvazov &vta), „fnistra" wie Fritz- sche mit recht meint. Aber seine eigne Umstellung: xal uno- niftnEir, Ei )e Svvarov avzcp entspricht dem Zusammenhang nicht, welcher nothwendig diesen sinn fordert ; glaubst du etwa nicht, da*s derselbe dir fieber schicken kann, dem es so offenbar

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(nach dem eben erzählten) möglich ist, solche verschwinden zu machen? Also gewiss nicht: wenn es anders ihm möglich ist. Zu schreiben scheint: ye xal dnoni^nstv dvvuzbv avzovg, C. 21. In dem hause des arztes Antigonus geht nachts ein eher- nes bild des Hippocrates um, zu anderm Schabernack xal ztjv ■d-igav neQiTQinmv. Wozu dies? und wie kann man eine thüre „umwenden"? Zu schreiben ist wohl: zrtv öveiav asoizoeamv Das sinnreiche gespenst dreht den mörser um, z\v &vsiav, um die hausbewohner daran zu mahnen , dass sie ztjv & v aiav ?jf xazd zb szog exaGzov avzw & v ousv noch nicht dargebracht haben. Zu den vorhergenannten nv^ldeg und qjäo^axa passt zudem ein mörser gewiss besser als eine thür. De merc. cond. 15. Bei tische verspotten ol zäv avvdeCmwv uxöXovdot deine unsiola, zsxfxijotop tioiov/aevoi zov \ir\ naq1 aXXqp noözE- göv os dedsiTtvriy.siai zb xanbv ehai aoi zb %Eig6fiaxzQOv zi&S' fievov. So <Pr, und daran ist gar nichts auszusetzen. Der sehr verständliche sinn ist dieser : dass du nie früher in einem vor- nehmen hause gespeist habest, schliessen die lakaien daraus, dass die dir hingelegte (zidiixsvov) serviette dir etwas neues, ungewohntes ist. Servietten brachten nicht nur die gaste mit, auch vornehme gastgeber lieferten solche: vergl. Marquardt Eöm. Alterth. V, 1, 322, n. 1995: und gerade auf dem u- diusvov" liegt der ton. Was Cobet V. L. 240 und Fritz- sche I, 2, p. 162 versucht haben, dient, nach meiner Überzeu- gung, nur dazu, den an sich einfachen Sachverhalt unklarer zu machen. C. 17 xal ftovotg zolg "EXX?joi zovzotg dvicpxzai ?) ' PwfiaCoiv noXtg. So die handschriften. Statt des sinnlosen xai schreibt Fritzsche ov , und macht den satz zu einem un- willig fragenden. Leichter und im ausdruck energischer wäre: i>ai', (Acroig , ohne frage. C. 42 r) uvodog (zu den Herr- lichkeiten eines inl (iicdüj ovvubv) inl noXv xal dvuvztjg xal cfoaöov 'i^ovaa. Statt des unverständlichen inl noXv schreibt Fritzsche noXXij , mit ziemlich gewaltthätiger änderung. Will man nicht schreiben inl nolv dvdvztjg („gewöhnlich, in den meisten fällen steil". Vgl. idav cög inl z6 no).v uniyv<x>aij.ivfjv in einer ähnlichen Schilderung, Ehet. praec. 3) , so wäre viel- leicht inl nolv in: ininovog zu ändern. Bis accus. 28 zov didXoyov, zov ano zov a^fÄurog 0tXo(Joqiiag vibv sliat Xtyope' tot. Die Wortstellung dieser stark verderbten stelle ist von

4H 297. Lukianos'. Kr. lö.

Sommerbrodt und Fritzsche endlich zurecbtgerenkt worden. Nur das vlov scheint mir noch bedenklich; denn wer sollte so kühn sein, irgend jemanden „seinem gebahren nach" [dnb tov ayj\- fiatog) ohne weiteres für den söhn eines ähnlich sich gebah- renden zu erklären? Ich meine, dem dialog geschieht genug, wenn wir ihn dnb tov ai^natog (iJtXoaocpiag oixslov nen- nen lassen, wie ihn denn die philosophen bei Lucian Pisc. 26 tjfihsQov olxsiov nennen. Ib. yaol de avrov (den Lucian) fitjös ngog tov igcofisvov tovtov (den dialog) sigtjvqv äyeiv, dXXd oluai xai dg sxsivov vßgi^siv. Für das olpai der handschriften schreibt Fritzsche, mit scharfsinniger conjectur, ta opota. Nur leidet ja doch der dialog nicht vom Lucian „das gleiche", wie die böslich verlassene ehegattin Khetorica. Vielleicht ist AA- AAOlMAI entstanden aus AAAAAQINA = dXXd deivd. Cap. 33 sagt der dialog selbst: nag ovv ov Ssivd vßgiGfiai; Hermotim. 67. aTVOfirjxvvmv to ngäypa ig ysvwg dXXag : noX- Xdg Courier ; besser wohl oXag. Das sprüchwort Hermot. 69 g. E. ist vielleicht so zu restituiren : noXXä ^o^&rjaavTsg Mv T<p] bfioiqj iaixsv. Sympos. c. 5. Aristaenetus ersieht sich den söhn des Eukritos zum eidam: uövov ovza nXov- aiöv ts rcj> Evxghq). So DAUÜ, auch Ti nXovoioj) im EvxgCzqp Fritzsche. Leichter wäre: nXovtovvzi to? Evxgitcp. C. 12: sdsdoixeoav tov 'AlxiddftavTa ßorjv dya&ov aTS^v^g ovtcc (so Fr. aus conjectur; ebenso T) xai xgaxTixooTazov Kvvi- xiöv undvicov , nag o xai upeivoiv id6x8t xai cpoßegtüxaTog tjv dnaaiv. Statt des unerträglichen dfieivcov erwarte ich noch ein homerisches prädicat, nämlich d u v u w v , untadelig, insofern ihn niemand laut zu tadeln wagt, wie kurz vorher gesagt wor- den ist. C. 41. Der erste vers des von Histiaeus vorgetrag- nen gedichts lautet in den handschriften (auch in r) ganz rieh* tig 7] oft] 7Iot dg'1 T] ys Agioraivhov iv ptydgotoiv (fteydgotg r); es bedarf der kühnen änderungen Fritzsches gar nicht; denn ' Agiataivitov konnte der dichter ganz wohl mit kurzer zweiten silbe messen, ebenso wie Homer 'lazCaiav misst und dergl. : vgl. Westpbal Gr. Metr. II, 79 f. C. 45 Tagung xai öaxgvmv [M<STa i\v ndvza. xai al psv yvvalxsg ixwxvov tw Xaigsa nsgi- %v&Eioai oi äs uXXoi xaThTiavov. „Die andern suchten sie zu beschwichtigen". Gott bewahre: die sind ja mitten im eifrig- sten kämpfe. Fritzsche schiebt hinter dXXoi: oixixat ein; wo-

Nr. 10. 296. Lukianoö. 496

bei mir ausser andern bedenklichkeiten auch die bleibt, ob man so sagen könne : die andern (nämlich die) diener, wenn es wie hier, ausser den dienern und den vorher genannten weibern noch andre SiXXot giebt. Von diesen, den gasten, wollen wir etwas hören. Vielleicht ist zu schreiben: xal Inaiov xal inaiovt o. Wie daraus die handschriftliche lesart entstand, sieht man leicht ein. Zum ausdruck vgl. ib. c. 19 naiwv xou natö- [isvog iv 7<w jWf££<, Saltat. 10: s. Fritzsche Quaest. Luc. 42 sq. Fugit. 23 aXXu aal av w 'Hguxlsig , äua xal rrjv fatloao- qsiav aiir^v tfortsg aniTs. Ausdruck und sachlicher Zusammen- hang verlangen gleichmässig, dass vor aal av eingeschoben werde: av a> 'Eqixtj. Zum Schlüsse will ich noch über eine heillos verderbte stelle meine meinung ohne alle begründung hinstel- len. Hermotim. 63 (I, p. 805 E. init.) hat Fritzsche II, 2, p. 205 eine lücke mit zutreffendem Scharfblick erkannt: statt des von ihm vorgeschlagenen Supplementes scheinen mir aber einzig1 folgende worte den nothwendig zu erfordernden inhalt des verlorenen wiederzugeben: altidaa&at, [ösop xov Xöyov tov ifjiot aiziäa&at, päXXov de ovds to"v%ov\ tat uv fxrj .

Damit nehmen wir von dem hochverdienten herausgeber abschied, aber nur in der hoffnung, ihm in einem dritten und vierten und fünften bände seiner Lucianausgabe recht bald aufs neue zu begegnen.

Erwin Rohde.

298. Lucianea von Julius Sommerbrodt. 8. Leipz. Teubner. 1872. 15 ngr.

Diese Sammlung kritischer beitrage zum Lucian zerfällt in zwei abtheilungen. Die erste, „handschriftliches" enthaltend bietet eine Vervollständigung der schon früher von dem um Lu- cian so vielfach verdienten Verfasser mitgetheilten lesarten der beiden Marciani 434 und 436; zu neunzehn weiteren Schrif- ten werden die Varianten beider oder je einer jener beiden handschriften mitgetheilt. Ohne zweifei werden freunde des Lu- cian diese bereicherung des kritischen materials mit theilnahme begrüssen, namentlich in denjenigen abschnitten wo die lesarten beider handschriften mitgetheilt sind: denn da 434 die ge- ringere handschriftenf'amilie, 436 die bessere vertritt, so bieten ihre vereinten lesarten ein ziemlich vollständiges bild dessen

496 298. Lukiands, N'r. 10«

was die diplomatische Überlieferung des lucianischen textes uns überhaupt gewähren kann. Leider hat ein ungünstiges Schick- sal es so gefügt, dass die repräsentanten der bessern familie, mit ausnähme des einzigen Vindobonensis B, jüngeren alters sind, die stattlichsten Vertreter lucianiseher texte (wie Marc. 434. Vat. 90. Palat. 73) die weniger reine Überlieferung der andern familie (y) erhalten haben. Um so mehr darf man vielleicht von einer vollständigen eollation der besten aller hand- schriften der familie ß, des Vaticanus 87 erwarten, aus wel- chem bis jetzt nur zum Nigrinus und Icaromenippus die voll- ständigen Varianten von Sommerbrodt (Ausgew. Sehr, des Luc. Bd. II, 2. aufl.) mitgetheilt worden sind.

Die zweite abtheilung vereinigt die von Sommerbrodt in einzelnen bänden der Iahrbücher für class. philologie veröffent- lichten beitrage zur kritik des Lucian, und fügt einige neue Ver- besserungsvorschläge hinzu. Man wird diese bisher weit ver- streuten einzelbeiträge um so lieber zu bequemerem gebrauche verbunden sehen, da in den meisten gesunde schärfe des ur- theils sich mit jener geduldigen beobachtung des speeifischen redegebrauchs des behandelten autors vereinigt, die bei Lucian, wie bei allen späteren, einen correcten griechischen stil nur nach peinlicher einlernung schreibenden Schriftstellern , zur er- folgreichen handhabung der kritik durchaus unerlässlich ist. Einzelne besonders gelungene Verbesserungen hervorzuheben ist kaum nöthig, zumal da solchen schon von nachkommenden kri- tikern, W. Pindorf, Fritzsche u. a. die gebührende anerkennung zu theil geworden ist. Nur auf eine emendation will ich mir doch erlauben mit besonderm nachdruck hinzuweisen, nämlich auf die, p. 146 148 mitgetheilte Verbesserung einer stelle im 20. capitel der schrift über die geschichtschreibung : mit völ- lig einleuchtender Sicherheit wird hier durch ein einziges ein- ßchobenes äg ein verwirrtes und unklares gleichniss zu befriedi* gender klarheit zurückgeführt. Da aber doch der kritiker von amtswegen den geistern die verneinen zugehört, wird es er- laubt sein, statt motivirten beifalls zu so vielen schönen Verbes- serungen vielmehr mit apodiktischer kürze die einwendungen gegen einzelne minder gelungen erscheinende vermuthungen vor- zutragen.

Bhet. praec. 10 schreibt Sommerbrodt p. 89 : (accxqu x^'Qsip

Nr. 10. 298. Lukianos. 497

[«fTTOT»'] Xsys dvaßaiveiv avrov. Warum soll der schüler jenen rauhen führer gehen heissen? Treffender scheint, was auch der hand- schriftlichen lesart näher liegt: paxgd %at'gEtv Xeyoov, ea dvaßaivstv avrov (geschrieben Xs'y sa dvaßaivstv, woraus leicht Xs'ys dva- ßaivstv entstand). Rhet. praec. 3. algqoetg ov xaficov. ctlgrjaeig [top ydfxov] ov xaitoov Sommerbrodt p. 92. Aber das bild von der hoch- zeit folgt erst später (von cap. 6 an), und kann unmöglich hier ohne alle einleitung anticipirt werden. Besser also etwa: alg?'jasig zb aOlov ov xa/icov. Oder ist etwa KAIAIPHCE1C entstanden aus: KAIKAAAIEPHCE1C = xai xaXXisgijosigt Dem gleich folgenden evca^arj geht ein opfer naturgemäss voraus : vgl. z. b. Bis accus. 10 Ovovai slt svaxovvrat, zd xgia. De salt. 81 aonsg iv xazonrgm zd) 6g%qGT%. Vor zdo schiebt Sommerbrodt p. 100 ein iv ein ; gegen einen feststehenden Sprachgebrauch in solchen vergleichungen , den Krüger Sprachl. 68, 8 am ge- nauesten formulirt hat. Beispiele giebt Bernhardy Wiss. synt. p. 204 f. u. a.; auch Cobet V. L. 163 166 redet von diesem Sprachgebrauch, in seiner art, d. h. mit einer miene, als ob er von der Vorsehung ausdrücklich bestellt sei, um über diese und so viele andre, nicht eben unbekannte Sachen die weit und im besonderen die dummen Deutschen zum ersten mal zu belehren. Navig. 29. Statt des tjärj der hss. hat Sommerbrodt p. 117 ge- wiss richtig tjdv vorgeschlagen; am schluss aber ist statt : ozav idy ttg avzog öY avrov xzrjadfxsvog ztjv dvvdazstav, nicht orav \ mit ihm zu schreiben, sondern vielmehr orav sidy. ; „wenn man sich bewusst ist, zu haben", vgl. Krüger Sprl. 56, 7, 5. Bis accus. 24 iwnei zoiizo ngd^siv. Sommerbrodt schiebt p. 118 vor ngd^stv ein ov ein; dann müsste zovzo heissen können : „das ankommen", während es nach dem Zusammenhang nur für „das nicht ankommen" stehen kann. Die überlieferte lesart ist ganz in der Ordnung: „es sah ihm ähnlich dass er dies thun würde", nämlich wegbleiben. Peregr. 25. Die Inder „xazce Gi?i(xa xdovzai11 : r/gs/Aa xdovzai Sommerbr. p. 129. Aber 0£%*a wird durch die von Fritzsche angeführte stelle Plutarch, Alex. 69 durchaus geschützt. Sollte xazd oxWa nicht heissen können : „in geordneter, feierlicher Stellung oder läge" (ohne arti- kel auch Bis accus. 29 extr. Anach. 19: an beiden stellen liest freilich Fritzsche natu zd <r^^a), so schreibe man xazd zavzb Philol. Anz. IV. 32

498 298. Lukianos. Nr. 10.

a%?]/xa: „in unveränderter läge". Nur an ff^jua ist gewiss nicht zu rütteln ; es bedeutet die halbliegende positur auf einem ru- hebett: vgl. namentlich Somnium 11. Philops. 20 ov &so- nowg zig äU' äv&yanonoidg wv. SommerbroJt's einwürfe ge- gen das av&Qtanonoiog p. 133 sind sehr zutreffend; ebenso sicher ist aber das ihm gleichfalls verdächtige &sonoiög rich- tig. Will man all.' avdooijionoiög nicht ganz streichen (wie es denn im Vat. 90 nur am Rande steht), so könnte man schreiben : alV aidoiavionoiög. Nigr. 6. Sommerbr. p. 139. Ist viel- leicht das avtäv nur in aXXcov zu ändern? Ib. 14 toiuvt^ io&tjzi &£03fxevog: ^Qm/xsvog Sommerbr. p. 141 : aber das anstössige liegt nicht darin, dass er ein solches gewand überhaupt hat, sondern dass er ,, darin zuschaut". Also öewpetog ist gewiss rich- tig; schreibe aber: iv loiainrj ia&ijri üsm/xsiog. Bis accus. 33 wird 0609 von Sommerbrodt p. 143 in og verändert, ohne noth, da oertpäiicn ohne vorhergehenden comparativ = „insofern" ge- braucht wird; z. b. Thucyd. VI, 92, 4: vgl. Lucian. Alex. 2. Apol. 9. Couv. 2. Bis accus. 31. Peregr. 32 xaromv rov iwv KrjQvxmv dymtog: von Sommerbr. 143 gegen Fritzsche gut ver- theidigt ; er konnte vor allem Conviv. 20 init. vergleichen. Was aber an : tov ßlov ts <ag ipim anstössig sei, verstehe ich nicht. Rhet. praec. 15 zavTa ph avzov xQ'i f^siv, Sommerbrodt's sehr richtige erwägungen (p. 150) leiten keineswegs auf sein gewaltsames mittel einer amputation des ganzen satzes. Man schreibe avri'xa statt autör, und alles ist in Ordnung. So hat Sommerbrodt selbst Nigr. 21 Scheibe's avttxa statt des av- toi der haudschriften aufgenommen.

Necyom. 3 ixvapqv ist fälsch ; aber das ixivovfii]f der bes- sern handschriftenclasse möchte ich mit Sommerbrodt's ixijXov- fiTjv (p. 153) nicht vertauschen. Vgl. Zeuxis 1 ixexipijrto vnb ttjg axgoäaeayg „sie waren ergriffen". Vitar. auct. 14. Weder Fritzsche (II, 1, p. 57, p. xn) nach Sommerbr. p. 154 scheinen sich der scharfsinnigen erörterung dieser stelle durch Bernays Rhein. Mus. VII, 109 erinnert zu haben. Hermot. 44 olde yao svTiQooooTtov odds'v. Das ovöev ist nur dann „überflüssig", wenn man mit Sommerbr. p. 155 slngöamnov in irgend ein wort verändert, zu dem „meine behauptung" das zu supplirende subject sein müsste. Die Überlieferung ist aber ganz in Ordnung:

Nr. 10. 299. C. Iulius Caesar. 499

„es giebt ja anch nichts scheinbares, mit probabilität gegen meine behauptungen einzuwendendes". Gerade in dieser be- deutung wird ja svngöamnog gar nicht selten gebraucht; z. b. gleich wieder im Herrnot. cap. 51. Zeux. 2 zovrav 8i. dij Sommerbr. p. 156: vgl. aber Fritzsche Quaest. Luc. 46. De luctu 21. Die leichen b 'fodog vu)q> nsQiXQ(ei. ai(/.7.q> Sommerbr. p. 157. Das soll wohl jedenfalls von aialog kommen; wird aber irgendwo berichtet, dass die Inder ihre leichen mit fett beschmierten? Es soll gewiss irgend eine art der conservi- rung beschrieben werden. Nun verbrannten die Inder be- kanntlich ihre leichen: mit valog, vermuthlich irgend einer art von lack, wurden die leichen überzogen bei den Aethiopen: s. Herodot III, 24. Diodor II, 15 (dort Wesseling). EI, 9. Die Aethiopen aber sind hier wohl mit den Indern ver- wechselt, mit gewöhnlichem irrthum (vgl. Letronne, matiriaux pour Vhist. du christianisme en Egypte etc. p. 31 33); und so wird an dem vä'kcg schwerlich etwas auszusetzen sein. Her- cul. 1. oXog 'HQuxlrjg iati tavtä ye. Des vfs. änderungen (p. 157) scheinen unnöthig: vgl. Necyom. 1, ibiq. Fritzsch. U, 1, p. 161. Dial meretr. VI, 1. Sommerbr. p. 157. Vielleicht ist zu schreiben: sv olo&' oncog , ohne frage.

Erwin Rohde.

299. Gebrauch der nebensätze bei Caesar. I. Abhandlung vom Oberlehrer dr. Procksch. Programm des gymnasiums zu Bautzen 1870. 40 s. 8.

Schon im zweiten hefte des bd.III des Phil. Anzeigers (1871) ist von V. p. 85 anm. 2, leider mit unrichtigem namendes vfs., auf diese abhandlung als fortsetzung von Fischers rectionslehre bei Caesar I. II. Halle. 1853. 1854 aufmerksam gemacht worden. In der that war es ein verdienstliches unternehmen, die Fischer- sche arbeit , auf deren fortsetzung man schon sechzehn jähre lang vergebens gewartet hatte, wieder aufzunehmen und weiter zu spinnen, und der wünsch dürfte wohl als gerechtfertigt er- scheinen, dass dieses neue , einem so alten dringenden bedürf- nisse abhelfende repertorium des Caesar'schen Sprachgebrauchs nicht auch unvollendet bliebe.

Der vf. , jetzt rector des lyceums zu Eisenberg, hat bis

32*

500 299. C. Iulius Caesar. Nr. 10.

jetzt, an der hand der G. T. A. Krügerschen grammatik, was nur zu billigen ist, in drei abschnitten behandelt A) die attri- butivsätze, B) die substautivsätze, C) die adverbialsätze, diese in acht unterabtheilungen, nämlich local-, temporal -, modal = incl. comparativ-, consecutiv -, final-, causal-, condicional- und concessivsätze. In mehreren dieser artikel, z. b. art. VI. VIII, herrscht Übersichtlichkeit , doch ist vielfach dieser berechtig- ten forderung nicht genug rechnung getragen, und da es bis jetzt noch an einem index fehlt, der jedenfalls bei der Vollendung der arbeit als unerlässliche zugäbe zu beanspruchen ist, kann die klage nicht verschwiegen werden , dass die be- nutzung der abhandlung als nachschlagebuch bedeutend erschwert ist, wenn auch nicht in demselben masse wie bei Fischers rec- tionslehre.

Zur prüfung des reichhaltigen materials fordert der verf. selbst am ende p. 40 auf, und allerdings braucht er dieselbe im allgemeinen weder in hinsieht der richtigkeit noch der Selb- ständigkeit zu scheuen. Er hat sich seine aufgäbe nicht leicht gemacht, wovon sich jeder durch nachschlagen der massenhaf- ten belegstellen bei den wichtigsten erscheinungen überzeu- gen kann. Namentlich da, wo die sache selbst eine lange reihe von citaten erheischt, herrscht durchgehends eine höchst lobens- werthe genauigkeit und gründlichkeit. Dass trotzdem und wer wollte daraus dem vf. einen Vorwurf machen? einzelne ungenauigkeiten untergelaufen sind, gedenken wir im folgenden nachzuweisen.

Unter B 2) „substantivsätze mit uC hätte B. C. I, 47, 1 haec praefertur opinio ut, was p. 32 unter den consecutiv- sätzen steht (wie auch Doberenz in einer anmerkung zu d. st. 48, 1 vergleicht I ), mit verzeichnet werden müssen , da auch stellen, wo auf id consüium, B. G. V, 6, 5. VI, 40, 6, und id consilii das erklärende ut folgt, ebenda berück sichtigung gefun- den haben, und mit recht; unter aeeidit fehlt B. C. I, 85, 4 (wo zu beachten ist, dass uti petant durch eine art attrac- tion vom verbum des nebensatzes aeeidere solcat abhäugt statt vom hauptsalze der or. obliqua). Jedenfalls ist auch der kurz dar- auf folgende erklärungssatz zu novi gencris imperia constitui, nämlich ut obtineat, unter diese kategorie zu stellen, wiewohl er auch

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als consecutivsatz aufgefasst werden könnte (trotz des §. 9 co- ordinirten ne mittantur auf keinen fall finalsatz) ; wenn hin- gegen ebend. §. 10, p. 6 die worte ut dimittant als ein von servari (passiv.) abhängiger objectssatz gefasst werden, so ist das abhängigkeitsverhältniss ungenau angegeben : das sub- ject von servari, quod sit datum (= concessum), führt dieses ut herbei. Dieses beispiel sollte also weiter oben, unter dare oder datum angeführt sein , ebenso wie das andre von servare, B. C. III, 84, 3, wegen institutum §. 5 unter subject zu setzen ist. Unter den von constituere abhängigen objectssätzen ist auch B. G. VII, 78, 1 angeführt, die fortsetzung aber §. 2, wo das- selbe verbum den accusativ mit infinitiv regiert, p. 17 am ende weggelassen, was um so weniger geschehen durfte, da in der Zusammenstellung der verschiedenen constructionen, p. 19 f., die freilich nichts weniger als übersichtlich ist (constituere kommt allein viermal vor), die stellen, an denen ein und dasselbe ver- bum nach einander verschiedene constructionen hat, nicht citiert sind. Auch unter instituere ebd. herrscht ungenauigkeit : die erste stelle ist B. C. (nicht G., wie dasteht) III, 92, 4 (Nipp. 3), aus der zu zweit stehenden aber, ebd. 43, 3, hängt ut von haec spectans ab, unter dem sie auch nochmals angeführt ist, aber fälschlich §. 2. (Nipp.), wo quo minore u.s.w. steht, während erst §. 3 uti folgt. Am Schlüsse dieses abschnitts endlich, p. 8 (conjunctiv ohne ut), steht als zweites beispiel zu constituere B. C. HI, 1, 2. Kichtig ist dies, aber es musste doch bemerkt werden, dass die worte per eos fierent cett. nur eine fortse- tzung von ut arbitri darentur sind; also: ,, nach vorhergehendem ut". Auch weiter unten unter senatus consultum ist der ausdruck „subject" ungenau, denn der hauptsatz B. C. I, 5, 3 lautet: decurritur ad illud SC. (hingegen sind ebd. 3, p. 8. a. e., die beiden beispiele zu beneßcia objectssätze wegen der verba commemorat, exponit); zu refertur ebd. c. 3 ist zu ergänzen, dass im dritten gliede uti steht (umgekehrter fall wie oben III, 1, 2). Dass das beispiel zu placet B. C. III, 83, 3, von Polle JB. f. Phil. 103, p. 339 emendiert, nicht hierher gehört, habe ich schon durch meine interpunction (= Nipp.) gezeigt und werde es auch anderweit nachweisen ; übrigens wäre auch hier der Übergang von einer construction in die andre, vom accus.

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c. infinitivo zum conjunctiv (mit oder ohne ut) zu notieren ge- wesen, wie er in den beiden folgenden beispielen zu summa mandatorum thatsächlich stattfindet: im ersten B. C. I, 10 , 3 (ohne ut) umgekehrt; ebenso mit ut bei censere ebd. 67, 1, worüber, nachdem es schon p. 5 a. e. angeführt war, p. 10 a. e. eine ganz unbegreifliche bemerkung steht, und II, 20, 3 bei denuntiare, was dreimal aufgeführt ist, p. 5 unter ut, p. 7 unter ne (zweimal dieselbe stelle), p. 13 unter accusativ mit infinitiv (hier ohne Wiederholung dieser stelle).

Unter B 3, quod, fehlt p. 9, z. 7, wo auch der ganze aus- druck, namentlich „causal" falsch ist (frage: wodurch, in wel- cher hinsieht ? ) , als erstes beispiel B. Gr. III , 4, 3 hoc supe- rari (== inferiores esse Kr.), quod. Die auffassung von B. G. 1,44, 13 als objeetssatz beruht auf rein äusserlichem gründe; dasselbe könnte man von §. 11 Qui nisi decedat sagen, §.12 dagegen müsste Quod si eum interfeeerit als subjeetssatz be- zeichnet werden: allein mit der conjunetion quod haben alle drei bedingungssatze , also auch §. 12. 13 absolut nichts zu schaffen; letztere stehen auch richtig p. 37 unter quodsi, wäh- rend §. 11, qui nisi, nicht, analog dem qui si ebd., besonders angefübrt ist, sondern schlechthin unter nisi. Ebd. 4a. steht unter oportet aus versehen bei B. C. III, 10, 9 esse statt placere : es ist wohl eine andere stelle gemeint. Die unmittelbar vorher- gehenden stellen über den infinitiv des deponens sind richtig, aber, da vrf. mit recht in den ersten beiden nicht, wie Kraner, metiri passivisch fasst (vgl. metari p. 14), als verschiedenartig zu bezeichnen (B. C. II, 31, 4 acc. mit infinitiv); was die aus der vollständigen Zusammenstellung sich ergebende conjeetur dari statt dare ebd. III, 95, 1 betrifft, so ist nur zu verwundern, dass Kraner trotz seiner anmerkung zu jenem ersten metiri: „da oportet sonst nie den blossen infinitiv regiert", sie nicht schon gemacht hat und auch Hofmann dare schreibt, ohne es als einzige ausnähme zu bezeichnen. Nach meinem Staudpunkte in der kritik Caesars kann ich dari nicht annehmen; vgl. iubere, bei Procksch p. 14. Wunder muss es aber auch wiederum nehmen, dass der vf. ebd. exspeetari B. G. VII, 60, 1 anficht: die kurz vorher erwähnte stelle B. C. I, 61, 4 (vgl. Kraner) hätte ihm jeden zweifei benehmen sollen. P. 9 ist bei

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commodum (soll keissen commodissimum , wie nachher optimum, wozu das beispiel erst unten citirt ist) richtig B. Gr. V, 11, 5 angeführt, dasselbe aber irrthümlicherweise auch wieder p. 16, wo vom blossen infinitiv die rede ist; hier also zu streichen. Am Schlüsse von a) ist statt „subject" zu schreiben: ergänzung des subjects; das erste beispiel, B. C. III, 33, 1, ist auch p. 8 unter dem blossen conjunctiv erwähnt ; dass aber dieser die fortsetzung des accusativs mit infinitiv bildet , ist auch dort nicht angedeutet.

Unter 4 b, (object) ist p. 10 a. e. „pass." bei dem citat B. G. VII, 37, 2 ungenau, da die worte lauten: ut se liberos et imperio natos (adjectiv) meminerint (vgl. Dinter, Lat. Gramm. p. 15) ; bei merninisse mit infin. perfecti fehlt aber B. C. III, 47, 5 (depon. und activum). P. 12 unter polliceri ist das citat 4 , 6 , 1 " falsch , ich finde auch nicht , welche stelle gemeint ist; die beiden folgenden aber hätten mit „2, 32, 3", s. unten, zusammen als beispiele vom blossen inf. praesentis statt accusativ cum infinit, futuri (p. 20 nach 4 c), wie wir es der kürze wegen nennen wollen, da b) zweimal steht , aufge- führt werden sollen, getrennt von denen, wo bloss der subjects- accusativ se u. dgl. fehlt (aber natürlich auch von den unten durch „ebenso" und „auch" angefügten stellen B. G. I, 20, 6. VI, 29, 5). P. 13 anf. und später unter demonstrare musste der deutlichkeit wegen auf die leider in der schule wenig be- kannte regel bei Krüger §. 570, anm. 1 a. hingedeutet werden (auch b. gehört hierher) ; nach ihr ist unten quod B. G. II, 9, 3 richtig als accusativ aufgefasst, aber der ausdruck „passivum" ist nicht genau; VI, 25, 1 gehört aber nicht als ausnähme dahin, weil kein infinitiv von demonstrare abhängt ; sonst müsste ebenso oben mit I, 1, 5 verglichen werden 16, 2. Nach derselben re- gel ist auch die fälschlich unter „dico mit fut" (richtig unter „video" p. 11) angeführte stelle B. G. I, 46, 3 zu beurtheilen: ut dici posset (= zusammengesetztes tempus) eos cir- cumventos (vgl. existimari posset B. C. III, 96, 1, Procksch p. 10), so dass sie p. 13 anf. nach I, 1, 5 zu setzen war, wo auch in der sich unmittelbar anschliessenden bestätigung der regel durch das gegentheil (einfache zeiten) V, 4, 1 zu strei- chen ist. Aus diesen wenigen andeutungen ergiebt sich, dass nicht nur das p. 10 über existimari und iudicari (NB. iudicari

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d eher et) gesagte, sondern auch der ganze abschnitt von dicere bis mit nuntiare (die folgenden verba sind hierbei nicht betheiligt), also gerade eine Seite, ein ganz anderes aussehen haben müsste, und dass auch die kurze Zusammenstellung p. 16 demgemäss zu modifizieren ist. P. 14 sind aus versehen die worte „ib. 34, 1 (während ib. §. 3, 51, 3 u. s. w.)" auf B. C. II; 25, 6 bezogen; dass sie sich auf das jenem unmittelbar vorherge- hende beispiel B. G. V, 33, 1 beziehen , erhellt schon daraus, dass B. 0. II kein cap. 51 hat. Ferner halte ich es für falsch, dass p. 15 cogere mit unter dem acc. mit infinitiv steht: die ganze terminologie, vor allem „s ubj ectsaccusativ" und „nom. mit infinitiv" ist schief; so steht cogere auch p. 19 mitten un- ter ganz heterogenen verbis (trotz der Stammverwandtschaft mit cogitare)\ ebenso verhält es sich mit perhibere, welches überhaupt nicht unter die verba der ,,gemüthsthätigkeit" gehört: es musste gleichermassen unter den blossen infinitiv kommen (4c). Bei- läufig hängt im ersten beispiel, B. G. I, 47, 6, dicere von conantis ab (was auch p. 18 anerkannt ist), wäre also zu pro- hibuit höchstens zu ergänzen. Auch studere gehört mit der einzigen stelle, wo es den acc. mit infinitiv (pass.) regiert, nicht hierher, sondern in den vorhergehenden abschnitt („wollen"), wie sich aus der vom vf. beigefügten parenthese ergiebt ; reci- pere gehört zu polliceri p. 12, argumenti sumere loco (dies weg- gelassen!) in denselben abschnitt p. 10 (coniecturam capere u. ä.). Nach dem vorher gesagten ist es falsch, wenn p. 16 anf. ypolliceor" mit aufgeführt wird ; vgl. p. 12 a. e.

Nach dem durchgängig befolgten principe musste p. 16 a. e. videri (bei dem die ersten beiden citatenreihen, als streng- genommen nicht zur sache gehörig , in parenthese zu setzen waren) unter 4 b , acc. mit infinitiv, als passiv nach vidcre ge- setzt werden ; auch nimmt es sich unter seiner Umgebung recht fremdartig aus. Warum unmittelbar vor demselben „coe- ptus est11 steht, während coepisse u. s. w. erst später folgt, p. 17. instituere aus rein äusserlichem gründe erst p. 18 anf. ; wel- che versprengung des zusammengehörigen! , ist nicht abzu- sehen. In dieselbe kategorie, 4 c, p. 17, ist auch invitare we- gen B. G. I, 35, 2 gebracht , aber venire hängt dort von gra- vari ab (invitatus „trotz ausdrücklicher einladung"), die stelle

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gehört also, NB mit BC. I, 9, 1, unten p. 18 in die gegend von nolle oder auch recusare.

In der Zusammenstellung p. 19 steht, ehenso wie p. 8 g. e., difficultas regiere quod; dieses hängt aber B. G. Till, 24, 2 von ob has causas ab, an beiden stellen kommt also difficultas in wegfall. Dass malle nur zweimal mit acc. m. infinitiv construiert ist, s. p. 14 a. e., rechtfertigt nicht die Schlussworte p. 20: „wo esse die abweichung entschuldigt;" vgl. andere Schrift- steller. — P. 21, z. 4 passt „eum" nicht auf das erste beispiel.

Weit weniger ausstellungen sind in den, auch bei weitem nicht so complicierten, folgenden capiteln zu machen. Nur in folgenden punkten wird der vf. nicht auf allgemeine Zustim- mung rechnen können. C. III, p. 26 finde ich zwar die Zu- sammenstellung von B. G. III, 4, 2 und B. C. III, 62, 6 inso- fern gerechtfertigt, als man in beiden stellen ut ebenfalls eine locale ,,färbung" zuschreiben könnte, aber den avisdruck zu vag und den wesentlichen unterschied von der zweiten stelle, wel- chen auaeque in der ersten herbeiführt, nicht berücksichtigt (un- genaue responsion, = ut quaeque ita ad eam). Auch Kra- ners anmerkung zu der ersteren stelle ist mangelhaft: er fasst ut temporal. Ebensowenig reicht das p. 30 anf. über ut qui gesagte hin ; vgl. Kraner zu der ersten angeführten stelle, B. G. III, 23, 5, welche freilich überhaupt vom vf. nicht hinrei- chend ausgenutzt ist, da sie noch in zwei anderen beziehungen zu erwähnen war, nämlich wegen ut postularent (or. obl.) p. 28 nach der parallelstelle EL, 22, 1, und wegen monuit, omnes res administrarentur (pass. nur des Wohlklangs wegen), zur Vermeidung zu häufiger Wiederholung ohne ut, (was Caesar gewiss gesetzt hätte, wenn quippe qui zu seiner phraseologie ge- hörte), p. 8 vor „admoneo"; und was das dritte beispiel von ut qui betrifft, so kann meine conjectur celticam quinon u.s.w., die ich niemand octroyieren will , doch wenigstens beachtung, resp. Widerlegung beanspruchen. Dass der vf. ebd. unter ut quisque B. C. I, 2, 8, sogar in den Vordersatz ein quam ein- schwärzt , ist doch des guten zu viel ; ich habe auch das im nachsatze ita quam maxime nach Kindscher als unlateinisch ein- geklammert. Als mittelglied zwischen B. G. VI, 15, 1 und VII, 48, 2 vgl. Liv. Villi, 6, 1 ut quisque gradu proximus erat, ita ignominiae obiectus. Beim letzten beispiele in demselben

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abschnitte („concessiv") B. C. II, 41, 3 passt „ebenso" durch- aus nicht, weil „selbst wenn" für dieses ut keinen sinn hätte : es ist richtig von Kraner erklärt. Natürlich gehört es p. 29 a. e. unter die übrigen beispiele aus demselben buche (von de- nen unbedingt 5, 2 auszuscheiden ist, da es ja sonst p. 8 vor 33, 2 mit hätte angeführt werden müssen).

Unter VI, 1, p. 35 scheint mir, weil ich trotz Nipperdey von dem handschriftlichen quod B. C. III, 25, 5 nicht abgehen kann, die polemik des vfs nicht zu billigen : worauf es dem Schriftsteller ankommen sollte, haben wir ihm doch jetzt nicht vorzuschreiben. Ebd. a. e. macht die von Kraner zu B. Gr. IV, 2, 1 angeführte parallelstelle alle künstlichen erklärungen überflüssig. Wie ebd. 3, p. 36 a. e. zwischen den beiden cum (Procksch durchgängig quum) B. G. V, 27, 11 und B. C. I,

24, 6 ein unterschied angenommen werden kann, ist mir unbe- greiflich: eben weil hier das per alios condiciones ferri schon wirklich geschehen war (L. Caesar und L. Eoscius), musste Caesar schreiben cum ferantur, während das nur vorge- schlagene nicht anders als durch einen bedingungssatz (st di&ceptetur) ausgedrückt werden konnte.

Dass endlich VII, p. 38 a. ., bei sive sive B. C. III,

25, 4 „die ursprüngliche bedeutung von si nicht mehr deutlich durchscheint", kann ich durchaus nicht zugeben ; die erklärung dieser, schon wegen des engen anschlusses an die handschriftli- che Überlieferung sich empfehlenden und wohl auch allgemein an« genommenen emendation sehe man bei ihrem Schöpfer selbst nach.

Alle diese einzelheiten sind, zumal für den, der die läge eines programmatarius aus eigner erfahrung kennt, nicht dazu angethan, das endurtheil umzustossen, dass Procksch eine ar- beit geliefert hat , die auf eingehendem und gründlichem Stu- dium beruht und schliesslich in demselben geiste, aber mit et- was mehr müsse durchgeführt , sehr wohl geeignet werden wird, die kenntniss des Sprachgebrauchs Caesars wesentlich zu fördern. B. D.

300. Adolph Franz, Lic. theol. M. Aurelius Cassio- dorius Senator. Ein beitrag zur geschichte der theologischen literatur. Breslau 1872. Aderholz (Gr. Porsch). 137 s.

Obgleich sich das buch überwiegend mit der theologischen

Nr. 10. 300. Cassiodorius. 507

literatur beschäftigt, so bat doch Cassiodorius für die geschichte der römischen literatur eine solche bedeutung, dass es wohl er- laubt sein wird, von demselben an diesem orte eine kurze an- zeige zu geben.

Nach einigen kurzen biographischen nachrichten gibt der Verfasser ein biid des wissenschaftlichen Standpunktes der zeit Theodorichs. Die berühmtesten schulen Italiens, wie die zu Ra- venna und Rom, gingen über ein bescheidenes mass wissenschaft- licher bildung nicht hinaus : man lernte nur so viel auf ihnen, als ausreichte , um für die Verwaltung eines öffentlichen amtes sich zu befähigen. In dieser traurigen zeit ist neben Boethius und Ennodius bischof von Ticinum Cassiodorius ein um so her- vorleuchtenderes muster wissenschaftlichen strebens, als er durch seine vielseitigen Staatsgeschäfte sich nicht abhalten Hess, seine müsse der Wissenschaft und der förderung der schulen zu wid- men. Als sich Cassiodorius dann aus dem öffentlichen leben zurückzog und als mönch in dem von ihm gegründeten klo- ster Vivarium (in Bruttium) lebte, widmete er seine ganze unge- teilte kraft der förderung der Wissenschaften. Interessant ist hier des Verfassers nachweis , dass ein wissenschaftliches Studium der h. schrift und die beschäftigung mit den profa- nen Wissenschaften zuerst in diesem kloster des Cassiodorius eingang gefunden hat , während die regeln des h. Pachomius und Basilius, und die Schriften des Joannes Cassianus, ja selbst die regeln des h. Benedict die möncbe nur zur betrachtung und zur körperlichen arbeit auffordern. Hiernach müssen wir den Cassiodorius als den begründer der wissenschaftlichen Stu- dien innerhalb der mönchsorden ansehen und ihm das verdienst zuerkennen , dass er das bücherabschreiben als allgemeine be- rufsarbeit empfohlen und in die klöster eingeführt hat.

Die abschnitte V : „die schule zu Vivarium biblische arbeiten": VI. „anleitung und hülfsmittel zu den Studien": VII. „die bibliothek zu Vivarium", geben uns ein interessan- tes bild der von ihm angeregten wissenschaftlichen thätigkeit. Besonders hervorheben möchte ich hieraus die auseinanderse- tzung der grundsätze und regeln , welche Cassiodorius von seinen mönchen beim abschreiben der h. schrift wie profaner Schriftsteller befolgt wissen wollte, dann den katalog der biblio- thek zu Vivarium, welcher mit grosser Sorgfalt aus den wer-

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ken Cassiodor's zusammengestellt ist und eine wesentliche er- gänzung zu dem werkchen von Olleris , Cassiodore, comervateur des livres de Vantiquite latine, Paris 1841 bietet. Verdienstvoll ist auch die am schluss angefügte Zusammenstellung der aus- gaben des Cassiodorius.

J. W. S.

301. Studien zur scenischen archäologie. Von N. Weck- lein. (Aus dem Philologus *), bd. XXXI, p. 435 flgg.).

Wecklein hat einige resultate auf dem gebiete der sceni- schen alterthümer zusammengefasst. Man kann ihm dafür dankbar sein, wenn auch das meiste davon durch die Untersu- chungen anderer bereits festgestellt war. Bedenklicher ist, dass, wo er neues hinzufügt, er oft wieder in den alten von Genelli u. a. betretenen weg sich verirrt, das alterthum zu erdichten, anstatt es aus den vorhandenen Schriften und kunstdenkmälern zu erklären. Wer gerade auf diesem gebiete nicht die heilsame, freilich entsagung fordernde kunst versteht, nicht mehr wissen zu wollen, als was sicher sich begründen lässt, wird immer in gefahr gerathen, das gefundene wieder zu verschütten, anstatt dessen besitz zu sichern und durch bedächtige forschung wenn auch nur langsam zu vermehren.

Ohne festen grund und boden ist zum beispiel in der zweiten abhandlung: ,,über die &v(isX?j und oßp/ffTp«; über die urspüngliche gestalt des theaters" p. 441 die behauptung, dass das gebäude für die Zuschauer im atheni- schen theater sich aus einem vollständig kreisrunden bau entwickelt habe. „Bei der anfänglichen bedeutung des chors", sagt er , ,,war auch eine solche anläge wie bei unserm circus die natürliche und das natürliche und zweckmässige müssen wir für das ursprüngliche halten". Mit diesem satze ist Weckleiu über alle Schwierigkeiten hinweg. Als wenn nicht aus der un- mittelbaren Übertragung unserer theaterverhältnisse auf die des alterthums leicht Verwirrung und trübung des thatbestandes her- vorgehn, und über das was natürlich, namentlich über das was zweckmässig ist , die ansichten sehr verschieden sein könnten.

1) Wegen der Wichtigkeit der sache lassen wir hier ausnahms- weise eine besprechung über einen aufsatz einer Zeitschrift folgen.

Die redaction.

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Wenn man z. b. erwidern wollte, es scheine ganz natürlich, dass die Zuschauer im theater nicht im räume der darstellenden künstler sich befinden, sondern ihnen gegenüber, so würde sich wohl nichts wesentliches dagegen einwenden lassen. Jedenfalls könnte nur für die ältesten zeiten, wo es noch nicht Schauspie- ler, also eine dramatische kunst nicht gab, wo überhaupt ein theaterbau noch nicht vorhanden war, an einen sol- chen circusartigen räum gedacht werden.

„Nur bei einer solchen annähme", fährt Wecklein fort, „stellt sich die erweiterung über den halbkreis hinaus in der peripherie des kreises als organisch begründet dara und fügt hinzu: „wir werden es jetzt zu würdigen wissen, wenn es von Aeschylus heisst, dass er die nQoaxrjvia erfunden habe (Cramer Anecd. Paris. I, p. 19: ei fxsv dfj nrivza ng Aia%vl(p ßovXszai za nsoi zi\v axrjvrjv si'Qrjfxazu TZQoartfxeiv 7ZQOOxr'jVia y,al diazs* ylag x. z. 1.). Sommerbrodt, welcher eine solche erfindung des Aeschylus für undenkbar hält, will ngoanrivia in nagaG-Atpia ändern. Im gegentheil, wenn man von vornherein vermu- then muss , dass Aeschylus an dem bau und der einrichtung des steinernen theaters vorzüglichen antheil gehabt hat , so ha- ben wir in der angeführten stelle ein ausdrückliches zeugniss dafür, dass Aeschylus der Urheber der neuen einrichtung gewe- sen ist, durch welche die eigentliche bühne geschaffen wurde"* Verstehe ich Wecklein recht, so soll durch die angäbe, dass Aeschylus die proskenia erfunden habe, seine hypothese bestä- tigt werden , dass das athenische theater sich aus einem kreis- runden bau entwickelt habe. Es soll daraus abgeleitet werden, dass Aeschylus der urheber der neuen einrichtung gewesen sei, durch welche die eigentliche bühne geschaffen wurde. Es wäre zu wünschen gewesen, Wecklein hätte sich etwas bestimmter und schärfer darüber ausgedrückt, was er unter der „eigent- lichen bühne" und unter dem it qo a x?jv tov versteht. Was das letztere betrifft, so kann man nur aus c. IV seiner Studien p. 448, wo er über die bedeutung des wortes handelt, (wäh- rend er hier auf die so nothwendige erklärung des begriffs sich nicht einlässt), den schluss ziehen, dass er an unserer stelle von proskenien in der gewöhnlichen bedeutung spricht, die am bün- digsten von Servius zu Verg. Georg. II , 381 jproscenia autem

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sunt pul pita ante scenam, quibus hidicra exercentur, gegeben werde.

Dass Aeschylus epoche machend für die begründung eines festen bühnengebäudes und dessen vollkommener einrich- tung gewesen, ist durchaus richtig und von andern wie von mir in meiner abhandlung de Aeschyli re scenica. (Berlin. Weid- mannsche buchhandlung 1848 1858) aus dieser wie aus vie- len andern stellen nachgewiesen. Fasst aber Wecklein das wort „bühne" in der bedeutung auf, wie wir es heute ge- brauchen, als den ort, auf welchem die handlung den Zu- schauern vorgeführt wird und nimmt er an, dass die erfin- dung dieser bühne und dieses b ühn enraumes Aeschy- lus zuzusehreiben sei , so kann ich Wecklein nicht beitreten, wenn er behauptet, dass hier das wort irQooxqvta, den beweis dafür gebe; ja ich bestreite, dass der beweis überhaupt geführt werden kann. Die bedenken, die mich bestimmt hatten, an der richtigkeit des wortes n Qooxrjiria. an dieser stelle zu zweifeln, sind keineswegs beseitigt, wenn Wecklein meine ansieht ohne weiteres mit den Worten „im gegentheil'' zurückweist. Mit so leichter mühe wird, mein ich, nichts gefördert. Noch heute halte ich daran fest, dass der plural izQoaxrjvia anstoss erre- gen muss, sofern TroQGxrjviov den räum vor dem bühnen- gebäude bedeutet und dieser der natur der sache entspre- chend ein einziger ungetheilter ist, wofür auch ausdrücklich Pol- lux (Onomast. IV, 123) in seiner aufzählung der bestandtheile des theaters : OMivrj, OQi^azga, Xoyslov, n g oatrjviov, nagaaxtj- via, vnoattjvia spricht. Und wenn Servius zu Verg. Georg. II, 381 proscaenia autem sunt pulpita ante scaenam den plural ge- braucht, so geschieht es nur im anschluss an des dichters worte: non aliam ob eulpam Baccho caper omnibus aris caeditur et veteres ineunt proscaenia ludi, in denen der plural vollkommen gerechtfertigt ist.

Wichtiger noch ist das folgende : darf man annehmen, dass dieser räum von Aeschylus zugleich mit dem bühnengebäude erfunden worden sei? Liegen nicht zwischen den ersten anfangen des dionysischen chorgesangs und der Vollendung, zu welcher Aeschylus das theater gebracht hat, mehrere durch die Zeugnisse der alten hinlänglich beglaubigte entwicklungsstufen des drama und der dramatischen darstellung?

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Wenn irgend etwas vor dem bau eines stehenden gebäudes vorhanden gewesen sein muss, so ist es das ngoaxr/viov. Gab es nämlich in der ältesten zeit vor der einrichturjg eines büh- nengebäudes einen räum, aus welchen die Schauspieler her- vortraten — und das wort oxrjitj = zeit (Isidor. Origg. XVIII, 43: dicta autem scaena Graeca appellatione eo quod in speciem domus erat exstructa) legt davon zeugniss ab so gab es auch einen platz vor diesem skenenraum d. i. ein ngoaxtjnov, auf welchen sie hervortreten.

Unmöglich also kann man die erfindung dieses raumes ngo- axfjviov dem Aeschylus zuschreiben, wenn man nicht annehmen will, dass es vor Aeschylus überhaupt eine dramatische darstel- lung durch Schauspieler nicht gegeben hat, wogegen die ge- schichte des griechischen theaters entschiedenen einspruch thut.

Und endlich in welcher gesellschaft finden wir in der an- geführten stelle (Cramer. Anecd. Paris. 1. c.) die ngoaxtfvta. Weck- lein hat nur die ersten worte angeführt. Es wird nöthig sein, sie vollständig zu geben: d ptev dt] ndvra rig Ai<5%vk<$ ßuiiXe-

TCtl 718 gl 7 f] V 6 X 7] l t] V eVQIjfta'ZCt 7ZQ0ÖVSfXElV, sxxvxXtj-

fiaza xat nsgtäxiovg, (wofür zu lesen nsgtäxTOvg) xai firj^avdg, i^coarga te xat Ttgoaxrjvia (?) xat diazeyiag xai xsgavroaxonsta xai ßgovreiu xai &ii>Xo)£ia xai ysgävovg, xai nov xai ^vartdag xai ßargaftidag xat ngöomna xai xo&ogvovg xai ravii noix[\at Cvgfiard te xai xaXvnrgav xai xöXnmuct xat nagämqyy xat äg- yt]vhv xai vnoxgnr)v Ini tw 8ev7£gcp täv rgirojp (zu verbessern zov rgizov)' rj xai ^oqsoxXtjg eanv a tovtfav ngoaefiij^af^öaro xai ngoot&vgtv.

Hier stehen die ngoöxrjvia mitten unter den erfindungen, welche sich auf maschinerie, decoration, theater, garderobe, lar- ven, masken u. s. w. beziehen. An eine erwähnung des proske- nions „räum vor dem bühnengebäude", wird man nicht denken dürfen.

Die Schwierigkeit, das richtige wort für diese stelle zu fin- den, liegt in der Verworrenheit und Planlosigkeit der notiz. Denn wenn sie sich auch auf die vorher angeführten gegen- stände beschränkt, so werden diese doch ohne alle Ordnung auf- geführt. Auf das ekkyklema und die periakten folgen die ma- schinen, während es doch feststeht, dass die ekkyklemen und die periakten auch zu den maschinen gehören und mit den ma-

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schinen werden dann ausser den fraglichen proskenien die di- stegien aufgeführt, die doch gewiss nicht zu den maschinen gehören. Dann folgen die xegawoaxoneia , ßonvtua und ys- gavoi, die wieder den maschinen zugezählt werden müssen.

Bei dieser Sachlage können wir mit Sicherheit nur zu dem negativen ergebniss gelangen, dass hier das wort ngoaxtj- via. in der bedeutung „räum vor der bühne" nicht statthaft ist. Ob es aber in einer andern der von mir für dieses wort nachgewiesenen bedeutungen, als decoration des haupt- gebäudes, das heisst der skenenhinterwand (nach Suidas: ngo- Gxtjvior' iq nqo ir\g axqvijg neQinhaafia) zum unterschied der decoration der skenenhinterwände (nsQtaxtot) gedul- det werden kann , oder ob ein anderes wort und welches an seine stelle treten soll , wird schwer zu entscheiden sein.

Denn wenn mir auch noch immer aus diplomatischen und sachlichen gründen naoacxi\via. statt ngoaxtjvia sehr wahrschein- lich ist, naoa und nqb werden oft verwechselt, nuQaoxrtvia aber bedeuten die Seitenflügel des bühnengebäudes, auf welchen, wie wenigstens von Demosthenes Zeiten erwiesen ist, die theaterap- parate aufbewahrt wurden, und ihre erwähnung erscheint daher an der stelle , wo hauptsächlich von maschinen , garderobe und sonstigen theaterrequisiten die rede ist, ganz passend , so wird man doch der conjectur nicht solche evidenz zuschreiben können, dass jede andere ausgeschlossen wäre.

Im IV. abschnitte über die bedeutung des wortes proskenion handelt Wecklein von der zweiten oben ange- führten bedeutung des wortes nooaxrjviov (decoration der ske- nenhinterwand). Es ist bemerkenswerth , dass er hierbei ganz dasselbe vorbringt, was ich darüber gesagt habe, dieselben stel- len, die ich zum beweise meiner ansieht angeführt hatte auf dieselbe weise erklärt, schliesslich das ergebniss mit mir überein- stimmend so zusammenfasst: ,,es ist also allerdings nqoaxrjviov tb nob rijs axrjvijg Tveotniraopa , aber nicht der bühnen- vorhang, sondern der decorationsvorhang, der teppich, auf welchem die scenerie gemalt war", und nur in einer anmer- merkung hinzufügt: „nach der band finde ich, dass schon Mei- neke die gleiche bedeutung von tjqooxi'jviov aus jenem Spott- namen (Suid. s. v. A'ütfior) abgeleitet hat". Es scheint ihm also meine auseinandersetzung in der beurtheilung von C. E.

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Geppert, die altgriechisehe bühne in der Zeitschrift für die alter- thumswissenschaft 1845 n. 45 und von Lohde, die skene der al- ten in den Jahrbüchern für philologie und pädagogik 1861 heft 8 entgangen zu sein. An der letzten stelle hatte ich p. 566. 567 in ausführlicher begründung meiner ansieht , und nachdem ich namentlich die annähme eines Vorhanges im griechischen theater zu widerlegen gesucht hatte , mich so geäussert : „ngo- Gxrjriov ist erstens, wie Suidas sagt, ro im rijg axtjvrjg tzsqi- niraepa d. i. da skene das bühnengebaude bezeichnet , die d e- coration des bühnengebaude s. Als die bühnendecora- tion selbst oxtjvtj genannt wurde (was z. b. aus Plutarch. Demetr. 25 (900 d) und aus Vitruvius hervorgeht, der die arten von skenen aufführt: unum quocl dicitur tragicum, alterum comicum, tertium satyricum), so wurde das wort ngooxqviov in dem sinne „räum vor der skenen wand" gebraucht. Auf diese bei- den bedeutungen lassen sich alle stellen, in welchen vom pro- skenion die rede ist, zurückführen^.

Ich mache auf diesen punkt nur deshalb aufmerksam , weil man so um so mehr grund hat, des gefundenen resultats als eines sichren besitzes sich zu freuen, als Wecklein unabhängig von seinen Vorgängern auf dasselbe ergebniss gekommen ist.

Um das zusammengehörige nicht zu trennen, habe ich meine bemerkung über nr. IV hier eingeschaltet. Ich kehre noch ein- mal zur zweiten abhandlung zurück. Dort tadelt Wecklein meine conjeetur zu Pollux IV, 132 in bezug auf die charoni- schen treppen. Ich hatte {De Aeschyli re scenica p. 39) vor- geschlagen statt: al ds ftagcoviot xlCfiaxsg xara rag ix zav sdo3- "kicov xa&ödovg xsC/jisvui ru sidcoXa an avröjp avanifinovai, zu lesen xara rag räv sidcaXcav xa&ödovg und hinzugefügt: Quae quidem sententia ut minime est aecurata atque elegans , ita a tenui Pollucis ingenio ncquaquam abhorret. So gern ich bereit bin, diese handschriftlich einigermassen gestützte conjeetur gegen ein besseres heilmittel preiszugeben, so wenig kann ich einräumen, dass man die vorgeschlagene ausdrucksweise einem geiste wie Pollux nicht zutrauen dürfe. Ist ja doch die bald darauf fol- gende erklärung: zu 8s a v a n isa fi ar a rb fiir iariv (v zrj cxTjvfi cog norafjiuv uvsX&hv rj roiovrov ri ngooeonov, ro 5 s tisq] rovg av a& (xovg, «g>' av uv { ßatv ov Eq iv v eg, um nichts besser, da man von der läge der zweiten versenkungs- Philol. Anz. IV. 33

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maschine [avanlsa^a) welche bei der stiege liegen soll, auf wel eher die Erinyen hinaufsteigen , eben so wenig bestimmtes er- fährt, wie wenn man bei den charonischen treppen liest : sie sind da, wo die Schattenbilder hinabsteigen.

Aber woher weiss Wecklein, dass diese charonischen trep- pen sich in der orchestra befanden? Ist es etwas anderes, als eine unbegründete muthmassung, wenn er sagt: „eins, glaub1 ich, muss feststehen: diese Vorrichtung stand in Verbindung mit dem hölzernen gerüste der orchestra. In dem bretterboden der orchestra konnte ein avante<5\ia angebracht sein und es konnte daneben die charonische stiege auf die höhe der or- chestra führen". Das ist freilich möglich. Aber dass es so gewesen ist , welchen beweis giebt uns dafür Wecklein ? Kei- nen. Auch zweifle ich , ob sich der beweis wird führen lassen. Wenn es richtig ist, dass die bühne den schauspielern, die orchestra dem chor angehört, wie Wecklein p. 458 selbst zu- giebt, wie es richtig ist, dass der chor nur in ausnahmefällen, nur dann wenn er selbst handelnd in das drama eingreift, die bühne, nie aber der Schauspieler die orchestra betreten hat, wenn es richtig ist, dass alle theatermaschinerien, aller die auf- führung eines Stückes betreffende, znr darstellung des dramas gehörige schmuck, wie ich in meiner abhandlung de Aeschyli re scenica pag. 40 sqq. gezeigt zu haben glaube, nur dem bühnen- raume zukommt, so ist es in hohem grade unwahrscheinlich, dass einzig und allein die charonische stiege in der orchestra sich befunden haben sollte. Wenn aber Wecklein sagt: „wir ha- ben keinen grund im Widerspruch mit dem ausdrücklichen zeug- niss des Pollux eine solche Vorrichtung aus der orchestra zu entfernen", so bin ich meines theils ausser stände, in der stelle des Pollux: al ds ^«pco^tot xXifxaxsg xata tag ix t(üv sdooXCcov xa&6dovg xeifievai xa eidcoXa arf avtüiv ävamfinovait', irgend eine spur eines ausdrücklichen Zeugnisses dafür zu entdecken, ebenso wie in IV, 127 keine vorhanden ist, wo ebenfalls die %aqävioi xX/^axeg aber eben nur als eine theatereinrichtung erwähnt werden (si'rj ö' ap zmv ix &sdtQOV xal ixxvxXqpcc xal lagävioi xXiftaxeg).

In VIII (über xvxXiog %oQog und das auftreten des chors) spricht Wecklein über den Ursprung des namens „kyk lisch er" chor. Ich führe auch hier seine eignen worte

Nr. 10. 301. Griechisches theater. 515

an. Da mir seine beweisführung nicht klar ist, so könnte es mir leicht begegnen, dass ich im auszuge seine gedanken nicht richtig wiedergäbe : „Aus der Überlieferung (vgl. Härtung im Piniol. I, p. 400 f.) darf man schliessen, dass rovg xvxXlovg %oqov$ GTrjaat eine ursprüngliche bezeichnung ist, dass also xvxliog einen gegensatz haben muss. Dieser gegensatz kann na- türlich nicht im rs7Q(/yarog %og6g gesucht werden. Da vielmehr der ausdruck azrjaat yogoig auf die feste Stellung hinweist, wel- che der chor im gegensatz zur früheren zeit erhalten hat, so finde ich den gegensatz zu xvxXiog %OQÖg in der vorher bunten und ungeordnet herumstehenden menge. Ursprünglich nämlich nahm das ganze volk antheil an gesang und tanz. Arion war es, welcher den allge- meinen volksgesang zum kunstvollen chorgesang um sc hu f. Von da nahm der chor in der mitte Stellung; das volk musste von allen seifen zurückweichen und es bildete sich in der mitte ein xvxlog". Im wesentlichen ist das alles von andern bereits festgestellt und ganz richtig bis auf die folge- rungen , die Wecklein daraus zieht. Verstehe ich Wecklein recht, so würde der xvxlog der Umgebung des nvulog entge- gengesetzt sein und der kyklische chor der ihn an allen Seiten umgebenden menge, welche nicht zum chor gehört, während man doch erwartet, dass der kyklische chor sei- nen namen zum unterschied von einem andern chor haben müsste. Doch davon abgesehn, was in der mitte steht, ist doch nicht deshalb an und für sich selbst ein kreis. Der chor in der mitte konnte trotzdem eine eckige gestalt haben. Ein solcher im Viereck aufgestellter chor, welcher dem drama angehört, wird aber ausdrücklich von dem kyklischen unter- schieden und man sieht durchaus nicht ein, warum der kykli- sche chor einen andern gegensatz haben müsse, warum „na tür- lich dieser gegensatz nicht im TSTQuycovog %0QÖg gesucht wer- den kann". Vielmehr wird in Übereinstimmung mit den Zeug- nissen der alten festzuhalten sein, dass nicht der platz, wo er stand, sondern die kreisförmige aufstellung und die damit zu- sammenhängende Verschiedenheit der tauzbewegungen dem ky- klischen chore zum unterschied von dem später kunstvoll sich entwickelnden im viereck aufgestellten chor der tragödie und des satyrdramas seinen namen gegeben hat. Den ausdruck

33*

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arrjaai tov %öqov würde aber Wecklein kaum zur Unterstü- tzung seiner ansieht angeführt haben, wenn er sich verge- genwärtigt hätte , dass er sich ebensowohl auf den drama- tischen als auf den kyklischen chor bezieht und nichts ande- res heisst, als den chor kunstgerecht aufstellen und dessen bewegungen anordnen. Dass dies so ist, ergiebt sich aus dem worte ^ogoaräT^g , das gleichbedeutend mit j^opo- notog , %OQoXFitTi]g, qye/jcov %'ygov^ xogvqxuog, xogTqyög einen Chor- führer bezeichnet. Zur begründung dieser behauptung führe ich nur zwei stellen an: Himerii oratt. IX, p. 3 ed. Wernsdorf.: ovico x«« xvßsgvrjTov t'oaovvTog olov GV(A7rda%ei ro Gxücpog nal 6 %ogbg ufiaxj(evTog [xsvsi tov %o g oaz nt'i ov neifiivov^ und Ju- lian. Epist. 91 : cppQS Got} na&ünsg . . . ngbg rr/v %ogeiav ätezoi qitgovcat olico x«i tjftsig vno t$ öw Trh'jxrgq) to Eixog uvTt]%t]O0- [xev , mansg ol t w %o g o a räry ngog to tyxXrjfja tov gv&fxov ovt'OfAaQTovvTeg. Ausführlicheres darüber findet sich in meinem Rerum scenicarum capita selecta. Berolini 1835.

Noch auffallender ist die art und weise, wie Wecklein in demselben abschnitt über den fall sich äussert, wo der chor, wie er meint, nachdem er auf der skene aufgetreten, von der skene auf die orchestra sich begiebt. Ein beispiel davon findet er in Sophokles Philoktet. Dort verlange die läge der dinge, dass Neoptolemos nicht getrennt vom chor erscheine. Neopto- lemos auf der orchestra auftreten zu lassen sei nicht statthaft. Neoptolemos auf der bühne, den chor auf der orchestra auftre- ten zu lassen, (wie es der brauch des altgriechischen theaters erforderte), sei unnatürlich. Und doch würde nichts anderes übrig bleiben, wenn nicht im stücke selbst auf eine Verände- rung in der Stellung des chors deutlich hingewiesen würde. „Dieser hinweis", so fährt er fort, ,, liegt in den versen 146 ff. :

bnotav 6s juo^fl

deivhg öSCrqg tc5*ö' &■* (AsXä&gcov

ngog i(At]V alel %£iga n g o %a g wv

7Z£iQ(ß to nagbv deganeveit". Ich kann diese verse nicht anders erklären, als dass darin Neopto- lemos dem chor aufträgt, ihm immer zur band (ngog iftijv aiel Zeiget), das heisst, immer zur seito zu bleiben, ja noch näher zu treten, als bis dahin, um ihm, je nachdem es die Verhältnisse forderten, hülfe leisten zu können. Wecklein aber sagt: „diese

Nr. 10. 302. Keiseliteratur. 517

verse zeigen an, dass bei dem erscheinen des Philoktet Neopto- lemos mit einer handbewegung das zeichen giebt, sich auf einige schritte von der höhle des Philoktet zurückzu- ziehn, „dass folglich bei dem auftritte des Philo- ktet der chor die bühne verlässt". Wie ist es möglich, nQo^mgmv was vorwärts gehn heisst in die entgegengesetzte bedeutung „sichzurückziehn" zu verkehren und wie ver- mag der chor Neoptolemos in jedem augenblick die erforderli- che hülfe zu leisten, wenn er sich von ihm entfernt, ja die bühne ganz verlässt? Und was wird aus dem aht, wenn der chor doch zunächst auf das einmalige zeichen, das Neoptolemos ihm beim herannahen des Philoktet geben will, sich auf die orchestra zurückziehn soll? Ist es bei seiner engumschlossenen Stellung in der mitte des verses gestattet , es aus seiner natür- lichen Verbindung loszulösen und zum folgenden verse zu be- ziehn? Irre ich nicht, so streitet fast wort für wort gegen die auffassung Wecklein's und kaum möchte jemand ihm beistim- men, wenn er seine auseinandersetzung mit den Worten schliesst: ,,so erkennt man erst den eigentlichen sinn und zweck dieser worte. Wir müssen also bei der interessanten stelle ein stummes zeichen annehmen".

Iulius Sommerirodt.

302. Ein ausflug nach Calabrien von prof. Gerh. vom Rath. Nebst einer lithographischen tafel und einem holz- schnitt. 8. Bonn. Marcus, 1871. 175 s. 25 ngr.

Das schon um der seltner beschriebenen gegend willen an- ziehende buch bietet auch dem philologen viel beachtenswerthes ; denn ist gleich der vf. naturforscher, hat er doch das, was sei- ner meinung nach sich ihm für die kenntniss des classischen alterthums beachtenswerthes dargeboten, mit sichtbarer Vorliebe verzeichnet. Es ist dessen nicht wenig, da trotz der vielen stürme, welche seit dem Untergang der herrschaft Eoms über den süden Italiens gekommen, dem beobachter noch jetzt auch im Volksleben dem alterthum entstammende sitten und gebrau- che entgegentreten, und zwar eben so wohl römischen als grie- chischen Ursprungs. Um einiges davon zu berühren, so fällt dem nordländer das mit dem alterthum stimmende wenige es- sen auf, p. 49, die genügsamkeit ein paar kastanien reichen

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zur mahlzeit hin, p. 107, vrgl. Ar. Equitt. 604, und dabei das vermögen, lange ohne nahrung aushalten zu können, p. 66 flg. ; die bunte tracht der frauen um Catanzaro gilt als grie- chisch, p. 84, vrgl. Athen. XII", p. 518 E sqq.; an Alt -Grie- chenland erinnert das wasserholen der frauen in amphoren an- tiker form, p. 39, vrgl. p. 22, was an Hom. Od. j/, 131 na- mentlich erinnert: o&sv vSqevovto noXfaai, q, 206: sonst vrgl. Od. tj, 20. h, 105. v, 154. Hom. h. in Cerer. 105. Pind. Ol. VI, 39 das getrennte leben der männer und frauen in Co- senza, p. 127, ja sogar das brot, das ein bauer in Coraci an- bot, hatte die form der in Pompeji gefundenen, p. 106: dazu die grosse gastfreiheit bei allen ständen, p. 69. 24: als vrf. nach Vulkano fuhr , liess ihm der canonicus Perez wie weiland Theognis dem Klearistos (Theogn. 511 flg.) ein fässchen malva- sier in das boot legen. Diesen Zusammenhang mit dem anti- ken kennen die einwohner; erinnert sie doch auch ihre spräche daran, in der noch viele worte, nomina proprio, wie appellativa, ihren griechischen Ursprung verrathen, s. p. 84. 30. 134: vrgl. Pott im Philol. XI, p. 245 : daher denn kein wunder, dass ein diener in Reggio mit seinem braunen, dem eckigen sich nähern- den gesicht und schwarzem struppigen haar den typus der al- ten Bruttier dem vf. zu haben schien , so dass also noch jetzt directe nachkommen jenes uralten italischen Stammes existiren, p. 25. 29; vrgl. 1.32, und der brigandaccio , von dem der vf. auch vielerlei zu erzählen weiss, p. 88. 104, seinen Stammbaum sehr hoch wird hinauf verfolgen können. Aber auch die bes- sern Seiten des alterthums lassen sich verfolgen, namentlich die hohe geistige begabung, von welcher trotz der beispiellosen Ver- wahrlosung alles Unterrichts unter der bourbonischen regierung Strassen wie schulen fehlen überall vor andern beweisen ein schönes beispiel das vom vf. p. 64 flgg. beschriebene pas- sionsspiel in Stilo ablegt, in welchem gar viel an die alte zeit erinnert : der text angeblich von Johannes dem täufer verfasst, existirt nur im manuscript, die darsteller gehören zumeist dem Handwerkerstände an, sind Schneider, koche , zimmerleute, wel- che auch die frauenrollen geben , die darstellung selbst , an sich ganz vortrefflich , lehnt für anzug , gruppirung u. s. w. an die im volke bekannten bilder von Christus, Maria u. s. w an, wird dadurch verständlich und populair: aus diesem anschluss

Nr. 10. 302. Eeiseliteratur . 519

an das volk dürfte wohl auch die besondre Sorgfalt sich erklä- ren, welche auf entwickluug und darstellung des characters des schliesslich von zwei teufein geholten Judas verwandt wird. Zu ganz besonderm schmucke diente der auffübrung aber der gesang von vier bis sechs kleinen knaben , welche besonders die scenen, in denen der heiland auftrat , vortbeilbaft auszeich' neten: man kann darnach annehmen, dass auch Molossos in der Andromache oder die jungen im chor der Vespen und die mädchen des Trygaios ihre Sachen gut gemacht haben werden. Wie tief aber überhaupt mimisches talent eingewurzelt und an- geboren ist, erläutert gut der erzpriester von Agnana, mit dem der vf. uns p. 34 bekannt macht: ,,jeder Schauspieler hätte bei unserm erzpriester in bezug auf beweglichkeit der gesicktsmus- keln und ihre unglaublichen und doch bedeutsamen Verzerrun- gen in die schule gehen können. Die Calabresen vermögen, ohne ein wort zu reden, lange Unterhaltungen mit einander zu führen, welche einem fremden begreiflicher weise völlig unver- ständlich sind. So sprach der arciprete mit seiner haushälte- rin ohne alle worte. Die pantomimen sind ganz seltsam und unbeschreiblich, gesicht und hände spielen bald einzeln, bald gemeinsam. Ein finger wird an die lippen gelegt, in den mund, ins ohr gesteckt, an's äuge gelegt, es wird gegurgelt, die äugen geschlossen, einzeln oder beide u. s.w.": daher der mimus: auch commentiert dies Quintil. I. 0. VI, 3, 14 sqq. Und zwar war bei dem arcipreten das alles natur, kein studium, da nach Ver- sicherung des vrfs die calabrische geistlichkeit ohne zweifei die verderbteste und unwissendste Europa's ist, p. 27.

Dies betraf die menschen ; aber auch die bemerkungen des vfs über das land bieten vielfach anknüpfungspunkte zur erläu- terung des alterthums. So die schöne beschreibung der mor- gendämmerung, der alba, p. 77, welche für Vergil's achte ecloge zu benutzen, s. Philol. XXH, p. 215; die bemerkungen über gutes trinkwasser , was die alten Griechen so hoch schätzten, Pind. Ol. VI, 85, vrgl. Unger. parad. Theb. I, p. 190, über die jetzt so oft wiederkehrenden, gewaltigen erdbeben für Pli- nius (Epist. VI, 16) und andre, p. 114. 124; den trocknen Pomponius Mela (II, 4) kann man sich aus dem p. 22. 146 flgg. gesagten beleben. Doch unseres erachtens ist kaum et- was von unserm Standpunkt aus lehrreicher als die erörterun-

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gen des vf. über die malaria und die jetzt so ausgedehnten fie- ber; ein gegenständ, der wie im alterthum so auch in neuerer und neuster zeit die gelehrten vielfach beschäftigt hat: Cic. Eeip. II, 6 mit der note von A. Mai, Liv. X, 47, 6, Nieb. RG„ HI, p. 477, vrgl. das. II, p. 308. Bunsen in Beschreib, d. st. Rom I, p. 82 flg., Raff. Pareto relatione sulle condi- zione agraria ed igieniclie della campagna di Roma, Firense, 1872, Augsb. Allg. Ztg. 1872, beil. zu nr. 223 flg.; denn hier, in Ca- labrien, lässt dieses übel sich von seinem entstehen an verfol- gen: noch Plin. NH. II, 98, 211 sagt: Locris et Orotone pesti- lentiam numquam fuisse nee ullo terrae motu laboratum adnotatum est: also ist das übel erst später entstanden, da wie die gegend von Lokri und Croton so auch die von Sybaris, Metapont u. s. w. jetzt fast unbewohnt sind, p. 22. 125. 140 flg. 149: die durch die allmählig gar dünn gewordene bevölkerung veran- lasste Verödung, verbunden mit bildung grosser landgüter, hat wegen mangelnder eultur Versandung der flussmündungen , da- durch Überschwemmung und sümpfe entstehen lassen , welche mit ihren ausdünstungen die luf't verpesten. Wo jetzt durch eisenbahnen und andre umstände die eultur sich hebt , scheint das wundervolle land der frühern trefflichkeit wieder zugeführt zu werden, und eröffnet sich somit hier für eine wohlwollende und thätige regierung die aussieht auf eine Wirksamkeit, die noch späte Jahrhunderte segnen würden.

Dies anspruchlose bemerkungen zu angaben, bei denen Rath des alterthums nicht gedacht hat: gar oft weis't er aber auch auf dasselbe hin, wie auf Horaz p. 153, auf Pindar p. 29, Dionysios von Halikarnass p. 91, auf den naraen Zankle p. 9 u. s. w. : dass dabei einzelne fehler unterlaufen, wird niemand dem vf. hoch anrechnen wollen. So sagt er p. 11 vom Aetna: „er glich einer säule des himmels (Hesiod) ", aber im Hesiodos steht dergleichen nicht: Piud. Pyth. 1, 19 ovoavia xieov wird gemeint sein; p. 81 liest man: ein altes sprüchwort sagt: aliae urbes si ad Crotonem conferentur , vanae nihilqae sunt : aber ein solches giebt es nicht; zu gründe liegt: fiäraia raXXa naoa Koorcova taaisctj Scholl, ad Theoer. Id. IV, 33, Corp. Paroem. Gr. T. II, p. 759 Gott.; p. 128 wird „das erz von Temese" (Hom. Od. a, 184) ohne weiteres mit Strabo in die nahe von Longobucco verlegt, aber welche bedenken der an-

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nähme entgegenstellen und dass an Kypros zu denken , ist oft bemerkt: s. Nitzsch zu Hom. 1. c. I, p. 36. Engel Kypros I, p. 42 flg. Doch viel wichtiger als dergleichen ist die Sorgfalt, womit vf. auf seiner Wanderung vorgekommene ruinen und son- stige reste aus dem alterthum verzeichnet, so alte säulen im dorn zu Messina, p. 8, eine inschrift zu Eeggio, p. 12, trüm- mer in Stilo, p. 58, mosaik bei Consolino , p. 63, mit der er der läge alter städte und Ortschaften nachspürt, wie Caulonia p. 45, Scylaceum p. 8 1 , Terina , wo des SC. de Bacchanalibus gedacht wird, p. 104, Metapont, p. 149, der fluss Sagra p. 46; der Krathis, p. 146; auch bleibt es nicht bloss bei kurzen er- wähnungen, sondern besonders wo die ansichten der einwohner, welche häufig mit Vorliebe den traditionen aus alter zeit nach- gehen, dazu veranlassen , geht er auf ausführliche historische erörterungen ein; wie p. 101 flg. die läge von Pandosia und die stelle wo Alexander von Epiros den tod gefunden, ausführ- lich besprochen wird , ferner Kroton und Sybaris, p. 81. 137. 147, die Bruttier und die Sila, p. 91. 132 u. s. w.

Aus der fülle ähnlicher bemerkungen führen wir zum Schlüsse die günstige Stimmung über Deutschland an , welche dem vf. überall begegnete. Nirgend, meint man in Italien selbst, sei Italiens lob schöner besungen als in Göthe's „kennst du das land" u. s. w., kein buch so lehrreich als A. v. Humboldt's Kos- mos: dergleichen und ferner die frömmigkeit des deutschen kai- ßers, aus den siegestelegrammen bekannt, die Weisheit Bismark's und Moltke's, die tapferkeit und sonstige tüchtigkeit des deut- schen volkes bringen bei dem so beweglichen Italiener eigen- thümliche hyperbeln hervor: ich bin, sagte einer, in Oesterreich als gefangener sehr gut daran gewesen: um wie viel schöner würde es mir aber in Preussen ergangen sein ; wäre ich in Preussen professor, meinte der zum lehrer erzogene, aber für 1 fr. täglich conducteur - dienste thuende söhn eines mit äu- sserst geringem gehalte (100 150 fr. al mese!), aber mit zahl- reicher familie gesegneten professors in Cosenza, „welch loh- nende Stellung würde ich da finden", p. 141. Und oft hörte der Verfasser die äusserung : ;, könnten wir nur hin in euer land, da würde es uns wohl besser gehen" ! Möge die zukunft Deutschlands und seiner gelehrsamkeit nicht zu weit von den phantasien dieser guten leute entfernt bleiben! E. v. L.

522 Theses. Neue aufl. u. Schulbücher. 303—312. Nr, 10.

THESES quas ... in literarum universitate Fridericiaua Halensi cum Vitebergensi consociata d. XXIII m. Iulii a. MDCCCLXXII . . . publice defendet Hermannus Groth Beroli- nensis: II. In Choephoris in vs. 474 Aeschylum nalvmovaiv scripsisse arbitror et in antistr. v. 56 figvsi Xqovi^ovt' etm/^ij ita ut versus 53 57 contra Hermannum sie interpreter (omnes assequitur iustitia) ; in alios ea celeriter clara iam luce se con- vertit , alia in confiniis tenebrarum exspeetat manentia per ali- quod tempus felicia, alios profunda non tenet (i. e. alii sero demnm dant poenam iustam). III. In Soph. Philoctetae vs. 1383: nöoq yäo zig aMSyyvoiz1 uv CüqisXovixsvog ; passivum coqds- Xovfievog ferri non posse et ooqisXmv rivog scribendum esse puto.

quas in alma literararum universitate Fridericia Guil- elma . . . publice defendet Paulus Hoffmann Pommeranus : I. In Horat. Epist. I, 18, 82 legendum esse opinor „deute Bioneo", non „dente Theonino", quae verba nuue exstant. (cf. Epist. II, 2, 60). II. Ciceronem errasse credo Or. 13, 42, ubi ex iis, quae Plato in fine Phaedri " Socratem de Isocrate dicentem facit, effici posse iudicet, „illum omnium rhetorum exagitatorem hunc unum mirari".

NEUE AUFLAGEN. 303. E. Guhl und W. Kon er, das leben der Griechen und Römer. 3. aufl. 7. lief. Berlin. Weidmann; 10 ngr. 304. G. Bernhardy, grundriss der römischen literatur. 5. bearbeitung. 8. Halle. Schwetschke und s. ; 4 thlr. 15 gr. 305. W. S. Teuf fei, geschichte der römischen literatur. 2. aufl. 3. lfg. gr. 8. Leipzig. Teub- ner; 1 thlr. 10 ngr. 306. W. Wattenbach, anleitung zur lateinischen paläographie. 2. aufl. 4. Leipzig. Hirzel ; 20 ngr.

NEUE SCHULBUECHER. 307. Euripides Iphigenia auf Taurien zum schulgebrauche mit anmerkungen versehen von W. Bauer. 8. München. Lindauer; 10 ngr. 308. F. Vollbrecht, Wörterbuch zu Xenophon's Anabasis. 2. aufl. 8 mai. Leipzig. Teubner; 18 ngr. 309. Freund's schü- lerbibliothek. 1. abth. präparationen cett. : präparation zu Horaz' werken. 11. 12. heft. 16. Leipzig. Violet; ä 5 ngr. 310. H. W. St oll, die götter und heroen des classischen al- terthums. 2 bde. 4. aufl. 8 min. Leipzig. Teubner ; 1 thlr. 15 ngr. 311. L. Englmann, lateinischer vorbereitungs- unterricht. 3. aufl. 8. Bamberg. Buchner; 5 ngr. 312. C. Ostermann, lateinisch - deutsches und deutsch -lateinisches Wörterbuch zu Ostermann's lateinischen Übungsbüchern f. sexta und quinta. 5. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 7x/2 ngr-

Nr. 10. Bibliographie. 523

BIBLIOGRAPHIE. Ein sehr bedeutendes geschenk hat die universitäts-bibliothek zu S t ras s bürg aus Oxford erhalten, etwa 650 prächtig gebundene bände. Sie wurden nach ihrer ankunft öffentlich ausgestellt, bei welcher gelegenheit prof. Max Müller einen den buchhandel der Universität Oxford betref- fenden Vortrag hielt, in welchem er die entstehung , einkünfte u. s. w. desselben erörterte. Die Universität besitzt eine drucke- rei, Clarendon Press, so genannt von Lord Clarendon, der sie mit seinem vermögen gestiftet papiermühle , buchbinderei, buch- handlung, ferner das recht die sg. authorized version der bibel und des gebetsbuchs der englischen kirche zu drucken. Ein theil der einküufte werden von den 10 curatoren dazu verwen- det, bücher zu drucken, die ein buchhändler wegen voraussicht- lichem geringen absatz oder überhaupt der kosten wegen nicht verlegen kann , die aber doch für die Wissenschaft von bedeu- tung sind. Die hauptsächlichsten Veröffentlichungen der art be- ziehen sich auf theologie und philologie , so die mehrfach von Deutschen besorgten ausgaben griechischer und römischer clas- siker. Börsenbl. n. 210.

In Calvary's verlag zu Berlin erscheint eine „philologi- sche und archäologische bibliothek ", welche hauptsächlich den abdruck älterer classischer hülfsbücher zum Stadium der philo- logie und im anschluss daran neue werke ähnlichen inhalts bringen wird ; die Veröffentlichung soll in lieferungen zu 4 5 bogen zu 5 gr. erfolgen. Erschienen ist eine lieferung von Fr. A. Wolff Prolegomena ad Iliadem (sie): in aussieht gestellt ist Niebuhr's römische geschichte.

Frankfurter bücher - auetion. Verzeichniss der von Dr Geid- ner dahier nachgelassenen bibliothek, welche . . . dienstag den 15. october . . in Frankfurt a. M. versteigert wird . . durch Rudolph St. Goar: für linguistik, geschichte drgl. zu be- achten.

Wichtige werke der ausländischen literatur: 313. L. Paris, les manuscrits de la bibliotheque du Louvre bulle's dans la müt du 23 au 24 mai 1871 , sous le regne de la Commune, Paris, 5 frs ; 314. Catalogue general des manuscrits des biblio- theques publiques des departements ; publie' sous les auspices du ministre de l'instruction publique. T. I. Arras , Avranches, Boulogne, 8. (XU. 812) Paris; 315. Ch. Dollfuss, considerations sur l'histoire. Le monde antique, Paris, 7 fr. 50 c; 316. F. Find, ricerche por lo studio deh" antichita Assiria, Roma; 317. Fr. Mennier , etudes de grammaire compare'e. Les composes syntactiques en grec, en latin, en francais et subsidiairement en zend et en indien, Paris; 318. E. Gibbon, the decline and fall of the roman empire. Verbatim reprint. 3. voll., 10 sh. 6 d. ; 319. M. Coquille, du edsarisme daus l'antiquitä et dans les

524 Kleine philologische zeitung. Nr. 10.

temps modernes, Paris; 320. J. Gilles, Marius et Jules Ce'sar. Leurs monuments dans la Gaule. Vercingetorix prisonnier. La Graule et la grande Bretagne captives, Marseille; 321. E. P. Biardot les terres cuites grecques funebres dans leur rapport avec les mysteres de Bacchus, accompagne d'un atlas et. 54 pl. noires et colorie'es, Paris ; 322. H. de Ferry, le Maconnais pre- historique. Memoire sur les äges primitifs de la pierre, du bronze et du fer en Maconnais et dans quelques contrees li- mitrophes. Ouvrage posthume, Paris; 323. W. Froehner, les Mu- s^es de France, recueil de monuments antiques cett. livr. 3. 4. 5: s. ob. n. 4, p. 219; 324. W. Froehner, la colonne Trajane, reproduite en phototypographie, d'apres le surmoulage ex^cute* a Rome en 1861 et 1862. 200 pl. en couleur. Texte expli- catif. PI. par Gust. Arosa. Liv. 13 ä 24. Paris 60 fr. (nur in 200 exemplaren abgezogen); 325. Deslarreaux- Bernard etude bibliographique sur lMdition du Speculum quadruplex de Vin- cent de Beauvais , attribuee ä Jean Mentel ou Mentelin de Strassbourg, Paris.

KLEINE PHILOLOGISCHE ZEITUNG. Der Staats- Anz. nr. 187 beil. 1 bringt auch aus englischen Zeitungen die ansichten Livingstone's über die quellen des Nils und die gro- ssen quellen, flüsse und seen in Central- Africa, vrgl. ob. n. 9, p. 477, ferner in nr. 191 die vollständige Übersetzung der von Livingstone an das englische auswärtige amt gerichteten depeschen: die Spener' sehe zeitung vom 19. sept. nr. 298 dieselben von Brachvogel aus americanischen zeitungen: Stan- ley war von G. J. Bennet, dem eigenthümer des Newjork- Herald zur auffindung Livingstone's ausgeschickt, weshalb denn die Amerikaner selbige als ihr werk ansehen. Der artikel Brachvogel's ist sehr hübsch und anschaulich geschrieben: aber eine ganz klare und sichere einsieht in die Verhältnisse des Nil's und seiner quellen zu jenen seen u. s. w. erhält man auch jetzt noch nicht, da das fehlen des letzten gliedes zur Sicherheit eingestandener massen noch fehlt: daher enthalten wir uns hier eines nähern eingehens auf diese seit alter zeit problematischen fragen.

Giesse.n, 29. august. Dr. J. W. Schulte hat ob. n. 7, p. 358 in seinem referate über die erste abtheilung meiner Un- tersuchungen zur geschichte des kaisers L. Septimius Severus bemerkt, ich habe die stelle bei Herodian, II, 15, 6 übersehen. Wie mir scheint, ohne grund. Die fragliche stelle findet sich in meiner schrift, p. 26, note 10 gesperrt gedruckt. Nur möchte ich aus derselben nicht dasselbe folgern, was Dr J. W. Schulte. Mir scheint es vielmehr höchst unwahrscheinlich, dass Hero- dian die denkwürdigkeiten des Severus benutzt hat. Dr J.

Nr. 10. Kleine philologische zeitung. , 525

M. Höfner. Zu vorstehendem habe ich zu bemerken , dass ich in meinem referate nicht gesagt habe, Dr M. J. Höfner habe die stelle bei Herodian II, 15, 6 überhaupt übersehen, sondern nur in dem abschnitte über ,,die denkwürdigkeiten des Severus". Hier musste sie nach meiner meinung allerdings be- rücksichtigung finden, weil sie über die form und den inhalt die- ser denkwürdigkeiten, auch abgesehen von der frage, ob Hero- dian diese denkwürdigkeiten benutzt habe, nicht uninteressante aufschlüsse ertheilt. Münster den 7. September 1872. Dr J. W. Schulte.

Würzburg, 10. septbr. Der münchener Universität sind zu ihrer vierten saecularfeier am 1. aug. 1872 von bayerischen gymnasien folgende festschriften gewidmet worden: 1) Augs- burg, St. Anna-gymnasium: Almae Litterarum Universi- tati Ludoviciae Maximilianeae Monacensi Sacra Saecularia Quarta Gratulatur Gymnasium Augustanum Ad D. Annae Interprete Ch r i- stiano Guilelmo I os epho Cron Monacensi. Inest Commen- tatio De Oraculi Siphniis Editi Vi Ac Potestate. 20 p. 4. 2) Augsburg, St. Stephans-gymnasium: die gelehrte tischgesellschaft des Athenäus. V. buch cap. 1 45. In's deutsche übersetzt und mit erklärungen ver- sehen von P. Thomas Kram er, kgl. gymnasialprofessor. 88 s. 8. 3) Kempten: Universitati Ludovico - Maximilia- neae VI. Cal. Quintiles, Quo Die Ante Annos Quadringentos Consti- tuta Est, Solenniter Obeunti Summa Pietate Et Observantia Suo Ac Collegarum Nomine Gratulatur Ph. Hannw ach er , Gymnasii Cam- podunensis Rector. 6p. 4. 4) Landshut: zur mittelalter- lichen topographie und geschichte Bayerns aus professor Freu- densprunges Sammlungen von Franz Christian Höger, kgl. gymnasialprofessor. 30 s. 4. 5) München, Wil- helms-gymnasium: zu Euripides Iphigenie auf Taurien. Kritisches und exegetisches. Verfasst von prof. Wolfg. Bauer. 21 s. 4. 6) München, Ludwigs- gymnasium: über die handschrift Co d. Augustanu s I Monac. des Demosthenes. Ein beitrag zur texteskritik des Demosthenes von Dr A. Sp eng el. 24 s. 4. 7) Mün- chen, Maximilians-gymnasium: Q. B. F. F. Q, S. Uni- versitati Litterarum Ludovico - Maximilianeae Ut Homines Virtutibus Et Litteris Crescerent Et Ad Excelsum Humanae Condicionis Fasti- gium Acqidrendum Facilius Inducerentur , Constitutae, Quae Bene Beateque Vivendi Viam Praebet, Scientiam Omni Tempore Et Ade- ptae Et Largitae Almae Matri Quattuor Saecula Feliciter Peracta Omni Qua Par Est Reverentia Gymnasii Maximilianei Monacensis Rector Et Collegae Congratulantur. Studien zu den Frö- schen des Aristophanes von Dr. E. Wecklein. 33 s. 4. 8) Neu bürg: zur feier des 400jährigen Jubiläums der Ludwig- Maximilians-Universität in München. Festgedicht

526 Kleine philologische zeitung. Nr. 10.

von Hermann Loe. 8 s. 4. 9) Schweinfurt: kri- tische beitrage zur rhetorik des C. Chirius Fortu- natianus — von Dr. Jacob Simon professor. 38 s. 4. 11) Würz bürg: Q. B. F. F. F. Q. S. Almae Litterarum Parenti Ludovico - Maximilianeae Monacensi Quarta Sollemnia Saecu- laria Auspicato Celebranda Gratulatur Gymnasium Virceburgense Interprete Adamo Eussnero.. Inest Commentariolum Pe- titionis Examinatum Atque Emendatum. 43 p. 4. 11) Zweibrücken: zur vierhundertjährigen Stiftungsfeier be- grüssen und beglückwünschen die Ludwigs -Maximilians -Univer- sität der rector und das lehrercollegium des gymnasiums in Zweibrücken. Mit einem aufs atz : Xenophon als patriot [von Friedrich Butters]. 9 s. 4.

Die regierung von So lothur n hat auf rath Dr Kell er' s beschlossen, den in der rathhaushalle eingemauerten römischen Steinmonumenten eine passendere stelle zu geben.

Im D. Keichsanzeig. nr. 188 beginnt ein aufsatz „die volks- wirtschaftlichen zustände Aegyptens", der auch für die alte zeit beachtenswerthes bietet.

19. septemb. Die „Times" geben einen auszug aus dem berichte der londoner ,, Dilettanty Society " über die ausgra- bungen des englischen archäologen Wood an der stelle des ehe- maligen tempels der ephesischen Artemis. Wood be- gann seine arbeiten in dem dorfe Ajaslack, das auf der stelle des alten Ephesus sich befindet, im jähre 1863 und führte sie bis heute unermüdet fort. Auf die spuren des tempels führte ihn kein Zufall, sondern sichere berechnung. Als Wood die räume des grossen theaters zu Ephesus untersuchte , fand er eine inschrift , welche merkwürdige aufschlüsse über die aus- Btattung und den gottesdienst enthielt und vor allem den weg beschrieb, auf welchem an dem geburtsfeste der göttin ihre sil- bernen Schreine und ihre übrigen kostbarkeiten aus dem tem- pel durch das eine stadtthor zu dem grossen tbeater und zu- rück zum tempel durch ein anderes stadtthor , das sogenannte magnesische, getragen werden mussten. Diese entdeckung war der Schlüssel zu den übrigen. Bald fand Wood eines der in der inschrift genannten thore. Von diesem ging eine alte Strasse aus, gleich der Via Appia auf beiden Seiten mit grab- denkmälern eingefasst. Man konnte längs derselben die spuren eines porticus verfolgen, der wahrscheinlich derselbe ist, wel- cher von einem gewissen Damianus im zweiten Jahrhunderte der christlichen Aera zum schütze der prozessionen gegen sonne und regen gebaut wurde. Das alte pflaster der Strasse lag in einer durchschnittlichen tiefe von 12 fuss, und längs derselben waren die gräber der proprätoren und anderer grossen aus der zeit der römischen herrschaft über Ephesus. Diese alte Strasse ging in nordöstlicher richtung, und bei durchforschuug

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des hodens an einem in der nähe des Stadiums gelegenen thore der Stadt wurde eine zweite mit der vorigen konvergirende Strasse entdeckt. Wood dachte, dass er, wenn er diese kon- vergireuden linien verfolge, auf die mauerlinie kommen müsste, von welcher der peribolos, d. h. der heilige räum rings um den tempel, umgeben war, und in der that stiess er im april 1869 auf einen winkel der peribolosmauer, in deren mauerwerk sich eine griechisch und lateinisch abgefasste inscbrift befand, welche mittheilte, dass kaiser Augustus von den einkünften der gott- heit jene mauer wieder hergestellt habe. Es war klar, dass sich innerhalb dieses peribolos der tempel irgendwo befinden müsse. Indessen konnte man die aera des peribolos nicht fest- stellen, und man musste nun, um den tempel zu suchen, inner- halb des vermutheten raumes des peribolos schachte eintreiben. Der alluvial-boden war an dieser stelle 22 fuss tief über der alten Oberfläche. Monate vergingen über dieser schweren ar- beit. Endlich, april 1870, kam man auf eine pflasterung von quadratblöcken aus schönem weissen marmor , auf welchem ei- nige fragmente kolossaler sculpturen lagen. Diese Überreste wurden 18 fuss unter der Oberfläche gefunden; unmittelbar über dem pflaster war eine decke von weissen, zum theile von feuer zerstörten marmorplatten. Als die ausgrabungs - aera auf diesem punkte erweitert wurde, fand man überall kolossale reste joni- scher architektur von griechischem charakter. Man stiess auf ein stück eines säulenschaftes, das 6' 1" im durchmesser hatte, und im herbst 1871 auf einen fast völlig erhaltenen säulen- scbaft, auf welchem eine gruppe von stehenden und sitzenden männlichen und weiblichen figuren eingehauen war. Die ste- henden figuren waren 6' hoch. Der ganze fund gehörte offen- bar zu jenen 36 mit skulpturen geschmückten säulen, die Pli- nius unter den merkwürdigkeiten des tempels aufführt. Fer- ner fand man ein pilaster mit einer schönen gruppe in hautre- lief, prächtige kapitaler u. s.w. Diese ersten ergebnisse der Un- ternehmung hat der dampfer Caledonia", der von Malta hin beordert wurde, in einer ladung von 60 tonnen nach London mitgenommen. Im nächsten herbst sollen die arbeiten fort- gesetzt werden.

Marburg, 29. sept. Gegenüber dem von A. S. im Phi- lologischen anzeiger ob. h. 8, p. 415 ausgesprochenen zweifei muss leider bestätigt werden, dass Wilhelm Fr icke, der vielversprechende Verfasser der Untersuchungen über die quellen des Plutarchos im Nikias und Alkibiades, kurz nach dem er- scheinen dieser schrift in Marburg, wo er seine Studien absol- virt hatte, einem brustleiden erlegen ist.

AUSZUEGE aus Zeitschriften. Augsburger allgemeine zeitung: beil. zu nr. 216. 217. n. 218 der fels Petri in Rom. Nr. 218, beiL

528 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 10.

zu nr. 219: über die Vesuv - eruption am 26. april 1872. Beil. zu ur. 219: zur Jubelfeier der Universität München: handelt von der theilnahme Augsburgs. Nr. 220: die reform der theologischen fa- cultäten in Oesterreich. Die rede Max Müller's beim Jubiläum der Universität München. Zu Petri Romfahrt: vrgl. nr. 222. Beil. zu nr. 220: H. M. Schletterer, über den neu aufgefundenen Lu- ther-codex v. j. 1530, auf die stimm- und liederbücher Luther's be- züglich. — Nr. 221: notizen über die zu ankaufen für das brittische museum bestimmten gelder. Nr. 223: mittheilungen aus depe- schen Livingstone's , welche etwas ausführlicher über die quellen des Nils berichten. Beil. zu nr. 223. 224: die campagne Rom's. I. II: höchst wichtig, namentlich auch in betreff der Malaria. Nr. 225: römische toleranz : als commentar zu Seneca's ausspruch : ubicunque Momanus vicit , Romanus habitat. Beil. zu nr. 226: das Jubelfest der bayerschen Ludwigs-Maximilians-universität. Beil. zu nr. 227 : eine geschichte des alten Sicilien: anzeige des buches von Holm: vrgl. Phil. Anz. III, nr. 1, p. 51. Nach niittheilungen aus Petersburg ist in Kertsch eine katakombe entdeckt , auf deren mauern jagden und kämpfe dargestellt und in denen Sarkophage gefunden sind : man hält alles für skythisch. [Vrgl. auch D. Reichsanz. nr. 186, beil. 1.] Beil. zu nr. 229. 230. 231: die dritte allgemeine Versammlung der deutschen anthropologischen gesellschaft zu Stuttgart. I. IL III. Beil. zu nr. 230 : über die gründung einer deutschen academie in Rom. Nr. 233: ausgrabungen bei Gotha: sg. hühnengräber wur- den aufgedeckt. Beil. zu nr. 233. 234: das studium und die aus- übung der medizin durch frauen: weist das verkehrte dieses studium bei den frauen nach: der artikel ist gegen nr. 205 flg. gerichtet, wo für dieses studium plaidirt war. Nr. 235: das italienische un- terrichtswesen und der neue unterrichsminister Senator Scialoja. Beil. zu nr. 236. 237: geschichte der Ludwig -Maximilians -Universität in Ingolstadt, Landshut, München: anzeige des zur festfeier der Uni- versität von prof. Prantl im auftrage des academischen Senats ver- fassten werkes, 2. bd., München. Kaiser. Bierstudien: anzeige ei- nes aufsatzes über die geschichte des angeblich von Osiris erfun- denen biers von Grässe , in dessen buche : ernst und scherz. 8. Dresden. John. Mittheilungen über eine im monat mai bei Aspra im Sabinerland gefundene antike statue der Venus, deren original aus der schule des Praxiteles stammen soll. Nr. 238: das unter- richtsbudget in Frankreich. Ausgrabungen in Konstanz: ein rö- misches grab ist entdeckt an einer stelle , wo ein alter begräbniss- platz gewesen sein mag.

Zarncke's literarisches centralblatt, 1872: nr. 25: J. Steger, plato- nische studien. IL 8. Insbruck. 1870: anzeige. Sud. Hirzel, über das rhetorische und seine bedeutung bei Plato. 8. Lpzg. 1871 : mög- lichst kurze anzeige. Fr, Rühl, die textesquellen des Justinus. 8. Lpzg. : desselben die Verbreitung des Justinus im mittelalter. 8. Leipzig: sehr ausführliche anzeige von A. v. S.: vrgl. ob. nr. 1, p. 41. Nr. 26: Thiele, prolegomena ad hymnum in Venerem homericum quartum. 8. Halle : anzeige von C, der den guten wil- len des vrfs anerkennt , aber namentlich für form mehr Sorgfalt gewünscht hätte : vrgl. ob. nr. 9, p. 445. Max Müller, über die resultate der Sprachwissenschaft: ausführliche anzeige von J ... y. Lugebil, zur geschichte der Staatsverfassung von Athen. 8. Lpzg.: genaue und im einzelnen gar vieles bestreitende anzeige von A. Th. Mommsen, römisches Staatsrecht. 1. bd. 8. Leipzig 1871: ein- gehende und vieles bekämpfende anzeige von L. L. . . e; vrgl. ob. nr. 4, p. 210.

tfr. 11. November 1872.

Philologischer Anzeiger.

Herausgegeben als ergänzung des Philologus

von

Ernst von Leutsch.

326. Ueber nationale erziehung. Vom Verfasser der „briefe über berliner erziehung". 8. Leipzig. Teubner. 1872. VIII und 231 s. 1 thlr.

Man wird nicht erwarteD, dass in den engen grenzen, wel- che diese Zeitschrift der besprechung rein pädagogischer werke zieht, alle seiten des vorliegenden an ideen so reichen buches berücksichtigt werden. Es wird für die hier zu verfolgenden zwecke genügen auf die hohe bedeutung des buches aufmerk- sam zu machen und dasjenige hervorzuheben, was in bezug auf die alten sprachen gesagt wird. Der Verfasser, dessen „briefe über berliner erziehung" in weiten kreisen die verdiente beach- tung gefunden haben , zieht hier abermals schaden ans licht, deren Vorhandensein von keinem schulmanne geleugnet werden kann und gibt mittel zu deren abhülfe an. Wird man nun auch nicht überall mit dem Verfasser einverstanden sein, wird man namentlich anerkennen müssen , dass die färben oft recht stark aufgetragen sind, so wird doch kein schulmann das buch ungelesen lassen dürfen und ohne reiche anregung zur prüfung seines Verfahrens aus der band legen.

Der gedankengang des vf. ist etwa folgender: von den an „nationale erziehung" zu stellenden forderungen sind zwei, näm- lich „dass sie aus dem ureigensten geiste der nation erzeugt sei" und „das wesentlichste gepräge dieses geistes an sich trage" stets von unserer bisherigen erziehungsweise erfüllt. Dagegen ist der dritten „dass sie die bildung und erhöhung des nationa- len geistes mit bewusster rnethod,e bezwecke und erreiche" bis- lang nicht völlig genüge geleistet. Bei voller anerkennung der zahlreichen tugenden des deutschen volksgeists muss man doch Philol. Anz. IV. 34

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erklären , dass es an Sammlung , klarheit und energie des be- wusstseins und daraus folgend an Unabhängigkeit der gesinnung, selbständigem handeln gemäss der eignen individualität gegen- über jeder andern individualität gefehlt hat. Nachdem jetzt das nationale bewusstsein völlig erwacht ist, ist es an der zeit ihm die gehörige nahrung zu geben, damit es zu der gehörigen klarheit gelangen kann. Die aufgäbe für die erziehung stellt sich also dahin: entweder im gegensatze zu der bisherigen me- thode, oder im höheren grade, als diese es zu leisten vermocht hat, in jedem einzelnen Sammlung, klarheit und energie des be- wusstseins, also die individualität, im nationalen sinne auszubilden.

Mit vollem rechte wird sodann in specie für die schule als basis der künftigen nationalen erziehung die gewöhnung zur „beobachtung und zum eignen wirklichen denken" hingestellt. Der schule sei unter dem streben nach ansammlung einer gro- ssen menge von kenntnissen im gedächtnisse der schüler und einem rein reproductiven gebrauch derselben in den letzten Jahrzehnten immer mehr die erkenntniss abhanden gekom- men, dass ihre hauptaufgabe doch in der entwickelung der fä- higkeit selber zu denken und geistig zu arbeiten bestehe. Da- durch werde Zerfahrenheit des inneren und äusseren lebens her- vorgerufen. Die fragmentarischen kenntnisse bleiben isolirt ohne einen intellectuellen kern, an den sich alle einzelnheiten mit klarheit und bestimmtheit anschliessen könnten. Die ungeord- neten darstellungen geriethen allmählich zu einem verworrenen knäuel durcheinander, und bei dem mangel bestimmter begriffe nehme die wirkliche urtheilslosigkeit immer mehr überhand. Eine ebenso schlimme folge des rein receptiven Verhaltens der schüler sei die Unselbständigkeit des eigenen denkens und wollens. Nur ein geringer theil der tradierten kenntnisse bleibe haften und der schüler in steter abhängigkeit vom lehrer. Die nur äusserlich aufgenommenen kenntnisse hätten keine bildende Wir- kung und blieben ohne Zusammenhang mit den neigungen der menschen. So lebe der schüler von früh an zwei leben , das eine aus zwang, das andre mit allen neigungen, und dies dop- pelieben bleibe auf der Universität und später im amte.

Nothwendig sei nun eine andre methode des Unterrichts für die gymnasien (die hier allein berücksichtigt werden), die sich im gegensatz zu dem jetzigen streben nach Überlieferung

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einer möglichst grossen summe von kenntnissen zum ziel setze im scbüler das rechte verständniss zu entwickeln und zu ver- tiefen und die denkfähigkeit anzuregen und auszubilden, bis Selbständigkeit erreicht sei. Dazu bedürfe es eines neuen un- terrichtsplanes. Das gymnasium des Verfassers zerfällt nun in zehn einjährige curse, da die quarta in zwei classen zerlegt ist. Das lateinische hat in VI und V je 10, in IV und III je 8, in II und I je 6 stunden. Das griechische bekommt in IV und III je 6 , in II und I je 8 stunden. Für die geschichte sind in VI und V 3, in IV und III 4, in II und I 5 stunden ausgesetzt. Die naturwissenschaften und die mathematik bzw. das rechnen bekommen durch die ganze anstalt je 4 stunden. Das deutsche ist in IV und III mit 2, in allen übrigen classen mit 3 stunden bedacht. Der geographie werden in VI und V 4, in IV und III 2 stunden gewidmet. Die unterschiede von dem preussischen normalplane fallen ins äuge. Hinsichtlich der begründung der einzelnen ansätze müssen wir die lehrer auf das buch selbst verweisen. Mit dem ausschlusse des religions- unterrichtes und der motivierung desselben können wir uns nicht einverstanden erklären, im gegentheil wünschen wir, dass grade in jetziger zeit das gymnasium durch eingehenden orientieren- den Unterricht seinen schülern zu einer festen position verhilft. Iudiffereuzierung aller dogmatischer unterschiede wird nur zur haltlosigkeit führen. Auch glauben wir, dass aus politischen gründen die neuern sprachen sich nicht beseitigen lassen.

Aus dem höchst interessanten abschnitte über die methode der einzelnen Unterrichtsgegenstände heben wir nur das über die alten sprachen gesagte hervor. Nach dem verf. hat die bis- herige methode dieselben zu lehren am meisten dazu beigetragen jenen mangel an denkthätigkeit und jene geistige Zerfahrenheit hervorzurufen, da dem schüler die resultate der abstractionspro- cesse, d. h. die regeln der graramatik, fertig vorgelegt und als gedächtnissmässig aufzunehmender lehrstoff geboten werden. Auch die thätigkeit des schülers bei einübung und anwendung der regeln sei kaum etwas mehr als reproduction, höchstens eine art subsumption , keine wirkliche denkthätigkeit. Somit komme es nicht zu der fähigkeit, die regeln seihst in einen le- bendigen Innern Zusammenhang zu setzen und aus den concre- ten fällen einen, wenn auch nur kleinen, bruchtheil der spräche

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selbst zu bilden. Hieraus wird gefolgert, dass der schüler bei seinen Sprachstudien nur dann denken lernen kann , wenn er angebalten wird, die abstractionen selbst zu machen. Im wei- tern verlauf heisst es über die berechtigung des lateinschreibens : eine hauptgefahr der bisherigen methode, welche ein so erheb- liches gewicht auf dasselbe lege, sei die erzeugung des irrthums, als sei ein alle zeit gewandter ausdruck die hauptaufgabe der bildung. Da das gymnasium nicht mehr speciell für die philo- logie vorbereite, so könne die fertigkeit gewandt latein zu schrei- ben nicht mehr als das ziel des gesammtunterrichts hingestellt werden. Die lateinischen aufsittze der schüler mit ihren zusam- mengestoppelten phrasen seien arm an gedaüken und ohne jede individuelle nüancierung. Daran sei neben der unbeholfenheit der schüler wesentlich die lateinische spräche selbst schuld, die unser modernes denken nicht erschöpfend ausdrücken könne. Sei das lateinschreiben nicht Selbstzweck, so könne es nur den haben den ausdruck zu bilden und dem müsse, namentlich in Norddeutschland, eher gesteuert werden. Damit falle denn auch der anspruch des lateinischen auf vorrang vor dem griechischen, das wenigstens von IIb an die erste stelle einzunehmen habe.

Das sind in der that schwere vorwürfe namentlich für das Schulwesen einer nation, die man oft ein volk von denkern ge- nannt hat; und leider müssen wir zugestehen, dass sie nicht unbegründet sind, wenn der verf. auch ins schwarze gemalt hat. Wie viele primaner sind denn wirklich im stände aus vorgelegtem Sprachmaterial ohne hülfe des lehrers abstractionen zu machen! Bei wie vielen ßchülern der untern classen ist das anfertigen der exercitien wirklich eine arbeit, die mit anstren- gung aller geistigen kraft ausgeführt wird , und nicht vielmehr ein blosser mechanismus! Man vergleiche nur, was noch vor kurzem auf der letzten directorenconferenz der provinz Preussen in dem referate über das lateinsprechen constatiert ist. Sicher lernen noch manche junge leute auf unsern gymnasien wirklich denken, aber eben so sicher sind jedem schulmanne .in nicht geringer zahl solche vorgekommen , die zwar mit einem nicht unerheblichen masse von kenntnissen ausgerüstet, doch beim abgange auf die Universität noch alles eignen urtheils baar und zur reparierung dieses Schadens lediglich auf die etwaige gunst der lebensfübrung angewiesen sind.

Nr. 11. 326. Nationale erziehung. 533

Wie ist dem abzuhelfen? In den ersten decennien dieses Jahrhunderts sind jene übelstände weniger hervorgetreten. Die gymnasien sahen damals weniger darauf, dass alle ihre schüler sich wirklich ein bestimmtes mass von kenutnissen erwarben; man begnügte sich gelegenheit zum lernen zu geben und über- liess es jedem dieselbe in möglichst freier weise zu benutzen. Wer wissenschaftliches interesse besass , fand bei den lehrern die bereitwilligste Unterstützung für seine Studien. Was auf diese weise an kenntnissen erworben wurde, war wirklich selbständig erarbeitet und wahrhaft geistiges eigenthum; solche schüler hatten wirklich denken und urtheilen gelernt. Sollen wir zu diesem System zurückkehren ? Ich denke nicht ; denn die kehr- seite war doch traurig: die interesselosen blieben unbeachtet und lernten wenig oder gar nichts. Die einführung des matu- ritätsexamens schuf darin wandel; es wurde ausbildung aller verlangt, aber unläugbar damit jenem freien arbeiten mit seiner ungehinderten entfaltung der Individualität eine schranke ge- setzt, und um so mehr als die ersten Verordnungen eigentlich von dem principe ausgingen, der schüler solle in allen stücken, in denen er je unterrichtet sei, auch geprüft werden. Sollen wir denn nun das examen wieder abschaffen ? Auch das kann nicht befürwortet werden; wird auch vom Verfasser nicht ver- langt. Aber Vereinfachung ist wünschenswerth, und erfreulicher weise bewegen sich auch alle modificationen der prüfungsverord- nungen in dieser bahn. Gewiss kann darin noch manches ge- schehen, namentlich in der richtung, dass mehr auf documentie- rung der denk - und urtheilsreife, als auf gedächtnissmässige re- production reicher kenntnisse gesehen wird. Hienach kann das heilmittel nur im unterrichtsplane und der methode liegen. Den plan des Verfassers kennen wir, sehen wir, welche methode er

wenigstens für die alten sprachen empfiehlt.

Die hauptgrundsätze des neuen Verfahrens sind beseitigung des bisherigen grammatischen Unterrichts und der stilistischen Übungen; dafür soll dar schüler sich im laufe der Schulzeit seine grammatik aus der lectüre selbst zusammenarbeiten. Daraus folgt, dass die lectüre statarisch sein muss ; sämmtliche in der classe gelesene pensen sollen schriftlich ins deutsche übersetzt werden

zum ersatz der sehr beschränkten deutschen stilübungen; auch fällt von IIb an die vorgängige ausarbeitung der commen-

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tare dem schüler zu. Um aber dem schüler eine möglichst grosse masse von eoncreter spräche vorzulegen, tritt neben die statarische eine reiche cursorische lectüre. Der schüler soll so eine durch eigene thätigkeit gebildete Übersicht über die wirk- lichen Spracherscheinungen in form von zusammenhängenden grup- pen erlangen, und gewöhnt werden mit allen geistigen kräften zu arbeiten. Die lectüre vertheilt sich so: IVb Nepos 4 stun- den; IVa Caes. B. Call. 4 st. statarisch, 2 st. cursorisch; IIIb Caes. B. Civ. 3 st. statarisch, 1 st. cursorisch; Ovid 2 st.; IIIa Sallust 3 st. statarisch, 1 st. cursorisch; Ovid 2 st.; IIb und IIa Cicero 2 st. statarisch, Cicero und Livius 1 st. cursorisch, Virgil 2 st.; P> Tacitus 3 st. statarisch, Cicero 1 st. cursorisch, Horaz 2 st. ; la cursorische lectüre durch alle gattungen der lite- ratur 6 st. Was von dem oben angegebenen stundenmaass übrig bleibt, wird auf grammatik verwandt ; und zwar dictirt in IVb der lehrer die in der lectüre vorgekommenen sätze mit conjunctionen, acc. mit infinitiv und participialconstructionen , nach den allge- meinsten kategorien geschieden. Im verlauf des jahrescursus macht der schüler die arbeit selbst, der lehrer controliert die richtigkeit in der classe. Nur alle vier wochen ein exercitium oder eine rückübersetzung, wobei besonders darauf gesehen wird, ob die eigenart der verschiedenen sätze richtig erkannt ist. In IVa fortsetzung dieser Sammlung und solche für die casuslehre, doch ohne berücksichtigung feinerer unterschiede in den katego- rien. Vollständigkeit wird nur für die statarisch gelesenen pensa verlangt, die ausbeutung der cursorischen lectüre wird dem privatfleiss überlassen. IIP fortsetzung von IVa und Samm- lung für tempora und modi, durcharbeitung des materials aus IVb, tieferes eingehen auf den Sprachgebrauch. IIIa fortsetzung aller bisherigen Sammlungen , besonders aber bildung von vor- stellungs - gruppen und - reihen und zwar im ersten semester gruppirung der beispiele für die casuslehre nach seineu unter- schieden, im zweiten Verarbeitung der Sammlungen für tempora und modi zu grösseren und kleineren complexen. In IIb bil- dung von gruppen für den gebrauch der pronomina und ein- zelner eigentümlicher constructionen; in IIa Sammlung von bildern und metaphern und rhetorischen figuren. Die ver- theilung der griechischen lectüre ist folgende: IIP Xcnophon 3 st.; IIIa Xenophon cursorisch 2 st., Ilomer statarisch 2 st.j

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IIb Lysias 3 st. atatarisch, andre redner 1 st. cursorisch, Ho- mer 2 st. ; II" Herodot 3 st. statarisch, Plutarch 1 st. cursorisch, Homer 2 st.; Ib Thucydides 2 st. statarisch, Plato 2 st. sta- tarisch, 1 st. cursorische lectüre in beiden Schriftstellern, tragiker2, Homer 1 st.; Ia Demosthenes 2 st. statarisch, tragiker 2, Homer 1 st., cursorische lectüre durch die'ganze literatur 3 st. Die grammatischen stunden werden ähnlich verwandt, wie im lateinischen. In prima geht neben der lectüre eine vergleichende philologische behand- lung der griechischen , lateinischen und deutschen grammatik und lexikologie her und zwar in P 2 st., in Ia 1 st. im ersten semester die zeit wird dem deutschen unterrichte entnom- men — ; im zweiten semester werden die abiturienten aus- schliesslich durch freie arbeiten in der schule beschäftigt.

Dieser zweite plan, der gewiss bei trefflichen lehrern und schülern die gewünschten resultate erzielen wird, dürfte vorzugs- weise geeignet sein in einem kleinen kreise von ein und dem- selben lehrer durchgeführt zu werden. Ihn ohne weiteres in unsern grössern gymnasien zur anwendung zu bringen, dagegen scheinen mir praktische bedenken obzuwalten. Einverstanden sind wir mit der erweiterung des gymnasialcursus auf zehn jähre ; wir kennen eine so organisierte anstalt aus eigner an- schauung. Ebenso möchten wir bessere Stellung der naturwis- senschaften, geschichte und geographie befürworten, nur nicht auf kosten der religion und des französischen; hingegen liesse sich durch erhöhung der Stundenzahl auf 32 wöchentliche stun- den etwas erübrigen. Auch dem griechischen wünschten wir die ihm zugedachte Stundenzahl, wenn nur zeit da wäre; denn vom lateinischen möchten wir nichts abgeben, da wir die ansichten des verf. über das lateinische nicht theilen. Bei richtiger me- thode lässt es sich dahin bringen , dass die stilistischen Übun- gen wirklich die gesammte geistige thätigkeit des schülers in bewegung setzen, und dann sind sie doch wie nur eine geeig- net die denkthätigkeit zu fördern. Das gymnasium bedarf ein- mal eines faches, das eine centrale Stellung einnimmt ; diese weist der vf. der denkenden betrachtung und durchdringung der bei- den alten sprachen und ihrer literatur an; das scheint uns zu hoch gegriffen. Die methode des verf. lässt sich allerdings nur vermittelst statarischer lectüre durchführen; doch macht man die

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texte zum caput mortuum, um aus ihnen grammatik herauszuar- beiten, so kann von genuss der schriftsteiler keine rede sein. Freilich tritt daneben die reiche cursorische lectüre ein ; doch muss auch bei dieser an schwierigen stellen langsamer gelesen werden, sonst müssen wir uns entschieden gegen sie aussprechen. Befremdlich ist, dass in einer classe wieder drei, ja vier auto- ren neben einander gelesen werden sollen; warum nicht lieber pro rata parte sämmtliche stunden auf einen einzigen verwen- den? Ist es nicht zu viel, alles in der classe gelesene schrift- lich übersetzen zu lassen? Wie lässt sich in überfüllten clas- sen die correctheit ausgedehnter grammatischer Sammlungen con- trollieren? Wird nicht das fortgesetzte sammeln überdruss bei lehrern und Schülern hervorrufen? Auch scheint uns von den Schülern mehr arbeit gefordert zu werden, als bisher, wo schon so viele klagen von eitern und Schulmännern erhoben sind. Ferner wird der jetzt so häufige lehrerwechsel so wie das oft nicht zu umgehende nebeneinanderunterrichten mehrerer lehrer in derselben spräche hindernd in den weg treten. Eigentlich fordern die vorschlage, dass e i n lehrer die schüler von IVb bis II durchführt, und das ist schwer zu erreichen. Ebenso wird beim gänzlichen mangel eines grammatischen lehrbuchs ein von aussen mitten in den cursus eintretender schüler enorme Schwie- rigkeiten finden.

Diese und ähnliche bedenken lassen mich zweifeln , ob die vorgeschlagene methode je wird auf öffentlichen schulen eingang finden können. Eine so fundamentale änderung wird auch nicht nöthig sein, wenn nur die ausätze zur aus führ ung der princi- pien des Verfassers , so weit sie schon vorhanden sind und dass manches vorgeschlagene bereits hier und da praktisch ist, ßteht nicht zu bezweifeln immer sorgfältiger ausgebildet wer- den. Dann, denke ich, werden „beobachtiing und denkthätigkeit" immer mehr geweckt werden und die ans licht gezogenen übel- stände mehr und mehr verschwinden. Diese principien aller- dings müssen wir auf unsere fahne schreiben, und in der rich- tung wird das vorliegende werk ohne zweifei viel segen stiften. In betreff der höchst anregenden aufstellungen über die behand- lung der übrigen schulfächer , die unterrichtsweise der Universi- täten, die begründung der mittelschulen und die raädchenerziehung mögen die leser das im hohen grade interessant geschriebene

Nr. 11. 327. Der elementarunterricht. 537

buch selbst studieren; wir aber nehmen vom Verfasser mit dem besten danke für die reiche anregung und belehrung abschied.

327. Die durch die neuere Sprachwissenschaft herbeigeführte reform des elementarunterrichtes in den alten sprachen. Von Dr Julius Lattmann director. Clausthal, osterprogramm 1871. 22 s. 4.

Gelegentlich der einführung seiner in gemeinschaft mit H. D. Müller herausgegebenen Schulbücher für den deutschen, la- teinischen und griechischen Unterricht auf dem gymnasium zu Clausthal giebt Lattmann kurz die methodischen principien an, auf denen jene bücher beruhen. Der Standpunkt des verf. ist bekannt, eine erneute darlegung auf grund fortgesetzter erfah- rungen aber willkommen und nicht bloss für den laien von belehrung. In vielen wesentlichen punkten wird jeder, der mit Lattmann auf dem boden der historisch -vergleichenden Sprach- forschung steht , einverstanden sein, insbesondere mit der immer aufs neue zu betonenden forderung, dass in der prima der wissen- schaftlichen behandlung der formenlehre ein zusammenfassender abschluss zu geben ist. Dass dies indessen durch eine deut- sche grammatik, deren kern das mittelhochdeutsche wäre, am besten zu erreichen ist, bezweifle ich; denn wenn auch dieser Unterricht von brechung und umlaut an bis zur lehre von der lautverschiebung hin ein ganz eigentlich sprach vergleichender ist und durch heranziehung der dritten sprachstufe überall erst der Zusammenhang der lautlichen erscheinungen sich veranschaulichen lässt, so werden doch auch hier bald zu enge grenzen theils durch das praktische bedürfniss, zunächst das mittelhochdeutsche zu be- wältigen gesteckt werden, theils doch eben nur die allgemeinsten gesetze der Sprachverwandtschaft, insbesondere nur die analogen erscheinungen der zweiten sprachstufe in betracht kommen kön- nen. Meiner meinung nach bleibt vielmehr die hauptquelle für das eindringende verständniss des Zusammenhanges der arischen sprachen die griechische spräche und zwar deswegen, weil sie ihren Homer hat. Was dieser für den einblick in das wer- den der spräche bietet, ist durch nichts zu ersetzen. Den Homer ordentlich heranziehen und zwar nicht bloss nach der Seite der formen- und Wortbildung hin, sondern ganz besonders auch hin- sichtlich seiner syntax, die immer der eigentlich geistige tummeh

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platz für den oberen schüler bleiben muss, das heisst die sicher- ste grundlage zu einer historischen betrachtung der spräche le- gen. Und zwar muss die lectüre des Homer von vorne herein, also schon von der tertia an, nach dieser richtung ausgebeutet werden ; die erweiterung und Zusammenfassung der in der ter- tia gegebenen einzelnen gesichtspunkte gehört in die secunda, in der dann die lateinische syntax eine reihe von erscheinun- gen bietet, die durch den hinweis auf ursprüngliche einheit des lateinischen und griechischen eben so schnell einleuchtend wer- den, wie die Unterscheidung des gräco - italischen formen- und Wortschatzes von den späteren bildungen. Mit dieser histori- schen behandlung der sprachen, bei der im übrigen die lectüre und die fertigkeit im handhaben der sprachen selbst nicht im mindesten leiden darf, sondern vielmehr stets hauptsache bleibt, ist aber schon in der secunda der Unterricht im mittelhochdeut- schen, soweit dieser überhaupt auf die schule gehört, zu ver- binden. Die gründe hierfür liegen für mich wesentlich in der stofflichen beschaffenheit der deutschen literatur. Die mittel- hochdeutsche periode gipfelt im epos , correspondirt also mit Homer und Vergil und ist in ihren grossen das gemüth pa- ckenden und die phantasie belebenden gestaltungen die rechte nahrung für den secundaner. Die sprachlichen Schwierigkeiten sind verschwindend unbedeutend, dafern sich der lehrer ent- schliesst, das ganze erste jähr des deutschen Unterrichts im zwei- jährigen cursus von secunda auf die Nibelungen zu verwenden und erst das zweite jähr zu einer literargeschichtlichen Übersicht über den alten zeitraum benutzt. Die neuhochdeutsche lite- ratur hingegen culminirt im drama, dessen theoretisches ver- ständniss erst durch Sophokles erschlossen wird, sie gehört in die prima; erst auf dieser stufe geistiger entwickelung lässt sich ein Lessing und Göthe und gar ein Klopstock und Herder an- nähernd begreifen. So gehört das mittelhochdeutsche nach mei- ner ansieht und erfahrung principiell nicht in die prima; dage- gen muss sieh in prima zeit finden zu einem zusammenfassen- den grammatischen Unterricht nach den gesichtspunkten der Sprachvergleichung ; das material ist da, die hauptdata und die anfange des Systems sind in der secunda gegeben : hier knüpfe die prima an und zwar nicht mehr bloss gelegentlich, sondern systematisch. Ich meine, dass auch für prima Homer den

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richtigsten anknüpfungspunkt bietet; indessen hängt die ausführ- barkeit vor der band noch von Zufälligkeiten ab unter an- dern von der Stellung der lebrer zur sache.

Dass mit zugruudlegung der Müller - Lattmannschen Unter- richtsliteratur das latein erst in quinta , das französische in quarta, das griechische in Untertertia ohne nachtheil solle be- ginnen können , und zwar unter andern damit der realen bil- dung eine grössere pflege zugewendet werde , will mir nicht einleuchten. Den realen disciplinen ist nicht damit geholfen, dass sie sich auf den untersten stufen etwas ausdehnen kön- nen, wie der verf. selbst richtig bemerkt ; ausserdem ist ein unterschied in praxi wohl festzuhalten zwischen den erfolgen einer methode an sich und den erfolgen von lehr er n, die mit besonderem interesse nach einer bestimm- ten methode unterrichten. Die erfolge der letzteren darf man nicht ohne bedeutende subtraction der methode an sich zuschreiben.

Th. Fritzsclie.

328. Lateinische schulgrammatik für alle klassen des gymnasiums von J. Lattmann und H. D. Müller. Dritte vermehrte und verbesserte aufläge. 8. Göttingen, Vanden- hoeck und Euprecht. 1872. XVHI u. 424 s. 1 thlr.

Dass die dritte aufläge eines für die schule bestimmten buches in diesen der Wissenschaft gewidmeten blättern eine be- sprechung findet, ist nicht nur insofern begründet, als das buch auf solider wissenschaftlicher basis ruht, sondern auch dadurch, dass dasselbe nach einer ausdrücklichen bemerkung in der vor- rede p. vhi jetzt erst jene feste form und abgeschlossenheit gewonnen hat, welche für ein Schulbuch wünschenswerth ist, und dass in künftigen auflagen nur dann Veränderungen eintre- ten sollen , wenn der fortschritt der Wissenschaft solche unbe- dingt fordert. Denn die Wissenschaft für die praxis zu ver- werthen , die resultate der Sprachvergleichung , soweit sie si- cher genug sind und der fassungskraft des schülers zugäng- lich gemacht werden können, auch in die schule einzuführen das ist die tendenz, von welcher die rühmlich bekannten Ver- fasser geleitet waren.

Am wenigsten scheint die durchführung dieser richtig ge-

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stellten aufgäbe in der lautlehre gelungen zu sein. Es verräth eine eigentümliche auffassung, wenn ausdrücklich bemerkt wird, die wichtigsten regeln derselben seien „hauptsächlich zur instruc- tion für den lehrer" entwickelt. Gerade für diesen sollte es doch einer solchen , Instruction", die ohnehin nach dem zwecke eines Schulbuches sehr summarisch gehalten werden musste, nicht bedürfen ; denn für ihn haben Bergk, Corssen, Ritschi u. a. geschrie- ben. — Der abschnitt über Orthographie, so passend er ange- legt ist, kann nicht als sorgfältig durchgearbeitet gelten. Wenn die nicht empfehlenswerthen wir hätten lieber gelesen: die minder gut bezeugten Schreibweisen eingeklammert werden sollten, so mussten z. b. unter den ersten 24 Wörtern , welche aufgeführt sind, gewiss noch folgende formen in klammern ge- schlossen werden: coenum , foenum, fenum, foenus, foetus , coecus, coelebs , moeror, seculum, cespes, Peligni, paenuria, scena, scaeptruiu, teter, foecundus, foemina. Ungeeignet erscheint übrigens in ei- nem schulbuche die bemerkung, dass „einige derselben (nämlich von jenen welche „jedenfalls nicht zu empfehlen " sind) aus praktischen gründen wohl geduldet werden können". Aber auch wenn man diesen gesichtspunkt bezüglich quum u. s. w. zugeben wollte, so ist doch kaum ersichtlich, warum denn con- ditio oder convicium praktischer sein sollte als die formen con- ditio und convitium. Noch weniger gerechtfertigt dürfte es sein, in jene kategorie „geduldeter" formen auch suspicio einzureihen, nachdem Haupt im Herrn. IV, p. 147 die berechtigung dieser Schreibung erwiesen hat.

Ungleich glücklicher sind die verf. in der darstellung der auf sechs druckbogen behandelten formenlehre gewesen. Es genügt an dieser stelle zu constatieren, welches lob von compe- tenter seite gegenüber der halbheit oder Übertreibung anderer dem glücklichen takte gespendet worden ist, welchen die verf. in der aufnähme und Verarbeitung des wesentlichen sowie in der ablehnung des unwesentlichen und problematischen aus den neueren Forschungen bewährt haben.

Das hauptverdienst des buches beruht jedoch wohl darin, dass neue, aus der vergleichenden Sprachforschung sich erge- bende gesichtspunkte hier zum erstenmale auch für die anläge der syntax, obgleich sich dieselbe ihrem didaktischen zwecke gemäss auf den Sprachgebrauch der mustergültigen prosa be-

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schränkt, fruchtbringend gemacht worden sind. H. D. Müller, welchem nach einer andeutung der vorrede p. ix die Verant- wortung und fügen wir hinzu auch das verdienst für diese richtung des buches zufällt , hat bezüglich der syntax, welche mit weit grösserer ausführlichkeit als die übrigen theile behandelt ist, namentlich auf die theilweise originelle darstel- lung des ablativus, des conjunctivus und der tempuslehre hin- gewiesen.

Der ablativus, welcher in der ausgebildeten sprachform die functionen von drei casus der ursprünglichen Sprachgestaltung in sich vereinigt, theilt sich nach diesen functionen in den lo- calis (locativus), separativus (ablativ im engeren sinne) und so- ciativus (Instrumentalis) und entspricht so den drei fragen: wo? woher? womit? Durch die Übertragung der hier zu gründe liegenden sinnlichen auschauungen auf geistige Verhältnisse wird der localis vom räume auf die zeit (abl. temporis) angewendet, der separativus auf den Ursprung (abl. originis) und das mass (abl. mensurae)^ der sociativus auf die art und weise (abl. modiV die beschaffenheit (abl. qualitatis) und das mittel (abl. instrumentiV während der begriff der wirkenden Ursache (abl. causae) auf jede der drei sinnlichen gruudbedeutungen zurückgeführt werden kann. Befremden kann hier die subsumption des abl. men- surae unter den separativus statt unter den Instrumentalis. Im einzelnen erweist sich die regel vom abl. qualitatis und im zu- sammenhange damit jene vom gen. qiialitatis als ungenau. Es soll hier nicht urgiert werden, dass derjenige fall, in welchem nur der genetiv, nie aber der ablativ steht nämlich bei Zahl- wörtern — nicht unter §. 33 bei der lehre vom genetiv, sondern erst §. 55 beim ablativ in einer anmerkung besprochen wird. Aber wichtiger ist es , dass die regel nach einer andern seite hin unvollständig ist; es fehlt nämlich die angäbe, dass der ge- brauch der adjectivischen pronomina sich im allgemeinen auf den ablativ beschränkt und nicht auf den genetiv miterstreckt, nur dass idem bisweilen (bei Livius) auch im gen. qualitatis steht. Auch war anzumerken, dass par, similis u. s. w. regel- mässig im abl. qualitatis, nicht im genetiv stehen ; ferner dass plurale, wenn kein zahlwort, sondern ein adjectivum beigefügt ist, im abl. qualitatis stehen. Genetive wie eiusmodi und ähn- liche sind von Heumann als casus der Zugehörigkeit erwiesen

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worden; dadurch fallt auch auf die §. 33 anm. 2 besprochene Verbindung id genus, id aetatis ein anderes licht. Eine mis- verständliche notiz findet sich §. 53 ß über den ablativ bei abesse und distare, wo es heisst, es stehe bei „Cäsar öfter spatio, intervallo" ; denn diese structur wird ebenso von Livius ge- braucht, ja sie scheint sogar regel gewesen zu sein, wenn bei spatio u. s. w. eine zahlangabe steht.

Diese aus dem abschnitt über den ablativus herausgegrif- fenen regeln sind übrigens nicht die einzigen, deren fassung bedenken erregt. So ist z. b. §.87 bei der lehre vom gerun- dium der ausdruck schief: ;,accusativus und ablativus können auch von präpositionen abhängig sein" ; doch mag dies hingehen. Unvollständig aber erscheint wieder §. 162 A: hier werden drei fälle, in welchen bei postquam, ubi u. s. w. das plusquamperfectum steht, angeführt, nämlich zur bezeichnung einer Wiederholung (antecedens iterativum) oder des ergebnisses einer vorausgegan- genen handlung oder bei ausdrücklicher angäbe eines zwischen beiden in frage stehenden handlungen verflossenen Zeitraums. Es fehlt demnach hier die angäbe desjenigen falles, in welchem auch die apodosis das plusquamperfectum hat, z. b. Sali. Cat. 24, 3 ubi aetas tantum modo quaestui neque luxuriae modum fe- cerat, aes alienum grande conflaverant. lug. 108, 1 cum Boc- cho Numida quidam familiariter agebat , praemissus (= qui praemissus erat) ab Iugurtha, postquam Sullam accitum audier at. Auch ein zusatz zu dem von den verfn. als dritten bezeichne- ten falle scheint uns wünschenswerth, wiewohl man darüber auch anderer meinung sein kann; das plusquamperfectum nach postquam findet sich nämlich selbst ohne ausdrückliche angäbe einer Zwischenzeit wenn eine nicht unmittelbare folge der tbat- sachen stillschweigend anzunehmen ist, z. b. Sali. lug. 97, 1 at Iugurtha, po st quam oppidum Capsam aliosque locos muni- tos et sibi utilis, simul et magnam pecuniam amiserat, ad Boc- chum nuntios misit. Doch genug des einzelnen.

Die lehre vom conjunctivus behandelt zunächst die selb- ständige Verwendung dieses modus im hauptsatze, woraus dann erst der gebrauch desselben im nebensatze abgeleitet wird. Doch ist diese richtige auordnung nicht dieser grammatik al- lein eigenthümlich, so dass wir hierbei nicht verweilen. Auch die von H. D. Müller namentlich hervorgehobene sonderung

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des selbständigen (absoluten), bezogenen (relativen) und abhän- gigen gebrauchs der Zeitformen ist zwar hier mit besonderer Sorgfalt durchgeführt, jedoch nicht neu. Dagegen verdient die von den verfn. neben der congruenz und antecedenz unterschie- dene beziehung der coincidenz der tempora genaue beachtung. Es ist unter dieser beziehung dasjenige verhältniss zu verste- hen, nacb welchem im haupt - und nebensatze dasselbe subject sich findet und auch die beiden prädicate identisch sind, oder so in einander fallen , dass die eine handlung in der andern mit enthalten ist, weshalb auch in beiden coincidenten sätzen dasselbe tempus zu stehen pflegt. Eine reiche beispielsammlung erläutert diese insbesondere für die tempora actionis perfectae wichtige und bei dum und cum freier auftretende beziehung.

Auf eine möglichst umfassende auswahl von belegen haben die verf. überhaupt namentlich im dritten cursus (der p. xv fälschlich als zweiter bezeichnet ist) bedacht genommen. Dass trotzdem nicht immer das treffendste beispiel gefunden wird, versteht sich von selbst. So musste, um nur eines anzuführen, §. 164 anm. 3 die stelle Verr. IV, 40, 87 neque tarnen finis huic iniuriae fiebat, donec populus . . . senatum clamore coegit, um so mehr beigebracht werden, da sie wohl die einzige dieser art bei Cicero ist und überdies den in der grammatik a. o. auf- gestellten satz : das imperfectum im hauptsatze [bei donec in der protasis] gebrauchen Livius , Curtius " wesentlich mo- dificirt. Störend sind in den belegsteilen die vielfachen, zum theil gar nicht indicierten Umgestaltungen, kürzungen und inter- polationen, ferner die zahlreichen versehen in den citaten. Druck- fehler begegnen auch sonst in dem buche zu minderten, obgleich die verf. von drei collegen bei der correctur unterstützt waren.

Hienach wünschen wir dieser an eigenartigen Vorzügen reichen schulgrammatik recht bald eine neue aufläge und den geehrten Verfassern so viele Selbstüberwindung , um trotz der bestimmten äusserung über die ,, definitive gestalta ihres buches dieselbe Sorgfalt, welche sie bis jetzt dem entwürfe im grossen und manchen einzelnen partieen zugewendet haben , auf alle theile gleicbmässig zu übertragen, die fassung jeder einzelnen regel wiederholt zu prüfen , die belege sowohl dem Wortlaute nach als auch in den Zahlenangaben zu verificieren und für eine übersichtliche und gefällige ausstattung durch einführung

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von columnentiteln und genauigkeit in der correctur sorge zu tragen.

329. Historische syntax der lateinischen spräche von Dr A. Dräger, director des gymnasiums zu Friedland in M. Er- ster theil: gebrauch der redetheile. Leipzig, B. G. Teubner 1872. XXVI und 146 s. gr. 8.

Das werk x) zwanzigjährigen fleisses , das der gelehrte ken- ner des Tacitus in seinem ersten theile veröffentlicht hat, bietet etwas anderes als der titel verheisst. Es ist nämlich weder hi- storisch im wahren sinne des wortes noch eine syntax. Eine syntax ist es nicht ; denn der bis jetzt vorliegende band über den gebrauch der redetheile, welchem drei weitere bände über den einfachen satz, die coordiuation und die Subordination fol- gen sollen, betrifft nach seinem hauptinhalte solche grammati- sche erscheinungen, welche sonst in den handbüchern mit gutem gründe nicht in die syntax eingereiht zu werden pflegen , son- dern, soweit nicht der stoff den lexicis überlassen bleibt, in den abschnitten über die formenlekre zur behandlung kommen. Hi- storisch ist aber die darstellung darum nicht , weil sie, statt die allmähliche entwickelung eines Wortgebrauches innerhalb einer jeden hauptepoche der spräche nach möglichkeit nachzuweisen, sich auf eine aufzählung von Wörtern in alphabetischer folge nach den sehr allgemeinen rubriken „vorclassisch, classisch und nach- classisch " beschränkt. Dadurch ist dem leser die möglich- keit entzogen , das sprachliche leben in seiner steten bewegung zu begleiten und gleichsam in den haushält der spräche, in ihre Verluste, in die versuche des ersatzes für das verlorene, in die erwerbung neuen sprachgutes und in die ausbeutung und verwerthung desselben einen blick zu thun. Nach unseren be- griffen musste eine behandlung der historischen syntax sogar innerhalb des Sprachgebrauches einzelner autoren , wie man hier längst die verschiedenen redegattungen unterschieden hat, auch die einzelnen epochen genau zu sondern suchen, etwa wie dies Wölfflin am Tacitus in musterhafter weise gezeigt hat. Aber nicht nur die zeitliche entwickelung war mit grösserer bestimmtheit darzustellen, sondern auch über die ausdehuung

1) Vrgl. die anzeige ob. n. 7, p. 321. Die redaction.

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des gebraucks innerhalb jeder epoche bei den verschiedenen autoren durfte man eingehendere und umfassendere mittheilun- gen erwarten. Denn nur genaue statistische angaben über die häufigkeit der anwendung gewisser Wörter, formen und structu- ren vermögen ein treues bild der sprachlichen erscheinungen zu geben, während ausserdem der leser vor schiefer auffassung nicht geschützt ist, ja bisweilen sogar dazu verleitet wird. Schwerer zu vermeiden sind einzelne mängel, die auf der annähme einer schlecht verbürgten lesart, auf einem irrthum in der Interpre- tation, auf einem uugenauen citat beruhen. Belege für das eben ausgesprochene werden unten folgen. Vorher bedarf es noch einer bemerkung über die ausbeutung der epigraphischen texte für die zwecke dieses buches. Was der verf. p. xii über die schwache ausbeute, welche die alten inschriften zu bieten versprachen, bemerkt, genügt mit nickten zur rechtfertigung des vom vf. eingeschlagenen Verfahrens. Mögen wir immerhin aus den inschriften nicht „die spräche des gebildeten Umganges, der öffentlichen Verhandlungen, der prosaischen litteratur und des Volkes'' kennen lernen: aus den dichtem lernen wir auch von all diesen richtungen der spräche nichts oder wenig, und doch ist dem verf. nicht eingefallen, sie bei seite zu schieben. Wenn aber der verf. gar bemerkt, dass uns aus den inschrif- ten auch nicht „über syntaktische Verbindungen aufschlüsse" zu theil werden, so kann man diesen grund für die ausschlie- ssung derselben um so weniger gelten lassen, da gerade dieser erste theil des werkes weit mehr auf einzelne formen und Wör- ter als auf „syntaktische Verbindungen" sich bezieht.

Auf die vorrede, in welcher die genesis des buches er- zählt wird, folgt die einleitung. In dieser wird eine Über- sicht über die hauptepochen der entwickelung des lateinischen Wortschatzes von Appius Claudius Caecus bis zu den kirchen- vätern geboten; der einfluss gewisser autoren auf die spräche ihrer eigenen und der folgenden zeit so wie die art wie die meisten schriftsteiler durch Vorgänger und Zeitgenossen bestimmt worden, wird in flüchtigen andeutungen bezeichnet: ein blick auf die allmählich eingedrungenen fremden demente aus orientalischen, germanischen, keltischen und iberischen sprachen bildet den schluss der einleitung. Wir können die Übersicht als zweck- mässig bezeichnen und beschränken unsere bemerkungen daher Phüol. Anz. iy. 35

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auf die ersten der folgenden capitel, indem wir lediglich zu dem aus Sallustius entnommenen oder zu entnehmenden material be- richtigungen und zusätze zu geben versuchen. Den ansprach absoluter Vollständigkeit erheben wir natürlich nicht; alles, was nicht direct durch sallustianische handschriften überliefert, son- dern durch vermittelung anderer autoren indirect und fragmen- tarisch auf uns gekommen ist, schliessen wir trotz der sprach liehen Wichtigkeit einzelner bruchstücke aus , da wir im augen- blicke die Sicherheit der Überlieferung der einzelnen fragmente nicht nachzuprüfen vermögen.

Im ersten abschnitte, der über das substantivum han- delt, wird atn Schlüsse des §. 2 als regel aufgestellt, das appo» sitionsverhältniss statt des partitiven genetivs stehe „bei klas- sikern sehr selten". Für Sallust, den Dräger ausdrücklich und consequent unter die klassiker im engsten sinne einreiht, ist die regel unrichtig. Ausser etwa zehn beispielen bei quisque und abgesehen von den bei Dräger angeführten belegstellen findet sich noch folgendes : Cat. 1 , 7 utrumque . . . alterum alterius auxilio eget, vgl. lug. 18, 12 utrique alteris freti, wo vielleicht zu emendiren ist utrique alteri alteris freti. C. 33, 1 qui . . . ple- rique . . . expertes sumus. lug. 14, 15 propinqiios ceteros meos alium alia clades f s. 46, 4 legatos alium ab alio divorsos. Zu den beispielen für den plural der concreta statt des Singular bei stoff- namen §. 4a fügen wir: aquae wassermasse, „gewässer" lug. 17, 5; ignes „feuerstellen" lug. 98, 6. 106, 4, vielleicht fr. Vat. Ib 16; „feuerbrände" fr. Vat. IV a 8 sq^ Für den plural bei be- nennung von collectiven: exercitus „heeresinacht" (nicht „beere") lug. 10, 4 (14, 1 nach cod. Vat.), or. Macri 6. Zu pecu- niae wird je ein beispiel aus Cicero, Livius und Suetonius ge- geben, keines aus Sallust, bei welchem sich doch dieser plural siebenmal findet: C. 18, 3. 49, 2. 51, 43. 52, 14. lug. 31, 25. 40, 1. or. Phil. 17. Der ausdruck praedas agere steht ausser der vom vf. aus Sallust citirten stelle noch lug. 32, 3. 44, 5. 88, 3; sonst findet sich der plural praedae lug. 41, 7 (und nach cod. Vat. 31 , 10). Patrimonia wird nur aus Cicero belegt-, es steht ebenso bei Sali. C. 37, 5. §.5 beim plu- ral der concreta (zunächst kbrpertheile) wird angeführt „cervi- ces, das bei Cicero stets im plural erscheint". Auch Sallust gebraucht ausschliesslich diesen numerus, ep. Pomp. 4. or. Ma-

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cri 21. Von den §. 7 b a. e. erwähnten ,, schon in der älteren periode" vorkommenden pluralen der abstracta finden sich bei Sallust: aerumnae: C. 51, 20. lug. 14, 7. 23. 24, 10. 49, 3 und zwar überall im plural; astutiae nur C. 26, 2; doli im ablativ C. 11, 2. 14, 5. lug. 6, 3. 14, 11. 22, 4. 23, 1. 25,

9. 56, 1 ; häufiger aber ist der Singular; fallaciae nur C. 11, 2; raodi C. 5, 6. 13, 5. 16, 1. 20, 12. 26, 1. 29, 3. lug. 15, 2. 39, 2. 55, 3 und zwar stets im ablativ; rnunditiae nur im plural lug. 63, 3. 85, 40; an ersterer stelle mit unrecht be- stritten von W. Wagner im Ehein. Mus. XXIII, 700, der mol- lüüs vorschlägt im Widerspruch mit dem Sprachgebrauch des Sallust, welcher mollitia nur im singular verwendet, vgl. C. 52, 28. lug. 70, 5. 85, 35. or. Phil. 3; yollicitationes bei Sallust nur im plural lug. 20, 1. 61 , 4. P. 15 wird unter den pluralen, welche mehrere arten des abstractums bezeichnen, exi- tia mit zwei beispielen (es giebt deren aber mehrere) aus Cicero belegt; wir vermissen das beispiel aus Sali. or. Lep. 25 um so mehr, da p. 10 bei aufzählung der in klassischer prosa vor- kommenden plurale der abstracta exitia fehlt. Unter den bezeichnungen von zuständen, affecten u. s.w. im plural ist fa- müiaritates aus einer ciceronischen stelle angeführt; es findet sich auch bei Sali. C. 14, 5 und zwar nur an dieser stelle. Von 22 nach Dräger „auch in der prosa besonders häufig" stehenden pluralen dieser art hat Sallust nur wenige: lubidines nur einmal C. 13, 5, während das wort im singular oft bei ihm vorkommt; gaudia zweimal C. 61. 9. lug. 2, 4; luctus viel- leicht einmal C. 61, 9 varie laetitia maeror luctus atque gaudia, wenn nicht auch hier gemäss dem Constanten usus des Sallust luctus als singular zu fassen ist; denn dass drei singulare neben einem plural stehen, ist zwar nicht concinn, aber gewiss ebenso sallustianisch als der umgekehrte fall C. 5, 2 ; animi häufig. Unrichtig ist die bemerkung p. 15: „der plural der amtsnamen erst seit Livius z. b. 4, 10 consulatus " ; denn derselbe amts- name wird von Sallust zweimal im plural gebraucht: lug. 31,

10. 85, 29. Den p. 16 nur aus Cicero belegten plural potestates findet man auch bei Sali. lug. (63, 5) 85, 9. Der p. 17 erwähnte Wechsel von domos mit domum ist auch dem Sallust nicht fremd, der wenigstens ein mal lug. 66, 3 den plural setzt. »Der plural der concinnität, überall selten

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und durchaus keinem gesetze folgend" wird p. 17 durch zwei beispiele aus Sallust erläutert , von denen aber nur C. 15, 4 negue vigiliis neque quietibus unbestritten ist, während der plural gloriae lug. 41, 7 von Bernays und Bergk verdächtigt worden ist. Einen offenbar der concinnität zu liebe gebildeten plural hat übrigens Sallust, der sonst zu variiren liebt, auch lug. 31 20 hellet, atqice paces. Amicitiae, als plural der concinnität aus Livius angeführt, steht ebenso 0. 10, 5, aber ohne diesen grund im sinne von „freundschaftliche Verbindungen" C. 6, 5. §. 8 äbstractum pro concreto ist bei servitia bemerkt: ,,Liv. 1, 40. 2, 10 und noch an zwölf stellen". Warum steht daneben „Sali. Catil, 24 und öfter" statt der bestimmten angäbe: und noch an fünf stellen ? Für vicinitas werden stellen aus Cicero, Caesar und Nepos beigebracht; die stelle bei Sali. C. 36, 1 fehlt. Auch pestis findet sich wie bei Cicero so von Sallust gebraucht lug. 14, 10. Imperia = imperatores ist nur aus Caesar belegt ; man vgl. Sali. C. 6, 5. Bei munitio und machinationes steht der name Sallust ; man vermisst aber die statistischen angaben : muni- tio lug. 38, 6 und im plural lug. 23, 2 ; machinationes lug. 92, 7. Coniuratio, nur aus Cicero aufgenommen , steht für coniurati auch Sali. C. 43, 1. Vermisst wird in Drägers verzeichniss ignavia statt des concretums im plural Sali. C. 20, 2. §.9 pluralis modestiae [ad evitandam iaetantiam sagt Servius) wird ausser den von Dräger citirten stellen C. 7, 7 (7, 10 ist druckfekler) von Sallust noch C. 22, 3 und lug. 79, 1 (10). 84, 1 gefunden. Zwei dieser stellen sind zugleich belege dafür, wie willkürlich die Schrift- steller „beide numeri promiscue" setzen: C. 7, 7 memorare pos- sem . . . , ni ea res longius nos ab ineepto traheret, lug. 79, 1: sed quoniam in eas regiones per Leptitanorum negotia venimus, non indignum videtur egregium atque mirabile facinus duorum Car- thaginiensium memorare: eam rem nos locus admonuit. 10. nunc ad rem redeo. Im zweiten abschnitte, welcher das ad- jeetivum betrifft, §. 12 B, ist unter den superlativformen, welche bei klassikern von partieipien gebildet werden, für Sal- lust nachzutragen: scientissumi lug. 100, 3. §. 18, 2 wird als beleg für den substantivisch gebrauchten dativ eines adjec- tivs im masculinum aus Sallust angeführt lug. 42, 3 bono vinci satius est; aber das beruht auf unrichtiger deutuug des ganzen satzes, in welchem bono vielmehr als adjeetivisch gebrauchter

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ablativ zu verstehen und auf das folgende more zu beziehen ist, vgl. Jacobs z. d. st. Dagegen hat Sallust an anderen stel- len bonus substantiviert: im nominativ C. 11 , 2. 15, 2. lug. 31, 28, im ablativ C. 2, 6. §. 23, c war bei der ,,sehr beschränkten zahl" abstracter substantivbegriffe, welche durch den singular der adjectiva neutra gebildet werden , unter den seltenen dativen Sali. lug. 16, 1 vero nicht zu übergehen. Das ebenda d für den ablativ falsch citierte beispiel aus Sallust steht lug. 8, 2. Lückenhaft ist §. 24 die Sammlung von belegen für den singular substantivierter adjectiva neutra, so- weit derselbe von präpositionen abhängt. Wir ergänzen : C. 15, 2 pro certo, 52, 11 in extremo cf. lug. 23, 2. 37 4. lug. 5, 3 in aperto. 22 , 4 pro bono, 30, 2 a vero bonoque, 59, 2 ex oc- culto cf. 85, 23 in oeculto. lug. 93, 2 ad summum. Im drit- ten abschnitte, welcher über das pronomen handelt, konnten zu §. 26 belege für die Vertretung des personalpronomens der ersten und zweiten person durch ein nomen als subject aus Sallust angeführt werden : C. 20, 5. 7. lug. 24, 3. 110, 1. Zu §. 28 b sind für die beziehung des refiexivums auf ein lo- gisches subject aus Sallust ausser den citierten beispielen noch anzumerken: C. 21, 4. 51, 11. lug. 9, 2. 54, 7. 73, 4. §. 29 werden zu der regel, dass in der oratio obliqua ausnahms- weise ,,das pronomen is, seltener ille, an die stelle des reflesi- vums trete" zwei beispiele aus Sallust citiert, ohne dass eine weitere Unterscheidung gegeben würde. Aber lug. 62 , 1 be- zieht sich illo cunctante auf die angeredete person, ist also kein ausnahmsfall und entspricht durchaus dem usus des Sal- lust, vgl. lug. 8, 2. 33, 4. 56, 4. 61, 4. 64, 2. 4. Ganz an- ders verhält es sich lug. 96, 2, wo sich Uli quam plurimum de- berent auf das handelnde subject zurückbezieht ; dies beispiel ist für Sallust singular. §. 34, 2 bemerkt der verf. , dass et „auch" bei Sallust nur einmal erscheine. Es kommt aber gar nicht vor ; denn C. 35, 3 ist die Überlieferung ohne zweifei zerrüttet, wie die widersprechenden und ohne ausnähme unhalt- baren lesarten der handschriften zeigen; und unter den neue- sten emendationen von Jordan, Dietsch und Eussner, so wenig sie im übrigen zusammenstimmen , hat doch keine et in diesem sinne zu halten vermocht. §.38 werden über ille (is) qui- dem mit folgendem sed u. s. w. beispiele aus Cicero angezogen

550 329. Lateinische grammatik. Nr. 11.

und hierauf bemerkt: ,,in wie weit andere Schriftsteller ausser Cicero diesen pleonastischen gebrauch der demonstrativa anwen- den, ist bis jetzt nicht nachgewiesen". Das klingt sonderbar; dann war es ja eben aufgäbe einer „historischen syntax", die doch nicht nur eine Sammlung fremder Untersuchungen bieten sondern selbst auf eigener forschung ruhen soll, den fehlenden nachweis zu liefern. Bei Sallust findet sich ille quidem mit nach- folgendem gegensatze nicht, bei Nepos wenigtens ein mal Eum. 1, 1. §. 44, 3 wird bemerkt, „in der klassischen periode scheine aliquis bei alius gebräuchlicher". Sallust aber sagt nie alius aliquis, ein mal or. Macri 15 alium quem; denn lug. 45, 2 ne quisquam in castris panem aut quem alium coctum cibum ven- deret ist es zweifelhaft, ob die tonlose form quem durch das vorausgehende ne oder das folgende alium veranlasst ist. §. 46 c kehrt eine ähnliche bemerkung wieder wie die vorhin besprochene: „ob dies [nämlich die Setzung von aliquis] nach den verbis des fürchtens als regel gilt, ist bis jetzt nicht un- tersucht worden": Sallust hat, wie es scheint, nur ein einziges beispiel: hier aber steht vereor ne quoslxxg. 14, 20. §-47 muss zu den wenigen beispielen für den gebrauch von quispiam in verneinten Sätzen hinzugefügt werden lug. 45, 2 ne quispiam or- dine egrederetur. Dräger hat diesen satz fälschlich p. 81 unter den belegen für ne quisquam aufgeführt, obgleich die lesart quis- piam durch cod. Paris. 500 und die besten übrigen handschrif- ten gesichert ist und in den ausgaben von Jordan, Dietsch und Jacobs steht. §. 48 b ist zu den belegen für quisquam „in den der negativen bedentung sich nähernden bedingungssätzen" zu ergänzen Sali. C 52, 34 quibus si quicquam umquam pensi fuisset. §. 48 f. „Quisquam mit einem Substantiv verbunden" findet sich bei Sallust' ziemlich häufig: C. 31, 2 (cf. lug. 72, 2). C. 58, 10. 61, 5. lug. 85, 49. §. 51 b „Quicunque als indefinitum bei klassikern selten" steht bei Sallust ein mal lug. 103, 3. Unter den pronominalia wird §. 55 alii für reli- qui oder ceteri, das „vor Livius noch wenig gebräuchlich" ist, mit zwei stellen aus Sallust belegt-, es Hessen sich noch anfüh- ren C. 27, 2. lug. 10, 2. 63, 6. 85, 4. 94, 3.

Der vierte, fünfte und sechste abschnitt, in welchen Zahl- wörter, adverbia und das verbum abgehandelt werden, können wegen mangelnden raumes hier nicht in gleicher weise

Nr. 11. 330. Homeros. 551

mit nachtragen begleitet werden. Ohnehin werden die zu den drei ersten abschnitten gegebenen bemerkungen , die einen ein- zigen schriftsteiler betreffen, dessen werke überdies nur in sehr geringem umfange erhalten sind, zur genüge zeigen, wie viel- facher Vervollständigung der erste theil des Dräger'schen Wer- kes noch fähig ist. Aber das buch verdient auch trotz andrer mängel als erster umfassender versuch in seiner art dennoch alle anerkennung für das viele und treffliche, das in demselben ge- boten wird. Und der vom verf. gehoffte erfolg, dass sich viele zu erneuten anstrengungen auf diesem gebiete durch sein werk angeregt fühlen werden , wird nicht ausbleiben.

330. H. Lutze, de homericorum carminum ratione stro- phica. Programm. Sorau 1871.

In sorgfältigem referat wird gezeigt wie von der lyrischen poesie ausgehend Leutsch im epicedium auf Hektor Strophen entdeckte und Westphal zu ähnlichem ergebniss kam ; wie als- dann, vielleicht durch A. Mommsen angeregt, Köchly den kata- log, allerdings schon mit annähme bedeutenderer interpolationen, die er bekanntlich nach drei gattungen schied, in Strophen zer- legte. Gegen ihn trat Bäumlein auf, aber auch dieser muss interpolationen zugeben; und Bernhardy gibt im katalog die stropben zu, die sich da leicht genug ergeben. Kühner noch als Köchly verfuhr Düntzer mit dem katalog, und Eibbeck hat hier die strophe als ein mittel das gedächtniss zu unterstützen auch innerlich zu rechtfertigen gesucht. Einen weiteren schritt hat alsdann Köchly in der kleinen Dias gethan. Er nimmt auch in rein epischen stücken Strophen zu 2, 3, 4 und mehr versen an, die an stellen ähnlichen oder entgegengestzten sinnes sich ent- sprechen. Dabei werden die verse, wo jemand redend einge- führt wird, ausser berechnung gelassen. Hier aber kann man ihm nicht folgen, schon weil er selbst und andere neben ihm das- selbe gedieht auf verschiedne weise zerlegten, auch ein innerer grund gleich lange, nicht verschiedene Strophen erzeugt hätte. Man könne höchstens an gewissen stellen, z. b. nach aufregen- den reden eine binäre strophe, die auch nach Köchlys ansieht ohne absieht des dichters entstanden sei, zugeben. Weit ent- fernte Strophen, wie sie Köchly zuweilen annehme, könne man nicht zugeben, weil sie ohne äussere hülfe gar nicht bemerkt

552 331. Homeros. Nr. 11.

worden seien. Man wird dem resultat der umsichtigen arbeit zustimmen können und ref. bat nur den ausdrücklichen bin- weis darauf vermisst, dass Köchly mit unrecht .ß, weil es Stro- phen enthalte , für älter ansieht als rein epische stücke ohne solche gliederung. Ein solcher vergleich lässt sich doch bloss bei stücken gleichartigen inbalts anstellen.

Giseke.

331. De temporum apud Homerum usu scr. F. Riemer. Programm. Neustadt Westpr. 1871. 40 s.

Es werden alle tempora, auch in den obliquen moden, und in einem anhange auch noch ocpQa, das, oncog, fx/j, der conjunc- tiv, optativ, infinitiv behandelt, ein weitschichtiges thema , wel- ches in engen grenzen gar nicht erschöpft werden kann, wie denn z. b. p. 8 bei dem infin. praesentis als bezeichnung für die zur zeit der haupthandlung dauernde handlung sieben bei- spiele gegeben werden und vier beispiele für die erst erwartete nebenhandlung. Die behauptungen sind hier an sich richtig, aber eine so geringe anzahl von beispielen könnte aus der grossen masse auch gefunden werden als Scheinbeweis für un- richtiges. Die mühe des vrfs würde mehr nützen , wenn er, statt allgemeiner behauptungen über unterschiede z. b. der modi von praesens und aorist, die, an sich kaum annehmbar, jeden- falls mit ein paar beispielen nicht bewiesen werden, eine er- schöpfende Sammlung und behandlung aller beispiele eines ge- brauchs gegeben hätte , z. b. wenn der inf. praesentis und inf. aoristi mit erschöpfenden belegstellen einander gegenüberge- stellt wären. Gegenwärtig ist seine arbeit eine Zusammen- stellung des anderweitig bekannten , welche aus guten quellen geschöpft ist und die hauptsachen giebt, wenn auch z, b. die ansieht Bäumleins über aorist und imperfectum erwähnung ver- dient hätte, aber nicht gefunden hat. Wenig leser werden die geduld haben sich durch das ganze durchzuarbeiten und zum nachschlagen ist es nicht praktisch genug. Es wird also die mühevolle arbeit das verdiente loos so vieler gymnasialpro- gramme theilen, welche sich von den Universitätsprogrammen häufig zu ihrem nicht geringen nachtheil dadurch unterscheiden, dass sie ein zu weites feld behandeln, aber nicht erschöpfen. Der folgende fängt die Sisyphusarbeit wieder von vorn an.

Nr. 11. 332. Sophokles. 553

332. De anacoluthis Sophocleis. Pars prior. Diss. in- aug. scr. Guilelmus Fries. 8. Vratisl. 1870. 56 s.

Der vrf. definiert anakoluth als abweichung von der begonne- nen construction, in folge deren das ende dem anfange nicht ent- spricht, lind rechnet zu den anakoluthen vier arten von Unre- gelmässigkeiten, nämlich solche, bei welchen die begonnene con- struction aufgegeben und eine neue gebracht wird , solche bei welchen die construction gewissermassen wiederholt und erneuert wird, ferner diejenigen, bei welchen die construction unvollen- det bleibt, endlich solche, bei welchen verschiedene construc- tionen vertauscht und durcheinander geschoben sind. Hievon werden die zwei ersten arten behandelt , indem die bei Sopho- kles vorkommenden beispiele in systematischer Ordnung aufge- zählt und erörtert werden. Man wird darüber streiten können, ob die zweite art, ob beispiele wie wv yaq riQcco&ri xvyslv sx7rjaa&' avTtS, &uvazov ovnsQ 't'j&slsv oder hg aov ttüqoov tfxovGsv, (ag tavitig no&ca nolig dafisii] näaa novyl Av8la tisqgsiev avztjv, aXV b r-fiatf sgcog (pavsig, als anakoluthe zu betrachten seien. Wenigstens wird man zum ausgangspunkt nicht einen zufälligen terminus, sondern einen principiellen begriff nehmen müssen. Im übri- gen können wir der gründlichen erörterung und der von sorg- fältigem Studium des Sophokles zeugenden auffassung der ein- zelnen fälle nur unsere anerkennung zollen. Mit recht geht z. b. Fries (p. 42) in der zum überdruss besprochenen stelle Ant. 2 f. auf die erklärung des scholiasten : slnsv 8s Sittcöq' noätov fxsv ort, snsira 8s onolov ägaoiivrog ftazsQOv , welche schon von Seidler als die richtige erkannt worden ist , zu- rück. Eichtig ist auch die auffassung von Phil. 57 f. Xsysiv AyiXkmg nctig (seil, naqshai oder slvai)' toö' ovy\ xXsmeov nXsig ö1 <x>g ngög olxov : persona eadem servatur, construetio muta- tur, quum verhum id , quod e voce Xsysiv pendens infinitivo expri- mendum erat, in indicativi jormam transeat (p. 33). Es ist durch- aus zu missbilligen, wenn Blaydes nlslv für nlsTg schreibt, als ob der dichter an die starre regelmässigkeit gebunden wäre. Man darf nicht au eine auslassung von oti {Xsysiv on nXsig) denken. Odysseus giebt dem Neoptolemos die thatsachen an die hand, welche für seine Unterredung mit Philoktet massge- bend sein sollen („du bist für ihn auf der heimfahrt be- griffen"). Gegen conjekturen ist gleichfalls das anakoluth Ant-

554 332. Sophokles. Nr. 11.

1162 ff. Gtöaag fxsv . . Xaßtav ts . . sv&vve, &dXXcov (für gcogus psv . . Xctßcöv te . . -&dXXcov 8s) in schütz zu nehmen und zwar hat die anfügung von Xaßcov ts %(ogag navzsXtj novagyJav die änderung der construction veranlasst (vgl. p. 29). Stellen wie Ant. 673 avzt] nöXstg oXXvgiv, r/ö' dvaGidzovg o'ixovg ii&qai sollten nicht immer hin und her besprochen werden (vgl. p. 7), denn da der Laurentianus nöXig & mit übergeschriebenem i gibt, so verlangt methodische kritik das & (vor spiritus lenis) als missverständniss des über noXig geschriebenem E zu betrach- ten und aus dem text zu lassen. Die behandlung des 8s im nachsatze (p. 50 sqq.) erregt mancherlei bedenken. Dass z. b. Philoct. 86 iycb [asv ovg av zcov Xoycov dXyco xXvcov, zova8s xtxi ngciGGsiv azvyco nicht rovg und Trach. 23 Saug yv dzag- ßqs . . od' av Xs'yoi nicht o #' zu schreiben ist, zeigt doch deutlich Ant. 463 oarig ydg . . £//, ncog o5' ovyl . . cps'gei; Zu den fällen von 8s im nachsatz einer vergleichung gehört Ant. 499 ff. nicht. Die richtige erklärung solcher fälle gibt Her- mann zu Soph. El. 25 ff. Für 8s im nachsatze eines temporal- satzes ist 0. R. 1266 Ins) 8s yrj 'ixsizo zX^mv , Ssivd ö' ijv zav&t'v8' ogccv, das einzige beispiel und eine änderung kaum ab- zuweisen (Ssivd 8tj zdv&ivB' bgdv'i); denn El. 293 ff. gehört nicht hierher. In beispielen wie O. R. 302 f. noXiv [isv d «ctt (itj ßXsTisig, (pgovsTg 5' oficog ist an die stelle von nöXiv ßXs- nsig nsv ov, qgovEig ö' oficog eine rücksichtsvollere Wendung ge- treten. 0. C. 1006 f. gehört nicht dazu. Ant. 234 kann xsl nur etiamsi bedeuten; die Überlieferung ist also fehlerhaft. Sehr unsicher sind die zwei textänderungen , welche der Ver- fasser im laufe der abhandlung vorbringt, nämlich 0. R. 818 JxgoaqicopTJfiaGiv für ngoaqxorsTv riva (p. 23 sq.) und 0. C. 640 niixxpoo aeps oder dgl. für das nach seiner meinung aus vs. 638 stammende zo 6" rjSv. Unrichtig ist die unter den sententiae controversae zu 0. R. 1136 gegebene vermuthung inXtjGta^ov Tco'Ss rav8gs.

W.

333. Observationes Thucydideae Grammaticae. Disserta« tio ... scripsit Carolus Floeck, Rhenanus. 8. Marburgi. 1872.

Die vorrede giebt den inhalt der schrift specieller mit den Worten an : de ratione quae inter iiißnitivos praesentw et aoriet i et

Nr. 11. 333. Thukydides. 555

futuri apud Thucydidem intercedit. In einem ersten theile han- delt der vf. von den fällen im Thukydides, wo praesens oder aorist für futur, im zweiten, wo futur für praesens oder aorist erscheine. Wer der meinung ist, Thukydides wäre gerade der mann, der ein jedes nur an seiner eignen besonderen stelle ge- braucht, nie beliebig eins für ein anderes, könnte von vornherein für diese Untersuchung besorgt werden, zumal wenn er p. 18 gera- dezu von einem varius usus liest, den Thukydides angewendet ha- ben soll. Als wenn so oder auch etwas anderes bei ihm auf das- selbe herauskäme. Aber so böse ist's denn doch nicht gemeint. Der vf. geht auch seinerseits davon aus , die gränzen und be- dingungen des gebrauchs zu bestimmen und versucht's mitunter wirklich hinter dem ausdruck die Sache zu sehen. Doch ist ihm gerade dies letzte noch wenig gelungen, weil er sich auf seinem wege Voemel's lehre zum führer genommen hat, p. 7: locum esse aoristi sive re postulante praesentis , ubi non tempus fu- turum sed sola actio significetur. Denn was ist mit solcher Un- terscheidung gewonnen? Kehrt denn nicht in jedem einzelnen falle die frage wieder zurück : warum hat denn hier der Schrift- steller bei einer sache, die in der zukunft liegt, bloss die hand- lung bezeichnen wollen ? So sollen p. 14 die Zeitwörter des schwörens immer mit dem infin. futuri verbunden sein, ubi scri- ptor verba sollemnis iurisiurandi formulae magis respicit ac re- ferre vult, mit dem inf. praesentis, ubi magis res, de quibus ius- iurandum fiat, indicare vult. Ist es doch, als wenn in jedem be- sondern fall der vf. vom Schriftsteller noch eine geheime pri- vatmittheilung bekommen hat, was er eigentlich gewollt; und wo ist die wagschale , mit der wir jenes magis abmessen sol- len? Und noch nicht genug; dann soll sich auch mitunter dem einen begriff ein anderer unterschieben, und nach diesem con- struirt sein. Freilich mit diesen mittein ist alles fertig zu bringen; nur schade, dass sie nichts nützen, weil sie nichts er- klären und niemand überzeugen können. Sehen wir uns ein- mal das erste beste beispiel darauf an , was auf diesem wege herauskommt. Bei den verbis iurandi bespricht vf. zuerst p. 15 &, 75, 16 das präsens miH^QvuBvea&ai nach den mehreren vorausgegangenen futuren. Zuerst habe der Schriftsteller offen- bar an die formel gedacht, qua iurarunt milites, also die futura: dqfioxQarqoofte&aj ofioroTJoopsr, diotoopsv, noXspiot icopeda, nun

556 333. Thukydides. Nr. 11.

folge aber mit gutem bedacht das praesens intxr]QvxevsG&ai, ich muss seine eigenen worte hersetzen: quia cum huius verbi actio iam in proxime antecedentibus nolsfior dioiaeiv et noXsftioi SGSG&ai per se contineatur, scriptor ad complendam, ut ita dicam, sententiam ex sua mente hoc addere voluit, ita ut constructione, quae verbis voluntatis est propria, uteretur, quasi dixisset : aal ov- 8sv imxtjQVHEvsa&ai ißovXovto. Also erst die futura, weil der vf. vom Schriftsteller weiss, dass er dabei nur an die schwurformel gedacht hat; dann aber das praesens imxrjovxevsG&ai, warum? weil der inhalt dieses zeitworts schon im vorhergehenden, dem ndlsfjiov dioiGsiv und noi.s(xiot. sGSG&ai enthalten ist. Das ini- M]QvxsvsG&ai oder das ovösp imxrjQvxsveG&cti ? Wenn das letz- tere, was der vf. natürlich gemeint haben muss, so war es also nicht selbstverständlich im vorhergehenden nolsfiioi sGSG&ai ent- halten («, 146, 17), denn mit dem andern, dem noXspov Öioi- Gtiv , ist ja ein ganz andrer krieg gemeint. Dann weiss der vf., dass der schriftsteiler zum schwur der Soldaten aus eigner meinung etwas hinzusetzen wollte. Also wieder jene besondere privatmittheilung ; und zuletzt ist dieser eigne zusatz des Schrift- stellers zum schwur der Soldaten, weil im infinitiv ausgedrückt, zwar noch zur schwurformel gehörig, aber der zeit nach von einem begriffe abhängig, den der Schriftsteller bei sich in gedanken behalten, also wiederum dem vf. irgendwie in eigenthümlicher weise verrathen hat. Ich hätte geglaubt, solche erklärungsme- thoden hätte unsre philologie längst hinter sich. Mit recht ha- ben die neueren herausgeber an dem praesens imxqovxEi/EG&ai nicht gerührt, nur vor alters Reiske und in jüngster zeit wie selbstverständlich Cobet. Aber gewiss haben doch jene sich beim praesens beruhigt aus keinem andern gründe als weil sie einsahen, dass mit jenem futur' die dauer in der zukunft, mit diesem präsens die augenblickliche gegenwart auszudrücken war. Denn das botensenden zu Unterhandlungen gehörte hier so sehr zur gegenwart, dass es bereits erst eben schon einmal gesche- hen war, c. 74, 20. Hier also, wo von augenblicklicher gegen- wart zu sprechen so nahe lag, unterlässt er's, dagegen thut er's gleich hernach, wo es so unpassend wie möglich war. £, 38 26 haben die handschriften dfivveiv , was Bekker und mit ihm alle neueren in apivvm> verändern. Bekker, sagt vf. p. 16, sensu aecurate non perspecto futuri forniam praeferendam esse putavit.

Nr. 11. 333. Thukydides. 557

afivreiv meint er optimo iure idcirco defendi potest quia actionem exhibet, quae ad id tenipus , quo erat iurandum, proxime se adpli- catt quoniam ea rerum conditio iamiam aderat, in qua praestandum erat auxilium. Aber wo in aller weit ist hier von einer augen- blicklichen Hilfsleistung die rede ? Das sv zö? naqaxv^övti kann Flock nicht so missverstanden haben, denn er giebt den sinn der stelle wieder mit den Worten : iusiurandum dare placuit, se et nunc et postea, quotiescunque res ßagitaret, opem ferre velle; für «V rqj naooLTV/övri hat er also die Poppo'sche Übersetzung : quotiescunque res hoc flagitaret ; aber wo nimmt er dann sein et nunc et postea her ? Also deswegen wagt er von einem manne wie Bekker non accurate zu sagen, weil Bekker des verfs nunc et postea nicht finden konnte, das jeder im texte vergeb- lich sucht ? Nichts desto weniger wird äfivveiv, die Überliefe- rung, das richtige sein. Die futura ju^ tcoXs^/jgsiv rq> (if]8s ^v^ßfiGsa&ai ävev xoivrjg yvoopqs sind von der zukunft in alle weite gesagt ; aftvrsiv aber hat durch iv rw naoazvyovii täj deofiitcp seinen bestimmten bezug ; es ist natürlich nicht wirkli- che gegenwart, aber es wird durch diesen beisatz für die Vor- stellung vergegenwärtigt. Das ist beim Thukydides, meine ich, ein gesetz, dem man viel begegnen wird; man vgl. etwa 8, 31, 23; e, 16, 1; e, 22, 27; f, 28, 31 5 £, 34, 4 u. a. m. So wäre z. b. an der letzten stelle xuv ccpsig iv novo* sivai aller grund für ein futur , wie man schon aus dem vorausgehenden 81 tÜ8s TTQotjCopzai sieht ; aber gerade in diesem beisatz gewinnt die Vorstellung eine anlehnung und wird dadurch zur bezügli- chen gegenwart. Nachdem der vf. auf derselben seite 16 für die Zeitwörter des schwörens mit dem futur noch zwei stel- len angeführt hat: IV, 75; VI, 73 (sollte heissen: IV, 74, 3; VI, 72, 6), spricht er von den verbis paciscendi. Er belehrt uns darüber wiederum auf seine weise : ubi infinitivus futuri sequitur, ibi maiore pondere esse notionem promittendi putandum est. Multo maior vero est copia locorum , in quibus talia verba cum infinitivo praesentis vel aoristi coniunguntur, ut indicetur, quid faciendum pa- ctio statuerit. Also wie oben jenes magis, so hier wieder ma- iore pondere, als wenn sich darnach etwas bestimmen Hesse. Und von dem unterschiede, ob präsens nach diesen Zeitwörtern oder aorist, ist mit keiner silbe die rede. 8, 69 steht nach ^vrtßrjGav z. 8 aTiolv&r^ai^ und sogleich z. 9 xq^cQui; 8, 66

558 333. Thukydides. Nr. 11.

z. 27: eXsTv und z. 32: tzsiQcio&ai. Hat denn dieser Wechsel keine bedeutung ? Für den vf. existirt diese frage allerdings nicht, weil er die zeiten von zu supplirenden begriffen abhängig sein lässt, und dabei um den eigentlichen werth der zeiten sich nicht bekümmert. Und doch ist klar, und ich meine auch hin- reichend schon von andern erwiesen, dass es eben auf die be- sondere bedeutung der zeiten allein ankommt. 8} 118, 9 zw. steht futur ififtEveiv nur darum, weil von einer dauer in der zukunft die rede ist; 8, 66, 32; 8, 69, 9 das präsens, weil es sich um eine fortgehende gegenwart handelt, aber an diesen stellen z. 27 und z. 8 der aorist, weil diese handlungen der gegenwart in bestimmten momenten sich abschliessen. Ebenso- wenig wie den zeiten, ist es bei dieser gelegenheit dem vf. ge- lungen, den verschiedenen constructionen ihr recht werden zu lassen , die sich beim Thukydides mit diesen Zeitwörtern ver- bunden finden. Er sagt darüber p. 18 bloss : superest ut non- nullos locos addam, in quibus ooars adiectum est, quo infinitivi sen- tentia laxiore sane vinculo adiuncta magis libera , ut ita dicam, reddatur. Und hernach ist noch von folgendem e<p' m (nicht igj' wts, wie er hat, denn a, 103, 22 gehört das re zum fol- genden nat) die rede. Also auch hier wieder sein beliebtes magis; und nun gar was soll man sich dabei denken: infinitivi sententia magis libera redditur f Damit kann der vf. doch nicht geglaubt haben , eine regel zu geben, die den Sprachgebrauch des Schriftstellers bestimmt. Und doch ist dieser hier ersicht- lich genug. So hat Thukydides den infinitiv xqcctsiv gesetzt in der letzten stelle, die der vf. angiebt, VIII, 55 (er meint aber VIII, 52, 20), weil er den inhalt des Vertrages zu bezeich- nen hatte, wtfze setzt er, wenn er die bedingungen, und zwar die augenblicklich erfüllbaren angeben will , unter denen der vertrag zu stände kommt ; eqp' « dagegen (ausser den beiden stellen, die der vf. angiebt: a, 103, 22 und a, 113, 18 noch sonst: a, 126, 20 zw.; 8, 30, 7), wenn die bedingungen nicht sogleich, sondern erst im laufe der zeit ganz zu erfüllen sind, daher an allen diesen stellen mit dem indicat. futuri; z. b. : «, 103, 22: ol ö' iv 'I&cofxy ^vvißrjaav nqbg ioi>g sictxsdai- fioviovg iq>' w ze i^laaiv (futur) in Ilslonovitjoov vnöanovSoi xat nySmoTB iniß^aovzai avtijg; also: unter der bedingung, dass sie das in zukunft thun wollen; «, 113, 18: xal t/}^ Bouariav

Nr. 11. 333. Thukydides.

i^sXinov 'A&Tjvalot näauv, anordäg notr]Gdiisvoi> itf m zovg av- dgag aofitovvzai ; man lernt also aus dieser ausdrucksweise zu- gleich dass die Athener erst, nachdem sie das ganze Böotien verlassen haben, die gefangenen ausgeliefert erhalten sollen. Nur eine stelle giebt es noch mit folgendem optat. praesentis und av : e, 41, 17: ol nosaßeig Xöyovg inoiovvzo Ttgbg zovg j[axe8ai{iovCovg iqü a av ocpCai ai otzovSuI yCyvoivzo , und zwar nothwendig so, weil nicht von einer dauernden handlung in der zukunft, sondern von gegenwart die rede ist. Ueber das part. aoristi, das nach diesen Zeitwörtern paciscendi folgt , macht der vf. sodann die bemerkung : quod (participium) vim suam retinet, ita ut scriptor significare velit, foedus tum demum factum esse, postqiiam conditio nibus , guas constructio participialis continet, esset satisfactum. Er sagt freilich wieder nach seiner weise : ut scri- ptor significare velit, doch ist das die absieht des Thukydides gewiss nicht gewesen. Aber hier wollen wir mit dem vf. nicht rechten , weil die Sache bisher noch nicht erledigt ist. Doch musste er sich sagen, dass nach de r auffassung, die er bei die- sen stellen («, 101, 28—32; «, 108, 27—30; «, 115, 4; a} 117, 25 27) hat, sonst in der weit vertrage in der regel nicht abgeschlossen werden. Eine belagerte stadt, die sich er- geben hat, wird nicht hungernd so lange eingeschlossen gehal- ten, bis alle bedingungen thatsächlich erfüllt sind. Die worte scheinen das freilich zu sagen, aber es ist unrichtig, was der vf . sagt : partieipium aoristi vim suam retinet. Nehmen wir die erste stelle: Odoioi de zgiz<p ezei aoXtogxovftsvoi cbfAoXoyqaav 'A&qiaioig t£r/_6g ze xa&sXövzsg xal vavg jzagadovzeg xzX. Wie das zu verstehen ist, zeigt die vergleichung z. b. mit s, 77, 16 : xuzzdös doxsi ra iuxl^aia zäsv ^daxeöaipovicov ^VfißaXsa&ai Tvozzdog Agysicog , anodidovzag za>g naidag zoig ' Ogiofxevioig xzX, Hier ist alles in selbstverständlicher Ordnung; ^vfißaXe'a&ai ist der aorist des bezuges zum praesens öoxsi, und das ganze 8c xei ^v/xßaXsa&ai ist praesensbegriff, dem sich ein partic. prae- sentis als die zu erfüllende bedingung anschliesst. Statt dieses präsens doxsl ist in «, 101 ein aorist: cä[xoX6yt]aav, wie an je- nen andern stellen gleichfalls, und diesem aorist sind nun auch die aoristpartieipia gefolgt, y.a&eXovzeg, nagadovzsg, zum erweis also, dass wir hier nur einen formellen aorist haben, qui vim suam non retinet. Zum beweis, dass der vf. sich auch sonst

560 333. Thukydides. Nr. 11.

gleich bleibt, nur noch ein wort über die dann folgenden verba sperandi. Pag. 20 spricht er von einem praesens nach iXni- £ew. Huc pertinent, heisst es, duo loci, ubi infinitivi praesentis et aoristi bene coniuncti occurrunt : IV, 21 (was aber IV, 24, 26 sein soll): zo ' Pr\ytov rjXm£ov %ziQK*GaG&ai xal ?]8i] aqsäv laxvQoi, za ngayiiaza yiyvea&ai, und £, 87, 11: 8ia zo izoCftqp vnelvai ilnCöa zw [xev atrizv^siv zw de si ?j^o[xev [irj adeeig tfvai tuvdvvsvsiv. Warum die verschiedenen zeiten ? Natürlich wird er wieder irgend einen andern begriff unterzuschieben wis- sen. Aber auch hier ist für das präsens der bezug da, wovon wir oben gesprochen haben, das eine mal in ij8r], das andere mal in sl föopev. In dem dann folgenden IV, 13 , 21 : IXni- £ovzsg zo zsT%og vxpog fiev s%eiv , anoßäaecag de fidXiaza ovaijg eXelv, spricht er es wieder aus, dass er die notio putandi bereit hat und deswegen Ullrichs conjectur 'iypv entbehren kann. Aber hier müsste es doch nicht die notio putandi, sondern videndi lei- der cum participio sein, und dann von alle dem, was Ullrich und Classen gegen eftsiv gesagt haben, wieder keine silbe. Dagegen lässt er sich über das nagi%uv ß, 84, 27 nach vorausgegange- nem [iEveiv und <~v[ifi£G8ia&ai eines weiteren aus : navigia mi- nora in medium circulum recepta iamiam impedimento erant ne- que ideo oportebat praesentis infinitivum in dubium vocari, ut ab interpretibus factum est. Aber dass die nXola in der mitte schon jetzt hinderlich waren, ist nirgends zu lesen. Der satz mit jjlni^e ist eingefügt, wo von einer Verwirrung der peloponuesi- schen flotte noch nichts bemerkt ist. So hatte der vf. also auch keinen grund, das besser bezeugte nagexuv dem nagi&iv vor- zuziehen. Doch aber ist nage%eiv ohne zweifei das richtige. Denn auch hier lehnt sich der satz aal nXoia zaga%tjp nag- 8%sip an den vorhergehenden an und der sinn ist dieser: die kriegsschiffe würden immer enger zusammengetrieben gegen ein- ander stossen, in welchem falle auch die nXoia hinderlich Wcä- ren. Dass so der Vorgang erzählt werden sollte , zeigen die folgenden zeilen 32 34, aus denen gerade erhellt, dass die nXola erst jetzt das ihrige zu der Verwirrung beitragen. Es ist also hier ganz dasselbe gesetz, das wir schon oben berührten, dieses praesens des bezuges, das auch sogleich wieder in der beim vf. folgenden stelle ö, 9, 14 nach iXnC&vzeg bei ixeitoig zs ßia-

Nr. 11. 334. Horatiua. 561

Zopsvoig ztjv aaoßaaiv und in ähnlicher weise gar nicht selten auftritt.

Doch es mag genug sein. Leider können wir nicht sagen, dass wir in der ganzen schrift einem gesunden klar ausgeführ- ten gedanken begegnet sind. Ersichtlich fehlt es dem vf. nicht an fleiss, auch gewiss nicht an frische und lebendigkeit des gei- stes, aber doch will uns scheinen, an der einen eigenschaft, de- ren mangel um alle frucht bringt, an methode.

334. Ueber horazische lyrik. Eine Vorschule zur kennt- niss des dichters von A. Bischoff. Erstes heft. Mit zwei beilagen. 1) Bemerkungen über einige kritische fragen. 2) Interpolationen in deutschen dichtem. 8. Schaffhausen. Fr. Hurtersche buchhandlung. 1872. VI und 107 s. 15 gr. Die schrift kündet sich als ein „probestück" an , bei dem man nicht sowohl auf die „resultate als auf plan und methode" sehen soll. Aber darf man für ein breites analysiren eines gedichtes zum zweck des nachweises seines gedankenganges den anspruch auf „methode" erheben? Oder ist das etwa me- thode, wenn „das analysiren als eine aufgäbe für sich selbst" hingestellt wird, „die etwas schwieriger ist, als das beliebte kritisiren und disputiren, z. b. ob III, 5, 37 inscius zu lesen oder anxius oder aptius oder dgl." Die äusserst saloppe be- handlung der grammatik und kritik, wie man sie nach diesem erguss nicht anders erwarten kann, wird durch ein gewisses poetisches verständniss nicht aufgewogen. So wird über dona- rem IV, 8 gesagt : wenn auch schon das imperfect donarem an- deutet, dass aus dem wünsch wenig werden wird und das di- vite me noch mehr die illusion zerstört, so ist doch erst mit sed non haec mihi vis das entscheidende wort gesprochen , ge- radeso wie wir, wenn jemand uns sagt: ich würde immer noch leise hoffen, bis erst die entscheidung kommt durch ein „wenn" oder „wenn nicht" oder „aber". Man sieht, zu wel- chen verirrungen die Vernachlässigung der grammatik führt! Als probe der kritik genüge die bemerkung zu I, 1 : „wenn es v. 30 heisst dis miscent superis, dann v. 32 secernunt populo , so ist dieses ein abfallen, ein sinken des tones , welches unange- nehm auffällt. Sollten nicht beide ausdrücke zu versetzen sein, also v. 30 secernunt populo, v. 32 dis miscent superis ? So Pbilol. Anz. IV. 36

562 335. Römische geschickte. Nr. 11.

wird, man sehe selbst alles gut harmoniren". Ein ei- gentümliches verkennen des Horaz ist es, wenn zu II, 20 bemerkt wird : „der dichter spricht in weichem , wehmüthigem ton pauperum sanguis parentum" , wo vielmehr sich das hohe selbstbewusstsein des dichters grade so deutlich ausspricht wie in dem libertino patre natum Sat. I, 6, 6, oder wenn Horaz eine „träumerische" natur genannt wird. Das beste in der schrift sind die beobachtungen über den sprachlichen und poetischen ausdruck, die zwar noch gar sehr der schärfe und Vollständig- keit ermangeln, aber manche treffende bemerkung enthalten und ein gewisses Stilgefühl zeigen. Auf diesem wege wird der vf. mehr als durch allgemeines raisonnement zum verständniss des Horaz beitragen.

Th. Fritzsche.

335. Roesner, rerum Praenestinarum pars HI. Programm von Patschkau. 1871.

In diesem programm, welches eine fortsetzung der Glatzer programme von 1861 und 1867 gibt, bespricht der Verfasser nach einer anschaulichen beschreibung der pränestinischen gebirgs- züge die flüsschen des gebietes. Den bei Strabo 5, 3, 11 ge- nannten Ovigtotg finden manche im Osa wieder, andere im Rio maggiore, andere im Acqua salsa, noch andere im Acqua rossa; doch weil keiner der genannten fiüsse durch das gebiet von Prä- neste fliesst, sondern höchstens einer und der andere dort ent- springt, Strabo aber ausdrücklich von einem derartigen flusse spricht, so behauptet Roesner, es handle sich gar nicht um ei- nen nebenfluss des Anio, sondern um den nach süden fliessen- den Fosso di Palestrina. Dann spricht Roesner von der vulka- nischen natur des bodens, von der fruchtbarkeit und gesunden luft, von den villen der Römer bei Präneste, vom baumwuchse der ebene und berge, von den pränestinischen nüssen, von den parkanlagen, von den durch färbe und duft berühmten rosen, von den produkten : rosenöl, wein, olivenöl , zwiebeln. Die berge lieferten eine reiche jagd, die Steinbrüche herrlichen mar- mor zum villenbau, auch wurde in der nahe der Stadt prächtige töpfererde gefunden. Die stellen der alten autoren, aus de- nen einzelne züge zur Schilderung sich schöpfen lassen , sind

Nr. 11. 336. Komische alterthümer. 563

sorgfältig zusammengetragen, ebenso sind die neueren topogra- phien zu rathe gezogen; die darstelluüg ist gefällig.

Während cap. 1 de natura agri Praenestini betitelt war, handelt cap. 2 de via Praenestina; der punkt, wo die vom fo- rum aus führende Strasse die Stadtmauer Roms durchbrach, wird genau erörtert. Dass die Strasse ihre eigenen curatores hatte, wird aus einer inschrift bei Ceccon. p. 13 not. 5 gefolgert. Die entfernung Präueste's von Rom wird nach dem Itinerarium Antonini und der Tabula Peutingeriana auf 23 meilen angegeben; die an der Strasse liegendeu deversoria werden genau aufge- zählt. — Ein sauber ausgeführtes kärtchen erhöht den werth der abhandlung.

C. Härtung.

336. Die entwickelung der römischen heeresorganisation und der stand der armee unter dem ersten kaiser. Von Dr H. Ba bücke. Mit einer lithographischen tafel. 8. Aurich, Fischer. 40 s. 7x/2 sgr.

Ohne den anspruch zu machen etwas erhebliches neues zu bieten, lässt der Verfasser einen Vortrag zum abdruck bringen, den er in Marienwerder im literarischen verein gehalten hat. Dass er die quellen, aus denen er geschöpft hat, blos in der vorrede erwähnt , daraus wird niemand bei einer solchen arbeit dem Verfasser einen Vorwurf machen. Das urtheil freilich über die richtigkeit einiger behauptungen wird dem philologischen le- ser dadurch erschwert, dass nur wenige citate anhangsweise bei- gegeben sind. Dass der Verfasser bei der Schilderung der ent- Wicklung der römischen heeresorganisation bei Augustus stehen geblieben ist und nicht auch die zeit der spätem kaiser bespro- chen hat, hat wohl mit darin seinen grund, dass er die absieht hat eine parallele zu ziehen zwischen der entwicklung des rö- mischen und der des modernen , insbesondere des deutschen, resp. preussischen kriegswesens, sich diese aber, wie er p. 2 sagt, nicht weiter ziehen lässt. Man kann nicht leugnen, dass der vf. durch diese parallele dem nichtphilologen das verständ- niss des alten kriegswesens erleichtert. Und für solche leser ist das schriftchen im wesentlichen berechnet. Für den philologen hat es insofern interesse, als es die heeresverfassung des Augustus genauer darzustellen sucht. Diesem grösseren theile geht vorher

36*

564 336. Römische alterthümer. Nr. 11.

eine darstellung des heerwesens unter Romulus und Schilderung der reformen des Servius Tullius , Camillus , Marius. Die dar- stellung ist im ganzen richtig und hebt das wesentliche hervor; dass so manches, was behauptet wird, noch streitig ist, wird der Verfasser selbst am besten wissen. Nur auf einiges wollen wir eingehn.

Die beschreibung des heerwesens unter Romulus ist ein gewagtes ding, da ja erst spätere historiker spätere einrichtun- gen auf die frühere zeit übertragen haben, und was auf solchen fictionen basierend der verf. über die alten Römer und alten Deutschen sagt, ist unberechtigt.

Wenn es p. 4 heisst: „zum kriegsdienst im fussvolk berech- tigt und verpflichtet waren nur diese fünf klassen, die dar- unter stehende masse der Proletarier wurde nur in fällen der noth herangezogen*', so mag das für die älteste zeit nach Ser- vius wohl richtig sein, wenn vf. aber dann, wohl nach Livius I, 43 angiebt, dass solche leute, die noch herangezogen wurden, „mindestens noch 11000 as = ca 800 rthlr. im besitz hatten", so muss ich doch auf Polyb. VI, 19 verweisen, wonach alle herangezogen werden nl-qv tcäv vnb rag tETQaxoGiag öoa%/jag xsxz-qfisvmv. Die „accensi velati (p. 5) = montiert assentierte" kenne ich nicht.— P. 14 ist gut hervorgehoben, dass seit Marius die legion nur noch ein Infanterieregiment ist , welchem nach bedürfniss die reiterei und leichte truppen zugetheilt werden, aber nicht mehr, wie früher, organisch angehörten. Denn noch immer begegnet man der annähme von legionsreiterei, eine an- nähme, die wir hoffentlich bald an andrer stelle vollständig wi- derlegen werden.

Ueber die feldzeichen drückt sich der verf. p. 15, sich an Becker- Marquardt anschliessend, nicht ganz entschieden aus. Er berichtet, dass die cohorte, die die tactische einheit bildete, ohne eignes feldzeichen blieb, wobei natürlich nicht ausgeschlos- sen ist, dass irgend eine der manipelfahnen , vielleicht die des ersten manipels, durch besondere abzeichen zugleich zum ge- meinsamen feldzeichen der cohorte gemacht wurde. Vegetius U, 13 behauptet jede cohorte habe einen draconarius , aber die antiqui, fährt er fort und dies kann sich wegen der erwäh- nung der cohorteneintheilung nur auf die zeit nach Marius be- ziehen — haben die cohorten in centurien getheilt und jede

Nr. 11. 336. Römische alterthümer. 565

centurie hatte ein vexülurn; dieser ausspruch ist nur theilweise für unsere frage von bedeutung, weil Vegetius den unterschied zwischen centurie und manipel gar nicht kennt, s. II, 14 anf. Lange, bist, mutat. p. 23, ist der ansieht, dass weder cohorten noch centurien, sondern bloss die manipeln feldzeichen gehabt haben, hat diese behauptung aber nicht zur evidenz erweisen können. Jedenfalls hat Rüstow unrecht, der, s. Cäsars heerwe- 6en p. 15, behauptet, dass nur die cohorten feldzeichen gehabt haben. Für ihn spricht allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass die taktische einheit, nicht aber die unterabtheiluugen, die fahne gehabt hat, aber was er sonst beibringt, ist nicht stichhaltig und er selbst gesteht die schwäche seiner behauptung ein , indem er einräumt, dass sich mit ihr die grosse menge der verlorenen feldzeichen nicht vereinigen lässt. Im treffen von Dyrrhachium verliert Caesar, der mit 33 cohorten kämpft, 32 feldzeichen. Al- lerdings hatte er auch reiter, bei denen nach Vegetius II, 14 auf 32 ein vexülurn kommt. Es fielen aber im treffen auf sei- ner seite 960 (legions)soldaten. Gesetzt nun auch, dass von den 32 feldzeichen der vierte theil den reitern gehört hatte, so blieben 24 cohortenzeichen. Von 33 cohorten also, die eine ungefähre stärke von 10,000 mann darstellen, sollen, während noch nicht der zehnte theil fällt, drei viertel ihre fahnen verlo- ren haben. Solcher feigheit wird doch niemand Caesars Solda- ten zeihen. Noch mehr widerspricht Rüstows ansieht Caes. b. civ. III, 99, wo 15000 Soldaten fallen und 180 feldzeichen in feindliche hände gerathen. Wenn wir in betracht ziehn 1) dass es nach dem eben vorgebrachten unmöglich ist, dass nur die -cohorten fahnen gehabt haben; dass 2) aus Caesar, bell. gall. II, 25, wie Rüstow richtig erwähnt, hervorgeht, dass ein fahnenträger als cohortenfähndrich angesehen wird ; 3) aus Varro LL. V, 88 manipulos, exercitus minimas manus, quae unum sequuntur signum, folgt, dass die centurien keine besondern feld- zeichen gehabt haben; dass 4) keine besondern Offiziere und keine besondern beamten für die cohorte existieren, sondern die ersten der cohorte nur als primi inter pares gelten; besondere cohortenfahnenträger aber eine übergeordnete Stellung haben müssten über die einzelnen manipeln so folgt: dass es keine besondere zeichen für die cohorte gab, der übrigen Organisation entsprechend aber der fahnenträger der ersten

566 336. Römische alterthümer. Nr. 11.

manipel zugleich als fähndrich der cohorte galt, wie der pi- lus prior einer cohorte zugleich als anführer der ganzen co- horte angesehen wurde. Die von Babucke erwähnte vermu- thung Becker-Marquardts ist demnach als zutreffend zu bezeich- nen, natürlich nur für die periode Marius-Augustus. Eine erwähnung der antesignani vermisse ich.

Der vergleich p. 16 der römischen Söldnerheere mit den deutschen im dreissigjährigen kriege ist unrichtig. Denn wäh- rend im mittelalter durchaus keine dienstpflicht mehr existirte, wurde sie zu Caesars zeit wenigstens nicht als aufgehoben angesehn, s. Caes. b. c. III, 102 erat edictum Pompei nomine Amphipoli propositum, uti omnes eins provinciae iuniores, Graeci civesque Romani, iurandi causa convenirent. Da aber nicht alle dienstfähigen jedes Jahrgangs gebraucht wurden, so gestal- tete es sich thatsächlich so, dass , weil genug junge leute des gewinnes halber gern dienten, eine grosse anzahl, welche keine lust dazu hatten, besonders gegen Zahlung von geldsummen, cf. bell. Alex. 56, des kriegsdienstes ledig wurden. Ob der unterschied zwischen tribuni maiores, die vom kaiser ernannt werden, und minores, die sich emporgearbeitet haben aus nie- derer Stellung (p. 23), sich schon auf die zeit des Augustus be- zieht, ist aus Veget. II, 17 nicht ersichtlich. Dass jede legion unter Augustus (p. 31) ein vexillum veter anorum von un- gefähr 500 mann gehabt habe, lässt sich wohl kaum erweisen. So Hesse sich wohl noch manches erwähnen, was etwas kühn entschieden worden ist. Die beigegebene tafel mit abbildungen von legionssoldaten verschiedener grade nach der Trajanssäule ist dankenswerth, ob aber freilich das pilum, das sich bekanntlich auf jener säule nicht mehr findet, richtig an- gegeben ist, dürfte noch zweifelhaft sein. Jedenfalls giebt das büchlein , das nicht die absieht hat, die Wissenschaft wesentlich zu fördern, sondern seinen gegenständ in weitern kreisen bekannt zu machen, in fliessender spräche eine anspre- chende Übersicht über die römischen heeresformen und ist de- nen, die sich ohne gründlichere Vertiefung mit diesen Verhält- nissen bekannt machen wollen, als lesenswerth zu empfehlen.

Mg.

Nr. 11. 337. Geschichte der philologie. 567

337. August Böckh's gesammelte kleine Schriften. Sechs- ter band. Akademische abhandlungen nebst einem anhange. 8. Leipzig. Druck und verlag von B. G. Teubner. 1872. Auch u. d. titel: August Böckh's academische abhandlun- gen vorgetragen in den jähren 1836 1858 in der academie der Wissenschaften zu Berlin. Nebst einem anhange epigraphi- sche abhandlungen aus Zeitschriften enthaltend , herausgegeben von Ernst Bratuscheck und Paul Eichholtz. 8. Leip- zig. Druck und verlag von B. G. Teubner. 1872. VIII und 469 ss. nebst XIV tafeln. -— 2 thlr.

Für die rasche förderung dieser Sammlung (s. Philol. Anz. III, nr. 11, p. 551) kann man herausgebern wie Verleger nur dankbar sein, da sie die bürgschaft giebt, dass die Sammlung vollständig und zu ende geführt werde. Auch, ist das wieder- erscheinen dieser in dem vorliegenden bände enthaltenen ab- handlungen um so erwünschter, als sie zumeist zu der staats- haushaltung der Athener und dem Corpus inscriptionum graeca- rum, diesen grossen leistungen Böckh's, im engsten zusammen« hange stehen. Es sind folgende:

Aus den abhandlungen (A) und monatsberichten (M) der academie der Wissenschaften zu Berlin : I. Ueber die von herrn Prokesch in Thera entdeckten inschriften. A. 1836. (Hierzu tafel I. II) p. 1 ; II. Ueber die kenntnisse der alten von der verschiedenen schwere des wassers. M. 1839, p. 67; III. Ue- ber zwei attische rechnungsurkunden. A. 1846. (Hierzu taf. III. IV. V. VI.) , p. 73 ; IV. Bemerkungen über einige theile der tributlisten der Athene. M. 1852. (Hierzu taf. VII), p. 139; V. Inschriften von Gerasa. M. 1853. (Hierzu taf. VIIL), p. 153; VI. Athenische Volksbeschlüsse über die aussendung einer colonie nach Brea. M. 1853. (Hierzu taf. IX.), p. 167; VH. Hermias von Atarneus und bündniss desselben mit den Ery- thräern. A. 1853. (Hierzu taf. X.), p. 185-, VIIL Ueber eine attische rechnungsurkunde. M. 1853. (Hierzu taf. XL), p. 211; IX. Das babylonische längenmaass an sich und im verhältniss zu den andern vorzüglichsten maassen und gewichten des alter- thums. M. 1854, p. 252 ; X. Bergsche inschriften von Olym- pos. M. 1854, p. 293; XL Ueber Cato: Carmen de moribus. M. 1854, p. 296; XH. Ueber einige im besitz des herzogs von Luynes befindliche griechische inschriften. M. 1854. (Hierzu tafel XII), p. 321; XIII. Zur geschichte der mondcyclen der Hellenen. M. 1855, p. 329; XIV. Ueber eine inschrift von Aegosthena. M. 1857. (Hierzu tafel XIIL), p. 363; X. Eine bemerkung über den zodiacalen kalender des astronomen Dio

568 338—346. Neue auflagen. Nr. 11.

nysius. M. 1858, p. 374. Anhang. Epigraphische ab- handlungen aus Zeitschriften: XVI. Eine inschrift von Kalau- rea und eine Peyssonersche inschrift von Athen, 1829, p. 385; XVH. Inscriptiones Teniae. 1832, p. 403; XVIH. De frag- mento inscriptiouis atticao, quo acta et fasti quaestorum Mi- nervae emendantur et supplentur. 1835. (Hierzu tafel XIV.), p. 407 ; XIX. Bemerkungen zu einigen Rossischen inschriften von Athen, 1835, p. 430; XX. Ueber eine griechische inschrift am boden einer volcentischen vase, 1846, p. 449 : XXI. Be- merkungen über einen athenischen obolus, 1847, p. 452; XXII. Bosporenische inschriften. 1847, p. 458 ; XXIII. Bemer- kungen zu dem denkmal der Phrasikleia, 1850, p. 467. Berichtigungen und nachtrage, p. 469.

Von diesen abhandlungen sind I IX, XIII, XV von Bra- tuscheck, die übrigen von Eichholtz redigirt und zwar äusserst sorgsam; den anhang hat professor Kirchhoff einer genaueren durchsieht unterzogen: ihnen allen werden für diese mühwal- tung die fachgenossen den aufrichtigsten dank gern zollen.

E. v. L.

NEUE AUFLAGEN. 338. Sophokles erklärt von F. W. Schneidewin. 2. bdehn. 6. aufl. von A. Nauck. 8. Ber- lin. Weidmann; 12 ngr. 339. Euripides ausgewählte tra- gödien. Erklärt von F. Gr. Schöne. 2. bdeh. 3. aufl. 8. Von H. Köchly. 8. Berlin. Weidmann; 15 ngr. 340. Horaz' sämmtliche werke. Text nebst metrischer Übersetzung ausgewählt von Tb. Obbarius. 3. ausg. 1. thl. 16. Pa- derborn. Schöning; 15 ngr. 341. C. Iulii Caesaris com- mentarii cum supplementis A. Hirtii et aliorum. Ex rec. C. Nipperdeii. Ed. 3. gr. 8. Lips. Breitk. et Haertel; 10 ngr. 342. Caesaris commentarii de bello civili. Erklärt von F. Kr an er. 5. aufl. von F. Hof mann. 8. Berlin. Weidmann; 22*/2 ngr. 343. Ciceronis Tusculanarum dis- putationum ad M. Brutum 11. V. Erklärt von Gr. Tischer. 6. aufl. von Gr. Sorow. 8. Berlin. Weidmann ; 22x/2 gr. 344. Ciceros ausgewählte reden. Erklärt von K. Halm. 7. bdeh. 2. aufl. 8. Berl. Weidmann; 10 ngr. 345. K. Bottich er, die tektonik der Hellenen. 2. aufl. 2. lief, hoch 4. Mit atlas gr. fol. Berlin, Ernst u. Korn; 3 thlr. 10 gr. 346. Forcellini, totius latinitatis lexicon . . cura V. de Vit. 4. Leipzig. Brockhaus; dist. 46. 25 ngr.

NEUE SCHULBUECHER. 347. Freund' s schülerbiblio- thek. 1. abth. cett. Präparationen zu Horaz werken. 13. lief. 16. Leipzig* Violet; 5 ngr. ~ 348. Freund's schü-

Nr. 11. Neue Schulbücher. 347—350. Bibliographie. 569

lerbibliothek. 1. abth. Präparation zu Livius römischer ge- schickte. 2. heft. 3. aufl. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr. 349. W. Eibbeck, homerische formenlehre. 8. Berlin. Cal- vary ; 15 ngr. 350. L. Englmann, Übungsbuch zum über- setzen aus dem deutschen ins lateinische. 1. thl. 8. Formen- lehre. 9. aufl. München. Lindauer; 16 ngr.

BIBLIOGRAPHIE. Von Eobert Cowtan, einem der ältesten beamten des britischen museum , sind Memories of the British Museum erschienen, die über gedruckte bücher oft sehr interessante notizen geben: so über die Mazarin - bibel und an- dre biblen, über die Verbreitung des Eobinson Crusoe u. s. w.: einiges darüber giebt das Börsenbl. n. 218.

Mittheilungen der Verlagsbuchhandlung B. G. Teubner in Leipzig, no. 4-, abtheilung 1 : Notizen über künftig erschei- nende bücher: KXavdiov raXrjvov tzsqi iwv xa#' 'Innoagätr^v y.ai nidrcova doyudrcov ßißXia svvsa. Cl. Galeni de Hippocratis et Piatonis placitis 11. IX. JRecensuit, latine reddidit, commentariis instruxit Iw. Mu eil er. Vol. I. Prolegomena critica et textum cum apparatu critico et interpr. latina continens. gr. 8: ein gewiss sehr zeitgemässes unternehmen: vrgl. ob. nr. 3, p. 119; ferner: Euripidis Medea, edidit Pud. Prinz, gr. 8, soll eine kritische, als grundlage bei academischen Vorlesungen dienende ausgäbe werden: ausser einem auf neuen collationen beruhenden kriti- schen apparat sollen auch die scholien verbessert erscheinen, was besonders erwünscht ist; grade die bessere scholienliteratur ist noch viel zu wenig zugänglich ; Nonii Marcelli de compen- diosa doctrina liber. Emendavit et annotavit Luc. Müller: die von L. Müller selbst geschriebene anzeige enthält eine scharfe kritik der ausgäbe Quicherat's, eine sehr leichte aufgäbe; wir wollen hoffen, dass die ungründlichkeit des Franzosen den deut- schen herausgeber zur gründlichkeit bringe, welche die letzten arbeiten Müller's, z. b. Eutilius Namatianus und die elegiker, sehr vermissen liessen ; D. Iunii luvenalis Satirarum 11. V er- klärt von A. Weidner: ein commentar mit deutschen noten ist für studirende der philologie kein bedürfniss; auch fürch- ten wir nach dem plane für den commentar eine aus des vrfs ausgäbe von Vergils Aeneis bekannte unerquickliche breite ; end- lich: Etymologisches Wörterbuch der lateinischen spräche von Alois Vanieck. Die abtheilung IT verzeichnet erschienene bü- cher , ein recensions - Verzeichnis und eins der photographischen philologenportraits.

Im september 1872 versendete die G. Basse' sehe buchhand- lung in Quedlinburg einen catalog, dessen erste abtheilung an- zeigt: bibliothek der gesammten deutschen national- literatur von der ältesten bis auf die neuere zeit; ferner philologi'

570 Kleine philologische zeitung. Nr. 11.

sehe literatur, den verlag der buchhandlung ; einen scbul-katalog für höhere und mittlere lehranstalten Ferdinand Hirt in Breslau, neue bearbeitung; ferner Dietrich Reimer in Ber- lin ein verzeichniss empfehlenswerther kartenwerke; schulcata- log der verlagshandlung G. B. Teubner in Leipzig; ausge- wählte werke aus dem verlag der Weid mann sehen buch- handlung in Berlin.

Ferner erschienen: Von haus zu haus, literarische mit- theilnngen der Verlagsbuchhandlung Otto Spamer in Leip- zig : enthält dem plane nach nur wenig philologisches.

Am 1. october ist ausgegeben nr. 1 des ersten Jahrgangs einer monatsschrift : „der literatur freund, ein führer für bücherliebhaber und buchhändler. Herausgegeben von Edmund Höfer. 8. Stuttgart. A. Kröne; halbjählich 10 ngr. In der nr. 1 ist von philologie nicht die rede.

Cataloge der antiguare: verzeichniss XIX des antiquarischen bücherlagers von F. Dörling in Hamburg; antiquarischer anzeiger nr. 98 von Fr. Hanke in Zürich: antiquarisches bü- cherlager von Kirchhoff und Wigand in Leipzig, cat. nr. 358, dieses sehr wichtig für philologen; verzeichniss nr. 155. 156 des antiquarischen bücherlagers der Otto' sehen buchhand- lung in Erfurt: philologie namentlich und pädagogik.

Bücherauction in Leipzig, 25. november : verzeichniss der hinterlassenen bibliothek des geh. medicinalrath Suitin ger in Posen : enthält vorzugsweise polnische Sachen : grosse bücher- auction am 4. nov. in Wien, der bibliothek des Dr Heinrich Schiel.

KLEINE PHILOLOGISCHE ZEITUNG. 351. Pseudo- Plutarchos JJEPI AZKH1E8.2 bearbeitet von J. Gildemei- ster u. F. Bücheier. (Separatabdruck aus dem Rh. Mus. N. F.bd. XXVH, p. 520 ff. Bonn. 1872. C.Georgi). Die schrift negl dax/jasooi,' findet sich in einem manuscript des VIH oder IX saec. mit anderen in's syrische übersetzten griechischen Schriften, in dem auch eine im Rh. M. ibid. p. 438 mitgetheilte rede des The- mistios steht. Zunächst giebt Gildemeister einen kurzen nach- weis dessen, was von Plutarch in den Orient gelangt ist; dann giebt er eine probe von der art der syrischen Übersetzung aus de cohibenda ira cap. VI und IX; Gildemeister macht darauf aufmerksam , dass namentlich mit eigennamen , als seinen sy- rischen landsleuten wenig geläufigen namen, der Übersetzer schlecht umgegangen ist. Und in der that ergiebt dies ein vergleich mit dem griechischen original. Plutarch spricht im anfange des capitels von den Lakoniern, der syrische Übersetzer lässt sie weg; der arzt Hippokrates ist übergangen, obgleich sein urtheil, aber allgemeiner gefasst, gegeben ist; ein weiser ist gesagt statt des redners C. Gracchus, die verse aus Aesch y-

Nr. 11. Kleine philologische zeitung. 571

lus Proraeth. 574. 75 fehlen ganz; was von der Athene er- zählt wird, geschah irgend einem ungenannten flötenspieler •, im cap. IX ist der könig Antigonus zum könige Autiochus gewor- den u. s. w. Bei solcher Übersetzung kann man doch nur noch von Überarbeitung und Umarbeitung sprechen. Bücheier giebt nun zunächst den inhalt der schrift Tteni uGxr'jaswg kurz an, der eingang derselben fehlt; zeigt, dass sie, wie auch unter der schrift steht, eine rede und zwar an römische Jünglinge ge- wesen sei; auch giebt die Überschrift an, dass ein philosoph sie geschrieben habe; allein die flüchtige kürze der gedanken, das haschen nach interessantem und unterhaltendem zeigt einen oberflächlichen Sophisten als autor oder bearbeiter. Auf Plu- tarch's rechnung darf die schrift nicht gesetzt werden, trotz der unterschritt. Zwar finden sich im catalog des Lam- prias ähnliche büchertitel, eine schrift negi äa-Atjcecog giebt es aber auch dort nicht; denn so muss die Überschrift gelautet ha- ben. Manches in der rede ist nach Plutarch gearbeitet und auch ihm ähnlich ; aber Plutarch konnte nicht schreiben , wie Bücheier richtig zeigt, dass Perikles nach der schlacht bei Ku- naxa gestorben sei. Die abfassungszeit ist aber nicht viel spä- ter als Plutarchs lebenszeit zu setzen, das zeigen sitten und zustände, die darin geschildert werden. Den schluss der schrift bildet die Übersetzung der rede ntol aaxtjascog aus dem syri- schen, mit anmerkungen von Bücheier. H. H.

Bei Bretscbneider in Marienburg ist erschienen : säcular- feier des gymnasiums zu Marienburg, gefeiert am 9. Sep- tember 1872: 21/« gr. : philologisches ist nicht darin.

Aus London. Der grosse vorläufige katalog der hand- schriften im britischen Museum wird wahrscheinlich zu weih- nachteu d. j. fertig. Der aufseher Bond, hat mit seinen leu- ten sieben jähre daran gearbeitet.

Ueber einen rechtshandel zwischen Napoleon III und Henri Plön, dem Verleger von der histoire de Iules Cesar des erstem berichtet die Allg. Milit. Ztg. folgendes : Plön hatte auf eigne kosten und gefahr den verlag des Werkes übernommen und für das Verlagsrecht an den kaiser 192000 frcs ein hübsches honorar! gezahlt. Die höhe der aufläge ist unbekannt; aber 30000 expl. sollen nicht verkauft sein , ausserdem montagnes de cartes et de plans. Der vertrag enthielt jedoch die clausel, dass der autor in dem falle , dass seine arbeit unterbrochen oder er sie nicht vollenden werde, für einen bestimmten preis die nicht verkauften exemplare übernehmen und die herstellungskosten de- cken müsse. Darauf gestützt klagt nun der Verleger, da bd. 2 schon vor sieben jähren erschienen und der absatz des unvollen- deten werkes ein äusserst geringer gewesen sei. Der kaiser will sich aber auf nichts einlassen und so muss ein richterspruch die sache entscheiden.

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Otto Janke in Berlin hat für seine thätigkeit in der freiwilligen krankenpflege im letzten kriege orden vom deut- schen kaiser, von den königen von Sachsen und Würtemberg und vom grossherzog von Baden erhalten.

Einen prospectus folgenden werkes versendet Ernst Flei- scher: Geschichte der schrift und des schriftthums von den rohen anfangen des Schreibens in der tatuirung bis zur legung elektromagnetischer drahte, von Heinrich Wuttke. Der vrf. sagt in der vorrede : „ich habe mich bemüht , den gegen- ständ dieses buchs so einfach, klar und fasslich zu behandeln, dass jeder nur einigermassen gebildete es lesen und verstehen kann: der literarische apparat ist einem beibande vorbehalten". Wir verfehlen nicht schon hier auf dies äusserst wichtige werk aufmerksam zu machen.

In Berlin erschien bei Ernst & Korn: „von dem berli- ner museum. Eine berichtigung an A. Conze in Wien von Karl Bötticher: 22 s. 16:" bezieht sich auf den ob. n. 7, p. 384 erwähnten aufsatz Conze's: es vertheidigt sich Böt- ticher auf treffende weise gegen die gegen ihn erhobenen anschuldigungen : das äusserst pikant geschriebene büchlein schliesst mit den Worten: „doch will ich . . . ihm (Conze'n) zum Schlüsse auch für alles was er in dem eigenartigen seiner spräche über meine aufstellung und deren catalog gesagt , wie über meinen verfehlten beruf zur Verwaltung der sculpturen- sammlung des museum in so dreist naiver weise geurtheilt hat, meine ganze und volle befriedigung ausdrücken: denn es erin- nert das alles, wort für wort, an die hübsche Wahrnehmung Gö- the's: „wo anmassung mir wohlgefällt? An kindern! Ihnen gehört die weit! "

Es geht uns auf einem besondern bogen eine art anzeige des buches zu : „die geburt der tragödie aus dem geiste der mu- sik. Von Fr. Nietzsche. 8. Leipzig. Fritzsche. 1872": es beginnt zunächst mit der klage, dem Vorwurf, dass das buch noch nicht besprochen sei und legt dann die grundgedanken desselben in begeisterter spräche dar : dabei giebt der vrf. sich als Verehrer der philosophie A. Schopenhauer's und der musik E. Wagner's zu erkennen : er steht also mit Nietzsche auf glei- cher grundlage. Der im anfange erwähnte Vorwurf ist übrigens ungerecht: derartige bücher wollen studirt sein und ausserdem ist es jetzt ungemein schwer grade für derartige ersch einungen gelehrte und unparteiische beurtheiler zu finden.

Nach Staats- Anz. nr. 193 bestätigt sich die ansieht, bei Stade (im alten lande) seien reste von pfahlbauten zu tage gekommen, nicht.

Nach englischen quellen giebt Staats- Anz. v. 14. sept. nr. 218 beil. 1 eine genaue beschreibung eines in der grafschaft York erhaltenen Druidentempels.

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Göttingen. Es ist gewiss kein ungünstiges zeichen der Stellung , welche die Universität Göttingen einnimmt , dass am ende des sommer - Semesters acht privatdocenten, von denen die mehrzahl der philosophischen facultät angehört, als professoren an andre Universitäten und höhere wissenschaftliche anstalten berufen sind ; die grundsätze sowohl, welche die facultäten beim doctor - examen und für die habilitation leiten , erscheinen als durchaus der sache angemessen, als auch die professoren der förderung jüngerer wissenschaftlicher krafte auf echt humane weise beflissen und geneigt. Die abgegangenen verzeichnet die Augsb. Allg. Ztg. nr. 239.

Coburg, 29. august: Hünengräber in grosser anzahl sind bei dem dorfe Mirsdorf entdeckt: ähnliches auf Sylt, worü- ber s. Staats.-Anz. nr. 221 beil. 1.

Der Staats Anz. vom 29. aug. nr. 203 beil. 1 berichtet nach der National-Ztg. über die ausgrabungen des Dr S ch He- rn ann in Troja. Darnach stiess Schliemann am 19. juli in 10 meter oder 33 fuss tiefe auf die kolossale trojanische mauer, deren bau Homer dem Neptun und dem Apollo zuschreibt (Ilias VH, 452 453); sie ist von mehr oder weniger behaue- nen, mit erde zusammengesetzten steinen erbaut, die so gelegt sind, dass sowohl die aussenseite, welche unter einem winkel von 70 75 grad hinabläuft, als auch die innenseite, welche senk- recht ist, ein ziemlich glattes ansehen haben. Sie ist oben auf der Westseite 372, auf der ostseite 4 meter breit und scheint bis auf den urboden hinunter zu gehen. Ihre zunehmende breite an der ostseite lässt vermuthen, dass in ganz geringer entfernung vielleicht nach einigen schritten, das thor ist , wel- ches von der Stadt nach der akropolis führte. Dr Schliemann arbeitet schon seit 1. april, im anfang mit nur 100, darauf mit 126 und jetzt, seit einem monate, mit 150 arbeitern. Bei der grabung eines kanals durch den berg, welcher ihm ausbeute zu versprechen schien , stiess er auf der Südseite in einer entfer- nung von 50 meter oder 165 fuss vom abhänge auf die mauer, welche Laomedon durch die beiden götter bauen Hess. Näch- sten märz will er die ausgrabungen in grossem maassstabe fort- setzen und dann vor allen dingen die mauer der akropolis und ihren Zusammenhang mit der grossen Stadtmauer erforschen. Zahlreiche stücken terra cotta in form des vulkans und des carousels, die mit den verschiedenartigsten religiösen Symbolen bedeckt sind , auch andere mannigfaltige tüpferarbeit hat die ausgrabung zu tage gefördert. Gleichzeitig gräbt derselbe auch die baustelle des Apollotempels bis zum urboden ab, der dort aber nur in 21 meter oder 70 fuss tiefe zu sein scheint; er fand daselbst einen herrlichen bearbeiteten marmorblock, der den Phöbus Apollo mit vier unsterblichen pferden darstellt und aus der zeit des Lysimachus zu sein scheint. Der zweite

574 Kleine philologische zeitung. Nr. 11,

brief vom 31 juli meldet, dass die mauer zu einem grossen thurm gehöre, dessen breite 40 fuss ist und dessen länge er noch nicht habe ermitteln können. Der ihurm sei in 16 meter oder 53 fuss tiefe auf dem fels gebaut. Jedenfalls vermuthe er, dass dies der (ifyag nvQyo^ 'iXiöv sei, den Homer (II. VI, 386) erwähnt. An der nordseite habe er bei der tempelausgrabung eine gewaltige mauer entdeckt, die jetzt 50 meter vom abhänge des berges entfernt ist, einst aber auf dem abhänge des berges selbst gebaut war, wie es deutlich die Schutthaufen beweisen. Von dieser mauer und vom grossen thurme aus sei es leicht sämmtliche ringmauern Iliums bloszulegen. Die leitung der ausgrabung des thurms werde ihn noch vier wochen beschäf- tigen. — Im September fand Schliemann in 14. meter tiefe das vollständige gerippe einer Trojanerin (?) mit ihren goldnen Schmucksachen. Wichtig sollen namentlich sein die in masse vorgefundenen terracotten mit vorhistorischen Symbolen: nur das museum in Parma soll bis jetzt zwei exemplare dieser art besitzen: Staats- Anz. v. 14. octob. nr. 243.

Magdeburg, 5. sept. Beim umbau der pionier-caserne ist das wappen der brauer- und bäckerinnung Magdeburgs blos- gelegt, welches folgende vom rector der altstädtischen schule, Daniel Clasen (1648 1660) verfasste inschrift trägt: Hie antiqua domus flammis exusta nefandis,

Urbe sub hostili sie pereunte manu, Stat reparata uovis saxis ; fatoque benigno

Gaudia fert tedis priscaque iura tenet. In serös annos renovata haec teeta perennent Et pacis fruetus sentiat aequa tribus: Staats-Anz. nr. 211 beil. 1. Ob, wenn jetzt eine gilde ihr Wap- pen aufstellte, eine lateinische aufschrift irgendwer verlangen würde?

Frankfurt a. M. 5. sept. Vortrag des prof. Becker im verein für gesch. und alterthumskunde über die ausgrabun- gen an der Saal bürg [Artaunon bei Ptolem.) : genaueres giebt Staats-Anz. nr. 213.

Rom, 12. sept. Unweit der Phokassäule ward ein gro- sses fragment einer balustrade ausgegraben, welche wahrschein- lich die umhegung des areals mitbildete, wo das volk die rostra zu umstehen pflegte. Ihre reliefs stellen auf der einen seite suovetaurilienopfer dar; auf der kehrseite erscheinen drei Seiten des forum mit allen seinen gebäuden: der tempel des Vespasian fehlt, anderes, wie auch die rednerbühne mit den rostris tritt deutlich hervor; in einem andern theile der reliefs erscheinen sclaven mit bücherrollen, wie es scheint, um sie zu verbrennen. Das ganze scheint aus der besten zeit der römischen kunst zu stammen. Augsb. Allg. Ztg. n. 260. 261. Staats-Anz. 207 beil. 1, 216 beil. 1, 227, beil. 1: nach ebendas. nr. 228 beil. 1

Nr. 11. Kleine philologische zeitung. 575

wird die städtische archäologische commission in Rom hald nä- heres darüber veröffentlichen.

Unter leitung des naturforschers Baiern finden auf dem Kaukasus nachgiabungeu statt. Nach russischen angaben hat man daselbst einen silbernen pokal aus s. IV vor Chr. gefun- den mit trefflich gearbeiteten Ornamenten, die thaten des He- rakles darstellend, ferner einen ring mit dem bilde der Kal- liope, eine thränenschale, eine Steinplatte mit altphouizischer in- schrift u. s. w.: Staats-Anz. nr.226 beil. 1: vrgl. nr.251, beil. 1.

Rom, 30. september. Auf der Strasse von San Giovanni Laterano in Rom hat man unter den fundamenten eines bauses einen grabcippus und bei den ausgrabungen am castro Pretorio in der ehemaligen villa Capranisa ein schönes buntes mosaik entdeckt. Auf der Strasse nach porta San Lorenzo hat man auch ein stück mosaik gefunden: es enthält den plan einiger römischer thermen. Staats-Anz. n. 239.

Trier, 24. sept. : daselbst ist ein antiker steinsarg mit ziemlich erhaltenem skelett gefunden: Staats-Anz. nr. 232 beil. 1.

Aus dem „Dresdener Anzeiger" druckt Börsenbl. v. 2. oct. nr. 260 einen artikel ab, in dem mit worten des früheren staatsrechtslehrers Zachariae in Heidelberg vor der anschaffung von büchern gewarnt wird: das Börsenblatt fügt eine spöttische bemerkung hinzu. Aber die Verleger sollten doch nicht ohne weiteres darüber weggehen, da der artikel trotz seiner Verkehrt- heit doch jetzt noch vielfach anklang finden wird. Man be- denkt sich jetzt sehr in gewissen zweigen der philologischen li- teratur mit ankauf der bücher, wegen des offenbaren missbruachs, der mit neuen auflagen getrieben wird. Vrgl. Philol. Anz. II, 3, p. 170.

Terni, 5. oct. Unsre Stadt hat eine subscription eröff- net, um dem historiker Cornelius Tacitus, der daselbst 54 p. Cb. geboren, ein denkmal zu errichten. Man sieht hier von neuem, wie schwer es hält, alte auf Patriotismus be- ruhende fehler auszurotten: Tacitus ist weder 54 p. Ch. noch zu Terni geboren; die deutschen Untersuchungen kennt man in Terni nicht.

Vom monat november ab wird in Tiflis ein archäologi- sches, historisches und bibliographisches Journal unter dem titel „das kaukasische alterthum" erscheinen, zu dessen hauptzwecken die erhaltung der denkmäler der Vergangenheit gehört.

AUSZUEGE aus Zeitschriften. Augsburger allgemeine zeitung : nr. 240 : das wiedererwachen philologischer Studien in Italien : was dafür angeführt wird, ist aber nicht von weitgreifender bedeutung. Nr. 242: altrömische votivtafel in Frankfurt a. M. gefunden: sie stammt ausCom- modus zeit. Nr. 243 : ausgrabungen in Rom : anmeutlich wichtig ein peperinsarg, der aus der zeit des Servius Tullius stammen soll. Beil.

576 Kleine philologische zeitung. Nr. 11.

zu nr. 243: christliche alterthümer in Rom. Nr. 243: zu Petri Romfahrt. Beil. zu nr. 243: das alte Rätien; anschliessend an das buch gleichen titeis von Planta, Berlin. Weidmann. Der grosse papyrus Harris: anschliessend an das buch von Eisenlohr gleichen titeis: man darf aber den angegebenen resultaten nicht sofort trauen: nament- lich was über Moses gesagt wird, ist sehr vorsichtig zu behandeln: s. ob. nr. 9, p. 475. Beil. zu nr. 249: die Universität Oxford und ihr geschenk an die universitäts - bibliothek zu Strassburg: ausführli- ches über das ob. n. 10, p. 523 gesagte. Beil. zu nr. 248 flg.: Hil- lebrand, Frankreich und die Franzosen. N. 253: weitere fünde von alterthümern in Konstanz: s. ob. n. 10, p. 528. Zu Königs- felden (Aargau) ist eine inschrift gefunden , die ausser anderm bestä- tigt, dass hier, in Vindonissa, ein tempel des Jupiter gewesen. Nr. 260: ausgrabungen in Rom: s. ob. p. 575. Nr. 262: gräberfund in Naumburg a. d. S. Nr. 263: Steinhart f am 9. aug. : bemer- kungen über ihn. Beil. zu nr. 264: archäologenversammlung in Darmstadt: die Verhandlungen beziehen sich nur auf die neuere kunst. Beil. zu nr. 278: artistisches aus Italien: bezieht sich auf neuere kunst. Beil. zu nr. 277. 278: Hückel's natürliche Schö- pfungsgeschichte. — Beil. zu nr. 278: Stimmungsbilder aus Berlin. Nr. 281 : zur erinnerung an Fr. Ad. Trendelenburg : schliesst an den vortrefflichen Vortrag von Hermann Bonitz an. Beil. zu nr. 283. 284. 285. 286. nach dem griechischen Orient. Von B. Stark. V. Acht tage am Bosporus: wird jetzt philologisch reichhaltiger: so wird von den geschichtlichen epochen von Byzanz gesprochen , von dem ersten museum der alterthümer, von der schlangensäule , die einge- hend besprochen wird. Beil. zu nr. 284: Gervinus. Beil. zu nr. 286: die censur in Russland.

Zarncke1 s literarisches centralblatt , nr. 27: Pohjbii histortac ed. Fr. Hu lisch. Vol. III et TV. Berlin. Weidmann: anzeige. Jtd. Jolly, ein kapitel der vergleichenden syntax. Der conjunctiv und Opta- tiv und die nebensätze im Zend und Altpersischen im vergleich mit dem sanskrit und griechischen. 8. München. Ackermann: eingehende und vie- les vermissende anzeige von Cl. J. H. Krause, die Musen, Grazien, Hören und Nymphen mit betrachtung der flussgötter in philologischer, mythisch -religiöser und kunstarchäologischer beziehung aus den schrift- und bildwerken des alterthums dargestellt. 8. Halle. Schwetschke: anzeige von Bu, die das buch als ein durchaus misslungenes bezeich- net. — J. Haupt, die dakische königs- und tempelburg auf der columna Trajana, 4. Wien. 1870 : anzeige von E. S., die den freun- den einer erheiternden lectüre das buch wegen seiner Verkehrtheit empfiehlt. H. Hoher, der hildesheimer antike silberfund. 8. Hildesheim. 1870: anzeige von Bu, die einzelnes tadelt, sonst vrgl. Philol. Anz. III, n. 8, p. 303.

Druckfehler: heft 10, p. 497 z. 6 v. u. lies: rjoifict xaraxctov- rts p. 508 z. 16 v. o. lies: schrift- und p. 509 z. 2 v. o. lies: im rücken der p. 512 z. 12 v. o. lies: scenen - Seiten würde p. 514 z. 17 v. o. lies: giebt, wenn es richtig heft 11, p. 530 z.

22 v. o. lies: blieben p. 530 z. 33 v. o. lies: neiguugen des p. 531 z. 17 v. o. lies: die leser auf p. 531 z. 24 v. o. lies: aus prak- tischen p. 531 z. 3 v. u. lies: selbst in p. 534 z. 8 v. o. lies: nach feineren unter- p. 535 z. 8 v. o. lies: vergleichende philoso- phische p. 535 z. 14 v. o. lies: Dieser geniale plan p. 535 z. 10 v. u. lies: das lateinschreiben nicht p. 536 z. 12 v. o. lies: trolieren

ffr. 12. December 1878.

Philologischer Anzeiger.

Herausgegeben als ergänzung des Philologus

von

Ernst von Leutsch.

352. Stein, de Atlante Homerico et Aeschyleo. Pro- gramm von Oppeln 1871.

Der Verfasser bespricht zuerst die stelle Odyss. «, 52 ffl. : "AtXavzog &vya.Ti}Q oXoöqtgovog ooie &uXa.GC?]g tzda^g ßev&sa oldev, e%ei 8s ts xiovag avtog fiaxgcig al yaiav rs y.al ovgavov dfiqiig 'iypvGiv, und folgt nach Verwerfung anderer ansichten der von Butt- mann Lexil. II, 219 gegebenen erklärung: die säulen trennen himmel und erde, indem ihre spitze an jenem, ihr fusspunkt an dieser anstösst. Statt sich hierbei zu beruhigen, führt Stein die Untersuchung weiter und verfällt auf die spitzfindige frage, wie es möglich sei, dass Atlas nicht nur eine, sondern sogar mehrere säulen trage. Wie es denjenigen zu ergehen pflegt, die das der phantasie des dichters vorschwebende bild zu re- construiren suchen, was eben in den meisten fällen gar nicht möglich ist, so auch dem genannten Verfasser: er nimmt zu ge- wagten hypotbesen seine Zuflucht und beweist zuletzt nichts. Er behauptet nämlich , Atlas sei im homerischen Zeitalter ein meergott gewesen und folgert dies aus dem epitheton bXoöqjQav, wie auch Proteus in Od. 8, 357 oloym'a sldcog genannt werde, so wie aus den worten: „der die tiefen des ganzen meeres kennt". So wie nun Neptun yau'joyog heisse, weil das meer die erde umspanne, so trage Atlas, ein mächtiger meergott, das schwere gewicht der erde und zugleich die zum himmel stre- benden säulen. Dies kommt von der verkehrten auffassung des wortes 8%ei. Die Sachlage ist eine andere : zunächst hält oder trägt Atlas nicht die säulen (deren er übrigens recht gut zwei oder mehr tragen könnte, da der dichter körper und hände des Philol. Anz. IV. 37

578 353. Euripides. Nr. 12.

riesen sich ja beliebig gross denken kann), sondern er hat sie als etwas ihm zugetheiltes oder zukommendes (s. Ameis zu der stelle) unter sich , beherrscht und besorgt sie ; zweitens kennt er die tiefen des meeres , weil sein fuss ins meer taucht, weil er bei seiner grosse recht gut ins meer treten kann.

Nach einer kuzen abschweifung auf Hesiod geht Stein zu Aesch. Prom. 347 :

btzsi fxs xal y.aaiyvtjzov zv%ai vitoova' 'AzXavzog, og noog iantQOvg zönovg

iaTtJXS HIOV1 OVQCtVOV ZS x«! %&ovbg

afxoig eQtidcoVj u%&og ovx eläyxaXov, an welcher stelle Atlas blos eine säule trägt und mit dem meere nichts zu thun hat. Zur vergleichung zieht er heran trotz des schwankenden textes ibid. v. 427: eldopav &sdv j4zXav&'

og aisv vniqoyipv a&svog xouTaiov

ovodviov ze nöXov vcözotg vnoGzeyd^si. und deutet die darstellung des Aeschylos allegorisch, vom berge Atlas. In a&svog xQuzaiöv sieht Stein mit Schneider „die säule, die Atlas auf den schultern trägt" = den berg. Dazu passt recht gut vjzeQo^og, emporragend-, noXog ist die auf der axe ruhende last == himmel. Also bedeuten die worte nichts anderes als : Atlas trägt auf seinen schultern sowohl die gewal- tige last des berges , als auch den darauf gestützten himmel ; er selbst liegt unter dem riesigen bau etwa so wie Enceladus unter dem Aetna. Die bei Aeschylos folgenden worte:

ßoa de novziog xXvdav

aviAnCzi'OJv, azs'vsi ßv&og,

xsXatvog * Atdog ö' vnoßQSfiei tuv%og yäg,

nctyaC z"1 uyvoQvzoov noza/jüv azlvovaiv ciXyog oix7g6v, beziehen sich dann auf die nähe des meeres, an welchem der riesige Atlas liegt. C. Härtung.

353. The Bacchae of Euripides with a revision of the text and a commentary by Robert Yel verton Tyrrell, M. A. 8. London. 1871. XLVH und 93 s. ]).

Durch äussere umstände veranlasst hat der Verfasser, wie er in der einleitung erzählt , den Bacchen , einem der interes-

1) Vrgl. ob. n. 4, p. 190. Die redaction.

Nr. 12. 353. Euripides. 579

santesten stücke des Euripides, seit einiger zeit seine aufmerk- samkeit zugewendet und zuletzt gefunden, dass eine sorgfältige ausgäbe davon nicht ohne leser sein werde. Die von ihm her- gestellte ausgäbe ist allerdings geeignet, leser zu finden; sie ist nicht eine eigentliche Schulausgabe, sondern dient rein philolo- gischen zwecken. Für kritik und erklärung bringt der Verfas- ser ein gesundes urtheil , umfassende kenntniss der tragiker, guten geschmack mit. Wenn der erfolg und das wissenschaft- liche ergebniss der arbeit nicbt so bedeutend ist als man von einer solchen ausgäbe erwarten möchte , so liegt die schuld wohl mehr in der Schwierigkeit der sacbe als in der befähigung des herausgcbers. Nur hätte derselbe vielleicht weniger an- spruchsvoll auftreten dürfen. Wenn er z. b. die gefällige, wenn auch unnöthige vermutbung von Nauck zu v. 856 ug idsvpetcsv (für uiai ösuog Jjv) mit: male NaucMus , abfertigt, so sehen wir uns vergeblich nach einer gleich gefälligen und scharf- sinnigen conjektur von ibm selber um. Bei Nauck ist jenes nur als bescheidene vermutbung gegeben, bei Tyrrell steht z. b. v. 1002 yvwfxav oüqoov'' a&ävuzov unQoepuoiozwg ig zu &eav eqsv ßgotsicüv i' sysiv aXvnog ßtog als emendation im text , was vielleicht ausser Tyrrell niemand versteht. Derselbe wahrt sich die Originalität der erfindung von acoq.QOp' u&ävazov (für aoi- qiQOia üärazog') gegen Matthiae, der dazu sehr richtig bemerkt: quod ego dedi u&urazov , metro quidem satisfacit, sensui non item. Nach Tyrrell bedeutet yvoouav gohqqov'1 a&avaiov . . hyuv „ha- ving deeply seated (ineradicably rooted) in the mind a temperateness of judgment". Ueberhaupt ist die erklärung dieser stelle und der folgenden verse ein kunststück in der Interpretation eines sinnlosen textes.

Die einleitung behandelt zuerst die äussere form des Stückes, wobei unter anderem der darin hervortrende sinn für land- schaftsmalerei und naturschönheit gut hervorgehoben wird. Dann spricht der herausgeber von den hülfsmitteln der textes- kritik , von den handschriften und der benutzung des Cliristiis patiens und der Dionysiaca des Nonnus für die emendation. Derselbe folgt mit recht in der werthschätzung der beiden hand- schriften der ansieht von Kirchhoff und gibt dem Palatinus den Vorzug vor dem Florentinus. Mit recht auch findet er einen besondern beweis dafür in v. 101, wo der Palatinus &?jqotq6~

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cpot, der Florentinus üvgaocpögoi gibt, während die von Tyrrell bekannt gemachte emendation Aliens Ü7]g6rgoq>ov die ursprüng- liche lesart herstellt. Die bedeutung des Christus patiens für die kritik der Bacchen, der Troades und des Rhesus ist aner- kannt. Die Dionysiaca glaubt der Verfasser besonders für die Herstellung des v. 1060, wo die Überlieferung ovn i^iyvovfiai /xairddcov Zaoi vo&cov lautet, in nutzbringender weise verwendet zu haben. Er ändert nämlich oaoi. rö&cov in oaaoiv vo&oov und betrachtet als bestätigung dieser änderung die stelle des Non- nus 46, 207 ju^öe 8afi.TJvai BaoaagCScov rsov via vo&aig na\a- [irjaiv idctjg. Aber diese beziehung ist durchaus unsicher, ebenso unsicher als die beziehung von ovgapo8go/jq} %v).q> Christ, pa- tient. v. 660 auf ilxEÖgofxov (oder vielmehr sXix68go(iov) v. 1067 (vgl. ovgdnov xlddor v. 1064). Wenn vo&cov richtig ist, so wird jedenfalls mit Hermann oaaoig zu schreiben sein , da sieb nur diese form bei den tragikern findet. In betreff der Aldina schliesst sich Tyrrell gleichfalls der ansieht von Kirchhoff an, dass diese ausgäbe keine vom Palatinus unahängige bedeutung habe. Nichts desto weniger nimmt er v. 1257 den zusatz der Aldina aoi z1 iat) \ko.(xo) fi?j coqioig ^aigsiv xaxoTg. nov 'ort?;] auf. Woher soll denn dieser stammen? Ferner wird die religiöse unfl moralische bedeutung der Bacchen erörtert und dabei ein unterschied zwischen dem sokratischen und euripidei- schen rationalismus einerseits und dem sophistischen andrerseits gemacht ; der kämpf gegen den rationalismus in den Bacchen sei nicht eine bekehrung von der aufklärung der früheren stücke und eine reaktion zu gunsten einer dogmatischen Orthodoxie, sondern nur ein kämpf gegen den sophistischen Standpunkt, während der rationalismus der früheren stücke der sokratisch- euripideische sei. Das ist mehr eine äusserliche construetion. In Wirklichkeit unterscheiden sich die Bacchen in auffallender weise von den übrigen stücken. Zuletzt werden noch die dramatischen personen charakterisiert und die popularität der Bacchen besprochen.

Der commentar ist in kritische noten , welche lateinisch geschrieben sind , und erklärende anmerkuugen in englischer spräche getheilt. Dabei wird öfters, was oben lateinisch steht, unten englisch wiederholt-, denn der erklärende commentar ist von kritischen erörterungen nicht freigehalten. Die handschrift-

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liehen angaben sind nicht immer genau, z. b. vs. 15, 25, 32, 192, 493 [Bgofiiog M), 1021 (undeutlich), 1287.

Unter den textverbesserungen verdient die zu v. 235 be- sonders hervorgehoben zu werden: evoapcöp xoptjg (^av&oioi ßoorQvxoiGiv Evoopööv xofttjg) , weil sie der Überlieferung evoafiov nofirjp näher liegt als die sonst gefälligere besserung von Bad- ham, tvoapotg y.opwp. Auch die annähme einer lücke nach v. 756 ist bemerkenswerth ; nagijv kann natürlich zu oi yak- xbg ov oiÖygog nicht ergänzt werden. Zu vs. 887 wird eine wahrscheinliche emendation von Davies mitgetheilt: öox« für öo'|«. Die Veränderung von vuQ&tjxd zs tvigzov Äidav v. 1156 in vaQ&tjxd t' snawzov (d. i. av&aCQszov) * ' Aibav verdient be- achtung.

Zu v. 25, wo die handschriften fxiXog haben, bemerkt Tyr- rell: sollicitant editores , foedis Stephani mendaeiis illusi, gui in Mss. Italicis quibusdam ßeXog se invenisse finxit. Kirchhoff hat das gezeigt, hat aber nichts desto weniger ßAog in den text gesetzt, eben nicht als handschriftliche lesart, "sondern als con- jektur von H. Stephanus. Und das mit recht. Tyrrell dekre- tiert einfach, dass dvmXöXv^a mit doppeltem aecusativ verbunden [dvcoloXv^ct. Ot'jßag Ktaaivov /.tsXog) falsch und dass xicoivov gleich- bedeutend mit Kiaatov sei. Das eine wie das andere ist nichts als reine willkür ; ßilog aber ist nothwendig. Zudem hat die bessere handschrift üvqcov, nicht &v(joov ; dieses ist eine cor- rectur, wie sie in der anderen handschrift häufig sind, weil &vgaov pikog als unmögliche Verbindung erschien. Zu &vqGov xiaaivov ßeJ.og vgl. xtaoCvov ßduzgov (xsza v. 363, maairojv &vq- amv v. 710. Um zu v. 21 f. das verbum finitum zu gewin- nen hat Tyrrell nach einem Vorschlag von Allen v. 54 nach v. 22 eingesetzt. Gegen diese herstellung erheben sich bedeut- same bedenken. Einmal ist die bemerkung: it gives significance to the (otherioise otiose) concluding words of the previous line, iV sitjv ifxcpavrjg daifimv ßgozoig , nicht richtig-, wenn auch v. 54 hier folgt, gehört tV eirjv iiMpavtjg ßgozolg zu xdxsT %OQ£vaag hza. Denn nicht um seine gottheit zu offenbaren, sondern um seine göttliche natur zu verbergen, hat Dionysos, wie v. 50 ff. ausgesprochen ist, menschliche gestalt angenommen. Nach v. 22 steht also v. 54 nicht in richtigem Zusammenhang. End- lich würde iu lästiger weise derselbe gedanke dreimal, v. 4,

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nach v. 22, v. 53 wiederkehren. Bei der überlieferten Ord- nung wird das erste mal die einfache thatsache , das zweite mal der grund dazu angegeben. Mit recht erklärt sich übrigens Tyrrell gegen die Umstellung des v. 20 : Piersonus , sequente Elmsleio, v. 20 post v. 22 transjponit , ineptam tautologiam Euri- pidi obtrudens. Das einfachste heilmittel wird die Verwandlung von %ogevöug xal yaraairjaug in %ogeva<av xai "/MTaat^acov sein; dann haben wir eine richtige gedankenfolge: ,, nachdem ich Asien, wo allenthalben mein dienst besteht, verlassen, bin ich nach Griechenland und zwar zuerst nach Theben ge- kommen, um auch da in Griechenland wie in Asien rei- gen aufzuführen und meinen dienst einzusetzen". V. 209 kann weder die besserung von Tyrrell 8iagi&p<x>v noch die von ihm in den text gesetzte vermuthung Brady's diaioäv richtig sein, weil ovdsv zu av^sa&ai üsXsi gehört. V. 261 ist in klam- mern eingeschlossen als aus v. 280 entlehnt. Wovon soll dann der dativ yvvai^i abhängig sein? V. 211 kann /} de 86%a oov voasi nicht parenthetisch stehen, weil es wesentlich zur Ver- vollständigung des gedankens gehört. Es ist also aus der Al- dina vocrj aufzunehmen. V. 406 entspricht ITdcpov #' av #' (vgl. Matthiae) zwar dem sinne, aber nicht dem metrum. V. 451 will Tyrrell durch andre interpunktion nachhelfen: fiaiiea&e' %eigriöv tovS* iv ägxvaiv yug cor. Abgesehen von der Stellung von ydg, welche der Verfasser rechtfertigen zu können glaubt, enthält %£igÖ3v tnvd'1 iv dgxvaiv yug xre keine begrün- dung zu ftaivsa&s. Die richtige emendation ist und bleibt /as- &EO&e %mqüv iov& ' iv azs. So haben wir eine passende be- gründung und für die äussere handlung erscheint ein solcher befehl des herrschers sogar nothwendig; denn Dionysos wird gefesselt hereingeführt; die fesseln bleiben (iv dgxvaiv ai); die diener aber , welche ihn an der haucl halten , müssen für die Unterredung zwischen Pentheus und Dionysos und damit Pen- theus den gott von unten bis oben betrachten kann, zurücktre- ten. — V. 506 glaubt Tyrrell die keilung der vielbesproche- nen stelle: ovx oia&' vti £yg ovo' ogccg ov^ oang f7, in Christ. pat. 279: ag eioizi £T/£ öeivu raüt' eigyuoftii'og gefunden zu haben und schreibt: ag slaizi £$$ ovo* ögäg sfr' oang elf aber einmal ist die entlehnung höchst fraglich ; auch zwei- tens sehr bedenklich dem Euripides das wort eiasti zuzuschrei-

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ben, und drittens müsste es xov% 6gäg für ovS1 ogäg heissen. V. 606 ist gewiss das unnöthige Usv&ecog^ nicht Säpa glossem und der vers hat ursprünglich wohl gelautet: öiazivd^avtog zu 8m- ^a?'1 ein' ay' i^aviazazs. Vgl. v. 623 f. V. 636 hätte die evidente änderung von Bothe jjov%og cV ixßdg iym aufge- nommen, nicht aber unnütze conjekturen wie sv%og ig ßux%ag ö" aycop vorgebracht werden sollen. V. 787 ist ttbi'&si (Tyrrell tihcei) richtig; vgl. auch Hei. 446. V. 843 ist die über- lieferte lesart iX&ovz' d. i. iXdovze richtig, sobald der vers dem Pentheus gegeben wird, dem der folgende vers: s^eari' nävzri zo ■f ifibv etTQsneg näga, nicht gehört. Entweder müssen also die beiden verse umgestellt oder es muss nach v. 842 eine lücke angenommen werden. Eine ungeschickte änderung ist v. 864 die Verwandlung von degav in Sogar: wirft etwa auch das hirschkalb sein feil in die luft? Die vermuthun- gen zu v. 913, 998, 1017 ff., 1155, 1165 können hier unbe- achtet bleiben. V. 1169 ist ti 8s{?) dtog&iüg eine zweck - und man darf wohl auch sagen sinnlose conjektur; man hat nur die wähl zwischen der änderung von Hermann: ti fx1 ogo- ■dvvetg <», und der von Fix: ti (is &gosTg zacV m. V. 1287 ist näg sft tjX&ev ig p'pa? grammatisch unhaltbar; das richtige iftdg tjX&sv (für tjX&eg d. i. rß&sv mit übergeschriebenem ig) %(• gag hat Elmsley hergestellt.

Eine richtige erklärung wird zu v. 1147 tbv xaXXivixov % Sungvct. vixfjcpogsi gegeben : perhaps it i$ easier to understand y as agreeing with vixy taJcen out of aaXXCvixov. Richtig ist wohl auch die erklärung von oaai yvvaixeg \aav v. 35, welches als pleonastischer zusatz zu näv to ß-ißv ansgfia betrachtet wird [all the female Thebens, every woman of ihem). V. 327 scheint die erklärung von ovt* avav zovzwv voasTg zu künstlich und gesucht. V. 860 heisst es: ivazdraig, male Nauchius, Was aber soll man zu der Verbindung von iv tiXsi mit yvcoos- tai sagen? Falsch ist die meinung von Tyrrell, v. 1049 sei ano durch tmesis von aco^ovzeg getrennt. V. 1090 soll rfeav nsXeiag K>v.vzr\z' ov% tjaaoveg, nodäp s%ovcai avvrovoig Sgo- [xrjttaci richtig sein und fyovaai holding their course, pushing on heissen. Dafür wird Ist ö' «ojd' inzd IlXeiddcov ££coj> 8g6[iov und die redensart lijoelg s'^cov als beleg angeführt! Vielleicht ist der zweite vers nur iuterpolation, trotz der benutzung im Christ.

584 354. Piaton. Nr. 12.

patiens, welche z. b. auch v. 716 nicht zu schützen vermag, wie Tyrrell glaubt (vgl. dessen eigene bemerkungen zu v. 287, 291).

Den schluss der ausgäbe bildet eine kurze beschreibung der metra und ein anhang über die bildung des fünften fusses im trimeter. Des Porson'schen gesetzes wird dabei keine er- wähnung gethan. Von der regel ,,dass wenn nach der thesis des fünften fusses eine cäsur sei , die thesis kurz sein müsse" werden vier ausnahmen gestattet : wenn der sinn einen schwer- fälligen rhythmus verlange wie im ersten vers des Ion; bei eigennamen, z. b. Pers, 321 ; wenn die thesis des fünften fusses von einem einsilbigen worte gebildet werde, das einen satz beginnen könne, z. b. zwv | opyCcov; endlich wenn die ar- sis des fünften fusses in einem mehrsilbigen worte bestehe, das nicht fähig sei einen satz anzufangen, besonders in einer en- klitika, welche sich mit dem vorausgehenden worte innig ver- knüpfe. Diese bestimmungen dürften die sache nicht erschöpfen.

W.

354. H. Kirchstein, über Platon's Protagoras. Pro- gramm der höheren bürgerschule zu Gumbinnen 1871. 4. 18 Seiten.

Es wird der gedankengang des platonischen dialogs ent- wickelt, und dabei werden, weil die erzählung so vollendet dra- matisch ist , die kunstausdrücke der dramatischen abtheilun- gen angewendet, also: prologos 310a 314c, parodos 314c 316a, erstes epeisodion) 316a— 328d u. s.w. Kann man auch über einzelnes anderer meinung sein als der Verfasser, (z. b. über die auffassung von 335d 338e als stasimon), so ist die gliederung des dialogs ja durchsichtig genug; wir haben wie in einem drama sieben theile, deren Verhältnis zu einander die schönste harmonie zeigt. Der tragische held ist Protagoras, der im ersten epeisodion auf seiner höchsten höhe gezeigt wird, im letzten (351b 360e) „zusammengesunken und sprachlos dasitzt, ein ergreifendes, furcht und mitleid erregendes bild ge- brochener grosse".

Bei dieser gelegenheit sei eine bemerkung zu einer stelle des Simonideischen gedichtes gestattet. Sauppe sowohl wie Deuschle u. a. finden in den Worten: «rettf' vph evQmr anayyt-

Nr. 12. 355. Horatius. 585

Xtca (345c) „einen humoristischen zusatz", „ein scherzhaftes ver- sprechen". Muss aber nicht ein erklärer auch hinzufügen, dass, was den sehnsüchtigen heiden eine angaxzog einig war, zu fin- den den TTuvaficofxov äv&Qoanov, für uns Christen durch das svay- yiliov herrlich erfüllt worden ist, oder liegt diese beziehung so nahe, dass sie noch keinem ausleger entgangen ist?

S.

355. H. Runge, zur kritik und erklärung einiger öden des Horaz. Programm des rathsgymnasium zu Osnabrück 1871. 10 s. 4.

Der verf. behandelt C. I, 2. II, 13 und 14 und wendet sich gegen die von Lehrs geübte kritik , indem er die wesent- lich aesthetischen ausstellungen desselben mit gleicher waffe be- kämpft. Am eingehendsten und nicht ohne Scharfsinn ist I, 2 behandelt, in welcher auch v. 9—12 als horazisch ange- sprochen werden. Dafür hätte die bekannte Ovidstelle mehr ausgebeutet und Kiessling's Horat. kleinigkeiten benutzt wer- den können. II, 13 sucht der verf. Italum robur als „die un- erschütterlich ausdauernde kraft des italischen fussvolkes" zu retten, und will darum cateias für catenas lesen. Aber abge- sehen davon, dass cateias kein lateinisches wort ist, wie es hier doch ganz nothwendig erfordert wird, hätten stellen wie daret ut catenis Fatale monstrum, me pater saevis oneret catenis und na- mentlich Cantaber sera domitus catena gegen eine solche ände- rung bedenken einflössen sollen; auch würde Horatius schwer- lich Italum robur vom italischen fussvolk gesagt haben (in den öden findet sich nur in der Verbindung per quas Latinum nomen et Italae Crevere vires Italus analog gebraucht) , sondern Marsa cohors oder ähnliche. Es wird also wohl bei der ge- wöhnlichen erklärung von robur sein bewenden behalten müssen. Auch die schlussstrophe II, 14 sucht der verf. mit recht als horazisch zu halten ; der gedanke ist offenbar : für dich ist nach dem tode alles irdische gut verloren, das bekommt dein erbe. Dagegen wird man nicht mit der auffassung von dignior ein- verstanden sein, das entweder ironische bedeutung haben oder in dignius geändert werden soll. Denn abgesehen von der unzulässigkeit der ironie an sich, für die ich mich auf kein wei- teres beispiel besinne als das weit leichtere und schalkhafte in~

586 356. Cornelius Nepos. Nr. 12.

III, 27. 71 kommt im moralischen sinne dignus nur in den Sermonen und Episteln vor, gerade so wie rectius II, 10, 1, obwohl recht eigentlich der stoischen lehre entnommen, doch „glücklich" heisst, und kann schon darum nicht = indignior ste- hen, sodann würde dignior = indignior der strophe den mit recht vom verf. bestrittenen sinn, dass sie zum lebensgenuss auffordere, erst recht beilegen. Und dignius soll heissen: „der erbe wird den caecuber verprassen, der in würdigerer weise (d. h. besser) mit hundert schlossern verwahrt ist und verwahrt würde". Man sieht, wie das „verwahrt ist" mit dem „verwahrt würde" gar nicht zusammenpasst ; nur der sinn „verwahrt würde" soll herausgebracht werden. Das müsste aber heissen servari digniora oder digna, vgl. pia testet, moveri digna bono die, denn nur das part. fut. activi kommt in den öden zweimal = opt. C. äv vor: Septimi Gades aditure mecum und donatura eyeni si libeat sonum. Dignior ist der heres dem Posthumus gegenüber ipsa re, er überlebt ihn und ist darum vom Schicksal gewürdigt, seinen caecuber auszutrinken.

Th. FritzscJie.

356. Der satzbau des Cornelius Nepos. I. Der einfache satz; vom gymnasiallehrer Dr B. Lupus. Programm zum Jah- resbericht über das städtische progymnasium zu Waren. 1872. 28 s. 4 (Berlin, Weidmann).

Eine genaue statistische behandlung des Sprachgebrauchs in den Vitae des Nepos ist seit langer zeit wünschenswerth gewe- sen, aber jetzt erst, wie der vf. bemerkt, möglich geworden, nachdem durch die herstellung des urkundlichen textes und durch die Sammlung des früher sehr zerstreuten apparats in Halms grösserer ausgäbe eine möglichst feste basis zur gram- matica Corneliana vorliegt. Das verdienstliche einer solchen grammatischen leistung wird nicht dadurch beeinträchtigt, wenn der positive gewinn für die festsetzung des textes verhältniss- mässig gering erscheint. Denn einerseits ist der usus gerade dieses autors, je nachdem derselbe treu seiner quelle folgt oder sich frei bewegt, so schwankend und unbestimmt, dass für ana- loge fälle die struetur oft variiert; und andrerseits liegt die besondere eigenthümlichkeit nicht sowohl in den formen und dem gebrauche der casus, auf deren darstellung (zunächst mit

Nr. 12. 356. Cornelius Nepos. 587

ausschluss des ablativus) sich die Schrift von Lupus bisjetzt er- streckt, sondern in der lockeren Verbindung der sätze, in der losen beziehung der pronomina und in gewissen irregularitäten des modusgebrauches. Doch hätte der vf. auch in dem vorlie- genden theile seiner arbeit mehr resultate erzielt, wenn er nicht nur sporadisch, sondern mit consequenz über den von Halm consti- tuierten text hinaus zur besten handschriftlichen Überlieferung zu- rückgegangen wäre und daneben die auf Nepos gerichteten gram- matischen forschungen, insbesondere die ausgezeichneten beitrage von Nipperdey im Spicüegium alterum vollständiger ausgebeutet hätte. Ferner durfte sich der vf. nicht allzusehr auf Nepos beschränken , sondern musste zur erläuterung auch verwandte sprachliche erscheinungen , namentlich bei den für Nepos wich- tigen komikern, vergleichen. Der Versicherung des vfs., dass er, wo nicht das gegentheil ausdrücklich bemerkt sei, alle betref- fenden stellen herbeigezogen habe, dürfen wir, obschon wir keine durchlaufende controlle vorgenommen, nach mehrfach an- gestellten proben im ganzen glauben schenken. Einiges auffäl- lige, was sich nach den angedeuteten beziehungen hin gelegent- lich bei der lesung ergeben hat, mag hier angemerkt werden. P. 4 durfte Milt. 3 , 1 ipsorum urbium nicht als beispiel für den doppelgenetiv herangezogen werden, da diese von Halm aufgenommene lesart nur auf einer durch Nipperdey und an- dere bestrittenen vermuthuug von Lambinus beruht. P. 8 ist Paus. 3, 3 aditus conveniundi nicht nur als „fast pleonastisch" zu bezeichnen, sondern als ganz tautologisch anzuerkennen; die Philol. Anz. IV, 96 vorgeschlagene emendation wird dnrch Ale. 9, 5 geschützt. Der pleonasmus Att. 2, 6 modus mensurae ist wahrscheinlich durch die Vorliebe des autors für gleichklänge (modius, modus, medimnus) entstanden. P. 16 wird eine von Halm als emblema gekennzeichnete stelle Milt. 3, 2 als beleg angeführt, während sonst p. 21 und 27 die von Halm statuierte athetese Chabr. 3, 3; Them. 10, 1 berücksichtigt worden ist. P. 17 vermisst man §.19 die anführung der phrase in consi- lium dare alicui, Timoth. 3, 2. P. 23 fehlt §. 29 unter den absolut gebrauchten transitiven desero , vgl. Nipperdey spicileg. II, 5, p. 5; dagegen ist ebenda facio adversus nach Grasber- gers Vorschlag zu Eum. 8,2 Eos I, p.231 wahrscheinlich auszu- schliessen. Mehrmals finden sich in den Stellensammlungen

588 357. Metrik. Nr. 12.

einzelnstehende ausdrücke und structuren, deren vorkommen bei dem sich selbst so häufig wiederholenden Schriftsteller auffallen muss: p, 16 wird die möglichkeit, Ages. 4, 6 quid iis vellet fieri als einziges beispiel des ethischen dativus zu deuten, abzu- weisen sein. Eine einfache hindeutung auf Them. 2, 6 consul- tum quidnam facerent de rebus suis wäre besser unterblieben , da hier die präposition längst angefochten wird, mag man nun nach Lambinus de streichen oder vielleicht durch Umstellung helfen, so dass zu lesen wäre : consultum de rebus suis, quidnam facerent. P. 18 muss die überlieferte structur Thras. 4, 2 quod multi invideant, die nicht nur bei Nepos ein unicum ist, wenn nicht dem autor abgesprochen, so doch im hinblick auf Nipperdey spicileg. II, 2, p. 15 sq. gerechtfertigt werden. P. 25 scheint die zahl der beispiele von diem supremum obire darauf hinzudeuten, dass Nepos auch Dion 10, 3 dieselbe phrase geschrieben hatte. Die von Fischer für Caesar gemachte, von Lupus p. 7 auch für Nepos bestätigte bemerkung, dass ein- silbige Wörter vor dem von ihnen abhängigen genetiv stehen, wird durch die scheinbaren ausnahmen Milt. 3, 1 und Cato 2, 5 nicht aufgehoben. Dagegen steht Ale. 10, 5 flammae vim mit jener beobachtung im Widerspruch ; es darf daher an die Philol. Anz. I, 55 angedeutete änderung flammae viam transiit erinnert werden, vgl. Ages. 4, 4 iter . . . transierit. Möge der vf. in diesen einzelnen bedenken, die gewiss nicht die einzigen sind welche sich erheben lassen, nichts anderes erkennen als einen ausdruck des Wunsches , dass seine willkommene arbeit, deren Vollendung hoffentlich bald zu erwarten ist, ein möglichst zuverlässiger pfeiler für den künftigen bau einer historischen grammatik der lateinischen spräche werden möge.

357. J. Eumpel, de trimetri graeci exitu. 4. Pro- gramm des gymnasiums zu Insterburg, 1872.

Verf. macht in den einleitenden worten mit recht geltend, dass eine eingehendere betrachtung des sechsten fusses des trimet. iambicus ihre berechtigung und ihren werth hat, in so fern ohne zweifei, wie die Prosaschriftsteller auf künstlerische abrun- dung ihrer perioden, so die scenischen dichter auf einen cor- recten und schönen abschluss auch der xaza orlyov componier- ten verse eine ganz besondere Sorgfalt verwandten. In dem

Nr. 12. 357. Metrik. 589

vorliegenden ersten abschnitt wird von der sylldba anceps ge- handelt. Bekannt ist , dass im auslaut jeder metrischen pe- riode eine kurze (offene oder geschlossene) silbe die function der rhythmischen länge übernehmen kann (Hephaest. p. 28 ; Terent. Maur. 1640, Victorin. p. 1957 u. a). Verf. findet nun durch genaue prüfung sämmtlicher trimeter, sowohl der iambo- graphen, wie der tragiker und des Aristophanes, dass die an- weadung der kurzen silben am versschluss im verhältniss zu den langen etwa wie 1 : 21J2 steht (genauer: bei den jambo- graphen , so weit sich das verhältniss aus den spärlichen frag- menten bestimmen lässt, fast 1 : 3, bei Aeschylos 1 : 21/,3, bei Sophokles 1 : 23/4, bei Euripides 1 : 22/s, bei Aristophanes 1 : 21/a)J und zwar ungefähr übereinstimmend in sämmtlichen tragödien, wie komödien. Die vergleichung der geschlossenen und der offenen kurzen silben zeigt, dass bei den iambographen die letzteren im verhältniss zu den ersteren ungefähr wie 1 : 4 angewandt sind, bei Aeschylos wie 1:3, bei Euripides, Sophokles und Aristophanes fast wie 1 : 2. Bei dem komiker sind in drei stücken (Lysistr., Pax, Ean.) offene und geschlossene kurze sil- ben fast gleich viel , in drei andern (Nub. , Eccles. 7 Plut.) jene sogar in überwiegender zahl. Da nun diese stücke nachweislich die jüngsten des Aristophanes sind (die Nub. in der spätem redaction) , so folgert verf . , dass im lauf der zeit in der bil- dung des letzten fusses allmählich eine Veränderung vor sich gegangen sei(?).

Für die genaue bestimmung des Verhältnisses von offenen und geschlossenen silben ist natürlich vor allem die frage nach der anwendung des sog. v paragogicum , über welche die mei- nungen bekanntlich weit auseinandergehen, von besonderer Wich- tigkeit. Ihrer lösung hat verf. besondere Sorgfalt gewidmet. Er tadelt mit recht die in den meisten ausgaben, auch in Dind. poetae scen. Graec. ed. V, in dieser beziehung zu tage tretende inconsequenz , weist aber auch die Vorschrift Hermanns , am schlussdes triineters überall das v paragogicum eintreten zulassen, zurück (p. 6) und versucht eine neue lösung der frage. Der gang seiner Untersuchung ist folgender: einerseits weist das häufige vorkommen des hiats zwischen der schlusssilbe des ei- nen und der anfangssilbe des folgenden verses darauf hin, dass die einzelnen trimeter als in sich geschlossene verse von den

590 357. Metrik. Nr. 12.

alten betrachtet sind , auch wenn sie im Zusammenhang der rede aufs engste sich an einander anschliessen (wie Aesch. Prom. 259 dö^ei de nän,'; rt'g iXntg ; ov% ögüg ort "Hfiaqtsg ; xrX.) ; andrerseits zeigt die obwohl seltene freiheit der episyn- alöphe, dass die verse doch auch nicht als völlig getrennt angese- hen sind. Wo gedanken- und versschluss nicht zusammenfällt, ist also wohl beim ausgang des trimeters bezüglich des v para- gogicum von den dichtem ähnlich verfahren, wie in der mitte des- selben. Daraus ergiebt sich: das v paragogicum ist stets zu setzen 1) wenn das erste wort des folgenden trimeters mit einem vo- cal anfängt ; 2) vor einer grösseren interpunction (punkt , ko- lon, fragezeichen und starkem komma); es ist wegzulassen, wenn ein vers mit consonantischem anlaut folgt, der durch keine in- terpunction (oder das schwache komma vor infinitiven, vocati- ven, appositionen u. dgl.) von dem voraufgehenden geschieden ist. Diese regeln werden am schluss auf eine reihe von versen ange- wandt, und folgendes verhältniss zwischen den formen mit und ohne praragogisches v im ausgang der trimeter bei den scenischen dichtem festgestellt: bei Aeschylus sind von 91 Wörtern 62 mit v, 29 ohne v zu schreiben, bei Sophokles von 55 Wörtern 35 mit v, 20 ohne r} bei Euripides von 226 Wörtern 147 mit r, 79 ohne *', bei Aristophanes endlich von 115 Wörtern 96 mit v, 19 ohne v , während in der Dindorfschen ausgäbe bei Ae- schylus 86 mit r, 5 ohne v stehen, bei Sophokles 51 -J- 4, bei Euripides 131 -f- 95> Dei Aristophanes 114 (? 111) -f- 4. Es ist nicht zu verkennen, dass die von Eumpel vorge- schlagenen regeln ganz rationell erscheinen; aber andererseits glaube ich nicht, dass die oben angeführte argumentation dazu ausreichend ist, die Hermannsche Vorschrift durch eine neue, wennschon an sich plausible zu verdrängen. Vif. stützt sich, um den engen anschluss der trimeter an einander und dar- aus die anwendung des v paragogicum am schluss des verses ähn- lich wie in der mitte desselben nachzuweisen, auf die episyna- löphe, d. h. apostrophirung am ende des verses (Schol. A zu Hephaest. ep. 4, p.144). Allein es ist festzuhalten, dass diese, wie auch verf. p. 7 zugiebt, äusserst selten vorkommende und auf bestimmte fälle beschränkte licenz von den alten stets als kühne und, wenn man will , regelwidrige neueruug des Sopho- kles angesehen ist (Schol. 1. 1. i^aiQszag, vSars xaleia&ai ro

Nr. 12. 357. Metrik. 591

sl8og 2oq>r'x\siov)} die Aeschylus nirgends (Lachm. zu Lucr. II, 118) und eben so wenig Euripides (Iph. T. 961 ist z' von Kirchhoff und Nauck mit recht gestrichen), Aristophanes aber sehr selten und wohl bloss parodierend angewandt hat. Für die erklärung der sophokleischen miawaloiyr} ist mir äusserst wahrscheinlich, was Leutsch (Piniol. XI, p. 750 ff., wo am ein- gehendsten über die wortbrechung am schluss der verse gehan-j delt ist) vermuthet, es sei in diesen fällen eine engere Vereini- gung der verse durch hülfe der musik bewirkt. Die verse mit episynalöphe sind also gewissermassen nicht xara ciiyjiv, sondern xaza ovaztjua vermittelst der sog. nagaKaznloyi] (vgl. Plut. de mus. 28, Rossbach und Westphal, griech. metr. p. 184) componiert, und keinenfalls scheint mir durch sie be- wiesen zu werden , dass die dichter durch bildung des ver- schlusses hoc fere modo se gerebant quasi in medio versu versa- rentur (p. 7). Am ende jedes verses ist ein halt; daher muss er stets mit einem vollen wort auslauten , ebenso wie er mit einem solchen anlauten muss (Westphals allgetn. griech. metr. p. 336), daher ist am ende unbedingt der hiat gestattet und ebenso unbedingt syllaba anceps. Eben daraus folgt auch, scheint mir, evident, dass am schluss jedes trimeters das v pa- ragogicum eintreten muss, wie Hermann (de emend. rat. gr. gr. p. 22) vorschreibt, nicht etwa um den hiat zu vermeiden, sondern quo facilius in ea syllaba vox consistere et pausam facere possit, antequam ad sequentem versum pergat. Vgl. auch die auf diese frage bezüglichen stellen in Leutsch, Grdr. der Metr. §§. 68. 73. 74.

Können wir somit in dem haupttheil seiner Untersuchung mit dem verf. nicht übereinstimmen, so sind wir ihm doch für seine mit grosser akribie angestellten beobachtungen, die für eine hoffentlich bald unternommene geschichte des iambischen trimeters keinesweges ohne nutzen sind, zu dank verpflichtet. Seine angaben sind, so weit sie ref. nachgeprüft hat , meistens genau zutreffend (bei den iambographen zähle ich 256 trimeter, 61 des Archilochus, und finde 102 pyrrhichien am Schlüsse statt 89). Die zahl 114 auf p. 9, z. 6 v. u. beruht wohl auf einem druckfehler (statt 111), wie structurum p. 4 , z. 1 v. o. anstatt structuram.

C. Fr. Müller.

592 358. Vergleichende grammatik. Nr. 12.

358. Tiede, vergleichende bemerkungen über lateinische und deutsche Umgangssprache. Programm von Sprottau. 1872.

Was Hand lat. Stilistik p. 55 behauptet, „Cicero sei frei von fehlem der nachlässigkeit, da ihm die gesetze eines klaren bestimmten denkens als leitendes prinzip gelten", passt nicht unbedingt auf alle stilarten; denn nicht selten hat er sich, na- mentlich in stilistischer hinsieht, auch wenn wir von den brie- fen absehen, absichtliche oder zufällige freiheiten , nachlässig- keiten gestattet, wie sie nur der spräche des Umgangs erlaubt und eigen sein dürfen. Auch für ihn gilt also das horazische: quandoque bonus dormitat Homerus. Dies will Tiede an einigen syntaktischen beziehungen nachweisen, unter hauptsächlicher be- rücksichtigung der dialogischen Schriften Cicero's, wobei auch andere Schriftsteller gelegentlich angezogen werden.

Nachdem der Verfasser eine allgemeine Charakteristik der Umgangssprache gegeben, namentlich das fehlen von redefigu- ren, die anwendung der deminutiva ohne den deminutiven sinn und den freieren periodenlosen satzbau als hauptkennzeichen der- selben hervorgehoben hat, behandelt er unter steter vergleichung des deutschen 1) die Wortstellung, 2) die lose (meist nur durch präpositionen vermittelte) syntaktische Verbindung zweier sub- stantiva, von denen das eine nähere bestimmung des andern ist, 3) die anakoluthie, 4) den pleonasmus nnd die hyperbel, 5) die ellipse, 6) die attraktion.

Den ausführungen Tiede's über die Wortstellung pflichte ich völlig bei. Wenn er aber p. 8 sagt: „am weitesten geht diese freiheit loser Verbindung in Cic. Ep. ad fam. 2, 16, 2: nil unquam de profectione nisi vobis approbantibus cogitavi, wo das Substantiv profectione von einem durch einen abl. absolutus ausgedrückten attribut begleitet ist ; zu cogitavi kann nisi vobis approbantibus nicht gehören, da ein denken ohne die billigung eines andern ein unding ist" so verstehe ich zunächst die letzten worte nicht recht; sie sollen wohl heissen: zum denken bedarf man der einwilligung eines anderen nicht, das denken ist jedem erlaubt. Doch davon abgesehen meine ich, dass diese stelle überhaupt nicht hierher zu rechnen sei; denn nisi vobis approbantibus = nisi vos approbaretis bedeutet ganz einfach : ich habe ans abrei- sen nie gedacht, ohne eure einwilligung vorausgesetzt resp. zur bedingung für mich gemacht zu haben = ich war stets ent-

Nr. 12. 358. Vergleichende grammatik. 593

schlössen, nur dann abzureisen, wenn ihr eure genehmigung er- theilen würdet. Weil also ein abl. absolutus darin enthalten ist, so steht das beispiel nicht auf derselben stufe wie die voran- gehenden. Letztere sind meist mit den präpositionen sine und cum gebildet, entprechen daher einem deutschen mit den endun- gen „los" oder ,,voll" gebildeten eigenschaftswort, z. b. mors cum gloria = ein ehrenvoller tod , senectus sine guerela = ein klageloses alter.

Zu der p. 14 erwähnten hyperbel nullus (ich möchte diese ausdrucksweise blos nachdrucksvolle prädikative anwendung für non nennen) könnten noch folgende beispiele gefügt werden: Cic. Cat. 1, 16 : misericordia quae tibi nulla debetur: Ep. ad. Att. 15, 22: Sextus ... ab armis nullus discederet: id. Cat. mai. 22, 79nolite arbi- trarime ... nusquam aut nullum fore. Zu den hyperbolischen aus- drücken rechnet Tiede auch den gebrauch von calefacere, z. b. Ep. ad Fam. 8, 6, 4: si Parthi vos nihil calfaciunt: ad Quint. fr. 3, 2, 1 : eodem die Gabinium ad jpopulum luculente calfecerat Memmius. Aller- dings lässt sich nicht leugnen, dass eine gewisse Übertreibung des ausdrucks hierbei vorliegt; trotzdem gehören diese redens- arten ins gebiet der metapher d. i. des abgekürzten gleichnis- ses. Denn ursprünglich ist der gedanke : Memmius hatte den Gabinius tüchtig gescholten, dadurch ihm warm gemacht, wie das feuer denjenigen erhitzt, auf welchen es losfährt.

Die definition der ellipse, welche Tiede p. 15 durch zu- sammenfassen der erklärungen von Seyffert und F. Schulz ge- winnt: „die ellipse ist eine auslassung von Wörtern, die entwe- der aus dem zusammenhange oder aus der kenntniss des sprach- lichen gemeinguts einer nation ergänzt werden können", scheint mir nicht erschöpfend zu sein, da er p. 16 noch ausserdem el- lipsen ganz individueller art statuiren muss, welche auf den besonderen Verhältnissen und beziehungen zwischen Schreiber und empfänger beruhen und nur aus kenntniss derselben für andere verständlich 6ind.

C. Härtung,

359. Sententiarum liber. Collegit et disposuit C. Här- tung. 8. Berol. Henschel. MDCCCLXXIL 1 thlr.

Nachdem der herausgeber p. i ff. der vorrede über den zweck solcher Sentenzensammlungen allerlei bekanntes vorge- Philol. Anz. IV. 38

594 359. Sententiarnm übet. Nr. 12

bracht hat, geht er p. vn zu einer kritik des Wüstemannschen Promptuarium sententiarum über , die füglich besser unterblieben wäre, da das nette buch trotz seiner mängel seiner zeit grossen anklang, namentlich in England, gefunden und daher auch eine zweite aufläge erlebt hat. Wenn aber unser sammler gar der meinung ist, dass die 54 Seiten lange vorrede hätte weg- bleiben können, so möge er wissen , dass gerade diese so mei« eterhaft geschriebene vorrede, das schwanenlied meines unver- gesslichen lehrers und freundes, dem buche viele freunde und abnehmer verschafft hat. Auch ist es überhaupt nicht schön sich auf kosten seiner Vorgänger erheben zu wollen. Die Har- tung'sche Sammlung ist übrigens ein ganz brauchbares buch, nur hätte der herausgeber sich nicht das ansehen geben sollen, als sei seine Sammlung die vollständigste von allen. Sie giebt allerdings einige hundert Sentenzen mehr als mauche andere, lässt aber dennoch den benutzer in vielen fällen im stiche. Nach der vorrede p. ix will Härtung eine möglichst voll- ständige Sammlung der besten und bekanntesten Sen- tenzen bieten. Die Sammlung enthalte 5750 Sentenzen unter 517 begriffen. Die ergiebigsten fundorte seien gewesen die prosaiker Quintilian (declamationesj, Seneca, Varro, und die poe- ten Syrus, Dionysius Cato ; ferner Cicero , Curtius, Livius, die beiden Plinii, Quiutilianus, Sallustius, Tacitus, Velleius, Vale- rius Maximus; die Anthologia latina, Ennius, Horatius, Iuvenalis, Lucilius, Persius, Phaedrus, Plautus, Seneca, Terentius, Vergi- lius. Bei den übrigen autoren kämen die Sentenzen weniger häu- fig vor. Härtung will also den leser glauben machen, die vor- stehenden Schriftsteller seien von ihm vollständig ausgenutzt. Dem ist aber durchaus nicht so. Vor mir liegt eine alte sen- tenzensammlung: Loci communes sive ilorilegium verum et mate- riarum selectarum etc. Studio et opera los. Langii. Argentor. MDCV. Ich schlage p. 329 den artikel Ira auf. Von den 17 dort aufgeführten Sentenzen hat Hartungs Sammlung unter Zorn eine einzige aus Horat. Ep. 2, 2, 62, Lange hat noch Horat. Ep. 1, 2, 59; 1, 18, 37. Ovid. Amor. 1,7, 66; 1, 8, 81; Her. 3, 85; 6, 140; 12, 207; Art. am. 3, 503 (s. auch 502) Pers. 116 sqq. Stat. Theb. 10, 703 sqq. Claudian. Epigr. 28, 1. Senec. Med. 152 und 203 sqq. Ebenso fehlen

Nr. 12. 359. Sententiarum über. 595

ausserdem noch viele Sentenzen, z. b. ackerbau, fehlt Ovid. ex Pont. 2, 7, 69. Adel, Ovid. Met. 13, 140 sq. Tibull. 4, 1, 28 sqq. Ehrgeiz, Senec. Ep. 60 , 3 ; 73, 3. Eid, Syr. Sent. 15. Faulheit, Ovid. ex Pont. 1, 5, 5 sq. Fehler, Senec. de Clem. 1, 6,3. Freude, Syr. Sent. 55. Friede, fauler, Tacit. ann. 3, 44 (misera pax vel hello bene mutalur). Glück, Val. Max. 4, 7. Ext. 2 (ebenso die stellen für: jeder ist seines glück ea schmied, Appius bei Ps. - Sallust. de rep. 1, 1, 2. Poeta ap. Corn. Nep. Att. 11, 6 und Cic. Parad. 5, 1, 34, welche bei Wuestem. Prompt, p. 43 und Georges Gnomol. p. 57 sq. zu finden sind). Gut, luven. 13, 26, 4 sq. Leben, kürze des lebens, Horat. carm. 2, 16, 17. Mensch, Hör. Sat. 2, 1, 27. Menschlich, Phaedr. 3, 16, 1 sq. Mit- leid, Syr. Sent. 263. Sen. Contr. 1,1. §. 14 ed. Burs. Muth, wird fortes fortuna adiuvat aus Liv. 34, 37, 4 an- geführt, während es schon Terent. Phorm. 1, 41, 25 (205) und Cic. Tusc. 2, 4, 11 steht, wie jeder etwas belesene philolog wissen muss, u.s. w. u. s. w.

Nicht anders steht es mit der Vollständigkeit der titel über- haupt. Es fehlt z. b. aufhören (Quintil. 5, 10, 79. Senec. ad Polyb. 1,1), begleite r (Comes), beharrlichkeit (Constan^ tia), br uder (FraterJ, gelehrsamkei t, g e 1 e h r t e r (Doctrina, Doctus):, gemüths- oder Seelenruhe (Tranquillitas animi, Senec. Ep. 56, 6; 55,8), halbgelehrter, halbheit (Fronto Ep. ad M. Caes. 4, 3 in.), hof des fürsten (Aula), kriegs- glück (Fortuna belli), nachsieht (Indulgentia, Ovid. Art. am. 2, 145 sq.), nächster (Proximus, Plaut. Trin. 1154. Terent. Andr. 636), papier (Papyrus, Plin. Nat. Hist. 13, §. 70: papyro constat immortalitas hominum ; steht auch nicht unter ewig, unsterblich), rose (Ovid. Eem. Amor. 46. Ammian. Mar- ceil. 16, 7, 4. Mythogr. Lat. ed. Bode 3, 11, 229), schelten [Objurgatio , auch nicht unter tadel; schimpfreden, Male- dicere, Maledictum), stunde (Hora) , tischgenosse (Con- victor , Sen. Ep. 7, 7), Versöhnlichkeit (Placabilitas , Cic. Offic. 1, 25, 88), verzug (Mora), v ortheile (Commoda , Lu- cil. bei Lactant. 6, 5, 2), wankelmüthigkeit (Ovid. Met. 10,371 373), Wortwechsel, (Altercatio); s. meine Gno- mologia unter den hier beigesetzten lateinischen titeln.

38*

596 359. Sententiarum über. Nr. 12.

Viele artikel sind einseitig gehalten. So steht unter bit- ten keine einzige sentenz mit Preces (s. meine Gnomol.), unter betrug keine einzige mit Dolus (s. Hör. Ep. 1, 2, 15. Phaedr. 1,13, 1), enthaltsamkeit hat keine einzige mit Abstinentia (s. meine Gnomol.), erinner ung keine einzige mit Admonitio (s. m. Gnomol.), feind keine einzige mit Hostis (s. m. Gnomol.), gehorsam keine einzige mit Obsequium (s. das.). Unter herr fehlt = gutsherr {Dominus, s. das.), mann fehlt grosser mann, (vir magnus. s. Cic. de Nat. Deor. 2, 66, 167. Senec. Ep. 66. Ep. 66, 3; 102, 30 in m. Gnomol. p. 93), mein- eid fehlt meineid liebender (Tibull. 1, 4, 24; 3, 6, 49. Ovid. Art. Am. 1, 633) u.s. w. u. s. w.

Was den text der angeführten sentenzen betrifft, so ist uns nur selten unkritisches aufgestossen. Unter glück (p. 72) ist in der stelle aus Senec. ad Polyb. 28 (9), 5 parta statt parata wohl druckfehler, ebenso Liv. 45, 8, 6 cedere statt cre- dere. Die stelle unter neid (p. 140) aus Plaut. Truc. 4, 2, 32 (nicht 37) lautet bei Spengel: qui invident egenti; Ulis quibus invidetur, % (== ii) rem habent (bei Härtung Uli, qui- bus invidetur, rem tenent, was keine handschrift hat).

Die citate sind im ganzen ebenfalls correct ; zu tadeln ist nur, dass der herausgeber nicht überall auch die paragraphen angeführt hat, so dass der, welcher einmal eine stelle nach- schlagen will, erst lange lesen muss (z. b. in den langen brie- fen des Seneca), ehe er das gesuchte findet. Falsche citate sind: p. 1 (adel) luven. 8, 20 (nicht 15), p. 3 (alter) Caec. (besser Caecil. com.) ap. Cic. Cato mai. 8, 25 (nicht ap. Cic. 8, 25), p. 29 (eile) August, (nicht Cato) ap. Suet. Aug. 25, p. 62 (geiz) Sen. Contr. 3 (7), 18. §. 8 ed. Burs. (nicht bl. 7, 3), p. 76 (glück) Amm. Marc. 21, 16, 13 (nicht 3), p. 97(hoff- nung) Sen. Exe. Contr. 5, 1. §. 2 (nicht Sen. Contr. 5, 1).

Ich wiederhole es nochmals: das buch ist brauchbar, und

ich wünsche ihm recht viele abnehmer; aber für einen absatz

im auslande (z. b. in England und in Italien, wohin meine

Gnomologia oft verlangt wird) ist es nicht elegant genug

ausgestattet.

K. E. Georges.

Nr. 12. 360. Paedagogik. 697

360. J. So er gel, die gegenwärtige gymnasialbildung mit besonderer berücksichtigung des bayerischen gymnasialwesens . 8. Nördlingen, Becksche buchhandlung. 1872. 132 8.

Der kämpf um den vorzog der realistischen oder humani- stischen bildung, speciell die frage, ob den abiturienten der realschulen der zutritt zu allen oder wenigstens einigen facul- tätsstudien an der Universität zu gestatten sei , beschäftigt seit jahren im norden Deutschlands die kreise der gebildeten. Das für und wider ist in Zeitschriften und brochuren bereits so vielfach und mit einer oft bis zur leidenschaft gesteigerten wärme erörtert worden, dass man wohl annehmen darf, es werde sich schwerlich noch ein neues, für eine definitive entscheidung wesentliches moment auffinden lassen. Die bescheidung der von verschiedenen Städten an das preussische abgeordnetenhaus gerichteten petitionen um gleichberechtigung der abiturienten der realschulen erster Ordnung mit denen der humanistischen gym- nasien berührt zwar in erster linie nur den preussischen staat ; sie wird aber schon wegen der grosse und machtstellung des- selben von entscheidender Wichtigkeit für ganz Deutschland und hat insofern auch principielle bedeutung, weil mit ihr zugleich ein urtheil über den werth der classischen bildung gefällt wird. Es ist deshalb sehr erklärlich, dass auch der süden unseres Va- terlandes der sache nicht gleichgültig gegenübersteht, wenn sie dort auch noch keine eminente practische bedeutung bekommen und die gemüther der betheiligten noch nicht in gleich hohem grade erhitzt hat. Dass man aber auch dort wohl weiss um was es sich handelt, beweisen die eingehenden besprechungen, welche diese frage in der Wochenschrift der bayerischen fort- schrittspartei gefunden hat, und die theilnahme, mit welcher ih- nen das publikum folgte.

Auch die vorliegende schrift des erlanger gymnasialpro- fessors Soergel beschäftigt sich eingehend mit diesem thema und kann schon deshalb auch über die grenzen Bayerns hinaus anspruch auf beachtung machen. Die ganze erste hälfte der schrift ist der frage über den werth der sog. realistischen bil- dung gewidmet. Der verf. unterzieht, gestützt auf eine, wie es scheint, sehr gründliche und umfassende kenntniss der einschlä- gigen polemischen literatur , die leistungen der bildungsanstal- ten beider sich bekämpfenden richtungen einer ruhigen, nach

598 360. Pädagogik. Nr. 12.

beiden selten bin grösster billigkeit sich befleissigenden vergleicbung und kritik und ist, gerade weil er selbst lehrer an einer huma- nistischen anstalt ist, vor allem bestrebt die wirklichen Vorzüge der realschulen auch rückhaltslos anzuerkennen. Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, dass wir es hier mit einer kal- ten und farblosen erörterung zu thun hätten, oder gar, dass sich der verf. schliesslich zu gunsten der neueren , von dem zeitgeiste bevorzugten richtung ausspreche. Im gegentheil, er tritt unbeschadet der Unparteilichkeit, warm und mit vollem herzen für die classischen Studien ein und legt in überzeu- gender weise dar, welch hoher werth ihnen auch in der gegenwärtigen zeit auf dem gebiete der bildung und erzie- hung noch zukommt. Ein doppeltes verdienst vindicirt er ih- nen: einmal, dass sie das beste und kaum durch irgend etwas anderes zu ersetzende mittel zur erlangung einer all- gemeinen , formalen bildung des geistes sind , und dann , dass wir gerade in ihnen ein kräftig wirkendes gegenmittel gegen die selbstsüchtigen, blos auf gewinn und genuss gerichteten ma- teriellen bestrebungen unserer zeit haben ; ja er behauptet, dass der immer noch dem deutschen volk eigene ideale zug, das bei uns mehr noch als anderswo vorhandene bewusstsein der pflicht des einzelnen gegen den staat, vorzüglich auf die treue pflege der classischen Studien zurückzuführen ist, da unsere jugend durch sie neben der geistigen Schulung, welche die jahrelange beschäftigung mit der alten literatur nothwendig erzeugen muss, die kräftigsten sittlichen eindrücke empfängt , die für ihr gan- zes leben von den wohlthätigsten folgen sein müssen. Diesen grossen Vorzügen gegenüber fällt es nicht schwer in die wag- schale, wenn, was ja zugestanden werden muss, die realschulen wirklich in einzelnen fächern bedeutende leistungen erzielen und für bestimmte berufsarten wirklich besser vorbereiten als die humanistischen gymnasien, deren aufgäbe ja niemals die vorbe reitung für einen besondern berufszweig war, sondern stets die Vermittlung der allgemeinen geistigen bildung. Man verschiebe die grenzen nicht ■, die realschulen haben, um die worte des gut- achtens der bonner evangelisch-theologischen facultät zu gebrau- chen, zu ihrem ziel das polytechnikum, die humanistischen gym- nasien die Universität. Und wenn Deutschland auch stets mit stolz auf die leistungen seiner, mit recht auch im ausländ ge-

Nr. 12. 361—373. Neue auflagen. 699

achteten polytechnischen institute blicken wird, so wird es doch immer als die träger der bildung und den sitz des edlen deut- schen idealismus nur seine Universitäten anerkennen. Empfiehlt shh nun nach dieser seite hin Soergels trefflich geschriebene und bisweilen auch mit frischem humor gewürzte schrift allen , denen die sache der bildung überhaupt am herzen liegt, so werden diejenigen , welche sich speciell für den stand der bayerischen gymnasien interessiren, nicht ohne nutzen auch den zweiten theil der brochure lesen, welcher veranlasst durch eine Interpellation des auch als landtags- abgeordneter thätigen Verfassers über die reorganisation der bayerischen studienanstal- ten, die in der kammer erhobenen klagen über vorhandene grobe nissstände durch thatsachen belegt und auch den fern- stehenden erkennen lässt ; woher der bayerische ultramontanis- mus und particularismus immer von neuem nahrung erhält.

NEUE AUFLAGEN. 361. Herodot, erklärt von H. Stein. 1. bd. 2. heft. 3. aufl. 8. Berlin. Weidmann; 15 ngr. 362. Ausgewählte reden des Lysias. Erklärt von L. Kauchenstein. 6. aufl. 8. Berlin. Weidmann; 18 ngr. 363. Lucian's ausgewählte Schriften. Erklärt von A. S o m- merbrodt. 1. bdch. 2. aug. 8. Berlin. Weidmann; 12 ngr. 364. Griechische prosaiker herausgeg. in neuen Über- setzungen von C. N. v. Oslander und G. Schwab. Lysias reden. II. 3. aufl. : Livius IX. 10. aufl. Stuttgart. Metzler; k 4 gr. 365. R. Volk mann, leben, Schriften und philoso- phie des Plutarch von Chäronea. Neue ausgäbe. 8. Berlin. Calvary ; 3 thlr. 366. J. Ov erb eck, Pompeji in seinen gebäuden, alterthümern und kunstwerken. 2. aufl. 8. Leip- zig. Engelmann; 6 thlr. 367. W. Pape, deutsch -griechi- sches handwörterbuch. 3. aufl. Bearbeitet von M. Senge- busch. 8. Braunschweig. Vieweg; 3 thlr. 368. M. Tüll. Cicero's rede für T. A. Milo. Mit einl. u. erkl. anmerk. von E. Osenbrüggen. Neu bearbeitet von H. Wirz. 8. Ham- burg. Mauke; 221J2 gr. 369. T. Livi ab urbe condita IL Erklärt von W. Weissenborn. 1. bdch. 5. aufl. 8. Berl. Weidmann; 24 ngr. 370. E. Guhl und W. Kon er, das leben der Griechen und Eömer. 3. aufl. Lief. 9. 10. Berlin. Weidmann; ä 10 ngr. 371. Preller, griechische mytho- logie. 3. aufl. von E. Plew. 1. bd. 8. Berlin. Weidmann; 2 thlr. 372. E. Hübner, grundriss zu Vorlesungen über die römische literaturgeschichte. 3. aufl. 8. Berlin. Weid- mann; 15 ngr. 373. M. Carriere, die kunst im Zusam- menhang der culturentwicklung und die ideale der menschheit.

600 Schulbücher, n. 374—390. Bibliographie. Nr. 12.

3. bd. 1. abth. 2. aufl. 8. Leipzig. Brockhaus; 2 thlr. 20 gr.

NEUE SCHULBUEGHER: 374. 5. Freunds schüler- bibliothek. Präparation zu Homer's Odyssee. 4. heft.

4. aufl.: 11. heft. 3. aufl. 16. Leipzig. Violet ; ä 5 ngr. 376. Präparationen zu Homer's Odyssee. Von einem schulmann. 2. aufl. Gesang 1 3. 8. Köln. Schwann; 127a ngr. 377. Xenophon's Anabasis. Erklärt von F. Voll- brecht. 2. bdch. 4. aufl. 8; Leipzig. Teubner; 12 ngr. - 378. Platon's Apologie des Socrates u. Kriton. Für den schulgebrauch von A. Ludwig. 5. aufl. 8. Wien. Gerold; 12 ngr. 379—83. Freund Schülerbibliothek. Präparatio- nen zu Virgils Aeneis. 4. heft. 4. aufl.; zu Horaz werken. 14. heft; 4. heft. 2. aufl. 16. Leipzig. Violet; ä 5 gr.: Zu Sallust's werken heft 1. ib. j 5 gr.; Livius. 9. heft. 2. aufl. ib.; 5 ngr. 384. Gedike's lateinisches lesebuch. Herausgegeben von F. Hof mann. 27. aufl. 8. Berlin. Dümmler; 1276 ngr. 385. K. W. Osterwald, Aescky- loserzählungen für die Jugend bearbeitet. 1. bdch. 8. Halle. Waisenhaus; 12 ngr. 386. E. Dietsch, grurtdriss der allgemeinen geschichte. 1. thl. 7. aufl. 8. Leipzig, Teub- ner; 12 ngr. 387. J. Klein, die wichtigsten regeln der griechischen syntax. 2. aufl. 8. Bonn. Cohen; 12 ngr. 388. A. Nicolai, materialien zu mündlichem und schriftlichem übersetzen aus dem deutschen ins griechische. 8. Berlin. Weid- mann; 15 ngr. 389. H. A. Hermann und J. Gr. Weck- herlin lateinische schulgrammatik für untere gymnasialkiassen.

5. aufl. 8. Stuttgart. Metzler; 1 thlr. 4 ngr. 390. E. Berger, lateinische grammatik. 8. aufl. 8. Celle. Kariowa; 1 thlr. : desselb. kurzgefasste lateinische grammatik. 8. Eben- das. 15 ngr.; dess. lateinische übungs- und lesebücher. Thl. I. H. 5. aufl. 8. Ebend.; I. th. 12 ngr., H. th. 18 ngr.

BIBLIOGRAPHIE. Die inhaber einer londoner buchhand- lung, gebr. Dullan, haben öffentlichen blättern zufolge sämmt- liche in Paris während des deutsch - französischen kriegs ver- öffentlichten carricaturen in sechs bänden gesammelt. Ein exemplar ist vom fürsten Bismark , ein zweites vom britischen museum angekauft, ein drittes befindet sich im besitz der Samm- ler. Börsenbl. nr. 258.

Ein merkwürdiges beispiel, wie incorrect auctionskataloge gedruckt werden, weist an dem bei Prandel in Wien kürz- lich erschienenen das Börsenbl. nr. 289 nach.

Der Verleger von L. Napoleon's HUtoire de Jules CSsar, Henri Plön in Paris, ist 66 jähr alt am 25. nov. gestorben.

Nr. 12. Kleine philologische zeituug. 601

Cataloge von antiquaren: Fliegender antiquarischer anzeiger der G. H. Beck'schen buchhandlung in Nördlingen , nr. 24; antiquarisches verzeichniss nr. 34 (decemb.) von Ernst Car- lebach in Heidelberg (philologie und Sprachwissenschaft).

KLEINE PHILOLOGISCHE ZEITUNG. Der literari- sche nachlass von G. H. Bürger, der wichtige briefe u. s. w. enthalten soll , ist in den besitz von Eichard Werth zu Melle übergegangen : Börsenbl. n. 206.

Ein verzeichniss der deutschen bücher , welche neuerdings in holländischen Übersetzungen erschienen sind, giebt Börsenbl. nr. 238: von philologischem ist nur darunter: Brambach hülfsbüchlein der lateinischen rechtschreibung und Müller re» eultate der Sprachwissenschaft.

,, Schriftsteller und Verleger vor 100 jähren " ist ein auf» satz betitelt im Börsenbl. nr. 260. 266.

Güstrow. Am 3. und 4. oct. hat hieselbst in der aula der domschule eine Versammlung der Schulmänner Mecklen- burg^ stattgefunden; es war seit mehreren jähren der wünsch, eine periodisch wiederkehrende Vereinigung zum zweck der ver- mittelun^ persönlicher bekanntschaft und zur gegenseitigen anre- gung und förderung herbeizuführen, zumal nach dem aufhören des „Vereins norddeutscher Schulmänner" wiederholt laut geworden und hatte zuletzt in einer zu Pfingsten 1866 in Kleinen statt- gehabten Versammlung zwar lebhaften anklang gefunden , aber zu der dort verabredeten Wiederholung solcher Zusammenkünfte wegen der Zeitereignisse nicht geführt. Je grösser aber durch das seitherige rasche emporblühen des höheren Schulwesens in unserem lande die zahl der uns zugeführten neuen kräfte ge- worden ist, desto dringender ward der wünsch nach einer sol- chen Vereinigung. Daher haben die collegien der domschule und realschule zu Güstrow von der erwägung ausgehend, dass Gü- strow durch seine auch für Mecklenburg-Strelitz leicht erreich- bare läge am geeignetsten erscheint, den ort einer Zusammen- kunft abzugeben und dass wegen der in diesem jähre erfolgten Verlegung der philologenversammlung in die pfingstferien und der der naturforscherversammlung in die hundstagsferien die bevorstehenden michaelisferien der angemessene Zeit- punkt zu einer solchen sind , die initiative ergriffen und auf den oben erwähnten tag eine Zusammenkunft anberaumt. Sie ist denn auch mit allgemeiner Zufriedenheit abgehalten ; denn der einladung waren 42 lehrer, darunter director Briegleb, prof. Dühr, Dr Heusi, Dr Labes u. s. w. gefolgt, so dass fast alle mecklenbur- gischen gymnasien und realschulen vertreten waren. Dir. Dr Raspe - Güstrow eröffnete die Verhandlungen, zunächst über eon-

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etituirung eines Vereins : es ward einstimmig beschlossen , einen verein mecklenburgischer schulmänner zu gründen , der sieh alljährlich am dienstag nach pfingsten an einem vorher zu be- stimmenden orte versammeln und die aufgäbe haben solle, pädagogische und wissenschaftliche fragen zu besprechen und durch Vermittlung persönlicher bekanntschaft belebend und an- regend auf die mitglieder zu wirken. Demnächst wurden Sta- tuten des Vereins nach bereit gehaltenem entwurf durcbbera- then und die bildung von sectionen dem jeweiligen bedürfniss vorbehalten. Den schluss bildeten über Versetzungen von Rasp e - Güstrow gestellte thesen. Von wissenschaftlichen vor- tragen wurde diesmal abstand genommen. Die rege betheili- gung an dieser Vorversammlung lässt erwarten, das ein le- benskräftiger verein zu stände kommen wird. Es lässt sich voraussehen , dass da die sogenannte deutsche philologenver- sammlung in den letzten jähren eben nicht glücklich geführt ist, solche kleinere vereine in grösserer anzahl entstehen werden ; es wäre das nur zu beklagen, da gerade jetzt, wo eine zeit- gemässe Umbildung des deutschen gymnasial - wie universitäts- wesens so dringend geboten ist, eine grosse, die besten pä- dagogischen kräfte Deutschlands vereinigende Versammlung, rich- tig geleitet, einen wohlthätigen und der bureaukratie gegen- über äusserst nothwendigen einfluss ausüben könnte und müsste.

11. octob. Der geschichts - und alterthumsverein in Ha- nau hat das recht erworben auf dem dortigen sg. römischen todtenfelde ausgrabungen zu veranstalten : diese sind begonnen und es sollen schon werthvolle gegenstände gefunden sein. Nä- heres giebt hierüber Staats-Anz. n. 304 beil. 1.

Chemnitz. 14. oct. Seitdem im jabre 1835 das alte, in sei- nen anfangen bis über die reformation hinaus reichende städtische lyceum, die bildungsstätte grosser philologen (Fabricius, Heyne) und theologen (Bretschneider, "Winzer, Illgen) aus mangel an mittein eingegangen war , entbehrte die dritte Stadt Sachsens bei einer einwohnerzahl von (1871) über 68000 seelen einer humanistischen bildungsstätte. Erst seit 1866 nahm das cultus- ministerium, dazu angeregt durch petitionen des raths und der Stadtverordneten von Chemnitz , die angelegenheit ernstlich in betracht; zu michaelis 1868 ward vorläufig ein dreiklassiges pro- gymnasium mit drei lehrern und einunddreissig schülern eröff- net, anfangs unter der Oberleitung des hiesigen realschuldirec- tors prof. Caspari. Zu ostern 1871 erhielt die inzwischen bis zu 8 lehrern und 105 schülern herangewachsene anstalt einen rec- tor in der person des bisherigen professors an der landesschule zu Meissen, Dr Theodor Vogel. Die stadt hatte sich dem ministerium gegenüber zur gewährung eines geeigneten baupla- tzes verpflichtet, der nach langen unerquicklichen, das ganze

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vorübergehend in frage stellenden Verhandlungen in einem für ca 22500 thlr. angekauften grundstück auf dem sogen. Kass- berg, einer massig hohen, steil ansteigenden höhe im nordwe- sten der stadt, gefunden ward. Am 14. october dieses jahres fand die inauguration des neuen, einfach würdigen gebäudes statt : die kosten des baues mit einschluss der mobiliarausstat- tung belaufen sich auf ca 63000 thlr. Zur eröffnungsfeierlich- keit hatte der rector durch eine alcäische ode eingeladen: sie schliesst;

At tu, potenti numine qui mare, Terrain et micantem sideribus polum, Mortalium qui res caducas Arbitrio regis unus aequo,

Amplo dicatos officio Lares Sancteque Christi nomine conditos Custodias nutu et benigno, Summe Deus, tueare vultu,

Ut nee procellae fulmina nee mala Sacrata tangant baec Tibi moenia Neu plebis insanae tumultus Hosticus aut furor et libido,

Ut salva perstet tempus ad ultimum Gaudens frequenti diseipulo schola, Saecli mala incorrupta tabe, Chemnitii patriaeque lumen !

Die einladung stiess auf eine ausserordentlich rege theilnahrae ; unter dem zahlreichen auditorium, das dem inaugurationsactus beiwohnte, befanden sich der eultusminister Dr v. Gerber , der geheime kirchen - und schulrath Dr Gilbert, eine grosse anzahl früherer schüler des lyceums und unter ihnen der letzte rector desselben, professor Dr Friedrich Wolf Heinichen, bekannt durch seine literarischen arbeiten auf dem gebiete der patristik, der lateinischen lexicographie und Stilistik. Ausserdem liefen schrift- liche glückwünsche in versen und prosa ein, welche passend aufgelegt waren: davon ist uns bekannt geworden eine latei- nische mit schöner das gymnasial - gebäude darstellenden Vignette geschmückte elegie von A. G. Dinter in Grimma, deren schluss lautet :

Hunc signate diem, precor, albo rite lapillo, Praebet enim nobis gaudia spemque simul.

Chemnitiense novum crescat vigeatque precemur Gymnasium ! votis annuat ipse Deus !

Ferner hat Rieh. Richter im namen des lehrer-collegiums zu Zwickau mit einer schönen elegie gratulirt, deren schluss wir ebenfalls hier mittheilen :

Nil magni sine magnanimo est certamine natum, certando uirtus nascitur ipsa uiris.

604 Kleine philologische zeitung. Nr. 12.

Ergo age certemus ! rapiat concordia discors

nos simul illustris limite curriculi! Propositum est quodcumque refert pulchrique bonique

Aonidum cultus, praeniia digna sequi. Cras tarnen intremus stadium: nunc esse bibendum,

nunc puto laetitiae cuncta replenda sono. Heus! deprome, puer, Bacchi spumantia dona

interior feste- lumine digua nota est utbene uicinum! plena ad carchesia dicam

intrantique scholae limina fausta precer. Stet domus inconeussa, polo dum saeuiet Auster,

sacrilegique proeul sit scelerata manus. Ut splendens nouitate sua fumo urbis et umbra

emicat et late conspicienda nitet, sie domus baec late doctrinae lumina spargat

et lux sit patriae Candida sitque decus. Hanc quicumque colit ciuis, seu doctus ab arte,

siue artis tetigit uix elementa labris, Semper inoffenso premat baec pede limina; nulluni

eiciat leuitas nequitiesue sua. Si tarnen eveniat sola baec commercia nostra

deprecor ad fines ne migret ille meos.

Nachdem der staatsminister Dr v. Gerber das gebäude der ßtadt Chemnitz übergeben und warme worte an die (11) lehrer der (jetzt 151 schüler in 7 classen zählenden) anstalt gerichtet, und nachdem geheimer rath Dr Gilbert, selbst ein schüler des lyceums, eine tief empfundene weihrede gehalten hatte, be- antwortete der rector in längerer rede im anschluss an Iesaias die frage: „was ist es denn für ein haus das wir dem herru bauen", durch die dreifache antwort: „wir weihen das haus zur ringschule der geister, zur pflegestätte klassischer humanität, zum tempel der anbetung gottes im geist und in der Wahrheit". Die Stadt Chemnitz bekundete ihr interesse an dem gymnasium, dem auf dem hiesigen durch das commercielle leben beherrsch- ten boden, mitten unter hervorragenden statten der realistischen Studien und exaeten Wissenschaften eine so bedeutsame auf- gäbe zufällt, durch die anweisung eines capitals von 2000 thlr zu Stipendien; ausserdem sind von Privatpersonen der jungen anstalt an diesem und den vorhergehenden tagen 3900 thlr und 2000 gülden östr. w. zugewendet worden; daneben gegenstände von kunstwerth (z. b. ein kunstvoll geschnitztes katheder für die aula, eine prachtvolle fahne von den müttern und Schwestern der schüler). Den 6chluss der festlichkeiten bildete ein sehr animiertes vom Ministerium den lehrern des gymnasiums , den zahlreich erschienenen deputationen (Meissen, Grimma, Dresden, Zwickau, Freiburg, realschule Mittweida u. 8. w.) und hervorragenden persönlichkeiten der Stadt gegebenes diner, am andern tage ein ebenfalls vom ministerium den Schü- lern gewährtes fest, concert, theatralische aufführungen und ball. Möge nun Chemnitz auch auf dem gebiete der humaniora

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das epitheton ornans bewahrheiten, das einst Georg der bärtige mit beziehung auf seine mauern ihm beilegte: „Chemnitz die feste".

Marienburg, den 15. october. In unserer nähe, die an Überresten aus der alten heidenzeit so reich ist, hat man vor einigen tagen einen nicht unbedeutenden fund gethan. Beim pflü- gen stiess man auf ein steingrab auf dem sog. Galgenberge, einer gegend, welche in früheren Zeiten entweder das haff- oder ein seeufer gebildet hat. Bei weiteren nachgrabungeu wurden vier wohlerhaltene urnen ans licht gebracht; ausserdem reste von einer grösseren anzahl gefässe, darunter auch eine flache ßchaale. Von Schmucksachen fanden sich einige bronceüberreste. In der sehr feuchten erde hatte eine menge der gefässe gelit- ten ; der nasse, zähe, aber an der luft sehr schnell erhärtende boden bereitete auch der ausgrabung Schwierigkeiten. Uebri- gens vermuthet man noch mehr gräber in der nähe ; leider alle im besten, sorgfältig bestellten weizenboden.

Petersburg 18. octob. Im Kawkas sind weitere nach- richten über von Baiern begonnene ausgrabungen auf dem kirchhof bei dem dorfe Mzchet enthalten: in grabmälern sind gegenstände mit kursiv lateinischen und griechischen inschriften gefunden, aber auch solche, die mit assyrischen, phönizischen, ja mit schriftzeichen einer noch altern schrift versehen sein sol- len. Näheres Staatsanz. n. 251. beil. 1.

Das Bismark- Stipendium für die Universität Strassburg hat von der münchen-aachener feuerversicherungsanstalt 20000 thlr. erhalten : Staatsanz. nr. 254.

21. octob. fand in Berlin die feierliche eröffnung der academie für moderne philologie statt: näheres im Staats- anz. nr. 255 beil. 1.

Halle a. d. Saale. Am 30. october feierte der geheime- rath professor und oberbibliothekar Dr Bernhardy hieselbst sein fünfzigjähriges doctor- Jubiläum. Von allen Seiten beeilte man sich dem verehrten manne die innigsten glückwünsche dar- zubringen und ihm die gebührende anerkennung zu zollen. Der Staat ehrte die hohen Verdienste des Jubilars durch Verlei- hung des Rothen Adlerordens zweiter klasse mit eichenlaub ; Universitäten und academien begrüssten ihn in solennen votiv- tafeln; die behörden der provinz und der Stadt sandten ihre Vertreter zum feste, und eine grosse anzahl von gymnasien des in - und ausländes schickte deputationen , um dem academi- schen lehrer für alle die förderung zu danken, welche das phi- lologische Studium und indirect das höhere Schulwesen gerade durch sein wort und durch seine ßchriften erfahren. Um die- sen gefühlen des dankes noch besondern ausdruck zu geben, hatte man unter den schülern und Verehrern des Jubilars be- hufs gründung eines Bernhardy -Stipendium für philolo-

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gie studierende an der Universität Halle eine geldsammlung ver- anstaltet, und der ertrag derselben er beläuft sich jetzt auf ziemlich 800 thlr. konnte bereits zu weiterer bestimmung tibergeben werden. Und wie es eine so ungewöhnliche feier mit sich bringt, man beschränkte sich nicht darauf mit flüchti- gem wort ihr gerecht zu werden, sondern man suchte auch in Schriften aller art eine bleibende erinnerung an sie zu stiften; es sind nämlich folgende festschriften dargebracht: von der kö- nigl. landesschule Pforta: II. Ad. Kochii Emendationes Plau- tinae; von den Frankischen Stiftungen in Halle abhandlungen von Dr Chr. Muff De exitu Vesparum Aristophaneae fabulae cornmentatio , und von Dr Aug. Müller „die griechischen philo- sophen in der arabischen Überlieferung"; vom Stadtgymnasium in Halle eine Untersuchung von Dr Rud. Peppmüller „Ueber die composition der klaglieder im vierundzwanzigsten buch der Ilias" ; vom philologischen seminar der Universität Halle eine collectivschrift mit beitragen von O. Friedet: De Hippiae so- phistae studiis Homericis, von O. Neuhaus: De Sophoclis Antigo- nae initio, von A. Schinck: De duplici Aristophanis Ranarum recensione, und E. Seiler: De Tibulli elegia I, 2; ferner vom prof. Dr E. Dümmler eine schritt : „Anselm der peripatetiker, nebst anderen beitragen zur literaturgeschichte Italiens im elf- ten Jahrhundert" ; vom gymnasialdireetor Dr Hense in Parchim eine schritt: „Das schweigen und verschweigen in dichtungen"; vom privatdocenten Dr O. Hense „Kritische blätter. (Aeschy- lus' Choephoren. Miscellen)" ; vom prof. Dr Unger in Halle und prof. Dr Künstler in Ratibor lateinische öden. Hervorhe- ben müssen wir aber auch das am nachmittage des jubeltages im saale des hoteis „Stadt Hamburg" unter regster betheiligung durcbgeführte festmahl , und zwar deshalb, weil es eine wahre freude war den Jubilar im lebhaftesten und heitersten ver- kehr mit so vielen männern zu sehen, die, so verschieden sie auch an alter und Stellung waren, ihm alle dieselbe pietät be- zeugten. Es wurde hier manch gutes wort zu seinem lobe geredet, unbedingt das beste aber sprach er selbst in seiner erwiderung. Mit kurzen, kräftigen strichen entwarf er ein an- schauliches bild von seinem bildungsgange, knüpfte daran eine vortreffliche Würdigung der philologischen Studien auf schulen und Universitäten , legte es der studierenden jugend dringend ans herz wieder zu dem wissenschaftlichen sinn und dem idea- len streben früherer generationen zurückzukehren und trank dann auf das wohl der alma mater, an der er 43 jähre so ruhmvoll gearbeitet hat, der hallischen Fridericiana. Wir schliessen dieses referat mit dem herzlichen wünsche, dass es dem würdigen und hochverdienten gelehrten vergönnt sein möge noch recht lange in andauernder körperlicher und geistiger

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frische und mit reichstem erfolge im dienste der Wissenschaft zu wirken.

30. october. Darmstadt. Heute fand die erste sitzung des komites zur errichtung eines denkmals für die von der hessischen division im deutsch - französischen kriege gefal- lenen statt.

Hauptmann Burton, bekannt durch ein werk über Sy- rien, bereis't zum zweck wissenschaftlicher Untersuchungen die insel Island.

Stockholm. 2. nov. Die gelebrtenschule in Westems wurde wegen daselbst herrschenden nervenfiebers geschlossen.

Neue entdeckungen inßom, Im quartier des Campo Militare (im alten Eom: Castro, Praetoria) wurde eine marmor- platte von cm. 58 länge, 25 höhe, 10 dicke gefunden, worauf namen und tage verzeichnet sind. Es ist dies eine tafel zur einschreibung von Soldaten der prätorianergarde. Die Zusammen- setzung der cohorteö, der tag des eintritts der Soldaten in den dienst, ihr geburtsort u. s. w. sind darauf verzeichnet. Die tafel rührt aus der zeit des kaisers Commodus her; als con- suln sind angegeben Crispinus und Delianus, Fuscianus und Silanus. Am Viminal fand man die spuren einer uralten civilisation, die noch weit über die gründung Eoms hinaufreicht. Unter den dort entdeckten gegenständen ist ein glasbecher von grosser feinheit; ein gläserner krug; vieles aus terracotta, aus der vorrömischen zeit stammend. Bei der Basilica di St. Maria Maggiore, zwischen Esquilin und Viminal, fand man ei- nen prachtvollen mosaikboden von 10 qu.-m. und ausserordent- lich schöner arbeit. Das stück wurde mit grosser Sorgfalt weg- genommen und in das kapitolinische museum gebracht. Im mit- telpunkt der stadt fand fürst Chigi beim bau eines hauses 9 m. unter dem niveau der Strasse St. Nicola de Tolentino (im nordosten) eine alte grabinscbrift. Der herzog von Fiano hat beim ausbau seines palastes am Corso interessante funde ge- than : so einen alten Sarkophag mit basreliefs. Die aufschrift eines zweiten sarges, der bei der kirche St. Lorenso entdeckt wurde, lautet: „FLo GAVDESTIVS V. D. P. T. L. D. ET HONOEATA CONIVX D. P. T. N. SEPT." D. h.: „Fla- vius Gaudentius, vir dignus, presbyter titulo Laurentii, devotus, et honorata coniux. Depositi nonis septembris." Dieses grab stammt entschieden aus den ersten zeiten des christenthums. Auf dem forum bei der Phokassäule faud man bruchstücke eines grossen basreliefs in marmor, auf beiden seiten mit bildhauer- arbeiten geschmückt. Das stück diente wahrscheinlich als gal- lerie für das publikum, wenn ein redner auf dem forum sprach. Das stück ist 1,40 m. hoch und 9,70 m. lang. Die Skulptu- ren sind sehr interessant, u. a. eine scene vom forum darstel- lend , redner und zuhörer. Die menschlichen figuren sind 1

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meter hoch , das ganze stammt wohl aus Hadrians Zeiten , ist aber stark beschädigt: Staatsanz. nr. 265. Beil. 3. Ueber das am schluss erwähnte basrelief s. Ph. Anz. V, 3.

Im Staatsanz. nr. 267 beil. 1 wird auf eine eigentbüm- liche antiken-fäls chung aufmerksam gemacht: in Giur- dini in Sicilien, unweit des alten Naxos, sollen kleine miss- gestaltene figuren mit uralten griechischen inschriften gefunden sein, die jetzt in Rom verkauft werden. Die fälschung zeigen die inschriften deutlich: so lautet eine Elisabetha regina, eine andre, Hony soit gut mal y pense. Es muss sich doch mit drgl. ein guter profit machen lassen.

Dresden. 10. nov. An diesem tage wurde hieselbst und im ganzen lande die goldene hochzeit des könig Johann und der königin A m a 1 i a gefeiert und hat selbstverständlich die sächsische gelehrsamkeit nicht unterlassen, diesen ehrentag des gelehrten königs zu feiern und ihre dankbarkeit für die unter dieser regierung unablässig und erfolgreich der gelehrsamkeit zugewandte förderung und pflege öffentlich auszusprechen. Von derartigen äusserungen ist uns das gedieht der sächsischen gym- nasien, verfassL vom rector Dr Ilberg, zugekommen: der titel lautet: Principibus optimis | Ioanni J Saxoniae regi | et | Ama- liae | Saxoniae reginae | parentibus patriae | diem laetissimum atque auspicatissimum | quo | ante decem lustra felicissimum con- iugium | inierunt | piis votis nuneupatis | vereeundissime con- gratulantur j Gymnasia Saxoniae. Als probe theilen wir die letz- ten Strophen mit:

Mutatur aetas, interit et vetus Floretque ritu mox iuvenuni recens Motu perenni, nescit unda Flmninis effugiens redire. Cum forma rerum corrueret vetus, Custodiistis pristina fortiter Fideque eulpari timente Foedera, propositi tenaces: Cum Mars sileret, belligerum caput Cum rursus alto vertice tolleret, Vestra fide nil clariore Splenduit emieuitque luce,

Periculosae temporeque aleae Exemplo honesto gentibus edito Landes coruscantes per omnem Saxoniae genuistis orbem, Vetusque quercus vividior qnatit Germana ramos surgit et altior Nullasque tempestatis iras Auspiciis metuit seeundis. Virtute funetos non patitur mori Dignosque amari gentis amor Duces, Ut astra fulgent, quae ora numquam Fluctibus Oceani recondunt.

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Felix beato Principe patria, Lugente luget: tollite, Saxones, Plausus secundos et secundas TTnanimi gerninati voces:

Orbein potenti nuniine qui regis, Tuere Regem ter venerabilem, Tuere Pieginain benignam Regium et omne Genus tuere !

London. 13. nov. In den assyrischen archiven des British Museum ist ein chaldäischer bericht über die sünd- fluth entdeckt, der grosse ähnlichkeit mit dem im ersten buch Mosis enthaltenen haben soll. Darüber giebt nun der Staats- anz. nr. 294, beil. 2 genaueres, aus dem wir folgendes entneh- men. Hr. Smith, beamter des brittischen museum fand den sündfiuthbericht, der ,,keil-inschrift" genannt wird, unter assy- rischen schreibtafeln mythologischen und mythischen Inhalts. Es sind bruch>tücke von drei duplikat- texte enthaltenden kopien dieser Inschrift vorhanden , und diese kopien , welche der zeit von Assurdanipal, oder ca. 660 jähre vor der christlichen Zeitrech- nung angehören , wurden in der bibliothek dieses monarchen im palast von Niniveh gefunden. Der Originaltext der version oder tradition der sündfluth scheint, den angaben dieser assyri- schen schreibtafeln zufolge, der frühen chaldäischen periode, in der jetzt durch die ruinen von Warka repräsentirten Stadt Erech (eine der städte Nimrods) anzugehören. Der bericht über die sündfluth , der als eine erzahlung in den mund von Sisit (dem Noah der bibel) gelegt ist, hat eine genauere ähnlichkeit mit dem durch die Griechen von Berosus, dem chaldäischen histo- riker, überlieferten bericht als mit der biblischen geschichte, weicht aber von keiner dieser Versionen wesentlich ab. Der bericht in keilschrift ist viel ausführlicher als der des Berosus, und ent- hält mehrere details , die sowohl in der bibel, wie in dem griechischen gesckichtswerke fehlen. Sisit erzählt von der gott- losigkeit der weit, von dem göttlichen gebot, eine arche zu bauen, dereu erbauung und ausfüllung, der sündfluth, dem ruhen der arche auf einem berge, dem aussenden der vögel u. s.w. Mit bezug auf die dauer der sündfluth ist zwischen der bibel und der keilförmigen inschrift ein grosser unterschied vorhanden. Der griechische bericht des Berosus schweigt über diesen punkt gänzlich. Weitere abweichungen von der bibelversion beziehen sich auf das aussenden der vögel und den namen des berges, auf welchem die arche ruhte. Der Ararat der bibel heisst in der inschrift: Nizir. Smith gelangt zu dem schluss , dass die in der bibel wie in der inschrift geschilderten ereiguisse im ganzen dieselben seien und in derselben Ordnung sich zutrugen, dass aber die bedeutenden abweichungen in den einzelnheiten beweisen, dass die inschrift eine unabhängige und für sich be-

Philol. Anz. IY. 39

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stehende tradition repräsentire. Trotz einer auffälligen ähnlich- keit im style gehörten die zwei Schilderungen zwei gänzlich verschiedenen Völkern die eine einem binnenlandvolke, die andere einem seefahrenden volke an. Es ist das natürlich alles mit grosser vorsieht aufzunehmen,

London. 20. nov. Der americanische missionair Dr Grant in Cairo hat ein hebräisches manuscript, theile der bi- bel enthaltend, in einer 45 jähre vor Zerstörung des zweiten tempels erbauten Synagoge entdeckt.

Von der Aar, 27. nov. In der nähe des Apollinaris- brunnen sind bei gelegenheit von neubauten römische münzen aus der kaiserzeit und sonstige alterthümer gefunden.

Von New-York ging unlängst eine expedition zur erfor- schung von Palästina ab, unter führung des lieutenant S t e v e r.

Bei den erdarbeiten der Donauthalbahn in der nähe von Regensburg an der Strasse nach Kumpfmühl wurde ein gro- sser theil des ehemaligen römischen Leichenfeldes westlich dieser Strasse, in welcher die alte beerstrasse zu verinuthen sein dürfte, aufgegraben und zahlreiche funde ans dem 2. bis ins 4. Jahrhundert gemacht. Diese stelle hatte besonderes interesse dadurch, dass sich der im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung stattfindende Übergang von der vorherrschenden leichenverbren- nung zur ausschliesslichen beerdigung im sarge fortschreitend verfolgen liess. Die üblichen beigaben zu den urnen und beer- digungen, wie grablampen, gefässe, armreife, fiugerringe, Spie- gel, perlen, haarnadeln, auch eine nahuadel von bein, stücke von kämmen, messer, münzen u. s.w. wurden in beträchtlicher anzahl, mitunter in kulturhistorisch merkwürdigen exemplaren erhoben, z. b. ein fingerring von bernstein. Die zahl der fund- nummern beläuft sich in den letzten acht wochen bereits auf 350. Auch zwei steinsärge wurden ausgegraben, von denen der erstere früher schon erbrochen war, er enthielt verworfene knochenüberreste dreier leichen, die einem starken manne, ei- ner mittelgrossen frau und einem kinde angehört haben dürf- ten. Der andere kleine sarg, dessen walmdachähnlicher deckel von der form der bisher gefundenen abwich (indem diese mit zwei seiten abgedacht und an den ecken mit buckeln versehen sind), wurde gestern blossgelegt; in demselben waren knochen- reste eines etwa fünfjährigen mädchens, wenn die dabei gefun- dene halbe haarnadel diesen schluss erlaubt. Mehr interesse noch dürfte das vorkommen von Überresten zweier römischen gebäude beanspruchen , deren fundamente auf dem leichenfelde kürzlich abgegraben wurden. Beide gehörten wohl zusammen und waren offenbar durch brand zerstört. Das westliche be- stand aus einem einzigen inuenraum von 24 fuss länge; 13V2 fuss breite, die Umfassungsmauern waren 2^2 fuss mächtig. Das

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estrich dieses raumes, unmittelbar auf dem planirten lehmunter- grund aufgelegt, war, das nordöstliche eck ausgenommen , vor- trefflich erhalten und gab ein schönes bild des einfachen römi- schen fussbodens. Er bestand über die ganze fläche hin aus einer 2 3 zoll dicken schicht eines leicht als römisch erkenn- baren mörtelgusses, der in der südlichen hälfte auf ein dünnes lager groben kieses, in der nördlichen auf Stückchen klein zer- trümmerter bruchsteine ausgebreitet war. Dieser mörtel, unter- mischt mit grauen und schwarzen kiessteinchen und rothen zie- gelbröckchen von V2 1- crr). im dnrchmesser und auf der ober- flache glatt geschliffen, hatte ein porphyrähnliches aussehen, lebhaft an mosaikboden erinnernd. S. Reichsauz. nr, 298.

Berlin. 9. dec. Am Winckelmannsfest der archäologischen gesellschaft am 9. december eröffnete E. Curtius die sitzung, indem er auf die bedeutung dieses von der deutschen Wis- senschaft diesseits und jenseits der Alpen gefeierten tages hinwies und zum zeugniss für die sich mehrende denkmä- lerkenntniss die für die archäologische zeitung gemachten tafeln, namentlich die abbildungen der relief säulen vom tempel der Artemis in Ephesos vorlegte und erläuterte. Hübner hielt hierauf den ersten festvortrag, in welchem er , anknüpfend an früherere mittheilungen an die gesellschaft, die büste einer germanischen frau aus St. Peters- burg und den sogenannten Arminius des capitolinisch en museums in Rom, deren abgüsse im saal aufgestellt waren, in vergleich mit den übrigen erhaltenen darstellungen der Ger- manen in der antiken kunst besprach. Adler trug sodann, unter Vorlegung zahlreicher plane und Zeichnungen , über das vielbesprochene, aber noch nicht endgültig erklärte und allsei- tig verstandene Theseion zu Athen vor, welches er aus seiner struktur als ein doppelheroon des Theseus und Herakles zu erweisen suchte. Schubring sprach über die wertk- vollen entdeckungen, welche Sa v. Cavallari als direktor der sicilischen alterthümer bei seinen ausgrabungen in Seli- nunt in den jähren 1865, 68, 70 und 71 gemacht hat, und verbreitete sich, einige folgerungen ziehend , über die topogra- phie, die tempel des Herakles, der Here und Apollon und über die drei inschriften , von denen besonders die des Apollotem- pels lebhaftes interesse erweckte. Zum schluss legte H ev- tl emann die Zeichnungen zweier 1868 gefundener Wandge- mälde aus Pompeji vor und besprach ihre darstellung. Hierauf fand das üblichefestmahl statt : Staatsanzeig. nr. 306, beil. 1.

Torgau. 21. dec. Das gymnasium Torgau's, auch in unsern tagen von manchem stürme betroffen , hat unter der leitung des jetzigen director einen aufschwung genommen, dem selbst kreise , welche sonst den gelehrten Studien fern stehen, ihre freudige anerkennung nicht versagen. Einen blick in die

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stille Wirksamkeit der anstalt lässt der 19. decemb. thun, über den wir hier zuerst einen bericht der Magdeb. Ztg. nr. 302 beil. 1 folgen lassen : Wie in jeder deutschen Stadt der ge- sang und die musik ein wesentliches element nicht blos der geselligkeit und Unterhaltung, sondern auch der bildung aus- macht, so ragt auch unsere Stadt durch eine ganz besondere pflege dieser kunstzweige hervor. Ausser den vielen sonstigen gesangvereinen ist es namentlich der aus den schülern der obe- ren gymnasialklassen gebildete und unter der trefflichen leituhg des Dr 0. Taub er t stehende gymnasialchor , welcher durch seine wirklich klassischen leistungen das kunstsinnige publicum in den alljährlich wiederkehrenden öffentlichen aufführungen erfreut. Für diesmal hatte hr. Dr Taubert den sophokleischen Ajax nach der composition des bekannten professors Bellermann und nach der Übersetzung von Donner eingeübt, und musste die am 19. d. m. stattgefundene aufführung um so grösseres interesse erregen, als es das erste mal war, dass der sopho- kleische Ajax ausserhalb der mauern Berlins zur aufführung kam. Es waren denn auch die weiten räume unseres rathhaus- saales , welcher von der bürgerschaft bereitwilligst zur disposi- tion gestellt war , bis auf den letzten platz gefüllt und man hatte sich in den allgemein etwas hochgestellten erwartungen nicht getäuscht, denn sowohl das Orchester und die aus etwa 70 Sängern bestehenden chöre, als auch endlich die einzelnen per- sonen des dramas machten ihre sache vortrefflich, namentlich verdienen rühmend hervorgehoben zu werden die darsteiler der Tekmessa, des Ajax, des Teukros und des Chorführers. Ob- gleich nun zwar die darstellung nicht in griechischem costume und griechischer spräche stattfand, so war sie doch vollständig geeignet, dem Zuschauer einen begriff vom griechischen drama zu geben, um so mehr , als wenige tage zuvor herr gymn.-dir. H a a k e einen eingehenden öffentlichen Vortrag über diesen gegenständ gehalten hatte. Besonderes interesse gewann die aufführung dadurch, dass der componist, prof. Bellermann, dieselbe mit seiner gegenwart beehrte. So weit die zeitung. Zu der aufführung war der deutsche text besonders gedruckt, vorn mit einer kleinen mythischen einleitung versehen, auf der letzten seite die namen der darsteiler und der Chorsänger. Zur belohnung für die leistung folgte am 20. dec. ein ball der Schü- ler der obern classen : für ihn waren in visitenkartenform tanzordnungen gedruckt ; die erste zeile derselben enthielt das motto : vvv yug i/tol fxt'lsi ^ogevaai, dann folgen die tanze: polonaise | polka | walzer | francaise | rheinländer | tyrolienne || Walzer | francaise | tyrolienne | rheinländer | polka -mazurka | cotillon | Torgau 20. december 1872. Wir wünschen de- nen, die auf so sinnige weise dem classischen alterthum, einer der besten grundlagen für wahres deutschthum, anerkennung zu

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schaffen bemüht sind, für ihr mühen besten erfolg, den wahr- haft befriedigenden lohn.

Strassburg. Das philologische seminar leitet allein prof. Studemund: es besteht aus zwei klassen, dem seminar im engeren sinne und dem proseminar, in welchem letzteren be» sonders auf die bedürfnisse der Elsässer rücksicht genommen wird. Die jetzige gestalt wird das proseminar auch behalten bis 1877/78, wo man hofft, dass die elsässischen gymnasien den abiturienten deutscher gymnasien gleichkommende liefern wer- den. Das proseminar hat daher wesentlich den zweck die lücken auszufüllen, welche elsässischen studierenden von den elsässischen schulen her anhaften. Es zerfällt in zwei sectio- nen, eine lateinische und eine griechische. In diesem semester hat ausnahmsweise die griechische abtheilung prof. Heitz über- nommen, die lateinische leitet prof. Studemund. In der latei- nischen abtheilung sind 21 mitglieder, von denen bei weitem der grössere theil Elsässer, die andern studierenden sind im er- sten semester; in der griechischen abtheilung sind nur einige weniger. Im erstem wird Tacitus Germania interpretiert und aus dem deutschen ins lateinische übersetzt, wöchentlich zwei stunden, in der griechischen section werden Xenophons Memora- bilien interpretiert und griechische scripta gemacht. Das se- minar im engeren sinne zerfällt ebenfalls in zwei sectionen, eine griechische und eine lateinische, in jeder wöchentlich vier stunden, Übungen, beide geleitet von prof. Studemund. In der grie- chischen section sind 22 mitglieder, davon 16 ordentliche, in- terpretiert werden Aristophanes Kitter; daneben disputationen; in der lateinischen section sind 23 , davon 17 ordentliche mit- glieder , darin wird Cicero's Orator erklärt, und lateinische Sti- listik nach anleitung von Nägelsbach durchgegangen. Das seminar hat eine in zwei von früh morgens bis spät abends zur benutzung geöffneten zimmern aufgestellte philologische hand- bibliothek. Die benutzung ist erlaubt allen ordentlichen mit- gliedern, und dann den ausserdeutschen nach specieller erlaub- niss des directors. Der grundstock der bibliothek ist haupt- sächlich zu stände gekommen durch umfassende Schenkungen der bedeutendsten Verleger philologischer werke in Deutschland. Ausserdem hat in jüngster zeit die regierung grössere summen für die completierung zur Verfügung gestellt. Vorhanden sind alle bedeutenden thesauri, lexica und handbücher aus den ver- schiedensten zweigen der alterthumswissenschaft sowie die mei- sten Schriftsteller in den besten erklärenden wie kritischen ausgaben. Die bibliothekszimmer werden fleissig benutzt.

Ueber die grosse der alten bibliotheken. Un- ter der Überschrift ,,On the Extent of Ancient Libraries" hat der zu Manchester wohnhafte gelehrte, William E. A. Ozon un- längst in den Transactiom of the royal Society of Literature ei-

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nen für das grössere publikum bestimmten aufsatz mitgetheilt, dessen schluss ich hier wiedergeben will, da er namentlich die klassischen philologen näher angeht. Nachdem nämlich der verf. bemerkt, dass jede abtheilung (buch, Über) einer schritt bei den alten eine rolle [volumen) bildete x), daher z. b. Ovid's Me- tamorphosen fünfzehn, die Ars amatoria drei, Cicero's Tuscu- lanen ebenso drei volumina ausmachten (Ov. Trist. 1, 1, 117. 3, 1, 13. Cic. Tusc. 3, 3), fugt er hinzu dass, um die durch- schnittliche ausdehnung eines solchen volumen kennen zu ler- nen , er die buchstaben einer grösseren anzahl derselben habe sorgfältig berechnen lassen und sich folgendes ergebniss heraus- gestellt habe : volumina : buchstaben : Vergil's Bucolica zusammen . 1, ungefähr = 32,777

Georgica 4, ,, = 83,868

Aeneide 12, = 385,328

Culex 1, = 15,183

PHnius Hist. Nat 37, = 2,330,165

Livius 35, = 2,954,100

Tacitus Annalen .... 12, = 543,090

Historien .... 5, = 316,240

De Oratoribus . . 1, = 58,050

Germania , . . . 1, ,, = 32,400

Agricola .... 1, = 38,950

Gellius N. A 20, = 604,610

Ovid's Amores 3, = 81,200

Metam. die ersten 11, = 279,942

144 7,755,903

„Wir haben hier, fährt der verf. fort, 144 volumina, von denen 37 (Plin.) der Wissenschaft im allgemeinen, 54 der ge- schichte, 32 der poesie und 21 (Gellius und Tac. de Orat.) der vermischten literatur angehören, die also zusammen die einzel- nen zweige des schriftenthums ziemlich vollständig repräsenti- ren. Sie enthalten 7,755,903 buchstaben und geben durch- schnittlich für jeden band 53860 buchstaben. Nimmt man nun Chamber's Encyclopaedie (Edinburgh 1860 1868), unterwirft sie einer ähnlichen berechnung, so findet man dass die zehn bände derselben 8266 Seiten enthalten, auf jeder dieser letzte- ren aber, wenn ohne holzschnitte, sich ungefähr 5928 buchsta- ben befinden. Das ganze werk enthält also ungefähr 49,000,848 buchstaben, daher so viel wie 854 volumina der alten literatur. Ein einzelner band der Encyclopaedie enthält so viel wie 854

1) »Nach Reimann, dessen werk ich aber nicht nachsehen kann, schrieb der autor jedes buch oder abtheilung seiner schrift auf eine besondere rolle , obwohl sie danu beim abschreiben sämmtlich auf eine einzige rolle oder volumen kamen. Dies dünkt mir sehr un- wahrscheinlich, und die wenigen auf diesen gegenständ bezüglichen klassischen stellen unterstützen diese ansieht nicht«. Anm. des verf.

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alter volumina. Nimmt man ferner als die grösste des alter- thums die alexandrinische bibliothek, so belief sich die zahl der volumina derselben nach der höchsten angäbe (bei Gellius und Amraianus Marcellinus) auf 700,000, und diese würden , wenn gedruckt, 8247 bände wie die der edinburger encyclopädie ab- geben. Wahrscheinlich aber befanden sich zu Alexandrien zwei grosse bibliotheken, eine mit 400,000, die andere mit 300,000 volumina, die also respect. 4,706 und 3,535 gedruckten bänden entsprechen würden. Neben den ungeheuren bü- chersammlungen der neuern zeit sinken also die des alterthums zu einer absoluten bedeutungslosigkeit herab. Das britische museum z. b. erhielt im j. 1860 (abgesehen von den ungeheu- ren sammlungeu der handschriften) beinahe 700000 gedruckte bände, wozu dann noch jährlich ein ungefährer Zuwachs von 30,000 bänden kommt. Aber auch unter den öffentlichen oder halböffentlichen bibliotheken, die ausserhalb London in ganz England jetzt so zahlreich sind, giebt es nur wenige, welche die alexandrinische nicht an ausdehnung tibertreffen, wenigstens der quantität nach; was die qualität betrifft, so lässt sich dar- über streiten. Indessen wenn die Römer einen Juvenal be- sassen, so besassen sie auch einen Codrus. Was die privat- bibliotheken anlangt, so ist der contrast zwischen alterthum und neuzeit nicht minder auffällig. Die 1696 volumina oder rollen, die man in einem hause zu Pompeji gefunden hat, würden ungefähr so viel enthalten wie zwanzig der oben genannten bände. [Felix Lielrecht.]

Am 31. decemb. starb zu Züliichau der director des kö- nigl. paedagogium und Waisenhauses daselbst, Rudolph Ha- nov, seit 1840 in dieser von ihm mit grösster hiogebung und schönstem erfolg verwalteten stelle : ein ausgezeichneter philolog war er zugleich einer der ausgezeichnetsten Schulmänner unsres Vaterlandes.

Dies führt uns auf das nach langer, durch zwingende gründe veranlasster Unterbrechung wieder aufzunehmende und nun so bald als nur möglich abzuschliessende verzeichniss der pbilolo- gen, welche in dem 1870 so freventlich von dem erbfeinde her- beigeführten krieg thätig gewesen: wir schliessen hiermit an Philol. Anz. III, p. 620 an. Wie sich gebührt und auch bis- her stets geschehen, stellen wir die voran, welchen ihre liebe und treue zum Vaterland mit dem tode zu besiegeln bestimmt war. I. Es sind gefallen :

438. Johann Friedrich Rudolph Hehlt, am 17. sept. 1845 zu Greifs wald geboren, ostern 1865 vom gymnasium daselbst mit dem zeugniss der reife entlassen, und bis ostern 1869 auf den Universitäten Bonn und Greifswald weiter fortgebildet. Am 19. februar 1870 bestand er das exameu pro facultate zu Greifs- wald und trat daselbst ostern 1870 sein probejahr an. Beim

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beginn des ki'ieges ward er zu den fahnen des grenadierregi- ments könig Friedrich Wilhelm IV (erstes pomrnersches nr. 2) einberufen , machte alle züge und schlachten desselben mit und verunglückte am 22. juni 1871 mit seinen kameraden bei Zschortau bei dem bekannten eisenbahnunfall.

439. Eugen Theodor Lehmann, fünfter ordentlicher lehrer an der realschule zu Elbiug, ist am 31. märz 1844 zu Bischof- ßtein im regbz. Königsberg i. Pr. geboren. Zu ostern 1864 wurde er von dem kgl. Friedrichs -collegium in Königsberg, das er als zögling des kgl. Waisenhauses ebendaselbst besuchte, mit dem zeugniss der reife entlassen uud bezog mit beginn des Sommersemesters 1864 die dortige Universität. Nachdem er hier bis michaelis 1867 philologische und germanistische Vorlesungen gehört hatte, wurde er Weihnachten 1867 auf grund der öffent- lich vertheidigten dissertation : de adiectivis compositis apud Ca- tullum, Tibullum, Propertium, Vcrgilium, Ovidium, Horatium oecur- rentibus , quorum priore parte particula continetur, zum Dr ph. promovirt und bestand ende märz 1868 vor der kgl. wissen- schaftlichen prüfungscommission zu Königsberg das examen pro facultate docendi. Als schulamtscandidat zunächst an der real- schule auf der bürg in Königsberg und dann an der städti- schen realschule zu Elbing beschäftigt, wurde er zum fünften ordentlichen lehrer an letzterer anstalt gewählt und bestätigt. Er fiel als lieutenant in der reserve des ost - preussischen gre- nadier-regiments kronprinz nr. 1 in der nacht vom 31. august auf den 1. September 1870 in der Schlacht bei Noisseville. Er ruht an der seite seines hauptmanns auf dem kirchhof des dorfes Failly, den die elfte und zwölfte compagnie des genann- ten regiments so keldenmüthig gegen die Übermacht dreier feind- licher bataillone vertheidigt haben.

440. Hermann Schneider, geboren am 16. Januar 1847 zu Gera im fürstenthum Reuss , besuchte zuerst die bürgerschule, sodann das gymnasium seiner Vaterstadt. Ostern 1867 mit dem zeugniss der reife entlassen, widmete er sich dem Studium der philologie. Fr studierte zuerst zwei Semester in Leipzig, darauf eben so lange in Jena , wo er zugleich als einjährig- freiwilliger bei dem füsilierbataillon des regiments nr. 94 sei- ner militärpflicht genügte. Ostern 1869 bezog er die Univer- sität Berlin. Bei ausbruch des krieges kam er als Unteroffizier zur 11. compagnie des brandenburgischen füsilierregimeuts nr. 35 und kämpfte in der schlacht am 16. august beim stürm auf Vionville mit der grössten uuerschrockenheit. In folge des überaus schweren dienstes bei der cernirung von Metz, dem er sich nach aussage seines compagniechefs jederzeit mit der grössten treue unterzog, erkrankte er. Bereits schwer krank fand er aufnähme in dem feldlazarethe zu Conflans, woselbst er am 26. octobor den folgen des typhus erlag.

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441. Dr phil. Albert Schroetter, ordentlicher lehrer am gymnasium zu Culm, war geboren 1841 am 26. april, stand während des kriegs als lieutenant im 44. regiment, erhielt das eiserne kreuz zweiter classe und ist in folge der bei der belagerung von Metz bestandenen strapatzen an hartnäckigem darmkatarh und affection der respirationsorgane am 10. juli 1873 zu Culm gestorben.

442. Gustav Ferdinand Alexander Schulz, hülfslehrer am gym- nasium zu Greifs wald, geb. den 22. febrüar 1843 zu Trep- tow a. d. Rega, evangelischer coufession, söhn des^ lehrers Schulz am gymnasium daselbst, ist von der genannten anstalt ostern 1862 mit dem zeugniss der reife entlassen, hat 1862 1866 zu Berlin uud Greifswald studirt, am 12. dec. 1868 das examen pro facultate docendi bestanden und neujahr 1869 sein probe- jahr am gymnasium zu Greifswald angetreten. Gleichzeitig war ihm die Verwaltung einer hülfslehrerstelle übertragen , in welche er nach Vollendung des probejahres berufen ward. Beim beginn des krieges trat er als vicewacktmeister in das neumärkische dragoner- regiment nr. 3, erkrankte vor Metz und starb am 27. october 1870 im kriegslazareth zu Berlin.

311. Anton Rudolf Trömel, geboren zu Gera den 8. august 1848, besuchte seit dem sechsten jähre das gymnasium seiner Vaterstadt bis zur prima. Ging dann ostern 1868 auf die Uni- versität Leipzig um philologie zu studiren. Nachdem er diese Wissenschaft ein jähr lang eifrigst betrieben, diente er im 107. regiment des königl. Sachs. 12. armeecorps als einjährig freiwil- liger; das erste halbe jähr in Döbeln, das letzte in Leipzig. Als er seinen militairdienst beendet, nahm er seine Studien wieder auf, wurde aber schon nach einigen monaten darinnen unterbro- chen, da er zur fahne beordert wurde. Doch es sollte ihm nicht lange vergönnt sein, sein Vaterland zu vertheidigen, denn schon am 18. august 1870 in der schlacht bei St. Privat wurde seinem jungen leben durch eine kugel, die ihm das herz durch- bohrte, ein ende gemacht. (S. Phil. Anz. III, nr. 9, p. 472).

443. Dr. Ernst Hermann Vierth, geboren den 13. november 1843 zu Stettin, hat studiert in Berlin, machte den feldzug 1866 im 8. regiment mit, wurde Unteroffizier und erhielt das mili- tair - ehrenzeichen IL classe; bestand die ober-lehrerpriifung zu Berlin und erhielt ein zeugniss ersten grades, wurde 1868 pro- visorischer collaborator, später wirklicher collaborator an der Friedrich- Wilhelms-schule , realschule I. ord. zu Stettin. Ging sommer 1870 im 14. regiment als reserveoffizier mit zu felde und fiel am 2. december 1870 bei Champigny vor Paris. Eine chassepotkugel traf ihn ins äuge und tödtete ihn auf der stelle. Ehre seinem andenken. Ein schüler der schule, an der er als lehrer wirkte, ist ihm auf dem saale derselben eine ge- denktafel gewidmet.

618 Kleine philologische zeitung. Nr. 12.

444. Dr. ph. Robert Zöller, wissenschaftlicher . hülfslebrer am gymnasium zu Neustettin, fiel bei Champigny vor Paris am

2. december.

II. Im felde stehen: 1. Philologen in amt und würden:

445. V. Gardthatisen, geboren 1843, hielt sich nach bestan- denem examen in Italien seit 1869 auf, ging nach ausbruch des kriegs sofort nach Deutschland zurück und trat als freiwil- liger auf kriegsdauer in das magdeburger fiisilier-regmt nr. 36, kam in den ersten tagen Januar 1871 vom ersatz zum regi- ment nach Orleans und ward nach geschlossenem frieden ent- lassen. Er ging nun wieder nach Italien , von da nach Grie- chenland, von wo er herbst 1872 zurückkehrte und in Leipzig für alte geschichte sich habilitierte.

Friedrich - gymnasium in Berlin.

446. Dr Bernhard Förster, ordentlicher lehrer, trat beim 60ten brandenburgischen inf.-rgmt im sept. 1870 als vicefeldwebel, ein, stand vor Metz, erhielt das eiserne kreuz zweiter classe für die während der belagerung bei recognoscirungen und auf Vorposten bewiesene tüchtigkeit, stand dann vor Verdun, er- krankte daselbst und kam erst nach geschlossenem Waffenstill- stand zum regiment zurück ; jetzt beim 35. landwehrregiment.

447. Gustav Ernst Friedrich Le Viseur, Oberlehrer, als land- wehroffizier beim 4ten garde-grenadier-regiment (königin Au- gusta), anfangs beim ersatzbataillon zu Coblenz, später bei der belagerung von Paris (schlacht bei Le Bourget), erhielt das ei- serne kreuz zweiter classe.

448. Dr. Karl August Emil Thicniann, ordentlicher lehrer, Unteroffizier beim brandenburgischen feld-artillerie-regiment nr.

3, anfangs beim ersatzbataillon, dann bei der armee des prin- zen Friedrich-Karl von der schlacht bei Le Mans an.

Friedrichs - realschule in Berlin.

449. Dr. phil. Friedrich August; geboren in Berlin 27. sept. 1840, jetzt Oberlehrer. Am anfang des feldzuges seconde-lieu- tenant, am ende desselben premier- lieutenant und compagnie- führer, stand er im zweiten bataillon (Sorau) des II. branden- burgischen landwehrregiments nr. 12 , war bei cernirung von Metz, Mezieres, den vorpostengefechte bei dem dorfe La Franche- ville, erhielt das eiserne kreuz zweiter classe.

450. Dr. phil. Wilhelm Bieder, schulamtscandidat , geboren in Osterburg i. d. provinz Sachsen, am 31. october 1845, stand als gefreiter im 26. Infanterie - regiment, war bei der schlacht von Sedan und belagerung von Paris.

451. Dr phil. Ernst Symous, ordentlicher lehrer, geboren in

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Kaldenkirchen i. d. Rheinprovinz am 13. märz 1845, beim be- ginn des krieges vicefeldwebel , gegen ende desselben seconde- lieutenant im 20. infanterie- regiment, war bei der belagerung von Metz, den januarkämpfen bei Le Mans, besonders an dem blutigen kämpfe bei Azay am 6. Januar 1871, erhielt das eiserne kreuz zweiter classe.

Joachimthal'sches gymnasium in Berlin.

452. Paul Förster, adjunct, stand im anfang September bei dem 3. rheinischen regiment nr. 29, war vor Metz, dann in den schlachten der nordarmee; erhielt das eiserne kreuz zwei- ter classe.

Wilhelms -gymnasium in Berlin.

453. Otto Philipp Hermann i'raiimiiller, jetzt 7ter ordentlicher lehrer, von seinem eintritt in die anstalt ostern 1869 bis ostern

1870 wissenschaftlicher hülfslehrer, ist geboren den 5. sept. 1843, trat am 1. april 1866 in das beer ein bei der 3. com- pagnie kaiser Franz -garde-grenadier-regiments nr. 2., machte den feldzug gegen Oesterreich mit, nahm theil an dem gefechte von Alt-ßognitz und an der schlacht von Königgrätz , wurde am 8. juli 1866 zum gefreiten, am 30. märz 1867 zum Unter- offizier befördert; am 31. märz 1867 zur reserve entlassen wurde er am 21. juli 1871 wieder eingezogen und zwar beim brandenburger füsilier - regmt. nr. 35 (11. compagnie) , rückte mit dem regiment am 24. juli ins feld, machte die schlachten von Gravelotte und Noisseville, und die belagerung von Metz und das gefecht von Neuville bei Orleans (24. nov. 1870) mit, be- kam in letzterem treffen einen streifschuss in den rechten Ober- schenkel, war drei wochen im lazareth, beziehungsweise in ärzt- licher behandlung in Etampes, wurde dann bis ende januar

1871 im bureau beschäftigt und kehrte darauf zum regiment zurück, bei welchem er bis zu seiner am 6. juli 1871 erfolgten entlassung verblieb. Am 23. dec. 1870 wurde er vicefeldwe- bel, am 21. sept. 1871 zum offizier befördert, nachdem er schon etwas früher bei Neuville das eiserne kreuz zweiter classe erhalten hatte. Am 1. nov. 1871 trat er zur land- wehr über.

454. Waldemar Gillhauseu, geboren 31. december 1847, jetzt 12. ordentlicher lehrer , trat als solcher zu michaelis 1872 in die anstalt ein, nachdem er sein probejahr am hiesigen Ioachim- tbalschen gymnasium abgeleistet hatte. Er trat am 12. sept. 1870 in das heer bei dem ersatzbataillon, demnächst bei der 7. compagnie des 2. garde-regiments zu fuss ein, nahm darauf theil an der belagerung von Paris und hierbei an dem gefechte von Le Bourget am 21. dec. 1870, wurde zum gefreiten be- fördert und als Unteroffizier mit dem qualificationsatteste zum landwehroffizier am 12. sept. 1871 zur reserve entlassen.

455. Conrad Heinrich Rothwisch, geboren zu Berlin den 31. au -

620 Kleine philologische zeitung. Nr. 12.

gust 1845, jetzt achter ordentlicher' lehrer, trat in die anstalt ein als cand. probandus osteml869 und blieb in dieser Stellung bis ostern 1870; zu welchem termin er zum eilften ordentlichen lehrer befördert wurde. Er trat am 28. juni 1866 in das heer ein bei dem ersatzbataillon des kaiser Franz garde - grenadier- regiments nr. 2, gehört seit der rückkehr desselben aus dem feldzuge der Sten compagnie an, wurde am 8. jan. 1867 zum Unteroffizier befördert und am 28. juni 1867 mit dem qualifi- cationsattest zum landwehroffizier zur reserve entlassen. Beim ausbruch des krieges gegen Frankreich 1870 zum westphälischen füsilierregiment nr. 37 wieder eingezogen, machte er als Unter- offizier in demselben das gefecht von Weissenburg, die Schlacht von Wörth und die Schlacht von Sddan mit, als vicefeldwebel (seit 6. sept. 70) nahm er darauf theil an der belagerung von Paris und erwarb für die Schlacht am Mt. Valerien am 19. Ja- nuar 1871 das eiserne kreuz zweiter classe. Mit patent vom 5. märz 1871 wurde er zum reserveoffizier des genannten regiments befördert und ist unter dem 8. november 1871 in das landwehrverhältniss übergetreten.

456. Gustav Adolf Textor, geboren zu Stettin den 15. jan. 1847, seit ostern 1873 als hülfslehrer am Wilhelms - gymnasium be- schäftigt. Er trat am 23. juli in das heer beim ersatz-batail- lon des ersten pommerschen grenadier-regiments (könig Friedr. Wilhelm IV) nr. 2, dann dem regiment nachgeschickt nahm er theil an der belagerung von Metz , vor Paris an dem ausfall- gefecht von Champigny (2. dec), bestand darauf glücklich meh- rere kleine gefechte gegen truppenabtheilungen der Bourbaki- schen armee, erhielt noch als gemeiner für das gefecht in den Strassen von Dole (21. jan. 1871) das eiserne kreuz zweiter classe, blieb bis ende juni 1871 mit dem regiment in Frank- reich und wurde nach der rückkehr am 23. juli 1871 mit dem qualificationsattest zum landwehroffizier als Unteroffizier entlassen.

Provinz Preussen. Die gymnasien und realschulen zu Königsberg in Pr.

1. Königliches Friedrichs collegium.

457. Karl Besch, 6. ordentlicher lehrer, geboren am 3. Ja- nuar 1849, vicefeldwebel im ostpreussischen. feld - art. - regmt. I, 1. bataillon, 5. batt., kämpfte im ausfallgefecht bei Metz 22. September, bei Harcy 13. nov. , St. Ouen 4. Januar, bei Bouneville 13. januar, belagerung von Metz uud Mezieres , er- hielt die kriegsdenkmünze 1870/71.

458. Dr. phil. Arthur Gronau , geboren am 23. September 1848, jetzt lehrer am gymnasium in Strassburg in Westpreu- ßsen, stand bei dem ostpreussischen iufauterie -regiment nr. 43., erhielt die kriegsdenkmünze 1870/71.

Nr. 12. Kleine philologische zeitung. 621

459. Richard Hirsch, geboren 27. october 1846 , 8. ordent- licher lehrer am Friedr. collegium, lieutenant der reserve des gre- nadier-r^giments kronprinz nr. 1, war bei cernirung von Metz : beim gefecht bei Laqueraxy , Schlacht von Noisseville, schlacht bei Amiens (27. november 1871), cernirung von Mezieres, er- hielt die kriegsdenkmünze 1870/71.

460. Eduard feuessner, geboren 1. juli 1841, zweiter lehrer an der Vorschule des k. Fried, collegiums , stand im 5. ostpr. inf.-regmt. nr. 41, nahm als Unteroffizier in demselben regmt. schon 1866 an allen schlachten des regiments theil, war in der scblacht bei Metz 14. aug., der schlacht bei Noisseville, im gefecht bei Villers l'Orme 7. octob., bei Mezieres 13. nov., cernirung von Mezieres 14. nov., bei der ruine Robert le Diable 31. decemb. , bei Moulineaux -la Longe 4. Jan., der schlacht bei St. Quentin 19. Jan., erhielt die kriegsdenkmünze.

461. Richard Tieffenbach, geboren 21. nov. 1844, candidat, lieutenant der reserve des 86. regiment, war in der schlacht bei Beaumont 30. aug. 1870, Sedan 1. sept., belagerung von Paris, beim ausfallsgefecht am 30. nov. 1870, bei Epinay, bei Rouen, erhielt die kriegsdenkmünze 1870/71.

Altstädtisches gymnasium.

462. Otto Rauschning, geboren 5. januar 1848, cand. pro- bandus am gymnasium, vom 1. oct. ordentlicher lehrer daselbst, stand im 61. ostpr. inf.-regmt. nr. 43, war bei der cernirung von Metz und Mezieres, bei der schlacht an der Hallue, dem gefecht bei Moulineaux, erhielt die kriegsdenkmünze.

463. Benjamin feiein, geboren 28. aug. 1842, zweiter leh- rer der Vorschule, stand im 2ten ostpr. inf.-regmt. Dr. 3. war bei cernirung von Metz und den schlachten vor Metz, der schlacht bei Noisseville, dem vorpostengefecht bei Franche- ville, der cernirung von Mezieres, dem gefechte bei Beaumont, der schlacht an der Hallue, dem gefecht bei Monliueans, Maison brülee und St. Ouen, erhielt das eiserne kreuz zwei- ter classe und kriegsdenkmünze für combattanten.

Kneiphöfisches gymnasium.

464. Hugo feleiber, geboren 20. april 1847, ordentlicher leh- rer am gymnasium, stand als Unteroffizier im 43. inf. - regmt., war bei cernirung von Metz und cernirung von Mezieres vom 14 bis 19 nov., erhielt die kriegsdenkmünze 70/71.

465. Gutar Bargschat, geboren 9. juni 1848, schulamtscan- didat am gymnasium, stand als Unteroffizier im inf.-regmt. nr. 43, war bei der cernirung von Metz und Mezieres, erhielt die kriegsdenkmünze 70/71.

Städtische realschule.

466. Hugo Fritsch, geboren 5. märz 1844, ordentlicher leh- rer an der städtischen realschule, stand als lieutenant der re-

622 Kleine philologische zeitung. Nr. 12.

serve des 1 . ostpreuss. artillerieregiments, war in der Schlacht bei Metz 14. aug. (hier verwundet), erhielt das eiserne kreuz.

467. Johann Kiesow , geboren 27. mai 1846, probekandi- dat an der realschule, stand im 79. inf. -regrat., war in der Schlacht bei Metz 16. und 18 aug., bei Noisseville und zwei andren ausfallgefeckten vor Metz; dann bei Jusanville 26. nov. , Beaune la Rolande 28. nov., Mezieres 30. nov., Beaugency im dec, Vendome 15. und 16. dec, Epuisay im dec, Azay im dec , Mon- toire, Vendome, LeRoches, erhielt die allgemeine denkmünze 70/71.

Realschule auf der Burg.

468. Otto Däumlehner, geboren 29. sept. 1847, wissenschaftli- cher hülfslehrer und Vertreter der sechsten ordentlichen lehrerstelle, stand als Unteroffizier der reserve im 43. regiment, war bei be- lagerung von Metz und Mezieres, im gefecht bei Bourgderould am 4. januar 1871, erhielt die kriegsdenkmünze von 70/71.

469. Friedrich Engelien, geboren 31. juli 1848, zur zeit ordentlicher sem.-lehrer am lehrer - sem. zu Königsberg, stand im 1. westpreussischen grenadier - regmt. nr. 6, war in der schlackt bei Weissenburg, bei Wörth; bei Beaumont; Schlacht bei Sedan (hier verwundet), erhielt kriegsdenkmünze und ei- sernes kreuz zweiter klasse.

470. Dr. phil. Hermann Fieikau, geboren 12. februar 1843, vierter ordentlicher lehrer an der realschule auf der Burg, stand als lieutenant der reserve im 41. regiment, war in den schlachten bei Metz; am 14. august; ausfallgefecht am 26. aug. 5 erhielt kriegsdenkmünze von 70/71.

471. Gustav Siek, geboren am 1. februar 1844, zweiter lehrer der Vorschule an der realschule auf der Burg; Unterof- fizier im 7. ostpr. inf. -regmt. nr. 44, ersatzbataillon ; war bei den besatzungstruppen in Danzig , vom 21. juli 1870 bis 5. Juni 1871.

472. Franz Stumpf, geboren 12. oct. 1842, wissenschaftli- cher hülfslehrer a. d. realschule auf der Burg, stand als Unter- offizier beim königl. reserve - landwehrbat. (Königsberg) nr. 33, war am 14. aug. 70 bei Metz; 17. aug. demonstration gegen Metz; cernirung 19. aug. 28. oct. schlacht bei Noisse- ville am 31. aug. und 1. sept.; gefecht von Woippy am 7. oct. Schlacht bei Amiens am 27. nov. gefecht von Orival 30. dec. gefecht von Moulineaux 4. jan. 71 ; erhielt kriegs- denkmünze 70/71.

473. Dr. med. Gottlieb Emil Mühlricb, geboren 25. septemb. 1831, turnlehrer für die fünf höhern schulen Königsbergs und praktischer arzt , stand als Stabsarzt im 2. ostpreuss. grenad. -regmt. nr. 3, 1. bataillon, war in der schlacht bei Metz 14. aug. 1870, cernirung von Metz, schlacht von Noisseville am 31. aug. und 1. septbr., ausfallgefecht vor Mezieres am 15. novbr., cernirung von Mezieres, schlacht bei Amiens 27. nov.,

Nr. 12. Kleine philologische zeitung. 623

schlacht an der Hallue (dorfgefecht in Daours) am 23. decemb., Überfall von Moulineaux , stürm auf Maison brülee und ge- fecht bei St. Ouan de Touberville am 4. januar 1871 ; erhielt eisernes kreuz zweiter classe und kriegsdenkmünze für comb. 70/71.

Gymnasium zu C u 1 m in WPr.

474. Anton Sioda, 1845 geboren, trat als student in Bres- lau ein, machte den feldzug mit und ist jetzt commissarischer lehrer in Culm.

475. August Wontzke, geboren 1849, ordentlicher lehrer in Culm, fungirte während der zweiten hälfte des feldzugs freiwil- lig als reserve-premier-lieutenant mit hauptmannsdiensten in der festung Graudenz, wofür er das goldne militair- verdienstkreuz und ausserdem die erinnerugsmedaille für nichtcombattanten erhielt.

476. August Zimmermann, geboren 7. juni 1845, als candi- datus probandus eingezogen, machte die zweite hälfte des feld- zuges im ostpreussischen infanterie -regiment nr. 43 mit: steht jetzt als commissarischer lehrer in Culm.

Gymnasium zu Deutsch-Crone:

477. Dr. Ritt, geboren 1843, trat als student in Berlin ein; jetzt kommissarischer lehrer in Deutsch-Crone; hat die erinnerungsmedaille.

478. Zidiusky, geboren 1834, vierter ordentlicher lehrer, machte den ganzen feldzug als gefreiter in dem sanitätscorps des 4. pommerschen landwehrregiments mit; hat die erinne- rungsmedaille.

Gymnasium in Danzig:

479. Dr ph. Giitzlaif, geboren 1839, reserveoffizier : kämpfte im heere den ganzen krieg durch.

Petrischule zu Danzig:

480. Cosack, Oberlehrer, führte als hauptmann ein bataillon in der schlacbt an der Lizaine bei Beifort, erhielt das eiserne kreuz; jetzt major a. d.

481. Fischer, geboren 1845, Lieutenant im 33. regiment, ward vor Amiens schwer verwundet; erhielt das eiserne kreuz.

482. liilger, geboren 1847. Gymnasium zu Elbing:

483. B. Gortzilza, geboren 1842, vierter ordentlicher lehrer, im kriege 1866 wie 1870 beim 4. regiment eingestellt.

Realschule zu Elbing:

484. Wiltko, geboren 1844, fünfter ordentlicher lehrer. Gymnasium in Graudenz:

485. Aust, geboren 1842, stand im 5. regiment als gefreiter.

486. Dr phil. Oscar Errimann, geboren 1846, zweiter or- dentlicher lehrer, stand im 45. regiment und wurde vor Metz

624 Kleine philologische zeitung. Nr. 12.

etehend nach Danzig als doilmetscher in das lazareth com- mandirt.

487. Laudicu, geboren 1846, dritter ordentlicher lehrer, stand im 5. regiment.

488. Skerlo , geboren 1837, vierter Oberlehrer, kämpfte 1866 im vierten, 1870 im 44. regiment.

Gymnasium zu Inst er bürg:

489. Gustav Itohrer, hülfslehrer. Gymnasium zu Lyck:

490. Olto Bock, geboren zu Marienwerder den 29. januar 1838, 1866 im exsatzbataillon des regmt. 45 ; hat dann 1870 den krieg mitgemacht als seconde - lieutenant im 6. ostpreussi- schen inf. -regmt. nr. 43 ; das eiserne kreuz hat er erhalten für die schlacht bei Colombey undNouilly am 14. august 1870 (früher Courcelles genannt), ward in der schlacht von Noisseville am 1. September verwundet; gegenwärtig dritter ordentlicher lehrer.

491. Haus Fabian, geboren 11. juni 1843 zu Lyck, studirte in Berlin und Königsberg, war vom 1. october 1873 ab an der realschule in Elbing, machte 1866 den krieg mit, stand 1870/71 beim 43 regmt.

492. Otto Gorlzitza, studirte in Königsberg, gymnasial- hülfslehrer in Gumbinnen, kämpfte 1866 im dritten regiment, stand 1870/71 beim 43 regmt., erhielt das eiserne kreuz am ende des winters für die cernirung von Metz.

493. Carl Tliiem, geboren zu Inowraclaw den 10. sept. 1846, vicefeldwebel im ostprenss. füsilier-regmt. nr. 33, hat das eiserne kreuz erbalten nach dem gefecht bei Bapaume am 3. janu. 1871. An schlachten hat er mitgemacht: schlacht bei Gravelotte, bei Amiens, an der Hallue, bei Bapaume, bei St. Quentin, also bei allen schlachten des 8. armeecorps betheiligt, gegenwärtig mit der provisorischen Verwaltung der 7. ordent- lichen lehr erstelle betraut. ,

Gymnasium zu Marien bürg: 11. Dr. Fredersdorff: s. Phil. Anz. II nr. 10, p. 534.

494. Schulz, geboren 1842, viecefeldwebel im 93. regiment, erhielt für Beaumont und Paris das eiserne kreuz.

Gymnasium zu Marienwerder:

495. Dr ilabmka, jetzt in Aurich, als der krieg ausbrach vierter ordentlicher lehrer, stand im ersatzbataillon des 5. re- giments.

496. Pietsch, geboren 1846, diente als Unteroffizier im 43. regiment.

497. Dr Schüssler, fünfter ordeutlicher lehrer: stand im 5. regiment.

Nr. 12. Kleine philologische zeitung. 625

Gymnasium zu Rastenburg:

498. Dr ph. 0. Hüber, geboren 1843, zweiter ordentlicher lehrer, stand als oltizier im 45. regiment.

499. Dr ph. Tribuiialt, geboren 1843, dritter ordentlicher lehier, stand im 41. regiment.

Gymnasium zu Strassburg (Westpreussen):

500. 0. Scbaunslaud, geboren 1849 , sechster ordentlicher lehrer, stand im 43 regiment.

Gymnasium zu Thorn:

501. Iloyuacher, geboreu 1848, diente im 45. regiment; jetzt in demselben reserveoffizier.

Gymnasium zu Tilsit:

502. lleuter, stand im ersatzbataillon des 78. regiments.

III. Mitglieder des paedagogischen seminars zu Königsberg.

503. Wilhelm Lose, geboren 1846, stand im 89. grenadier- regiment, ward verwundet vor Orleans und erhielt das eiserne kreuz und das meklenburgische verdienstkreuz.

504. Franz flaziew, geboren 1848, vicefeldwebel im 33. re- giment, mit welchem er alle schlachten mitgemacht hat (Gra- velotte, Amiens, an der Hallue, Vapaume, St. Quentin) : erhielt das eiserne kreuz.

505. Robert Müller, geboren 1846, Unteroffizier in der ersten artill.-brigade, verwundet vor Metz ; erwarb das eisernes kreuz.

Chronik des deutsch- französischen Jcriegs. Während das deut- sche heer (s. Philol. Anz. III, p. 620) zur völligen niederwer- fuug des gewaltigen feiudes alle kraft aufbot und unaufhaltsam gegen ihn andrängte, strengte man gleichzeitig in Deutschland alle mittel an um einerseits sowohl die in den armeen entstan- denen lücken durch die ersatz -bataillone und Schwadronen aus- zufüllen als auch neue truppenkörper für die weitern und jetzt nothwendig entstehenden plane der kriegsführung aufzustellen, andrerseits aber auch die fruchte der siege dem deutschen volke zu sichern und nicht wie früher verkümmern zu lassen. Dem- gemäss beschloss eine am

HO. august in Berlin unter Vorsitz des Oberbürgermeister Seydel im englischen hause abgehaltene Versammlung einen dahin abzielenden aufruf an das deutsche volk und zugleich eine addresse an den könig. Der erstere lautet :

Aufruf an das deutsche volk.

Während der bewaffnete theil des Volkes auf fremden bo- den den uns zugedachten angriff abwehrt und seinen Siegeslauf mit seinem herzblut besiegelt, rüstet sich die diplomatie frem- der mächte, uns im entscbeideuden Zeitpunkt die bedingungen des friedens aufzuerlegen. Schon einmal nach den glorreichen kämpfen von 1813, 14 und 15 ist das deutsche volk durch fremde missgunst um den vollen lohn seiner siege, um die er- Philol. Anz. IV. 40

626 Kleine philologische zeitung. Nr. 12

füllung seiner heissesten wünsche betrogen worden. Der be- siegte feind wurde über sein eigenes erwarten geschont und begünstigt , die deutschen gränzen blieben gefährdet und der erneuten angriffslust ausgesetzt ; statt der einheit des deutschen reiches wurde uns die schwäche des alten bundes auferlegt. Ein halbes Jahrhundert hat Europa im bewaffneten frieden die schuld der diplomatie gebüsst. Während jetzt die gleiche ge- fahr droht, darf das deutsche volk nicht schweigen. Die weit muss erfahren, dass herrscber und volk entschlossen sind, nach- zuholen, was 1815 uns vorenthalten ist: ein einiges reich und geschützte grenzen.

In der nachstehenden adresse an se. majestät den könig haben wir den einfachen ausdruck unserer gesinnungen niederge- legt. Mögen die Unterschriften aus dem gesammten Deutschland darthun, dass wir die gesinnungen des ganzen volkes wiedergeben.

Berlin, 30. august 1870. (Staatsanz. n. 239). Die adresse lautet :

Allerdurchlauchtigster, grossmächtigster, allergnadigster könig und herr !

Um ew. majestät und deren verbündete schaarte sich, als der krieg unvermeidlich war, einmüthig die nation. Sie ge- lobte treu auszuharren in dem kämpfe für die Sicherheit, ein- heit Und grosse des deutschen Vaterlandes. 'Gutt hat die Waf- fen gesegnet, welche für die gerechte sache mit unübertroffener tapferkeit geführt werden. Mit strömen des edelsten blutes sind die siege errungen worden, doch unerwartet schnell haben sie dem vorgesteckten ziele uns nahe gebracht. Gewaltige an- strengungen stehen uns noch bevor; das deutsche volk ist zu jedem opfer entschlossen, welches den höchsten nationalen auf- gaben gewidmet ist. Aber in der mitte der ernsten und geho- benen Stimmung werden wir beunruhigt durch die immer wie- derkehrenden berichte, dass fremde einmischung , die doch die schrecken des krieges nicht abzuwenden wnsste, jetzt bemüht sei, den preis unserer kämpfe nach ihrem ermessen zu begren- zen. Das andenken an die Vorgänge nach der glorreichen er- hebung unserer väter lebt frisch in unserem gedächtniss und mahnt Deutschland , dass es die forderungen seiner Wohlfahrt allein berathe. Darum nahen ew. majestät "Wir abermals mit dem gelöbniss, treu auszuharren, bis es der Weisheit ew. maje- stät gelingt, unter ausschluss jeder fremden einmischung zu- stände zu schaffen, welche das friedliche verhalten des nachbar- volkes besser, als bisher, verbürgen, die einheit des gesammten deutschen reiches begründen und gegen jede anfechtung sicher stellen.

In unverbrüchlicher treue verharren wir ehrfurchtsvoll ew. majestät

treu gehorsame.

(So nach der Spener'schen zeitung).

Nr. 12. Kleine philologische zeitung. 627

Wie man damit der Stimmung und den die Deutschen bewegenden ansichten entsprochen, mögen folgende notizen be- zeugen : am

1. Sept. beschliesst die bürgerschaft in Stettin einmüthig^ eine kundgebung an se. majestät den könig gegen die einmi- schungsgelüste des ausländes im sinne der berliner addresse.

München. Heute ward hier absendung einer ad- dresse an könig Ludwig im sinne des berliner aufrufs von der bürgerschaft und den in München anwesenden liberalen ab- geordneten beschlossen.

Leipzig. Heute wurde eine addresse an den kö- nig von Preussen zur Unterzeichnung öffentlich aufgelegt , in welcher um fernhaltung jeder fremden einmischung und um fortführung des kampfes ,, gegen wen es auch sei" bis zur er- lanp'ung eines dauerhaften friedens gebeten wird. Eine gleiche addresse wid an den könig von Sachsen gerichtet. Beide ad- dressen sind sofort mit Unterschriften bedeckt.

2. sept. Königsberg. Die bürgerschaft beschliesst ein- stimmig eine a<ldresse an den könig zu richten, die der in Ber- lin erlassenen völlig entspricht.

Mainz. Der gemeinderath beschliesst eine ad- dresse an den könig von Preussen, worin es heisst, es sei nur eine stimme aller dem vaterlande ergebenen manner, dass Deutschland vor allem die zu seinem schütze erforderlichen friedeusbedingungen zu bestimmen habe.

3. Sept. Dresden. Der rath und die Stadtverordneten erlassen eine addresse an den könig von Sachsen, welche be- züglich des friedensschlusses der berliner sich anschliesst.

Chemnitz. Eath und Stadtverordnete erlassen eine addresse an eleu könig von Preussen , in der sie der ber- liner adresse beitreten.

Darmstadt. Der gemeinderath richtet eine addresse an den grossherzog, derselbe wolle dahin wirken , dass mit ausschluss jeder fremden einmischung ein nur die interessen Deutschlands berücksichtigender friede geschlossen werde.

Stuttgart. In einer zahlreich besuchten Volksver- sammlung wird unter andern auch die resolution angenommen: „das deutsche volk weist jeden vermittlungs- oder einmischungs- versuch der neutralen mächte beim friedensschlusse zurück".

Addressen gleichen Inhalts sind dem Staats-Anzeiger, nach nr. 252 noch aus Breslau, Ma-ueburg, Schleswig, Kiel , Marburg, Frankfurt, Schwerin, Meiningen, Augsburg zugegangen, ferner aus Posen, Braunschweig, Coburg, Offenbach u. s. w., ebend. nr. 262.

7. Sept. Hannover. Heute ist eine addresse zur ab- wehr etwaiger einmischung fremder mächte bei den friedensver- handlungen etwa mit 60UO Unterschriften versehen von hier abgegangen.

40*

628 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 12.

7. sept. Bremen. Die bürgerschaft bescbliesst einstim- mig eine addresse an den könig von Preussen gegen einmi- scbung der neutralen mächte in den abzuschliessenden frieden.

Chodjiesen. Die bürgerscbaft bescbloss anscbluss an die addresse der berliner bürgerscbaft.

9. sept. Cötben. Eine addresse wegen abwebr fremder eintniscbung ist, der berliner entsprechend an den könig abgesandt.

12. sept. Werl. Eine zahlreiche Volksversammlung be- scbloss eine addresse an den könig, worin se. majestät gebeten werden, keiner fremden macht zu gestatten, bei dem bevorste- henden friedensschlusse sich in die angelegenheiten unseres Va- terlandes einzumischen, um die siegreichen und mit deutschem blute erkauften errungenschaften abzuschwächen und einen dauernden frieden in frage zu stellen.

13. sept. Kheiydt, die addresse an den könig, welche um abwehr etwaiger einmischung fremder mächte bei den frie- densverhandlungen bittet, ist von hier abgegangen.

Auszüge aus Zeitschriften.

Augsburger allgemeine zettung, beil. zu nr. 287. 289 : Frankreich und die Franzosen. Von K. Hillebrand, XL XII. Nach dem grie- chischen Orient. V. Acht tage am Bosporus : s. Phil. Anz. V,nr. l,p.64, nr. p. 175. Nr. 289 : die denkschrift der deutschen bischöfe. Beil. zu nr. 290: L. von Stein, die lehre vom heerwesen: anzeige. Beil. zu nr. 291: entdeckungen im gelobten lande von Dr Sepp. Beil. zu nr.292, 293: Dr Sepp, tu es Petrus, erinnerungen an die Steinzeit. I. II. Beil. zu nr. 293: briefe aus Aegypten. Beil. zu nr. 294. 295 : zum Ursprung der spräche: anzeige von Geiger's bd. II: zustimmend. Beil. zu nr. 296. 297 : die thätigkeit der verbundenen deutschen hülfs- vereine in den kriegsjahren 1870/71. Beil. zu nr. 298: Nomina geographica : anknüpfend an Egli's buch dieses titeis. Carricatu- ren aus den jähren 1870 71. Beil. zu nr. 300: zur Vertretung der neuen deutschen spräche und literatur auf den hochschulen des deutschen reichs. Beil. zu nr. 303. 304 : Sprachenkampf in den bergen Tirol's. Beil. zu nr. 304: kriegslitteratur. Beil. zu nr. 306 : zur abwehr gegen professor K. Bötticher in Berlin , von W. Lübke, gegen eine broschüre Böttichers: s. ob. nr. 11, p. 572. Nr. 309: die Universität Stassburg. Beil. zu nr. 312. 314. 315. 323. 324: Friedberg, die grenzen zwischen staat und kirche und die ga- rantien gegen deren Verletzung. I. IL III. Beil. zu 314: zur by- zantinischen literatur. Nr. 315: der protest gegen die rectorwahl in Innsbruck. Nr. 316: Pariser chronik. XVI. Ad. Ellissen f- Beil. zu nr. 317: Stimmungsbilder aus Berlin. IL Artistisches aus Berlin. IL Artistisches aus Italien. VII. Nr. 318: die goldene hochzeit des sächsischen königspaares : s. ob. p. 608. Beil. zu nr. 318: briete aus Thule, von Felix Dahn I. Beil. zu nr. 322: sachliche berichtigung zu Dr Sepp's aufsatz tu es Petrus, von L. Stein. Nr. 325 : eine erklärung gegen die denkschrift der deutschen bischöfe. Beil. zu nr. 325. 32(5 : deutsche kriegslittera- tur. — Drohende russificirung der Universität Dorpat. Nr. 326: politische Überzeugungen in England. Beil. zu nr. 328: harmlose plaudereicn aus München I. Beil. zu nr. 328: Gregorovius ge- schichte der etadt Ilom.

Nr. 12. Auszüge aus Zeitschriften. 629

Rheinisches museum für philologie herausg. v. Fr. Rilschl und A. Klette: bd. XXVI, heft 3: H. Blümner, beitrage zur geschichte der griechischen maierei, p. 353. J. Savelsberg, lateinische Parti- keln auf d und m (schluss), p. 370. O. Ribbeck, zur lateini- schen anthologie, p. 406. H. Wachendorf , conjectanea in Demo- sthenem, p. 411. K. Dziatzko, über den Mercatorprolog des Plau- tus, p. 421. F. Susemihl, studien zur aristotelischen Poetik, p. 440. C. Wachsmuth , ein decret des ägyptischen Satrapen Ptole- maios I, p. 463. J. Steup, des Thukydides bericht über die atti- sche pest, p. 473. Miscellen: F. Ritschi, zur Plautusliteratur, II, p. 483. W. Teuffei, Probus bei Martialis und Gellius, p. 488.

F.B., zur lateinischen anthologie, p. 491. Zu Calpurnius, vonZ. 31., p.493. E. Baehrens, zu Orestis tragoedia, p. 493. F. Ritschi, zu Cicero, p. 496. Erotemata philologica 3, p. 446. Berichtigung, p.447.

XXVI, heft 4: IL Nissen, die historien des Plinius; p. 497. 640.

H A. Koch, zu Plautus, p. 549. E. Rohde , die quellen des Iamblichus in seiner biographie des Pythagoras, p. 554. L. Mül- ler, vier emendationen zu Lucilius, p. 577. E. Hiller, de Adrasti Peripatetici in Timaeum commentario, p. 582. L. Urlichs, noch einmal Aristides , p. 590. Fr. Ritschi , Canticum und diverbium im Plautus p. 593. Miscellen: K. Lehr's, zum Artemis - cultus, p. 688. L. Urlichs, zu Ammianus Marcellinus, p. 688. A. Riese, zur historia Apollonii, p. 688. N. Wecklein, zu Pindar und Aeschylos, p. 689. Nachträge und berichtigungen.

Registerheft zu bd. 1 XXIV: eine äusserst sorgfältig gearbeitete und nützliche beigäbe.

XXVII, 1 (1872) : A. Rapp , die mänade im griechischen cul- tus, in der kunst und poesie, p. 1. E. Rohde, die quellen des Iamblichus in seiner biographie des Pythagoras, p. 23. J. Steup, erwiederung auf W. Teuffels Probus bei Martialis und Gellius, p. 62. 192. C. Wachsmuth, versprengte trümmer der Eklogen des Sto- bäus' in seinem florilegium, p. 73. G.Krüger, zu Horaz, p. 81. 192.

F. Blass, zur kritik des Antiphon, p. 92. W. Teuffei, zur hi- storia Apollonii regis Tyri, p. 103. F. Ritschi, Aeschylos' Perser in Aegypten, ein neues Simonideum (mit facsimile), p. 114. F. Buecheler, inscriptiones latinae (Anthologiae epigraphicae latinae spec. II, p. 127 [s. Phil. Anz. II, 1, p. 18. Miscellen: J. M. Mordt- mann , griechische inschriften aus Arabia, p. 146. F. Rühl, pom- pejanische nachtrage, p. 151. W. Heibig, Hieron II und Philistis auf einem agrigentiner relief, p. 153. M. J. Höfner, die zeigenössische geschichte des Cassius Dio, p. 156. F. Rühl, zu Zosimus, p. 159. K. Dziatzko, Hauton timorumenos oder Heauton timorumenos, p. 159. L. Müller, der Neapolitanus des Propertius, p. 162. N. Wecklein, zu Sophokles, p. 164. Zu Euripides , von demselben, p. 165. C Badhain, Philebi Platonici emendationes, p. 165. M Voigt, zu Plautus (Cure), p. 168. Zu Plautus (Men.) von J. Vahlen, p. 173.

Zu Plautus (Trin.) , von O Ribbeck, p. 177. Zu Lucilius, von demselben, p. 180. Coniectanea Sueiana, von demselben, p. 180. Zu Catullus und Catvus, von L. Müller, p. 183. Vergil, nicht Lucrez oder Lucilius, p. 184. Zu Ovidius, von E. Baehrens, p. 185. Zu Calpurnius, von demselben, p. 186. Zu Cicero, von J. Vahlen, p. 186.

F. Ritschi, nachtrag zu Canticum und Diverbium bei Plautus, p. 187.

Zarnke, literarisches centralblatt, nr. 28: Anna Comnena, von L. Osten, Rastatt 1871 : wird gelobt. G. Rohlfs, von Tripolis nach Alexandrien. Bremen, 1871: referirende anzeige. S. Heynemann, de interpolationibus in carminibus Horatii certa ratione diiudicandis. Bonn. 1871 : zustimmende anzeige (s. ob. nr. 5, p. 236).

Index rerum.

Aargau, s. ausgrabungen.

Abel, K., s. lat. gramui.

Acro, s. Horaz.

Adler, s. archaeol.

Adrian, s. Theocrit.

Aeschylus , Prom. ed. L. Schmidt 19. Abdruck des Laurent, v. R. Merkel 189.

Aetbiopicum bellum 170.

Aleidamas, s. Antiphon.

Alcman, leben u. Schriften v. Th. Niggemeyer 17. Quaestt. Alcm. v. G. Benseier 329.

Alterthümer, gr., K. F. Hermann, handbuch 143. K. Lugebil, athen. staatsverfass. 253. A. Philippi. att. bürgerrecht 205. id. symbola ad doctr. jur. att. 418. K. F. Schoemann , handbuch 42. K. Trieber, spart, verfassungsgesch. 46.

, röm. H. Babucke , heeresorg. der kaiserz. 563. 0. Clason, krit. erörterungen 259. id. leges annales 263. L. Friedländei", sit- . tengesch. 363. Marquardt und Mommsen, handbuch 210. A. Müller, ausrüst. u. bewaffn. d. r heeres 419. C. Nipperdey, va- riae observatt. 360. Roesner, re- rum Praenest. pars. III, 562.

Aineis, K., s. Homer.

Amerikan. philologenversamml. v, 1871 315.

Amor mit dem bogen, s. archaeol

Andocides ed. F. Blass 338.

Antikenfälschung 608.

Antiphon, Antisthenes, Aleidamas ed. F. Blass 120. Ueber kritik des Antiph. v. A. Hug 387.

Antisthenes, s. Antiphon.

Appiau, quellen v. E. Hannak 193

Apulejus einfluss auf Raphael, s. archaeol.

Archaeologie. Adler, chronol. der baukunst 174. Artemisium zu Ephesus 267. 526. A. Conze, röm. bilclwerke in Oestr. ; id., griech. grabreliefs 379. E. Curtius, ster- bende Medusa 174 ; id., widder- tragender Mercur 174. Engel- mann, Amor mit dem bogen 470. H. Grimm, Apulejus u. Philostra- tus einfluss auf Raphael 267. Iu- piterstatue 266. A. Michaelis, Parthenon 50. 145. J. O verbeck, kunstmythol. 57. E. Petersen, zur gesch. der gr. kunst 148. Phidias, Athene Parthenos 266. Polyklet, Diadumenos 221. A. Rossbach, hochzeits- u. ehedenk- mäler 152. Pt. Schoell, Kumanu- des grabinschriften 175. R. Schoene, gr. reliefs 470. Ste- phani, katalog der antikensamml. des grossf. Constantin 471. W. Vischer, kleinigkeiten 152. id., antike köpfe im bas. mus. 157. V. Veit, die hohe frau v. Milo 471.

Archaeolog. gesellsch. , Sitzungen, 174. 266. 470. 611.

Aristides, v. C. A. Berg 414.

Aristophanes. E. Brentano, Unter- suchungen 27. Chr. Muff, der chor. vor A. 277. id., Vortrag der chorpartieen 277. P. Weyland, de Nubibus 192.

Aristoteles, über eine stelle in den büchern v. der seele v. J. Vah- len 427.

Athen, s. Ausgrabungen.

Ausgrabungen. Aargau, röm. topf- brennerei 381. Athen, reste der

Nr. 12.

Index rerum.

631

mauer des Themist. 475. Kera meikos, grenzsäulen 382. Augs bürg, bronzemünze d. III. jahrh 474. Baden, röm. gebäulichkei ten 222. Capua, vase 475. Cau- casus , pokal des IV. jahrh. a. Chr. 575. Chiari, todtenstadt 267. Coburg, hünengräber 573. Cöln, röm. baureste 267. Hanau, ascken- kriige, steine mit den zeichen d. 22. leg. 474. Kehlheim, Bacchus- statue 223. Lucera, venusstatue 318. Marienburg, steingrab 605. Medun, grabmal 220. Mzchet, grabmäler 268. 605. Phokaea, basreliefs 63. Regensburg, röm. todtenfeld 223. 382.469. 610. Roc- casecca, grab aus d. Steinzeit 318. Rom, fragm. einer balustrade 574. Grabcippen u. mosaik 575. for. rom. 317. 607. verschiedenes 607. Ruva, vasenfragm. 472. Se- ligenstadt, grab v. Eginhardt u. Emma 221. Sparta, mosaikboden 268. Stade, röm. münze 317. Trier, steinsarg 575.

Babucke, EL, s. alterthümer.

Baden, s. ausgrabungen.

Bauer, Karoline, 420.

Bauer, W., s. Euripides.

BeatusRhenanus, v. A. v. Horawitz 378.

Benseier, Gr., s. Alcman.

Berg, C. A., s. Aristides.

Berger, H. s. Hipparch.

Bernhardy, G., 6u5.

Bischoff, A., s. Horaz.

Blass , F., s. Autiphon, Dinarch, Andocides.

Bleske, F., s. lat. gramm.

Bocchus, L., Corn. 175.

Bock, K., s. orthogr.

Boeckh, A., kleine Schriften 567.

Boetticher, C, gegen Conze 572.

Borghesi, B., ges. werke 161.

Brambach, W., s. orthogr.

Brentano, E., s. Aristoph.

British Museum, Jahresbericht 318.

Breuker, C, s. Sallust.

Brunnhofer, H., s. vergl. gramm.

Buchholtz, H., s. Eurip.

Buecheler, F., s. Plutarch.

Buecher, C, s. gr. gesch.

Buechner, W., s. Homer.

Buerger, Gr. H., nachlass 601.

Burnouf, E., s. litteraturgesch.

Bussenius, s. Yaler. Flaccus.

Caesar, ed. A. Dobereuz 130. C.

u. die Gallier v. H. Koechly 131.

Gall. zustände zur zeit Caesars

v. Labarre 133. Nebensätze v.

Procksch 499. Canna, s. Longin. Cantabricum bellum 107. Capua, s, ausgrabungen. Cassiodor, leben, v. A. Franz 506. Catonis disticha ed. F. Hauthal 405. Catull, de epigramm. in Gellium

v. G. Rettig 35. Caucasus, s. ausgrabungen. Celsus 168.

Chemnitz, einweih, des gymn. 602. Chesney f Hl- Chiari, s. ausgrabungen. Chronicon Paschale 107. Cicero, conjectt. Tüll. v. H. Weber

409. Handschriften der or. pro

Flacco v. W. Oetling 410. Clasen, L\, wappeninschrift 574. Clason, O., S. alterthümer. Clemm, W., aufg. u. stell, der phi-

lol. 225. Coburg, s. ausgrabungen. Cohausen röm. Castell; 219. Commodian, c. apol. v. Leimbach

89; Curtius, E., s. archaeol. Demades, s. Dinarch. Destouches, E. v., die stadt Mün- chen in ihrer bez. zur univ. 476. Dinarchi oratt. adj. Demadis qui

fertur fragmento ed. F. Blass 120. Dindorf, W., s. Sophocles. Dionysius Thrax: epit. ed. ex cod.

Marc. 531 v. A. Hart 84. Doberenz, A., s. Caesar. Draeger, A., s. lat. gramm. Duentzer, H. s. Homer. Dzialas, G., redefiguren 326. Egger, E., s. philol. Eggert, s. Sophocles. Eisenlohr, papyrusrolle von Harris

475. Elementarunterricht, reform dess.

durch die Sprachwissenschaft v.

J. Lattmann 537. Elias, S., s. Lycurg. Ellendt, E., s. Homer. Ellger, G., s. Hesiod. Engelmann, s. archaeol. Epaminondes v. L. Pomtow 415. Epigraphik. C. I. L. Vol. V, 1 von

Th. Mommsen 433. Ephemeris

epigr. 61. Rom. münzinschrift

Index rerum.

Nr. 12.

317. sarginalschrift in Rom 607. Gr. inschr. v. Erythrae 379.

Erythrae, s. epigraphik.

Erziehung, nationale 529.

Eutropius ed. W. Hartel 250.

Euripides. Alk. v. W. Bauer 481. Bacch. v. R. Yellerton Tyrrell 190. 578. Herakl. v. W. Bauer 481. Kvkl. v. V. Hintner 332. Med. v. W. Bauer 481. Zu den Herakl. v. dems. 481 ff., zur Med. v. dems. 481 ff. Orest. v. 836- 1010 v. H. Schaefer 231. Tanz- kunst des E. v. H. Buchholtz 97.

Faber, A., s. Minuc. Felix.

Fedde, s. Homer.

Floeck, C, s. Thukyd.

Forbiger, A., s. Hellas u. Rom.

Franz, A., s. Cassiodor.

Fricke, W., f 527.

Friedländer, L., s. alterthümer.

Friedrichs, E., reisebriefe 472.

Fries, W., s. Sophocles.

Fritzsche, F., s. Lucian.

, Th., s. Menipp u. Horaz.

Galenus, quaestt. critt. v. J. Mül- ler 119.

Gebbardi, s. Tibull, Prop., Ovid

Gerber, A., s. Tacit.

Geschichte, gr. quaestt. amphictt. v. C. Buecher 462.

, röm. gesch. Roms v. K. Peter 256. L. Septim. Severus v. J Hoefner 358. vrgl. alterthümer.

Gildemeister, J., s. Plutarch.

Graeber, s. ausgrabungeu.

Graffunder, A., 266.

Grammatik, gr., L. Schmidt, de ana log. et anom. in synt. gr. 11 B. Suhle, zerdehnung 226.

lat. gen. von wörteim auf ius und tum 375. K. Abel, über einige grundzüge derl. gr. 178. F.Bleske elementarbncb 368. A. Draeger, hist. synt. 322. 544. E. Lueb- bert, de struct. partic. perf. pass. pro subst. pos. 177. Lattmann und Müller, schulgramm. 539. M. Voigt, bedeutungswechsel lat. ausdrücke 429.

vrgl. H. Brunnhofer , yctlä, lac. 214. Tiede, vergl. bemerkungen über lat. u.deutsche umgangsspr. 592.

Grimm, W. u. J., 110. 221. , H., s. archaeol. Grimma, gymnas. 467.

Gramme, A., s. Plato.

Guestmw, versamml. der Schulmän- ner 601.

Halm, C, s. Nepos.

Hanau, s. ausgrabuncren.

Hannack, E., s Appian.

Harris, s. Eisenlohr.

Hart, A., s. Dionys. Thrax.

Hartel, W., oestr. gymnasien 61. s. Eutrop.

Härtung, ß., s. sententiarum über.

Hauthal, F., s. Catonis disticha.

Hecht, O., s. Homer.

Hellas u. Rom v. A. Forbiger 140.

Hermann, K. F., s. alterthümer.

Herodes Atticus arch. epon. 115. 59.

Hertz, M.. s. Plato.

Hesiod, de prooem. theog. v. G. Ellger 185.

Heynemann, S., s. Horaz.

Hintner, V., s. Eurip.

Hipparch , geogr. fragmm. v. H. Berger 447.

Histor. - archaeol. rath v. Rom 319.

Hoefner, S., röm. gesch.

Holtze, F. W., s. Lucrez.

Homer, llias. Boeotia v. Schwarz. 1 82.

Od. v. K. Ameis 13. Parallel- len zum I. buch v. E. Ellendt 385. Kirchhoff, Köchly u. die Od. v. H. Duentzer 443.

W. Bnechner, hom. studd. 441. H. Duentzer, hom. abhandlungen 435. Fedde, Wortzusammensetzung 327. O. Hecht, de epithetis 441. H. Lutze, de strophica ratione 551. Pfudel, causalsiitze 182. F. Riemer, de temporum usu 552. Skerlo, l&nv 440.

Homerische Hymnen. Prolegg. ad hvmnum in Ven. v. R. Thiele 274. 445.

Horaz. A. Bischoff, hör. lyrik 561. S. Heynemann, interpolatt. 236. T. Mommsen, zu sat. I, 457. H. Muther, zu sat. I, 3. 285. O. Ribbeck, episteln 456. H. Rie- del, bibliographie 128. H. Runge, zur kritik der öden 585. E. Schweikert, de Acrone 127. cf. 377.

Horawitz, A. v., Beatus Rhenanua 378.

Hortensta, lex, 169.

Hup, A., s. Antiphon.

Hultgren, F. C, s. rnetrik.

Ilberg, gratulationsgedicht 608.

Nr. 12.

Index rerum.

633

Isaeus, einfl. aut Demosth. v. A.

Laudahn 341. Isocrates, figuren v. Kyprianös 72. Ianke, 0., 572. Iupiterstatue, s. archaeol. Instin, verbreit, im mittelalter v.

F. Ruehl 41. Invenal, quid elocutio ejus differat

a Persiana von H. Wilcke 348.

Kriegsdienst in Aegypten 168. Kaibel, Gr., de monumentorum ali- quot graecorum carminibus 274. Kehlneim, s. ausgrabungen. Keil, H., exempla poetarum e cod.

Vat. edita 280. Kiel, univers. 63. Kiessling, G., 472. Kirchslein, H., s. Plato. Koechly, H., s. Caesar. Kohl, 0., s. Livius. Krause, E., s. tragg. gr. Kreussler, 0., s. Ovid. Kuehnast, L., s. Livius. Kuhn, R., s. Sallust. Kumanudes, s. archaeol. Kyprianös, s. Isocrates. Labarre, s. Caesar. Laemmert, E., 377. Lattmann , J. , s. elementarunter-

richt u. lat. gramm. Laudahn, A., s. Isaeus. Leimbach, s. Commodiau. Lexicographie. Griech. - deutsches

wörterb. v. Rost 228. Lilie, W., s. Sallust. Litteraturgeschichte. Histoire de

la litt, grecque parE. Burnouf 356. Livius. 0. Kohl, reden 458. L.

Kuehnast, syntax 243. Longin, übers, v. G. Canna 32. Lorentz, A. 0. F., s. Plautus. Lucera, s. ausgrabungen. Lucian, ed. F. Fritzsche 487. Lu-

cianea v. J. Sommerbrodt 495. Lucrez, syntax v. F. W. Holtze

342. Luebbert, E., s. lat. gramm. Lugdunense, proelium 107. Lugebil, K., s. alterthümer. Lupus, B., s. Nepos. Lussowo, pfahlbauten 111. Lutze, EL, s. Homer. Lycurg, quaestt. lyc. v. S. Elias

75. v. E. Rosenberg '78. Mamertinus, carcer 467. Marcellinus, Fab. et Valer. 59. Marienburg, s. ausgrabungen.

Marquardt, J., s. alterthümer.

Martialis lib. XII epigr. a. 102 p. Chr. ed. 374.

Medun, s. ausgrabungen.

Medusa, s. archaeol.

Menipp u. Horaz v. Th. Fritzsche 196.

Mercur, s. archaeol.

Merkel, R., s. Aeschylus.

Mestorf, J., 110.

Metrik. F. C. Hultgren , observatt. in poett. elegiacos gr. et 1. 180. J. Rumpel, de trimetri gr. exitu 588.

Michaelis, A., s. archeol.

Minucius Felix v. A. Faber 412.

Mommsen, Th. , s. alterthümer und epigraphik.

, T., s. Horaz.

Montesquieu , considerations etc. übersetzt v. W. Wendler 303.

Mueller, A., s. alterthümer.

J., s. Galenus.

Muff, Chr., s. Aristophanes.

Muther, H., s. Horaz.

Mzchet, s. ausgrabungen.

Nepos, ed. C. Halm 92. Der satz- bau des KT. v. B. Lupus 586.

Niggemeyer, Th., s. Alcman.

Nipperdey, C. , s. alterthümer und Tacitus.

Oesterley, H., s. Phaedrus.

Oetling, W., s. Cicero.

Orosius, s. bell. Cantabricum.

Orthographie. K. Bock, die wich- tigsten punkte der orth. 364. W. Brambach, hülfsbüchlein 364. Re- geln u. -wörterverzeichniss für lat. orthogr. 227. perihodus, exhodus 365. Appulejus366.caepe, caespes. promunturium 366. volaemus, glaeba, tentare , numquam , nan- ctus , illico, villicus, Boeoti, fae- les 367.

Ovid. Gebhardi, de Tibulli, Pro- pertii , Ovidii distichis 39. A. Zingerle , Ovids verhältniss zu den Vorgängern u. gleichzeitigen dichtem 199.

, Metamorph. , ed. J. Siebeiis (Polle) 395. 0. Kreussler, obser- vatt. in fastos 404.

Paedagogik. J. Soergel, die gegen- wärt. gymnasialbild. mit berücks. des bair. gymnasialwesens 597.

Palaeographie. J. C. Vollgraff, studd. palaeogr. 8.

634

Index rerum .

Nr. 12.

Palatina, bliblioth. 430.

Palinieri, ausbruch d. Vesuv 474

Parthey f 267.

Persius, s. Juvenal.

Perthes, F. 267.

Peter, K., s. röm. gesch.

Peters, L., s. Sophocles.

Petersen, E., s. archaeol.

Pfahlbauten 381.

Pfudel, s. Homer.

Phaedrus. Paraphrase des Romu-

lus v. H. Oesterley 237. Phidias, s. archaeol. Philippi, s. alterthümer. Philologie, geschichte ders. l'Helle-

nisme en france v. E. Egger 369. Philostratus, einfluss auf Raphael,

s. archaeol. Phokaea, s. ausgrabungen. Plato. M. Hertz, sympos. loc. enarr.

et emend. 65. A. Gramme, zum

Phaedrus 68. H. Kirchstein, über

Protagoras 584. M. Schanz, no-

vae commentatt. 1 13. Volquard-

sen, über den mythus 69. Plautus. A. 0. F. Lorentz, colla-

tionen zur Aulul. 390. W. Ram-

say, Mostellaria 86. L. Reinhardt,

de fabulis retract. 393. Plutarch. H. Gildemeister und F.

Buecheler: mgl äa/qafais 570. E.

Rasmus, de communibus notitiis

334. G. Treu, de codicc. Pariss.

Moralium 333. Polle, F., s. Ovid. Polyklet, s. archaeol. Pomtow, L., s. Epaminondas. Proeksch, s. Caesar. Properz. Gebhardi, de Tibulli, Pro-

pertii Ovidii distichis 39. Publilius Syrus ed. E. Woelfflin 202. Ramsay, W., s. Plautus. Rasmus, E.. s. Plutarch. Rath, Gerh. vom, ausflug nach Ca-

labrien 517. Regensburg, s. ausgrabungen. Reichsstrasse, röm., v. Virunum nach

Ovilaba 379. Reinhardt, L., s. Plautus. Rettig, G., s. Catull. Reuss, E., s. Valerius Flaccus. Rhenanus, s. Beatus. Rhetorum antiquorum de figuris

doctrina v. G. Dzialas 326. Ribbeck, O., s. Scaenici u. Horaz. Richter, R., gratulationsgedicht 603 Riedel, H. s. Horaz.

Riegel, H., italien. blätter 422.

Riemer, F., s. Homer.

Ritschi, F., acta societ. Lips. 371.

Roccasecca, s. ausgrabungen.

Roensch, H., s. Tertullian.

Roesner, s. alterthümer.

Rom , s. ausgrabungen.

Rosenberg, E., s. Lycurg.

Rossbach, A., s. archaeol.

Rost, F., s. lexicographie.

Ruehl, F., s. Justin.

Rumpel, J., s. metrik.

Runge, H., s. Horaz.

Ruvo, s. ausgrabungen.

Sallust, C. Preuker, S. auctor Ta- citi 136. R. Kuhn, einleitungen des S. 240. W. Lilie, observatt. gramm. 134. P. Schulze, de ar- chaismis 290. K. Stejskal, be- deut. des Sali. 242. A. Wein- hold, Vat. 3864. 349.

Seaenicae R. poesis fragmenta v. O. Ribbeck ed. II. 285.

Schaefer, H., s. Eurip.

Schanz, M., s. Plato.

Schlieman, Cheirisophos reise durch Boeotien 310. Ausgrabungen 573.

Schmidt, L., s. lat. gramm.

Schmitt, A., 221.

Schoell, R., s. archaeol.

Schoemann, K. F., s. alterthümer.

Schoene, R., s. archaeol.

Schulaufsichtsgesetz 111.

Schultess, F., s. Seneca.

Schulze, P., s. Sallust.

Schwarz, s. Homer.

Schweikert, E., s. Horaz.

Schweizer -Siedler, H., s. Tacit.

Seligenstadt, s. ausgrabungen.

Seneca, de quaestt. natural, et epist. v. Fr. Schultess 302.

Sententiarum liber v. C. Härtung 593.

Siebeiis, F., s. Ovid.

Skerlo, s. Homer.

Soergel, J., s. pädagogik.

Sommerbrodt, J., s. Lucian.

Sophocles. W. Dindorf, lexicon 110. C. G. Eggert, quaestt. critt. 22. W. Fries, anacolutha 553. L. Peters studd. Sophocl. 25.

Sparta, s. ausgrabungen.

Stade, s. ausgrabungen.

Stein, de Atlante Homerico et Ae- schyleo 578.

Stejskal, K., s. Sallust.

Strassburg, univ. 467. 271. 613.

Nr. 12.

Index locorum.

635

Suhle, B., s. gr. gramm. u. 219. Symposium (münchener universitäts-

jubiläum) 475. Tacitus denkmal in Terni 575. A.

Gerber , praepositionen 293. ed.

C. Nipperdey 459. Germania v.

H. Schweizer-Siedler 352. Tertullian, das neue testament des- selben v. H. Roensch 137. Theater. N. Wecklein , studd. zur

scen. archaeol. 508. Themistocles 169.

Theocrit, kritisches v. Adrian 187. Thiele, R., s. hom. hymnen. Thukydides, observatt. gramm. v.

C. Flock 554. Tibull, s. Properz. Tiede, s. vergl. gramm. Tragici gr. de attractionis vi v. E.

Krause 330. lat., s. Scaenici. Trendelenburg, A., | HI- Treu, G., s. Plutarch. Trieber, K., s. gr. alterthümer. Trier, s. ausgrabungen. Tyrrell, s. Euripides.

Underwood, J., 173.

Vahlen, J. s. Aristoteles.

Valerius Flaccus. Bussenius , de

comparationibus 233. E. Reuss,

obervatt. 281. Veit, V., s. archaeol. Vesuv 271.

Vischer, W., s. archaeol. Voigt, M., s. lat. gramm. Vollgraff, J. ö.j s. Palaeogr. Volquardsen, s. Plato. Waddington, fastes des provinces

asiatiques de l'empire römäin471. Weber, H., s. Cicero. Wecklein. N., s. theater. Weinhold, A., s. Sallust. Welcker's monument in Bonn 222. Wendler, W., s. Montesquieu. Weyland, P., s. Aristophanes. Wilcke, H., s. Juvenal. Winckelmann, J. J., 381. Woelftlin, E., s. Publil. Syrus. Wood, ausgrabungen 62. 220. Wuttke, H., gesch. der schrift 572. Zingerle, A., s. Ovid

Index locorum.

Accius [Ribb. ed. II] p. 137, 8 287

p. 142, 53 287

» 146, 81 287

» 146, 84 289

» 146, 85 288

» 153, 131 289

» 155, 146 290

» 173, 283 287

» 184, 370, 372 288 1—

» 202, 515 287; 56

» 219, 644 288

ine. ine. p. 142, 52 288

Aeschylus. Agam. 520 20

Choeph. 47 522

56 522

91 372

92 372

Pers. 228 372

Prom. 314 20

347 578

427 578

514 21

675 20

Aeschyl. Prom. 926 Sept. 10 Andocid. I, 1

15

23

24

39

41

45

64

75

76

86

88

89

136

II, 12

III, 20

31

Anecd. Paris. I, p. 19 Anthol. Pal. VII, 18 Anthol. lat. 683, 13

20 313 340 340 339 341 339 341 340 340 340 340 341 339 340 341 340 340 340 341 509

60 408

Index locorum.

Nr. 12.

Autholog. lat. 083,18, 21

408

Dinaren. I, 13

126

Antiphon. I, 1

123

66

122

- I, 3

122

70

126

10

123

80

122.

125

- - 12

123

82, 84

126

14

123

105

122

23 , -

123

II,

7, 22

122

30

124

III, 4, 7

122

V, 32

123

Diogen. Sinop. s. Julian.

II « hyp. 2

388

Di

jnysius Thrax epit. ed.

Hart.

4 y 2

388

P-

26, 3 ff.

85

III y 6

389

P-

29, 33

86

- - ä 9

389

Ennius (Ribb. ed. II) p. IE

,26

288

IV d 2

388

-

P-

20, 40

288

Apollon.Rhod.Schol. ad I 1263 21

»

25, 76

288

Aristophanes. Achar. 612

9

»

34, 142

288

Eccl. 69

59

»

38, 174

288

72

59

»

39, 184

288

Pax 1120

59

»

41, 192

288

Athenaeus XIII, p. 592 E

9. 10

»

59, 306

289

p. 586 E

10

ine. ine. 184, 370

288

Bekk. anecd. p. 865

86

Eurip

. Ale. 552

9

Cassius Dio I, II, 20

263

1117

9

Catonis disticha I, 10, 73,

79 408

Bacch.' 20

582

II, 16, 95

408

21

581

III, 9, 15

408

_

25

191.

581

-IV, 7

408

54, 100

192

IV, 56

409

209

192.

582

IV, 62, 64, 71

407

211

582

IV, 71

409

235

191.

581

Cic. or. pr. Flacc. §§ 5, 30,

33,

261

582

64

411

406

191.

582

Philipp. I, 13, 31

409

451

191.

582

I, 14, 35

409

506

582

- I, 22, 50

409

606

583

II, 19, 49

410

636

583

22, 55

409

756

581

III, 5, 12

409

787

583

V, 37, 106

410

842, 843

583

or. pr. Süll. I, 1

169

856

579

Or. 13, 42

522

860

583

Tusc. I, 24, 59

410

864

192.

583

28, 69

410

887

581

31, 75, 77

410

1001

191

32, 78

410

1002

579

36, 87

410

1020

191

Commodian. c. apol. 56

89

1049

583

133

91

1060

191.

580

142, 228

89

1090

583

465, 481

90

1091

191

537, 609

91

1147

583

637

91

1156

581

776, 824

90

1157

192

Curt. Ruf. X, 9, 28

169

1169

583

Demosth. de cor. §. 289

273

1257

580

Dinaren. I, 5, 6

122

1287

583

7

125

1352

161

Nr. 12.

Index locorüiü.

637

Eurip. Heracl. 2, 38, 103

484

Homer. Od. a 353

15

140, 152

484

r 37

15

171, 176

485

»104

15

197, 202

484

» 224

16

211

484

v 14

16

255, 480

485

253

185

522, 582

485

Eomerscholien Od. X, 568

8

629, 640

484

v 10, 14

8

689

482

> 142, 215

8

1050

484

» 174

9

Iphig. Taur. 15

169

§ 162

8

Kykl. 136

332

» 199

9

153

332

»222

9

325

372

» 230, 334

8

326

372

»398

8

480-82

332

n 305

8

502

333

Homer, hymnen, in Ven. 44

445

551

332

Ven. 134

445

Med. 25

44, 135

150. 183

195, 232

297, 404

538, 785

786

862

930-32

1216, 1304

485 486 486 486 486 486 486 485 486 486

» 284

» 285

Horat. Od. II, 14 fin. Sat. I, 1, 88

3, 20

3, 24

3, 28, 38

3, 29-37

3, 41, 57

3, 58, 65

276 445 585 457 285 285 285 285 285 285

1317

486

3, 76

285

1386-88

375

3, 82

3, 108

457 457

Orest. 844—1012

231

10, 28

362

938, 941

232

10, 62

458

942, 983

232

10, 85

362

Eutrop. II, 23

251

Ep. I, 5, 9

375

III, 3

251

I, 18, 82

522

VI, 16

251

I, 20, 24

457

VIII, 4

251

Iulian. or. VI, p. 105 B Sp.

59

6, 13, 23

252

Liv. Andron. (Ribbeck ed. II

IX, 9, 14

252

p. 4, 26

289

24, 27

252

Longin. 13, 4

33

Fronton. Arion. p. 237 N.

170

- 21, 2

SS

Galen, p. 495, 15

119

- 44, 5

33

Gellius IV, 17, 7

313

Lucian. Alex. 10, 21, 25

492

Hesiod. Theog. 1—35

185

Bis acc. 24

497

Homer. 11. A 3 5

438

28

493

J 249

441

33 494

498

2-65

441

dial. meretr. VI, 1

499

Sl 721

439

de merc. cond. 15, 17, 42

493

»765

438

Fugit. 23

495

Od. « 52 ff.

577

Gall. 28

492

t 272—7

444

Hermot. 44

498

C 178

444

63

495

x 314—366

10

de hist. conscr. 13, 26, 51

491

v 417

184

Hercul. 1

499

n 222

184

de luctu 21

499

_ 2S1-28S

444

iNavis 29

497

638

Index locorum.

Nr. 12.

Lucian. Nigr. 6, 14

498

Nepos. Eum. XI, 5

96

Necyom. 3

498

Hann. X, 2

93

Peregr. 32

498

- Mi lt. III, 2

96

25

497

- Paus. III, 3

96

7, 13, 23, 39

492

- Pboc. II, 5

93. 96

Philops. 4, 5, 19

492

Them. I, 4

93

20, 21

493

X, 3

93

Rhet. praec. 3

497

Thras. I, 4

95

10

496

Ovid. ex Pont. III, 3. 43

169

15

498

Fast. I, 41, 49, 53

404

de salt. 81

497

331, 637

404

somn. 11

491

639, 640

404

Sympos. 5, 12, 41, 45

497

II, 854

404

Lycurg. § 15

82

III, 105, 594, 693

404

18

80

IV, 866

404

25

82

V, 661

404

26

79

VI, 662

404

28

84

Pacuv. (Ribbeck ed.II)p. 951

50 287

29

84

p. 98, 17

287

- - 40

81

» 82, 39

287

47

80

- » 106, 315

288

48

82

» 108, 248

288

60

83

» 116, 315

288

-65

84

» 119, 338

288

71

81

» 123, 364

288

78

77

- » 129, 395

287

80

83

» 132, 410

289

81

384

Petrou. 118

138

94

83

Phaedrus (M.) I, 13, 21

239

105-108

80

- V, 9

239

105, 107

81

Philostratus I, 23

60

109

80

- V, 5

60

116

81

Plato Conviv. p. 175 B

12

124

80

p, 182 sqq.

65

134

81

» 182 A

68

137

77

» 183 A

67

Lys. I, 22

12

» 210 E

113

frgm. Sauppe p. 195

10

- Euthy. 274 B

116

Martial. ep. XIV, 114

374

274 E

11

Minmenn. frgm. I, 4

373

276 D

116

Minuc. Felix 4, 3

414

278 B

116

7, 1

414

279 D

117

31, 7

414

280 D

117

Naevius [Ribbeck ed. II] p. 9,

19 288

287 C

11

Nepos. Ale. I, 3

93

289 B

114

- Arist. II, 92

93. 96

290 B

117

Attic. XIII, 4

94

295 A

115

7

95

298 A. B

115

XVIII, 5

93

301 A

115

Cim. III, 1

96

302 E

114

Con. III, 3

96

Gorg. 461 C

116

Dion. VII, 3

93

492 E

115

VIII, 2

94

Legg. III, 701 D

113

X, 2

94

- Phaedr. 70 C

118

Epam. X, 1

93. 96

91 C

118

- Eum. VIII, 1

96

2'29 C

69

XI, 3

93

230 B

69

Nr. 12.

Index 1

ocorum.

639

Plato Phaedr. 231 C

69

Sallust lug. 97, 5

352

233 D

69

100, 1

135

235 A

69

ep

. Pomp. 6

135

235 E 236 A

69

Scriptt. hist. Aug. Vit. Albin.

240 E

69

H 1

107

242 C

113

Alex. Sev. 1, 7

107

246 B

69. 116

Get. 2, 1

107

270 D

69

2,

374

Protag. 312 A

115

Nigr. 10, 9

107

319 D

116

Seneca quaestt. nat. 3, 1, 1

169

Resp. 370 E

169

3, 26, 6

169

615 D

11

4, praef. 10

303

Plautus. Aniph. 510

170

epist. 22, 1

303

Aulul. I, 1, 5

392

26, 3

303

II, 1, 31

390

40, 4

303

2, 74

392

49

303

3, 4

390

53, 7

303

III, 2, 10

390

61, 1

303-

2, 73

392

dial. II, 7, 2

313

IV, 1, 5

391

II, 7, 4

169

1, 8

391

So

phocles Antig. 2

553

7. 11

391

23

169

9, 8

391

211

23

Epid. I, 1, 44-47

394

673

554

II, 2, 109

395

776, 1182

23

III, 2, 33-34

395

El

43, 76

22

2, 28—30

395

112, 226

23

V, 2 54

395

232, 327

23

Merc. prol.

393

363

22

Truc: scen. I

394

468

22

11, 1, 5-13

394

763

23

III, 2, 14-15

394

1329

23

Plutarch.-Fab. 16

10

Oed. Col. 22

24

reg. et imp. apophth.

10

29

25

de conmi. notit. IX, 2

338

44, 48

25

XI, 8

338

55

26

Pompon. com. v. 21 sqq.

R 59

62

22

Publil. Syr. 50, 75, 90

203

71

25

110, 137, 151

203

113

25

152, 181, 187

203

156

26

248

203

243, 257, 277

26

325, 347

204

307

26

348

203. 204

332

25

373. 380

203

357

29

412, 430

203

380

26

Quintilian. I, 5, 12, 31

313

390

22

6, 19

313

:

402

25

Sallust. bell. Cat. 10, 3

361

500

24. 26

11, 1

361

502, 523

26

20, 7

352

553

25

33, 1

352

570, 575

26

35, 3

549

Oed. Col. 588

22

52, 35

350

589

26

lug. 38, 10

352

603

26

43, 1

361

625

24

44, 4

291

640

554

46, 6

135

658, 755

26

640

Index Iocorura.

Nr. 12.

Sophocl. Oed. Col. 813 24.

26

861

26

912

25

919-23

26

1021, 1077

25

1083, 1098

26

1108

24

1113, 1116

26

1117

26

1118, 1132

24

1192

26

1231

26

1249

22

1265

25

1333, 1358

26

1370

24

1390

26

1413, 1436, 1444

26

1454, 1466

26

1469

25

1526, 1534

26

1551, 1584

25

1627, 1640

25

1640

24

1685, 1690

26

1695, 1698

26

1701

26

1720

25

1749, 1752

26

Oed. R. 302

554

328

22

424

22

583

22

600, 624, 625

22

681

23

' 702

23

725

22

818

554

861, 883

22

1031

23

1083

24

1136 168

554

1266

554

1326

22

1512

24

Phil. 57

553

86

554

146 ff.

516

1162

554

1383

522

Trach. 23

554

Strabo 135 Caa.

454

Tacitus Agric. 4

462

Ann. I, 11

461

II, 13

460

Tacit. Ann. 24, 36, 41, 42

57

III, 18

55

XIV, 7

XV, 12

13, 35, 44

- Dial. c. 10, c. 19

- Gerin. c. 8, c. 13

- Hist. IV, 81 Terenz Eun. III, 5, 12 Tertullian. (Semmler) P. 583

584, 587, 595

598, 602

604, 612, 613

620, 623, 632

633, 641

649, 667, 676

684, 685

688, 695, 709

Tneocrit. Id. I, 15, 19, 51

- 85 Theophr. Charakt. 22 Thukyd. I, 18

- I, 39

- II, 84

- IV, 13

- V, 38 Valer. Place. I, 150

156

157, 755

355

461 355 460 460 460 460 374 355 461 375 138 138 138 139 139 139 140 140 140 189 189 338 10 169 560 560 556 288 284 283 235 283 233 282 236. 282 236

II, 243

453, 461

III, 133

737

738

IV, 89 283

201 284

537 235

714, 715 236

V, 187 284

VI, 223 284

256 236

VII, 32 284

560 236

VIII, 444 283

Varr. Atac. Argon. III frgm.

2 (R) 60

Vergil Aen. I, 396 169

Xenopk. Cyrop. VII, 3, 10 12

- Sympos. IX, 7, 7 169

- de rep. I, §. 5 374 II, §. 3 374

Nr. 12. Verzeichniss. Index rerum zu den excerpten. 641

Verzeichniss der excerpirten Zeitschriften.

Archaeologische zeitung 63. 236.

Augsburger allgemeine zeitung 63. 112. 175. 223. 271. 319. 383. 431.

477. 527. 575. 628. Blaetter für das bayerische gynmasialschulwesen 224. 272. Ephemeris epigraphica 64, 272.

Fichte, Ulrici nnd. Wirth Zeitschrift für philosophie 64. Füllner, deutsche blätter 432. Göttingische gelehrte anzeigen 112. 320. Nachrichten von der königlichen gesellschaft der Wissenschaften zu

Göttingen 1384. Petzholdt, neuer anzeiger für bibliographie 64. Preussische Jahrbücher 384. Zarnckes literarisches centralblatt 272. 320. 384. 432. 480. 528. 576.

629.

Index rerum zu den excerpten.

Adrastus, de A. Perip. in Tina, conini. v. Hiller 629.

Aeschylos Perser in Aegypten v. Ritschi 629.

und Pindar v. Wecklein 629.

Alterthümer , christliche in Roni 576 ; rörn. b. Apollinarisbrunnen 610.

Amniianus Marcell. , zu A. v. Ur- lichs 629.

Andocides ed. Blass 480.

Andrea d'Altagene, s. reformation.

Anecdota gr. et graecolat. v. Rose 320.

Anna Comnena v. L. Osten 629.

Anthologie, z. lat. v. Ribbeck 629. v. F. B. 629. anth. epigr. lat. spec. v. Bücheier 629.

Anthropolog. gesellsch. , Versamm- lung in Stuttgart 477. 528.

Antiphon ed. Blass 320. 629.

Apollonius, zur hist. A. von A. Riese 629. W. Teuffei 629.

Apulejus, Amor u. Psyche übers, v. Bintz 319.

Archäologie. Adler, Theseion zu Athen 611. Blümner, griech. ma- ierei 629. Boetticher, hermenbild- nisse der Sappho 431. Buehl- mann, architektur des klass. al- terthums 480. Brunn, etrnsk urne

Philol. Anz. IV.

319. Conze, berliner museum 384; id., athen. sepulchralrelief 431. Curtius, Artemistempel z. Ephe- sos 611. Forchhammer, Eirene mit dem Plutoskinde 431. Frie- derichs, berl. antike bildwerke 384 ; id., kleinere kunst und in- dust. der Gr. 480. Fried länder, Philoktet u. Aeakus auf müuzen 430; id., attribute des Vulcan 430. Heibig, agrigent. reliel'629. Heydemann: apulische vasenbil- der431.id. Iasonbei Aeetes 476. id. morraspiel 476. id. Phaedra u. Hip- polyt476.id.relieffragm.431 id. ur- theil des Paris476. id. vasensamm- lung des königs Ludwigl476.id. va- sensamml. v.Palermo431.id. Pom- pej. Wandgemälde 611. Hübner, Germanen in ant. kunst 611. Jor- dan, röm. aushängeschilde 431. Lepsius, aeg. kunstformen 479. Matz, goldschale von Pietraossa 476. Michaelis, Parthenon 272; id., Priamus bei Achill 431 ; id., Par- theuonsculpturen431; id.gr.grab- reliefs476. Murray, etrusk. Spie- gel 431. Pervanoglu, topogr. Athens 476. Rapp, s. Maenade. Schoene, reliefgruppen in Mar- sala 476. Schubring, ausgrabun-

41

642

Index rerum zu den exe erpten.

Nr. 12.

gen in Selinunt 611. Schwaben abgüsse der antiken bildwerke in Aphrod. in. d. eandale drohend Berlin 384. s. archäol. s. Lübke. 431. Wittich, neue maasse des Bologna, alterthumsfunde 64. Parthenon. 431. Wieseler, delphi-jBonn, univ. 384. scher dreiiuss 479. ^ Borrmann, s. epigraphik.

Archaeol. gesellschaft , Sitzungen Bosporus 628.

Bessert, la litt, allem, au moyen age

des er- zur

63. 476

Archaeologenversamnilung in Darm- stadt 576.

Architektur des kl. alterth. v.Buehl- niaun 480.

Aristides, noch einmal A. v. Ur- lichs 629.

Aristophanes Byz. 320.

Aristophanes. cod Urbinas v. Vel- sen 480. chorpartieen v. Muft. 480.

Aristoteles lehre vom leben etc, Universums v. Siebeck 64. kenntnisslehre v. Kampe 64 arist. poet, v. Susemihl 629.

Armenien, denkmäler 63. s. Mordt- mann.

Artemiscultus v. Lehrs 529.

Assyrien, sprachen v. Hitzig 480.

Ausgrabungen v. Coeln 431. v. Go- tha 528. Kertsch 528. Konstanz 528. v. Nenning 431. Regensburg 224. 384. Rom 271. 319. 431 575. 576. Seligenstaüt 432. Troja 63.112. WaJd - Algesheini v.E. aus'm Werth 272

Baehrens s. Calpurn., Orest. trag., Ovid.

Bamberger, das reich u. die wis sensch. 432.

Bassano 384.

Bauer, Caroline 272.

Benares, handschriften 112.

Benfey , älteste recens. des Pant- schatantra 176. s. vergl. gramm

Bergau, s. Nürnberg.

Berlin, Stimmungsbilder aus B. 625.

. Artist. 628.

Bern, schuli'rage 63.

Bibelmanuscr. hebr. 610.

Bibliotheken, grosse deraltenB. 613

Bintz, s. Apulejus.

Bischöfe, deutsche 628.

Bismark gegen die ultramontanen 112.

Blass, s. Andocides u. Antiphon

Blümner s. archaeol.

Boeckh's opusec. 478.

Boetius ed. Peiper 432.

Boetticher, erklär, verzeichniss der

224.

Brant's narrenschiff v. Simrockll2. Braunsberg , gymnas. 63. klerus

477. Brentano, Untersuchungen über d.

gr. drama 478. Blockhaus, F. A., 383. Bromberg, Universitätsfrage 224. Brugman, s. gr. grammatik. Brunn, s. archäol. Buchholtz, s. Homer u. Euripides. bücheler, s. anthol. u. inschr. buehlmann, s. archäol. Caesar v. Napoleon u. Mommsen

112. Callisthenes (Pseudo) ed. Mensel

384. Calpurnius, zu C. v. L. M. 629; E.

Baehrens 629. Cassius Bio v. Hoefner 629. Catulliana v. Rettig 272. Catull.

u. Catvus v. L. Müller 629. Cebetis tabula v. Drosihn 480. Cheirisophos reise d. Boeot. 319. Christ, werth der kolometrie 384. Cicero de legg. v. Vahlen 320. ders.

zu Cic. 629, v. Ritschi 629. Cohen 63. Cok, s. mythologie. Colmar, Lyceum 112. Conversationslex., illustr. 431. Conze, s. archäol. Cron, s. Plato. Culmann, s. vergl. gramm. Cultusministerium in Berlin 63.

112.

- in Baiern 175. Curtius, Gr., s. gramm.

E. , neue funde aus Kleinasien 476. Artemistempel in Ephesos 611.

Cyprian v. Hartel 432.

Bahn, könige der Germanen 175.

Briefe aus Thule 628. Darwinlitteratur 175. Deiters 271. 319. Deruosthenes, conjeet. in D. v. Wa-

chendorf 629. -,

Nr. 12.

Index rerum zu den excerpten.

643

Dichter, ein geretteter des 12. jahrh. 63.

Diez, jubilaeum 112.

Dittenberger, s. epigr.

Doehler, orakel etc. 432.

Doellinger, wiederverein, der ehr. kirchen 175. berichtigungen 175.

Dolopathos, quelle 271.

Dorpat 328.

Drosihn, s. Cebetis tabula.

Duisburg 272.

Dziatzko, s. Plautus u. Terenz.

Ellissen f 628.

Elsass u. seine bedeut. für D. 432.

England, schulfrage 112. Katho- licism.432. Kirche 477 -.politik 628.

Ephemeris epigr. 64. 477. 480.

Epigraphik. Ephemeris epigr. fasc. I enthaltend:

Addidara. ad C. I. L. I 64. Observatt. ep. v. Mommsen 64. de praefecto castr. v. Wilmanns De norinull. titulis Atticis 478. Tituli Romani, v. Borsmann 478. cf. ausserdem »Inschriften«.

Euripides , tanzkunst v. Buchholtz 479. Zu Eur. v. Wecklein 629.

Fabricius, francisc. v. Schmitz 112.

Falck 112.

Felsina 64.

Feolische vasensammlung nach Wuerzburg 319.

Foerster, archaeol. miscellen 431.

Forchhammer, s. archaeol.

Friedberg, staat u. kirche 628.

Friederichs, s. archaeol.

Friedlaender, s. archaeol.

Fritze, reform des Schulwesens 384

Frosschammer, die philosophie und Darwins lehre 224.

Gaudeamus igitur , studien Hoff- manns v. Fallersleben 320.

Geiger, Ursprung d. spr. 628.

Generalstabswerk 431.

Geographica nomina 628.

Gervinus, autobiogr. 175.

Geschichtslitteratur der röm. kai- serz. 176.

Gozzadini, di un' antica necropoli a Marzabotto uel Bologna 64.

Grammatik. Benfey , jubeo etc. 176. knitni = ivo, cJW 284. Brug- mann, ersatzdehnung 272. Cul- mann, aspiraten 432. Curtius, studien 272. Scholl, die depo- nentia im gr. 272. Joly, ein]

kapitel vergleichender gramm.

576. Savelsberg, lat. part. auf

d u. m 629. Graut, s. bibelmanuscr. Gregorovius , gesch. d. stadt Rom

628. Groth , Vorlesungen über deutsche

litt, in Oxford 271. Grorius, processacten 224. Gymnasiallehrergehalte 112. Haeckel's natürliche schöpfungs-

gesch. 576. Halder, nekrolog 224. Halle, zopfabschneiderei 175. Hamann , becleut. der photogr. für

die wissensch. 432. Hanov f 615. Harris, papyrusrolle 576. Hartel, s. Cyprian. Haupt, F., die dakische konigsburg

auf der col. Traj. 576. Hehn, kulturpflanzen u. hausthiere

in ihrem übergange von Asien

nach Gr. u. Ital. 112. Heidelberg u. Strassburg, univers.

271. Heilmann, das II. bair. corps in

Frankr. 175. Heinrich, hist. de la litt, allem. 224. Heinze, lehre vom logos 175. Heibig, s. archaeol. Heller, G. 0., 112. Herodot v. Stein 479. Hesiod ed. Koechly u. Kinkel 480. Hettner, s. litteraturgesch. Heydemann, s. archaeol. Heynemann, s. Horaz. Hildesheim, silberfund von Holzer

576. Hillebrand, Frankreich u. die Fran- zosen 576. 628 Hill er, s. Adrast. Hitzig, s. Assyrien. Hoefner, s. Cass. Dio über Septim.

Sever. 480. Holzer, s. Hildesheim. Homer. Realien v, Buchholtz 320.

hom. studd. v. Hartel 480. Hom. hymnus in Ven. v. Thiele 528 Horaz carm. III, 5, 27 v. Thenn p.

224. Heynemann de interpolat.

629. Zu Horat. v. Krüger 629. Huebner, s. Madrid, Inschriften u.

archaeol. Huebschmann , ein zoroastrisches

lied 479.

644

Index rerum zu den excerpten.

Nr. 12.

Hülfsvereine in den kriegsjahren 628.

Hultsch, s. Polyb.

Jauiblichus quellen v. Rohde 629.

Insbruck, rectorwabl 628.

Inschriften von Africa von Herzog 431. Bonn v. Willmanns 476 Buecheler v. anthol. v. Deutsch- land v. Becker 476. Künstlerin- schriften auf gr. münzen v. A. Sal- let 272. Königsfelden 576. Nen- nig v. Huebner 479. Rom 320. Sicilien 431. Smyrna 476. Sparta 477. Troja 63. 112. 476. Wür temberg v. Staelin 431. Keilin schrift 609. Griech. aus Arab. 629.

Inschriftenfälschung von Jerusalem 484.

Italien. Unterrichtswesen 528. Wie- dererwachen der philologie 576. Artistisches 628.

Itinerarium Alex. M. v. Volkmann 479.

Iapan, unterrichtswesen 271.

Iesuiten, Charakteristik. 384. Aus- weisung 477.

Iordan, s. archaeol.

lustin, textesquellen v. Ruehl 528. im mittelalter ibidem.

Kampe, s. Aristot.

Kayser, necrolog 320.

Keilinschrift, s. sündfluthbericht.

Keller, s. Oehringen.

Kiepert, Atlas von Hellas 478.

Koch, s. Plautus.

Koenigsfelden, s. inschriften.

Konstanz, alterthümer 576.

Kraus, nachfolge Christi 432.

Krause, Musen, grazien etc. 576.

Kriegslitt., deutsche 271. 628.

, franz. 64. 319.

Kriegsgeschichte, zur franz. 175. 176.

Kritobulus v. Tischendorf 384.

Krüger, s. Horaz.

Kurz, aus den tagen der schmach 271.

Lange, röm. alterthümer 112.

Legrand, zum neugriechischen 480.

Lehrs, s. Artemiscultus.

Lepsius, s. archaeol.

Levy f 175.

Lexicographie, ital. 223.

Liberalismus in Preussen 176.

Ligurinua 63.

Litteraturgesch. des 18. jahrh. von

Hettner 112. deutsche auf hoch-

schulen 628. zur byzantinischen

628. Livingstone 477. 528. London, schulnachrichten 176. Lübke, abwehr gegen Bötticher 628. Lucilius, zu L. v. L. Müller 629 v.

Ribbeck 629. Lucrez, s. Vergib Lugebil, zur gesch. der athenischen

Staatsverfassung 528. Luther, s. reformationsbestrebungen. Luthercodex 528. Lutz 175. Madrider Sapphoherme v. Huebner

431. Madvig, adversaria 432. Maelarts troj. krieg 105. Maenade in cultus, kunst, poesie

v. Rapp 629. Maestrich t, kunst- u. reliquenschätze

176. Mahaffy, prolegg. of ancient history

271. Matz, s. archaeol. Meineke, ein lebensbild v. Ranke

320. Melanchthon, s. reformationsbestreb. Merzbacher, litteraturbericht 476. Meusel, s. Callisthens. Michaelis, s. archaeol. Michaud, u. das kath. Frankreich

176. Mommsen 112. u. s. epigr.

Staatsrecht 528. Moutalembert, über die Jesuiten

384. Mordtmann, studd. üb. gesch. Ar- meniens 384.

griech. iuschr. aus Arab. 629.

Muehler's rücktritt 112; Verwahr- losung der evang. theol. facultät 112.

Mueller, M. , resultate der vergl. sprachw. 528.

L., s. Lucil., Catull. Propert., Virgil., Calpurn.

Mueller's zeitschr. für deutsche cul- turgesch. 319.

Muenchen, jubil. der univ. 175.431. 474. 528. kämpf der hochschule gegen Rom 320. 383. studen- tenleben 477. plaudereien aus M. 628-

Muff, s. Aristoph.

Nr. 12.

Index rerum zu den excexpten.

645

Murray, s. archaeol. Museum, brit. 112. 609. Mythen- u. legendenlitteratur 271. Mythologie der asiat. Völker von

Cok 112. Napoleon 112.

Nepos, sein ende, v. Eussner 224. Xennig, s. Inschriften u. ausgrab. Nizze f 175. Nuernberg, antiken, v. Bergau 476

629; zuPl.v. Kooh629; zu Cure. v. 629. Voigt 629; zu Trin.v. Ribbeck 629; zu Men. v. Vahlen 629; zur Plautuslit. v. Ritsckl 629; cant, div. v. Ritschi 629.

u

des PI.

H.

Plinius, die histor.

Nissen 629. Plutarch, de fontibus v. Soltau 432. Poesie im neuen Deutschi. v. Schu.

bert 175.

Oberrhein, zur geschichtsforschung;p0lybius v. Hultsch 576.

des , 431. fPonipeji wandinschriften v. Zange-

Oehringen, forsch ungen v. Keller 63.1 TOeister 112, s. ausgrabungen!76.

Ponipejan. nachtr. v. Rühl 629. Posen, schulen 112. 477. Prag u. Strassburg 271. Prac, univ. 477. Prantl, gesch. der univ. München

528. Probus b. Martial u. Gell, v

fei 629; v. Steup. 629.

Teuf-

v. L.

Satr.

Oesterreich , reform der theol. fa-

cultäten 528. Oldenburg 384. Ophirfrage 224. Orestis trag., zu 0., v. E. Baehrens

629. Orient, s. Bosporus. Osten, s. Anna. Ovid (Pseudo) Heroid. XX. XXI. p-!propertius. Neapolit. des P.

224. | Müller 629.

Ovid's verhältniss zu andern dich-prutz f 384.

tern v. A. Zingerle 272 zu Ov-!ptolemaeus , decret des aeg.

v. E. Baehrens 629. Pt. v. Wachsmuth 629.

Oxford, geschenk an die universitätQuenstedt, populäre vortrage 384.

Strassburg 576. jRaetieu, das alte 576.

Ozon, s. biblioth. |Bapp, s. Maenade.

Palaestina, expedition nach P. 610.'Reber, kunstgesch. des alterth. 272. Pantschatantra, s. Benfey. iReform bestrebungen. kathol.. Fra

Paranikas, zur byzant. litt. 272. Andrea d'Altagene 112. Pirkhei-

Pariser chronik 112. 271. 628. as-| mer u. Scheurl 112. Luther u.

sociation franc. pour l'avance-j Melanchthon 112.

ment des sciences 384. iRe^ensburg, s. ause-rabungen.

Pervanoglu, topogr. Athens 476. |Religion u. staatsidee 176. Pesth, eultus- u. unterrichtsetat 64. Rettig, s. Catull. Petersburg, bücherdiebstahl 64. JRibbeck, s. Scaenici, Plaut., Lucil., Philologen im fr. kriege 615. Sueius u. Anthol.

Philologenversamml. in Leipzig 319. Riese, s. Apollonius.

320. 'Ringeis contra Doellinger 384.

Philologie, academie für moderne Ritschi Acta 478, s. Aeschylus,

ph. in Berlin 319. Cicero, Plautus.

Pichler, s. Petersburg. Rohde, s. Jamblichus.

Pindar u. Aeschylus v. "Wecklein Rohlfs, s. Tripolis.

629. Rom , Campagne 528. Sitzungen

Piper, erzthüren v. St. Paul u. Pia-: des arch. inst. 431 ; theol. dispu-

tonherme v. Tivoli 384. tat. I76.bevölkerungsverhältnisse

Pirkheimer, s. reformationsbestreb.j 319.

Planta, das alte Raetien 576. [Rossbach , hochzeits- u. ehedenk-

Plato novae commentatt. v. Schanz mäler 479.

272; zu Gorgias v. Cron 272;:Rothe, ethik 112.

piaton. studd. v. Steger 528; das Ruehl, s. Justin, Zosimus u. Pom-

rhetor. bei PI. von Hirzel 528 ; peji.

Philebi emend. v. Badham. 629.jRumaenen, herkunft 176. Plautus, Mercatorprolog.v.Dziatzko|Russländ, censur 576.

646

Index rerum zu den excerpten.

Nr. 12.

Saunas, sicil. münzen 272.

Sallet, s. inschr.

Sallust. Schultze de archaismis 479, Weinhold: cod. Vatic. 478.

Savelsverg, s. gramm.

ScaenicaeRoni. poes. fragin. v. Rib- beck 479.

Scbaefer, bedeut. des alt. geschichts- unterr. f. d. gegenw. 432.

Schanz, s. Plato.

Scheurl, s. reforrnbestrebungen.

Schliemann, leben 112. ausgra- bungen 63. 112.

Schmidt, B. , Volksleben der Neu- griechen 63. 272. 320.

, E., das röm. decemvirat 320.

Schmitz, s. Fabricius.

Schneider, beitr. zur alten gesch. 272.

Schoene, A., anal, phil.-hist. 432.

, R., s. archaeol.

Scholl, s. griech. gramm.

Schopenhauer u. Hartmann 477.

Schubert, s. poesie.

Schubring, s. archaeol.

Schulbesuch 175.

Schuldisciplin 112.

Schule u kirche in Preussen 384.

Schulen, hochsch, u. fachsch. im d. reich 175.

Schulgrammatik, gr. v. Koch 479.

, lat. v. Lattmann u. Müller 479.

Schulinspection 112. 175. 176. 224. 272.

Schultze, s. Sallust.

, lautwerth der gr. schriftzeichen 480.

Schwabe, s. archaeol.

Scriptt. hist. Aug., fontes v. Knebel 480.

Semiten, Ursprung 320.

Seneca, zur kritik v. Kiesslirig 479. vita v. Martens 479.

Sepp, s. Steinzeit.

Sicilien, zur gesch. von S. 528.

Siebeck, s. Aristot.

Simrock, s. Brant.

Smith, s. sündfluthbericht.

Soltau, s. Plutarch.

Sophocles , zu S. v. Wecklein 629.

Stanley, Livingstoneexpedit. 476.

Stark , aus dem reiche des Tanta- lus u. Kroesus 320. Nach dem gr. Orient 384. 431. 576. Steger, s. Plato.

Stein, denkmal in Nassau 384. 431.

L. v., heerwesen 628. Steinhart f 576. Steinthal, einleit. in die psych, d.

sprachw. 480. Steinzeit 628.

Steup, s. Thukyd.u. Probus. Stever, s. Palästina. Stobaeus, versprengte trümmer des

floril. v. Wachsmuth 629. Stoll, bilder aus d. r. leben 480. Studentische sitten vor drei jahrh.

63. Strassburg, univ. 63, 112. 224. 271.

272. 628. biblioth. 176. Studium der frauen 477. Sturm, 176.

Sündfluthbericht, chald. 609. ' Sueius, conject. S. v. Ribbeck 629. Susemihl, s. Aristot. Sybel, was wir v. Fr. lernen 384. Tereuz, Hauton tim. od. Heautont.

Dziatzko 629. Teuffei, studd. u. charakt. 320, s.

Probus u. Apollonius. Thenn, s. Horaz. Thukydides pestbericht v. Steup

629. Tirol, confessionelle schulen 271 ;

Sprachenkampf 628. Torgau, gymnas. 611. Trendelenburg, necrolog 175. 576;

kl. Schriften 480. Tripolis , v. Tr. nach Alexandrien

v. Rohlfs 629. Troja, s. inschriften u. ausgrabun-

gem

Unland , zur gesch. der dichtung

u. sage 224. Ungarn, kirche 63. Universitäten, briefe über Deutsche

175. , oesterreichische 320. Universitätslehrer, alter derselben

in Deutschi. 112. Unterrichtswesen in Frankr. 319. Urlichs, s. Ammian. u. Aristides. Vahlen, s. Cicero u. Plautus. Velsen, s. Aristoph. Venusstatue von Aspra 528. Vergil, nicht Lucr. od. Lucil. v. L.

Müller 629. Vesuv, ausbrach 271. 319. 528. Voelkerpsychologie, beitrage 223.

224. Vollgraff, studd. palaeogr. 479.

Nr. 12.

Index locorum zn den excerpten.

647

Wachendorf, s. Demosth. Wachsmuth, s. Ptolem. u. Stobaeus. Waelschtirol, deutsche schulen 112. Wagner , einfluss der nahrung auf

kulturgesch. 431. Waitz, anthropologie der naturvöl-

ker 271. Wecklein, s. Pindar, Aeschylus, So-

phocles, Eurip. Weinhold, s. Sallust. Werth, E., aus'm , s. ausgrabungen Westphal, eleni. des musik. rhyth-

mus 479. Wieseler, s. archaeol. Wilken, geistl. spiele in Deutschi

320.

Wilinanns, s. epigr. Winkelmannsfeste 476. Wittich, s. archaeol. Wolff, Jerusalem 224. Zangemeister, s. Pompeji. Zannoni, sugli scavi della Certosa 64. Zeitmann, studd. über Armenien

384 Zeller 176.

Zeuss, kelt. gramm. 63. Zingerle, s. Ovid. Zonaras v. Dindorf 432. Zosimus v. Ruehl 629. Zuerich, Studentinnen 112.

Index locorum zu den excerpten.

Catull c. 80. 7 272

Cedren. Hist. compl. 1, p 532

Bekk. 479

Dinaren, adv. Demosth. §. 7 480 Herod. VII, 20. 149. 169 479

Horat. c. III, 5, 27 224

Ovid. (Pseudo) Herod. XX, 2. 4.

13. 19. 20. 36. 53. 74. 87.

93. 101. 127. 135. 140. 153. 175. 189. 193. 210. 220. 228 224 XXI, 4. 24. 30. 41. 59. 98 119. 180. 189. 193. 197. 203. 205. 227. 231, 235. 243 224

Scriptt. hist. Aug. Ael. Spart.

Vit. Sever. 91

480

'M,

UNIVERSITY OF N.C. AT CHAPEL HILL

00044537652