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PHILOLOGUS

ZEITSCHRIFT rn C5g96

DAS CLASSISCHE ALTERTHUM.

BEGRÜNDET

von F. W. SCHNEIDEWIN uno E. v. LEUTSCH,

HERAUSGEGEBEN

VON

OTTO CRUSIUS

IN TÜBINGEN.

Neue Folge. Erster Band.

(Der ganzen Reihe siebenundvierzigster Band).

GOTTINGEN ; DIETERICH SCHE VERLAGS - BUCHHANDLUNG. 1889,

Inhalt des siebenundvierzigsten (ersten) Bandes*).

Bemerkungen iiber einige Bibliotheken von Sicilien. Von

Frans Rithl . . . . . . . . . . . . . 577 Zu den homerischen Hymnen. Von R. Peppmüllr . . . 18 Zu den homerischen Hymnen. Von O. Crusius |. . . . . 208 Zu den Kypria. Von R. Peppmiiller, . . . . . . . . 582 Zu Tyrtaios und Sappho. Von C. Haeberlin . . . . . . 598 Ad Alcaeum (fr. 41) Ser. R. Ellis, . . . . . . . . 91 Pindar's sechste olympische Ode. Von L. Bornemann . . 589 Zu Aischylos. Von C. Haebertin, . . . . . . . . 284 Coniectanea ad comoediae antiquae fragmenta. Scr. O. Crusius 44 Zu Aristophanes. Von 0. Bachmann . . . . . 348. 370. 755 Zu den Anakreonteen. Von O. Crusius. . . . . . . 285 Babriana. Ser. Th. Bergk . . . > . . . . . . . 886 Metrische Inschrift von Metapont. Von R. Peppmüller . . . 168 Ad inscriptiones Phrygias notulae. Scr. O. Crusius. . . . 44 Ad inscriptiones Phrygias. Scr. W. M. Ramsay . . . . . 754 Zu Heraklit. Von Christian Cron. . . . . 209. 400. 599

Die ursprüngliche Stelle der Pentekontaetie im thukydideischen Geschichtswerke. Von L. Holsapfel . . . . 165

*) Die Titel der Miscellen und LückenbüfBer sind mit kleinerer Sehrift gedruckt.

IV Inbalt des siebenundvierzigsten (ersten) Bandes.

Zur Kritik und Exegese der Demosthenischen Kranzrede.

Von W. Schmid . 08] 05. 5. . . . . . . 426 Zu Dinarch. Von E. Schr . . . . . . . . . . . 652 Tu Theophrast. Von G. Æ Unger . . . . . . . . 874

Zur Ueberlieferung der apophthegmata Laconica. Von M. Treu. 622

Emendationum ad Dionem Chrysost. spec. I. II. Scr. W. Schmid, 24. 59 Emendationum ad Aristidem spec.I.II. Scr. W. Schmid . 375. 433 Handschriftliches zu Porphyrius de antro Nympharum. Ser.

E. Bethe . . 20. + s. + + + 554 Zu Antoninus Liberalis. Von H. Martini 2... ++ 760 Griechische Sprichwürter. Von M. Treu und O. Crusius . 198 Excerptorum Palatinorum specimen. Scr. M. Treu . . . . 622 AHAIOZ KOAYMBHTHZ. Scr. O. Crusus . . . . . . . 382 Quaestiones Vergilianae. Ser. C. Haeberlin . . . . . 310 Aemilii Macri Theriacon fr. duo. Ser. R. Unger. . . . . 555 Zu Manilius V 546. Von R. Unger. . . . . . . . . 80 Ad Tibulli elegiam II 4. Ser. H. Belling. . . . . . . 878 Witz und Humor im Iuvenal Von Jul. Jessen . . . . 321 Zu Iuvenal. Von A. Häckermann . 2... s. 176 Anthol. Lat. I n. 37 R. Scr. R. Ehwald 2... + . 764 Zur Aegritudo Perdiccae, Scr. A. Eussner. . . . . . . 162 Avian. XXVIII 7. Ser. O. Crusius . . . . . . . . . 399

Zu Cicero's partitiones oratoriae, Von W. Friedrich. . . 291 Noch einmal Cicero de imp. Cn. Pompei $ 24. Von C. Fr. Müller, 762

Zu Cicero pro Ligario 8 1. Von C. Wagener. . . . . . 554 Zu Cicero de inventione. Von E. Strobl . . . . . . . 170 Zu Cornificius ad Herennium. Von E. Stroebel , . . . . 171 Zu Caesar und Cicero. Von H. Deiter. . . . . . . . 677 In Senecam rhetorem. Ser. S. Linde . . . . . . 173. 384 Zu Livius, Von A. Eussner . , . . . . . . . . . 685

Zur Composition von Petronius! Satirae, Von Elimar Klebs . 628 Das Valesische Bruchstück zur Geschichte Constantins. Von

E. Kleba . . . . . . es . 4 . e. 9 + + + s ng 58 Zu den Scriptores historiae Augustae. Von E. Klebs . . . 559 Zu Apuleius. Von M. Petschemg . . . . . . . 278. 819 Zu Iustinus, Von Th. Stangl . . . . . . . . . . 648

Zu Porphyrio. Von J. Mähly, . . . . . . . . . . 702

Inhalt des siebenund vierzigsten (ersten) Bandes.

‘Makedonisches’ bei Lasos von Hermione? Von y

Eine Reform des Aristophanes. Von Th. Zielinski .

Die Blüthezeit des Alexander Polyhistor. Von G. F. Unger .

Poseidonios und Plutarch tiber die rimischen Eigennamen. Von Adolf Bauer

Der Tod des Dichters Helvius Cinna. Von L. Schwabe . .

Die Angaben über die Vólker von Innerafrika bei Plinius und Mela. Von E. Schweder

Vorlagen der Apulejanischen Metamorphosen. Von O. Crusius ,

Entstehungszeit und Verfasser von Ps.-Apuleius de ortho-

graphia. Von O. Crusius. . . . . . .

Beitrige zur Geschichte rómischer Dichter im Mittelalter. 1. Persius. Von M. Mamitius . . . . M

Beitráge zur Geschichte rómischer Prosaiker im Mittelalter. Von M. Manitius . ee, .

Von E. Graf .

Dionys von Halikarnaß über die Lautbildung (de comp. verb. 14) “Ovrws in der Komödie. Von 0. Bachmann . . . . .

Ein Beitrag zum Vulgirlatein. Von O. Weise

Die Aktivbedeutung der Adjectiva auf bilis im archaischen Latein. Von Fr. Hanssen . . . Omen. Von J. Mahly .

Zur Geschichte der antiken Metrik. 1. 4ıayogal. Von

W. Horschelmann . . . . . . «© © «© © © «

Die Forschungen über den Orient (Forts.). Von A. Wie- demann . . .

Die Forschung über Griechische Geschichte 1882 1886 (Forts). Von H, Landwehr. . . . . . .

Die Großthat des Aristophon. Von @. F. Unger.

710

562

108 644

VI Inhalt des siebenundvierzigsten (ersten) Bandes.

Die Regierungszeit des Hieronymus von Syrakus. F. Unger . , ,

Von G.

Die Ehe des Ptolemaeus Philadelphus mit Arsinoe IL. Von

A. Wiedemanno . . > . . . . . …. ….

Die zehn Eponymen und die Reihenfolge der naeh ihnen

benannten Phylen Athens. Von A. Mommsen.

Die neneren Arbeiten über Tracht und Bewalfaung des

rómischen Heeres in der Kaiserzeit. Von A. Miller. 514.

Die Hastiferi von Castellum Mattiacorum. Von A. Maué. Geschichte der legio XIV gemina. Von Metellus Meyer

Flaviana. V. Historische Kleinigkeiten. Von A. Chambalu, 569.

Apollo Kitheródos. Von Otto A. Hoffmann

Die sogen. Pharmakiden des Kypseloskastens. H. Roscher

Von W.

Thierfabeln auf antiken Bildwerken. Von O. Crusius .

Scaenica I. Von W. Schmid .

Aithiopenmythen I. II. Von 0. Gruppe Zu den ‘Aithiopenmythen’. Von A. Socin,

. 92.

188

61

449

721 487 693 765

678

703

185 578

328 575

I.

Zur Geschichte der antiken Metrik.

1. dragopal.

1. Die Lehre von den diagogat des Hexameters gehört zu dem eisernen Bestande der byzantinischen Metrik. Daher ist sie uns, wie das ganze byzantinische Compendium, in vielen ver- schiedenen Fassungen erhalten. Viele von diesen liegen gedruckt vor; mehrere sind noch ungedruckt. Und zwar befinden sich unter den gedruckten solche, die wir entbehren können, da sie nur das Bekannte wiederholen; umgekehrt befindet sich unter den ungedruckten eine, die wesentlich Neues bietet.

Von den 7 dtagogal, die allgemeine Anerkennung gefunden haben, sind nur die 5 ersten metrischen Characters. Denn die sechste (reAsıor) gilt den Versen, die alle acht Redetheile ent- halten, die siebente (noAszıxov) denen, die frei sind von jeglichem na9og oder zgonog. Von den fünf metrischen aber beziehen sich drei auf die Vertheilung der Dactylen und Spondeen und zwei auf das Verhältniß der Wortschlüsse zu den Versfüßen. Wenn man die erste Gruppe genauer betrachtet, so sieht man, daß sie durchaus nicht drei willkürlich herausgegriffene Formen des Hexa- meters bietet. Im Gegentheil hängen diese drei Gestalten des Verses eng mit einander zusammen. Versuchen wir die Frage zu formuliren, auf die uns hier die Antwort ertheilt wird! Sie lautet so: Wie kónnen im Hexameter zwei resp. drei Spondeen derartig vertheilt werden, daß eine Responsion oder Symmetrie entsteht? Da nun der sechste Fuß einfürallemal als Spondeus und der fünfte als Dactylus angesetzt wird, so läßt sich das gesuchte Resultat nur in dreifacher Weise erreichen. Haben wir

Philologus. N.F. Bd.I,1. 1

2 W. Hoerschelmann,

im Ganzen zwei Spondeen, so ergeben sich nur zwei respondirende Formen, erstens epodisch: DDS || DDS; zweitens palinodisch: SDD| DDS. Haben wir aber im Ganzen drei Spondeen, so giebt es nur eine Möglichkeit der Symmetrie: DS | DS || DS").

Diese drei Formen bilden denn auch die drei ersten dsu- yogul. Die erstgenannte heißt xazsrormdior, die zweite Sazquxor, die letzte megiodıxor. Aber die Reihenfolge ist im Tractat an- ders; die palinodische Form steht an letzter Stelle. Also: xaze- vonlor (D D S| D D S), regiodixor (D S | D S | D S), Zen gixov (S D D | D D S).

Sehen wir nun, daß bei den drei ersten dixpogul ein ganz fester Plan die Auswahl bestimmt hat und daß sogar die Rei- henfolge nicht zufällig ist, dann müssen die beiden folgenden sehr auffallend erscheinen. Das vrogovduor ?) soll die Hexa- meter bezeichnen, in denen in allen Versfüßen Wortende und Fußende zusammenfällt, und das fovxoAwxov diejenigen, in denen am Ende des dritten Fußes ein Wortende liegt. Das ist eine eigenthümliche Combination. Warum wird der dritte FuB allein hervorgehoben? Man könnte etwa sagen: alle Fuß- enden und das Ende der ersten Hälfte aller Fußenden wer- den einander coordinirt. Dagegen ließe sich aber einwenden, daß das Ende der Drittel ebenso viel Recht hat berücksichtigt zu werden, wie das Ende der Hälfte, daß also ein Wortende nach dem zweiten und vierten Fuß doch auch in Frage kom- men könnte. |

In der That erfahren wir aus einer andern Quelle, daß man das Wortende am Schluß des dritten, des zweiten und des vierten Fußes unter einem Gesichtspunkt zusammenfaßte. Die Namen für die betreffenden Verse lauten: julenec, rgsTomögsov, Bovxodixor. Das lernen wir aus dem Tractat, der jetzt in den Handschriften des Dionysius Thrax steht, in Uhligs Ausgabe des letzteren S. XIV. (Vgl. Pseudo-Hephaestio $ 19 und 27).

1) Es wäre unter den gegebenen Bedingungen, d. h. wenn der fünfte Fuß als Dactylus, der sechste als Spondeus betrachtet wird, nur noch ein einziger Fall einer symmetrischen Vertheilung möglich ; wenn man nämlich vier Spondeen annimmt, lassen sie sich so ordnen: SD SI S DS. Warum die obige Liste über die Verse mit drei Spondeen nicht hinausgeht, wissen wir nicht. Bei einem und fünf Spondeen giebt es natürlich keine Art von Responsion.

2) Statt dnöggvsuor kommen auch die Formen ónogv9uor (Pseudo- Plutarch) und anugvsuor (Pseudo - Hephaestio $ 13 und 29) vor.

Zur Geschichte der antiken Metrik. 3

Hierzu tritt aber noch ein anderes Moment: das homerische Beispiel für das unter den diupopal genannte PovxoAıxov ist in unserem Tractat stets K 475: |

RE Emdiporudos mupcitns iuáoy dederro. Das Beispiel paBt aber nicht: am Ende des dritten Fufes ist kein Wortende. Und das Beispiel steht ganz fest: die ver- schiedenen Recensionen (von denen sogleich die Rede sein wird) haben es alle; an seiner Authenticität ist nicht zu zweifeln. Wenn allen andern Quellen gegeniiber der eine Isaac S. 183 den Fehler hat gut machen wollen und einen anderen Vers un- tergeschoben hat, der auf den Text paßt (GA4’ Ex tor dgéw zode, xai tedeecdus olt A 204), so ist das offenbare Interpolation. Ganz ebenso hat er bei den eidy S. 185 den ogyxlus, den er neben dem mgoxoíliog als überflüssig erkannte, ohne weiteres ganz umgedeutet. "H Addex 7 ovx èvonoev fand er als Beispiel vor. Es kam auf das 7 ovx an, auf das scheinbare Plus im Verse. Da das aber im #poxolloc schon erledigt war, griff er ganz willkürlich den Umstand auf, daß bei évdnoey das Wort- ende mit dem Ende des dritten Fußes zusammentraf, und be- hauptete frischweg, dieses sei eben das Wesen des oynxlag ®). Hier ändert er die Definition; oben beim ffovxo%ixov ändert er das Beispiel Die Methode bleibt dieselbe. Es ist also gar nicht daran zu denken, daß Isaak hier allein das Richtige er- halten habe. Isaak bietet nichts als die interpolirte Gestalt ei- ner Recension, die uns anderweitig besser überliefert ist. Ge- gen ihn stimmt seine eigene Recension, wo sie rein ist, und die andern, völlig unabhängigen Recensionen. Sie alle haben den Vers : &E Emdiporados nuuatng iuaoi dédevto.

Betrachten wir nun diesen Vers selbst etwas genauer! Er hat nicht nur am Ende des dritten Fußes kein Wortende, son- dern er ist das Beispiel eines Verses, in dem kein einziges Fußende mit einem Wortende verbunden ist. Das will doch erwogen sein. Könnte nicht auch der Vers richtig und die De-

3) Dieses hat richtig gesehen L. Voltz in seiner tiichtigen Schrift: De Helia monacho u. s. w, S. 34. Ich bemerke das um so lieber, als ich seinen Ansichten über die dsagooai (S. 29) nicht beistimmen kann. Meine Gründe sind in der ganzen Darstellung, wie ich sie oben zu geben versuchte, enthalten.

1*

4 W. Hoerschelmann,

finition falsch sein? Erinnern wir uns nun des tadgoutpov: alle Fußenden haben Wortende; erinnern wir uns auch des engen Zusammenhangs, in dem die drei ersten diagogal mit ein- ander standen. Wenn wir zwischen der vierten und fiinften das- selbe enge VerhültniB annehmen dürfen, dann kann das Ge- genstück zu „alle“ kein anderes sein als „keines“; und das BovxoAıx0» bezeichnete dann die Verse, in denen an keiner Stelle Fußende und Wortende zusammenfällt.

2. Diese Lehre findet sich in der That deutlich und klar ausgesprochen in einer Fassung unseres Capitels, die bisher nicht veröffentlicht ist. Sie steht im Parisinus 2676, in dem metri- schen Conglomerat, das dem interpolirten Hephaestio voraus- geht; über diesen Tractat habe ich früher Rhein. Mus. 36, 268 und kürzlich Gött. Gel. Anz. 1887, 599 fig. gesprochen. Er gleicht dem interpolirten Hephaestio und den interpolirten Scho- lia A vollkommen: alle drei sind im Ganzen herzlich schlecht; ale drei enthalten aber einzelne Reste alter Ueberlieferung, die wichtig sind; in allen dreien lebt Manches fort, was sonst nir- gends erhalten ist.

Im Parisinus 2676 lesen wir Fol. 9" Folgendes über die diapogat (ich nenne diese Fassung P) 4):

Avagpogai oılywv eloiv évvéa* zur EvomAsov 10 Eyoy dv t@ orig Ovo duxtvdoug x«i onovdeior, ws ini roviov

piv asıde, dea, Inlniddew yog (A 1). neouodixov 10 Éyor év 040 to org Eva daxıvlov xai Eva onovdeior' ovhouévmr, 7 wvol’ "Ayuoïc Giye FInxev (A 2).

Zangixov 10 Eyov dy tH cox} xoi 1H téd& onovdelove,

rovg uscovs duxrulouc Anrovg xoi 4ióg vios. 0 yàg Baci yolwSsls (A 9).

Bouxodsxov 10 un Ev rQ wergsiodns Anjyov tlg puéoog Ao yov *

& Emdiypgıadog moudrns imac dédevto (K 475).

4) Das i subscriptum fehlt überall. Die Homerverse sind ohne Ac- cent und Spiritus geschrieben; nur steht im ersten oùlouéryr und dye, im vierten èÈ und im fünften qui». Ueber den Versen sind die Län- gen und Kürzen angegeben. Auf der Grenze der Füße werden die Sylben meist auseinandergerückt. Im ersten Verse steht anstatt ays- Àgoc fälschlich aysddyos.

Zur Geschichte der antiken Metrik. 5

urogouduov ro Anyov els m£gog Aoyov iy to pergeiodas, wg ini tov nagovrog torw loci»: vßgsos elvexa tycde, od Toyso neldeo 0 uiv (A 214). t£hesov to Éyov bla ta puéon tov Adyou' moog ue 10v duornvov itv poovéovi’ edéasge (X 59).

Wokstexov tO Onuwdes xutu Tv qQuow'

Ummovg Eavdac Exutov xoi meviguovia (A 680).

*xAtuaké (muß heißen: »Asuuxwiov), dv © mgowv uvées rus OvAdaBas, olov:

w paxag Arestdn uospnyevès oABsodatwor (T 182). èuneolBfodov Eyov tua rdv. déxa xarnyoouwy xai wv EE megsotatexwy, we TO modhas ipFluous wuyas “Aids noolayer (A 3). Eye yag oviog 6 orlyog moGOv, motor, TOHOV, yoOvov.

Hier sind das vzogovO9uo» und das flovxoluxov einander scharf entgegengesetzt: 10 Anyov sic u£oog Aoyov àv 10) pergeiodas und un &v perosisdui Aijyov els w£oog Aoyov. Die termini sind dieselben; der Gegensatz ist vollkommen. Der sprachliche Ausdruck könnte präciser sein; beim vr000v9uor müßte eigent- lich hinzugefügt werden x«9' &xacrov modu oder dergleichen, das fovxodsxov selbst aber ist verständlich ausgedrückt. In ei- ner ganz andern Fassung unseres Stiickes (p), von der unten die Rede sein wird, in demselben Parisinus Fol. 7", ist dasselbe mit andern Worten gesagt: zo un tedstovs modus unugıllov slg ué- cos Zoyov Povxodixor.

Wir haben hier, wenn nicht Alles täuscht, ein Stiickchen alter Tradition wiedergewonnen. Denn daß die ganze Lehre in der neuen Fassung auf Erfindung beruhe, ist wenig wahrschein- lich, da sowohl das überall erhaltene Beispiel als auch die Be- ziehung zum önoggvsuov grade diese Definition empfehlen.

Warum man solchen Versen den Namen fiovxodixov gege- ben habe, wird sich schwer ermitteln lassen. Aber wissen wir denn etwa, warum Verse, die in der Mitte getheilt sind, so heißen sollten? Unser Nichtwissen ist in beiden Fällen das gleiche. Nur handelt es sich hier um eine Versart, für die uns anderweitig k ein Name überliefert wird, wührend für die in der Mitte getheilten der vortreffliche Name nuienes existirte. Was endlich die Coincidenz der Benennung mit dem flovxoAwov

6 W. Hoerschelmann,

im gewóhnlichen Sinne betrifft, so ist dieser Uebelstand in bei- den Fällen genau der gleiche.

3. Der oben abgedruckte Tractat hat inhaltlich an einer Stelle Neues geboten. Der Form nach ist er vollständig neu. Dadurch aber erschließt er uns das Verständniß für die gesammte vielgestaltige Ueberlieferung dieses Capitels, in allen seinen zahlreichen Varietäten. Vergleichen wir ihn nämlich mit allen andern Tractaten über die dsugogat, so ergiebt sich jetzt das nicht ganz uninteressante Resultat, daß es in summa nur drei Formen desselben giebt. |

Hat man diese, dann kann man die andern so ziemlich entbehren. Nur selten variiren sie ihre Vorlage, und dann so, daf man die Urform auch in der Varietàt sofort erkennt. Ei- nige wenige contaminiren auch die verschiedenen Recensionen.

Diese drei Urformen sind folgende:

I wird vertreten durch das fiinfte Buch der Scholia B zu Hephaestio $ 19 S. 25 meiner Ausgabe. In dieser Classe ist das flovxolwov fälschlich vor das Zungixor gestellt.

II findet sich am reinsten in einem metrischen Tractat, der u. a. auch im Saibantianus und dessen Vorlage Venetus 488 steht. Jetzt hat ihn Studemund in Fleckeisens Jahrbiichern 1885 S. 753 herausgegeben.

III ist die oben abgedruckte Fassung des Parisinus 2676 Fol. (P).

Ich werde die betreffenden Stichworte aber nur diese hier zusammenstellen. In ihnen hat man eine Uebersicht iiber die verschiedenen Recensionen und ebenso über den gesammten Inhalt der Lehre.

1. Katrevonicoy.

I. 10 Eyow duo daxtvdoug xoi Eva amovdelor. II. dori dvo daxtvdos xai onovdsios, wozu Andere hinzufügen xai nadev duo Ouxtvios xal omovdtiog. III. 10 &yov à» 10 orlyw duo QaxivAovg xoi Gmovóstov.

2. Meosodixov.

I. 10 èyov Era Ouxruloy xoi Eva orovdetor. II. éori daxivlos xoi omovdetog. III. 10 &yov dv ole 16 orlyw Eva daxrvdor xai Eva onovdeiov.

Zur Geschichte der antiken Metrik. 7

3. Sunpex oy, I. 10 aoyouevov and onovdelou x«i Anyov slg onovdeiov. II. agyoy ano onovdelov xoi Anyov sig onovdsiov. III. 10 dyov èv ry yp x«l 1@ i£Àe onovdeloug, trove uécovs daxrulous. |

4. Bovxodıxov.

I. pera rtosig modas anagrilov sig ufgog Aoyov. II. 10 perd rosig nodac amagıllov uégos Aoyou III. ro un à» 1@ perosiodas Afyov sig uéoos Aoyov?).

5. ‘YVro000v3uorv.

I. 10 xa?’ Exaoıov moda armagritov sig wégos Aoyou. II. 10 xa? Exuoroy noda anagılkov ufgog Àoyov. III. 10 Anyov elg uégoc Aoyov dv pueroeto9u.

6. Téistor.

I. ro Fyov návra ta ufon tov Aoyov. II. und III. zo fyov oda ufon tov Aoyov. Zwei geringere Vertreter von II ändern so: 10 Èyov OxtQ)

péQn v. À.

7. DoAırtıxo».

I. ro &vev z&Oovg N roonov nenomue£rov; aber nenomuevor fehlt bei den andern Vertretern dieser Classe. II. &vev n 2ovg 7 190nov yevouevov (Andere yivouevor). III. 10 dnuddeg xatà rj» poor.

4. Mit den oben wiedergegebenen Worten ist die Summe dessen, was wir aus all diesen vielen Versionen lernen kénnen, . beschlossen. Die übrigen sind werthlos: sie bieten entweder dasselbe, oder sie variiren Kleinigkeiten, oder endlich sie conta- miniren.

Gute Vertreter von I sind noch der Tractatus Harleia- nus $ 194 bei Studemund und Pseudo-Hephaestio $ 29 bei Jacobsmiihlen. Ein schlechter Vertreter von I ist Isaac S. 183 $). ;

5) Ob wohl aus dem wusross09a: ein usta tosis geworden und das Uebrige dann falsch ergünzt resp. geändert worden ist?

6) Beim nodsuxd» folgt er, willkürlich wie immer, der Classe II und interpolirt sie; dvev nadous <Aékews> xai Toonov ysvousvoy «rnon-

8 W. Hoerschelmann,

Pseudo-Draco schreibt S. 139 von der vierten bis zur siebenten deapoox den Isaac aus; wo er die drei ersten diagogat hernimmt, wird sich gleich zeigen.

Viele Anhänger zählt die zweite Classe. Neben dem oben- genannten ist weitaus der beste Vertreter Pseudo-Hephae- stio $ 13. Daneben nenne ich vorläufig Helias § 4 S. 178 bei Studemund (Zusatz des Codex E), Pseudo-Plutarch, den ungedruckten Parisinus 2676 Fol. (p) und (nur zum Theil hierher gehörig) Moschopulus $5. 45 bei Titze.

Beim xarsvormàiov erweitert Pseudo-Hephaestio die Definition durch xai nuls duo daxtvios xol onovdsioc, und ebenso Helias und der Parisinus p. (Im Pseudo-Plutarch, fehlt das jetzt, aber zufällig; denn gerade hier beginnt bei ihm eine große Lücke).

Im Uebrigen liebt Helias kleine gelinde Abänderungen seiner Vorlage zu machen, so beim meguodsxov (TO Fyov daxrudov sita onovdsiov), beim Sungixov (to doyov and omovdelov xai nal Anyov ele avrov), beim flovxolixov (10 xarà tosig modus anagıllov xai Anyov), ohne daß er damit aus dem Rahmen der zweiten Classe heraus trite.

Pseudo-Plutarch dagegen folgt beim fovxodixor und vz0govOuov der ersten Classe, indem er ei; hinzunimmt. Das mequodixov ist ausgefallen. Beim rédevov haben er und Moscho- pulus die originelle Fassung zu ôxrw puéon tov Aoyov, die ich oben schon registrirte. Im Uebrigen hat Moschopulus beim Zangixov nicht &gyov, sondern doyousvov wie I. Wo er das xatevomisov und das regs0dixov her hat, werden wir sehen.

Vom Chisianus $ 16° sagt Mangelsdorf, er stimme ge- nauer mit Helias und Pseudo- Plutarch überein, qui uterque ad tllud tam prope accedit, ut ne vitia quidem eadem evitaverit. Da aber Helias und Plutarch sehr verschieden sind, wire es nóthig . gewesen hinzuzufügen, welchem von beiden er denn näher steht.

Einen weiteren Vertreter dieser Classe, der nichts Neues bietet, lesen wir in den Anecdota Varia I S. 245, gedruckt aus dem Ambrosianus C. 222 ord. inf.; beim Bouxoluxor lässt er elg aus wie I.

Von einer Reihe noch ungedruckter Fassungen, die ich kenne, erwühne ich als hierher gehórig die im Parisinus 2676

txov>. Auch beim ó$zógovOuov folgt er II. Hier besteht aber die Abweichung von 1 in dem Fehlen des eig. Das könnte zufällig sein.

Zur Geschichte der antiken Metrik. 9

Fol. 7% (p) Sie weicht von II ab beim fovxodsxov, wo sie mit andern Worten dasselbe lehrt, wie die Classe III; die Worte wurden oben S. 5 abgedruckt. Im Uebrigen ist sie ein unin- teressanter Vertreter von II. Beim megsodsxow fügt sie zu den Worten daxtviog xal Gmovósiog noch hinzu: êps£nc, welches die gleich zu nennende Abart der Classe III auch hat.

Noch ist zu bemerken, daß die ganze Classe II beim zo- Ausxov theils yevomerov theils yırousvov hat, jenes die beiden Hauptvertreter , dieses die übrigen obengenannten und Isaac, der ja hier die zweite Classe plündert.

Für die dritte Classe habe ich den Hauptvertreter oben ab- gedruckt. Diese Fassung findet sich außerdem noch in den an- dern Reprüsentanten des metrischen Tractats, der dem interpo- lirten Hephaestio vorausgeht. Nur ist hier folgendes zu bemer- ken: der Parisinus 2676 hat unseren 'Tractat zweimal, einmal Fol. 7" in der Fassung II (p) und dann viel weiter unten Fol. 11° in der Fassung III (P) Die andern unten zu nen- nenden Handschriften dieser Masse haben den Tractat nur einmal, und zwar nur die Gestalt der Classe II[ (P'), aber an der ersten Stelle, nicht an der zweiten. Solche Parallelhand- schriften sind die Parisini 2677 und 2972 (und ebenso Gais- fords Meermannianus; vgl. Rhein. Mus. 36, 263)°). In einer Beziehung haben sie ein gewisses Interesse. Wir finden nüm- lich, daß Pseudo- Draco in den ersten drei diagogul durch- aus nicht den Isaac, sondern einfach P! wiedergiebt. Draco hat auch hier, und zwar innerhalb des einen Tractates, sowohl den Isaac als auch jene dem Hephaestio vorhergehende Schrift benutzt.

Wie Pseudo- Draco notorisch "Verschiedenes mit einander contaminirt, so haben es auch andere Spätlinge gethan, die um kein Haar besser sind. Aus dem Saibantianus hatte ich ein Capitel abgeschrieben, das jetzt aus dem Marcianus 483 bei Studemund Anecd. Var. I S. 190 abgedruckt ist. Die diegogaí

7) Die beiden Parisini haben in den Stichworten nur beim neoso- dixov etwas Eigenes: meoiodixóv di into Pori daxrvhog xoi onovdsios xai nálw ddxtvdoc xai onovdeios igetig uéyos télovc. Ganz dasselbe hat Moschopulus. Dann erweitern sie beim x«zevónhov ihre eigene Vorlage (= III P) durch xai nal, so wie Pseudo-Hephaestio die sei- nige (= II) erweitert hatte: 1:0 £yov idv m atiyw dio d'exrélouc xai onovdsiov «xai nalıv dio daxiviovs xai onovdsiov>. Und wieder hat Moschopulus dasselbe; nur läßt er to otiyw aus. In allen übri- gen dsapoga: reprásentiren diese Parisini einfach die Classe III (P! = P).

10 W. Hoerschelmann,

heißen hier ufon. Die dritte bis fünfte dsugoga stammt aus I, die sechste und siebente aus II (und zwar ytvouevoy, nicht yerouevov), die erste hat der Schreiber ausfallen lassen; die zweite ist hier auf Grund von II variirt: drav mag 0 orfyos ovyxsıraı éx duxtvdov xoi onovdelov.

Endlich mag erwähnt sein, dafì es auch eine verkiirzte Form dieses Tractates giebt, in welcher die erläuternden Worte überhaupt ganz fehlen, und nur die Namen und Beispiele zu- sammengestellt sind; so ist der $ 5 des Pseudo-Hephaestio beschaffen. Es ist das ein Excerpt aus II; denn die Reihen- folge der dupogut ist die richtige; also ist die Classe I aus- geschlossen. Dass auch die Classe III ausgeschlossen ist, wird sich gleich zeigen. |

5. Wir haben im Obigen nur die Definition allein ins Auge gefaßt. Wichtig ist aber auch das Musterbeispiel, das jeder dsapoga hinzugefügt wird. I und II stimmen zwar stets überein, III hat aber für das x«revomwv statt A 357 ws paro duxovyéwv) vielmehr A 1 (ufrv uede) eingesetzt, und ebenso im Sungixdy statt B 1 (4440, uév da Deol) den Vers 49 (Anrovs xai 4005 vids). Draco, der die drei ersten diagogot von hier entlehnt, hat nur beim Su7gsxov das Beispiel mit ent- lehnt: beim xazevondsov dagegen ist er von dem usuellen we gato nicht abgewichen. Isaac hat beim fovxodixor, wie wir oben S. 3 sahen, ein neues Beispiel untergeschoben, um den Widerspruch zwischen Definition und Beispiel zu beseitigen (4 204 statt X 475); endlich hat derselbe stets interpolirende Ge- selle auch im JZamqixov sich ein eigenes Beispiel ausgesucht, das weder mit I und II (B 1) noch mit III (74 9) übereinstimmt, son- dern ganz isolirt dasteht; es ist A 521 vesxet xai ME quos ayn Teweoow aoryev. Im Uebrigen ist Alles in Ordnung 5).

8) Auch bei Pseudo- Plutarch, wo nur scheinbar Verwirrung herrscht. (Vgl. Studemunds Abdruck desselben Philol. 46, 30). Der Abschreiber sprang vom ersten xai onovdsiog des xurevonliov zum xaò onovdsios des rmepsodixov über, so daß eine große Lücke entstand. Es blieb nun das Wort oiov und der zum xazevonlsov nicht mehr pas- sende Mustervers des repsodsxov übrig: ovlouéryr 7 (42). Ein späterer Leser hat dieses bemerkt und den Vers durch einen zum xerevonisov passenden ersetzt; er hat aber nicht zur Classe I oder II gegriffen, sondern zur Classe IIT; daher steht an Stelle des gestrichenen oëlo- mévny 5$ jetzt ur» cede. Die Bezeichnung der Lücke ist nach dem Obigen so zu corrigiren :

7. x«i onovdsios [xai nahv 10. xai anovdsiog] olov.

Zur Geschichte der antiken Metrik. 11

Aus dem Obigen ergiebt sich nun auch, daß jener definitions- lose Tractat nicht zu III gehóren kann, da er die specifischen Beispiele von III nicht hat.

6. Die gemeinsame Vorlage aller drei Classen kannte nur diese 7 dsegogul. Und auch die Quelle von I sowie die von H hatte nicht mehr.

Die knappste und präciseste Fassung der achten dıayoo« bietet die Classe III. In P, wo nur durch Abschreiberfehler xlpa«5 statt xAsuaxwroyv steht, heißt es: iv @ nooiwv avute ras ovddaBac; und ebenso ohne den betreffenden Fehler P!, wo nur statt avkss ab£ave, steht. Diese kürzeste Fassung wird mit einem kleinen Zusatz versehen von Pseudo-Draco: @ nooiwv 6 orlyoc am dáoyüc méyou réAovg avis tas ovdluBuc. Einen andern, aber ebenso bescheidenen, Zusatz erhält die De- finition in p: ro avEdvoy xad” sxuctov uégog tug avAAußag.

Viel weitschweifiger und mit verschiedenen Zustitzen ver- sehen lauten die Worte im Tractatus Harleianus, bei Isaac und im Chisianus. Allen dreien gemeinsam ist aber die ausdriick- liche Betonung dessen, da8 ein einsylbiges Wort den An- fang macht, was die obgenannten Quellen als selbstverständlich auslassen. Der Chisianus stellt enthusiastische Reflexionen iiber die Vorzüge dieser dıuyog« sowie des allen Vertretern gemein- samen Musterverses (1° 182) an. Sehen wir von diesen ab, so liegt bei ihm eine andere, originelle, Grundform vor: «mò pus OvAlußns aoyôperor u(av uéyor télovg meogtlFqor ovddufny. Dazu stimmt, daß der Chisianus einen ganz andern Namen für diese dsaqogd hat: sie heißt hier schlechtweg zoofuF ov.

Der Tractatus Harleianus verbindet beide Ueberlieferungen mit einander; einmal kennt er beide Namen und nennt, sogar an erster Stelle, noch einen dritten: &uxsossd£g (respective nAo- «dé); dann aber klingen bei ihm die Worte der ersten Defi- nition (Classe IH) mit an: &gyeroas uiv dx uovocvAAafov Mfews, nooióv aU Es, tac AME più cova] Juréguy Fareguc. Aehnlich, nur freier, sagt Isaac, der den Namen «ipmaxwroòv allein kennt: xa?’ Éxacrov ufoos Aoyov (was wir schon oben in p fanden) zw» & zw orlyw ovAlafovr ano pas tlg avEnosv zgoiovcuv. Die einleitenden Worte sind bei den drei letzten

12 W. Hoerschelmann, Zur Geschichte der antiken Metrik.

ganz individuell gestaltet. Das xAuu«xwrov ohne Definition erwühnt auch Pseudo-Hephaestio § 5. (Vgl. oben S. 10).

Die neunte dsagoga endlich ist uns nur in einer Gestalt überliefert. Sie ist stets mit der achten verbunden; nur Isaac, der Chisianus und Pseudo-Hephaestio haben die achte ohne die neunte. In der Classe HI (P und P!) lautet sie so: éurreolfo- Aov 10 &yov uva rv Ófxa xurnyoguv xal av FE ntguGranxQv. Pseudo-Draco sagt statt $E déxa, und der Harleianus statt zıv« zıvac. Den Zusatz der Classe III: dye yag ovrog 6 oríyog 7000», moldy, 10nov, yoovov nimmt Pseudo- Draco auf. Der Tractatus Harleianus hat ihn nicht, aber zwei seiner Hand- schriften (H und M?) haben die Namen der Categorieen inter- linear, über den Worten des Verses. Dieser lautet: molloùc Ó' ip9luovs wvyag "Aidı mootupe (A 3); hier findet sich drüber geschrieben mocov, mosor, ovola, mov, more. Also eine Categorie mehr: die ovola fehlte oben. Endlich steht die Definition, ganz verballhornt, ohne den Zusatz, in p: to éyov tovag n nAsloug 7 nuloovg tov xatnyoguwy Eureoifolov.

7. In seiner Urform hat dieser Tractat vielleicht nur die fünf metrischen dsagogal enthalten. Dieselben behandeln in zwei Gruppen ganz bestimmte, mit einander in engem und na- turgemäßem Zusammenhang stehende Fälle.

Zu ihnen traten auf einer zweiten Stufe das z£Assov und das modiuxov: in dieser Gestalt finden wir ihn in der Quelle, die allen unseren Darstellungen zu Grunde liegt. Diese zerfallen selbst in drei Hauptclassen. Ein grober Fehler zweier Classen läßt sich aus der dritten corrigiren. |

Auf der dritten Stufe wurde ‘eine achte diagoga hinzuge- fügt; wie es scheint, in zwei Formen: die eine gehórt der Classe III an, unter dem Namen x«Aiuaxwrov, die andere einem Exem- plar der Classe H, unter dem Namen n908«3usov. Aus diesen Quellen ging die neue diagog«, nicht ohne allerlei Wandelun- gen, in andere Darstellungen über.

Auf der letzten, vierten Stufe kam noch eine neunte dea- yoga. dazu, das èuneolBodov; diese aber nur in einer Gestalt. Ihre Quelle ist vermuthlich die Classe III.

Dorpat. W. Hoerschelmann.

IL.

Zu den homerischen Hymnen. | (Vel. Bd. XLIII S. 196 ff.)

1. Zum Hymnus auf Aphrodite!).

1. Drei Góttinnen vermochte Aphrodite nicht mit Liebe zu erfiillen, Athene, Artemis und Hestia: denn Krieg und Kunst- fertigkeit des Hauses gefällt der einen, Jagd und Reigen der anderen, die dritte aber hat von Anbeginn Jungfrau zu bleiben geschworen und schöne Ehrengabe von Zeus als Ersatz erhalten. Es kann nicht sein, daB bei so scharf gezeichneten Grenzen der Darstellung eine solche Spezialität erwähnt worden wäre, daß Athene zuerst Kutschen und Wagen zu machen gelehrt habe (V. 12 f.), und ebenso ist es eine durchaus richtige Bemerkung Guttmanns de hymnorum Hom. historia critica Greifswald 1869, daß die Wiederholung von dyAua égya V. 11 und 15 unerträg- lich ist. Denn es widerstreitet dem Sprachgebrauch, darunter das erste Mal Thaten des Krieges und erst das zweite Mal kunstfertige Arbeit zu verstehen. Guttmann hilft durch Strei- chung von V. 12—15, wie vor ihm G. Hermann für V. 12. 13 vorgeschlagen und für die ganze Partie wenigstens zugelassen hatte, und corrigiert zugleich gy’ dAsyvresv in &gyu yvvouxüv, 80 daß trotz der Athetese auch die zweite Neigung Athenes nicht übergangen wäre, wenngleich der kriegerischen Neigung der Göttin dieser ihrer friedlichen Thätigkeit gegenüber unverhält-

1) Der Aufsatz erscheint unverändert in der Form, wie er in den Pfingstferien 1886 geschrieben und im Juni des Jahres eingereicht ist. Nur die Nummern II 3 und 4 sind nachträglich hinzugefügt.

14 R. Peppmiiller,

mimsiie viel Worte gewidmet wären. Woher V. 12. 13 auch stammen mögen, ob aus einem Hymnus auf die Athene ’Eoyavn oder sonst woher, an ihrer Unechtheit in diesem Zusammenhange kann kaum ein Zweifel sein; aber sie hängen keineswegs, wie Franke behauptete, so eng mit V. 14. 15 zusammen, daß diese Verse mit ihnen stehen und fallen müßten, mindestens nicht dem Sinn nach: denn Wagenbau und häusliche Arbeit, das Haupt- werk der Athene ’Eoyavn, ist doch wohl etwas anderes. Ich halte dafür, daß der bekannten Mustern nachgebildete V. 11 nachträglich eingeschoben ist, um V. 12. 13 dem Zusam- menhange anzupassen und von der kriegerischen zur friedlichen Göttin überzuleiten: nach dem Einschub ward zugleich der An- fang von V. 14 ein wenig abgeändert und in der Form, nicht aber seinem Inhalt nach, mit dem vorhergehenden Verse eng verknüpft. Somit mag der Dichter des Hymnus geschrieben haben: 7 910005 d ov duvazaı nemideiv potvas ovd’ anarjcaı, xovonv alysoyoso Ads, yAovxiimw "M9 qvqv: ovdé of evadev Foya rmoluyevoov ‘Appoditng, 10 Gad’ «oa modeuol te adov xoi Egyov “Anos, 14 xai re (Herm. ndE 16) nog9tvixüg anuloyooaç lv ue- yagoıcıw dylaa Egya didukev Evi posoì Psion Exaorn. Für die Zusammengehörigkeit dieser Verse kann ich noch eins geltend machen, die Sprache: der Dichter hat sieh stark an Hesiod gehalten, denn V. 8 ist = Theogn. 13, V. 9 stammt aus Op. 521 und V. 14 schließt sich an Op. 519 an; schon vor- her zeigt V. 5 Beziehung zu Theog. 582.

In den interpolierten Versen selbst ist in #my9orlovs V. 12 ein Fehler enthalten, den Hermann entdeckt hat und dessen Vor- handensein Baumeister nicht hätte leugnen sollen: man kann sa- gen nowın téxrovus ardgug ediduge novjoui cattvas und now avdyag éayIovlovg èdidate n. c., aber schwerlich ngwrn 1éx10vac avdgus Enıydorloug édídaEs n. c. Was Baumeister dafür anführt, zeigt, daß er Hermanns Anstoß nicht verstanden hat. Her- mann emendierte émiyForforg: ich vermuthe in dem verderbten Worte ein Epitheton zu curívag, etwa éxuCuyloug*), wie es

2) Hesych. hat das Compositum in émstiysor uégog ms veus. Oder

Zu den homerischen Hymnen. 15

bei Euripides in der Helena 1310 f. heißt: Snowy dre Lurleug CevEaon Fea curlrag: V. 13 ist erst vom Ruhnken zugesetzt und wird vom Metrum trotz des Hiats nicht absolut erfordert. 2. Der dritten Góttin, Hestia, gab Zeus besondere Ehre: 17 nung Zeug düxe xadòv yégus àvti yaposo, 30 xal 1e péow olxw xor ag’ Etero niug Hovou. naow 0’ iv vqgoio, Fewv nudoyog dou, xai mugd nào, fgoroic. 9tGv mosofergu tétvxtus. Die Unterbrechung der Struktur nach V. 29 ist von anderer Seite schon bemerkt worden; die Darstellung ist unschón: zuerst pí£co olx@, dann èr rgoíc, Jewr und zuletzt wieder nuga rico Beoroics. Schreibt man efoaro, so wird wenigstens zwischen 29. 30 (dwxe und sfouro) vermittelt, und so räth die zu Ehren Gött- lings verfaßte Jenenser Festschrift von 1865; doch mehr ge- winnt man durch eine Umstellung: 29 ın naro Zeug dwxe xadòv yégas àvil yuposo, 81 now 0 lv vnoicı dev nudoyoc ÈCTu pr, xai nugu nio, Pooroics Few nefofesoa rÉrzvxras, 30 xul te uÉo® olxw zur’ uy ELero niag tlovea. Jetzt ist der Parallelismus mit Hymnus 11, auf welchen Gutt- mann zwecklos verwies, vollstindig; nicht nur wegen des schlies- senden xuf 14, das der Anfang der Aufzählung nicht vertrigt, sondern auch des Tempuswechsels wegen, iiber welchen man übrigens den Hymnus in Ap. D. V. 4 ff. und Schömanns Theo- gonie S. 299 f. vergleichen kann; denn‘ {ero vertritt natürlich einen Aorist. Ich setze Hymnus 11 her:

Hariad ’AInvalnr Eovotniodiv aeyou’ deldew,

dewnv, 7 ovv “done péd es molsuna Eoyu

neodopeval te modnes Gvın te nroAsmol te,

ult èououto Auov lovra te viooduerov te. 3) Unverständniß kann im Hymnus auf Aphrodite die Versver- stellung veranlaßt haben: #10 sollte zu dwxe kommen.

3. Venus schmiickt sich und kommt zum Ida: so tritt sie, einer Jungfrau gleich, damit Anchises nicht erschrecke, vor den Geliebten, und dieser staunt über ihre Schönheit und Größe (époubero Fav- purév 16 84), die glänzende Gewandung und den herrlichen

sollte émsygdaovs zu schreiben sein? Das Adjektiv würde als Pen- dant zu queta nosxida yalxg nicht übel sein. 3) S. V. 262 im Hymnus auf Aphrodite,

16 R. Peppmiiller,

Schmuck der Góttin. Zwar nicht erschreckt, aber doch geblen- det vom Glanz der Erscheinung hält er das Mädchen für eine Göttin, eine Charis oder Nymphe, und darum verspricht er ihr denn einen Altar und schöne Opfer in allen Jahreszeiten. So ist der Zusammenhang, und doch heißt es V. 91: |

’Ayytonv Egos sider, Enog ww avıiov nida.

Wie unpassend, ja unmóglich dies ist, hat noch niemand, so viel

ich weiß, bemerkt. Erst nachdem Aphrodite sich für ein sterb-

liches Weib erklärt hat, bestimmt, sie die Phrygerin, nach Her-

mes’ Weisung sich mit dem ruhmvollen Sohne Trojas als Gattin

zu vereinigen, durfte Anchises von Liebe ergriffen werden:

da ist es ganz in der Ordnung, wenn der Dichter sagt (144 f.): ws sinovoa Fed yivxuv luegor iuBale Fun.

"Ayytonv à Fog eidev, Enog 1 gar Ex 7’ Ovopabter nicht aber vorher 4). Ich bin also keinen Augenblick darüber im Zweifel, daß goog in V. 91 nur aus einer durch die spätere Stelle veranlafite Randbemerkung stammt, und ich denke mit einiger Sicherheit sagen zu können, welches Wort verdrängt ist. Als Athene y 371 ff, einem Seeadler ähnlich, plótzlich ver- schwindet, erzählt der Dichter: 9 « u foc fe marras Îdorras. Oavualer d 0 yigoioc, énsi 10er dpdadpotow . . . (cf. h. in Ven. 83 f), und Nestor spricht, nicht anders als Anchises an unserer Stelle, "4424 ívaco! tAn9s (h. in Ven. 92), didw9, pos xÀ£og 2809409, Avıw xai nuldeoo xai uldoln nugaxolrs (h. in Ven. 102 ff) Soi d ab iyw déEw fov» Twv sùgvutrwrov (h. in Ven. 100 £). Ganz ähnlich ist die Schilderung # 178 ff, wo frei- lich der wiederkehrende Vers (h. in Ven. 109 = x 187) von ungleich größerer Wirkung ist. So verbessere man denn V. 90:

"Ayylony td pos eidev, Enos TE uw avılov nuda, mit recapitulirendem, auf V. 84 zurückbezüglichem Asyndeton 5) und Vertauschung von mit wie nicht nur V. 145 und 177, sondern vor allem E 170 ff. anräth:

suos Avxdovos viòv Guuuord TE xQuisQov te,

or; nooo? avroio Enog TE wıv avtlov nuda.

4. Die Göttin, die sich Anchises genaht, soll, wie Athene dem Nestor und seinem Hause, ihm gnädig sein; beide flehen um

4) Unrichtig urtheilt Suhle im Stolper Programm von 1878 S. 28: iteratur parum apte in v. 144 hemistichium ex 91.

5) Auch ’Ayyionv J” the Jaußos, Enos uw avılov nda wäre bei unserem Dichter môglich, trotz der Verletzung des Vau.

%

Za den homerischen Hymnen. 17

Rahm: Nestor schließt Weib und Kinder mit ein, Anchises bittet die Güttin erst um einen bliihenden Sohn:

des us usıa Towscoww cosnosnt Éuuerar avdowy,

woits d’ siconicw Salspov yovor, uvtag £u! wurov

dgocr Eu wer x«i 09v proc nedioso,

oidıer Er Anois, xui yioaog ovdov ixéoFus. Da ist freilich der Ausdruck oies eloon(ow Fadegdvr yorov „schaffe mir ‘oder gar „gebier mir“?) in Zukunft einen blühen- den Sohn“, zumal Cwesy mit den folgenden Infinitiven dann doch wieder von dog abhängt, höchst eigenthüm- lich: ich corrigiere /Tosei»v sicontow IFaudegov yorov. An- chises fleht zur Göttin, sie möge geben, daß er noch einmal einen blühenden Sohn zeuge: erst so meint er ein vollkomme- nes Glück zu genieBen, und er wühnt nicht, wie bald und wie glànzend sein Wunsch in Erfüllung gehen soll. 5. Aphrodite will selbst Anchises! Gemahlin sein: also spricht sie, sich für des Phrygers Otreus Tochter ausgebend habe ihr Hermes gesagt, der sie aus dem Reigen der Arte- mis entführte :

‘Ayyioew us quoxe nagai A£yeow xulbeotur

xovgıdinv &Àoyor, dot aylaa téxvm rexeioJ a.

avido End delle xai Èpgaoer, nros by Guts

GJarutwr pera pui’ anífg xgarde ' Agyeipovins

130 uÿrao éyw ixounr, xoareon wou Ende avdyxn xz.

Hier sind zwei verschiedene, mit einander unvertrigliche Wen- dungen durch einander geflossen: schon Guttmann hat das nach- gewiesen (S. 63): negai A£yeow verlangt das Verbum xAfrecda bei sich; ohne nugui Agyeow könnte zu cdoyov auch xudeiodus treten. Aber nicht das unhomerische Futurum x46rée03 ut, welches Guttmann einsetzen will, sondern nugui Aey£6004 xde- ira: genau so, wie es « 366 = o 213 heißt, halte ich für das richtige : handelt es sich doch überhaupt um einen Zwang (xgureon woe Ender? ava yan), dem Otreus' Tochter in der Vermihlung sich fiigen soll, und nicht ein einfaches futurales Verhiltni®. Man fragt, wie der Fehler entstanden sei: ganz ähnlich wie Zoog V. 91 in den Text gekommen ist, aus den Worten des Anchises V. 148:

tun à adoyos xexijcsaı fuura mavta. Danach schien einem späteren hier derselbe, obenein decentere

Philologus. N.F. Bd.1,1. 2

18 R. Peppmiiller,

Ausdruck geboten, und so ward xAiJgva,, ohne Rücksicht auf zagoi AsyEsccı, in xuléeodu corrigiert, das als Futurum mit Passivbedeutung gelten sollte, und nun, indem ein Fehler den andern zur Folge hatte, statt des Aoristes rexéodus, der als jussivus zu fassen war, V. 127 ein seltsames, ganz unerhórtes zweites Futurum rexeiodu 'geschaffen. Zwar findet sich gavas bei Homer an keiner anderen Stelle mit einem solchen Infinitiv 9), aber sonst kommt er vor nach diesem Verbum"), und grade die Seltenheit, des jussivus nach gara. mag die futurale Auffas- sung der Stelle begünstigt haben: doch würde xudésodus als Futurum passivi sehr auffällig sein und ganz vereinzelt da- stehen. Uebrigens scheint der Dichter durch y 321 ff. beein- fluft zu sein, wo Odysseus zu Leiodes sagt:

el uiv On pera toîor Iv00x00G euyeus sivas,

nodlaxs nou péideis agnusvos dy weycoosow

tndov duoi v001010 télos yAvxegoïo yevésFas,

coi 0 aAoyov te glinv onéodas xai téxva Te-

xsEcdat, wo der jussivus nach dorueras allerdings gebräuchlicher ist. Auch coi aylua zéxva texéodar will sich an unserer

Stelle fiir den objektiven Bericht, den Aphrodite giebt, nicht recht schicken, obwohl der Personenwechsel an sich, wie Lobeck zu Ajax S. 218° Anm. zeigt, nicht ohne Belege wire und sich hier etwa aus der Nachahmung erklüren lieBe. Aber viel- leicht ist of zu lesen, mit Orthotonierung wegen der Hervor- hebung: „ihm sollte ich herrliche Kinder gebüren^ und nach- wirkendem Digamma. Man konnte um so eher geneigt sein mit Erinnerung an y 324 den vermeintlichen Fehler zu heben, als sich Aphrodite allerdings gleich nachher direkt an Anchises wendet, aber vorher geht erst Aùrao éwerdn dette xai %poacev, und darin ist angedeutet, daß Otreus' Tochter durch Hermes auf die Identität des vor ihr stehenden Mannes

6) Denn anders steht es um y 35: u’ Er” épdoxe?’ ónórgonor olxad’ ixéc9es, eine Stelle, welche Buttmann ausf. Gramm. $ 95 Anm. mit Z 500 verglich, um zu zeigen, daß der Inf. aor. wie ein Inf. fut. gebraucht werden könne. Denn auch Buttmann zweifelte an rexe509@s und verlangte bereits zexéc9es, indem er sich dies rexécSa: freilich, wie man sieht, in anderer Weise, als ich es thue, erklärte.

7) Cfr. Lysias vréo MavuSéov 13: Egur 19 '0op9ofovAp aleiyaoi ue éx tod xataloyov und Xen. Cyr. IV 6, 11: ob udyos Épaoar trois Fsoîg èEeletv. Krüger Dial. $ 33, 13.

Zu den homerischen Hymnen. 19

mit dem ihr von den Göttern bestimmten Gemahl hingewiesen zu sein erklärt. Darum ist es nun ganz in der Ordnung, daß

sie sich bestimmt an ihn wendet. Somit dürfte der Dichter ge- schrieben haben :

Ayxloew ue pace nugul Aey Esco. xAuFFvas

xovosdinv &Aoyov, ol d^ aydak réxva texéoFar.

avtao énsdn Odette xai Èpoacer, Hr0v 0 y' aùric

áJavarwv wera pui anéBy «garde *Agysipovine,

auzao ?yw 0’ ixouny, xgareon woe Èrrder Gvayxn. 6. Wenn es bekanntlich auch häufig genug ist, daß im

Griechischen ein Infinitiv vom andern abhüngt und also an sich V. 137 f.:

néupoar ayyshov wxa pera Dovyas ulolonwious,

elneîv mutgt vi éuò xal untéoi xndopévn meg vollkommen berechtigt ist, so ist doch hier die Vermuthung H£yuwov uyyedov wxe gestattet, da es auch 2 310 heißt: Tl &uwov à' olwvor, rGy 9v ay y ov.

7. Eos that den altersschwachen Tithonos in ein Gemach und legte eine glinzende Thür daran: 237 rov 0’ j104 ywrn dei wonerog, oùdé Te xixvg

E09", on magog Eoxev Evi yvaunroios utdeccw. Hermann wollte zoe? aonerow verbessern aus P 332: doch wird die Ueberlieferung nicht nur durch die mehrfach nachweisbare Uebertragung von óíw auf den Ton der Stimme, sondern durch eine bisher übersehene Parallelstelle, welche dem Verf. des Hym- nus vorgeschwebt haben mag, geschützt. 2 402 heifit es:

megt di 0005 “Queavoîo

apo mopuvowv Óéev &amezoc, ovdé rec &AÀoc xz. So heiBt es auch im Hymnus, allerdings mit eigenthümlicher Verwerthung des Adjektivums 9), 6 £s, «ozeros. Aus demselben Buche (Z 401) ist vorher V. 163 übertragen. Die Stimme des Tithonos *wispert fort und fort, wie eine Cikade', erklürt Preller Gr. Myth. I? 340 richtig: der Ausdruck scheint eben die Ver- anlassung gegeben zu haben für die spütere Sage von der Ver-

8) Suhle zog (S. 18) E 412: Klayyz d’ donetos wero Gv» zur Er- klärung herbei: ganz dasselbe ist das freilich nicht, da deneros an un- serer Stelle zu gehört (dei x old ç in Z die Paraphrase): nur daß @onsıos vom Ton stehen kann, ist damit bewiesen.

9*

20 | R. Peppmüller,

wandlung des Tithonos, ja wer sich an die Schilderungen in Ovids Metamorphosen erinnert, erwartet fast eine ähnliche Aus- führung, wie dieser Dichter sie in solchen Füllen zu geben pflegt. | 8. V. 276: Sot Ó' lyo Oôpou tuvrnm perc qpoecì Tuvıa

déidw hat Barnes die Lücke nach ogga durch Einschiebung von xe ausgefüllt: doch empfiehlt der Zusammenhang: .

col EyW ogo’ È è tuvra pera poeol navın ditidw,

és nfuntov Eiog avra; èhevcouui viov ayovou.

Cfr. o 123:

coi d’ tym udla muvia xai atpextws xuradekor.

IT. Zu den kleineren Hymnen.

1. Der Steuermann des Schiffes, auf welchem sich der ge- fangene Dionysos befindet, ahnt, gewarnt durch Wunder, die der Gott bewirkt, daß der Gefangene ein Gott sei und räth ihn eiligst aufs Festland zu entlassen, daß er nicht gewaltige Stürme errege. Aber dem widersetzt sich der Führer des Schiffes, in- dem er den Steuermann schilt und seines Amtes zu warten auf- fordert :

ode Ó avr avdgsooı uedioet. 28 EAIIOM AI, î Alyunıov ágíEszay 7 ogye Kungov n & 'Ynsofloofovg n éxactégw. Das kann nicht richtig sein: zwar daß sich V. 27 üvdgeoos statt vuvrnos juegos aus einer Nachahmung?) von Z 492 u.

9) Eine offenbare, nicht sonderlich gelungene Nachahmung ent- halten, wie ich bei dieser Gelegenheit bemerken will, die Worte, wel- che der siegreiche Apollo, h. in Ap. Pyth. V. 184 dem bereits todt daliegenden Drachen frohlockend zuruft : 6 & Enmu£aro «boifoc Anollor:

ivravOoi viv nöd ini y9ori Bonaveiog

ovdì guys [wovon xaxóv diinua fpotoicw

Kcosas, of yains nolvpopBov x«gnóv Édovtes

ivtad’ ayıynoovos telnécoas éxatéupac.

oùdé v; to: 9Sdvatóv ys dvaonhsyé oùrs Tugwsüc

Goxéoes xt. So erzählt Homer von Achilleus, der den todten Lykaon in den Fluß wirft, + 121 ff.:

xai ob énevyóusvoc Enea niegdsvt’ dyópsvey: ivravO ot viv xeico pst iy9éew, of o' dir alu’ anolsyurocovtas dxndées, ovdé ce ume iv9suévg leyéeoos yornostas x1À.

Zu den homerischen Hymnen. 21

ähnl. erklärt, habe ich bereits auf S. XX meines Commentars zu llias Q ausgeführt, in einem freilich wenig gekannten Buche: aber ohne Zusammenhang und ganz ungeschickt ist das Folgende, nicht nur das ganz abrupte ZAnouas, sondern auch die folgende Disjunktion, wie sie jetzt lautet. Der Dichter wird ge- schrieben haben:

TAHCET AI, n (oder ei!) Alyunıov dplkeras 7 (et 97) oye Kungov n (etx) & 'Yasofloof£ovc 7 éxoci£oo. „Der wird schon aushalten !°), mag er auch nach Aegypten oder nach Cypern oder auch zu den Hyperboreern oder noch weiter geführt werden“.

2. Verzweifelt erscheint eine Stelle am Schluß desselben Hymnus, wo Dionysos sich nach Verwandlung der übrigen Schiffsleute an den Steuermann wendet und zu ihm sagt:

Faooe, die xutwe, 1G Quà) rxegaquoptve 9vuo*

lui d' Eye HArovvoog loffgouog, Ov téxe 1untno

Kadpnis Sutin frog Ev quomi puyeion. Nichts von alledem, was zur Verbesserung des dis x&rwQ vor- geschlagen ist, bis auf Köchlys gle nareg und Baumeisters ei- gener Bildung di’ &xarwg hinab, befriedigt auch nur einiger- maßen, doch verlangt das natürliche Gefühl allerdings irgend eine Anrede des Steuermanns. Richtig ist auch Baumeisters weitere Bemerkung: omnino displicet illud die: es stammt aus

Und indem Achilleus dann die Ausbrüche seines Zornes gegen das ganze Troervolk richtet, fáhrt er fort:

qIeioeod, elooxev cory xsyeiouev '"Iliov ions,

dusis uiv pedyortes, ty d’ onıdev xegotiov.

ovd’ vuiv norauös neg Étppoos apyvpodivns

doxéícss, © dy dy9à noléng Îspevere sav pove,

Cwovs d' iv divyos xadiere udvvyac innovs.

alla xei ws óÀéscÓs xaxòv udoov. Der gleich lautenden Worte sind wenig, und doch ist die Nachahmung unverkennbar, grade so unverkennbar, wie die von £ 560 aus dem Anfang der Ilias, trotzdem sie R. Volkmann seiner Zeit in der Be- sprechung meines Commentars in der Jen. Lit. Ztg. 1876 S. 750 in Abrede gestellt hat. Grade solche Nachahmungen sind oft bezeich- nender als die Hinübernahme ganzer Verse. Nicht verschweigen will ich übrigens, daß man der Stelle des Hymnus durch eine ganz leichte Aenderung wesentlich helfen kann, nämlich wenn man V. 189 O 5- xéTs 10 Oavatór ye schreibt.

10) Cfr. perio xai rdjoouas A 317, T 308, e 362.

22 R. Peppmüller,

A 608: die Mevoınadn, 10 du xeyagiouéve 9vud. Der Dich- ter aber dürfte geschrieben haben:

Sago, l9vvtiwQ, 10 iud xsyogiouére Juud. Dieses î3vvrwo ward durch übergeschriebenes dx«&rov erklärt !!), und die Erklärung verdrüngte das echte Wort. So kam, indem der Vers aus 4 608 vervollständigt wurde, das rüthselhafte die xatwo in den Text!?) Aber eines Zusatzes bedurfte ?Fuvtwe ebensowenig wie ihn i9wv:jg bei Apoll Rh. IV 209 und 1260 hat, und der Hiat (nach 3«oce auch 1 546) ist von Hartel (Hom. Stud. I? 69) nach dem ersten Fuße bei Homer an 117 Stellen beobachtet worden.

9. Der Hymnus auf Helios beginnt mit der Ánrede an die

Muse Kalliope :

“Hhiov iuveiv avre dios téxog Goyeo, uovo

KaMuonn xtÀ. und schliefit, ähnlich wie der vorhergehende Hymnus, mit einer Abschiedsformel, in welcher sich der Dichter dem Wohlwollen des gefeierten Gottes empfiehlt nnd mit dem dann folgenden ei- gentlichen Uebergange zum epischen Vortrage des Rhapsoden:

yaige, avak, noogewv Blov Fvunoe onale.

ix oto 0 dobdusvos xAnow pegorwv y£vog avdouv

nustiwv, wv Foya Feol 9vqioiow Edu£ar. Was die Menschen durch die Dichter von den Thaten der Vor- zeit erfahren, das lehrt die Muse: denn die Thätigkeit des Dich- ters und die in ihm schaffende Macht der Muse sind unzer- trennlich : Avrod(duxtos d’ slut, sagt Phemios y 347, @eoc pos dv poeoir oluac llavroíag ivégvotv. Matthiä fühlte, daß wohl auch hier von den Musen die Rede sei, und er schlug deshalb statt Seoi Feai vor, unter welchen er eben ‘die Mu- sen' verstand: aber bei Beginn des Hymnus wird nur die eine Kalliope angerufen, und diese eine Muse wird festzu- halten sein. Minv asıde, Dea, beginnt die Ilias, "Avdou pos Èvvene, Mov ca, die Odyssee: man hat darunter wohl die Kalliope verstanden, an die sich der Dichter zu Anfang des

11) Vgl. Orph. Arg. 490: d' doa Tigus, 'I9vtoo axdtovo, xai dylaòc Alaovos vide.

12) Nebenbei bemerkt: auch eine Verderbniß von 18 VNT£&P 7u 4IEKATQP wäre nicht unmöglich.

«n - _—r ee ———

Zu den homerischen Hymnen. 23

kleinen Hymnus wirklich wendet und mit welcher er auch schließt : xAjow uegonwv yévos avdowy nudéwr, uv soya Fea Ovpoiow EdaiEsv. »Die Gôttin hat die Thaten der Heroen den Menschen durch den Mund der Dichter kund gethan“. Das ist die einfachste, vollstindig genügende Verbesserung. Wer freilich den Schluß des folgenden Hymnus in Betracht zieht: yaige, avacca, Fea Asvxolàeve, dia ZeAnvn, "goggo», èvadduamos ofo d Goydueros xMfa purdv agonas Nudéor, wy xAelovo’ toyuat dosdol, Movocwv Seganovres, und ctoudiwv 2oo&vımv, der wird, wie sich denn die Verwandtschaft der Epiloge nicht verkennen läßt, vielleicht vermuthen, die Ausdrücke seien noch ähnlicher gewesen und etwa auf wy Foy! ddoì 9vgroicw Mea=av verfallen: es geht aus dem Vorigen hervor, warum ich dem nicht beitrete. Der Dichter des Hymnus auf Selene beginnt mit dr Mehrzahl: Miyp... cnere, Mosca xrk., und er schließt consequenter Weise auch mit der Mehrzahl Mov- cuwv Fegarovies. | 4. Der Hymnus auf Selene bietet uns V. 10 ein unho- merisches Adverbium : sùr av . . dia ZeAnvn écovuérus mootégwo ètiuon xullltgıyag Innovg. Das Wort kommt in der Literatur erst im Ausgang des dritten vorchristlichen Jahrhunderts vor: zweimal hat es Apollonius Arg. I 306: ngotégwoe dóuwv 2 apro vésoFas und 11241: tev x90- w£gwoe xedevFov, zweimal Dionysius der Perieget, V. 478 und 580, und einmal Nikainetos (7goréowos xiv) Schon der The- saurus bemerkt, wie Baumeister, daß die homerischen Gedichte nur die Form zgorégw kennen. Nun ist der Hymnus zwar ge- wiB ziemlich jung, aber immerhin anzunehmen, daß der Rhap- sode, der ihn dichtete, mag er nun zur Zeit des Onomakritos oder noch etwas spüter gelebt haben, in homerischer Sprache hat dichten wollen. Dann war ihm aber ebensogut erlaubt in der Hauptcäsur écovuérws moozéou thaoy xaM(mag Trrovs zu sagen, wie er in der Ilias J 199: dg aga Ywvicag mootégw aye diog Aysiieve,

24 KR. Peppmüller, Zu den homerischen Hymnen.

in der Odyssee d 36: weotégw aye downdjvai, sowie X

388: 70000 aye dia Jexwr vorfand. Ich halte das Adver- bium mgotégwo’ (22607) nur für einen überflüssigen Versuch den Hiatus zu beseitigen. Die Autorität des Apollonios kann hier ebensowenig entscheiden wie im Hymnus auf Apollo V. 3 bei der Form émoysdov, wo die Trennung des Wortes zu ni oye- dov, welche ich Philol. XLIII S. 196 vorgeschlagen habe, nun auch handschriftlich bestätigt ist.

Seehausen i. A. R. Peppmüller.

Emendationum ad Dionem Chrysostomum specimen I.

In Dionis oratione II p. 19, 25 ed. Dindorf. post uo»ov

inserendum est rov rov. P. 22, 2 pro Zuvv«10 legendnm est &Avunvuro. P. 28, 32 post v zegg vwc inserendum W c. Or. III p. 48, 1 pro #24 wc, cui adverbio opponitur

v.5 émusléoregor, legendum est auedwe; cf. locos similes Phi- lostrati Heroic. p. 151, 24 Kayser: axove divi màtoron; énadij rovio y 10 un üutÀug pedter; Vit. Apoll. V, 19 p. 173, 8 ubi a voce «usÀdg omnis neglegentiae vituperatio abest, inest sola brevitatis significatio. P. 51, 7 pro u£v lege un». P. 62, 18 pro oùx Ovtac lege oùx axovrag. Or. IV p. 82, 5 pro wv» Touer lege aywwricua. Or. V p. 91, 5 pro ws tpn reg leg. dg av putn rg. Or. VI 96, 17 vox quae est As aut de Athenarum regione illa, in qua theatrum Bacchi, Lenaeum, templum Iovis Olympii situm erat intellegenda aut in Asuérwr mutanda est (de portuum laudibus cf. Aphthon. progymn. p. 36, 4; Nicol progymn. p. 492, 1 Sp.). Or. XII p. 225, 6 pro womeg ovv #pq tic lege woneg av £p f ties Or. XVI p. 270, 5 nagunuvsiav muta in sQo0undesuv, quae vox cum zovetodus coniungitur in Mino dia- logo p. 318 E, cum genitivo in Gorg. p. 501 B. Or. XX p. 290, 27 scribe GAN ovr, ye 6 ronoc Eoılv xd. et. v. 30 10 udtov Boviopevor.— Or. XXI p. 301,3 legendum xa- tadévies (xaJévre; nescio an suo iure praeferat Cobet Mnemos. N. Ser. V 73) eis 0100»: scilicet in cellam penuariam demittunt libros novos, ubi situ obducti vetustatis quandam speciem induant. Or. XXIII p. 306, 19 pro xndonu&vw» scr. xndeuóvw», quod vocabulum .identidem in Dionis orationibus inveneris. Or. XXXI p. 393, 30 ser. £r. xoxtivo tor é£ov pro #0nv. Or. XXXV p. 45, 16 pro BelCovrec, quae vox ut prorsus nullum praebet sensum ita a Dindorfiis Cobetis silentio altissimo praetermittitur, scribendum est Fegilovres. Tubingae. W. Schmid.

III.

Eine Reform des Aristophanes.

Der flüchtigste Leser des Aristophanes kennt den herben

und wie es bei Zeitgenossen zu geschehen pflegt unge- rechten Tadel, welchen derselbe durch seine Personen über die tragische Kunst des Euripides ausspricht. Wire man berech- tigt, die Worte, die er diesen Personen in den Mund legt, für den Ausdruck seiner eigenen Meinung zu nehmen), so miifite man des Weiteren glauben, daß keine Seite der euripideischen Poesie ihm so von Herzen zuwider gewesen ist, wie diejenige, durch die sich Euripides als ein Schüler der Sophisten und Rhetoren bekannte?) Angesichts dieser Antipathie würden wir es kaum erwarten, daß Aristophanes ein Nachahmer dieses von ihm so arg verlästerten Gegners hätte werden können; am al- lerwenigsten aber, daß seine Nachahmung sich gerade auf das- jenige richten würde, was er jenem am meisten zum Vorwurf macht. Und doch ist das erstere unzweideutig überliefert, und eine unbefangene Interpretation der Ueberlieferung ergibt ebenso unzweideutig das letztere. Wie man sich auch mit diesen That- sachen auseinandersetzen mag der Grundsatz 47° &4Igwv d71a zo0ÀÀÀ par3dvovow oi copol wird hier eine eigenthümliche An- wendung gefunden haben.

Nach der Aussage eines alten Grammatikers wire Aristo-

1) Da8 man damit vorsichtig sein mu8, habe ich in meiner ‘Glie- derung’ S. 112 f. nachgewiesen. Man hat häufig die aristophanische Komödie mit der Satire der Römer verglichen; zu unserem Falle wür- den Horat. Sat. II, 3 u. 7 gute Parallelen abgeben, wenn man nicht

gewöhnt wäre, sie falsch aufzufassen. 2) Es wird genügen, hierfür auf Eir. 532 ff., Fr. 841, 954 ff. zu

verweisen.

26 Th. Zielinski,

phanes von der zeitgenössischen Komödie verspottet worden émi : oxwniew piv Evosnidny, puipsicda. Ó' avrov. Koarivos® tic ov; xouyos <mùc &v> mg EQosto Dear: vrnodentodgyos, yrwpidiuxtns, evosrsdupioroparituv ?).

Die Autorität des Gewährsmannes braucht nicht discutirt zu werden; soviel wird man ihm unbedenklich glauben dürfen, daß die ausgeschriebenen Worte des Kratinos gegen Aristophanes ge- richtet sind. Der Vorwurf ist in drei Kraftworten ausgedrückt, von denen namentlich das letztere an Klarheit nichts zu wiin- schen übrig läßt. Dem Aristophanes wird darin Unselbstündig- keit vorgeworfen; er wire nur zum Theil er selbst, zum anderen Theil jedoch ein Abklatsch des Euripides. Fragt man weiter, in welchem Theile seiner Natur er von Euripides abhüngt, so läßt sich im Anschluss an Kratinos nur sagen: eben in demje- nigen, in dem er $zoàAsmroAóyog und yvwusdiwxing ist‘). An diese zwei Ausdriicke würde sich demnach die Interpretation zu halten haben. Was bedeutet nun yrwwdwxins? Das Wort scheint aus yrwusdso - diwxıns entstanden zu sein; die analogen Bei- spiele (wie Hellanikos, tragicomoedia, stipendium, frz. idolatrie) rei- chen, ohne zahlreich zu sein?), doch aus, um die überlieferte Lesart zu schützen. Ist also yrwwsdwwxrns ein yrwuldın- Jäger, so fragt es sich weiter, was unter yrwuldia zu verstehen ist. Daß man das Wort nicht mit ‘Sentenzen’ übersetzen darf, liegt auf der Hand; sentenzenreich ist die aristophanische Ko- mödie gewiß nicht. Das Wahre lehren uns die ‘Wolken’ in de- nen dies Wort nebst dem gleichbedeutenden, nur ernster schat- tirten yruun eine bedeutsame Rolle spielt. V. 319 ff. sagt Stre- psiades mit Beziehung auf den Wolkengesang

9) Schol. Platon. Bekk. 330 Kratin. fgm. 307 K. Die einge- schobenen Worte sind von Porson, Misc. 268; aus metrischen und grammatischen Gründen ist es klar, daß nach xouwòs eine kleine Lücke anzunehmen ist. Das Fragezeichen jedoch habe ich nach zis ge- lassen; cf. Eir. 48 f. róv Ss«rdv veavias doxnoicogos. Ueber das bei- behaltene yvwwsdsuxms (Kock hat nach Schneider yvwwuodsuxtys) s. unten.

4) Daß Aristophanes selbst den Vorwurf nicht anders verstanden hat, beweist seine Antwort in den Zxyvas xatclausavovoas (Fgm. 871 K.)

Xodpas yao avtod ToU otouatos tw GrQoyyUlo,

1005 voUc d'éyopaiovs nrıov à "xeivog nos. Noug ist das edlere Wort für yvwwuidia. Die Antwort selbst bezeugt übri- gens seine Verlegenheit; der Euripides gemachte Vorwurf ist ungerecht.

5) Am häufigsten ist diese ,,syllabische Hyphaeresis‘‘, in griechi- schen Personennamen zu beobachten: vgl. Baunack, Rhein. Mus.

XXXVII 476 und Stud, (v. Curtius) X 128. 136.

Eine Reform des Aristophanes. Ä 27

raVr' «og dxovoao’ avidiv 10 pIÉyu 1 Wuyn pov menorniae

xui Àenroloyeiv non Cnisi, xai negl xanvov crevodeggetr,

xai yvwpsdlwo yvwunv vubao’ Étéow Aoyw dvisdoyioui.

Und was er sich hier vorahnend wiinscht, fiihrt sein Ideal, der Sprecher des Unrechts aus. Wie er des Gegners ansichtig wird, prophezeit er sich einen Sieg (V. 896)

alla 66 rex. Il copdy nov;

yrwupus xavac 2&evoloxwr und zum Schlusse des Zankes dem Gegner eine Niederlage (V. 948 f£.)

xevrovpevog weoneg vm uvIonvwy

UNO TU yruwuudr anoktirus. Wie an ihn die Reihe zu sprechen kommt, bemerkt er, schon lange plage ihn die Ungeduld, das vom Gegner gesagte évavtiasg pwuasoi ovrvtaguéas (V. 1037) und eröffnet den Streit mit der verfinglichen Frage (V. 1045)

xalzoı tiva yvwunr Èywv wéyes ta Feoua Aovroa; So ist es‘ denn eine offenbare Parodie dieses seinen Schlagwortes, wenn ihn der Gegner in einer heiklen Sache spöttisch fragt (V. 1084) Ele, tivà yvwpunv Adve TO ui) sUgunowxrog eivas; |

Daß sein Schüler Pheidippides es nicht anders macht, ist nicht wunderbar; seit seiner Bekanntschaft mit yrwyucs Aemroig (V. 1404) hält er sich für befähigt den Beweis zu führen, daß man den Vater schlagen darf; eine éréga yrwun (V. 1440) ist, daß es auch erlaubt sein müsse, die Mutter zu schlagen.

Das genügt; denn daß vwolswroloyos in dieselbe Sphaere hineingehórt, beweist seine Zusammenstellung mit yrwysdiwxtns sowie zwei unter den angeführten Beispielen (V. 321; 1404; cf. Fr. 828; 876); das vno- scheint hier dieselbe verüchtliche Be- deutung zu haben, wie die Diminutivendung in yvwwids-. Sind demnach, wie aus der obigen Stellensammlung zur Genüge her- vorgeht, yrwuas die im Wortstreit angeführten Gründe, so be- deutet yrwuldıov verächtlich den Scheingrund, die Spitzfindig- keit, wie sie dem riv Aoyog so trefflich zu statten kommt. So kann es denn nicht zufülig sein, daf sümmtliche angeführte Stellen den A gon) zum Gegenstande haben; in der aristopha-

6) Diesen Ausdruck, den ich in meiner ‘Gliederung’ S. 9 f. zuerst für die von Westphal 'Syntagma' benannte Partie in Vorschlag zu

28 : Th. Zielinski,

nischen Komódie ist eben der Agon, als der den Wortstreit ent- haltende Theil des Stückes, fast ausschließlich der Tummelplatz für yroua und yrwuldia.

Glauben wir demnach dem Kratinos, so hat erst Aristopha- nes in Anlehnung an Euripides den Agon dazu gemacht, als was er uns in seinen Komódien erscheint. Die Frage, ob Eu- ripides in dieser Beziehung ein passendes Vorbild fiir ihn war, läßt sich im Hinblick auf Stellen, wie Alkest. 614 ff, Andr. 147 f, Med. 446 ff. leicht in bejahendem Sinne erledigen. Durch diese für unser Empfinden sehr glückliche Neuerung hat Ari- stophanes mit der luußıxn idéa, welcher Kratinos sein Leben lang treu blieb, theilweise gebrochen; durch ihn ist die Komödie theilweise sich selber entfremdet worden (cf. Plut. 557) Wir wären nun außer Stande uns von dem voraristophanischen, dem kratineischen Agon eine deutliche Vorstellung zu machen, wenn der Dichter nicht in einer Komödie ganz entschieden zur alten Weise zurückgekehrt wire und der Rhetorik und Dia- lektik den eingeräumten Platz wieder genommen hätte; diese Komödie sind die ‘Ritter’ ). Hier ist die iambische Idee zur

bringen glaubte, darf ich jetzt wohl um so unbedenklicher beibehalten, seitdem sich herausgestellt hat, da8 schon Th. Bergk in dieser Zeitschrift (XIV [1859] 182 = Kl. Schr. II 731) ihn optima forma vorgeschlagen hat ein Nachweis, für den ich Uckermann (Phil. Anz. 1887, 354; dankbar bin; vgl. auch Crusius, Centralbl. 1887, 3, 93. Die Worte Bergk's sind folgende: Diese nl. annáhernde Symmetrie erkennt man am besten in den aristophanischen Komödien, in den Par- tien, wo ein dydv Àdywv stattfindet; es sind dies Scenen, die in der Oekonomie der alten Komödie eine ebenso bestimmte, typische Form ha- ben, wie die Parabase , und da die Sache doch eines Namens bedarf, möchte ich eben dafür die Bezeichnung 4g o n vorschlagen. Sie stehen, wo sie niemand vermuthet háütte, in einer These zu Theokrit; mir kann also kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß ich sie überse- hen habe, zumal der zweite Band der Kl. Schr. ein Jahr nach meinem Buche erschienen ist. Ferner aber ist Humphreys (American jour- nal of philology VIII [18873 179 ff.) unabhängig von Bergk und mir auf denselben Ausdruck gekommen. Es scheint demnach, daß jedes gründliche Studium des Aristophanes naturgemäß darauf führt, und Blaß (D. Ltztg. 1885, 1411), der das sinnlose ‘Syntagma’ für besser erklért, kann getrost bei seiner Meinung belassen werden. Bei dieser Gele- genheit will ich mich nochmals (cf. Quaest. com. 8) gegen die Insi- nuation verwahren (Uckermann a. O.), als lieBe ich Aristophanes die- sen Ausdruck ‘im technischen Sinne’ gebrauchen. Sie stammt aus ei- nem yvwuidıov von Blaß, der sich indessen vorsichtiger ausdrückt ; bei mir steht der ,,technische Sinn‘‘ wederin noch zwischen den Zeilen.

7) Ueber diese eigenartige Stellung der ‘Ritter’ s. meine ‘Gliede- rung’ S. 112. Natürlich habe ich hier nur die politische Komödie im Auge, auf deren Boden allein eine Vergleichung des Aristophanes mit

Eine Reform des Aristophanes. 29

vollen Geltung gekommen; von yrepas hört man nicht viel, die dosdopius, nach dem ZeugniB der Alten die charakteristische, von Archilochos ererbte Eigenthümlichkeit der kratineischen Komödie, beherrschen die beiden Agone durchaus.

Die Agone der ‘Ritter’ veranschaulichen uns somit trefflich den Charakter des Agons vor jener Zeit, da Aristophanes diese uralte und ursprüngliche Form mit neuem Inhalte füllte. Denn daB er nicht etwa die ganze Form erfand, bedarf für denjenigen keines Beweises, der überhaupt weiß, wie conservativ die an- tke Kunst mit ihren Formen verfuhr; zum Glück haben wir diese Agone der ‘Ritter’, die sehr formvollendet siud und doch nicht denjenigen Inhalt aufweisen, den wir gewóhnt sind, dem Agon zuzuschreiben; wir haben Reste aus den Agonen des Kra- tinos und Eupolis; dazu kommen andere Erwägungen, von de- nen noch die Rede sein wird. Uebrigens ist Aristophanes bei seiner Neuerung schonend verfahren; er hat den kratineischen üywr Aodogewy nicht ohne weiteres abgeschafft, sondern dessen Inhalt auf den Proagon*) übertragen.

Eine noch friihere Staffel, den vorkratineischen Agon, kónnen wir nun reconstruiren, wenn wir annehmen?), daf die

Kratinos möglich ist. Die Märchenkomödie mußte von der in Rede stehenden Neuerung ziemlich unberührt bleiben, in ihrer phantasti- schen Sphaere war für die yvwwuas kein Platz.

8) Cf. ‘Gliederung’ S. 119.

9) Ausgesprochen ist dieser Gedanke schon ‘Gliederung’ S. 181. Hier sei noch einiges zur Composition der Lysistrateparabase nachge- tragen. Ich habe schon früher bemerkt, daß sie von Viertelchôren (eroëiyos) und deren Führern (Kraspediten) vorgetragen wurde und diese Ansicht mit dem Hinweis darauf begründet, daß in jeder der vier Oden vom Ablegen der Gewänder die Rede ist, und zwar in so be- stimmten Ausdrücken, daß eine figürliche Deutung im Sinne des la- teinischen acringt ausgeschlossen ist. Uckermanns (a. O. 359) Einspruch gegen diese so natürliche Schluffolgerung begreife ich nicht; sollte er wirklich der Meinung sein, daß beispielshalber die Greise V. 615 das Gewand ablegen, es dann wieder anziehen, um es V. 662 wieder abzulegen ? Denn daß nicht etwa von zwei verschiedenen Gewand- stücken die Rede ist, beweist sowohl die Analogie der übrigen Para- basen, als auch namentlich V. 1021, wo nur die abgelegte Exomis wieder angezogen wird. Nun ist es aber auffállig, dass die Aufforderung, die Gewánder abzulegen, im ersten Odenpaar die proodischen Tetra- meter bildet, wührend sie im zweiten Odenpaar die Oden selbst unter- bricht. Schaut man jedoch genauer zu, so entdeckt man, daß sie in diesem zweiten Odenpaar nicht nur an entsprechenden Stellen steht (V. 662 f. = 686 f.), sondern auch, daß diese zwei Stellen je zwei trochaeische Tetrameter sich inhaltlich und formell vom sonstigen Bestand der Oden scharf absondern. Und da es unnatürlich würe, anzunehmen, da$ die erste Aufforderung, weil in den Prooden ent-

30 . Th. Zielinski,

wunderliche Parabase der ‘Lysistrate’ uns den Agon jener Zeiten darstellt, wo in der Komódie nur der Chor wirkte, keine Ago- nisten. Das steht nun freilich nirgends 'geschrieben'; wenn wir aber aus dem Agon uns inhaltlich die yvwWues und formell die Agonisten wegdenken, wenn wir seinen Umfang auf ein bescheide- neres Maß reduciren, werden wir eben die Parabase der ‘Lysistrate’ bekommen. Diese Phase führt uns unmittelbar an die Schwelle der Kunstpoesie, in die Dichtung eines Archilochos hinein; was dahinter liegt, gehört bereits dem Gebiete der Volkspoesie an. Die Betrachtung der letzteren liegt außer dem Bereich des gegenwürtigen Aufsatzes; um demselben aber einen Abschluf zu geben, will ich aus den zahlreichen Analogien eine anführen. Daß sie nicht gerade aus der griechischen Volkspoesie stammt, von der uns so wenig bekannt ist, wird mir wohl niemand ver- übeln, seitdem namentlich Mannhardts Vorgang bewiesen hat, wie fruchtbar die Heranziehung des modernen ‘Folklore’ sich bei der Erklürung althellenischer Gebräuche erweist. Auch soll es ja nur eine Analogie sein, die immerhin die hohe Volksthümlich- keit des Agons beweist. Anderswo habe ich auf den Hyme- naios !°) als auf eine Vorstufe des Agons hingewiesen. Nun war

halten, von den Kraspediten gesprochen, die zweite dagegen, weil in den Oden stehend, von den Chòren gesungen wurde, so spricht alles dafür, daß die VV. 662 f. = 686 f. als Mesoden zu betrachten und daher den Kraspediten zu geben sind. So würden den Prooden im ersten Odenpaar die Mesoden im zweiten entsprechen, und auch die Megethe der beiden Odenpaare (27 Tacte im ersten 25 im zweiten) würden annàhernd ausgeglichen sein. Betrachtet man nun diese proodischen bezw. mesodischen Disticha genauer:

V. 614 f. DEP. (xoaon. a’)

oùx Er Eoyov iyxadevdsiv, occ For’ èlebdepos* 10000. a' all inurodvwpued’, avdoss, Tovtpi T nocypuar.

V. 636 f. TYN. (xoaon. y)

obx ap’ sigsovta olxed" 4 Texovon yvulcetas. noowd. B alld Jwüuecd, d giles yodes, tadì nywtoy yauui.

V. 662 f. TEP (xoaon. B)

alla rjv timuid exdvuipe?, ws tov dvdga dei ueovd. a' avdgös oles svdus, all’ ovx évredoswodas noénes.

V. 686 f. TYN. (x0aon. d")

alla yXusic, à yuvaixes, 9àtrov ixdvdus9a, usood. B" ds av ülwusv yvvawd» adroda& doyicuivwv. mit ihrem Parallelismus, ihrem auffordernden dÀid, so wird man kaum umhin kónnen, bei der sonstigen Verwandtschaft dieser Parabase mit dem Agon, in ihnen eine Art von Katakeleusmos zu erkennen.

10) ‘Gliederung’ S. 238, 1. Eine andere Vorstufe ist das Hirten- lied (a. O. 237), und das war auch Bergk's Meinung, als er im Agon der aristophanischen Komódie eine Parallele zu den Hirtenliedern Theokrit's erkannte (a. O.). Freilich ist seine Annahme einer 'anná-

Eine Reform des Aristophanes. 31

seinerzeit in Tirol die ‘Klause’ ein allgemein iiblicher Gebrauch; sie wurde errichtet, wenn ein Midchen aus einer Gemeinde in eine andere heirathete. An der Klause betheiligte sich eine Menge Menschen, darunter Musikanten und noch einige andere Personen, drollig gekleidet und mit großen Bürten versehen, s. B. ein Zigeuner, ein Bettler, cin Auswanderer, der allenfalls eine grofe Hennensteige mit einer Katze auf dem Riicken trigt. Eine andere stets vorkommende Person ist das sogenannte Angele, nämlich ein Weiblein, welches sein Männlein auf dem Rücken oder im Korbe trägt. Also ein richtiger Mummenschanz. In der Nacht, wenn der Hochzeitszug mit der Braut passiren soll, beginnt die eigent- liche Scene. Lauter Jubel, Musik und Pöllerknall brechen los und die sweî Hauptpersonen (= die beiden Gegner des Agon) be- ginnen thr Spiel. Der eine Reimer steht hinter der Klause, der an- dere kommt mit dem Brdutigam, oder er ist zuwetlen der Bräutigam selbst. Letzterer verlangt freien Durchzug, ersterer verweigert ihn Dies ist der Anfang eines Streites und Wortkampfes, der manchmal 5 Stunden lang dauert und wobei die zwei nur in Versen oder Rei- men sprechen diirfen. Jeder riihmt seine Partei und setzt die an- dere herab, jeder Fehler wird gerügt und jeder Vorzug des Ortes oder der betreffenden Personen hervorgehoben. Unterdessen werden von den übrigen Personen alle möglichen Scherze getrieben. Jeder bringt irgend einen Reim gegen den Bräutigam. Das Angele (= o fwpodoyos, oder, nach aristophanischem Sprachgebrauch ö za- q«i» 1!) welches gewöhnlich eine Geige hat, die nur mit einer oder zwei Saiten versehen isl, streicht mitunter dem Gegner ein paar recht eindringende Töne unter’s Gesicht, besonders wenn er nicht gar viel ss sagen weiß. Abwechselnd spielen wieder die Musikanten ein lu- stiges Stückel . . . . Endlich läuft die Sache dahin aus, daß der Klausenmacher entweder freiwillig oder unfreiwillig sich besiegt gibt '?). Es ist klar, daß die Kunstpoesie in ein solches Spiel nur etwas Ordnung zu bringen hatte, damit daraus die primitive Form des Agons wurde. * . *

hernden Symmetrie’ in den Agonen nicht richtig; offenbar hatte sich Bergk kein vollstindiges Verzeichni& derselben gemacht.

11) ‘Gliederung’ 116 über die Rolle des Bœuolüyos. Dass 6 napwr bei Aristophanes (Wolk. 542) eben auf diese Person zu beziehen ist, habe ich Quaest. com. 22 zu beweisen versucht.

12) Zingerle, Bräuche und Meinungen des Tiroler Volkes S. 14 f. Man móge beachten, dass die Lysistrateparabase hin und wieder in

32 Th. Zielinski, Eine Reform des Aristophanes.

Diese kurze Skizze der inhaltlichen Entwickelung des Agons möge als eine wenngleich unvollkommene Ergänzung zu dessen Charakteristik in meiner ‘Gliederung’ S. 9 ff. be- trachtet werden. Eine ausführliche Entwickelungsgeschichte wird sich nur im Zusammenhange mit einer Geschichte der Beein- flussung der attischen Komödie durch die Rhetorik geben las- sen; aus diesem Grunde habe ich sie von dem obgenannten Buche ferngehalten. Dort habe ich aus metrischen und tektonischen Rücksichten die Form des Agons für die Urkomödie in Anspruch genommen (cf. Bergk’s Worte oben). Dies ist auch von meinen Recensenten, denen ich sonst, mit wenigen Ausnahmen, nicht viel Verständniß und Loyalität nachrühmen kann, richtig ver- standen worden; keiner von ihnen hat mir den unsinnigen Ein- fall imputirt, den entwickelten Agon der aristophanischen Ko- mödie in die Urkomödie zu verpflanzen und etwa den Susarion Agone in der Art des Wolkenagons dichten zu lassen. Letzteres blieb E. Maaß vorbehalten, der im Hermes 1887 S. 585, 2 folgende wunderliche Anmerkung macht (es war von der Rhe- torik in Athen im 5. Jh. die Rede): Wer also den aywv roywy zu einem Urelement der Komödie macht, begeht einen handgreiflichen Anachronismus; so Ribbeck- Zielinski in des letzteren Schrift: die Gliederung u. s. w. Man müßte hier ein thandgreifliches’ Mißverständniß annehmen; doch habe ich vor Maaßens Talent zu viel Achtung, als daß ich seine Anmerkung nicht für ein unüberlegtes Renommircitat halten sollte. Daß man in diesem Puncte Maaß mancherlei zutrauen kann, beweist abgesehen von der Anmaßung, das Resultat einer langjühri- gen Arbeit mit em paar nachlüssigen Worten abthun zu wollen die eigenthümliche Art, mit der er mir einen Gedanken weg- escamotirt, der ganz und gar mein geistiges Eigenthum ist. Die Anregung, die mir O. Ribbeck, mein hochverehrter Lehrer, ge- geben hat, habe ich S. 6 meines Buches mit Dankbarkeit, wie es meine Pflicht war, anerkannt und werde es immer thun; hütte ich auBerdem ein Resultat seiner Forschung in meine Ar- beit aufgenommen, so hütte ich es ausdrücklich bemerkt. Wie kommt Maaf nur dazu, das Verhältniß von Lehrer und Schüler ohne Weiteres der uuvrelu EvouxAfovs analog aufzufassen ? den Ton eines solchen Dorfstreites verfállt; vgl. V. 640. 651 ff. und namentlich 699 ff. ösus, w duomr, dn5y9ov nace xai roig yeitociy uti,

St. Petersburg. Th. Zielinski.

——

IV. CONIECTANEA

ad comoediae antiquae fragmenta.

CRATINVS.

Archil. fr. 4 p. 12 K. nescio cur pro vera veteris lexicographi lectione südovre d’abgei newxrog (Phot. Hesych.) Bodleiani 429 evdorts nowxrög aiget substitutum sit, cum totus ille Bodleiani lo- cus 424 —435 ex eodem lexico ita sit descriptus, ut plurima misere corrupta esse videantur (cf. Anal. ad paroemiogr. p. 106, Brachmann. quaest. Pseudodiogen. 394). Interpretatio loci quomodo firmetur indicis Athoi ordine, breviter indicavi Analectorum p. 71!. Si- milis est versus Theogn. 169 9soi TıuWar 0 xai xosmevuevoc aigsî (corr. Hartung.). Eadem imagine sententiam contrariam illustrant Itali (chi dorme, non piglia pesci: Düringsfeld II p. 176), quamquam etiam Terentianum illud dormientibus suis deos ne- gotia conficere satis tritum est recentioribus (Düringsf. I p. 322).

Fr. 5 Zielinski ‘quaest. com.’ p. 9 versum corruptum 4w- dwrulm xuvi fwAoxónp, r(199, yegarm nooceoixwes leniter mu- tatum ad aes Dodonaeum scite rettulit: Awdwralm zuußo Cuxonœ, Thin yequla, nooçéosxus. Nam èv ij Aoduwvn civào: duo nu- guAAmAos . . . xal ini piv Jurégou yadxlov Eariv ov ufya . . ., ini di JuitQow nusdagior Pv 17 deli yesQl padre. yıoy Eyor, quod vz0 tov avevparos ovveßumwe wave 100 yua- xlov (Aristid.-Polemo apud Steph. p. 249, 18 ff): dre oiv 3- Hehe 6 Feòs yonsumdjous, 6 àvdgiag Exeivog Énass io ó a- Bog ròv AEBntu, elra ayes 6 Ufns. . . xol. Évepogoÿvro al nooprsdes xrÀ. (Cosmas Spicil. Rom. II p. 172 Mai, apud Mei-

Philologus. N.F. Bd.I, 1. 3

$4 O. Crusius,

nekium Steph. Byz. p. 280 not. crit.) !): unde leniore medela Zdwdwvatp «n» xvufoxong restituas. Sed quanto saepius quod traditum est perlustravi, tanto magis et Zielinskium et ceteros longius inde aberrasse mihi persuasi. Nam mirum esset, si yégavoc fwAoxonoc, quod graphice dictum esse nemo ne- gabit (cf. Babr. fab. 26)?), vano errori deberetur. Quid igitur si scriptum erat: . vy vy vv «val wa>

Audwvuiov xiva, BwAoxóno, 113, yeoure nooçéoixus —? vai ua 400. xvva pro vai 4. Ata dictum est, cf. Aristoph. Vesp. 83, Cratin. fr. 281 olg nv péysotog oyxog |... xvwv, Entro av, Jeodc dcíywv. Eadem imagine avurddntog ogdçov nsQi- nateiv yéouvog (shui) Aristopho dixit fr. 10 vol. II p. 280 K., atque oreguodoyovs rovg mégi unoque diarolBovias nominavit comicus anonymus Eust. Od. e 490 p. 1547 (Apost. 1461). Itaque manus abstinendae.

Fr. 18 p. 18 ita scribendum esse puto: 18° zug raçgéyyes

Koarvos, ano didvocufov ly BovxoAoız aokauevog. 18b ***

ànudi yoody oùx è&ufe' imi (cod. 7, non nè, quod falso in naga corrigunt) rov &gygorios Eonv (= xeiras, ut sescenties), dv (ov cod.) 7ryxe (ings cod., corr. Casaubon.).

Perperam enim ultima illa, quae nemodum sanavit, ad lemma ab Hesychio exscriptum rettulerunt; neque felicissima mihi translatione Cratinus Bacchum videtur precari, ut his ipsis Dio- nystis non vinum superinfundat, sed ignes indignationis, quos ipse in archontem emittat, sed quaesitissima. Vinum igni vel fulmini collatum familiare est poetis Graecis atque dithyrambo, in quo locum illa habuisse traditum est, quam maxime aptum, siquidem iam Archilochus: ws Aiwyvoor avarroo xadòv èEagfar u£Aos | olda di9voaufor oirw cuyxeguvrwdei: gporva; cf. etiam fr. 273 p. 93 K. Neque cur a dithyrambo nihil enim est, cur proprio sensu non accipiamus verbum illud Bucolorum fabula inceperit difficile est coniectu. Nam ex noto Aristophanis versi- culo zo» uvior ag duoi BovxoAsis ZaBubior mystas Bacchi Thracii ro? ruvgouoggou iam tune fBouvxodAovy nominatos esse potest concludi: cf. hymn. Orph. I 9 XXXI 7 et quae ex lapi-

1) Alium omnino esse Aéfyte apud Suidam s. v. Mvias daxoevoy commemoratum, ex Zenobio Ath. III 11 Par. 184 colligere poterat Zielinski. Neque igitur de Suidae errore cogitandum.

2) Cf. Hesych. Bwicguya’ rjv cvv* Aaxwrss.

Coniectanea. . 85

dibus collegerunt R. Schoell in satura Sauppiana p. 176 sqq. et A. Voigt lexic. mythol. col. 10863). Atque a Bacchico fabulae argumento dithyrambus pendet parodi fortasse loco positus. Bouxolos igitur nomen ad chorum spectat mystarum Sabazii: cf. eiusdem poetae Oogrras (Bendidi operantes) "Idetove Anduedus. Unde fabulam inter eas esse numerandam apparet, quibus pere- grinas religiones aggressus est Cratinus: cf. Bergk, 'de reliquiis com. Att.’ p. 109—111.

Ante éz&di) convicium excidit ad archontem frm. 15 (An- droclem?) spectans (208 Z4fovvotoxvgovo wrwr, 263 * Ardoox o- Awroxins |= pulo09:06]), 458) atque ipsum fortasse fr. 15 v. 1: Oc osx Edwe’ alzourıs Zopoxhéss yooor (cf. yogóv ovx Fufe éni 100 Ugygovros, ov fujxe).

Fr. 60 apud Zenob. Ath. III 33 (Laur. 28) 4) 800 zagagyses, quod breviter explicat Photius #20 rà» énayyediortme marti aera anovducev, wo nur ely féorta mloia enßnraı ovx Oxsnoasıos, Kockius dictum putat de eis, qui aliquid omni studio se perfecturos esse pollicentur, occasionem autem ret gerendae praetermittunt: neque enim tam timidos fuisse Athenienses, ut navigia mari fluviove agitat (Ggovta?) conscendere vererentur. Sed 6&osre non recte eum intellexisse Zenobii locus qui haud ita magno intervallo insequitur docebit Athoi III 58 (Ps.-Diog. 731) so Mylwuxó» mloios ... éni tÀr Uyrav deo TOY... TH nloia 6siv*) atque Parisini 75 aig» per éEprrhoduer, n 8’ snzisose

. eneidàr yao vig reds deotons Féurtlwot xc).: cf. Anal. crit. ad paroemiogr. p. 81°. Stat igitur, quod veteres secutus de loci et sententia et conformatione coniecit Meinekius: quam- quam verum vidisse videtur iam Morus in notis ad Nov. Foed. (Par. 1668) p. 250.

In Eunidis p. 32 sq. agonis locum obtinuisse apparet cer- tamen musicum, in quo priscae artis Terpandreae assecla (fr. 67: prooemium quoddam Terpandri in Eunidis cantatum *) graves fundens dactylos congrediebatur cum Atheniensi quodam poeta novicio. Atque recte ni fallor hue refertur fr. 310:

3) Huc fortasse incertum illud comici Attici fragmentum referen- dum, quod Anall. ad paroem. 68 sq. ex Athoo erui: <ov Ji» Bovxo- Àgetesc tani mv Bobv <.inuviav> Nam "Thracia et Phrygica haud pauca in mysteriis Lemniis Samothraciisque inveniuntur.

4) Plutarchum non recte citat Kockius.

9) Terpandrum celebratum invenimus etiam fr. 243.

8 *

36 O. Crusius,

ovzoı Ö elois GvoBoLdotOl, xpovmelomogos yErog ardpdor 9).

Quo convicio tangi opinor uovoa» apyaia» Boeotorum; Bow. zluv proverbium hue rettulit Pindarus Olymp. VI 90 sqq. atque ipsam Corinnam eodem cognomine significatam esse fama est eandemque rouove xıdapgdıxovus ad veteris artis normam con- didisse scimus. Itaque versum illum nescio quis ro» venzepos in poetam ‘Terpandreum’ iactat, cui fr. 67 ceterosque hexametros tribuendos esse conicio. Altera igitur agonis pars hexametris constabat, sicut in Archilochis et Ulixibus. Sed perperam Zie- linski qu. com. p. 10 sq. in antiquissima comoediae Palaeatticae ae- tate hexametrum in deverbüs eadem ratione usurpatum esse coniecit qua in comoedia Aristophanea tetrametros. Nam in fabulis illis Homeri et Terpandri artem imitaturus zeg@dixmg hexametris usus est Cratinus; eadem ratione Hesiodi povca» mudevrinzv il- ludens in Chironibus sententias ludicras hexametris inclusit; ce- tera denique huius generis fragmenta oraculorum et aenigmatum (Cleob.) colore tincta sunt. Itaque apud Cratinum quoque hexa- metros proprium sibi altioremque locum servare neque in pla- nitiem metrorum volgarium descendere vix potest negari.

Thraess. fr. 80 p. 37 öiloyyo» Bésüiw nihil aliud. significare, quam deam duas hastas ferentem, iam dudum perspexerunt; cf. prae- ter lexica Mionnetum II 503, quem locum suppeditavit Rappius in Roscheri lexico mythol. col. 782. Certe hanc explicationem silentio praeterire non debebat Kockius Hesychii oraculis nimium tribuens.

Thraessarum fragmentum a Nauckio apud Kockium p. VI in schol. Oribas. III 680 investigatum hunc in modum correxi:

ovx ori pidos Éxgogog erzevdev Og <roùs> ugeovag (-185 cod.).

Non licet verbum efferre hinc ad insipientes. Loquitur mystarum (Thraessarum) chorus: cf. Plotin. Enn. VI 9, 11 zwr nvorp- Qo» Enitazua +0 ui] ExGevery Eis wy neuvnuerovg, at- que Eustath. p. 1788, 10 (in disputatione scholio illo simillima) TO Expepeiv MVOTIOLOY Une Eypiv avex popor. Nam aqooreg sunt auvyrot, BeBydos, Auroi (Callim. hymn. II 10; VI 3), sicut Evreroi vocantur oi peuviuero: (Plut. ap. Stob. V 72 vol. V p. 51 Dbn.: aslow Evrezoioi, Ovgage éni0so0s, BsBydor).

Malthac. fr. 102 p. 46 extr. omitti non debebat Athoi Ze- nobii testimonium II 37. Accuratius de Kvidov [jee egi in

6) De fr. 317 dubito, v. infra.

Coniectanea. 37

programmate Lipsiae anno 1886 edito p. 17; addo qui in rem faciunt Kvdtxearac Lydios Hermipp. fr. 70 p. 246.

Ad Nom. fr. 128 p. 58 vereor ut iure omissum sit ‘Zeno- bi’ qui dicitur testimonium volg. 71 p. 26 aiwnry£ [ov]0ego- Qoxeirav* enı 20» ov QaÓ(oc dwooıs &Àuoxopivor (exscr. Ps.-Diog., Greg.): quo Suidae un Gadios dwpoıg nmuDousvov firmatur. Dona quidem accipit callidus homo, sed non facit, quod promisit: sicut volpes esca quidem potitur, sed ita potitur, ut ipse non capiatur (cf. Babr. fab. Vat. 9 = 130 Rutherf.). óegoóoxeiroi passivum non expellendum est.

Odyss, fr. 146 in Etym. M.:

ovx ID: AITAAOYKE(T)ONOOI rani Xeorkevye.

Charixenen antiquam »oovunzw» poetriam fuisse Cobetus Kockius alii credunt; sed lexicographus, quem Etym. M., Hes., interpo- lator Zenobii exscripserunt, eis imposuit vili autoschediasmate, quod taedet transcribere. ‘(Oîa) rani Xagıkerns’ formula quid significet Aristophanes poeta demonstrat Eccles. 942, ubi vetula iuveni: oiumlor roa vj Ala onodijozis* | yao rami XagiEdvgg acd’ sorir, h, e. puella amata non potieris, nisi mihi satis fe- ceris, vel non gratuita haec tibi erunt. Eodem te deducit (quod unus Welcker videtur perspexisse ‘KI. Schr.’ I 32217) Aristopha- nis grammatici interpretatio (a recentioribus ad gl. ém(yewoa trans- posita vel oppressa), quae ipsum Cratini locum in Etymologico ex- cipit: 'Agigroqarge* ot te xuru piodor, all olor ‘sai alia tive’, h. e. zanı Xapıkevyg poeta non dixit ad mercedem respiciens, sed eodem sensu quo ‘etiam alia quaelibet. Itaque formulam illam primam propriamque sententiam ro? au:00f (gratis) habere cen- suit Aristophanes, sed hoc loco translatam eam esse putavit ad quaslibet res viles volgaresque (rà zuyorz«=) significandas, Vides Charixenen (a yeollesSar, gratis aliquid facere) eiusdem prosa- piae esse, cuius Callippidem, Dexo, Doro, Emblo, Dicabum, Pasi- chaream (cf. Anal. ad paroemiogr. 55!) multosque alios, quorum nomina o»ouaronontixGOe ficta sunt aut a volgo aut a poetis, inprimis a comicis (cf. e. g. ipsius Cratini fr. 400 p. 121 K.). Ita zanı Xaorkerng carmina gemella sunt modorum tibicinis Arabii, qui 3oaguijs uà» avÀei, rarragor maverai, ut est apud Me- nandrum. Totum igitur locum duce Meinekio, qui Hesychii gl. id &eza- (dia tiva atque via zu igi Xa. recte huc rettulit, banc fere formam habuisse suspicor:

88 O. Crusius,

Li ovx ide atta, xovxer’ 090° ola tant Xapifévns; - nonne «vobis cecini> nova quaedam mihi propria eaque nequa- quam vilia?

Panopt. fr. 151 p. 60 cur xaranvyær ille Aristodemus zoig Kıuwısloıcı dpeinivıg potissimum Laciadarum in finibus sitis zoynuvıei, Posidippi fragmentum docet Zenob. Ath. I 73: © Aaxıadaı xoi orerect . . . d7uog dori Artis oi Aa- zındaı, xaxet Gapariôec neraicı piovra: tavrais Ü8 youwrras tata Tor Angösrtos porgo équpoltorte:: quae quamquam me- rae sunt nugae, tamen versiculi sententiam bene illustrant (cf. Anall ad paroem. p. 64). Aristodemus ille, 0 zowxz0g cogno- minatus ut Aaxxonownzog et À u x oxaraziyor, inter Aaxta- dag artem suam debebat exercere.

Fr. 153 apıduazoı forma Dorica ne in hexametris quidem delenda erat in fabula, qua Hippo Rheginus transducebatur. Quid enim, si aut ipse aut discipulus eius sententiarum quasi oracula edens hexametris doricas formas adspergebat?

Pylaeae fr. 176 p. 67 Zonvgov radarta recte. explicavit Didymus éx petagogas, otovet Evyu xui nox Essig neque au- diendus Macarius (ezı và» qovriza rina did mioizov bnousud«s- v0»), qui persuasit Kockio. Nam reda:rae, quod ad libram Iovis fatalem referendum est, idem valet quod sors vel fatum. Cf. Il. XVI 658 7:0 yàp Aiôç ign tadarta, Theogn. 157 Zeus yoy tot v0 tadavtoy Emiggeneı &Àlote &Alo,, Euphorio in Meinekii Ana- lectis Alexandrinis p. 87 nenpœusra t«Aarto.

Ad Pytin. fr. 183 Kockius cum glossam non repperisset cita- vit Hesych. apud Casaub. ... ao oioeı tgia; £ni otvov éheyeto url, Sed omnibus verbis scripta haec exstant sub lemmata leviter cor- rupto a.ovorzola* éni olvov éléyeto, Enel v0 mada éxipvato etc., vol. I p. 287 Schm., ubi etiam Fungeri emendatio a Casaubono iure recepta et Cratini fragmentum indicata sunt in adnotatione. Cf. etiam Hes. Phot. s. zgia xai duo.

Fr. 195. 196 p. 72 sq. duo nescio qui nomina eorum recen- sere videntur Kockio, qui indigni ad rem publicam accesse- rint; alterum iubere alterum Clisthenem et Hyperbolum ex numero illorum qui digno sint tanto honore tollere et nomina eorum aptiori loco (?) adscribere. Legimus in fragmento 195:

Ançeis &yov* yeloiog fora Kluodirng xvpavor

Coniectanea. 39

te 1908 ty xadiovs axuy...

Nihil hic de re publica; sed altera‘ persona alteram corripit, quod xupevorra fecisset Clisthenem, hominem delicatum. Atque collato fr. 196 ‘YréyBoior 8 &200g£aus | roig Avyroıcı yo a- wo» (scil. à» 77 na) [Pyt. fr. 204], i. e. in tabulis scripto- ris) verum vidisse Dindorfium intellexi post «xu; transponentem vod@ «vzür dy Ténecooüífq?); Er omodeio quoque libenter reci- perem, si certior esset vocabuli auctoritas (quamquam cf. ozodeo, 62005cilavg« sim.). Comoediam ni fallor audimus in agone nova quaedam poetae inventa corripientem atque veras vov xop- @dsîr vias monstrantem.

Chiron. fr. 245 p. 88 integer transcribendus erat Zenobii Parisini locus, à quo personatus ille Plutarchus non est diversus (= Ath. III 60).

Hor. fr. 252 p. 89

TRUE alta AQUTTO, ‘quo’ ario ovdzv moiy palmarem Dobraei emendationem, prae qua longe abiciendum Toupii Cobetique z/ ravru 70077%w, commendant quae olim compo- suerunt lunius Adag. III 37 p. 162 et Gilbertus Cognatus, Adag. VII 83 p. 481. Recte ad zavra norte (hoc age) locutionem Cratini locum Iunius rettulit; atque locum gemellum e "Terentii Andria 186 attulit Gilbertus, ubi Simo Davo deverticula quae- renti: Aocíne agis an non; Davos Simoni: ego vero istuc. Addo Ter. Eun. 57: Chrem. Alias res agis, Parm. ?stuc ego equidem, Plaut. Poen. V 4,26 (39): Agorast. At enim volo hoc agas Han. At enim ago istuc. Simili ratione Aristoph. Anag. 47 p. 408 K. tour’ avtÓ myatro servi tergiversantis sunt verba, quem nummos amissos quaerere iubet erus. Itaque lepidissimum hoc prover- bium pera rov 8miÀOyov Aeydusror eis est addendum, quae con- gessi in Analectis ad paroemiogr. p. 74. Inc. fr. 279 p. 95 iQ? à v Eu’ abrir ovyxadevderr tH natof

unam novit Kockius quae loqui possit Pelopiam; sed in Aeolo- sicone Aristophanis eundem incestum locum habuisse luculenter exposuit Zielinski (‘Märchenkomödie’ S. 38). Ceterum huc for- tasse fr. 287 ; naig yao Eunaıs gotiv «ti. referendum est.

7) Versus ex agone petitos esse apparet: quem éaecodsov nominari posse non demonstravit Porsonus, Koarivos Mutivy léywv dv Emsıso- diw non modicis mutationibus fingens miraque citandi ratione.

40 O. Crusius,

Fr. 290 p.97 a»0go» apiorwr mace yagyaige: nolıg mirum quod «&. «s«&»0gov coniecit Kockius, cum nulla urbs optimis civibus abundet et yegyafosiy de malis fere praedicetur, Quidni xar ev- yurouôr accipiamus üpiorwr illud?

294 p. 98 apyor etui | viv Aômraios #70. Ad Bubulcos Kockius provocans (fr. 15) is archon, inquit, éntellegendus, qui Cratino chorum negavit eiusque rei ralionem sibi esse reddendam . .. negat. "Verum ita quid sv» sibi velit non intellego. Mihi qui- dem oí»o éneg0sig loqui videtur poeta: cf. Bacchyl. 27, 6 «v- tly 6 ui» nóÀso» uondeuvo Aver, | nace à 0p nbie uo- yaoyxyoery douet |... 06 m(vovrog opuairet xéap; Arist. equitt. 92 sqq. cede; Ora» mirocir &rÜQonot, rote | nhovrovor, diangat- tovel, sixOG0i» dixag xti. Quae sententia in multis fabulis (prae- ter Bubulcos etiam in Pytine) apte proferri poterat.

Fr.298 interpolator Zenobii volgati ex eodem lexico hausit, a quo Hesychius pendet cum Photio et Suida. Suidae testimo- nium II p. 725 Photiano integrius?) omittere non debebant editores.

Fr. 305 p. 101 xai [lolvurgore asider uovorxÿr Ta pus- Gave. Polymnestum lascivorum | carminum auctorem longe . di- versum esse affirmat Kockius a clarissimo illo Colophonio?) Sed de altero hoc poeta apud antiquos altum est silentium; atque ne simile quidem est veri eodem tempore, quo Colophonium prae- dicat Pindarus fr. 188 Bgk., cognominatum fuisse melicum glo- ria non minore apud Graecos florentem. Recte igitur Polymne- stos Colophonium et eroticum confuderunt antiqui. Neque vero quicunque Alcmanis fragmenta perlegerit, auctorem, qui per artes vias illi praeivit (cf. fr. 114), égorix« scripsisse mirabitur. Quo accedit, quod apud Iones potissimum poesis amatoria est exculta. Arcendum hercle novandarum rerum studium non minus in lit- terarum historia quam in verbis scriptorum constituendis.

Parodia Hesiodea fr. 317 videndum est num apte ad prae- cepta Chironum referatur, quorum simillimi sunt hexametri fr. 235—237. Certe Eunidae et Archilochi alio sermone utuntur.

Ad frm. 349 Navow» Navuparmn cf. fr. 401. 69 sq.

Frm. 442 Z&yoa apud Photium explicatur fai rov / aÀAjO eix

8) Hoc quoque loco demonstratur Suidam non pendere ab ipso Photio, sed a Photii auctore. 9) Secutus est eum Flachius hist. poes. lyr. p. 279.

Coniectanea. 41

ovrog Koarivoc. Post rov tribus punctis positis excidisse quaedam Kockius indicat, cum totius versus lacunam esse censeat cum Mei- nekio vol. II p. 206. Sed silentio praeterire non debebat quod iam dudum commode correctum atque a Nabero receptum est: arti toV ade. Quod vel nt70s vocula comprobatur bre- vibus potissimum glossis propria: cf. e. gr. gl. ocyg, o«Eac (vri toU ruasas' ovrog Evrodis), onovürr nouwio®ar, oragvinr, avp- Bolara, cvreAxew tag oye (arti Tov Ovsuysww * ovrog Avtiga- 915), Gvregog, ovsénene yeveaGar (avri tov avvégg: oùrws "Inno- xoarns), cordupeir, Cuvyxowar, cvrtigQgua, cvoquei, opyxwaal, oyi- Ces: quarum glossarum nulla ipsum scriptoris locum continet. Proverbii explicatio Zenobiana Demoni tribuenda est: Anall. ad paroemiogr. p. 147.

Fr. dub. 460 ex Apostolii prov. 669 petitum (Ezeov der- Àorepog* oùrwç Eleye [scr. éléyero] Koarivog 0 xoguixóg x1.) non opus erat in ordinem recipi: tam apertus ineptissimus est homi- nis Byzantini error lexicographi verba bene tradita foede cor- rumpentis. Atque nullam illius fidem esse quis est quin sciat?

CRATES.

Ther. fr. 14 p. 183 de pisce aetate aurea se ipsum assante: dv, Badil’. „add. ovdénmn "ni datto” onto ein.“ ovxour peraorpéwas ceavtòv aii nuceig dielqor. Kockius quid sit wlsiqgor discretum a masess non intellegit, atque Geavtor Siandoety adevgorg Scribendum esse opinatur. At óàei- ger arti zov Elaip yolocı accipi satis notum est: olei autem in Owonorte veterum magnus erat honor. Cf. e. gr. Athen. XIV 645* ad Pherecr. fr. 83 p. 168. De fr. 29,3 rurtnzepor 20xoi Pseudo-'Diogenianum' Kockius non recte citavit cum Meinekio, ubi locuples testis adest Me- nander apud Didymum Zenobii Athoi I 87.

PHERECRATES.

Coriann. fr. 79 p. 166 in veteribus exemplaribus longis versibus scriptum fuisse ipse Hephaestionis auctor testatur inter aovenetyra Üixava)gxvo illud referens, Coniungenda igitur cola priora hunc in modum:

avdoec, noocyere toy vovy vv— | vv ekevonpare xov.

De rhythmo versuum, quos ovuntuxzovg avanatorovg ipse Phe-

42 O. Crusius,

recrates nominavit, vide quae exposui in Musei Rhenani vol. XLII p. 199 sq.

‘Ow’ 12966, aA’ 84 rov Kolorey teoo versiculus, quem Petal. fragmento 184 explicando recte adhibent, a Photio, quem cum Meinekio citat Kockius, minus bene explicatur, quam ab Hesy- chio aliisque a Leutschio ad prov. app. 349 p. 444 laudatis. Ceterum e comoedia Attica eum petitum esse veri non est dissi- mile: audimus imperiosum aliquem mercennarium xaüvnreol- Corza increpitantem. Cf. Cratin. fr. 263.

Ad Petal. fr. 140 p. 186 haec adnotavit Kockius: Praeterea ‘Petale’ commemoratur. Suid. III 592 (Mein) Degexoarns Ileraly youper. sed verba poetae exciderunt. in Bernhardyi editione frustra quaesivi. Sed alterum hunc locum ipse Bernhardyus indicavit in indice p. 2015/16 atque typis exprimendum eum curavit in adnot. crit. vol. H 2 p. 1448; deest in A codice. Quamquam verba poetae non ezciderunt: nam nudos titulos simili ratione saepius addidit interpolator novicius, cf. Koqiurvoî* Degezgarns xeyunzaı, KoanaixnAkoig* Devexodtns A£yer (A in margine), Mvo- pugxerOgonoisy* diegexotzQe youges (apud Bernhard. H 1,916 adn., omisit A).

Dour quiaxny enızarzeı» quo sensu dixerit Pherecrates in Ty- rannide fr. 144 p. 187 dubitare possis, nam proverbii dvalovrog duas explicationes praebuisse videtur lexicographus (Diogenianus), quem et Hesychius sequitur et interpolator Zenobii 198 p. 57:

Zenob. I. ?mi zo» un Gvra- Hes. I. excidit. nero» ta npoçityuara adngowr. II... dia zu arazuaîor avrò II. ézi cà» un deoperor nuog- ire dut. takeng, dia TO avaynaioyg xai ywpis Eminedetceny TOUTO AQUT- cer. Depexoarns Tupavridi.

Sed accedit testis cui aures non praebuerunt omnium gra- vissimus lexicographus Coislinianus 91 Gaisf. (p. 229 adn. in ed. Gotting.) post verba Hesychiana $a: rà» um Gsouérwor torto noarzeır arııynaleodar haec addens: oi yap er Agyırsavauy yr- andErtes Aaxedaimorion xat. yvuroi xai. anopor quyorteg Eteor(xov naguxelevouérov avroîs gulaxag Fyer, ive py À&OoOw avroig sEaigrny énincoórreg AOnvaior, anexolvarto’ dr del Tous yuurovg 85 arayans aygunreiv dic r0 Qíyog (cf. Xenoph. Hellen. I 6, 26 sqq.; Grotii hist. Graec. cap. LXIV vol. IV p. 448 sqq. in-

Coniectanea. 43

terpret. Germ.?. Quae ut narrarentur ipsum Pherecratis locum causam fuisse lubenter crederem, si usque ad belli Peloponnesiaci exitum vitam eum produxisse satis constaret.

De Chiron. fr. 145, 4 sqq.

(Cinesias) sSapuorlovg xuunag noir Er taig orooguig,

10 amviwdey’? ovro, (Musicam), WOTE Trjg mOIGEON

tà» ddvodufor, xadaneg "iy taîs dorici» 19),

apisteg uvtov quiretai ta delta quae exposui in comment. Ribbeck. p. 17 sq. nolo repetere. Il- lud addo, quod difur et agıoregor (xw) or) vetera artis poeticae voeabula fuisse intellegitur ex Aristotelis testimonio metaph. W 6 p. 1093* 26: Buirerur (hexameter) 6’ à» pér ra Selig Eıyem cud- lafaig, 8r 16 aqioreo® 0xt0) (cf. Usener, ‘altgr. Versbau' p. 41 sq.) Quae si recte huc rettuli, versuum priora cola secundum modos musicos etiam posteriore loco cantata esse dicere voluit poeta: qualia facile est observare apud nostrates. Hinc igitur praesidium petere non potest, qui interpretationem Hanovianam probat iuxta eum eis, quae de chori versionibus volgo traduntur.

Fr. 153 p. 193 versus ‘11. 12' ad Hesiodi opera rettulit Kockius, sed ipsos versus illos non exscripsit. Cf. Meinek. FCGr. vol. H 1 p. 336.

Ad fr. inc. 166 p. 196

cel 208° naiv byxshexlCove ot Üsot Leutschius paroem. vol. H p.155 non inepte rettulit Macar. 218 daluor Kidixiog* êni Ta» œnorponuior xvÀ. Ceterum in edi- tione novissima una cum Zenob. 4, 53 proverb. syll. Milleri ci- tatur, quam veram Zenobii recensionem esse dudum constabat.

Fr. 174 0 À«yog ue Baoxutrei (= hvnei) 189 rpxos ad fabellam (cf. Phaedr.19), quam altera persona narrabat, per- tinere conicio. Ita Trygaeus Aristophanis (Pacis v. 1066) ora- - culo audito: 7097» yaponoiaı miOnxarg,

De fragm. dub. 249 éxzoréow nat ty» Toiya iusta causa non est cur dubitetur, quamquam dubitaverunt praeter Kockium Leutschius paroemiogr. II p.212 adn. atque censor quidam ano- nymus in Zarnckii ephem. litt. 1881, 962, ipsum Aristophanis nomen substituendum esse opinantes. Nam Coislinianus, qui no- men poetae servavit (172), non mediocrem habet auctoritatem atque versus Aristophanis Plut. 1085 ovrexmore’ sori 001 x«i tijv

10) ‘Im Spiegel’ Zielinski, *Gliederung' S. 267,

44 O. Crusius, Coniectanea.

eovya paullo aliter est conformatus: itaque ovdey Oavnuactós: cvunínzovot yag aldmkoıs ot roujtai (Did. apud Zenob. Ath. II 52).

Contra fr. 250 cur ad Pherecratem rettulerit Kockius non magis assequor quam qua ratione ductus tractaverit. Scripsit enim: Photius orgaenyıav" énidvueir rig orvarnyıday. cf. fr. 235. perperam eum verbum explicavisse arbitror. sed videtur otoarnyiny in eadem cum fr. 235 fabula a nomine oronenyls non multum afuisse. Nisi forte otoatnyiag scribendum est pro oroatnyldog. Praeter Photium, cuius codex ozoazı@» exhibet, Hesychium con- sulere debebat s. oroazzyzia»: 70 émdvusiv orgar<ny>ias (orpa- zia cod., simili corruptela) atque Suid. s. orgoargyix»* émOvueir orgaznyidos (ita A, ozpaznyiag volg.) xoi oronmyınvea, orgaty- yiag ógsyóusvosy* "Ioanne: (sequitur locus).

Tubingae. O, Crusius.

Ad inscriptiones Phrygias notulae.

Inscriptionis Phrygiae, quae legitur in commentatione Ram- sayi annalium ling. comp. voluminis VIII (XXVIII, 1887) in- serta p. 397, verba quae sunt | K4/4AOMNHKACMENIH | KANAPIAAAH | non recte. transscripsit Ramsay our] xe Kaopeivy. Scribendum erat 4opsívi, quod nomen graeco- barbarum est ad &ouerog (” Aoueroç: Fick, d. gr. Personennamen p. 16) referendum. Cf. 9«1ausv formam p. 386. Versuum popularium atque rudi arte factorum vestigia compluribus in lo- cis observabis pellucentia. Exempli causa profero inscriptionis V (prope Augustopolin inventae) verba extrema execrandi hanc for- mulam continentia: 6, ar xaxóe monassı (corr. Ramsayus) | réxra &oga «Ainoito7 |. Cf. versiculum Boris moogolaeı yeiva x:À. et quae collegit Usener, altgr. Versbau p. 35, unde Alznıro ex barbarorum illorum consuetudine supplevi in exitu mutilato et turbato; nam litterae subscriptae ENTT, e quibus #r7v<yo0170> (?) elicuit Ramsay, ad formulam Phrygiam videntur pertinere, si- cut (quod eodem loco legitur ab altera parte) /7ToN (cf. Ram- sayum). Similis versuum numerus etiam fortius aures tangit in inser XVIII p. 397 sq.: | rés zoizov urnu<e>iov | xax» ysiva mgogeCv£P»xp, || Cav avzag <naga>doizo | Be<p>ow <utv>ag unö O5pio» (scr. 9yvwr) ||. Integros duos audimus hexame- tros ‘demoticos’ copiis Useneri p. 35 addendos. De ris prono- minis usu relativo cf. O. Immisch in 'studiis philol. Lipsiae a. 1887 editis p. 812.

Tubingae. O. Crusius.

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V.

Ein Beitrag zum Vulgärlatein.

In fast allen das Vulgärlatein betreffenden Schriften findet die Thatsache gebührende Berücksichtigung, daf die lateinische Valgärsprache infolge des massenhaften Eindringens griechischer, besonders dem Sklavenstande angehóriger Elemente in Rom stark mit griechischen Ausdriicken verquickt ist, Ausdriicken, deren Lebensfähigkeit so groß war, daß sie in vielen Fällen sogar bereits vorhandene Bezeichnungen der Schriftsprache verdrängt haben. Nirgends dagegen ist, soweit ich sehe, der anderen nicht minder wichtigen Erscheinung genügende Beachtung zu- theil geworden, daß das Vulgüridiom eine gewisse Vorliebe für hybride Bildungen zeigt, sei es nun, daß griechische Suf- fixe an lateinische Wôrter angefügt oder eine Verschmelzung von zwei hinsichtlich ihrer Herkunft heterogenen Ausdriicken durch Komposition vorgenommen wird. Und doch findet sieh von Plautus bis zu den spätlateinischen Schriftstellern eine nicht un- erhebliche Zahl derartiger Wortbildungen, die der Klassicität fern liegen und daher in der frühesten und spütesten Epoche der lateinischen Sprache am bedeutsamsten hervortreten.

Daß Plautus so häufig diese Sprachmengerei vorgenommen hat, kann nicht befremden, wenn man bedenkt, dass er ein der griechischen Sprache müchtiges Publikum voraussetzt. Hat er doch in seinen Komödien nicht selten ganze griechische Sätze, Redensarten und Wörter eingeflochten !)!

1) Vgl. Cas. 607: nodyuaré pos nagéyess. Stich. 707: 7 nen’ j

46 O. Weise,

Wie kann es dann Wunder nehmen, wenn er lateinische selbstgeschaffene Eigennamen mit dem griechischen patronymischen Suffixe versieht und Monstra wie Tedigniloquides, Nummosexpal- ponides, Argentumexterebronides, Nugipalamloquides, Virginesvendo- nides, Quodsemelarripides, Numquampostreddonides (Pers. 702- ff.) produziert oder das gleiche Suffix mit latinisiertem Ausgange zu komischen Formen wie collicrepida, Halsklirrer (weil die Sklaven Halseisen trugen; Trin. 1022), cruricrepida, Beinum- klatscher d. h. einer, dem die Schienbeine vom Schlagen klat- - schen (ibid.), plagipatida, Schlägeerdulder (Capt. 472. Most. 356), rapacida, Räuber (Aul. 368) oder gar zu Bildungen wie perno- nida, Schinkensohn (in Verbindung mit laridum, Schinken) und glandionida (in Verbindung mit suillus, Drüsenstück vom Schwein) Men. 210 verwendet ?)?

Doch Plautus ist noch weiter gegangen. Schon bildet er, anscheinend nach dem Muster griechischer Wörter wie oro«- tıwıng, von hamus eine Form hamiota (Rud. 310) Angler, der wir dann bei Varro sat. Men. 55 wieder begegnen, und ge- staltet das alte Lehnwort nauta = vaurns, das wegen seines Suffixes (das römische Suffix ta bildet nur Feminina) nicht echt rómisch sein kann, unter Anlehnung an navis zu navita um, eine Form, die wir dann bei Tibull, Apul. u. a. öfter wieder finden. Ebenso hat augenscheinlich die von ihm aus dovA:xws übernom- mene Form dulice den Ansto zu der Neubildung pugilice, nach Art der Faustkümpfer Epid. 20 H. gegeben, die mit griechi- schem Suffix von dem Substantiv pugil geschaffen worden ist, man müßte denn annehmen wollen, es habe einst eine römische Weiterbildung pugilicus existiert.

In gleich freier Weise verführt Plautus bei der Wortzu- sammensetzung. Zunächst finden wir bei ihm Komposita, die Teie niv' % un tétrage. Cas. 608: dabo uéya xaxov. Pseud. 712: ya- giv Tovıw now. Versicherungsformeln : ua tov Anollw (Most. 978. Capt. 880) ») tay Koópav, vi; tav Ioaiwéorgr, vn tev Xiyviav, vn tav Poovaı- vova, vy tav ‘Alatosov (Capt. 881 ff), vai yap, x«i tobto vai, xai TovTO

vai yao (Bacch. 1162. Pseud. 488. 484. 488); o£v Cas. 609. nade» (Trin. 705) otystas (Trin. 419).

2) Was wollen gegen solche Formen die wenigen áhnlich gebil- deten Patronymika besagen, deren sich Lucilius, Lucrez und Vergil bedienen: Luciliades (Lucil. dub. 5), Tusculidae (ib. inc. 24), Scipiades (Lucr. 3. 1054. Verg. Aen. 6. 844. cf. Sil. 8. 257), Memmiades (Lucr. 1. 27) und Romulidae (Verg. Aen. 8. 638)? Vielleicht sind sie nach Plautus' Vorbild geschaffen !

Ein Beitrag zum Vulgärlatein. | 47

den Anschein griechischeu Ursprungs haben, die man aber in der griechischen Litteratur vergeblich suchen wird, eben weil sie unser Autor wahrscheinlich selbst gebildet hat. Dahin ge- hóren z. B. tragicomoedia, halophanta, halagoras, hapalopsis, cata- ractria, migdolibs, murrobathrarius, pentethronicus , sacciperium , ha- maxagoga, Bombomachides, Aeschrodora, Cheiruchus, Miccotrogus, Polymachaerophagides, Clitomestoridysarchides, Cricolabus u. a. Dann aber fehlt es auch nicht an solchen, die aus heterogenem Sprach- gut zusammengeschweißt sind, wie ferritribax (Most. 356), Eisen- reiber = Gefesselter von ferrum und ro/ßw, während Trin. 1022 dafiir die rein lateinische Form ferriterus (ferrum und tero) auf- tritt (vgl. Most. 744 ferriterium = ergastulum), ferner ulmitriba (Pers. 278) Ulmenreiber = einer, der gepriigelt wird (vgl. ul- meus Plaut. Asin. 363), flagritriba, Geisselreiber (Pseud. 137 vgl flagrio, onis), manticinari von uavris und cano (Capt. 896) weissagen, biclinium (von bis und xàívpg nach dem Muster von triclinium, tolxAivoy) Speisesopha für zwei Personen (Bacch. 710. 754 vgl. Quint. 1. 5. 68), antelogium (von ante und Adyog nach dem Vorbild von prologus) Prolog (Men. prol. 13 vgl. Fulg. con- tin. Verg. p. 148 M., Auson. ep. 16 praef. extr. und anteloquium Symm. ep. 8. 23), pultiphagus (von puls und gayety) Breiesser (Most. 828 neben pultiphagonides, Poen. prol. 54).

Bei den nachplautinischen Autoren finden sich analoge Er- scheinungen nur in spärlichem Umfange. Verwendung griechi- scher Suffixe bei rein lateinischen Ausdriicken ist nur in we- nigen Beispielen mit einiger Sicherheit nachzuweisen. Dahin gehóren merkwürdiger Weise gerade zwei nur bei dem Grie- chenfresser Cato belegte Wôrter: 1) scutriscum, flache Schlüssel (Cat. r. r. 10. 2; 11. 3), wenn anders dies, wie man gewóhn- lich annimmt, eine Deminutivbildung (vgl. calathus und cala- thiscus) zu dem gleichfalls bei Cato r. r. 157. 11, ferner bei Plaut. Pers. 88, Caecil. com. 68 u. a. bezeugten Nomen scutra, flache Schüssel, Schale ist und hinsichtlich der Bedeutung mit scutrillus (Pompej. comment. 164. 26 K, scutella Cic. T'usc. 3. 46 vgl. scuta, Schale bei Lucil. sat. 5. 17) identificiert werden kann. Denn das echt lateinische gleichlautende Suffix, welches übrigens ziemlich selten ist, hat nie deminutive Bedeutung, was man aus Wörtern wie lentiscus, scordiscus, mariscus, vopiscus, turbiscus, Pe- tiscus ersehen kann, aber auch aus portisculus und acisculus, die

48 O. Weise,

noch ein Deminutivsuffix (-ulus) angenommen haben. 2) apia- con, i, n. Cat. r. r. 157. 2 vgl. Isid. 17. 9. 80 = brassica apiaca (Cat. bei Plin. 19. 136), eine dem Eppich ähnliche Kohlart. In dieser Form ist die griechische Endung on ent- schieden auffüllig, zumal das Adjektivum apiacus mit rein latei- nischem Ausgange daneben fiir denselben Autor belegt ist. Nur fragt sich, ob das letztere nicht vielleicht auch mit griechischem Suffix -(i)dcus = -(v)axog gebildet ist. Die Lexikographen z. B. Georges im lat. deutsch. Handwörterbuch 7. Aufl. scheinen dies anzunehmen, da sie meist a mit Kiirzezeichen versehen, während das rein lateinische Suffix -Zeus z. B. in merdcus und in Ablei- tungen wie hordaceus, arundinaceus, gallinaceus lange Pänultima zeigt. Dichterstellen, die zur Aufklärung über die Quantität des a in apiacus herangezogen werden kónnten, giebt es nicht; über- haupt scheint das Wort außer den beiden oben angeführten ca- tonischen Stellen nur noch einmal bei Hygin fab. 74 Schm. in Verbindung mit corona = Eppichkranz vorzukommen. An sich wire die Ableitung vom Stamme apio- mit Suffix dcus recht wohl móglich, aber einmal giebt es, soweit ich sehe, kein stü- tzendes Analogon aus dieser Zeit für diese Endung bei voran- gehendem i, da ebridcus von ebrius bei Laber. com. 10 R.? jetzt mit Recht in ebriatus geündert ist?), sodann ist in diesem Worte griechischer EinfluB schon durch den Ausgang -on bezeugt und endlich spricht die Analogie von scutriscum fiir die gleiche Sprachmengerei auch in unserem Worte. Ueberdies ist das griech. Suffix (i)äcus wohl nicht bloß in diesem Worte zur Verwendung gekommen, sondern scheint auch in den allerdings spätlateini- schen Ausdrücken comitidicus von comes, mit einer Militärcharge bekleidet, Cassiod. var. 6. 13 lemm., Anthol. lat. 128 lemm. (948 lemm.), stiridcus von stiria, gefroren, gutta, Solin. 27. 48, milicus, mit Hirsen gefüttert, ficedulas sive quas miliacas vocant, Cael. Aur. chron. l. 1. 27 vorzuliegen.

AuBerdem weise ich auf die singuläre Bildung facteon = faciendum = nomréov hin, die sich Cicero in einem Briefe an Atticus 1. 16. 13 scherzhaft gestattet hat, veranlaßt durch das dabeistehende gsAocopntéov (:quare, ut opinor, qulocognreor, et istos consulatus non flocci facteon), wie ja auch Laberius com.

3) Die Quantitàt des spätlat. Vulg. (Amiat.) eccli. 19. 1 belegten ebriacus ist unbekannt,

Ein Beitrag zum Valgirlatem. 45

80! (bei Gell 16. 7. 11) sich für lewis kom des Ausirumkr à venaa bedient, der mit der uurimischen. vermutblici sırmakascaen; Endung -ease von ihm salbst geschaffen zu sein schen.

Ebenso dürftig, wie mit Ahleitung dureh priaschiacae Sufina ist es mit den Beispielen für Zusammensstsung mi rina We minibus in dieser Zeit besiellt Dem wenn man vor oem Ame drucke Pseudocaie ba Cic. ad Au 1. 14. nim. som hier nur die varrenische Form dewtàsrpago (ba. Mempi 4€- von dens und cpxei, Zaimbrecher. Insırımsent sun Zann reißen zu Gebote, wofür ersi Cael. Aur. chron 2 4 % om Tem begegnet.

Von Vitruv an mmmt dam Gieser Vuimu-cHumue wiege BI Ausdehnung zu Formen we sursesrcig mi bomuren ro chischem Kompesitionsvoka!. Sünbsmriwioswmc = £ iL. pen dourbanus 6. 5, 3, asolipilae. Windkurei: vekunes: Gis tenti Sogar der Kaiser Augustus bedieme sict usci Suse Eur Y. Mangold, emer als besmders weict vakemmer “heme Lim Bildung vermittelst des griechischer Suffaes -Ga = u „if Aur., Cassod. Fulgent. Conso. 1 2. wexeuruer Fırmeı ib sizo, Lentuliso, ‘chrisioma'. pogsaisu. maces * 1 Lk ZIE = nüge darthun: ja wenn mer men: nnb fumer we sales ut irulliso gleichbedeu;end nebensimauts esse om gono nea wähnen, daß auch am Ther cer au ew geuibern Tee re chen Ursprungs d. h mr rrecniscuem uftz dem ant zu mal sie mit Ánsnahme vor vibra Tr werner wi liu. trullisso bei Vitruv unt emopimue Li Fer nm Lema te der lingua rustica gros: Rorsssimer semua julien . wr Wi ziemlich späten Ausser vırzımmer: gute “and Seavert 2 gr. L 430 K pote iabiaa, liu... iei. muaaceen culo vr 14u a Dageren mnt ce Fienen ru! mew ve spe. Ts cesso, lacesso. ercezso. snorser. gue Zi use

4) Im Romzevischer iuc dese Midung vetarmuasi ince vet var ter um sich gegrifer

5, Neben dear CET IL ras vie-enser gous Lis wel eit durch die übrigen Büdrngperi nu wet em re = vr

Pbilologes N. F. I 1. 4

50 O. Weise,

Bei Plin. maior 36. 55 vgl. Isid. 16. 4. 5; 6. 102. begeg- nen wir dem Ausdrucke Augustéus, also dem Suffixe Zus zur Be- zeichnung des Anhängers oder Angehörigen = «og in Mvdu- yogesos, während sonst die echt lateinischen Endungen (i)änus und nus in diesem sinne verwendet werden vgl. Caesarianus, Sullanus, Plautinus ebenso dem aus mentum und ayga zusammen- gesetzten Substantiv mentagra, Flechte, Ausschlag am Kinn, wel- ches nach podagra und chiragra gebildet ist; bei Plin. minor findet sich das Wort cryptoporticus ep. 2. 17. 17; 5. 6. 27; 7. 21. 2 vgl Sidon. ep. 2. 2 mit dem gleichen griechischen Kom- positionsvokal oder richtiger Stammauslaut auf o wie in euro- circias und in den viel späteren Ausdrücken:

dextrocherium Capit. Maxim. duo 6. 8. u. 27. 8. Treb. Poll. XXX tyr. 14. 4. Schol. Iuven. 9. 50 von dexter und yeto, Armband.

sagochlamys Treb. Poll. Claud. 14. 5 von sagum und yAapuc, Kriegsmantel.

phallovitrobulum, Capit. Pertin. 8. 5 zweifelh., Trinkgeschirr in Gestalt des männlichen Gliedes (vielleicht mit Momm- sen zu ändern in vitro, fundibuli).

tractogalatus Afric. 5. 188; 6. 251 mit dünnem Kuchenteig und Milch zurechtgemacht.

tractomelitus, Apic. 8. 375, mit dünnem Kuchenteig und Honig zurechtgemacht.

myobarbum. Auson. epigr. 31 zweifelh., Mausbart, lüngliches am Ende spitz zulaufendes Trinkgeschirr.

tramosericus Isid. 19. 22. 14 von trama und ongixog, von leinenem Aufzug und seidenem Eintrag, halbseiden.

granomastix Isid. 17. 8. 7, der kórnige Mastix.

satirographus, Sidon. ep. 1. 11 p. 74 Sav., Satirenschreiber.

scenofactorius, Vulg. act. apost. 18. 3 zur Zeltbereitung ge- hörig.

Scytalosagittipelliger, Tert. de pall. 4 Keulenpfeilundfellträger, Beiname des Herkules.

astrolapsus, Auct. inc. exc. mathem. 1. 8, 2.3 ed. Jan.] Stern- astrolapsum Schol. ad Macrob. somn. Scip. 1. 20. 9 {schnuppen.

liter sapit Vat. @ 551. 8 586. Amplon. 385 stammt wohl aus den al- ten Komikern.

Ein Beitrag zum Vulgärlatein. 51

holoverus Cod. Just. 11. 8. 4. Cod. Theod. 10. 21 lemm., ganz echt, ganz purpurn.

holovitreus Isid. gloss. 1165 und spät. Eccl, ganz von Glas.

euroaquilo Vulg. act. apost. 27. 14, Nordostwind.

euroauster Isid. orig. 13. 11 = euronotus, Süddrittelsüd- ostwind.

pseudoflavus Marc. Emp. 8, fast gelb.

pseudoforum Sulpic. Sev. dial. 3. 14. 1. Ven. Fort. vit. S. Mart. 4. 388 = pseudothyrum, geheime Thiir, Hin- terpforte.

pseudoliquidus, Marc. Emp. 16, fliissig scheinend.

pseudocomitatenses, Cod. Theod. 8. 1. 10, Afterkomitatenser.

melloprorimus, Cod. Just. 12. 19. 5, der der Wiirde des proximus am nächsten steht, von uéllw und proximus 9).

Sonst verzeichne ich an hybriden Bildungen noch zelivira Tert. d. exhort. ad castit. 9, eine Eifersüchtige, limitrophi fundi, Cod. Just. 11. 59 rubr. Cod. Theod. 5. 13. 38 = limitanei, die den Grenzsoldaten gegebenen Aecker, und archisacerdos Ven. Fort. 3. 19. 1, Erzpriester.

Ebenso ist noch mehrerer griechischer Suffixe zu gedenken, die in dieser nachklassischen Zeit auf römischem Sprachboden gewuchert haben: ismus, ista, issa und icus.

1) Mit ismus gebildet erscheinen cerebrismus "Theod. Prisc. II

chr. 18 und denarismus Cod. 'l'heod. 12. 1. 107; 128. 2, wührend die romanischen Sprachen in dieser Hinsicht viel weiter gegangen sind und Bildungen wie deism-, fatalism- , federalism- , gentilism-, latinism-, materialism- naturalism-, nepotism- u. a. geschaffen haben vgl. z. B. Friedr. Koch, histor. Gramm. der engl. Sprache III 2 p. 82.

2) ista erscheint in tablista, Brettspieler, Wiirfelspieler, An- thol lat. 196. 7 (1080, 7) und computista, Berechner von computo = computator, Mythogr. lat. 3. 1. 5; 8. 8. 11. Aehnlich gebildet ist concellita von con und cella, Stubengenosse, Sidon. ep. 8. 11 vgl. concellaria, Stuben- genossin. Das Umsichgreifen dieses Suffixes in den ro- manischen Sprachen dokumentieren Formen wie dentist-,

6) Die nicht sicher bezeugten Ausdrücke oenococtus, tyropatina u. testamentographus übergehe ich hier.

4*

-

52 O. Weise, Ein Beitrag zum Vulgärlatein.

artist-, deist-, fabulist-, fatalist-, federalist-, latinist-, for- malist-, iurist-, papist- u. a.

3) tsa = 4600 in factdicca finden wir in den spätlateini- schen Wortern fratrissa, Schwägerin, Brudersfrau Isid. 9. 7. 17 == fratria Paul. ex Fest..90. 5. Non. 557. 9, sacerdotissa, Priesterin, Schol. Lucan. 7. 778 = sa- cerdos, ferner equitissa, diaconissa, decanissa, fiir welche ich auf die Pauckerschen Indices verweise In den ro- manischen Sprachen tritt uns das Suffix entgegen in comtesse, adulteresse, ducesse, hostesse. maistresse, U. a.

4) %cus erscheint nach griechischem Vorbilde in Ausdrücken wie tussicus, zum Husten geneigt Veget. 5. 64. 3; 6. 8. 1. Marc. Emp. 10, vielleicht auch Zienicus, milzsüch- tig, Cael. Aur. chron. 3. 4. 56; 57, 64 = oninvıxog, strumaticus, mit angeschwollenen Driisen Firm. math. 8. 19 extr. lunaticus, epileptisch Paul. Dig. 21. 1. 43. 6. Vulg. Matth. 4. 24 u. a. = oednuaxes, cedyvdndnxtos, lymphaticus , wasserscheu Hier. ep. 69. 6, gebildet nach stomachicus, chiragricus, strophicus, arthriticus u. a.

Eisenberg i. S. | O. Weise.

Emendationum ad Dionem Chrysostomum specimen II.

Or. XLV p. 118, 4 pro o#wç nescio an scribere liceat Givnwso. Or. XLVI p. 127, 27 post ovdé» inserendum est av. Or. XLVH p. 135, 31 pro 2Ew scr. & Ew: dicitur enim youylar yw, fovylav üyw, tv TOvyí(av ayw, nusquam ri» 5Ovy(av èyw. Or. LXXIX p. 286, 22 pro nuyelaıg ser. æuyyçouooiç (Cobet Mnem. N. S. V 100 mavult yovoaîs, Herodotum III 23 secutus, sed vereor ne haec emendatio pa- laeographica ratione minus commendetur). Addo unum locum ex Synesii Dione p. 324, 24 ed. Dindorf, ubi legitur xay yaQ &7X072Q90Ggmojvijrai, Navy tov Fedigov ylvsraı xai tig ya- Quros: cuius sententiae initium mendo deformatum ita videtur in integrum restitui posse, ut scribamus x&v y&Q «v 7g0çw7o- mostra: de ilis enim Dionis orationibus loquitur Synesius, quibus in dialogorum formam redactis complures homines, quo- rum suam quisque quasi personam tuetur, de rebus ad philoso- phiam pertinentibus inter se disputantes inducuntur. in medii forma zQocwnonoiic9a«, cuius exempla apud integrae Graecitatis scriptores nulla exstant, ne quis offendat, cum azux(Covreg illi, dum media pro activis usurparent, mirum quantum urbanitatis et coloris vere Attici sermoni suo aspersisse sibi visi sint.

Tubingae. Dr. W. Schmid.

Das Valesische Bruchstiick zur Geschichte Constantins. 55 Die politischen Nachrichten, welche Orosius 7, 28 giebt, . sind mit beständigen, wörtlichen Anklingen Eutrop und Hiero- nymus entnommen (vergl. Mérner, De Orosii vita etc. S. 165 und die Nachweise bei Zangemeister). In den speciell das Chri- stenthum betreffenden Abschnitten findet sich eine lingere Stelle tiber Galerius Tod, wo Orosius nach der Weise der christlichen Schriftsteller mit Wonne in Galerius zerfressenem Leibe wiihlt. Als Quelle hierfiir hat Mérner mit Recht die Kirchengeschichte des Rufinus genannt (S. 157). Auferdem vermuthet Zange- meister, daß eine christliche Reflexion in $ 27 im Rückblick auf Augustin c. d. 5, 25 gemacht sei.

Der thatsüchliche Inhalt des Capitels ist somit auf lauter wohlbekannte Quellen des Orosius zuriickgefiihrt !).

Vergleichen wir nun:

Oros. $ 28: mox Go- thorum fortissimas et copiosissimas gentes in ipso barbarici soli sinu hoc est in Sarmata- rum regione delevit.

A $ 34 mor Gothorum fortissimas et copiosis- simas gentes in ipso barbarici soli sinu hoc est in Sarmatarum regione delecit.

Hieronymus 2348 : Ro- mant Gothos in Sa- matarum regione vicerunt.

Calocaerum quendamin § 35 Calocaerum quen- 2350: Calocerus in

1) Dies läugnet freilich Ohnesorge (S. 70). Seine Einwendungen erledigen sich im Allgemeinen durch die im Text gegebene Darstel- lung des Verhältnisses zwischen Orosius u. A. Nar eine Stelle erfor- dert eine kurze Wiederlegung. Es schreibt:

Hieronymus 2347: edicto Con- stantini gentilium templa eversa sunt.

Orosius $28 : tum deinde primus Con- stantinus iusto ordine et pio vicem verit: edicto siquidem statuit. ci- tra ullam hominum caedem paga- vorum templa claudi.

Es ist richtig, daß diese beiden Notizen nicht identisch sind. Orosius spricht nur von Schließung, Hieronymus von Zerstörung der heidni- schen Tempel. In dieser Allgemeinheit sind beide Notizen gleich un- genau, da Constantin in Wahrheit einzelne Tempel zerstóren und ein- zelne schließen liess (Burckhardt, Zeit Constantins S. 361 ff.) Aber da sowohl die unmittelbar vorangehende wie die folgenden Nachrichten des Orosius aus Hieronymus entnommen sind, und zwar in der näm- lichen Reihenfolge, so ist es selbstverstándlich, da8 auch $ 28 trotz der Abweichung und dem Zusatz citra - - caedem durch Hieronymus veranlaßt ist. Beide erklären sich einfach aus der Tendenz des Schrift- stellers: er wollte darstellen, welches Unheil das Heidenthum, wel- chen Begen das Christenthum der Welt gebracht. So stellte er gegen- über den blutigen Verfolgungen der Christen die Behandlung der Hei- den durch das siegreiche Christenthum als eine móglichst milde. hin.

bas.

54 Elimar Klebs,

In der Handschrift führt der erste Theil die Aufschrift: ORIGO CONSTANTINI IMPRIS. In Wahrheit giebt der Ano- nymus eine Geschichte Constantins, welche die Zeit bis zur Al- leinherrschaft ausführlich, die Folgezeit nur kurz behandelt und mit Constantins Tode schlieBt. Für die gesammte Beurtheilung dieser Nachrichten, ja auch für ihre historische Verwerthung ist entscheidend die Art, in der man das Verhältniß unseres Ano- nymus wir bezeichnen ihn in der Folge einfach mit A zu Orosius 7, 28 bestimmt. In beiden Berichten finden sich eine Anzahl von Stellen würtlich gleichlautend wieder, wie schon H. Valois bemerkte; er nahm an, A habe Orosius benutzt und dieser Ansicht folgten die Spüteren. Auch der letzte Heraus- geber der Excerpta Valesiana, Gardthausen (in seiner Ammian- ausgabe S. 280 ff), desgleichen Zangemeister in seiner Ausgabe des Orosius S. XXVIII betrachten Orosius als die Quelle von A.

Dagegen hat Górres'(*Untersuchungen über die licinianische Christenverfolgung’ 1875, und ‘Zur Kritik einiger Quellenschrift- steller’ ete. Fleckeisen Jahrb. 1875, 111 S. 201 ff) die Ab- hüngigkeit des Orosius von A behauptet und diese Ansicht sei- ner Besprechung und Benutzung von A zu Grunde gelegt, ohne freilich für diese Behauptung einen Beweis zu erbringen. Doch nahm L. Schwabe die Ergebnisse dieser Arbeiten in die vierte Auflage von 'leuffels Litteraturgeschichte als erwiesen auf und schreibt S. 1013: ‘Die erste Hälfte, ungeführ aus dem J. 390, ist eine (auf des Eusebius Kirchengeschichte und den verlornen Büchern Ammians beruhende?) wichtige und schon von Orosius benützte Quelle für die Geschichte Constantins’. Zuletzt hat W. Ohnesorge (‘Der Anonymus Valesii de Constantino’, Kiel 1885) in einer sehr ausführlichen Untersuchung A als Quelle des Oro- sius zu erweisen versucht (S. 56 ff).

Es wird dem gegenüber angemessen sein, nicht nur den wahren Sachverhalt einmal direkt zu beweisen, sondern vor Al- lem die Zusammensetzung dieses Berichts genauer darzulegen, als dies bisher geschehen ist. Die mangelnde Einsicht in die Natur unseres Berichts hat in zwei Füllen, bei der Behandlung der Gothenkriege Constantins und namentlich der licinianischen Christenverfolgung, auch zu falschen thatsüchlichen Aufstellungen geführt.

Das Valesische Bruchstiick zur Geschichte Constantins. 55 Die politischen Nachrichten, welche Orosius 7, 28 giebt, . sind mit beständigen, wórtlichen Anklängen Eutrop und Hiero- nymus entnommen (vergl. Mörner, De Orosii vita ete. S. 165 und die Nachweise bei Zangemeister). In den speciell das Chri- stenthum betreffenden Abschnitten findet sich eine längere Stelle tiber Galerius Tod, wo Orosius nach der Weise der christlichen Schriftsteller mit Wonne in Galerius zerfressenem Leibe wiihlt. Als Quelle hierfiir hat Mérner mit Recht die Kirchengeschichte des Rufinus genannt (S. 157). AuBerdem vermuthet Zange- meister, daß eine christliche Reflexion in $ 27 im Rückblick auf Augustin c. d. 5, 25 gemacht sei.

Der thatsüchliche Inhalt des Capitels ist somit auf lauter wohlbekannte Quellen des Orosius zurückgeführt !).

Vergleichen wir nun:

Oros. $ 28: mor Go- A $ 84 moz Gothorum thorum fortissimas et fortissimas et copiosis-

Hieronymus 2348 : Ro- mant Gothos in Sa-

copiosissimas gentes in ipso barbarici soli sinu hoc est in Sarmata- rum regione delevit. Calocaerum quendamin

1) Dies läugnet freilich Ohnesorge (S. 70).

simas gentes in ipso barbarici soli sinu hoc est in Sarmatarum regione delecit.

$ 35 Calocaerum quen-

matarumregione vicerunt.

2350: Calocerus in

Seine Einwendungen

erledigen sich im Allgemeinen durch die im Text gegebene Darstel- lung des Verhältnisses zwischen Orosius u. A. Nur eine Stelle erfor- dert eine kurze Wiederlegung. Es schreibt:

Orosius $28 : tum deinde primus Con- Hieronymus 2347: edicto Con- stantinus iusto ordine et pio vicem stantini gentilium templa eversa vertit: edicto siquidem statuit ci- sunt.

tra ullam hominum caedem paga-

norum templa claudi.

Es ist richtig, daß diese beiden Notizen nicht identisch sind. Orosius spricht nur von Schließung, Hieronymus von Zerstörung der heidni- schen Tempel. In dieser Allgemeinheit sind beide Notizen gleich un- genau, da Constantin in Wahrheit einzelne Tempel zerstóren und ein- zelne schließen liess (Burckhardt, Zeit Constantins S. 361 ff.. Aber da sowohl die unmittelbar vorangehende wie die folgenden Nachrichten des Orosius aus Hieronymus entnommen sind, und zwar in der näm- lichen Reihenfolge, so ist es selbstverstándlich, daß auch $ 28 trotz der Abweichung und dem Zusatz citra - - caedem durch Hieronymus veranlaßt ist. Beide erklären sich einfach aus der Tendenz des Schrift- stellers : er wollte darstellen, welches Unheil das Heidenthum, wel- ehen Segen das Christenthum der Welt gebracht. So stellte er gegen- über den blutigen Verfolgungen der Christen die Behandlung der Hei- den durch das siegreiche Christenthum als eine móglichst milde. hin.

56 Elimar Klebs,

Cypro adspirantem dam in Cypro asp Cyprores novas novis rebus op- rantem novis rebus molitu opprimt- presstt. oppresstt. tur.

Nimmt man hier an, Orosius habe seine Nachrichten nicht aus Hieronymus, sondern aus A entnommen, so fragt man ver- gebens, wie Orosius dazu kam, eine der Hauptquellen seines Buches zu verlassen, da er doch in ihr sachlich genau dasselbe wie in A fand. Man müßte ferner wegen der wörtlichen An- klänge folgern, daB entweder A aus Hieronymus, oder dieser aus jenem seine Nachrichten geschôpft habe. Beides ist gleich unwahrscheinlich. Dazu kommt, daß wir bei der Behauptung, Orosius sei von A abhängig, annehmen müßten, Orosius habe ganze Perioden unveründert abgeschrieben. Dies widerspricht seiner Arbeitsweise. Vergleicht man ein beliebiges Capitel mit seinen Quellen, so zeigt sich, daß Orosius zwar Worte und Wendungen, auch einzelne Sätze seinen Vorlagen entnimmt, aber nicht ganze Periodenreihen ohne jede Aenderung abschreibt.

Wenden wir uns nun zu A, so kann keinem aufmerksamen Leser entgehen, daf) die meisten der mit Orosius gleichlautenden Stellen nach Form und Inhalt von den übrigen Theilen scharf ab- weichen. Formell; denn sie sind in einem leidenschaftlichen Ton gehalten, wührend der Verfasser sonst nirgends mit seinen persón- lichen Anschauungen hervortritt, und seine Erzühlung einfach, ja nüchtern ist. Inhaltlich; denn es spricht aus ihnen ein fana- tisch christlicher Geist. Die $ 20 (= Oros. 7, 28 $ 18), § 29 (= Oros. $ 21), 8 33 (= Oros. $ 1. 2 und $ 28) enthalten triumphierende Bemerkungen über den Sieg der Kirche und die Strafe ihrer Verfolger. Dazu kommt eine Bemerkung über den Tod des Galerius (in supplicium persecutionis iniquissimae ad auc- torem scelerati praecepti (iustissima poena redeunte), welche zwar nicht wörtlich mit Orosius übereinstimmt, aber dem Sinne nach, nur kürzer, Orosius Gedanken $ 12 und 13 wiedergiebt. Schei- det man diese Stellen aus, so findet sich in der ganzen Erzüh- lung kein Wort, das sich auf die Christen und das Christen. thum bezóge. Weder von den Verfolgungen Diocletians und seiner Mitregenten, noch von der Stellung Constantins zum Chri- stenthum wird etwas gesagt, und die ausführliche Erzählung der Kimpfe Constantins und Licinius übergeht günzlich die politisch

Das Valesische Bruchstiick zur Geschichte Constantins. 57

wichtige Stellung beider Regenten zu den religiösen Fragen ?). Es ist wunderbar, daß man niemals Anstand genommen hat als ‘christlichen Autor’ einen Schriftsteller zu bezeichnen, der $ 1 mit einem divi Claudii nepos beginnt.

Die Thatsache wie der Beweggrund der Interpolation liegt somit klar, und, wenn von den vier christlichen Stellen drei wörtlich mit Orosius übereinstimmen, so ist der Schluß sehr ein- fach, daß eben dieser den Stoff zur Interpolation lieferte. Doch läßt sich hierfür auch noch ein direkter Beweis erbringen.

Man vergleiche die folgenden Stellen:

A § 20 in orientis partibus Li- cinto Constantino <consulibus > repentinarabie suscitatus Licinius omnes Christia- nos a palatisiussit expelli. mox bellum inter ipsum

Oros. $ 18 Licinius repen- tina rabie suscitatus omnes Christianos e palatio suo iussit expelli . mox bel- lum inter ipsum Licinium

et Constantinum efferbuit.

Licinium et Constantinum effer buit. 21 item cum Con- stantinus Thessalonicae esset, Gothi per neglectos limites eruperunt etc.

Sed Constantinus Licinium - - in Pannonia primum vicit, deinde apud Cibalas oppressit etc.

Zur richtigen Beurtheilung dieser Stellen ist zu bemerken, daB Orosius die Nachrichten über die Kümpfe zwischen Con- stantin und Licinius aus Eutrop 10, 5, 6 entnommen hat. Schon Eutrop sondert die Kriege der J. 314 und 323 nicht scharf von einander. Orosius, der hier Eutrop sehr flüchtig ausgezogen und verkürzt hat, läßt geradezu nur einen Krieg zwischen beiden stattfinden, der mit Licinius Ergebung endet. Orosius hat fer- ner vorher berichtet, daß einerseits Constantin mit Maxentius, andrerseits Licinius im Kriege mit Maximin lag, und daß sie beide als Sieger aus diesen Kämpfen hervorgingen. Hält man dies zusammen, so wird es vollkommen verständlich , wie Oro- sius, als er zu dem nach seiner Darstellung einzigen

2) Diese klaren Thatsachen hat auch Ohnesorge (S. 58—93) rich- tig erkannt. Doch folgert er daraus nur die “Möglichkeit der Hypo- these’, daß vielleicht vor Orosius ein christlicher Leser A interpo- lierte. Trotzdem wird mit Bezug auf A $ 33 = Or. $ 1. 2 als ‘si- cher’ (S. 77) behauptet, der Anonymus habe nach 363 geschrieben, was dem Autor auf S, 94 wieder zweifelhaft wird.

48 O. Weise,

noch ein Deminutivsuffix (-ulus) angenommen haben. 2) apia- con, î, n. Cat. r. r. 157. 2 vgl. Isid. 17. 9. 80 = brassica apiaca (Cat. bei Plin. 19. 186), eine dem Eppich ähnliche Kohlart. In dieser Form ist die griechische Endung on ent- schieden auffällig, zumal das Adjektivum apiacus mit rein latei- nischem Ausgange daneben für denselben Autor belegt ist. Nur fragt sich, ob das letztere nicht vielleicht auch mit griechischem Suffix -(éläcus = -(+)uxog gebildet ist. Die Lexikographen z. B. Georges im lat. deutsch. Handwörterbuch 7. Aufl. scheinen dies anzunehmen, da sie meist a mit Kürzezeichen versehen, wihrend das rein lateinische Suffix -dcus z. B. in merdcus und in Ablei- tungen wie hordaceus, arundinaceus, gallinaceus lange Pünultima zeigt. Dichterstellen, die zur Aufklärung über die Quantität des a in apiacus herangezogen werden kónnten, giebt es nicht; über- haupt scheint das Wort außer den beiden oben angeführten ca- tonischen Stellen nur noch einmal bei Hygin fab. 74 Schm. in Verbindung mit corona = Eppichkranz vorzukommen. An sich wire die Ableitung vom Stamme apio- mit Suffix dcus recht wohl méglich, aber einmal giebt es, soweit ich sehe, kein stii- tzendes Analogon aus dieser Zeit fiir diese Endung bei voran- gehendem i, da ebridcus von ebrius bei Laber. com. 10 R.? jetzt mit Recht in ebriatus geändert ist?), sodann ist in diesem Worte griechischer Einfluß schon durch den Ausgang -on bezeugt und endlich spricht die Analogie von scutriscum für die gleiche Sprachmengerei auch in unserem Worte. Ueberdies ist das griech. Suffix (i)dcus wohl nicht bloß in diesem Worte zur Verwendung gekommen, sondern scheint auch in den allerdings spätlateini- schen Ausdrücken comitidicus von comes, mit einer Militürcharge bekleidet , Cassiod. var. 6. 13 lemm., Anthol. lat. 128 lemm. (948 lemm.), stiricus von stiria, gefroren, gutta, Solin. 27. 48, miliícus, mit Hirsen gefüttert, ficedulas sive quas miliacas vocant, Cael. Aur. chron. l. 1. 27 vorzuliegen.

Außerdem weise ich auf die singuläre Bildung facteon = faciendum = noinréov hin, die sich Cicero in einem Briefe an Atticus 1. 16. 13 scherzhaft gestattet hat, veranlaßt durch das dabeistehende quAosoggréíov (:quare, ut opinor, quocognreor, et istos consulatus non flocci facteon), wie ja auch Laberius com.

8) Die Quantität des spätlat. Vulg. (Amiat.) eccli. 19. 1 belegten ebriacus ist unbekannt.

Ein Beitrag zum Vulgärlatein. 49

80! (bei Gell. 16. 7. 11) sich für levis homo des Ausdrucks le- venna bedient, der mit der unrimischen, vermuthlich etruskischen Endung -enna von ihm selbst geschaffen zu sein scheint.

Ebenso dürftig, wie mit Ableitung duroh griechische Suffixe ist es mit den Beispielen fiir Zusammensetzung mit griech. No- minibus in dieser Zeit bestellt. Denn wenn man von dem Aus- drucke Pseudocato bei Cic. ad Att. 1. 14. 6 absieht, so steht hier nur die varronische Form dentharpaga (Sat. Menipp. 441) von dens und «aon«&, Zahnbrecher, Instrument zum Zahnaus- reiBen zu Gebote, wofiir erst Cael. Aur. chron. 2. 4. 84 das rein lateinische Wort dentiducum als Uebersetzung von odoriaywyor begegnet.

Von Vitruv an nimmt dann dieser Vulgarismus wieder an Ausdehnung zu. Formen wie eurocircias (mit bewahrtem grie- chischem Kompositionsvokal) Siidostdrittelostwind 1. 6. 10, pseu- dourbanus 6. 5, 3, aeolipilae, Windkugeln bekunden dies deutlich. Sogar der Kaiser Augustus bediente sich nach Sueton. Aug. 87 des vulgiiren Wortes betizare fiir languere von beta, ae, Beete, Mangold, einer als besonders weich bekannten Pflanze. Diese Bildung vermittelst des griechischen Suffixes -(Cw = -iso griff besonders im Spätlatein bedeutend um sich, wie die bei Cael. Aur., Cassiod., Fulgent., Consent, u. a. bezeugten Formen tibieo, singulariso, alapizo, amarizo, praeconizo, sollemnizo, auctorizo, tiro- niso, Lentulizo, (christianizo), paganizo, subcinerizo *) u. a. zur Ge- nüge darthun; ja wenn man sieht, daß Formen wie trullisso und trullizo gleichbedeutend nebeneinander existiren, so kónnte man wühnen, daB auch ein Theil der auf isso gebildeten Verba glei- chen Ursprungs d. h. mit griechischem Suffix geformt sind, zu- mal sie mit Ausnahme von vibrisso (vgl. vibrissae) bei Titin., trullisso bei Vitruv und exopinisso bei Petron (also Leuten, die der lingua rustica grosse Konzessionen gemacht haben), nur bei ziemlich spüten Autoren vorkommen: potisso Claud. Sacerd. a. gr. I. 490 K. poto, tablisso Diom., bibisso, hilarisso, Isidor. or. 1. 4 u. a. Dagegen sind die Formen auf esso wie capesso, fa- cesso, lacesso, arcesso, incesso, petesso®) rein lateinisch.

4) Im Romanischen hat diese Bildung bekanntlich noch viel wei- ter um sich gegriffen.

5) Neben dem letzten steht ganz vereinzelt petisso, das vielleicht durch die übrigen Bildungen auf isso beeinflußt ist. virissat = viri-

Philologus. N. F. Bd.I, 1. 4

60 Elimar Klebs,

gründung zu Hiilfe, zu welcher freilich die des urspriinglichen Berichts übel paBte. Indem er Orosius Worte gedankenlos ein- setzte, wurde in A die grammatische Beziehung der Worte so- ceri sui motus etc. undeutlich, da der Subjectswechsel dnrch nichts markiert wird; bei Orosius schließen sich diese Worte an das Subject der ganzen Periode, Constantinus. Es erscheint ferner durch die Verdrüngung des echteu Berichts jetzt die Ermordung Martinians ganz unmotivirt. Orosius begründete nur die Tödtung des Licinius, weil er Martinianus überhaupt nicht erwühnt. Diese Beschrinkung erwog der Interpolator nicht, als er Orosius Worte, welche nur für Licinius passen, unveründert hinübernahm und doch die Erwáhnung Martinians stehen lief.

Die ebeu behandelte Stelle giebt uns nun den richtigen Maßstab für die Beurtheilung einer anderen $ 20, die von Kirchenhistorikern unendlich oft und unendlich verschieden be- handelt ist. A berichtet $ 19 die Abmachungen des Friedens, welcher nach dem Krieg von 814 zwischen Licinius und Con- stantin geschlossen wurde. Dann heißt es weiter: itaque Con- stantinus et Licinius simul consules facti *). 20 in orientis partibus Licinio Constantino «consulibus? repentina rabie suscitatus Licinius omnes Christianos a palatio iussit expelli, Die Ergünzung consulibus rührt von Valois her und ist allge- mein angenommen; man hat darunter theils das Consulat von 915 (Constantino IV et Licinio IV) theils von 319 (Constantino V et Licinio Caesare) verstanden. Bei der letzten Annahme muß noch der Ausfall eines Caesare oder iuniore vorausgesetzt wer- den. Nun ist früher erwiesen, daß in A die Worte repentina rabie etc. aus Orosius eingeschaltet sind. Nehmen wir also die Ergänzung von consulibus als richtig an, so müßte der Interpo- lator die Zeitangabe anderswoher entnommen haben. Dagegen Sprechen folgende Erwügungen:

1) aus Orosius konnte er sie auch mittelbar nicht gewin- nen, weil Orosius die Vertreibung der Christen vom Hofe vor den Beginn der Kümpfe zwischen Constantin und Licinius setzt. Wer aus seiner verworrenen Darstellung eine chronologische Angabe folgern wollte, konnte spätestens auf das Jahr 314 verfallen.

4) Sunt ist von Gardthausen mit Unrecht gegen den Sprachge- brauch von A eingesetzt.

Das Valesische Bruchstiick zur Geschichte Constantins. 61

2) Ebensowenig aber aus Hieronymus oder Eusebius Chro- nik, wenn überhaupt was sich nicht erweisen läßt Hie- ronymus Nachricht bei Eusebius stand. Denn diese lieferten unmittelbar nur eine Angabe in Jahren Abrahams, in Olympia- den oder in Regierurgsjahren Constantins, Dass aber ein nach Orosius lebender, christlicher Interpolator eine solche Zeitangabe auf Consulate reduciert hätte, wird niemand annehmen.

3) Außer der einzigen, ursprünglichen Angabe bei Hiero- nymus wird diese besondere Maßregel des Licinius weder in ei- ner Chronik noch von einem christlichen Schriftsteller mit einer Zeitbestimmung erwihnt. Es ist also sehr unwabrscheinlich, daß sie in einem uns verlorenen Werk gestanden hätte, welches von keinem anderen der zahlreichen christlichen Schriftsteller und Chronisten benutzt wäre; und daß sie mit einer Datirung nach Consuln versehen gewesen würe.

4) Spricht man die Worte in orientis partibus Licinio Con- stantino «consulibus» dem Interpolator zu, so ist nicht zu erklären, was ihn zu dem Zusatz in orientis partibus veranlaßte. Denn wenige Zeilen vorher war in A § 18 bemerkt, daß Lici- nius Herr des Ostens blieb. Da8 er darum nur im Osten die Christen von seinem Hof vertreiben konnte. war doch auch für den gedankenlosesten Interpolator selbstverstündlich.

5) Das Fehlen der Partikel zwischen Licinio und Constan- tino spricht dagegen, dass hier im Text überhaupt ein Consulat gestanden hat. Schon in der besseren Zeit ist es bekanntlich Regel, daß wenn die consularische Datirnng mit je einem Na- men erfolgt, die Namen mit et verbnnden werden. Als diese Datirungen mit dem zweiten Jahrhundert immer häufiger, im dritten, von amtlichen Urkunden abgesehen, die gewöhnlichen wurden, hat man die beiden Namen durchgängig mit et verbun- den. Die Indices zum C. I. L. bieten die Belegstellen dafür in Fülle. Dazu kommt, daß es mit dem Beginn des dritten Jahr- hunderts überhanpt Regel wird die Consulnamen mit et zu ver binden, wie unter Anderm die Militärdiplome lehren.

6) Schriebe man auch die nicht minder auffällige Weglas- sung der Iterationsziffern einer Nachlässigkeit zu, so wäre doch völlig unerklärlich, was einen christlichen Autor veranlassen

62 mE Elimar Klebs,

konnte, die legitime Ordnung der Namen zu Gunsten des Lici- nius zu ändern °).

Aus diesen Erwägungen ist die Annahme zu verwerfen, der christliche Interpolator habe aus unbekannter Quelle eine Consulatsangabe eingesetzt. Aus den unter 5) und 6) geltend gemachten Gründen in Verbindung mit der Thatsache, daß A außer der Angabe von Regierungsjahren ($ 1, 8, 29, 35) überhaupt keine chronologischen Bestimmungen giebt, folgt, daß auch in dem nicht interpolierten, ursprünglichen Bericht keine Consulatsangabe gestanden hat.

Das consulibus ist also aus dem Text zu entfernen. Ent- weder liegt hier eine handschriftliche Lücke vor ,. oder wahr- scheinlicher eine Verderbniß des Berichts durch den Interpo- lator. Wie in $ 29, der früher behandelten Stelle, einzelne Trümmer des ursprünglichen Berichts aus der orosianischen In- terpolation herausragen, so sind wahrscheinlich auch in $ 20 die ersten Worte der Anfang eines Satzes, welcher durch die interpolierte Stelle verdrängt wurde; durch die Nachlässigkeit des Interpolators blieben jene Worte, obwohl unverständlich ge- worden, stehen.

Es sei schon hier darauf hingewiesen, was später noch im Einzelnen darzulegen ist, daß auch in den $ 5—11 die Be- weise für eine starke Zerrüttung der echten Erzählung vorlie- gen. Was in $ 20 ursprünglich gestanden hätte, ersetzen zu wollen, wäre bei der Dürftigkeit unserer Nachrichten über diese Jahre ein thörichtes Beginnen.

Mag man nun aber auch die Annahme einer handschrift- lichen Lücke vorziehen, in jedem Falle glaube ich erwiesen zu haben, daß hier keine unabhängige Zeitangabe über Licinius Christenverfolgung vorliegt 9).

5) Für 319 versteht es sich von selbst, daß der Augustus vor dem Caesar stand; so auch inschriftlich CIL III 1968. Für 315 versteht es sich nicht minder, daß nach Constantins Sieg über Licinius der Name dieses nachgesetzt wurde, selbst wenn früher im Orient umge- kehrt datirt sein solite. Dazu stimmen die sämmtlichen Fasten.

6) Ueber den Beginn der sogenannten licinianischen Verfolgung ist von Kirchenhistorikern unendlich viel gelehrter Staub aufgewir- belt worden. (Eine Uebersicht der Meinungen giebt Görres K. U. S. 5—29). Dies schreibt sich wesentlich daher, daß man die Stellen des Anonymus, Hieronymus, Orosius als von einander unabhängige

Das Valesische Bruchstück zur Geschichte Constantins. 63

Ein anderer Fehler, eine Art historischer Dittographie, ist durch den Interpolator in die Nachrichten von A iiber die Go- thenkriege hineingebracht. Nach der vorliegenden Gestalt des Berichts ($ 31—32 und $ 34) hat es den Anschein, als würden zwei verschiedene Kriege Constantins gegen die Gothen, beide nach dem J. 324 berichtet”). |

Wie aus der Zusammenstellung S. 55 hervorgeht, ist die Notiz über die Gothenkriege § 34 aus Orosius eingeschoben, der sie aus Hieronymus 2348 nahm. Es bleibt also nur zu prüfen, ob sich diese Ángabe des Hieronymus und die vorher-

Zeugnisse behandelt hat. Der kritische Thatbestand ist nach der im Text gegebenen Darlegung folgender: A scheidet überhaupt aus, ebenso Orosius als von Hieronymus abhängig. Orosius Ansetzung ist lediglich bedingt durch seine Behandlung der Kriege zwischen Con- Stantin und Licinius und gehórt zu den zahlreichen Belegen dafür, da8 Orosius sich um chronologische Bedenken blutwenig kümmerte, vollends wenn eine gottgefallige Tendenz ins Spiel kam. Da der armenische ‘Text des Eusebius hier fehlt, so läßt sich nicht ent- scheiden, ob auch bei ihm die Notiz des Hieronymus stand. Schéne hat eine Stelle aus Cedrenus II 495 in Parallele gestellt; er selbst (praef. p. XLI) hat mit Recht darauf hingewiesen, daß solche Paral- lelen oft sehr zweifelhaft sind. So auch hier. Die chronologische Uebereinstimmung zwischen Cedrenus (zw sd” xai oe’ ét) und Hiero- nymus (15 J.) ist nur scheinbar, da Cedrenns die Regierungsjahre Constantins anders zählt als Hieronymus. Zudem ist für die Zeit Constantins überhaupt jede chronologische Angabe des Cedrenus werth- los wegen seiner, hier wahrhaft heillosen Verwirrung. Dazu kommt endlich, daß Cedrenus Notiz im engsten sachlichen Zusammenhang steht mit einer andern II, 477, die man ihrer Albernheit wegen dem Eusebius nicht zuschreiben kann. So bleibt nur das Zeugni8 des Hieronymus, und wir sind nicht sicher, ob er nicht eine Angabe, die er ohne Datirung vorfand, willkürlich, wie er es öfter nachweislich gethan, auf ein bestimmtes Jahr nagelte. Außerdem kommt noch in Betracht die Angabe in Eusebius V. C. 1, 48. 49, Constantin babe im J. 315 die ersten Nachrichten über die Bedrückung der orientali- schen Christen empfangen. Dies ist der äußere, kritisch gesichtete Quellenbestand. Seine Berücksichtigung von Seiten der Kirchenhi- storiker würde den Streit sehr vereinfachen.

7) Gardthausen (Hermes 17 S. 256) hat sich durch den Interpo- lator irreführen lassen und versteht in $ 34 wirklich einen zweiten Gothenkrieg, der wegen der (gleichfalls interpolirten) Notiz über Ca- locaerus in d. J. 333/334 fallen müsse. Unschuldig aber ist der Interpolator an dem, was bei Schiller (Gesch. d. R. K. II 220) über diese Kümpfe zu lesen ist. U. a. finden im J. 382 zwei verschiedene Kriege gegen die Gothen statt. Constantin siegt am 20. April 332 (Belegstelle: Mommsen im CIL. I p. 3861), sein Sohn Constantin II am 26. April 332. Dies zweite Datum erscheint hier zum erstenmal in der geschichtlichen Ueberlieferung; als Beleg werden genannt Exc. Val. 6,31 und Sozomenus h. e. 1,8, die beide nicht einmal eine Jah- resangabe haben.

64 | Elimar Klebs,

stehende von A § 31 auf dasselbe Ereigniß beziehen; denn Eutrop 10, 7 berichtet von Constantin Gothos post civile bellum varie profligacit.

Die Zusammenstellung dreier Zeugnißreihen giebt ohne Weiteres die Antwort.

A $ 31 deinde adversum Gothos bellum suscepit et inplorantibus Sarmatis aurilium tulit. ita per Constantinum | Caesarem centum prope milia fame et frigore extincta sunt. tunc et obsides . accepit, inter quos et Ariarici regis filium. 32 . sic cum his pace firmata in Sarmatas versus est qui dubiae fidei probantur. sed servi Sarmatarum adversum omnes dominos rebellarunt , quos pulsos Constantinus libenter accepit et am- plius trecenta milia hominum | mixtae aetatis et sexus per Thraciam Scythiam, Macedoniam Italiamque divisit.

Hieronymus 2348: Romani Gothos in Sarmatarum regione vice- runt. 2350: Sarmatae Limigantes dominos suo& qui nunc Ardaragantes vocantur, facta manu in Romanum solum ex- pulerunt.

Fasti Idat. (Roncalli H 87. 88): 332 Pacatíano et Hilariano. his cons. victi Gotht ab exercitu Romano in terris Sorma- tarum die XII Kal. Maii. 334 Optato et Paulino. his cons. Sarmatae servi universa gens dominos suos în Romantam expulerunt.

Es ist also zweifellos in A $ 81 der Gothenkrieg des J. 332, in $ 32 der Sarmatenkrieg des J. 334 bezeichnet.

Der Interpolator nahm mit der Nachricht des Orosius über die Schließung der heidnischen Tempel noch einige, die Profan- geschichte betreffende Notizen herüber, ohne zu beachten oder zu erkennen, daß der Inhalt der auf die Gothen bezüglichen schon vorher in A ausführlicher angegeben war. Auch hier tritt sehr deutlich hervor, daB der Bericht von A, wie er jetzt vorliegt, nicht das Erzeugniß eines Autors ist, der nach ver- schiedenen Quellen arbeitete, sondern eine durch rohe Interpo- lation entstellte Erzáhlung.

Es verbleibt uns noch

A 8 85 item Constantinus cum Oros. 8 31 cumque bellum în bellum pararet $n Persas, in Persas moliretur, in villa

Das Valesische Bruchstiick zur Geschichte Constantins.

suburbano Constantinopolitano vil- la publica iuxta Nicome- diam dispositam bene rem

65

publica iuxta Nicomediam dispositam bene rem publi- cam filiis tradens diem

publicam filiis tradens

obiit.

obiit.

Orosius schópfte hier aus

Eutrop 10, 8: bellum adversus .— Nico- mediae in villa publica obit.

Hieronymus 2353: Constantinus cum bellum pararet in Persas, in Acyrona villa publica iuxta M- comediam moritur

Parthos moliens

Da A mit Hieronymus bellum pararet schreibt gegen bel- lum moliretur bei Orosius so kónnte man daran denken, daB hier der Interpolator gleichzeitig Orosius und Hieronymus vor Augen hatte, doch kann hier auch reiner Zufall gewaltet haben. Sehr auffülig aber sind wieder die inmitten der Interpolation stehenden Worte in suburbano Constantinopolitano. Das Schloß Achyrona lag vor den Thoren Nicomedias *); es wäre also be- greiflich, wenn wir in A lesen în suburbano Nicomediensi; aber es ist nicht verständlich, wie ein Palast in den Vorstädten von Nicomedia gleichzeitig als im städtischen Gebiet von Constan- tinopel belegen bezeichnet werden konnte.

Nach unseren Ausführungen über die $ 20 und 29 ist es

die natiirlichete Annahme, daß diese Worte aus einer Notiz des echten Berichts über Constantins Tod herstammen. Vielleicht war damit in ungenauer Weise der Todesort bezeichnet, und der Interpolator verband damit ebenso gedankenlos wie bei den Go- thenkriegen die Notiz aus Orosius. Dies sind die simmtlichen aus Orosius eingeschalteten Stel- Es sind somit $ 20. 29. 33. 34. 35 wörtlich aus Orosius eingeschoben; zu der Bemerkung § 8 (in supplicium etc.) gab Orosius vermuthlich Anlaß und Stoff ?).

Aus der Art und dem Umfang dieser Einlagen geht her- vor, welche Beweggründe den Interpolator leiteten.

len.

Der ur-

8) Victor C. 41, 16; Eusebius V. C. 4, 51.

9) Gardthausen und Zangemeister haben noch A $ 5 mit Orosius $ 16 und A $ 6 mit O. $ 5 in Parallele gestellt. Aber an beiden Stellen ist der Bericht von A genauer. Die wórtlichen Anklänge in A $ 6 und O. § 5 sind geringfügig und können rein zufällig sein.

Philologus. N. F. Bd. I, 1. 9

66 Elimar Klebs,

spriingliche Bericht, obschon sehr wohlwollend fiir Constantin gehalten, war mit seiner einfachen Erzählung mit seiner be- wußten Ablehnung jedes Eingehens auf die religiösen Verhält- nisse, dem christlichen Bearbeiter viel zu sehr grau in grau ge- halten. Wie konnte einen Christen auch eine Biographie befrie- digen, welche die Strafen der Verfolger nicht minder als die wahren Verdienste des ersten ‘christlichen’ Imperators mit Schwei- gen überging! So setzte er einige kräftige Schlaglichter darauf aus dem Farbentopf eines Autors, der vor Anderen von christ- lichem Fanatismus durchglüht war. Freilich waren es nur Far- benkleckse ; nicht genug, dass die Einheit des Tons vernichtet wurde, die Biographie mit dem divus Claudius begann und den paganorum templa endete, auch der Zusammenhang des Einzelnen wurde gestört.

Erst zum Schluß hat der christliche Bearbeiter auch ei- nige Profan-Notizen aus Orosius eingesetzt.

Es ist außerdem zu bemerken daß in $ 1 die Worte ex qua postea sex liberos Constantini fratres habuit, sich wört- lich bei Eutrop 9, 22 und aus diesem iibernommen bei Hiero- nymus 2307 wiederfinden, (während Orosius 7, 25 schreibt ex qua sex filios fratres Constantini sustulit) Da A mit Eutrop sonst nirgends Beriihrungspunkte zeigt, so liegt hier ein Ein- schiebsel aus Hieronymus vor. Vielleicht ist hier nur die Rand- bemerkung eines christlichen Lesers in den Text gerathen.

Aber der urspriingliche Bericht hat nicht nur Zusätze er- fahren, sondern ist auch verkiirzt und zerriittet worden. Dies tritt in den § 5—11 klar hervor. Einmal begegnen auffüllige Wiederholungen: die Ernennung von Severus und Maximinus zu Caesaren ($ 5 und $ 9), Severus Flucht nach Ravenna (8 6 und S 9), Maxentius Erhebung (8 6 und 8 9) werden zweimal er- zählt. Schon dadurch wird die chronologische Reihenfolge zer- stört; in $ 8 wird Maximians Flucht zu Constantin, Licinius Ernennung zum Caesar (J. 307) und Galerius Tod (J. 311) be- richtet; dagegen bezieht sich $ 10 auf Ereignisse des J. 306. Höchst auffällig ist endlich die Ungleichheit in der Ausführlich- keit der Erzählung. Während Severus’ Schicksale und Galerius’ Zug gegen Rom ausführlich erzählt werden, erfahren wir nichts tiber Diocletians und Maximians Ende. Am auffälligsten aber ist, daß selbst von Constantins Thaten in den Jahren 306—311

Das Valesische Bruchstiick zur Geschichte Constantins. 67

nichts berichtet wird; der Kampf zwischen ihm und Maxentius beginnt unvermittelt in $ 12 mit dem Sieg bei Verona.

Den direkten Beweis, dass in A ein verstiimmelter Bericht . vorliegt, liefern die Worte 8 8 ile ad Constantinum refugit. Wie uns die übrigen Berichte lehren, ist unter ile Maximian zu ver- verstehen. Aus A allein kónnte man dies nie entnehmen; denn sein Eingreifen in die Thronwirren ist in 8 6—7 mit keiner Sylbe erwühnt. Es ist demnach jedenfalls in den § 5—11 der echte Bericht verkürzt und verwirrt. Die Kümpfe zwischen Con- stantin und Licinius 8 18 —29 geben, von den Verderbnissen abgesehen, welche die Interpolationen herbeiführten, eine wohl zusammenhängende Erzählung. Dagegen läßt die unverhältniß- mäßige Kürze der Nachrichten über die Zeit vom J. 324 ab ver- muthen, daß auch hier der echte Bericht nur verstümmelt vorliegt.

Seiner ganzen Haltung nach erinnert dieser Bericht !°) an das, was Photius bibl. cod. 62 von Praxagoras erzählt. Auch dieser schrieb, obwohl Heide (rjv Soncxelav “EAAnvy wy), über Constantins Thaten in wohlwollendem, vielleicht panegyrischem Ton. Auch von Nachstellungen des Galerius hatte Praxagoras wie A § 2. 3 berichtet. Unsere Schrift zeigt zwar überall Par- teinahme für Constantin; so wird bei den Kriegen zwischen Constantin und Licinius dieser als der allein Schuldige hinge- stellt und $ 25 von seiner solita vanitas gesprochen; aber von der entsetzlichen Lobhudelei und. Vergötterung der Byzantiner hält er sich durchaus frei. Gerade dadurch gewinnen seine Nachrichten den hohen Werth, der ihnen mit Recht allgemein beigemessen wird, und der mit Unrecht auch auf die Einlagen aus Orosius erstreckt ist.

Ganz isoliert steht A in Bezug auf die Quellen. Die an- geblichen Berührungen mit christlichen Schriftstellern gründen sich auf die aus Orosius eingelegten Stellen und können darum ohne Weiteres übergangen werden !!)

10) Hier wie weiterhin ist immer der ursprüngliche gemeint.

11) Wenn Görres Fl, J. 111, 209 Benutzung des Eusebius auch aus dem harten Urtheil über Licinius A $ 22 folgert, so sei darauf

hingewiesen, daß die heidnische Epitome 41, 8 (omnium pessimus ne- que alienus a luxu venerio) die gleichen Vorwürfe mit A erhebt.

5*

68 Elimar Klebs,

Aber auch mit den nichtchristlichen Berichten zeigt A keine Quellenverwandtschaft. Die auch von Schwabe aufgenommene Hypothese eines Auszugs aus Ammian stammt wohl aus Opitz’ Abhandlung über Aurelius Victor (Acta soc. phil. Lips. H 257) 1%). Dieser sucht nachzuweisen, daß in der Epitome von C. 39 an derselbe Bericht wie bei Zosimus vorliege; wegen der Ueberein- stimmungen' beider mit Ammian in den erhaltenen Bücher sei auf einen Auszug aus Ammian zu schlieBen. Da A Benutzung derselben Quelle verrathe, die bei jenen vorliege, so habe auch A aus einem Ammian-Auszuge geschöpft.

Wir lassen die allgemeinen Hypothesen hier bei Seite und prüfen nur die thatsüchlichen Beziehungen zwischen den ver- schiedenen Berichten.

Von Eunapius, dessen Bericht uns Zosimus verkürzt über- liefert, ist es sattsam bekannt, daß sein Haß gegen Constantin eben so groB war wie seine Begeisterung für Julian. Er und mit ihm Zosimus stehen also gerade auf dem entgegengesetzten Standpunkt, auf dem wir A finden; ein Umstand, der die An- nahme gleicher Quellen von vorneherein nicht eben wahrschein- lich macht. Dazu kommt, daß die beiden ‘ausführlichen Be- richte bei Zosimus und bei A über die Kriege der J. 314 und 323 keine Verwandschaft zeigen.

Die Stellen, welche eine solche trotzdem beweisen sollen, sind folgende, wobei die Epitome gleich mit herangezogen wer- den móge:

1) A § 4 verglichen mit Zosimus 2, 8 und Ejpit. 41 init. Gemeinschaftlich ist diesen Stellen, nur die Angabe, Constantin habe, zu seinem Vater eilend, die Postpferde gelühmt, um seine Verfolgung zu hindern. Die Einzelheiten sind widersprechend : a) nach Zosimus und der Epitome flieht Constantin heimlich von Galerius, wührend A berichtet eum Galerius patri remisit; Con- stantin ergreift nach A jene List ut Severum per Italiam tran- siens ritaret. b) Nach Zos. und der Ep. erreicht Constantin sei- nen Vater in Britannien und trifft ihn im Sterben liegend ; nach A in Bononia, worauf Constantius noch einen Sieg über die

12) Die gleiche Vermuthung wurde früher schon ohne Begründung von Pallmann ausgesprochen, Geschichte d. Vólkerw. II 258.

Das Valesische Bruchstiick zur Geschichte Constantins. 69

Picten erficht. c) Nach der Ep. flieht er von Rom aus, nach A aus dem Orient; denn er wird nach einem Kriege mit den Sar- maten von Galerius entlassen, wihrend Severus als Caesar in Italien herrscht; er streift nur (transiens) Italien.

Hier liegt demnach in A ein von Zosimus und der Epitome ganz verschiedener Bericht vor. .

2) A § 10 verglichen mit Zos. 2, 10 und Epit. 40, 3.

Der Ort, wo Severus ermordet wurde, heißt bei A in villa publica Appiae viae tricensimo miliario, bei Zos. Tota Kannleîa, Die sachliche Uebereinstimmung bei verschiedenen Bezeichnungen, von denen sich eine aus der anderen nicht unmittelbar ableiten läßt, zeigt recht deutlich, daß hier verschiedene Berichterstatter die gleiche Thatsache erzühlen. Der Epit. u. A ist freilich noch die An- gabe gemeinsam, Severus sei beigesetzt in G'allieni monumento; im Uebrigen nennt als den Urheber der Ermordung die Epi-

bei der Epit. ungenau Romae ad Tres Tabernas.

tome Maximian, Zosimus Maxentius; in A wird nur gesagt iw- Nach Zosimus veranlaßt die Ermordung Galerius zum Einschreiten; nach A geschieht sie cum Galerius Italiam pe- teret, so daß umgekehrt Galerius’ Heranrücken die Ermordung

gulatus est.

veranlaßt zu haben scheint.

Dies sind die beiden Hauptstellen für die angebliche Iden- tität beider Berichte. Ihre Zergliederung wird genügen, um die Behauptung eines Ammianauszuges in A als unbegründet zu erweisen.

Nicht minder unbegründet ist die Behauptung Ohnesorges (S. 27 ff) A sei von Polemius Silvius in seinem Laterculus be- nutzt. Einer Prüfung werth ist überhaupt nur eine Stelle:

A 8 35: [Calocaerum quendam in Cypro aspirantem novia rebus appressit.] Dalmatium filium fra- tris sut Dalmatii Caesarem fecit. eius fratrem Annibalianum data ei Constantiana filia sua regem regum et Ponticarum gentium con- stituit.

Pol. !#) Vel Calocaerus Cypro ty- rannus fuit, sive Dalmatius frater illius de matre alia, de quo nati sunt Gallus et Iulianus qui im- peravit, factus est Caesar. Han- nibalianus frater praedicti factus est rez regum gentium Ponti- carum.

13) In Mommsens Ausgabe, Abhandl. d. sächs. G. d. W. III 244

vgl. VIII 695.

70 Elimar Klebs,

Die erste Notiz ist in A aus Orosius interpoliert und stammt aus Hieronymus; Polemius, der diesen am Anfang nachweislich benutzt, entnahm sie vermuthlich ebendaher. In der zweiten giebt Polemius eine falsche Nachricht iiber die Herkunft von Gallus und Julian und verwechselt Delmatius, den Bruder Con- stantins, mit dem Neffen, dem Cäsar Delmatius; dagegen hat A das Richtige. Zur dritten Notiz schreibt Ohnesorge (S. 82): ‘der Titel res regum findet sonst wohl kein Seitenstiick in der alten Geschichte; jedenfalls ist diese Bezeichnung so auffallend und der Umstand, daf der A und Polemius diese Nachricht ge- meinsam haben, so gravierend, daß man aus dieser Ueberein- stimmung auf eine Abhingigkeit des Silvius von A zu schlieBen geneigt ist. Thatsächlich bemerken wir:

1) Hanniballianus heißt auf den Münzen (Eckhel VIII 104) rex, ebenso bei Ammian 14, 1, 2. Der genauste Bericht über die Reichstheilung Constantins, die Epitome 41, 20 bezeichnet als sein Gebiet Armeniam nationesque circum socias, d. h. also Armenien, Pontus, Cappadocien.

2) Den Titel ‘König der Könige’ führten, wie allbekannt, nach dem Beispiel der Achaemeniden die parthischen und neu- persischen Könige; für andere orientalische Herrscher giebt Eckhel IV 459 Belege. Für einen römischen Herrscher ist rer auffallend genug; in der officiellen Verwendung dieses Wortes spiegelt sich klar wieder der Uebergang des römischen Princi- pats in die orientalisch angehauchte, griechische Monarchie. Gegen den Titel rex regum aber sprechen von Vorneherein in Gleichem politische Erwägungen wie die unter 1) angeführten Zeugnisse.

3) Nach strenger Auslegung bringt Polemius diesen auch nicht vor; rex regum gentium Ponticarum kann nur bedeuten: König über die Könige der pontischen Völker, d. h. römischer Oberlehnsherr über einheimische Dynasten. Ob es solche da- mals im gesammten Gebiet Hanniballians noch gab, können wir nicht entscheiden, zumal bei seinem höchst vergänglichen (J. 335—337) Königthum. Immerhin könnte die Bezeichnung, ob- wohl sicher weder titular noch correkt, etwas Richtiges enthalten. Nach A dagegen hat es freilich den Anschein, als hätte H. den Titel rex regum empfangen. Aber ist die überlieferte Lesart

Das Valesische Bruchstiick zur Geschichte Constantins. 71

richtig, und vor et nichts ausgefallen, so erweist sich die Notiz von selbst als verkehrt. Denn der Titel ‘König der Könige und der pontischen Vólker' parodiert sich selber.

Dieser angebliche römische ‘Großkönig’ 14) steht wahrlich nicht einmal auf thönernen Füßen !

Der Mangel jeder Berührung mit anderen erhaltenen Be- richten erschwert in hohem Maße die Bestimmung des Charakters und der Zeit derjenigen Schrift, von der uns hier ein Bruch- stück vorliegt. Daß die gegebenen Nachrichten auf die Bericht- erstattung eines Zeitgenossen zurückgehen, unterliegt aus inneren Gründen keinem Zweifel. Aber es braucht darum nicht die Schrift eines Zeitgenossen Constantins gewesen zu sein, welche später ein Christ verkürzte und mit christlichen Zusätzen versah. Und war jene Schrift eine Biographie oder eine weiter reichende Chronik ? Prüfen wir zunächst die letzte Frage, so tritt eine besondere biographische Berücksichtigung Constantins nur in dem Abschnitt hervor, welcher die Jugendgeschichte Constantins be- handelt ($ 2—4). Im Uebigen erzählt das Stück in der vorliegenden Gestalt freilich lückenhaft die Geschichte der Zeit vom J. 306 an nnd bringt persönliche Notizen auch über Severus $ 4, Galerius $ 11, Maxentius $ 12, Licinius $ 22; es werden ferner auBer fiir Constantin auch fiir Diocletian $ 1, Galerius $ 8, Licinius $ 21 die Regierungsjahre angegeben. Ferner hebt unser Bruchstiick mit den Worten an Diocletianus cum Herculio Maximiano imperavit annos XX. Ein solcher Ein- gang zu einer Biographie eines Nachfolgers würe nicht blos ohne Beispiel, sondern in der That befremdlich. Man wende nicht ein, daß bei einem früheren Beginn des ursprünglichen Berichts die Ernennung des Constantius und Galerius zu Cäsaren nicht erst an dieser Stelle hütte erzühlt werden kónnen; bei der an- derswo nachweisbaren Ueberarbeitung ist die Annahme gestattet, daß hier der Bearbeiter aus dem Früheren ergänzt hat. So ha- ben wir es wahrscheinlich mit dem Bruchstück einer biogra-

14) Er erscheint, sogar als Träger politischer Combinationen, zu- letzt bei Schiller, Gesch. d. KR. K. II 236.

72 Elimar Klebs,

phisch angelegten Kaisergeschichte zu thun, ähnlich denen, die bei Eutrop, Aurelius Victor und in der Epitome vorliegen. Von ihren Grenzen wird sich nur die untere insoweit ungefähr be- stimmen lassen, als es gelingt, die Zeit des Verfassers festzu- stellen.

Unmittelbare, eigene Angaben des Verfassers über seine Zeit fehlen. § 4 steht die Bemerkung: Bononiam quam Gall prins Gesoriacum vocabant. Da aber der Name Bononia (Bono- niensis oppidi) schon bei Eumenius Paneg. 7, 5 (aus dem J. 310/311) erscheint, während dieser Paneg. 2, 6. 14 (J. 297) noch Gesoriacensis bietet; da ferner Eutrop und Ammian nur Bononia gebrauchen, so war diese Form offenbar die seit Beginn des vierten Jahrhunderts übliche, und wir gewinnen aus jener Bemerkung nichts Neues. Ebensowenig aus anderen geographi- schen Bezeichnungen. Zwar findet Mommsen (Abh. d. Berl. Ak. 1862 S. 417 An. 15) eine Verwandtschaft zwischen dem Sprachgebrauch unseres Stiickes und dem des Veroneser Pro- vinzenverzeichnisses vom J. 297. Doch gestatten die dafür vor- gebrachten Momente keine sicheren Schlüsse !5). Ebenso fehlt es an anderen technischen Bezeichnungen, die zu genaueren Zeit- bestimmungen führten. Protector $ 1, veredi = Postpferde (wie C. Just. 50, 12, 4. Rescript vom J. 362), dux limitis § 17 kónnten in jeder Schrift des vierten und fünften Jahrhunderts stehen. So verbleibt von äußeren Momenten nur noch die Sprache des Bruchstücks als Anhalt für eine ungeführe Zeitbe- stimmung.

In Bezug auf den Wortschatz ist zunüchst bemerkenswerth, daß ausschließlich spätlateinische Worte, von den wenigen tech- nischen Ausdrücken abgesehen, kaum begegnen. Nicht minder bemerkenswerth ist die völlige Abwesenheit von Worten oder Wendungen, die dem kirchlichen Latein eigenthümlich sind. Er- wühnenswerth ist in lexikalischer Beziehung nur Folgendes:

15) Mommsen meint Pannonia in $ 9 Moesia in $ 18 und 21 be- zeichneten offenbar die Dioecesen; auch stehe Oriens $ 5 und 18 so, daß darunter Aegyptus mitverstanden zu sein scheine. In Bezug auf Moesia ist diese Auffassung sicher nicht statthaft für $ 18, wie schon Górres (a. a. O. S. 205) richtig erwiesen hat. Pannonia bezeichnet $ 8 die Landschaft; in § 9 steht Pannoniae (scl. urbes). Auch wenn man diesen ungenauen Ausdruck der Dioecese Pannonien gleichsetzt; wird damit für unsere Untersuchung wenig gewonnen, da noch die N. D. Occ. 6, 14 ‘Pannonia’ bietet.

Das Valesische Bruchstiick zur Geschichte Constantins. 73

distabuit $ 4; in eigentlicher Bedeutung wie hier nur aus vorklassischer Zeit, dann aus Vegetius med. belegt. ster-: nere = vernichten $ 8 plurimis stratis, $ 15 convictus et stratus est. Sehr gewóhnlich in Verbindung mit caede, ferro und Aehnlichem, wird es alleinstehend von den Lexica nicht belegt; doch braucht es ebenso Hieronymus !®) in der Chronik 2393: Alamannorum triginta circiter milia strata, talia frustrante (die HS. frustante) 8 15 = vereiteln, abschlagen; ähnlich bei Columella und Curtius. noscente & 4 falsch für experto. caput incisum § 12 statt abscisum. pervolavit ad Sir- mium § 16; in historischer Darstellung gewöhnlich advolare. (Bei Cicero Somnium Scip. 9 steht es im ursprünglichen Sinn und in gehobener Darstellung; sonst als Transitivum gebräuch- lich). ülue lato agmine inflexit $ 24; sonst nicht belegt, vielleicht nur zufällig; flectere in Prosa so schon bei Livius . (flexi medial $ 18). precibus magis quam armis optata merca- retur $ 7; damit würe hóchstens zu vergleichen Cicero ad Att. 9, 5, 5: haec officiu mercanda vita puto. Doch bleibt Cicero im Bilde, während armis auch bildlich nicht als Angabe des Preises betrachtet werden kann; mercari miifite einfach ‘erhalten, errei- chen’ bedeuten. Da in dieser Bedeutung mereo und mereor bei den späteren Historikern sehr häufig vorkommt, liegt es nahe ‘mereretur’ zu vermuthen. desperata maris spe S 27 ist ohne Beispiel. apud Philippos constitutum $ 17 ist hier noch = qui se constituerat, aber verwandt dem spütern Gebrauch, wonach constitutus = agens wird. So braucht es öfter Orosius z. B. 7, 15 in Pannonia | c. 7, 25 in Illyrico c.; Sulpicius Seve- rus verwandelt in der Beschreibung des Brandes Roms Tacitus’ Worte Nero Anti agens (ann. 15, 39) in Nerone apud Antium constituto (chr. 2, 29). Aliquaca regalis (Gothorum) = ‘Häuptling’ hat Ammian mehrfach; genau entspricht der Alaman- nus regalis 27, 10, 1. obsidio terrena § 25 ist gebraucht ähnlich wie ster terrenum bei Plinius n. h. Endlich mag er- wühnt werden de parte Licinii $ 23 = a partibus.

Die relative Reinheit des Wortschatzes und Wortgebrauchs, die aus dieser Zusammenstellung erhellt, läßt sich, als negative

16) Ammian braucht es ófter alleinstehend bei Kampfschilderungen, doch mit Festhaltung des ursprünglichen Sinnes. Gleich caedi wie oben könnte es gefaßt werden 31, 15, 7 sterni et sauciari.

74 | Elimar Klebs,

Eigenschaft, schwer anschaulich machen. Aber um den Gegen- Satz zu empfinden, braucht man nicht zu dem zweiten Valesischen Bruchstiick oder zu Jordanes hinabzusteigen; es genügt ein Hinweis auf die Kaiserbiographen, die an späten und vulgären Wendungen sehr reich sind, obwohl sie in ihrem ersten Theil bis Elagabal wesentlich den Sprachbestand des dritten Jahr- hunderts widerspiegeln.

Dasselbe Verhältniß zeigt sich auf grammatischem Gebiet. Weder in der Formenbildung !?) noch in der Syntax zeigen sich wirkliche Barbarismen. Zwar steht $ 12 de cuius origine mater eius cum quaesitum esset confessa est; aber es ist verkehrt quaesitum, wie thatsüchlich geschehen, ohne Weiteres gleich in- terrogata zu setzen. Hier liegt eine Ellipse vor; rein gramma- tisch sind solche zahlreich bei unserem Autor in Bezug auf die Formen von esse 5. 9. 18. 16; regelmäßig beim Infinitiv $ 18 (bis). 21. 27) und auf die Weglassung der Pronomina ($ 3. 12. 18). Aber auch stilistisch zeigt A ein entschiedenes Streben nach Kürze !8): 8 16 cum Senicius posceretur ad poenam, negante Licinio fracta concordia est; & 25 obsidionem terrenam maris securus agitabat; § 27 victoriam maritimam Crispo conveniente co- gnoscens ; S 17 ab utroque concurritur et post dubium ac diuturnum proelium | Licini partibus inclinatis profuit noctis auxilium, Dieses letzten Satzes, in welchem die Hauptsache im Participium steht, hütte sich auch ein Historiker der guten Zeit nicht zu schümen. Es ist darum ohne jedes Bedenken in 8 12 ex ea zu ergünzen und dem entsprechend zu interpungieren mater eius, cum quae- situm esset, —.

Anders steht es mit § 35: Annibalianum regem regum constituit, ita ut Gallias Constantinus minor regebat, orientem Constantius Caesar, Illyricum et Italiam Constans, ripam Gothicam Dal- matius tuebatur. Die Annahme, hier lägen Vergleichungssätze vor, scheint mir zu gekiinstelt, zumal bei der sonst hóchst einfachen Schreibweise des Autors; audrerseits ist die Annahme, hier lige ein Folgesatz im Indicativ vor, schon dadurch ausgeschlossen, daf es an einem regierenden Satze fehlt. Nun wurde aus sachlichen

17) Chalcedonam $ 27 ist vielleicht nur handschriftlicher Fehler.

18) In dieser Beziehung wie in der Vorliebe für die erwühnten grammatischen Ellipsen zeigt A grofe Verwandschaft mit den Cae- sares des Aurelius Victor.

Das Valesische Bruchstiick zur Geschichte Constantins. 75

Gründen früher erwiesen, daß auch am Ende des Bruchstücks des Interpolaters rohe Hand gewirthschaftet hat. Wahrschein- lich stand in dem echten Bericht worauf eben ia ut führt ein Satz des Sinnes, Constantinus imperium divisit ita ut .... regeret. Der Wegfall des Hauptsatzes machte den Conjunctiv unbegreiflich und vielleicht erst ein spüterer Abschreiber corri- gierte den scheinbaren Fehler. Im Uebrigen bietet A gramma- tisch wenig Bemerkenswerthes !?) Vor Allem, der Gebrauch der Casus, der Gebrauch und die Rection der Prüpositionen ist voll- kommen correkt. Selbst der gewöhnlichste Fehler dieser Art, falscher Gebrauch des Accusativ und Ablativ nach der Präpo- sition in kommt nirgends vor. Desgleichen mangelt gänzlich die dem vulgären und späteren Latein eigenthiimliche, fehler- hafte Ersetzung von Infinitiv- und Participial - Constructionen durch Sätze mit quod und quia.

Von Einzelheiten ist zu erwühnen: § 23 und 24 stehen miserat und expleverat für das Perfectum, ein aus klassischer Zeit seit Sallust wohl bekannter Gebrauch, der unter den späteren Historikern in den Cäsares und in der Epitome besonders häu- fig begegnet. Falsch und auffalligist das Plusquamperfectum in 818 hoc Licinium foedere sibi fecit adiungi ut Licinius. Constan- liam . . . . duxisset uxorem, und zu erklären nur dadurch, daß der Gedanke ausgedrückt werden sollte, aber unlogisch ausge- drückt wurde: durch einen Vertrag, in Folge dessen Licinius Constantia geheirathet hatte, ist ein Bundesverhältniß zwischen ihm und Constantin geschaffen. In $ 6 suscepit Italiam et quicquid Herculius obtinebat ist zu erklären: bis dahin besaß.

Dum = während verbunden mit dem Conj. Imp. steht nach Valois Conjectur (quod die HS.) 8 25; so schon seit Livius (Dräger II 609) Ne aliquis S 11 und facere = bewirken mit Acc. c. Inf. 8 10. 13 sind gewóhnliche Verbindungen des späteren Lateins (Dräger I 91. 92; II 417). § 27 se viderat

19) Freilich darf man als Maßstab nicht den ‘alten Sprachge- brauch’ anlegen, wie Ohnesorge S. 10 ff. beständig sagt, das heißt etwa die Kegeln von Ellendt-Seyffert. So figuriert denn z. B. unter den Barbarismen (S. 14) die Setzung von Präpositionen bei Städte- namen in Fällen ($ 8. 16. 29), wo sie auch fehlen könnten. Doch schon Kaiser Augustus trug kein Bedenken praepositiones urbibus ad- i sagt Sueton Aug. 86, und das Monumentum Ancyr. giebt die elege.

76 Elimar Klebs,

obsidendum, scl. esse, welches A beim Infinitiv beständig fortläßt. Hier liegt offenbar die Ersetzung des Inf. Fut. Pass. durch das Participium auf -ndus mit esse vor; ein Gebrauch, der im vier- ten Jahrhundert sehr häufig ist, später nur vereinzelt auftritt (Dräger II 830, Neue, Formenlehre II 385).

Ungünstiger muß das Urtheil nach stilistischer Seite hin lauten. Zwar ist zu berücksichtigen: 1) daß durch die Inter- polationen aus Orosius der Zusammenhang mehrfach gestört ist; 2) daß sicher in $ 5—11, wahrscheinlich auch am Schluß der echte Bericht nur in einem verwirrten Auszug vorliegt. Aber trotzdem und obwohl einige Sätze von wohlgelungener, prägnanter Kürze sind, ist im Allgemeinen die stilistische Kunst des Autors als sehr ärmlich zu bezeichnen, namentlich im Satzbau und in der Satzverknüpfung. Als besonders charakteristisch tritt her- vor die übermäßige Verwendung des Ablativus abs. (zuweilen auch grammatisch incorrect wie $ 3 Galerio mittente) und des Participium Praes. So findet sich in dem kurzen Stiick $ 18 —18 Folgendes: oppresso, celebratis, reverso, additis, caesis, sublata, collecta, remissis, reparato, fatigatis, quo facto persuadens, fru- strante, tubente, negante, credentes, festinans, postulante et pollicente.

In den § 24—27 finden sich die Participia Praes.: niten- tibus, agentem, fugiens, conveniente cognoscens, auziliantibus, pars vincens, fugientibus.

Sicher ist diese starke Verwendung des Part. Pr. durch das Streben des Autors nach Kürze mitbedingt, aber nicht aus- schlieBlich individuell. Schon die Kaiserbiographen zeigen eine erhebliche Zunahme des Gebrauchs und setzen es häufig ganz aoristisch. Ebenso oft wie in unserem Bruchstück steht es bei Eutrop, im letzten Abschnitt der Epitome) c. 39 —48, wo eine andere Quelle als vorher zu Grunde liegt) und namentlich bei Ammian. Doch beschränkt sich diese Erscheinung nicht auf die Historiker; sie findet sich auch im Roman, ebenso bei Apu- leius wie in der Historia Apollonii, deren lateinische Urgestalt aus dem dritten Jahrhundert stammt 2°),

20) Mit Unrecht ist wiederholt der háufige und aoristische Ge- brauch des Part. Pr. als ein Gricismus einzelner Schriftsteller behan- delt. Für Ammian wäre diese Annahme statthaft; im Uebrigen wird sie durch die Allgemeinheit der Erscheinung wiederlegt. Der sonst richtige Satz, daß die weitaus häufigste Participialconstruction im La-

Te. PT SU mue TS

Das Valesische Bruchstück zur Geschichte Constantins. 77

SchlieBlich seien hier noch einige Einzelheiten verzeichnet, in welchen sich A mit den späteren Historikern beriihrt.

Iste steht § 1 = hic oder is. In bestündigem Wechsel mit Aic findet es sich fast in jedem Capitel der Epitome mehr- fach. Contra fidem findet sich nur § 21; dagegen zur Be- zeichnung der feindlichen Richtung adversus § 6. 13. 31. 32, Ebenso braucht Eutrop um zu bezeichnen ‘im Widerspruch mit, im Gegensatz’ nur contra; wo die feindliche Richtung angegeben werden soll contra und adversus (adversum). Und zwar so, da in den ersten 7 Biichern fiir diesen Fall contra ungefähr 4mal so häufig ist als adversus, während in den drei letzten, das Ver- hältniß sich umkehrt und 5 : 18 wird. Da Eutrop seine Quel- len zum großen Theil wörtlich abschrieb, so erklärt sich jene Verschiedenheit sehr einfach aus der Verschiedenheit der Quellen, und der häufigere Gebrauch von adversus in den letzten Büchern weist darauf hin, daB bei einzelnen, späteren Historikern adver- sus an Häufigkeit zunahm *!. Apud mit einem Städte- namen steht $ 4. 12. 13. 15. 17 | bis) 27 (sicher = in $ 18); ein gewöhnlicher Gebrauch späterer Historiker (Dräger I 586), namentlich Victors und Eutrops. Im späteren Latein schwin- det bekanntlich das Adjectivum magnus und es treten dafür in abgeschwächter Bedeutung grandis, ingens, nimius ein. Von die- sen Ersatzworten hat A in $ 23 grandi classe, in $ 6. 8. 30 ingens, während nimius ganz fehlt. Auch in dieser Beziehung berührt sich A am engsten mit Eutrop. Während bei den Script,

teinischen der Abl. abs. mit dem Part. Perf. Pass. ist, gilt für die genannten Autoren nur in erheblicher Einschränkung. Nur ein Paar Belege môgen hier noch Platz finden: Bei Eutrop in Buch 10 steht das P. Pr. absolut 7mal (6 Abl. 1 Dativ), als conjunctum 20, im Gan- sen also 27 mal gegen 29 Abl. abs. mit P. Pf. In der Epitome c. 39—41 ist das Verhältniß 32 : 22. Aus den Script. h. A. wähle ich ıwei Participia, die besonders im Verdacht des Gräcismus stehen di- cens = elnwy nebst verwandten und volens. Es hat z. B. die Vita Avid. Cass. : dicens 4, 4. 6; 8. addens 3. V. Pesc.: dicens 7. adse- rens 9. addens 10. 12. V. Elag.: dicens 10. 11. 13. 26 (ter). 28 (bis) 32. 33. V. Alex.: dicens 13. 19 (bis) 22. 32. 89. 84. 37. 40. 41. 43. 47. 49. 52. 58. Volens steht z. B. absolut V. El. 3. Al. 22. Gord. 14. XXX t. 9. 12. 24 Prob. 8; mit abhängigem Infinitiv V. Pert. 10. Sev. 8. Gord. 8. 10. Prob. 1. Es erscheint übrigens schon in Apu- leius Metamorphosen háufig (in Ap. und Fl. vereinzelt), so 1, 24. 2, 6. 3, 19. 22; 4, 11. 6, 3. 8; 7, 5. 11; 10, 29.

21) Doch kommt es bei den Script. h. A. und bei Ammian nur vereinzelt vor, häufig dagegen bei den christlichen Historikern.

78 Elimar Klebs,

h. A. neben ingens sehr häufig nimius in abgeschwächter Bedeu- tung erscheint, hat es Eutrop so nicht, braucht aber ingens im Uebermaß ??) (beiläufig an 80mal). Wie A § 4 schreibt militum consensu Caesar creatus, so braucht Eutrop in gleich- artigen Wendungen militum consensu 9, 2. 12; 10, 11. 15, con- sensu exercitus 10, 17.

ee —— —ÓÀM M—— ———

Es entsprang weder der Bequemlichkeit noch Unkenntniß, wenn wir im Vorhergehenden uns wesentlich auf eine Verglei- chung mit dem sprachlichen Charakter der geschichtlichen Litte- ratur des dritten und vierten Jahrhunderts beschränkten. Ueber- blicken wir die prosaische Ueberlieferung dieser Epoche so kom- men außer jener drei größern Gruppen in Betracht: die Lob- reden, die kirchlichen und die technischen Schriften. Wir ken- nen auBerdem sehr gut den Curialstil der Zeit, nicht bloB aus den kaiserlichen Verfügungen; auch die Steine reden dieselbe schwülstige und aufgedunsene Sprache. Nun versteht es sich von selbst, jedes Denkmal irgend einer dieser Gruppen zeigt Spuren der Veränderungen, welche die Sprache seit den Tagen Cüsars und Augustus erfahren. Aber jede dieser Gruppen steht doch unter eigenthiimlichen Bedingungen und Einwirkungen. Vor Allem, die Macht der Ueberlieferung, des Hergebrachten, die im gesammten Alterthum Kunst und Litteratur so unver- gleichlich viel stärker beherrscht als in modernen Zeiten, sie mußte besonders wirksam sein in einer Epoche, der es an eige- ner Schaffenskraft und Schaffensfreudigkeit völlig gebrach. So wird ein sicheres Gesammturtheil über den sprachlichen Cha- rakter unserer Schrift am ehesten zu gewinnen sein durch die Vergleichung mit den historischen Schriften. Ueberschauen wir aber jetzt die vorher behandelten sprachlichen Eigenheiten, so überschreitet das Maß grammatischer und lexikalischer Abwei- chungen vom Sprachgebrauch der klassischen Zeit in keiner Weise die Zahl entsprechender Erscheinungen bei den Kaiser-

22) Die abgeschwächte Bedeutung von ingens zeigt sich vielleicht am klarsten Eutrop 8, 8 vixit ingenti honestate privatus, maiore in imperio. Hier ist ingens geradezu der Positiv zu maior.

Das Valesische Bruchstiick zur Geschichte Constantins. 79

biographen, Aurelius Victor. Epitome, Festus, Eutrop und Oro- sius 29); ja es bleibt in mancher Beziehung hinter dem zurück, was sich bei den erst und dem zuletzt genannten findet. Un- leugbar ist die stilistische Ungelenkigkeit des Bruchstücks. Aber kann es eine armseliger und elender stilisirte Schrift geben als die Vita Elagabals ? Und doch ist sie nachweislich zwischen den J. 323—337 geschrieben.

Man möge also aufhören von dem 'vóllig barbarischen La- tein' unseres Bruchstücks zu reden, Es erweist sich sprachlich als ein Denkmal des vierten Jahrhunderts.

Wenn an dem zeitgenössischen Charakter der gegebenen Nachrichten nicht gezweifelt wird; wenn sachlich und sprachlich nichts über das vierte Jahrhundert hinausweist, so ist es die na- türlichste Annahme, daB der unbekannte Historiker selbst noch ein Zeitgenosse Constantins war. Gerade bei einem solchen er- klärt sich auch am Leichtesten, wie er, ohne Christ zu sein, dennoch aus persónlicher Bewunderung oder in Folge persón- licher Beziehungen so überaus wohlwollend für Constantin schrieb. Denn sicher war der Verfasser nicht Christ. Zu den früher schon berührten negativen Momenten tritt als positives die schlichte Haltung der Erzühlung; sie ist gleich frei von der schmeichelnden Geschichtsfälschung des Eusebius wie von dem Wust alberner Fabeln, unter welchem die byzantinischen Chro- . nisten die wahre Gestalt eines bedeutenden Mannes hegruben. So haben wir es hier mit einem Anhänger jener Richtung zu ~ thun, welche weder von christlichem noch heidnischem Fanatis- mus beherrscht war, und welche auf dem Gebiet der Geschicht- schreibnng einen großen Vertreter zuletzt noch in Ammianus Marcellinus fand. Mit dem Beginn des fünften Jahrhunderts verstummt in lateinischer Rede die nichtchristliche Geschicht- schreibung.

Für die Zeitbestimmung des christlichen Bearbeiters fehlt es auBer der Thatsache, dass er nach Orosius schrieb, an jedem Anhalt. Sein Bestreben ging dahin den ursprünglichen Bericht zu einer kurzen, christlich gefürbten Biographie Constantins zu-

28) Ammian und Sulpicius Severus nehmen durch ausgeprügte Ei- genart und durch die eigenthümlichen Elemente ihres Stils eine Son-

derstellung ein.

80 Elimar Klebs, Das Valesische Bruchstück u. s. w.

zustutzen. Auf dem Gebiet der geschichtlichen Litteratur kenne ich einen genau entsprechenden Vorgang nicht; denn wenn seit dem vierten Jahrhundert bis weit ins Mittelalter hinein Grie- chen wie Lateiner Anszüge aus heidnischen und christlichen Geschichtswerken mit einander verbinden, so liegt wohl ein ver- wandter, aber doch nicht gleichartiger Vorgang vor. Wohl aber bietet einen solchen die Erzühlung vom Apollonius aus 'Lyros. Auch hier ward eine heidnische, lateinische Schrift des dritten Jahrhunderts einerseits verkürzt, andrerseits mit christlichen Zu- thaten versehen, anfangs in bescheidenem, später in immer stei- gendem Maße. Zunächst ist dies freilich nur eine Behauptung, die den geltenden Anschauungen vóllig widerspricht. Aber wenn ich auch ihren Beweis erst an anderer Stelle werde bringen kónnen, so wollte ich darum doch nicht eine interessante Paral- lele zu dem Schicksal unseres Bruchstiicks unterdrücken. Berlin. | Elimar Klebs.

Manilius V 546.

Hic Hymenaeus erat. Noch hat keiner an der Erwähnung des Hymenaeus Anstoß ge- nommen und doch steht dieselbe in vollkommenem Widerspruche sowohl zu V. 545: vesano dedere ponto Andromedam, teneros ut bellua. manderet artus, als zu der Erzählung V. 595 fig. (pactus- que maritum)- Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß hymen ein Lesefehler statt hamon ist, wie z. B. die Codices Lucan. IX 514. Schol IV 673 S. 710 und Lactant. Stat. Theb. III 479 amon, amor Statt hammon schreiben. Das Orakel des Ham- mon war es nach Ovid. Met. IV 670 gewesen, welches verkün- dete mala non posse redimi a republica misi privatis et domesticis damnis, V. 343: una malorum Proposita est merces: so furchtbar der Preis der Rettung ist: die Noth läßt den König der Wei- sung des Gottes sich fügen (hoc corniger imperat Hammon Val. Flacc. II 482. Ovid. Met. V 17) und wie Virgil Aen. XII 676: lam iam fata, soror, superent, so sagt Manilius dem- gemäß : Hic Hammon superat; solata en publica damna Privatis lacrimans ornatur victima poenae. Denn nach Verkennung des Wortes Hammon ist aus superat (Hy- mon)us erat geworden, was um so glaublicher ist, als der Aus- fall des Buchstaben p sich auch an anderen Stellen nicht blos des Manilius findet, z. B. V. 594. Halle a. S. Rob. Unger.

VII.

Die Ehe des Ptolemaeus Philadelphus mit Arsinoe Il.

Die Frage nach der Abfassungszeit von Theocrits Idyll 17 ist in der letzten Zeit viel behandelt worden!). Da eine di- rekte Ueberlieferung über dieselbe fehlt, so ist man gezwungen, von den historischen Anspielungen in dem Gedichte selbst aus- gehend Schliisse zu ziehn. Den Hauptanhaltspunkt mu8 dabei das Datum der in dem Gedichte bereits als abgeschlossen er- wühnten Ehe des Königs Ptolemaeus II mit seiner leiblichen Schwester Arsinoe II bilden. Freilich ist auch deren Zeitpunkt nicht genau überliefert, doch ist es móglich, denselben auf Grund mehrerer Texte wenigstens annühernd zu bestimmen. Zwei hier- her gehórige ügyptische Inschriften habe ich bereits vor einigen Jahren besprochen. Eine Stele von Mendes zeigte zwar nicht, wie Droysen, veranlaBt durch eine ungenaue Uebersetzung an- nahm, daf die Ehe in das Jahr 15 des Philadelphus fiel, son- dern nur, daß die bereits verheirathete Arsinoe damals in Men- des zur Göttin erhoben ward ?), während eine zweite Stele bewies,

1) Bücheler, Rhein. Mus. 80 S. 55 ff.; Wiedemann, l. c. 38 8. 384 ff.; F. Kópp, l.c. 39 S. 209 ff.; Gercke, 1. c. 42 S. 270 ff. 604 ff; Hempel, Quaestiones Theocr. Kiel, 1881 S. 56; Brincker, de Theocriti vita e. c. Rostock 1884 S. 6; Susemihl, Analecta Alex. chronologica. Greifs- wald 1885 S8. 4; Rannow, Studia Theocritea. Berlin 1886 S. 5 ff.

2) Diesen Umstand habe ich Droysen gegenüber hervorgehoben, nicht wie Gercke l.c. S. 272 meint, Krall, der die Mendes-Stele über- haupt nicht behandelt, mir gegenüber.

Philologus. N.F. Bd.I,1. 6

82 A. Wiedemann,

daf) diese Apotheose mit der EheschlieBung Nichts zu thun hatte und an andern Orten zu anderer Zeit als in Mendes erfolgte, z. B. in Sais erst im Jahre 20 des Philadelphus. Als terminus ante quem ergab sich hieraus für die Ehe 270 v. Chr.

Neuerdings hat Gercke (1 c. S. 278, vgl 275 Anm. 1) gesucht, mit Hilfe von Kallimachus III 251--8 eine weitere Datierungsangabe zu erhalten. Er bezieht diese Verse auf den Uebergang der Kelten nach Asien (278/7); nach dem Streifzuge derselben gegen Ephesos und die übrigen jonischen Städte seien sie abgefaßt worden, während andererseits der Hymnos vor der Vermählung der Philadelphen entstanden sein müsse, da 129— 137 von dem guten Familienverhältnisse zwischen Schwügerinnen und Schwippschwägerinnen die Rede sei. . Diese Beziehungen beruhen jedoch nur auf Vermuthungen. Die erste Stelle deutet nach Couat, Poesie Alex. S. 217 ff. und Lübbert, Meletemata in Pind. locos de Hieronis sacerd. Cereali S. 14 vielmehr hin auf den in die Jahre 258 —48 gesetzten sog. zweiten syrischen Krieg des Philadelphus. Diese Ansicht hat um so mehr für sich als der Streifzug der Kelten nach Ephesos gleich nach ihrer An- kunft in Asien unbelegt ist. Seine Existenz schloß Droysen, Epigonen I S. 195 aus einer Anekdote, welche Plutarch und Stobaeus dem Clitophon von Rhodus (Miiller, Frg. Hist. Gr. IV S. 369) entlehnt haben. Diese Anekdote erscheint jedoch un- datirt und wird an den Namen des Brennos gekniipft, einen Namen, bez. Titel, welcher unter den damaligen Heerführern in Asien nicht erscheint. Der historische Werth der Notiz wird außerdem an und für sich dadurch sehr fraglich, daß dieselbe in der gleichen Form bei dem Angriffe der Gallier auf Rom erzihlt erscheint. Auch wären von vorn herein die Bemerkun- gen des Kallimachus wenig zutreffend, da die Kelten- Skythen gar nicht die Absicht hatten, nach ihrem Beutezug nach Sky- thien zurückzukehren, vielmehr, wie damals allgemein bekannt war, bestrebt waren, in Kleinasien feste Wohnsitze zu erwerben. In der Stelle V. 133 —4 vermag ich andrerseits Nichts zu sehn als die Schilderung eines glücklichen Familienlebens unter Ar- temis Schutz im Gegensatz zu der Zerstórung der Familie, welche der Zorn der Göttin (V. 126—8) bewirkt, und kann daraus weder eine Anspielung auf Zeitereignisse noch auf das Verhält- nil des Kallimachus zu Arsinoe I entnehmen.

Die Ehe des Ptolemaeus Philadelphus mit Arsinoe II. 83

Eine sichere Angabe über die Geschwisterehe macht dage- gen eine vor wenigen Jahren von Naville an der Stätte der alten Stadt Pithom - Heroonpolis (Tell el Maschütah) entdeckte aus der Zeit des Philadelphus datirte ügyptische Stele (publ. Naville, The store-city of Pithom pl. 8— 10). Dieselbe ist schlecht erhalten, doch genügt das Vorhandene um zu zeigen, daf sie einen Ueberblick über die Thätigkeit des Philadelphus für die Stadt und Umgegend von Heroonpolis zu geben bestimmt war. Zu oberst auf dem Monumente ist der Kónig dargestellt wie er den Gottheiten Tum, Osiris, Horus, Isis und Arsinoe II Opfer darbringt. Der Text selbst enthült zunüchst ein Lob des Her- schers, der Aegypten schütze, Pferde und Schiffe besitze, die Nomaden Arabiens abhalte, u. s. f Am 3 Athyr seines 6 Jahres sei er nach Heroonpolis gezogen, um hier einen Tempel dem Gotte Tum zu weihen, dann habe er Wasseranlagen machen las- sen. Nun folgt eine Notiz zum Jahre 12, an welche anschlie- Bend an einer durch Lücken unterbrochenen und nicht sicher lesbaren Stelle vom Jahre 13 (?) erzählt wird. Zahlreiche Opfer- gaben, die der König weihte, werden aufgeführt und berichtet, daß er eine Stadt Namens Arsinoe gründete und einen Kanal anlegte.

Nach einer längern Lücke folgt der Bericht über eine See- expedition. Ein im Texte nicht genannter Feldherr segelte nach dem rothen Meere, gelangte nach Chati und dem Lande der Neger und führte von dort reiche Schätze zurück, die er dem König und dessen Schwester und geliebten Gemahlin brachte. Er erbaute im Negerlande eine große Feste für den König mit dem Namen des Königs Ptolemaeus. Er besetzte sie mit den Soldaten Seiner Majestät und allerhand Arbeitern aus Aegypten

4 n Er legte dort Felder an, die er mit Pflug und Ochsen bestellte . . . .. Er fing dort zahlreiche Elephanten für den Kónig, er brachte sie zu Schiff zu dem Kénige. An den

Bericht tiber diese Expedition schlieBt sich ein erneutes Lob des Herschers und seiner Wohlthaten fiir die Tempel Aegyptens. Die Griindung der Stadt Ptolemais, von der hier berichtet wird, ist auch sonst überliefert. Strabo XVI p. 768 berichtet von diesem Ptolemais Theron, wie er es nennt, Eumedes, den Philadelphus zur Elephantenjagd ausgesendet habe, habe erst eine Halbinsel mit Wall und Graben umzogen und dann be-

6 *

84 A. Wiedemann,

gonnen, die Umwohnenden allmälig zu begütigen, d. h. zu wil- ligen Unterthanen Aegyptens zu machen. Droysen (Epigonen II S. 341 ff) hat die Lage dieser Stadt mit Recht an dem Vorge- birge Ras Turhoba gesucht, wohin die verschiedenen, von den antiken Geographen gegebenen Notizen verweisen.

Der Zweck der Griindung war einen Mittelpunkt fiir die Elephantenjagd zu gewinnen. Die Thiere wurden dann in Ae- gypten fiir den Krieg abgerichtet, wie dies auch die Inschrift von Adulis (C. I. Gr. Nr. 5127 1. 10—3) bei Gelegenheit der Erwähnung der Jagden des Philadelphus hervorhebt. Die Er- öffnung dieser neuen Bezugsquelle machte die Ptolemaeer von den Seleuciden unabhingig, sie hatten es nunmehr nicht mehr nóthig, die Thiere aus Asien zu beziehn. Zugleich ward durch die Stadtanlage neuer Landbesitz für Aegypten erworben und auf solchen Gewinn spielt Theocrit Id. 17 V. 87 an mit der Bemerkung, Philadelphus habe Stücke des Landes der schwarzen Aethiopen an sich gebracht.

Die für uns hier wichtigste Stelle findet sich in der In- schrift 1. 15—16 ,Im Jahre 12 im Monate Pachons unter der Regierung des Philadelphos. Es durchzog Seine Majestät Ae- gypten mit der wirklichen Fürstin, der Geliebten . . . . . der kóniglichen Gemahlin, der Herrin beider Linder, der Tochter und Gemahlin..... eines Ptolemaios, der Philadelphos Er nüherte sich dem Nomos von Heroonpolis, der Stadt ihres Vaters Tum, erwügend mit seiner Schwester, der Gattin und Schwester des Tum (d. h. des mit dem König identificierten Lokalgottes von Heroonpolis) um zu schützen Aegypten gegen das Ausland“.

Diese Sätze beweisen, daß Philadelphus und Arsinoe II im Monate Pachons 273/2 bereits vermählt waren, ohne jedoch über den Termin der Eheschließung Angaben zu machen, geben also einen neuen terminus ante quem für die Ehe und berechtigen daher, mit der Entstehungszeit des Idyll XVII Theocrits minde- stens bis zu diesem Zeitpunkt heraufzugehn. Wichtig ist da- bei der Zusatz, der Kónig habe damals über SchutzmaBregeln für Aegypten Erwägungen angestellt, da sich diese Maßregeln in dem ganz im Osten Aegyptens gelegenen Nomos von He- roonpolis nur gegen die Seleuciden gerichtet haben können. In der That fand in den siebziger Jahren, wie Koepp (1. c. S. 209 ff.) mit Glück nachgewiesen hat, der erste syrische Krieg

Die Ehe des Ptolemaeus Philadelphus mit Arsinoe II. 85

des Philadelphus gegen Antiochus statt, derselbe, auf den Theo- crit. XVII V. 85—6 mit den Worten , von Phoenikien, von Ara- bien und Syrien reißt er Stücke los“ anspielt. Während der Vorbereitungen zu diesem Kampfe oder auch während desselben wird der König mit Arsinoe die Ostgrenze des eigentlichen Ae- gyptens behufs eventueller DefensivmaBregeln gepriift haben. Die Anlage oder richtiger Wiederherstellung des Verbindungs- kanales zwischen Nil und rothem Meere, welcher es ermöglichte, die ägyptische Flotte bald auf dem Mittelmeere gegen Syrien selbst zu verwenden, bald auf das rothe Meer zu senden um Arabien und die den Handel mit Indien vermittelnden Häfen zu beunruhigen, wird das Hauptresultat dieser Inspectionsreise ge- wesen sein. Leider ist die Inschrift von Pithom nicht genau genug datirt um eine ins Einzelne gehende chronologische Ein- ordnung dieser ereignisse zu ermüglichen, doch gehóren dieselben jedenfalls alle vor das Jahr 21 des Philadelphus. Dies geht daraus hervor, daB die beiden letzten Zeilen des Textes, gleich- sam als Krónung der Leistungen des Herschers unter dem 1 Pharmuthi dieses Jahres zusammenfassen, ein wie großes Ein- kommen et den Tempeln Aegyptens bis dahin verschafft habe. Im Zusammenhange mit der Frage nach dem Datum des Abschlusses der Ehe mit Arsinoe II steht die nach dem Ver- hältnisse des spätern Königs Euergetes, eines Sohnes der Arsinoe I zu dem neuen Kônigspaare. Der Scholiast zu Theocrit XVII 128 nimmt eine Ádoption der Kinder Arsinoe I durch Arsinoe II an ohne über deren Zeitpunkt eine bestimmte Angabe zu machen. Auf Grund einer Notiz des Suidas s. v. KuAMuugyos, nach welcher Euergetes sein Kónigthum Ol. 127. 2 angetreten habe, habe ich geglaubt die Adoption in das Jahr 271 setzen und mit der Ehe mit Arsinoe II zusammen fallen lassen zu kónnen. Letzteres wird durch die Stele von Pithom, welche zeigt, daß die Ehe schon früher (273/2) abgeschlossen war, wi- derlegt, während ich an ersterem Ansatz festhalten möchte. Gegen diese Adoption des Euergetes im Jahre 271 hat Gercke (l. c. S. 272 £) das Idyll XVII des Theocrit angeführt, in welchem V. 43—4 von Bastardkindern der ungeliebten Gattin die Rede sei. Er sieht in diesen Worten eine Anspielung auf Eurydike, die Gemahlin des Soter, und auf Arsinoe I, wobei letzteres den Gedanken an eine Mitregentschaft des Sohnes Ar-

86 A. Wiedemann,

sinoe I ausschlósse. Allein, der Zusammenhang des Gedichtes erweist, daf sich der Satz nur auf Eurydike beziehn kann. In den betreffenden Versen ist von den Eltern des Philadelphus die Rede und die ungeliebte Gattin wird geradezu in Gegensatz zu Berenice, der Mutter des Philadelphus gestellt, d. h. unter den Bastardkindern sind die Stiefgeschwister des Philadelphus Keraunos, den er aus Aegypten verdrüngte, und besonders Me- leagros?) zu verstehn.

Die Thatsache, auf welche sich die Annahme einer Adoption des Euergetes stützt, ist das Auftreten eines Mitregenten Namens Ptolemaeus in ägyptischen Urkunden von 267/6 und 265/4, in welchem ich Euergetes zu erkennen glaubte. Da derselbe 276 noch nicht und 260 nicht mehr erscheint, so glaubte Gercke viel- mehr, daB er zwischen 264 und 261 gestorben sei, und vielleicht der ,Bastard* Ptolemaios sei, welcher in Ephesos im Aufstande gegen seinen Vater Philadelphus, sammt seiner Geliebten Eirene fiel, was 261 geschehn sein kónne. Diese Vermuthung wird, abgesehn davon, daf das Todesjahr dieses Ptolemaeus unsicher und vermuthlich ziemlich lange nach 260 lag, dadurch unwahr- scheinlich, daß kein Grund ersichtlich ist, aus dem Philadelphus diesen Prinzen, der trotzdem daß er damals bereits erwachsen war, in der Ueberlieferung gar keine Rolle spielt, zum Mitre- genten ernannt haben sollte. Auch die Ansicht von Krall (Si- tzungsber. der Wiener Akad. CV (1884) S. 362 f.), der Mit- regent sei ein Sohn des Philadelphus und der Arsinoe II, der als kleines Kind starb, ist kaum haltbar. Wäre aus der Ge- schwisterehe ein Kind entsprossen, dann hätten sich die Alexan- driner bei dem Aufsehn, welches die Ehe machte, diesen Umstand nicht entgehn lassen, sei es um ihn als schmachvolles Zeichen der blutschänderischen Verbindung von Bruder und Schwester zu brandmarken, sei es um ihn als Beweis des Segens, den die Götter über den iegògs yanos ausschütteten in Theocriteischer

3) Meleagros wurde Anf. 279 von den Kelten aus Makedonien vertrieben. Nach Champollion - Figeac, dem auch v. Gutschmid bei Sharpe, Gesch. Aeg. S. 180 folgt, wäre er nach Cypern gegangen und wäre identisch mit dem Halbbruder des Philadelphus, unter dem sich (Pausan. I. 7. 1) diese Insel von Aegypten losriß. Als Theocrit schrieb, war dieser Aufstand vermuthlich noch im Gange, da V. 86—90 Cy- pern unter den Besitzungen des Königs fehlt. Dieser Umstand würde genugsam die verächtliche Anführung der Bastardkinder zeitgemäß erscheinen lassen.

Die Ehe des Ptolemaeus Philadelphus mit Arsinoe II. 87

Weise zu feiern. Das Schweigen der Dichter beweist die Nicht- existenz dieses Kindes. _

Das Material, welches für den Mitregenten jetzt vorliegt, ist übrigens etwas ergiebiger geworden als es vor vier Jahren war‘). Derselbe erscheint jetzt häufig auf in Theben gefun- denen Ostraka aus den Jahren 21, 22 und 24 des Philadelphus, während er auf solchen vom Jahre 27, 29 und 30 fehlt 9), wo- mit es übereinstimmt, daf in einem memphitischen Papyrus in Leiden (J. 879) vom 'Tybi des Jahres 29 gleichfalls der Mit- regent fehlt und nur nach Ptolemaeus, dem Sohne des Ptole- maeus, des rettenden Gottes datirt wird.

Die Mitregentschaft, um welche es sich dabei handelt, war jedenfalls eine rein nominelle, keine thatsüchlich ausgeübte, und gehórte zu den offiziellen Fiktionen, wie sie bereits im pharao- nischen Aegypten üblich waren und wie sie von den Ptolemaeern weiter ausgeübt wurden. Wie wenig man sich dabei um that- süchliche Verhältnisse kümmerte, zeigt z. B. die Inschrift von Mendes, in welcher Philadelphus (l. 3—4; ähnlich auf der Stele von Pithom l 2—3) im Gegensatz zu aller historischen Tra- dition von sich behauptet, die Königswürde sei ihm übergeben worden, als er sich noch im Mutterleibe befand, noch vor sei- ner Geburt habe er sie besessen und als Kind an der Brust seiner Mutter sei er Kónig gewesen. Rein fictive Mitregent- schaften finden sich in ägyptischen Texten häufig erwähnt. Im alten Aegypten ward z. B. Ramses II von seinem Vater Seti I als kleines Kind zum Herscher ernannt ohne, solange der Vater lebte, eine Rolle zu spielen, und in der spätern Ptolemaeerzeit werden gleichfalls mehrfach kaum geborene Söhne zu einer sol- chen Stellung berufen und ihr Name in die Datierungsformel

4) Die von Krall (l. c. S. 357 ff.) herangezogene Inschrift aus dem Hamamät (Leps. Denkm. VI. 69 Nr. 167), welche gleichfalls kei- nen Mitregenten nennt, ist für die Chronologie unverwerthbar, da die Jahresangabe, auf welche es allein ankommt, unsicher ist und ebenso gut Jahr 20 wie 26 gemeint sein kann. Außerdem ist Krall's Angabe, daß in diesem Texte Arsinoe als lebend erscheine, nicht richtig; es wird nur nicht bemerkt, daß sie verstorben sei, eine Bemerkung, wel- che in den ägyptischen 'l'exten häufig hinter dem Namen von Todten steht, aber wie zahllose Beispiele beweisen, auch fehlen kann. Fir die Bestimmung des Todesjahres der Herscherin ist der Text demnach gleichfalls werthlos.

5) Die Ostraka finden sich erwühnt, aber unrichtig erklärt bei Revillout, Proc. Soc. Bibl. Arch. 5. Mai 1885 S. 188 f.

88 A. Wiedemann,

fiir Kontrakte aufgenommen (vgl. Revillout, Rev. égypt. III. S. 1 ff).

Daß Euergetes thatsächlich von den Philadelphen adoptirt ward, beweisen die aus seiner Zeit erhaltenen Kontrakte. Unter diesen datirt z. B. einer im Louvre (Nr. 2438) vom Jahre 2 des Königs Ptolemaeus, des Sohnes des Ptolemaeus und der Ar- sinoe, der Götter-Adelphen. Dieselbe Ausdrucksweise findet sich in Urkunden aus seinem 4, 15, 20 Jahre (die Texte publ. bei Revillout, Chrest. égypt. S. 257 ff), in denen sich Euergetes gleichfalls, mit Uebergehung seiner wahren Mutter geradezu für einen Sohn der Arsinoe II ausgiebt. Den Aegyptern gegen- über ward er hierdurch in hôherem Sinne als Herscher legiti- mirt, als wenn er als Sohn der Arsinoe I galt, da er nunmehr miitterlicher - ebensowie väterlicherseits erbberechtigt erschien. Aus eigener Machtvollkommenheit hätte er aber diese Behaup- tung kaum aufstellen kónnen. Die Apotheosendekrete u. s. f. zeigen, daß die Ptolemaeer nach jeder Richtung hin genöthigt waren, sieh dem ügyptischen Brauche Alles durch Contrakte und Dekrete zu regeln, zu unterwerfen, und sicher hütte es für un- . statthaft gegolten, wenn sich ein Herscher eine neue Mutter ver- lichen hätte ohne dazu durch eine regelrechte Adoption er- mächtigt zu sein. Auch der Umstand, daß es später. üblich blieb, die muthmaflichen Thronerben zu Mitregenten zu ernen- nen, legt den Schlufi nahe, daB dies auch bei Euergetes ge- schah. Und dies um so mehr, als unter Philadelphus in der That ein Mitregent Namens Ptolemaeus erscheint.

Die Thatsache, daf dieser Mitregent nur kurze Zeit in den Datierungsformeln auftritt, kann dagegen Nichts beweisen. Seine faktische Thätigkeit war gleich Null, seine Nennung konnte nur bezwecken, ihn als rechtmäßigen Thronerben hinzustellen, eine Thatsache, welche nach der Verstobung seiner Mutter Arsinoe I zweifelhaft erscheinen konnte. Nachdem sich das Volk an die- sen Gedanken gewóhnt hatte und die Ehe Arsinoe II kinderlos geblieben war, konnte der Name fortbleiben, da nun nicht mehr an einen anderweitigen Thronprütendenten zu denken war. Daf aber den Philadelphus Rücksicht auf das Gefühl der Arsinoe II, welche' durch eine solche Ernennung des Stiefsohns zum Mitre- genten hätte gekränkt werden können, daran hätte bindern sollen,

Die Ehe des Ptolemaeus Philadelphus mit Arsinoe II. 89

ist nicht anzunehmen 6). Dazu stand dem Könige das dyna- stische Interesse doch zu hoch, modern sentimentale Regungen waren ihm, wie die Ueberlieferung beweist, vollig fremd. Wurde ihm und Arsinoe II später ein Sohn geboren, der ihm lieber gewesen wire als Euergetes, so war es ein leichtes Euergetes aus dem Wege zu räumen. Man konnte denselben entweder einfach hinrichten lassen, wie dies bei dem Bruder des Königs Argaios kurz nach der Vermählung mit Arsinoe II geschehn zu sein scheint (Paus. I 7. 1) oder ihn anderweitig aus dem Wege schaffen. Das Ende des Demetrius Phalereus; welcher, als er Philadelphus unbequem wurde, an einem zufälligen Schlangen- biß starb (Diog. Laert. V 78; cf. Cicero, pro Rab. Post. IX 23) zeigt, wie leicht es dem Kénige war, einen ihm willkom- menen plötzlichen Todesfall eintreten zu lassen.

Ob die Weglassung des Namens des Mitregenten erst nach dem Tode Arsinoe II erfolgte, läßt sich nicht entscheiden, da das Todesjahr der Kónigin nicht überliefert ist und sich nur indirekt wahrscheinlich machen, aber durch kein zwingendes Zeugnif belegen läßt, daß sie nicht lange vor Philadelphus starb. Jedenfalls liegt kein Grund vor, anzunehmen, daf die Adoption erst in den letzten Lebensjahren der Arsinoe erfolgte, denn in Kontrakten vom Jahre 33 ebenso wie vom Jahre 36 des Philadelphus, d. h. unmittelbar vor dem Tode des Kénigs und jedenfalls nach dem der Arsinoe fehlt jede Erwühnung ei- nes Mitregenten. |

Die Zahl der vorhandenen Urkunden ist noch zu gering um sichere Vermuthungen über die Gründe der Nennung, bez. Nichtnennung des Mitregenten zuzulassen. Die vorhandenen Nennungen stammen alle aus Theben, so dafì sich nicht einmal ersehn läßt, ob dieselbe nicht vielleicht nur hier üblich war um

6) Krall (1. c. S. 361 f.) bemerkt, dem Verfasser des sog. Ro- manes des Setna, der vielleicht ein Zeitgenosse der Ehe mit Arsinoe II war schwebe bei der Liebesgeschichte des Setna wohl das Verhältniß des Königspaares zu den Kindern der Arsinoe I vor. Setna mußte nach der Erzählung seiner Geliebten all seinen Besitz schenken, dann seine Kinder erster Ehe die betreffende Urkunde unterzeichnen lassen, damit sie nicht gegen seine und der Geliehten Kinder Erbansprüche erhóben, endlich seine Kinder erster Ehe tódten lassen. Die Leichen wurden aus dem Fenster auf den Hof geworfen, wo sie die Hunde und Katzen auffrafen. Wo da eigentlich die Aehnlichkeit mit der Behandlung der Kinder der Arsinoe l liegen soll, ist mir unklar.

90 A. Wiedemann,

dem Volke, in dessen Mitte Arsinoe I weilte, zu zeigen, daß nur diese des Hochverraths schuldig sei, ihr Sohn aber nach wie vor Thronerbe bleibe. Stammt die oben erwähnte Inschrift vom Hamamát vom Jahre 20, was wohl möglich ist, so würde sie beweisen, daß selbst in der Thebais bei Datierungen nicht regelmäßig des Doppelkönigthums gedacht ward. Ob die beiden Geschwister des Euergetes, Berenike und Lysimachus am Hofe blieben, was am wahrscheinlichsten erscheint, oder mit ihrer Mutter verbannt wurden, ist unbekannt. Zum SchluB der Re- gierung des Philadelphus muß jedenfalls das Verhältniß des Kö- nigs zu Berenike ein gutes gewesen sein. Er vermählte die- selbe mit Antiochus II von Syrien (Hieronym. in Dan. Cap. XII 5) um dadurch den langen Krieg beider Staaten zu been- den. Dies konnte nur geschehn, wenn Vater und Tochter gut standen, denn eine aus der Verbannung zurückgerufene Gegnerin würe nicht gerade die beste Friedensbürgschaft gewesen. Der Zeitpunkt der Vermühlung wird nicht überliefert, doch hatte Berenike beim 'Tode des Antiochus (247) bereits einen Sohn, der mit ihr ermordet ward. Von Lysimachus ist nur bekannt ‘), daß er seinen Bruder Euergetes überlebte und dann, ebenso wie dessen Gemahlin und andere Verwandte (von Sosibios, dem Vor- munde des Ptolemaeus IV Philopator) ermordet ward (Polybius XV 25; cf. V 34. 1 u. 36. 1).

Auf Grund vorstehender Erwügungen würde sich demnach er- geben, daß die Ehe zwischen Philadelphus und Arsi- noe IIinoder vordas Jahr 273 fiel. Euergetes ward von denselben adoptirt, was auf Grund der Angabe des Suidas 271

7) Krall (l. c. S. 366) bezieht auf I,ysimachus eine Inschrift aus Koptos ‚‚[Göttin Mut] gebe Leben dem Lysimachos (Lsimkus), dem Bruder der Könige, dem Strategos (srtiks). Im Jahre 7 am ....Tybi‘‘. Die Könige erklärt er für die Euergeten, Lysimachos sei demnach Strategos von Koptos gewesen. Allein adelipòs faostews bezeichnet in der Ptolemaeerzeit nicht nur den leiblichen Bruder des Kónigs, son- dern ist ein Ehrentitel, der z. B. Lochos, der Strateg des Thebais unter Euergetes II trug (C. I. Gr. Nr. 4896). Hierdurch fallt jeder Grund für die Annahme fort, daB dieser Lysimachos ein Mitglied der kóniglichen Familie sei und jede Móglichkeit, das Jahr 7 einer be- stimmten Regierung zuzuweisen, solange die Zeit des Strategen Lysi- machos nicht durch andere Texte gesichert erscheint. Daß zwischen der Strategie des Lysimachos im Jahre 240 in Koptos und der Ver- bannung der Arsinoe I um 277 dorthin ein innerer Zusammenhang bestehe, ware ohnehin durch den Zeitunterschied von etwa 37 Jahren ausgeschlossen.

Die Ehe des Ptolemaeus Philadelphus mit Arsinoe II. 91

geschehn zu sein scheint. In Folge dessen erscheint er 266—261 als Mitregent, dann verschwindet sein Name, doch nannte er sich selbst, Kónig geworden, Sohn des Ptolemaeus und der Arsinoe Philadelphos. Als "Theocrit sein Idyll 17 schrieb, war die Geschwisterehe bereits abgeschlossen; in Aethiopien hat Phila- delphus bereits Besitz erworben, was nach der Inschrift von Pi- thom nach 273 geschah; in Syrien ist Philadelphus siegreich gewesen oder noch siegreich die Inschrift von Pithom scheint darauf hinzudeuten, daß 273 hier noch gekämpft ward. Andrer- seits spielt das Gedicht nirgends auf den vermuthlich 271, spä- testens 266 ernannten Mitregenten an, so daß seine Entstehung zwischen 273 und 271, bez. 266 zu setzen wäre.

Bonn. A. Wiedemann.

Ad Alcaeum (fr. 41 [31] Bgk.).

Iivwnev® Tl 10 Avyvov uérouer ; daxıvAog apéga xud cess xvdlyvaig peyadass af to nouxlhauc.

Pro uf vel ut alii codices exhibent a: zu sivo at ra seri- bendum arbitror ufgé 1e geminato imperativo sed breviore forma. age vix habet quod dubitationem moveat, cum in Iliade (VI 264) praeiverit poeta un uo. oîrov «tige usdlpoora, motrin untno. Sed in loco Alcaei significatius id credo positum, cum inter xd et «sıge manifesta sit antithesis; iubet enim poeta ministrum pocula magna et caelata non solum tollere, sed ita tollere ut sublata rursus ante bibentem in mensa deponat. ‘Lift and set down great beakers, lift beakers richly wrought’. Amant certe ly- rici huiusmodi geminationes vocabulorum. Ale. 56 [49] dé£os pe xwpdCovru, dia. 74 [81] otxw ts neocw xui meo’ Gnulac. Sapph. I 15, 16 jos’ óru Onvre rnénov9a xin Andre un. 99 [63] of yeufos, coi wiv yauos, wo &gao Exreréieor, ms muodevor, av agao. 103 [78] yalooica vuupa, yaroétw d 6 yamfoos. Hor. C. I 18. 8 Centaurea monet cum Lapithis riza super mero Debellata, monet Sithoniis non leuis Euhius.

Oxonii. Robinson Ellis.

VIII. Aithiopenmythen.

1, Der phoinikische Urtext der Kassiepeialegende. Zusammenhang derselben mit anderen Aithiopen- mythen.

Karl Tiimpel hat kiirzlich in einem sehr gediegenen Aufsatz ‘Die Aithiopenlinder des Andromedamythos’ (XVI. Sup- plementband der Jahrbb. f. Phil. u. Pädag.) den Nachweis zu führen versucht, daB die Andromedasage urspriinglich nicht orien- talisch, vielmehr erst durch Griechen etwa durch Argiver in Jope localisirt sei. Ich will im folgenden versuchen, die Ein- wände zu begriinden, welche sich mir gegen diese Annahme zu erheben scheinen. |

Der Name Jope ib? bedeutet ‘Schönheit’. Offenbar ist dies der Name der in der Stadt verehrten Heroine. ‘Schönheit’ ist aber auch der Sinn von Kuociwénea. Dies hat Clermont Ganneau rev. arch. n. s. 82. 372 aus Suidas s. v. Kacooeé- mita n Kaddovy direct gefolgert, und ich glaube, daß sich diese Deutung auch etymologisch rechtfertigen läßt, wenn man das Wort als Compositum von xa/rvua: !) und ox- faBt, also die in den westgriechischen Colonien erhaltene Form mit o (Kassiopeia) für ursprünglich hält. Dagegen vermag ich nicht recht einzu-

1) Abgesehen von einigen älteren Forschern scheint auch Roe- diger in Kuhns Zeitschr. f. vergl. Sprachf. XVIII 70 bei Kaoosénese, da er den Namen mit Kaondvesoa ‘die die Männer überwindende’ ver- gleicht, an xaivuuas gedacht zu haben. Ebenso auch Hinrichs ‘Hermes' 1885 S. 315.

TT

Aithiopenmythen. 93

sehen, was sich Tiimpel denkt, wenn er (a. a. O. S. 159 und Phil. Jahrbb. 1887 S. 104) unter Berufung auf die verstiimmelte Glosse des Hes. x«Aóvgg den antiken Grammatikern die Ansicht zuschreibt, die Rhodier hitten die Kassiepeia ironisch wegen des Stolzes auf ihre Schönheit xaAAovn genannt. Gegen T üm- pels Erklärung scheint mir auch die früher von Usener hervorgehobene, von Tiimpel weiter fortgeführte Beobachtung zu sprechen, daß in gewissen samothrakischen resp. lesbi- schen Culten eine Heroine Kallone in einer offenbar der Kas- siepeia nahe verwandten Function erscheint. Daß in der phili- stäischen Version Jope die griechische Kassiepeia vertritt, ist demnach nicht durch eine Beziehung auf die argivische /o, auf welche wie mir scheint, auch die mythische Tradition keineswegs hinweist, sondern daraus zu erklären, daß Japho-Jope das phoi- nikische Aequivalent von Kassıeneın ist. Der Name Kaooséreca ist nun aber so wenig den übrigen griechischen und kanaaniti- schen entsprechend gebildet, daß höchst wahrscheinlich der eine nach dem andern übersetzt ist. Dann aber muß eben der ganze Mythos übersetzt sein. Dazu kommen andere Gründe. Daß in dem Cultus von Jope ein Meerungeheuer vorkam, steht durch vielfache Zeugnisse fest. Was Tümpel zur Verdächtigung dieser Zeugnisse bemerkt, daß unter den Spuren dieses Cultus sich auch solche finden, welche in der griechischen Litteratur erst bei Euripides auftreten, würde, wenn es überhaupt etwas bewiese, ebenso gegen die Vermuthung Tümpels sprechen, daß Argiver doch jedenfalls lange vor Euripides den Andromedamythos nach Jope brachten. Ganz unverdächtig scheint mir ferner die Angabe tiber den Cultus der in ein Meerungeheuer verwandelten Derketo; denn daß Plin. n. k V 69 [Der]ceto zu schreiben sei, stellt auch T ii m pel nicht in Abrede. Aber wir haben ein noch viel wichtigeres ZeugniB, das zwar lingst in diesen Kreis gestellt, aber m. E. in seiner ganzen entschei- denden Bedeutung auch von Stark 'Gaza' S. 257 noch nicht gewürdigt ist. Derketos Tochter wird nach dem Bericht, welchen im V. Jh. v. Chr. Ktesias las, von Tauben großgezogen und danach Semiramis genannt (Ctes. bei Diod. II 4). Diese Semiramis wird nach demselben Ktesias in Niniveh Köni- gin. Die Taube heift phoinikisch jona. Wenn nun in der jidischen Legende ein Mann Namens Jona von Jope aus-

94 O. Gruppe,

fahrend zur Beschwichtigung eines Sturmes ins Meer geworfen und von einem Meerungeheuer verschlungen wird, danach aber nach Niniveh gelangt, so ist bei dieser dreifachen Coincidenz des Namens ‘Taube’ und der beiden Stadtnamen Jope und Niniveh, wie mir scheint, für völlig sicher zu erachten, daß der jüdische Erzähler eine heidnische, in Jo pe localisirte Er- zihlung in seinem Sinne bearbeitet und die heidnische J u n g- frau auf eine Jungfrau paßt auch der Name ‘Taube’ viel besser willkürlich zu einem Manne Gottes gemacht hat *). Uebrigens hat er hierin sei es Nachfolger sei es Nachahmer ge- funden; eine spätere indische Legende erzählt von dem Büer Caktideva, weleher von einem Fisch verschlungen und wieder ausgespien wird. Vergleichen wir nun die somit recon- struirte Jonalegende von Jope mit der Andromedalegende, so scheint mir evident, daß beide identisch sind. Freilich wird Andromeda so wenig als Hesione vom Ungeheuer wirklich ver- schlungen wie Jona; hier aber liegt wahrscheinlich eine Anpas- sung an den feineren griechischen Geschmack vor. Orientalische Versionen des Mythos erzühlen vom Meerungeheuer mehrfach, daß das ausgesetzte Mädchen oder auch der mit dem Ungeheuer ringende Held verschlungen wurde, sogar ein griechisches Vasen- bild zeigt, wie der Drache den Zason auffrißt oder wieder ausspeit?) Jona scheint mir demnach das phoinikische Aequi- valent von Andromeda. Den rettenden Helden konnte natürlich der mosaische Bearbeiter nicht gebrauchen. Auch in den Kte- siasfragmenten fehlt er, wie das ganze Motiv der Aussetzung, offenbar weil der Rationalist an dem wunderbaren Märchen An- stoB nahm und dasselbe sehr vernünftig durch eine Eheschei- dung ersetzte; doch läßt sich vermuthen, daß der König, wel- chen Semiramis schließlich in Niniveh heirathet, dem Perseus der griechischen Uebersetzung entsprach. Dafür ergiebt sich ein Beweis auch aus den Worten des Herodot VI 54 wg 0 Ilee- céwr Àoyog Àéyetus udroç 6 [ltgatug Ewv Aouugsog èyévero "EAAgv. Aus diesen Gründen scheint mir die Folgerung un- abweisbar, daß die Derketolegende und die Andromeda-, Jona-,

2) Vgl. auch Tümpel S. 141. 200.

3) Aus der Jonalegende wurde dann später der Atergatismythos interpolirt ; vgl. Athen. 346 D wisneg Sav3og léye m Avdos ono ‚Mögov

tov Avdov &lovoa xarerovriodn pera Ty8vos ToU viov iv rg neQi Aoxd- uva diuvn dià Trjv vow x«i inò rv iy 9Uwv xarepoudy.

Aithiopenmythen. 95

Semiramislegende ursprünglich zusammengehörten. Hierfür aber ergiebt sich sofort ein neues Argument, von dem es mich wun- dert, daß es T üm pel's Scharfsinn entgangen ist, da es recht eigentlich am Zielpunkt seiner Untersuchung liegt und sich aus der richtigen Wahrnehmung der ursprünglichen Localisirung der Andromedasage in Rhodos von selbst ergiebt. Auch Rhodos nümlich hat seine Derketosage. Die Sache ist so evident, daf

es genügt den rhodischen und den jopensischen Bericht neben

einanderzustellen.

Ueberlieferung von Jope Diod. II 4

uvuSoloyodoiw oi Aoyıwraroı rov 3 éytwolwv impr 4 god (1v ngoc- xoyucav tI mootionuévg dea derrov éuBadeiv Fowra veur{oxou - , 3 > ~ TUYOG TW IFvcriwv ovx &tidovc imm de Acsoxerovv puiysicav TO Svow yarıjoa pèv Fvyuréou, xa- - x Joa ~ rmoyur3sicur ini Tots huag- 4 a 3 muévots tor u&v veuvioxov apu- vidas, tO mudlov slo nvag loruovs xai metqwdeg tonous ~ \ ixFeirar. Eavınv dia my ul- oyvrnv xal Avram Sfpacer els

thy Aluvnv pstacynuutiodtnvas T0 TOU OGwuutos wry tlg ly3v».

Ueberlieferung von Rhodos Diod. V 55

xarà di rjv 1001 tv Hlixlay qaciv Apoodtrnv Ex Kutnowv xo- ueboutvnv sig Kunoov xai nooc- ooulouérny i5 vijom (Rhodos) xwiv3rrar ound rwv Hocsdwdvog Umsonparmr xoi

a wv viwy ortTwr

vBocrwv. tig Feov da my ooynv èufBulovons avroig wavlay, usyivar avrobc Bia rf, untoì xoi "0ÀÀa xaxà dov Toùç Èyyw- olovs. Mocsdava 10 ysyovóg aloFousrov tovg viovg Quae xura yng dit rjv mengaypuévay aloyuvyy, ovc xÀg9 vat ngogquiovc datuovas. “Aklav ófwacay Exutny els rjv S9«Àaocav Aev- xodsav Ovouuc3fvar xoi wing adavatov Tuyeiv muga tots èyyw- elosc.

Die geringen Abweichungen scheinen mir zu beweisen, daB

nicht etwa die eine Geschichte der anderen nachträglich nach- gebildet ist; in der Hauptsache stimmen sie offenbar zusammen. Die erziirnte Gôttin der Liebe rächt sich, indem sie eine unna- türliche Vereinigung herstellt: die Manner, oder der Mann wird unter der Erde unsichtbar, die Frau wirft sich ins Meer und wird zu einer Seegóttin. Aber noch einen anderen Beweis hütte Tümpel aus seinen eigenen Beobachtungen für die Zusammen-

96 O. Gruppe,

gehörigkeit der Leukothea- und Andromedasage entnehmen kön- nen: die Wahrnehmung nämlich, daß in der Version von S a- mothrake und Lesbos Kassiepeia-Kallone gradezu an die Stelle der Leukothea getreten ist. Die Legenden sind nun aber nicht blos äußerlich verbunden gewesen; hierfür giebt uns schon die rhodische Leukotheasage selbst, obschon die directe Verknii- pfung mit der Andromedasage fehlt, indirect einen Anhalt, in- dem sie die unter die Erde versunkenen Dämonen xgoçngios dat- poves nennt. Das phoinikische Aequivalent der Eos in der Phaethonsage ist nämlich “mò (vgl. Pseudojes. 14. 12; Hirsch- felder's Philol. Wochenschr. 1883 8. 1539). Mit ^n ‘Morgen- róthe' berüht sich aber lautlich auf das nächste “mu ‘mit ver- branntem Gesicht. War nun diese Homonymie in dem phoi- nikischen Gedicht verwerthet, so war der griechische Ueber- setzer, der das Wortspiel nicht nachbilden konnte, genóthigt zwei Worte statt eines zu wählen: er that es, indem er bald ?- Stones bald "Hoi Moognaos sagte*). In der That finden sich ’dwoı und At9fonss im griechischen Cultus nicht blos in Rhodos sondern auch in Samothrake: und die Identität der Eooí und AlSionsc wird durch eine sehr wahrscheinliche Combination von O. Crusius (in Roscher's Lexicon 387 und ‘Beitr. zur. griech. Myth.' 225) noch wahrscheinlicher. Also die in der An- dromedasage so wichtigen Alitfoneg-Schachorim kommen auch in der Leukothea-Derketosage vor. Einen neuen Anhalt für die ursprüngliche Zusammengehórigkeit der beiden Sagen finden wir darin, daB die "Asus der Leukotheasage in einem allerdings in seinem richtigen Zusammenhang nicht mehr herstellbaren Mythos bei Paus. II. 22. 1 mit Perseus verbunden waren. Noch mehr Gewicht lege ich darauf, daß die ‘Aithiopen’-Insel Samothrake (Hes. Al9ıonla 1) Zauodggxn, nicht verstanden von Mayer Gig. S 247) auch den Namen Aevxoola d. i. ÆAeuxod£u führt. Weitere Be- weise für die ursprüngliche Verbindung der Andromeda- mit der Leukothea-Derketosage ergeben sich, so wie man die Geschichten

4) Eine Parallelvorstellung zu den Schachorim, ‘den dunkelfarbigen', sind offenbar Kimmerim ‘die versengten'. Od.414 wohnen am Okeanos die Ksupéosos régi xai vegéln xexalvuutvor odd? nor’ abro)c | 'Hélioc haiiwv xatadégzetes dxtiveoow. Vgl. Strab. 244. Die Phantasie derOrien- talen hat in diesem mythischen Volk später die Barbaren wieder erkannt, welche im 7 Jahrh. v. Chr. die Culturwelt Vorderasiens verwüsteten,

ebenso wie später bekanntlich die Griechen die Giganten mit den Kelten verglichen: vgl. Koepp de gigantomachiae usu. Bonn 1888.

Aithiopenmythen. 97

miteinander vergleicht. In beiden Mythen wird eine Ueber- hebung der Menschen gegen die Götter bestraft, diese Bestra- fung aber fiihrt nur zu einem neuen Frevel: der unnatiirlichen Verbindung der Derketo und der Aussetzung der schuldlosen Andromeda; in beiden Fillen erbarmt sich schlieBlich die Gott- heit: Andromeda wird durch Perseus gerettet, Leukothea - Derketo wird eine '4Aí(«, eine Meerfrau. Wir werden gleich eine weitere merkwürdige Uebereinstimmung kennen lernen, müssen aber zu- vor noch einmal den Leukothea- und den Derketobericht vergleichen. Es scheint sich mir nümlich schon aus den bisher hervorgehobenen Concordanzen mit der Andromedasage zu erge- ben, daß die rhodische Leukotheaversion nicht blos ausführlicher sondern auch correcter erzählt, als die Derketoversion und daß insbesondere der erste Frevel nicht von der Frau, sondern von dem Mann oder wahrscheinlicher von den Männern ausging; daß also Derketo ebenso von den Schachorim wie Leukothea von den Hoosnéo, vergewaltigt worden ist. Erst dann wird das Mit- leiden erklärlich, welches die Meerfrauen mit Leukothea wie mit Derketo haben, indem sie sie zu einer der ihrigen machen. Um so genauer wird natürlich die Annäherung der Leukothea an Andromeda, der Derketo an Jona. Nunmehr wird auch der letzte beiden Sagen gemeinsame Zug, die Bestrafung der Schuldigen, klar: die ’Hoo. werden unter die Erde verbannt, die Kephenen werden versteinert. Denn die gegenwärtige Motivirung des Zuges der Versteinerung ist offenbar modern, der Zug selbst aber ist, da Knyevs phoinikischem Keph ‘Stein’, entspricht, alt; in diesem Fall aber konnte das ursprüngliche Motiv kaum ein anderes sein, als daß die Kephenen zu Stein werden, weil sie sich an Andro- meda vergangen haben. Es scheint mir demnach erwiesen, daß die Andromedasage in ihrer uns vorliegenden Gestalt erfunden ist als Fortsetzung der Leukotheasage. Daraus aber ergiebt sich mit zwingender Consequenz eine Folgerung, welche zunächst auffallend erscheinen wird, aber sich bei genauerer Betrachtung des Mythos aus diesem selbst ergiebt. Die fromme Andromeda ist gar nicht die wirkliche Tochter der übermüthigen Kassiepeia und des frevelhaften Kepheus, sondern von diesen nur angenom- men: ihre wirkliche Mutter ist die ebenso tugendhafte und ebenso wie sie von den bösen Menschen vergewaltigte Leukothea, welche das unglückliche Kind ausgesetzt hat. Philologus. N. F. Bd.I, 1. 7

98 O. Gruppe,

Damit ist, wie mir scheint, die Erzühlung in ihrem Verlauf im ganzen wiederhergestellt; aber sie ist noch unvoll- stindig. Zweimal hat die Menschheit sich furchtbar an der Gottheit vergangen, zweimal hat diese das Unheil wieder gut gemacht, die Schuldigen bestraft. Man erwartet ein Mehr: eine neue noch größere Schuld, welche den Untergang des menschlichen Geschlechtes, mit Ausnahme vielleicht weniger Gerechten, herbeiführt. Und diese Schuld ist wirklich in dem griechischen Aithiopenmythenkreis überliefert: die That des Phaethon. Freilich werden wir den Umstand, daB Phaethons Vater ein König der Aithiopen heißt, oder daß durch den Brand, den Phaethons Unternehmen verursacht, die Azthiopen schwarz gebrannt sind, zunächst nur insofern als Grund für die Zusam- mengehörigkeit der Andromeda-Derketo- mit der Phaethonlegende verwenden diirfen, als beide dadurch in denselben Mythenkreis gerückt werden: einer genaueren Verbindung scheint dieser Um- stand insofern sogar eher entgegen zu stehen, als die Aithiopen der Derketosage bereits unter die Erde verwiinscht sind: ein scheinbarer Widerspruch, der sich erst später aufklären wird. Auch die bekannte von Varro beim Interp. Serv. Aen. III 279 erhaltene Sage, wonach sich eine Frau aus ungliicklicher Liebe zu dem Lesbier Phaon d. i., wie O. Crusius und Tiim- pel richtig erkannt haben, Phaethon ins, Meer stürzt, spricht zunächst für die Zusammengehirigkeit des Leukothea- und des Phaethonmotives nur insofern, als die offenbar hier eingetre- tene Contamination der beiden Versionen dann am begreiflichsten ist, wenn dieselben von Haus aus neben und mit einander iiber- liefert warm. Der wirkliche Beweis fiir die urspriingliche Ein- heit der beiden Erzählungen liegt vielmehr in dem offenbaren Parallelismus der Sage. Phaethon ist der Mensch, der sich nicht nur wie die //gocnqos und die Erzieher der Andromeda den Géttern mit Worten gleich stellt, sondern der sich vermiBt, selbst Góttliches zu thun. Und Phaethon läßt sich wirklich im phoinikischen und assyrischen Mythos nachweisen: er heißt phoi- nikisch Helel ‘der Glünzende', seine Mutter Schachar ‘die Morgen- rôthe. (Jes. 14. 2; Phil. Wochenschr. 1883 a.a.O.) Es läßt sich aber auch genau in den bisher besprochenen Sagen die Fuge feststellen, in welcher die Phaethon- Helelsage gestanden haben muß. Leukothea hat nach der rhodischen Sage außer den 7

Aithiopenmythen. 99

Proseooi eine Tochter Rhodos. Dieses Eponymon ist offenbar Hy- pokoristikon zu Sododuxrvios oder dodonnyve, also eine Bezeich- nung der ‘Morgenröthe. Nun gewinnt mit einem Male die Be- zeichnung 7906760. eine ganz neue Beziehung: in dem phoini- kischen Gedicht gebar Derketo die eine Tochter Schachar und die Sthne Schachorim die Entsprechung der Namen leuchtet ein —, ‘Podos aber ist nun auch wirklich, in der rhodi- schen Sage wie Schachar, die Geliebte des Sonnengottes. Die- ser Rhodos' Sohn also war in der rhodischen Sage Phaethon. Wirklich nennt Schol. Pind. Ol. 6. 131 Phaethon den Sohn der Rhodos. An dieser Stelle ist der rhodische Bericht bei Diod. V 56 veründert; denn der euemeristische Bearbeiter hat, um die benachbarten Helioscultstätten an die rhodische anschließen zu kónnen, statt der sieben Téchter und des einen Sohnes der ursprünglichen Phaethonsage der Rhodos sieben Sóhne und eine Tochter gegeben. Mit Phaethon hat der Frevel des Men- schengeschlechtes seinen Gipfel erreicht. Bedarf es noch eines Wortes, daß jetzt die Vernichtung desselben, die Sintf luth, folgen muß? In der That ist die Sintflnthgeschichte, wie auch Tiimpel richtig erkannt hat, durchaus mit der Aithiopensage verbunden. Insbesondere ist an allen drei Localitüten, an wel- chen unser ganzer Mythenkreis am deutlichsten localisirt war, in Rhodos (Diod. V 157), Lesbos (Diod. V 81), in Samothrake (Diod. V 47 ff, Schol. Il. XX 215; Nonn. Dion. III 46) auch zugleich der Sintfluthbericht localisirt. Eine ähnliche Verbin- dung deutet auch der allerdings nach Art der späteren prag- matischen Geschichten modificirte Bericht an, aus dem Plut. Pyrrh. I den Auszug erhalten hat: ©corgwıwv x«i Modocow» pera t0v xuraxivonov icrogovos Duédovru Bucidesoas now- 10v . . . Ebenso fest ist aber die Fluthsage mit der Derketo- sage im Local verbunden. Die beiden wichtigsten Cultstütten der Derketo, Hierapolis und Jope erzühlen von der Fluth. In der ersteren Stadt, deren Derketocultus unzweifelhaft ist, ob- gleich er in der Schrift über die syrische Göttin bezweifelt wird 5), wurde nach der bekannten Notiz in der genannten

5) de dea Syr. 14. Schon aus dieser Stelle geht der hieropoli- tanische Cultus der Derketo hervor, gegen welchen der Schriftsteller aus ganz unzureichenden, der Gestalt des Cultusbildes entlehnten Gründen Einwände erhebt; andere Schriftsteller bestätigen jenen Cul-

7 *

100 O. Gruppe,

Schrift die Kluft gezeigt, in welcher das Wasser der Sintfluth hineingelaufen sein sollte; von Jope bemerkt Plin. n. h. V 68 Iope Phoenicum antiquior terrarum inundatione ut ferunt. WiiBten wir noch nicht, dali Japho die mythische Grtinderin Jopes mit der Fluthlegende so verbunden war, daß die Fluth auf die Gründung folgte, so kónnten wir es fast schon aus die- ser Stelle folgern. °

Wenn ich zum Schlusse, wie bei früheren Gelegenheiten, versuche die phoinikische Legende zu reconstruiren, so kann natiirlich der Sinn dieser Reconstruction nur der sein, zu zeigen, daB die gewonnenen einzelnen Züge sich ohne Schwierigkeit zu einer wohlgegliederten Gesammterzühlung vereinigen lassen; da- bei kann begreiflicher Weise nur immer eine möglichst ange- messene und directe Vereinigung erstrebt werden. Aber die mythenbildende Phantasie mag, weil sie nicht frei schaltete, son- dern durch mancherlei Rücksichten und 'Traditionen gebunden war, oft ganzanders verfahren sein und da, wo wir eine Kluft auf einer Nothbrücke überspringen, einen weiten Umweg vor- gezogen haben. Nicht also um die bisherigen Ergebnisse weiter zu führen, sondern lediglich um sie im Zusammenhang ver- stindlich zu machen, gebe ich die folgende Darstellung der gan- zen phoinikischen Erzühlung, die uns bisher beschiftigte.

In alter Zeit fanden die Götter Gefallen an den Töchtern der Menschen und buhlten mit ihnen. So wurden gewaltige Menschen geboren, aber sie waren frevelhaft und achteten die

tus, z. B. Eratosth. epit. XXXVIII; schol. Arat. V 386; schol. Germ. 382 [p. 98. 16 Br. = S. 186 bei Robert cataster. vgl. MaaB *Erigone 86 adn. 27]; Strab. 748; Plin. n. h. 5. 81, wie denn auch die Trata, welche nach dem Talmud in Mapuk (d. i. Mabug, Bambyke, Hiera- polis) Zeripha, Askalon und Nasr in Arabien verehrt wurde, offenbar Atargatis Derketo ist. Die nordsyrische Münze mit der Aufschrift

INIANY (Waddington rev. num. 1861. 9) kann dabei, weil nicht sicher hieropolitanischen Ursprungs, unberücksichtigt bleiben. Vgl. im Allgemeinen Movers Phoen. 1 594; Baudissin Stud. zur semit. Religionsgesch II 165 ff. Der von Manilius astron. IV 580 (vgl. Ampel. l. m. II 12) berichtete Mythos von der ‘Venus’, welche sich in dem Euphrat verbirgt und Fischgestalt annimmt, hüngt wahrscheinlich wirk- lich, wie schon früher von Verschiedenen vermuthet ist, mit der Der- ketolegende von Hierapolis irgendwie zusammen. Die sich hier er- gebende Uebereinstimmung von Niniveh und Bambyke in Beziehung auf die Derketa und Sintfluthsage findet eine eirenthümliche Ergan- zung durch die Bezeichnung von Bambyke als Alt-Ninos Amm. Marc. XIV 8; Philostrat. vo. Apoll. I 19 vgi. Hitzig Zeitschr. d. deutsch. morgenl. Ges. VIII (1854) S. 215.

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Aithiopenmythen. 101

Götter nicht. Da ergrimmte der Vater der Götter und wollte die Menschen vernichten, aber er erbarmte sich ihrer und sprach :. drei Geschlechter noch will ich abwarten, ob sie nicht besser werden. Es lebte aber eine schóne fromme Frau auf Erden, die hieß Derketo. Der Meergott gewann sie lieb, und sie gebar ihm eine Tochter, die nannte sie Schachar (Morgenröthe) und 6 Söhne, die hießen Schachorim (die dunkelfarbigen oder die morgenlichen). Aber die Schachorim waren noch frecher als die übrigen Menschen; höhnisch verachteten sie die Göttin der Liebe. Da ergrimmte Aschtoreth und verblendete ihren Sinn. In der Verblendung thaten sie der eigenen Mutter Gewalt an. Da der Meergott erkannte, was seine rasenden Söhne gethan, verwünschte er sie unter die Erde, und dort hausen sie noch jetzt die ‘dun- kelfarbigen’ Unholde. Die tugendhafte Derketo aber trauerte über die Missethat und nachdem sie eine liebliche Tochter ge- boren, konnte sie die Schmach nicht ertragen; sie stürzte sich selbst ins Meer. Die Meerfrauen ließen jedoch die Unglückliche nicht sterben: sie machten sie zu einer der Ihrigen, und noch immer schützt Derketo als gütiges Meerweib die Schiffe. Auch das ausgesetzte hülflose Mädchen starb nicht, denn die Götter erbarmten sich ihrer und schickten Tauben, sie zu nähren. So fand sie der Hirt des königlichen Viehs. Er brachte das lieb- liche Kind seinem Herrn Keph ‘Felsen’, der nahm es an und weil es von den Tauben genährt war, wurde es Jona ‘l'aube’ genannt. Keph war ein gewaltiger Herrscher, denn Baal selbst war sein Vater; aber so mächtig er war, so frevelhaft war er auch. Er hatte eine hochmüthige Gattin, die war überaus schön und deshalb hieß sie auch Japho ‘Schönheit’. Japho baute eine Stadt am Meer, die nannte sie nach ihrem Namen. Wenn nun die schöne stolze Königin am Meere spazieren ging, und Der- keto mit den übrigen Meerfrauen in den Wogen spielen sah, dann rühmte sie sich, sie sei doch schöner als alle Meerfräuen. Da ergrimmte der Göttervater und er bot die Wogen auf, die Menschheit hinwegzuschwemmen; aber er besann sich, daß er sich vorgenommen hatte, das dritte Geschlecht abzuwarten. Er dämmte die Fluthen zurück, aber aus dem Wasser ließ er ein furchtbares Ungeheuer erstehen, dem ganzen Land eine Plage. Da sprach die böse Königin: das Land geht zu Grunde, wir wollen die Jona dem Ungeheuer opfern, ob es uns verschone.

102 O. Gruppe,

Jona war nämlich eine schöne Jungfrau geworden, und die Kö- nigin war im Herzen neidisch auf ihre Schónheit. Und Jona ward dem Ungeheuer preisgegeben und dieses verschlang sie. Als aber die Meerfrauen das liebliche Mädchen gesehen, da hatten sie Erbarmen mit ihm und sie schickten einen Helden ®), sie zu retten. Das Ungeheuer ward erschlagen, gesund sprang Jona aus dem Leibe hervor. Keph und sein bóses Weib und sein Volk wurden versteinert, darum heiBen die Steine bis auf den heutigen Tag Keph. Jona aber fuhr mit ihrem Erretter nach Assyrien, dort gründeten sie sich eine Stadt Niniveh. Und Jona gebar ihrem Gatten einen Sohn und sie erzog ihn in Got- tesfurcht. So wuchs das dritte Geschlecht der Menschen heran. Aber immer frevelhafter wurden die Menschen. Der Sonnengott Schamasch hatte die Schachar liebgewonnen, und sie gebar ihm einen Sohn, Helel, d. i. ‘der glänzende’, der war noch frevel- hafter als die andern Menschen, Er rühmte sich mächtiger zu

6) Der phoinikische Name des Helden ist unbekannt, obwohl sich manche Vermuthungen aufdrängen; sicher scheint mir, daß er nicht

(wie Bochardt und Clermont-Ganneau annehmen) U7) lautete. Hegosds ist aller Wahrscheinlichkeit nach griechischer Name des Helios; vgl. Et. Gud. 462 Isocsvs xalsiımı 6 los. Daher heißt auch Od. x 139 Itéoon Gemahlin des Helios und Perseus (Sch. Ap. Rh. MI 200) ein Sohn des Helios. Vgl. R. Förster Philol. Jahrbb. 1876 S.810. In der Function des Helios scheint mir Per- seus auch in der Gorgonensage zu erscheinen: die drei Gorgonen sind wie ich glaube ebenso wie die Graien Personiticationen der drei Nachtwachen. Daher ist auch die jiingste Schwester sterblich. Die griechische Etymologie ist trotz der vielfachen Versuche, die ge- macht wurden, noch nicht gefunden: die sprachlich sich am meisten empfehlende Ableitung von nép3w, welche wahrscheinlich auf Kalli- machos zurückgeht (Dilthey Cydippe S. 40) lieBe sich wohl allen- falls mit Rückert ‘Athena’ 127 auf den Blitzstrahl beziehen; was aber Rückert anführt, um das genealogische Verhältnis des Blitzes zur Sonne zu rechtfertigen, ist theils unwahrscheinlich theils falsch und für den Sonnengott, als den wir Perseus erkannten,-würe die Bezeich- nung 'Zerstórer' wenigstens seltsam. (Ueber die der Perseuslegende zu Grunde liegende Natursymbolik vgl. auch Cox Academy 24. Aug. 1887 Nr. 799). Offenbar ist Mego-sd¢ Hypokoristikon ; und da /7sgos- govn eine correcte Koseform zu Meogcégacce (Hsposg.dscon) ist, so mag das verlorene Masculinum dieses letzteren Namens der Vollname von "Perseus sein. Die soeben wieder von Mayer Gig. S. 66 f. vorge- schlagene Verbindung von Perseus mit Peirene, Petrasos lágt sich sprachlich nicht rechtfertigen. Der Nachweis, welchen neuer- dings Isaac Taylor Academy N. 797 [Aug. 1887] S. 105 versucht hat, daß Bel Merodach dem Perseus entspreche, scheint mir, ebenso wie die übrigen in demselben Aufsatz aufgestellten Hypothesen, doch auf recht zweifelhaften Gründen zu beruhen.

Aithiopenmythen. 103

sein als sein Vater, und besser als jener den Sonnenwagen füh- ren zu kénnen. Heimlich machte er sich ans Werk. Er stieg am Himmel empor, aber er konnte den Wagen nicht halten: jahlings stürzte er in die Tiefe hinab, aber noch nicht hörte der Frevler auf, die Gótter zu schmähen. Da schleuderte der ergrimmte Göttervater seinen Blitz auf den Frevler und ließ eine große Fluth kommen, daß alle Menschen untergingen bis auf den frommen Sohn der Jona und dessen Gemahlin °).

Die Legende, die wir auf diese Weise reconstruirt haben, erzühlt die Sagen nicht in ihrer ursprünglichen Form. Jona die Taube und Japho die Schönheit sind Hypostasen der Asch- toreth: nach der Góttin, nicht nach dem frevelhaften Weibe ist natürlich die Stadt genannt worden. Schachar die Gemahlin des Sonnengottes ist natürlich ursprünglich kein Menschenweib, sondern die Naturerscheinung, welche ihr Name bedeutet: die Morgenróthe. Dasselbe gilt von ihren Brüdern den Schachorim. Phaethon der Sohn der Morgenróthe und des Sonnengottes ist, wie mir aus den in Hirschfelders Philol. Wochenschr. 1883 S. 1544 angeführten Parallelen mit Sicherheit hervorzugehen scheint, die roth aufgehende Morgensonne. Aber so willkürlich unsere Legende offenbar mit dem Sagenmaterial schaltet, so ist sie doch bereits im siebenten vorchristlichen Jahrhundert be- kannt gewesen. Denn weiter darf man gewif nicht den Bericht Gen, 6. 1 ff. herabrücken, welcher mir auf unsere Legende Rück- sicht zu nehmen scheint. Allerdings gehórt die Erklürung die- ser Verse zu den schwierigsten Aufgaben der Exegese. Die wahrscheinlichste wortgetreue Uebersetzung sicher ist nicht einmal diese würde etwa so lauten: '(1) Und da die Men- schen anfingen sich zu mehren auf dem Angesicht der Erde und Töchter sich zeugten, (2) *sahen die Gottessöhne, daß die Men- schentöchter schön waren, bund sie nahmen sich zu Weibern, welche ihnen immer gefallen mochten. (3) *Da sprach Jahve: Nicht wird richten (?) mein Geist im (?) Menschen für Ewig- keit wegen (?) ihres Vergehens; ? Fleisch sind sie. °Es seien ihre Tage hundert und zwanzig Jahre. (4) Die Riesen waren auf der Erde in jenen Tagen und auch noch später, weil die

7) Daß der Gerettete der Sohn der Jona war, glaube ich, ob- wohl es nicht bezeugt ist, nach der Logik des ganzen Legende an- nehmen zu müssen.

104 O. Gruppe,

Gottessôhne sich einließen mit den Töchtern der Menschen und diese Starke gebaren von Ewigkeit, Männer des Ruhmes’. Es kann natürlich nicht die Aufgabe der nachfolgenden Zeilen sein, die vielumstrittenen Räthsel dieses Abschnittes alle zu lösen, über einige Punkte aber scheint mir allerdings eine allseitige Verständigung möglich. Zunächst darüber, daß dieser Bericht nicht durch Zufall an seiner gegenwärtigen Stelle steht, daß vielmehr die Riesen in irgend welchem Zusammenhang zu den- ken sind, mit dem Frevel der Menschen, welcher unmittelbar nachher die Sintfluth herbeiführt. Daraus aber folgt, daß wir zunächst keineswegs berechtigt sind, jeden einzelnen Satz blos aus sich selbst zu erklären, daß wir vielmehr vorher untersuchen müssen, in welchem Zusammenhang ihn derjenige, welcher die- sen Bericht hierher setzte (R), verstanden wissen wollte. Dies beruht auf einem allgemein gültigen kritischen Grundsatz, der hier um so mehr befolgt werden muß, weil offenbar und einge- standener maaßen R einen vollständigeren Bericht vor Augen hatte und denselben verkürzte, sei es weil derselbe zu seinem Zwecke nicht nothwendig erschien, sei es weil er den Leser mit demselben auch ohnehin vertraut wähnte; R ist also auch durch seine Auffassung der Worte insofern directe Quelle, weil diese Auffassung auf einer vollständigeren Kenntniß beruhte. Als Auffassung von R nun scheint sich mir folgendes mit Sicherheit zu ergeben: 1) die Periode des Geschlechtes der Gottessöhne wird durch die große Fluth beendigt; 2) die Periode dieses Ge- schlechtes wird in V. auf 120 Jahr bestimmt; 3) der Sinn der dunkelen und vielleicht corrumpirten Worte in 34 kann nur der sein, daß deshalb, weil sich die Gottessöhne vergangen ha- ben, das Geschlecht der Gottessöhne nicht immer dauern soll. (Dagegen erregt die Erklärung, welche die in V. 3 festgesetzte Lebensdauer auf das Leben des einzelnen Menschen bezieht, nach mehreren Richtungen hin den schwersten Anstoß. Erstens ist davon, daß die Kinder der Gottessöhne eigentlich unsterb- lich waren, nicht das Geringste gesagt; zweitens ist es min- destens sehr auffallend, daß mit den Worten ‘seine Tage seien 120 Jahr’ die längste Dauer des Menschenlebens bezeichnet sein soll, abgesehen davon, daß im alten Testamente diese Maximal- begrenzung der Lebensdauer nicht weiter vorkommt; endlich aber erscheinen ja thatsächlich später Menschen, welche länger,

Aithiopenmythen. 109

sogar erheblich linger als 120 Jahr leben). Weiter scheint mir 4) auch dies sicher, daß die Worte Jahves in V. 3 gesprochen sind, zwar nach der Verirrung der Gottessöhne, aber noch bevor die Kinder dieser Verirrung geboren sind: denn nicht nur wird vorher von der Geburt dieser Kinder nichts gesagt, sondern auch nachher dieselbe ausdrücklich hervorgehoben. Daß der Hexateuch häufig verworren erzählt, ist zwar richtig, aber na- türlich muf jede vernünftige Erklärung so lange als môglich daran festhalten, daB der erklürte Text vernünftig sei: nun ist es aber doch sicher nicht unmöglich, daß Gott, welcher die ge- ordnete Welt geschaffen und in ihr dem Menschen ein be- stimmtes Quantum seines Geistes mitgetheilt hat, eine Verletzung der Schöpfungsordnung darin erblickt, daß dem Menschen durch die Grottessühne ein noch größeres Quantum dieses Geistes ein- gepflanzt wird, und daß er demgemäß, auch ohne daß die Sprößlinge der Mischehen geboren sind, und Gelegenheit gehabt haben ihre Schlechtigkeit zu beweisen, den Untergang derselben nach einer bestimmten Frist beschließt. Nun wäre es freilich das viel Logischere gewesen, wenn Gott die Frucht der Verbin- dung sofort noch im Mutterleib getödtet oder, noch besser, diese Verletzung der Weltordnung gar nicht zugelassen hätte; aber natürlich nahm daran der Gläubige so wenig Anstoß wie an manchem anderen Anstößigen, er tröstete sich eben mit dem Satze, daß Gottes Rathschlüsse unerforschlich sind. Auch dieses scheint mir 5) sicher zu sein, daß die 'Gottessóhne' für E nach dem Sprachgebrauch der hebrüischen theologischen Litteratur nur die ‘Engel’ sein können. Keine Erklärung im Sinne von R weiß ich für den Ausdruck ‘von Ewigkeit’ im vierten Vers, denn die einzige hier in Betracht kommende Bedeutung die ‘Uralten’ (1. Sam. 27. 8) kann der Ausdruck erst im geeigneten Zusammenhange, sicher aber nicht hier erhalten, wo ja vielmehr grade hervorgehoben wird, da8 die Riesen nicht von Ewigkeit her existirten. Es bleibt hier, wie mir scheint nur die gleich weiter zu untersu- chende Alternative, daß entweder die Worte corrumpirt oder als überliefert von R in einem ihm selbst nicht mehr verständ- lichen Sinne angewendet sind. Soweit scheint mir trotz man- cher Zweifel im Einzelnen im ganzen wenigstens die Exegese unserer Stelle, soweit dabei die Auffassung von R in Betracht kommt, gesichert. Aber diese Auffassung ist nicht die ursprüng-

106 O. Gruppe,

liche; ja es scheint mir auch dies unzweifelhaft, daB überhaupt die hier erzählte Legende nicht in jüdischem Sinn erfunden wurde. Entscheidend dafiir ist schon der Umstand, daf sie in der ganzen jiidischen Litteratur soweit in derselben jiidische Vorstellungen niedergelegt sind vollkommen isolirt steht; alle sonstigen Anspielungen auf die Legende gehen nicht allein auf unsere Stelle zurück, sondern sie haben dieselbe sogar großentheils gröblich mißverstanden, sodaß die Geschichte in der hebräischen Litteratur verhältnißmäßig früh verschollen gewesen sein muß. Zweitens aber unterbricht unsere Legende die speci- fisch jüdische Urgeschichte. Denn wenn wir auch hervorheben mußten, daß formal die Geschichte mit dem Vorhergehenden und Folgenden zusammenhängt, so ist doch an der Ansicht, welche die Geschichte als isolirtes Bruchstück betrachtet, so viel richtig, daß logisch die Fortsetzung nicht blos von K. 5 sondern überhaupt von der Urgeschichte, wie sie die Juden sich vorstellten, ganz anders hätte lauten müssen. Ist nun aber ein- mal zugegeben, daß unser Bericht eigentlich heidnisch war, so wird auch dies sofort einleuchten, daß die 'Gottessóhne' im Gegensatz zu den “Töchtern der Menschen’ nur die ‘Götter’ be- deutet haben können. Nun gewinnt auch der Ausdruck ‘von Ewigkeit’ ein ungeahnte Bedeutung. ‘Volk von Ewigkeit’ ist nämlich eine im alten Testament häufig vorkommender Ausdruck für ein frevelhaftes Geschlecht, welches, wegen seiner Frevel- haftigkeit in den Scheol gestoßen ist: daher heißt hinabfahren zu ‘dem Volke der Ewigkeit’ (oder wie ‘das Volk der Ewig- keit) gradezu ‘sterben’ Klagel. Jerem. 3. 6 = Ps. 143. 3. Besonders characteristisch ist eine Stelle des Hesekiel, weil der Zusammenhang fast mit Nothwendigkeit die Anspielung auf einen heidnischen Mythos erwarten läßt. Der Prophet wünscht den heidnischen Staaten alles Unheil, von dem ihre Mythologie erzihlt, und spricht in diesem Zusammenhang (26. 20): Ich will eine große Fluth über dich kommen lassen, daß dich große Wasser bedecken, ich will dich hinunterstoßen zu denen, die in die Grube führen, zu dem ‘Volke der Ewigkeit’; ich will dich setzen in die Erdentiefe. Daß hier auf denselben heidni- schen Mythos angespielt wird, wie Genesis 6 scheint mir um so zweifelloser, da auch hier die Begebenheit mit der großen Fluth in Verbindung gebracht wird. Aber wir kónnen noch

Aithiopenmythen. 107

bestimmter sagen, dafi der Ausdruck ‘Volk der Ewigkeit’ eine der phoinikischen Entsprechungen für Al9iomec ist. Als Aequi- valent für dieses fanden wir bereits Kimmerim ‘die Versengten’. Diese in den Skythen wiedergefundenen Kimmerim heiBen nun Jerem. 5. 15 wirklich ‘Volk von Ewigkeit. Sogar die griechische Uebersetzung dieser Kimmerim meolam haben wir: bei Bion (Athen. 566 C) erscheinen die uéyoi vov "49 4 var ov xalovuso Al- Sionec. Es scheint mir unter diesen Umständen einleuchtend, daB dem jüdischen Bearbeiter in G'en. 6 entweder dieselbe Er- zühlung wie die von uns reconstruirte Derketolegende oder doch eine ihr nahe verwandte heidnische Erzühlung vorlag. Es stimmt überein: 1) die Ehe der Gótter mit den Menschenweibern 2) der Uebermuth der aus denselben hervorgehenden Kinder 3) die Be- zeichnung derselben als ‘Versengte’ resp. als ‘Volk der Ewigkeit’; 4) die Vernichtung dieses #bermüthigen Geschlechtes durch die große Fluth. Unter diesen Umständen können wir vielleicht in der Gleichsetzung noch einen Schritt weiter gehn. Bekanntlich wird in Kanaan und sonst im Orient das Geschlecht zu 40 Jahren gerechnet: die 120 Jahre, welche dem Geschlechte der Gottessöhne zugemessen werden, entsprechen also drei Geschlech- tern. Drei Geschlechter hindurch sieht nun aber auch in der von uns reconstruirten phoinikischen Legende der Güttervater den Frevel der Göttersprößlinge mit an, und wir haben ver- muthungsweise diese Festsetzung bereits dem Göttervater in den Mund gelegt. Es scheint mir daher eine ähnliche Bestimmnng in der von R gelesenen heidnischen Legerde enthalten gewesen zu sein.

Wir haben vier Legenden kennen gelernt, welche, obwohl sie in der bisher behandelten Litteratur nur getrennt überliefert sind, sich uns doch als ein zusammengehöriges Ganze darstell- ten, weil sie erstens alle dem ‘Aithiopenkreis’ angehören, zweitens denselben ethischen Gedanken mit der gleichen, nur sich offenbar steigernden Mitteln der Erzählung ausdrücken, drittens an denselben Orten, in Samothrake, Rhodos Lesbos, Jope Bambyke, Niniveh locasisirt erscheinen und viertens in ihrer Gesammtheit die einfachste Erklärung für einige fast dunkele biblische Stellen geben. Wir werden im nächsten Aufsatz eine kürzlich stark mißdeutete Ueberlieferung besprechen, in welcher diese Legenden oder doch die wichtigsten Bestandtheile derselben direct mit einander verbunden werden.

O. Gruppe.

IX.

Die Forschung über die griechische Geschichte 1882 1886).

Das Perikleische Zeitalter.

72. Laroque, la Gréce au siècle de Periclés. Paris, De- gorce-Cadot. 1883. 18° S. 352.

73. Busolt, zum Perikleischen Plane einer hellenischen Nationalversammlung: Rhein. Mus. Bd. XXXVIII 1883 S. 150— 152.

74. Busolt, die chalkidischen Städte während des samischen Aufstandes: Rhein. Mus. Bd. XXXVIII 1883 S. 307—308.

75. Busolt, die Kosten des samischen Krieges: Rhein. Mus. Bd. XXXVIII 1883 S. 309. 310.

76. Guiraud, de la condition des alliés pendant la pre- miére confédération athénienne (extrait des Annales des facultés des lettres de Bordeaux et de Toulouse). Paris, Ernest Thorin 1883. 8°. S. 58.

77. Lübke, observationes criticae in historiam veteris Grae- corum comoediae. Berolini 1888. Diss. inaug. 8°. S. 59.

78. Duncker, ein angebliches Gesetz des Perikles i. Si- tzungsber. der Berl. Akad. d. W. 1883 S. 985—948 jetzt auch in Abhandlungen aus der griech. Geschichte. Leipzig 1887 S. 124 —141.

‘79. Duncker, der sogenannte kimonische Frieden: Sitzungs- ber. der Berl. Ak. 1884. S. 785—812, auch in Abhandlungen aus der griech. Gesch. S. 87— 125.

80. Pflugk-Harttung, Perikles und der samische Krieg: Zeitschr. für Gesch. Stuttgart 1884 S. 409.—416. Vgl. Philol. Anz. XVI. 1886. S. 822 —325.

1) [Der nachstehende Artikel ist eine Fortsetzung des ‘Jahresbe- richtes’ im Philol. XLVI 1, 107 ff., an den sich auch die Numerie- rung der besprochenen Arbeiten anschließt).

Die Forschung iiber die griechische Geschichte. 109

81. Pflugk-Harttung, Perikles als Feldherr. Stuttgart, W. Kohlhammer 1884. 8°. S. 143.

82. Beloch, zur Finanzgeschichte Athens: Rhein. Mus. Bd. XL. 1885. S. 34—64; 239—59.

83. Wachsmuth, zur Geschichte des attischen Biirgerrechtes i. Wiener Studien VII. 1885. S. 159 f.

84. Schenkl, zur Geschichte des attischen Biirgerrechtes i. Wiener Studien VII. 1885. S. 337—39.

85. Duncker, des Perikles Fahrt in den Pontus i. Si- tzungsb. der Berl. Ak. 1885 S. 533—550, auch in Abhandlun- gen aus d. griech. Gesch. S. 142 ff.

86. Hanssen, über die Bevélkerungsdichtigkeit Attikas und ihre politische Bedeutung im Alterthume. Hamburg, Otto MeiB- ner. 1885. S. 20.

87. Beloch, die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt. Leipzig, Duncker u. Humblot 1886. 8°. S. XVI u. 520.

88. Egelhaaf, die kriegerischen Leistungen des Perikles in ‘Analekten zur Geschichte’. Stuttgart, W. Kohlhammer. 1886. 8°, S. 1—31.

89. Péhlmann, Recension von Pflugk-Harttung, Perikles als Feldherr in hist. Zeitschr. LV. 1886. S. 267— 273.

90. Boeckh, die Staatshaushaltung der Athener. Dritte Auflage. Herausgegeben und mit Anmerkungen begleitet von Max Frinkel. Berlin, Druck und Verlag von Georg Reimer 1886. gr. 8. I S. XVIII u. 711; II p. VII 517. 217. Vgl. Philol. Anz. XVII. 1887. S. 174 ff.

Nur wenige Männer können im Verlaufe der Weltgeschichte den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, ihrem Zeitalter das Gepräge völlig gegeben zu haben. Nur einem einzigen hat die Geschichte bis jetzt unumstritten den Vorzug gewährt, daß nach ihm von einem Jeden ein Zeitalter genannt wird. Das ‘Peri- kleische Zeitalter’ ist nach landläufiger Anschauung die Verkörperung alles dessen, was Griechenland und hauptsächlich in diesem Athen an Gutem und Schönem geleistet hat. Aber die Kritik hat hiervor keine Ehrfurcht gekannt, sie hat auch hier ihre Sonde angelegt, und das Resultat dieser Untersuchung ist kein erfreuliches gewesen. Von ‘Perikles auf einsamer Höhe’ hat schon Müller - Strübing in seinem 1874 erschienenen Werke ‘Aristophanes und die historische Kritik’ nichts wissen wollen; er legte dar, daß der ‘Olympier’ ein Sterblicher wie jeder andere gewesen sei, und daß es auch in seiner Zeit genügend fähige Köpfe gab, die über seine Pläne urtheilen konnten. Gegen- wärtig ist aber die Kritik bei diesem Urtheil nicht stehen ge- blieben, sondern sie hat nicht davor zurückgeschreckt, die ge- heiligte Majestät des Perikles anzugreifen und in den Staub zu ziehen.

110 H. Landwehr,

Julius von Pflugk-Harttung (Nr. 80) ist zuerst mit einem Vernichtungsurtheil aufgetreten; den Feldherrnruhm des Perikles hat er auf ein Nichts zuriickzufiihren gesucht. Das Urtheil, welches einst Hermipp über Perikles fällte ‘in Worten ein Held, in Thaten ein Feigling’, findet Pflugk-Harttung zwar stark, aber nicht ganz unzutreffend (S. 112). Perikles ist ihm ein guter Kriegsminister, der weit ausschauend vorbereitete, aber als General nicht verstand, das Vorhandene auszunutzen. Die hauptsächlichsten Punkte der Anklage bilden der samische Krieg und die Politik im peloponnesischen Kriege. Auch andere For- scher waren mit Pflugk-Harttung zu gleichem Resultate gelangt. Julius Beloch hat in einem unten nüher zu besprechenden Werke (Nr. 93) S. 23 sich dahin ausgesprochen, daß das von Perikles bei Beginn des peloponnesischen Krieges eingeschlagene System der reinen Defensive nichts anderes bedeutete, als eine nutzlose Erschépfung der finanziellen und militürischen Mittel Athens. -Doch immerhin konnte es fraglich erscheinen, ob ge- rechtfertigt war, allein von der strategischen Seite eine Beur- theilung des Perikles zu unternehmen. Hieran konnte sich auch die Frage knüpfen, ob diejenigen, welche dem Feldherrn Perikles nichts gutes nachsagen konnten, nicht leicht auch dies schlechte Urtheil dem Staatsmanne entgelten ließen. Ein abschlieBendes Urtheil konnte demnach erst dann gefüllt werden, wenn ein Forscher sich daran machte, die gesammte Thätigkeit des Peri- kles abermals zu durchforschen. Als Max Duncker den Ent- schluB kund gab, seine mit dem siebenten Bande zu einem ge- wissen Abschluß gelangte Geschichte des Alterthums über die Tage von Marathon und Salamis hinaus fortzusetzen, schlug wohl jedes Herz höher. Allerdings war es dann mehr wie ei- nem überraschend, daß Duncker nicht nur dem absprechenden Urtheil über das Feldherrnthum des Perikles sich anschlof, son- dern auch in anderer Beziehung diesem Zeitalter viel von dem Glanzschimmer entriß. Diejenigen also, welche gerade von die- ser Seite eine Beantwortung der Angriffe gegen Perikles gehofft hatten, muften nun selbst auf die Schürfung ihrer Waffen be- dacht sein. Die Vertheidigung des Perikles haben im Wesent- lichen Póhlmann (Nr. 88) und Egelhaaf (Nr. 87) übernommen ; ob aber mit Glück, das mag die folgende Untersuchung lehren.

An Verdiensten fehlt es dem Perikles nicht. Wer heute noch die Stadt Athen durchwandert, wird überall lebendig re- dende Zeugen seiner Staatsleitung finden. Ihm ist es gelungen, alle Seiten des attischen Lebens, die im 'Triebe standen, durch einsichtige, wohlwollende und ausdauernde Pflege zu voller Ent- faltung und reicher Blüthe gelangen zu lassen, Athen zur volk- reichsten, wohlhabensten und glänzendsten Stadt in Hellas zu machen, Attika zu dem Gipfel seiner wirthschaftlichen, seiner künstlerischen, seiner geistigen Leistungen emporzuführen. (Dun-

Die Forschung iiber die griechische Geschichte. 111

cker Nr. 6 S. 497). Im Innern des Staatslebens lag ihm keine leichte Aufgabe ob. Egelhaaf Nr. 87 S. 6 schreibt dem Peri- kles das Verdienst zu, daß er zum ersten und vielleicht letzten Male in der Geschichte den bewufiten Versuch machte, eine un- aufhaltsame demokratische Entwicklung von der fast unvermeid- lichen Einmiindung in die Kloake. der Ochlokratie zuriickzu- halten, die Demokratie unter eine feste, dem Wesen nach mo- narchische, der Form nach verhiillte Fiihrung zu stellen und sie so zur Ausreifung einer idealen Cultur zu befühigen. Aber dies ist ohne Zweifel zu weitgegangen und allein auf Grund der von Thucydides, dem unbedingten Bewunderer des Perikles, ge- gebenen Charakteristik aufgebaut. Die Mafinahmen, welche Pe- rikles getroffen hat, müssen uns eines andern belehren.

Bei Beginn seiner politischen Thätigkeit hatte Perikles ge- gen den bedeutenden Einfluß, welchen des Miltiades großer Sohn besaß, anzuringen. Es ist merkwürdig, daß die Bewunderer des attischen Staatsmannes in der Regel in den Fehler verfallen, daß sie Kimon hart beurtheilen. Schon Adolf Schmidt ist in seinem 'Zeitalter des Perikles' hierin sehr weit gegangen. Aber den einen auf Kosten des andern zu vergrößern, will nicht recht erscheinen. Für Perikles gab es, um gegen Kimon aufzukom- men, keinen anderen Weg als den, von vornherein als Mann des Volkes aufzutreten. Wie seinem Ahnen Kleisthenes, so er- ging es auch ihm; er wurde gegen seine Ueberzeugung ein An- walt des Demos. Um aber die Herzen der Bürger an sich zu fesseln, bedurfte es großer finanzieller Hülfsmittel. Gegenüber den Reichthümern Kimons hatte er nur Geringes einzusetzen. Er mußte also auf Mittel und Wege sinnen, diesen Mangel zu ersetzen. Auch als er dann zum zweiten Male mit Thucydides, des Melesias’ Sohn, und dessen Partei der Aristokraten und Kon- servativen, der Großgrundbesitzer und Bauern, um die Herr- schaft rang, blieb ihm nichts anderes übrig als sich auf die breite Masse der unteren Volksschichten zu stützen. So begann er denn jenes System, die Bürger für die Ableistung der ihnen obliegenden Pflichten als Rathsherr, Richter oder Besucher der Volksversammlung zu besolden. Was er für den einzelnen fest- setzte, war nach den damaligen Preisen der Werth der noth- dürftigen Beköstigung für einen Tag. Adolf Schmidt hat diese Maßnahmen in seinem angeführten Werke eine soziale Reform genannt. In der That war sie es, aber so sozialistisch, daß schwerlich Jemand damals einen andern Plan ersonnen hätte, der sich noch mehr den Forderungen unserer sozialdemokratischen Ultras näherte. Nur mit vollem Rechte weist Duncker Nr. 6 S. 501 darauf hin, daß die Diätenzahlung von Staatswegen, welche nun Jedermann in Stand setzte, Richter zu sein, schwer- lich der moralischen Gesundheit des attischen Bürgers frommen konnte. Durch die völlige Abhängigkeit der Bundesgenossen

112 ^. H. Landwehr,

von Athen war zudem die Gerichtsgewalt so erweitert, daf jeder halbwegs Befähigte aus den unteren Klassen verleitet wurde, seinen Lebensberuf in den Staatsgeschäften zu suchen, daB fer- ner auch die Unbefähigtesten verlockt wurden, ihr täglich Brod mittelst der Ausübung der Hobheitsrechte im Richterdienst zu finden, wührend durch ständige Gewohnheit des Entscheidens und Befehlens Selbstgefühl und Hochmuth in diesen Kreisen eine kaum wünschenswerthe Steigerung erfahren muften.

Duneker schreibt dem Perikles auch die Einführung des Ekklesiastensoldes zu. Die Gründe, welche er da- für vorbringt, haben mich nicht zur Umkehr bewegen können. Die Einführung des Sewguxov, welche dem Perikles von Plu- tarch, Leben des Per. 9 zugeschrieben wird, konnte nach Dun- cker a. a. O. S. 151 Anm. nur dann erfolgen, wenn bereits vordem die Biirger fiir ihre Thätigkeit in der Volksversammlung entschädigt wurden. Dann mußte Perikles auch deshalb darauf bedacht sein, damit seine Partei, die dieses Geldes gerade be- durfte, stets vollzählig in der Volksversammlung erschien. Eine Möglichkeit aber, die Staatskasse in dieser Weise zu belasten, war nur zu einer Zeit möglich, wo sich die Geschäfte der Volks- versammlung wesentlich vermehrt hatten. Duncker meint, daf) gerade nach der Niederwerfung des euboeischen Aufstandes der Augenblick gekommen war. Daf dann die Worte des Aristo- phanes in den ’Exxinowutovoe 300 ff: 094 Ó' ow; wOJncoutv rovode 1006 ÈÈ UOTEWS fjxovrac, 000% ngó rov wiv, mvlx der LaBPetv à3ÀA9orvr 0fg0Àóv uóvov, xadtinvro An- Aodvrec Ev roig otsyarduaciv, vuvi 0 Erogdovs ayav sn. über die Zeit des Perikles hinauf als die der unbeaoldeten Volksgemeinde weisen, kann ich nicht finden. Wenn nun Dun- cker weiter behauptet: „daß Aristophanes wie den Heliasten-, so auch den Ekklesiastensold in den früheren Stücken hätte verspotten müssen, wird doch nicht zu erweisen sein“, möchte wohl eine gewisse Geringschützung des Argumentes sein. Man lese nur den Anfang der Acharner. Dikaiopolis klagt über die Leere der Volksversammlung. Wer sich ganz in die Stimmung der Situation versetzt, möchte schwerlich glaubhaft finden, daß hier eine Umgehung des Ekklesiastensoldes möglich war. Ja die Verse 25 f.:

#A90vres aAAmAocıcı regi mowrov Evaov,

&Jgow xutuggÉortes und Vers 42:

dg ınv noosdolu» nag dvjo worlleras wiren ganz unverständlich, wenn bereits der Ekklesiastensold vorhanden gewesen wire. Hier hätte es Aristophanes sich nicht entgehen lassen die Geißel seines Spottes zu schwingen, wenn in der That schon die ihm so schädlich dünkende Einrichtung be- standen hätte. Daß er dieselbe aber gern geißelte, erweisen der

Die Forschung über die griechische Geschichte. 113

Plutos und die Ekklesiazusen. Die Zeit, wann der Sold einge- führt sei, genau zu ermitteln, ist nicht môglich. Vor Euklid hat er sicher nicht bestanden. Der bei von Leutsch und Schnei- dewin paroemiogr. Gr. S. 437 angefiihrte Komiker schreibt die Einführung des Ekklesiastensoldes einem KeAA(crgarog, Enıxa- Aovmevoc Ilagvvıns zu. Aber dies ist wohl, wie Fränkel bei Boeckh Nr. 89 Bd. II S. 65 bemerkt, nur ein Autoschediasma zur Erklirung des vielleicht ganz anders zu deutenden Sprich- wortes. Für seine Ungewißheit zeugt dann auch, daß er seinen Kallistratos auch mit dem Heliastensolde in Verbindung bringt. Auch über Kallistratos läßt sich nichts Genaueres ermitteln, Daß Aristoteles fr. 415 sagt: Kaddexgutyy teva nowrov TW Bixacitor roUg puodove sig vneoßoAnv uvEnca. ist bezeichnend für die Unsicherheit der Tradition in diesen Fragen. Daf Argyr- rhios mit dem Ekklesiastikon zu thun hatte sei es mit sei- ner Vermehrung auf drei Obolen oder mit seiner Einführung, wie die Scholien zu Aristoph. Ekkles. V. 102 berichten steht fest nach Aristoph. Ekkles. 183 ff Weiter auf diese Dinge ein- zugehen, wire nur eine Wiederholung dessen, was Wiirz ‘de mercede ecclesiastica! Berolini 1878 vorgetragen hat.

Wenn dann Duncker behauptet, die Einführung des Theo- rikon sei undenkbar, wenn nicht die des Ekklesiastikon voraus- gegangen sei, so móchte sich dem folgende Erwügung entgegen- halten lassen. Der Grund der Einführung der Schaugelder und des Richtersoldes war ein anderer wie der, welcher beim Ekkle- siastikon vorwalten konnte. Im ‘Theater wurden für den Platz zwei Obolen gezahlt. Um nun den ärmern Klassen auch die Schauspiele zugünglich zu machen, übernahm die Staatskasse die Zahlung dieser Summe an jeden, der sich im Theater einfand. Eine Entschüdigung für die Thätigkeit als Richter war dann in Griechenland auch andernorts üblich und mufite ganz ge- rechtfertigt erscheinen, nachdem die Processe der Bundesgenossen auch vor die athenischen Tribunale gezogen wurden. Die hier- für nóthigen Ausgaben wurden dann auch von den Bundesge- nossen getragen. Deshalb ist die Annahme berechtigt, daB die Volksversammlung, in der auch die besser gestellten keine ge- ringe Rolle spielten, leicht sich zur Bewilligung eines derartigen Soldes entschloB, für welchen die Ausgabe aus der Staatskasse nur gering war. Dagegen werden die Gegner des Perikles sicher alle Mittel in Bewegung gesetzt haben, um eine Einfüh- rung des Ekklesiastensoldes zu verhindern. Denn sie mußten sich sagen, daB durch denselben hauptsüchlich diejenigen Ele- mente herbeigezogen wurden, auf die Perikles sich stützen konnte.

Das Gesetz, welches Perikles gegen die rodo: ge- richtet haben soll, ist von Schenkl Nr. 38, Duncker Nr. 77 und Beloch Nr. 86 S. 75 ff. behandelt. Plutarch Perikl. C. 87 ex

Philologus. N. F. Bd. I, 1. 8

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zählt, daß Perikles ein Gesetz erlassen habe, daß nur diejenigen im Vollgenuf des Bürgerrechtes sein sollten, welche väterlicher- und miitterlicherseits Athener waren. Die Quelle hierfür ist Philochoros, wie Schol zu Aristoph. Wespen 718. Verknüpft hiermit ist die Nachricht, daf bei einer Vertheilung des von König Amyrtaios (s. unten S. 117) gespendeten Getreides 4760 Athener ihres Bürgerrechtes für verlustig erklürt seien auf Grund jenes Gesetzes. Schenkl hat nun in den Wiener Studien Bd. II S. 170 ff, darzulegen gesucht, daß die Erzählung bei Plu- tarch über die Ausstoßung der Bürger kein Vertrauen verdient, da sie nichts als eine Episode ist, welche der Anmerkung eines alexandrinischen Gelehrten zu einer Stelle des Aristophanes Wespen entlehnt und nicht ohne starke Mißverständnisse in seine Darstellung verflochten ist. In ansprechenderer Weise hat Beloch Nr. 86 den Bericht angegriffen. Er geht von der Voraussetzung aus, daß Philochoros wirklich so berichtet habe, doch beruhen die Zahlenangaben auf einer Kombination. Es muß auffallen, daß beide Zahlen die runde Summe von 19000 Bürgern ergeben, also die Zahl der Einwohner, welche Athen zur Zeit des Philochoros zählte. Nun ist die Frage, welche von beiden Zahlen die erschlossene ist. Auf statistischer Erhebung kann allein die Zahl der Getreideempfänger beruhen. Diese mußte in den Rechnungen verzeichnet stehen; oder wenn nicht, so ließ sie sich aus der Menge des überhaupt vertheilten Ge- treides und dem Antheil jedes einzelnen ohne Mühe berechnen. Für uns ist diese Rechnung heute nicht mehr möglich, da die Zahlen in den Aristophanesscholien verdorben sind. Indem nun Philochores die so gefundene Summe von der Zahl der Bürger seiner Zeit abzog, fand er, daß die Zahl derer, die bei dieser Getreidespende zurückgewiesen waren, 4760 war. „Die schau- derhafte Mähr, daß damals ein Viertel der bürgerlichen Bevöl- kerung Attikas entrechtet oder gar in die Sklaverei verkauft worden sei, ist aus der griechischen Geschichte zu streichen“. Es ist nun noch die Frage, wer denn unter den 14240 Getreideempfängern zu verstehen sei. Duncker Nr. 6 S. 411 Anm. 2 und Beloch Nr. 86 S. 80 entscheiden sich dafür, daß es nur die Theten waren. Allerdings hätten wir dann hier nicht eine genaue Gesammtangabe aller Theten, denn es „mußte eine beträchtliche Menge von Bürger geben, die verhindert wa- ren, sich zur Empfangnahme ihres Antheils zu melden, sei es wegen Abwesenheit von Attika zu Handelszwecken oder auf der Kriegsflotte, sei es durch Krankheit oder auch aus Furcht vor den Chikanen einer ygayn Eerfag, die Aristophanes uns so dra- stisch geschildert hat“. Beloch Nr. 86 S. 79. Die Zahl von 19000 Bürgern widerspricht aber auch, wie Beloch sagt, den sonstigen Angaben, die wir über die Einwohnerzahl des peri- kleischen Zeitalters besitzen. Boeckhs Behauptung Nr. 89 Bd.I

Die Forschung über die griechische Geschichte. 115

S. 51 die Bevülkerung habe sich von 445 bis 431 etwas ver- mebrt, ist nicht stichhaltig. Auch Schenkl Nr. 38 p. 77 hat empfunden, daß die Zahlenangaben nicht für die Zeit des Peri- kles passen, wenn eben die Gesammtsumme der Biirger darunter verstanden werden soll. Er glaubt daher dieselbe am leichtesten in der Weise zur Geltung bringen zu können, daß er das Er- eigniB in das Jahr 339 setzt. Beweis dafür soll sein, daß beide Jahre einen Archonten Lysimachides haben, und daß also nur eine Verwechselung beider obwalte. Aber damit ist doch nicht die Verbindung mit der Kornspende gelóst. Bekräftigend kónnte angeführt werden, daf 346 Demophilos den Antrag auf Reini- gung der Bürgerlisten gestellt hatte. Aber der Antrag des Hy- pereides (338), zahlreichen Metoeken das Bürgerrecht zu geben, war doch nicht dadurch hervorgerufen, daß die Zahl der Bür- ger durch eine diuyngioss arg gelichtet war, sondern es sollten die durch die Schlacht bei Chaironea entstandenen Lücken wie- der ausgefüllt werden. Curt Wachsmuth Nr. 82 S. 160 hat diese Vermuthung Schenkls einfach dadurch widerlegt, daf$ in den aegyptischen Verhältnissen des Jahres 339 für einen Fiir- sten Psammetich, der in der Lage war, nach Athen eine solche Spende zu schicken, keinerlei Platz bleibt. Dies zu widerlegen ist dann Schenkl Nr. 83 S. 339 nicht gelungen.

Die Betheiligung des Perikles an einem Gesetze gegen die y»0Jo, hat Duncker Nr. 76 aus inneren Gründen zu widerlegen gesucht. Es konnte dies Gesetz, wenn es überhaupt beantragt wurde, nur nach dem Tode Kimons Annahme finden. Denn durch dasselbe würen Kimon und andere hervorragende Athener, deren Mutter keine Bürgerin war, aus dem As£sxoysxor zu strei- chen gewesen. Durch die auswürtigen Beziehungen der Athener waren auch viele Familienverbindungen angeknüpft. Die Rück- sicht, welche auf die Biindner zu nehmen war, verbot ein der-. artiges Gesetz. Zudem wire die Partei des Perikles am mei- sten von demselben betroffen worden, denn die Städte ver- mischten sich leichter mit den Metoikenfamilien, als die Land- bewohner. Schenkl Nr. 38 p. 74 will den Antrag des Perikles mit politischen Motiven in Verbindung bringen. ,,Handel und Industrie hatten sich zu einer solchen Höhe gehoben, daB eine derartige Erleichterung der Ansiedlung in Athen nicht mehr er- forderlich war; ja die starke Bevölkerungszahl ließ es nicht räthlich erscheinen, den Zutritt zum Bürgerrechte zu erleichtern, da eine Anhäufung von Pöbel in der Hauptstadt den aristo- kratischen Umtrieben leicht gefügige Werkzeuge darbieten konnte“. Ich will nicht auf eine Widerlegung dieser Combination einge- hen, sondern mich damit begnügen, Dunckers ansprechendere Erwägung Nr. 76 S. 945 zu reproducieren. „Unterstellt man fir die Xenelasie des Jahres 445/4 politische Motive, so kann die Maßregel nur von dem Gegner des Perikles, von Thucy-

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dides, ansgegangen sein, die Landpartei gegen die Stadtpartei für die ausschlaggebende Stunde zu stärken“. Es stand die Entscheidung des Ostrakismos bevor, und da mußte sich jede Partei nach Möglichkeit stärken.

Doch für die Beurtheilung des Gesetzes ist noch ein an- derer Gesichtspunkt von Wichtigkeit. In den Rhetorenschulen war es ein beliebtes Thema, die Gesetzgeber in die Schlingen ihrer eignen Gesetze fallen zu lassen. Aelian bietet dafür man- nigfache Beispiele. Nun gab es weiter Notizen, daß Perikles eine Abscheu vor den »090: gehabt habe; er sollte z. B. den Kindern des Kimon immer ihre Abstammung vorgeworfen haben. So kam man denn auf den Gedanken, ihm ein derartiges Ge- setz zuzuschreiben, welches aber das spätere Gesetz gegen die unıoösevoı nach Euklid in Frage stellte. Wenn nämlich Peri- kles bereits einen derartigen Antrag gestellt hätte, wäre es un- erklürlich, weshalb man die vor Euklid geborenen unrgo&evos unbehelligt ließ.

Die Combinationen Schenkls Nr. 38, daß das Gesetz des Perikles eine Entwicklungsphase in der Gesetzgebung gegen die yvodos sei, sind einzig und allein davon abhängig, ob The- mistokles Archon war oder nicht. Schenkl S. 73 bestreitet das Archontat des Themistokles; folgt man nun seiner Beweisfüh- rung nicht, so fällt seine Vermuthung auch aus diesem Grunde. Gegen dieselbe hat Curt Wachsmuth Nr. 82 S. 159 f. Ein- spruch erhoben. Daf Themistokles das Archontat je bekleidet hat, steht mir unbedingt fest. Die hervorragende Stellung, wel- che er im Staate einnahm, bedingt dasselbe. Daß ein r090c nach richtigen Begriffen eine so mafigebende Stellung einnehmen konnte, erscheint mir kaum glaubhaft. Diejenigen, welche das Archontat des ''hemistokles für das Jahr 498 beanspruchen, durfte Schenkl Nr. 88 S. 338 nicht für sich ins Treffen führen. Die drei Stufen der Gesetzgebung, welche er annimmt, sind:

I. »o9o un eive ayyiorsiav (Solon)

IL ö dv un 2E Guçpoir vnogyg «010v, rovtQ un wereivas

ame noÀwe(ug (Perikles)

III óg dn un & acorns yévntus, vodov sivas (Aristophon).

Perikles hat die Fiihrung des Staates erstrebt um Athens willen, wie um seinetwillen; er hat seiner Stellung bedenkliche Stiitzen zu geben sich nicht gescheut, um Athen eine konse- quente Politik zu sichern, die Politik der Vorbereitung auf den Entscheidungskampf mit Sparta. Um aber dies mit Erfolg thun zu können, war vor allem Ruhe nach außen hin geboten. Pe- rikles gab sich nicht wie Kimon der Illusion hin, durch glin- zende Erfolge auf Kypros und am Nil panhellenische Gefühle am Eurotas zu erwecken. So wurden denn aus seiner Partei die angesehendsten Münner gewühlt, die in Susa mit dem Grof- kónig verhandeln sollten, Adolf Schmidts Verdienst ist es,

Die Forschung über die griechische Geschichte. 117

streng darauf hingewiesen zu haben, dali die Gesandtschaft des Kallias durchweg historisch und nicht mit dem sogenannten kimonischen Frieden zu verwechseln ist. Duncker Nr. 78 hat die viel umstrittene Frage einer nochmaligen Untersuchung unterzogeu und durch eingehende Priifung des Gesammtbestandes der Ueberlieferung und aller sonstigen Anzeichen nachgewiesen, da8 die Gesandtschaft des Kallias im Jahre 449/8 durch die Angaben des Herodot, des Damastes von Sigeion, des Ando- kides, des Demosthenes und des Ephoros aufer Zweifel steht. Er hat dann weiter ausgeführt, daß in der That vom Jahre 449/8 bis zum Abschluß der Spartaner mit Tissaphernes 412,11 Frieden zwischen Athen und Persien nicht bestanden hat, viel- mehr eine Reihe von Feindseligkeiten vom Jahre 445 bis 413 nachweisbar ist. Dnncker hat ferner erwiesen, daB die angeb- lichen Bedingungen des vielgeriihmten Friedens auf den Volks- beschluB Athens zuriickgehen, welcher die Vollmacht des Kallias und seiner Kollegen feststellt, dessen Hauptinhalt Diodor XII 4 nach Ephoros giebt. Krateros hat den Volksbeschluf bezüglich der Instruktion für den Friedensschluß als Urkunde desselben in seiner Sammlung aufgenommen. Daß Thucydides diesen mifiglückten Friedensversuch nicht besonders hervorhebt, darf nicht auffallen; er hatte in seinem Summarium wichtigeres zu berichten.

Nur mißfällig hatte vor allem die Partei des Thucydides es bemerkt, daß die Offensive gegen Persien aufgegeben war. Sie gewann mit ihren Anfeindungen gegen das Perikleische System an Boden, als Kallias mit leeren Händen aus Susa zu- rückkehrte. Leider wissen wir nicht, wie Perikles diese An- griffe erfolgreich abwehrte. Sein stärkstes Argument wird, wie Duncker Nr. 6 8. 47 vermuthet, der Hinweis auf den bald be- vorstehenden Ablauf des Waffenstillstandes mit Sparta gewe- sen sein.

Aber ein anderer Umstand bereitete dem Perikles Schwie- rigkeit auf dieser Bahn auszuharren. Im Frühjahr 444 über- sandte der aegyptische Kónig Amyrtaios (es ist der Aegypter Amen-er-t-rut vgl. Wiedemann aegyptische Geschichte 1884 Bd. II S. 694) dem athenischen Volke 30000 Scheffel aegyptischen Weizens. Wenn man erwügt, daB durch diese Spende die Hälfte des Jahreskonsums dem athenischen Volke gegeben wurde, so kann man danach die Bedeutung der Spende ermessen. Eine einfache Ablehnung des Gesuches um Hülfe, welche Amyrtaios zum Kampfe gegen Persien verlangte, war nicht móglich und würde schwerlich den Beifall der athenischen Volksgemeinde ge- funden haben. Wollte nun Perikles einerseits die Gunst der- selben sich nicht verscherzen, andererseits aber auch nicht den Kampf gegen Persien im Sinne des Kimon wieder aufnehmen, so mufite er auf einen Ausweg bedacht sein. Als solchen sieht

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Duncker Nr. 84 S. 539 die Fahrt des Perikles in den Pontus an, über die Pflugk- Harttung Nr. 80 S. 13 ohne tiefgehendes Verständniß urtheilt. Allein der Plan war doch von einem an- deren Gedanken durchdrungen. Denn man konnte sicher auf dem schwarzen Meer keiner persischen Flotte begegnen. In- dem er nun vorgab, durch diese Fahrt einen Theil der Truppen des Großkönigs nach Norden hin abzulenken, förderte er doch nicht minder das Handelsinteresse Athens. An Aufforderungen auch nach dem Pontus ihren Machtbezirk auszudehnen, hat es den Athenern nicht gefehlt. Die pontischen Städte der attischen Bundesgemeinschaft anzuschließen, hat Perikles, so viel wir se- hen können, nicht beabsichtigt. Handelsverbindungen anzu- knüpfen, Pflanzstüdte zu gründen, Schutz auf Grund besonderer Bündnisse zuzusagen, wird des Perikles Tendenz nicht gewesen sein. Duncker Nr. 84 S. 546. Der bedeutendste Erfolg, wel- cher durch diesen Zug erzielt wurde, war der, daß durch die Vertreibung des Timesilaos durch Lamachos Sinope an Athen gefesselt und 600 Athener in Sinope angesiedelt wurde. Aufer- dem wurde Amisos attische Pflanzstadt und Nymphaion als Sta- tion erworben. Nicht zu unterschützen ist ferner die Anknü- pfung mit dem bosporanischen Reiche, welche dann im vierten Jahrhundert so wichtig für Athen wurde. Duncker Nr. 84 S. 548 schwankt, ob der Sundzoll, welchen Athen in Chrysopolis erhob, mit dem Zug des Perikles in Verbindung steht. Beloch Nr. 81 S. 37 ff. hat es angenommen, nachdem Gilbert (griech. Staatsalterthümer Bd. I S. 393) auf Grund von C. I. A. I Nr. 40 schon in das Jahr 426 das Bestehen des gégoc behauptet hatte. Daß die hier erwähnte dex«ın als der Sundzoll anzusehen sei, wire kaum zu bezweifeln. Die Errichtung der Zollstätte durch Alkibiades uud seine Mitfeldherrn im Jahre 411/10 war nach Beloch nur eine Erneuerung einer früheren Institution. Byzanz hatte unter diesem Zoll sehr zu leiden. Denn alles, was sie nach dem aegaeischen Meere ausführen wollten, unterlag dem Zoll Es war daher kein Wunder, wenn es sich im Jahre 440 beim samischen Aufstand betheiligte. Es war wesentlich die Beeintrüchtigung seines Handels, welche den Abfall herbei- führte. Die Lage der athenischen Bundesgenossen hat Guiraud Nr. 75 einer eingehenden Untersuchung unterworfen. Für uns Deutsche bietet dieselbe wenig Neues, da sie im Wesentlichen auf den Arbeiten Kirchhoffs, Köhlers u. a. fußt. Die Athener hatten es nach Guiraud nicht verstanden, ihren Bundesgenossen ein derartiges Loos zu schaffen, daß sie durch dasselbe an ihren Herrn so gefesselt waren, daß sie denselben auch bei einem etwa eintretenden Unglück treu blieben.

Am wenigsten erfolgreich war die Politik des Peri- kles auf hellenischem Boden. Nachdem er die Ag- gressive Politik gegen Persien aufgegeben hatte, wollte er das

Die Forschung tiber die griechische Geschichte. 119

gesammte Griechenthum unter athenischer Führung vereinen, Sein Antrag in der athenischen Volksversammlung lautete: »Athen richtet an alle Hellenen Europas und Asiens wie an die großen so an die kleinen Gemeinden die Aufforderung, Abge- ordnete zu einem Kongresse nach Sparta zu senden, um hier zu berathen über die Wiederaufrichtung der hellenischen Heilig- thümer, welche die Barbaren verbrannt, über die Darbringung der Opfer, welche die Hellenen im Kampfe gegen die Barbaren gelobt, die sie den Góttern schuldig sind, über ungeführdete Meerfahrt für alle, über die Aufrechterhaltung des Friedens“. So berichtet Plutarch Per. C. 17 wahrscheinlich nach des Kra- teros Sammlung. Es entsteht nun die Frage, welcher Zeit die- ser Antrag zuzuweisen sei. Curtius, griech. Gesch.° Bd. II S. 825 schwankt, ob die Aussendung dieser Gesandtschaften gleich nach dem dreißigjährigen Frieden (445) oder nach dem fünfjäh- rigen (451) zu setzen sei. Grote hat sich für den Abschluß des dreiBigjührigen Friedens entschieden, und Duncker Nr. 6 S. 120 ist ihm hierin gefolgt. Er ist zu diesem Ansatz durch ver- schiedene Kalkulationen gelangt, wührend sich die Richtigkeit dieses Zeitpunktes sich durch andere Argumente erhärten läßt. Ein treffliches Zeugniß dafür ist die große eleusinische Inschrift, „die wegen ihres einen Satzes unva êuBallew "Exaroußuwva tov véov aoyovra unter den griechischen Chronologen große Ver- wirrung angerichtet hat. Vgl. Bulletin de correspondance hel- lénique Bd. IV. 1880. S. 225 ff. Busolt Nr. 73 S. 150 ff. hat nun darauf hingewiesen, daB bei Plutarch die Bundesbezirke in der seit dem Jahre 439 (üblichen offiziellen Reihenfolge aufge- zühlt sind. Danach würde also das Projekt in die Zeit nach dem samischen Aufstande gehóren. Das trüfe nun merkwürdig zusammen mit den Deduktionen Lipsius' in 'Leipziger Studien' Bd. III. 1880. S. 207 ff., nach denen das eleusinische Pse- phisma mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit in das Jahr 437/8 zu. setzen ist.

Aber Perikles hatte fiir sein Projekt die denkbar ungiin- stigste Zeit gewählt. Niederlagen, die Athen erlitten, konnten nicht zur Beachtung dieses Staatswesens auffordern. Hätte Athen bei Koroneia gesiegt und den Pleistoanax geschlagen, so würe sein Ruf wohl gehórt worden. Was konnte aber jetzt Sparta bewegen, sich mit seinen Bündnern in Athen einzufinden, diese hier selbständig votieren d. h. die Föderation Spartas lockern zu lassen. Doch das führt schon auf eine Betrachtung der militärischen Leistungen des Perikles.

Duncker Nr. 6 S. 505 sagt: „Perikles war nicht wie seine Vorgänger Kimon, Themistokles zugleich Feldherr und Staats- mann; ihm fehlte der strategische Wagemuth und der Blick, der die Punkte erkannte, an denen der Feind zum Tode zu treffen ist“. Das Verhalten des Perikles in den Jahren 447 —45

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zeigt ganz diesen Charakter, und es wird keiner Vertheidigung gelingen, sein Verhalten als richtig hinzustellen. Es ist kaum zu begreifen, wie man zu Athen den Abfall Boeotiens und das Uebergreifen der Spartaner nach Mittelgriechenland so leichten Herzens ansehen konnte Zur Genüge mußte man doch über die Schilderhebung unterrichtet sein; man mußte sich ferner sagen, daß das hier gegebene Beispiel leicht an andern Orten ansteckend wirken konnte. Euboia lag nicht zu fern. Die Athener mußten daher, wie Duncker Nr. 6 S. 60 ausführt, alle Kraft daran setzen, um die Scharte von Koroneia auszuwetzen und so Athens Ansehen, das ins Wanken gerathen war, wieder- herzustellen. ‚Jede Zögerung hob den Muth der Gegner Athens, ließ das Vertrauen der Anhänger Athens sinken, gab Theben Zeit zur Rüstung, jeder Tag, den Athen säumte, ließ die Ge- fahr in Boiotien höher emporwachsen“. Wem ist nun die Schuld daran beizumessen, als dem leitenden Staatsmanne? Freilich Egelhaaf Nr. 87 S. 9 leugnet es. Ob jene Aufgabe mit Athens Kräften selbst nach dem großen moralischen Siege der Boioter zu lösen war, können wir, meint Egelhaaf, nicht ermessen; wir können nur annehmen, daß Perikles, der die Dinge doch wohl beurtheilen konnte, diese Aufgabe wirklich für unlösbar gehalten hat. Aber gerade darin gipfelt ja die Frage, ob Perikles mit Recht von den Streitkräften Athens so gering dachte. Muf doch Egelhaaf selbst zugestehen, es sei sehr wohl möglich, daß in Athen die Meinung vertreten wurde, man solle sofort die Boioter mit verstärkter Heeresmacht angreifen und blutige Rache für Koroneia nehmen. Einen triftigen Grund von dieser ener- gischen Politik Abstand zu nehmen, kann ich nicht finden. Daß bei der Masse der Bürger die Sorge um die Gefangenen ent- scheidend gewesen sei, will mir nicht einleuchten. Vielmehr glaube ich annehmen zu dürfen, daß es allein das Wort. des Perikles war, welchss sie dazu bewog.

Der Verzicht auf die dominierende Stellung Athens im mittleren Hellas, die Zulassung der Aufrichtung Thebens und des boiotischen Bundes und die Unterlassung des Versuches, vor den Anzug oder nach den Abzug der Peloponnesier die Schlacht von Koroneia rückgüngig zu machen, waren, wie Dun- cker Nr. 6 Nr. 504 sagt, die schwersten Fehler der auswür- tigen Politik des Perikles. Sie waren die Frucht einer doktri- nüren Auffassung, welche unter Vernachlässigung der Landmacht ein übermäßiges und einseitiges Gewicht auf die Seemacht und Seestellung des Staates legte.

Der samische Krieg zeigte dann ganz die Schwüchen der Perikleischen Kriegführung. Hier hat namentlich Pflugk- Harttung Nr. 79 Kritik geübt, während Duncker Nr. 6 S. 191 ff. an dem Feldzug nichts auszusetzen findet. Nur allein der erste Kampf bei Tragia, dessen Lage als identisch mit der Insel

Die Forschung über die griechische Geschichte. 121

Hyrtussa auf Kieperts Karte in einem längeren Excurs Nr. 80 S. 124 ff. bestimmt wird, hat Pflugk - Harttungs Beifall. Der Plan Samos auszuhungern anstatt durch einen Sturm zu neh- men, erscheint ihm nicht richtig, daf er erstens sehr viel ko- stete, zweitens unerwartete Wechselfälle wie etwaiges Eintreffen des Satrapen Pissuthnes in Aussicht standen (Nr. 80 8. 34). Aber hier ist Pflugk- Harttung, wie Egelhaaf Nr. 87 S. 16 ff. gezeigt kat, wohl zu weit gegangen. Denn wenn die vor Sa- mos gebliebenen Schiffe der Athener geschlagen wurden, wäh- rend Perikles den phoenikischen Schiffen entgegenzog, so kann Perikles nicht die Verantwortung dafür tragen, wohl aber mußte er die geschlagene Flotte erst reorganisieren, bevor er zum Sturmangriff gegen Samos schritt. Die Ueberlieferung bei Plut. Per. 27 steht mit sich selbst in Widerspruch, denn einerseits wird hier gesagt, daß die Stadt dunavy x«i yoovm genommen sei, andererseits von neuen Maschinen berichtet, die Artemon gebaut hatte. -

Die Kosten des samischen Krieges haben eine ver- schiedenfache Erórterung gefunden. Perikles wünschte ebenso dringend wie die Samier die langwierige und bedenkliche Sache beizulegen und war deshalb zufrieden, wenn Samos in sein altes Bundesverhältniß zurücktrat, seine Mauern einrif und einen Theil seiner Schiffe auslieferte. Als Pfand fiir die Zahlung der Kriegskosten wurden nach Pflugk - Harttung Nr. 87 S. 35 den Athenern ausgedehnte samische Grundstiicke überwiesen. Die Hôhe der Kosten giebt Isokrates XV 111 auf 1000 Talente, Ephoros nach Diodor XII 28 und Nepos Tim. 2 auf 1200 Ta- lente an. Doch beliefen sie sich ohne Zweifel noch viel höher, denn es wurden nicht nur die gogos verbraucht, sondern noch eine Anleihe gemacht. Sie mögen sich daher auf mehr als 2000 Talente belaufen haben. Wie die Athener das Geld aufbrachten, zeigen die Tributlisten. Es ist hier, wie Guiraud Nr. 76 S. 51 sagt, zu bemerken, daß die Tribute nach 439 bedeutend gestie- gen sind. Man mufite eben schleunigst das Defizit, welches durch den samischen Krieg entstanden war, decken und zwar durch Erhöhung gewisser Auflagen. So wurde 439/8 der gogoc von elf thrakischen Stüdten erhóht, die an der Westküste der Chal- kidice und auf Pallene lagen. Denn wührend des samischen Krieges hatten hier Unbotmäßigkeiten stattgefunden. Potidaia blieb treu. Busolt Nr. 75 vermuthet, daß dies vielleicht damit zusammenhinge, daf auch die Korinther gegen eine Intervention der Peloponnesier zu Gunsten der Samier waren.

Für die obigen Angaben des Isokrates und seines Schiilers bat Busolt Nr. 74 die Quelle in der Schuldurkunde C. I. A. I 177 nachzuweisen gesucht. DaB sich Ephoros Monumente an- sah und die Zahlen seiner Quellen abzurunden pflegte, ist hine lünglich bekannt. Er hat also die von der Göttin entliehenen

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Summen, 1276 Talente, mit den Gesammtkosten des Krieges gleichgesetzt, ohne die sonst verausgabten Summen aus den lau- fenden Ausgaben zu berücksichtigen.

Ueber die Art und Weise, wie die Samier ihre Schuld ab- getragen haben, stimmen nicht alle Forscher überein. C. I. A. I 188 findet sich eine Rubrik zu èy Zaäuou Beloch Nr. 81 S. 37 will hierin die efxoor; sehen, so daß die Zolleinnahmen auf Samos ganz oder zum Theil fiir Bundesrechnung erhoben seien. Doch will die Summe, wie Duncker Nr. 6 S. 216 sagt, zu hoch erscheinen, um als Ertrag der eixooın zu gelten. In der Höhe der Rathenzahlung von 200 'Palenten greift Busolt sicher zu hoch, denn nach C. I. A. I 38 haben die Samier noch im peloponnesischen Kriege, wahrscheinlich bis 409, gezahlt.

Die heftigsten Angriffe haben die Feldzugspläne er- fahren, nach denen Perikles den peloponnesischen Krieg geführt wissen wollte. Pflugk-Harttung und Duncker stimmen hier überein. Egelhaaf erkennt an, daß hier die gegen Perikles gerichtete Anklage am ernstesten sei. Zunächst kommt es in Betracht, ob das vóllige Preisgeben des Landes durch die unbedingte Uebermacht der Peloponnesier zu Lande geboten war. Eine Schlacht der Athener gegen die Lakedaimonier als unbe- dingt aussichtslos hinzustellen, will nicht richtig erscheinen. Archidamos warnt seine Landsleute verschiedentlich, die atheni- schen Streitkrüfte nicht zu gering anzuschlagen. Als er dann in Attika einrückt, wundert er sich auf keinen Widerstand zu stoßen. Aus dem geht doch hervor, daß nach seiner Schätzung die Krüfte der Athener genügend waren, um einen Kampf zu wagen. Wir haben, sagt Póhlmann Nr. 88 S. 271, weder eine genügende Vorstellung von dem Maximum der gesammten Streit- krüfte des athenischen Reiches, noch der etwa nach Abzug der Garnisonen und Flottenmannschaften im Felde verfügbaren Trup- pen. Das vorhandene Material, welches im nüchsten Abschnitte vorgeführt werden wird, veranlaßt mich, dies zu bestreiten. Da- gegen hat Póhlmann Recht, wenn er die Möglichkeit einer Schä- tzung der Streitkrüfte der Peloponnesier in Frage stellt. Das Preisgeben des flachen Landes war aber insofern ein Fehler, daß durch dasselbe gerade die Gegner des Perikles geschädigt wurden. Denn ich bin der Ansicht, daß Perikles bei seiner Politik sich mehr auf das Gros der stüdtischen Bevélkerung, als auf das büuerliche Element stützte. Wenn nun diese ihm feindlich gesinnten Elemente grollerfüllt in die Stadt kamen, so mußten sie zersetzend wirken. Dann wirkt eine Niederlage, wie dieser Verzicht auf die Offensive doch immerhin war, doch im- merhin entmuthigend, selbst wenn man dieselbe vorausgesehen hat. Immerhin bleibt es fraglich, ob denn ein Kampf im offe- nen Felde für Perikles stets so aussichtslos war. Jedenfalls

Die Forschung über die griechische Geschichte. 123

kamen doch die Peloponnesier nicht mit allen Streitkräften nach Attika, während die Athener, welche in ihrem Lande blieben, ihnen ihr ganzes Aufgebot entgegenstellen konnten. Dazu konnte auch das Terrain zu Hiilfe genommen werden. Es gab Ver- hältnisse, in denen die Uebermacht der Peloponnesier sich nicht so fiihlbar machen konnte. Aber von einem weiteren Vorwurf wird es nicht gelingen, Perikles frei zu machen. In der Flotte hatte Athen ein genügendes Hülfsmittel, um den Einfällen der Lacedaemonier vorzubeugen. Durch kühne Streifziige an der Küste der Peloponnes, durch Aufwieglung der Messenier konnten die Peloponnesier so in Athem gehalten werden, daß sie nicht an einen Einfall in Attika dachten, Daf Perikles sich gerade in diesem Punkte etwas schlaff gezeigt hat, wird Niemand leug- nen kónnen.

Allerdings leidet bei einer derartigen Beurtheilung des Peri- kles die Autorität des Thukydides bedeutend. Er entbehrte dann des richtigen Maßstabes für die Beurtheilung seines Pro- blems und gab sich in einer Haupt- und Grundfrage einer voll- kommenen Täuschung hin. Man darf hierbei nicht vergessen, daß Thukydides Parteimann war und unter dem Eindruck sei- ner Zeit stand. Ihn hatte es b&eistert , daB Athen sich von Jahr zu Jahr unter der Leitung des Perikles verschénerte, daß die iiberseeischen Beziehungen fortwährend an Bedeutung zunah- men. Er sah die Lichtseite voll und ganz, fiir die Schatten- seite hatte er kein Verständnif.

Der Peloponnesische Krieg.

91. Müller-Strübing, das erste Jahr des peloponnesischen Krieges in Jahrb. für class. Philol. Bd. 127. 1883. S. 577 ff. 857 ff. |

92. Emminger, der Athener Kleon. Eichstätt 1882. S. 78. Per. 8°.

93. Fokke, Rettungen des Alkibiades. I. Die sizilische Expedition. Emden. Pgr. 1883. Vgl. Philol. Anz. XIV. 1884. S. 8—12. II. Der Aufenthalt des Alkibiades in Sparta. Em- den, Verlag von W. Haynel. 1886. 8°. S. 112.

94. Beloch, die attische Politik seit Perikles. Leipzig, B. G. Teubner. 1884. 8°. S. 369. Vgl. Philol. Anz. XV. 1885. S. 128—133.

95. Szanto, Plataeae und Athen in Wiener Studien. VI. 1884. S. 159—172.

96. Beloch, zur Chronologie der letzten zehn Jahre des pe- loponnesischen Krieges i. Philol. Bd. 43. 1884. S. 261—296,

124 H. Landwehr,

97. Stahl, eine angebliche Amnestie der Athener in Rhein. Mus. N. F. XXXIX. 1884. S. 458—65.

98. Bauer, die Hinrichtung der 1000 Mitylinaeer i. Philol. Bd. XLIII. 1884. 8. 362 f.

99. Holm, das alte Syrakus i. Zeitschr. fiir allgem. Gesch. Bd. I. 1884. S. 818 und 81—95.

100. Philippi, Alkibiades, Sokrates, Isokrates i. Rhein. Mus. N. F. Bd. XLI. 1886. S. 13—17.

101. ’Ardotae ‘ISewperoc, n dixn 12v Ev ”Agyivovouis orgu- ınyav dv Keouioa rvmoygugeior Kogavns I. Nagapov)n. 8°. S. 15.

Zur Beurtheilung des Perikleischen Kriegsplanes ist es vor allem nothwendig, sich die finanziellen und kriegerischen Kräfte Athens zu vergegenwärtigen. Es hat sich denn auch die For- schung diesen Fragen verschiedentlich zugewandt, um zu er- griinden, ob Athen genügend gestärkt in den Kampf gezogen sei. Freilich haben diejenigen, welche Pflugk-Harttungs Darstellung bekämpften, hier nicht eingesetzt, sondern sich meistentheils nur in allgemeinen Erwägungen #halten. Dagegen hat Duncker Nr. 6 S. 408 ff. dieser Frage eine eingehende Würdigung ge- widmet.

Zunächst die Finanzen Athens. Wir verdanken die Kenntniß derselben hauptsächlich den Ausführungen Kirchhoffs. Gegen dieselben hat sich jüngst Beloch Nr. 81 erhoben. Kirch- hoffs Beweisführung fußt darauf, daß schon beim Beginn der 88. Olympiade Herbst 428 der Schatz von 5000 Talenten auf- gebraucht war, der nach Thuk. II 13 beim Beginn des pelopon- nesischen Krieges auf der Akropolis als disponibel vorhanden war. Als Thatsache für die Erschöpfung des Reservefonds führt Kirchhoff an, daß in jenem Jahre zum ersten Male während des Krieges eine Vermögenssteuer erhoben wurde. Die Berechtigung dieser Schlußfolgerung bestreitet Beloch und übersieht dabei, daß Kirchhoff noch einen andern Grund für seine Behauptung ins Feld führen kann: Thukydides III 17. Daß dann Beloch Nr. 81 S. 34 Anm. dies Kapitel schlechtweg als interpoliert be- zeichnet, geschieht ohne stichhaltigen Grund und kann das Ka- pitel nicht aus dem Wege räumen. Hat doch auch L. Herbst im Philol. Bd. 42. S. 681 ff. eine derartige Vermuthung als ganz unbegründet bezeichnet.

Da Busolt in seinem Aufsatz ‘der gogoc der athenischen Bündner’ im Philol. Bd. 41. 1882. S. 652—718 dargethan hat, daß die Abgaben nie erhöht sind, sondern vielmehr immer bei dem Aristeidischen Ansatze von 460 Talenten stehen geblieben sind, so möchte Beloch in dem genannten Kapitel bei Thukydides

lesen rogocôvrwr uiv E&[nxorru x«i 1eto]axociwr rudaviwr. Doch

Die Forschung iiber die griechische Geschichte. 125

ein derartiger Ausfall müßte schon sehr alt sein, denn bereits Plutarch Arist. 24 hat die gleiche Notiz aus Thukydides ent- nommen. Es wird deshalb besser sein, andere Einnahmen wie z. B. die Einkiinfte aus Samos zur Kompletierung der Summe heranzuziehen. Eine wichtige Einnahme bildete ferner die de- xdın im thrakischen Bosporos, aus der eine beträchtliche Ein- nahme flog. Beloch Nr. 81 8. 40 veranschlagt dieselbe auf 120 Talente, von welcher Summe aber noch die Erhebungskosten u. a. in Abzug zu bringen wiren.

Im weiteren Verlaufe des Krieges waren dann erhóhte Ein- nahmen erforderlich. Im Jahre 4235/4 wurde die große Steuer- reform vorgenommen, über welche die auf uns gekommene Ur- kunde C. I. A. I 87 ausführliche Nachricht giebt. Zwar ist sie arg verstümmelt, aber es läßt sich aus ihr doch das Wich- tigste ersehen, dal} nümlich eine Verdreifachung der früheren. Ansütze eingetreten ist. Hierauf weisen auch die litterarischen Quellen wie Andokides zegi eig. 9, Aischines 79i zmoeganposoff. 175 und Plutarch Arist. 24 hin. Freilich brachte die politische Konstellation auch mancherlei Ausfälle. Nach dem Abschluß des Nikiasfriedens wurden dann die hohen Abgaben beibehalten; erst 414 dachte man angesichts des Neuausbruches der Feind- seligkeiten an eine abermalige Reform. Die Tribute wurden be- seitigt und an ihre Stelle ein Werthzoll auf die gesammte Ein- und Ausfuhr der Bundesstüdte, soweit sie zur See erfolgte, fest- gesetzt. „Es war, wie Beloch Nr. 81 S. 44 sagt, ein mächtiger Schritt auf der Bahn zum Einheitsstaate, den der Bund damit machte. Wenn man will, war es auch ein revolutionärer Schritt, ganz im Sinne der extremen Volkspartei, die damals in Athen am Ruder war; aber wie die Sachen lagen, wären vielleicht noch radikalere Maßregeln am Platze gewesen“. Schließlich sei noch aus Belochs Untersuchung hervorgehoben, daf er Kirch- hoff gegenüber annimmt, die Zólle seien auch von den Kleruchen erhoben worden.

Den Finanzbestand Athens beim Beginn des peloponnesi- schen Krieges hat Duncker Nr. 6 S. 412 f. festzustellen ge- sucht. Der Staatsschatz der Athener hatte im Jahre 435/4 9700 Talente gehabt. Davon waren bis Ende Mai 431 3700 Talente verausgabt für Bauten und Kriegskosten. Die Kriegführung von September 433 bis Mai 431 veranschlagt Duncker auf 1500— 1600 Talente, von denen jedenfalls 1000 Talente dem Schatze entnommen wurden. Beloch Nr. 81 S. 53 ff. hat hier zu nie- drip angeschlagen, da er nur die athenischen Hopliten , nicht auch die der Bündner veranlagt. Mit 6000 'Talenten und einer jährlich einkommenden Bundessteuer von 600 Talenten, von de- nen 400 für den krieg verwandt werden konnten, begann Athen den Kampf. Hierzu trat noch das, was in den Tempeln an Schätzen sich befand, immerhin 2000 Talente. Rechnet man

126 H. Landwehr,

die Kosten eines Feldzuges auf 1500 Talente, so hatte man ab- gesehen von den laufenden Einnahmen fiir fiinf Feldziige reich- lich liegen.

Eine Berechnung der Kosten des peloponnesischen Krieges hat Beloch Nr. 81 S. 244 ff. unternommen. Mag hier kurz das Resultat derselben wiedergegeben werden. In den Jahren 431/0 bis 423/2 sind im Ganzen rund 5000 Talente aus den Tempeln der Gótter entlehnt. An Bundessteuern liefen in die- ser Zeit ein rund 7200 Talente. Aus der slogoga, die seit 428/7 erhoben wurde, ergab sich ein Ertrag von 1200 Ta- lenten. Das würen insgesammt 18400 'Talente, mithin für das Jahr ein Aufwand von 1500 Talenten. Für die Jahre 422/1 bis 413/2 berechnet dann Beloch den Gesammtertrag der Bun- dessteuern auf 12000 Talente. Eine eispoo« gelangte nicht zur Erhebung. Für den dekeleischen Krieg ist eine Berechnung nicht mehr möglich. Athens Herrschaft schwankte hin und her und damit auch die Einnahmen. Im Jahre 412/1 wurde der eiserne Reservefond und die Weihgeschenke in den Tempeln aufgebraucht. Beloch hat eine ungeführe Schätzung der Ein- nahmen folgendermaßen aufgestellt.

Reservefond und Weihgeschenke 1500 'Tal.

Bundessteuern der sieben Jahre von 412/1 bis 406/5 jäbrlich 600 Tal. d. h. die Hälfte des früheren Betrages; in Summa 4200 ,,

eispoga, Kriegskontributionen 2000 ,,

insgesammt 7700 Tal.

Anknüpfend hieran führt dann Beloch weiter aus, daß das Amt der zogiorot in dem Dekeleischen Kriege entstanden ist und legt dann genauer dar, daB es bis zur Reform des Nausinikos be- standen hat. Aufgabe dieser Behórde war es, nicht allein neue Einnahmequellen zu entdecken, als vielmehr vor allem unnütze Ausgaben zu verhindern.

Konnte ich mich mit Belochs Untersuchungen auf dem f- nanziellen Gebiete im Wesentlichen einverstanden erklüren, so muß ich ihm bei der Abschätzung der Streitkräfte Athens entgegentreten, Die Grundlage seines Werkes Nr. 86 habe ich in der historischen Zeitschrift N. F. XXII 1887 S. 345 ff. zu erschüttern gesucht. Hier kommt es hauptsächlich darauf an, die Autorität des Thukydides zu schützen. In dem schon mehrfach angezogenen Kapitel des Thukydides II 13 giebt Peri- kles auch die Streitkrüfte Athens an. Es sind 13000 Hopliten im freien Felde verfügbar, dann 15000 Hopliten zur Besatzung, 1200 Reiter, 1600 Bogenschützen, eine Flotte von 300 Trieren. AnstoB hat nun die Kritik in ihren verschiedenen Phasen an

Die Forschung iiber die griechische Geschichte, 127

der Zabl der 16000 Hopliten genommen. Um nun diese An- gabe zu retten, sind zwei verschiedene Versuche gemacht. Hanssen Nr. 85 S. 12 hat nach dem Vorgange anderer unter den 16000 die Zahl der Hopliten aus den Reihen der Metoiken bedeutend gesteigert. Aber eine Summe von 11933 Metoiken, zu denen dann noch 200 berittene Bogenschiitzen und 600 Bo- genschützen zu Fuß hinzuträten, wäre entschieden zu hoch ge- griffen. Einmal würde Thukydides II 31 dagegen streiten, denn es müßte doch auffallen, daß zu dem Einfall nach Megaris nur 3000 Hopliten aus dem Metoikencensus herangezogen wurden, während doch die Athener mit 10000 auzzogen d. h. mit allen für die Offensive verfüglichen Streitkräfte. Dann widersprechen dem auch Angaben über die Zahl der Metoiken in späteren Zeiten, wo ihre Zahl gegen früher entschieden gewachsen war. Im Jahre 309 ergab die Volkszählung 10000 erwachsene Me- toiken. Duncker Nr. 6 S. 409 Anm. hat dagegen die Zahl der 16000 Hopliten dadurch zu erklären gesucht, daß er unter die- selben die Gesammtzahl der in Attika und Euboia domicilierten Kleruchen, deren Aufgabe vornehmlich der Besatzungsdienst ge- wesen sei, dienstpflichtigen und nicht dienstpflichtigen Alters. Die Gesammtzahl derselben schätzt Duncker Nr. 6 S. 238 auf 15000, die allerdings in allen Ländern zerstreut wohnten. „Ist nun auch anzunehmen, daß mindestens die größere Hälfte der auf Euboia ausgegebenen Hufen ihren Wohnsitz in Attika bei- behalten haben wird, so hausten nun doch gewiß 10000 attische Bürger außerhalb Attikas"; Duncker bringt 7000 in Anrechnung für die Deckung der Landesgrenzen. Den Beweis dafür, daß die Kleruchen zu Kriegsdiensten herangezogen wurden, hat Dun- cker nicht gegeben. „Wir hören nicht, sagt Beloch Nr. 86 8. 65, daß dazu jemals Kleruchen herangezogen worden sind“. Doch hat Foucart, ‘mémoire sur les colonies athéniennes au cin- quiéme et au quatriéme siècle’ in den ‘mémoires prés. par div. sav. à l’acad. des inscr. et belles lettres’: I. série IX, 1. 1878 S. 353 bereits den Beweis geliefert. Beide Annahmen haben bei Beloch Nr. 86 S. 60 ff. keine Gnade gefunden. Hanssens auch sonst werthlosen Auseinandersetzungen unter vielverspre- chendem Titel ist nicht weiter das Wort zu reden. Fiir Dun- ckers Vermuthung wire eine allerdings nicht schwierige Emen- dation des Thucydides erforderlich: dno ze ıwv ngeoßvruıwv xoi TU» rewratwr zul arrolxwv xai petolxwy 0001 Onlitm Tour. Da aber Beloch auch dieser Annahme nicht geneigt ist, so ist es ihm ‘ganz unzweifelhaft, daf die Zahlen so, wie sie iiberliefert sind, unmöglich richtig sein können‘. Die Berichtigung dersel- ben erscheint ihm am einfachten dadurch möglich, daß uvolwv xal gestrichen wird. Als Begründung für seine Vermuthung kann Beloch nur anführen, daß durch diese Streichung „stati- stisch alles in Ordnung gekommen sei“. Die 6000 zur Landes-

128 H. Landwehr,

vertheidigung zu verwendenden Mannschaften sollen aus 1000 seolnoAoı 2000 der Altersklasse von 50—50 Jahren und 3000 Metoiken bestehen. Es erhebt sich nun die Frage, ob diese An- zahl geniigend zur Vertheidigung der Stadt Athen war. Es kam hier eine Strecke von ungefähr 150 Stadien (circa 4 deutsche Meilen) in Betracht, die durch eine etwaige Landung des Fein- des zwischen Phaleron und Munychia vergrößert werden konnte. Hierzu kam noch die für die Grenzkastelle nothwendige Mann- schaft. Daf hierfür 6000 Hopliten genügt hätten, will mir zweifelhaft erscheinen. Bestürkt wird dieser Zweifel noch da- durch, daß die Athener zum Einfall nach Megaris die Hopliten aus der Metoikenklasse hinzuziehen konnten, ohne daß dadurch die Besatzungsmannschaft zu sehr heruntergedrückt wäre. Es würe doch sicher ein grober Fehler gewesen, wenn man die Be- wachung der Stadt den wenig leistungsfähigen wegfnodo. und den Jahrgüngen über 50 Jahre überlassen hätte.

Nach meiner Ansicht giebt es noch einen anderen Weg, um die bei Thucydides überlieferten Zahlen zu retten. Man fragt nümlich vergebens danach, wo die Theten aufzusuchen sind. Daß gerade ihre Zahl nicht beträchtlich war, wird jeder zugestehen, der nur mit den Anfangsgründen der Bevólkerungs- lehre vertraut ist. Eine groBe Zahl derselben wird auf der Flotte beschäftigt gewesen sein. Es muß auffallen, daß Perikles sthlechtweg 300 Kriegsschiffe aufführt, ohne über ihre Beman- nung etwas näheres zu berichten. Es kommt hierbei vor allem darauf an, zu ermitteln, wieviel Freie sich zur See befanden. Für die Feststellung der Bevölkerungsbewegung ist aber in er- ster Linie auch eine genaue Betrachtung der Kleruchen noth- wendig. Es ist dafür ein Verständniß zu gewinnen, daß At- tika während nngefähr dreißig Jahre einen solchen Ueberfluß an Bevölkerung hatte. Hier ist nicht der Ort, meine Berechnung der einzelnen Summen näher darzulegen. Ich verweise auf den Aufsatz, welchen ich demnächst publicieren werde.

Belochs Untersuchung Nr. 86 giebt dann auch ein Bild von dem Schwanken der Bevölkerungsziffer im Verlaufe des pe- loponnesischen Krieges, Die meisten Opfer forderte die Pest; es erlagen derselben 4400 Hopliten und 300 Reiter. Als die Athener 424 ruvdnuei ins Feld ziehen, betrug die Zahl der Hopliten 7000 und die Reiter 1000. Die meisten Opfer for- derte dann die sicilische Expedition. Im Jahre 412 dürfte Athen nach Beloch Nr. 86 S. 67 schwerlich mehr als 8000 feld- tüchtige Hopliten und Reiter gezählt haben. Die oligarchische Revolution konnte im Jahre 411 nur 5000 wohlhabende Bürger notieren; doch betrug die Zahl der Hopliten noch 9000. Be- trächtliche Verluste erlitt dann Athen unter der lakedaimonischen Occupation in Dekeleia. Durch dieselbe kamen auch viele Athe- ner der drei obersten Schatzungsklassen in die der Theten.

Die Forschung iiber die griechische Geschichte. 129

Ich will Belochs Untersuchung nicht verlassen, ohne her- vorzuheben, daß er sich das Verdienst erworben hat, die Zahl der in Attika vorhandenen Sklaven zu ermitteln. Boeckh hat dieselbe auf 400000 nach Ktesikles bei Athenaios VI S. 272 D. Aber die Angaben des Athenaios, in deren Ge- sellschaft sich diese Notiz befindet, sind wenig glaublich. Es git nun zu erweisen, daf die Zahl von 400000 Sklaven für Attika unmüglich war. Dies geschieht auf zwei Wegen. Ein- mal weist Beloch nach, daß das Volksvermögen Athens gar nicht so groß war, um eine derartig hohe Zahl anzunehmen. Daß Boeckhs Behauptung, jeder Athener habe zum mindesten einen Sklaven besessen, richtig sei, kann nicht zugegeben werden. Zu- dem ist die Produktion an Getreide und die Einfuhr nicht so groß, um eine solche Menschenmenge zu ernähren. Beloch glaubt daher, daf die Zahl bei Athenaios für 40000 verschrieben sei. Nur allein die Angabe des Hypereides bei Suidas s. v. &reywn- gfouro (Bla fr. 33) würde dem widersprechen. Hier schlägt Hypereides nach der Schlacht bei Chaironeia ein Massenaufgebot der Sklaven vor, durch das 150000 zu den Waffen gerufen werden sollten. Sicherlich hat Beloch Recht, wenn er sagt, ein derartiges Heer sei für die damaligen griechischen Zustünde ein Ding der Unmöglichkeit. Es muß daher auch hier eine Emen- dation eintreten, die bei dem Stande der Ueberlieferung als durchaus gerechtfertigt erscheinen muß. Für das unattische uv- Qudag ndéov n dexaztrie soll uvgvu dag nAéov 0 n &. Daß das Zahlzeichen d' häufig mit déxu verwechselt wurde, ist eine Sache, die keines weiteren Beweises bedarf.

Beloch Nr. 86 S. 22 hat die Frage angeregt, ob der Krieg zwischen Athen und Sparta wirklich nothwendig war. Er be- antwortet dieselbe verneinend. „Es war eine Phrase, daß man ohne Verzicht auf die nationale Ehre nicht einmal das Pse- phisma gegen Megara hätte aufheben können“. „Perikles hat ge- handelt, wie so viele Gewaltherrscher, wenn ihre Stellung von Innen her ins Schwanken kommt; er hat gesucht, die Unzufrie- denheit des Volkes durch eine grofie Aktion nach AuBen hin abzulenken“. Hierzu kommt noch, daß der Krieg, nach dem Kriegsplan des Perikles geführt, Athen so gut wie gar keinen Vortheil in Aussicht stellte. Denn wenn Sparta wirklich durch lange Kriegsführung erschöpft war, so erzielte man günstigsten Falls einen faulen Frieden.

Das erste Jahr des peloponnesischen Krieges hat dureh Müller-Strübing Nr. 90 eine genaue Behandlung ge-

Philologus. N. F. Bd. I, 1. 9

130 H. Landwehr,

funden. Er hat diese Studie verôffentlicht aus seinen For- schungen iiber die Quellen des thukydideischen Geschichtswerkes. Daß dasselbe einer tiefgehenden Kritik bedarf, hat schon Pflugk- Harttung bei seiner Studie über Perikles betont. Auch Kirch- hoff hat durch seine verschiedenfachen Untersuchungen über die Urkunden, welche der ovyyougpi eingefügt sind, werthvolle Bei- trige zur Beurtheilung der Glaubwiirdigkeit des Thucydides ge- geben. Es giebt gegenwärtig viele, denen die Glaubwiirdigkeit des Historikers nicht als unantastbar gilt. Doch auf diese Fra- gen hier näher einzugehen, muß dem Jahrèsbericht über Thucy- dides iiberlassen bleiben. Hier kommt nur die politische Ge- schichte in Betracht, und von diesem Gesichtspunkte aus werde ich mich auch mit Müller-Strübings Aufsatze beschäftigen. Es kann deshalb eine eingehende Erórterung der chronologischen Resultate, die Müller-Strübing gefunden, nicht unternommen wer- den, da dies auf eine Behandlung der Jahresepoche des Thuky- dides führt, was außerhalb dieses Aufsatzes liegen würde.

Es handelt sich zunächst um die Festsetzung des An- griffes auf Plataiai Bei Thukydides II 2 ist in den Worten Zvdodwoov £i résougue uirus Ggyorioc "AFnvulors all- gemein gegen das handschriftliche dvo eine Verinderung der Zahl vorgenommen. Krüger hat diese Vermuthung zuerst aus- gesprochen und Boeckh ist ihm darin gefolgt. Indem nun Müller- Strübing die Durchschnittszeit der Ernte in Attika auf die Mitte des Mai setzt und die Worte 700 Jégovc xai 100 o(rov &xuaGoviog als „eine schreiende Albernheit, man mag die Höhe des Som- mers definieren, wie man will“, hinstellt, die allein durch die Streichung des x«i 700 oíiov beseitigt werden könnte, suchte er die handschriftliche Lesart des dvo wieder zu Ehren zu bringen. »Wenn dem zufolge Plataeae am letzten Munichion unter dem Archonten Pythodoros überfalen ist, und wenn Kénig Archi- damos 80 Tage darauf, also am 21. Hekatombaion (21. August) Olymp. 87, 2 unter dem Archontat des Euthydemos als der Som- mer auf der Hohe war, den Einfall zur Verheerung der attischen Heere gemacht hat, so steht der Bericht bei Thucydides nicht länger im Widerspruch mit der Angabe der übrigen älteren grie- chischen Historiker*. Den Einwand, welcher auf der Sonnen- finsterniß vom 3. August fuBen kann, sucht Müller - Strübing durch Interpretation von C. I. A. IV 179 zu beseitigen. Das Geld fiir die nach Makedonien bestimmte Flotte wurde erst meh- rere Tage nach dem 3. August gezahlt. Nachdem Plataiai in die Hände der Lakedaimonier gefallen waren, haben sich die Athener in hervorragender Weise ihrer Bundesgenossen ange- nommen; sie haben ihnen Biirgerrecht in ihrer Stadt verliehen, um sie so fiir ihre Bundestreue zu belohnen. Die Quelle fiir dies Ereigni ist namentlich die Rede gegen die Neaira. Szantó Nr. 94 hat nun nachgewiesen, daß der Redner direkt aus Thu-

Die Forschung über die griechische Geschichte. 131

kydides geschöpft hat. Es darf nicht auffallen, daß weder Thu- kydides, noch Diodor, der den Thukydides nicht direkt benutzte, nichts davon erwähnen. Thukydides hatte kein Interesse für staatsrechtliche Fragen; daB ihm die Einbürgerung aber bekannt war, geht aus V 32, ferner auch aus III 55. 63 hervor. Es liegt daher keine Veranlassung vor, das Faktum der Einbürgerung in Frage zu ziehen.

Die Veranlassung des Riickzuges der Pelopon- nesier bei ihrem ersten Einfalle in Attika findet dann Müller- Strübing S. 660 nicht in dem Mangel an Lebensmitteln, denn einmal konnte von der Peloponnes aus die nôthige Zufuhr ge- schehen, dann war aber auch die Verbindung iiber Oropos of- fen. So wird denn Diodor XII 42 im Rechte sein, wenn er behauptet, die Bemannung von 100 attischen Trieren, welche die Peloponnes verwiisten sollten, hätten die Lakedaimonier zum Abzug bewogen, um ihre eigenen Heerde zu schiitzen. In der That wiirde es ihnen auch schwerlich gelungen sein, ihre Bun- desgenossen in Attika festzuhalten, wenn der Einfall der Athener zu ihren Ohren gelangte.

Zu den Vorsichtsmaßregeln, welche die Athener gegen die bevorstehende Invasion trafen, rechnet Müller-Strübing Nr. 90 S. 663 die Austreibung der Aigineten. Es ist ihm höchst wahrscheinlieh , daß dieselbe eine trotzige, energische Antwort war auf das von den Lakedaimoniern nach dem Kongreß ge- stellte Ultimatum, in dem ja die Herstellung der Autonomie der Aegineten ausdrücklich gefordert ward.

Chronologisch ordnet Müller-Strübing die ersten Ereignisse des Krieges folgendermaßen. ,,Die Schlacht von Sybota Ol. 86, 4 ist nach Boeckhs Ansatz zu Anfang der zweiten Prytanie unter dem Archon Apseudes September 433 geschlagen, ungefähr ein Jahr darauf Ol. 87, 1 in der zweiten Prytanie unter dem Ar- chon Pythodoros Ende September oder Anfang Oktober 432 er- folgt die Aussendung des Archestratos gegen Perdikkas von Makedonien. Gleichzeitig der offene Abfall von Potidaia. Etwa einen Monat darauf wird Kallias gegen Potidaia ausgesandt, der sich mit Archestratos vereinigt und Pydna belagern hilft. Im Dezember Schlacht von Potidaia, gleich darauf der erste Kon- greß in Sparta; vielleicht noch im Dezember und bald nachher etwa Januar 431 der zweite Kongreß, indem mit der Erklä- rung, die Athener hätten die Verträge gebrochen, der Krieg im Princip erklärt wird, natürlich für den Fall, daß die Athener die ihnen vorzulegenden Forderungen nicht erfüllen würden. Der Winter vergeht denn unter diplomatischen Verhandlungen.

Kleon erhielt nach Perikles die leitende Stellung im athenischen Staate. Von seiner politischen Thätigkeit während der Lebenszeit des Perikles weiß Thukydides nichts zu be- richten, und auch die aus andern uns gewordene Kunde ist ge-

9 *

132 H. Landwehr,

ring. Seitdem Joh. Gust. Droysen in seiner Uebersetzung des Aristophanes sich dahin aussprach, daß Kleon wirklich nicht so schlecht sei, als ihn die Zeitgenossen geschildert hätten, begann die Forschung die Ueberlieferung über ihn zu untersuchen. Auch gegenwärtig ist die Untersuchung noch nicht abgeschlossen, denn ein einheitliches Urtheil über den Demagogen (im griechischen Sinne des Wortes) ist bisjetzt noch nicht gefunden. Der Weg, welchen Emminger Nr. 91 kürzlich eingeschlagen hat, scheint mir der richtige zu sein. Er untersucht nämlich in erster Linie ausführlich das, was Thukydides und Aristophanes von ihm ge- sagt haben. Jedermann wird zugeben miissen, daf dies nur ein Zerrbild ist. Aber die wahren Ziige in demselben zu erkennen, ist schwierig, und der zweite Theil von Emmingers Untersu- chung, welcher sich hiermit beschäftigt, ist nicht als abgeschlos- sen anzusehen. Das Endurtheil Emmingers lautet: „Kleon war ein Kind seiner Zeit, in keinem Punkte schlechter, in vielen besser als die Mehrzahl seiner Zeitgenossen. Nur als er Feld- herr wurde, da hatten die aristophanischen Wolken recht, daß sie unwillig die Braunen zusammengezogen: zum Feldherrn war er nicht geschaffen‘.

Beloch Nr. 93 ist weniger für Kleon eingenommen. Aber wohl mit wenig Recht möchte er ihn S. 31 den „brutalen und ungebildeten Gerbermeister‘‘ nennen. Nach einer Begründung dieser wenig schmeichelhaften Epitheta sucht man in Be- lochs Darstellung vergebens, vielmehr muß dieselbe doch auch Kleons Verdienste anerkennen. Vor allem ist er unermüdlich für die Beschaffung der nöthigen Geldmittel zum Kriege thätig gewesen; hierbei hat er keine Rücksichten gekannt, was für die damaligen Verhältnisse nicht genug geschätzt werden kann. Wenn er die Kosten für das Reiterkorps herabsetzen wollte, so geschah lediglich aus dem Gesichtspunkte, weil die Leistungen nicht den Kosten entsprachen. Diese finanziellen Maßregeln hatte Kleon in seiner Eigenschaft als Rathsherr unternommen. Das Jahr, in welchem er Mitglied der Bule war, ist nicht ge- nau überliefert. Jedenfalls kann es erst nach 428/7 gewesen, da damals die eisyog« wohl wesentlich auf Kleons Betrieb ein- geführt wurden. Dann geben Aristoph. Ritter V 774 ff. den Beweis, daß er vor der Aufführung derselben (425/4) Rathsherr war. Unter den drei Jahren, welche demnach in Betracht kom- men, entscheidet sich Beloch Nr. 93 S. 336 für 427/6. Die Darstellung des Thukydides bei den. Verhandlungen über das Schicksal der Mytilenaier ist derartig, daß Kleon nicht als Rathsherr gedacht werden kann. Aristophanes Worte in den Rittern V 774: jx’ 2ßovAsvov widersprechen dann der An- nahme, daß Kleon gleichzeitig Rathsherr gewesen sei. Für das Jahr 427,6 spricht aber auch die Aufführung der Babylonier, wegen deren Aristophanes von Kleon vor die Bule gezogen

Die Forschung iiber die griechische Geschichte. 133

wurde, Ausschlag gebend ist für mich in dieser Frage, daf Beloch unter Verwerthung der von Gilbert ‘Beiträge zur inneren Gesch. Athens’. Leipzig 1877 S. 133 ff. vorgebrachten Argu- mente klargelegt hat, daß die Reduktion des Budgettitels für die Reiterei durch Kleon in das Jahr 427/6 gehóren.

Feldherr ist Kleon nicht gewesen und hat es auch nie- mals sein wollen, wenn er sich auch zum Strategen wühlen lief. Die Kriegführung vor Pylos schien ihm schlaff zu sein, er ver- langte Erfolge von den Feldherrn. Als diese dann den SpieB umkehrten und ihm ihre Stelle einräumten, ging er auf ihren Vorschlag ein. Nun kam Energie, die Demosthenes gefehlt zu haben scheint, in den Krieg. Auch Duncker Nr. 6 hat betont, daB eigentlich erst durch Kleon die für Athen richtige Krieg- führung gegen Sparta zur Geltung gekommen sei. ,,Das ist Kleons Verdienst um die Gefangennahme der Spartaner auf Sphakteria, sagt Emminger Nr. 91 S. 60, er trieb den etwas weinseligen Demosthenes zum Angriff, da er seinen Termin ein- zuhalten hatte". In gleicher Weise energisch zeigt sich dann Kleon bei dem Zuge nach Thrakien. Auch hier ist es der kühne Wagemuth, der ihn beseelte. Allerdings war es kühn gewagt, alles auf einen Wurf zu setzen, aber es geschah nach reiflicher Ueberlegung. ,,Die Expedition nach Thrakien, sagt Beloch Nr. 93 S. 45, hatte nur in dem Falle einen Sinn, wenn man ent- schlossen war, den Krieg auf unbestimmte Zeit weiter zu führen. Das war nun Kleon allerdings; und einen Grund wenigstens konnte er geltend machen, der für den Augenblick die Fort- setzung des Krieges empfahl Im nächsten Jahre (421) ging nämlich der dreißigjährige Friede zwischen Sparta und Argos zu Ende; und da es von vorn herein feststand, daß Sparta die argeiischen Forderungen auf Herausgabe der Kynuria zurück- weisen würde, so hätte Athen dann an Argos einen mächtigen Verbündeten gefunden. Kleon hatte zu diesem Zweck schon vor einigen Jahren in Argos Beziehungen angeknüpft; jetzt kam die Zeit, wo die damals gestreute Saat aufgehen sollte“.

Der ProceB gegen die Mytilenaier, in dem Kleon eine Rolle spielte, mag gleich hieran angeknüpft werden. Mül- ler-Strübings Theorie (thukydideische Forschungen. Wien 1881 8. 149 —243) vom blutdürstigen Grammatiker, der hier seine Arbeit walten ließ, um gegen das athenische Volk schwere Ver- leumdungen auszusprengen, hat wohl nur bei sehr wenigen 'sach- kundigen, urtheilsfáhigen und vorurtheilsfreien Gelehrten' Beifall gefunden. Ich würde auf diese Frage, die schon von L. Herbst in seinem Jahresbericht über Thukydides Philol. XLH 1883 S. 107 ff. eine eingehende Kritik erfahren hat, nicht nochmals ein- gehen, wenn nicht in den hier zu behandelnden Jahren die Frage nicht noch einige Nachblüthen gezeitigt hütte.

Unter den deutschen Gelehrten móchte Holzapfel (Rhein.

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Mus. Bd. XXXVII 1882 S. 448 ff) wohl ziemlich vereinsamt dastehen, wenn er Miiller-Striibings Parteigenosse ist. Stahl Nr. 96 hat die Ausführung Holzapfels widerlegt. Allerdings war der den Lesbiern auferlegte Pachtzins ein geringer gegenüber dem Bodenwerth in Attika, aber das findet seine Erklürung in dem Bericht des Thukydides selbst. „Ist nun den Lesbiern durch Beschluf der Athener gegen einen bestimmten Pachtzins die Erbpacht zugestanden worden, so hindert nichts anzunehmen, ja es scheint sogar natürlich, daf die Härte der Konfiskation durch eine niedrige Bestimmung des Pachtzinses gemildert wor- den ist. Es liegt nun sehr nahe zu denken, daf es im We- sentlichen die früheren Eigenthümer oder deren Familien ge- wesen sind, welche die Erbpacht übernahmen. Damit erledigt sich auch der Einwand, daff der gesammte Bodenertrag nicht so hoch und dem gemäß der Pachtzins nicht so niedrig dürfte gewesen sein, daf der lesbische Pachter sich besser gestanden habe als der athenische Eigenthümer. Ist nun, sagt Stahl, wie es wahrscheinlich, zum mindesten aber möglich ist, der Demos der Mytilenaier von der Konfiskation nicht betroffen und aufer- dem ein niedriger Pachtzins normiert worden, so erscheint die ganze Maßregel durchaus nicht mehr so schroff und unbillig, und das ist es ja auch, was diejenigen, welche an der bezüg- lichen Stelle des Thukydides AnstoB nehmen, erstreben". Der Bericht des Thukydides findet ferner seine Bestüstigung durch Diodor XII 55, 10, dessen Zeugnifi Holzapfel zu erschiittern nicht gelungen ist.

Einen werthvollen Beitrag zur Beurtheilung der Müller- Strübingschen Hypothese hat Bauer Nr. 97 geliefert. Müller- Strübing a. a. O. S. 161 sagt: ,,Kein alter Schriftsteller weder ein Grieche, noch ein Rómer thut dieser Blutthat Erwühnung". Bauer hat nun den Nachweis geführt, daß in der That Liba- nios und Ailios Aristeides den Bericht bei Thukydides so gelesen haben, wie er jetzt vorliegt. Diese beiden Zeugen genügen um die Hypothese, welche so viel Aufsehen machte, völlig zu ver- nichten.

Alkibiades gab dann der Kriegspartei einen neuen Halt; er war es, der nach dem Friedensschluf wieder energisch das Einschreiten gegen Sparta und dessen Einfluß verlangte, weil er eben auf diesem Wege allein in die Hóhe kemmen konnte. Mit seiner Persónlichkeit hat sich die Forschung der letzten Jahre verschiedenfach beschäftigt, auch gehórt er zu denjenigen, die nicht leicht verständlich sind. Doch ‘Rettungen’ für ihn zu schreiben, móchte als verlorene Liebesmühe gelten.

Ob Alkibiades dem Sokrates seine Erziehung verdankte, muß nach den Ausführungen, die Philippi Nr. 99 gegeben hat, zweifelhaft bleiben. Bei seinem ersten politischen Auftreten schloß er sich an

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Hyperbolos an; die Kriegspartei erhielt an ihm eine gewichtige Stütze. Als nun die Parteigegensütze sich immer mehr schärften und ein Ostrakismos allein heilsam erscheinen konnte, empfand Alkibiades sehr wohl, daß gegen ihn die Stimmen der Partei des Nikias gerichtet sein würden. Um nun nicht für Hyper- bolos die Kastanien aus dem Feuer zu holen, paktierte er mit Nikias gegen Hyperbolos. Beloch Nr. 93 S. 339 f. hat auf Grund von Theopomp fr. 108 den Nachweis geführt, daß dies Ereigniß in das Frühjahr 417 .gehórt. Fiele es in das Jahr 418, so würe Alkibiades ohne Zweifel unter den Strategen des Jahres 418/7 zu finden. Den Antheil des Alkibiades an der sicilischen Expedition hat Fokke Nr. 92 ausführlich behandelt.

Als Programm des Alkibiades bezeichnet Fokke: die Herr- schaft über Hellas d. h. über ein zuvor durch ihn aus korin- thisch-thebanischem Partikularismus heraus und durch die freien Institutionen seiner Vaterstadt über den athenisch-spartanischen Dualismus herausgehobenes Hellas. Das schwebt aher in glei- cher Weise, wie die andern daran gereihten Behauptungen Fokkes in der Luft, ja ist aller Ueberlieferung zuwider. Vor allem ist Thukydides der Ansicht, da8 dureh Alkibiades der Staat zu Grunde gerichtet ist Thuk. VI 15, 8: xaJeilev Uoreoor rjv wr "Adnralwv nov ovx furore. Aber auch der Charakter des Al- kibiades widerspricht einem derartigen Programm. Als ihm durch die Wahl zum Feldherrn mit unbeschrünkter Machtvoll- kommenheit der Volkswille das Heft völlig in die Hand gege- ben hatte, wagte Alkibiades nicht den einen Schritt. Auch jetzt fehlte ihm wie vor acht Jahren, als er in einer ühnlichem Lage sich befand, der Muth, aus der Bahn der Getetzlichkeit heraus- zutreten und die Kraft zu einem entscheidenden Entschlusse. Beloch Nr. 93 S. 83.

Die Expedition des Alkibiades nach Sicilien, welche Fokke in seiner ersten Rettung behandelt, soll nun die natürliche Folge und Fortsetzung der Eroberungspolitik des Miltiades, Themis- tokles und Kimon gewesen sein. Sie wire auch gelungen, ,,wenn man die Führung des Krieges in der Hand des Mannes lief), der die Seele desselben war, und ihn nicht der unschlüssigen und schwachen Leitung desjenigen übergab, welcher ihn vom ersten bis letzten Augenblick nur mit Widerwillen fiihrte“ S. 64. Aber mit derartigen Faktoren kann die Geschichte nicht rech- nen. Sie kann bei der Beurtheilung eines Mannes nur das in Betracht ziehen, was er in der That geleistet. Doch gehen wir selbst auf die von Fokke gestellte Bedingung ein, nehmen wir an, Alkibiades hütte in der That den Oberbefehl behalten, haben wir dann auch weiter Grund zu behaupten, dafi die Expedition nach Sicilien von Erfolg gewesen wäre, daß mit ihr „eine Po- sition gewonnen, welche, richtig behauptet, und wenn man kon- sequent von ihr aus weiter schritt, den Ausgangspunkt zu den

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hóchsten Hoffnungen bildete". Schon der Gesichtspunkt bietet Anlaß zu ernsten Erwägungen, ob die Athener recht daran thaten, während es in Griechenland doch immer noch brodelte, sich auf auswärtige Unternehmungen einzulassen. Dann schlu- gen die Athener auch die Mittel der Syrakusaner zu gering an, sie waren darüber getäuscht.

Die neuste topographische Forschung der Italiener hat sich auch mit Syrakus *) beschäftigt und hier das Resultat zu Tage gefördert, daß die thukydideische Schilderung der Belagerung von Syrakus durch die Athener nur von Jemand geschrieben sein kann, der mit den Lokalitäten vertraut war. Da das ge- nannte Werk in Deutschland leicht übersehen werden konnte, so hat Holm in einem Aufsatze Nr. 98 die hauptsächlichsten Re- sultate deutschen Lesern bekannt gemacht. Auf das Topogra- phische im Einzelnen einzugehen, ist hier nicht der Ort. Her- vorzuheben wire, daß es sich nun herausgestellt hat, daß der Asinaros in der That der heutige fiume di Noto ist, und daß er thatsächlich unter den von Thukydides angegebenen Umständen die Wassermasse haben kann, die ausreicht, um Verwundete und Leichen fortzuspiilen.

Das Ungliick der sicilischen Expedition fand in Athen kaum Glauben. Was war nun nach dieser Niederlage zu thun? Wie konnte der Verlust an Biirgern wieder ersetzt werden? Man hat auf Grund einer Notiz bei Markellinos vita Thuc. 32—34 eine nach der sicilischen Expedition erlassene Amnestie ange- nommen. Markellinos berichtet nach Didymos, der es aus Zo- pyros genommen haben soll, daß die Athener die Rückkehr in das Vaterland gestatteten roig yuyacı nÀgv twv Meosoigarcdwr meta 199 hrrav inv &v XixeMa. Die Richtigkeit dieser Angabe hat neuerdings Stahl Nr. 96 angefochten, indem er auf Thuk. VIII 70, 1 hinwies. Hier wird nämlich ausdrücklich gesagt: "À,v Tous qevyortug xurÿyov TOU Adxıßıddov Erexa, was nach Stahl nur die Bedeutung haben kann: ,,sie riefen die Verbannten nicht zuriick, weil sie sonst auch dem Alkibiades die Heimkehr gestattet hütten". Dies kann nun aber gar keinen Sinn haben, wenn jemals eine allgemeine Amnestie mit Ausschluß des Alki- biades erfolgt wire, was doch der Fall gewesen sein miifte, wenn eine solche nach dem sicilischen Feldzuge erlassen wor- den würe.

Alkibiades ist der Salaminia nur eine kurze Strecke Weges gefolgt. Dann zog er es vor, die Flucht zu ergreifen. Er be- gab sich nach Sparta und ertheilte nun den Feinden Athens

2) Topografia archeologica di Siracusa exeguita per ordine del Ministerio della Publica Istruzione dai Prof. Cavallari e Holm e dall’ ingegn. Cavallari. Palermo 1888. con un atlante di 15 tavole in fol. jetzt auch die deutsche Bearbeitung von B. Lupus. Strafburg 1887.

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Rathschläge, wie der Krieg am erfolgreichsten zu führen sei. Die allgemeine Mifbilligung, welche diese MaBnahme des athe- nischen Feldherrn bei allen Historikern gefunden hat, sucht Fokke neuerdings in einer zweiten Rettung des Alkibiades zu vertheidigen. ‘So lange Vaterland und Moral nicht leere Namen sind’, hatte Herbst im philol. Anz. XV 1885 S. 30 gesagt, ‘wird ein derartiges Unternehmen zwecklos sein’. Fokke kann nun den Alkibiades nur von aller Anschuldigung rein waschen, wenn es ihm gelingt, daß in Bezug auf die Vaterlandsliebe andere Anschauungen, als heute geherrscht haben. „Daß ein gewesener Bürger, den sein Staat für todt erklärt hatte, auch nach Lósung der früheren Gemeinschaft noch Pflichten gegen jenen zu erfüllen habe, mag ein Gesetz der modernen christlichen Lebensauffassung sein, aber es wär kein griechisches". Fokke Nr. 92 II S. 79. Man fragt unwillkürlich, wem verdankt Fokke diese Kunde. Es ist ergötzlich, in welcher Weise die Richtigkeit dieses Satzes verfochten wird. Demaratos, der Exkónig von Lakedaimon, wird zu einem Tugendspiegel, dessen persische Gefolgschaft al- lein aus diesem echt griechischen Lebensgrundsatz hervorgegan- gen sei. Unbekannt scheint es Fokke zu sein, mit wie herben Ausdrücken diejenigen belegt wurden, welche mit den Barbaren gemeinschaftliche Sache machten. Kimons Benehmen vor der Schlacht bei Koronea wird durch das Taschenspielerkunststück : ‘keine Regel ohne Ausnalımen’ hinwegexperimentiert. Doch wenn man die Anschauungen eines Atheners als Patriot kennen ler- nen will, so braucht man nur die Rede des Lykurgos gegen Leokrates zu lesen. Freilich läßt sich aus dieser nicht direkt die von Fokke aufgestellte Sentenz widerlegen, aber ich meine, daß wer sich derartig äußerte, kann nicht eine derartige Mei- nung vertreten, daß der Begriff Vaterland für ihn aufhürte zu sein, sobald nach seiner Ansicht das Vaterland ihn ungerecht beurtheilt hatte. "Was sollte denn die Folge einer derartigen Staatsraison sein? Doch sehen wir uns die Argumente weiter an, auf denen Fokke fuf. Hauptsächlich stützt er sich auf diejenigen Worte, welche Alkibiades in Sparta gesprochen haben soll. Bei Thuk. VI 92, 4 lauten sie: 10 1e gıAonodı o)x dv @ . adsxotpus Erw, aid’ Er © aopulws énohMrevdmr® ovò dni na- tofda ovour Er ryovuar vor lévar, noÀo mällor thy oùx ovoav araxra 0a. xui pidonodec ovt0c GOIWS, ovy Og av mv Éavioù ud(xwg dmoltous un Enln, dii 06 av èx mavtoc r9ómov dia To imPuusiv n&qa39j avinv avaBudeiv. Das ist doch nichts an- deres, als Zweck heiligt die Mittel, reinste Jesuitenmoral. Doch geben wir fiir den Augenblick zu, daf diese Worte des Alki- biades die antike Anschauung richtig wiedergeben. Hat nun Alkibiades wirklich gleich von Anfang an danach getrachtet, das Vaterland wiederzugewinnen? Der Salaminia war vorgeschrie- ben, Alkibiades so glimpflich als möglich zu behandeln, damit

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der Erfolg der Expedition dadurch nicht geschidigt wiirde. Es soll den Anschein gewinnen, als ob man in Athen erwarte, Al- kibiades würde sich von der schweren Anklage reinigen kónnen. Aber was thut nun Alkibiades? Bis Thurioi folgt er der Sala- minia, dann ergreift er die Flucht und weiß nichts besseres zu thun, als sogleich die Syrakusaner zu benachrichtigen, wie weit die Bestrebnngen der athenischen Partei in Messana gereift sind (Thuk. II 74, 1). Die Folge davon ist, daß Messanas Ueber- tritt zu Athen unmöglich wird. Das war aber für das Gelingen der Expedition ein schwerer Schlag (Curtius griech. Gesch. II S. 654). Nun frage ich: was berechtigte den Alkibiades an seiner Vaterstadt Verrath zu üben? Er wufte ja noch gar nicht, was man mit ihm für Maßnahmen zu treffen gedachte. Man mag obige Jesuitenmoral gelten lassen, als er zum Tode verur- theilt und seiner Güter beraubt war, aber jetzt konnte er doch nicht hoffen, auf so frivole Art sein Vaterland wiederzugewinnen. Vielmehr mufite er gerade durch diesen Akt seinen Feinden Material gegen ihn in die Hände liefern. Eine Rettung des Alkibiades muß demnach zurückgewiesen werden.

Der Arginusenproceß hat von den Ereignissen der letzten Periode des Krieges die Forschung verschiedenfach be- beschäftigt. Beloch Nr. 93 S. 87 meint, daß darin ein politi- sches Motiv zu suchen sei, daß den Trierarchen Theramenes und Thrasybulos der Befehl gegeben sei, die Rettung der Schiff- brüchigen zu versuchen. ,,Es war doch, schreibt er, gar zu ver- lockend, sich selbst von jeder Verantwortlichkeit zu reinigen, und zugleich diese Verantwortlichkeit den politischen Gegnern zuzuschieben. Nur unter dieser Voraussetzung ist es überhaupt zu verstehen, wie die Strategen dazu kamen, eine so wichtige Aufgabe zwei Subalternoffizieren anznvertrauen, denen schon die nôthige Autorität nicht zu Gebote stand, die Mannschaften zu dem geführlichen Rettungswerke zu zwingen". Hidromenos Nr. 101, der sich auch mit dieser Frage beschäftigt hat, halt es nun für unmöglich, bei dem nach der Schlacht sich erhebenden Nordweststurm eine Rettung durchzuführen. Doch geht er noch weiter, indem er nachweisen will, daß die gesammte Forschung betreffs der den athenischen Feldherrn gemachten Vorwürfe sich bisher in einem schweren Irrthum befunden habe. Bei dem Pro- ce soll es sich nach seiner Auffassung gar nicht um eine An- klage wegen unterlassener Rettung der Schiffbrüchigen gehandelt haben, sondern ausschließlich um den Vorwurf, daß die Bergung und Bestattung der Leichen der gefallenen und ertrunkenen Athener von den Feldherrn versäumt worden sei. Er beruft sich mit Recht auf den Bericht des Diodor XIII 99—103, der nur von einer unterlassenen ar«fosmg 10v vexowr Kunde giebt. Aber auch Xenophon Hell. I 7, 6 hat nach Hidromenos nichts von der versiumten Rettung Schiffbrüchiger gewuBt, weil auch

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nach seinem Bericht gegen die Feldherrn nur die Anklage er- hoben wurde, om oùx drsfAorto rovG rıryoarıac,;, der Ausdruck avatgetodus werde aber wie «reAxvsır durchweg von den Todten, nicht von Lebenden gebraucht, und deshalb sei es gewagt, bei dem genauen Xenophon einen anderen Gebrauch des Wortes, etwa im Sinne von drucwlerr anzunehmen. Aber dieser Auffas- sung widerspricht Xen. a. a. O. I 7, 11, wo angegeben wird, einem, der sich in einem Gefäß gerettet habe, sei von den Ster- benden aufgetragen, &iv 0w37, arayysilus TO Onuw on cIgu- thyvi ovx dvreldovto toùs aglorous unig rc mutyldog yevoukrovg. Die Chronologie der letzten zehn Jahre des Krieges hat Beloch Nr. 95 einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Be- ziiglich der chronologischen Ordnung der Ereignisse haben sich zwei Richtungen geltend gemacht. Die eine, deren Verfechter Dodwell ist, setzt die Expedition des Thrasyllos nach Ionien in das Jahr 409 und die Riickkehr des Alkibiades 407, die an- dere, welche die in Deutschland allgemein verbreitete ist, setzt das erstere EreigniB 410 an, das zweite in den Sommer 408. Beloch sucht nun Dodwells Ansatz durch neue Griinde zu ver- theidigen. Ein noch nicht beachtetes Hiilfsmittel sind ihm die Nauarchen, deren Amtsantritt er jetzt in den Sommer verlegen zu müssen glaubt. Als feststehendes Ereigni8 hat nun die Schlacht bei Kyzikos zu gelten, die sich in die zweite Hälfte von 411/10 gehört. „Wenn Mindaros, sagt Beloch Nr. 95 S. 276, etwa Anfang Miürz die Operationen begann, so kann die Schlacht bei Kyzikos allerfrühestens im April, wahrscheinlich erst im Mai geschlagen worden sein. Darauf folgen die Frie- densunterhandlungen in Athen, der Angriff des Agis, die Aus- rüstung der Flotte des Thrasyllos, mit der dieser toyouérov 108 Jévoug nach Tonien abgeht. Da die Operationen bis zu dem Einfall in Lydien schwerlich mehr als etwa vierzehn Tage ge- füllt haben können, dieser Einfall aber «xu«Lorroc rov ofıov statt hatte, d. h. Ende Mai oder Anfang Juni, so wird Thra- syllos Abfahrt etwa auf Mitte Mai angesetzt werden müssen". Früher konnte sie jedenfalls nicht stattfinden, da der Flottenbau Zeit in Anspruch nahm. Beim Angriffe des Agis kann Thra- syllos nur in seiner Eigenschaft als Stratege den Befehl führen, also muß seine Wahl vorausgegangen sein. Hierzu noch ein Weiteres. Nach der Schlacht bei Kyzikos führt Pharnabazos die syrakusanischen Mannschaften nach Antandros, um Schiffe zu bauen. 20 Trieren sind beendigt, als Thrasyllos ankam. Ferner hat des Hermokrates Nachfolger in der Strategie schon vor der Schlacht bei Ephesos den Befehl (Xen. Hell. I 1, 31). Von Bedeutung ist dann, daß Dionysios Hal. hypoth. z. Lys. gg. Diogeiton die Abfahrt des Thrasyllos unter das Archontat des Glaukipp also 410/9 setzt. Wenn also Thrasyllos im Mai 409 von Athen abfuhr, mit Alkibiades vereinigt den folgenden

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Winter 409/8 in Lampsakos zubrachte, so haben die Operationen gegen Kalchedon und Byzanz das Jahr 408 vom Beginn des Friihjahres bis zum Spätherbst ausgefiillt und Alkibiades’ Rück- kehr gehört in den Sommer 407.

Es kommt dann weiter darauf an, die Schlacht bei den. Arginusen festzulegen. Was unsere Ueberlieferung namentlich bei Xenophon bietet, kann nicht als fester Anhalt gelten. Es miissen hier also Kombinationen entscheiden. Beloch stellt fol- gende an: „Die Belagerung von Mytilene hat etwa 1'/s Monat in Anspruch genommen; denn Konon brauchte fiinf Tage, bis es ihm gelang, eine Triere durch die Blokadeflotte durchbrechen zu lassen; in weiteren drei Tagen konnte die Nachricht von den Vorfillen auf Lesbos in Athen sein. Dreibig Tage dauerte die Ausrüstung der Flotte; auf die Fahrt nach Samos und Mytilene sind hôchstens acht Tage zu rechnen, da ja eben alles darauf ankam, Konon so rasch wie möglich Hilfe zu bringen. Das er- giebt 46 Tage. Nun wissen wir allerdings nicht, ob Konon gleich nach Beginn der EinschlieBung Anstalt getroffen hat, nach Athen um Hiilfe zu schicken; es liegt aber in der Natur der Sache, daß er nicht unnützer Weise die Zeit vergehen ließ“, Fiir die Riickkehr des Alkibiades 407 bietet auch die Nauar- chenliste einen Anhalt. Lysanders erste Nauarchie, die der des Kallikratides unmittelbar vorausging, war 407/6, und im glei- chen Jahre war Alkibiades Stratege. Demnach kann er nur im Thargelion 408/7 nach Athen zuriickgekehrt sein, und die Schlacht bei Notion muß dann ebenfalls wie seine Nichtwieder- wahl im Frühjahr 407 erfolgt sein.

Es wird am einfachsten sein, um Belochs Resultate klar zu legen, die von ihm selbst zusammengestellte chronologische Ueber- sicht der letzten zehn Jahre hier zum Abdruck gelangen zu lassen.

410. April, Mai: Schlacht bei Kyzikos, Mai, Juni: Friedensunterhandlung in Athen. Angriff des Agis auf Athen. Bewilligung der Flotte für Thrasybul. 409. Mai: Abfahrt des Thrasybul nach Ionien. Juni: Schlacht bei Ephesos. Beginn der Belagerung von Pylos. Niederlage der Syrakusaner bei Methymna. Entsatzversuch des Anytos. Einnahme von Pylos. Winterquartiere der Athener in Lampsakos 408. März, April: Beginn der Belagerung van Kalchedon. Mai: Landung der Karthager in Sikilien, Fall von Selinus. Riickberufung der syrakusanischen Flotte.

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Juni: Kapitulation von Kalchedon und Waffenstillstand mit Pharnabazos. Juli: Fall von Himera. Belagerung von Byzanz. Abgang der Gesandtschaft zum Kénig. September: Hermokrates in Sikilien. Oktober / November: Fall von Byzanz attische Gesandtschaft in Gordion.

407. April: Alkibiades Wahl zum Strategen. Juni: Alkibiades Riickkehr. . Juli: Kyros Ankunft in Sardes. Syrakusanische Gesandtschaft nach Karthago. Oktober: Alkibiades in Ionien.

406. Miürz: Schlacht bei Notion. April: Strategenwahl. Mai: Beginn der Belagerung von Akragas. August: Kümpfe auf Lesbos. September: Schlacht bei den Arginusen. Oktober: Feldherrenproceß. Dezember: Fall von Akragas.

405. Januar: Beginn der Tyrannis des Dionysios.

Juni, Juli: Lysander in Ionien. Kyros' Reise nach Persien.

August / September: Schlacht bei Aigospotamoi. September: Schlacht bei Gela. Oktober: Frieden in Sizilien.

404. April: Athen capituliert. Juni: Samos capituliert, Einsetzung der DreiBig. Juli / August: Lysanders Rückkehr nach Sparta.

Die Zeit des nationalen Niederganges.

102. Hoeck, zur Geschichte des zweiten athenischen Bun- des: Jahrb. f. class. Philol. Bd. 127. 1883. S. 515—522.

103. Reuf, zu Xenophons Anabasis: Jahrb. f. class. Philol. Bd. 127. 1883. S. 817 - 831.

104. Frünkel, zur Geschichte der attischen Finanzverwal- tung: hist. und philol. Aufsätze E. Curtius zu s. 70. Geburtst. Berlin, Ascher & Co. 1884. S. 35—49.

105. von Stein, Geschichte der spartanischen und thebani-

schen Hegemonie vom Kénigsfrieden bis zur Schlacht bei Man- tinea. Dorpat, Diss. 1884. S. 248.

142 H. Landwehr,

106. Mangelsdorff, zu Xenophons Bericht tiber die Schlacht bei Kunaxa. Karlsruhe. Pgr. 1884. 8. 23.

107. Seibt, Beurtheilung der Politik, welche die Athener wührend des thebanisch -spartanischen Krieges befolgt haben. Kassel, Pgr. 1885. S. 22.

108. Bla, die sozialen Zustände Athens im vierten Jahr- hundert. Festrede. Kiel 1885.

109. Beloch, das Volksvermögen Athens: Hermes Bd. XX. 1885. 8. 237—261.

110. Baran, zur Chronologie des euboeischen Krieges in Wiener Studien VII. 1885. S. 190—231.

111. Bünger, zu Xenophons Anabasis in Jahrb. f. class. Philol. Bd. 131. 1885.

112—114. Schaefer, Demosthenes und seine Zeit. Zweite revidierte Ausgabe. Leigzig, B. G. Teubner 1886. 1887. Vel. Philo. Anz. XVII. 1887. S. 170—173.

115. Egelhaaf, die Schlacht bei Chaeronea i. Analekten zur Geschichte. Stuttgart, W. Kohlhammer 1886. S. 45— 63. S. 262-- 63.

Leider besitzen wir darüber keine genaue KenntniB, wie Griechenland und vornehmlich Athen unter den Folgen des pe- loponnesischen Krieges gelitten hat. Blaß Nr. 108 hat bei Ge- legenheit der Feier des Kaisers Geburtstages die sozialen Zu- stinde Athens im vierten Jahrhundert erörtert. Aber leider hat es der Charakter der Festrede. verboten, die vorgetragenen Re- sultate wissenschaftlich zu begründen. Immerhin wird aber eine derartige Skizze aus solehem Munde nicht ohne Beachtung blei- ben. Indem der Ausspruch des Sokrates bei Plato: ,,ich habe mir sagen lassen, daß Perikles die Athener faul, feige, schwatz- haft und geldgierig gemacht habe, indem er zuerst die Sold- zahlung einführte", zur Grundlage genommen wird, gelangt das Werden der damaligen Zustünde in Athen zur Erórterung. Es verlohnte sich der Mühe einmal genau den Plato darauf hin durchzulesen, was er über die soziale Lage seiner Zeit einflicht. Ein anderer seiner Ausspriiche ist nicht minder bedeutend: er verglich Attika mit einem Kórper, der durch lange Krankheit bis auf die Knochen abgezehrt ist. Beide Aussprüche führen uns mitten hinein in die Denkungsart der damaligen Athener. Der Krieg hatte Athen an den Rand des Verderbens gebracht. Verantwortlieh für die dadurch geschaffene Nothlage machte man den Perikles, aber nieht deshalb weil er etwa den Krieg begon- nen hatte, sondern weil er den Athenern die Kraft der Energie durch sein Besoldungswesen gebrochen hatte. Es war durch ihn, wie schon oben gesagt wurde, jenes verwerfliche System zum

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Durchbruch gekommen, das jedes Bürgers Dienstleistung entschä- digte. So erwarben sich denn viele dadurch ihren Lebensunter- halt, daf sie einfach ihrer Biirgerpflicht genügten. Der freie Athener arbeitete wenig. Für die Bedürfnisse des täglichen Le- bens sorgten fast durchweg die Metoiken. Freilich zu Solons Zeiten war ihnen der Zutritt zum Markt nicht gestattet gewesen. Aber als man erst dahinter kam, daß aus ihrem Zutritt eine Einnahme für die Staatskasse zu ziehen war, ging man gern darauf ein.

Allerdings erkannten die Besseren unter den Bürgern, daß durch das immer größer werdende Vordringen der Metoiken die sozialen Verhältnisse nicht gebessert wurden. Zwei Versuche der Sozialreform des vierten Jahrhunderts sind uns näher be- kannt. In den einen Gedankenkreis gehören Xenophons nooo:, die den Staatssozialismus predigen, in den anderen des Demo- sthenes Reformen. Er stellte den Grundsatz auf: Wer vom Staate etwas haben will, soll dafür auch etwas leisten.

Eine genauere Angabe über den Wohlstand Athens besitzen wir über die Zeit des Nausinikos (378/7). Nach Polyb. II 62, 6 hatte das ifunuu in Attika eine Höhe von 5750 Talenten. Boeckh hat nun die Hypothese aufgestellt, das Timema ent- spreche nicht dem gesammten eingeschätzten Vermögen, sondern nur einem größeren oder geringeren Bruchtheil desselben. Be- loch Nr. 109 hat nun zu beweisen gesucht, daß diese Angabe in der That das Volksvermögen Attikas repräsentiere. Er un- terzieht Boeckhs Ansatz von 20000 Talenten Volksvermögen einer eingehenden Kritik, und es gelingt ihm in der That nachzu- weisen, daß Boeckhs Schätzungen zu hoch sind. Für zwei Po- sten der Rechnung muß es gegenwärtig jeder zugestehen: die Sklaven und das Grundeigentum. Beide aber sind die be- trächtlichsten. Seit Boeckh hat man die Richtigkeit der von Athenaios überlieferte Sklavenzahl Attikas 400000 allgemein an- genommen. Beloch Nr. 86 S. 87 ff. hat aber nachgewiesen, daß für eine derartige Sklavenzahl kein Raum in Attika vorhanden ist. Dann verbietet auch die Höhe der Getreideproduktion in Attika eine derartige Annahme. Auch die Angaben über das Vermögen der Bürger z. B. daß am Ende des vierten Jahrhun- derts von 21000 Bürgern 12000 unter 2000 Drachmen besaßen, steht nicht damit in Einklang. Beloch nimmt demnach eine viel geringere Zalıl an und vermuthet, daß bei Athenaios ein Schreib- fehler vorliege, etwa 40000 Sklaven. Zur Zeit des peloponnesi- schen Krieges ist die Zahl beträchtlich höher gewesen, etwa bis 100000. Für die Werthschätzung des attischen Bodens ist kürz- lich durch Foucart (bulletin de correspondance hellénique VIII 1884. S. 194 ff.) eine Inschrift bekannt geworden, die genaue Angaben über die Gesammtproduktion Attikas an Getreide giebt. Dieselbe belief sich auf 400000 Medimnen. Das ist nun bedeu-

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tend niedriger, als Boeckh angenommen hat, und damit wird man naturgemäß den Werth des Ackers geringer berechnen. Mit Foucart hier eine MiBernte anzunehmen, ist nicht gerechtfertigt. Die Theurung, welche 329/8 in Attika herrschte, war nicht durch den Ertrag des eigenen Landes, sondern durch die Korn- spekulationen des Kleomenes von Naukratis veranlait. Den Werth für das gesammte Grundeigenthum Attikas schlägt Beloch auf 4000 Talente an. Den Werth der Sklaven berechnet er zu 1500 -- 2000 Talenten. Insgesammt schützt er das Volksvermö- gen auf 6500—7000 Talente, denn auch die Gebäude hat Boeckh zu hoch veranschlagt. Daf bei Polybios sich eine geringere An- gabe findet, liegt darin, daß es einer Steuerbehórde nie gelingt, den gesammten Vermögensbestand zur Besteuerung heranzuziehen. Der unter Nausinikos festgesetzte Kataster hat sich aber lange Jahre hindurch erhalten. Ueber die Vertheilung des Volksver- mögens unter die verschiedenen Klassen der Bevölkerung stellt Beloch folgendes auf. „Im Jahre 3822/1, als Antipatros seine Besatzung nach Munichia legte, gab es unter 21000 athenischen Bürger 12000, deren Vermógen geringer als 2000 Drachmen geschützt war. Bei der geringen Kaufkraft des Geldes in der ersten Hälfte des vierten und dem fünften Jahrhundert mufte die Zahl der Bürger dieser Vermögensklasse damals noch größer sein, und in der That gehórte am Anfang des peloponnesischen Krieges von etwa 30000 Bürgern ungeführ die Hülfte zur Klasse der Theten, hatte also ein Vermógen von weniger als 10 Minen. Von den wohlhabenden Bürgern waren die 1200 reichsten we- nigstens seit Nausinikos, vielleicht schon vorher, zur Leistung von Leiturgien verpflichtet; und von diesen wieder die 300 reichsten zum Steuervorschuf im Falle der Ausschreibung einer elspoga. Für die Zeit kurz nach Nausinikos erfahren wir, daß von einem Vermögen von 46 Minen keine Leiturgien geleistet zu werden brauchten, wührend ein Besitz von 83 Minen aller- dings zur Uebernahme der Gymnasiarchie verpflichtete. Es wird also in dieser Zeit ein Vermógen von etwa 1 Talent erforderlich gewesen sein, um unter die 1200 aufgenommen zu werden". Die Finanzverwaltung in Athen wurde im vierten Jahr- hundert eine andere. Kenntniß geben davon die Inschriften. Auf die Schatzmeister der Góttin ging die Kompetenz der frü- heren Hellenotamien über; auler ihrem heiligen Schatze unter- steht ihnen jetzt auch der profane Staatsschatz. Kohler (Mit- theil. d. d. arch. Inst. V S. 280 f) hat das Verhältniß der Kassen folgendermaßen dargelegt. Als Hauptkassenbehörde er- scheint der Kriegsschatzmeister, der dem Schatze Gelder zuführt und von dort bezieht. Der Geschäftsgang war so, „daß die für die laufenden Ausgaben nicht benöthigten Staatsgelder in die Kasse des Kriegsschatzmeisters flossen, der daraus auf Anwei- sung des Rathes und Volkes zunächst die für Kriegszwecke,

Die Forschung tiber die griechische Geschichte. 145

dann aber überhaupt für außerordentliche und einmalige Aus- gaben erforderlichen Zahlungen leistete und die verbleibenden Bestände an den Schatz, in Zeiten, in denen ein solcher exi- stierte, abfiihrte“. „Die Verwaltung des Schatzes haben nach Ausweis der Inschrift, wie im 5. Jahrhundert die Schatzmeister der Göttin“. Gegen eine derartige centrale Stellung des Kriegs- schatzmeisters hat Fränkel Nr. 104 Widerspruch erhoben. Ueber die Thätigkeit der Kriegsschatzmeister hat uns erst die in neu- ster Zeit bekannt gewordene große Zahl der Inschriften belehrt. Danach ist seine Thätigkeit meist eine sehr unkriegerische. Die Kriegskasse war wohl zunächst fiir Kriegszwecke vorhanden, aber wenn aus derselben auch andere Ausgaben bestritten wer- den, so ist anzunehmen, daß das Volk und der Rath schon bei der Griindung der Kasse sich das Recht vorbehielten oder später es usurpierten, die fiir den ersten Zweck der Kasse nicht ver- ausgabten Gelder zu beliebig anderweitiger Verwendung anzu- weisen. Betreffs der Frage, aus welchen Quellen die Einnahmen der Kriegskasse flossen, schließt sich Frankel an Boeckh an, daB für sie die Ueberschüsse der Verwaltung und die Erträge der auferordentlichen Vermógenssteuern bestimmt waren. Zur Zeit des Dekrets zu Ehren der Sóhne Leukons wurde eine re- gelmäßige Einkommensteuer angeordnet, „um die Kriegskasse von dem schwankenden und unsicheren Ertrage der Ueberschüsse und von der ad hoc anzurufenden Geneigtheit der Bürger zu einer Ausschreibung zu emancipieren und ihr einen stabilen Fond zu sichern^. Hiernach gehórt die erste Einsetzung eines Kriegsschatzmeisters in das Jahr 347. Auch die damaligen Zeitumstünde machen eine derartige Annahme hóchst glaubwür- dig. Die selbständige Organisation und Dotierung der Kriegs- kasse faBt Frünkel so auf, daß es Demosthenes damals gelang, die Hülfte seines Programmes durchzusetzen. Die Einkommen- steuer bestand bis 323. ,So ist die Zeit dieser Steuer im We- sentlichen die von Demosthenes politischer Wirksamkeit".

Die Einwirkungen des peloponnesischen Krieges auf Sparta sind uns nicht bekannt. Jedenfalls lassen sie sich aus der Ge- sammtlage Griechenlands erschließen. Es ist ein bedenkliches Symptom, daß in dem dem großen Kriege folgenden Jahrhun- dert das persische Geld nach Griechenland gezogen’ wird. Schon zur Zeit des peloponnesischen Krieges war Persien wieder her- vorgetreten und hatte den Geschicken Griechenlands ein leb- haftes Interesse gewidmet. Sparta hatte die Unterstützung der kleinasiatischen Satrapen gefunden. Den Dank für diese Un- terstiitzung verlangte der jiingere Kyros bei seinem Revolutions- versuche. Die Schlacht bei Kunaxa, welche diesen Kampf endgültig entschied, ist immer ein von den Gelehrten bevor- zugtes Forschungsfeld. Mangelsdorfs Untersuchung Nr. 106 kommt zu folgenden Resultaten. Der Konig zieht aus dem La-

Philologus. N.F. Bd.I, 1. 10

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ger der Griechen zunächst in der Richtung nach der Gegend, wo beim Beginn der Schlacht sein Centrum gestanden hatte; dann steuert er plôtzlich gerade auf den linken Flügel der Grie- chen zu. Gegen die ihnen dadurch drohende Gefahr wollen sich diese nun durch ein énxuumor sichern. Dies geplante avarivo- cv 10 xégag, betreffs dessen die Ansichten am meisten ausein- andergehen, erklärt Mangelsdorf so, „daß der Flügel (ró evw - yuuov xígac) soweit zurückgenommen wurde, daß er zu der Linie, auf welcher er ursprünglich stand, einen Winkel bildete, der 90° jedenfalls nicht tiberschritt, wahrscheinlieh aber kleiner war, also etwa unserer heutigen Defensivflanke verglichen werden dürfte“. Dieses mx«umor wurde jedoch nur geplant, nicht wirklich ausgeführt; zwar sagt Xenophon I 10, 9 édoxes uvroîs dvanıvooev xiÀ., doch gleich weiter heißt es @ rudi èBovAsvorto xai Buorevg oe ee xuréotnoay ard. Also ehe die Berathung der Griechen beendigt ist, stellt der Kénig seine Truppen ihnen gegentiber auf, und infolgedessen nehmen die Hel- lenen gar keine Veränderung an ihrer Aufstellung vor, sondern greifen an, schlagen die Feinde in die Flucht und verfolgen sie, wahrscheinlich bis Kunaxa. Diese Nichtausfiihrung des ge- planten dvantoouv 7. x. haben bereits Halbkart, Krüger und Köchly behauptet. Die Worte $ 10: nugupelBeotus slg 10 adiò oyjuc« erklärt Mangelsdorf: umwandeln in dieselbe Formation und woneg bezieht er mit Krüger auf 10 „vw. Der König machte demnach das von den Griechen geplante dvantvocey r. x. nicht nach, sondern ,,wandelte seine Phalanx in dieselbe For- mation um, in der er das erste Mal zum Kampfe mit den Grie- chen zusammengestofen war und stellte sich ihnen gegen- über auf".

Noch zwei andere Erklürungsversuche des avanıvoosr To xéouç sind unternommen. Reuß Nr. 103 glaubt, daß es von der Verlüngerung der Front dureh Déploiement gesagt sei. Biinger Nr. 111 dagegen wil zu der Erklärung Kühners 'zurückfalten, zurücknehmen^ zurückkehren.

Die Chronologiedes korinthischen Krieges leidet an vielfachen Unsicherheiten. Unumstreitbar sind die Schlachten bei Knidos und bei Koroneia; die Gewühr bieten hier astronomische Daten. Ebenso kann jetzt kein Zweifel mehr darüber sein, daß der Frieden des Antalkidas in das Frühjahr 386 gehórt vgl. Mittheil. d. d arch. Inst. in Athen VII 1882 S. 174 ff. 312 ff. Beloch Nr. 94 S. 346 ff. hat nun versucht auch hier an der Hand der Nauarchenliste wenigstens die Ereignisse des Seekrieges zu ordnen. Die jährlich wechselnden Nauarchen sind seit 393 Podanemos, Teleutias, Ekdikos, Teleutias, Hierax, Antalkidas, Teleutias. Im Anschluß an diese Liste wird Konons Thitigkeit fiir die Neuschépfung der attischen Seemacht in das Jahr 393 und Anfang 392 verwiesen. Thibrons Niederlage durch Struthas

Die Forschung iiber die griechische Geschichte. 147

gehórt in die ersten Sommermonate 391. Thrasybul ging 389 in See nach Thrakien, blieb den Winter über auf Lesbos und unternahm in den ersten Sommermonaten 388 eine Fahrt nach Rhodos und Aspendos. | |

Die Zeit vom Kénigsfrieden bis zur Schlacht bei Mantinea hat v. Stein Nr. 105 in einer eingehenden Monographie behandelt. Das hauptsächlichste Verdienst derselben ist, daB er den Bericht des Xenophon wieder zu Ehren gebracht hat, und das mit Recht. Denn man muß sich darüber wundern, weshalb eigentlich Diodor und Plutarch von den Geschichtsschreibern vielfach den Vorzug erhalten haben. Und doch bietet Xenophon die Ereignisse in einer durchaus ansprechenden Weise. Es läßt sich nicht leug- nen, daß der Bericht über die Einnahme der Kadmeia durch Phoibidas jedenfalls auf die in Sparta offiziell verbreitete Dar- stellung zurückgeht. Hiernach hat Phoibidas den Handstreich lediglich auf Anstiften der Oligarchenpartei in Theben unter- nommen. Sie veranlafit Phoibidas dazu, weil es ihr immer noch nicht gelungen war, die Herrschaft in ihre Hinde zu bringen. Wenn dann aber Stein Nr. 105 S. 38 annimmt, daß Phoibidas seines Kommandos entsetzt und zu einer unerschwinglichen Geld- strafe verurtheilt sei, so kann ich dem nicht beistimmen. Denn selbst abgesehen davon, daf Xenophon nichts davon zu be- richten weiß, so widerspricht dem auch der Umstand, daß kurz darauf Phoibidas die Stelle eines spartanischen Harmosten in Boiotien inne hat, und es kann nur als eine verwegene Aus- flucht angesehen werden, wenn man auf die Vermuthung kommt, daß die Strafe eben wegen ihrer Unerschwinglichkeit niederge- schlagen sei.

Auch Xenophons Bericht über die Befreiung Thebens be- ruht durchweg auf authentischen Quellen ; man sieht, daß Xe- nophon Erkundigungen bei beiden Parteien und zwar ausnahms- los bei Augenzeugen einzog.

Mit Recht tritt v. Stein der Auffassung entgegen, daß die Politik des Epaminondas eine panhellenische gewesen sei. Wie aber konnte sich Theben zu einem derartigen Ideal aufschwin- gen! Die geschichtliche Vergangenheit der Stadt hatte mehr als eine Schmach. Hier allein hatten die Perser hülfreiche Hand gefunden, um die griechische Freiheit in barbarische Knechtschaft zu verwandeln. Dazu finden sich in den Berichten der Quellen weder Anhaltspunkte für eine Idealitàt der theba- nischen Politik, noch sprechen die Thatsachen für eine derar- tige Hochherzigkeit der Thebaner. Das Ziel des Epaminondas war ein anderes. Er war voll und ganz vom Partikularismus beherrscht. Die Thebaner hatten den Krieg mit Sparta zu- nüchst nur deshalb unternommen, um die eigene Selbstündigkeit wiederzugewinnen. Als sich dann Erfolg auf Erfolg an die Waffen der Thebaner knüpfte, erweiterten sie ihr Programm bis

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zu dem Endziel: der Hegemonie Boiotiens über ganz Griechen- “land. Zwar hat es Epaminondas verstanden, Sparta matt zu setzen, aber es ist ihm nicht gelungen, eine neue politische Grundlage zu schaffen. Das Emporkommen Thebens beruht auf einer tief begründeten starken Reaktion gegen die spartanische Hegemonie; die Krüfte Thebens hat Epaminondas vielfach über- schützt. Wenn er seine Vaterstadt auch zur Beherrscherin des Meeres machen wollte, so erinnert das an die Mafinahmen mo- derner Gründer, die eine gewagte Spekulation durch eine noch gewagtere zu ersetzen suchen. Niemals wird ein schwerfälliges Landvolk, wie die Thebaner, zu einem See- und Handeltreiben- den gemacht werden kónnen. Allerdings mufì das insofern Ein- schrinkung erfahren, daB Epaminondas nicht daran gedacht hat, überseeischen Handel zu gewinnen. Plut. Pelop. 14 darf hier- für nicht als Beleg dienen. Epaminondas gebot über die Ge- schicke der Griechen, eben weil er die Erfordernisse seiner Zeit erkannte.

Die Politik der Athener wührend dieser Zeit hat Seibt Nr. 107 in einem Programm behandelt, doch kann die Arbeit kei- nen Anspruch auf eigene wissenschaftliche Resultate erheben. Aus der Geschichte Athens hat der ProceB des Timotheus zwie- fache Behandlung erfahren, allerdings in kurzen Notizen. Be- loch Nr. 94 S. 361 spricht sich gegen eine Vermengung der Be- richte des Diodor und Xenophon aus und gegen die Annahme einer zweimaligen Amtsentsetzung des 'limotheos innerhalb we- niger Monate. Stein Nr. 105 8. 116 meint dann, daß bei dem Proceß Manches für Timotheos Kompromittierende sich heraus- gestellt habe, sonst wäre er nach seiner Freisprechung nicht Jahre lang ins Ausland gegangen und hätte bei den Persern Dienst angenommen.

Die Politik des Demosthenes hat Beloch Nr. 94 einer erneuten Untersuchung unterzogen. Er hofft dabei von den Einseitigkeiten der Groteschen Schule, wie der Verehrer des Demosthenes sich freigehalten zu haben. Schon andernorts habe ich das eingehend bestritten vgl. Philol. Anz. XV 1885 S. 182. 556 f. In gleicher Weise hat Péhlmann in der hist. Zeitschr. Bd. 54 1885 S. 79 ff. gegen Belochs Verfahren Pro- test erhoben. Die Methode, welche Beloch hier befolgt, ist die gleiche, nach der auch sonst verfahren wird. Die eine Persón- lichkeit wird auf Kosten der anderen herabgesetzt. Dem Ai- schines wird Weihrauch gestreut. Man lese nur die Charak- teristik, die von diesem S. 181 f. entworfen wird. „Schon Ari- stophon wufte die Talente des jungen Beamten zu schätzen und zu verwenden, aber erst als Eubulos an die Spitze des Staates getreten war, fand Aischines sich an seinem richtigen Platz. Das Zeug zu einem großen Staatsmanne hatte er nicht; er war eine zu friedfertige Natur, und es fehlte ihm jene Lei-

Die Forschung über die griechische Geschichte. 149

denschaft, die allein im Stande ist, die Massen zu entflammen und mit sich fortzureißen. Aber seine feine Bildung, sein voll- tinendes Organ, seine glänzende oratorische Begabung befähigten ihn in hervorragender Weise dazu in einem freien Staate wie Athen eine politische Rolle zu spielen. Mit Eubulos verband ihn die Gemeinsamkeit der politischen Ziele; das vulgäre De- magogenthum war seiner vornehmen Natur verhaßt, und er hat nie zu denen gehört, deren Patriotismus an den Grenzen von Attika endete. Die Neugestaltung der Dinge in Hellas, wie Philippos und Alexandros sie durchfiihrten, hat in ihm einen der eifrigsten Förderer gehabt; und das Schicksal ist ihm denn auch nicht erspart worden, von der sogen. Patriotenpartei als Verräther ‘verschrieen zu werden. Aber aller Schmutz, mit dem ihn seine Gegner beworfen haben, hat auf die Reinheit seines Charakters keinen Makel zu heften vermocht; fiir den wenig- stens, der zu unterscheiden weiß zwischen leeren Schmähungen und juristisch begründeten Beweisen. Giebt es ein besseres Zeugniß dafür, als daß Aischines, so viel persönliche Feinde er hatte und in einer Stadt, die von Sykophanten wimmelte, wäh- rend seiner ganzen politischen Laufbahn nur einmal angeklagt ist, und daß dieses eine Mal das Gericht ihn freisprach, trotz- dem der erste Redner und populärste Mann Athens die Anklage führte ? Aber Beloch dachte wohl in dem Augenblicke, wo er die zuletzt angeführten Worte schrieb, nicht daran, daß er im weiteren Verlauf seiner Darstellung S. 211 zugestehen mußte, daß der Sieg des Aischines in dem Gesandtschaftsprocesse nur ein trügerischer war. „Es hing nur an einem Haare, und Ai- schines wäre verurtheilt worden“. Die großen Debatten, welche zwischen Aischines und Demosthenes geführt wurden, lassen sich am besten aus der Politik unserer Tage verstehen. Wir haben es ja auch jetzt gesehen, wie der politische Gegner der Lüge geziehen, und wie dann vor den Schranken des Ge- richtes der Beweis der Wahrheit versucht wird. Es werden hier dann Aeußerungen aufgegriffen, die nicht gethan waren in der Voraussicht, daß sie einst peinlich genau auf ihre Wahr- haftigkeit hin geprüft werden würden. Wenn es uns, die wir jene Vorgänge vor unseren Augen sich abspielen sahen, schwie- rig, ja fast unmöglich ist zu entscheiden, wer denn hier Recht oder Unrecht habe, um wie viel schwieriger wird es spätern Geschlechtern sein? Soll hier dann das von den Juristen ge- fällte Urtheil als das Maßgebende anerkannt werden? Gar Mancher entschlüpft dem rächenden Arme des Gesetzes mit ei- nem Nichtschuldig, und doch möchte ihn Niemand deshalb auch für moralisch gerechtfertigt halten. Einem Historiker, der da- nach bestrebt ist, ein klares Bild von den vergangenen Zustän- den zu gewinnen, wird nicht ausschließlich das juristishe Be- weisverfahren als das berechtigte anerkennen; ihm werden viel-

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mehr die Vorschriften der Moral hóher stehen und gerade diese werden auf seine Geschichtsschreibung von Einfluß sein. Denn die Objektivität des Historikers ist nur eine leere Phrase. Eben weil wir Menschen sind, wird es uns nicht gelingen, allen Per- sünlichkeiten der Vergangenheit kühl bis ans Herz gegenüber zu stehen. Unsere persónlichen Anschauungen, die in der Gegen- wart wurzeln, werden auch bei der Beurtheilung der Vergan- genheit sich geltend machen. Wenn ich nun auch zugestehe, daß man für Aischines schwürmen und sich begeistern kann, so darf indessen dabei nicht zugegeben werden, daß andere Per- sónlichkeiten darunter leiden. Mag es auch immerhin schwer sein in dem Streite zwischen Aischines und Demosthenes zu ent- scheiden, wer denn eigentlich im Rechte sei, jedenfalls müssen hier die Anschauungen ins Gewicht fallen, die zu allen Zeiten Geltung gehabt haben und haben werden: Vaterland und Moral. Demosthenes hätte besser gethan, sich Philippos! Bestrebungen anzuschließen, sagt eine vorwitzige Kritik, die nach dem Erfolg die Politik beurtheilt. Wenn man die damalige Lage Athens in Betracht zieht, so war sie doch noch nicht so trostlos, um ein Anringen gegen die Makedoner vergeblich erscheinen zu lassen. Wer hatte denn vordem von den Makedonern etwas gehört? Sie galten dem gebildeten Athener als die Barbaren des Nordens. Athen konnte auf eine ruhmreiche Geschichte zu- rückblicken. Wäre es da patriotisch gewesen, ein Anringen ge- gen die Makedoner für vergeblich zu erachten? Groß als Staatsmann ist Demosthenes nicht. Denn hier kann nur derje- nige als groß gelten, dem es weder an Scharfblick fehlt, in den Strömungen der Zeit das Nothwendige zu erkennen, noch an Entschlossenheit, um das Erkannte zu erstreben, noch endlich an Kraft, um das Erstrebte zu erreichen. In allem diesen hat Demosthenes gefehlt. Er ist nicht darüber im Unklaren, daß Athen sich bedeutend aufraffen muß, um einem so hervorragenden Gegner, wie Philipp gewachsen zu sein. Die volle Macht sei- ner Beredsamkeit bringt er in Anwendung, um die Athener aus ihrer Sorglosigkeit aufzurütteln. Als Patriot ist er deshalb hoch zu halten. Dem Vaterland hat er alle seine Krüfte gewidmet. Selbst wenn er im eigenen Hause Trauer hatte, legte er diese ab, so bald er Hoffnung für die Freiheit und Größe des Vater- landes schópfte. Als Philipp unerwartet durch Mörderhand fiel, vergaß er den Schmerz um die einzige Tochter, die er vor we- nigen Tagen zu Grabe getragen hatte. Ausschließlich waren jetzt seine Gedanken dem Vaterland gewidmet. Wie urtheilt darüber Beloch? S. 239 sagt er: „daß er seine Freude in so lürmender Weise zur Schau trug, daB er den Kranz auf dem Haupte, im weifen Festkleide in den Rath ging und ein Dank- opfer brachte, daß er den Mörder als Wohlthäter Athens feierte, das giebt uns den traurigen Beweis, daß dieser Mann bei all’

Die Forschung über die griechische Geschichte. 151

seiner sonstigen Größe doch im Grunde seines Charakters ge- mein und ohne wahren Adel der Seele gewesen ist“.

Von den Vorwürfen, die Demosthenes von Beloch Nr. 94 gemacht werden, will ich nur einige wenige auswählen. De- mosthenes ‘hascht nach theatralischem Effekt’. Seine ‘advokati- sche Verlogenheit’ setzt ihn jeden Augenblick in den Stand das Entsprechende aus seinem ‘stereotypen Lügenvorrath’ hervorzu- langen. Der Kampf gegen Philipp (341) ist ‘frivol angefangen". Die bei Chaironeia Gefallenen sind durch seine Politik ‘nutzlos geopfert. Doch nicht genug damit. Demosthenes wird der Feigheit geziehen; bei Chaironeia soll er schimpflich den Schild fortgeworfen haben.

Aus der gesammten Darstellung Belochs ergiebt sich, daß sein Herz nicht mit Demosthenes fühlt und schlägt. Warum verschließt er sich völlig gegen ein Verständniß der Zeitverhält- nisse, in denen Demosthenes aufgewachsen war, der Lehren, die ohne Zweifel schon dem kleinen Knaben eingeimpft waren, daß Athen zur Führerschaft in Griechenland berufen sei? Ein der- 'artiges Verfahren kann ich wohl begreifen, aber nicht als ge- rechtfertigt anerkennen. Denn Aufgabe des Historikers soll es doch sein, die Zeit, welche er behandelt, forschend zu verstehen. Ich glaube, man kann die Nothwendigkeit von Pbilipps Auf- treten sehr wohl zugeben, dabei aber doch des Demosthenes ed- len Patriotismus, der sicherlich keine egoistischen Nebengedanken kannte, anerkennen. Nur wenn wir uns in das Fühlen und Denken einer jeden Persönlichkeit zu versenken suchen, werden wir einigermaßen zur historischen Wahrheit gelangen.

Beloch mag mir verzeihen, wenn ich seiner Charakteristik weniger positive Momente entgegengestellt habe. Sie sind viel- fach zweischneidiger Natur und lassen sich nach beiden Seiten deuten. Joh. Gust. Droysen hat mir einmal persönlich gegen- über geäußert, in der Geschichte lasse sich eigentlich alles be- weisen. Das Verfahren gewisser ultramontaner Geschichtsschrei- ber giebt den vollen Beweis dafür. |

Baran Nr. 110 hat die Chronologie des euboiischen Krie- ges untersucht. Dieser Krieg, der gleichzeitig mit der Expe- dition der Athener nach Olynth stattfand, wird von den ein- zelnen Forschern verschieden datiert, von 351 bis 348. Die meisten haben sich mit Arnold Schaefer für 350 entschieden, da auf dies Jahr Dionysios von Halikarnaß direkt hinwiese. Doch nach Philochoros wäre 349/8 anzunehmen. Baran sucht nun für die Frage die im Jahre 340 gehaltene Rede gegen Neaira auszunutzen. Hier wird $ 3. 4 die damalige Lage be- leuchtet. Es ist die Rede, von dem letzten Schlage, welchen Philipp gegen Olynth führte. „Man gewinnt den Eindruck, daß die neue Komplikation mit Olynth den Athenern höchst unge- legen kam und sie zwang, trotz der großen Auslagen für den

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nicht mehr rückgüngig zu machenden euboiischen Krieg auch für Olynth etwas zu thun und daher zu Finanzmaßregeln, wie sie Apollodor empfahl, ihre Zustimmung zn geben. Da es je- doch zu deren Durchführung nicht kam, mußten freiwillige Bei- steuern eintreten“. Danach ist der Anfang des euboiischen Krieges in den Februar 349 zu setzen. Philipp hatte hier Wirren geschaffen, damit er ruhig Olynth angreifen könnte, wenn die Athener in ihrer nächsten Nähe beschäftigt wären. Hiermit stimmt nach Barans Darlegung der Inhalt der drei olynthischen Reden, die er genau bespricht. Scheinbaren Wi- derspruch bietet nur der Ansatz der Midiana durch Dionysios von HalikarnaB. Aber dieser beruht nur auf Kombination, zu der der sonstige Inhalt der Rede nicht paßt. Nicht besser steht es mit der Datierung der Rede gegen Boiotos megi övouurog. Des Dionysios Argumentation kann einer Darstellung, die un- mittelbar unter dem Druck der Ereignisse entstanden ist, nicht entgegengehalten werden.

Den Gang der Schlacht bei Chaironeia hat Egelhaaf Nr. 115 zu ermitteln gesucht. Doch geht es bei dieser Schlacht wie bei so vielen anderen, daf es dem Historiker nicht gelingt, die einzelnen Phasen des Kampfes ermitteln zu kônnen. Der Streit bei Chaironeia hat den Charakter einer Doppelschlacht; Athener und Thebaner, Philippos und Alexandros haben ge- kümpft, ohne von einander nüheres zu wissen. Aus Polyainos VIII 40 will Egelhaaf Nr. 115 S. 58 schließen, daß es einen Augenblick gegeben hat, in welchem die Schlacht zu Gunsten der Hellenen entschieden schien. Mit Recht hebt dann Egelhaaf gegen Ranke (Weltgesch. I 2 S.149) hervor, daf Alexandros die Katastrophe herbeiführte. Es ist eine Charaktereigenschaft des Alexandros sich mitten in das Schlachtengewirr hineinzustürzen. Wie er hier zuerst den íegóg Aoyog sprengt, so wirft er sich auch in anderen Schlachten vom Granikos bis zu den Kämpfen in Indien tollkühn in das dichteste Feindesgewühl Es mag hier noch erwähnt werden, was Egelhaaf übersehen hat, daß die Leichname der bei Chaironeia gefallenen heiligen Schaar kürzlich aufgefunden sind. Vgl. 495v«io» IX 347 ff. mit Plan.

Alexandros der Große.

116. A. Schaefer, das makedonische Königthum i. hist. Taschenbuch VI 3. 1884. S. 1— 12.

117. Jurien de la Graviére, les campagnes d'Alexandre. Paris, Plon. 1884.

118. Geiger, Alexanders Feldzüge in Sogdiana. Neustadt a, H. Progr. 1884.

Die Forschung über die griechische Geschichte. 153

119. Reinhold Schneider, Olympias die Mutter Alexanders des Großen. Zwickau. Progr. 1885.

120. Schuffert, Alexanders des Großen indischer Feldzug. Colberg. Pgr. 1886.

121. Malden, Alexander in Afghanistan i. Journal of Phi- lol. XII. 1884. S. 271—77.

Die Geschichte des Zeitalter, welchem Alexandros der Grofie den Namen gegeben hat, pflegt von der Forschung wenig be- achtet zu werden, und doch liegt hier eine reiche Fundgrube fiir neue Resultate vor. Wird durch eine Kenntnifinahme ge- rade dieser Periode das Urtheil iiber die griechischen Staats- männer bedingt. Immer wird es darauf ankommen, ob wir die Makedonen als Griechen anzusehen haben oder nicht. Beloch Nr. 94 hat die attische Politik in der Zeit Philipps und Alexan- dros’ von dem Gesichtspunkte aus beurtheilt, daß die Makedonen ein hellenischer Stamm gewesen sind oder daf) sie bereits voll- stindig hellenisch waren. Der Nachweis dafür ist allerdings nicht gegeben, wiewohl es cine lohnende Aufgabe wäre, genau zu ermitteln, wieweit die griechische Bildung bei den Makedo- niern sich Eingang verschafft hatte. Egelhaaf Nr. 115 8S. 46 äuBert: ,,Makedonien war für Griechenland nicht, was PreuDen für Deutschland war .... Die Geschichte hat bewiesen (?), daß die makedonische Staatskunst wenn man von dem ein- zgen Alexandros absieht nicht darauf ausging, noch darauf ausgehen durfte, Griechenland zu einer kraftvollen Einheit zu- sammenzuschlieBen . .. Wenn eine Parallele überhaupt zu- trifft, so wird man an das Verhalten gemahnt, das Rußland gegen Polen beobachtet hat, das ihm national.etwa so nahe oder so ferne stand, wie die Makedonen den Hellenen“. (!!)

Dagegen hat Arnold Sclfifer Nr. 116 einer anderen loh- nenden Aufgabe sein Interesse zugewandt: dem makedonischen Königthum. Gegen die leitenden Staatsmänner der griechischen Gemeinden , schreibt Schaefer, ist bis in die jüngste Zeit der Vorwurf erhoben, daß sie kurzsichtig und eigensinnig an die vermeintlich freien Einrichtungen ihrer Städte sich angeklam- mert, statt unter der makedonischen Monarchie ein fest gere- geltes Staatswesen zu begründen und mit Verzicht auf die ab- gelebte Kleinstaaterei an dem Ausbau der makedonisch - helleni- schen Großmacht mitzuarbeiten. Derartigen, mit mehr oder we- niger Emphase vorgetragenen Expektorationen gegenüber ver- dient die Frage nach dem Wesen der monarchischen Verfassung Makedoniens Erwägung, und es kommt hierbei darauf an, ob die Griechen Ursache hatten auf die von ihren Vätern ererbte Freiheit Werth zu legen oder nicht. Wer einigermaßen mit Schaefers Anschauung vom griechischen Alterthum vertraut ist, wird nicht in Zweifel sein können, wie das Resultat seiner Unter-

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suchung ausfällt. „Makedonien hatte große Könige hervorge- bracht, aber es war nie zu einer festen Staatsordnung gelangt, welche hellenische Gemeinden reizen konnte, ihre gesetzliche Freiheit aufzugeben, um dem Machtgebote ihnen fremder Allein- herrscher zu dienen‘.

In die Vorgeschichte der Makedoner gehört auch der Le- bensgang der Olympias der Mutter Alexandros’ des Großen. Nicht oft stößt man auf ein so vortreffliches Programm, wie das von Reinhold Schneider Nr. 119, welches sich mit dieser Königin beschäftigt. Die Resultate beruhen hier durchweg auf tiefgehender Forschung. Die Arbeit war lohnend, da sich hier vielfach Anlaß bot, weit verbreitete Irrthümer zu entkräftigen. Zumeist kommt es darauf an, das Verhältniß der Königin zu ihrem Gemahl Philipp ins Klare zu bringen. Freilich das zu Gebote stehende Material ist nicht immer völlig ausreichend. Doch sind die wenigen Nachrichten, welche wir über die Jahre 356 337 besitzen, genügend, uns den Beweis zu erbringen, gegen die durchaus irrige Annahme, daß gleich in den ersten Jahren der Ehe zwischen den Ehegatten jene Mißhelligkeiten ausgebrochen seien, die später zur Trennung führten und die Feindschaft zwischen Vater und Sohn veranlaßten. Fragt man aber nach dem Grunde, der der Olympias das Herz des Gatten mehr und mehr entfremdete und schließlich zur Lösung des Ver- hältnisses führte, so wird man das phantastische und unheim- liche Treiben, ihr Schwärmen für Orgien anführen können. Die Hauptursachen aber, die das zum Mindesten bis 340 leidliche Verhältniß störten, waren: „schwere Kränkung und begründete Sorge um die Thronfolge ihres Sohnes einerseits, Charakterlo- sigkeit und Sinnlichkeit Philipps andrerseits“. Von einer förm- lichen Verstoßung der Olympias vor’ der Heirath mit Kleopatra kann nicht die Rede sein. Dann hat Schneider die vielfach vermuthete Theilnahme der Olympias an der Ermordung Phi- lipps besprochen. Daß Olympias nicht vor diesem Ereigniß nach Makedonien zurückkehrte, glaubt Schneider aus Plutarch Alex. 9 und mor. VI S. 258 f. ed. Reiske schließen zu dürfen und wird darin noch durch Justin IX 7, 10 bestärkt.

Betreffs der Ermordung Philipps hält Schneider Diodors Bericht für den klarsten. Daß Pausanias keine Mitverschwore- nen hatte, beweist Aristot. Pol. V S. 18115, 1 hervor, # Didtnnov ind Muvoarlov (èntPeows eyévero) did To da004 vflquo- Süves «vro» und thy meod "Atradov. Pausanias dient hier als Beispiel, um nachzuweisen, daf der Angriff erzürnter Unter- thanen auf das Leben der Monarchen fast immer Rache, nicht eigene Erhebung bezwecke. Es existierten damals wohl Ver- schwórungen, aber Pausanias stand mit ihnen nicht im Zusam- menhang. Am Schluß der Abhandlung giebt Schneider eine treffende Charakteristik der Olympias, in der er auch die guten

Die Forschung über die griechische Geschichte. 155

Seiten derselben wie ihre natürliche Klugheit, ihren Witz, That- kraft, Kühnheit und Tapferkeit, vor allem aber die rührende Liebe zu ihrem Sohne Alexandros hervorzuheben nicht vergißt.

Mit Alexandros’ des Großen Thätigkeit als Feldherr hat sich Jurien de la Graviére Nr. 117 beschäftigt. Den Vorzug, welchen sein Werk hat, besteht darin, daß er vielfach zur Er- leiehterung des Verstindnisses Ereignisse der neuesten Zeit her- anzieht. Allerdings verfällt er dann hierbei häufig in weit- schweifende, wenig zur Sache gehörende Excurse Ein tieferes Eingehen auf die Fragen ist fast immer zu vermissen. Was sich in Zeitschriften zerstreut findet, ist nur höchst mangelhaft zusammengetragen. Schwierige Detailfragen werden gar nicht oder nur oberflächlich berücksichtigt. Ansprechend kann allein von den vielen unbrauchbaren Hypothesen nur die sein, daß Ekba- tana in die Gegend des heutigen Hamadan verlegt wird. Die deutsche Litteratur hat Jurien nur mangelhaft benutzt, da er der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Aber es ist doch un- verzeihlich an einem Werke, wie Spiegels eranischer Alterthums- kunde vorüberzugehen. Der deutschen Forschung wird das Werk durch seine vorzüglichen Karten nutzbar sein.

Mit einzelnen Feldzügen Alexanders haben sich verschie- dene Abhandlungen beschäftigt. Eine Untersuchung über den indischen Feldzug hat Schuffert Nr. 120 begonnen. Er behan- delt nur die Kämpfe am Hindukuh. Seine Erörterung über die Quellen zur Geschichte Alexanders ist weiter nichts, als eine Wiedergabe dessen, was der verstorbene Professor Hirsch in Greifswald im Kolleg gab. Ob ein derartiges Verfahren ge- rechtfertigt ist, mögen andere beurtheilen. Die Resultate der Untersuchung, soweit sie selbständig ist, sind gering. Daß Alexandros bei seinem Zuge nach Indien nicht allein von der Eroberungssucht geleitet wurde, braucht nicht besonders hervor- gehoben zu werden. In der Feststellung der einzelnen Orte schließt sich Schuffert bald diesem, bald jenem an. Wohl hat er Reisewerke der neueren Zeit eingesehen, aber es fehlt ihm an gutem Kartenmaterial, was er sich wahrscheinlich in der Pro- vinz nicht verschaffen konnte. Juriens Werk ist ihm nicht be- kannt. Die Resultate der Untersuchung sind in Kürze wieder- gegeben folgende. Alexandros zog über den Paropamisos durch das Thal des Pundschir nach Alexandreia am indischen Kau- kasus. dem heutigen Tscharikar, dann nach Nicenoe, welches sich nicht genauer bestimmen läßt, als daß es zwischen Tscharikar und dem Kophenflusse, dem heutigen Kabul, lag. Hephaestion und Perdikkas werden am rechten Ufer des Kophen bis zum Indus gesandt, um das Land zu erobern. Alexandros üherschritt den Kophen und zog gegen die Aspasier, Guraier und Asseka- ner am Choas entlang vor. Der Weg durch die Bergland- schaften des Hindukusch wurde deshalb gewählt, weil die Wege

156 H. Landwehr,

südlich vom Kophen zu beschwerlich waren. Zugleich wurde hierdurch eine wichtige militàrische Position gewonnen. Denn die Verbindungsstraße am Kophen war damit gesichert. De- ckungspunkt war die Feste Andaka-Paschat. Das von Curt. VII 10, 7 erwähnte Nysa wird ins Katlanthal verlegt. Alexan- dros hat das Thal von Berawal durchzogen und sich an Pandjkora bei Miankala- Ariganum mit Krateros vereinigt. Massaga ver- legt Schuffert dann in die Nähe der Hochebene am unteren Swat- Landai, etwa dort wo der Landai das Gebirge verläßt. Malden Nr. 121 nimmt an, daß Alexandros die jetzige Hauptver- bindungsroute zwischen Baktrien und Afghanistan die Strôme Kabul, Kunar und Indus benutzt habe.

Alexandros’ Züge in Sogdiana hat Geiger Nr. 118 topo- graphisch untersucht. Seine Forschungen sind namentlich durch die russischen Generalstabskarten jener Gegenden und Reisebe- schreibungen gefördert. An der Hand derselben hat er dann eine neue Feststellung der Marschroute Alexandros’ unternommen. Die Stelle, an der Alexandros den Oxus überschritt, sieht Geiger in dem gegenwürtig noch viel benutzten Uebergange oberhalb Kilif zwischen Schur-tepe auf dem linken und Tschuschka-gusar auf dem rechten Ufer. Dann zog er an den Westabhängen des Derbendgebirges entlang, wo es nicht an dem nóthigen Wasser gebrach. „Demnach erhielt die Marschlinie zuerst eine nord- westliche, dann eine mehr nórdliche Richtung ein. Alexandros gelangte also etwa über Gusar nach Tschiraktschi d. h. in das Gebiet von Nautaka“. Nach den mir vorliegenden Karten möchte ich geneigt sein Alexandros’ Marschlinie auf der von Tschuschka- gusar nach Norden sich abzweigenden, am Nordabhange des Derbendgebirges entlang führenden Strafe, die auch heute viel- fach benutzt wird. Nautaka verlegt Geiger in die Gegend des heutigen Tschiraktschi, zwischen Schahari-sebs und Karschi oder noch etwas südlicher in die Nühe von Gusar. Vom 'Thal des Kaschka-Darja nach Samarkand führen drei Wege. Alexandros schlug ohne Zweifel die mittlere Straße ein, welche bei Dscham die Auslüufer des Karatsche-tagh überschreitet und auch gegen. wärtig die wichtigste Verkehrsroute zwischen dem Thal von Sa- markand und dem des Kaschka-Darja bildet. "Wie Alexandros' dann von hier nach dem Tanais gelangte, kann nicht zweifel- haft sein. Der Weg durch das Defilé von Dschilar-uti und über Sanim ist derjenige, welcher eingeschlagen wurde. Ueber die Lage von Alexandreia wird man zu keinem festen Resultate kom- men. Cyrupolis ist das heutige Khodschend. :

Eine Entscheidung in diesen Fragen wird nicht eher mög- lich sein, bis daß Karten jener Gegenden vorliegen, die für alle Fragen stichhaltig sind oder wenn die Gegend auf diese Fragen hin von Reisenden genügend durchforscht ist.

Droysens Untersuchungen (über Alexanders des Grofen

Die Forschung über die griechische Geschichte. 157

Heerwesen und Kriegführung (Freiburg i. Br. Mohr 1885) mö- gen hier genannt werden. Das Resultat der Arbeit ist vielfach ein negatives. Nach einer ausfiihrlichen Behandlung des Fuf- volkes und der Reiterei gelangen zur Erörterung der Stab des Kónigs, die Somatophylakes, die Geschiitze, das Lazarethwesen, der Troß, die Aushebung, Sold und Verpflegung, das Nach- richtenwesen, die Militairgerichtsbarkeit, Rangordnung, Elementar- taktik, Organisation des inneren Dienstes. Ueberall wird streng geschieden zwischen dem , was sicher feststeht und dem, was hypothetischer Natur ist.

Alexandros in der Sage zu betrachten, liegt zwar außer- halb des Gesichtskreises dieses Aufsatzes, doch sollen die be- treffenden Untersuchungen wenigstens namentlich aufgeführt werden.

122. Darmstetter, la légende d’Alexandre chez les Parses i. essay orientaux. Paris, Levy 1883 S. 227—250.

123. Christiansen, Beiträge zur Alexandersage. Hamburg Pgr. des Johanneum 1883.

124. Levi, la légende d’Alexandre dans les Talmud et le Midrasch. Paris, Durlache 1884.

125. Brunet, narration fabuleuse de la vie d’Alexandre le Grand. extrait d'un catalogue inédit des incunables conservées à la bibliothèque de la ville de Bordeaux (extrait des actes de l'academie de Bordeaux) 15 S. 1884.

Der Hellenismus.

126. Rühl, der letzte Kampf der Achaeer gegen Nabis in Jahrb. f. class. Philol. Bd. 127. 1883. S. 33—46.

127. Gehlert, De Cleomene III. Lacedaemoniorum rege. Leipzig Pgr. 1883. S. 26.

128. Hill, der achaeische Bund seit 168 v. Chr. Elber- feld 1883. Pgr. S. 25.

129. Klatt, chronologische Beitrüge zur Geschichte des achaeischen Bundes. Bersin 1883. Pgr. S. 42.

130. Reinach, observations sur la chronologie de quelques archontes athéniens postérieure à la CXXII olympiade in Revue archéol. 1883 août S. 91—101.

131. Unger, Pyrrhos und die Akarnanen i. Philol. Bd. XLIII. 1884. S. 205—207.

132. Spangenberg, de Atheniensium publicis institutis ae- tate Macedonum commutatis. Halle Diss. 1884. S. 56.

183. Beloch, die Errichtung der Phyle Ptolemais i. Jahrb. f. class. Philol. Bd. 129. 1884. S. 481—488.

158 | H. Landwehr,

134. Dubois, les ligues étolienne et achéenne, leur histoire’ et leurs institutions. Paris, Thorin 1884. S. 234.

135. Koepp, tiber die syrischen Kriege der ersten Ptole- maier und den Bruderkrieg des Seleukos Kallinikos und Antio- chos Hierax i. Rhein. Mus. N. F. Bd. XXXIX. 1884. S. 209 230.

136. Koepp, die Galaterkriege der Attaliden i. Rhein. Mus. N. F. Bd. XL. 1885. S. 114—132.

137. Wachsmuth, öffentlicher Credit in der hellenischen Welt während der Diadochenzeit in Rhein. Mus. N. F. XL. 1885. S. 283 - 303.

138. Gregorovius, Hat Alarich die Nationalgótter Grie- chenlands zerstért i. Sitzungsber. der bayr. Ak. d. W. 1886, jetzt auch in kleine Schriften zur Geschichte und Cultur I. Leipzig, Brockhaus 1887. S. 49 —72.

139. Neumeyer, Aratus von Sikyon. Ein Charakterbild aus der Zeit des achaeischen Bundes. Nach den Quellen ent- worfen. 2 Abtheil in 1 Bande. S. 88. 42. Leipzig, Gustav Fock 1886.

Beim Bericht über die hellenistische Zeit werde ich mich möglichster Kürze befleißigen, um diesen Aufsatz nicht zu sehr anschwelen zu lassen. Zudem findet dieser Abschnitt ja nur vereinzeltes Interesse.

Für die Geschichte des Pyrrhos muß bemerkt werden, daß Unger Nr. 131 bei Plut. Pyrrh. 6 Axupvavlav in ’Asauarlav verwandeln will. Denn es ist ihm unerfindlich, daß die Akar- nanen ihr Verhültnib zu Kassandros, dessen freie Bundesgenossen sie waren, geündert haben sollen. Nach des Pyrrhos Tode wer- den die Akarnanen auch wieder als freies Volk erwühnt, dage- gen treten sie während seiner Regierung nicht hervor. Dagegen gehórt Athamania ganz in die Reihe der Eroberungen des Pyr- rhos. Denn ohne dasselbe ist der von ihm gewonnene Besitz nicht abgerundet.

Interessant ist die Frage des Creditwesens, die Wachsmuth Nr. 137 in Angriff genommen hat. Die hellenischen Staaten pflegen in Zeiten der Geldverlegenheit von den Tempeln der Götter ihres Landes zu borgen. Die Nationalheiligthümer, vor allem Delos, haben auch derartige Geschüfte gemacht. Die Be- dingungen waren Rückzahlung des Kapitals nach fünf Jahren, zehn Procent Zinsen jährlich. Die öffentlichen Einnahmen der borgenden Gemeinde wurden verpfändet, auch leisteten drei ver- mögende Mitglieder der Gemeinde, die @radoyof genannt werden, : besondere Bürgschaft. Ein schriftllcher Kontrakt wurde darüber gefaßt und an einem besonders sicheren Orte aufbewahrt. Zur Erlüuterung des hierbei üblichen Gebrauches gelangen die von

Die Forschung tiber die griechische Geschichte, 159

Kumanudis im ’49yvuvov X. S. 536 f. veröffentlichten Inschriften zur Besprechung.

Aus der Zeit der Epigonen hat Koepp Nr. 133. 136 zwei Gebiete chronologisch durchforscht. Auf Grund von Theokrit éyxw tov ele [Iroleuotor wird Nr. 135 der erste syrische Krieg des Ptolemaios Philadelphos zehn Jahre hóher hinaufgerückt, ebenso der Kampf gegen Magas von Kyrene. Gegenüber Droy- sen sucht Koepp zu erweisen, daß Koilesyrien seit lange zu Aegypten gehórte. Beim Ausbruch des Krieges des Ptolemaios gegen Antiochos spielten die Ansprüche auf das Fiirstenthum Herakleia am Pontos, um dessentwillen Ptolemaios jenes Schwe- ster geheirathet hatte, eine Rolle. Gleichzeitig mit dem syri- schen Kriege spielte der pontische. Auch dieser gehört in die siebenziger Jahre. Die meisten Ereignisse dieses Doppelkrieges sind spurlos verschwunden. Wann der Friede geschlossen wurde, wissen wir nicht. Zuerst mag wohl dem Magas ein günstiger Frieden bewilligt worden sein; darauf wurde derselbe von An- tiochos erzwungen, um dann im chremonideischen Kriege der immer weiter sich entfaltenden Größe des Antigonos entgegen- zutreten.

Die letzten Jahre des Antiochos (gest. 229) sind bei Ju- stin sehr zusammengedringt. Als Antiochos nach Magnesia foh, war Ptolemaios nicht sein Feind. Die Flucht nach Ae- gypten war seine letzte That. Zwischen der Flucht aus Kap- padokien und der zu Ptolemaios liegt die Zeit, welche Justin übersprungen hat. Antiochos floh, als er sein Leben in Kap- padokien gefährdet sah, wahrscheinlich zu seinen alten Kampf- genossen den Galatern. Seleukos folgte ihm nicht. Er mußte einsehen, daB das Erscheinen jenseits des Tauros den Attalos, der sich als Herr von Kleinasien fühlte, veranlassen würde, mit Antiochos gemeinsame Sache zu machen. Darüber aber war Seleukos sich klar, daß er einer Coalition dieser beiden nicht gewachsen war. Die Galater wurden von Antiochos nochmals zu einem Bündniß beredet. Abermals begann der Kampf gegen Attalos. Antiochos unterlag in denselben zuerst in Syrien, dann in Karien. Zuletzt mußte er nach Thrakien zu Ptolemaios flie- hen. Der zehnjährige Waffenstillstand war wohl abgelaufen, aber Ptolemaios hatte wohl mit Seleukos Frieden geschlossen. Antiochos wurde deshalb in Haft genommen, doch gelang es ihm aus derselben zu entfliehen. Auf der Flucht wurde er von Räubern erschlagen.

Koepp Nr. 136 will dann auf Grund einer Inschrift aus Pergamon Koehler (hist. Zeitschr. 1882) widerlegen, daß der groBe Galaterkrieg keine Bedeutung gehabt habe. In der In- schrift wird ein Sieg der Tolistoagier bei den Kaikosquellen genannt.

Die athenische Verfassung hat in dieser Periode die

160 H. Landwehr,

verschiedenfachsten Wandlungen durchgemacht. Spangenberg Nr. 132 faßt mehr Fragen ins Auge, die in das Gebiet der Alterthümer gehóren. Die Errichtung der Phyle Ptolemais ver- weist Beloch Nr. 133 mit Erfolg in die Zeit des Ptolemaios Euergetes. Ohne Zweifel hüngt dieselbe mit der Schópfung des Demos Berenikidai zusammen. Nach C. I. A. II 859 ist dann die Ptolemais an die Stelle der Demetrias getreten. Es hat also nie elf Phylen gegeben. Die Antigonis ließ man damals in Rücksicht auf Antigonos Doson noch bestehen, denn mit ihm fuhr Athen fort trotz der Vertreibung der makedonischen Be- satzung freundschaftliche Beziehungen zu halten.

Reinach Nr. 130 nimmt die schon von Dumont Rev. arch. 1873 XXVI S. 256 vertheidigte, von Dittenberger C. I. A. III Nr. 102 bekämpfte Ansicht wieder auf, daß von 166 v. Chr. an die Archonten auf den delischen Inschriften die athenischen wiren. Die im Jahre 1881 und 1882 in Delos gefundenen Inschriften sollen das bestätigen. Es werden behandelt: Meton (um 110 v. Chr), Lysikles (103), Dionysios (102) émi A4torv- olov tov pura Auxloxov ügyorros, Dionysios 0 ue: [uguuovor (Ende des 2. Jahrh.), Agathokles (zwischen 132 und 129).

Die Geschichte des achaiischen Bundes ist von Verschie- denen: zur Behandlung genommen. Dubois Nr. 134 hat nicht nur diesen, sondern auch den aitolischen Bund in einem gró- ßeren Werke betrachtet. Leider hat er gerade die wichtigste Frage der Chronologie gar nicht selbständig untersucht. Denn die achaeischen Strategen führt er nach Merleker und Freemann auf, den Namen der aitolischen fügt er S. 198 ff. die Stellen und Inschriften bei, aber ohne in die Kontroverse selbst einzu- treten. Betreff des Zusammentritts der achaiischen Bundesver- sammlungen ist dann Wahners Hypothese wiederholt, ohne daf dabei das, was von Neueren geschrieben worden ist, berücksich- tigt würe. Dagegen hat Klatt in mustergültiger Weise sich mit der Chronologie dieser Zeit befaßt. Das Resultat seiner Arbeit ist allerdings vielfach ein negatives, aber dieses ist an sich doch auch ein Fortschritt der Wissenschaft und hier doppelt nothwendig, da die Verwirrung schon ins Ungeheure zu wachsen begann. Unger, das Strategenjahr der Achaier Abhandl. d. Münchener Ak. 1879 philos. philol Cl, Bd. II S. 117—192 hatte nämlich behauptet, daf zwar seit dem Ende des achaiisch- aitolischen Bundesgenossenkrieges (217) der Antrittstermin für die achaiischen Strategen verlegt worden sei, aber nicht, wie man bisher meinte, auf den Herbst, sondern auf den Februar; die Wahl der Strategen habe nicht von Anfang an, sondern 222—217 im Mai stattgefunden, auch vor 222 habe der Stra- tegenwechsel im Februar stattgefunden. Dies hat Klatt schla- gend widerlegt. Die Keime des achaiischen Bundes sucht Du- bois nicht in Achaia. Seit dem peloponnesischen Kriege soll

Die Forschung tiber die griechische Geschichte. 161

nach seiner Meinung in Folge des Hasses der peloponnesischen Staaten gegen Sparta immer eine Einigung versucht sein. Po- lybius II 39 erzählt, daf nach der Schlacht bei Leuktra die Spartaner und Thebaner den Achaiern die Schlichtung ihres Streites übertragen haben. Aus welchen Gründen diese Ver- mittlung erfolglos war, wissen wir nicht. DaB Sparta schwer- lich einer so unbedeutenden Landschaft sein Schicksal anver- traut hätte, ist nach v. Stern Nr. 105 S. 154 schwer glaublich. Dlese Tradition wird vielmehr auf folgende Weise entstanden sein. ,,Als der achaiische Bund sich zur ersten Macht Grie- chenlands emporgeschwungen hatte, suchte man wenigstens das moralische Ansehen des Staates in eine môglichst frühe Zeit zu- rückzudatieren und nahm deshalb, wenn das historische Material fehlte, zu einfachen Erfindungen seine Zuflucht". Die Einigung der Peloponnesier unter Leitung der Achaier erfolgte vielmehr erst, als Arat Sikyon dem aetolischen Bunde zuführte; aber nicht im Gegensatz zum aitolischen Bunde. Unter dem Schutze der Rimer und Makedoner kam der Bund erst zu grofer Blüthe. Auch der Verfassung der beiden Bünde hat Dubois seine be- sondere Aufmerksamkeit geschenkt. Doch das was er S. 188 über die aitolische Sovdn vortrügt, ist stark Hypothese und von Klatt in der Berl. philol. Wochenschrift 1885 Nr. 50. 51 mit Erfolg bekämpft.

Auch Klatts Untersuchung Nr. 129 hat die geringe Zuver- lissigkeit der Chronologie der Regierung des Agis klar gelegt. . Auf Pausanias Bericht ist hier gar nichts zu geben. Den Einfall der Aitoler und die Ueberrumplung von Pellene legt er zwischen die Jahre 245 und 239 v. Chr. 245 ist Arat, der am Isthmos das Oberkommando führte, zum ersten Mal als Stra- tege gewühlt. 239, beim Regierungsantritt des Demetrios von Makedonien, waren die Achaier und Aitoler mit einander ver- bündet. Die Reihenfolge, in der Plutarch die Ereignisse be- riehtet, darf nicht für die Chronologie verwerthet werden. Der große Plünderungszug, den die Aitoler nach Lakonien unter- nahmen, und bei dem sie 50000 Perioiken in die Sklaverei fort-

schleppten, hat nach Plutarchs Erzáhlung nicht viel vor 226 resp. 225 stattgefunden.

Neumeyer Nr. 139 hat Arat biographisch behandelt. Er will ein Charakterbild nach den Quellen entwerfen, versäumt es dabei aber Plutarchs Bericht der nothwendigen Kritik zu unter- ziehen. Dann hat er auch einzelne Persönlichkeiten und Ver- hältnisse in ein falsches Licht gesetzt. Dagegen gehört Gehlerts Biographie des Kleomenes Nr. 127 zu den gehaltvollsten Pro- grammarbeiten.

Hill Nr. 128 behandelt die Geschichte des achaiischen Bundes von 168—146 wesentlich in Anschluß an Polybios, dem er zum Schluß ein großes Loblied singt.

Philologus. N.F. BA.I, 1. 11

162 | H. Landwehr,

Eine letzte Phase aus den Kämpfen des achaïschen Bun- des behandelt Rühl Nr. 126. Nabis war sümmtlicher Seestädte und aller Besitznngen in Kreta beraubt; nur zwei Schiffe waren ihm von den Achaiern gelassen. Es muß auffallen, wie er sich binnen Kurzem eine große Flotte verschaffte. Jedenfalls mußte ihm ein Hafenplatz geblieben sein, denn wo hätte er sonst jene beiden Schiffe bergen sollen? In dem bei Livius XXXV 26 vorliegenden Bericht will dann Reuß Prasias statt Patras lesen. Auch hier muß man sich wundern, daß Philopoimen abzog, ohne Nabis völlig vernichtet zu haben. Den Ausläufer der Studien auf dem Gebiete der griechischen Geschichte bildet Gregorovius’ Aufsatz Nr. 138. Er widerlegt die von Fallmerayer Gesch. d. Halbinsel Morea I 136 ausgesprochene und dann vielfach ver- breitete Meinung, daß Alarich die Nationalgötter Griechenlands vernichtet habe. Aber das antike Leben war in Griechenland schon vielfach vor Alarichs Einfall (396) getódtet. Am mei- sten hatten hierzu die Verbote der römischen Kaiser beige- tragen. Julian war es nicht gelungen, das antike Wesen zu beleben. Wohl mag Alarich in Eleusis einzelne Kultusstätten zerstört haben, aber einer Vernichtung der olympischen Heilig- thümer hat er sich nicht schuldig gemacht. Die olympischen Festspiele waren bereits 394 untersagt. Mehr als zweifelhaft ist es, daß Alarich den Zeuskoloß des Pheidias noch in seinem Tempel vorgefunden hat, vielmehr darf man glauben, daß dies erhabenste Bildwerk griechischer Kunst schon 394 auf Befehl des Kaisers Theodosius I nach Konstantinopel gebracht worden ist.

Berlin. Hugo Landwehr.

Zur Aegritudo Perdicae.

Vers 251 ff. lauten in den Poet. lat. min. V 8. 123 Bhr. so: Tempora demersis intus cecidere latebris | Et gracili cecidere modo per acumina nares, | Concava luminibus macies circumdata sedit | Longaque testantur ieiunia viscera * famem.* | Dazu bemerkt Mähly, Satura 8.37: „von eingefallenen Schläfen kann man wohl reden, weniger aber von der Nase, die spitz geworden ist". Warum doch nicht? Wenn der Athem schwicher wird, fallen die vom Hauche geblühten Nasenflügel ein, die Nase spitzt sich. Der Vor- gang ist im Verse richtig geschildert; die Conjectur Mähly’s ces- sere, wobei gracili modo als Dativ gefaßt werden soll, muß irrig sein. Den angedeuteten Fehler im letzten Verse sucht Bührens durch den Vorschlag viscera aperta, Ellis durch ramex zu besei- tigen. Mir scheint famem durch ieiunia veranlaßt und nach dem Verluste des echten Schlußwortes in den Vers gekommen zu sein. Nichts aber konnte nach viscera leichter ausfallen als vesca, das wenig gelüufig war und einer Dittographie glich. ‘Das magere Fleisch' ist es, das vom langen Fasten zeugt. Diese Bedeutung des Substantivs sowohl wie des Adjectivs ist selbst der Prosa nicht fremd.

Würzburg. A. Eußner.

Miscellen.

1. Metrische Inschrift von Metapont.

Die alte metapontische Inschrift, welche sich bei Cauer? 277 findet und die Comparetti Rivista di filologia XI 1 ff. fol- gendermafien konstituiert:

I Xuige pavoE “Hoaxes. Niexopayos pw’ Enosı. II 6 row xequusvs m’ ave dnxe. III dofav Eyes ayadav IV dog pur avdgwmoıg

wollte E. Hiller bei Fleckeisen 1883 S. 144 in ein elegisches Distichon verwandeln, indem er vor 7:01 den Ausfall eines annahm und die Inschriften der beiden letzten Seiten der Stele umdrehte. Die ‘jedenfalls héchst problematische Pronominalform pw’ entfernte Hiller durch Trennung der Buchstaben, indem er p iv schrieb. Somit lautet das Ganze nach Hiller:

Xuigé ruvaë “Houxheis. Nixopayos w Enosı, 0<dé>to xegumeug m &v£Oqxe dog p! lv dvdgwros dokav Eyes uyadar.

Mir scheint jede Aenderung überflüssig. Um zunächst vom Me- trum zu sprechen, so wandte der Verfasser der Inschrift, viel- leicht der Tôpfer selbst, den herkómmlichen, in solchen Weih- inschriften sehr häufigen Kurzvers an, dessen Verdoppelung al- lerdings zur Bildung des Hexameters geführt hat, ohne daß wir jedoch berechtigt würen, mehrere Kurzverse zur Bildung nicht tiberlieferter Hexameter zu verwerthen. Wie wenig die Konjekturen der Kritiker in dieser Hinsicht zu billigen sind, hat Usener in seiner anregenden Schrift über den altgriechischen

11*

164 Miscellen.

Versbau S. 29 ff, 85 f., 39 f. an einer größeren Anzahl von Beispielen bewiesen und auch die vorliegende Inschrift würde ihm einen schönen Beleg für seine Theorie haben geben können. Usener sagt S. 87, daß es in den kürzeren Weihinschriften le- diglich von der Beschaffenheit des Eigennamens abhünge, ob der Vers mit Senkung beginne, wie in dem Beispiel aus der Ephem. arch. 1888 S. 36, 5:

"J[eooxAeíónc u^ avé9 xev und anderen Füllen, oder ob er, wie in der Inschrift von Melos ‘Inser. Antiq. 519:

dauoroéwv avédnxe

mit einer Hebung anfange. Wie dieser Vers, so ist, von der Katalexe abgesehen, auch in unserer Inschrift der den Namen des Weihenden enthaltende Vers beschaffen: ihm folgt der mit kurzer Silbe beginnende Spruchvers und diesem wieder der ka- talektische Vers ohne Auftakt:

Nixopayds u ences, ~ yy vv 1 0 10b XEQOUEUG m Gvednxev v-vu—uvv—v dogav Éyuv ayadav < vu —vu—j. den Anfang und Schluß der Inschrift bilden zwei Tripodien: yaige paved 'Hoaxkew + yy dos pw avFowmnoss vu ——ı, von welchen die erste in dem bekannten Gedichte des Archi- lochos Fr. 119 wiederkehrt. Betrachtet man aber die beiden ersten Reihen fiir sich: yotoe pavaé "Hoaxiuc. | Nixouuyoc uw’ Ende, so vergleicht sich damit im Pian des Makedonios bei Bergk PL. III* 678: yaige Bootoic pty’ Svevag, | daîuov xAsıvorare oder Alkmans Vers Fr. 60: svdovow Ó ovv | puda 1ayvrreQuywv.

Das Metrum der folgenden Reihen ist nur um den Auftakt ver- mehrt, sonst aber dasselbe:

0 tos xequueve m’ üvédnxe | dokav Eye ayadar.

Die metrische Zusammengehörigkeit spricht auch für die Auf- fassung von éyew als eines von avéJAnxe abhängigen Infinitivs des Zwecks. Das Pronomen fs halte ich für den Dativ, wozu dofuv éyey zu ergänzen ist: pi» avrei ist inzwischen durch die

groBe kretisehe Inschrift von Gortyn (Rhein. Mus. XL, Ergin- zungsheft S. 20) als sicher erwiesen, und dasselbe Pronomen

Miscellen. 165

liegt auch vor in dem von mir hergestellten hesiodeischen Frag- ment 31 Rzach:

ty d' avi Favatov tauing, 6% Flow’ anoiéotas

Die Auslassung der Priposition, welche Hiller fiir nicht an- gemessen erklürt, ist allerdings nicht hüufig, aber da die Form Èy statt év bisher nur im arkadisch-kyprischen Dialekte nachwiesen ist (G. Meyer Gr. Gr.” S. 383), so muß sie hier als bedenklich gelten. Der Gebrauch des bloßen Dativs hat zwar nicht an He- siod Theog. 569:

ws tWev üv9guimoic, mvgóg nAfoxonov avyiv

ein Analogon, wo man jetzt mit Recht Td’ à» avFow novos schreibt, wird aber durch den ganz ühnlichen Ausdruck in Eu- ripides Bacchen 310:

pn 10 xg&1oc avyes dvuvapir üávJQunoicg Eye vollkommen bestätigt. Man vergl. auch Aesch. Pers. 751 f:

dédoixa un mods mhovtov novoc ovuos avFoudmoig yévntas 100 pIdoavtog &grayf.

Seehausen i. A. Rudolf Peppmüller.

2. Die urspriingliche Stelle der Pentekontaetie im thukydideischen Geschichtswerk.

Die Episode, in welcher Thukydides die von den Athenern und Spartanern zwischen den Perserkriegen und dem pelopon- nesischen Kriege ausgefiihrten Unternehmungen behandelt, ist ein- geschoben in die Darlegung der Verwicklungen, durch die der peloponnesische Krieg herbeigeführt wurde. Diese Anordnung, welche Dionys von Halikarnaß nach dem Vorgang älterer Kri- tiker als unpassend bezeichnet (de 'Thuc. iud. 10 ff), ist, wie Roscher und Girard?) gesehen haben, durch künstlerische Rücksichten bedingt. Nach dem in der Einleitung gegebenen Ueberblick über die Machtentwicklung der griechischen Staaten in der älteren Zeit, der scheinbar nur dazu bestimmt ist, die Bedeutung des peloponnesischen Krieges in das rechte Licht zu. setzen, empfahl es sich, zu den unmittelbaren Ursachen dieses Krieges, auf den nunmehr die Aufmerksamkeit des Lesers schon gelenkt war, gleich überzugehn. Andrerseits konnte jene die

1) Leben, Werk und Zeitalter des Thukydides S. 375. 2) Essai sur Thucydide, 2. Aufl, Paris 1884, S. 196.

166 Miscellen.

Ereignisse der Pentekontaetie behandelnde Episode sehr passend nach der Darlegung der unmittelbaren Kriegsursachen einge- schoben werden, um die Behauptung des Geschichtschreibers, daß nicht die vorher erzählten Verwicklungen, sondern die wach- sende Macht Athens die wahre Ursache des Krieges gewesen (28, 6 vgl. 88), zu rechtfertigen.

Eine andere Frage ist es aber, ob die Darstellung der Pentekontaetie ursprünglich diesem Zwecke hat dienen sollen. C'wiklinski?) bestreitet dies mit gutem Grunde, indem er sich auf die diese Episode beschließenden Worte stützt: zavıa Evunarta, 00a Enga&av oi “EdAAnveg moog te aaidan- ÀAovg xai zóv Buoßugor, dyt£vevo Ev Evo. nevinuovia ua Aire pusratò tig Etofov avagwonoews xoi Tic aoyns toùde tov nodéuov (118, 2). Als Gegenstand der vorhergehenden Dar- stellung erscheint also hier nicht das Wachsthum Athens, son- dern, wie es dem thatsächlichen Inhalt entspricht, die seit dem Abzug des Xerxes von den Hellenen überhaupt ausgefiihrten Unternehmungen. Hierzu stimmt, wie C wikliüski richtig bemerkt, 97, 2: îyouyo avrà xal uL exßoAnv rov Adyou Enoınoaum dia zöde, du roi 100 èuov anacw Èxdurtèc TOÙI0 n. ‚Xwolov xci 9d 10 7196 ıwv Mndixdiv Elinvıxa Surerldeonv 7 ovra TU Mudixa* rovrwv donso xoi faro Ev 17 "ing Evyygapy E1- Aavixoc, Bonytws te xci Toic yodvors ovx «xoc èreuriodn* cua d) xoi tho cogne anodakır Fy gc av AFnvalaw ol roonw x«réory. Die Episode soll also die bisher noch nicht in gentigender Weise dargestellten hellenischen Begebenheiten zwischen den Perserkriegen und dem pelonnesischen Kriege be- handeln. Zugleich soll bei dieser Gelegenheit gezeigt werden, wie die Herrschaft der Athener entstand. Dieser letztere Ziweck kommt also erst in zweiter Linie in Betracht.

Sollte nun aber die Episode über die Pentekontaetie eine Darstellung der in diesen Zeitraum fallenden hellenischen Begeben- heiten überhaupt bieten, so hatte sie ihre naturgemäße Stelle gleich nach der Archäologie, an welche sich in dem uns vorlie- genden Texte eine kurze Skizze der nach den Perserkriegen eingetretenen politischen Verhältnisse anschließt (18, 2— 19), Bei näherer Prüfung wird sich ergeben, daß der Geschichtschrei- ber ursprünglich in der That beabsichtigt hat, hier die aus- führliche Darstellung der Pentekontaetie folgen zu lassen.

Wer den Thukydides mit Aufmerksamkeit liest, wird schon die Wahrnehmung gemacht haben, daß dieser Autor es nicht liebt, Dinge, von denen der eine oder andere Leser vielleicht keine Kenntniß hat, als bekannt vorauszusetzen. In der Erzäh-

3) Quaestiones de tempore, quo Thucydides priorem historiae suae eomposuerit, Gnesen 1873, S. 19 f.

Miscellen. 167

lung von dem Ueberfall Platääs durch die Thebaner (II 2, 1) bemerkt er ausdrücklich, daß diese Stadt in Böotien lag, aber mit Athen verbündet war. Ebenso unterläßt er nicht anzugeben, daB Potidäa auf dem pallenischen Isthmos gelegen und von Ko- rinth gegründet, den Athenern aber tributpflichtig war (I 56, 2). Für zeitgenössische Leser waren derartige Bemerkungen nicht nöthig. Dagegen konnten sie angemessen erscheinen im Hin- blick auf eine spätere Generation, die vielleicht nicht mehr die nämlichen politischen Verhältnisse vorfand. Wir sehen hieraus, daß Thukydides, wie auch schon aus seinen eigenen Aeußerun- gen erhellt*), nicht bloß für die Mit-, sondern auch für die Nachwelt geschrieben hat.

Um so mehr fällt es auf, daß der Geschichtschreiber, noch bevor er zur Darstellung der Pentekontaetie gelangt, auf die Ereignisse dieses Zeitraums als dem Leser durchaus bekannte Begebenheiten Bezug nimmt. So läßt er die Korinthier in der vor der athenischen Volksversammlung gehaltenen Rede auf ihre den Athenern günstige Haltung bei dem Abfall von Samos (I 40, 5), sowie auf den Verdacht, welchen man früher bei dem Abfall von Megara gegen sie gehegt (I 42, 2, vgl. 114, 1), hinweisen. In einer anderen Rede erheben sie gegen die Spar- taner den Vorwurf, daß sie die Befestigung Athens und den Bau der langen Mauern zugelassen hätten (69, 1). Die Pelo- ponnesier seien bisher eher durch die von den Äthenern began- genen Fehler, als durch Spartas Hülfe gerettet worden; denn die hierauf gesetzten Hoffnungen hätten einigen Staaten, die in ihrer Zuversicht die erforderlichen Rüstungen versäumt hätten, nur zum Verderben gereicht (69, 5). Diese Andeutungen sind nur verständlich für einen Leser, der von der Katastrophe der Athener in Aegypten (109 f.) und dem unglücklichen böotischen Feldzuge des Tolmides (113), sowie andrerseits von der erfolg- losen Auflehnung der auf Spartas Hülfe bauenden Thasier (101) und Euböer (114) Kenntniß hat, Wenn ferner die rastlose, über die eigenen Machtmittel hinausgehende Unternehmungslust der Athener hervorgehoben wird, die ihre Siege im weitesten Umfang ausnutzen und sich durch Niederlagen am wenigsten

4) Vgl. I 22, 4: xai ic uiv dxodacw tows m pvdudes avt» dregméGréQov paveitar 000& Bovinoovras TÜv TE yevouérwr T0 oages oxonsiv x«i tov uUshhovrwy noré avis xata TO dv Fou nevoy Tosovtwy xai napaninoiwv icsohas, wpéhiua xoiverv asta ap- xovvtws Eis. xTiua te Pc asi uällor 7 aywreoue à TO nagayonua axovew Evyxetar. Hiermit ist zusammenzuhalten I 28, 5: dióu Avoar (Tas onovdac), tac altias noctypawa nowtoy xai Tas diaqoods, tod un ta Inmoai note, iE drov togodtos nólsuoc toîs "Ellos xatéoty. Die nun folgende Auseinandersetzung ist also weniger geschrieben fir Zeitgenossen, denen die unmittelbaren Ursachen des Krieges noch in frischer Erinnerung waren, als für spätere Generationen, denen keine directe Ueberlieferung mehr vorlag.

168 Miscellen.

zuriickdringen lassen (70, 3—5), so ist hier augenscheinlich auf ihre energische Kriegfiihrung in den Jahren 460—455 Bezug genommen. Die Angabe, daß die Aegineten sich in Sparta über die Beeintrichtigung ihrer Autonomie beschwert hätten (67, 2), ist nur verständlich, wenn man von dem unglücklichen Kriege Aeginas mit Athen und der hierauf erfolgten Unterwer- fung der Insel Kenntniß hat (105, 2 f. 108, 4). Ebenso setzen die Ausführungen der Athener über die Entstehung und Befe- stigung ihrer Herrschaft über die Bundesgenossen (75, 2 ff) voraus, daß das, was später hierüber gesagt wird (95 ff. und 99), dem Leser gegenwürtig ist. Was am meisten befremdet, ist die häufige Erwühnung des zwischen Athen und Sparta ge- schlossenen dreißigjährigen Friedens (23, 4. 35, 1. 36, 1. 40, 2. 44, 1. 58, 2, 4. 67, 1, 2, 4. 87, 2, 8), ohne dafì über dessen Zeit und die Verhältnisse, unter denen er erfolgte, ein Auf- schluß ertheilt wird. Die Angabe, daß der Vertrag uera Ev- Bolus adwos geschlossen worden sei (23, 4), kann doch nur einem Leser genügen, der mit der Geschichte dieses Zeitraums bereits vertraut ist.

Wie konnte nun aber Thukydides bei seinen Lesern, die zum großen Theil jene Zeit nicht erlebt hatten, eine derartige KenntniB voraussetzen? Er hatte hierzu um so weniger Veran- lassung, weil bisher außer Hellanikos, dessen Darstellung er je- doch als dürftig und chronologisch ungenau bezeichnet (97, 2), noch kein Geschichtschreiber die Pentekontaetie behandelt hatte. Dies war ja eben der Grund, der ihn bestimmte, selbst die Be- gebenheiten dieser Periode dem Leser vorzuführen. Wie konnte er also in den früheren Abschnitten das, was er spüter zu er- zühlen gedachte, als bekannt voraussetzen? Es drüngt sich von selbst die Annahme auf, daß der Geschichtschreiber ursprünglich die Darstellung der Pentekontaetie an die Archäologie angeschlossen, später aber aus dem bereits angegebenen künstlerischen Grunde die Dispo- sition geändert hat. Da nun aber das Proómium, wenn es bloB die bis zu den Perserkriegen stattgehabten Begebenheiten behandelt hatte, unvollstindig gewesen wire, so mute noth- wendiger Weise einstweilen eine kurze Skizze der nach den Perserkriegen eingetretenen politischen Veränderungen (18, 2—19) eingelegt werden. So erklärt es sich also, daß über die Pente- kontaetie ein doppelter Bericht vorliegt.

Leipzig. | L. Holzapfel,

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Miscellen. 169

3. Der Tod des Dichters Helvius Cinna.

Ribbeck (Gesch. d. rim. Dicht. 1, 343) sagt: ,Es bleibt wahrscheinlich, daß Plutarch irrte, als er den bei Cäsars Lei- chenbegängniß von der Menge getódteten Cinna für den Dichter ausgab: er allein bezeichnet ihn als solchen ; die übrigen Quel- len lassen die natürlichere Annahme zu, daß Cornelius Cinna, der Verschworene, der Rache des Volkes anheimfiel“.

Der damals Getódtete heißt Cinna (Kírr«g) an der von Ribbeck gemeinten Stelle Plutarchs Brut. 20 (m de ng Kilvruc, nougnxog ario + « . xai loc Kulougos yeyorwg) und er fand den tod durch das rasende Volk, weil dieses durch die Namens- gleichheit getäuscht ihn mit einem andern Cinna verwechselte, welcher durch eine cüsarfeindliche Rede die Menge erbittert hatte. Letzterer heißt bei Plut. a. O. êxsiros (Klvyuc) 6 Kalougu ngog ınv ExxAnoiuv Evayyog Aosdognousg. Denn kurz vorher (Brut. 19) hatte Plutarch dies erzühlt, wo zweimal ohne nühere Bezeich- nung Kí»vag genannt wird, und es ist leicht zu sehen, daß an der spüteren Stelle Plutarch zum Unterschiede von dem früher genannten Verunglimpfer Cäsars den mit ihm so unglücklich verwechselten ‘den Dichter’ Cinna nennt. Plutarch erzählt nochmals Caes. 68 diesen Vorgang in derselben Weise: dort wird genannt Kivwus ug r&v Kalougos étulowr, welcher durch jenes Mißverständniß sterben mußte anstatt des Kivyag è» roig CuropoGuptrois.

Genauer bezeichnet Appian b. c. 2, 147: er nennt das Opfer der Volkswuth dyuuoy&v (trib. pl.) Klyvuç und den Ent- ronnenen orguınyög (praet.) Kivvuc 0 Onunyoenous àni 10 Kul- cags. Valerius Maximus aber 9, 9, 1 nennt den Ermordeten C. Helvius Cinna trib. pl. und den Entronnenen Cornelius Cinna, adfinis Caesaris (s. u.); auch dort wird dessen impia pro rostris oratio gegen Cäsar erwähnt. Ebenso und mit gleicher Rollen- vertheilung werden die Betheiligten genannt von Suet. Iul. 85 Helvius Cinna und Cornelius (Cinna) . . . graviter pridie contio- satus de Caesare, und von Cassius Dio 44, 50 'Eàoviog; Kirvac Onunogywy und Kogvghog Kirvas 0 orgainyos (ovupsitoge Tag im 3 éotux).

Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß damals den Tod fand der Volkstribun C. Helvius Cinna (als Volks- tribun außerdem genannt Suet. Iul. 52. Cass. Dio 44, 10; vgl. 45, 6 inc tov Kívvov ywoug xevng ovens), und daß diesen ob mit Recht oder Unrecht, sei hier unerórtert: ich glaube, mit Recht Plutarch als smownuxóg arno bezeichnete: ferner daß der dem Volke Entschlüpfte L. Cornelius Cinna hieB, damals Prütor (als solcher auch bei App. b.c. 2, 121. 126), der Schwa-

170 Miscellen.

ger Cäsars (als dieser auch App. b. c. 2, 121. Suet. Iul. 5 er- wähnt), welcher auch unter die Verschworenen gerechnet wird.

Also widersprechen die oben erwähnten Worte Ribbecks, als wenn ‘die übrigen Quellen (außer Plutarch) die natürlichere Annahme zuließen, daß Cornelius Cinna der Rache des Vol- kes anheimgefallen sei’, durchaus dem Thatbestand. Mit der größten Deutlichkeit sagen vielmehr alle Quellen gerade das Gegentheil. UeberdieB ist es so gut wie sicher, daB der bei Cic. or. Phil. 3 § 26 (im Dezember 710/44) genannte und, weil er die von Antonius ihm angebotene Provinz ausgeschlagen hatte, héchlichst belobte L. Cinna (des Vornamens wegen vgl. z. B. Suet. Iul. 5) eben jener L. Cornelius Cinna ist: derselbe war also nicht schon im März 710/44 gestorben.

Tiibingen. L. Schwabe.

4. Zu Cicero de inventione.

In meinem im Philol. XLV 469 ff. veróffentlichten Aufsatz: ‘Die ältesten Handschriften zu Ciceros Jugendwerk de snven- tone entging es mir, wie auch den neuesten Herausgebern der genannten Schrift, Weidner und Friedrich, daß in der von Jo- seph Klein im Jahre 1866 ausführlich behandelten Miscellaneen- handschrift des Nicolaus von Cues (cod. Cusanus C 14 S. XII) unter vielem andern auch ein Bruchstück aus de inv., nämlich II $ 159 von Virtus est animi habitus bis $ 167 alius locus erit considerandi enthalten ist. Nach der von Klein a. a. O. S. 53 f. mitgetheilten Kollation finden sich allerdings in dieser Hand- schrift ziemlich viele Fehler, weit mehr als in PHS; abgesehen von zwei größeren, in den Text gekommenen Randbemerkungen mahnen besonders La. wie 159 vis utilitatis et (st. vis simplicis) honestatis, 165 ad religionem (religioni) propinqua, 167 de civilibus «bellis causis zur Vorsicht. So richtig an sich die folgende La. ist, so gehórt dieselbe doch wohl auch hieher: 167 sunt qui propier se solam (st. solum, sc. petendam putant amicitiam), sunt qui «el propter se et «propter utilitatem. Daß jedoch Her- mannSauppe recht hat, wenn er in den Götting. gel. Anz. 1866 S. 1586 gelegentlich der Besprechung von Kleins Schrift das Excerpt aus de inv. sorgfältiger Beachtung werth hält, beweisen folgende Stellen, wo Cus. die richtigen La. anderer Hss. theilt: 160 ante quam factum est (w sit, vgl. Friedrich), 161 Naturae ius est (Hgg. Natura ius est, vgl. dagegen Philol. XLV 489), 162 quae sunt aut (ohne ante) fuerunt (PHS ante aut f. Diese Stelle findet sich nochmals im Cus. (vgl. Klein S. 32) ebenfalls

Miscellen. 171

ohne ante, 162 et (P! H! ut, C aut) si quid eorum; et kann als Kennzeichen dafür dienen, daß hier ein Glossem vorliegt. 163 cogitatio (Sc 6 agitatio) , magnis et honestis (HS nur et honestis, P nur honestis) in rebus, 164 ad hebitate (st. a brevitate, PHS nur brevitate) remotum, 167 amicitiam (H?S amicitias. Aus mehreren dieser La. ergibt es sich, daB Cus. nicht aus HS oder P abstammt.

Von besonderer Bedeutung nun sind 4 Stellen, an denen Cus. unter den bis jetzt bekannten Hss. allein das Richtige dar- zubieten scheint:

160 Prudentia est rerum bonarum et malarum et neutrarum (PHS nur utrarum ohne et, die Herausgeber nach Lambin neu- trarumque) scientia.

161 pietas (est), per quam sanguine coniunctis patriaeque be- nevolens (C benivolis, Hgg. nach Orelli benivolum) officium et diligens tribuitur cultus. Man erkennt, daß benivolens leicht zu benivolis werden konnte.

164 clementia (est), per quam animi temere in odium alicuius illecti concitatique (C iniectionis concitati, w invectio concitata) comitate retinentur. Man hat jetzt wohl keinen der zahlreichen Verbesserungsvorschlüge , die Friedrich aufzihlt, mehr nôthig. Liest man lecti, so ist temere ganz am Platz, da man nur durch Unbedachtsamkeit zu etwas verlockt werden kann; man braucht nun nicht mehr an non temere zu denken.

167 quid verissime constituatur , alius locus erit consid e- randi (C considerandus). Lambins Konjektur erhält somit handschriftliche Bestätigung.

5. Zu Cornificius ad Herennium.

In dem eben behandelten cod. Cusanus C 14 findet sich auch ein Excerpt aus Cornif. ad Her. III $ 3 Honesta res divi- ditur $ 7 placatur recte appetendi voluntas (vgl. Klein S. 54); in Betracht kommen jedoch eigentlich nur $ 9 und 4, indem in den andern 3 $ äußerst viele Lücken sich finden. Die Hs., aus der dieser Abschnitt genommen ist, gehört entschieden zur näm- lichen Klasse wie HP», indem sie fast sämmtliche richtigen und unrichtigen Lesarten derselben theilt. Beachtenswerth sind fol- gende Stellen:

III 3 Justitia est aequitas ius uni cuique retribuens (nach Kayser so auch andere Hss., darunter H!, statt rei tribuens) pro dignitate cuiusque. Zu retribuere = ‘einem das ihm Gebührende zukommen lassen’ vgl. Rosc. com. 44 mihi mihi detraham, cum illis exactae aetatis fructum, quem meruerunt, retribuam. Im Hin- blick auf de inv. II 160 Justitia est habitus animi . . suam cui- que tribuens dignitatem wire Cornif. III 3 der Zusatz von rei gewiß sehr auffallend; vgl auch de off. I 20 ff.

172 Miscellen.

III 4 cuius rei aliquam <ad> disciplinam scientiam poteri- mus habere. So schreibt nach x bereits Kayser nicht unpassend,

wie mir scheint. Ita fiet, uti (st. ut) isdem locis simus comparati. Zweibriicken. Ed. Stroebel. Nachtrag.

Mit handschriftlichen Studien zu Ciceros Reden in Pisonem und pro Flacco zur Zeit in Italien beschiftigt habe ich dabei abgesehen von anderem auch de inventione im Auge. Zu Florenz verglich ich 4 Hss. aus dem XI. Jahrh., nämlich Laur. plut. 50 cod. XII (A), cod. XX (D), cod. XLV (C) und Acquisti 120 (B). Von diesen gehort A enge zusammen mit S; da man wegen der groBen Ue- bereinstimmung eine Abstammung aus S? selbst annehmen darf, so ist er von keiner Bedeutung fiir die Textkritik. Eine Mit- telstellung zwischen PHS und den jiingeren Hss. nehmen C und D ein, der bessere Codex von beiden ist D. Was schließlich B betrifft, so verfuhr der Schreiber desselben zwar nicht selten ziemlich willkürlich; daß jedoch dieser Codex unter den 4 Lau- rentiani die meiste Beachtung verdient, beweisen Stellen wie die folgenden, wo B allein unter den älteren Hss., ja mehrfach al- lein unter allen Hss. die richtige Lesart darbietet: z. B. I 25 quem adversarii perturbatum putavit (st. putant) oratione 33 quae convenire videbantur (videntur) 82 huius facultatis maxime indigebimus (indigemus) 89 si omnino falsum erit (ohne totum) 95 aut si . . instituetur oratio steht nach ut si . . bellum in- utile esse demonstret II 17 Causa tribuitur in impulsionem et ratiocinationem (ohne Wiederholung der Präposition) 30 facile (faciles) cognitu sunt 114 nonne de sua gloria . . delibari (de- liberari) putent 133 si eius rei (ohne causa), propter quam 184 neque isti, ne si (neque si) etc. Eine günstige Beurtheilung von B bewirken auch La., die derselbe allein mit H theilt, wie I 26 vitare (vitari) oportebit 49 Comparabile est (ohne autem) 104 quae constat (constant) esse peccata etc. Aus dieser Hand- schrift lassen sich daher vielleicht ein paar neue Lesarten ge- winnen, vgl. z. B. II 159 tota vis erit simplicis honestatis con- siderata (consideranda) 170 Corpus mortale (ohne ani- mal) .. interire necesse est.

In der Vaticana fand ich bisher zu de inv. 3 Hss. aus dem XI. (oder XII) Jahrh., nämlich cod. Vat. 3234, 3235 und 3236; der beste von ihnen scheint Vat. 3235 zu sein. Eben- falls aus dem XI. Jahrh. stammt cod. Ambros. R 17 Sup. In einiger Zeit gedenke ich den Werth dieser Handschriften für die Textgestaltung von de inv. in dieser Zeitschrift eingehender zu besprechen.

Rom. Ed. Stroebel.

Miscellen. 173

6. In Senecam Rhetorem.

(Cf. Phil. XLVI 760).

Controv. II 1 (9) 10 p. 157, 19 sqq.: Ecce instructi exer- citus saepe civium cognatorumque conserturt manus constiterunt et colles equis virisque complentur et subinde omnis regio trucidatorum corporibus consternitur ; illa | tuum multitudine cadaverum vel spolian- tium sic quaesterit aliquis: quae causa hominem adversus hominem in facinus coegit? Ante pronominis formam illa participium conspecta (propter antecedens consternitur) omissum esse credo et in depravata forma tuum (C) vel tium (TV) tanta latere. Quare scriptum velim: conspecta illa tanta multitu- dine cadaverum vel spoliantium sic quaesierit aliquis cet. Con- fer loquendi formulas paulo infra frequentatas: quae tanta ira, quod tantum malum.

Ib. 12 p. 159, 5 sqq.: In hos ergo exitus varius ille secatur lapis et tenui fronte parietem tegit + quam umetis (l. umectis) vis me vere in hoc pavimentum tesselatum et infusum tectis aurum? Par- ticula quam e loco suo est remota et voces nonnullae prorsus detruncatae in posteriore sententiarum parte. Coniciendo lego: in <d>umetis mallem vivere quam inctuert> hoc pavimentum tes- eslatum et infusum tectis aurum ? Confer paragraphum XI, ubi est: mensam et lacunaria éntueri.

Ib. 17 p. 161, 17 sqq: Sic illa patriciorum nobilitas funda- mentis urbis | habusque in haec tempora constitit. Fortasse legen- dum est: sic illa patriciorum nobilitas a fundamentis ur bis cse ha- buc it et» usque în haec tempora constitit, nam hujus scriptoris cor- rigendi ratio magis in addendo quam in tollendo versari debere videtur, et accuratius sententia illustratur duobus enuntiatis factis, quam si cum Bursiano legimus: nobilitas fundamentis ur- bis abusque constitit.

Ib. 19 p. 162, 14 sq.: dico, ut non licuerit, recte tamen re- cusasse. Post tamen excidit me; scribendum igitur censeo: recte tamen me recusasse,

Ib. 22 p. 165, 1 sq.: sed consensum filiorum adversus patrem dicturum + tacitam nescio cet. Loco adeo depravato cor- rectionem absolutam et perfectam me adhibiturum haud spero, propono tamen conjecturam, quae mihi in mentem venit: sed consensum filiorum adversus patrem <odium> incitaturum tact- tum mihilo segnius quam Bocco cuidam non malo rhetori visum erat cet. Cfr. paragraphum 30: non est quod mireris, si te odi amo quos abdicasti.

174 Miscellen.

Ib. 27 p. 167, 1 sqq.: Et alias causas dizit licet enim plura abdicato dicere propter quae non + leget sed nunc re- fero, cut rei quisque mazime institerit. Sententiam lacunosam ex- pleo una voce addita atque verbo quod est leget in decet mu- tando: licet enim plura abdicato dicere, propter quae adoptio non decet, sed cet.

Ib. 37 p. 172, 2 sqq.: Solebat hos colores, qui silentium et significationem desiderant vene (AB); e forma depravata vene KieB- ling tueri exhibuit, Bursian adhibere sine ambagibus scripsit. Forma vero illa depravata est littera incipiente t in # mutata quae mutatio haud difficilis est, vid. Wattenbachii ‘Anl. zur lat. Palaeogr.? p.51 sq.) Pro tené igitur vene legerunt scribae. Locus omni aerugine liberatus hoe modo nitet: (Otho) Solebat hos colores qui silentium et significationem desiderant tenere; eodem sensu verbum dietum in Ep. Mor. Senecae legitur, e. g. ep. VIII 5: Hanc ergo . . formam vitae tenete .

Controv. II 3 (11) 20 p. 192, 6 sqq.: lege et interpunge: (patrem) suspensum esse nolui, volui statim illum securum esse; de me queritur quod illum potius cogitare de matrimonio fili quam de periculo volui. Paulo infra (lin. 10) legendum esse existimo: illi qui circa erant. sodales, qui occurrerant amicis paternis. In paragrapho sequenti (lin. 14) haec leguntur: non erit, inquit, du- ritia patris mei; pro non erit Gronovius nota erat proposuit, quam emendationem KieBling probavit, Bursian noverunt scripsit. Sed nulla mutatione opus est. Vox eodem initio atque vox lecta (sc. inquit) excidit. Est enim inexorabilis, vocabulum scriptori nostro ($ 5) frequentatum. Seribo igitur: non erit, inquit, c inea- orabilis> duritia patris mei.

Controv. II, 4 (12) 9 p. 199, 8: Non quaeram extra ex- emplum sani hominis ad quod patris | met gat: ipsum sibi compa- rabo. Ribbeck conjecit: mentem exigam, Kießling: patrem exi- gam. Propius tamen ad codicum scripturam legendum censeo: non quaeram extra exemplum sani hominis, ad quod pater semet exigat: Confer exemplum subsimile in Ep. Mor. XI 10: Opus est, inquam, aliquo, ad quem mores nastri se ipsi exigant.

Controv. II 5 (13) p. 211, 16: deinde etiamsi non in aliis, an in hac... f gradus esset. Fortasse lacuna explenda est scribendo: an in hac condicione gradus esset? Cfr. ea, quae su- pra sunt: hic quaeri de condicione iuris.

In excerpt. controv. III p. 246, 4: Cestius ex consuetudine sua miratus dicebat. Cestium miratum dicere solitum esse quid sibi velit, minime apparet. Sine dubio illud miratus depravatum est: ac facile quidem ex irritatus exstitit, nam irr et m com- mixtis sequens £ in r mutarunt. Oratorem enim irritatum decent breves illae sententiae: ‘Si Threx essem’, cet.

Miscellen. 175

Controv. VII praef. 3 p. 294, 11 sqq.: splendidissimus erat: idem res dicebat sordidissimas. Non recte inter se cohaerent: ‘splendidissimus erat’: ‘idem res dicebat’ ‘sordidissimas’; contrariae enim sententiae non satis distinguuntur. Quod fiet, si post erat particulam at, quae ob antecedens -at excidit, addi- deris: splendidissimus erat, at idem res dicebat sordidissimas.

Controv. VII 1 (16), 10 p. 303., 12 sq.: scitis nihil esse periculosius quam etiam instructa navigia: parva materia sejungit fata. Sine sensu sunt haec verba, qualia vulgo leguntur. Scri- bendum credo: scitis nihil esse periculosius quam etiam instructa navigia navigare».

Controv. VII 6 (21), 9 p. 315, 15 sq.: putasti aut semper tyrannum victurum aut semper futurum patrem. Coniectura Bur- siani, qua dementem ante futurum additur non omnino est pro- banda. Facilius ante futurum vox consimilis atque eadem signi- ficatione , quae in vocabulo proposito inest, excidit, dico furen- tem, quod quidem in contextum insertum velim.

Controv. X 2 (31) 16 p. 482, 14: processi tecum $n aciem nec illic . . . . ubi rediimus omnis gloria in una domo erat. Sen- tentiam abruptam refingere possumus scribendo: processi tecum in aciem nec imbelles visi rediimus. Omnis gloria etc.

Ib. 18 p. 483, 3 sqq.: Triarius hoc colore usus est: in tu- dicio volui tibi cedere, ut non imperasse videreris, sed vicisse, et cessi: defunctorie causam meam egi: set notum sit illum cedere quia pa- rum est illi non putabat. Postremam sententiarum partem sensu destitutam quam lenissima possum mutatione Bursiani emenda- tione partim adhibita ita restituo: sed voluisse filium cedere, quia rarum est, illi non putabant.

Controv. X 4 (33) p. 501, 22: 4YTMONH, Clicon dixit, roîg radunwoois quod xatedéiesmiae. Continuae orationi con- gruenter lege: Alrnoıs worn, Glycon dixit, 101g 1aMunwgois yagd xatudéiecnias i. e. rogatio unum gaudium miseris est relicta.

Controv. X 34 p. 514, 8: dixerat enim: oapxopaya Gov y nr yougà NATA (wu. E depravata scriptura NADA nova restituo. Ac vere perfecta et absoluta procedit oratio illa: cag- rpuya Gov y N yougn nÀav& Cou i. e. fallit animalia.

Lundae. S. Linde.

176 Miscellen.

7. Zu Iuvenal

Sat. V 146 48:

Vilibus ancipites fungi ponentur amicia, Boletus domino , sed quales Claudius edit Ante illum uxoris, post quem nil amplius edit.

Dem pluralischen Gemengsel 'verdüchtiger Schwümme', welche man den Clienten auftischt, wird mit Gewicht singularisch der boletus für den Hausherrn gegenübergestellt, als ein Essen von culinarischem Ansehen (Plaut. Cure. V 2, 14; Suet. Claud. 44; Tae. an. XII 67 delectabilis cibus boletorum), zumal es Leib- und Lieblingsgericht des Kaisers Claudius war. Befremdend ist der Nachsatz; denn fat man den Complex sed . . . nil amplius edit als logisch - grammatische Einheit und die Partikel in ad v er- sativem Sinne, so ergiebt sich der Gesammtsinn: ,Jedoch nicht vergiftet, wie dies bei dem Claudius der Fall war“. Aber dies versteht sich von dem Boletus von selbst, sodaß es einer solchen ausdrücklichen Bemerkung nicht bedurfte; und darf man annehmen, der Satiriker habe auf Unkosten der eigentlichen Darstellung eine Anspielung auf die Vergiftung des Claudius mit Haaren herbeigezogen, um dies Capitel aus der chronique scan- daleuse des kaiserlichen Hoflebens zu berühren ? Auch die An- nahme eines beabsichtigten Gegensatzes zu ancipites motivirt und deckt die nachträgliche Versicherung, der boletus sei unvergiftet gewesen, noch nicht. Heinecke in Animadv. luv. sat. S. 32 ge- rieth darüber in helle Verzweifelung, erklürte den Zusatz für schlechterdings unverstündlich und absurd, die Verse selbst aber für unecht. Solchen Verdacht wies Heinrich II S. 216 zurück und nahm mit gleichem Rechte das handschriftlich verbiirgte quales gegen das der Symmetrie mit boletus wegen von Manchen vorgezogene qualem in Schutz. Freilich scheint uns der Plural nicht deshalb allein gebraucht, weil ,,Claudius erst viele aB, ehe er den letzten af, der vergiftet war“, sondern auch im Interesse des Gegensatzes wider den singularischen sum uxoris. Wenn er weiter jedoch den Zusatz ‘witzig und echt Iuvenalisch’ nennt, als habe der Satiriker sagen wollen: „Den Gästen werden ge- fährliche Schwiimme aufgetragen, dem Herrn ein Boletus: es ist aber leider! nur einer, wie sie Claudius aß, ehe er den letzten verzehrte", d. h. „nur Schade, daß es kein solcher ist, wie ihn Claudius zuletzt aß,“, mit anderen Worten: „Ich wollte, daß er sich don Tod daran üfe!'* so können wir ihm nicht unbe- dingt beipflichten. Sollte Iuvenal, fragen wir, dem Hausherrn bloß seiner engherzigen Knauserei wegen den Tod an oder in den Hals gewünscht haben? Zwar gab sein Freund und Ge- sinnungsgenosse Martial dem helluo Caecilianus in gleicher Situa-

Miscellen. 177

tion den grausamen Rath Boletum, qualem Claudius edit, edas! Aber ein Zwang Iuvenals Worte im gleichen Sinne zu verstehen, liegt nicht vor. Wiirde es sich nicht empfehlen die Partikel sed, statt adversativ oder correctiv, im Sinne einer Steigerung oder Ergänzung, (wie IV 27, VII 108, X 12) zu verstehen: „und zwar, wie sie Claudius aß“? Sodaß die leckere Zuberei- tung der kaiserlichen Tafel auch fiir den boletus domini gelten und ihn im Interesse der Gourmandise noch hóher über die an- cipites fungi hinausheben würde. Dafür scheint auch qualis zu sprechen. Gleichsam als nachwachsende und durch die Na- mensnennung des Claudius veranlaßte Allusion würde sich dann Ante illum uxoris, post quem mil amplius edit anknüpfen; auch die Abgeschlossenheit des Verses in sich selbst zeugt für diese nachtrügliche Selbstinterpellation des Dichters.

Greifswald. A. Häckermann.

8. Die Blüthezeit des Alexander Polyhistor.

Von Alexander Polyhistor sagt Suidas: qv émi rà» Suda yoorwy x«i ini tude; aber aus fr. 2 bei Agathias II 25, wo er auf die Herrschaft der Makedonen im Morgenland 293 Jahre rechnet, wurde Philol. XLIII 528 fg. der Schluß gezogen, daß er wenigstens das von Agathias nicht näher bezeichnete Werk, in welchem diese Angabe stand, erst um 39 v. Chr. geschrieben hat. Dem a. a. O. über sein Zeitalter Gesagten sollen hier an- dere Belege von ähnlicher Bedeutung und einige Verbesserungen hinzugefügt werden.

Da die makedonische Herrschaft im Morgenland mehr als 293 Jahre gedauert und demnach zur Zeit der Abfassung jenes Werkes noch bestanden hat, so sind wir berechtigt, das letzte der 293 als unvollendet, als dasjenige in dessen Lauf er schrieb, , anzusehen und es. fragt sich, wenn dasselbe genauer bestimmt werden soll, wie Alexander das erste datirt hat. Als Anfangs- epoche wurde a. a. O. die Schlacht von Gaugamela, Nov. 331 v. Ch. genommen und demgemäB die Abfassung des Werkes 39 v. Ch. gesetzt: die seitdem gewonnene Erkenntniß!), daß nicht Polybios sondern Polyhistor von Julius Africanus bei Eusebios praep. evang. X 10 unter den Schriftstellern, welche den An- fang des Kyros ol. 55, 1 (560/59) setzten, aufgeführt wird,

1) Philol. XLVI 169. | Philologus. N. F. Bd. I, 1. 12

178 Miscellen.

macht es nothwendig, um ein Jahr hinaufzugehen: die 228 Jahre, welche das Fragment den Persern zählt, bringen den Anfang der makedonischen Herrschaft in ol. 112, 1. 8332/1, welcher demnach an die Erwerbung Aegyptens im Herbst 332 geknüpft ist. Die Wahl dieser Anfangsepoche hüngt offenbar damit zu- sammen , daß zuletzt nur in Aegypten die makedonische Herr- schaft noch fortbestand ; Anfangs- und SchluBtermin bekamen so gleiche geographische Grundlage. Wenn demgemäß die Abfas- sung des in Rede stehenden Werkes nicht ol. 185, 2. 39/8 son- dern 185, 1. 40/39 gesetzt wird, so läßt sich hiefür auch die Uebereinstimmung mit einer anderen Stelle anführen, welche wir als ein Fragment des Alexander Polyhistor in Anspruch nehmen.

Eupolemos, der Verfasser einer jüdischen Geschichte, zühlte 5149 Jahre von Adam bis zum 5. Jahre des (Seleukiden) De- metrios und zum 12. des Ptolemaios, von wo nach Clemens Alexandrinus 120 J ahre bis 40 v. Chr. verliefen, Clem. strom. I S. 405 noir ano "Adap ayoe tov n&uniov trovs Anunigior, Hrohepatov 10 dwdéxut ov Busidevoviog Alyvntov, Gvvayec) ut & sous —. and rov yodvov rovrov ayos tw àv “Puun vnuiwy Tutov Aopzrsavov Kacwvov ovudpoilera Eın Exaròv &xoc,. Die Verbesserung Ivalov Aopertov xai "Acıwlov (coss. 714/40, s. Freudenthal Alex. Polyh. 214), ist evident und all- gemein anerkannt; Schwierigkeiten, welche noch nicht behoben sind, machen die Kónigszahlen und die Frage nach der Quelle der Worte «nö Ó& 100 yoorou etxoos läßt sich ohne ihre Lö- sung nicht mit Sicherheit beantworten. Der Schlufitermin des Eupolemos, d.i. die Abfassungszeit seines Werkes fiel 120 Jahre vor 714,40, also 160 oder 159 v. Chr., zu welcher Zeit Deme- trios I in Syrien regierte: an Demetrios II (von 146 ab) ist schon def wegen nicht zu denken, weil sein 5. Jahr nicht entfernt mit dem 12. Jahr eines Ptolemaios verglichen werden konnte. Der Geschichtschreiber wird mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Eupolemos gehalten, welcher 161 als Gesandter des Makkabüers Judas nach Rom ging, um dort ein Bündnif auszuwirken (1. Makkab. 8, 17. 2. Makkab. 4, 11). Die Sehwierigkeiten beste- hen darin daf 1) das 5. Jahr des Demetrios erst nach 159 an- hebt: er erwarb Syrien im Seleukosjahr 151 = Okt. 162— Sept. 161 v. Chr., sein 5. Jahr beginnt also erst nach Sept. 158. 2) Besser würde das 12. Jahr des Ptolemaios Physkon, beginnend 2. Okt. 159, passen; aber dieser besaß damals nur Kyrene und sein älterer Bruder Philometor zählte bereits das 28. Jahr seiner Herrschaft über Aegypten.

In der Zeitschrift f. protest. Theologie 1875 S. 749 fg. vermuthet v. Gutschmid, Eupolemos habe nur das 5. Jahr des Demetrios angegeben; der unhistorische Synchronismus des Pto- lemaios Physkon gehóre dem Urheber der zu jenem passenden

Miscellen. 179.

rómischen Zeitangabe und sei frühestens 146/5 entstanden, wo Physkon Aegypten durch den Tod seines Bruders gewann, seine dortigen Regierungsjahre aber schon von 170/169 ab zu zählen anfing ; dieser Chronologe habe also in Aegypten geschrieben, von Clemens sei wahrscheinlich (ich gebe nur die Möglichkeit zu) auch sein Name genannt worden; vielleicht sei Tyulou 4o- perlov <xui ’Acwlov vmó» Kuociaroù ?) zu schreiben. Ich be- zweifle indeß, daß ein Chronologe nach dem Tode des Physkon (117/6) noch ein ügyptisches Datum aus der Regierungszeit des Philometor dem Physkon beigelegt habe; auch versteht man nicht, wie sei es dieser oder ein spüterer auf den Gedanken kommen konnte, das 5. Jahr des Demetrios (158/7) dem 12. des Physkon (159/58) gleichzusetzen und von jenem 120 Jahre bis 40 v. Chr. zu záhlen. Richtig ist aber, daf Clemens das rómische Datum nicht selbst berechnet sondern in seiner Quelle vorgefunden hat: denn seine eigene Kénigsliste S. 396 kennt Physkon als Herrscher Aegyptens nur von 146/5 an und über- haupt sind alle von ihm aus der Profangeschichte angegebenen Intervalle, welche nicht in seine Zeit herabführen, aus älteren Werken abgeschrieben. Woher er das obige Intervall gewonnen hat, würde lüngst erkannt worden sein, wenn man nicht, abge- halten durch die Angabe des Suidas über Polyhistor geglaubt hätte, das anscheinend nach dessen Zeit fallende Datum 40 v. Chr. auf die Ernennung des Herodes zum Kénig, geschehen ge- gen Ende 40, beziehen zu müssen. Das Fragment des Eupo- lemos hat Clemens, wie längst feststeht (s. Freudenthal, Alex. Polyh. 12), dem Polyhistor entlehnt und da, wo er dieses ge- funden hat, wird er auch das rómische Intervall gefunden haben: jener hatte angegeben, wie viel Jahre von dem Doppeldatum des Eupolemos bis auf seine eigene Zeit verflossen waren. Die Be- deutung desselben ist aber durch einen Textfehler verdunkelt.

Von den Worten //rodsuatov To dwdéxatov Pucıkevorrog Alyvnıov ist das letzte zu beanstanden. Nicht weil Physkon damals über Kyrene herrschte: Eupolemos hat sicher nicht nach Jahren der obscuren Regierung von Kyrene datirt sondern an die von Aegypten und demnach an Philometor gedacht. Son- dern deßwegen weil bei 4nuntefov das Land, über welches er herrschte, nicht angegeben ist. Hätte er, was unwahrscheinlich, nur bei dem einen von beiden sein Land angegeben, so würde er das bei Demetrios gethan haben: denn den Namen Ptole- maios führten, wie münniglich bekannt war, alle Kónige Ae- gyptens seit 1!/;» Jahrhunderten, während in Syrien bis dahin nur die Namen Seleukos und Antiochos mit einander abgewech-

2) Ein ágyptischer Gnostiker, aus dessen Exegetika, wie G. er- innert, Clemens a. a. O. S. 378 werthvolle chronologische Angaben

beibringt. 12*

180 Miscellen.

selt hatten; bei Demetrios war es also nicht sofort ersichtlich, welches Land er regierte. Das Wort Alyunıv ist aber nicht einfach wegzustreichen, sondern in adiov *) zu verwandeln: Eu- polemos meint das 12. Jahr seit Philometor selbst regierte. Vorher nimlich war er unmiindig gewesen und hatte zuerst seine Mutter Kleopatra, nach ihrem Tode aber Eulaios und Lenaios die Vormundschaft geführt, s. Hieronymus zu Daniel S. 11. Kleopatra starb, wie aus 2. Makkab. 4, 21 (vgl. mit 4, 23. 5, 1) zu schließen ist, Sel 139 = Okt. 175/Sept. 174: dort heißt es, daß Antiochos Epiphanes an die Grenze Aegyptens gezogen sei und sich vergeblich um die Einsetzung zum Vormund be- miiht habe. Die Vormundschaft bestand noch am Anfang des róm. Stadtjahrs 583/171, Liv. XLH 29, 5—7, als schon Rii- stungen, um Koilesyrien dem Antiochos zu entreifen, betrieben wurden; noch vor Ausbruch des Krieges, nach dessen Beginn Philometor sogleich entscheidend geschlagen und bald auch ge- fangen genommen wurde (Anfang 169), hatte er die Volljährig- keit erreicht und die Regierung selbst übernommen, Polyb. XXVII 12; vor Mitte 169 wurde bereits der jiingere Bruder miindig, Polyb. XXVIII 10, 8 (vgl. Metzung, de Polybii libr. XXX— XXXIII, Dissert. Marburg 1871 S. 9). Das ägyptische Kalen- derjahr, in welchem Philometor selbständig wurde, beginnt dem- nach entweder am 5. Oktober 172 oder am 5. Oktober 171; fiir letzteres entscheidet, wenn ich ihn richtig deute, der Synchro- nismus des Demetrios.

Zum 12. Jahr der Selbstherrschaft Philometors paft das fünfte des Demetrios (1598/7 v. Chr.) zwar ebenso wenig wie zum 12. des Physkon, aber bei jenem läßt sich eine Erklärung finden, während bei diesem keine möglich ist. Demetrios hatte seinen Vetter, den Knaben Antiochos Eupator vom Thron ge- stoßen, indem er, nicht ohne Grund, behauptete ein besseres An- recht auf denselben zu besitzen; diese seine Ansprüche hatte er, wenn auch vergeblich, gleich beim Regierungsantritt des Antio- chos Eupator in Rom geltend gemacht, Polyb. XXXI 12. Man darf daher vermuthen, daß er, wie in solchen Fällen oft ge- schehen ist, die Zeit der nach seiner Ansicht unrechtmüBigen Regierung desselben in der Datirung zu seiner eigenen geschla- gen, diese also vom Tod des Antiochos Epiphanes ab gerechnet hat, welcher 163 v. Chr., zwischen März und September) ge- storben war. Sein 5. Kalenderjahr ist insofern Sel. 153

3) Ein denkender Leser, welcher «vro? nicht verstand, konnte leicht auf die Vermuthung kommen, es sei verschrieben st. Alyvnıov.

4) Sel. 149 (1. Makkab. 3, 37) = Oktober 164 / September 163; varr. 591 (Granius S. 8), beginnend id. Mart. = 22. Marz oder 27. Februar 163.

Miscellen. 181

Okt. 160/Sept. 159, mit welchem sich, vom 5. Okt. 171—70 ab gerechnet, das 12. Jahr der Selbstregierung des Philometor fast vollstindig deckt: dieses beginnt 2. Okt. 160, jenes einen oder einige Tage nach 4. Oktober (Neumond). Von da bis 40 v. Chr. sind 120 Jahre; das von Eupolemos gemeinte Jahr in Olympiaden- oder in rômische Stadtjahre umzusetzen war Alexander durch die Zeit der von Eupolemos erwühnten auswirtigen Ereig- nisse in den Stand gesetzt; jener hatte sein Werk vermuthlich bis zum Tod des Hohenpriesters Alkimo und dem Abzug des Bakchides im Mai 159 (1. Makkab. 9, 57) geführt, nach welchem 2 Jahre lang Friede und Ruhe im Lande der Juden herrschte.

Alle über die schriftstellerische Thätigkeit des Alexander Polyhistor vorhandenen Zeugnisse, welche einen SchluB auf die Zeit derselben verstatten, fiihren erheblich tiber die des Sulla herab. Das Werk neoi ’lovdalwr, in welchem die Auszüge aus Eupolemos standen, ist 40 v. Chr. geschrieben; in demselben Jahre das, in welchem er die Dauer der nach einander Asien beherrschenden Dynastien angegeben hat. In der babylonischen Geschichte theilte er Auszüge’ aus Berosos mit, welche er der Chronik des Apollodoros entlehnte (Euseb. chr. I 7); diese ist 71/69 v. Chr. geschrieben, Philol XLI 602 ff In dem Buch über Phrygien citirte Alexander ein Werk des Promathidas (wahrscheinlich das über Herakleia, Steph. Byz. I: ados), wel- cher in einer andern Schrift den von Dionysios Thrax con- struirten Nestorbecher beschrieb (Athenaios XI 77 S. 489); da Dionysios laut Suidas Zfio»vcwoc "AlzSavdgeug Opa] écoploreucer ly 'Pwun &ni Iourntov rod weyaiAov zwischen 70 und 48 in Rom gelehrt hat, so ist wohl auch die Entstehung des Werkes negi Povylas erst um 40 zu setzen.

Die literarische Blüthe Alexanders füllt hienach, so weit sie sich zeitlich bestimmen läßt, mehr als ein volles Men- schenalter nach Sullas Herrsch aft; ein Ergebnif, mit welchem sich auch die persónlichen Nachrichten, selbst die welche von Sullar eden, ohne Zwang vereinbaren lassen. Hygin, welcher 47 als Knabe nach der Einnahme Alexandreias Caesars Sclave wurde, genoß nachher in Rom Alexanders Unterricht, Sue- ton. gramm. 20. Suidas selbst sagt nicht, daß dieser unter Sulla geblüht oder geschrieben, sondern nur daf er damals und spüter in Rom gelebt hat: nv ‘Puun ini wv Stila yoorwr xoi ini rade. Unter Sulla ist er also zuerst nachweisbar gewesen, aber nicht als Schriftsteller sondern, wie die vorhergehenden

182 Miscellen.

Worte &nexA7In xoi KoovnMiog, don Aevrovio alyuadwriodeis ènou9n x«i avi nosdaywyòc èyévero, eîra mAevdeowdn im Zu- sammenhalt mit Servius zu Virg. Aen. X 388 quem Sylla civi- tate donavit lehren, als gelehrter Sclave eines Lentulus, welcher von Sulla das Biirgerrecht erhielt. Suidas oder sein Vorgänger Hesychios hat indeß den Hergang zu kurz erzählt vorgefunden und in Folge dessen ihn durch ein Mißverständniß entstellt. Den Namen Cornelius erhielt Alexander nicht von Lentulus son- dern von Sulla, wie er auch von diesem, nicht von jenem das Biirgerrecht erhalten hat. Denn mit dem Freilassungsakt war, wie aus Livius II 5. Dionysios ant. IV 22 fg. Dositheus Fragm. de manumiss. 5. Zonaras VII 9. 327d u. a. bekannt ist, die Ertheilung des Biirgerrechts unmittelbar und nothwendig ver- kniipft; wenn also Sulla ihm dieses ertheilt hat, so war er nicht schon von Lentulus freigelassen worden. Den Sclaven eines an- deren Römers konnte aber Sulla nur zu der Zeit freilassen und mit dem Biirgerrecht ausstatten, da er unumschränkter Herr des rémischen Staates war, als das Volk ihm die Dictatur nicht bloß auf unbestimmte Zeit sondern mit so gut wie schranken- loser Machtvollkommenheit übertragen hatte. Damals, im J. 673/81 (Appianos b. civ. I 100) wühlte er aus den Sclaven, welche den Proscribirten gehórt hatten und nun verkauft wer- den sollten, die jüngsten und krüftigsten, mehr als 10000, und gewührte ihnen Freiheit und Bürgerrecht, sie führten von da an nach ihm den Namen (L.) Cornelius und wurden ohne Zweifel auch mit einem Besitz von ihm ausgestattet: da der bleibende Genuß dieser Güter von dem Fortbestand seiner Einrichtungen ‚abhing, so hatte er damit sich ebenso viele geschworene Partei- günger geschaffen, welche jederzeit für ihn und sich die Waffen zu ergreifen bereit waren; zu diesem Zweck hatte er die kräf- tigst n, zum Zweck langer Dauer ihrer Verwendbarkeit die jüng- sten ausgesucht, Appianos b. civ. I 100 rp drum tovcg doudous ıwv avnonpévwy 1006 vewratove te xal evoworotatove (so Men- delssohn st. svouiorovc) uvolwv nAslovg ELevdeqw ous éyxuréhete xai noAlrag anépnve Pwpatwy xui KogrnAlouc og ÉUVTOÙ mgoc- einev, Onwç éÉroluoic 2x ruv POnwotwy moóc nagayytAAoutve pvotoic xoc 1o. Zu diesen hat also auch unser Alexander und zu den Proscribirten oder im Kampf gegen Sulla Gefallenen sein Herr, jener nicht näher bekannte Lentulus gehört. Seine Geburtszeit fällt demnach um 108—98 und sein vollständiger Name ist L. Cornelius Alexander.

Ein Peripatetiker Alexander, welcher nach Plutarch Crass. 3 den bekannten Crassus in der Philosophie unterrichtete und nicht blofi sein Hausgenosse war, sondern ihn auch auf seinen Reisen und Feldzügen begleitete, ist von manchen mit dem Polyhistor identificirt worden; aber Plutarch, der letzteren aus seinen

Miscellen. 183

Schriften kennt (quaest. rom. 5. de musica 5), spricht von je- nem wie von einem wenig bekannten Manne und Crassus, ge- boren 115 oder 114 (Plut. Cr. 17), hat schwerlich erst im reifen Mannesalter Unterricht in der Philosophie genommen.

Wiirzburg. G. F. Unger.

9. Die Regierungszeit des Hieronymos von Syrakus.

Daß Hieronymos, Hierons Enkel und unmittelbarer Nach- folger desselben in der Herrschaft über Syrakus, mit Unrecht von manchen Geschichtschreibern einem Phalaris, Apollodoros und andern durch ihre Grausamkeiten berüchtigten Tyrannen gleichgestellt wurde, beweist Polybios VII 7, 3 aus der kurzen Dauer seiner Regierung: zxaeig nuoadafòv tiv aoyny, stra unvag nhslouc Tour xui déxu Bidouc'), puernddate tow Blor. Wib- rend dieser Zeit, führt er fort, kónne einer oder der andere ge- foltert, irgend einer (n»«) von den Höflingen und andern Syra- kusern getödtet worden sein, aber daß er Willkür im Uebermaß und ausnehmende Frevel verübt hätte, sei unwahrscheinlich, Diese Beweisführung hat wenig Einleuchtendes: binnen 13 Mo- naten, sollte man denken, hätte Hieronymos eine erheblich grö- Bere Zahl von Menschen verdächtig finden nnd grausam behan- deln können. Ebenso unbegreiflich ist, wenn er wirklich 13 Monate regiert hat, daß Polybios den Vergleich mit Apollodor für verkehrt erklärt; welcher doch selbst höchstens 3 Jahre über Kassandreia geherrscht hat: er schwang sich nach dem Untergang des Königs Ptolemaios Keraunos und seines ganzen Heeres (April 279) während der gallischen Invasion Makedo- niens zum Tyrannen auf, nach dem Sieg des Antigonos Gonatas über ein gallisches Heer bei Lysimacheia (Spätsommer oder Herbst 279) erklärte ihm dieser den Krieg und eroberte die Stadt nach 10monatlicher Belagerung ; diese mußte beendigt sein, als Antigonos daran ging Makedonien in seine Gewalt zu brin- gen, was ihm nach Besiegung des Antipatros im September oder Oktober 276 gelungen ist”). Die Wahrheit ist, daß Hieronymos nur wenige Monate regiert hat.

1) zw xai dixa 7 dudéxo (joa; Suidas unter ‘Ispwvuuos.

2) Die Zeiten des Zenon von Kition und Antigonos Gonatas. Akad. Sitzungsb. München 1887 S. 127. Droysen III 189. 199 setzt die Erhebung Apollodors 278, seinen Sturz 276.

184 Miscellen.

Hieronymos wurde varr. 539 ermordet, spätestens Februar 214 v. Ch.: auf die Angabe, daf nach seinem Tode der Prae- tor von Sicilien, Appius Claudius, den Senat nef das Drohen einer Empórung aufmerksam machte und Besatzungen in die Grenzplütze der Provinz legte, folgt bei Livius XXIV 7: Ezitu?) anni eius Q. Fabius Puteolos communit praesidiumque imposuit . inde Romam comitiorum causa veniens etc. Den Thron hat Hierony- mos nicht 216, wie viele annehmen, sondern frühestens im Spät- sommer 215 bestiegen. Appius Claudius, welcher sich damals schon in seiner Provinz befand (Liv. XXIV 6, 4), war einige Zeit nach der spit erfolgten Besetzung der einen, am Anfang des Jahres verwaisten Consulnstelle, etwa um Ende des róm. Aprilis dahin abgegangen (Liv. XXIII 32, 2); die Consuln rü- steten sich zum Abgang auf den Kriegsschauplatz in der zweiten Hälfte des Maius (id. Mai 539 = 1. Juni 215), Liv. XXIV 82 transactis rebus quae in urbe agendae erant, movebant iam sese ad bellum: denn die Latinerfeier, welche unter den stüdtischen Angelegenheiten mitzuverstehen ist, fand den Bruchstücken der Festtafel zufolge am 16. Maius/13. Junius statt und ein Er- laB des Consuls Fabius befahl, alles Getreide bis kal. Iun. in die festen Städte zu schaffen. Geraume Zeit, nachdem die Con- suln die Kriegführung übernommen hatten, gelangten die Schiffe, welche die inzwischen aufgegriffenen Gesandten Hannibals und des Kónigs von Makedonien führten, zum Consul Gracchus nach Cumae und von da zum Senat, welcher nun die Vorbereitungen für den Krieg mit Philippos machte. Mit Bezug auf diese heißt es XXIII 38, 12 fg. pecunia ad classem tuendam bellumque Ma- cedonicum ea decreta est, quae Appio Claudio in Siciliam | missa erat, ut redderetur Hieroni regi: ea per L. Antistium legatum Ta- rentum est devecta . simul ab Hierone missa ducenta milia modium tritici et hordei centum. Mindestens im Juli 215 regierte also Hieron noch.

Statt 1000» xoi dexa ist Toy xai mulotos zu lesen: das Zeichen für 1/3 ist wegen seiner Aehnlichkeit oft mit 4 (dexa und réccages) verwechselt worden; derselbe Fehler wie hier fin- det sich bei Andokides de pace 4 rgiaxoídexa (statt 31/2, 8. Philol. XL 128) und Plut. Kleom. 38 éxxeídexa (st. 61/2); der andere bei Arist. pol. V 9, 28 reıragaxorın xoi térrupa (st. 40'/, Hirsch und Roeper Philol. XX 723) Hieronymos mag etwa vom August oder September bis December 215 re- giert haben.

3) Der exitus anni umfaßt bei Livius die letzten 30 tage, Philol. Suppl. IV 305 (wo 25 Tage auf die varr. 582—600 mit 18. Februarius des Gemeinjahrs beginnende Wahlzeit zu beschrünken ist); varr. 589 beginnt er hienach mit 7. Febr. 214.

Würzburg. G. F. Unger.

Miscellen. 185 10. Thierfabeln auf antiken Bildwerken.

In der archäologischen Zeitung XXXIII (1876) S. 18 ff. wird von F. Matz ein triimmerhaft erhaltenes, aber durch eine alte Zeichnung sicher zu reconstruirendes Relief behandelt, wel- ches zwischen zwei Windgöttern eine weibliche Gestalt in eiligem Laufe zeigt; hinter ihr bauscht sich ihr Mantel bogenförmig auf; links unten erscheint vor einem Schilfstengel en Sumpfvogel, rechts ebenfalls vor einem Schilfstengel eine aufstrebende Schild- kröte und noch weiter rechts neben ihr ein Adler. Matz weist Braun’s Beziehung auf die von Zeus (= Adler) geraubte Aegina (= Schildkröte) mit triftigen Gründen zurück. Nach Matz dient Schildkröte wie Reiher und Schilf zur Characterisierung einer sum- pigen Niederung und die Frau ist eine Personification des Nebels, der aus dem feuchten Thale aufsteigt und in der Höhe von den Winden gepackt und zersireut wird. Auf diese meteorologische Deutung der weiblichen Figur als ‘Nebelfräulein’ will der Un- terzeichnete hier nicht weiter eingehen, nur möge verwiesen wer- den auf die vielbehandelte Hesiod-Stelle Opp. et dies 547 sowie auf die Welcker'sche Deutung der Oreithyia-Sage (alte Denkm. II 155 f, Gotterl. III 70, vgl. Rapp im mythol. Lex. 813) mit den neuerdings aus Leistner’s ‘Nebelsagen’ (112 f. 277 f.) bei- zubringenden Parallelen. Doch ist es keineswegs sicher, daß die Thiergesellschaft zum ursprünglichen Kerne der Composition ge- hórt; denn die alte Sitte, dergleichen episodisch zur Ausfüllung leren Raumes einzufügen, ist nie ganz erloschen. Jedesfalls hat aber das wunderliche Kleeblatt lediglich die Erinnerung an die Fabel von der Schildkrôte, die das Fliegen lernen will, zusam- mengeführt, Babr. 115 (Phaedr. H 6):

vers gedwvn diura cvv nov aldulucs

Adoos TE xai xivEsv. sÎnev ayouiotuis*

eae nuuwijv (Js 106 memowujxu."

1j ériuyuwr Èlefev aletòg tara ad. 1). Daß hier neben den Agonisten die Sumpfvögel als Chor auf- treten, wie in dem Relief, wird schwerlich auf Zufall beruhen. Eben so hat ein alter Handwerker, (Ann. del Inst. X Taf. 4. 5) dem ausziehenden Helden Amphiaraos einen Igel und einen springenden Haasen als ‘Liickenbiifer’ zwischen die Füße ge- setzt, weil ihm das hübsche Thiermärchen vom Wettlaufe jener beiden Gesellen in den Sinn kam, vielleicht aus einer maleri- schen Darstellung, wie wir sie bei Gerhard, auserlesene Vasen- bilder Taf. 317, nachweisen kónnen (de Badr. aet. p. 222, vgl.

1) Auch Matz erwahnt beiláufig die Fabel, übersieht jedoch des Ausschlag gebenden Moment. G. Knaack (Anal. Alex.- Rom. S. 81°) macht auf das Relief bei Gelegenheit der Chelone-Metamorphose auf- merksam. ohne es weiter zu verwerthen, ‘cum quid bestiae illae sibi velint mihi nondum constet’.

186 Miscellen.

203° 215!) ?). Auch in der hellenistischen Zeit verschmähte man es nicht, auf ‘Landschaften mit Staffage’ den armen Packesel der Fabel (Babr. 7, Aesop. 177 u. 177° H.) neben das stolze ledige RoB zu stellen (auf einem merkwiirdigen Wandgemilde in den Columbarien der Villa Pamphili, vgl. Jahn, Abhandlungen der bayr. Akademie VIII 272 Taf. II 4) oder die amüsante Fabel- Anekdote vom Esel, der dem Treiber ‘iiber’ ist (Aesop. 335 H., vgl Suid. prov. Coisl. Ps.- Diog. Vind. 237 s. v. Toy byqhcérny) hôchst drastisch zu illustriren (Antich. di Hercol.

tab. XLVII).

2) An dasselbe Thiermärchen erinnert ein von Welcker im Rhein. Mus. XV 157 besprochenes Fragment eines Komikers der véa (8 un dedwxsev n Tiyn xovu o uévo| uam doausitas x&v vnèo Aadav doaun); doch bleibt die Beziehung unsicher, vrgl. die verwandten Wendungen oben p. 33.

_ Tübingen. O. Crusius.

11. ‘Makedonisches’ bei Lasos von Hermione?

In der neusten Darstellung der griechischen Litteraturge- schichte wird als Beleg fiir die arge ‘Kiinstelei’ im Stile des Lasos nachträglich III S. 498 mit Ausrufungszeichen die überra- schende Entdeckung mitgetheilt: Der Hymnus auf Demeter setzt die Kenntniß des Makedonischen voraus (Athen. X 455 d)! Bei Athenaeus a. O. (II S. 326 Mk.) heifit es (in den Ex- cerpten zegi yofguv) :

xal o elc LOLA Anunga riv ep | Eouióvg novi eic TO

Adcom vuros &cwuoc icuv, We quow ‘Houxdeldnc 6 Nov-

1806 Ev Tolt@ meQi movnuzic. ov Zorıv coyn (PLGr. III 376) Aapurqu pénw xoour te KAvuéroio &Àoyov.

83 forw evrogjou xal dAÀwv yelpwr (PLGr. III 666)

à pareod yevouar, narguv de pov di pv9ov vdwg aupls Eyes. umo d tor 9rd uolo noc.

parega uiv otv Aéyes 17 dio ... unmo 7) Antw, quc

Kofov èotì Fvyatno. Maxeddveg 10v ao0dpuòv

xoTov noogayogevovot. Mit 8 83 Zour evnogjous x14. setzt^ein ganz neues Excerpt an, welches mit den Bemerkungen iiber Lasos absolut nichts zu thun hat. Gelesen hat also der Verf. die Stelle nicht, son- dern ‘nur von weiten’ gesehen; und nicht einmal der höchst befremdliche Charakter seiner vermeintlichen Wahrnehmung ver- anlafite ihn, das Versäumte nachzuholen. Aehnliche, oft recht störende Flüchtigkeitsversehen z. B. Verwechselung von Ei- gennamen (III 370, 2 Achaios fiir Aristarchos, 387, 9 Sosigenes fiir Sositheos) sind in dem mit unleugbarem Geschick, aber doch gar zu eilfertig zusammengeschriebenen Handbuche leider gerade keine Seltenheit.

x. y.

Miscellen. 187 12. ’Ovrws in der Komödie.

Der Nutzen von Specialwürterbüchern wird wohl von nie- mandem bestritten, indessen wird es ganz lehrreich sein einmal an einem besonders auffilligen Beispiele zu zeigen, welche Fol- gen der Mangel eines Spezialwórterbuches unter Umstinden ha- ben kann. Dies Beispiel ist das Wort Grrwç. Dieses Adver- bium, welches so recht eigentlich den Gegensatz des Seins zum Schein ausdrückt, hat bis auf den heutigen Tag noch nicht zu einer vollen Anerkennung seines Daseins in einem nicht unwe- sentlichen 'Theile der griechischen Literatur, der Aristophanischen Komódie, gelangen kónnen. Ich stelle kurz die Leidensge- schichte des Wortes zusammen. Die älteste mir zu Gebote ste- hende Angabe ist 1) die in der Kusterschen Ausgabe vom Jahre 1710: im Index heißt es unter 6rrws: Pl. 286. 289 etc. Es folgt 2) das Lexicon Aristophanicum graeco-anglicum von James Sanxay !) London 1754 (neue Ausgabe Oxford 1811) mit 1 Stelle: Pl. 82. 9 Stellen bietet 3) Ioannis Caravellae Epirotae index Aristophanicus (Oxford 1822) S. 235: Pl. 408 (sic!). 286. 289. 837. N. 86. 1274. ER. 190. V. 991. E. 781 nur ist aus Versehen 6rrog gedruckt, und dieser Druckfehler ist in den Abdruck in der Invern. Ausgabe Vol IX 2 8. 508 über- gegangen, obwohl der Umstand, daß unmittelbar vorher die Form örrwr steht, leicht zu der Erkenntnif des richtigen Sach- verbalts hätte führen können. Der Wahrheit sehr nahe kam 4) Fritzsche in der Ausgabe der Thesmophoriazusen (Leipzig 1838) zu V. 673, der (aus eigener Sammlung) 12 Stellen aufführt: N. 86. 1271. V. 997. R. 189. PI 82. 286. 289. 327. 403. 581. 836. frg. ap. Ath. XIV 652 f. 493 D. 586 K. wührend sich 5) in dem Index der Ausgabe von Bothe 1845 nur 2 Stellen finden: Pl. 323. 832. 6) Im Thesaurus Stephani V (1842— 46) heißt es gar: ,,0r7wc Aristophanes nonnisi semel in frg. (586 K.) nec ceteri saepe" -- offenbar eine Folge des Druck- fehlers im Index des Caravella. Auch 7) Passows Lexicon 1852 kennt nur die Stelle in dem Frg., wührend 8) Papes Lexicon (1843) als einzige Stelle Pl. 286 anführt und 9) Jacobitz (1862) das Vorkommen des Wortes bei Ar. gar nicht erwähnt. Den Irrthum des Thesaurus versuchte 10) Kock zu Eq. 177 (2. Aufl. 1867) zu berichtigen, indem er 5 Stellen hinzufügte: V. 997. Pl. 286. 289. 327. 836. Aus Anlaß der Behandlung von Eq. 177

1) Damit sich niemand eine übertriebene Vorstellung des schwer zu erlangenden Buches mache (selbst Blaydes ed. min. S. LXXXVIII führt es unter falschem Titel auf; Beck in der Invern. Ausgabe Vol. III 35. LXVI sagt: ‘lexicon Aristophanicum graeco-anglicum edidisse dicitur Iacobus Sanxay. London 1754. 8.’) bemerke ich, daß dasselbe auf 206 Octavseiten nur eine ganz dürftige Auswahl von Belegstellen

aus den 11 Stücken bietet; die Fragmente sind ausgeschlossen, wohl weil Kuster sie in seine Ausgabe nicht aufgenommen hatte.

a

188 Miscellen.

citiert 11) Anz Progr. Rudolstadt 1871 S. 17 sq. 11 Stellen: N. 86. 1271. R. 189. PI 82. 286. 289. 327. 403. 581. 836. 960. So stand die Sache, als 12) ich selbst in meiner Disser- tation vom Jahre 1878 (Conjecturarum observationumque Aristo- phanearum specimen I S. 19) dem verkannten Worte zu Hülfe kam und seine Frequenz bei Ar. und den übrigen Komikern genau feststellte. Vergeblich! Im Jahre 1883 erschien 13) die mit stupender und stupider Fingerfertigkeit fabricierte Concor- dance to the comedies and fragments of Ar. von Dunbar: S. 226 heißt es lakonisch: ‘uv7wo N 86 «ri... Das Jahr 1886 brachte 14) Blaydes kleinere Ar. Ausgabe mit einem Index praecipuorum vocabulorum: in diesem heißt es (Vol. H S. 565) ‘orrwg revera Pl. 286. 289’ und dem entsprechend in den Addenda und Cor- rigenda zu den Fragmenten Vol. II S. 440: ôvrwç legitur apud nostrum tantum in Pl. 256 (sic!) 289°; auch 15) in seiner Aus- gabe des Plutus erklärt Blaydes S. 425: ‘ortrwc voz rara in comicis: Ar. Pl. 286. 289 f. 493?’ (folgen 7 Stellen aus den Fragmenten der übrigen Komiker). Blaydes Angabe suchte 16) Leo Sternbach (Beitrige zu den Fragmenten des Ar. Wiener Studien VIII 1886 H. 2 S. 252) zu berichtigen, aber auch er gab nur einen Theil der Belegstellen: aufer Pl. 286 und 289 noch 7: N. 86. 1271. V. 997. R. 189. E. 786. Pl. 403. 836. Endlich schien es, als sollte dem geplagten Worte die Erlósungsstunde schlagen und als sollte ihm neben der Feststel- lung seines Besitzstandes gleichsam als Entschädigung für die vielen Unbilden die hohe Ehre zu theil werden fortan als Kri- terium in wichtigen chronologischen Fragen zu dienen: Schanz suchte im Hermes XXI H. 3 S. 439 sqq. das Vorkommen der Formeln 19 0v» und örrwg einerseits, wo dintws, 17 adntela, and, GAnJela andererseits für die Chronologie der platoni- schen Dialoge zu verwerthen. Aber welche Enttäuschung für den Aristophaniker: es heißt S. 441: ,,0rrws ist wahrscheinlich eine Schópfung des Euripides; er gebraucht es Ion 222. Herc. fur. 145 (var. óg3wc). f. 250 N. aus dem Archelaus (auch in der unechten SchluBparthie der Iph. Aul. 1619 kommt es vor). Weiter finden wir ovıwg bei Ar. in dem spütern Plutos 326 und 289. In der Prosa findet sich örıws vor Platon und Xenophon nicht“. Da halte ich es denn für meine Pflicht noch einmal meine Stimme zu erheben, und zwar an einem Orte, der weniger abgelegen ist als eine Dissertation, um end- lich dem unglückseligen Worte zu seinem Rechte zu verhelfen. orrwg findet sich bei Ar. an 15 Stellen: Eq. 177 (im Rav. in den übrigen Hss. fehlt es). N. 86. 1271. V. 997. R. 189. E. 786. Pl. 82. 286. 289 (om. RV.). 327 (Ovis; VU.) 403. 581 (om. VA.). 886. 960 (ivre; R.). f. 586 K. In den Frag- menten der übrigen Komiker begegnet es uns (vorläufig noch nach Jacobis Index) an 7—8 Stellen: Antiphan. 212, 6. 7 H

Miscellen. . 189

104 329 II 134. Amphis 37, 4 II 247 (Grotius für ovzw). Anaxil 30 II 278. Diphil 65 II 562. Men. IV 179, 3. Apollod. IV 454, 1 V. 1. Die älteste Stelle ist also Eq. 177: doch bedarf diese noch der Untersuchung. Der Sklave sagt zu dem Wursthändler: ;fyres yag ws 0 yonouòs ovroci déyei | arno peyiorogs. So haben alle Hss. außer dem Rav., wel- cher zwischen yo und we noch óriwc bietet. Da dies unmög- lich eine Interpolation sein kann, der Ausfall des Wortes vor ws aber sehr leicht erklärlich ist (PL 289 und 581 ist es so- gar ohne ersichtliche Veranlassung ausgefallen), so muß ovrwe¢ auf jeden Fall in den Text gebracht werden. Kock Rh. Mus, IX S. 500 sq. schlug vor yfyra yüg Orrws we 9 yonouoc 00% yr. Da man aber das Demonstrativpronomen ungern entbehrt, so vermuthete Anz a. a. O. S. 15: ylyraı yao ortwe, yonouds ovroci Agye (‘de parenthesi cf. 330’), wobei man aber wieder we vermißt. Man könnte auch denken an yíyr& yao üviwc, wo 00i yorouoc Àéyes oder besser ylyres yàg Ovrws, wc 0 yonsmos quo di (vgl. 121. 195. 1025) jedenfalls aber ist övrws als: von Ar. herrührend zu betrachten. Wer hat nun ovrws in die Litteratur eingeführt, Ar. oder Euripides? Ar. Ritter sind an den Lenaeen 425 aufgeführt, während sich die Aufführungszeit der Euripideischen Stücke Ion, Hercules furens und Archelaus nicht sicher bestimmen läßt. Den Ion setzte Boeckh (de tragg. 8. 192. 203) bald nach 428 an (vgl. Clinton fasti Hell. ed. Krüger S. 69), Bernhardy um ol. 89 (424 —421), dagegen Zirn- dorfer 413 (de chronolog. fabb. Eur. S. 78 - 80); jüngst hat ihn Rich. Arnoldt (J. f. Phil. 131, 1885 S. 591 sq.) wegen schein- barer, mir aber recht zweifelhafter Anspielungen in Ar. Vógeln auf die Lenaeen 114 verlegt. Der Herc. fur. ist nach Zirndorfer (S. 56—63) 421 aufgeführt, nach Hermann und Bernhardy um ol. 90 (420—417) Der Archelaus soll dem Könige Ar- chelaus von Makedonien zu Ehren verfaßt sein, würde dann also in die letzten Lebensjahre des Euripides fallen. Sollte aber auch wirklich die Stelle in Ar. Rittern die älteste uns be- kannte Belegstelle für 0r1ws sein, so ist es doch äußerst wahr- scheinlich, daß dies philosophisch aussehende Wort vielmehr von Eur. zuerst in die Poesie eingeführt und anfänglich von Ar. nur parodisch verwendet wurde: wenigstens zeigen die vier er- sten Stellen tragische Färbung; allmählich erlangte es das Bür- gerrecht in der Sprache der Komödie, wenn auch das achtmalige Vorkommen im Plutos auffällig erscheint. Von Synonymen findet sich bei Ar. nur «2n9ws und zwar 13mal (Ach. 143. Eq. 787. N. 209. 341. 873. V. 14. Av. 507. 1167. Th. 789. 798. R. 501. PI 108. 346), so daß es, vom Plutos ab- gesehen, das Uebergewicht hat.

Vorstehendes war schon geraume Zeit in den Händen der Re- daktion, ehe O. Káhler in der 2. Aufl. der Wolken von Teuffel (Leipz.

1887) Anhang S. 196 unter Berufung auf meine erste Besprechung sich . des Wortchens annahm, allerdings an einem leicht zu übersehenden Orte.

Frankfurt a. O. O. Bachmann

——

190 | Miscellen.

Excerpte und Mittheilungen.

Revue arch. 1888. Nr. 1. 2. Januar. Februar. Sal. Rei- nach: L’Hermés de Prazxitèle, mit Phototypie. Der Verfasser sieht in diesem Werk des jungen Praxiteles eine Allegorie: Hermes ist Arkadien, Bacchus Elis, mit Berufung auf Pausanias VI 26, 1 und auf die 363 erfolgte Versóhnung der Arkadier und der Eleer. Ernest Renan: Inscription phénicienne et grecque, mit Phototypie. Der griechische Theil lautet: Td xowóv» 10v Di- dwriwy MonslInv Sıdwriov. Cagnat: Bronzeplatte aus Cre- mona mit der Inschrift in Abbildung: Leg(tonis) IIII Mac(edo- nicae) M. Vincio iterum Tauro Stat(ili)o Corvino co(n)s(ulibus) [im Jahre 45] C. Vibio Rufino leg(ato) C. Iloratio . . . o princ(ipe) p-.... Der Verfasser hält die Platte für die Bekleidung ei- nes Kästchens zur Aufbewahrung von Geld. Das letzte p er- klärt er für die Abkürzung von praetori; der princeps praetorii war der princeps prior der ersten Cohorte und hatte nach Veget. II 8 die Verwaltung der Legionsangelegenheiten. Aévillovt: Une confrérie égyptienne. Die religiósen Verbrüderungen erschei- nen erst gegen das Ende der Herrschaft der Lagiden, obgleich sie sicherlich uralt sind, während in früherer Zeit in verschie- denen Papyrus immer nur von Handelsgesellschaften die Rede ist. Nach dem Papyrus 115 in Berlin giebt der Verfasser eine Uebersicht über die Verordnungen, welche eine solche religióse Verbindung nach altem Brauch regelten. Die Chronique d'Orient giebt Nachricht von den Ausgrabungen, welche Mac Murtry in Sicyon und Fougéres in Mantinea vorgenommen ha- ben. In Sicyon hat man die Fundamente des Theaters, eines der größten in Griechenland, blofigelegt; in Mantinea das Theater und die Säulengänge, welche den Marktplatz einschlossen, auch viele Inschriften, darunter auch eine Widmung von Philopoemen, entdeckt. Der Verfasser, Sal. Reinach, bringt ferner aus der Amalthée de Smyrne (Nr. 1152, 3—15. Juni 1887) eine Inschrift auf dem Untersatz einer Bronzestatue bei: Muroì tewy llÀa- oımvn | KodBsioesog Oogets | avéFnxev, | durch welche die Lesart Ilactjvns, die man für falsch hielt, bei Pausan. V 13, 7 voll- stindig gesichert wird. Durch Baltazi hat er Nachricht von der Auffindung einiger Sculpturen in Cyme (Namourt) erhalten, welche nach seiner Ansicht einem Augusteum angehórt haben, und da einer der Kópfe Aehnlichkeit mit Tiberius hat, so glaubt er, daß der Tempel diesem Kaiser, deu Wiederhersteller My- rina’s und Cyme's nach dem Erdbeben, gewidmet gewesen sei. Durch das Bruchstück einer wahrscheinlich darauf bezüglichen Inschrift, welches er selbst 1881 aus Kleinasien mitgebracht hat,

Excerpte und Mittheilungen. 191

vervollständigt er die von Mommsen Ephem. Epigr. Tom. II p. 473 Nr. 1045 gegebene, nach dessen Angabe aus Myrina, in Wirklichkeit aber aus Cyme herstammende Inschrift in folgen- der Weise: TI : CAES//// | DIVI * AVG : F * DI;//IVLI n. aug VSTVS : PONTIF /// MAX trib. ! pot EST : XXXVI * IM /// VII cos v |. Von dieser Nummer der Rev. arch. an wird Cagnat regelmäßig eine Uebersicht über die neuentdeckten Inschriften aus den verschiedenen französischen, deutschen, ita- lienischen etc. Zeitschriften zusammenstellen: ein sehr zeitge- mäßes Unternehmen, auf welches wir unsere Leser hierdurch hingewiesen haben wollen.

The Academy 1888. 7. Jan. Robert Blair: Ein Stein aus Newburn-on-Tyne mit der Aufschrift: LEG XXVV | CHO IIII | LIB FRO | TER? MAS | d. h.: Die Centurie des Liburnius Fronto und die Centurie des Terentius Magnus von der 4. Co- horte der 20. Legion mit den Beinamen Valeria und victrix (er- rihteten dies Denkmal) 14. Jan. Robert Brown jun.: Die etruskische Inschrift Gamurrini Nr. 30; ihm zufolge ist fuflun- sul payie-s-vel cudi so viel wie: Wine-god-the-belonging-to: Bac- chanal-and Goat. 4. Febr. Flinders Petrie: Die Kolosse, welche Herodot zufolge auf zwei Pyramiden des Sees Moeris gestanden haben sollen, standen vielmehr, von einer Basis ge- tragen , auf dem Ende eines ansteigenden Mauerwerks und konnten von dem griechischen Schriftsteller, der sie wahrschein- lich während einer Ueberschwemmung nur von fern erblickt hat, als auf den Pyramiden selbst stehend angenommen werden. ll. Febr. Sayce: Brief aus Cypern über die Antiquitäten, na- mentlich das Wenige, was noch von dem Aphroditentempel in Paphos vorhanden ist. 25. Febr. Robertson Smith: Der Weg aus Syrien nach Aegypten. Es giebt zwei Strafen. , Nur der eine Ort an der Küste, nümlich das Cap, welches die eng- lische Karte und the Mediterranean Pilot (1885) Kas Bouroun nennen, kann der sandige Hiigel sein, welcher beriihmt ist durch den Tempel des Jupiter Casius und durch das Grab des Pom- pejus". —- Naville: Vorlesung über Bubastis etc. Fortsetzung aus 21. Jan. Die von Onias unter Ptolemaeus Philometor ge- baute Stadt hat nicht im Nomus Heliopolis, sondern in dem Nomus Bubastis gelegen; es giebt nämlich außer dem in der Nummer vom 21. Jan. erwähnten Tell-el- Yahoodie noch ein zweites gleichen Namens; 10 englische Meilen nördlich von dem ersten befindet sich eine Niederlassung aus römischer Zeit und 6 englische Meilen weiter nördlich von dieser das zweite Tell- d-Yahoodie und die deutlichen Spuren einer jüdischen Nieder- lassung, welche durch die Gräber, namentlich durch den Stein unter dem Kopf des 'lodten, zweifellos als jüdisch gekenn- zeichnet ist. Der in einer Inschrift vorkommende Ausdruck aiorıg xai Xugss, sonst nicht üblich in griechischen Inschriften,

192 Excerpte und Mittheilungen

ist aus dem hebräischen iibersetzt. Was jeden Zweifel beseitigt, ist der Name ‘Orlov, von welchem der Anfangsbuchstabe allerdings nicht vollständig ist, auf einem Stein. Wahrscheinlich sind ferner hier die im Itinerarium Antonini erwähnten Scenae veteranorum gele- gen gewesen. 38. März. Max Müller: Fors Fortuna; der Verfasser verficht seine Ansicht, daß Fors nicht von ferre, son- dern von ghar (d. i. dawn, Morgendümmerung) herkomme; Mdyhew dagegen vertheidigt in einem gleich darauf folgenden Aufsatz die Ableitung von fero durch das Etymologische Wör- terbuch der deutschen Sprache von Kluge, in welchem fors mit dem altdeutschen (gi)burt, dem angelsiichsischen (ge)byrt zusam- mengestellt wird, die denselben Sinn haben und welche die von Maz Müller für nicht erklürbar gehaltene Entstehung des Vo- kals o aus einem e hinreichend beglaubigen. S übrigens auch Bradley, 10. Mürz, so wie Gudbrand Vigfusson, 17. Mürz, der das Isländische durör (ursprünglich Geburt) von bera, tragen, gebüren, welches in den Sinn von fortuna übergehe, heranzieht. Isaac Taylor: Die Hyksos, für den mongolischen Ursprung derselben; dagegen in 17. Màrz für die semitische Herkunft Tyler, der die Hauptgottheit der Hyksos Set oder Sutech mit dem hebräischen Shaddai (Exod. VI 3) identificiren zu können glaubt; andererseits meint, 24. März, Tomkins, daß, wegen der deutlichen Kennzeichen in den Abbildungen, wenigstens die Führer Mongolen gewesen sein müßten. 17. März. Naville: Bubastis. Der Tempel zu Bast (Bubastis), den Herodot als ei- nen der prüchtigsten schildert, hat, bei den letzten Nachgra- bungen, außer Resten von Kolossalfiguren mit den Namenszug- verzierungen (cartouches) von Osorkon II und Rameses II, Sculp- turen ergeben, welche ein Fest Osorkon's darstellen: Priester und Gottheiten treten auf ihn, der in einer Nische sitzt, zum Theil in groteskem Tanze, zu, vielleicht sein Krónungsfest.

The American Journal of Philology VIII 4 (32). Robinson Ellis: Further Notes on the Ciris and other Poéms of the Appendix Vergiliana. Der Verfasser theilt mehrere Lesarten aus einem Manuscript des Corsini-Palastes in Rom 43 F, 111, 21 bezeichnet, zu dem Gedicht Ciris mit und baut darauf einige Conjecturen; sodann giebt er aus dem cod. Vat. Lat. 3269, welcher fiir an- dere Dichter, die er enthält, Catullus etc. schon benutzt, für die Dirae noch nicht verglichen ist, die sämmtlichen Varianten des- selben für dieses Gedicht an, die wichtigeren besprechend. Perrin: The Odyssey under Historical Source-Criticism, mit Bezug auf Kirchhoff, Die homerische Odyssee, auf von Wilamowitz- Moel- lendorf, Homerische Untersuchungen, und auf Seeck, Die Quellen der Odyssee, besonders auf des Letzteren Buch. Seaton: The Symplegades and the Planctae; Nachweis, daß sie verschieden waren.

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X.

Griechische Sprichwörter.

Im cod. Pal gr. 129, einer Heidelberger Excerptenhand- schrift vom Ende des XIV. Jahrhunderts, befinden sich einige wenige Excerpte aus Sammlungen griechischer Sprichwirter, welche es vielleicht verdienen veróffentlicht zu werden.

Dieselben stehen auf Fol. 118" und Fol. 120. Aeußerlich zerfallen sie in drei Gruppen.

Die erste auf Fol. 118": die Sprichwörter I 1—29 in 36 Reihen fortlaufenden Textes, die letzten Worte püsç-uxgareis so unter der 36. Reihe, daß man erkennt, der Schreiber habe mit diesen den Satz schließenden Worten erst keine neue Seite be- ginnen wollen. Die einzelnen Sprichwürter mit ihren Erklürun- gen werden von einander durch Doppelpunkte getrennt. Am Rande links, etwa der 8. und 4. Reihe des Textes entsprechend, von derselben Hand, Feder und Tinte :+nugoulus ıwv Kw coqwr. Natürlich sollen diese Worte die Ueberschrift bilden.

Die zweite Gruppe ist in derselben Weise wie die erste geschrieben. Am Rande rechts, der 2. und 3. Textreihe ent- sprechend, von derselben Hand die Ueberschrift :+augowulus xai avtri. Auf Fol 120" in 36 Reihen I 30— 50, Fol. 120° die ersten 13 Reihen I 51—70. An I 70 schließen sich auf der 13. Reihe unmittelbar, nur durch Doppelpunkt getrennt, bis Reihe 17 Mitte folgende zwei Apophthegmen : Kagos 6 giAócogoc

Philologus. N. F. Bd.I, 2. 18

194 M. Treu,

8 CASnvav aveddwv dv ry Bacılevovon xal Feacapevos ta Gtoi- zeta dv 10 inno, aywve Epn° duoruyn wos ta narra palverac, el Tava 14 Grosysin GANFevovor. Kai Iva ti n nos avin xadé- GrQxtv. 0 quÀOGoqoc "AoxAnnıog &vayvovg ta dv TH wuguaow yocupata egy’ ayadov un pIaca Tore uÉddovia ytvé£oO au, wc xai wot xéodog nv 10 un dvayıwvas: Mit Reihe 18 be- ginnen andere von späterer Hand geschriebene Excerpte :+ 6 adodssyos rov udolésyou: owoual ce avdice vor ov GyoÀaGur 0 Hiatwry nagnver roig nodituss u. 8. f. :

Die dritte Gruppe auf dem Rande von Fol 118" und Fol 120* und zwar:

II 1— 6 auf Fol 118v oben in 2 Reihen 1— 9 » » » links » 17 » 10—14 120r oben , 3 ,„ 15—23 , , rechts, 40 , 24—25 , » unten, 1 Reihe.

Die erste und zweite Gruppe ist indessen in eine (I) zusam- menzufassen. Denn einmal sind beide von derselben Hand (von I 36 Ende des Fol. 120" Lin. 23 an mit anderer Feder), so- dann lehrt eine Vergleichung mit dem cod. Athous, daf I 18— 29 auf Fol 118° und I 30—45 auf Fol. 120" unmittelbar zusammengehören und einer dem Athous nahe stehen- den Quelle entstammen. Die zweite Ueberschrift z«ooi- ular xai avrus spricht nicht dagegen. Sie erklärt sich daraus, daß diese direkte Fortsetzung von Fol. 118” erst geschrieben ist, nachdem derselbe Schreiber auf Fol. 119" Excerpte anderer Art gebracht hatte. Denn aus einer Blätterverschiebung läßt sich das Dazwischentreten des inhaltlich fremdartiges enthaltenden Fol. 119 nicht erklären. Es ist für mich keinem Zweifel unterworfen, daß diese der ersten und zweiten Gruppe angehö- rigen Sprichwörter, die ich mit I 1—70 bezeichnet, direkt aus einem anderen, sicherlich vollständigeren Ex- cerptencodex abgeschrieben sind. Diesem aber, also der Quelle unserer Sammlung, mögen drei verschiedene Sprich- wörtersammlungen zn Grunde liegen: A) eine alphabetische, auf die I 1—17 zurückgeht; B) eine dem Athous verwandte, I 18— 46 (auf die mich zuerst Leopold Cohn aufmerksam gemacht); C) eine ebenfalls alphabetische, die mir besonders deshalb be-

Griechische Sprichworter. 195

merkenswerth erscheint, als sie von den 17 nagowulas Alownov 4 enthält, und zwar in derselben Folge (I 53. 58. 69. 70). Oder beginnt diese Entlehnung aus der alphabetischen Samm- lung bereits mit I 40? Dafür würde sprechen, daf von den Sprichwörtern I 18—46 allein I 40 nicht im Athous zu finden ist, wohl aber auch unter den Aesopischen vorkommt.

Die an den Rand geschriebene dritte Gruppe (II) steht mit den anderen in keinem Zusammenhange. Denn einmal findet sich I 15 in dieser in abweichender Fassung wieder (II 6), so- dann ist die Schrift am Rande, trotzdem sie der im "Texte sehr ähnlich sieht, doch nicht von demselben Schreiber; zum Be- weise führe ich an, daß im Text das «+ von ém regelmäßig punktiert ist, am Rande niemals.

Im Folgenden bringe ich den genauen Wortlaut der Hand- schrift, auch mit Beibehaltung der Accente. + subscriptum steht zufällig nur einmal. Abweichungen der Handschrift habe ich unter dem Texte angemerkt.

I. [Fol. 118v]+ Hagotulartwy ÊEw cogo».

[A]

l'4doy?9 Zxvolu Ev rove xoig eefhinIn nuod wr ' A9n- valwy Oncsds xui ixfAn9tig avi AFe mods rov Avxoundnv dy rj Sxvew we noòs YlAov- 0 Avxoundns poBoyueros un 6 Onoeds éxBain avrov 15c Puoidelas povedoug èxeice EJape . clita. ÉAaglov of °A9nvaios yogouóv ereveyxas ta dork 100 Onotws' olrwes xai uerevsyxovres EFupav dv ın Arai:

2’Aqoxadinv yu ulteis: Auxsdaruovior rmodsuovpuevos Und tv Teysurwv noovto rov 9eov, mus dv rmepuyevwvias 6 Éyonoer oviwc^ > Agxadiny u alrig: péyu wm’ ulreîc otro, dwow :

3 Euuvtrw fadavevow: your Épuur® dıuxornow:

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1 4eyn Zxvoic fehlt 2'Aoxadinvp aiveisg fehlt 4 Zaives

18*

196 M. Treu,

6 Ev dI dgacxndlerc? èrì tov un duvauérwvr Audety na- 0000» neolontog ècrir n adwc :

7‘H xuwv &v ı5 qurvg* ni wy unis 100€ ti wosouvrwr, une GAove Èuvrwv* nagosov N xvwv ovre avi) xguJüg éoFles, ovre 10v nor dà:

8 "Hioc tor nkov, xuinurrakoc EEexoovoe nattadov:

9 Auyws xudevdes: Eni vOv nooonovovuévuv nxouucdui :

10 Alvov div ovvunreıg' éni rv BOTH RQUItOYIWY:

11 "Etw Btdwy xa9:9a9os* muoursi paxgav lordsus TW oyAnoewy :

12 Kugixóg reayros' eni wy edrehwv Ovrwr:

13 Kontitev: éni 100 wevdseotas xol unarav EFrafav Tv AéEw :

14 Kav ano vexgoU pégeuv àni züv xsgdowovruv ano mevijiwr n vexQQ :

15 Kuvdugou oxiaí: ini vOv pofovuérwr 16 ur akia pofov:

16 Mié weils undì wedloous: dni wv un Bovloufvwr na- Jeiv th padlor utra ayadtov:

17 IlégdvE ogovaor: vil 100 ragéws bade: Ene:dnneo ro Cwor rovio tayo meduMheodur níQuxe:

[B]

18 To Awdwvuîtorgyuixetov: stonras é£ni wy nolÀà da- kovvıwr dy. Awdwrn yag yudxeiov Enì xlorog Ev uerewow xeiGJut qaot, nAnolov Ep Éré£gov x(ovoc Eorurui maida éEnorguérov uaotiya yuAxQv rvevuatog xivgOérviog ue- y4Àov tjv uaGnyu moÀÀexe. cl; tov AEBnta Èèunintev xai

3 ~ e N he > x Av . ijyeiv oviw rov deBria &ni moldy yoovor:

19 Hoóc dvo o?0 6 “Houxinc: nyour mpóg dio dodtere- Grégous ovo’ 0 moÀÀa ardoziog:

20 °E» Kagi 0 xlvduvoc: ini rir èEulprns x«i d9goor toic xuvduvross TéQununtOVTUM :

21 “ddic douig: àni riv dx puvdoregus dsalıms Épyouérwr àni tu Bsdtfovar àneidr] xaragyác arIguwioi Balavoig dovr TQEPOmEVOL votegor toig Anunigiaxoîs eugedeios xegmoig &yonoavıo:

22 "“Ahiny dovr Buakuvıbe: Eni rv ovveywg ulrouvrwr ragu ıwv dedoviwy ovroic:

14 xavsov für x&»

Griechische Sprichwörter. 197

28 Alwv pootog: Futogog Tig pact inv vary mAnguioas adv Ende vivwoaviwy wy vuutwy eloeAdovoa n Fudacca TOUG re &Àag èEEmmée xai thy vavv xutemovmoe :

24 Anurıov xaxov: elonra. n rmagosula ano twv ev Afuvo yuvarivv, af rov; avdgus Èpovevour, éyxudovou, bu uv- tal; ovx éulyvuvio qevyovies ımv Ig O0unc dandiav, nv agooífaisv avraîs n Ayoodiın unnuouca :

25 Evdvulwvos unvov zuFevdes‘ éni tav navv onvglqgv elogia, Ensıdn Ev rove modes ıng Kugtuc 6 “Ynvog égacdeis nudos Evdvulwvos xudovjévou Eri xai viv aviov xai£ytw xouupevov dfyerui :

26 Tur Ada x«i yeiga xlves ovnlaing tic wo pace tov Ovor tl; BoFoov ugeis eire tuig yeooiv avélxwy to ‘Hoa- xAei noocnv&uro 0 Hoaxdig éxéhevosv adtov ty yeioa. Onovdurorsgwe roocpéoeuw xai ımv Feov enyxudsiotac:

27 '" Y yvéoregovy xgotwvog* éni wy navy vysawovrwy N na- qoiulu elontar ano tov LWov tov xgorwvog‘ Asiov ydQ gouv Glov xoi vywwwóv* péuvntas toviov Mévavógog dv Aoxgois:

28 Tovyovog Audloregos:* wi tovyoves ov wovov roig oro- pac, alla xui roig Omodsv uégeow jyovow elontas éni tw molla xci &mavora dudourtwy:

29 Mig Aevxog' éni tuv axoutwr megi ta ' Apoodlou ened) xaroıxldıoı eg xoi wudiota ob Aevxol megi riv Oyelav

aloir üxgareig : [Fol. 1207] + wagosplas xoi avıuı.

90 °AAin9éoteou rm» à ni Suyoa' Aoxgoi noÂeuor Eoyov moog roùç Kgoorwvwítag x«i Emsuwav eig Aaxsdaluova cvupaylus deouevos unexolvavro , diL duvauiv uév dwoovoi, 1oùç Aiocxovgovs uvtois cvuntupovow avactgépurtes Auxgoì usia TW Aiocxovowv uayns yeyernuérng vexwos rovg Koorwwarus. ımv vixnv èx tov avtomutov Quum tig nyayev sig Auxedaiuova undevog > E - , [N 9 , agiypévov ayythov, pera de tavta eAdovtes wig anny- yeshav rj avın nuto ysyeviGOas thy payg» xai ijv vi-

. > x + 3 ~ N s ENS ~ , 3 x. enti ovv ahnd7 Eloi ta ano ING uns ayyti3Sévra,

30 dsooxogous; aber dsocxovgwy

. 198 M. Treu,

elg magosplav coquus dni wy navy aAnddr. Suyou êoTu 0 tonoc, dy à) ) uuyn yeyévntac:

31 "ABudnvor ànigoonua* EFog jv toic. ABudynvoig peru deinvoy xai tig Omovdag moocuyer roUG Muidug wer Iv TT1IOV roig eUwyouuérous KExQuyOTWY tw muidwv xal JoguBou yevoutvov did tag ılıdasg andluv ylvectas modi v roig dastvuociv* 09ev slontar n magousla ri andar:

32 Suodwwviosg y£Awg* dni tw un ix xaduoùs wwyns ye- Awrrwy un yuvovons ng duuvolug Myeras, OU dv Sagód vj vnom yiverui Poruvn oellro negandnolu, nv ob nooceveyxuäuevor doxovcı piv yelar, onuoum anodvioxovow :

33 Orou naqouuvpews* xeguusts tic nolods Ogridaç tv rj toyacinoio Gvvnyer” bros nugudr axodovFouvros auelüç tov OvnAutov nuguxvyus Out Fvoldos d&vecofnos toug oguducg xai ra dy 10 Eoyucinglo cuvéroupe Oxsun o youv xeouuedç Ent xglow ellxe 10v Ovnlarnv, Og xai gow- tupueros UNO navıwp, ılvog xoívovo, PFAeysv Ovov nu- gaxvupews. elontas 7) nugowle Eni 10v. xatuyehacTws Cvxogpuviovuevwv :

94 Kıvsig vov Avayvoov* éni tw nag uxivovrviwy rwa ni 10 Éavidv xaxdv elonraı Avayvoos yao Now; àmyw- Qi0g tic toc éxysstovwy udr@ olxovvius &x B 99v. dvé- zoewer, éneudi) TO 700v avrov UBolous Eregelongav:

35 ‘O Kaondd3iog tòv Auywv' ri rv Éuvrois emonwue- ruv xaxa. ob yag Kagnuïios énnydyovio ini ijv Éuvrwv vnoov Aaywovg, un Ovıug rmooisgov olrives noddoì yevo- pvo, tag yewgylus uvtwy tivunvavio:

36 ALE Zxupla éni züv rag svegyeclauc dvargenoviwy, nei moÀÀdxig ta ayyéia Gvargénes n all. uAlos puoir émi 1)» ovnoipoguy Àéyeoda dia to noAd yala qígQ&w ras Zxvolas atyac:

37 Avxos nrsegwra Cntrsi’ dni vu» aduvatwv Atyetas:

38 Kuvvesoc Egug* Eni wiv un xarogIovpevwy envIumswr 6 Kuvvog yag xai n Buflis Nouv adeAyoi neo tiv Ev- Boar’ épacdeioa tov adelpou n Buflis 10 nudos noòs

32 oslnvw 37 sic! 38 beidemal xuBlsg naga mv evfoiav

Griechische Sprichwörter. 199

av10» œuoloynoer 6 qevywv rjv ul elg Kaglay doradn x axeî Kavvov Extioe moûvr: n un pé- govoa inv Enebupiav avethev Eavıyv:

99 Tavidiov r«Anvta* Eni ıwv miovolwv selon N mago pia, ws 1ov Tavtahov xni Feopehovg yevouévou xol

miovolov: [C]

40" Aveu yaAxov GQoifloc uavreverai tiv loyuv 10v10 Onuaives Tor DWowY:

41 Alavissog yélwe: éni zv nagagoorw:

42> Awovddtegos Asıßn$olwv‘ dyovra ovros Ruovootegoi maviwr, Eredi nag «vioig 6 tov Oogpéws èyévero Guvatos:

48" Mei xolosvóg mag xodosov ilaves:

44° dei yewoyos ès v£ura whovcios:

45” Argéws duuata* ta dvudÿ xai maonvoua dia thy 7005 tov Ovéorny nagavouluy etontas:

46 "4v n Aeovi un £uxvgvaw ınv GAWMEXTY mgoGuyo»:

4| Avıov.x&xoovuxag tov Baırnoa rig Fvoue' ngog TOÙG mAnosucurtus rwi nocyhari :

48 ‘diay uédiuvov xutagaywr ent plus cuviuovos:

49 °AdAotovovdpas 9égoc:

90 Auroë d0do0g nndnma' ini diulovevopérwv: [Fol. 1207]

dl devregos ndovs* àni zov Td devteou uigouuérwr:

52 dvo tolyous uAe(qeug* Eni vuv xodogruvr xai Enuupo- Teostoviwv : |

53 Eotaı xai ywiwv Ogôouoc to adndov dot:

54. 55 "ES ampov cyorviow mÂéxes ni rw ddvratwv: opoiwg xul 10 el; udwo yod per:

56 Eig wuxaowy vgcovc: isi eudwuovwv:

57 Ex ungoa»c Jeóc avaquvetíg: éni rv angocdoxytwy:

58 "H Zeus 7 Xdowy: yovv 57 eudaluwr Bloc 7 réAog:

99 ‘Hoeaxlerov vócov: Akysı mv tegav vooor:

60 XPFovea hovieu’ wm roig vexgoig Émipegoweva :

61 djaxóv xontecc?):

39 ralavtoy 50 dudas avro? 58 7 Xaowy télos, Xdowy von derselben Hand durchstrichen

1) [Vor diesem Sprichwort ist das Hauptlemma, unter welches auch 62 gehört, ausgefallen: yauai avrheis. Cr.].

200 M. Treu,

62 Kata wayatowy xvßıorac:

68 ’Qyuysa xuxd* ta nalmd fj td yolend:

64 del piva ngóg ro ovoatov decuetv éni tar pr durautvuv noımoas 0 BovdAovtas magocov ov duvatul Tig dou 10v delpiva mods ro ovonior did 10 evodsoFor:

65 ‘Aheevco nÀqy eig voùr otces éni 10v ueruuelouérwr et- Qntas. act yag, Su dAsedg Tovg dhioxoptvovs rq Avo ly9vag petaysroilomerng xal nÀgyeig tno oxognlov Egy’ vov» olow xaì rolg yeouì iwy veoFnoevtwy lyO9uwv ovy ayopuas :

66 Eltguriu ix pulas mouvet éni ıwv wae èhauysora xoi surely énosgovruv xai utyuÀa mowvviwv:

67 Hiódov woneg tlc dj Àov nifovieg' ni viv aygor- tlotws miedviwr na0000v tv Anım ti vjow wléovtes ov dedolxaci un muysity xoi dia rovro adovow :

68 ‘Avéuov nasd(íadytvovro ini tav xovpwr xai wwowr:

69 Maxousèintdacs pio: 70 Payttw dÉwy xai un &AwdnqE:-

II. [Fol. 118° in marg.]

[20. 21] 1. 2 Tisacg xaxdv* xai navy vos serv:

[22] 3 "Ix 90v vixecIa: dsdacxesc® ni tv didacxor- tw à énloratul rig :

[23] 4 Kaxoi novnelas nívovovv ouíyAmv: àni xar' akiav riuwoovptruv :

[24] 5 Kanvov oxıa ni tu Aav cvrtàQv xai underòg aklwy :

[25] 6 Kardagou cxsa° ènì wy pofoupérwy & de:

[17] 7 ’Egıvvwv drogew: Mni wir dvosdwy: [18] 8 'Eyivogc tov zóxov àvaflaAAev AMyszas dg! wy ro avafadieodas meds geigov yíveras* of yag xegcatos

7 deewvuy 8 avaßalln

Griechische Sprichwörter. 201

~ x 9 e A Eyivos xevrouuevos avéyouos Tov toxov’ El voregov vito zgayvılowv tw tuBovwwv xuxıov Anadliatrovory Ev 1H toxQ : ~ , ~ [19] 9 Zg 7 xvr oa, {7 7 porta:

[Fol. 120r in marg.]

[16] 10 'oyvoov xoÿvus Aulodouv* Pnj ıWv amasdevitwv uér, diu nÀovrov nagonosaboufvwv DneofloAgv:

[15] 11 "MoózQ o dxovillesc: ani tv acxéniws ti nos- OvYIWy : i

[14] 12 'Moxasórego ıng dipdéous Aéyeuc éni wy cudoù xal nalasa Asyovıwr’ naunddaios yuo 4 dipFéoa, éy 7 xai puot Tov Alu anoygupecFus Ta yuvopeva :

[13] 13’4An0 dig È xvuat wv»: èx petagogas rov. eni povois xuduspopétruv® oùros yàg dic È xvpacw sacs ta iuauu muvee:

[12] 14° Ano xwnng éni Biwu’ ent wy ateows evtv- ynoaviwy:

(11] 15° Avintorg nociv emi To téyos &veuovv* ni wy anasws Ent uva toya xal moakess Gquxvovpé£vov :

[10] 16"Av$ownos àv9owunov davuóvsov: ini zv a7goGdoxjrwg vm av9gwnwv BonFovutvwv :

[8. 9] 17. 18'4»é£uov wedlow ini ıwv ceóuerafoAov: xai avdowrosevginog 10 avro:

[7] 19 Ardoì Avdò woaypar ovx nv, è d EE- el dwv Ènolato* ini rw xaxa Euvroig emonwuévwv:

[5] 20"4220t6g wiv yidürru, ahious yougíos* nugócov ob uiv dado, of puyo:

[5] 21”4140 yluvë, à ko xoguwrn pdtyyetae:

[4] 22 °AAXnAescpuétvos Bloc: êni vov étoluwr :

[3] 23 °Aerov yeas xogvudovvectns: êni 1)» x&v tw ynoa nÀÉov rQv vémv evdoxswourtwr :

[1. 2] 24. 25 "Mya 9 0v Falaucca' xuiuyux 9 dv 6wo006°

ini apdovwvr dyadiv.

|

18 sdpsnos avdowros 20 youpos Breslau. M. Treu.

202 O. Crusius,

Einem Wunsche des glücklichen Finders und Herausgebers der vorstehenden Excerpte entsprechend, fiigt der Unterzeichnete einige Bemerkungen iiber ihren Werth und ihre Stellung zu ver- wandten Ueberlieferungen bei, ohne jedoch den Anspruch zu machen, in allen Punkten zu einem abschließenden Resultate gekommen zu sein,

Cohn und Treu haben bereits die Beobachtung gemacht, daf det Kern der Excerpte (I 18—45 [?]) aus einer dem Athous nahe stehenden Quelle stammt, und daß die ganze erste Abthei- lung in der Hauptsache aus einem andern, vollstindigeren Ex- cerptencodex abgeschrieben sein muß. Bei genauerer Prüfung würde es Cohn sicher nicht entgangen sein, daß die Heidel- berger Hds. (P, im Gegensatz zum p[arisinus] des Vulgärzeno- bius) in engerer Beziehung stehen zu dem zuerst von ihm (Zu den Paroemiographen V S.1 ff. verwertheten Laurentianus LXXX 18 (L*) als zum Miller’schen Athous mit seinem Gefolge. Die Sprichwörter 18 39 finden sich freilich alle im Miller’schen Athous, und zwar in derselben Reihenfolge:

Pal. Ath. L? Pal. Ath. L2 18 | I2 | 9 29 I 56

19 5 3 30 58

20 |. 7 31 65

21 16 9 32 68

22 | \17 10 33 70 29 23 ‘18 | 34 75 31 24 | 19 11 35 80

25 20 12 | 36 85

26 36 | 37 87

27 53 | 38 | [I1 8] |

28 55 | 39 | II 66 |

Aber der Artikel Nr. 38 Kuvvetog Fowes ist, mit den übrigen 15 ersten Nummern der zweiten Reihe, im Texte des Athous und seiner Verwandten ausgefallen und nur im Sprichwörterverzeichniß erhalten.

Die Vorlage von P war also, genau wie die von L?, vollstándiger als die des Athous. Ferner zeigt der Palatinus und Laur.? trotz aller Differenzen , gewisse gemein-

Griechische Sprichwörter. | 203

schaftliche Eigenthümlichkeiten in der Anlage der Excerpten- reihen (s. d. Tabelle) und der Excerpte (vgl. bes. Nr. 42 wört- lich = Z? III 1 S. 29 Cohn, und Nr. 45 = L* IV4S. 301) im Gegensatz zu allen andern Handschriften). Sie sind also aus einem Archetypus abgeleitet und repräsentiren gegenüber ALV eine zweite Handschriftenklasse.

Von diesem Standpunkte aus läBt sich nun auch über die alphabetisch geordneten Sprichwörter C 40—63 nebst Anhang 64— 70 ein Urtheil gewinnen. Der Schreiber der Vorlage des Pal. hat offenbar nicht unmittelbar aus einer „Vulgärhandschrift“ geschöpft, sondern Stücke aus dem nichtalphabetischen Zenobios (42 = L* III 1) und Plutarch (45 = L? IV 4) und aus den in L? angehängten alphabetischen, aus der Vulgärüberlieferung geschöpften Sprichwérterreihen von neuem nach dem Alphabete zu ordnen versucht), dabei aber doch noch etliche nicht um- geordnete Nachträge (64—70) zu machen für gut befunden. Außerdem hat er, wie Treu gesehen hat, die sogen. ‘proverbia Aesopi’ benutzt): und diese sind auch in L? (vor den Zenobianischen) erhalten (vgl. Bandini II 466; Cohn 8.39). Daß die Sache sich nicht umgekehrt verhält, d. h.: daß in L? nicht etwa eine alphabetisch einheitliche Vorlage nach Art des Palatinus in verschiedenen Absätzen excerpirt ist, ergiebt sich mit Sicherheit aus der im Palatinus beliebten Einreihung Zeno- bianischer, Plutarchischer und ‘Aesopeischer’ Artikel, die in L? noch an ihrer alten Stelle stehen, sowie aus der Umstellung des Sprichwortes ix unyaunc 9eóg avapavels (so L? für ano pny. d 184, Suid.) aus dem Buchstaben & (in L steht es zwischen ano dic Ente xvuurwr und anodoyos ° Alxlvou, wie und pg. in den Vulgärhdss.) in den Buchstaben €. Beide Fälle beweisen, daß der Redaktor des Pal. verschiedene Sammlungen zu einer einheitlich alphabetisch geordneten verbinden wollte.

1) Pal. 41 = L? Va 32; 49 = L? 3; 48-50 = L? Ve 109 17; 517 = 12 Vb 4. 6; 57 = 1? Ve 14; 60 63 = L? Va 196 200. 2) Pal. 40 53 58 69 70 = ‘Aesop.’ 135 6 15.

3) Ueber die proverbia ‘Aesopi’. in den sich Byzantinisches mit An- tikem mischt, vgl. Rhein. Mus. XLII S. 386* 395°. Der Name mag dadurch veranlaßt sein, daß die Sammlung auf die Aesopea folgte. So citiert auch Georgides bei Boisson. Anecd. I S. 10 den Spruch avdoos yipoviog ab yvados Baxtpoía (bei ‘Diog.’ u. s. w.) unter dem Lemma Alownov.

204 O. Crusius,

An Zahl der Sprichwörter ist der Laur.” dem Palatinus weit tiberlegen. Aber die Heidelberger Excerpte geben, gerade in den werthvolleren Zenobianischen Bestandtheilen, ziem- lich ausführliche Stücke vom Texte der Erklärung, wo die Florentinischen uns mit dem bloßen Lemma abspeisen. So wird uns erst durch dies #ou«îov die Möglichkeit eröffnet, das Verhältniß des Archetypons dieser Hdss. zur athoischen Recension annähernd zu bestimmen. Dies Archetypon war der Vorlage von A(th.) L(aur.)' V(indob.) nicht nur dadurch über- legen, daß es die ersten Blätter von Zenob. II enthielt, sondern es bot den Text auch vielfach in vollständigerer und reinerer Gestalt, denn noch in den spärlichen Heidelberger Excerpten finden sich dafür Beispiele. 27 bietet P(al) richtig rois omoder wegeoıw mit b; der Athous hat uéleouw. 32 hat P éni ıwv wn ix xadaoaç wuyÿs yelmvımv nde yuıgovong ing diavolag, der Ath. Ent rig diuvolag undì yasgovons yedwrrwy (ohne wuvyns); die Vulgürhdss. bieten theils un ix y. diavotas y. (b 833), theils un i x. woxîs, haben also den volleren Text des Pal. vor sich gehabt, 37 steht im Pal. Avxog xregwrà Cytei, Àvxov mrega im Ath.; die vollere Form des Sprichwortes ist à/xov nrega Cy- eig (vgl. Leutsch zu Ps.-Diog. 504 S. 270). 39 hat Pal. rich- tig ws toV Tuvradov xai IFsopidovs yevouérov x«i niovO(ov ; im Athous fehlt das zweite xaf. Von besonderem Interesse ist außerdem der Demon-Artikel 38 Kavvaoc £gwc, da er im Athous ausgefallen ist. Gegenüber den ‘Anal. ad paroemiogr.’ p. 135 behandelten Vulgür-Hdss. bietet der Pal. nicht nur etliche for- melle Besserungen, sondern hinter ?o:&àg auch den sachlichen Nachtrag xaxet Kavvov Exuoe nolw. In weitaus den meisten Füllen freilich müssen (wie besonders der Vergleich der Vul- gürhdss. lehrt) die Abweichungen der flüchtigen Heidel- berger Excerpte vom Athous auf die Rechnung eines byzan- tinischen Redactors gesetzt und die Zusä:tze (beson- ders die Erklärungen unter Nr. 19. 20. 25) als Interpola- tionen von derselben Hand betrachtet werden.

Wenn nach alle dem der Reinertrag, den die Heidelberger und Florentiner Excerpte für die Kritik des Zenobios abwerfen, lei- der recht unerheblich ausfällt, so lehren sie doch, daf bis tief in's Mittelalter hinein eine ziemlich reichhaltige von A unabhängige Excerpten- Handschrift des

Griechische Sprichwórter. 205

‘Corpus paroemiographorum' existiert hat. Und so darf man den Glauben aufrecht halten, daß von dieser Tra- dition noch größere und besser erhaltene Fragmente vorhanden sind. Ein Suchen ad hoc wird freilich meist vergebliches Be- mühen sein, da solehe Auszüge selten richtig katalogisirt wer- den. Aber auf weitere Gelegenheitsfunde dürfen wir hoffen. Môchten die Fachgenossen, die mit griechischen Hdss. zu thun haben, an den unscheinbaren und namenlosen Spruchreihen, die oft genug als Lückenbüßer fungieren, nicht achtlos vorüberge- hen. Das an sich Unbedeutende und Werthlose kann oft, in den richtigen Zusammenhang gerückt, ein schon aufgegebenes kri- tisches «a209gu« endgültig lösen. * *

*

Zwei Stücke haben wir bis jetzt bei Seite gelassen I A (1—17) und II. Das letztere, von andrer Hand an den Rand geschrieben, bietet keine besondern Schwierigkeiten. Die ein- zelnen Bruchstücke sind in sich alphabetisch; der Schreiber hat aber mit den letzten Blättern angefangen; man muß daher in der am Rande angedeuteten Weise von rückwürts lesen, um die Reihenfolge der Vorlage zu erschlieBen. Die Lemmata finden sich ohne Ausnahme und meist in derselben Abfolge in der Gruppe von Vulgär-Hdss., welche Brachmann aus Pseudo- Diogenian abgeleitet hat, besonders im sogen. ‘Diogenian’ und bei Gregorius Cyprins *). Der Schreiber hat also einen Pseudo- Diogenian ausgezogen. Da sich mir kein wesentlicher Gewinst aus der Untersuchung ergeben hat, verzichte ich darauf, dies Ergebniß hier im Einzelnen zu begründen.

Interessanter ist das in zwei Absätzen geschriebene Excerpt IA. Treu leitet es aus einer alphabetischen Sprichwörtersamm- lung ab: mir scheint die Frage sehr discutierbar, ob es nicht direct aus einem Lexikon herstammt. Wenigstens fehlt hier jede Spur Zenobianischen oder Plutarchei- schen Gutes, während sich in auffüliger Weise Artikel . häufen, welche der lexikalischen Tradition des Photius und He- sychius angehören :

4) Vgl. Brachmann, quaest. Ps.-Diogen. S. 359—378. 406.

206 O. Crusius, p b d Phot. | Hes.

1| 31 | 61 30 I p. 275|Paus. Eust. 7 p. 782 (Suid.) 2 | 20 | 169 Ba |Eust. IL B p. 607 (Sd.) 83(258) 397| © = II p. 72 (Sd.) 4| 427) 898|[d"161] S, | (Sd.) 5| | 405] 343 | 23,3 |Athen XI p. 497> (Sd.) 6| 274) 417| (Ip. 535) (Sd.) 7| | 468/[dv183] I p.257| 272 |Paus. Eust. N p. 950 (Sd.) 8) | 488| 416 1250 | (Sd.) 9| 384] 587| 501 | 369 IN p. 3 (Sd.) 10| 396 608| 516 | 389 43 (Sd.) 11, 289, 436| 871 , Lücke | |Eust. Ill. 5 p. 972 (Sd.) 12 | 584| 448 | | II 418 13| 862: 554; 458 ^ 351 II 535 (Sd.) 14| | 584| 484 | 15| | | 588 pu) | IT 406 16, | 663, 558 17, | Il p. 55 -— (Suid.)

Für die Annahme einer lexikalischen Quelle spricht aber

auch die Verfassung des Textes,

die sich nicht sowohl an die

bekannten alphabetischen Handschriften anschlieBt, als an die

Lexikographen.

Pausan. bei Eust. Il. I p. 782, 53 nagoı- pla ... aoyn Sxvola êni TG» svteAdr . A. uno Oncéwsc Anpdeiou, wo qot Iluvouvius, énesdn ènidtuevos ij Av- xoundovg apri xoi JzQUY Thy yovaixe UÜTOÙ TatuUxenurio- Deln.. B.déyes xoi 01i OOTQU xı097- vas ngwıoo 43 1-

yr Os Onoéa icrogei

Hier ein paar Beispiele :

Pal. I 1 èér revs xai- od 9) dEBAr9m naga wy d3mnvalíwv

Onoeuc xoi èxBin- Feic (= B) aride moog Avxounòonv iy 17 Sxl[ow wg 7006 g(Aov* 0 A. go- Bovusros un 0 ©. éxBudy «vtov tig Bu- Othelag qovevoue È

xeice EFuwpe (= A). tira &Aafov oi “AIn- vaios yQmópov pere- veyxas TA OOTA TOU

Zenob. Par. 32 p. 11 = b, d) u. Sx: maqoiula ni adv eÙ- AWP . .: 7u0000v nerowdne xai Zunoa

~ &orıv n Dxvooc.

Die mythographische Partie fehlt in allen Paroemiographen- Hdss. Die Erklä- rung bei Hesych. ist aus dem Zenob. Par.

entlehnt.

5) Das sieht fast aus wie eine Hindeutung auf das bei Suidas er- haltene Theophrast-Citat.

Griechische Sprichwörter.

Osogppactos. Aehn- lich Suid., nur citirt er @eoge. dv roig NQWTIOIG xALQOIS.

Steph. Byz. s. v. Te- yea p. 610 (cf. Eust. a. 0.): Ménidog à. àv ioroglus émis. zgwio neoì Auxedusuo-

yrlwr oùrw quot: ~ 3 3 - 10% oO avroig 7

Ilv3(o. En?’ Agxudle wde* Aoxudinvarà.

Oncéwc olives xai peteveyxovzec EFupay d ın iux.

Auxsdaswovsos n0Àtu ov aevo, UNO TV Teysurov foovro tov deor, nag dv ntQi- , BY yerwrtas 0 Ey ON- e > cev ovr GG Agxa- dinv uw’ alrtig: u£ya p. alrsic, ovtos dwow.

207

b 200 S. 19 Gaisf. * Au alicic (ni rv peyada abıovvrwvia- Petr, yo. 08 ° A. u ai- ic, uéya alıeic, ours dwow. Noch kürzer von der historischen Erklärung nirgends eine Spur.

Den Ausschlag giebt endlich die Thatsache, daf sich ein Lemma, gerade das letzte der Reihe, in unseren Vulgürhdss. überhaupt nicht nachweisen läßt (Apost. 1187 stammt aus Suid.), wohl aber (wenn auch in corrupter Form) bei Photius (Suid.):

Pal. I 17 ngodıE 000v600v' arti tov ragétws 8A9 £: è- oov

Phot. II 8. 55 t zagesEogovcov: Av- crogpurns Tuynrornis* &nt£dwxav oi wer nudiag eldog Evgeoviog n a 0 os- uiuwòd ds Atyeotaur ini rov nagaxedevo- neadnneg TO Touro tuys pueda- 1.090 méqpuxe.

uévwr 1ayéwçixeur n enaddarrecdas

(ähnlich Suid.)

Das Aristophanes-Fragment (523 p. 525 K.) ist ein altes vielumworbenes éroyquu: die glänzende Lösung, die unsere Hds. bietet, erweist alle Besserungsversuche (Blaydes p. 261) als verfehlt denn daB wir das Lemma mit Recht auf jene Pho- tiusstelle bezogen haben, wird angesichts der gleichen Erklirung wohl Niemand bezweifeln. Auf die unstäten Bewegungen des Reb- huhns bezieht sich auch Arist. Avv. 769 &xnsodıxloaı, dazu Hesych. s. v. (aus derselben Quelle [Diogenian ?] ‘Diog.’ Vind. 157 Pl. II p. 27 Ltsch, Greg. Cypr. 180) 10 ... dtudoadvas, ano 10v negdixwy utiuqogixuc* nuvovoyov yuo 10 (wor xai dia- d.dg«Gxov rovc Ingwriuc. Danach hieß xar! drrlpouc ein y w- A ò c xunniog bei Aristophanes und andern n£gdıE& (Avv. 1292, Anag. fr. 53 p. 405 K. Phryn. Trag. fr. 53 p. 884 K.). Etwas anders liegt die Sache wohl bei Pherekrates Chiron. fr. 150 p.

208 O. Crusius, Griechische Sprichwérter.

192 K., wo ich vorschlagen möchte: Euow «à m axow»y (für üxwv, vgl Ach. 638) devgo mégdixog 190mov mit Bezug auf die stolzierende Gangart des Vogels (vgl. Fleckeisens Jahrbb. 1883, 235). An diesem Beispiel vor Allem erkennt man, daß die excerpierte Quelle sehr gut war, stellenweise besser, als die von Photius, Suidas und Eustathius benutzten Lexika.

Nach Alledem ist es recht wahrscheinlich, daß hier E xcerpte aus einem Lexikon den Grundstock bilden, ohne daB man diese Herkunft für jeden einzelnen Fall verbürgen kónnte.

Aber wie erklärt es sich, daß sich jene Lemmata, mit einer Ausnahme, auch in den Vulgürhdss. finden? An anderer Stelle (Anal. ad paroemiogr. S. 106 sq.) ist es bereits nachge- wiesen worden, daf) sich aus dem Vulgär-Zenobius umfangreiche Lexikonexcerpte ausscheiden lassen. In diese Excerpte gehóren auch unsre Artikel. Der Redaktor des Vulgür- Zenobius , wel- eher die alphabetische Anordnung, oder vielmehr Unordnung der verschiedenen Sammlungen des ‘alten Corpus’ auf dem Gewissen hat, fand vermuthlich, wie der Schreiber des Palatinus, vor dem Zenobios in seinem Archetypon ein größeres Lexikon - Excerpt vor und schichtete dann Stücke aus diesem Excerpt, Zenobiana und Plutarchea, unter den einzelnen Buchstaben auf- und inein- ander. So geben uns die Heidelberger Fragmente I 1—39/45 auch ein Bild von dem Arche typon der Vulgärhandschriften.

Tübingen. O. Crusius.

Zu den homerischen Hymnen.

Daf die Hymnen auf Helios und Selene (XXX XXXI) einem Verfasser zuzuschreiben sind, ist schon von Schwenck und Bergk vermuthet worden und neuerdings von Gemoll S. 355 weiter ausgeführt. Unverkennbar ist aber der Hymnus XXIX elg tvi» untéga navıwv der dritte im Bunde. Hier haben wir die- selbe runde Zahl von 16 + 8 Versen, denselben unepischen, an die Orphika erinnernden Stil in Sprache und Verstechnik (rein dak- tylische Verse in H. XXIX XXX je zwei, in XXXI gar fünf), dieselbe ganz elementare, gleichfalls orphisch gefürbte Auffassung der Gottheiten (cf. Hymn. Orph. XXVI Ab.); vor allem aber wird XXX 3 l'aí(ag nasdì xai Ovgavod deutlich genug auf XXIX 17 (Faia) aloy Ovgavov Bezug genommen.

Tübingen. O. Crusius.

XI. Zu Heraklit.

1,

Schleiermachers bahnbrechende Abhandlung hat die Ueber- schrift: ‘Herakleitos der dunkle, von Ephesos, dargestellt aus den Triimmern seines Werkes und den Zeugnissen der Alten’. Von diesen kommen natiirlich zuerst Platon und Aristoteles in Be- tracht. Doch bemerkt Schleiermacher, daß sie beide als Zeugen und Gewührsmünner für die Lehre Heraklits nicht leicht zu gebrauchen sind, und von Aristoteles insbesondere, daß er nicht nur als Vorgänger derer anzusehen sei, „welche dem Manne nicht beharrliche Anstrengung genug widmen wollten, um sich den Lobnamen delischer Schwimmer an seinem Werke zu ver- dienen, sondern auch, indem er die Lehren des Ephesiers in seine eigene Sprache übertrügt, unrühmlich zu spüteren Miftdeu- tungen den Weg gezeigt habe". Gleichwohl läßt er als Erklä- rung für die vielbesprochene Dunkelheit des Ephesiers nur das Urtheil des Aristoteles, mit dem Demetrius (Rhett. Gr. ed. Sp. Vol. III p. 304) übereinstimmt, gelten!) Dieser findet den

1) Pfleiderer findet die Ansicht des Aristoteles ,,etwas pedantisch‘‘ und meint, daß das Maß von Dunkelheit, das man allein zugeben könne, ,,einfach in der Natur der Sache, wie des Mannes und seiner Situation‘‘ d. h. in dem anderwürts betonten Ringen des Gedankens mit dem Ausdruck liege. Dieser allgemeineren Fassung, die jener bestimmteren Erklärung keinen Eintrag thut, wird man seine Bei- stimmung nicht versagen.

Philologus. N.F. Bd. I, 2. 14

210 Christian Cron,

Grund der Schwierigkeit des Verständnisses in einem stilisti- schen Mangel. In dem fiinften Kapitel des dritten Buches der Rhetorik, welches beginnt mit den Worten: 6 piv ovr Aoyog Guvt(Oezos dx tovrwy, tori aoyn tng AsSews 10 EAAnriCeav, be- zeichnet er als Hauptregel und gleichsam Inbegriff eines guten Stils die Wohlverständlichkeit, die denjenigen Sätzen fehlt, & un dadıov diaotltas, wWoneg ta ‘Houxdettov. ta yaQ “Houxieltrov diuot(Eur Egyov dia To adniov tiva: notégw ngoc- XETOL, TO VOTEQOY N TH nootegor, olov Th KOYR uvroù Lov Ovyyodupatos: Dnoi yàg ,,100 Aoyou 10ovd’ éovrog dei ako- veros uvFownos ylyvorrw. adnhov yag 10 dei, mgóg OnoiígQ diuciizai. Das Beispiel ist vortrefflich gewählt, um mit einem Worte die Sache zu erläutern, und empfiehlt sich auch deswe- gen, weil die Stelle dem Anfange der Schrift nicht im al- lerengsten Sinne entnommen ist?) Um aber die schlimmen Folgen des gerügten Mangels für die Leichtigkeit des Verstünd- nisses recht anschaulich zu machen, ist keine Stelle mehr ge- eignet, als Fr. 65, welches in der Ausgabe von Bywater folgen- dermaßen lautet: “Ev ro coqóv uovrov Aéyecdur ovx LIE xai EI Znvog ovvoua. Denn man kann wohl sagen, daß, soviel Worte es sind, so viel und noch mehr Zweifel und Bedenken über die richtige Auffassung sich erheben. Daß das diaorttu bei Aristoteles sich natürlich nicht blof auf das Setzen der Un- terscheidungszeichen bezieht, sondern die richtige Verbindung der Worte, kurz das, was man in der Schulsprache das Kon- struieren nennt, begreift, ist nach dem gesammten Wortlaut selbstverständlich.

Die vorliegende Schreibung , obwohl sie nicht darauf be- rechnet ist die Auffassung des Herausgebers zu verbergen, hat doch auch den Vortheil, daß sie allen sich ergebenden Möglich- keiten freien Spielraum gibt. Betrachten wir also den Wortlaut, so ergeben sich für den aufmerksamen Leser folgende Fragen. Ist £v mit 10 cogo» als Subjekt denn darüber, daß letzteres zum Subjekt gehért, scheint kein Zweifel zu bestehen oder mit Aéyeodu zusammen als Prädikat zu verbinden ? Wird er- steres angenommen, so fragt es sich, ob dann uovror als Prä- dikat oder so zu sagen adverbial zu verstehen ist. Wenn letz-

2) Fr. 2 ed. B.

Zu Heraklit. 211

teres, so kann auch hier die Frage, die Aristoteles bei der von ihm angeführten Stelle erhebt, ‘morfo@ zmoooxtzas, TO Voreoov 7 10 ngoregov, Platz greifen, nämlich ob es zu ro 0090» gehört oder sich zu £v mit oder ohne Zubehór neigt. Am wichtigsten aber sind die folgenden Worte oùx êdéle x«i #34, über wel- che gleich eingehender zu sprechen ist, nachdem nur noch be- merkt sein möge, daß auch die letzten Worte, Zyvoç oùroua, eine verschiedene Auffassung gefunden haben. Schleierma- cher setzte ein Komma vor denselben, und andere, z. B. Zeller in den ersten drei Auflagen seiner 'Philosophie der Griechen' folgte diesem Vorgange. Sie faßen also die Worte als erklä- renden Beisatz entweder zum Subjekt oder zu dem durch A£- yesdas angeregten Begriffe, der nach Maßgabe des bei xadety und ovouubew vorkommenden Sprachgebrauchs als intransitiver Accusativ beigefügt werden könnte. Doch ist bei dieser An- nahme die Setzung eines Unterscheidungszeichens nicht gerade unbedingt nothwendig. Sie würde nur dazu dienen, der Beifü- gung des Namens einen besonderen Nachdruck zu verleihen. Dieser ist aber schon durch die Stellung am Ende des Satzes und die räumliche Trennung von A£ysc2o, ohnedies gegeben. Darum hat Bernays das Komma getilgt. Ihm folgen By- water, Schuster, Zeller in der vierten Auflage des ersten Ban- des, und neuerdings Patin, welcher in seiner anderwärts ?) er- wühnten Schrift folgende Uebersetzung darbietet: ,,Eines, das allein weise, will nicht und will doch genannt werden mit dem Namen des lebendigen (belebenden) Gottes“. Doch hat der bei Aéyesy immerhin ungewöhnliche Sprachgebrauch einiges Bedenken erweekt. Zu schwer darf dies freilich nicht ins Gewicht fallen. Denn die Zurückhaltung, welche Bywater dem Dialekte gegen- über beobachtet 2), hat natürlich ebenso oder noch mehr Gel- tung bei dem gesammten Sprachgebrauch in lexikalischer und

3) Philol. Anzeiger 1887 (17, 6 und 7).

4) Praef. p. XI bemerkt er: , Quod ad dialectum fragmentorum adtinet, non suppeditant quibus freti de universa Heracliti locutione pronuntiemus: veterrimae enim ‘ados leges et varietates nondum per- spectae nobis et exploratae sunt, Ephesiaca dialectus quas proprietates habuerit nescitur, ne de Herodotea quidem loquendi ratione satis con- stat inter eos qui Herodoto operam dederunt. .Accedit quod auctores nostri sua scribarumve incuria saepissime ita Heraclitea tradiderunt ut dialecti vestigia obscurata modo lateant interdum prorsus deleta pe- rierint'*,

14*

196 M. Treu,

6 Ev GI doucxdbeuc dni tiv un duvautruv Aa9siv: na- 00009 neolonıog doriv n &Àwg: 7‘Huxvwv ev ijj putvn* ni 1v unis 1006 v0 xououvrwr, unre addovg Èuvrw° mogocov n xvwuv obre avi) xguJüg êod les, ovre 10v Inmov Eu: 8 "Hioc row nkov, xuinattahos éEéxQgovos nuttadov: 9 Auyws xaudevdes' ni tw nooonoiovué£rov xouucdui : 10 Alvo» Àlvw cuvantrerc? éni rQv TA udré AQUttorIWr: 11 "Ew Belwy xatnoFae’? mugurei paxgav toruddus rw oyAnoewr : 12 Kugixoç Touyos" Eni tv edrek@v Ovrwr: 13 KontiGeuv: éni 100 pevdeotas xol anarav trazav Tv AEE: 14 Kav ano vexgou pégery Eni tw xegdawortwr and TEVTWY n verga : 15 Kar9auoov ocxiai* Eni TW» poBovuérwr 14 un «Esa pofov: 16 Mié wéde undì wedloous: èni wv un Povhouérwr ma- Seiv th pavior peru ayatov: 17 HégoO.& Ogovaor: arrì 100 ruyéws 039€ Pnedineg r0 [wor rovio tayo medJuAkeodur mé—puxe :

[B]

18 To Awdwwvuîorgqyulxetov: stonras émi wv nolÂà Au- dovviwr êv Awdwry yao yudxeiov Eni xlovog èv petewow xelo9ut quot, mAnolov ig” éréoou xloroc Eoruraı maida ÉEnorquéror wacuya yulanı“ nvevcros xiwg9értog uc- yadov thy uaGnyu moÀÀaxes elg tor EBnta èunintev xai

> ~ er M he > x Ao , . nyetv oviw tov deBria Eni modòr yoovor:

19 WMoöc dvo odd 6 ‘HouxXî5g' your noös dio acdere- orégoug ovd 0 xolÀa ardosiog :

20 °E» Kagi 0 xlyduvoc: ini ror éEulprns xai d99oor roic KLVOLVOLG MEQLRLTTOVTWY :

21 “Adic dovos: éni rv Ex pavdoregus dialttts Égyouérwr Eni tu Bedilova' Ensıdn xatuoyac arIguwo Balavos dova rgegoueror VOTEQOY roig Anumrgraxois sUgedeici xagmoig &yonoavıo?

22 "Ahiny dovv Paduvibe: Eni ı@v ovveywg ulıovvrwv nage rv didoviwv avtoic:

14 xaveov für x&v»

23

24

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29

30

Griechische Sprichwörter. 197

- . 3 , x \ - , - Aw» pogtoc* Ewrogos tig paci zy» vary rÀngwous alwy Ende: vivwoaviwr idv vuvrwv eloshdovoa n Fudacoa , bd ot ^ x - , TOUG Te &Àag EEtinte xai THV vuU» xarenovuce: Aáuviovr xaxov: congra n rmagosula ano tw tv Ajpro yuvuexwv, af rov; avdous Eporsvoar, Éyxulouow, ow ud- E) , \ % > ~ > a tuis ovx Éplyvuvio gevyovieg rjv tig dounc andlav, nv npocéBuñer avruts n Apoodim unvuocuca : Evdvulwvos vnvov xaS2evdes: (ni tov navo onvglav elonues, énmesdn Ev tivi modes ıng Kugtus 6 "Y mvoc éguodeic nu00ç Evduulwvog xuhouuérou Ers xai vüv uvIOv xuréyeuv xoruwpuevov Àéyeru : à VA > ~ N - . * e \ vr Ada xai yeigu x(vev* ovnhaing tig wo pace tov övor slg Botoov uqeig elia Tulg yegoiv avtAxuv to ‘Hoa- xdsi_ngocnutaro’ 0 Hoaxing éxélevoev uvıov my Yeiou onovdusorégwse 7900pEgE xai ımv Feov enmixulsiotus:

, EN - La “YyiÉctE0O0v xgotwvog* éni wy navy vysawoviwy N na-

Qounlu elontas ano ToU Cow Tod xgQormvog' Asiov ydo Zouv Giov xai vyiesvore péuvntas toviov Mévardgoc iy Aoxgois: 4 ¢ ld > , - , Tovyovoc Aul(oregogs ub tovyoves ov uovov roig Oro- pa0w, alia xai roig 0nvo9ev ufgeow Nyovow* eloniai éni tw moÀÀà xui anavota Aulourrwy : Misc devxoc: éni wy dupurwv negi ta > Apoodtoru ened - x [4 E e \ 2 xatosdior uôes xai uadiota ob Asvxol meoì rnv oyslay

a > eloiv axgwreig:

[Fol. 120°] t wagosuius xai avımı.

"Ain é0reQu vov Enid Suyou' Aoxooi noleuov ÉGyov

moog 109g Koorwrinıag xai Eneuyav eig Auxsdaluora ovumayluc deouevor oi unexolvarıo, Or duvanır wer dwoovoi, 1005 di Aiocxovoove würoig ovuntupovow avactgépurtes oi Aoxgoì usta rOv Aiocxovewr waynes yéyevnuévns vixwoi tous Kooiwriatus. ımv vixnv dx tov avtoputov quum tig nyayev elg Auxeduiuovu undevog apiyuévov dyyéhov, pera de zudra 8490ovreg Tivèç anıy- yéthav rj avi) Nutoa yeyevnotas tpv wayny xai ijv vi- av. ened ovv din sol ta and tig puuns dyytAS £vra,

30 diocxogovs; aber Jsocxovgwy

. 198 M. Treu,

elg nagomulur eloqras esi rdv navy adndav. Zuyou Zorw © tonoc, dv di h muyn yeyévntus:

81 ’ABvdnvov Enıyoonwa* EFog qv rois. ABvdnvois peta deinvov xui tac Omovdag rmoocuyew roUg muiduç per iv ruv roig sVwyovutvoss* xexguyorwv ruv muidwr xai FoguBov yevouérou dca tag i(rJag dndiuv ylvsodaı nodi v Toig dasrvuooww* 09 stonta n ragouulu ini av andar:

32 Sugdwveoc yéiws* Mni two un ex xadagus Wurns ys- Auvıwv pui yavovons tig dinvolus A€yerar, Ou dv Zuodd ty vnom ylveru Boruvn oeÂlro navarànota, nv of nooceveyuiuevor doxovo: uiv yelar, onucue uno vn oxovery :

88 'Ovov naguxswewg* xegumeig rig molloug 0dgridag dv zw &oyasinolo suvayev’ Orog di nag)» Gxolovdodrroc auehws rov OvnAurov magaxswag det Fvoldog vecof nos tous 0ovidus xoi dv 19 toyucinglo ovvé£rgue oxEUN o yov» xeguusrg Ent xplow ellxe 10v OvgÀargv, Og xoi égu- TWMEVOG 6n ó navıwp, ılvog xoívovro, EAeysv Ovov za- Qaxvwews. &ogras 7 magoula dni THY xatayelaorws Cvropuviovuevwv :

94 Kevetg tov "Avayvoov' ni twv nagazxvosviuv twa Ent 10 Euvıwv xaxóv slogrow Avayvoos yao News ensyuwi- Qi0g rig. rovc Exysııovwv abro olxovvrag éx Butowy avé- toewer, 85d) TO 70Qov avroù UBolous Eregelongav:

35 ‘(O Kaond3iog tov dayuv' eri tdv Éavroig è monwpe- vu» xaxa. oi yag Kagnudios énnyayovio ini ijv Euvımv vico» Auywouc, un Ovtug nootegor olruves moÀAol yevo - wevos tag yewoylas avtwy èivunvavio:

36 ALE ZSxvoía'* éni tav rac evegyeclug Uvatperoviwv, ened zmolÀaxig ta ayyéiu dvargéne n aif adios quoòv ini 1:0» oynoipogwy AfyecFar dia to molv yala péosv tas Zrvolug atyac:

37 Avxos nısowra Lnrei' àni ıwv aduvatwv Myetas :

38 Kuvvetos Èqus* ini wy un xarogdovpevwv muy 6 Kuvvos yao xai 5 Buff noav àdelpoi mtgi rjv Ev- Boar’ égaodsion tov adelpov n Buflis 10 nudoç ngóc

92 oshyvw 37 sic! 38 beidemal xußlss naga my evBosav

Griechische Sprichwórter. 199

avtov wuoloynoer* 6 getywy thy ulEıw elg Kaglay écran xaxet Kuavvov Errıos moÀwvv: m un pé- govoa inv ènebupiav avetiev Eavıyv:

39 Tarickiov r«Anvta* Eni twv miovotwv stona 7 muoo- pia, ws tov Tuvınkov xni Fsopiovg yevouérov xai nAovolov:

[C]

40 "4dvtv yaixov Doißog pavreveras® tv loyorv 10010 Onuaives rv OwQUY :

4l Alavisiog yéA wg: ni trav ragapoovwr :

42? Auovooteooc AecBnFolwy: Myovras oùros GjyovGOteQOs nuviwv, nudi nag! avioig 6 tov Ogq£wc éyévero Huvarog:

43 "Mei xolosóg mao xokosovilavee:

44° dei yewoyos véwra miovotiogs:

45 °Argéws Oupmata’ ta void] xoi magtvoua dia THY 7005 tov Ovéorny nagavoutuv stontas :

46 "Av n covig un ££exvizat ınv dAwnexnv ng00«wyor:

47 Avıov.x&xgovxag tov Baınoa rc Fvoue' ngog TOÙG nAnotaourtac rwi noaypat :

48 ‘diay u£ÓOvuvov xutapaywvr' ini pidlus auviuovos:

49 "4ilorgvov á un ác 9égoc:

90 Avroù d0dog nádnua- ini cdiulovevopévwy: [Fol. 120°]

dl deuregoc niowvc: éni tw devtegn uigouuévwr :

52 dvo rolyovg uAseíqeug* ni twv xodogrwr xoi énapgo- teosloviwy :

98 "EG Ta « xai ywÀdv Ógóyuog: to adnAov dnkoi:

54. 55 "EE aupov Oyoıvlo» nmAÉxewv Qni rdv dduratwv* ouoiws x«l 10 elg vdwog yo pes:

56 Eig uaxagwv vggovc* ài suduuovwv:

97 Ex unyxavîg Feòg avapuvelg’ ini rv angocdoxytwr:

58 "H Zeus n Xaowv' nyov 5 evdaluwr Blog 7 tedos:

99 'HoaxAevov vocov: Aya mv iegav vocor:

60 Adora dovrou' wm roig vexgoig Enspegomere:

61 djaxóv xontecg?):

39 rdlavrov 90 dudos avro) 58 7 Xaoww télos, Xapwy von derselben Hand durchstrichen

1) [Vor diesem Sprichwort ist das Hauptlemma, unter welches auch 62 gehört, ausgefallen : yauai avrdeis. Cr.].

200 M. Treu,

62 Kara payatewy xvBvozüc:

68 Qyvysa ruxd' ta malud N qadend:

64 Aelpiva noòsg To ovoatov decuetv' éni 12v un durauévwr morjous 0 BovAovrow nagocov ov duvarai tig dus 10v dedgiva noog 10 ovgaiov did 10 e00M0d0v :

65 “diveve sAnyeìc vovv olosı ni wy ueruushouérwr el- ouiai. padi yao, dr dhieve rovc Uhioxoptvovs tH Ava IyIvas wetaysioulomerng xai nÀgysig vno oxogníov È pn * your olow xui rato yeooi iv veotnoedtwv lyJuwv ovy awpowas :

66 “EZt pavia x uví(ag moset’ Eni wiv wm èhageora xol evr&A] Ènasooviwr xa) ueyuia mosovviwv:

67 Hidov Borneo sic Afiov wikoviec: ini và» ayeor- tlowws nÀtóviw»* na0000v iv dii 17 vico mifovies ov dedolxaci un mviyetev xoi dia rovro adovow :

68 "4v£uov nasdladylvovro ini tiv xovpwy xoi uwowv:

69 Maxous @inidac mec: 70 Dayétw rléwy xai un akwnnE:

II. [Fol. 118" in marg.]

[20. 21] 1. 2 °Z2sag xax@v* xal navy vosc xoxo»: [22] 3 "Ix 99v vnyeodaı didacxesc* Eni rv didacxor- tw à éntotatal tuc: [23] 4 Kuxoi novnotas nlvovoıv owlyaAny: dni wy xar' akiav riuwgovuérur : [24] 5 Kanvow oxıd Pm rov Mar evredwv xai underòs &E5(wy : [25] 6 Kav3aoov cxsu ini wy goflovutvov a de:

[17] 7 'Egu.vs wv dnoggwt: éni wy duvoudwr: [18] 8 'Ezyivog tov sóxov avußardsı“ Myeras d! dv 10 &vafaAAscO9os nods 10 yeigov ylveras’ of yàg yegoaïos

7 bogwiar 8 avaßalln

Griechische Sprichwörter. 201

~ M e A Éyivos xevrovpevos Avégovos Toy zOxov^ «lO^ voregov vno 1oayuré£ouv rv duflgumv xaxvov a raddattovorv Er 16 Toxw:

[19] 9 Zg 7 xutoa, Cm n quta:

[Fol. 1207 in marg.]

[16] 10 'Moyvoov xojvas Aulodousvy® dni rdv. anadevıwv uév, du miovrov rmaognosatoptvwuv ÖnspßoAnv:

[15] 11 'Aociow axovillesc: esi wr acxémwe ti n0i- OULVIUY : .

[14] 12 "Apyasdrega ıng dipFéiqus déyesc' éni wy Cutoa xai nadasa Asyovrwy’ naunddaios yug fj dipFéga, éy 7 xai Put tov Ala &noygaqto9 o: TR yuvopeva :

[13] 13° Anò dig D xvuurt wv: èx petagogus tuv Eri gôvois xaduspopérwv® oùros yao dis È xvpaciv eluitaos 1a iuauu nÀvrvuv:

[12] 14 Anò xwnng ini Bawu: dni wy aFeows evrv- noaviwv :

[11] 15° Avinmrorg nocìv àni TO thyog avsıoıv“ éni iv cuadwg Ent uva Eoya xal npakess aquxvovuévor :

[10] 16 "Ar9owros dvFounov duıwövsov‘ ni vov angoodoxntwg vn’ avtounwy BonFovutvwr :

[8. 9] 17. 18 "Avéuov nedlov ini zov evuerafolwv xai urvdowrnosevosnog 10 avro:

[7] 19 Ardoì Audd noaruat ovx nv, È d EE- #43 wv Exolaro® Eni tw xaxa Éavroig Emonwutvwv:

[5] 20422016 wiv yiwrru, aii0646 youglos: nuoocor of uiv Aados, of puyot :

[5] 214220 ylavt, «X20 xoquvn pFéyyetui:

[4] 224A nieowévos Bloc: end tw troluwv:

[3] 23°Aerov yngug xogudov veotns: êni iQ» x&v tw ynoa nÀÉov rüv véwy Evdoxsuovvtwy :

(1. 2] 24. 25 Ayu3d&v Jalucca xui uya3F dv 6w906 ini upJorwvr ayudar. v

18 evosnos &v99ownoc 20 yougo: Breslau. M. Treu.

218 Christian Cron,

phen um eine Form des Namens zu thun war, in der die Ver- wandtschaft mit dem Wort und Begriff Cj» deutlich hervorträte. Darauf deutet schon Clemens mit der einleitenden Bemerkung : ‘olda ty x«i Marwvu roocuugrugodvru “Houxhsfro youpovt’, womit er wohl auf die Stelle im Cratylus 396 hinweist. Platon läßt hier seinen Sokrates in dem Namen des höchsten Gottes zwei Bestandtheile finden, von denen man theils den einen, theils den andern anwendet; of uiv y&o Ziva, Alu x«Aovow. Die Vereinigung beider, meint Sokrates, zeige das Wesen des Gottes an; ov yàg gov muiv xai roig &ÀÀosg mou Ori Eoriv atrios wddhov toù Civ jv & &oyov re xxt Baciiebg tv navrwr. Wir können daher wohl glauben, daß, da der Philosophie und Ety- mologie der Herakliteer in diesem Dialoge doch ein großer Spielraum gegónnt ist, diese Herleitung und Erklärung des Na- mens des hóchsten Gottes auf Heraklit selbst zurückgeführt werden darf. Damit kónnte es denn wohl zusammenhüngen daß Heraklit hier lieber das Nomen als das Verbum (Zevg ov- vouutecT4) anwendet, wozu auch der vorhergehende Infinitiv, wenn man Àéyeodus selbst bei Znvog ovroux in Gedanken zu wiederholen nicht für zulüssig erachtet, doch einigermafien be- hülflich ist. Im allerschlimmsten Falle, d. h. bei strengster Gel- tendmachung des attischen Sprachgebrauches, wozu man jedoch bei einer aus dem 5. Jahrh. v. Chr. und aus Kleinasien stam- menden Schrift von so trümmerhafter und vielgestaltiger Ueber- lieferung kein Recht hat, würe es auch keine allzukühne Ver- muthung, wenn man annühme, daß nach ovrou« in der Ur- schrift noch ovvou«Leosu gestanden habe !!).

Was mit dieser etwas langathmigen Erórterung des sprach- lichen Ausdrucks beabsichtigt und auch wohl erreicht worden ist, ist das, daß das Ungewöhnliche der Verbindung von

11) Mullach scheint an der Bedeutung des i9éls Anstoß genom- men zu haben, indem er übersetzt : ,, Quod unum sapiens est solum Iovis nomine appellari potest et non potest“. Diese Auffassung scheint mir eine nicht hinreichend begründete Abschwüchung des Gedankens zu sein. Denn mit solchen Beispielen aus den homerischen Gedichten, wie Il. q 365 f., wo es von dem durch Hephästus bedrängten Skamander heißt: ws roD xala Óés99a nvoi qAéytto, Lee d’ tdwo, odd E96Ae n po- Qéesv, GAM boyero: wozu Aristarch bemerkt: dvij ro) ovx yddvato läßt sich der vorliegende Fall doch nicht vergleichen. Die Un- klarheit in der Auffassung und Beziehung des ‘solum’ gibt die Zwei- deutigkeit des griechischen Ausdrucks wieder.

Zu Heraklit. 219

à89£A1ceiy mit dem Akkusativ eines Nomens uns nicht zu hindern braucht, zu der älteren Interpunktion zuriickzukehren, wenn diese dem Verständnisse des Inhalts zu statten kommt. Daß dies aber der Fall ist, hoffen wir darthun zu können.

Zunächst handelt es sich um die Frage, ob man mit der lateinischen Uebersetzung der Stelle bei Clemens uovror oder vielmehr das an der Spitze des Satzes stehende £v als Prädikat anzusehen hat. Wir haben uns, wie bereits oben bemerkt ist, für letzteres entschieden, und zwar hauptsichlich aus einem Grunde, dem Pfleiderer kein Gewicht beilegen kann?) Damit ist er aber zu einer Auffassung der Worte Zyrôç ovvoun ge- drüngt worden x die sprachlich unmöglich ist und daher unter Voraussetzung dieser Deutung die Auffassung des £v als Pri- dikat ausschlieBt. Diese wird sich nur dann rechtfertigen las- sen, wenn man dem ersten Theil des Ausspruchs die Beziehung gibt, von der Pfleiderer nichts wissen will Wir haben an der oben angeführten Stelle darzuthun gesucht, daß, was dem P ar- menides und Zenon gegenüber mit Recht behauptet wird, auf Xenophanes, den anerkannten Urheber der eleatischen Lehre, keine Anwendung findet. Gegen diesen kann der ver- neinende Theil der Aussage um so mehr gerichtet sein, als der ganze Ausspruch eben in das Gebiet einschlügt, auf dem sich Xenophanes vorzugsweise bewegt. Mag daher immerhin die dem Xenophanes zugeschriebene Ansicht, wie Pfleiderer will, „zu wenig markirt sein, um jene Antithese Heraklits zu provoziren und auf diese Weise den zureichenden Grund für die Entstehung seines neuen Systems zu bilden", so küme doch jedenfalls das in Betracht, was Pfleiderer selbst weiter bemerkt, ,,daB der Ephesier, nachdem sein selbständiger Weg anderweitig motivirt war, theils bewuBt, theils wenigstens thatsüchlich und von uns aus betrachtet mit manchen Sätzen in gegensützliche, wie in verwandtschaftliche Beziehung zu Xenophanes tritt". Aber bei der Erörterung der fraglichen Stelle (S. 93 f. und 95 A. 1) macht Pfleiderer von dieser Einsicht keinen Gebrauch, was um so befremdlicher ist, als seine Deutung des vorangestellten & beinahe dazu drüngt. So gefaBt lautet Heraklits Ausspruch wie eine Gegenerklürung gegen solche AeuBerungen, wie sie Aristo-

12) Vgl. Philol. Anz. 17, 6. 7.

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teles im Auge gehabt zu haben scheint, als er im ersten Buch seiner Metaphysik schrieb: Zevopavng mowios toviwy er hat vorher den Parmenides und Melissus genannt érfoug... ovdév dueGagrvioev . . . GAI elg tov dhov ovguvov &ánofAtyag r0 Ev eivul pnoitòv Feov. Daß Heraklit ebenso wenig wie Aristoteles von einer solchen Ansicht über Gott und die Welt befriedigt ist, kann nicht wunder nehmen. Er schließt die Be- stimmung der Einheit zwar nicht aus von dem weisen Wesen, er verlangt aber noch eine andere Bestimmung, die er in dem Namen des Zeus als Lebensspenders findet. Diese Deu- tung des Namens bringt eine andere Stelle!) in Erinnerung, die von dem zig dettwov handelt. Als solches wird nun frei- lich der xoouos bezeichnet. Aber Gott und Welt,. der Lebens- quell und das immerlebende Feuer entsprechen sich doch gegen- seitig und sind daher in ihrem Wesen und Wirken untrennbar verbunden !*), |

Was nun die Auffassung des Ausdrucks £v 10 0090» in un- serer Stelle betrifft, so empfiehlt sich die Scheidung des g von dem Subjekt 70 gogov und die Zuweisung desselben zum Prä- dikat auch durch Vergleichung mit einer andern Stelle, in wel- cher dieselben Worte am Anfange stehen. In Fr. 19 heißt es: “Ev 16 coqóv, enloracdue yrwunvy 7 xußegvarcı muvta dia nav- twr. So unsicher die Lesart im zweiten Theile ist, so unzwei-

13) Fr. 20 Kócuov Tüv avtòv andyrrwv oùn nc 960v ovts avIounwy énoinoe, ail 5v abet xai low xai fare, nie deibwov, antiuevov uéroa xai dnooßsvvuusvov uerga. Der letzte Theil dieses Ausspruches, ‘das im- merlebende, nach Maßen sich entzündende und nach Maßen verle- schende Feuer’ erlaubt, um die wirksame Kraft dieses Ausdrucks dar- zulegen, die Vergleichung mit einer Stelle aus Schellings nachge- lassener und von dem Herausgeber als Bruchstück bezeichneter Schrift „die Weltalter‘ (Werke 1 8 S 265). Sie lautet: ,, Die ewige Na- tur ist, dasselbe in Gott, was im Menschen seine Natur ist, so- fern unter dieser das ganze aus Leib, Seele und Geist Bestehende gedacht wird. Sich selbst überlassen ist diese Natur des Men- schen, wie die ewige, ein Leben der Widerwärtigkeit und Angst, ein nnaufhórlich verzehrendes, unablássigsichselbst wieder erzeugendes Feuer‘‘. Man könnte sagen, daß in dem, was ähnlich und was verschieden ist, nicht blo8 die fortwirkende, son- dern auch die immer neu und anders sich gestaltende Kraft des Aus- drucks sich kund gibt.

14) Diese Beziehung behauptet auch Bernays a. a. O. S. 258 (S. 90U.), der überdies auf Grund eines Zeugnisses des Chrysippus („zov Molemov xoi tov dia Tür abtov elves) sich dahin ausspricht: ,,das schaffende und erhaltende 'Streiten' der Gegensátze heifit bei Hera- klit Zeus''.

Za Heraklit. 221

felhaft feststehend ist der erste Theil. Unzweifelhaft ist auch die Zerlegung der drei Worte in Subjekt und Prädikat mit zu ergänzendem ?erív. Daß hier ro cogor nicht, wie in der andern Stelle, ‘das weise Wesen’ bezeichnet, sondern die ‘Weisheit’, die sich im menschlichen Thun und Vermögen bewährt, ist unver- kennbar. Eher kénnte man dariiber in Zweifel sein, welcher der beiden Bestandtheile als Subjekt, welcher als Prädikat an- zusehen ist. Die Entscheidung dariiber ist bekanntlich nicht immer leicht !°), besonders bei einer aus dem Zusammenhang herausgerissenen Stelle. Der Artikel allein reicht noch nicht aus, das betreffende Wort zum Subjekt zu stempeln. Doch da der Philosoph in seiner Schrift ja mehrfach von dem Unverstand der Menschen geredet hat, so mag er in diesem Ausspruch sa- gen, worin die menschliche Weisheit besteht, also auch hier cogóv als Subjekt zu fassen sein und £r» als Prädikat, dessen erklärende Ausführung der übrige Theil des Satzes bildet. Der ganze Ausspruch lautet demnach: ‘Eins ist das Weise (Weis- heit) zu verstehen den Gedanken, durch welchen alles in allem (durchgängig) gelenkt wird’, d. h. mit andern Worten: ‘den im Weltall waltenden Gedanken zu verstehen '*)’, Wir glauben so- mit jenen andern Ausspruch am wértlichsten so übersetzen zu kónnen: ‘Eins will das weise Wesen allein nicht genannt wer- den, es will auch den Namen Lebensquell’. Daß 10 copor uov- vor auch zusammengenommen und ‘das allein weise Wesen' über- setzt werden könnte, soll nicht in Abrede gestellt werden, doch thut uovvov in Beziehung auf £v bessere Dienste, um einer fal- schen Auffassung vorzubeugen. Auch über xuf ist noch ein

15) S. Philologus Band 40 S. 1 ff. und 41 S. 533 ff.

16) Sehr eingehend behandelt Bernays a. a. O. S. 253 f. (84 ff.) den zweiten Theil des Ausspruchs, der in der Ausgabe des Diogenes von Stephanus lautet: re oi iyxvBsprzos navıa dia navıwv. Er sucht zu zeigen, daß Schleiermachers Vorschlag, dem Cobet beipflichtet, zs oi» xvfsov5os, mit der Auffassung von narra als Singular sich mit der gebotenen objektiven Auffassung von yrwun» nicht verträgt, und schlägt seinerseits vor re od«xiles zu schreiben, seinen Vorschlag wohl begründend. Pfleiderer, der dreimal die Stelle berührt, wahrt S. 232 das ,,in charakteristischem Futurum stehende‘ xvßsov/oss und übersetzt es: ,,jetzt und in Zukunft‘‘. Da aber die Handschriften nicht dieses, sondern 67° &yxußsovjoas oder dts 7 xufeorijoas bieten, so schreibt Bywater in der Append. I ‘7 otstas xvfegvdoda’, die indi- rekte Fassung natürlich im Heraklittext aufgebend. Bei dieser großen Unsicherheit der Lesart verdient auch Mullachs Schreibung Beachtung. Sie lautet: oljy te éyxufeorzoni xté,

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Wort zu sagen, um der Ansicht zu begegnen, daß es in dieser Bedeutung vor Znrog stehen müßte. Das trifft darum nicht zu, weil doch beides gesagt wird, sowohl dal) das weise Wesen nicht will, als auch daB es will.

Darf somit das Recht, den fraglichen Ausspruch Heraklits im Sinne eines Widerspruchs gegen die Einheitslehre des Xeno- phanes zu verstehen, als von allen Seiten gesichert betrachtet werden, so kónnten wir in diesem und anderen Aussprüchen des Ephesiers eben so gewissermaflen eine vorahnende Erfassung des wichtigeren und lebensvolleren Begriffs von Monotheismus sehen, wie Pfleiderer in anderen Aussprüchen des Philosophen „den ersten spekulativen Versuch dessen, was später Theodizee heißt“, erblicken zu dürfen glaubt 17).

Während nun dieser Ausspruch sich ganz in den Grenzen sachlichen Widerspruchs hält, nehmen andere Aeußerungen das Gepräge persönlicher Zurechtweisung an. Dies gilt in hohem Maße von jener Stelle #), in welcher außer Hesiodus und Py- thagoras auch Xenophanes und Hekatäus als Beispiele dafür angeführt werden, daß Gelehrsamkeit oder Vielwisserei keines- wegs den Besitz von Verstand verbürgt. Dieses harte Urtheil ist dem Xenophanes gegenüber um so befremdlicher, als Hera-

17) Damit soll natürlich nicht der Ansicht widersprochen werden, welche sowohl Zeller als Pfleiderer mit anderen vertreten, daß Hera- klit ebensowenig wie Xenophanes einen außer- und überweltlichen persönlichen Gott kennt und daß die Gotteslehre beider also wesent- lich pantheistisch ist. Wenn jedoch sogar in der auf Homer fußenden polytheistischen Volksreligion Nägelsbach ein freilich unbewußtes Streben nach Monotheismus erkennt, so darf man sicher noch viel- mehr diesem philosophischen Pantheismus ein auf sittlicher Erkennt- niß beruhendes Erfassen der Einheit des göttlichen Wesens zuerken- nen, wie dies ja auch allerseits geschieht. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch darauf hinweisen, daß Schelling in der oben an- geführten Abhandlung über die Gottheiten von Samothrake von dem erörterten Ausspruch Heraklits Gebrauch macht, wo er den von ihm bekämpften Begriff des Monotheismus als einen solchen bezeichnet, der „nicht alt, nicht neutestamentlich, . . . dem ganzen Alterthum und der schöneren Menschlichkeit widerstrebt, die sich ganz in dem Aus- spruche des Heraklit spiegelt, dem auch Plato Beifall gegeben'*.

18) Fr. 16 MHodvpadin voor Eyes diddoxes, “Hoiodov yao av édidaks xai Musayoonv astis te Revogavea xai ‘Kxataiov. So schreibt Bywater in Uebereinstimmung mit Athenaeus XIII 90 (S. 610b). An- dere z. B. Mullach, schreiben auf Grund anderer Ueberlieferung voor dida'cxss, was vielleicht ansprechender, aber trotz der Mehrzahl der Zeugen doch nach kritischen Grundsätzen nicht besser beglaubigt scheint.

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klit mit diesem in so wichtigen Ansichten ganz übereinstimmt, namentlich in der Verurtheilung der Dichter, welche nach He- rodot (II 50) den Hellenen eine Theogonie gedichtet haben. Patin findet diese Feindschaft Heraklits gegen Xenophanes man könnte sagen diesen Ausdruck der Verachtung „bis- her“, d.h. also wohl nach der herrschenden, von ihm bekämpften Auffassung, unerklürlich. Dies gilt wirklich für unser Gefühl, das von Hochachtung erfiillt ist fiir den Mann, der zuerst mit dem Muth und der Kraft sittlicher Ueberzeugung den innerlich unwahren und sittlich haltlosen, aber durch die Staatsgewalt ge- schiitzten und durch herrliche Gebilde der Kunst sich einschmei- chelnden Polytheismus angriff. Doch bieten die thatsächlichen Verhältnisse der Betrachtung mancherlei Umstände dar, die ge- eignet sind, die persönliche Ungunst einigermaßen zu erklären.

Mit Recht legt Pfleiderer, wie andere vor ihm, grofes Ge- wicht auf die Lebensverhältnisse und die persónliehe Stellung des Mannes zu seinen Mitbürgern. Diese war sowohl nach Ab- stammung als Würde eine sehr angesehene. Schuster in dem zweiten Excurs seines Werkes bietet einen Stammbaum, der so- wohl in der Haupt- als in den Seitenlinien die erlauchtesten Namen, darunter den des Gründers oder Ansiedlerführers, des Kodriden Androklus, enthält und mit der Abtretung der f«cs- Aelu seitens des Heraklit an seinen jüngeren Bruder schließt. In Bezug auf dieses Ehrenamt bemerkt Schuster auf Grund ei- ner Stelle bei Strabo: ,,dieses Geschlecht hatte auch nach dem Verlust der Kónigs- und der Archontenwürde sich immer noch einige Ehrenrechte gerettet, nämlich den Vorsitz in den öffent- lichen Spielen, die alte purpurne Königstracht, den langen Für- stenstab statt des gewöhnlichen Stockes und die Pflege des Hei- ligthums der Eleusinischen Demeter“. Pfleiderer, dem es beson- ders darum zu thun ist, den Antrieb und Ausgangspunkt für die Philosophie unseres Ephesiers nicht in einem der älteren oder gleichzeitigen Systeme zu erkennen, sondern in der Reli- gion und insbesondere der Geheimlehre nachzuweisen, knüpft an diese geschichtliche Ueberlieferung die weitergehende Folgerung an, daß Heraklit im Vergleich mit Pythagoras und Platon „am originalsten und stärksten jene a priori zu erwartende Vermäh- lung der Philosophie mit dem theoretischen Kern des Mysterien- wesens repräsentire“.

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Wie es sich aber auch immer mit dieser Auffassung der Philosophie des Ephesiers verhalten mag, der sein Werk in dem Tempel der Artemis hinterlegt und in seinem Alter sich aus dem Treiben der Stadt in die Einsamkeit des umliegenden Ge- birges zuriickgezogen haben soll: jedenfalls steht das, was uns von dem Leben und Treiben des Xenophanes berichtet wird, in einem recht augenfälligen Gegensatz zu der Lebensführung und Handlungsweise des Heraklit. Schon das ist bedeutsam, daß Xenophanes nicht nur die Gründung von Elea in einem weitläufigen Gedicht in epischem Versmaße besang, sondern in dieser Form auch seine Philosophie darstellte, wie nach ihm auch Parmenides und Empedokles, während Heraklit wie Anaximan- der sein Werk in ungebundener Rede schrieb. Aber nicht ge- nug damit: Xenophanes fiihrte, frühzeitig aus seiner Vaterstadt Kolophon vertrieben, ein unstätes Wanderleben, das ihn über die beiden Hellas umgebenden Meere führte, und trug in den hellenischen Städten auch Italiens und Siciliens nach Art der fahrenden Singer selbst seine Gedichte vor. Hôren wir, wie der Mann aus Ephesus in einer uns in etwas schwankender Ueberlieferung erhaltenen Stelle !?) sich vernehmen läßt. „Wo“, ruft er aus, „findet sich bei ihnen (den Leuten) Verstand oder Sinn? Volkssängern laufen sie nach und nehmen sich den großen Haufen zum Lehrer, ohne zu wissen, daß viele schlecht und nur wenige gut sind. Denn statt alles anderen wählen die Edelsten eines, ewigen Ruhm bei den Sterblichen, die Menge aber ist gesättigt, (d. h. lebt dahin) wie das liebe Vieh“. Mag die vorliegende Gestaltung des Textes auch noch manchen Zweifeln Raum geben, soviel ist doch sicher, daß der Spott des Philosophen nicht bloß die stumpfsinnige Menge, son- dern auch Leute wie Xenophanes trifft. Auf diesen würde das überlieferte dyuwr «oido recht gut passen, da das von Bergk beanstandete dyjuwy sich auf die verschiedenen Ortsgemeinden beziehen kann, welche der Sänger nach einander heimsucht, so daß der von Schuster gebrauchfe Ausdruck 'Bünkelsünger' nicht

19) Bywater gibt die Stelle Fr. 111 in folgender Weise : Tis yàg avi 06 n gen; [dyuowy] c'osdoics énorra, xai didaoxalo xoéortas óutÀo, ovx eido0tes ots nollos xaxoi Gdiyos dyadoi. alosivias yao ty dvtía nevrov oi aesotos, xléos dévaov Svnrür, noÂloi xsxconvtcs OXWONED xInvea.,

Zu Heraklit. 225

unberechtigt ist. Ob man aber dem Ephesier eine so gering- schätzige Bezeichnung des achtungswerthen Philosophen und Dichters aus Kolophon zutrauen kann? Daß beide sich in den Angriffen auf die Volksreligion berühren, bietet kein HinderniB. Denn gerade da, wo die Uebereinstimmung groß ist, wird der Rest von Verschiedenheit, der übrigens hier doch nicht so ge- ring ist, leicht am übelsten vermerkt. Braucht man da noch an die irae theologorum zu erinnern? Bei den alten Griechen aber fiel die Theologie ja ganz in den Bereich der Philosophie. Und theologische Lehren waren es ja gerade, wo die beiden Philosophen sich am nächsten beriihrten, aber wegen der doch noch bestehenden Verschiedenheit der Ansichten unter dem viel- leicht mächtig wirkenden EinfluB der persónlichen Verhältnisse auch am kräftigsten abstieBen. Doch nicht bloß in den An- griffen auf die Volksreligion, also in der Verneinung und dem gemeinsamen Gegensatz, sollen beide Philosophen sich berührt haben, sondern auch was Xenophanes an die Stelle setzte, soll er mit Heraklit fast gemein haben, dessen göttliches Eine dieselben Prädikate, außer dem der Unveründerlichkeit, zu tra- gen fahig sei. Daf wir uns dieser Ansicht nicht anschlieBen kónnen, ergibt sich schon aus dem, was oben zu der angenom- menen und vertheidigten Auffassung des in Fr. 65 erhaltenen Ausspruchs bemerkt worden ist, und auch Pfleiderers Ausfiih- rung scheint zu keinem solchen Ergebniß zu führen. Daß ein Wort des Xenophanes schon vor alters unter Heraklits Namen ging, ist darum nicht von Belang, weil es ja seinem Inhalte nach auch in die negative Seite der Philosophie des Ephesiers einschlug.

Der hier eingehend erörterte Ausspruch des Philosophen bot durch die große Zahl der Möglichkeiten, die sich für die Wortverbindung ergab, reichliche Gelegenheit, die von Aristo- teles bereits anerkannte und auf einen bestimmten Grund zu- rückgeführte Schwierigkeit des Verständnisses thatsächlich zu erproben. Wenn nun vielleicht auch die hier unternommene Befürwortung der seit Schleiermacher fast ausnahmslos verlas- senen Schreibung und Deutung der Stelle keine Zustimmung finden und der von Bernays eingeschlagene Weg zu allgemeiner Geltung gelangen sollte: der oben bezeichnete Zweck wäre doch vollkommen erreicht.

Philologus. N.F. Bd.I, 2. 15

226 Christian Cron,

2.

In der Anzeige von Pfleiderers Buch über Heraklit 2°) kam Fr. 38 zur Sprache, das nach der bisher unangefochtenen Ueber- lieferung lautet: Ai wvyai douoviar xa9° adnv. Es war hier auf das fo» hinzuweisen, welches der Verfasser den „Fach- philologen“ bietet, um ihnen und noch mehr den Philosophen „für die Zukunft die komischen Spekulationen über das hera- klitische Riechen der Seelen im Hades zu ersparen“. Zu die- sem Zweck schlägt er vor 00400vro& statt oouwrım zu schrei- ben. Seine ausführliche Begründung dieser Aenderung verdient eine eingehende Prüfung, zu der dort der Raum nicht gegeben war. Sie soll deshalb hier vorgenommen werden.

Zuerst fragen wir nach der Nothwendigkeit der vorgeschla- genen Aenderung. Betrachten wir'die Fundstelle in der Aus- dehnung, in der sie Bywater mittheilt ?'), so ist zunächst er- sichtlich, daß Plutarch den Ausspruch Heraklits als ein will- kommenes Zeugniß zur Bekräftigung der eben vorgetragenen Ansicht beibringt. Mehr will das xulwç efnev nicht besagen, und das Bedenken, welches Pfleiderer gegen die Anwendung dieser „Einführungsformel des sentimental-erbaulichen Plutarch bei einem irgendwie erklärten Riechen‘ als eine geradezu ge- schmacklose erhebt, scheint selbst von moderner Sentimentalitit etwas angekrünkelt. Um nun die fragliche Ansicht Plutarchs darzulegen, müssen wir mit dem Verfasser etwas weiter zurück- gehen als Bywater in seiner Angabe. In dieser merkwiirdigen Schrift Joi 100 éupurouévou noocwmov TO xvxÀo ing OtÀgrge, aus der die Stelle genommen ist, bestreitet P. die Richtigkeit der Ansicht, welche den denkenden Geist als einen Bestandtheil der Seele ansieht. Denn der vovg, der dem «og seinen Ur- sprung verdankt, erhebe sich ebenso über die wuyn, die der os- Àjrg entstammt, wie diese über das owuu, das von der Erde

20) Philol. Anz. 17, 6. 7.

21) Plutarchus de Fac. in orbe lun. 28, p. 943: ai avw ye- vonevas (scil. vvyai) . . . . dxüivi mv Ce louxviæs, nvoi Tiv Voyiv ava xovqaQouévgv, monio èviadbba, tQ neoì my celnvny aldéor, xai tovoy an’ avtod xci divausv, olov aronovusva Bagyy, tsyoves. to ydg apr En xai diaxegvpivov Suirvvtay xai yíveres ctads0dv xoi Ssavyés, wote ond Tic Tuyovons dvaOvuidotoc ıpkgsodar xci xadwe “Hoaxleros elasy on ai yuyai oouwrıas xa9' Adv.

Zu Heraklit. 227

(Demeter) genommen ist. Die griechischen Ausdrücke sind bei- behalten, weil das grammatische Geschlecht nicht ganz bedeu- tungslos ist. Demgemäß wird auch ein zweifacher Tod ange- nommen. Der erste scheidet die Seele schnell und mit Gewalt von dem Leibe, der dadurch der Demeter anheimfallt; der zweite sanft und langsam den Geist von der Seele. Der vom Leibe geschiedenen Seele ist es vom Sckicksal bestimmt in dem Raume zwischen der Erde und dem Monde zu schweifen; doch ist nicht allen die gleiche Zeit verordnet. Die Ungerechten und Zuchtlosen büßen ihre Frevelthaten, die Gutgearteten müssen zur völligen Reinigung von der Befleckung des Leibes in dem annehmlichsten Theile der Luft, ov Aeıuwvacg «dov x«Aovoci, eine gesetzte Zeit verweilen. Denn, wie aus dem Ausland (Elend, arodnul«) ins Vaterland zurückgebracht, genießen sie Freude. Denn wir kehren hiemit zum Schlusse des Kapitels und zur Ausgabe Bywaters zurück das Schwache und Zerfahrene wird gestärkt und wird stätig und durchleuchtet, WOTE VEO Ing tugovons avudupiicews roéqeo9ur xol xuA wc ‘Hod- xlestoc eînev O1 nun kommen die im Gericht stehenden Worte. Der Verf. bestreitet die Auffassung Teichmiillers, der die Ansicht ausgedrückt findet, daß die Seelen im Hades athmen. Denn versichert er wiederholt ,,der Geruchssinn als sol- cher hat bekanntlich mit dem Athmen eigentlich nichts zu thun". Wir nehmen das „eigentlich“ im Sinne einer halb zugestandenen Beschränkung ; denn völlig und unbedingt von einander ge- trennt ist doch athmen und riechen nicht, da bei jener noth- wendigen Lebensthütigkeit das eigentliche Riechorgan, die Nase, doch auch betheiligt ist. Doch ist für Plutarch die Entschei- dung dieser Frage überhaupt nicht von Belang. Er spricht ja nicht von der Luft, die wir einathmen, sondern von einem auf- steigenden Dampf oder Dunst oder Duft, wie er von Fett- oder Rauchopfern ausgeht. Dies zeigt deutlieh sowohl der Ausdruck ara3vutacis, der bei der angenommenen Beschaffenheit und Lage der Hadesauen eine ganz angemessene Vorstellung gibt, als auch das rgéps09as Zur Aufnahme dieser Nahrung aber ist gerade der Geruchssinn erforderlich. Dies bedarf keines weiteren Beweises, also auch nicht der Anführung der aristoteli- schen Stelle, in welcher Fr. 37 enthalten ist. Diese ist so we- nig ,ganz ohne Belang für unsere textkritische Frage“, daB viel-

15*

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mehr die Worte ‘doxéi d’ évlow n xamıwdns avatuulacus sivas Gown’ eine ganz ausgezeichnete Bestätigung für die An- nehmbarkeit des überlieferten 0 6 u à v ra, darbieten. Ein wahres opus supererogationis ist es, das der Verf. seinem Eéow zulegt, wenn er bemerkt: ,,die Seelen werden entsühnt, geweiht oder gereinigt im Hades oder auch (im Hades) nach Hadesart, nach den Bräuchen und dem Recht desselben, wodurch dann zugleich das xaza zu seiner besseren sprachlichen Geltung käme“. Denn daß xura mit Akkusativ sehr gewöhnlich nur den örtlichen Be- reich, in welchem etwas vorgeht, bezeichnet, erhellt aus vielen der gewöhnlichsten Ausdrücke, wie xara yzv xal xura Fakarıav z. B. wx&v. Und daß die Bezeichnung der Oertlichkeit hier nicht vermißt werden kann, zeigt der Verf. selbst durch die seiner Erklärung, die dadurch aber ausgeschlossen wird, vor- ausgeschickte Parenthese.

So viel möchten wir zur Rechtfertigung der ,, Fachphilo- logen“ sagen, welche die Unzulässigkeit des nun zuerst bean- standeten Ausdrucks bisher nicht erkannten. Doch soll damit keineswegs die freundlich dargebotene Gabe des gelehrten und geistreichen Philosophen schnöde zurückgewiesen werden. Denn was dieser zur Unterstützung seiner Ansicht weiter beibringt, hat vollbegründeten Anspruch auf Beachtung und eingehende Erwägung.

Zunächst ist ja anzuerkennen, daß in dem Abschnitt der Schrift Plutarchs selbst, aus welchem die fragliche Stelle ge- nommen ist, Ausdrücke vorkommen, die mit dem Begriff der Reinigung und Heiligung wohl übereinstimmen. Dies ist der Fall da, wo für die gutgearteten Seelen der Zweck des Aufent- haltes in den Hadesauen angegeben wird mit den Worten: ö0ov apayvevcas xal aronmvevoni a0 100 CWuates, Worso alılov mo- yngov, wıocuovc. Was nun insbesondere den Ausdruck ocsoër betrifft, so weist der Verf. auf die merkwürdige Betrachtung hin, welche Plutarch an seine Erzählung über die Erhebung des Romulus zu den Göttern (L. des R. Kap. 28) knüpft. Die Stelle, um die es sich handelt, hat so viel sprachlich und sach- lich Eigenthümliches, daß es sich verlohnt sie ihrem Wortlaut nach anzuführen. Nachdem er auseinandergesetzt hat, daß die Seele, solange sie mit dem Leibe behaftet ist, nicht von hier dorthin gelangen kann, fährt er fort: zug dgerag xoi tag ww-

Zu Heraklit. 229

gas (wohl soviel als rag wvyóc zur dyuddv) naviuzacw oleoIus (det) xara giai x«i dlxny 9etav Ex wiv avFounwy ele fowug, ix d' noWwv ele duluoruc, ix datucvwr, av téleov womeg dv tehery xudFaodwoi xai oovwFwour anuv anopuyovoa 10 Ovgróv x«i mudntixor, ov vou molews, GAN dÀg9e(g xai xara tov elxotu Adyov elg Feoùs dvupégeodas 10 xdAdioroy xal uuxa- Qiwrurov thos &noluBououc. Die durch den Druck hervorge- hobenen Worte sind diejenigen, welche der Verf. besonders be- rücksichtigt sehen will. Die ganze Stelle schließt sich überdies an eine andere an, die, verwandten Inhalts, für den Uebergang ins Jenseits die Bedingung stellt, div ow ucdsora oWmarog analiayn xai diaxgıIn7 xui yévgian xadugov Havianacs xui ayvov. ir yàg wvyi Eno) xoà áglorg xud 'HodxAturov, woneg Gorgari) vépous diumıauevn tov cupuatos. Man sieht, daß Plutarch diese Gedanken immer mit sich herumtrigt und bei gegebener Gelegenheit anbringt, dabei aber auch des alten Phi- losophen wohl eingedenk ist. Bywater (Fr. 74) nimmt an, da der Wortlaut des vielfach angeführten Ausspruchs am richtigsten von Stobäus erhalten sei und etwa gelautet habe: din wuyn Copwicin xui glory. Pfleiderer ist geneigt, mit Schleierma- cher und Schuster auch den Zusatz wWoneg dorgan) végovg diertanervn (oder duntauévn) noch für heraklitisch zu halten. Die Entscheidung ist schwer, da man den Zusammenhang nicht kennt. Doch spricht manches dafür, daB man sich auf dem Gebiet des plutarchischen Gedankenganges befindet, aus welchem der fremde Ausspruch sich nicht immer leicht ausscheiden läßt ??).

Das Ergebniß der vorstehenden Erörterung läßt sich nun dahin zusammenfassen, daß der durch die vorgeschlagene Aen- derung gewonnene Begriff sich zwar mit dem Gedankengang der Stelle, welcher wir den Ausspruch Heraklits verdanken, und den Vorstellungen Plutarchs, wie sie sich auch anderwärts zu erkennen geben, wohl vertragen würde, daß aber in dem un- mittelbaren Zusammenhang der Fundstelle der angefochtene Aus- druck doch so viel Halt hat, daß ein Aufgeben des überlieferten Wortlautes nicht gerechtfertigt wire. Es würde damit vielleicht ein eigenthümlicher Gedanke des alten Philosophen preisgegeben werden, der kein so abschätziges Urtheil verdient, wie es ihm

22) Vgl, Philol. Anz. 17, 6. 7.

230 Christian Cron,

von seiten Pfleiderers zu Theil wird. Denn warum sollte es des alten Ephesiers so ganz unwiirdig sein, auch tiber die Nahrung der Seelen im Hades und die Art ihrer Aneignung sich seine Gedanken zu machen? Pfleiderer erblickt in Heraklit, obwohl er ihn für keinen Physiker auch nur in der Weise der alten Milesier gelten läßt, doch „auch für die bedeutendste naturwis- senschaftliche Lehre der Gegenwart er meint die Lehre von der Erhaltung der Kraft und dem mechanischen Aequivalent der Wärme den intuitiven Propheten“. Wie, wenn dieser mit dem ‘Riechen der Seelen’ in aller Unschuld auch eine der neuesten Errungenschaften auf dem Gebiete der Psychophysik, die noch nicht zu allgemeiner Ánerkennung durchgedrungen zu sein scheint, vorausgeahnt hätte ? *9).

9.

Da Pfleiderer den Ephesier nicht den Naturphilosophen beigezühlt wissen will, so läßt er es sich angelegen sein, zur Kennzeichnung des eigenthümlichen Wesens der heraklitischen

23) Bei dieser Gelegenheit, wo es sich um die Nothwendigkeit oder Annehmbarkeit einer Konjektur handelt, móchte ich einer Ver- muthung von Bernays gedenken, die vielleicht nicht die verdiente Beachtung gefunden hat. Sie bezieht sich auf Fr. 4, das aus Sextus Emp. stammend bei B. lautet: Kaxoi u@utvoss àv9ounoics 0q9aluoi xai wie, BagBagovs wuyàs dydviov. Ausgehend von dem Nachweis, daß Schleiermachers Deutung, der um dem Wortlaut gerecht zu wer- den, dv39w70:c« und iyóvrov von zweierlei Leuten versteht, unzulässig erscheint, und die Annahme einer pleonastischen Beifügung des Da- tivs abweisend, macht er das Bedenken geltend, ob die hier gefor- derte Bedeutung von f«gfdgovc bereits für Heraklit angenommen wer- den kónne. Diesen Schwierigkeiten sucht nun Bernays zu begegnen, indem er vorschlägt zu schreiben: 'BooBógpov yvyàc Eyovrog’, mit der Uebersetzung: wenn Schlamm die Seelen einnimmt’. Bywater er- . wähnt die Vermuthung in der kritischen Anmerkung, Pfleiderer läßt sie unberücksichtigt, indem er übersetzt: ,,Schlechte Zeugen sind den Menschen Augen und Ohren, wenn sie barbarische Seelen haben‘‘. Daß eine solche Loslösung der Beziehung des Particips auf das Sub- stantiv noch am ehesten angenommen werden kónnte, ist nicht zu leugnen. Doch bleibt das Bedenken wegen des Gebrauchs des Wortes BeéeBagos, und wenn man auch diesem kein Gewicht einräumen wollte, so wird man doch zugestehen müssen, daß die vorgeschlagene Aende- rung wirklich zu einem ,,in Gehalt und Ausdruck gleich sehr hera- klitischen Satz‘‘ führt, während die überlieferte Lesart, auch abgesehen von den Schwierigkeiten, an denen sie leidet, dem Verdacht einer Einwirkung des attischen Sprachgebrauchs Raum gibt.

Zu Heraklit. 231

Philosophie einen kurz zusammenfassenden Ausdruck zu finden und zu erfinden. Denn zu dem bezeichneten Zwecke scheint ihm weder Hylozoismus noch Pantheismus geeignet, wohl aber Panzoismus. Somit bereichert Pfleiderer den exo- tischen Ziergarten des urwüchsigen deutschen Sprachwaldes mit einer neuen Pflanze, die mindestens als eine bemerkenswerthe Abart neben andern stammverwandten kann betrachtet werden.

Es ist kaum zu bezweifeln, daß dieses neue Erzeugniß echt deutscher Geschmacksrichtung auf dem Gebiete der Wortbildung sich neben anderen behaupten wird, von denen Pfleiderers Buch eine reiche Auswahl bietet, außer den beiden oben genannten noch Monismus, Panlogismus, Pampsychismus, gar nicht zu reden von den eine besondere Art bildenden Personalabstrakten, wie Pythagorüismus, Heraklitismus, Kartesianismus, Spinozismus und anderen beliebten ‘ismen’ älterer und neuerer Zeit, wie Op- timismus, Pessimismus, die schon lüngst in der gebildeten Um- gangssprache eingebürgert sind **). Damit wird sich nun frei- lich Pfleiderer nicht befriedigt fühlen. Er gibt nämlich, wie es natürlich und billig ist, seinem Geisteskindlein noch eine beson- dere Empfehlung mit auf den Lebensweg; er nennt den vorge- sehlagenen Terminus ,eine neue, aber sprachlich korrekt gebildete Formel für eine neue materiale Auffassung des Manns“. Wir wissen nicht, ob die durch den Druck hervorge- hobenen Worte zugleich als ein unterscheidendes Merkmal ge- genüber andern gemeint sind, wundern uns aber, daß, als Pflei- derer sie niederschrieb, das Daimonion will sagen das phi- logische Gewissen -— sich bei ihm gar nicht geregt zu haben scheint. ,,Korrekt gebildet?“ Wie? nach welchen Gesetzen welcher Sprache, der deutschen, lateinischen oder griechischen ? Denn mit allen dreien hat das neue Gebilde es ja zu thun. Die Wortstämme, aus denen es zusammengesetzt und hergeleitet ist, weisen auf die griechische Sprache. Geben wir ihm also seine eigenthümliche Form und Schrift, so heißt es auvCwsoucs. Die Wortbildungsendung deutet auf die Ableitung von einem Verbum. Beliebige Beispiele seien die aus der Geschichte be- kannten von Herodot und Thukydides überlieferten Ausdrücke

24) Von der kantischen Unterscheidung von Theismus und Deis- mus macht Pfleiderer meines Erinnerns keinen Gebrauch.

232 Christian Cron,

undiouds und dinmouôc, von unditev und arzextte gebildet. Diesen mag sich gidtznsoucg anschließen, das wenigstens auf das mehrfach von den Rednern gebrauchte gidinnilesy (peden- ale 7 MvSta) zurückgeht. Es ist nicht zu verkennen, beide Verba und Substantiva, haben etwas Gemachtes; sie sind Er- zeugnisse des politischen Parteieifers und bezeichnen das Ge- bahren, Verhalten (mit wem man es hält). Verwandter Bedeu- tung, aber mehr dem Bediirfni8 der wissenschaftlichen Kunst- sprache dienend, sind Ausdrücke wie élimuouos von éhAnvilesy, ücrtiGguóg von dotelteoda, u. a. dgl. Man sieht, sprachlich sind von den oben angeführten Wortbildungen allenfalls ge- rechtfertigt die von Eigennamen abgeleiteten, deren Ursprungs- zeugniß zum Theil schon auf das Alterthum zurückgeht, nur daß nicht suPayogaisucs, sondern nuPayogsouoc, wie muFayo- ole und nusayogiorjg gesagt wurde. Die übrigen sind eben sammt und sonders unorganische Gebilde der neueren Sprachen, die glücklicher Weise nicht ganz so empfindlich den Sprachor- ganismus schädigen, wie das von den sogenannten Neubildungen im leiblichen Organismus gilt. Was nun den empfohlenen Pan- . zoismus betrifft, so hat er als Sprachgebilde nichts vor sei- nem älteren Vetter, dem Hylozoismus voraus Von dem Stammwort Cwy gibt es keinen Uebergang zu einem irgendwie gearteten Zwicuos.

Lassen wir also die „sprachlich korrekte“ Bildung des neu erfundenen Kunstwortes als die fiir den Zweck im ganzen doch minder wichtige Eigenschaft ganz bei Seite und fragen wir nur darnach, was es zum Zweck der kurz zusammenfassenden Kenn- zeichnung der Philosophie Heraklits, wie sie unser Verfasser versteht und deutet, leistet, so können wir ihm genau genom- men kein besseres Zeugniß ausstellen. Halten wir uns zunächst an das, was der Verfasser selbst zur Begründung des neu er- fundenen Ausdrucks beibringt. ,,Derselbe“, sagt er, „stellt ge- wissermafien die Synthese aus den beiden vorhin kritisirten Be- zeichnungen (Hylozoismus und Pantheismus) vor und benennt das System nach seiner wahren General- und Grundidee von der Unzerstörbarkeit des Lebens auch im scheinbaren Tod“. Und blicken wir zu weiterer Bekräftigung auf den Abschnitt zurück, der schon in seiner Ueberschrift das Losungswort ent- hült ,Unzerstórbarkeit des Lebens in allen Gegensützen und

Zu Heraklit. 233

Wandlungen“, und heben wir daraus die Stelle hervor, die in auszeichnender Schrift ,,als philosophischen Grundgedanken He- raklits in einleuchtend naher Verwandtschaft mit der Myste- rienidee“ folgende Ueberzeugung aufstellt : „Unzerstörbar ist die Feuerkraft des Lebens, welches auch im scheinbaren Tode, in den es oscillirend übergeht, überhaupt aber in allen, überall regsamen Gegensützen und in den rastlosesten Wandlungen sich nicht nur erhält, sondern allezeit siegreich durchsetzt und eben in dieser Probe seine wahre Lebendigkeit erweist‘: so gestehen wir, daß nach unserm Dafürhalten die neue Formel den ange- gebenen Grundgedanken nur sehr unbestimmt und allgemein aus- drückt und mindestens ebensogut oder noch besser das Gefühl bezeichnen würde, das in der Brust eines jeden, der offene Au- gen und Ohren und Sinne hat, sich regt, wenn im neuen Früh- jahr das neuerwachende Leben der Natur überall hervorbricht, wenn alles keimt und grünt und blüht und kiinftige Frucht verheißt, freilich auch das sinnende Gemiith die weiter hinaus abermals bevorstehende winterliche Erstarrung vorausahnen läßt ?°). Wollte man aber an diesem Gemeingefiihl sich nicht genügen lassen, sondern für den neuen Ausdruck doch eine höhere und tiefere Bedeutung in Anspruch nehmen, so brauchen wir nur an das Wort der Schrift zu erinnern „der Tod ist verschlungen in den Sieg", um das anzudeuten, was dem gläubigen Gemüthe des Christen das höchste und tiefste ist, das ihm die Hoffnung verbürgt, daß um mit den Worten des Verfassers zu reden „die ewige Kraft des Lebens auch an ihm sich erweisen werde‘, oder wieder nach den Worten der Schrift, daß „dies Verwesliche anziehen wird das Unverwesliche, und dies Sterb- liche anziehen wird die Unsterblichkeit“. Ein Ausdruck aber von solcher Dehnbarkeit, der auf so verschiedene Vorgänge und Erscheinungen des natürlichen und geistigen Lebens anwendbar ist, erscheint eben darum nicht sonderlich geeignet, gerade das eigenthümliche Wesen der Philosophie Heraklits zu bezeich- nen. Dazu ist derselbe auch darum wenig geschickt, weil

25) Wir befinden uns bei dieser Ansicht in voller Uebereinstim- mung mit dem Verfasser, der einer ähnlichen, nur weiter ausgeführten Darlegung die Bemerkung beifügt: ,, Wenn sich nun Heraklit daran macht, ein derartiges Denken, Fühlen und Ahnen philosophisch zu verwerthen und ins Begriffliche umzugießen, so brauchte er nicht ein- mal sehr viel zu ändern‘‘.

234 Christian Cron, Zu Heraklit.

das eine ist nur die natiirliche Folge des andern wichtige Ziige oder Bestandtheile dieser Philosophie nicht zur verdienten Geltung kommen. Denn mag man auch in der neuen Formel das, was der Verfasser in der oben angefiihrten Stelle als die General- und Grundidee des Systems bezeichnet und gleich dar- auf ,die oscillirende Identitit von Leben und Tod nennt", und ferner etwa die Lehre vom rg deltwov mit seinen Wandlungen und von dem allgemeinen Fluf der Dinge, wie sie der Ver- fasser versteht, ausgedrückt finden: wo bleibt aber, von anderen zu schweigen, der Aoyog Évvog, dem er doch auch eine große Bedeutung beimift ? Hören wir, wie er sich selbst schön und geistvoll darüber äußert. „Was uns“, dies sind seine Worte, „aus dem Ganzen entgegentritt, ist kurz gesagt die tiefe Ratio- nalitàt des Universums und seine harmonische Wohlordnung, welche Alles schlieBlich ausgleicht und aus der sich auch für das praktische Individuum sehr einfach das Grundgesetz ergibt, sich dem einzufügen, um darin seine definitive Befriedigung zu finden“. Es bedarf wohl nicht der Anführung noch anderer Stellen, deren das anziehende Buch zahlreiche darbieten würde, um das Ungeniigende der neuen Bezeichnung bemerklich zu machen. Man kónnte versucht sein, sie auch eine Art enchei- resis naturae zu nennen nach der freilich mehr geistreich spie- lenden als sprachlich richtigen Deutung des Dichters. Denn wenn sie auch ein und den andern Theil des Gesammtwesens an die Hand gibt, so doch nicht alle, und namentlich fehlt die Hauptsache, das geistige Band, das die lebendige Einheit des Wesens ausmacht. Augsburg. Christian Cron.

Zu Aischylos.

Suppl. 55 K. ist für Eyyasog olxiov oixroov alwy, dem in der Antistrophe Vs. 60 merde véov olxıov NIEwv entsprechen soll, wohl éyyusog <ém’> oîxtov ulwv zu lesen.

Suppl. 255 K. ist zu corrigiren : Th On nadudiv aiuatwr piaowacer LoavFeio’ avnxe yata vndéa daxn, douxovIousrlov dvouern Svvoixlay. Ueberliefert ist statt vnA&a daxy das sinnlose unvetzas xg; vgl. Prom. 580, wo Aischylos zovna daxy erwähnt. C. Haeberlin.

XII.

Zu den Anakreonteen!).

1. Die Schluß-Länge im Anaklomenos und Anakr. 2: 50.

Zwei Anakreonteen (2* und 50, im Ganzen 18 Verse) haben nach Hanssen (Anacreont. syll. Palat. p. 10) die Eigenthüm- lichkeit, keine Schlußkürze zuzulassen. Dasselbe Be- streben vor allem die offene Schlußkürze zu vermeiden, läßt sich aber auch sonst beobachten (z. B. 16. 21 ff. 28 ff. 34 ff. 40. 46. 51): so daß es bei der geringen Zahl der in Frage kommenden Verse zweifelhaft bleiben muß, ob jene Gedichte wirklich eine Sonderstellung einnehmen. Weiter meint Hanssen Nonni vestigia utriusque carminis auctores pressisse, und setzt sie (deshalb ?) in’s fiinfte oder sechste Jahrhundert. Nothwendig ist eine solche Annahme nicht; die melischen Versmaße haben alle Zeit andre und strengere Gesetze gehabt, als die declamatori- schen. So hat z. B. schon Anakreon (für etliche Fälle wohl vielmehr ein hellenistischer Anakreontiker) in 24 anaklas- tischen Dimetern fr. 61—66 Bgk. die offene Schluf- kürze niemals, die (zumal bei folgendem Consonanten) mit einer Länge gleichwerthige geschlossene Schlußkürze nur dreimal (63, 2. 64; 65, 1; 66, 1 ist unvollständig) zu-

1) Die folgenden Bemerkungen sind bei der Lektüre der neusten sehr verdienstlichen Arbeiten von F. Hanssen entstanden, dem sie zur Berücksichtigung oder Berichtigung empfohlen sein mögen.

236 O. Crusius, -

gelassen. Ebenso streng baute man die anakreonteischen Verse in der attischen Zeit, wie u. A. das schóne Beispiel im Kyklops des Euripides zeigen kann (V. 496 ff): uaxag Sorc eviube | Boipéw» ylAaıcı nnyuic || dni xwuov Exnernadeig | pilor avdg vrrayxa)ltwr || xrd.; und die Hellenisten pflegten auch bei ihren mit den Anaklomenoi eng verwandten iambischen dimetri cata- lectici regelmäßig die Schlußlänge anzuwenden (Callim. epigr. 37 ff): worauf schon an andrer Stelle hingewiesen wurde. Unsre Anakreontiker werden diese bei dem singenden ionischen Rhythmus doppelt zweckmäßige Selbsteinschränkung also ihren klassischen Vorbildern abgesehen haben. Nonnos übertrug wohl in der Hauptsache (vielleicht nach dem Vorgange der Hymnen- dichtung) Gesetze des lyrischen Hexameters (vgl. z. B. Alem. fr. 26) auf den recitirten.

2. Die Entstehungszeit von Anakr. 21— 32.

F. Hanssen hat unlüngst in diesen Blättern (XLVI 446 ff.) zu erweisen gesucht, daß Anakr. 21— 32 ein jüdischer Poet alexandrinischer Zeit gedichtet habe. Die spütere Blüthe dieses Johannistriebes der griechischen Poesie in Syrien erweckt ein günstiges Vorurtheil für eine derartige Annahme. Nichts- destoweniger scheinen dem Unterz. die von Hanssen beige- brachten Beweise keineswegs ausreichend. In Betracht kommen. einzig die S. 449 ff. verzeichneten formellen Anklänge an die Ps.-Phocylidea?); denn die aus der Gleichheit der Denkweise entspringenden Uebereinstimmungen, welche S. 448 beigebracht werden, sind theils zu wenig individuell (waren etwa Gastfreiheit [31], Abscheu vor der Habgier [27>], Friedliebe [32] specifisch jiidische Tugenden ?), theils vermittels gesuchter Inter- pretation zu Wege gebracht (z. B. wenn der schließlich einge- fangene Don Juan in Nr. 28 die Ps.-Phokylideische Vorschrift seine Liebe an ein Weib zu fesseln, zur Geltung bringen soll; ähnlich S. 452 über 31)?). Aber auch mit jenen formellen An-

2) Beiláufig notiere ich, daß theologische Stimmen die Ps-Phoky- lidea jetzt wieder für christliche Kreise in Anspruch nehmen: Hein- rici DLZ. 1888, 227.

3) Den Gedanken, daß die Liebenden Aenrór | poyys tow ya-

Zu den Anakreonteen. 237

klängen hat es eine eigne Bewandtniß. Zu der Einleitung des bekannten epigrammatischen Gedichtchens qvow; xéQuru ravgoug, Ondac dédwxev Innos, . . . roig avdodow poornua. yvvoei£iv . . xaAdog (Nr. 24) bietet allerdings Ps.-Phokyl. 124 ff. eine Parallele, wie schon Th. Bergk PLGr.* II p. 19 (nicht erst Herr Thewrewk von Ponor) nachgewiesen hat; nur fehlt die Pointe. Beides, die priamel-artige ‘Erwartung’ (im Lessing’schen Sinne), wie den ‘AufschluB’, kónnen wir in gut griechischer Poesie nachweisen. Vgl. Bergk a. a. O. und meine Bemerkungen im Rheinischen Museum XXXIX 603 f. (unten S. 240) und Fleckeisens Jahrbb. 123 (1881) S. 294 f. Vor Allem ist der Grundgedanke ein griechisch-hellenistischer, den ganz ebenso, an eine hellenistische Vorlage sich anlehnend 4), Claudian in der griechischen Giganto- machie ausgesprochen hat (Anacr.: didwor xadhog | &v' aontdwv &nacQv | avi èyyéwr anavrwv | ving xol otdngov | xai nig xaÀg tie ovon; Claudian: ovre B£loc péoev | Aphrodite], ovy onioy, GAN? Exowitev | &yAatqv). 27> klagt der Dichter über Streben nach G'eldheirathen, wie H. S. 450 ganz richtig erklürt: das soll sehr ungriechisch, aber echt israelitisch sein: wofür Ps.-Phok. 93 ff, 199 ff. angeführt wird. Allein wer kennt nicht ganz die glei- chen Klagen aus den griechischen Iambographen und Elegikern, besonders aus Theognis (vgl. z. B. V. 483 ff. 700 ff. 719 ff)! Gerade aus Theognis hat der falsche Phokylides die Gedanken und Bilder an den von H. angeführten Stellen entlehnt?): und ein solches ‘thema Theognideum’ konnte jeder griechische Dichter ebenso gut behandeln, wie ein Mann aus dem Samen Abraham's. Anacr. 30 steht: rgoyd¢ Gupaiog yàg oia | Bloros —, OAlyn rxesoduecda | xorg; Ps.- Phok. 27 6 Blog :9oyog , 108 (an einer von Bergk als inter-

eæyua haben, findet Hanssen S. 448 ungewühnlich sentimental und deshalb ungriechisch. So sagt ja aber schon Sophokles (Euri- pides?) fr. 607 “Kows wuyàs yagadooes, von den hellenistischen Elegikern und den Frotikern (vgl. z. B. Heliod. V 5) ganz zu schweigen.

4) Beweisend ist dafür die Uebereinstimmung Claudian's mit einem in Fleckeis. Jahrbb. a. O. genannten Vasenbilde.

5) Am auflälligsten ist das Ps.- Phok. 201 inznovc s) ysvéag dil uusta yeiapuras vs | tatvoovg dynrévovracs . . . | yiuas d' ovx dyadnv tosdaivouev dgpovéovrsc | ovdèì yurn xaxóv &vdo dna y- aivetas apveòv bvta: vgl. Theogn. 179 ff. xosods puév xci övous dıln usa, Kiove, xaì innoveletdyeviacg... |. . yipuce xa- xjv xaxoò ushedaives| ... oUdè yuri xaxoù dvdgos avai- vetas eva, &xos | nlovoiov, all’ a pveòyr Bovdetas art’ dyadoù,

238 O. Crusius,

poliert angesehenen Stelle!) Avowevos xovıg 2ouev. Aber 100706 6 Bloc oder rg. 12 kvPoQWnwe ist eine seit Herodot (I 207) oft auftretende sprichwôrtliche Wendung, die auch in den paroemio- graphischen Apparat der Sophisten aufgenommen wurde: vgl. Leutsch zur App. prov. 400 paroemiogr. vol. I p. 458 II p. 87. Wodurch H. die Echtheit der zweiten Stelle gegen Bergk er- wiesen haben will, bekenne ich nicht einzusehen; der Gedanke selbst gehórt zu den Gemeinplützen, die man auf jedem Grab- Steine lesen konnte (vgl. z. B. Epigr. Gr. ex lapid. coll. 298. 564. 696; Lucian. de luctu 19). Bei den übrigen S. 452 ff. behandelten Stellen kann von irgend einem bemerkenswerthen Zusammengehen nicht die Rede sein. Bei beiden Autoren heißt Nest x«Ai« und Küken »e0000ç, in beiden ist von Sonne, Mond und Sternen die rede was sollen solche Dinge beweisen?

Die Partie steht demnach so: die Anakreonteengruppe 21 —31 hat mit den Pseudophocylideis keinen einzigen wirklich individuellen Zug gemein: hinter allen Parallelstellen liegt ältere griechische Tradition. Jene gemein- same Verwendung gewisser trivialen Bilder und Gedanken würde man immerhin geltend machen kónnen, wenn es sich um die Ausführung einer schon mit andern Mitteln begründeten Hypo- these handelte. Ob sie allein ausreicht, um auch nur eine Gei- stes- und Schulverwandtschaft wahrscheinlich zu machen, er- scheint sehr fraglich. Sicher aber reicht sie nicht aus, um die Kette von Schlüssen zu tragen, welche H. S. 453 daran an- knüpft. Schließlich sollen die Phocylidea wie die Anacreontea von dem Juden Aristobul untergeschoben sein: eine Hypo- these, zu der H. sich durch eine ihm ‘besonders auffällige Stelle’ des Aristobul verleiten läßt, die m. E. nur die entferntest-äußer- lichste Aehnlichkeit mit An. 21 zeigt 9. Aber von allem Ándern abgesehen und die angezweifelte Echtheit der Aristobulea (Bergk, L.-G.IV 535) vorausgesetzt, traue ich schon um ihres Inhalts willen

6) Aristobul sagt: durch Gott hat Alles seine feste Ordnung, . . . dg otdénote yéyovev ovoavòs yi, yi d' odgaves, oùd” nhsog aelyvy Àdu- novoa . . . ovdé Idiagga normuoi: das wird verglichen mit dem feucht-fróhlichen 4 yz uélawa nives ..., niva Idi a co! dvavgovc etc. (wofür vielmehr Alcaeus fr. 89, 2 das Archetypon ist) Gerade so gut und besser hätte Hanssen Heracl. 25 Byw. ij to tov yñs Faratoy ... Bdwe Ki tov digos Favatov, yi tov vdatos anführen können, oder Aesch. Danaid. fr. 41.

Zu den Anakreonteen. 289

dem scheinheiligen Fälscher diese heitern, harmlosen Verse nicht zu, Sie gehóren auch nicht in die Zeit des Aristobul, sondern sind schwerlich älter, als die Blüthe der nachchristlichen So- phistik. Auf diese Annahme, die vermuthlich mancher Fach- genosse theilen wird, leitete mich freilich zunächst ein subjek- tives, bei litterarhistorischer Beweisführung nicht stimmberechtigtes ‘Stilgefühl’ hin. Doch notierte ich gelegentlich ein paar Einzel- heiten, welche, so unbedeutend sie erscheinen mögen, doch den von H. beigebrachten Parallelen jedesfalls die Waage halten und wenigstens erweisen, daß gewisse Hauptmotive gerade in jenen Kreisen in Umlauf waren. Anacr. 27 heißt es: /J«g9(ovg ng ardoac èyruoo uv udgoic, | ru rovg Eowvruc | ida» dnlorou’ s09vc: Epovor yao m dentov | puyîs Fow yupayua: ebenso spricht Heliodor V 5 von TW puywy ra ÈQowrixd yvwolouaru. Anakr. 30: oAlyn xevoouscda | xóvic 00réu» AvOéviwv. | if oe dei ALFov wvollew, 16. 08 yn yéesv wataca u. S. w. Ganz ähnlich Lucian de iuct. 19 ai ue 6 xwxvt0g tud@y ovirnos . . . th 0 vnèo 1où TaGgov A(O oc écrepuvwuévos; 7 th vuiv duvarar 10 axgatov Enıysivr... 10 xarudsnouevor, N xovig ayosioy u. S. w. -— Ferner macht Anacr. 51 beinahe den Eindruck, als ob es durch Con- tamination zweier Fabelmotive dergleichen man besonders bei jenen Spätlingen nachweisen kann") zu Stande gekommen wire. Der Eingang Eros in unwirthlicher Nacht Obdach su- chend und vom Dichter an den gastlichen Heerd aufgenommen erinnert nach Motiv und Ausfiihrung auf’s lebhafteste an das Märchen von den ‘dankbaren Thieren’ in seiner babrianischen Fassung (Fab. 74); wenn dann schließlich der gewärmte und erquickte Eros us zunısı | ufcov rag, Wong oloıgoc, so ist die bekannte gleichfalls von Babrius (150 Ebh.) behandelte Erzäh- lung von der erstarrten und ‘am Busen’ erwürmten Schlange - (auf die z. B. auch Philostratos Vit. Apoll. IV 25 [ogy 9w1- fic] anspielt) einfach auf das yluxumixgor œuuyuvor Ogneroy Eros übertragen 5. Ebenso ist die Einkleidung von Nr. 24

7) Mit Babrianischen Fabelmotiven operieren z. B. die byzantini- schen Epigrammatiker und Jambographen bei Piccolomini, suppl. de Anthol. p. 330 (xdAAeog jv foes u. s. w. = Babr. 72 (56) + 114) 331 (rv agetny y9éc eldov = Babr. 128 Ebh.).

8) Aehnliche Zusammenklange lassen sich freilich auch sonst beob- achten. So erinnert No. 10 #0wra xzgwóv we | vegvigc inde u. 8. w,

240 O. Crusius,

wohl aus einem abermals bei Babrius (paraphr. Bodl. 87 Kn. Fab. 153 p. 85 Gitlb.) erhaltenen Aesopeum entlehnt; Ver- wandtes findet sich bei Maximus Tyrius und Aristides (vgl. Rhein. Mus. XXXIX 8. 604).— Nr.32 ist ein ganz der Technik der Sophisten entsprechender Znuivog des réruE: die Hauptzüge finden sich zwar schon bei ältern Epigrammatikern (vgl. Leon. und Antipater. AP. VI 120, IX 92), mit denen diese Poeten überhaupt vielerlei gemein haben?); aber eine gewisse Ver- wandtschaft zeigen wiederum Babrianische Aesopea (160 p. 90 Ebh. 337 Halm; vgl. 126) sowie mehrere andre Stellen von Sehriftstellern der Sophistenzeit (Aelian. de nat. an. I 20; mehr bei Leutsch zu Apost. 1537 p. 668). Besonders bezeichnend ist das der rérrË£ beigelegte Epitheton ynyerns (V. 16), welches sich durch Beziehung auf die schulmäßige Erklärung der ‘Tettigo- phorie’ der Athener (Lobeck, Aglaoph. 169) deuten läßt. Vgl. Suid. s. rerruyopégos' of "dO qvator zérryoag yag èpovovr youdoug cvuBolov ro) ynyeveis elvus. Oovxvd(dgg . . . n On uovoixo(: povoixog yùo 6 i£inE. ynyereig dé, dorsi xai 'Egey9eog ano ing yng étéy9n; ähnlich Phot. II p. 209 Nb. und Eustath. Il. T 159 p. 395, der nur noch einfügt d7Aov ore of rérriyec avuspos u. 8. w. (vgl. Anacr. 32, 17 &ávaiu ócagxe). Der Ana- kreontiker verarbeitet offenbar allerlei Schulreminiscenzen !9). In dieselben Regionen führen auch kurzathmige und geistesarme mythologische Allegorien, wie No. 27. Ich wüßte dafür keine bessern Parallelen, als gewisse mythologische F'abeln des Sophi- sten Babrius: vgl. z. B. Fab. 70 (Gótterhochzeit, Polemos und Hybris) auch No. 56 f. 165 Ebh. (Hermes mischt ein gzouaxor weudovg, wie Eros und Aphrodite den Liebestrank). Das Alles gehört in eine späte Zeit, wo die antike Litteratur nicht mehr

an Babr. 30 ydvwas nues Auydıvov 15 ‘“Eousinv + Babr. 119 (vgl. das aus denselben beiden Vorlagen contaminierte Aesopeum 2 H.). Gei- - stesverwandt mit der Leporello- Liste 13 ist das BekenntniB des Theomnestos in Lucian's "Kgwrec 12 (Anacr.: ef xüuar oldas evdgsiv | ins oÀgc Falacons | ce tav Èuuv toutwvr | ucvoy now Aoyıoımw ; Luc.: Sdtrov dv... Salaııms xiuara ... aps unosas 7) 1096 Éuovs "Epwras u. s. w.): eine Stelle, welche schon ältere Interpreten nachgewiesen haben.

9) Zum Erotennest No. 25 vgl. Helbig ‘campan. Wandgemälde’ S. 223.

10) Beiláufig notiere ich zu 26 den spáten Vers bei Apost.-Arsen. 478% p. 355: yuvasxòs Supe Toig dxudlovo Bélos. .

O. Crusius, Zu den Anakreonteen. 241

lebendig war, sondern nur noch in den Rhetorenschulen eine kiimmerliche Scheinexistenz führte. So erklirt sich auch der Mangel jeder tiefern Beziehung auf altes Volks leben, alte Volksreligion und Mythendichtung. Einem Hellenisten traue ich nicht zu, daß er, trotz des eifrig- sten Bestrebens, mit mythologischen Anspielungen zu prunken, über den Kreis der Atriden, des Kadmos und Herakles d.h. über die Mythologie der Schulstube nicht hinaus kômmt.

Wenn der Gesammteindruck dieser Verse also durchaus für eine möglichst späte Datierung spricht, so hat man keine Ver- anlassung, die falsche Quantitàt eines ‘doppelzeitigen’ Vocals 27, 6 weds 10 yÀvx 9 dafovoa mit Hanssen dem Dichter ‘nicht zur Last legen’ zu wollen: um so weniger als dieser Fehler ‘fest sitzt’ und, wie H. selbst eingesteht, bis jetzt aller Emendations- Versuche spottet !!). Hier gewinnen wir vielmehr eine nach- trägliche äußere Bestätigung für unsern Ansatz.

Wir haben die Anakreonteengruppe 21— 31 H. als ein Ganzes betrachtet, denn daß sie sich ebenso von den übrigen Partieen abhebt, wie sie in sich eine einheitliche Färbung zeigt, hat H. in seiner Habilitationsschrift p. VII sq. mit Recht her- vorgehoben. Dagegen scheint mir ein zwingender Beweis dafür, daß die ganze Reihe von einem Verfasser herstammt, immer noch nicht erbracht zu sein. Auch fehlt es bei dieser Annahme nicht an kleinen Bedenken. Sollte z. B. derselbe Dichter das Motiv des "Egwg ıgoyalwr ?) in zwei benachbarten Gedichten (23. 29) behandelt haben? Diese beiden Stücke sehen fast aus wie jene Concurrenzleistungen, welche besonders die Fabel- und Epigrammendichtung, aber auch die Anakreonteenpoesie (vgl. Hanssen p. 6) so oft bietet. Bergk meinte, daß die Familienähn- lichkeit mancher Stücke auf Rechnung gemeinsamer Schulmanier zu setzen sei: und es wird schwer halten, diese Möglichkeit end- gültig zu eliminiren.

11) Hanssen's neuster Vorschlag u. xai y £a x9? #4 oven ist nach seinem eignen Bekenntniß nicht ausreichend gesichert. Dagegen spricht der einfache Gegensatz yodj. Ganz ähnlich heißt es bei

Catull 68, 19: (dea) quae dulcem curis (d. i. ‘in den Gedichten’, vgl. ueléin, uéAyua) miscet amaritiem, vgl. Riese S. 222.

12) Der Schluß von 29 (gsdAjoas;) wird als Frage zu fassen sein.

Tübingen. Otto Crusius.

Philologus. N. F. I, 2. 16

XIII.

Poseidonios und Plutarch über die römischen Eigennamen.

Seitdem Heeren de fontibus Plutarchi geschrieben hat, ist die Zahl der Untersuchungen über die Quellen des Plutarch in's Ungemessene angewachsen; gleichwohl ist, was wir von der Arbeitsweise dieses. Schriftstellers wissen heute noch unverhält- nißmäßig wenig. Gerade über diese wichtigste Vorfrage aller Quellenuntersuchungen bestehen auch bezüglich Plutarchs die widersprechendsten Anschauungen. Im Ganzen wird jedoch ófter behauptet, er schreibe seine Quellen lediglich aus, als man an- nimmt, er gebe sie in freier Bearbeitung und selbstündig aus dem reichen Schatze seiner Gelehrsamkeit schópfend wieder, es werden ihm häufiger Mißverständnisse und Einfalt vorgeworfen, als man die Genauigkeit seiner Anführungen loben hört.

Der Untersuchungen kleineren Umfanges, welche jedes Ka- pitel einer plutarchischen Biographie auf eine bestimmte Quelle zurückzuführen wagen, gibt es so viele, daß deren Anführung sich von selbst verbietet, A. Schmidt (Zeitalter des Perikles) hat in größerem Zusammenhang sich bemüht, eine ganze Reihe von Lebensbeschreibungen der Griechen als „continuierliche Excerpte“ aus Stesimbrotos zu erweisen, und jüngst ist K. Müllenhoff in seinen weitausholenden und eindringlichen Forschungen, in denen er die Kenntniß der Griechen und Römer vom Westen und Norden Europas zu umschreiben unternimmt, bezüglich des Ver- hältnisses des Plutarch (Marius K. 11 ff.) und Poseidonios zu

Poseidonios und Plutarch über die rômischen Eigennamen. 243

einem ganz gleichartigen ErgebniB gelangt (Deutsche Alterthums- kunde II. Bd.). Nach ihm ist der einzige zusammenhüngende Bericht, den wir über die Kimbernkriege besitzen, von unbedeu- tenden Zusätzen abgesehen, dem Geschichtswerke des Poseidonios entlehnt, das dieser zur Fortsetzung des Polybios verfaßt hatte. Plutarch kommt dabei nicht gut weg, er spielt die Rolle eines Autors vom Schlage des Diodor oder Aelian; was sein Bericht Gutes enthält, ist aus seiner Quelle, was er hinzufügt, ist werth- los und er irrt, sobald er aufhört Poseidonios auszuschreiben ?).

Derartige Ergebnisse und Ansichten sind jedoch mit dem Eindruck, den eine unbefangene, um ihrer selbst willen ange- stellte Plutarchlektüre hinterläßt, nicht vereinbar. Die Erklä- rung für diesen Widerspruch kann ich nur darin finden, daß die Mehrzahl der Forscher dem Schriftsteller, über dessen Quel- len sie handeln, als solchem nicht dieselbe Theilnahme entge- genbringen wie den Quellen, die sie zu ermitteln suchen. Der verlorene Autor gilt meist als Ideal, er ist unübertrefflich, heiße er nun Poseidonios oder anders, der erhaltene wird als ein Stümper oder noch Schlimmeres dargestellt, sei es Plutarch oder

1) Freilich sagt Müllenhoff einleitend (S. 123) ,,Plutarch wieder- holt aber oder epitomiert nicht einfach den ilım vorliegenden Be- richt, sondern erweitert seinen Auszug durch Zusätze aus anderen Schriften und verfehlt dabei .. . . mehrmals auffällig die richtige Darstellung‘; seine folgende Untersuchung beschuldigt jedoch Plu- tarchs Schriftstellerei dessen völlig, wovon ihn der angeführte Satz halb rein zu waschen scheint.

Aus Livius ist nach Müllenhoff die zweite Hälfte von K. 14 und die Marius ungünstige Erzählung K. 12. K. 13 hat Plutarch 10 oder 16 Zeilen ,,aus einer Parömien- oder Apophthegmensammlung einge- schaltet‘, K. 15 enthält eine ,,gedankenlose‘‘ Bemerkung und einen „ohne Nachdenken‘‘ erhobenen Vorwurf von Plutarch selbst, K. 17 ein chronologisches ,,Versehen‘‘ und eine ,,Reminiscenz‘‘ an ein Pa- radoxon in der Vogelgeschichte des Alexander von Myndos, K. 11 eine Bemerkung, aus der man entnimmt, Plutarch habe noch andere Berichte gekannt. In Kapitel 25 ist eine ‚‚einigermaßen unverständ- liche Notiz ungeschickt angeknüpft', K. 25 und 26 sind „einige Sätze‘‘ aus den Kommentarien Sullas eingefügt, die Plutarch selbst benutzte ; die Apologie des Catulus dagegen, auf die er sich beruft, kennt er nur durch Vermittelung seiner Hauptquelle. Von diesen Zu- sätzen abgesehen ist alles andere so.sehr ein ,,Auszug‘ aus Poseido- nios, daß Müllenhoff auch die einleitenden Sätze von K. 23, ,,eine schön geformte und im Hinblick auf das wechselvolle Menschenleben würkungsvolle Periode‘‘, diesem ,,geistreichen‘‘ Autor zuzuschreiben geneigt ist.

In einer Darstellung von 655 Zeilen hätte also Plutarch aus Ei- genem und aus anderen Quellen höchstens 100 Zeilen hinzugefügt.

16*

244 Adolf Bauer,

ein anderer. Und in den meisten Füllen ist es nur dadurch, daß die uns erhaltenen Autoren zu thörichten Abschreibern oder schlechten Menschen gemacht werden, móglich, ihre guten und „geistreichen‘‘ Quellen mit solcher Sicherheit zu ermitteln.

Es ist jedoch ebenso wichtig zu wissen, wie Plutarch ge- arbeitet hat, als zu erfahren, wie viel er Ephoros, Poseidonios und anderen entnahm. Für eine methodische Quellenkritik ist unerläßlich, vor allem von den Zwecken und der Arbeitsweise der erhaltenen Schriftsteller eine bestimmte Vorstellung zu ge- winnen, ihrer schriftstellerischen Individualität näher zu treten, ehe die Frage nach ihren Quellen durch Vergleichung von Pa- rallelberichten erörtert wird. Die Uebereinstimmungen und Un- terschiede derselben lassen an sich meist verschiedene Auffas- sungen zu, zwischen denen nur zu entscheiden vermag, wer sich von der Schriftstellerei der verglichenen Autoren eine bestimmte Ansicht gebildet hat. Gerade bei Plutarch, der sich so oft über die Absichten geäußert hat, die er in seinen Parallelen verfolgt, der so häufig auf dieselben Dinge zu sprechen kommt, scheint es mir möglich diese Vorfrage befriedigend zu beantworten; die folgende Darlegung möchte dazu einen Beitrag liefern.

Ich werde zuerst versuchen (I) ein Stück des Werkes des Poseidonios aus zerstreuten, hauptsächlich Plutarch entnommenen Angaben wieder zusammenzufügen und dann (Il) daraus Ergeb- nisse für die Art der Quellenbenutzung Plutarchs zu gewinnen trachten.

I.

Im ersten Kapitel der Mariusbiographie sagt Plutarch, er könne von Gaius Marius sowenig einen dritten Namen anführen wie von Quintus Sertorius und von Lucius Mummius; den Bei- namen Achaicus habe der letztere erst in Folge einer Kriegs- that erhalten wie Scipio und Metellus ihre Beinamen Africanus und Macedonicus. Mit Berufung darauf glaube Poseidonios jene zu widerlegen (@ ov xai padsora Mocesduirios éléyyesr oferus ....), welche den „dritten Namen“ der Römer wie z. B. Camil- lus, Marcellus, Cato für das oroua xvgwr hielten: es würden nämlich sonst Leute mit nur zwei Namen überhaupt namenlos sein. Dabei übersehe dieser Schriftsteller seinerseits, daß durch

Poseidonios und Plutarch tiber die rémischen Eigennamen. 245

seine Auffassung wiederum die Frauen namenlos gemacht wiir- den *), denn keine habe den ,,ersten Namen“, den er fiir den ei- gentlichen halte. Von den zwei anderen Namen bezeichne der eine nach Poseidonios die Geschlechtsangehörigkeit z. B. Pompeii Manlii, Cornelii, wie man von Herakliden und Pelopiden spre- che, der zweite werde beigelegt mit Bezug auf natiirliche An- lagen, Thaten, auffalende körperliche Eigenschaften oder Ge- brechen, wie z. B. Macrinus, Torquatus oder Sulla, vergleichbar Mnemon *), Grypos oder Kallinikos: dazu gäbe Ungewöhnliches häufig Veranlassung. |

Unter den hier (Mar. K. 1) für zwei Kategorien von Namen der Rómer angeführten Beispielen *) erscheint auch das Cognomen Marcellus angeführt. In der Biographie desselben, wieder in der Einleitung (K. 1) heißt es: der Eroberer von Syrakus sei zuerst von allen Claudiern Marcellus genannt worden, 079 Eoıtv ° Agniov, ws on Hooudwvioc. qv yao ij wiv Eurespla moleusxog xrÀ. . . . Diese Bemerkung gehört zweifellos dersel- ben Auseinandersetzung des Poseidonios an, welche Plutarch im ersten Kapitel des Marius im Auge hat. Dieselbe muB also ausführlicher gewesen sein und ist von Plutarch an der zuletzt erwähnten Stelle nicht vollständig wiedergegeben, ferner rühren aller Wahrscheinlichkeit nach auch die im Marius angeführten Beispiele nicht von Plutarch selbst her, sondern er fand diesel- ben bereits in seiner Quelle vor, was sich noch näher erweisen wird °), endlich hatte Poseidonios irgendwo in seinen Werken

2) Ueber die Zweinamigkeit der Frauen, die Plutarch hier gegen Poseidonios ausspielt vgl. unten S. 256 A. 18.

3) Ueber diesen Beinamen des Artaxerxes. ohne ihn jedoch beson- ders zu erklüren, spricht Plutarch auch Artaxerx. K. 1, anderen Ge- währsmännern folgend und für anderes als dessen Bedeutung inte- ressiert.

4) Daß gerade Pompeius als Familienname genannt wird, und zwar an erster Stelle, verdient bemerkt zu werden; wahrscheinlich ist ferner , da$ die Beispiele für Geschlechtsnamen und Cognomina zu Pompeius Macrinus, Manlius Torquatus, Cornelius Sulla zu verbinden sind. Für den zweiterwühnten darf an den Legaten des Pompeius im Seeräuberkrieg (Appian Mith. 95), ebenso wie an den Consul L. Man- lius Torquatus (Dio XXXVII 1) des Jahres 66 erinnert werden, diese Beispiele beziehen sich also auf Zeitgenossen des Poseidonios; einen Pompeius Macrinus kenne ich freilich aus dieser Zeit nicht, der Con- sul M. Pompeius Macrinus 164 nach Christo darf kaum als Beweis für das Vorkommen dieses Cognomen bei den Pompeii angeführt werden.

5) C. Müller frag. hist. Gr. III S. 270 hätte das Marius K. 1 entnommene Fragment, wie auch Arnold XIII. Suppl.bd. d. Jahrb. f.

246 Adolf Bauer,

über rómische Namengebung, dieselbe mit der griechischen ver- gleichend, gegen die Ansichten anderer polemisierend besonders gehandelt. Er bemerkte dabei auch, daß die Römer drei Na- men, den Individualnamen, den Geschlechtsnamen und den Bei- namen in feststehender Abfolge führten; dies ist zunüchst zu beweisen.

Von vorne herein wird man eine Darlegung über das We- sen der rómischen Namen, wie jene im Marius K. 1 gegebene, in der, wie wir noch sehen werden, lateinische Namen auch sprachlich erklürt wurden, nicht Plutarch selbst zuzuschreiben ge- neigt sein, der seine geringen Kenntnisse des Lateinischen un- verhohlen eingesteht (Cic. K. 2 u. 5.) Diese Erörterung be- trachtet ferner die Abfolge der Namen als feststehend, sie spricht von einem „ersten, zweiten und dritten“ Namen und versteht darunter Praenomen, Geschlechtsnamen und Cognomen, wovon zu Plutarchs Zeit gar nicht mehr die Rede sein kann, da da- mals das Cognomen bereits willkürlich vorausgesetzt wird. Da- gegen ist eine Darlegung dieses Inhaltes gerade bei Poseidonios sehr wahrscheinlich, auf dessen Zeit passen ihre Angaben nicht nur vollkommen, sondern sie erscheint im Munde dieses Schrift- stellers, dessen Beziehungen zu hervorragenden Mitgliedern der römischen Nobilität bekannt sind, auch deshalb besonders zu- treffend, „weil Praenomen und Cognomen, die feierliche Dreinamig- keit, das rechte Distinktiv eben der Nobilität bis zum Ausgang der Republik bildete“ (Mommsen R. Forsch. S. 55), wie denn auch der Streit darüber, ob das Prá- oder Cognomen der eigent- liche Hauptname des rómischen Bürgers sei, eben in dieser Zeit am Platze war (ebenda S. 61), in welcher Varro über die ró- mische Namengebung handelte.

Diese Erwügungen, welehe darauf hinweisen, das ganze erste Kapitel des plutarchischen Marius, mit Ausnahme des Rückweises auf die Biographie des Sertorius, dem Poseidonios zuzuschreiben, werden bestütigt durch Heranziehung einiger an- derer Stellen der Parallelen.

kl. Philol. S. 127 rügt, nicht mit önso oteras . . . Mocssdwysog enden lassen sollen, und Müllenhoff a. a. O. S. 129 irrt, wenn er Plutarch Marius K. 1 von einer ,,Bemerkung‘‘ des Poseidonios ausgehen läßt, er nimmt vielmehr auf eine ausführliche Darstellung desselben Bezug, die er jedoch nur theilweise wiedergibt.

Poseidonios und Plutarch über die rômischen Eigennamen. 247

Noch zweimal, im Marcellus (K. 9) und Fabius (K. 19), be- ruft sich Plutarch in Sachen der rômischen Namengebung aus- drücklich auf Poseidonios und sagt, daß nach ihm Fabius der Schild, Marcellus das Schwert genannt worden seien. In Zusam- menhang mit den übrigen Stellen wird man daraus schließen müssen, daß Poseidonios in seiner Auseinandersetzung über die rómischen Namen auch von solchen ehrenvollen Bezeichnungen sprach, die nicht zum eigentlichen Bestand des vollen bürger- lichen Namens gehörten, wie z. B. Camillus der zweite Gründer Roms genannt ward (Plut. Cam. K. 1 u. 31, vgl. über Laelius Tib. Gracch. K. 8). Man wird ferner nicht fehlgehen, wenn man hie- her auch die Bemerkungen über Magnus und Maximus im Leben des Pompeius (K. 13) zieht. Sie dem Poseidonios zuzuschreiben dürfte schon der Umstand ausreichen, daß dieser mit Pompeius Beziehungen hatte und daß der Gewührsmann des Plutarch an dieser Stelle in der Lage ist zu sagen, wann Pompeius, beschei- dener Weise zuletzt von allen, in seinen Briefen und Akten sich Magnus nannte). In gleicher Weise läßt sich noch eine Anzahl anderer derartiger Angaben Plutarchs in den Rémerbiographien als dem Poseidonios entnommen erweisen, obschon dieser nicht ausdrücklich citiert wird. Zunächst jene Stellen, die sich auf die im Marius aus Poseidonios beispielsweise angeführten Cogno- mina beziehen.

Unter diesen erscheint für das rzoírov övoua nebst anderen, wie wir gesehen haben, auch Cato angeführt. Nun liest man im Leben des älteren Cato, wieder in der Einleitung, sobald Plutarch auf den Namen desselben zu sprechen kommt: éxaieiro 16 tolto rw» Óvou asc modtegov Kétwy aiid Iloto- xoç, votegoyv tov Karwva rg duvapews Enuivvuov Foye ‘Pwuator yao tov Eunsıgov xatov dvouatovar. Diese Bemerkung ist um so sicherer derselben Darlegung des Poseidonios ent- lehnt, als sie auBer der Hervorhebung der feststehenden Rei- henfolge der Namen mit der Stelle im Marius auch noch die Gemeinschaft aufweist, daf die später erst erfolgte Beilegung des Namens Cato besonders betont wird. Diese bildete für Po-

6) In Kürze berichtet über die Ertheilung des Namens Magnus an Pompeius Plutarch noch im Leben des Crassus (K. 7) und Serto- rius (K. 18); die übereinstimmende Angabe bei Appian b. c. I 80 hat schon Arnold. a. a. O. S. 80 dem Poseidonios zugewiesen,

248 Adolf Bauer, é seidonios wie bei Mummius Achaicus und Anderen ein Argu-

ment für seine Ansicht, das Cognomen kónne aus diesem Grunde nicht dvoua xvgiov sein, da Leute sonst namenlos wären, ehe ihnen dasselbe ertheilt wurde. Der oben ausgeschriebene Satz fügt sich also aufs Vollkommenste in den kurzen Auszug ein, den Plutarch Marius K. 1 aus Poseidonios gibt.

Das letzte unter den drei Beispielen, welche Plutarch im Ma- rius K. 1 für die Beilegung von Beinamen nach individuellen Eigenthümlichkeiten erwühnt, ist Sulla. Wieder in der Einlei- tung der Sullabiographie (K. 2) heißt es: èEnvde yuo 16 égv- Inua toayy xai Onogadnv xaruuemymévor 1j devnotniL* n006 0 xai zovvoua A&yovoıv avra yeresd.... Auch diese Bemerkung gehört dem Poseidonios an’). Es ist möglich, daß dieselbe bei Plutarch nicht vollständig wiedergegeben ist; vielleicht hat Po- seidonios neben dieser zweifellos unrichtigen Nachricht (das Cognomen Sulla ist bei den Corneliern älter als der Diktator) noch einige der anderen uns aus dem Alterthum bekannten Er- klirungen des Namens aufgefiihrt (vgl. dieselben bei Drumann H 427). Daf Plutarch aber gerade diese, etwa schon von Po- seidonios mit Afyovow eingeführte Erzählung, ausgewählt hat, weil sie dem Zwecke individuelle Züge seines Helden vorzu- bringen am besten entsprach, ist eine statthafte Annahme.

Zu den übrigen bei Plutarch Marius K. 1 angeführten Cognomina Macrinus und Torquatus sind Vergleichstellen in an- deren Biographien nicht erhalten, auch in der Vita des Camillus findet sich keine Erklärung des Namens?) Einige Römerbio- graphien enthalten jedoch Bemerkungen über die Namen ihrer Helden, die, wenn auch deren Triger im Marius K. 1 nicht bei- spielsweise erwühnt sind, gleichwohl zweifellose Merkmale ihrer Zugehörigkeit zu dieser Auseinandersetzung des Poseidonios zeigen.

Wieder in der Einleitung zum Fabius Maximus, über des- sen Namen wie über den seines Ahnen Poseidonios gehandelt hatte (Mare. 9, Fab. 19, Pomp. 13), heifit es, nachdem der Name Fabii?) erklärt ist (K. 1): zv d «ro cwuatsxòy

7) Die Zugehórigkeit dieser Stelle zu Marius K. 1 hat Arnold a. a. O. bereits bemerkt.

8) Das Citat aus Juba Plut. Numa K. 7, daß die dienenden Kna- ‘ben beim Opfer camilli geheiBen haben, hat mit dieser Frage nichts zu thun.

9) Vielleicht stammt auch diese Nachricht aus derselben Quelle;

Poseidonios und Plutarch iiber die rimischen Eigennamen. 249

piv rmapwvvpiov 0 Bsgovxwoog: eiye yàg uxgoyogdovu pixgav Ènarw rov yellouc Qavntquxviuv 0. Oovixovdus onualres iv 10 mgo- B«nov, &£9n nods inv noadtniu xoi Poadvizia tov n Fog En madòs 0r106 . . . . Hier wird wie an der früher aus Ma- rius angeführten Stelle (K. 1 mods zug qvotig 10d Owmarog ddp xai nudn ... ovvnOQ e(ag avwuadlu) darauf Gewicht ge- legt, daß die Cognomina von körperlichen oder geistigen Eigen- thümlichkeiten genommen sind; Fabius bot ein Beispiel für bei- des und auch dafür, daß das Cognomen mitunter erst später beigelegt wurde, worauf, wie wir sahen, Poseidonios Gewicht legte, um jene zu widerlegen, die es für den Hauptnamen hielten. Endlich gehört diese Stelle deshalb der Darlegung des Rhodiers an, weil auch hier wie bei der Bemerkung über Fabius Rullia- nus (Pomp. 13) von der Ertheilung des Namens Maximus die Rede ist.

Ein gleiches gilt von den einleitenden Worten des Popli- cola (K. 1): ZTondıxoiur rmupuPaliouer, © todo piv VoTEQoOY 6 ‘Pwpulwv diuos eSevgev ni tej, tovvoua, ngo rov Mo- thos Ovadrégucg êxuleïro . . . . Im 10. Kapitel kommt Plu- tarch nochmals darauf zurück, anläßlich der volksfreundlichen Maßregeln seines Helden: wore xai lJonAwoÀav avnyogsvosr uv- toy onualvss rovvoua dnuoxndi: x«i rovro alloy Voyvos 1wv «ogulcv övouarwr. Beidemale wird hier, wozu Pluturch keine Veranlassung hatte, worauf aber Poseidonios besonderen Nach- druck legen mußte, die spätere Beilegung des Cognomens be- tont. Plutarch führt fort: @ x«i juets yonoouesdu r0v Aovzov ffov rv «rdoòs iormgoëvreg, er fand also, daß das Cognomen der ge- liufigste der drei Namen sei. Erinnern wir uns der pole- mischen Haltung des Poseidonios gegen jene, die es für den Hauptnamen hielten, so wire denkhar, daß letzterer etwa gesagt hatte: allerdings sei das Cognomen der häufigst verwendete der drei Namen, wie z. B. bei Poplikola, es kónne aber dennoch nicht oroua xvgiov sein, da auch dieser erst später imi nu so genannt worden sei und ursprünglich Publius Valerius hieß.

Erwügt man ferner, dafi Plutarch, wie wir bisher beob-

die rómischen Antiquare mindestens, denen Plutarch sonst in den auf Geschlechtsnamen bezüglichen Angaben zu folgen pflegte, wie noch zu zeigen ist, leiteten den Namen anders ab als Plutarch a.a. O. wie aus Plin. h. n. XVIII 8. IO erhellt.

250 Adolf Bauer,

achten konnten, nahezu regelmäßig in den Einleitungen der Rö- merbiographien auf diese Darlegung des Poseidonios zurück- kommt, so ist es zweifellos, daB er ebendaher auch das Poseido- nioscitat (Brut. K. 1, vgl. Caes. 61. 62) entnommen hat, wo- nach das Geschlecht der Iunii Bruti von einem unmündigen Sohne des Gegners der Tarquinier herstammte, wofür sich einige Geschlechtsmitglieder, die zu Poseidonios’ Zeit lebten, auf ihre Aehn- liehkeit mit den Zügen der Statue ihres angeblichen Ahnherrn beriefen. Daß diese Angabe nicht nóthigt, wie C. Müller ge- meint hatte, mit diesem Fragment unseres Geschichtschreibers bis auf Caesars Tod herabzugehen, hat Müllenhoff (a. a. O. S. 126 Anm.) mit Recht bemerkt. Das Spiel mit der Statue des angeblichen Ahnherrn Brutus auf dem Capitol konnte auf Cae- sars Môrder nur dann die gewünschte Wirkung haben, wenn der Glaube an die Abkunft längere Zeit Geltung hatte, so daß er im Jahre 48 v. Chr. bereits feststand. Poseidonios kann also sehr wohl von dieser Ueberlieferung bereite früher Kennt- niß gehabt haben. Von Brutus als Cognomen wird er im Zu- sammenhang mit Caecus und Clodius (Plut. Coriol K. 11 vgl. unten) gehandelt und an die dort erhaltene Bemerkung etwa in der Form angeknüpft haben: die Rómer sähen in solchen Beinamen keine Schande, sowenig daß einige Iunii Bruti, die er kannte, sich sogar auf ihre äußere Aehnlichkeit mit einem „Bru- tus“ beriefen.

Hierher darf endlich gezogen werden, was wir wieder in der Einleitung der Cicerobiographie (K. 1) über dessen Namen lesen: ó uévros nowrog èx tov yévous Kixtowv émovouuoTeis afsog Adyou doxei yevéotus, did tiv entxdnow ovx Untogipav of per aviv, aad’ nondourro, xulmeo vnò noklüv yAsvulouernv. Kt- xeon yao ob Aarivos 10v èvéBirdov xadovos, xaxelvog dv 1@ néout ins Ówog duucrodÿr, wg Eoıxev, duBheiuv elyer, wonso egsBlvFov diayunv, ag’ no éxtriouro ray Énwruulur. Auch dieses Cognomen gab ein gutes Beispiel wie Caecus und Clodius fiir den Satz, den wir noch als Eigenthum des Poseidonios werden kennen lernen (Coriol. 11): x«Agg #%(tovues wnt GAAnv tiva owuurtixny aruyluv Ovesdog nyeioFus undi Aosdoplur. . .

Plutarch erzählt dann, daB Cicero, als man ihm rieth, den Namen abzulegen, da er die politische Laufbahn betrat, gesagt habe, er wolle denselben beriihmter machen als den der Scauri und

Poseidonios und Plutarch über die rimischen Eigennamen. 251

Catuli, und fügt hinzu, daß Cicero auf einem Weihegeschenk, welches er als Quästor (75 v. Chr.) in Sizilien stiftete: za uv nowra dvo ruv üvouarwv Entyguype rdv 18 Mugxov xai 10v Tudor, &vil Tov rolrou oxwnrwv èoéBwdov 2x£Asvos naga Te yocupurae tov teyritny évrogevour und schließt zuurn u£v oùv xeoù TOU Orduatos torcgntar. Diese Erzählung weist gleichfalls Berührungen mit der uns bekannten Fasseng des Excurses des Poseidonios auf, und muß daher für denselben in Anspruch genommen werden !") Erinnert man sich der weit harmloseren Erklirung des Namens, die Plinius lateinischen Autoren folgend (h. n. XVIII 3. 10) gibt, so ist nicht unwahrscheinlich, da wir hier Erzühlungen vor uns haben, die von der Nobilität dem Redner aufgebracht wurden; gerade aus ihren Kreisen stammen aber des Poseidonios Informationen.

Recht als Bestütigung für die Richtigkeit der bisherigen Auseinandersetzungen , erweist sich als dem Poseidonios zuge- hörig, was Plutarch Coriolan K. 11 mittheilt!!). Hier wird von dem BeschluB erzühlt, dem Gaius Marcius den Beinamen Corio- lanus zu ertheilen: èx rovrov roírov £oycev Oroua 10v Kooio- Aavóv. © xoi uauluoru dijdov tor, du TGV dvouatwy Tdsov ny 0 l'aioc, 10 dsvtegov olx(ag 5j yévovs xowàv 0 Magxioc, roro votegov iyorcaro MonEEWS rwog n wyns | Ideas n dgs-

10) Nicht mit Sicherheit ist auf Poseidonios zurückzuführen, was Cic. 17 über Cornelius Lent:lus Sura steht. Der Anlai, in Folge dessen der aus der Catilinarischen Verschwörung bekannte Mann das Cognomen Sura erhielt, fallt in das Jahr 80 v. Chr. und kónnte da- her allerdings dem Rhodier zur Zeit, da er diesen Excurs verfaßte, schon bekannt gewesen sein, wie wir noch sehen werden. Die Fas- sung der Erzählung Plutarchs betont aber keines der für Poseidonios charakteristischen Merkmale, obschon auch hier ein Beispiel spüterer Beilegung eines Cognomen vorliegt, und die Weglassung des Prüno- men Publius macht nicht wahrscheinlich, daß dieselbe gerade einer Darlegung entnommen sei, welche sich wie die des Poseidonios mit dem Wesen der drei Namen beschäftigte. Plutarch hat sich, wie sein háufiges Zurückkommen auf Poseidonios' Auseinandersetzungen beweist, auch seinerseits für diese Frage interessiert, man muf also die Móg- lichkeit im Auge behalten, daß er auch aus anderen Berichterstattern darauf Bezügliches genommen hat.

11) Den Zusammenhang von Marius K. ! und Coriol. 11 hat auch Mommsen a. a. O. S. 61 Anm. 1 bemerkt. Der Pausan. VII 7. 8 (und X 36. 1) erwähnte 'Ozilsos kann aber nicht, wie Mommsen will, A. Atilius Serranus sein, sondern ist, wie der Zusammenhang ergibt, Q. (P. Villius Tappulus der Vorgünger des Flamininus, weshalb man bei Pausanias an beiden Stellen ‘Ortdsog in ‘Ovéllsoc oder Billsos ver- bessern muß; beides bietet paläographisch keine Schwierigkeit.

252 Adolf Bauer,

ins Ot xadaneg “Eddnveg . . . Dabei weist auf den glei- chen Gewährsmann schon die Betonung der feststehenden Rei- henfolge der Namen, besonders aber die hier wie Cato K.'1 und Marius K. 1 aus den bekannten Gründen hervorgehobene „spä- tere“ Beilegung des Cognomen. Der folgende, reich mit Bei- spielen ausgestattete Vergleich der griechischen und rómischen Namen ist ebenfalls dem Poseidonios entlehnt wegen der zahl- reichen hier wie in der Mariusbiographie K. 1 übereinstim- mend angeführten Namen, wodurch es zur Gewifheit wird, daB Plutarch die Beispiele beidemale, im Coriolan aber reichlicher als im Marius, seiner Quelle entnommen hat.

Von griechischen Beinamen, die als Epitheta mgufews ertheilt wurden, werden Soter und Kallinikos (letzterer auch Mar. 1), von denen ?dée¢ Physkon und Grypos (letzterer ebenda) ager]; Euergetes und Philadelphos, eörurfag Eudaimon, der Bei- name des zweiten Battos, erwühnt. Auch der Spott, heiBt es dann, habe einigen Kónigen Beinamen verschafft, so seien An- tigonos Doson (vgl. Aem. Paull K. 8) und Ptolemaios Lathyros genannt worden. Häufiger noch seien derartige Namen bei den Rómern im Gebrauch, so habe man einen Meteller Diadematus genannt, der krankheithalber eine Stirnbinde tragen mußte, ei- nen anderen desselben Geschlechtes Celer, da man sich wunderte, wie rasch derselbe nach dem Tode seines Vaters Spiele veran- staltete 1”). Einige würden péyge vor nach den Umständen, unter denen ihre Geburt erfolge, benannt, Proclus, wer in Abwe- senheit, Postumus, wer nach des Vaters Tod zur Welt komme, der überlebende eines Zwillingspaares Vopiscus !?) Nach Körper- eigenschaften (wv di cwwa tsxdv vgl. oben Cato K. 1 cwpa-

12) Dieselbe Bemerkung ist beilàufig auch Rom. K. 10 gemacht, wo Plutarch von dem Celer spricht, der nach Angabe einiger Remus erschlagen haben soll, er flüchtete nach Etrurien xaé an’ éxeivou tou tayeis oi ‘Pwpuaîos xai óffic xélepas bvouabovaw: (vgl. Coriol. a. a. 0. 10 Tdyos xai thy OEbtnra Javudouvres) xai. Koivroy Mérellor, ow rou na- 1006 Amodavovios dyuva uoroudywr iuétoas ohiyass Enoinos, davpa- Gavtes TRY os Ts napaoxsung Kéleoa noocnyopevoay.

13) Auch diese Bemerkung fügt sich dem ganzen Zusammenhan der Darlegung des Poseidonios, die wir zu ermitteln bemüht sind, aufs Beste ein. Derselbe hatte die ,später“ beigelegten Cognomina als Beweis angeführt, daß das roiroy övoua nicht der eigentliche Name sein könne; indem er nun über das Cognomen überhaupt sich aus- ließ, bemerkte er „freilich würde einigen auch nach den Umständen ihrer Geburt das Cognomen gegeben, dasselbe sei aber gleichwohl nicht der Personenname".

Poseidonios und Plutarch über die römischen Eigennamen. 253

Zixov mugwrvpior) seien nicht nur die Sullae (auch Marius K. 1 erwühnt) Nigri und Rufi sondern auch die Caeci und Clodii ge- nannt xadwòs #0ltovres unte tophetnra un’ addny twa Cwma- tí. x 1v aruyluv Urerdos nytioFas unà Aoudoglur, GAI” ws olxeloıg vraxovt» dropuucir. Eine wenn auch Anderes an den römischen Namen bewundernde AeuBernng findet sich auch Pomp. 13, ge- rade dort, wo von der Annahme des Namens Magnus durch Pom- peius die Rede ist: oùxére yaQ 7v énlpdovor tovrouu ovrndec yerouerov. Oder elxorws ayaodeln xai Fuvuaoerer av ng 100g náAus Pouatovc, of tuig totuvtass emixdnoso, xai rnoocwrvuiuig zug modemixeg "ut(Bovro xai CrontiWtixcs xuTOQFWOELS povov Qu xai rug rmodirinag mods: xai averag éxoouour. Es folgt dann die Mittheilung, daB Valerius und Fabius Rullianus den Beinamen Maximus erhalten hatten, der eine wegen Beschwichti- gung eines Streites im Senat, der andere, weil er reiche Freige- lassene aus demselben entfernte. Die Uebereinstimmung in der bewundernden Anerkennung mit der ersteren Stelle und die An- bringung der zweiten anläBlich des Beinamens Magnus gerade bei Pompeius, erweist beides als dem Poseidonios entlehnt.

Die Auseinandersetzung im elften Kapitel der Coriolanbio- graphie, die Plutarch selbst mit Rücksicht auf den Anlaß zu lange gerathen schien, schließt derselbe mit den Worten: adda tuttu mer ÉTÉOW yÉrer yoagns mQoorxa.

Was diese Stelle an Neuem zu des Poseidonios Behandlung der rómischen Namen beibringt, bestätigt die Richtigkeit der bis- herigen Darlegung bestens. Wir ersehen zunächst, was wir schon früher annehmen mußten, daß er den Gegenstand ausführlicher erörtert hatte, als das Citat im Marius vermuthen läßt. Es kann ferner nicht Zufall sein, daB in einer Sammlung von min- destens 28 griechischen und rómischen Namen die der Lebens- zit ihrer Träger nach spätesten gerade Zeitgenossen des Posei- donios sind, daß nicht ein einziger dem Zeitraum zwischen Po- seidonios und Plutarch angehórt; schon der verschiedenen An- sichten über die Herkunft des Namens Caesar wird beispiels- weise mit keinem Worte gedacht, was durchaus bezeichnend ist. Dabei ist auf die Liste der Griechen weniger zu geben, weil die Beinamen hellenistischer Herrscher mit dem Ende ihrer Herr- schaft naturgemäß versagen, daß aber der seit 121 regierende und 96 v. Chr. verstorbene Antiochos Grypos, der 146—117

254 Adolf Bauer,

regierende Ptolemaios Physkon und der 117—107/6 und 88—81 herrschende Ptolemaios Lathyros gerade die jiingsten Beispiele sind, darf doch nicht ganz als unbeweisend bezeichnet werden. Wichtiger sind zur Bestimmung der Herkunft dieser Stellen die jüngsten der beispielsweise erwähnten Römer, theilweise wenig bekannte Männer, alle Zeitgenossen des Rhodiers. Sowohl die an der zuletzt angeführten Stelle des Coriolan wie die an der früher besprochenen des Marius meist Genannten stammen aus des Pom- peius Umgebung (vgl. oben S. 245 A. 4).

Auf die zweimalige Erwähnung Sullas ist freilich nicht viel zu geben, auch die von Plutarch als „bis jetzt“ üblichen Namen Proclus und Postumus'4) gestatten, da sie häufig vor- kommen, keine sicheren Schlüsse; es verdient jedoch bemerkt zu werden, daß der Beiname Vopiscus, trotz der von Plin. VII 10. 8 betonten Seltenheit des Anlasses gerade zu Poseidonios' Zeit von einer bekannten Persónlichkeit geführt wird; und nur um eine solche kann es sich handeln, wenn der Hinweis wirksam sein soll, daß dieser Name w£yoı rov gebräuchlich sei. Vopiscus heißt C. Julius Caesar Strabo, Aedil im J. 90 v. Chr., der sich für das Jahr 88 um das Consulat bewarb und von Cicero fünf- mal vertheidigt worden war (Phil. XI 5. 11). Ihm gegenüber kann der Consul suffectus Pompeius Vopiscus aus dem Jahre 69 nach Christo, dessen kurze Amtsdauer also in Plutarchs Jüng- lingszeit fállt, nicht in Betracht kommen, noch weniger der Consul des Jahres 114 nach Chr. Manilius Vopiscus. Plutarch hat also auch diese Zeitangabe aus seiner Quelle sammt den Beispielen entlehnt.

Noch mehr darf man darauf Gewicht legen, daß neben Sulla (Coriol. 11 u. Mar. 1) an ersterer Stelle gerade die in der Familie der Pompeii häufigen Beinamen Niger und Rufus bei- spielsweise erwühnt werden. Am meisten aber spricht für Po- seidonios die Namhaftmachung der beiden Metelli (Cor. 11). Luc. Metellus Diadematus war Consul 117 v. Chr. und der Sohn des Marius K. 1 gleichfalls beispielsweise genannten Q. Metellus Macedonicus. Der andere, Q. Metellus Celer !°), der wie Plutarch

14) Die Angabe über den Namen Postumus ist anläßlich der Va- leria Postuma (Sulla K. 27) wiederholt. Vgl. die Angabe aus Athe- nodoros Pop. 37 über Opsigonos.

15) Der gleichnamige Adoptivsohn desselben (Drumann IT 24) war im Jahre 66 als Legat des Pompeius in Asien.

Poseidonios und Plutarch über die rômischen Eigennamen. 255

(Cor. 11 und Rom. 10) erzählt, wegen der raschen Veranstaltung von Spielen diesen Beinamen erhielt, lebte ungefähr 90 v. Chr. Dies Alles bestätigt also die Entlehnung der längeren Ausein- andersetzung im Coriolan aus Poseidonios !9): Plutarch hat sie in seine sonst aus Dionysios von Halikarnaß vornehmlich, aber nirgends ausschlieBlich oder etwa gar würtlich geschópfte Dar- stellung (Peter die Quelle Plut. in d. Biogr. d. Rómer S. 12) eingelegt, dessen Bemerkung (VI 54) êx rovrov Kogsoduros énsxAn9n tov Zoyov ihm den Exkurs des Rhodiers über die römischen Namen, speziell seine Ansicht von der späteren Beilegung des Cognomen in Folge einer noadıg ins Ge- dächtniß gerufen haben dürfte. Neben dieser Reihe von An- gaben über die römischen Namen, deren Zusammengehörigkeit und Herkunft erwiesen scheint, findet sich bei Plutarch noch eine zweite, nicht auf die gleiche Quelle zuriickgehende.

In der Einleitung zum Aemilius Paullus (K. 1) lesen wir, daß einige, die den Numa von Pythagoras unterrichtet sein lie- Ben, auch behaupteten, daß ein Sohn des Pythagoras dem Ge- schlechte der Aemilier den Namen gegeben habe, da er di’ ai- uvàdlav Aoyov xai yagw Aluvàdcos genannt ward !). Im Numa (K. 8) sagt Plutarch, der römische König habe vier Söhne ge- habt, deren einen er nach dem Sohne des Pythagoras Mamercus nannte, von ihm stammten, da der Vater ihn seiner Wohlre- denheit wegen Aemilius nannte, die Aemilier ab. Den Zweifeln an der Richtigkeit dieser Herleitung, die er mit Rücksicht auf die Lebenszeit des Pythagoras hegte, gibt Plutarch hier noch näher Ausdruck. ° Endlich im Numa K. 21 nennt Plutarch die vier Söhne des Numa und sagt, daß von ihnen die Pomponii, Pinarii (vgl. die aus anderen Quellen geschöpfte Nachricht quaest. Rom. 60) Culpurnii und von Mamercus die Mamercini abstammten. Hier liegen sich widersprechende Angaben vor; gegen die Annahme, daß etwa schon Poseidonios diese Ableitungen alle vorgebracht

16) Vielleicht darf hiemit noch verbunden werden, was Cic. 29 steht: Klwdiev de Mérellos ó Kédso slytv, nr Kovadoavtiav èxalovr, 0n wy épaotwy us avın yalrods Zußalwv sic Baldvuov we aoytosoy sicé- neue 10 hentotatoy 100 yalxov vouicuatos xovadgaviny éxahovy.

17) Wenn Nissen. Untersuch. tiber die Quellen der 4. und 5. De- kade des Livius S. 289 sagt „unter den &»s0s ist ohne Frage ein spä- terer Annalist gemeint“, so ist er die Griinde fiir diese Behauptung schuldig geblieben.

256 Adolf Bauer,

habe, spricht der Umstand, daß Plutarch im Numa Antiquare benutzte, deren Studien sich auf die Eigennamen der Römer erstreckten. In den quaestiones Romanae ist Varro benutzt (trotz Gläser Leipz. Stud. IV S. 198 ff), und außerdem erwähnt er (10 und 76) Kastor, der za “Pwunixa 1oig Mu9ayooxoîs ver- glich; diese Angaben über Numa und Pythagoras werden daher theilweise diesem Autor entlehnt sein !5) Die Erklärung des Namens Ahenobarbus, die Plutarch Aem. Paull 25 gibt, bietet mit dem bisher über die Abhandlung des Poseidonios Ermittelten keinerlei Berührungspunkte, auch diese Angabe wird daher nicht als ein Theil derselben zu betrachten sein !?).

Nicht aus Poseidonios, sondern wohl aus den rómischen An- tiquaren, die Plutarch studiert hatte, wird auch stammen, was er Popl. K. 16 über den Beinamen Cocles (vgl Dion. Hal. V 22) und Popl 17 über den Namen Scaevola erzählt; in den Viten des Romulus, Numa und Poplicola ist ja aus den rómischen An- tiquaren geschópftes, schon in den quaest. Rom. verwendetes Ma- terial reichlich eingearbeitet. Aus Poseidonios ist ferner schwer- lich abzuleiten, was Sulla K. 34 über Felix, Faustus und Fausta steht (vgl. de fort. Rom. 4). Wohl mit Sicherheit kann dem Poseidonios die Anton. K. 4 enthaltene Angabe abgesprochen wer- den, der zufolge die Antonii nach einem Qoyog mudutoc von einem Sohne des Hercules abstammten, was der Triumvir durch Tracht und Erscheinung zu bestätigen bestrebt war. Bedenkt man, dafi darauf noch zweimal in der Biographie selbst (K. 36, 60) Bezug genommen wird, so ist alle Wahrscheinlichkeit dafür,

18) Quaest. Rom. 102 diese Schrift ist vor Camillus (K. 19) und vor Romulus (K. 16) geschrieben spricht Plutarch von der Namensertbeilung am 8. beziehentlich 9. Tage und erklürt diese Sitte aus pythagoreischer Zahlensymbolik. Am Schlusse erwühnt er, gerade wie Marius K. 1 in seiner Polemik gegen Poseidonios, daf die Frauen zwei, die Mánner drei Namen führten. Aus Kastor stammt also wahrscheinlich sein Wissen über die Zweinamigkeit der Frauen, die er Mar. K. 1 gegen Poseidonios ausspielt.

19) Nissen a. a. O. S. 303 meint dem zweimal im Aemil. Paull. genannten Poseidonios nicht zu nahe zu treten, wenn er die Erzäh- lung K. 25 demselben zutheilt. Dieselbe Erzühlung über Aheno- barbus findet sich auch Suet. Nero K. 1. Die Plutarchstelle Aem. Paull. 25 hat am meisten Verwandtschaft mit Cic. de deor. nat. II 2. Sei dem wie immer, jedenfalls ist der Hocsdwriógc rss, den Plutarch im Leben des Aemilius Paullus (19, 20, 21) als Verfasser einer Ge- schichte des Krieges gegen Perseus nennt, nicht der Rhodier, den er stets Poseidonios 6 quAocogosc oder schlechthin Poseidonios nennt.

Poseidonios und Plutarch über die rimischen Eigennamen. 257

daB auch die erstere, in der Einleitung enthaltene Nachricht der oder den im Antonius benutzten Quellen entlehnt ist, unter wel- chen Poseidonios nicht sein kann. Die Angabe Popl 11 über die Bedeutung der Namen Suilius, Bubulcus (vgl. Plin. XVIII 9. 10) und Caprarius stammt aus Fenestella wie quaest. Rom. K. 41 zeigt *°).

Was Plutarch über die rómischen Namen berichtet, scheidet sich also der Hauptsache nach in zwei Theile: die auf das Wesen der Cognomina, auf deren spätere Beilegung und auf die Dreinamigkeit beziiglichen Angaben stammen, soweit sich Sicheres ermitteln läßt, aus Poseidonios, die übrigen Bemerkungen sind, soweit sie sich nach ihren Quellen bestimmen lassen, rómischen Antiquaren entnommen *!).

Ueberblickt man nunmehr die Stellen, deren Zusammengehó- rigkeit durch zahlreiche noch erkennbare Fugen ebensowohl, als ihre Entlehnung aus Poseidonios durch genügende Anzeichen früher erwiesen wurde, so zeigt sich, daß dieser eingehend über die rómische Namengebung, sie mit der griechischen vergleichend, speciell über das Cognomen gehandelt hat; dabei gab er zahl- reiche Beispiele aus der griechischen und rômischen Geschichte von Battos Eudaimon, Poplicola und Camillus bis herab auf seine eigene Zeit.

Und dennoch macht der Gesammtinhalt dieser zersprengten Stücke nicht den Eindruck einer besonderen, diesem Gegenstand ausschlieBlich gewidmeten Abhandlung, dazu sind die gewühlten Beispiele doch allzu willkürlich und wie zufällig zusammen ge- bracht. Dieser Eindruck wird bestätigt durch die folgenden Erwägungen, auf Grund deren es mir möglich erscheint, mit ge- nügender Sicherheit auch die Stelle zu ermitteln, an welcher Poseidonios auf die Frage der römischen Namen zu spre- chen kam.

20) Andere Angaben über die von Thieren genommenen Namen bietet Varro de re rust. IT 1.

21) Wenn die mit Plutarch Coriol. 11 übereinstimmende Angabe über den Namen Vopiscus bei Plinius (h. n. VII 8. 10), der mehrfach Angaben über die rómischen Cognomina bietet, aus Varro entlehnt ist, was der Index der Autoren möglich erscheinen läßt, so zeigt dies nur die theilweise Uebereinstimmung der Angaben des Poseidonios mit Varro, die ganz natürlich ist, und kann diese Pliniusstelle keine Ge- geninstanz bilden für den oben geführten Nachweis, da8 Plutarch das elfte Kapitel des Coriolan ausschließlich Poseidonios entlehnt hat.

Philologus. N. F. Bd. I, 2. 17

258 Adolf Bauer,

Plutarch hat seine beiden ausfiihrlichsten Wiedergaben der Erôrterung des Poseidonios an die Erwähnung des Marius und an die Beilegung des Cognomen Coriolanus gekniipft. Es spricht jedoch wenig für die Vermuthung, daB er dabei gleichfalls dem Beispiele des Poseidonios gefolgt sei; auch die sonstigen Anlässe, bei denen er auf seinen Gewührsmann zurückkommt, bezeichnen nicht die Stelle des Werkes, an welcher dieser Ex- curs eingefügt war.

Die Anknüpfung desselben an die Erwühnung Coriolans, des Marcellus, Fabius und Anderer in der Geschichte u::4 /To- AvBsov ist ausgeschlossen, denn Poseidonios könnte diese Römer nicht anders als gelegentlich namhaft gemacht haben, und die Anfügung einer ziemlich umfangreichen Darlegung bei einem solchen Anlalì ist sehr wenig wahrscheinlich. Aus dem Schluß- satz Plutarchs im 11. Kapitel des Coriolan erhellt überdies, daB derselbe die vorhergehende Auseinandersetzung des Poseidonios in die Coriolanvita eingelegt hat, sie also nicht in der Umge- bung vorfand, in welcher wir sie bei ihm lesen. Ein solcher Excurs bei Poseidonios anläßlich der Nennung des Marius, wie bei Plutarch, oder gelegentlich der Erwühnung des Pompeius oder Sulla hat gleichfalls wenig Wahrscheinlichkeit , und der Umfang desselben würde nóthigen eine Unterbrechung des Zu- sammenhanges anzunehmen, wozu für Poseidonios kein Grund vorlag. Auf diesem Wege sind also bestimmte Anhaltspunkte nicht zu gewinnen.

Gliicklicherweise gelangen wir über solche allgemeine Er- wügungen hinaus zu einem befriedigenden ErgebniB, indem wir nochmals auf Plut. Marius K. 1 zurückgreifen.

Hier beginnt Plutarch mit den Worten T[utov Muolov zulior ovx tyousv elneiv dvopa, xaJansQ ovdè Kotvtov Zeotwelov tov xatacyovtog Ißnelav ovdèì Aevxlov Mopuulov 100 Kogwdoy floviogs 6 yàg Ayuixös rov: ye 196 noakews Enuvvuov ytyovey, Wo 0 Aypızuvög Tanntwvi xui 0 Maxedorixdg Me- teilw. E xai pudicia [loosıdwvsog Edéygew oleruc . .... Die Rückbeziehung mit ob weist darauf hin, daß die früher erwähnten Beispiele von Beinamen, die von npu&ss hergenom- men sind (vgl. Mar. 1 mgoonyogsxov E ineéOÉ10v moog... tag nouËeus Coriol. 11 toregow éyonoavto moa teo mnvog +. . êxsdérp), dem Poseidonios entlehnt sind. Daß mit Quin-

Poseidonios und Plutarch iiber die rimischen Eigennamen. 259

tus Sertorius in den ersten Worten gerade Lucius Mummius, verbunden erscheint, ist auffülig. Der Hinweis auf Q. Serto- rius hat seinen guten Grund in Plutarchs eigener schriftstelleri- scher Thätigkeit; er bezieht sich damit auf seine Sertoriusbio- graphie zurück, die daher früher geschrieben sein muß als Ma- rius ??). Um so auffälliger ist, daß er dann grade den Eroberer von Korinth unmittelbar mit Sertorius verbindet; dafür läßt sich aus Plutarchs Werken kein Grund erfindlich machen, er hat weder je eine Biographie desselben geschrieben, noch auch seiner in einer Weise Erwühnung gethan, die diese beispiels- weise Anführung erklären kónnte, Lucius Mummius nennt er in nur an unserer Stelle sonst immer nur Mummius, er hat sich endlich niemals über die Zweinamigkeit desselben und die spätere Ertheilung des Cognomen geäußert (vgl. Plut. Philop. 21. Lucull 19. Crass. 10 comp. Nic. Crass. 3). Die Erwüh- nung dieses Mannes neben Sertorius wird man also damit zu erklären haben, daß schon mit ihr die von Plutarch benutzte Quelle einsetzt. Nimmt man hinzu, daf zusammen mit dem Er- oberer von Korinth, der im Jahre 146 v. Chr. seinen Triumph beging, der Bezwinger Karthagos und der Sieger über den Pri- tendenten Andriscus, die im Jahre 147 v. Chr. triumphierten und Africanus beziehungsweise Macedonicus genannt wurden, im Kapitel 1 des Marius verbunden erscheinen und erinnert man sich, daß Polybios mit dem Jahre 146 sein Werk endigte, Poseido- nios daher seine Fortsetzung mit demselben Jahre begann, so ist deutlich, daB dieser Schriftsteller seine Auseinandersetzung über die römische Namengebung an die Erwähnung des Mummius, des jüngeren Africanus und des Metellus Macedonicus anknüpfte, und folglich überaus wahrscheinlich, daf er diese am Anfange seiner 52 Bücher uera ModvBsov vorgebracht hat ?°).

22) Lion, comment. de ord. quo Plut. vitas scrips. Gött. 1837 hält fälschlich (S. 26) das Paar Sertorius-Eumenes für erheblich später als Marius-Pyrrhos und Michaelis de ordine vit. par. Plutarchi Berlin 1875, der Sertorius-Eumenes für früher geschrieben erachtet als Marius-Pyr- rhos, hat diesen stärksten Beweis für seine Ansicht nicht genügend hervorgehoben.

23) Es ließe sich bestimmt beweisen, daß ein ganzes Buch bei Poseidonios als Einleitung den Anfang machte, wenn die Behauptung Scheppigs de Pos. Ap. Berlin 1869 S. 27 richtig wäre Fr. 1. Mill, erst aus dessen zweiten Buche, handle von Mummius. Daß der Sieger vom Isthmos den Tempel des Hercules Victor baute, ist keineswegs sicher aus C. I. L. I 541 (vgl. Jordan Hermes XIV 573 Topogr. von

17 *

260 Adolf Bauer,

Eine Bestätigung dieses Ergebnisses bietet das Prooemium des Appian, der bekanntlich des ófteren den Poseidonios als Quelle benutzt hat. Wenn er nun sagt (K. 13), die Romer hätten ursprünglich nur einen Namen gehabt wie alle anderen Menschen, später zwei und nicht lange nachher auch noch ei- nige einen dritten Namen sich beigelegt x«i tofrov... és éntyywow ix na Fous 7 agsınzg xada xat tav Edinrwv noiv ini ta dvowatu noav minos, so ist diese Bemerkung, welche die Dreinamigkeit in der offiziellen Abfolge voraussetzt, fiir Ap- pians Zeit sowenig entsprechend als für die des Plutarch *‘), sie erweist sich aber um so sicherer dem Poseidonios entnommen, als sie mit früher erwähnten Stellen Plutarchs wörtliche Berüh- rungen zeigt, von dem auch bei Appian sich wiederholenden Hinweis auf die griechische Namengebung ganz abgesehen. Man vergleiche mit der oben ausgehobenen Stelle Appians Plut. Cor. K. 11 . 16 igltm medkews . . . n agerng énmiJéro und Ma- rius K. 1 è émdérou moog tag pucess . . . n 1 100 Gwunroç eldn xual na Fn .. Appian bemerkt schließlich, er werde manch- mal, besonders bei bedeutenden Persónlichkeiten alle drei Namen aufführen, im übrigen sich mit den gebräuchlichsten begnügen ?5),

Man wird also annehmen dürfen, daf er zu dieser Bemer- kung in seinem Prooemium veranlafit wurde, weil er in der „ngoxaracxeun‘‘ des Poseidonios eine ausführlichere Erörterung über die rómische Namengebung fand, die er seinerseits kurz wiedergab. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat also auch Po- seidonios in der Einleitung sich über die rómischen Namen ge- äußert, um wie Appian damit zu erklären, weshalb er bald einen bald mehr Namen in dem Werke selbst anführte.

Rom I 2 8.481 Anm.) zu folgern, noch weniger, daß gerade die gro- ßen Festlichkeiten bei seinem 146 gefeierten Triumph Poseidonios den Anlaß boten der Schmausereien bei dieser Gelegenheit zu gedenken.

24) Dem gegenüber ist es ein Beweis von selbständiger Kennt- niß des römischen Namenwesens seiner Zeit, wenn Pausanias VII 7. 8 sagt, die Römer hätten nicht wie die Griechen die patronymische Be- zeichnung und daher mindestens drei, manchmal auch noch mehr Namen.

25) Es ist mit Rücksicht auf das oben über Scipio Africanus mi- nor, Mummius und Metellus Bemerkte hervorzuheben daß Appian (Ib. 98) auch seinerseits über die Annahme der Beinamen Africanus und Numantinus durch den ersten ausführlich handelt. Das Cognomen Africanus hatte also Scipio Aemilianus von seinem Adoptivvater, dem ältesten Sohn des älteren Africanus, nicht ererbt (vgl. Momm. Rim. Eigenn. 8. 54).

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262 Adolf Bauer,

gen dankt man die endgültige Zurückführung der ethnographi- schen Abschnitte in Diodors fiinftem Buch und in Plutarchs Marius K. 11 über die Kelten und Herkunft der Kimbern auf diesen Autor, der sie als Einleitung vorbrachte.

Von dem Satze und der Auffassung des Polybios bis zu der Darstellungsweise des Appian, der die Geschichte jedes Vol- kes bis zu seiner Aufnahme in’s Rómerreich erzühlte und so eine strenge Zerlegung des Stoffes in Geschichten einzelner Völ- ker vornahm, ist nur ein Schritt. Es frügt sich, ob Poseidonios denselben bereits gethan hat. Was Müllenhoff über sein drei- Rigstes Buch ermittelt hat, spricht dafür, obschon dieser Ge- lehrte C. Müller folgend (fr. hist. Gr. III 251) geneigt ist zu glauben, Poseidonios habe der annalistischen Anordnung getreu in jedem Buch die Geschichte ungeführ eines Jahres zur Dar- stellung gebracht (Deutsch. Alterthk. II S. 126) *5. Die Bruch- stücke aus dem Werke des Poseidonios müssen darauf hin be- fragt werden,

Was an sicher Datierbarem zugleich mit Angabe der Bü- cher, denen es entnommen ist, vorliegt, spricht durchaus gegen eine von Jahr zu Jahr fortschreitende Erzühlung und für eine Darstellung in geographisch-ethnographischer Anordnung ?9) Es ist zunächst unverkennbar, daß erst die Geschichte des Ostens dargestellt war, dann die Betrachtung sich dem Westen des Rómerreiches zuwendete, und wahrscheinlich etwa mit dem 14. Buche wieder zu ersterem zurückkehrte ®) Wenn im vierten Buche erst von dem Ptolemaier die Rede war, der 146 den Thron bestieg, im dritten von Demetrius Nikator, der gleich- falls 146 zur Regierung kam, wenn wahrscheinlich im achten

28) Derselben Ansicht huldigen auch Toepelmann de Pos. Rhod. Bonn 1867 S. 42 ff. und Scheppig a. a. O. S. 31 ff. Obschon sich er- sterer der Einsicht nicbt verschlossen hat, daB die geographische Ord- nung bei Poseidonios eine Rolle spielt, ist er dennnch geneigt, demsel- ben ein annalistisches Schema nach Art des Diodor zuzutrauen, dem- zufolge er in den ersten sieben, den Osten behandelnden Büchern am Schluß jedesmal kurze Notizen über die römische Geschichte ange- fügt bitte (S. 48).

29) Dies nóthigt jedoch keineswegs mit Brandis Handbuch d. gr. rim. Philos. Berlin 1866 S. 540 anzunehmen, das Werk habe ,,Ge- schichtliches dem Erdkundlichen nur eingestreut enthalten“. Athenäus und Strabo, denen wir die meisten Fragmente entnehmen, haben na- türlich grade die geographischen Abschnitte besonders ausgebeutet.

30) Vgl. für die folgende Darlegung die Sammlung der Frag- mente bei C. Müller a. a. O.

Poseidonios und Plutarch iiber die rémischen Eigennamen. 263

bis elften Buch die Angelegenheiten in Italien, insbesonders der Sklavenkrieg behandelt waren, der 141 v. Chr. begann, während notorisch bereits im fiinften und siebenten auf den Osten beziigliche Ereignisse aus den Jahren 138 und 136 v. Chr. erwähnt waren, wenn Diodor und Livius, die in der Erzählung des Sklaven- kriegs Poseidonios folgten, auch ihrerseits auf dessen erste An- finge zurtickgreifen, da sie von der Besiegung der Aufständi- schen berichten, so ist wohl zweifellos, daß unser Schriftsteller, wenn auch nicht durchaus wie Appian, so doch ähnlich wie dieser seine Geschichte angeordnet hatte, so daB auch von sei- nem Werke gilt, was Appian prooem. 13 sagt vouícag d’ av tiva xai «AAov ovtws èdelioa: uadetv “Pwualwv, Gvyyoqu xar EFvoc ExuoTor 00u dv usom ngog Erévous uvroîs Eyévero, ÉEulgw xai dg Exefruv ueruridqu. Auch was wir den späteren Büchern entnehmen, gewährt denselben Eindruck. In dem 14. wie in dem 16. Buche sind Ereignisse aus den Jahren 129, 128 be- richtet, wenn Poseidonios dann im dreiundzwanzigsten Buche erst die Sitten der Kelten anläßlich der Kriege der Römer von 125—118 beschreibt, also doch jedenfalls anläßlich der Erzäh- lung des Beginnes derselben, so ist deutlich, daß er in den zwi- schen dem 16 und 23 liegenden Büchern nicht chronologisch hat verfahren können; wiederum erst volle vier Bücher nach dem 23., im 27., macht er eine Bemerkung, die allem Anschein nach anläßlich des im Jahre 117 geführten Krieges in Dalmatien ein- gefügt war. Den weiten Raum, den somit die Ereignisse allein nicht können ausgefüllt haben, hat unser Autor zu einleitenden Darlegungen über die Länder- und Völkerkunde verwendet, in- dem er, so oft ein neues Volk dem Rahmen seiner Erzählung sich einfügte, zunächst über dieses handelte; so erklärt sich auch die Einführung des achten Bruchstückes am Einfachsten, zugleich die eben vorgetragene Ansicht über die Anordnung des Stoffes bestätigend: é» rn néunrn negi Iauoddv dinyovuevos Hooen- dwriog noir . . . .

Appian hat also auf die Darstellung der rômischen Ge- schichte als Ganzes dasselbe Eintheilungsprincip übertragen, des- sen Anfänge wir in der Fortsetzung des Timaios bei Polybios für die Zeit bis 146 v. Chr. und noch mehr in der Fortsetzung des letzteren durch Poseidonios für einzelne Abschnitte ange- wendet sehen. Wie weit sich Poseidonios von dem Synchronis-

264 Adolf Bauer,

mus seines Vorgängers freigemacht hat und dadurch in die Lage versetzt war, die ethnographische Anordnung des Stoffes schärfer durchzuführen, ist im Einzelnen nicht mehr genau zu erkennen, die Thatsache selbst jedoch zweifellos. Dieses Prinzip hatte sich auf dem Gebiete griechischer Historiographie allmälig immer mehr Geltung verschafft, liegt aber im Keime schon in deren Anfängen vor; der Gewinn der Weltherrschaft durch die Römer war die Veranlassung für die griechischen Literaten jener Zeit, dasselbe mit ausdrücklichen Worten hervorzuheben und es auf die Darstellung der Geschichte Roms zu übertragen. Der erste Ver- such es in die lateinische Geschichtschreibung einzuführen, scheint mir bei Trogus Pompeius vorzuliegen, der darin von seinen grie- chischen Quellen abhüngig ist.

Es erübrigt nunmehr noch das, wie ich glaube, zuverlissig ermittelte Stück aus der Einleitung in das Geschichtswerk des Poseidonios auf seinen Ursprung hin einer kurzen Betrachtung zu unterziehen.

Man wird schon daraus, daß mit Vorliebe unter den ange- führten Beispielen Personen gewühlt sind, deren Beziehungen zu Poseidonios naheliegen, den Schluß ziehen dürfen, daß diese Darlegung über die römischen Namen nicht besonders angestellte antiquarische Studien zur Voraussetzung hat. Der Umgang mit unterrichteten Rómern ermüglichte ihm, falschen Ansichten seiner griechischen Landsleute über das rómische Namenwesen mit gu- ter Information entgegenzutreten. Es ist aber auch nicht we- sentlich mehr als die aus dem Umgang geschópfte KenntniB eines gebildeten Griechen, die uns bei dem rhodischen Gelehrten entgegentritt. Daf schon 212 v. Chr. in der Familie der Cor- neli der Beinamen Sulla vorkommt ?!) weiß dieser Gewährsmann sowenig, als da& der Beiname Maximus auch bei anderen als dem Fabier und Valerier vorkommt, die er erwähnte ??), ebenso unrichtig ist die Behauptung, daß der Eroberer von Syrakus zuerst den Beinamen Marcellus erhielt ??) Die sprachlichen

31) Der Diktator Sulla selbst berichtet nach Gell. n. Attic. I 12. .16 in seinen Memoiren, daß der praetor urbanus 212 a. Chr. zuerst den Beinamen führte.

32) Z. B. P. Cornelius Dolabella Maximus, Consul 283 v. Chr.

38) Drumann II S. 890. Es haben sich somit von den vier Po- seidonioscitaten in der Biographie des Marcellus zwei K. 1 und 9 als zur Einleitung seines Geschichtswerkes gehörig erwiesen. Die beiden

Poseidonios und Plutarch iiber die rimischen Eigennamen. 265

Sünden, die bei einigen dieser Erklärungen begangen wurden, sind so allgemein im Alterthum, daß Poseidonios nicht beson- ders dafiir verantwortlich gemacht werden kann. Daf seine An- gaben gelegentlich auch mit denen lateinischer Autoren zusam- menstimmen, darf nicht als ein Hinweis auf die Benutzung ge- meinsamer schriftlicher Quellen betrachtet werden, sondern es entspringt diese Uebereinstimmung dem Umstande, daß Posei- donios wie jene Lateiner der herrschenden Ansicht Worte leiht. Die von hellenischer Weise so abweichende Art der rômischen bürgerlichen Namen mußte griechischen Geschichtschreibern, sobald sie einmal ausführlich sich der Geschichte der Römer zu- wandten, auffallend sein und bemerkt werden; es mochten wohl allerlei irrige Ansichten über das Wesen derselben bereits im Umlauf sein, ehe Posidonios seine Darlegung geschrieben hat. Daß man auf den Gedanken gerieth, das Cognomen sei der ei- gentliche Name, ist sehr begreiflich, denn die geringe Anzahl der Praenomina und Geschlechtsnamen schien nach griechischer Anschauung die Annahme auszuschließen, daß mit einem dieser beiden Bestandtheile, vollends mit dem ersten das Individuum benannt werde. Dies bei den gebildeten Griechen berichtigt zu haben, ist das Verdienst, welches der Darlegung des Poseidonios zuerkannt werden muß. Seiner Zeit und Stellung, wie seinen Bezie- hungen zu vornehmen Römern durchaus entsprechend ist, daß er der römischen Namengebung seine Bewunderung nicht ver- sagt. Dieser Excurs ist aber, so viel wir sehen können, wie die erste so auch die letzte Feststellung der Wesenheit der tria no- mina nobiliorum in der griechischen Literatur, denn schon für Dionysios von Halikarnassos existieren nicht mehr diese drei, sondern nur die zwei das Individuum und das Geschlecht be- zeichnenden Namen (III 48. IV 1).

Wenn ich früher (S. 250) die Einleitung zum Cicero Plu- tarchs mit Recht auf Poseidonios zurückgeführt habe, so ergibt

anderen (K. 20 und 30) darf man daher gelegentlichen Erwähnungen des Mannes zuschreiben, und dieser Sachverhalt macht ‘die Vermu- thung von C. Müller (fr. hist. Graec. III 270), dem Töpelmann a.a. 0. S. 39 theilweise folgt, hinfällig, daß Poseidonios, der unter dem Con- sulat eines Marcellus nach Rom kam, über den Eroberer von Syrakus eine besondere Schrift verfaßt habe. Noch weniger braucht man mit Scheppig a. a O. S. 38 anzunehmen, diese Stellen seien der Schrift nei wxeavov entnommen.

266 Adolf Bauer,

sich daraus, daf er frühestens im Jahre 74 v. Chr. sein erstes Buch were lJoÀvfiov geschrieben hat, denn Cicero war 75 a. Chr. Quästor in Sizilien, und Poseidonios bezog sich auf Erzühlungen, die ein damals von seinem Schüler gestiftetes Weihgeschenk zur Voraussetzung haben, als er von dessen Beinamen han- delte. Dies ist mit Rücksicht auf die wahrscheinliche Todeszeit des Poseidonios durchaus zulässig; dem steht auch nicht entge- gen, was Strabon (XI 1. 6) von einem Werke des Poseidonios über Pompeius berichtet, von dem der Schriftsteller im Jahre 67 v. Chr. Pompeius gegenüber sprach. Der Wortlaut dieser Angabe macht wahrscheinlich, daß dasselbe, wenn überhaupt, da- mals schon .vollendet war; daB mit demselben eine Fort- setzung der Bücher were JToÀvfhor beabsichtigt war (C. Müller fr. hist. Gr. S. 251. Miillenhoff D. Alterthumsk. S. 126), ergibt die Strabostelle keineswegs. Die Angaben über den Endpunkt, bis zu dem Poseidonios gelangte, gestatten weiter herabzugehen als Müller und Miillenhoff, die 96 a. Chr. annehmen, wie dies schon Arnold (a. a. O. S. 149), der das Jahr 82, Toepelmann, der das Jahr 67 und andre, die das Jahr 62 annehmen, gethan haben. Die Ansicht, daB jedes der 52 Biicher ungefähr die Geschichte eines Jahres enthalten habe, muß, wie wir sahen, ohnedies auf- gegeben werden.

II.

Der Nachweis, daß das erste Buch des Poseidonios eine be- sondere Abhandlung über das rómische Namenwesen enthielt, würe unvollstindig, wenn nicht dessen Nutzanwendung auf den Schrift- steller folgte, welchem wir die meisten Bruchstücke derselben verdanken. Das hüufige Zurückkommen Plutarchs auf dieses Stück des Poseidonios gestattet uns einen, wie ich glaube, lehr- reichen Blick in die Werkstütte zu thun, in welcher die Paralle- len entstanden sind; dies dürfte sich auch für die Ermittelung anderer Quellen bei Plutarch nutzbringend erweisen.

Es kónnte den Anschein haben, als ob die vorstehende Un- tersuchung die einleitenden Worte Lügen strafen würde, in de- nen ich Plutarch als selbständigen Schriftsteller gegen neuere Auffassungen in Schutz genommen habe. Wir haben gesehen,

Poseidonios und Plutarch über die rémischen Eigennamen. 267

daß Plutarch zweimal, im Coriolan und im Marius, ein längeres Stick mit Haut und Haaren dem Poseidonios entnommen hat, daß er nicht nur die Beispiele für einzelne Behauptungen, son- dern sogar die Zeitangaben (u£yoı »ur) seiner Quelle entlehnte. Wir haben ferner beobachtet, daß in den Parallelen nahezu je- desmal in den Einleitungen und in den meisten Füllen, in denen überhaupt von den Namen der Rómer die Rede ist, immer wie- der dieser Schriftsteller hat herhalten müssen. Der Abschreiber Plutarch scheint also abermals auf's Schônste erwiesen, er citiert seine Quelle ein paar Mal, noch ófter und am Ausgiebigsten be- nutzt er sie, wenn er sie nicht namhaft macht.

Und dennoch ist das alles nur Schein, und bei näherem Zusehen zeigt sich ein ganz anderes Ergebniß.

In den Rómerbiographien dürfen wir bei Plutarchs geringer Kenntnifi lateinischer Quellen überhaupt nicht erwarten, daf er auf der Höhe seines schriftstellerischen Schaffens stehe. Angesichts der beiden umfangreichsten ,,Excerpte aus Poseidonios verdient zunächst hervorgehoben zu werden, daß Plutarch im Coriolan, in dem ausführlichsten derselben, die Ansicht seiner Quelle ohne jede Kritik widergibt, daß er im Marius, wenn auch nicht eben glücklich, gegen dieselbe polemisiert. Das zeigt, mag man wie immer über das zeitliche Verhältniß ?^) beider Stellen denken, daß Plutarch zu verschiedenen Zeiten auf Grund von neuerwor- benen Kenntnissen oder angestellten Ueberlegungen über die Zu- verlässigkeit auch einer so oft benutzten Quelle wie Posei- donios verschieden gedacht hat, daß er also auch fortgesetzten Studien oblag, und nicht bloß „gedankenlos“ immer wieder seine Excerpte oder Bücher vornahm. Nehmen wir die anderen Stel- len hinzu, an denen bloß kurze Angaben demselben Abschnitt des Poseidonios entnommen wurden, so sind auch diese, wie mir scheint, für Plutarchs Arbeitsweise bezeichnend. Sie finden sich in einer ganzen Anzahl von Viten, auch wenn der Rhodier eben nur für die einzelne Notiz als Quelle dienen konnte 3), so im

34) Michaelis a. a. O. S. 61 hält die Coriolanstelle für die frühere; daß dieselbe den Gegenstand besser behandle, kann man aber nicht sagen, wie denn überhaupt die in dieser Schrift für die Reihenfolge der Plutarchviten vorgebrachten Beweisgründe großentheils von zwei- felhafter Natur sind.

35) Es ist deshalb unstatthaft, die Erwähnung des Poseidonios anläßlich des Namens in der Einleitung für seine Vorlage als Quelle in

268 Adolf Bauer,

Coriolan, Cato, Fabius u. A., ein Beweis, daß Plutarch für be- stimmte Fragen gewisse Autoren zu Rathe zog, ohne Rücksicht darauf, ob er sie sonst fiir seine eben im Werden begriffene Ar- beit brauchen konnte oder nicht.

Es fragt sich jedoch, ob wir recht thun zu sagen, daß Plu- tarch jedesmal diesen Autor zu Rathe zog, ihn jedesmal selbst eingesehen hat, oder ein Excerpt, das er besaß, wie- der hervorholte. Ich glaube der Anlaf, bei welchem er der Angaben des Poseidonios sich am Häufigsten bedient, spricht dagegen. Die Einleitungen zu seinen Biographien sind doch, wenn irgend etwas seine eigenste Arbeit, ein Ausfluß seines ei- genen Besitzes an Wissen und Anschauungen, nirgends ist er so persónlich, wie natürlieh gerade in diesen Prooemien, nirgends also auch die Wahrscheinlichkeit so gering als gerade hier, daß er die Citate, die in denselben enthalten sind, jedesmal mühselig nachgeschlagen hat. Und ist etwa ein so parat gewordenes Wis- sen, daß der Schriftsteller mit und ohne Bezeichnung des Ur- sprunges jeden Augenblick desselben Herr ist, nicht sein Eigen- thum? Ist es überhaupt zulüssig, in solchen Füllen im gewóhn- lichen Wortsinn von „den Quellen“ des Plutarch zu sprechen ? Man thut Unrecht, wenn man die Parallelen und insbesonders die Einleitungen zu denselben zv5 xol AcE auf ihre Vorlagen auspreßt und läuft Gefahr, dadurch dem Plutarch an seinem Wesen wegzunehmen, um es jenen zuzuweisen °°), Wer wie

der ganzen Biographie zu verwerthen, auch dann wenn dies an sich móglich ist, wie Müllenhoff a. a. O. (S. 179) bezüglich des Citates Marius K. 1 gethan hat.

36) Wire Plutarch nicht selbst ein griechischer Schriftsteller, hátte er nicht selbst, wie viele Stellen zeigen, (Brut. 1. Them. 2. Aem. Paull. 6. Marc. 1. Cato 2. Num. 1. Crass. 3. Lucull. 1 u A.), fiir den Bildungsgang seiner Helden, bei den Rémern fir ihr Ver- hältniß zur griechischen Bildung großes Interesse, dann freilich könnte man eine Bemerkung Marius K. 2 mit Peter (die Quell. Plut. in den Biogr. d. Römer S. 105) als einen Beweis für Poseidonios als Vor- lage gelten lassen, und mit Müllenhoff (a. a. O. S. 129) sagen, was Plut. K. 2 von „der Geringschätzung griechischer Bildung durch Ma- rius erzählt, ist sichtbar einem griechischen Schriftsteller und zwar je mehr die geistreiche Verweisung auf die Aussprüche anderer, hier die Mahnung des Plato an Xenokrates den Grazien zu opfern in der Art des Poseidonius ist, um so gewisser nur diesem entlehnt“. Das Verhältniß zu Plato ist gerade für Plutarch charakteristisch, er zeigt seine Selbständigkeit in diesem selben Kapitel, da er von einer Por- tritstatue des Marius spricht, die er in Ravenna gesehen hatte und deren Züge er dem Wesen des Mannes überaus entsprecbend fand.

Poseidonios und Plutarch iiber die rémischen Eigennamen. 269

Plutarch seinen Poseidonios so kannte, daß er in jedem Falle gerade auf ihn verfiel sowohl in den Prooemien der Biogra- phien als auch sonst gelegentlich, auch wenn er eine nicht streng zu seinem Gegenstand gehôrige Bemerkung desselben brauchen konnte, der ihn citierte, nur wo er ihm die Verantwortung fiir seine Behauptung überlassen (z. B. beziiglich Brutus, da Poseido- nios die Vulgata gegeniiberstand vgl. Dion. Hal. V 18) oder wo er gegen ihn polemisieren wollte, dem läßt sich gar nicht mehr überall nachweisen, wie viel er diesem Autor im Allge- meinen verdankt, so lange wir nur die wenigen Fragmente des- selben besitzen. Plutarch hat Poseidonios also in einer Weise gekannt, die wahrscheinlich macht, daß er ihn an allen Stellen aus dem Gedächtniß angeführt hat, von der ausführlichen, deut- lich und eingestandenermaßen eingelegten im Coriolan vielleicht allein abgesehen. Jedoch selbst wenn er ihn sowohl Coriol. K. 11 als Marius K. 1 vor sich liegen hatte, so muß man doch bemerken, daß er das eine Mal vornehmlich das über den Hauptnamen und über das Wesen der drei Namen Erwühnte nebst einigen Beispielen aushob (Marius), das andere Mal das auf den Ursprung, die sprachliche Bedeutung und den Anlaß der Cognomina Bezügliche mittheilte (Coriol). Dennoch ist die Her- kunft beider Stücke aus einem ursprünglich einheitlichen Zusam- menhang nicht sofort erkennbar, weil sie eben nicht abgeschrie- ben, sondern selbstündig, jedesmal bestimmten Absichten entspre- chend wiedergegeben sind. Es würe wohl ein vergebliches Un- terfangen den Versuch zu machen, aus den Plutarchstellen mit Zuhiilfenahme des Prooemium Appians die Darlegung des Po- seidenios wiederherzustellen in der Art etwa, wie Müllenhoff

Wir vernehmen da deutlich Plutarch selber, den Schriftsteller, der seine Thätigkeit als Biograph so oft mit der des Malers oder Bild- hauers vergleicht und deshalb, wo er kann, in den Einleitungen der Viten die Richtigkeit seiner Charakterzeichnung an den erreichbaren Portrátkópfen seiner Helden mift (Philop. 1. Flamin. 1. Lysand. 1. Pomp. 2. Marc. 30. Cat. Mar. 11). Endlich ist gerade für diese Ein- leitungen Plutarchs der „Verweis auf die Aussprüche anderer“ be- zeichnend, eine Menge von solchen enthält die Einleitung zum Pelo- pidas und das Prooemium des Perikles; der SchluBsatz von Marius K. 2 wiederholt sich genau Flamin. K. 2. All dieses und besonders ein dem platonischen Kreise angehóriger Ausspruch bei Plutarch ist aleo für diesen und nicht für seine Quelle als Merkmal zu verwer- then. Ein Xenokratesspruch findet sich gleichfalls Flam. 12. Phok. 29; daraus läßt sich nichts für Poseidonios schließen.

270 Adolf Bauer,

aus Plut Mar. K. 11 und ein paar anderen Stellen die Einlei- tung zu der Erzählung der Kimbernkriege über die Herkunft dieses Volkes gelehrt und scharfsinnig, aber doch nicht völlig überzeugend wiederherzustellen unternommen hat ?").

Wir übertragen viel zu viel von der Art unserer eigenen wissenschaftlichen, Stellen nachschlagenden und vergleichenden Arbeitsweise, wenn wir etwas Aehnliches bei den Alten voraus- setzen, die auf ganz andere Ziele hin lasen und vor allem, wenn sie Schriftsteller waren wie Plutarch, zu ganz anderen Zwecken die Feder ergriffen; Plutarch vergleicht seine Thitigkeit als Biograph nicht umsonst so häufig mit der des Malers und Bild- hauers; ihm selbst ist also seine Leistung in erster Linie eine künstlerische nicht eine gelehrte; die moderne Kritik setzt daher an einer falschen Stelle ein, wenn sie beim Nachweis der Quel- len letzteres fast ausnahmslos voraussetzt. Ueber die Zwecke seiner Viten hat er sich deutlich genug ausgesprochen. Ein Heldenspiegel zur Erhebung und Nachahmung der Leser wird auch heute noch geschrieben, ohne daf Satz für Satz oder Ab- schnitt für Abschnitt „Quellen“ entnommen werden. Eine solche Arbeit ruht zwar ebenfalls auf der Kenntniß der Ueberlieferung; diese ist aber, sobald sie selbständig wiedergegeben wird, nicht

37) Ein solches Verfahren, das starken Glaubens an die Zuver- lässigkeit der eigenen Eindrücke vor den letzten Folgerungen nicht zurückschreckt, führt zu Willkürlichkeiten. Ganz bestimmte Ergeb- nisse sind, wie die Dinge liegen, nur um den Preis von Inkonsequenzen zu erreichen. Müllenhoff findet S. 125 Anm. Peters Ansicht, daß Sulla in seinen Memoiren des Catulus Schrift eitirt habe und Plutarch die- selbe aus ersteren anführte „seltsam verkehrt", weil Mar. K. 25 roy "Kaılov igropodos nicht dasselbe Subjekt habe mit 470: und yéyeage. Aber, wo es gilt K. 11 der Mariusbiographie als Excerpt einzig aus Poseidonios zu erweisen, besteht fiir Millenhoff darin kein HinderniB, daß es dort heißt: «iei of Aéyouar . . . . alloı qos . . ictoontas und nimmt derselbe an, daB diese Ausdrücke, die auch verschiedene »Subjekte' voraussetzen, von Plutarch seiner Quelle entnommen wur- den. Was für K. 11 recht ist, sollte auch für K. 25 billig sein; frei- lich muß man dann aufgeben, was sich ohnedies nicht halten läßt, daß die Erzählung des ganzen Kimbernkrieges, geringe Zusätze abge- rechnet, aus Poseidonios ist. Die Benutzung der sullanischen Memoi- ren in ausgedehntem Mafe für jene Partien des Marius, wo Sulla mithandelnde Person ist für die Schlacht von Vercellae werden sie dreimal (Mar. 25. 26) citiert hat schon deshalb große Wahrchein- lichkeit für sich, weil dieselben in der früher geschriebenen “Sulla- biographie (Mar. K. 10) Hauptquelle sind; die auffallend ungünstige Beurtheilung des Marius in dessen Vita erklärt sich gleichfalls zum guten Theil eben daher.

Poseidonios und Plutarch über die rômischen Eigennamen. 271

mehr etwas Objektives, außerhalb des Schriftstellers Existie- rendes , das sich mechanisch von demselben scheiden läßt, son- dern sein Eigen nach Inhalt und Form, desto mehr, je bedeu- tender derselbe durch seine geistige Veranlagung oder seine Ge- lehrsamkeit ist, je mehr ihm bei seiner Arbeit bestimmte Zwecke vorschweben.

Die Einquellenlehre erweist sich auf Plutarch angewendet noch schlechter als sie überhaupt ist. Plutarchs Freiheit als Schriftsteller zeigt sich auf Schritt und Tritt, trotz der spanischen Stiefel, die ihm die modernen Quellenjüger anlegen, um ihn zum Geständniß zu nóthigen, welche Autoren er in seinen Parallelen abgeschrieben habe. Wie oft hat man, theils um die Abfolge der Biographien Plutarchs zu ermitteln, theils um ihm einen bestimmten Schriftsteller als Vorlage nachzuweisen, die Be- hauptung aufgestellt, er pflege, wenn er das erstemal eine Stelle benutze, dieselbe ausführlicher wiederzugeben, wenn er spüter wieder auf sie zurückkomme, sich kürzer zu fassen. Nun hat Plutareh die Angaben über die ehrenden Beinamen des Fabius und Marcellus der Áuseinandersetzung des Poseidonius, wie durch Citate verbürgt ist, in der That zweimal entlehnt: das einemal im Fabius K. 19, das anderemal im Marcellus K. 9. An der ersteren Stelle ist wahrscheinlich sehr viel, vielleicht der ganze, mit einem Citat aus Homer geschmückte Vergleich beider Män- ner, dessen gewühlte Sprache auffallend ist, diesem Autor ent- nommen 38), auf alle Fälle ist aber im Fabius K. 19 ausführ- licher über beide Namen nach Poseidonios berichtet als im Mar- cellus K. 9 und dennoch ist, wie eben Fabius K. 19 beweist, die Fabiusbiographie jiinger als die des Marcellus, also auch die ausführlicher entnommene Stelle die später geschriebene. Das deutet doch darauf, daB Plutarch diese Angaben des Poseidonios ein fiir allemal gekannt hat, und daher als er sie das erstemal nur ganz kurz, das zweitemal ausfiihrlicher verwerthete, vielleicht beidemale, gewiß aber das erstemal nur aus dem Gedächtniß wiedergab, und nicht nóthig hatte, sie besonders nachzuschlagen oder aus Excerpten hervorzusuchen. Ueber den Beinamen Ca- millus berichtet Plutarch weder in dessen Biographie noch sonst gelegentlich, obschon, wie wir Mar. K. 1 entnehmen, Poseidonios

38) C. Miller hätte daher fr. 44 reichlicher aus Plutarchs Fabius bedenken miissen.

272 Adolf Bauer,

auch davon gesprochen hatte; ich meine auch dieses einmalige Außerachtlassen seines Gewährsmanns spricht für freie Arbeit aus dem Gedächniß und gegen durchgängige Abhängigkeit von je- desmal vorliegenden Quellenberichten.

Wenn ich friiher recht geurtheilt habe, so ist Poseidonios der erste und der letzte bedeutende griechische Schriftsteller, der in einer ausfiihrlichen Auseinandersetzung sich mit den biirger- lichen Namen der Rómer beschäftigt hat. Gerade ihm gute In- formation in dieser Frage zuzutrauen, da er mit vornehmen Rómern Beziehungen hatte, bestand für Plutarch aller Grund; für ihn, der seine Rómerbiographien, soweit es ging, nach grie- chischen Autoren erzählte, läßt sich daher eine bessere Quelle gar nicht ausdenken, und es ist daher recht anerkennenswerth, daß er so häufig, wenn er von den Namen seiner Helden han- delte, auf Poseidonios Angaben zurückkam. Gleichwohl hat er sich mit dieser guten Quelle seiner Kenntniß nicht als einziger begnügt, sondern, wie wir sahen, einiges auch bei römischen Antiquaren über diesen Gegenstand gelernt und einmal, wenn auch nicht glücklich auf Grund dieser Kunde gegen seinen Hauptgewährsmann polemisiert. All dies sind Anzeichen ernst- hafter und selbständiger Arbeit, Plutarch hat also in seinen Viten nicht eine beliebige Quelle zu Grunde legt, oder ein willkürlich zusammengesetztes Mosaik von mehreren geboten. Plutarch ist kein großer Schriftsteller, vielleicht nicht einmal einer zweiten Ranges, aber er schöpfte bei der Abfassung seiner Biographien frei und selbständig aus einem ausgebreiteten Wissen. Irr- thümer in Einzelangaben sind ihm dabei vielfach unterlaufen, die nicht zu begreifen wären, wenn er sich immer streng, wie die neue Lehre will, an seine Quellen gehalten und nicht viel- mehr auf sein Gedächtniß verlassen hätte 59), Seine eigene Kenntniß zeigt sich eben deshalb achtungswerther als gewöhn- lich angenommen wird auch darin wie er den Abschnitt über die römischen Eigennamen im ersten Buche des Poseidonios peta IoXvBiov verwendet hat.

Ich habe absichtlich vermieden einige Stücke plutarchischer

39) Vgl. was hierüber Michaelis a. a. O. 8.8 ff.; beigebracht hat und besonders den Nachtrag, der comp. Nic. et Crass. 2 steht: oneg nuas Ev Tjj dinyioss nagedgdude.

A. Bauer, Poseidonios u. Plutarch ii. d. rim. Eigennamen. 273

Viten, die möglicherweise anderen Theilen desselben Werkes entlehnt sind, auch nur vermuthungsweise hier anzufügen.

Die Philologen und Historiker des Alterthums unter den Lesern dieser Zeitschrift móchte ich schlieBlich auf die bedeu- tungsvollen Ergebnisse hinweisen, welche K. Miillenhoffs Lebens- werk?) auch für sie enthält, die auch dann als überaus för- dernd bezeichnet werden müssen, wenn man mit Einzelheiten derselben und in einiger Hinsicht auch mit den wissenschaft- lichen Grundsätzen dieses Forschers sich nicht einverstanden er- klären kann. Sollte es mir gelungen sein, das Bild der Schrift- stellerei des Poseidonios und Plutarch um einige Züge bereichert und in anderen berichtigt zu haben, so danke ich die Anregung hiezu der ,deutschen Alterthumskunde".

40) Der Herausgeber des zweiten Bandes ,,hat alle Zuthaten, auch Correcturen für unerlaubt zehalten“, solche also anderen überlassen. So ist ohne jede Bemerkung S. 140 Anm. ** dem Florus (I 38. 11) der Ausdruck Tridentinis Alpibus, unter dem Merkzeichen wörtlicher Uebereinstimmung mit Ampelius (45. 2) zugeschrieben, wührend er- sterer von Yridentinis iugis spricht, letzterer Tridentinas Alpes bietet. Ebenso findet sieh S. 285 Anm. ein unrichtiger Ergünzungsversuch von res. gest. div. Aug. 5. 14, während durch die letzte Vergleichung des griechischen Textes der Inschrift feststeht, daf zu lesen ist: cla[s- sis mea per Oceanum] ab ostio Rheni ad solis orientis regionem usque ad filnes Cimbroru]m navigavit . . . was dem Recensenten der Alter- thumskunde in der Berl. phil. Wochenschr. vom 21. Marz 1888, R.

Steig, auch nieht bekaunt war, obschon Mommsens zweite Auflage des mon. Anc. seit 1883 vorliegt.

Graz. Adolf Bauer.

Zu Apuleius. Met. XI 9 pag. 210, 18 (Eyssenh.) lese ich aliae quae ni-

tentibus speculis pone tergum reversis venienti deae obvium commi-

nistrarent obsequiun. Obsequium ist hier = venerationem, cultum ; vgl. Hildebrand zu Met. XI 16. Aehnlich sagt Arno- bius VII 23 Ris . . . sacrorum sollemnia ministrari. Met. XI

19 init. schreibt Eyssenhardt adfatis itaque ex officio singulis narratisque probe meis et pristinis aerumnis et praesentibus gaudiis, aber für probe meis et bieten Fy meis pro et. Wie Eyssen- hardts Vermuthung so ist auch Koziols meis propriis et nicht wahrscheinlich; in pro et steckt offenbar pro re.

Graz. M. Petschenig.

Philologus. N. F. Bd. I, 2. 18

XIV.

Die Aktivbedeutung der Adjektiva auf bilis im archaischen Latein.

Der Gegenstand, den ich behandeln will, ist ein sehr spe- cieller, aber ich glaube, daß durch seine Aufhellung sich Ge- sichtspunkte ergeben werden, welche nicht nur für dies be- schrinkte, sondern auch für weitere Gebiete der lateinischen Grammatik fruchtbar werden kónnen.

Wie andern Kapiteln der lateinischen Wortbildungslehre, so hat auch den Adjektiven auf -bilis Paucker seine Sorgfalt zuge- wendet. In seinem Aufsatz über „die Verbaladjektiva auf -bilis" in den „Vorarbeiten zur lateinischen Sprachgeschichte“ Berlin 1884 S. 46 ff. gibt er ein alphabetisches Verzeichniß sümmt- licher Adjektiva auf -bilis mit kurzem Vor- und Nachwort. Doch gewührt diese Arbeit, obwohl durch den Druck kenntlich ist, welchem Zeitalter die Adjektiva angehóren und ob sie ak- tive oder passive oder beide Bedeutungen haben, für meine Zwecke nicht viel Hülfe. Ich beschrünke mich auf das archaische Latein und gebe ein ungeführ bis zum Jahre 100 vor Chr. rei- chendes Verzeichniß der Stellen, wo Adjektiva auf -bilis vor- kommen. |

1. Adjectiva auf bilis mit echter Passivbedeutung.

Als echtes Passiv bezeichne ich das gewóhnliche aus den Passivfornen des Verbums genugsam bekannte im Unterschied

Die Aktivbedeutung der Adjektiva auf bes u. s. w. 275

von gewissen Mittelstufen zwischen Activ und Passiv, welche ich weiterhin zu besprechen haben werde. Zur Passivitàt ge- sellt sich in den Adjektiven auf bilis die Modalbedeutung der Möglichkeit. Aber letztere weist zwei Nuancen auf: mera inven- dibilis (Plaut. Poen. 341) und homo infortunio donabilis (Plaut. Rud. 654) stehen nicht auf einer Stufe, ersteres heißt „eine Waare, die nicht verkauft werden kann‘, letzteres „ein Mensch, der werth ist mit Ungliick beschenkt zu werden“ Man ist oft versucht, in diese zweite Species die Modalbedeutung der Noth- wendigkeit hineinzutragen, aber das wäre nicht richtig: homo in- fortunis donabilis ist nicht „ein Mensch, der mit Unglück be- schenkt werden muff sondern „ein Mensch, der mit Unglück beschenkt werden kann, weil er dessen werth ist". Ich will, um diese beiden Arten der Modalität zu scheiden, die Ausdriicke wirkliche Möglichkeit und moralische Möglichkeit anwenden !) und nehme die Beispiele, welche die wirkliche Möglichkeit zei- gen, voraus *): Terenz Adelph. 896 Meditor esse adfabilis. Plaut. Stich. 74 Ezorabilist (scil. pater, vielleicht exorabilest zu schrei- ben) Plaut. Cas. 4, 3, 18 Edepol nae tu, si esses equua, esses in- domabilis. Accius tr. 75 Quid hic tam obscure dictum est tamve inenodabile. Pacuv. tr. 122 Ni me inexorabilem faxis. Terenz Phorm. 497 Adeon ingenio esse duro te atque inexorabili. Plaut. Aul. 191 Virginem habeo grandem, dote cassam atque inlocabilem. Accius tr. 91 Pertolerarem vitam cladesque exanclarem inpetibilis. XII tab. 8, 22 (Scholl) Qui se sierit testarier libripensve fuerit, ni testimonium fatiatur, inprobus intestabilisque esto (testabilis wird aus einer lex Horatia citirt von Gellius 7, 7, 2. 3). Plaut. Cure. 90 Semper curato ne sis intestabilis. Plaut. Mil. 1414 Et s? hinc non abeo intestatus, bene agitur pro noxia. Quid, si id non faxis? Ut vivam semper intestabilis. Plaut. Aul. 533 Haec

1) Der Begriff der Nothwendigkeit kann in zwei entsprechende Unterabtheilungen zerfallen; dieselben kommen z. B. zum Ausdruck in der Verschiedenheit, welche zwischen necesse est und oportet besteht.

2) Die Adjektive sind alphabetisch geordnet. Ich citire Plautus Menaechmi, Mostellaria, Persa nach Ritschl, Casina und Cistellaria nach Weise, die übrigen Stücke nach den von Götz, Schöll, Löwe besorgten Ausgaben (doch habe ich von Pseudolus die Ritschl'sche, von Captivi die Sonnenschein'sche, von Rudens die Fleckeisen'sche Ausgabe benutzt und nur nachtriglich meine Citate den neuen in- zwischen erschienenen! Ausgaben angepaßt), Terenz nach Umpfenbach, die Tragiker und Komiker nach Ribbeck, die übrigen Dichter nach Bührens, Cato de re rust. nach Keil, Cato's Fragmente nach Jordan.

18*

276 Friedrich Hanssen,

sunt atque aliae multae in magnis dotibus incommoditates sumptusque intolerabiles. Afran. tog. 255 Didicisset ferre et non esse intolera- bilis, Plaut. Poen. 341 Invendibili merci oportet ultro emptorem adducere. Ennius com. 1 Huic est animus propitiabilis. Plaut. Cist. 1, 1, 63 Facito ut facias stultitiam sepelibilem (bringe deine Thorheit dahin, daf sie begraben werden kann). Plaut. Capt. 518 Hic illest dies, quom nulla vitae meae salus sperabilist. Te- renz heaut. tim. 205. Paulo qui est homo tolerabilis.

Dagegen erkenne ich die moralische Môglichkeit'in fol- genden Beispielen: Plaut. Capt. 302 Vis hostilis cum istoc fecit meas opes aequabiles (aequabilis heiBt hier wohl noch ,,werth gleichgestellt zu werden“, in classischer Zeit ist es in die in- transitive Bedeutung ,gleich" übergegangen) Plaut. Curc. 168 Quid vidisti aut quid videbis magis dis aequiperabile. Plaut. Trin. 466 Ita nunc tu dicis, non esse aequiperabilis vostras dum nostris factiones atque opes? Plaut. Asin. 674 Nimis bella's atque ama- bilis, Plaut. Stich. 737 Mea suavis, amabilis, amoena. Accius tr. 555 Aspernabilem ne haec taetritudo mea me inculta faxit, Plaut. Trin. 44 Qui admisit in se culpam castigabilem. Plaut. Pseud. 525 Dabo aliam pugnam claram et commemorabilem. Plaut. Bacch. 616 Credibile hoc est? (Worte wie credibilis, bei wel- chem die wirkliche und die moralische Möglichkeit fast immer zusammenfällt, haben wohl den AnstoB zur Ausbildung des Be- griffes der moralischen Möglichkeit gegeben) Plaut. Trin. 606 Non credibile dicis. Terent. Andr, 625 Hocinest credibile aut me- morabile? Plaut. Rud. 654 Edepol infortunio hominem praedicus donabilem. Plaut. Cist. 4, 1, 1 Nullam ego me vidisse credo ma- gis anum excruciabilem. Accius Tr. 270 Tyranni saevom ingenium atque execrabile. Plaut. Stich. 395 Ego huc citus praecucurri, ut nuntiarem nuntium exoptabilem (eine Nachricht, welche werth ist erwünscht zu sein) Lucilius 467 (Bührens) Neque inimicis invi- diosam neque amico exoptabilem. Plaut. Bacch. 614 Inamabilis, inlepidus vivo. Plaut. Rud. 912 Miroque modo atque incredibili hic piscatus mihi lepide evenit (vielleicht wäre es richtiger, hier wirkliche Möglichkeit anzunehmen) 'lerenz Eun. 1049 Inere- dibilia Parmeno modo quae narravit! Terenz Heaut. Tim. 624 Vin me istuc tibi, etsi incredibilest, credere? 'Terenz Phorm. 239 Quia praeter spem atque incredibile hoc mihi obtigit. Terenz Phorm. 247 Incredibilest quantum erum ante eo sapientia. Terenz Hec. 377

Die Aktivbedeutung der Adjektiva auf bis u. s. w. 271

Incredibili re atque atroci percitus. Com. inc. 40 Incredibile hoc factum obicitur. Plaut. Bacch. 614 Incredibilis imposque animi inamabilis inlepidus vivo (incredibilis übersetzt Pareus im Lexicon Plautinum indignus cui quisquam credat“, es ist ein Beispiel für eine Pas- sivbildung, bei welcher das dativische Objekt des Aktivs zum Subjekt des Passivs erhoben wird wie sonst das akkusativische). Auct. prol Plaut. Capt. 56 Neque spurcidici insunt versus inme- : morabiles. Plaut. Capt. 684 At erit mi hoc factum mortuo memo- rabile. Plaut. Curc. 8 Istuc quidem nec bellumst mec memorabile. Plaut. Stich. 729 Hoc memorabilest: ego tu sum, tu’s ego. Terenz Andr. 625 Hocinest credibile aut memorabile? Terenz Heaut. tim. 314 Non. fit sine periclo facinus magnum nec memorabile. Accius tr. 613 Virum memorabilem intui viderer (venerabilem ver- muthet Bücheler). Plaut. Epid. 225 Quid istuc tam mirabilest ? Plaut. Trin. 931 Quos locos adiisti? Nimium mirimodis mira- biles. Terenz Heaut. tim. 387 Et vos esse istius modi et nos non esse haut mirabilest. Accius Didasc. 11 Falsidica audax gnati mater pessumi odibilis natura impos excors et fera. Liv. Andr. tr. 7 Iamne oculos specie laetavisti optabili. Plaut. Bacch. 159 Compendium edepol haud aetati optabile fecisti. Afran. tog. 166 Retinebitur viri hac voluntate unica probabili. Plaut. Aul. 633 Verberabilissume, etiam rogitas? (setzt wohl die Existenz des für das archaische Latein nicht sicher bezeugten vergl. aber oben Accius tr. 613 venerabilis voraus).

Bekanntlich kann im Verbum das Passiv reflexive oder intransitive Bedeutung annehmen: moveri „sich bewegen", volvi „rollen“. Derselbe Vorgang zeigt sich auch in Adjektiven auf bilis: Plaut. Mil. 629 Clare oculis video, sum pernix, manibus pe- dibus mobilis (,,perniz pedibus, manibus mobilis' Bugge). Pacuv. tr. 367 Saxoque instare in globoso praedicant volubilei (welcher rollen kann).

Bei den form- und bedeutungsverwandten Adjektiven auf tilis schwindet bisweilen der Begriff der Möglichkeit, so daß nur reine Passivbedeutung übrig bleibt. Bei den Adjektiven auf bilis ist das nach meiner Ansicht im archaischen Latein, abge- sehen von mobilis, nicht der Fall. Allerdings steht intestadilis an zwei oben citirten Plautusstellen (Cure. 30, Mil. 1414) im Wortspiel für intestatus ,entmannt" aber in seiner eigentlichen Bedeutung „nicht als Zeuge aufstellbar‘ ist es modal gefärbt.

278 Friedrich Hanssen,

Vermuthen kónnte man reine Passivbedeutung bei Plaut. Cist. 1, 1, 63 (sepelibilis) und Plaut. Stich. 395 (exoptabilis), doch läßt sich an beiden Stellen, wie ich oben durch Uebersetzung gezeigt habe, Modalbedeutung in die Adjektive hineinlegen. Höchst auffallend ist dagegen Plaut. Epid. 577 Scio quid erres: quia vestitum atque ornatum inmutabilem (,,mutabilem“ Pius) habet haec. Hier steht inmutabilis „verändert“ gleichbedeutend mit inmutatus; diese Stelle ist so seltsam, daß ich inmutatilem, eine scherzhafte Bildung nach Analogie von vestis plumatilis und ve- stis cumatilis, vermuthen möchte.

Es bleiben noch die Adjektive nobilis (gnobilis), ignobilis und cognobilis. Nach Festus (S. 174") wurde im archaischen Latein nobilis für notus gebraucht, und das scheint richtig zu sein. Es kann diese Bedeutung in folgenden Stellen angenommen werden: Liv. Andr. com. 4 Ornamento incedunt gnobiles ignobiles (citirt von Festus, wir kónnen die Richtigkeit der Erklürung nicht controlliren). Plaut. Pseud. 592 Quis hic est, qui oculis meis obviam ignobilis obicitur (citirt von Festus, hier könnte allenfalls modale Färbung hineingelegt werden: „so daß er nicht erkenn- bar ist“) Plaut. Pseud. 964 Peregrina facies videtur hominis at- que ignobilis (citirt von Festus, der vorhergenannten Stelle gleich- artig). Plaut. Pseud. 1112 Cum his mihi nec locus nec sermo unquam convenit, neque is nobilis fui (die Stelle ist kritisch unsicher, aber die reine Passivbedeutung in nobilis scheint unzweifelhaft). Plaut. Rud. 619 Vindicate, ne inpiorum potior sit pollentia qnam innocentum, qui se scelere fieri nolunt nobilis, Terenz Heaut. tim. 227 Meast potens procax magnifica sumptuosa nobilis (stadtbekannt) Dagegen glaube ich in der von Festus a. a. O. citirten Stelle Accius tr. 283. deutlich Modalbedeutung zu erkennen: Ergo med Argos referam, nam hic sum gnobilis, ne cui cognoscar noto. Mit Rücksicht auf den sich anschlieBenden Satz , ne cui cognoscar noto“ wird man in gnobilis nicht ein Synonym für notus sehen dürfen, sondern wird übersetzen müssen „denn hier kann ich erkannt werden“. Die Modalbedeutung ist unzweifelhaft im Adjektiv cognobilis bei Cato ed. Jordan S. 26, 10 Itaque ego cognobiliorem (verständlich) eognitionem esse arbitror. Daß mobilis in manchen Fällen rein passiv gebraucht wird, hängt wohl damit zusammen, daB es noch hüufiger sowohl die Modal- als auch die Passivbedeutung abgeworfen und die intransitive Bedeutnng „vornehm“ angenom-

Die Aktivbedeutung der Adjektiva auf bilis u. s. w. 279

men hat. Die Belegstellen aus dem archaischen Latein will ich nur aufzählen, nicht ausschreiben: Plaut. Cist. 1, 2, 10. Trin. 831. Terenz Eun. 204. 952. Heaut. tim. 609. Adelph. 15. 502. L. Calpurnius Piso fr. 27 (Peter) Ignobilis ist entspre- chend gebraucht: Enn. tr. 166. ‘Terenz Phorm. 120, wahr- scheinlich auch Liv. Andr. com. 4 und Pacuv. tr. 221 . . ques sunt is? Ignoti, nescio ques ignobiles, als Schimpfwort Plaut. Amph. 440 Vapulabis, ni hinc abis, ignobilis, (Variante: igno- rabilis).

2. Adjectiva auf bilis, die sich der Aktiv- bedeutung nähern.

a. Adjektiva auf bilis mit der Bedeutung in- transitiver Zustandsverba. Anscheinend scharf und klar ausgeprägt ist der Unterschied von Aktiv und Passiv, und doch stößt man, sobald man ihn genauer auf seinen Werth prü- fen will, auf erhebliche Schwierigkeiten. Man kann z. B. zwei- feln, ob Passiva wie amari und timeri wirklich Passivbedeutung haben. Denn weder die Person, welche geliebt, noch die, wel- che gefürchtet wird, ist leidend, im Gegentheil, sie ist in ge- wisser Hinsicht aktiv, denn sie verursacht Liebe und Furcht. Noch schwieriger erscheint es, eine scharfe Grenze zwischen den beiden Genera zu ziehen, sobald man einen Unterschied inner- halb der Verba mit Aktivform beachtet, welcher dem von Aktiv und Passiv sehr nahe kommt. Denn viele Intransitiva verhalten sich zu bedeutungsverwandten Transitivis nahezu wie Passiva zu Aktivis, z. B. das intransitive cuere „stürzen d. i. gestürzt werden“ zum transitiven ruere „stürzen d. i. stürzen machen“. Bekannt ist ja, daß im Griechischen Intransitiva geradezu als Passiva verwendet werden können (Farsîv vmo wvos) und daß auch im Lateinischen Passiva zu Intransitivis werden können (efundi „fließen‘“, aus dem Medium darf man das nicht erklären wollen). So erscheinen denn Intransitiva mit passiver Bedeutung und eigentliche Passiva als zwei Nuancen des Passivs gegenüber den aktive Bedeutung enthaltenden Transitivis. Ein Passiv von einem solchen Intransitivum sollte daher streng genommen nicht möglich sein, denn das Intransitivum ist schon passiv; wenn

280 Friedrich Hanssen,

von ihm trotzdem ein impersonelles Passiv gebildet wird z. B. ventum est ,man kam", so ist das eine Nachbildung nach datur „es wird gegeben d. h. man gibt“ und dergleichen mehr, welche nur conventionell als Passiv gilt.

Ein dem Passiv nahe stehendes Intransitivum habe ich schon erwühnt nümlich volubilis, bei demselben war die intran- sitive Bedeutung aus der passiven entstanden. Es bleiben noch die Adjektive, welche von solchen Verben herzuleiten sind, die schon in der aktiven Form intransitiv sind. Die Scheidung von wirklicher und moralischer Möglichkeit braucht von nun an nicht mehr durchgeführt zu werden: so viel ich sehe, findet sich moralische Möglichkeit nur in den Adjektiven auf bilis mit echter Passivbedeutung. Die Beispiele für Adjektive auf bilis mit in- transitiver Bedeutung sind: Accius tr. 264 Alternabilem divitiam partissent (alternabilem ist. Conjektur Ribbecks für aeternabilem, das Verbum alternare ist erst seit Vergil belegt) Plaut. Capt. 402 Me hic pol et te tute audacter dicito, Tyndaze, inter nos fuisse ingenio haud discordabil. Plaut. Mil. 543 Nunc demum scio me fuisse excordem caecum incogitabilem. Terenz Hec. 284 Quanto fuerat prae- stabilius ubivis gentium agere aetatem quam huc redire. Plaut. Pers. 837 Hic faceret te prostibilem propediem (prostibilis wird gewöhn- lich für ein Substantiv gehalten). Cato R. r. 35, 2 Qui locum novus erit aut qui restibilis fieri poterit . . . et qui locus restibilis crassitudine fieri potest. Plaut. Aul 233 Neutrubi habeam stabile stabulum , si quid divorti fuat. Plaut. Bacch. 520 Profecto sta- bilest me patri aurum reddere. Plaut. Merc. 653 Quae patria aut domus tibi stabilis esse poterit? Cato R. r. prooem. 4 Quaestus stabilissimus. Terenz Adelph. 66 Et errat longe mea quidem sen- tentia, qui imperium credat gravius esse aut stabilius, vi quod fit.

b. Adjektiva auf bilis mit instrumentaler Be- deutung. Liest man bei Terenz Phorm. 226 causa vin- cibilis, so pflegt man in das Adjektiv Aktivbedeutung zu legen und also zu übersetzen „eine Sache, die siegen kann“ Ich halte das für unrichtig oder wenigstens ungenau. Ein Ab- straktum wie causa ist an und für sich einer aktiven Thiitig- keit garnicht fühig; wir pflegen zwar in unserer Muttersprache durch eine Redeweise, die wir als bildlich kaum noch empfinden, fast ohne Beschrinkung sächlichen und abstrakten Dingen ak- tive Handlungen zuzuschreiben, aber der Rómer der archaischen

Die Aktivbedeutung der Adjektiva auf bilis u. s. w. 281

Zeit dachte darin strenger. Da nun ferner die Adjektiva auf bilis überwiegend passiv sind, so würde ich übersetzen „eine Sache, mit welcher man siegen kann“, indem ich annehme, daß . wir hier eine besondere Art der Passivität, oder wenn man will der Aktivität, haben, welche ich die instrumentale nen- nen will. Es ist dies diejenige Art der Passivität, welche wir erhalten, wenn wir einen Akkusativ des inneren Objekts zum Subjekt des Passivs machen: der Ausdruck vincere causam ?) ist nach dem Griechischen mxav Ofxnr oder nach vincere spon- sionem bei Cicero pro Caec. 31, 91 und 32, 92 denkbar, das Passiv dazu wäre causa vincitur, und dem entspricht causa vinci- bilis. Der Akkusativ des inneren Objekts bei transi- tiven Verben ist nämlich nach meiner Ansicht immer instru- mental und steht daher auf der Grenze von Aktiv und Pas- siv. Als Akkusativ des inneren Objekts betrachte ich auch den sächlichen Akkusativ bei Verben wie docere: haben wir den Satz grammaticus docet puerum litteras, so ist grammaticus aktiv und puerum passiv, litteras aber ist weder aktiv noch passiv sondern instrumental, denn passiv ist der Akkusativ literas ge- wif nicht, die Zitterae werden nicht unterrichtet, sie sind viel- mehr in gewisser Hinsicht aktiv, sie unterrichten den Knaben gemeinschaftlich mit dem Lehrer, aber freilich nicht selbstthätig sondern als Werkzeug in der Hand des Lehrers. Diese instru- mentale Passivität ist in den Adjektiven auf biis nicht selten und keineswegs auf die Fälle beschränkt, wo das Stammverbum einen Akkusativ des inneren Objekts zu sich nehmen kann: Plaut. Mil. 1139 Date operam adiutabilem (opera adiutabilis heißt nicht opera quae adiutet sondern opera qua adiuietis, denn die Hülfe kann nur helfen als Mittel in der Hand einer thätigen Person). Plaut. Pers. 673 Edepol dedisti, virgo, operam adiuta- bilem (adiutabilem ist sichere Emendation) Aceius tr. 551 Fle- bilis voces refert. Plaut. Epid. 342 Pro di inmortales, mi hunc diem ut dedistis luculentum, ut facilem atque inpetrabilem! (die in- strumentale Passivität ist hier unzweifelhaft, natürlich meint Plautus nicht, daß der Tag etwas erreichen kann, das wäre ganz unlateinisch gedacht, sondern daß man an dem Tage d. i. durch den Tag etwas erreichen kann). Plaut. Pers. 712 Ne hie

3) Georges citirt noch vincere causam aus Ovid, aber dort ist es interpolirt.

282 Friedrich Hanssen,

tibi dies inluxit lucrificabilis („durch welchen du dir Gewinn er- werben kannst", könnte aber auch ,,gewinnbringend“ heißen und also zur folgenden Classe gehören). Plaut. Cas. 4, 1, 3 Hic intus fiunt ludi ludificabiles (durch welche man foppen kann). Plaut. Asin. 792 Neque ullum verbum faciat perplexabile (durch welches er Verwirrung anrichten kann) Terenz Phorm. 961 Nunc quod ipsa ex aliis auditura sit, Chremes, id nosmet indicare placabilius est. 'Terenz Adelph. 608 Quapropter te ipsum purgare ipsi coram placabilius est. 'lerenz Phorm. 226 Iustam illam cau- sam facilem vincibilem optumam.

In den genannten Beispielen spricht schon der, Umstand, daß die Adjektiva mit Sachsubstantiven, die eigentlich gar nicht aktiv gedacht werden kénnen, verbunden sind, dagegen, aktive Bedeutung in ihnen anzunehmen. Ausgelassen aber habe ich zwei Stellen von anderer Art, nämlich Plaut. Merc. 605 Inpe- trabilior qui virat, nullus est. Plaut. Most. 1162 Non potuit venire oratar magis ad me inpetrabilis. Da sich, wie sich ergeben wird, wirklich aktive Bedeutung in den Adjektiven auf bilis sonst nicht findet, so wird man auch hier das Adjektiv inpetrabilis nicht als aktiv sondern als instrumental auffassen miissen wie in der erwähnten Stelle Plaut. Epid. 342 dies inpetrabilis „ein Tag, durch -den man etwas erreichen kann“. So wird man Mere. 605 iibersetzen miissen ,,es lebt niemand, durch den man leichter etwas erlangen kann“, in der That sollte ja der Jiingling, von dem die Rede ist, nicht fiir sich selbst etwas erreichen sondern fiir den Redenden. Ebenso steht es mit Most. 1162: orator ma- gis inpetrabilis ist zu übersetzen „ein Sprecher, durch den man leichter etwas erlangen kann“, denn auch er will nicht fiir sich sondern fiir einen anderen etwas durchsetzen. Wir werden also auch in diesen beiden Beispielen, obwohl das Adjektiv mit ei- nem persónlichen Substantiv, welches an sich aktiv gedacht sein kónnte, verbunden ist, instrumentale Bedeutung annehmen müssen.

c. Adjektiva auf bilis mit kausaler Bedeu- tung. --- Ich glaubte die instrumentalen Adjektiva nicht als aktiv bezeichnen zu diirfen, weil die Substantiva, mit denen sie verbunden werden, nicht selbständig sondern nur als Werkzeuge in der Hand der handelnden Person thätig erscheinen. Es gibt aber noch eine andere Art der Aktivität, welche dem Passiv ebenso nahe steht und welche ich als die kausale bezeichnen

Die Aktivbedeutung der Adjektiva auf bilis u. s. w. 283

will Dieselbe erkenne ich z. B. im Adjektiv terribilis: ein Ge- genstand, welcher Schrecken verursacht, braucht keineswegs ak- tiv thätig zu sein, er kann vielmehr nur als Werkzeug in der Hand des Geschicks oder des Zufalls dienen, wührend er selbst vollkommen unthätig d. h. passiv ist. Diese causale Bedeutung ist mit der instrumentalen nahe verwandt; bei einigen Beispie- len, die ich fiir die instrumentale Aktivität gegeben habe, konnte man zweifeln, ob nicht vielmehr die kausale in ihnen zu er- kennen sei, ob man z. B. ludi ludificabiles (Plaut. Cas. 4, 1, 3) übersetzt durch ,,Spiele, durch welche jemand foppt“ oder ,,Spiele, durch welche gefoppt wird“ (mit unbestimmtem logischem Sub- jekt, denn wirklich aktiv können die Judi niemals sein) kommt fast auf dasselbe hinaus: in beiden Fällen ist ludificabilis in ge- wisser Hinsicht zwar aktiv, aber die in ihm liegende Thätig- keit kann verglichen werden mit der Thätigkeit einer Maschine oder eines Automaten, der nur scheinbar handelnd auftritt. Suchte ich vorhin die Verwandtschaft der instrumentalen Be- deutung mit der passiven dadurch zu beweisen, daß ich auf ihre Corresponsion mit dem inneren Objekt hinwies, so läßt sich bei der kausalen in analoger Weise der Beweis führen. Es werden manche Verba mit einem Akkusativ construirt (und zwar mit einem Akkusativ, der meist als Akkusativ des äußeren Ob- jekts gilt), obwohl sie eigentlich einen Zustand und keine Thä- tigkeit bezeichnen, dahin gehören z. B. amare (,,lieben ist ein Zustand, das Transitivum dazu wäre „lieben machen“), timere (,,in Furcht sein“, als Transitivum dazu kann man, wenn man von dem Unterschied von Furcht und Schrecken absieht, terrere be- trachten), fugere (das Transitivum dazu ist fugare), uti (uti ali- quid: Nutzen haben von etwas), horrere (horrere aliquid: schau- dern vor etwas), gaudere (gaudere aliquid) u. a. m. Bei man- chen dieser Verba weist schon die Form (timere gaudere horrere, vergl. albere florere vigere) darauf hin, daf) sie ursprünglich in- transitiv waren. Der Akkusativ, der bei diesen Verben steht, ist eigentlich transitiv, zwar nieht aktiv, aber doch kausal, al- lerdings sind viele ganz in die Analogie der transitiv - aktiven Verba übergeführt, so amare timere fugere, nur zógernd folgten uti (wo die Construction mit dem Akkusativ zurückgedrüngt wurde), horrere (von welchem man horrendus ableitete) gaudere (erst spät bildete man gaudendus) Man kann also sagen, die

284 Friedrich Hanssen,

kausale Bedeutung entspricht derjenigen Passivität, welche man erhielte, wenn man das kausale Objekt von Verben wie uti hor- rere, gaudere zum Subjekt des Passivs machen wiirde. Beson- ders interessant ist utibilis; dasselbe enthält deutlich transitive, d. h. kausale Bedeutung: es heißt „das, was nützen kann“, nicht „das was benützt werden kann“ und correspondirt mit dem kausalen Objekt bei uti, z. B. kann quid minus utibile fuit (Terenz Phorm. 695) umschrieben werden durch quid minus uti oportuit. Ebenso steht es mit Aorribilis, auch es correspondirt mit dem causalen Objekt bei horrere, während in den übrigen Beispielen die Adjectiva mit dem causalen Subjekt correspon- diren z. B. terribilis. Die Adjektiva mit kausaler Bedeutung sind: Accius tr. 158 Sed pervico Aiax animo atque advorsabili (advorsabili ist unsicher) Plaut. Bacch. 52 Non ego istuc facinus mihi, mulier, conducibile esse arbitror. Plaut. Cist. 1, 1, 79 Ma- tronae magis conducibile est istuc, mea Silenium. Plaut. Epid. 256 Reperiamus aliquid calidi conducibilis consi. Plaut. Epid. 260 Dederim vobis consilium catum . . . atque ad eam rem conducibile. Plaut Epid. 388 Fuit conducibile hoc quidem mea sententia, Plaut. Trin. 25 Amicum castigare ob meritam noxiam inmoenest facinus, verum in aetate utile et conducibile. Plaut. Trin. 36 Ita vincunt tllud conducibile gratiae. Plaut. Epid. 606 invento, exitiabilem ego illi faciam hunc ut fiat diem (exitiabilem ego faciam ut hic fiat dies hat der Ambrosianus, darnach hat Geppert nicht ohne Wahrscheinlichkeit vermuthet: exitialis illi ego ete.) Lucilius 153 (Bährens) Flebile cepe simul lacrimosaeque ordine tallae (die Bedeutung von fiebilis ist hier eine andere als oben in flebiles voces bei Accius tr. 551; hier ist das Adjektiv kausal und ent- spricht also einem kausalen Objekt wie quid fles „warum weinst du?“, dort war es instrumental und entsprach einem inneren Objekt wie flere carmina bei Columella) Lucilius 1 Aetheris et terrae genitabile quaerere tempus (dies Beispiel ist sehr significant: activ, „gebärend“, ist genitabile tempus natürlich nicht, aber ebenso wenig echtes Passiv) Accius tr. 80 O vim torvam as- pecti, atque horribilem (welche schaudern machen kann). Accius tr. 617 Nam etsi opertus squalitate est luctuque horrificabili (horri- ficali ist überliefert). Plaut. Cist. 2, 2, 3 Ut ilaec hodie quot modis sibi moderatrir fuit atque inmemorabilis (vergl. die vor- stehende Stelle). Lucilius 481 Nunc ignobilitas his miserum,

Die Aktivbedeutung der Adjektiva auf bilis u. s. w. 285

mirum ac mortificabile (man pflegt mortificabile in monstrificabile zu ändern). Ennius tr. 22 Mater terribilem minatur vitae cru- ciatum et necem. Ennius Ann. 95 At tuba terribili sonitu ta- ratantara dixit. Satur. 462 Africa terribili tremit horrida terra tumultu (Variante: terribilis). Trag. inc. 96 Quae tam terribilis tua pectora turbat. | Accius tr. 421 Pernici orbificor liberorum leto et tabificabili. Plaut. Epid. 21 Voluptabilem mihi nuntium tuo ad- ventu adportas. Plaut. Bacch. 1 Quibus ingenium în animo uti- bilest. Plaut. Merc. 1005 Eamus intro: non utibilist hic locus (utibilest hic loqui Götz in der Anm. Plaut. Mil 612 Immo magis esse ad rem utibile non potest. Plaut. Most. 859 Servi, qui quom culpa carent, tamen malum metuont, hi solent esse utibiles eris. Plaut. Trin. 748 Vide si hoc utibile magis atque in rem deputas. Terenz Phorm. 690 Quid minus utibile fuit quam hoc ulcus tangere.

Nichts entnehmen für die Bedeutung läßt sich aus folgen- den Fragmenten, die Adjektiva auf bilis aus dem Zusammenhang gerissen enthalten: Pacuv. Antiop. fr. XIV cor luctificabile. Cato ed. Jordan S. 109, 12 mobiliorem, nobiliorem. Festus führt me- dibilis an.

Ebenso wenig nützen uns die Adverbia auf biliter: Plaut. Pseud. 950 cruciabiliter (unsicher) Plaut. Mil. 260 dissimula- biliter. Naev. com. 35 exanimabiliter. Pacuv. tr. 15. Accius praet. 11 minitabiliter. Accius tr. 258 indecorabiliter. Cato ed. Jordan S. 89, 6 imperabiliter. Plaut. Most. 24 pollucibiliter.

Ebensowenig die Substantiva auf bilitas: Plaut. Stich. 741 amabilitas. Plaut. Poen. 1174 amabilitati. Plaut. Cist. 2, 1, 8 cruciabilitatibus. Lucil. 481 :gnobilitas. Plaut. Rud. 933. Ac- cius tr. 621. 643 nobilitas. Plaut. Capt. 299. Mil. 1319. Te- renz Hec. 797 nobilitatem. Turpil. com. 208. Lucil 198 mo- bilitate.

Ebenso wenig schliefMich die abgeleiteten Verba: Plaut. Capt. 453 constabilivi. Terenz Ad. 771 constabilisses. Caecil. Stat. com. 192 mobilitat. Terenz Eun. 1021 nobilitas. Pacuv. tr. 120. Accius tr. 622 nobilitat. Titin. tog. 69 nobilitarent. C. I. L. I 38 nobilitavit. Pacuv. tr. 324 restibiliet. | Ennius Ann. 28, 9 stabilibat. Accius praet. 40 stabWliverat. Ennius Ann. 55, 21 stabilita und das daraus abgeleitete Substantiv Ac- cius tr. 210 stabilimen.

286 Friedrich Hanssen,

Das Resultat, das wir gewonnen haben, ist also: Die Ad- jektiva auf bilis sind im archaischen Latein nie- mals wirklich aktiv, d. h. sie treten nie zu einem Sub- stantiv, das selbständig thätig gedacht wird, hinzu, niemals wird gesagt homo adiutabilis „ein Mann, der helfen kann“ *) oder der- gleichen, sie sind vielmehr entweder passiv oder sie enthalten gewisse Mittelstufen zwischen echtem Passiv und echtem Aktiv, welche ich als die intransitive, instrumentale und causale Bedeutung bezeichnet habe. Mir scheint, daB wir dadurch einen interessanten Einblick in die Denkgesetze der lateinischen Sprache gethan haben: wir haben eine wesentlich andere Scheidung von Aktiv und Passiv getroffen, als im Ver- bum üblich ist, und zwar eine Scheidung, welche ich für ei- gentlich besser begründet und auch für älter halte. Für älter halte ich sie deshalb, weil sie besser in Einklang steht mit dem Unterschied, der zwischen Subjekt und Objekt besteht, und auf diesen Punkt will ich zum Schluß mit wenig Worten eingehen.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Objekt ei- gentlich ein zweites Subjekt ist. Wie es geschehen konnte, dafì von zwei zu einem gemeinschaftlichen Prüdikat gehórigen Sub- jekten das eine zum Objekt herabgedriickt wurde, hat Paul, Principien der Sprachgeschichte, zweite Aufl, Halle 1886 S. 118 überzeugend dargelegt: „Wir können uns diesen Procef am be- sten verdeutlichen an einem Satze wie ich rieche den Braten. Ohne persönliches Subjekt können wir auch noch sagen der Braten riecht. Wir kónnen uns danach leicht in eine Zeit zu- rückversetzen, in welcher bei vólligem Mangel jeglichen Casus- suffixes und jeglicher Fixierung der Wortstellung in. einem Satze wie ich riechen Braten oder Braten riechen ich die Worter ich und Braten unter diesclbe allgemeine Kategorie des psychologi- schen Subjekts fielen. Die Verwandtschaft zwischen Subjekt und Objekt erhellt ja auch daraus, daß das letztere durch Um- setzung des Verbums in das Passivum zum ersteren gemacht werden kann“. Ich will versuchen auf dieser Grundlage das Verhältniß von Subjekt zu Objekt etwas genauer zu prüfen ®).

4) Das könnte höchstens heißen „ein Mann, durch den geholfen werden kann“, vergl. orator inpetrabilis.

5) Ich hoffe, daß es mir gelingen wird, zu zeigen, daß wir uns

Die Aktivbedeutung der Adjektiva auf bilis u. s. w. 287

Für werthlos halte ich dabei das von Paul am SchluB der ci- tirten Stelle hervorgehobene Kriterium, daß das Objekt bei Um- setzung des Verbums ins Passiv als Subjekt erscheint. Denn es gibt bekanntlich Objektsakkusative die nicht zum Subjekt des Passivs erhoben werden kónnen 5). Auch ist das Passiv, wel- ches sich, darüber sind wohl alle einig, erst aus dem reflexiven Medium entwickelt hat, eine verhältnißmäßig junge Bildung. Vom Passiv müssen wir also zunächst ganz absehen, und einen der Entstehung des Passivs voraufliegenden Sprachzustand ins Auge fassen. Aelter ist ohne Zweifel jener der Differenz von Aktiv und Passiv nahe kommende Unterschied von Transitivum und Intransitivum und dieser ist das wichtigste Kriterium, um die verschiedenen Arten des Objektsakkusativ zu sondern. Es ergeben sich vier Klassen:

bei der nichtssagenden Definition des Akkusativs, welche in der mo- dernen Grammatik üblich geworden ist und welche z. B. bei Schmalz (ich bin weit entfernt, diesen verdienstvollen Mann dafür verantwort- lich zu machen) in Iwan Müllers Handbuch II S. 262 folgenden Aus- druck findet ,,der Akkusativ ist ein rein verbaler Kasus und gibt le- diglich die Modifikation des Prüdikats'' nicht zu beruhigen brauchen.

6) Dazu rechne ich nicht den lokalen Akkusativ des Zieles (Ro- mam eo), derselbe ist vielmehr gar kein Objektsakkusativ mehr, son- dern gehórt in eine Kategorie mit den übrigen Casus obliqui, mit den präpositionalen Wendungen und den Adverbien. Alle diese Elemente sind zwar aus dem Objekt hervorgegangen, aber thatsüchlich geben sie nicht mehr eine objektive sondern eine attributive Bestimmung des Verbums. Diese attributive Funktion wird dadurch deutlich, daß die- selben Elemente (die lateinische Sprache ist freilich mit dieser Ueber- tragung viel zurückhaltender als das Deutsche und Griechische) auch beim Nomen attributiv verwendet werden kónnen: Plaut. Merc 257 navem ex Rhodo. Plaut. Pers. 385 nunc hominum, ganz gewóhnlich der Ablativ qualitatis, auch der Genitiv ist wohl ursprünglich ein ad- verbialer Casus und nicht ein erstarrtes Adjektiv. Auch der lokale Akkusativ kann attributiv verwendet werden: domum reditus, Romam adventus und dergl., vergl. Drüger Syntax? 1 $ 177. Ganz anders steht es mit Redewendungen wie Quid tibi nos tactio est?, die im archaischen Latein gewöhnlich sind, vergl. Dräger a. a. O. $ 163. Bei denselben gehórt der Objektsakkusativ nicht attributiv zum Ver- balsubstantiv, sondern das Verbalsubstantiv wird mit der Copula zu- sammengefafit, und dies zusammengesetzte Prädikat regiert den Akku- sativ. Zu vergleichen sind hiermit Ausdrücke wie infitias ire aliquid: hier ist 2nfitias prädikativ gebraucht und bildet mit ?re zusammen ei- nen neuen transitiven Verbalbegriff. Uebrigens glaube ich, daf Schmalz in Iwan Müllers Handbuch II S. 263 im Irrthum ist, wenn er diesen Akkusativ infitias als lokalen Akkusativ auffaßt und mit dem Akkusativ von Stádte- und Lándernamen zusammenstellt: es ist ohne Zweifel ein Akkusativ des inneren Objekts und also zusammen- zustellen mit wre viam.

288 Friedrich Hanssen,

a. Transitives Subjekt und intransitives Ob- jekt *). Hierher gehört die Mehrzahl der Verba, die ein di- rektes Objekt bei sich haben. Beispiele sind: Volvo lapides ich rolle, d. h. mache rollen, und daher rollen die Steine. Ago ca- pellas ich treibe, und daher gehen die Ziegen. Mitto servum ich schicke, d. h. mache gehen, und daher geht der Sklave. Fugo hostes ich schlage in die Flucht, und daher fliehen die Feinde. Colo agrum ich pflege, und daher empfängt der Acker Pflege, Tego domum ich decke, und daher empfüngt das Haus ein Dach.

b. Intransitives Subjekt und transitives O b- jekt: Maneo te ich bleibe, weil du bleiben machst. Gemo ve strum malum ich seufze, weil euer Unglück seufzen macht. Gau- deo omnia haec ich freue mich, weil alles dies Freude veranlaßt. Tremo Iunonem ich zittere, weil Iuno zittern macht. Timeo mor- tem ich fürchte mich, weil der Tod fürchten macht. Patior vul- nera ich leide, weil die Wunden leiden machen. Fugio hostem ich fliehe, weil der Feind fliehen macht.

€. Transitives Subjekt und transitives Ob- jekt: Doceo artem ich lehre mit einer Kunst (dagegen mit in- transitivem Objekt: doceo puerum). | Rogo aliquid ich befrage mit etwas (dagegen mit intransitivem Objekt: rogo te). Sero hordeum ich sie mit Gerste (dagegen mit intransitivem Objekt: sero agrum) Vinco bellum ich siege mit einem Kriege (dagegen mit intransitivem Objekt: vinco hostem).

d. Intransitives Subjekt und intransitives Objekt: Somnio somnum ich träume mit einem Traum. Eo viam ich gehe mit einem Wege. Tremo artus?) ich zittere mit den Gliedern. Vivo vitam ich lebe mit dem Leben. Luceo fa- cem ich leuchte mit einer Fackel. Stilo rorem ich trópfele mit Thau ?).

7) Nehmen wir z. B. verto, welches transitiv und intransitiv sein kann (als noch kein Passiv existirte, konnte wahrscheinlich jedes Ver- bum nach Belieben transitiv oder intransitiv gebraucht werden, die Verbalwurzel wenigstens enthielt ohne Zweifel beide Bedeutungen), so ist leicht verständlich, deB zwei Sätze wie agricola vertit , der Land- mann macht wenden‘ und bos vertit ,,der Ochse wendet sich‘ zusam- mengezogen werden konnten in agricola bovem vertit ,,der Landmann wendet den Ochsen‘‘, wobei das Verbum im Verhältniß zu agricola transitiv, im Verhältniß zn bovem intransitiv ist.

8) Das ist ein Graecismus, aber dieser Umstand thut nichts zur Sache, denn im Griechischen steht es nicht anders. |

9) Die Klassen a und b enthalten die äußeren, die Klassen c und

Die Aktivbedeutung der Adjektiva auf bilis u. s. w. 289

Es ist selbstverständlich, daß dasjenige, was vom Objekt ausgesagt ist, stets in causaler Beziehung steht zu demjenigen, was vom Subjekt ausgesagt ist. Ich habe das auch durch die Umschreibung anzudeuten gesucht und habe z. B. volvo lapides paraphrasirt durch ,,ich rolle und daher rollen die Steine*. Be- merkenswerth ist aber, daß wir in den vier Klassen, die ich unterschieden habe, die vier Species des Kausalitätsverhältnisses, Zweck, Ursache, Mittel, Art und Weise !”), finden, und ich schlage daher folgende Bezeichnungsweisen vor:

Finaler Akkusativ (Zweck): volvo lapides (Klasse a). Kausaler Akkusativ (Grund): fugio hostem (Klasse b). Instrumentaler Akkusativ (Mittel): doceo artem (Klasse c). Modaler Akkusativ (Art und Weise): stillo rorem (Klasse d).

In dieses System wurde Verwirrung gebracht durch die Aus- bildung des Passivs. Das VerhältniB des Aktivs zum Passiv entspricht nur dem des Subjekts zum finalen Objekt. Die übri- ' gen Arten des Objekts wurden entweder gewaltsam, den Ge- setzen strengen Denkens zuwider, umgedeutet, so bei timere, amare etc. vergl. oben S. 283, auch bei docere, rogare u. a. m., oder sie wurden nicht oder doch nicht deutlich mehr als Ob- jekte empfunden.

Wir haben bisher einen wesentlichen Unterschied zwischen Subjekt und Objekt nicht gefunden: der Gegensatz von Aktiv und Passiv ist erst nachtrüglieh und unvollkommen hineinge- tragen worden, der Gegensatz von Transitivum und Intransiti- vum ist zwar wichtig für die Scheidung der verschiedenen Klas- sen aber das Subjekt kann so gut wie das Objekt transitiv oder intransitiv sein. Das unterscheidende Merkmal ist vielmehr: der Bewußte, T'hätige wird als Subjekt, das Unempfindliche, nur Lei- dende oder nur mechanisch Thätige als Objekt bevorzugt !!).

: Ich kehre zu dem Ausgangspunkt dieser Untersuchung zu- rück : Die Bedeutung der Adjektiva auf bilis steht in naher Be- ziehung zur grammatischen Kategorie des Objekts. Wie das

d die inneren Objekte. Stilo rorem und dergl. betrachte ich unbe- denklich als Akkusative des inneren Objekts, vergl. Delbrück, Synt. Forsch. 4 S. 30 unten.

10) Vergl. Wundt Logik I S. 132 und 182.

11) Ganz consequent ist das nicht durchgeführt, es widersprechen z. D. die Impersonalia piget, pudet etc.

Philologus. N. F. Bd. 1,2. 19

290 Friedrich Hanssen, Die Aktivbedeutung u. s. w.

Objekt entweder leidend (Klasse « und d) oder nur mechanisch thätig ist (Klasse b und c), so schließen sich die Adjektiva auf bilis nicht an bewußt und selbstständig thätig sondern an lei- dend oder nur mechanisch thätig gedachte Substantiva an; be- sonders wichtig ist die Beziehung der instrumentalen und kau- salen Adjektiva zu den instrumentalen und kausalen Akkusa- siven. Wir sehen also, daß wir uns bei den Adjektiven auf bilis ebenso wie bei der Lehre vom Akkusativ von den üblichen Anschauungen über die genera verbi freizumachen haben !?).

12) Die griechischen Adjectiva auf -ros, die sich in einem großen Theil ihres Bedcutungsumfanges mit den lateinischen auf -biles decken, werden demnächst von Charles Edward Bishop aus Petersburg in Nord-Amerika behandelt werden und es wird sich dabei eine Bestütigung meiner Resultate ergeben.

Leipzig. Friedrich Hanssen.

Zu Apuleius.

A pol. cap. II p. 4,6 (Krueg.). igitur Pontianum fratris sui filium, quem paulo prius occisum a me clamitarat, postquam ad subscribendum compellitur, ilico oblitus est . [de morte cognati adolescentis] sin subito taceret tanti criminis descriptionem , tamen ne omnino desi- stere videretur calumnia magiae, quae facilius infamatur quam pro- batur, eam solum sibi delegit ad accusandum. Die Stelle läßt sich auf eine weniger gewaltsame Weise heilen, indem man subito ta- cerem zu subiit tacere in ändert und mit V descriptione liest. Demnach lautet sie oblitus est . de morte cognati adolescentis subiit tacere in tanti criminis descriptione: tamen, ne omnino desistere vi- deretur, calumniam magiae, quae facilius infamatur quam probatur, eam solum sibi delegit ad accusandum. Zur Wiederaufnahme des Objekts durch das Determinativum nach einem Relativsatze ver- gleiche man IIII pag. 7, 6 Pythagoram, qui primum se esse phi- losophum nuncuparit, eum sui saeculi excellentissima forma fuisse: L pag. 60, 22 quod animi partem rationalem, quae longe sanctis- 8ima est, eam violet. :

Graz. M. Petschenig.

XV.

Zu Cicero’s Partitiones oratoriae.

Die nachstehenden Untersuchungen zu Ciceros Partitiones oratoriae griinden sich auf folgende Handschriften: die Parisini 7231 (P) und 7696 (p), beide aus saecl. X = A, auf die Erlangenses 848 (#7), 858 (B), 863 (Z) sowie den Redige- ranns (E) und Vitebergensis (V), 5 Handschriften aus dem XV. Jahrhundert. Hierzu kommt die editio Norimbergensis von 1497 (N), welche einen A nahe verwandten Text aufweist und auf die gleiche Quelle wie die Veneta von 1485 zurückzuführen ist. Die drei Erlangenses bezeichne ich, wo sie übereinstimmen, mit E. Rücksichtlich der Handschriften selbst und ihres Ver- hältnisses zu einander verweise ich auf das Programm der Kó- nigl. Studienanstalt Zweibrücken 1886/87 von Dr. Ed. Stróbel.

Was zunüchst die durch die Aldina in unsere Texte ein-. geführte Personenbezeichnung C. F. und C. P. anbetrifft, so ist dieselbe ohne jede handschriftliche Gewähr. In den jüngeren Handschriften variiert sie, theils fehlt sie ganz. So auch in p, wührend die in P angewendeten Siglen auf Magister und Disci- pulus führen. Man wird daher künftighin bei einer Ausgabe gut thun, entweder, wie es in p häufig geschah, den Personen- wechsel allein durch Zeilenbrechung oder durch die groBen An- fangsbuchstaben der in dem Dialog selbst gebrauchten Bezeich- nungen Cicero und pater zu markieren. Ich gehe jetzt zur Be- sprechung einzelner Stellen über.

$ 3 wird von der eigentlichen Thätigkeit des Redners ge- sprochen, welche sich anf Inhalt und Form, auf die Herbei-

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schaffung des Materials und dessen Anordnung, sowie auf den angemessenen sprachlichen Ausdruck und im Anschluß daran auf den Vortrag beziehen soll. Mit Bezugnahme auf den letz- teren heilt es: Vox motus voltus atque omnis actio eloquendi comes est. Daran schließen sich in der Vulgata nach E die Worte earumque rerum omnium memoria. Aber durch que wird das letzte Satzglied zu eng an den Begriff der acto gekettet, während doch die memoria viel eher für die Resultate der vorhergenannten Thätigkeiten, der inventio collocatio und elocutio, Hauptsache bil- det und bilden muß. Vgl. Cornif. I 3. III 28. de inv. I 9. de or. I 18. 142. II 355. Br. 219. Nun lesen wir in AV: comes. si earum rerum omnium memoria. Es wird daher nach R comes est. Sed earum rerum omnium memoria zu schreiben sein. Viel- leicht auch, daß die von der bei Thomas Richard Paris 1555 (Rich.) erschienenen Ausgabe sowie von Lambin beibe- haltene Wortstellung omnium rerum aus EN nach de opt. gen. $ 5 vorzuziehen ist, da auf omnium ein ganz besonderer Nach- druck ruht.

$ 6 ist vor allem nach A der Text so zu geben: divinum est ut oracula auspicia, ut vaticinationes et responsa etc. Vgl. Dri- ger hist. Synt. II S. 207. Vor auspicia schoben HR ut, BN et, Z aut ein. Fiir das zweite ut geben aut VZ, fiir das folgende et aber ut HBN. Zu est, welches nur in R fehlt und das auch Strôbel beizubehalten wünscht, vgl. in Pis. 8.

$ 9 überliefern die codd. mit N: cum inveneris collocare cuius in (om. AVN) infinita quaestione (quaestio est AV) ordo (est ordo HB, ordo est RZN) idem fere quem exposui locorum etc. Darnach liegt es am nächsten zu schreiben: Cum inveneris, collo- care: cuius în infinita quaestione ordo idem fere, quem exposui lo- corum; etc. Die Einfügung eines est vor oder nach ordo oder gar nach idem mit Kayser halte ich an unserer Stelle für um so weniger nothwendig, als sich ein solches bei folgendem sunt in der Unterhaltung leicht überspringen ließ, alle anderen Ver- suche aber die einfache Verderbnif) infinita quaestio é in AV aus in infinita quaestione, welches das parallele Glied zu dem in de- finita des folgenden Satztheiles bildet, in anderer Weise zu er- klüren und zu heilen für weiter abliegend und somit verfehlt.

$ 11 Quas res sibi proponit steht in AVR. In C ist pro- ponet durch Assimilation der Endung an das vorausgehende

Zu Cicero’s Partitiones oratoriae. 293

habet entstanden. Umgekehrt behalte ich $ 19 nach AR dilu- cidum fiet bei. Der Wechsel zwischen Futurum und Praesens ist in unserer Schrift nichts seltenes und schon von Strôbel S. 38 bemerkt. Den Ausschlag in solchen Fallen kann nur die bes- sere Ueberlieferung geben.

$ 19 u. ff. erklirt Cicero die Gedanken- und Wortfiguren, von denen er in § 21 das suave genus dicendi zunächst mit Be- zugnahme auf den einzelnen Ausdruck und dann, wie $ 72, auf die Periodenbildung behandelt und zwar diese zuerst von nega- tiver (quae neque etc.), dann von positiver Seite betrachtet mit folgenden Worten: et sit circumscripta non longo anfractu, sed ad spiritum vocis apto habeatque similitudinem aequalitatemque verborum. Letzteres Satzglied wollte Piderit ganz unrichtiger Weise auf den sich gleichbleibenden allgemeinen Charakter des Stils, sei es genus dicendi grave oder tenue oder medium, bezogen wissen, wäh- rend dasselbe doch, wie aus $ 72 hervorgeht, den Collektivbe- griff abgiebt, der im folgenden in seine einzelnen Glieder auf- gelóst wird. Dieses erkannten schon die alten Interpreten Stre- baeus, Latomus, Hegendorphinus, Ioannes a Fossa und der Com- mentator anonymus, von denen ersterer sagt similitudinem referre ad concordiam verborum, aequalitatem ad parem vel fere parem magnitudinem. Es ist daher bei vorausgehendem Komma ent- weder nach N (qui) mit cum oder mit ut statt des überlieferten tum fortzufahren, wodurch wir in noch einfacherer Weise als durch seine Aenderungen Schiitz den an unserer Stelle geforderten Gedanken erreichen. Bei den folgenden Worten, glaube ich, hat man sich lediglich an A zu halten, in welchem der Text so lautet: ex contrariis sumpta verbis verba, paribus paria respondeant, Natürlich ist zu verbis ein quae ex contrariis sumpta sunt zu er- günzen. Ganz dieselbe Kürze im Ausdruck finden wir vor Or. § 38: ut verba verbis quasi demensa et paria respondeant und § 220: aut quae similiter cadunt. verba verbis comparantur. Auch läßt sich hierher § 164: sive opponuntur contraria ziehen, wäh- rend wir $ 220 die volle Form aut contrarium contrario oppo- nitur lesen. Die jüngeren Handschriften (HB fehlen bis in den Anfang von $ 25) und alten Ausgaben geben an unserer Stelle sämmtlich für verbis verba die durch keine einzige der in den rhetorischen Schriften Ciceros so zahlreichen Parallelen gestützte Lesart verbis, ercbra crebris. $ 22 fährt Cicero mit der Auf-

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zahlung der significanten Merkmale der oratio suavis fort. Fiet etiam suavis oratio, quom aliquid aut tu aut inauditum aut novum dicas A. Für tuum hat invisit tuum R, inusitatum V (ohne die beiden aut), tuversus Z, diversius N. Seit Aldus steht invisum in den Ausgaben. Allein während Zusammenstellungen von novum, inauditum, inusitatum nichts ungewöhnliches sind, lesen wir bei Cicero invisum mit inauditum nur einmal de har. $ 57 und zwar hier mit pointierter Schärfe nebeneinander gestellt. Nach dem Wortreste in A zu schlieBen werden wir entweder inusitatum oder invisitatum schreiben müssen. Ich ziehe ersteres vor. Die Vulgata lautet weiter: Delectat enim quidquid est admirabile mazimeque movet ea, quae motum aliquem animi miscet, oratio etc. So hübsch sich auch das enim auf den ersten Blick ausnimmt, insofern als admirabile dann die drei vorausgehenden Begriffe inusitatum , inauditum und novum prädikativ in sich zusammen- zufassen scheint, ist es doch falsch. Vielmehr soll mit Delectat das admirabile als ein neues Moment eingeführt werden, wel- ches, wie der mit mazimeque explicativ fortgeführte Satz besagt, durch das Pathos und Ethos der Rede hervorgerufen wird. Unserer Stelle entspricht genau Or. $ 128 Duo restant enim, quae bene tractata ab oratore admirabilem eloquentiam faciant, quorum alterum ete. Es ist daher mit ARN Delectat etiam zu schreiben. An animi miscet nahm schon C. F. W. Müller Progr. Landsberg 1865 S. 18 Anstoß. Piderit erklärte „die irgend eine heftige Gemüthserregung hervorbringt, die Gemüther in Aufregung (Gäh- rung) versetzt" und verwies auf de or. I $220. Nun aber setzt doch wohl die Grundbedeutung von miscere immer ein mehr als eins von Objekten voraus, wie denn in der That auch dieses an der angeführten Stelle (und ebenso II 203) im Plural steht. Wir müßten daher ebenfalls hier motus aliquos lesen. Ferner beruht die Vulgata nur auf RVZ. In A dagegen steht ani- miscit. Vgl. Priscian I 457 und 508 ed. Krehl. Wir werden somit künftighin animis cit oder, da sich für das Verbum cire sonst bei Cicero kein Beispiel zu finden scheint, animis ciet schrei- ben müssen. Vgl. Neue, Formenlehre II 430. Müller vermu- thete, daß motum animi ciet zu lesen sei. Aus demselben Satze ist noch erwühnenswerth die Lesart aus A aut signando iu- dicio ipsius et animo humano ac liberali d. h. dadurch daB man seiner Rede- und Denkweise die Merkmale eines nicht nur hu-

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manen, sondern auch vornehmgesinnten Mannes aufprigt, solche gleichsam vor aller Augen stellt (ad inspiciendum Or. 37. Br. 220 pr. Arch. 14), wie die Münze ihr Gepräge. Vgl. Or. 64: Das scheinbar näherliegende significando der Vulgata entsprang aus dem kurzvorhergehenden significat.

§ 23 geben Est quidem id genus totum in commutatione ver- borum ARN, nur daß für id in P ut steht, in R hinter quidem ein unverstindliches cinum mit einem iiber c nach auswirts ge- bogenen Haken sich findet und nach totum N situm ut einschiebt. Ich halte den von p unverändert gegebenen Text fiir tadellos, denn durch quidem wird der von dem jungen Cicero gebrauchte Ausdruck mutata bekräftigt. In V ist quidem in ne ita ne ver- derbt, wobei das erste ne. von 2 interpungiert wurde, in Z steht ita neque mit der Verstellung genus id. Beide haben auch hinter totum die Glosse situm im Texte. Im Folgenden, wo von der Einschrinkung im Ausdruck die Rede ist, findet Piderits Con- jektur circuitus dirimuntur Stróbels Beifall Nur wünscht er der Ueberlieferung noch näher zu kommen und schlägt für diriguntur, was die Handschriften geben, digeruntur zu schreiben vor. Piderit nun erklürt ‘auch dadurch wird commutatio verborum mittelst der contractio bewirkt, daß die längeren Perioden aufgelöst und die Gedanken dann membratim und incisim ausgedrückt werden’. Gerade das Gegentheil aber behaupten die alten Interpreten Strebaeus, Latomus, Ioannes a Fossa. Letzterer mit den Worten: circuitus sive pertodos licet pauciora complectatur verba, tamen quia dicentis spiritus non requiescit, nec audientis intentio, ideo natura est brevior oratione membris et incisis distincta. An einem gefälligen Beispiel macht diesen Satz Strebaeus klar. Und in der That bestätigt die Ansicht der letzteren, was Cicero von dem Gegen- theil der contractio, dem dissolutum $ 53 sagt: soluta, quae di- cuntur sine coniunctione , ut plura videantur, womit Quintil. IX 3, 50, wie auch Aristot. Rhetor. III 12 (1413^ Schluß) zu ver- gleichen ist.

$ 25 lautet die Vulgata: Facit enim et dilucidam orationem

. sed varietate vocis, motu corporis, voltu, quae plurimum va- lebunt etc. Allein voltu, quae stützt sich nur auf die Lesart von EVN voltuque, das sich in E zu vultusque quae erweitert hat, während in A ac voltus quae gelesen wird. Ich schreibe habitu voltus, quae und stelle so die Symmetrie mit den zwei vorausge-

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henden Gliedern wieder her. Vgl. de fin. III 56 und de nat. deor. I 99.

$ 26 ergiebt der Zusammenhang in quo imprimuntur ipsae notae als die richtige Lesart. So A. In den übrigen Hand- schriften ist aus ipsae, wie nicht selten anderswo, so auch hier illae gemacht worden.

$ 27 ist vel plurimum sprachlich wie inhaltlich falsch, da vel sich an unserer Stelle nicht mit dem vorausgehenden quoque vertrigt und diese gesteigerte Ausdrucksweise vel plurimum nur auf die Gemiithserregung, nicht auf die Form der Beweisführung Beziehung haben durfte. Vel entstand durch Vorwegnahme des folgenden valet, wie die Lesart valet vel plurimum valet in Z zeigt. In PB fehlt es daher mit Recht. Die folgenden Worte lauten nach AR est enim amplificatio vehemens quaedam argumentatio: ut illa docendi causa, sic haec commovendi. Auch fiir N war dieses Vorlage, wie aus der Interpunktion daselbst nach causa hervor- geht. Doch steht hier sit an Stelle von sic, wie in EV, wel- chen die Herausgeber folgen und demgemäß interpungieren. Haec aber bezieht sich auf amplificatio, sowie illa auf das vor- ausgehende ad fidem, womit, wie z. B. $ 46, top. 98, die conjir- matio bezeichnet wird. Der Fehler erklürt sich aus dem in P von einem Glossator hinter commovendi iiber der Zeile hinzuge- fügten sit. Da die comparative Ausdrucksweise ut sic in unserer Schrift häufiger vorkommt (vgl. $ 2, 18, 26, 44), so móchte vielleicht auch § 31 narremus (Z narramus) sich nur dem mißverstandenen ut anbequemt und der Text ursprünglich Nam ut dilucide probabiliterque narrare necessarium est, sic adsumi- mus etiam suavitatem gelautet haben. Wenigstens ist die Ver- wechslung von sed, si (so R), sic in den Handschriften nichts seltnes. Das Fut. adsumemus steht nur in V, der Conj. adsu- mamus in HB. -

§ 30 Sit autem hoc etiam hat C etiam hoc, was Strobel bil- ligt, p. Ist letztere Lesart die Richtige, dann empfiehlt es sich mit Heusinger autem zu streichen. In demselben Satze ist wohl um des adverbiellen Zusatzes ad adversario willen dictum aliquid mit RVZ zu schreiben.

$ 34 giebt Cicero je ein Beispiel von dem accidentiellen und von dem wesentlichen Merkmale eines Begriffes. Sed appellemus docendi gratia veri simile, quod plerumque ita fiat, ut adulescentiam

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procliviorem esse ad libidinem, propriae autem notae argumentum, quod numquam aliter fit certumque declarat, ut fumus ignem. Aber notae beruht nur auf R. Dafiir haben notatur A, notatur cum V, nota! cum HN, nota è Z, notatum B. Vorher steht, wenn auch dieser Umstand nicht ausschlaggebend ist, in allen Handschriften außer B proprie. Ich glaube daher, daß wir proprie autem no- tatum aufnehmen müssen. Vgl. $ 61. Ferner hat A sit, nicht fit, AR declaret, entsprechend dem vorausgehenden fiat. Und mit Hecht, da auch dieser Satztheil als noch unter der Einwirkung von appellemus stehend ein subjektives Urtheil ausdrückt. Zu aliter sit vgl. Reisig (Landgraf-Schmalz) Vorl. der lat. Sprachw. Anm. 392.

$ 38 ist die Lesart cum aliter cecidit quam putatum est aus A bemerkenswerth. Vgl. Seyffert-Müller Lael. S. 129, Draeger hist. Syn. II 623. Ferner sit etiam AR. Vgl. $74. Am Schluß will Stróbel Hac gitur materie ad argumentum subiecta perlustrandae animo partes erunt omnes etc. lesen. Aber hac beruht nur auf p. In P steht hae, in HB hee, V he, Z heae, HN hui’. Auch würde der Abl. materie (vgl Reisig-Hagen A 94) sich dann nur (nach Neue) an unserer Stelle finden. Allerdings beruht sub- iecla auf AHB. Ich halte Haec igitur d. i., wie Piderit sagt, ‘die genannten verschiedenen Theile’ für die ursprüngliche Les- art und durch diesen nicht verstandenen plur. fem. gen. die Aen- derung subiecta aus subiectae veranlaßt.

$ 39 schreibt man seit Orelli telum, cruor, clamor, eiu- latus. Letzteres Wort steht allein in V, in dem es eine junge Hand für das ausradierte editus der Vulgata einsetzte, wührend ABZN auditus, HB editus bieten. Eiulatus hat somit keinen hö- heren Werth als den einer Conjektur. Wenn nicht auditus (editus) eine Zuthat aus Cornif. II 8 ist, móchte ich es für eine VerderbniB aus dem ebenfalls daselbst stehenden crepitus halten, nachdem CR hinter OR verloren gegangen war. Wie die ge- nannten vier Ausdrücke sich auf den Ort der That, so beziehen sich die folgenden auf die Person des Angeklagten nach der That in progressiver Reihenfolge titubatio, permutatio coloris, oratio inconstans, tremor, woran sich die Worte et eorum aliquid, quod sensu percipi possit schließen. Aber et kennt nur RN. Ferner steht eo% alto. (alog P) quid quod (quid P) in A. Ist eorum etwas anderes als eine Verschreibung, neben welche oder

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tiber welche zuerst die Correktur dazu aliorum gesetzt wurde, dann kônnte es vielleicht aus dem abbrevierten corporis verlesen und tremor <corporis>, aliorum quid, quod zu schreiben sein.

$ 40. Veri similia autem partim singula movent e suo pon- dere A. In den jüngeren Handschriften fehlt die Präposition. Aber durch dieselbe gewinnt dieser Satztheil etwas selbständi- geres. Es heißt dann ,in Folge ihres Gewichtes, wenn sie ge- wichtig sind“ und es entspricht diese Wendung besser dem fol- genden cum sunt coacervata.

$ 44 Aut totum est negandum . . . aut redarguendum ea, quae pro veri similibus sumptu sunt sichern PEV. Zudem führt auf diese Lesart redarguendom in p, welches p? und nach ihm RN in redarguendo verderbten. Auf dem Verbum soll der Nach- druck liegen. Vgl § 77. Untadlich erscheint mir ferner in PN folgender Text Accidere autem oportet: ut singula, sic uni- versa frangentur. In p ist ut in de, in C in ad verschrieben. Es folgt Commemoranda sunt etiam exempla, quibus simili in dispu- tatione creditum non sit. Die Prüposition in fehlt in simmtlichen Handschriften. Dagegen steht in A sit hinter quibus. Ich schreibe daher in simili disputatione. Am Abschluf des Satzes nahm Kayser nach AV mit Recht est auf, denn der Relativsatz muß hier das Thatsächliche und Wirkliche enthalten. Zu Gun- sten der Vulgata sit beruft sich Ströbel auf den folgenden Satz .8i ... sit exposita. Allein hier ist der Conjunktiv ein potentialer und somit ganz anderer Natur. Auch der Ursprung der fal- schen Interpunktion in A4 Non est (conquerenda) ist leicht be- greiflich und diese kein Grund sich für das hier inhaltlich unzureichende s zu erwürmen.

$ 45. Die den Zusammenhang stórenden Worte quae sumpta

. . dilucide est fehlen in HB ganz und sind schon von Er-

nesti auf Vermuthung hin, nach ihm von Schütz für unücht er- klärt. Plane ipsum istuc (requiro), wie Strébel auf Grund- lage der Handschriften zu schreiben mit Recht empfiehlt, steht in N.

$. 46 wird das analytische und synthetische Beweisverfah- ren erörtert. Von ersterem heißt es in unseren Texten: Diri- gitur , cum proposuit aliquid, quod probaret sumpsitque ea, quibus niteretur, atque his confirmatis ad propositum se rettulit atque con- Clusit, Piderit erklärte: „das Beweisverfahren schreitet in ge-

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rader Richtung vorwärts da, wo man mit der propositio beginnt". Um ein Subjekt zu proposuit zu gewinnen, nahm Schütz nach Purgolds Vorgange aquis für aliquid auf. Aber Piderits Er- klärungsversuch scheint der Wahrheit näher zu stehen. Nur muß auch sprachlich das von ihm angenommene Subjekt zum Ausdruck gebracht werden. Nun haben aber AEN nicht diri- gitur, welches seine Entstehung einer falschen Bezüglichkeit auf das voraufgehende ad motum verdankte, sondern de re igitur in ihrem Texte stehen. Ich glaube daher, daß mit Bezugnahme auf den Ausdruck derecto spectat, welcher jetzt definiert werden soll, derecta igitur zu schreiben ist, wozu sich das bei der un- mittelbar folgenden Definition des synthetischen Beweisverfahrens gebrauchte argumentatio schon hier aus dem vorausgehenden ar- gumentandi leicht hinzuhóren läßt. So haben wir an der Spitze das gemeinschaftliche Subjekt und im Anschluß daran den Vor- dersatz stehen. Den Nachsatz gewinnen wir, wenn wir nach A atque streichen und ihn mit his confirmatis beginnen lassen. Aber auch so erscheint die ganze Stelle noch nicht heil. Ohne jeg- liche Beziehung auf Nebenumstünde wird hier ein Begriff defi- niert, der für alle Zeitverhältnisse als unabünderlich angesehen werden soll. Was sollen da die Perfecta bedeuten ? Piderit sowie die alten Interpreten bewegen sich bei ihren Erklärungen einfach im Prüsens. Auch die folgende Definition schreitet im Präsens vorwärts: sumit, confirmat, iacit. Durch die Annahme eines mit quom eingeleiteten Vordersatzes nun sind proposuit und sumpsit gesichert. Dagegen halte ich die folgenden Perfekta rettulit und conclusit. durch Tempusassimilation entstanden und glaube, daB ursprünglich Aehnliches wie sese (so AN, Ald. Lamb. Rich.) revolvit atque concludit den Abschreibern vorlag. Zu revolvere vgl. Cornif. II, 27, de or. II 130, de div. II 13, Lucullus 18, Tusc. I 12. Allerdings steht hier überall, wenn auch in medialem Sinne, nur die passive Form.

$ 47. Est etiam illa varietas in argumentando et non iniu- cunda distinctio, cum ete. geben richtig AN. Das von C vor cum eingeschobene und ein Beispiel einfiihrende ut ist wegen des vor- ausgehenden, auf bestimmte Einzelnheiten hinweisenden ila, so- wie wegen des im abschließenden, explicativen Relativsatze (quae sunt „denn das sind“) enthaltenen cum aliis compluribus einfach incorrekt.

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$ 49 utendumque exemplis, si quis testibus etc. A ohne Tadel, Das in C (außer H) theils vor theils nach exemplis, mit Auslas- sung von si, eingeschobene est ist ebenso unnäthig, wie es sunt bei dem folgenden comparandique sein würde. In gleicher Weise aber sind mit si, aus welchem Stróbel für A est herstellen will, auch die folgenden einzelnen Satzglieder si natura vani, si leves, cum etc. eingeleitet. Zu quis vgl. Reisig A 222.

$ 50. Die schwierige Stelle multi in tormentis ementiti per- saepe sint morique maluerint falsum fatendo quam verum infittando dolere sucht Sauppe (Gott. gel. Anz. 1867 S. 1872) mit fol- genden Worten zu erklären: ,,Viele haben sich vor Schmerz so gefürchtet, daß sie lieber durch Bekennen dessen, was sie nicht gethan, den Tod auf sich nahmen, als mit Ablüugnung dessen, was sie gethan, die Folter trugen. Es ist also eher zu erwarten, daß jemand fälschlich bekennt, was er nicht gethan, und stirbt, als dalì er liugne, was er gethan, und der Folter trotze^. Aber setzte diese Interpretation nicht ein plures statt multi als Subject zu maluerint voraus? In all den vielen ein- zelnen Fällen nun eines peinlichen Verhörs konnte doch das Objekt jedesmal nur ein einzelnes und einheitliches sein, wobei die Frage sich so gestaltete, ob der Delinquent gethan oder nicht gethan, ob er wußte oder nicht wußte (vgl. Cornif. II 10), was man ihm Schuld gab. Es konnte sich aber niemals um das Zweierlei handeln, was der Delinquent gethan und was er nicht gethan oder was er wußte und was er nicht wußte, wie wir es bei der obigen Erklärung annehmen müßten. Da- her kann der Sinn unserer Stelle nur der sein, daß der hier Vortragende die jedesmalige Stellungnahme des Gefolterten zu der an ihu gerichteten Frage in Betracht zog und als Resultat fand, daß die Gesammtzahl derselben, welche mit multi hier als eine große, aber unbestimmte bezeichnet wird, lieber ja sagte zu dem, was nicht war, als nein zu dem, was nicht war, um so den weiteren Folterschmerzen zu entgehen. Das Objekt also war für jeden einzelnen Fall stets dasselbe. Es konnte jedoch je nach der Stellungnahme der Betheiligten sowohl mit falsum als verum bezeichnet werden, als ein falsum in Wirklichkeit und im Sinne des Gefolterten, als ein verum in der Nichtwirklichkeit und im Sinne des Richters. Nur verlangten dann gleiche Sub- Jekte auch gleiche Prädikate bei conträren Objekten, sowie bei

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gleichen Objekten contrüre Prüdikate. Und da an unserer Stelle dasselbe Objekt durch conträre Ausdriicke bezeichnet wird, so sind hier nur synonyme Prüdikate denkbar. Es ist somit infi- tiando eine Glosse, die als aus dem Sinne des Richters gedacht und über den ursprünglichen Ausdruck hinzugeschrieben das ei- gentliche verum regierende Verbum aus dem Texte verdrüngt hat. R schrieb an den Rand verum inferendo. Wohl kaum rich- tig. Ich vermuthe Aehnliches wie defendendo oder dicendo. Für letzteres kónnte Quintil. V 4, 1 und Halm Rhet. Lat. 404, 35 sprechen.

S 54. Haec igitur în verbis, quibus actio congruens et apta ad animos permovendos accommodata est C. Erst N und Lamb. schrieben accommodanda. Ich halte diese Aenderung nicht für nóthig. Auch im vorausgehenden Stück war die Darstellung zumeist eine vortragende, nicht eine Vorschriften ertheilende. Die letztere hebt erst wieder mit dem folgenden einschrün- kenden sed ‚indessen‘ an. Ich fasse congruens et apta als einen Begriff (vgl. de or. III 53), den ich in Verbindung mit quibus durch et si iis congruens et apta est auflóse (vgl. $ 25, de or. III 222) und verbinde ad animos perm. mit dem folgenden Verbum. Die in den Handschriften vor congruens eingefügten Worte vocis (vobis A in vocis R) et gestus halte ich mit Sauppe für ein Glos- sem, welches ursprünglich zu Unterrichtszwecken übergeschrieben die Haupttheile der actio bezeichnen sollte und dann sich in den Text gedrängt hat.

$ 55 maximeque valent A (in P Schluß der Seite), mazimeque et defiuitiones valent VHB(Z etiam), maximeque definitiones valent R und die Ausgaben, maximeque valent definitiones et N. Wir werden demgemäß wohl richtig maximeque valent et definitiones conglobatae etc. schreiben, wobei die Bezüglichkeit des Verbums auf alle Glieder scháürfer hervortritt.

$ 56. Ex üs et cohortationes . . . et miseratio nascitur : nihil est enim tam miserabile quam ex beato miser schreibe ich. Vor nihil hatte sich in die Texte der Handschriften die Randbemerkung zu der folgenden Auseinandersetzung gestohlen: Proprius locus augendi in ws rebus aut amissis aut mittendi peri- culo, Die Varianten dazu sind locus est VN etiam locus est Z, augendus Z, his VRZN, amittendi VR amittendis ZN; HB fehlen bis § 65. Schon Lambin strich einen Theil des Satzes und ge-

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staltete in Anschluß an nascitur aus dem Reste ex sis rebus aut amissis aut amittendis, Worte die jedoch bei dem folgenden quae amittat aut amiserit durchaus iiberfliissig sind und an unserer Stelle nur den Zusammenhang stôren.

§ 61 bestimmt Cicero das Wesen des genus finitum und in- finitum, sowie ihr Verhältniß zu einander. Letzteres bei Kayser mit folgenden Worten: Sed est propositum latior quasi para causae [quaedam et controversiae]; inest enim infinitum in definito et ad illud tamen referuntur omnia. Ohne Zweifel sind nach dem hand- schriftlichen Apparate (vgl. Stróbel S. 39) und nach dem ver- schiedentlich lautenden Texte dieser Stelle in den älteren Aus- gaben die von Kayser eingeklammerten Worte unücht. Vgl. top. $ 80. Aber was soll ferner das gleichfalls in der Topik fehlende Zatior bedeuten, welches durch keine andere handschrift- liche Autorität als den Palat. V gestützt, in dem die ganze Stelle schwer verderbt ist, erst durch Schütz in unsere Texte eingeführt wurde? Wie kann man die hypothesis in einem Athen eine Erweiterung, um mit Piderit zu reden, oder Verallgemei- nerung der thesis und zugleich wieder einen Theil derselben nennen? Fal man die hypothesis eben als eine Erweiterung der thesis auf, dann würde erstere richtiger Weise nicht mehr mit pars, sondern nur mit genus bezeichnet werden dürfen (vgl. $ 69), wie aus den gerade von Piderit angeführten Stellen de or. II 133 und Or. 45 klar hervorgeht. Daß aber dieses nicht der von Cicero hier gewollte Gedanke ist, ergiebt sich aus top. $ 80. Nun lesen wir in EVZ Sed est consultatio quasi pars, in AN Sed propositum latio (latius N) quasi pars. Es wird demnach dieses latio nichts weiter sein als der Rest des in der Vorlage von A übergeschriebenen est consultatio und ist somit zu streichen, wie denn in der That Lamb. in zwei alten Handschriften propositum ohne dasselbe vorfand. Auch est halte ich bei folgendem nest enim für durchaus überflüssig.

$ 62 quod refertur ad faciendum quid AN ad efficiendum quid C. Das Simplex jedoch verlangen das Folgende und die $ 67, top. 82 und 86 angeführten Beispiele. Vgl. de or. III 118. Auch kónnen nur diesem die beiden nachher folgenden contrüren Verba persequi und declinare als ihrem gemeinsamen Oberbegriffe gleichmäßig gut untergeordnet werden.

$ 65 lesen wir lilius autem generis . . . duo sunt genera.

Zu Cicero’s Partitiones oratoriae. 303

Wir müßten also neben generis als Gattungsbegriff noch genera im Sinne von Unterabtheilungen verstehen. Dafiir hat Cicero aber den Ausdruck species oder forma. Vgl. top. $ 30 und 31. Genera ist einfach zu streichen. Quorum in altero disputandum est aliud an idem sit, ut pertinacia et perseverantia C. Aber die vergleichende, nicht die verbindende Kraft muB hier überwiegen. Vgl. Reisig § 235. Dräger II 26. Richtig daher die Lesart von AN pertinacia perseverantia d. i. an pertinacia sit perseverantia. Vgl. top. 47.

§ 69 werden die bekannten drei Redegattungen entwickelt. Die Vulgata lautet: Et earum quidem forma duplex est: quarum altera delectationem sectatur. aurium; alterius, ut obtineat, probet et efficiat quod agit, omnis est suscepta contentio. Indessen A (in welchem die Worte altera aurium fehlen) und E bieten in altera ius, wie mir scheint, das Richtige. Denn dann werden durch die gewählten Ausdrücke die unterscheidenden Merkmale beider Unterabtheilungen der zweiten Klasse schon mit ange- zeigt, ius als Objekt des genus iudiciale steht parallel dem quod agit des genus deliberativum und der beiden Redegattungen ge- meinschaftliche Begriff des probare (de or. II 115) halt die Mitte. Auch ZN führen auf unsere Lesart insofern als beide altera ohne ius haben, welches vor ut leicht verloren gehen konnte. Zur Stellung von ius ut vgl. § 29, top. 2, 97, Zumpt Gr. 356, Reisig 318, 471 c. Die cop. Conj. et nach probet fehlt in A und ist schon von Sauppe gestrichen. Schließlich werden wir nun auch aus N das in den Handschriften vor omnis ausgefallene unde (d. i. vom Rechtsfall und dem Berathungsobjekt aus) wie- der aufnehmen dürfen. Ich schreibe demnach an unserer Stelle altera ius ut optineat, probet, efficiat quod agit: unde omnis est sus- cepta contentio.

$ 71 lese ich nach der besser bezeugten Ueberlieferung Conficitur autem genus hoc dictionis narrandis exponendisque factis, quod sine ullis argumentationibus ad animi motus leniter tractandos magis quam ad fidem faciendam aut confirmandam accomm o- datur. Denn quod, was die Vulgata wegläßt, sichern AN, ac- commodatur (-dantur p) mit diesen auch VZ, wührend accommo- date nur durch HB, accommodatae durch E (so auch Ald.) über- liefert wird. Der Gedanke ist dieser: Ihre Bestimmung und ih- ren Abschluß findet diese Redegattung schon in der Erzählung

304 W. Friedrich,

und Darstellung von Geschelinissen, denn sie bedarf keiner Be- weisführung und paßt sich dem Gedanken an, mehr die Zuhörer zu erwürmen als ihnen eine Ueberzeugung aufzureden oder sic in der schon vorhandenen zu bestürken.

$ 72 ist von der Diktion im genus demonstrativum die Rede. Die Vulgata (seit Ald.) utendum erit tis in oratione singulorum be- ruht theilweise auf R, insofern als hier wirklich ts in steht, während alle anderen Handschriften in is stellen. Aber auch R giebt mit diesen oratione et singulorum. Kayser zog daher mit Recht letztere beiden Lesarten für seinen Text vor, nur schloB er mit Unrecht oratione in Klammern ein, da es durch- aus unerfindlich erscheint, wie und wozu dasselbe als Glosse in den Text gekommen sein sollte. Vielmehr glaube ich, daß man vor (oder nach) oratione den Ausfall eines dasselbe: näher be- stimmenden Adjektivs, etwa ornata (vgl. sogleich nachher $ 73 ornamenta), annehmen muß, zu dem die folgenden Ablative in- signibus und ipsa constructione in einem instrumentalen Verhilt- nif stehen würden. Vgl. de or. I 50; II 36, 145, 341—349 ; III 53, 96, 152, 170; Or. 134, Br. 275.

$ 73 monstris prodigiis et oraculis C. Nur R läßt et weg. Sollte nicht in et der Ueberrest von extis stecken ? Vgl. top. 77, de div. I 28.

§ 74. Postea de corporis bonis; in quibus quidem, quae vir- tulem maxime significat, facillime forma laudatur haben die Aus- gaben. Nur Lamb. schrieb mit Streichung von quidem nach einigen seiner Handschriften quod und Kayser mit Beibehaltung jenes Adv. quia virtutem. Durch diese Aenderungen indessen wird der Gedanke, welchen die Vulgata enthält, nur um ein Unwesentliches modificiert. Ihm aber widerspricht entschieden de or. II 342: Genus, forma, vires etc. non habent in se veram laudem, quae deberi virtuti uni putatur; etc. Davon also, da die äußere Gestalt ein Merkmal und noch dazu das bedeutendste innerer Tüchtigkeit sei, wird auch an unserer Stelle nicht die Rede sein können. Nun geben aber die Handschriften einstim- mig mit N quasi statt quae, ferner quid AN quod HBRV und nur Z quidem. Wir werden daher in quibus, quod quasi virtutem maxime significat, facillime forma laudatur nach der Ueberlieferung zu schreiben haben. Zu quasi vgl Reisig A 415 i.

$ 75 aut multa et varia facta in propria virtutum genera sunt

Zu Cicero’s Partitiones oratoriae. 305:

digerenda etc. Das letzte Wort setzten Schiitz und Orelli an- geblich als Conjectur Lambins in den Text. Aber schon dieser fand, wie er selbst sagt, digerenda als Lesart vor. Auch steht sie in der Richardiana und dem Strebaeus scheint sie vorge- legen zu haben. Alle übrigen alten Herausgeber dagegen lesen mit unseren Handschriften dirigenda. Ich stehe nicht an, diese Lesart beizubehalten und sie mir so zu erklären: ,,Die Thaten eines Mannes, auf den eine Lobrede gehalten werden soll, sind in der Art darzustellen, daf sie sich in die verschiedenen Kate- gorien der Tugend einfügen“. Denselben Gedanken drückt Cic. $ 82 durch ad genera accommodabuntur aus.

$ 79 quae ex eodem hausta genere, quo illa quae în disputando, est uberior atque latior AN tadellos. Dagegen est, uberior est RVHB und die jüngeren Herausgeber (seit Ern.), est uberior ex- tatque Z, uberior est Aldus und mit ihm die älteren Ausgaben.

$ 81. In der Aufzählung von Fehlern, die oft scheinbar das Geprüge der Vorzüge an sich tragen, schließt das letzte Glied nach A mit et illam disputandi prudentiam concertatio capta- tioque verborum, hanc oratoriam vim inanis quaedam profluentia lo- quendi. Die Gegenüberstellung durch slam und hanc zeigt deut- lich, daß ein Doppelglied aufgeführt wird. Ganz ungerechtfer- tigter Weise ist daher in C vor hanc ein et eingeschoben. Vgl. S 99 aut illane lege, hisne verbis.

$ 85. Ita cum constat A, Itaque cum constet C. Vgl. $ 10, de or. II 113 und Krebs-Schmalz Antibarbarus unter itaque.

$ 88. Facile est intellectu quae sunt contraria ANZ, Doch vgl. Draeger, hist. Synt. H 835.

$ 90. Itaque huic generi laus . . . omnisque virtus, illis au- tem alteris quaestus ... proponitur A. Die übrigen Handschriften haben illis alteris dem vorausgehenden huic generi anbequemt und geben tli autem alteri. Voraus geht hominum esse duo genera.

$ 91 ut doceamus qua re AN quae E qua vi E (Ald. Rich.)

qui V, welches aus qui entstanden ist, qua via Lamb., Schütz. Stróbel wünscht qua ratione zu lesen. Ich halte an qua re fest und verweise auf Landgraf pro Rosc. S. 308.

§ 98 quid autem possit [effici necne possit], in quo etc. Die eingeklammerten Worte fehlen in A. Vgl. Krebs-Allgayer An- tib. unter necne. Da die volle Form quid possit fieri $ 83 und

Philologus. N. F. Bd. I, 2 20

306 W. Friedrich,

84 in mannigfachen Wendungen vorausgegangen ist, auch eff- ciant sogleich folgt, so halte ich eine Hinzufügung von feri oder effici an unserer Stelle nicht für nôthig. Im Uebrigen vgl. auch Madvig de fin. V § 84, Seyffert- Miiller Lael. S. 34 und 187. Anton Stud. zur lat. Gr. und St. II S. 106.

§ 94 cuius vis generis ziehe ich nach A als die ältere Ue- berlieferung vor, In C sind die Worte in cuius generis vis der Construktion zu Liebe verstellt. Vielleicht ist auch § 136 die Stellung ut ex facto cuiusque legis iudex mentem mit AN beizube- halten und es ist in C, um eine falsche Beziiglichkeit zu ver- meiden iudex (om. B) vor legis willkürlich geschoben worden.

§ 96 ut possit vel utilia ac necessaria saepe honestis vel haec ills anteferre C. Nach $ 87 möchte ich hinter honestis den Aus- fall von ac commodis vermuthen.

§ 98 in quibus causis quid aequius atque aequissimum sit quae- ritur ist mit A nach § 66 quid aequius atque etiam quid . . . ae- quissimum beizubehalten. Die Vulgata lautet aequius aequissimumve.

$ 99. Plus petisti C. Ströbel möchte lieber prius petisti le- sen. Dagegen vgl de or. I 167. Der Ansdruck plus petere war, wie im Corpus iuris die Kapitelüberschrift de plus petitionibus zeigt, terminus technicus. So Strebaeus, Latomus, Leodegarius, Hegendorphinus. Letzterer sagt: Petitur autem plus re loco tem- pore etc.

§ 101 giebt A est ut id quo de agitur si factum fateare si neges, dagegen C est ut id (id om. RV) quod obicitur (obijciatur Z) factum neges aut id (illud R) quod factum fateare neges. In N sind beide Klassen so ineinander geflossen: est ut quod obit- citur faclum neges . aut id de quo agitur si factum esse fateare . sed neges etc. Dem schlichten und formelhaften quo de agitur gegenüber erscheint quod obicitur leicht als Glosse, die überge- schrieben war. Ferner glaube ich, daß entsprechend dem dritten Satzgliede aut si neque etc. auch hier si factum fateare aus A beizubehalten, das zweite si aber in A als aus einem mißver- standenem Gegensatze zum vorausgehendem entsprungen zu strei- chen und der ganze Satz so zu schreiben ist: est, ut id quo de agitur, factum neges aut si factum fateare, neges etc.

$ 102 lautet die jingere Ueberlieferung: tertius, quod (qui V) td rectum (recte RV om. Z) factum esse defendat (defendas Z) quod sine ulla nominis controversia (contr. nom. V) factum fatetur. In

Zu Cicero’s Partitiones oratoriae. 307

AN steht tertius quod recte (rectum P) factum (om. P) esse fateatur (doceatur p'). Im Anschluß an den Ausgang des $101 schreibe ich demnach : tertius, quod rectum esse defendat, quod sine ulla nominis controversia facium esse fateatur.

$ 104. Nemo enim eius, quod negat factum, potest aut debet aut solet reddere rationem AN. Mit Recht sind so dem Objekte die betonten Begriffe vorausgeschoben. Die Vulgata setzte mit C rationem hinter factum und mit E noch einmal aut vor potest ein.

$ 105 enthält je ein Citat aus einer Vertheidigungs- und einer Anklagerede. Die erstere sagt nach AN: Non minuit maie- statem quod egit de Caepione turbulentius: populi enim dolor iustus, non tribuni actio; maiestas autem . . . aucta potius est quam de- minuta. In E dagegen finden sich nach enim diese Worte: dolor iustus (iustus d. Z) vim tum (tam B) illam excitat non tribuni actio (tribunatio Z), in RV dolor iustissime (-mi V) tamen (tum V) illam excitavit (-tatum V) actionem. Daraus hat die Vulgata folgendes herausgeschält: dolor iustus vim (tum Rich., Lamb.) illam exci- tavit, non tribuni actio. Und in der That mag dieses die ur- sprüngliche Fassung der in den Text gedrungenen Randbemer- kung gewesen sein, welche die kraftvolle Aposiopese des Redners erklüren sollte. Ich verstehe die in AN uns rein tiberlieferte Stelle in folgender Weise. Quod sagt der Vertheidiger, nicht qui, mit bewußtem Doppelsinn in der Art daß, faßt man quod selbst als Subjekt und nicht als Conjunktion, noch ganz andere Faktoren als Ursache jenes tumultuarischen Verfahrens bei der Verurtheilung des Caepio gedacht werden kónnen als Norbanus. Und nun nennt er diesen Faktor selbst: der gerechte Volksun- wille war es, nicht des Tribunen Klage. So hört der Zuhörer leicht aus dem vorhergehenden die Worte egit de Caepione tur- bulentius als Prüdikat zu dolor iustus wieder heraus und nicht ohne Absicht stellt im folgenden der Klüger dem minuit quod das unzweifelhafte minuit is qui gegenüber.

§ 106 strich Schütz das in AN fehlende zweite factum in den Worten ubi aliquid recte factum aut concedendum esse faclum defenditur. Dagegen sagt Ströbel: ‘recte factum entspricht dem rectum esse in $ 101 und factum dem quod feceris’. Vielmehr gehóren dort rectum esse und quod feceris eng zusammen und ent- sprechen hier dem recte factum, an welches sich aut concedendum esse, wie dort concedendumve ohne factum anschlieBt. Auch

20*

308 W. Friedrich,

am Abschluß des $ glaube ich, daß von Kayser bereits als das Richtige gefunden ist detractis personis et temporibus et rursum. Dagegen schlügt Stróbel auf Grundlage der jüngeren Hand- schriften detractisque personis et temporibus rursum zu schreiben vor. Aber durch eine solche Anknüpfung mit que wird das we- sentliche Moment, welches in das erste Glied gehört, in das zweite gezogen.

$ 107 haben sämmtliche jüngeren Handschriften die hiufi- gere Construktion in eas causas incurrit (occurrit H) um so lieber vorgezogen, als sogleich in definitionem venit darauf folgt. Aber in ei’ causis incurrit. giebt A. Daher war wohl in eis causis die ursprüngliche Lesart und incurrit ist hier, wie z. B. $ 51, top. 94, absolut gebraucht. Vgl. Nügelsbach-Müller Stilist. 8 129, 4. Auch top. 7% lautet in qua . . incurrat die bessere Ueberliefe- rung. Am Schluß des § scheint es mir sehr fraglich, ob parit mit C noch beizuhalten ist und nicht vielmehr dem farb- losen facit aus A der Vorzug gebührt.

S 111 fecisse dicatur AN, fecisse dicitur C.

§ 113 aut aliqui repentinus animi motus schreibt Stróbel nach 9. Aber aliquis hat PN, worauf auch das alius in C führt. Daher ist aliquis hier beizubehalten.

§ 116. Sequitur ille autem locus stellt A die Worte. Ebenso $ 119 Facultatum infirmatione autem utetur.

$ 117 ipsum sua cautione effecisse, testis effugere non posse steht in AN, während in den übrigen Handschriften durch As- similation an effecisse aus posse des Perf. potuisse geworden ist. Aber das Praesens ist nothwendig, wie die nachfolgende Erörterung zeigt, nach welcher der Redner dem Richter die Zeugenaussagen als endgiiltige Beweismittel anzusehen anempfehlen soll. De quo agatur C, aber quod agatur A, woraus Kayser quo de agatur machte. Indessen ist kein Grund vorhanden, von A abzuwei- chen. Vgl. de or. I 242, H 104, or. 116.

$120 wollte Sauppe aut sibi cum accusatore communia esse et pro periculo . . . valere debere schreiben. Diese Vermuthung stützeñ A, indem esse, nicht essent, steht, und V, in dem si vor sibi fehlt. Auch das in A vor aué eorum fehlende ea halte ich nicht fiir nothwendig, da tndicia noch in dieses Glied als Sub- jektsaccusativ mit hineinwirkend gedacht werden kann.

§ 124 sit ergo haec contentio primum verborum, in quo etc. A.

Zu Cicero’s Partitiones oratoriae. 309

Aus Unverständniß fur die Anakoluthie ist in den übrigen Hand- schriften primum in prima verwandelt worden. Cicero knüpft aber hier, statt mit deinde fortzufahren, nach Anführung eines längeren Beispieles die zweite Vorschrift mit communeque sit hoc praeceptum ut cum . . . tum, die dritte mit Atque an. Vgl. de or. II 21 (Sorof), 244, Madvig de fin. I $ 17, Reisig $ 481. $ 126 verbique vim ex contrario repetit ... et ex consequentibus . . & ex nomine N. Das erste et fiel in ARVZ, das zweite in HB aus. Z giebt hier nur et nomine.

§ 130 cuius altera derecta .. . ratione entnahm Schütz dem Gudianus 2. Diese Lesart stützt 4. In den anderen Hand- schriften steht directi, welches durch Assimilation an die folgen- den Genetive entstanden ist.

S 132 aut etiam discrepare cum ceteris scriptis vel aliorum vel mazime si poterit eiusdem die Vulgata nach C. Aber quam a ceteris steht in A. Sollte man da nicht annehmen dürfen, daß quom a ceteris die ursprüngliche Lesart war und der Re- dende das dem entsprechende Glied tum maxime unter dem - Einflusse des hinzugefügten vel aliorum in vel maxime änderte? Auch potuerit giebt A. Dasselbe vertheidigt Stróbel.

8 133 fore uti multa A.

$ 134 audaciamque confutet eius C. Die Lesart computet in A setzt die allerdings leichte Verwechslung von P und F voraus. Indessen sollte nicht doch in dieser ältesten Ueberlie- ferung etwas Anderes als das vulgiire confutet, etwa ein am- putet stecken ?

§ 137. Deinde genus cius modi callidatis et calumniae retra- hatur (trahatur A) geben die Handschriften und alten Ausgaben. Durch Schiitz ist die in dem Texte Lambins stehende Lesart retrahetur in Aufnahme gekommen. Ganz mit Unrecht. Denn wie in dem vorausgehenden und folgenden Satze die Formen des Gerundiums erit utendum und erit deprecandum zeigen, handelt es sich um Vorschriften über das, was geschehen soll, nicht um Mit- theilungen von dem, was geschehen wird. Vgl. $ 96 habeat.

$ 140. Qua re haec tibi sint, mi Cicero, quae . . . ad quos si his isdem ducibus aliisve perveneris etc. A. Man begreift sehr leicht, wie in einer Schrift, die zu einem Schulbuch geworden war, die alte gute Lesart Ais durch das Personalpronomen nobis verdrüngt werden konnte.

Mühlhausen i. Th. W. Friedrich.

XVI.

Quaestiones Vergilianae.

Augusto perfecta demum materia tres omnino Aeneidos libros a Vergilio recitatos esse secundum quartum sextum poetae vita Suetoniana, quae exstat apud Donatum, memoriae traditum est. Cum vero in eis libris qui tempore reliquos antecedunt haud paucis locis res quae in libris posterius compositis narrantur apertissime respiciantur, eiusmodi versus singulis libris iam con- fectis a poeta insertos esse manifestum est. Qui quominus Ae- neidi summam manum impositurus discrepantiam auferret rerum, quas aliter in aliis libris expositas invenimus, totumque opus non ex iusto rerum ordine compositum emendaret, morte impe- ditus est. Videamus igitur fierine possit, ut indicia quaedam et vestigia compositionis persequentes non solum tres illos Aeneidos libros in pristinam redigamus formam verum etiam quo ordine reliqui conscripti sint inde eruamus. Atque a libro secundo omnium vetustissimo ut ordiamur,

versus huius libri 65 et 66:

accipe nunc Danaum insidias et crimine ab uno

disce omnis. non prius quam liber primus perfectus est, a poeta eo consilio additos esse, ut liber II cum libro I coniungeretur, inde apparet, quod Vergilius his verbis respicit I 753—754:

immo age et a prima dic, hospes, origine nobis

insidias, inquit, Danaum casusque tuorum. Pro namque vs. 67 olim poeta tunc vel ille videtur scripsisse, quod postea mutavit. Praeterea vel hemistichio adducimur, ut illos versus inter eos quos posterius composuit Vergilius refera-

Quaestiones Vergilianae. 311

mus. Idem cadere in versus 345—369 veri simile, in versus 345—346 certum est. Quos una cum toto libro secundo non esse scriptos variis indiciis probatur (vide e. gr. Peerlkampii et Weidneri notas ad vss. 348 sq.). Verba una salus victis nullam sperare salutem v. 354 nondum dici potuerunt, Aeneas enim tum omnem vel victoriae vel salutis spem ereptam sibi esse nondum sciebat, neque ipse nec socii eius victi erant sed pugnare tum demum incipiunt, quin etiam sec. v. 399 hostes superant. He- mistichium habemus v. 346; una salus etiam II 710, sperare sa- lutem I 451 iterum legitur; versibus 361 et 362: quis funera fando explicet aut possit lacrimis aequare labores? admonemur initii libri II v. 6—8: quis talia fando . . . temperet a lacrimis? Praeter hos II 451— 468 hemistichio (468) insignes a Vergilio, toto libro iam confecto, additi sunt, cum desideraret, cur et unde ipsum (v. 499 sq.) omnia vidisse Aeneam dixerit. Quare in tectum ascendentem eum (454, 458) et cum sociis turrim con- vellentem altis sedibus (464) facit, prorsus oblitus eius rei, quod socii, qui Aeneam sequebantur, fuerunt Iphitus aevo iam gravior et Pelias volnere tardus Ulixi (436). Ab his ingentem turrim destrui potuisse vereor ut cuiquam persuadeatur. Aeneas igitur Iphitus, Pelias ad sedes Priami clamore adducti sunt, minime ut regis tectis succurrerent, sed ut quid fieret ibi, cognoscerent. Hune deinde belli statum vident. Danai partim scalis ad tecta ruunt, partim fores et limina obsidunt, Dardanidae vero turres ac domorum culmina convellunt foresque defendunt (440—430): has servant agmine denso; vestibulum ante ipsum primoque in limine Pyrrhus exsultat e. q. s. (470). Neque usquam commemoratur inferius Aeneam in tecto fuisse, qui in altam Priami arcem ascenderat; cum vero Priami mortem vidisset (550), de arce descendit, ut Ánchisen patrem quaereret (632). Ceterum vs. 462 respicit vss. 27—30. . Versus 604—623, binis hemistichiis (614 et 623) insignes, cum in rerum ordinem non quadrent, a Vergilio additi videntur esse. Aeneas enim (v. 632) ducente deo flammam inter et hostes expeditur, quamquam nemo nisi Venus eum ex hostium manibus eripuisse dicitur v. 664: hoe erat, alma parens, quod me per tela, per ignis eripis? Haec autem sec. v. 621 spissis noctis se condiderat umbris. Quare non est dubium quin poeta v. 632 olim scripserit ducente dea, quod deinde ver- sibus 604—623 additis in deo mutavit, ut et incertum esset,

812 C. Haeberlin,

quis Aeneam servasset et id tantummodo significaretur divino auxilio Orci faucibus illum ereptum esse. Accedit, quod v. 619 Venus filium monuisse fertur, ut fugam peteret finemque impo- neret labori. At supra, v. 596—597, eum non fugere, sed An- chisen, Creusam, Ascanium quaerere iusserat. Neque minus aegre ferendum est, quod postquam v. 610 a Neptuno totam a sedibus . urbem erui narratum est, nihilo setius v. 625 Troia tum etiam Neptunia vocatur. Videtur igitur versus 604—623 post librum primum confectum propter Iunonis Neptunique inimica Troiae numina ibi memorata Vergilius addidisse, ut v. 602 divüm inclementia Troianorum opes everti aptis exemplis illu- straret, Habemus etiam verbum aspice (604) quo illud non prius aspicies (596) excipitur; cum versu 619 cf. IV 639. Paulo inferius iterum nobis occurrunt versus 688 —653 (640 hemistich.) libro tertio iam confecto in librum secundum inserti. Sic enim initio poeta scripserat :

atque ubi iam patriae perventum ad limina sedis

antiquasque domos, genitor, quem tollere in altos

optabam primum montes primumque petebam,

abnegat excisa vitam producere Troia,

abnegat inceptoque et sedibus haeret in isdem. (De verbo abnegat iterato cf. II 483—484, I 664—665, III 156 —157, 523—524, 566—567, IV 182—188, 247—248, 345—346 al) Illos versus ut post librum III scriptos esse existimem , ea re permoveor, quod et vs. 642—643 respondent lib. III 476 (cf. et III 709—711) et v. 644 in quo offendit Peerlkampius, intellegi non potest nisi III 67—68 et VI 506 prius esse scriptos statuimus. Etiam libri II versus 718—720 posterius a Vergilio inserti sunt; Aeneas enim quominus penates ipse ferat, non manibus caede et cruore pollutis impeditur, sed quod patrem umeris portat, penates patri dederat auferendos. Ubinam Aeneas flumine vivo se abluisse dicitur ? Pronomen vero tu (717) non opponitur insequenti me (718), sed praece- denti vos, famuli (712). Similiter versum 760 olim subse- cutus est vs. 771. Iunonis asylum (761) quasi de caelo videtur decidisse, utpote cuius nec superiore nec inferiore loco fiat mentio. Versus 761—770 inter additos esse hemistichio (767) docemur. Qua vero causa permotus Vergilius hoc embolii quasi fragmen- tum inseruerit, nos fugit. Certiora quidem his proferri possunt

Quaestiones Vergilianae. 818

de versibus 785 —787, qui cum ad casus Andromaches et He- leni (III 294 sq. cf. imprim. vs. 327 et 329) spectent, post con- fectum librum III inserti videntur. Accedit grammatica ratio. Nam versus 785 (ego) et 788 (sed me) inter se opponi non pos- sunt, sed versum 784 (parta tibi) excipere debuit vs. 788 (sed me).

Quarti libri, quem inter antiquissimos fuisse constat, ver- sum 21 spurium esse censet Peerlkampius. At cum hic versus ad ea quae I 343 sq. narrantur referendus sit, nonne veri multo similius est eum a Vergilio ipso adiectum esse, libro primo iam confecto? Amplificationis causa praeterea IV 40— 44 (fortasse 35—44) a poeta sunt additi. Gaetulas enim urbes genus insu- perabile bello, Numidas, Syrtin, Barcaeos Augusti gratia comme- moravit cf. VI 794; simul I 339 genus intractabile bello in me- moriam vocatur. Neque probabile est Vergilium, si illos versus una cum reliquis scripsisset, versus 320—326, quibus idem fere quod supra exponitur, adiecturum fuisse. Scripti igitur illi sunt versus non priusquam versus lib. I 343 sq. confecit Vergilius. Proximum vero libri quarti hemistichium (361), quamquam VI 460: invitus, regina, tuo de litore cess paene idem dicitur quod verbis: Italiam non sponte sequor eaque respici videntur, tamen ne posterius in librum IV immissum esse putemus, ea res ob- stat, quod illud versu 381: i, sequere Italiam, Didonis responso excipitur. Praeterea haec Aeneae excusatio non sponte se ex Africa cessurum esse hoc loco propter vss. 220—237 et 265—276 necessaria est. Versuum 397—401 pristina forma haec fuerat:

tum vero Teucri incumbunt et litore celsas | deducunt tota navis ex urbe ruentes. Quibus Vergilius cum versus 398—401 qui nunc leguntur (cum hemistichio 400) insereret, toto scripsit pro tota, quod nisi infra (401) iterum legeretur vix nobis contigisset , ut hoc loco quae genuina, quae adiecta fuerint a poeta, discerneremus. Agen- dum est denique de versibus 474—521, quos posterius a Ver- gilio additos esse non una causa docemur. Illis enim Dido An- nam sororem sacra parare iubet; ipsa postquam Anna sororis precibus obsecuta est (503), sacris rite peractis tamquam mori- tura deos inferos testatur. Tum vero tantum abest, ut Vergilius statim Didonem morientem faciat id quod exspectandum erat, ubi sacra dis inferis regina paraverit, cum ipsa Dido esset

314 C. Haeberlin,

victima quam dis offerre in animo habebat —, ut contra plane nova et quae rerum ad eventum festinantium cursum continuum tardet narratio incipiat (vss. 522 sq.). At ea sacra quae reginae mors subsequitur postea demum (v. 634 sq.) fiunt! Deinde vero v. 638 Dido ambigue loquitur: sacra lovi Stygio quae rite incepta paravi perficere est animus finemque imponere curis.

Ipsa igitur sacra paraverat, non Anna, quam versibus 500 sq. vult Vergilius. Existimo versus 504—521 additos ab eo esse, quod apparatum sacrorum, quae Dido se paravisse simulat, describere animum induxit, quo fit, ut verba rite incepta ad versus 504 sq. referri possint. At si poeta Didonem dicentem facit se sacra rite incepta perficere velle, minime sequitur necessario, ut iam supra expositum sit, quomodo sacra pararet. Omnia prae- terea verba, quibus Dido Barcen alloquitur (632), eo consilio a regina simulata sunt, ut eam omnino amoveret. Statim deinde sibi mortem consciscit. Annam vero his sacris non adfuisse inde apparet, quod de Didus morte nuntium audivit (672) et postea cum advenisset (674) absentem se vocavit (681). Famulae (iam v. 991 commemoratae) reginam non prius aspiciunt quam mortua collapsaque est (664). Versus 676, qui nunc ad v. 494 refe- rendus est, spectabat antequam vs. 474—521 additi sunt, ad versus 635—640. De eis enim rebus, quas perfici Dido ibi iu- bet, Anna per Barcen certior facta erat. Ceterum vs. 482 re- spicit libri sexti versum 797; hemistichia (503 et 516) exposi- tioni nostrae ansam et fundamentum praebebant.

Transeamus iam ad sextum librum. Huius libri initium (1—2) & Vergilio post confectum librum V videtur additum esse, ut liber VI cum quinto coniungeretur. Praeterea vss. 88 —94 (hemistich.) a poeta posterius confecti sunt quam reliqui eius libri versus. Hoc enim loco in universum tantummodo fata Aeneae futura perstringenda erant, cum poeta expositurus esset non sine novis bellis Troianos Latio potituros esse. Singulae vero res infra loco aptiore accuratiusque enumerantur (vs. 756 sq.) neque eodem libro easdem res bis iam ab initio descriptas fuisse probabile est. Etiam versus 103 105 melius in hunc locum quadrant, si versus 82—87 et 95—97 solos antecessisse censemus ; Aeneas enim, qui omnia animo secum se ante pere- gisse dicit (105), ea quae versibus 88 —94 praedicuntur, certe

Quaestiones Vergilianae. 815

animo secum peragere non potuit, cum de his rebus nihildum cognovisset; in regna vero Lavini se perventurum esse cum sae- pius (velut H 781, IV 345) tum vs. 88— 87 compererat.

Haec exempla e prioribus libris collecta attulisse satis habeo, ut cognoscatur Vergilium cum libros prius conscriptos cum po- sterius scriptis coniungere instituisset, priores non modo supple- visse sed etiam amplificasse, ita ut rationem quandam inter omnes intercedentem efficeret et quas exposuerat res singulas diligentius subtiliusque depingeret. Augeri vero posse exemplorum numerum non negaverim, sed quae attuli ad reliquorum librorum rationes persequendas sufficiunt.

Àc primum quidem de libris V et III, uter utro prius sit confectus videamus. Librum V priorem esse forsitan vel inde colligatur, quod tam arte cum sexto cohaeret, ut continuo post sextum confectum eum esse credibile sit, ita ut veteres iam in- terpretes primos libri sexti versus de hoc libro sublatos ad finem quinti adiunxerint. Graviora tamen argumenta protulit Remi- gius Sabbadini (Quae libris II] et VII Aeneidos cum universo poemate ratio intercedat disput. Rivist. di Filolog. XV fasc. 1—2. 1886 § 4. Seors. express. Aug. Taur. 1886 p. 37—-40), quae hoc loco repetere non opus est. Sed quod idem (p. 15 —16) duas libri V partes (ludos funebres et navium incendium) di- versis temporibus scriptas esse coniecit, vereor ne probari non possit. Uno enim tenore, si versus 286—361 et 789 —792 ex- ceperis, liber V conscriptus est, cum poeta totius libri composi- tione Homerum imitatus sit. Quare Aeneam bis (v. 40 reduces) in Siciliam pervenientem fecit. Nam ut Ulixes, qui nihil nisi fumum e patriae focis ascendentem conspicere cupiebat, iam se- mel prope Ithacam versatus (4 79) procellis et undis in Loto- phagos deiectus est, ita Aeneas iam prope Italiam versabatur, iam finem laborum exspectabat, cum prius in Sicilia fuisset nam si ex Asia, Graecia, Africa in Latium eum mari proficisci Vergilius voluit, utique Sicilia insula ei non solum attingenda sed etiam circumvehenda erat, tum vero tempestatibus in Africam deiectus est. Itaque cum ex Africa discessisset, eum iterum Siciliam attingere (V 23-34) necesse erat, ut inde pro- fectus. tandem terram fatis destinatam nancisceretur. ^ Apparet igitur iam a primo e poetae consilio fuisse iteratum in Siciliam cursum. Eadem causa permotus in libro V Anchisen iam mor-

316 - C. Haeberlin,

tuum fingit, id quod postea in libro III (710) accuratius expo- nere in animo habuit. Ad Anchisae deinde honorem ludos fu- nebres (sec. Iliad. #7) inseruit. Quaerendum iam est quomodo inter se cohaereant descriptio ludorum et navium incendium. Ut praeteream hane fabulam non a Vergilio demum esse in- ventam (ef. Heynii excurs. ad V 604 sq. ed. 4 vol. II p. 1059; Mommsen R. G. I* p. 466), id commemoro apud Homerum Ulixem in simili condicione fuisse atque Aeneam apud Vergi- lium. Cum dormiret Ulixes (u 338), comites boves Phoebi mactabant, quare interclusi sunt reditu. Aeneas ludos celebrat, mulieres interea naves incendunt. Atque ut Pseudo-Beroe apud Vergilium, ita in Odyssea Eurylochus comites ad scelus incitat; ut Aeneas (V 687), ita Ulixes (u 371) deinde Iovis auxilium implorat. Ulixis comites cum pelagi perferre laborem nollent, apud Lotophagos reditus obliti sunt; mulieres Troianorum, quae in Sicilia manere quam iter pergere malebant, naves incenderunt, ut navigatione intercluderentur. Ut Ulixem ad inferos descen- surum prius Elpenora fata voluegunt amittere (x 551, 4 61), ita Aeneas priusquam ad inferos perveniret Palinurum amissurus erat; postea uterque et Ulixes Elpenora et Palinurum Aeneas (VI 337) apud inferos insepultos inyeniunt ; et Elpenor et Pali- nurus (370) sepulerum in terra petunt. Quod vero duae de Pa- linuro narrationes in libro V et VI (imprimis VI 848 cum V 838) inter se pugnare videntur (cf. Sabbadini p. 41), explicari non potest, nisi librum quintum sexto posteriorem esse conce- ditur. Alteram libri quinti partem arte cum priore cohaerere demonstratur etiam versu 605, quo haec cum illa coniungitur ; versibus 767—769, quibus excipitur versus 617; vss. 775—746, qui ad V 237—288 spectant; vs. 796, qui revocat versum 691. Post librum I confectum additi sunt libri quinti ver- sus 789—792 (hemistich., de versibus 779—832 idem affirmare nondum ausim); spectant enim ad I 50 —156; post librum no- num (176—502) narratio de Niso Euryaloque (V 286—361, cf. Ribbekk. Prolegg. p. 79). Ceterum librum III post librum V scriptum esse mentione Palinuri III 202, 518, 562 docemur, quibus locis quis sit Palinurus propterea non dicitur quod libro V (vs. 12, 833 sq.) et VI (337 sq.) Aeneae gubernatorem Ver- gilius eum iampridem designaverat.

Restant libri artissime inter se coniuncti I et IIT, in qui-

Quaestiones Vergilianae. 817

bus ante omnia describuntur errores Aeneae. Priorem esse ter- tium demonstremus. Librum enim primum post quintum esse scriptum vel inde elucet, quod Acestes libro V 35 sq. inducitur quasi tunc primum exsistat; libri primi autem versibus 195, 550, 558, 570 non cognoscitur quisnam sit ille Acestes. Quin etiam Ribbekkius post versum 550 lacunam indicavit, cui cur assentiamur non est causa, dummodo librum V primo priorem esse statuamus. Etiam tertium ante primum scriptum esse, versu 7 docemur: incerti quo fata ferant; nam per totum librum I La- tium finis errorum iam dicitur (cf. I 6, 31, 205, 261 —265). Vergilius enim ut librum III ad librum II adiungeret, libro tertio (163, 166, 170, 496, 86—87) errorum finem in universum significavit (cf. Kvicala Stud. Verg. p. 77 sq.) Ceteris autem libris (IV 432, VI 891 saep.) Latium dixit; Anchises enim V 731 vaticinatus est in Latium filium perventurum esse. Bene vero intellexit poeta Aeneam in libro III Latium commemorare nondum posse; si minus, liber III contrarius esset libri II ver- sibus 781 sq. Itaque ubi ipse Aeneas errores narrat, Hespe- riam, Ausoniam vel simile aliquid nominat; ubi poeta, Latium. Id quoque monendum est libro I continuari libri ILi errores, praeterquam quod I 31—32 liber tertius respicitur; quae enim fuerint fata (32), Vergilius libris prius compositis dixerat (cf. III 494 al. II 780 sq. IV 345—346, VI 67, V 629, 702—703, 709, 731, 797—798). Teucri deinde notitia nobis demum e libro III 104 110 contingit; at I 235 et 619 obscura est Teucri persona. Ergo liber III primo est prior. Idem demon- stratur Heleni vaticinio III 856—463; Aeneam enim ad Dido- nem perventurum esse, id quod libro I exponitur, Helenus non vaticinatur. Aperte deinde respiciuntur libri III versus 558—685 libri I versibus 200—202, et III 168 versu I 530 quem locum illo recentiorem esse probatur hemistichio I 543.

Atque haec quidem de priore Aeneidos parte, quam libro primo finivit Vergilius; de posteriore facilior est quaestio, cum Vergilius libros VIII—XII deinceps videatur secundum ordinem confecisse; librum VII omnium ultimum esse, quo poeta alteri quoque carminis parti quasi prooemium praemittere voluit, iam- pridem constat (cf. Ribbekk. Proll. p. 81— 82, Sabbadini p. 19; de discrimine inter utramque partem faciendo cf. Serv. ad VII et III 718). Ordo igitur, quem Vergilius in componendis libris

318 C. Haeberlin,

persecutus est, hie est: II, IV, VI, V, IIT, I; VIII— XII, VII; inde erit proficiscendum in explicandis eis quae apud Vergilium inter se pugnare videntur; consulto vero omisi hoe loco quae iam Conrads (progr. gymn. Trever. 1863), Ribbekkius (Prolegg. p. 59 sq), Sabbadini a. 1. protulerunt. Tum etiam de singulis locis et versibus, quorum alter alterum respicit, rectius erit iu-

dicandum, velut

IV 40 respicit I 339 IIIT 3 resp. H 625 |III 529 resp. IV 562 IV 79 , libll |HI4 ,IV 468|III 588/9, IV 6/7 IV 81 „I9 I9 . IV 546|III 608 „II 74 IV 186 , IL 40 Ir 10 II 717 III 687 , IV 6

IV 280 „II 774 » JH 747|III 655 ,, VI 190 IV 343 , 1156 IIL17 , H 257 [III 658 „IV 181 VI 111 , II 721 |III48 „IV 280|III 710 , V 81

VI 185 , IV 533 |II 56 =, IV 4121 30, III 87 VI 190 , II 692 |II 87 ,130 [150 , VI 185 VI 217| q gq (ML 180 , V 777/1958, IIT 322 VI 490} Ill 131 vio ‚1159 „III 229 VI 273 , 11 469 [IH 569! I 273 sq.,, VI777sq. VI 700 , II 792 |III 147 „IV 52211 286 sq.,, VI 792-798 V 84 , VI2 |II 158 „II 775 L 310 ,, III. 229 V 76 ,IV 186 [III 189 „IV 577] 347 „IV 325 V 84sq. IL208sq.III192-195, V8—11|I 349 , III 56 V 89 ° „IV 701 II 198 „Its 1 380 ,, VI 123 V 400 ,V 14 [HI 277 , VI 90101 401 , V 162 V 607 ,, VI 893 [III 290 , V 7781497 , V 76

V 629 , VI 61 |n gos | VI 3851580-538,, III 163-166 V 657 „IV 252 LVL 6921 550 V 61 V 700 , VI 475 [Ill 331 „IV 471 » |V 106 V 788 „Is |II 457 , VI 76 I 728 ,, I 216

V 769 , V 617 III 467 ,, V 259 [II 724 , III 525 V 775/6 ,, V 237/8 II 496 , V 629 I 744 „IL 516 V 778 . IV 583 [III 510 , VI 162

V 835 , V 738

Hoc tamen indice caute utendum est, si quis de librorum ordine quaeret; complures enim versus, qui saepius apud Ver- gilium leguntur, cum ex Homerica imitatione conficti sint (cf. Aen. V 8—11 et Odyss. u 403—406; V 778 et + 180 al), semper nimirum praesto fuerunt Vergilio reliquorum locorum ra- tionem non necessario habenti (cf. Kvicala Nov. Symbol. p. 190; E. Albrecht Herm. XVI p. 394 sq.). Neque minus accurate unoquoque loco, quatenus Vergilius in eius compositione fontium

Quaestiones Vergilianae. 319

unde hausit singulorum rationes ordines compositionem secutus sit, reputandum est. Atque ut eo in fine revertar unde sum egressus, cum commentatione nostra, quae antiquitus de Aeneidos librorum II, IV, VI compositione tradita sunt, ea confirmari vi- derimus, deterreri non debemus ad medelam alteri loco, qui ob- stare videtur Donati (i. e. Suetonii) verbis adhibendam (cf. Georgii Festschr. d. Württemb. gymn. 1877 p. 75). Exstat enim apud Servium ad Aen. IV 323 (Thilo I p. 521, 26) haec annotatio: dicitur autem (Vergilius) ingenti adfectu hos versus pro- nuntiasse, cum privatim paucis praesentibus recitaret Augusto: nam recitavit primum libros III et IV. (IN i. e. IV. I. VI. cod. F et Bern. 167; HI et IV L et H. III et IV [V supra utrumque numerum addit] M.) Quae Servium ex Donato hausisse, cui praeter alia debet quaecunque de recitatione Aeneidos tradidit ill (ef. e. gr. Serv. ad Aen. VI 165 et VI 861), cum verisi- mile sit, emendanda sunt ita ut vel numerum III in II mutemus vel praeterea (sec. cod. F et Bern. 167) numerum VI adiciamus, quo melius saltem congruant cum Suetonianis.

Hannoverae. C. Haeberlin.

Zu Apuleius.

Apol. cap. XXI pag. 29, 18 Krueg. hocine homini obprobrari [pauperiem] quod nulli ex animalibus vitio datur, non aquilae , non tauro, non leoni? Acidalius tilgte pauperiem als Glossem; aber hocine bezieht sich auf mihi fortuna divitias invidit u.s. w. und ist somit nicht dasselbe wie pauperies. Daher schreibe ich ob- probrari <in> pauperiem. Cap. XXII pag. 30, 17 steht hinter tvug@ in den Handschriften TwNTw, woraus O. Jahn omitto ge- macht und geschrieben hat omitto iam cetera tam mirifica. In TwNTw steckt jedoch sicher 10170 und dies ist aus Hom. Od. XIX 172 eingedrungen, wie KpHTh zu Anfang des Verses. Cap. LV pag. 64, 27. Diese von Herausgebern und Kritikern arg miBhandelte Stelle ist im wesentlichen nach den Handschriften so zu gestalten : at ego quamquam omnino positum ullum sudarium meum in bybliotheca Pontiani possim negare ac, <si> maxime fuisse concedam, tamen habeam dicere nihil in eo involutum fuisse.

Graz. M. Petschenig.

XVII.

Witz und Humor im Juvenal.

,An komischen Ziigen ist Juvenal reich, aber die wenigsten sind bisher recht gefaßt worden. Der Juvenalische Witz ist etwas Eigenes und die Ausleger sind theils zu ernsthaft, theils zu stumpfsinnig, um sich darein finden zu können“. So Hein- rich in seinem Kommentar. Auch er hat jedoch die Stelle, auf welche seine Bemerkung sich zunächst bezieht (Sat. XIII 40 f.) nicht verstanden. In den alten, guten Zeiten als Juno noch ein Backfisch war und Juppiter noch Privatier, da gab es tiber den Wolken noch keine Gastmähler der Himmlischen :

nec puer Iliacus formonsa mec Herculis uxor

ad cyathos, et iam s$ccato nectare tergens

bracchia Vulcanus. Liparaea nigra taberna ..... Munro (in der Anmerkung zu Mayor's Commentar) giebt sich viele Mühe für siccare die, Bedeutung „abziehen und klären“ zu gewinnen, er zieht sogar Analogien wie span. seco und dry sherry herbei es ist einfach zu lesen:

et iam saccato nectare tergens

brachia. Wie ich nachtriglich gesehen, hat schon Schurtzfleisch und nach ihm Scholte so zu lesen vorgeschlagen, letzterer giebt (p. 91 seiner observationes crit. in sat. Iuvenalis) eine vortreffliche Erklärung der Stelle. Daß der Gôtterwein wie Caecuber und Falerner der Klärung bedarf und daß Vulcan den Göttern den Nectar ver- leidet, ist das Komische an der Sache.

Witz und Humor im Juvenal. 321

Wie Juvenal hier unter den drei Mundschenken der Götter den letzten, den russigen Vulkan hervorhebt, um ihn zu ver-. spotten, läßt er (Sat. I 115) eine ganze Gótterschaar Pax, Fides, Victoria, Virtus auftreten, um der letzten, der Concordia etwas anzuhüngen. Da die Stelle eine viel besprochene und immer nur muthmaßlich zu erklürende ist (s. Friedlinder, Burs. Jah- resber. VI 179) wird eine etwas kühne Vermuthung vielleicht Entschuldigung finden.

Der Schol hat die Ausleger in die Irre geführt!), es ist ‘zunächst festzuhalten, daß crepare (crepitare) von mancherlei Ge- räuschen, vom erhabenen Tönen des seine Mutter begrüßenden Memnon bis herab zum Lächerlichen gebraucht wird. Begrüßt man die Concordia, so begrüfit man ihr Bild, welches nach Juvenal ein Geräusch hervorbringt, crepat oder crepitat. Zu- nächst wird man an ein altes Holzbild zu denken haben Dio Cass. 48, 49 zug oix(ag 10vg te vuovg 6 Kaîcao zuFelwv aitlay flaBev, ote ta daydduata, Su Avva nAnv dAlywr Orta xutexavoev. Tibull I 10, 19 Tunc melius tenuere fidem cum pau- pere cultu stabat in exigua ligneus aede deus. Unter den Holz- arten bekommt das des Feigenbaumes (ficus) besonders leicht Risse (crepaturas, mit dem Schol. zu reden) Ficus steht nach be- bekannter Metonymie fiir das daraus Verfertigte, eine Statue aus Feigenholz. Ganz wie bei Horaz, den Juvenal so oft vor Au- gen hat:

displosa sonat quantum vesica pepedi

diffissa nate ficus Vielleicht wäre auch Horaz (Sat. 2, 5, 34) rubra Canicula findet infantes statuas herbeizuziehen. Der Sinn der Stelle ist dem- nach: das alte Holzbild der Concordia bekemmt, wie der Dichter mit satirischer Uebertreibung sagt, Risse so oft man es begrüßt.

Es wäre demnach zu lesen: quaeque salutata crepitat Concordia fico Die verkehrte Auffassung des Frequentativum crepitare hat die

falsche Lesart nido und die ganz spite,- metrisch unmögliche Lesart ciconia für Concordia hervorgerufen.

1) Nur Ovid braucht wie es scheint crepifare vom Klappern des Storches, der Naturlaut desselben ist crofolare (Reiff. Sueton rel. p.249).

Philologus. N. F. Bd. I, 2. 21

822 Julius Jessen,

Ebensowenig ist man dem derben Realismus und Humor des Juvenal gerecht geworden in der siebenten Satire

Et spes et ratio studiorum in Caesare tantum

Der reiche Gónner macht lieber selber Verse um sich der Ver- pflichtung dir etwas zu geben mit Anstand zu. entziehen und steht selber nach seiner eigenen Meinung kaum dem Homer nach. Willst du eine Vorlesung veranstalten, so stellt er dir ein stock- fleckiges ^) Lokal zur Verfügung. Dies oder jenes lang ver- schlossene Haus soll dir dienen, in welchem die Thür geäng- steten Stadtthoren gleicht (V. 41)

haec longe ferrata domus servire iubetur in qua sollicitas imitatur ianua portas -

Die Schol. erklären portas sollicitas cum fuerint clausae do- mini calamitate oder sollicitae propter incursionem hostium. Aber warum fragt man, war der alte, leerstehende Rumpelkasten denn 80 fest verschlossen?

Man hat meiner Meinung nach das imitari nicht scharf ge- nug gefaBt. Beim Phaedrus (V 5, 27) ist ergótzlich zu lesen, wie man bedacht war, die Römer ce peuple inamusable zu belustigen. Ein scurra tritt auf und imitirt ein Schwein (porcelli vocem est imitatus sua). Vergebens macht ihm ein rusticus, welcher ein wirkliches Schwein im Sacke hat, Concur- renz exclamat, populus scurram multo similius imitatum. Ueber die Vorliebe der Alten für derartige Imitationen s. Wyt- tenb. zu Plut. p. 144. Parmeno (de aud. poet. 18 C. mdavds powsitar, xadaneo Maouévwy tiv bv) scheint eine Specialitàt ersten Ranges gewesen zu sein. Der scurra des Phaedrus tritt auf und degrunnit grunzt sein Pensum ab, vom tiefsten Grun- zen bis zum hellsten Quieken (xoí, xot) des geüngsteten Thieres. Letzteres ist an unserer Stelle gemeint: die Thiir des lange nicht betretenen Hauses quiekt sehr stórend für einen Reci- tator wie ein geüngstetes Schwein:

haec longe ferrata domus servire iubetur in qua sollicitas imitatur ianua porcas.

2) So Friedlünder Jahresb. d. A. IX 1881 p. 66 gegen Bücheler dem sich Vahlen (Ind. lect. Berol. 1884 p. 25) anschließt.

Witz und Humor im Juvenal. 323

Wenn Juvenals Freund und Zeitgendsse Statius ganz ernsthaft sagt (Theb. X 265)

ne gravis exclamet portae mugitus aenae

konnte sich der Satiriker diesen drastischen Vergleich, der fast wie eine Parodie der amica Thebais aussieht, ‘schon erlauben. Auch Cicero Tusc. disp. V 40, 116 stellt stridorem serrae tum quum acutur aut grunnitum quum tugulatur suis zusammen. Was die Femininform porca anbetrifft, so schienen dem Dichter entweder die weiblichen Laute der Quirina, der Schwester des M. Grunnias Corocotta fiir unseren Fall geeigneter oder es ist wie bei Vergil caesa porca ,,elegantius dictum pro tenui et plebeio caeso porco“ vgl. Serv. Aen. VIII 641 und Quint. VIII 3, 19. *

Auch die Gerichtsscene derselben Satire (V. 115)

Consedere duces: surgis tu pallidus Aiax

dicturus dubia pro libertate, bubulco

tudice hat man nicht energisch genug interpretirt. Der Dichter denkt an den im Armorum iudicium besiegten Aias, welcher in der Abstimmung der Achaeer unterlegen, Hirt und Heerden mordet. Natürlich ist für einen solchen ein bubulcus ein un- giinstiger Richter. Dem Sinne nach entspricht Ovid, wel- chen Juvenal vor Augen hatte, difficilem tenuit sub iniquo tu- dice causam (Met. XIII 190). Ruperti erklärt bubulco iudice = rudi, rustico et iuris legumque ignaro. Heinrich meint bubulco iudice sei etwas gar zu derb. Auch er hat die Stelle mißver- standen, ebenso Mayor, der neueste Commentator.

Denselben alles niedermetzelnden Aias hat der Dichter vor

Augen in der X. Satire (V. 84)

Quam timeo victor?) ne poenas exigat. Aiax ut male defensus.

Das humoristische an der Sache ist, daB die turba Remi, deren Gesprüch uns mitgetheilt wird, sich selbst als wehrlose Sehafherde betrachtet. Dasselbe Volk, von dem es einige Verse vorher heißt:

3) Victor statt victus hat schon Lupus vorgeschlagen s. Friedl. im Jahresber. d. Alterth. 1874 p. 211.

21*

324 Julius Jessen,

qui Aabat olim imperium, fasces, legiones, omnia

fiirchtet jetzt, daf der in Sachen Sejan’s siegreiche Aias, ut male defensus über sie, wie über eine wehrlose Schafherde herfallen würde (ne poenas .exigat sc. de nobis). Um seinen Landsleuten eine patriotische Grobheit zu sagen, mennt der Dichter den Tiberius Aias, und zwar den Thatsachen gemäß Aias victor oder i n- victus im Gegensatz zu dem allbekannten Aiax victus. So erst wird verständlich, warum Juvenal die Begegnung am Altar des Mars (V. 83) stattfinden läßt. Dort auf dem campus Mar- tius sind ganz in der Nähe der ara Martis die septa, das ovile: (Juven. VI 52 antiquo quae proxima surgit ovili) Darum heißt es kurz vorher V 74: iam pridem ex quo suffragia nulli ven- dimus. Einem ängstlichen Römer mußte diese Gegend man- cherlei Gedanken erwecken, vergl. Lucan. II 197

et miserae maculavit ovilia Romae

und Schol. p. 63, 15 Biich. ovilia locus in urbe Roma ex grege Euandri nominatus Sulla cum legiones Marianas ad ovilia convo- casset, qui locus est in campo Martio, iussit omnes occidi. An eine rhetorische Jugendsünde des ängstlichen Bruttidius, eine verunglückte Declamation , deren Thema der Aias war (Madvig und Ribbeck) ist nicht nothwendig zu denken. Der spóttische Ton des Redenden

pallidulus mi Bruttidius meus ad Martis fuit obvius aram.

erklürt sich hinreichend aus der gerechten Schadenfreude (über das Verunglücken eines solchen Prototyps aller Streber, als wel- chen ihn Tacitus in unvergleichlichen Worten geschildert hat (dum aequales, dein superiorcs, postremo suasmet ipse spes antire parat Ann. III 66). Im Verein mit einem ehemaligen Schulmeister hatte er einen Proconsul angefallen, indem er ihm violatum Au- gusti numen, spretam Tiberii maiestatem vorwarf. Zu fornacula (V. 82) wäre vielleicht Apul. mag. 321, 32 hic accusationis auctor,

hic testium coemptor, hic totius calumniae f ornacula herbeizuziehen. Die Worte:

sed videant servi, ne quis neget et pavidum in ius cervice obstricta dominum trahat

Witz und Humor im Juvenal. E 825

sind natürlich als Worte des von quam timeo (V. 84) an Re- denden aufzufassen. Wilh. Schulz (Hermes XXI p. 181) ist in der Behandlung dieser Stelle nicht glücklich gewesen, quis (V. 87) scheint er ganz übersehen zu haben.

An Sejans warnendes Beispiel knüpft Juvenal in derselben Satire einige Betrachtungen über den menschlichen Ehrgeiz und fragt (V. 108)

quid Crassos, quid Pompeios evertit et illum,

ad sua qui domitos deduxit flagra Quirites ? Ein Dichter, welcher Domitians Herrschaft vor Augen hatte, konnte den Ausdruck ,,Peitsche nicht auf Caesars mildes Regi- ment anwenden. Markland’s Vermuthung dominos ist überflüssig. Neben Quirites erwartet man einen soldatischen Ausdruck castra oder signa, Es mag genügen auf Sueton I 70 una voce, qua Quirites eos pro militibus appellarat tam faeile circumegit et flexit vergl. Tac. Ann. I 42 (verbo uno compescuit Quirites vocando) zu verweisen und zu lesen:

ad sua qui domitos deduxit signa Quirites?

An die ars circumagendi et flectendi schlieBt sich die Antwort Ju- venals, evertit illos summus nempe locus nulla non arte petitus passend an. Wer nicht überzeugt ist, lese Lucan. Pharsal. V 309: militis indomiti und 349:

quisquis mea signa relinquit . . . .. discedit castris

tradite nostra viris ignavi signa Quirites.

Juvenal der alte Soldat bewundert Caesars Herschergewalt, da- gegen konnte ihm der weichliche Selbstmérder Otho, welcher in ähnlicher Lage wie Caesar nur Thränen und Bitten hatte, keine Achtung abnôthigen. Er schildert II 108 das Gebahren des weibischen Stutzers, er that was selbst eine Semiramis, selbst eine Cleopatra nicht gethan hat

quod nec in Assyrio pharetrata Semiramis orbe maesta nec Actiaca fecit Cleopatra carina

Maesta ist unglaublich nichtssagend, aber auch moecha, was Heinrich vorgeschlagen, ist fiir diese meretrix regina (Plin.) zu schwach. Wer den patriotischen und zugleich soldatischen In- grimm Juvenals versteht, wird lesen:

326 Julius Jessen,

quod nec in Assyrio pharetrata Semiramis orbe nostra nec Actiaca feeit Cleopatra carina.

Nostra bildet zur pharetrata Semiramis im fernen Osten in As- syrio orbe einen prichtigen Gegensatz. Nostra nennt sie der Römer ironisch als ovupayosg und „Gattin“ des Antonius se- quiturque nefas Aegyptia coniunx Romanus, eheu, posteri negabitis Emancipatus feminae Fert vallum et arma miles et spadonibus Service rugosis potest etc.

Doch wenden wir uns von der indignatio zur Kehrseite dersel- ben, dem komischen Element im Juvenal zuriick. In der 13. Satire (180 ff.) bekämpft der Dichter den Satz: die Rache ist süf aber, führt er fort:

Chrysippus non dicet idem nec mite Thaletis ingenium dulcique senex vicinus Hymetto.

Chrysipp, den Stoiker und Socrates, den häuslichen Dulder kann man sich als Vorbilder der patientia gefallen lassen. Aber Tha- les zwischen den beiden? Ueber sein Geschick im Ertragen ist nichts bekannt. Dagegen erzühlt Diog. Laert. VI 7 von einem Philosophen, welcher, als ihm ein Jühzorniger ein blaues Auge geschlagen , einen Zettel an die Stirn heftete, auf welchem der Name des Künstlers Nixodgouos ërole zu lesen war. Es ist Crates von Theben, der geistvolle Cyniker. Er übte sich sy- stematisch im Ertragen von Beschimpfungen (s. Diog. L. l. 1.) und tröstete sich, schimpflich hinausgeworfen damit, daß es dem Hephaestos einst im Himmel nicht besser ergangen sei. Da Juvenal eben vorher (V. 121) den Unterschied zwischen Stoi- kern und Cynikern auf ‘die verschiedene Kleidung reduciert hat so tritt Crates der Cyniker hier passend neben den Chrysipp:

Chrysippus non dicet idem nec mite Cratetis ingenium.

Ein drastisch-komischer Zug ist uns durch eine falsche Er- günzung des Pithoeanus verloren gegangen. VI 237 heift es in einer Skandalgeschichte der römischen Hauptstadt :

abditus interea. latet [et] secretus adulter.

Witz und Humor im Juvenal. 327

Wer Lord Byron's Don Juan gelesen hat, weiß, daß der adulter da versteckt ist, wo man ihn am wenigsten sucht. Ueber das Bett als Versteck vergleiche man was Sueton vom Kaiser Clau- dius erzählt c. 35: neque aegrum quemquam visitavit nisi explorato prius cubiculo culcitisque et stragulis praetemptatis et ex- cussis. Somit ist zu lesen: abditus interea latet his secretus adulter. Auf das Doppelsinnige des Ausdrucks onerosa pallia V. 236 braucht wohl kaum erst hingewiesen zu werden.

Endlich liegt auch vielleicht in den Worten Sat. III 46 me nemo ministro fur erit eine scherzhafte Anspielung auf die bei den Rómern übel beleumundete linke Hand (illa furtifica laeva Plaut. Pers. II 2, 40 natae ad furta sinistrae Ovid. Met, 13, 111). Von zwei Diebeshelfern sagt Catull XLVII 1 duae sinistrae Pi- sonis cf. XII 1 comites illi tui delecti manus erant tuae Cic. in Ver- rem II 10, 27. So erst erklürt sich meiner Meinung nach das folgende :

atque ideo nulli comes exeo tamquam mancus et exstincta, corpus non utile dextra. Meine Linke ist (zum Stehlen) nicht zu gebrauchen und deshalb bin ich auch als comes nicht geeignet, als ob auch meine Rechte nicht zu gebrauchen würe.

Hamburg. Julius Jessen. 2

Zu Apuleius.

Apol cap. LXXIIII pag. 85, 2 schreibt Krueger mit Oudendorp omnium falsorum commentor statt des überlieferten com- mentator. Aber commentari mit seinen Derivaten findet sich auch anderwürts für comminisci mit seiner Sippe gesetzt. - So gebraucht Ennod. Ep. VII (pag. 16, 11 Hartel) commentator in dem Sinne von fictor, indem er sagt: quis hoc commentator vel in scena pro- ponat? Ferner spricht Lucifer von Calaris ‘de non conveniendo cum haereticis cap. V (pag. 12, 14 Hartel) von mendacia dete- standae commentationis und de sancto Athanasio II cap. VII pag. 160, 17 liest man quod enim idcirco talia fuissetis commentati circa Athanasium.

Graz. M. Petschenig.

XVII.

Witz und Humor im Juvenal.

„An komischen Zügen ist Juvenal reich, aber die wenigsten sind bisher recht gefaBt worden. Der Juvenalische Witz ist etwas Eigenes und die Ausleger sind theils zu ernsthaft, theils zu stumpfsinnig, um sich darein finden zu kónnen*". So Hein- rich in seinem Kommentar. Auch er hat jedoch die Stelle, auf welche seine Bemerkung sich zunüchst bezieht (Sat. XIII 40 f.) nicht verstanden. In den alten, guten Zeiten als Juno noch ein Backfisch war und Juppiter noch Privatier, da gab es über den Wolken noch keine Gastmähler der Himmlischen :

nec puer Iliacus formonsa nec Herculis uxor

ad cyathos, et iam s$ccato nectare tergens

bracchia Vulcanus. Liparaea nigra taberna . . . .. Munro (in der Anmerkung zu Mayor's Commentar) giebt sich viele Mühe für siccare die, Bedeutung „abziehen und klären“ zu gewinnen, er zieht sogar Analogien wie span. seco und dry sherry herbei es ist einfach zu lesen:

et iam saccato nectare tergens

brachia. Wie ich nachträglich gesehen, hat schon Schurtzfleisch und nach ihm Scholte so zu lesen vorgeschlagen, letzterer giebt (p. 91 seiner observationes crit. in sat. Iuvenalis) eine vortreffliche Erklärung der Stelle. Daß der Götterwein wie Caecuber und Falerner der Klärung bedarf und daß Vulcan den Göttern den Nectar ver- leidet, ist das Komische an der Sache.

Aithiopenmythen. | 329

treten, so wiirde selbst, wenn Plato zuerst jene Lehre aufge- stellt hatte was iibrigens sicher nicht der Fall ist, da sie auch chaldäisch ist, s. Culte und Mythen I 696 diese Herleitung keineswegs wahrscheinlich sein, da jene Platostelle ja grade um- gekehrt nóthigt, eine lange Periode zwischen den beiden Ereig- nissen anzusetzen; und was Mayers andere Vermuthung anbe- trifft, daß der Synchronismus der Sintfluth und des Weltbrandes in jüdisch-alexandrinischen Kreisen aufgekommen sei, weil man einerseits Moses zum Zeitgenossen des Phoroneus-Deukalion machte, andererseits die ägyptischen Plagen in dem Phaethonbrande wie- derfand, so scheint mir doch das festzustehn, daß diese Combi- nation, wenn sie überhaupt das Richtige trifft, vielmehr insofern umzukehren ist, als jene späten Synchronismen auf einer reci- pirten "Tradition beruhen, wonach Weltbrand und Fluth gleich- zeitig stattfanden. Ebenso wenig zutreffend aber scheint mir nun zweitens das, was zur Verdüchtigung des in der Hyginfabel erhaltenen Mythos hervorgehoben ist; vielmehr lehrt genauere Betrachtung derselben, daß die Anstöße, welche Robert, Mayer und Knaack zur Ansetzung der Interpolation führten, auf ganz anderem Wege erklürt werden müssen. Allerdings ist es mir peinlich diesen Punkt noch einmal zu berühren, da ich alle we- sentlichen Erwägungen, aus denen mir die Echtheit der ange- fochtenen Hyginworte zu folgen scheint, bereits in der Recension der K naackschen Schrift in der Wochenschr. f. class. Phil. 1886 S. 650) hervorgehoben habe; indessen hat Knaack in dersel- ben Wochenschr. 1886 S. 859 diese Gründe, wie es scheint ohne sie zu verstehen, angefochten und neuerdings im ‘Hermes’ XXII S. 640 erklürt, diese Ansicht 'übergehen' zu kónnen wobei er wohlweislich auch die zahlreichen ihm in jener Recen- sion nachgewiesenen Irrthümer ‘übergeht’ —, und dieser Umstand nothigt mich, ausführlicher auf jene Hyginfabel zurückzukommen. Die betreffende Fabel ist zweimal überliefert: in dem von Micyllus benutzten codex Frisingensis des Hygin und in wesent- lich kürzerer Fassung im Schol. Stroz. des Germanicus:

Schol Strozz. p. 174. 4. Hyg. 152°

«fluvius? ab Arato vel Phere- Phaethon, Solis et Clymenes cyde Eridanus, qui et Padus, filius, cum clam patris currum esse putatur .... Hesiodus au- conscendisset, et altius a terra

330

tem dicit inter astra collocatum propter Phaethonta Solis et Cly- menes filium. Qui clam dicitur currum patris ascendisse, cum- que a terra altius levaretur, prae timore in Eridanum fluvium, qui et Padus, cecidisse, eumque percussum fulmine a love. om- nia ardere coepisse causaquè ex- stinguendi universos amnes im- missos esse omneque mortalium genus interisse praeter Pyrrham et Deucalionem .

O. Gruppe,

esset elatus, prae timore decidit in flumen Eridanum. Hunc luppiter cum fulmine percus- sisset, omnia ardere coeperunt. Iovis, ut omne genus mortalium cum causa interficeret, simulavit se id velle exstinguere; amnes undique irrigavit, omneque ge- nus mortalium interiit praeter Pyrrham et Deucalionem. At sorores Phaethontis quod equos iniussu patris iunxerant, in ar- bores populos commutatae sunt.

153 Deucalion et Pyrrha. Ca- taclysmus, quod nos diluvium vel irrigationem dicimus, cum factum est, omne genus huma- num interiit, praeter Deuca- lionem et Pyrrham, qui in mon- tem Aetnam, qui al[t]issimus in Sicilia esse dicitur, fugerunt. Hi propter solitudinem cum vi- vere non possent, petierunt ab Iove, ut aut homines daret, aut eos pari calamitate afficeret. Tum Iovis iussit eos lapides post se iactare; quos Deucalion iac- tavit, viros esse iussit, quos Pyr- rha, mulieres. Ob eam rem *2a0g dictus ; *A&as enim Graece lapis dicitur.

154 Phaethon Hesiodi. Phaethon Clymeni Solis filii et Meropes Nymphae filius, quam Oceani- tidem accepimus, eum i[n]dicio patris avum Solem cognovisset,

Aithiopenmythen. 831

impetratis curribus male usus est. Nam cum esset propius terram vectus, vicino igni omnia conflagrarunt; et fulmine ictus in flumen Padum cecidit. Hic amnis a Graecis Eridanus dici-

sorores quoque Phaethontis flen- tur, quem Pherecydes primum

tes in arbores populos versae vocavit. . . .. Sorores autem

fuisse. Phaethontis dum interitum de- flent fratris, in arbores sunt populos versae. Harum la- erimae, ut Hesiodus indicat, in electrum sunt duratae. He- liades tamen nominantur. Sunt autem Merope, Helie, Aegl[e], Lampe[t]ie, Phoeb[e, Aejtherie, Dioxippe. Cyenus autem rex Liguriae, qui fuit Phaethonti!pro- pinquus, dum deflet propinquuum, in cycnum conversus est; is quo- que moriens flebile canit.

Wer die beiden Berichte oberflächlich betrachtet, wird leicht zu der Annahme geführt werden, daB der schol. Strozz., der zweifellos aus Hygin schópft, eine ursprünglichere Form dieses Schriftstellers las, als sie uns der Frisingensis bietet. Hierfür scheint zunächst der Umstand zu sprechen, daß u. A. der sehr anstoßerregende Satz des Freisinger Codex Jovis, ut omne genus mortalium cum causa interficeret, simulavit se id velle exstinguere beim Scholiasten fehlt; zweitens aber, daß dieser den in fab. 154 beiläufig genannten Hesiodus zur Quelle des ganzen Be- richtes macht, woraus sich doch das zu ergeben scheint, daß er die fab. 152^ und 154 noch nicht getrennt las. So haben in der That Knaack, Meyer und Robert argumentirt, nach- dem schon Carl Lange de nezu inter Hygini opus mythologicum et fabularum librum, (diss. Bonn. 1865) S. 32 die Vermuthung ausgesprochen hatte, daB die zwischen beiden hyginischen Phae- thonerzählungen stehende /. 153 eine Interpolation aus Schol. Germ. 154 Br. sei. Genauere Prüfung der Versionen des Schol.

332 O. Gruppe,

Strozz. und des Fris. ergiebt jedoch vielmehr, daß der erstere keinen anderen Text vor Augen hatte als den uns im Fris. vorliegenden. Er hat den anstófigen Satz ut omne genus mortalium cum causa in- terficeret, simulavit se id velle exstinguere zwar ausgelassen, aber er bietet statt dieser Worte etwas, das bei Hygin, wenn wir jene Worte streichen, keine Entsprechung haben würde, nümlich die Worte causaque exstinguendi, die offenbar ein Versuch sind, dem anstößigen Satz seiner Quelle einen minder verkehrten Sinn beizulegen. Denn wenn Robert catast. S. 216 umgekehrt annimmt, daß ursprünglich das exstinguere sich bloß auf das Löschen des Feuers bezogen habe und erst von dem Interpo- lator auf die Vernichtung des Menschengeschlechtes bezogen sei, so hat er zwar unzweifelhaft darin Recht, daß der Verf. des Strozz. das exstinguere von der Löschung des Brandes verstand, nicht aber wie mir wenigstens scheint darin, daß dieser Sinn dem Zusammenhang besser entspreche. Nur äußerlich ist der Fortschritt der Erzühlung berichtigt, dafür ist ein schweres in- neres Bedenken hinzugekommen. Die ültere Tradition hült, wie es ja auch der Sinn des Mythos unzweifelhaft verlangt, daran fest, daß die Sintfluth in Folge eines göttlichen Beschlusses zur Strafe für einen menschlichen Frevel eintrat. Dies war der Sinn auch in der vom Frisingensis excerpirten Erzählung, so unsinnig das Excerpt dies auch ausdrückt: daß Zeus die Ab- sicht hatte, die Menschen zu vernichten, wird ausdrücklich ge- sagt, die Schuld des Menschen ist im Excerpt zwar nicht über- liefert, ist aber ohne Weiteres eben in der That des Phaethon zu finden. Dagegen ist im Strozz. die Sintfluth und die Zerstö- rung der Menschen das Werk eines blinden, weder von den Menschen verschuldeten noch von den Göttern gewollten Zufalls. Zwar giebt es auch hierfür eine ‘scheinbare Parallele in einer späteren Tradition, welche am ausführlichsten im VI. Buch der nonnianischen Dionysiaka erhalten ist, aber die Vergleichung lehrt, glaube ich, grade die innere Unmöglichkeit der Erzählung des Strozzianus. Auch bei Nonnos zwar gehen die Menschen ohne Schuld unter, aber dort handelt es sich um den großen Welten- kampf der Titanen gegen Zeus, dessen Furchtbarkeit durch den Hinweis auf das doppelte Verderben, das die Welt durch Feuer und Wasser beinahe ereilt hätte, passend, wenn auch dem ur- sprünglichen Sinn des letzteren Motivs zuwider gesteigert wird.

Aithiopenmythen. 833

Dagegen entbehrt die Sintfluth in der Erzählung des Strozzianus der inneren Motivirung, zumal wenn Zeus erst durch seine ei- gene Unbesonnenheit den Weltbrand, wie es nach dem Strozzia- nus unzweifelhaft angenommen werden muf, entflammte. Der Strozzianus also bietet die Geschichte von der Sintfluth äußerlich zwar besser, innerlich aber wesentlich schlechter als der Frisin- gensis. Schon dieser erste Punkt läßt über das wahre Verhält- nif der beiden Berichte, wie mir scheint, kaum einen Zweifel. Aber auch der zweite wichtigere Umstand, daß nämlich der Strozzianus die ganze Erzählung dem Hesiod zuschreibt, spricht keineswegs dafür, daß er f. 152° und 154° ununterbrochen las. Dies Argument ist überhaupt nur dann beweisend, wenn, wie es Robert und Mayer in der That annahmen, Hesiod wirklich der Verfasser der ganzen Erzühlung war. Aber dies ist nicht möglich. Es folgt das schon aus einigen der von Knaack angeführten Gründe, der mir freilich auch manche Irrthiimer einzumischen scheint. . Wenn aber Hesiod nicht der Verfasser der hier vom Schol. Strozz. excerpirten Geschichte ist, so schwindet damit das wichtigste Argument für die Ursprüng- lichkeit des Berichtes beim Scholiasten, und es ist fast unbe- greiflich, daß Knaack zwar die Folgerung Roberts aner- kennt, das aber, woraus es hauptsächlich gefolgert ist, mit Recht verwirft, ohne doch einen andern Beweisgrund dafür an die Stelle zu setzen. Der Scholiast, der dicht hinter einander in

derselben Quelle zwei ungefähr übereinstimmende Berichte über | den Phaethon und in dem zweiten Bericht den Hesiod er- wähnt fand, hat bloß die beiden Berichte vereinigt, und He- siod zum Urheber des Ganzen gemacht, was nach den Begriffen dieser Scholiasten gewiß keine große Ungenauigkeit ist. Also sind die Gründe, aus denen die Unechtheit der fab. 153 und 154* gefolgert sind, hinfällig, Genauere Betrachtung der Stücke lehrt aber auch weiter das Doppelte, daß nämlich 153 hinter 152 gestanden haben muß, und daß 154° und 152° verbunden nicht ein griechisches Gedicht (geschweige denn gar des He- siod!) wiedergeben kann! Denn ist es glaublich, daß in dem- selben Gedicht die Verwandlung der Heliaden sowie die des Kyknos und die Sintfluth als Folge des Phaethonbrandes erzählt waren? Blieben die Heliaden am Leben, bis die großen Wasser sich verliefen, und wurden dann nachträglich zu guterletzt noch

334 O. Gruppe,

verwandelt? Oder. ging die Sintfluth tiber sie hinweg, als sie schon verwandelt waren? Wurde vielleicht Kyknos zum Wasservogel, damit er in diesem Zustand dem Wassertode ent- ränne ? Schon die Aufstellung dieser Fragen zeigt, wie unmög- lich es ist, aus den zwei Versionen eine einzige zu machen’)! Betrachten wir nun aber die angeblich unechten Stiicke des cod. Frising.! Zunächst, welchen Grund hätte ein Fälscher haben können, die Geschichte in der Mitte zu spalten und der ersten Hälfte ein Ende, der zweiten einen Anfang hinzu zu erfinden ? Was konnte ihn bestimmen, einen so anstófigen Satz zu schreiben wie den ut omne genus mortalium cum causa exstingueret? Denn daß nicht etwa bloß, wie Robert annahm, ein Schreibfehler vorliegt, scheint mir klar. So auffallend die Worte sind, un- sinnig, wie Knaack meint, sind sie an sich keineswegs; wer diese Worte schrieb, stellte sich unzweifelhaft vor, da Zeus aus irgend einem Grund sich scheute, als der Urheber der Ver- tilgung des Menschengeschlechtes zu erscheinen, und daß er dem- nach mit der Verbrennung des Phaethon und dem daraus ent- stehenden großen Brande einen Vorwand für sein Vorhaben suchte. Durch die Annahme einer einfachen Interpolation ist natürlich diese wunderliche Ueberlieferung nicht nur nicht er- klärt, sondern es ist sogar eine Erklärung überhaupt unmöglich gemacht. Dazu kommt, daß die H yginfabeln, welche für sich einzeln überliefert sind, sich in gewisse nach dem mythologi- schen Zusammenhang geordnete Reihen zerlegen lassen. Was aber konnte auf eine Darstellung der Phaethonsage, welche mit dem Einbruch der großen Fluth schloß, (152^) passender fol- gen als die Geschichte dieser Fluth (153)? Zumal, da 158 sehr wahrscheinlich auch auf 152* Bezug nimmt! Denn das leuchtet doch sofort ein, daß die sonst nur noch vom schol. Stroz. 154. 2 bezeugte Rettung Deukalions auf dem Astnaberg irgendwie damit zusammenhängt, daß dieser Berg in 152* auf den Typhon geworfen, also an seine gegenwürtige Stelle versetzt wird. Aber wir wissen ja positiv, daB f. 158 echt ist und

1) Freilich ist bei Ovid Met. I 237 eine Version der Deukalion- sage erhalten, welche die Fluth u. a. durch die Unthat des Lykaon moti- virt, daneben aber die Verwandlung des Frevlers festhült. Aber mit welcher Sorgfalt hat der Dichter, der dem Plane seines Werkes ent- sprechend den letztern Zug nicht opfern durfte, durch die Dazwischen-

schiebung der Götterversammlung die beiden Ereignisse zeitlich ge- trennt

Aithiopenmythen. 335

daB sie eben von dem Scholiasten gelesen worden ist, aus dem ihre Unechtheit gefolgert werden soll! Denn es ist doch klar, wie es auch Robert selbst cataster. 217 annimmt, daß der Verfasser des schol. Stroz. 154. 7 die rare Notiz von der Rettung des Deukalion auf dem Aitna nirgends sonst als eben in Hyg. fab. 153 gefunden hat. Aus diesen Gründen scheint mir zweifellos hervorzugehn, daß wir im schol. Stroz. nicht einen reineren Hygintext besitzen, als im Frisingensis ?), daß also der Text unseres Hygin nicht auf nachträglicher In- terpolation beruht. Wie unwahrscheinlich wire dieselbe auch! Gewiß ist das in den Ayginfabeln überlieferte Sagenmaterial ein- mal im großen Maßstab contaminirt und interpolirt worden: wer aber hatte zu solcher Interpolation Veranlassung, nachdem das Material einmal in seine] jetzige Form abgerissener Geschichten gebracht war? Liegt es nicht auf der Hand, daf die Interpo- lation vielmehr Hand in Hand ging mit dem Versuche, aus einem großen Werke voll seltener Gelehrsamkeit, welches in fortlaufender Erzählung den mythologischen Stoff darstellte denn ein solches Werk liegt unsern Hyginfabeln unzweifelhaft

2) Auch was Robert sonst zur Begründung seiner Hypothese von der Benutzung eines reineren Hygintextes durch den cod. Strozz. anführt, scheint mir unrichtig. In der Arionfabel würde der Satz des Strozz. ‘ut civitates arte sua inlustraret für per civitatem artem suam inlustraret’ selbst dann nicht im Sinn von Robert:beweisend sein, wenn er die richtige Tradition wiedergibe: denn nicht um cine Interpo- lation des Frisingensis würde es sich hier handeln, sondern um eine nachträgliche Textverderbni8. Aber jene Worte des Strozzianus be- ruhen iiberhaupt nicht auf einer Tradition, sondern wieder auf einer Conjectur und zwar auf einer falschen Conjectur; viel einfacher we- nigstens ist es für civitatem den Pluralis ‘civitates zu lesen. In der- selben Fabel kann das Traumbild des Arion nicht auf einer Inter- polation beruhen, weil es bereits beim Interp. Serv. Verg. ecl. VIII 55 erscheint, wie Robert selbst mit Recht hervorhebt, und weil die Sátze, wenn man das betreffende Stück herausnimmt, zusammenklap- pen. Den einen Delphin endlich, welcher den Arion trug, konnte der Strozz. leicht aus dem Fortgang der Erzählung gewinnen: ‘del- phi n um in mare non propulit . qui ibi exanimatus est. Daß dies Verfabren des Verfassers der schol. Strozz. verkannt werden konnte, ist um so wunderbarer, da ja seine Quellen größtentheils erhalten sind und nur mit ihm verglichen zu werden brauchten, um die selbstän- dige Quellenbenutzung, die ihm eigenthiimlich ist, auBer allem Zwei- fel zu stellen. Die Freiheit, welche sich nach dem oben Bemerkten der Verf. des Strozz. gegen die beiden Hyginfabeln erlaubt, ist ganz dieselbe, die er fortwährend anwendet, indem er die schol. Basileensia und Sangermanensia (resp. ihre .Archetypa) untereinander oder mit Fulgentius, Hygin u.s. w. verarbeitet.

336 O. Gruppe,

zu Grunde und ein paar anderen minder gelehrten Schriften eine Sammlung fiir sich stehender kleiner mythologischer Ge- schichten zu excerpiren? Da nun niemand glauben wird, daB der Verfasser des codex Stroszianus jenes große Werk vollständig las, so hat er auch die Interpolationen mitgelesen.

Daraus folgt,-daß wir zur Erklärung der Wunderlichkeiten unseres Hygintextes ganz andere Mittel als die vorgeschlagenen anwenden müssen, Mittel, die uns nur der Text selbst an die Hand geben kann. Da scheint mir nun zunächst gefragt wer- den zu müssen, was denn eigentlich fab. 154 neben 152^ be- zweckt. Die Antwort ist darauf meines Erachtens nicht zwei- felhaft. Der Erzähler folgte in fab. 152. 153 (und schon vor- her) einer Quelle (4), welche die Phaethonsage mit der Sintfluth- erzählung verband; außerdem hatte er eine sehr abweichende, der Vulgata viel näher stehende Vorlage (B), welche sie isolirt vortrug. Nachdem er die erste Version A bis zum Schluß der Sintfluthgeschichte erzühlt hat, beschlieBt er nun auch die zweite Version B vorzutragen. Fab. 152 und 154 sind also nicht die- selbe Geschichte, sondern grade umgekehrt Vari- anten! Uns interessirt natürlich jetzt nur noch die erste, viel seltnere Version A f. 152. 153. Leider giebt Hygin dieselbe nicht rein, sondern vermischt mit Zusützen aus der Vulgata, in ' diesem Fall vielleicht einfach aus der in fab. 154 benutzten Quelle B, deren Inhalt er nachtrüglich ausführlich giebt, weil er sich von der Unmöglichkeit denselben ganz mit A zu conta- miniren, überzeugt hat. Dieses contaminirende Verfahren ist für den Verf. oder Bearbeiter der Hyginfabeln characteristisch; re- gelmäßig verfáhrt er dabei so, daß er die aus verschiedenen Versionen stammenden Züge durch innere Motive zu verknüpfen sucht. Diese Motive zeigen bei ihm gewóhnlich eine wunderlich krankhafte Phantasie: ein recht crasses Beispiel ist z. B. in fad, 140 der Satz ne rescinderet Iunonis fatum (vgl ‘Culte und My- then’ I S. 529). Grade diese krankhafte Phantasie zeigt sich auch hier in dem Schlußsatz der f. 152 at sorores Phaethontis, quod equos iniussu palris iunzerant, in arbores populos commutatae sunt. Der ursprüngliche Bericht, welcher die Sintfluth folgen ließ, kann die Verwandlung der Heliaden nicht gehabt haben; sie stammt aus der Vulgata. Der Verfasser der Fabeln aber hat diesen Zug in willkürlicher Phantasie mit einem characteristi-

Aithiopenmythen. 337

schen Zuge von A verbunden, indem er als den Grund der Ver- wandlung angiebt, die Heliaden hütten gegen den Befehl des Vaters den Wagen für Phaethon angeschirrt. Ist es nun nicht von vornherein klar, daß der anstößige Satz ut omne genus mor- talium cum causa interficeret , simulavit, se id velle exstinguere auf dieselbe Weise zu erklären ist, d. h. daß hier eine Erfindung vorliegt, bestimmt zwei nicht zusammengehirige Züge der beiden Vorlagen zu verknüpfen? Diese beiden Züge sind offenbar der große Brand und die Sintfluth. Wirklich kommen beide Motive in der Phaethonlegende nicht nebeneinander vor?); sie sind auch neben einander lästig. Schon daß der Göttervater in der Deu- kalionsage statt nach seiner gewaltigen Waffe zu greifen, sich mit einer Ueberschwemmung begnügt, war dem antiken Gefühl anstóBig: Ovid (Met. I 252) oder seine Quelle hält eine besondere Begründung für angebracht. Wie viel stärker aber wird der Einwand, wenn der Mensch Phaethon den gewaltigen Weltbrand entzündet, der Göttervater aber der eben als Retter des Weltganzen Phaethon zermalmt hat! eine partielle Weltzerstörung durch Wasser bewirkt! Wer den Sintfluthmy- thos hinter dem Phaethonmythos erzählte, wollte natürlich in Phaethon den schwachen, sich überhebenden Menschen darstellen ; aber diese Schwächlichkeit trat nur dann hervor, wenn ihm gleich von Anfang an das Werk zu schwer war, wenn er un- mittelbar nach der Ausfahrt herabstürzte: gelang es ihm, hoch am Himmel emporzufahren, die ganze Welt in Brand zu stecken, so mußte dies grade die Kraft der Menschheit in einem Augen- blick hervorheben, wo vielmehr ihre Ohnmacht betont werden sollte. Es kommt dazu, daß jeder Leser, wie auch unser latei-

3) Denn wenn in chronologischen Notizen z. B. bei Clemens strom. p. 335 C ed. Syib. 1688 der daëovros iunggauóc dem devxa- liwyos xeraxkvouos zeitlich coordinirt wird, so beweist dies keines- wegs das Vorhandensein solcber Berichte. Für die spätere Zeit war der éungyoucs einmal die wichtigste Begebenheit des Phaethonmythos; und grade wie dem Verfasser unsrer Hyginfabeln kounte jedem spätern Autor sehr leicht bei Phaethon der mit ihm verbundene Welt- brand einfallen. Daß Ovid Metam. I 253 (s. im Text) eine Version kannte, aber nicht benutzte, nach welcher die Sintfluth mit dem Phaethonbrande verbunden war, ist eine allzuspitzfindige Vermuthung Mayersa.a. O. S. 137. Außerhalb des Phaethonmythos aber ist die an sich nahe liegende Verbindung des großen Brandes und der groBen Fruth in der That vollzogen, z. B. im VI. Buch des Nonnos ; 8. o. S. 882.

Philologus. N. F. Bd.1,2. 22

338 O. Gruppe,

nischer Fabelschreiber, daran denken muß woran er aber nach dem Gange der Er«ühlung nicht denken sol —, daß die große Fluth ein vorzügliches Mittel ist, den großen Brand zu lóschen. Entweder die Fluth also oder der Brand muB an unserer Stelle interpolirt sein‘). So hat das Problem schon Mayer ganz richtig gestellt; es ist nur die Consequenz von Roberts irriger Auffassung von der textkritischen Bedeutung des Strozzianus, wenn er sich für die Echtheit des Bran- des entscheidet. Nachdem sich herausgestellt, daB f. 153 wirk- lich, wie es die Ueberlieferung ja selbst angiebt, die Fortsetzung von 152 ist, kann kein Zweifel sein, daB vielmehr der W elt- brand in unserer f. 152^ interpolirt ist. Hierfür sprechen auch andere entscheidende Gründe. Die Vorlage, welcher die Fabeln in dem ganzen theogonischen Abschnitt folgen, gehört zu den eigenartigsten der griechischen Litteratur: vieles, was sie bringt, ist sonst gar nicht oder sehr selten überliefert. Die Interpolationen gehören dagegen der später allgemein bekannten Sagenform an, wie wir es ja auch bei dem Schlußsatz unserer f. 152° bereits gefunden haben. Nun gehört wirklich die Ver- bindung der Phaethon- und der Sintfluthsage zu den rarsten Ue- berlieferungen, wogegen der Weltbrand des Phaethon später allgemein und zwar grade auch in einer von Hygin gelesenen Version (154) vorkam: kann es noch zweifelhaft sein, in wel- chem der beiden Züge das Echte gesucht werden muß?

Der Brand wird jetzt durch den Blitz des Zeus verur- - sacht. Es könnte so scheinen, als sei auch dieser von dem Verf. aus der Vulgata entlehnt, zumal da es bei oberflächlicher Be- trachtung wunderlich erscheint, daß der schon am Boden lie- gende Phaethon noch vom Blitze getroffen wird. Genauere Be- trachtung ergiebt jedoch eine weit überwiegende Wahrschein- lichkeit dafür, daß dieser Zug schon in Hygins Quelle stand. Wie hätte sonst überhaupt Hygin auf den wunderlichen Ein- fall kommen können, den großen Brand an den Blitz des Zeus anzuknüpfen? Die Vulgata und auch Hygins zweite Quelle B (f. 154) läßt den Weltbrand dadurch entstehen, daß Phacthon der Erde zu nahe fährt. Die bizarre Phantasie des Verfassers der Fabeln erklärt sich nur, wenn er als erste Quelle eine Ver-

4) Die Consequenz hiervon zu ziehen, habe ich früher unterlassen,

Aithiopenmythen. | 339

sion hatte, welche nicht den großen Weltbrand, wohl aber den Blitz des Zeus kannte. Als Zeitpunkt dieses Blitzes muB, da ein Grund zur Aenderung fiir den Verf. der Fabeln nicht vor- lag, der Moment als iiberliefert gelten, in welchem Phaethons Sturz schon erfolgt war?) Die bisherigen Bearbeiter unserer Hyginfabeln halten es für undenkbar, daß Phaethon noch lebte, da er hoch vom Himmel herabgefallen war. Aber wir sahen ja schon, nicht hoch am Himmel, nein, nicht allzufern der Aus- fahrt muß er zu Fall gekommen sein. Und der Verfasser sagt es ja selbst, weßhalb : prae timore. Grade diese, und nur diese Motivirung entspricht dem Grundgedanken unserer Erzühlung, welche in Phaethon den schwachen sich überhebenden Menschen darstellt. Die Ueberlieferung also, daß der Blitz auf den ge- fallenen Phaethon geschleudert wurde, ist nicht anzutasten. Aber warum wird denn überhaupt Phaethon, so wird man mit Recht fragen, noch besonders getódtet, da ja ohnehin der ganzen Menschheit der Untergang schon bestimmt ist? Woher diese plotzliche vorwegnehmende Strafe? Das Unheil, was Phaethon hütte herbeiführen kónnen, ist ja durch seinen Sturz schon un- móglich gemacht! Zur Erklürung dieses scheinbar auffülligen Umstandes bietet sich am einfachsten die Annahme, daß Phae- thon, gemäß dem ganzen Character, in welchem er hier erscheint, noch nach dem Sturze die Gótter schmäht. Uebrigens zeigt sich auch hier wieder, daß der wunderliche Text des Frisingensis das Original für den scheinbar reineren Text des Strozzianus ist. Denn eben die befremdliche Umdrehung der natürlichen und sonst überlieferten Reihenfolge, diese größte Wunderlichkeit des Frisingensis, die nur im Zusammenhang mit den andern Abwei- chungen dieses codex von der Vulgata zu erklären ist, diese scheinbar so unbegreifliche Niederblitzung des gefallenen Phae- thon steht unzweifelhaft auch im Strozzianus: cumque a terra ale tius levaretur, prae timore in Eridanum fluvium, qui et Padus, ceci- disse eumque percussum fulmine a Iove.

5) Ob auch nach dieser Version Phaethon in den Eridanos fiel, ist nicht ganz sicher, weil der Verfasser der Hyginfabeln leicht diesen Zug aus der Vulgata entlehnen konnte. Falls "Hosdavos, wie es fast scheint, den 'früh verbrannten’ bezeichnete, ist es wenigstens für die ursprüngliche griechische Form unserer Version des Mythos wahr- scheinlicher. daß Eridanos hier nicht genannt war, da dieser Name den großen Brand vorauszusetzen scheint, den unsere Version nicht kannte.

22*

340 O. Gruppe,

Hygins erste Quelle A trug demnach die Phaethonlegende in allen wesentlichen Punkten ebenso vor, wie nach unserer Re- construction die Legenden von Joppe, Rhodos, Samothrake und Epeiros. Die Frage wird nahe gelegt, ob nicht in die- sem Zusammenhang die Quelle unserer Hyginfabeln auch die Perseuslegende las. Da drängt uns denn f. 151 eine Ver- muthung auf, die ich nicht erst anzudeuten brauche, weil sie jedem Leser jener Fabel von selbst vorschweben wird, die ich aber ausführlich zu begründen und genauer zu beschränken an dieser Stelle deshalb nicht vermag, weil dieser Nachweis eine Ausscheidung der lüngstgeahnten Zusätze jener f. 151 zur Vor- aussetzung hat und überhaupt nur in einer umfassenden Arbeit über die Hyginfabeln gegeben werden kann. Hier mache ich zum Schluß nur noch darauf aufmerksam, daß die Fabeln 152° und 153, wie wir sie wieder hergestellt haben, direct einen Widerspruch aufklüren, in welchem die combinirte Phaethonsint- fluthlegende mit der gewöhnlichen Phaethonlegende, (die wir im Gegensatz gegen die Phaethon- Sintfluthsage die ‘isolirte’ Phaethonlegende nennen wollen) steht. Denn in der Phae- th onsintfluthsage sind die Aithiopen schon längst unter die Erde verwiinscht, wogegen die isolirte Phaethonsage die Aithiopen noch kennt. Wer so erzählte, wollte offenbar die ‘versengte’ Haut- farbe der Aithiopen mit dem großen Brande in Verbindung bringen (vgl. Ov. Met. II 235 sanguine tunc credunt in corpora summa vocato Aethiopum populos nigrum trazisse colorem). Die Phaethonsintfluthsage, welche keinen Weltbrand hatte, wird also hier auch keine Aithiopen mehr genannt haben. Uebrigens ist nicht bloß die Phaethonsintflutherzählung sondern ebenso auch die ‘isolirte’ Phaethonlegende in der phoinikischen Litteratur nachweisbar. Denn nur der letztern Version gehürt die Ver- wandlung der Heliaden an; dieser Theil der Legende aber ent- halt einen merkwiirdigen Uebersetzerfehler. Warum werden die Sonnentóchter in Pappeln verwandelt, da doch diese keinén Bern- stein und keinen andern leuchtenden Saft herabtriufeln lassen ? Miillenhoff deutsche Alterthumsk. I 221 und ihm folgend Knaack quaest. Phaeth. 11 sowie neuerdings O. Crusius Jahrbb. f. Philol. 1887 S. 662 nehmen an, daß die Schwarz- pappel an den Eridanos gehört, weil dieser eigentlich der ache- rusische Strom sei. Aber dieser Grund scheint mir keineswegs

Aithiopenmythen. 341

ausreichend. Gesetzt, ‘Hesiod’, der zuerst diesen Theil des My- thos erzühlt, hütte auf der einen Seite die Sage von den Elektron weinenden Heliaden, auf der andern den von Pappeln umschat- teten Eridanos gekannt durfte er dann ohne weiteres die Heliaden in Pappeln verwandelt werden lassen? Mit nichten; das wäre eine willkürliche und krankhafte Phantasie: es mußte ein tertium comparationis hinzukommen. Nur wenn sowohl von den Heliaden als auch von den Pappeln überliefert war, daf sie Goldharz weinten, war die Erfindung berechtigt. Aber die ältere Dichtung wußte überhaupt nichts von dem acherusischen Erídanos, den Pappeln umschatteten: diese Vorstellung wider- spricht dem Gedanken des Mythos: Phaethon ist die rothe M or- gensonne, seine Mutter ist die Morgenróthe, Eridanos der ‘früh verbrannte’ oder der ‘morgenliche. Also im Osten ist offenbar der älteste Eridanos zu suchen. Uebertragungen der mythischen Localititen von Ost nach West haben zwar naturge- mäß stattgefunden, wo der Sinn des Mythos verloren gegangen war; aber grade beim Eridanosmythos mit seinen durchsichtigen Namen war dies schwer: noch Herodot scheint in dem Gedicht, dem er folgt also nach Knaack sogar grade bei Hesiod selbst! die Ableitung von Zridanos gefunden zu haben (III 115). Die Verlegung des Eridanos nach dem Westen scheint mir untrennbar verbunden mit der griechischen Colonisation in den Westlündern, durch welche, wie so viele andere mytholo- gische Namen, auch die dem Phaethonmythos angehórigen Eri- danos, Rhodanos, Ligys (d. i. Kyknos Jıyupwvog) nach dem Westen verpflanzt wurden, und durch deren Vermittelung auch der Bernstein aus dem fernen Westen nach Griechenland gelangte. Nachdem der Eridanos aus dem Mythos in die Geo- graphie übergegangen war, ist er, und zwar in sehr spiter Zeit, aus dieser modificirt wieder in den Mythos zuriickgekommen. Die älteste und einzige Quelle auf die sich Knaack sicher be- rufen konnte, war Vergil. Aen. VI 658, Culex 260, neuerdings (Jahrbb. f. Phil. 1887 S. 319) hat er mit Recht auch auf ein von Schwartz vollständiger abgedrucktes Euripidesscholion (Or. 981) verwiesen; er hätte auch auf Apoll. Rhod. 4. 610 hinweisen künnen, da dieser die Localität des Phaethongrabes mit Zügen beschreibt, die an die Eingünge der Unterwelt erinnern. Dagegen fehlt es an jeder Spur des Todten - Eridanos in der äl-

342 O. Gruppe,

teren Sage. Knaack hat den Versuch gemacht, den west-

lichen Eridanos bei Hesiod zwar nicht bei dem Hesiod des Phaethonmythos, aber doch bei dem Hesiod der Theogonie, auf den Unterschied kommt es ihm anscheinend nicht an aus

dem Verse Neilöv 1 *Adgeov ze xai “Hosduvov Badvdlyyv (Theog. 338) zu folgern; er meint nämlich, daß der Mil den Fluß des Ostens, der Alpheios den der Mitte, der Eridanos den des We- stens bezeichne. Ein Blick auf jenen Katalog der Fliisse lehrt uns, daß eine bestimmte Reihenfolge innerhalb der einzelnen Verse nicht beabsichtigt ist. Zufällig wissen wir aber auch, daB die Flüsse in den Vorlagen in ganz anderem Zusammen- hang standen (Culte und Mythen I 602). Damit fällt jeder Anhalt für den Eridanos des mythischen Westens aus der äl- teren Zeit. Unter diesen Umständen scheint mir die Erklärung für die wunderlichen Goldharz träufelnden Pappeln auf anderem Wege gesucht werden zu müssen. ‘225 ‘die weiße’ ist im phoinikischen die Bezeichnung eines Baumes, dessen leuchtendes wohlriechendes Harz geschätzt war. Wenn nun der Baum in der Sonne Gluth den kostbaren Saft ausschwitzte, lag es da für die poetische Betrachtung nicht nahe, zu sagen, daß in dem Baum die eingeschlossenen Sonnentöchter weinten, zumal, wenn $3335 zugleich, wie es sehr wohl möglich und sogar nach der Leukothoesage höchst wahrscheinlich ist), gradezu der Name einer mit dem Sonnengott in Verbindung gesetzten weiblichen Gottheit war? Daß der griechische Bearbeiter, der von dem Baume nichts wußte, 1335 durch Asvxn übersetzte, ist gewiß nicht wunderbar haben doch sogar die LXX noch diesen Uebersetzungsfehler gemacht! vielleicht war er sogar durch die Etymologie des Namens gebunden. Ebenso wenig kann es

6) Leukothoe, die Geliebte des Helios wird bei Ovid Met. IV 190 ff. in einen Weihrauchbaum verwandelt. Daß auch dieser Mythos schließlich auf ein phoinikisches Original zurückgeht, scheint

mir wegen des offenbaren Verhältnisses von 4fevxo9óg zu 1935 zwei- fellos; dann aber ist es gewiß bedeutsam, daß die Baumnymphe zu Helios (freilich nicht als ‘l'ochter, sondern als Geliebte) in Beziehnng gesetzt wurde. Als Thrane des Baumes erscheint der Weih- rauch u. A, auch Ov. Metam. XV 394; Fast. I 339 (vgl. Schme- kel de Ovid. Pythag. doctr. adumbr. diss. Gryphisw. 1885 S. 24); Porphyr. de abstin. 11 5 (vgl. Bernays ‘Theophr. üb. d. Frömmigk.’ 168); Arnob. adn. nat. 7. 27; Tertull. apol. 30. Fs entspricht genau hebr. "29 "5. '

Aithiopenmythen. 343

befremden, daß später efysgo; und Asvxn verwechselt wurden wissen wir doch z. B. aus Paus. 5. 14. 2; Serv. Aen. 8. 276, daB grade die Silberpappel der acherusische Baum ist! und daß, als der Bernstein in Griechenland häufiger bekannt wurde, der poetische Ausdruck ‘Thräne der Heliade’ auf ihn überging. Es ist diese Verwechselung zwischen Weihrauchbaum und Silberpappel um so wahrscheinlicher, da ebenso wie der Weihrauchbaum (Bótticher Baumcultus 275) auch die Sil- berpappel (vgl. z. B. Foucart assoc. relig. S. 35) dem Sonnen- gotte heilig ist, was eben mit unserm Mythos unzweifelhaft zu- sammenhängt.

Berlin. O. Gruppe.

Zu Aristophanes,

Der Chor der Vögel setzt einen Preis auf die Tédtung oder Gefangennahme des Philokrates und schildert in beweglichen Wor- ten, wie er die armen Vögel mißhandle. 1080 heiBt es in den Aus- gaben efra puowy ric x(ylag Oeíxvvow xal Avpulvetas, RVA (nach Blaydes auch BS4/) und Suidas aber haben hinter defxruos noch mao. Blaydes bemerkt dazu: ,,latet fortasse mendum. Qu. det- xruoi mar x«i v (gl. Auualveras)“. Die Lücke ließe sich leicht mit x«xoi ausfüllen. Weiter geht Schnee Progr. Hamburg 1886 S. 10: er findet es unpassend zu sagen deferuos xalÀ vuatveros monstrat et contumelia afficit, zieht auch xal (= „das heißt“) zu dem Glossem und schreibt óeéíxrvos naow anrígovg. Darnach würde also der Händler die Drosseln gerupft zum Verkauf stel- len, wührend z. B. Ach. 988 Dikaiopolis die Federn als Zeichen seines üppigen Mahles vor die Thür seines Hauses wirft, die Drosseln also ungerupft gekauft hat, wie auch 970: sto vrai nreQuywr xylav xai xowlywv zeigt. Wollte der Händler die Vógel móglichst fett erscheinen lassen und blies er sie zu die- sem Zwecke auf (pvowr), was ihm der Chor als Verunstaltung vorwirft, so handelte er gewiß in seinem Interesse, wenn er den Thieren die Federn ließ. Ueberdieß erscheint es nicht recht glaublich, daß jemand zu «4miégovg eine Glosse wie xui Avpal- veros hinzugeschrieben haben würde.

Frankfurt a. O. O. Bachmann.

XIX.

Die Forschungen über den Orient. (Vgl. Bd. XLV 689).

Alexandrien nach den Untersuchungen Nissen's (Rhein. Mus. XL S. 62) am 21. Jan. 381 v. Chr. gegründet, ist die jüngste, aber für die griechisch-rómische Periode wichtigste Groß- stadt Aegyptens. Hier war die Residenz der Könige und der Mittelpunkt der Verwaltung, wenn auch nominell noch lüngere Zeit Memphis als Hauptstadt galt, indem man an der seit meh- reren Jahrhunderten eingewurzelten ägyptischen Anschauung festhielt trotz der wechselnden königlichen Residenzen stets nur diese eine Hauptstadt rechtlich anzuerkennen. Eine entsprechende Geschichte Alexandriens fehlt und populäre Werke, wie z. B. das neueste von de Vacquery (Alexandrie et la Basse Egypte. Paris 1886) vermögen diese Lücke naturgemäß nicht auszufül- len. Die Hauptschwierigkeit beruht auf dem Unbekanntsein der genauern Topographie der alten Stadt. Das Material fiir deren Bearbeitung bilden zunächst zahlreiche, leider unvollständige und meist vieldeutige Notizen antiker Autoren, welche nach den äl- tern Untersuchungen von Ritschl, Parthey u. a. besonders durch Lumbroso (Descrittori italiani dell’ Egitto e dij Alessandria. Roma 1879; L'Egitto al tempo dei Greci e dei Romani. Roma 1882 u. s. f) und Wachsmuth (Rhein. Mus. N. F. 35 S. 448 ff; 42 S. 462 ff.) bearbeitet worden sind. Eine neue Quelle nach dieser Richtung erschloß Crusius in der von ihm aufgefundenen Schrift Plutarch's de proverbiis Alerandrinorum. (Tübingen-Leip- . zig 1887), welche besonders für das Leben und 'Treiben in der Stadt von hohem Interesse ist, aber auch topographische An- haltspunkte enthält, die der Herausgeber in seinen werthvollen Erlüuterungen zu der Schrift (Fleckeisen's Jahrb. 135 S. 241 ff.

Die Forschungen iiber den Orient. 345

657 ff.) der Wissenschaft nutzbar gemacht hat!) Ergänzt wer- den die Schriftstellerangaben durch zahlreiche Funde von In- schriften in der Stadt und ihrer Umgebung, welche besonders Nerutsos- Bey edirte ('494jv«w» 1875; Bull. de Corresp. Hell. 1878; Rev. arch. III Ser. IX p. 198 ff, 291 ff, X p. 61 ff, 121 f., 208 ff) Systematische Ausgrabungen haben seit den Arbeiten von Mahmud-Bey (Mém. sur l'antique Alexandrie. Co- penhague 1871) nicht stattgefunden und dies ist um so mehr zu bedauern, als sich vor einigen Jahren nach der Beschießung der Stadt und bei den dadurch veranlaßten Neubauten eine hier- für selten günstige Gelegenheit geboten hätte. Nur gelegentlich entdeckte man damals bei dem Neubau der Bórse die Funda- mente eines Tempels und unter diesen mehrere Platten von Gold, Silber, Bronze und glasirtem Thon, welche ein und die- selbe bilingue, griechische und hieroglyphische Inschrift trugen. Nur die Goldplatte war gut erhalten, ihr griechischer Text lau- tete: Zagamdog ya» (sic) [odog (sic) Fewr Twrnewwr (2) zus Bu- eiAecog Hrolewacouv xut Paodicons Agosvong Iewv Didonarogwr. (Maspero, Rec. de trav. rel. à VEg. VII p. 140 f£). Nicht ein- mal die Schutthiigel, welche die moderne Stadt umgeben, sind systematisch durchforscht worden, obwohl dieselben bei gelegent- lichen Nachgrabungen eine reiche Ausbeute von Bruchstiicken griechischer Statuen, kunstreich gearbeiteten Thonwaaren, ver- einzelten Inschriften und besonders gestempelten Henkeln rhodi- scher und sonstiger Thonkriige ergaben.

Heliopolis. Die Bedeutung von Heliopolis beruht darauf, daB es der Mittelpunkt des über ganz Aegypten ver- breiteten Kultus des Sonnengottes Ra war. Hier entstand nach den Forschungen Naville’s (Das ag. Todtenbuch der 18. 20. Dyn. Einleitung) der weitaus größte Theil des sog. Todtenbuches. . Hier wurde der Vogel bennu, der Phoenix der Griechen, eine

Form der Morgensonne, (Wiedemann, Aeg. Zeitschr. 1878 S. 89 ff.) verehrt. Von hier ist endlich auch die Verehrung des Gottes Aten, der Sonnenscheibe, ausgegangen, welchen der Kónig Amenophis IV zur henotheistischen Gottheit Aegyptens zu er- heben versuchte. Diese Reform richtete sich hauptsächlich ge- gen den Gott Amon, eine andere Form des Sonnengottes, welche in Theben ihren Haupt- Verehrungsort hatte. Sie hatte jedoch keinen Bestand. Nach dem Tode des Kénigs und seiner un- mittelbaren Nachfolger ward der Amon-Kult wieder herrschend. Die Aten-Tempel wurden zerstért und die Verehrung der Gott- heit blieb fortan auf Heliopolis beschrünkt. Die Fundamente seines hiesigen Heiligthums liegen bei dem Orte Matarieh (vgl. Maspero Aeg. Zeitschr. 1881 S. 116) Ausgrabungen sind an

1) Ueber die von Crusius a. O. S. 674 erórterte Frage nach der diaBa9oa vgl neuerdings Wachsmuth im ‘Rhein. Mus.’ XLIII 306.

346 A. Wiedemann,

dieser Stelle ebensowenig wie an der Stätte des Ra- Tempels, welche durch die noch bestehende Umfassungsmauer und durch einen Obelisken bezeichnet wird, vorgenommen worden. Erhalten werden freilich nur die Fundamente sein, da man bereits zur Zeit der Ptolemüer und rómischen Kaiser angefangen hat den Tempel auszuplündern. Die sog. Nadel der Cleopatra und ihr Pendant *), fast alle Obelisken in Rom und sonst im römischen Reiche, zahlreiche dem Isis-Kult dienende Denkmäler, u. a. eine von Psammetich II geweihte, in Pompeji entdeckte (Lepsius Aeg. Zeitschr. 1868 S. 85 ff) Altarplatte, stammen von hier.

Der Tempel galt seit der 12. Dynastie als der Mittelpunkt der ägyptischen Weisheit; sogar die Gótter erholten sich in ihm bei Verwundungen Rath. Noch in griechischer Zeit lebten hier die weisesten Priester und der 'Tradition nach sollen von ihnen die verschiedenen griechischen Philosophen die Grundlagen ihres Wissens empfangen haben. Wenn auch die Mehrzahl dieser Ueberlieferungen von Reisen nach Aegypten auf späterer Erfin- dung beruht, wie dies in Bezug auf die Reisen Plato's wohl sicher der Fall ist °), so beweisen dieselben doch das hohe An- sehen welches der heliopolitanische Tempel noch in später Zeit besaB. Dabei ist stets nur von dem Tempel und seinen An- nexen und nie von der Stadt die Rede. Diese scheint stets un- bedeutend gewesen zu sein, spielt auch in den Inschriften keine weitere Rolle. E. Brugsch (On et Onion in Rec. de trav. rel. e. c. VIII p. 1 ff) vermuthet die Stadt sei von den Hyksos zer- stórt worden, Seti I habe dieselbe wieder aufgebaut, aber nicht an der gleichen Stelle, sondern bei Tell el Jahudi im öst- lichen Delta. Diese Ansicht wird durch die Angaben der Klas- siker, welche über die allgemeine Lage von Heliopolis bei dem Orte Matarieh, in der Nühe des Sonnentempels, keinen Zweifel übrig lassen, widerlegt. Seine genaue Lage ist dagegen ebenso unbekannt wie die seiner Nekropole.

Memphis. Nach dem Zeugnisse der Klassiker war Memphis die Residenz der ersten historischen Kónige Aegyptens. Diese Ansicht wird von Manetho getheilt, welcher seine dritte bis vierte und 6.—8. Dyn. als Memphiten bezeichnet und den Nachfolger des Menes die Königsburg von Memphis erbauen läßt. In den Inschriften erscheint die Stadt unter ihrem Namen Men-nefer erst zur Zeit der 6. Dyn. Hieraus hat Erman (Ae-

2) Die Errichtung dieser beiden Obelisken in Alexandrien erfolgte nach einer bilinguen (griechischen und lateinischen) Inschrift im Jahre .18 des Augustus. Vgl. Merriam The greek and latin inscription on the obelisk - crab. New-York 1883; Mommsen Eph. epigr. IV p. 26; V p. 2.

i 8) Neumann de locis aegypt. in operibus Platonicis. Vratisl. 1874 und Ch. Huit in den Séances et trav. de l’Ac. des sciences morales XX. 1883 nehmen dieselben freilich als authentisch an.

Die Forschungen über den Orient. 347

gypten I S. 243 f) geschlossen, dieselbe sei erst damals im Anschluß an die hier gelegene Grabpyramide des Königs Pepi I, welche den Namen Men-nefer führte, entstanden. Allein bereits früher hat der König Sahura (5. Dyn.) den in Memphis gele- genen 'lempel der Góttin Sechet gegründet und schon vor Pepi haben hier die Könige Unas und Teta ihre Grabpyramiden er- richtet. Jünger als der Name Memphis ist für die Stadt die zweite Benennung Aevxór 1eïyoc, unter welchem ein Theil der- selben bei den Klassikern (z. B. Her. III 91. "Thucyd. I 104) erscheint, sie begegnet uns erst im neuen Reich als anub het' „weiße Mauer“, war aber damals sehr gebräuchlich.

Die Stadt bedeckte einen ungeheueren Flüchenraum; sie er- streckte sich von Gizeh bis über Saqqarah hinaus und auch auf dem rechten Nil-Ufer befanden sich einige Vorstädte. Natürlich war nicht das ganze Gebiet mit Häusern bebaut, diese wech- selten vielmehr wie bei allen orientalischen Städten mit ausge dehnten Villenanlagen, Gürten, Feldern und auch ganz unbe- nutzten Strecken ab. Die eigentliche Stadt ist vüllig verschwun- den, erhalten sind nur die Nekropole und einige Tempel; das Meiste ist den Arabern zur Beute gefallen, als diese im Mittel- alter diese Ruinen als Steinbruch für ihre Hauptstadt Kairo benutzten.

Die Nekropole wird charakterisirt durch eine Reihe von Pyramiden, welche sicher die Gräber der Könige der 4.—6. Dyn. und wahrscheinlich noch einiger anderer Herscher ent- hielten. Dieselben wurden von Vyse (Operations carried on at the pyramids. London 1840) und Perring (Zhe Pyramids of Gizeh. London 1839— 42) und neuerdings in eingehender und sorgfältiger Weise von Petrie (The Pyramids. London 1882) un- tersucht ohne daß dabei außer den Namen der Erbauer einzel- ner Anlagen historisch wichtigere Resultate zu 'lage getreten wären. Nach dieser Richtung war es bedeutungsvoller, daß es 1880—82 Mariette und Maspero gelang eine Reihe von Grab- pyramiden aus der 5.—6. Dyn. (der Kónige Unas, Teta, Pepi I, Ra-mer-en und Pepi II) zu eróffnen, deren Wünde mit ausge- dehnten religiósen Inschriften bedeckt waren. Ihre vollständige Publikation erfolgt durch Maspero (Rec. de trav. rel. etc. IV ff) welcher den 'lexten auch eine vorlüufige Uebersetzung beige- fügt hat. Die Inschriften haben zunüchst sprachlich einen ho- hen Werth. Es sind die ältesten ausgedehnten Kompositionen, die bisher entdeckt worden sind. Einen gewissen Abbruch thut ihnen dabei freilich der Umstand, daß sie insgesammt rein reli- giösen Inhaltes sind und daß die hergebrachte formelhafte Ab- fassungsweise, wie in allen derartigen Texten, eine freiere Satz- entwickelung beeinträchtigen mußte. Ihr Inhalt 5) bezieht sich auf

4) Vgl. Maspero La religion Egyptienne d’après les pyramides de

348 A. Wiedemann,

die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, welche im Allge- meinen in derselben Weise wie in jüngeren Urkunden dargestellt wird. Dies geht soweit, daß lange Abschnitte dieser Texte sich in Inschriften aller Perioden des äg. Heidenthums bis in die römische Kaiserzeit hinein wiederholt finden. Die religiöse Auf- fassung ist eine ganz materielle. Das Jenseits wird genau wie das Diesseits dargestellt, der Todte braucht Speise und Trank und empfindet Hunger, wenn ihm die Hinterbliebenen nicht durch Opfergaben oder Recitation bestimmter Formeln seinen Unterhalt zukommen lassen. In derselben Lage wie er befindet sich auch die Gottheit, der er durch seine Seligsprechung voll- kommen gleich und identisch geworden ist. Auffallend ist es, welche große Rolle bereits in diesen Texten magische Beschwö- rungen und Dämonenglaube spielen. Von irgend welcher Reli- gionsphilosophie oder monotheistischen Lehren, wie man solche gern, freilich vergeblich in den tg. Texten nachzuweisen sucht, ist keine Spur vorhanden.

Trotzdem daß durch diese Funde die längst feststehende Ansicht, daß die Pyramiden nichts als Grabanlagen seien, von neuem erhärtet wird, haben die Versuche, in ihnen selbst und in ihren Maaßen allerhand mystische Geheimnisse zu entdecken, noch immer nicht aufgehört. Hauptsächlich thätig ist nach dieser Richtung hin der bekannte englische Astronom Piazzi Smyth, der besonders in England und Amerika zahlreiche An- hänger und Nachfolger gefunden hat, welche fortdauernd neuen und immer wunderbareren Geheimnissen auf die Spur zu kom- men wissen.

Der Haupttempel von Memphis war dem Gotte Ptah, den die Griechen ihrem Hephästos vergleichen, geweiht. Seine Stätte wird durch eine umgestürzte Kolossalstatue Ramses II bei dem Orte Mitraheni bezeichnet. Systematische Ausgrabungen sind hier nicht vorgenommen worden. Dieselben würden außer für die Aegyptologie auch für die klassische Philologie von Bedeu- tung sein, da Herodot diesen Tempel am eingehendsten besucht hat und schildert, und seine Kenntniß der äg. Geschichte größ- tentheils auf den in ihm angebrachten Darstellungen und In- schriften beruht. Mehr ist für das in der Nähe gelegene Se- rapeum geschehen. Dieser Bau bestand aus zwei durch einen Dromos verbundenen Gebäudecomplexen. Der eine, dessen An- lage von Amenophis III (c. 1500) begonnen wurde, enthielt die Grabstätten des heiligen Apis-Stieres. Bis in die Ptolemäerzeit wurden die Thiere hier beigesetzt und tausende von Votivstelen neben den Särgen des verstorbenen und seligen Apis, des Osiris- Apis, woraus das griechische Sarapis entstanden ist, aufgestellt,

la Ve et de la Vie dynastie in Rev. de l'histoire des réligions. 1885 sept.-oct. p. 123—39.

Die Forschungen über den Orient. 349

bez. eingemauert. Der zweite Complex entstand erst in grie- chischer Zeit und bildete das in Papyris hüufig erwühnte Sera- peum mit seinen Annexen. Hier waren die beiden Zwillings- schwestern angestellt, deren Prozefiakten sich sammt den Pa- pieren des Klausners Serapion erhalten haben. Die Urkunden sind größtentheils griechisch geschrieben, doch haben sich neuer- dings auch einige demotische hierher gehórige Aktenstücke ge- funden. Eine zusammenfassende Behandlung der Texte fehlt. Ebensowenig ist eine entsprechende Beschreibung des Serapeum's : und der dabei gemachten Funde erschienen. Die beste Schil- derung der Anlage gab ihr Entdecker Mariette (Choiz de monu- ments et de dessins, découverts au Serapeum de Memphis. Paris 1856); eine Publikation der Monumente, die aber bald ins Sto- cken gerieth begann derselbe (Le Serapeum de Memphis. Paris 1857); neuerdings hat Maspero eine solche nach Papieren Ma- riette’s in Angriff genommen (Le Serapeum de Memphis I, Paris 1882), doch enthält der bisher erschienene Band eigentlich nur den Abdruck bereits veróffentlichter Aufsütze Mariette's, das Er- scheinen einer Fortsetzung steht einstweilen nicht in Aussicht.

Die Todtenstadt ist wichtig durch zahlreiche Grüber aus der 4.—6. Dyn., neben denen die jüngeren derartigen Anlagen, so bedeutend auch einzelne derselben sein mógen, zurück stehen müssen. Die Ausnutzung ihrer Inschriften und Darstellungen begann Lepsius, der einen Theil seiner Resultate in seinen Denk- mülern Abth. II niederlegte. Später hat Mariette hier ausge- dehnte Ausgrabungen veranstaltet ohne etwas Eingehendes über dieselben zu veröffentlichen. Die sehr unvollständigen Notizen, welche sich über die Ergebnisse in seinem Nachlasse vorfanden publizirte Maspero (Les Mastuba de l'ancien Empire. Paris 1882 —5).

Achmin, das alte Panopolis ist in letzter Zeit viel genannt worden, da hier eine ausgedehnte Begräbnißstätte in Felsen- grüften aufgedeckt worden ist. Tausende von Mumien sind die- ser bereits entnommen worden, doch sind die historischen Resultate des Fundes nicht sehr hervorragende. Es handelt sich haupt- sächlich um Leichen der jüngeren Perioden, welche größtentheils ohne Sarg und bessere Beigaben bestattet worden sind (Maspero im Bulletin de l'Institut égyptien II. Ser. nr. 6 p. 73 ff). Da- neben finden sich aber auch einzelne werthvollere Mumien (vgl. z. B. Études dédiées à M. Leemans p. 85 ff. Stelen von hier publizirte Bouriant Rec. de trav. rel. e. c. VII p. 121 ff, VIII p. 159 ff.; koptische Papyri derselbe, Mém. de la miss. arch. du Caire I p. 242—304, vgl. Stern Aeg. Zeitschr. 1886 S. 115 ff. ; griechische Papyri®) Wilcken Sitzungsber. der Berl. Ak. 1887 S. 807 ff) und ist nur zu hoffen, daß das Fundmaterial ent-

$) Letztere enthalten Hesiod Theogonie v. 75—145; Euripides Rhesos v. 48—96; Paraphrase zu Homer Ilias I u. s. f.

350 A. Wiedemann,

sprechend registrirt worden ist, da es dann einen Einblick in die Bevölkerungsverhältnisse der Stadt gewähren wird. Bereits früher hat sich gezeigt, wie verhängnißvoll die Unterlassung einer solchen Registrirung für die Wissenschaft werden kann. In den 50er Jahren entdeckte Maunier in Theben die Begrüb- nißstätte einer Familie, deren Mitglieder von der 21.—26. Dyn. zahlreiche Priesterthümer, bes. des Gottes Mont, in Theben be- kleidet hatten. Leicht würe es damals gewesen die Geschichte dieser Familie, welche für die sozialen Verhältnisse Aegyptens und besonders für die Erblichkeit bestimmter Stellungen hohes Interesse darbietet, wiederherzustellen. Jetzt sind die Sarge in die verschiedenen Museen Europa’s und Aegyptens zerstreut, einige sind auch zerstórt worden; so dient z. B. ein groBes, mit Inschriften versehenes Sargbrett aus diesem Funde als Garten- thür eines Hótels in Luqsor, so daf eine Zusammenstellung der Angaben der Sarge zu einer Unmöglichkeit geworden ist.

Abydos hat in der politischen Geschichte Aegyptens keine Rolle gespielt, wenn auch aus dem ihm benachbarten This (Girgeh) der erste Kónig des Landes. hervorgegangen sein soll Um so 6fter begegnet uns die Stadt in religiósen Texten als der Haupt- sitz des Gottes Osiris. Ihm galten die beiden Haupttempel, welche Seti I und Ramses II errichteten und deren erster in seinen Reliefs die höchste Blüthe der ag. Kunst vorführt. Auch das Grab des Osiris wurde hier gesucht und es lieBen sich da- her vornehme Aegypter gern an dieser Stelle beerdigen, um ihr Grab möglichst nahe bei dem des Herrn der Unterwelt zu ha- ben. War dies nicht möglich, so ließ man häufig wenigstens eine Votiv-Stele für den Verstorbenen hier aufstellen. Besonders während der 11.—14. und 17.—19. Dyn. war dies tiblich und stammt bei weitem der grófte Theil der erhaltenen Stelen die- ser Perioden aus Abydos. Systematische Ausgrabungen unter- nahm hier Mariette, welcher seine Resultate in einer großen Publikation (Abydos. Paris 1869—80) niederlegte. Die beiden ersten Bünde derselben enthalten die Tempelinschriften und gró- feren Monumente, wührend der dritte einen ausführlichen Ka- talog aller aufgefundenen Denkmiüler giebt. Die wichtigste hi- storische Inschrift aus dem Tempel, eine lange Königsliste, ward bereits von Dümichen (Aeg. Zeitschr. 1865) publizirt, eine an- dere, über die Jugend Ramses II von Maspero (Essai sur l'in- scription dédicatoire du temple d'Abydos. Paris 1867) behandelt. Neuerdings hat Sayce (Proc. Soc. bibl. arch. VI 209 ff; VII 96 ff; VIII 159) zahlreiche Grafiti entdeckt und publizirt, durch welche Reisende ihren Namen an den Tempelwänden ver- ewigt haben. Der größte Theil derselben ist in cyprischer und in griechischer Schrift aufgezeichnet.

Denderah. Die hier erhaltenen Tempel und besonders der groiie Hathor- Tempel stammen aus junger Zeit. Es sind

Die Forschungen iiber den Orient. 351

die spätern Ptolemäer, unter ihnen die letzte Cleopatra und ihr Sohn Caesarion, welche sie erbauten und im Wesentlichen aus- schmiickten. Der Haupttempel ward durch Mariette und Dii- michen ausgegraben und seine Inschriften publizirt (Mariette, Dendérah. 4 Bde und Suppl. Paris 1870— 74; Diimichen, Bauurkunde der Tempelanlagen von Denderah. Leipzig 1865; Altäg. Tempelinschriften. II. Band. Leipzig 1867; Baugeschichte des Denderah-Tempels, Straßburg 1877 u. s. w.) Wichtig ist unter letzteren die ausführliche Baugeschichte, welche zahlreiche ehronologische Angaben für die Ptolemüer-Zeit enthült und über den Umfang und Zweck der einzelnen Riume des Tempels in- teressante Aufschlüsse gewührt. Der am Anfang dieses Jahr- hunderts viel behandelte und für uralt erklärte Zodiakus von Denderah stammt gleichfalls aus junger Zeit.

Theben. Ebenso wie Memphis hatte auch Theben einen für seine Einwohnerzahl unverhältnißmäßig großen Umfang. Die Stadt selbst, deren Hiiuser aus Holz und Lehmziegeln errichtet waren, ist verschwunden, erhalten sind nur die Tempel, welche nach “den bei ihnen gelegenen arabischen Ortschaften genannt zu werden pflegen, einige Reste der dieselben verbindenden Sphinx-Straßen und zahlreiche Gräber. Die großartigste Tem- pelanlage ist die von Karnak. Sie wurde während der 12. Dyn. begonnen, an ihrem Ausbau waren alle Herrscherfamilien, bis zu den Kaisern hinab, thätig. Es entstand hierbei kein ein- heitlicher Tempel, sondern ein regelloses Conglomerat zahlreicher neben-, hinter- und ineinander liegender Einzelanlagen, deren jeweiliger Plan oft kaum feststellbar ist. Die beste Beschreibung der Ruinen gab Champollion (Notice descriptive e. c.); einen ge- nauen Plan auf Grund umfassender Ausgrabungen Mariette, der dabei gleichzeitig die von ihm neu gefundenen Inschriften edirte (Karnak. Textbd. und Atlas. Leipzig 1875 und les Listes géo- graphiques des Pylones de Karnak. Textbd. und Atlas. Leipzig 1875). Mehrere kleinere Tempel umgaben den Hauptbau, dar- unter der Tempel des Kriegsgottes Mentu (Month). Einige der- selben werden auch in griechischen Papyris erwähnt, besonders in den auf das Haus des Hermias, welches im Nord-Westen des Amon - Tempels gelegen war (vgl. Revillout, Rev. égypt. I p. 175 ff) bezüglichen. Dieser Hermias, Sohn des Ptolemäus, hatte zur Zeit des Ptolemäus Euergetes einen Prozeß gegen die the- banischen Choachyten auszufechten, die ihm, während er als Of- fizier von Theben entfernt weilte, sein von den Eltern ererbtes Haus entrissen hatten. Die Akten dieses Prozesses, die in grie- chischer und demotischer Sprache abgefaßt und für die Rechts- verhältnisse der Ptolemäerzeit vou hoher Bedeutung sind, haben sich erhalten. Die griechischen Texte behandelte Wolff (de causa Hermiana, papyris Aegyptiacis tradita. Breslau 1874; vgl. Da- reste, Le procès d'Hermias in Now, Rev, hist, de droit fran.

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çais et étranger 1883 nr. 2) eine Bearbeitung sümmtlicher Ur- kunden begann Revillout (le procès d’Hermias. I. Paris 1884).

Innerhalb der Tempel- Umwallung entstanden in der spá- teren Kaiserzeit Dörfer, deren Hausmauern theilweise noch er- halten sind. Dieselben bestanden aus luftgetrockneten Lehm- ziegeln, denen man um ihnen mehr Festigkeit zu geben, Thon- scherben eingebacken hatte, ühnlich wie man im Delta und bei uns dem Lehm Stroh beizumischen pflegt. Ein groBer Theil dieser Scherben ist mit griechischen und demotischen Inschriften versehen; erstere stammen- aus der Zeit von Augustus (unter welehem sie nach der aktischen Aera datiren) bis zu Commodus, bez. Pescenius Niger; letztere beginnen bereits unter den Ptole- miern. Der Inhalt der Texte bezieht sich auf das Steuerwesen, es sind Listen steuerpflichtiger Bürger mit Angabe des Steuer- betrages, Quittungen über bezahlte und Notizen über noch rück- stindige Betrüge, Briefe von einzelnen Beamten an andere über Steuerfragen und ähnliches. Dieselben sind in sehr großer Zahl vorhanden, aber nur wenige sind bisher publizirt worden (vgl. Sayce Proc. Soc. Bibl. Arch. VII p. 11 ff; p. 195 ff; Wilcken Jahrb. des Ver. v. Altfr. im Rheinl. LXXXV ; für den Fundort Wiedemann Revue égypt. II p. 346 ff), aus ihnen ergeben sich zahlreiche für die Verwaltung und Geschichte Aegyptens wich- tige Notizen. Eine der Scherben enthielt auch einen literarisch interessanteren Text, ein griechisches Epigramm (publ. Bücheler Rhein. Mus. XXXIX S. 151 ff).

Der zweite größere auf dem rechten Nilufer gelegene Tem- pel ist der von Luqsor, dessen Bau Amenophis III begann und Ramses II beendete. Nur Weniges ward spüter noch hinzuge- fügt, wie z. B. eine neue Cella für das Sanktuarium von Alexan- der II. Die Anlage ist architektonisch dadurch interessant, daß ihre Hauptaxe keine gerade, sondern eine gebrochene Linie bil- det. In den Tempelräumen ward später ein koptisches Dorf angelegt, welches dieselben fast ganz ausfüllte. Seit einigen Jah- ren arbeitet man an dessen Niederreißung, um so die gesammten Inschriften des Bauwerkes zugänglich zu machen.

Größer war die Zahl der Tempel auf dem linken Nilufer. Dieselben hatten einen doppelten Zweck; einmal dienten sie den Begräbnißceremonien und Todtenopfern für den König, der sie errichtet hatte, dann aber stellten ihre Reliefs auch die Groß- thaten des betreffenden Herrschers, seine Feldzüge und seine Siege dar. Unter diesen Anlagen sind von besonderer Bedeu- tung die 'Tempel von Medinet-Abu (Ramses III und Thutmes III), der von Gurnah (Ramses I und Seti I), das Ramesseum (Ramses II), welches Diodor als Grab des Osymandyas schildert und der Terassen-Tempel von Dér-el-bahari (Ramaka-Hatasu). Nur von letzterem sind eingehendere Publikationen von Ditmi- chen (die Flotte einer ag. Königin. Leipzig 1868; Resultate

Die Forschungen tiber den Orient. 358

der photographischen Expedition I. Berlin 1869; historische Inschriften I) und Mariette (Deir-el-bahari. Leipzig 1877) vor- handen; aus den iibrigen wurden nur einzelne Inschriften her- ausgegeben. Andere Tempel sind hier vollstindig zerstórt, so vor allem einer Amenophis III, dessen Eingang zwei Kolossal- statuen des Herrschers, die sog. Memnonskolosse, bewachten. Der nórdliche unter diesen trügt die bekannten griechischen In- schriften (am besten zugleich mit zahlreichen andern in Aegypten gefundenen griechischen Texten publizirt Lepsius Denkm. VI 76—80, 101; vgl. Puchstein Epigrammata graeca in Aegypto re- perta. Straßburg 1880).

In der Nähe von Dér-el-bahari entdeckten die Araber vor einigen Jahrzehnten in einer abgelegenen Felsschlucht, an einer schräg abfallenden Wand einen senkrecht in die Erde getriebe- nen Schacht. Derselbe führte zu einem horizontalen Gang, welcher mit regellos durch einander liegenden Särgen, Mumien und Todten- beigaben angefüllt war. Die Fundgegenstände sind jetzt größten- theils im Museum zu Bulaq. Es waren die Mumien einer Reihe von Herrschern und königlichen Anverwandten aus der 17.—21. Dyn., deren letzte ganz am Anfang der 22. Dyn. (c. 950) beigesetzt worden war; die meisten wurden während der 21. Dyn. in die- sen Schacht gebracht. Zu welchem Zwecke dies geschah ist un- klar, da wenigstens die älteren Herrscher im Thal der Königs- gräber zum Theil noch erhaltene prachtvoll ausgeschmückte Grabstätten besaßen, in welchen sich ihre Steinsarkophage be- finden. Das Interesse des Fundes (vgl. für denselben Maspero und E. Brugsch la trouvaille de Deir-el-bahari. Cairo 1881) be- ruht darauf, daß wir durch ihn die bedeutendsten Pharaonen von Angesicht zu Angesicht kennen lernen; direkte historische Notizen haben sich nur wenige gefunden. Dagegen ergab sich eine Reihe neuer Thatsachen, als Maspero sich vor zwei Jahren entschloß wenigstens einige der Königsleichen ihrer Binden zu entkleiden. Es stellte sich dabei z. B. heraus, daß der König Ra-sekenen, einer der Anführer der Aegypter im Kampfe gegen die Hyksos, eines gewaltsamen Todes gestorben war (Maspero The Academy 31. Juli 1886 p. 78. Rec. de trav. rel. e. c. VIII p. 179 ff.). Eine andere, namenlose Mumie zeigte Spuren eines Vergiftungstodes (Maspero Rev. crit. 26. Juli 1886 p. 80). In einem Sarge, welcher die Kónigin Ahmes-nefer-ateri enthalten sollte, fand sich der König Ramses III, der Rhampsinit Hero- dot’s, und daneben ein Packet mit faulenden Mumienstiicken, wohl die letzten Reste der Herrscherin. Ferner entwickelte man Seti I, Ramses XII (gewóhnlich fiir Ramses II erklärt, dessen Statuen der Mumie freilich ganz unühnlich sind) und mehrere falsche, aus allerhand mit Binden umwickelten Toilettegegenstünden, Stó- cken, Lumpen u. s. f. gebildete Mumien. Ein umfassender Be-

Philologus. N. F. Bd. 1, 2. 23

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richt über die Auswickelungen, welche hoffentlich bald fortgesetzt werden, ist noch nicht erschienen.

Die Nekropole stammt gerade aus derjenigen Periode der ig. Geschichte fiir welche die memphitische Gräberstadt weniger ergiebig ist. Die Anlagen datieren größtentheils aus der 18.—26. Dyn. und sind für die Kulturgeschichte von größter Bedeutung. Ausgenutzt sind dieselben nach keiner Richtung hin und nur Wil- kinson hat sie in eingehenderer Weise bei der Darstellung ägypti- scher Sitten und Gebräuche zu verwerthen gesucht. Die ausge- dehnteste und inschriftenreichste Grabanlage dieser Necropole publizirt Dümichen (Der Grabpalast des Patuamenap. Leipzig 1884 ff.). In einem der Gräber entdeckten die Araber vor etwa 10 Jahren die Reste einer alten Bibliothek. Es waren zahllose griechische und koptische Papyrusfragmente, meist sehr zerbrö- ckelt und von geringem Werthe, doch finden sich darunter auch eine Reihe besserer Stücke, besonders Briefe. Einer der Papyri enthielt ein griechisches Epos 9), welches in Hexametern einen Kampf der Blemmyer an den Ufern des Niles feierte und für die Literärgeschichte von Bedeutung ist (publ. von Stern, Aeg. Zeitschr. 1881 S. 70, besprochen von Bücheler Rhein. Mus. XXXIX S. 277 ff). Einen für sich abgeschlossenen Theil der Todten- stadt nehmen die Gräber der Könige der 18.—20. Dyn. ein. Es sind dies großartige Felsbauten, deren Wände mit unzäh- ligen Inschriften religiösen Inhaltes bedeckt sind. Sie behan- deln vor allem die Lehre von ‚dem was ist in der Tiefe“ und. legen dabei die Fahrt der Sonnenbarke während der Nacht von Westen nach Osten durch die verschiedenen Räume der Unter- welt zu Grunde. Die betreffenden Texte, die sich auch auf Pa- pyrus in verkürzter Form aufgezeichnet finden, haben bisher eine Behandlung nicht gefunden; doch bildet die Beschreibung, bez. Uebersetzung der im Louvre befindlichen Exemplare, durch Deveria (Catalogue des Manuscripts du Louvre. Paris 1872) eine werthvolle Vorarbeit. Die Publikation der Königsgräber selbst begann in vortrefflicher Weise Lefebure; erschienen ist bisher das Grab Seti I (Ann. du musée Guimet IX. Paris 1886).

Die Mumien aus der griechischen und römischen Zeit sind dadurch beachtenswerth, daß ihnen häufig griechische und de- motische Papyri, besonders Kontrakte enthaltend, beigegeben wur- den. Auch sind ihre Papp-Särge häufig aus beschriebenen Pa- pyris gefertigt worden und sind auf diese Weise mehrfach der- artige Texte erhalten geblieben. Endlich sind aus dieser Pe- riode die Särge der Familie eines hohen Beamten, namens Soter, kunsthistorisch wichtig; auf ihren Deckeln finden sich die Por-

6) Zwei ähnliche Papyrusfragmente mit Hexametern mythologi- schen Inhaltes, welche vielleicht dem kyklischen Gedichte des Neu- platonikers Proklus angehôrten, publizirte C. Limerick in Hermathena Nr. XI. London und Dublin 1885.

Die Forschungen über den Orient. | . 855

traits der einzelnen Persónlichkeiten in lebenswahren Farben auf- gemalt (vgl. Cros et Henry L'encaustique et les autres procédés de peinture chez les anciens. Paris 1884).

Esneh. In dem Tempel von Esneh, von welchem nur die Vorhalle ausgegraben, aber nur zum geringsten 'Theile publizirt worden ist, waren namentlich die rómischen Kaiser thütig. Die langen Inschriften zeigen die späteste Form der Hieroglyphen- Schrift, geben die letzten in Hieroglyphen aufgezeichneten Kai- sernamen (bis zu Decius) und enthalten manche historisch wich- tige Angabe.

Edfu. Ebenso wie in Denderah stammen hier die Jetzt vorhandenen Tempel aus der Zeit der Ptolemäer, wenn auch in- schriftlich feststeht, daB dieselben bereits zur Zeit der 18. Dyn. oder schon im alten Reiche geplant worden sind. Der Haupt- tempel von Edfu war dem Sonnengotte Horus geweiht und zwar insbesondere seiner Form als geflügelte Sonnenscheibe. In die- ser Gestalt hatte er, einer im 'lempel selbst aufgezeichneten Sage zufolge, die Feinde seines Vaters Osiris durch ganz Ae- gypten verfolgt und überall besiegt (Naville textes relatifs au mythe d'Horus. (Genf 1870; übersetzt von Brugsch die Sage von der geflügelten Sonnenscheibe in Abhl. der Góttinger Akad. 1870). Die zahllosen den Tempel bedeckenden Inschriften sind geogra- phisch und religionsgeschichtlich von Bedeutung, aber nur zum geringsten Theil publizirt (vgl. bes. E. de Rouge, Inscr. re- cueillies à Edfou, 2 vols. Paris 1880; J. de Rouge, 7'extes geogr. d'Edfou in Rev. arch. 1865 f.; Dümichen, Altäg. Tempelinschr. I. Leipzig 1867 e. c.).

Assuan, das alte Syene, und die ihm gegenüber im Nil liegende Insel Elephantine, bildeten lange Zeit die Südgrenze des üg. Reiches. Hier wurden vor kurzem durch die englischen Truppen unter dem General Grenfell eine Reihe von reich aus- gestatteten Felsengräbern aus der 6. und 12. Dyn. auf dem lin- ken Nilufer entdeckt und ausgegraben. (Wallis Budge Proc. Soc. Bibl. Arch. IX 78 ff: X 4 ff) Dieser Fund ist historisch in- teressant. Nachdem man die griechische Ansicht, daß die Kul- tur aus Aethiopien den Nil herabgezogen sei, aufgegeben hatte, hatte man angefangen, ihren Ausgangspunkt im Norden zu su- chen und anzunehmen Oberügypten sei erst in verhältnißmäßig später Zeit dem ag. Einflusse unterworfen worden. Aus diesen und ähnlichen Funden geht hervor daß diese Ansicht unrichtig ist und daß spätestens zur Zeit der 6. Dyn. Oberügypten den Pharaonen unterworfen und vollständig ägyptisirt worden war. Etwa gleichzeitig mit diesen Gräbern ward in Assuan eine fragmentirte, griechische Inschrift von 75 Zeilen entdeckt. Sie enthült die Copie einer Reihe von Briefen und Dekreten aus der Zeit des Ptol. Philometor, Ptol Eupator und dessen Mutter Cleopatra I zu Gunsten gewisser Priester der höchsten Göttin

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und der Hera auf Elephantine (nach einer vorlüufigen Copie publ von Sayce, Proc. Soc. Bibl. Arch. 3. Mai 1887 p. 202 ff). Die Tempel der Insel Elephantine sind fast völlig in un- serem Jahrhundert zerstórt worden. Ein Bild derselben gibt die Publikation in der Descr. d'Egypte. Sonst ist die Insel ein Fund- ort griechischer Ostraka, welche ühnlichen Inhaltes sind wie die thebanischen. Dieser F'undort ist seit lange bekannt; die in das Corp. Inscr. Graec. aufgenommenen Ostraka ") stammen fast alle von hier; jetzt scheint er fast erschépft zu sein. Das Thon- Material ist feiner und dünner als das thebanische; seine F'arbe meist schön roth. Auch die Schriftzüge sind sauberer und ele- ganter. Die insgesammt aus der späteren, besonders der Ptolemüischen Zeit stammenden Tempel der oberhalb der Kata- rakten gelegenen Insel Philae, sind wenig untersucht worden. Der Inhalt der Inschriften ist fast ausschließlich religiös. Weiter den Nil hinauf in Nu bien stammen fast alle An- lagen aus der 18.—19. Dyn., besonders von Ramses II. Die späteren Herrscher, deren Macht sich nur selten über den ersten Katarakt hinaus erstreckte, finden sich nur selten genannt. In der Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. hatte sich tief im Süden in Napata ein mächtiges Kônigreich gebildet, in welchem die Priesterschaft die herrschende Klasse bildete. Gegen Ende des Jahrhunderts war es diesem Reiche gelungen sich auch Ae- gyptens selbst zu bemächtigen. Seine Armeen zogen sogar ge- gen die asiatischen Reiche zu Felde; allein erst Sabako und dann Taharka unterlagen im Kampfe gegen die Assyrer. Unter dem Sohne des letzteren mufiten die Aethiopen Aegypten ver- lassen. Jahrhunderte lang bedrängten sie nunmehr die Süd- grenze des Landes. Bei einem Zuge gegen sie verwendete Psammetich II auch griechische Söldner, welche an den Kolossen vor dem Felsentempel zu Abu Simbel ihre Namen und damit die ältesten, sicher datirbaren griechischen Inschriften hinter- lassen haben (Wiedemann in Rhein. Mus. 35 S. 364 ff. ; Abel Wie- ner Studien III S. 161 ff). Gegen das Ende der Ptolemäerzeit rückten die Aethiopen wieder vor und unter den Kaisern finden wir sie als Herren Nubiens. Augustus schickte gegen ihre Kónigin Candace ein Heer aus und unter Tiberius erscheint ihr König Ark-Amen (Ergamenes *) als römischer Vasall (Wiede- mann L'Ethiopie au temps de Tibère in Le Muséon III p. 117 ff).

7) Nur wenige dieser Scherben sind bisher publizirt worden; un- ter den neuern Editionen ist hervorzuheben die von Birch (Proc. Soc. of Bibl. arch. 1883) von Stücken im British Museum, und die von Wessely (Neue griechische Ostraka in Wiener Studien VIII S. 116 24).

8) Dieser Herrscher darf nicht mit dem Kénig Ergamenes, wel- cher zur Zeit des Ptol. Philadelphus nach Diodor in Aethiopien der Priesterherrschaft ein Ende bereitete, verwechselt werden.

Die Forschungen über den Orient. 357

Später drangen sie noch weiter vor und beherrschten im 3. Jahr- hund. n. Chr. die ganze Thebais. Die Geschichte ihres Reiches ist wenig bekannt. Werthvolles neues Material für dasselbe er- geben die Publikationen von Revillout (Rev. égypt. IV 156 ff.; V 72 ff, 97 ff), wenn auch die von demselben aus den In- schriften gezogenen Schlüsse vielfach zu beanstanden sind. Die ülteren Inschriften, die von ihm Kunde geben, sind hierogly- phisch abgefaBt; die jüngsten, wie z. B. die Inschrift des Kó- nigs Silko (Lepsius Inschr. des Silko, im Hermes 1875) grie- chisch. Dazwischen liegt aber ein weiter Zeitraum, aus wel- chem uns zahlreiche Texte in einer noch unentzifferten (auch der Entzifferungsversuch von Brugsch, Aeg. Zeitschr. 1887 S. 1 ff, 75 ff. erscheint noch nicht abschlieBend) Sprache erhalten ge- blieben sind. (Zahlreiche Texte publ. Lepsius Denkm. Abth. V. Mehrere Papyri in derselben befinden sich in der Sammlung Rainer in Wien) Die Schrift ist wie aus der Zahl der Zeichen hervorgeht eine wesentlich alphabetische; die Schriftcharaktere scheinen dem demotischen und dem griechischen entlehnt zu sein. Wegen ihrer Aehnlichkeit mit dem demotischen und nach dem Hauptfundort der Texte, pflegt man sie als meroitisch- de- motisch zu bezeichnen.

Die StraBen vom Nilthale zum rothen Meere sind nicht ge- nauer durchforscht worden. Bereits in der 11. Dyn. standen dieselben unter staatlicher Aufsicht und waren die Pharaonen bemüht durch Anlage von Cisternen, Stationsgebäuden u. ühnl. ihre Benutzung zu erleichtern. Bis in die Rómerzeit hinein ist ihren Spuren gefolgt worden. Eine von Maspero in Koptos ver- baut gefundene lateinische, leider nicht vollständige Inschrift, welche auch für die rómischen Militairverhältnisse in Aegypten wichtig ist, legt davon Zeugniß ab (vgl. Mommsen in Eph. epigr. V p. 9 f£, Nr. 15).

3. Geschichte.

a. Chronologie.”

Die Gewinnung absoluter Daten für die äg. Geschichte ist mit großen Schwierigkeiten verknüpft, da eine Aera für prakti- sche Zwecke unbekannt war. Die Datirung erfolgte nach Re- gierungsjahren des jeweiligen Herrschers, wobei als erstes Jahr das Kalenderjahr gilt, in welchem der König den Thron bestieg. Das zweite Jahr beginnt mit dem ersten Thoth des folgenden Kalenderjahres u. s. f. Es ist dies dieselbe Datirungsmethode, welche sich in den Inschriften und auf den Münzen der römi- schen Kaiser in Aegypten angewendet findet. Die von den griechischen Chronographen erwähnten Sothis-, Phoenix-, Apis- u. a. Perioden ?) erscheinen in den Inschriften nicht verwendet.

9) Die hierher gehörigen Angaben finden sich eingehend behan- delt bei Lepsius Chronologie der Aegypter. I. Berlin 1849.

358 A. Wiedemann,

Nur einmal wird nach dem Jahr 400 eine Aera datirt, deren Anfangspunkt im 18. Jahrhundert v. Chr. lag, doch handelt es sich dabei wohl mehr um eine antiquarische Reminiscenz als um eine wirklich verwendete Aera. Aus den Regierungsdaten lassen sich keine allgemeinen Resultate gewinnen, da nur von wenigen Herrschern die Regierungsdauer bekannt ist. Ander- weitige brauchbare chronologische Angaben enthalten die In- schriften nicht. Die gelegentlich sich findenden Listen von Sternaufgüngen, Bilder astronomischer Constellationen u. s. f. sind so unklar und derartig mit mythologischen Ideen durchsetzt, daf die verschiedenen Gelehrten, die sich mit ihnen beschüftigt haben, regelmäßig zu verschiedenen Ergebnissen gelangt sind. Hauptsächlich thätig war nach dieser Richtung Seyffarth !°), der auf hóchst phantastische Weise astronomische und auch rein my- thologische Darstellungen zu chronologischen Zwecken zu ver- werthen suchte. Wie inkorrekt die Aegypter selbst in derar- tigen Dingen waren, geht am besten daraus hervor, daf auf dem einzigen Monument, welches direkt einen wichtigern astronomi- schen Vorgang, den Frühaufgang des Sirius zur Zeit Thutmes III erwühnt, der Schreiber sich um einen Monat geirrt hat.

Neuerdings hat Lieblein (Rech. sur la chronol. égypt. Chri- stiania 1873) versucht auf Grund von Angaben über die Zahl der Generationen, die von einer Dynastie zur anderen verflossen waren, chronologische Schlüsse zu ziehen. Allein die Fehler- quellen sind hier in Folge der Kürze und Ungenauigkeit der vorliegenden Listen so grof, daf die Resultate keine abschlie- Benden sein können, ebenso wenig wie dies bei gelegentlichen Bemerkungen über den Anfangstag von Feldzügen (dies ver- suchten Lieblein Rec. de trav. e. c. I 62 f, 95 f. und Krall Sitzungsber. der Wiener Akad. CV 8.419 ff.) u.s.f. der Fall sein kann.

Unter diesen Unistánden geht man bei chronologischen Un- tersuchungen immer noch von dem Werk des Manetho und des- sen Dynastienliste aus, dessen beste Bearbeitung die von G. F. Unger (Chronologie des Manetho. Berlin 1867) ist. Hier ist jedoch die Ueberlieferung der Zahlen eine auBerordentlich schlechte; da das Werk nur in Exzerpten, welche z. Th. die ausgespro- chene Absicht hatten die manethonischen Zahlen mit den bibli- schen Systemen in Einklang zu bringen, erhalten ist. Dazu

10) Eine ausführliche, sehr panegyrisch gehaltene Biographie die- ses Mannes, welcher das Verdienst hat, als erster die äg. Sylbenzei- chen als solche erkannt zu haben , sonst aber fast nur Wunderlich- keiten veröffentlichte, verfaßte Karl Knortz, Gustav Seyffarth. New- York 1886. Sie enthält u. a. ein Verzeichniß seiner Schriften und eine Reihe von interessanten Briefen, in denen Seyffarth sein Zusam- mentreffen mit Champollion schildert. Den modern wissenschaftlichen Standpunkt wahrt Seyffarth gegenüber Ebers Zeitschr. der deutsch- morgenl. Ges. 41 S. 193—231.

Die Forschungen über den Orient. 359

kommt daß man über die Vorfrage zu keiner Einigung gelangen kann ob die Dynastien, in welche Manetho seine Geschichte ein- theilt, als successive, was mir das wahrscheinlichste zu sein scheint, zu betrachten sind, oder ob man, wie dies besonders Lepsius vorschlug, eine Reihe derselben als Neben - Dynastien auszuscheiden hat. So kommt es daß auch die Bearbeiter Ma- netho’s zu lauter verschiedenen Auffassungen seines Systemes und zu verschiedenen Zeitdauern der äg. Geschichte gelangt sind. Bei derartigen Quellenverhältnissen ist es jedenfalls am gerathensten, auf die Aufstellung einer absoluten Chronologie für Aegypten überhaupt zu verzichten, bis sich neue Urkunden uns erschließen. Erst für die Zeit von Psammetich I (664 v. Chr.) an, lassen sich zuverlässige Daten ermitteln. Besser steht es um eine relative Chronologie, die Reihenfolge der einzelnen Könige wird durch zahlreiche Listen und Inschriften verbürgt, so daß hier nur in wenigen Fällen noch Zweifel zu lösen sind. Die neueste, das grundlegende Königsbuch von Lepsius vielfach vervollständigende Zusammenstellung der Königsnamen gaben Brugsch und Bouriant Le livre des roîs. I. Kairo 1887.

b. Politische Geschichte.

Das erste größere Werk, welches nach den bald überholten Arbeiten von Rosellini und Bunsen, auf Grund hieroglyphischer Urkunden die ag. Geschichte behandelte, verfaßte Brugsch (Hi- stoire d'Egypte. I. Leipzig 1859; zweite Aufl, 1. Heft. Leip- zig 1875; gänzlich umgearbeitete deutsche Ausgabe „Geschichte Aegyptens“. Leipzig 1878; engl. Uebers. von Smith, 2. Aufl. London 1881) Das Buch enthält vor allem Uebersetzungen der wichtigeren historischen Inschriften, unter Hinzufügung eines verbindenden und erläuternden Textes. Ein Mangel desselben ist das Fehlen von Anmerkungen, aus denen sich ersehen ließe woher die einzelnen Notizen von dem Verf. entnommen worden sind. Eine möglichst vollständige Zusammenstellung der aus den Texten und aus der klassischen Literatur sich ergebenden geschichtlichen Angaben unter Hinzufügung der Belegstellen, der Inschriftsüber- setzungen und einer Liste der aus den einzelnen Regierungen dati- renden größeren und kleineren Monumente gab Wiedemann (Hand- buch der ig. Geschichte. Gotha 1884 Supplement. Gotha 1888). Als Einleitung ist dabei außer Bemerkungen über Land und Leute, Sprache, Wissenschaft u. s. f. eine kritische Behandlung des Werthes der vorliegenden ägyptischen, griechischen und sonstigen Quellen für Aegypten vorangeschickt. An ein größeres Publikum wendet sich Eduard Meyer (Geschichte des alten Ae- gyptens. Berlin 1887), welcher als Fortsetzung der nur theil- weise erschienenen Arbeit Dümichen's Aegypten in der Oncken- schen Sammlung von einem sehr subjektiven Standpunkte aus

360 A. Wiedemann,

behandelt hat. Aus abgeleiteten Quellen schöpft G. Rawlinson (History of Egypt. London 1881) bei seiner fleißigen Darstellung.

Unter den Behandlungen Aegyptens in umfassenderen Wer- ken ist bei Weitem die bedeutendste die von Duncker (Ge- schichte des Alterthums. I. Leipzig 1878), der es, auch ohne die aig. Urkunden direkt benutzen zu kónnen, verstanden hat aus den ihm vorliegenden Angaben ein lebenswahres, wirklich historisches Bild zu gestalten. Mehr die kulturgeschichtlichen als die reinpolitischen Ereignisse berücksiehtigt Weber (Allge- meine Weltgesch. I); einen kurzen aber geistvollen Ueberblick über das ganze gibt Ranke (Allgemeine Weltgesch. I); für ein größeres Publikum schreibt Welzhofer (Allgemeine Geschichte des Alterthums. I. Gotha 1886). Weit ausführlicher als in allen diesen Werken ist die Besprechung des Nilthals bei Mas- pero (Histoire ancienne des peuples de l'Orient. 4. Aufl. Paris 1886; deutsche Uebers. von Pietsehmann. Leipzig 1877) Hier sind die Resultate der Denkmälerforschung in umfassender und geistvoller Weise verwendet, wenn sich auch gegen das chrono- logische System des Verf. und gegen die Art und Weise, in welcher er die Geschichte der einzelnen orientalischen Völker verknüpft, manche Bedenken geltend machen lassen. Als Nach- schlagebuch soll das Werk von Eduard Meyer (Geschichte des Alterthums. I. Stuttgart 1884), in welchem Aegypten ausführ- lieh berücksichtigt worden ist, dienen.

Die bisher erwühnten Arbeiten sind der gesammten üg. Ge- schichte, im Allgemeinen bis auf Alexander d. Großen herab gewidmet, eine Aufzählung der zahllosen Monographien über ein- zelne Dynastien, Regierungen, Inschriften würde zu weit führen. Nur auf ein Ereignif der älteren Geschichte muB kurz hinge- wiesen werden, da dasselbe für die griechisch-ägyptischen Bezie- hungen von grundlegender Bedeutung ist. Es ist dies der An- griff, den eine Reihe von Seevülkern zur Zeit des Kónigs Mer- en-ptah und Ramses III auf Aegypten machten, um sich hier neue Wohnsitze zu erobern. Sie wurden beide Male besiegt, theils erschlagen, theils zu Gefangenen gemacht. Letztere mußten in die üg. Armee eintreten und bildeten mit ihren Nachkommen den Kern des späteren Séldnerheeres. In diesen Seevölkern glaubte De Rouge (Mémoire sur les attaques dirigées contre l'Egypte in Rev. arch. 1867) griechische und italische Stämme, die Achäer, Sikuler, Sardinier u. a. wieder zu finden. Seine Ansicht hat großen Beifall gefunden; allmählig machte sich aber auch Wider- spruch geltend. Brugsch erkläi.e die Völker für kaukasische Stimme, Duncker u. a. vielmehr für Libyer und diese letztere Ansicht erscheint als die richtigste (vgl. u. a. Wiedemann, Ael- teste Beziehungen zw. Aeg. und Griechenland. Leipzig 1888).

Weit weniger als für die Geschichte der älteren Perioden ist für die Ptolemüerzeit geschehen. Die Werke von Vaillant

Die Forschungen iiber den Orient. 361

(Historia Ptolemaeorum. Amsterdam 1701) und Champollion- Figeac (Annales des Lagides. Paris 1819) sind längst veraltet und seither ist keine zusammenfassende Darstellung mehr er- schienen. Verhältnißmäßig am meisten äg. Material findet sich noch bei Sharpe (Gesch. Egyptens, deutsch von Jolowicz mit werthvollen Anmerkungen von A. v. Gutschmid. Leipzig 1857 —58); Droysen in seiner Diadochengeschichte berticksichtigt nur die drei ersten Ptolemäer und auch für diese fast ausschlieBlich griechische Quellen.

Friher bestand die Hauptschwierigkeit fiir die ErkenntniB dieser Zeit in dem Mangel an Material. Die zahlreichen klassi- schen Werke, welche dieselbe behandelten, sind verloren gegan- gen, und die gelegentlichen Angaben anderweitiger Autoren ge- nügten nicht einmal um die Folge der Herrscher sicher festzu- stellen. Jetzt ist eher das umgekehrte der Fall. Viele grie- chische Inschriften haben sich im Nilthale gefunden, aus denen sich bemerkenswerthe Resultate entnehmen lassen. Die Münz- funde haben sich dergestalt vermehrt, daß auch sie zu einer wiehtigen historischen Quelle geworden sind (vgl. für die Münzen bes. St. Poole, Coins of the Ptolemies in Numism. Chron. IV VI; Catalogue of the Greek coins in the British Museum, vol. VII The Ptolemies. London 1883). Die griechischen Papyri haben über die sozialen und natinonalökonomischen Verhältnisse rei- chen Aufschluß gebracht. Ihre Bearbeitung wurde in Folge ei- ner Preisaufgabe der Pariser Akademie, gleichzeitig von Lum- broso (Rech. sur l'économie polit. de l'Egypte sous les Lagides. Turin 1870) und Robiou (Mém. sur l’économie polit. des Lagides. Paris 1876) in Angriff genommen, wobei besonders erstere Ar- beit eine Grundlage späterer Forschungen bilden muß, wenn sie auch durch neu gefundene Texte in manchem überholt worden ist. Noch weit ergiebiger als die griechischen Urkunden sind die demotischen. Mit diesen hat sich nach den ersten Versuchen von Brugsch !!) bisher eigentlich nur Revillout beschäftigt. Der- selbe hat behufs Publikation seiner Studien eine eigne Zeit- schrift Revue égyptologique, von der jetzt der fünfte Band erschie- nen ist, begründet, und außerdem in der äg. Zeitschrift und an- deren Journalen zahlreiche Aufsätze über hierher gehörige The- mata veröffentlicht unter Beigabe der betreffenden demotischen Texte !?). Endlich sind von ihm eine Reihe von Werken er- schienen, welche theils eine Anzahl von Kontrakten im Original- text mit Uebersetzung (Nouvelle chrestomathie démotique. Paris 1878; Chrestomathie démotique. Paris 1880) publicirten, theils bestimmte Rechtsfragen auf Grund dieser Texte behandelten

11) Grammatre démotique. Berlin 1855; Die Inschrift von Ro- sette. Berlin 1850.

12) Hervorzuheben sind Aufsätze über eine Paraschistenfamilie ; ägyptische Münzen; den König Harmachis und ägypt. Ackermaße in

362 A. Wiedemann,

(Cours de droit égyptien, I 1. L'état des personnes. Paris 1884). Die Resultate, welche Revillout erzielt hat werfen auf das öf- fentliche Leben, die Verfassung, das Münzwesen, die Familien- verhültnisse ein ganz neues Licht. So ergeben die neu erschlos- senen Urkunden, um nur ein Beispiel aufzuführen, für die ag. Ehe den eigenthümlichen Umstand, daß dieselbe in drei ver- schiedenen Abstufungen abgeschlossen werden konnte. Zunächst ward durch einen rechtsgültigen Kontrakt eine Art Cohabitatio eingegangen, welche ohne weiteres lósbar war; doch bedang sich die Frau Rückerstattung ihrer Mitgift, Zahlung eines Reugeldes und Aussetzung eines Erbtheiles für etwaige Kinder aus. Der Zweck dieser Form der Ehe war wohl, sich darüber zu verge- wissern, ob dieselbe auch Nachkommen erzielte, denn der oft ausgesprochene Wunsch jedes Aegypters war es einen Sohn zu erzeugen ,um leben zu lassen seinen Namen“. In Folge dessen ward denn auch nach Geburt eines Sohnes, also meist nach etwa einem Jahre, hüufig ein neuer Ehekontrakt aufgesetzt, durch welchen eine Ehe mehr in unserem Sinne des Wortes mit glei- chen Rechten und Pflichten für beide Gatten eintrat. Das Ein- gehen dieses Verhältnisses war jedoch nicht gesetzlich vorge- schrieben, sondern in das Belieben des Einzelnen gestellt. End- lich wird noch eine dritte Art von Ehekontrakten erwühnt. Durch diese iiberschrieb der Mann der Gattin sein gesammtes Vermégen und bedang sich nur die nôthigen Subsistenz-Mittel aus, eine eigenthiimliche Sitte, welche ihren Grund vermuthlich in den sehr komplizirten Erbschaftssteuer-Verhältnissen hatte.

Auch rein historische Thatsachen haben sich aus diesen Kontrakten ergeben. So gelang es Revillout und Brugsch nach- zuweisen daß im 3. Jahrhundert Theben sich von der Herr- schaft der Ptolemäer freimachte und daß hier während mehrerer Jahrzehnte eine einheimische Kónigsdynastie regierte (Baillet Le roi Hor-em-hou in Rev. arch. 1881). Eine Verarbeitung all die- ses Materials, zu welchem in neuester Zeit noch zahlreiche be- sonders in Theben gefundene demotische Ostraka gekommen sind, ist bisher nicht erfolgt. Sie würde die unbedingt nothwendige Vorarbeit für eine auf dem jetzigen Standpunkt der Wissen- schaft stehende Ptolemäergeschichte bilden.

Noch weniger als für die Ptolemäer ist für die römischen Kaiser geschehen. Die für ihre Zeit sehr anerkennenswerthe Arbeit von Varges (De statu Aegypti prov. romanae primo et sec. post Chr. n. saeculis. Gottingen 1842) ist veraltet, aber trotz- dem die einzige geblieben. Einen kurzen, aber sehr beachtens-

ig. Zeitschr. 1879 (separat als Mélanges d'Egyptologte. Paris 1880); über äg. Numismatik in Ann. de la Soc. franc. de numssmatique et d'archéologie. Paris 1886 p. 5-46; den feststehenden Silberwerth in Aegypten in Rev. arch. 1884 Heft 2; einen Pachtkontrakt aus der Zeit des Amasis in Rev. arch. 1885 p. 257— 72.

Die Forschungen über den Orient. 363

werthen Ueberblick iber die Entwickelung der Provinz auf Grund der neuesten Forschungen gab Mommsen (Rim. Gesch. IV). Auch hier ist das Material in den letzten Jahren unge- mein gewachsen. Die ägyptischen Inschriften selbst sind frei- lich wenig ergiebig. Die Hieroglyphen waren damals zu einer Spielerei herabgesunken und enthalten die Texte fast nur ste- reotype Phrasen und religióse Angaben. Ergiebiger sind die demotischen Texte, welcher in ähnlicher Weise wie für die Pto- lemäerzeit, wenn auch nicht so reichhaltige Aufschliisse gewähren. Dann folgen griech. und lateinische Inschriften theils aus Ae- gypten selbst, theils auch aus anderen Provinzen des rômischen Reiches. Unter letzteren befindet sich ein neuerdings in Nimes entdeckter Text, welcher Hirschfeld's Hypothese (Wiener Stu- dien V S. 320), daß die unter Augustus hier angesiedelten Ko- lonisten ig. Ueberlüufer von der Flotte des Antonius !*) gewesen seien, bestütigt (Rev. arch. 1884 Nro. 5—6; cf. Phil. XLIV 759). Dies erklürt die eigenthümlichen in der Kolonie Nemausus auf- tretenden Erscheinungen, ihre eigenartigen Münzen und das häu- fige Auftreten üg. Alterthümer in der Umgebung der Stadt. Mehr Aufschluf als alle diese Quellen gewühren die grie- chischen Papyri, welche neuerdings in reicher Fülle im Fayum zu Tage getreten sind. Hier entdeckten die Araber die im Al- terthume als unbrauchbar fortgeworfenen Theile einer Bibliothek und eines Archivs, welches mehrere Jahrhunderte hindurch in Benutzung gewesen ist. Die zahlreichen von hier stammenden Bruchstiicke griechischer Klassiker und sonstiger Literaturwerke sind in dieser Zeitschrift bes. von Landwehr besprochen worden; uns interessiren augenblicklich mehr die speziell auf Aegypten beztiglichen Urkunden, die besonders von Wilcken bearbeitet worden sind (Wilcken Arsinoitische Steuerprofessionen in Sitzungs- ber. der Berl. Akad. 1883; derselbe im Hermes XIX.— XXI; in den Etudes dédiées & Leemans S. 67 f.; Observationes ad hist. Aeg. prov. Romanae. Berlin 1885; cf. Mommsen in Etud. déd. à Leemans p. 19 f.; Magirus in Wiener Studien VIII S. 92 ff. und den Zusatz von Wessely l. e. S. 109 ff: Wessely Rev. ég. III 161 f£, IV 58 ff, 177 f£, V 66 ff, 185 Rus. f. Für den Fundort Erman im Hermes XXI Heft 4). Es sind dies Rechnungen aller Art, Berechnungen der Einnahmen und Aus- gaben des Tempels des Jupiter Capitolinus von Arsinoë, Steuer- register und ühnliches, welche einen klaren Einblick in die Fi- nanzverwaltung eines ziemlich umfangreichen Bezirkes der Pro- vinz Aegypten bes. am Ende des 2. und Anfang des 3. Jahr- hunderts gewähren. Daneben ergeben sich zahlreiche für die Kulturgeschichte, die Familienverhültnisse, die Chronologie und

13) Ueber den Aufenthalt Caesars im Orient ist neuerdings zu vergleichen Judeich, Caesar im Orient. Leipzig 1885.

364 A. Wiedemann,

andere Gebiete werthvolle Notizen. In Verbindung mit den der- selben Zeit entstammenden Ostrakas miissen diese Texte die Grundlage jeder Behandlung der Verwaltung der Provinz Ae- gypten bilden; sie sind auch für die Geschichte des gesammten römischen Reiches von weittragendster Bedeutung.

c Kulturgeschichte.

Weit reicher als für die politische Geschichte fließt das Material für die Kulturgeschichte des alten Aegyptens. Seiner Benutzung stellt sich jedoch eine große Schwierigkeit entgegen; die Reliefs zeigen die Handwerker bei ihren einzelnen Beschäf- tigungen, beweisen also die Existenz der verschiedenen Gewerbe, sind aber nur selten genau genug ausgeführt um (über die Art und Weise des Gewerbebetriebes Aufschluß zu gewähren. Das- selbe ist der Fall bei Darstellungen des Hofstaates, von Fest- lichkeiten, bürgerlichen Handlungen u. s. f. Ueberall werden Episoden vorgeführt und nicht der Verlauf der einzelnen Vor- günge. Systematische Werke, welche diese Lücke ausfüllen kónnten, sind nicht erhalten; ihre Existenz ist bei der unme- thodischen Denkart der Aegypter überhaupt fraglich. Die gele- gentlichen Angaben der Inschriften über kulturhistorische Dinge Sind nur schwer benützbar; der genaue Sinn technischer Aus- drücke wie der Beamten-Titel, der Namen von Gewerben, Stof- fen, Manipulationen ete. ist meist unbekannt und nur sehr schwer festzustellen; annähernde Uebersetzungen genügen hier zwar um den Sinn des Ganzen ungeführ zu erkennen, nicht aber um daraus sichere Schliisse zu ziehen. Fast mehr als die Ae- gypter selbst, lehren die Griechen, unter denen bes. Herodot und Diodor sehr werthvolle Notizen ergeben. Ihre Benutzung muß freilich mit Vorsicht erfolgen, da sie nur zu gerne mit der den Griechen innewohnenden Neigung zur Verallgemeinerung aus Einzelerscheinungen Schliisse auf allgemein geltende Gesetze und Gepflogenheiten gezogen haben. Thatsächlich falsch sind ihre Angaben hier selten, wohl aber sind sie fast regelmäßig zu weit gefaßt und bedürfen wesentlicher Einschränkungen.

Diese Schwierigkeiten haben zur Folge gehabt, daf das Gebiet der aig. Kulturgeschichte fast ganz unbearbeitet geblieben ist. Das erste, das ganze Gebiet umfassende Werk verfaßte Wilkinson (Manners and customs of the ancient Egyptians. 6 Bde. London 1837—41. 2. Aufl. von Birch 3 Bünde. London 1878; Auszug daraus Wilkinson Popular account of the ancient Egyp- tians. 2 Bde. London 1854), welcher außer den Angaben der Klassiker die Darstellungen der thebanischen Grüber in umfas- sender Weise verwerthete, auf eine Benutzung der Inschriften muBte er bei dem damaligen Stand der Wissenschaft fast ganz verzichten. Auch in der neuen Auflage ist diese Lücke nicht entsprechend ausgefiillt worden. Die Texte ihrerseits legte Er-

Die Forschungen über den Orient. 365

man (Aegypten und dg. Leben im Alterthum. 2 Bde. Tübin- gen 1885—7) zu Grunde, welcher dagegen die Angaben der Klassiker fast vollständig überging. Seine Darstellung umfaßt nur die älteren Perioden und schließt vor dem Eintritt ägyp- tisch-griechischer Beziehungen.

Von monographischen Bearbeitungen einzelner kulturhistori- scher Fragen ist nur wenig hervorzuheben. Eine vortreffliche Behandlung der nach dieser Richtung hin besonders ergiebigen ig. Briefsammlungen !4) verdankt man Maspero (Du genre épi- stolaire chez les anciens Egyptiens. Paris 1872), welcher auch die übrige fiir Sitten und Gebräuche werthvolle schôngeistige Lite- ratur behandelt hat (Etudes égyptiennesI 1—3. Paris 1879—83; les contes populaires de l'Egypte ancienne. Paris 1882). Ueber die angebliche Eintheilung des Volkes in Kasten schrieb Wie- demann (les castes en Egypte in le Muséon 1886); dieselben haben in ihrer indischen Form im Nilthale nie bestanden, wohl aber ist eine deutliche Tendenz ersichtlich einzelne Stellungen, wie z. B. das Oberpriesterthum des Ptah von Memphis erblich zu gestalten. Fiir das Gerichtswesen sind zu nennen Maspero (Une enquête iudiciaire à Thèbes in Mém. prés par div. sav. à l Acad. des Inscr. VIII 2 p. 211— 296) und Erman (Aeg. Zeitschr. 1879 S. 71 ff, 148 ff.), welche beide auch Vertriige aus der Zeit der 14. Dyn. besprachen (Maspero Transact. of the Soc. of Bibl. arch. VII p. 6— 36; Erman Aeg. Zeitschr. 1882 S. 159 ff). Von wissenschaftlichen Gebieten sind Mathematik und Medizin durch Papyrus-Funde näher bekannt geworden, fiir erstere ist der wichtigste Text der Pap. Rhind des British Museums (Ei- senlohr Ein mathematisches Handbuch der alten Aegypter. 2 Bde. Leipzig 1877), fiir letztere der Papyrus Ebers (Ebers Papyros Ebers. 2 Bde. Leipzig 1875). Fiir die Gewerbe ist zu vergleichen Maspero (Journ. asiat. VII ser. 15 p. 116 ff), zahlreicher kleinerer Arbeiten nicht zu gedenken. Fiir Kostiim- kunde ist noch immer am vollständigsten Weiß (Geschichte des Kostiims der vornehmsten Vélker des Alterthums I. Berlin 1853), aber freilich nicht immer zuverlissig. Genauer ist die Dar- stellung bei Erman (Aegypten I S. 280 ff). Für. die me- tallurgischen Kenntnisse der Aegypter ist ein grundlegender Text in dem Chemischen Papyrus Leyden vorhanden (publ. Leemans Pap. Graec. Musei Lugduno - Batavi II. Leiden 1886, vgl. Ber- thelot Journ. des Savants 1886 April), welcher Anweisungen zur Mischung, Läuterung und Prüfung von Metallen enthält. Der

14) Die meisten hierher gehórigen Papyri befinden sich in Lon- don (publ. Select Papyri in the Hieratie character. I. London 1844), einzelne sind in Bologna (Lincke Correspondenzen aus der Zeit der Ramessiden. Leipzig 1878), Berlin (Wiedemann Hieratische Texte aus Berlin und Paris. Leipzig 1879), Turin (Rossi und Pleyte Papyrus de Turin. Leyden 1869—76) und andern Museen.

366 A. Wiedemann,

Papyrus stammt zwar erst aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. doch haben die in ihm niedergelegten chemischen Kenntnisse jedenfalls einen weit älteren Ursprung !°). Die auf den Monumenten er- scheinenden Metalle und ihre Verwendung besprach Lepsius (Die Metalle in den äg. Inschriften in Abhandl. Berl. Akad. 1872; frz. von Berend, Paris 1877 mit Zusätzen von Lepsius).

d. Kunstgeschichte.

Das erste die gesammte Entwicklung der äg. Kunst behan- delnde Werk stammt von Perrot und Chipiez (Gesch. der Kunst im Alterthum. I. Aegypten, deutsch mit Zusätzen von Pietsch- mann. Leipzig 1882—83). Die Arbeit ist als ein erster Ver- such von hohem Werthe, stellt auch das Material mit grofer Vollstindigkeit zusammen, doch sind gegen zahlreiche Anschau- ungen erhebliche Einwendungen zu machen und sind vor allem die Illustrationen nicht treu genug. Sie sind viel zu kiinstle- risch aufgefaßt und geben das Schematisch -steife der Originale nicht entsprechend wieder. Neuer und besser ist Maspero Ar- chéologie égyptienne. Paris 1887, welcher auf Grund eines um- fassenden Wissens besonders die religiôse Kunst, die Tempel und deren Ausschmiickung, daneben aber auch das Handwerk, die Technik, u. s. f. eingehend besprach. Für die Auffassung der Entwickelung der Architektur war grundlegend eine Unter- suchung von Lepsius (Ueber einige äg. Kunstformen und ihre Entwickelung in Abh. der Berl. Akad. 1871). Die Skulptur behandelte Soldi (La sculpture égyptienne. Paris 1876); die Ent- wickelung der Ornamente von Sybel (Kritik des ag. Ornaments. Marburg 1883; vgl. Brunzlow Ueber das Formenprinzip in der bildenden Kunst der Aegypter. Schwerin 1883). Eine grofe Rolle in der ig. Kunst spielt die Pflanze, ihr sind die Säulen nachgebildet ; zahlreichen Ornamenten liegt sie zu Grunde und fiir die Relief-Darstellungen hat die Pflanzenwelt ungemein häu- fig Motive geliefert. Vom kunsthistorischen ebenso wie vom bo- tanischen Standpunkte aus besprach Woenig (Die Pflanze im alten Aegypten. Leipzig 1886) die auf den Monumenten dar- gestellten und in Gräbern sich findenden Pflanzen. Gerade in letzterer Beziehung hat der Mumienfund von Dör-el-bahari große Ausbeute geliefert; seiner Untersuchung unterzog sich Schwein- furth (De la flore pharaonique. Cairo 1883. Ber. der Deutsch. Botan. Gesellsch. I. 544 ff., II 351 ff), dem die Bestimmung der Pflanzenarten in Folge ihrer guten Erhaltung möglich war. Die Resultate waren botanisch von Interesse; es ergab sich daß die Arten mit den noch jetzt im Nilthal vorkommenden völlig übereinstimmen und daß sie in den seither verflossenen 3—4

15) Einen koptischen alchemistischen Text edirte Stern Aeg. Zeit- schr. 1885 S. 102 ff,

Die Forschungen iiber den Orient. 367

Jahrtausenden nach keiner Richtung hin eine Veränderung er- fahren haben !$).

e. Religion.

. Reicher als für irgend ein anderes Gebiet der Aegyptologie fließen hier die Quellen. Freilich nicht die klassischen; was die Griechischen Autoren von der ag. Gôtterwelt, den Mysterien u. s. f. berichten, ist fast durchweg unrichtig. Sie haben ge- glaubt am Nile ihre Gôtter wiederzufinden und in Folge dessen Identifikationen derselben mit ig. Gestalten versucht. Diese be- ruhen insgesammt auf rein äuBerlichen Aehnlichkeiten, in ihrem Kerne sind beide Religionen durchweg verschieden. Um so er- giebiger sind die ag. Texte. Gerade die Tempel und Gräber sind erhalten geblieben, während die Städte der Lebenden ver- schwunden sind, so daß man ohne Uebertreibung sagen kann, daß eigentlich alle erhaltenen ag. Denkmäler zur Religion in einem engen Verhältnisse stehen. So grof aber auch die Quan- titit der Texte ist, so gering ist ihre Qualität. Meist sind es stereotype Formeln und Adorationsscenen, aus denen sich auf den Inhalt der Glaubenslehren keine Rückschlüsse ziehen lassen. In ihnen treten tausende von Göttern auf, ohne daß deren Natur näher bestimmt würde; dieselben sind einander so ähnlich, daß ihre Einordnung in ein System einstweilen unmöglich erscheint. Und dies um so mehr als nur wenige Gestalten monographisch auf Grund der Texte behandelt worden sind, und auch da wo dies geschehen ist, das Material nicht erschöpfend ausgenutzt werden konnte. Die wichtigeren, hierher gehörigen Untersu- chungen betreffen die Götter Osiris (Lefébure Le Mythe osirien. 2 Thle. Paris 1874—75), Thot (Pietschmann Hermes Trisme- gistos. Leipzig 1875); Set (Pleyte. La religion des Pré-Israé- lites. Utrecht 1862, Lettre è Devéria. Leiden 1863, Set dans la barque du soleil. Leiden 1865; Meyer, Set-Typhon. Leipzig 1875); Amon Ra (Grébaut, Hymne & Ammon-Ra. Paris 1874); die vier Elementar-Gottheiten (Lepsius Ueber die Gótter der vier Elemente in Abh. der Berl Akad. 1856); die widderkö- pfigen Götter Chnum und Amon (Lepsius Ueber Amon und Chnumis in Aeg. Zeitschr. 1871).

Die Arbeiten, welche die üg. Religion als solche behandeln sind sehr zahlreich. Ihre Verfasser sind jedoch meist nicht Ae- gyptologen sondern Dilettanten; ihr Zweck kein wissenschaft- licher, sondern ein populärer. In folge hiervon sind sie auch fast durchweg unbrauchbar und vóllig werthlos. Von ügypto- logischen Werken ist hervorzuheben neben einem populüren und

16) Die ág. Pflanzenwelt überhaupt behandelten eingehend Ascher- son und Schweinfurth Illustration de la Flore d Egypte. Le Caire 1887 aus Mém. de lInst. eg. II.

368 A. Wiedemann,

oft sehr phantasiereichen von Lieblein (Egyptian religion. Leipzig 1885; Gammelaegyptisk Religion. Kristiania 1885) ein sehr interessantes von Brugsch (Religion und Mythologie der alten Aegypter I. Leipzig 1885). Der vorliegende erste Band be- handelt in philosophischer und oft sehr kiihner Weise die Grund- lehren der ig. Religion. Ueber die Berechtigung der einzelnen Sätze wird sich ein definitives Urtheil jedoch erst nach dem Er- scheinen des zweiten Bandes, welcher die Belegtexte enthalten soll, geben lassen. Ueber das Wesen der ag. Religion handelte Le Page Renouf ( Lectures on the origin and growth of religion as il- lustrated by the religion of ancient Egypt. London 1880; deutsch. Leipzig 1881). Im Großen und Ganzen ist entschieden für Bearbeitungen der Gesammt- Religion die Zeit noch nicht ge- kommen; unser Wissen zeigt nach allen Richtungen hin noch viel zu große Lücken und ehe man an weitergehende Schlüsse denken kann muß erst die Basis der ganzen Lehre, das Wesen der einzelnen Gottheiten bekannt sein. Jedenfalls ist es nicht móglich auf Grund der Angaben der Gnostiker, Neu-Platoniker u. s. f., besonders des Iamblichus, die religiósen Mysterien zu enthüllen, wie dies nur zu oft versucht worden ist. Es ist rich- tig, daß sich in diesen Schriften zahlreiche ag. Elemente vor- finden und daf dies vor allem in den im Nilthal entstandenen gnostischen Compositionen der Fall ist. Weniger freilich in der von griechischer Philosophie beeinflußten koptisch erhaltenen Pistis Sophia (ed. Schwartze und Petermann. Berlin 1851), als in einer Reihe von Papyris, bes. den neuerdings von Leemans (Papyri graeci. Lugduno Batavi II) publizirten. Die äg. Leh- ren sind hier aber überall dergestalt mit griechischen , hebräi- schen, syrischen und anderen vermischt, daß es unmöglich ist aus ihnen Schlüsse auf die Natur ihrer einzelnen Bestandtheile zu ziehen. Die äg. Religion kann zur Erklärung dieser gno- stischen Lehren dienen, nicht aber ist das Umgekehrte möglich. Genau dieselben Grundsätze müssen bei der Behandlung der demotisch - gnostischen Texte, wie des Leidener Papyrus (ed. Leemans Aeg. Monumente. Lfg. 1—3. Leiden 1839) geltend gemacht werden.

Der einzige Theil der äg. Lehren, über welchen wir ge- nauer unterrichtet sind, ist der auf das Leben der menschlichen Seele nach dem Tode bezügliche. Diese wird behandelt in dem sog. Todtenbuch, einem verschiedenen Zeiten entstammenden Sam- melwerke, von dem uns Abschriften aus der Periode von der 11. Dyn. bis zu den römischen Kaisern herab in großer Zahl überkommen sind. Die Exemplare sind an Linge und Zusam- meusetzung verschieden; die in ihnen auftretende Lehre jedoch ist überall fast völlig die gleiche.

Nachdem mehrere kürzere Exemplare des Werkes verüf- fentlicht worden waren, erfolgte eine grundlegende Publikation

Die Forschungen iiber den Orient. 369

mit Hülfe eines Papyrus der saitischen Epoche durch Lepsius (Das Todtenbuch der Aegypter. Leipzig 1842), der später auch eine Reihe von Copien aus dem alten Reich veróffentlichte (Ael- teste Texte des Todtenbuchs. Berlin 1867). Eine kritische Ausgabe der Exemplare aus der Bliithezeit der Monarchie ver- dankt man Naville (Das ag. Todtenbuch der 18.—20. Dynastie. Berlin 1886. 2. Bde. Tafeln und 1 Bd. Einleitung). Es ist dies eine ganz vorziigliche Arbeit, auf welche man bei Behand- lung religióser Fragen stets wird zurück gehen müssen. Da- neben haben die hier gesammelten ausgedehnten Texte auch für grammatische und lexikographische Studien große Bedeutung.

Ergünzt werden die Angaben des Todtenbuches durch zahl- reiche Texte, welche entweder aus einer Compilation einzelner Sütze des Todtenbuchs bestehen oder auch selbstindige Compo- sitionen ähnlichen Inhaltes enthalten. Hierher gehórt das Buch vom Athmen (publ Brugsch Sai an Sinsin. Berlin 1851; de Horrack Le Livre des Respirations. Paris 1877), die Klagen der Isis und Nephthys (publ De Horrack Les Lamentations d'Isis et de Nephthys. Paris 1866), das Buch vom Durchwandeln der Ewigkeit (publ. von Bergmann in Sitzungsber. der Wiener Akad. 1877), die Hymnen an Osiris (bester Text publ. von Chabas in Rev. arch. 1857), die Zusatzkapitel zum Todtenbuch (publ Pleyte Chapitres supplémentaires du Livre des Morte. 3 Bde. Leyden 1881) u. s. f. Weitere Angaben machen die Sarko- phagtexte, die Grabinschriften und die magischen Papyri, so daß über den Kern der Unsterblichkeitslehre keine Zweifel mehr obwalten kónnen. Die Behandlung ihrer Einzelheiten auf Grund der Texte würde eine sehr lohnende Aufgabe bilden.

Die große Zahl der im Vorstehenden aufgeführten Werke, zu denen noch viele andere, deren Titel übergangen werden mußten 17), hinzukommen, wird beweisen, welch reges Leben auf dem Gebiet der Aegyptologie herrscht und wie zahlreiche Fragen hier bereits gelöst worden sind. Die beigefügten Erörterungen sollten aber andrerseits zeigen, wie viele Lücken noch ausge- füllt werden müssen, ehe die Wissenschaft auch nur zu einem vorläufigen Abschluß gebracht werden kann. Je mehr dies aber geschieht, um so mehr werden ihre Resultate auch für andere Wissenschaften, insbesondere für die klassische Philologie und Alterthumskunde, an Bedeutung gewinnen.

17) Ein vortreffliches bibliographisches Hülfsmittel bei Aegypten betreffenden Fragen bildet Jolowicz Bibliotheca Aegypitaca. Leipzig 1858; Supplement. Leipzig 1861. Neuer ist Ibrahim-Himly The lite- rature of Egypt and the Soudan from the earliest times to the year 1885. I A—L. London 1886.

Bonn. A. Wiedemann.

Philologus. N.F. Bd.I, 2. 24

Miscellen.

13. Zu Aristophanes.

1. Wolkenkukuksheim ist erbaut, die Gótter vermissen den gewohnten Opferdampf. Da sendet Zeus die Iris ab, um die Menschen an ihre Pflicht zu erinnern. Sie geräth in die Vogel- stadt und wird von Peithetairos über ihr unbefugtes Eindringen zur Rede gestellt. In dem héchst lebendigen Zwiegespräch, das sich zwischen beiden entwickelt, lesen wir Av. 1212 sq. die Worte: "góc rovg xodostoyove ztQ007A9 tc ; Akyesc; | Cpoauyid Eye maga ıwv nelugywv; So pflegt in den Ausgaben geschrieben zu wer- den, während die Hss. (RVAT' Vat.-Urb. Ven. 474 leider sind die Angaben bei Blaydes, wie gewóhnlich, recht mangelhaft) noch Jc vor 10007495 bieten; ferner haben VAI' xoAosovg statt xo- Aow«Qyovc (so außer R auch B und Havn., diese in der Form xoÀowtgyag). Schnee de Aristophanis manuscriptis etc. p. 9 tadelt die Auslassung des sicher überlieferten mw¢ und sucht es, nach dem Vorgange von Bergk, der zog roig xolovagyoug nugrates ; vorschlug, wieder in den Text zu bringen. Des zw wegen müsse man offenbar, meint er, z«974A9:c schreiben, und das scheine auch der Schol. gelesen zu haben, da er zu oyegayida 1213 be- merke: oiov ovußoAor àni r$ ovyywond vas nugeAdeliv. Mit Un- recht habe aber Bergk xodo:ugyovg aus dem R behalten: denn wer an der Wache vorbeizuschlüpfen wünsche, habe ‘nicht so sehr den Wachtkommandanten als den Wachtposten selbst zu meiden. Auch sei der Plural xoAow«gyovg anstößig, man erwarte vielmehr den Singular, wie 1215 dgrf9ueyoc; endlich sei nicht zu übersehen, daß der Schol. (RVA) zu 1212 bemerke #uego- griuxes yoo oi xoAosol und daß der Dichter 1174 sage Aadwr xokocoùc quAexac tutgooxonov;. So schlägt er denn vor zu schreiben: ng z0ùs xodosovs yóQ nugñAdes; ov Ayes ;

Miscellen. 871

Eine überkühne Kritik! Das Wort xwe ist glücklich in den Text gebracht, aber um welchen Preis! gegen alle Hss. ist 1) zwg umgestellt 2) xooc getilgt 3) yng eingeschoben 4) n900743 tc in suonAdes geändert 5) ist gegen den E xolosouç aufgenommen! Das Wort xoloséeyous aber ist als anak elgnuévoy meines Er- achtens über allen Verdacht einer Interpolation erhaben: es ist so gut wie 6or(9ugyos 1215 von Ar. nach Analogie von fz- zagyoc und andern Worten gebildet; auch an dem Plural finde ich nichts Anstößiges, wenigstens ist Schnees Hinweis auf 1215 ganz verfehlt, denn dort heißt es ovdè ovuffodor | énéBadev à g- »í(Jagyoc obOcíc 00 nugwv; Die Lesart xodosovs dagegen ist entweder auf einen Schreibfehler zurückzuführen oder auf die Absicht durch Beseitigung einer Silbe dem "Verse aufzuhelfen. Das nowrov yevdos in der ganzen Behandlung der Stelle ist die Annahme, wer zog aufnehme, müsse #agÿAdeç schreiben, wozu dann wieder xoAos«gyovs nicht passe. Ich denke, mws läßt sich noch auf andere einfachere Weise in den Text bringen, indem man es nach Tilgung von ov mit A&ysıc verbindet und diese Worte der Iris giebt: /7. 1905 rovg xoÀowxQoyovg nQocnjA9tc; I. noc Aéyes 3 | HI. oygayid’ Eyes naga 1ùv neÀagyQv; I wl ro xuxôv; | 77. o)x fluBec; I vysatvers pév; So kommt zugleich mehr Lebendigkeit auch in diesen Theil des Gesprächs: es fol- gen auf einander die 3 Fragen der Iris nog Aéyeis 1212, rl 10 xaxór; 1213, vysalveus uév; 1214 in charakteristischer Steige- rung. Die Frage nwe Afysıs; bezieht ich eben auf das der Iris neue und nicht recht verständliches Wort xoAosdeyous, wie il 10 xaxov; auf opoayidu. Ebenso zum leblraften Ausdruck der . Verwunderung dient die Frage nwe¢ Aéyeg; Av. 323. Th. 6 (mus Alyaıs; avdic podoov) und R 515. zgg nc; Av. 818. Pl. 268. Auch wird so der Anstoß beseitigt, den, vielleicht mit Recht, Herwerden ez. crit. p. XII an der Frage Afyaıs; ge- nommen (anders ovv ov Afysıs; Ach. 359): man erwartet eher, was auch Blaydes aufgenommen hat, oùx 2geis; vgl Ach. 580. Av. 67. ovxov» égeig; P. 185 (Philol. Suppl. V 2 S. 257 sq.) E. 1144. Pl. 71. 974.

2. Die Vögel sind durch die Ankunft des Peithetairos und Euelpides in Aufregung versetzt und wollen über sie herfallen. Der Epops sucht sie zu beruhigen durch die Bemerkung, jene könnten doch vielleicht gekommen sein, um die Vögel etwas Nützliches zu lehren. Der Chor bezweifelt dies wegen der alten Feindschaft zwischen Menschen und Vógeln, worauf der Epops erwidert 975 : add’ an’ éySowv di (so RVAT, nach Blaydes auch B4, die Ausgaben seit der Aldina dire) molla pardavovow oi cogot. Schnee S. 9 sq. stößt an diesem Verse an: er sieht dia als Interpolation an, vermißt xaf vor and und hält wodda nicht für richtig, da man nicht Vieles, sondern Nützliches von den Feinden lernen müsse. Zudem sei, was der Vers enthalte,

24*

872 Miscellen.

besser 382 gesagt: LOTS WOY wt Fou yàg av ti xàmo rjj» ZyIgwv cogpdé. Der Vers sei wohl aus einer zu den folgenden Worten beigeschriebenen Erklärung entstanden. Das ist schwer zu glau- ben. Denn auf die Frage der Vögel: „wie könnten uns diese etwas Nützliches lehren, da sie von alters her unsere Feinde sind?“ muß der Epops nothwendiger Weise zunächst den Ge- danken aussprechen, daB man allerdings von den Feinden vieles lernen kónne; die Rede würde sehr abgerissen erscheinen, sollte Peithetairos seine Auseinandersetzung sofort mit den Worten 7 yao evAdBea eub nuviu 376 beginnen. Auch verrüth das of- fenbar zur captatio hinzugesetzte of cogoi doch wohl eher die Hand des Dichters als die eines Interpolators. Erwägt man den Gedankengang genau, so wird man auch ein x«í nicht vermissen: der Epops behauptet, daB man allerdings von Feinden manches lernen kónne, und nennt im folgenden gerade das, was nur der Feind, nicht der Umgang mit Freunden lehre: dadurch ist xaf hier ausgeschlossen, während es 382 in den Worten des zógernd nachgebenden Chors ganz an seiner Stelle ist. d77@ scheint freilich auf einer alten Conjectur zu beruhen: aber ihr Alter wird ihr hoffentlich nichts schaden, wenn sie nur leicht und gut ist und das ist sie, denn dira, eine Lieblingspartikel des Ar., ist ganz an seinem Platze, wo es sich, wie hier, darum han- delt, etwas in Frage Gestelltes zu bestütigen und mit Nachdruck als ganz evident zu bezeichnen (vgl nur Wehr quaest. Ar. p. 79 sq). Daher würde ich auch die nahe liegende Aenderung zonorà noli verschmühen: der Begriff „Nützliches“ ergänzt sich leicht aus dem in der vorhergehenden Frage stehenden 74 xonoiuov (oder ygnoió» nach Thomas de Ar. Avibus p. 49 und Kock ex. cr. p. 9; die Conjecturen von G. Hermann ZFAW 1842 p. 1221 sind zu verwerfen).

9. Peithetairos bereitet ein leckeres Mahl und sagt Av. 1579 sq.: thy mooxvgorí(v por dorw* qépe olAysov' | rugôr ge- géræ rug? nvgnoÀs rovc ürdgaxac. Die interpolierten Hss. haben statt wor dorw (so RVA) uc dorw, und so fordert auch der fest- stehende Sprachgebrauch: dozw res Av. 1693. Lysipp. 9 I 708. Antiph. 136 II 67. dorw ns L. 186. Plat. 10 I 603. Alex. 286 II 401. reg dorw Antiph. 74, 7 II 41. us— oro R. 871. Men. 258 III 75 (?). zig wos dorw Av. 1187. éxdotw ris PI. 1194. dxdorw-rıc F. 348. Yrw ng Av. 229. L. 688. rg xaudeociw E. 366. ng xadss Pl. 1196. AuBerw reg Av. 1055. eéxdaxnoarw rig V: 1525. «voiyérw nc F. 268. molto Plat. 69, 8 I 620. pegtre ric Av. 1580. pegétw 115 Av. 464. 1325. L. 199. àxge- pére 106 Eq. 1407. Zveyxaıw mg Ach. 805. N. 1490. P. 1149. Th. 238. R. 1304. éveyxurw— atc V. 529. re Éveysd 10. Cratin. 251 I 89. rig elosveyxuiw Pl. 228. ng éfereyxarw V. 860. nc &yysı Henioch. 1 IE 431. mg éyyeaiw Philem. 9 II 480. Diesen 86 Komikerstellen gegenüber wüßte ich außer unserer Stelle nur

Miscellen. 373:

noch eine anzuführen, wo xs und zwar in allen Hss. fehlt: V. 935: 0 Peouotéizns nov ‘09; oùros, autda wos dérw so hat z. B. Meineke, während Richter die Worte so verbindet: 6 de- cuodtrns. noU "63° ovrog; aulda uos dorw mit einer etwas geschraubten Erklärung. Der Vers eignet sich nicht zum Eides- helfer, er bedarf selbst der Heilung: etwa 0 Seouodérnc. moü "oF; ovioc, áp(da uo. dore vgl. N. 907: dore por Acudvqv und V. 166: dore wos Elpos und über die Verbindung der An- rede an einen einzelnen mit einer Aufforderung an mehrere Av. 850: aut noi, 10 xavo)v aïgeode xai rv yéoviBa. V. 975. L. 1166. schol Ach. 115. Kock zu R. 1479. Weniger empfeh- lenswerth wäre ovr0c, auidu wos dog (vgl. Av. 988: ovrog dog und über ov beim Imperativ Pl. 935: dog ov mos). Kock zu Av. 1579 dachte geradezu an auldu ri; dérw damit ließe sich aber ovzo¢ schwerlich verbinden. An der Stelle in den Vö- geln halte ich es für unbedenklich 716 aus den geringeren Hass. aufzunehmen : mindestens ist es eine alte, aber darum doch nieht zu verwerfende Conjectur (us konnte nach zugoxrnorıv leicht ausfallen). Schnee S. 10 ist anderer Ansicht: er verschmäht zc und glaubt den Anstoß, den auch er hier nimmt, durch Um- stellung der Verse zu beseitigen : zvgó» peoérw ug" mvQnóÀt rovg avdouras | Tv rvooxvgoiiv pos dorw géos cligsov. Er hätte zur Empfehlung seiner ansprechenden Vermuthung anführen kón- nen, daß so gége und gegérw passend von einander weiter ent- fernt werden und das ofAgiov nicht mehr störend zwischen rvgó» und rvgóxvgonuv tritt, sowie daß es angemessener ist zuerst den Küse und dann erst die Küseschabe zu verlangen (vgl. auch 533 sq.) Wenn Schnee indessen glaubt, das Vorangehen von gegétw 1:15 mache die Hinzufügung des ng zu dotw entbehrlich, so wird man ihm schwerlich beistimmen Künnen: sind doch beide Aufforderungen durch eine andere, selbstindige getrennt; überhaupt stehen die vier Befehle asyndetisch, selbständig neben einander, jeder mit einem besonderen Verbum, wie sie sich eben anf vier verschiedene Handlungen beziehen. Etwas ganz anderes ist es, wenn aus einem vorangehenden Nebensatze rng zum Imperativ. ergünzt wird oder vielmehr dieser Nebensatz selbst Subjekt zum Imperativ ist: vgl. ei rec Bovderas, —tiw Av. 754 (= dog BovAetas, rw L. 1210. no00s49érw 0 PovAousvog Pl. 928). # zus Iveacw eloirw V. 891. st us quow, elotıw V. 1499. ei rig old, èuol xuzecnatw P. 20. un tig Phénes, Vio) E. 1143.

4. Ich gedachte vorhin der Möglichkeit des Ausfall»von rig nach zugoxvnotiv es giebt, glaube ich, noch manche andere Stelle im Ar., an der die Aufeinanderfolge ähnlich lautender Silben oder Worte Ausfälle verursucht hat, die dann von inter- polierender Hand ungeschickt ergänzt sind. So heißt es in dem Hundeprocesse Vesp. 940 sq. BAE. aM Eu av y' ovgeis xai (besser Richter xov) xadites oëdénw. | DIA. rovrov olpus

374 Miscellen.

"yw (Hirschig, ou” &yw RV) yecstodar ınuegov. Das entspricht nicht ganz dem Sprachgebrauche des Ar.: dem Verbum oluns (olouaı, dor. ol) pflegt er, sei es mit einem abhängigen Satze verbunden oder parenthetisch eingefügt, das Pronomen nicht hin- zuzufügen (wie 36 Stellen zeigen: Ach. 1018. Eq. 407. 413. 429. N. 373. 1112. 1113. 1185. 1311. 1342. 1391. 1405. V. 295. 515. P. 863. 1286. Av. 75. 986. L.81. 156. 554. 998. 1256. Th. 27. R. 491. 803. E. 164. 280. 664. 1036. Pl. 114 bis. 267. 473. F. 464, 2. 646), es sei denn, daß er den Gegensatz zu einer andern Person nachdrücklich hervorheben will, wie Th. 441: we èy@ua. PI 834: xuyw uiv ous. R. 934: #0 de -- eum. F. 636: œ@unr Ëywye. Pl. 489: &ywy’ ouai Th. 594: ofouos "yoy . Das ist aber an der vor- liegenden Stelle kaum der Fall, und daher glaube ich, daß éyw von einem Interpolator herrührt, der eine fehlende Silbe suo Marte ergänzte, und daB Ar. schrieb: zoviov y” oluas xai (vel) zeostoda: imuegor. Daß damit ein Beispiel für die cae- sura media fortfällt (Preu de senarii graeci caesuris p. 110), kann der Conjectur nur zur Empfehlung dienen. Der Vorschlag Reiskes dagegen rounuegor totum triduum für rfusgov ist trotz Richters bedingter Beistimmung (quod conveniret, si legeretur: Tovıov geosiodaî y oly èycò roujueoor) entschieden abzulehnen: 7- peor „heute noch“ (vgl. zzde Smuéox Th. 76) dient zur Ver- stirkung der in den Worten liegenden Drohung, wie oft: vgl. nur Eq. 68. N. 699. 1491. V. 643. P.248. Av.10495. 1465. L. 685. 'Th. 729. R. 577. Pl. 433. 947. F. 597. Frankfurt a. O. O. Bachmann.

14, Zu Theophrast.

-

"Theophr. char. 28 a. med. avrus ul yuvutxec, sagt der Schmähsüchtige, éx zig odov ro)g maosovias Gvvagnalovos xai olx(a ww; avin Ox£Àg foxvia ov ydQ ovv Agos tori 10 Atyo- pévov GA dono ai yuvaixes Ev roig odoig cvvégovia.. Das zweite yvvaixeg ist, wie mehrere Herausgeber erkannt haben, in xuves zu verwandeln, aber nicht mit Petersen und Ussing das zum Gedanken gut passende àv raig ódoig als Dittogramm zu streichen : dazu ist die Aehnlichkeit von 2x 175 ódov nicht groß genug und auch das falsche yusaixeg dürfte nicht sowohl einer Dittographie sondern der unüberlegten Aufnahme einer das ver- glichené Subject ergänzenden Randglosse in den Text zu ver- danken sein. Vielmehr ist mit Meier und Foß ovvegyorras (coeunt) zu schreiben. Die olxla za oxéln noxvia bietet auch bei Us- sings Erklürung: domus (pro feminis eius domus) quae pedes tol- lere (ad concubitum patiendum) consueverit eine abgeschmackte Vor- stellung und oixía kann wohl die Gesammtheit der Hausbewoh- ner, nicht aber einen Theil derselben, die Frauen bezeichnen.

?

Miscellen. 875

Unsres Erachtens deutet 766 auf das Vorhandensein einer Ver- gleichung und zwar, dem Zusammenhang nach zu schlieBen, auf das Bild eines Hundewesens hin, welches in aller Munde (zò Aeyóptvor) aber nicht fabelhaft, kein leerer Wahn (Ajgoc) sein soll: also Sxvdda re. Von Anaxilaos bei Athen. XIII 6 wird eine Hetüre 7 tofxoavoc Zxvila , moviíía xvwv genannt, Lyko- phron 44 nennt die Skylla ayotay xura; Schol. Apoll. Rhod. IV 825 Aéyetus (die Skylla) mapa Toi mowtats &yew xuvas 2é- xoviag amo Tüv mievodv xai roU stn Fous ; in der Odyssee hat sie wenigstens die Stimme eines jungen Hundes, # 85 oxvAaxog veoythic. Zu oxvlug verhält sich ZxvA1a wie 9vAA(g Sack zu Jvluxos Sack; an Hesych. oxvddoc] © xvwr und xvAAag] oxvlaë. "Hisio, hat schon Doederlein Hom. Gloss. III 129 erinnert. Theo- phrast dachte vielleicht an jenen Vers des Anaxilaos oder an den andern a. a. O. i Navviov tb vuri drapégery Zug doxei ; j

Folgt xai 10 0Àov avdgoAakol tives xai avrai ınv Fvoav mv uvAssor vinaxovovci. Man vermuthet avdooyayoı, avdocdayvot, avdgodoyos, avdgodufos (dieses sprachlich unpassend, vgl. #9y0- AdBos aorgoiaBoc); im bisherigen Bilde würde avógóA«quo: blei- ben: Zauos Aœuoç Schlund, Aawor Erdschlund, Aqua die kin- derfressende Mutter der Skylla, Axufu Haifisch wie oxvdda, oxv- Atov Haifisch; die Hetäre Lamia stand damals in ihren Blüthe- jahren, Plut. Demetr. 27. Weiterhin ist mit Schneider xa?’ aùriv statt xai «avral zu schreiben; endlich vmaxovovor füllt ge- gen das Vorhergehende gar zu matt ab, ich vermuthe vzowov- govos: sie lauern am Hofthor, um die vorbeigehenden Männer anzufallen und sie zu verschlingen.

Würzburg. G. F. Unger.

15. Emendationum ad Aristidem specimen.

In Aristidis oratione III p. 35 Dindf. 39 Canter. verba quae sunt ro négi ınv éxtopnv ab interpolatore inculcata sunt neque minus suspecta habeo verba in eadem oratione p. 36 inde a xai U4vwdev Eni rw» xvuatwr usque ad vavv ày Q9alarrg: quae verba nisi tollimus, neque sententiarum nexus neque verborum structura grammatica bene procedit: ne- que enim alia causa nisi illis verbis inepte hoc loco infartis factum est, ut Reiskius post verba Sy zgozov» xai elg yadaxto- yayovs tov dia iv adeAyöv avrov aliquid deesse opinaretur: utique, siquidem codieum nostrorum fidem habemus, huie enun- tiato deest verbum: commodissime autem ad Anodnuourın mt- notnxev refertur omnis haec, quam modo laudabam, sententia, dummodo verba, quae suspecta esse puto, de medio tollamus: quod si fecerimus, loci illius Homerici (Il. XIII 21), quem me- morat rhetor, ordo continuus neque z«guazÀgowpao: distractus ex scriptore nostro elucet atque relativum illud £vJa non minus

876 Miscellen. . quam apud Homerum ipsum, statim annectitur ad oppidorum no- mina . interpolatio unde profecta sit, non difficile est ad per- spiciendum : quippe nescio qui grammaticaster sagacitatis qua- dam prurigine tentatus similitudinem, quae intercedat inter na- vem et currum, hoc loco demonstrandam eoque modo cur Nep- tunus navium equorumque idem sit dominus, explicandum esse ratus simplicem sententiarum ordinem turbavit. ibid. p. 36, 40 in infima pagina pro éxuwlyvuvto lege Èmsuiyvvosvto.

Or. VH p. 71, 74 pro Êceo dar lege tvéceoF as id quod sic intelligendum est, ut dicat rhetor, uter Aesculapii filiorum sibi per somnum visus sit, cum non satis liqueat, utique illum, qui visus sit, inter laudatos esse futurum, si utrumque laudaverit.

Or. VIII 93, 97 scribe pofeowratos 0 uviOg sive qof. autos.

Or. XIII 269, 285 pro dvınoxacıv lege ürrnopxeour ; vocem arragxetv saepius inveneris apud Aristidem (XXI 430, 362; XXII 490, 549; XXVI 513, 585; XXX 588, 52; XXXIII 632, 112; XLV 134, 168). ibid. p. 292, 311 pro &var- riw 010 nescio an legere oporteat ZAatiw puta: oppositum est vixas: ceterum vocis &Aurrwuo, siquidem lexicis plane con- fidere licet, exempla ante Polybium exstare nulla etsi concedi- mus, tamen quod commendavimus haud improbatum iri speramus, cum in eandem orationem Panathenaicam quae inter posteriores velut perfectessimum sermonis Attici exemplar summis laudibus extollebatur (testis est grammaticus in Bekkeri Anecdotis p. 1082), etiam alia quaedam vocabula minus Attica (uldéospos, arııdını- efopai, ayıınlnıw, unavınyodev, tx BaIgwr al.) irrepsisse monea- mus. ibid. 295, 315 pro ég' éxaoryn yufoa legendum est éy Exacıns $uf£gag cum hiatus vitandi causa tum quia Aristides ad tempus definiendum ézi praepositionem cum genitivo coniun- gere solet (XXXIV 644, 127; XLIII 816, 365; XLVI 170, 211). ibid. p. 297, 318 duo glossemata expungenda esse puto: alterum est Leg «wv post ıwv slc 16 uécor elogoowy, al- terum idemque magis etiam manifestum è mi di 175 "A39nvalwy Gvréoteuntac. verba quae huic glossemati antecedunt proxima quid sibi velint magis erit perspicuum, si post zn» éavru in- seruerimus 17v» v uer éQuv.

Or. XIV p. 330, 354 locum sine dubio corruptum a scrip- torum erroribus simpliciore quam Reiskius voluit ratione liberari posse existimamus, si pro eis quae traduntur ovy ónwc &v del xurtyew eldoteg scripserimus oùx GWG ava zei x. eldorss ibid. p. 331, 355 in verbis xai oóQxovc WE mielotovg yev- ou TT rectius dativum 0gxess scribi putaverim (cf. Sexoic iEa- matav Plut. Lys. 8) ibid. p. 847, 374 pro ov» avroîg "3 T- dovy scribe UM ators thc géovary, ibid. P. 852, 979 in verbis nag tpi» anaviwy tyoviwy to lcov payipov duvatov xywgic idgvaFus pro durarov scribe aduvazov. id enim dicere vult rhetor, apud Romanos, quippe qui suum cuique

Miscellen. 377

ius tribuant, fieri non posse, ut milites a civibus inermibus se- gregentur: immo vero unum quemque eundem esse militem et civem. ibid. p. 365, 394 pro upeic £gyo Èmounoute lege vu. Ègyov Enoınoure

Or. XV p. 373, 402 legitur xai 70 Uroumua 0wes, legendum est pro Gwes: réQwes.

Or. XVI p. 405, 438 pro dyF wy lege 92£w» (Hero- dian. in calce Phryn. ed. Lobéck p. 454).

Or. XIX p. 428, 455 pro viv te dv vuwy atiwy £osa Ie lege yi» y! Eu xi.

Or. XXI p. 438, 471 pro dwervorwy BeBusorégwy scr. auslvw xoi BeBasotegor.

Or. XXII p. 440, 473 lacunam a Dindorfio indicatam in- terposito xara inter xurolxıoıg et 70v voces expleveris.

Or. XXIII p. 450, 487 in vocibus éxvidesxvuplv@ no? accentu circumflexo liberandum est nov. ibid. p. 464, 509 scr. xaí pos dQoxei xà» (pro xat) nàetw Pıwvus yoQovov. . Or. XXIV p. 481, 537 ser. wg dei dnEomevros (pro deËoueroc). |

Or. XXV 488, 547 scr. GA’ zv puoi (pro xai) darìg avıl tgixvplas. ibid. p. 490 primam paginae vocem xu parta muta in xuwuriu ibid. p. 491, 551 ser. adda 16 yooro 14 uvvosie: vocula deest in codicibus. ibid. p. 494, 556 scr. 101 ng «v yonousto (cf. or. XXVI p. 525, 605). ibid. p. 495, 357 ser. Ervyov piv anak (pro unus) do9twv. ibid. p. 501, 568 vocula quae est in elocutione xai oi pe- 140100Gévi1tC anysouv accentu gravi munienda est.

Or. XXVI p. 505, 573 extr. pro xuza nowıug lege xai nowiu eùddçs yevousva, unde haec rhetoris sententia efficitur: et ea dei verba mihi solatio erant, quibus me cum So- crate Demosthene Thucydide comparabant, et illa, quae statim initio mihi dicta erant. ibid. p. 511, 582 pro olov émi Badous lege olov Emßadonc.

Or. XXVII p. 585, 619 pro wo oix sicousroy at- roig scr. wo Ot x &lg noouévwy ovrovg: cum scilicet Cumaei illos (Aristidis comites) in domos suas intrare non sinerent. p. 542, 630 pro ép oi drag scr. duoi Jd ovv drug. ibid. p. 534, 532 legitur xaracxeuuoac oviwc wore agun- veCounv, legendum esse videtur xazusnevouc. ibid. p. 548, 642 pro nuidu 10vu Aovxiov lege zaid& riva Aovxlov.

Or. XXIX p. 559, 13 lege 70 di zo noour pro ri dn noujouy. ibid. p. 564, 19 lege moovneoygvoùrio pro mposva. ibid. p. 566, 21 inter voces olxelu» et ovdeputa»v inse- rendum est durapuur.

Or. XXX p. 583, 16 pro fwo avid teyetv Pv Twy advvatwy lege wo av 1. r. & jj wv ad. (eandem loquendi formam habes or. XXX 595, 64; XLVI 168, 208; 190, 235;

378 Miscellen.

268, 332). ibid. p. 584, 47 scr. ro ye (pro tov ye) Tos- ovrov sivas. ibid. p. 585, 48 scr. old a ınv Boiw- tlav povov Gy óvracg . VOX wixgov, qua scripta nescio quis uoror ov elocutionis sententiam explicare volebat, scribae neglegentia in verborum contextum irrepsit.

Or. XXXI p. 595, 63 pro dewpuévovs scr. 9eopué- vous. ibid. p. 597, 67 nescio an ors davAsvr£o» (pro dovAevev) zv» melius scribatur.

Or. XXXIII p. 611, 87 ser. zei ro ngóg motégoue òouov onuuvo . deest codicibus vox soc.

Or. XXXIV p. 642, 124 vocem zwr, quae in codicibus in- tercidit, restitue post Auxedumovio:, ante unig uviwy égovrrwv. ibid. p. 645, 128 pro rf matey scr. Ti putper.

Or. XXXVIII p. 723, 238 in locum nominativi dy «9 7 ruyn dativus substituendus est.

Or. XLII p. 772, 303 pro muons del uviuns scr. naons a&ıov uvpung. ibid. p. 779, 318 post orea- tnyoîs arı wo» verba ovdi ayoncror cicienda sunt. ibid. p. 781,817 pro gFovov ua AA ov scribendum est ov pF o- vou wovor . eundem scribarum errorem apud Philostratum Vit. soph. p. 16, 16 (Kayser) correxerunt, suo quisque Marte, Cobetus (Mnem. N SI 229) et Hertleinius (Herm. IX 362) . paulo post illa Aristidis verba foedissimum hiatum tollere licet, moocnyogly ndayıwv scribimus. ibid. p. 788, 320 ser. 90 «v eTgovio (pro o000r.evyovio) vixiivieg: dicere vult rhetor: vincentes, ubicumque manus iniciebant.

Or. XLIII 800, 344 corrupta sunt verba êlépuç xai 10 voùs tio téxvns devteoog: nescio an recta reddamus, si ric relevo TAG téyvng ov devregoc scribamus. ibid. p. 802, 347 scr. TOU nolírov PET _xuBeovntov. ibid. p. 809, 355 ser. n Enwvvmos avin tie Nvugng rodvreëüdevy (pro tov Fsov) oy 4 « axıng wetelAnge. Sententia est: haec urbs, quae a nympha (Rhodo scilicet) nomen duxit, inde ab hoc tem- pore orae maritimae, i. e. hominum cultu destitutae speciem in- duit. ibid. p. 826, 378 minime delenda sunt verba adda xaiév toig wera rovro, quippe quibus nitatur parenthesis, sed verba «42% x«i post parenthesin inculcata.

Tubingae. W. Schmid.

16. Ad Tibulli elegiam II 4.

I. In v. 5: et seu quid merui seu quid peccavimus urit, quia vis verborum merui et peccavimus parum diversa est, ob- iecta opponantur necesse est. Itaque Hiller cum Vahleno Heinsi coniecturam seu nil peccavimus recipere debebat.

IL V. 12 edd. sic exhibent: omnia nam tristi tempora felle madent, Scriptura nam confirmatur usu Tibulliano. Nam cum

‘fiseeilen.

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omnia -empora «uasi -ouo rile large a:mrmxto corTmTDfA | a rior juam Uae ZUSAM -^ssit Tacta*: .jeantnr + mir ipsa "La juae „examerrn - eta sh le . Tiafitié AI. DI. Eadem zutem ‘sus -articuia libulina 32 sentenrias :exametris 'rolatas - sntamatma ar U. leg P auctor. it sosointam camane +rantuerm ent ol. dolore sententiolam erHeeret. Lartieniae comica cone c Dt

OL Vv. 27-01 -ie :radauntnr: ma eum 4 viridesque smaragdos it niteam l'uri0 muss como e- ararttiae «causas -t Coa webs ostia - "hens sc» hem. mari. aee recere maias. Cibuilus io cuis on oom. genera Der yiecuey ira «ommemarat MIA we - positis paria -ignincet. “ed » oat lo + 0 mm. - gende potius juam -maraedia «* + eerste utramque :uaestus :iciendi itinem crates vo 7 rentur. verbo ‘emt ue ubicendunmi .. legit ante véridesque collocatum »t 5 Lello Cl aoc a que collocandae snae an: Want 2: 2: . -

Apud Tibuilum isitur cirene contes o 6 SEI meter trisvilana “ei .raenomtione "us... uno. elaudi solet. it -vilaha mr. ua sues ere ann que * contieiatur. 'Juam enter TUS M Na me oe ii hexametri in metrum :--esiaen 4 t u ou

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4 Puureoamee rien er A ME Di u.

5) 1a4e5e aut er mern nil Tui CaHüwCUMP ad lacerante.

6) Prise vimes, sure dena piSYUS Denier, Das riore, quotes Tuas 1-LiZz4.:2 4/9 D —3 Sent DIABICAL

380 Miscellen.

in Ovidi amor. I 55 . 17 u 27 37 » » art. am. I 17 26 » » fast. I 15 28 » » trist. I 17 vel 18 28 » » ex Ponto I 25 vel 26 55 on » I 24 24 apud Ovidium omnino 22 26 vel 27

Iam vero Tibullus, ut pentametri extremam partem ea ra- tione pangeret, particulam que certis condicionibus ab enuntiati adiungendi initio removit". Atque primum quidem, si Leo Broukhusium secutus recte de hac re notavit v. II 4, 54 ,addo simillimum IIII 5, 8 (perque tuos oculos per geniumque rogo). Deinde particula que verbi finiti formae adhaeret aut trisyllabae sed cum una particulae regentis syllaba cohaerenti®) aut quatuor syllabas complectenti ?). Eis autem versibus quos Leo notavit !") addiderim II 5, 70 (per flumina sortes | portarit, sicco pertuleritque sinu) per flumina ad portandum, sicco sinu ad perportandum re- ferens et I 3, 14 (quin fleret, nostras respueretque vias), in quo collata structura vv. I 6, 72. I 7, 62. II 8, 54. II 5, 70. 90 obiectum ad secundum tantum verbum pertinere et flendi ver- bum ut v. 8 absolute dici existimo. Denique ambiguitatem quandam Tibullus ea collocatione vitavit II 9, 88 (hinc cruor, hinc caedes mors propiorque venit); neque enim cruoris caedis mortisque, sed propioris mortis originem repetit.

Hae consuetudine Tibullum eo perductum esse, ut in hexa- metri quoque extrema parte particulam que ab enuntiati initio removeret, demonstratur v. H 5, 53. Aseribo vv. 51—54: te quoque iam video, Marti placitura sacerdos | Ilia, Vestales dese- ruisse focos, | concubitusque tuos furtim vittasque iacentes | et cupidi ad ripas arma relicta dei. Furtim sententiae ratione habita ad concubitus multo artius quam ad vittas iacentes pertinere Leo falso dicit. Nam illos furtim factos esse ita apparet, ut hic in- super significandum non fuerit; at vittae, cum Martis propriis armis iam ab amori indulgente relictis poeta opponat sacerdoti Vestae signum ab llia iam desertis Vestae focis Marti morem gerente depositum neque enim de vittis reluctanti puellae dereptis vel delapsis cogitandum est furtim iacentes proprie atque recte dicuntur. Neque igitur est, quod durissimum nam adverbium inter substantivum et adiectivum and xosrou esset eius structurae genus poetae politissimo obtrudamus.

7) Secutus est Ovidius.

8) 1 3, 56. I 4, 2. ME

9) Neque igitur mille patentque tiae, quod Leo I 8, 50 scribi iu- bet, hoc usu Tibulliano comprobatur.

10) I 1, 40; 3, 38; 6, 54. 72; 7, 62; 10, 54; Il 8, 54; 5, 22. 72. 86. 90; 6, 16.

Miscellen. 98t

Quae cum ita sint, ne II 4, 27 quidem anacoluthon, sed tra- iectionem verborum metri ratione Tibullo commendatam agnoscimus.

Sed in v. 29 enuntiato hic dat avaritiae causas enuntiatum et Coa vestis et concha puellis dant avaritiae causas, quia Coa ve- stis et concha sunt causae avaritiae, ineptissime adiungitur. Ne- que vero aut verba dat avaritiae causas, nisi pronomen Aic sub- iecti loco servatur, apta sunt aut verbis quae secuntur coniectura tentatis locum restituere possumus; nam ne vocabulum puellis quidem, quia infra extat haec fecere malas, verbi finiti substi- tuendi causa delere debemus !!). Apparet igitur aut verba hic causas aut et Coa mari spuria esse. Atqui illa et parium oppo- sitionem male interrumpunt et sequentem in v. 31 eomprehen- sionem inepte praecipiunt; haec aptissima sunt. Ergo illa v. 29 pars a Tibullo scripta non est. "Videtur autem, cum casu, quo proximi carminis versus complures interisse constat, prior versus pars deleta esset, is qui cd. archetypum confecit causa ilius devotionis declarata lacunam explesse. Quam coniecturam eis quae de vv. 37. 38 disseram non nihil confirmari puto.

IV. Vv. 85—38 sic traduntur: heu quicumque dedit for- mam caelestis avarae, | quale bonum multis attulit ille malis. | hinc fletus rizaeque sonant, haec denique causa | fecit ut infamis hic deus esset Amor. Avaram igitur eandemque formosam amanti ad mala multa e puellae avaritia orta bonum quod acerbe dicitur e forma ortum adfertur, cum ei non solum solitaria sed etiam desiderio fletuque nox vigilanda veniat et perstanti ante duras fores cum rivalibus, qui formosam illam puellam ipsi quoque cupiunt capere, rixae sint inserendae !?). Quo bono ab amato- ribus patiundo Amoris infamia verbis haec Amor declarata non continetur. Itaque ex forma fletus et rixae videntur oriri, his denique Amoris infamia confici. Sed Amor eis tantum re- bus infamis factus dici potest, quae ad Amorem auctorem refe- runtur. "Tibullus autem modo apertissime fletus et rixae origi- nem repetivit ab illo caelesti quicumque formam avarae dedit, non repetivit ab Amore. An cuiquam videtur, postquam am- bigue atque obscure de aliquo deo locutus est, exponere, qua consecutionum serie infamem se reddiderit Amor? Ergo haec de Amore infami facto verba eum eis quae praecedunt non modo non cohaerent sed etiam pugnant, et cum nihil intercidisse possit, sequitur, ut a Tibullo scripta non sint. Atque quae in his verbis apparent interpolationis vestigia a Wissero !5), qui totum distichum falso delet, exposita sunt 14).

Hexametri igitur altera pars et pentameter casu aliquo vi-

11) Kraffert (‘Betirdge’ III. Aurich 1883) cum scribit: hic—causas, set Coa puellis - mari, ut alia omittam, oppositione absurda sententiam corrumpit.

12) Cf. 1 1, 56. 74; Prop. III 19, 5.

13) Quaestiones Tibullianae. Lips. 1869 (Kil. 1870).

14) Addiderim quod parum apte tempus perfectum subito infertur;

382 Miscellen.

dentur deleta fuisse. Eum autem qui codicem archetypum con- fecit, si toti versus interierant, lacunas intactas reliquisse com- pluribus locis cognoscimus 1%). Sed hic altera hexametri parte extante distichum refingere animum induxit. Itaque cum modo eius quicumque legit et tingit execrationem verbis Aic dat ava- ritiae causas confirmasset, simili cogitatione eo deductus ut hanc de illo caelesti quicumque formam dedit exclamationem male de Amore intellectam explicaret, commentus est: haec denique causa fecit ut infamis esset Amor. Explevit versum'f) eisdem voca- bulis quibus Lygdami de Libero loquentis v. 6, 23. Neque enim dubium est quin fragm. Cuiac. recte illum sic praebeat: quales his poenas qualis quantusque minetur. Ille vero cum aut qualis his poenas qualis aut quales his poenas quantusque invenisset, ut aut duplicem quae esse videbatur scripturam tolleret aut la- cuna expleta versum restitueret, scripsit: quales his poenas deus hic quantusque minetur 17).

V. V. 48 cd. A sic exhibet: seu veniet tibi mors nec erit qui lugeat ullus. Sed cum appareat precari poetam, ut dolor opum incendio ereptarum augeatur, sententiarum structura haec esse debet: quin etiam tune, cum opes eripientur, iuvenes laetentur atque te deserant; vel, si tibi opibus unde iustum funus procu- retur privatae mors veniet, ne lugeant neve inopi muneribus succurrant. Itaque scribendum est: mec sit.

VI. Componitur carmen vv. 1— 10, 11 26, 27 88, 99—50, 51—60. Mediam igitur partem qua de puellis pretii cupidis agitur praecedit pars qua de ipso pretium flagitato, se- quitur pars qua de domina pretium flagitante poeta dicit; prima autem pars imaginem dominae catenis tenentis facibusque urentis continet, extrema veneficae potionibus magicis quales Circe Me- dea Thessalae gerunt atque tractant aliisque ad furores conci- tandos aptis irretientis atque illigantis.

15) I 2, 25; II 3, 15. 84. 58. 75; III 4, 65.

16) memor vv. II 1, 709 8.: a miseri quos hic graviter. deus urget . at ille | felix cui placidus leniter adflat Amor.

17) Idem cum 11 1, 58 tradita invenisset verba dux pecoris reli- qua versus parte casu deleta, e Tibulli verbis a pleno memorabile mu- nus ovili simili atque II 4, 38 metri vitio bis admisso commentus est:

hircus: auxerat hircus oves; cf. Bubendey Quaest. Tibullianae. Bonnae 1864, pg. 23. Berolini. H. Belling.

———

17. AIAI0X KOAYMBHTHZ.

Notum est Socratis de Heraclii philosophia apophthegma Laert. Diog. H 22: „a uiv cwmxa, yevvuiu* olpas xoi à un evixa* man AnAlov rwoc deitas xoAuußnov“‘) Idem

1) Laertii locus memoriam excitat Tulliani illius ad Q. fr. II 9, 8 (cf. Teuffel-Schwabe rom. Litt. $ 203, 2) ad carmina philosophica Lu-

Miscellen. 888

fere obliqua oratione narratur IX 12; transcripsit ipsius Laerti libro usus Suidas s. v. ZfgA(ov xoAvufmrov (vol. I p. 1238 Bhd.), in fine vero (post xoAvufinrov) addit: slg 10 pun anonvynvas Ev avro: xui nagoslas Anksog xoAuvufßnıng‘ ini tay nave dunslowy rixeog as (hine Apostol. 500 p. 364: Æmlou xodup- Bniou: àni 10v axews rnyouévwy), Sed de hoc quidem ‘proverbio’ altum apud antiquos auctores est silentium: scilicet ipse lexico- graphus flosculum quem excerpsit hoc nomine ornavit. Itaque universam Delii urinatoris memoriam uno Diogenis loco niti vides.

Ex hac igitur parte bene munita est Nauckii sententia, (Bullet. de l'académie imp. de St.-Pétersbourg XXX [1886] p. 114, 59), qui AnAlov illud, quod omnes ante eum viri docti tacite probaverunt ?), ineptum esse opinatus deu» oU rivogc xoàvufntot (4HAlov: AEINov) eleganter coniecit. Verum tamen scrupulos mihi inicit Aristoteles, qui (apud Athenaeum VII p. 296 C = Aristot. Ps. p. 465 R.) & 77 4uMwv nodsela (Piavxoy Tov Faduocior daluova) dv Aniw X 101x1009TG peta rU» Nnonldwv roig dedovor uavisvecdoa, memoriae tra- didit. Glaucum enim priusquam deus marinus fieret piscatorem fuisse urinatoremque peritissinum vetus est fama. Ita in excerptis mythographicis ab Athenaeo servatis ante Aristo- telis testimonium haec inveniuntur: Mrao&ug Ó' èv rolrm 16v Evowmaxwy . . . vovuxóv udrdr xai xoAvußnınv aya- 9 ov yevouevov Hóvriov xadsicda:. Deinde litt. D: Mico d 6 Müyvns . . . vg Moyovg qaoi dnuiovgyòor yerec9u, tov Thai- xo» ... xuta tie Aids Bovdnow Ev tH TIC Fadhariys Bud aqpuro97ra. Litt. E: Aloygiwv 6 Sausos &v un ıwv luufwr (choliambogr. p. 138 Mk.) "Ydrng gnoi mo Sxv 1- Aou tov Txiwralov xataxolum pnt od Fuyurgos oe èQuod ru 3). P. 297 B.: ‘Hdvdn ... &v m envy gapou ery Sxvddy ioroosî 10v Tiuvxov équodévia Zxvlnc 89e avis slg 10. Gv- 100r, donis marinis onustum: «xrjv yao xe(vpy à nev goa ro?) Similia de Enhalo narrabantur: cf. Tuempel Bemerkungen zu ei- nigen Fragen der griech. Religionsgeschichte, Progr. Neostett. 1887 p. 9 sqq. Medio vero aevo Glaucus ille Scyllae amator ite-

eretii Sallustiique spectantis: in quo simile quoddam acumen vide- tur latere.

2) V. c. cf. Schleiermacherum et Cronium supra p. 209.

3) Cf. Pausan. X 19, 1 Zxswraîog Zxöllıs, US zaradüvaı xai 86 Ta fa9ilata Saldaons naons tye g'iunv ididd Sato xai Tv Suyatéoa d'éec au oùtos .. Inınsodviog VAUTIXO T Hégtov Biaiov y&- udvos ngoctétigydaavró oy sow &nuÀsav TRGS TE ayxvoas... Elxdouvtss xrÀ.

4) Hine profectus Palaephatus XXVIII p. 289 (— Apostol. 449) vaticinatur: Tlavxos avyo Ghisvg.. hy xolvußnrns éy toU diay ÉQuY tor allwr. xolvuBovte di iy TU, durs avıov oguiviwy TU» dv Tj modes diaxoÀ vuBn cas elc tiva tonov x«i un 0q9eic roig olxei0LS è è + dıaxolvußnoas nalıy wgIn avtois xt,

884 Miscellen.

rum homo factus est urinandi arte clarus: nam Nicolaus Piscis Schilleri carmine celebratus Glaucus est personatus 5). Atque apud nostrates quoque fabellis popularibus iuvenes cantantur in puteos vel stagna desilientes atque in daemonum aquatilium antra pervenientes.

Iam tales narratiunculas etiam apud Delios viguisse ipsius Aristotelis testimonio constat: quid igitur, si fabulosum hunc urinatorem significavit Laertii Socrates?

5) Cf. Gervas. otia imperial. p. 11 Liebr.: Sicilia ab Italia modico freto distinguitur, in quo Scylla et Charybdis ... In hanc referunt ex coachone regis Siculi Rogerii descendisse Nicolaum Piscem (corr. Liebr., volg. Pepam), hominem de Apulia oriundum, cuius mansion fere continuo erat in profundo maris . . . . maris sedulus explorator, . .. nautis instantes tempestates praenuntiabat (sicut Glaucus

vates), nihil praeter oleum ... postulabat (undarum sedandaram causa). Cf. Liebrecht p. 94. Tubingae. | O. Crusius.

In Senecam Rhetorem. (ad p. 175).

Controv. II 12 p. 159, 5 sqq. adhibitis scripturis codicis A: quam vismeuere et codicum BVD: quam umetis seuere una fere littera mutata sententia loco apta efficitur; quare scriben- dum nunc censeo: in hos ergo exitus varius ille secatur lapis et tenui fronte parietem tegit, quamvis timetis spuere in hoc pavimentum levatum et infusum tectis aurum. Levatum, quod ad verbum /?vandi (glätten, poliren) pertinet, retineo.

Lundae. S. Linde,

Excerpte und Mittheilungen.

The Journal of Philology XVI (32). Onions: Noniana. Paley: Notes on Propertius. Nettleship: Adversaria (zu Cato, Horaz, Livius, Servius, Lucanus, Vergil etc). Haverfield : Lexicographical Notes. Darbishire: The Numasios Inscription (s. Biicheler Rhein. Mus. XLII S. 317), hauptsächlich in pho- nologischer Beziehung, speciell in Betreff des F-Lauts, tiber die Variationen des Namens Numasius im Lateinischen, Oskischen und Etruskischen und über den altlateinischen Dativ auf oi, dem griechischen auf © entsprechend. Macnaghten: Ae- schylea; zu den Choephoren, zu Agamemnon und zu den Eume- niden. Garrett: On the Date of Calpurnius Siculus; er wird in die Regierungszeit Gordianus III gesetzt.

The American Journal of Philology IX 1 (33). M. Blom- field : the origin of recessive accent in Greek, im Anschlusse an die Beobachtungen von J. Wackernagel, F. Hanssen u. A., und

im Gegensatze zu Wheeler. G. L. Kittredge: Chaucer and Maximianus. Benutzung des M. bei Ch. und andern altengli- schen Poeten nachgewiesen. Berichte über Langen Plaut.

Stud.; Mayer Giganten und Titanen; Schmid, Atticismus.

XX.

Babriana’).

Aesopeas fabellas, quae nunc feruntur pedestri sermone con- scriptae, magna ex parte paraphrases Babrianorum apologorum esse constat: itaque cum Babrii mythiamborum plurimi sint in- termortui, commode hanc iacturam quodammodo resarcire licet. Paraphrases istae duplicis sunt generis: plerumque metraphra stae omni orationis ornatu detracto tenui sermone poetae sensa interpretantur: alii vero pristinam poematiorum formam plus mi- nusve servant: nam versus quamvis solvant, integros tamen choliambos vel hemistichia passim retinent; item cum alia bre- vient, nonnulla amplificent vel mutatis verbis eloquantur, non

1) [Quaecunque Th. Bergkius tertiam anthologiae lyricae editionem curaturus de Babrii fabulis restaurandis conscripsit per R. Peppmuel- lerum in meum mihi usum sunt transmissa. Atque praeclarae quaedam emendationes notulaeque in editione poetae quam paro spero fore ut idoneum habeant locum; non habent prolegomenon nova illa capita vel funditus retractata in quibus cum paraphrasium usum et rationem tum ‘alterius’ sylloges naturam virtutemque illustrare conatur. Haec igitur Philologo inseri satius esse putavi. Nam licet improbanda om- nino videantur quae de fabulis a Babrio bis recensitis deque frauda- toris Lewisiani fide disserit (teneo quod posui de Babr. aet. p. 155! 193! 2264), tamen utiles coniecturae gravesque quas cum fructu Gitl- baueri legent sententiae et observationes ubique sunt inspersae. At- que omnes has quaestiones magna eum contentione tenacique acumine usque ad ultimum fere vitae spatium animo volvisse diligenterque per- tractasse vel inde apparet, quod singulorum capitum binae vel adeo trinae exstant recensiones: quae folia disiecta digerenti mihi et com- ponenti magnum facessivere negotium. Ultimam brevissimamque re- censionem typis describendam curavi. O. Cr.].

Philologus. N. F. Bd. I, 3. 29

386 Th. Bergk,

tamen penitus poesis lumina extinguunt?) Critici utroque ge- nere pariter ac sine dilectu uti solent; ac pedestrem quidem interpretationem qui criticum factitat in eis apologis, qui integri sunt servati, non sine fructu adhibeat, sed si quis perditos my- thiambos horum metaphrastarum opera usus restituere conetur, irritum suscipere laborum censendus, est ?); sin semipedestris metaphrasis ad manum est, aliquanto tutius licet restituendi poe- matii periculum facere.

Instaurandorum carminum cum omnino arduum sit opus, difficultates mirum quantum augentur eo, quod iam Byzantini magistri pro sui saeculi captu solutos Babrii versus ad numeros revocare ausi sunt. Mitto tetrasticha trimetris iambicis con- dita pariterque quae 'Tzetzes tetrametris politicis astrinxit; sed praeterea isti magistelli paraphrasibus tam pedestribus quam semi- pedestribus usi apologos Babrianos denuo versibus clodis inclu- dere instituerunt. Facile apparet, quantopere horum magistel- lorum inscitia et audacia paradosis adulterata sit, ac magna est cautio adhibenda ne falsa specie decipiamur.

Ita in codice Vindobonensi magistellus aliquis pede- Stres paraphrases complurium apologorum in choliambos rede- git 4), h. e. in versus duodecim syllabarum, ita ut neque sylla- barum mensura quantitatem neque accentum curaret, nisi quod paenultima versus syllaba constanter accentu percutitur; vide quae de huius libri fabulis notavit Tycho Mommsen Philol. XVI 721 sq. et qui plenissime rem tractavit Fr. Fedde 5). Choliambos dixi versus, quandoquidem ut plurimum paenultima syllaba longa est, velut in fab. XIII quae versibus 18 constat plerique versus spondeo vel trochaeo terminantur, quinquies tan-

2) Saepe eiusdem apologi dispares extant paraphrases, velut 65 a. b. Hlm. posterior admodum curta et pedestris, sed prior non solum sensa poetae commode reddit, verum etiam integra servavit Babriana: 1006 ódoimópovg 1épnuwr guvys di nag fuoò nl et ov ovdiv svenasse.

3) Conferas metaphrasin 242 ed. Halm cum fabula Babriana CII.

4) Etiam alii codices vel easdem fabulas vel alias ad eundem mo- dum instauratas exhibent, ac videntur plures deinceps huic negotio operam dedim. fab. XL Vindob. alia recensio extat in libro Casin.

5) Ueber eine noch nicht edirte Sammlung Aesopischer Fabeln. Breslau 1877. Sed erravit Fedde quod passim syllabas tantum nume- rans versus sibi visus est repperire, ubi pedestris exstat oratio, velut fab. VU p. 19 in trimetros redegit caesura plerumque carentes, velut A4cualis Bos» toyaldpuevov öpwaoe, id quod versus legibus plane adver- satur, ut ne in his quidem misellis poematis sit neglectum. Adde,

- Babriana. - 887

tum iambus vel pyrrhichius admissus est?) Iam etiam in tri- metris Byzantinorum, qui proletariae poesis licentiam prae se ferunt, passim novissimo loco spondeus vel trochaeus se insi- nuavit, sed legitimus est iambus, quemadmodum in his apologis spondeus *). Manifestum est fabularum, quas isti magistelli pe- destribus usi interpretationibus pro arbitrio refinxerunt, ut nu- meris includerent, exiguum esse usum in acte critica factitanda 9).

Similem operam instaurandis Babrii apologis navavit ma- gister Byzantinus cuius choliambos in codice Athoo investi- gavit Menas, edidit Lewis (Syll. ID. Usus ille est paraphra- sibus tam pedestribus, quam semipedestribus in quibus pristini nitoris vestigia non penitus oblitterata erant. Versifieator Vin- dobonensis pariter fabulas prioris quam posterioris syllogae, ad- hibuit; neque vero germana Babrii poematia oculis usurpavit: expers omnino artis neque alienum exemplar imitatus fabulares narratiunculas in versus redigere conatus est. Sed nova sylloge nullas omnino fabulas exhibet, quae in priore leguntur, quam- quam consentaneum est Athoo versificatori etiam interpretationes apologorum, qui insunt in priore sylloge, ad manus fuisse; sed neglexit, quandoquidem versavit Babrianorum mythiamborum eclogas, quas prior sylloge «complectitur: satis igitur habuit studiose conquirere et pedestres et semipedestres interpreta- tiones perditorum poematiorum, ut ad illud exemplum quoad licitum Babrii poesin instauraret. Et hie quidem versificator, cum multae paraphrases versus vel hemistichia integra exhiberent ?), cumque lectitasset Babrii mythiambos, aliquanto meliores versus

quod paraphrasis versibus astricta plus minusve immutatam paradosin exhibet, hic vero cod. Vindobonensis lectiones cum reliquis libris fere congruent,

6) Neque tamen omnium eclogarum eadem ratio, velut XXXVIII maior iamborum, quam spondeorum numerus deprehenditur.

7) Perperam Ritschl Mus. Rh. 1 300 [= op. I 295 sqq.] contendit hos trimetros, quoniam paenultima syllaba accentu feriatur, in cho- liamborum numerum referendos esse, atque assensus est Christ Metrik 404 [* § 440], nescii eandem legem a Byzantinis etiam in tri- metris artificialibus fere ubique observari.

8) Quamquam alii versificatorem Vindobonensem et si qui alii eius vestigia legunt, audacia longe superaverunt, hic quoque haud pauca, ut versus numero satisfaceret, novavit, velut IV 3 ogvidoss, VII 5. XXII 6 not», XXII 1 éqsdydy pro igsdw9n, XXVI 11 9v5£v, XXVII 2 yovoata (quoniam yovosa propter accentum non satisfaciebat).

9) Exordiis et clausulis fabularum potissimum pepercit interpre- tantium libido.

25 *

388 Th. Bergk,

‘edolavit, quam Vindobonensis: prosodiae ratio habetur in pri- more potissimum versu, in posteriore parte, maxime in sede paen- ‘ultima, plurima et turpissima delicta deprehenduntur: et cum syllabas non tantum numerare sed etiam ponderare studeret, etiam trisyllabos pedes admisit: hiatum aspernatur, quem Vin- dobonensis non curat. Spondeo plurimi versus terminantur, tro- ‘chaeo pauci admodum: passim iambi comparent, uayn, #aymv, divo, doaxwy, 2öruyovv, éoxepaunv. Item paenultima syllaba accentu percutitur, cui legi pauca exempla adversantur geda, el Cae, wevdés, xonuvor, moy, xatégyovtas. Cum solutos versus et sermonem variatum vel breviatum reconcinnare satis arduum esset opus, magistellus rem ita administravit, ut novandi au- dacia et insigni stupore Vindobonensem longe superaverit. Osten- tant igitur hae fabulae Babrianam gracilitatem et elegantiam miris modis scabritie sermonis et foeda barbarie inquinatam. Quodsi paraphrases, quas adhibuit versificator, servatae essent, antiqua a noviciis, germana ab adulterinis facili plerumque ne- gotio segregare liceret . . .

Iam cum veri sit similimum eclogas dodecasyllabis poli- ticis scriptas posteriores esse iis, quae umbram certe artis servent, tum haec suspicio planissime confirmatur eo, quod Vindobonensis versificator usus est Athoi diasceuastae eclogis, ut infra lucu- lento exemplo ostendam (vid. p. 392). Item Vindobonensem Athoi vestigia legisse largietur, qui Vind. IV. XX. XXI XXXV. XXXVIII composuerit cum Athois IV. LXXX. XLIX. LXVIII. LXXXI '?) quamquam Vindobonensis, cuius ingenium satis illu- strat contaminatio diversarum recensionum XXIX (A LX), de qua supra verba feci, passim peculiaria quaedam habet !!) Item animadversione dignus consensus V XVI, v. 1 #x01gam- ynoas et A XLIII, v. 1 éxcrgurnyéwr, quod metri gratia novatum esse apparet?) paraphrastae, velut Bodl, croa:ny76as exhibent. Eandem necessitudinem testificantur aliae fabulae dodecasylla- borum versuum, quae in cod. Vindob. non leguntur, velut fab.

10) Itaque Vind. XXXVIII v. 5. 6 pariter versus Babrianos, quos servavit .í, quam paraphrasin pedestrem respexit.

11) Velut IV ueus est etiam paraphrasi pedestri, XX et XXI euo periculo animantes verba facientes induxit, w Se Àeunoà rai xncrà ms uelicops xil, item £yo uè» gile, Uno cot anodvnoxe: En (corr. Fors) di Pets, 0g xauè ixdixgon xtd.: quae Athous pariter ac paraphrases ignorant.

12) Ad eundem modum V XXXV v. 3 éxvsxgow novavit.

Babriana. 389

240^ Him. plane ad similitudinem A LXXXIII exacta est, con- spiratque uterque versificator vel in manifesto mendo v. 1 paces pro oz«6046!?) Item fab. 207^ Halm'‘), quamquam partim ad pedestrem paraphrasin (Bodl. 56) propius accedit, tamen no- vissimo versu 0uws nenovdag 0 ifovAov uo, ngátos aperte se- quitur Athoum XXX 6 onug némov9ag, a dqagut wy’ ÈèBoy- Asvang !9). |

Athois eclogis cum Vindobonensem versificatorem usum essa demonstraverim, apparet quam vana et temeraria sit suspicio eorum, qui ad Menam auctorem refe- runt, quae octo minimum saeculis ante adornata esse necesse sit: nam codicis Vind. ea pars, quae Aesopea continet, si reete ad saec. XII minimum refertur, atque eidem saeculo si versifi- catorem istum adscribimus, Athous diasceuasta saeculo XI, ne altius eius natales repetamus, vixisse censendus est.

* | * Ne

Qui Menae apographo confidenter omnem fidem abrogant, eos temere et praeceptis opinionibus indulgentes de rebus, quas ne primoribus quidem labris attigerunt, indicare contendo: quod ne quis [temere me et] pro imperio fecisse me criminetur, Babrii et veritatis causam agens, non meam, (nam-ingenuum veritatis cultorem omnisque fraudis cultorem*) neque imperitae multitudinis convicia neque iW» duvuctevortwy- movet invidia), ex multis quae in promtu sunt pauca quaedam sed luculenta expromam exempla.

Quemadmodum passim Babrianos apologos fere integros propa-

gaverunt homines Byzantini (cf. Babrii append. fabb. ógn- SoFnoas et ovog naíQwv; fab. zeru& xai puoun£ Dositheo ae

13) Versus dodecasyllabi recte procedunt, si v. 1 àz54959e pro 7A9s, et v. 4 ónócov» pro nócov rescripseris.

14) Huius quoque fabulae versus, si ab uno discesseris loco, integri sunt servati.

15) Quae fabulae prioris syllogae a Vindobonensi instauratae sunt, examinare non est huius loci; illud notavisse satis habeo V XVIII copiosam argumenti enarrationem a brevitate Babrii f. V plane ab- horrere, sed videtur V diversam sequi recensionem, cuius principium servavit par. pedestris 4dextogotaxos ovunecôvies dljloss, sed V ut solet inepte Babriana amplificavit. N oque vero negligenda Y XI, quae commode redintegrat Babrianam LXIII, ut ibi significavi.

*) (Error fatalis: voluit ni fallor osorem.

390 Th. Bergk,

ceptam referimus, quam paraphrasis ope frustra in integrum re- stituere tentaveris): ita etiam nova sylloge fab. 51 (Zed¢ xgstijc) quae decem choliambis constat, plane integram exhibet, et quam- vis verba vitiorum non sint immunia, omnis tamen fraudis sus- picio procul habenda. Ac posteriorem quidem partem critici paraphrasi usi probabiliter redintegraverunt; sed exordio recon- cinnando paraphrases non sufficiunt, praesertim intra se dis- crepantes :

Bodleiana. Vaticana.

‘O Zug tas rv avIodnwy "Oorgáxo yedgort tov ‘Eo- apaorbag àv dorgaxoss row "Eg- iv Éxéleuder 6 Zeug els xi- uv wesce yougew xal sig xv Pwröv 1avtag swosverv, D^ Egev- Puteoy dmoridtvas minotov av- vloag Exaoroov tac dixas ava- tov, Önws éxdciov tag Ólxag noacoss.

Ava TQ COM.

Cum alii in tres versus haec redigissent, Lachmann quin- que olim fuisse vidit:

‘O Zevs yedqorr’ Ev Ooroaxoici "Eouslnv "Exédevoev eic xiPwrdv alta swoevesy re Egevoas “Onwg $xdorov tag dlxas àvangacog.

V. 1 refinxit Lachmann, v. 3 C. Schneider, épeur7ouç cor- rexit Coraes, v. 5 veterum exemplorum fides tuentur. Aliorum pericula recensere supersedeo. Iam nova sylloge hanc sup- peditat :

‘O Zeus yodgovi! tv dorgaxososy ‘Egustyy “Avdody movne@v tac Guagradus macac °Exthevoev sig xfwroy avrà sweevesy, Kailas anaviwy Broınv èosvvijoas,

"Onwg éxactov 106 dlxag dvangacoy.

Vel Ionicum vocabulum ayugreg, quo Herodotus et Hip- pocrates utuntur, ipsius Babrii, non interpolatoris manum ostentat, Graeculum autem, si praeter Bodleianam et Vaticanam pa- raphrasin atque Lachmanni recensionem nihil subsidiorum ei

Babriana. | 391

it, suopte ingenio supplevisse hiantem exordii sermonem, cui itituendo critici nostri impares fuerunt, fidem omnino excedit. wnifestum est Menam in hoc apologo religiose sui exempli ipturam tradidisse, qui v. 8 ne apertum quidem vitium eé- ves (su9vvo, Vat. et Lachmann !5) correxerit, nisi forte insimules um hoc mendum intulisse, ut fraudem occultaret. Licet igitur egrum recuperare apologum, mendis quae restant, sublatis:

‘O Zeig youporr” Ev ócrgaxowiw “Eouelny

Boorwy novnowy tag apagradag nacag

"ExtAevotv. sig xiBwroy avrà. cwgevesr,

"Onws anaviwy Blorov e€egevvnoas

5 Kuiwe éxaoroy tag dixas dvangaoon.

Tüv ócigdxwuv xeyuutrwr En’ alias

To uiv fiov, ro de taysov euntnres

Eig 100 Mog ras yeious El nor ev Fuvos.

Tav o)» novgodv ov nooçixe Iuvuales»,

10 El Boacooy adixwy xot we dla duca.

V. 5 xadws i. e. ut decet’ scripsi, cod. Athous xadwe et ws primore vocabulo perperam traiecto. Blowov êfepeurnoaç lui scribere quam ßiozov nv 2gsvvnon, quoniam participium raphrasis tuetur: nam clausulas öwosoreAsuroug haud asper- tur Babrius.

Non minus testificatur virtutem Athoi libri fab. LX, quae a solum complures versus Babrianos suppeditat, quorum nul- a extat vestigium in vulgatis metaphrasibus, sed etiam, quod lto est gravius, enarrationis lineamenta variata ostentat, ut mifestum sit hanc fabulam de agricola et serpente va- 8 subiisse vicissitndines. Secundum pedestrem metaphrasin 6* et 96^ Halm, 118 Bodl) agricola, cum filius serpentis rsu occidisset, securi accepta vario ictu serpentem petit, saxum tum, in quo ferae latibulum erat, percussit Aliter versi- ator Athous (syll. II 60) rem gestam narrat: rusticus ut poe- 3 repeteret saxum arripit, sed ictus irritus fuit, quandoquidem

16) Bodleiana : sinors xaldç xpivosro, scilicet in Babrii fabularum xQivos

quo exemplo fuit scriptum: elzor sddivos, interpretamento addito,

taphrasta sd xoivos esse ratus more suo x«Àdg substituit. In eodem

mplo fortasse fecit zo dy novnpwv pro zu» ob» novnowy, inde xgi-

ro ortum; nam novissimos versus metaphrasta epimythium esse cre-

t et ut assolet apologo praemisit.

392 Th. Bergk,

extremam tantum caudam serpentis abscidit. Uterque ordo rei gestae ad Babrium referendus, qui cum secundis curis apologos retractavit, narrationem variavit '"). Denique versificator Vindo- bonensis (XXIX) fecit agricolam securi arrepta serpenti mortem intentare, sed caudam modo abscidere: saxo hic nullus est lo- eus, itaque etiam in extrema fabula, ubi ceteri testes néroa» ad unum omnes memorant, substituit ogg» yag iyd iv ovgay pou Auzwpos. Contaminavit igitur utramque Babriani apologi recen- sionem, quisquis hoc argumentum politicis choliambis astrinxit ; hunc Athoa ecloga usum esse certum, siquidem Vindobonenses fabella passim plane congruit cum Athoo apologo, velut quod est Syll. II 60, v. 17—19:

6 0 ob» damdev Aenróv ónoovolEoc quydr yag nmÀgyeig sig Óm)v anexgußn Aéywy Èpnoe torade wva ravFeunw.

totidem versibus Vindobonensis repetit:

0 xatwdsv Aenróv aviüg cveloug

xai yao éxouBn imi nérgas 6 Sgsc,

zo avtownw Eynos toads Aéywr Hic concursus nequit ex paraphrasi aliqua repeti, qua uterque versificator sit usus: nam a pedestri interpretatione non minus, quam a gracilitate Babriana inanis haec verborum copia ab- horret: poeta scripserat opinor:

od 0guc Onndev dentòv eine oveisac:

ws ov tvufov, vd’ lyà fAtnw nta»,

ovx 69° Önwg yévosto vwiv elerva. Uno igitur versu 17 quae poeta absolvit, tribus enarraverunt versificatores. Neque vero v. 18 Athous videtur suo periculo ad- didisse, quemadmodum v. 19, sed haec fere repperit in suo ex- emplo opinor: 0 Onmn9ev Asmiv Gvgífag, ninyeis yay elg onÿr ansxgußn, Epnoe tovade ràv2Quinmo, repperit enim hic meta- phrasta in suo libro otiosum additamentum :

mAnyny evyOv ydg elg On anexgupdn. quod interpolator aliquis subiecit v. 17, quem offendit figura xarà 10 OCiWTWUErOr, qua poeta brevitatis studiosus erat usus.

17) Haud exiguus numerus variarum recensionum dubitationem af- fert, num omnes ad Babrium sint referendae; nam fortasse alii Ba- brium secuti eadem argumenta variando, breviando , amplificando ad mythiamborum modum tractaverunt.

Babriana. 398.

Etiam hoc diversae recensionis indicium , quod in Athoa ecloga agricola &Aevgor uéls vdwe, sed in paraphr. ààec xoi &gro» offert, ut anguem loci genium placaret: haec quoque Vin- dobonensis inscite conciliavit &4evoo» «Aus vdwg perinde enume- rando. Manifestum igitur hanc eclogam, quae diversam plane apologi Babriani recensionem exhibet, non potuisse ex subsidiis, quae ad nos propergata sunt, concinnari, sed repetendam esse ex integro rivulo, cuius fidem atque auctoritatem temere addu- bitare non decet: nam quod diasceuasta aliis locis deprehenditur usus esse iisdem, quae nobis in manibus sunt, interpretationibus mythiamborum Babrianorum, hoc argumento nisi malignus ca- lumniator non facile quisquam abutatur ad existimationem ha- rum eclogarum labefentandam.

* *

In malae fraudis suspicionem facile vocaveris fab. 41 (Aéwy Iooun9sds xai pas) et fab. 36 (xwvwy xai Aéwuv), componeus cum Achille Tatio, qui II 21. 22 utroque apologo utitur prae- fatus: rd; xatauwrà mov xoi tovvouas pége 00 uv tov ano xurwnog enw, et: &xov0ov xauoù tiva doyov ano xu- vwnoç x«i Afovrog, ov iteijxoa tIVOG THY pslocogwy’ yagíbouo: ' oo rov uvdov ty @égarrz. Sed Byzantinum magi- strum, qui syllogenII adornavit, Tatio usum esse nego.

Priorem fabulam enarrans Tatius 7j cov [o7] yuyn noog zovro uovov uudaxlteroas inertissime scripsit, multo commodius versificator v. 10:

Ei neo 9uuog m pixoov éuulaxw Fn,

Cavpacióv ovdèr, ev 1vyuy ye rà» üAAwv. Idem sane novissimam fabulae periodum parum scite confor- mavit, neque tamen pedestrem 'latii sermonem perperam inter-. pretatus est, sed cum in exemplo antiquo hos fere versus repperisset :

"Elégaviog avrov Tvyyavwr modo xpelttwr,

"Ocov r alfxrwe cvyxolos ye xwrwnwvy poeticum 600v re quid sibi vellet nescius poematium detruncatum esse opinatus est, ac suo periculo addidit versum:

388 Th. Bergk,

edolavit, quam Vindobonensis: prosodiae ratio habetur in pri- more potissimum versu, in posteriore parte, maxime in sede paen- ultima, plurima et turpissima delicta deprehenduntur: et cum syllabas non tantum numerare sed etiam ponderare studeret, etiam trisyllabos pedes admisit: hiatum aspernatur, quem Vin- dobonensis non curat. Spondeo plurimi versus terminantur, tro- haeo pauci admodum: passim iambi comparent, uayn, nayny, Olivos, dodxwr, eorvyoury, toxspaunr. Item paenultima syllaba accentu percutitur, cui legi pauca exempla adversantur gesde, eb Gov, wevdis, xonuvóv, usò, xar£oyovras. Cum solutos versus et sermonem variatum vel breviatum reconcinnare satis arduum esset opus, magistellus rem ita administravit, ut novandi au- dacia et insigni stupore Vindobonensem longe superaverit. Osten- tant igitur hae fabulae Babrianam gracilitatem et elegantiam miris modis scabritie sermonis et foeda barbarie inquinatam. Quodsi paraphrases, quas adhibuit versificator, servatae essent, antiqua a noviciis, germana ab adulterinis facili plerumque ne- gotio segregare liceret . . .

Iam cum veri sit simillimum eclogas dodecasyllabis poli- ticis scriptas posteriores esse iis, quae umbram certe artis servent, tum haec suspicio planissime confirmatur eo, quod Vindobonensis versificator usus est Athoi diasceuastae eclogis, ut infra lucu- lento exemplo ostendam (vid. p. 392). Item Vindobonensem Athoi vestigia legisse largietur, qui Vind. IV. XX. XXI. XXXV. XXXVIII composuerit cum Athois IV. LXXX. XLIX. LXVIII. LXXXI !°), quamquam Vindobonensis, cuius ingenium satis illu- strat contaminatio diversarum recensionum XXIX (A LX), de qua supra verba feci, passim peculiaria quaedam habet !!). Item animadversione dignus consensus V XVI, v. 1 éxowgary- yricas et A XLIII, v. 1 édxorgurmyéwr, quod metri gratia novatum esse apparet !?), paraphrastae, velut Bodl, croazny7oas exhibent. Eandem necessitudinem testificantur aliae fabulae dodecasylla- borum versuum, quae in cod. Vindob. non leguntur, velut fab.

10) Itaque Vind. XXXVIII v. 5. 6 pariter versue Babrianos, quos servavit .4, quam paraphrasin pedestrem respexit.

11) Velut IV usus est etiam paraphrasì pedestri, XX et XXI suo periculo animantes verba facientes induxit, @ Se leunoé zei xnorà rus medieene xr, item tye uiv gile, ENO COP anodricxe: En (corr. Fer) di Secs, vs xauè tadixiori xrà.: quae Athous pariter ac paraphrases ignorant.

12) Ad eundem modum VY XXXV v. 3 éxvsxgew novavit.

Babriana. 395

a philosopho quodam se accepisse dictitat, satis aperte profitetur se puerilem fabulam vulgari sermone narrare: neque Babrio usus est, sed pedestri metaphrasi, quae utrumque apologum continebat : hunc totidem verbis descripsit, illum sophistarum more variavit et immutavit. | * * *

Iam quaeritur, quis hoc Aesopiarum fabularum exemplo usus Babrianae poesis instaurandae periculum fecerit. Et Me- nam quidem huius sive laudis sive culpae immunem esse con- fidenter assero. Fac Graeculum forte fortuna archetypum illud, quale supra designavimus nactum, eiusmodi facinus animo con- cepisse, insignem certe et audaciam et inscitiam, quam nova haec recensio per omnia prae se fert, in Menam cadere omnino nego. Atque menda plurima, quibus Menae liber obsitus est, Satis superque arguunt recensionem non esse noviciam. Mitto caeca et graviora vitia, nam haec plerumque securum propaga- visse diasceuasten consentaneum est, qui vel apertis mendis decipi se passus est, velut fab. LXXXIII litterae ® inseruit, cum in archetypo exordium corruptum quo mor 7498 reppe- risset. Itaque non utar corruptelis quibus cum alii apologi tum LXXVI laborant !?), quas diasceuasta vel nullam sentiens offensam toleravit vel pravis correctionibus mitigare studuit; sed satis superque plurimi errores quibus ipsius diascuastae sermo inquinatus est, testificantur librariorum incuriam, qui istam recensionem descripserunt: velut fab. XVIII v. 1 éze- xunxes legitur (i. e. gmexAjxu), v. 5 tuvde (1ÿçde), v. 9 we aE v (H3 wc), v. 16 aguj9n (avn), v. 27 yAnvas voo- ovens (vocovcas): adhibuit hoc loco diasceuasta metaphrasin si- milem earum, quae extant, quam ut potuit in versus redegit ??); haec autem menda adhaerere novae recensioni, non ex antiqui- ore exemplo propagata esse manifestum est: neque vero eius- modi errores admittere potuit quamvis stupidus diasceuasta ?!),

19) Huius apologi, quam in integrum restitui versu 8, qui in alienum locum delatus est, reposito et hemistichiis v. 15. 16 traiectis, inveterata sunt menda, quae non advertit diasceuasta.

20) Poesis vestigia nusquam comparent neque in Athoa recensione neque in paraphrasibus vulgatis: nihil igitur causae est, cur Babrium hoc argumentum tractavisse credamus.

21) Praetermisi offensiones, quae utrum a diasceuasta an a libra-

890 Th. Bergk,

ceptam referimus, quam paraphrasis ope frustra in integrum re- stituere tentaveris): ita etiam nova sylloge fab. 51 (Zevdg xgszijc) quae decem choliambis constat, plane integram exhibet, et quam- vis verba vitiorum non sint immunia, omnis tamen fraudis sus- picio procul habenda. Ac posteriorem quidem partem critici paraphrasi usi probabiliter redintegraverunt; sed exordio recon- cinnando paraphrases non sufficiunt, praesertim intra se dis- crepantes :

Bodleiana. Vaticana.

‘O Zeig tag Wr dv9odnuv "Ooredxp yedgort tov “Eo- apagtbag àv dorgaxoss tov ‘Eo- pv Éxéleuder 0 Zeug slg x- Biv wesse yodpew xal slg xi Pwröv ravtag oweever, D Egev- Bwreov drmoridtvas nÀqotov ad- vlouç Éxdoroov tag dixus ava- tov, Onws Exacıov tag dlxug modoce. ava nod 00g.

Cum alii in tres versus haec redigissent, Lachmann quin- que olim fuisse vidit:

‘O Zeig yougorr’ èv dotodxosoiv ‘Egpelnv "Exthevoev eig xıßwiov avıa swoeverv 2100007 “Onwe éxdorou 1a¢ dlxas àvang«cog.

V. 1 refinxit Lachmann, v. 3 C. Schneider, 2gevvnoag cor- rexit Coraes, v. 5 veterum exemplorum fides tuentur. Aliorum pericula recensere supersedeo. Iam nova sylloge hanc sup- peditat:

‘O Zeus yodgovi! dy doroaxosow ‘Eguslyy "vdgüv nommer tas Guagradus nacag "Exéievoev sic xsBwtov avrà owgeves, Kaiws anartwv fiov èoevrious,

“Onwg éxaGrov 106 dixas avangacon.

Vel Ionicum vocabulum dauagras, quo Herodotus et Hip- pocrates utuntur, ipsius Babrii, non interpolatoris manum ostentat. Graeculum autem, si praeter Bodleianam et Vaticanam pa- raphrasin atque Lachmanni recensionem nihil subsidiorum ei

Babriana. | 391

erat, suopte ingenio supplevisse hiantem exordii sermonem, cui restituendo critici nostri impares fuerunt, fidem omnino excedit. Manifestum est Menam in hoc apologo religiose sui exempli scripturam tradidisse, qui v. 8 ne apertum quidem vitium eé- Juve (ed9vvo, Vat. et Lachmann !5) correxerit, nisi forte insimules ipsum hoc mendum intulisse, ut fraudem occultaret. Licet igitur integrum recuperare apologum, mendis quae restant, sublatis:

‘O Zeug yodgovr’ dv dorguxoicir "Egwelnv

Boorwv novngwy 105 amapındag macas

*ExtAevoev sig xfotòv aura owgeverr,

“Onws anavıwv Bíorov e€egeevnoas

5 Kadws éxacrov tag dixas dvangaoon.

Tüv Corgaxwy xeyvutvuv én” aMajAoc

To uiv Boudior, ro tayiov euntarer

Eig 100 dios tag yeioas et nor evduvos.

Tüv ovv novnowy ov moocixe Favuabesr,

10 Ei Baaccoy adızav xat uc dlxnr wo.

V. 5 xaAwg i. e. ut decet scripsi, cod. Athous xa et Onws¢ primore vocabulo perperam traiecto. Bloiov 2&egevvnoag malui scribere quam ßiorov rv égevynon, quoniam participium paraphrasis tuetur: nam clausulas öwosoreAsurovg haud asper- natur Babrius. |

Non minus testificatur virtutem Athoi libri fab. LX, quae non solum complures versus Babrianos suppeditat, quorum nul- lum extat vestigium in vulgatis metaphrasibus, sed etiam, quod multo est gravius, enarrationis lineamenta variata ostentat, ut manifestum sit hanc fabulam de agricola et serpente va- rias subiisse vicissitndines. ^ Secundum pedestrem metaphrasin (96* et 96^ Halm, 118 Bodl) agricola, cum filius serpentis morsu occidisset, securi accepta vario ictu serpentem petit, saxum tantum, in quo ferae latibulum erat, percussit. Aliter versi- ficator Athous (syll. II 60) rem gestam narrat: rusticus ut poe- nas repeteret saxum arripit, sed ictus irritus fuit, quandoquidem

16) Bodleiana: sinozs xaÀóe xpivosro, scilicet in Babrii fabularum Xpıyos

antiquo exemplo fuit scriptum: sino?’ BS vos, interpretamento addito,

metaphrasta ed xpivos esse ratus more suo xad@s substituit. In eodem

exemplo fortasse fecit ro dj novyowy pro zwv or novyouy, inde xçi-

yosto Ortum; nam novissimos versus metaphrasta epimythium esse ore-

didit et ut assolet apologo praemisit. | |

4 3 4 3 RAP A

898 | Th. Bergk,

lectio: posteriore parte privata fuit 2°). Contra Athous liber nul- lam fabulam prioris syllogae continet, auctor enim, cum in ar- chetypo eclogas Babrianas plurimas indagavisset, dedita opera omnes segregavit, quas in illa sylloge exstare vidit, cuius sup- plementum condere instituit °°). Repperit autem Athous diasceu- asta syllogen priorem iam tertia parte orbatam, quemadmodum nunc exstat; hine in priore parte novae syllogae, quam condidit, paucae admodum, in posteriore multo plures eclogae Babrianae comparent.

. In libro Vaticano XXX fabulae Babrianae plus minusve incolumes leguntur, et XVIII quidem exstant in sylloge I, ac praeter has ineditae XII, (quorum sex Furia, totidem nuper Knoell foras dedit), quae nobis solae sunt aestimandae. [Iam Athous liber].*** Ex fabulis ineditis XII, quas suppeditavit Vat., in Athoo leguntur VII, ut commode liceat utriusque libri in- dolem introspicere. Fabulae tres a Furia primum editae 130. 131. 132 ed. Eberh. in Vaticano tam male habitae extant, ut criticis restituendi periculum non satis ex sententia cesserit °°). Atqui easdem eclogas, quae in Athoo libro LI. LIII. LIV quam- vis vitiorum et interpolationis haud immunes extant, ego huius libri potissimum auxilio in integrum restitui. Item fab. 128 Eberh. a Furia olim vulgatam, ubi Vaticana paradosis criticis passim fraudi fuit, plane redintegravi Athoi libri auxilio LII, Siquidem hic diasceuasta usus est exemplo, quod propius aberat a pristina specie quam Vaticanum. ' Trium fabularum, quas Knoell indagavit in codice Vaticano, aliquanto melior est ha- bitus: easdem Athous L. LV. LIX exhibet. Et tetrastichon quidem LV in utroque libro pariter, quamvis diversim, adulte-

25) Quod Vat. servavit fabulam Néos iv xófow», quae desideratur in edita sylloge, non offendit, siquidem consentaneum est diversa exem- pla non eadem cura paradosin propagavisse. Atque etiam scripturae varietates arguunt Vaticani exemplum ab edito diversum fuisse, quem- admodum exemplum, quo Suidas usus est, ab utroque saepius recedit. Quod Vat. nullam fabulam servavit literis Z T X aliis insignitam, in paucitate eclogarum, quas propagavit, non mirum accidit.

26) Sed diversas recensiones fabularum, quae in Syll. I extant, non dubitavit recipere. Omnino animadversione dignum, Athoum dia- sceuastam retractatarum fabularum exemplis sat multis usum esse, id quod plane confirmatur Vaticano libro adhibito.

27) Largitur hoc etiam Knoell Neue Fabeln d. Babrius p. 9: von denen sich einige, namentlich 130. 131. 132, trotzdem ihnen Meister der Kritik wie Lachmann und Haupt thre Hilfe angedeihen ließen, noch immer in einem desperaten Zustande befinden.

Babriana. 399

ratum. Eclogarum autem L et LIX singularis plane ratio, quandoquidem et Vaticanus et Athous diversas adhibuerunt re- censiones, ille ampliores, hic breviatas: ut reapse "quattuor apo- logorum Babrianorum exempla recuperaverimus. Sed L redin- tegrari nequit, quandoquidem Athous paraphrasi, non apographo poematii usus est: hane priorem recensionem postea poeta se- eundis curis perpolivit, quam epecdosin propagavit Vaticanus. Vicissim LIX, ubi Athous modo versus Babrianos descripsit, modo pedestrem paraphrasin in numeros redigere conatus est, ope cod. Vat., ut in adnotatione <Anthologiae> significavi pristinum nitorem recuperat, atque haec brevior species apologi, si quid video, haud quaquam posthabenda fabulae retractatae et amplificatae, quae in Vaticano exstat, ut suspicari liceat hanc alteram recensionem non Babrii, sed alius esse. Virtute igitur Athous liber haud quaquam cedit Vaticano, sed aequiperat vel etiam antecellit. Denique quod quis contendat, archetypo sane, quo Athous versificator usus est, fuisse praecipuam auctoritatem, sed Athoum librum, quem diasceuasta pro arbitrio finxerit ac refinxerit, quemque etiam Mena interpolaverit, fide plane indi- gnum, speciosior quam verior est haec criminatio. Nam Vatica- nus quoque liber non solum foede depravatus, sed etiam satis licenter adulteratus, quod cum iam Knoell luculenter demonstra- verit, aliis exemplis firmare nihil necesse ?®).

28) In fab. LV (A) refingenda Vaticanus eadem grassatus est au- dacia, cui Athous aliis locis indulsit. Item versus in V saepius dodecasyl- laborum «speciem» prae se ferunt, vel ad Athoiiambos proxime accedunt.

Th. Bergk.

Avian. XXVIII 7.

,Vana t laboratis aufer mendacia dictis". Pro laboratis in adn. crit. vaporatis vel adeo plena laboratis (ex Martial. IV 83, 1) suspicatus est qui doctam nitidamque editionem nuper adornavit R. Ellis Babrii Rutherfordiani gemellam; in commen- tario p. 122 vocem cruce notatam dubitanter his conatur expli- care: ‘studied’ . . . (Cannegieter) The idea is perhaps an ez- tension of this, ‘magniloquent’. Or is it ‘fabricated’ and so ‘unreal’? Alteri interpretationi ipse subscribit Babrius 95, 36: 6 vous | Éyavrw n Aoyoıcı noınroicu», i.e. fictis, cf. Pind. Nem. V 29.

Tubingae. O. Crusius,

XXI. Zu Heraklit.

4.

Hütte der alte Ephesier eine Ahnung davon haben kónnen, daß dermaleinst nach mehr als zwei Jahrtausenden im fernsten Norden, bis wohin höchstens kühne Seefahrer aus Abenteuerlust oder Gewinnsucht vorgedrungen waren, ohne damit Land und Leute der wissenschaftlichen Kenntniß oder auch nur der dich- terischen Vorstellung nahe gebracht zu haben, einem der blond- harigen Barbaren es belieben würde, sich den Magus im Norden zu nennen: wer weiß, ob es ihm nicht wie ein Blitz durch die Seele gefahren wäre, diesem Spätgeborenen zuvorzukommen und sich mit nicht minderem Rechte den Magus in Ephesus zu nen- nen? Das Vorrecht der Erstgeburt hätte er jedenfalls für seine Benennung in Anspruch nehmen können, das nun dem Lands- manne und Zeitgenossen Kants für seine Erfindung verbleibt 1).

1) An Vergleichungspunkten zwischen Heraklit und Hamann fehlt es auch nicht ganz. Bekannt und vielbesprochen ist die Dunkelheit der Schreibweise oder richtiger des Gedankenausdrucks beider. Beide haben davon selbst auch ein Bewußtsein und sprechen sich darüber wohl auch gelegentlich und zwar mit ähnlichem Selbstgefühl aus. Ha- mann nimmt auch hie und da auf den alten Ephesier und die angeb- liche Aeußerung des Sokrates über denselben Bezug. Auch in dem Verhalten gegen Zeitgenossen findet sich eine bemerkenswerthe Aehn- lichkeit zwischen beiden. Hamanns Auslassungen über Kant und zwar in seinen Briefen an diesen stehen ,,an gôttlicher Grobheit‘ nicht zu- rück hinter den bekanuten Aussprüchen Heraklits über Xenophanes u. a.

Zu Heraklit. 401

Was aber die innere Berechtigung zu einer solchen Be- zeichnung betrifft, so dürfte sie wohl dem Philosophen des Al- terthums zu statten kommen, welchem gelehrte Forscher nicht nur einige Kenntniß von der Lehre Zoroasters beilegen,; sondern sogar eine tiefgehende, das Wesen seiner eigenen Lehre beein- flussende Aneignung derselben zuschreiben. Für den Zeitge- nossen Kants, der ja auf dem Boden christlicher Erkenntniß und Lebenserfahrung steht und sich zu dieser ausdrücklich und im Gegensatze zu andern Philosophen bekennt, würe ja jede ern- stere Hinneigung zum Magierthum ein unverantwortlicher Rück- fall in vorchristlichen Irrthum und Aberglauben.

Doch Heraklit versäumte es eben, soviel wir wissen, sich diese Benennung beizulegen und damit auch seiner Philosophie dieses Siegel aufzudrücken, und so ist denn der wissenschaft- lichen Forschung und dem erfinderischen Scharfsinn bis zum heutigen Tage das Recht unbenommen, das Wort zu finden, das am richtigsten das Wesen des Mannes und seiner Lehre und die wissenschaftliche Bedeutung beider kennzeichnete.

Daß dies auch dem neuesten Versuche in dieser Richtung nicht gelungen ist, glauben wir in dem dritten Abschnitte der vorliegenden Erórterung dargethan zu haben. Der eigentliche Grund dieses Mißlingens liegt wohl darin, daß der Urheber der neu erfundenen Bezeichnung mit dieser etwas anstrebte, was ebenso unmöglich wie zweckwidrig war. Er wollte die Philo- sophie Heraklits mit einem Ausdrucke bezeichnen, der einzig und allein auf diese pafite, diese gleichsam ganz individuell kennzeichnete. Aber dazu dient eben das von dem Eigennamen gebildete Adjektiv. ,,Die heraklitische Philosophie", diese all- gemein gebräuchliche Bezeichnung , läßt sich zu diesem Zweck durch keine andere neu erfundene oder noch zu erfindende er- setzen. Was zu erstreben ist, besteht vielmehr darin, bei voll- stindiger Würdigung des eigenthümlichen Wesens der einzelnen Erscheinung das, was sie mit anderen gemeinsam hat, zu ermit- teln, das Wesen dieser gemeinsamen Bestrebungen zu erkennen und innerhalb dieses Kreises der Besonderheit ihr Recht ange- deihen zu lassen. Mit dieser geschichtlichen Auffassung ist zu- gleich die Aufgabe der wissenschaftlichen Forschung bezeichnet.

Dieser Aufgabe sucht der Verfasser der mehrgenannten Schrift über die Philosophie Heraklits in vorzüglicher Weise

Philologus. N.F. Bd. I, 3. 26

402 Christian Cron,

gerecht zu werden. Aber indem er bestrebt ist das eigenthiim- liche Wesen des Mannes und seiner Lehre tiefer zu erfassen und richtiger zu würdigen als es bisher geschehen ist, verliert er doch jenen Zug der Gemeinsamkeit, der seine Weltanschauung mit der anderer Denker jener Zeit verbindet, zu sehr aus dem Auge und entreißt die Einzelerscheinung mit seiner neu erfun- denen Formel der geschichtlichen Auffassung. Wir haben nun nichts dagegen, da8 er die früher mehr als neuerdings beliebte, doch aber auch jetzt noch nicht aufier Gebrauch gesetzte *) Be- zeichnung als Hy lozoismus für Heraklit abweist, wünschten viel- mehr, daß mit diesem älteren Erzeugniß der Wortbildungskunst zugleich der jüngere Bruder für immer begraben würde. Wir sind nämlich der Meinung, daß es einer Neubildung gar nicht bedarf, da, wenn man keine zu unbescheidene Ansprüche an wissenschaftliche Bezeichnungen macht, man sich wohl mit einer der schon vorhandenen und in Gebrauch befindlichen, (über de- ren Bedeutung und sprachliche Berechtigung kein Zweifel be- steht, begnügen kónnte.

Die erste Berücksichtigung gebührt nun jedenfalls dem ei- gentlichen Wegebahner und Vorgünger auf diesem Gebiete der geschichtlichen Darstellung, der den Ephesier sammt den Mile- siern zu denen rechnet, die alles aus einer stofflichen Ursache herleiten und von ihm gelegentlich gvoixot oder gvorodoyo: ge- nannt werden. Dieser Name ist denn auch zum Theil von neueren Forschern beibehalten oder mit dem der jonischen N a- turphilosophen vertauscht worden. Diesen will aber Pflei- derer für Heraklit durchaus nicht gelten lassen. Denn wenn dieser auch selbst seine Schrift, wie auch Pfleiderer annimmt, negi puoewc überschrieb, so soll doch gvors damals gleichbe- deutend mit xocuoc gewesen sein. Diese Ansicht lassen wir um so lieber gelten, als auf diesem Wege vielleicht am ehesten eine Bezeichnung gewonnen wird, die allen billigen Anforderungen zu genügen vermöchte und auch von Pfleiderer zugelassen werden könnte Wir meinen den Ausdruck Kosmologie.

Dieser entstammt der Sprache desselben Volkes, dem die Philosophie selbst ihren Ursprung und Namen verdankt. Er ist

2) So z. B. läßt sie auch Heinze in der siebenten Auflage von Ueberwegs Grundriß der Geschichte der Ph. des Alterthums beste- hen und zwar auch in Anwendung auf die Philosophie Heraklits.

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keine Neubildung und darum der Gefahr einer Mißbildung we- niger ausgesetzt, als dies bei Neubildungen gar zu leicht der Fall ist. Denn wenn das Wort auch nicht in der eigentlich klassischen Periode bereits nachweisbar ist, so gehórt es doch der noch lebenden Sprache an und steht ebenbürtig dem gut bezeugten und zu bleibender Geltung auch in den neueren Spra- chen gekommenen Ausdruck Seodoylu zur Seite. Es wurde unter andern im Gegensatz zu den theogonischen und kosmo- gonischen Dichtungen älterer Zeit auf das in Prosa geschriebene Werk des Pherekydes von Syrus angewendet, ohne daß diesem ein ausschließlicher Anspruch darauf zuküme. Demgemäß ist der Ausdruck auch bereits in neueren Darstellungen der Ge- schichte der griechischen Philosophie zu entsprechender Verwen- dung gekommen. Es genügt zum Beweise auf Ueberwegs Grundriß auch in der Bearbeitung von Heinze hinzuweisen, wo in $ 9 die erste Periode der Entwicklung der griechischen Philosophie in folgender Weise bezeichnet wird: ,,Vorwiegende Richtung der philosophischen Forschung auf das Ganze der Na- tur und Welt oder Vorherrschaft der Kosmologie (kosmocentri- scher Standpunkt) Von Thales bis auf Anaxagoras und die Atomistiker“. Schon diese Grenzbestimmung zeigt, daß auch die heraklitische Philosophie in diese Kennzeichnung des We- sens mit eingeschlossen ist. Daran dürfte auch Pfleiderer kaum Anstoß nehmen, der eher gegen die Aufnahme des Anaxa- goras unter diese Wesensbestimmung Bedenken hegen könnte. Denn da, wo er betont, daß bei Heraklit das Urwesen als Welt- stoff, Weltkraft, Weltgesetz zu fassen ist, schreibt er die Auffassung des gôttlichen Wesens als Persónlichkeit und Selbstbewußtsein (bewußte Intelligenz) ausdrücklich dem Anaxagoras zu. Indessen verschließt sich auch Heinze, den wir immer auch als Vertreter Ueberwegs nennen, der Einsicht nicht, daß „der Begriff des vous zu einer wirklichen Erforschung des Geistes veranlassen und somit über die bloße Kosmologie hinausführen konnte". Mit diesem Zugeständniß dürfte auch Pfleiderer sich zufrieden geben, da es ganz ge- eignet ist den anerkannten Werth und Mangel der von Anaxa- goras in die Philosophie eingeführten Bestimmung zur Geltung zu bringen.

Wenn nun freilich weiter gegangen und eine Gliederung

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dieser Periode in gewisse Unterabtheilungen mit unterscheiden- den Begriffsbestimmungen versucht wird, so ist auf eine Ueber- einstimmung der Auffassung und eine ausgleichende Verständi- gung schwerer zu rechnen.

Heinze theilt die erste Periode in vier Abschnitte, 1) die älteren jonischen Naturphilosophen, 2) die Pythagoreer, 3) die Eleaten, 4) die jüngeren Naturphilosophen. Heraklit wird nun den älteren Naturphilosophen zugewiesen und somit vor die Eleaten gestellt. Dies entspricht nun ganz der Forderung Pflei- derers, der „die unerbittliche Chronologie‘ als Kampfmittel ge- gen Zellers Anordnung ins Treffen führt. Um so weniger aber kann derselbe mit der weiteren Ausfiihrung in jener Dar- stellung einverstanden sein. Denn abgesehen von der Bezeich- nung „Hylozoismus“ als kennzeichnendes Merkmal für „die Phi- losophie der älteren jonischen Physiker oder Physiologen", die Pfleiderer für Heraklit unbedingt zurückweist, dürfte dieser auch der beigefügten Unterscheidung zwischen den drei Milesiern einer- und Heraklit andererseits séhwerlich beistimmen; bei jenen soll „auf den materiellen Urgrund“, bei diesem „auf den Proce des Werdens, des Entstehens und Vergehens das Hauptgewicht fal- len*. Man sieht, dem Inhalt nach unterscheiden sich diese Be- stimmungen nicht von denen, welche Zeller als die mafige- benden hinstellt, dagegen wird hier dem Heraklit eine andere Stellung in den unterschiedenen Entwicklungsstufen der ersten Periode gegeben, welche auf den Angaben bei Aristoteles fußend im wesentlichen mit der geistreichen Auffassung Bóckhs über- einstimmt, der auf der Grundlage platonischer Begriffsbestim- mungen den Ioniern die «lo9nr«, den Pythagoreern die diu- vogr&, den Eleaten das vonzo» als Gegenstand der Forschung zuweist.

Wenn man freilich tiefer in das Einzelne eingeht, wozu unter den Ioniern allerdings erst Heraklit reicheren Stoff bietet, so wird man wohl zugestehen müssen, daf keine derartige for- male Bestimmung ausreicht, um die Geistesarbeit der einzelnen Forscher zu umspannen und von einander abzugrenzen. In die- ser Beziehung sind viele der Einwendungen Pfleiderers gewiß wohlbegründet, der aber wahrscheinlich der gleichen Schwierig- keit begegnen würde, wenn er dazu schritte, seine philosophische Monographie zu einer Geschichte der Philosophie zu erweitern.

Zu Heraklit. 405

Eine Schwierigkeit bietet bei allen geschichtlichen Darstel- lungen das Verhältniß der Zeitfolge zu dem inneren Zusammen- hang der Thatsachen und der darauf zu begrtindenden Anord- nung der Theile. Es ergeben sich bei diesem Bestreben leicht Widerspriiche zwischen beiden Gesichtspunkten. Den klassischen Ausdruck für dieses Verhältniß bietet Aristoteles in der Aeuße- rung über das Verhältniß des Anaxagoras zu Empedokles. Auch Heinze macht von diesem Ausdruck Gebrauch bei der Auffas- sung des Pythagoras und Xenophanes im Vergleich mit Hera- klit. Doch ganz alles Recht kann man gerade hier dem chro- nologischen Princip nicht absprechen , da der berühmte Aus- spruch Heraklits über die beiden anderen kaum verstattet, je- den Einfluß dieser auf jenen in Abrede zu stellen, mag auch die Wirkung desselben, wie das ja hier zunächst der Fall ist, nur als Widerspruch und Geringschätzung sich kund geben. Bei dem Verhältniß, das anerkanntermaßen auch zwischen Py- thagoras und Xenophanes besteht, dürfte es nicht unangemessen sein, die drei Stifter abgesondert von ihren Jüngern voranzu- stellen, was auch darum nicht zu verwerfen wäre, weil es sich so deutlicher als bei der anderen Anordnung herausstellen würde, daß wir von dem ersten, Pythagoras, möglichst wenig wis- sen, was mit einiger Sicherheit als von ihm aufgestellte Lehr- sätze betrachtet werden könnte, daß ferner auch das, was ung aus den philosophischen Gedichten ‘des Xenophanes erhalten ist, nicht ausreicht, um das Maß seines Antheils an der Lehre der Eleaten genau zu bestimmen; daß dagegen die Bruchstücke, die uns aus dem Werke des Heraklit überliefert sind, an Zahl und Inhalt so bedeutend sind, daß sich die geschichtliche Betrachtung seiner Philosophie fast ausschließlich dem Stifter selbst zuwendet. In umgekehrter Richtung wächst die Bedeu- tung der Jüngerschaften. Von den Herakliteern ist ver- hältnißmäßig wenig die Rede, besonders wenn es sich im Ernste um die wissenschaftliche Bedeutung der heraklitischen Philo- sophie handelt; bei den Eleaten fällt in dieser Hinsicht das Hauptgewicht auf Parmenides und Zenon; Pythagoras end- lich wird hauptsächlich als Stifter eines religiös- und philoso- phisch-sittlichen Bundes von politischer Bedeutung angesehen, während die an seinen Namen geknüpften philosophischen Lehr- sätze mit wenig unbestrittenen Ausnahmen auf seine Jünger und

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dieser Periode in gewisse Unterabtheilungen mit unterscheiden- den Begriffsbestimmungen versucht wird, so ist auf eine Ueber- einstimmung der Auffassung und eine ausgleichende Verständi- gung schwerer zu rechnen. |

Heinze theilt die erste Periode in vier Abschnitte, 1) die älteren jonischen Naturphilosophen, 2) die Pythagoreer, 3) die Eleaten, 4) die jtingeren Naturphilosophen. Heraklit wird nun den älteren Naturphilosophen zugewiesen und somit vor die Eleaten gestellt. Dies entspricht nun ganz der Forderung Pflei- derers, der „die unerbittliche Chronologie“ als Kampfmittel ge- gen Zellers Anordnung ins Treffen führt. Um so weniger aber kann derselbe mit der weiteren Ausführung in jener Dar- stellung einverstanden sein. Denn abgesehen von der Bezeich- nung „Hylozoismus“ als kennzeichnendes Merkmal für „die Phi- losophie der älteren jonischen Physiker oder Physiologen“, die Pfleiderer fiir Heraklit unbedingt zuriickweist, diirfte dieser auch der beigefiigten Unterscheidung zwischen den drei Milesiern einer- und Heraklit andererseits schwerlich beistimmen; bei jenen soll „auf den materiellen Urgrund“, bei diesem „auf den Proceß des Werdens, des Entstehens und Vergehens das Hauptgewicht fal- len“. Man sieht, dem Inhalt nach unterscheiden sich diese Be- stimmungen nicht von denen, welche Zeller als die mafige- benden hinstellt, dagegen wird hier dem Heraklit eine andere Stellung in den unterschiedenen Entwicklungsstufen der ersten Periode gegeben, welche auf den Angaben bei Aristoteles fuftend im wesentlichen mit der geistreichen Auffassung Bóckhs über- einstimmt, der auf der Grundlage platonischer Begriffsbestim- mungen den Ioniern die «2097ra, den Pythagoreern die diu- vonru, den Eleaten das vonzo» als Gegenstand der Forschung zuweist.

Wenn man freilich tiefer in das Einzelne eingeht, wozu unter den Ioniern allerdings erst Heraklit reicheren Stoff bietet, so wird man wohl zugestehen müssen, daß keine derartige for- male Bestimmung ausreicht, um die Geistesarbeit der einzelnen Forscher zu umspannen und von einander abzugrenzen. In die- ser Beziehung sind viele der Einwendungen Pfleiderers gewiß wohlbegründet, der aber wahrscheinlich der gleichen Schwierig- keit begegnen würde, wenn er dazu schritte, seine philosophische Monographie zu einer Geschichte der Philosophie zu erweitern.

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Eine Schwierigkeit bietet bei allen geschichtlichen Darstel- lungen das Verhältniß der Zeitfolge zu dem inneren Zusammen- hang der Thatsachen und der darauf zu begründenden Anord- nung der Theile. Es ergeben sich bei diesem Bestreben leicht Widersprüche zwischen beiden Gesichtspunkten. Den klassischen Ausdruck für dieses Verhältniß bietet Aristoteles in der Aeuße- rung über das Verhältniß des Anaxagoras zu Empedokles. Auch Heinze macht von diesem Ausdruck Gebrauch bei der Auffas- sung des Pythagoras und Xenophanes im Vergleich mit Hera- klit. Doch ganz alles Recht kann man gerade hier dem chro- nologischen Princip nicht absprechen , da der berühmte Aus- spruch Heraklits über die beiden anderen kaum verstattet, je- den Einfluß dieser auf jenen in Abrede zu stellen, mag auch die Wirkung desselben, wie das ja hier zunächst der Fall ist, nur als Widerspruch und Geringschätzung sich kund geben. Bei dem Verhältniß, das anerkanntermaßen auch zwischen Py- thagoras und Xenophanes besteht, dürfte es nicht unangemessen sein, die drei Stifter abgesondert von ihren Jüngern voranzu- stellen, was auch darum nicht zu verwerfen wäre, weil es sich so deutlicher als bei der anderen Anordnung herausstellen würde, daß wir von dem ersten, Pythagoras, möglichst wenig wis- sen, was mit einiger Sicherheit als von ihm aufgestellte Lehr- sätze betrachtet werden könnte, daß ferner auch das, was uns aus den philosophischen Gedichten ‘des Xenophanes erhalten ist, nicht ausreicht, um das Maß seines Antheils an der Lehre der Eleaten genau zu bestimmen; daß dagegen die Bruchstücke, die uns aus dem Werke des Heraklit überliefert sind, an Zahl und Inhalt so bedeutend sind, daß sich die geschichtliche Betrachtung seiner Philosophie fast ausschließlich dem Stifter selbst zuwendet. In umgekehrter Richtung wächst die Bedeu- tung der Jüngerschaften. Von den Herakliteern ist ver- hältnißmäßig wenig die Rede, besonders wenn es sich im Ernste um die wissenschaftliche Bedeutung der heraklitischen Philo- sophie handelt; bei den Eleaten fällt in dieser Hinsicht das Hauptgewicht auf Parmenides und Zenon; Pythagoras end- lich wird hauptsächlich als Stifter eines religiós- und philoso- phisch - sittlichen Bundes von politischer Bedeutung angesehen, während die an seinen Namen geknüpften philosophischen Lehr- sätze mit wenig unbestrittenen Ausnahmen auf seine Jünger und

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Nachfolger zurückgeführt werden, namentlich auf Philolaus, obwohl die unter seinem Namen von Böckh herausgegebenen Bruchstiicke auch nicht mehr als unbezweifelt echte Ueberreste eines Werkes desselben gelten.

Bei dieser Auffassung und Anordnung wird man auch ge- neigt sein, in der neuerdings verhandelten Frage, ob Parmenides in seinem Lehrgedichte auf gewisse Aeußerungen Heraklits Be- zug nimmt, sich dahin zu entscheiden, daß dies unverkennbar der Fall ist. Dafür spricht schon im allgemeinen die Wahr- scheinlichkeit, daB ein Mann, wie Parmenides, der auf dem Ge- biete der philosophischen Welterklärung mit einer an Copernicus und Columbus gemahnenden Kühnheit des Denkens der ge- sammten gemeinen Wirklichkeit entgegentritt, den beleidigenden Angriff auf den anerkannten Stifter der eleatischen Lehre nicht unerwiedert lassen würde. Wenn nun gleichwohl der Name des Ephesiers nirgends in dem Gedichte des Parmenides vorkommt, so mag dies in der gewühlten Form der Darstellung liegen, de- ren hoher Flug im Eingang des Gedichtes ihm die Nennung des Namens vielleicht zu verbieten schien. Er hätte ihn ja der hehren Góttin selbst in den Mund legen müssen. Diese Ehre aber wollte und konnte er wohl dem Manne nicht erweisen. Dafür werden seine Aussprüche mit so deutlicher Anspielung ge- kennzeichnet, daB dem Kenner der heraklitischen Schrift sich die Beziehung dieser Auslassung wohl kaum verbergen konnte, die vielleicht auch Zeller nicht mehr abweist. Und dafì es auch an der persónlichen Spitze nicht fehlt, dies zeigen die Worte Boorot eldorsg ovdiv ... dixgavos ein Aus- druck, der wohl nicht bloß auf die Jünger, sondern zunächst und hauptsüchlich auf den Meister selbst gemünzt ist als Rück- zahlung für das abschätzige Urtheil über Xenophanes. Der Pluralis spricht nicht dagegen, da dieser auch in der dichteri- schen Darstellung seine hinreichende Begründung findet *).

3) S. darüber Bernays (Ges. Abhandlungen I S. 62 Anm.) und Heinze S. 49 und S. 72. Außer Schuster und Gladisch behauptet neuerdings auch Diels in seinem Aufsatze ,,Ueber die ültesten Phi- losophenschulen der Griechen'' (Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubilium gewidmet. Leip- zig 1887) die Hinweisung auf die Herakliteer, die ,,mit ihrem sadi»- toonos xékevdos unzweifelhaft gekennzeichnet sind‘‘ und als Nichts- wisser und Doppelkópfe bezeichnet werden. Nahe liegt es mit diesem

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Wollte man den Spuren dieser zeitgenössischen Beurthei- lung der heraklitischen Philosophie folgen, um eine fiir die Ge- schichte der Philosophie brauchbare Bezeichnung derselben aus- findig zu machen, so bite sich ganz ungesucht der in der Ge- schichte der Philosophie längst heimische Ausdruck ‘Identi- tätssystem’ dar. In der That könnte man diesen modernen Mischling unserer wissenschaftlichen Kunstsprache nicht treffen- der auf ihren urwüchsigen und rein natürlichen Ausdruck zu- rückführen als durch den Vers des Parmenides, welcher lautet:

+ \ olg to nées te xai ovx siva: IWÜTOV vevopuotai.

Und bieten nicht zahlreiche Ausspriiche Heraklits dem jiingeren Zeitgenossen und Gegner das Recht zu solcher Auffassung und von seinem Standpunkte verwerfenden Beurtheilung? Diese brauchte man sich darum noch nicht anzueignen, wenn man von der dargebotenen Kennzeichnung und der spiiter erfundenen Be- nennung Gebrauch machen wollte. Diese letztere wire noch immer empfehlenswerther als die neuerfundene, und zwar sowohl nach Form als Inhalt. Doch erhebt sich auch gegen jene noch ein und das andere Bedenken. Sie entstammt nicht der Sprache des Philosophen selbst und ist daher auch der Auffassung und Darstellung des Platon und Aristoteles fremd geblieben. Mit der Uebertragung der modernen Kunstsprache in die alterthiim- liche Anschauung und Gedankenwelt könnte sich aber leicht auch eine Einmischung solcher Ziige verbinden, durch welche das ursprüngliche Bild entstellt oder doch weniger treu wieder- gegeben sich darstellte. Es ist daher gerathen, lieber bei einer weniger sagenden und darum anspruchsloseren, zugleich aber auch naturwahren und zutreffenden Bezeichnung stehen zu blei- ben. In diesem Lichte aber erscheint uns der oben bereits an- geführte Ausdruck ‘Kosmologie’.

Der Entwicklungsgang der Bedeutungen des Wortes xoouoç, wie er sich in dem Sprachgebrauch der Dichter und Philoso- phen beurkundet, ist in der That geeignet, auch den verschie- denen Seiten in der Philosophie Heraklits gerecht zu werden.

Ausdruck eine Stelle in dem Buche Pfleiderers zu vergleichen, in welcher er auf das ,,unverkennbare Do ppelgesicht der Phi- losophie unseres Ephesiers, ihre zugleich positiven und negativen Züge'* hindeutet. Die Ausdrücke passen zu einander, wenn auch gleich die Absicht beider eine ganz verschiedene ist.

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Wenn man nun auch die von Diogenes angeführte Eintheilung der Schrift Heraklits in drei Abschnitte, welche durch die Auf- schriften als Aoyos meoì toù nurtog und als À. moAszıxoc und als ‘A. Feodoyixog unterschieden werden, nicht auf Heraklit selbst zurückführen will und kann, so kommt doch zunächst xoouoç in der Bedeutung in Betracht, welche Pfleiderer auch ftir das Wort quais in jener Zeit in Anspruch nimmt. Das Weltall als Weltganzes (Weltsystem) schlieBt natürlich auch den Begriff in- nerer Gesetzmäßigkeit und Wohlordnung ein. Diese bildet denn auch nach Pfleiderer den Grundzug in der Weltanschauung Heraklits, von der er S. 231 sagt: „denn was uns aus dem Ganzen entgegentritt, ist kurz gesagt die tiefe Rationalität des Universums und seine harmonische Wohl- ordnung, welche alles schließlich ausgleicht und aus der sich für das praktische Individuum sehr einfach das Grundgesetz er- gibt, sich dem einzufügen, um darin seine definitive Beruhigung zu finden“. Daß diese Kennzeichnung der heraklitischen Weltansicht auch auf die pythagoreische paßt, gereicht ihr nicht zum Vorwurf, sondern zeigt nur, wie sehr beide Auffas- sungen trotz aller Verschiedenheit der physikalischen Grund- lagen, die Arirtoteles zag àv vino etde, alılug nennt, doch ihrem geistigen Wesen nach, das sich in dem Begriff des x0ouoç er- fassen läßt, übereinstimmen. Diese Uebereinstimmung erstreckt sich aber auch auf das Gesetz der Sittlichkeit und zwar sowohl für das Einzelwesen als auch für das Gemein- wesen, das ja für die Lebensordnung der Pythagoreer von so maßgebender Bedeutung ist, aber auch der heraklitischen Welt- anschauung nicht ganz fern liegt, wie schon aus der oben er- wähnten Eintheilung seiner Schrift erhellt.

Ob man freilich auch von einem besonderen Aoyog 3eodo- yixog bei Heraklit reden kann, bleibt fraglich ; ebenso, ob die Auffassung der heraklitischen Philosophie als ersten Versuchs „von spekulativer Theodicee“, wie Pfleiderer will, am Platze ist, wenn man, was Pfleiderer ebenfalls thut, von Heraklits Unwesen sagt, daß es „Weltstoff, Weltkraft, Weltgesetz ist. Daß sich Heraklit nirgends zu dem Begriff eines außer- und über- weltlichen persönlichen Gottes, der ein Herr des Seins ist, er- hebt, wird auch allerseits zugegeben. Der &urog Aoyog Heraklits ist nicht dem denkenden Geist (vovg) des Anaxagoras zu ver-

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gleichen, der zu dem urspriinglichen Durcheinander der unend- lich vielen Urstoffe als Ordner hinzutritt, sondern er ist, wie Pfleiderer sagt, „die alldurchdringende Rationalität des Seins“.

Wenn, wie kaum zu bestreiten ist, dieser die Grenzen rei- ner Naturphilosophie überschreitenden Auffassung der herakliti- schen. Philosophie der Ausdruck ‘Kosmologie’ besser als je- der andere entspricht und gerecht wird, so verdient er in die Geschichte der griechischen Philosophie allgemein eingeführt und zur Kennzeichnung der ersten Periode ihrer Entwicklung Ver- wendet zu werden. Denn er genügt vollkommen, um auch die Grenzen zu bezeichnen, innerhalb deren sich diese Entwicklung bewegt.

Freilich ergeben sich für die Darstellung bezüglich der Un- terscheidung und Anordnung immer noch namhafte Schwierig- keiten, mit denen sich die Darsteller so oder so abzufinden suchen müssen. Auf diese hinzuweisen, dazu gibt die oben er- wähnte Abhandlung von Diels noch besonderen Anlaß. Der Verfasser leitet sie mit folgender Bemerkung ein: „durch die biographisch -individualisirende Betrachtung, welche in der Ge- schichte der alten Philosophie hergebracht ist, sind wir ge- wöhnt, die Fortschritte auf diesem Gebiete an einzelne Namen zu heften, auf sie allen Ruhm zu häufen und dabei die wesent- lichen Dienste zu übersehen, wslche die Genossen und Schüler den einzelnen hervorragenden Philosophen leisteten, nicht bloß nach deren Tode durch Verbreitung und Ausbildung ihres Sy- stems, sondern auch durch hülfreiche Mitarbeit und Vorarbeit zu ihren Lebzeiten“. Um die Berechtigung dieser Ansicht dar- zuthun, weist Diels auf entsprechende Thatsachen in der Ge- schichte der Künste und Wissenschaften hin. Demgemäß glaubt er auch für Thales, der in der Geschichte der griechischen Philosophie die erste Stelle einnimmt 4), das Recht beanspruchen zu dürfen, ihn „als den Mittelpunkt einer schon völlig regel- recht organisirten Innung zu denken". Ohne diese Annahme scheint ihm die bis zur Zeit des Aristoteles und seiner Schule fortdauernde KenntniB seiner Lehrsütze schwer erklärlich, da Thales selbst aller Wahrscheinlichkeit nach keine Schriften hin- terlassen habe. Dieser innerhalb der Grenzen wissenschaftlicher

4) ‘O ın5 tosavtns grlocogias doynyds. Arist. -

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Besonnenheit gehaltenen Annahme soll unsrerseits nicht wider- sprochen werden; nur ist daran zu erinnern, daf in der ge- schichtlicheu Darstellung die Zusammenfassung der Stifter der Schulen mit diesen selbst auch Schwierigkeiten verursachen kann und darum Beschränkungen erleiden muß. Ein in die Augen fallendes Beispiel dafiir bietet die eleatische Schule oder Genos- senschaft. Es wire nicht wohlgethan den Xenophanes in eine so enge Verbindung mit Parmenides und Zenon zu setzen, wie diese selbst unter einander stehen; denn nicht bloß nach dem Mafistabe, nach welchem Aristoteles den Xenophanes mit Me- lissus zusammen als minder gewandt in der Dialektik (wg ovzeg uixgov Gygoixó1eQos) den beiden anderen gegeniiberstellt und Pfleiderer ersteren nur als „das theologisirende Vorspiel der eleatischen Metaphysik* betrachtet, sondern auch in einem an- deren Betracht gebührt demselben eine gewisse Sonderstellung. Denn wenn Xenophanes ‘auch /7uouertdov didacrados genannt wird, so scheint sich doch, wie man schon einigermaßen aus dem von Aristoteles gerügten Mangel schließen kann, ein Ein- fluß der Schule auf ihn nicht bemerklich gemacht zu haben. Ja man kónnte vielleicht gerade und vorzugsweise auf ihn ein Wort Pfleiderers anwenden, der im Hinblick auf die ,,kernge- sunden Vorsokratiker“, die vielfach der Wahrheit näher ge- kommen seien als die Meister der Schulen, wie es scheint , im Sinne einer Herzenserleichterung sich folgendermaßen vernehmen làBt: ,die Schulen verderben ja nicht nur das leibliche, son- dern unter Umständen auch das geistige Auge: glücklich dieje- nigen, welche noch ohne jegliche Brille frisch und froh in die Welt selbst hineinschauen durften". Diese AeuBerung Pfleide- rers erseheint recht wie die Kehrseite dessen, was Diels in sei- ner Abhandlung darzuthun bemüht ist. Doch kann sie, richtig verstanden und aus dem richtigen Gesichtspunkte gewürdigt, un- beschadet der von Diels vertretenen Ansicht wohl zu Recht be- stehen. Von Xenophanes namentlich kann man nach allem, was von ihm vorhanden ist und glaubwürdig überliefert wird, sagen, daß er frei und kühn in die Welt blickend (slg 10» 040y où- guvov anoBiéwaus) unbeirrt durch den Schein, mit der uner- schiitterlichen Kraft sittlicher Ueberzeugung seinen Satz von der Einheit des Seienden und der Einheit Gottes aussprach und den

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anthropomorphistischen Vorstellungen des Polytheismus 5) ent- schieden zu Leibe geht. So, als selbständiger Denker, fand er einerseits überzeugte Zustimmung und wurde der Stifter einer Schule, welche die groBen Grundgedanken ergriff und mit folge- richtiger Strenge weiterbildete, andrerseits forderte er zum Wi- derspruch heraus, der mit philosophischem Geiste frei und kühn in schroffster Entschiedenheit sich äußerte. Hier Parmenides mit seinem Genossen und Nachfolger, dort Herakleitos in einsamer Selbstgenugsamkeit, wenn auch nicht ohne Nachfolger. Somit spricht dieser mit seinem wuchtigen *zó4suog narno mav- twv aus seinem eigenen Fühlen und Denken zugleich auch ein Gesetz der Entwicklung der griechischen Philosophie aus, das aber vollstindiger und richtiger in den weltbildenden Kriften . des Empedokles yıAla (YıAorns) und veixog zum Ausdruck kommt.

Dem griechischen Volke aber bleibt die Ehre und das Ver- dienst, die Philosophie nicht nur ins Leben gerufen, sondern sie auch in unermüdlicher Geistesarbeit fortgebildet und der Nachwelt überliefert zu haben. Seine Schöpfung bewährte sich als so lebenskräftig, daß sie nicht nur den politischen Ver- fall des Volkes überlebte, sondern auch in andern Völkern und Ländern den Geistesfunken entzündete, der neues Leben er- zeugie und durch die Vermählung des griechischen Geistes mit fremder Volksart und Ueberlieferung neue lebenskräftige Ge- bilde ins Dasein rief. So pflanzte sich die Philosophie in einer ununterbrochenen Reihenfolge von Entwicklungen fort durch Jahrhunderte bis tief hinein in die Zeitrechnung, die von einer weltumgestaltenden Thatsache ausgehend durch die von Volk zu Volk weiter schreitende Anerkennung dieser Thatsache um der tiefgreifenden Wirkung willen, welche dieselbe auf das Leben der Völker und ihr Verhältniß zu einander ausübte, in der Ge-

5) Und nicht bloß diesen! Denn würde Xenophanes, wenn er so manche hochberühmte Darstellung christlicher Maler gekannt hätte, die uneingedenk des Gebotes, das da lautet: ‘du sollst dir kein Bild- niß noch irgend ein Gleichniß machen’... ‘auf daß ihr euch nicht verderbet und machet euch irgend ein Bild, das gleich sei einem Manneoder Weibe’, und der von Jesus dem sama- ritischen Weibe ertheilten Belehrung : ‘Gott ist ein Geist’, also nicht ein menschliches Gebilde, sich vermaßen die göttliche Dreieinigkeit oder Dreiheit der Personen und Gott den Schöpfer Himmels und der Erde in menschlischer Gestalt darzustellen würde, sagen wir, Xe- nophanes diesen christlichen Malern die derbe Zurechtweisung vorent- halten haben, die er seinen Zeitgenossen ertheilte ?

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schichte der Menschheit den Anfang einer neuen Zeit bezeichnen soll. Aber trotz dieser Umgestaltung des äußeren und inneren Lebens der Völker lebte und wirkte auch die griechische Philo- sophie fort, da die eifrigsten Vertreter und Verbreiter der christ- lichen Lehre den in der griechischen Literatnr niedergelegten Erkenntnißschatz dem Christenthum anzueignen, ja als Ausfluß göttlicher Offenbarung darzustellen bemüht waren. Dieser Be- mühung verdanken wir die Erhaltung so mancher Trümmer aus der geistigen Hinterlassenschaft der Griechen, die ohne die ret- tende Hand in dem großen Schiffbruche mit untergegangen wä- ren. Glticklicher Weise ist auch abgesehen von diesen trüm- merhaften Ueberresten der Schatz an vollständigen Geisteswerken nach Umfang und Gehalt noch groß genug, um dem Erkennt- nißbedürfniß der Menschheit auch fernerhin Stoff und Auregung zu wissenschaftlicher Forschung zu bieten. Zunächst stellte sich die Philosophie im christlichen Zeitalter in den Dienst der Kirche, ohne darum aufzuhören bei der Philosophie des vor- christlichen Alterthums in die Schule zu gehen. Diese gewährte ihr das Uebungsfeld, auf dem sie ihre Kraft erproben und aus- bilden konnte, und nachdem sie auf diese Weise erstarkt war, das Rüstzeug zur Vertheidigung der Kirchenlehre: ein Zweck, der freilich ihrer freien Entwicklung und selbständigen Entfal- tung Eintrag that. Diese ward erst zu der Zeit wiedergewon- nen, als der Menschengeist auf anderen Gebieten des Lebens und Denkens und Handelns die Fesseln des Herkommens durch- brach und kühnen Muthes die Bahnen der Entdeckungen und Erfindungen beschritt, die auch nicht vor den von der höchsten kirchlichen Autorität aufrecht erhaltenen Schranken Halt machten. So gelangten durch unwiderlegliche Beweise gesicherte Erkennt- nisse, wenn auch in hartem Kampfe mit der geistlichen Gewalt, langsam und allmählich doch zu allgemeiner und unbestrittener Anerkennung und die Wissenschaft überhaupt zu der ihr unent- behrlichen Freiheit der Bewegung.

Bei diesem Befreiungskampfe, der alle anderen in der Ge- schichte verzeichneten Freiheitskämpfe an Wichtigkeit der Fol- gen weit übertraf, hatte auch die Wiedererweckung der klassi- schen Studien ihren Antheil; insbesondere trug die erneuerte und mit warmer Begeisterung ergriffene Kenntniß der platoni- schen Schriften, die durch die Uebersetzung des Florentiners

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Marsilius Ficinus unterstützt und gefórdert wurde, viel bei zur Verdrüngung der ausschlieBlichen Geltung des scholastisch zuge- richteten Aristoteles. Dadurch daß die Herrschaft der kirchlich gepanzerten Scholastik gebrochen wurde, erlangte die Philosophie ihre Freiheit und wissenschaftliche. Selbstündigkeit wieder, frei- lich nicht ohne ihren Märtyrer gefunden zu haben. Die Vor- liebe für Platon, die sich am glünzendsten in der Stiftung der platonischen Akademie zu Florenz bethitigte, rief Widerspruch hervor, der zu einem Kampfe zwischen Platonikern und Aristo- telikern gedieh und auch das Verhältniß beider zur Kirchen- lehre nicht aus dem Auge verlor, auch die Kirchentrennung überdauerte. Aus diesem Kampfe entwickelte sich allmählich, nachdem auch den vorsokratischen und nacharistotelischen Sy- stemen die gebührende Beachtung zu Theil geworden, die ge- schichtliche Auffassung und Würdigung, zuerst mehr von lite- rarisch - philologischem Standpunkt, dann auch mit philosophi- schem Interesse und Verstündnif. Letzteres wurde um so besser gefórdert, je mehr der philosophische Geist des Forschers sich mit den Grundsützen echt geschichtlicher Wahrheitserforschung verband und sich nicht in den Dienst eines besonderen Sy- stems stellte.

Dieser Vorwurf wurde von manchen Seiten gegen Heg els Darstellung in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Phi- losophie erhoben und auf solche Schriften, die auf der gleichen Grundansicht beruhten, wie z. B. Lassalles umfassendes Werk über Herakleitos, ausgedehnt. Ja sogar Zeller entging nicht ganz dem gleichen 'Tadel, obschon er in der Einleitung zur dritten Auflage des ersten Bandes seines berühmten und vielbe- nutzten Werkes selbst die wissenschaftliche Voraussetzung He- gels als eine der geschichtlichen Auffassung nicht entsprechende eingehend und gründlich bekämpft. Besonders Gladisch gab diesem Tadel Ausdruck noch in seinem letzten Aufsatze über die vorsokratische Philosophie, welche, in dem 11. Hefte des Jahrgangs 1879 der Jahrbücher für classische Philologie abge- druckt, wie aus Fleckeisens Nachschrift zu ersehen ist, erst nach dem Tode ihres Verfassers zur Veróffentlichung kam. Eine wich- tige Stelle in dieser Polemik nimmt die Auffassung der hera- klitischen Lehre ein, und besonders wird auch der Ausgangs- punkt in der Darstellung Zellers als ein unrichtig gewühlter

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und die Gesammtauffassung benachtheiligender angefochten. In dieser Ansicht stimmt Pfleiderer mit Gladisch tiberein, ver- wirft aber dessen Beiziehung der Zoroastrischen Religion ebenso wie die anderer orientalischer Religionen von seiten anderer Forscher.

Die ganze Frage iiber den bestimmenden EinfluB, den die orientalischen Religionen auf die griechische Philosophie geübt haben sollen, unterzieht Zeller einer griindlich eingehenden Un- tersuchung, deren Ergebniß ein abweisendes ist und namentlich auch dazu führt, die wissenschaftliche Unhaltbarkeit der von Gladisch unternommenen geistreichen Zusammenstellung der ein- zelnen vorsokratischen Systeme mit den verschiedenen Religionen des Morgenlandes darzuthun. Gladisch geht wohl auch darin fehl, wenn er annimmt, daß bei Zeller dem Bemühen, „das Mor- genlündische fernzuhalten oder hinwegzudeuten“, der Glaube zu Grunde liegt, ,,als ob die Philosophen durch die Nachweisung des morgenländischen Gehaltes ihrer Lehren“ ein sonder- barer Ausdruck! ,,an dem Ansehen, welches ihnen bisher beigelegt wurde, eine Einbuße erlitten“. Wer ohne Voreinge- nommenheit die oben erwühnte Einleitung Zellers durchliest, wird kaum dieser Ansicht beipflichten kónnen; er wird vielmehr sich gedrungen fühlen anzuerkennen, daß Zeller mit wissen- schaftlicher Unbefangenheit und gründlich prüfendem Urtheil den Entwicklungsgang des griechischen Geistes- und Kultur- lebens von den ersten unserer Kenntniß sich erschließenden An- fängen an darlegt, um auf diese Weise den Boden erkennen zu lassen, aus dem die griechische Philosophie hervorgegangen ist. Daß von diesem Boden auch fremde Religionsvorstellungen nicht ausgeschlossen waren, stellt auch Zeller nicht in Abrede Nur das bestreitet er, daß ihr Einfluß ein so maßgebender gewesen sei, daß dadurch die Entstehung und Weiterentwicklung der griechischen Philosophie bestimmt und beherrscht worden wäre. Uebrigens ist nicht unerwähnt zu lassen, daß Gladisch in der mehrgenannten man könnte sagen letztwilligen Kundge- bung gegenüber dem angenommenen Vorurtheil Zellers sich in folgender Weise ausspricht: „Während Pythagoras und seine Schule, Herakleitos, die Eleaten, Empedokles und Anaxagoras bisher bloB fiir hervorragende Denker des hellenischen Volkes galten, werden sie durch diese Nachweisungen zugleich Reprä-

Zu Heraklit. 415

sentanten ganzer weltgeschichtlicher Culturvólker, indem sie deren mehr oder minder sinnliche religióse Weltanschauungen in der Klärung der Philosophie, gleichsam in schónen Lichtbildern, wiedergeben und so das rechte tiefere Verständniß der Ge- schichte erschließen“ mit der beigefügten Bemerkung: „Na- türlich kann davon nicht die Rede sein, daß die genannten Phi- losophen unmittelbar aus der morgenländischen Urquelle geschöpft hätten ; auch nicht davon, daß sie das aus der Ur- quelle Ueberlieferte auch in allem einzelnen geistlos wiederge- geben; .... aber im grundwesentlichen liegt die Ueberein- stimmung so klar zu Tage, daß sie von keinem Unbefangenen bestritten werden kann“. Ob damit Zellers Gegengründe ent- waffnet sind, dürfte zu bezweifeln sein. Eher möchte man glau- ben, daß durch diese Auffassung den genannten Denkern eine Leistung und Würde zugeschrieben wird, die außerhalb des Be- reiches ihrer Absicht und Einsicht lag.

Pfleiderer, wie gesagt, stimmt zwar mit Gladisch überein in dem Widerspruch gegen Zellers Auffassung und Darstellung der Philosophie Heraklits, erkennt aber andrerseits an, daß, was Zeller zur Widerlegung von Gladischs Ansicht über den Ein- fluß der morgenländischen Religionen auf die philosophischen Systeme der Griechen sagt, richtig und zutreffend sei. Er sei- nerseits setzt an die Stelle der fremdländischen Religion den heimischen Volksglauben, insbesondere den in Ephesus beste- henden Mysterienkultus. Daß die äußeren Umstände die- ser Annahme keinerlei Schwierigkeit in den Weg legen, daß die persönlichen Verhältnisse des Mannes vielmehr die vertraute Bekanntschaft mit dem Mysterienkultus in seiner Vaterstadt be- günstigten, und daß diese auf Geist und Gemüth des edelge- bornen und hochgemuthen Jünglings eine nachhaltige Wirkung üben mußte, ist ja nicht zu bestreiten; aber ebensowenig ist an- zunehmen, daß diese ihn erst zum Philosophen gemacht und seinem Denken und Wollen die Richtung gegeben, die aus den erhaltenen Trümmern seines Werkes hervorleuchtet; daß nicht vielmehr der Keim dazu in seiner ursprünglichen Geistesanlage gelegen gewesen sei, der sich seinem inneren Wesen nach nicht ohne Antrieb und Anregung von außen entwickelt habe. Sollte unter diesen äußeren Einwirkungen nicht auch das kühne Her- vortreten des Mannes aus Kolophon mit seinem unbewegten und

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unveränderlichen Eins einen mächtigen Einfluß auf sein eigenes Denken geübt haben? und sollten wir nicht berechtigt sein zu glauben, daß bei der Selbständigkeit und Eigenart seines We- sens der Grundgedanke seiner Philosophie sich gerade im Ge- gensatze gegen die Lehre seines älteren Zeitgenossen gestaltet und entwickelt habe?

Daher wird man, wenn man davon absieht, aus den erhal- tenen Trümmern die ursprüngliche Anlage des Werkes wieder- zuerkennen, die Berechtigung nicht bestreiten können, vom Stand- punkte der geschichtlichen Darstellung des Entwicklungsganges der griechischen Philosophie die Lehre von dem Flusse voran- zustellen. Freilich in rein negativem oder gar ,, pessimistisch- nihilistischem“ Sinne darf man sie nicht auffassen. Dazu ist aber auch nicht der geringste Anlaß gegeben. Nimmt man die Hauptstelle, deren urspriinglicher Wortlaut sich auf Grund der verschiedenen Ueberlieferung allerdings nicht unbedingt feststel- len läßt, so wie sie Bywater fr. 41 bietet), so hätten wir zu- nächst ein Bild von dem steten Wechsel der Dinge, in welchem der beständige Zugang stärker als der Abgang betont wird. Letzterer liegt sozusagen unausgesprochen in dem Bilde. Zum entschiedenen Ausdruck kommt derselbe, wenn man die in einer der Fundstellen bei Plutarch mit jener Stelle in einen gewissen, aber keineswegs unmittelbaren Zusammenhang gesetzten Worte beizieht. Bywater stellt sie losgelést von jedem Zusammenhang, ohne Zweifel um anzudeuten, daß man diesen mit Sicherheit nicht aus der Anführung Plutarchs entnehmen kann, vor jene Stelle in folgender Fassung: Sxfdvnos xuè ovraysı, n000E61 xoi arci. Das Subjekt bleibt somit ganz unbestimmt”), Denn daß Bywater nicht daran denkt, aus dem sechsten der angeb- lichen Briefe 9eég zu entnehmen, liegt auf der Hand. Ja nicht einmal die Zusammengehórigkeit der beiden zweigliedrigen Aus- sagen Steht unbedingt fest, läßt sich aber mit einiger Wahr- scheinlichkeit annehmen. Pfleiderer setzt diese Stelle mit

6) Horeuoics dis totes avroici ove dv tufains Érega yàg «xal Frs- oc énipotes vdara. Die Anführungen, aus welchen die Stelle genom- men ist, schwanken zwischen norauoioi, noraup und ds norauór.

7) Schuster entnimmt auf Grund der Anführung Plutarchs aus den Worten ‘ovdé Symrÿs ovoias dic apacdas xarà FK» den Begriff $ynta und setzt diesen Ausspruch in Verbindung mit dem gleich an- zuführenden eiuéy te xai ovx eluév.

Za Heraklit. 417

jener in Verbindung und betrachtet die fraglichen Worte als eine neue Wendung der letzten Worte des angeführten Bruch- stückes. Doch übersetzt er durch ein Versehen nicht ganz rich- tig: „Es, das Wasser, vertheilt sich und drängt zu- sammmen, es ist da und ist weg" statt: es geht zu und geht ab. Auch der erste Theil würde besser lauten: es zerstreut und führt zusammen, da bei der Unsicherheit des Zusammenhanges die wörtlichste Fassung rüthlich erscheint. Also nicht bloß Vergänglichkeit und Mangel an Beharren, son- dern steten Zu- und Abgang und somit fortwührenden Wechsel Schuster und Pfleiderer erinnern an den jetzt üblichen Aus- druck 'Stoffwechsel' will der Philosoph durch das Bild von den Flüssen, in die wir nicht zweimal hineinsteigen können, aus- drücken.

Schwieriger im Verständniß und Zusammenhang ist eine andere Stelle, deren Wortlaut allerdings unverkennbar an jene Hauptstelle anklingt*). Das Besondere in dieser Fassung liegt also vornehmlich in dem letzten Satzgliede, in dem von unserm Dasein gesagt wird, daß es dahinflieBt, wie Flüsse dahin fließen, die nicht einmal, während wir hineinsteigen, dieselben bleiben; so schwankt auch unser Leben zwischen Sein und Nichtsein. Diese Fassung stimmt also weit mehr überein mit den gewöhn- lichen Klagen in Prosa und Versen über die Vergünglichkeit unseres Lebens und aller irdischen Dinge als jene, die in den beiden andern Bruchstücken vorliegt. Der ersteren Fassung kommt daher mehr Bedeutung als der letzteren zu, wenn man den eigenthümlichen Gedanken und Ausdruck des Philosophen im Auge hat. Dieser stimmt trotz aller Verschiedenheit des Bildes doch im Wesen überein mit jener anderen Stelle von dem immerlebenden Feuer, das nach Mafen sich entzündet und nach MaBen verlischt?). Freilich der erste Theil des dem Philoso-

8) Wir geben sie nach Bywater fr. 81 mit geringer Veränderung in der Schreibung der letzten Worte wieder: MHotamotos Toic& avroiaı luBaivouév te xai oix luBaivoutv, eluév te xai oix eluév. Die Quelle der Ueberlieferung gibt B. zu fr. 67 an und findet also in dem von Aristoteles bezeugten Tadelspruch des Kratylus kein Bedenken gegen die Zuverlássigkeit jener Ueberlieferung.

9) Die Stelle lautet bei Bywater fr. 20 folgendermaßen : Koouor <1ivds> 10» adtoy Gnaviwv oùre tig Fey ovte dvdounwv énoinos, did zv alei xai fou xal Fores nig deilwov, dGntoueror utroa x«i anooßev- yuusvoy utra.

Philologus. N. F. Bd.I, 3. 27

418 Christian Cron,

phen hier zugeschriebenen Ausspruches geht iiber den Inhalt des anderen über den fortdauernden Fluf weit hinaus und bietet an sich erhebliche Schwierigkeiten, mit deren Lósung sich Pfleiderer angelegentlich beschiftigt. Besonders fraglich erscheinen die Worte ovre zig Fewv ovie avdowrwv Enolnoe, an deren Erklä- rung sich schon Plutarch versucht hat. „Götter und Menschen“ nur als Theilbegriff fiir das negative Kollektivum ,,niemand“ zu fassen, scheint ihm zu matt. Er hilt sich daher lieber an den Doppelsinn von roseiv, das gleichermaßen „reales Schaffen oder Herstellen und ideales Darstellen oder Dichten‘ bezeichnet, und erkennt in dem zweiten Theil der Disjunktion einen Hieb auf die Urheber der Kosmogonien, die sich geriren, „als wären sie bei einer etwaigen Weltschöpfung mit dabei gewesen und hätten zugesehen, wie eine Welt überhaupt gemacht wird“!°). Das ebenfalls schwierige 10» auıöv änuvrov letzteres Wort persön- lich genommen versteht er in gegensätzlichem Sinne zu „der Differenz des 7», Zorı, toras der Welt mit ihren diversen Pha- sen“. Freilich wird man auch hier an G. Hermanns Wort er- innert: in Heracliticis perdifficile est certi quid pronuntiare. Pflei- derer vermuthet, daß dieses Bruchstück bald nach dem Eingang des heraklitischen Buches stand und betrachtet es ,,mit seiner reichen Gedrungenheit, die gewissermaßen den Heraklitismus sn nuce gibt, wie eine Art von vorangestelltem Thema oder Pro- gramm der nachfolgenden Lehren des Philosophen“. Er weist ihm demnach seine Stelle vor dem oben erörterten Bruchstück (fr. 41 B. an. Damit kann man sich um so eher einverstan- den erklüren, als diese Stellung auch mit dem von Diogenes (IX 1 $8 S. 57 B.) gegebenen Auszug, welchem namentlich Mohr (a. a. O. S. 13 ff.) eine maßgebende Bedeutung zu- schreibt, in Uebereinstimmung steht.

Für Pfleiderer ist von größerer Wichtigkeit der Umstand, daB er in diesem Ausspruch des Philosophen das wiederfindet, was er früher ,als Grund- und Centralgedanken seiner religions- philosophisch-metaphysischen Spekulationen" voranstellte.

Fragen wir nun nach der Mysterienidee, deren ,,philoso- phische Formulirung bei Heraklit", wie Pfleiderer im Eingange seiner Schrift behauptet, „der Augpunkt ist, von dem aus an-

10) Vgl. was Góthe von H. Sachs sagt: ,,Erzählt das Alles fix nnd treu, Als wär er selbst gesyn dabey*''.

Zu Heraklit. © 419

gesehen und durchgenommen die Triimmer des Ephesiers sich am meisten harmonisch zu einem Gesammtbilde von eigenthiim- lichstem Reize zusammenfiigen“, so entnehmen wir die Antwort aus dem zweiten Abschnitt, dessen Ueberschrift lautet: ,,Die ma- terialen Hauptsätze Heraklits in ihrer abstrakt metaphysischen Form: Unzerstörbarkeit des Lebens in allen Gegensätzen und Wandlungen". Wir kónnen nicht umhin, auch hier den Ver- fasser selbst reden zu lassen, da es sonst nicht möglich wäre, seine Ansicht unverkürzt und unverkümmert hervortreten zu las- sen. Er sagt: „Was die betreffende Generalidee nun ei- gentlich sei, darüber kann nicht wohl ein Zweifel obwalten. Tritt sie uns doch aus allen Formen und Gestaltungen des My- sterienwesens wesentlich identisch entgegen und wird durch den Grundgedanken der angrenzenden und jedenfalls faktisch ver- wandten orientalischen Religionen mitbezeugt. Es ist der alter- nirende Gegensatz und Wechsel zwischen dem lichten, warmen Leben hier oben und dem dunklen kalten Tode drunten, in welchen beiden Phasen sich Ein und Dasselbe, nennen wir es Natur oder Seele oder Gottheit zu bewegen und auch bei dem scheinbaren Untergang zu erhalten weiß. Das ist dem Volks- oder Völkergemüth selbstverständlich aufgegangen in sinniger Naturbeobachtung und feinem Mitgefühl für den Wechsel der Jahreszeiten und ihren unwandelbar sicheren Gang, den mit kür- zerer Periode und mit kleinerem Maßstab auch die alternirenden Tageszeiten wiederholen. Und an diesen Sonnenphasen mit Licht und Wärme oder Nacht und Kälte hängt in unzerreißbarer Sym- pathie alles organische Leben der Natur, Alles, was da wächst und grünt und blüht; mit ihnen entsteht, mit ihnen vergeht oder verschwindet es auch wieder, um unfehlbar von neuem zu er- scheinen, sobald seine Zeit gekommen“.

Das also ist die Mysterienidee, die in der Beobachtung ei- nes jedem mit gesunden Sinnen und Gefühl und Verstand be- gabten Menschen sich aufdringenden Naturvorganges wurzelnd,. auch des „menschlich-gemüthlichen Tröstungsmoments‘‘ selbst dem gemeinen Bewußtsein gegenüber nicht entbehrend, sich zu einem allgemeinen Gesetz erweitert, das der Verfasser in einer ab- schließenden Frage folgendermaßen zum Ausdruck bringt: „Ob also nicht das Leben überhaupt, sei es in der wachsthümlichen Natur oder in der Menschenwelt oder endlich mit größter Weite

27*

420 Christian Cron,

des Blicks im Weltganzen an sich als dem Sein der Gottheit selber ein ewiges, in Wahrheit unzerstôrbares, nur allezeit sich wandelndes ist ?“

Indem er nun darin bereits „ein tiefsinniges religióses Na- turphilosophem“ vorliegen sieht, das ,zwischen physikalischem Sinn und anthropo-kosmologischer Metaphysik schillerte oder in elastischer Dehnbarkeit vom nächsten Ausgangspunkt sich zu weiteren und weitesten Intuitionen !!) zu erheben vermochte“, glaubt der Verfasser, daß, wenn Heraklit sich daran machte, „ein derartiges Denken, Fühlen und Ahnen philosophisch zu verwerthen und ins Begriffliche umzugiefien“, er nicht einmal sehr viel zu ändern brauchte, und „als philosophischen Grund- gedanken Heraklits in einleuchtend naher Verwandtschaft mit der Mysterienidee folgende Ueberzeugung aufstellen zu dürfen: Unzerstörbar ist die Feuerkraft des Lebens, wel- ches auch im scheinbaren Tode, in den es oseilli- rend übergeht, überhaupt aber in allen überall regsamen Gegensätzen und in den rastlosesten Wandlungen sich nicht nur erhält, sondern alle- zeit siegreich durchsetzt und eben in dieser Probe seine wahre Lebendigkeit erweist“.

Vergleicben wir nun die der Mysterienidee zu Grunde lie- gende Naturbeobachtung mit jener von dem beständigen Flusse, von der Pfleiderer bemerkt, daß sie der üblichen Anschauungs- weise der Menge viel zu nahe stand, um den schroffen Wider- spruch zu rechtfertigen, welche Heraklit gegen die gemeine Welt- auffassung der Menge zu Schau trägt: so müssen wir gestehen, daß die Beobachtung des Wechsels der Jahreszeiten und von Tag und Nacht mit seinen für das Natur- und Menschenleben so einflußreichen Lichterscheinungen und von Geburt und Tod dem gemeinen Bewußtsein gewiß nicht ferner stand als jene von dem Flusse, in welchem alles Dasein begriffen ist. Ja wir kön- nen sagen, daß jene der Menge so geläufigen Klagen über die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit aller Dinge doch nur einzelne und einseitige Kundgebungen einer durch zufällige Umstände

11) Der nachgeborene und in der neueren Philosophie eingebür- gerte Ausdruck ‘Intuition’ entspricht wohl seiner wesentlichen Bedeu- tung nach dem, was die ebenfalls in den wissenschaftlichen Sprachge- brauch eingeführte ‘intellektuelle Anschauung’ besagen will.

Zu Heraklit. 421

und Erfahrungen angeregten Stimmung sind, von welchen eine alle Erscheinungen des Lebens und Daseins umfassende, nicht einseitig wehmiithige, sondern eindringlich urtheilende Weltan- schauung sich nicht bloß ,,gradweise“, sondern wesentlich un- terscheidet.

Welche Bedeutung und Stellung man aber auch immer die- sem oder jenem Ausspruch in der Gesammtheit der philosophi- schen Anschauung des alten Ephesiers einräumen mag, welchem Einfluß und Antrieb von außen, sei es von Seiten älterer oder gleichzeitiger Philosophen, sei es von dem einheimischen Myste- rienwesen oder von fremdländischen Religionen man ein größeres Gewicht zuschreiben mag: mit der gesammten Strömung des geistigen Lebens seiner Zeit und der philosophischen Bestrebun- gen insbesondere war er doch jedenfalls eng verflochten. Pflei- derer freilich bemüht sich redlich, ihn aus der Gesellschaft der Naturphilosophen herauszureißen. Nicht als Physiker, son- dern „als einen religionsphilosophischen Metaphy- siker will er ihn bezeichnet sehen. „Denn“, sagt er, „der früher erwähnte Ausspruch eines Alten, daß er „die Natur theo- logisire“, wird wohl richtiger umgedreht und gesagt, Heraklit physizire die mysteriöse Theologie, besser noch, er metaphysizire sie aufs freieste und mit umfassender Weite des Blicks, wie eine solche dem philosophischen Denker ziemt“. Auch läßt er „trotz des orientirenden Ausgangs den Schwerpunkt der heraklitischen Lehrausführung aufs Philosophische und nicht aufs Theologische fallen“. Man sieht, es ist nicht ganz leicht, den alten Ephesier fein säuberlich in ein systematisches Verzeichniß einzuregistrie- ren; für jenes Zeitalter der vorsokratischen Philosophen, in wel- chem wohl die Anfänge griechischer Wissenschaft zu erkennen sind, von einer Unterscheidung einzelner Theile derselben oder einzelner Wissenschaften und ihrer Ausbildung ins einzelne aber noch nicht die Rede sein kann, kommt es auf diese Bezeich- nungen weniger an. Im großen und ganzen wollte doch Hera- klit trotz mancher Scheltworte gegen Vorgänger und Zeitge- nossen und mancher Aussprüche, die sich zum Theil etwas be- fremdlich in einer Schrift zegi Yvoswg ausnehmen, wie jener über seine Mitbürger (fr. 114 B.), dasselbe, was die anerkannten älteren und jüngeren Naturphilosophen mit Einschluß der Py- thagoreer und Eleaten wollten und erstrebten, nämlich die Welt

499 Christian Cron,

in ihrem Wesen und Ursprung, ihrer Ordnung und Einheit zu begreifen. Wenn man nun den vielfach für alle diese Philoso- phen gebrauchten Namen ‘Physiker’ in dieser weiten Anwen- dung nicht gelten lassen und etwa auf die alten Milesier be- schränkt sehen will so muß man gestehen, daß schon der erste derselben, den man allgemein als den Urheber der ionischen Na- furphilosophie betrachtet, mit seinem Wissen und Wirken in diesen Rahmen nicht eingeschlossen werden kann. Jenes er- streckte sich auch auf Mathematik und Astronomie, dieses läßt ihn auch als Staatsmann erscheinen und hat ihm auch einen Platz unter den sogenannten sieben Weisen verschafft Man kónnte sich wundern, dafì in all den verschiedenen Verzeich- nissen, durch welche die Zahl der genannten Namen verdreifacht erscheint, der des Heraklit nicht vorkommt. Und doch wären manche seiner Aussprüche ganz geeignet, unter denen Platz zu finden, welche mit mehr oder weniger geschichtlichem Recht den sieben Weisen zugeschrieben werden. Wenn man nun auch dazu den berühmten Ausspruch „edılnouunv êuewvrôr“, über dessen Deutung und Bedeutung verschiedene Ansichten be. stehen, weniger angethan erachtet, so wird man doch auch nicht daran denken, dem Urheber desselben die Stellung in der Ent- wicklung der griechischen Philosophie einzuräumen, die man fast allgemein dem Sokrates zuerkennt, nämlich einen Wendepunkt in derselben und gleichsam neuen Anfang zu bezeichnen. Pflei- derer übersetzt und erläutert den Ausspruch Heraklits folgender- maßen: „Ich forschte in mir selbst“ d. h. ich versenkte mich sinnend und forschend und ging in dieser Weise mich selbst um Aufschluß an, den Kern der Wahrheit zu erlangen". Der Abschnitt, in welchem diese Worte stehen, fiihrt die Ueber- schrift: ,,Sein (Heraklits) Schwerpunkt lag positiv in der spe- kulativen Intuition und Selbstvertiefung". Wenn man diese und andere AeuBerungen des geistreichen Verfassers berücksichtigt und namentlich sein Widerstreben, den Ephesier den übrigen Philosophen seines Zeitalters beizugesellen, bedenkt, so künnte man wohl versucht sein anzunehmen, daß er nichts dagegen ein- zuwenden hätte, wenn man ihm in der Geschichte der griechi- schen Philosophie dieselbe Stellung einrüumte, welche im christ- lichen Zeitalter die sogenannten Mystiker einnehmen. Dazu lädt gewissermaBen schon der Titel des Buches ein, welcher die Phi-

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losophie Heraklits ,im Lichte der Mysterienidee“ zu betrachten verheißt.

Zu den Mystikern des achtzehnten Jahrhunderts wird auch Hamann gerechnet, der in der That manches mit dem alten Ephesier gemein hat. Abgesehen von den schon erwühnten Eigen- schaften insbesondere der Dunkelheit seiner Sprache und Gedan- ken, über welche sich Góthe #hnlich ausspricht, wie Pfleiderer über die Heraklits, sind es auch einzelne Grundgedanken, in welchen sich die beiden der Zeit nach so weit aus einander liegenden Philosophen begegnen. Als ein solcher Grundgedanke in der Philosophie Heraklits gilt allgemein die Lehre von den Gegen- sitzen und deren Ausgleich. Andrerseits ist es merkwiirdig, mit welchem Verlangen Hamann nach der Schrift von Jordano Bruno fahndet, in welcher, wie er vernommen, das principium coincidentiae oppositorum zur Sprache kommt, von dem er ur- theilt, daß es mehr werth sei als alle Kritik Kants. Auch die- ser starke Ausdruck der Hoch- und Geringschützung erinnert an Aussprüche Heraklits, wie an den über Bias und den allge- meiner gefaßten Els êuoi uvgio (fr. 112 und 118 B.), von dem über Hermodorus zu geschweigen.

Was nun die von Hamann so sehnlich begehrte, aber, wie auch F. H. Jacobi bemerkt, hóchst selten gewordene Schrift von J. Bruno betrifft, so war es die in italiänischer Sprache und in Form eines Gesprüches geschriebene und 1584 herausgegebene: De la causa, principio et uno, welche F. H. Jacobi mit seiner Schrift ,,Ueber die Lehre des Spinoza“ im Jahre 1789, also ein Jahr nach dem Tode Hamanns, in einer kürzer gefaßten Ueber- setzung oder richtiger in einem Auszuge herausgab. In der That eine hóchst merkwürdige Schrift, in welcher selbst ein Akt der coincidentia oppositorum vollzogen wird. Denn J. Bruno, der sich durchgängig als einen Kenner der griechischen Philosophie be- wührt, vereinigt darin die Lehre der Eleaten mit der des Hera- klit In dem Abschnitt , Von dem Einen" heiBt es bei Jacobi: »So ist das Universum Eins, unendlich, unbeweglich. Seinen Ort kann es nicht veründern, weil aufber ihm kein Ort vorhanden ist. Es wird nicht erzeugt, weil alles Dasein sein eigenes Dasein ist. Es kann nicht untergehn, weil nichts ist, worin es übergehen kónnte. Da es Eins und das- selbe ist, so hat es nicht ein Sein und ein anderes Sein; und

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weil es nicht ein Sein und ein anderes Sein hat, so hat es auch nicht Theile und andere Theile; und weil es nicht Theile und andere Theile hat, so ist es nicht zusammengesetat. Es ist auf gleiche Weise das Gesammte und ein Jedes, Alles und Eins. Das Ganze und jeder Theil ist der Substanz nach nur Eins. Diese nannte daher Parmenides mit Recht das Eine, Unendliche , Unwandelbare“. Weiter unten lesen wir: ,, Demje- nigen, welcher unseren Betrachtungen bis hierhin gefolgt ist, kann die Behauptung des Heraklit von der durchgängigen Coincidenz des Entgegengesetzten in der Natur, welche alle Wi- derspriiche enthalten, aber zugleich sie in Einheit und Wahrheit auflösen muß, nicht mehr anstößig sein“ „Um in die tiefsten Geheimnisse der Natur einzudringen, muß man nicht müde werden, den entgegengesetzten und widerstreitenden äußer- sten Enden der Dinge, dem Maximum und Minimum nachzu- forschen. Den Punkt der Vereinigung zu finden, ist nicht das Größte; sondern aus demselben auch sein Entgegen- gesetztes zu entwickeln: dieses ist das eigentliche und tiefste Geheimnif der Kunst". Zum Schlusse seiner Betrachtung kehrt er wieder zu dem Einen zurück, von dem er sagt: ,,Das hóchste Gut, die hóchste Vollkommenheit und Seligkeit beruhet auf der Einheit, welche das Ganze umfaßt“. Die eigentlichen SchluBworte aber athmen religiose Wärme und Erhabenheit: »Was Odem hat, erhebe sich zum Preise des Hohen und Mich- tigen, des allein Guten und Wahren; zum Preise des unend- lichen Wesens, welches Ursache, Princip Eins und Alles ist“,

Hamann hatte, wie gesagt, zunüchst nur auf das sein Ab- sehen gerichtet, was J. Bruno als Behauptung Heraklits anführt. Mit diesem hat er überhaupt manche Gedanken gemein, die man keineswegs als bloB entlehnte betrachten kann. Ich begnüge mich eine Stelle als Beispiel herzusetzen. Der erste Band der von F. Roth herausgegebenen Schriften enthält unter andern „Biblische Betrachtungen eines Christen ^. Dort lesen wir 8. 118 f.: ,,Gott wiederholt sich, wie in der Natur, in der Schrift, in der Regierung der Welt, in der Aufbauung der Kirche, im Wechsellaufe der Zeiten; wenigstens scheint es uns so, und es ist nothwendig für uns, daf wir Wiederholung sehen. Es sind nicht dieselben Früchte und sind doch dieselben, die jeder Früh-

Zu Heraklit. 425

ling hervorbringt; es ist nicht derselbe Leib und doch derselbe, den wir aus Mutterleibe bringen und in den Schofi der Erde sien; es ist nicht derselbe Flu8 und doch der- selbe, der sich selbst zu verschlingen scheint. Wer ein Sonnenstäubchen erklären kann, der hat das Räthsel der ganzen Natur“.

Natürlich führte die Anregung, die Hamann für sein Phi- losophiren durch die christliche Religion und insbesondere das fleißige Lesen der Schriften alten und neuen Testamentes em- pfing, nicht gerade zu denselben Ergebnissen, zu welchen Hera- klit nach Pfleiderers Annahme vermittelst der aus dem heimi- schen Religions- und Mysterienwesen geschöpften Anregung ge- langte. Aber eine gewisse Geistesverwandtschaft wäre unter dieser Voraussetzung zwischen beiden Männern nicht zu ver- kennen, die sich nicht nur in der gleichen Empfänglichkeit für religiöse Einwirkung, sondern auch in vielfacher Uebereinstim- mung der Gedanken und namentlich der Gedankenäußerung kund gibt. Denn was Pfleiderer von den wuchtigen Einzelaus- sprüchen Heraklits, den kurzen, räthselartig pointirten Sentenzen (Onuuttoria bei Platon) bemerkt, die „wahrscheinlich in Folge der Eigenart des Mannes selber und nicht bloß durch Schuld einer mangelhaften Ueberlieferung sich sozusagen als erratische Blöcke, die in der alten Literatur liegen geblieben sind, prä- sentiren": das kann nach Maßgabe der veränderten Umstände mit einigem Recht auch von Hamann gesagt werden, aus des- sen Schriften vor der vollständigen Ausgabe eine Blumenlese erschier unter dem Titel: „Sibyllinische Blätter des Magus im Norden“. Gedankenblitze hat man seine Aussprüche wohl auch genannt, obwohl sie uns nicht bloß in einer Auswahl und her- ausgerissen aus ihrem Zusammenhang, wie die Bruchstücke aus dem Werke des Ephesiers, vorliegen.

Augsburg. Christian Cron.

Zu Apuleius. |

Apol. c. LXXXIII liest Krüger in dem Briefe der Pudentilla crovdatwr aviòv olxeio» vpi di’ èuoù nosstodas. viv ws dia- 90901 nuov xaxonteco ce avamıldovow. Statt wovsioFar, wie Spengel schrieb, bieten die Handschriften /70@/Cal, statt dia- gogo aber uaKuPOI und dann KulKOROEICTE. Darnach schreibe ich nogidus viv wo ffuGxaros huwy xaxondes 16,

Graz. M. Petschenig.

XXII.

Zur Kritik und Exegese der Demosthenischen Kranzrede.

$2 adda xai 10 17 16 Ees xal v jj d noAoy(q schreibt Lipsius gegen die von Vômel und Blaß angenommene Lesart der Handschriften Z 244 pr. Aug.?,. welche adda 16 xal xrA. bieten, Die letztere besser bezeugte Lesart giebt auch den besseren Sinn. Der vollständigen Concinnität der Glieder würde es entsprechen, daß dem ov uoror ein ununterbrochenes «44% xa{ gegenüber stinde. Nun schiebt sich aber zwischen die beiden Glieder ein mit dem Daktylus oùdè zo anlautendes ein: dieser daktylische Anfang des eingeschalteten Gliedes mag auch für den Beginn des nächsten den daktylischen Anfang &424 70 anstatt alla xaf nahegelegt haben. Der aus rhythmischen Gründen vielleicht zu- nächst empfohlenen Stellung der Worte adda 10 xai folgt aber eine Modification des Sinnes auf dem Fuße nach: sobald die Verbindung adda xul zerrissen und das x«i erst im weiteren Verlauf der Struktur eingefügt wird, erstreckt zich die mit die xul bezeichnete Steigerung nicht auf den ganzen nachfolgenden Satz gleichmäBig, sondern das losgetrennte xuf hebt alsdann im besonderen denjenigen Begriff hervor, welcher ihm unmittelbar nachfolgt, d. h. in diesem Fall z7 14€, ein Begriff, um welchen es dem Redner hier im Hinblick auf Aeschin. III 206 ganz be- sonders zu thun ist: haben wir demnach die Stellung xaf für die richtige zu halten, so muß 7} zu&s, der spezielle, gerade hier hervorzuhebende Begriff folgen und man darf nicht mit

Zur Kritik und Exegese der Demosthenischen Kranzrede. 427

Fox daran denken, 17 zu&ss zu streichen, denn. das allgemeine und farblose 17 äxoloyla könnte doch unmöglich dem auf etwas Bestimmtes und Naheliegendes hinweisenden xaf unmittelbar an- geschlossen werden. Ist nun neben rage der Begriff anoloyla wirklich so unerträglich, daß man ihn streichen oder ändern müßte? Streichen darf man ihn keinesfalls, da man sich wohl erklären könnte, wie tutes als Glossem zu àzoÀoyíg, nimmermehr aber, wie «zoAoyía als Glossem zu rugs hätte in den Text ge- rathen kónnen. Einen Aenderungsversuch macht Usener, welcher für anodoyta schreiben will dixasodoytu. Das Wort dixasodoyla kommt bei Demosthenes und den übrigen Rednern nicht vor. Zugegeben, daß Demosthenes es gebraucht haben könnte, so fragt sich, wodurch es den Vorzug vor anodoyla verdienen soll. Offenbar soll es etwas Spezielleres bezeichnen als «moAoyla und doch nicht dasselbe wie trafic. Es bedeutet das Anführen von Rechtsgründen zu seinen Gunsten. In wiefern kónnen nun von einem y0709% solcher dsxusodoyfu sprechen ? d. h. von der Mög- lichkeit, die dsxxsokoylu so oder anders zu behandeln? Auf ein Hinzufügen oder Weglassen von Rechtsgründen kann sich das xonoduw doch nicht wohl beziehen, denn Demosthenes führt na- türlich alle Rechtsgründe, die ihm zu Gebote stehen, nicht mehr und nicht weniger, für sich an, und ich sehe keinen an- deren Ausweg, als das y97609«. von der Ordnung zu verstehen, in welcher er die Rechtsgründe vorbringen will also kommt man auf den schon mit r«&s erschópften Sinn hinaus: kurz, dixoioloy(a ist nicht zu brauchen, und man kann sich füglich bei «modoyia beruhigen!), welches zu dem spezielleren Begriff der ra&s¢ einen allgemeineren binzufügt und mehr enthält als rate; dieses letztere ist derjenige Unterbegriff zu «moAoyfa, wel-

1) Eine logische Ungenauigkeit bleibt freilich bestehen, wenn in- nerhalb eines allgemeinen, auf beide Parteien gleichermafen bezüg- lichen Satzes der Begriff anoloyia angewendet und damit nur vom Standpunkt der angeklagten Partei aus geredet ist. Diese Ungenauig- keit aber beruht doch auf einem leicht erklarlichen psychologischen Prozeß Demosthenes denkt hier, unter dem lebendigen Eindruck der Unverschimtheit, mit welcher ihm Aeschines den Gang seiner Ver- theidigungsrede hatte verschreiben wollen, augenblicklich nur an seine eigene Rede, welche er schon ausschlieBlich im Sinn gehabt hatte, als er das Wort z«£es aussprach. Weder Minucian (bei Spengel Rh. Gr. I 423, 26) noch Tiberius (III 68, 28) haben, als sie die Stelle citierten, daran Ansto8 genommen. In solchen Ungenauigkeiten kann sogar 79og und aksonsotia beabsichtigt sein.

428 W. Schmid,

cher dem Redner zunächst der wichtigste ist, .welchen er darum nambaft macht, ehe er den allgemeineren vorbringt. Daß aber x«( Allgemeines und Spezielles verbinden könne, dafür hat Krüger Sprachl 69, 32, 2 die nóthigen Beispiele gesammelt.

$ 12 $ nooulgecigs avis. Reiske hat zuerst für au: vorgeschlagen «vij, was Laur. S Aug. 1 und etliche anderen Handschriften bieten, wührend Dissen, Vómel, die Züricher Her- ausgeber und Weil bei dem wahrscheinlich von Z gebotenen avin bleiben. Liest man «vin, so muß, wie Dobree gesehen hat, nach diesem Wort interpungiert werden und man hat den Vor- theil, den Hiatus zwischen «vr; und éy9ooù durch die Pause entschuldigen zu können, wogegen er bei der Lesart aûsy, welche zu sofortiger Weiterführung der Struktur veranlaßt, unentschul- digt bleibt. Nun verlangt aber der Zusammenhang doch auf das entschiedenste «vi; der eigentliche, tiefste Sinn der An- klage, eben die ngoulgeois wvın, wird unterschieden von dem scheinbaren , vorgeschützten, von einer mgoalgecis gasvouénn. Diese scheinbare xgouloecis besteht eben in den eigentlichen Rechtspunkten, die sich auf das nugévouov beziehen, d. h. in jenen formalen Einwendungen gegen Ktesiphons Antrag. Die wahre ngoufgsoı; dagegen ist das Verlangen des Aeschincs, an dem Todfeind Rache zu nehmen und ihn politisch zu Grunde zu richten. Empfiehlt sich so die Lesart «vi; ohne Zweifel, so ist doch auch nicht zu leugnen, daß, vom rhetorischen Stand- punkt aus betrachtet, es viel wirkungsvoller ist, wenn der Satz von éy9gov an mit einem erklärenden Asyndeton selbständig eingeführt, als wenn zxçgoulgeous als Subjekt des langen, zwei- gliedrigen Satzes beibehalten wird. Dazu kommt noch ein Wei- teres: kann ngoulgeoıs «vij, logisch genau betrachtet, überhaupt Subjekt für die beiden yes sein? Demosthenes unterscheidet zweierlei: 1) die eigentlichen xurnyogouussu, welche nur schein- bar die zgouigeoi des Aeschines darstellen, dem es bei dem ganzen Prozeß doch in Wahrheit nicht um Vertheidigung seines guteu Rechts zu thun ist 2) die tieferliegende, nur in persön- licher Rachsucht begründete Tendenz. Diese beiden Dinge kom- men in dem gegenwärtigen ayw» zur Erscheinung, der aywy ist der höhere Begriff für sie beide, und dywr muß auch Subjekt für die beiden dyes sein: denn zgoalgeosg avr] würde nur zu

Zar Kritik und Exegese der Demosthenischen Kranzrede. 499

dem ersten #ye noch als Subjekt verstanden werden können im zweiten Glied von zw» wfrro an ist von der rooaloscis adın ja offenbar gar nicht mehr die Rede, wird vielmehr von dem ersten Punkt, den xarnyopovwev« und der eventuellen Strafe gehandelt, die ihn, wenn die Anklagen wahr wären, treffen müßte. Die Erklärung, auf welche nooulgeotg avın hinweist, wird also lediglich durch das erste Glied mit éyes gegeben. Kann aber für das zweite Glied mit Eye nicht zgoulgeoss Sub- jekt sein, so ist es eine grammatische Nothwendigkeit, auch dem ersten èye. ein anderes Subjekt als wooufosc:c zu geben, d. h. eben den höheren Begriff #ywv. Somit ist der Sinn der Stelle: dieser xywr hat eine subjektive und eine objektive Seite: nach der ersten hin erreicht er seinen Zweck, nämlich èy9900 érnosa, vBoss u. s. w., oder kurz gesagt, seine Rachsucht kann Ae- schines befriedigen; nach der objektiven Seite hin, d. h. wenn es sich darum handelt, nach Gesetz und Recht die vorgewor- fenen Vergehungen zur Strafe zu ziehen, erreicht er ihn nicht, denn es giebt nach dem Gesetz gar keine Strafe, mit welcher ich auf Grund der vorgebrachten wirklichen Anklagen belangt werden könnte. Es scheint mir demnach aus rhetorischen und logischen Gründen nothwendig vor éydooù zu interpungieren, und um dieser Nothwendigkeit gerecht zu werden, hat man die beiden Worte in den Text zu setzen, zwischen welchen die Handschriften schwanken, und zu schreiben: 7 ngoulyeoig adım atm. Wer an dem Hiatus Anstoß nimmt, der lasse sich durch die Beispiele bei Rehdantz Indices S. 173 f., und z. B. durch $ 18 (verglichen mit Demetr. de interpr. $ 299) und $ 20 (ov? ail ovderf) unserer Rede beruhigen.

Von dieser Interpretation des $ 12 aus wird nun auch der vielumstrittene $ 13 Licht erhalten. Von den gewaltsamen Um- stellungsversuchen des Lambinus und Taylor (Schäfer apparatus crit. II 28 ff.) ist man jetzt ganz abgekommen, aber den Aus- weg, an der Partikel yao zu corrigieren, welchen schon H. Wolf angedeutet hatte, hat neuerdings noch Fox mit seiner Conjectur ovx ag für yag betreten wollen. Er führt sicherlich nicht zum Ziel: y«o ist unerschiitterlich, und der mit yag eingeleitete Satz muß offenbar eine Erläuterung zum Nächstvorhergegan- genen bringen. Schließt nun $ 12 mit dem Gedanken, objektiv genommen gebe es für die zur Anklage gebrachten Vergehungen

430 W: Schmid,

gar keine dfxn a&fa, so muß der Gedankenfortschritt sein: denn das, was sogleich näher bezeichnet ist, kann durchaus nicht als Îixn «Eta gelten, d. h. es existiert kein Gesetz in Athen, dem zufolge die Verhinderung am Zutritt zu der Volksversammlung und an dem Recht der freien Rede eine Strafe fiir die vorge- brachten Vergehungen wire: diese Verhinderung ist nur das Ziel, welches dem rachstichtigen Gegner vorschwebt, kann aber niemals das Ziel einer gerechten Gerichtsentscheidung sein. Das Prädikatsverbum des Satzes mit yag muß demnach den Werth der Worte ovx dEla dixn 2oriv haben: dieser Werth steckt nicht in dem Verbum dei, welches im 2 fehlt. Ich glaube, daB im Archetypus unserer Handschriften das Verbum ausgefallen war und dei eben als Nothbehelf eingesetzt wurde; eine bestimmte bessere und wahrscheinlichere Ausfülung der Lücke steht mir jetzt nieht zu Gebote, und ich bleibe vorerst bei dem negativen Ergebniß, daß dei nicht das Richtige sein könne. Der weitere Gedankenfortschritt ist nun ganz klar: die Sätze mit ovre be- kräftigen nochmals das Ausgesprochene, daß die oben bezeichnete Verhinderung keine dix7 «d&l« sei, und mit «Aa wird zum Po- sitiven weitergegangen und bezeichnet, was das Richtige ge- wesen wäre, wie Aeschines hätte verfahren müssen, um aus sei- nen Beschwerden gegen Demosthenes richtige, eines nach der Wahrheit entscheidenden Gerichtes würdige Rechtsfälle zu machen *).

$ 18 am Schluß dürfte das muga roig des Z eher in mag avrois (vgl die Schreibversehen mit #azov u. dgl. Corp. inscr. Att. II 1 Nr. 478 Fragm. C 6; 487, 5; 8. 420 Nr. 489%

2) Die Erklärung des yag, welche Schómann (Neue phil. Jahrbb. 1869 S. 755 f.) versucht, halte ich für unzulässig: er meint, der Satz mit y@g nehme Bezug auf etwas schon früher Geschehenes, was nicht recht gewesen sei: durch seine &nwwuocia gegen Ktesiphons Antrag nümlich habe Aeschines verhindert, da8 das Rathsgutachten behufs der Ratifikation seiner Zeit vor die Volksversammlung gebracht wor- den sei, und damit dem Demosthenes unmöglich gemacht, vor dem Volk in dieser Sache für sein Interesse zu sprechen. Ob es in Athen für anständig oder auch nur zulässig gegolten habe, daß in einer Volksversammlung, wo über die Bekrünzung eines Bürgers verhandelt wurde, dieser selbst auftrat, um seine Würdigkeit zu beweisen, will ich nicht erórtern. Jedem unbefangenen Leser der Stelle aber wird ohne Weiteres klar sein, daß hier Demosthenes nicht von vergangenen Dingen sprechen will, sondern von demjenigen, was ihn nach der Meinung des Aeschines treffen soll, falls Ktesiphon wegen Gesetzwi- drigkeit verurtheilt würde,

Zur Kritik und Exegese der Demesthenischen Kranzrede. 481

Z. 15; II 2 Nr. 766, 6; III 1 Nr. 552, 2 und Dittenberger zum Corp. inscr. Att. III 1 Nr. 645; auch Philodem. de rhet. col. 32, 21 Gros) als in z«g« rovrosg zu verbessern sein.

§ 19 bieten die Handschriften alle den Optativ cur éA Foser, während sie im Modus des vorangehenden und ebenfalls von fva abhängigen Verbums schwanken: yévozto hat Laur. S, X in Correctur und die Vulg., yévnrac 3 pr. Aug. 1 u. &, yévyrae mit einem über das n geschriebenen os und über das «+ geschrie- benen o Bavar. Monac., yévnro Antwerp. 2. Die besten Zeug- nisse sprechen also für y&rnını, und eine grammatisch - logische Analyse kann sich in der That y&ryraı und owr&iFoev gefallen lassen, da der Sinn ist: Philipp will: zunüchst mit Bestimmt- heit nicht, daf die Thebaner ihre Zuflucht bei den Athenern suchen müssen, denn daraus kónnte eventuell eine Verbin- dung der beiden Staaten entstehen, welche ihre Spitze gegen Makedonien kehren würde (vgl Krüger Sprachl. 54, 8, 2). Es bedürfte übrigens nicht einmal dieser Erklürung, da Classen zu Thuc. III 22, 8 erweist, daf in Finalsützen nach historischen Tempora Conjunctiv und Optativ neben einander ohne bemerk- baren Unterschied des Sinnes vorkommen kónnen; auch die Rede gegen Neüra 14 zeigt einen analogen Fall. Es ist also kein Grund, von yérqrus abzuweichen. Daß ein Grammatikaster das Bediirfni8 empfand, die beiden Formen auszugleichen, versteht sich, und für die Frage, weshalb derselbe den Conjunctiv in einen Optativ und nicht umgekehrt den Optativ ouréldoer in einen Conjunctiv corrigiert habe, ist die Antwort in meiner Schrift über den Atticismus I 97 nebst Zusatz gegeben: der Optativ galt der Spätzeit als eine Eleganz (vgl. Greg. Cor. p. 58 Schaefer: ro Ayer suxuxa avii OQuOTUXQv “Arrsxdv).

In § 22 ist zu lesen vuvi disgzeis und nachher viv xutnyogsîs. Um das Schwanken und die Correcturen der Handschriften bei vv» und »v»í( zu verstehen, muß man sich der Regel erinnern, welche die byzantinischen Grammatiker über die beiden Adverbia festgestellt hatten: übereinstimmend behaupten sie (Eustath. ad Iliad. p. 164, 20; Etym. magn.; Phot. lex. p. 452 Naber; Nicephor. Greg. in Matthüis Gloss. Graec. min. p. 5), vor dürfe mit allen drei Zeiten, »v»( aber bloß mit dem Präsens verbunden werden, Durch die Beobachtung des attischen Sprach- gebrauchs wird diese Regel nicht bestütigt (entgegenstehende

482 W. Schmid,

Beispiele aus Aristoph. und Plato s. bei Stephanus). Wenn aber die Byzantiner an ihre Richtigkeit glaubten, so versteht man, aus welchem Grunde vor dusËyei ein vuv und vor xuınyogeig ein vuvi (als Eleganz) corrigiert werden konnte die richtige Lesart, die oben empfohlen wurde, bietet Z pr., das Präsens xatnyooeig aber, das in allen Handschriften steht und von Schäfer ohne Noth in xergyóoeg verändert wurde, wird eben durch die alte Correctur »vvf, welche im Sinn der Byzantiner ein nachfol- gendes Prüsens voraussetzt, nur noch mehr empfohlen.

$ 25 bietet eines der wenigen Beispiele, wo schon in die erste Hand des Z ein Glossem hineingekommen ist, nämlich das seltsame ze zzv elonvn» für mavia (Spengels Veränderung: tore inv elonvnv ist sprachlich nicht möglich). Ich halte dies re für eine Abkürzung von tovréors, und die Bemerkung soll wahrscheinlich nach Ansicht des Verfassers dieser in den Text gerathenen Glosse eine Restriktion von zuvr« enthalten: advza erschien als zu allgemein und demnach als Uebertreibung. Die- ser Erklärungsversuch nimmt an Glaubwürdigkeit zu, wenn man bedenkt, daf unter den Rhetoren eine (wahrscheinlich christliche) Richtung deutlich hervortritt, welche darauf ausgeht, den (von den Heiden so sehr bewunderten) Demosthenes als Lügner hin- zustellen: man vergleiche die Aeußerungen des Joh. Sicel über die Kranzrede in Walz Rhet. Gr. VI 175 f.; ferner das Schol. zu de cor. p. 233, 1 = § 23 (zu ovre yàg nv mosofeia die No- tiz: cvuPadietas avi xoi 0 yodvog modùs mupedda)v ele re duracda: xuxovoyeir) und S. 226, 16 = $ 3 (hier wird das dıauagrsiv ing evrofug mit der Bemerkung begleitet: éfovAsrzo eineiv tov ouparov): aus solcher Quelle ist auch unser Glossem geflossen und demnach z«vra im Text zu behalten.

$ 28. Auf den ersten Anblick scheinen die Worte ws- xoù cvugpéoovia tng mohews freilich matt und Useners Conjectur :& xéguera sehr verlockend im Anschluß an das ge- ringschätzige é» roiv voir oBodoiv und im Gegensatz zu oda. Denkt man sich aber, daß im Buleuteneid, unter welchem Demosthenes &. 346 stand (leider ist uns von der Formel des- selben außer Lys. or. 31 init. und Xen. mem.I 1, 18 sehr we- nig bekannt), vielleicht die Worte enthalten waren rd cvugé- govra 16 nodews qvÀutwo, denkt man sich ferner, daß die Be- ziehung auf die Eidesworte von den Zuhórern ohne weiteres

Zur Kritik und Exegese der Demosthenischen Kranzrede. 433

verstanden wurde, so wird man sich doch besinnen, ehe man Useners geistreichen, Vorschlag annimmt. Der Sinn wire sehr gut: ,,sollte ich meine eidliche Verpflichtung, das Interesse der Stadt zu wahren, mit der Sorge fiir solchen Bettel erfüllt zu haben glauben ?“

Tübingen. W. Schmid.

Emendationum ad Aristidem specimen II.

Or. XLV p. 2, 5 pro ro)g imi zw» Àóyov av Égyovrac lege avr&yovrag: de eis dicit, qui in orationis cultu persé- verant. ibid. p. 45, 58 lege ovy @ oroyaletas dba wa ç- Téves (pro &uagrave) te, GAA” dinuagrev 00x êcroyücaro cum annominationis servandae tum hiatus vitandi causa. ibid. p. 55, 72 lege zv aut (pro uèr®) otroder pégew tov 0As9'Qor. ibid. p. 71, 91 lege 09 ev meg (pro deg) Aéywv EEE. ibid. p. 83, 105 pro r2» éntoguxny etvgéoFas | evoncdae. ibid. p. 85, 108 umd nolwy .. nolsuluv: pronomen inter- rogativum muta in indefinitum zoıwv. ibid. p. 134, 168 pro ax wâlurro 647% nescio an legendum sit an. e? x 7. unde oıyn lectio nata sit, difficile est ad diiudicandum: Iliadis loci, quem respicit in parenthesi rhetor (III 6), memoriam quandam scribae animo obversatam esse putaveris. ibid. p. 136, 170 pro gore Aoyog d7X0v scr. à. À. dnAwv. ibid. p. 189, 173 verba @u&Ası xai ro vg Wong 0voua aùttò Gvy- xexAngoWwraı eicienda sunt neque maiorem auctoritatem tri- buerim eis quae p. 145, 180 leguntur: wiv aoy7 mov, 10 áxgortsAceu1:0v Éxovc èotiv' immo vero haec tam certa glossematis inepti vestigia prae se ferunt, ut vera eorum natura editorum sagacitatem effugere non potuerit, nisi illi, atque inter eos maxime Dindorfius, in edendo Aristide somnolentia quandam, cui in auctore nostro facile veniam tribuerimus, op- pressi essent.

Or. XLVI p. 159, 195 de verborum serie e$ tug a 4406 TOY vnèo rovtovg «vw tole inig rovrovc, quibus verbis nescio quis grammaticus «rw vocem explicare voluit, quae iden- tidem in Aristidis orationibus ad tempus significandum usurpatur

(VII 79, 82; XIII 152, 163; XIV 362, 891 al) ibid. 168, 208 pro Aiyeoratwy scr. ’Eysoralwv. ibid. 182, 224 pro éuoi yàg ein ser. 8j 0v yag ein. ibid. 211, 262 Avgorotov legere malin quam yogomoıöov. ibid. 232,

286 verba quae sunt x«i 1adra apédes dixusa noviv nescio an eicienda sint non minus quam quae habes or. XLV 138, 173 inde ab auéA& usque ad ouyxexdAjowtus.

Tubingae. W. Schmid.

Philologus. N:F. Bd.I, 8. 28

XXIII.

Entstehungszeit und Verfasser von Ps.- Apuleius De orthographia.

Madvig hat in seiner Abhandlung De L. Apuleiî fragmentis de orthographia nuper inventis (1829, opusc. acad.? 1 ff) durch eine sachliche Kritik des Inhalts nachzuweisen versucht, daß die von Mai und Osann unter dem Namen eines sonst ganz unbe- kannten L. Caecilius Minutianus Apuleius herausgegebenen *Bruch- stücke' de orthographia eine Fülschung aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts seien (S. 20). Abgesehen von Osann, der seinen Pflegling gegen solche Angriffe zu vertheidigen suchte (freilich mit den stumpfsten Waffen), haben wohl alle stimmbe- rechtigten Gelehrten dem verdammenden Urtheile Madvig's bei- gepflichtet; und es ist vermuthlich eher Fahrlüssigkeit, als be- wußte Opposition, wenn auch noch später in Fragmentsamm- lungen und neuerdings in mythologischen ‘Untersuchungen’ der falsche Apuleius als Zeuge auftritt. Doch läßt es sich nicht leugnen, daß Madvig das Problem mit einer gewissen Einsei- tigkeit behandelt und noch nicht zu einer definitiven Lósung geführt hat. In der That kann man den terminus post quem genauer festlegen durch den Nachweis benutzter Druck- werke, und auch über die Persónlichkeit des Verfassers lassen sich einige Anhaltspunkte gewinnen. Móge der Leser sich die Mühe nicht verdrieBen lassen, in die Werkstatt des Mannes hinabzusteigen und ihn bei der Arbeit zu beobachten:

- Entstehungszeit u. Verfasser v. Ps.-Apuleius de orthographia, 485

nicht leicht kann man die Technik des Fülschens, wie man sie in der Renaissancezeit zu üben wagte, bequemer kennen lernen.

Ps.-Apuleius liebt es, an die hóchst ürmlichen orthographi- schen Bemerkungen, welche er nur zum Theil aus den (bei Osann spüter abgedruckten) grammatischen Schriften des ‘Apu- leius minor’ (de nota aspirationis und de diphthongis) entlehnt hat, allerlei sachliche Bemerkungen und Exkurse anzuschließen, welche mit seiner eigentlichen Aufgabe absolut nichts zu thun haben. Ganz dieselbe Eigenthümlichkeit zeigt ein 1471 zum ersten Mal gedrucktes Werk des Tortellius (ca. 1400 1466), welches gleichfalls den Namen de Orthographia trügt (voll- stindiger de O. dictionum e Graecis tractarum, bezeichnend für die Tendenz des Buches) Aber mehr als das: auch in Einzel- heiten findet sich oft die wunderbarste Uebereinstimmung, wie folgende Beispiele darthun werden:

Ps.- Apuleius $ 2: Busiris cum .i. latino, qui apud Iovis aram hospites mactabat, di- vinoque iudicio ab Hercule ibidem mactatus est, auctore Argone $n quarto Apollonii commentario ... ez nostris Nasone et Calvo.

$3: Lachesis aspirat .e, una ez tribus Parcis, quae necis nostrae habent arbitrium et vitae, quam ipsa sororesque eius producunt corripiuntve.

$ 6 p. 5: Allia per du- plex.l. flumen memorabile ex- ercitus nostri clada .T. Verax in suo sive Homerico Ulixe ...

§ 9: Antus Virgilianus unico .n. notatur.

Tortell. de orthogr. ed. 1501 Fol. 485: Busiris cum unico 8 et .. latino ... qui cum suis diis hospites imolaret: et ad eum Hercules divertisset . . . regem ipsum aris impositum tn- terfecit . Cuius . . ritue causam posuit Ovidius etc.

Fol. 100: Lachesis cum .ch. aspirato scribitur: fuit una ec parcis, ut vidimus in dictione . atropos. Fol. 43 sq.: Atropos

. una ez parcis, quae filum frangit etc.

Fol. 31%: Alia cum unico.l.

idque ostendit Luc. cum dixit: Quos aliae clades. Est- que teste Livio ... fluvius..., Virgi. vero. . . metri causa cum duplici .l. scripstt.

Fol. 35: Anius cum 4, la- tino scribitur: rex fuit in Delo:

28 *

436

811: Eumenides in latino nos Furtas dicimus. :

§ 13 p. 6: Cassandra fi- lia Priami vatis geminat .s.

§ 14: Proteus filius Oceani ete., vgl. unten S. 442.

§ 16 p. 7: Pyrrhus scri- bitur cum hya et duplici Tr.,ultimum quoque as pirati. Fuit rex Epiri ... interemptus- que fuit a Cerere sub mulieris A r- givae specie ... Trogo, Sal-

lustio et Lucio...

§18: Vulcanus cum duplici uu. Praecipitatus est a Iove de coelo ... Homero

imprimo etc.

$ 20: Auctor per .c. ante t., nomen primigenium(NB.) communis generis.

§ 21: Antaeus .ae. diphthon- gum habet etc.

§ 22: Troia modo habet 4. vocalem, modo consonantem.

O. Crusius,

dicente lb. Aenei.

II etc.

Virgilio

Fol. 80: Eumenides cum .eu. diphthongo ... per contra-

rium Furiae designantur etc.

Fol. 53: Cassandra cum .c. exili et duplicato .s. scribitur: fuit Priami regis filia ete.

Fol. 189%: Proteus cum .. exili scribitur : fuit teste Hesiodo ... Oceani et Tetyos filius etc.

Fol. 129: Pyrrus cum y. Graeco et duplicato .r. atque secundo aspirato scribi-- Fuit Achillis filius . .. fuitque rex Epiri . . . de

tur. quo Iustinus ... pertractavit; deindecum Ar gos oppidum in Pe- loponneso oppugnaret, lapide ictus interüt.

Fol. 167:

.c. exile scribitur . .

Vulcanus cum . a Iove e caelo fuit praecipitatus in Lemnum Hoe.vero

(d. i. Homerus vero) dizit etc.

Fol. 450: Auctor cum .au. diphthongo et .ct, exilibus scri- bitur . sed quaerit Servius . + @uctor uirum per se an sed est sciendum, quod a se nascitur (= primigenium bei Ps. Apul).

Fol. 35: Antacus cum .t. .. et ae diphthongo.

Fol 165*: Troia cum .t. exi et .3. latino scribitur . .. Et ut vidimus .o. et .i. apud

de verbo oriatur ...

Entstehungszeit u. Verfasser v. Ps.-Apuleius de orthographia.

23: Aeneas.

$ 25: Catarrhus per .rr. du- plex et .h.

$ 26: Atha per . th. in fans VIII annorum cursor admi- randus, Numa in dogmatum

philosophiae libro tertio ...

§ 28: Eridanus.

§ 29: Ocyroe.

8.32: Menoetius habet in secunda syllaba .oe. dip h- thongum. Fuit filius Ac- toris teste Apollonio.

§ 33: Graeca.

Phylaeus cum ph.et.y.

$ 36: § 37: § 40: § 42: M. Fontanus in nympharum sa-

Adytum. Antiochus. Hedera.

Au diphthongus.

tyrorumque amoribus libro III. § 43: Battus iambicus poeta

Ovidii contubernalis duplici

437

graecos per diphthongum coniun- guntur quam nos dividentes faci- mus 4 aonsonantem. Nisi ea dictio fiat adiectiva; in qua

€. divisa ab .o. remanet vo-

calis.

Fol. 26,.

Fol 53°: Catarrus . . . cum duplicato .r. scribitur . . . Nam

descendit a verbo xuragéw etc. Fol 42: Atalanta ... fuit 42": scribitur fluvius ..

alia Fol. Athax cum .th. aspirato

cursu mobilis etc.

cursu lenis

. de quo Lu.li.i ait. mitis athas lattas gaudes non ferre carinas,

Fol. 79. Fol. 118"*.

Fol 118: Menoetius se- cunda cum oe diphthongo et penultima cum .t. exi et .i. latino scribitur fuit teste Ho- ... Actoris filius et Patrocli pater etc.

mero

Fol. 128°: Pylaeus prima cum .Y. graeco, sequens cum .ae.

diphthongo scribitur non numquam cum aspiratione Ph y- laeus a Graecis scribitur.

Fol. 25°.

Fol. 35” sq.

Fol. 85.

Fol. sq.: De diphthongo av.

Fol. 45": Battus cum duplici.t.

exili ... pastor quidam, -ut fingit

498 O. Crusius,

.t. scribitur ... Fu et .. qui Theocritus ... per id pulchre nos Cyrenem condidit; unde... Bat- admirabilis poeta | annotavit jiadae dicuntur Herodio etc. ... et ab Ovidio... trans-

formatur. Battus .. teste He- rodo. lib, hist. III. Cyre- nem urbem aedificavit.

§ 48; Ichthys. Fol. 96”. § 49: Aether. Fol. 26. § 50: Hostis. Fol. 95. § 55: Tarchetius. Fol. 158. $ 56: Dahae. Fol. 66.

$ 59: Ac primum elementum Fol. 26”. in Aeglaea etc.

§ 59: Acragas. Fol. 25.

$ 60: Aeas urbs non est, sed Fol. 25v: Aeas cum ae diph- fluvius iuxta Apolloniam Epi- thongo acribitur : fluvius est E- ri, Livius ... piri etc.

861: Aethiops, Aethio- Fol. 23: Aetiops cum. ae. pus, per.ae. diphthongum diphthongo et. th. aspirato scribendum ... Lupus Sicu- ... scribitur... apud an- lus in Menelao tragoedia . .. tiquos Aethiopus.

Aetna mons est Siciliae.

Nun citiert Tortellius wiederholt einen Grammatiker Apu- leius (auch Apulegius). Osann, der hierauf hinwies (p. XV sq), meinte zuerst ganz richtig, minoris tantummodo opuscula (d. h. die Tractate de nota aspirationis und de diphthongis) Tortellio cognita fuisse, quod grammaticum uno tantum Apulegii nomine laudet. Er beobachtete dann aber eine Stelle, an der Tortellius mit den ‘Fragmenten’ übereinstimmt, während sich in den bei- den Tractaten nichts ähnliches findet (oben zu $ 32, Osann p. 64); daraus schloß er nachträglich, daß Tortellius doch schon unsre Fragmente benutzt habe. Diese devreous goovrideg waren aber keine cogwresgar: denn erstens ist es schwer begreiflich, weshalb Tortellius, der in klangvollen Namen geradezu schwelgt, den pomphaften lüngeren Namen nirgends genannt haben sollte; zweitens stimmt der Text des Tortellius, wo er ‘Apuleius’ citiert, im Einzelnen nie zu den ‘Fragmenten’, wohl aber zu den Abhandlungen des ‘Apuleius minor’:

Entstehungszeit u. Verfasser v. Ps.-Apuleius de orthographia.

Ps. Apul § 24: Aevum aliquando di- vidit diphthongum.

Vgl. $ 47: Aevum ab alwv, .v. littera hiatus causa inter-

vecta.

Tortell. Fol. 28v Ae- vum cum ae diph- thongo scribitur: et ab aluv teste A- puleio gramma- tico Latini tra- cerunt ipsum vide- licet .v. interiec- tantes hiatus causa

439

Apul. ‘min.’ de diphth. p. 130 Os.: Ante .v. habetur [ae] in aevum, quod a Graeco aiwv Latini traxerunt, aL în .ae, convertentes,

vw. quoque inter- vectantes hiatus caussa.

vitandi.

Ebenso sind in den einleitenden Kapiteln de aspiratione und de diphthongis die beiden Tractate benutzt, nicht die Fragmente. Tortellius, der Vorsteher der Vaticana von 1449 bis ca. 1466, hat also die vaticanischen Handschriften des ‘Apuleius minor’, excerpiert, den ‘L. Caecilius Minutianus Apuleius’ aber nicht ge- kannt. —- Wie sind dann aber jene Uebereinstimmungen zu er- klären? Wer sich die Mühe giebt, die oben zusammengestellten Belege zu priifen, wird sicher in vielen Fallen (vgl. bes. zu § 9. 11. 16. 18. 20. 22. 26. 43. 61) den Eindruck gewinnen, daß Tortellius Original-Artikel bietet, Ps.-Apuleius spärliche, mit Absicht verstümmelte und unkennt- lich gemachte Excerpte. In manchen Stellen scheint Ps.-Apuleius sogar durch die Abkiirzungen der uns vorliegenden Drucke irre gefiihrt oder durch die Reihenfolge der Artikel bei Tortellius in seinen Phantasien geleitet zu sein. Aus Hoe.uero (= Homerus vero) wird Homero ($ 18), aus Lu.li.iait ‘m[itis] etc. (= Lucanus libro primo ait:) Numa în libro III ($ 26), aus teste Herodo. lib. hist. III (= teste Herodoto libro historiarum tertio) dicuntur Herodio ($ 43). Bei Tortellius stehen Artikel über die Läuferin Ata lan t e und den ‘sanft laufenden’ Fluß Athax ne- beneinander: Ps.-Apuleius macht daraus einen berühmten Läufer Atha ($ 26). Bei Tortellius zeigen sich die Begriffe Battus- admirabilis poeta Ovidius in einem Gesichtsfelde: Ps.- Apuleius entdeckt einen Battus iambicus poeta Ovidii contubernalis (843). Bei Tortellius stehen hinter dem Artikel Aethiops Notizen über Aetna mons Siciliae: Ps.- Apuleius folgt in unwillkür- licher ‘Gedankenflucht’ auch dahin und citiert den Dichter Lu- pus ‘Siculus’ 61), wie er ($ 2) aus dem Scholiasten zu

440

O. Crusius,

Apollonius’ Argonautica auctore Argone (Osann corrigierte Cha- ronte!) in quarto Apollonii commentario macht. Kein Zweifel: Ps.-Apuleius hat den Grundstock seines gelehrten Capitals aus ei- nem gedruckten Exemplar des Tortellius de ortho-

graphia entwendet ').

Noch weiter führt uns folgende Beobachtung. Neben an- dern hóchst überflüssigen Notizen bringt der falsche Orthograph an ein paar Stellen Sprichwörter mit weitläufigen Erklä- rungen und zahlreichen Citaten aus den verschiedensten griechi- schen und römischen Schriftstellern, Grammatikern, Lexiko-

graphen : dergleichen man in

der ganzen paroemiologischen

Litteratur des Alterthums nicht findet, wohl aber in den

Chiliaden des Erasmus.

Etliche besonders auffällige Stel-

len mögen hier neben einander gehalten und mit einem kurzen

Commentar begleitet werden.

I. Apul. de orthogr. $ 8 p. 5 Os.:

militer tympanum . ..

Cymbalum hya habet et si- Vulgatum - est proverbium in eos qui vana loquacitate im probe, impor-

une inaniterque loquuntur, cymbalum Dodoneum, ut tintinabulum, ut lebes, ut aes Dodoneum, ut pelvis aerea, ut tympanum mundi, ex Aristotele, Menandro, Xenophonte, Zenodoro, Caeci- lio, Plinio, Suda et altis, Lupus Antlus proin cym- balum appellat Aemulum.

Uranium

Erasm. chil. I 1, 7: Dodo- naeum aes || 4Awdwvutov yaà- id est, cymbalum aut tintinna-

XELOV : Dodonaeum bulum. In hominem dici con- auevit improbae atque im- portunae loquacitatis.

Zenodotus citat ex Ari- phoro Menandri. Tradit au- tem in Dodona duas fuisse sub- limes columnas, în altera positam pelvim aeream... Sui- das diversam adagii interpre- tationem adfert ex Daemone. Ast enim oraculum Iovis, quod olim erat in Dodona, lebetibus aereis undique cinctum fuisse Verum Aristoteles hoc

1) Auf die Möglichkeit, daß der falsche Apuleius von Tor- tellius z. B. im Artikel ‘Menoetius’ abhängig sei, hat schon Madvig p. 9 hingedeutet, jedoch ohne die Spur weiter zu verfolgen.

Entstehungszeit u. Verfasser v. Ps.-Apuleius de orthographia, 441

commentum ut ficlicium . refellit. [Chil. IV 10, 822): Piinius maior ... refert Apionem gram- maticum a Tyberio Caesare Cy m- balum mundi consuesse vo- cart... Plinius autem ob arrogantiam | mavult illum a p- pellari tympanum

quod tympana fiunt e pelle as t- nina |.

Es ist fast beschümend, zu beobachten, wie Mai und Osann den hier ganz besonders wüsten Unsinn des Ps.-Apuleius mit der größten Hochachtung behandeln und z. B. aus Suidas einen antiquum historicum Suidas oder gar einen rómischen Rechtsge- lehrten resp. Grammatiker Sura machen wollen, manifeste prodente auctorum ordine (Osann p. 34). Das ganze Citaten - Nest mit- sammt der Erklärung gehört selbstverständlich dem Erasmus: denn Zenodotus oder Zenodorus, d. h. Zenobius der Paroemio- graph (vgl. Anal. ad paroem. p. 8 not), und Suidas der Lexi- kograph sind in der That seine Hauptquellen, in denen sich das Sprichwort wirklich mit der von ihm gegebenen Erklärung vor- findet. Aus den von Erasmus vollstindig übersetzten Stellen hat der Fülscher ein Paar Stichworte und die Namen der Ge- wührsmünner losgelóst und zusammengestellt Wenn es schon danach kaum bestreitbar ist, daß Ps.-Apuleius hier Artikel des Erasmus geplündert hat, so fassen wir den Betrüger sozusagen iw avrogwem bei den Worten ut tintinabulum . . . ex Ari- stotele Menandro, . . Zenodoro, die offenbar aus aut tint.

Zenodotus citat ex Ariphoro Menandri entstanden sind. Der Komödientitel Ariphoro (d. h. ’Ad6nypogog: Meineke IV 88) den der Fülscher nicht verstand, ist ersetzt durch den ähnlichen (bei Erasmus folgenden) Namen des Aristoteles. Den Namen Caecilius, in welchem man den alten Komiker sah, hat Ps.-Apuleius de suo hinzugethan in Erinnerung an C. Plinius Caecilius Secundus, ebenso den Namen Xenophon. Seine eigenste Schópfung ist Lupus Anilus (vgl. $ 64).

2) Fehlt in den früheren Ausgaben.

442

II. Apul. 14 p. 6: Proteus filius Oceani, qui Homero et Virgilio testibus, ut notissi- mum est, în varias formas ver- tebatur: unde proverbium est apud Plutarchum et Democri- tum, interpretem Aristo- phanis et Lucianum în tergiversantos, mutabiles, inconstantes ac versipelles. Sed et Horatius eos, qui fa- cile vertunt sententiam et deprehendi difficile possunt, Proteos nominavit. Var-

ro in Punico belle...

Hier ist der Betrug womöglich noch verwegener.

O. Crusius,

Erasm. chil. II 2, 74: Z70w- Tewg nowıAwWregog: id est Proteo mutabilior in vafrum et versi- pellem competit . Lucianus .. . Jovem momiwiegov adrod Ilowréws appellat ... tius în eos, qui facile ver- tunt sententiam: ‘quo teneam vultus mutantem Protea nodo” Item alibi: ‘Effugiet ... cula Proteus’ Protea vocat ter- giversantem et quem Graeci vocant duoywgarov: id est d e- prehensudifficilem. Por- ro fabulam Protet notiorem ar- bitror , quam ut hic sit recen- senda. Extat apud Homerum Odysseae quarto et apud Ma- ronem quarto item Gerrgicon ... Simili figura diceretur . . . sv- ustaßoAwıegog Eunovons : id est, Empusa mutabilior ... Meminit huius Aristophanes in Ranis ... Interpres adscribit, Em- pusam specirum quoddam esse ... Demosthenes att Aeschinis appellatam fuisse

Hora-

vin-

matrem

Empusam.

Der

Fälscher hat sich darauf beschränkt, einen Artikel des Erasmus zu excerpieren und durcheinander zu würfeln; daß dabei ganz verschiedene Dinge unter einen Hut kommen, entsprach wohl

gerade seiner Absicht.

Bei Erasmus werden richtig Aristo-

phanes nebst seinem ‘Interpres’ und Demosthenes für die Empusa-Legende citiert: Ps.-Apuleius citiert darauf hin den ‘Interpes Aristophanis’ und ‘Democritus’ für den Proteus-Mythus. Bei Erasmus wird eine griechische Redewendung mit Ueberse- tzung gegeben: Ps.-Apuleius denkt: Graecum est, non legitur und

Entstehungszeit u. Verfasser v. Ps,-Apuleius de orthographia, 448

begnügt sich mit der versio Latina. Ueberschüssig sind bei Ps.-Apuleius die Namen Plutarch und Varro. Aber nicht einmal hier schópft der ärmliche Geselle aus eigener Erinnerung: denn bei Erasmus wird unmittelbar vorher unter in simpulo Nr. 73 zweimal M. Varro, unmittelbar nachher unter amicus magis necessarius etc. Nr. 75 zweimal Plutarch citiert! Kein Wun- per, daß den Herausgebern locos invenire non contigit.

Es wire Zeitvergeudung, Beispiele zu häufen: die beiden besprochenen Fülle genügen vollauf, um die unglaublich freche ; Arbeitsmethode * des Fälschers zu kennzeichnen und die Thatsache, daß die Fälschung nach dem Erscheinen der Chiliaden, d. h nach dem Jahre 1501, ent- standen ist, über jeden Zweifel zu erheben.

* * *

Die Chiliaden des Erasmus bieten in ihrem zwanglosen sermo familiaris mancherlei kulturgeschichtliche und autobiographische Bemerkungen, welche zwar nicht streng zur Sache gehóren, aber doch angenehm und niitzlich zu lesen sind. Ein besonderes In- teresse besitzen die Abschnitte, in denen Frasmus andre Ge- lehrte seiner Zeit charakterisiert, oft mit boshaftem, aber immer urbanen Witz; von Auflage zu Auflage hat er derartige Stellen mit sichtlichem Behagen eingeschoben. Chil. I 1, 2 S 16 ed. 1574 erläutert er die homerische Schilderung des Irus sed ventre insignis inerti Assidue bibere atque edere, ast industria nulla Nullaque vis aderat mit dem Spruche des Paulus: Qué non laborat, nec manducet. In den Ausgaben letzter Hand findet sich unmittelbar darauf folgender Zusatz: Cum [haec] no- bis adornaretur sexta [iam], ni fallor, Chiliadum editio?), nempe anno ab orbe redemptio MDXVII, commodum in lucem ext opus Antiquarum lect. Ludovici Caeli? Rhodigini, de quo quid in totum sentiam, mon habeo necesse nunc ferre sententiam : tam etsi [iuvenis ipse, si modo hic ille est Caelius, olim Ferra- riae în domestico congressu visus est mihi cum eruditionis haud spernendae, tum spei summae atque] ipse operis gustus (nam d e- libavi duntaxat) protinus arguit hominem inexplebili legendi

3) Die eingeklammerten Wörter der Baseler Ausgabe von 1528 hat Erasmus spáter getilgt.

444 | - QO, Crusius,

aviditate per omne genus autorum circumvolitantem et retextia aliorum sertis novas subinde corollas concinnare gaudentem. Quod autem Georg Vallae Volaterrani meique nusquam, quod quidem compererim, admiscuerit mentio- nem, quorum tamen commentartis nonnihil adiu- tum fuisse probabile est, scio iudicio factum, non livore (!) : etiamsi hoc ipsum tractans symbolum (yolvixe un Erixadlou), negat se quic- quam adferre velle, quod in aliorum commentariis rebulliat (sic enim ille loquitur), cum non pauca adducat, quae in mets Chiliadibus reperio ...... In der Baseler Ausgabe von 1528 und den späteren Drucken schließt sich daran fol- gender Zusatz: Cum haec scriberem, ex eruditorum litteris cognovi, Rhodiginum obisse supremum vitae diem (ca. 1525), non sine gravi dolore studiosorum et iactura studiorum. Narrant enim . . . futsse virum integritatis Christianae nullo studiorum labore fatigubilem ... Itaque tot virtutibus facile condono, si minus candide de nobis sensit. Plus enim apud me valet publica studiorum uti- litas, quam mei nominis ratio 4).

Erasmus macht hiermit dem Rhodiginus den schweren Vor- wurf, daß er ‘geschmaust habe ohne zu arbeiten’, d. h. daß er Werke des Georgius Valla, Erasmus u. A. ausgebeutet habe, ohne seine Quelle zu nennen. Von Schriften des Georgius Valla kommt hier besonders in Frage der Anhang zur Ortho- graphiedes Tortellius Fol. 168 ff. der Ausgabe von 1501. Denn Caelius hat einen Druck der Orthogra- phica von Tortellius-Valla bei der Zusammenstel- lung der lectiones antiquae sicher in seinem Handapparate ge- habt; das wird bezeugt durch die Gesammtanlage des lexikalisch- antiquarischen Werkes, wie durch zahllose Einzelheiten; und wider Willen verräth es schließlich der Verf. selbst, wenn er den Tortellius in der schnödesten Weise angreift (lect. antiqu. XXVIII 24 male feriati homines Tortellii deliramenta sunt insequuti) man kennt ja diese Gepflogenheit der gelehrten Char- latane aus alter und neuer Zeit, ihre Hauptquelle nach Kriften

4) Auch sonst geht Erasmus dem Rhodiginus scharf zu Leibe, vgl. Chil. II 1, 45: doch hat er die Antiquae lectiones offenbar nur flüchtig benutzt: was er in der oben angeführten Stelle ja selbst gesteht. [Ue- ber das Verhältniß des Erasmus zu Caelius bietet möglicherweise das vielgerühmte Buch von Ed. de Nolhac Erasme en Italie weitere Auf- schlüsse; doch konnte ich es noch nicht benutzen.]

Entstehungszeit u. Verfasser v. Ps.-Apuleius de orthographia. 445

schlecht zu machen und dadurch ihre Abhingigkeit zu verdecken. Aehnlich steht es bei Erasmus. Eine Priifung des oben an- geführten Artikel sowie der übrigen paroemiographischen Partien in den lectiones antiquae (auszugsweise zusammengestellt in der Baseler Ausgabe der Chiliades von 1574 Vol. II 8. 568 sqq.) wird den Leser überzeugen, daß Erasmus eher zu wenig be- hauptet hat, als zuviel. Hier, einem lebenden, streitbaren Ge- lehrten gegenüber, beschrünkte sich Caelius als Schriftsteller zu- nächst darauf, seine Quelle nicht zu nennen. Doch scheint er schließlich frech genug gewesen zu sein, den Spieß geradezu umzukehren; wenigstens berichtet Morhof im Polyhistor I 1, 26 p. 367 sq.: Liticulam illi (dem Erasmus) aliquando movit Caelius Rhodiginus, quasi surripuerit aliqua sibi circa ada- gia meditata (Erasmus!) ; sed non habet quo se iactet Rho- diginus, quod guttula una vel altera hunc fontem auxerit: paucula enim sunt, quae în opere ipsius antiquarum lectionum habentur de quibusdam adagiis?). Jetzt erinnere sich der Leser nur noch an die schon von Mai nachgewiesene Thatsache, daß der falsche L. Caecilius Minutianus Apuleius zuerst ge- nannt und ‘benutzt! wird gerade in den antiquae lectiones des Caelius Rhodiginus: dann wird er über . die Nutzanwendung unserer Beobachtungen keinen Augenblick im Zweifel sein. Die Verfasser der lectiones antiquae und der fragmenta de orthographia gehören beide in dieselbe Zeit; be- nutzen beide dieselben ‘Quellen’, besonders Tortellius und Eras- mus; machen beide paroemiographische Exkurse an der ver- kehrten Stelle; sind beide gleich unehrlich kurz, sie sind dieselbe Person, Niemand anders als Ludovicus Caelius Rhodiginus.

Eine Gegenprobe zu dieser Rechnung kann der Leser ausführen, wenn er einmal in den Antiquae lectiones blüttern und dann ein paar Artikel des Ps.-Apuleius lesen will. Er wird dann nicht nur bei beiden einen Hauch desselben dumpfen und schwindelhaften Geistes verspüren, sondern auch durch die eigenthümlichsten sachlichen, besonders mythologischen Paral- lelen überrascht werden. Vgl. Ps.-Apul. $ 4 (Rhoeo und Anius) und lect. antiqu. VII 15 extr. p.351 (ed. 1666); $ 19 (Phaon)

5) Wo und wann Caelius das behauptet hat, ob in Schriften oder nur im Verkehr, habe ich nicht feststellen kônnen.

446 O. Crusius,

IX 24 p. 489; § 21 (Antaeus) XX 28 p. 1186 (wo auch Caecilius Minut. Ap. citiert wird); $ 28 (Eridanus) XXIV p. 1343 (Caec. Min. Ap. citiert); § 35 (Ceraphia) XXVIII 6 p. 1552; $43 (Battus) XIII 1 p. 658; $ 51 (Azania) XVII 21 p. 934; § 53 (Rhoecus) XVI 3 p. 836; § 56 (Dahae) XVIII 24 p. 1012; § 64 (Pasiphae) V 7 p. 245 sq. Ps.- Apuleius arbeitete eben mit denselben Excerpten - Sammlungen, wie Caelius Rhodiginus.

* * *

Auf das Resultat, welches uns die Prüfung der Apuleius- fragmente in ihrem Verhältniß zu Erasmus, Tortellius-Valla und Caelius an die Hand gegeben hat, kommen wir auch auf einem andern, mehr historischen Wege. Die 'Fragmente' zeigen, wie oben erwühnt ist, wiederholt starke Uebereinstimmungen mit den unter dem Namen ‘Apuleius’ überlieferten Tractaten de nota aspi- rationis und de diphthongis: man vergleiche die Notizen über saeculum p. 9 und 143. 146 Osann, über Aedera p.10 und 129, aes p. 11 u. 129, aeternus 11 u. 130, über halo hostis hostio und die nota aspirationis p. 11 u. 198 sq. Die von Osann benutzten Handschriften des Tractates stammen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts; älter sind die Vaticani, aus welchen Mai (p. XXXIV Os.) folgende subscriptio notiret: Apuleii fragmentum de diphthongis, quod în vetustissimo codice repertum est, finit fe- liciter per Nicolaum Peroctum, quum Ferrartae apud magnificum et generosissimum virum. D. Gulielmum. GR. esset, duo- devicesimumgne aetatis suae annum ageret (also im Jahre 1448). Danach sind die echten orthographischen Tractate um die Mitte des 15. Jahrhunderts in Ferrara aufgetaucht und dort später jedesfalls zugänglich und wohl auch in Abschriften verbreitet gewesen; und nach Ferrara gehórt auch Caelius Rho- diginus, welcher dort seit ca. 1460 als Student, von 1508— 1512 als Professor lebte und wirkte 5. Und nun können wir auch den SchluBstein der ganzen Beweisführung einsetzen. Bei Lilius Gyraldus ‘Dial. de poet. histor. IV p. 226 (nachgewiesen schon von Osann p. XXIV not.) sagt Piso zu Lilius: Attende, quaeso, Lili, quae ex communi amico his diebus audivi, is enim se domi habere affirmabat quaepiam Caecilii Mi.

6) Die Monographie von Gaetano Oliva (C. Rhodigimus, saggio biografico, Rovigo 1868) habe ich leider nicht benutzen kónnen.

Entstehungszeit u. Verfasser v. Ps.-Apuleius de orthographia. 447

nutiani Apulett fragmenta, in quibus de Ovidio poeta haec fere inerant perscripta, eum scilicet calendis Ianuarii . .. hominem esse desiisse . . . . Lilius antwortet: Istiusce, Piso, ret fides esse penes auctorem adhuc mihi incognitum et amicum tuum man sieht, der Zweifel an der Echtheit der ‘Apuleiusfragmente’ ist so alt wie ihre Existenz. Der jüngere Ferrarese Lilius Gyraldus (1479 —1552) hat in Ferrara studiert und gelehrt, wie Caelius Rhodiginus ; deshalb hat schon Osann vermuthet, amicum hunc Pisonis et Gyraldi communem Caelium fuisse. Danach kónnen wir jene Stelle des Dialogus auf Cae- lius Rhodiginus beziehen. Dieser behauptete also jüngeren Gelehrten gegenüber, Fragmente des Caecilius Minutianus Apuleius’ zu besitzen, scheint jedoch für seine Botschaft nicht überall den rechten Glauben gefunden zu haben; wir kónnen ihn jetzt mit ziemlicher GewiBheit beschuldigen, daf er sie unter Benutzung der Schriften von Erasmus, Tortellius u. A. aus den lüngst bekannten Ferra- resischen Tractaten de nota aspirationis und de diphthongis zurecht gestutzt hat. Dem Lilius Gyraldus stand vermuthlich eine Ab- schrift zu Gebote (Osann p. XXIV sq.): kurze Zeit darauf citiert Achilles Statius, der in dieselben italienischen Gelehrtenkreise gehórt, in seinem Catull-Commentar zu c. X: L. Caecilius Minu- tianus ... in iis fragmentis . quae scripta exstant. apud paucos. Ein solehes Exemplar hat Statius mit eigner Hand abgeschrie- ben und dem Filippo Neri vermacht: das ist die einzige erhal- tene, unvollständige Handschrift des Falsificats, welche A. Mai in der bibliotheca Vallicelliana aufgefunden und zum Druck ge- geben hat. So führen auch diese äußeren Spuren alle auf einen Punkt zurück: auf Ferrara und Caelius Rhodiginus, den Verfasser der variae lectiones.

Daß Caelius es bei diesem einen Fülschungsversuche habe bewenden lassen, ist wenig wahrscheinlich; man sei also auf der Hut, wo man seinen Spuren begegnet. In einer Ge- schichte und ‘Technik’ der litterarischen Fülschungen, die ein- mal geschrieben werden müDte"), wird man seinem Namen wie

7) [Ueber die Fälscherthätigkeit der Neugriechen Konstantin Pa- laeokappa und Jakob Diassorinos giebt Leopold Cohn interessante

Nachweise in den eben erschienenen ‘philologischen Abhandlungen, M. Hertz zum 70, Geburtstage gewidmet’ S. 122—149].

448 O. Crusius, Entstehungszeit u. Verfasser u. s. w.

seiner verwegenen und doch nicht ganz ungeschickten ‘Arbeit’, welche noch in unserer Zeit Unheil anrichten konnte, einen Eh-

renplatz einräumen müssen. e. Tübingen. O. Crusius.

Vorlagen der Apulejanischen Metamorphosen.

Als Apuleius die Fabel seiner Metamorphosen mit novel- listischem Arabeskenwerke überreich verzierte, benutzte er nach seinen eigenen Andeutungen griechische Novellen- und Anek- dotenbücher, fabulae Milesiae. Da diese Literatur so gut wie verschollen ist, sind auch kleine Funde und Beobachtungen, unter den richtigen Gesichtspunkt gebracht, von Werth und Interesse.

Metam. I 13 fiigt sich in die Reiseabenteuer des Lucius un- gezwungen ein abgeschlossenes Histérchen ein: Diophanes, ein chal- däischer Weissager, wird bei seinem Schwindelhandwerke auf offe- ner Straße dadurch entlarvt, daß ihn eine Hiobspost völlig außer Fassung bringt. Ganz derselbe Hergang mit derselben Scenerie und der gleichen Tendenz wird erzählt in den ‘Aesopea’ 286 H.; Variationen dazu sind Fab, 312 und 329 und Babr. 2.— Eine pikante Ehebruchsgeschichte, charakterisiert durch einen wunder- lichen Vermittlungsvorschlag des Geschädigten, wird erzählt Met. IX 26. Nach Anlage und Pointe identisch ist die ‘Novellette in Versen’ bei Babrius 116, und auch Lucian im Bis accusatus 31 scheint dasselbe Original im Sinne gehabt zu haben, mußte aber freilich um seiner Allegorie gerecht zu werden dem Schlusse eine andere Wendung geben. In beiden Fällen haben unsere Fabel- sammlungen auch die fabellae Milesiae erhalten.

Aehnliche Beobachtungen lassen sich schon bei dem grie- chischen Aovxıog 7 06vos machen; insbesondere sind die Reise- abenteuer des in einen Esel verwandelten Lucius vielfach alte Fabeln und Schwänke, neugefaßt und zu einer wohlgefügten Kette zusammengeschweißt : etwa wie der Reinhart-Roman aus ur- sprünglich selbständigen Stücken entstanden ist *). Diese Gleich- heit der Quellen und der Arbeitsweise könnte für Dilthey’s Hypothese zu sprechen scheinen, daß der Verf. des Lukios kein andrer sei als der des ‘Goldnen Esels’. Aber auch sicher echte Schriften des Lucian (sowie der Roman des Petronius) zeigen eine ähnliche Mo- saik-Technik : man wird also keine derartigen Folgerungen dar- aus ableiten dürfen.

*) Vgl. Aovx. 28 (Met. VII 15): Babr. 83 (Futter vom Wärter ver- zehrt); 4. 31: Babr. 11, Ovid Fast. IV 700 (Brennendes Werg getra- gen, zur Strafe); 4. 35 sq. (Met. VIII 24 sqq.) = Babr. 127, Phaedr. IV 1 (Esel bei den Galli); 4 40: Babr. 132, paroemiogr. p. 439 Gott. und Babr. 125, Petron. 63 p. 46 Bch. (Esel beim Mahle); 4. 45 (Met. IX 42): Aesop. 190, Paroemiogr. p. 136, Zenob. 1, 70 Mill. (övov nza- odxvyss). Entferntere Anklänge finden sich 4. 19 an Babr. 7, 111

(Plut. soll. anim. 16, Ael. Nat. an. VII 42), Aesop. 111, 885, und 4. 42 (Met. IX 11) an Babr. 29. 125.

Tübingen. O. Crusius.

XXIV.

Die zehn Eponymen und die Reihenfolge der nach ihnen benannten Phylen Athens.

Einst waren, wenn wir recht berichtet sind, Götter die Paten der attischen Phylen; Pollux VIII 109 éni ’EgıyFovlov (ab quai joav) Aids "A9nvats Mocesdwwiadts “Hpacuas. So stolze Namen paßten dem Klisthenes nicht für die zehn Phylen !), welche sich als Theile einem Ganzen, dem Staate, einzuordnen und zu fiigen hatten; die Gôttin Athena mit ihrem durch Pisi- stratos zu hohem Glanze gelangten Centralfest, den Panathenüen, © reprisentierte das Ganze, die Theile wurden getauft nach He- roen *), die zwar, ähnlich den Heiligen der katholischen Kirche,

1) Klisthenes hat die Heroendekade kreiert und ein dekaphyli- sches Attika geschaffen, Herod. V 66; eine die zehn Heroen umfas- sende Bildergruppe, dergleichen sich nach Pausan. I 5, 1 bei dem Rathhause der Fiinfhundert und der Tholos befand, kann es vor Kli- sthenes in Athen nicht gegeben haben. Die Heroen selbst allerdings waren, viele wenigstens, vorklisthenisch; aber so zu einer festen Ge- sammtheit kombiniert hatte man sie nicht. Pausanias spricht so, als hätten die Phylen ihre Namen von den schon früher aufgestellten He- roen erhalten, a. O. avwréow ardordvirs siorjxaow yowwy ag’ wv Anvaiois voerle00v ta dvouata Écyov ai qulai. Ebenso wird die Ver- ordnung Gegenstände der Berathung vor den Eponymen aufzustellen da8 jedermann Kenntni8 nehme, auf Solon zurückgeführt bei Dem. 20, 94; auch bei Aeschin. 3, 38 f., vgl. Weidner z. d. St. und Grote Gesch. Griech. II 96 (Uebers. 1881). Bei Pollux VIII 110 liest man gar ini de Alxuaœiwvos (Ol. 6, 3) déxa (quai) iyévovto xr.

2) Die Eponymen waren Heroen; Pausan. X 10, 1 dx 10 yowwy xalovuérwr ‘KosySets xai Kéxgoy xt. ; Schol. Dem. 24, 8 ta óvouara TO» nouwy - - Havdiov 'Egey9esg xt. Aber man sagte nicht

Pbilologus. N. F. Bd. I, 3, 29

450 A. Mommsen,

ceremoniós geehrt und den Unsterblichen angenähert, auch als Schiitzer der Phyleten gedacht wurden, denen aber der Gottheit gegentiber vielmehr die bescheidene Rolle von Schiitzlingen zu- kam oder zukommen konnte.

Die Reihenfolge nun, in der die Phylen vorkommen, ist fiir gewisse Zwecke durchs Los bestimmt worden, um eine Zeit lang, z. Beisp. ein Jahr, zu gelten; fiir andere Zwecke hat eine dem Lose nicht unterworfene Folge gedient, die wir die solenne nennen können *). Nach dieser ordneten sich die Phylen so: I Erechtheis, II Aegeis, III Pandionis, IV Leontis, V Aka- mantis, VI Oeneis, VII Kekropis, VIII Hippothontis, IX Ae- antis, X Antiochis.

Man pflegte die Namen der im Kriege gefallenen Mitbiirger, sowohl der in Attika wohnhaft gewesenen als auch der aus- wirts angesiedelten (Kleruchen), in Stelen einzugraben und da- bei die solenne Folge zu beobachten. CIA I p. 200 n. 446 (verm, aus Ol. 88, 4 = 425/4) ist eine Urkunde dieser Art; die Namen der Stümme sind übergeschrieben, es folgen die Na- men der gefallenen Stammgenossen *). Links scheinen solche verzeichnet, die in Attika gewohnt hatten, die rechts werden für Kleruchen gehalten?) In eine dem peloponnesischen Kriege nicht wenig voranliegende Zeit man vermuthet Ol. 79, 4 / 80, 1 führt uns CIA I p. 193 n. 433, eine Verlustliste die freilich nur die Todten der Erechtheis enthält; doch werden ent- sprechende Listen aus den übrigen Stimmen einst vorhanden gewesen sein. Ueberhaupt wird das öffentliche Bestattungs-

indvvuos nowes, sondern bloß of imwvvuos, Paus. I 5, 2 vov inw- viuwr, xalotos yao oviWw opas, ton uév ‘Inno96wv xtd.; vgl. die Orta- bezeichnung necoder (EunpooSer), nods twv inwvvuwr bei den Rednern, Sauppe Or. Att. Index p. 44; Singular auf Inschriften CIA II n. 569 oTyoas naga toy énwvuuoy (Pandion), III n. 1051 legeds éxwvvson (Aias, wie der Herausg. vermuthet).

3) Bôckh (Mondcyklen S. 68) spricht von der ‘festen Ordnung’ im Gegensatze zu der alljährlich ‘erlosten’, nach welcher die Stämme ihre Verwaltungszeiten antraten. L. Ro$ Demen S. 10 nennt er- stere die ‘gewöhnliche Keihenfolge der Stämme’.

4) Erhalten ist etwas mehr als die Halfte. In der Kolumne links folgen hinter einander die Namen in Stámme VI VII VIII IX X; rechts stehen VI VIL IX X; VIII (Hyppothontis) fehlt wohl nur darum weil keine Todten dieses Stammes zu verzeichnen waren.

5) S. Dittenberger Sylloge S. 60, wo CIA I n. 448 verglichen wird. N. 443 ist eine fragmentierte Todtenliste lemnischer Kleruchen aus der Zeit des peloponnesischen Krieges; links I II, rechts VIII IX,

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 451

wesen schon Ol. 79, 4 folg., etwa ein Menschenalter vor dem peloponnesischen Kriege, so bestanden haben wie es wihrend des Krieges bestand. Theilweise, und gerade was die Beriick- sichtigung der Phylen angeht, haben die Herkómmlichkeiten schon 490 vor Chr, bestanden und sind gelegentlich der ehrenden Ver- zeichnung derer die bei Marathon gefallen, angewendet worden ; Pausan. I 32, 3 zugpos iv vj zedio (in der marathonischen Ebene) '"495wva(ov èorlv, ini avid Gro, 1% dvopaza twy arodavoviuv xa gulag Exactov syovoas. Es sind also die Todten von Marathon phylenweise wie die der jiingeren Zeiten verzeichnet worden auf Stelen, die sich ohne Zweifel so an einan- der schlossen, dafì sich die solenne Reihenfolge Erechtheis Ae- geis u. s. w. darstellte ©). In Betreff des öffentlichen Grabes, das während der Bliitheperiode Athens in der schônsten Vor- stadt, dem Keramikos war, stimmt allerdings die Bestattung von 490 nicht mit den späteren Bestattungen überein; die Mara- thonomachen lagen nicht im Keramikos, sondern an dem Orte wo sie gestritten und gesiegt hatten. Aus der den Herbst 431 vor Chr., Ol. 87, 2, angehenden Beschreibung des Thuky- dides (II 34 èredav n éxpogu 7, Adovaxag xvragiocivag ayovosy auntdi pvang Exaoıng ulav Éveots ta OCT NG Exactog jv và) erhellt, daß die nach Phylen angelegten Verlustlisten nicht bloße Form waren, sondern auf dem Brauche beruhten die Ueberreste der Gefallenen phylenweise in Sürgen vereinigt zu bestatten. Wir dürfen glauben, daß die Leichenwagen nach der solennen Folge geordnet daherfuhren. Demselben Her- kommen werden die epitaphischen Redner Ausdruck gegeben haben, wenn sie in ihrer Parentation die attischen Stümme der Reihe nach besprachen. So ist bei [Demosth.] 60, 27—31 zu- erst von den gefallenen Erechthiden die Rede, dann von den Aegiden, und so geht der Parentator auch die übrigen Stimme nach der solennen Folge durch bis zum zehnten und letzten. Da das Herkommen die im Kriege Gefallenen dekaphylisch und

6) Man könnte denken, daß die Stelen so geordnet waren, wie die Phylen bei Marathon in der Schlacht gestanden hatten wenn nämlich die Ueberlieferung, die Positionen der Leontis und Antiochis seien benachbart gewesen, s. unten S. 456 f., auf Wahrheit beruht, so haben die Phylen bei Marathon nicht in der solennen Folge gestanden. Aber wo Plutarch von der athenischen Aufstellung spricht (s. unten S. 457) da beruft er sich auf eine ganz andere Quelle.

29 *

453 | A. Mommsen,

nach der solennen Folge zu bestatten, offenbar ziemlich alt ist und wohl schon zu Anfang des V. Jahrh. bestand, so werden wir es auf Klisthenes zurückzuführen haben; wie dieser Staats- mann die zehn Phylen schuf, (s. oben S. 449, 1), so hat er auch ihre solenne Folge ") und deren epitaphische Anwendung fest- gestellt.

Auf lebende Personen desselben Amtes, Standes , Schlages u. s. w. ließ sich eine Anordnung nach Stämmen anwenden, sofern in den nach dem einen oder andern Gesichtspunkte Ver- einigten sämmtliche Stämme vertreten waren oder vertreten sein konnten. Nennung der einzelnen Personen war nicht überall nóthig; so hat man bei Steuern die Beträge phylenweise zu- sammengefaßt und registriert, ohne die Steuerzahler zu nennen.

Nicht wenige Belege geben Beamtenverzeichnisse. Schol. Aristid. p. 182 ed. Frommel zw» déxa orguinyuv ıwv iv Jano za Ovouuiu xurx “Avdgotlwvu' Zuwxourns ‘Avayvguoiog (Erech- theis), ZogoxAns &x Kolwvou (der Demos Kolonos muß zur Zeit der Unternehmung des Perikles gegen Samos Ol. 84, 4 dem IL. Stamm angehört haben, Roß Demen S. 10) o mou, Avdo- xlîns Kuda3nvarevs (Pandionis), Xotwv ZxauBortdns (Leontis), Tlegıxing Xodagyevs (Akamantis), PAasxwv éx Kequutwv (Aka- mantis), KuAMorparog “dyagvevg (Oeneis), Zevopwv Melurevs (Ke- kropis). Die Akamantis ist doppelt vertreten, durch den Ober- feldherrn Perikles und den diesem Stamm angehörigen Feld- herrn ®); die drei Feldherren aus VIII IX und X fehlen ?). Androtion wird einer öffentlichen Urkunde gefolgt sein, welche

7) Auch Böckh hat Klisthenes als den Urheber betrachtet; Monde. S. 68 bemerkt er, die feste Ordnung der Stämme sei ‘sicherlich sei- Klisthenes immer dieselbe geblieben‘. Wenn Classen zu Thuk. II 34, 1 oi 495voio, 10 notQíp voup youuevos dnuooig Tapas noc cavto nach Diog. Laert Solon 8, 55 adnotiert, daß der marysos vóuo- von Solon eingeführt sei, so kann es in Solons Zeit eine dekaphylit sche Bestattungssitte noch nicht gegeben haben; vgl. oben S. 449, 1. Diogenes, auf den Classen sich beruft, sagt auch nur, Solon habe die Belohnungen der Wettspielsieger beschränkt und darauf hingewiesen, daB man besser thun werde die im Kriege Gefallenen zu ehren.

8) Ebenso ist die Phyle Oeneis, zu welcher Miltiades Heimathsort Lakiadä gehórte, in jener das Andenken des marathonischen Sieges verewigenden Gruppe, Pausan X 10, |, zweimal vertreten gewesen, erstlich durch das Standbild des Oberfeldherrn und dann durch das des Phyleus, der als Ortsheiliger des zur Oeneis gehórigen Demos Phyle anzusehn ist.

9) Roß Demen S. 10, 6. Anders Bóckh C, I. Gr. I p. 90 G.

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Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 453

die Namen der Strategen in der Ordnung darbot die wir beim Scholiasten finden !?). Auch der Schatzmeister waren zehn, aus jedem Stamm einer. Das Kollegium des Jahres Ol. 95, 3 = 398/7 Arch. Euthykles findet sich verzeichnet CIA II 2 p. 9—11 n. 652 f.; der erstgenannte Schatzmeister ist ein Euo- nymeer, also aus der Erechtheis, der dritte ein Päonier, also aus der Pandionis u. s. w.; was wir vor uns haben, ist die solenne Folge. Schon vor Euklid (Ol. 94, 2) ist es so gehalten worden, wie CIA I p. 69 n. 140 lehrt: vgl. Bóckh St.H. II S. 201. Da also in den Verzeichnissen der zehn !!) Schatzmeister der aus der Erechtheis immer den ersten Platz hat, der aus der Aegeis den zweiten u. s. w., so kónnte man denken, der in der Formel © deiva xoi ovv&gyovre; Genannte müsse allemal aus der Erechtheis sein. Aber das trifft nicht zu. Die Bestimmung des Mitgliedes welches die Ehre haben sollte vor xai ovvagyortec namhaft gemacht zu werden, scheint vielmehr auf eine spezielle Losung zurückzugehn, die die zehn Kollegiaten unter sich an- stellten !?). CIA II 2 p. 357 n. 948 ist ein Verzeichniß der

10) Sauppe De demis p. 19.

11) CIA I n. 194 und II n. 642 sind nicht alle zehn verzeichnet, und die Demotika ergeben eine Folge der Stámme, die nicht die so- lenne ist.

12) Für die Bestellung des Oberschatzmeisters, desjenigen welcher vor x«i cvvaggovies namhaft gemacht wird, war Bóckh C, I. Gr. I p. 234 geneigt. zwei verschiedene Normen anzuerkennen; vor Euklid sollte der Oberschatzmeister immer dem zuerst prytanisierenden Stamme des Jahres, nach Euklid immer dem in der solennen Reihe ersten Stamme, der Erechtheis also, angehóren. Mit Bóckhs voreuklidischer Norm stimmt CIA I p. 85 n. 188 (Ol. 92, 3 410/9 Arch. Glau- kippos Kallioroaros Mapaduyvios (Aeantis) xai Evvdgyovies napédocar xt, da der Aeantis die erste Prytanie des Jahres zugefallen war. Aber nach CIA I p. 79, n. 179 (Ol. 86, 4 = 433/2 Arch. Apseudes) war der Oberschatzmeister aus Kerames, lin. 5 [..... ix Keo]auéwy, ei- nem Demos des akamantischen Stammes, und die erste Prytanie hatte dieser Stamm nicht, da lin. 10 [imi Ho . . . »]rdos novraveiac nowme nov[1avevovons] zu wenig Raum für [4xeuavj]jtídoc bietet; vgl. Böckh SC H. ® II S. 216, Fränkels Note. Ein zweites Gegenbeispiel ist CIA I p. 146 n. 273 (Ol. 88, 3 = 426/5 Arch. Euthynos) [rade 6]s tausas napédoo[ ar 4vdoo]xAze «bAvebc (Kekropis) xai Evrdoyovtes. Der Oberschatzmeister Androkles war aus der Kekropis und diese hatte die zweite, nicht die erste Prytanie. Die Behauptung mithin, man habe vor Euklid den Oberschatzmeister aus der zuerst im Jahre pry- tanisierenden Phyle genommen, ist keineswegs haltbar, wie Böckh selbst spüter erkannte, St.H. a. O. und S. 511. Es bleibt danach nur übrig anzunehmen, daß die zehn Mitglieder unter sich um die Vorstandschaft losten. Dieselbe Annahme dürfte für nacheuklidische Zeiten zu machen sein. Daß im jahre des Aristokrates Ol. 95, 2 =

454 | À. Mommsen,

Schiedsrichter (dsastntal) von: Ol. 113, 4 = 325/4 Arch. An- tikles: [dslustqrat of ani ’AvnxÂ[éous agyovrocg] avrédeour o1e- pavwdtrre[s Uno tov dr ]uov ’EosyInldos Aaunieées Namen u. s. w. Es sind ihrer 104, die sich auf die naeh solenner Folge geordneten Phylen vertheilen. Das Fragment CIGr. I p. 152 n. 118 CIA II 1 p. 165 n. 336, welches aus der Zeit her- rührt als die Phylen Demetrias und Antigonis hinzugekommen waren, bietet [cvu]modedoos. Der erste ist, wie es scheint, aus der Antigonis, der zweite aus der Demetrias; dann Erechtheis, Aegeis u. s. w. Aeantis und Antiochis blieben weg, erstere weil aus ihr der Epistates war, letztere weil sie die Prytanie hatte. S. Bóckh a. O. Eine praktische Bedeutung, die die solenne Folge für die Beamten und ihre Thätigkeit gehabt hätte, ist nicht nachweisbar.

Anwendung auf lebende Personen desselben Standes und Schlages ergiebt sich aus den zahlreichen, bis in die späteste Zeit vorhaltenden Ephebenlisten, aus CIA IT 2 p. 374 n. 960, wo Kleruchen, aus Roß Demen n. 6 = CIA III 1 p. 462 n. 1276, wo Personen desselben Schlages, die Mitglieder des Amy- nandridengeschlechtes, verzeichnet werden.

Auch Leistungen, Gaben und Steuern konnten den Ge- sichtspunkt an die Hand geben, unter welchem eine Vielheit von betheiligten Personen vereinigt und phylenweise registriert wurde. Es sind einige Listen erhalten, in denen Töchter vor- nehmer und wohlhabender Häuser Athens aufgeführt werden, welche der Stadtgöttin mit einer Handarbeit, bei der Wolle zu verwenden war, gedient und sie mit einer Phiale beschenkt haben. Die Zeit der diese Fräuleinlisten angehören, ist eine

9399/8 der Oberschatzmeister aus der dem Herkommen nach ersten Phyle, der Erechtheis, war, CIA II 2 p. 9 n. 652 [napadstaus ]ros naga tav no[o]réo[w]y tausòv rà» ini [‘Apsoroxgdiove do]yovroe Zwxoa- [ov]s 4au[nrjoéws (Erechtheis) xai ovvaglyovtwy], beweist nichts ge- gen die Anwendung des Loses; das Los konnte, wie jeden Stamm, so auch den ersten treffen. CIA II 2 p. 3 n. 645 (Ol. 95, 2) [naga- dsEdusvos naga wy ngorégo]v raus» rv ini Adynros [doyorrog Msi- dwyos Evwvvuéws (Erechtheis) x]aè £vvagyóvrov ist weniger geeignet als Beleg, weil Name und Demotikon aut Erginzung beruhn: Bôckh St. H. * II S. 263 nahm Msidwvos Ævwvyvuéws aus der vollständigen Schatzmeisterliste CIA II n. 643. In einer solchen hat die Erechtheis allerdings den herkémmlichen Vorrang, aber die Ordnung der voll- ständigen listen ist nicht maßgebend für die Formel à deive xai Guvagygortes.

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 455

ziemlich späte, c. 100 vor Chr., vgl. U. Köhler Mittheil VIII S. 64. Aus den Fragmenten erhellt, daß die Anzahl der Ver- - zeichneten 100 bis 120 war; den übergeschriebenen Bezeich- nungen der Stämme folgen die Namen z. B. 'Egey9eidog elf Namen, 4iysidog sieben Namen. Vgl. CIA II n. 477 und 956 f. 957°, In CIA ILL p. 79 n. 172 (verm. um Ol. 110 folg.) sind Beisteuern registriert für Ausrüstung derjenigen, wel- che in der Eutaxie, die mit der panathenäischen Euandrie, CIA II 2 p. 382 n. 965, identisch !?) oder doch verwandt gewesen sein mul, zu wetteifern gedachten. Nach jedem der in solenner Weise geordneten Phylennamen zwei Personennamen nebst den gezahlten Betrügen, Auch CIA II 2 p. 210—212 n. 803, wo es sich um Leistungen fürs Seewesen handelt, findet sich die solenne Folge beobachtet.

In der eleusinischen Urkunde Ephemeris 1888 S. 123 (OL 113, 1 = 2328/7 Arch. Euthykritos) heißt es lin. 50 folg. zz énaggis (d. i. anagyis) roiv Fsoîv tov olrou xepadaca ıng puAñs &xaorng' "Egey9nldog xgs(Pwv) 444MMM, [zx]vo[Àv . . . .] quee- xteiu, duo yolwxes Aîyntdos xo Far) xrà., und so werden weiter in der bekannten Ordnung die den eleusinischen Gottheiten ge- biihrenden Getreidesteuern (vgl. Bulletin IV p. 326 folg.) phy- lenweise registriert, ohne die Namen der einzelnen Steuerzahler zu nennen; s. oben S. 452.

Hier dürfte endlich noch der besondere Fall anzuschliefen sein, wenn eine und dieselbe Person von jeder Phyle bildlich aufgestellt wurde; CIA III 1 p. 101 n. 466:—469 (Hadrian), p. 140 n. 669—672 (Herodes) Die im Theater stehenden Ha- driansbilder waren so geordnet, daß sich die solenne Reihen- folge der Phylen ergab; W. Vischer N. Schweiz. Mus. III (1863) S. 64. Was anderswo durch schriftliche Verzeichnung, das ward hier durch Placierung bewirkt.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß die solenne Reihen- folge der attischen Stümme frühzeitig, verm. schon 509 vor Chr.,

13) Man kann wohl im Ausdrucke geschwankt haben. Die Phylen sind durch je zwei Beisteuern vertreten, verm. darum, weil es auf zwei Wettkimpfe abgesehn war, deren Spezialnamen zur Zeit von n. 172. Euandrie und Euoplie, vgl. CIA II 1 p. 219 n. 444, gewesen sein mógen. Es gab zwei Preise in der Eutaxie; so viele gab es auch in der Euandrie nach n. 965, die Euandrie zerfiel also nach n. 965 in zwei Spezies, deren damalige Namen wir nicht kennen.

456 A. Mommsen,

entstanden und seither in fortwährendem Gebrauche geblieben ist bis in die spätesten Zeiten; festgestellt von Klisthenes, galt sie noch in den Tagen der rémischen Kaiser.

Bei dem häufigen uud vielseitigen, dabei langdauernden Ge- brauch der solennen Folge, den die Inschriften bekunden, sollte man dieselbe auch bei den A-utoren erwarten. Diese Erwar- tung täuscht denn auch nicht vóllig: der Verfasser des Epita- phios, (s. oben S. 451) hat sich ihr angeschlossen. Aber im allge- meinen gehen die überlieferten Verzeichnisse der Eponymen oder, was auf dasselbe hinauskommt, der nach den Eponymen be- nannten Phylen von der solennen Folge ab aus Griinden die sich nicht immer erkennen lassen !4). Pausanias I 5, 2—5 nennt dreizehn Eponymen, den zehn alten drei von den jiingeren zu- fiigend. An die solenne Folge hat er sich nicht gebunden; der Grund liegt in gewissen Gesichtspunkten, die er nebenher nimmt; sein Verzeichnif ist zugleich Studie 15). Anders Pollux, der VIII 110 die Namen der Phylen einfach registriert: “EgeyPnlg Ke- xgoníg Alynts Tlavdtovls *Axauavtls ’Avuoyls Asovile Olvntg "In- zoJuvtíg Alavıls. Die Anordnung geht stark ab von derje- nigen die Klisthenes vorgeschrieben, stimmt aber mit dem was man von der Aufstellung des athenischen Heeres bei Marathon wußte oder zu wissen glaubte. Nach Plutarch Aristid. 5 dv» 7j payn puhota Tüv "dOmnva(u» tov uécov novyouvtog xarà mv Aeovtida xoi "dvnoy(da gednv jywrloavio Aauredg

14) Bei dem Scho]. Dem. 24, 8 findet man die Eponymen folgen- dermaßen verzeichnet: Mavdiw» 'EoeyO9esc Kéxgoy Alysóc Olvevs Aéwy Altas ‘Axduas ‘Avtioyos "Inno96ov. Nach welchem Gesichtspunkte die Namen angeordnet sind, ist unklar. Man kann vielleicht sagen, die in der attischen Sage besonders gefeierten Helden seien dem Urheber des Verzeichnisses zuerst eingefallen, womit denn nicht viel gesagt . und erklürt ist.

15) Von den zehn alten Eponymen scheidet Pausanias Hippothon Antiochos und Aias aus, weil er die drei für Auslünder hült; zu den übrigen sieben nämlich geht er über mit den Worten: ix 4- vaiwy Ass. Danach spricht er von Erechtheus, dem er (und dies nach der solennen Folge) den Aegeus anreiht. Nachdem er hierauf Oeneus und Akamas genannt hat, schlie8t er die Musterung der zehn alten Eponymen mit Kekrops und Pandion, weil die lingere Betrach- tung historisch-kritischen Inhalts, die er an diese beiden zu knüpfen nöthig findet, am Schlusse weniger stört. Nach den zehn alten Epo- nymen nennt er als jiingere von welchen man in Athen Phylennamen entnommen habe, Attalos und Ptolemäos, endlich seinen Zeitgenossen, den römischen Kaiser Hadrian. Von Antigonos und dessen Sohn De- metrios, die eine Zeit lang attische Eponymen waren, verlautet bei Pausanias a. O. nichts; vgl. inde8 X 10, 2.

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 457

teraywévos mag’ GÀÀjAovg 0 te Osusoroxlng xai 6 “Aooretdns 0 piv yoo Asovrldog nv, 6 d' °Avrioytdos haben die Leontis und die Antiochis neben einander und zwar, wohin der Zusam- menhang fiihrt, im Centrum neben einander gestanden. Damit stimmt, daß Pollux die beiden Phylen zusammenordnet und daß die zusammengeordneten in der mittleren Partie seines Registers vorkommen ; nur wird die Antiochis zuerst, hernach die Leontis genannt, was Plutarch umkehrt. Ferner ist heranzuziehn Plut. Quaest. Symp. I 10, 3 l'Àavxfag 0 dirwp xoi 10 deEsov x£gag Alavılduss ris dy. Muga9ave nugatakews anodoFnva rato Al- oyuAov sic mv uedoglav !9) eyes Èrmorovro, Qrwropérov thy waynv exelynv Émpuvwc. Aeschylos hatte also gesagt, der rechte: Flügel sei der Phyle Aeantis !") anvertraut worden. Der rechte Flügel war eine vornehmere Position als der linke und das Cen- trum, so daß. wenn die Plätze dem Range nach gezählt wurden, der Platz der Aeantis als erster oder als einer der ersten zu zühlen war. Wenn Pollux die Aeantis als zehnte und letzte re- gistriert, so muf er vom andern Ende zu zählen angefangen haben, wie er ja auch “Avtsoyls Asorils giebt, während bei Plut. Aristid. 5 xarà ijv Aeovrtda xai "dvnoy(d« qvÀqv. angetroffen wird. Daß die letzten Phylen des pollucischen Registers und zwar die drei letzten dem rechten Flügel der marathonischen Acies entsprechen sollten, läßt sich auch von anderer Seite wahr- scheinlich machen. Die Oeneis ist Miltiades’ Phyle (s. oben S. 452, 8), und gewiß würde er sich auf eine Anordnung der Phylen wie sie gezühlt wurden (Herod. VI 111) niemals eingelassen haben, wenn diese Anordnung verhindert hätte daß einer der Ehrenplätze, d. h. ein Platz auf dem rechten Flügel, ihm und

16) Me9opíar wird für verdorben gehalten; allerdings ist ‘auf das Grenzland' kein passender Titel, man erwartet den Ortsnamen ‘Marathon’.

17) So ist Alevridass unstreitig von denen, die Plutarch als spre- chend einführt, von Plutarch also, verstanden worden. Um den Po- lemarchen Kallimachos zu verstehn, müßte Alarıidass für einen rheto- rischen Plural gehalten werden, so wie sich die Hauser der Gold- schmiede Dem. 21, 62 auf ein Haus und einen Goldschmied namens Pammenes a. O. § 21 reduzieren. Aber nichts hindert den Kallimachos mit zu verstehn und das kann auch wohl die Meinung des Aeschylos gewesen sein. Die Sprecher bei Plutarch haben Alavsidas bloß von der Phyle verstanden, da auf Kallimachos hernach noch besonders hingewiesen wird: és xai Kalliuuyov anedsixvus (Thavxias) tov no- AéuaQyor iE Exeivns Ovra mo quic xil.

458 A. Mommsen,

seiner Oeneis zufiel. Kynegiros und Aeschylos, Euphorions Sóhne aus Eleusis, waren Hippothontiden; Aeschylos kümpfte ruhmvoll, éxsparvws, Plut. Q. Symp., s. vorhin; sein Bruder starb den Heldentod, Herod. V 114. Sehr passend also werden wir die Sóhne des Euphorion auf dem siegreichen rechten Flügel den- ken, der im Verlaufe der Schlacht, vereint mit dem linken, die geschlagenen Phylen des Centrums heraushauen mußte. Gehören also die letzten Phylen des pollucischen Registers dem rechten Flügel, so folgt daf die ersten für den linken Flügel in An- spruch zu nehmen sind. Unter der Voraussetzung daB man die Flügel gleich bemessen hat, müssen die Erechtheis und die Ke- kropis zum linken gezogen werden; mit den tausend Platäern stellten sie eine dem rechten Flügel gleiche Truppenmacht dar. Für das Centrum bleiben dann Aegeis Pandionis Akamantis Antiochis Leontis. Von den zehn Phylen haben also fünf im Centrum und ebenso viele auf den Flügeln, zwei auf dem lin- ken, drei auf dem rechten !*), gestanden !?).

Eine Art von Eponymenverzeichniß findet sich endlich noch bei Pausan. X 10, 1. Die Athener haben eine Zehntgabe von der marathonischen Beute (amò dexurns tov Muoudwilov ëgyov Pausan.) nach Delphi gestiftet, bestehend in dreizehn Statuen, Werken des Phidias. Zuerst nennt Pausanias zwei Gtter,

18) To delsov xéoas voig Alavtidass anododivar klingt so, als würe alles auf die Aeantis angekommen, als hütte der rechte Flügel blo$ aus Aeantiden bestanden. That er das, so hatte die Aeantis ihre Position an der äußersten Spitze der Acies. Aber der rechte Flügel ist ohne Zweifel mehrere Phylen stark gewesen. Aeschylos hat auch nicht eine Position am ‘äußersten rechten Flügel’ (Bóckh Mondo. S.68) von anderen dem Centrum näheren Flügelpositionen unterschei- den und als die wichtigste und am meisten exponierte betonen wol- len, sondern er hat bei Aiavtidase a&nodo9zves auch (s. S. 457, 17) an Kallimachos gedacht; dem war: in der That der ganze rechte Flügel anvertraut. Es genügt die Aeantis überhaupt nur auf dem rechten Flügel zu denken, also mit Duncker VII S. 132 zu sagen ‘die Aeantis hatte diesen Flügel.

19) M. Duncker VII S. 131 nimmt an, daß die platäisch-attische Armee aus 10,500 Mann bestand; jedem Flügel giebt er 3000, Im Centrum (4500 M.) scheint er die Phylen kleiner anzunehmen als auf den Flügeln, worüber sich wohl mit ihm rechten ließe. Was aber die dem Centrum und jedem der Flügel zugewiesene Anzahl von Phylen angeht, so hat er offenbar auf dem rechten Flügel drei, zwei auf dem linken, fünf im Centrum angenommen. Er ist also durch Herod. VI 111 ro xépac éxatepor Iogwto niÿ9 und durch allge- meine Wahrscheinlichkeiten zu eben dem Ergebni8 gelangt, welches auf anderm Wege von mir erreicht worden ist.

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 459

Athena und Apollon, und den Feldherrn Miltiades; dann lüBt er ‘von den sogenannten Heroen’ sieben folgen: Erechtheus Ke- krops und Pandion, ferner Leos und Antiochos, auch Aegeus und Akamas, die sieben seien Eponymen attischer Phylen; schließlich nennt er Kodros Theseus und Phyleus, von diesen habe man keine Phylennamen entnommen. Da Pausanias hier weniger jedoch als I 5 neben der Verzeichnung auch noch anderes, eine Scheidung nach Kategorien, berücksichtigt, so kann der Gedanke entstehn, seine Aufzühlung folge nicht dem Nacheinander der in Delphi aufgestellten Statuen, die sie- ben eponymen Heroen, welche er zu einer Kategorie vereinigt, und die drei nicht eponymen welche er ebenfalls vereinigt, seien in Delphi nicht so kategorienweise aufgestellt gewesen, sondern hütten bunte Reihe gemacht. Aber in wesentlichen Stücken stimmt seine Aufzählung mit Pollux und entspricht der mara- thonischen Acies, so das jener Gedanke abzulehnen oder sehr einzuschrünken ist. Die bei Pausanias zuerst genannten Eponymen Erechtheus Kekrops korrespondieren mit den beiden ersten Phy- len des Pollux Erechtheis Kekropis; die fünf mittleren Eponymen und Phylen angehend, kommen Pausanias und Pollux ebenfalls, freilich nur materiell, überein; die Aufeinanderfolge weicht ab, doch bietet sich die Verbindung 'fvuoyíg Asovits (Poll) in Mews te xai ' Avtloyos (Pausan.) dar, allerdings mit Umstellung. Die drei nichteponymen Heroen der delphischen Gruppe, Kodros Theseus und Phyleus, entsprechen mithin der Oeneis Hippo- thontis und Aeantis des Pollux, den drei Phylen die den rechten Flügel bildeten. Auch ohne diesen SchluB würde es am ange- messensten sein in Kodros Theseus und Phyleus Reprüsentanten eines der Flügel und zwar des rechten zu erblicken. An The- seus, der unter den Marathonomachen der Erde entsteigend ge- malt war in der Stoa Pökile, muß sich der Sieg geknüpft haben und sein Erscheinen nicht im Centrum angenommen worden sein, sondern da wo der Sieg errungen ward, auf den Flügeln; am wahrscheinlichsten ist der rechte Flügel, auf welchem die Biir- ger der Theseusstadt ihren Erfolg nicht mit Platüern zu theilen hatten. Den rechten Flügel also reprüsentiert die Theseusstatue mit in der Gruppe in Delphi. Phyleus ist Patron eines Demos der miltiadeischen Phyle Oeneis, s. oben S. 452, 8, und diese muß auf dem rechten Flügel gestanden haben, s. vorhin. Der

460 A. Mommsen,

delphischen Gruppe nach hat die Oeneis zuäußerst gestanden, während nach Pollux der Aeantis diese Position zukommt; die Epigonen scheinen gewußt zu haben welche Phylen im Centrum gewesen und anfänglich geschlagen worden waren, auch, welche dem linken und welche dem rechten Flügel angehórt hatten; dagegen war ihnen der Anschlu8 der einzelnen Phylen inner- halb der drei Heerestheile nicht mehr vollstindig bekannt. Die Frage, was es damit auf sich habe daf man in der delphi- schen Gruppe drei klisthenische Eponymen ignorierte, und wes- halb man sie gerade durch Kodros Theseus und Phyleus ersetzte, liBt sich theilweise beantworten. Es sollten die dreizehn Statuen ein kleines Bild des athenischen Heeres sein, wie es phylenweise den Kampf bei Marathon gekümpft hatte und die Phylen welche sich besonders horvorgethan, sollten in besonderer Weise ausge- zeichnet werden. Dies machte man so, daß man die drei kli- sthenischen Stammheroen Hippothon, Aias und Oeneus beseitigte und andere beliebtere oder passendere Heroen an ihre Stelle treten ließ. Man hätte die Auszeichnung auch anders einrichten können, z. Beisp. so, daß bloß die fünf Eponymen der auf den Flügeln postierten Stimme aufgestellt wurden und der Rest weg- blieb. Aber es ward vorgezogen die drei alten Heroen zu be- seitigen und zu ersetzen; der im Verlauf gesteigerte Stolz der Epigonen, das Bewußtsein des Sieges über Persien fluthete einem Strome gleichend hinaus über die alten Ufer. Weshalb nun aber unter den zum Ersatz herangezogenen auch Phyleus eine Stelle erhielt, ist unklar. Die Heranziehung von Kodros und Theseus läßt sich; verstehn; diese echt attischen Patrioten und Helden eigneten sich. besser als der eleusinische Hippothon und der salaminische Aias um Athens Ruhmesthat von Ol. 72, 3 zum Ausdruck zu bringen.

Gezählte Prytanien der Stämme verrathen uns durch das Abweichen von der solennen Ordnungszahl die Einwirkung des Loses, z. Beisp. CIA I p. 79 n. 179 (OL 86, 4 = 483/2 Arch. Apseudes) [:si rjg . . . »]r{doç noviavelus mowing, wo der nach solenner Ordnung erste Stamm, die Erechtheis, des Raumes wegen (s. oben S. 453, 12) nicht eingesetzt werden kann. Mit Inschriften nun reichen wir nicht sehr hoch in die Vergan- genheit hinauf, und von Herodot VI III ws 70sFuforro al œu- Aut ist für die Prytanien abzusehn, s. hernach; so bleibt es eine

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 461

offene Frage, ob Klisthenes den Gebrauch des Loses bei der Prytanienvertheilung gleich mit der Verfassung 509 vor Chr. eingeführt habe oder ob das Los zu den Neuerungen der Epi- gonen gehóre und das dekaphylische Attika in den ersten Jahren der klisthenischen Aera noch nach der solennen Phylenordnung regiert worden sei. Um zu bestimmen, in welcher Reihen- folge die mit Chóren certierenden Stümme, vertreten durch ihre Choregen, zur Auswahl der Auleten schreiten sollten, hütte man sich dem für die Prytanien angewendeten Lose und der für das Jahr festgestellten Folge der Stümme unterordnen kónnen; aber man that das nicht, es wurde eine neue, speziell behufs der Auletenauswahl anzustellende Losung beliebt; Dem. 21, 13 à» n (èxxAnota) 1àv &gyovta Emuxlngobr 6 vOjog roig yogoic 1006 avinias xedever. xai xlnoovuévwy nouiog algsiodar 10v av- Anti &Aeyov ‘und als gelost wurde in der die Auleten betref- fenden Ekklesie, fiel mir und meiner Phyle das erste Los zu; ich durfte mir also unter allen den besten Auleten auswählen”. Daf auch die zehn Schatzmeister sich dem Lose welches über die Prytanien entschieden hatte, nicht unterordneten bei Bestellung des in die Formel 0 deiva xai cvvagyovreg nament- lich einzusetzenden Kollegiaten, des Oberschatzmeisters, sondern denselben anderweitig, wahrscheinlich durch eine spezielle Lo- sung, bestimmten, ist oben S. 453 bemerkt. Aus diesen Ana- logien folgt, daf das Los welches den einzelnen Stümmen ihre Verwaltungszeiten zuwies, sich in seinen Wirkungen nicht auf andere Gebiete erstreckt hat. Ueberhaupt dürfte von jeder Lo- sung als Regel gelten, sie sei, wie der Kónig im Schachspiel, herrschend im nächsten Umkreis, weiter hinaus aber ohnmächtig gewesen, so daß für neue Fälle neue spezielle Losungen nöthig wurden.

Wir kommen schließlich zu der Frage, wie über Herod. VI 111 yeouévou 10vrov (indem der Polemarch Kallimachos Anführer war) èfsdéxorro wg 7949u£ovro al qvAal èyouevar GA- Andéwv zu urtheilen sei #9). Da bei Marathon die Leontis und

20) Nach Grote II S. 590 hat Herodot den Stamm des Polemar- chen, die Aeantis, mit gemeint und ist der Sinn, daB die Aufstellung der Stämme mit dem des Polemarchen begonnen habe, diesem dann die übrigen gefolgt seien nach einer durch ihre Nummern bestimmten Reihe. Man hat sogar vorgeschlagen mit Valla (ceterae tribus) ai alles gvieé zu lesen, s. Stein zu Herod. a.O. Aber 7yoöuas bedeutet

462 . A. Mommsen,

die Antiochis nebeneinander standen, s. oben S. 457, so kann we n0:3u£ovro nicht auf die solenne Folge bezogen werden; in die- ser ist Leontis die vierte, Antiochis die zehnte Phyle. Die Ord- nungszahlen also, von denen Herodot spricht, miissen durchs Los bestimmte sein. Das vorhin S. 461 Gesagte fiihrt dahin, daß in der marathonischen Acies nicht Ordnungszahlen befolgt sein kónnen, die zu anderem Zweck erlost waren, daB mithin von prytanischen Ordnungszahlen, die, wenn seit Ol. 68, 1 den Stimmen ihre Verwaltungszeiten (Prytanien) durchs Los zufielen, auch für die verwaltenden Stümme des Jahres der Schlacht Ol. 72, 3 Arch. Phänippos, erlost sein mußten, abzusehen ist; wie sollte man sich bei der Heeresordnung Ol. 72, 3 dem über die Prytanien waltenden Lose untergeordnet haben, da man sich sonst nicht unterordnete ?') ‘25 josPuéorvro ist also auf sine

‘ich bin Anführer'; der Stamm führt nicht, sondern wird geführt. Grotes Vermuthung daß da wo der Polemarch stand, auch sein Stamm gestanden haben werde, ist nur annähernd zuzugeben. Aus Plutarch Quaest. Symp. I 10, 3 folgt nicht eine Position der Aeantis am äu- Bersten rechten Flügel, s. oben 8. 458, 18; der Polemarch war An- führer des rechten Flügels und hatte seinen demselben Flügel ange- hórenden Stamm in der Nühe; kommandiert wurde der Stamm von dem aus seinem Mittel ernannten Strategen, von Kallimachos nur so- fern er das Oberkommando über sämmtliche den rechten Flügel bil- dende Truppen hatte. 'Hysouévov ist also durchaus nur auf die Per- son des Kallimachos zu beziehen, und Herodots Meinung war die, daB sich die zehn Stámme der Athener dem Polemarchen Kallimachos, der sich am äußersten rechten Flügel befand um diesen und die ganze Armee ins Treffen zu führen, nach der Folge ihrer Nummern, eine kompakte Fronte bildend, anschlossen. Auf die Frage ob auch die Nummernfolge gestattet habe dem Polemarchen seinen Stamm in die Nähe zu bringen, hat Herodot sich nicht eingelassen ; m. E. hat sie das gestattet.

21) Bóckh hat angenommen, daß die zehn Stämme ihre Positio- nen bei Marathon nach der für die Prytanien des Jahres Ol. 72, 8 erlosten Ordnung erhielten, Monde. S. 68 ff. Den ‘schwachen Punkt' dieser Annahme kannte niemand genauer als ihr Urheber: es sei nicht bewiesen, daß durch eine und dieselbe Losung die Ordnung der Stimme für alle Verhültnisse, die in Betracht kommen, bestimmt wurden; auch gebe es Einwürfe, Dem. 21, 13 u. a. (s. oben S. 10). Er hielt trotzdem an seiner Ansicht fest, weil er aus Plutarch. Quaest. Symp. I 10, 3 folgerte, daß die Aeantis den ersten Platz in der Acies, den äußersten des rechten Flügels, hatte und auch die erstprytani- sierende Phyle war eine numerische Uebereinstimmung die nicht zufüllig schien. Aber so bestimmte Resultate ergeben sich nicht aus der Stelle. Auch ist es schwer sich des Bedenkens zu entschlagen, ob nicht das den Auszug des Heeres betreffende Psephisma auf Fiktion beruhe. Die Hauptsache aber bleibt, daß die von Böckh selbst bei- gebrachten Analogien uns nöthigen Speziallosungen anzunehmen. Der für die Aeantis vermuthete Platz am äußersten rechten Flügel

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 463

neue Losung zu beziehen ??) Als der Auszug des Heeres aus Athen sicher war und nahe bevorstand, werden ‘die Strategen unter einander gelost haben **); Miltiades wurde dabei der zehnte, Herod. VI 103, d. h. es gehörte ihm der letzte Befehls- tag in dem zehntügigen Turnus der Strategen und, wenn nach der speziellen Losung aufgestellt wurde, seinem Stamme (Oeneis) der zehnte Platz in der Acies. Das lief sich so benutzen, daB Miltiades mit der Oeneis an das Ende des rechten Flügels kam *4), Auch sonst muß eine der strategischen Losung ent- sprechende Heeresaufstellung die Wünsche und Ansprüche be- friedigt, insonderheit der Aeantis den neunten oder achten Platz angewiesen haben; die Aeantis war Kallimachos’ Stamm, und da er als Polemarch Anspruch auf den rechten Flügel batte, so gedachte man, weil Kallimachos wohl wiinschte seinen Stamm in der Nühe zu haben, der Aeantis eine Position auf demselben Flügel zu geben; das ließ sich in Uebereinstimmung mit der Losung erreichen, wenn diese für die Aeantis eine der Zehn naheliegende Ziffer 2°) ergeben hatte. Ohne diesen günstigen Ausfall der Losung würde man sie bei Seite gelassen hahen; es hing ja ganz von der Willensmeinung der Offiziere ab, wie sie das Heer aufstellen wollten. Die marathonische Acies nun ergiebt sich besonders nach Anleitung von Pausan. X 10, 1 folgendermaßen.

würde als eine mögliche und auch recht passende Hypothese stehn bleiben, zumal da Pollux VIII 110, s. oben S. 456, ibr günstig ist, wenn nicht die dem Miltiades zugefallene Nummer (6 déxatocs 7 Mur, Herod. VI 103) in Verbindung mit der delphischen Gruppe, s. oben S. 459, dahin leitete, daß die Oeneis zuäußerst am rechten Flügel lo- ciert gewesen ist.

22) E. Curtius gr. Gesch.? II S. 21 spricht von ‘einer durch das Los bestimmten Ordnung’, die befolgt worden sei. Ich verstehe ibn so, daB er an eine zu dem besondern Zweck angestellte Losung denkt, sehe in ihm also einen Meinungsgenossen.

23) M. Duncker Gesch. d. Alterth. VII 130 setzt den Beschluß aus der Stadt zu ziehn auf den 12. Metag., 5 Tage vor der Schlacht. Am Schlachttage war die Reihe an Miltiades, also war der Tag der Schlaeht der zehnte des Turnus der Strategen. Sollten aber die Strategen ihren Turnus am 8. Metag., als der Auszug noch gar nicht beschlossen war, festgestellt und begonnen haben?

24) Wie es von den Heerführern abhing, ob sie bei der Aufstel- lung der Phylen von den Nummern Gebrauch machen wollten, so wird es auch von ihnen abgehangen baben zu bestimmen, von wel- cher Seite zu zühlen sei.

25) Eine nicht sehr kühne Voraussetzung, da ein Spielraum von zwei Plützen ist.

464 A. Mommsen, .

1. 2. | 8. 4. 5. 6. | 7. 8. 9. 10. s|s|a|s|3|3|a|3|35 sala ggg E À i|8|4 $5 3% ata 5| (S| ajay as "| Ga | [5$ 48 | Linker Flügel. Rechter Flügel.

In Herod. VI 111 also liegt kein HinderniB zu behaupten, daB in den ersten Dezennien des V. Jahrhunderts vor Chr. der attische Staat noch nach der solennen Folge verwaltet worden sei und man damals eine erloste Folge der prytanisierenden Stämme nicht gekannt habe. Aber es giebt doch eine Notiz, die jener Behauptung hinderlich ist. Ob wir gewissen Zweifeln die sich gegen die Notiz erheben lassen, Raum zu geben haben, steht dahin 9). Entscheiden läßt sich nichts.

26) Plut. Quaest. Symp, I 10, 8 iy di rj Plavxig mpocendy», in saltò Wigioua xa9' $ tds ‘A9nvaiovs (Miknddgc) Bjyays, nic Alartidos nevravevosons yeagsin. Wenn Plutarch Wahres berichtet, so muß den Aeantiden im Jabre Ol. 72, 8 die erste oder zweite Prytanie suge- fallen sein, und zwar durche Los; nach der solennen Belge ist dio Acantis der vorletzte Stamm, in die vorletzte Prytanie (Mon, und Thargel.) kann aber der Volkebeschlu8 aus der Stadt nach Marathon zu ziehn nicht gesetzt werden; die Schlacht fand wahrscheinlich Mitte Metag. statt und der Beschluß des Auszuges aus der Stadt wird reich- lich zehn Tage, nicht mehrere Monate vorher sustande gekommen sein; Böckh hat den Volksbeschluß auf den 4. Metag., die Schlacht auf den 17. gesetzt. Nach Herodot hat der Polemarch Kallimachos, der aus Aphidnë, also ein Aeantide war, durch seine hinzukommende Stimme das Ausrücken der schon bei Marathon stehenden Truppen veranlaßt. Daraus könnte leicht ein den Aeantiden, dem Stamme Aeantis, zu verdankendes Ausrücken aus der Stadt mißverstanden oder erfunden sein; überdem ist der Autor Plutarch, dazu der in I 10 der Quaestiones Sympos. herrschende Ton etwas tändelnd, um nicht zu sagen albern. Nach M. Duncker VII 123 ff, hat Herodot den Her- gang falsch dargestellt, die Debatte der Strategen fand statt, als das Heer noch in Athen war, und drehte sich um die Frage, ob man ausziebn oder die Hauptstadt vertheidigen solle; nachdem die Stra- tegen sich für den Auszug aus der Stadt erklärt hatten, wurde ihr Beschluß auch noch an das Volk gebracht und von diesem bestätigt. Die Zweifel gegen eine Verdoppelung des Aeantidenruhme sind damit nicht gehoben. Was dann die nachträgliche Genehmigung des Stra- tegenbeschlusses durch das Volk, also dar Psephisma selbst, angeht, so wird dadurch der Zeitpunkt, wo der Auszug anfing sicher su sein, offenbar zu schr verspätet, s. oben S. 463, 23. Wer den Volksbe- schluß aufrecht halten will, wird ihn dem Strategenbeschlusse voran- gebn laseon müssen,

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 465

Wenn wir annehmen, daß die Eponymen aus der Zahl vor- handener Heroen erkoren wurden eine Annahme die, wenn nicht für alle, doch für die meisten gewiß das Wahre trifft —, so fragt es sich, weshalb gerade Erechtheis Aegeus u. s. w. und nicht andere ausgewühlt wurden, um den neuen Phylen als na- mengebende Patrone vorzustehn ". Auch Pollux hat an Wahl aus vorhandenen Heroen gedacht und die darauf gestellte Frage zu beantworten gesucht; VIII 110 heißt es bei ihm: déxa (pudaò) dy£vovro , èx nollwy Ovouutwv éAouévov maÀow tov [loOtov, °Eosy9nts Kexgorls xrÀ. ‘aus den vielen Namen von Heroen die es in Attika gab, hat der pythische Gott die alten erkoren.' Man suchte sich, wie es scheint, zu erklüren, weshalb Heroen jüngeren Andenkens wie Theseus und Kodros verschmüht wur- den. Die Statuengruppe zu Delphi (s. oben S. 460) enthielt von den zehn nur sieben, die fehlenden hatte man durch Theseus Kodros und Phyleus ersetzt; die Statuen rührten her aus Peri- kles' und Phidias’ Zeit, und den Epigonen des Klisthenes waren die Heldengestalten eines Theseus oder Kodros im allgemeinen lieber als die klisthenischen Eponymen, indem sich der Heroen- kultus seit dem VI. Jahrh. vor Chr. erheblich geündert hatte. Pollux beantwortet die Frage vom epigonischen Standpunkt, statt dessen vielmehr der Standpunkt des VI. Jahrh. zu nehmen ist. Sagen wir also nicht mit Pollux, der pythische Gott habe die alten Heroen bevorzugt oder Klisthenes habe dem pythischen Orakel die alten Heroen besonders stark empfohlen. Der Stand- punkt des klisthenischen Zeitalters und des von Klisthenes be- einflußten Orakels kann nur der gewesen sein, solche Heroen zu bevorzugen, die damals besonders angesehn und gefeiert waren 7°) oder nach des Gesetzgebers Ansicht besonders gefeiert zu wer- den verdienten. Wir sehen uns also auf die Festfeier gewiesen,

27) Die Frage welche wir zunächst aufwerfen, ist die nach der Kreierung der Eponymen. An zweiter Stelle wire die solenne Folge der Kreierten ins Auge zu fassen. Doch wird sich zeigen, daß die zweite Frage ihre Antwort findet durch das Eingehn auf die erste, daB also Kreierung und Folge nicht besondere Probleme bilden.

28) Grote II S. 415 (Uebersetz. Berlin 1881) bemerkt, die Namen der zehn Stámme seien ‘hauptsächlich von den geachteten Heroen der attischen Legende entnommen’ worden. Das ist verstándig geurtheilt ; zu den geachteten, den damals, im VI. Jahrh., hochgeschatzten Heroen hat Theseus sicher nicht gehórt, s. unten S. 467 und auch Kodros ist wohl erst spüter, im demokratischen Athen, zu solcher Glo- rie gelangt.

Philologus. N.F. Bd.1,3. 90

466 A. Mommsen,

und zwar wird es sich handeln um die heortologische Bedeutung welche in Klisthenes’ Zeit fiir die einzelnen Heroen vorauszu- setzen ist.

Das Festjahr, welches im VI. Jahrh. vor Chr. o. Zw. schon mit dem Monat Hekatombäon begann, bot dem Klisthenes gleich zuerst die Panathenüen und den altberühmten Heros Erech- theus dar, den Spätere gern Erichthonios nennen. Es war derselbe Stifter der Panathenäen, Marmor Parium Epoche 10; die Opfer galten zunächst der Göttin Athena, aber auch dem Erechtheus ??) Wenn die Autoren von dem Eponymos dieses Namens einen riihrenden Beweis seines Patriotismus oder einen Waffenerfolg oder beides überliefern °°), so zeigen sie ihn uns schwerlich in dem Lichte, in welchem Klisthenes ihn sah; ihm ‘war er der mystisch erzeugte und wunderbar gehiitete Pflegling der Athena, der danach seine góttliche Pflegerin so herrlich zu ehren wußte.

Im zweiten Monat des attischen Jahres ist es sehr still von Festen; die Athener hatten da die Pythien und andere große Panegyrien mit den Nachbaren (uerà zwv yeırovay) zu begehen. Aber im Monat Boedromion gab es wieder Tage und Zeiten die den heimischen Gottesdiensten gewidmet waren, auch solche, die

29) Was die Epidaurier darbringen sollen, Herod. V 82 én’ o ánátovos (ob 'Enidavgso:) Eisos Exdorv 1 A9yvain 16 1ÿ Holıadı lea xal td Kocydéi, ist, wie man mit Recht angenommen, den Panathenáen be- stimmt gewesen.

30) Nach [Dem.] 60, 27 hat der Eponymos der Erechthiden, um das Vaterland zu retten, seine eigenen Töchter (die Hyakinthiden, vgl. aber Apollodor II 15, 8) geopfert. Der epitaphische Redner legt den Stammheroen oder ihren Familien hohe Tugenden, besonders hingebenden Patriotismus bei, um dann sagen zu können, die augen- blicklich ins Grab zu legenden Todten seien ihrer Stammheroen wür- dig gewesen und hätten gleiche Denkart bewährt, eine Tendenz die dem bei [Demosthenes] über die Stammheroen Gesagten eine merk- liche Einseitigkeit giebt. Klisthenes aber hat die Eponymen und die Phylenordnung nicht um Todte zu bestatten, sondern für die Leben- den aufgestellt; nur folgerungsweise und nebenher fand die Ordnung Anwendung auf Todte. Der historisierende Pausanias legt I 5, 2 dem Eponymos Erechtheus einen Sieg über die Eleusinier bei, und Apollodor III 15, 8 erzählt beides, Opferung und Sieg, von dem Kö- nig Erechtheus. Dieser Erechtheus, der sogen. Il, war aber ein Mensch wie andere Menschen. Für Klisthenes bestand wohl der Un- terschied zwischen einem dämonischen und einem menschlichen Erech- theus noch nicht; waren die Ruhmesthaten, die in unseren Quellen dem letzteren zugeschrieben sind, bereits im VI. Jahrh. vor Chr. er-

sonnen, so wird man sie dem dämonischen Erechtheus mit zugeschrie- ben haben.

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge det Phylen Athens. 467

Bezug hatten zu Eponymen. Die Nemesien weisen auf Aegeus, die groBen Mysterien auf Pandion hin.

Fiir die Griinde welche den Klisthenes bewogen Aegeus unter die Eponymen aufzunehmen, gewinnen wir durch [Dem.] 60, 28 nichts ?). Pausanias beschränkt sich I 5, 2, wo er ihn als Eponymos erwähnt, auf Nennung seines Namens; weiterhin aber berichtet er einiges von dem König Aegeus, was uns auf die Spur leiten kann; s. hernach. Unsere Ueberlieferung kennt zwei öffentliche Todtenfeste, die Nemesien (Genesien, Ne- kysien) im Boedromion, die mit den Theseen verbundenen Epi- taphien im Pyanepsion. (Die nema CIA II n. 453^ dürften zu exklusiv gewesen sein, um als drittes Todtenfest don Nemesien und Theseen angereiht zu werden) Die Theseen sind erst nach den Perserkriegen entstanden, als es dem Kimon gelungen war das Grab des attischen Herakles auf der Insel Skyros zu entdecken (Plut. Thes. 36 wera ta Mndixa Datdwvos àoyovrog [OL 76, 1 476/5] x14.), und der Heimathsboden die nach Athen überge- fiihrten Reste aufgenommen hatte; fiir das VI. Jahrh. haben wir also die Theseen zu streichen. Auch die Epitaphien sind zu streichen; wie es in der späteren Zeit nur Ein ernstlich ge- feiertes Todtenfest, das theseïsch-epitaphische im Pyanepsion, ge- geben hat, neben welchem sich die Nemesien wie ein verges- senes, unscheinbares Ueberbleibsel früherer Zeiten ausnehmen 5), so hat auch das VI. Jahrh. nur die Nemesien den Todten be- gangen und noch 490 vor Chr. hat man nicht etwa zwischen zwei Festen zu wählen gehabt um die Marathonsfeier anzu- schliefien 39). Nun fanden aber an den Epitaphien des Pya- nepsion auch Bräuche für Aegeus statt und diese dürften einer Vorzeit angehören, die von Theseen und Epitaphien noch nichts

31) Bei dem epitaphischen Redner heißt es: oùx nyvdovy Alysidas Qncéa tov Alyiws nodtov lonyopiav rataomodusvov ti mole: desvòv obv myodvio ngodoUves tiv èxelvov nooaigsosww. Aegeus ist ohne Zweifel um seiner selbst willen rezipiert worden, nicht mit Rücksicht auf seinen Sohn, dessen Heroenansehn in Klisthenes’ Zeit, wenn nicht ganz null, so doch gering war, wahrend das des Vaters bedeutend und von ei- genthùmlicher Begriindung gewesen sein wird.

32) Vermuthlich hielten sich die städtisch antiquierten Nemesien auf dem Lande in den einzelnen Ortschaften, wie es ja auch demoti- sche Apaturien (CIA II n. 841, 6) gab.

33) Wollte man sie überhaupt anschließen, so bot sich nur der 5. Boedr. (Nemesien); und diesem Tage hat man sie angeschlossen, denn ihr Tag ist der 6. Boedr.

30 *

468 “A. Mommsen,

wußte 4). Es werden also die Bräuche für Aegeus einst dem Nemesienfeste angehért haben, von welchem sie sich im Verlaufe ablósten und auf das jüngere Fest im Pyanepsion übergingen. Ebenso scheint es mit dem amazonischen Todtenbrauch gegan- gen zu sein. Danach ist denn Aegeus ehedem nicht im Pya- nepsion, sondern im Boedromion und zwar am 5. betrauert worden. Auch auf anderem Wege gelangen wir zu einem Bezuge, der zwischen Aegeus und den Nemesien obwaltete, so jedoch daB Aegeus Stifter des Festes wird. Pausanias spricht I 14, 7 über das Heiligthum der Aphrodite Urania; ihr Dienst stamme aus dem Orient, von den Phónikern sei er nach Ky- thera gekommen, in Athen habe Aegeus ihn gegriindet, seine damalige Kinderlosigkeit auf den Groll der nachtragenden Góttin zurückführend. Nun wird Nemesis, von der einer der Namen des Festes entnommen ist, mit Urania Nemesis (Sesselinschrift CIA III 1 p. 84 n. 289 iso&wg Ovoartas Neuscewg) und diese mit Aphrodite Urania eine und dieselbe sein #5). So hat denn Aegeus fiir den Stifter der Nemesien des 5. Boedromion zu gel- ten °°), Endlich ist noch heranzuziehn, daB die Nemesien-

94) Plut. Thes. 22 énspovsir de dv roig onovdais Èleleù tov loo roùs nagovtas. Solch lautes Klaggeschrei stimmt besser mit den Gewohn- heiten alter Zeit als mit der seit Epimenides (Plutarch Solon 12) und Solon (a. O. 21) gemäßigten und gemilderten Trauersitte der urbanen Epigonen; von Ol. 76, 1 kann das Eleleu Ju Ju nicht datieren.

85) Vischer schweizer. Mus. III S. 52 spricht von ‘Zusammenhang’ der auf dem Sessel (bei ihm n. 8) genannten Urania Nemesis mit Aphrodite Nemesis. Damit ist wohl eben gemeint, daß die beiden Namen dieselbe góttliche Person bezeichnen.

80) Man kann fragen, ob der Stifter beabsichtigt habe die Manen des in Attika umgekommenen Androgeos, Sohnes des Minos, zu süh- nen daß das Todtenfest des 5. Boedr. für Attika und attische Fa- milien (Teveos« ‘Geschlechterfest’) bestimmt war und Ausländer wie Androgeos nicht anging, hat seine Richtigkeit, aber Androgeos! Blut war auf attischen Boden geflossen, seine Asche mischte sich mit attischer Erde, daher man ihm einen Heroenaltar am phalerischen Hafen ge- weiht hatte, Paus. I 1, 4; so waren seine Manen gewissermaßen natu- ralisiert. Veranlaßt wird jene Frage durch den Umstand, daß Minos auf Paros, wo er sich aufhielt und gerado den Chariten opferte als die Todesnachricht kam, unfreiwilliger Urheber von Bräuchen wurde, die den alten d. h. den das Eleleu Ju Ju um Aegeus einschließenden Nemesien verwandt sind; Apollodor III 15, 7 Mivws anayyelSévros avrò 100 Jardrov, Fiwr lv Ilágo taîs Xdgios, tv uiv Grípavor dno vie xegaliîjs Eddie xa) tov ablòv xarícys xai rjv Svoiav oddiv Arrov Insri- Àegev: 096» its xai dsvoo yoois a«vlev xci crepavwv iv Haow Piove tais Xaosos. Chariten gehören zur Aphrodite und diese Chariten, die nicht tanzen und jubeln, denen Sang und Klang verstummt. zu der schwermüthigen Aphrodite in deren delphischem Dienst Grabesspenden

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 469

feier dem Wohnsitze des Aegeus nahe stattgefuriden haben kann. Von der Göttin der sie galt, gab es ein vierkantiges Bild bei dem Aphroditentempel in den Gärten; die Aufschrift besagte, das Bild stelle Aphrodite Urania als älteste der Mören dar, Pausan. I 19, 2. Auf diese Aphrodite, die o. Zw. wie andere im S.W. der Burg belegene Heiligthümer (Thuk. II 15) in fernster Vergangenheit gestiftet ist, haben wir das ebenfalls in vorhistorischer Zeit entstandene Nemesienfest zu beziehn, nieht auf die bei der Königshalle an der westlichen Seite des Marktes angesiedelte. In der Gegend aber, wo das Delphinion und die Gärten waren, befand sich die Wohnung des Aegeus°’”).

Auf den Eponymos Pandion ist bei [Dem.] 60, 28 die Tereussage bezogen. Da Apollodor III 14, 8 dieselbe an Pan- dion I. knüpft, so ist auch die Ankunft der Mysteriengötter ir Attika, die er a. O. 7 ebenfalls unter Pandions I. Regierung setzt, für den Eponymos in Anspruch zu nehmen. Pausahias I 5, 8 erklärt nicht zu wissen, welcher von den beiden Kömgen des Namens Pandion für den Eponymos zu nehmen sei, Pan- dion Erichthonios’ Sohn (Pandion I.) oder Pandion Kekrops' II. Sohn (Pandion IL) Die Tereussage scheint er, wie [Dem.] und Apollodor, zur Geschichte Pandions I. gezogen zu haben °°).

flossen (Aphr. Epitymbia, Plut. Q. Rom. 23) und die der Môren Schwester war; wie es alte Darstellungen der Aphrodite gab, die hey- menartig und nicht viel mehr waren als Steine, Pausan. I 19, 2, so kannte auch der Charitendienst Steinidole, a. O. IX 38, 1. Dürfen wir das dem Aegeus geltende Ceremoniell mit seinem Aufeinander- latzen von Leid und Freude (Plut. Thes. 22) far die alten Nemesien in Anspruch nehmen, so ist das attische Fest auch in diesem Zuge dem parischen verwandt gewesen; Minos schweigt die Flöten die schon erschallen und thut den ihn schon zum Feste schmückenden Kranz von sich, áhnlich setzt der theseische Herold die dargebotenen Kränze nicht aufs Haupt (robs uiv obr orsqévous deyöusvos TO xyQv~ xgsov dvéorepev, Plutarch a. O.). Auch was Apollodor über die Kalen- derzeit angiebt, läßt sich mit einem am 5. Boedromion dem Androgeos ausgerichteten Todtenopfer vereinigen; Aegeus, von Trózen heitige- kehrt, begeht die Panathenäen, an denen Androgeos siegreichen An- theil nimmt; danach schickt der Kónig den kretischen Gast aus den Stier zu tódten, der aber ihn tódtet. Auf die panathenäischen Siege Ende Hekatomb. konnte im Metag. der Kampf mit dem Stier und Androgeos' Tod fallen, dem dann Anf. Boedr. sich das Todtenopfer anschlof.

97) Plutarch Thes. 12 a. E.; vgl. Wachsmuth Athen S. 230.

38) Sein Bericht ist nicht klar. 8 8 soùroy Mynovidas xrÀ. geht unstreitig auf Pandion IL, der eben vorher mit 6 Kéxgonos tov dev- tégov bezeichnet ist. Der auf diesen bezügliche Passus endet wohl mit éoyer 8 4, und was folgt: Svyatégas div Gya9gò daiuovi l9osysv 6 Mavdiwy, ist Anfang des den älteren Pandion angehenden

470 A. Mommsen,

Fiir die Zeiten des Klisthenes diirfte die Verdoppelung des Pan- dion abzulehnen und der in Megara begrabene Pandion II. (Paus. a. O.) zu streichen sein.

Unter Pandion also kamen Demeter und Dionysos nach Attika; jene fand Aufnahme in Eleusis bei Keleos, dieser bei Ikarios, von dessen Schicksalen Apollodor a. O. weiteren Bericht giebt. Dem Hymnus (V. 97 und 473 ff.) zufolge ist Keleos, dama- liger Kónig von Eleusis, unter der Zahl derer welchen Demeter die heiligen Bräuche lehrt. Was wir also bei Apollodor lesen, kommt darauf hinaus, daß unter Pandions Regierung die eleu- sinischen Weihen eingesetzt sind. Seine Verdienste um die Wei- hen bleiben freilich im stillen; doch ist der Umstand, daß sein Sohn Lykos für Demetermysterien thütig gewesen ist, bei der im Mysteriendienst vorherrschenden Tendenz zur Erblichkeit, vielleicht auch für den Vater °°) mit in Anschlag zu bringen. Wir können also sagen, daß Klisthenes, nachdem er mit Rück- sicht auf die Panathenäen den Erechtheus zum ersten, mit Rück- sicht auf die Nemesien den Aegeus zum zweiten Eponymos ge- macht, dann, dem Festjahr folgend, bei den großen Mysterien angelangt sei und weil die Mysterien unter Kónig Pandion ein- gesetzt worden, diesem den dritten Platz gegeben habe 4°).

Unabhüngig von dem Gesagten ergiebt sich der Herbst für die von Pandion untrennbare Tereusfabel Die stumme, der Fabel nach durch Ausschneidung der Zunge stumm gemachte, Philomela ein hóchst wesentlicher Umstand führt da in Philo-

Passus. Allerdings erwartet man statt des einfachen 6 /Javdiw» einen unterscheidenden Zusatz, und vielleicht ist ein solcher einst dagewe- sen, in unserm Text aber ausgefallen. Meursius de regib. Atheniens. p. 94 hat, dem überlieferten Texte gemäß, alles auf Pandion II. be- zogen und daher den Pausanias des [rrthums geziehen.

39) Dies unter der (keineswegs sicheren) Voraussetzung, daß was von Pandion II. überliefert ist (hier, da8 Lykos ein Sohn Pandions II. war, Apollod. IIT 15, 5), ohne weiteres auf Pandion I. übertragen werden kann.

40) Man kann einwenden, daß nach anderen Angaben, Demeter und Dionysos weit friiher, lange vor Pandion, nach Attika gekommen sind, Demeter unter Kranaos, Dionysos unter Amphiktyon, s. Meurs. a. O. 14 und 15. und daß Klisthenes doch vielleicht die Ankunft der Mysteriengôtter unter Kranaos und Amphiktyon angenommen habe. Allerdings würde das im Text Gesagte stärker sein, wenn simmt- liche die Gôtterankunft betreffende Angaben auf Pandion lauteten. Indeß dürften gerade jene Urkónige recht spät ausgesonnen sein. Auf alle Fälle ist es eine mögliche Annahme, daß Apollodor (und Eu- sebios, den Meurs. a. O. S. 89 zitiert) uns diejenige Version giebt welcher im VI. Jahrh. Klisthenes folgte.

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 471

mela ein Singvogel, Schwalbe (oder Nachtigall), personifiziert ist, auf die Zeit wo, nachdem das Friihjahr voriibergegangen, Schwal- ben und Nachtigallen zwar noch im Lande sind, aber sich still verhalten. Vom Sommer ist fast ganz abzusehn, weil der Wie- dehopf (Tereus) seine Brut in nérdlicheren Gegenden macht und nach dem eigentlichen Griechenland (Phokis, Attika) erst im September zurückkehrt 44). Vom Lenz also, den Pandion und seine Tôchter allerdings ebenso sehr angehen wie den Herbst, müssen wir absehn *?) und die Tereusfabel dem September zu-

41) Von der Mühle und Lindermayer, die ihre Erfahrungen im eigentlichen Griechenland sammelten, geben September an. Ersterer sagt (Beitr. z. Ornithol. Griech. S. 34), da8 sich der Wiedehopf ‘in Griechenland in ungemeiner Menge auf dem Herbstzuge im Monat September, seltener im Frühjahr Anf. März’ finde. Auf dasselbe kommt Lindermayers Bemerkung hinaus, da$ ‘im Monat September auch die aus dem Norden Europas herabziehenden in Griechenland ankommen', denn in dem Zuzug der noch nicht dezimierten Schaaren des Nordens liegt der Grund, daß die herbstlichen Gäste so zahlreich sind. Krüper (Jahreszeiten S. 192) hat für den Herbstzug des Wiede- hopfs August und September August, verm. weil er nördliche Ge- genden (Olymp, Macedonien) mit ins Auge faßt; unsere Frage be- zieht sich aber auf das eigentliche Griechenland, daher denn der Au- gust bei Seite zu lassen sein dürfte; die schleswig-holsteinschen Wie- dehöpfe ziehn im August (Rohweder Husumer Programm 1875 S. 8), aber schon in Oesterreich bleiben sie durchweg bis September, nur an einzelnen Stationen Böhmens Ungarns und Galiziens ist die zweite Augusthalfte als Zugzeit notiert (K. Fritsch norm. Zeiten, Wiener Ak. naturw. Kl. B. XXXIII 1874 S. 200). Die in den mittleren Land- schaften von Hellas (Daulis in Phokis) heimische Tereusfabel gehört also dem September an; Schwalbe und Wiedehopf sind dann zusam- men daselbst anwesend, die Nachtigall aber schon fort (sie zieht im August, Jahresz. S. 243); daher wird Philomela, auf deren Zusammen- sein mit Tereus in der Fabel das Hauptgewicht fällt, den meisten und besten Quellen zufolge, zur Schwalbe. Die Nachtigall (Prokne) ist mit einiger Willkür zugesetzt; sie ist zugleich mit der Schwalbe (während des August) im mittleren Hellas anwesend, nicht aber zu- gleich mit dem Wiedehopf. Ebenso ist der Schluß der Fabel Phi- lomela und Prokne vereinigt fliehend, hinter ihnen Tereus, Apollodor III 14, 8 a. E. soweit es auf Prokne ankommt, durch natürliche Vorgänge nicht unterstützt, da die drei Arten nicht gleichzeitig fortziehn.

42) Im gefiederten Reich, dem die natürlichen Urbilder Proknens und Philomelens und ihres Verfolgers angehören, sind die Ueber- gangsjahrzeiten am interessantesten; die Singvögel verkündigen und verschönern den Lenz, die stillen Vögel des Herbstes imponieren durch ihre Menge und sind lockender für den Jäger. Während also die Fabel von Tereus und den Pandionskindern auf den Herbst deutet, hängt der Name Pandion mit dem Pandienfeste zuzammen, welches im Elaphebolion, im Lenz also, begangen ward. Daß in Klisthenes Zeit der Elaphebolion keine großen Dionysien aufzuweisen hatte, ist wahr, doch brauchen darum die Pandien mit ihrem Tanz um den

472 A. Mom msen,

weisen; die zahlreich zahlreicher als im März erschei- nenden Wiedekópfe sind dann fett und ein beliebtes, viel ver- folgtes Wildpret. Der allgemeine Eindruck, den das Er-

gehen der handelnden Personen macht, kann hierin nur bestär- ken ; Lenz ist die Wonnezeit der Natur, die Flora prangt, im gefiederten Reich ist alles Gesang und Lust wie paßt dazu ein Märchen welches düsterer und trauriger kaum gedacht wer- den kann? haben die Schicksale der Pandionstöchter, was sehr wohl möglich, gottesdienstlichen Ausdruck gefunden, so ist an herbstliche Bräuche zu denken, und zwar an Bräuche des Boe- dromion 48),

Klisthenes hat also die drei ersten Epony men gewählt und geordnet nach bezüglichen Festen, von denen ihm der Boedromion zwei, der Hekatombion eins, der Metageitnion gar keins lieferte. Wenn er, statt mit Monatslingen zu Werke zu gehn, sich an Zehntellängen des Jahres hielt, so war seine Methode ebenmäßiger; es ergab das erste Zehntel die Panathenäen (Erech- theus) das zweite die Nemesien (Aegeus), das dritte die großen Mysterien (Pandion); überschlagen wurde keine Linge. Es scheint also daß Klisthenes das Jahr zehntelweise ins Auge faBte und jedem Heros ein Jahreszehntel unterstellte, dem ersten (Erechtheus) das erste, dem zweiten (Aegeus) das zweite **), dem dritten (Pandion) das dritte.

Zwölfgötteraltar nicht erst im V. Jahrh. von Delphi erborgt zu sein, so daB sie im klisthenischen Festjahr fehlten. Wie dem Asklepios zweimal im Jahre (dis tov évsavroù CIA II 1 p. 426 n. 352b), im Elaph. und Boedr., gedient ward, so hat man auch den Pandion und die an ihn sich knüpfenden Mythen besonders in den Uebergangs- jahrszeiten berücksichtigt. Für die Ansetzung des Pandion also und der Phyle Pandionis hatte Klisthenes die Wahl zwischen der durch die groBen Mysterien und die Tereusfabel gewiesenen Herbstzeit und der durch die Pandien gewiesenen Frühlingszeit; wühlte er letztere, 80 bekam die Phyle Pandionis statt des 8. Platzes den sie in der so- lennen Folge hat, den 8.

43) Aristoteles Histor. anim. VIII 12 p. 230 Bekk. sagt, der Ab- zug der schwächeren Vôgel erfolge immer zuerst, die Wachtel zum Beispiel ziehe vor dem Kranich. Für den Abzug der schwücheren Vögel giebt er Boedromion an, die großen, starken Vögel ziehen nach ihm im Mämakterion (ré uév yao uerafa Mer rot Bondoausdvos, di 100 Matuaxmosavos). Grenzen des Boedromion im V. Jahrh. vor Chr.: Aug. 26. bis Oktober 21. julian. Kal. Nach unserm (gregorian.) Kalender, auf welchen die Angaben der deutschen Ornithologen, s. vorhin vorhin Note 41, sich beziehn, giebt das ungeführ Aug. 20. bis

44) Als die Stämmezahl größer, die Länge der Prytanien kleiner

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 473

Die Leontis, Asovits oder Aswvilc, hatte ihren Namen von Leos, Aswc, Genitiv ew, Dativ Asw ‘5). Die Variante éwy ist wohl bei Seite zu lassen 49). Pausanias hat von einem Vater oder einer Mutter des Leos nichts zu berichten und der Vater- name, den man bei geringeren Autoren findet, diirfte zu igno- rieren sein 47), Auch von einem Grabe des Leos verlautet nichts. So werden wir dahin gefiihrt in Leos ebenso sehr einen Begriff, Aswç ‘Leute, Volk’ 48), als eine Person?) zu erblicken. Ueber heortologische Anhaltspunkte, die den 4. Eponymos an das 4.

wurde, änderte sich manches, z. Beisp. gehörten die Nemesien mei- stens der dritten Prytanie an, nur im Schaltjahr (durchweg) der zweiten. Doch diirfte das Band zwischen den Festen und der solen- nen Folge auch in den jüngeren Zeiten nicht überall zerschnitten ge- wesen sein. Die Ptolemüen mógen in dem der solennen Nummer des ptolemáischen Stammes entsprechenden Monat Mümakterion began- gen sein.

45) Nominativ und Genitiv sind mehrfach zu belegeu aus Pau- sanias, Aelian und anderen spüten Autoren. Der Dativ scheint CIA IV p. 4 n. 2C lin. 4 vorzukommen: tw .few[s Body 16]Aeov. Die Bewohner des städtischen Demos Skambonid&, der zur Leontis ge- hörte, haben die Inschrift, ihre demotischen Opfer betreffend, anfer- tigen lassen; lin. 7 [Z]xeuBovi[doc] und lin. 9 f. aooga]s ty Zx[au- Bovidw[v].

46) Der Nominativ .4éo» findet sich in dem Eponymenverzeichniß Schol. Dem. 24, 8. Man könnte dieser Namensform Gewicht bei- legen wollen, weil sich der Phylenname Leontis besser vou 4éwy als von 4ews herleiten läßt. Aber 4ews ist weit stärker beglaubigt auch abgesehn von CIA IV n 2, wo allerdings viel ergünzt ist. Be- denke man auch, daß sich von dem nach der attischen 2. Deklina-

tion abgewandelten 4sws ein Femininum auf ss, das sich als Phylen- name eignete, nicht wohl bilden ließ. Aus Zlaoç ließ sich der Frauen- name dais machen, aus dews ließ sich nichts derart machen. So kam denn eine etwas willkiirliche Sprofform zu Tage, für welche 4éíov als Nebenform vorausgesetzt war, wie InnoO9ówv nur ein vari- ierter ‘709005, der Monat ‘Aersusossy ein ionisch gestalteter ‘Aore- micros ist.

47) Schol. Dem. 54, 7. Sauppe p. 125 sews yap, 6 Ovpéws, vior uiv Écye Kölavdov, Ivyarioas tosis xrÀ. Vgl. was Benseler unter Aeus zitiert. In Klisthenes' Zeit wird diese Vaterschaft noch nicht ausgesonnen sein; daß er eines Thrakers Sohn zum attischen Epony- mos machte, ist nicht glaublich.

48) Also Leos = Demos. Wie in älterer Zeit Leos Opfer er- hielt (CIA IV n. 2), so haben die Epigonen ein Priesterthum fir den Demos die Chariten und die Gôttin Roma (CIA II 1 p. 83 n. 265) gestiftet ; Vater und Mutter hatten diese idealen Personen oder viel- mebr personifizierten Ideen nicht, noch weniger Gräber; denn sie ebten.

49) Benseler a. O. wirft den Herold Leos aus Hagnus (Akaman- tis), welcher dem Theseus die Anschlige der Pallantiden verrüth, Plut. Thes. 12, mit dem Eponymos der Leontis zusammen, eine Iden- tifikation die abzulehnen sein diirfte.

474 A. Mommsen,

Jahreszehntel zu kniipfen geeignet wären, giebt es nur Ver- muthungen °°).

Akamas’ Name kommt neben Gótternamen auf einer atti- schen Altarinschrift vor; sie ist gefunden im Keramikos und gestattet den Schluß, daß Akamas Antheil hatte an Opfern die hier auszurichten waren?!) Mag dieser Lokaldienst schon im VI. Jahrh. vor Chr. geübt sein, für die Frage weshalb Kli- sthenes den Akamas zum fiinften Eponymos gemacht habe, ist er belanglos. Wenn dann überliefert ist, Akamas sei Theseus’ Sohn gewesen und um Theseus’ Mutter Aethra zu befreien nach Troja gezogen **), so ist diese Ueberlieferung schwerlich an- wendbar auf das VI. Jahrh.; sie wird ersonnen sein im V. Jahrh. als der Theseusdienst aufgekommen war, s. oben S. 465. Bezie- hungen zu Gottesdiensten die im 5. Jahreszehntel begangen

50) Es lieBe sich die Hypothese bilden, der Eponymos des Na- mens Leos beziehe sich auf die wahrscheinlich Ende Pyaneps., im 4. Jahreszehntel, begangenen Apaturien, ein Fest welches den Be- stand der Bevólkerung anging. Für einen attischen ‘Leuthold’ paft was überliefert ist von den drei attischen Müdchen Praxithea (Pha- sithea) Theope und Eubule, deren Andenken das Leokorion erhielt; es waren Töchter des Leos; der Vater gab sie auf Apolls Geheiß in den Tod, als die Bevólkerung durch Landplagen geschwendet und verringert wurde. S. Aelian Var. Hist. XII 28 (Schol. Dem. 54, 7). Die den Nachwuchs in die Phratrien Einführenden und die ihn stan- desamtlich Verzeichnenden handelten im Sinne des Zeus Phratrios; aber über den Phratrien schwebte einigend der Begriff Jews, sie gin- gen darin auf; ein heroischer Vertreter dieses Begriffes ist denkbar bei den Apaturien. Da aber nichts Bestimmtes, z. Beisp. daß Leos die Apaturien gestiftet habe, überliefert oder aus der Ueberlieferung herzuleiten ist, so bleibt alles in der Schwebe und muß man es da- hingestellt sein lassen, ob ein Heros Leos im Apaturienkultus wie er im VI. Jahrh. bestand, vorgekommen sei und Klisthenes ihn da her- habe, oder ob er ihn, mit Bezug auf die Apaturienzeit, ersonnen und der Verehrung des Publikums empfohlen habe, wie ja auch die er- sonnenen Persónlichkeiten des Demos und der Demokratia in den óf- fentlichen Kultus übergingen.

51) Auf einem runden Altar liest man: 4505 épxeiov ‘Eouod Axd- uavtos. Der Altar befand und befindet sich da wo der innere Kera- mikos an den äußeren grenzte. Es hat der Demos Keramikos zur Akamantis gehört. S. U. Köhler Mittheil. IV S. 288.

52) [Dem.] 60, 29 Euéuvnrro 'Axauavtidus àv inày. Ev obs "Oumpos Évexa ts untoos qow Aidoas Axauavim sls Tooiav creas xrÀ. (Es scheint an Il. III 144 gedacht; vgl. Plut. Thes. 12). Da Aethra als Mutter des Akamas bezeichnet wird, so könnte wer hierauf Gewicht legte, behaupten, der Meergott habe mit Aethra zwei Söhne Theseus und Akamas gezeugt; doch mag es ein Flüchtigkeitsfehler des Pa- rentators sein. Es scheint auch eine Tradition gegeben zu baben, nach der Akamas ein Enkel des Theseus war; Schol. Aeschin. 2, 31 p. 29 Saupp.

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 475

wurden, geben sich fiir Akamas ebenso wenig kund, wie sich deren fiir Leos zum 4. sicher auffinden lassen 53),

Das den Oeneus angehende fünfte Jahreszehntel schloß den Monat Gamelion ein, dessen Bakchosfest, Lenüen genannt, im VI. Jahrh. noch nicht durch die große städtische Feier überglänzt wurde. Daf es nun die dem Weingott begangenen Lenüen waren, welche den Eponymos an die Hand gaben, wird durch den von ofvog hergenommenen Namen 9*) nahe gelegt, und was der epitaphische Redner über den Eponymos Oeneus sagt, führt ebendahin; er macht ihn nümlich zu einem Sohne des Bakchos %). Die gewöhnliche Tradition ist freilich eine andere °®).

[Demosthenes] 60, 30 erkennt den Eponymos der Kekro- piden in demjenigen Kekrops, welchen Spätere den ersten

53) Im Posideon ward der Namensgott gefeiert, CIGr. I n. 523; auch gab es ländliche Dionysien. Die für einen Neptuni filius (?, s. vor. Note) oder nepos passende Derbheit (Faustkampf bei Quint. Smyro. IV 332 ff) und der Name Akamas (novrov dxauartos, Pindar Nem VI 39) kónnen veranlassen die Frage auf Poseidonsdienst zu stellen. Aber sie zu bejahen ist miBlich, da es an Anhaltspunkten gebricht.

54) Vgl. Hygin Fab. 129, wo indeB nicht vom attischen Oeneus die Rede ist: Oeneo autem ob hospitium liberale muneri vitem dedit (Liber) monstravitque quomodo sereret fructumque eius ex nomine hos- pitts olvos ut vocaretur instituti. Auch, was Benseler unter Oivedg z. Anf. zitiert.

55) [Dem.] 60, 30 oùx #iavdavev Olvsidas ou Kaduov piv Ze- nés, 175 Ov noénov iariv router ini tovde Tod tagov, tov (von Bakchos) Olveds yéyover, 0c doynyös adtwy Exalsizo. Hoffentlich hat der Parentator dies nicht aus der Luft gegriffen, weil es in sei-

nen Kram pafite. Das that es nimlich; er will uns demonstrieren, wie es für die Oeniden angezeigt gewesen sei auch um Thebens wil- len ihr Leben einzusetzen: xosvov Jd” Ovtos. dugotioars mais nodeci (Athen und ‚Theben) ToU nagovtos xivduvov, Unito augqotiowy änacav wovro deiv aywviav êxréivas Darum geht er auf Kadmos zurück. Auf die Frage, ob die Athener des VI. Jahrh. den Oeneus am Feste der Lenäen feierten und Klisthenes ilın den Lenäen entnahm oder ob . wir einen aus der Idee des Festes konstruierten Patron der Lenäen-

zeit vor uns haben (vgl. vorhin Note 50 a. E.) giebt es nur ein non li- quet. -- Da Bakchos im VI. Jahrh. schwerlich noch für einen Heros galt, so dürfte es unzulässig sein Oeneus mit Theönos (Heort. S. 327) zu identifizieren ; vergleiche man ihn lieber mit dem zu den bakchi- schen Dämonen gerechneten Akratos, Pausan I 2, 5.

56) Nach ihr ist Oeneus ein natürlicher Sohn des Pandion; Oi- vec Mavdiovos viòs voÿos Pausan I 5, 2 u.a. In Klisthenes’ Zeit braucht diese voSscaæ noch nicht erdacht gewesen zu sein. Mit der Feier welche von den vo090:s im Kynosarges begangen ward, hängt die vo9sia des Oeneus schwerlich zusammen, man müßte denn nach- weisen kónnen, die kynosargische Feier habe im Gamelion stattge- funden; aber einen Wintermonat hat niemand vorgeschlagen. S. unten S. 484.

476 | A. Mommsen,

genannt haben 5"): jdecay Kexgonídus rov Éuvrür dgymyóv va piv ws For douxwy ia d ws Forw avdowros Àeyoueror xi: Anders wird auch Klisthenes nicht gedacht haben, so dafì ein zweiter Kekrops 55) fiir ihn nicht existierte. Wir dürfen also, was Apollodor III 14 von dem autochthonischen Urkünig Ke- krops erzählt und was sonst von uralten, mit Kekrops in Ver- bindung zu setzenden Dingen (Gôttergericht, Altarritus) verlautet fir den Eponymos in Anspruch nehmen. Es wird sich zei- gen lassen, daf das siebente Jahreszehntel (Anthesterion nebst Tagen nachher, im Schaltjahr auch vorher) rituelle Handlungen darbot, die Bezug zu Kekrops hatten.

Die am Altar des Zeus Hypatos herkémmlichen Opfer (Pausan I 26, 5 roò ris eloodou dios dou fwpoc Ynarov, Eva tuyvyov Ivovow ovdév, néupara Dérrec ovdiv Er otro xoícac9os voulbouorr) stellen kekropische Sitte dar; erst unter späteren Königen (Amphiktyon, Pandion, Erechtheus) fing man an diesen mageren und nüchternen Brüuchen Valet zu sagen, indem Rindsopfer im Dienste des Zeus Polieus, a. O. 28, 10, üblich wurden 5%), auch die Kunst erlernt wurde, wie man aus Most Wein bereiten kónne sich zu berauschen Am 18. An- thesterion nun, dem Tage der Chytren, ward kein Fleisch ge- gessen und was man spendete, war Wasser. Das kekropische Herkommen die 'Trankopfer nicht aus dem Weinschlauch, son- dern aus Zisternen und Quellen zu schópfen hat die Behauptung veranlaßt, der Wassermann des Thierkreises stelle den Kekrops dar ©). Auch können wir uns daran erinnern, dass Kekrops

57) Pausanias I 5, 3 gesteht nicht zu wissen, ob der Eponymos mit Aktäos’ Schwiegersohne, dem schlangenfüßigen Autochthonen, Kekrops dem ersten, oder mit dem später zur Regierung gekomme- nen Kónige der nach Eubóa zog, Kekrops dem zweiten, identisch sei.

58) Grote I S. 163 betrachtet Kekrops II. als bloßen Lücken- büßer; mit Recht, wie es scheint. |

59) Daß Eusebios’ Ueberlieferung, Kekrops habe zuerst ein Rind

eopfert nach Pollux VI 76 xéxdyytas (nélavos) ano tod cyfuater, woneg xai 6 fobc* néuua ydg ton xépata Eyov nennyutva zu verstehn sei, zeigt Meursius de regib. p. 43.

60) Hygin. Astron. II 20 Eubulus autem (Aquarium) Cecro- pem demonstrat esse, antiquitatem generis commemorans et osten- dens, antequam vinum traditum sit hominibus , aqua în sacrificits deorum usos esse et ante Cecropem regnasse quam vinum sit inventum. Eubulos kann, von dem Herkommen im allgemeinen ausgehend, su dem Wassermann Kekrops gelangt sein. Oder er ging ganz spesiell von der attischen Wasserspende des 18. Anthesterion aus und iden- tifizierte den Stifter der Wasserspende mit dem Zodiakslbilde, wet

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 477

der erste Kónig war den das durch die groBe Fluth veridete Attika erhielt®'); an die Zeiten der Fluth nun kniipften sich verschiedene Bräuche des Anthesterienfestes, und man muß an- genommen haben, sie seien durch Kekrops, unter seiner Herr- schaft wenigstens, aufgekommen ‘?).

Wir kommen zu den Zwölfgöttergerichten. Im Anthesterion begab sich Orestes von Delphi nach Athen, wo er an den Choen (12. Anthesterion) theilnahm; Eurip. Iph. Taur. 960. Nach Aeschylos Eum. 455 ff. beruft Athena die besten Biirger ihrer Stadt (xoliace d’ aoıwv tw» fuor ta P£lrara) um in der Sache zu entscheiden und stiftet damit das Areopagitengericht. Das Zusammentreten der Areopagiten ist dem Monatsende zuzuweisen; Pollux VIII 117 (Sitzungen der Areopagiten am 4. 3. und 2. vom Ende jedes Monats) Es steht zu vermuthen, daf ein die mythische Einsetzung des Gerichts angehendes Ceremoniell be- stand, geübt Ende Anth. am Altar der Athena, den nach Pausan, I 28, 5 der freigesprochene Orestes auf dem Areshiigel ge- stiftet hatte 99). Nach vorherrschendem Glauben “) aber sind es nicht athenische Bürger gewesen, die den Spruch zwischen Orestes und seinen Verfolgerinnen gefällt haben, sondern das Richteramt ist von den zwölf Göttern übernommen worden 65),

ches über den Monat Anthesterion herrscht. (Wenn man ein Ge- meinjahr zugrunde legt und den 1. Tag des Krebses dem 1. Heka- tombüon gleichsetzt, so fallt der Anthesterion dem Wassermann zu),

61) Die zehn Dekennaeteriden, welche zwischen Kekrops und dem Ende der Fluth lagen (nach Eusebios), kommen auf Rechnung derer die die Mythengeschichte ordneten. Vgl. Meurs. p. 25.

62) Zu den Bezügen des Kekrops zum Anthesterion könnte ge- rechnet werden, daß man in Kekrops den Stifter gesetzmäßiger Ehen sah; vgl. Meursius p. 36, auch Delphika S. 293. (Pandora, Stoff für schauspielartige Akte im Monat Bysios Anth.) Doch war das wohl etwas Sekundäres, ein ForschungsergebniB, ausspintisiert um das Bei- wort digoys zu erklären.

63) Eine das Zwólfgóttergericht angehende Ceremonie im sie- benten Zehntel des Jahres anzunehmen empfiehlt sich auch dadurch daB es zn den Brüuchen des alten (vordionysischen, s. oben Note 42) Pandienfestes gehörte den Altar der zwölf Götter zu umtanzen. Dem ernsten Akte der Berufsgenossen des Kekrops folgte ein Brauch, bei dem man sich leichten Herzens bewußt ward die fatalen Rechtshündel abgethan zu haben. Zwischen den Anthesterien und großen Diony- sien ist wohl in Athen viel prozessiert worden und nicht bloß in Steuersachen (CIA IV p. 7 n. 22); im Landbau ist dann wenig zu thun, vrgl. Mittelzeiten S. 3 und die Bauernregel n. 93; die Schiff- fahrt ruht auch.

64) Vgl. Joh. Franz Oresteia S. XXIV.

65) Wie Orestes, nach verschiedener Version, bald von Góttern

478 A. Mommsen,

1

Wenn nun für das den Besitz von Attika betreffende Götterge- richt, an welchem sich der Urkónig Kekrops als Zeuge oder als Richter betheiligte, und für das unter der Regierung desselben Königs wegen des erschlagenen Halirrhothios gehaltene (Apol- lodor III 14) dieselbe Kalenderzeit zu gelten hat wie für Orests Prozef gegen die Eumeniden99), so giebt sich ein Bezug des

bald von Menschen gerirhtet wird, so meldet auch Apollodor III 14 von dem Prozeß der um Attikas Besitz geführt wurde: yevouévgc di &pdoc auqoîv nepi 196 yagac Zeus xouras Édwxer oùy we sinor tec, Kéxgona xai Koavaov. ovdé Kovaiydova, Bsods toD; dudexa Der auf menschliche Richter (Kekrops und Kranaos) lautenden Version. folgt Xenophon Mem. III 5, 10 daga Atysıs mv 19v Iswr xpiow Fy ob nepi Kexpona di cosy Exowar; Aéyw ydg xri. Hier sind nepi Kéxgone ‘Kekrops und wer neben ihm des richterlichen Amtes wal- tete’ die Areopagiten. Da die streitenden Parteien selbst zu den zwölf Göttern gehören, so passen athenische Bürger besser als Him- melsbürger.

66) Es läßt sich einwenden, daß Plutarch de frat. amore 18 über- liefert, im Boedromion sei die devrépa (scil. édiauévov) allezeit aus- geschaltet worden wegen des Zwistes (ms d&e«qogac), den Poseidon an diesem Tage mit Athena gehabt habe; vgl. Plut. Symp. Q. IX,6, wo ebenfalls der 2. Boedr. als ein Tag des Streites (#0600:) der Götter um das Land bezeichnet wird. Damit scheint zu stimmen, daß der von der einen Partei erschaffene Oelbaum gleich mit Früchten (cum baccis Ovid. Met. VI 81) ans Licht tritt, was auf Boedromion paßt. Man kann folgern, es müsse der Sieg der Oelbaumschépferin über ih- ren Gegner auf Boedr. 8 angesetzt worden sein (Heort. S. 209), so daß wir das Zwöltgöttergericht dem Anfange des Boedr. zuzuweisen hät- ten. Auch wer so folgert, wird den oresteischen Prozeß Ende Anthe- sterion setzen müssen und dahin gelangen, daB die mythische Vorge- schichte an zwei Zeiten des Kalenderjahres geknüpft worden sei; zweimal im Jahre, im Frühjahr und Herbst, ward ja auch dem As- klepios gedient, s. oben Note 42. Aber vielleicht ist doch die plutarchische Ueberlieferung bei Seite zu lassen. Die beständige Aus- merzung des 2. Boedr. ist für ültere Zeiten (CIA I p. 89 n. 189) un- wahr und ihre superstitióse Begründung wird ebenfalls erst spat er- sonnen sein. Auf Ovid a. O. ist kaum irgend ein Gewicht zu legen. An den erfreulichen Verlauf und Ausgang des Prozesses, ja überhaupt an ProzeB, hat Plutarch a. O. nicht gedacht, er wufte ja recht wohl daß der 3. Boedr. der Siegsfeier von Platäa bestimmt sei. Es ist also der Gótterzank willkiirlich separiert worden von dem was weiter folgte, weil die Ausmerzung des 2. einen Anhalt empfangen sollte. Ich glaube also da$ für das VI. Jahrh. und die besseren Zeiten Athens vermuthet werden kann, man habe simmtliche Góttergerichte im An- thesterion angenommen. Dahin führt auch Servius zu Georg. I 18, wo die Thatsachen der beiden ülteren Prozesse verschmolzen werden. Nehmen wir mit Bóckh CIGr. I p. 226 n. 148 an, daß Plutarch seine Quelle, in der von der devrioa gSivovrog die Rede war, mißver- standen hat, daB es sich also hier um den 2. v. E. handelt, so ist es noch mehr erschwert, das Góttergericht oder das der Areopagiten an- zuschließen; Athenas tes folgte nicht, sondern ging voran, und der Tag welcher folgte, die Enekünea, gehórt nicht zu den Sitzungstagen der Areopagiten.

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 479

Monats Anthesterion und seiner Briuche zum Kekrops kund und es zeigt sich, daf der siebente Eponymos Patron des siebenten Jahreszehntels gewesen sein kann.

Der Eponymos des achten Stammes Hippothon, Sohn des Poseidon 9°) und der Kerkyonstochter Alope, hatte in Eleusis einen Priester und eine Weihstätte 58); andere Denkmäler da- selbst riefen den grausamen Ringer und ebenso harten Vater Kerkyon ins Gedächtniß 9?) Hippothon war ein durchaus eleu- sinischer Heros, auch vielleicht, da er Triptolems Bruder heißt, nicht ohne Beziehungen zu den Mysterien °°), daher man fragen kann, ob er und die ihm gewiesene achte Stelle nicht mit eleu- sinischen Dingen, etwa mit Kores lenzlichem Aufstieg *'), zu- sammenhängen. Eine Antwort läßt sich freilich nicht geben.

Als Klisthenes die Aeantis zum vorletzten Stamme machte, gab es nach dem Munychion - Vollmond noch keine Feier des Sieges von 480 vor Chr., die Grundlagen aber auf denen die Feier beruhte, kann man für das VI. Jahrh. voraussetzen. Am 16. Mun. wurden der Artemis, nach deren Beinamen der Monat benannt ist, die augsgwrieg dargebracht. Vom selben 16. Mun. sagt Plutarch de gloria Atben. 7, man feiere ihn der Göttin Ar- temis, die an diesem Kalendertage ihren Vollmondsschein ge- spendet und bei Salamis den siegenden Griechen freundlich ge- leuchtet habe. Nun ist aber bei Salamis weder an einem 16.

67) Den Späteren mag er auch für einen Theseussohn gegolten haben, wie deun Theseus im Verlaufe mehr und mehr in den Vorder- grund geschoben wird; Plutarch Thes. 29 Aéyeras (50:0) xai Ziviv anoxtéivas xai Kepxvova GvyytvécO9a, Bia iais Fvyarvacwv aviav.

68) Eleusinische Inschrift Ephemer. 1883 S. 125 lin. 77 f. ‘Inno- 9o[v]roc beget nédavov 4444I' FF FFU. Ein Heroon bezeugt Pausanias I 38, 4, das ‘Iano$owvresov der Lexikographen, s. Benseler; nach CIA II 1 p. 429 n. 567b ist ein Beschluß der Hippothontis aufzustellen im (städtischen) Heiligthum des Asklepios und im (eleusinischen) des Hippothon, rj» (die andere Stele) é 19 'Inno9wvtiq.

69) An ‘Kerkyons Ringbahn’ zeleíctoa Kegxvovos, Paus. I 39, 3, knüpfte sich die Sage, er habe immer die Fremden niedergerungen und dann getódtet, bis ihm dasselbige von Theseus wiederfahren sei. In der Nahe Alopes Grab, Paus. a. O.; der Vater tódtete sie, nach- dem sie den Namensheros der Hippothontis geboren hatte.

70) Nach Chórilos, der ein Drama Alope gedichtet hatte, Paus. I 14, 3, waren Kerkyon und Demeters Vertrauter Triptolemos von derselben Mutter, aber nicht vom selben Vater; den Kerkyon batte Poseidon, den Triptolemos Rbarios gezeugt. Subjektiv erfunden braucht das nicht zu sein. Vgl. die verschleiernde Art, wie Pausanias a. 0. und [Dem.] 60, 31 sieh aussprechen oder vielmehr ausschweigen.

71) Zu vgl. Philios in der Ephemeris 1886 8. 31.

480 A. Mommsen, -

noch im Munychion gekümpft worden, sondern die Schlacht hat an den Eikaden des Boedromion stattgefunden, so daß Mun. 16 für den Tag der Siegesfeier zu halten ist; Böckh Monde. 8. 78 f. Da nun unter den zu Hülfe gerufenen Heroen auch Aias ist (Herod. VIII 64), so sind die auf der Tnsel Salamis began- genen Aeanteen späterer Zeit, an welchen sich die Epheben Athens lebhaft betheiligten, verm. eine Weiterführung des der Artemis Munychia am 16. ihres Monats gefeierten Festes und haben wir sie den Artemisbräuchen des 16. anzuschlieBen. Die Hauptfeier auf Salamis mag, sofern, neben Aias, Asklepios mit Opfern bedacht ward, (CIA II p. 266 n. 470 lin. 17 und 55), dem Asklepios aber eine Ogdoe gebührt, am 18. stattgefunden haben?) Die kombinierte Feier der äugupwvtes und des dem Siege von 480 und dem Aias geltenden Festes fiel also in die Tage, wo im Gemeinjahr das achte Zehntel endet und das neunte seinen Anfang nimmt %); bei dreizehn Monaten fiel sie stets in das neunte Jahreszehntel. Dürfen wir nun dieselben Tage für das VI. Jahrh. und die damals noch nicht kombinierten , son- dern selbständigen Feste voraussetzen, so kann, da die Jahres- zehntel am Schln8 36tägig zu nehmen sind ”*), das am 18. Mun.

72) Daß das Asklepiosopfer für den 18. passe, habe ich Heort. S. 412 bemerkt. Man kann einwenden daß es sich hier um Aias, nur beilàufig um Asklepios, handele. Ein starkes und zwingendes Argument zu gunsten des 18. haben wir allerdings in dem obligaten Asklepiosopfer nicht. Wenn schon am Nachmittage des 16. He- roenbräuche stattfanden, so dürften dieselben in der Stadt (am Eu- rysakeion ?) geübt sein. Am 17. mochten die städtischen Theilnehmer nach der Insel hinüberfahren und der Tag so ziemlich darüber hin- gehn, weil mit ceremoniöser Weitläuftigkeit verfahren ward und etwa nur ein Voropfer abends auf Salamis gebracht werden mußte. Am Lichttage, des 18. dann die Spiele, Opfer und besondere Bräuche wie das xAivnv aurw (dem Aias) mera navonliag xataxoousîiv Schol. Pind. Nem. 2, 19 p. 438 Böckh (Meurs. Gr. fer. p. 9).

73) Der Anfang des 9. Jahreszehntels hat im Gemeinjahr einen viertägigen Spielraum; je nach der Länge die man den Monaten (29 oder 30 T) und den Zehnteln des Jahres (35 oder 36 T.) giebt, be- wegt er sich innerhalb des Quadriduums Mun. 17 bis 20. Setzt man die Jahreszehntel zu 36 T. an, so fallen Mun. 19 und 20 weg, als Spielraum bleibt das Biduum Mun. 17 und 18.

74) In den Jahren Ol. 88, 3 Arch. Euthynos und 89, 2 Arch. Amynias ist immer zuerst mit 35tügigen Prytanien vorgegangen, die überschüssigen Tage kommen den letzten Prytanien zu. Vgl. Chron. S. 163 und 401. Daß diese für 36tägigkeit der letzten Jahres- zehntel sprechenden Analogien auch für Klisthenes und das VI. Jahrh. maßgebend sind, läßt sich freilich nicht beweisen; es sind aber doch

Analogien.

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 481

auf Salamis begangene Aiasfest allemal den Anfängen des neun- ten Jahreszehntels angehórt haben. Es kann also Klisthenes dem Aias die neunte Stelle mit Bezug auf die Aeanteen des neunten Jahreszehntels gegeben haben.

Von dem Eponymos der Antiochis ist es in unserer Ue- berlieferung sehr still; Antiochos war ein Heraklide, viel mehr wissen wir nicht °°). Herakles wurde überall in Attika ver- ehrt, und neben ihm Diomos, Hebe, Alkmene, auch die Hera- kliden, CIA II 1 p. 248 n. 581 10 Lgéa tw Hgaxieduly Ko]AMav xai tiv iégecur ij; Hfgg xai ing Adxunvng (Fundort Aexone, CIGr. I p. 345 n. 214). Sollten nun unter den Hera- kleen, welche man am 4. v. E. Skir. Ol. 108, 2 beschloß in der Stadt zu feiern, die marathonischen zu verstehen 76) und in Marathon neben Herakles auch den Herakliden, insonderheit dem Herakliden Antiochos geopfert sein, so würde das marathonische Heraklesfest, auf Ende Skir. gesetzt (alte Hypothese), dem letzten Jahreszehntel, auf Anf. Hek. gesetzt (neuere Hypothese), dem ersten angehört haben '", in jenem Falle also die Wahl des

75) Die Mutter war Mida, des Dryoperkóniges Phylas Tochter; Paus. I 5, 2 yevousvos dx Midas, nach anderer Lesart Mydas, noch anders Paus. X 10,1 6 ix Midsias ysvóuevoc. Antiochos hatte einen Sohn, der wie der mütterliche Großvater, Phylas hieß. Unter einem Urenkel des Antiochos zogen die Dorier gegen Korinth, Paus.II 4, 3.

76) Dettmer (de Hercule Attico p. 48) vertritt diese Ansicht. Auch mir gilt sie für richtig. Daß die nach Dem. 19, 86 und 125 (ausnahms- weise) in der Stadt zu begehenden Herakleen dem gewóhnlichen Lauf der Dinge zufolge in Marathon hätten begangen werden müssen,

dürfte zu dem wenigen gehóren, was aus dem schwankenden Material gefolgert werden kann.

77) Die alte Hypothese hat Corsini, die neuere Dettmer aufge- stellt. Letzterer schlägt Hek. 4 für die marathonische Feier vor; er be- trachtet sie als Penteteris nach Pollux VIII 107 und da die penteterische Begehung der Panathenäen und Pythien ins dritte Jahr der Olym- piade gehórt, so nimmt er auch für die Penteteris von Marathon ein solches an; dieser Annahme wird genügt durch eine Verspütung, die nur wenige Tage beträgt, indem statt Ende Skir. (exeunte Sctrrhopho- rione mense, Corsinill p. 336) Hek.4 eintritt; das Jahr des Beschlusses ist ein zweites der Olympiade und ein paar Tage nach dem Beschluß langt man bei dem Neujahr des gewünschten dritten Olympiadenjahrs (108, 3) an. Daß Demosthenes die Penteteris meint ist Konjektur; er kann auch die neben der Penteteris vorauszusetzende Jahresfeier meinen. Andererseits ist es etwas unsicher, ob sich die marathonische Penteteris nach der in Athen und Delphi befolgten Norm regelte. (Der Werkeltag Hek. 4 01. 112, 4 Arch. Kephisophon, CIA II 2 p. 523 n. 834 b. I lin.33, läßt sich kaum gegen Dettmer benutzen.) Setzt man im Sinne der alten Hypothese. die Herakleen auf Skir. 2 v. q.

Philologus. N. F. Bd. I, 8. 31

482 A. Mommsen,

Heros Antiochos und der ihm gegebene letzte Platz sich aus gottesdienstlichen Herkémmlichkeiten des letzten Jahreszehntels erklären 5) Eine sichere Entscheidung ist nicht erreichbar.

Mit der Betrachtung der einzelnen Eponymen und ihrer gottesdienstlicher Bedeutung sind wir zu Ende. Daß das Epo- nymenthum, mag man auf die heroischen Personen selbst oder auf die Anordnung: Erechtheus Aegeus u. s. w. sehn, einen FuB in den attischen Gottesdiensten hatte, wird man nach dem Gesagten nicht leugnen können; es ist gewiß kein Zufall, daß der 1. Eponymos auf ein Fest des 1. Jahreszehntels hinweist, der 2. auf ein Fest des 2., und daß so auch für den 3. 6. 7. und 9. Eponymos sakrale Beziehungen zu den numerisch ent- sprechenden Jahreszehnteln obwalten. Diejenigen Heroen für welche sich nichts ergeben hat Leos Akamas Hippothon An- tiochos sind die unbekannteren, und wir dürfen glauben, daß es, wenn unsere Tradition vollständiger wäre, an Beziehungen zu den entsprechenden Zehnteln auch für diese nicht fehlen würde. Klisthenes hat also das Eponymentum so einzurichten gewußt, daß die nach der solennen Folge numerierten He- roen mit Herkömmlichkeiten des ihnen nach der Nummer zukommenden Jahreszehntels in Rapport standen.

Was nun aber die solenne Folge anbetrifft, so hat sie ne- benher gewisse Eigenschaften, die sich nicht durch Anwendung des sakralen Gesichtspunktes erklären lassen. Die sieben ersten Stellen werden von attischen Heroen eingenommen, die übrigen von nichtattischen oder doch den sieben nicht ebenbürtigen, die daher Pausanias für sich stellt 9). Es ist also bei Konstituie-

(Corsini wählt den 3. v. E.), so bietet CIGr. n. 523 einen Anhalt für den Monatstag, freilich nicht für den Monat. Auch der Stiftungstag des templum Herculis Musarum, 30. Juni, stimmt mit Herakleen a. E. Skir. Dettmer p. 49, 1 hat die alte Hypothese einer näheren Prü- fung nicht unterzogen.

78) Wenn Klisthenes den Demos Eleusis zu der nach einem eleu- sinischen Heros benannten Phyle (Bippothontis) gezogen hat, so folgt nicht, daß Marathon, falls die zehnte Phyle (Antiochis) mit Rücksicht auf einen daselbst mitgefeierten Herakliden ihren Namen empfing, zu dieser Phyle gezogen sein müsse; die neunte Phyle (Aeantis) em- pfing ihren Namen von einem Salaminier, und Salamis gehörte nicht zur Aeantis, ja überhaupt zu keiner der attischen Phylen.

79) Herodot V 66 sondert nur Aias aus; die übrigen neun scheert er über einen Kamm, sie sind ihm éasywgsos. Aber ich möchte glau- ben, daß Pausanias, der I 5, 2 nur die sieben ersten Eponymen für

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 483

rung der solennen Folge auch auf Herkunft Riicksicht genom- men. Außerdem scheint dem allgemeinen Ansehn nachgefragt zu sein, Erechtheus hat den Ehrenplatz als ein besonders ange- sehener Heros, und auch die beiden ihm angeschlossenen, Ae- geus und Pandion, sind angesehene Heroen gewesen °°); Obsku- ritäten sind im allgemeinen nachgeordnet. Wie konnte aber der Gesetzgeber mehreren Gesichtspunkten zugleich folgen? mußten nicht mehrere Gesichtspunkte einander stören? Da ist denn erstlich zu sagen, daß neben dem gottesdienstlichen Gesichts- punkt nicht noch zwei andere, ein nationaler und ein dignitäti- scher, anzuerkennen sind. Den nationalen Gesichtspunkt muß man streichen , weil er in dem dignitätischen mitbegriffen ist ; für den in Athen centralisierten Staat ist ein Ausländer wie Aias schon darum weil er dem Auslande angehört, von gerin- gerer Wichtigkeit und Bedeutung. Dagegen läßt sich nicht be- streiten, daß die solenne Folge, obwohl auf gottesdienstlichen Beziehungen beruhend, doch auch eine Art von Rangordnung darstellt, mithin nach zwei Gesichtspunkten gebildet ist. Was dann die letzteren und eine mögliche Störung des einen durch den andern betrifft, so erwäge man Folgendes. Der Gedanke eine gottesdienstlich begründete Folge von Heroen die zugleich dem Range der Heroen entsprach, aus den Jahreszehnteln her- zustellen muß sich dem Klisthenes durch eine gewisse Gunst der Umstinde, d. h. der Gegebenheiten des Festjahrs empfohlen haben, da er sich ja auch anders hütte wenden kónnen, indem er seine Phylen nach Góttern benannte oder sie, wenn ihm Gütter nicht paßten, (s. oben S. 449), bloß numerierte. Günstig wa- ren Jahreszehntel wie das erste (Hek. und Metag.) und das neunte (Mun. und Tharg.). Das erste Zehntel bot den pana- thenäischen Heros Erechtheus dar; dies war zugleich der Rang- ordnung gemäß, Erechtheus war durchaus würdig den Reigen der Eponymen zu führen. Wenn dann das Festjahr salaminische Aeanteen im neunten Jahreszehntel darbot, wonach dem Aias

Athener erklärt, die allgemeine Ansicht richtiger giebt. Er sagt nicht geradezu, daß Hippothon Aias und Antiochos unechte Athener, Aus- länder, sind, meint es aber doch.

80) Von den der Antigonis und Demetrias gegebenen Plätzen 1 und 2 sagt Böckh CIGr. I p. 153 sehr richtig, es habe den Macht- habern damit geschmeichelt werden sollen (Demetrius et Antigonis, quas Athenienses nimia adulatione primo loco posuerint).

31 *

484 A. Mommsen,

ein viel bescheidenerer Platz, der neunte und vorletzte, zu ge- ben war, so entsprach das wiederum auch der Rangordnung, weil Aias fiir Athen nicht von der Dignität war wie Erechtheus Kekrops und andere echt attische Heroen. Hier nun brauchte Klisthenes nur zuzugreifen. Günstig waren auch andere Fälle, die wenn sie ihm auch das Gewiinschte nicht so geradezu in den Schoß warfen, sich doch so benutzen ließen, daß zum Ziele ge- langt ward. Bei Pandion, der den Uebergangsjahrszeiten ange- hört, s. oben S. 271, 42, blieb eine Wahl, und die Wahl wurde durch Heranziehung des zweiten Gesichtspunktes so entschieden daß dem sehr angesehenen Heros der ihm gebührende vorneh- mere Platz zufiel. Wählen konnte Klisthenes o. Zw. auch in Betreff der heraklidisch zu benennenden Phyle; eine Berück- sichtigung der kynosargischen Herakleen, wahrscheinlich eines nachsommerlichen Festes #!), würde der Phyle zu einem der an- sehnlichsten Plätze verholfen haben; aber der Heraklide hatte den echt attischen Heroen zu weichen, er empfing den zehnten und letzten Platz. Daß dann die Umstände keineswegs über- all günstig waren, lehrt die Mittelpartie der solennen Folge: Leos Akamas Oeneus Kekrops. Hier hat der altberühmte, kaum dem Erechtheus nachstehende Kekrops einen schlechteren Platz als Leos Akamas und Oeneus; zu dieser Verletzung des zweiten Gesichtspunktes nóthigten die Gegebenheiten des Festjahrs; Ke- krops war von der Wasserspende und den areopagitischen Brüu- chen (Anthesterion) nicht zu trennen, und in den vorangehenden Zehnteln ließen sich bessere Heroen nicht finden, ja die Ungunst der Umstände war vielleicht so groß, daß Klisthenes Lücken- büßer nach Maßgabe der Bräuche zu schaflen gezwungen war. Das Ergebniß dieser Erörterung ist, daß die beiden Gesichts- punkte einander nicht störten, weil der des Ranges nur sekun- där war und je nach Umständen Beachtung fand oder unbe- achtet blieb.

Schließlich müssen wir noch auf das Los und seine alljähr-

81) Ich setze die kynosargische Feier in den Metagitnion und glaube sie abgebildet in der bezüglichen Gruppe des Reliefs, welches sich in Athen an der Panagia Gorgopiko befindet. Daß die Gruppe den Monat Metagitnion angeht, hat Bursian erkannt; s. Centralblatt 1866, n. 44, October 27. Andere haben Boedromion (Bötticher Philol. XXI S. 421 ff.) oder Pyanepsion (Dettmer de Hercule Att. p. 49) vorgeschlagen.

Die zehn Eponymen u. die Reihenfolge der Phylen Athens. 485

liche Benutzung bei den Prytanien zuriickkommen. Fiir die Zeit vor 490 sind erloste Prytanien durch nichts unterstiitzt, der Beweis für 490 sogar läßt sich anfechten, s oben S. 464, 26. Es ist mithin ohne weiteres möglich, für die ersten Lustren nach Klisthenes’ Reform (Ol. 68, 1 ff) eine Alleinherrschaft der so- lennen Folge anzunehmen. Für diese Möglichkeit einzutreten, also den gegen sofort (seit Ol. 68) erloste Archonten erhobenen Protest 8?) auf die Prytanien auszudehnen, veranlaßt eine Be- trachtung der Eigenschaften welche die solenne Folge hat, so- wie der Beziehungen die zwischen ihr und dem Festjahr ob- walten. Stellen wir denn diese Betrachtung noch an.

Die solenne Folge besaß ein gewisses Ansehn und eine be- merkenswerthe Kraft sich zu behaupten. Obwohl diese Eigen- schaften wesentlich aus der Anlehnung au die Festzeiten flossen und sich vielleicht sagen ließe, so lange die Festzeiten bestan- den, habe auch die solenne Folge in Ansehn und Kraft bleiben müssen, so waren die gottesdienstlichen Bezüge doch nicht überall so direkt und bestimmt, daß sie die solenne Folge unter allen Umständen über Wasser halten konnten. Wenn die neue Regel, daß die Erechtheis den 1. Platz haben müsse, die Aegeis den 2. u.s.w., gleich ihre Ausnahme, und eine schwerwiegende Aus- nahme, mitbrachte, so war das nicht der Weg sie zur Autorität gelangen zu lassen; die Herrschaft des auf die Prytanien ange- wendeten Loses ward alljährlich, um: nicht zu sagen alltäglich, empfunden, während diejenige Benutzung der solennen Folge, welche es mit den Prytanien allein aufnehmen konnte, die epi- taphische, manches Jahr ausfiel; öffentliche Bestattungen fanden ja nur in Folge von Kriegsläuften statt. So empfiehlt es sich denn mehr anzunehmen, das über die Prytanien verfügende Los habe nicht von vornherein zu den Institutionen der neuen Ver- fassung gehört, sondern sei später zugefügt.

Was dann die Beziehungen zum Festjahr angeht, so ist es wenig glaublich, daß Klisthenes die Zehntel nach Heroen abge- sucht oder den Zehnteln Heroen angepaßt und dann die nach An- leitung der Zehntel gebildete Reihe dem Lose überantwortet habe, auf daß es sie umwerfe und alljährlich eine andere Reihe bilde,

82) Grote II S. 427, Emil Müller Jahrb. f. Phil. LXXV (1857) S. 756 £, M. Duncker VII S. 593, 1.

486 A. Mommsen, Die zehn Eponymen u. s. w.

vermöge welcher das Verhältniß zu den Zehnteln preisgegeben wird. Ist er bei Aufstellung und Anordnung der Eponymen und der nach ihnen benannten Stimme dem Festkalender und den Beziehungen der einzelnen Feste zu Heroen die sie gestiftet und gefördert hatten oder in anderm Sinne von ihnen untrenn- bar waren, gefolgt, so muB seine Meinung die gewesen sein, daß in den Tagen der Hauptfeier des Erechtheuskreises, der Pana- thenüen, allemal die Erechtheis, in den Tagen der von Aegeus eingesetzten Nemesien allemal die Aegeis und so jede Phyle in der ihren Eponymos und sie selbst angehenden Zeit amtieren solle, und hat seine Politik ein gottesdienstliches Kleid getragen. Die Zeitgenossen des Klisthenes dürften nichts eingewendet haben, im Gegentheil. Es werden die Mitglieder der einzelnen Stämme den Heroen gegenüber welchen sie ihren Namen und ihre Einigung verdankten, in der Stimmung gewesen sein den Namengebern und Einigern ernstlich zu dienen und zu huldigen. Spüter mochte es genügend scheinen dem Eponymos theilzu- geben an den Opfern welche die dem Lose nach fungierenden Prytanen bei der Tholos und dem Standorte der zehn Heroen- bilder, vermuthlieh am ersten Tage der Prytanie, darzubrin- gen pflegten; Pausan. I 5, 1. Aber in Klisthenes’ Zeit als die Stimme etwas Neues waren, wurde dem noch lebhaften Gefühl der Verpflichtung schwerlich genügt durch solch ein geschäfts- mäßiges Opfern bloß um geopfert zu haben; es mußten die Ge- nossen eines jeden Stamms eine Kalenderzeit wühlen, wo sie den Spuren ihres Heros begegneten, wo auch wohl Ceremonien die er gestiftet, auszuführen waren; die Kekropiden zum Beispiel hatten sich an die Kalenderzeit der auf Kekrops zurückzufüh- renden Brüuche im Monat Anthesterion zu halten und indem (nach der damals auch für die Prytanien geltenden Folge Erech- theis Aegeis u. s. w.) der Staat in der Anthesterienzeit zugleich von fünfzig Mitgliedern der Kekropis reprüsentiert, die ganze feiernde Gemeinde also so zu sagen kekropisch angehaucht war, fand das Pietütsgefühl gegen den Heros seinen richtigen und vollen Ausdruck,

Hamburg. A. Mommeen.

ne le > = o--—._

XXV.

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum.

In einer Programmabhandlung !) hatte ich ausgeführt, daß die in so vielen Stüdten Italiens und der Nachbarprovinzen in den Inschriften erscheinenden dendrophori gleichzeitig eine zünf- tige Berufsgenossenschaft und ein sacrales Colleg darstellen. Ich suchte dort zu erweisen, daB die dendrophori in ihrem biirger- lichen Beruf identisch sind mit den lignarii oder Holzhändlern und Holztransporteurs, und dafì sie als Colleg constituiert wur- den, um bei den Festen der Magna Mater und des A t- tis die sacrale Funktion der Dendrophorie zu übernehmen. Seit dieser Zeit ihrer Constituierung, wahrscheinlich seitdem Kaiser Claudius das große Dendrophorenfest am 23. März eingesetzt, führten die Collegien der lignarii den griechischen Namen, und dieser findet sich als der sacrale und vornehmere fortan stets in den Inschriften gebraucht. In Bezug auf diesen Gebrauch hatte ich damals bereits gesagt, daß der Name dendrophori diesen Handwerkern eigentlich als religióser Sodalitit der Magna Mater zukomme. Wenn sie nun auch im bürgerlichen Leben, als Handwerker diesen Namen führten?) und der Name lignarü, nach den Inschriften zu urtheilen, ganz schwünde, so

1) Die Vereine der fabri centonarii und dendrophori im rim Reich. I. Die Natur ihres Handwerks und ihre sacralen Beziehungen. Frankfurt a/M. 1886. S. 19 f.

a2 Auch einzelne nennen sich dendrophorus in Grabschriften u. dgl.

488 H. C. Maué,

môge zweierlei die Ursache gewesen sein: einmal drückte ja der Name dendrophori = Holzlieferanten oder Holzfuhrleute, abge- sehen von der technisch-sacralen Bedeutung des Wortes, ihre btirgerliche Thätigkeit noch deutlicher und klarer aus als ihr bisheriger bürgerlicher Name Zignarii, dann aber erinnerte der neue Name sofort an ihre Beziehung zu der Gottheit und gibe ihrem Handwerk eine religiise Weihe und daher ein gewisses Ansehen. In Inschriften aber, die bestimmt seien, das Anden- ken der darin Genannten der Nachwelt zu iiberliefern, kämen naturgemäB nur die Bezeichnungen zur Verwendung, die eines- theils officieller Natur, anderntheils aber geeignet seien, das An- sehen des zu Verewigenden zu heben.

Dieser Versuch den sacralen griechischen Namen des rémi- schen Handwerkercollegs und das Verhältniß dieses Namens zu der lateinischen profanen Bezeichnung desselben Handwerks zu erklären, erhält eine durchaus sichere Bestätigung durch eine erst ganz kiirzlich aufgefundene Casteler Inschrift, welche ein analoges Verhältniß in der Benennung eines und desselben Collegs aufweist: es ist das Colleg der hastiferi so ihr sa- eraler Name oder der pastores im bürgerlichen Leben.

Diese Inschrift eines Sandsteinaltars, welcher am 19. Juli 1887 zwischen dem Rheinufer und dem Wasserthurm der Ce- mentfabrik Amöneburg gefunden wurde, lautet, nach der Publi- kation des Obersten A. v. Cohausen in den Ann. d. Ver. f. Nass. Alterthumskunde u. Geschichtsforsch. 1887, Bd. X X 8S. 150:

In H DD NuM AVG HAStIFERII SIVEPASToR CONSIS ENT ESKASTELLO MATTIACORVM

ESVOPOSVE rVNT VIIITKA L APRILE 8

Iu LIANOETCRIs

PINOCOs == 224 n. Chr.

Die Inschrift ist, auch ganz abgesehen von der durch sie ge- wonnenen endgiiltigen Fixierung des Namens des rimischen Ca-

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. 489

stel, von großer Wichtigkeit und hohem Interesse nach meh- reren Seiten hin, und wir diirfen sie den hervorragendsten Fun- den zuzühlen, welche in neuerer Zeit in den Rheinlanden ge- macht worden sind.

Die hastiferi von Castel oder von Civitas Mattiaco- rum sind uns längst bekannt aus einer Dedikationsinschrift, welche von ihnen im J. 236 der Virtus Bellona gewidmet wurde?) Das Wesen dieser Speertriger zu ergründen sind die Forscher seit der Zeit der Auffindung der Inschrift i. J. 1809 vielfach bemüht gewesen. Es stehen sich hierbei zwei Ansichten gegenüber: nach der älteren sind die hastiferi eine aus Bewoh- nern der bürgerlichen Ansiedelung gebildete Municipalmiliz ge- wesen, nach der anderen dagegen, welche besonders von J. Becker in den Nass. Annalen Bd. VII S. 44 f. vertreten wird, stellen die hastiferi ein sacrales Colleg dar. Bei Becker findet sich die Literatur angeführt. Der letzteren Ansicht hatte ich mich in der angeführten Programmabhandlung S. 21 f. A. 14 angeschlossen, allerdings mit der Modification, daß. ich nicht in dem Worte hastiferi wie Henzen, Becker und auch Th. Mommsen im Hermes (VII 1878 S. 325 A. 4) eine lateinische Uebersetzung des Wortes dendrophori erblicken und beide Collegien nicht fiir identisch halten konnte.

Die andere Ansicht dagegen, daB die hastiferi eine militä- risch organisierte Stadtwehr gewesen seien, hatte neuerdings noch ihre Vertreter gefunden in der 2. Bearbeitung der Staats- verwaltung v. J. Marquardt (Bd. II S. 538, 1884) und bei Th. Mommsen (Rôm. Gesch. V 1885 8. 135 A. 2); auch Cagnat (de municipalibus et provincialibus militiis in imperio Romano, Paris 1880 p. 80) neigt sich dieser Ansicht zu.

3) Or. 4983 = J. Becker, Nass. Ann. VI S. 44 f. = Bram- bach 1336 = J. Becker, Inschr. d. Mainz. Mus. 82. Wir geben den Text nach Brambach: In. h. d. d. deae. Virtuti. Bello|ne. montem Vaticanum | vetustate. conlabsum | restituerunt hastiferi. ci|vitatis. Mattiacor. X. Kal. | Sep. Emp. JAH | et. Africano. cos. hi. quorum no|mina. i. 8. ta. sunt | G. Meddignatius. Severus cur. bis. | Dann in zwei Columnen: a. L. Levinius Quetus. | T. Vitalinius Peregrinus | Costantius. Marcianus | Crixsius. Adnamatus | Giamillius. Crescens | Titius Belatullus |... . us. Severus|...t.. fus Costas eet eee es ss. Victor | 5. Tertinius Abrosus | Marcrinius Pris[o]us Atregtius. Cupitianus | Perrius. Justinus. Ri .. sop (? dieser 3. Name fehlt sonst in allen mir zugänglichen Lesungen) | Attonius Asclepius | Ursius Maturus | Statutius Secundinus | Servandius. Senurus.

490 H. C. Maué,

Die Gründe, welche Becker zu seiner Auffassung brachten, sind in Kürze die folgenden: die Wiederherstellung des heiligen dureh Alter verfallenen mons Vaticanus konnte der Natur der Sache nach nur cin frommes, religióses Werk sein; daher müsse man schon aus diesem Grund allein an dem militärischen Cha- rakter der Aastiferi zweifeln. Unter diesen aber würden die drei ersten mit ihren drei Namen genannt, was in Verbindung mit ihrem Voranstehen auf die Vorstandschaft über die ganze Ge- nossenschaft hinweise. Ferner aber würde der zuerst stehende C. Meddignatius Severus CVR(ator) BIS bezeichnet, cu- rator bedeute aber nur ein bürgerliches, dagegen kein militüri- sches Amt, und gerade an der Spitze von Berufs- und reli- giösen Genossenschaften (collegia, corpora, sodalitates) erschie- nen Curatoren hüufiger ). Soweit konnte ich mich Becker's Auseinandersetzung vollkommen anschlieBen, nicht jedoch seiner weiteren Ausführung, worin er nach Vorgang von Henzen) die Aastiferi für gleichbedeutend hielt mit den sonst hüufig vor- kommenden, jedoch in Germanien bis jetzt nicht nachweisbaren 9) dendrophori. Vielmehr suchte ich z. T. aus inneren Gründen, z. T. nach Notizen, die in Schriftstellern überliefert werden ?,

4) Zwar komme in einer Vienner Inschrift bei Reinesius p. 183 CLXIII ein MAGISTER ASTIFEROR D. N. vor, d. h. also ein Vor- steher kaiserlicher Leibwüchter, aber dies sei, soviel ihm bekannt, die einzige und, wie es scheine, aus spüter Zeit stammende Urkunde für hastifers überhaupt. Allein die richtige Lesung ist, wie sich aus Cagnat, l. 1. p. 79 nach Allmer, Inscr. Vienn. II, p. 328, n. 211 er- gibt MAGIST | ASTIFEROR | D. D., also kaiserlich sind diese

astiferi jedenfalls nicht. Aber auch davon abgesehen: gewichtiger als die Gründe Beckers spricht gegen den militärischen Charakter der Vienner hastiferi, wie ich schon in der Programmabhandlung her- vorgehoben, die Bezeichnung magister für ihren Vorsteher. Denn da- mit kann nur eine sacrale oder collegiale Würde, kein militüri- sches Amt in dieser Zeit gemeint sein. Daher sind auch diese Aasti- feri für eine sacrale Corporation anzusehen.

5) In den Annali dell’ Instit. arch. 1857, p. 26 A. 1.

6) Vgl. in meinen 'Ver.d.fabri' u. s. w. die Sammlung der In- schriften, und die geographische Uebersicht in meinem: ‘Der Prae- fectus fabrum. Ein Beitrag zur Geschichte des rôm. Beamten- thums und des Collegialwesens wührend der Kaiserzeit. Mit den In- schriften’. Halle 1887, S. 52.

7) Den Belegen, daß die Lanze im Dienst der Bellona eine wichtige Rolle spielte, ist noch die Inschrift bei Grut. 8. 318, 1 hin- zuzufügen, welche Becker l. l p. 49 citiert: danach wurde auf die Mahnung (monito) oder Weissagung eines Bellonariuseine Lanse (hasta) in aede Bellonae in luco geweiht. Auch ist ja bekannt, daß die ibr geweihte Lanze von den Fetialen bei Kriegser

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. 491

den Nachweis zu liefern, daß thatsüchlich bei dem orgiastischen Dienst der Virtus Bellona*) ein Collegium von Lanzen- trigern betheiligt war und zu dem chorus furentis Bellonae gehörte wie Juvenal (VI 512) das Gefolge dieser Göt- tin nennt.

Diese Erklärung, daß die hastiferi ein sacrales Collegium darstellen und jedenfalls nicht mit dem Handwerker- und sacra- len Colleg der dendrophori gleichbedeutend sind, hat durch die neugefundene Inschrift die klarste Bestätigung gefunden. Wies schon in der älteren die Art und Weise der Namenssetzung und Aufzählung auf ein Collegium hin, so sind die hastiferi in der neuen Inschrift auf das unzweideutigste als Collegium be- zeichnet durch die Worte consistentes kastello Mattiacorum. Denn diese Wendung ist die officielle Bezeichnung fiir ein mit staat- licher Concession an einem Ort bestehendes Collegium.

Das Wort consistere wird zwar häufig gebraucht von dem Verweilen an einem Ort, ohne daf der länger oder kürzer Ver- weilende daselbst auch domiciliiert ist. So gebraucht Caesar dasselbe, wenn er von dem Aufenthalt rimischer Biirger in Ce- nabum und Cabillonum redet ?), wo dieselben Handelsgeschäfte treiben. So ist in den Digesten das Wort gebraucht und das Consistieren in einen Gegensatz zum Domiciliiertsein ge- bracht 1°), und auch aus den Inschriften ist das Wort in dieser Bedeutung bekannt !!).

von der columna bellica aus, die vor ihrem Heiligthum stand, in das fingierte feindliche Gebiet geschleudert wurde, vgl. Ov. Fast. VI, 201 f.

8) Zu dem Doppelnamen vgl. Lactant. Inst. 1, 21,16: Vérduéss, quam eandem Bellonam vocant. St.-V. HI 75, A. 5.

9) Caes. b. G. VII 3 eivesque Romanos qui negotiandi causa tbi (in Cenabum) constiterant; ibid. VII 42 idem facere cogunt eos, qui ne- gotiandi causa 16: (in Cabillonum) consüterant.

10) Digg. 5 tit. 1, 1. 19 8 2: At si quo constitit, non dico ture domicilu, sed tabern’ılam, pergulum, horreum, armarium, officinam con- duxit, ibique distrazit, egit, defendere se eo loci debebit. Vgl. Vatican. $ 232 (b. Dirksen, Manuale s. v. 8 1) Si in provincia sit patrimo- nium, licet is, (qui) petitur, in urbe consistat . . . und Vat. fr. 247: tn Italia cives Romani consistentes.

11) Vgl. Henz. 5323 = Renier, Inscrr. de l’Alg. 4064 Rusy(unien- ses) et Rusg(uniae) consistentes, Or. 485 = CIL HI 5282 cives Romani ex Italia et aliis provineus in Raetia consistentes; CIL III 860 Ga/[at]ae consistentes municipio ; Or. 1246 cultores Iovis Heliopolitani Berytenses qui Puteolis consistunt; Wilm. 2239 = ‘Ver. d. fabri’ u.s. w. n. 221 Pri- sciani consistentis Luguduni pertinentis ad colegium fabror(um); vgl. auch die von Mommsen Herm. VII S. 318 nochmals zusammengestell- ten Inschriften von cives Romani, die in Lagerstädten consistieren.

492 H. C. Maué,

Daneben aber findet sich in der officiellen Benennung eines Collegs das Wort sehr hiufig in einer Weise mit dem Namen eines Lokals oder einer Stadt verbunden, daB wir an die tech- nische Bedeutung des Wortes eines vorübergehenden oder blei- benden Aufenthalts 1?) mit dem das Domiciliiertsein nicht ver- bunden ist, nicht denken können. Dieser Erkenntniß verschließt sich auch Th. Mommsen nicht, wennera.a.O. S. 810 A. 1 zu den negotiatores vinari Lugud(uni) con[sist]entes der Inschr. Henz. 7254 = Boissieu S. 390 bemerkt, daß der Ausdruck consi- stere mit dem Namen einer Stadt in dem oben angegebe- nen Sinn unstatthaft sei in Beziehung auf eine stüdtische Cor- poration, welche dem stüdtischen Gemeinwesen organisch ange- hóre und in diesem die Bedingung ihrer Existenz habe. Statt aber nun zu schließen, daß consistere hier nicht in dem ange- gebenen Sinn eines bloB voriibergehenden Aufenthalts gebraucht ist, nimmt Mommsen vielmehr eine incorrekte Abkürzung des Ausdrucks an, wie solche auf Inschriften hüufig begegneten. Diese negotiatores vinari von Lugudunum sind nämlich sonst 15) als Luguduni in canabis consistentes bezeichnet und hiermit seien die Geschäftsgebäude an dem Ausschiffungsplatz gemeint, mit denen auch das Gebäude verbunden gewesen, wo das Col- legium als solches zusammentrat. Auf diese canabae also so ist der Gedankengang beziehe sich der Ausdruck mit Recht, denn hier, in seinem Vereinslokal, hielt sich das Colle- gium nur gelegentlich auf, wührend der Ausdruck auf Lugdu- num bezogen, mit welcher Stadtgemeinde das Colleg organisch verknüpft sei, nicht passe. Nun existieren aber inschriftlich noch eine ganze Reihe von Benennungen von Collegien, in wel- chen in ganz gleicher, angeblich incorrekter Weise das Wort consistere mit dem Namen der Stadt in Locativ- oder den Lo- cativersetzender der Ablativform verbunden erscheint!*) Sie sind

12) „Vorübergehend“ definiert Cohn, z. röm. Vereinsr. S. 3 A.5, „bleibend“ Mo m msen, Herm. VII p. 309.

13) Henz. 7007 = n. 208 meiner Ver. d. fabr. u. s. w. negotia- (ori) vinari(o) Lugud(unt) in kanabis consist(enti) und ibid. negotiatores vinari [Lug] in kanab. consist(entes); Or. 4077 corporis negot. vinario. Luguduni in canabis consistentium.

14) Henz. 5216 = n. 220 fabri tignuar(*) qui Foro Segus(iavorum) conststunt; Henz. 5824 cultores qui Sigus consistunt; viell. CIL VII 11 = n. 294 [colle]gium fabror(um) qui in eo [loco consistunt]; Wilm. 2233 = n. 226 patrono centonarior. Lug(uduns) consist[ent(ium)]

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. 493

nicht minder zahlreich als die Stellen aus Collegialinschriften, in welchen consistere mit der Bezeichnung eines (Versammlungs-) Locals verbunden ist. Sollen wir da iiberall eine ,,incorrekte Abkürzung" annehmen? Die Vermuthung liegt doch unzwei- felhaft viel näher, daß die mehr technische: Bedeutung des Consistierens im Gegensatz zu dem Domiciliiertsein hier nicht obwaltet, da8 vielmehr dem Wort einfach die allgemeine Be- deutung des ,Bestehens, Geltunghabens, Existierens“ beizulegen ist, mit der Niiance, daB dies Bestehen eine rechtliche Begriindung hat.

Dieselbe Bedeutung des ,,Bestehens de iure“ ist sogar auch m. E. dem Wort beizumessen, wenn es in Verbindung mit dem Namen eines Locals verbunden steht, an welchem wir uns den Vereinssitz zu denken haben. Ich móchte sogar den Gedanken, daß in der Titulatur der Collegien mit dem Wort betont sein soll, daB der Verein in dem Vereinssitz oder -Local nur gelegentlich zusammentrete, nicht in demselben sein Domicil habe, für einen ganz unmôglichen halten, da das, was damit gesagt werden soll, wenn auf die einzelnen Mitglieder des Vereins bezogen, doch zu klar auf der Hand liegt, um noch einmal besonders ausgedriickt zu werden; wenn aber auf das Colleg als Ganzes bezogen, insofern dasselbe ei- nen abstrakten Begriff ausmacht, gar nicht einmal der That- sache entsprechen würde: denn das Colleg als solches hat al- lerdings sein Domicil in seinem Vereinslocal.

Die Bedeutung, die das Wort m. E. hier hat, ,,(rechtlichen) Bestand haben, existieren (als gestatteter Verein)" ergibt sich einestheils aus dem synonym gebrauchten esse !°) in Verbindung

Wilm. 2229 = n. 225 centenario Lug(udunt) consistent(i); Henz. 7007 = n. 223 patrono ... III vir(orum) utr[r]clur(iorum). fabror. Lugud(uni). consist(entium); Henz. 7260 = n. 222 corporat(t) inter fabros tign(artos). Lug(uduni) consistentes; Wilm. 120 = n. 229 dendrophori Luguduns consistentes; Henz. 6991 corporato inter utriclar(ios) Lug(udunt) consi- stentium (sic); ibid. 6950 patron(o) Conde[atium et Arec]ariorum Lu- gud(unt) consistenttum; Or. 2773 genio arenartorum consistentium ool(o- _ niae) Aug(ustae) Tre(virorum).

15) Or. 2414 collegium quod est in domu Sergiae Paul linae; Or. 4938 [co/]legium m[aiorum] et mino[r. quae] sunt in [do mo] Sergsae [L. f Paullinae: Or. 2389 (aus Verona) consti- tutors collegi numinis dominorum quod est sup. templo Divi Claudi. Vgl. damit Or. 1223 collegio sanctissimo quod consistit in praedis Larci Macedonis in cursa. Hier steht consistit. offenbar ganz

494 H. C. Maué,

mit einem Local, anderntheils daraus, daß thatsächlich das Wort in dieser Bedeutung, ganz besonders mit dem Nebenbegriff des rechtlich Begriindetseins ein sehr hiufig gebrauchter Aus- druck ist !9). Wir müssen also annehmen, wie ja auch die Stellen, in welchen est an Stelle des consistit steht, bezeugen, daB das Wort urspriinglich zu verbinden ist mit dem Wort collegium, nicht mit dem Wort, welches den Stand oder Charakter der Mitglieder angibt. Verbindungen wie Henz. 6302: collegium cocorum Au- g(usti) n(ostri), quod consistit in Palatio und die A. 6 aus Or. 1223 angeführte, enthalten also sprachlich und inhaltlich den urspriinglich correktesten Ausdruck. Nun wird aber bekanntlich in Collegialinschriften unzählige Mal anstatt der Bezeichnung der Corporation durch das Wort collegium oder corpus oder so dalicium einfach der Plural des Wortes gebraucht, welches den Beruf oder Charakter der Mitglieder anzeigt z. B. dendrophori Ostienses statt collegium dendrophororum Ost., und so wird denn zu dieser abstrakt gedachten Gesammtheit das Wort consistere hinzugesetzt, welches deswegen aber nicht in dem technischen Sinn des Consistierens der einzelnen Mitglieder, sondern nicht anders zu verstehen ist, als in Verbindung mit dem Wort collegium. Wenn wir daher bei Festus s. v. scribae lesen: publice adtributa est in Aventino aedes Minervae, in qua liceret scribis histrionibusque consistere, so heiBt das nicht, daB den Dich- tern oder Schreibern und Schauspielern im Tempel der Minerva erlaubt war zusammenzutreten zu gelegentlichem Aufenthalt (so Cohn z. róm. Vereinsrecht S. 3 A. 4) so

synonym mit dem sonstigen est, nur daß in diesem bloßen est nicht der Nebenbegriff des ,rechtlich Gestattetseins" mit enthalten ist.

16) Stellen hierfür aus den Rechtsquellen weist das Manuale v. Dirksen s. v. und besonders Heumann im Handlexicon z. Corpus iuris civilis s. v. in reichlicher Zahl auf. Ich führe nur die folgenden an: Digg. 45, tit. 1, 1. 98: et mazime secundum sllorum optnionem, qui eliam ea, quae recte constiterint, resolvi pulant, quum in eum casum reciderunt, a quo non potuissent consistere; ibid. 50, tit. 17, 1. 129 8 1 quum principalis causa non consistit, ne ea quidem, quae sequuntur locum habent; ibid. 24, tit. 1, 1. 27 Inter eos, qui matrimonio coituri sunt, ante nuptias donatio facta sure con- sistit, etiamsi eodem die nuptiae fuerint consecutae; ibid. 13, tit. 6, l. 1, 8 2 Impuberes commodati actione non tenentur, quoniam nec consistit commodatum in pupilli persona sine tutoris auctoritate, usque adeo, ut etiamsi pubes factus dolum aut culpam admiserit, hac actione non teneatur quia ab snitio non conststit. VgL auch noch Digg. 5, tit. 1. 1. 11; 20, tit. 1,1. 14, $8 1u. a.

Die hastiferi von Castellum Mattiacoram. 495

heißt consistere niemals 17) sondern, daß ihnen rechtlich ge- stattet war eine Corporation zu bilden, deren Sitz eben der Mi- nervatempel bilden sollte; der Ausdruck consistere ist also hier schon ein dem Vereinswesen technisch angehörender geworden. Und nicht anders ist es in der bekannten Inschrift !9) des col- legi fabrum soliarium baxiarium (centuriarum) III qui consistunt in urbe sub theutro Aug(usto) Pompeian(o), wo die Beziehung des consistunt auf qui trotz des vorherstehenden collegi nicht auffallen kann, nachdem einmal der technische Sprachgebrauch sich aus- gebildet hatte. So hatte ich bereits das collegium centonariorum Placentinorum consistentium Clastidi, (ein vicus von Placentia), ent- . gegen der Mommsen'schen Annahme als einen Zweigverein der centonar von Placentia erklürt, der einen besonderen Vereins- sitz in Clastidium hatte !?), und ebenso ist das Verhältniß zu denken bei dem collegium nautarum Veronensium Arelicae (ein vi- cus von Verona) consistentium °°). |

Ueberall also bedeutet in den oben angeführten Collegial- Inschriften die Verbindung des Wortes consistere mit dem Na- men einer Stadtgemeinde, daB das Colleg dort (mit staatlicher Genehmigung) seinen Sitz hat ?!), folglich auch in der neu ge- fundenen Inschrift unsrer Casteler hastiferi ??).

17) Auch Consistere c. alquo wird nicht in diesem Sinn gebraucht, sondern bedeutet nur soviel als ,,auf der Strafe bei einem stehen bleiben, um mit ihm eine Unterredung zu führen‘, so bei Plaut. Curc. 4, 2, 16: „nec vobiscum quisquam in foro frugi consistere audet. Qui constitit, culpant eum, conspuitur, vituperatur“‘; id. Cist. 4, 2, 31 „sed is hac tit: hac socci video vestigium in pulvere: persequar hac. In hoe tam loco cum altero constitit". Cic. p. red. in sen. 6, 14; Verr. act. I 7, 19.

18) CIL VI 9404 Or. 4085.

19) Ver. d. fabri u. s. w. p. 49.

20) CIL V 4017.

21) Der Ausdruck kommt also in der Bedeutung dem Zusatz nahe, den wir sonst ófter in Collegialinschriften hinter dem Namen des Collegs finden: quibus ez s(enatus) c(onsulto) coire licet oder per- missum est, z. B. Or. 4075; 8140; Henz. 6633; CIL IX 2218 ; X 3700; 5198. Ueber die Bedeutung dieses Senatsconsults vgl. meinen Praef. fabr. p. 23 f., bes. Anm. 6.

22) Auch aus einer andern rômischen Niederlassung in den Rhein- landen, aus Cöln, ist eine Collegialinschrift mit analoger Bezeich- nung des Collegs bekannt geworden, ein collegium [f]ocartorum [con- sist]entium [Coloniae Claudiae Augustae Agrippinensium] zuerst von H. Düntzer in den Bonn. Jhrbb. 42, 8. 83 f., dann bei Brambach, C. J. Rh. Addenda p. XXIX als n. 2041 ediert = Wilm. 2287). Düntzer hält die focari für Verfertiger von foci d.i. Kochgeschirren.

488 H. C. Maué,

möge zweierlei die Ursache gewesen sein: einmal drückte ja der Name dendrophori = Holzlieferanten oder Holzfuhrleute, abge- sehen von der technisch-sacralen Bedeutung des Wortes, ihre bürgerliche Thätigkeit noch deutlicher und klarer aus als ihr bisheriger bürgerlicher Name lignarii, dann aber erinnerte der neue Name sofort an ihre Beziehung zu der Gottheit und gübe ihrem Handwerk eine religióse Weihe und daher ein gewisses Ansehen. In Inschriften aber, die bestimmt seien, das Anden- ken der darin Genannten der Nachwelt zu überliefern, kämen naturgemi8 nur die Bezeichnungen zur Verwendung, die eines- theils officieller Natur, anderntheils aber geeignet seien, das An- sehen des zu Verewigenden zu heben.

Dieser Versuch den sacralen griechischen Namen des rómi- schen Handwerkercollegs und das Verhältniß dieses Namens zu der lateinischen profanen Bezeichnung desselben Handwerks zu erklären, erhält eine durchaus sichere Bestütigung durch eine erst ganz kürzlich aufgefundene Casteler Inschrift, welche ein analoges Verhältniß in der Benennung eines und desselben Collegs aufweist: es ist das Colleg der hastiferi so ihr sa- craler Name oder der pastores im bürgerlichen Leben.

Diese Inschrift eines Sandsteinaltars, welcher am 19. Juli 1887 zwischen dem Rheinufer und dem Wasserthurm der Ce- mentfabrik Amöneburg gefunden wurde, lautet, nach der Publi- kation des Obersten A. v. Cohausen in den Ann. d. Ver. f. Nass. Alterthumskunde u. Geschichtsforsch. 1887, Bd. XX S. 150:

In H DD NuM AVG HAStIFERII SIVEPASToR CONSIS ENT ESKASTELLO MATTIACORVM

ESVOPOSVE rVNI'VIIITKA L APRILE §

Iu LIANOETCRIs

PINOCOs = 224 n. Chr.

Die Inschrift ist, auch ganz abgesehen von der durch sie ge- wonnenen endgiiltigen Fixierung des Namens des rimischen Ca-

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. . 489

stel, von großer Wichtigkeit und hohem Interesse nach meh- reren Seiten hin, und wir dürfen sie den hervorragendsten Fun- den zuzühlen, welche in neuerer Zeit in den Rheinlanden ge- macht worden sind.

Die hastiferi von Castel oder von Civitas Mattiaco- rum sind uns lüngst bekannt aus einer Dedikationsinschrift, welche von ihnen im J. 286 der Virtus Bellona gewidmet wurde?) Das Wesen dieser Speertrüger zu ergründen sind die Forscher seit der Zeit der Auffindung der Inschrift i. J. 1809 vielfach bemüht gewesen. Es stehen sich hierbei zwei Ansichten gegenüber: nach der älteren sind die Aastiferi eine aus Bewoh- nern der bürgerlichen Ansiedelung gebildete Municipalmiliz ge- wesen, nach der anderen dagegen, welche besonders von J. Becker in den Nass. Annalen Bd. VII S. 44 f. vertreten wird, stellen die hastiferi ein sacrales Colleg dar. Bei Becker findet sich die Literatur angeführt. Der letzteren Ansicht hatte ich mich in der angeführten Programmabhandlung S. 21 f. A. 14 angeschlossen, allerdings mit der Modification, daB. ich nicht in dem Worte hastiferi wie Henzen, Becker und auch Th. Mommsen im Hermes (VII 1878 8. 325 A. 4) eine lateinische Uebersetzung des Wortes dendrophori erblicken und beide Collegien nicht für identisch halten konnte.

Die andere Ansicht dagegen, daß die hastiferi eine militä- risch organisierte Stadtwehr gewesen seien, hatte neuerdings noch ihre Vertreter gefunden in der 2. Bearbeitung der Staats- verwaltung v. J. Marquardt (Bd. II S. 588, 1884) und bei Th. Mommsen (Róm. Gesch. V 1885 S. 185 A. 2); auch Cagnat (de municipalibus et provincialibus militiis in imperio Romano, Paris 1880 p. 80) neigt sich dieser Ansicht zu.

3) Or. 4983 = J. Becker, Nass. Ann. VII S. 44 f. = Bram- bach 1336 = J. Becker, Inschr. d. Mainz. Mus. 82. Wir geben den Text nach Brambach: In. h. d. d. deae. Virtuti. Bello|ne. montem Vaticanum | vetustate. conlabsum | restituerunt hastiferi. cilvitatis. Mattiacor. X. Kal. | Bep. Imp. ////]]IIHBIHHUTUTITII]! | et. Africano. cos. hi. quorum no|mina. i. s. ta. sunt | G. Meddignatius. Severus our. bis. | Dann in zwei Columnen: a. L. Levinius Quetus. | T. Vitalinius Peregrinus | Costantius. Marcianus | Crixsius. Adnamatus | Giamillius. Crescens | Titius Belatullus | . . . . us. Severus |. . . & . . fus Costas sos. ss. Victor | 5. Tertinius Abrosus | Marcrinius Pris[c]us Atregtius. Cupitianus | Perrius. Justinus. Ri .. sop (? dieser 3. Name fehlt sonst in allen mir zugänglichen Lesungen) | Attonius Asclepius | Ursius Maturus | Statutius Secundinus | Servandius. Senurus.

493 HK. C. Maze,

Ausdruck cousisientes kastello Mattiacorum dagegen wird das Col- leg seiner Ortszustandigkeit nach charakterisiert, d h nach dem Domial. wo das Colleg von Staatswegen eoncessioniert ist. So benennen sich auch die fabri tigauarü von Ostia bald fabri lign. Ostienses **) bald fabri liga. Ostie**:. und im letzwren Fall ist natürlich consistente: zu erganzen.

Auch die neugefundene Inschrift der Aastferi enthält wie die bereits früher bekannte eine sacrale Dedikation. diesmal al- lerdings nicht an Bellona. die Gottheit. deren Dienst sich die Bruderschaft zur besonderen Aufgabe gemacht. vielmehr ist die Dedication unsers Altars an die Schutzgomheit des Kaisers zu Ehren aes göttlichen Hauses nur der gewöhnliche Ausdruck der Lovalitat. die sich in gleicher Form sowohl in Widmungen ein- zeiner Persenen. wie ganz besonders auch ganzer Corporationen, zumal zinfiiger, häufiger kundgibt. Darum halen wir aber dennoch unsere Ansicht. die wir bereit: früher zu begründen gesucht *i aufrecht. daß die hastiferi zu dem Dienst der orgia- süsch verehrten Bellona gehörten. und daß sie bei den Pro- cessionen dieser speertragenden Gorin selbst als Speerträger fangierten Für die Verbreitung und Wichtigkei: der aus dem Orient stammenden Gottesdienste gerade in den Rbeinlanden zeugen for: und fort neue Funde " . und es darf uns daher nich: Wunder nehmen. daß der Cuius der orientalischen Bel- lens. die mir der al:ròmischen Rriegsgétün verschmolzen war, in CasteLum Mattiacorum. wie der Name unsers Collegiums be- zeuz:. eine officielle Verehrung gefunden hare. Der Dienst cer Bellona zumal ist in der rein militärischen und strate-

zeirem Praefectus fabrom p. 167 f. 2 R. 2. " ce dacrum) Jabiro-

run. penädusimoe eir:ahs Ariminensum: TS: 14i: 5): [8]: [11— ig}: 2:— 231 134]: 137.

$=) Vgl Yee d. fabri a. s w. n. 8: 70: 75; Nachtrag [12]; 1130: lid.

21 Ver. d. fabri c. a w. n. 72; 73; 74: Nacktrag 1) Vgl acct = 113 omo cissectorum fd. ww: dendr. Feitriae siomque Beruensuum. Auch bier ist nach Feärsse das Wort consisten- zum rz ergänzen.

Sr. Ver. d. fabri u. & w. p. 22 f. A. 14.

31: Val. die körziich gefundene Mainzer Inxbrft: In À(omerem d'ou dara deo Ainsi TFoetorins Salacons über£ us] Korr. d. Westd. Z& br. f Gesch. v. Kunst VI 1587. S I £: eim neuves Mi- rirgeumi cit bedectenden Skcipturen und Inatriften wurde 1887 in Hèilierzzeiri gefuróen. worîber ausfitriicter Bericht v. A. Ham merara 20 VI 1557 S. 40 f.

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y

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. 499

gisch so wichtigen Festungs- und Stadtanlage ein sehr nahe- liegender 3”).

Wenn nun unzweifelhaft feststeht, daB die hastiferi ein Col- legium darstellten, so ist damit ausgeschlossen, daß sie zu mi- litärischen Zwecken, etwa einer Grenzwache, verwendet wor- den seien °°), wogegen ja auch schon ihre geringe Zahl spricht, die nach der Inschrift v. J. 236 nur 18 beträgt **). Wohl fin- den sich militärisch gegliederte Collegien mit Centurien- und Decurieneintheilung unter Leitung von Centurionen, Decurionen 5°) und Praefekten °°), wohl heißt es von Hadrian"), daß er simmtliche Bauhandwerker in militürisch organisierte Verbünde einrangierte, die geradezu ,,Cohorten“ genannt werden, allein diese Organisation, welche nur bei wenigen und ganz bestimmten, dazu nur bei mitgliederreichen Classen von Handwerkern vor- kam, bezweckte keineswegs militärische Verwendung, weder zum Angriff noch zur Vertheidigung °°), sondern sie wurde für zweck- mäßig gefunden für Dienstleistungen, bei welchen es auf strengste planmäßige Ordnung und Regelmäßigkeit ankam, bei der Aus-

führung großer Bauten, für den Löschdienst u. ä. Leistungen ; sind doch auch unsere modernen Feuerwehren ganz militärisch eingerichtet. Außerdem aber findet sich ja in unsern Inschriften

32) Vgl. den 1841 in Mainz gefundenen Stein Brambach 998:

Bellonae | Terentia | Martia | v. s. l m.

33) Das vielberufene collegium Germanorum , der germanischen kaiserlichen Leibwache in Rom, welches man hier entgegenhalten könnte, läßt sich gar nicht in Vergleich bringen. Dasselbe war ein- fach eins der sehr zahlreichen Sklavencollegien des kaiserlichen Palastes und gehörte zu der Leibdienerschaft, aber keineswegs zu den milites. Was Cohn, Z. róm. Ver. S. 118 über dasselbe nach- zuweisen sucht, ist durchaus unzutreffend, doch ist hier nicht der Ort darauf einzugehen. .

34) Es läßt sich freilich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob in den Worten di quorum nomina infra scripta sunt nicht implicite ent- halten ist, daß außer den aufgeführten dedicierenden Mitgliedern noch andere, die zu den Kosten nicht beitrugen, vorhanden waren. Doch ist diese Annahme die unwahrscheinlichere.

35) Vgl. meinen Praefectus fabrum p. 55 f.

36) Vgl. Praef. fabr. p. 72 f.

37) Sex. Aur. Vict. c. XIV: ad specimen legionum militarium fa- bros, perpendiculatores, architectos, genusque cunctum extruendorum moenium seu decorandorum, in cohortes centuriaverat. Vgl. Praef. fabr. p. 39.

38) Im Gegentheil bestand jederzeit das ängstliche Bemiihen, das Collegial- und das Militärwesen ganz von einander gesondert zu hal- ten, vgl. meinen Praef. fabr. p. 34 f. und besonders p. 69 f. u. p. 74.

32 *

500 H. C. Maué,

keine Spur, daB das kleine Colleg der hastiferi militärisch or- ganisiert war, und endlich móchte ich auch glauben, daB ge- rade in Castellum Mattiacorum, welches zusammen mit Mogontia- cum das Hauptbollwerk der rimischen Macht in Obergermanien bildete, wo daher stets eine starke Besatzung lag, eine solche Municipalmiliz nicht einmal BediirfniB war. Es ist also nach allem vollkommen ausgeschlossen, daß die hastiferi eine Munici- palmiliz bildeten.

Wie unsere Inschrift besagt, war nun dieses sacrale Colleg der hastiferi zusammengesetzt aus Mitgliedern, die ihrem bürger- lichen Beruf nach Hirten waren, und es erhebt sich natiirlich sofort die Frage, warum gerade die Hirten die sacrale Funk- tion der Hastiphorie bei den Fasten der Bellona iibernahmen. Die Frage ist nicht so schwer zu lôsen, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Vor allem muf man sich hiiten, nach inneren Beziehungen zwischen den Hirten und der Bellona zu suchen. Auch hier ist die Analogie der dendrophori wieder sehr lehrreich. Es ist ja ganz unzweifelhaft, daß die Zunft der Holzlieferanten und -transporteurs, also der Zignarii, zum sacralen Colleg der Baum- triger der Magna Mater und des Attis darum wurden, weil sie die bei einem Umzug nöthigen Bäume lieferten. Sie sind ja bereits durch ihren bürgerlichen Beruf ,Jdendrophori* gewesen. Die Beziehung zur Magna Mater, deren eigenstes Colleg die dendrophori sind, ergab sich also aus einem rein duferlichen, um nicht zu sagen zufälligen Umstand. Dies gibt uns den Fin- gerzeig, wie die Hirten zur Hastiphorie kamen. Auch sie sind durch ihren bürgerlichen Beruf bereits Rastiferi, wenigstens zweifellos in der fernen Grenzwacht des rómischen Reichs im rauhen Norden, und sie hatten ihre Lanzen und Stachel- instrumente nicht nur nóthig zum 'Treiben des ihnen anver- trauten Viehes wie noch jetzt die Ochsenhirten der rómischen Campagna sondern auch zum Schutz desselben gegen Raub- thiere und feindliche Ueberfülle. Es verlohnt sich, näher zuzu- sehen, welches überhaupt das charakteristische Instrument der Hirten in rómischer Zeit gewesen sein mag.

Schon der alte Gottfried Grosse bemerkt in seiner trefflichen Uebersetzung von ,des M. Terentius Varro Buch von der Landwirthschaft“ (Halle 1788 8. 237/88 A. 562): „man

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. | 501

sieht aus dieser Stelle, daß sich die alten Hirten auch schon der Hörner bedient haben, von der Peitsche aber, durch deren Knall jetzt unsere Hirten die Heerden commandieren, finde ich noch bis jetzt keine Spur“. Eine solche Spur ist nun allerdings seither m. W. mindestens in einem Falle gefunden auf dem weiter unten noch zu erwähnenden Grabstein des bei Mainz ermordeten Viehzüchters Iucundus: auf der unter ‘der In- schrift angebrachten rohen Reliefdarstellung ist der seine Schaf- heerde begleitende Hirt nach dem Bericht der Herausgeber der Inschr. mit einer Peitsche dargestellt, die nach der Abbil- dung (Bonn. Jhrb. LXXIV, Taf.I) unsern Hunds- oder Schweine- peitschen mit kurzem Stiel ühnelte. Jedenfalls aber zeugt das Fehlen oder die Seltenheit sonstiger Spuren, wenn auch nicht für die Unbekanntheit, so doch für den seltenen Gebrauch der Peitsche bei den Heerden.

In friedlicher Gegend und in dem idyllischen Leben, wel- ches Theokrit und Virgil besingen, trugen die Ochsen- und Kuh- hirten gewöhnlich nur den einfachen langen Stab, der selbst schon hastile genannt wird??). So finden sich u. a. Hirten in den Abbildungen zu den Eclogen in der Vatican. Bilderhandschrift des Virgil dargestellt. Die Schaf- und Ziegenhirten gebrauchten das pedum (xogvvn oder AaywßoAor), einen an seinem unteren Ende umgebogenen Stab, dessen Krümmung den Zweck hatte, die Ziegen und Schafe beim Bein festzuhalten *") Aber in vie- len Gegenden Italiens und Galliens mußten die Hirten zum Schutz ihrer Heerden auf Ueberfälle von mancherlei Art gerti-

39) Calpurn. Eel. III 21 f.: Tityre, quas dixit, salices pete laevus, et illinc, Si tamen invenies, deprensam (sc. vaccam) verbere multo Huc age, sed fractum referas hastile memento.

40) Virg. Ecl. V 88f.: At tu sume pedum, quod, me quum saepe rogaret, non tulit Antigenes, (et erat tum dignus amari) formosum pa- ribus nodis atque aere, Menalca. Dazu Servius: sume pedum: Virga incurva, unde retinentur pecudum pedes. Jedenfalls zeigt das Attribut formosum . . aere, daß auch das pedum mit Metall beschla- gen war, vielleicht eine bronzene Spitze hatten. Vgl. auch F'estus 8. v. p. 210 (O. Müll.) u. p. 249: pedum est quidem baculum incur- eum, quo pastores utuntur ad comprehendendas oses, aut capras, a pe- dibus. Theokr. Id. IV 49: 839’ $3» pos Gosxdy 16 Aaycfodov! we tv natata! ibid. VII 128; ibid. VII 19 Qosxdv d' Eye dyossdaiw defstegg xogivav; ibid. 43. Dasselbe Instrument, nur ein wenig stärker als das Hirteninstrument trugen Jüger und Bauern, um Hasen damit zu werfen und zu tódten, daher der Name Aaywßölor. Vgl. Rich, Handb. d. röm. Antiqu. s. v.

502 H. C. Maué,

stet sein: daher verlangt Varro nicht nur wegen der Beschwer- den, die das Leben in wilder Gebirgsgegend mit sich bringt, sondern auch um das Vieh vor Raubthieren und Räubern schii- tzen zu können von den Hirten, daß sie wetterhart, schnellfüßig, behend sind und einen in jeder Beziehung gestählten Körper besitzen, ja geradezu, daß sie im Gebrauch des W urfspieBes wohl erfahren sind *'. Während daher auf Landgütern der Ebene nicht nur Knaben, sondern auch Mädchen ohne Gefahr das Vieh treiben kónnen, müssen die Hirten im Gebirge krüf- tige Männer und bewaffnet sein?) Namentlich mit Räubern mußten sich die Hirten vielfach herumschlagen, und wie verbreitet der Viehdiebstahl gewesen sein muß, geht aus den zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen hervor, die gegen die abigei oder abigeatores, die Viehrüuber, erlassen sind *°); man mußte zu den härtesten Strafen greifen, um dies Uebel ei- nigermaßen einzudämmen.

Durch das beständige Leben in der Wildniß, durch den Umgang mit Gefahren aller Art und durch den fortwährenden Gebrauch ihrer Waffen wurden aber die Hirten selbst zu einer verwegenen, gefährlichen Menschenclasse, die mit Recht stets als verdächtig und kaum besser als die Räuber selbst galt. Be- sonders berüchtigt waren in dieser Beziehung die Hirten von Apulien, dem eigentlichen Heerdenland, wie uns manche Be- richte schon aus früher Zeit zeigen. Im J. 185 vor Chr. mußten wegen des unerträglichen Brigantaggio dort Tausende von Hirten und Helfershelfern derselben hingerichtet werden‘). Sie waren auch immer für verzweifelte Unternehmungen zu haben. So

41) Varro d. r. r. II 10, 3: Formae hominum legendae, ut sint fir- mae ac veloces, mobiles, expeditis membris : qui non solum pecus sequi possint, sed etiam a bestiis et praedonibus defendere: qui onera extollere in iumenta possint, qui excurrere, qui iaculari.

42) Varro d. r. r. II 10, 1: Ziaque in saltibus licet videre iuven- lutem, et eam ferearmatam; cum in fundis non modo pueri sed etiam puellae pascant.

43) Vgl. Huschke, Iurisprud. anteiustin. Mosaic. et Rom. leg. coll. tit. XI de abigeatoribus Kap. I— VIII ed. 4, p. 668 f. Ferner Digg. 47. tit. 14, 18 4; 2; 3.

44) Liv. 39, 29: Magnus motus servilis eo anno in Apulia fuit. Tarentum provinciam L. Postumius praetor habebat. Is de pastorum coniuratione, qui vias latrociniis pascuaque publica snfesta habuerant, quaestionem severe exercuit, Ad septem milia hominum condemnavit: multi inde fugerunt, de multis sumptum est supplicium. Consules diu retenti ad urbem dilectibus tandem in provincias profecti sunt.

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. | 503

hatte unter den Freunden des Catilina M, Ceparius die Auf- gabe erhalten, die Hirten in Apulien aufzuwiegeln *°). Und daf sich auch in späterer Zeit die Hirten dort nicht viel von Briganten unterschieden haben miissen, geht aus einem hôchst interessanten Rescript der praefecti praetorio (wahrsch. a. d. J. 168 nach Chr) an den Magistrat von Saepinum und den dieses Schreiben begleitenden Anlagen der kaiserlichen Domanialbeamten hervor #6).

Die gewóhnlichste Waffe der Hirten mag wohl der Bau- ernspeer, der sparus oder sparum, gewesen sein, soweit nicht der mit starker Spitze versehene Lanzenstock selbst, der sti- mulus, der wohl auch hasta *") genannt wurde, als Waffe ver- wendet wurde. Dieser agrestis sparus, wie er bei Ver gil (Aen. XI 682) genannt wird, heißt nach Servius zur Stelle mit Recht agrestis: nam sparus est rusticum telum in modum pedi re- curvum *®), Diese Waffe trugen in der Regel nur die Land- sturmaufgebote , irregulüre Streitkrüfte, die sich aus der Land- bevólkerung, aus Bauern und Hirten oder den Bewohnern der Landstüdte zusammensetzten 4°), daher auch der sparus als Waffe von Barbaren genannt wird 5). Sonst findet er noch Verwen-

45) Cic. Cat. III 6, 14: in M. Ceparium (decretum est, ut tn cu- stodiam traderetur sc.), cui ad sollicitandos pastores Apuliam atiributam essé erat indicatum. |

46) CIL IX 2438. Vgl. auch noch Cic. pro Clu. 59.

47) Du Cange, Glossarium s. v. hasta, Tom. IV, p. 173 führt das Wort Haste noch aus einem altfranzôs. Brief des Jahres 1479 in dieser Bedeutung an: Hine Haste appellatur Stimulus, quo boves punguntur et incitantur in Lit, remiss. ann. 1479 ex Reg. 206 ch. 263: y Durand Jarric portant à son col une Haste ou aguillade pour toucher

8 beufz'.

48) Rich gibt s. v. eine Abbildung nach einem Basrelief aus der Sammlung zu Ince-Blundell, auf welchem diese mit der Beschrei- bung des Servius übereinstimmende Waffe als Jagdspieß (vgl.A.50) dient:

Vgl. auch Non. Marc. p. 555 s. v. (p. 382 ed. Gerlach und Roth) sparum, telum agreste.

49) So bei Sall. Cat. 56: Sed ez omni copia circiter pars quarta erat militaribus armis instructa, ceteri, ut quemque casus armaverat, sparos aut lanceas, alii praeacutas sudis portabant, Bei Silius 8,523 heißt es von der Bevölkerung einer Reihe von italischen Land- städten: Omnibus in pugna fertur sparus.

50) Sil. It. 3, 388 RAyndacus his ductor, telum sparus. Derselbe ist ein Sarmate. Von Lucilius bei Non. Marc. p. 224 (p. 152 ed. Ger-

504 H. C. Maué,

dung auf der Jagd °'), allein nicht unmöglich ist es, daB er auch in der regelrechten Kriegführung eine Stelle fand, . denn mehrfach wird er als Waffe im regulären Krieg genannt. Wahr- scheinlicher jedoch hat man an den Belegstellen hierfür, wie sich in einem Fall ja sogar noch verweisen läßt (A. 52), nur eine (poetische) Variation des Ausdrucks zu erblicken 9?) Wird doch der heilige Speer der Bellona, wit welchem sich ihre weissa- gende Priesterin in orgiastischer Begeisterung verwundet hat, von Tibull in hochpoetischer und pathetischer Sprache veru genannt °5). So gut wie nun dieser heilige Speer veru, ebenso wohl konnte zweifellos der HirtenspieB in castellum Mattiaco- rum, mag derselbe nun wirklich der sparus oder, wie Oberst v. Cohausen im Rhein. Kurier v. 17. Aug. 1887 will, die Lanze mit breitem Blatt gewesen sein, mit der man hauen und stechen und auch wohl Erdklöße werfen konnte, ebenso wohl sagen wir konnte dieser HirtenspieB hasta genannt werden, welches, wie wir gesehen, ja geradezu synonym mit sparus und wahrscheinlich auch thatsächlich für den Hirtenspieß selbst (vgl. A. 46) gebraucht wurde.

Wenn bei Livius (IX 36) den in der Verkleidung etruski- scher Hirten gehenden rimischen Kundschaftern dina gaesa als agrestia tela beigelegt werden, so ist diese Waffe nicht eine den Hirten ursprünglich eigenthümliche, sondern erst von den galli- schen Alpenbewohnern hier wie auch anderwärts angenommene. Denn das gaesum wird ausdrücklich als eine charakteristisch der Alpenbevölkerung angehörige Waffe be-

lach und Roth) wird das Wort mit einem andern, ihm offenbar ähn- lichen, nicht militärischen Geschoß, rumez genannt, zusammengestellt.

51) Varro in der Meleagris bei Non. Marc. 1. L.: aut tlle, cereum qui volabile currens Sparo secutus est tragulave traicit.

52) Nep. Epam. 2: ipsum Epaminondam pugnantem sparo eminus percussum concidere viderunt....... st ferrum , quod ex hastili in corpore remanserat, extraxisset . . . Dasselbe Geschof jedoch, welches den edlen Epaminondas niederstreckte, wird bei Val. Max. III 2, 5 und bei Cic. de fin. II 30 hasta genannt; Cic. ad fam. V 12 spricht von ihrem spiculum; Liv. 84, 15 si quis extra ordinem avidius procur- rit, et ipse interequitans sparo percutit, et tribunos centurionesque castigare iubet (Cato sc.) Sisenna Historiar. 1. III bei Non. Marc. 1. 1: sparis ac lanceis eminus peterent hostis. Doch sind hier unter den Angreifenden hóchst wahrscheinlich irregulüre Truppen zu ver- stehen.

53) Tibull. I 6, 49.

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. 505

zeichnet 54), welche übrigens auch von andern Völkern adoptiert wurde °°), 1

So diirfen wir denn auch als sichere Thatsache annehmen, dass die Hirten in dem rauhen germanischen Grenzland mit: Lanzen bewaffnet waren.

Der Grundbesitz im rómischen Germanien bestand, wie schon in der Zeit vor der rémischen Occupation, wohl fast aus- schließlich wo nicht dichte Wälder die Berghiinge deckten aus Weideland, und, wie zahlreiche Spuren zeigen, trieben die Viehheerden der rimischen Standlager und der biirgerlichen Niederlassungen und Gehôfte allenthalben auch in dem Thal des Mains und in der Wetterau, auf den Vorhühen und Ab- hüngen des Taunus, auf den Abdachungen des Vogelsbergs und des Hahnenkamms, soweit sie innerhalb des limes lagen, Oberst v. Cohausen hat bereits in dem Artikel im Rhein. Kurier v. 17. Aug. 1887 auf die aus Steinen aufgerichteten Pferche hingewiesen, die wir hier und dort im Walde antreffen, auf die starken Ringmauern, die sich über den Steetener Hóh- len, auf dem Altkónig und dessen Nachbarbergen erheben, auf die eisernen Glocken des Viehs, die wir so häufig finden. Er hätte hinzufigen können die unzähligen Namen für Gemarkungen, Gewanne, Anhöhen, Gehöfte, Mühlen, Brücken, die seit uralten Zeiten ihre Namen der in der Gegend betriebenen Viehzucht verdanken. Kapellen, die St. Wolfgang, dem Schutzpatron der Hirten, geweiht sind, dürfen wir überall als Mittelpunkte einer Hirtenbevölberung ansehen, und an solchen Orten muß natürlich auch schon in vorchristlicher Zeit Hirtenbevölkerung ansässig gewesen sein. So lag beim Kastell Groß-Krotzenburg dicht am Pfahlgraben ein Kloster St. Wolfgang *9), welches im Bauern- krieg zerstört wurde, und auch durch zahlreiche Namen erinnert diese Gegend, wo jetzt blühender Ackerbau betrieben wird, an die hier einstmals ausschließlich ausgeübte Viehzucht. Und so war auch das jetzt üppige Gemüse, Obst- und Getreidegelände der Main-Rheinniederung bei Castel, aber auch weiter das ganze höher gelegene Vorland bis zum Abhang des Gebirges in römi-

54) Verg. Aen. VIII 661 Alpina . . gaesa; Caes. b. G. II 4. | Vgl. neuerdings auch Th. Mommsen in dem am Schluß citierten Aufsatz im Hermes XXII, S. 548 f. und Anm.

55) Vgl. Rich s. v.

56) Vgl. v. Cohausen, Der rômische Grenzwall S. 43 und 45.

506 H. C. Maué,

scher Zeit lediglich Weideland, und zwar bestand es der Natur des Bodens nach zum kleineren Theil, im sumpfigen Fluf- schwemmland, aus eigentlichen Wiesen, bei weitem den größe- ren Theil bildeten Hutwald oder Waldweiden, silva pascua 5*) oder saltus®*) in technischem Sinn?) Auch mehrere andere direkte Zeugnisse aus der Römerzeit bekunden uns die in dem Taunusgebiet bei Castel betriebene Viehzucht. Am interessante- sten ist der bereits oben erwühnte Grabstein des pecuarius, d. i. Viehzüchters J ucundus, welcher 1881 in Mainz gefunden und mehrfach, bes. in den Bonner Jahrb. 72 S. 137 von J. Keller und 74 S. 24 f. von P. Wolters (hier mit Abbildung) und im Nachtrag zu dem J. Becker'schen Katalog des róm. Museums in Mainz von J. Keller (Zeitschr. d. Ver. z. Erforsch. d. Rhein. Gesch. u. Alterth. Bd. III Mainz 1883 8. 168 f. n. 246*) herausgegeben und besprochen worden ist. Nach der wahrscheinlich dem ersten Jahrhundert angehôrigen Inschrift wurde Jucundus in seinem 31. Jahr von einem Sklaven ermor- det, der sich dann nach der That selbst im Main ertrünkte.

57) Digg. 50 tit. 16, 30 8 5: Pascua silva est, quae pastui pe- cudum destinata est.

58) Festus p. 302: Saltum Gallus Aelius I. II significationum, quae ad tus pertinent, ita definit: ,,Saltus est, ubi silvae et pastiones sunt, quarum causa casae quoque: 8$ qua particula in eo saltu pastorum aut custodum causa aratur, ea res non peremit nomen saltuis‘‘. Varro de l. Lat. 5, 36: quos agros non colebant propter silvas aut id genus, ubi pecus posset pasci et possidebant , ab usu suo saltus nomina- runt (nach St.-V. II S. 158 A. 5).

59) Wie sich seit ròmischer Zeit bis auf den heutigen Tag die Cultur des Bodens geündert, ist vor kurzem in einem conkreten Fall, nümlich für die nächste Umgebung von Homburg in einem inter- essanten Aufsatz von Dr. Friedr. Rolle, Ueber einige Landschnek- ken aus einer rómischen Aufgrabung bei Homburg v. d. Hóhe (Jahrb. d. d. Malakozool. Ges. Bd. VIII 1881, S. 44—50) nachgewiesen wor- den, dessen KenntniB ich der Güte des Herrn Baumeister L. Jacobi in Homburg verdanke. Man fand im Gonzenheimer Feld bei Hom- burg mitten im Getreidefeldgebiet in einer rômischen Hausanlage eine merkwürdige Anhüufung von 9 Schneckenarten in vielen Exemplaren auf. Von 216 Exemplaren gehóren 120 den noch bei Homburg le- benden 5 Arten und 96 Exemplare drei bei Homburg nicht mehr vertretenen Arten an. Diese starke Individuenzahl der jetzt nicht mehr vorkommenden Arten erklärt sich daraus, daß die ganze Strecke von Homburg bis Frankfurt, die jetzt von Feld- und Wiesenbau ein- genommen ist, in ròmischer Zeit, wie man aus den Lebensbedingungen und Gewohnheiten der dort einst lebenden Schnecken schließen darf, aus sonnigem Gestrüpp und buschigem Weideland also recht eigentlichem saltus mit vereinzelten Gartenanlagen da- zwischen bestanden hat. (1. 1. p. 49, vgl. p. 48 und 46).

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. 507

(Der Name Moenus kommt hier nach Wolters znm ersten Mal inschriftlich vor). Leider fehlt in der ungeschickten metrischen Inschrift, die allerhand miissige Wiederholungen bringt, gerade das weitere Thatsichliche, so daß wir über die näheren Um- stinde, die uns von ganz besonderem Interesse sein wiirden, in Unkenntniß bleiben. Auf der unter der Inschrift angebrachten Reliefdarstellung erscheint ein Hirt 5°) mit seinem Hund und seiner Heerde, die durch drei Schafe, einen Widder und ein Lamm angedeutet ist, während zwei Biume die Landschaft kenn- zeichnen sollen. Wie P. Wolters richtig erkannt hat, sind die Schafe, die übereinander dargestellt sind, an einem Abhang weidend gedacht. Im Verein mit den beiden Bäumen ist da- durch allerdings die Landschaft, wo Jucundus seine Heerde trei- ben lief, vortrefflich charakterisiert. Es sind die Abhünge zwi- schen der vorderen Taunuskette und dem Main, die Gegend um Hochheim, die, wie die Baume zeigen, saltus, Wald- und Gebirgs- weide, bildete. Ganz verwandt sind zwei Denkmale, deren eines gleichfalls in Mainz, das andere sehr verstümmelt im Deutzer Castrum gefunden ist. Beide werden gleichfalls von Wolters l 1. p. 30 f. besprochen. Auf dieser zweiten Main- zer Skulptur ist ebenfalls die Landschaft durch einen ziemlich ausgeführten Baum bezeichnet.

In wessen Diensten wir uns unsere Hirten zu denken ha- ben, läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuthen. Wahr- scheinlich waren sie beschäftigt in Diensten der Stadtgemeinde, der civitas Mattiacorum selbst. Denn nicht nur besaßen die al- ten Landstüdte Italiens häufig Weideland entweder in der Nahe ihres Stadtgebiets oder auch weit entfernt®!), sondern auch die

60) Mit Recht bemerkt P. Wolters (l. 1), da$ man den darge- stellten Hirten wohl kaum für eine Darstellung des Ermordeten halten darf. Das Bild solle nur die Art der Beschäftigung andeuten, welche der Verstorbene ausgeübt habe, nicht dessen Beschäftigung selbst zeigen. Deu Hauptgrund für diese unzweifelhaft richtige Deutung des Reliefs hat aber Wolters nichtangeführt: der Hirt ist auf dem- selben, was Stellung im ganzen Bilde, wie Größe der Figur, wie künst- lerische Ausführung betrifft, ganz als Nebensache behandelt und dient eigentlich nur zur Füllung des kleinen Raums zwischen dem Baum zur Linken und der Randleiste, während die Heerde den Hauptgegen- stand der Darstellung bildet und fast den gesammten Raum ein- nimmt und die einzelnen Schafe im Vergleich zu dem Hirten riesen- hafte Proportionen zeigen.

61) S. St.-V. 0 S. 99 f. A. 1: pascua von Mantua vgl. Servius

508 H. C. Maué,

neu anzulegenden Colonien wurden mit Weideland ausgestattet 9), und Castellum Mattiacorum besaß solches ohne Zweifel getrennt von den Weiden, deren das Heer für sein Schlachtvieh bedurfte.

Natürlich wurde dieses Weideland verpachtet, allein die darauf wohnenden und ihm zugetheilten Hirten wurden als zum Inventar gehörig 99) mitverpachtet, wie sie auch nach Varro mit den Privatgütern unzertrennlich verbunden bleiben und Fami- lien gründen $*) ; sie blieben selbst dann auf dem Weideland, wenn die Heerden mitsammt den Hunden verkauft wurden $5).

Daraus ergibt sich schon, daß die Hirten in der Regel dem Sklavenstand angehórt haben müssen, und dies wird uns aus- drücklich häufig von den Hirten berichtet 99). Unsere Hirten

g. Verg. Buc. 9,7; Quittungstafeln, die sich auf die pascua von Pom- peji beziehen s. Mommsen, Herm. 12, S. 140; Agennius Urb. p. 85 L.: silvae et pascua publica Augustinorum; silva et pascua coloniae Augustae Concordiae; die publica prata von Apamea in Syrien vgl. Strabo 16, p. 752; Madvig, Verf. II S. 16 A.: „Dio Cass. 49, 14 meldet, da$ Augustus der Stadt Capua das Land der Gnosier auf Kreta, also die Steuern desselben, schenkte, und daß Capua es noch zu Dio’s Zeiten besa8. In der lex coloniae Iuliae Genetivae c. 82 wird es untersagt, óffentliche Gebäude oder der Stadt geschenkte silvae und pascua zu veräußern oder die letzteren auf länger als fünf Jahre zu verpachten“.

62) Frontin. de contr. p. 49 (nach St.-V. l. 1.): Solent et privilegia quaedam (coloniae) habere beneficio principum , ut longe remotis locis saltus quosdam reditus causa acceperint.

63) Digg. 33, tit. 7, 8 8 1 Quibusdam in regionibus accedunt 1n- strumento . .... si fundus saltus pastionesque habet, greges pecorum, pastores, saltuarit. In tit. 7 auBerdem noch mancherlei darauf Be- zügliches.

64) Varro d. r. r. II 10, 6: Quod ad foeturam humanam pertinet pastorum, qui in fundo perpetuo manent, facile est, quod ha- beant conservam in villa .... Qui autem sunt in saltibus et silvestre bus locis pascunt, et non villa, sed casis repentinis imbres vitant: his mulieres adiungere, quae sequantur greges, ac cibaria pastoribus expe- diant, eosque assiduiores faciant, utile arbitrati multi.

65) Varro. 1. 1. II 9, 6: P. Aufidius Pontianus Amiterninus, cum greges ovium emisset in Umbria ultima, quibus gregibus sine pastoribus canes accessissent; pastores ut deducerent in Metapontinos saltus et He- racleae emporium: inde cum domum redissent, qui ad locum deduzerant, e desiderio hominum diebus paucis postea canes sua sponte, cum dierum multorum via interesset, sibi ex agris cibaria praebuerunt, atque in Um- briam ad pastores redierunt. Neque eorum quisquam fecerat quod $n agricultura Saserna praecepit, Qui vellet se a cane sectari, uti ranam obiciat coctam.

66) Ich verweise der Kürze wegen nur auf die Bezeichnung des Aufstands der Hirten in Anm. 43 als eines motus servilis, auf die Charakterisierung der Gattin eines Hirten als conserva in Anm. 60; am deutlichsten geht es hervor aus Varro de r.r. II 10, 4, wo er die

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. | 509

sind allerdings in der Inschr. v. J. 236 nicht als Sklaven cha. rakterisiert: drei, die als Vorstand an der Spitze stehen, sind mit drei, alle übrigen nur mit je zwei Namen bezeichnet, ohne daß eine weitere Angabe des Standes hinzukommt. Wohl aber sind die Mehrzahl der Namen gallischen Ursprungs, und wir dürfen wohl auch für die Träger der anscheinend ächt la- teinischen Namen, die sich darunter finden, annehmen, daß sie der gallischen Bevölkerung angehören, die, wie wir wissen, gleichzeitig mit der römischen Occupation in das rechtsrheinische Land bis zum kimes eingedrungen war. Gerade die gallische Nationalität verstand es, wie Varro erwähnt 9"), ganz besonders mit dem Vieh, zumal mit Pferden, umzugehen. Manche hier an- süssig gewordene Gallier gelangten zwar sogar an die Spitze der communalen Verwaltung, wie sich aus der Rómerstadt bei Hed- dernheim nachweisen läßt 5) die Mehrzahl derselben befand sich jedoch in untergeordneter und abhüngiger Stellung: sie bildeten den Stand der kleinen Leute auf dem Land, meist als lündliche Arbeiter. Wenn nun die dreifache Namensbezeichnung des Curators unserer hastiferi, der, wie sein Name G. MEDDIGNA- TIVS: SEVERVS besagt, unzweifelhaft gallischer Nationalität war, auf seine Qualität als freien Bürgers der Civität hin- weist, so dürfen wir für die mit nur zwei Namen benannten schließen, daß sie in ihrem Stand hinter Meddignatius zurück- standen und als Hirten in der mit Waffengewalt in Unterthä- nigkeit gehaltenen fernen Grenzprovinz nicht als Freie anzuse- hen sind: vielmehr dürfen wir bei ihnen eine ähnliche Lage voraussetzen, wie sie die späteren Colonen hatten, d. h. sie gehörten untrennbar zum Grund und Boden der Civitas Mattia- corum. Freilich läßt ja die Namensbezeichnung in dieser Zeit,

sechs Arten angibt, auf welche man rechtmäßiger Herr von Hirten wird. Instruktiv ist das Beispiel des Hirten Tityrus aus Vergils 1. Ecloge, der sich durch das peculium, das er sich erworben, los- kaufte. Vgl. die Bemerkung von Heyne-Wagner dazu (Vol. I, p. 60): in Italia ‘villici, et quicumque, in agris essent, non facile alia quam servili conditione aut libertini fuisse videntur. Auch der bei Mainz von seinem Sklaven ermordete Viehzüchter Zucundus war ein Freige- lassener (vgl. oben S. 506 f.).

67) Varro d. r. r. II 10, 4: non omnis apta natio ad pecuariam, quod neque Basculus, neque Turdulus idonei: Galli appositissimi, maxime ad tumenta.

68) Vgl. Hammeran, l. l. p. 12.

510 H. C. Maué,

besonders wenn es sich um Provinzialen und Peregrinen handelt, keine sicheren Schliisse mehr zu, allein wir wissen ander- seits, daß Ansätze zu den Zuständen des Colonats, in dessen Rechtsverhältniß das Wichtigste die Gebundenheit an den Stand und an den Boden war, bereits im dritten Jahrh. oder noch früher sich vorfinden, wenn sich auch diese Zustände erst vom 4. Jahrh. an consolidieren und verallgemeinern $°) und deswegen erst dann condificiert wurden. Wir sind zu dieser Annahme um so eher berechtigt, als sich dieselbe feste Gebundenheit an Stand und Beruf auch bei den Collegiati, d. h. bei den verschie- denartigen Handwerkern, die dem Unterhalt des tüglichen Le- bens, zunächst in der Hauptstadt dienen, auf Alexander Severus, also auf dieselbe Zeit, zurückführen läßt und gleichfalls in man- nigfacher Weise bereits im zweiten Jahrhundert vor- bereitet war 7°). Unnachsichtiger Zwang war allein geeignet vom 3. Jahrh. an, die allgemeine Auflösung der Verhältnisse aufzuhalten, und derselbe auch in Handel und Gewerbe von den Kaisern unnachsichtig angewandte Zwang erklärt, wie Kuhn mit Recht ausführt, vollstindig die Umwandlung des Zustandes der ackerbauenden Classe aus einem freien in einen an das Grundstück gebundenen. Der Colonat war thatsüchlich vorhanden, sobald einmal gesetzlich festgestellt war, daß die bisherigen Bewirthschafter des Bodens diesen nicht mehr ver- lassen durften. Mitunter freilich mag auch die Verpflanzung von barbarischen Volksangehórigen auf unterworfenes Gebiet zur Bewirthschaftung desselben, wie das bereits unter Augustus und Nero erwähnt wird ', mitgeholfen haben, die später allgemeinen

69) Vgl. darüber die Ausführungen von Em. Kuhn, Die städ- tische und bürgerliche Verfassung des Rómischen Reichs bis auf die Zeiten Iustinians. Th.I, S. 257f. Unter andern Beweisgründen hier- für hebe ich nur die l. l. citierte Constitution von Valentinian II’, Theodosius und Arcadius, also aus dem Ende des 4. Jhrh. hervor, durch welche die Gebundenheit der Colonen an die Scholle für P a- laestina vorgeschrieben wird, und in der es heißt (Cod. XI, tit. 50, 1): Quum per alias provincias... leza maioribus constituta colonos quodam aeternitatis iure deti- neat, tta, ut tls non liceat ex Mc locis, quorum fructu relevantur, abscedere, nec ea deserere, quae semel susceperunt, neque id Palaestinae provinciae possessoribus suffragetur, sancimus, ut etiam per Palaestinas nullus omnino colonorum suo iure velut vagus ac liber exsullet et q. seq.

70) Vgl. den Abschnitt II in meinem Praefectus fabrum, bes. S. 43 f. 71) Vgl. E. Kuhn, 1. 1. p. 260.

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. 511

Zustände vorzubereiten. Was aber von den ackerbauenden Co- lonen gilt, dürfen wir auch auf die mit Viehzucht beschäftigten anwenden. Und gerade die Thatsache selbst, daß in dieser Zeit die Hirten der civitas Mattiacorum als Colleg constituiert waren, läßt es schon als kaum zweifelhaft erscheinen, daß eine feste, kastenartige Gebundenheit mit dem Recht der Vereinigung verknüpft war, mit einem Wort, daß die Hirten der civitas Mat- tiacorum untrennbar zum Boden, zu den saltus der Civität ge- hörten. Anderseits ist nicht zu übersehen, daß die Zeit des Uebergangs von den früheren freieren und privilegierten Col- legien zu den Zwangsverbänden der corporati sich in unsren Inschriften darin zu erkennen gibt, daß auch unsere pastores noch eine religióse causa besitzen wie früher simmtliche Collegien, eben die Hastiphorie. Aber wir wissen ja freilich auch nicht, in welche Zeit die Gründung unseres Collegs zu- rückreicht; diese religióse causa, welche den corporati fehlt, mag im Anfang des 2. Jahrh. die Veranlassung zur Gründung des Collegs gewesen sein. .

Was den Curator Meddignatius anbetrifft, so mag der- selbe vielleicht ein angesehenerer Bürger der Stadt gewesen sein, wührend die beiden andern Vorstandsmitglieder wohl unter den Hirten selbst die Viehmeister, die magistri, waren, von welchen, wie Varro berichtet ’?), eine höhere Bildung beansprucht wurde: sie mußten im Besitz von medicinischen Kenntnissen sein, um Menschen und Vieh bei vorkommenden Krankheitsfällen zu cu- rieren und mußten lesen und schreiben können, um die Rech- nung für den Herrn zu führen °®).

Was endlich das Datum der Weihe des Altars, den 24. März, angeht, so sind Schlußfolgerungen aus demselben nur mit Vorsicht zu ziehen. Denn wenn auch der 24. März in die große Festzeit der Magna Mater fällt er ist der Bluttag, dies sanguinis, an welchem der archigallus seinen Arm ritzte und

72) Varro d. r. r. II 10, 10: Quae ad valetudinem pertinent homi- num ac pecoris, ut sine medico curari possint, magistrum scripta habere oportet. Is enim sine lstteris idoneus non est, quod raliones dominicas pecuarias conficere nequidquam recte potest.

73) Dies Verhältnis erinnert an dasjenige des Obersenns zu den Sennen in der heutigen Alpwirthschaft; auch dieser führt die Rech- nung über den täglichen Milchertrag.

512 H. C. Maué,

Blut daraus vergoß 7) so ist doch der Altar nicht etwa der Góttermutter, sondern dem numen Augusti errichtet, und da der dies sanguinis innerhalb der Festzeit der Idaeischen Göttin ein Trauertag ist”), so scheint mir wenig glaubhaft, daß die Hirten zu diesem Trauertag in Beziehung standen, sonst hütten sie sich wohl einen andern Tag ausgewühlt, um ihre fromme Loyalität zu bezeugen. Immerhin aber liegt die An- nahme einer inneren Beziehung zwischen unsern hastiferi und der Góttermutter nahe, zumal da entsprechend dem mons Vaticanus der dea Bellona Virtus, den die Corporation nach der Weih- inschrift vom Jahre 236 wiederherstellte, auch in einer Tauro- bolieninschrift aus Lugdunum (Or. 2322 Ver. d. fabri u. s. w. n. 228) ein (mons) Vaticanus erwühnt wird und eine Reihe von Taurobolieninschriften (CIL VI 497—504) in Rom beim Bau der Peterskirche auf dem dortigen mons Vaticanus aufgefunden worden sind). Eine solche Beziehung würde nicht einmal Wunder nehmen, denn die Religionsmengerei in den aus Klein- asien stammenden Culten war in dieser Zeit des 8. Jhrh. bereits weit gediehen. Allein da auch aus dem Datum der Inschrift von 236, dem 23. August, die doch der Bellona geweiht war keine Schliisse zu ziehen sind und das Bedenken wegen des Trauertags hinzukommt, so diirfte wohl auch bei der Commen- tierung der Inschrift vom Jahre 224 auf das Datum kein grofes Gewicht zu legen sein.

Zum Schluß möge es uns vergónnt sein, die Hoffnung aus- zusprechen, daß nunmehr endgiltig die hastiferi civitatis Mattia- corum als Municipalmiliz gestrichen und in ihre Rechte als sacrales Colleg von Berufsgenossen, dessen religióse causa der Cult der Bellona war, eingesetzt werden.

Der vorstehende Aufsatz war bereits vollendet, da gelangte der Aufsatz Th. Mommsen's, Die rómischen Provinzialmilizen, im neuesten Heft des Hermes (Bd. XXII 1887, S. 547 f.) zu meiner Kenntniß. In einem Nachtrag zu diesem Aufsatz be-

74) Vgl. St.-V. III p. 372.

75) Vgl. St.-V. 1. 1.

76) Vgl. über den mons Vaticanus in den Inschriften ‘Ver. der fa- bri' p. 22 und Anm.

Die hastiferi von Castellum Mattiacorum. 513

spricht Mommsen kurz unsere ihm nachtriglich erst bekannt ge- wordene Inschrift. Merkwiirdiger Weise findet er in derselben eine Bestätigung dafür, daß die hastiferi, die also nach der In- schrift bewaffnete Hirten gewesen, die Landwehr der Gemeinde der Mattiaker gebildet habe, welche ihrer Lage nach darauf an- gewiesen gewesen sei, sich selbst zu vertheidigen. Dabei geht er, veranlaßt durch eine Stelle bei Tacitus (Hist. I 67), die sich auf die Helvetier bezieht, von der befremdlichen Annahme aus, daß das in der Inschrift erwähnte Castellum Mattiacorum ein Castell der Gemeinde der Mattiaker an der Grenze ihres Gebietes, Mainz gegeniiber, gewesen sei, also nicht der stàd- tische Mittelpunkt dieser Gemeinde selbst, aus dem das heutige Castel erwachsen. Dieses Castell hätten die ,,bewaffneten Hirten, dort consistentes, also ständig“ besetzt gehalten").

Unbeschadet aller Hochachtung, die wir den Ansichten und Aussprüchen unseres großen Alterthumsforschers zollen, kann die Wiederholung dieser herkómmlichen Ansicht, zu deren Be- stirkung die Inschrift fülschlich mit der Taciteischen Stelle in Parallele gesetzt wird, uns nicht in der Auffassung wankend machen, die wir oben eingehend begründet haben.

Abgesehen von der für unsere Inschrift irrthümlichen Er- klärung des dem Vereinswesen angehörigen consistentes , ab- gesehen ferner von der irrthümlichen Beziehung des Castellum Mattiacorum auf ein von Hirten besetztes Castell der Stadtge- meinde anstatt auf die damals blühende Stadt selbst, in welcher, als dem Briickenkopf fiir Mogontiacum, von Anfang an Trup- penabtheilungen als Besatzung lagen??), wird Momm- sen’s Auffassung schon durch die Bemerkung hinfällig, die er selbst in Anm. 2 macht: „Die. Besatzung von Kastel muß zu- gleich fiir diesen damals mit den Culten des Mithras und der Bellona sich verschmelzenden Gottesdienst (der Göttermutter) als Korperschaft fungiert haben“. Eine militärische Auf- gabe, wie sie diese sacrale Kôrperschaft gehabt haben soll*), ist eben in dem ganzen Vereinswesen der Römer unerhört.

77) Anm. 2 ist diese Besatzung wieder Besatzung von Castel.

78) Vgl. J. Becker, Cast. Matt. Nass. Ann. VII 86; vgl. 73.

Frankfurt a/M. H. C. Maué.

*) [Zu erwägen bleibt noch die Analogie der Bovxókos (= pastores) in orgiastischen Kulten von Kleinasien: s. oben S. 34. 0. Cr.]

Philologus. N. F. Bd.I, 8. 33

XXVI.

Die neueren Arbeiten über Tracht und Bewaffnung des rümischen Heeres in der Kaiserzeit.

1.

1. Joachim Marquardt Rómische Staatsverwaltung. Zweiter Band. Zweite Auflage. Leipzig 1884. III. Das Militürwesen, besorgt von A. von Domaszewski.

2. Max Jahns Handbuch einer Geschichte des Kriegswe- sens von der Urzeit bis zur Renaissance. Nebst einem Atlas von 100 'lafeln. Leipzig 1880.

3. Hermann Weiß Costümkunde. Geschichte der Tracht und des Geräths der Völker des Alterthums. Zweite Auflage. Stuttgart 1881.

4. August Demmin Die Kriegswaffen in ihrer historischen Entwickelung von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Zweite Auflage. Leipzig 1885/6.

5. Ludwig Beck Die Geschichte des Eisens in technischer und culturgeschichtlicher Beziehung. Erste Abtheilung. Braun- schweig 1884.

6. Bruce Lapidarium septentrionale, or a description of the monuments of Roman rule in the North of England. Published by the Society of Antiquaries of Newcastle-upon-Tyne. London and Newcastle 1876.

7. Alexander Conze Römische Bildwerke einheimischen Fundorts in Oesterreich. Heft III. Wien 1877.

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 515

8. Ludwig Lindenschmit Die Alterthümer unserer heidni- schen Vorzeit. Band III. Mainz 1871 bis 1881.

9. O. Kohl Die rémischen Inschriften und Steinsculpturen der Stadt Kreuznach. Kreuznach, Gymnas.-Progr. 1880.

10. E. Desjardins Monuments épigraphiques du musée na- tional Hongrois. Buda-Pest 1873.

11. Archiologisch-epigraphische Mittheilungeu aus Oester- reich. Wien 1877 ff.

12. Ludwig Lindenschmit 'Tracht und Bewaffnung des ró- mischen Heeres wührend der Kaiserzeit mit besonderer Bertick- sichtigung der rheinischen Denkmäler und Fundstücke. Braun- schweig 1882.

13. August Weckerling Die rómische Abtheilung des Pau- us-Museums der Stadt Worms. Worms. I, 1885. II, 1887.

14. Alfred von Domaszewski Die Fahnen im rómischen Heere, mit 100 Abbildungen. Wien 1885.

15. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande. Bonn. Heft LV ff. 1875 ff.

16. Ephemeris epigraphica. Vol. V. Rom und Berlin 1884.

17. Friedrich Kenner Rómischer Grabstein aus Carnuntum. Mittheilungen der Centralcommission. N. F. 6, 8. CXVI ff. Wien 1881.

18. A. von Domaszewski Grabstein eines Centurio aus Carnuntum. Separat-Abdruck aus Arch.-epigr. Mittheihfngen V, Heft 2. Wien 1881.

19. H. Düntzer Verzeichnif der rómischen Alterthümer des Museums Wallraf-Richartz in Cóln. Cöln 1873.

20. Jacob Becker Die rómischen Inschriften und Stein- sculpturen des Museums der Stadt Mainz. Mainz 1875. Nach- trag dazu von J. Keller. Mainz 1883.

21. Felix Hettner Katalog des Kônigl. Rheinischen Mu- seums vaterlindischer Alterthiimer bei der Universitàt Bonn. Bonn 1876.

22. F. Haug Die rômischen Denksteine des GroBherzog- lichen Antiquariums in Mannheim. Konstanz 1877.

23. Albert Müller Sepulcralmonumente rómischer Krieger. Philologus XL, S. 221—270.

24. E. Hübner Zur Bewaffnung der rómischen Legionare. Hermes XVI, S. 302—908. Berlin 1881.

33 *

516 . A. Miiller,

25. E. Hübner Die Beinschienen der römischen Legionare. Archäolog. - epigraphische Mittheilungen aus Oesterreich. VI S. 67—69. Wien 1882.

26. Albert Miiller Studien zur Lehre von der Bewaffnung der römischen Legionen. Philologus XL 8. 122—178. Göt- tingen 1881.

Der vorliegende Bericht bildet die Fortsetzung des von uns im XXXIII. Bande dieser Zeitschrift S. 632 685 gegebenen. Wenn dieser im Eingange darüber zu klagen hatte, daß die das römische Kriegswesen zusammenfassend behandelnden Werke in den Abschnitten über Tracht und Bewaffnung verhältnißmäßig wenig Gewicht auf die Denkmäler legten, so ist darin während der seitdem verflossenen vierzehn Jahre Wandel geschaffen. Es liegen jetzt mehrere derartige Bücher vor, welche bestrebt sind, in dieser Beziehung den berechtigten Anforderungen zu entspre- chen. Zunächst haben wir mit besonderem Lobe (1) die von Alfred von Domaszewski besorgte Neubearbeitung der das rö- mische Kriegswesen behandelnden Abtheilung von Marquardt’s Staatsverwaltung zu nennen, welche zwar S. 335—344 den Text der 1876 erschienenen ersten Auflage unverändert wiedergiebt, aber in den Anmerkungen theils Irriges berichtigt, theils Ueber- sehenes nachträgt, theils alles neu Hinzugekommene sorgfältig verzeichnet, so daß das Gebotene die Summe der bis dahin ge- wonnener Erkenntniß reprisentirt. In seinem Handbuche einer Geschichte des Kriegswesens (2) hat Max Jähns sodann S. 191 —211 Tracht und Bewaffnung des römischen Heeres mit sorg- fältiger Berücksichtigung der Litteratur lichtvoll dargestellt und auf den Tafeln 17 und 18 des dem Werke beigegebenen At- lasses durch zahlreiche Abbildungen illustrirt. In gleicher Weise bietet (3) Hermann Weiß in der zweiten Auflage seiner Kostüm- kunde S. 488-515 eine eingehende mit vielen Abbildungen ver- sehene Darstellung des fraglichen Gebietes. (4) August Dem- min’s zum ersten Male 1869 herausgegebenes Buch „die Kriegs- waffen in ihrer historischen Entwickelung“ ist 1885/6 in zweiter Auflage erschienen. Dasselbe legt das Hauptgewicht auf die nach Federzeichnungen wiedergegebenen bildlichen Darstellungen, denen nur kurze Erklärungen beigegeben sind, und will als Hand- und Nachschlagebuch sowie als Führer durch größere Sammlungen dienen. S. 173—204 werden römische, samnitische,

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 517

dacische Waffen aus Bronze und Eisen, sowie Waffen verschie- dener rômischer Verbiindeter zur Darstellung gebracht. In der dieser Abtheilung vorangeschickten kurzen Einleitung so wie in den betreffenden Partieen des 8. 23—120 gegebenen Abrisses der Geschichte der Waffen findet sich allerdings Mehreres, was zu Bemerkungen Veranlassung giebt; auch ist zu bedauern, daB die Quellen der Zeichnungen nicht angegeben sind. (5) Aus Ludwig Beck's Geschichte des Eisens gehören hieher 8. 549—568 mit den eingereihten Abbildungen; hervorzuheben ist, daß S. 564 —568 sich mit den Waffenfabriken des Kaiserreichs beschiftigen. Schließlich möge hier noch der von mir verfaßte Artikel „Waffen“ in Baumeister’s Denkmälern des klassischen Alterthums erwähnt werden.

Ist somit dem hinsichtlich der zusammenfassenden Darstel- lungen früher beklagten Mangel abgeholfen, so hat auch die Einzelforschung nicht geruht. Besonders erfreulich ist, daß die- selbe sich der Behandlung der auf den Grabsteinen römischer Soldaten befindlichen Sculpturen in hôherem Grade zugewandt hat. Diese allerdings oft unschónen Monumente haben einen unvergleichlichen Werth, da wir annehmen dürfen, daB sie, ab- gesehen von kleinen Fehlern, wie sie bei diesen mehr handwerks- müfigen Arbeiten immerhin vorgekommen sein mügen, ein bis ins Kleine treues Bild von der Tracht und Bewaffnung des ver- storbenen Kriegers gewähren. Wir dürfen sogar behaupten, daß diese Sepulcralmonumente für unsere Studien eine eben so große Bedeutung haben, als die Fundstücke, da den letzteren meist die Inschrift fehlt. Zwar ist erst durch diese über manche Stücke der Ausrüstung, wie die phalerae, die caligae und vor al- len Dingen das pilum, Licht verbreitet, aber oftmals erläutern auch die Grabsteinsculpturen erst die Fundstücke.

Je wichtiger also diese Denkmiilerclasse ist, desto erfreu- * licher ist es, daB man in den letzten Jahren theils durch Publi- cation, theils durch Beschreibung eine ziemliche Anzahl derselben zur Kenntnif gebracht hat. Abbildungen solcher Monumente sind gegeben in folgenden Werken: (6) Bruce Lapidarium septen- trionale, or a description of the monuments of Roman rule in the North of England. Published by the Society of Antiquaries of New- castle-upon-Tyne. London and Newcastle -upon- Tyne 1876. (7) Conze Rómische Bildwerke einheimischen Fundorts in Oester-

518 A. Miller,

reich. Wien 1877, Heft 3. (8) Lindenschmit, Die Alterthii- mer unserer heidnischen Vorzeit, Bd. III. Mainz 1881. (9) O. Kohl Die rémischen Inschriften und Steinsculpturen der Stadt Kreuznach. Kreuznach Gymn.-Progr. 1880. (10) Mo- numents épigraphiques du musée national Hongrois par E. Desjar- dins. Buda-Pest 1873. (11) Archäologisch-epigraphische Mit- theilungen aus Oesterreich, Bd. V. Wien 1881. (12) Lin- denschmit Tracht und Bewaffnung des rômischen Heeres wüh- rend der Kaiserzeit mit besonderer Berticksichtigung der rheini- schen Denkmale und Fundstiicke. Braunschweig 1882. (13) Weckerling Die römische Abtheilung des Paulus- Museums zu Worms. I. Worms 1885. IL. ebendas. 1887. (14) A. von Domaszewski Die Fahnen im rimischen Heere. Wien 1885. (15) Jahrbiicher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rhein- lande. Bonn. Heft LV (1875), LXVI (1879), LXXVIT (1884), LXXXI (1886). (16) Ephemeris epigraphica Bd. V. Berlin 1884.

Selbstverständlich kônnen wir hier aus der Fiille der in den genannten Werken gegebenen Darstellungen nur Weniges her- vorheben. Zunächst machen wir auf die Ephemeris Epigr. V-87 wiedergegebenen Seulpturen des Steines CIL III 454 aufmerksam. Die Inschrift lautet: Sex. Vibio Gallo tricenario primipilari praef. kastror. leg. XIII gem. donis donato ab imperatorib(us) honoris vir- tutisg. causa torquib(us) armill|]is phaleris coronis muralibus IM vallaribus IL aurea I hastis puris V vexillis II Sez. Vibius Cocceia- nus patrono benemerenti. Dieselbe stammt aus dem zweiten Jahr- hundert, weil dem Titel praefectus kastrorum die Legion beige- fügt ist (vgl. Marqu. Róm. Staatsv. II? S. 459). Schon Cyria- cus hatte die Inschrift gesehen, und nach dessen Abschrift ist sie im Corpus a. a. O. abgedruckt. Da derselbe jedoch über die Sculpturen nichts gesagt hatte, so fehlt auch an genannter Stelle jede Andeutung (über diese. Neuerdings hat jedoch G. Hirschfeld auf seiner pontischen Reise den Stein bei Amasra, - dem alten Amastris, wiedergefunden und die Inschrift aufs neue copirt, jedoch nicht vollstindig, denn es fehlt noch eine grie- chische Uebersetzung des lateinischen 'Textes, welche unter die- sem stehen soll Auf dieser Abschrift und einem Abklatsch fut der Abdruck in der Ephemeris. Auf der Rückseite des Steines befinden sich Sculpturen, und zwar nach den Notizen der Ephemeris eques currens d. hastam vibrans; sub eo homo ma-

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 519

nibus ut videtur pone dorsum ligatis und darunter vir sedens in prora. Von diesen bezieht sich der Reiter, der dem so häufig vorkommenden 'Typus zu entsprechen scheint und hinsichtlich dessen es sehr zu bedauern ist, daB eine Abbildung fehlt, viel- leicht auf die Stellung als praefectus kastrorum, den wir uns als berittenen Officier zu denken haben; welche Beziehung die zweite Darstellung hat, ist nicht zu ermitteln. Diese Abbildungen sind jedoch von geringerem Interesse, als die auf der linken Schmal- seite des Steines wiedergegebenen hóheren Ehrenzeichen, welche dem Vibius in seiner Stellung als praefectus kastrorum ertheilt waren (vgl Ephem. epigr. V 1344 und das. Mommsen) Es fehlen allerdings die coronae murales, die übrigen dagegen sind in zwei Gruppen dargestellt, von denen die erste auf einer lie- genden corona die Mauer mit einem Thore, das Characteristicum der corona vallaris (Gell. N. A. V 6, 17: ea corona insigne valli habet), und darüber neben einander stehend die fünf hastae purae zeigt. Vor denselben befindet sich eine corona lemniscata, welche in der Beischrift als ozepavorg yovoouc (sic!) bezeichnet ist (die lateinische Beischrift ist verstümmelt) Auffallend ist, daB die hastae purae, welche nach Servius zu Verg. Aen. VI 760 und Zonar. VII 21 keine Spitze gehabt haben sollen, hier mit solchen versehen sind. Die zweite Gruppe zeigt unten ebenfalls eine corona vallaris, darüber aber das an einem Lanzenschafte befe- stigte vexillum, dessen unterer Rand zu Franzen ausgeschnitten ist. Da die rechte Schmalseite des Steines ihrer Lage wegen nicht untersucht werden konnte, so dürfen wir nur vermuthen, daß auf derselben das zweite verillum und die drei coronae mu- rales dargestellt waren, sowie daß die dona minora überhaupt fehlten. Unseres Wissens erscheinen hier zum ersten Male Ab- bildungen der hastae und des vexillum") Es möge hier noch bemerkt werden, daß in der Inschrift CIL X 3900: evo[catus] O coh. X [praet.] donis don[atus] aureis anulu[m] (sic) unter den Ehrenzeichen ein sonst nicht bekannter anulus aureus vorkommt.

An zweiter Stelle heben wir einen in Carnuntum gefunde- nen, jetzt in Wien befindlichen Stein hervor; die Inschrift des- selben lautet: 7. Calidius P. Cam(ilia) Sever(us) eq(ues) item optio decur(io) coh(ortis) Y Alpin(orum) item centurio leg(ionis) XV Apol-

1) Aehnlicher Art scheinen die Abbildungen auf dem Steine CIL XI 624 zu sein.

520 A. Miiller,

U(inaris) annor(um) LVIII stip(endiorum) XXXIII Hic) s(itus) e(at). Q. Calidius fratri posuit (1. Jahrh.). Auf die Eigenthümlich- keiten im Avancement gehen wir hier nicht ein und bemerken sonst nur, daß die Auslassung des Wortes filius nicht selten ist; vgl. CIL III 4484. 6366. VII 248. Bonner Jahrbb. LVII S. 71. CIR 310. 523 u. a. m. Dieser wegen der unter der Inschrift auf zwei Feldern befindlichen Skulpturen besonders merkwiirdige Stein ist publicirt von (17) F. Kenner in den Mittheilungen der Centralcommission N. F. VI S. CXVI ff. und (18) von A. v. Domaszewski in den Arch. epigr. Mitth. aus Oesterreich V 8. 203 ff. und Taf. V. Auf dem ersten Felde unter der Inschrift finden sich nümlich in ganz eigenthümlicher Weise die für einen Centurio charakteristischen Ausrüstungsgegenstände dargestellt, d. h. links vom Beschauer die /orica squamata, deren lederne Unterlage unten zu kurzen Streifen ausgeschnitten ist, rechts davon vertikal gestellt die vitis, und' weiter rechts unter einem eigenthümlichen Helme zwei Beinschienen. Zu diesen Armatur- stücken ist Folgendes zu bemerken. Wenn auch nicht geradezu die lorica squamata, so wird doch ein Metallpanzer für die Cen- turionen von Vegetius ausdrücklich bezeugt. "Vgl. II 16 S. 49,5 (Lang): centuriones vero habebant catafractas et scuta et galeas fer- reas, sed transversis et argentatis cristis, ut celerius noscerentur a suis. Die lorica squamata dagegen trügt der cent. leg. XI Q. Sertorius Festus, CIL V 3374 (abgeb. Maffei Mus. Veron. p. 121, 4 und Orti, gli antichi marmi alla gente Sertoria Veronese spettanti Taf. 2) ebenso wie, wohl seiner dem Centurionate nahe kommenden Stellung wegen, der aquilif. leg. XI L. Sertorius Firmus CIL V 3375 (abgeb. bei Orti 1. l. Taf. 3). Die vitis ist als Stab mit einfachem oben plattem Knopfe gebildet. Die- selbe Form hat sie auf dem Steine des Caelius bei Lindenschmit Alterth. u. heidnischen Vorzeit I 6, 5 und auf einem Klagen- furter Relief bei Jabornegg Kärnthen’s römische Alterthümer S. 158; auf dem in Graz befindlichen bei Lindenschm. Tracht und Bewaffnung I 7 abgebildeten Medaillon eines Centurio hat sie einen runden Knopf; auf dem Steine des Q. Sertorius ist der Griff nach Orti's Abbildung leicht gekrümmt, wovon jedoch auf einer mir zur Verfügung stehenden nach einer Photographie an- gefertigten Zeichnung nichts zu bemerken ist; ebenfalls gekrümmt ist der Griff auf dem Relief des Steines CIL VII 90 nach einer

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 521

in Hiibner’s Besitz befindlichen Photographie. Im Katalog des Cólner Museums S. 101, Nro. 208 wird das Relief vom Grab- steine eines centurio der leg. XXII erwähnt, dessen vitis in einen sehr breiten nach außen gebogenen Knopf ausläuft, der etwa dem oberen Ende eines Tambourmajorstockes gleicht. Eine leichte Krümmung hat der Stab auf dem Denkmale des C. Iulius Sar- nus (CIR 1520) im Museum zu Wiesbaden. Die eitis des Evo- katen Aurelius Iulianus CIL VI 3419, abgebildet bei Fabretti Syntagma de columna Traiana p. 195, verbreitert sich nach oben, zeigt aber keine Krümmung. Ein eigentlicher Krückstock scheint also die vitis nicht gewesen zu sein. Es möge hier noch be- merkt werden, daß sich im Paulus-Museum zu Worms (Wecker- ling I S. 117 Nro. 4) der Griff einer vitis aus Bronze befindet, der im Rhein bei Mainz gefunden ist. Derselbe bildet eine ge- riefte 10!/; cm. lange Hülse aus Bronze, in der noch ein Stück- der Rebe steckt, welches sich durch die Verbindung mit dem Metall sehr gut erhalten hat. Auf dem Holze im Innern der Kapsel liegen zwei kleine Steinchen, durch die beim AufstoBen des Stockes ein Rasseln entstand. Der Helm fällt schon durch seine gedrückte Form und seine breiten "Backenklappen auf, be- sonders aber dadurch, daß er auf dem Scheitel an einem kur- zen Stiele eine quer gestellte crista aus kurzen Roßhaaren trägt. Somit wird die Notiz des Vegetius II 13 S. 45, 9 (Lang): cen- turiones loricatos transversis cassidum cristis, ut facilius nosce- rentur, singulas iusserunt gubernare centurias, quatenus nullus error exsisteret, cum centeni milites sequerentur non solum vexillum suum, sed etiam centurionem, qui signum habebat in galea (vgl. die be- reits erwihnte Stelle S. 49, 5) durch eine bildliche Darstellung bestätigt. Diese steht jedoch nicht allein. Die crista transversa findet sich auch auf einer in Wien befindlichen Skizze des Stei- nes CIL III 4060, jedoch meint von Domaszewski, sie bestehe hier aus Federn. Ich fiige hinzu ein Tropium in der Sala a croce greca im Vatican, auf dem der mit der crista transvera ge- schmiickte Helm noch mit den ftir den cornicularius charakteri- stischen Hórnern versehen ist. Die Beinschienen, welche nach unserem Steine ebenfalls zur Rüstung des centurio gehórten, fin- den sich auch sonst auf Grabsteinen dieser Charge. v. Doma- szewski citirt Zoéga Bassir. I 16 (Or. 3509); CIL VII 90; IT 4060; Ephem. epigr. IV 286 und den Grabstein des Sertorius

522 A. Miiller,

Festus. Hinzuzufügen ist CIL X 4210, wo die Inschrift zwar nur lautet: Dis manib(us) Lucceiae Tyche, aber auf der Riickseite rosa cum galeis duabus, ocreis, lorica abgebildet sein soll. Hier- aus darf geschlossen werden, daß ein Verwandter der Verstor- benen, und zwar derjenige, welcher den Stein setzte, centurio war. Die Beinschienen unseres Steines sind vor den Knieen mit bürtigen Kópfen verziert, die des Sertorius scheinen an gleicher Stelle Gorgoneien zu tragen. Auf die Frage nach dem Ge- brauch der Beinschienen in der Kaiserzeit werde ich weiter un- ten zurückkommen.

Von großem Interesse ist auch die Sculptur des unteren Feldes nicht sowohl wegen der Darstellung, als wegen der sich an dieselbe knüpfenden Frage. Dargestellt ist ein Pferdeknecht in Pünula und hochgeschürzter Tunica, welcher mit der linken Hand ein Pferd am Zaume führt. Ob er um den Hals das focale trägt, oder ob ein an dieser Stelle schwach angedeuteter Wulst zur Pänula gehört, läßt sich auf der Abbildung nicht un- terscheiden; von Domaszewski ist der ersteren Ansicht. Diese Darstellung kommt sehr häufig auf den Grabsteinen der Equites singulares, aber auch auf andern Reitergrabsteinen vor. Es fragt sich, wie dieselbe hier zu erklüren ist. von Domaszewski will aus derselben darauf schließen, daß der centurio beritten gewesen sei, doch sei nicht mit Sicherheit in ihm ein Reiterofficier, etwa der Commandant der Legionsreiterei zu erkennen. Ein berit- tener Centurio kommt, wie v. D. mit Recht bemerkt, bei der Er- mordung des Avidius Cassius (Dio Cass. LXXI 27, 2) vor; auBerdem erscheint auf dem in Wien befindlichen Sarkophag (CIL III 4315) eines Centurio der /eg. I adi. an der linken Schmalseite ein gerüsteter Reiter und, wenn mich meine Notizen nicht trügen, darunter die nümliche Darstellung wie auf unserem Steine. An und für sich ist die Ansicht v. D.'s nicht zu ver- werfen; sehen wir, ob dieselbe für unseren Fall gehórig begrün- det ist.

Ob es besondere Centurionen zum Commando der Legions- reiterei gab, die dann beritten gewesen sein würden, läßt sich nur aus den /atercula nachweisen. Auf diesen stehen die equites praetoriani mit den übrigen Soldaten in der Centurie, vgl. CIL VI 2385; Eph. epigr. IV 894, und nennen auf Grabschriften mehrfach die Centurie, vgl. CIL V 918; VI 2438; 2517; 2519;

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2572; 2591; 2672; 2679 u. a. m. Indessen ist das bisweilen auch nicht der Fall, vgl. CIL III 3265; 5222; VI 2489. Die Legionsreiter nennen auf den Grabsteinen die Centurie meist nicht, jedoch geschieht dies CIL VIII 2593: Aelius Severus eq. leg. IIL Aug. I Iul, Candidi. Wenn nun durch diesen Stein be- wiesen wird, daß auch die equites legionarii in der Centurie standen, so ist daraus doch nicht zu schließen, daß sie von einem centurio commandirt wurden. Sie hatten vielmehr decu- riones. Vgl. CIL II 1681: decurioni equitum centurioni hastato primo leg. IIII (zwischen Augustus und Claudius nach Hübner zu CIL II 2916) sowie das höchst interessante latereulum einer vexillatio der leg. XI Claudia aus dem Jahre 155, welches Eph. ep. IV p. 524 publicirt ist. Diese vexillatio steht sub cura eines centurio, wird aber von einem beneficiarius consularis commandirt. Es werden zunáchst die principales aufgeführt, darauf die Mann- schaften, und zwar aus coh. I 8, aus coh. II 5, aus coh. III 8, aus coh. IIIT 9 und aus coh. V 37 Mann; endlich folgt ein de- curio und 1 eques XI Claudiae. Steht hienach fest; daß die Legionsreiterei von decuriones commandirt wurde, so ist wie auch v. D. geneigt ist anzunehmen es nicht gestattet aus dem Steine von Carnuntum zu schlieBen, dafi der Centurio we- gen einer Verbindung mit der Legionsreiterei beritten gewesen sei. Es ist nun die Frage zu beantworten, ob die Darstellung eines Reiters oder eines vom Knechte gehaltenen Pferdes jedes- mal mit Bestimmtheit darauf schließen läßt, daB der Verstorbene oder der den Grabstein Setzende beritten gewesen ist. Von vorn herein sollte man das annehmen, und in auBerordentlich zahl- reichen Fallen verhält sich das auch so; indessen trifft das nicht immer zu. So ist ein Reiter dargestellt auf dem Steine CIL III 4477 mit mil. leg. XV Apoll., oder man müßte annehmen, daß statt miles eques zu schreiben gewesen wire. Zwei Legions- steine am Antoninswalle CIL VII 1088: Jeg. II Aug. per. m. p. IIIIDCLIL fe. und VII 1130: deg. II Aug. pep (sic) m. p. INIDCLXVIS zeigen ebenfalls einen Reiter; es wäre aber doch hôchst auffallend, wenn lediglich oder vorwiegend Legionsreiter bei den Wallarbeiten beschäftigt gewesen wären. Auch die Dar- stellung des am Zügel geführten Pferdes läßt nicht ohne Wei- teres auf Berittensein des Mannes schlieBen, so CIL V 895: optio leg. XI Claud.; 940: centurio leg. XI Claud.; 914: mil. leg.

524 A. Miiller,

I Italices. Daß in allen diesen Fällen ein Irrthum beim Ab- fassen der Inschrift anzunehmen ist, ist unwahrscheinlich. Hie- nach glaube ich, daß die fraglichen Darstellungen erst dann auf Berittensein schließen lassen, wenn noch anderweit besondere Gründe hinzukommen. Mit dem von v. D. angeführten Wiener Sarkophag hat es eine besondere Bewandniß. Derselbe ist von einem primipilaris einem centurio gewidmet. Ich habe mir notirt, daß auf der rechten Schmalseite ein Mann mit der »itis in der rechten Hand und einer Rolle in der linken dargestellt ist. Diese Figur ist auf den Verstorbenen zu beziehen, der oben er- wähnte Reiter auf der linken Schmalseite dagegen auf den pri- mipilaris, der beritten war. Auch der bei Dio Cass. 1. 1. vor- kommende Centurio wird ein primus pilus gewesen sein.

Aber auch, wenn v. D. recht hätte, so würde auf dem Grabsteine eines Centurio schwerlich nur ein Pferd dargestellt sein. Die Centurionen standen im Range über den Decurionen, und diese hielten nach Hygin. 16 (alunt equos singuli decuriones ternos, duplicarü et sesquiplicarii binos) 3 Pferde. Philol. XL S. 261 habe ich gezeigt, daß in der That auf den Grabsteinen der Decurionen der Equites singulares 3 Pferde dargestellt sind. Dasselbe ist der Fall bei dem decurio einer ala CIL VIII 9389. Wenn CIL III 4368 bei einem decurio der ala Aug. Ituraeorum nur 2 Pferde vorkommen sollen, so ist das nicht beweisend, da die Angaben des Corpus über die Sculpturen nicht immer zu- verlissig sind (vgl. m. Bemerkung zu VI 3206 Phil. l.l) Auch hinsichtlich der duplicarii wird die Notiz des Hygin durch die Abbildungen bestätigt. CIL III 3677 duplicarius alae Itur. (ab- geb. Desjardins Mon. épigr. du mus. nat. Hongr. Taf. XXVH Nro. 146) und III 2016 duplice. al. Pann. zeigen nur 2 Pferde. Wäre also unser Calidius wirklich ein berittener Centurio gewe- sen, so würden 3 Pferde dargestellt sein.

Die richtige Erklärung unserer Darstellung liegt nicht fern, da in der That der von uns verlangte anderweitige Grund vor- handen ist. Ich verweise zuvor auf Zoéga Bassir. I 16 (Or. 3509), welches neuerdings wieder bei von Domaszewski Die Fah- nen im römischen Heere S. 31 Fig. 5 abgebildet ist. Der Ver- storbene M. Pompeius Asper war centurio leg. XV Apoll.., cen- turio coh. III praet., prim. pil. leg. III Cyren. und praef. castr. leg. XX wictr. gewesen. Die bildlichen Darstellungen auf dem

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 525

Steine beziehen sich nun sowohl auf den Dienst in der Legion als auf den bei den Prätorianern; denn es erscheinen neben dem Legionsadler zwei Manipelzeichen der coh. III praetoria. In ühn- licher Weise beziehen sich die Darstellungen unseres Steines auf die verschiedenen Dienststellungen des Calidius, und zwar die Reliefs des oberen Feldes auf seine letzte als centurio, das des untern auf seine erste als eques legionis.

Auch neue Darstellungen von phalerae haben wir zu ver- zeichnen. So sind auf der Brust des C. Marius eg. leg. I (Bon- ner Jahrbb. LV/VI Taf. V 1) deutlich 3 phalerae zu bemerken, wührend unter dem Pferde an der Stelle, wo sonst der besiegte Feind zu liegen pflegt, eine auf die Seite gestellte lorica mit 9 phalerae und zwei armillae und torques darüber angebracht ist. Lediglich phalerae ohne Figur eines Kriegers finden sich auf dem 1. 1. Taf V 2 veröffentlichten Steine, der außerdem nur die Inschrift Vale Luci trigt. Die phalerae sind hier recht unregel- mäßig dargestellt, und über ihre Zahl ist nicht mit Sicherheit zu urtheilen, da der Stein oben verstümmelt ist. Erhalten sind 7, wahrscheinlich fehlen 2. Die rohen und gewiß nicht völlig zuverlässigen Zeichnungen von militärischen Decorationen zu CIL V 5586 und 4365 sind nach bezw. Gruter und dem Cor- pus wieder publiciert von v. Domäszewski Die Fahnen u. s. w. S. 38, Fig 15 u. 16. Außerdem habe ich Philol. XL S. 252 Anm. einen Stein mit einem mit phalerae versehenen Riemen- werk beschrieben, welchen ich im April 1879 in dem an der via Appia liegenden Gehófte casale rotondo sah.

Wie bereits oben bemerkt, sind in den letzten Jahren auch vielfach Sepulcralmonumente beschrieben; theils ist dies in meh- reren der oben erwühnten Schriften geschehen, theils ist Fol- gendes hier namhaft zu machen. (19) H. Düntzer Verzeichnif der rómischen Alterthümer des Museums Wallraf- Richartz in Cóln. Cöln 1873. (20) J. Becker Die römischen Inschriften und Steinsculpturen des Museums der Stadt Mainz. Mainz 1875 (vgl. Philol. Anzeiger Bd. VIII S. 322) und Nachtrag dazu von J. Keller. Mainz 1888. (21) F. Hettner Katalog des Kgl. Rheinischen Museums vaterlündischer Alterthümer bei der Uni- versität Bonn. Bonn 1876 (vgl. Philol Anzeiger Bd. IX 8S. 220 ff) (22) F. Haug Die römischen Denksteine des Grof- herzoglichen Antiquariums in Mannheim. Konstanz 1877,

526 A. Miiller,

Hettner und Lamprecht Korrespondenzblatt der westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst. Trier 1881 ff. (28) Philo. XL S. 221—270 habe ich in einem „Sepulcralmonu- mente römischer Krieger" betitelten Aufsatze diejenigen Grab- Steine beschrieben, welche ich auf einer im Frühling 1879 durch Italien unternommenen Reise gesehen habe. Von den dort ver- zeichneten 20 Steinen entfallen auf Prütorianer 5 (Nro. 2, 4, 14, 15, 16), auf die cohortes urbanae 8 (Nro. 8, 8, 12), auf die vigiles 1 (Nro. 17), auf die Flotten 1 (Nro. 11), auf Legionen 2 (Nro. 19, 20), auf unbestimmte Truppentheile 8 (Nro. 1, 5, 6, 7, 9, 10, 18, 18). Da diese Monumente bis auf 2 (Nro. 19 und 20) die Soldaten nicht im Panzer, sondern im Costiim des täg- lichen Dienstes, bei welchem der Panzer nicht angelegt wurde, zeigen; so habe ich S. 223 ff. auf Grund der schriftlichen Quel- len über dieses eingehend gehandelt. Indem ich auf diese Aus- führung verweise, beschrünke ich mich hier darauf die dort be- sprochenen Stellen anzuführen: Dio Cass. XLII 52 Tae. Ann. III 4; Dio Cass. LXXIV 4, 6 Herodian. II 2, 9 VH 11,2 ff Tertull. de corona 1 Tac. Hist. I 29. Darüber, daß bei diesem Costüm statt des sagum auch die pae- nula getragen wurde, sind zu vergl. Sen. de benef. V 24; III 28; Suet.:Nero 49. Galba 6. S. 227 ff. ist sodann über die verschiedenen Formen gehandelt, in denen das sagum er- scheint. Es konnten eine reichere und eine knappere Form des Gewandes unterschieden werden, von denen jede wieder zwei Behandlungsweisen zeigt. Von einem bei Personen der militia equestris üblichen Umwurf des sagum ist S. 247 gesprochen. S. 228 sind die charakteristischen Merkmale der paerula ange- geben.

Die Beschreibung des Grabsteines des Q. Sertorius F'estus, centurio leg. Xl Claudiae piae fidelis, CIL V 8374 (Nro. 19 8. 246 ff) hat sodann (24) Hübner Veranlassung gegeben im Her- mes XVI S. 302 ff. einige abweichende Meinungen auszuspre- chen. Es war mir an der auf diesem Steine dargestellten Figur eine gewisse Mischung von Eigenthümlichkeiten der militia ca- ligata vitis, caligae, phalerae, torques mit Eigenthümlich- keiten der militia equestris niéguyes und Umwurf des sagum aufgefallen, und vollends hatte ich geglaubt die ocreae, den Mangel des Schwertes und die lorica squamata in das Bereich

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u.s. w. 527

der idealen Kunst setzen zw sollen. Daran hatte ich die Be- merkung geknüpft, daß die Darstellungen der Grabsteine viel- leicht nicht immer streng realistisch seien und daß sich, wenn einmal das Material an Grabsteinen gesammelt vorliege, provin- zielle Typen herausstellen dürften und dieses Aufgeben streng realistischer Darstellungsweise als Eigenthümlichkeit bestimmter Gegenden erkannt werden könnte. Hieran hat Hübner Anstoß genommen und den Satz aufgestellt, daß den Denkmälern, wo sie nicht in offenbarem und aus stilistischen oder technischen Gründen erklärlichem Widerspruch zu den Zeugnissen der Schrift- steller stehen, durchaus Glauben beizumessen ist. Ich gebe zu, daß Hübner mit seinen Ausstellungen zum großen Theile im Rechte ist. Der Stein aus Carnuntum beweist das Vorkommen der lorica squamata für die Centurionen ; nach den oben 8. 521 f. eitirten Monumenten, auf denen Beinschienen vorkommen, steht es fest, daß diese den Centurionen in der Kaiserzeit eigenthüm- lich waren ; und da Lampridius von Severus Alexander (40) er- zählt: donavit et ocreas et bracas et calciamenta inter vestimenta militaria, so muß sich der Gebrauch der Schienen lange erhalten haben. Indessen möchte ich meine Bemerkung: „daß die Schie- nen bei außerordentlichen Gelegenheiten, Festzügen u. dgl. ge- tragen wurden“ welche dem Vorstehenden entsprechend auf Cen- turionen zu beschränken ist mit Hübners Entgegnung : „eher sollte man doch denken, daß die zur vollen Bewaffnung gehö- rigen, gewiß sehr unbequemen Erzstücke, wo sie nur irgend entbehrlich waren, nicht getragen wurden“ keineswegs vertau- schen ; denn obwohl in manchen der mit einem Wams bezw. lo- rica hamata bekleideten Figuren der Trajanssäule Centurionen zu erkennen sind, findet sich auf diesem Monumente doch keine Spur von Beinschienen. Wenn die Schienen wirklich zur vol- len kriegsmäßigen Bewaffnung gehörten, so mußten sie doch vor allen Dingen im Kriege getragen werden, und man sieht nicht ein, was die Künstler, welche doch aufs genaueste Nacktheit des Beines und die kurzen bracae unterschieden haben, bewogen ha- ben sollte, die mit leichter Mühe darzustellenden ocrese zu über- gehen. Auch auf der Antoninssäule, der Basis der Säule des Antoninus Pius im Giardino della Pigna sowie auf dem Severus- bogen fehlen die ocreae völlig. Ich möchte daher nach wie vor glauben, daß die ocreae zum Galacostiim der Centurionen ge-

528 A. Miller,

hérten und kann mich der Vermuthung Hiibner’s, dieselben seien allen Soldaten (Hermes 1. l. p. 306) als regelmäßiges Ausri- stungsstiick zugekommen, nicht anschlieBen, da dem doch die Grabsteine der principales und gregarii entgegenstehen.

Zu dem erwähnten Aufsatze giebt (25) Hiibner in den Arch.- epigr. Mitth. VI (1882) S. 67 ff. einen Nachtrag, in dem er berichtet, er habe im Museum zu St. Germain auf dem Gyps- abgusse des Tiberiusbogens zu Orange die ocreae deutlich wahr- genommen, und auf dem Abgusse des Julierdenkmals zu St. Remy und des Reliefs an der porte noire zu Besançon wahrzu- nehmen geglaubt. Dem gegenüber habe ich zu bemerken, daB ich mir Angesichts der beiden letzteren Monumente nichts der- artiges notirt habe und hinsichtlich des ersteren von Doma- szewski beistimme, welcher Röm. Staatsverw. II? S. 338 Anm. 5 behauptet, daB es sich auf dem Tiberiusbogen eben um einen centurio handeln müsse.

Hinsichtlich der nréguyss, welche auf den Reliefs der bei- den Sertorii mein Bedenken erregten, bin ich inzwischen anderer Meinung geworden. Sowohl auf dem Juliermonumente, als auf dem Relief der porte noire kommen Personen der militia caligata mit Lederstreifen vor, und da sich Gleiches auch auf Grabstei- nen mehrfach findet vgl. zu dem Philol. XL S. 234 von mir beigebrachten Materiale die Zeichnung des daselbst S. 287 unter Nro. 6 beschriebenen Steines bei von Domaszewski Die Fahnen u. s. w. 8. 32 Fig. 6 und CIL VII 90 nach Hübners Beschrei- bung —, so dürfen wir die zmrégvys; jetzt nicht mehr lediglich der militia equestris zuweisen. Dal dieselben bei den caligati in verschiedener Form erscheinen, ist bereits Philol. l. l. erórtert; man füge hinzu, daß bei dem Grazer Centurio (vgl. Linden- schmit Tracht und Bewaffnung Taf. I 7) das Lederwams unten in kurze Streifen ausgeschnitten ist und da8 beim Caelius (eben- das. I 1) unten am Wams zwei Reihen ganz kurzer Streifen be- festigt sind. Bei beiden Figuren erscheinen am Oberarm die Streifen in entsprechender Weise. Bedenklich ist es jedoch, wenn Hübner (Hermes l. l. p. 307) die auf dem Steine des C. Valerius Crispus (CIR 1515. Lindenschmit Alterth. u. heidn. Vorzeit III 6, 5 und Tracht u. Bewaffn. Taf. IV 1) an den Beinen vorkommenden kurzen Lederstreifen mit den obigen zu- sammensfellt. Es sind da vielmehr kurze bracae zu erkennen,

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u.s.w. 529

welche entweder blof aus diesen kurzen Lederstreifen oder aus Zeug bestehen und mit den Lederstreifen besetzt sind. Achn- lich finden sich dieselben auch beim signifer Q. Luccius (Lin- denschm. A. u. h. V. I 4, 6, 2).

Von Hübner weiche ich auch ab in der Auffassung der Rü- stung des Signifer im Museo civico zu Verona (abgeb, bei von Domaszewski Die Fahnen u. s. w. S. 32 Fig. 6). Nach Hub- ner (Hermes l. l. p. 808) trügt der Mann den Erzpanzer, unter demselben die Tunica, unter welcher noch Lederstreifen her- vorkommen. Diese Auffassung erscheint mir mehrfach irrthiim- lich; zunächst ist an einen Juge oradıog nicht zu denken, weil der Armausschnitt nicht weit genug ist; hóchstens würe lorica hamata zu vermuthen, aber auch diese ist nicht wahr- scheinlich, da an der Taille ein starker Bausch zu bemerken ist, wie er bei der lorica hamata kaum vorkommen kann; es ist also ein Lederwams zu erkennen, wie das auch Phil XL 8. 287 ausgesprochen ist. Sodann aber ergiebt sich sowohl aus einer von mir genommenen Skizze, als aus der Zeichnung bei von Do-: maszewski, daß die Lederstreifen über der Tunika sitzen; letztere ist um etwas länger als die ersteren, so daß ihr äuBerster Rand unten sichtbar wird. Ich glaube überhaupt nicht, daß Leder- streifen unter der Tunica vorgekommen sind.

Wenn somit die Anlässe gehoben sind, welche meine Be- denken gegen den streng realistischen Charakter der Sepucral- monumente hervorgerufen hatten, so bin ich gern bereit die Rich- tigkeit der Hübnerschen Bemerkung, daf von vornherein die Steine allen Glauben verdienen, in vollem Mafie anzuerkennen.

Im zweiten Theile meiner Abhandlung (Philol. XL 8. 257 f£.) habe ich die Grabsteine der Equites singulares behandelt, da je- doch diese Denkmäler sehr gleichfórmig sind, von einer Beschrei- bung der einzelnen abgesehen und mich auf die Scheidung der verschiedenen Typen beschrünkt. Die Resultate der Untersu- chung wolle man an der citirten Stelle nachlesen.

Zu vorstehenden Bemerkungen gaben die Forschungen Ver- anlassung, welche sich mit den Sepulcralmonumenten beschiiftigt haben. Wir können an dieser Stelle den Wunsch nicht unter- drücken, daß doch recht bald eine Gesammtpublication dieser Denkmälerclasse veranstaltet werden michte. Um unsererseits zur Erfüllung desselben beizutragen, geben wir im Folgenden

Philologus. N. F. Bd. I, 8. 34

530 A. Miiller,

eine Uebersicht der uns theils durch Autopsie, theils durch Zeich- nungen, theils durch schriftliche Notizen bekannt gewordenen Denkmiiler, bei der wir abgesehen von manchem Unbedeutenden diejenigen Steine, welche nicht mehr vorhanden sind, und die Mehrzahl der Monumente der Equites singulares übergehen. Die Notizen des Corpus Inscriptionum Latinarum und des Corpus In- scriptionum Rhenanarum wiederholen wir nicht und ordnen das Material nach den Truppenkérpern. Man wird sehen, daß die Zahl der Reliefs selbst bei Hinzunahme der Waffendarstellungen nicht so groß ist, um eine Gesammtpublication unmöglich zu machen, falls bloße Doubletten ausgelassen werden. Möchte es den Gelehrten, welche durch ausgedehnte Reisen oder durch die ihnen zu Gebote stehende reichere Litteratur in der Lage sind, dies Verzeichniß zu vervollständigen, gefallen, ihre Zusätze an geeigneter Stelle zu verôffentlichen.

Cohortes praetoriae. Coh. I. CIL VI 2487. Paris. Clarac, p. 148, Nro. 319. V 2505. Verona. Philol. XL 8. 248, Nro. 15. Coh. III. VI 2488. Rom. Philol. l.c. S. 242, 14. VI 2514. Rom. VI 2519. Glienicke. VI 3419. Rom. Fabretti Syntagm. ad Col. Trai. p. 195. Eph. epigr. IV 132. Tatar Bazari. . Coh. IV. VI 2544. Rom. Philol. 1. 1. S. 248, Nro. 16. IX 4397. Cività Tomassa. Coh. V. VI 2572. Rom. Skizze bei mir. Coh. VI. V 912. Monastero bei Aquileja. Zeichn. beim Arch.-epigr. Seminar zu Wien. VI 2602. Rom. Philol l.c. S.231, Nro.2. VI 2627. Rom. Phi- lol. 1. e. S. 233, Nro. 4. VI 8894. Pesaro. Coh. VII. VI 2635. Rom. Coh. VIII. VI 2672. Rom. Zeichnung bei mir. Coh. 1X. V 6424. Belgiojoso. Coh. X. VI 2780. Rom; ver- geblich von mir gesucht. VI 2742. Rom. Abb. bei Gruter I S. 540 Ed. Amst. 1707. VI 2751. Rom. (erhalten?). X 1754. Neapel (erhalten?). Ohne Cohorte. VI 2770. Rom; wahrscheinlich 2 Riemensysteme für phalerae dargestellt; (erhal- ten?). VI 2776. Frusino. (erhalten ?). Zu vergleichen die Darstellungen im Bullet. arch. municipale 1876 Taf. VII, VIII zu VI 3901 und 2805; Taf. V, VI zu VI 2803. 2804. 2806.

Cohortes urbanae, Coh. XI. VI 2886. Rom. Philol. l. e. S, 282, Nro. 3. VI 2900 Paris (im Louvre von mir gesehen; im CIL ist der Aufbewahrungsort unbekannt) IX 4455. Aquila. Dolch an einem cingulum. Coh. XII. V 909.

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 581

Verona. Philol. l.c. S. 241, Nro. 12. VI 2911. Philol. S.238, Nro. 8. XI 958. Reggio (Aemilia) Coh. XIV. VI 2931 (erhalten ?). |

Cohortes vigilum. Coh. VI. VI 2987. Rom. Philol. l c. S. 245, Nro. 17.

Legiones. Leg. I adi. CIL III 4315. Wien. Der Bericht im Corpus über die Sculpturen ist ungenau. III 4310. Pest. III 196. Syrien. III 4328. Szóny. CIR 1146. Mainz. Becker Katalog S. 39, Nro. 135. Keller Nachtrag zu Be- cker’s Katalog Nro. 140*. Mainz. Bonner Jahrbb. LX XII S. 140f. Eph. epigr. IV 125. Heraclea. Leg. I Germanica. CIR 486. Bonn. Hettner Bonner Katalog S. 82, Nro. 84. Bon- ner Jahrbb. LV S. 177. Bonn. Abbild. L c. Taf. V 1. Leg. I Italica. CIL III 2010. Salona. Skizze beim Archäol.-epigr. Se- minar in Wien. Notiz über die Skulptur fehlt im Corpus. Leg. II adiutriz, Eph. epigr. II 740. Pest. CIL III 3530. Pest Desjardins Taf. XXIV Nro. 138. Keller Nachtrag Nro. 141*. Mainz. Bonner Jahrbb. LX XII S. 139 f. Hettner und Lamprecht Zeitschr. 1881 S. 51. CIL VI 3562. Rom. (er- halten?). Leg. II Augusta. Bonner Jahrbb. LXVI S. 70 ff. Strassburg. Abbild. ibid. Taf. II. CIL VIII 2877. Lambaesis. Zwei Legionssteine am Piuswalle mit Darstellung eines Rei- ters CIL VII 1088, 1130. Leg. II Italica. CIL III 5218. Cilli. Abb. Conze Rómische Bildwerke einheimischen F'undorts in Oe- sterreich Heft III Taf. XIII. Leg. II Parthica. CIL V 5824. Mailand. (erhalten?). Leg. II Traiana. Eph. epigr. II 327. Bulak. Abb. v. Domaszewski Die Fahnen u.s. w. S. 37 Fig. 14. Eph. epigr. I1 337. Museum d. ägypt. Instituts. Leg. III Augusta. VIII 3207. Lambaesis. Sonst finden sich zu Lambaesis fast nur Brustbilder der Verstorbenen, so CIL VIII 2788. 2823. 2864. 2896. 2931. 2945. 2949. 2955. 2999. 3000. 3001. 3055. 3151. 3224. 3275. 4232. Leg. III Italica. CIL III 5812. Augsburg. Leg. III Flavia. CIL V 899. Grado. VII 7981. Paris. Leg. VI Victrix. XII 3175. Nemausus. Leg. VII Claudia. CIL III 2716. Gardun. III 3162. Stra. Eph. epigr. IV 219. Bardofze. Leg. VIII Augusta, CIL III 4060. St. Veit a. d. Drau. Zeichnung beim Arch.-epigr. Seminar in Wien. CIR 1515. Wiesbaden. Lindenschm. A. u. h. V. III 6, 5. Tracht u. Bewaffn. Taf. IV 1. CIL III 4858. Klagen-

94*

532 A. Miller.

furt. Zeichnung beim Arch.-epigr. Seminar in Wien. III 630. Monastir. Leg. VIIII Hispana. CIL VII 243. York. Abb. v. Domaszewski L 1. S. 36 Fig. 13. Leg. XI Claudia. CIL V 3374. Verona. Philol l. 1. S. 246, Nro. 19. V 895. Aqui- leia. Zeichnung beim Arch.-epigr. Seminar in Wien. V 3375. Verona. Philol 1.1. S. 255. Nro. 20. III 782. bei Sebastopol. V 944. Cassis. Zeichnung beim Arch.-epigr. Seminar in Wien, V 900. Aquileia. III 6194. Paris. Leg. XII. CIL V 2520. bei Rovigo. Berliner Philolog. Wochenschrift 1888, S. 418. Heraklea a. d. Propontis; mit griechischer Inschrift. Leg. XIII gemina. Eph. epig. V 87. Amastris. Abb. zum Theil in der Ephemeris 1. 1 CIL III 4061. Pettau. Das vezillum bei v. Domaszewski 1.1. S. 77 Fig. 95. V 5586. bei Mailand. v. Domasz. 1. 1. S. 38, Fig. 15. Leg. XIV gemina Martia victriz. CIR 1183. Mainz. Lindenschmit Alterth. u. h. V. I 4, 6, 1. Keller Nachtrag Nro. 176*. Mainz. Bonner Jahrbb. LXXII S. 135. CIR 923. Mainz. Lindenschm. 1. c. I 4, 4, 1. CIR 1180. Mainz. Lindenschm. 1. l. I 4,6, 2. CIR 1184. Mainz. Becker Katalog Nro. 161. Leg. XV Apollinaris. Arch.- epigr. Mittheilungen aus Oesterreich. V S. 208. Wien. Abb. ibid. Taf. V und Mittheil. d. Centralcommission, N. F. VI S. CXVI ff. CIL III 4483. Petronell. III 4477. Wien. III 4456, Wien. Leg. XV primigenia. CIR 479. Bonn. Abb. Lindenschm. 1.1. I 8, 6,1. CIR 480. Bonn. Abb. Dorow Denkm. I Taf. XX 2. Leg. XVI. CIR 1303. Wiesbaden. Abb. Jahn Lauersforier Pha- lerä Taf. II 2. Leg. XVIII. CIR 209. Bonn. Lindenschm. I 6, 5. Legio XX Valeria victriv. Or. 8509. Alba. Zoëga Bassir. I 16. Jahn Lauersforter Phalerä II 5. v. Domaszewski L e. S. 81 Fig. 5. CIL VII 90. Colchester. Photographie bei Hiibner. V 4365. Brescia. Militàrische Ehrenzeichen. Abb. im Corpus. Leg. XXI. CIL V 4902. Val Sabbia. Ehrenzei- chen. Leg. XXII primigenia pia fidelis, CIR 811. Cóln. Abb. Bonner Jahrbb. XXXVI Taf. I 2. Düntzer Kölner Katalog S. 101 Nro. 208. Cüln. CIR 1382. Mannheim. Hiezu d. Re- lief bei Haug, Denksteine S. 48 Nro. 68. CIR 1225. Mainz. Lindenschm. 1. 1. I 9, 4, 3 u. 33. Benndorf Gesichtshelme S 60 Fig. 7. CIR 1208. Mainz. Lindenschm. I 9, 4,2 u. 2* Benn- dorf L e. S. 60 Fig. 8. CIR 1223. Mainz. Abb. Lehne II Taf. X 45. Correspondenzblatt der westdeutschen Zeitschr,

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 588.

f. Gesch. u. Kunst V (1886) S. 202 ff. Mainz. Photographie bei Dr. Keller. CIR 468. Bonn. Abb. Dorow I Taf. XIX 1. Leg. XXX Ulpia. CIL V 7009. Turin. (erhalten ?). | Alae. Ala Afrorum. Bonner Jahrbb. LXX XI S. 91. Bonn. Ala Agripiana, CIR 893. Worms. Skizze bei Weckerling Paulusmuseum I, Taf. IV 4. Ala Aravacorum. CIL III 3286. Essek, Abb. Desjardins Taf. XXIX Fig.168. Aia II Asturum. St. Germain en Laye. AbguB eines in Chalons sur Saône gefun- denen Steins. Skizze bei mir. Eph. epigr. III 100 gef. bei Cilurnum. Bruce Lapid. septentr. p. 472 Nro. 949. Ala I Flavia Augusta Britonum mil. CIL III 4576. Ebersdorf. CIR 1525. Wiesbaden. CIL III 4576. Ebersdorf. Ala Celerum. "CIL III 4832. Klagenfurt. Ala Claudiana. CIR 1228. Mainz. Lindenschm. 1. L I 11,6, 2. Ala Claudia nova, CIL III 2712. Bei Gardun. Ala I contariorum. CIL III 4278. Tata, VIII 9291 Algier. Ala II Flavia. CIR 981. Mainz. Abb. Stacke Deutsche Geschichte S. 32. Ala Frontoniana. CIL III 800. Alsó Ilosova. III 801. ebendas. III 802. ebendas. II 3400. Tétény. III 8679. Pest. Abb. Desjardins Taf, XXIX - Nro. 169, Ala Hispana, CIR 1227. Mannheim. Haug S. 36 Nro. 41. CIR 889. Worms, Lindenschm. 1 l I 3, 7, 1. CIR 890. Worms. Lindenschm. 1. 1, I 8, 7, 2. Ala Indiana. CIL VII 66. Cirencester. CIR 307. Cóln. Düntzer Cólner Katalog S. 107 Nro. 224. CIR 891. Worms. Weckerling Paulusmuseum I S. 63, Nro. 3. Lindenschm. Tracht u. Bewaffn. Taf. VIL 4. Aia Ituraeorum. CIL III 8677. Pest. Abb. Des- jardins Taf. XXVII Nro.146. III 4867. Raab. Arch.-epigr. Mitth. I S. 148. Zeichnung beim Arch.-epigr. Sem. in Wien. III 4368. Wien. Ala miliario. VIII 9389. Florenz. Ala Noricorum. CIR 1229. Mainz. Lindenschm. A. u. h. V. III 8, 4 und Tracht u. Bewaffn. Taf. VII 3. CIR 1118. Mainz; ver- stiimmelt. Becker Mainzer Katalog S. 73, Nro. 225. CIR 187. Trier. Skizze bei mir. Bonner Jahrbb. LXXXI 8. 102 ff. Cóln. Abb. ibid. Taf. IV. Ala Pannoniorum. CIL III 2016. Salona. III 4372. Ebersdorf. III 4377. Raab. (erhalten?). VIII 6309. Constantine. Ala Parthorum, Ephem. epigr. V 1055. St. Leu. Ala Petriana. von Domaszewski Die Fahnen S. 70 Fig. 85, (ohne Ort u. Quelle). Ala Picentina. CIR .915. Mainz. Lindenschm, Tracht und Bewaffnung Taf. VIII Fig. 2.

934 A. Müller,

Ala Scubulorum. CIR 1524. Wiesbaden. Ala Sulpicia. CIR 344. Cüln. Düntzer Cólner Katalog S. 99 Nro. 205. Bonner Jahrbb. LXXXI S. 87. Bonn. Abb. ibid. Taf. III 1. Ala Tampiana. CTL III 4466. Petronell. Ala Tautorum. CIL II 2984. Calahorra. --- Ala Thracum. CIL VII 68. Watermore. Ala veterana, CIL. VIII 5963. Bled-el-Gouhari. Ala Vetionum civ. Rom. CIL VII 52. Bath.

Cohortes auxiliariae. Coh. I. CIL X 217. Saponara. Coh. III Alpinorum. CIL III 6366. bei Mostar. Coh. Aqui- tanorum. Eph. epigr. IV 357. Sinj. Coh. Asturum. CIR 478. Bonn. Cok. V. Lindensehm. A. u. h. V. I 11, 6, 1. 1231. Mainz. Coh. I; verstümmelt: Lehne II, Taf. VI 23. Cok. I Belgarum, Eph. epigr. IV 330. Gardun-Vojnic. Coh. III Bri- tannorum. CLL V 7717. Cuneo, Coh. I Campestris. Eph. epigr. IV 280. Narona. Cohortee Delmatarum, CIL VII 388. Ne- therhall, Cox. I. CIR 742, Kreuznach. Cod. I. Lindenschm. A. u. h. V. I 10. à. Kohl. Steinzeulpturen d Stadt Kreuznach. Tare. CH. VIII 9377. Seherschel. Co&. VL Revue arch. XIV, Tat, 395, VII 9384. ebendas. Coa. VII. Col. VI Inge mio, CIR 2033. Cola. Düntzer Cöiner Katalog 3. 104, Nro. 229. Ca. I Zisrueoren. CIR 1233. Mannheim. Haug Denk- steine S 41. Nro. 32. Becker, Grabsehrit eines Panzerreiterof- Sene Feet. 1303. Tat ID 4. CIR 1234. Mainz. Becker, Gras Tat ID 3. Goi. I Zipuram. CIL II +35. Smyrna. Cod. Ligurum 26 Hisvanorum, V 2200. Nizza, erhalten? Cost. Leszonenum. CIL X 7382. Peria Sera CIR 312. Cum cua. IDO Benzer Jabsht. NXNVI Tal 1. 3. Calorie Pinus CLA 2465 Rrvugnzaeno Goa. ID Boal S ES Nr 15. CIR THE Kerze CALI versie Bohl S 21 Mo 13. CN 1512. Weslates Co. I Lindenwhm Track us Be wiring. Var VI 5 CIL IN 3234. Au Fue. OIL Cwtertss Eagtorum. Sez Jabst> LXNVII S. 14: Boom Abb. greta Lar [| CIX iii. Wein Coa. I Eat c. R. Salz Dei ir CLR 235 mr sa LaxSenhein, Cok. Il Rae. Lut.) Supésureren. CIR TSS. Kreuzgaeuns Decker Orabwehr. 2 UGG Roi oS 2. New D. CIR 73}. Amumaed TCeexir Dal ID Real S iid, New 13. CIL VI 3333. Maschi Cod. Survram, Eph. spiego. V 395. Seharsehel Coll l'irucum. VITO ZII «31i Dese Cos, L Dewurdims

La - we “> » . Z'ASETOSL OUT LL

Die neueren Arbeiten tiber Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 585

XXIX 166. CIR 310. Cóln. Coh. I. Bonner Jahrbb. XXXVI Taf. I 1. CIR 1290. Mannheim. Cor. III. Haug S. 35, Nro. 40. CIR1523. Wiesbaden. Coh. III. Skizze bei mir. CIR 990. Mainz, Coh. VI. Lehne II, Taf. VII 28. CIL VII 67. Cheltenham. Coh. VI. CIL VII 158. Wroxeter. Coh. VI? Coh. I Vindelicorum, CIL III 3652. Pest. Desjardins Taf. XXX, Nro. 173.

Classes. Classis praetoria, Misenensis, Eph. epigr. V 208. Constantinopel. CIL X 3434. Florenz X 3437a. Neapel. Eph. epigr. V 201. Piraeeus. III 556 a. Athen. Archäol. Zeit. XXVI Taf. 5, 1. III 6109. Athen. Classis praetoria Ravennatium. Or. 3618. Ravenna. Philol. XL S. 240 Nro.11. CIL III 557. Piraeeus. V 2834. Padua. V 2840. Padua; verstümmelt.

Numeri reliqui. Numerus Divitensium. CIL III 728. Rodosto. Equites singulares. Eph. epigr. IV 983. Rom. (Die Darstellung zeigt einen von mir Philol. XL S. 257 ff. nicht be- handelten Typus)!). Numerus Katafractariorum. Weckerling II S. 55, No. 2. Worms. Abb. ibid. Taf. IV 2. Numerus Mele- nuensium. CIL VIII 9060. Aumale. Numerus Palmyrenorum (?). CIL VIII 2504. El Kantara.

Munera militaria. Centurio deputatus, Eph. epigr. V 207. Constantinopel. Evocati. CIL VI 3431. Rom. (er- halten?). VI3434. Rom. Ezplorator. CIL III 4276. Tata. Librarius legati. Archäol.-epigr. Mitth. VIII S. 4. Hassiduluk. Praefectus fabrum, CIL VI 3512. Rom. Singulares. CIL VIII 3050. Lambaesis. VIII 9292. Algier. Speculatores. CIL V 7164. Turin.

Hieran reihen sich folgende Inschriftsteine mit Skulpturen, die einem bestimmten Truppenkörper nicht zugewiesen werden können: CIL III 2057; 4266; 5092b; 5633; 5634; V 945 (Zeichnung beim Arch.-epigr. Sem. in Wien); 1027 (Philol. XL S. 297 Nro. 7); 2090; 5196; 6572; 6999; 7163 (erhalten?); VI 3623 (erhalten?); VII 406; 590 (Abb. Bruce Lapidar. sep- tentr. Nro. 118); 719; 919 (Abb. Bruce Nro. 481); VIII 9204; 9206; IX, 996; 3852; Ephem. epigr. II 333 (Philol. XL S. 235 Nr. 5); IV 354; 502; V 94; 1054; CIR 1380 (Haug S. 34

1) Ich bemerke, daß ich die Steine CIL VI 3210 u. 3265 im Louvre gesehen habe, wodurch die im Corpus in betreff des Aufbe- wahrungsortes ausgesprochene Vermuthung bestitigt wird.

534 | A. Müller,

Ala Scubulorum. CIR 1524. Wiesbaden. Ala Sulpicia. CIR 344. Cóln. Düntzer Cólner Katalog S. 99 Nro. 205. Bonner Jahrbb. LXXXI S. 87. Bonn. Abb. ibid, Taf. III 1. Ala Tampiana. CIL III 4466. Petronel. Ala Tautorum. CIL II 2984. Calahorra. Ala Thracum. CIL VII 68. Watermore. Ala veterano, CIL VIII 5963. Bled-el-Gouhari. Ala Vettonum civ. Rom. CIL VII 52. Bath.

Cohortes auxiliariae. Coh. I. CIL X 217. Saponara. Coh. III Alpinorum. CIL III 6366. bei Mostar. Coh. Aqui- tanorum. Eph. epigr. IV 357. Sinj. Coh. Asturum. CIR 478. Bonn. Coh. V. Lindenschm. A. u. h. V. I 11, 6, 1 1231. Mainz. Coh. I; verstümmelt; Lehne II, Taf. VI 23. Coh. I Belgarum. Eph. epigr. IV 350. Gardun-Vojnic. Coh. III Bri- ' tannorum. CIL V 7717. Cuneo. Coh. I Campestris. Eph. epigr. IV 236. Narona. Cohortes Delmutarum. CIL VII 388. Ne- therhall. Co^. I. CIR 742. Kreuznach. Coh. IIII. Lindenschm. A. u. h. V. I 10, 5. Kohl. Steinsculpturen d. Stadt Kreuznach. Tafel. CIL VIII 9377. Scherschel. Coh. VI. Revue arch. XIV, Taf. 305. VIII 9384. ebendas. Coh. VIL. Coh. VI Inge- nuorum. CIR 2088. Cüln. Düntzer Cólner Katalog S. 104, Nro. 220. Coh. I Ituraeorum, CIR 1289. Mannheim. Haug Denk- steine S. 41, Nro. 52. Becker, Grabschrift eines Panzerreiterof- ficiers. Frkft. 1868. Taf. II 4. CIR 1234. Mainz. Becker, Grabshrift Taf. II 8. Coh. I Ligurum. CIL III 435. Smyrna. Coh. Ligurum et Hispanorum, V 7900. Nizza. (erhalten ?). Coh. Lusitanorum, CIL X 7882. Perda litterada. CIR 812. Cöln. CoA. III. Bonner Jahrbb. XXXVI Taf. 1, 3. Cohortes Pannoniorum. CIR 748. Kreuznach. Coh. I. Kohl S. 18 Nro.15. CIR 744. Kreuznach. Coh.I. verstümmelt. Kohl S. 21 Nro. 18. CIR 1519. Wiesbaden. Coh. I. Lindenschm. Tracht u. Be- waffnung. Taf. VI 2. CIL IX 3924. Alba Fuc. Coh. IIII. Cohortes Raetorum. Bonn. Jahrbb. LXXVII S. 14 ff. Bonn. Abb. ebendas. Taf. I. CIR 1520. Wiesbaden. Coh. II Rai. c. R. Skizze bei mir. CIR 935. gef. zu Laubenheim. Coh. II Raet. Coh. I Sagittariorum. CIR 738. Kreuznach. Becker Grabschr. e. Panzerreiteroff. Taf. II 2. Kohl S. 20, Nro. 17. CIR 739. Kreuznach. Becker Taf. II 1. Kohl S. 19, Nro. 16. CIL VI 3595. Madrid. Coh. Syrorum. Eph. epigr. V 995. Scherschel, Coh. Thracum, CIL III 4316. Pest. Coh. I. Desjardins Taf.

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 585.

XXIX 166. CIR 310. Cöln: Cok. I. Bonner Jahrbb. XXXVI: Taf. I 1. CIR 1290. Mannheim. Cok. IIII. Haug S. 35, Nro. 40. CIR1523. Wiesbaden. Coh. IIII. Skizze bei mir. CIR 990. Mainz. Coh. VI. Lehne II, Taf. VII 28. CIL VII 67. Cheltenham. Coh. VI. CIL VII 158. Wroxeter. Coh. VI? Coh. I Vindelicorum. CIL III 3652. Pest. Desjardins Taf. XXX, Nro. 173.

Classes. Classis praetoria Misenensis, Eph. epigr. V 208.. Constantinopel. CIL X 3434. Florenz. X 8487a. Neapel Eph. epigr. V 201. Piraeeus. III 556 a. Athen. Archiol. : Zeit. XXVI Taf, 5,1. III 6109. Athen. Classis praetoria Ravennatium. Or. 3618. Ravenna. Philol. XL 8.240 Nro. 11.

CIL III 557. Piraeeus. V 2834, Padua, V 2840. Padua; -

verstümmelt. |

Numeri reliqui. Numerus Divitensium. CIL III 728. Rodosto. Equites singulares. Eph. epigr. IV 933. Rom. (Die Darstellung zeigt einen von mir Philol. XL S. 257 ff. nicht be- handelten Typus)!). Numerus Katafractariorum. Weckerling II S. 55, No. 2. Worms. Abb. ibid. Taf. IV 2. Numerus Mele- nuensium. CIL VIII 9060. Aumale. Numerus Palmyrenorum (?). CIL VIII 2504. El Kantara. Ä

Munera militaria. Centurio deputatus, Eph. epigr. V 207. Constantinopel. Evocati. CIL VI! 8481. Rom. (er- halten?). VI3434. Rom. Explorator. CIL III 4276. Tata. Librarius legati. Archäol.-epigr. Mitth. VIII S. 4. Hassiduluk. Praefectus fabrum, CIL VI 3512. Rom. Singulares. CIL VIII 3050. Lambaesis. VIII 9292. Algier. Speculatores. CIL V 7164. Turin.

Hieran reihen sich folgende Inschriftsteine mit Skulpturen, die einem bestimmten Truppenkérper nicht zugewiesen werden konnen: CIL III 2057; 4266; 5092b; 5688; 5634; V 945 (Zeichnung beim Arch.-epigr. Sem. in Wien); 1027 (Philol. XL S. 237 Nro. 7); 2090; 5196; 6572; 6999; 7163 (erhalten?); VI 3623 (erhalten ?); VII 406; 590 (Abb. Bruce Lapidar. sep- tentr. Nro. 118); 719; 919 (Abb. Bruce Nro. 481); VIII 9204; 9206; IX, 996; 3852; Ephem. epigr. IL 383 (Philol. XL S. 285 Nr. 5); IV 354; 502; V 94; 1054; CIR 1880 (Haug S. 84

1) Ich bemerke, daß ich die Steine CIL VI 8210 u. 3265 im Louvre gesehen habe, wodurch die im Corpus in betreff des Aufbe- wahrungsortes ausgesprochene Vermuthung bestätigt wird.

536 A. Müller,

Nro. 39); 1684; 1886 (das Original ist in Straßburg 1870 zu Grunde gegangen; Gypsabgüsse befinden sich in Mainz und St. Germain; vgl Bonner Jahrbb. LXXII 8.139); Keller Nachtrag zum Mainzer Katalog Nro. 226* (Bonner Jahrbb. LX XII S. 137); Westdeutsche Zeitschrift 1882 S. 51.

Ferner sind verschiedene Reliefs zu erwühnen, denen die Inschriften fehlen: Archäologisch - epigraphische Mittheilungen I S. 117; 152; 166; V S. 178 Nro. 16 u. 24; VIII S. 38. 59. Bruce Lapidarium Nro. 238; 239; 240; 421; 754; 755; 756; 930 (= v. Domaszewski die Fahnen S. 75 Fig. 90). Conze Rómische Bildwerke u. s. w. Heft III Taf. XI. von Doma- szewski l. c. p. 32 fig. 6 (Philol. XL S. 237 Nro. 6); 8. 39 Fig. 17; S. 74 Fig. 87; S. 77 Fig. 95. Jabornegg Kärnthen's Rómische Alterthümer S. 158. Bonner Jahrbb. LXXVII S. 37 u. 40 zu Taf. II 1. 2, und III 1 LXXXI S. 223 f. Linden- schmit Tracht und Bewaffnung Taf. VIII 3. Prize London and Middlessex archaeol. Journal 1880/1. Weckerling II S. 58 Nro. 4 u. Taf. HI 1 a u. b. Ferner Benndorf und Schoene Lateran. Mus. 8. 406 zu Nro 151 (vgl. Philol. XL S. 230 Nro. 1). Hettner Bonner Katalog S. 83 Nro. 226; S. 84 Nro. 227 und 228. Kohl Kreuznacher Inschriften S. 22 Nro. 20. Philologus XL S. 239 Nro. 9; S. 240 Nro. 10; S. 242 Nro. 18. Reiches Material von Zeichnungen findet sich im Apparate des Archäo- logisch-epigraphischen Seminars zu Wien, und zwar von Reliefs aus Aquileja, Schlo8 Hollenburg bei Klagenfurt, Klagenfurt, Mariasaal, Pola, Possau, Sekau, Stein am Anger, Triest; das- selbe wird sich in den letzten Jahren noch vermehrt haben. Ich besitze Skizzen von Reliefs aus Linz, dem Musée Carna- valet zu Paris, dem Vatikan und der Villa Albani. Aus dem CIL gehören hieher II 793 und Hiibner's Nachweisungen zu II 2462. Endlich finden sich auch militürische Reliefs auf Steinen, deren Inschriften nichts Militärisches enthalten. S. CIL II 2781. 2790. III 5519. 6157. V 3365. VII 74. VIII 3917. 8516. IX 3851. 5688. X 2399. 4210. Ephem. epigr V 65.

Der hochverdiente Director des römisch - germanischen Cen- tralmuseums, Ludwig Lindensc hmit, will in seinem Buche über Tracht und Bewaffnung des rémischen Heeres wührend der Kai- serzeit (12) nicht nur einen Beitrag zur Kenntniß der römischen

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 587

Bewaffnung, sondern, da dasselbe sich vorwiegend auf die am Rhein gemachten Funde stützt, auch einen solehen zur Kennt- nif der vaterlindischen Alterthümer liefern. Außerdem soll das Buch ein Unterrichtsmittel für höhere Lehranstalten sein. Un- seres Erachtens ist diese Verbindung zweier Zwecke nicht vor- theilhaft gewesen; denn während bei einem rein wissenschaft- lichen Werke die strengste Genauigkeit in der Wiedergabe der Monumente erforderlich und es am besten gewesen wäre, einfach die in den „Alterthümern unserer heidnischen Vorzeit‘ gegebe- nen musterhaften Abbildungen zu reproduciren, hat die Bestim- mung des Buches zu einem Unterrichtszwecke dazu geführt, „un- beschadet des alterthümlichen Charakters der Bildwerke der Deutlichkeit halber die den Gesammteindruck störenden Ver- stiimmelungen sowie die abstoßenden Mängel in der Ausführung der Körpertheile“ zu beseitigen. Auf diese Weise sind dann mehrfach Figuren entstanden , welche selbst dem mit diesen Denkmälern völlig Vertrauten auf den ersten Blick fremd er- scheinen werden. Schon beim Caeliussteine (Taf. I, 1) hat sich der Zeichner einige Freiheiten erlaubt. Bei dem aquilifer Mu- sius (Taf. II, 1 vgl. mit Alterth. u. h. V. I 4, 6, 1) weichen die Größe des Adlers, die Lage des ergänzten Schwertes, die Gestalt des Schildes, die Stellung des rechten Beines und infolge dessen die Stellung des Mannes erheblich vom Original ab. Taf. III 1 ist aus Luccius, der auf dem Originale (A. u. h. V. I 4, 6, 2) eine Kleine schlecht proportionirte Gestalt ist, ein gro- Ber schlanker Mann geworden, und die Einzelheiten seiner Rti- stung sind zum Theil weit genauer gegeben, als sie auf dem Steine erkannt werden können. Sehr stark und, was den den linken Arm bedeckenden Theil der paenula anbetrifft, nicht ein- mal richtig ergünzt ist die Figur des Petilius (Taf. IV 2 vgl. mit A. u. h. V. I 8, 6, 1). Beim Hyperanor (Taf. V 2) haben, da der obere Theil der Figur verstiimmelt ist, sehr erhebliche Ergünzungen vorgenommen werden müssen, die auch an der Giirtung nicht genau sind (vgl. Becker Grabschrift eines Pan- zerreiterofficiers Taf. II 1). Auch C. Marius (Taf. VII 1) ist gegen das Original (Bonner Jahrbb. LV Taf. V 1) bedeutend verändert.

Hienach können die Abbildungen zum großen Theile für wissenschaftliche Forschungen ein sicheres Fundament nicht ge-

538 A. Müller,

währen, während allerdings ihre Brauchbarkeit für die Zwecke des Unterrichts durch die Nacharbeitung gewonnen hat. Auflr- dem ist darauf hinzuweisen, daß der Text selbst von größeren Druckfehlern nicht frei ist, die Inschriften meist nicht völlig richtig wiedergegeben und die Citate nicht selten ungenau an- geführt sind. Auf alle diese Dinge hat bereits eine Besprechung in den N. Jahrbb. f. Philologie und Pädagogik Bd. 128 8. 566 aufmerksam gemacht. Wir unsererseits nehmen daran nicht so großen Anstoß; das Hauptgewicht ist bei diesem Buche darauf zu legen, daß ein durch langjährigen Umgang mit den Denk- mälern und Fundstücken im hohen Grade sachkundiger Mann redet und seine auf die eingehendsten Forschungen begründeten Ansichten mittheilt.

Der Verfasser beginnt S. 3 mit einer kurzen Geschichte der Bewaffnung des römischen Heeres, wie sie sich aus den Schriftstellern ergiebt. Wenn er dabei die Bewaffnung der Ser- vianischen Classen auf etruskische Vorbilder zurückzuführen scheint, so möchte ich dagegen bemerken, daß es zwar schwer, wenn nicht unmöglich ist darüber etwas Sicheres festzustellen, ich aber doch für jene Bewaffnung und ihre Unterschiede lieber griechischen Einfluß annehme, zumal sich in den Classen deut- lich die griechischen Hopliten, Peltasten und Gymneten wieder- finden. Ferner beruht es wohl auf einem Versehen, wenn S. 8 gesagt wird, bei Polybius hätten die Triarier statt der hasta das pilum ; dies wird Liv. VIII 8 berichtet, bei Polybius VI 23, 16 ist das Verhältniß das umgekehrte. Es ist eine ansprechende Vermuthung Köchly’s (Abhandl. der Philol.-Vers. zu Würzburg S. 43 ff.), daß das Zusammentreffen der römischen Legionen mit der makedonischen Phalanx im Tarentinischen Kriege die Ver- anlassung bot den beiden ersten Abtheilungen des Fußvolks das pilum zu geben, um es zu befühigen vermittelst des Wurfes in den Reihen der Phalanx Lücken zu reißen.

Der Verfasser geht S. 4 zur Behandlung der einzelnen Waffenstücke über. Wir heben aus diesen Ausführungen Fol- gendes hervor. Der Helm nähert sich in der Kaiserzeit im allgemeinen den edleren Formen griechischer Helme, wie sie von Fundstücken, aus den Wandgemiilden etruskischer Metropolen, und aus Darstellungen samnitischer Krieger bekannt sind. Obwohl Camillus (Plut. Cam. 40) den Eisenhelm eingeführt he-

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 539

ben soll, so findet sich der ältere Erzhelm noch in der Kaiser- zeit, wie Fundstücke diesseit der Alpen bezeugen. Ueber die galea, den Lederhelm, fehlen nähere Angaben; wahrscheinlich waren galea und cassis in der Kaiserzeit im wesentlichen von gleicher Form, so daß die verschiedene Benennung nur stoffliche Verschiedenheit andeutet. Die charakteristischen Eigenthümlich- keiten des rómischen Helmes, wie er diesseit der Alpen gefun- den wird, bestehen in einer mäßig gewölbten Kopfform mit steil abfallendem Hinterhaupt, breitem Nackenschirm , breiten Wan- genbändern (bucculae), einem bogenförmigen Ausschnitte des Ran- des über dem Ohr, welches durch einen stark vortretenden Be- schlag gedeckt ist, einem über die Wölbung der Haube laufen- den Kamm und einem etwas nach oben gerichteten Stirnschild. Bei eisernen sowohl, wie bei ehernen Helmen sind die Beschläge aus Erz gefertigt. Die Helme der Trajanssäule stimmen nur zum Theil mit den Fundstücken, namentlich zeigen sie, wie wir hinzufügen, nur schmale ducculae Der Verfasser ist der An- sicht, daß die Darstellungen dieses Denkmals und ähnlicher zu sehr von künstlerischen Anschauungen beeinflußt seien, als daß ihre Vergleichung mit den Fundstiicken und Sepulcralmonu- menten fruchtbar sein könnte. Diesem ungünstigen Urtheile über die Treue der auf den Triumphaldenkmälern gegebenen Darstel- lungen vermag ich mich nicht anzuschließen. Die Reiterhelme auf rheinischen Grabsteinen zeigen mehrfach die Eigenthümlich- keit, daß ihre Kappe das Haar nachahmt; diese Runzelung oder Corrugation diente dazu das Metall zu verstärken. Auf das, was der Verfasser über Visierhelme sagt, werde ich unten zu- rückzukommen Gelegenheit haben. Wenn geäußert wird, daß die crista nur in der Schlacht getragen wurde, so ist damit wohl zu viel gesagt. Nach Caes. B.G. II 21 scheint es allerdings daß die Soldaten auf dem Marsche, wo nach verschiedenen Ab- bildungen der Trajanssäule der Helm vor der Brust hing, die crista abnahmen und vor Beginn der Schlacht wieder am Helme befestigten. Der oben besprochene Grabstein des Calidius ist nicht, wie S. 6 gesagt wird, in Steiermark gefunden, sondern stammt aus Petronell dem alten in Pannonien gelegenen Car- nuntum.

Bei der Behandlung der Zorica wird sodann der z. B. auf dem Wiesbadener Steine des C. Valerius Crispus (A. u. h. V.

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bindung mit dem cingulum oder dem balteus ist auf der Riick- seite durch einen Beschlag zum Durchziehen der Schwertkuppel in verschiedener Weise hergestellt.

Während wir über das pilum unten ausführlich handeln - werden, geben wir iiber die hasta hier Folgendes. Ueber die Form derselben fehlen alle schriftlichen Nachrichten. Der Ver- fasser vermuthet, die älteste hasta der Römer sei der griechi- schen Sarisse ähnlich gewesen. Auf den Denkmilern ist die Form der Spitze verschieden. Die hasta auf dem Flavoleius- steine (A. u. h. V. I 9, 4) ist durch die starke, jedenfalls hohle Mittelrippe und das nach der Tiille zu abgerundete Blatt den ehernen Lanzenspitzen der deutschen und italischen Grabhiigel nahe verwandt. Mehrere Stücke dieser Art sind auch bei Alis St. Reine, dem alten Alesia, gefunden worden. Die Lanzen auf den Steinen der Cohortalen, welche merkwürdiger Weise mei- stens paarweise erscheinen, zeigen wie die rheinischen Fund- stücke eine flache, von einem bald leichten, bald schirferen Mit- telgrat durchzogene Klinge, deren Seiten bald geradlinig gebro- chen, bald leicht oval gegen die Tülle ablaufen. Aehnlich sind die in den rheinischen Castellen und sonstigen rómischen An- siedelungen, sowie im Nydamer Moor gefundenen Spitzen leich- terer Wurfgeschosse, wozu noch eine besondere Gattung von kegelförmigen, bolzenartigen und pyramidalen, drei- oder vier- kantigen Spitzen kommt, welche mit der von Vegetius (II 15; S. 47, 19 LJ): unum maius ferro triangulo unciarum novem) be- schriebenen Spitze des Pilums identisch sind. Es giebt auch Pfeilspitzen gleicher Art, neben denen aber auch blattförmige und kleine mit Widerhaken versehene, zum Einschieben in den Schaft bestimmte, also der Tiille entbehrende, vorkommen.

Die Form der Reiterlanze, contus, scheint ungewiB; auf den Grabsteinen hat sie durchschnittlich eine kleine Spitze, entweder mit gradlinig gebrochenen Seiten mit und ohne Widerhaken, oder nach der Tülle zu abgerundet mit kurzer, nur wenig in die Klinge hineingreifender Rippe. Die plumbatae oder mattiobarbuli (Veget. I 17; p. 19, 2 L.) hatten eine kurze mit Widerhaken versehene Spitze, unterhalb deren zur Verstärkung des Warfes ein Bleigewicht befestigt war. Die Länge des Handpfeiles, auf dem diese Spitze befestigt wurde, kann nicht betrüchtlich ge

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 548

wesen sein, da die Truppen fiinf derartige Geschosse auf der Innenseite des scutum aufbewahrten (vgl. Taf. XI 22).

Das gewölbte scutum der Kaiserzeit hat sich aus dem dv- ocoç entwickelt, der von Plutarch (Aem. Paullus 20) als ein bis auf die FiiBe reichender länglicher Schild beschrieben wird; es ist jedoch unklar, ob der Sugecg bereits gewülbt war, oder eine - gerade Fläche hatte, wie die Schilde auf den Grabsteinen des Annaius (Taf. VI 1) und Licaius (Taf. VI 2). Daf es zu Po- lybius’ Zeit gewölbte Form hatte, läßt sich daraus schließen, daf er (Polyb. VI 23) aus zwei über einander geleimten Holz- lagen bestand; denn dieses Verfahren ist üblich, wenn es darauf ankommt eine Holzplatte von geringer Stärke in dauernde Kriim- mung zu bringen. Neben dem scutum erscheint auf den Säulen und Grabsteinen oft der flache Ovalschild aus. Holz und mit Leder überzogen, der durch einen Metallrand und den umbo ge- schiitzt wird. Auf den Grabsteinen hat er nur eine unter dem umbo befestigte Handhabe, auf den Säulen dagegen deren zwei, Endlich fiihren auf rheinischen Grabsteinen einige Reiter auch sechseckige Schilde. |

Wenn der Verfasser sodann zum Schluß dieses so lehrrei- chen allgemeinen Theiles seiner Arbeit bemerkt, die Tracht und Bewaffnung der Auxiliaren gehóre nicht mehr in das von ihm zu behandelnde Gebiet, so kann er damit wohl nur solche Au- xiliaren gemeint haben, welche in ihrer nationalen Ausriistung dienten; die iibrigen standen in ihrer Riistung doch den Le- gionen sehr nahe. |

Der zweite Theil (S. 16 ff) bringt die Erklürung der 12 Tafeln, von denen I—VIII eine Anzahl Grabreliefs, einige Pha- lerä und eine auf der Salburg gefundene Bronze darstellen. Ei- nige Bemerkungen zu diesen Figuren haben wir bereits oben ausgesprochen, einige die Erklirungen betreffenden unterdrücken wir, da wir hier nicht zugleich die Figuren wiedergeben kón- nen, und beschrünken uns auf Folgendes. Zum Steine des M. (nicht Manius) Caelius ist S. 17 darauf Bezug genommen, daß ich den Mann für einen Evocatus erklirt habe. An dieser Phi- lol. XXXIII S. 659 f, und Philol. Anz. IX S. 221 f. gegebenen Erklärung halte ich nicht mehr fest, glaube aber auch, dal man Caelius nicht mit Hettner (Bonner Katalog S. 32) für einen centurio halten darf, sondern habe die Ueberzeugung gewonnen,

544 A. Müller,

daß der erste Buchstabe der Inschrift einerseits ein O, andrer- seits ein Anfangsbuchstabe ist, so daB nichts anders tibrig bleibt, als O(ptio) zu lesen. Die nämliche Abkürzung findet sich CIL VI 627. Zum Steine des C. Romanius eq. al. Noricorum (Taf. VII 3) wird S. 23 der hinter dem Reiter erscheinende mit zwei Lanzen bewaffnete Fußgänger nach Caes, B.G. I 48 für einen dem Reiter zeitweise beigegebenen auserwühlten leichten Infan- teristen (vgl. Veget. III 16; p. 100, 16 Lang) erklürt. Wir vermógen dem nicht beizustimmen und halten den Mann ledig- lich für den waffentragenden Sklaven des Reiters , vgl. Philol. XL S. 261. Zu dem Grabsteine des Silius eq. alae Picentinae (Taf. VIII 2) behauptet der Verfasser S. 24, ich hätte densel- ben für einen eques singularis erklürt. Dies beruht auf einem Irrthume. Philol. XL S. 260 habe ich den Silius zu einem der Typen auf den Grabsteinen der Equites singulares einfach verglichen, Zu dem Rest der Tafeln ist kaum etwas zu be- merken. 'laf. IX und 'X geben rómische Helme nach Fund- stücken, darunter auch ganze Visierhelme (Taf. X 1*-*; 2s*) und eine Visiermaske (ibid. 3). Taf. XI Fig. 1 11 geben Schwertklingen, Scheiden, Theile der letzteren, Griffe und Dolche. Zu 2 wird die in den A. u. h. V. I 8, 6, 4 beigegebene Sei- tenansicht der Klinge vermißt, bei der die Verstärkung der Spitze so deutlich hervortritt. Fig. 12—16 stellen verschiedene Pilumklingen und restaurirte Pila dar, Fig. 17—21 Lanzen- spitzen von verschiedenem 'Typus, Fig. 22 einen mattiobarbulus, Fig. 23—26 Pfeilspitzen, Fig. 27 —28 Schleuderbleie, von denen jedoch das erste mit der Inschrift L.XV ein gefülschtes zu sein scheint. Zu bedauern ist, da& der Mafstab der Zeichnungen ein verschiedener ist, wofür die Angabe der Dimensionen in der Beschreibung nicht entschüdigen kann. Taf. XH Fig. 1—6 zeigen Figuren von der Trajanssäule mit der lorica segmentata bezw. der lorica hamata, Fig. 7 einen Helm des Museums zu Stuttgart, dessen Kappe das Haar nachahmt, Fig. 8 einen Bron- zehelm aus England, an dessen Wangenband das Ohr nach- geahmt ist, Fig. 9 den Helm vom Grabsteine des centurio Ca- lidius, Fig. 10 —11 Fragmente zweier Exemplare der lorica squa- mata, Fig. 12 ein solches von einer lorica hamata, Fig. 18 end- lich eine caliga nach einem in Mainz gefundenen Exemplare. Nach Vorstehendem wird man leicht erkennen, daß in Lin-

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denschmits Buche ein sehr brauchbares Hülfsmittel zur Verbrei- tung der Kenntniß der Tracht und Bewaffnung des römischen Heeres in der Kaiserzeit geboten ist; hoffen wir, daß bei einer wahrscheinlich erforderlich werdenden zweiten Auflage vermittelst einer durchgreifenden Revision die hervorgehobenen Anstöße be- seitigt werden.

Schon einige Zeit vor der Herausgabe der eben bespro- chenen Schrift hat Lindenschmit Modelle von Waffenstiicken ró- mischer Krieger nach Fundstiicken und Sepulcralmonumenten in den Werkstätten des Centralmuseums herstellen lassen. Die Sammlung umfaßt folgende einzelne Stücke: 1) Helm aus Eisen nach einem im Castell zu Niederbiber gefundenen Exemplare; 2) gladius ; Griff nach einem Holzgriffe aus dem Nydamer Moor (ein anderer Griff aus Buchsbaumholz ist nach einem Elfenbein- originale des Mainzer Museums hergestellt), Klinge nach einem Originale zu Mainz, Scheide Copie des sogen. Schwertes des Ti- berius; 3) pugio, Klinge und Scheide nach einem Original des Museums zu Speyer, Griff nach dem Grabstein des Flavoleius ; 4) clipeus nach Details des Mainzer Museums; 5) scutum, der umbo nach einem in England befindlichen Exemplare, das unten näher besprochen werden wird, hergestellt; 6) pilum ohne star- ken Knauf nach einem Exemplare des Museums zu Wiesbaden; 7) pilum mit starkem Knaufe nach dem Denkmale des Valerius Crispus zu Wiesbaden; 8) sagum nach Grabsteinen; 9) lorica aus rothem Leder und tunica nach Denksteinen bezw. zu Bonn und Kreuznach; 10) zwei cingula nach denselben Grabsteinen; 11) fibula nach einem Original zu Mainz. Es müge auch hier darauf aufmerksam gemacht werden, daß diese Waffenstiicke, nach Art eines íropaeum an einem Baumstamm befestigt, für Lehrzimmer und Säle höherer Lebranstalten einen schönen Schmuck bilden.

Ein solches tropaeum war im Jahre 1877 bei Gelegenheit. der Philologenversammlung zu Wiesbaden ausgestellt und wurde dort durch einen Vortrag Genthe’s (vgl. Verhandl. S. 54 ff. und N. Jahrbb. 116 S. 604 ff.) erklärt und eingeführt. Derselbe Gelehrte empfahl sodann die Modelle mittelst Circulars d. d. Corbach December 1877 weiteren Kreisen. In diesem Circular- schreiben wurden die fraglichen Waffen als „Modelle der Be- waffnung und Ausrüstung eines römischen Legionssoldaten* be-

Philologus. N.F. Bd.1,3. 30

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zeichnet, und in seinem Vortrage hatte Genthe ausdrticklich ge- sagt, daß die „ausgestellten Modelle die Summe aller bisher ge- wonnenen Erkenntnif hinsichtlich der betreffenden Waffenstiicke in sich verkörpern“. Dies schien mir in einem Stücke bedenklich; ich mußte annehmen, daß mit einem Lederwams für einen Le- gionar das Richtige nicht getroffen war. Lindenschmit hatte die lorica dem Steine des Pintaius signif. coh. V Asturum (A. u. h. V. I 11, 6), also eines Cohortalen, entnommen; die Cohorten waren aber leichter gerüstet als die Legionen (vgl Tac. Ann I 51; II 52; III 39; IV 78); ferner sagt Vegetius II 16 (S. 49, 1 Lang): omnes signiferi loricas minores accipiebant ; aufer- ' dem erinnerte ich mich einiger Stellen, nach denen den Legio- naren cin Metallpanzer zukam. Ich ging der Sache weiter nach und fand eine ziemliche Anzahl von Stellen, welche diesen Me- tallpanzer beweisen und habe diese Philol XL $S. 122—126 (26) zusammengestellt. Dieselben lassen sich leicht zu einigen Gruppen vereinigen, von denen die erste solche umfaBt, an denen von dem großen Gewichte des Panzers die Rede ist: Tac. Ann. 164; Ioseph. B. Iud. III 7,18; Veget. I 20 (S. 21, 6 ff. L.). In einer andern Reihe von Stellen wird der Glanz des Panzers hervorgehoben: Dio Cass. LXIII 4; Ios. B. Iud. V 9, 1; Dio Cass. LXXIV 1, 4. Vgl. auch Vopisc. Aurel. 7; Veget. I 20 (S. 22, 8 L.) und vielleicht auch Ammian. Marcell. XVI 10, 8. Vom Geräusch läßt auf einen Metallpanzer schließen Ios. B. Iud. III 10, 9. Endlich führen einige Stellen, an denen von der Wirkung des Feuers auf den Panzer die Rede ist, auf dasselbe Resultat: Ios. l. l. VI 1, 3; Herodian. VIII 4, 10. Wenn wir somit aus allen vier nachchristlichen Jahrhunderten, nümlich aus den Zeiten der Kaiser Tiberius, Nero, Vespasian, Septimius Se- verus, Maximinus Thrax und Constantius, Nachrichten besitzen, aus welchen auf den Gebrauch des Metallpanzers zu schlieBen ist, und wenn Vegetius I 20 denselben bis auf Gratian ausdrücklich "bezeugt, so dürfen wir wohl mit Sicherheit annehmen, daß der Panzer eines Legionars durch ein einfaches Lederwams nicht dargestellt wird. Dies Resultat hat Hübner Hermes XVI S. 307 anerkannt.

Das oben erwähnte Circular gab mir noch zu einer andern Ausführung Veranlassung. Genthe hatte sich in demselben über die lorica segmentata, welche auf den Säulen und Triumphbögen

Die neueren Arbeiten tiber Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 547

den Panzer der Legionare bildet, in der Weise ausgesprochen, daB man annehmen durfte, er halte diese Zorica überhaupt für ein Phantasiegebilde der Künstler. Zu dieser Annahme lag um so größere Berechtigung vor, als derselbe Gelehrte in seinem Vortrage ausgeführt hatte, die Abbildungen auf den Triumphal- denkmälern hütten, da sie sich den Anforderungen der Kunst

hätten anbequemen müssen, manche Veränderungen an den Waffen © nothwendig gemacht. Es lag mir daran, dieser von einem so anerkannten Gelehrten etwa gehegten Ansicht entgegenzutreten und die wirkliche Existenz der lorica segmentata nachzuweisen. Ich habe daher Philol. XL S. 127 ff. Folgendes ausgeführt. Die lorica segmentata besteht auf den Denkmälern aus zwei Stücken, von denen das eine die rechte, das andre die linke Seite des Oberkörpers schützt und die auf dem Rücken durch Charniere verbunden sind, während der Verschluß auf der Brust durch Schnallen hergestellt wird (Fróhner La colonne Trajane 1865 S. 82). Diese gewülbten Stücke decken nur den Brustkasten und den oberen Theil des Rückens; die Taille schützen vier bis sieben dicht an einander liegende Gürtel, welche ein integriren- des Stück des Panzers bilden, da sie auf der Rückseite in der Mitte ebenfalls in zwei Hälften zerfallen, welche ihrerseits wie- der durch Charniere zusammengehalten werden (vgl. Fróhner 1. 1. S. 80; 114 und Taf. zu S. 86, 93, 103, 104, 105). Hieraus folgt auch, daß jene Platten unter den Gürteln nicht fortlaufen, sondern an der betreffenden Körperstelle durch diese ersetzt werden. Vor der Taille legen sich die Spitzen der einen Seite über die der anderen (Fröhner 1. 1. 8.85; Taf. zu S. 86 u. 98); da ein weiterer Verschluf nicht sichtbar ist, so wurden die Giir- telenden vielleicht auf der innern Seite verschnürt. Um einen der untersten Gürtel pflegt das cingulum militiae gelegt zu wer-. den. Zum Schutze der Schulter dienen humeralia, welche eben- falls aus drei bis vier giirtelartigen Streifen bestehen. Ob die- selben am Panzer festsaben, oder nach Anlegung des letzteren nachtriglich befestigt wurden, ist nicht ersichtlich. Der untere AbschluB des Panzers ist gradlinig. Einzelne Abweichungen sind a. a. O. S. 128 nachgewiesen. Die lorica segmentata ist demnach ein dem 9woaf oradiog verwandtes Waffenstück, dessen Vortheile sie bot, wihrend sie seine Nachtheile vermied, indem sie völligen Schutz gewährte, dem Oberkörper aber die volle

89 *

548 A. Miller,

Beweglichkeit sicherte. Hinsichtlich des Materials der lorica seg- mentata entschied ich mich fiir Metall, worauf fiir das Brust- und Riickenstiick sowohl die Construction aus zwei Hilften, als namentlich die Verbindung durch Charniere und der Verschluß mit Schnallen, für die Gürtel- und Schulterstreifen die Erwägung führte, daß Lederriemen bei Biegung des Körpers und beim Aufheben des Armes sich nicht über einander schieben und nach- geben konnten. Dazu kommt, daß bei allen exacten Darstellun- gen diese Streifen an ihrem Ende eine eigenthümliche Biegung zeigen, welche entschieden auf Metall deutet, und daß sich fast immer an den Spitzen kleine Nägel dargestellt finden, welche dazu gedient haben werden die Metallstreifen auf dem mit Si- cherheit vorauszusetzenden Lederfutter zu befestigen. Wenn nun in der lorica segmentata ein im hohen Grade praktischer Panzer zu erkennen ist und wenn ferner eine Classe von Denkmälern ihren Gebrauch bezeugt, so hat man das Recht anzunehmen, daß sie nicht ein Phantasiegebilde der Künstler ist, mag auch eine Beschreibung aus dem Alterthume nicht auf uns gekommen sein und mag dieser Panzer auf den Sepuleralmonumenten nicht nach- gewiesen werden können. Unseres Wissens findet sich nur auf dem Steine des Musius das Schulterstück aus Metallstreifen. Daß sich noch nirgends Reste gefunden haben, welche auf die lorica segmentata bezogen werden können, erklärt sich daraus, daß die dünnen Eisenbleche im Laufe der Zeit dem Roste zum Opfer fielen. Lindenschmit (Tracht und Bewaffnung S. 8) will allerdings aus dem Mangel an Fundstücken lieber auf Leder schließen. |

Im weiteren Verlaufe der Abhandlung weise ich einige Dar- stellungen der lorica segmentata nach, welche bis dahin theils nicht richtig erkannt, theils nicht beachtet worden waren. Es sind dies 1) ein Relief des Lateranischen Museums bei Benndorf und Schoene Nro. 38 und Abbild. Taf. I 1. 2; 2) eine Dar- stellung auf einem der beiden Reliefpfeiler, welche sich im zwei- ten Vestibulum des Museums der Ufficien in Florenz befinden, s. Diitachke Antike Bildwerke in Oberitalien III S. 18, Nro. 44 und 54: 3) Marmortorso in der Villa Albani, im Jahre 1879 neben der Allee, welche vom Hauptgebiude nach dem Bigliardo fiihrt, eingemauert. Der in der Vorderansicht dargestellte Krie- ger trügt die lorica segmentata in der auch auf den Trajans-

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 549

sculpturen des Constantinsbogens vorkommenden Form, wo der ganze Panzer aus horizontalen Giirtelstreifen besteht. Auf dieses Monument hatte mich Hiibner aufmerksam gemacht. 4) Endlich findet sich unsere lorica mehrfach auf der Basis der Säule des Antoninus Pius, welche im giardino della Pigna im Vatican auf- gestellt ist.

Nachdem sodann in längerer Ausführung nachgewiesen ist, daß die Darstellungen auf den Säulen und Bögen in der That realistisch sind und allen Glauben verdienen, geht die Abhand- lung auf die Frage nach der Herkunft der lorica segmentata über und sucht dabei etruskischen Einfluß nachzuweisen. Allerdings brachten schon die Griechen auf den Panzern gürtelartige Or- namente an (vgl. die Aristionstele, Baumeister Denkmäler des class. Alterth. S. 341, Nro. 358, und die Vasenbilder bei Wie- seler Denkmäler der alt. Kunst I. Taf. XLIII 202; XLIV 208; XLV 210*), aber besonders häufig bemerkt man solche an den Kriegerfiguren der etruskischen Aschenkisten, auf denen mit Vor- liebe der Brudermord dargestellt ist (vgl. Dütschke 1. L II S. 210, Nro. 449; S. 222, Nro. 475; Maffei Mus. Veron. 3, 3; Inghi- rami Monum. Etruschi, ser. VI, Taf. V 2). Wenn nun auch diese Denkmäler eine sichere Gewühr fiir ihren streng realisti- schen Charakter nicht bieten, so darf mit größerem Rechte eine Anzahl kleiner etruskischer Bronzen herangezogeu werden, welche gepanzerte Krieger darstellen. Der Panzer dieser Figuren ist mit einfachen Achselklappen und um den unteren Theil der Brust sowie um die Taille mit mehreren parallelen erhaben ge- arbeiteten Linien versehen, welche mit den Gürtelstreifen der lo- rica segmentata zusammenzustellen sind; ebenfalls erhaben gear- beitete vertikale Linien, welche in groBer Zahl auf den einzelnen Gürteln angebracht sind, lassen keinen Zweifel darüber, daf man sich diese als aus Metall bestehend vorstellen soll. Ganz beson- ders wichtig für unsere Frage ist aber die unter dem Namen des Mars von Todi bekannte etruskische Kriegerstatue im Va- tican (Mus. Gregor. I, Taf. 44 und 45), an welcher der ganze Panzer mit solchen horizontalen Streifen versehen ist. Aus die- sem Material glaubte ich unbedenklich den Schluß ziehen zu sollen, daß zuerst die Etrusker den Iwou& ocradios theils in sei- nen unteren Partieen, theils ganz in bewegliche Gürtelstreifen auflósten, und daß die Römer diese Technik von ihnen an-

550 A. Miiller,

nahmen sowie später die ähnlich gearbeiteten Aumeralia hinzu- fiigten.

Diesem Schluß stimmte jedoch Hübner nicht bei, der Hermes XVI S. 306 geltend machte, der Mars von Todi sei nicht etrus- kisch, sondern umbrisch, und behauptete, die Griechen seien in der Technik des aus beweglich sich anschmiegenden Erzstreifen bestehenden Harnisches die Lehrmeister der Etrusker und Um- brer gewesen, und daher hätten auch die Römer diesen Panzer von den Griechen erhalten.

Diesen Bemerkungen haben wir hier Folgendes entgegen- zusetzen. Bei den Griechen kommen allerdings giirtelartige Or- namente auf Panzern vor, und auf solche Vorbilder mógen im- merhin die etruskischen Harnische auf den Aschenkisten zurtick- gehen; aber von eigentlichen Giirtel- oder Schienenpanzern, wie sie z. B. auf alten ägyptischen Monumenten erscheinen (vgl. Weiß Kostümkunde I? S. 25, Fig. 26), findet sich im gesammten griechischen Waffenwesen keine Spur. Auffallend erscheint die Behauptung, der Mars von Todi sei umbrisch, durch welche die Beweiskraft dieses Denkmals beseitigt werden soll. Gewiß liegt Tuder oder Todi auf umbrischem Gebiete, aber Stephan. Byz. sagt doch geradezu: Tudeora, noAıs Tvognvsxn, und eine etrus- kische Nekropole beweist, daß es in Tuder eine etruskische Ge- meinde und solche Ansiedler gab (Müller Etrusker I? S. 98, A. 80); es hat sich auch in Tuder eine bilingue Inschrift ge- funden, auf der die eine Sprache das nordetruskische Alphabet zeigt (Litt. Centralbl. 1886, Sp. 324), wodurch die Behauptung Müller’s (Etrusker I? S. 293) bestätigt wird, daß Tuder und Iguvium zu demselben Systeme der Cultur, wie Etrurien gehört. Die altumbrische Inschrift auf dem Mars von Todi kann dem gegenüber nicht ins Gewicht fallen, und da außerdem die Technik des Werkes durchaus der der etruskischen Bronzearbeiten ent- spricht, so scheinen diejenigen vóllig im Rechte zu sein, welche wie Welcker (zu Müller's Archäologie S. 186) und Deecke (su Müller's Etrusker II* S. 257 A.) diese Statue unter den etrus- kischen Arbeiten aufführen.

Ich denke mir den Verlauf folgendermafien. Zu Polybius Zeit trugen die römischen Legionen den xugdiopvdat, zur Zeit des Ausganges der Republik und zu Beginn der Kaiserzeit, wo uns das Monument von St Remy zur Verfügung steht, trugen

e ccn ASA eal

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u.s w. 551

die Legionen einen Metallpanzer nach Art des Iwguk cradiog, oder ein starkes Lederwams wie Valerius Crispus. Aus ersterem wurde dann unter dem Einflusse etruskischer Waffentechnik die lorica segmentata gebildet, welche um die Wende des ersten Jahr- hunderts im Gebrauch war, wie die Trajansdenkmäler beweisen. Wie lange sie üblich blieb und ob sie etwa durch eine andre Art des Metallpanzers abgelóst wurde, ist bis jetzt nicht festzu- stellen. Wenn es sich bestätigt, was von Domaszewski Archäol.- epigr. Mitth. V S. 206 bemerkt hat, daf mit dem Ende des er- sten Jahrhunderts bei den Soldaten die Sitte aufhórt, sich in voller Waffenrüstung auf den Grabsteinen darstellen zu lassen, so würde sich allerdings das Fehlen der lorica segmentata auf diesen Denkmälern in der einfachsten Weise erklüren.

Hinsichtlich einer andern von Hübner angeregten Frage, ob sich nämlich zwischen verschiedenen Truppenkörpern Uni- formität der Bewaffnung nachweisen läßt, kann nach dem ge- genwärtigen Standpunkte unserer Kenntniß ein abschließendes Urtheil nicht abgegeben werden. Einstweilen dürfte Folgendes zu beachten sein. Obwohl mehrere Legionen an den dacischen Feldzügen theilgenommen haben, wie die I Italica, V Macedonica, VII Claudia u. a. m., so erscheinen doch auf der Trajanssäule sämmtliche Legionare in ein und derselben Weise gerüstet. Bei Tac. Histor. III 22 heißt es eadem utraque acie arma, und ibid. III 73 können sich die Vespasianer und Vitellianer an der Rü- stung nicht erkennen. Nach ibid. III 23 lag der Unterschied in den Schildzeichen, wobei es allerdings sehr auffallend ist, daß auf der Trajanssäule, wenn ich nicht irre, alle scuta mit dem geflügelten Blitze versehen sind. |

Flensburg. (F. £) A. Müller.

Zu Cicero pro Ligario $ 1.

Trotz der einstimmigen Ueberlieferung der Handschriften möchte ich im Anfange der Rede pro Ligario: novum crimen, C. Caesar, et ante hunc. diem non auditum, wie auch C. F. W. Müller liest, lieber ante hanc diem schreiben, 1) weil dies mit einem Demonstrativpronomen nach ante, ad, ex, post gewöhnlich als Femininum gebraucht wird (vrgl Neue, Lat. Formenl. 1 8. 685; J. H. Schmalz Ueber den Sprachgebrauch des Asinius Pollio 8. 81; Fabri-Heerdegen zu Liv. 22, 8, 6; Kühnast Liv. Syntax 9. 33), und 2) weil Quintilian, der sich eingehend mit dieser Rede be- schäftigt hat, unsere Stelle zweimal XI 3 $ 108 und $ 110 mit ante hanc diem citiert.

Bremen. C. Wagener.

Miscellen.

18. Zu den Kypria.

Das erste Fragment der Kypria, dessen Anfang ich bei Fleckcisen Jahrg. 1885 8.832 f. behandelt habe, ist im vorletzten Hefte des Rhein. Museums S. 472 f. von Ludwich „auf Grund neuen Materials“ von neuem behandelt worden. Es standen ihm dabei eigene Vergleichungen von 6 Handschriften zu Gebote, in denen sich das Fragment befindet. Wenn man das „neue Ms- terial’ nun freilich mit dem vorhandenen vergleicht, so erkennt man, daß dasselbe fast nichts bietet, das nicht schon ander- weitig bekannt gewesen wäre: nur im ersten Verse hat M (Laur. LVIL 386), eine nach der Zeit des Tzetzes für den Anfang der Ilias zusammengostellte Seholiensammlung, statt einfachem rlaboueru, wie alle anderen Handschriften. die neuen wie die alten (d. h. der Ven. A zu .4 à. 6 wie das übrige bisher bekannte, bei Kin- kel gesammelte Material! überliefern. miuêouera meo. Nach Ludwich lauten die Verse:

rv O18 proia qe ha xari yoora nkalouerar "tQ

Fardoawan Sape oe Sade! „ar egrov. wharog alnc.

ZW di dan shines xoi v mrzıraig noanidecci

xovg í6as: ardearar raufwroga covFero yaliav.

9 ginscs xwrokéuov utyaám fer ‘Tisaxoio,

OFLA rar Severe Sugos oi d evi Tooír

Peer xitvovrie ecl d êrsisiero Sevir Die Gestaltung der durch den Drack hervorgehobenen Stellen rührt von Ladwich her: denn für die llerstellung von V. 2 habe ich das Recht der Priorità s. Flockeisen 1885 & 882 f, wo ick ausführlicher über diese Erginzung gesprochen habe). Wenn ich àort auferdem

,

Miscellen. 553

ote puola quia xarà y9ova niabouer al people] vorgeschlagen und durch Berufung auf # 128: noddoi qu- zwv cav öpyaroı Qu qc begründet habe, so ziehe ich auch jetzt noch diese Herstellung der von Ludwich auf Grund der Lesart von M gebotenen entschieden vor: denn z«Q ist ein Flick- wort und kann durch J 301: &AAovg neg Havoyoiovg 18- oou&vovg êéusge nicht gestützt werden: an letzterer Stelle ist die Hervorhebung des Begriffes £A2ovc Havayatovg durch den Ge- gensatz zum Atriden, dem verhaßten, durchaus gerechtfertigt, in dem Fragmente aber ist wey unerklärbar und, wie ich glaube, eben auch nichts als ein Versuch die Lücke am Schlusse des Verses auszufüllen. V. 4 weisen Ludwichs Quellen ebenfalls auf die auch sonst überlieferte Wortstellung hin: sie bieten: ovvero [ouvé9exo Ambr. J 4 sup.] xovglous nupBwroga [navß. M] yaîav [so der Riccardianus 30, yain»v JL (116 sup., ein Ambros.) und M, y «(gc A, der Veneto-Marcianus 454, und Z, der Vati- canus 33], à»99u nov; y«(ng àv wv» hat der Ven. A, yalny die Schol. Vind. Wir haben also kein Recht von der in allen Quellen festgehaltenen Wortfolge abzuweichen: nur muß statt des von Schneidewin nach xovgfoou eingeschobenen Baesos nunmehr «r9Qu nov» zur Vervollständigung des Verses verwandt werden. Somit ist zu schreiben:

Gurdero xovploca: naufu1ogu avIqunwy.

Die fehlerhafte Form y«fny, die ein späterer in yalng verbessern zu kónnen dachte, wird aus einem übergeschriebenen und mit yuiav vermischten entstanden sein. Spondeische Verse, die mit Formen von &v»9Q9wnog schließen, gehéren bekanntlich nicht zu den Seltenheiten: die Form yîv aber, welche dem jüngeren Epos sicher nicht fremd gewesen ist, aber auch in unsern Homertexten mehrfach vorkommt, darf man dem Stasinos um so weniger absprechen, als der Heimathsdialekt des Dichters die einsilbigen Formen Cas (= ya) und {as (Acc. pl, s. Bronze- platte von Idalion Nr. 60, 8, 17, 24 und 80 Collitz) wiederholt aufweist und den Dichter beeinfluft haben kónnte. Im folgenden 5. Verse bieten 4 neue Handschriften (um(cos, wie aus den Schol. Vind. bekannt war, und nur A gszfous nodfuov: dinlou: 18 zoÀéuov lautet die Stelle auch im Ven. A. Was Schneidewin daraus machte: dinloon te norvov ueydAnr Four Daaxoto wider- streitet den homerischen Analogien: man vergleiche = 389 f: dn da Tor’ alvorarnv Égida. nrodtuoso 1dvvocar xvavoyaita Tloosdawv xol paldiuos “Extwe

und P 253: 10007 yag gs nodéuoio dédner, mit ähnlichem Ausdruck wie in dem Fragmente. Da das Participium (wmío(o)as, welches in den Schol. min. steht, den Eindruck macht, als sei es aus dizioni (noAguov) korrigiert, um eine Verbindung zu erzie- len, so wird sich eine methodische Kritik in diesem Falle für Ludwichs Herstellung entscheiden, welcher, wie bemerkt,

554 Miscellen.

êlnuce nrodéuov wsydAny Foy “LAsaxoto

vorgeschlagen hat. Nach alledem führt unsere Ueberlieferung auf folgende

Fassung:

nv Ore puuglu qiia xurk y9óva miuloper’ G[uglc]

[ar Fou muy é |Suor[ve Budo ]orégrov nAutog alns.

Zeus idwy edénoe xai dv nuxsvaîg noanldecos

GuvIero xouplocus nuufwiova viv avd QU Trey.

Ölnıoe mioMpov peyuAnv Eger "Diaxoio,

pou xerwoser Favino Bagoc oi d' Evi Tooly

jowec xrelvorro. Adc d’ èredeleto Bouar.

Seehausen i. A. Rudolf Peppmiiller.

————__————— ——+—-——— ——=—<@

19. Handschriftliches zu Porphyrius De antro Nympharum.

Ad libellum de autro Nympharum expoliendum bonàe notae cod. Marcianum 211 adhibui, cuius usum mihi concessit Välentinelli ... Nonnullu ob chartam detritam legi non poterant. So Hercher in der Didotschen Ausgabe des Aelian und einiger Porphyriusschriften. In Zanetti's Catalog ist de antro Nympharum in cod. 211 nicht ver- . zeichnet und ich habe sie vergeblich gesucht. Unter den selb- ständigen Stücken der Handschrift fand ich diesen Aufsatz nicht, doch blieb die wenig wahrscheinliche Môglichkeit, da8 er sich unter den Aristoteless@holien befinde, welche die Ränder bedecken.

Nun hatte Schrader in der lehrreichen Recension der 2. Ausgabe der Porphyrii opuscula selecta vou August Nauck (Phi- lolog. Anzeiger 1887, S. 445) auf cod. Marcian. cl. IX 4 (bom- bye. saec. XIV, s. Schrader S. 446, Anm. 1) hingewiesen, in dem er auf Fol. 73*— 79^ zu den Versen » 102 112 unter den Scholien jene Schrift des Porphyrius gefunden. Er selbst hatte sie nicht vergleichen kónnen, aber Castellani hatte ihm mitge- theilt, che in molte lezioni s’allontana dalle edizioni dell’ operetta stessa.

Leider hat sich die so erweckte Hoffnung auf Erweiterung der handschriftlichen Grundlage als eitel erwiesen. Schon nach- dem ich wenige Seiten collationirt hatte, driingte sich mir die Vermuthung auf, daß dieser cod. Marc. el. IX 4 und der schon von Hercher collationirte cod. Marc. 211 identisch sein. Dieselbe hat sich mit jedem weiteren Schritte bestütigt.

Zunüchst stimmt die kurze Beschreibung nonnulla ob chàrtam detritam legi non poterant vortrefflich mit dem Zustande der be- treffenden Blätter des cod. IX 4. Mehrere waren an den oberen Ecken durch irgend einen Zufall leicht zusammengeklebt und beim nächsten Aufschlagen hat sich dann an einigen Stellen die

Miscellen. | 099

oberste Haut mit den Buchstaben auf das andere Blatt abge- zogen. Auch mehrere andere Stellen sind verblaßt oder abge- griffen. Dann aber stimmt der Text bis auf verschwindend we- nige Kleinigkeiten vollkommen mit der Collation Herchers. We- nige Stellen werden zum Beweise genügen. Hercher und cod. Marc. cl. IX 4 geben:

S. 56, 1. 7 (Nauck): _Kelvios fiir Kodvsog

» 57, 2 : Gxotswroig dvreoiç für exorto avto@ » 62, 9: öAov für 7Alov

63, 10: contre für zg001Luvew

» 64, 7: Grappa für œuua.

» 68, 23: du pepogeuoe für | ‘di ppogevos

» 80, 6: dpFaduoy für dv opPadpov . Beide lassen aus: » 57, 9: ultluv

» 62, 24: xal 10 mag’ mio di voor » 77, 11: pUGEWG wo 21: xai anoyeréoeus.

Endlich sind im cod. IX 4 die Verse » 102—112, obgleich diese Schrift gewissermaßen als Scholion ihnen beigegeben ist, doch noch einmal als Einleitung zu derselben abgeschrieben, wie auch Hercher angiebt, und, was, wenn noch ein Zweifel möglich wäre, den Ausschlag geben würde, S. 67 L 24 sind in cod. IX 4, wie in Herchers Collation, die Verse v 108 f. sinn- los eingefügt.

Da die Nummer der Handschriftelass. IX 4 nicht ge- ändert ist, so muB sich Hercher in ihrer Bezeichnung geirrt haben.

Die wenigen Nachtrüge zu seiner Collation werde ich bei anderer Gelegenheit geben.

Firenze. Erich Bethe.

20. Aemilii Macri Theriacon fragmenta duo.

I.

In Commentis Lucani Bern. VI 488 leguntur haec: gelidos his explicat o| ut frigidus orbis flectitur aestivae colu- brae. De quibus Usenerus p. 208, 21: ,,infrigia. O (h. litt. rubro) fa citaé. va cecolubras C. fragmentum versuum mihi ignotorum, fortasse Macri“ Qua coniectura Eyssenhardtius An- nall. Philol. Fleckeis. 1874 p. 96 probabiliora videtur sibi his consequutus esse: ,,codicis verba videntur sic restituenda: în Phrygia Qphiussa sita est, qua se colubras, his autem subiungenda aliqua, quae similia Straboni p. 588: èvravda uvdsvovor Todg ’Ogsoyeveig cvyyévesav ura. eyes medg tovs 0gtig dicta fuisse cre-

556 Miscellen.

dibile sit de Pario urbe contra Ophiussam insulam sita“ Ve- rum haec ipsa nec ad Lucani verba his explicat orbes ac- commodate excogitata sunt et quamvis magna opinandi licentia facta, imperfecta tamen ac manca nullam fidem inveniunt. Quam- quam ne Usenero quidem inceptum successit: quae enim ab eo audacius proposita sunt, singula (orbis. frigidus: aestivae. ftectitur) parum apte congruunt cum sententia Scholiastae Vossiani hac: cum in frigido loco colligere se angues soleant, nunc se extendunt carminum potestate. Nos quidem in longe .aliam sententiam ad- ducimur illis litteris, quae ipsae cum Lucani versibus Ais ez- plicat orbes Inque pruinoso coluber distenditur arvo com- paratae quum animo subiciant memoriam Virgilii Aen. VI 419: horrere videns iam colla colubris Melle soporatam et medicatis frugibus off am Obiicit: ille immania terga resolvit Fusus humi totoque ingens ezten ditur antro (cf. Apul. Met. VI p.418. 419. Fulgent. Contin, Virg. p. 756. Cerd. Virg. 1. d. p. 666 8q.) tantum abest ut tot mutationum, quot docti homines moliti sunt, necessitatem iniungant, ut paucorum incrementorum accessionem exigant, quibus hic versus efficiatur: Offa <s>cit aenecas> vaclet extendiss>e colubras: Offa (scit Aeneas) valet extendisse colubras.

De quo versu duo adiecisse satis est: verborum enim hunc or- dinem: offa scit reprehensione carere exemplo discitur Lucretii IV 475: Unde sciat aliisque multis (Barth. Calpurn. Eel. II 32 p. 971. Quaest. nostr. de Tanusio Gemino p. 36. add. Wakef. Silv. Crit. I 29 p. 60. Conrad. Progr. Confluent. 1868 p. 15) illam autem partem: scit Aeneas tutam praestat comparatio Ausonii Epitaph. Her. 19, 5: Scit pius Aeneas quod me Thracia poena premit ac Statii Theb. VIII 102: scit tudicis urna Dictaei et eorum, quos commemoravit Burmannus Grat. Cyn. 203 p. 144. Quod superest: quum nihil frequentius reperiatur com- mutatione litterarum c et g (ut v. 458 exgantata p. 207, 18. v. 477 p. 208, 2 iucum) atque f et t (Drak. Liv. XX XII 21,1 p. 386 cf. VI 11,8 p. 105, ut Z’hraces: Feaces Prop. III 1, 51 cod. Mentel. vid. Scal. Lectt. Auson. I 28 p.80. Thressa Ovid. Her. XIX 100 Putcan. Festa Moret.) eoque accedat, quod vo- cem în et numerorum II et III notas multifariam inter se aemu- lari constat (ut apud Priscianum V p. 145, 25: Statius in libro Thebaidos cod. Bongars. id est III libro et Iunilium Virg. Georg. II 160, de quo infra fr. II dicetur, et in iis locis, quos indica- vimus in Quaest. de Lucani Carm. Reliqq. II p. 18 et Scheda Enniana p. 5 Progr. Hal. 1875), hoc potest dubitari, an vox frigia pro tricia eruperit, id ipsum autem antiquitus hunc sta- tum habuerit: tertio l'heriacô: Offa :cf. Charis. p. 81, 18: theria o; nam Macri illum versum esse quis est quin Usenero concedat? Qui idem de Comm. Dern. IX. 716: spina torquente) cerastam Helena rapta a Paride in Aegyptum dicitur calcasse: inde

Miscellen. 557

spinam fractam habere p. 309, 17 scite argumentatus est: „Macri facile deprehendas vestigia, Nicandrum si contuleris Tber. v. 909 sqq.". qq IL

Iunil Virg. Georg. II 160 p. 8 Muell: ZJunilius dicit: Benacus eiusdem regionis lacus circuitus stadia mille, ut Aemilius Macer: illi multa lacus quem circum milia. De quo loco prave sentit Hagenius, quum haec p. 899 praecipit, ut et verbum habens adiiciatur: circuitus habens stadia mille (quo quidem verbo superséderi posse alius fortasse dicet auctoritatem et exemplum sequutus Lampridii Heliogab. 22 Cortiique Cie. Ep. Fam. XI 10, 4 p. 575 ac Bergkii Philol, 1878 p. 282 sq. add. Laurent. Lyd. de Mag. II 3 p. 94) et versus hexameter sic restituatur: Illic multa lacus quem circum milia currunt (vel curras). Quis enim aut istum verborum et ordinem (illic, multa, lacus, quem circum milia) et delectum (quem circum milia multa hominum currunt) aut rem tulerit, si mula milia non passuum, sed stadiorum dici dederis, mirifice discrepantem et cum ipsius Iunilii auctoritate et cum Philargyrii loco v. 159 p. 929: Larius non amplius centum viginti stadiorum cir- cuitu patens, Benacus mille et ducentorum cf. Oberlin. Vib. Seq. p. 247. 257? Nec vero obscurum est duo esse ab Iunilio allata, primum situm Benaci lacus, deinde circuitum: Benacus eiusdem regionis lacus; circuitus stadia mille (nam ne hac quidem mutatione: lacus, cuius circuitus opus est), cir- cuitus autem magnitudinem (quam brevius Servius et Gauden- tius his indicarunt: Benacus magnitudine sua marinas tempestates imitatur) et certo stadiorum numero definitam et perspicuo monstratam argumento eo, quod in Aemilii Macri The- riacis inveniretur. Haec enim Plinius prodidit N. H. IX 22,88 p. 162,75: Lacus est Italiae Benacus in Veronensi agro Min- cium amnem transmitiens, ad cuius emeraus annuo tempore Oc- tobri fere mense autumndali sidere, ut palam est, hiemato lacu fluctibus glomeratae (anguillae) volvuntur in tantum mi- rabili multitudine, ut in excipulis eius fluminis ob hoc ipsum fabricatis singulorum milium reperiantur. globi. Quae sic a Plinio narrata esse auctore maxime Aemilio Macro Vero- nensi poeta quis negaverit memor eorum, quae leguntur in libro I p.29 sq.: Libro IX continetur aquatilium natura, Anguillae, Murenae. Ex auctoribus Macro Aemilio, Messalla ? Quem enim locum aliqua de anguillarum natura exsequendi The- riacorum scriptori datum fuisse dicamus, minime latet per eundem Plinium et XXXII 10, 49 p. 48, 138 haec referentem: Mullus in vino necatus vel piscis rubellio vel anguillae duae, ttem uva marina in vino putrefacta its, qui inde biberint, taedium vini adfert, et haec professum I p. 88 sq.: Libro XXXII continentur medicinae ex aquatilibus. De iis, quibus in aqua et in terra

558 Miscellen.

victus est. rubellio, anguilla, uva marina. Ex auctoribus Licinio Macro, ubi Licinium perperam pro Aemilio nominari postquam olim aliis freti argumentis suspicati sumus persuasi- musque Brunnio de Auctorum Indicibus Plinianis Bonn. 1856 p. 31 contra Liebaldtum de C. Licinio Macro Progr. Numburg. 1848 p. 12 sq. commentato, iam perspicuo illo, quod Iunilius suppeditavit, testimonio confirmamus. Quibus ita propositis et deliberatis pro comperto hoc afferimus: illa verba, quae Momm- senus Mus. Rhen. XVI p. 449 sq., nisi fallit Hagenii silentium, expli- care neglexit, ipse Hagenius prave detorsit; in hanc fere senten- tiam a Macro fuisse scripta, ab Iunilio autem ea brevitate, qua cum multos tum Lactantium in Statii commentariis usum vide- mus, indicata:

«Has Benacus alit, quo non fecundior unda est

Ulla per Hesperiam: sunt autumnalia testes

Sidera? multa lacus quom circum milia <Minct

Ingerit excipulis glomerata sub impete Cauri>. sive mavis: glomerata Aquilonibus atris. Haec igitur supplementa fingere licuit incepto minime laborioso, quod et ad Mincii no- men proclivi gradu a millibus pervenitur et vox circum a proxime superiore voce quom dirempta facile assignatur ei usui, qui cernitur Virg. Georg. IV 193. Aen. IV 416. Hand. Tur- sell. I p. 52 sq. Burm. Quintil Decl. IX 12 p. 201. Ipsius Plinii autem vestigiis pressius ingressus malui eum consectari mo- dum, ut /acus diceretur Aquilonibus atris agitatus multa anguilla- rum milia conglomerata volvere, quam vocem ii servando aut ventos facere anguillarum globos ad lacus ora devolventes (lacus milia ad ora Conglomerata ferunt vel vehunt) aut Veronenses homines singula milia everrentes (quo circa milia ad ora Everrunt vel Ezxcipiunt). Namque vel ex ea ipsa re, quod non minus fre- quenter litteras 4| et n (ut Virg. Georg. II 252 ila. Menag. una. Cir. 58 Unam. codd. Illam, quo loco memorabilem exem- plorum modum proferemus), quam syllabas 4, in, vi et numero- rum IT. III notas, ut supra (fr. 1) diximus, inter se commutatas esse constat, facili colligitur coniectura certum quendam .Theria- corum, quibus nullum Maeri carmen esset notius, librum ab Iu- nilio indicatum fuisse; illud quidem propter ea, quae in nostra de Macro Nicandri imitatore quaestione p. 6 exprompsimus, arduum et difficile est interpretari et decernere, utrum hoc scribi prae- stet: Macer in I vel sn III, an, id quod pervelim (cf. Drak. Liv. IV 42, 9):

ut Aemilius Macer I III: multa lacus —.

Halis Sax. Rob. Unger.

Miscellen. 559 21. Zu den Scriptores historiae Augustae.

I. In dem angeblichen Senatsbeschluß V. Maximin. 25, "welcher nach dem Eintreffen der Nachricht von Maximins Tode gefaßt sein soll, heißt es $ 4: Maxime, Balbine, Gordiane, di vos servent . victores hostium omnes desideramua . praesentiam Maximi omnes desideramus . Balbine, Auguste, di te servent . praesentem annum consules vos ornetis . in loco Maximini Gordianus suffi- ciatur. So schreiben mit dem Palatinus die Ausgaben, wührend der Bambergensis Masimi bietet.

Ich bekenne offen nicht zu wissen, was man sich staats- rechtlich und politisch bei der herkómmlichen Lesart überhaupt denken soll Es ist klar, daß mit Gordianus sufficiatur be- zeichnet werden soll, daß der Cäsar Gordianus gleich den bei- den Augusti das Consulat erhalten sollte. Nun war Maximinus ‚im J. 238 überhaupt nicht Consul gewesen; wäre er es gewesen, so wäre sein Consulat mit seiner Verurtheilung erloschen. Hätte aber der Verfertiger des SC. selbst diese Thatsachen (übersehen er sagt übrigens selbst $ 3: Mazimini nomen olim erasum nunc animis eradendum so konnte er doch immer nur darauf verfallen, einen der beiden neuen Augusti in seine Stelle ein- rücken zu lassen.

Bekanntlich pflegten die Kaiser bald nach dem Regierungs- antritt das Consulat zu übernehmen; gewóhnlich am 1. Januar des dem Regierungsantritt folgenden Jahres als ordinarii, mit- unter jedoch auch mitten im Jahr als euffecti unmittelbar nach dem Regierungsantritt. [Nach diesem Gebrauch spricht unser SC. den Wunsch aus, daß im laufenden Jahr die beiden Au- gusti das Consulat übernehmen mögen. Auch der Cäsar Gor- dianus soll dieser Ehre theilhaft werden, wie ihm ein friiheres (bestimmt als gefülscht zu erweisendes) SC. V. Maximin. 16 die Prütur verleiht. Da drei Consuln nicht gleichzeitig fungiren kónnen, so soll der eine der Augusti das Consulat niederlegen und der Cüsar an seine Stelle treten. Die frühere Niederlegung wird nicht dem hochadligen Balbinus, sondern seinem Mitkaiser plebejischer Herkunft Puppienus Maximus zugemuthet: in loco Maximi Gordianus sufficiatur.

II. V. Commodi 18, Fuit autem validus ad haec, alias de- bilis et infirmus, vitio etiam inter inguina prominenti, üa ut eius tu- morem per sericas vestes populus Romanus agnosceret . versus in eo multi scripti sunt, de quibus etiam în opere suo Marius Mazi- mus gloriatur. Die Berliner Herausgeber schreiben wie die editio princeps in eum, Peter hat in eo beibehalten. Doch fordern sach- liche Grinde eine Aenderung. Wie die Worte jetzt gelesen wer- den, können sie nur als allgemeine Bemerkung über Spottverse auf Commodus gefaBt werden; dementsprechend giebt Peter (Fragm. H. R. p. 335) als Fragment 14 des Marius Maximus

560 Miscellen.

die Worte: Versus in co [Commodo] multi scripti sunt etc. Aber man beachte, was beim Biographen folgt: virium ad conficiendas feras tantarum fuit ut elephantum conto transfigeret et orygis ornu basto transmiserit et singulis ictibus multa milia ferarum ingentium conficeret. Jene Notiz iiber die Verse steht also inmitten von Excerpten, die sich ausschlieBlich auf die kôrperlichen Eigen- schaften beziehen, eine nach Suetons Vorgang stehende Rubrik der Biographien. Wie sollte denn da auf ein Mal eine ganz allgemeine Bemerkung über Verse auf Commodus hineingeschneit kommen? Vielmehr fordert die Stellung der Notiz einen Zu- sammenhang mit den körperlichen Eigenschaften, und dieser ist klar genug gegeben! Seit Urzeiten vereinigten sich bei den Italikern die Spottlust und der Sinn für die scharfe sinnliche Auffassung der äußeren Erscheinung der Dinge dazu, körperliche Eigenheiten zum bevorzugten Gegenstand des Spottes zu machen. Ich erinnere nur an eine bekannte Thatsache: von den ältesten römischen Cognomina hebt ein beträchtlicher Theil solche kör- perlichen Eigenschaften hervor, deren Hervorhebung für die Be- sitzer nicht schmeichelhaft ist. Schon der Begründer der Mo- narchie hatte darunter zu leiden; es schmerzte den Diktator Cäsar, daß seine Kalılköpfigkeit in Vers und Prosa verspottet wurde (Sueton d. Jul. 45. 54). Daß ein Leiden, wie das von Commodus angegebene in Folge seines Sitzes die Spottlust noch besonders herausforderte, wird weiterer Begründung nicht bedürfen.

Der durch die Stellung der Notiz verlangte und gegebene sachliche Zusammenhang wird weder durch die Lesart in eum noch durch in eo sprachlich ausgedrückt. Denn man kann nicht etwa in eo auf vitium beziehen, da unmittelbar vorher eius = Com- modi steht. Auch ist die Lesart in eo aus grammatischen Grün- den überhaupt zu verwerten.

Es ist ein Aberglaube, daß bei den S. H. A. jede belie- bige falsche Construktion der Priposition in stehen könne. Selbst wenn man zunächst bei der handschriftlichen Teberlieferung ste- hen bleibt, ist die Zahl der Fälle falschen Gebrauchs eine re- lativ geringe >. Wer aber möchte glauben. daß während der M-Strich in allen Handschriften klassischer Autoren oft genug falsch gesetzt oder weggelassen ist), dergleichen in den Hand- schriften der S. M. A. niemals vorgekommen sei ?

Was nun unser scripti in co anlangt. so würde diese Ver- bindung dem konstanten Sprachgelrauch unserer Sammlung wi-

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Miscellen. . 561

dersprechen und in ihr ohne jedes Beispiel sein. Man vergleiche: V. Hadr. 27, 1: in mortuum eum multa sunt dicta; V. Opell. Maer. 11, 3: unde in eum epigramma videtur extare. In der Vita Diadum. 7, 3, welche die handschriftliche Ueberlie- ferung eben so wie die Vita Commodi Lampridius beilegt, heißt es: versus iv Commodum Antoninum dicti.

Es ist deshalb zu schreiben versus ideo multi scripti sunt *). Ein Hinweis auf Commodus konnte als absolut selbstverständlich fortbleiben.

Unter Marius Maximus Fragmente aber ist die ganze Stelle, welche sich auf das Gebrechen bezieht, aufzunehmen.

III. V. Carac. 5, 6: et cum Germanos subegisset, Germa- num se appellavit, vel ioco vel serio ut eràt stultus et demens, àd- serens si Lucanos vicisset, Lucanicum se appellandum. That- sächlich hat nach dem Ausweis der Inschriften und Miinzen Ca- rakalla den Siegesnamen Germanicus (Maximus) gefiihrt, wie auch die Vita 10, 6 angiebt. Dennoch haben die neueren Her- ausgeber mit Recht das thatsächlich falsche Germanum der Hand- schriften beibehalten. Aber dies Germanum fordert unbedingt ein Lucanum. Es soll ein Witz oder eine Dummheit berichtet werden; das eine oder andere wird darin gefunden, daß Cara- kalla nicht nach der Regel der späteren Zeit das vom Volks- namen abgeleitete Adjectivum auf -icus als Siegesbeiname braucht, sondern den Volksnamen selber. Der Berichterstatter oder Er- finder wußte offenbar nicht mehr, daß in altrepublikanischer Zeit thatsächlich der Volksname so verwandt wurde. Dazu soll Cara- kalla selbst etwas angeführt haben, was nach der handschriftlichen Lesart ohne jeden Bezug zum früheren ist. Salmasius hatte das richtige Gefühl für die Nothwendigkeit einer Parallele, wenn er mit der editio princeps Germänicum schrieb; er übersah aber, daß dann die Bemerkung vel ioco etc. unverstündlich wird. Mit der Aenderung in Lucanum kommt alles in Ordnung.

IV. Freunde des Terenz wird es vielleicht interessiren, ein Wort des Dichters auch bei den Kaiserbiographen zu finden, wo

3) «deo, obwohl bei den S. H. A. nicht so háufig als 2dcirco, findet sich doch in seinen verschiedenen Gebrauchsweisen nicht selten: atque ideo V. Hadr. 15, 2; 22, 14. Pert. 12, 8. Sev. 8, 18. Pesce. N. 1, 1. Car. 8, 4. Get. 2, 9. Alex. 51, 4. Maximin. 6,6 7, 5. Max. et Balb. 10. 8; et ideo Alex. 46, 1; édeo ut Aurel. 14, 2 ideo ne Alex. 48, 8. Maximin. 33, 4. Zur ferneren Ergänzung und Berichtigung von Drager H. S. Il? 486 sei bemerkt, daß ideo sowohl alleinstehend als in Verbindung mit kopulativen Partikeln auch sonst in der spüte- ren Latinität stets üblich geblieben ist. So braucht z. B. Apuleius at- que ideo Fl. 18. M. 8, 23 et ideo Ap. 3. 13. 25. 26. ideoque Fl. 6. Ammian atque ideo 15, 8, 6, et ideo 16, 10, 8, sehr häufig ?deoque z. B.- 15, 10, 8; 16, 7, 2. 6; 17, 1, 9; 4, 15; 5. 2. 6: 7,12; 18, 8. 4. 5. 10; 18, 3, 5 ete. In der Inschrift CIL VI 1724 vom Jahr 435 steht ideo allt cessit in praemium; in dem Erla8 VI 711 Z. 5 (aus dem Ende des fünften Jahrhunderts) et deo.

Philologus. N. F. Bd. I, 3. 36

562 Miscellen.

es bisher niemand als solches erkannt zu haben scheint‘). Von Elagabal erzählt die Vita 11, 2: cum ad vindemias vocasse amicos nobiles et ad corbes sedisset. gravissimum quemque percontari coepit, an promptus esset in Venerem, erubescentibusque senibus ez- clamabat ‘Erubuit, salva res est’, silentium ac ruborem pro consensu ducens. Nun ist zwar salva res est eine ganz gewöhnliche Wen- dung der lateinischen Comödie; aber erubuit salva res est steht nur bei Terenz Adelphoe 643 F., wo es Micio zu dem verstum- menden Aeschines sagt. So darf man diese Wendung unter die zahlreichen anderen einreihen, welche aus 'lerenz in die rómische Umgangssprache übergingen.

4) Ich schließe dies daraus, daß auch Peters zweite Ausgabe die Stelle nicht, wie in allen anderen entsprechenden Fállen, als Citat am Rande verzeichnet.

Berlin. Elimar Klebs.

22. Beiträge zur Geschichte römischer Prosaiker im Mittelalter.

I Solinus.

Mommsen hat bekanntlich in seiner vortrefflichen Ausgabe des Solin die handschriftlichen Verhältnisse einer sehr genauen Prüfung unterzogen und hierbei mehrere Interpolationsstufen fest- gestellt. Von der großen Verbreitung im Mittelalter legen die zahireichen auf uns gekommenen Handschriften Zeugniß ab (Mommsen 8. LXXIX—XCII) Auch in den alten Bibliotheks- katalogen findet sich Solin öfters erwähnt (Becker catall. biblio- thecarum antiqui p. 324): s. IX in S. Gallen Solinus I und So- linus polihistor (hiermit ist die Angabe in den Cas. S. Galli Mon. Germ. hist. SS. II 72 zu vergleichen, daß Solin im Klo- ster abgeschrieben wurde), s. X in Lorsch (Solini polyhistor de situ orbis et mirabilibus in uno codice), s. XI in einer bibl. inco- gnita (indiculus capitulue Iuli Solini rerum collectaneum), in einer eben solchen, in Toul, in Pompuse (mit Plinius), s. XII in Corbie (Solinus de situ orbis terrarum), in Michelsberg (Bamberg, zwei- mal), in Wessobrunn (physica Iulii Solini), in St. Peter (Salzburg), in Durham (de mirabilibus mundi, zweimal). In den Schriften des Mittelalters findet sich Solin nicht eben selten benutzt, wie schon Mommeen fiir die Zeit bis zum 9. Jahrhundert dargelegt hat (S. LXXVIII f.; 255 ff).

- Aus der älteren Zeit sind noch folgende Schriften zu er- wühnen:

Der Mythographus Vaticanus I 79 (Mai class. auct. III 31) citiert ein größeres Stück 32, 17— 19 (Inter omnia cibum capiat) ‘Refert Solinus quod’ etc.

_ Miscellen. 568

Bei Jordanes de reb. Geticis hat Mommsen die Citate in seiner Ausgabe zu VII 53 und 55 selbst angemerkt.

Audoenus (e. 680) nennt in seiner Vita S. Eligii (d’A- chery Spicileg. II 77) prol. den Solin unter einer großen Anzahl römischer Autoren: Quid.. Solini . . aliorumque solertia . . iuvat . .?

Adrevaldus bringt in seinen Miracula S. Benedicti prol. (Mon. Germ. hist. SS. XV 478) einige Citate aus Solin soripto- ribus namque praestantissimis subpetere plurimum videbatur . . caeli scilicet. temperie locorum salubritate fertilitate soli opacitate . . ne- morum collium apricitate olearum viciumque profluis proventibus no- varum urbium amoenitate veterumque oppidorum decore amnium no- bilium fecici prolapsu unaque cunctarum rerum opulentissima gloria: Solin II 2 f. assimilis utique querno folio quod proceritas sui lati- tudinem excedit: Solin II 20. |

In meiner Ausgabe des Anonymus de situ orbis (Stuttg. 1884) p. XII sq. wies ich nach, daß die vom Autor zahlreich ausgeschriebenen Solinstellen große Aehnlichkeit mit H h S zeigen.

In den Schriften des 10. Jahrhunderts habe ich bisher Solin noch nicht entdecken kénnen. |

S. XI. Adam von Bremen hat in seiner ‘Descriptio in- sularum aquilonis’ den Solin ófter zu Rathe gezogen, wie. Waitz in seiner Ausgabe (Hannov. 1876) sehr sorgfültig nachwies. An drei Stellen wird Solin genannt, c. 19 p. 167 Albani .... cum canicie nascuntur; de quibus auctor Solinus meminit (15, 5); c. 21 de Sueonia vero non tacent antiqui auctores Solinus (et Orosius) (cf. 20, 1); c. 25 ibi sunt hài quos Solinus dicit Ymantopodes (81, 6). In c. 19 und 25 ist Solin auch weiter benutzt, desgleichen in schol. 132. 133 p. 173.

In den Gesta Treverorum findet sich c. 19 (M. G. hist. SS. VIII) eine vollständig verkehrte Benutzung Solins ohne Namensnennung. Der Verf. identificiert nämlich den Bischof Brittonius mit Mars und giebt die Deutung des Namens nach der cretischen Britomartis Brittonius . . qui ipse Mars gentiliter appellatur, in nostro sermone sonat virginem dulcem, cf. Solin. 11, 8.

S. XII. In der Chronik von M. Cassino wird IV 66 (M. G. h. SS. VII 795 1. 9) erzählt, Solinum cum miraculis breviavit (miracula = mirabilia?) Wahrscheinlich heift dies, daB Solin in einen Auszug fiir die Schule gebracht wurde. | Im Glossarium Osberni (Mai class. auct. VIII 422) findet sich die Stelle unde Solinus de situ Britanniae: pecua, in- quit, nist interdum a pastu arceantur, ad periculum coget satietas. Das letztere Wort weist auf ähnliche Ueberlieferung wie bei Priscian hin; cf. Solin. 22, 2.

Ein größeres Citat bringt Johannes von Salisbury ^ (opp. ed. Giles) IV 38, nümlich das Lob auf Caesar Solin 1, 106. 107 (Senicius; undecies centum viginti et duo milia).

36*

564 Miscellen.

Mit seiner Kenntniß des Solinus rübmt sich Gotfrid von Viterbo zwar sehr, es ist jedoch fraglich ob er ihn wirklich gekannt hat. Die Stellen sind Memoria seculorum M. G. b. SS. XXII 100 teste Solino de mirabilibus; ib. p. 103 imitati sumus ci Orosium et .. . Solinum; ib. Actores autem chronicorum quos imi- tamur sunt hit: . . . et Solinus de mirabilibus mundi; Pantheon ib. p. 138 Orosium . . Solinum; ib. p. 308 Catalogus regum 11 de septem miraculis secundum Solinum de mirabilibus mundi. Letz- tere Stelle ist jedoch nicht aus Solin, sondern aus Baeda (opp. Colon. 1688 I 400) geschópft. Da nun Gotfrid auBerdem kein

wirkliches Citat dem Solin entlehnt hat, so wird er ihn wohl bloB dem Namen nach gekannt haben.

Es ist ferner fraglich, ob Gervasius Tilleberiensis in seinen 'Otia imperialia’ den Solin benutzt hat. Denn die eine in Betracht kommende Stelle (decisio II 3 Mon. G. h. SS. XXVII 370) Sunt alii qui iam senio confectos parentes mactant ci eorum carnes ad epulas sibi praeparant impio tudicato qui ista facere negaverit erzühlt allerdings dasselbe wie Solin. 52, 22 aber doch mit ganz anderen Worten. Ich glaube daher, daß diese Erzäh- lung bei Gervasius erst aus zweiter Hand stammt; decis. III 10 p. 372 quod Greci Yonium, Itali Inferum nominant deckt sich al- lerdings beinahe mit Solin. 23, 14.

Keinesfalls aber stammt aus Solinus, was diesem in Albrici chron. Trium Fontium M. G. h SS. XXIII 677 beigelegt wird: Qui Nectanabus, si verum est quod scribit Solinus, iam accesserat ad ma- trem Alezandri. Ueberhaupt habe ich eine ähnliche Stelle bisher nicht ermitteln können. Vielleicht gehört die Erzählung einer noch unbekannten Interpolation des Solin an.

Dem Roger Baco ist als Philosophen der Solin gut be- kannt gewesen; Opus tertium c. 63 p. 264 (ed. Brewer) unde Solinus dicit in libro de mirabilibus mundi quod grues saburrant guttura sua 3. e. accipiunt. sabulum in guttura ut fortius possent ae- rem dividere quando volant gregatim, cf. Solin. 10, 12. Stärkere Benutzung findet sich im der epist. de secretis operibus p. 529 (ed. Brewer) et hyaena intra umbram suam non permittet canem latrare sicut. Solinus de mirabilibus mundi narrat 27,24; ib. equae impregnantur in aliquibus regionibus per odorem equorum ut Solinus narrat 45, 18; ib. et Solinus narrat quod in Scythia regione sunt mulieres geminas pupillas habentes in uno oculo 1, 101.

Viel Citate bringt Conrad von Mure in seinem Re rium vocabulorum exquisitorum (impressit Berthold, Basil. ca. 1470) p. 73: Solin. 32, 17 (Inter numinis) ; p. 105 unde Solinus in polüstore: 7, 19 (Callirroe annumerant); p. 118 Cyrus, ut die Solinus, memoriae bonae claruit quia in exercitu cui innum erosissime prefuit, n. s. a.: 1,108; p. 135 delphin de quo dicit Solinus quod inter omnia nihil ‘habent velocius maria: 12, 3; p. 138: 7, 22 (apud Thebas Ypocrena); p. 144 require Solinum ubi loquiter

Miscellen. -665

de Libia; qui dicit quod Athlas mons inter alia chor(o) Egippanum personatur : 24, 10; p. 168 (de Hennaeis campis) Item Solinus ubi loquitur de Sicilia: 5, 14; p. 211 Milo eciam Orothoniensis sieut dicit Solinus notatur egisse valet; hic proditur gravatim: 1,76. Aus dem letzten p. 275 stehenden Citate ergiebt sich, welcher Handschriftenclasse der Codex des Conrad angehört hat; das- selbe heißt: Huic simile dicit Solinus de Gallia: infamantur mo- ribus incolarum qui ut aiunt detestabili sacrorum ritu litatis hostiis: 21, 1.. Hier zeigt sich die völlige Uebereinstim- mung mit SA also den Interpolati, Ueber den Titel seiner Handschrift giebt Conrad das nühere an s. v. Solinus p. 267: S. est proprium nomen gramatici qui scripsit. librum de incredibilibus mundi qui polihistor a pluribus appellatur,

Erwühnt wird Solin in Jacobi Aurie annales (M. G. SS. XVIII 288) XII cum . . de multis aliis civitatibus Ytalie . . per Solinum et alios ystoriographos edificatores ipsarum scriptum in- veniatur. Wahrscheinlich liegt hier directe Kenntniß des Werkes vor.

Kenntniß des Solin ergiebt sich auch aus Martini Op paviensis chronicon (M. G. h. SS. XXII 406) et Solinus qui dicit quod maiores fluvii Germaniae sunt Alba que Aust de Bohemia, et Gutalus id est Odra qui nascitur in Moravia, Wisla qui nascitur in Polonia et fluit per ipsam in oceam um cf. 20, 2.

Wilhelmus Tyrius XIX 26 (Migne 201, 744) bringt das Citat Condita autem est (scil. Alerandria) ut ait Iulius. Solinus duodecima Canopicon appellant : 32, 42.

Henricus Huntendunensis führt in seiner hist. Angl. p. 5 ed. Arnold an: Unde Solinus: Ita pabulosa in quibusdam lo- cis est Britannia ut pecua satietas: 22, 2.

In den Gesta Romanorum ed. Oesterley p. 558 findet sich die Stelle Solinus dicit quod preter mulieres pauca. animalia coitum movent gravida diffamentur.

Auszüge aus Solin finden sich nach F. Rühl (die Verbrei- tung des lustinus im Mittelalter S. 83) im cod. Cottonianus Faust. A. VIII fol. 104°,

IL Tacitus.

Kürzlich hat E. Cornelius (Quomodo T'acitus.. in hominum memoria versatus sit usque ad renascentes litteras saec. XIV et XV. Marpurgi Catt. 1888) das Fortleben des Tacitus im Alter- thum und Mittelalter verfolgt und in dieser Arbeit die Resultate früherer Forscher sowie seiner eigenen Untersuchungen niederr gelegt. Leider ist es auch ihm nicht gelungen, das Dunkel ei nigermaßen aufzuhellen, welches sich im Mittelalter gerade über diesen Autor gelegt hat. Von Jordanes bis su Kinhart und Re-

566 Miscellen.

dolf von Fulda ist ein weiter Sprung, den auch Cornelius nicht hat überbrücken kénnen. Dann kommen Widukind und der Verfasser der Vita Heinrici IV, während Kenntni des Tacitus bei Johannes Saresberiensis und Petrus Blesensis (S. 41) mit Recht verworfen wird. Unwahrscheinlich ist die von Cornelius angenommene Benutzung der Germania bei Donizo in der Vita Mathildis. Für das 14. Jahrhundert kann ich jedoch eine neue und interessante Stelle beibringen. Im Liber Augustalis c. 5 (Freher-Struve rerum Germanic. SS. II 6) heiüt es von Claudius Fuit tamen satis utilis sed infortunatus in uxoribus, de quarum una Messalina scribit Cornelius Tacitus. Hieraus ergiebt sich daß dem Verfasser der Mediceus II oder eine Abschrift dessel- ben bekannt gewesen ist. Der Verfasser schreibt wührend der Regierung Kónig Wenzels (1378—1400), da er p. 20 sagt Wenezeslaus . . . hodie regnat. Hic iuvenis . . . quid facturus sit ignoro, cum minatur se venturum ad Italiam. Es war für ihn leichter, sich KenntniB des Tacitus zu verschaffen, da er in Ita- lien lebte. Uebrigens benutzt der Verfasser außerdem Plinius (c. 8 p. 6: 28, 23; c. 11 p. 7: praef. 3) und die Scriptores hist. Augustae (c. 15 p. 7: Spart. Hadrian. 1; c. 16 p. 8: An- tonin. 2. 9. 12; c. 32 p 10: Treb. Poll. Gall. 11 und außer- dem). Ferner findet sich c. 3 p. 6 Orosius (VII 4, 7) und c. 5 Iuvenalis (VI 180 nondum) benutzt. Der Autor ging also mei- stens auf die alten und echten Quellen zurück, indem er die christlichen Chronikenwerke des Mittelalters vernachlüssigte und verschmihte.

Endlich erwühne ich noch einen wórtlichen Gleichklang bei Wilhelm von Malmesbury mit Tacitus:

Tac. Hist. II 73 Viz credibile Wilh. Malmesb. gesta reg. memoratu est quantum superbiae Angl. c. 68 (ed. Hardy I 95) socordiaeque Vitellio adoleverit. incredibile quantum brevi adoleverit

Der Vollständigkeit halber hätte Cornelius erwähnen können, daß Tacitus saec. XI in Monte Cassino abgeschrieben wurde, cf. chron. M. Cassin. III 63 (M. Germ. h. SS. VII 746).

III Plinius der Jüngere.

Die Epistolographie des Alterthums außer den Briefen Se- necas ist im Mittelalter nur in sehr geringem Maße bekannt ge- wesen, sie wurde fast vollständig durch die Briefe der Kirchen- väter u. A. ersetzt. Die Briefe des Plinius haben daher in dieser Beziehung das Schicksal derjenigen des Cicero getheilt, obwohl uns ja eine größere Anzahl älterer Handschriften erhal- ten ist. Noch im fünften Jahrhundert scheint Plinius öfter ge- lesen worden zu sein, denn vor kurzem hat Eug. Geisler (Si- donii Apoll. opp. ed. Luetjohaun p. 353 ff.) nachgewiesen, daß

Miscellen. 567

sich Sidonius Apollinaris in seinen Briefen. sehr stark an die Briefe des Plinius angelehnt hat. Und der Zeitgenosse des Si- donius, Salvianus, bezieht sich in seinem Werke de gubernat. Dei V 11,60 auf eine Stelle aus dem Panegyricus des Plinius: Disce vel a pagano homine verum bonum; caritate enim, inquit, et benivolentia saeptum oportet esse non armis, cf. Paneg. 49. Auch Sidonius (ep. VIII 10) kennt den Panegyricus.

Im 10. Jahrhundert taucht Plinius bei Ratherius von Verona auf; Rather. opp. Migne 136, 374 apud saeculi vero scriptores Tullium Senecam Plinium ipsum quoque . . . epistolares condidisse et appellasse libros. Eine wirkliche Anfübrung findet sich ib. p. 391 facete satis enim Plinius ait Secundus: Gratiam malorum tam infidam esse quam ipsos; Plin. ep. I 5, 16 (Nam gratia malorum tam infida est quam ipsi).

Im 12. Jahrhundert erwähnt Walter Map den Plinius in seinen Gedichten (Poems of W. Mapes ed. Th. Wright Lond. 1841) p. 28 vs. 182 Plinium Calpurniae succendit scintilla, Je- denfalls setzt diese Angabe die Bekanntschaft mit den Briefen voraus.

Johannes von Salesbury hat sicher den Panegyricus, vielleicht auch die Briefe des Plinius gekannt, cf. Reifferscheid, Rhein. Mus. 1860 S. 12 ff. und Schaarschmidt Johannes Sares- bariensis nach Leben und Studien etc. S. 95. 107.

Am Beginne des 15. Jahrhunderts findet sich Plinius bei Johannes de Monasteriolo epist. 60 (Martene et Durand ampl. coll. II 1428) quam illud Plinii Secundi ad Nonnium masi- mus (l. Maximum): pulcrum validum acre sublime varium et elegans: ep. IV 20, 2.

Die Briefe waren vorhanden nach Becker catalogi bibl. an- tiqui p. 321 saec. X in Lorsch (liber epistolarum Gait Plinii); in einer bibl. incognita s. XI (Plinium epistolarum), s. XII in Beccum (in alio epistole Plinii iunioris).

IV. Cornelius Nepos.

Der sehr spärlichen handschriftlichen Ueberlieferung des Nepos entspricht die Seltenheit von Anführungen im Mittelalter. Bisher ist mir nur eine einzige unmittelbare bekannt. Nämlich der gelehrte Abt Wibald von Stablo und Corvey (s. XII) schreibt an Bischof Manegold von Paderborn (Jaffé bibliotheca rer. Germanic. I 277) lege Tranquillum, lege Cornelium Nepotem et alios quosdam gentiles de viris illustribus: tanta esse scripta in- telleges, quae viz a quoquam studiosissimo legi possint, Aus dem Nachsatze könnte fast hervorgehen, daß Wibald mehr von Nepos besessen hat als wir, denn sonst würde der Satz kaum einen Sinn haben, Es ist nach der ganzen Stelle auch kaum anzu-

568 Miscellen.

nehmen, daß die Erwähnung aus Hieronymus (opp. ed. Vallarsi II 281) stammt, wo die Verfasser de viris illustribus aufgeführt werden. Wibald ist in der alten Literatur so gut zu Hause, daB man ihm die Bekanntschaft mit Nepos wohl zutrauen darf.

Auch bei Einhart hatte ich KenntniB des Nepos zu er- weisen versucht, s. Neues Archiv d. Ges. f. alt. deutsche Ge- schichtskunde VII 522 f. Eine Anzahl von Aehnlichkeiten in der historischen Erzühlung kónnen allerdings darauf hindeuten, daß Einhart den Nepos wie viele andere römische Autoren be- nutzt hat.

Becker weist darauf hin (Catalogi bibl antiqui p. 309), daß das in S. Riquier saec. IX vorhandenen Buch Plinius Se- cundus de moribus et vita imperatorum Nepos sein kónne, was allerdings jenem Titel nicht entspricht; eher ist an Sueton zu denken.

Oberlößnitz b. Dresden. M. Manitius.

23. Omen.

Ueber das dem Wort omen zu Grunde liegende Etymon sind die Philologen noch heute nicht im Klaren. Vanicek (etymol. Wörterb. d. lat. Spr.) bringt es zusammen mit ]/ as („aufmerken“) (?) Luterbacher (Prodigienglaube . . der Römer 1880 S. 5) läßt es ,verwandt" sein mit audire hören; kommt also auf die alte Ableitung zurück, welcher zur Zeit der naiven Etymologie gehuldigt wurde. Daß das Wort ,,meistens“ auf ein „hörbares Zeichen gehe* behauptet zwar Luterb., ich zweifle aber daß er die sümmtlichen Stellen nachgesehen und nachgerechnet hat jedenfalls wird es auch von anderen ,,An- zeichen“ häufig genug gebraucht. Bei einem Vogel kommt bekanntlich, wenn er als Weißsagevogel gelten soll, ebenso wohl das Gehór (d.h. sein Laut) als das Gesicht (d. h. seine Ge- stalt, Zahl u. s. w.) in Betracht, und er ist doch wohl dasje- nige Thier, das seit den ältesten Zeiten und am hiufigsten als bedeutungsvoll für die divinatio angesehen wurde. Warum gleich- wohl noch Niemand auf den Gedanken verfallen ist wenig- stens erinnert sich Schreiber dieser Zeilen nichts, ihn irgendwo getroffen zu haben daß omen etymologisch mit avis zusam- menhünge? omen = avimen, aumen? (vgl caudex und co- dex, Claudius und Clodius, plaustrum und plostrum, Aulus und Olus u. s. w.) Daß die Form aumen sich nicht erhalten hat, kann sehr wohl seinen Gruad darin haben, daß das Wort im Volksleben eine so große Rolle spielte; jene Verwandlung des Diphthongs au in den Vokal o ist ja grade der Volkssprache

Miscellen. 569

eigenthümlich gewesen. Was die Wortbildung betrifft, so sind allerdings die Ableitungen, mit -men gewühnlich keine Denominativa sondern deverbale Nomina, doch giebt es auch eine Anzahl solcher, denen ein Nomen zu Grunde zu liegen scheint: li-men, ferru-men, sag-men, colu-men (cul-men), ger-men, cacu-men.

Basel. J. Mähly.

24. Flaviana.

V. Historische Kleinigkeiten *).

1. Spanien im Jahre 70.

Die Aufschrift ‘Hispania’ des Reverses der undatirten Gold- münze 200 scheint mit der in den Anfang der Regierungszeit Vespasians fallenden Sendung ‘des Ti. Plautius M. f. Silvanus Aelianus nach Spanien in Verbindung gebracht werden zu miis- sen. Es heifit nämlich von diesem Manne auf einer bei Tibur gefundenen Inschrift (Orelli 750): Hunc legatum in Hispaniam ad praefecturam urbis remissum senatus in praefectura triumphalibus or- namentis ornavit und weiter: Hunc in eadem praefectura urbis Imp. Caesar Aug. Vespasianus iterum cos. fecit! Zum zweiten Mal Kon- sul wurde Plautius an Stelle Vespasians am 13. Januar d. J. 74"). Nach der Sitte der Zeit wird er also kurz vorher, also wohl in der zweiten Hälfte d. J. 73 praefectus urbi geworden sein ?). Für die Präfektur war er aber zur Disposition gestellt (remissus), also schon vorher in Aussicht genommen. Dies wird wohl geschehen sein, als nach dem Tode des Flavius Sabinus am 20. Dezember d. J. 69%) die Präfektur unbesetzt war. Da- her ist wahrscheinlich, daß Plautius alsbald, nachdem er mit den mósischen Legionen in Rom eingerückt war, zum Stadtprüfekten bestimmt und in besonderer Mission, worauf die ungewöhnliche Bezeichnung ‘legatus in Hispaniam’ hinweist, nach Spanien ge- sandt worden ist. Nach dem Abgange des Cluvius Rufus war noch im Anfange d. J. 70 kein Statthalter für Spanien er- nannt ‘). Am 21. Juni d. J. 70 aber war Plautius wieder in Rom?) In die Zwischenzeit also scheint die Sendung zu fal- len. Die Münze 200 aber gehórt demnach ins J. 70 wozu auch die ungewóhnliehe Folge der Namen Vespasians: Imp. Caesar Aug. Vespasianus stimmt, da diese sonst nur i. J. 70 vorkommt. Sie findet sich außerdem auf der angeführten Inschrift des Plau-

*) Vgl. Philol. XLV 2 S. 100.

1) CIL I 774 vgl. Klein. Fast. cons. unter d. J.

2) Mommsen Róm. Staatsr. II? S. 1015.

3) Tac. Hist. III 67, 69, 73.

4) Tac. Hist. II 65. IV 39, 68. 9) Tac. Hist. IV, 53.

570 Miscellen.

tius und merkwiirdig oft auf spanischen Inschriften z. B. CIL H 1610, 1963, 2096, 1049, während sie sonst auch auf den Inschriften selten ist.

2. Annona und Ceres August.

Daß die Erwähnung der Annona oder Ceres August. auf den Kaisermiinzen zusammenhänge mit den in der rômischen Kaiserzeit so häufigen Getreidespenden an die stadtrimische Plebs, bedarf keines besonderen Beweises. In Vespasianischer Zeit nun findet sich diese Erwähnung mit 2 Ausnahmen ®) erst vom J. 76 ab. Denn die datirten Miinzen tragen die Consulate Vesp. VII, VIII, VIII Tit. VI Dom. V d. J. 76, 77, 79, und von den unda- tirten haben viele die Namenfolgen : Caesar Vespasianus Aug. T. Caesar Vespasianus Caesar Aug. f. Domitianus die sonst nur nach d. J. 77 vorkommen ". Daß die Erwähnung der Getreide- gôttin zusammenhänge mit dem Verfassungsstreite d. J. 77 ist nicht zu erweisen. Das Erscheinen derselben auf den Münzen grade dieses und der folgenden Jahre zu erklüren ist mir noch nicht gelungen. Annona Aug.: Caesar Vespasianus Aug. 27 29 (G) 28 30 (S). TT. Caesar Vespasianus 16 (G) 17 (S). An- nona August. s. c.: Imp. Caes. Vespasian. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. VII 31, 32 (G.E.) cos. VIII 33, 34 (G.E.) Imp. Caesar Vespasian. cos. VIII 35 (G.E.) = T. Caes. Vespasian. imp. pon. tr. pot. cos. VI. 18, 19 (G. E.) = Caesar Aug. f. Domitianus cos. V. 21 (G.E.), Ceres Au(gust.): Caesar Vespasianus Aug. 53 (G.) 54 (S.) = T. Caesar Vespasianus. 30 (G.) 81 (S.) = Caesar Aug. f. Domitianus 29 (G.) 30 (S). Imp. Caesar Vespasianus 55 (S) Aug. 56 (G.). Ceres Au- gust. s. c.: Imp. Caesar Vespasian. cos. VIII 57, 58 (M. E) 59 cos. VITH (M.E.) = T. Caesar Vespasianus tr. p. cos. VL 32, 33 (M.E.)= Caesar Aug. f. Domitian. cos V. 31 35 (ME). Divus Augustus Vespasianus 60 (M.E.). Imp. T. Caes. Vesp. Aug. p. m. tr. p. cos. V. 11. 34 35 (M.E.) Caes. Divi (Aug. Vesp. f. Domitian(us) cos. VII 32, 36 (M.E.).

3. Congiarium.

An die Erwühnung der Getreidespenden d. J. 76 ff. will ich die Congiarien d. J. 72, 73 anknüpfen: T. Caes. Vespasian. imp. pon. tr. pot. cos. IL | congiar. primum p. r. dat. s. c. 46

6) Imp. Caes. Vespasian. Aug. cos. III. | Ceres. August. s. c. 61 (M.E.). Es ist vielleicht cos. [V]III zu lesen. Caesar Aug. f. Domitianus cos. III. | annona August. s. c. 20. Der Revers stimmt zu V. 31, 32 (a. 76) so daB vielleicht cos. II[I su lesen ist.

7) De. mag. Flav. 5.29 N. 3. Zu Caesar Vespasianus Aug. | imp.

Miscellen. 571

(G.E.). Caes. Aug. f. Domitian. cos. II. | cong. II. cos. II. s. c. 43 (G.E.). Ist die letzte Spende dieselbe welche Tacitus in dem ins iJ. 75 gesetzten Gesprüch über die Redner (17) anführt ?

4. Konsekration des Vespasian anfangs d des Jahres 80.

Aus Münzverz. Ve. ergibt sich, daß von den 58 zwischen . d. 1. Januar d. J. 80 (cos. VII) und d. 13. September d. J. 81 (Imp. Domit.) geprägten Münzen Domitians 13 den Prinzen Aug. f. dagegen 45 denselben Divi f. nennen. Die Consekration Vespasians fällt also nach Januar 80. Sie fällt aber vor d. 13. Juni d. J. 80, denn von diesem Tage heißt Titus auf dem Militär- diplom CIL III S. 854: Imp. Titus Caesar Divi Vespasiani f. u.8.w. Daf auf der Inschrift der aqua Maria (CIL VI 1245) Titus schon vor Januar 80 Divi f. heißt, beweist nur, daß diese Inschrift von Karakalla 212 oder 213 restaurirt worden ist, wor- auf auch der Umstand hinleitet, daf die Inschrift des Karakalla sich mitten zwischen der des Augustus und der des Titus befindet.

5. In welchem Jahre unternahm Domitian seinen Chattenzug?

Die Chattenexpedition Domitians setzt Imhof in seinem Buche über Domitian ins J. 84 gestützt auf Jos. Just. Scaliger, der dies Jahr aus den Münzen gewonnen habe. Aber von den Münzen führt CD 602%) den Namen Germanic(us), den Domi- tian von dem Zuge nach Rom zuriickbrachte, neben tr. pot. II. cos. VIIIL des. X. p. p. auf also schon in der Zeit von Januar bis 13. September 83 ?). Die 6 Münzen derselben Zeit 600, 601, 603—606 !) haben den Namen Germanicus freilich noch nicht. Dagegen haben die Stücke vom J. 84 sämmtlich das Wort Germanicus, ebenso alle späteren Münzen mit allei- niger Ausnahme von C. D. 98 (cos. XVI. a. 92—94)!!). Nach den Münzen darf man also die Annahme des Namens Germa- nicus und damit aueh die Chattenexpedition ins J. 83 hinauf- rücken. Hierzu stimmen auch andere Momente.

XIII, XIII (a. 74, 75) fehlen die genau entsprechenden Titusmünzen. T. Caesar Vespasianus | 397 gehórt wohl ebenfalls i. d. J. 77 ff.

8) Imp. Caes. Domitianus Aug. Germanic. | tr. pot. II. cos. VIIII. des. X. p. p. (S.).

9) De. mag. Flav. S. 18 und S. 10.

10) Imp. Caes. Domitianus Aug. p. m. | tr. pot. II. cos. VIIII. des. X. p. p. (6. S.).

11) Domitianus Augustus. | cos, XVI. (ohne s. c.). (M. E.).

572 Miscellen.

Im J. 84 erscheint auf 5 Stiicken: Imp. Caes. Domitianus Aug. Germanicus. | p. m. tr. pot. III. imp. V. cos. X. p. p. !*). Die fünfte Imperatorakklamation erscheint schon auf dem ein- zigen aus dem Zeitraume vom 13. September bis 21. Dezember 83 überlieferten Stücke CD 590 7%). Leider ist hier von Mo- relli der Avers nicht überliefert. Daß die Morellische Münze . nicht wie viele andere von Morelli überlieferte bedenklich ist, sondern durchaus Glauben verdient, werde ich weiter unten aus- führen. Hier genügt der Hinweis daB der Name (Germanicus gleichzeitig oder vor der 5ten Imperatorakklamation angenom- men sein muß. Man müßte denn annehmen, daB Domitian, der nach der großen Zahl seiner 22 Akklamationen zu schließen, bei jedem kleinen Anlaß seine Imperatorzahl vermehrte, aus dem Chattenzuge, der ihm doch einen Triumph einbrachte, keine Ak- klamation angenommen habe. Fällt aber die Annahme des Na- mens Germanicus wenigstens nicht nach imp. V so steht nichts im Wege daB sie vor September 83 falle. Die übrigen in Be- tracht kommenden Momente hindern das wenigstens nicht.

Nach dem Chattenzuge wurde Domitian auf einmal für 10 Jahre zum Consul bestimmt !*. Die Einzeldesignation konnte von da ab auf den Denkmälern bei den Consulaten wegbleiben. Faktisch erscheint sie zuletzt im J. 83 !°). Die erste Münze, welche sie ausläßt ist die oben besprochene Morells CD 590. Die Auslassung der zehnten Designation auf derselben ist kein Beweis gegen sondern ein solcher für die Echtheit der Münze. Denn nichts hindert anzunehmen, daß der SenatsbeschluB über das zehnjührige Consulat gefaBt sei: nach der sehnten Designa- tion (Januar 83)!9) und vor dem Schlusse d. J. 83 zugleich auch vor der Prügung des erwühnten Stücks. Wenn in den Dioexcerpten die bestündige Censur Domitians iu unmittelbaren Zusammenhang mit dem Chattenzuge gebracht sind, so ist in dieser Nachricht nur eine unverstündige Zusammenziehung eines eingehenderen Berichtes zu erkennen. Faktisch bekam Domitian nicht nur die bestündige Censur sondern die censorische Ge- walt überhaupt erst in viel späterer Zeit!”). Allerdings ist die Annahme der Gewalten eine Folge der mit dem Chattenzuge in der Regierungsreise Domitians eigetretenen Aenderung.

Ich weiß sehr wohl, daß mit unserer Verschiebung der Chattenexpedition vor den September d. J. 83 die Chronologie der Feldzüge des Agrikola, wie sie Urlichs in seiner Schrift über

12) CD. 355—359 (G. S. SQ.).

13)... . tr. p. IIT. imp. V. cos. VIII. p. (8). 14) Mommsen Rom. Staatsr. II? S. 1042 N

15) 008. VIII des X. s. oben S. 571 N. 10.

16) D. mag. Flav. S. 15, 16.

17) De mag. Flav. S. 19.

Miseellen. 678

Agrikola !5) aufgestellt hat, nicht stimmt. Aber Nipperdey 7) hat obne überhaupt den Sachverhalt der Münzen zu kennen, die Chronologie der britannischen Feldzüge des Agrikola so geord- net, daß die kurz nach dem Chattentriumph des Domitian fal- lende Beendigung derselben noch ins J. 83 gehört. Also auch von dieser Seite ist gegen das Hinaufrücken der Chattenexpe- dition Domitians vor den September d. J. 83 kein Bedenken zu erheben.

18) De vita et honoribus Agricolae. 19) opusoula S. 525.

25. Scaenica. I Das steinerne Dionysostheater in Athen.

Die Zuverlässigkeit der Nachricht des Suidas (s. v. Zpattvac), wonach Olymp. 70 die hölzernen Zuschauergerüste bei Gelegen- heit eines dramatischen Wettstreits zwischen Aeschylus, Chórilus und Pratinas zusammengebrochen seien, wird sehr in Frage ge- stellt durch die weitere desselben Lexikographen (s. v. Aloyuiog), daB Aeschylus nach Sizilien geflohen sei ds ro meosiv ra Troia énmidsixrvuérov avrov. Auch in der zuerst angeführten Glosse wird an den Zusammensturz der txgsa eine Consequenz geknüpft: xui ix rovrov Jéurgor @xodour9n "AImvaloıs. Wenn man nun geneigt wäre, wenigstens die Notiz über die reine Thatsache, daß jener Zusammenbruch irgend einmal in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts stattgefunden habe, als zuverlüssig bestehen zu 1as- sen, so wird man auch daran irre durch diese doppelte ätiolo- gische Verwendung derselben die Begründung der Flucht des Aeschylos, der doch für die Haltbarkeit des Gerüstes nicht verantwortlich war, mit dem Zusammenbruch ist lüppisch, die Begründung der Erbauung eines (doch wohl steinernen) Theaters mit demselben so naheliegend, daß die combinierende Phantasie eines Grammatikers sie fast erfinden mußte: die Kunde von der Existenz hölzerner Zuschauerplätze ') lag natürlich vor und nun war zu erklüren, weshalb diese mit steinernen vertauscht worden seien. Auch die chronologische Angabe, mit welcher die Nachricht in der Pratinasglosse auftritt, wird man nicht allzu ernst nehmen dürfen. Aber mag das besprochene Ereigniß immer-

1) Improvisierte Theater, wie das des Kleomenes (Plut. Cleom. 12), wurden noch in der Zeit des steinernen Theaterbaus aus Holz ge- zimmert.

574 Miscellen.

hin OI. 70 stattgefunden haben: die Hauptsache ftir uns ist, zu constatieren, daf die sich an dasselbe anschlieBenden Consequen- zen ganz werthlos sind.

Es scheint demnach, daß man die von Wieseler (Ersch. u. Gruber Sect. I Bd. 83 S. 178) und Alb. Müller (Griech. Büh- nenalterthiimer S. 85 f.) noch festgehaltene Ansicht, daB der Bau des steinernen Theaters Ol. 70 begonnen habe, verlassen und sich nach anderen lingst bekannten aber nicht gentigend benutz- ten Zeugnissen umsehen muß. Daß im Jahr 411 der Zuschauer- raum des Theaters, in welchem die Stücke des Euripides gege- ben wurden, d. h. des Dionysostheaters noch aus Holzgerüsten bestand, ist durch Ar. Thesmoph. 395 (die Männer kommen von den misogynen Stücken des Eurip. nach Hause and r&v Ixolwr; über den Begriff von ixgıov s. jetzt Unger, neue Jahrbücher Bd. 133 S. 153 f) meines Erachtens unwiderleglich bewiesen. Wie könnte sich auch der Ausdruck nowror EvAor für die Proédrie (Poll. IV, 121) gehalten haben, wenn schon vom Jahr 500 an die Zuschauer auf steinernen Sitzen gesessen wären? Ferner: der Redner Lykurgos hat (Plut. Vit. X or. p. 852 B) das Dio- nysostheater julegyov überkommen und es vollends ausgebaut. Soll man sich denn vorstellen, dasselbe sei etwa 170 Jahre lang in halbfertigem Zustand dagelegen? gleich Anfangs nicht fertig gebaut worden? oder (wie Wieseler und A. Müller annehmen) es habe durch die Perserkriege Beschädigungen erlitten, durch welche es aber nicht zu einem halbfertigen, sondern einem halbzerstörten geworden wäre? Und Perikles sollte diese wichtigste Volksbildungsstätte, zu deren Gunsten das Schaugeld von ihm eingeführt wurde, in halbzerfallenem Zustand haben liegen lassen? Dies anzunehmen scheint mir ganz unmöglich. Vielmehr haben den steinernen Ausbau des Theaters athenische Staatsmänner unmittelbar vor Lykurg begonnen, sind darin auf- gehalten worden, und Lykurg hat das Werk vollendet. Den Beginn des steinernen Baus darf man vielleicht in die Verwal- tungsperiode des Eubulos setzen, in welcher die Theorikenvor- steher auch die Leitung des öffentlichen Bauwesens hatten (Böckh Staatsh. I? 225); Verzögerung werden die Verwicklungen mit Philippos gebracht haben. Als das älteste steinerne Theater im griechischen Mutterland werden wir also dasjenige des Po- lyklet im epidaurischen ‘/eg0» anzusehen haben. Das Bestreben, die Anziehungskraft dieses Kurorts nach Möglichkeit zu erhöhen, mag hier den Plan einer solideren und comfortableren Theater- construction zuerst zur Ausführung gebracht haben.

Tübingen. W. Schmid.

Miscellen. 579

26. Zu den ‘Aithiopenmythen’. (Genesis VI 1—4).

Der gelehrte Verfasser des Aufsatzes über die Aethiopen- mythen (oben S. 103 ff.) hat darin durchaus recht, daß die Le- gende Genesis VI 1—6 „in der jüdischen Literatur isolirt steht ;“ dies ist namentlich in der ersten Abhandlung von Karl Budde (Die biblische Urgeschichte, GieBen 1883) stark hervorgehoben, und auch von Kautzsch und mir in unserer Uebersetzung der Genesis (Freiburg 1888) dadurch gekennzeichnet, daß wir die Stelle dem J! das heißt dem ältesten Jahwisten zuschrieben. Man mag nun von der Unterscheidung von J!J?J? d. h. ver- schiedenartiger Bearbeitungen des jahwistischen Werkes halten, was man will; eines scheint mir sicher: wir stehen hier ganz auf mythologischem Boden, auf dem Boden von Mythen welche uns nur fragmentarisch erhalten sind. Wenn diese Con- cession von Seiten der Vertreter des Fachs nun den Verfasser jenes Artikels freuen wird, so wirft doch die Folgerung, welche man betr. jene Stelle gezogen hat, einen Theil seiner Thesen geradezu um. Es scheint nämlich erwiesen, daß J! die Fluth- geschichte nicht gekannt haben kann. In jener Gene- sis-Stelle soll die Herkunft der vor Alters hochgefeierten Ne- fiim berichtet werden; dies schließt, wie ebenso Genesis IV 17 ff, die Fluthgeschichte geradezu aus; denn der Verfasser von Genesis VI 1—6 setzt die Nefilim augenscheinlich nicht ale vor die Fluth; auch sonst ist ja von solchen Nefilim im A. Test. die Rede. Ebenso möchte ich jedoch auch gegen die Erklärung des „Volkes der Ewigkeit" = frevelhaftes Geschlecht (S. 106) Einsprache erheben. Aus den von O. Gruppe citirten Stellen geht eine solehe Anschauung wenigstens nicht hervor; damit fällt hinweg, daß sie mit den Aldiones in Zusammenhang gebracht werden dürfen.

Daß der Text stark corrupt sei, leugne ich am allerwenig- sten; eine befriedigende Erklärung von Vers 3 kenne ich nicht. Noch möchte ich aber auf Wellhausen Prolegomena zur Ge- schichte Israel?, Berlin 1886, S. 321 Anm. verweisen: „Ein gröberes Gegenstück zu Gen. 2. 3, auch eine Art Sündenfall, ist Gen. 6, 1—4: die Verrückung der Grenze zwischen gött- lichem und menschlichem Geschlecht“. Dazu mag allerdings R (d. h. irgend ein Redactor) den überlieferten Mythus ver- wendet haben.

Tübingen. A. Socin.

576 Miscellen.

Excerpte und Mittheilungen.

Revue arch. 1888. Nr. 3. 4. März, April. Héron de Ville- fosse: Figure en terre blanche trouvé à Caudebec-lès- Elbeuf (mit Ab- bildung). Hieratisches, mit Ornamenten tibersites Idol, für wel- ches zahlreiche gallisch-rémische Arbeiten Parallelen bieten; auf der Riickseite die Marke des Fabrikanten Rextugenos auvot (= R. fecit) Clermont-Ganneau: Sarcophage de Sidon représentant le mythe de Marsyas (mit Abbildung); zur Einleitung Bemer- kungen über die Sarkophage von Tabnit mit Nutzanwendung auf Theokr. XVII 110 f. F. Cumont: Les dieux éternels des inscriptions Latines. Die Bezeichnung deus aeternus dea aeterna wird aus syrischen Kulten hergeleitet. Arbois de Jubainville: Le char de guerre des Celtes dans quelques textes historiques (Li- vius, Polybius, Plutarch, Diodor, Pausanias; das Reiten ist auch bei den Kelten eine jiingere Sitte, als das Fahren). P. Mon- ceaux: Fastes éponymiques de la ligue thessalienne. Tages et stra- tèges fédéraux (bis zum Jahre 352 v. Chr). L. de Launay: histoire geologique de Mételin (Lesbos) et de Thasos (mit Abbil- dung). S. Reeinach>: Liste des oculistes Romains mentionnés sur les cachets (alphabetisches Namenverzeichnif). Cagnat: Revue des publications épigraphiques relatives & Vantiquité romaine (a. oben S. 191).

Mnemosyne 1887. XV, 4. Valeton: De Ostracismo (Fort- setzung). Van Herwerden: Spicilegium Strabonianum. J. v. L.: Ad Aristophanis Equitum v. 742; der Verf. liest:

0 163 OTQoTnytor, vrodoupav zovc éx llvàov, mÀsvGag éxeiGe :0UC Auxwvug Nyayorv.

Mnemosyne 1888. XVI, 1. Valeton: De Ostracismo (Fort- setzung). Leeuwen: Homerica (Fortsetzung), Karsten: De Tibulli Elegiarum structura (pars tertia) Van der Vliet: Ad Symmachum. Boissevain: Epistula critica (zu Thucydi- des). Burger: Ad annalium Romanorum reliquias a Diodoro servatas. Naber: Selecta (zu Aristophanes Acharnern, Xe- nophon’s Anabasis, Plato, Polybius, Aeneas tacticus, Plutarch, Lucian, Dio Cassius, Diodor etc.) Leeuwen: Ad Soph. Aj. 646—649; er liest 647 gulver, 648 ef undcocera:, 649 oyxoc.

The Academy 1888, 26. Mai. L. Campbell: Sehr abfällige Besprechung der gr. Sophokles- Ausgabe von Semttelos, welcher beside our ingenious countryman Blaydes gestellt wird. 2. Juni. Neben andern Anzeigen gute Charakteristik der ‘gr. Chronologie’ von A. Schmidt. 9. Juni. Terrien de Lacouperie: The name of Oannés (Qc, "Ads, Quvvnç) in the cuneiform texts, 80. Juni. A, S. Murray: Bericht über Rayet und Collignon, Histoire de la Céramique Grecque.

XXVII.

Bemerkungen über einige Bibliotheken von Sicilien.

Die Bibliotheken von Sicilien sind im Allgemeinen wenig bekannt; über ihren Bestand an Handschriften gibt es nur sehr geringfügige Mittheilungen und diese stammen meist aus ülterer Zeit, konnten also die schweren Verluste, welche die siciliani- schen Sammlungen in den letzten Jahrzehnten der Bourbonen- herrschaft durch Krieg und Diebstahl erlitten haben, noch nicht berticksichtigen. Andererseits machen die neueren Reisehand- biicher an nicht wenigen Orten auf ziemlich umfangreiche Hand- schriftensammlungen aufmerksam und da sie ja heute wohl alle in dem Rufe stehen, von competenten Gelehrten revidirt zu sein, so läßt sich mancher Philologe verleiten, diesen angeblichen Schi- tzen nachzugehen. Das Resultat steht in bei Weitem den mei- sten Fällen in gar keinem Verhältniß zu der aufgewandten Zeit und Mühe. Ich glaube daher nichts Ueberflüssiges zu thun, wenn ich die Bemerkungen, welche ich in diesem Frühjahr in einigen Stüdten der Insel darüber zu machen Gelegenheit hatte, hier mittheile. Ich notire was ich an Klassikerhandschriften in den Katalogen verzeichnet fand, vermehrt um einige Notizen aus Autopsie. Handschriften, die ich selbst gesehen habe, sind mit einem Stern bezeichnet worden. Patristik habe ich fast durch- weg ausgeschlossen; viel ist davon indessen nicht anzutreffen.

Die wichtigste unter den Handschriftensammlungen Sici- liens ist die der Universitütsbibliothek zu Messina. Philologus. N. F. Bd. I, 4. 97

578 F. Rihl,

Man weiß,. wie eifrig in den Zeiten des Wiedererwachens der Wissenschaften die klassischen, insbesondere die griechischen Studien in Messina gepflegt wurden, und die Stadt war lange Zeit wegen der zahlreichen und vortrefflichen Handschriften, die sie beherbergte, beriihmt. Jetzt sind aber leider nur noch ge- ringe Ueberbleibsel dieser Schätze vorhanden. Das barbarische Bombardement von 1848 hat die Bibliothek von S. Placido ver- nichtet (vgl. Plauti Poenulus ed. Gótz et Loewe S. XV) und dasselbe Schicksal hat die große Bibliothek von S. Maddalena betroffen, mit Ausnahme des Klosterarchivs, das sich augenblick- lich in Palermo befindet. Ebenso hat das Basilianerkloster S. Salvatore de' Greci die schwersten Verluste erlitten; nicht nur hat auch hier das Bombardement zahlreiche Codices vernichtet, son- dern das Kloster ist auch durch einen Bischof eines groBen 'Theils seiner Handschriften beraubt worden; der Raub befindet sich jetzt. zum Theil im Vatican!) Was übrig blieb ist vor nicht langer Zeit mit der Universitütsbibliothek vereinigt wor- den. Diese Handschriften von S. Salvatore wie der alte Be- stand der Bibliothek ( die sog. codici preesistenti) sind von Herm Matranga in zwei getrennten handschriftlichen Katalogen recht sorgfältig beschrieben worden. Das Verzeichniß des alten Be- standes ist lediglich auf lose Zettel geschrieben und führt den Titel: No. 281. Schede per il Catalogo Descrittivo dei Manoscritti Preesistenti finite oggi 11 Giugno 1887 giorno di Sabuto. Deo gratias. Beide Kataloge haben mir bei den folgenden Aufzeich- nungen werthvolle Dienste geleistet.

*Codex praeexistens 11 membr. oct. saec. XII. Die bekannte Handschrift von Hesiods Werken und Tagen mit Einleitung und Scholien von Tzetzes. Enthält 86 Blätter. Matranga hat im Katalog folgende Bemerkung gemacht: Bisogna avvertire quando leggesi nell’ ultima edizione del 1870 fatta in Lipsia da Koechly e Kinkel, i quali nella Prefazione IV (vielmehr S. VII) avvertono, che in fine i versi 744—828 sono suppliti da mano più recente: ma niente dissero dei due fogli 85 ed 86. Non lessero. Ebene diciamo, che nel foglio 85 sono contenuti i Versi 791 sino al V. 802 del libro stesso di Esiodo con il Commentario di Zese; e

. 1) Ich verdanke diese Mittheilangen Herrn Prof. Dr. Kleinenberg in Messina.

Bemerkungen über einige Bibliotheken von Sicilien 579

nel foglio 86 sono i versi 770 sino al V. 775... Questi due fogli, perchè dispari ed illegibili, furono calcolati estranei da chi sud: pli i versi 744--828, ora però sono all’ evidenza. Das ist voll- kommen richtig und Albert Guethe, welcher die Handschrift ftr Kôchly und Kinkel verglich, hat sich die beiden Blätter auch nicht weiter angesehen. Ich habe die Gelegenheit benutzt, den Text des Hesiodos auf diesen beiden Blittern mit der Ausgabe von Kóchly und Kinkel zu vergleichen und gebe im folgenden die Varianten, oder vielmehr ich verzeichne eine Anzahl von Lesarten dergestalt, da8 wo ich Nichts bemerke, die Handschrift. mit dem gedruckten Text übereinstimmt, wührend ich auch eine Anzahl Lesarten, des positiven Zeugnisses halber, mitverzeichnet habe, in denen der Codex mit der Ausgabe übereinstimmt. 792 zhew nuats (80) 793 ob yelvacdus oder ylrvacda: dastand ist.

nicht zu erkennen menvuuévog 795 puéoon (so) 796 der Accent von xagyugodovru nicht mehr zu erkennen 797 nouvvey 799 ob nuae oder juag dastand ist nicht mehr zu sehen 801 of èn° Zoyuat 770 ivan quug sicher lesbar 771 yovouogoy muaura sicher 774 alle Accente _unsicher, von gw incl. ab Nichts mehr zu lesen 775 mit Ausnahme von aua03%, das nicht mehr zu lesen ist, Alles wie der gedruckte Text. Auf Fol. 1” steht unter den Versen saec. XII, die Tzetzes preisen, eine ältere Schrift; Matranga will die Jahreszahl quid = 6414 = 906 p. C. gelesen haben; ich hatte keine Lust, mir die Angen an dieser Minuskel zu verderben.

*Codex praeexistens 12 chart. Oct. saec. XV enthält Fol. 100 Gorgias éyxwusov 'EAvgc.

Codex praeexistens 14. Juvenalis et Persius von 1459.

Codex praeexistens 15. "Terentius in Calliopischer Re- cension. Vollendet 22. September 1446 in civitate Cesarauguste per me loannem de campis. .

Codex pracexistens 21 bomb. saec. XVI Buch 1 von Xenophons Kyropaedie.

*Codex pracexistens 62 chart. fol. saec. XV (so nach meiner Schätzung, nach dem Katalog saec. XIV). 52 Blätter. Auf dem untern Rande von Fol. 52" steht: Coll. Mess. Soc. lesu. Enthält Pseudokallisthenes. Beginnt Fol 1': KA. GO£vqc iorogsoyodgpos, 6 rd megl 1v ÉXivww Cvyyeawuperos. : ovrog. taroget aieEavdoov moatsss: "Agsorog [Alles bis "4 incl.

87 *

580 F. Rühl,

roth] doxet yeréodar xoi yervasvitaros adfEardoos 6 paxxedwr (so) Idlwe muvia momoupevos. ovvegyovGa» avtw &vQuv (80) dei Taig ageruig inv nQovorav. tocovtoy Exucıw Tv tIvdv rnode- pv xai payopevos Oinyaye yo0vov, Ocov ovx Moxes zoig flovAo- pévowg tag modes axgıßwg iorogqou. SchlieBt Fol. 527: mouirg 7? Odupmeas (so) ZogEuro (s0)' dro ing TeAsving aAsEadrdgou Ews Ing tov Jeoù Àóyov èx nugdérov capuwoews Em xd (80): r£- 200 zw dorri tégua dota rium x«i xgatog: Danach scheint der Codex zu der durch den Codex B bei Müller reprüsentirten Recension zu gehóren.

Codex pracexistens 110. Roma instaurata und Italia il- lustrata des Blondus.

*Codex praeexistens 278 chart. fol, saec, XV —XVI. Ge- schenk des Pater Filippo Matranga 1887. Fol. 1" Ozodweov dvayvuorov xwvoturtvouncdsmg exxAnovatixng Îoroglac —fhfMor a. Ex rwvog Vrgov x. r. 4. SchlieBt Fol. 157: rovro v mo- rov 176 diaxociootis 0ydons Glvumtadog Unarelag (?) zavgov (80) xai pauwgivriou ıng rolıng tov vosußglov unvos. T&os tov 8 Pr Bifov. Das ist also der unedirte Text, von dem Leo. Allatius bei Mai, Bibl. nov. VI p. 153 f. handelt und von dem er ein Stück mittheilt (wieder abgedruckt bei Migne, Patrologia Graeca LXXXVI 1 S. 159).

*Codex S. Salvatoris 29 membr. forma maxima saec. XI—XII in zwei Columnen geschrieben. Geistlichen Inhalts, sogenannter Metaphrastes. Die untere Schrift, gleichfalls in zwei Columnen geschrieben, steht zuweilen auf dem Kopf. Auch sie ist geistlichen Inhalts, besteht aus Uncialen und enthält einen Psalmencommentar. Hier und da ist sie sehr bequem zu lesen, z. B. Fol. 55": EICTOTEAOCENYMNOIC | +AAMOC TW (so) A&A, ohne Worttrennung, Accente und Spiritus. Die Unciale ist indessen nicht überall von derselben Hand; Fol. 169 z. B. zeigen sich auch Spiritus und Accente, wie mir schien von ei- ner spüteren Hand, welche auch Correcturen in Minuskel aus- geführt hat. Herr Dr. Reitzenstein, der einige Zeit nachher auf meine Veranlassung den Codex in behaglicher MuBe untersuchte schreibt mir, daß nur die Ueber- und Unterschriften den älteren Cha- rakter trügen, der Text dagegen in der „schräg liegenden schmalen, spitzen Uncialschrift geschrieben sei, welche jetzt gewöhnlich dem

Bemerkungen über einige Bibliotheken von Sicilien. 581

VII— IX Jahrhundert zugewiesen wird“. Hoffentlich werden wir von Reitzenstein noch mehr über die Handschrift erfahrén, Im Ganzen befinden sich unter den Handschriften von S. Salva- tore 18 Palimpseste.

*Codex S. Salvatoris 63 . membr. fol. saec, XII. Ent- halt allerlei geistliche Schriften, Heiligenleben und Aehnliches. Darin Fol. 217": ’/ovdiavòs BaciAsvg Buoidetu Émioxonw xasca- oslag xammadoxlus. To tugvrév wos dx nudoFsv yaleór xai qu- AdvPowrrov Émideuxvuuerog wéygs tov nagóvrog x. 7. À. (= Julian. ep. 75 Hertlein) Der Brief schließt Fol. 218" & yag avéyvw. xareyvwv. Es folgt: Buoilesos Eniononog Kussugslag Kunna- doxtas loviuavió Pace: Mıxga cov ta tig magovons rigne avdouya3nuara x. Te À. |

*Codex S. Salvatoris 84 membr. saec. X—XL Vorn und hinten verstiimmelt; vom 1. Quaternio fehlen Blatt 1 und 8; angeblich Galenos, in Wirklichkeit eine Excerptensammlung aus Galenos, Oribasios und Anderen. Beginnt jetzt Fol. 17: alcInow È... .. GTIYW®) xurarofoue (80) cagug èFsdoss. Ém- xixıdoo te xoi x. t A. Fol. 1" verklebt. Fol. 2" beginnt ddy- dov yuo elze dia tv oruyer stre dia tiva tov Émuusunyuérwy adri movotntwv. ere diappotégus Erjoynoev nsov T0 mAnovatoy (o aus w) avtw cwua x. 1. Fol 6% Mitte: av Qwww äqueodas pégia ^ CYNOYCIC TWN ATIAWN PAPMAK GUN: ABPO- TIONON , Seguor core xoi Enodv (Accent von 2. Hand) rh» duvauev x. t. À. Fol. 58% am Ende: xoi ura wa vinsa |

CYNAVIC (so) T8 ff TWN ATIAWN | PAPMAKWN T'AAIN8

(so) KAI T8 | TTEPI TPOPWN AYNAMEWN | AOTOC X: + +4), Fol. 597 KEDANEA T8: B: AOFOY +. Fol. 62: TTEPI TON

THC FHC AIADOPON KAI AIOWN KAI METAAIKON . KAI THC ATTO TON ZWWN @OEAIAZ EK TON |‘ATTA@N TA (= l'A-

2) Die Punkte bedeuten Buchstaben, welche ich im Augenblick nicht lesen konnte; wer Zeit hat wird sie wohl ohne besondere Mühe entziffern können.

3) Ve 1. Blume Iter italicum IV S. 103. Blumes Bibliotheca Mes, Italica fehlt auf der hiesigen Bibliothek. Ich glaube indessen, sowohl nach Blumes Bemerkungen im Iter wie nach Notizen, die ich mir früher aus dem Buch gemacht hatte, daß ihre Nichtbe nutzung diesem Aufsatz nichts geschadet hat.

582 F. Rühl,

n _ AHNOY) KAI TOY TT TPO®(ON AYNAMECUN AYTOY | KAI (| über der Zeile) OPIBAZIOY KAI ETEP oN: A B | “Oca piv

gend» Zor uogia x. t. A. Fol. 116" TEP! METAAAIK.UN KAI

NIGcUN KAI THC | KAI THC ATTO TwN Z@wN W®EAEIAC. | KAI TTEPI AYNAMEWC ATTAGN | VAPMAKGN: AB

| KEDAAEA TOY TPITOY AOTOY. Fol. 119: " ENOYMEN@N KENOYMENWN . TIPOC®EPOMENWN . KAI T AEPON. "ANEMQN TOTTON YAATWN | OYNIT MON . CINATTIEMWN

(1)

KAI T OMOICON: NOTOCF °° C " TPIVEWC TIAPAZKEYA-

CTIKHC > (so): Hoo Tv yvuraGusv x.r.À. Schließt Fol. 141" im Artikel pce #201 Aovrowr yadsvov (ya nicht sicher) mit den Worten ovx Oàfya cuviiel . aouodia de ra.

*Codez S. Salvatoris 194 chart. oct. saec. XIV. Grie- chisches Lexikon. Die ersten Blütter haben sehr gelitten. Fol. 1” beginnt 4yytàfa qoooc. Es ging indessen noch etwas vorher. Probe von Fol. 111": CTOIXEION TOY: A: | Adas, è 26900. Aaßwr, anagus. | iaBowsros, doafapevos, Aaiywrirw, dale, Boazve agroc. | Aaíquros, 16 luanor xai 0 Ggirog, laïor, age- cregov. Das Ganze schließt Fol 178": «olor (so), acrgor ros- rov xadovperor (80) | woscer, Exosvev Exelnoev. Es folgt oi ETTI-

MEPICMOI QN: KA: | ixagwrres (vor i ein Gesicht als Initiale gemalt, das wohl ein O vorstellen soll) êæi meoscuoi, cov | ré- Ferrari xara Croizeior, ov|tws doyoutJa and rov 8.

*Codez S. Salvatoris 167 membr. 4°, in zwei Columnen geschrieben. Besteht aus 143 Blättern. Die Blätter 78—148 sind im 12. Jahrhundert mit Schrift bedeckt worden; am obern Rande von Fol. 78" steht das Quaternionenzeichen 1. Die Blatter 1—77 sind später zur Ergänzung der verstümmelten Handschrift hinzugefügt worden und die Schrift ahmt den Cha- rakter der älteren nach. Die ersten Blatter sind sehr mitge- nommen. Fol. 1' beginnt

"erac. parzoao . . . »*)

4) Die Punkte bedeuten wieder schwer lesbare Buchstaben, die su entziffern es mir an Zeit und Interesse fehlte.

Bemerkungen über einige Bibliotheken von Sicilien. 583

Au... wees GU "Avisa: nad Aödtagang: ixavoo. Fol. 78" beginnt unAovouog: 6 ra ng0ßa véuwv. Ste xai ta déoua 10 undoragia: Dieses Lexikon schlieBt Fol. 116" mit den Worten: w : tov lóíov | e: Ou» Es folgt uirégor A£Eeig : | ^ Apociwuevov: ayılsgwuevov x. 1. À. Fol. 1227 AéEug éyxeluevar | &v 17 Enızuyv (80) 100 dlyiov fac helou: |’ Aygıdvgos: èyyvo: x. Y. 4. Fol. 123" alitgos Acc AA0yioay : xatageovnour x. 7. A. Fol. 129" Akrosticha eines Mónchs Theodor; Fol. 129° al A£&&g rd» zgona|giwv. égunreurà | rata crouylov : |" Ageyysic: un Eyovisg | péyyos x. 1. A. Fol. 133" ai ME iv GN | weApQv xai wdwr: |'-AÀglowa: alvelta | àv óvra ros tow xvgiov:| Fol. 184r AéSeug ıwv wdwr. Fol. 1347 leer. Fol. 135", vielleicht ursprünglich einen andern Codex be- ginnend, enthält roù (9 xai owoAoyırov | uuËEluov Egunvelus | dia- pogo. negl owuarwr xai Wuyüvr: | yos] yırwazsıy oT Terpuuespèc êoriy 10 owuu x.1. 4. Fol. 143" schließt mit den Worten ém:d dauovia x«i; der Schluß des Codex ist also verloren gegangen. Es ist Hoffnung vorhanden, daß wir auch über die Lexika der Codices 84 und 134 bald von Dr. Reitzenstein nühere Aus- kunft erhalten werden; ich glaubte indessen doch meine Notizen, die dem Einen oder Andern nützlich sein kónnen, hier mitthei-

len zu sollen.

Die Universitàtsbibliothek zu Catania besitzt im Ganzen 60 Handschriften. Darunter sind folgende von phi- lologischem Interesse :

No. 1. Aesopi fabulae versibus expressae saec. XIV.

No. 12. Ciceronis Tusculanarum disputationum libri V membr, saec. XV.

No. 60. Ciceronis de officiis libri saec. XV.

Mit der Universitàtsbibliothek ist die Biblioteca Venti- milliana vereinigt, von der es einen gedruckten Katalog von Francesco Strana (Catania 1830) gibt. Ich habe daraus folgen- des notirt.

584 F. Ruhl,

Cicero ad familiares (XI F 7). Nach einer Mittheilung des Herrn Prof. Sabbadini saec. XV.

*Pindarus Thebanus (XI E 9, alte Nummer XI E 12) membr. oct. saec. XV mit schönen Initialen und Randleisten. SchlieBt :

Pindarus hunc librum fecit sectatus homerum Grecus homerus erat sed pindarus iste latinus ?).

Homeri hystoria clarissimi traductio exametris versibus pyndari haud (d von 2. Hand corrigirt) indocti ad institutionem filit sui parme. Auf derselben Seite steht dann von anderer Hand und mit anderer Tinte: Ex bibliotheca p Ill. D. Don Matthema de bar- resio facta Anno zpi. 1531.

Opuscula miscellanea (XI E 10) sae. XV. Darin lateinische Uebersetzungen der Briefe des Phalaris und Brutus und verschiedene Arbeiten von Humanisten.

Ciceronis Cato maior, ins Griechische übersetzt von Theodor Gaza (XI E 17).

Die Bibliothek von S. Nicola in Catania umfaßt nach Bädeker „20000 Bände und 300 Handschriften“ und wer das ungeheure, zum Theil recht prachtvoll ausgestattete Kloster be- tritt, wird zu dem Glauben geneigt sein, daß sich wenigstens irgend etwas Nennenswerthes in der Bibliothek finden werde. Die Enttäuschung, die ich erfuhr, war außerordentlich groß. Die Bibliothek enthält allerdings nicht weniger, als 372 Handschrif- ten, allein eine solche Sammlung von Schund wird in der gan- zen Welt nicht zum zweiten Mal existiren. Ich hatte mir einen Auszug aus dem handschriftlichen Katalog gemacht und fing dann an zu fordern: „No. 1, Chronica Eusebü“. Ich bekomme den Codex in die Hand und lege ihn sofort mit lautem Gelächter wieder hin. Was war es? Eine im 17. Jahrhundert angefer- tigte Abschrift aus einer Venediger Ausgabe von 1488. Der Bibliothekar stimmte in mein Gelächter mit ein und erklärte, der Rest sei ungefähr derselben Qualität. Das bestätigte sich denn auch sehr rasch und als Entschädigung für die verlorene Zeit blieb mir nur die Kenntniß der kulturhistorisch allerdings höchst merkwürdigen Thatsache, daß noch im 17. Jahrhundert in einem

5) Vgl. Baehrens, Poëtae Latini minores III p. 4.

Bemerkungen iiber einige Bibliotheken von Sicilien, 689

reichen Kloster Mönche gelebt haben, welche gedruckte Bücher, die meist gar nicht selten oder theuer gewesen sind, abzuschrei- ben Zeit und Lust hatten. Allenfalls bemerkenswerth in der Bibliothek sind zwei griechische Urkunden aus dem 12. Jahr- hundert, ein Dante, ein schünes livre d'heures und ein ,,Calenda- rio in lingua rabbinica“ (cod. 29). Palaeographisch merkwürdig ist daneben allerdings der Codex 37 membr. saec. XV. Er ent- halt die Priapea und die virgilischen Catalepta. Dieser Codex ist nämlich in einer eigenthümlichen Geheimschrift geschrieben. Für jeden Buchstaben ist ein besonderes Zeichen angewandt, welches buchstabenühnlich , aber kein eigentlicher Buchstabe ist, d. h. der Schreiber hat für diesen Codex ein eigenes Alphabet erfunden. Beispiele solchen Verfahrens sind aus dem Mittel- alter nicht grade viele bekannt (die vollständigste Zusammen- stellung gibt Wattenbach, Anleitung zur lateinischen Palaeogra- phie S. 12 f. der 4. Auflage) und es würe daher sehr dankens- werth, wenn einer der Gelehrten der Universitit Catania ein Facsimile einer Seite des Codex veróffentlichen wollte- Ange- wandt ist in diesem Falle die Geheimschrift natürlich wegen des obscónen Inhalts der in dem Codex enthaltenen Gedichte.

So gut wie werthlos ist auch die Biblioteca arcives- covile zuSyrakus, auf welche Bädeker ebenfalls nicht verfehlt, aufmerksam zu machen. Für Philologen kommt hichstens der Codex No. 7 in Betracht, welcher die „Institusioni di rettorica di Giorgio Trapezuntio“ enthält.

Ueber die Biblioteca nazionale zu Palermo endlich habe ich folgendes notirt:

Boethius de consolatione (IV H 15).

Catalogo della biblioteca di S. Martino (III G 11).

Catalogo della biblioteca de’ Dominicani (II H 1 und X H 10).

Chrysoloras Erotemata vel octo orationis partes (IC 10) saec. XV.

Ciceronis Ars rhetorica (I F 8).

S. Ephraem Syri et aliorum opuscula graece I D 4.

Eusebius de evangelica praeparatione von 1466 (V H 1).

* Eugippius Vita S. Severini. Accedit historia inventionis el translationis corporis S. Sosii (IV C 10). Stammt aus der Jesui- tenbibliothek zu Palermo; ist saec. XVI.

Historia Bysantina (III F 12).

574 Miscellen.

hin OI. 70 stattgefunden haben: die Hauptsache für uns ist, zu constatieren, daf die sich an dasselbe anschlieBenden Consequen- zen ganz werthlos sind.

Es scheint demnach, daß man die von Wieseler (Ersch. u. Gruber Sect. I Bd. 83 S. 178) und Alb. Müller (Griech. Büh- nenalterthümer S. 85 f.) noch festgehaltene Ansicht, daß der Bau des steinernen Theaters Ol. 70 begonnen habe, verlassen und sich nach anderen längst bekannten aber nicht genügend benutz- ten Zeugnissen umsehen muß. Daß im Jahr 411 der Zuschauer- raum des Theaters, in welchem die Stücke des Euripides gege- ben wurden, d. h. des Dionysostheaters noch aus Holzgerüsten bestand, ist durch Ar. Thesmoph. 395 (die Männer kommen von den misogynen Stücken des Eurip. nach Hause and trav Ixglwr; über den Begriff von îxgior s. jetzt Unger, neue Jahrbücher Bd. 133 S. 153 f.) meines Erachtens unwiderleglich bewiesen. Wie könnte sich auch der Ausdruck rowrov Evlor für die Proédrie (Poll. IV, 121) gehalten haben, wenn schon vom Jahr 500 an die Zuschauer auf steinernen Sitzen gesessen wären? Ferner: der Redner Lykurgos hat (Plut. Vit. X or. p. 852 B) das Dio- nysostheater nw/egyov überkommen und es vollends ausgebaut. Soll man sich denn vorstellen, dasselbe sei etwa 170 Jahre lang in halbfertigem Zustand dagelegen? gleich Anfangs nicht fertig gebaut worden? oder (wie Wieseler und A. Müller annehmen) es habe durch die Perserkriege Beschädigungen erlitten, durch welche es aber nicht zu einem halbfertigen, sondern einem halbzerstörten geworden wäre? Und Perikles sollte diese wichtigste Volksbildungsstätte, zu deren Gunsten das Schaugeld von ihm eingeführt wurde, in halbzerfallenem Zustand haben liegen lassen? Dies anzunehmen scheint mir ganz unmöglich. Vielmehr haben den steinernen Ausbau des Theaters athenische Staatsmänner unmittelbar vor Lykurg begonnen, sind darin auf- gehalten worden, und Lykurg hat das Werk vollendet. Den Beginn des steinernen Baus darf man vielleicht in die Verwal- tungsperiode des Eubulos setzen, in welcher die Theorikenvor- steher auch die Leitung des öffentlichen Bauwesens hatten (Böckh Staatsh. 225); Verzögerung werden die Verwicklungen mit Philippos gebracht haben. Als das älteste steinerne Theater im griechischen Mutterland werden wir also dasjenige des Po- lyklet im epidaurischen '/egór anzusehen haben. Das Bestreben, die Anziehungskraft dieses Kurorts nach Möglichkeit zu ‘erhöhen, mag hier den Plan einer solideren und comfortableren Theater- construction zuerst zur Ausführung gebracht haben.

Tübingen. W. Schmid.

| sn na

Miscellen. 575

26. Zu den ‘Aithiopenmythen’. (Genesis VI 1—4).

Der gelehrte Verfasser des Aufsatzes über die Acthiopen- mythen (oben S. 103 ff.) hat darin durchaus recht, daí die Le- gende Genesis VI 1—6 ,,in der jüdischen Literatur isolirt steht;“ dies ist namentlich in der ersten Abhandlung von Karl Budde (Die biblische Urgeschichte, GieBen 1883) stark hervorgehoben, und auch von Kautzsch und mir in unserer Uebersetzung der Genesis (Freiburg 1888) dadurch gekennzeichnet, daß wir die Stelle dem J! das heißt dem ältesten Jahwisten zuschrieben. Man mag nun von der Unterscheidung von J!J*J? d. h. ver- schiedenartiger Bearbeitungen des jahwistischen Werkes halten, was man will; eines scheint mir sicher: wir stehen hier ganz auf mythologischem Boden, auf dem Boden von Mythen welche uns nur fragmentarisch erhalten sind. Wenn diese Con- cession von Seiten der Vertreter des Fachs nun den Verfasser jenes Artikels freuen wird, so wirft doch die Folgerung, welche man betr. jene Stelle gezogen hat, einen Theil seiner Thesen geradezu um, Es scheint nämlich erwiesen, daß J! die Fluth- geschichte nicht gekannt haben kann. In jener Gene- sis- Stelle soll die Herkunft der vor Alters hochgefeierten Ne- fiim berichtet werden; dies schließt, wie ebenso Genesis IV 17 ff, die Fluthgeschichte geradezu aus; denn der Verfasser von Genesis VI 1—6 setzt die Nefilim augenscheinlich nicht alle vor die Fluth; auch sonst ist ja von solchen Nefilim im A. 'Test. die Rede. Ebenso móchte ich jedoch auch gegen die Erklärung des „Volkes der Ewigkeit" = frevelhaftes Geschlecht (S. 106) Einsprache erheben. Aus den von O. Gruppe citirten Stellen geht eine solche Anschauung wenigstens nicht hervor; damit fällt hinweg, daß sie mit den Aidiones in Zusammenhang gebracht werden dürfen.

Daf der Text stark corrupt sei, leugne ich am allerwenig- sten; eine befriedigende Erklürung von Vers 8 kenne ich nicht. Noch móchte ich aber auf Wellhausen Prolegomena zur Ge- schichte Israel?, Berlin 1886, S. 321 Anm. verweisen: „Ein gróberes Gegenstück zu Gen. 2. 3, auch eine Art Sündenfall, ist Gen. 6, 1—4: die Verrückung der Grenze zwischen gött- lichem und menschlichem Geschlecht“. Dazu mag allerdings R (d. h. irgend ein Redactor) den iiberlieferten Mythus ver- wendet haben.

Tübingen. A. Socin.

576 Miscellen.

Excerpte und Mittheilungen.

Revue arch. 1888. Nr. 3. 4. März, April. Heron de Ville fosse: Figure en terre blanche trouvé à Caudebec-lès- Elbeuf (mit Ab- bildung). Hieratisches, mit Ornamenten übersütes Idol, für wel- ches zahlreiche gallisch-rômische Arbeiten Parallelen bieten; auf der Rückseite die Marke des Fabrikanten Rextugenos auvot (= R. fecit) Clermont-Ganneau: Sarcophage de Sidon représentant le mythe de Marsyas (mit Abbildung); zur Einleitung Bemer- kungen tiber die Sarkophage von Tabnit mit Nutzanwendung

auf Theokr. XVII 110 f. F. Cumont: Les dieux éternels des inscriptions Latines. Die Bezeichnung deus aeternus dea aeterna wird aus syrischen Kulten hergeleitet. Arbois de Jubainville:

Le char de guerre des Celtes dans quelques textes historiques (Li- vius, Polybius, Plutarch, Diodor, Pausanias; das Reiten ist auch bei den Kelten eine jüngere Sitte, als das Fahren). P. Mon ceaux: Fastes éponymiques de la ligue thessalienne. Tages et stra- tèges fédéraux (bis zum Jahre 352 v. Chr). L. de Launay: histoire geologique de Mételin (Lesbos) et de Thasos (mit Abbil- dung). S. R<einach>: Liste des oculistes Romains mentionnés sur les cachets (alphabetisches Namenverzeichni&). Cagnat: Revue des publications épigraphiques relatives à l'antiquité romaine (s. oben S. 191).

Mnemosyne 1887. XV, 4. Valeton: De Ostracismo (Fort- setzung). Van Herwerden: Spicilegium Strabonianum. J. v. L.: Ad Aristophanis Equitum v. 742; der Verf. liest :

0 1; SToUTHyWY, vrodgupuwv rove éx [ulov, zÀsvGag éxstos 1006 Auxwrag nyuyov.

Mnemosyne 1888. XVI, 1. Valeton: De Ostracismo (Fort- setzung). Leeuwen: Homerica (Fortsetzung). Karsten: De Tibulli Elegiarum structura (pars tertia). Van der Vliet: Ad Symmachum. Boissevain: Epistula critica (zu Thucydi- des). Burger: Ad annalium Romanorum reliquias a Diodoro servatas. Naber: Selecta (zu Aristophanes Acharnern, Xe- nophon's Anabasis, Plato, Polybius, Aeneas tacticus , Plutarch, Lucian, Dio Cassius, Diodor etc.). Leeuwen: Ad Soph. Aj. 646—649; er liest 647 q«(ra, 648 si uuduocera:, 649 oyxogc.

The Academy 1888, 26. Mai. L. Campbell: Sehr abfällige Besprechung der gr. Sophokles- Ausgabe von Semitelos, welcher beside our ingenious countryman Blaydes gestellt wird. 2. Juni. Neben andern Anzeigen gute Charakteristik der ‘gr. Chronologie’ von A. Schmidt. 9. Juni. Terrien de Lacouperie: The name of Oannés (Ans, "Ades Quvrns) in the cuneiform texts, 80. Juni. A. S. Murray: Bericht über Rayet und Collignon, Histoire de la Céramique Grecque.

Bemerkungen über cinige Bibliotheken von Sicilien. 535

reichen Kloster Mönche gelebt haben, welche gedruckte Bücher, die meist gar nicht selten oder theuer gewesen sind, abzuschrei- ben Zeit und Lust hatten. Allenfalls bemerkenswerth in der Bibliothek sind zwei griechische Urkunden aus dem 12. Jahr- hundert, ein Dante, ein schönes Zivre d'heures und ein „Calenda- rio in lingua rabbinica“ (cod. 29). Palaeographisch merkwürdig ist daneben allerdings der Codex 37 membr. saec. XV. Er ent- hilt die Priapea und die virgilischen Catalepta. Dieser Codex ist nämlich in einer eigenthiimlichen Geheimschrift geschrieben. Für jeden Buchstaben ist ein besonderes Zeichen angewandt, welches buchstabenühnlich , aber kein eigentlicher Buchstabe ist, d. h. der Schreiber hat für diesen Codex ein eigenes Alphabet erfunden. Beispiele solchen Verfahrens sind aus dem Mittel- alter nicht grade viele bekannt (die vollständigste Zusammen- stellung gibt Wattenbach, Anleitung zur lateinischen Palaeogra- phie S. 12 f. der 4. Auflage) und es wire daher sehr dankens- werth, wenn einer der Gelehrten der Universitit Catania ein Facsimile einer Seite des Codex veróffentlichen wollte. Ange- wandt ist in diesem Falle die Geheimschrift natürlich wegen des obscénen Inhalts der in dem Codex enthaltenen Gedichte.

So gut wie werthlos ist auch die Biblioteca arcives- covile zuSyrakus, auf welche Büdeker ebenfalls nicht verfehlt, aufmerksam zu machen. Für Philologen kommt höchstens der Codex No. 7 in Betracht, welcher die „Institusioni di rettorica di Giorgio Trapesuntio" enthält. |

Ueber die Biblioteca nazionale zu Palermo endlich habe ich folgendes notirt:

Boethius de consolatione (IV H 15).

Catalogo della biblioteca di S. Martino (III G 11).

Catalogo della biblioteca de’ Dominicani (II H 1 und X H 10).

Chrysoloras Erotemata vel octo orationis partes (I C 10) saec. XV.

Ciceronis Ars rhetorica (I F 8).

S. Ephraem Syri et aliorum opuscula graece I D 4.

Eusebius de evangelica praeparatione von 1466 (V H 1).

*Eugippius Vita S. Severini, Accedit historia inventionis et translationis corporis 8. Sosii (IV C 10). Stammt aus der Jesui- tenbibliothek zu Palermo; ist saec. XVI.

Historia Bysantina (III F 12).

578 F. Rühl,

Man weif,. wie eifrig in den Zeiten des Wiedererwachens der Wissenschaften die klassischen, insbesondere die griechischen Studien in Messina gepflegt wurden, und die Stadt war lange Zeit wegen der zahlreichen und vortrefflichen Handschriften, die sie beherbergte, beriihmt. Jetzt sind aber leider nur noch ge- ringe Ueberbleibsel dieser Schitze vorhanden. Das barbarische Bombardement von 1848 hat die Bibliothek von S. Placido ver- nichtet (vgl. Plauti Poenulus ed. Gótz et Loewe S. XV) und dasselbe Schicksal hat die große Bibliothek von S. Maddalena betroffen, mit Ausnahme des Klosterarchivs, das sich augenblick- lich in Palermo befindet. Ebenso hat das Basilianerkloster 8. Salvatore de' Greci die schwersten Verluste erlitten; nicht nur hat auch hier das Bombardement zahlreiche Codices vernichtet, son- dern das Kloster ist auch durch einen Bischof eines grofen Theils seiner Handschriften beraubt worden; der Raub befindet sich jetzt, zum Theil im Vatican!) Was übrig blieb ist vor nicht langer Zeit mit der Universitätsbibliothek vereinigt wor- den. Diese Handschriften von S. Salvatore wie der alte Be- stand der Bibliothek ( die sog. codici preesistenti) sind von Herrn Matranga in zwei getrennten handschriftlichen Katalogen recht sorgfältig beschrieben worden. Das Verzeichniß des alten Be- standes ist lediglich auf lose Zettel geschrieben und führt den Titel: No. 281. Schede per il Catalogo Descrittivo dei Manoscritti Preesistenti finite oggó 11 Giugno 1887 giorno di Sabato. Deo gratias. Beide Kataloge haben mir bei den folgenden Aufzeich- nungen werthvolle Dienste geleistet.

*Codex praeexistens 11 membr. oct. saec. XII. Die bekannte Handschrift von Hesiods Werken und Tagen mit Einleitung und Scholien von Tzetzes. Enthält 86 Blätter. Matranga hat im Katalog folgende Bemerkung gemacht: Bisogna avvertire quando leggesi nell’ ultima edizione del 1870 fatta in Lipsia da Koechly e Kinkel, i quali nella Prefazione IV (vielmehr S. VII) avvertono, che in fine i versi 744—828 sono suppliti da mano più recente: ma niente dissero dei due fogli 85 ed 86. Non lessero. Ebene diciamo, che nel foglio 85 sono contenuti î Versi 791 sino al V. 802 del libro stesso di Esiodo con il Commentario di Zese; e

. _1) Ich verdanke diese Mittheilungen Herrn Prof. Dr. Kleinenberg in Messina.

Bemerkungen über einige Bibliotheken von Sicilien. 579

nel foglio 86 sono i versi 770 sino al V. 775... Questi due fogli, perchè dispari ed illegibili, furono calcolati estranei da chi sup- plà i versi 744--828, ora però sono all’ evidenza. Das ist voll- kommen richtig und Albert Guethe, welcher die Handschrift fiir Köchly und Kinkel verglich, hat sich die beiden Blätter auch nicht weiter angesehen. Ich habe die Gelegenheit benutzt, den Text des Hesiodos auf diesen beiden Blättern mit der Ausgabe von Köchly und Kinkel zu vergleichen und gebe im folgenden die Varianten, oder vielmehr ich verzeichne eine Anzahl von Lesarten dergestalt, daß wo ich Nichts bemerke, die Handschrift mit dem gedruckten Text übereinstimmt, während ich auch eine Anzahl Lesarten, des positiven Zeugnisses halber, mitverzeichnet habe, in denen der Codex mit der Ausgabe übereinstimmt. 792 thew "urs (so) 793 ob yeivaodas oder yiracdu, dastand ist nicht zu erkennen menvuuévog 795 uéoon (so) 796 der Accent von xagyugodovru nicht mehr zu erkennen 797 rouvre 799 ob muug oder 7uao dastand ist nicht mehr zu sehen 801 ot én’ toyuate 770 Evry quug sicher lesbar 771 yovoaogov Ruara sicher 774 alle Accente unsicher, von gw incl. ab Nichts mehr zu lesen 775 mit Ausnahme von 4u&c93a das nicht mehr zu lesen ist, Alles wie der gedruckte Text. Auf Fol. 1" steht unter den Versen saec. XII, die Tzetzes preisen, eine ältere Schrift; Matranga will die Jahreszahl quid == 6414 = 906 p. C. gelesen haben; ich hatte keine Lust, mir die Angen an dieser Minuskel zu verderben.

*Codex praeexistens 12 chart. Oct. saec, XV enthält Fol. 100 Gorgias #yxwpiov “Edtvns.

Codex praeexistens 14. Juvenalis et Persius von 1459.

Codex praeexistens 15. Terentius in Calliopischer Re- cension. Vollendet 22. September 1446 in civitate Cesarauguste per me loannem de campis.

Codex praeezistens 21 bomb. saec. XVI Buch 1 von Xenophons Kyropaedie.

"Codez praeexistens 62 chart. fol. saec. XV (so nach meiner Schätzung, nach dem Katalog saec. XIV). 52 Blatter. Auf dem untern Rande von Fol. 52" steht: Coll. Mess. Soc. Iesu. Enthält Pseudokallisthenes. Beginnt Fol 1': KaAL- | G9évqc Îcroguoyodgpos, 6 megi wv ElAnvwv Gvyygawaptvog.- ovrog. iotogei dÀeEávdgov moabees: “Aguorog [Alles bis "A incl.

97 *

580 F. Rühl,

roth] doxe? yevéodas xoi yevrordtarog aAf£ardgos è paxxedwy (so) idfwo nuvia momodpevos. Guvegyovour avi evewy (80) dei Taig agetuis Inv noovosar. rocoviov Ev Exacıw rdv dOvdv moM- pv xal mayomevos dinyaye yoovov, Ocov ovx fjoxt& zoig fowAo- pévois tag modes axgiBws torognou. Schließt Fol. 52": mou 7 OÀvumüg (so) fofaro (s0)' amo 175 tedeviNe aAsEdvdgou Ewe ts tov soU Aoyov èx naodévov cagxwoews Ér xd (80): 200 tw dovrs tégua dota zıum x«i xgatog: Danach scheint der Codex zu der durch den Codex B bei Miiller reprisentirten Recension zu gehóren.

Codex pracexistens 110. Roma instaurata und Italia il- lustrata des Blondus.

"Codec praeezistens 278 chart. fol, saec, XV —XVI. Ge- schenk des Pater Filippo Matranga 1887. Fol. 1" ©zodagov avayvuotov xwvotuvivoumodgwg éexxdnovatexig icroglac BuBAlov a. Éx Tuvoç Ynpov x. r. À. SchlieBt Fol 15°: rovro d’ jv mQo- rov 196 diaxociooriie 0ydons divuriadog Unarelag (?) tavgow (so) xai œâwgivtiou 176 teling rov vosußglov unvoc. T&og tov 8 Pr BAtov. Das ist also der unedirte Text, von dem Leo. Allatius bei Mai, Bibl. nov. VI p. 153 f. handelt und von dem er ein Stiick mittheilt (wieder abgedruckt bei Migne, Patrologia Graeca LXXXVI 1 S. 159).

*Codex S. Salvatoris 29 membr. forma maxima saec. XI—XII in zwei Columnen geschrieben. Geistlichen Inhalts, sogenannter Metaphrastes. Die untere Schrift, gleichfalls in zwei Columnen geschrieben, steht zuweilen auf dem Kopf. Auch sie ist geistlichen Inhalts, besteht aus Uncialen und enthält einen Psalmencommentar. Hier und da ist sie sehr bequem zu lesen, z. B. Fol. 55”: EICTOTEAOCENYMNOIC | TAAMOC TW (so) AAA, ohne Worttrennung, Accente und Spiritus. Die Unciale ist indessen nicht überall von derselben Hand; Fol. 169 z. B. zeigen sich auch Spiritus und Accente, wie mir schien von ei- ner spüteren Hand, welche auch Correcturen in Minuskel aus- geführt hat. Herr Dr. Reitzenstein, der einige Zeit nachher auf meine Veranlassung den Codex in behaglicher Muße untersuchte schreibt mir, dafì nur die Ueber- und Unterschriften den älteren Cha- rakter trügen, der Text dagegen in der „schräg liegenden schmalen, spitzen Uncialschrift geschrieben sei, welche jetzt gewöhnlich dem

Pindar’s sechste olympische Ode. 593

Agcaca. Aehnlich Lesches über den Tod des Astyanax bei Tzetzes ad Lycophr. 1268: maida d' &iwv ix xoAnov ivwnmioxa- poso TiO nvns Öle woddc rerayuv and mígyov. Wie später (in unserer Ode Vs. 54) Iamos ,,geborgen war im Binsicht“, so barg die zärtliche Mutter Pitana die Frucht ihrer Jugend an ihrer Brust; es wurde ihr schwer, sich von dem Kinde zu trennen, aber sie gab es hin, als es sein: muBte xvolm iv unr. Wenn die entscheidende (oder passivisch „festgesetzte‘?) Stunde der Trennung kommt vgl. die Stel- len bei Tafel —, dann muf die Mutter das geliebte Kind dem Erzieher geben, dann muß auch Agesias die stille Heimath Ar- kadien verlassen, um eine grôBere, nicht gefahrlose Aufgabe an- zutreten. Apollon aber hat in der Ferne die Euadne gesegnet (Vs. 35). Auch Euadna muß später ihr Iamoskind schmerzlich verlassen; aber dosuorwur fovdaiciv wird es genährt (Vs. 46). Alles vorbildlich fiir den Abschied des Agesias, Endlich Ia- mos selbst, als er zu Ehren kommt, sehnt sich nach einer 4«o- rooqog tit Vs. 60, und die «orismns rmarola 600% ruft ihn aus Arkadien hinaus zu einer hóheren Aufgabe, welcher Vs. 70 die Krone aufsetzt. Aber wir müssen noch weiter feststellen, was ebenfalls hierher gehórt, inwiefern von Hermes gesagt wer- den kann, daß er das Glück des Agesias ovv fagvydovmo nori xoalves (Vs. 81). Zeus hat ihm den olympischen Sieg verliehen; Hermes ist es, der ihn nach Sicilien ruft, wie einst den Achil- leus gegen Troja. Man vergleiche die Darstellung bei Gerhard Auserl. Vasenb. III 200: „jetzt ist der Entschluß gefaßt; indem er sich von der besorgten Mutter wegwendet, reicht er dem Hermes die Rechte, um zu sagen: ich folge deinem Rufe“. (Brunn Troische Miscellen I 61 ff). Hierher beziehen wir auch Vs. 88, worüber unten im Zusammenhange zu sprechen ist. Summa Vs. 72 f.: Mit Agesias, welcher agonische Siege hoch- halt (suwyrtec dgeruç) treten nunmehr die Iamiden é gavegdy odov (was keineswegs mit xa2«guv gleichbedeutend ist, wie Rum- pel und Gildersleeve glauben), indem jenem (mit seinem das- uorios novg Vs. 8) eine hervorragende Stelle im öffentlichen Le- ben zugefallen ist.

Indessen schon der Eingang des Liedes Vs. 1—3, viel ge- rühmt, aber meines Erachtens nicht voll gewürdigt, steht in un- mittelbarer Beziehung zu der gezeichneten Situation. Die El-

Philologus. N. F. Bd. I, 4. 38

582 F. Rühl,

^ ~ AHNOY) KAI TOY TT TPO®WN AYNAMEWN AYTOY | KAI (| über der Zeile) OPIBAZIOY KAI ETEP dN: A B | “Oca piv

quidr ore uogia x. t. A. Fol. 116" TTEPI METAANIKWN KAI

AlQwN KAI THC | KAI THC ATTO TN ZwwN WOEAEIAC. _ | KAI TTEPI AYNAMEWC ATTAGN | PAPMAKGN AB

| KEDAAEA TOY TPITOY AOPOY. Fol. 119: " ENOYMENGN. KENOYMENWN . TTPOC®EPOMENWN . KAI " AEPON. "ANEMON TOTTON YAATWN | PYNIT MON . CINATTIEMWN

KAI T OMOIGN : AOT OCT: 000 n TPIYEWC TIAPAZKEYA-

CTIKHC ^ (so): 90 tv yvuvaciwv x.v. . Schließt Fol. 141" im Artikel oce zsQu Aovıowv yalıyov (ya nicht sicher) mit den Worten ovx öAlya GwrrtÀti . aopuodia de ta.

*Codex S. Salvatoris 134 chart. oct. saec. XIV. Grie- chisches Lexikon. Die ersten Blätter haben sehr gelitten. Fol. 1" beginnt &yyeMla q09oc. Es ging indessen noch etwas vorher. Probe von Fol. 111": CTOIXEION TOY: A: | das, 5 AYos. daBuv, andguo. | Außousvoo, dgakapevos, Aulywvwvw, ètiatw, Boazvo agroc. | Aalpwvoc, luanov xai 0 ág|toG, Aniov, age- oregov. Das Ganze schließt Fol. 178": «fov (so), aorçor roù-

tov xaloëuevoy (so) | wgiGev, &xgivev éxolyoev. Es folgt ETTI-

MEPICMOI ON: KA: | txagwyrrec (vor è ein Gesicht als Initiale gemalt, das wohl ein O vorstellen soll) émi wegsouot, cóv | ré- Fewtas xara OToıyeiov, ov|twc dogoueda ano TOU .B.

"Codex S. Salvatoris 167 membr. 4°, in zwei Columnen geschrieben. Besteht aus 143 Blättern. Die Blätter 78—143 sind im 12. Jahrhundert mit Schrift bedeckt worden; am obern Rande von Fol. 78" steht das Quaternionenzeichen 17. Die Blätter 1—77 sind später zur Ergänzung der verstümmelten Handschrift hinzugefügt worden und die Schrift ahmt den Cha- rakter der älteren nach. Die ersten Blätter sind sehr mitge- nommen. Fol. 1" beginnt

"Avias. parjouo + . . .4)

4) Die Punkte bedeuten wieder schwer lesbare Buchstaben, die su entziffern es mir an Zeit und Interesse fehlte.

Bemerkungen iiber einige Bibliotheken von Sicilien. 583

PAU eue ee + Ou Avius: nade Abragxncg: ixavoo. Fol. 78" beginnt u7Aovóuoc: 6 ta no00fa véuwv. ó9ev xai ta déouu 1a undoragia: Dieses Lexikon schließt Fol. 116" mit den Worten: : tov lóíov ws uM Es folgt uizégae Mbeg: | > Apoowwpevor: agieguiuevov x. 1. À. Fol 1227 AéEaug èyxeluevai | &v 17 ênurugu (so) tod á|y(ov Paci helou: | 'dyyi90gos: dyyvo: x. t. A. Fol. 123" ali£gos 1 €Eesc° Akoyı oaov : xatageornouy x. t. À. Fol. 129" Akrosticha eines Mönchs Theodor; Fol 129" ai Aé£ac r&v» mgona|g(wv. égunvevtd | xaru ororylov: | Ageyysic: pn Eyovies | péyyos x. t. à. Fol. 1387 al AéEig av GN | paludy xai wdwv: |? AAdnloua: olveiras | 10V Orru nos tow xvgeov:| Fol. 184r Ages ıwv wdwy. Fol. 184" leer. Fol. 135", vielleicht ursprünglich einen andern Codex be- ginnend, enthält zo? (9 x«i owoAoyırov | uu£luou Egunvetus | dia- gogo. negl Owuarwv xai YuyWv: | yon yırwazsıy OT Terouueoëc êotiy 10 cwua x. T7. À. Fol. 143" schließt mit den Worten Erıa duuoviæ xoi; der Schluß des Codex ist also verloren gegangen. Es ist Hoffnung vorhanden, daß wir auch über die Lexika der Codices 84 und 134 bald von Dr. Reitzenstein nühere Aus- kunft erhalten werden; ich glaubte indessen doch meine Notizen, die dem Einen oder Andern niitzlich sein kénnen, hier mitthei- len zu sollen. |

Die Universitatsbibliothek zu Catania besitzt im Ganzen 60 Handschriften. Darunter sind folgende von phi- lologischem Interesse :

No. 1. Aesopi fabulae versibus expressae saec. XIV.

No. 12. Ciceronis Tusculanarum disputationum libri V membr. saec. XV.

No. 60. Ciceronis de officiis libri saec. XV.

Mit der Universitütsbibliothek ist die Biblioteca Venti- milliana vereinigt, von der es einen gedruckten Katalog von Francesco Strana (Catania 1830) gibt. Ich habe daraus folgen- des notirt.

584 F. Rühl,

Cicero ad familiares (XI F 7). Nach einer Mittheilung des Herrn Prof. Sabbadini saec. XV.

*Pindarus Thebanus (XI E 9, alte Nummer XI E 12) membr. oct. saec. XV mit schönen Initialen und Randleisten. SchlieBt :

Pindarus hunc librum fecit sectatus homerum Grecus homerus erat sed pindarus iste latinus °).

Homeri hystoria clarissimi traductio exametris versibus pyndari haud (d von 2. Hand corrigirt) indocti ad institutionem filit sui parme. Auf derselben Seite steht dann von anderer Hand und mit anderer Tinte: Ex bibliotheca p Ill. D. Don Matthema de bar- resio facta Anno opi. 1531.

Opuscula miscellanea (XI E 10) sae. XV. Darin lateinische Uebersetzungen der Briefe des Phalaris und Brutus und verschiedene Arbeiten von Humanisten.

Ciceronis Cato maior, ins Griechische übersetzt von Theodor Gaza (XI E 17).

Die Bibliothek von S. Nicola in Catania umfaßt nach Bädeker „20000 Bände und 300 Handschriften“ und wer das ungeheure, zum Theil recht prachtvoll ausgestattete Kloster be- tritt, wird zu dem Glauben geneigt sein, daß sich wenigstens irgend etwas Nennenswerthes in der Bibliothek finden werde. Die Enttäuschung, die ich erfuhr, war außerordentlich groß. Die Bibliothek enthält allerdings nicht weniger, als 372 Handschrif- ten, allein eine solche Sammlung von Schund wird in der gan- zen Welt nicht zum zweiten Mal existiren. Ich hatte mir einen Auszug aus dem handschriftlichen Katalog gemacht und fing dann an zu fordern: „No. 1, Chronica Eusebii. Ich bekomme den Codex in die Hand und lege ihn sofort mit lautem Gelächter wieder hin. Was war es? Eine im 17. Jahrhundert angefer- tigte Abschrift aus einer Venediger Ausgabe von 1483. Der Bibliothekar stimmte in mein Gelächter mit ein und erklärte, der Rest sei ungefähr derselben Qualität. Das bestätigte sich denn auch sehr rasch und als Entschädigung für die verlorene Zeit blieb mir nur die Kenntniß der kulturhistorisch allerdings höchst merkwürdigen Thatsache, daß noch im 17. Jahrhundert in einem

5) Vgl. Baehrens, Po&tae Latin’ minores III p. 4.

Bemerkungen tiber einige Bibliotheken yon Sicilien, 585

reichen Kloster Ménche gelebt haben, welche gedruckte Bücher, die meist gar nicht selten oder theuer gewesen sind, abzuschrei- ben Zeit und Lust hatten. Allenfalls bemerkenswerth in der Bibliothek sind zwei griechische Urkunden aus dem 12. Jahr- hundert, ein Dante, ein schönes livre d'heures und ein „Calenda- rio in lingua rabbinica (cod. 29). Palaeographisch merkwürdig ist daneben allerdings der Codex 37 membr. saec. XV. Er ent- hält die Priapea und die virgilischen Catalepta. Dieser Codex ist nämlich in einer eigenthümlichen Geheimschrift geschrieben. Für jeden Buchstaben ist ein besonderes Zeichen angewandt, welches buchstabenühnlich , aber kein eigentlicher Buchstabe ist, d. h. der Schreiber hat für diesen Codex ein eigenes Alphabet erfunden. Beispiele solchen Verfahrens sind aus dem Mittel- alter nicht grade viele bekannt (die vollstindigste Zusammen- stellung gibt Wattenbach, Anleitung zur lateinischen Palaeogra- phie S. 12 f. der 4. Auflage) und es würe daher sehr dankens- werth, wenn einer der Gelehrten der Universitàt Catania ein Facsimile einer Seite des Codex veröffentlichen wollte: Ange- wandt ist in diesem Falle die Geheimschrift natürlich wegen des obseönen Inhalts der in dem Codex enthaltenen Gedichte.

So gut wie werthlos ist auch die Biblioteca arcives- covile zuSyrakus, auf welche Büdeker ebenfalls nicht verfehlt, aufmerksam zu machen. Für Philologen kommt höchstens der Codex No. 7 in Betracht, welcher die „Institusioni di retorica. di Giorgio Trapesuntio“ enthält.

Ueber die Biblioteca nazionale zu Palermo endlich habe ich folgendes notirt:

Boethius de consolatione (IV H 15).

Catalogo della biblioteca di S. Martino (III G 11).

Catalogo della biblioteca de’ Dominicani (IL H 1 und X H 10).

Chrysoloras Erotemata vel octo orationis partes (I O 10) saec. XV.

Ciceronis Ars rhetorica (I F 8).

S. Ephraem Syri et aliorum opuscula graece I D 4.

Eusebius de evangelica praeparatione von 1466 (V H 1).

*Eugippius Vita S. Severini, Accedit historia inventionis et translationis corporis 8. Sosii (IV C 10) Stammt aus der Jesui- tenbibliothek zu Palermo; ist saec. XVI.

Historia Bysantina (III F 12).

578 F. Ruhl,

Man weiß,. wie eifrig in den Zeiten des Wiedererwachens der Wissenschaften die klassischen, insbesondere die griechischen Studien in Messina gepflegt wurden, und die Stadt war lange Zeit wegen der zahlreichen und vortrefflichen Handschriften, die sie beherbergte, beriihmt. Jetzt sind aber leider nur noch ge- ringe Ueberbleibsel dieser Schätze vorhanden. Das barbarische Bombardement von 1848 hat die Bibliothek von S. Placido ver- nichtet (vgl. Plauti Poenulus ed. Gótz et Loewe S. XV) und dasselbe Schicksal hat die große Bibliothek von S. Maddalena betroffen, mit Ausnahme des Klosterarchivs, das sich augenblick- lich in Palermo befindet. Ebenso hat das Basilianerkloster S. Salvatore de’ Greci die schwersten Verluste erlitten; nicht nur hat auch hier das Bombardement zahlreiche Codices vernichtet, son- dern das Kloster ist auch durch einen Bischof eines großen Theils seiner Handschriften beraubt worden; der Raub befindet sich jetzt, zum Theil im Vatican!) Was übrig blieb ist vor nicht langer Zeit mit der Universitütsbibliothek vereinigt wor- den. Diese Handschriften von S. Salvatore wie der alte Be- stand der Bibliothek ( die sog. codici preesistenti) sind von Herrn Matranga in zwei getrennten handschriftlichen Katalogen recht sorgfältig beschrieben worden. Das Verzeichnif des alten Be- standes ist lediglich auf lose Zettel geschrieben und führt den Titel: No. 281. Schede per il Catalogo Descrittivo dei Manoscritti Preesistenti finite oggi 11 Giugno 1887 giorno di Sabato. Deo gratias. Beide Kataloge haben mir bei den folgenden Aufzeich- nungen werthvolle Dienste geleistet.

*Codex praeexistens 11 membr. oct. saec. XII. Die bekannte Handschrift von Hesiods Werken und Tagen mit Einleitung und Scholien von Tzetzes. Enthält 86 Blätter. Matranga hat im Katalog folgende Bemerkung gemacht: Bisogna avvertire quando leggesi nell’ ultima edizione del 1870 fatta in Lipsia da Koechly e Kinkel, î quali nella Prefazione IV (vielmehr S. VII) avvertono, che în fine i versi 744—828 sono suppliti da mano più recente: ma niente dissero dei due fogli 85 ed 86. Non lessero. Ebene diciamo, che nel foglio 85 sono contenuti i Versi 791 sino al V. 802 del libro stesso di Esiodo con il Commentario di Zene; 6

. 1) Ich verdanke diese Mittheilungen Herrn Prof. Dr. Kleinenberg in Messina.

Bemerkungen über einige Bibliotheken von Sicilien. 579

nel foglio 86 sono i versi 770 sino al V. 775... Questi due fogli, perchè dispari ed illegibili, furono calcolati estranei da chi sup) pli $ versi 744--828, ora però sono all’ evidenza. Das ist voll- kommen richtig und Albert Guethe, welcher die Handschrift ftir Kôchly und Kinkel verglich, hat sich die beiden Blütter auch nicht weiter angesehen. Ich habe die Gelegenheit benutzt, den Text des Hesiodos auf diesen beiden Blättern mit der Ausgabe von Köchly und Kinkel zu vergleichen und gebe im folgenden die Varianten, oder vielmehr ich verzeichne eine Anzahl von Lesarten dergestalt, daB wo ich Nichts bemerke, die Handschrift. mit dem gedruckten Text übereinstimmt, wührend ich auch eine Anzahl Lesarten, des positiven Zeugnisses halber, mitverzeichnet habe, in denen der Codex mit der Ausgabe übereinstimmt. 792 _ whew nuare (80) 793 ob yelracdas oder y(rac3a: dastand ist.

nicht zu erkennen xenvuuéros 795 boon (so) 796 der Accent von x«gy«godovra nicht mehr zu erkennen 797 zmouv»t» 799 ob wag oder juao dastand ist nicht mehr zu sehen 801 ot & én’ Zoyaauı 770 Evry muug sicher lesbar 771 yovoogov Nuara sicher 774 alle Accente unsicher, von gw incl ab Nichts mehr zu lesen 775 mit Ausnahme von äuäodu, das nicht mehr zu lesen ist, Alles wie der gedruckte Text. Auf Fol. Ir steht unter den Versen saec. XII, die Tzetzes preisen, eine ültere Schrift; Matranga will die Jahreszahl cu = 6414 = 906 p. C. gelesen haben; ich hatte keine Lust, mir die Angen an dieser Minuskel zu verderben.

*Codex pracexistens 12 chart. Oct. saec, XV enthält Fol. 100 Gorgias èyxwpisov ‘Elévns.

Codex pracexistens 14. Juvenalis et Persius von 1459.

Codex pracexistens 15. "Terentius in Calliopischer Re- cension. Vollendet 22. September 1446 in civitate Cesarauguste per me loannem de campis. E

Codex pracexistens 21 bomb. saec. XVI Buch 1 von Xenophons Kyropaedie.

"Codex pracexistens 62 chart. fol. saec. XV (so nach meiner Schätzung, nach dem Katalog saec. XIV). 52 Blätter. Auf dem untern Rande von Fol. 52" steht: Coll. Mess. Soc. lesu. Enthält Pseudokallisthenes. Beginnt Fol 1°: Kad: otévys Îoroguoyodgpos, 6 megi 1ùv SAlnvwy Gvyygowapivog. ovrog. baroget dAsEdvdgov xgakess: “Agsorog [Alles bis “4 inel.

97*

580 F. Rühl,

roth] doxe? yertodos xai yervaswrarog dÀ£Eavdgog 6 paxxedwr (so) Idlws muvia momouperos. Guregrovour avrò eugwr (80) ae Taig agetuic inv noovosav. tocovtoy Ev Exacıw tv iOvd» moM- piv xoi paydpusvog dinyays yoovov, Goov ovx Teues toig Powdo- pévoig tag modess axgıßwg Lorogjnoas. SchlieBt Fol. 527: mou 7 dAvuraüg (80) GoËEuro (so)' amo ing reAsving aAsEdvdgow Ewe inc tov Feo Adyou èx nugdérou cagxwoews Em xd (80): té- 200 tw dorms tégua dofa tin xai xgatog: Danach scheint der Codex zu der durch den Codex B bei Müller reprisentirten Recension zu gehoren.

Codex praeexistens 110. Roma instaurata und Italia tl- lustrata des Blondus.

"Codex praeezistens 278 chart. fol. saec, XV —XVI. Ge- schenk des Pater Filippo Matranga 1887. Fol. 1" ©sodweov avayvuotov xwvotuvivovmodews exxdnovatsxig toroglag PußAlor a. Ex tivo yripou x. r. 4. Schließt Fol. 15": rovro d’ fv noù- rov 175 diaxociootie cyddng ÖAvunıadog bnatelas (?) tavegow (so) xai yAwgıvriov 175 teltys tov rosufolov unvos. Téhog rov 8 Pr BAtov. Das ist also der unedirte Text, von dem Leo. Allatius bei Mai, Bibl. nov. VI p. 153 f. handelt und von dem er ein Stück mittheilt (wieder abgedruckt bei Migne, Patrologia Graeca LXXXVI 1 S. 159).

*Codex S. Salvatoris 29 membr. forma maxima saec. XI—XII in zwei Columnen geschrieben. Geistlichen Inhalts, sogenannter Metaphrastes. Die untere Schrift, gleichfalls in zwei Columnen geschrieben, steht zuweilen auf dem Kopf. Auch sie ist geistlichen Inbalts, besteht aus Uncialen und enthält einen Psalmeneommentar. Hier und da ist sie sehr bequem zu lesen, z. B. Fol. 557: ELCTOTEAOCENYMN OIC | X&AMOC TW (so) A&A, ohne Worttrennung, Accente und Spiritus. Die Unciale ist indessen nicht überall von derselben Hand; Fol. 169 z. B. zeigen sich auch Spiritus und Accente, wie mir schien von ei- ner späteren Hand, welche auch Correcturen in Minuskel aus- geführt hat. Herr Dr. Reitzenstein, der einige Zeit nachher auf meine Veranlassung den Codex in behaglicher MuBe untersuchte schreibt mir, daf nur die Ueber- und Unterschriften den älteren Cha- rakter trügen, der Text dagegen in der „schräg liegenden schmalen, spitzen Uncialschrift geschrieben sei, welche jetzt gewöhnlich dem

Bemerkungen tiber einige Bibliotheken von Sicilien. 581

VII— IX Jahrhundert zugewiesen wird". Hoffentlich werden wir von Reitzenstein noch mehr über die Handschrift erfahrén, Im Ganzen befinden sich unter den Handschriften von S. Salva- tore 18 Palimpseste.

*Codex S. Salvatoris 63 membr. fol. saec, XII. Ent- halt allerlei geistliche Schriften, Heiligenleben und Aehnliches. Darin Fol 217": ’/ovdsavòs Baosdeds Buovheiw ènioxonw rxasca- oelas xannadoxtus. To Fugvróv wos éx nasdotsv yadsvov xaù ps- AcvFowmov Ernidesavvuevos wéygs 100 magóvrog x.t. 4. (== Julian. ep. 75 Hertlein). Der Brief schließt Fol. 218" & yag avéyvus. xatéyvwv. Es folgt: Busileos Eníoxonog Kusstugelag Kanna- doxtas tovdisava faciei: Miro Gov TA THs magovons rire dvdguya3nuara x. v. À. B

"Codecs S. Salvatoris 84 membr. saec. X—XI. Vorn und hinten verstiimmelt; vom 1. Quaternio fehlen Blatt 1 und 8; angeblich Galenos, in Wirklichkeit eine Excerptensammlung aus Galenos, Oribasios und Anderen. Beginnt jetzt Fol. 1": aloFnow È... .. oróqur?) xururojous (80) capwe eFeloug. im- x(xidó0 te xai x. x. A. Fol. 1" verklebt. Fol. 2" beginnt ddy- dov yao else dia Tv Orvwur eire dia tiva tv Émiusunyuévwy abri movotntwy. ere diumporsgag Erjoynoev nsos mAnovafov (o aus w) avt odpa x. 1.4. Fol 6" Mitte: zwv Cour aqixeoPas pógia > CYNOYCIC TUN ATTA ON PAPMAKQN: ABPO- TIONON , 93eguo» sor, xoi Enodr (Accent von 2. Hand) zi dvvanı x. t. À. Fol. 58% am Ende: xoà udQora a vim |

CYNAVIC (so) T8 ÍT TWN ATTAWN | PBAPMAKWN FAAING

(so) KAI T8 | TTEPI TPOGXUN AYNAMEWN | AOTOC &: +9). Fol. 59° KEDANEA T8: B: AOFOY +. Fol. 62: TIEPI TON

THC THC AIADOPGN KAI AIGCUN KAI METAAIKON . KAI THC ATTO TON ZWWN OPENIAE EK TON |‘ATTAQN TA (= Tä-

2) Die Punkte bedeuten Buchstaben, welche ich im Augenbliok nicht lesen konnte; wer Zeit hat wird sie wohl ohne besondere Mühe entziffern können.

3) Vgl. Blume Iter italicum IV S. 108. Blumes Bibliotheca Mas, Italica fehlt auf der hiesigen Bibliothek. Ich glaube indessen, sowohl nach Blumes Bemerkungen im Iter wie nach Notizen, die ich mir früher aus dem Buch gemacht hatte, da8 ihre Nichtbe nutzung diesem Aufsatz nichts geschadet hat.

594 L. Bornemann,

lipse nach wg ore ist hart und bisher nicht entsprechend belegt. Ferner was ist Objekt zu naËousr? Man wird sich am ehesten dafür entscheiden, als solches den Akkusativ Jalauor zu er- günzen; aber dann ist die Parallele Sunrov ué£yagov unschün. In welchem Verhültnisse stehen überhaupt diese beiden Begriffe? Warum wird das :909voov mit den goldenen Säulen evresyés genannt? Endlich: will Pindar als m069vgov eine recht schöne Einleitung machen ? wo ist sie? oder soll man das ganze Lied als schóne Einleitung eines Herafestes (Leop. Schmidt) oder ühnlich fassen ? Es will uns scheinen, als gübe die oben ge- zeichnete Gesammtlage, für welche nach unserer Ansicht die Ode gedichtet ist, die Lósung dieser Schwierigkeiten an die Hand. »Wir wollen jetzt bauen ein stattliches Haus“ d. h. Agesias tritt in eine neue Wirksamkeit ein. Dazu stellt der Dichter die Vorhalle mit goldenen Sáulen her, indem er die Siegesfeier durch sein Lied schmückt. Somit werden wir auch nicht an einen Tempel, sondern an eine Privatwohnung, Palast (ufyag«) denken müssen, im allgemeinen einfach gehalten, aber mit za- quorades xui n009voa (vor der hinter die Flucht des Hauses zurückgezogenen Juge) moxida Cratin. bei Poll. 7, 122, bezw. mit goldbelegten Pfeilern (vgl. das Haus des Alkinoos Od. 7, 89). Ferner ist nicht das ayodvgor, sondern der Fudapog als „wohlummauert“ anzusehen, ein sicherer Wohnraum bezw. Schatzkammer. Die ganze Stelle aber dürfte mit geringfügiger Aenderung einiger Endungen folgendermaßen ohne die beregten Anstöße gut zu lesen sein:

Xqvosag ómooráGavieg evtes|yîj noo9vQm Juluuor

xlovas wc Ste Jun| riv ueydowy

nuËouev. Die kühn verschlungene, auf den ersten Blick auffallige Wort- stellung wird durch die rhythmische Zweitheilung beider Verse aufgelöst. Noch ist zu erinnern, daß logisch im Participium vnvordouvies das Hauptverbum des Satzes liegt. Also: zum Schmuck des aufzufiihrenden neuen Palastes will Pindar goldene Pfeiler unter die Vorhalle riicken und mit seinem Liede dem unternehmenden Agesias fröhlich getrosten Muth erwecken. Seht, er zieht mit Preis gekrént zu neidlosen Mitbiirgern. In Gottes Namen tritt er in den immerhin nicht gefahrlosen Beruf ein. Für ihn ist Agesias geschaffen; denn Adrast's Lobrede

Pindar’s sechste olympische Ode. | 595

auf Amphiaraos, als ihn die Erde verschlang, und nachher (Ewesru Vs. 15) dessen rühmendes Wort paßt auf ihn: ein Seher und Krieger, des Heeres Stern, ist dahin. zeisos&vrwv als feierlichen Ausdruck für „verzehren, vernichten“ halte ich durch den entsprechenden Gebrauch von &rvw P 12, 11. Od. 24, 71 u. ä. (auch éasvw) für hinreichend gesichert und schreibe in . Anlehnung an die Vermuthung Bernhardy's azvgai;. |

Mit dem zweiten System beginnt der Haupttheil Phintis, der Wagenlenker, soll dem Dichter die siegreichen Mäuler ein- schirren; denn gerade diese, denen der Dichter die Thore der Lieder aufthut, werden besser als andere ihn zu dem Volke der Helden und ihrem Geschlecht führen. Der Weg ist lang; es gilt, schnell auf freie Straße zu kommen: noch heute muß der Dichter am Eurotas sein. Den Uebergang auf die Ahnen des Siegers vergleicht der Dichter mit einer Fahrt von Stymphalos, dem Lokal der Feier, nach Pitana; eine tüchtige Leistung, zu welcher der gewöhnliche Reiter wohl 20 —24 Stunden gebrauchen würde, zumal da anfangs der Weg noch beschwerlich ist. ¢ ruyos ziehe ich zum Finalsatz, nicht zu bei£or. Statt des me- trisch unmöglichen o«uwsoov dürfte ouuéoous zu lesen sein. Pitana gebiert vom Poseidon die Euadna. Sie muß ihren Lieb- ling bald fortgeben, aber in der Fremde segnet Apoll die Toch- ter durch die Geburt des Iamos (Ende des 2. Systems).

Die Erwähnung beider Stammmütter ist um so mehr am Platze, weil Agesias nach Vs. 77 der Nachkomme einer Iami- din ist. Mit Vs. 34 erreicht das Lied wieder das Arkaderland, speciell die Gegend von Stymphalos. Freilich man hat über die Lage von Phaisana allerlei Vermuthungen aufgestellt (zuletzt v. Wilamowitz S. 75 f), aber zugleich sich nichts daraus gemacht, daß der betr. Vers metrisch unmöglich ist wegen der ersten Silbe von «vacos. Ueberdies ist aus Pausanias klar, daß die Herr- schaft des Aipytos in der Gegend von Stymphalos ihren Sitz gehabt haben muß. Damit scheint nun freilich nicht zu stim- men, wenn Pindar den Alpheus erwähnt. Wie ist das zu rei- men? Vs. 58 heißt es von Iamos: Algen puéoc® xuraßus. Mit Recht wundert sich v. Wilamowitz 8. 176 über die Idee, daß er mitten in den Fluß gestiegen sei, um den Meergott zu rufen. Indessen xurufulvw ist nicht == éufalyw oder éyxara- fuirw, und *,4Agsóg uéocos ist (cf. P 9, 118. J 6, 5) der Mit-

38 *

596 L. Bornemann,

tellauf des Flusses, etwa wo Ladon und Alpheus zusammen- fließen. Dort an der Grenze des Heimathlandes ruft Iamos den Meergott; und Apoll (denn damals rief Poseidon ihn nicht, wie jetzt den Agesias) führt ihn weiter nach Olympia. Mithin ver- lebte Iamos seine Jugend am oberen Alpheus. Das stimmt aber mit Vs. 35, wenn es erlaubt ist anzunehmen, daß Pindar den Ladon meint, wie heutzutage der ganze Fluß den Namen des- selben rechten Quellflusses Rufia trügt. Mit der Tendenz des ganzen Gedichtes verknüpft sich aber diese ausdrückliche Nen- nung des Alpheus im 2. und 3. System, weil die Quelle Orty- gia in der neuen Heimath des Siegers das &urrvevua Geuvor Al- peov ist. Es ist ferner die metrische Schwierigkeit Vs. 35 zu beseitigen. Da das kurze @ von «raoce nur als neunte Silbe des Verses seinen Platz haben kann, wage ich es, den Namen Pascuva anzutasten und mit der bei Eigennamen hiufigen Auf- lösung der Länge des Epitrits zu schreiben:

os avdgwy” Aoxadwy Devi cavuccey xoi Aayer Ad-

peòv olxeiy.

Vom Gott ist Euadna gesegnet. Das bleibt dem Aipytos nicht für immer verborgen. Freilich das Jeoio Vs. 36 ist in gewissem Sinne proleptisch gesprochen, sofern dies wenigstens nicht sofort zu des Pflegevaters KenntniB kommt. Vielmehr er geht zum Orakel, „den unsagbaren Kummer mit scharfsichtiger Ueberlegung niederhaltend“ (Vs. 37), während sie in lieblicher Umgebung unter des Gottes Beistand dem Iamos das Leben giebt.

Damit treten wir in das dritte System ein: das Iamoskind, natürlich ein Typus des Siegers. Es wird leicht (aùr(x«) gebo- ren oo ondiyyrwy $m wdivog t &oarüs. Die Bedenken v. Wilamowitz’ S. 165 gegen die herkömmliche Erklärung theile ich. Indessen wenn wir uns erinnern, daß Vs. 31 «díg Euadna selber war und auf sie das Beiwort éger« paßt, so finden wir nichts anderes als die epexegetische Zufügung mit zs, wie in O 1, 38 £pavov giur te Sinvdov oder J 7, 1 KAedvdog alızla ze oder N 8, 46 nurou Xuquudarg te. Sie muß ihn allein lassen, aber Schlangen nähren ihn. Er ist ja ein Sohn des Phoibos, von dem auch allerlei Zukiinftiges geweissagt ist. So liegt er geborgen und versorgt. Und als er (im. y”) zum Jüng- ling gereift ist, da führt ihn des Vaters Ruf zu einer A«orgogog nuo, von welcher als dem Besitze der Iamiden das vierte Sy-

Pindar’s sechste olympische Ode. . 8691

stem redet. Man übersetzt pauas oma» gewöhnlich „hinter meiner Stimme her“. Ein recht überflüssiger Zusatz, in welchem weder der Begriff p«ua (was nicht = Ywr« ist) noch der Be- griff 0mcJev (was nicht = dxolovPwr ist) richtig gefaßt ist. Besser hat schon ein Scholion Smo9ev von der Zeit verstanden: Olympia wird künftig eine allgemeinsame Stätte sein, nämlich eine Stätte der Weissagung (pduu).

Nun folgt das Glück der Iamiden (viertes System) und zwar erstens (str. d°) die Sehergabe, sodann aber (ant. und ep. d) oAßos, agetai und gavega 0doc. Jeglichem Dinge setzt der Neid ein Ziel (so rexuuloes Vs. 73), und dieser (ix d') trifft gewóhn- lich solche, die wie Agesias zum ersten Male gesiegt haben. Aber hier schweigt der Neid, wie wir schon Vs. 7 hürten, Vom Glücke des Agesias heißt es nicht: rexualgetas, sondern xgaívera,, nemlich durch den Ruf nach Syrakus. Und das ist ein Geschenk des Hermes Kyllenios, des hóchstens Gottes jener Gegenden (Paus. 8, 14, 10, wo auch der ayw» "Eguosa erwähnt wird) So gewinnt Pindar ungezwungen den Uebergang zu - Hieron, dem auch er persönlich nahe steht; das ist der Stoff des folgenden 5. Systems. Vs. 81—88 habe ich in den Jahres- berichten von Bursian-Müller 1885 I 92 folgendermaßen herzu- stellen versucht: xgaíve céder sdruylas dokar. Erw vw ini yhwoog áxovay Awvgav, | à m êSélorra nçodyes xadlsodossi nvoaig.

Zum fünften System ist Folgendes zu bemerken. Schon bei Besprechung des Programms von Seeliger Die Ueberlieferung der griechischen Heldensage bei Stesichorus 1886, im philol. Anzeiger 1887 S. 16 habe ich angedeutet, daß für mich der vielbesprochene .4ivéag des Vs. 88 eben der trojanische Held als Typus des Agesias ist (wodurch dann allerdings „der Ver- such, die römische bezw. italische Aineiassage über das 4. Jahr- hundert hinaus rückwürts nachweisen zu wollen“, sichergestellt würde). Ich fasse nemlich Alvea als Genetiv und lese 'Eguav naodeviav. Nebensächliche Gründe sind, daß éraïgos ein beliebter Ausdruck für Leute wie die Argonauten ist, daB P 328 von Apollo gesagt wird Alvelav wıguve, daß bei Orchomenos das Grab des Anchises gezeigt wurde (Schliemann Ilios 190). Viel- mehr mit der plôtzlich auftauchenden Hera hat man nichts Rech- tes anzufangen gewußt, und der Chorege Alvelag ist (wie "Mag O 11) eine müssige Erfindung der Scholiasten. Dagegen die

598 NL. Bornemann, Pindar's sechste olympische Ode.

Bezeichnung des Hermes als z«g9ertag (vgl h. in Merc. 1—9 und Il. 16, 179) paßt zu dem Bilde des Agesias, und Hermes steht inmitten der tabula Iliaca nach Stesichoros als Geleitsmann neben dem AINH AS. Ihn gilt es zu feiern, und das hat Pin- dar von Vs. 77 ab gethan. Jetzt kommt das Zweite, der Preis des Hieron. Nicht etwa soll, wie man gewöhnlich erklärt, der Chorfiihrer oder sonst wer konstatieren, ob Pindar mit seinem Liede den Schimpfnamen „böotische Sau“ verdient (!). Vielmehr Agesias und seine Genossen sollen demnächst sehen, ob der Dich- ter mit wahren Reden (über Hieron) den Ruf der plumpen bóo- tischen Sau meidet, d. h.: ob er fein héflich und doch auch wahr- heitsgemäß redet, was er zu reden sich anschickt. Der «&yys4og ist, wie oft, der Dichter selbst, und er will 6g90¢ sein neben aller yluxurnç. Treffend und schön nennt er sich oxviada: Hi- eron soll diese Worte lesen, indem er zu ihrem Verständniß die Erinnerung an Pindars Persönlichkeit braucht. Und nun läßt er Syrakus grüßen und Ortygia und preist den Hieron. Deme- ter bei Hieron ist neben Zeus eine heimathliche Erinne- rung fiir Agesias; vgl. nicht bloB Paus. 8, 15, 4, sondern auch die Miinze von Pheneos Friedlaender und Sallet Nr. 153, welche auf der einen Seite die Demeter, auf der anderen Hermes mit dem jungen Arkas darstellt. Endlich bittet der Dichter um festfreundliche Aufnahme des Agesias, der nun in einer zweiten Heimath einen zweiten Anker seines Lebensschiffesi finden soll. Poseidon móge gute Fahrt geben und drüben die! Blume des pindarischen Liedes d. h. den Agesias blühen und gedeihen lassen! Hamburg. | L. Bornemann.

Zu Tyrtaios und Sappho. Tyrt. Fragm. 11, 37 Bergk ist zu schreiben: dovouot re

Esorolow dxovrttovtec, dutije | Toiou navonAos0ı nAnolov tora pevot Die Ueberlieferung hat 2; adzove für cutie.

Sappho Fr. 1 Bgk. ist die corrupte SchluBstrophe etwa in folgender Weise zu verbessern: #49 puo. xai vor, yalfnav Avooy | zx pegluvay, 000a wos télecous | Jopoc imégges s télecoov uvia | cvuuayog %oou. Die Form toon = ovoa findet sich übrigens auch Fr. 75, 4.

Hannover. C. Haeberlin.

Pindar’s sechste olympische Ode. 595

auf Amphiaraos, als ihn die Erde verschlang, und nachher (Euesrx Vs. 15) dessen rühmendes Wort paßt auf ihn: ein Seher und Krieger, des Heeres Stern, ist dahin. sclsodérrwr als feierlichen Ausdruck für „verzehren, vernichten“ halte ich durch den entsprechenden Gebrauch von avuw P 12, 11. Od. 24, 71 u. ä (auch £ærvw) für hinreichend gesichert und schreibe in Anlehnung an die Vermuthung Bernhardy's zugeis.

Mit dem zweiten System beginnt der Haupttheil. Phintis, der Wagenlenker, soll dem Dichter die siegreichen Máuler ein- schirren; denn gerade diese, denen der Dichter die Thore der Lieder aufthut, werden besser als andere ihn zu dem Volke der Helden und ihrem Geschlecht führen. Der Weg ist lang; es gilt, schnell auf freie Straße zu kommen: noch heute muß der Dichter am Eurotas sein. Den Uebergang auf die Ahnen des Siegers vergleicht der Dichter mit einer Fahrt von Stymphalos, dem Lokal der Feier, nach Pitana; eine tüchtige Leistung, zu weleher der gewóhnliche Reiter wohl 20 —24 Stunden gebrauchen würde, zumal da anfangs der Weg noch beschwerlich ist. ¢ tuyoc ziehe ich zum Finalsatz, nicht zu Gei£or. Statt des me- trisch unmöglichen o«wsoov dürfte ouuégous zu lesen sein. Pitana gebiert vom Poseidon die Euadna. Sie mufì ihren Lieb- ling bald fortgeben, aber in der Fremde segnet Apoll die "Toch- ter dureh die Geburt des Iamos (Ende des 2. Systems).

Die Erwühnung beider Stammmiitter ist um so mehr am Platze, weil Agesias nach Vs. 77 der Nachkomme einer Iami- din ist. Mit Vs. 34 erreicht das Lied wieder das Arkaderland, speciell die Gegend von Stymphalos. Freilich man hat über die Lage von Phaisana allerlei Vermuthungen aufgestellt (zuletzt v. Wilamowitz S. 75 f), aber zugleich sich nichts daraus gemacht, daB der betr. Vers metrisch unmüglich ist wegen der ersten Silbe von «racce. Ueberdies ist aus Pausanias klar, daß die Herr- schaft des Aipytos in der Gegend von Stymphalos ihren Sitz gehabt haben muB. Damit scheint nun freilich nicht zu stim- men, wenn Pindar den Alpheus erwühnt. Wie ist das zu rei- men? Vs. 58 heißt es von Iamos: ° Alpe uéoo® xutafus. Mit Recht wundert sich v. Wilamowitz S. 176 über die Idee, daß er mitten in den Fluß gestiegen sei, um den Meergott zu rufen. Indessen xuraf fvw ist nicht = éguBulrw oder éyxara- fuirw, und ° 4Agqsóg uéocog ist (cf. P 9, 113. J 6, 5) der Mit-

38 *

600 Christian Cron,

nennen ihn nunmehr mit Bernays und anderen?) ohne weitere Prüfung der Ursprungsfrage Hippolytus —, zu Anführung he- raklitischer Sätze bestimmt und beim Auswihlen derselben leitet, eine polemische ist. ,,Er behauptet und will den Beweis schwarz auf weiß führen, daß Noëtus, ein Ketzerhaupt aus Smyrna, sein theologisches System in allen Stiicken, die von der orthodoxen Lehre abweichen, dem Buche des Ephesiers Heraklit entnommen habe; demnach sei N. nicht Xgsorot uasnıng sondern, wie es mit anzüglichem Doppelsinn heißt, uamsÿç tov oxorssvoè“. Der Geist aber, in welchem H. diesen polemischen Nachweis zu geben versuche, sei der Geist einer theils buchstäbelnden, theils Consequenzen machenden Deutelei.

So vorbereitet treten wir an den wichtigen, das neunte und zehnte Kapitel des neunten Buches umfassenden Abschnitt der Schrift des H. heran, welchen Bernays seinem Wortlaut nach mit beigefügten kritischen Anmerkungen (S. 75—78 und 78—101 d. GA.) mittheilt. Dieser Abschnitt enthält nun gleich im An- fang die Sätze, welche man zum Theil auf die Gewähr des Ari- stoteles ziemlich allgemein an die Spitze der aus der Schrift des Heraklit erhaltenen Bruchstücke setzen zu müssen glaubt. Doch bieten sowohl Ein- als Anführung erhebliche Schwierigkeiten. Zunächst lesen wir: 'HocxAuroc piv ovv grow sivas 10 nav deus- 08107 adeatostovr, yevniòv üyévqvov, 9vqróv á2avarov, Aóyov, aldiva, zaréga viov, Ieov dixacov. Ovx duov adda rov AOyov àxovcavrag ónoAoytiv cogo» ècrer, Ev ravira eìdé- vas 0 ‘Hoaxietés qgow xıe. Die durch den Druck hervorgeho- benen Worte werden damit als Worte des Philosophen bezeich- net. Bernays unterzieht nun die ganze Stelle in Bezug auf ihren Wortlaut und Sinn einer eingehenden Prüfung, deren Ergebnif er in einer Uebersetzung mit beigefügter Begründung darlegt. Erstere lautet: ‘Heraklit sagt das All sei 1) theilbar untheilbar, 2) geschaffen ungeschaffen, 3) sterblich unsterblich, 4) Wort, 5) ewige Zeit, 6) Vater Sohn, 7) richtender Gott'. Dazu bemerkt er: ,Allein schon aus dem was Hippolytus im weitern Verlauf dieser Kapitel über die noetianische Lehre mittheilt, erhellt klar,

2) Nicht Lagarde, der von seiner 1858 unter dem Titel ‘Hippolyti Romani quae feruntur omnia Graece! erschienenen Ausgabe die Refu- tatio haeresium ausschlo8, offenbar als eine der Ueberlieferungen, quae in codicibus veteribus Hippolyto non adscripta Hippolyto tribuere recen- tiores.

Zu Heraklit. 601

daß das 2. 3. und 6. Paar von verschlungenen Gegensätzen als heraklitische Lehrstücke deshalb hervorgehoben werden, weil die ungetrennte Einheit von Geschaffen-Ungeschaffnem, Sterblich-Un- sterblichem, Vater-Sohn die Grundlage des Noetianismus bildet. Und da... den Noetianern zufolge auch Aoyog ganz gleich vios und dieser gleich mazze, also alle drei nur eines sind: so springt nicht minder deutlich in die Augen warum das mit »u- mo und vió; zusammenfallende All nun auch an 4. Stelle als Acyos erscheint Weniger klar freilich liegt in der 1., 5. und 7. Nummer der Tabelle die Rücksicht auf den Noetianismus su Tage; sie wird sich erst weiterhin bestimmen lassen bei Behand- lung der heraklitischen Belegstellen; wie denn tiberhaupt zwischen der Tabelle und den Citaten diese Wechselbeziehung stattfindet, daf die Tabelle die Rubriken aufführt, nach welchen die Citate ausgesucht und im allgemeinen geordnet sind, hinwieder die Ci- tate benutzt werden können um die Bedeutung der einzelnen Rubriken festzustellen und auch die Lücken zu ergänzen, durch welche, wie gleich das erste Citat ausweist, die Tabelle in unserer Handschrift verstümmelt ist“. |

In dieser Darlegung erscheint zunächst bemerkenswerth, daß B. in den mit ‘Hodxhesrog uèr ov» nov eingeführten Worten nicht eine Anführung aus Heraklits Schrift sieht, sondern ein vorausgeschicktes Inhaltsverzeichniß, um die Rubriken anzugeben, nach welchen die Lehrmeinungen der Noetianer auf Sätze aus der Schrift des Heraklit zurückgeführt werden sollen. Für diese Auffassung kann nun einigermaßen der Umstand geltend gemacht werden, daß die Worte in abhüngiger Form erscheinen und daß die folgenden Worte sich nicht an dieselben anschließen, sondern viel augenscheinlicher das Gepräge eines Anfanges an sich tragen. Demzufolge hat denn auch Bywater diese Worte an die Spitze seiner Sammlung der erhaltenen Bruchstticke aus dem Werke des Ephesiers gesetzt und andere folgen seinem Vorgange. Diese Annahme hindert aber nicht, die vorausgehenden Worte an diese anzuschlieBen, da sie der Schriftsteller um ihrer Bedeutung willen für die Bekämpfung der Irrlehrer kénnte vorangestellt haben, so daß er ihnen nachträglich ihre Stelle im Zusammenhange der Schrift des Philosophen anweist. Und diesen Eindruck macht in der That die unverbundene Aufeinanderfolge der beiden Sätze mit ihrem doppelten of. Dadurch findet dann auch die Form

602 Christian Cron,

der Abhängigkeit ihre natürliche Erklärung in dem Anschluß an owoloysiv cogpov dor, von welchem nach der überlieferten Lesart mit der von Miller vorgenommenen und allgemein aner- kannten Verbesserung die Worte fr navra eldéras abhängen. Freilich unangefochten kann diese Lesart anch so dann nicht bestehen. Man müßte dann auch mit Miller sidévas in evo; verwandeln. Aber gerade gegen diese Aenderung spricht sich Bernays entschieden aus mit dem stärksten Tadel gegen Miller und Wordsworth, der ihm folgte?) Er bezichtigt sie leichtfer- tiger Oberflüchlichkeit, die sie ganz übersehen lief, da8 Heraklit, sobald er den Satz fv nuvra sivo, ausgesprochen hätte, aufgehört haben würde ein Herakliteer zu sein und ein Eleate geworden wire. So trügt denn Hippolytus, freilich etwas in Widerspruch mit der früheren Kennzeichnung, das Lob davon, zu ehrlich ge- wesen zu sein, „um in dem heraklitischen Wort eidévas die zwei Buchstaben de zu lóschen, auf deren An- oder Abwesenheit so viel für seine Polemik ankommt“. Denn daß in diese sidfyas nicht paBt, erkennt B. selbst so unbedingt an, daB er, um die- sem polemischen Bedürfniß Rechnung zu tragen, in den Einlei- tungsworten & vor gnoır sivas r0 mv einzuschalten für nöthig findet*). Diese Aenderung, der merkwürdiger Weise auch By- water in der Anführung der Fundstelle unter der Rubrik Testi- monia Raum gibt, vermag ich in keiner Weise gut zu heilen, da das Prädikat & dem All doch am wenigsten selbst von Hippo- lytus da kann beigelegt werden, wo eine ganze Reihe verschie- dener, zum Theil entgegengesetzter Bestimmungen von ihm aus- gesagt werden. Zugleich schrumpft mit dieser Aenderung, durch welche ja mindestens ebenso augenscheinlich dem Heraklit die Lehre der Eleaten zugeschrieben wird, das dem Hippolyt ertheilte Lob der Ehrlichkeit ein zu dem Vertrauen auf die leichtfertige Oberflichlichkeit der Leser, die er im Auge hatte, und zwar so- wohl Freund als Feind.

Man wird nicht leugnen kónnen, daf diese Deutung etwas gekünsteltes hat, womit man sich nur dann befreunden dürfte, wenn es kein anderes Mittel gibt, den Heraklit vor der Gefahr zu bewahren sich selbst untreu zu werden. Dieser würe er frei-

8) Wordsworth schrieb ein Werk über Hippolytus, das 1858 in London erschien. S. Bernays G. A. I S. 102 ff. 4) G. A. S. 82.

Zu Heraklit. 608

lich unentrinnbar verfallen, wenn ihm der nach Bernays von Hippolyt nur untergeschobene Satz ro má» nachgewiesen wer- den kénnte5). Wäre dies aber auch der Fall, wenn er behaup- tete £v ndvra dort? Besteht nicht doch zwischen beiden Aus- drücken ein Unterschied, der móglicher Weise einer verschiedenen . Auffassung Raum gibt? In ersterem ist & unbedingt Prädikat, in letzterem kann es wenigstens auch Subjekt sein 5. Dann würde z«vra das Prädikat und von dem nur ausgesagt, daß ihm alle Bestimmungen zukommen, insbesondere auch die, welche ihm in dem einleitenden Satz beigelegt werden. Diesen hat By- water unter den Bruchstücken selbst keine Stelle gegönnt, nimmt aber gleichwohl die Aenderung elvas statt eldévas trotz dem ihr von Bernays gesprochenen Urtheil auf. Man könnte sich darüber wundern, da er unter diesen Umständen ja nicht zu einer Aen- derung des überlieferten Wortlautes genóthigt war. Es ist also wohl anzunehmen, daß ihm der Ausdruck fv marre sidtras we- niger heraklitisch dünkte als der andere narra elvas, den er dann aber auch wohl: so verstanden haben muß, wie eben darge- legt worden ist ?).

Noch in anderer Hinsicht weicht Bywater von Bernays ab, Er führt die in dem einleitenden Satz von Bernays unter: N. 4) und 5) gesondert aufgeführten Begriffe Aoyor und alwra eben- falls als ein zusammengehóriges Paar vor. Es ist nicht zu leugnen, daß die vorher und nachher in paarweise zusammenge- stellten gegensützlichen Begriffen sich bewegende Rede durch die dazwischentretenden Einzelbegriffe in störender Weise unter-

5) Dazu wird wohl niemand Fr. 59 verwenden wollen, welches bei B. lautet: Zuvaysıns obla xai ody: obla, cvugscousror dapsgousror, cuvadov diGdov: ix ndviwy Ev xai, Evig ndvra.

6) Auf andere Art sucht Schuster (H. v. E. S. 82) zu helfen, in- dem er das überlieferte iv navta sidivas in ivavrtia navıa 8v sivas um- wandelt und auch das von B. empfohlene & sivas 16 naw bereitwillig annimmt, dagegen die von Mullach beliebte Aenderung Br «d»ra yé- vesta: als „ganz gewaltsam“ verwirft. Der Forderung des Sinnes würde sie gut entsprechen, aber nòthig erscheint sie nicht.

7) Es ist bemerkenswerth, da8 Bernays in der Anzeige von By- waters Sammlung der Bruchstücke Heraklits (Philosophische Monats- hefte hrsg. von C. Schaarschmidt 1877. G. A. I. S. 106 —108) diese Abweichung von seiner mit solchem Nachdruck verfochtenen Ansicht nicht rügt, ja nicht einmal erwähnt, und überhaupt dem Lobe .,selb- ständiger Sachkunde und planmäßiger Sorgfalt" keinerlei Beschrän- kung beifügt. Daß Bernays selbst in der Zwischenzeit seine Meinung geändert habe, ist wohl kaum anzunehmen.

604 Christian Cron,

brochen wird, eine Ausgleichung daher wohl erwünscht würe. Ob sie freilich in der Zusammenstellung von Aöyov und aldvu zu einem Paare kann gefunden werden, erscheint mehr als frag- lich. Denn was sollte Aoyog in dieser Verbindung mit aw» be- deuten? Wort, Gedanke, Vernunft, Verstand, Rede?®). Geht man, um der Vieldeutigkeit des Wortes Aéyoc zu entrinnen, von alu» aus, so bietet sich hier der Begriff ‘Lebenszeit’ und ‘ewige Zeit oder Ewigkeit’ dar. Dieser Begriff kénnte zu zwei Paaren von Gegensätzen hinleiten: zu ‘Raum und Zeit’, beide als all- umfassend gedacht, und zu ‘Zeit und Ewigkeit’, eine Zusammen- stellung, die uns beinahe noch geläufiger ist als die andere. Aber auch dem Heraklit, bei dem nicht einmal das Wort ygoros, das man zur Bezeichnung des Gegensatzes nothwendig hätte, nachweisbar ist?)? Dieses Bedenken füllt nun freilich bei der trümmerhaften Ueberlieferung der Gedanken und Aussprüche des Philosophen nicht allzusehr ins Gewicht. Der «lw» dagegen fin- det sich noch in einer gut bezeugten hóchst eigenthümlichen AeuBerung. Sie lautet bei Bywater Fr. 79: Æiwr meig ieu rullwv mecoevwy* nudos y Baordntn. Ohne auf die weiteren den Wortlaut betreffenden Fragen, die doch für die Auffassung nicht von wesentlicher Bedeutung sind, näher einzugehen, bemerken wir nur, daß Pfleiderer diesem Ausspruch des Philosophen eine besonders eingehende Untersuchung widmet, deren Spitze gegen Bernays gerichtet ist. Er sucht nachzuweisen, daß das Spiel eines Kindes, das am Meeresufer Sandhüufchen baut und wieder

8) Pfleiderer fügt noch dazu ‘Einzelverhältniß’ und vereinigt die- sen Begriff mit dem ‘gesammter Weltgang' zu einem Paar. Diese Bedeutung scheint mir mehr écharfsinnig ausgeklügelt als einfach wahr und für sich selbst sprechend.

9) Doch erscheint das Wort und zwar in einer ganz entsprechen- den Ausführung bei Sk ythinus (vgl. Ph. A. 17, 6. 7) nach einer An- gabe des Stobäus in den Ecl. phys. (vgl. Bernays G. A. S. 67). Bywa- ter (App. IIl fr. 2) stellt daraus folgende Jamben her:

Havtwy piv Vorariv te xai nQuTov yoovos, Eyes d? ly iautw navia x&otv els asi.

xoùx slow ovvsautag 06 nagéoystas évertiny TOv nycadev ivsaviwy 6d0v°

To yao aigsoy uiv. y9éc, 10 yFés abpsov.

Ueber den Werth dieses Bruchstückes aus dem Gedicht des Sky- thinus negi gicews bemerkt Bywater in der Vorrede S. VII: Seythi- nus in altero sultem fragmento apertissime Heracitissat. Die Vermu- thung, daß yodvov aiwva zu lesen sei, finde ich nachträglich schon von Schuster (a. a. O. S. 228 A. 2) ausgesprochen. Derselbe fügt auch dem Ausdruck 90» dixasov ein Fragezeichen bei.

Zu Heraklit. 605

einstürzt, nicht zur Vergleichung beigezogen werden darf, daß vielmehr das Brettspiel, wie in einer Stelle der platonischen Ge- setze, „die Leichtigkeit der das Ganze überschauenden göttlichen Fürsorge für Alles“ veranschaulicht Da nun aber, wie Pfli- derer ausdrücklich bemerkt, Heraklit nicht schon eine Vorsehung im Sinne eines persönlichen Gottes lehrte, so faßt er den Aus- druck uiwy nei, êors in dem Sinne, daß damit gesagt werden soll: „Die Welt in ihrem ewigen Lauf ist ein junges Kind, oder mit leichter Versetzung : Die Welt in ihrem Lauf ist ewig jung“. Um nun die Bedeutung der ganzen Stelle zusammenzufassen, so sieht Pfleiderer in diesem „vielleicht tiefsten und merkwürdig- sten Wort“ des Philosophen ausgedrückt: „Die Unzerstör- barkeit des Lebens, welches in ewiger Jugendfrische aus dem scheinbaren Tode neugeboren wird oder sich selbst gebiert; ihm ist der Gegensatz überhaupt kein herbes Muß, kein frem- des Andere, sondern eher eine Lust, ein Spiel; denn in rastloser Veränderung oder allgemeiner in ewigem Phasenwech- sel bewahrt es seine Identität, da es ja mit sich selbst spielt oder sein eigener Partner ist“. Diesen letzten Begriff findet er in dem Ausdruck ovrdsayegouevos, den Bernays mit einer wohl- begründeten Verbesserung aus Lukians Anfübrung entnimmt und | der Stelle beifügt.

Wenn wir nun dieses Ergebniß der gründlich eingehenden Erörterung unbefangen ansehen, was leuchtet uns aus diesem „ewigen Lauf der Welt“, aus dieser „Unzerstörbarkeit des Le- bens“ mit seiner „rastlosen Veränderung“ oder seinem „ewigen Phasenwechsel* anderes entgegen, als der physisch, nicht meta- physisch erfaßte, in sinnlich anschaulicher, nicht in abstrakt be- griffsmäßiger Sprache ausgedrückte alles Leben durchwaltende Gegensatz von Zeit und Ewigkeit? Daß diesem in Hippolyts Zusammenstellung ein Platz zukäme, ist wohl nicht zu bestreiten, wenn man auch zur sprachlichen Herstellung desselben nur mit Zagen und Vorbehalt schreiten wird. Daß die handschriftliche Ueberlieferung der Schrift des Kirchenlehrers mit mancherlei Fehlern behaftet ist, hat Bernays zur Genüge dargethan und: an einzelnen Beispielen !°) erwiesen. Man wird ihm daher gerne die Umwandlung von doyumıog in ÀAóyov zugestehen, der auch Bywater Fr. 1 Folge gegeben hat. Hält man mit diesem an

10) Vgl. die Anm. S. 80 f. der G. A.

606 Christian Cron,

der paarweise vorgefiihrten Zusammenstellung von Gegensiitzen in der einleitenden Angabe des Hippolytus fest, so ergibt sich auch bei dem letzten Ausdruck 3e0v dixasoy eine Schwierigkeit, die kaum anders als durch eine Aenderung behoben werden kann. Bernays weiß freilich aus dem Schatz seiner Gelehrsam- keit eine Erklärung zu entnehmen, indem er darauf hinweist, daß bei den Kirchenschriftstellern diese Bezeichnung im Gegen- satz gegen deòs «yu3os (gnüdiger Gott) ganz gewöhnlich sei. Doch bemerkt Bernays selbst, daB ebenso bei dieser Bestimmung wie in der 1. und 8. Nummer der Tabelle ,,die Rücksicht auf den Noetianismus weniger klar zu Tage liegt“ und sich erst weiterhin bestimmen lassen werde ,,bei Behandlung der hera- klitischen Belegstellen“. Zu letzterer scheint B. nicht mehr ge- kommen zu sein. Vgl. die Bemerkung des Herausgebers der G. A. I S. 64 Anm. 2.

Daß die Anführung des Hippolytus einer Aenderung be- dürftig sei, erkannte auch Bergk, der nach Bywater (Adnotatio critica zu Fr. 1) folgende Umgestaltung für angemessen erach- tete: dixusov ovx &uov GÂlu tov doyuutog dxovourruç ooloyéesv dre Ev 16 coqov, €» nuvra eldévar. Es ist begreiflich, daß By- water diesen Herstellungsversuch nicht in den Text aufnahm, ihn aber doch der Erwühnung werth hielt. Jedenfalls kónnte man bei dieser Aenderung nicht stehen bleiben. Man müßte den durch die Abtrennung von dfxusor vereinsamten Ausdruck Seow mit einer in den Zusammenhang passenden Beigabe aus- statten. Wie könnte diese anders lauten als &»39w ror? In der That, diese Zusammenstellung würde ebensogut in die angenom- mene Tabelle des Kirchenschriftstellers wie in einen Ausspruch des Philosophen passen. Fiir letzteres sprechen ausdrückliche Zeugnisse, welehe Bywater zu Fr. 67, das mit den Worten be- ginnt "Atévuros Jvnrof, Jvqroi adFavaros, beibringt. Wir wollen aus der ganzen Reihe für diesen Zweck verwendbaren Stellen nur eine anführen, welche am augenscheinlichsten einen derar- tigen Ausspruch des Philosophen verbürgt Sie steht bei Clem. Alex. Paed. III 1 und lautet: 099486 dou sinev ‘HoaxAesos * Av9ownor Geol, Feoi avFgwnot. hoyos yàg 6 ubrèç puuotrgsor luquríg Jedc dy avemmo zul 0 avdgwnos Feoc.

Aus dem Gesagten mag so viel erhellen, daB die Sachlage, wie sie in der Ueberlieferung der Schrift des Kirchenlehrers vor-

Zu Heraklit. | 607

liegt, zu manchen Zweifeln über die richtige Schreibung der Ein- leitungsworte AnlaB gibt, in keinem Falle aber dazu berechtigt, die dem Heraklit zugeschriebenen Worte, wie man sie auch im- mer gestalten móge, diesem geradezu abzusprechen. Da es nun aber auch nicht móglich ist, die Stellung und den Wortlaut der- selben mit zweifelloser Sicherheit festzustellen, so hätte es sich allenfalls empfohlen, die Fundstelle selbst in &hnlicher Weise unter die Bruchstücke aufzunehmen, wie dies Bywater mehrmals für gut fand, z. B. Fr. 84, Fr. 87, Fr. 46, in welchen die mit Sicherheit dem Ephesier zugeschriebenen Worte durch den Druck ausgezeichnet werden. Diese Auszeichnung hätte dann wohl auch den fraglichen Worten gebührt trotz der bestehenden kri- tischen Bedenken, die sich ja auch auf den Wortlaut des Fr. 1 erstrecken. Daß Bywater die von Miller eingeführte Aenderung in den Text aufgenommen hat, ist ganz gerechtfertigt, da, wie bereits dargethan ist, der von Bernays gegen die Schreibung fv nuvia eivas geltend gemachte Grund nicht stichhaltig ist. Dazu kommt, daß vermittelst dieser Aenderung nicht nur der von Hippolyt dem Heraklit auch zugeschriebenen Áussage Raum ge- geben, sondern auch der von Bernays selbst gestellten Forderung in angemessener Weise Genüge geleistet wird. Denn daß bei der von Hippolyt beliebten Art der Anführung, wodurch die eben genannten Worte dem unmittelbaren Zusammenhang mit den übrigen Prüdikaten entrückt werden, die Zweideutigkeit des Ausdrucks leicht zu einer Verwechslung von Subjekt und Pri- dikat Anlaß gibt, bethätigt Bernays selbst durch sein Beispiel.

Für die Aufnahme der in Frage stehenden Worte unter die Bruehstücke aus der Schrift Heraklits und die für dieselben in Aussicht genommene Stellung spricht aber noch ein gewichtiger Grund. In der Schrift des Kirchenlehrers schlieBen sich an die oben (S. 600) ausgeschriebenen Worte folgende an: xai dts tovro oùx [G«G& muvtes ovd? duorloyovow, impépugeros di mw’ o9 Evvíu Gs 0xws diupegopevor éuvid dpodoyte: na- Alvrpoonoç aquorin oxworeo TOoËou xai Avens. So konnte Hippolytus, auch alles zugegeben, was man seiner Pole- mik nachsagt, unmöglich fortfahren, wenn die vorhergehenden Worte so lauteten, wie Bernays will, wogegen Sinn und Zu- menhang klar wird, wenn man nicht bloß & nuvru sivas

600 Christian Cron,

nennen ihn nunmehr mit Bernays und anderen?) ohne weitere Prüfung der Ursprungsfrage Hippolytus —, zu Anführung he- raklitischer Sätze bestimmt und beim Auswählen derselben leitet, eine polemische ist. „Er behauptet und will den Beweis schwarz auf weiß führen, daß Noétus, ein Ketzerhaupt aus Smyrna, sein theologisches System in allen Stücken, die von der orthodoxen Lehre abweichen, dem Buche des Ephesiers Heraklit entnommen habe; demnach sei N. nicht Xoso100 uadning sondern, wie es mit anzüglichem Doppelsinn heißt, ua3n:s tov oxorswou“. Der Geist aber, in welchem H. diesen polemischen Nachweis zu geben versuche, sei der Geist einer theils buchstübelnden, theils Consequenzen machenden Deutelei.

So vorbereitet treten wir an den wichtigen, das neunte und zehnte Kapitel des neunten Buches umfassenden Abschnitt der Schrift des H. heran, welchen Bernays seinem Wortlaut nach mit beigefügten kritischen Anmerkungen (S. 75—78 und 78—101 d. GA.) mittheilt. Dieser Abschnitt enthült nun gleich im An- fang die Sätze, welche man zum Theil auf die Gewähr des Ari- stoteles ziemlich allgemein an die Spitze der aus der Schrift des Heraklit erhaltenen Bruchstücke setzen zu müssen glaubt. Doch bieten sowohl Ein- als Anführung erhebliche Schwierigkeiten. Zunächst lesen wir: ‘Houxdetoc piv our grow sivas 10 nav dwu- 08109 adeatostor, yevniòv üyévqvov, Fvytov éJavarov, Aóyov, aidva, mattoa viov, Isov dixacov. Ovx tuo ahha rov Aoyov áxovcavzag óuoAoytiv cogoy èorsv, Er ravsa ebdé- vas 0 Hoaxituóg noi «rg. Die durch den Druck hervorgeho- benen Worte werden damit als Worte des Philosophen bezeich- net. Bernays unterzieht nun die ganze Stelle in Bezug auf ihren Wortlaut und Sinn einer eingehenden Prüfung, deren Ergebniß er in einer Uebersetzung mit beigefügter Begründung darlegt. Erstere lautet: ‘Heraklit sagt das All sei 1) theilbar untheilbar, 2) geschaffen ungeschaffen, 3) sterblich unsterblich , 4) Wort, 5) ewige Zeit, 6) Vater Sohn, 7) richtender Gott’. Dazu bemerkt er: ,,Allein schon aus dem was Hippolytus im weitern Verlauf dieser Kapitel über die noetianische Lehre mittheilt, erhellt klar,

2) Nicht Lagarde, der von seiner 1858 unter dem Titel ‘Hippoly& Romani quae feruntur omnia Graece! erschienenen Ausgabe die Aefw- tatio haeresium ausschloß, offenbar als eine der Ueberlieferungen, quae in codicibus veteribus Hippolyto non adscripía Hippolyto tribuere recen- tiores.

Zu Heraklit. 601

daß das 2., 3. und 6. Paar von verschlungenen Gegensätzen als heraklitische Lehrstücke deshalb hervorgehoben werden, weil die ungetrennte Einheit von Geschaffen-Ungeschaffnem, Sterblich-Un- sterblichem , Vater-Sohn die Grundlage des Noetianismus bildet. Und da... den Noetianern zufolge auch Aoyog ganz gleich vios und dieser gleich mezzo, also alle drei nur eines sind: so springt nicht minder deutlich in die Augen warum das mit n«- mmo und vioc zusammenfallende All nun auch an 4. Stelle als Xoyos erscheint. Weniger klar freilich liegt in der 1., 5. und 7. Nummer der Tabelle die Rücksicht auf den Noetianismus zu Tage; sie wird sich erst weiterhin bestimmen lassen bei Behand- lung der heraklitischen Belegstellen; wie denn überhaupt zwischen der Tabelle und den Citaten diese Wechselbeziehung stattfindet, daB die Tabelle die Rubriken aufführt, nach welchen die Citate ausgesucht und im allgemeinen geordnet sind, hinwieder die Ci- tate benutzt werden künnen um die Bedeutung der einzelnen Rubriken festzustellen und auch die Lücken zu ergünzen, durch welche, wie gleich das erste Citat ausweist, die Tabelle in unserer Handschrift verstümmelt ist“.

In dieser Darlegung erscheint zunächst bemerkenswerth, daß B. in den mit ‘Hodxiesrog uiv ovv gnow eingeführten Worten nicht eine Anführung aus Heraklits Schrift sieht, sondern ein vorausgeschicktes Inhaltsverzeichniß, um die Rubriken anzugeben, nach welchen die Lehrmeinungen der Noetianer auf Sätze aus der Schrift des Heraklit zurückgeführt werden sollen. Für diese Auffassung kann nun einigermaßen der Umstand geltend gemacht werden, daß die Worte in abhängiger Form erscheinen und daß die folgenden Worte sich nicht an dieselben anschließen, sondern viel augenscheinlicher das Gepräge eines Anfanges an sich tragen. Demzufolge hat denn auch Bywater diese Worte an die Spitze seiner Sammlung der erhaltenen Bruchstücke aus dem Werke des Ephesiers gesetzt und andere folgen seinem Vorgange. Diese Annalıme hindert aber nicht, die vorausgehenden Worte an diese anzuschließen, da sie der Schriftsteller um ihrer Bedeutung willen für die Bekämpfung der Irrlehrer könnte vorangestellt haben, so daß er ihnen nachträglich ihre Stelle im Zusammenhange der Schrift des Philosophen anweist. Und diesen Eindruck macht in der That die unverbundene Aufeinanderfolge der beiden Sätze mit ihrem doppelten qct. Dadurch findet dann auch die Form

602 Christian Cron,

der Abhängigkeit ihre natürliche Erklärung in dem Anschluß an 040A0;tiv copov dorv, von welchem nach der überlieferten Lesart mit der von Miller vorgenommenen und allgemein aner- kannten Verbesserung die Worte fr navra sidévas abhängen. Freilich unangefochten kann diese Lesart anch so dann nicht bestehen. Man müßte dann auch mit Miller eldéras in elros verwandeln. Aber gerade gegen diese Aenderung spricht sich Bernays entschieden aus mit dem stärksten Tadel gegen Miller und Wordsworth, der ihm folgte?) Er bezichtigt sie leichtfer- tiger Oberflächlichkeit, die sie ganz übersehen ließ, daß Heraklit, sobald er den Satz fv navıa sivo, ausgesprochen hätte, aufgehört haben würde ein Herakliteer zu sein und ein Eleate geworden wäre. So trägt denn Hippolytus, freilich etwas in Widerspruch mit der früheren Kennzeichnung, das Lob davon, zu ehrlich ge- wesen zu sein, „um in dem heraklitischen Wort eid&vas die zwei Buchstaben de zu löschen, auf deren An- oder Abwesenheit so viel für seine Polemik ankommt“. Denn daß in diese sidévns nicht paßt, erkennt B. selbst so unbedingt an, daß er, um die- sem polemischen Bedürfniß Rechnung zu tragen, in den Einlei- tungsworten &r vor gnow sive, r0 mv einzuschalten für nöthig findet*). Diese Aenderung, der merkwürdiger Weise auch By- water in der Anführung der Fundstelle unter der Rubrik Testi- monia Raum gibt, vermag ich in keiner Weise gut zu heilen, da das Prädikat # dem All doch am wenigsten selbst von Hippo- lytus da kann beigelegt werden, wo eine ganze Reihe verschie- dener, zum Theil entgegengesetzter Bestimmungen von ihm aus- gesagt werden. Zugleich schrumpft mit dieser Aenderung, durch welche ja mindestens ebenso augenscheinlich dem Heraklit die Lehre der Eleaten zugeschrieben wird, das dem Hippolyt ertheilte Lob der Ehrlichkeit ein zu dem Vertrauen auf die leichtfertige Oberflächlichkeit der Leser, die er im Auge hatte, und zwar so- wohl Freund als Feind.

Man wird nicht leugnen können, daß diese Deutung etwas gekünsteltes hat, womit man sich nur dann befreunden dürfte, wenn es kein anderes Mittel gibt, den Heraklit vor der Gefahr zu bewahren sich selbst untreu zu werden. Dieser wäre er frei-

3) Wordsworth schrieb ein Werk über Hippolytus, das 1858 in London erschien. S. Bernays G. A. I S. 102 ft. 4) G. A. S. 82.

Zu Heraklit. 608.

lich unentrinnbar verfallen, wenn ihm der nach Bernays von Hippolyt nur untergeschobene Satz & ro má» nachgewiesen wer- den kénnte5). Wäre dies aber auch der Fall, wenn er behaup- tete £v navru 010? Besteht nicht doch zwischen beiden Aus- drücken ein Unterschied, der möglicher Weise einer verschiedenen . Auffassung Raum gibt? In ersterem ist £y unbedingt Prädikat, in letzterem kann es wenigstens auch Subjekt sein ®). Dann würde z«vra das Prädikat und von dem nur ausgesagt, daß ihm alle Bestimmungen zukommen, insbesondere auch die, welche ihm in dem einleitenden Satz beigelegt werden. Diesen hat By- water unter den Bruchstücken selbst keine Stelle gegónnt, nimmt aber gleichwohl die Aenderung «vo, statt eldévas trotz dem ihr von Bernays gesprochenen Urtheil auf. Man könnte sich darüber wundern, da er unter diesen Umstünden ja nicht zu einer Aen- derung des überlieferten Wortlautes genöthigt war. Es ist also wohl anzunehmen, daß ihm der Ausdruck fr narra eldérus we- niger heraklitisch dünkte als der andere narra elvas, den er dann aber auch wohl:so verstanden haben muß, wie eben darge- legt worden ist).

Noch in anderer Hinsicht weicht Bywater von Bernays ab, Er führt die in dem einleitenden Satz von Bernays unter N. 4) und 5) gesondert aufgeführten Begriffe Aoyor und aiwra eben- falls als ein zusammengehóriges Paar vor. Es ist nicht zu leugnen, daß die vorher und nachher in paarweise zusammenge- stellten gegensützlichen Begriffen sich bewegende Rede durch die dazwischentretenden Einzelbegriffe in störender Weise unter-

5) Dazu wird wohl niemand Fr. 59 verwenden wollen, welches bei B. lautet: Zuvawperes ovla xoi oÛyi obla, cuugeoduevor diapegoueror, cuvadov digdov: Ex ndvrwy Ev xai, Evos navra.

6) Auf andere Art sucht Schuster (H. v. E. S. 82) zu helfen, in- dem er das überlieferte iv navıa sidivas in dvarsia navta Ev sivas um- wandelt und auch das von B. empfohlene & sivas 16 naw bereitwillig annimmt, dagegen die von Mullach beliebte Aenderung $8» drra yi- veodes als „ganz gewaltsam“ verwirft. Der Forderung des Sinnes würde sie gut entsprechen, aber nóthig erscheint sie nicht.

7) Es ist bemerkenswerth, da8 Bernays in der Anzeige von By- waters Sammlung der Bruchstücke Heraklits (Philosophische Monats- hefte hrsg. von C. Schaarschmidt 1877. G. A. I. S. 106 108) diese Abweichung von seiner mit solchem Nachdruck verfochtenen Ansicht nicht rügt, ja nicht einmal erwühnt, und überhaupt dem Lobe .,selb- ständiger Sachkunde und planmäßiger Sorgfalt keinerlei Beschrän- kung beifügt. Daß Bernays selbst in der Zwischenzeit seine Meinung geändert habe, ist wohl kaum anzunehmen.

614 Christian Cron,

Heraklit selbst mit seiner Weltansicht dieser Forderung geniigt. Wenn nach seiner Ansicht der Aoyos das Weltall durchwaltet, wenn er das Eine alles umschließende ist, wie sollte er außer- . halb dessen sein, den H. doch wohl zu denen rechnet, die er (Fr. 91) Eur vow Afyovras nennt? Wenn (Fr. 92) der Aoyos Evrog ist, wie sollte H. sich zu denen rechnen, die dahin leben ws idlnv Eyortes poornow? Und nun gar das kühne Wort, zu dem sich der unverzagte Denker erhebt, das wir Fr. 67 lesen: GJavaros Ivnrol, 9vgroi Adururoı, Cwvtec tov Éxelvwr Javaror tov éxelvwv Plor terewrss wie sollte sich dieses mit tder „außerhalb seiner Person liegenden höheren Instanz‘ vertragenÿ Pfleiderer wendet diesem Ausspruche zweimal eine eingehende Betrachtung zu, zuerst in dem „die metaphysischen Hauptsiitze überschriebenen zweiten Abschnitte unter der besonderen Ueber- schrift ,,Oscillation von sterblich und unsterblich“; dann in dem vierten Abschnitte, der die Ueberschrift trägt: ,,Psychologie und Eschatologie“ und u. a von „der Seelen Auf- und Absteigen“ handelt. Wir unterlassen es hier auf diese Erérterung weiter einzugehen und begnügen uns die Worte anzuführen, mit wel- chen Pfleiderer im ersten Abschnitt, der über die ,,erkenntnif- theoretische Stellung“ Heraklits handelt, die ,,das Gemeinsame als identischer Vernunftgrund überschriebene Erörterung im Anschluß an Fr. 1 beschließt. Sie lauten: „Ja man kann sa- gen, daß das Individuum durch diese Lösung von sich selbst geradezu Organ und Sprachrohr einer höheren Macht wird, ob wir nun diese objektive Vernunftsubstanz Natur oder Gott nen- nen wollen. „Weisheit ist es, wahr zu reden und zu handeln, indem man auf die Natur hört“ Fr. 107 "). Oder: „Das menschliche Gemüth hat keine Ein- sicht, das göttliche aber hat sie“ Fr. 96. Nur leider versäumen eben die meisten Menschen, aus dieser ihnen so na- hen Quelle zu schöpfen und ihren Mangel zu ergänzen: „Der unverständige Mensch hat von jeher nur soviel von der Gottheit gehört, als ein Kind vom Manne“. Fr. 97 !6)

15) Bei B. mit zwei Kreuzen versehen.

16) Die Stelle lautet bei Bywater: ‘Ario vrnsos Fxeves nodc da uovos öxwoneo nais noòs avdoos. Die wörtlichste Ueberse schiene uns auch hier die beste: Ein unverständiger Mann hat von der Gott-

Zu Heraklit.- -..:. :618

Noch aber haben wir den oben (S. 607 f.) versprochenen ‚Nachweis zu liefern, daß, wenn man die von dem Kirchen- lehrer dem alten Philosophen ebenfalls zugeschriebenen Worte diesem trotz aller kritischen Bedenken, die nicht zu -verkennen sind, bewahrt und dem Fr. 1 beifiigt, indem man sich zugleich auch zu der von Bywater aufgenommenen Aenderung des tiber- lieferten s?dévas in silvas entschließt, Fr. 2 sich besser an Fr. 1 anschlie8t, als wenn man die fraglichen Worte ohne Fug und Recht dem Heraklit abspricht oder entzieht. Dieses tritt wohl nicht sofort bei den ersten Worten von Fr. 2 zu Tage, wohl aber bei dem zweiten Satze, der mit den Worten beginnt: yivo- .évov yàg navıwv xata tov Adyov tovde. Daß diese mit Fr. 1, ‚wenn dieses nichts anderes enthält, als was aus der Anführung bei Hippolyt mit Wahrung des überlieferten Wortlautes entnom- men wird, sich nicht vertragen, erkennt Patin mit vollster Ent- ‚schiedenheit an, indem er (a. a. O. S. 45) bemerkt, daB „die Worte ysvouévwr yàg ndviwv xarà tov Àoyov tovds nur durch weitausholende Folgerungen verständlich werden, soferne der Inhalt des Logos nur der ist, daß Eines alles weiß“. Diesem Uebelstand glaubt P. nun damit abzuhelfen, daß er aus Fr. 19, das hauptsächlich auf der Anführung bei Diogenes fußt, die in der handschriftlichen Ueberlieferung (s. Bywater App. I p. 55) unsicheren und von mancherlei Vermuthungen heimgesuchten Worte mit Beistimmung zu einer Vermuthung Bergks in folgen- der Fassung ‘ore xvßegrnous mavra dia navımv nach &y mavia ‚eld£ras einschaltet. Doch ist zu bemerken, daß er in der schließ- lichen Zusammenstellung des durch die vorhergehende Unter- suchung gewonnenen Anfangs der Schrift die eingefügten Worte in Klammern einschließt. Diese Klammern aber bedeuten nach der vorangeschickten Erklärung „unheilbare Abweichungen und sehr ungewissen Wortlaut“. Dies letztere Urtheil finden wir hier ganz zutreffend, da trotz der Verweisung auf die Gramma- tik der Infinitiv und zwar des Aorists im Relativsatz doch be- denklich erscheint. Einen so gewichtigen Satz würde Heraklit

heit gehört gerade wie ein Kind von einem Marne. Nicht um das Was? sondern um das Wie? handelt es sich zunächst. . Wir könnten, in unserem Sinn und in unserer Sprache etwa sagen: Ein unverstän- diger Mann vernimmt Gottes Wort wie ein Kind eines Mannes Rede, d. h. er vernimmt nichts von der verborgenen Weisheit Gottes und verharret in Unverstand oder in der Thorheit seines Herzens.

610 Christian Cron,

jener stummen Predigt !?) der Schöpfung, die doch so wohl ver- nehmlich ist‘, sondern auch eine Stelle bei M. Aurel (Bywater zu Fr. 5), in welcher die Worte vorkommen: 2óye 19 tad dle dioixovris. Er ist nun zwar überzeugt, daß der Satz von M. Aurel stoisch gemeint sei, glaubt aber doch, daß „der Ausdruck sich immerhin an einen Heraklitischen anlehnen kénnte“. Wenn nun diese Anlehnung, wie man wohl annehmen müßte, sich auch auf dioixovvi, erstreckte, nun so fragen wir: wie weit ist der Aoyog 6 ta Ou Óiowxéwv , den Sch. irgendwie zur Vermittlung zwischen Fr. 2 und 3 zu brauchen glaubt, entfernt von jenem Begriff, den er dem H. nicht zugestehen will? Denn nach der herkömmlichen Bedeutung des Verbums diosxsiv kann an eine aus der Natur zu dem Menschen sprechende Rede nicht wohl gedacht werden, sondern die das Ganze durch- waltende Rede kann eben doch nur der im All waltende Gedanke sein. Man müßte also wohl annehmen, daß die Zweiseitigkeit des Begriffes, die in dem ohnedies sehr beschrünkten Gebrauch des Wortes bei Homer noch nicht zu Tage tritt, doch ursprünglich in dem Wort lag und sich in dem uns doch nur sehr unvollständig bekannten Sprachgebrauch der ältesten Ly- riker und Dramatiker und Philosophen einigermaßen entwickelte, so daß Heraklit in seiner Denk- und Redeweise ihr Raum ge- ben konnte, ohne erst einen Widerspruch gegen den Sprachge- brauch erklären und rechtfertigen zu müssen. So hätte viel- leicht Sextus Emp. mit seinem rove (Sinn oder Gedanke) nicht so ganz fehlgegriffen; nur möchten wir weniger gern zu dem deutschen Worte ‘Vernunft’ greifen, dessen eigentliche und ur- sprüngliche Bedeutung durch den Gebrauch in der neuern Phi- losophie eher verdunkelt als geklärt worden ist und keinesfalls besonders geeignet erscheint, das griechische Wort :oùç oder Auyog wiederzugeben. Eher dürften wir bei dem Ausdruck 4o- yog ó 1 047 drouxwr nach Heraklitischer Denkweise an den uns näher liegenden Ausdruck ‘der allwaltende Gott’ denken, obwohl dieser Ausdruck bier nicht Platz greifen könnte.

13) Andreae in seiner Üebersetzung der Psalmen (1885) nennt es. eine „Thatpredigt, die, wenn auch nicht in Menschenworte gefaßt, doch vernehmlich genug sei, um allerwürts von den Menschen ver- schiedenster Sprachen, falls sie nur wollen, dem Sinne nach riehtig aufgefaßt werden zu können“.

Zu Heraklit. 611

Ob nun aber hier und besonders Fr. 1 B. (Fr. 79 Sch.) eine solche Auffassung am Platze ist, bleibt freilich vorerst frag- lich. Die Ansichten gehen in dieser Hinsicht noch ziemlich weit auseinander. Schuster übersetzt die Stelle folgendermaßen : „Nicht auf mich, sondern auf meine Beweise hörend thut man weise einzugestehen, daB das Entgegengesetzte alles Eins ist^. Obwohl nun Sch. von der früher von ihm verfochtenen Bedeutung 'Rede' die er in der Uebersetzung von Fr. 9 dem Wortlaut nach zur Geltung bringt, hier im Ausdruck abweicht, so bleibt er doch der gewóhnlichen Bedeutung des griechischen und deutschen Wortes hier treuer als dort, wo er über den Be- reich menschlicher Kundgebung hinausgehend zu der „Offenba- rung, welche die Natur uns bietet in vernehmlicher Rede“ hin- überschweift Doch konnte er freilich den Ausdruck ‘Rede’ dem Wortlaut nach nicht festhalten, weil sonst der Gegensatz zu éusv noch fraglicher erschienen wäre, als er es auch jetzt ist. Wenigstens fragt Patin a. a. O. S. 68: ,denn was in der Welt von ihm hóren, wenn nicht seine Rede ? Dieser Widersinn ist nun, wie gesagt, wenigstens gemildert durch die Uebersetzung: ‘meine Beweise. Denn so ganz schlimm, wie Patin behauptet, der in dieser oder einer derartigen Uebersetzung nur das be- kannte mephistophelische Auskunftsmittel sieht und für die nichts- sagende ,, Phrase“ überdies „die Gefälligkeit der deutschen Sprache" verantwortlich macht, steht es mit dem Sinn des frag- lichen Ausdrucks doch nicht. Vor allem ist hier die deutsche Sprache, die sich oder richtiger gegen die sich ihre Kinder gar oft versündigen durch ihre Gefälligkeit gegen fremde Anmaßung oder vielmehr durch eigene Geistestrügheit gepaart mit gedan- kenloser Vorliebe für alles fremdlündische, frei von Schuld. Denn hier unterscheidet ja die deutsche Sprache die verschiede- nen Begriffe auch durch verschiedene Bezeichnungen, wührend die griechische Sprache mit alterthümlicher Einfalt und: Gedan- kentiefe durch ein Wort eine Fülle von Begriffen zum Aus- druck bringt, die für den sondernden Verstand oft schwer rich- tigzustellen sind. So läßt sich das Hören auf eine Person zwar nicht wohl von dem Hóren auf ihre Rede, wohl aber von dem Hôren auf die dargelegten Gründe oder Beweise und von dem Verstehen derselben unterscheiden. Dies weif) P. natürlich ebenso gut wie ich; nur meint er, H. brauche dem

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allgemeinen Widerspruche nicht zu versichern, daß er keinen Autoritütsglauben fordere. Der Autoritütsglaube kann nun aber je nach VerhältniB ein lobens- oder tadelnswerther sein. Wenn ein Kind auf das Wort des Vaters hórt oder ein Kriegsmann auf das seines Befehlshabers ohne erst Gründe für dessen Be- rechtigung zu verlangen, so handelt dieser und jenes nur löb- lich, während das avrog ipa in der Philosophie allerdings we- niger am Platze ist und seine Berichtigung findet in der Mah- nung: vage xai péuvuo amoruiv' agtea raUr« Tay ger. Wäre es nun ganz undenkbar, daß Heraklit, dem bekanntlich Scheltworte und Zurechtweisungen nicht allzu ferne liegen, es für gut befunden habe, den Leser gleich am Eingang seiner Schrift zu bedeuten, welche Leser er wolle und welche nicht? Zu letzteren mag er wohl die rechnen, die er (Fr. 6) dxovous ovx émoruueror oùd eineiv nennt. Denn (Fr. 117) BAGE ur Fowros àni navıi Moyw Enronodar quién !*).

Ein anderes Ansehen kann die Sache freilich bekommen, wenn man die AeuBerung im Zusammenhang mit anderen sich anschließenden betrachtet. Räumt man ihr mit Bywater und Patin die erste Stelle ein und schließt man daran mit oder ohne Zwischenglied die Worte, welche Aristoteles dem Anfang der Schrift zuweist, so fragt es sich, ob die Worte ‘rou Aoyos tovd. dóvioc mit oder ohne «lí jene in Fr. 1 angenommene Bedeutung von tov Adyow festzuhalten erlaubt. Daß Schuster trotz seiner Versicherung über die gewóhnliche Bedeutung des Wortes ‘Rede’ hinausgeht, ist schon oben bemerkt worden. Pfleiderer dagegen bleibt auf dem eingeschlagenen Wege der Deutung, indem er Fr. 1 S. 51 so wiedergibt: ,,Nicht auf mich, sondern auf den verniinftigen Sinn des durch mich Dargelegten

14) Letztere Stelle kann auch als Beispiel dienen fir die Mehr- deutigkeit Heraklitischer Ausspriiche. Es geniigt auf Schusters und Pfleiderers Uebersetzungen hinzuweisen. Erstere lautet: „Ein Dumm- kopf pflegt bei jedem [neuen] Wort ängstlich zu sein“; letztere: „Bin thörichter Mensch läßt sich gerne von jeder Rede imponiren“. Letztere drüekt den Sinn wohl richtiger aus als erstere, die in dem eingeklammerten Worte dem System zu lieb etwas beifügt, verleug- net aber in dem modernen Gewande etwas den Grundton, der viel leicht durch folgende Uebersetzung besser gewahrt würde: Ein th. M. pflegt bei jeder Rede außer sich zu sein’. Im Phädon setzt Pla- ton dem un énroÿodas nspi tac éni9uusag das oleycigoc Iysır n) xog-

“iwc gleich, und das meinte wohl auch Plutarch, wenn er in der

einen Fundstelle sagt: navti Acym nie giov woneg nvevuan napadidoës avıor.

Zu Heraklit. | 613

(Aoyos) hórend sollen sie zugéstehén —-“ (die Ergänzung dét hier abgebrochenen Rede ist aus dem B. 282 Gesüptén zu ent- nehmen: ‘daß Eines Alles wisse’). Und det erste Satz von Fr. 2 lautet S. 61: „Obwohl das, was ich im folgenden därlöge, der beständige Sachverhalt ist, sind doch die Menschen ohtié Einsicht dafür, sowohl ehe sie dgvon hóreh, als nddidem sie & vernommen“. Man sieht, Pfleidérer versucht gewissermafen Schuster mit Bernays zu vereinigen, der (G. A. 8. 80) bethesktt? »0 Aöyog . . ist stehende und weitestgreifende Bezeichnung des heraklitischen Princips". Disses kommt bei Pfleiderer im ersten Satz durch die Worte ‘auf det verntinftigén Sinz’ und int swa- ten durch ‘der beständige Sachverhalt’ einigermaßen zum Aus: druck, während dort die Worte ‘des durch mich datgelegten’, hier die ‘was ich im folgenden daflége’, Sehusters Forderung wohl genügen möchten. Ob auch der Patins, welcher 9. 68 A. 1 bemerkt: H. „muß sich auf eins wirklich höhere Instenz berufen, die wirklich außerhalb seiner Person Hegt'', ist str be- zweifeln.

Doch ehe wir auf diese Frage näher eingehen, sid mod einige Kleinigkeiten zu erledigen. Zunächst handelt es sich wit die Auffassung des Pronomens rovde. Pfleiderer sucht der be: kannten Unterscheidung von ovrog und ode Géntige su this durch den Ausdruck ‘im Folgenden’ und it demi weiteren Ver- lauf der Stelle vermitteist der Uebersetzung von ‘xard bv Ad= yov zovde’ durch ‘nach der hier zu entwickelnden Weise’. Doch hat diose Hinweisung auf eins erst zu erwartende Erdy- terung etwas Unzuträgliches, weswegen die von Patitt vorgezo- gene Auffassung, nach welcher der 4. als ein unmittelbar gegenwärtiger bezeichnet werden sell, da die sprachliche Berechtigung außer Frage steht, auch wirklich den Verzug vere dient. Die gleiche Bedeutung wäre festzuhalten, wein Alan sovde mit éovroc zusammen als Prädikat faßte, was. möglich, aber nicht nothwendig oder vorzuziehen wäre, wogegen: die voti Schuster auch als möglieh befundene Uebersetzung ‘obgleich dies eine Rede ist’ sprachlich und sachlich unzulässig erscheint. :

Kehren wir nach dieser Zwischenbemerkung zu der For- derung zurück, daß H. sich hier auf eine „außerhalb seiner Per- son“ liegende höhere Instanz berufen muß, so bezweifeln wir nicht bloß, daß Pfléiderer mit seiner Webersetauhy, sondern daß

614 Christian Cron,

Heraklit selbst mit seiner Weltansicht dieser Forderung geniigt. Wenn nach seiner Ansicht der Aoyog das Weltall durchwaltet, wenn er das Eine alles umschließende ist, wie sollte er außer- . halb dessen sein, den H. doch wohl zu denen rechnet, die er (Fr. 91) Eur vom Aéyovras nennt? Wenn (Fr. 92) der Aoyos Euros ist, wie sollte H. sich zu denen rechnen, die dahin leben wc lótgv Eyovtes poornow? Und nun gar das kühne Wort, zu dem sich der unverzagte Denker erhebt, das wir Fr. 67 lesen: addvaros Jvmol, Svgroi Adavuroı, Lüvrec row Éxelvwy Iavarov 10v exelvwv Blov teFvewtes wie sollte sich dieses mit tder „außerhalb seiner Person liegenden höheren Instanz“ vertragenf? Pfleiderer wendet diesem Ausspruche zweimal eine eingehende Betrachtung zu, zuerst in dem „die metaphysischen Hauptsätze überschriebenen zweiten Abschnitte unter der besonderen Ueber- schrift „Oscillation von sterblich und unsterblich“; dann in dem vierten Abschnitte, der die Ueberschrift trägt: „Psychologie und Eschatologie“ und u. a. von „der Seelen Auf- und Absteigen“ handelt. Wir unterlassen es hier auf diese Erörterung weiter einzugehen und begnügen uns die Worte anzuführen, mit wel- chen Pfleiderer im ersten Abschnitt, der über die „erkenntniß- theoretische Stellung‘ Heraklits handelt, die „das Gemeinsame als identischer Vernunftgrund überschriebene Erörterung im Anschluß an Fr. 1 beschließt. Sie lauten: „Ja man kann sa- gen, daß das Individuum durch diese Lösung von sich selbst geradezu Organ und Sprachrohr einer höheren Macht wird, ob wir nun diese objektive Vernunftsubstanz Natur oder Gott nen- nen wollen. „Weisheit ist es, wahr zu reden und zu handeln, indem man auf die Natur hört“ Fr. 107 15). Oder: ,Das menschliche Gemiith hat keine Ein sicht, das géttliche aber hat sie“ Fr. 96. Nur leider versiumen eben die meisten Menschen, aus dieser ihnen so na- hen Quelle zu schópfen und ihren Mangel zu ergänzen: ,,Der unverstindige Mensch hat von jeher nur soviel

von der Gottheit gehôrt, als ein Kind vom Manne“. Fr. 97 16) |

15) Bei B. mit zwei Kreuzen versehen.

16) Die Stelle lautet bei Bywater: vo vrnıos ?xoves node dai- povos oxwonsp nais ngóc avdoos. Die wörtlichste Uebersetzung schiene uns auch hier die beste: Ein unverständiger Mann hat von der Gott-

Zu Heraklit. - ‚615

Noch aber haben wir den oben (S. 607 f.) versprochenen Nachweis zu liefern, daß, wenn man die von dem Kirchen- lehrer dem alten Philosophen ebenfalls zugeschriebenen Worte diesem trotz aller kritischen Bedenken, die nicht zu -verkennen sind, bewahrt und dem Fr. 1 beifügt, indem man sich zugleich auch zu der von Bywater aufgenommenen Aenderung des über- lieferten eldévas in sivo, entschließt, Fr. 2 sich besser an Fr. 1 anschließt, als wenn man die fraglichen Worte ohne Fug und Recht dem Heraklit abspricht oder entzieht. Dieses tritt wohl nicht sofort bei den ersten Worten von Fr. 2 zu Tage, wohl aber bei dem zweiten Satze, der mit den Worten beginnt: ysvo- uérwr yao navıwv xara tov Adyov tovds. Daß diese mit Fr. 1, wenn dieses nichts anderes enthält, als was aus der Anführung bei Hippolyt mit Wahrung des überlieferten Wortlautes entnom- men wird, sich nicht vertragen, erkennt Patin mit vollster Ent- schiedenheit an, indem er (a. a. O. S. 45) bemerkt, daß „die Worte yirouérwr yàg naviwy xata tov Aoyov tovde nur durch weitausholende Folgerungen verstindlich werden, soferne der Inhalt des Logos nur der ist, daß Eines alles weiß“. Diesem Uebelstand glaubt P. nun damit abzuhelfen, daB er aus Fr. 19, das hauptsächlich auf der Anfiihrung bei Diogenes fuBt, die in der handschriftlichen Ueberlieferung (s. Bywater App. I p. 55) unsicheren und von mancherlei Vermuthungen heimgesuchten Worte mit Beistimmung zu einer Vermuthung Bergks in folgen- der Fassung ‘ore xvßeovnou mavra du mavrw» nach £f» mavia sidé: as einschaltet. Doch ist zu bemerken, dafì er in der schließ- lichen Zusammenstellung des durch die vorhergehende Unter- suchung gewonnenen Anfangs der Schrift die eingefiigten Worte in Klammern einschließt. Diese Klammern aber bedeuten nach der vorangeschickten Erklärung ,,unheilbare Abweichungen und sehr ungewissen Wortlaut“. Dies letztere Urtheil finden wir hier ganz zutreffend, da trotz der Verweisung auf die Gramma- tik der Infinitiv und zwar des Aorists im Relativsatz doch be- denklich erscheint. Einen so gewichtigen Satz wiirde Heraklit

heit gehört gerade wie ein Kind von einem Manne. Nicht um das Was? sondern um das Wie? handelt es sich zunächst. Wir könnten in unserem Sinn und in unserer Sprache etwa sagen: Ein unverstün- diger Mann vernimmt Gottes Wort wie ein Kind eines Mannes Rede, d. h. er vernimmt nichts von der verborgenen Weisheit Gottes und verharret in Unverstand oder in der Thorheit seines Herzens.

616 Christian Cron, Zu Heraklit.

doch kaum in so nebensächlicher Form einftihren. Wir ziehen daher den anderen Weg vor, der uns einfacher und sachge- mäßer zu dem vorgesteckten Ziele führt, nämlich für das ‘xuta tov Zoyov róvd& die Erklärung nicht erst in der folgenden Ent- wicklung suchen zu müssen, sondern bereits in dem ersten Sats ‘der Schrift gegeben zu haben, so daB der Leser sie bei den fraglichen Worten bereits deutlich vor Augen hat. Dieser Zweck wird erreicht, wenn man dem Philosophen láfüt, was unser Ge währsmann ihm ausdrücklich zuschreibt, und ihm da seine Stelle anweist, wo es am ersten Platz findet. DaB der Wortlaut nicht ganz sicher ist und am Ende auch über die Art des Anschlusses Zweifel bestehen können, ist bei der schon angedeuteten Be- schaffenheit sowohl des Berichterstatters als auch der Ueberlie- ferung nicht zu verwundern. Dies aber steht wohl fest und unterliegt keinem Zweifel, daß, wenn man diesen Zusammenhang annimmt, Aoyoc in den fraglichen Worten ganz zu der Bedeu- tung gelangt, die Bernays fiir dieses Wort mit dem Artikel in Anspruch nimmt, nämlich ,,stehende und weitestgreifende Be- zeichnung des Heraklitischen Princips^ zu sein. Denn was kónnte mit mehr Recht als Grundgedanke der heraklitischen Philosophie und nach dieser als Grundursache alles Daseins und Lebens anerkannt werden, als daB das Eins nicht in unbewegter Verschlossenheit in sich verharrt, sondern in allen Erscheinungs- formen und Gegensützen sich bewegt, daB das Sein das Werden nicht ausschließt. Dieser Grundgedanke spiegelt sich in zahl- reichen, mannigfaltigen, zum Theil sibyllinisch räthselhaft lau- tenden Aussprüchen wieder, denen wir hier nicht näher nach- gehen können, weil wir sonst befürchten müßten, die Grenzen der gegebenen Vollmacht doch zu überschreiten. Die Weitliu- figkeit der vorstehenden Erörterung aber wolle der geneigte Leser mit der Schwierigkeit der zur Sprache kommenden Fragen ent- schuldigen, und der geehrte Verfasser der neuesten Schrift über die Philosophie des Heraklit daraus entnehmen, mit welcher Theilnahme wir den Untersuchungen des geistreichen Buche gefolgt sind.

Augsburg. Christian Cron.

XXX.

Zur Ueberlieferung der apophthegmata Laconica.

Die apophthegmata Laconica, welche sich unter den soge- nannten Moralia Plutarchs befinden, gehen in der in den Aus- gaben vorliegenden Gestalt im Wesentlichen auf eine Ueberliefe- rung zuriick, wie sie in der von mir mit dem Namen corpus Planudeum bezeichneten Sammlung enthalten ist. Wir finden diese Sammlung vollstindig, soweit mir bis jetzt bekannt ist, in den codices Ambros, C 126 Inf., Laurent. LXXX 5, Marcian. 248, Paris. 1671, Paris. 1672, den größeren Theil der Schriften im Petavianus (= Vaticanus reginae Christinae 80; vergl. das l. Heft meiner Mittheilungen zur Geschichte der Ueberlieferung von Plutarchs Moralia S. XIII),

Es giebt aber noch eine andere von dieser abweichende Ueberlieferung; ich kenne sie besonders aus dem Ambros. M 82 Sup., Marcian. 250 und Paris. 2078. Ebenso hat Raphael Re- gius in seiner lateinischen Uebersetzung der apophthegmata La- conica vom Jahre 1507 einen zu dieser Gruppe gehórigen codex benutzt. Auch die neueren Herausgeber haben sie gekannt, Da- niel Wyttenbach aus einem Harleianus, aus dem genannten Mar- cianus und Parisinus, Friedrich Dübner aus letzterem oder we- nigstens aus der Vergleichung desselben vom Griechen Kontos, Aber für die Textgestaltung sind diese Handschriften recht we- nig verwerthet worden. Und doch bieten sie uns einen vollstün- digeren und zuweilen auch besseren Text als jene Planudische

618 M. Treu,

Ueberlieferung. Ich will mich im Folgenden darauf beschrän- ken, erheblich abweichende Stellen, sowie diejenigen apophtheg- mata mitzutheilen, welche in den Ausgaben gar nicht zu finden sind; ich hoffe, daß diese Auswahl denen, welche sich in sach- licher Beziehung mit jener Schrift beschäftigen, solange von ei- nigem Nutzen sein wird, als keine kritische Ausgabe erschienen ist. Um jedoch auch zu zeigen, wie wenig auch diese codices zur Herstellung eines lesbaren Textes beitragen, fiihre ich auch die wenigen Stellen an, in welchen Lesarten bestätigt werden, welche Eduard Kurtz in seinen trefflichen Miscellen zu Plutarch's vitae und apophthegmata theils selbst verbessert, theils wieder- hergestellt hat. Ueber den bisher vóllig unbenutzten Ambros, M. 82 Sup. (A) habe ich im 3. Hefte der oben angeführten Mit- theilungen S. 10 gesprochen, über den Marcian. 250 (M) im 1. Hefte S. XIII. Paris. 2078 (P, bei Wyttenbach J) ist aus dem XV. Jahrhundert und enthält an Schriften, die unter Plu- tarehs Namen gehen, nur noch die apophthegmata reg. et imp. Raphael Regius (r) kenne ich aus der Ausgabe von Sebastian Gryphius (vergl. das 3. Heft der Mitth. S. 35). Ich citiere nach dem 3. Bande der Dübnerschen Ausgabe vom Jahre 1868.

S. 253, 35 (Ages. 4) vai ua dia A roth am Rand; per lovem r. Vergl. Kurtz S. 38.

S. 262, 2 (Ages. 77) noo9vcoao9« AP; sacrificium facere r. Kurtz S. 29.

S. 262, 25 (Ages. 79) unis nâaGtur, unis yeantay, pure uoundav rob Owuurog elxovx AP fictam pictamve aut effigiatam corporis imaginem r; M hat nur mye nAucınv TOU cwparog &xora.

S. 265, 8 (Alexandr. 1) ' 4raEavdofdac APr. Wyttenbach animadv. a. h. l. Auch die alphabetische Reihenfolge der Na- men spricht dafür.

S. 26 7, 19 (nach Archidamus Zeuxid. 3): épwsndei dé, dini puixgoîg roig lyyespid(ow; yowvrus, Gre twv üAlwr En voi; noltufoig Eyyıov noognelatoper. AMP; darnach: smornooù u- vog avió» fowroariog, to tors Fragriardv Èmesstoraroc, 6 oot Epn undiv nupömorog. AP.

S. 267, 28 (Archidam. Zeuxid. 5) beginnt: éwsww tir Kogwdlwr nó)» pera cigarevuatos eldev AMPr. . - Eu

Zur Ueberlieferung der apophthegmata Laconica. 619

S. 268, 31 (Bias); Blog statt Brag, offenbar verstiimmelt aus ' AvuklBr0s- AMP. Doch verbietet die alphabetische Folge dies in den Text zu setzen. Wyttenbach animadv.

8,268, 39—42 (Brasid. 2) stimmt in Mr mit der vul- gata. In AP steht statt des apophth. xaí, mug éreu9n, dew- andels, nçodovons ue Èpn tig dontdos das folgende: zapaxa- Aovjssvog uno tiv0g Gopsoroù zÓv maguradovyia jer, on im- delxvuodas perle xdxelvog einer ‘Houxhéous éyxu mov. xai. 001 yao wéye tov Fedv rovrov. Nach éyxwyusov ist wohl eine Lücke.

S. 271, 28 (Thearidas) lautet: @sugidag Eipog dxovwy xai ÉQUTUUEVO, al oSv tot, GEvtegov diafodîg eine. AMP.

S. 272, 2 (Theopomp. 3): xei noregor tpn, d sie, 0 60ç AMPr.

S. 272, 12 (nach Theopomp. 5): émdesevupévov wog avr reiyos xai nuvFavoptvov, el xgaregdv xol üwpnlor, ovd el yu- vasxiv etnev jv. AMP. Darnach ist auch in den apophthegm. reg. et imp. p. 228, 30 (Theopomp.) xgniegör statt xaÀQr zu lesen.

S. 275, 11 (Cleomenes Anax. 16): 00% xexopíxes youoea te xa) doyvosa èunupara, yao. AMPr. Wyttenbach animadv.

S. 276, 12 (nach Leotychides Aristonis 3): avPopévouv uvog, dcatl ano tiv modepalwv Onda roig Feoig oùx dvan- Péaow, Ep or ta dik tv desdlav tv xsxrnpévav Ingadévia' oure tovs véovs o9ayv xudovr, ovis roig Jeoïc avandtrvas. AMPr. Dagegen fehlen in AMPr. p. 275, 24 (Cleomenes Anax. 18) die an dieser Stelle entbehrlichen Worte ra yov» bis dvanFévus.

S. 276, 33 (Leonidas 8): OGeguonvAag, ovx GÀÀag Egg eos nv» AP.M in Rasur vielleicht dAfyoug statt allg. r: EX ad quod, inquit, vadimus opus?

S. 276, 35 (Leonid. 4): gun n Eregor diérrwnus (Eyvwxacg A) mowiv, n ta¢ nagodovg av Papßapwr xwivesv; tb Adro Ëpn x: T. À. AMP. Wyttenbach animadv. Kurtz 9. 39.

S. 277, 50 (Lyc. 1): xvrgyqrexov A. Kurtz S. 39.

S. 278, 23 (Lyc. 3): edgoó AMPr.

S. 279, 34 (nach Lye. 9): GA’ alozuveodas ele Av sloayov (?) olxelav Èxmupara xoi ciquuara xal rohorlats 100- méCag M, auch r.

S. 279, 43 (Lye. 11): > Aynorddov AMP. Kurtz 8. 89.

S. 279, 46 (nach Lyc. 11): rerewpévor yoùr Ida» "Arrad-

620 M. Treu,

xidas, xaia eine za rgogpeïa (cime s0ogeiu antyets A), Bovio- pérovs uviods urn: eldoras paysotat dıdakus AP. tergwuévor yovv avıov luy ‘Aviudxlduc evexcder, Om pi) Bovdonévovs avrods ponte eldorag püytc9ui Udldake. xala yao spy didaczaleta ga Onfalwr anolauSdveav avrov &Floavta xal dıdakurın modepeiy axovtuc. Mr.

S. 281, 5 (Lye. 22): fake rv Fewv tag Fvolas AMP.

8. 281, 13 (Lyc. 24): Bldarwuev M. Kurtz S. 34.

S. 281, 48 (Lysander 1): Avourdgog Asovvotov :ov tig Sixehlug tvpuvvov né£uyarvrog avrov raig Fvyargaow incarna ro- AvreAn ovx ZhuBev elnav dedsévar, un del rasta peaddov uloyoui pavaosr udd’ Gllyov boregov góc TOV uUIÒY tuguvvov Ex tHE nodews unocruheis colores wéupavtog avi rov 4sovuolou dvo Groldg xai xelevoavtoc, nv Bouderas, tuurnpr Ehomevov ti Fuyargì xo- alle, aviv exelynv tpn PéArior aignosodu xui AaBwv duepo- tous annddev. So AP, nur daß P zgooséupaurros nach dglorag schreibt und A Zpn auslift. M stimmt bis gurwow, darnach: oMyov ab voregov ngo [Lücke] méuwavrog av: tov Asovuctov dio OroÀag xui xelsvouvıog nv Bovderas tovrwy Elowerov rj Fu- yuroi xoulbeiv, êxelrnv Epn x. tr. 4. Ebenso wie Mr.

S. 281, 47 (Lysander 2) beginnt darauf in AMPr cogs- ons dewos yevouevos 0 Avourdoog xai ün&tusg.

S. 282, 24 (Lysander 9) apecrwiwy AMP. Kurtz S. 39.

S. 282, 52 (Lysander 14) ’-4ysadwy AP ’Ayıadov M. Kurtz S. 34.

S. 283, 27 (Nicander 3) «47% AMP. Kurtz S. 40.

S. 283, 29 (Panthoidas) beginnt: /Zavdoldas xgecBev wv elo (tiv M) Acta» enidecxviviwy avr. Twwv tsigos kya xai vyniov AMPr.

S. 285, 7 (Plistarch. 1) éxeîvos pèv” Ayıy Bacrdevesr Èyopbor, of d’ éxslvwr doreoos ovduuws AP. M wie die vulgata, ohne d’ éxelvwr doiegor ovduus. Wyttenbach animadv. Kurtz S. 40.

S. 285, 11 (nach Plistarch. 2): moog de 10v undova ps- uovpuevor fdiov Èpn, w Eve, uvtIG axovea ang andovog AP.

S. 285, 13 (Plistarch. 3) Favpalw Ep, el pa ng avrg einer antdave0 AMP.

S. 286, 33 (Charill. 4): Z9wryoavreg nro; udrer, iva

Zur Ueberlieferung der apophthegmata .Laconica. . 621

(Ces moditeiur aglommv (sivas A) En. AMP, am Schluß dyo- cda dJélwo M, dJélouce AP.

S. 286, 40 (nach Charill. 5): mgóg roy nuSousvor, dia tf xouWwoı, ebner Om tw xoguww è pudixoc xai Uddzavos oùreg éor(. AP.

S. 286, 43 (nach Nr. 1): $mroaog puxgor xurazslvurtog Aoyov x«i tdg umoxgices alroUvrog, lu roig modbroug drmuyyetdg (anuyysthes A) anuyyedde tolvuv EÉguGav, O16 n0As pèv Ov èravew héywv, polis nueis axovovies. AP. Wyttenbach animadv. bringt dies apophth. ebenfalls, aber nicht aus M, sondern wohl aus dem Harl, denn in M fehlt sowohl Nr. 1, wie dieses apophth. In A sind in Nr. 1 die Worte Zmsisi«dages bis nouru ausgefallen; in r fehlt Nr. 2. !

S. 287, 3 (nach Nr. 8): &Aiog mudoptrov 106, dient éyxssoudlouc Poaykoı yonoFe, Ina nAnolov sins roig nokeulosg ele yetous Tewues AP. In Mr fehlt dies, in M auch noch Nr. 4.

S. 288, 16 (Nr. 23): avruywrsctas of véow. AMP.

8. 288, 32 (nach Nr. 27): Anunroiov èyxadovvros, ots Eva noeoBevriy Énsuwav moóg avtov, oùy ixavóg ovv simo» ef, ngog &va sig AMP. Wyttenbach animadv. bringt dasselbe aus MP Harlei., schreibt aber ixuvog our, stor, el ngog. So fat es auch r auf. |

S. 288, 42 (Nr. 31) #ueldov statt ZueAder ist wohl nur Druckfehler: rel diaAvec9 us Fusddev übersetzt r: quum is mo- riturus esset. Kurtz S. 35.

8. 289, 44 (Nr. 42) lautet in 4P, nicht in Mr: ywiog êni noAsuor EEiwv Enuxolovdovvıwv avidi way x«i diaysduiviwv (ysAuvruv A) envorgagets eine xaxai xepalul ov gevyorta dei roig modeuloi uuyeodur, adda pévorta xal ijv kw quâut- zovra. So auch Wyttenbach animadv. aus P.

S. 290, 7 (Nr. 47) »} Sew statt vij dla AP. v per louem. M hat Nr. 46 garnicht. Wyttenbach animadv.

S. 290, 18 (Nr. 49) Kurtz S. 36 stellt her: zouro ws ov raFagg, 6podQ« Qvnagi nAsiov nuguget; AP hat: Toro ws xuJaQQ, cpodou di QvnagQ nisiov mag£ye. M: 10 rov ip xai xaJugi, opodea duragd mAkov ragéyes. r: quid- nam hoc? ait, quod ut immundo ualdeque sordido plus aquae praebet ?

S. 290, 20 (Nr. 50) beginnt: @unnov rov Maxsdoros

622 M. Treu, Zur Ueberlieferung der apophthegmata u.s. w.

noooiuırovıog deva (twa AP) dv lmoroAijc, avityoayar of Aa- xedaıuorıoı Dilnno negi wry aumıw (aus AP) Eygawac, où' ore évéBadev elg r3». Aaxwrexnvy 6 Dllunnos xoi edoxovwv. AMP. So auch Wyttenbach animadv. aus MP. Im Harlei. fehlt Nr. 50 ganz. | S. 297, 34 (nach Gorgo): épwmdeioa de $no nvoc > Arnxîs, diutl vusic &gyere povai rdv avdowv ul Adxwras On Ep xaì tixıousv uovas avdgac. noorpenopévn r0» avdoa Aswvidav ébiovrn sl; Osouorvius akvov tng Znagrqgg pavia, mowrtwe tl XQ Teurtev; 0 08 pn ayadòv yausiv xal dyada ulxiev AP. S. 298, 15 (nach Nr. 1): «An zöv vidv àv nagurafsı me- corra, Epn° Oriol xhaséodwoav, éyw ce, téxvov, aduxgus xai iduga Funtw, 10v xoi èuov xui Auxsduuoviov. APr. In M fehlen diese Worte, wie auch Nr. 1. Nach nuguruëes ist aus Ambros. C 195 Inf. uaJovoa zu ergänzen. Dem entsprechend

hat.r: quum filium în acie cecidisse audisset. Breslau. M. Treu.

Excerptorum Palatinorum specimen.

In codice Palatino Graeco 129 Heidelbergensi, de quo aliis codicibus miscellaneis quibuscum arte cohaerere eum mihi per- suasum est inspectis accuratius dicam, folis 113 et 114 inter scholia, quae maximam partem pertinent ad Aelium Aristidem, non pauca snnt quae quo referam adhuc nescio . ita nusquam alibi hane de septem sapientibus legi narratiunculam (fol. 114° 24—28): ı75 Hàa«dog ovouubbpero Ente cogol "Ens yonowög éEénece 10 copwrutw dodiras tov reguuagniov Tol- nodu, Exadtos Éavroù Oopwi£govg toùs addoug xgívwv did quÀo- copor émeixeur dg adAjiors diunavımv üvaxvxAovjuévov ntQuodsxaG nuoéneunev xai TEAog &mogrGuvrtg TQ AnoAlwrs rovrov av€Iy- xav): nusquam hoc ambiguitatis exemplum (fol. 114" 28—30):

Oi "Iwveg notè 10 Erıßwuov Euégupavro Eniyouupa, Àéyor HPAKAEITOIEODEXIOI (codex: nouxistrw Eyeolw), dote regi thy noosmdlav tye augebo- Muv- elle yàg 10 “Heaxieitm td qguocope avetéIn 6 Bwuds, etre 1) "HooxAsi, ovx our elneiy ?), Vratislaviae. M. Treu.

1) [Verba nova sunt, rem invenies apud Plutarchum Solon. cap. IV, unde haud scio an sua hauserit excerptor Palatinus. Plura dabit Schneider Callim. II p. 245sq., Meinekius Choltamb. p. 158sqq. 0. Cr.] 2) [Similia sunt quae de BAZTAKAPAZ inscriptione leguntur apud Hesychium s. v. et Zenobium app. prov. 50 (III 115 Mill). Cr.)

XXXI.

Zur Composition von Petronius Satirae.

Bei der griechischen Stadt Campaniens, in welcher der An- ig der uns erhaltenen Bruchstiicke Petrons spielt, hat Encol- »s, der Held des Romans, eine nächtliche Feier des Priapus stort und geräth deshalb mit seiner Priesterin Quartilla in sanfte Beriihrung (c. 16—26). In Croton wendet er sich mit rem Gebet an denselben Gott und Oenothea, die dort Priapus’ enst versieht, unternimmt es ihm die entschwundene Mannheit ederzugeben (c. 133—136). Auch in Massalia, das der Schau- itz eines verlorenen Theiles des Romans war, muf Encolpios t dem Priapus-Dienst in Berührung gekommen sein (fr. 1 u. 4 t Biichelers Anmerkung ed. mai. p. 207). Aus alledem erhellt nächst, worauf Bücheler zuerst aufmerksam machte, daß Pria- s im Roman eine bedeutende Rolle spielte.

Ueber diese bekannte Thatsache hinaus führt uns die ge- uere Betrachtung einiger Stellen, welche Encolpios’ Beziehun- n zu Priapus etwas nüher erkennen lassen. Wir gehen dabei n dem eben erwühnten Gebet aus (188). Nach der Anrufung s Gottes (V. 1— 4) sagt Encolpios:

9 huc ades et Bacchi tutor Dryadumque voluptas

et timidas admitte preces . non sanguine tristi perfusus venio, non templis impius hostis admovi dextram, sed inops et rebus egenis attritus facinus non toto corpore feci. 10 quisquis peccat inops, minor est reus. hac prece, quaeso,

624 Elimar Klebs,

exonera mentem culpaeque ignosce minori, et quandoque mihi fortunae adriserit hora, non sine honore tuum patiar decus,

Es folgt die Aufzählung der versprochenen Opfer.

Die älteren Ausleger bringen zur Erklürung dieser Stelle gar nichts bei!) Nur die gewohnte Verkehrtheit bei Petron, nicht zufrieden mit dem reichlich Gebotenen, allüberall Obsceni- titen zu wittern, verläugnet sich auch hier nicht. Douza und Gonsales deuteten die Worte inops et rebus egenis attritus auf Encolpios’ kórperlichen Zustand und bezogen die ganze Stelle auf sein Abenteuer mit Circe?) Diese Auslegung ist sprachlich und sachlich gleich unmôglich. Es genügt zu bemerken, daf Encolpios in seiner Unfähigkeit die Wünsche der schónen Circe zu befriedigen, wohl eine Strafe des erzürnten Gottes erblicken konnte und so geschieht es thatsüchlich —, nimmermehr aber ein Vergehen gegen den Gott selber, wegen dessen er diesen um Verzeibung bittet?) Mit klaren Worten bekennt er, gegen den Gott, von Armuth getrieben, gefehlt zu haben. Die Beto- nung der Armuth als des treibenden Beweggrundes läßt zwar zuerst an einen Raub oder Diebstahl denken; aber sie schließt jede beliebige andere Handlung nicht aus, die um des Geldes wilen von Encolpios ausgeführt wurde. Auch die Wendung V. 9 'nieht mit dem ganzen Leibe habe ich sie vollbracht! sondern also nur mit einem Kórpertheil ist viel zu allgemein, um eine bestimmte Handlung zu kennzeichnen. Denn sie ließ sich mit gleichem Recht und Unrecht so ziemlich von allen phy- sischen Handlungen gebrauchen. Auch der Gegensatz, den sed V. 8 einleitet, läßt eine mehrfache logische Deutung zu. Am nächsten liegt, daß Encolpios seine That als leichtes Vergehen Beispielen von besonders schweren Verbrechen gegenüber stellte. Aber man kann auch zu einer genaueren Auslegung kom- men, wenn man einen engeren Zusammenhang der Worte non templis impius hostis admovi dextram mit dem Folgenden annimmt. ‘Nicht habe ich als Feind an Tempel die Hand gelegt’, weist auf Zerstörung oder wenigstens Ausplünderung von Tempeln; wer solches begangen, ist ‘unsühnbar’ (impius) Einera solchen

1) Vergl. Burmann’s Ausgabe 1? 822.

2) Douza (Praecidan. Il c. 133, bei Burmann II 48) änderte dabei et rebus egenus attritis. Gonsales bei B. II 274.

3) ‘deprecatus sum numina versu! heißt es vor dem Gebet.

Zur Composition von Petronius Satirae, 625

Frevel konnte Encolpios mit der verschleiernden Wendung fa- cinus feci ein anderes, leichteres sakrales Vergehen, z. B. etwa die Aneignung von Opfergaben, entgegensetzen; bei dem auch von der Seite des subjectiven Thatbestandes, juristisch zu reden, mildernde Umstände geltend gemacht werden: es entsprang nur drückender Noth.

Natürlich begründete eine Handlung wie die eben als Beispiel angeführte objektiv auch ein schweres sakrales Ver- gehen; sacrum sacrove commendatum qui clepsit rapsitve parricida esto, sagt Cicero in seinem Entwurf des sakralen Rechts (de legg. 2, 9, 22, vergl. 2, 16). Hier, wo Encolpios um Gnade feht, sucht er sein Vergehen in ein müglichst mildes Licht zu stellen; in dem Brief an Circe (e. 110), in dem er sich seiner Frevelthaten rühmt, bezeichnet er vermuthlich die nämliche Hand- lung mit einem templum violavi. Soviel also läßt sich mit eini- ger Wahrscheinlichkeit vermuthen: Encolpios hatte sieh den Zorn des Gottes durch irgend eine Form der Tempelentweihung zugezogen, die wir genauer nicht bezeichnen können).

Auf die Störung der niichtlichen Priapus-Feier in Campa- nien kann sich das Vergehen nicht beziehen. Denn Quartilla hült Encolpios und seinem Genossen zwar vor, Niemand schaue ungestraft das Verbotene; im Uebrigen aber klagt sie nicht über ‘ein Vergehen gegen den Gott, sondern nur über eigene Unbill.

Also in einem verlorenen Theil des Romans hatte Encolpios eine Handlung begangen, welche ilim Priapus Zorn zuzog; sei es nun, daß er sich an einer Bildsäule des Gottes vergriff, sei es daf er einen seiner Tempel beraubte oder entweihte, Wie wir wissen, trat in Massalia Encolpios in Beziehungen zum Pria- pus-Dienst; es liegt am nächsten anzunehmen, daß er dort seinen Frevel begangen hatte. Darauf führen auch andere Spuren. In einer poetischen Klage tiber sein Geschick sagt Encolpios (c. 139)

me quoque per terras, per cani Nereos aéquor Hellespontiaci sequitur gravis ira Priapi.

4) Das den Versen folgende Fragment beginnt mit den Worten ‘dum haec ago curaque sollerti deposito meo cuveo' und scheint dafür zu sprechen, daB Encolpios einen geraubten Gegenstand dem Gotte wiedererstattet. Aber da die Noth das Vergehen herbeigeführt hatte, so kann es nicht in Croton verübt sein, wo Encolpios sich im Ueberflu8 befindet (c. 125). War es aber früher ‚verübt, so war der

aus Noth gestoblene Gegenstand doch schwerlich in Encolpios Händen geblieben, sondern verzehrt oder versilbert.

Philologus. N. F. Bd. I, 4. 40

626 Elimar Klebs,

Und ‘in dem Monolog, den er einsam am campanischen Strande hält: ‘ergo me non ruina terra (cf. c. 9) potuit haurire? non iratum innocentibus mare?’ Sicher hatte er also schon bevor er nach Campanien kam, arge Gefahren auf dem Meere bestan- den; vielleicht auf der Ueberfahrt von Massalia.

In Campanien nimmt Priapus’ Priesterin an Encolpios empfind- liche Rache fiir seine Stérung der heimlichen Feier. Aber klarer noch tritt Priapus Eingreifen bei dem Abenteuer mit Lichas und Tryphäna hervor. Ahnungslos haben Encolpios und Giton das Schiff ihrer ärgsten Feinde betreten. Dem Lichas aber ist Pria- pus im Traum erschienen und hat ihm verkiindet, er selber habe Encolpios, den Lichas sucht, auf das Schiff geführt (c. 104). Und als Lichas ihn dann entdeckt hat, sagt er, der Gott selbst hat sie der Bestrafung iiberliefert (c. 106).

In Croton versagt ihm Priapus dem schönsten Weibe ge- genüber?) den Gebrauch eben der Gaben, welche er mit dem Gotte gemein hatte 9). Er vergreift sich dann an Priapus heili- gen Günsen, und vergebens sucht Oenothea ihm seine Kriifte wiederzugeben. Als er sich dem Sohn der Philomela. nähert, ‘fand ihn auch da die feindliche Gottheit’ (c. 140).

Soviel läßt diese Zusammenstellung erkennen: in den Thei- len des Romans, von denen wir einige Kenntniß haben, spielten Vergehungen des Helden gegen Priapus und Strafen des erzürnten Gottes eine bedeutsame Rolle.

Nun war Priapus gewiß die angemessenste Göttergestalt für einen Roman, in welchem die Liebe in ihrer grob - sinnlichsten Gestalt einen so breiten Raum einnahm. Aber in welchem Sinn und zu welchem Zweck hat Petron diese Gestalt eingeführt ? Brauchte er sie etwa als ernsthaftes Mittel die Handlung in Be- wegung zu setzen, wie bei Apuleius nach allen Zauber-, Räu- ber- und Schmutzgeschichten pathetisch schließlich die tausend- namige Isis eingreift? Dagegen spricht eigentlich schon die Wahl der Gottheit, aber nicht minder der Umstand, daß Petron, so ernsthaft er zu Zeiten ist, doch soweit wir nach den erhal- tenen Stücken schließen dürfen nie Apuleius Geschmack- losigkeit begangen hat, die Einheitlichkeit der komischen und

5) mulierem omnibus simulacris emendatiorem c. 126. 6) c. 105 und 129.

Zur Composition von. Petronius Satirae. 627

satirischen Grundfirbung durch das Aufsetzen schwer pathe- tischer Töne zu zerstören.

Allerdings auch seine ‘Schelme’ werden bisweilen pathetisch. Aber es ist auch fiir die Sonderfrage, die uns hier beschiiftigt, belehrend die Art dieses Pathos etwas nüher zu prüfen. Seine Eigenart wird bei einem Hinblick auf einige verwandte Erschei- nungen am besten hervortreten.

Zu den gelungensten Figuren der plautinischen Komödie gehören bekanntlich die genialen Spitzbuben, wie Tranio in der Mostellaria, Chrysalus in den Bacchides und Pseudolus; sie haben wohl das Beste vom eigenen Geist des Dichters empfan- gen. Auch sie werden nicht selten pathetisch "); die Quelle ihres Pathos ist dieselbe, aus der die komischen Spitzbuben der Ju- gendwerke Schillers das ihre schöpfen, das hoch gesteigerte Selbst- gefühl Aber wenn bei den Figuren. des modernen Dichters, wie bei Spiegelberg und dem Mohren, das Pathos allein die Kosten der komischen Wirkung bestreiten muß, so haben jene soviel zahmeren plautinischen Gestalten zugleich eine behagliche und gemüthliche Freude an ihrer spitzbübischen Kunst und Kraft. Ganz anderer Art ist das Pathos der Räuber des Apu- leius. Sie berichten die Schicksale ihrer in Böotien gefallenen Kameraden) in Tönen, als hielten sie Epaminondas die Leichen- rede. Aber dies Pathos wirkt nicht komisch, sondern erscheint nur gespreizt, weil es von Apuleius ganz äußerlich aufgetra- gen ist.

Stellen wir nun demgegenüber einige AeuBerungen der pe- tronischen Gesellen zusammen. Encolpios versteckt Giton vor Askyltos Nachforschungen unter einem Bett und heißt ihn sich an den Gurten anklammern, wie Odysseus an den Widder des Cyklop. Er übertraf, sagt Encolpios, den Odysseus durch seine List, und nennt ihn später einen Odysseus, den selbst ein hun- griger Cyklop verschont hätte (c.: 48). Von sich selbst rühmt Encolpios einmal, er wäre in gewissen Betracht ein Achil- les gewesen (c. 129). Als Askyltos den Giton vergewaltigen will, ruft er ihm zu ‘wenn du die Lukretia spielen willst, hast du einen Tarquinius gefunden’ (c. 9). Als sich die beiden

des Pseudolus Ps. 2, 1.

7) Man vergleiche z. B. die Monologe des Chrysalus Bacch. 4, 9, 8) Apul. M. 4, 9 ff. |

40 *

628 Elimar Klebs,

Spießgesellen wieder einmal um den Besitz des Buhlknaben streiten, fleht dieser, die niedere Hütte möge kein ‘Thebanisches Paar’ erblicken (c. 80). Durch einen obscenen Griff stellt Lichas fest, daß er Encolpios vor sich habe; dieser selbst vergleicht das mit der Wiedererkennung des Odysseus durch die Amme (c. 105)! Diese petronische Gesellschaft, voran Encolpios, liebt es also gerade von niedrigen, obscenen Dingen und Situationen pathetische Wendungen zu gebrauchen, welche dem Epos und der Tragódie entlehnt werden. Die Wurzel dieses Pathos ist nicht wie bei Plautus Gestalten das gesteigerte Selbstgefühl, die behagliche Freude am eigenen Selbst; vielmehr ist dieses rein ironisch und entspringt dem Bewustsein der eigenen Niedrigkeit.

Encolpios ist sich über sich selbst wie über seine Genossen sehr klar (vergl c. 81); aber der Dichter, welcher in der aller- schlimmsten Epoche der Kaiserzeit schrieb, leiht ihm seine eigene ironisch - blasirte Weltanschauung. Encolpios fühlt sich nicht schlechter als alle anderen, die doch allesammt tief verdorben sind und hóchstens mit ‘erheuchelter Strenge' die Catonen spie- len. Es entspricht dieser ironischen Stimmung, wenn die ehr- würdigsten Gestalten des Epos und der Tragödie gerade für das Gemeinste herangezogen werden.

Aber wo bleibt bei alledem Priapus? fragt man vielleicht verwundert. Gemach! die Stelle, die wir als gleichartig den eben genannten noch anzureihen haben, führt uns sogleich zu ihm zurück. Die poetische Klage, deren SchluBworte wir schon S. 625 anführten, lautet vollständig also:

non solum me numen et implacabile fatum

persequitur. prius Inachia Tirynthius ora

exagitatus onus caeli tulit, ante profanam

Laomedon gemini satiavit numinis iram,

Iunonem Pelias sensit, tulit inscius arma

Telephus et regnum Neptuni pavit Ulizes.

Me quoque per terras, per cani Nereos aequor

Hellespontiaci sequitur gravis ira Priapi. Um das ironische Pathos dieser Verse voll zu würdigen, muß man sich des schmäligen Anlasses zur Klage erinnern und die erbauliche Zwiesprache hinzunehmen, welche Encolpios vorher mit sich selbst gehalten hat (c. 132).

Gleichartig ist diese Stelle den früheren insofern, als auch

Zur Composition von Petronius Satirae. 629

hier das Niedrige pathetisch verglichen wird mit dem Erha- benen, das aus dem Epos und der Tragödie genommen wird. Aber an Stelle der früheren, vereinzelten Töne erklingt jetzt ein voll ausgeprügtes Thema; der Zorn des Priapus bedeutet für Encolpios Schicksale, was Poseidon's Zorn für Odysseus, Hera's für Herakles. Diese Zusammenstellung wäre ohne jeden Sinn, wenn^nicht im Verlauf der Erzählung Priapus Zorn thatsüchlich sich bemerkbar gemacht hätte. Wir haben ja aber auch selbst aus dem geringen Bruchtheil, der uns noch vorliegt, vier entsprechende Fälle verzeichnen können.

Ein Zug von Milde und Güte kennzeichnet im Allgemeinen die Gestalten der hellenischen Gôtterwelt. Und doch, so wenig sie gemein haben mit jener finsteren Strenge, wie sie sich im Jahwe der Hebräer oft bis zur Rachgier steigert: in den grie- chischen Mythen spielen zürnende Götter die bedeutsamste Rolle. Man braucht, um dessen recht inne zu werden, nur einmal eine Zusammenstellung von Mythen zu durchblättern, wie sie Apollo- dor giebt, oder auch nur den dürftigen Abriß des Hyginus. Die beiden Vorstellungen vom Neide der Götter und die andere, mit ihr eng zusammenhängende von der menschlichen Ueber- hebung und der ihr folgenden Nemesis *), die beide so tief im sittlich-religiôsen Empfinden der Hellenen wurzeln, sie haben wohl dazu beigetragen, daß in der poetischen Ausgestaltuug der Sagenstoffe zürnende Götter so überaus häufig erscheinen. Die Poesie fand hier ein höchst fruchtbares Motiv; so haben denn auch nach dem Vorbilde Homers die Dichter, neben den epischen vornehmlich die tragischen, den Zorn einer Gottheit ausgiebig als poetischen Hebel benutzt, um die Handlung in Gang zu bringen.

Seitdem auch bei den Römern die Poesie zur Grundlage des Jugendunterrichts geworden war; seitdem die ganze Fülle poe- tisch gestalteter, griechischer Sagenstoffe so allgemein bekannt war, wie dies anschaulich heute noch die campaniscben Wand- gemälde erkennen lassen, mußte auch die poetische Verwendung jenes Motives jedem römischen Leser Petrons geläufig sein. Und wußte er selbst nicht aus Homer und Sophokles, was für das Epos und Drama die zürnende Gottheit bedeutete, so wußte er

9) Vergl. Lehrs, Populäre Aufsätze S. 33 ff.

630 Elimar Klebs,

es aus dem verbreitetsten und volksthiimlichsten Gedicht der rómischen Kaiserzeit, aus Virgils Aeneis.

Wenn nun dies allbekannte Motiv aus der Welt der Götter und Helden versetzt ward in die Welt des genialen Gesindels; wenn an die Stelle der obersten Gótter, die als die mächtigsten sonst in solchen Füllen verwandt zu werden pflegen, die an sich schon lächerliche Gestalt des Priapus trat, so mußte der doppelte Gegensatz eine große komische Wirkung erzeugen.

Wo'rein ästhetische Beweggründe das künstlerische Handeln zureichend erklären, ist es an sich überflüssig, ja unstatthaft, nach Nebenabsichten zu spüren. Aber bei einem so satirischen Geist wie Petron liegt die Frage nach einer satirischen Neben- absicht zu nahe, um sie nicht zu prüfen. Daran wird natürlich kein Verständiger denken, daß es Petrons Absicht gewesen sei eine prosaische Travestie zu den Gesängen vom Zorn Poseidons oder Junos zu schreiben. Ein Werk mit einer solchen Fülle lebensvoller Schilderungen der Wirklichkeit erhebt von selber dagegen Einspruch, unter die reinen Litteratur-Satiren eingereiht zu werden. Aber eine Parodierung der ausgedehnten poetischen Verwendung des Götterzornes wäre an sich nicht ausgeschlossen. Auch im römischen Epos spektakelte nach Ennius Vorgang die Göttermaschinerie und sollte durch ihr Lärmen oft genug, auch bei Virgil, die Hörer darüber hinwegtäuschen, daß der Dichter unfähig gewesen war, die Handlungen seiner Gestalten aus de- ren eigenen Beweggründen zu erklären. Uns liegt der Ge- danke nahe, daß dieses Verfahren die Satire herausforderte. Aber wenn heute ohne Schwierigkeit Schulknaben von den inne- ren und nothwendigen Mängeln des heroischen Kunstepos reden können, so wollen wir doch nicht vergessen, wie jung diese ästhe- tische Weisheit ist; von der Messiade trennt uns eben nur ein Jahrhundert. So geistvoll Petron auch den Schwall und Schwulst der Dichterlinge und Deklamatoren verspottet, auch der Geist- vollste ist am Ende ein Kind seiner Zeit. Auch Petron hat in seinem ästhetischen Urtheil der seinigen den Zoll bezahlt. In seiner Kritik Lukans hebt er scharf und treffend den Gegensatz hervor zwischen der historischen und der epischen Behandlung geschichtlicher Stoffe (c. 118). Seine Bemerkungen sind ganz im Einklang mit den entsprechenden Ausführungen der aristoteli- schen Poetik (c. 23) und beruhen vielleicht auf diesen. Aber

Zar Composition von Petronius Satirae. 631

seine Kritik dringt nicht bis zu dem Ergebniß vor, daß die epische Verarbeitung von Stoffen wie der Bürgerkrieg nur zu einer Afterpoesie führen kann; sie bleibt bei der Forderung stehen, an Stelle einer ängstlich genauen, ‘durch Zeugen verbtirgten’ Erzühlung eine freie poetische Behandlung der Thatsachen zu setzen; an Stelle der pragmatisierenden Behandlung das Ein- greifen góttlicher Müchte (‘deorum ministeria). Und meines Erach- tens ist der ganze Zweck der hierauf in poetischen Form gege- benen positiven Kritik, des sogenannten ‘carmen de bello civili’, kein anderer als die praktische Verwirklichung eben jener theo- retischen Forderung*zu veranschaulichen '°). Gerade Lukan ge- genüber, der oft sklavisch am Stoffe klebt, war ein solcher Hin- weis sehr angebracht. Doch wieviel oder wenig man auch sonst noch in diese Kritik in poetischer Form hinein geheim- nissen mag, soviel lehrt unwiderleglich der prosaische Theil: wir wiirden mit der Annahme einer satirischen Nebenabsicht bei der Verwendung des priapeischen Zorns zu Unrecht Ideen, die uns gelüufig sind, in eine Zeit hineintragen, in der sie noch gänzlich unter oder auBerhalb des Gesichtskreises selbst der Ge- scheidtesten lagen.

Es verbleibt uns noch die Frage, wie das bisher Ermittelte mit demjenigen zu vereinigen ist, was wir sonst tiber die Com- position des Romans den Bruchstücken entnehmen können Nur von der Form, in welcher Petron seinen Stoff gestaltete, soll ° dabei die Rede sein, nicht aber von den Ideen und Absichten, die Petron durch den Inhalt seines Romans zu verwirklichen strebte. In dieser Beziehung kommen wir über die allgemeine Thatsache nicht hinaus, daß Petron ein satirisches Zeitgemälde entwarf. Selbst der kleine Theil, der uns vorliegt, bertihrt so verschiedenartige Gebiete des Lebens, daß jeder Versuch auch nur die inhaltliche Ausdehnung des Verlorenen zu bestimmen als Vermessenheit erscheinen miifte.

Jedoch die Grundzüge der Form der Erzühlung treten deut- lich hervor. In den erhaltenen Stücken erzühlt überall Encol-

10) Die Aufstellungen Westerburg's (Petron und Lucan, Rhein. M. 38 S. 42 ff.), in dem Gedicht Petrons lüge eine Travestie und Parodie vor, hat bereits Friedlinder (Bursians JB. 14 S. 196) mit Recht zurückgewiesen. Mössler hat in seinen Arbeiten (de Petronss oemate de bello civili 1842 und den Hirschberger Programmen von

1857. 1865. 1870) den im Text angegebenen Gesichtspunkt nicht über- sehen, aber doch zu nebensüchlich behandelt.

632 Elimar Klebs,

pios in der ersten Person. Alle Verweisungen auf friiher Be- richtetes beziehen sich auf Encolpios Schicksale. Wir diirfen demnach mit Bestimmtheit sagen, daß das Ganze, um den nicht eben schénen, aber gebriuchlichen modernen Ausdruck anzuwen- den, in der Form des Ich- Romans gehalten war; wie Lukian's Lukios, und Apuleius’ Metamorphosen. Ein begabter, hochgebil- deter Mensch, der sich selbst zu jenen zählt, die außerhalb des Gesetzes leben!!), berichtete seine bunten Abenteuer zu Land und zu Meer. Man wird sich somit, soweit es sich um die for- male Gestaltung der Erzühlung handelt, das Ganze zunüchst einigermaßen ähnlich den Schelmenromanen des sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderts denken dürfen. Manche Züge finden sich gemeinsam: Encolpios hat wie alle Helden dieser Art gar gewaltiges Glück bei den Weibern und erprobt es reich- lich!?); der Held kommt häufig in die schlimmste Gefahr, schlägt sich aber immer wieder durch Glück und Schlauheit heraus. Auch den häufige Wechsel des Schauplatzes der Handlung hat Petron mit den Späteren gemein!?) Es sind das lauter Züge, deren Gemeinsamkeit aus der Natur dieser Gattung der Erzüh- lung sich von selbst ergiebt. Uebrigens läßt der ironische Grund- ton, auf den Petrons Werk gestimmt ist, darauf schließen , daß . Encolpios darin wohl am meisten seinen spüteren spanischen Vettern ähnelte, daß er am Ende nicht um ein Haar gebesserter als am Anfang dastand. Aber gegenüber dem Mangel an ge- schlossener Composition, welcher den meisten modernen Erzeug- nissen dieser Art anhaftet, zeigt Petrons Werk das unver- gleichlich lebendigere, antike Formgefühl und wird trotz einiger äußeren Aehnlichkeiten schon durch seine Composition etwas wesentlich anderes als jene.

An einer bekannten Stelle der Poetik '*) rühmt Aristoteles an den homerischen Epen die Einheitlichkeit der Handlung; an einer anderen 15) setzt er die Einfachheit der Grundfabel der

11) quam male est extra legem viventibus : quicquid mernerunt, semper expectant. c. 125.

12) Abgesehen von Quartilla, die wir billig bei Seite lassen, hat Encolpios Doris 126 und Hedyle, Lichas Gattin 113 in den verlorenen Theilen gewonnen; in den erbaltenen Circe und ihre Zofe Chrysis.

13) Hier, wo keine vergleichende Litteraturstudie gegeben wer- den soll, wird ein Hinweis auf die beiden bedeutendsten und sugleich bekanntesten Werke dieser Gattung genügen, den Gil Blas von Le- sage und den Simplizissimus.

14) c. 8. 15) c. 17 (1455; 17 f£).

Zur Composition von Petronius Satirae. 633

Odyssee auseinander und führt unter ihren Grundziigen Odysseus Verfolgung durch Poseidon auf. In der That, wenn ein antiker epischer Dichter, der eines Helden Schicksale besang, die Ereig- nisse nicht. bloß wie Perlen auf der Schnur aneinander reihen wollte, so gewührte ihm die Einführung einer zürnenden Gott- heit ein treffliches Mittel von der rein äußeren Einheit der Per- son zur inneren Einheit der Handlung zu gelangen. Die ge- sammten Schicksale des Helden liefen sich dann als das Ergeb- nifi eines Kampfes fassen zwischen dem Helden und einer ihm feindlichen Gottheit. Nach der epischen Schablone, wie sie das Vorbild der Odyssee gab, war der größte römische Epiker ver- fahren; nach ihr verfuhr Petron, indem er seinen Helden über die Linder und über des ‘Nereus Fluth' durch den Zorn des Priapus verfolgt werden ließ. Die Wendung des Motivs ins Komische ergab sich von selbst aus dem komischen Grundcha- rakter des Ganzen.

Im Epos steht der zürnenden Gottheit regelmäßig die schir- mende gegeniiber. Auch Petron hat wenigstens einmal einen hilfreichen Gott eingefiihrt und sehr passend den Gott der Diebe und Schwindler dazu erwäblt: dem Merkurius schreibt Encolpios seine Heilung zu !f).

Diese klar vorliegenden Parallelen 1") führen mit ästhetischer Nothwendigkeit zu dem Ergebniß, daß das Motiv von Priapus’ Zorn nicht etwa nur die uns noch erkennbaren Theile, sondern das Ganze beherrschte. Man muß sich freilich dabei vor Ueber- treibungen hüten. Auch im Epos poltern die zürnenden Götter nicht beständig herein; auch im Epos geschieht vieles, was nicht unmittelbar mit dem Grundmotiv zusammenhingt. . Die komische Muse durfte sich eine noch viel größere Freiheit gestatten. Es genügte vollauf, wenn aus den bunt verschlungenen Melodien das Grundthema von Zeit zu Zeit wieder auftauchte. So hat es Petron in den uns bewahrten Bruckstiicken gehalten.

Aber zur vollen Wiirdigung dieser Compositionsweise fehlt

16) ‘dis maiores sunt, qui me restituerunt in integrum. Mercurius enim qui animas ducere et reducere solet, suis beneficiis reddidit. mths

quod manus irata praeciderat. 140. Die letzten Worte weisen deut- lich auf Priapus.

17) Auch an die richtige cyayrwosois dx mneosneteias in c. 105 (vergleiche oben S. 626 und 629) welche sich unter ausgesprochener Bezugnahme auf die Odyssee in niedrig-komischer Weise abspielt, mag noch einmal erinnert werden.

634 Elimar Klebs,

doch noch eins. Auf litterarischem Gebiet ist Petron wohl unbe- stritten der stirkste Realist des Alterthums. Aber von jenen ‘allermodernsten Naturalisten, die mit ihm nur die breite Behand- lung des Schmutzes gemein haben, scheidet ihn der kiinstlerische Charakter seines Realismus. Wir erinnern nur an seine unver- gleichliche Behandlung der Volkssprache. Es heißt einem Mann von so feinem Kunstverstand wenig gerecht werden, wenn man seine weise Beschränkung auf den philologischen Grund zurück- führt, daß die rein wiedergegebene Vulgärsprache von gebil- deten Lesern nicht verstanden würe!9) Sparsamkeit in der Verwendung der kiinstlerischen Mittel der Charakterisierung gilt uns doch seit Lessing als ein Grundzug der gesammten alten Kunst. |

Wenn nun Petron seine realistischen Bilder einer unsagbar tief gesunkenen Zeit zu innerer Einheit zusammenfafite durch den Zorn des Priapus, so umschlang die lebensvollen Schilde- rungen der Wirklichkeit ein komisch-phantastisches Band; phan- tastisch in dem Sinne, daß es nicht der Wirklichkeit, sondern dem Reich der Phantasie entnommen war. Damit aber wurde das Ganze aus der Sphire der gemeinen Wirklichkeit entriickt in die ideale der Kunst !*). So ward es dem Dichter möglich sich die kiinstlerische Freiheit zu wahren, mit der wir ihn stets iiber seinen Gestalten stehen sehen; so ward dem Leser Vieles, was als blofer Abklatsch der Wirklichkeit unerträglich wäre, gemildert, weil das Ganze geworden war, was ein Kunstwerk

18) A. v. Guericke (de linguae volgaris reliquiis apud Petronium etc. p. 2) ‘st enim prorsus linguae plebetae. locum dedisset sllas satiras . . . partim now intellezissent lectores eruditi partim tuedio commoti re- pudiassent ; das beißt doch wohl aus Abneigung der Gebildeten gegen das Ungebildete. Vielmehr liegt der Grund darin, daß die reine Vul- gürsprache einen unertrüglichen Contrast zu den übrigen Theilen ge- bildet und die künstlerische Einheit des Werkes vernichtet hätte. : Denn die Rede Petrons trigt ja nicht nur das vollendete Geprige jener der lateinischen Sprache eigenthümlichen Eleganz, sondern ging sehr häufig in Verse über, entsprechend diesem bewust kunstmäßigen Charakter des Ganzen erschien die Vulgürsprache nur in ‘stilisir- ter’ Form.

19) Die Erinnerung an die aristophanische Komödie stellt sich dabei von selber ein. Auch an das Verhältniß von Oper und Schau- Spiel mag in Kürze erinnert werden. Jene trigt in viel ausgeprügte- rem Mafe den Charakter des unwirklichen, rein künstlerischen Spiels. Dieselbe Handlung, die im recitirenden Drama (z. B. in den lustigen Weibern von Windsor) plump und abstoBend wirkt, kann in der idealen Sprache der Musik zum anmuthigen, phantastischen Spiel werden.

Zur Composition von Petronius Satirae. 685

sein soll: ein ernsthaftes Spiel. Uns ist es nicht mehr ver- gönnt, den vollen Eindruck dieser Compositionsweise zu genießen. Ganz abgesehen von dem Unterschiede modernen und antiken Empfindens, müssen darum die herausgerissenen Bruchstticke einen wesentlich anderen Eindruck als das ursprüngliche Werk in seiner Gesammtheit hervorrufen. Aber selbst aus den Ruinen, die vor uns liegen, kónnen wir doch in seinen Hauptzügen den Bauplan des Meisters ahnend erkennen, welcher dies in jedem Sinne unvergleichliche Werk schuf. Berlin. Elmar Klebs.

Zu Livius.

VII 2, 4 . . iudi quoque scaenici, nova res bellicoso populo . ., inter alia caelestis irae placamina | instituti. dicuntur. celerum parva - quoque, ut ferme principia omnia, et ea ipsa peregrina res fuit. Madvig hat es schon ausgesprochen, daß quoque nicht zu perva gezogen werden kann; und H. J. Müller bemerkt richtig, daß es nur Bezug auf das vorhergehende nova oder auf das nach- folgende peregrina haben kónnte. Aber keine dieser beiden Be- ziehungen ist im Sinne des Autors; das zeigen die Worte $ 18 inter aliarum parva principia rerum ludorum quoque prima origo ponenda visa est. Es muf also, damit der entsprechende Gegen- satz zu ut ferme principia omnia zur Geltung komme, parva «haec? quoque geschrieben werden. Die Einsetzung eines Demonstrativs empfahl auch Madvig, aber das von ihm vorgeschlagene ea mif- fällt wegen des sofort folgenden et ea ipsa. :

VII 30, 11 Omnibus quidem, Romani, vestram misericordiam . aequum est patere, iis tamen mazime, qui, ca ca inplorantibus aliis dum ' supra vires suas praestant, omnes ipsi in hanc necessitatem venerunt, Die campanischen Gesandten gründen im Senate ein besonderes Anrecht, von den Römern Unterstützung zu erlangen, darauf, daß sie in Noth geraten seien, indem sie den Sidicinern aus ihrer Noth zu helfen bemüht waren. Wie wenig omnes in diesen Zu- sammenhang paßt, ist anerkannt. Im Philologus III 559 schlug Scheibe Tilgung des Wortes vor, worin ihm Hertz und früher auch Madvig folgten. Jetzt schreibt Madvig wie WeiBenborn und Müller nach Büttners Vorschlag «ante? omnes, wodurch der Gedanke nichts gewinnt. Nun läßt sich aber aus den später angegebenen Entscheidungsgründen der Senatoren auf die von den Gesandten dargelegten Motive zurückschlieBen. Livius erzählt 31, 6 commoti patres vice fortunarum humanarum, si ille praepotens opibus populus . ., a quo paulo ante auzilium finitimi petissent, adeo tnfractos gereret animos e. q.s. Die Gesandten hatten also gesagt: homines ipsi in hanc necessitatem venerunt.

Würzburg. A. Eufiner.

XXXII.

Die Angaben iiber die Volker von Innerafrika bei Plinius und Mela.

Die Angaben über die Vólker von Innerafrika bei Plinius H. N. V 43—46) und Mela (I 22. 23. 48—48 III 103) stim- men in so hohem Grade mit einander überein, daß hier unzwei- felhaft die engste Verwandtschaft obwaltet. Eine genaue Be- trachtung und Vergleichung dieser Angaben läßt aber erkennen, daß neben der oft überraschenden Uebereinstimmung in den Ausdriicken und Wendungen, sowie in der ganzen Anordnung, doch im Einzelnen wieder einige nicht unwesentliche Verschie- denheiten vorliegen. Grade diese Verschiedenheiten aber miissen unser Interesse erregen, denn grade sie werden uns darüber be- lehren, wie die Verwandtschaft der beiden Schriftsteller zu er- klären sei. Sie werden darthun, daß zwar Mela und Plinius hier völlig von einer gemeinsam benutzten Quellenschrift abhän- gig sind, zugleich aber auch, daß Mela die ihm vorliegenden Angaben mehrfach falsch verstanden hat, daß er sich in Folge dessen eine zwar klar gedachte, aber ganz unrichtige Auffassung von den Wohnsitzen der Völker nach seiner Quelle gebildet hat, und daf aus dieser irrigen Auffassung die Verschiedenheiten entstehen mußten, welche nunmehr in den beiden Berichten vor- liegen. Es ist aber wichtig festzustellen, was die einflußreiche Quelle der beiden Schriftsteller über die Geographie von Inner- afrika lehrte, auch läßt sich dieses m. E. vollkommen evident nachweisen. Daher wollen wir uns diese wichtigen und lehr- reichen Angaben hier einmal etwas genauer ansehen.

Wenn wir zunüchst diese Angaben im Ganzen betrachten,

Die Angaben über die Völker von Innerafrika u. s. w. 687

so muß doch auffallen, daß dieselben bei Plinius (V 43—48) in geschlossener Folge und in ununterbrochenem und gutem Zu- sammenhange, von Mela dagegen an drei ganz getrennten Stellen (I 22. 28. 43—48. III 103) gegeben werden. Man vergleiche nur die Angaben selbst, man wird leicht erkennen, daB Plinius, nicht Mela, die Sache gut und angemessen darstellt. Denn die Fabeln, welche Mela (III 103) über die Himantopodes und die Pharusii mittheilt, sind völlig von gleichem Schlage, wie dieje- nigen, welche er früher (I 43 48) über die Atlantes, Troglo- dytae, Garamantes, Augilae, Gamphasantes, Blemyi, Satyri und Ae- gipanes gegeben hatte. Es muB also ganz so scheinen, als ob die ersten Angaben (III 103) von diesen letzteren (I 48— 48) nicht getrennt werden durften, vielmehr miissen wir die Anordnung bei Plinius (V 45—46), welcher die Angaben wirklich im Zu- sammenhange macht, entschieden fiir die nattirlichere erkliren. Mela's Anordnung ist hier nur dadurch bedingt, daß er die Hi- mantopodes und Pharusii nicht als Völker des Binnenlandes an- sieht, sondern sie an die Küste des atlantischen Oceans versetzt. Wenn nun aber Mela an drei von einander. getrennten Stellen (I 22. 23. I 43—48. III 103) dasjenige berichtet, was Plinius in geschlossener Folge und gutem innerem Zusammenhange (V 48—46) mittheilt, wenn auferdem die Trennung der letzten Angaben bei Mela (I 43—48 und III 103) ganz ungehörig und unangemessen erscheint, so muß auch die Annahme, Plinius habe hier den Mela ausgeschrieben, die ursprünglich von Mela zu Unrecht getrennten Angaben sorgfältig zusammengesucht, geordnet und dadurch dann einen guten inneren Zusammenhang der Angaben hergestellt, als völlig unstatthaft bezeichnet wer- den. "Vielmehr wird der natürliche innere Zusammenhang die- ser Angaben sicher schon ursprünglich vorhanden gewesen sein, Mela wird ihn zerrissen, Plinius ihn konserviert haben. Plinius also wird nicht aus Mela hier schöpfen, vielmehr beide Autoren, wie auch sonst, aus ihrer gemeinsamen rümischen Hauptquelle. Nur kónnen in der letzteren die Himantopodes und Pharusii nicht als Küstenvölker, wie bei Mela, angesetzt gewesen sein, weil ja die Fabeln über beide Vólker sich den Fabeln über die andern Völker des Binnenlandes aufs engste anschlossen. Es fragt sich nur, was den Mela zu dieser Abweichung von seiner Vorlage veranlaßt habe.

638 E. Schweder,

AuBerdem hat Mela noch ein drittes Volk, das Plinius in Innerafrika nennt, die Nigritae, an die Küste versetzt. Wenn sodann Plinius (V 43. 44) vier Gruppen innerafrikanischer Vól- ker gebildet hat: 1) Gaetuli, Libyes Aegypti, Leucoe Aethiopes 2) Nigritae, Gymnetes Pharusü, Perorsi 3) Garamantes, Augilae, Troglodytae 4) Atlantes, Blemmyes, Gamphasantes, Satyri, Hi- mantopodes, so hat Mela an der entsprechenden Stelle die zweite dieser Gruppen ganz unterdrückt. Endlich bezeichnet Plinius die Völker der zweiten Gruppe (Nigritae, Pharusii und Perorsi) als Aethiopes; Mela dagegen hat die Perorsi niemals genannt, die Nigritae aber und die Pharusii (I 22) bestimmt von den Ae- thiopen unterschieden.

Allen diesen Verschiedenheiten liegt nun un- zweifelhaft, wie mir scheint, eine einzige Ursache zu Grunde: der Umstand, daß Mela einen von Plinius ziemlich getreu erhaltenen Satz seiner Quelle falsch verstand. Plinius entlehnte seiner Quelle folgende Angabe (V 43, betreffend die zweite der oben bezeichneten Völ- kergruppen): Super eos (nämlich: den Völkern der ersten Gruppe) Aethiopum gentes Nigritae a quo dictum est flumine, Gymnetes Pha- rusti, tam oceanum attingentes quos in Mauretaniae fine dicimus Perorsi. Die Worte quos ..... diximus werden ein Zusatz des Plinius selbst sein, das übrige aber muß wohl ebenso oder doch ganz ähnlich in der Quelle des Plinius gestanden haben. Mela mißverstand diesen Satz nun in zwiefacher Weise. .Zuerst bemerkte er nicht, daß Nigritae, Pharusii und Perorsi hier im AppositionsverhültniB zu Aethiopum gentes zu fassen seien, er meinte also, es seien hier vier, nicht drei !), verschiedene Volker (1. Aethiopum gentes. 2. Nigritae. 3. Pharusii. 4. Perorsi) zu unterscheiden sodann aber bezog er die Worte iam oceanum attingentes nicht auf das folgende Perorsi, sondern irrthiimlich auf die zuvor?) genannten Namen (Aethiopes, Nigritae, Pharusii).

1) Unsere neueren deutschen Pliniusausgaben (v. Sillig, Jan, Det- lefsen) haben den Sinn der Stelle richtig aufgefaßt, und also den Text auch richtig interpungiert.

2) Die Ausgaben von Jan und Detlefsen setzen auch hier rich- tig vor tam ein Komma; Sillig hat, minder gut, statt des Komma ein et eingeschoben. Denselben Irrthum wie Mela hat dagegen Vivien de Saint-Martin (Le Nord de lV’ Afrique dans l'antiquité. S. 158. 412) begangen, indem er, was bei einer aufmerksamen Lesung der Pliniusstelle unmöglich war, die Worte iam oceanum attingentes auf das Vorangehende bezog.

Die Angaben über die Völker. von Innerafrika u. s. w. 639

Man sieht leicht, was von diesem MilWverstündniB ?) die Folge sein mußte. Zuerst die falsche Unterscheidung der Aethiopes von den Pharusü, Nigritae und Perorsi. Sodann aber mußten ihm nun Aethiopes, Nigritae und Pharusii zu Küstenvölkern wer- den, dagegen blieben ihm, ebenfalls falschlich, als Volk des Binnen- landes die Perorsi übrig. Nach Mela's Auffassung waren also in seiner Quelle in der zweiten Gruppe der Vülker bei Plinius drei Stämme der Küste und ein Volk des Binnenlandes (die Pe- rorsi) genannt. Die Küstenvölker waren aber hier nicht zu nen- nen, mit den Perorsi wußte er nun nichts mehr anzufangen, und sie konnten allein unmóglich eine Abtheilung bilden: deshalb unterdrückte er bei der Anführung der Völker des Binnenlandes (I 23) diese Gruppe, als nicht hierhergehórig, ganz und ver- setzte die Nigritae und Pharusii an den Ocean. Die Aethiopum gentes aber faßte er dann ohne Zweifel als identisch mit den Aethiopes Hesperi auf, welche, wie er auch sonst in seiner Quelle fand, die Südecke von Afrikas Westküste bewohnten. Man sieht, wie durch ein MiBverständniB bei Mela die bezeichneten Ab- weichungen von Plinius nun nothwendig entstehen mußten. Mela hat dann aber die falsche Auffassung, die aus dem be- zeichneten Mißverständniß hervorgehen mußte, streng festgehalten und die irrige Anschauung, die er sich so gebildet hatte, stets sehr klar dargestellt. Nur ein kleiner Umstand bleibt noch unaufgeklärt, nämlich der, daß Mela nun auch die Himantopodes aus der Aufzählung der innerafrikanischen Völker entfernte und sie an die Küste (III 103) versetzte. Was ihn hierzu veran- laßte, würden wir aber wahrscheinlich auch wohl erkennen, wenn

3) Denn daß Plinius selbst und seine deutschen Herausgeber die Sache hier richtig aufgefalit haben, ist unzweifelhaft An zwei Stel- len (V 30 und V 58) betont Plinius, sicher in Uebereinstimmung mit seiner Quelle, daß der Niger Afrika und Aethiopien scheide. Wir müssen uns demnach den Flu8 von West nach Ost (oder von O. nach W.) fließend denken. Ferner bildet derselbe Fluß auch die Südgrenze Gätuliens (V 30): et tota Gaetulia ad flumen Nigrim qui Africam ab Aethiopia, dirimit. Wenn nun die Nigriten Anwohner des Flusses ge- nannt werden (V 43: Nigritae, a quo dictum est flumine), so können sie nur auf seiner Südseite gedacht werden und müssen in der Quelle des Plinius zu den Aethiopen gerechnet sein. Der Niger des Plinius ist nach der gewiB richtigen Ansicht neuerer ausgezeichneter For- scher (0. Peschel Gesch. d. Erdk. S. 20. Vivien de Saint- Martin a. a. O S. 437. Vgl. Ragot Le Sahara de la province de Constan tine bei Ch. Tissot Géogr. comp. de la prov. Romaine d'Afrique I S. 95 f.) der von W. nach O. flieBende Wed Djedi.

642 07 E. Sch weder,

den. Da nämlich die drei Völker der ersten Gruppe von O. nach W. sich schon durch die ganze Lünge Afrikas erstrecken, so kann „super“ eos nur als „südlich von diesen“ zu verstehen sein. Die Nigriten aber sollen am Niger (am Wed Djebi) die Perorser am Ocean, die Pharusier zwischen *) beiden Völkern wohnen, folglich sind die drei Völker ohne Zweifel die südlichen Nachbarn der Gaetuli. Die Perorser, Pharusier und Nigriten . werden auf demselben Parallelkreis wohnend gedacht, die Pe- rorser im Westen, hinter (östlich) ihnen die Pharusier, hinter diesen (am weitesten östlich) die Nigriten. Alle drei Völker werden aber als Aethiopum gentes bezeichnet. | 3. Gruppe. Plinius fährt fort: ab his omnibus vastae soli- tudines orientem versus usque ad Garamantas Augilasque et Tro- glodytas . . . . . Die Worte „ab his omnibus“ können hier nur heifien: „von den Völkern der zweiten Gruppe an“. Plinius selbst, welcher sich selten, was die Lokalitäten betrifft, eine klare Vorstellung bildet, mag freilich in konfuser Weise auch die Vólker der ersten Gruppe mit eingeschlossen haben. Allein das „orientem versus" schließt doch diese Auffassung bestimmt aus. Somit ist der Sinn folgender. Oestlich von den Nigriten breiten sich große Wüsten aus bis zu den Garamanten. Dann folgen (óstlich von den Garamanten) die Augiler und die Tro- glodyten. Diese drei Völker werden also als in gleicher geo- - graphischer Breite mit denen der zweiten Gruppe ansüssig ge- dacht. Mela reproduciert den Quellenbericht hier ungenau, weil er, wie gesagt, die zweite Gruppe unterdrückt hatte. Er sagt: Tum primos ab oriente Garamantas, post Augilas et Trogo- dytas, et ultimos ad occasum Atlantes audimus, Nur in so weit ist er korrekt, als auch für ihn die Völker dieser Gruppe eine zweite Reihe (tum) hinter den Völkern der ersten Gruppe bilden. Er nennt dann Garamanten, Augiler und Troglodyten in der Reihenfolge des Plinius, aber in entgegengesetzter Richtung, weil er willkürlich die Atlanten hinzufügt, die zuletzt genannt wer- den und natürlich am weitesten nach Westen gesetzt werden (s. ob.). Die Atlanten müssen ihm gewissermaßen die Völker der zweiten Gruppe ersetzen. Die Anschauung der Quellen- schrift ist aber aus Plinius zu entnehmen. | . 4. Gruppe. Plinius (V 44) sagt: quidam solitudinibus in- 4) Nach der Reihenfolge, in welcher Plinius sie nennt.

Die Angaben über die Vélker von Innerafrika. u. s. w. 643

terposuerunt Atlantes eosdem iuxta Aegipanas semiferos et Blem- myas et Gamphasantas et Satyros et Himantopodes. Mela sagt: intra . . . semiferi Aegipanes et Blemyes et Gamphasantes et Sa- ri ....... Mela unterdrückt hier die Atlantes, die er der dritten Gruppe angeschlossen hatte, und die Himantopodes, die er (III 103) an die Küste versetzt. Sonst stimmt seine Reihen- folge der Namen mit derjenigen des Plinius überein. Die Wohn- sitze dieser letzten sechs Völker werden nicht genauer angege- ben. Sie wohnen „intra“, d. h. weiter nach Süden, und sind (nach Plinius) solitudinibus interpositi. Es wird aber nicht ge- sagt, daß sie eine dritte, südlichere Reihe bilden. Ihre Sitze waren, weil am entlegensten, am wenigsten bekannt.

Was sodann die Fabeln betrifft, welche von allen diesen Völkern berichtet werden (M. I 43— 48. III 103. Pl. V 44—46) so stimmen dabei Plinius und Mela in der Reihenfolge der Völ- ker überein. Die Reihenfolge ist: hier keine geographische ; Mela aber hat dies wohl geglaubt und hat deshalb die Atlanten, wie schon bemerkt, den Vélkern der dritten Gruppe angeschlossen. Auch mag ihn dieselbe irrthümliche Auffassung veranlaBt haben, die Himantopodes zu Nachbarn der Pharusii zu machen und sie demnach neben diese an den Ocean zu versetzen.

Kiel. E. Schweder.

Zu Iustinus.

II 9, 15: Inter ceteros . Themistoclis adulescentis gloria emi- cuit, in quo tam tune indoles futurae imperatoriae dignitatis ap- paruit. Fr. Ruehl setzt in seiner Teubnerausgabe 1886 vor dignitatis ein +, und merkt im Apparat (p. XXII) dexteritatis und facultatis als Konjekturen von A. v. Gutschmid und Baehrens an. Der wahre Text ist divinitatis. Vgl. darüber Georges’ s. v., II B, Cic. de or. II $ 86. 298, Merguet Lex. z. d. Reden d. Cicero II 138. 139, Bonnell Lex. z. Quintil, s

94, 9, 7: Laodice soror (Mithridatis) , cum perisse eum cre- deret, im concubitus amicorum mariti proiecta, quasi admissum fa- cinus maiori scelere deleri posset, venenum advenienti paravit. Fr. Ruehl giebt mit der Casinatischen Hss. deleri, die übrigen drei Klassen, I7'P, baben tegere. Wir nehmen, wie Ruehl das öfters thun mußte, von beiden Theilen etwas und schreiben tergeri. Georges’ s. v. führt geradezu scelus tergere aus Senecas Tragödien an; derselbe aus Cicero abstergere molestias dolorem luctum metum, aus Plinius d. Ae. fastidium, aus Ammianus suspicionem abstergere ; ferner detergere fastidia, somnum aus Columella und Claudianus. Vgl. meine Tulliana (München, 1888) S. 49.

München. Th. Stangl.

m 41*

XXXIII. Die Großthat des Aristophon.

Der Redner Aristophon war, wie sein Gegner Demosthenes Lept. 148 (evpero riv dweskv nag Ou», iv 7 tovr ëvÿv) berich- tet, mit einer großen und seltenen Auszeichnung geehrt worden, der Befreiung von den gewóhnlichen Leiturgien für sich und seine Nachkommen («4:£4&o); daB er sie einem wirklichen Ver- dienst verdankte, erkennt Demosthenes indirekt an, indem er zwar sich anstellt als bezweifle er dasselbe (x«i ov rovr Emriuw* dei yag èp tuiv sivas dıdovas vuéreg avıwv ol; dv BovAnode), aber nicht den geringsten Versuch macht, diesen Zweifel zu be- gründen. Man vermuthet, er habe Verdienste um die Wieder- herstellung des Demos im J. 403 gehabt; diese können indeß nicht hervorragender Natur gewesen sein: denn sein Name wird in dieser Beziehung nirgends neben einem Thrasybulos, Archi- nos, Anytos hervorgehoben. Keiner von diesen Männern ist jener Auszeichnung theilhaftig geworden, die Rede selbst unter- scheidet $ 48 geflissentlich die Belohnung der Demosbefreier von der Atelie und wir wissen auch, worin jene bestanden hat: mit- einander bekamen sie 1000 Drachmen zu einem Opfer und Weihgeschenken, einzeln jeder einen gewöhnlichen Kranz (Ai- schin. III 187). In der Natur der Sache lag es, daß die Atelie nur selten einem Bürger ertheilt wurde, denn die Zahl der zu den Leiturgien Verpflichteten verminderte sich durch sie für alle Zukunft; dem entspricht es, daB Demosthenes Lept. 21 nur 5—6 Bürger kennt, welchen sie ertheilt worden ist; die er nennt,

Die Grofthat des Aristophon. 645

sind Namen hellsten Klanges in der Geschichte Athens, ihr Ver- dienst jedes in seiner Weise ein auferordentliches: es sind die Blutzeugen der Freiheit Harmodios und Aristogeiton, die einzi. gen deren Auszeichnung Leptines bei dem Antrag auf Abschaf- fung der Atelie fortbestehen lassen wollte; ferner Konon, von den Rednern als Wiederhersteller der Hegemonie gefeiert, vom Staat belohnt ‘wegen Befreiung der Bundesgenossen’; endlich Chabrias wegen des Sieges von Naxos, welcher laut $ 77 fg. ohne jeden Verlust erkauft nicht nur an Beute 70 Schiffe, .3000 Gefangene und 110 Talente einbrachte sondern auch den Uebertritt der meisten Inseln zur Folge hatte. Eine ähnliche That, welche in den Augen des Volkes ewigen Gediichtnisses und Lohnes werth war, muß demnach auch Aristophon verrichtet haben.

Einen Hinweis auf dieselbe glauben wir in ejner verdorbe- nen Stelle Theophrasts zu finden, charact. 7 post med., wo von dem Redseligen (AuAog) gesagt wird, er liebe es #000d:7y0a0das xai rjv En’ ‘Aouciopivide note yevopérnr 100 bytogos payny xoi ın» Aaxedasuorloss und Avoavdeov. Casaubonus, Corsini und Clinton schreiben zd» énrogwr mit Bezug auf den Redekampf zwischen Demosthenes und Aischines unter Archon Aristophon Ol. 112, 3. 330; aber die Fortsetzung lehrt, daB vom Kriege die Rede ist. Mit Joh. Frieder. Fischer werfen Petersen und Ussing zov $510gog aus, um das eben erwähnte Archontendatum (der Redner Aristophon lebte 112, 8. 880 nicht mehr) zu ge- winnen; unter der ersten Schlacht soll der Sieg Antipaters über Agis bei Megalopolis, unter der andern der Sieg Lysanders bei Aigospotamoi verstanden werden. Die nachweislichen Glosseme der Textüberlieferung verrathen indef keine solche Gelehrsamkeit wie sie für einen Zusatz dieser Art vorauszusetzen würe, und der Untergang des Agis bei Megalopolis gehürt hóchst wahr- scheinlich dem Frühling oder Frühsommer 880, also dem Archou Aristophanes 112, 2 an!) Die Charaktere sind 115, 9 318

1) Philol. XL 105. Die pythischen Spiele setzte Droysen, ehe inschriftlich der delphische Bukatios = att. Metageitnion als ihr Monat bekannt war, in den September, wodurch sich ihm auch das Datum der Schlacht zu spät stellte. Die Pythien wurden wabrschein- lich in der ersten Hülfte des Monats gefeiert, Philol. XLIII 610; di Rede des Aischines gegen Ktesiphon, ‘wenige’ Tage (was auch 15-20. sein könnten) vor den Spielen gehalten, fällt also in den Hekatom- baion: zu dieser Zeit war man schon im Begriff, die spartanischen Geiseln nach Asien zu Alexander zu schaffen. |

646 G. F. Unger,

geschrieben; die Zeit eines nur 12 Jahre älteren Ereignisses würde nicht mit nor: bezeichnet worden sein. Nachdem sich an der Parallele des Konon und Chabrias die Möglichkeit heraus- gestellt hat, in dem Verdienst des Redners Aristophon eine Kriegsthat zu erkennen, ist es auch nicht mehr nöthig, 27 ’Agı- oroywvrog für ein Datum anzusehen: es kann duce Aristophonte heißen wie z. B. Thukyd. VI 6 = 75 ry» ini Auymog yevopévay Evuuayluy (gemeinsame Kriegführung), Xenoph. hipparch. 1, 12 Av ini cov avafwow, Demosth. ol. 2, 14 oiov bnjoEté no piv êni Tiuo9£ov ngog "OdvvF toic.

Auch einiges Nühere über diesen Kampf unter Aristophon ist aus der Stelle zu gewinnen, vorausgesetzt daß wir aus den zwei Kümpfen einen einzigen machen: was dieser Vereinigung entgegensteht, ist nur das Wôrtchen x«i, dessen Einschiebung sich leicht erklären läßt; was andrerseits für sie spricht, ist der gewichtige Umstand, daß jede der zwei Schlachtangaben für sich allein unvollstindig und verstümmelt da stehen würde, in Wirk- lichkeit aber das in der einen Fehlende sich in der andern vor- findet und umgekehrt. Nehmen wir 15» iw "Agıctoywrios more yevouérny rov ÖNTogog wayyy im Sinn der Vulgata als in sich abgeschlossene Schlachtangabe, so vermißt man nothwendig, weil in der andern die Lakedaimonier und Lysander angegeben sind, in jener die dem entsprechende Bezeichnung des feindlichen Volkes und Anfiihrers oder mindestens des einen von beiden. Hinwiederum fehlt in xai zzv Auxeduwuorloss dro Avoavdeov, da die andere Schlachtangabe den athenischen F'ührer nennt, der Name des attischen Strategen und wenn man auch wegen der allgemeinen Bekanntheit der Schlacht von Aigospotamoi darüber hinwegsehen wollte, so macht es doch ein anderer Umstand unmöglich, in jenen Worten allein ohne weiteren Zusatz eine abgeschlossene Schlachtangabe zu erkennen. Lysander stand in drei berühmten und folgenschweren Schlachten an der Spitze des athenfeindlichen Heeres: sein Sieg bei Notion führte die Flucht und Verurtheilung des Alkibiades herbei, wodurch Athen den weitaus fähigsten aller Heerführer und zugleich den einfluß- reichsten Staatsmann, damit aber die beste Aussicht auf den endlichen Sieg verlor; dann befehligte Lysander bei Aigospo- tamoi; endlich in der Schlacht bei Haliartos, welche den Wie- deraufschwung Athens einleitete und von den Athenern insofern

Die GroBthat des Aristophon. 647

mit gewonnen wurde, als sie am Tage derselben Theben fiir die ausgerückten Thebaner behüteten und nur die Eile Lysanders schuld war, daß der Kampf 2 Tage vor ihrem Eintreffen statt- fand. Welche von diesen Schlachten soll nun in hv Aaxedas- uovtois uno Avoardoov zu finden und woran soll sie zu erken- nen sein?

Die erste der zwei im Vulgattext durch xoi von einander getrennten Angaben nennt den attischen Führer; die Athener selbst brauchen nicht genannt zu werden, weil die Schrift in Athen verfaßt ist und hier die Erzählung eines Atheners in Rede steht. Die andere nennt das feindliche Volk und den feindlichen Führer Wie ein Schreiber dazu kommen konnte, xai einzu- setzen, ist leicht zu begreifen, besonders nachdem das offenbar verdorbene vnc Avo«rdoov der gebührenden Verbesserung theil- haftig geworden ist. Weder diese Lesart, wie Petersen glaubt, noch Ussings Conjectur uno fvodvdgo hat die hier offenbar zu Grund liegende Bedeutung duce Lysandro, wohl aber mi Avoordgov , was schon als Conjectur am nächsten liegen würde, in Wahrheit aber die Lesart aller Hdss. außer AB ist. Dies sind nun freilich die zwei ältesten und besten Handschriften der ersten Hülfte des Buchs (die zweite enthalten sie nicht), aber einander so nahe verwandt, daB sie als Abschriften eines ge- meinsamen Originals angesehen werden dürfen, und keineswegs so ausschließlich maßgebend, daß, wie Cobet Mnemos. VIII 34 und Diels Theophrastea 1883 S. 11 meinen, den andern neben ihnen jeder Ueberlieferungswerth abgeht”). Um so mehr dürfen wir éni Avouvdgov festhalten und man sieht auch jetzt, wie der Zusatz xai entstanden ist: ein Schreiber oder Leser wurde durch das zweifache Vorkommen der scheinbaren Zeitangabe (nf zog) auf die Meinung gebracht, es sei von zwei Schlachten die Rede,

2) In Cap. 4 allein ergänzen sie zwei Lücken des AB: vor der Mitte 27° allo uev underi (uns Favuatew) pyre èendytreota» und in der Mitte aosorwy Gua roi; dnolvyioss Zußalsiv (tv Sugar xai xowayroc) Tj» 9Upav Unaxovom avréc. Hier erklärt es Petersen S. 29 für certo certius, daB der Archetypus des AB die Ergänzung der schlechteren Hdss. vor sich gehabt und nur aus Versehen tibergangen habe; Diels S. 13 gibt die Richtigkeit der Ergänzung nur für xei xowavtog zu, wogegen er es fiir certo certius hält, daß vj» Süoar die Erfindung eines Schwachkopfs sei. Mirscheint éufadsivy rjv 9)gev so unsinnig zu sein, da8 man überhaupt nicht an eine Erfindung denken kann; vielmehr ist Judge» aus ölvge» verschrieben, s. Philol. XLIII 218.

648 G. F. Unger,

welche er demnach gut griechisch durch die Conjunction verbin- den zu miissen glaubte.

Der redselige Athener erzählte also mit Vorliebe zu» è7° * Apsorogirios note yevoué£vmv tov Üfropoc payny tiv Auxsdarpo- vloss àni Avodvdgov. Offenbar war es nicht die traurige Ge- schichte von Aigospotamoi, die jener sich und andern Athenern nicht oft genug ins GedächtniB zuriickrufen konnte, er war sicher so tactvoll und wenn auch das nicht, doch wie alle Redse- ligen gutherzig genug, die Hand nicht in diese fortwährend brennende Wunde jedes patriotischen Athenerherzens zu legen; ihm selbst als einem Athener mufte die Erinnerung daran so schmerzlich sein wie jedem andern; jedenfalls aber wiirde er dieselbe nicht zum zweiten Mal als Unterhaltungsstoff zum besten gegeben, ja schon beim ersten Versuch wiirde man ihm den Kopf zurechtgesetzt haben. Ohne Zweifel erzählte er von einem gliick- lichen Kampfe, bei dessen Vortrag es ihm und, wenn die Ge- schichte nicht gar zu oft aufgetischt und dadurch langweilig gemacht wurde, auch seinen Zuhörern wohl und warm ums Herz werden durfte: denn nur dieses einzige Beispiel aus den Ge- schichtserzählungen des Redseligen wird herausgehoben, es war also sein Paradestiick, von welchem er hoffen durfte, daf es seine Wirkung auf die Geneigtheit zuzuhôren nicht verfehlen wiirde, eine Geschichte welche sicher unter den Erzählungsstoffen jener Zeit eine hervorragende Rolle spielte. Die Erinnerung an Aigos- potamvi mußte zwei- und dreifach schmerzlich berühren: nicht bloß war in Folge dieses Ereignisses die Macht und Herrlich- keit Athens auf Nimmerwiederkehr entschwunden, es war auch eine vollständig vernichtende Niederlage und doch keine eigent- liche Schlacht gewesen so gut wie ohne Schwertstreich hatte Lysander die ganze Flotte weggenommen und doch wäre es bei der geringsten Achtsamkeit so leicht gewesen, das Unglück zu vermeiden, überdies waren die Strategen auch noch von Alki- biades gewarnt worden. Wie viele ‘wenn’ und ‘wenn nicht’ mögen den damals lebenden und allen späteren Patrioten bei der Erinnerung an diese sogenannte Schlacht in den Sinn ge- kommen sein; sie war und blieb der wunde Fleck, dessen Be- rührung einen Stich in die Seele gab. War ihr ein kriege- rischer Vorgang nachgefolgt, welcher das leistete was den Umstän- den nach noch geleistet werden konnte, der, wenn auch die ver-

Die Großthat des Aristophon. 649

lorene Macht zurückzubringen unmöglich war, doch wenigstens die befleckte Waffenehre wiederhergestellt, den Besiegten aber auf Kosten der verhaBten Sieger von Aigospotamoi eine will- kommene Genugthuung gegeben und so die Schmach von damals getilgt hatte, so bot derselbe gewiB denjenigen Stoff, welcher am hüufigsten erzählt und am liebsten gehórt wurde. Eine Geschichte dieser Árt gab es in der That: sie spielt zwei Jahre spüter und ist bei Xenophon Hell. II 4, 31 ff. zu lesen.

Bald nachdem Lysander mit einem Söldnerheer und der Flotte erschienen war, um den vom Demos besetzt gehaltenen Peiraieus zu Wasser und zu Land zu belagern und durch seine Eroberung den bedrüngten Aristokraten die Herrschaft zu sichern, stieß auch der König Pausanias mit der ganzen Feldmacht von Sparta und dem Aufgebot fast aller Bundesgenossen zu ihm und schlug in der Nähe des Peiraieus sein Lager auf. Als dieser mit zwei Moren der Lakedaimonier und drei Phylen der atti- schen Ritterschaft von einer Besichtigung der Mauern zum Lager zurückzog, wurde er von einer Schaar Leichtbewaffneter in so dreister und herausfordernder Weise belüstigt, daB er im Aerger den Reitern und den zehn jüngsten Jahrgüngen der Moren den Befehl gab, schnell gegen die Belistiger vorzugehen; mit den Uebrigen rückte er in der bisherigen Marschweise nach. Etwa 30 von den Angreifern wurden niedergemacht, die andern flohen und wurden bis zum Peiraieustheater verfolgt. Nun trat eine unerwartete Wendung ein. Dort war nümlich die Hauptmasse der Leichtbewaffneten und nicht blof sie sondern auch das Ho- plitenheer des attischen Demos aufgestellt. Im Nu schwärmten die ersteren aus und begannen den Feind mit einem so dichten Hagel wohlgezielter Geschosse aller Art (nxovritov EBullor dıo- Eevov écperdorwr) zu überschütten, daß eine Menge Lakedaimo- nier dureh Wunden kampfunfühig gemacht und das ganze Heer genóthigt wurde den Rückzug anzutreten. Sie wichen zurück, zwar schrittweise und die Front den Angreifern zugewendet, aber diese setzten ihnen jetzt noch stürker zu und es blieb nicht mehr blof bei Verwundungen. Unter den tapferen Kriegern, welche hier schimpflich das Leben lassen mußten, befanden sich auch die Polemarchen Chairon und Thibrachos, welche die swei Moren befehligten, dazu ein gefeierter Kimpe, der Olympionike Lakrates; auf das Massengrab der Gefallenen konnten späte

650 G. F. Unger, N

Erzähler, wenn es galt die Wahrheit der Geschichte zu erweisen, noch mit Fingern hinzeigen, es befand sich vor den Thoren des Kerameikos. Angesichts dieses Hergangs erschienen nun auch die Hopliten des Demos, geführt von Thrasybulos, und nahmen schnell 8 Mann hoch vor ihren Peltasten Stellung ; dadurch noch mehr bedrängt schickte der König, nachdem er 4—5 Stadien weit bis zu einem Schutz bietenden Hügel zurückgewichen war, nach den andern Moren und. den Bundesgenossen ; erst bei deren Eintreffen konnte er den Kampf wieder aufnehmen und bei der Uebermacht, über welche er jetzt wahrscheinlich verfügte, auch zu einem besseren Ende führen.

Das war ein erquickliches, mit Trost und Genugthuung er- füllendes Bild: ganze zwei Moren der stolzen Lakedaimonier mit ihrem König stufenweise immer härter bedrängt, in die Flucht geschlagen und eine Viertelstunde hindurch verfolgt; ein großer Theil verwundet, andere, unter ihnen die höchsten Befehlshaber nach dem König erlegt: und von wem? nicht von Hopliten, nicht einmal von ordnungsmäßig ausgerüsteten Leichtbewaffneten, de- ren es zu Thukydides Zeit (IV 94) außer einer kleinen Zahl Bogenschützen unter den Bürgern keine gab, sondern von tief verachteten Gegnern, einem Haufen Leute, welche wie im J. 424 bei Delion von Hause aus zumeist aondo. (Thuk. IV 94) mit den verschiedensten, theilweise gar nicht Waffen zu nennenden Angriffsmitteln, mit Steinen (Xen. 2ß«4AXov) Schleudern Pfeilen Wurflanzen ausgerüstet waren *), sonst aber für gewöhnlich gar nicht im Landkrieg sondern als Ruderknechte auf der Flotte gedient hatten. Fragte es sich, wem zuerst und zumeist die Ehre jenes Tages gebühre, so müßte das schon unter gewöhn- lichen Verhältnissen dem militärischen Brauche gemäß der An- führer gewesen sein; hier aber kam hinzu, daß derselbe einen solchen Erfolg mit einem Haufen Leute erzielt hatte, welchen der Name von Soldaten eigentlich gar nicht zukam: offenbar hatte er dieselben schon vor längerer Zeit nach Maßgabe der vorhandenen Waffenstiicke eingetheilt und seitdem täglich ein- geübt, er hatte sie zu ermuthigen und zu begeistern verstanden, so daß sie es wagten für sich allein ein von guten Reitern be- gleitetes Hoplitenheer anzugreifen, und er hatte im rechten Au-

8) Die Waffenvorrüthe des Zeughauses waren mit diesem in der Gewalt der Aristokraten.

Die Großthat des Aristophon. 651

genblick mit ihnen losgeschlagen, ohne auf das Zeichen des Oberbefehlshabers zu warten. Seinen Namen überliefert uns Theophrastos: es ist Aristophon, Stratege nachweislich 363/2 (Kohler Mitth. II 142) und gewif auch in andern Jahren, ein Mann von unverwiistlicher Kraft und noch im hóchsten Alter ein feuriger Redner.

Der ganze Vorgang war aber in politischer Beziehung min- destens ebenso wichtig wie in militärischer. Diese yAof oder nediuorat, wie Xenophon sie abwechselnd nennt, gehörten zu denjenigen Athenern, deren Biirgerrecht in den Parteikämpfen der Stadt jederzeit am stirksten in Frage gestellt und eigent- lich nur in der Zeit der vollständigen Demokratie unbestritten war, während sonst auch bei der größten Mäßigung beider Par- teien ihre AusschlieBung den unerlüffichen und selbst von vielen Mitgliedern der demokratischen Partei leichten Herzens gezahlten Preis der Aussöhnung bildete; es waren die unter dem Titel Theten zusammengefafiten Angehórigen der letzten Steuer- und Rangklasse. Bald nach jenem Kampf, als bereits der Einzug des Demos in Athen stattgefunden hatte, trat ein um die Sache desselben wohlverdienter Biirger, Phormisios mit dem Antrag auf, dem Wunsche der Lakedaimonier entsprechend das volle Biir- gerrecht auf die Grundbesitzenden zu beschrinken; fast 5000 Athener sollten solchergestalt politisch enterbt werden. Die nur ihrem Anfang nach erhaltene Rede, welche Lysias fiir einen Gegner des Antrags anfertigte, macht als einen Hauptgrund (Lys. XXXIV 4) gegen ihn geltend, daB das attische Volk sich durch seine Annahme einer großen Anzahl tapferer Mitkä m- pfer berauben wiirde. Dieser oder ein anderer Redner wird nicht verfehlt haben, auf jene Grofithat der Theten hinzuweisen, mit welcher sie, nach vielen werthvollen Leistungen auf der Flotte, sich jetzt auch zu Lande den Hopliten, welche bei der Fortsetzung des Kampfes geschlagen worden waren, fast mehr als ebenbürtig und aller Biirgerehren wiirdig gezeigt hatten. Der Antrag des Phormisios fiel durch und, wie uns scheint, ent- weder bei dieser Gelegenheit oder gleich nach dem Abzug der Lakedaimonier wurde ihrem Fiihrer jene Auszeichnung zu theil, welche zugleich jedem einzelnen von ihnen als Anerkennung seiner T'apferkeit gelten durfte.

Der Einwand, welchen man etwa erheben könnte, daß nicht

652 G. F. Unger, Die Grofithat des Aristophon.

Lysander sondern Pausanias der geschlagene feindliche Heer- führer war, würde zutreffen, wenn Theophrast wera, nicht émi Avsavdoov geschrieben hätte. 'En( uvog, d. i. ésovtog oder Eni tU» nouyuarwv Ovrog nvóc, bezeichnet jeden, der auf einen Vor- gang irgend einen Einfluß ausgeübt hat, den Regenten, Ober- befehlshaber, Urheber, Rathgeber, Vermittler; es dehnt sich dann noch weiter aus auf alle Betheiligten, zuletzt auf alle Gleichzei- tigen. Jene Kümpfe waren von Lysander herbeigeführt worden, er galt nicht mit Unrecht für den Urheber und Lenker aller Feindseligkeiten und für das Haupt der Kriegspartei; auch hatte Pausanias zu jener Zeit noch nicht die Maske abgeworfen, für die Athener war er zur Stunde noch, trotz seines Oberbefehls, der Gehülfe Lysanders gewesen; dazu kommt, daf die Schmach, welche damals getilgt wurde, den Athenern gerade von ihm be. reitet worden war. Daß imi bei Avoardoov nicht völlig gleiche Bedeutung hat wie bei '7f9vo:0gvroc, will wenig sagen. Aehn- liches bei Xen. memor. III 5, 10 und Thuk. VI 6, 2.

Würzburg. G. F. Unger.

Zu Dinarch.

Dinarch c. Dem. 28 steht eine dradindwoic: peoFwros ovroc © AInvaion, unodwròdg ovrog tori nadaros. Ich möchte vorschlagen das zweite ovrog zu streichen da es Dittographie zu sein scheint. Es ist sehr stórend und giebt der rhetorischen Wiederholung, zu der es gehórt, etwas Schleppendes; das Pri- dieat, nicht das Subject, wird hier schon durch die Stellung als das betonte Wort gekennzeichnet. Ueberhaupt wird bei diesem rhetorischen Kunstgriffe der Regel nach ein besonderes ei n- zelnes Wort wiederholt: z. B.: tore W°A9nvaîos, 1018, c. Dem. 76; xaAdg yàp d°A9nvaîioi, xad of medyovos negi T0U10Y Ynpiocuevoi xıE. c. Aristog. 29; êxeïvos Hoar, Exetvos, A. Eos cvufovdor c. Dem. 90; dxouPds yag tore, wa, àxgsf Oc or xrë c. Philocr. 22.

New-York. E. Sihler.

XXXIV.

Geschichte der legio XIV gemina.

Die Geschichte der rómischen Legionen, so wichtig sie auch fiir die rémische Kaisergeschichte ist, hat eine allseitig genii- gende Behandlung noch nirgend erfahren. Denn die einschla- genden Arbeiten sind theils veraltet, wie der sonst grundlegende Artikel von Grotefend (in Pauly’s Realencyklopädie unter legio, Bd. 4, 1846), theils in Bezug auf Benutzung des Quellenmate- rials, hauptsächlich des inschriftlichen, völlig unzureichend, wie die Arbeiten von Allmer (in Bd. 1 und 2 der Inscriptions anti- ques de Vienne, Vienne 1875) und Pfitzner (Geschichte der ró- mischen Kaiserlegionen, Leipzig 1881), theils an sich schon be- grenzt und für diesen begrenzten Zeitraum auch nicht erschó- pfend, wie die Preisschrift von Stille (Historia legionum ausilio- rumque inde ab excessu divi Augusti usque ad Vespasiani tempora. Kiel 1877). Es sol nun an dieser Stelle versucht werden, durch die Geschichte einer einzelnen Legion, nämlich der legio XIV gem., deren eingehende Bearbeitung schon vor vielen Jah- ren anderen Orts als erwünscht bezeichnet wurde (cf. Ritter Bonner Jahrb. 36 (1864), S. 133), eine Vorarbeit und einen Beitrag zu einer vollständigen und erschópfenden Gesammtle- gionsgeschichte zu geben.

Entstehung der legio XIV gemina, ihre Beinamen und ihr Insigne.

Daß die legio XIV gem. schon zu Augustus’ Zeiten bestan-

654 Metellus Meyer,

den habe, wissen wir sicher aus den Zeugnissen des Tacitus (Ann. I 37) und des Dio (LV 23). Mit Mommsen (Res gestae divi Augusti, iterum ed., Berlin 1888, S. 70—73) aber ge- rade das Jahr 6 p. Chr. als das Griindungsjahr der Legion an- zunehmen, hindern uns gewichtige Bedenken. Es mag uns ge- stattet sein, hier kurz auf die Annahme und Beweisführung Mommsens einzugehen. Mommsens Hypothese ist die, daß die Legionen XIII XX sämmtlich erst im Jahre 6 p. Chr. (wo wir die letzte derselben, die leg. XX, erwähnt finden [ Velleius Patere. II 112]) zur Dämpfung des dalmatisch - pannonischen Aufstandes ausgehoben seien ; und zwar giebt er hierfür hauptsächlich folgende Gründe an: Keine der genannten Le- gionen wird vor dem Jahre 6 p. Chr. auf Inschriften er- wähnt; die Legionen XIII—XX lagern in der ersten Zeit nach dem Jahre 6 am Rhein und an der Donau zusammen, die übri- gen dagegen sind durch alle Grenzprovinzen zerstreut; endlich, unter den Legionen I— XII sind mehrere, welche dieselben Num- mern tragen, die Nummern XIII—XX aber werden nur von je einer Legion geführt. Aber alle diese Gründe können doch wohl kaum beweisen, daß gerade sämmtliche 8 Legionen von XII—XX im Jahre 6 p. Chr. ausgehoben sind. Auf den Münzen der Kolonieen, die Mommsen bei seinem ersten Grunde im Auge hat, werden von den 18 Legionen, welche die Num- mern I XII trugen, folgende erwähnt: Die Zegg. I und H (Cohen: Description hist. des monnaies, Paris 1859—68. Bd. I, 2. Aufl. (1880), S. 152 Nr. 622—634; S 241 Nr. 83; Eckhel: Doctrina nummorum veterum, Wien 1792—1838, Bd. I S. 84 liest fälschlich III statt I und II); die Zegg. IV, VI, X (Cohen I S. 154 Nr. 663; S. 198 Nr. 101; Eckhel I S. 37, 38, cf. S. 34); die Zegg. V und VIII (Cohen I S. 263 Nr. 138; Eckhel III S. 355, 356); die Zegg. V und X (Cohen I 8. 149, Nr. 594, 595; S. 150 Nr. 605; Eckhel I S. 12, 19); die Zegg. X und XH (Cohen I S. 351 Nr. 442; Eckhel II S. 257 liest fälsch- lich leg. XXII statt leg. X und XII) !). Demnach sind auf den Münzen vertreten die Legionen I, II, IV, V, VI, VIII, X, XII; dagegen fehlen die 3 Legionen, welche die Nummer III trugen,

1) Die Münze bei Eckhel I S. 25, auf der ein princeps der leg. JX vorkommt, ist sicher falsch gelesen oder uuecht.

Geschichte der legio XIV gemina. 655

weiter, da es von den Nummern IV, V, VI je zwei Legionen gab, die 3 gleichnummerigen Legionen, endlich Zegg. VII, IX. und XI. Wenn nun von den 18 mitI— XII nummerierten Legionen 9 nicht auf Münzen überliefert sind, weshalb soll unter 20 dasselbe Schicksal nicht auch die Legionen XIII und XIV getroffen haben? Dies Hauptargument Mommsens, um die Nichtexistenz aller Legionen von XIII —XX vor dem Jahre 6 p. Chr. zu beweisen, scheint uns daher nicht zwingend zu sein. Derselbe Einwand aber läßt sich auch gegen seine übrigen Argumente erheben. Denn ebensogut wie z. B. die legio V Al. (cf. Velleius Paterc. II 97) können die /egg. XIII und XIV vor dem Jahre 6 p. Chr. am Rhein gelagert haben: die Legio- nen mit den Nummern I—XV würen dann nicht weniger weit von einander durch alle Provinzen zerstreut gewesen im Gegen- satz zu den 4 Legionen XVI— XIX, als die Legionen mit den Nummern I—XII im Gegensatz zu den Legionen XIII—XX. Was endlich den letzten Grund Mommsens anlangt, daß unter den Legionen von I— XII mehrere gewesen seien, die gleiche Nummern getragen hätten, so kónnen wir doch fragen, weshalb wir gerade mit der Nummer XII, und nicht erst mit XV oder XVI oder schon mit X aufhören sollen? Ebensogut wie von den Legionen mit den Nummern I, II, VIT, VIII, IX, XI, XII nur je eine vor dem Jahre 6 existierte, konnten auch die Le- gionen XIIT, XIV, XV und XVI schon vor dem Jahre 6 als einnummerige bestehen. : Der pannonische Aufstand endlich, des- sen Größe und Gefahr für Italien gewiß nicht unterschätzt wer- den darf, hat allerdings sicher zur Aushebung einer oder meh- rerer Legionen geführt: ebenso sicher aber scheint es uns, daß nicht in einem Jahre 8 neue Legionen gebildet sind. Aus allen diesen Gründen ist uns die Hypothese Mommsens von der Aushebung aller 8 Legionen von XIII—XX im Jahre 6 p. Chr. unwahrscheinlich, Dagegen geben uns unsere Quellen wohlbe- gründeten, wenn auch nicht zwingenden Anlaß, die Entstehung der leg. XIV gem. ebenso wie die der Legg. X gem. und XIII gem. um von den iibrigen nicht zu reden in eine friihere Zeit zu verlegen. Bei Dio (LV 28) führt unsere Legion nämlich den Beinamen gemina (dıdvun), und Dio erklärt nach der zu sei- ner Zeit allgemein bestehenden Annahme diesen Beinamen da- hin, daf er die Art der Entstehung der Legion bezeuge: niim-

656 Metellus Meyer,

lich auf die Zusammenschmelzung zweier alten Legionen in eine neue hinweise. Dieses Zeugniß Dio's wird bestätigt durch eine Stelle bei Caesar (Bellum civ. III 4), wo es heißt, „er habe eine Veteranenlegion, die aus zwei alten gebildet sei, gemella genannt“. Wenn wir an dieser Bedeutung des Beinamens gemina (denn ge- mella” bezeichnet ganz dasselbe), der einzigen uns aus dem Al- terthum überlieferten, festhalten wollen, so kann der Ursprung unserer Legion, da ihre Existenz für die Zeit des Augustus im allgemeinen schon gesichert ist, ebenso wie der den gleichen Beinamen tragenden Legionen X und XIII nur in den Zeiten der Bürgerkriege oder sofort nach der Beendigung derselben ge- sucht werden. Denn nur damals hatte Augustus Veranlassung, sein durch den Uebertritt der Legionen des Lepidus im Jahre 36 und der des Antonius nach der Schlacht bei Actium unge- heuer angewachsenes Heer zu verkleinern (Appian b. c. V 129), wührend er in den späteren Jahren im Gegentheil wieder zur Vergrößerung desselben schreiten mußte. Mommsen allerdings, der seine oben angeführte Hypothese bei der von Dio und Cae- sar gegebenen Erklürung des Namens gemina nicht aufrecht er- halten konnte, meint, die Legionen XIII und XIV seien geminae genannt, weil sie zusammen ausgehoben worden seien (a. a. O. S. 78 Anm.) Indessen einmal widerspricht dies, wie schon be- merkt, der ausdrücklichen Angabe der Alten, dann aber ist bei seiner Hypothese von der gleichzeitigen Aushebung der legg. XII—XX auch nicht einzusehen, weshalb gerade nur die legg. XIII und XIV und nicht auch die übrigen von XV—XX ge- minae genannt wurden.

Genau die Entstehungszeit der /eg. XIV zu bestimmen, ist uns freilich nicht möglich; indessen liegt die Vermuthung, daß die cäsarische leg. XIV (Caesar B.G. VI 32; B. c. I 46), die später unter den Oberbefehl des Octavian kam (Appian B. c. V 24), die Stammmutter unserer leg. XIV gem. sei, deshalb nicht fern, weil wir die letztere in der ersten Kaiserzeit in Germanien finden, um hier das von Caesar begonnene Werk der Unterwer- fung der Germanen zu vollenden.

Außer dem Beinamen gemina hat unsere Legion in späterer Zeit noch mehrere andere geführt: ihre vornehmsten und klang- vollsten waren jedenfalls die Kognomina Martia victriz. Wir können wohl mit Sicherheit behaupten, daß diese Kognomina sich

Geschichte der legio XIV gemina. 657

an die größte Waffenthat der Legion, die Besiegung der Königin Boudica (Tacit. ann. XIV 31 ff, Dio LXII 7, 8), anknüpfen, und daß Nero sie zum ewigen Gedächtniß jenes Sieges durch diese Beinamen geehrt habe, wie einst die cüsarische legio Martia yeti nag dus Axis (Appian B. c. IV 115) ihren Beinamen geführt hatte. Für die Zurückführung dieser beiden Namen auf jenen großen Sieg des Jahres 61 spricht auch das Zeugniß der Inschriften: denn alle Inschriften unserer Legion aus der Zeit ihres ersten germanischen Aufenthalts (so weit wir sie auch nach inneren Indicien allein einigermaßen genau bestimmen können) und ebenso alle britannischen Inschriften derselben bieten nur das Kognomen gemina, während schon aaf der Inschrift des Vet- tius vom Jahre 66 (Orelli 6767) und von da ab in den nächst- folgenden Jahrzehnten fast immer die Beinamen Martia victrix zu lesen sind, jedoch fast immer mit Beibehaltung des alten Kognomens gemina. Selten findet sich Martia oder victriz allein - neben gemina als Beiname der leg. XIV”). Ein neues Kognomen, das aber nicht ihr allein eigenthiimlich war, erhielt die Legion von Caracalla und Elagabal, die sie nach ihrem eigenen Namen Antoniniana nannten (C. I. L. III 4173, 4184, 4187, 4238, 4550, 4661; Ephem. epigr. IV 525); dasselbe thaten, so weit wir wissen, spüter Severus Alexander, nachdem sie Severiana oder Se- veriana Alexandriana (C. I. L. X 1254; Ephem. epigr. IV 526; Orelli 96, 6794; Bulletin epigr. de la Gaule II S. 485), Maximinus, nachdem sie Maximiniana (Archaeolog. - epigraph. Mittheilungen aus Oesterreich VIII S. 76), und Gordianus, nachdem sie Gor- diana (C. I. L. III 1911) hieB. Auf den Münzen des Gallienus (Cohen IV S, 387 Nr. 312, 318) und des Victorinus (De Witte: Recherches sur les empereurs qui ont régné dans les Gaules . . ., Lyon 1868 S. 101 Nr. 40) führt unsere Legion, wie die übri- gen occidentalischen Legionen, außer dem Beinamen gemina noch die sonst ihr fremden P. F. = pia fidelis. Außerdem finden

2) Gemina Martia heißt sie auf den Ziegeln: Brambach Corp. inser. Rhenan., 1377, e, 1417, c, 1491, b, 1501, b, 1537, d; Bonner Jahrb. 58 (1876). S. 20, und auf den Inschriften ; Corp. inser. lat. III 2029, 4578; Ephemeris epigraphica II 737. Gemina victrix findet sich auf einem Ziegel Brambach 1377, e und auf den Inschriften C. I. L. II 3274 und X 6555. Martia als alleiniges Kognomen ohne Beibehal- tung von gemina führt unsere Legion auf einigen Ziegeln (cf. C.I.L. III 4661; Brambach 1377, e) und auf der (freilich verderbten) In- schrift C. I. L. VIII 825.

Philologus. N. F. Bd. I, 4. 42

658 Metellus Meyer,

sich noch die Kognomina G. F. = gemina fidelis auf einem Ziegel von Carnuntum (cf. C. I. L. III 4661); ferner zeigt uns eine in Vindobona ausgegrabene Tegula die Lettern GER (cf. C. 1. L. III 4661), was nur Germanica bedeuten kann, ein Bei- name, den unsere Legion merkwürdigerweise auch beim Ptole- maeus (Geographia lib I cap. II 14) führt: dennoch ist nicht ausgeschlossen, daß beide Lesungen auf einem bloßen Irrthum beruhen und an beiden Stellen nicht GER, sondern GEM (ge- mina) zu lesen ist. Die Inschriften, auf denen die 14te Le- gion ohne jeden Beinamen sich verzeichnet findet sind verhilt- nißmäßig selten (C. I. L. III 3943, 4493, 5336; V, 51268 (?); Brambach 1193 (?) 1339); nur auf den germanischen Ziegeln ist dies häufig der Fall (Hermes XIX S. 437; C. I. L. III 4661). Endlich mag hier noch das Insigne unserer Legion Erwäh- nung finden. Die Münzen zeigen uns als solches außer dem allgemeinen Legionsadler (Cohen III S. 300 Nr. 525) einen nach rechts gewandten Steinbock, über dem auf manchen Münzen ein in seinem Schnabel eine Krone haltender Adler schwebt (Cohen III S. 387 Nr. 812, 313; De Witte S. 101 Nr. 39, 40). In der Notitia dignitatum (ed. Bócking 1 Occid. cap. VII S. 80*) finden wir als Insigne unserer Legion einen weifben Schild, in dessen Mitte sich eine roth umfaßte goldene Kugel befindet, die von einem hellblauen darüber schwebenden Adler getragen wird.

Die verschiedenen Stationen der legio XIV gem. und die Dauer ihres Aufenthalts in denselben.

Als ersten Standort der leg. XIV gem. kónnen wir nach dem Zeugniß der Schriftsteller, Ziegel und Inschriften Mogon- tiacum, das heutige Mainz, in Obergermanien bezeichnen, das sie wahrscheinlich in den Jahren 12—9 a. Chr., während Drusus den Oberbefehl in Germanien führte, erbaute (Dio LIV 38; Florus IV epit. IX; Tacit. ann. I 37; Brambach 1377, o 1—9; ef. Cohausen: Der rimische Grenzwall in Deutschland, Wies- baden 1884 S. 183). Auch an dem Bau der von Mainz nach Kastel fiihrenden Briicke ist die 14te Legion jedenfalls bethei- ligt gewesen, da in den Fundamenten derselben ein Ziegel un- serer Legion gefunden ist (cf. Schwórbel Bonn. Jahrb. 76 (1888), S. 214). Außer Mainz und Kastel waren durch sie schon vor dem Jahre 43, in dem sie zum ersten Mal Germanien verlieB,

Geschichte der Zegio XIV gemina. . 659

die Kastelle und Lager in und bei den heutigen Städten Wies- baden (Cohausen S. 183; Becker Bonn. Jahrb. 67 (1879), S. 13---15), Heddernheim (Cohausen 8. 136), Nied, Hofheim (Co- hausen S. 156), Rambach, Höchst, Friedberg (Cohausen S. 94), Rheinzabern besetzt, wie sich aus den an diesen Orten ausge- grabenen Ziegeln schließen läßt (Brambach 15374, 1999*; 1491®; 1501^; 1503; 15385; 1502*; 1417*; 1822» uud Bonn. Jahrb. 66 (1879) S. 163, cf. Florus epitomae rerum Romanarum IV epit. IX).

Im Jahre 43 ging unsere Legion unter der Führung des Aulus Plautius nach Britannien, um diese Insel dem römischen Reiche zu unterwerfen (Tacit. Ann. XIV 34, 37; Agricol. 13; Sueton Claud. 17; Iosephus b. J. II 28; Dio LX 19— 22; cf. Hübner Hermes XVI S. 527 ff); mit ihr gingen die Legionen II Aug., IX Hisp. und XX Val. victr. Ihr Hauptlager schlug sie zuerst in Camalodunum, dem heutigen Colchester, spüter, seit dem Jahre 50, in Viroconium, dem heutigen Wroxeter, auf. Für die Stationierung unserer Legion nicht nur in Camalodunum, sondern auch in Viroconium (cf. dagegen Hübner a. a. O., 8. 533 und Mommsen C. I. L. VII S. 5, 34, 45), sprechen einmal zwei an dem letzteren Ort gefundene Inschriften von aktiv in der Legion dienenden Soldaten (C. I. L. VH 154, 155)? zweitens die Theilnahme unserer Legion an dem Zuge des Sue- tonius Paulinus im Jahre 61 gegen die Insel Mona, zu dem derselbe ohne Zweifel die dieser Insel zunüchst lagernden Le- gionen, die XX Val. victr., die in Deva stationierte, und die in Viroconium liegende Legion verwandte. Hierzu kommt noch, daß Camalodunum im Jahre 50 zur Kolonie erhoben wurde (Tacit. ann. XII 32, XIV 31), und im ersten Jahrhundert, wie Mommsen nachgewiesen hat (Hermes VII S. 299), kein Ort der Kolonie war, zu gleicher Zeit auch Legionslager sein konnte, weshalb schon Jung (die roman. Landschaften des rim. Reichs, Innsbruck 1881 S. 279) den Ausweg wühlte, das Lager der Legion in die Nähe von Camalodunum, nicht in die Stadt selbst zu verlegen. Mit unserer Annahme von der Verlegung des Hauptquartieres der 14ten Legion von Camalodunum nach Vi-

3) In Britannien sind überhaupt nur 3 Inschriften unserer Le- gion gefunden: die beiden genannten in Viroconium und eine in Lindum (C. I. L. VII 187). |

42%

660 . . Metellus Meyer,

roconium im Jahre 50 stimmt übrigens noch die weitere An- gabe des Tacitus tiberein (Ann. XH 32, 33), wonach die Le- gionen ins Gebiet der Siluren und Ordoviker, in dem Viroco- nium lag, geführt wurden und zu gleicher Zeit Camalodunum, des Standort der leg. XIV gem., eine starke Veteranenkolonie erhielt. Die Mittheilung des Tacitus aber, die er uns bei Ge- legenheit der Zerstérung Camalodunums im britannischen Auf- stand (61 p. Chr.) macht, daß nämlich früher die Soldaten (ir- gend eines uns unbekannten Legion) den Schandthaten der Ve- teranen ruhig zugesehen hätten (Tacit. ann. XIV 31), zwingt uns durchaus nicht, einmal diese Soldaten für Vierzehner zu halten (diese waren ja damals alle auf Mona), und zweitens ebensowenig, in ihnen die Vertreter einer ganzen Legion zu sehen, die dort, in Camalodunum, ihr Hauptquartier gehabt haben müßte,

Bis zum Jahre 67 blieb die Legion in Britannien; dann traf sie der Befehl Neros, zu einem Feldzug gegen die am kas- pischen Meer wohnenden Albaner aufzubrechen (Tacit. hist. II 11, 66; cf. I 6). Indessen schon in Gallien erhielt sie die Kunde von ‘dem im Juni des Jahres 68 erfolgten Tod Neros und der Thronbesteigung Galbas, der die ihm feindlich gesinnte Legion mit der /eg. XI Claud. zusammen nach Dalmatien schickte (Tac. hist. II 11, 14, 32) *. Aber schon im Frühjahr 69 ver- ließ sie ihre dortigen Standquartiere, um dem neuen Kaiser Otho zu Hilfe zu eilen (Tac. hist. II 11, 54, 66); nach der Schlacht von Bedriacum sandte dann Vitellius sie nach Britannien zu- riick (Tacit. hist. II 66). Noch in demselben Jahr erging in- dessen vom Vespasian der Befehl an sie, Britannien zum zweiten . Mal zu verlassen, um dem germanischen Heere zugewiesen zu werden (Tacit. hist. IV 79). Nur zwei Tage lang stand sie bei dem untergermanischen Heer, dann wurde sie dem oberger- manischen zugetheilt (Tacit. hist. V 19) und bezog von neuem als Standquartier Mainz und die umliegende Kastelle Wiesbaden, Heddernheim, Nied, Hofheim, Rambach, Höchst, Friedberg, Ade- nau u. &, wie die an den betr. Orten gefundenen Legionsziegel,

4) Dalmatische Ziegel der 14ten Legion sind gefunden in: Bur- num (C. I. L. III 2830), Salonae (IIl 2015, 2029, 2035, 2066), Narona (III 1180), Stolae (Archaeolog.-epigr. Mittheilungen aus But. VIII S. 88), Iader (C. I. L. III 2915), Novae (III 1911).

Geschichte der legio XIV gemina. 661

welche die Kognomina Mart. (victr.) führen, bezeugen (Brambach 1377, e; 1537, d; 1491, b; 1501, b; 1583, a; 1538, b; 1502, a; 1417, c; Bonner Jahrb. 44 (1868), S 64 und 58 (1876), S. 20). Hierher gehóren auch die Ziegel von Mirebeau-sur-Bèze (Momm- sen Hermes XIX S. 437—441), auf denen aufer unserer Le- gion die Legionen I, VIII, XI und XXI verzeichnet sind, Aus ihnen ersehen wir, daß Vexillationen der genannten Legionen zu irgend einer Zeit im Kastell von Mirebeau-sur- Béze stationiert gewesen sein oder dasselbe zusammen erbaut haben müssen. Mommsen (a. a. O.) glaubt die Ziegel in die Zeit des Bataver- aufstandes verlegen zu müssen, wo die auf den Ziegeln ge- nannten Legionen Getreidestationen in diesen Gegenden errichtet und besetzt hätten. Dagegen aber spricht entschieden, daß die verzeichneten Legionen damals unter zwei verschiedenen Füh- rern standen, nämlich die Legionen I, VIII, XI unter Annius Gallus, die Zeg. XXI aber unter Cerialis und unsere Legion an- fangs unter Cerialis, dann unter Gallus (cf. Tacit. bist. IV 79; V 49). Es können aber nicht Vexillationen von Legionen, die von verschiedenen Legaten befehligt wurden, auf einem Ziegel ver- eint genannt sein. Dagegen steht nichts der Annahme im Wege, daß diese Ziegel in der Zeit vor dem Aufstand des Saturninus und während desselben verfertigt seien. Denn daß auch da- mals Stationen oder Getreideplätze von Legionsvexillationen er» richtet und besetzt sind, erhellt zur Genüge aus den bei Mire- beau und Aquae Neri gefundenen Ziegeln der leg. VII Aug. (cf. Mommsen a. a. O.), die jedenfalls in eine nur wenig spätere Zeit gehören, da sie außer der Legionsziffer den Namen des Legaten L. Appius tragen, der wahrscheinlich an Stelle des von ihm besiegten Saturninus Statthalter von Obergermanien wurde,

Gleich nach der Niederwerfung des saturninischen Auf- standes im Jahre 90 scheint unsere Legion an die Donau ver- setzt zu sein. Denn damals erließ Domitian ein Verbot, nach dem nie wieder zwei Legionen in einem Lager vereint liegen sollten (Sueton Domit. 7). Außerdem aber wissen wir, daß die leg. XXII primig. um diese Zeit aus Pannonien nach Mainz ge- schickt wurde (C. I. L. III 550; cf. Mist. Aug. Scriptor, Hadr. 2; cf. Pfitzner S. 271): es muß also zweifellos damals. unsere Legion der Befehl Domitians, nach Pannonien aufzubrechen, ge

662 Metellus Meyer,

troffen haben (cf. E. Ritterling: De legione Romanorum X gemina. Lipsiae 1885). |

Die Lagerstädte Carnuntum und Vindobona, die später beide von der 14ten Legion bezogen wurden, waren um diese Zeit noch von anderen Legionen, die eine von der leg. XV Apoll. (cf. Pfitzner S. 260), die andere von der leg. XIII gem. (cf. C. I. L. III S. 482) besetzt. Dahin also kann die 14te Legion noch nicht gekommen sein. Vielmehr fiihrt uns eine in Petrievci in Slavonien ungeführ an der Stelle des alten Mursella gefun- dene Tegula unserer Legion nach Pannonia inf., das damals freilich noch nicht als eigene Provinz bestand (C. J. L. III 3755): hier, nahe bei dem Einfluß des Karasch in die Drau, muß da- mals die 14te Legion oder wenigstens eine Abtheilung derselben gelagert haben, wenn wir nicht glauben wollen, die Tegula sei durch bloßen Zufall hierher verschleppt. Daß auch die Kriege Domitians mit den Dakern, Sueben und Sarmaten in militàri- scher Hinsicht die Besetzung des ôstlichen, den feindlichen Lin- dern näher gelegenen Theils von Pannonien, des späteren Pann, inf., durchaus wünschenswerth erscheinen lassen mußten, kann unserer Ansicht als weitere Stütze dienen. |

Eine neue Verschiebung der Legionen trat ein nach der Unterwerfung Daciens, zu dessen Besatzung unter andern die legio XIII gem. aus Vindobona von Traian ausersehen war (Pfitz- ner S. 256); zu gleicher Zeit aber rückte in Pann. inf. die legio II adj. ein (C. I. L. III S. 415, Pfitzner S. 225). Nun wissen wir ziemlich sicher, daf in dieser Provinz im zweiten Jahr- hundert nie mehr als eine Legion gelegen hat: die 14. Legion muß also damals Unterpannonien verlassen haben. Nun kennen wir auBer Vindobona (wo unsere Legion nach der Menge der dort gefundenen Ziegel ohne Zweifel zu irgend einer Zeit gelegen haben muß) nur noch ein Hauptquartier der 14. Legion: Car- nuntum. Diese Lagerstadt aber war damals noch von der leg. X V Apoll. besetzt (C. I. L. III S. 284, Pfitzner S. 260), und so bleibt nur übrig, daß die Leg. XIV im Jahre 107 in das von der leg, XIII verlassene Vindobona eingezogen sei. Diese Ansicht, daß unsere Legion zuerst nach Vindobona, und dann nach Carnuntum gekommen sei, wird noch dadurch bestütigt, da8 die Ziegel von Vindobona (C. I. L. III 4661) meistens die Beinamen Martia victrix führen, wührend dieselben auf den karnuntischen Ziegeln

Geschichte der Zegio XIV gemina. 668

in der Regel fehlen: was sich bei unserer Annahme ganz natiir- lich daraus erklärt, daß diese Beinamen am stehendsten waren, so lange die That der Legion, die ihr diese Beinamen einge- bracht hatte, noch frisch in Erinnerung war, daß sie aber mit der Zeit mehr und mehr in Vergessenheit kamen, bis sie endlich ganz verschwanden. Außer im Hauptquartier von Vindobona lagen, wie die an den betr. Orten ausgegrabenen Tegulen zeigen, Abtheilungen der 14. Legion in den Kastellen von Hernals, Meidling, Baden, Schwechat, Oedenburg (Scarbantia), Mariarast 'C. I. L. III 4661).

Die letzte Versetzung unserer Legion, die von Vindobona nach Carnuntum, muß vor dem Jahre 150, wo Ptolemaeus (I cap. II 14) sie als in Flexum (nahe bei Carnuntum) liegend anführt, stattgefunden haben*) Nun aber bot weder die Regie- rung des Hadrian noch die des Pius Anlaß zu Legionsverschie- bungen, so daf wir auf Traian zurückgeführt werden. Aus der Legionssäule (C. I. L. VI 3492 a, b) wissen wir nun, daß die leg. XV Apollin., die nach den Dakerkriegen Traians in ihr Standquartier Carnuntum zurtickgekehrt war, zur Zeit der Errich- tung dieser Säule (zwischen 120 und 170) im Orient, in Kappa- docien, lagerte: die Berufung dieser Legion in den Orient aber kann kaum zu einer andern Zeit geschehen sein als in den Jahren der Partherkriege Traians. Da wir nun von keiner andern Legion wissen, daß sie die Nachfolgerin der XV Apoll. in Car- nuntum geworden sei, die Versetzung der leg. XIV gem. nach Carnuntum aber, wie wir gesehen, jedenfalls zwischen den Jahren 107 und 150 und wahrscheinlich schon unter Traian zwischen 107 und 117 erfolgt ist, so kénnen wir wohl mit ziemlicher Sicherheit das Jahr 114, das Jahr des Abriickens der leg. XV Apoll. aus Carnuntum nach dem Orient zu den Partherkriegen, zugleich als das Jahr des Einrückens der leg. XIV gem. in Car- nuntum von Vindobona her betrachten. In Carnuntum blieb unsere Legion bis hinab auf Diocletians Zeit. Viele an der Stelle des alten Carnuntum selbst, in den angrenzenden Städten Pe- tronell und Deutsch- Altenburg und in den umliegenden Orten gefundene Ziegel (C. I. L. III 4661. Archaeol. - epigraphische

5) Es 1st klar, da$ Ptolemaeus hier irrthümlich eine Nebenstation anstatt der Hauptstation, die bei der Lage Flexums nur Carnuntum sein kann, genannt hat.

664 Metellus Meyer,

Mittheilungen aus Oest. I S. 133, 143; II S. 185; Ephem. epi- graph. IV 542) bezeugen uns den langjährigen Aufenthalt der Legion in diesen Gegenden. Weiter wird sie als Legion Ober- pannoniens außer von Ptolemaeus und der Legionssäule ausdrück- lich angeführt vom Itinerarium Antonini (edd. Parthey et Pinder, Berlin 1848 S. 247), von Dio (LV 28) und von der Notitia dignitatum; die letztere kennt milites liburnarü legionis quartae- decimae unter dem dux Pannoniae primae in Carnuntum und Arrabona (Occid. cap. XXXIII D2u.3 S. 99), und auBerdem die Quartodecimani unter dem magister militum per Thracias (Or. cap. VII C 6 S. 31). |

Als Legaten der 14. Legion während ihres Aufenthalts in Carnuntum sind uns aus den Inschriften bekannt: Unter Hadrian um das Jahr 120: Sextus Vinicius Faustinus Julius Sergius Severus, der unter Traian schon Tribun unserer Legion gewesen war (C.J. L. IH 2880); unter Hadrian oder Antoninus Pius: Titus Caesernius Statius Quintius Statianus Memmius Macrinus (C.I.L. VIII 7036); ebenfalls unter Antoninus Pius um das Jahr 157: Marcus Statius Priscus Licinius Italicus (C. I. L. VI 1523); unter Commodus: Lucius Ragonius Urinatius Larcius Quintianus (C. I. L. V 1968, 2112, VI 1502, 1503); unter Se- verus Alexander: lasdius Domitianus (C.J. L. VI 1428) und Cneius Petronius Probatus Iunior Iustus (C. I. L. X 1254); endlich unter Valentinianus, Valens und Gratianus: Titus Flavius Secun- dus Philippianus (Orelli 922; Boissieu: Inscriptions antiques de Lyon, Lyon 1846— 54 S. 65). Als Legionsprüfekten melden uns die Inschriften die Namen des Caius Cornelius Egrilianus (C. I. L. VIII 1858) und des Publius Aurelius Cassianus (C. I. L. III 4393), von denen der erste unter Caracalla die 14. Legion befehligte. Von den Tribunen der Legion während ihres Auf- enthalts in Carnuntum lassen sich zeitlich einigermaßen genau bestimmen Lucius Aconius Callistus (Orelli 96) unter Severus Alexander und der Mitkonsul des Kaisers Gallienus im Jahre 261, Titus Petronius Taurus Volusianus (Orelli 3100).

Zum Schluß dieses Abschnitts geben wir eine kurze Ueber- sicht über die Hauptstationen unserer Legion und die Dauer ihres Aufenthalts in denselben.

Geschichte der legio XIV gemina. |. 665

Legio XIV gemina.

A. In Germania sup.: Von Augustus bis 48. Hauptquar-

tier: Mogontiacum. B. In Britannien: Von 43—67. Hauptquartiere: a. Ca- malodunum (43—50). b. Viroconium (50 —67). Auf dem Zuge nach Rom in Gallien : Im Jahr 68. In Dalmatien: Von 68 bis Frühjahr 69. In Britannien: Im Jahr 69. Hauptquartier: Viroconium. In Germania sup.: Von 70—90. Hauptquartier: Mo- gontiacum. In (dem späteren) Pannonia inf.: Von 90—107. In Pannonia sup.: Von 107 an. Hauptquartiere: a. Vin- dobona (107—114). b. Carnuntum (von 114 an).

Bao

Eo

Thaten und Schicksale der legio XIV gemina von Augustus bis auf Diocletian.

Wir haben schon erwähnt, daß wir unsere Legion als die Mitbegründerin und Miterbauerin jener fünfzig Kastelle, von denen Florus (IV epit. IX) berichtet, vor allem des Kastells Mo- gontiacum, .ansehen müssen (vgl. oben S. 658). Da nun gerade Mogontiacum den Hauptstützpunkt der Operationen des Drusus bildete, so hat die 14. Legion ohne Zweifel die Feldzüge des- selben mitgemacht: die specielle Geschichte der Legion aber unter Drusus und ebenso unter seinen Nachfolgern bis auf Ger- manicus ist uns unbekannt; wir kónnen nur im allgemeinen ihre Theilnahme an den Kümpfen, die damals in Germanien geführt wurden, voraussetzen. An der unglücklichen Expedition des Varus hatte sie keinen Antheil; dagegen war sie sicher eine der beiden Legionen, mit denen L. Nonius Asprenas von Mainz aus nach dem Niederrhein eilte, um die Ueberreste des varianischen Heeres zu retten (Velleius II 120; Dio LVI 22).

Unter Germanicus machte die 14. Legion bald von sich reden. Kaum zwei Jahre nämlich hatte dieser die Statthalter- schaft von Gallien und Germanien geführt, als Augustus starb und am Rhein wie an der Donau die Legionen sich gegen den neuen Kaiser empörten und drohend Solderhóhung und Herab- setzung der Dienstzeit forderten. Die oberrheinische Armee (legg. II Aug., XIII gem., XIV gem. u. XVI) wartete ab, was die niederrheinische (legg. I, V Al, XX victr. u. XXI rap.), zu

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der Germanicus zuerst geeilt war, thun wiirde: als diese sich nach der vorläufigen Bewilligung ihrer Forderungen beruhigte, schwuren auch die Legionen II, XIII und XVI am Oberrhein ohne Widerstand den Treueid (Tacit. annal. I 31—37): nur die 14. zôgerte noch, sich zu unterwerfen, bis ihr aus freien Stiicken Solderhóhung und Verminderung der Dienstjahre angeboten wurde (Tacit. ann. I 37). An den Zügen des Germanicus, die derselbe sofort nach Beschwichtigung des Aufstandes unternahm, hat uusere Legion bedeutenden Antheil, zumal Germanicus wie einst Drusus das Kastell Mogontiacum zur Basis seiner Operationen machte. Indessen ist uns die specielle Geschichte der leg. XIV bei den ersten beiden Zügen des Germanicus nicht überliefert. Auf dem dritten Zuge gegen die Germanen hatte sich der rómische Ober- feldherr mit den vier oberrheinischen Legionen von der Rhein- mündung aus nach der Ems eingeschifft, wo er mit dem nieder- rheinischen Heer, das unter dem Befehl des Caecina zu FuB dorthin marschiert war, zusammengetroffen war. Von dort zog man unter fortwührenden Scharmiitzeln mit den Germanen in getrennten Abtheilungen nach der Stätte der varianischen Nie- derlage, wo die Ueberreste der gefallenen Soldaten begraben wurden (Tacit. ann. I 61, 62). Nach kurzer Verfolgung des Arminius und einem kleinen Reitertreffen mit ihm begannen die Römer den Rückmarsch, und zwar wurde bestimmt, daß die 14. Legion mit den übrigen oberrheinischen Legionen unter Germa- nicus! Führung sich von der Ems aus nach dem Rhein ein- schiffen sollte, wührend Caecina den Befehl erhielt, das nieder- rheinische Heer zu Fuß über die „langen Brücken“ zurückzu- führen (Tacit. ann. I €3). Indessen bald stellte es sich heraus, daß die Flotte bei der Herbststürmung wegen des seichten Fahr- wassers die vier Legionen des Germanicus nicht aufnehmen konnte: daher wurde unsere Legion und mit ihr die II. Aug. ausgeschifft und dem P. Vitellius befohlen, sie zu Fuß in ihre Standquar- tiere zu führen. Aber unbekannt mit den Verhältnissen von Ebbe und Fluth wurden die beiden Legionen von einer Springfluth überrascht, verloren ihr sämmtliches Gepäck und waren selbst nahe daran, in den Wellen umzukommen. Glücklicherweise ge- lang es ihnen noch, einen höheren Punkt zu gewinnen, wo sie übernachteten; am folgenden Tage stießen sie wieder zum Ger- manieus und traten mit ihm auf der Flotte die Rückfahrt nach

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dem Rhein hin an (Tacit. ann. I 70). Auf den letzten Zügen des Germanicus wird nichts Besonderes von der leg. XIV erwühnt; jedenfalls hat sie an der Schlacht bei Idistaviso theilgenommen (cf. Tacit. ann. II 8—25; Dio LVII 18) und ist auf der Rück- fahrt zusammen mit den übrigen oberrheinischen Legionen von jenem furchtbaren Sturm heimgesucht, dem die ganze Flotte fast zum Opfer gefallen würe (Tacit. ann. II 28, 24).

Nach Germanicus Abberufung ist das erste bedeutende Ereigniß, das uns aus der Geschichte der legio XIV bekannt ist, die Ueberführung derselben nach Britannien, zu dessen Unter- werfung der Kaiser Claudius sie mit den /egg. II Aug., IX Hisp. und XX Val. victr. ausersehen hatte (a. 48; vgl. oben S. 659). Von den vielen Auxiliartruppen, die diese Expedition mitmachten, standen die 8 cohortes Batavorum, wie ausdrücklich bezeugt ist (Tacit. hist. I 59; cf. I 64, Il 27), in näherem Zusammenhang mit der leg XIV, so daß sie sogar speciell die auailia dieser Legion genannt werden. Auf die Unterwerfung der Insel, den Sieg über die Sóhne des Cunobellinus und die Eroberung von Camalodunum brauchen wir hier nicht näher einzugehen, da die specielle Thitigkeit der leg. XIV hierbei uns nicht bekannt ist. Daß unsere Legion bis zum Jahre 50 in Camalodunum und von da ab bis zum Ende ihres britannischen Aufenthalts in Viroconium stationierte, haben wir schon oben (8. 6, 7) wahr- scheinlich zu machen gesucht. Ist diese Annahme richtig, so hat sie jedenfalls an den Kämpfen des Jahres 50 gegen die Silarer und Ordoviker, in deren Gebiet Viroconium lag, und an der schließlichen Unterwerfung derselben den Hauptantheil ge- habt (Tacit. ann. XII 32— 40). Bis zum Jahre 61 hören wir dann nichts Besonderes von unserer Legion: dieses Jahr aber bildet den Glanzpunkt in ihrer Geschichte.

Die britannischen Legionen standen damals unter dem Ober- . befehl des Suetonius Paulinus, der sich vor allem die Unter- werfung und vóllige Romanisierung des westlichen Britanniens zur Aufgabe gemacht hatte. Diese aber konnte ihm nur dann im vollen MaBe gelingen, wenn er sich der Insel Mona bemüch- tigte, von der aus die Druiden immer von neuem die Flamme des Aufruhrs schürten (Tacit. ann. XIV 29; Dio LXII 7). Zu diesem Zweck stellte er sich an die Spitze der beiden der Insel zunächst lagernden Legionen, der /egío XX Val. victr., die in

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der Germanicus zuerst geeilt war, thun wiirde: als diese sich nach der vorläufigen Bewilligung ihrer Forderungen beruhigte, schwuren auch die Legionen II, XIII und XVI am Oberrhein ohne Widerstand den Treueid (Tacit. annal. I 81—37): nur die 14. zógerte noch, sich zu unterwerfen, bis ihr aus freien Stücken Solderhóhung und Verminderung der Dienstjahre angeboten wurde (Tacit. ann. I 37). An den Zügen des Germanicus, die derselbe sofort nach Beschwichtigung des Aufstandes unternahm, hat uusere Legion bedeutenden Antheil, zumal Germanicus wie einst Drusus das Kastell Mogontiacum zur Basis seiner Operationen machte. Indessen ist uns die specielle Geschichte der leg. XIV bei den ersten beiden Zügen des Germanicus nicht überliefert. Auf dem dritten Zuge gegen die Germanen hatte sich der rómische Ober- feldherr mit den vier oberrheinischen Legionen von der Rhein- mündung aus nach der Ems eingeschifft, wo er mit dem nieder- rheinischen Heer, das unter dem Befehl des Caecina zu FuB dorthin marschiert war, zusammengetroffen war. Von dort zog man unter fortwührenden Scharmützeln mit dén Germanen in getrennten Abtheilungen nach der Stätte der varianischen Nie- derlage, wo die Ueberreste der gefallenen Soldaten begraben wurden (Tacit. ann. I 61, 62). Nach kurzer Verfolgung des Arminius und einem kleinen Reitertreffen mit ihm begannen die Römer den Rückmarsch, und zwar wurde bestimmt, daß die 14. Legion mit den übrigen oberrheinischen Legionen unter Germa- nicus’ Führung sich von der Ems aus nach dem Rhein ein- schiffen sollte, wührend Caecina den Befehl erhielt, das nieder- rheinische Heer zu Fuß über die „langen Brücken“ zurückzu- führen (Tacit. ann. I €3). Indessen bald stellte es sich heraus, daß die Flotte bei der Herbststürmung wegen des seichten Fahr- wassers die vier Legionen des Germanicus nicht aufnehmen konnte : daher wurde unsere Legion und mit ihr die II. Aug. ausgeschifft und dem P. Vitellius befohlen, sie zu Fufì in ihre Standquar- tiere zu führen. Aber unbekannt mit den Verhiltnissen von Ebbe und Fluth wurden die beiden Legionen von einer Springfluth überrascht, verloren ihr sümmtliches Gepäck und waren selbst nahe daran, in den Wellen umzukommen. Gliicklicherweise ge- lang es ihnen noch, einen höheren Punkt zu gewinnen, wo sie übernachteten; am folgenden Tage stießen sie wieder zum Ger- manicus und traten mit ihm auf der Flotte die Rückfahrt nach

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dem Rhein hin an (Tacit. ann. I 70). Auf den letzten Zügen des Germanicus wird nichts Besonderes von der leg. XIV erwähnt; jedenfalls hat sie an der Schlacht bei Idistaviso theilgenommen (ef. Tacit. ann. II 8—25; Dio LVII 18) und ist auf der Rück- fahrt zusammen mit den übrigen oberrheinischen Legionen von jenem furchtbaren Sturm heimgesucht, dem die ganze Flotte fast zum Opfer gefallen wire (Tacit. ann. II 28, 24).

Nach Germanicus’ Abberufung ist das erste bedeutende Ereigniß, das uns aus der Geschichte der legio XIV bekannt ist, die Ueberführung derselben nach Britannien, zu dessen Unter- werfung der Kaiser Claudius sie mit den legg. II Aug., IX Hisp. und XX Val. victr. ausersehen hatte (a. 43; vgl. oben S. 659). Von den vielen Auxiliartruppen, die diese Expedition mitmachten, standen die 8 cohortes Batavorum, wie ausdriicklich bezeugt ist (Tacit. hist. I 59; cf. I 64, IL 27), in näherem Zusammenhang mit der leg XIV, so daß sie sogar speciell die auxilia dieser Legion genannt werden. Auf die Unterwerfung der Insel, den Sieg über die Sóhne des Cunobellinus und die Eroberung von Camalodunum brauchen wir hier nicht näher einzugehen, da die specielle Thitigkeit der leg. XIV hierbei uns nicht bekannt ist. Daf unsere Legion bis zum Jahre 50 in Camalodunum und von da ab bis zum Ende ihres britannischen Aufenthalts in Viroconium stationierte, haben wir schon oben (8. 6, 7) wahr- scheinlich zu machen gesucht. Ist diese Annahme richtig, so hat sie jedenfalls an den Kämpfen des Jahres 50 gegen die Silarer und Ordoviker, in deren Gebiet Viroconium lag, und an der schlieBlichen Unterwerfung derselben den Hauptantheil ge- habt (Tacit. ann. XII 32-40). Bis zum Jahre 61 hören wir dann nichts Besonderes von unserer Legion: dieses Jahr aber bildet den Glanzpunkt in ihrer Geschichte.

Die britannischen Legionen standen damals unter dem Ober- . befehl des Suetonius Paulinus, der sich vor allem die Unter- werfung und véllige Romanisierung des westlichen Britanniens zur Aufgabe gemacht hatte. Diese aber konnte ihm nur dann im vollen MaBe gelingen, wenn er sich der Insel Mona bemüch- tigte, von der aus die Druiden immer von neuem die Flamme des Aufruhrs schürten (Tacit. ann. XIV 29; Dio LXII 7). Zu diesem Zweck stellte er sich an die Spitze der beiden der Insel zunächst lagernden Legionen, der /egío XX Val. victr., die in

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Deva, und der legio XIV gem., die in Viroconium stationierte, und setzte mit ihnen nach der Insel über. Aber während unsere Legion zusammen mit der 20. hier unter dem Befehle des Le- gaten im gliicklichen Kampf die Unterwerfung der Insel fast vollendet hatte (Tacit. ann. XIV 30; Dio LXII 8), brach im - Osten hinter ihrem Riicken ein furchtbarer Aufstand der Bri- tannier unter der Leitung der Kónigin Boudica aus. Die ver- hafite Veteranenkolonie Camalodunum war das erste Ziel der Empórer: sie wurde in Brand gesteckt und alle dort wohnenden Rómer hingemordet (Tacit ann. XIV 31, 32, Dio LXII 7). Die von Calleva her den Bedrüngten zu Hiilfe eilende leg. IX Hisp. wurde fast vernichtet; der Stellvertreter des Paulinus, Catus, floh, seiner Pflicht uneingedenk, eiligst nach dem Fest- lande (Tacit. ann. XIV 32). Auf die Schreckenskunde von der Empörung brach Paulinus sofort von Mona auf, ließ das Gros der 20. Legion zur Deckung im Westen zurück und marschierte selbst an der Spitze der 14. Legion und des Restes der Zwan- ziger in Eilmürschen:nach Londinium, um dies vor dem Schick- sal Camalodunums zu bewahren. Vor Londinium angelaugt aber kehrte Paulinus wieder um, ohne fiir die Stadt irgend etwas gethan zu haben, da er einsah, daß es ihm doch unmöglich sei, sie zu retten. So fiel auch Londinium und ebenso Verula- mium und andere römische Kolonien der Wuth der Empörer zum Opfer (Tacit. ann. XIV 33)9). In seiner Noth suchte Pau- linus jetzt die Vereinigung mit dem Legaten der leg. II Aug., den er von Isca her zur Hülfe rief. Als dieser nun freilich feige und unehrenhaft genug war, seinen Oberfeldherrn im Stich zu lassen und sich zu weigern, dessen Befehle Folge zu leisten

6) Mommsen (Róm. Geschichte Bd. 5 S. 165 Anm.1) findet die- sen Bericht des Tacitus günzlich unglaubwürdig, da es unverstándlich würe, weshalb Paulinus erst nach Londinium gegangen sei, wenn er es doch habe aufopfern wollen; er will daher lieber dem Dio (LXII 8) folgen, nach dessen Bericht der rómische Feldherr schon mitten auf dem Marsche von Mona nach Londinium zur Schlacht gezwungen wurde. Indessen ist es sehr wohl möglich, daß Paulinus anfänglich den Aufstand für nicht so gefäbrlich gehalten und geglaubt habe, mit der 14. Legion allein die Empörung niederwerfen zu können, da8 er sich dann aber am Orte des Aufrubrs selbst habe davon über- zeugen müssen, daß er mit dieser einen Legion und der kleinen Abtheilung der Zwanziger zu schwach sei, dem Feinde begegnen zu kónnen, und bis zur erwarteten Verstürkung seines Heeres durch die leg. II Aug. eine Schlacht vermieden und Londinium dem Feinde preisgegeben habe.

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(Tacit. ann. XIV 37), da war Paulinus dennoch gezwungen, mit der 14. Legion und der Vexillation der Zwanziger allein den Kampf mit dem Feinde aufzunehmen. Wahrscheinlich in der Nähe der heutigen Stadt Colchester kam es zur Schlacht; die Zahl der Feinde war eine ungeheure, wenn auch Dio’s Bericht (LXII 8), der sie auf 280 000 angiebt, natürlich übertrieben ist. Auf Seiten der Rómer nahm die 14. Legion mit der kleinen Abtheilung der Zwanziger die Mitte des Treffens ein, um sie herum standen die Leichtbewaffneten und auf beiden Flügeln die Reiterei. Das Terrain hatte Paulinus so günstig wie mög- lich gewählt; sein Heer stand hinter einem EngpaB, der die Feinde an der Entfaltung ihrer Truppenmassen hinderte und zugleich die Rémer vor Umzingelung schützte (Tacit. ann. XIV 34; Dio LXII 8). In diesen EngpaB stürmten nun die Bri- tannier hinein; immer neue Massen wälzten sich gegen die tapfere Legion, in deren Mitte schon die Leichen der Feinde lagen: aber nichts konnte sie zum Weichen bringen, und trotz ihrer Zahl ermüdeten endlich die Feinde. Jetzt fing die Legion ihrerseits an, vorzudringen, und nicht lange dauerte es, so befand sich das zahllose Heer der Britannier in vollständiger Flucht (Tacit. ann. XIV 37; Dio LXII 12) Viele Tausende von Fein- den (Tacitus giebt ihre Zahl auf 80000, die der gefallenen Rômer auf 400 an) deckten das Schlachtfeld; Britannien aber war durch diesen Sieg der Vierzehner für Rom gerettet, „Glän- zend und des Kriegsruhms der Ahnen würdig“ nennt Tacitus (ann. XIV 37) nicht mit Unrecht diesen Tag, und lange noch blieb es im Gedächtniß der Römer, daß die Vierzehner durch diese Schlacht die eigentlichen Bezwinger Britanniens, die ,,do- mitores Britanniae" (Tacit. hist. V 16), geworden waren. Der Kaiser aber ehrte die Legion zum ewigen Andenken an diesen Sieg mit den Beinamen „Martia victrix“ (vgl. oben 8. 656 fi), ©

Aufler dem Namen des Oberanfiihrers in der Schlacht bei Colchester ist uns noch der Name eines Tribunen der 14. Le- gion bekannt, der sich, wie eine im Jahre 66 p. Chr. gesetzte Inschrift (Orelli 6767) meldet, im britannischen Krieg rühmlich hervorgethan und wahrscheinlich auch an dieser Schlacht theil- genommen hat: es ist M. Vettius Valens, derselbe, auf dessen Inschrift unsere Legion zuerst die Beinamen ,, Martia victrix führt ^).

7) Ob die uns auf Inschriften genannten Tribunen S. Palpellius.

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Welchen Antheil unsere Legion an der weiteren Unter- driickung des britannischen Aufstandes hatte, ist uns nicht be- kannt. Sie wird, nachdem das rômisch - britannische Heer bald nach der eben geschilderten Schlacht durch 20 000 neue Legio- narier und eine Anzahl Auxiliarkohorten und Reiter verstirkt war (Tacit. ann. XIV 38), sofort in ihre Standquartiere nach Viroconium zuriickgefiihrt sein.

Die in der Schlacht bei Colchester bewiesene Tapferkeit und Unerschrockenheit der Vierzehner gab dem Nero einige Jahre später Veranlassung, dieselben als die tüchtigsten Soldaten des römischen Heeres (,,ut potissimos“) zu einem Kriegszug gegen die Albaner auszuwählen: eine Auszeichnung, die den Ruhm der Vierzehner noch vermehrte (Tacit. hist. II 11). So verließ die Legion Ende des Jahres 67 oder Anfang 68 Britannien, um vorläufig nach Rom und von dort in den Orient zu gehen. Aber kaum war sie in Gallien angelangt, als dort unter Vindex und in Spanien unter Galba die Empörung gegen Nero offen ausbrach, und die Legion nun so schnell wie möglich zum Schutze des Kaisers nach Italien eilen mußte. Ob sie vorher noch mit den germanischen Truppen unter Verginius Rufus an der Be- siegung des Vindex theilgenommen habe, können wir nicht be- stimmen; auf jeden Fall aber blieb sie auch nach der Schlacht gegen Vindex dem Nero treu, während die germanischen Le- gionen sich damals für Galba erklärten. Indessen, so treu auch die 14. Legion zu dem alten Kaiser hielt, und so gern sie ihm zu Hülfe gekommen wäre: sie konnte ihre Absicht, nach Italien durchzubrechen, nicht ausführen, da die ihr voraneilenden bata- vischen Kohorten, die sich dem Galba zugewandt hatten, sie daran hinderten, wahrscheinlich indem sie die Alpenpässe besetzten (vgl. Ritter Bonn. Jahrb. 36 [1864], S. 132). Wenigstens rühmten die batavischen Kohorten sich, der 14. Legion Schran- ken gesetzt und dem Nero so Italien entrissen zu haben (Tacit. hist. II 27; cf. I 59). Durch dieses feindselige Verhalten der batavischen Kohorten war also die Legion gezwungen, thatenlos der Entthronung Neros zuzusehen, zumal auch das gesammte germanische Heer dem neuen Kaiser sich zugewandt hatte, und

Hister (C. I. L. V 85) und T. Marcius (Orelli 6020) erst in Britan- nien oder schon in Germanien das Tribunat bei unserer Legion be- kleideten, läßt sich nicht genau bestimmen.

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unsere Legion, die gänzlich von den übrigen dem Nero treu ge- bliebenen Legionen abgeschnitten war, allein gegen dasselbe nichts ausrichten konnte.

Nach dem Tode Neros schickte Galba die ihm feindlich ge- sinnte Legion mit der XI Claudia zusammen nach Dalmatien (vgl. oben S. 660), wo dieselbe ungeduldig auf eine Gelegenheit wartete, sich an dem Kaiser, den germanischen Legionen und den batavischen Kohorten zu rächen. Diese Gelegenheit ließ nicht lange auf sich warten. Schon im Januar des Jahres 69 erhob sich in der Person des Otho ein neuer Kaiser, dem sich die 14. Legion mit den übrigen illyrischen Legionen und den Legionen des Orients sofort anschlof (Tacit. Asst. I 76); nun wurde Galba zwar noch im selben Monat ermordet, aber schon vorher hatten die Rheinlegionen den Vitellius zum Imperator ausgerufen, und so war der Kampf zwischen den beiden gewal- tigen Armeen des Reiches, zwischen der Donau- und der Rhein- armee, unvermeidlich (Tacit hist. I 74). Bei Bedriacum kam es im Jahre 69 zur Entscheidungsschlacht. Indessen, wührend die meisten übrigen illyrischen Legionen, obwohl auch sie nur lang- sam vorgertickt waren (Tacit. hist. II 11), an der Schlacht theil- nahmen, war die 14. Legion, die in ihrer Siegesgewibheit glaubte, noch zu jeder Zeit früh genug zu kommen (Tacit. Ait. II 82), am Tage der Schlacht nur durch 2000 vorausgesandte Vexilla- rier im Heere Othos vertreten. Zwar hatte Suetonius Paulinus dem Kaiser gerathen, die Ankunft der im größten Rufe stehenden 14. Legion abzuwarten (Tacit. hist. II 82): doch dieser hatte, ohwohl bald gemeldet wurde, die Vierzehner und die misischen Truppen stünden schon in Aquileia (Tacit. Aist. II 44, 46), ungeduldig auf die Schlacht gedrungen.

Trotzdem es nun in der Schlacht bei Bedriacum durch die Feigheit und das Zurückweichen der leg. XIII gem. dahin ge- kommen war, daß das kleine Vexillum der Vierzehner von der Uebermacht der Feinde umzingelt und erdrückt wurde (Tacit. hist. II 43), so war das Verhalten der Soldaten der 14. Legion nach der Kunde von der Niederlage ihres Kaisers jedenfalls eher das von Siegern als das von Besiegten. „Nur die Vexillarier“, - so riefen sie, „wären bei Bedriacum besiegt, der Kern der Le- gion aber sei noch garnicht zum Schlagen gekommen“ (Tacit, hist.II 66). Und wie groB noch in den Tagen nach der Schlacht

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die Furcht vor einer Wendung des Kriegsschicksals durch die Waffen der 14. Legion bei den Vitellianern und den nach der Schlacht zum "Vitellius übergegangenen Othonianern war, das zeigt der Schrecken, den die erdichtete Nachricht eines Freige- lassenen hervorrief: die legio XIV sei unvermuthet angekommen, habe sich mit den in Brixellum lagernden Truppen vereinigt, die Sieger geschlagen und das Kriegsglück wieder. dem Otho zugewandt (Tacit. hist. II 54). Kein Wunder, daB Vitellius, nachdem ihn Othos voreilige Verzweiflung über Erwarten schnell zum Kaiserthron hatte gelangen lassen, die gefährliche, ihn von Grund aus hassende Legion so bald wie möglich aus seiner Nähe zu schaffen suchte und ihr befahl, in ihre früheren Standquartiere nach Britannien zurückzukehren ; um sie einigermaßen in Schranken zu halten, gab er ihr die batavischen Kohorten zur Seite (Tacit. hist. II 66), mit denen unsere Legion, wie wir wissen, seit Gralbas Erhebung in bitterster Feindschaft lebte, und die in der Schlacht bei Bedriacum auf Vitellius! Seite gefochten hatten (Tacit. hist. II 27). Indessen diese MaBregel schürte nur die Wuth und Erbitte- rung der Legion, die nur eines kleinen Anlasses bedurfte, um zum vollen Ausbruch zu kommen; dieser bot sich denn auch bald. Die Legion mit den batavischen und zwei prätori- schen Kohorten war auf ihrem Rückmarsch bis Augusta Tau- rinorum gekommen. Hier trug es sich zu, daß ein Bataver einen llandwerker, der ihn nach seiner Meinung betrogen hatte, ver- folgte und ihm hart zusetzte, dieser letztere aber von einem Sol- daten der 14ten Legion, der sein Gastfreund war, in Schutz ge- nommen wurde; um beide sammelten sich schnell ihre Kame- raden, und es wire zum blutigsten Kampfe gekommen, wenn nicht die beiden prütorischen Kohorten, die als frühere Otho- nianer den Vierzehnern günstig gesinnt waren, sich auf deren Seite gestellt hätten. Dies bewog die batavischen Kohorten, vom Kampf abzustehen, da sie jede Hoffnung, als Sieger aus demselben ‘hervorzugehen, bei der großen Uebermacht ihrer Gegner aufgeben mußten (Tacit. hist. II 66). Jetzt hielt Vi- tellius es für gerathener, die Bataver von der Legion zu trennen und sie ut fidos zu seinem Heer zn berufen, wührend er den Vierzehnern befahl, ihren Marsch nach Britannien fortzusetzen. Bevor jedoch die Legion dem Befehl des Kaisers nachkam und Taurini verließ, ließ sie ihren Grimm an dieser Stadt aus und

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steckte einen Theil derselben in Brand. Da man nun ein ähn- liches Schicksal fiir Vienna fiirchtete (das sich, wie wir wohl vermuthen diirfen, im Jahre 68, als die Legion vergeblich nach Italien durchzubrechen suchte, derselben feindlich gezeigt hatte), so lieB Vitellius sie tiber die graischen Alpen nach Gallien fith- ren, damit sie Vienna auf ihrem Wege nicht berührte; den- noch drang ein 'Theil der Legion darauf, auf Vienna loszumar- schieren, mußte sich aber schließlich der. Mehrzahl, die für den direkten Weitermarsch sich erklirte, fügen (Tacit. hist. II 66). So kam die Legion nach etwa zweijähriger Abwesenheit in Britannien wieder an.

Aus der kurzen Geschichte des zweiten britannischen Auf- enthalts der Legion ist uns so gut wie nichts bekannt. Wir wissen nur, dafi bald nach der Erhebung Vespasians versucht wurde, die Legion für den neuen Kaiser zu gewinnen (Tacit. hist. II 86). Indessen konnte sie trotz ihrer alten Feindschaft gegen den Vitellius bei der Parteinahme der übrigen britanni- schen wie aller germanischen Legionen für denselben keinen An- theil an den Kümpfen der Vespasianer und Vitellianer in Italien nehmen. Aber wie sehr dennoch die Ankunft unserer Legion auf dem Kriegsschauplatz von Seiten der Vitellianer gefürchtet wurde, offenbarte sich deutlich bei der Verrütherei des Caecina, der das germanische Heer dem Feldherrn des Vespasian, dem Antonius Primus, ohne Kampf übergeben wollte: die Soldaten schlugen ihn in Fesseln, indem sie riefen: „noch sei nicht ein- mal die einzige Kraft des othonianischen Heeres, die erste und vierzehnte Legion, zur Stelle, und da sollten -sie sich wie wehr- lose Sklaven einem verbannten Antonius ergeben?“ (Tacit. hist. III 13).

Indessen, wie bemerkt, nach Italien kam die 14te Legion nicht; wohl aber verließ sie noch im Jahre 70 auf Vespasians Befehl Britannien (vgl. oben S. 660), um sich mit den nach der Besiegung des Vitellius in Italien freigewordenen vespasianischen Legionen in Germanien zur Unterdrückung des batavischen Auf- standes und zur Unterwerfung des Civilis zu vereinigen. Als sie von Britannien aufbrach, hatte die Empórung Galliens und Germaniens gerade ihren Höhepunkt erreicht, und außer Vindo- nissa gab es damals keine germanische Lagerstadt, die sich nicht in der Gewalt des Civilis befunden hiitte. Bevor sie in Ger-

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manien eintraf, war es dann freilich dem Cerialis, der von Ita- lien her mit den vespasianischen Truppen herangertickt war, schon gelungen, Mogontiacum wieder zu erobern und die abge- fallenen germanischen Legionen zur Treue gegen Rom zurück- zufiihren; zu ciner Entscheidungsschlacht aber zwischen ihm und Civilis war es noch nicht gekommen. Nach einigen kleinen, theils giinstigen, theils ungiinstigen Gefechten hatte sich der Ba- taverführer nach Vetera zurückgezogen, und hierhin war ihm Cerialis gefolgt (Tacit. hist. V 14). Inzwischen war die 14te Legion von Britannien nach Gallien übergesetzt und unter der Führung ihres Legaten Fabius Priscus durch das Gebiet der Nervier und 'Tungrer, die sich ohne Widerstand unterwarfen, vorgerückt, wührend Civilis einen Angriff unserer Legion von der Seeseite her auf das Land der Bataver befürchtet hatte (Tacit. hist. IV 79). Bei Vetera vereinigte sich die Legion mit den Truppen des Cerialis, unter dessen Oberbefehl sie jetzt trat (Tacit. hist. V 14). Noch am Tage ihrer Ankunft fand ein kleines Gefecht statt, in dem die Germanen Sieger blieben, da sie mit dem Terrain mehr vertraut waren als die Rómer (Tacit. hist. V 15). Am folgenden Tage kam es dann zur eigentlichen Schlacht, in der auf römischer Seite die Vierzehner mit den übrigen Legionen im zweiten 'Treffen, die Hülfsreiterei und die Kohorten an der Spitze standen; den Sieg gewannen nach hei- Bem Kampf die rómischen Legionen (Tacit. hist. V 17, 18). Schon am Tage nach der Schlacht verlie die 14te Legion den eigentlichen Kriegsschauplatz und ging zum oberrheinischen Heer des Annius Gallus, während Cerialis durch die legio X gem. Ersatz für sie erhielt (Tacit. hist. V 19). Daß unsere Le- gion damals wieder Mogontiacum als Hauptlager zugewiesen er- halten habe, ist schon oben (S. 660) erwühnt.

Aus der ferneren Regierungszeit des Vespasian und ebenso aus der des Titus ist uns nichts von der l4ten Legion bekannt. Unter Domitian im Jahre 88 (cf. Mommsen Róm. Gesch. Bd. 5 S. 187; Schiller Gesch. d. róm. Kaiserzeit S. 524) finden wir sie zusammen mit den übrigen obergermanischen Legionen VIII, XI und XXI, wie sie uns auf dem Ziegel von Mirebeau-sur- Béze überliefert sind, in voller Empórung gegen den Kaiser unter der Führung des Saturninus, des Statthalters von Obergerma-

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nien 5). Allein der Aufstand wurde durch das rasche Ein- schreiten des Appius Norbanus, der den Saturninus und seine Legionen gänzlich überrascht haben muB und entscheidend schlug (cf. Sueton Domit. 6), vollständig niedergeworfen ; um ein neues Zusammengehen der aufrührerischen Legionen zu verhindern, ward die 14te Legion von den übrigen getrennt und nach Pan- nonien hin gesandt.

Ueber die specielle Geschichte der 14ten Legion während ihres langjährigen pannonischen Aufenthalts lassen uns die Quellen fast ganz im Dunkeln. Die Namen einiger unter 'Traian bei der Legion dienenden Officiere melden uns die Inschriften: so den des Tribunen Sextus Vinicius Faustinus Iulius Sergius Se-

8) Zwar nehmen Renier (cf. Schiller a. a. O. S. 524 Anm. 4) und Pfitzner (a. a. O. S. 79) an, es seien nur zwei Legionen an dem Auf- stand betheiligt gewesen (nach Renier die Legionen XI Claud. und XXI sap., nach Pfitzner VIII Aug. und XIV gem.): indessen scheint uns schon Ritterling (a. a. O. S. 77) diese Annahme genügend wider- legt zu haben; zweifellos aber wire jedenfalls die Theilnahme der leg. XIV gem. am Aufstand, wenn unter dem Doppellager, bei dem der Aufstand ansgebrochen sein soll (Sueton Domit. 7), das Stand- quartier unserer Legion, die Lagerstadt Mainz, verstanden werden müßte. Allerdings hat sich nun eine Stimme erhoben, die das er- wähnte Doppellager in Vindonissa. und nieht in Mainz, suchen will (Schiller a. a. O. S. 524 Anm. 6). Indessen kann die Frage, welche von beiden Lagerstüdten, Mainz oder Vindonissa, den Vorzug eines Doppellagers gehabt haben soll, unserer Ansicht nach nur zu Gunsten von Mainz beantwortet werden. Das beweist allein der Umfang des Mainzer Lagers gegenüber dem von Vindonissa, das beweist noch mehr die grofe Menge von Ziegeln und Legionsinschriften, die in Mainz im Gegensatz zu Vindonissa gefunden ist, ganz abgesehen noch davon, daß dem strategischen Blick der Römer die Bedeutung von Mainz (vgl. Mommsen a. a. O. SS. 29, 184, 135) gegenüber der von Vindonissa unmöglich entgangen sein kann, und daß sie schon des- halb nach Mainz und nicht nach Vindonissa die stürkere Besatzung gelegt haben werden. Hiergegen kann nicht in die Wagschale fal- len, daß nach einigen kurzen Andeutungen Martials der Ort der Schlacht zwischen Saturninus und Appius in der Nühe von Vindo- nissa und nicht in der Nähe von Mainz gewesen zu sein scheint (vgl. Schiller a. a. O. S. 524 Aum. 6), da hierüber wie über die Provinz des Appius bei den überaus spürlichen und kurzen Nachrichten der Alten sich doch zu keinem sicheren Resultat kommen läßt. Ist aber unsere Annahme richtig uud der eigentliche Heerd des Aufruhrs in Mainz zu suchen. so hat auch die l4te Legion, als die gefürchtetste und gefeiertste der rómischen Legionen, den Hauptantheil an dem- selben, da sie ja in Mainz ihr Lager hatte, und so ist es auch er- klürlich, weshalb Domitian nach der Niederwerfung des saturninischen Aufstandes gerade unsere Legion vom Heerde des Aufruhrs entfernte und sie an der Donau im Krieg mit den auswürtigen Feinden zu be- schüftigen suchte.

49*

676 Metellus Meyer,

verus, der unter Hadrian als Legat die Legion befehligte (C. I. L. III 2830), ferner die des Tribunen Lucius Minicius Natalis Quadronius Verus Iunior (C. I. L. H 4509 4511; Orelli 6498), des Rufus (C. I. L. X 7587) und des Centurionen Nonius Mar- cius Plaetorius Celer (C. I. L. X 1202). An den dakischen Kriegen Traians scheinen, wie aus den ziemlich zahlreich in Dacien gefundenen Inschriften der 14ten Legion hervorgeht, Vexillationen derselben theilgenommen zu haben; ebenso sind Abtheilungen der Legion zum Partherkriege Traians, vielleicht auch zu dem des Lucius Verus nach dem Orient hin abgesandt: das bezeugt uns die Inschrift eines eques unserer Legion, der aut einer parthischen Expedition gefallen ist (C. I. L. III 4480). Selbstverstindlich ist die Theilnahme unserer Legion an den Kriegen mit den Donauvólkern seit der Mitte des zweiten Jahr- hunderts, vor allem am Markomannenkrieg, zumal im Anfang dieses Krieges Carnuntum, die damalige Lagerstadt der 14ten Legion, den Ausgangspunkt aller Operationen der Rómer bildete. Zudem sind uns noch mehrere Inschriften überliefert (C. I. L. V 1968, 2112; VI 1502, 1508), nach denen ein Legat der 14ten Legion, L. Ragonius Urinatius, von Commodus mit hohen mili- tärischen Auszeichnungen belohnt ist, die er ohne Zweifel im markomannischen Krieg sich verdient hat.

An der einige Jahrzehnte später in Carnuntum erfolgten Erhebung des Septimius Severus zum rómischen Kaiser hat die 14te Legion, in deren Lagerstadt dies Ereigniß stattfand, jeden- falls großen Antheil gehabt; das beweisen auch die unter die- sem Kaiser geschlagenen Münzen der Legion (Cohen a. a. O. III S. 258 Nr. 169, 170 -173; S. 300 Nr. 525). Unter Se- verus Alexander nahmen Vexillationen der pannonischen Legio- nen an den Kümpfen gegen die Parther Theil (Herodian hist. VI 7); derselbe Kaiser hatte schwere Kümpfe an der Donau zu bestehen, und ebenso auch am Rhein, wohin ihm die pannoni- schen Legionen folgen mußten. Auf diesem Zuge wurde Ale- xander ermordet und Maximinus zum Kaiser erhoben; nach ihm führt die 14te Legion den Beinamen Maximiniana (Archaeolog.- epigraph. Mittheilungen aus Oesterreich VHI S. 76) und hat als dem Maximinus ergebene Legion jedenfalls theilgenommen an dem Sturm, den die pannonischen Legionen auf Aquileia machten, um ihrem Kaiser den Weg nach Italien zu bahnen (Herodian

Apollo Kitharödos. 685

in allen Kreisen machte, läßt sich an der Hand der nach dem Jahre 28 schreibenden Lyriker nachweisen; die Gestalt Apollos nimmt bei verschiedenen derselben eine so typische, sich äh- nelnde Form an, daß, wer diese Stellen vergleicht, ein ziemlich genaues Bild von dem Meisterwerke des Skopas zu entwerfen vermag. Wie weit dasselbe mit unserem im Vatikan erhaltenen Apollon Kitharödos übereinstimmt, mag die Vergleichung selbst lehren. Die nächste in Betracht zu ziehende Stelle findet sich in den ,.Amores“ Ovids, I 8, 59:

ipse deus vatum palla spectabilis aurea

tractat inauratae consona fila lyrae. sie läßt den Gott in langem, goldgesticktem Gewande auf goldener, eigentlich ‘vergoldeter’ Lyra spielen.

Eine der bedeutsamsten Anspielungen desselben Dichters auf das palatinische Apollo-Bild bieten die Metamorphosen (XI 165 u s. w.):

ille caput flavum lauro Parnaside vinctus verrit humum Tyris saturata murice palla distinctamque lyram gemmis et dentibus Indis sustinet a laeva: tenuit manus altera plectrum. artificis status ipse fuit . tum stamina docto pollice sollicitat: quorum dulcedine captus Pana iubet Tmolus citharae submittere cannas.

Auch hier fällt die Erwähnung des langen Gewandes auf, das ,auf dem Boden schleift", wie es dem Apollo Ki- tharódos eigen ist. Das Gewand selbst ist purpurfarben, wäh- rend das Haupthaar des Gottes blond und mit einem Lorbeer- kranze geschmückt gedacht ist. Die Leier, mit edlem Gestein und Elfenbein geziert, stützt der Gott mit der Linken, die Rechte hàált das Plectrum; die ganze Haltung ist die eines vortragenden Süngers. Der letztere Zusatz ist ebenso eigenthümlich wie bezeichnend: es klingt wenig groß- artig und poetisch, wenn der Gott der Lieder und Gesünge selbst mit einem menschlichen Rhapsoden verglichen wird; das Umgekehrte würe eher annehmbar, wie z. B. Góthe seinem Be- wunderer Wieland „wie ein Apoll“ erschien. Bei dem ge- schmackvollen Ovid ist dieser Vergleich nur verstündlich, wenn wir berücksichtigen, daß das Meisterwerk des Skopas ihm bei dieser Schilderung seine Züge geliehen. Waren doch derartige

676 Metellus Meyer,

verus, der unter Hadrian als Legat die Legion befehligte (C. J. L. III 2830), ferner die des Tribunen Lucius Minicius Natalis Quadronius Verus Iunior (C. I. L. H 4509 4511; Orelli 6498), des Rufus (C. I. L. X 7587) und des Centurionen Nonius Mar- cius Plaetorius Celer (C. I. L. X 1202). An den dakischen Kriegen Traians scheinen, wie aus den ziemlich zahlreich in Dacien gefundenen Inschriften der 14ten Legion hervorgeht, Vexillationen derselben theilgenommen zu haben; ebenso sind Abtheilungen der Legion zum Partherkriege Traians, vielleicht auch zu dem des Lueius Verus nach dem Orient hin abgesandt: das bezeugt uns die Inschrift eines eques unserer Legion, der auf einer parthischen Expedition gefallen ist (C. I. L. III 4480) Selbstverständlich ist die Theilnahme unserer Legion an den Kriegen mit den Donauvólkern seit der Mitte des zweiten Jahr- hunderts, vor allem am Markomannenkrieg, zumal im Anfang dieses Krieges Carnuntum, die damalige Lagerstadt der 14ten Legion, den Ausgangspunkt aller Operationen der Rómer bildete. Zudem sind uns noch mehrere Inschriften überliefert (C. I. L. V 1968, 2112; VI 1502, 1503), nach denen ein Legat der 14ten Legion, L. Ragonius Urinatius, von Commodus mit hohen mili- tärischen Auszeichnungen belohnt ist, die er ohne Zweifel im markomannischen Krieg sich verdient hat.

An der einige Jahrzehnte später in Carnuntum erfolgten Erhebung des Septimius Severus zum rómischen Kaiser hat die 14te Legion, in deren Lagerstadt dies Ereignif) stattfand, jeden- falls großen Antheil gehabt; das beweisen auch die unter die- sem Kaiser geschlagenen Münzen der Legion (Cohen a. a. O. III S. 253 Nr. 169, 170-173; S. 300 Nr. 525). Unter Se- verus Alexander nahmen Vexillationen der pannonischen Legio- nen an den Kümpfen gegen die Parther Theil (Herodian hist. VI 7); derselbe Kaiser hatte schwere Kümpfe an der Donau zu bestehen, und ebenso auch am Rhein, wohin ihm die pannoni- schen Legionen folgen muften. Auf diesem Zuge wurde Ale- xander ermordet und Maximinus zum Kaiser erhoben; nach ihm führt die 14te Legion den Beinamen Maximiniana (Archaeolog.- epigraph. Mittheilungen aus Oesterreich VHI S. 76) und hat als dem Maximinus ergebene Legion jedenfalls theilgenommen an dem Sturm, den die pannonischen Legionen auf Aquileia machten, um ihrem Kaiser den Weg nach Italien zu bahnen (Herodian

Geschichte der legio XIV gemina. 677

VH 8; VIII 2) Daß sie später auf Seiten der Gordiane ge- standen hat, zeigt uns ihr Beiname Gordiana (C. I. L. III 1911). Für die Folgezeit wollen wir nur noch erwähnen, daß sie wäh- rend der Zeit der sogenannten dreißig Tyrannen anfänglich ‘der Partei des Victorinus angehört haben muß, wie die Münzen schließen lassen (De Witte a. a. O. 8. 101 Nr. 39, 40), dann aber zum Gallienus übergetreten ist (Cohen a. a. O. IV Nr. 312, 318).

Brandenburg a. H. Metellus Meyer.

Zu Caesar und Cicero.

Caesar B. G. VII 47, 1: Consecutus id, quod animo pro- posuerat, Caesar receptui cani iussit legionisque decimae, quacum erat, cliuom nactus signa constituit. So hat A. Holder nach der naheliegenden Vermuthung von Heller fiir das handschrift- liche concionatus oder contionatus geschrieben, während von Goe- ler continuo vermuthet hatte. Wir nühern uns aber noch mehr der Ueberlieferung, wenn wir collem nactus schreiben.

Cicero De div. I 9, 15: Mollipedesque boves spectantes lu- mina caeli. Daß das Rindvieh „weichfüßig‘“ genannt wird, muB auffülig erscheinen, da diese Eigenschaft der Wirklichkeit nicht . entspricht. Eine andere Erklärung aber für das Adjektivum mollipes, welches sonst nicht nachgewiesen ist, giebt es nicht. Daher muß ich annehmen, daß hier ein schon alter Fehler der Ueberlieferung vorliegt. Diesen glaube ich zu beseitigen, wenn ich volvipedes (= etdimodes) schreibe.

Cicero Or. 7, 23: recordor longe omnibus unum anteferre Demosthenem huiusque uim accommodare ad eam quam sentiam elo- quentiam cet. So Heerdegen in seiner Ausgabe (1884). Die Handschriften haben que uim und quem wim für huiusque wim überliefert. Daher liegt die sinngemäße Aenderung quem we- lim näher. |

Aurich. | H. Detter.

XXXV.

Apollo Kitharôdos.

Zwei Apollo-Bilder sind es, denen, jedem in seiner Art, der Preis kiinstlerischer Vollendung gebührt: der Apollo von Belve- dere und sein friedliches Gegenstück, der Apollo Musagetes oder Kitharódos. Wenn der Apollo von Belvedere bisher eine allge- meinere Theilnahme erweckt hat, als der Gott mit der Lyra aus der Villa des Cassius, so liegt dies einmal an der mehr blendenden Eigenart der ganzen Conception, und dann vor allem an dem fesselnden Rithsel, das die Ergünzung der verloren ge- gangenen Linken und ihres muthmaßlichen Attributes aufgiebt, einem Rüthsel, von dessen Lósung die Erklürung des gesammten Bildwerkes selbst abhüngt. Dieses lebhafte Interesse künstleri- scher Neugier geht dem Apollo Musagetes freilich ab. Während die lange Gewandung des Rhapsoden von Haus aus an künstle- rischer Wirkung hinter den herrlichen Formen des mit der kur- zen Chlamys bekleideten Epheben zurückstehen muf, ist andrer- seits der Gedanke des Schüpfers unseres Bildes ziemlieh klar, sofern man nur in ihm, was wohl jetzt allseitig zugegeben wird, einen Apollo erkennt. Obgleich der linke Arm ebenfalls wie bei dem Apollo von Belvedere spätere Erginzung zu sein scheint, so unterliegt es keinem Zweifel, daß die Ergänzung mit der Lyra die einzig mógliche und daher richtige ist. Die ganze Tracht und Haltung des Standbildes machen dies zur Gewißheit: im Gegensatz zu dem bogenbewehrten ‘Fernhintreffer’ tritt uns in dieser Statue der Gott der Lieder entgegen, wie er im langen

Apollo Kitharédos. | 679

Gewande der Kitharöden begeistert und begeisternd seine Accorde durch die Saiten rauschen läßt. |

Es sind vor allem gesthichtliche und kunstgeschichtliche Fragen, die sich an dieses Marmorbild knüpfen und es zu einem der bedeutsamsten unter den erhaltenen Denkmälern des Alter- thums machen.

Es ist kein Zufall, daß die hervorragendsten und schönsten A pollo - Darstellungen nicht auf griechischem sondern auf römi- schem Boden gefunden sind; es hängt dies zusammen mit der Vorliebe der ersten Cüsaren gerade für diese Gottheit, deren Verehrung besonders von Augustus und Nero eifrig gepflegt worden ist. Wie Caesar selbst die Tempel Roms mit Bildern seiner Lieblingsgóttin Venus schmiickte, so war der Lieblingsgott seines Erben Apollo; und zwar weniger der kriegerische, pfeil- bewehrte arcitenens als der friedliche Gott der musischen Kiinste und der Dichtung, der Phoebus intonsus, formosus Apollo. Warum gerade diese Seite der Gottheit von Augustus gefeiert wurde, ist unschwer zu begreifen; weder als Thron-Prätendent noch als Kaiser hat Octavian Gelegenheit gehabt, Proben einer kriege- rischen Tiichtigkeit zu geben, wie sie seinem großen Vorgänger in hohem Grade eigen war. Die Siege haben ihm seine be- wührten Führer erkämpft, aber die Früchte der Siege auszu- beuten hat er verstanden wie kein anderer. Nachdem seine Heere die grobe Arbeit gethan und den äußeren Widerstand niedergeworfen hatten, begann seine eigentliche, weitumfassende Thütigkeit auf dem Gebiete der inneren und Socialpolitik, und hier war er Erbe nicht nur des Namens und des Glückes, son- dern auch des staatsmännischen Geschickes seines großen Adoptiv- vaters. Wie dieser hat er es verstanden, zur rechten Zeit auch Milde und Versóhnlichkeit walten zu lassen und selbst festge- wurzelte Vorurtheile zu entwaffnen; er ist der eigentliche Voll- strecker des politischen Vermüchtnisses seines Vorgüngers: die Wunden der Bürgerkriege durch eine friedliche und versöhnliche innere Politik zu heilen und die Interessen der Parteien allmälig an einen einzigen Mittelpunkt zu fesseln, an die Sache der Julier. So feiert ihn die Mit- und Nachwelt; vor allem kehrt dieses sein Verdienst in zahlreichen Lobeserhebungen der zeit- genéssischen Dichter wieder, z.B. bei Horaz. Od. IV, XV 4.

N

680 Otto A. Hoffmann,

Tua, Caesar, aetas

fruges et agris rettulit uberes, et vacuum duellis Ianum Quirinum clausit; et ordinem rectum evaganti frena licentiae

iniecit, emovitque culpas

et veteres revocavit. artes,

13. Per quas Latinum nomen, et Italae

crevere vires...

So begreift es sich, daß Augustus sich und sein Haus unter den Schutz des Gottes der friedlichen Kiinste stellte, des A pollo mit der lorbeerumwundenen Lyra, der auch äußerlich schon in seiner langen Gewandung mehr an die Friedenstage erinnert, während den Bogenkämpfer Apollo die Chlamys, wie den Krie- ger das kiirzere Sagum, ziert.

Mit der Einrichtung des Apollo - Kultus auf dem Palatin, wo Augustus dem Gotte im Jahre 28 v. Chr. einen prachtvollen Tempel weihte, kniipfte der Kaiser zugleich an die altherge- brachte Bedeutung des Apollo bei den Rémern an, die in diesem von jeher den Gott des Heils und des Sieges erblickt hatten, den Befreier von leiblichen und geistigen Gebrechen im Leben des Einzelnen wie des: gesammten Volkes. Damit hängt auch zusammen die weite Verbreitung des Lorbeers bei den Römern, dieses Heil- und Siegeslaubes; das erste Heiligthum, das dem Apollo im Jahre 429 geweiht wurde, ward bei Gelegenheit einer groflen Pest gelobt!) und blieb das einzige bis auf Augustus. Es ist daher ein erneuter Beweis für den Scharfblick des Herr- schers, daß er gerade diese Gottheit zu der bevorzugten seines Hauses und somit gewissermaßen auch des ganzen Volkes machte. Das Leiden der Bürgerkriege, dieses „häßliche Geschwür am Leibe Italiens“, sollte ein Ende nehmen; der sühnende und heilende Lorbeer Apolls sollte jetzt eine neue Zeit des Friedens, des Wohlstandes, der Künste und Wissenschaften für Rom inau- gurieren ?. Und hinter dem allen stand doch der Kaiser selbst; er selbst wurde und wollte unter dem „heilenden“ Apollo ver-

1) Vergl. die Gebetsanrede der heiligen Jungfrauen der Vesta Apollo Medice! Apollo Paean!

2) Liv. IV 25: Aedis Apollini pro valetudine populi vota est; cf, ib. XL 51: templum Apollinis Medici.

Apollo Kitharödos. _ 681

standen sein; Augustus hatte nicht nur fiir Schmeicheleien, die ihn als Sprossen des Apollo feierten, offenes Ohr, er ließ sich selbst, wie dies ausdrücklich überliefert ist, als Apollo mit dessen Attributen (cunctis énsignibus; habitu ac statu Apollinis) bildlich darstellen ; so z. B. in seiner Bibliothek auf dem Palatin?) In dem Sieg- und Friedensspender Apollo lieB er sich also selbst als Regenerator des römischen Volkes verehren, und dement- sprechend war auch das Cultusbild, das er für den groBen Tempel auf dem Palatin bestimmte, von besonderer Bedeutung und von besonderem Werthe. Ein Meisterstück des großen Skopas erwarb der Kaiser fiir sein von Marmor- und Bronce- schätzen strotzendes Tempelhaus*), und die Stimmen der Mit- und Nachwelt sind einig in der Bewunderung dieses kostbaren antiken Bildnisses. Für eine Antike hatte sich Augustus ent schieden, weil bereits zu seiner Zeit die Liebhaberei für dieselbe in vollem Schwange war und die Werke der alten Meister ge- genüber der zeitgenóssischen Kunst hochbegehrt wurden. Darum bemerkten wir im Eingange, daß unser Apollo Kitharoedos sei- nem kriegerischen Gegenstück von Belvedere an rein künstleri- schem Interesse vielleicht nachsteht, daf er jedoch an welt- und auch kunstgeschichtlicher Bedeutung sich mit ihm messen kann vorausgesetzt, daß er den Apoll des Skopas wiedergiebt quod erit demonstrandum.

Um eine Anschauung von dem Meisterwerke des Skopas zu gewinnen sind wir hauptsüchlich auf die Zeugnisse augusteischer Dichter angewiesen, die desselben mehrfach und zum Theil in ausführlicher Weise Erwähnung thun, während uns die griechi- schen Quellen im Stich lassen. Zuerst kommt eine Stelle bei Properz (III 31) wegen ihres deutlichen Hinweises auf die Statue selbst in Betracht. Der Dichter spricht von der Ein- weihung des Apollo-Tempels auf dem Palatin; nachdem er die aurea porticus mit den Danaiden- Gruppen erwühnt, führt er V. 5 fort: |

hic equidem Phoebo visus mihi pulchrior ipso marmoreus tacita carmen hiare lyra.

3) cf. Serv. V ecl. IV 10; Comm. Cruq. Hor. Ep. I 18, 17. 4) cf. Plin. N. H. 36, 25.

682 Otto A.. Hoffmann,

atque aram circum steterant armenta Myronis quatuor artifices, vivida signa, boves. tum medium claro surgebat marmore templum, 10. et patria Phoebo carius Ortygia, in quo Solis erat supra fastigia currus, et valvae, Libyci nobile dentis opus. altera deiectos Parnassi vertice Gallos, altera moerebat funera T'antalidos. 15. deinde inter matrem deus ipse, interque sororem, Pythius in longa carmina veste sonat. Nach den Worten des Properz hat es den Anschein, als habe neben dem Hauptbilde des Gottes, das durch Vers 15 und 16 bezeichnet wird, noch eine zweite Statue des Apoll innerhalb des Porticus gestanden; dann müßten aber zwei citherspielende Apollo - Statuen hinter einander gestanden haben, der eine vor, der andere in der Cella. Es hat sicher noch mehrere Bilder des Gottes in dem Tempel gegeben; es ist aber kaum anzuneh- men, daß, wie dies aus Properz’ Worten hervorgehen michte, dieselbe Darstellung des Gottes sich an zwei so hervor- ragenden Stellen, wie auf dem Altar vor und in der Cella, wiederholt hátte. Dazu kommt, dafi Properz das angeblich vor der Cella stehende Tempelbild, also das unbedeutendere, mit den Ausdrücken hichster Bewunderung erwühnen wtirde, wührend er von dem weltberühmten Hauptbilde, dem Meisterwerke des Skopas, in gleichgültiger Weise sprüche. Von jenem Apollo würde er sagen, es sei ihm, obwohl von Marmorstein, schöner erschienen, als Phóbus selbst, und die Cither ,scheine in seiner Hand zu leben“; vom Apollo des Skopas würde er nur erwähnen, daß er „zwischen seiner Mutter und seiner Schwester in langem Gewande spiele, bezw. singe‘. Wir sind daher ge- néthigt, auch Vers 5 und 6 von dem Hauptbilde in der Cella zu verstehen. Eine Aenderung der Versfolge schafft die Schwie- rigkeit aus dem Wege: man lasse Vers 5—8 auf Vers 16 folgen, und Zusammenhang wie Verständniß sind hergestellt. Nachdem der Dichter in Vers 1—4 von der Porticus und ihren Bild- werken gesprochen, geht er mit Vers 9 (tum medium claro surgebat marmore templum) zu dem inneren Tempel über, dessen Thorkrónung (Vers 11) und Flügelthüren (12— 14) er beschreibt

Apollo Kitharédos. 688

Mit Vers 15 wendet er sich (deinde etc.) zu dem Allerheiligsten, das ist zu dem Bilde der Gottheit selbst, dessen äußere Gestalt er zuerst kurz beschreibt (Vers 16: Pythius in longa carmina veste sonat), wührend er in den zwei darauf folgenden Versen (nach bisheriger Anordnung 5 und 6) den bezaubernden Ein- druck schildert, den der herrliche Gott der Lieder auf ihn ge- macht. Und begeisterter kann dieser Eindruck kaum wieder- gegeben werden, als wenn Properz sagt, der Gott sei ihm herr- licher erschienen, als er ihn sich selbst, der Dichter, vorgestellt habe. Wenn man nun bedenkt, wie sehr der Apollo des Sko- pas alle anderen Kultusbilder in den Schatten stellte, und wie auch andere zeitgenössische Dichter von der Schönheit dieses Apollo Palatinus, wie wir weiter unten sehen werden, schwür- men, bleibt kaum eine andere Möglichkeit als Vers 5 und 6 als weitere Ausführung von Vers 15/16 auf den Apoll des Skopas selbst zu beziehen. "Vers 7 und 8 schlieBen sich pas- send an: nachdem der Dichter die Altarbilder erwühnt und unter diesen besonders das des Apollo hervorgehoben, fügt er hinzu, daß um den Altar vier herrliche, lebenathmende Stier- bilder standen, von Myrons Meisterhand geschaffen. Es ist an- zunehmen, daf dieser wohl an den vier Ecken der Ara zu den- kende eigenartige und kostbare Altarschmuck den Hauptaltar im Inneren des 'lemgels geziert und sich nicht vor demselben im Porticus befunden hat; das lift wenigstens der unschützbare Kunstwerth derartiger Myronischer Originalwerke voraussetzen. Dieselben waren doch zu selten, als daß man sie vor der Thür aufgestellt und zur Dekoration eines Neben-Altars benutzt hätte-

Was geht nun aus diesen Properz-Versen hervor? Einmal, daß der Apollo des Skopas ein Marmorbild war, und zwar von vollendeter, überirdischer Schónheit (pulchrior ipso); ferner, dab er in langer Gewandung dargestellt war (in longa veste); endlich, daß er die Lyra führte und dazu sang (tacita lyra carmen hiare ; carmina sonat).

Zur Vervollständigung des Bildes dienen einige Stellen des Ovid uud des Tibull Ovid spricht in den Fasten von dem lorbeertragenden Apollo Palatinus (IV 889: visite lauri- gero sacrata Palatia Phoebo. È

. Bein Zeugniß bestätigen sowohl die Münzen, wie die son- stigen Erwühnungen der Dichter. Bekanntlich hat sich ein hef-

684 Otto A. Hoffmann,

tiger Streit tiber die echte Form des ersteren auf Grund der Augusteischen und Neronischen Miinzen entsponnen, auf den wir unten zuriickkommen werden; hier sei nur soviel konstatiert, daB sowohl auf den Miinzen Augusts, wie auf denen Neros ein auffallend dichter Kranz mit herabwallender Bandschleife deutlich erkennbar ist °); sogar das Ueberragen der Blätter ober- halb der Stirn ist unschwer auf beiden Miinzen bemerkbar.

Die nun folgenden Stellen bieten zwar keinen ausdrtick- lichen Hinweis auf das Bildniß im palatinischen Tempel; sie schildern, je nach dem órtlichen Zusammenhang, den Gott selbst. Aber die Art und Weise, wie dies geschieht, läßt erkennen, daß dem Dichter bei der Erwühnung oder Schilderung des Apollo kein bloßes Phantasiegebilde vorschwebt, sondern daß die Züge einem vorhandenen, konkreten Kunstwerke entlehnt sind, dessen fosselnder Reiz die Phantasie beschäftigte, und das nebenbei weithin und allgemein bekannt war. Der beriihmte Apoll des Skopas, aufgestellt vom Kaiser in dem blendenden neuen Tem- pel des Palatin, muf von bestimmendem Einflusse auch auf die Vorstellung geworden sein, die man sich in Rom von einem friedlichen Apollo machte; und diese bestimmte Vorstellung muB auch in den Schilderungen zeitgenôssischer Dichter auf irgend eine Weise zum Ausdrucke gelangt sein. Wir haben beispielsweise, um einen Vergleich aus der Gegenwart anzu- führen, eine bestimmte Vorstellung vom ,,Vater Rhein“, von der „Wacht am Rhein", von der „Germania“, von „Herrmann dem Cherusker*: sehr viele dieser Vorstellungen gehen auf meist sicher nachzuweisende berühmte Bildwerke zurück, und unsere Phantasie reproduciert die genannten Gestalten oft unwill- kürlich stets in einer gewissen Form; auch die Phantasie unsrer Dichter, wenigstens in den Hauptzügen. Dem Sänger, der die Heldengestalt der siegreichen Germania zum Vorwurf nimmt, wird die Schöpfung Schillings unwillkürlich vor Augen stehen, sowie dem Bewohner der Reichshauptstadt zuerst Rauchs Standbild Friedrichs des GroBen vorschweben wird, wenn er des großen Königs gedenkt. Dasselbe gilt von der antiken Kunst. Die Aufstellung jenes Apollobildes durch Augustus war ein her- vorragendes Ereigniß, und der Eindruck, den das Wunderwerk

5) Vergl. Cohen, Médailles Impériales I p. 86 Nr. 162; yp. 292 Nr. 298.

Apollo Kitharédos. 685

in allen Kreisen machte, läßt sich an der Hand der nach dem Jahre 28 schreibenden Lyriker nachweisen; die Gestalt Apollos nimmt bei verschiedenen derselben eine so typische, sich äh- nelnde Form an, daß, wer diese Stellen vergleicht, ein ziemlich genaues Bild von dem Meisterwerke des Skopas zu entwerfen vermag. Wie weit dasselbe mit unserem im Vatikan erhaltenen Apollon Kitharódos übereinstimmt, mag die Vergleichung selbst lehren. Die nächste in Betracht zu ziehende Stelle findet sich in den , Amores“ Ovids, I 8, 59:

ipse deus vatum palla spectabilis aurea

tractat inauratae consona fila lyrae. sie läßt den Gott in langem, goldgesticktem Gewande auf goldener, eigentlich ‘vergoldeter’ Lyra spielen.

Eine der bedeutsamsten Anspielungen desselben Dichters auf das palatinische Apollo-Bild bieten die Metamorphosen (XI 165 u s. w.): |

ille caput flavum lauro Parnaside vinctus verrit humum Tyris saturata murice palla distinetamque lyram gemmis et dentibus Indis sustinet a laeva: tenuit manus altera plectrum. artificis status ipse fuit . tum stamina docto pollice sollicitat: quorum dulcedine captus Pana iubet Tmolus citharae submittere cannas.

Auch hier füllt die Erwühnung des langen Gewandes auf, das ,auf dem Boden schleift“ wie es dem Apollo Ki- tharódos eigen ist. Das Gewand selbst ist purpurfarben, wih- rend das Haupthaar des Gottes blond und mit einem Lorbeer- kranze geschmückt gedacht ist. Die Leier, mit edlem Gestein und Elfenbein geziert, stützt der Gott mit der Linken, die Rechte hält das Plectrum; die ganze Haltung ist die eines vortragenden Singers. Der letztere Zusatz ist ebenso eigenthümlich wie bezeichnend: es klingt wenig groB- artig und poetisch, wenn der Gott der Lieder und Gesünge selbst mit einem menschlichen Rhapsoden verglichen wird; das Umgekehrte würe eher annehmbar, wie z. B. Góthe seinem Be- wunderer Wieland ,,wie ein Apoll* erschien. Bei dem ge- schmackvollen Ovid ist dieser Vergleich nur verstündlich, wenn wir berücksichtigen, daß das Meisterwerk des Skopas ihm bei dieser Schilderung seine Züge geliehen. Waren doch derartige

686 Otto A. Hoffmann,

versteckte Bezugnahmen auf kaiserliche Schöpfungen zugleich einschmeichelnde Empfehlungen an den Herrscher selbst, die auf um so beifälligere Aufnahme rechnen konnten, je discreter sie sich an die Person des Kaisers wandten.

Die lange Haartracht des Skopas- Apollo erwühnt Ovid an anderen Stellen; so Trist. III 1, 59:

ducor ad intonsi candida templa dei;

A. a. III 141: alterius crines humero iactantur utroque; talis es assumta, Phoebe canore, lyra.

Amor. I 1, 11: crinibus insignem quis acuta cuspide Phoebum instruat, Aoniam Marte movente lyram?

In Uebereinstimmung hiermit spricht Tibull fast mit einem stehenden Beiwort von dem intonsus crinis u. s. w. des Gottes; so I 4, 37:

Solis aeterna est Phoebo Baccchoque iuventa, nam decet intonsus crinis utrumque deum. II 8, 11: pavit et Admeti tauros formosus Apollo, nec cithara intonsae profueruntve comae II 5, 121: sic tibi sint intonsi, Phoebe, capilli. IV 4, 2: huc ades, intonsa Phoebe superbe coma.

Der letzte Vers giebt dem Apollo das Beiwort superbus, of- fenbar mit Bezug auf die stolze Haltung des citherspielenden Gottes, wie sie am Apollo Kitharódos so characteristisch hervor- tritt, und wie wir sie auf den angeführten Münzen des Augustus und Nero deutlich wiedererkennen. Allerdings folgt die erhobene Haltung des Hauptes aus der Handlung, da der Gott singt; gleichwohl macht sie in Verbindung mit der feierlich wallenden Gewandung und der theatralischen Gesammthaltung, dem status artificis, den unwillkürlichen Eindruck des Erhabenen, Hoch- feierlichen, welchen der Ausdruck superbus getreu wiedergiebt.

Ich vermag nicht einzusehen, wie Urlichs®) und mit ihm Overbeck") aus der Stellung des Apollon Kitharódos den Be-

6) Urlichs ‘Skopas’. 7) Overbeck Griech. Plastik II S. 20.

Apollo Kitharódos. 687

weis dafür beibringen wollen, daf, da eine Statue in dieser Hal- tung nicht habe Tempelbild sein kénnen, der Apollo des Sko- pas mit dem Kitharódos, bez. dessen Prototyp nicht identisch sein kónne. Vor allem mufì es als eine Uebertreibung be- zeichnet werden, wenn Overbeck die Haltung des Kitharödos als ein ,, Vorbeistürmen'* bezeichnet; von einem Vorbeistürmen ist keine Rede; einen Singer mit schwerer Leier, die an breitem Tragbandelier gehalten wird, und außerdem in langem, schlep-. pendem Kitharóden- Talar „einherstürmend‘“ darzustellen, kann auch einem mittelmäßigen Künstler niemals eingefallen sein. Der Apollon Kitharódos schreitet auch nicht vorwürts, wie angenom- men worden ist, und wie es bei oberflüchlicher Betrachtung den Anschein haben mag, sondern es ist die natürliche Bewe- gung des Körpers beim begeisterten musischen Vortrage, der künstlerische „Schwung“, der in diesem scheinbaren Vor- wärtsschreiten auf meisterhafte Weise zum Ausdruck gebracht ist. Man vergleiche nur die künstlerischen Gepflogenheiten unsrer Tage: bei leidenschaftlichen Partieen tritt auch bei uns der Stinger aus der ruhigen Haltung heraus, und der Kérper wirft sich in getragenen Sewingungen nach vorn, gleichsam um dem Hörer näher zu treten, wobei das linke Bein, genau wie bei un- serer Statue, zumeist als Stützbein thätig ist; der Körper folgt so gewissermaßen auch dem Rythmus des Gesanges ®).

Ich kann mir daher sehr wohl denken, was Overbeck so bestimmt in Abrede stellt, daB dieser Apollo Mittelfigur einer Gruppe gewesen sei, wie das vom Apollo Palatinus bezeugt ist?). Ja wenn Leto und Artemis, wie das anzunehmen ist, mit Apollo in gleicher Richtung und in den gleichen Größenverhältnissen ruhig standen, so kann ich mir für die Mittel- und Hauptfigur keine glücklichere Haltung denken, um sofort das Interesse und den Blick des Beschauers zu fesseln, als dieses scheinbare Her- austreten aus der Linie. Durch diese lebensvolle, bewegte Hal-

8) Vergl. hierzu die bewegte Haltung der Citherspielerin in- mitten lauter ruhig stehender Figuren auf der sog. Aldobrandini- schen Hochzeit; Müller A. D. Tom. I Fig. 205; desgl. das bekannte Relief: Apollo mit Artemis und Leto vor einem (Apollo?) Idol sin- gend: Müller ib. Fig. 46; auch hier erscheint die Haltung des Apollo, trotzdem er unmittelbar vor der Statue steht und also nicht weiter schreiten kann, auffallend bewegt gegen die der Góttinnen.

9) Propert. III 29, 15. Plin. N. H. XXXVI 24 u. 32.

688 Otto A. Hoffmann,

tung gegenüber den stummen Begleiterinnen war der Gott sofort als ,, Herr“ dieses Tempelhauses gekennzeichnet; als derjenige, der allein in diesen feierlichen Gotteshallen zu reden hatte, während ales andere andüchtig schwieg. Es ist sogar wahrscheinlich, daß die Statue des Apollo, um sie noch deutlicher vor den Ne- benstatuen der Artemis und Leto als das Hauptbild hervor- treten zu lassen, etwas vor diesen herausgestanden hat, ohne „durch seine fast heftige Bewegung alle Verbindung aufzuheben“. Welche Auffassung aber die befriedigendere und wahrscheinlichere ist: die drei Götter in eintóniger Ruhe neben einander stehend, oder in der eben von uns bezeichneten Gruppierung, darüber läßt sich mindestens streiten.

Der andere Grund, den Overbeck gegen die Identität des skopasischen mit unserem vaticanischen Apollo geltend macht, daß nämlich die Haltung des letzteren für einen Nemesis- Tempel zu Rhamnus, wo der Skopas- Apollo vor seiner Ueberführung nach Rom stand, nicht ernst und würdig genug sei, ist ebenso- wenig stichhaltig. Wer will wissen, ob das Bildniß von den Rhamnusiern eigens für ihren Nemesis- Tempel bei Skopas be- stellt und von diesem gearbeitet gewesen ist, oder ob nicht viel- mehr sie ihn nur für dasselbe erwarben ? Aus der bloBen That- sache, daB Apollo in begeisterter Stellung zur Leier singt, kann doch Niemand im Ernst folgern wollen, daß er nicht im Ne- mesis-Tempel zu Rhamnus gestanden haben kann! Wir wissen ja garnicht, wo in demselben, und in welcher Zusammenstel- lung; wir wissen aber, daß die Tempel im Alterthum vielfach die Zwecke unserer Museen versahen und in Hülle und Fülle Kunstwerke enthielten, die mit ihrem Standort oft nichts zu thun hatten, ja zu dessen Bestimmung hiufig in wunderbarem Ge- gensatz standen !!) Und das thut unser Apollo ja keineswegs. Ja sogar wenn er es thüte, würde dies uns noch nicht das Recht geben, ihn dem Nemesis-Tempel zu Rhamnus abzusprechen.

Ein Hauptkriterium für eine richtige Vorstellung von dem Skopas- Apollo würden die vorerwähnten Münzen Augusts und Neros abgeben, welche das Bild des Apollo ‘Actius’, ‘Palatinus’

10) Vergl. das Bild der Scylla im Tempel der Pax, Plin. N. H. XXXV 109: den Raub der Proserpina im Minerva - Tempel a. d. Ca- pitol, Plin. XXXV 108; Bacchus im Ceres-Tempel: Plin. XXXV 24; den geschundenen Marsyas i. Concordia-Tempel, Plin. XXV 66 u. a. m.

Apollo Kitharédos. 689

oder „Nero“ aufweisen. Aber bei näherer Betrachtung erweist sich die Hoffnung, die man darauf baut, als triigerisch; denn nicht nur weichen die Miinzen des Augustus und Nero in der Zeichnung des Apollo von einander ab, sondern die Gestalt des letzteren bleibt sich auch auf den Miinzen Augusts keineswegs gleich. Gemeinsam ist allen die lange Gewandung, die Leier, das lorbeerbekränzte Haar; aber während die Miinzen Neros den Gott anscheinend schreitend und die Leier spielend aufweisen, erscheint dieser auf den Miinzen des Augustus bald ruhig ste- hend (Cohen ib. S. 86 Nr. 162) bald scheinbar schreitend (ib. S. 110 Nr. 343), in beiden Formen aber jedenfalls nicht singend, sondern in der ausgestreckten Rechten eine O pferschale haltend. Die Vergleichung der Augustus- Münzen lehrt, da& ihnen zwar ein und dasselbe A pollo - BildniB zu Grunde gelegen, daf sich aber die Münze nicht genau an diese Vorlage gehalten, sondern dieselbe variiert hat. Während z. B. auf Nr. 162 (S. 86) Apollo steht und nur das linke Knie etwas hervorragt und so die Linie der vorn und hinten senkrecht herabfalenden Falten unterbricht, ist auf Nr. 343 (S. 110) die Stellung offenbar mehr schreitend , und zwar tritt hier der linke Fuß weit hinter das rechte Stützbein zurück. Während auf Nr. 162 der rechte Oberarm beinahe senkrecht abwärts gehalten wird, und der Unterarm sich daher in mäßig stumpfem Winkel nur wenig nach vorwürts streckt, halt Apollo auf Nr. 343 die Rechte mit der Opferschale fast wagereclft und weit vorgestreckt. Auf Nr. 162 trügt der Gott wie unser Ki- tharódos das characteristische lange Pallium, das ihm auf dem Rücken herabfallt; auf Nr. 343 fehlt dieses ganz; auch die Form es Leier ist bei genauer Betrachtung eine verschiedene. Kurz, das sind so auffallende Abweichungen, daß man deutlich ersieht, der Münzzeichner hat nur nach einem Leitmotiv ent- worfen und sich keineswegs streng an das Prototyp gehalten !!). Die Sache liegt also durchaus nicht so einfach, wie sie nach Overbeck erscheinen kónnte, der nur von zwei Apollo - Typen redet, denen auf Augusts und denen auf Neros Münzen, und wir vermógen ebensowenig zu sagen, welche von den beiden

11) Auch die Opferschale, die auf den meisten augusteischen Mün- zen erscheint, ist nicht stehend, sie wechselt mit dem Plectrum; vel. Müller Denkm. d. A. K. I Taf. XXXII Fig. 141b.

Philologus. N. F. B3.I, 4 44

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sehr von einander verschiedenen Augustus-Münzen den Skopas- Apollo: wiedergab, so wenig wie Overbeck im Stande ist, end- gültig zwischen Nero- und Augustus-Miinzen zu entscheiden; an und für sich ist Eins so vage wie das Andere: auf jenen beiden Münzen des Augustus steht die Beischrift: „Apollo Actius“, und doch weisen sie ganz verschiedene Apollo-Bilder auf. Das Er- gebniß der Münzen-Vergleichung ist also im Großen und Ganzen ein negatives, sofern es sich um eine genauere Bestimmung der muthmaßlichen Form und Haltung des skopasischen Apollo handelt. Weshalb nun gerade der neronische Apollo, der dem Kitharódos mehr ähnelt, als die Darstellungen auf den augu- steischen Münzen, mit dem Skopas-Apollo durchaus nichts zu thun haben, sondern die Copie eines spüteren Machwerks sein soll, das den Kaiser als Kitharóden darstellte, vermag ich nicht einzu- sehen. Es ist allerdings nicht überliefert, daß jene Kitha- röden-Statue Neros nach dem Apollo des Skopas gearbeitet war; aber folgt daraus, daß sie es in der That nicht war? Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß der überspannte Cäsar sich diesem wunderbaren ‘Ideal’ aller singenden Apollo-Bilder móglichst &hnlich hat darstellen lassen. Auch kann das Fehlen eines besonderen Hinweises auf diese Aehnlichkeit an den wenigen Stellen, wo die bloße Thatsache erzählt wird, nicht befremden. So wenig aber überliefert ist, daß der „Nero Kitharédos“ nach dem Apollo des Skopas gearbeitet war, so wenig wissen wir, daß der Apollo auf den Münzen des Augustus der Apollo des Skopas war. Die letztere Annahme scheint selbstverstündlich zu sein und hat in der That wohl am meisten dazu beigetragen, dem Apollo Kitharódos die nühere Verwandtschaft mit dem echten Palatinus abzusprechen nach unserer Ueberzeugung sehr mit Unrecht. Es ist eine unerwiesene und auf reiner Vermuthung beru- hende Voraussetzung, daß die Münzen des Augu- stus den Skopas-Apollo wiedergeben, und zwar eine Voraussetzung, die sich bei näherer Beleuchtung als im hohen Grade zweifelhaft und bedenklich erweist.

Zunüchst kann man sich wohl mit Recht fragen, ob denn Augustus in Fragen der Eitelkeit so unendlich hoch über seinem Nachkömmling Nero stand, daß er nicht imstande gewesen wäre, sich ebenfalls wie jener auf seine Münzen in Tracht und Hal- tung des Apollo setzen zu lassen? Durchaus nicht; es ist uns

Apollo Kitharödos. 691

ausdrücklich bezeugt, daf sich der Kaiser als Apollo darstellen ließ, und zwar cunctis insignibus desselben !?), und daß diese Statue in der großen Bibliothek auf dem Palatin stand. Es ist nun von Haus aus höchst wahrscheinlich, daß Augustus dieses bewufite Doppelspiel mit seiner und des. Apollo Person auch auf seinen Münzen zum Ausdruck gebracht hat; -den Gott glaubte man zu sehen, und den Kaiser sah man. Wührend man aber an Augustus jene kleine Schwäche unerwähnt ließ, zumal es ja nur ein kleiner Bruchtheil seiner Miinzen war, der dieses Ge- präge trug, erwähnt es Sueton bei den ,,musischen^ Narr- heiten Nero’s ausdrücklich , daf er sich als Citherspieler sogar auf seine Münzen setzen lief. Auch Augustus hütte sich ganz in der Weise Neros abbilden lassen kónnen, wenn auch vielleicht nicht singen d, ohne daß man viel Aufhebens davon gemacht hätte; er trat eben sonst nicht als Sänger auf. Ganz anders bei Nero; da er es zuerst war, der die kaiserliche Würde durch sein Auftreten als Volkssünger bloßstellte, so wurde ihm natürlich auch diese Münz-Schrulle nicht nur als Eitelkeit, son- dern als ein Narrenstreich besonders vermerkt. Er that schließ- lich nieht viel mehr, als Augustus; beide trieben, nach heutigen Begriffen, „mit dem Heiligen Spott“; aber trotzdem besteht ein bemerkenswerther Unterschied zwischen beiden Cäsaren - Gott- heiten, der sich auch in jener dem Nero ertheilten Rüge der Zeitgenossen ausspricht: der Nero-Apollo singt, wüh- rend der Apollo des Augustus dies nicht thut. Es ist demnach deutlich ersichtlich, warum von Nero ausdrücklich erwähnt wird, daß er Münzen mit seinem Bildniß als Kitharóde habe anfertigen lassen, und andrerseits, warum die Bilder des augusteischen Apollo fast durchweg eine ruhigere Haltung und in der rechten Hand des Gottes eine. Opferschale aufweisen. Augustus fand bei dem alten Vorurtheil der Rómer gegen die Ausübung der Musik die Haltung des Skopasischen Apollo, von dem wir wissen, daB er zur Cither sang, für die Darstellung seiner eigenen maiestas imperatoria unangemessen !?),. und so zei- gen denn seine Münzen meist die O pferschale in der Rechten, anstatt des Plectrum, und zugleich natürlich die ruhigere Hal-

12) Suet. Octav. 70; Serv. Verg. Ecl. IV 10.

13) Vergl. Nepos Epam. I: Scimus enim musicen nostris (der Römer) moribus abesse a principis persona, saltare vero etiam in vilis poni. :

44*

692 Otto A. Hoffmann,

tung des Stehens. Es ist hierbei gleichgtiltig, ob diese Münz- typen die Statuen des Kaisers aus der Bibliothek, oder den modificirten Apollo des Skopas geben; das Eine ist so möglich wie das Andere. Selbst wenn Augustus den letzteren als Miinz- bild benutzte, so mußte ihm daran liegen, daß derselbe nicht singend dargestellt wurde, da er sich ja selbst in diesem Apollo-Bilde wiedererkannt sehen wollte und stets mit demselben kokettirte. Wahrscheinlicher aber ist, daß sein Selbstbild- ni 8 '4) als Apollo jenem Münztypus zu Grunde liegt, und zwar deßhalb, weil diese Statue zweifellos den Kaiser in einer Pose gegeben haben wird, die der maiestas imperatoria nach jeder Richtung entsprach und daher ohne Weiteres für die Münze brauchbar war. Vielleicht bezieht sich auch jene Servianische Nachricht (Verg. Ecl. IV 10) auf dieses Münzbild, wenn man unter cuncta Apollinis insignia Lorbeer, Leier und die Opferschale des Heilgottes verstehen will Sicher ist, daß jene Statue des Kaisers in der Bibliothek sich hoher Berühmtheit erfreute, sodaß man unter dem Apollo ‘Palatinus’ geradezu diese Augu- stus-Statue verstehen konnte !5).

Unsere Vermuthung, daß die Münzen Augusts weniger auf den Apollo des Skopas, als auf ein anderes (etwa das in der Bibliothek befindliche) Apollo-Bild mit den Zügen des Kaisers zurückgehen, bestätigt eine Münze, die u. a. bei Langl (Griech. Götter- und Heldengestalten S. 27) vergrößert abgebildet ist; sie zeigt den Gott ebenfalls in langem Talar und Mantel ste- hend, in der Linken die Leier, in der ausgestreckten Rechten die patera haltend ; die Umschrift aber lautet nicht Apollini Actio oder Palatino, sondern Apollini Augusto. Es war also das Kaiserbildniß cum Apollinis cunctis insignibus, das Au- gustus in der Bibliothek sich selbst errichtet hatte, welches auf seinen Münzen sichtbar ist; diesem ließ er man weiß nicht ob man es als Bescheidenheit oder als Cäsaren-Größenwahn auffassen soll die Umschrift geben ,,Apollini Actio oder „Palatino“, wüh- rend meines Wissens nur diese eine Species mit der Aufschrift Apollini Augusto“, die das wahre Verhältniß anzeigt, existirt.

Anders bei Nero; überspannt und rücksichtslos, wie er 14) In der palatinischen Bibliothek.

15) Vergl. Comm. Cruq. zu Hor. Ep. 1 13, 17: Palatinus Apollo dictus est a monte Palatino, ubi Caesar in bibliotheca sibi statuam posuerat habitu ac statu Apollinis.

Apollo Kitharödos. _ 698

war, waren ihm Bedenken, wie wir sie bei Augustus erwlihnten, vollständig unbekannt; ihm kam es ja gerade darauf an, als „Meister der Tone“ verherrlicht zu werden; was kümmerte ihn da der Vorwurf der Infamie! Wir finden daher auf den Mün- zen dieses Kaisers einen singenden Apollo, genau nach den Beschreibungen, die uns die zeitgenóssischen Dichter vom Apollo des Skopas auf dem Palatin geben, und in vollkommener Ue- bereinstimmung mit dem uns erhaltenen Apollo Kitharödos. Daß aber Nero, wenn er sich als singenden Apoll darstellen lieB, auf die Idealform des Skopas zurückgegangen ist und diese müg- lichst genau zum Muster genommen hat, ist mehr als wahrschein- lich 15%). Er wird an dem Apollo des großen Meisters, an dem es nichts zu „verbessern‘‘ gab, nur den Kopf haben ändern und durch sein eignes nattirlich entsprechend idealisirtes Portrait haben ersetzen lassen, und der herrlichste Kitharóde, den je Menschenhünde geschaffen, war fertig. Es war nicht nöthig, daß er diese Restauration an dem Original selbst vornehmen ließ, obgleich er dazu imstande gewesen wire; die Quellen berichten ja, daß er sich als Cither-Sänger darstellen ließ, also handelt es sich jedenfalls um eine Copie. Mit welcher Leichtigkeit übri- gens und wie gern die Köpfe bertihmter Gótter-Statuen durch Portraitköpfe ersetzt wurden, ist sattsam bekannt; eines der be- sten Beispiele sollte ja Neros eigenes Haupt an dem berühmten Sonnenkoloß abgeben, das späterhin unter Vespasian durch ein Haupt des Sol ersetzt wurde.

Wenn also nicht alles triigt, so haben wir nicht auf den augusteischen Miinzen, sondern in dem Bilde des Apollon Kitharôdos auf den Miinzen Neros die getreue Wiedergabe des bertihmten Apollo des Skopas, des Apollo , Palatinus“ zu erkennen. Dazu kommt noch ein anderes, untrügliches Zeugniß: die schon vorerwähnten Stimmen der zeitgenössischen Dichtung. Sie sind in unserer Frage aus- schlaggebend, und im Zusammenhang mit jenen Münztypen Neros

15>) Uebrigens spricht Sueton (Nero cap. 25) ausdrücklich von mehreren Kitharóden-Portraits, die Nero in seinen Gemüchern auf- stellte. Selbstverständlich wird es sich dabei nicht um schablonen- hafte Vervielfältigung einer und derselben Aufnahme, sondern um verschiedene Sujets gehandelt haben, wie u. a. der sitzende Nero-Kitharóde im Mus. Pio-Clem. (Clarae mus. de sculpt. V 989,

Nr. 2398) deutlich beweist. Für die Münze benutzte der Kaiser unter diesen Sujets das des Skopas-Apollo.

694 Otto A. Hoffmann,

machen sie es zur GewiBheit, daß die Miinzbilder N ero's uns die echte Form des Skopas-Apollon überliefern. Wir haben diese Zeugnisse noch nicht vervollstindigt; einige der wichtigsten und ausführlichsten stehen noch aus und sollen den Schluß uns- rer Abhandlung abgeben; aber soviel mag schon bier gesagt werden, daB sie mit auffallender Uebereinstimmung einen cither- spielenden und dazu singenden Apollo ergeben, im vollkommenen Einklang mit den Münzen Neros. Das genügt, um darzuthun, daß die Gestalt des Apollo auf den Münzen des Augustus, wenn sie iiberhaupt mit dem Bilde des Skopas etwas zu thun hat, eine Variation des letzteren darstellt und daher erst in zweiter Linie in Betracht kommt. Die nächste deutliche Anspielung auf den Apollo im Pala- tinischen Tempel findet sich bei Tibull im 5. Gedicht des 2. Buches, in welchem er den Sohn des Messala bei seiner Aufnahme in das Collegium der Quindecemviri feiert. Das Ge- dicht beginnt: 1 Phoebe fave; novus ingreditur tua templa sacerdos; hue, age, cum cithara carminibusque veni. nunc te vocales impellere pollice chordas, nune precor ad laudes flectere verba meas. 5 ipse triumphali devinctus tempora lauro, dum cumulant aras, ad tua sacra veni; sed nitidus pulcherque veni; nunc indue vestem sepositam, longas nunc bene pecte comas: qualem te memorant Saturno rege fugato 10 victori laudes concinuisse Iovi. tu proeul eventura vides, tibi deditus augur scit bene, quid fati provida cantet avis . . . . etc. Auch hier verrüth kein Wort, daf der Dichter von einem Bild- werke redet, und doch ist es so. Allerdings fállt ja einem auf- merksamen Leser die Aehnlichkeit des geschilderten A pollo mit jenen schon angeführten Properz- und Ovidstellen 16) auf, auch mit dem Aeußeren der Kitharödos-Statue ; zur völligen Ge-

16) Prop. III 81. Fast. IV 389. Amor. I 8, 59. Metam. XI 165. Trist. INI 1, 59. Ars am. III 141. Amor. I 1, 11. Vergl. Tib. I 4; 37; II 8, 11; IV 4, 2.

Apollo Kitharódos. | 695

-wiftheit erheben diese Vermuthung aber die Beziehungen des ganzen Gedichtes selbst. Messalinus feiert seinen festlichen Ein- tritt in das Collegium, dem die Hut der sibyllinischen Bücher anvertraut war; es ist aber bekannt, dafì diese quindecemviri unter Augustus im Tempel des Apollo Palatinus functionirten !°), in welchen auch die sibyllinischen Bücher über- führt wurden. Es ist also dieses Apollo-Heiligthum, das Tibull in Vers 1 mit tua templa bezeichnet, und es ist der Altar des Apollo Palatinus, der in Vers 6 genannt wird.

Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß die auffallende Aehnlichkeit unsrer Tibull - Stelle mit den oben erwähnten Apollo-Schilderungen ihren tieferen Grund hat; sie ist keine zu- fällige, sondern sie resultiert aus ein und derselben An- schauung des Hauptbildnisses des Apollo von Skopas’ Hand. Daher die Cither und die Lieder (Vers 2); daher die rauschenden, plectron-geschlagenen Saiten (V. 3); daher das mit dem Siegeslorbeer gekrönte Haupt (V. 5), der Glanz und die strahlende Schönheit der Erscheinung (V. 7; vergl. Prop. III 31, 5: Phoebo pulchrior ipso Die Schil- derung vervollständigen Vers 7—10: in langem Ge- wande vestis möge der Gott erscheinen, und im Schmuck des lang herabwallenden Haares, „wie man dich schildert, daß du dem siegreichen Juppiter Preishymnen gesungen, nachdem der Herr- scher Saturn überwunden“. Die letzteren Worte sind sehr bemerkenswerth; sie erklären die Haltung des Apollo Pa- latinus und geben uns somit einen Hinweis auf den künstleri- schen Gedanken, den Skopas in seiner Statue zum Ausdruck bringen wollte: Apollo, wie er nach der Titanenschlacht begei- stert dem Zeus seine Siegeslieder ertönen läßt. Mag diese In- terpretation nun aus der eigenen Phantasie des Dichters ent- sprungen sein, oder mag sie, was ich meinerseits für höchst wahrscheinlich halte, die officielle Bedeutung des skopasischen Apollos wiedergeben, in jedem Falle ist sie für unsere Frage von größtem Interesse. Es ist, wenn wir die voraufgehenden Verse hinzunehmen, als habe Tibull vor unserem Apollo Kitha- rödos gestanden und ihn Zug für Zug geschildert: die begei- sterte, bewegte Haltung nach dem Getiimmel der Titanenschlacht,

17) Vergl. Preller Rôm. Myth. S. 274 und 275, |

696 O tto A. Hoffmann,

das enthusiastische Empor-Heben des Hauptes vor allen Dingen, wie in bewunderndem Aufblick zum siegreichen Allherrscher Zeus, sind dieser Marmorstatue wie abgelesen. Wie gesagt, es, ist ja möglich, daß Tibull jenen Vergleich des Apollo Palatinus mit dem jubelsingenden Phébus vor dem Throne des Herrschers Kronion frei erfunden hat; setzen wir aber den Fall, daß man im Alterthum die Haltung dieses Skopas- Apollon in der ge- nannten Weise deutete, so hätte Augustus unter all dem kost- baren Material, das ihm zu Gebote stand, keinen passenderen Apollo für sein palatinisches Heiligthum finden kónnen, als den Sänger des Weltenordners Zeus, des Ueberwinders der Mächte des Umsturzes. Hoheit des Gedankens und Hoheit der Aus- führung vereinigten sich bei diesem Prachtwerke in so vollkom- mener Weise, daß der Künstler geradezu für die Idee des Cä- sars gearbeitet zu haben schien, von dem Horaz singt: lanum Quirinum clausit, et ordinem rectum evaganti frena licentiae iniecit, emovitque culpas, et veleres revocabit artes.

Dieser Apollo des Skopas hat eine zweifache Mission zu erfüllen gehabt: zuerst sang er von der Macht und Herrlichkeit des Him- melskónigs Zeus, von seinem Sieg und seinem Strafgericht über die Mächte des Umsturzes; und dann tinte sein liederreicher Mund vom palatinischen Altar herab das Lob des Augustus, des Wiederherstellers von Gesetz und Ordnung, des Siegers über die mit der Barbarei verbündete Sache der Empórung und des blutigen Bürgerzwistes.

Es ist unnóthig, zur Motivierung der bewegten Haltung unsres Bildwerkes in Anschlag zu bringen, daß dieselbe einem grie chischen Sünger, also einem Südlünder abgelauscht ist, und daß es zudem ein Jüngling ist, wenn auch ein göttlicher Jüngling, der von Kampf und Sieg und Vergeltung singt, kein nordischer, weißbärtiger Barde.

Noch einer Dichterstelle müssen wir Erwühnung thun, weil sie einerseits das Bild des Skopas-Apollon vervollstindigt, und andrerseits eine Vermuthung stützen hilft, die wir uns für den SchluB dieser Abhandlung aufgespart haben. Es ist die aus- führliehste der in Betracht kommenden Stellen und findet sich

Apollo Kitharüdos. 697

im 4. Gedicht des IIT. Buches der tibullianischen Samm- ung; sie geht also nicht auf Tibull selbst zurtick, sondern auf den Anonymus Lygdamus, nach Fr. Haase eben jenen Valerius Messalinus, dem Tibull bei dessen Weihe zum Quindecemvir des palatinischen Apollo das 5. Gedicht seines 2. Buches widmet.

Das Gedicht an und fiir sich ist ein reines Liebesgedicht, und zwar keines, dem sich Genialität nachrühmen ließe. Nach einer Einleitung von 15 Versen, die sich über das Eintreffen und Nichteintreffen nächtlicher Zukunftsbilder und Triume ver- breitet, erzählt der Dichter, daß ihm der Gott der Weissagung und Orakel erschienen sei, um ihm zu melden, daß die Ge- liebte Neaera alterius mavult esse viri (V. 58); der Dichter möge aber nur getrost fortfahren blandas adhibere querelas (V. 75) und möge der Geliebten in seinem des Gottes Namen ver- künden: „dieses Ehebündniß verspricht dir der Delier selbst; glücklich in ihm, laß’ ab, dich nach einem anderen Gatten zu sehnen“. (V. 79 und 80).

Um also die leichtfertige Geliebte für den armen, liebe- seufzenden Dichter umzustimmen, muß der Gott der Orakel und Weissagung selbst ihr eine Standrede halten; denn Bacchus und die Musen, die sonst wohl den Dichtern geneigte Beschützer sind, vermögen nicht zu sagen quid ferat hora sequens (V. 46). Um die in Vers 80 erwühnte, eigentlich sehr kurze Bestellung an . Neaera auszusprechen, muß der Gott in feierlicher Tracht an das Nachtlager des Dichters treten, der in vollen 20 Ver- sen (von 23—42) folgendes getreues Bild des Apollo entwirft:

hic iuvenis, casta redimitus tempora laur o, est visus nostra ponere sede pedem.

25 non illo quicquam formosius ulla priorum aetas, humanum nec videt illud opus. intonsi crines longa cervice fluebant,

stillabat Syrio myrtea rore coma. candor erat, qualem praefert Latonia Luna, 90 et color in niveo corpore purpureus, ut iuveni primum virgo deducta marito inficitur teneras ore rubente genas: et cum contexunt amarantis alba puellae lilia, et autumno candida mala rubent. 35 ima videbatur talis inludere palla,

698 Otto A. Hoffmann,

namque haec in nitido corpore vestis erat. artis opus rarae, fulgens testudine et auro, pendebat laeva garrula parte ly ra. ' hanc primum veniens plectro modulatus eburno 40 felices cantus ore sonante dedit; sed postquam fuerant digiti cum voce locuti, edidit haec dulci tristia verba modo etc. Man thut dem Dichter kaum Unrecht, wenn man diese schüne, aber weitschweifige Schilderung des Apollo in Anbetracht des unbedeutenden Motivs der Elegie für an den Haaren her- beigezogen erklürt; sie ist überhaupt nur verständlich, wenn man sie mit dem Bildniß des A pollon Palatinus in Zu- sammenhang bringt: die gedachte Schilderung ist unerkennbar unter dem Eindrucke geschrieben, den der Anblick jenes Mar- morwerkes auf den Dichter machte. Wohl möglich, daß dem Lygdamus der Gott des Skopas im Traume erschienen ist; die Worte, die er ihn reden lüft, passen jedenfalls nicht zur &u- ßeren Erscheinung des Apollo; denn während derselbe gekom- men ist, um dem Dichter Muth einzusprechen, tritt er mit rauschender Leier und singend auf. Diesen Widerspruch hat der Verfasser des Gedichtes wohl selbst herausgefühlt, denn er bemerkt Vers 41, da8 der Gott, erst nachdem er fast in der Weise eines Vorspiels zur Cither gesungen, seine Rede begonnen habe. Wozu dieses Vorspiel, ist unver- ständlich ; dem Dichter war es gleichwohl unentbehrlich, weil es der Apollo Palatinus war, von dem er trüumte, und weil dieser ja zur Cither sang. Er mufte also den Gott der Lieder erst zu Ende singen lassen, ehe er ihn redend einführen und für seinen Zweck verwenden konnte.

Obwohl schon von andrer Seite diese unsre Pseudo -'Ti- bullstelle für den Apollo des Skopas angesprochen wor- den ist!*), so glaubten wir dennoch speciell auf den er- wühnten Punkt aufmerksam machen zu müssen, weil er unsres Wissens noch nicht berücksichtigt und als Beweis für die Rich- tigkeit jener Vermuthung verwerthet worden ist. Abgesehen davon springt die Aehnlichkeit dieses Apollo-'Traumbildes mit den vorerwähnten Dichterstellen und vor allem mit unsrem

18) So von Herrn Prof. Studemund in seinen Vorlesungen über Tibull. Vergl. Baumeister ,,Denkm. des klass. Alterthums' 8.98,

- Apollo Kitharódos. 699

Apollon Kitharédos auch einem fliichtigen Leser in’s Auge: die jugendliche Gestalt, die reine, lorbeerumkränzte Stirn (28), die unvergleichliche, strahlende Schénheit des Antlitzes (25/26); das lang herabwallende Haar (27), das lange Gewand, dessen Falten unten auf dem Fuße und Boden sich brechen und daher „um die Knöchel zu spielen schienen“ (85); gleichsam anmerkungsweise und nach Cicorone- Árt wird in Vers 36 hinzugefügt: namque haec in nitido corpore ve- stis erat. Dazu kommt die kunstvoll gearbeitete, aus Schild- krot und Gold gezimmerte Leier, die ihm an der Linken hängt, pendebat, und die er mit elfenbeinernem Plectron rührt (V. 89). Die Gesänge, die der göttliche Citherspieler ertönen läßt, sind bezeichnender Weise fröhlicher Natur; es sind j,,selige Weisen“, felices cantus, die seinem Munde entströmen (40). Sobald er jedoch zu singen aufgehört und zu reden begonnen, werden seine Worte „traurig“: haec tristia" verba (42). Der letztere Umstand schließt jeden Zweifel daran aus, daß auch dieses Traumbild des Lygdamus nichts anderes ist, als der wahre und leibhaftige Apollo Palatinus, dem künstlerischen Gedanken des Skopas entsprungen und von seiner Meisterhand geschaffen. Die Stelle ist also abermals ein redender Beleg für die mehr oder weniger geschmackvolle Art und Weise, in welcher die augusteische Dichtung bertihmte Werke der Kunst. zu verwerthen pflegte, besonders wenn die letzteren officielles‘ Interesse hatten.

Die angeführten Verse sind aber noch von einem anderen Gesichtspunkte aus bemerkenswerth. Wenn man uns einräumt, daß unter jenem Traumgesicht des Apollo dessen Statue auf dem Palatin beschrieben wird, so gehen wir einen Schritt weiter und behaupten, daß diese Statue des Apollo von Skopas’ Hand po- lychrom behandelt war.

Soviel ist sicher, daß Edelmetall, Elfenbein und Schildkrot an der Leier verwandt war, deren kunstvolle Arbeit ausdriick- lich hervorgehoben wird; so

Tib. III 4 37: artis opus rarae, fulgens testudine et Auro,

. pendebat laeva garrula parte lyra;

vergl. Ovid. Amor. I 8, 59: ipse deus vatum palla spectabilis aurea

700 Otto A. Hoffmann,

tractat inauratae consona fila lyrae; und Metam. XI 167 sqq.:

distinctamque lyram gemmis et dentibus

Indis

sustinet a laeva: tenuit manus altera plectrum. Selbst wenn die genannten Stellen nicht darauf führten, wiire anzunehinen gewesen, dali die Leier nicht ebenfalls aus Marmor sondern aus edleren Stoffen gearbeitet war. Wenn wir fiir die Form der letzteren nicht die an dem Apollon Kitharidos er- hultene und nachergänzte, sondern die auf den Miinzen beglau- bigte Leier zu Rathe ziehen, so scheint es, als habe der Rah- men derselben aus zwei Elefantenzühnen bestanden (vergl Me- tam. XI 167: dentibus Indie) Dieselben hat man sich jeden- falls uufs Kunstreichste geschnitzt und mit eingelegter Arbeit in (old, vielleicht auch edlem Gestein zu denken (ib.: distinctam gemmis. Der Resonanzboden, welcher auf den Münzen ebenfalls deutlich hervortritt, mag entsprechend gearbeitet ge- wesen sein (Lib. III 8, 37: fulgens testudine et auro). Die Schnitzereien und Schildereien an der Leier haben ohne Frage die Thaten des Gottes zum Ausdruck gebracht, und so weist denn auch die jetzt an der Marmorstatue erhaltene Leier an dem äußeren Rahmen den geschundenen Marsyas auf. Die Suiten und vielleicht auch der Querbalken waren aus (told oder wenigstens stark vergoldet.

Dies zur Einleitung, um den Schluß gerechtfertigt erschei- nen zu lassen, daß eine in so vielfachen Stoffen schillernde Leier sich nicht an ein kaltes, farbloses Marmorbild gelehnt haben wird, sondern daß dieses letztere jedenfalls auch mannig- fachen Gold- oder Farbenschmuck aufgewiesen hat. Wir wissen, daß das Bemalen der Statuen außerordentlich häufig war, und daß besonders die römische Kunstwelt große Vorliebe für far- benprächtige Standbilder hegte. Wenn daher Lygdamus von dem purpurnen Glanze (color purpureus) spricht, der über dem schneeigen Körper ausgegossen lag, und den er dreifach mit den erröthenden Wangen schamhafter Jungfrauen, mit Amaranth zu Lilien gesellt, und mit dem Roth reifender Aepfel vergleicht, so dürfen wir unbedenklich annehmen, daß Purpurroth an dem Bilde verwandt worden war. Man entschließt sich zögernd zu einer derartigen Annahme, besonders da es sich um ein Mar-

Apollo Kitharédos. ^ = 701

morwerk ersten Ranges handelt; wenn man aber bedenkt, daß die Behandlung des Marmors mit Farbe auch in den besten Zeiten der griechischen Plastik gang und gebe war, ja daß Praxiteles selbst diejenigen seiner Meisterwerke für die gelun- gensten erklärt haben soll, welche der Maler Nikias tibermalt hatte, so wird man auch für dieses Tempelbild ein Gleiches vor- aussetzen dürfen. Es fragt sich nur, in welcher Weise wir uns die circumlitio ausgeführt zu denken haben, und was vor allem an der Statue roth gemalt war; ob das Roth etwa von der Farbe der Wangen, oder von dem Purpur der Gewandung zu verstehen ist. Das letztere ist wohl in erster Linie in Betracht zu ziehen; wenigstens scheinen die tiefen Farbentöne in der ge- nannten Lygdamus-Stelle (III 4, 30 ete.: dunkles Erröthen, Amaranth zu verstehen ist der roth blühende am. me- lancholicus, der ein tiefes, sattes Roth aufweist —) eher auf die Gewandung, als auf das zarte Inkarnat zu gehen. Zudem war Purpur die Farbe des Festgewandes der Kitharöden.

Zu vermuthen ist also, daß die longa vestis an der Statue in Purpur gemalt und vielleicht mit Goldmalerei an den Säu- men verziert war, sodaß das niveum corpus in Vers 80 nur von den nackten Körpertheilen zu verstehen ist. Dazu stimmt jene Schilderung des Gottes in den Metamorphosen (XI 165), wo der- selbe „in der Haltung eines Künstlers" zum Wettgesange auf- tritt und zwar Tyrio saturata murice palla, also in langem, auf dem Boden schleppenden (Frauen-)Gewande, das mit tiefrothem, tyrischem Purpur ,gesüttigt^ war!" Das Haar war mög- licherweise ebenfalls gefärbt, wie jedenfalls auch an dem Hermes des Praxiteles, und zwar blond, wie das Haar des Apollo fast stets gedacht wurde. So giebt es auch jene eben angeführte Ovidstelle : ille caput flavum lauro Parnaside vinctus etc. Soweit, die Anhaltspunkte für die circumlitio der Statue. Es ist anzu- nehmen, daf sich dieselbe auch auf das Riemenwerk an Leier und Sandalen wie bei dem Hermes sowie auf den dem pythischen Apollo eigenen, chlamysartigen Mantel ?") erstreckt hat. Der letztere ist wohl, wenn auch vielleicht ebenfalls gold- bordiert, als priesterlichss Sacralgewand weiß zu denken.

19) Der tyrische Purpur gab das leuchtendste, schónste Roth und war daher der theuerste. (Das Pfund Wolle kostete tiber 1000 Denare oder 870 Mark). Die kostbarsten Stoffe pflegten doppelt gefärbt zu sein, daher wohl oben der Ausdruck saturata.

20) Vergl. K. O. Müller Handbuch d. Arch. d. Kunst § 339, 4,

702 Otto A. Hoffmann, Apollo Kitharödos.

Die vorstehenden Erwägungen über die muthmaßliche Be- malung des Apollo Palatinus beanspruchen keineswegs den Cha- racter der Endgültigkeit; dem Urtheil des Lesers bleibt es über- lassen, inwieweit er den Wahrscheinlichkeitsbeweis für erbracht erachten will. Es ist möglich, daß die angezogenen Stellen auf dichterischer Erfindung beruhen; da sich aber gerade betreffs unsrer Statue so manches, was an und für sich den Anschein reinster dichterischer Phantasie trägt, bei genauerer Prüfung als Niederschlag konkreter Anschauung erwiesen hat, da ferner diese Anschauung des Skopas - Apollo für die Haupt- stelle, aus der wir unsre Vermuthung herleiteten (Lydamus III 4, nachgewiesen ist, so wird uns Niemand den Vorwurf machen dürfen, daß unsre Behauptung. das Meisterwerk des Skopas habe Farbenschmuck getragen, aus der Luft gegriffen sei. Es kam uns hauptsächlich darauf an daran zu erinnern, daß die Dichter, wenn sie auch viel fabulieren, uns doch diesmal die rich tige Anschauung eines erhabenen Kunstwerkes vermitteln, dessen Ab- bild wir in dem Apollon Kitharödos bewundern. Der letztere, die Münzen Neros und die übereinstimmenden Schilderungen der augusteischen Dichter bilden ein Ganzes: sie geben uns ein Bild: den wahren Apollon Rhamnusios des Sko- pas den hochgefeierten Apollo Paiatinus.

Metz. Otto A. Hoffmann.

Zu Porphyrio.

Der Scholiast des Craquius bemerkt ru Horat Sat. I 6, 30 (— & quo acgrotet quo morbo Barrus - : Barrus moechus fuit propter incestum rirginis Vestalis condemwatus; so auch Schol, Porphyr: Hie Barrus cilissimae libidinis fuit. adeo ui Aemiliam Virg. Vestal. tncestasse dictus sit, certe adulierns sincerissima cupiditate sectabatur. Line stacerissima cupiditas! Nein, sondern zwei- fellas schrieb der Scholiast certe adulter cas incestissima cu- piditate sectabatur” : er will es augenscheinlich unentschieden las- sen. ob Barras das Incest wirklich be gangen oder nur das Verlangen darnach getragen habe: letzteres wenigstens (meint der Schol ist sicher. das erstere wurde von ihm behauptet (dictus sit ist also nicht ganz sicher.

Basel. J. Mähly.

* "In dem Handexemplare Eckstein's fnàe ich die ähnliche Cor rectur adudteras tnoretisermas eingetragen. ©. Cri

ee nn

XXXVI.

Die sogen. Pharmakiden des Kypseloskastens. | a

In einem zwar anregenden, aber doch, wie ich beweisen zu kónnen glaube, sein Ziel verfehlenden Aufsatze (Jahrb. d. Arch. Inst. III (1888) S. 234 ff) hat kürzlich O. Kern eine Deutung der beiden bisher so rüthselhaften „Zauberinnen der Kypselos- lade zu geben versucht. Die für uns allein maßgebende Be- schreibung des Pausanias (5, 18, 2) lautet: duo &22ag yv- vaixag ig 0oÀp ovg x«Juxvovutveg unéQovc, yapmaxa elderas opis vouíLovow, êmei aAAwg ye ovdèv dg avidg dou» EnlyQappa. GewiB mit Recht bemerkt Kern, daß an zwei berühmte Zau- berinnen der Sage kaum gedacht werden könne, weil man als- dann eine erklürende Beischrift schwer vermissen würde. Es seien nur zwei Möglichkeiten vorhanden: entweder seien die bei- den in Mörsern stampfenden Frauen ein Genrebild, etwa Brot- bereiterinnen (vgl. Klein Ber. d. Wiener Akad. 1884 S. 79), oder es kónne irgend eine Sage gemeint sein, welche so leicht verständlich war, daB sie eines erklürenden Epigramms oder einer Beischrift nicht bedurfte. Das Erstere sei aber unwahr- scheinlich , denn wir hätten so die einzige Genredarstellüng auf dem Kypseloskasten zu konstatieren. Folglich bleibe nur das Zweite. Und zwar sei es möglich die r&thselhafte Gruppe durch eine Betrachtung der benachbarten Darstellungen zu deuten, so daB eine Beischrift dem Künstler unnóthig erscheinen konnte.

Bekanntlieh begann der in Rede stehende Bildstreifen mit. einer Darstellung der auf ihren Armen Hypnos und Thanatos tragenden Nyx, darauf folgte die Gruppe der Dike und Adikia und darauf wieder die Darstellung der beiden ,,Pharmakiden“. Die Forderung Kerns, daf diese letzteren in einem sehr engen

704 W. H. Roscher,

Zusammenhange mit den unmittelbar daneben abgebildeten my- thisch - allegorischen Figuren gestanden und hauptsächlich aus diesem Zusammenhang Deutung und Verständniß erhalten ha- ben müssen, so daß sie der Beischrift entbehren konnten, un- terschreibe auch ich aus vollster Ueberzeugung. Um so ent- schiedener muß ich mich aber gegen die Deutung der beiden Pharmakiden als Adrasteia und Eide erklären, welche Kern auf drei Bruchstücke der orphischen Theogonie gegründet hat (vgl. Lobeck Aglaoph. S. 514 ff. und Abel Orphica Frgm. 109 —111). Das fiir uns wichtigste dieser drei Fragmente findet sich bei Hermias in Plat. Phaedr. S. 148 und wird von diesem Commentator folgendermaßen eingeleitet: did [7 ° Adgucresn] xai 100 100 ürrQov 175 Nuxıög nyeiv Myeras* en malueuzor yadxex onrou duwxer ° Adouorsia [xoi tuunava iyneria.] ').

Als Subjekt zu dœxer ist nach Apollodors Bericht ?) höchst wahrscheinlich Rhea zu denken, welche nach der in der Höhle der Nacht erfolgten Geburt des Zeus die Adrasteia vor die Höhle postirt, um dort Wache zu halten (ooovvsir; vgl. Frgm. 111), und ihr gleichzeitig die duonıo« und rvuruva übergibt, wo- mit diese solchen Lärm macht, wore mavrac êmorgépesr sig uv- tv rovc Jeovc (Frgm. 111).

Um nun in den beiden Pharmakiden die beiden Schwestern der orphischen Theogonie Adrasteia und Eide (Ide) wieder- finden zu können, erklärt Kern unbedenklich die yc4xe« $omiga der Adrasteia als eherne Keulen d. i. Mörserkeulen ($0naAa, vnegoı) die rvurnara iyferra aber als Handpauken und nennt es „eine gewaltige Erfindung des orphischen Dichters“, daß das Tympanon, welches die Götter zu ihrem künftigen König ruft, durch die Keulen erschalle und einen schönen Gedanken des Korinthischen Künstlers, daß er Eide und Adrasteia in Mör- sern, die ihre nächste Analogie in den homerischen Pithoi haben, mit Keulen Menschenglück und Menschenleid bereiten lasse.

Wir können dieser Erklärung durchaus nicht beistimmen und zwar aus folgenden Gründen:

1) Die in Klammern hinzugefügten Worte stammen aus Frgm. 111: yalxsa dontoa AaBovon xai tU u1ava nynevia.

2) Apollod. 1, 1, 7: 9 ‘Péa tóv dia didwos roéqea9es Kovorci ve zei

tais Melioséws nasoi vougass Adoaarelg te xai Ty abtas pèv toy naida Ergeyov x. r. À. Vgl. Lobeck Aglaoph. S. 515.

Die sogen. Pharmakiden des Kypseloskastens. 705

1) Können die yadxea Gonrou 3) der Adrasteia deshalb un- möglich eherne Keulen oder Schlägel sein, weil Hermias a. a. O. zum Verständniß dieser éonztge ausdrücklich bemerkt: &v toig nmoo9ugoiG yug tov avtgov tijg Nuxtog nyeiv Myers roi; xvp- Bahosc, iva navıa tu avınz rv ropuwr xatmxou yérqrus. Diese Erklärung erscheint um so zweifelloser, als das mit fo#rgor ety- mologisch nahe verwandte und gleichbedeutende doufos von Pindar Fr. 48 Bóckh geradezu mit xvufadwy verbunden wird. Das Motiv stammt offenbar aus dem Kulte der mit Adrasteia schon sehr frühzeitig verbundenen, ja sogar hie und.da mit ihr identificirten Rhea-Kybele *), welcher Góttin, wie namentlich die Bildwerke lehren ?), die gonrou (xvufuda) und rvurmava von Haus aus angehóren und aus deren Hand, wie wir oben sahen, nach der orphischen Theogonie wahrscheinlich Adrasteia eben jene musikalischen Instrumente empfing (vgl. Apoll. Rh. 1, 1139: do n B o9) xai zv avec Pelnr Dovyes tAnoxovras). 2) Ist es nicht eine „gewaltige“ sondern vielmehr eine un-

geheuerliche Vorstellung, die selbst dem Dichter der orphischen Theogonie kaum zuzutrauen sein dürfte, sich die Adrasteia mit großen ehernen Mörserkeulen ") das verhältnißmäßig leichte und schwache Tympanon (Anthol Pal. 6, 165; s. ob. Ánm. 8) bearbeitend zu denken. Daher wire es zwar gewif als ein hóchst glücklicher Gedanke des korinthischen Künstlers zu be- zeichnen, wenn er aus den zu den ehernen Mörserkeulen nicht wohl passenden zvunuva Mirser gemacht hätte, aber es ist im höchsten Maße unwahrscheinlich, daß die Beschauer des Kunst-

3) Ebenso wie in dem angeführten Fragmente der orphischen Theogonie dorzo@ und róuza»« verbunden erscheinen, heißt es bei Heliod. 9, 17: go uBoic de xai 1vunavoss tà». Aldı0nwv yy payyy énsonuasvevtwy. Vgl. auch Phot. S. 491, 10: 6óufoc, 0 Eyovow oi imderabovies dc tiunavoyv: oviws Kinolss, Anthol. Pal. 6, 165 wer- den neben einander erwähnt: 66 uoc, xopvBarteiwr laynuara y d i- xe don10wr und xovgoso Bag; una vov foouoc.

4) Vgl. Roschers Lexikon d. gr. u. róm. Mythol. unter Adrasteia. Welcker Gr. Gótterl. 2, 232. Preller gr. M? 1, 419 f. Overbeck K. M. Zeus S. 329. Dict. des antiq. ed. Daremberg et Saglio S. 1682 Anm. 132 a. 145.

5) Müller Hdb. d. Arch. 395, 3. Baumeister Denkm. S. 801. Müller - Wieseler D. a. K. II 811 ff. Vgl. auch Pind. Fr. 48 B. Lo- beck Aglaoph. S. 630. 652. Lucian Tragodopod. V. 36 etc.

6) Vgl. Schol. a. a. O. Dotyss xvuBálosc xai sound vosc mv ‘P éav ildoxovtat. GouBos, Tpoyioxos ov oroéqovow ludos TóntorTeg, xai ot'tws xrónov anotelovos x. T. À

7) Vgl. Hesiod. &pye 423: bnepov 1o énmy vv. "Xneoa odyoa wer- den erwähnt b. Diog. L. 9, 10, 59. Poll. 7, 107. Luc. Hermot. 79.

Philologus. N. F. Bd. I, 4. 45

706 W. H. Roscher,

werks bei so starker Veränderung des von Kern vorausgesetzten urspriinglich orphischen Motivs in den beiden Frauen noch Adrasteia und Hide ohne erklürende Beischrift zu erkennen vermochten.

8) Lassen sich in den Darstellungen des Kypseloskastens wohl einzelne hesiodische Einfliisse und Ankliinge nachweisen (Robert im Hermes 28 S. 440. Kern a. a. O. 8. 235 Anm. 3), nicht aber solche, welche dem Bereich der orphischen Poesie entstammen. Selbst wenn wir mit Kern (S. 235) als sicher an- nehmen wollten, daß die orphische Theogonie „bereits im 7. und 6. Jahrhundert auf ganz (?) Hellas einen gewaltigen (?) Ein- fluB ausübte", würde das doch nicht ausreichen, die Darstel- lung (schon stark modificirter) orphischer Ideen auf dem bereits im 8. Jahrhundert (Overbeck Plastik® I S. 56) gefertigten Kypseloskasten wahrscheinlich zu machen.

4) Auch das spricht gegen Kerns Deutung der beiden Phar- makiden, daß nach dem Wortlaut der orphischen Fragmente nur der Adrasteia, nicht aber der Ide yaAxea $ozrga und rSumara zu- geschrieben werden, so daß wir, selbst vorausgesetzt, daß Kerns Deutung der 60a79« richtig wäre, doch nur zu dem Verständniß der einen Pharmakis, nicht aber zu dem der zweiten gelangen würden.

Haben wir somit die Unhaltbarkeit der Kernschen Deutung der beiden Pharmakiden klar erkannt, so fragt es sich, ob sich nieht andere in den Kreis der Nyx und der Dike gehórende my- thisch-allegorische Gestalten nachweisen lassen, auf welche das so charakteristische Attribut des Mórsers und der Mórserkeule besser pabt als auf Adrasteia und Eide. Um es gleich herauszusagen: ich glaube in den beiden fraglichen Figuren zwei Moiren erken- nen zu dürfen, die, als Pharmakiden gefaBt, in ihren Mórsern dem Menschen Heil und Unheil berei- ten. Es sei mir verstattet den Beweis für die hohe Wahrschein- lichkeit meiner Deutung kurz in den folgenden drei Sätzen darzulegen.

1) DaB das wichtigste und für die beiden Pharmakiden am meisten charakteristische Attribut, die cherne Mórserkeule, den Moiren zukommt, erfahren wir aus dem apollodorischen Be- richte von der Gigantenschlacht Apd. 1, 6, 2: Moïgus "Ayosov xxi Voura yadxéoss donadois mayousvar®) [Gn£xreivay]

8) Zwei der besten Hss. (vgl. Westermann Mythogr. praef. V), nemlich P und D bieten uayouevas, die übrigen codices dagegen ua- xopévovs. Schon Heyne, dem alle neueren Herausgeber mit Ausnahme von C. Miiller gesetzt sind, hat daraus richtig uayoueras hergestellt, welche Lesart durch unsere Darlegung nicht unwesentlich unterstütst

Die sogen. Pharmakiden des Kypseloskastens. 707

Daß unter diesen dorul« Mörserkeulen zu verstehen sind, ist aus zwei Gründen hóchst wahrscheinlich (s. Anm. 14), einerseits weil gewöhnliche Keulen (xogvra:), wie sie männliche Krieger und Jäger, z. B. Herakles”) u. A., führen, sich in den Hän- den weiblicher Gestalten sonderbar ausnehmen würden, ander- seits weil auch sonst öfters Mörserkeulen als Nothwaffen von Frauen geschwungen werden. Man denke z. B. an die Mörser- keule in den Händen der Andromache auf Vasen mit der Dar- stellung der Iliupersis (Heydemann lliupersis S. 24, 2 ff O. Jahn Sächs. Ber. 19 S. 87. Heydemann Vasensammlung des Museo Nazionale zu Neapel Nr. 2422 S. 301 f) und in den Händen der Thrakerin auf einer die Ermordung des Orpheus darstellenden Vase (Heydemann a.a. O. und Arch. Ztg. 26 S. 4). Wie wir uns in diesen beiden Fallen die betreffenden Frauen in dem der dargestellten Scene unmittelbar vorausgehenden Momente ohne Zweifel nach ältester Frauensitte Getreidekörner stampfend vorzustellen haben (Blümner T. 1, 21, 6), so setzt auch die Vor- stellung von den mit Keulen gegen die Giganten kämpfenden Moiren wohl unzweifelhaft voraus, daß dieselben in dem der Gigantenschlacht vorausgehenden Momente als in Mörsern stam- pfend gedacht waren. Es fragt sich nur, was dieses Stampfen in Mörsern bei den Moiren bedeutet. Nach meiner Meinung hat schon Welcker (Kl. Schr. 3, 25) so ziemlich das Richtige gesehen !°), wenn er annimmt, daß „die eine der beiden Phar- makiden die Göttin der wohlthütigen Heilkunde, die andere die Göttin der Gifte und schädlichen Zaubereien, oder die eine die der Gifte, die andere die der Gegengifte* bedeute (vgl. Od. 4, 230: puguaxa molla piv OFAN usuiyuéra, noààa Avyoa), so daf) also Pausanias oder sein Gewührsmann auf ganz rich- tigem Wege war, wenn er die beiden Gestalten eben für Phar- makiden erklärte. Denn daß es durchaus irrig ist, wenn Kern a. a. O. S. 234 behauptet: „daß es Zauberinnen sind, welche Giftmittel bereiten; scheint unmöglich, denn schwerlich sind im Alterthum und überhaupt irgendwo (!?) Zaubermittel mit Keulen n Mörsern bereitet worden“, läßt sich leicht nachweisen. Ich

wird. Uebrigens deuten die ehernen Keulen auf eine sehr frühe Zeit, da man sich später eiserner üönsg« bediente; s. ob. Anm. 7 und Blümner Technol. 4, 40 ff u. 321 f. 9) Vgl. Furtwáugler in Roschers Lexikon d. gr. u. róm Myth. I Sp. 2138 f. Arch. Z. 6, 260. Daremberg Dict. d. antiq. s. v. clava. 10) Vgl. Denselben in Ztschr. f. Gesch. u. Ausleg. d. a. Kunst S. 541.

45*

708 W. H. Roscher,

erinnere hier nicht nur an die von jeher und noch heutzutage in allen Apotheken gebrauchten Môrser, sondern berufe mich auch auf folgende Stellen: Plat. Euthyd. S. 299 B: xalwç ... eu dar 115 «UT telpas éyxequor 2lleßogov apu£ur; id. Phaedo 117 B: 716 quguexov ....tetguuptvov. Daß das rgíffew der quyuuxx in Mórsern (öAuoı, Alydos, Justus) stattfand, be- zeugt ausdrücklich Hesych. s. v. óÀuogc* megegegic AlFos, pag- wagoc, © zus Boruvag zr oí(flovas Vgl. auch Aristoph. Plut. 718 f. esr’ pia | èv th Fvela ouunegamiyrowr Onor | xul ayiror. Unter jenen forura sind natürlich q«guoxa zu verstehen; vgl. Hesych. s. v. paguuxa, Borivas; vgl. außerdem noch folgende aus Nikanders Theriaka entnommene Beweisstel- len: Ther. 506. 527. 589. 618. 644 und Scholien zu 951 etc. Ja des Bereiten der q«ouaxa in Mörsern war so allgemein üb- lich, daß die yupuuxonwiu davon häufig quguuxo 1 0 ( B as oder -10Íínr«. genannt wurden ''). Wir erkennen demnach, daß man sich im hohen Alterthume die Moiren nicht bloB als Spinnerinnen sondern auch als Zauberinnen dachte, welche Glück und Leid der Menschen, ebenso wie die Pharmakiden ihre yapunxu de94d und Avyo«, in Mörsern bereiten *). Eine weitere Spur von der Auffassung der Moiren als Pharmakiden findet sich in dem Mythus von der Geburt des Herakles. Nikandros b. Anton. Lib. 29 erzählt, daß die Moiren und Eileithyia im Auftrag der Hera die Geburt des Herakles verhindert hätten, während die von Pausanias (9, 11, 3) berichtete thebanische Lokalsage von paguaxtdes redet, worunter unzweifelhaft die Moiren und Fileithyia zu verstehen sind. Uebrigens würe es nicht un- möglich, daß die Moiren auch sonst noch mit dem Attribut der Mórserkeulen vorkiimen. Ist vielleicht der rüthselhafte ‘Stab’, welchen die eine Moira auf dem Arch. Ztg. 5, 1* und bei Müller IHdb. d. Arch. § 398, 1 erwähnten Steine ‘auf der Schulter trägt, ein Unegos? Vgl. auch Matz-Duhn Roms ant. Bildw. 3088.

2) An der Zweizahl der Moiren des Kypseloskastens ist durchaus kein AnstoB zu nehmen, da dieselbe auch sonst, na- mentlich für das mit Korinth seit ältester Zeit in Verbindung

stehende Delphi wohl bezeugt ist: vgl. Paus. 10, 24, 4; Em-

11) Vgl. cderosBavov = Môrserkeule. Blümner Techn. 1, 21.

*) [In diesem Zusammenhange ist eine Fabel des Babrius (165 Ebh. = Aes. H. 136) von Interesse, wo Hermes als Pharmakurg den Menschen ein qaounxar viódove toipas kredenzt; am meisten bekom- men schließlich die oxvriç (nach attischer Vorstellung?). Cr.].

Die sogen. Pharmakiden des Kypseloskastens. | .. 709

pedokles b. Plut. de trang. an. 15; de ei ap. Delph. 2, . sowie den Hymnus bei Stobaeus ecl. 1 S. 172 H. Auch Apollodor 1, 6, 2 scheint nur zwei Moiren anzuerkennen, da er ihnen nur zwei Gegner (Agrios und Thoon) im Gigantenkampf gegenüber- stehen läßt (vgl. A. Mommsen Delphika S. 101). Auf diese Weise erhalten wir zugleich eine weitere treffende Parallele zu dem die beiden benachbarten Bilder des Kypseloskastens be- herrschenden Dualismus, und zu Hypnos und Thanatos, Dike und Adikia gesellen sich nunmehr die beiden Moiren des Glücks und Unglücks (vgl. Hesiod Theog. 218 —219 = 904—905: [ Mot- gac ], alte Boorotos yesvouévosoi dedovasy Eyes KY a 9.ó» Tex ex 0 v TE).

9) Die nahe Verwandtschaft der Moiren mit N yx und der ebenfalls bisweilen mit einer Keule ($ózroov !?) oder einem Prügel ausgerüsteten Dike (Eur. Hippol V. 1161 K.) erhellt einer- seits aus der schon von Hesiod Theog. 217 (vgl Hygin f. S. 26 Bunte) gegebenen Genealogie, wonach sie Schwestern des Hypnos und Thanatos sowie der Keren und T'óchter der Nyx sind (vgl. auch Stob. ecl. a. a. O. KiwIw Aayeoss v! evojAevos | xovga, Nuxtos x. t. À.), anderseits aus Hesiods Theog. 902 f. und Apollodor 1, 3, 1, wo Dike ihre Schwester heißt, endlich aus dem Hymnus bei Stobaeus a. a. O., wo Klotho und La- chesis angefleht werden, Dike und Eirene zu den Menschen zu senden. Es scheint demnach, daß der Künstler des Kypselos- kastens einer theilweise mit Hesiod übereinstimmenden "T'radition gefolgt ist, nach welcher die Moiren und Dike (vielleicht auch Adikia) Tóchter der Nyx waren.

Zum Schluf spreche ich den Wunsch und die Hoffnung aus, daB über kurz oder lang ein Bildwerk gefunden oder nachge- wiesen werde, welches die Moiren mit dem deutlichen Attribute der Mörser und Mörserkeulen darstellt **).

12) Es muß einstweilen unentschieden bleiben, ob das óósnrpor der Dike (vgl. Hesych. s. v. öönıgov' Gonaloy) eine von den Moiren entlehnte Mórserkeule oder eine gewóhnliche Keule oder Prügel ist, dem Stabe oder dem Hammer entsprechend , mit welchem Dike die Adikia schlágt (Paus. 5, 18, 2. Roschers Lex. d. gr. u. róm. Myth. unter Dike). Mir ist für jetzt das Zweite wahrscheinlicher.

**) Nachtrag zu S. 707 oben. Daß die Mörserkeule (önsgov, doi- dvi = alsıgißavov (Schol. Ar. pac. 259), namentlich wenn sie als Waffe gebraucht wurde, auch 6onalo»r oder exvt1d às (axósalorv) genannt werden konnte, ersieht man aus der Gleichsetzung von Unspoov und oxvraln (Plat. Theaet. 209 D), von doidvé und xovrdin (= dxvrdAg; Schol. Ar. eq. 984), von oxutcédn (oxdtadov) u. donadoy (Pollux 5, 18. 10,142. Suet. s. v. cxvralor),

Wurzen. W. H. Roscher.

XXXVII.

Beiträge zur Geschichte römischer Dichter im Mittelalter.

Mit Nachstehendem eröffne ich eine Reihe von Aufsätzen, welche sich mit dem Fortleben römischer Dichter im Mittelalter beschäftigen sollen. Da die Geschichte der Philologie in ihrem weitesten Umfange immer mehr berechtigten Anspruch auf Dar- stellung gewinnt, so scheint es angebracht, Beiträge zur Ge- schichte der einzelnen römischen Dichter in einem etwas weiteren Rahmen zu geben, als dies bis jetzt meist geschehen. Selbstver- ständlich kann ich hierbei nicht ausschließlich neues bieten. In- deß wird der sachkundige Beurtheiler erkennen, daß ich in vie- len Puncten die Untersuchung erst begonnen oder doch weiter geführt habe.

Es wird kaum nöthig sein, zu versichern, daß ich auf wirk- liche Vollständigkeit keinen Anspruch erhebe, die große Masse des Stoffes schließt das von selbst aus. Ich werde daher die sich ergebenden Nachträge an möglichst passender Stelle unter- zubringen suchen. In der Hauptsache habe ich bisher die deut- sche und englische Geschichtschreibung, theilweise die Philosophie und Epistolographie durchgesehen; dagegen sind aus der fran- zösischen, italienischen und spanischen Literatur erst kleine Theile untersucht worden. Vielfache Unterstützung boten mir die guten Ausgaben der Monumenta Germaniae historica und der Chronicles and Memorials of Great Britain and Ireland during the middle age. |

Ganz ausgeschlossen von der Untersuchung bleiben Vergil und Horaz. Denn fiir Vergil besitzen wir die hervorragende Ar- beit von Comparetti und den Index von W. Ribbeck. Höchstens werde ich gelegentlich auf grófere oder für die Textkritik zu verwerthende Citate aus Vergil aufmerksam machen. Ueber Ho- raz im Mittelalter werde ich dagegen an anderem Orte ganz aus-

Beitrige zur Geschichte rim. Dichter im Mittelalter. 711

fübrlich zu handeln haben, nachdem Geh. Rath M. Hertz die Giite gehabt, mich zur Fortsetzung seiner Analecta aufzufordern und mir zu diesem Zwecke seine Sammlungen zur Verfiigung zu stellen. Sonst denke ich die rimischen Dichter nach und nach insgesammt vorzufiihren mit Ausnahme derjenigen, die nur in Fragmenten erhalten sind und deren Fortleben im Mittelalter auf die Grammatiker u. A. zurückzuführen ist. Als zeitliche Grenze der für die klassische Philologie interessanten Dichter kónnte viel- leicht diejenige gelten, welche Teuffel in seiner Literaturgeschichte eingehalten hat; doch werde ich mich fürs erste an die ältere Zeit, als die wichtigste halten und die eigentlich christlichen Dichter wahrscheinlich in den Wiener S. B. behandeln. Gleich hier wil ich bemerken, daß ich den Begriff Mittelalter etwas weit fasse und zuweilen Citate bringen werde, die noch früheren Schriftstellern angehóren. Auf die Indices auctorum et imitatorum der neueren Ausgaben, besonders der Grammatici Latini werde ich meistens nur hinweisen, da sich ja dort das einschlügige Material in übersichtlicher Anordnung vorfindet. Als Citate be- trachte ich solche Stellen, welche sowohl mit als auch ohne Nen- nung des Autorennamens angeführt werden, desgleichen die Hin- tibernahme von Versen und Verstheilen, die in Prosa umgestellt sind, wo eine zufällige Uebereinstimmung ausgeschlossen erscheint.

1. Persius.

Die groBe Anzahl der uns überlieferten Handschriften des Persius legt am besten Zeugniß dafür ab, wieviel man sich im Mittelalter mit diesem Dichter beschüftigt hat, cf. O. Jahns Ausg. 1848 S. CLXXIII. Hierzu kommen die zahlreichen Erwühnun- gen von Persiushandschriften in alten Bibliothekskatalogen, cf. Catalogi bibliothecarum antiqui ed. G. Becker S. 820. Seit dem 10. Jahrhundert erscheint hier Persius, vielfach in Verbindung mit Juvenal, als in den meisten größeren Bibliotheken anwesend. Er findet sich als sicher beglaubigt saec. IX in S. Gallen, s. X zweimal in Bobbio, zweimal von Froumund von 'legernsee ge- liehen und wahrscheinlich für das Kloster abgeschrieben !), in der Bibliothek Kaiser Ottos III, in einer Bibl. incognita (Becker 45, 17) s. XI ohne Ueberschrift in Hamersleven, dreimal in Toul, zweimal in Weihenstephan, s. XII dreimal in St. Bertin, in Corbie, zweimal in Michelsberg (Bamberg), in Pfüffers, in Whitby, zweimal in Wessobrunn, in St. Amand, in St. Peter (Salzburg), zweimal in Durham, sechsmal in St. Anchin, in Muri, im Monast. S. Petri Resbacense. Daß Persius an einer ganzen Anzahl von

1) Hierzu kommt eine Erwühnung aus dem Ende von saec. X in Tegernsee, wo Persius neben Statius und Hora, unter dem Abte Gop- pert abgeschrieben wurde, s. Wattenbach Deutschlands Geschichts- quellen I 372.

712 M. Manitius,

Orten mehrmals vorhanden ist, zeugt von fleißiger Benutzung. Ob die Satiren freilich als gewóhnliches Schulbuch gebraucht wurden, habe ich an den mir bekannten Stellen nicht entdecken können. Es ist auch insofern wenig wahrscheinlich, als sich bei den mittelalterlichen Autoren dieselben Verse aus Persius nur selten citiert finden, während dieselben Stellen aus den eigent- lichen Schulbiichern sehr oft wiederkehren, wie das z. B. bei Juvenal und Lucan der Fall ist.

Nächst den bei Keil G. L. VII 610 f. gesammelten Stellen sind aus der ülteren Zeit zu erwühnen: Lactantius giebt in der instit. div. einige Citate; II 2 Persianum illud proclamare: II 61 (terras); II 4 non placebat Persio quod aurea vasa templis inferantur . . : II 73 f., III 16 Quod irridens Persius: VI 38 f. (postquam venit); VI 2 Merito ergo Persius huiusce modi super- stitiones suo more deridet: II 29 f. (qua unctis). Hiero- nymi epist. 22 (Migne 22) 402 et super humeros hyacinthina laena (I 32); ib. 415 nec delumbem matronarum salivam (I 104); 40, 474 iam tibi cum Persio cantabo: H 87 f. (Optent te Te rapiant calcaveris hoc i. r. f.); 48, 506 et iuxta Persium noctem flumine purgant (II 16); 54, 552 (I 32 f 35 Hic aliqua Per- strepit ac tenero s. v. p.); 58, 584 (III 30 ego novi); 125, 1081 intra se nescio quid cornicantes stupentibusque in terram oculis tumentia verba trutinantur (V 12. III 80. 82); ib. 1082 aut ci- coniarum deprehendes post te colla curvari aut manu auriculas agi- tari asini aut aestuantem canis protendi linguam (I 58— 60); 129, 1104 (III 30). Augustin citiert civ. Dei II 6 die Verse III 66—72; II 7 ferventi tincta veneno (III 37). Johannes Cassianus (ed. Petschenig I 336) citiert contra Nestorium VI 9, 2 quod ipse scilicet, ut quidam ait, non sani esse hominis, non sanus iuret Orestes: III 117 f. Sidonius Apollinaris benutzt nach Geisler (cf. Sid. opp. ed. Luetjohann 358 ff) Sa- tire I und III und den Prolog. In den schol. Veronens. Vergil. wird zu Aen. V 95 citiert I 112 f. (veto locus), Mai class. auct. VII 288. Viele Citate bringt Isidor; er führt an origg. XII 4, 1: I 118 (Pinge locus); VY 11, 4: III 10; I 97, 9: IIL 11; I 8, 7: III 56 f.; I 36, 17: III 84; XVII 9, 71: IV 2; I 24, 1: IV 13; I 36, 17: V 79—81; XX 10, 2: V 181 (ut Iuvenalis). Außerdem wird Persius erwähnt in den Gedichten, welehe dem Isidor beigelegt werden; Migne 88, 1109 C. IX 1 Si Maro, si Flaccus, si Naso et Persius horret. Die übrigen Schriften ergeben nichts, Sat. II und VI sind über- haupt nicht benutzt. In der Árs grammatica des Cod. Ber- nensis 207 (Hagen anecd. Helv. p COX XXVIII 8 ff.) die von Julia- nus von Toledo excerpiert worden ist, wird citiert Pers. III 84 (Ex nihilo nihilum ad nihilum posse reverti (und V 79. 81 (ob aus Isidor?) Bei Eugenius Toletanus (Migne 87) ist zu vergleichen praef. carminum 3—5 mit Pers. V 91. Sedu-

Beitrige zur Geschichte rim. Dichter im Mittelalter. 713

lius C. Pasch. I 332 (Huemer) und der gallische Dichter C y- prian (cf. über diesen Peiper in Alcimi Aviti opp. p. LILI ff.) in genesin 537 (Migne 19) benutzen beide Pers. III 87 und zwar unabhingig von einander, da Cyprian später als Sedulius schreibt und das Citat aus Persius vollständiger bietet.

Friihzeitig ist Persius neben anderen Dichtern zu den An- gelsachsen *) gelangt, seit Aldhelm wird er in Grofbritannien . vielfach erwähnt. Aldhelm citiert S. 239 (Giles) Sat. V 19 f.; S. 291: H 75 (admoveam litabo), cf. Wiener S. B. CXII 565. Baeda führt an de computo (Migne 90) 650 Sat. II 1. Diese Citate müssen auf eigener Kenntniß des Persius beruhen, da sich die drei Stellen bei den von Aldhelm und Baeda so reich- lich benutzten Grammatikern nicht finden. Außerdem cf. Baeda de mirac. S. Cuthberti XIV 19 (XXI 2) mit Sat. IV 50. Auch in den Gedichten des Alcuin findet sich Benutzung von Per- sius: Ale. Carm. 1X 110 (Poetae latini aevi Carolini I 231) mur- mura clausa ciet (V 11); ib. 141 bibulas meritis caelestibus | aures (IV 50). Allerdings fehlt Persius in der so ausführlichen Schil- derung Alcuins von! der Bibliothek zu York, wo Alcuin seit 766 die Domschule selbst leitete.

Wahrscheinlich durch die Angelsachsen oder die durch Karl an den Fränkischen Hof berufenen Italiener ist dann das Frankenreich in den Besitz des Persius gelangt. In der älteren karolingischen Zeit zeigen sich freilich nur wenig Spuren von Benutzung: Pauli Diac. C. XIV 53 (Poetae latini aevi Curol. I 52) Littera quae ternis consurgit in ardua ramis (III 56); Theodulfi C. XXVIII 9 (ib. p. 494) Si mihi mille forent cen- teno in gutture linguae V 1 f. 6). Größere Ausbeute liefert H r a- banus Maurus. Trotzdem Hraban seine Zxcerptio de arte grammatica dem Priscian verdankt und sein Werk de universo fast ganz aus Isidor abgeschrieben und dabei eine Menge Citate seinen Vorlagen unmittelbar entlehnt hat, so ist doch Persius von ihm auch direct benutzt worden. Die Citate sind folgende: de universo (Migne 111) VIII 3 S. 228: I 118 (vielleicht aus Isid. XII 4, 1); XIX 6: I 42 (et locutus); XXII 4: II, 52 (Sé argenti); XXII 10: V 181; grummat. ib. p. 658: I 56 f. (nugaris exstet); S. 649: II 71 f.; S. 657: IV 9; in Eccle- stast. X 31 (Migne 109, 1122): 1II 56?) f. Die Citate aus Per-

2) Bei dem ältesten britischen Geschichtschreiber Gildas (ed. Ste- venson Lond. 1838 S. 33) findet sich von den alten Dichtern nur Ver- gil benutzt «t dicitur : innumeris onerantes aethera votis Aen. 1X 24.

3) Ob aus dieser Stelle oder aus Ausonius XII 124 (Peiper) oder aus der Verschmelzung beider die im Mittelalter háufige Redensart ad Pythagoricae litterae bivium pervenire hervorgegangen ist, dürfte schwer zu entscheiden sein. Die Worte finden sich z. B. in den An- nal. Quedlinburgenses (SS. III 22 ff.) a. 999, in der Chronik des Thiet- mar (SS. III 723 ff.) II c. 2, in Sigiberti V. Deoderici (SS. IV'461 ff.) c. 1, ähnlich bei Bruno de bello Saxonico c. 1 (edit. Hannov. 1880) p.

714 M. Manitius,

sius bei Ermenricus epist. ad Grimold. (ed. Diimmler) p. 16: I 118 f. (Pinge Meite) und p. 16: 1112 gehen auf Priscian, die Quelle Ermenrichs, zurtick.

In der Orthographia Bernensis II (Hagen anecd. Helv. p. 296, 13) wird citiert Pers. V 88 (aus Priscian ?).

In den Gesta Apolloni Vs. 67 (Poetae latini aevi Carol. II 486) geht das Wort Trossulus vielleicht auf Persius zurück (1 82).

A. In Deutschland findet sich Persius bis zum 14. Jahrhundert bei folgenden Autoren:

Sae. X. Heriger von Lobbes citiert in seinen Gesta epp. Leodiensium (Mon. Germ. hist. SS. VII 164 ff) c. 29 «sulco terentem Quintium Seranum trepida ante boves tulit (I 73 ff). Aus der Erwähnung von ‘Seranus’ ergiebt sich, daß Heriger auch die Scholien benutzt hat.

Ruotger erzühlt in der Vita Brunonis (c. 6 p. 9 ed. Han- nov. 1841) von dessen Thätigkeit in Cóln: Non enim examen im- probum in illa castigavit trutina nec se quaesivit. extra (I 6 f.).

In der Ecbasis Captivi (ed. Voigt p.81) Vs. 176 findet sich das Citat Rugosum piper V 55

Viel benutzt wird Persius von Walther von Speier in der Vita et Passio Christoph. mart. ed. Harster, wozu die Noten zu vergleichen sind. Außerdem cf. p. 21 vs. 97 Persius emuncto suspendit ludicra naso.

saec. XI. Die Lebensbeschreibung des h. Adalbert von Brun von Querfurt bietet uns in einem additamentum cod. 3 zu c. 32 (Mon. Germ. SS. IV 611 1. 52) den Vers Pers. I 1).

In der Chronik Thietmars von Merseburg (Mon. Germ. III 723 ff.) finden sich einige Citate. So diirfte Thietm. IV 51 nulli. . parcens glutto auf Pers. V 112 zurückgehen ; VI 1 clarum mane illuxit seculo und VI 27 iam clarum diem fe- nestras intrare vidi sind zweifellos aus III 1 f. entnommen. Des- gleichen ist in VI 61 Vs. 14 Ista dies pulchro signatur clara la- pillo Pers. II 1 zu erkennen.

Der satirische Dichter Amarcius der um 1044 über seine Zeit schrieb, hat sich in seinem Epos mehrfach dem Persius an- geschlossen, wie ich in meiner unlängst erschienenen Ausgabe nachgewiesen habe (Lips. Teubn. 1888).

Wipo verwendet im Tetralogus (ed. Pertz Hannov. 1858 p. 14) den Vers V 90: Tetral. 151 Quis Caesar melius, si quid rubrica vetavit? Daher wird Vita Chuonradi c. 1 (ib. p. 28) in voto imperium periclitari erat auf III 49 zurückzuführen sein.

2. Wahrscheinlich hat auch Isidor orig. I 3, 7 zur Entstehung dieser Formel beigetragen.

Beiträge zur Geschichte rim. Dichter im Mittelalter. 715

Meinhardus Babenbergensis sagt in einem Briefe | (Giesebrecht Gesch. d. deutschen Kaiserzeit IIT 1241 4. Aufl) ‘Nam’ ut ille ait ‘per me sint omnia protinus alba’: I 110.

Wolfhere citiert im Prolog zur Vita Godehardi prior (M. G. SS. XI 169) die Verse Pers. I 106. 62 und III 56.

Adam von Bremen führt in seinen Gesta Hammaburg. eccl. pontificum III 61 (ed. Waitz Hannov. 1876 p. 140) an quae ut' aestimo non sani hominis non sanus iuret Orestes. Diese Worte sind Pers. III 118.

Die Jugendarbeit Sigeberts von Gembloux (M. G. SS. IV 461 ff.) die Vita Deoderici gewährt uns ein Citat aus IV 18, da es am Ende der epist. de vita S. Deoderici heißt: mortiferum praefigite theta.

In der Vita Lietberti ep. Cameracensis c. 1 (d’Achery spicil. II 141) tam sanctum mane fenestras intrabat wird III 1 benutzt.

Thiofrid benutzt in der Vita Willibrorai (ed. Roßberg 1883) den Persius mehrfach; II 199 Scintillant oculi: III 117; 202 Insanos homines insanus turet Orestes: III 118; II 715 Me tibi supposui : V 36.

» Saec. XII. Wenn es bei Rupert von Deutz (chron. S. Laurentii Leodiens. M. G. SS. VIII 261 ff) c. 29 heißt incerta belli alea decoxit exercitum, so ist dies sicher auf Pers. V 57 zu- rückzuführen. |

In der Chronik des Vincenz von Prag (M. G. SS.

XVII 671) steht astutam vulpem sub pectore servant = Pers. V 117.

In der Historia Peregrinorum (Canisius lect. ant. ed. Basnage III 2, 499) heißt es im Anschluß an Pers. prol. 2 in der Vor- rede licet forte ironice me somniasse dicant aliqui in Parnaso.

Im Ligurinus X 618 erinnern die Worte naso subsannet | adunco an Pers. V 91. X 621 f. vgl. mit Pers. I 2 f.

In Herimanni liber de restaurat, S. Mart. Tornacens. (M. G. SS. XIV 306) c. 68 wird mit den Worten et etiam secularis illius poete versiculum recolens Pers. II 69 eingefiihrt.

Die Worte im Phagifacetus (ed. Habich p. 8) Vs. 148 quam turpe genas extendere stloppo gehen jedenfalls auf V 13 zuriick.

Die Annales Cameracenses bieten zu dem Jahre 1169 (M.G. SS. XVI 550) das Citat Pers. I 1 f.

In der Elegie des Henricus Septimellensis de di- vers. fortunae 13 (Leyser hist. poett. et poematt. med. aevi p. 454) wird Pers. I 58 ff. benutzt Concutit a tergo mihi multa ci- conia rostrum | Hic aures asini fingit et ille canem.

Sae. XIII. In der Vita Adalberonis Wirceburg. wird c. 12 (SS. XII 1 Pers. I 110 citiert.

Albert von Stade führt im Troilus IV, 627 (S. 122 ed.

716 M. Manitius,

Merzdorf) aus III 87 an Ingeminant blaesos naso crispante ca- chinnos; IV 584 cut dat nitidum littera nigra librum: IV 13.

Von dem Abte Frithericus heißt es in den Gesta abb. Horti S. Mariae c. 17 (SS. XXIII 583) Persium .. et sciebat et legebai.

Wenn in Menkonis chron. (SS. XXIII 424 1. 39) gesagt wird unde contigit ut omnes auctores videlicet ethicos Ovidianos Vir- gilianos satiricos et alia opera poetarum . . . plene conscriberet. Quos omnes ipsi ambo Parisius Aurelianis et Oronie audterfint et ex ore magistrorum glosaverunt, so werden unter den satérici neben Horaz wohl auch Persius und Juvenal zu verstehen sein.

Einige Cicate aus Persius bringt Conrad von Mure in seinem noch sehr wenig benutzten repertorium vocabulorum exqui- sitorum ^) aus dem Jahre 1273: Conrad S. 104 (ed. Basileae): Prol. 1; S. 245: I 5 (Non mihi Polydamas); S. 171: I 116 f.; S. 255: III 25 (purum salinum; S. 106: III 49 f. (damnosa Roderet); 8. 69: IV 1 f. (haec om.; dura); dieselben Verse S. 267 (dira).

Hugo von Trimberg sagt im Registrum mult. auct. 136 (ed. J. Huemer p. 21) Sequitur hunc Persius cultor honestatis Reprehensor vitii, lima pravitatis, es folgt prol 1 f. und I 1 f. (min tu illud ais).

Saec, XIV. Johann von Victring (Böhmer fontes rer. Germ. I 284) citiert iurta illud Persii; V 53; ib. III 4 S. 341 O quam digne versibus Persii videtur hic pontifer feriendus: V 116 f. (retinens sub fronte. rapido servans).

Stüeke aus Persius finden sich auBerdem in dem cod. Berol.

ms. Diez. B. Santen. 60 fol. 33° cf. Aulularia ed. Peiper p. XV adn.

B. Persiuseitate bei französischen Sehrift- stellern.

Saee. IX— X. Remigius von Auxerre giebt in dem Comment. Einsidl. in Donatum einige Citate aus Persius; Hagen anecd. Helv. 240, 10 adn. vel a Numa Pompilio rege Romanorum antequam ipsi Romani expertes erant numerandi sed lapillis compu- tabant, omnia prospera quidem candidis adversa vero nigris, unde Persius: II 1: ib. p. 205, 33 unde et Persius: I 27 (derselbe Vers S. 250, 23 f.); ib. 271, 13 pinsere autem dici Persius pro- bat ut: I 58.

Sace. X. Von Gerbert, dem nachmaligen Papste Silve- ster II, erzühlt Richer von S. Remi (III 47 ed. Waitz 1877

4) Von diesem Werke konnte ich leider nur einen Druck aus dem 15. Jahrhundert (Bertold in Basel s. a.) benutzen, cf. (Denisii-) Panzer annales typographici Y 191.

Beitrüge zur Geschichte rim. Dichter im Mittelalter. 717

S. 101), daß er neben anderen römischen Dichtern auch den Persius in der Reimser Schule ausgelegt habe.

Abbo von Fleury citiert in seinen quaestiones gramma- ticae (Mai class. auct. V p. 335) den Vers Pers. V 12 (aus Priscian ?).

Saec. XI. In der Normannengeschichte des Dudo von St. Quentin (Mon. Germ. SS. IV 101 Vs. 22) deuten die Worte Incubabis ridiculaeque sannae auf Kenntniß von Pers. V 91 hin.

Saec. XI— XII Mehrfach zeigt sich Persius in den kürz- lich ‘von W. Harster herausgegebenen Novem vitae ‘Sanctorum me- tricae, deren Datierung allerdings einige Schwierigkeiten bereitet, cf. Neues Archiv d. Ges. f. #lt. deutsche Geschichtskunde XIII 686 ff, Die Citate sind von Harster S. 182 zusammengestellt. Benutzt worden sind Sat. III. IV. V; unwahrscheinlich ist die Benutzung VII 1028 (III 104).

Saec, XII. Abaelard citiert in seinen Werken (ed. Cou- sin) I 118 den Vers I 7 (ne te extra). Im Anhange zu die- ser Ausgabe findet sich der Apologeticus eines Berengarius Seholasticus. Dieser bringt einige Verse aus Persius : (Abae- lardi opp. IL) p. 773: I 30 f. (inter p. q. | Pontifices 8. nar- rent); p. 774: III 82 (Hie exporrectis ampullat verba labellis) und V 56 (Hic satur exiguo sommo).

In der Moralis philosophia des Hildebert von Le Mans finden sich auch einige Citate: (Migne 171) 1037: III 21—24 (Contemnere rota); 1035: V 32 f.; 1026: V 66—69 (66 Aoc om.; 68 consumimus).

Hugo von St. Victor citiert in seinen Werken (Migne 176) 746 den Vers III 84.

Im Graecismus des Eberhard von Béthune hat Wro- bel in seiner Ausgabe (Breslau 1887) I 98: Pers. III 84 und XXIV 50: Pers. I 23 (cute ohe eingeführt mit den Worten Persius at postponit eam) nachgewiesen. :

Im Laborintus III 29 (Leyser hist. poett. et poematt. med. aevi p. 827) heißt es: Versutiis animi non parcit Persius altis In- genii, quamvis sit brevitatis amans.

Eine deutliche Hinweisung auf prol. 2 giebt Petrus von Cluny in einem seiner Briefe (bibliotheca Cluniacensis ed, Mar- rier p. 862) IV 32 triceps namque Parnassus noster, non tam bi» ceps sicul olim locut sunt poetae priores.

Aegidius benutzt in seinem Gedichte de virtutibus compo- sitorum medicam. prol. 30 (Leyser hist. poet. etc. p. 506) Parnassi biiugo nutrita cacumine montis: Pers. prol. 2; vs. 81 ib. p. 508 subridens subsannat nasibus uncis: V 91.

In den Gesta consulum Andegavensium XI 11 (d'Achery spi-

718 M. Manitius,

cil. III 261) wird V 53 citiert. Derselbe Vers wird angeführt im Liber de castro AmbasiaeV 1 (d'Achery ib. III 278).

Erwühnt wird Persius in der hist. ecclesiastica des Orde- ricus Vitalis Mon. Germ. SS. XXVI 23 Si Persius . . ali- que mordaces satirici nunc adessent . . . immensam reprehendendi mäteriam . . reperirent ?).

Desgleichen wird des Persius neben anderen alten Dichtern gedacht von Rutebeuf in der Bataille de VII ars (ed. Tubinal II 426): mesire Perse | Dant Juvénal etc.

C. Persius in Großbritannien.

Sae. IX. Bei Sedulius Scottus findet sich in den Gedichten nur .eine einzige Reminiscenz aus Persius Carm. II, XXXIV 5 (XLI 37 p. 205) ( Poetae lat. aevi Carol. III 200) quod non mihi cornea fibra | sit, cf. 1 47. Dagegen ist Persius seit dem 12. Jahrhundert vielfach gekannt und benutzt.

Saee. XII. Wilhelm von Malmesbury bringt ein Ci- tat in den Gesta reg. Anglorum c. 306 (II p. 488 ed. Hardy) wu Persius ait: crimina rasis | Librans in antithetis cf. I 85 f.

Eine große Anzahl von Stellen liefert Johannes Sares- beriensis, wie schon Schaarschmidt (Joh. Saresber. nach Le- ben und Studien etc. S. 100 und adn. 2) bemerkt hat. Die Stel- len sind folgende: Joh. III S. 169 (Giles): I 22 (auriculis escas); III 178: I 53 f. (calidum lacerna); IV 10: I 74 f£. (Quem tulit), V 159: 1 96 f. (nonne coctum) ; LI 14 (216): I 116 f.; II 331: II 71 f.; IV 160: III 20 ff. (tibi dimo); II 232: III 60 f: III 165: III 66—72; IV 44: IV 4 f; IV 44: IV 13; IV 14: IV 20 ff; V, 7: IV 28 f.; III 49: V 47—51; IV 159: V 60 £; III 172: V 79—81 (papae tabellas): IV 80: V 102 ff. (Narem rebus); IV 180: V 106; IV 169: V 117; III 164: V 120 £ (nullo recti); IV 159: V 191 (curto licetur;; IV 49: VI 18 £ (geminos genio). Letzteres Citat ist das einzige aus Sat. VI, welches ich außer im Glossarium Osberni bisher im Mittelalter gefunden.

Auch Petrus Blesensis führt den Persius häufig an: Petri Bles opp. ed. Giles I 85: I 1; I 256: I 56 f.; I 46: H 50 f.: I 220: III 23 f. (Udum rota): II p. LXXXIV: III 30 (ego novi): I 137: IV 23 f.: 1339; IV 52; I 258: V 58—61 sed relictam): I 8: V 92.

Dem Walter Ma p ist Persius gleichfalls bekannt, wie

5) Eine gelegentliche Erwühnung anderer Art findet sich in der hist. Romana des Landolfus Sagax (ed Drorsen M. G. auct. antiq. II 302) huius temporibus pollebant Rome pocte . . . satirici Iuvenalis et Persius; s. auch Conrad v. Mure S. 240 s. v. philosophus, wo nur der Name erwähnt wird.

Beiträge zur Geschichte rim. Dichter im Mittelalter. 719

schon aus den Worten (Poems of W. Mapes ed. Th. Wright 1841) S. 4 Vs. 48 Nudanterm satyros dicaces Persium hervorgeht, Außerdem werden angeführt ib. p. 153 vs. 12: prol. 1; p. 121 vs. 505 Dio quaeso psittacum quis ‘chaere’ docuit? | Magister sto- machus qui voces tribuit (cf. p. 166 vs. 119 expedies frustra tuum chaere): prol. 8. 10 f.

Nicht weniger als 155 Citate aus Persius bringt das Glos- sarium Osberni ed. Mai class. auct. VIII. 637. Die Stellen sind aus allen Satiren und dem Prologe genommen und bieten meist einen guten Text. Von Abweichungen habe ich aus A—C notiert; p. 118: I 52 et quidquid; p. 71: I 100 Et vitulo; p. 64: IV 37 Tune cum balanatum ; p. 115: V 12 quid corni- caris inepte; p. 85: V 71 cantum; p. 35: V 76 Vapalipus; p. 86: V 147 Coena fit; p. 98: V 178 floraria; p. 117: V 189 Dixerit ; p. 9: VI 50 convives.

In den Political songs (ed. Th. Wright) wird Persius zwei- mal citiert: p. 28 (contra avaros) vs. 8: I 1; ib. vs. 12: V 52.

Saec. XIII. In den Memorials etc, cf. Richard I ed, Stubbs I 170 wird angeführt Sat. V 117.

Matthaeus von Paris citiert in seinen chronica maiora (ed. Luard IV 503) Sat. IV 24 mit den Worten secundum illud

Persii proverbium : melius spectatur mantica tergo.

Bei Roger Baco wird im compend. studii philos. (ed. Bre- wer) p. 461 erwähnt I 32 (Et Persius: Hic aliquis cui cir- cum est).

In dem Ypodigma Neustriae des Thomas Walsingham begegnet uns Persius (ed. Riley) p. 465 et ut ita fatear: Tur- gescit in eis vitrea bilis; III 8; p. 456: V 117 (v. gestans sub).

Bei Ricardus Divisiensis de reb. gest. Ricardi I ed. Howlett p. 414 ist zu ud psittaci: chere basileos prol. 8 zu vergleichen.

D. Persius in Italien.

Saec. IX —X. Der Mythographus Vaticanus TII (Mai class. auct. IIT) p. 200 citiert Ut Persius: Pinge duos angues (I 113).

Sae. X. Rather von Verona sagt an einer Stelle sei- ner Werke (Migne 136) S. 291 qui melius ‘damnosa canicula quantum rodat’ quam norunt . . . Er nimmt also Bezng auf Sat. III 49. Auferdem führt er an S. 218 lapidosa chiragra | Iam facit articulos v. r. f.: V 58 f.; p. 291 sessilis quibus depingitur obba, cf. V 148. In den Praeloquia I ( Martene et Durand ampl. coll. IX 808) cum quo mihi sermo est . . ne te quaesiveria extra: I 7; ib. p. 816 satis lepide cecinit illud poetae: I 26 f, (usque alter).

720 M. Manitius, Beiträge zur Geschichte rim. Dichter u.s.w.

Vielfach citiert der gelehrte Gunzo von Novara den Persius in seiner epistula ad fratres Augienses (Migne 136) p. 1284: V 117; 1286: I 20 f. (cum versu); ib. I 98—101 (Quidnam Bassaris); 1287: 1 45 f. (Non ego laudari metuam ei); I 106. III 29 (censorem; quid); 1291: V 106 (qua sub arato); 1296: I 56 f. (Nugaris propenso exstat); 1300: V 52; 1301: III 63 f. (occurrere). .

Auch die Werke Liutprands von Cremona verrs- then die KenntniB des Persius: Liutprandi (opp. ed. Diimmler Hann. 1877) Antapodosis I 26 vs. 9 f. torta . . | Cannabe: V 146; ib. I 41 cum Arcadiae pecuaribus: INI 9; ib. II 13 snsanos capite non sanus iuraret Orestes: III 118; Legatio c. 63 facit hoc asper nummus : III 69 f.

Humbertus Cardinalis citiert contra Graecorum ca- lumnias (Canisius lect. antig. ed. Basnage III 1, 293 In secula- ribus quoque litteris satyricus . . ait: 1 24 f. (Quid didicisse quo semel caprificus).

In Guarini Veronensis epist. 2 (Martene et Durand ampl. coll. III 862) wird I 58—60 in Prosa aufgelôst.

Johannes de Monasteriolo citiert in epist. 42 (Mar- tene et Durand ampliss. collectio II 1405) ab illo poeta .. dictum est: I 1 (hominum et).

Bei dem mittelalterlichen Dichter Eupolemius, den ich nächstens herauszugeben gedenke, aber bis jetzt weder zeitlich noch örtlich unterzubringen weiß, deuten die Worte I 519 (cod. Dresd. De fol. 171%) ventremque ingurgitat album auf Benutzung von Sat. III 98.

Benutzung der Vita Persii (ed. Jahn (1868) p. 36, 35) und zwar derselben Stelle ergiebt sich aus Johannes Saresberiensis III p. 201 Auriculas asini Midas habet und Petrus Blesensis I p. 176 Auriculas asini Mida rex habet. Vielleicht hat Petrus hier den Johannes abgeschrieben , wie dies kürzlich für eine viel wichti- gere Stelle E. Cornelius ( Quomodo Tacitus . . in hominum me- moria versatus sit. .. Marpurgi Catt. 1888 p. 41) erwiesen hat.

Handschriften der Scholien des Cornutus werden in alten Katalogen an zwei Stellen erwähnt nämlich s. XII zu Corbie in zwei Exemplaren und in Priifening, cf. Becker 1. 1. p. 309.

Oberlófinitz b. Dresden. M. Manitius.

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XXXVIII.

Die neueren Arbeiten über Tracht und Bewaffnung des romischen Heeres in der Kaiserzeit.

(Fortsetzung).

27. Otto Benndorf Antike Gesichtshelme und Sepulcral- masken. Wien 1878. (Aus dem 28. Bande der Denkschriften der philos.-hist. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften).

28. E. Hübner Rómische Schildbuckel. Archäolog.-epigr. Mittheilungen aus Oesterreich. II S. 105—119. Wien 1878.

29. Ludwig Lindenschmit Bemerkungen über das Pilum. Alterthümer unsrer heidnischen Vorzeit, Bd. III, Hft. 6, Taf. 7.

30. Carolus Zangemeister Glandes plumbeae. Ephemeris epigraphica. Vol. VI. Romae et Berolini 1885.

O. Benndorf hat in seiner Schrift über Gesichtshelme und Sepuleralmasken (27), welche sich nicht weniger durch Gelehr- samkeit, als durch treffliche Darstellung auszeichnet, den Nach- weis geliefert, daf der Gebrauch der Maske zu sepulcralen Zwecken, indem man dieselbe einerseits zum Schutze des Ge- sichtes der Leichen verwandte, andrerseits dem Todten einfach ins Grab mitgab, über die ganze antike Welt verbreitet gewesen ist. Dieser Gebrauch erklärt sich daraus, daß die Maske ver- möge ihrer prophylaktischen Bedeutung den Todten vor widri- gen Einflüssen behüten, sowie seine Ruhe sichern sollte. Als ein ebenso sicheres Ergebniß der Untersuchungen des Verfassers läßt sich der Nachweis bezeichnen, daß die imagines der Römer ursprünglich Abgiisse derjenigen Masken waren, welche wührend der sieben Tage dauernden collocatio das Gesicht der Todten bedeckten. | |

Philologns. N.F. Bd. I, 4. 46

722 A. Miiller,

Wir miissen es uns versagen, den interessanten Ausfüh- rungen des Verfassers, so weit sie diese Punkte beriihren , hier weiter zu folgen, da dieselben unserem Gebiete fern liegen, da- hingegen haben wir uns mit dem zu beschiftigen, was derselbe über die Gesichtshelme beigebracht hat. Es handelt sich hier um eine nicht eben große Anzahl von Helmen, welche mit ei- nem die Form des menschlichen Gesichtes nachahmenden Visier versehen sind; es kommen aber auch Helmhauben in Betracht, welche aus irgend einem Grunde auf das einstmalige Vorhan- densein eines Maskenvisiers schließen lassen, so wie Maskenvi- siere, deren einstmalige Zugehörigkeit zu einem Helme aus ir- gend welchen Spuren erwiesen wird. Bei unbefangener Betrach- tung liegt die Vermuthung nahe, daß diese Waffenstücke zu Kampfeszwecken gedient haben, zumal auch im Mittelalter nicht selten dem Visier Gesichtsform gegeben wurde. Von den be- kannten Visierhelmen der Gladiatoren (vgl. Weiß Costümkunde I S. 535 Fig. 419 a.b. Weißer Lebensbilder Taf. XXII) wei- chen die hier in Betracht kommenden Helme so erheblich ab, daß ihr etwaiger Gebrauch in der Arena von vornherein ausge- schlossen ist. Die kriegerische Verwendung derselben hat aber Benndorf entschieden abgelehnt und unter dem Einflusse seiner bezüglich der sepulcralen Bedeutung der Masken gefundenen Resultate für die Gesichtshelme einen anderweitigen Gebrauch nachzuweisen versucht.

Der Verfasser geht davon aus, daß sich schon früh den Nutzwaffen eine eigne Gattung von Zierwaffen an die Seite stellte. Solehe wurden den Statuen der Kriegs- und Schutzgottheiten als Attribute beigegeben, oder als Weihgeschenke in und an den Tempeln aufgehängt. Besonders aber, meint er, mußte das Wohlgefallen des Südlünders an feierlicher Erscheinung bei Cultusprocessionen die Zierwaffe als ein stehendes Requisit des öffentlichen Lebens einbürgern. Diese Sätze sind nicht ohne Belege. Unter den in der Hoplothek der Akropolis befindlichen Gegenständen werden dozidia noumx« erwähnt (Michaelis Par- thenon S. 307). Herodian (VII 11, 7) sagt bei Gelegenheit des Kampfes der Prätorianer mit dem Volke bei Ernennnng des dritten Gordian rg te yao dnuootas anoFnxug 10r Oniwr, & n»tg N009 ngóc noum$v miAlor n uéynr enindeot, Aragofftas tovg OyAovc mecs 10 Te Owpu Exacior qgantoJus wg olog 1€ jv. Dionys von Halicarnaß (De admir. vi dicendi in Demosth. 32) vergleicht die woleusorngsn Sada mit den srourevingiu. Da- nach will Benndorf im Allgemeinen die Gesichtshelme als Pa- radestiicke bezeichnen. Es ist indessen schon von Marquardt Jenaer Literaturzeitung 1879 S. 29 darauf hingewiesen, daß Paradewaffen doch Nachahmungen der Kriegswaffen gewesen sein müßten, was sich von den Gesichtshelmen nicht sagen läßt, Benndorf geht dann noch weiter. Der Umstand, daß ein Ex-

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 728

emplar in einem Grabe auf dem Schidel eines Skeletts gefunden ist, und daß ein anderes Exemplar ein weibliches Gesicht dar- stellt, beide also schwerlich als Paradewaffen gedient haben, hat : ihn zu der Annahme geführt, daB die Gesichtshelme sepulcrale Bestimmung hatten, entweder um auf dem Paradebett bei der collocatio den Kopf des Todten zu schmücken, oder beim Lei- chenzuge von Jemandem getragen zu werden, der den Verstor- benen darstellte. Dabei schwebte ihm die Sitte vor, welche Sue- ton (Vespas. 19) als üblich bezeichnet, wo er erzühlt, bei der Bestattung Vespasians sei ein Schauspieler mit der Maske des- selben im Leichenzuge gegangen imitans facta ac dicta viri. In diesem Falle habe derselbe die Procuratoren gefragt, wie viel das Leichenbegüngnif koste, und als er erfahren, daß sich die Kosten auf 10 Mill. Sestertien beliefen, habe er mit bitterer An- spielung auf Vespasians Geiz ausgerufen, sie móchten ihm 10000 Sestertien geben und seine Leiche nur immerhin in die Tiber werfen. Hübner (Bonner Jahrbücher LXVI S. 26 ff) hat sich der Argumentation Benndorf's im Wesentlichen angeschlossen und erklärt, es unterliege ihm keinem Zweifel, daß diese Helme künstliche Umhüllungen des ganzen Kopfes des Todten gewesen seien, also in die Kategorie der Todtenmasken gehörten. Ueber den Gebrauch bei Leichenprocessionen hat er seine Meinung nicht ausgesprochen.

Es liegt auf der Hand, daß unser Urtheil über diese Dar- legung wesentlich von der Beantwortung der Frage abhängt, ob im römischen Heere Visierhelme überhaupt und insbesondere Maskenhelme vorgekommen sind oder nicht. Diese Frage ist oft ventiliert und auf Grund der schriftlichen Quellen verschieden beantwortet; Benndorf verneint sie, hat aber den entschiedenen Widerspruch Lindenschmit’s erregt, der in der Beilage zum 11. Hefte des III. Bandes der ‘Alterth. u. h. Vorzeit’ sehr gewich- tige Gründe geltend macht. Dieselben sind im Folgenden ge- bührend berücksichtigt. Zunächst kommen mehrere Dichterstellen in Betracht, wie Statius Theb. IV 2; XI 372; Silius Italic. Pun. XIV 636; XIV 158, auf .deren Besprechung ich hier jedoch verzichte, da man Benndorf zugeben muß, daß sie auf Visier- helme bezogen werden können, falls deren Vorkommen ander- weitig feststeht, dasselbe aber nicht beweisen, da die Dichter sich ebensogut den korinthischen Helm oder den attischen mit breiten Backenklappen yorgestellt haben können, denn bei bei- den blieb vom Gesichte nur wenig zu sehen. Von Bedeutung für römischen Gebrauch dagegen ist Arrian Tactica 34, 2, wo die Ausrüstung der Reiter bei ihren Uebungen beschrieben wird; es heißt da ausdrücklich, daß die Helme nicht wie die in der Schlacht getragenen lediglich den Kopf und die Wangen be- deckten, sondern auch ein Visier hatten, welches am Sehen nicht hinderte, aber das Gesicht schützte. Als feststehend läßt sich

46*

724 A. Miller,

also bezeichnen, daß bei den Uebungen der Reiterei in Hadrian’s Zeit Visierhelme tiblich waren; indessen ist es nicht glaublich, daß diese Visiere die Form eines Gesichts hatten, vielmehr läßt die Beschreibung darauf schlieBen, daB sie denjenigen der Gla- diatorenhelme ähnlich waren. Die weiteren Zeugnisse beziehen sich auf die unter dem Namen catafractarii bekannten Panzer- reiter, welche in der Kaiserzeit in das Heer aufgenommen wur- den. Diese Waffe ist persisch - parthischen Ursprungs. Zuerst erscheinen die catafractarii unter Trajan im Dacischen Kriege als Bundesgenossen der Römer; unter Severus Alexander (222 —235) wurden sie förmlich in das Heer eingereiht und bilden von da an die eigentliche schwere Cavallerie desselben. Ihre Rüstung ist uns durch die Darstellungen auf der Trajanssäule wohl bekannt; Roß und Reiter sind völlig mit dem Schuppen- panzer bekleidet, und wenn auch auf diesen Darstellungen ein Visierhelm nicht erscheint, so dürfen wir denselben doch nach ganz bestimmten Zeugnissen für sie in Anspruch nehmen, und zwar was hier besonders interessiert in der Gestalt eines Maskenhelms. Ammianus Marcell. XXV, 1, 12 sagt: humanorum vultuum simulacra ita capitibus diligenter apta, ut imbractealis cor- poribus solidis ibi tantum incidentia tela possint. haerere, qua per cavernas minutas et orbibus oculorum affiras parcius visitur, vel per supremitates narium angusti spiritus emittuntur. Heliodor Aethiop. IX 15 spricht von einem xg«roc cvuqvuég; Te x«l porjdarov xui Cyur órdgoc sic axolpany onto Th ngoGwnsin CopsCoperor. Aehnliches berichtet auch Kaiser Julian Orat. I in Constantii laudem p. 46, 16 ed. Hertlein; II p. 72, 15.

Es ist auffallend, dals Benndorf das Gewicht dieser Zeug- nisse abzuschwiichen versucht. Er giebt allerdings zu, da8 die- selben möglicher Weise den Gebrauch des Maskenhelms be- weisen können, macht aber darauf aufmerksam, daß das porr- Auto» des Heliodor auch von dem korinthischen Helme verstan- den werden kónne, und legt besonderes Gewicht darauf, daB sich auf den persischen Denkmälern der Sassanidenzeit (226 —641) kein Reiterbild findet, welches sich mit jenen Schilderungen deckt. Dagegen ist geltend zu machen, daß jenes uorrA«ror wahrschein- lich doch nur bedeutet, daB Maske und Kopfstück aus einem Stück gearbeitet sind, und daß auch sonst schriftliche und bild- liche Zeugnisse sich nicht entsprechen. Wenn gesagt wird, die schwierige Aufgabe, auf Reliefs und sonst ein eng anschlieBendes Maskenvisier wiederzngeben, hätte eine entsprechende kiinstle- rische Lósung finden müssen, so ist vielmehr die Darstellung des Maskenhelms oder gar die Unterscheidung der Visiermaske von dem unbedeckten Antlitz für die Arbeit im Stein eine gera- dezu unlósbare Aufgabe. Ein aus horizontalen Schienen beste- hendes Visier erinnere ich mich an der Figur des Geryones auf einem im Museum zu Mantua befindlichen Sarkophage mit den

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 725

Arbeiten des Herakles gesehen zu haben. Daf auf der Tra- janssäule die catafractari? ohne Visier dargestellt sind, kann den bestimmten Zeugnissen der Schriftsteller gegeniiber nicht ins Gewicht fallen.

Während so von derjenigen Truppengattung, fiir welche wir den Maskenhelm vorzugsweise in Anspruch nehmen môchten, die Monumente fehlen, finden wir andrerseits ein solches fiir ei- nen rómischen Legionar, wo wir es am wenigsten vermuthen. Auf dem in Mainz befindlichen, aus dem Ende des I. Jahrh. v. Chr. stammenden Steine des Q. Luccius, signifer leg. XIV gem. M. V. (A. u. h. V. 14, 6, 2. Benndorf S. 59 Fig. 6), er- scheint auf der linken Schulter ruhend ein Helm, der von Lin- denschmit schon vorlüngst als Maskenhelm bezeichnet ist. Benn- dorf dagegen, der dies entschieden leugnet, vermiBt jede deut- liche Charakteristik eines Maskenvisiers und behauptet, es handle sich hier vielmehr um die Darstellung jener bekannten Kopfbe- deckung der signiferi und Musiker, welche nach der durch zahl- reiche Darstellungen bestütigten Notiz des Vegetius (II 16) ein Thierfell trugen; die Anbringung des Helmes auf der Schulter bleibt ihm jedoch räthselhaft. Hiegegen hat Lindenschmit ver- schiedene Einwendungen gemacht, von denen wir nur die wich- tigsten hervorheben. Ein Thierfell hált er geradezu für ausge- schlossen durch den oberhalb der Augen über die ganze Breite des Helmes laufenden diademartigen Schirm, wie er sich auch an erhaltenen Helmen in ganz gleicher Weise findet, aber überall fehlt, wo ein Thierfell dargestellt ist. Wäre der fragliche Helm ein Thierhaupt, so würde dies nur in der Weise aufgesetzt wer- den können, daß der Oberkiefer auf der Stirn ruhte, dann aber wire der Schirm gänzlich unnütz, denn er fiele mit .der Spitze nach rückwärts und bedeckte den hinteren Theil des Schüdels. Diese Bemerkung, die sich mir vor dem Original bestätigt hat, ist für die Richtigkeit der Lindenschmitschen Ansicht entschei- dend. Die eigenthümliche Anbringung des Helmes auf der lin- ken Schulter, welche sich übrigens auch bei mittelalterlichen Topfhelmen findet, erklärt sich daraus, daß die Maske die Ge- sichtszüge des Verstorbenen verdeckt haben würde. Wenn wir demnach nicht daran zu zweifeln haben, daß es sich hier um einen Maskenhelm handelt, so ist andrerseits das Vorkommen desselben bei einem Legionar durchaus vereinzelt und im höch- sten Grade auffallend.

Benndorf macht gegen den Gebrauch von Visierhelmen fer- ner die Gründe militärischer Zucht und Praxis geltend; indessen scheint es doch, als ob die langjährige Dienstzeit der römischen Soldaten und die Strenge der Disciplin auch beim Gebrauch ei- nes Waffenstiicks, das den Träger zeitweilig unkenntlich macht, für gute Zucht die hinreichende Garantie geboten hätte. Auch weist er darauf hin, daß unter den Waffendarstellungen, welche

726 A. Miiller,

die Notitia dignitatum (Or. XI S. 31; Occ. IX S. 144 S.) als Insignia des Vir illustris Magistri officiorum, dem die Waffenfabriken unterstanden, in deutlicher Zeichnung aufführt, kein Visierhelm erscheint, obwohl sich dort sieben Helmformen finden. Aber das kann doch nur beweisen, daB in nachconstantinischer Zeit, in der iiberhaupt viele schwere Riistungsstiicke weggefallen waren, der Visierhelm nicht mehr in Gebrauch war.

Es giebt aber auch positive Zeugnisse fiir den Gebrauch von Visierhelmen. Es existiert eine in Emerita Augusta in Lu- sitanien —- jetzt Merida in Estremadura von P. Carisius, der von 25—22 v. Chr. Proprätor in Spanien war, geprägte Miinze, welche sich auf den Cantabrischen Krieg bezieht und auf dem Revers innerhalb der Umschrift P. Carisius leg. pro praet. ein kurzes Schwert, eine Doppelaxt und zwischen beiden einen Helm mit Maskenvisier und einem geweihartigen Aufsatz zeigt. (Co- hen Méd. cons. pl. 14. Benndorf S. 61 Fig. 10). Da wir hier nicht rómische, sondern spanische Nationalwaffen zu erkennen haben, so wird durch diese Münze der Gebruuch des Visier- helmes bei den Lusitaniern in Augusteischer Zeit erwiesen; und danach ist die Méglichkeit nicht ausgeschlossen, daf die spani- schen Auxiliaren der Rómer auch später den Visierhelm, insbe- sondere den Maskenhelm getragen haben. Einen diesem Lusi- tanischen sehr ühnlichen Helm hat ein Gallier auf dem Triumph- bogen zu Orange (Caristie XXI 6); allerdings soll derselbe auf einer andern Abbildung (Laborde Monuments de la France I pl 49) ein anderes Aussehen haben.

Schwer ins Gewicht fällt ein anderes vor kurzem ent- decktes Monument. Auf einem der in Berlin befindlichen per- gamenischen Waffenreliefs, welche neuerdings im zweiten Bande der Alterthümer von Pergamon veróffentlicht und von Hans Droysen commentiert sind, ist (Taf. 43. Baumeister Denkm. d. class. Alterth. S. 1281) ein Maskenhelm dargestellt, ein bürtiges Gesicht mit Augenlöchern und geöffnetem Munde, bedeckt von einem konischen Helme mit Stirnbügel und Krönung. Au- genscheinlich ist das Vorderstück als aus einem Stücke gear- . beitet zu denken. Das Hinterstück ist infolge der Lage des Helmes nicht zur Darstellung gelangt. Das Original desselben war, wie das Vorkommen unter lauter Kriegswaffen lehrt, jeden- falls ein im Kampfe getragenes oder doch zum Gebrauch im Kampfe bestimmtes Waffenstiick. Unklar bleibt, ob dasselbe ein einzigartiges Exemplar oder eins von vielen gleichartigen war, ob es zu den Ausrüstungsstücken des pergamenischen Heeres oder zu einer Beute und zu welcher gehört. Da bei den Grie- chen ein sicherer Beleg für den Gebrauch von Maskenhelmen fehlt, so fühlt man sich versucht, den Helm für barbarisch. zu erklären, mag er auch von einem griechischen Waffenschmied angefertigt sein.

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 727

Unter allen Umständen liegt hier ein bestimmtes Zeugniß dafür vor, daß im 2. Jahrh. v. Chr. irgend wo Visier- bezw. Maskenhelme vorgekommen sind. Wenn nun Waffenstücke, wel- che sich in jenem Jahrhundert im praktischen Gebrauch befun- den haben, für die Kaiserzeit nicht ohne weiteres zurückgewiesen werden kónnen, sobald andere T'hatsachen für dieselben sprechen, so folgt, daß Benndorf mit seiner Verwerfung zu weit gegangen ist. Es ist also immerhin möglich, daß im römischen Heere bei einzelnen Truppentheilen Visier- bezw. Maskenhelme vorgekom- men sind. Das Nühere bleibt allerdings jetzt noch dunkel; ich denke jedoch zunächst an die spanischen und gallischen Auxi- liarcohorten und an die Panzerreiter. Aufklärung dürfen wir vielleicht von neuen Funden erwarten.

Was nun die erhaltenen Exemplare anbetrifft, so nehme ich für einige derselben militärische Bestimmung in Anspruch und weise andere ebenso bestimmt dem sepulcralen Gebiete zu, wäh- rend ich in Betreff einer dritten Classe mein Urtheil zurück- halten zu sollen glaube.

Zu der ersten Kategorie rechne ich einen im Antiquarium zu Stuttgart befindlichen Helm aus versilberter Bronze (Taf. VII VIII. XV 2. Lindenschmit Tracht und Bew. Taf. X 1*bc), Derselbe besteht aus Kopf- und Vorderstiick und besitzt bei ei- ner Höhe von 23 Centim. die hinreichende Größe, um einen Männerkopf zu bedecken. Im Gesichtsstück ist ein blattförmiges Visier ausgeschnitten, welches Augen, Nase und Mund umfaßt, und sich in einem am Kinn angebrachten Charnier bewegt, so daB es nach auBen herabgeschlagen werden konnte. Zum An- schluB desselben dient ein an der Stirn haftender beweglicher Reiber, der in eine Oese des Visiers einpaßt. Lippenspalte, Aug- äpfel und Nasenlöcher sind durchbrochen. Das Ganze ist reich mit Ornamenten verziert. Daß der Helm getragen werden sollte, zeigt die Beschaffenheit der unteren Ränder, welche, um nicht einzuschneiden, am Nacken ausgebogen, unter den Backen aber wie ein Saum umgelegt sind. Entscheidend ist für mich die Einrichtung des Visiers, welche offenbar dazu dienen soll, dem Träger momentan eine Erquickung durch Oeffnen zu verschaffen, aber gar keinen Sinn hätte, wenn der Helm als Kopfbedeckung einer Leiche hätte dienen sollen.

Auf einen ähnlichen Helm läßt ein Augen, Nase und Mund umfassender Visiertheil aus Bronze schließen, welcher bei Weis- senburg in Mittelfranken gefunden ist und im Museum zu Ans- bach aufbewahrt wird (Taf. VI 1).

Umgekehrt giebt es auch Helmhauben, an denen das Ge- sicht in solcher Form ausgeschnitten ist, daß man die einstige Existenz eines den vorigen ähnlichen Visieres vermuthen darf. So befindet sich im Archivmuseum zu Frankfurt a M. ein in Heddernheim gefundenes Exemplar aus Eisen; leider erinnere

728 A. Miller,

ich mich nicht, ob Reste eines Charniers zur Befestigung der Maske vorhanden sind; bei Benndorf wird dieses Exemplar nicht erwähnt. Hieher gehört auch der im Moore bei Thorsberg ge- fundene Silberhelm des Kieler Museums, dessen Helmkappe nur aus einem System von Bügeln besteht (Taf. XV 3*>) und viel- leicht, da sie erheblich kleiner ist, als der Gesichtstheil, nicht einmal mit Recht mit dem letzteren in Verbindung gebracht ist. Frl. Mestorf hat jedoch die Zusammengehörigkeit beider Theile angenommen und in ihrem Buche über die Vaterländischen Alter- thümer Schleswig - Holsteins dem von ihr reconstruierten Bilde eines germanischen Anführers diesen Helm gegeben, jedoch ohne ein Visier hinzuzufügen (s. Demmin Kriegswaffen S. 257 Fig. 1). Es ist übrigens zweifelhaft, ob dies Kieler Monument überhaupt in die Serie der hier in Betracht kommenden Denkmäler gehört, da es vielleicht gar nicht römischen Ursprungs ist. Ein ähnlicher Bügelhelm aus Eisenrippen hat sich in einem Grabhiigel in Derbyshire gefunden (s. Beck Gesch. d. Eisens I S. 728 u. 724 Fig. 249).

Gegenüber den im Vorstehenden genannten Exemplaren scheinen die beiden folgenden in das sepulcrale Gebiet zu ge- hóren. Zunächst eine Bronzemaske des britischen Museums, an der sich eine zurückgeschobene Helmkappe befindet (Taf. II), welche in ihrem gegenwürtigen Zustande nicht bis in den Nacken . hinabreicht, sondern in der Mitte des Hinterkopfes in einen glatten Rand endigt. Wahrscheinlich bildete dieser die Ansatz- fliche eines besonders gearbeiteten, jetzt fehlenden Nackenstiickes. Entscheidend für unser Urtheil ist, daß dies Denkmal in einem Grabe bei Nola auf dem Schädel eines Todten gefunden wor- den ist.

Ebenso bestimmt wird man eine im Wiener Museum für Kunst und Industrie aufbewahrte, im Oltflusse in Rumänien ge- fundene Bronzemaske dem sepulcralen Gebiete zuweisen müssen. Auf einen zugehörigen Helm lassen die Reste einer Charnier- vorrichtung schließen, welche sich am oberen Rande der Maske befindet (Taf. X. Lindenschmit A. u. h. V. III 11, 2, 1). Der Umstand, daß ein schönes weibliches Gesicht dargestellt ist, würde allein noch nicht hinreichen, dies Exemplar aus der Zahl der zu militirischem Gebrauche bestimmten auszuscheiden; denn nicht nur einer verzerrten, sondern auch einer schónen weibli- chen Maske eignet das Schreckhafte, welches wir überhaupt für die Maskenhelme voraussetzen müssen. Es ist hier vielmehr entscheidend, daß das fragliche Exemplar zwei mit dem Punktier- griffel eingeschlagene Inschriften trägt, von denen die eine, (st) Pii Prisci lautend, ohne Zweifel den Verfertiger, die andere, welche Vitalis, Titi) Crispini lautet, sich nur auf das Porträt der Maske beziehen kann. Vitalis ist als Frauenname selten, aber doch inschriftlich (CIL III 1835) nachzuweisen. 7. Cris-

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 729

pinus ist der Name des Gatten. Diese Bezeichnung des Porträts wird bei kriegerischer Bestimmung des Helmes durchaus uner- klarbar sein.

Hinsichtlich der folgenden Stücke möchte ich mein Urtheil zurückhalten. Das unter dem Namen ,,der Helm von Ribchester“ bekannte Prachtstück des britischen Museums (Taf. IV, V, VI 3, Lindenschm. A. u. h. V. III 7, 4, 1 u. 2), dessen Vorder- stück mit dem Kopfstiick durch ein auf der Hôhe des Scheitels angebrachtes Charnier zusammenhängt, hat nur eine Hohe von 20 Centimeter, und diese scheint für praktischen Gebrauch im Kampfe zu gering zu sein. Die außerordentlich reiche Verzie- rung, namentlich die auf der Helmhaube befindlichen Kampfes- darstellungen deuten dagegen auf eine militürische Bestimmung hin.

Das in Belgrad befindliche, in der Nühe von Semendria gefundene Exemplar (Taf. I 18% >») hat allerdings eine aus- reichende Hóhe, indessen unterscheidet es sich von allen übrigen dadurch, daß Vordertheil und Kopfstück aus einem Stück ge- arbeitet sind, so dal es gewissermaßen das Ansehen einer Kappe mit Visier erhült. Zwar erlaubt die weite Oeffnung des Halses - ein bequemes Aufsetzen und Abnehmen und zum Schutze des Halses ist der untere Rand saumartig umgebogen, aber es bleibt mir doch fraglich, ob die ganze Form einen praktischen Ge- brauch gestattete.

Eine im K. K. Miinz- und Antikencabinette zu Wien auf- bewahrte, bei Nicopoli in Bulgarien gefundene Helmhaube aus vergoldeter Bronze (Taf. XII 34-°), welche sich durch reiche Ornamentik auszeichnet, entbehrt leider des Visiers. Da sich jedoch an der Unterfliche des auf der Stirn ruhenden sehr brei- ten Stirnschildes ein Charnier befindet, darf ein solches voraus- gesetzt werden. Da dasselbe sich nicht erhalten hat, so ist es unmöglich darüber, ob der Helm praktischen Gebrauch gestattete, zu urtheilen. .

Ebensowenig läßt sich hinsichtlich einiger Masken, für welche erhaltener Charniere wegen auf eine Helmhaube geschlossen wird, eine bestimmte Ansicht aussprechen.

Nach diesen Ergebnissen scheint Benndorf zu weit gegan- gen zu sein, wenn er simmtliche Gesichtshelme dem sepulcralen Gebiete zugewiesen hat, ganz abgesehen davon, daß die von ihm angenommene Verwendung solcher Helme bei Leichenprocessionen durch keinerlei Nachrichten bezeugt wird. Zu weit gegangen ist er auch darin, daB er für seine Ansicht den Umstand gel- tend gemacht hat, daß von den Visierhelmen einige in Gräbern gefunden seien, da diese Provenienz nur für einen einzigen Helm, den auch wir dem sepulcralen Gebiete zugewiesen haben, unbedingt feststeht.

Auch die von Benndorf gegen den praktischen Gebrauch der aufgeführten Fundstücke geltend gemachten Bedenken sind

730 A. Miiller,

nicht ohne den Widerspruch Lindenschmits geblieben. Die zu- nächst hervorgehobene geringe Metallstärke ist in der That auf- fallend, aber wire dieselbe ein Hinderni für kriegerischen Ge brauch, so miiBten bekannte, z. T. in Castellen gefundene, Helme, wie die Bronzehelme von Friedberg und Nydam, und die Eisen- helm evon Neuwied und Osterburken ebenfalls nur Zierwaffen sein, Alle rómischen Schutzwaffen zeigen im Vergleich mit den mittel- alterlichen Waffen eine äußerst geringe Metallstärke; doch hat man zu beachten, daß stets ein Futter vorhanden war, beim Helm eine Haube, beim Schilde eine mit Thierhaut überzogene Holzwand. Außerdem wurde der Helm durch aufgelegte oder meist auf die Kante gestellte, sich auf dem Scheitel kreuzende Spangen verstürkt; in gleicher Weise wirkten die diademartigen Schirme und die die Ohren deckenden Beschlige. Von bedeu- tender Wirkung endlich war der Reliefschmuck. Derselbe war ein Mittel zur Herstellung der größten Rigidität des Metalls, welche durch Corrugation oder Runzelung der Flüche vermittelst der getriebenen Ornamente erreicht wurde. Am einfachsten geschah dies, wenn das Haar nachgebildet wurde, wie das an mehreren Reiterhelmen auf Grabsteinen zu bemerken ist. Vgl die Steine des C. Romanius A. u. h. V. III 8. 14; des M. Ae- milius Durises Bonn. Jahrbb. LXX XI Taf. III 1; des T. Flavius Bassus ibid. LXXXI T. IV.

Sodann hat Benndorf auf die Zerschneidung des Helmes in zwei oder drei Stücke und die umstündliche Art der Verbindung derselben hingewiesen. Dagegen ist geltend gemacht, daß schon der einfache Legionshelm, wie er sieh in mehreren Exemplaren erhalten hat, aus drei Stücken, der Helmhaube und den beiden Backenlaschen, bestand. Der Visierhelm mit fester Maske hatte nur zwei Theile, welche durch Charniere verbunden waren, beim Aufsetzen auseinandergeschoben und nach demselben unter dem Kinn mit Knopfbiündern befestigt wurden. Hatte der Helm ein verstellbares Visier, so stieg die Zahl der Bestandtheile auf drei, erreichte also bei weitem nieht die complicierte Construction von Helmen aus dem XVI. und XVII. Jahrhundert, welche mitunter aus vier oder fünf Theilen bestanden.

Wenn weiter an der reichen Verzierung mit Gold und Sil- ber AnstoB genommen wird, so ist dagegen zu sagen, daB in der Kaiserzeit beim Militàr der Luxus stark eingerissen war, wie aus Nachriehten der Schriftsteller sowie daraus hervorgeht, daß sich in den Castellen des limes vergoldete und versilberte, mit Schmelzwerk und Tauschierung verzierte Bestandtheile der Rüstungen gefunden haben. Möglich ist, daß die mit Gold ver- zierten IHelme Ehrengaben höherer Officiere waren, zu beachten ist aber, daB in den Waffenfabriken des Staates, in denen doch nur Kriegswaffen angefertigt wurden, eigene Arbeiter zur Ver- goldung und Versilberung der Helme vorhanden waren, welche

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 781

barbaricarii hießen. Im Cod. Theodosian. (X 22, 1) wird in einer Verfügung aus dem Jahre 374 darüber geklagt, daß die barba- ricarit in der Fabrik zu Constantinopel bei der Vergoldung und Versilberung von Helmen und Backenlaschen erheblich weniger leisteten, als die in Antiochia, und wird die Zahl bestimmt, welche in Constantinopel monatlich fertiggestellt werden soll. Es geht daraus hervor, daß die Verzierung der Helme mit edlen Metallen selbst noch in dem letzten Viertel des 4. Jahrhunderts durchaus üblich war. Vgl. Lindenschmit A. u. h. V. III 9, 6 Beilage.

Schließlich wird als entscheidend geltend gemacht, daß für das Gehör meist gar nicht, für das Sehen und Athmen durch- güngig ungenügend gesorgt sei. Dem gegenüber darf man be- haupten, daß der geringe Umfang der Augen-, Mund- und Nasen- öffnungen ausreichend ist, da sich das Visier unmittelbar an das Gesicht anschloli. Die betreffenden Oeffnungen der Maskenvisiere sind nicht kleiner als die an den heutigen Tags bei Masken- bällen gebräuchlichen Larven, welche doch das Tanzen gestatten. Besondere Vorkehrungen für das Gehór waren bei der geringen Metallstárke wohl kaum erforderlich.

Machen wir schließlich den Versuch die Entstehung der beiden, zu verschiedenem Gebrauche bestimmten, in ihrer schließ- lichen Erscheinung einander sehr ähnlichen, Helmarten zu erklä- ren, so ist eseinleuchtend, daß die Sepulcralhelme auf die uralte Sitte, das Gesicht des Todten mit einer Maske zu bedecken, zu- rückzuführen sind, indem man die Bedeckung allmühlich auch auf den Kopf ausdehnte.

Die zum kriegerischen Gebrauche bestimmten Maskenhelme haben eine andere Geschichte. Bekanntlich bedeckte der korin- thische Helm mit seinen breiten Backenstücken und dem schma- len Nasenschutze das Gesicht fast vollständig. Das Streben die- sen Helm durch Nachahmung von Theilen des menschlichen Kopfes zu verzieren, findet sich schon auf Vasengemälden des V. Jahrhunderts. Auf einer Schale des Berliner Museums (Gerhard Griech. u. etrusk. Trinkschalen Taf. IX 1) mit der Darstellung der onionocta übergibt Hephaestos der Thetis einen korinthischen Helm, an der die Partie oberhalb der Augen durch eine Reihe von Haarlocken ausgezeichnet ist. Auf einer der Metopen von Selinunt (Wies. D. d. a. K. I, Taf. 5, 27°) finden sich auf dem Helme eines Giganten über den Augenhóhlen eigenthümlich nach beiden Seiten geschwungene Linien, in denen Nachahmungen der Stirnfalten zu erkennen sind, welche das maskenartige Ab- schreckende der das Gesicht bedeckenden Helmtheile, wenn die- ser herabgelassen war, verstirken sollten. Mehrfach findet sich auch bei Statuetten und Büsten, welche den korinthischen Helm über den Kopf zurückgeschoben tragen, daß an die Stelle des Nasenschutzes und der Backenstücke geradezu ein menschliches

732 A. Miiller,

Gesicht tritt (Dilthey Bonner Jahrbb. LIII, Taf. IX, Aresfigur aus Wien; ibid. Taf. I—IV Bronzebüsten des Ares).

Auch der attische, nur die Stirn bedeckende und mit be- weglichen Backenlaschen versehene, Helm ist mitunter in ähn- licher Weise verziert. So sah ich im-Museo Gregoriano einen allerdings etruskischen, aber in der Form attischen Helm, dessen Haube mit Haarschmuck versehen und wie ein Gesicht behan- delt ist; von einem ähnlichen, jedoch der Haare entbehrenden Exemplare ist eine Zeichnung im Apparate des archüologischen Instituts vorhanden. Wichtiger als die Helmhaube sind hier jedoch die Backenlaschen, insofern deren Verzierung bisweilen die menschliche Wange nachahmt. So sind neuerdings in Do- dona eine große Anzahl von bronzenen neouyrvad(dec gefunden (Carapanos Dodone etc. S.234 u. Taf. LV 2. Benndorf Taf. XIV 4), welche deutlich die Form des Mundes zeigen und mit Backen- und Schnurrbart versehen sind. Wie es von hier aus nur noch ein Schritt war, ein vollstindiges Maskenvisier zu bilden, so konnte man zu diesem auch auf andere Weise gelangen. Im Museo Gregoriano existiert, gegenwürtig mit einer etruskischen Sturmhaube fülschlich in Verbindung gebracht, eine. Halbmaske aus Bronze, welche die untere Hülfte eines bürtigen Gresichtes von den Backenkiefern bis in die Mitte der Nase darstellt. Die beiden in senkrechter Linie zusammenstoßenden Theile desselben sind auf der unteren Seite durch ein Charnier verbunden und lassen sich naeh auBen aufklappen. Eine Vorrichtung zum Be- festigen läßt sich in dem gegenwärtigen Zustande nicht erkennen. Daß die Lippenspalte nicht durchbrochen ist, dürfte kaum Ver- anlassung sein, diesem Monumente die praktische Brauchbarkeit für den Krieg abzusprechen, da der erwähnte Mangel nur dann unbequem gewesen sein würde, wenn das Visierstück ganz dicht am Gesichte getragen worden wäre. Benndorf vergleicht passend das in der Renaissance übliche Kinnreff (mentonnidre, bavière), wovon bei Demmin S. 390 u. 391 Beispiele gegeben sind.

In den Archäologisch-epigraphischen Mittheilungen aus Oester- reich II S. 105—119 behandelt Hübner eine andere Reihe von Denkmälern im Zusammenhange, nämlich römische Schild- buckel (28). Der mit großer Sachkunde geschriebene und, weil diese Monumente anderweitig eine eingehende Besprechung nicht erfahren haben, höchst willkommene Aufsatz beschränkt sich auf dieses Material als das nächstliegende und verweist in Betreff sonstiger antiker Schildbuckel außer auf Lindenschmit’s Alterth. u. h. V. auf Gaedechens’ Abhandlung über das Medu- senhaupt von Blariacum (Bonner Winckelmanns-Programm 1874) und Stark’s Aufsatz iiber drei Metallmedaillons rheinischen Fund- orts (Bonner Jahrbb. LVII S. 1—56). Veranlaßt zu dieser Arbeit wurde Hübner durch die Aufforderung O. Hirschfeld’s und O. Benndorf's, einen im Jahre 1855 bei Halmágy in Sie-

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benbürgen gefundenen und gegenwärtig im Bruckenthal’schen Museum zu Hermannstadt aufbewahrten Buckel aus Erzblech in den ,,Mittheilungen“ zu publicieren und mit einigen Bemerkun- gen zu begleiten. Mit demselben werden fiinf andere Exemplare zusammengestellt. |

Nro. 1, im J. 1867 bei South-Shields im Flusse Tyne ge- funden, ist bei Bruce Lapidarium septentrionale S. 158 Nro 106 und Lindenschmit A. u. h. V. III 4, 3 publiciert und von letz- terem in galvanoplastischer Nachbildung zur Herstellung des Modells eines scutum verwandt (vgl. oben S. 545). Auf einer: oblongen, schwach gewölbten, dünnen Erzplatte von 60 cm. Höhe und 26 cm. Breite erhebt sich in der Mitte der kreisrunde umbdo, auf dem, umgeben von concentrischen Kreis- und Wellenlinien sowie von einem Lorbeerkranze, der Legionsadler mit ausgebrei- teten Flügeln, im Schnabel einen Zweig haltend, dargestellt ist, Die theils in feinen zusammenhangenden, theils in punktierten Linien eingravierten Verzierungen heben sich in blankem Erz gegen den versilberten Hintergrund ab. Die oblonge Fläche zerfallt in einen oberen und einen unteren Streifen mit je drei Darstellungen in viereckigen Feldern. Im mittleren Felde oben erblickt man den Mars, nackt bis auf eine shawlartig flatternde Chlamys, jedoch mit Helm, Schild und Speer bewaffnet und lebhaft nach rechts ausschreitend. Hinter ihm befindet sich eine Draperie. Im mittleren Felde unten entspricht ihm ein rechts- hin gewandter Stier unter einer Draperie und einer Mondsichel. In den vier Eckfeldern erscheinen Darstellungen der vier Jahres- zeiten: oben links der Frühling, ein nackter Knabe in der flatternden Chlamys, ein gleichfalls flatterndes Band über dem Haupte haltend; oben rechts ein gleich gekleideter Knabe mit der Sense, den Sommer darstellend ; unten links der Herbst in der Gestalt eines Knaben, welcher eine große Traube und einen Korb in der Hand halt; rechts unten der Winter, eine Gestalt in verziertem Chiton und engen Hosen, ein flatterndes Band über dem Kopfe haltend. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Mondsichel und der Stier als Apotropäa anzusehen sind. Rechts und links neben dem eigentlichen wmbo mit dem Adler sind zwei Manipelzeichen dargestellt; und darüber die Inschrift LEG. VIII AVG. Der Schild gehórte also einem Soldaten dieser Legion, welche nach der Inschrift Henzen 5456 von ihrem Standquartier am Rhein zur britannischen Expedition des Hadrian eine veail- latio miliaria entsandte. Vgl. Hübner CIL VII S. 100 und Urlichs Bonner Jahrbb. LX S. 53 ff. Dieser umbo ist der ein- zige, weleher oblonge, nicht, wie die übrigen, kreisrunde Form hat. Zu beachten ist, daß auf dem Wiesbadener Steine des C. Valerius Crispus (CIR 1515, Lind. A. u. h. V. III 6, 5), wel- cher derselben Legion angehórte, der Schild ebenfalls einen ob- longen Buckel zeigt. Eine in punktierten Buchstaben auf dem

734 A. Müller,

äußersten Rande links angebrachte Inschrift 9 IVL MAAGNI IVNI DVBITATI lehrt, daß der Besitzer Iunius Dubitatus hieß und zur Centurie des Iulius Magnus gehórte (Vgl. zum Vor- stehenden Stark Bonner Jahrbb. LVIII S. 43).

Nro 2, im Museum von Wiesbaden aufbewahrt, ist in den A. u. hb. V. 15, 5, 1 u. 2 in halber Größe publiciert. Dieses Exemplar ist mit zwei andern ebenfalls versilberten, aber nicht verzierten Umbonen aus Erz in der Umgegend von Mainz ge- funden (vgl. die schwerlich richtige Angabe von Stark I. 1. S. 42); dasselbe ist kreisrund und hat einen Durchmesser von 20 em. Oben auf der Erhóhung erscheint auch hier der Adler mit aus- gebreiteten Flügeln, auf einem Oval oder perspectivisch gezeich- neten Kreise stehend, mit einem Kranze im Schnabel. Es folgen fünf concentrische Kreise mit Ornamenten, von denen zwei dem erhöhten Buckel, drei dem flach aufliegenden Ringe angehören. Auf dem mittleren dieser letzteren sieht man rechts und links je eine Doppelaxt und einen Amazonenschild; oben und unten je einen weiblichen Kopf, dazwischen Blumenkérbe, Krünze und Rosetten sowie eine schwer lesbare Inschrift, welche Hübner etwa so herstellt: N(umeri) oder M(arci) Iuli Firm(iani) o(cen- turia) Mar(ii) M(agni).

Nro 3, ein ebenfalls runder umdo, ist bei Garstang in Lan- cashire an der römischen Straße nach Lancaster (Longovicium) gefunden und befindet sich im britischen Museum. Eine flüch- tige und ungenaue Abbildung giebt Th. D. Whitaker History of Richmondshire (London 1800) Bd. II, Taf. zu S. 457; Hübner stützt sich daher wesentlich auf eine ihm von befreundeter Hand zugegangene genaue Beschreibung. In der Form fast ganz mit Nro 2 tibereinstimmend, hat er einen Durchmesser von 8 engl Zoll, wovon auf den erhöhten umbo 4 Zoll entfallen. Auf dem von einem Lorbeerkranze umgebenen Knopfe erscheint ein auf einem Würfel sitzender bärtiger, völlig gerüsteter Mars, in der erho- benen Rechten ein Scepter, in der ausgestreckten Linken ein Feldzeichen mit einem Schwane haltend. Auf dem horizontalen Rande sind links und rechts zwei bis auf die Chlamys nackte Knaben, der cine mit einem Thyrsos, der andere mit einem lan- gen Stabe, dargestellt, in denen Hübner Jahreszeiten vermuthet ; oberhalb und unterhalb beider befindet sich eine Gruppe von Waffen. Die Darstellungen am oberen und unteren Rande sind sehr zerstórt; oben ist wahrscheinlich eine Roma oder Britannia, die Rechte über einen Altar ausstreckend, zu erkennen; unten erscheint eine große Gruppe: rechts und links von je einem Adler, vor dem eine Kugel liegt, eingerahmt, ist eine Victoria abgebildet, welche in der rechten Hand einen Kranz hält; an ihrer Seite lehnt ein Sehild, und vor ihr steht ein Altar. Eine Inschrift ist nicht zu bemerken.

Nro 4. Ein Exemplar von ganz ähulicher Form, gefunden

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bei Matfew in Northumberland, der siebenten Station des Hadrians- walls, befindet sich im Privatbesitz zu Newcastle - upon - Tyne: Eingravierte Ornamente fehlen. Zwischen den einfachen concen- trischen Kreisen des horizontalen Randes steht die Inschrift CIL VII 570, welche vielleicht o(centuria) Avidi Quinct(iani) zu lesen _ ist. Wenn hier nur der Namen des Centurio gegeben ist, so muß man annehmen, daß der des Besitzers auf einer anderen Stelle des Schildbeschlages angebracht war.

Nro 5. Bei Thorsberg im Schleswigschen sind im Moore 6 bronzene Schildbuckel von ühnlicher Form, wie Nro 2—4 gefunden. Der größte derselben hat einen Durchmesser von 18,5 cm und trigt auf dem horizontalen Rande die punktierte Inschrift Ael(ius) Aelianus. Es ist hier nur der Namen des Fabrikanten gegeben, da der Buckel nicht zum dienstlichen Gebrauche in einem rômi- schen Truppentheile, sondern zum Export bestimmt war. 70 Buckel aus dem Moorfunde von Nydam haben gar keine Inschrift.

Nro 6. Das Hermannstidter Exemplar endlich, von dem eine genaue Zeichnung beigegeben ist, entspricht in der Form genau Nro 2 und 3. Auf der Mitte des Knopfes sitzt der Adler mit ausgebreiteten Flügeln, im Schnabel einen Lorbeerkranz mit Tänien und in den Fängen den Donnerkeil haltend. Die ab- fallende Fläche des eigentlichen Buckels zerfällt irf vier Felder, welche durch Ornamentstreifen in Kreuzesform getrennt sind, Auf diesen Feldern erscheinen vier nackte geflügelte Knaben mit flatternder Chlamys ohne Attribute, aber doch wohl die Jah- reszeiten darstellend. Die vier Ornamentpartieen, welche den horizontalen Rand ebenfalls in vier Felder theilen, schlieBen in zierlichster Weise die vier Nägellôcher ein. In den vier Feldern sind oben und unten je ein Delphin, rechts und links je eine im übrigen den vorher erwähnten entsprechende, nur größere Knabengestalt dargestellt. Ueber dem Knaben links steht die Inschrift CIL III, 1640, 2, deren erste Zeichen sicher L(eg) XV bedeuten, wodurch der Schild einem Soldaten der leg. XV Apol- linaris zugewiesen wird, welche seit 71 ihr Standquartier in Carnuntum im oberen Pannonien hatte, von Hadrian jedoch nach Cappadocien verlegt wurde (vgl. Mommsen CIL III S. 482). Es ist eine ansprechende Vermuthung Hübner's, daB der Schild- buckel auf dem Marsche der Legion in den Orient verloren ge- gangen sei. Die übrigen Zeichen der Inschrift sind schwer zu entziffern, Mommsen vermuthet Ius(tii oder tinii) Eleni, Hübner stellt etwa Folgendes her: l(egio) XV, Ius(ti) Eliani, o(centuria) illius |.

Die im Vorstehenden betrachteten Denkmäler zeigen eine Gleichmäkigkeit in Größe, Form und Ornamenten, welche auf gemeinsame altüberlieferte Vorbilder und langgeübte, fast ordon- nanzmäßige Praxis hinweisen. Außerdem bestätigen sie die von Dio Cass. LXVII 10, 1 gebrachte Nachricht, der zufolge Julig-

796 A. Müller,

nus, ein Legat des Domitian im dacischen Kriege, rovc organw- zac 146 1€ Euviwy Ovouuta xal ta TOY» Éxavovic Qyceov. ini 106 aonlduc imyguwos èxflevoer, Tra Expurkoregos of mn dyudòv avro» | xuxoy nosodvtes yérwvrm. Der für diese Maßregel angeführte Grund ist, wie Hiibner treffend ausftihrt, nicht recht ein- leuchtend ; es ist also möglich, daß in der ausführlicheren Dar- stellung, aus der nur ein Auszug auf uns gekommen ist, die Sache deutlicher dargelegt war. Etwas anders, jedoch die Dauer des von Julian eingeführten Brauchs bestitigend , sagt Vegetius | II 18 (S. 50, 6 L.): praeterea in averso scuto uniuscuiusque militis litteris erat nomen adscriptum, addito et ex qua esset cohorte quave centuria. Was die Frage anbetrifft, ob jeder Soldat einen Schild mit so fein verziertem Buckel gefiihrt habe, so ist dies allerdings nicht wahrscheinlich. Hiibner meint, es habe den Soldaten viel- leicht frei gestanden, sich einen besonders verzierten Galaschild anzuschaffen, daneben müfite er denn noch einen einfachen ordon- nanzmäßigen Schild gehabt haben, den er aber nach Tac. Annal I 17, wo die Truppen darüber klagen, daB sie sich die Waffen selbst anschaffen müssen, ebenfalls bezahlt haben wird. Leider sind die Nachrichten über diese Verhültnisse im rómischen Heere nur dürftig, so daß zur Klarheit nicht zu gelangen ist.

Ueber den (29) das Pilum betreffenden Aufsatz Linden- schmits (Alterth. u. heidn. Vorzeit III 6 zu Taf. 7) kónnen wir uns kürzer fassen, da wir Philol. XXXIII S. 669 ff. eingehend über die diese Waffe behandelnden Schriften berichtet haben. Bekanntlich war es Lindenschmit in seinen Ausführungen in den ,Alterthümern der hohenzollernschen Sammlung zu Sigmaringen“ S. 22 nicht gelungen die Stelle des Polybius VI 23, 9—11: ıwv voowr slow oi mer nayeic, ol Aenio(*. 10v Orepew- 1égwy oi piv o1goyyvÀot nalucrıular Eyovos ziv diapergor, oi TETQUY WYO ti» mhevgiiv of ye pny Asnıol aBuvlos folxacs ovp MÉTOOL, ove yogodas uera Tay ngossonuerwr. andriwv di zov- twv tov Evdow 10 unxos donr we rete nüyetc » nQocneuogiu Exucrotg BéAog oiônvodr dymoiquivr, Too» Eyor 10 pijxog roig Evdos® ov ij» Erden xui inv x oe(a v (Kóchly ouréyesar) obrug aopuliGorins PePalwos, Ews uéowr ıwv Evdwwv évdéovies xai nuxvaic weis Außicı RAINE, OVWITEC, WOE ui NOCTEQOY TOY deouòr ev rai xgeluug dragalac9 ras, j tov siönger Fouvedtut, xulneg orta ıd muyog Er 10 nvduévi xoi 17 ngóg 10 Evdor Ovragy, Tutwr nus- daxivilwr* ini rocovt0oy xai Todewıny nuovoiny mOLOUVIGI TIE èrdtosw: vollkommen zu erklären, und wir muften a. a. O. erheb- liche Bedenken gegen die Bestimmungen der Maße aussprechen. Durch diese neuen Untersuchungen hat nun der unermüdliche Forscher die Sache aufs Reine gebracht.

Das Pilum stammt, wie etruskische Griberfunde, z. B. das Pilum aus einem Grabe zu Vulci, Taf. 7 Nro 1, beweisen, aus Etrurien, Die Rümer gaben ihm die eigenthümliche Schiftung,

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 737

welche urspriinglich stämpfelartig geformt war und der Waffe den Namen gab. Diese fehlte bei Lindenschmit’s älterem Recon- structionsversuche (Taf. 7, Nr. 7), es beziehen sich daher die von ihm später vorgenommenen Aenderungen auf die Schäftung, und zwar auf den oberen Theil derselben, wo die Klinge in dem Holze befestigt war. Der untere Theil der Schaftstange mußte nothwendig rund hergestellt werden, theils nach der Be- schreibung, welche Livius XXI 8 (phalarica erat Saguntinis mis- sile telum hastili abiegno et cetera tereti praeterquam ad extremum, unde ferrum exstabat) von der mit dem leichten Pilum identischen phalarica giebt, theils nach der Schaftbildung des schweren Pi- lums vom Julierdenkmale zu St. Remy (Mém. de la société des antiquaires de France, Vol. XXIX, pl. 6 u. A. u. h. V. 1 1. Taf. 5 Nr. 3) und vom Grabsteine des Valerius Crispus (A. u. h. V. III 6, 5, 1).

Von diesen Voraussetzungen ausgehend, wendet sich Linden- schmit von neuem der Erklürung der polybianischen Stelle zu. Es werden dort zwei Maße angegeben, nämlich 3 halbe digiti == 27 mm für das Eisen am Fuße der Speerklinge, d.h. für die Kappe, welche die Verbindung des Eisens mit dem Schafte deckte; ferner 1 palmus = 73 mm für eine nicht näher be- zeichnete Stelle. Es erhellt aber, daß diese Stelle weiter nach unten, nach der Mitte der ganzen Speerlünge zu, liegen muf. Dies beweisen die pyramidalen Tiillen oder Kappen der Mainzer leichten Pilen, welche oben nach jeder Seite eine Breite von 20 mm, unten eine solehe von 30 mm haben. Eine solche in natürlicher GróBe giebt Taf. 7, Nr. 14*; es befindet sich in derselben noch ein Rest der Klingenzunge, welche im Schafte befestigt gewesen war. Dieselbe läßt deutlich das Breiterwerden nach unten zu erkennen. Bei den schweren Pilen denn nur auf diese beziehen sich die Maße des Polybius beträgt also die obere Seitenbreite der pyramidalen Kappe 27 mm, die Basis muß entsprechend breiter gewesen sein, wie auch die Klingen- zunge sich nach unten zu verbreitert haben muß, bis sie die Breite von einem palmus = 73 mm erreichte. Die von Linden- schmit Taf. 7, Fig. 14* abgebildete Zunge eines leichten Pilums erreichte nun, wie das Fig. 14^ nach Maßgabe der Reste darge- stellt ist, in einer Entfernung von wenig über 3 palmi = 219 mm vom unteren Ende der Klinge eine Breite von nahezu 3/4 pal- mus = ungeführ 54 mm; dem entsprechend würde die Schäf- tung eines schweren Pilums, welche am unteren Ende der Klinge 27 mm mißt, bei gleicher Entfernung nach unten zu eine Breite von 73 mm = 1 palmus erreichen. Damit ist denn endlich die Stelle gefunden, welcher Polybius die mudusonaiu duiuerooc zuweist. Unterscheidet er aber runde und viereckige Pila, so führt das nach dem Vorstehenden auf eine doppelte Art der Schiftung, nämlich eine kegelfórmige und eine pyramidale (vgl.

Philologus. N. F. Bd.l, 4. 47

738 A. Miiller,

Taf. 7, Fig. 15 und 16). Eine von diesen es ist nicht zu bestimmen, welche erscheint auf dem Grabsteine des Valerius Crispus. Eine davon verschiedene Art der Schiftung findet sich auf dem Julierdenkmale von St. Remy, nämlich in der Form eines Langwürfels (Taf. 7, Fig. 17). Diese Form hat Quicherat veranlaßt, in einem Aufsatze in den Mémoires de la société des antiquaires de France Vol. XXIX verschiedene Modelle zu con- struieren, welche von Lindenschmit Taf. 7 wiedergegeben wer- den. Das dort unter Nr. 2 dargestellte hat einen Langwiirfel von 12 palmi Hóhe und 1 palmus Seitenbreite sowie eine Ge- sammtlänge von 9 Fuß. Lindenschmit weist nun nach, daß darin bezüglich der Lange gegen Polybius’ Angaben ein Fehler steckt und dafì diese Waffe, am unteren Ende angefaBt, einen sicheren Kernwurf nicht gestattete. Das Uebergewicht der bei- den oberen Drittel würe um so gewaltiger gewesen, als die Breite des in dem Schafte befestigten Eisens in dem 2 cubiti 3 FuB langen Mittelstiicke durchgehend zu einem palmus angenommen ist. Günstiger sind zwei andere Constructionen Quicherat's (Taf. 7, Nr. 3 u. 4), bei denen der Langwürfel nur 8 bezw. 6 palmi lang ist. Aber die Probe mit einem wirklich ausgeführten Exemplare nach Nr. 3 ergab, daß eine Waffe mit einem Langwürfel von 8 palmi Hóhe und 1 palmus Seitenbreite bei weitem zu schwer ist. Man darf also unbedenklich annehmen, daß die Waffe auf dem Julierdenkmal zur Reconstruction des schweren Pilums nicht zu verwenden ist, und daß bei der Schäf- tung dieses in der Form eines Langwürfels der letztere die Länge des obenerwühnten Stümpfels (etwa 3 palmi) = 219mm nicht übersteigen darf. Da Polybius in Betreff des leichten Pilums bestimmte Maße nicht angiebt, so ist die Vermuthung nicht ausgeschlossen, daß die auf dem Julierdenkmale erschei- nende Schiftung auf das leichte Pilum zu beziehen ist. Uebrigens gab es noch andere Arten der Schiftung, wie solche Taf. 7, Nr. 5 und 6 dargestellt sind. Ein Pritorianer der sechsten Cohorte (CIL VI 2602) trügt auf seinem Grabsteine im Museo Capitolino ein pilum, an dem die Commissur zwischen Schaft und Speereisen durch eine Kugel gedeckt ist (vgl. Phi- lolog. XL S. 231; wahrscheinlich hat Quicherat diese Darstellung gemeint; bei Lindenschmit steht ,,7. Cohorte“). Indessen folgt Quicherat auf der bei Lindenschm. Taf. 7, 5 wiedergegebenen Darstellung augenscheinlich der ungenauen Abbildung bei Gruter I 529 (ed. Amstel); auf dem Original ist das Speereisen als ganz dünne Stange ohne Verjüngung dargestellt, wührend bei Gruter die Verjüngung sehr ins Auge fallt. Dieselbe Schiftung ist wahrscheinlich gemeint auf der offenbar unzuverlüssigen Dar- stellung der Figur zu CIL VI 2742 bei Gruter I 540 (ed. Amst.. DaB indessen Lindenschmit mit seiner älteren Recon- struction, welche die Verstürkung des Schaftes an der Commissur

Die neueren Arbeiten tiber Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 789

entbehrt und welche Taf. 7 Nr. 7 wiederholt ist, nicht unrecht hat, zeigt der Stein A. u. h. V. I 8, 6, 2 = Hettner Bonner Katalog Nr. 227. Wir haben hier natiirlich das leichte Pilum zu erkennen.

Die Maße der Waffe, das Längenverhältniß des Schaftes zum Eisen, die Herstellung des Knaufes etc. erlitten mancherlei Veränderungen je nach den Heeresabtheilungen; bei Organisa- tionen wurden vielleicht auch ältere Formen wiederhergestellt. Eine Geschichte des Pilums nach den Nachrichten tiber Details vgl über Köchly’s Versuch Philol. XXXIII S. 673 ff. wird sich nicht geben lassen. Solche Nachrichten haben bei der allmählich immer ungleichmäßiger werdenden Organisation der einzelnen Armeen nur theilweise Geltung. Am Rheine hielt sich das schwere Pilum bis zum Ende der Römerherrschaft ; seine Eigenthümlichkeiten sind: große Länge des Speereisens, verdoppelte Stärke der kurzen Spitze, Verstärkung des oberen Schaftendes durch einen Knauf. Der Unterschied des schweren und leichten Pilums ist wesentlich in das verschiedene Gewicht des Schaftes zu setzen; denn die Stürke des Eisens durfte nie so weit vermehrt werden, daB sie die Biegsamkeit der Klinge aufhob. Widerhaken an der Spitze finden sich nicht überall; sie fehlen an dem etruskischen Exemplare sowie an dem auf dem Julierdenkmale; auf Grabsteinen der Kaiserzeit sind sie sehr schwach angedeutet; sehr stark ausgebildet erscheinen sie an den leichten Pilen mit kurzer Eisenstange aus dem Nydamer Moor (3. Jahrh.); bei den Pilen rheinischen Fundorts sind sie so schwach, daß sie sich beim Gebrauch an die Klinge legten und leicht durch den Rost verzehrt wurden. Die Wirksamkeit der eigenthümlichen Klinge beruhte auf der Verdoppelung der Metallstärke der Spitze und. deren Stählung. Der Prätorianer- speer CIL VI 2602 muß, weil ihm die verstärkte Spitze fehlt, ganz aus Stahl bestanden haben; ein allgemeiner Gebrauch die- ser Árt kann kaum angenommen werden. Von untergeordneter Bedeutung ist die Art der Verbindung des Eisens mit dem Holze, ob Zunge oder 'Tülle; erstere scheint vorherrschend gewesen zu sein; letztere erscheint bei dem etruskischen Exemplare in frü- hester Zeit und dann wieder bei den Pilen aus den rheinischen Castellen. |

Mit Vorstehendem ist auch dasjenige erledigt, was Linden- schmit in seiner Schrift über Tracht und Bewaffnung S. 12— 14 sagt.

C. Zangemeister (30) hat im VI. Bande der Ephemeris epi- graphiea eine mustergültige Publication der erhaltenen rómischen Schleuderbleie geliefert, welche um so dankenswerther ist, als einerseits eine zuverlässige Bearbeitung des umfangreichen Materials noch nicht vorhanden war, andrerseits gerade in dem letzten Jahrzehnt an den 'Tag getreten ist, in welchem Umfange

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740 A. Miiller,

auf diesem Gebiete Falschung geübt worden war. Den Gebrauch der Schleuderbleie, kleiner Geschosse von oblonger, in zwei Spitzen auslaufender Form, welche theils glatt, theils mit In- schriften oder bildlichen Darstellungen versehen sind, haben die Rómer von den Griechen übernommen; in ülterer Zeit scheint je- doch die Schleuder nur wenig verwandt zu sein. Die funditores werden im rómischen Heere zuerst im J. 206 v. Chr. erwühnt, wo König Hiero nach Livius XXII 37 mille sagittariorum ac funditorum, aptam manum adversus Baliares ac Mauros pugnacesque

alias missili telo gentes (vgl. XXI 21) den Rómern sendet. Im Jahre 189 bedienten sich diese bei der Belagerung von Same auf Cephallenia achäischer Schleuderer aus Aegium, Patrae und Dymae, welche sich vor den balearischen auszeichneten (Liv. XXXVIII 29). In der Folge verwandte man Schleuderer be- sonders bei Belagerungen, so bei der von Zama (Sall Iug. 57), Athen (Appian. Mithr. 32. 33), Ategna (Bell. Hispan. 18. 18). Zuletzt werden sie erwühnt bei dem Angriffe auf armenische Ca- stelle (Tac. Ann. XIII 39). Diese Notizen beziehen sich jedoch nur auf Schleuderbleie, denn auch noch spüter dienten Schleu- derer im rómischen Heere, aber sie warfen nur Steine. Vel. die Abbildungen der Trajanssäule pl. 91, 145 f. Fróhn. CIL VIII 2532 werden die Reiter der Coh. VI Commagenorum von Hadrian belobt, weil sie /apides fundis geschleudert haben. Vel. Veget. III 14 (S. 98, 4 L): funditores sunt, qui fundis lino vel saetis facitis has enim dicunt esse meliores contorto circa caput bracchio dirigunt sara. Auch der Gebrauch die glandes mit In- schriften zu versehen stammt von den Griechen. Sie wurden in Formen aus gebranntem Thon gegossen; eine solche hat sich bei Phanagoria gefunden und befindet sich jetzt in der Eremi- tage zu St. Petersburg. Zangemeister giebt S. XI eine Abbil- dung und Beschreibung derselben. Die griechischen Schleuder- bleie sind meist klein und von eleganter Form, auf beiden Seiten gut zugespitzt; ein Schnitt durch ihre kleine Axe ergibt bei den meisten einen Kreis oder ein Oval. Von den römischen .stehen ihnen am nächsten die in Sicilien bei Enna gefundenen, die von Perusia gleichen einem Mandelkern, die von Asculum einer Pflaume. Außerdem kommen im Einzelnen manche abweichende Formen vor. Ueber die grofe Brauchbarkeit der Form haben Semper in der Schrift „Ueber die bleiernen Schleudergeschosse der Alten und über zweckmäßige Gestaltung der Wurfkórper im. Allgemeinen“ Frankfurt a. M. 1859 und Kerviler Des projectiles cylindro-coniques ou en olive depuis l'antiquité jusqu'à nos jours in der Revue archéol. 1883 II p. 281 ff. gehandelt. Was das Ge- wicht anbetrifft, so sind die Sicilischen, welche zwischen 34 und 46 Gr. wiegen, die leichtesten, die von Asculum mit einem Durchschnittsgewichte von 47,13 Gr. die schwersten, die von Perusia stehen in der Mitte. Bei weitem die meisten glandes

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waren nicht mit Inschriften versehen. Dies steht besonders hin- sichtlich der bei Asculum gefundenen fest; hinsichtlich der von andern Orten stammenden kann dies nur vermuthet werden, da meistens nur die beschriebenen Exemplare beachtet und gesam- melt werden. Die Buchstaben sind mit wenigen Ausnahmen simmtlich erhaben, waren also schon in der Form vorhanden. Die Schrift läuft bei fast allen Exemplaren von links nach rechts; einige Inschriften, welche drei oder vier Zeilen enthalten, sind Bovoroogydor zu lesen; sehr oft sind beide Seiten beschrie- ben. Bei sehr wenigen Exemplaren ist die Inschrift erst in das fertige Stück eingeritzt und zwar in Cursivschrift; niemals aber sind bei echten Exemplaren die erhabenen Inschriften durch Stempelung hervorgebracht.

Wie schon angedeutet, stammt die Masse der echten Ex- emplare von Belagerungen her und zwar zunächst von der der Stadt Enna, welche im Jahre 132 im Sklavenkriege vom Consul P. Rupilius eingenommen wurde; indessen beweisen die glandes, da sie den Namen des L. Piso L. f, der 183 Consul war, tra- gen, daß schon dieser die Belagerung begonnen hatte. Beson- ders zahlreiche Bleie hat die Belagerung von Asculum geliefert, welche im Bundesgenossenkriege unter Cn. Pompeius Strabo, dem Consul des Jahres 89, stattfand und gegen Ende des Jahres zur Einnahme der Stadt führte. Die dritte Hauptgruppe stammt aus dem Perusinischen Kriege der Jahre 41 und 40. Appian. B. Civ. V 36 erzühlt ausdrücklich, daß bei der Belagerung von Perusia Schleuderbleie verwandt worden seien. Einige wenige Bleie sind in Spanien gefunden, aus dem Kriege des Jahres 45 stammend, sowie am Vorgebirge Leucopetra hei Rhegium mit dem Namen des Q. Sal(vidienus), welchen Octavian im J. 42 gegen den von Sicilien aus Italien bedrohenden Sextus Pompeius sandte (Dio Cass. XLVIII 18. Appian. B. Civ. IV 85).

Die erhaltenen glandes wurden zuerst gesammelt von de Minicis Sulle antiche ghiande missili e sulle loro iscrizioni (Disserta- zione letta alla pontificia accademia romana di archeologia 3. Nov. 1839, Rom 1844; auch in den Dissertazioni della pontif. accad. rom. di arch. Tom. XI. Roma 1852 p. 187—256). Der Ver- fasser hatte jedoch die meisten Exemplare nicht selbst gesehen, auch ging ihm das richtige Urtheil ab, so daß er viele falsche Lesarten bringt und trotz der Warnungen Borghesi’s viele ge- fälschte Stücke für echt ausieht, überhaupt es an der gehörigen Akribie vielfach fehlen läßt. Sodann hat Mommsen im ersten Bande des Corpus p. 189 bis 194 und p. 559 f, um lieber Ei- niges zu geben, als die Schleuderbleie ganz zu übergehen, mit ganz geringer Ausnahme nur die von andern bereits erklärten Bleie gesammelt, geprüft und wissenschaftlich behandelt. Er hat im wesentlichen über die in der Lesung der Inschriften vor- gekommenen Fehler und die Fälschungen richtig geurtheilt.

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Auch Ritschl hat in den Priscae Latinitatis monumenta epigra- phica Taf. VIII u. IX die meisten Stücke aus andern Wer- ken übernommen und nur wenige nach neuen Zeichnungen ediert. Beide Gelehrte haben sich jedoch nicht verhehlt, daß eine weitere Bearbeitung dieses Materials erforderlich sei. Da eine solche besonders seit dem Jahre 1874, wo eine große Menge falscher Exemplare plötzlich auftauchte, nothwendig erschien, ertheilte die Akademie Zangemeister den Auftrag das gesammte Gebiet für die Ephemeris ausführlich zu bearbeiten. Derselbe hat infolge dessen die öffentlichen und privaten Museen Deutsch- lands und Italiens sowie das Britische Museum durchforscht, und aus vielen Museen Frankreichs, Spaniens, Dänemarks und der bereits genannten Länder Abschriften und Abdrücke zugesandt erhalten, so daß er durch ein ganz vortreffliches Material in die . Lage versetzt wurde, der durch die zahlreichen Fälschungen na- mentlich der letzten Jahrzehnte eingerissenen Verwirrung zu steuern.

Ueber diese Fälschungen haben wir eingehender zu be- richteu. Die ersten falschen Exemplare kamen zum Vorschein, als de Minicis seine umfassende Bearbeitung vorbereitete. Daß er sich täuschen ließ, ist bereits bemerkt worden, wir fügen hinzu, daß diese gefälschten Stücke zum großen Theile bis in neuere Zeit hinein für echt gehalten wurden. Dieselben (Nr. 1* —19*) befinden sich im Museo Kircheriano zu Rom. Schon Mommsen hat diejenigen Exemplare, deren Inschriften sich auf Legionen beziehen, für falsch erklärt, und Zangemeister hat ihre Unechtheit mit schlagenden Gründen erwiesen. Verdüchtig ist außer der Patina und der Form der Buchstaben schon, daß die Inschriften mit dem Messer hergestellt sind ; entscheidend aber sind die Inschriften selbst, welche theils mit Unverstand echten nachgebildet sind (so ROMA statt POMP), theils Truppenkörper nennen, welche nie existiert haben (wie leg. XVIII firma), oder solche, die erst in später Kaiserzeit vorkommen (wie leg. XXX U(lpia) v(ictrix)), während die jüngsten echten Schleuderbleie dem perusinischen Kriege angehören. Der Umstand, daß die Bleie von bedeutenden Forschern, wie Ritschl, für echt gehalten wur- den, ist verhängnißvoll geworden, da der später zu erwähnende Fälscher Vincenzini die Minicischen Inschriften wiederholte, und da diese für echt galten, kein Grund vorlag jene zu beanstan- den. Sogar ein so ausgezeichneter Gelehrter wie Bergk ließ sich täuschen.

Eine zweite Classe (Nr. 20*-. 63*), zum Theil im Museo Kircheriano, größtentheils aber mit dem Museo Campana ins Louvre gelangt, zeigt nur einzelne sinnlose Buchstaben von nicht antiker Form; daher ist ihre Unechtheit schon vorlängst von mehreren Gelehrten erkannt.

Mit der dritten Classe Nr. 64*—81*) hat es insofern eine

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besondere Bewandniß, als die glandes selbst echt und nur die Inschriften gefälscht sind. Die ersten Exemplare gelangten ums Jahr 1860 in den Handel, und zwar solche, welche Inschriften aus de Minicis’ Werk in ausgezeichneter Arbeit wiederholten. Da sie fiir echt gehalten wurden, dienten sie nur dazu die Glaubwürdigkeit der falschen Stücke bei de Minicis zu erhöhen. Eine sehr große Anzahl angeblich bei Asculum gefundener Stücke kam jedoch seit 1874 zum Vorschein. Zuerst publicierte Des- jardins in mehreren Heften seiner Desiderata du Corp. Inscr. Lat. de l'académie de Berlin, Paris 1874—76 mehr als 600 Stücke; Bergk gab in den Bonner Jahrbüchern Heft LV (1875) S. 1 ff. 108 Exemplare heraus, die er für echt hielt, wührend er die von Desjardins edierten verwarf.

Zangemeister selbst ließ sich anfänglich täuschen und hatte nur gegen einige wenige Typen Bedenken; als er aber eine neue Serie mit schon kühner gefülschten Inschriften aus Paris erhalten hatte, erkannte er, da8 alle Typen Desjardins' und Bergk's gefülscht seien. Dies Urtheil wurde aber von jenen Ge- lehrten nieht anerkannt; Desjardins fuhr fort gefülschte Stücke zu edieren und seine Ansicht zu vertheidigen; auch Bergk wie- derholte seine Meinung in einer umfassenderen Schrift: „In- schriften rómischer Schleudergeschosse". Leipzig 1876. Zange- meister hatte mit beiden Gelehrten einen unangenehmen Streit zu bestehen, über den das Einzelne S. 92 nachzulesen ist.

Da die Frage nur dann gelóst werden konnte, wenn der Ursprung der fraglichen Bleie aufgedeckt wurde, begab sich Zan- gemeister im Jahre 1877 nach Ascoli, und untersuchte zuerst genau, von welcher Art die Bleie waren, welche im Bette des Flusses Castellano, der angeblichen F'undstütte, gefunden zu wer- den pflegten; sodann bestrebte er sich den Fälscher und dessen Helfershelfer so wie die Fabrikationsmethode zu ermitteln. Seine Bemühungen waren erfolgreich. Als Fälscher stellte sich ein gewisser Giuseppe Vincenzini heraus. Ein Ascolaner hatte ihn bei der Arbeit gesehen und mit ihm darüber gesprochen. Ein dortiger Canonicus erzählte, Vincenzini habe Desjardins’ erste Arbeit gelesen und sich darüber gewundert, welche Kosten und welche Gelehrsamkeit auf die Herausgabe seiner Fülschungen ver- wandt seien; er habe daher beschlossen an Desjardins dartiber zu schreiben, er (der Canonicus) habe ihn aber aus Mitleid mit Desjardins davon wieder abgebracht. Zangemeister erforschte auch, welche Bücher Vincenzini von der Stadtbibliothek zu As- coli entliehen hatte und fand dadurch seine sonstigen Ergebnisse bestätigt Schließlich legte dieser vor zwei Zeugen ein offenes Gestündnif ab. Vincenzini, der auch vortrefflich antike und moderne Münzen nachzuahmen verstand, hatte so ausgezeichnet gearbeitet, daß er einst selbst durch seine Fälschungen getäuscht worden war.

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Sein Verfahren war folgendes. Ein Stiick sehr hartes Holz wurde der Länge nach in zwei Theile zerschnitten, in jeder In- nenseite eine der Hälfte des zu behandelnden antiken Schleu- derbleis entsprechende Héhlung hergestellt, in diese die Inschrift beider bezw. nur einer Seite eingeschnitten, dann das nicht be- schriebene Blei hineingelegt, die Form geschlossen und stark mit dem Hammer bearbeitet. Die Patina wurde nachtrüglich durch eine ützende Flüssigkeit hergestellt, oder auch das Blei in dieser Beziehung nicht weiter behandelt, da die echten ascu- lanischen Exemplare theils nicht viel Patina haben, theils eine so starke, daß sie durch die Bearbeitung nicht leidet. Wenn ein Blei nicht nach Wunsch ausgefallen war, so hämmerte Vin- cenzini es in derselben oder in einer andern Form noch einmal. Die so entstandenen, mit Palimpsesten zu vergleichenden, Exem- plare hielt Desjardins für echt und war auf ihre Entdeckung stolz. Mommsen und Zangemeister dagegen erkannten die Fäl- schung schon früh.

Während wir über die äußeren Indicien der Unechtheit unsere Leser auf S. 94 verweisen, wollen wir hier in der Kürze das andeuten, was Zangemeister über die Inschriften S. 95 ff, im Allgemeinen ausgeführt hat. Zunächst hat Vincenzini In- schriften aus de Minicis’ Buch wiederholt, und zwar einerseits echte, andrerseits gefülschte, oder endlich falsch gelesene. So- dann hat er sonst bekannte Inschriften mit Absicht oder aus Irrthum geändert; einige echte Inschriften von Exemplaren aus dem Museum zu Ascoli hat er falsch gelesen. Andere Inschriften hat er, als er selbst kühner geworden war und von seinen Ge- nossen ermahnt wurde, nicht immer dieselben Inschriften zu wie- derholen, auf eigne Hand erfunden. Als Vorlagen hat er dabei Inschriften von oskischen und römischen Münzen, selbst von sol- chen des 4. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung benutzt, oder auch einfach Namen berühmter Minner von Coriolanus an bis zur Schlacht bei Actium wiedergegeben, wobei ihm natürlich mancherlei Irrthümer untergelaufen sind. Schließlich scheute er sich auch nicht Inschriften in andern Gegenden ltaliens, in Si- cilien, sogar in Athen gefundener Bleie wiederzugeben und für asculanische zu erklären; einige Male hat er schließlich eine asculanische Inschrift mit einer perusinischen oder eine italische mit einer römischen verbunden. Allerdings wurden damals bei Ascoli außerordentlich viele, aber unbeschriebene, Bleie gefunden, indessen es konnte doch auffallen, daß zu der nämlichen Zeit eine so bedeutende Anzahl von beschriebenen Exemplaren an derselben Stelle zu Tage kam. Um dies .zu vermeiden wurde von den Verkäufern erzählt, es seien neuerdings im FluBbett des Castellano Ausgrabungen veranstaltet, oder ein Graf Arpini habe seine seit vielen Jahren gesammelten Exemplare verkauft; be- sagter Graf hatte aber in der That eine solche Sammlung nie

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besessen. Bisweilen wurde auch ein falscher Fundort erdichtet. Da der Handel mit diesen Fälschungen eine geradezu unglaub- liche Ausdehnung gewonnen hatte, so sind alle Inschriften, wel- che nicht von einem Kundigen gepriift sind, verdächtig, ebenso muß jeder Typus, von dem auch nur ein Exemplar als falsch nachgewiesen ist, bedenklich erscheinen, bis durch genaue Unter- suchung die Echtheit ausdriicklich von competenter Seite fest- gestellt ist.

Ganz erheblich wird dieses Geschäft: nun durch Zange- meister’s Publication erleichtert, zu deren nüherer Beschreibung wir jetzt übergehen. Auf die lehrreiche und orientierende Prae- fatio (p. VII—XVIII) folgt ein Verzeichniß der Fundstiitten (8. XVII—XXIV), eine Uebersicht über die Museen, in denen Schleuderbleie aufbewahrt werden (8. XXIV—XXXT) und über die Schriften, welche sich mit diesem Gegenstande beschifti- gen (S XXXII—XLIII), ein Verzeichni8 der auf den beige- gebenen 13 Tafeln abgebildeten glandes (S. XLIII —XLIV), end- lieh ein Index (8S. XLV—XLVI) nach folgenden Abtheilungen: I. Nomina, II. Cognomina, III Ethnica, IV. Notabilia, V. Vo- cabula. In der dann folgenden eigentlichen Publication sind unter laufenden Nummern die einzelnen Typen verzeichnet, und unter jedem die bekannten Exemplare mit genauer Bezeichnung des Fund- und Aufbewahrungsortes sowie der Katalognummer des betreffenden Museums aufgeführt. AuBerdem sind wie im Corpus Litteraturnachweise und bei schwer lesbaren Inschriften Holzschnitte beigegeben. Abschnitt I (S. 1—4), giebt die Sici- lischen glandes, 2 Typen (1—2): Abschnitt II (S. 5—47), die glandes Asculanae et reliquae Picenae umfassend, dem eine längere Einleitung vorausgeschickt ist, bringt die Typen 8—48, welche in mehrere Classen zerfallen, je nachdem die Inschriften 1) das kriegführende Volk (Ital), 2) denjenigen, der die glans hat an- fertigen lassen (z. B. T. Larf(enius) pr(aetor)), 3) eine Legion (wie leg. XI, leg. XV) oder die Bezeichnung der Schleuderer (wie Fir(mani), Gal(li)), 4) verschiedene Zurufe (wie feri Pomp(eium Strabonem); fer, sal(utem) Pom(peio) fer (?); fugitivi peristis; em tibi malum malo u. a. m.) nennen, oder endlich 5) eine bildliche Darstellung (wie einen Doleh, einen Helm), der mitunter auch eine Inschrift beigegeben ist (wie Itali oder Galli) oder leg. XV), zeigen. Die asculanischen Fundstücke sind genau wie hier im CIL IX 6068, I—XLVIII wiederholt. Abschnitt III (S. 48— 49) führt die glandes in Hispania repertae auf (Nr. 49—50), von denen Nr. 49 die Legende Cn. Mag(nus) imp(erator), Nr. 50 wahrscheinlich ac[c]ipe und den geflügelten Blitz zeigt. Ueber den Abschnitt IV (S. 50—51) gegebenen bei Leucopetra gefun- denen Typus ist bereits oben gesprochen. Von den S. 52—78 im V. Abschnitt folgenden perusinischen Typen (Nr. 52— 106) ist eine nicht geringe Anzahl unleserlich; unter den lesbaren

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sind folgende Classen zu unterscheiden: 1) der Name des Com- mandanten, wie Caes(ar) imp(erator); Rufus imp(erator), auf Sal- vidienus Rufus, welcher mit Agrippa die Belagerung begann, zu beziehen ; M. Fer[?]d|?u]s tr(ibunus) mil(itum) Uegionis) XI; T. Etri pr. pil. leg. IIII; 2) Bezeichnung der Legion; es erscheinen leg. IIII, VI, XI, XII; 3) verschiedene Ausrufe, wie L. A(ntoni) calve (et) Fulvia culum pan(dite), oder L. Antoni calve, peristi C. Caesarus (sic) victoria, oder das obscóne Octavi lare sede, dem ein phallus beigegeben ist. Auf 13 Exemplaren, welche ‘heils sicher, theils wahrscheinlich den Cäsarianern angehörten, ist der Blitz dargestellt; den Antonianern sind mit Sicherheit 5 Typen zuzuschreiben. Nachdem sodann S. 73—80 im VI. Abschnitt zwei bei Cumae (Nr 107. 108) und S. 81 im VII. Abschnitt zwei im Dorfe Ossero auf der Liburnischen Insel Crexi (Nr. 109. 110) gefundene Stücke mitgetheilt sind, folgen S. 82—87 im VIII. Abschnitt (Nr. 111—124) die Bleie ungewissen Ursprungs. S. 88 wendet sich der Verfasser sodann zu den falschen Stücken, welche mit gleicher Sorgfalt behandelt sind, wie die echten; jedoch ist beim Druck insofern ein einfacheres Verfahren ein- geschlagen, als bei den einzelnen Exemplaren die Inschriften nicht besonders gegeben sind, sondern auf die Nummern des Index glandium spuriarum (S. 127—140) verwiesen wird. Die Irrthümer früherer Herausgeber, namentlich diejenigen Desjardins’, sind nicht angeführt. Auf den beigegebenen Tafeln sind von den gefülschten Exemplaren so viele mitgetheilt, als genügt, um den Unterschied zwischen gegossenen und gehümmerten Inschriften klar zu stellen.

A. von Domaszewski hat mit seiner Abhandlung über die Fahnen im rómischen Heere (14) einem oft gefühlten Mangel ab- geholfen. Der erste Abschnitt dieser im hohen Grade lehrreichen Schrift (S. 1 12) erörtert die taktische Bedeutung der signa und zeigt, daß dieselben die Bewegungen der Truppen leiten und im Nahkampfe, we die Ordnung der Schlachtreihe leicht ge- stórt wurde, den kleineren Abtheilungen als Stützpunkte dienen sollten. Bewiesen wird dies dadurch, daß die Römer die Bewe- gungen der Truppen durch die entsprechenden Bewegungen der signa zu bezeichnen pflegten. S. 5 wird eine interessante Ue- bersicht über die Wendungen gegeben, welche durch Zusammen- stellung von Verben mit dem Object signa gebildet sind, und mit Recht geschlossen, daß man dieselben auf die Commando- sprache des rómischen Militürs zurückzuführen hat. Da aber in der Schlacht an die Stelle des Commandowortes oftmals das ge- blasene Signal treten mußte, so giebt dies Veranlassung zu ei- nem Excurse über die tubicines, cornicines und bucinatores und ihre Obliegenheiten. Der Verfasser sucht sodann zu zeigen, daß die signa ihren Platz im ersten Gliede hatten und bemerkt, wenn zur Zeit der Manipularschlachtordnung bei Livius IX 89, 7

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und sonst die Aastati als antesignani bezeichnet wurden, so lasse das darauf schließen, daß neben den Manipelsigna noch eine zweite Gattung von Feldzeichen existiert habe, welche hinter dem ersten Treffen gestanden hütten. Diese signa seien in den bei Plin. N. H. X 16: Homanis eam (aquilam) legionibus Gaius Marius in secundo consulatu suo proprie dicavit . erat et antea prima cum quattuor aliis: lupi, minotauri, equi aprique singulos or- dines anteibant . paucis ante annis sola in aciem portari coepta erat, reliqua in castris relinquebantur erwähnten Thierbildern zu er- kennen, deren Bedeutung allerdings nur zum Theil klar sei. Dieselben müßten zur Zeit des zweiten punischen Krieges noch in der Schlacht verwandt worden sein, wie denn auch Polybius VI 24, 6 ausdrücklich bezeuge, daf es in jedem Manipel zwei signiferi gegeben habe, wührend doch nur ein Manipelsignum ge- führt worden sei. J. Schmidt in seiner Besprechung der vorlie- genden Schrift Deutsche Litteraturzeitung 1886 S. 12 sieht in den Thierbildern Stütz- und Sammelpunkte für die ganze Le- gion, wührend ihnen von Domaszewski die taktische Bedeutung abspricht. Diesen über einen außerordentlich dunkeln Gegen- stand ausgesprochenen Vermuthungen gegenüber hat Mommsen in seiner Recension Archäol.-epigr. Mitth. aus Oesterr. X 8. 1 —11 ausgeführt, daß die Feldzeichen während des Gefechtes ihren Platz nicht im ersten Gliede, sondern hinter der Abthei- lung gehabt hätten; auf dem Marsche freilich und beim Vor- marsche gegen den Feind seien die signa vorausgetragen ; ante- signani würden diejenigen Soldaten genannt, welche keine Feld- zeichen mehr vor sich hätten und dem Feinde unmittelbar ge- genüberständen. Die Nachricht, der zufolge die römische Le- gion bis in die Mitte des siebenten Jahrhunderts fünf Feldzei- chen geführt habe, sei so zu deuten, daß der Adler von jeher die ganze Legion repräsentierte, die übrigen Zeichen aber den hastati, principes, triarii und velites zukamen. In der Mitte des siebenten Jahrhunderts seien mit der Beseitigung der vier Ord- nungen der Legionen jene vier Zeichen verschwunden. Diese Annahme erklärt J. Schmidt Deutsche Litteraturzeitung 1887 S. 304 nur für eine Vermuthung.

Der zweite Abschnitt (S. 12— 28) behandelt die signa im Zusammenhange mit der Organisation. Historische Nachrichten über die signa beginnen erst in der Zeit der Manipularordnung, bei der jeder Manipel der Legion ein signum führt. Die Frage nach dem Verhältniß der velites zu den Manipeln und deren signa scheint durch das vom Verfasser Beigebrachte nicht gelóst. Die Cohorten und turmae der Bundesgenossen führten als Ein- heit je ein signum ; von Unterabtheilungen der Cohorten, welche besondere signa gehabt hätten , ist nichts nachzuweisen. Die darauf vom Verfasser behandelte Frage nach der Entstehung der Legionscohorte lassen wir, als dem hier zu besprechenden Ge-

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biete ferner liegend, bei Scite, schlieBen uns demselben aber an, wenn er behauptet, in der neueren Legion hätten nicht die Cen- turien, sondern nur die Manipeln Feldzeichen gehabt. Caesar B.Gall. II 25, 2; VI 34, 6; 40,1 erwühnt den Manipel in Ver- bindung mit den signa, und zwar in der Weise, daß er noth- wendig die Centurie hitte nennen müssen, wenn diese ein signum gehabt hitte. Dasselbe gilt von Tacit. Hist. III 21 vgl. mit 22; IV 77 vgl mit 78. Auch Dio Cass. XLVIII 42, 2 läßt sich als Zeugniß für die Manipelzeichen anführen. Die 60 signa, welche 22 bis zur Vernichtung geschlagene Cohorten bei Cic. Fam. X 30 verlieren, und die 32 signa, welche den 83 Cohorten Cäsars (B.Civ. III 67. 71) verloren gehen, kónnen, wie das Zah- lenverhältniß beweist, nur Manipelsigna gewesen sein. Zwei Mün- zen aus den Jahren 83 bezw. 49 v. Chr. (Fig. 34. 35) zeigen einen Adler zwischen zwei signa, welche auf einem an der Fah- nenstange befestigten vexillum die Buchstaben H(astati) and PYrin- cipes) tragen. Da nun aber schon bei Cäsar als eigentliche Un- terabtheilung der Cohorte nicht der Manipel, sondern die Cen- turie erscheint (B.Civ. I 64, 5; 76, 3) und in der Kaiserzeit die Listen der Soldaten nach Cohorten und Centurien geführt werden, auch die Grabschriften nie den Manipel nennen, so wird man anzunehmen haben, daf die Centurie damals die admini- strative Einheit bildete, wührend der Manipel nur als taktische Formation, zu welcher zwei Centurien unter einem signum ver- einigt waren, in Geltung blieb. Im Laufe der Kaiserzeit ver- schwand der Manipel aus der römischen Heeresorganisation völ- lig. Im dritten Jahrhundert hatte die erste Cohorte nach Ephem. epigr. V 709 nur fünf Centurien; die übrigen Cohorten um- falten dagegen noch sechs Centurien, vgl. Ephem. epigr. V 10 und p. 260. Es ist also móglich, daf die Angabe des Vegetius II 13 (S. 45, 5 L.), nach der jede Centurie ein signum hatte, für die spiitere Zeit richtig ist.

Für die Entscheidung der Frage, ob Cohortenfahnen exi- stierten, kommt Caes. B. G. II 25, 1: quartae cohortis omnibus centurionibus occisis signifereque interfecto, signo amisso in Betracht. Diese Stelle kann von einer Cohortenfahne verstanden werden, wenn die Existenz derselben anderweitig feststände; existierten aber nur Manipelfahnen, so würde Cüsar von seinen Lesern wohl nicht mißverstanden sein. Andere Gründe sprechen dafür, daß es Cohortenzeichen nicht gab. Einmal kennen die Inschriften in der Legion nur einen signifer ohne weiteren Zusatz ; hätte es zwei Gattungen von signiferi gegeben, so hätte dieser Unter- schied doch in irgend einer Weise ausgedrückt werden müssen. Sodann zeigen die Bildwerke nur eine Form des Legionssignums und endlich ist der Zweck des Cohortensignums neben den drei Manipelzeichen durchaus unerfindlich. Man vgl. auch Tac. Ann.

IlI 20: pulsa cohorte increpat signiferos.

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Der Adler, den die Legion seit Marius führte (vgl. Plin. N. H. X 16) soll nach der Meinung des Verfassers nicht eine taktische, sondern nur eine symbolische Bedeutung gehabt haben, insofern er der Ausdruck der Zusammengehörigkeit des Trup- penkórpers war. Dem gegenüber hat Mommsen L |. geltend ge- macht, es sei für Meldungen an den Befehlshaber von Wichtig- keit gewesen, wenn die Ordonnanzen sicher waren, ihn dort.zu finden, wo der Adlertrüger stand. Ueberhaupt habe jeder Füh- rer einer Einheit ein Feldzeichen gehabt. Daher gebe es auch keine Cohortenzeichen in der Legion, weil die Legionscohorte ohne eignen Commandanten gewesen sei. Dagegen hütten die republikanischen Auxiliarcohorten, die Alen der Kaiserzeit Ge- sammtfeldzeichen; für die Auxiliarcohorten der Kaiserzeit, bei welchen sich allerdings solche nicht nachweisen lassen, seien vielleicht die imaginiferi eingetreten. Die ganze Armee als solche habe keine Fahne gehabt. ° |

Wurde eine Abtheilung zu irgend einem Zwecke von dem Stamme der Legion abgetrennt, so erhielt sie als Symbol ihrer vorübergehenden Zusammengehörigkeit ein vexillum, d. h. ein Banner aus Zeugstoff. Wurden mehrere solcher Abtheilungen aus verschiedenen Legionen unter einem Commando und einem vexillum vereinigt, so führte doch jede ihr besonderes vexillum. Größere Abtheilungen, welche aus ungetheilten Verbänden ge- bildet wurden, z. B. Cohorten, behielten natiirlich ihre ihnen eigenthiimlichen signa. Bei kleineren Abtheilungen, denen ur- spriinglich kein signum zugekommen war, z. B. Centurien, soll das vexillum, dem sie unterstellt wurden, auch dem taktischen Zwecke gedient haben. Auch die Veteranen, welche bereits die missio erhalten hatten, aber noch bei dem Heere blieben, waren unter einem vexillum vereinigt.

Bei der Legionsreiterei, der Reiterei der cohortes equitatae und wahrscheinlich auch den Reitern der cohortes praetoriae hatte vermuthlich jede turma ein vexillum. Ein Relief in Pettau (Fig. 95) stellt einen vexillarius der equites legionis dar, sein vexillum trägt die Inschrift vez. eg. Bei den alae und den equites singu- lares der Kaiser finden sich sowohl signiferi als vexillari. Daß die Verschiedenheit der Bezeichnung in der verschiedenen Form der Fahnen begründet sein muß, ist an sich klar und wird be- stätigt durch das Relief des signifer einer ala, an dessen signum das vexillum fehlt (Li. A. u. h. V. 18, 7, 1 v. Doma- szewski Fig. 88, der aber den nach Weckerling Paulus-Museum I S. 61 in Worms befindlichen Stein fälschlich nach Trier ver- setzt). Ueber das Verhältniß der vexillarii zu den signiferi sind wir nicht unterrichtet. Von den signiferi wissen wir, daB jeder turma einer zugetheilt war (CIL VIII 2094); auch bei den equites singulares ist dasselbe wahrscheinlich (CIL VI 225).

Die Prätorianercohorten waren in manipuli eingetheilt, sie

750 A. Miller,

hatten daher Manipelsigna; wahrscheinlich bekamen, als die Ma- nipeln in der Legion aufgehoben wurden, auch bei den Präto- rianern die Centurien Feldzeichen. CIL II 2610, eine Inschrift, welche vor Septimius Severus gesetzt werden muß, bezeugt ei- nen signifer in centuria. Die fragliche Aenderung fiel möglicher Weise mit den Reformen Hadrians zusammen. Wenn Mommsen auch für die Gesammtheit einer Prätorianercohorte ein Feldzei- chen annimmt, so ist ein solches bis jetzt noch nicht nachge- wiesen.

Der dritte Abschnitt (S. 28--80) beschäftigt sich mit der Form der Fahnen. Als Quellen dienen hier die Grabsteine von Fahnentrügern, die Darstellungen von Fahnen auf den Sieges- säulen und 'lriumphbógen und endlich Münzbilder. Zunächst wird der Legionsadler behandelt. Aus den 9 beigegebenen Ab- bildungen erhellt Folgendes. Der auf einer ziemlich starken Fahnenstange befindliche Adler hat entweder in den Fängen ein Blitzbündel oder sitzt auf einem Postamente; die Flügel sind entweder ausgebreitet oder aufgerichtet. Letzterer Form wird der Gedanke zu Grunde liegen, daß der Adler gleich einem glückverheilfenden Augurium der Legion vorschweben soll (vgl. Tac. Ann. II 17; Hist. I 62). Die Fahnenstange ist einmal (Lindenschm. A. u. h. V. I 4, 6, 1 = v. D. Fig 3) mit einem Griff zum Herausziehen des Feldzeichens versehen, mehrmals findet sich unten an derselben ein Querholz, um das Einsinken zu verhindern und meistens ein Schuh zum EinstoBen in den Boden. Li. A. u. h. V. I 4, 6, 1 und Zoéga Bassir. I 16 (Or. 3509) ist der Adler mit einem, an letzter Stelle vom Verfasser fülschlich anders gedeuteten, Kranze, und auf zwei Darstellun- gen von der Trajanssäule (Fröhner pl. 33 u. 77 = v. D. Fig. 9 und 11) mit der Mauerkrone geschmückt. Zur Erklärung die- ser Erscheinung ist von Zonaras VII 21: ov xur &rdpa puoror aororevourta Tuvia Èdidoro, wu xai Aoyowc xai Giguromédoig 04066 ugelyero auszugehen, einer Stelle, welche lehrt, daß die militärischen Ehrenzeichen auch an ganze Truppenkôrper ver- lichen wurden, wo man sie dann naturgemäß an den Fahnen anbrachte.

Für die Manipelsigna der Legion werden 41 Abbildungen beigebracht. Aus denselben ergiebt sich, daß die Fahnenstange eine Lanze ist, welche unten in einen Schuh zum EinstoBen endet Eine kurze Querstange über dem Schuh verhindert das zu tiefe Einsinken, wührend eine ziemlich tief angebrachte Hand- habe das Auszichen des signum erleichtern soll Die Fahnen- stange war mit Silber bekleidet; vgl. Dexippi Frgm. 24, Müller Fr. hist. Gr. UI p. 682: x«10mv dèi Baoséws chuata mr tic lméxiov stoumiacg? LR O€ elow dsroi yovGot xai elxovec Buclhesos xai crguronédwr xurthoyor yoriumaci yovooig dnlovuevoy a di Cipmavia uvarsrapira ngovpulrero ri Evorwy ijgyvgupuevun,

Die neueren Arbeiten über Tracht u. Bewaffnung u. s. w. 161°

Oben an der Fahnenstange ist ein Querholz befestigt, welches an beiden Enden in Ringen purpurne Bander trägt (Vit..Gord. 8); an den Enden dieser hangen silberne Efeublätter. Dies Querholz zeigt auf der Trajanssäule eine vertiefte von einem Rahmen eingeschlossene Fläche (v. Dom. Fig. 24. 29), auf der wahrscheinlich die Bezeichnung des Truppenkérpers ihren Platz fand. Dieselbe wiirde in der Kaiserzeit beispielsweise gelautet haben: LEG. XIIII, GEM. M. V. COH. Vi. H. wozu denn bei einer Centurienfahne noch PR oder P getreten sein würde. Un- ter dem Querholze sind an der Stange regelmäßig mehrere in der Mitte gebuckelte und mit aufgetriebenem Rande versehene Scheiben befestigt. Dieselben stimmen in ihrer Form mit den phalerae (vgl. Philol. XXXIII S. 656 ff), soweit diese nicht mit Reliefs geschmückt sind, überein. Man hat im Anschluß an die erwähnte Sitte, ganzen 'Truppenkörpern militärische Ehrenzeichen zu verleihen, hier eben die phalerae zu erkennen, und, da die Zahl dieser Scheiben an den einzelnen signa verschieden ist, anzunehmen, daß die Zahl der Verleihungen für die einzelnen Manipeln nicht die nämliche war. Uebrigens scheinen die pha- lerae nur 'Truppenkórpern der Infanterie verliehen zu sein, wüh- rend die alae die torques erhielten; dies geht aus der Erwüh- nung einer ala torquata CIL VI 3538 und III S. 1146 sowie einer ala bis torquata Or. 516 und Eph. ep. V 41 hervor. Die phalerae an den signa waren wahrscheinlich von Silber und wur- den vermittelst eines an ihrer Riickseite befindlichen Ringes auf die Fahnenstange geschoben. Die Reihe dieser Ornamente wird sehr häufig unten durch einen Halbmond abgeschlossen, dessen Charakter als Apotropäon nicht zu verkennen ist. Wenn sich über dem Querholz noch eine corona und ein vexillum finden, so sind diese auch als Auszeichnungen verliehen. Mitunter wird dort auch ein kleiner Schild bemerkt, der ebenso zu erklären sein wird. Eine aufgerichtete Hand auf der Stange ist eben- falls als ehrende Auszeichnung, und zwar als Symbol der Treue zu fassen. Zum Schluß des Abschnittes über die Legionssigna handelt der Verfasser noch über die Thierfiguren, welche an den Fahnenstangen vorkommen und bemerkt, keinenfalls seien die Fahnen der einzelnen Unterabtheilungen durch die Fahnenthiere unterschieden, im Gegentheil sei anzunehmen, daß jeder Legion nur ein Thier als charakteristisches Symbol verliehen sei. Daf in denselben Apotropäa zu erkennen sind, scheint festzustehen. AuBer auf die vorliegende Abhandlung verweise ich in Betreff dieses Punktes auf meine Ausführungen Philol. XX XIII S. 678 ff.

Zu den Prütorianersigna sind sodann 27 Abbildungen bei- gebracht. S. 67 ff. werden die Resultate der Untersuchung fol- gendermaßen zusammengefaßt. Für die trajanische Zeit läßt sich folgender Typus feststellen. An der Fahnenstange, welche auch hier von einer Lanze gebildet wird, ist oben ein Querholz be-

752 A. Müller,

festigt, von dessen Enden mit Efeublättern geschmtickte Bän- der niederhangen; über dem Querholz sitzt ein Adler; an der Stange befinden sich theils die imagines, theils coronae aureae, murales, classicae und vallares. Meist sind zwei imagines, welche in der Mitte der Stange befestigt sind, durch eine oder zwei coronae getrennt. Zwischen einer den unteren Abschluß sämmt- licher Ornamente bildenden Quaste und der unteren imago, so- wie zwischen der oberen imago und dem Querholz sind ebenfalls eine oder zwei coronae eingeschoben. Indessen haben die ehren- volleren coronae, die muralis, classica und vallaris, wenn nur je eine vorhanden ist, ihren Platz zwischen den smagines. Die vexilla und kleinen Schildchen haben ihre Stelle an der Spitze des signum und sind von dem Adler gewöhnlich durch eine co- rona aurea getrennt. Eine solche wird man auch zu erkennen haben in dem aufrecht stehenden Kranze, welcher den Adler umgiebt. In einem Falle (Fig. 58) ist ein kleines Gôtterbild (Victoria ?) auf der Spitze des signum befestigt. Ziemlich er- heblich verschieden ist die Form des signum auf dem Bogen des Claudius (Fig. 79 a und b) Der Verfasser vermuthet, daß Vespasian bei der Reconstruction des Prätoriums die trajanische Form eingeführt habe. Später scheint auch Septimius Severus bei seiner Neubildung der prätorischen Cohorten eine Aenderung vorgenommen zu haben, welche wir aus dem Reliefs am Bogen der argentarü kennen (Fig. 80). Von einigen andern vom Ver- fasser sorgfültig angeführten Einzelheiten sehen wir ab und be- merken nur noch, daß von den imagines eine nothwendig als das Bild des regierenden Kaisers anzusehen ist; wen die andere oder die andern darstellen, ist nicht immer mit Bestimmtheit zu sa- gen. Alle Bestandtheile des Prütorianersignums mit Ausnahme der Binder und Quasten werden von Gold gewesen sein.

Was sodann die imagines und imaginiferi anbetrifft, so findet sich an den Legionssigna und den Fahnen der Auxiliarcohorten nie eine imago des Kaisers; dahingegen scheint bei diesen Trup- penkórpern das Kaiserbild an einer besondern Fahnenstange ge- tragen zu sein, wie denn auch inschriftlich für beide imaginiferi bekannt sind (vgl. Cauer Eph. epigr. IV p. 372, III Nr. 1—24). In der Legion stand der imaginifer in der ersten Cohorte, in den cohortes equitatae bei den Reitern. Bei den alae gab es außer den signa der einzelnen turmae noch ein signum des ganzen Trup- penkórpers, und zwar galt als solches die zmago des Kaisers. Dies beweist der Verfasser durch einen Fig. 85 wiedergegebenen Grabstein eines signifer alae Petrianae (leider ist die Quelle nicht angeführt), dessen signum als alleinigen Schmuck das Kaiser- bildniß trägt, sowie aus einer Analyse der Erzählung über den Einmarsch des Vitellius in Rom bei Tac. Hist. II 89. Bei die- sem führten den Zug die signa, welche ganzen Truppenkérpern angehörten, nämlich 4 Legionsadler, 4 vexilla für Legionsdetache-

Die neueren Arbeiten über Tracht u. s. w. 753

ments, 12 signa von alae. Da nun selbstverständlich die tak- tischen Zeichen der Manipeln und Turmen bei ihren Abthei- lungen befindlich waren, so folgt, daß jene Reitersigna den gan- zen alae zukamen. Ebenso folgt aus dieser Stelle aber auch, daß die Auxiliarcohorte keine Gesammtfahne hatte, denn eine solehe wird neben den genannten nicht aufgeführt. Auch bei den cohortes urbanae und den vigiles finden sich imaginiferi, bei den equites singulares wird das signum jeder turma das Kaiserbild getragen haben. Die equites singulares waren eben die Garde der Auxiliaren, wie die Pritorianer die der rómischen Biirger- soldaten.

Die signa der Auxiliarcohorten, zu denen nur zwei Abbil- dungen beigebracht werden, sind im wesentlichen den Manipel- signa der Legionen nachgebildet. Das Fig. 88 dargestellte signum eines signifer alae Hispanorum, an dessen Querholz anstatt des vexillum Efeublütter befestigt sind, ist bereits oben erwühnt. Fig. 89 nnd 90 geben Thierfiguren, welche auf einer Stange getragen werden, und zwar bezw. einen Widder (von der Tra- janssäule pl. 72) und einen Stier (Bruce Lapid. septentr. Nr. 930) Unter Berufung auf Tac. Hist. IV 22 erkennt der Ver- fasser hier signa der mumeri, welche auf nationaler Grundlage zusammengesetzt und organisiert waren (vgl Mommsen Hermes XIX S. 219 ff). Eine andere Deutung habe ich versucht Philol. XXXIII S. 681. Auch für die speculatores, über welche zu vgl. Marquardt Rum. Staatsverw. II? S. 547 ff., kommen eigne Feldzeichen auf Münzen des Antonius, Galba und Vespa- sianus vor (Fig. 91—93); sie sind den Manipelzeichen ähnlich, haben aber nur je eine phalera an der Stange und außerdem auffallender Weise ein Schiffsvordertheil.

Die Form des vexillum bei Reitern und Fußgängern zeigt ' keinen wesentlichen Unterschied. Der Verfasser gibt Fig. 94 das vexillum einer vexillatio der leg. IT Aug. nach einer Relief- platte des britischen Museums, Fig. 95 das bereits erwühnte vexillum der Legionsreiter und Fig. 96—100 mehrere Darstel- lungen von Triumphaldenkmälern. Im Einzelnen treten Ver- schiedenheiten auf, je nachdem das Querholz mit den beiden Bändern fehlt oder vorhanden ist, und der untere Rand Franzen hat oder nicht.

Flensburg. Albert Müller.

Philologus. N. F. Bd. I, 4. 48

Miscellen.

27. Ad inscriptiones Phrygias.

Versuum popularium et vere barbarorum vestigia in in- scriptionibus Graeco-Phrygiis quas ego in ‘Zft. f. vergl. Sprachf.' 1887 edidi acute indagavit Crusius in Philologo huius anni p. 44 sqq. Quum tamen pro eo quod ego scripsi zéxru awou érru[youro], ile réxre &woa [Aínovro] proposuit, et literarum ab Hamiltono descriptarum consecutionem AWP.4 ENTY omnino non respexit, et usitatiorem verborum significationem neglexit vir doctissimus, Graecae linguae quam Phrygiae Graecitatis pe- ritior. Scilicet inter exsecrationes in Phrygiis monumentis in- scriptas vulgo admittuntur duae formulae: aut pater ipse prae- mature moriatur, 0ogura 1éxra Afmowo (sic), yiyor Blor, olxov Zgnuor, aut eius liberi ante aetatis florem pereant, réxve awoa ngoYoiro et huiusmodi alia. Hae significatione versum dum volt facere, pessime deformavit homo barbarus pro eo quod in ex- emplari stetit «wou 19yowo scribens «wg érzvyovro. Phryga, Graece ut fit minime peritum, ita dixisse non negarim, neque adfirmarim utrum «woa nominativum („liberi ei contingant") an accusativum (,,liberos inveniat“) dicere voluerit; hoc au- tem haud scio an verisimilius sit. Enimvero magnam per par- tem Phrygiae et Lycaoniae barbaros, lingua sua plerumque usos, Graecae aut minus peritos aut prorsus expertes atque ignaros tertio saeculo fuisse, et inter rusticos linguam (Graecam nonnisi Christianismi impulsu divolgatam esse, persuasum mihi habeo et compluribus locis subtilius edisserui.

At tertium genus imprecationis, réxva awoa Afmouro, ,,liberos nondum adultos moriens relinquat", concinnavit Crusius, vocem &090« ex secundo genere prioris significatione usurpans. At hane vocis @wgos significationem in Phrygiis inscriptionibus haud

Miscellen. 755 facile invenias; nam awovig meginíGou0 cvugpognis (C. I. G. 3883) in filii morte praematura rupti sepulcro inscriptum, idem valet ac tuig avraig megentoosto Ovugyogais (3843, collato et téxrwy culpww HEQUTÉCOUTO Gvuqoguic).

Nec iure dubitabis de verbi évruyouro flexu; Phrygas enim pro optativo activae mediam vocem libenter usurpare cum ibidem in adnotatione iam dixerim nunc exemplis infra scriptis con- firmo: 10 «gag doéravov slg tag olxnaec elotàFosro xai undérav (sic) èrxatadelpero (i. e. -parto): dopava tÉxva: Alnoso: Fewv Iodıxwv xeyolwuérwy tUyorov (sic): téxvwy awowy 718010800110 Cuugpognic.

Quod nomen repperit Crusius ’Aouelvn, quamvis exemplari typis expresso (20MNHK 4CMEINH) commendari videtur, non est admittendum: quippe per neglegentiam typographorum et meam ante KAC excidit K littera schedis manu scriptis, unde Kuouelvn transscripsi, probe servata.

Aberdeen. W. M. Ramsay.

28. Zu Aristophanes. (Vgl S. 870).

9. Es sei gestattet hier in Kürze auf eine Stelle zurückzu- kommen, dureh deren Behandlung in meinen Coniecturae Aristo- phaneae (Gotting. 1878 p. 52 58; vgl p. 154 sq.) ich mir zum Theil den Tadel meines Recensenten Wecklein (Philol. Anz. X 1879 n. 3 S. 167) zugezogen habe. Lysistrata klagt über die Sinnlichkeit der Frauen, die trotz ihres Eides zu den Männern zurückbegehren und auf pfiffige Weise aus der Burg zu entschlüpfen versuchen. Sie schildert diese Versuche V. 720—725: ın» uév ye nou rv (ngmnr?) diadéyovoav tiv onnv | xuréiaBov 7 tov [lavoc ior, ıavAlor, | zv 2x rgoyuèlac (toogràziug Herwerden) xaz&- Avonmwuérnr, | 10v aviopodovouv, rjv d' imi cigoudou pilav | non néreodar duvoovuérgy xatw | el; "Ogodoyou "XI: tw ıgıyWv xurésrucux. Wenn dies vier verschiedene Versuche sein sollen, so fehlt bei der Schilderung des dritten gerade das Charakteri- stische desselben, denn das «vrowodsiv ist allen gemeinsam, ver- schieden ist nur die Art und Weise des Versuches. Das hat schon Herwerden stud. crit. in poetas scen. p. 54 gefühlt, ohne auffallender Weise ein Heilmittel gefunden zu haben; ich selbst ging der Stelle a. a. O. S. 56 ferro et igni zu Leibe, O. Schnei- der dagegen (J. f. Phil. 121 1880 S. 176 sq.) mit einem sehr gelinden Mittel, indem er 723 das erste zi» in r7d hac via verwandelte und die Worte 27d’ avrouoAovcav zu dem vorher-

48 *

756 Miscellen. è

gehenden Satze zog nach meinem Gefiihl eine sehr steife, prosaische Wendung. Richtiger scheint es mir zu sein, wenn man mit den Worten rjv «vrouodovouv die Schilderung des dritten und letzten Versuches beginnen läßt und für- das zweite ij» 0 etwa vn At’ schreibt: zi» «vrouodoveur vn Ai’ ini 0100.90» wodurch, wie z. B. Pl. 165, eine gewisse Steigerung in die Aufzählung kommt. Die Verbindung der Worte émi OrgovJov mit avrouodovour halte ich nicht für anstößig, da der Begriff des Gehens in «vrouoAeir wohl kaum noch recht em- pfunden wird, sonst kónnte das Wort hier überhaupt nicht ste- hen, da es sich um ein einfaches Davong ehen auf keinen Fall handelt. Das Particip dearoovuévyr ist dem Particip aÿrouo- Aovour untergeordnet, beide aber abhängig nicht mehr von xa- rTÉéAnfov 721, sondern von x«ríonaca 725, so daß hinter xazs- Avonwuérnr 722 besser ein Kolon zu setzen ist. Ueber yufay 728 denke ich noch wie früher (a. a. O. S. 56 sqq.), bin aber bisher zu keinem befriedigenden Resultate gekommen; sollte Ar. etwa ini orgov&ıdlow geschrieben haben ?

6. In einem ungemein gelehrten Aufsatze hat H. Usener Rh. Mus. 23 (1868) S. 316 sqq. die Existenz einer Hecate-Kal- lone zu erweisen gesucht und ihren Namen an zwei Ar.-Stellen, P. 278 und Av. 63, zu finden geglaubt. Die Sache scheint mir zwar noch etwas problematisch (zustimmend hat sich kürzlich K. Tümpel J. f. Phil. 135 1887 S. 104 geäußert *), doch ließe sich die Conjectur Useners zu P. 278 vielleicht noch verein- fachen und dadurch empfehlenswerther machen. Die Hss. bieten (ueuvnuéroc,) vor gor evenodu. xvdov Usener schlägt vor sur éEuoG09e Kuddovn, indem er daran verzweifelt evyeoPus in den Vers zu bringen: das ist aber dennoch móglich, wenn man schreibt: vor ev x1é' cri Kadlorn. Vgl. Budicré ’êcréy Ach. 394. èurogevita Ach. 480. ov waddaxaré’, alia negixudonita N 727. iov nhsvoréx L. 411. 209° nımıea L. 450. ovrex- noté” tori Pl. 1085. add’ elosré” slow PI. 1088 (so Stanger, eto- 19° codd.).

7. Av. 1437: Zum Peithetairos kommt ein Sykophant und bittet um Befliigelung, um sein Gewerbe schwunghafter be- treiben zu können; Peithetairos will ihn auf den richtigen Weg und zu einem ehrlichen Beruf weisen, aber der Sykophant ent- gegnet 1436: w dwörs, un vovdétes u al nrégou. Darauf erwidert Peithetairos 1437: vvv tos dé; wr nreow os In dem Ge- fühl, daß das versichernde vi» 10, hier nicht recht am Platze sei, hat Bergk an vert gedacht: ich glaube, das Gespräch gewinnt an

*) (Vgl. jetzt die weiter ausholenden Bemerkungen desselben Ge- lehrten ‘Die Aîthiopenländer des Andromedamythos’, XVI. Supplbd. der Jahrbb., S. 159 ff. 176 ff. 197 f., sowie die beifülligen AeuBerun- gen O. Gruppe’s oben S. 93 ff. Cr.].

Miscellen. 157

Lebhaftigkeit und an charakteristischer Färbung, wenn wir die Worte als Frage des Unwillens und der Verwunderung auffassen und schreiben: vor d’où A£ywr nreow os; worauf die in demselben Tone gehaltene Gegenfrage des Sykophanten: xai muc av Adyoss | dvdou ntegwosug ov; trefflich paßt. Vgl. PL.120: (6 Zeug Enıolpe we). X. viv d’où rovro ded, | Sos of mgocntalorta BEQsvoorety EG;

8. Der Mathematiker Meton ist in die eben gegriindete Stadt Wolkenkukuksheim gekommen und macht sich durch seine Aufdringlichkeit lästig. Peithetairos sucht ihn zu verscheuchen 1010 sqq.: 1039? or) ids Erw, | x&poi meFopevog vaanoxlves tng odov. | M. 16 d' doii dewov; I. wonso dv Auxedulpors | Es- ynhureitus (Seger, Haupt; Eevyiatourzas codd., Sevndaroves Elms- ley, §evnAutovmer Dindorf was die Verderbniß leichter er- klärt: die Endung -rre des folgenden Verbum verdrüngte die Endung - uev des vorhergehenden) xui xexlwavral veg | nÂnyui Ovyvui xar' uorv. M. uwv craters; Schnee S. 12 findet es auffällig, daß Meton, nachdem er gehört hat, die Fremden wür- den ausgetrieben, noch fragt: uw» oracstexe; und nicht sofort sagt undyosul ray av. Er will daher EergAareize schreiben und die Worte als Frage dem Meton geben: rf d’ dori desvor; done & Aaxeduluovi | Eevndateize; I. xai. xexlymvrul tiveç nÂnyai cuyvai xai aoıw. M. uv otaowubere; Aber dann müßte es in der Antwort xui xexivnvtat ye heißen: vgl. Ach. 317. N. 355. V. 422. 1003. P. 875. Av. 825. 500. Th. 741 (vgl. Fritzsche, Blaydes) R. 49. 68. 1074. Pl. 103. 473. Da Schnee über die Stelle nichts weiter bemerkt, so scheint er die Bedenken, welche Kock gegen die Redensart xsveiv màÀgyág und die Verbindung Té; ovyval erhoben hat (exercitt. critt. p. 8), nicht zu theilen. Kock meint, daß xsvsty nAnyas excitare verbera, so ungewöhnlich es klinge, doch vielleicht in der Tragödie habe gesagt werden können, nicht aber, wie hier, in einer ganz schlichten Erzäh- lung: aber dann paßt x«i xsxlvnvrus moéves, wie er schreibt, auch nicht, denn das klingt entschieden tragisch: vgl. Av. 1238: un Fewv xlver goévac. R. 899: ovd! axlunros qoévec. Eq. 1287: ws puoù yonouds ünısıu œoerwvr. Gegen Kocks Behauptung, molÀÀovc mnvac Giourswiuç habe auf keinen Fall gesagt werden kónnen, habe ich Conjj. Ar. S. 71 drei Stellen aus Plato ange- führt: Pl. Protag. 315 d (vgl. dort Sauppe) Legg. III 678 d: naunoAluc uolr (ysrtaig) 682 b: è» moddoîs us yoovoss. In- dessen gebe ich jetzt zu, daß an der vorliegenden Stelle ein ab- schwächender Zusatz zu cvyvaí wenig passend ist, da Meton ja geüngstigt werden soll. Vielleicht läßt sich der Anstoß durch eine ganz geringe Aenderung beseitigen, indem wir schreiben: xi xexlvnvial tive | nAnyal Guyvai xai Gorv 80 dab mit n». andeutungsweise Meton gemeint ist: vgl. R. 352: xaxó» Axis uf. 554: dwos ng díxy. Pl 382: ogw nv imi roù fnparos xa-

758 Miscellen.

Fedovuevov. R. 664: Haynoty ng. R. 628: ayogedw revi | eu’ un Bacavitev. Will man Schnees Vertheilung der Worte an- nehmen, so müßte man schreiben: xai xexlonviul s wie es R. 606 heißt: 7xe tw xaxov.

Frankfurt a. O. O. Bachmann.

29. Dionys von Halikarnaß über die Laut- bildung (de comp. verb. 14).

Das interessanteste Kapitel von Dionys' unschützbarem Es- say tiber die Wortfiigung die Lautphysiologie ist bis jetzt das einzige, das uns in einer wiirdigen Textgestaltung vorliegt, durch Useners Bearbeitung im Bonner Sommerkatalog 1878. Die Auseinandersetzungen des Dionys sind durchweg klar und ver- stindlich, bis auf einen Punkt, in dem meiner Meinung nach auch Usener nicht das Rechte gesehen hat, das ist die an 3 Stellen erwähnte Mitwirkung der «9:nof@ bei der Lautbildung. Es heißt zunächst (S. 74 Rske = 160 Schfr.) von der Bildung der Vocale: "Expwveita, tutta navia tig dorgo(ag Ovseyovong 10 nvebuu xai TOÙ Oromarog ande oynuansoIErıog TG TE yAwoons oùdèr nonyuarevouévnc &AÀ iosuovons. So in den bisherigen Ausgaben. Der Scholiast des Hermogenes dagegen, der sich durch eine Fülle der besten Lesarten der sonstigen Ueberliefe- rung gegenüber auszeichnet, bietet: rc dGornolas Gurnyouonç 19 nvsvuwun. Usener verwirft beides und schreibt: ovveyéc avadı- dovons 10 nrevuu. Allein, was uns der Usenersche Text be- schreibt, ist nicht die Bildung eines Vocales, sondern lediglich die Thätigkeit des Ausathmens. Die Hauptsache fehlt, daß nümlich der Luftstrom den Kehlkopf nicht ger&uschlos passiert, wie z. B. bei der Bildung der Mutae, sondern in demselben den Stimmton hervorbringt. Nun war zwar den Alten die Function der Stimmbänder noch zu Galens Zeit unbekannt (s. Steinthal Gesch. der Sprachw, S. 285), daß aber der den tönenden Lauten eigene Stimmton in der Kehle entsteht, mußten sie fühlen und haben es auch ausgesprochen. Nach Galen de Hipp. et Pl. H 4 p. 238 (Steinthal a. a. O.) wird die èxpvonoss dadurch zur ywrn, daß sie von den Kehlkopfknorpeln wie von einem plectrum geschlagen wird. Diese Anschauung bezeichnet schon einen Fortschritt gegenüber der des Aristoteles, der (de anima H 8, 420 B, Steinthal S. 247) die Luftróhre selbst bei der Bildung des Tones betheiligt sein läßt. Die eingeathmete Luft „schlägt“ nach ihm, ,,die in der Luftróhre befindliche Luft gegen diese Röhre“: 7 nAnyn tov àvaavtoufvov aégoc . . . . 7006 thy xaÀew- pévny agrnolav ywvn gory, und später puri == wopog... os

Miscellen. 759

rov avanveoutvou uéoos wonso 7 BE, «AG rovi Tunes 10v dv Th aortnole moóc «ùrnr. Wer den Vorgang so ansah, der konnte mit demselben Recht sagen, dali 7 «ommola Gurnyei tw nrevunu. Es ist also an der Lesart des Hermogenesscholiasten, die nur die aristotelische Anschauung wiedergibt, um so weniger Anstoß zu nehmen, als dieselbe den wesentlichsten Theil der Vocalbil- dung beschreibt, der in Useners. Lesung vermißt wird.

Der Stimmton kommt den Vocalen nicht allein zu; es ist daher ganz sachgemäß, wenn Dionys auch bei der Bildung des A (S. 78 R = 168 S) die mittönende Luftröhre erwähnt. Die älteren Ausgaben bieten auch hier ovveyovong 10 nvevua, die bes- seren Handschriften übereinstimmend mit dem Hermog. schol. Gurnyovonc, wozu nur der Marcianus 70 avevuc fügt. Schon Göl- ler nahm ovrnyovens auf und strich to avevua; Usener thut dasselbe, indem er an dieser Stelle das ov»nyeiv nicht bean- standet,

Ausgeschlossen vom Stimmton sind natürlich die Explosiv- laute; um so mehr muf es überraschen, wenn wir bei der Bil- dung der K-laute (8. 84 R. = 176 8.) wiederum auf die mit- tónende Luftröhre stoßen. Allein glücklicherweise leidet die Stelle noch an einem zweiten schweren Bedenken, so daß wir uns nicht sowohl um eine andre Deutung der avrgyovo« ägrnofu, als vielmehr um eine Emendation der Stelle zu bemühen haben, Dionys beschreibt die Bildung der drei Gattungen der Mutae, indem er jedesmal genau die 2 Stadien derselben scheidet, die Bildung des Verschlusses und die Bildung des Lautes durch Auf- hebung des Verschlusses. Er strebt dabei sichtlich nach Ele- ganz und Abwechslung im Ausdruck. Die P-laute entstehen ihm, oiov, tov GIOUUTOG i663 érroc, 16 MooBudiousvoy Ex TG aQ- tngiug metus Avon 10v décuor aviov. Die T-laute zus yAwrenç &x90 1H OroMnte moocegéidouérgc KATH TOUG pereagovs Odovrag, End V7 rov mrevuaroç aroggimtouern: xai thy ditEodov avid xutw mJtgi 1009 dddrtug tnodidovons. Die K-laute nun, heißt es, entstehen ro yAwting aviciauerag mods tov obguvòv èyyùs 1nc puovyyoc x«i ıng aemolac bmngovons to mrevuau. Hier ist er- stens das Mittönen der Luftrôhre' unerklàrlich, zweitens wird nur die Vorbereitung des K-lautes beschrieben, aber die Haupt- sache nicht erwähnt, d. i. die Aufhebung des Verschlusses, wel- che die Entstehung des Lautes erst ermöglicht. Beide Schwie- rigkeiten sind gehoben, wenn wir schreiben: #75 yAwrrng àvicru- uérns 7005 Tov ougaror Eyydg Tho qugvyyoc x&v vToLwoovong 7H nrevuun, und die Worte 176 «oinglac streichen, da sie erst dem falschen vnnyovong ihr Dasein verdanken, ebenso wie an der oben genannten Stelle ro avevua dem falschen cuveyovons.

Marburg i. H. Ernst Graf.

760 Miscellen,

30. Zu Antoninus Liberalis.

S. 202, 7 (ed. West.): yulenws . . diate3sica] vielleicht ist zu schreiben xaxwo . . . diatedeion.

S 203, 12: ui avrov naga 16 cquu èIonrovv] richtiger dürfte man schreiben at avròv nuon 3. o. & den Accusativ avtov [sc. Meiéaygor] von è3gnvorv abhängig machend.

S. 203, 15: af «you vor Fu] der Sprachgebrauch erfor- dert bloß aygerv» (cf. 202, 13; 205, 22; 223, 32: 225, 9; 225, 31; 228, 28; 233, 2).

S. 208, 29: érofnoer ogndu, 0c Oromuleraı viv tégak. Viel- leicht ist vor vov das Wortchen £u ausgefallen ; ebenso ist S. 236, 10 so zu schreiben: 09sneg 30r. «Er viv adıng To iegov.

S. 205, 18: ore rag Tuovorov Bovg cuveddories dpeléo das] ein Unbekannter hat auf den Rand einer editio princeps des Ant. Lib., die ich besitze geschrieben: ‘vide ne rectius scribas Ore .... ouvndelov dqtAéG9 uw.

S. 206, 14: 6 yrovg olov Foyov tungarioazo Neopouwv én’ avidi xai dg 10v ovgavòv àvafAtyac quEaro . . .] xal ist hier als überflüssig zu streichen.

S. 208, 1: Avrovovv pèv elg tov Oxvov, Om avrov O mario wxvnoey areAucaı tag Vnzovc] Daß der durch on eingeleitete Causalsatz nicht in Ordnung sei, haben Kuhn und Jacobs rich- tig erkannt. Ersterer verbesserte: 614 "drdov 0 muro .., letz terer dti Ardov wv nung . . . . Ich meinestheils glaube, daß die Worte «vrov resp. "Ardov 0 nutno als eine in den Text hineingeschleppte Randglosse zu streichen sind.

S. 208, 21: xai avrò Auufav, of Svfaow wropuator). Nach den Worten xei «$10 ist offenbar das dem of corres- pondierende of ur» ausgefallen.

S. 210, 5: 6 dA4to6rvoos arti xogng éyévero tavoog]. Die Worte avti x00ng sind zu streichen.

S. 211, 3: xai dnsıdn Faocov n 'Andav row icror 2Evpaner 6 MoXvregros agflxsro 905 llavdugswv]. Zweifelsohne ist statt des durchaus unangemessenen Imperf., der Aorist (è5Ugnver) zu schreiben.

S. 211, 22: uerediwéev avrüg ayers mods tov naréga] Statt &yoic 006 . . . ist ayge moog... . zu korrigieren: denn An- toninus Lib. setzt, mit Ausnahme von dieser Stelle stets vor Wörtern, die mit einem Consonanten beginnen, aya: (resp. w£yes) cf. 210, 3; 208, 15; 210, 24; 212, 3; 218, 23; 218, 17 und oft.

S. 212, 10: atosos xai mAfovos xci ini yüs pavelc]. Diese Stelle ist meines Erachtens verderbt und so zu corrigieren: af. x«l nifovor xai <Tois> éni y!g qavt(g oder: al. xoi «roig? mi.

Miscellen. mE 761

(cf. S. 212, 7: roig whéovosy of der. alovos pulvortas) xal «oig» È. y... S. 212, 18: ovrog 7v edoyijuwv ınv Oysr, 10 AFog üyagisc]. Vielleicht ist nach dem Artikel av die Partikel ui ausgefallen. Cf. 217, 1: [olvon] ro uiv eldog o? peprti, ay. dos.

S. 214, 10: ng Zrexe Melstéu row Èv 17 ddp naida | Diese Worte sind als Glossem zu streichen.

S. 215, 18: ànd above ini zv ayewy vuxtog Eneddoviss Anocui ovreluußuvor, of ix twv nuoywv ÈBalov yàg ı0av avrois loouayos mug èvéBalov xAdmeg ely td oixla]. An diesen Worten haben alle Herausgeber des Ant. Lib. keinen An- stoB genommen, obwohl sie mir verderbt zu sein scheinen! Für

èBudov ist zu schreiben: of sig rovg nupyous Épuyor. So hat der parenthetische Satz bedeutend mehr Sinn: als Räu- ber... . sie gefangen nehmen wollten und sie in die Thürme flohen denn sie waren ihnen nicht gewachsen —, warfen....

S. 216, 7: e uiv ? MO qv ric Leg noswy Èxadece ..., ant- Aeye . .. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist statt dxadeoe zu schreiben: xuloïer. Cf. 216, 10: ed xudoîsy magd iv Aog- teme, . . . Edeye.

S. 218, 6: raving Être ufuynvims ing peraBorfg (cf. 218, 5: ueréBale tiv quow tie nudos els xógov) Dulouor xoi Fvovos Durin Antoi, nus Epvoe undea Tijxoon.] quc x0gn ist ein Zusatz aus fremder Hand: denn er enthilt schon kurz vorher Ge- sagtes, nämlich: ue iéfals ziv puo ris nudòs elc x0gov.

S. 218, 15: o neig Boronc édalcaro Tov éyxigaloy paddy 10 yeyoroç Evunkos 1000€x00v0€ xar dern? n005 THY xepadiv avrov]. Statt «vrov ist zu schreiben rov naudoc.

S. 219, 30: joav uvt@ naîdes Avxios xal . . . xul . .. xai Juyatno Aoteulyn, naides ix pnioòs "Aonns]. Fontein. cor- rigiert das zweite anstößige maîdes in masres. Ich meinestheils glaube, daß das zweite maîdes zu streichen ist, da es durch das erste veranlaßt sein wird.

S. 224, 10: o èyévero aoxalußog . . . . 0 anoxrelrus xeyaoiouéros ylveras Ajunre]. Nach den Worten 6 d’ aa. scheint das Pronomen uvıov ausgefallen zu sein.

S. 224, 21: xai avroîg einev 0 Feog Maccacdas:]. Lieb: xai uvroig avetdev 6 Heo Î..

S. 228, 25: x«i esti» qAaEav an’ avSounwy eig dalpova]. Die Worte «x avFownov sind zu tilgen.

S. 228, 26: xai wrduacuy Auudovada vougnv Bußilda xai nosınoavıo ovrvdlaitov érargfda}. Das Wort ovrdiaor ist zu streichen als Glossem (von ézusgtda), welches sich in den Text gedrängt hat. Cf. 8.280, 3: [“ Auadgvades vvugos] . . Imouf=

Gavio GvunalxrQuav.

762 Miscellen.

S. 229, 10: xai Eyévero ravta mold nod tic Houxleovc Oreatefac|. Dieser Zusatz stammt wohl aus der Hand des ge- lehrten Grammatikers, der die Ueberschriften gefertigt hat, und ist als unecht zu tilgen.

S. 230, 2: ënei adriv qyunnoar unsopuws © Auadovadeg vuupus xai Èrmoufouvio Ovunalsıgıav Éuvrdr, Edldatav vuvety Feovs xai yooevew ] Ich schreibe: éasi de autny qyanyoav unsopuas ‘Auudovudes viupar, xai Èrmoujouvio suptalxtorery Éaurwr «xai» edfdakav . . ..

S. 231, 22: dewòs yao adrnr Eows eeunvevy éni rH narel

. êmei To mados avınv noonyev, Esine rmoòs ‘Innodvrny THY igoqóv: 5j nugudwosy avi) axog tov magaudoyou wa Fovg]. Offenbar liegen hier zwei Schreihfehler vor; 1) ist èsì 6 n09og und 2) &xog rov magadoyov moFov zu schreiben.

S. 232, 4: @elavtu nó9og EluBer exuuteiv, ug nv q xvovoa] n xvovou ist unpassend. Jacobs vermuthet / rxouca. Vielleicht ist 7 guoëox zu schreiben. Cf. Ovid. Met, Lib. X 477: [Theias] . . . avidus cognoscere amantem . . . . vidit.

S. 233, 17: [Turrakor] dé, . . . . xareBads xai moi aù- Tov vnig xeqahic 10v Xímviov] Melber (Mnem. Nov. Series Vol. VI Ps. IV p. 404) nimmt Anstoß an dieser Stelle und corri-

giert: . . . xai ggeper adiov unig xepudrjc. Vielleicht ist je- doch das éyg:wey wegzulassen und zu schreiben: . . xuréBude

x«i œuroù v3ig xegurng 10v Nirvdov (scil. xaréBudev).

S. 284, 8: éxeBouhevouy "Dàvowoi BugBagor xata pPovov QVIQY TiC vic]. Statt IAT ct pIFovov ist xate nodov zu schrei- ben. Cf. S. 228, 12: 6 Mivws xura nodor Evegelosi PuatecdTus

S. 235, 1: xai » alin svdatuovla mAsioıov vnsgnverxer]. Statt nàeicrov dürfte wAsfoıwv zu schreiben sein.

S. 238, 3: nage Bios . . . ro xvv(]. Ließ: È. Bavas .. «cvv» 19 xv. Cf. S. 237, 22: Bros cà» 19 xv. Dresden. H. Martini.

31, Noch einmal Cic. de imp. Cn. Pompei $ 24.

Philol. 41, S. 53 hat der nun verewigte E. v. Leutsch die von mir früher (Philol. 38, S. 574) behandelte Stelle aufs neue einer genaueren Betrachtung unterzogen und ist nach Verwer- fung meiner Conjectur (confirmarat ex eo numero, qui se ex ipsius regno collegerant) zu dem Resultat gekommen, daf die Lesart in Ch als die einzig richtige anzusehen sei: confirmarat opera eorum, qui ad eum ex ipsius regno concesserant (etwa mit Aenderung des

Miscellen. 168

letzten Worts in confluzerant). Auch ich bin nach wiederholter

Erwägung jetzt geneigt, meine Conjectur, wennschon sie mehr : fach Beifall gefunden hat und z. B. von O. Heine in seiner

Ausgabe- von Cic. oratt. selectae sedecim, Halis 1888, in den Text -

gesetzt ist, zu Gunsten der früher von mir mit Benecke und Halm als manifesta interpolatio angesehenen Lesart des Colo- niensis zurückzuziehen, freilich aus anderen Gründen, als sie E. v. Leutsch vorgebracht hat. Daß zunächst der Sinn der von Halm u. a. eingeklammerten Worte der Vulg.: et eorum qui se ex ipsius regno collegerant durch den folgenden Satz mazimegue eorum . . . . qui vivunt in regno (= qui se... collegerant) ver- langt wird, móchte ich bestreiten; Cicero will meines Erachtens in den Worten nam hoc fere sic fieri solere accepimus .... die auffallende Thatsache erklären, daß Mithridates ungeachtet seiner bedrüngten Lage adventicia aurilia multorum regum et nationum gefunden habe: „entthronten Fürsten gegenüber fühlen sich ge- meiniglich Monarchen und monarchisch Regierte (qui aut reges sunt aut vivunt in regno) zum Mitleid gestimmt“. Ferner möchte ich nicht ohne Weiteres zugeben, daß die von mir vor- geschlagene Lesart confirmarat ex eo numero qui . . . deshalb ei- nen unpassenden Sinn giebt, „weil man (wie v. Leutsch sagt) in solcher Lage, wie Mithridates war, aus dem Zuzug nicht aus- sucht, sondern nimmt, was man bekommen kann“. Die That- sachen hatten, wie Mommsen (rim. Gesch. III S. 66?) darlegt, Mithridates gezeigt, „daß das bloße Zusammentreiben ungeheurer Heerhaufen nicht allein fruchtlos war, sondern durch die Ein- fügung in dieselben selbst die wirklich marschier- und schlag- fihigen Scharen unbrauchbar gemacht und in das allgemeine Verderben mit verwickelt wurden. Mithridates suchte daher vor allem die Waffe auszubilden, die zugleich die schwichste der Occidentalen und die stärkste der Asiaten war: die Reiterei . . Für den Dienst zu Fufì las er aus der Masse der aufgebo- tenen oder freiwillig sich meldenden Rekruten die dienstfáhigen Leute sorgfältig aus“... Dieser Darlegung Mommsens würde die Lesart suam manum confirmarat ex eo nu- mero, qui . . . se collegerant an unserer Stelle genau entsprechen. Trotzdem halte ich sie, wie oben gesagt, nicht mehr für richtig, und zwar vor allem im Hinblick auf eine Stelle des Áppian, auf die mich H. Sauppe in einer brieflichen Mittheilung bald nach Veróffentlichung meiner Conjectur zuerst aufmerksam gemacht hat. Appian berichtet nümlich über die Vorkehrungen des Mithridates um diese Zeit (Mithr. 87): ... 6 Mi99gidd tq; Onda te sloyubero xara n0Àw ÉxdcorQ» xol Écrgatoloyes oyedóv awavtag ° Mopevtove. °EndeZduevos d' ovzGv 1006 Gotorovs, ig Entaxisuuolove nebouc xni innéas nulosas, 109 c uiv Giove aneAvoe, rovg 0 ig Mas ss xai oneloas üyyorauto zig Iralixg ouvtakews xuraléywr Mortes xoig avdodcı yuvuvalsıy nagedidov. Das neugesam-

764 Miscellen..

melte Heer (die manus) des Mithridates bestand also vorwiegend aus Armeniern; unter diesen traf er seine Auswahl, ordnete die Gewählten nach rómischer Weise und lief) sie durch pontische Offiziere einschulen und fiir den Kampf tiichtig machen. Mit dieser Angabe Appians stimmt die Lesart in Ch an unserer Ci- cero-Stelle aufs genauste: confirmarat opera eorum, qui ad eum ex ipsius regno concesserant, d. h. ,,er hatte sie mit Hiilfe derer, die aus Pontus zu ihm gekommen waren, stark, kriegstiichtig gemacht“, und die Behauptung Beneckes (in der Ausg. von Cic. de imp. Cn. Pomp., Lips. 1834, S. 179): hane Mittorpianî scrip- turam quominus quis genuinam putet, ipsum vocabulum opera ob- stat, quod vel maxume manum interpolatricem redoleat fällt in sich zusammen.

Die Lesart der anderen Handschriften ist wohl, wie Sauppe derzeit äuBerte, entstanden, weil man die richtige ohne Kennt- niß der Stelle des Appian sich nicht zu erklären wußte. Die Bedenken, welche v. Leutsch gegen den Gebrauch des Ausdrucks concesserant in dem geforderten Sinne bei Cic. hat, vermag ich nicht zu theilen. Cfr. in Catil I $ 17: si te parentes timerent atque odissent, ... ab eorum oculis aliquo concederes, de div. II 20 coeli distributio docet, unde fulmen venerit, quo concesserit. Weit bedenklicher ist die in der Vulg. befindliche, durch die Lesart des Col. beseitigte Ausdrucksweise qui se .. . collegerant, an der schon Benecke l. l. AnstoB genommen hat und die schwerlich durch eine treffende Parallelstelle zu belegen sein wird.

Kiel. C. Fr. Müller.

32. Anthol. Lat. I n. 37 R. (Additamentum ad vol. XLVI p. 635)

Quod in disputatiuncula ad interpretandum epigramma, quod Luxorii amicus aliquis de titulo Luxor cum versibus com- posuit, scripta etin Philologi volumine superiore edita suspicatus eram, indicasse epigrammatis auctorem picturam tituli, in qua duae Victoriae repraesentatae fuerint clipeum vel tabulam, cui Luxorii nomen inscriptum erat, gestantes, hoc nune novo argu- mento eoque tam luculento et locupleti confirmari ae demonstrari potest, ut, si quae esse potuerit dubitatio, ea omnis tollatur oporteat; quod argumentum quamquam tum invenire potuissem, tamen me fugerat, sicuti fugit ceteros omnes, qui typum illum obvium com- memorarunt; neque vero nimis me piget eius non revocasse me- moriam, cum nunc primum genuina forma sit editum; nec saltem ei, quibus illud ipsum innotuit, nostri epigrammatis mentionem fecerunt,

Miscellen. 765 Accuratissima enim et splendidissima editione nuper Berolini apud G. Reimerum I. Strzygowski publici iuris fecit picturas eas, quibus codices ornati erant, qui exhibent Chronographum anni 354 qui dicitur. Cuius laterculi pagina prima, quam descriptam habes in Corporis Inscriptionum Latinarum voluminis primi pa- gina trecentesima tricesima altera, nunc primum sine interpola- tionibus ex codice Barberiniano exstat etiam in Bruxellensi et Vindobonensi in libri, quem modo laudavi, tabula tertia expressam accepimus, figurarum compositionem ostentat ei, quam in Anthologiae epigrammate significari opinor, simillimam. Nam Genii vel Cupidines duo alati tabulam quadratam tenent, qua libri huius cotidiano usu destinati dedicatio legitur, cum librarii seu potius scriptoris calligraphi nomen (Fu|rius | Dions|sius || Flo | calus | titu | lavit || cf. Strzygowski p. 28 sq.) in triangulis duabus ansis exstet, quae lateribus sunt affixae. Summa igitur huius pieturae medio fere saeculo quarto (cf. l. l. p. 99), quo percre- bruisse typum illum demonstravi (cf. vol. XLVI p. 684 ed. Strzygowski p. 102), compositae cum Luxoriani codicis titulo, qualem ego interpretatus sum, ita consentit, ut si pro maribus feminas ponas et inscriptionis ipsius verba commutes, hunc ipsum titulum ab epigrammatis auctore descriptum esse fingere possis.

Gothae. R. Ehwald.

33. Flaviana. V. Historische Kleinigkeiten.

6. Die Consulatsdesignationen der Flavier.

Abgesehen von den J. 69 und 70 wurde Vespasian stets in den Frühjahrskomitien der den Consulaten unmittelbar vor- angehendem Jahre designirt. Dies lehrt für d. J. 71, 74, 75, 76 also für die Jahre, wo die Designation in die Zeit des un- mittelbar vorangehenden Consulates fiel, ein Blick auf die De mag. Flav. S. 21 ff. zusammengestellten inschriftlichen Denkmäler. Im J. 72 war Vespasian noch als designirter Censor, also im November " nur cos. III ?). Da er aber vor dem 1. Juli 78 als cos. IIII design. V erscheint, füllt die Designation in den Marz d. J. 73. Im J. 77 ist Vespasian noch am 29. Juli nur consul VIII?), als cos. [VIII des.] VII[II] erscheint er nach

1) D. mag. Flav. S. 19. 2) Ebenda S. 22, worauf auch fürs Folgende verwiesen wird. 3) CIL II 1428.

766 Miscellen.

einer durch den Raum gebotenen Ergünzung auf dem Meilen- steine im CIL V 7987 nach dem 1. Juli 78 und wenn auf den stadtrômischen Denkstein der Titischen Briiderschaft bei Gruter (S. 243, 5) Verlals ist, auch vor dem 1. Juli d. J. 78. Die In- schrift im CIL VI 934, die dem Gruterschen Steine entsprechen soll: [imp. caesari] | Vespasiano Augusto | pontifici maxim[o] tribunic. potestate VILII] | imp. XVII. p. p. | cos. VIII. de- sign. VIIII. censori | hat eine falsche Nummer der Imperator- akklamationen?. CIL X 3829 ist wohl Z. 5 cos. VIII | [des. IX ce]n[s]or zu ergänzen.

Titus war i. J. 73 vor dem 1. Juli schon designirt für den 1. Januar 74°), als cos. IV desig. V erscheint er i. J. 75 schon im ersten Halbjahre 9).

Auch Domitian ist zu seinen ordentlichen Consulaten in den Frühjahrskomitien der den Consulaten unmittelbar voraufge- hendem Jahre bestimmt worden ") Auch zum vierten Consulate wurde er wahrscheinlich schon im Frühjahre d. J. 75 designirt. Denn würe er erst nach dem 3. November bestimmt worden, so würde die Kunde davon schwerlich vor Ablauf des Jahres bis nach Tiflis im Kaukasus gedrungen sein. Eine zwischen Tiflis und Metskhéta, 6 Kilometer von letzterer Stadt gefundene grie- chische Inschrift ) führt aber Domitian als cos. III des. III auf neben Vespasian tr. pot. VII imp. XIV cos. VI des. VII Titus tr. pot. V cos. IV des. V (a. 75 Juli December) Do- mitian wird also mit Vater und Bruder im März d. J. 75 de- signirt worden sein.

7. Die vermeintliche neunte Consulats- designation des Titus.

Wie bei Vespasian auf einer helvetischen Soldateninschrift nachflavischer Zit ®) cin zehntes Consulat erscheint, so führen mehrere Münzen une cine Inschrift anscheinend auf ein neuntes Consulat des Titus. Nicht in Betracht kommt die subärate Münze des Pariser Münzkabinets, von der Cohen S, 454 (z. T. 303) spricht ?). Dagegen scheinen die beiden Großerze !‘), wel- che ein neuntes Consulat des Titus verzeichnen, nicht unecht zu sein. Doch stimmt bei T. 329 das cos. VIIII des. des Reverses nicht zu dem cos. VIIII des Averses. Indes kónnte man diesen

4) D. mag. Flav. S. 23.

5) T. imp. Caes. A[u]g. f. imp. IV cos. II | desig. III | Domitiano Caes. Aug. f. cos. [II] vgl. D. mag. Flav. S. 22.

6) CIL VI 1232.

7) lournal Asiatique Ser VI. t. 13 (1869) S. 96.

8) Wilm. exempl. inser. lat. 1584.

9) Tr. p. IX. imp, XV. cos. VIII. p. p.

10) T. 329: Imp. T. Caes. Vesp. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. VIIIT| tr. pot. If. cos. VIIII. des. p. p. s. c.

ni

| Miscellen - | (°° ie

Widerspruch durch den Hinweis zu lósen suchen, dai der Re vers nach Inschrift und Bild die Pallas ist auf Domitians-. münzen ganz gewöhnlich dem Domitian anzugehören scheint (vgl. D. 608, 604), da& also, wie mehrfach, nicht zusammenge- . hórige Stempel verwandt worden seien. Doch liegt schon hierin eingeschlossen, daß T. 329 frühestens in der Zeit Domitians ge- prägt worden ist. Was die Münze der jüngeren Domitilla an- geht so ist der Revers derselben genau gleich dem Reverse der anderen Münzen mit dem 8. Consulate !!), so daß das VIIII Irr- thum des Münzmeister (oder auch nur Cohens) zu sein scheint, Die beiden Münzen erwecken also kein großes Vertrauen, doch erinnert sich vielleicht der Leser der cyprischen Inschrift mit der neunten Designation des Titus !?. Ich habe nun zwar schon oben erklärt '*), wie eine solche falsche Annahme auf Cypern leicht entstehen konnte. - Indes will ich zum Beweise daß es wirklich ein Irrthum ist hier die Momente kurz zusammenstellen, welche gegen ein neuntes Consulat des Titus und gegen eine erneuerte Designation desselben sprechen.

Ich brauche wohl nicht daran zu erinnern, daß die Fasten keine Spur bieten '*), und daß Sueton in seinen Nachrichten über die Consulate der Flavier von einem neuhten Consulate des Titus nichts weiß. Ich will auch nicht anführen daß neben der zehnten tribunizischen Gewalt (1. Juli 80—81) nur cos. VIII erscheint !°), denn man könnte einwerfen daß Titus ausnahms- weise im November d. J. 80 für 81 oder im Januar 81 für 82 designirt werden sei. Entscheidend sind die Münzen selbst. Es ist undenkbar, daß von den über 170 Nummern, welche Cohen aus der eigenen Regierung des Titus anführt, nicht wenigstens einige der Zeit vom November 80 bis 13. September 81 ange- hören. Diese Münzen müßten, da Titus seine achte Designation im November und Dezember d. J. 79 auf Münzen erwähnt 19), die vermeintliche neunte Designation oder. das vermeintliche neunte Consulat ebenfalls nachweisen. Es findet sich aber nichts derartiges weder auf Münzen noch auch auf Inschriften. Von einem neunten Consulate des Titus i. J. 81 oder einer neunten Designation desselben für 82 ist also Abstand zu nehmen. Al- lerdings ist merkwürdig, daß Titus in seiner eignen Regierung die Tendenz seines Vaters die Eponymie des Kaiserjahres ans Consulat zu knüpfen aufgiebt, und daß sie erst- Domitian wie- der aufnimmt. Aber dies stimmt ganz gut zu dem Charakter

11) Domit. jeune 2: ve ee Domitilae s. p. q. s. | Imp. T. Caes. Divi Vesp. f. Aug. p. m. tr. p. p. p. cos. VIIII. Domit. jeune 1.

12) Bullétin de correspond. hellén. III 1879 S. 171 diese Zeit- schrift XLIV. Bd. S. 118.

13) A. a. O. S. 118.

14) Klein Fasti consul. a. d. J.

15) D. mag. Flav. 8. 24.

16) Ebenda S. 17.

764 Excerpte und Mittheilungen.

des Titus, der als Kaiser sich vielfach humaner zeigte als er unter »inem Vater gewesen war. Und daß die Freigabe des Consulates ein Akt des Entgegenkommens gegen die vornehmen Rinner war, braucht bei dem überwiegenden Ansehen des Con- sulats auch noch in dieser Zeit nicht erst bewiesen zu werden. Bemerken will ich nur noch, daB der Beiname ‘Liebe und Wonne des Menschengeschlechts’ dem Titus wohl nur deshalb zu Theil geworden ist, weil er, von dem man nach seinem Verhalten unter der Regierung Vespasians das Schlimmste gefiirchtet hatte, als Kaiser sich bemühte, den Menschenfreund zu spielen.

Koln. A. Chambalu.

Excerpte und Mittheilungen.

Ein neuer Katalog der Athos- Handschriften, Endlich veröf- fentlicht Sp. Lambros seinen lang erwarteten Katalog der Kloster- Bibliotheken vom heiligen Berge ; doch ist der vorliegende erste Theil (I 1 Athen Pappageorgios 1888) nur eine Abschlagszah- lung, deren Fortsetzung in Frage gestellt würde, av dev evge- Docu cogakuc rie péru ngog Erdoosw 100 01ov was sehr zu bedauern wäre Der auf die klassische Zeit gerichtete Philo- loge wird sich freilich hier ähnlich enttäuscht sehen, wie Rühl in den sieilischen Bibliotheken; die wenigen einschlagenden Num- mern (v. B. 232, 8 Lucian; 331, 8. 552, 3 Homer; 590 Plu- tarchen), haben schwerlich selbständigen Werth. Eine genaue Untersuchung verdienen die Gmomensammlungen (480, 2. 645, 2,654. 777, 17), sowie die Excerpte aus lexikalischen und grammatischen Schriften (z. B. 512. 627, 10. 660 f. 776, 12. 80 ['Ryrill] 787) Der Lówenantheil entfällt auf die kirch- liche und profane Litteratur der Byzantiner; werthvoll erschei- nen zB. die Sprichwiirter- und Räthselsammlungen (578, 24) und sonstigen Beiträge zur byzantinischen Folk- lore (2, 10—12; 9, 27; 776, 3), Sammlungen von Martyrien, Legenden, die m. W. noch ungedruckte Augustinübersetzung des Planudes (561. 726. 769: vgl Gudemann de Ovid. Heroid. cod. Plan, p. 1!) u. A Cr.

The Academy 1888, 28 August. 4. Cunningham: The Indo- Greek kings Straton and Hippostratus, Bedenken gegen die An- nahme des Dr. Hirnle ( Proceedings of the Asiatic Society af Bengal ISSS\, daß die indische Namensform ZÀratasa und Hip- pothrata gewesen. sei.

Anzeiger für Schweizerische Alterihumskunde, 1838. Nr. 1. Januar. Gresat: Funde in einem Dolmen in der Nähe von Sion oder Sitten , Wallis: Steinwerkzeuge, wie sie bei den Opfern gebraucht wurden, Axt, Keile, Messer. Heierli: Vorrimische . Gräber im Canton Zürich Fortsetzung‘.

Register.

I.

Aegrit. Perdic. v. 251

Aeschyl. Suppl. 55 55

Alcae. fr. 41 (31) ed. Bergk Anacr. c. 21-32 Anthol. Lat. 1 n.37 ed. Riese

Anton. Lib. S. 202, 7 ed. West.

LLL LL EEE NT

203, 203, 203, 205, 206, 208, 1 208, 210, 5 211, 3 211, 212, 212, 214, 215, 216, 7 218, 6 218, 219, 221, 224, 228, 228, 229, 230, 2 281, 232, 4 233, 234, 3 235, 1

Philologus.

N. F. Ba. I, 1

162 234

Stellenverzeichnis.

Anton. Lib. 8. 288, 3 762 Appian. b. c. 2, 121 169 170 2, 126 169 2, 147 169 Apul. Apol. 2 p.4, 6ed. Krüger 290 21 p. 29, 18 819. 22 p. 30, 17 819 55 p. 64, 27 819 : 74 p. 85, 2 $27 88 425 Met. 1, 18 448 -- 9, 26 448 11, 9 p. 210, 18 ed. Eysse enh. 278 Aristid. or. 3 p.858 D. (39.Canter.) 875 Tp. 71 ( 876 8 p. 93 (97) 876 13 p. 269 ety 876 14 p. 330 (354 976 15 p. 878 (402) 871 17 p. 405 (438) 877 19 p. 428 (455 877 21 p. 488 (471 877 22 p. 440 (478) 877 23 p. 450 87) 877 24 p. 481 (537 877 25 p. 488 (547 977 26 p. 505 (578 877 27 p. 535 (619) 877 29 p. 559 (13) 877 80 p. 588 (16) 877 31 p. 595 (7) 878 83 p. 611 (87 878 34 p. 642 (124 878 88 p. 723 (903) 878 42 p. 772 (808) 878 49

770

Aristid. or. 48 p. 800 (344)

45 p. 2 (5

46 p

159 (195)

Aristoph. Av. 375 0

——1

Cues. bell. Gall. 7, 47, 1 Capitol. v. Maxim. duo 35

1080 1212 1437 1579

Lysistr. 720—725 fr. 523 p. 525 K. Avian, 28, 7

Babr. syll. II 36. 41

54, 8

Call 68, 19 Cicer.

Petree rti LE HE ddd ad

iti bert dary g g gl lg

de invent. 160

164 167

Part. orat. 3

38—-39

40.44—46

I Stellenverzeichnis.

378 | Cicer. Part. orat. 96 433 | 98

483 | 99

371|— 101

757 | 102

343| 104

370| 105

756| 106

372 | 107

755| 111

207 | 113

399: —.— 116

396| 117

393: 120

677! 194

559 126

241 130

171.— 182

171; 133

171 134

171! 137

991. 140

299 de divinat. 1, 9, 15 292: de imp. Cn. Pomp. 24

292 | pro Ligar. 1 293 Cornif. ad Heren. 3, 3

3,4 295 Cratin. Archil. fr. 4 p. 12 K.

296 fr. 5

296 fr. 18 p. 18

296 fr. 60

296 Chiron. fr. 245 p. 88 297 Eunid. fr. 32

298 Hor. fr. 252 p. 89. 299 Malthac. fr. 102 p. 46 300; Nom. fr. 128 p. 58 300: Odyss. fr. 146

301: Panopt. fr. 151 p. 60 301 fr. 153

301 | Pylaeae fr. 176 p. 67 302, - Pytin. fr. 183

302: fr. 195 p. 72 302| fr. 196 p. 72

303 Thraess. fr. 80 p. 37 303 | Inc. fr. 279 p. 95 304 | fr. 290 p. 97 304: fr. 294 p. 98

304 | -- fr. 298

304 ' fr. 805 p. 101 305 fr. 349

305 | fr. 442

305 ; fr. dub. 460

905 : Cratis Ther. fr. 14 p. 193 305 | fr. 29, 3

305! Demosth. de coron. 2 305 , 12

306 18

I.

Demosth. de coron. 19. 22 25. 28 432 Dio Cass. 44, 10 169 44, 50 169 45, 6 169 Dio Chrysost. or. II p. 19, 25

ed. Dind. 24 p. 22,2 24 p. 28, 32 24 III p. 48, 1 24 p. 51,7 24 p. 62, 18 24 IV p. 82,5 24 Vp. 91,5 24 VI p. 96, 17 24 XII p. 225, 6 24 XVI p. 270, 5 24 XX p. 290, 27 24 XXI p. 301, 3 24 XXII p. 306, 19 24 XXXI p. 393, 30 24 XXXV p. 45, 16 24 XLV p. 118, 4 52 XLVI p. 127, 27 52

XLVII p. 185, 31

LXXIX p. 286, 22 52 Heracl. fr. 1 B 599 fr. 4 B. 230 fr. 38 B. 226 fr. 65 B 210 fr. 81 B. 417 Hom. hym. (4) és ‘Agpoodimy

. 11-13 14 v. 30 15 v, 90—91 16 v. 104 17 v. 126—130 17. 18 v. 137. 237 19 v. 276 _20 hym. (7) sic 4ióvvoov v. 28 20 v. 55-57 21 (11) eig ‘49nvàv 15 XXIX. XXX. XXXI 208 v.l 22 v. 17-19 22 hym. (82) eis Zeinvnv v. 10 23 Hygin. fab. 152 329 Iustin. 2, 9, 15 643 37, 3, 7 643 Iuvenal. 1, 115 321 2, 108 325 3, 46 327 5, 84 323 5, 108 325 5, 115 323 5, 146—148 176 6, 237 826

LA— ———————————————————————————M M ——— M vs M —— A M

Stellenverzeichnis.

481 | Juvenal. 7, 41

13, 40

18, 180

Laert. Diog. 2, 22

9, 12

Lamprid. v. Comm. Ant. 13

v. Anton. Heligab. 11, 2

Liv. 7, 2, 4

7, 30, 11

Manil. 5, 546

Mela 1, 22. 23

1, 43—48

3, 103

Orphica fr. 109 ff.

Pherecratis Chiron. fr. 145, 4

fr. 153 p. 193

Coriann. fr. 79 p. 166

Petal. fr. 140 p. 186

Tyrann. fr. 144 p. 187

Inc. fr. 166 p. 196

fr. 174

fr. dub. 249

250

Photius II 55 N.

Pindar. Olymp. VI

Plin. N. H. 5, 43 46

Plutarch. Brut. 20

Sappho. fr. 1 ed. Bergk

Senec. Controv. 2, 1 (9) 10 p. 157, 19

2,

2, 1 (9

2,

2,

17 p. 161, 17 19 p. 162, 14 22 p. 165, 1 2, 27 p. 167, 1 2, 1 (9), 37 p. 172, 2 ‚3 (11), 20 p. 192, 6 4 (12), 9 p. 199, 8 9 (13) p. 211, 16

7 praef. 3 p. 294, 11 7, 1(16), 10 p.308, 12 7, 6 (21), 9 p. 315, 15 10, 2 (31), 16 p. 482, 14 10, 2 (31), 18 p | 483, 3 10, 4 (33) p. 501, 22 10, 34 p. 514, 3

Excerpt. Controv. Hp. 246,4 Spartian. v. Anton. Caracall.

ee BO 99 po

Suet. Iul. 5

52

85

Terent. Adelph. 643 Theocrit. Idyll. 17 Theophr. Char. 7 28

Tibull. 2, 4, 5

49 *

1(9)12p.159,5 178.

772 IL.

Tibull. 2, 4, 12 318 2, 4, 27—81 379 2, 4, 35—38 381

Tibull. 2, 4, 43 Tyrtaei fr. 11, 37 ed. Bergk 598 Valer. Mazim. 9, 9, 1

Sprachliehes und Sachliches.

882 169

II. Sachliches und Sprachliches.

Abydos (Aegypten) p. 350. Accent-Choliamben ? 387. Achmin 349. Aemilius Macer: Rob. Unger, Ae- milii Macri Theriaeon fr. duo 555. aeolipilae 49. Aeschylos: C. Haeberlin, Zu Ae- schylos 234. Ayon 27- 31. 35. Aithiopenmythen 92, 328, 575. Alcaeus: R. Ellis, Ad Alcaeum (fr. 41 ed. Bergk) 91. Alexander Polyhistor: G. F. Un- ger, Die Bliithezeit des Alex. Polyb. 177. Alexandrien 344. Alterthiimer: H. C. Maué, Die hastiferi von Castellam Mattiaco- rum p. 487. Metellus Meyer, Geschichte der legio XIV gemina p. 653; Entstehung ders., ihre Beinamen u. ihre Insigne p. 653; Die verschiedenen Stationen ders. und die Dauer ihres Aufenthal- tes in derselben p. 658; Thaten und Schicksale der legio von Augustus bis auf Diocletian p.665. A. Mommsen, Die zehn Epo- nymen und die Reihenfolge der nach ihnen benannten Phylen Athens p. 449. A. Müller, Die neueren Arbeiten über Tracht und Bewaffnung des rém. Heeres in der Kaiserzeit p. 514, 721: L. Beck, Die Geschichte des Ei- sens in technischer u. kulturge- schichtlicher Bedeutung p. 514; Jac. Becker, Die rôm. Inschriften und Steinsculpturen des Mu- seums der Stadt Mainz p. 515; O. Benndorf, Antike Gesichts- helme u. Sepulcralmasken p. 721; Bruce, Lapidarium septentrionale, or a description of the monu- ments of man rule in the

. n———————————————————————————————X————'!ÁÉÉ <<

Nord of England p. 514; dl Conze, Röm. Bildwerke einhei- mischen Fundorts in Oesterreich p. 514; Aug. Demmin, Die Kriegs- waffen in ihrer historischen Ent- wickelung p. 514; E. Desjardins, Monuments epigraphiques : du musée national Hongrois p. 515; Alf. *. Domaszewski, Die Fahnen im römischen Heere; ders. Grab- stein eines Centurio aus Carnun- tum p. 515; H. Düntzer, Ver- zeichniß der róm. Alterthümer des Museums Wallraf- Richartz in Kóln p. 515; F. Haug, Die róm. Denksteine des Großherzog- lichen Antiquariums in Mann- heim p. 515; Feliz Hetiner, Ka- talog des Königl. Rhein. Mu- seums vaterlindischer Alterthü- mer in Bonn p. 515; E. Hübner, Zur Bewaffnung der róm. Legio- nare p. 515; ders. Die Beinschie- nen der róm. Legionare p 516; ders. Róm. Schildbuckel p 721; Maz Jühns, Handbuch einer Ge- schichte des Kriegswesens p. 514; Fr. Kenner, Róm. Grabstein aus Carnuntum p. 515; O. Kohl, Die röm. Inschriften und Steinsculp- turen der Stadt Kreuznach p.515; L. Lindenschmit, Die Alterthü- mer unserer heidnischen Vorzeit p. 915; ders. Tracht und Bewaff- nung des róm. Heeres wührend der Kaiserzeit p. 515; ders. Be- merkungen überdas Pilum p.721; Joachim Marquardt, Das Militär- wesen p. 514; A. Müller, Sepul- cralmonumente röm. Krieger p. 915; ders. Studien zur Lehre von der Bewaffnung der rdm. Legionen p. 516; Aug. Weoker- ling, Die róm. Abtheilung des Paulus-Museumsder Stadt Worms

II. Sprachliches

p. 515; H. Weiß, Costümkunde p. 514; C. Zangemeister, Glan- des plumbeae p. 721. W. Schmid, Das steinerne Dionysos- theater in Athen p. 578.

Anakreon: O. Crusius, Zu den Ana- kreonteen p. 235: 1) Die Schluß- linge im Anakleomenos u. Ana- kr. 2250 p. 235; 2) Entstehungs- zeit von Anakr. 21—82 p. 236.

Andromedasaye y. 92.

Annona und Ceres August. p. 570.

antelogium yp. 47.

Anthol. Lat.: R. Ehwald, Anth. Lat. 1, n. 87 ed. Riese p. 764.

Antoninus Liberalis: H. Martini, Zu Antonin. Liberal. p. 760.

apiacus p. 48.

Apollo Kitharódos vergl. Archaeo- logie.

Apuleius: O. Crusius, Vorlagen der Apulejanischen Metamorphosen p. 448; ders. Entstehungszeit u. Verfasser von Ps.- Apuleius de orthographia p. 434. M. Pet- schenig, Zu Apuleius p. 278; 290; 319; 327; 428.

Archaeologie: O. Crusius, Thier- fabeln auf antiken Bildwerken p. 185; Otto A. Hofmann, Apollo Kitharódos p. 678; W. A. Ro- scher, Die sogen. Pharmakiden des Kypseloskasten p. 703; W. Schmid, Das steinerne Dionysos- theater in Athen p. 573.

archisacerdos p. 51.

Aristides, W. Schmid, Emendatio- num ad Aristidem specimen p.375; alterum specimen p. 438.

Aristophanes: O. Bachmann, Zu Aristoph. p. 343; 370; 755. Th. Zielinski, Eine Reform des Aristoph. p. 25.

Assuan p. 355.

astrolapsus u. astrolapsum p. 50.

Augusteus p. 50.

Aviunus: Crusius, Av.28, 7 p. 899.

Babrius: Th. Bergk, Babriana p. 885. B. u. Anakr. p. 239.

Bachmann, O., vergl. Aristophanes, Grammatik.

Baran, vergl. Geschichte.

Bauer, A., vergl. Geschichte, Por | seidonios, Plutarch.

Beck, L., vergl. Alterthum.

Becker, J. vergl. Alterthum.

Belling, H., vergl. Tibull.

cryptoporticus p. 50. Darmatetier, vergl.

| Deiter, H., vergl. Caesar, Cicero.

und Sachliches. 178 Beloch, vergl. Geschichte: Benndorf, O., vergl. Altertham. Bethe, E., vergl. Porphyrios. betizare p. 49.

Bibliothek: Fr. Rühl, Bemerkun- gen über einige Bibliotheken von Sicilien p. 577; su Messina p. 577; zu tania p. 588; zu Syrakus p. 585.

bschnsum p. 47.

Blaf, vergl. Geschichte.

Boeckh, A., vergl. Geschichte.

Bornemann, L., vergl. Pindar.

Bruce, vergl. Alterthum.

Brunet, vergl. Geschichte.

Bünger, vergl. Geschichte.

Busolt, vergl. Geschichte.

Caelius Rhodiginus p. 448 ff.

Caesar : H. Dinter, Zu Caesar p. 677.

cerebrismus p. 51.

Ceres August. p. 570.

Chambaiu, A., vergl. Geschichte.

Chattenzug des Domitian p. 871.

Choliamben p. 381.

Christiansen, vergl. Geschichte.

Cicero : H. Dinter, Zu Cicero p. 677 ; W. Friedrich, Zu Ciceros Parti- tiones oratoriae p. 291; C. Fr. Müller, Noch einmal Cic. de imp. Cn. Pompei $ 24 p. 762; Ed. Stroebel, Zu Cic. de inven- tione p. 170; 172; C. Wagener, Zu Cio. pro Ligar. § 1 p. 551.

Cinna: L. Schwabe, Der Tod des Dichters Helvius Cinna p. 169.

collicrepida p. 46.

Comoedia: O. Crusius, Coniect. ad comoediae antiquae fragm. p. 88.

computista p. 51.

concellita p. 51.

congiarium p. 570.

consistere 491.

Constantin: E.Klebs, Das Valesische Bruchstück zur Gesch. C.'s p. 58

Conze, A., vergl. Alterthum.

Cornelius Neposim Mittelalter p.567.

Cornificius: Ed. Stroebel, Zu Cor- nificius ad Herennium p. 171.

Cron, Chr., vergl. Heraklit.

cruricrepida p. 46.

Crusius, O., vergl. Anakreon, Apu- leius, Archaeologie, Avianus, co- moedia, #floc, Homer, Inschrif- ten, Sprichwörter.

Geschichte.

774

Ahlsos xolvufinnis scrips. O. Cru-'

sius p. 382. Demmin, A., vergl. Alterthum.

Demosthenes: W. Schmid, Zur Kri- : tik u. Exegese der Kranzrede!

p. 426. denarismus p. 51. Denderah p. 350. dentharpaga p. 49. Derketosage p. 93—95. Desjardins, verg). Alterthum. dextrocherium p. 50.

Domaszewski, A.v., vgl. Alterthum.

Domitian,

Chattenzug desselben . 571. Dio Chrysostomus: W. Schmid,

specimen I p. 24 et specimen

Emendationum ad Dionem Chr. |

IL p. 52.

Dionys v. Halicarna8: E. Graf, |

Dionys. v. Halic. über die Laut-

bildung (V 14) p. 758. Dionysostheater in Athen p. 573 Dubois, vergl. Geschichte, dulice p. 46.

Duncker, M., vergl. Geschichte. Düntzer, H., vergl. Alterthum. Edfu p. 355.

Egelhauf, vergl. Geschichte. Ehwald, R., vergl. Anthol. Lat. Ellis, R., vergl. Alcaeus. Emminger, vergl. Geschichte.

Ephemeris epigraph. vgl. Alterthum.

Esneh p. 355.

Etymologie: J. Mühly, omen p. 568.

euroaquilo p. 51. euroauster p. 51. eurocircias p. 49.

Eufiner, A., vergl. Aegritudo Per-

diccae, Livius. Fubein, vgl. Thierfabeln. facteon p. 48. ferritribaz p. 47. flagritriba p. 47. Focke, vergl. Geschichte. Frünkel, A., vergl. Geschichte. Jratrissa p. 52. Friedrich, W., vergl. Cicero. Geiger, vergl. Geschichte. Gehlert, vergl. Geschichte.

Geschichte: A. Chambalu, Flaviana

P 569 u. 765: 1) Spanien im ahre 70 p. 569; 2) Annona u. Ceres August. p. 570; 8) Con- giarium p. 570; 4) Konsekration es Vespasian Anfangs des Jah- res 80 p. 571; 5) In welchem

IL Sprachliches und Sachliches.

Jahre unternahm Domitian sei- nen Chattenzug ? p. 571; 6) Die Consulatsdesignationen der Fla- vier p. 765; 7) Die vermeintliche neunte Consulatsdesignation des Titus p. 766. E. Klebs, Das Valesische Brucbstück zur Ge- schichte Constantins p. 53. G. F. Unger, Die Blüthezeit des Alexander Polyhistor p. 177; ders. Die Regierungszeit des Hie- ronymus v. Syrakus p. 183; ders. Die Großthat des Aristophon p. 644. A. Wiedemann, Die Ehe des Ptolemaeus Philadelphus mit Arsinoe I[ p. 81; ders. Die Forschungen über den Orient p. 944: 3) Geschichte a) Chro- nologie p. 357; b) Politische Ge- schichte p. 359; c) Kulturge- schichte p. 364; d) Kunstge- schichte p. 366; e) Religion p. 367. H. Landwehr, Die For- schungen über die griech. Ge- schichte p. 108: Das Perikleische Zeitalter p. 108; Der Pelopon- nesische Krieg p. 123; Chrono- logische Uebersicht der Jahre 410—404 p. 140; Die Zeit des nationalen Niederganges p. 141; Alexander der Große p. 152; Der Hellenismus p. 157: Baran, Zur Chronologie des euboeischen Krieges p.142; Bauer, Die Hine richtung der 1000 Mitylinaeer p. 124; Beloch, Zur Finanzge- schichte Athens p. 109; ders. Die bevölkerung der griech.-rö- mischen Welt p. 109; ders. Die attische Politik seit Perikles p. 123; ders. Zur Chronologie der letzten zehn Jahre des pelo- ponnesischen Krieges p. 123; ders. Das Volksvermógen Athens p. 142; ders. Die Errichtung der Phyle Ptolemais p. 157; 2/49, Die sozialen Zustánde Athens im vierten Jahrh. p. 142; Boeckh, Die Staatshaushaltung der Athe- ner p. 109; Brunet, Narration fabuleuse de la vie d'Alexandre le Grand p. 137; Bünger, Zu Xenophons Anabasis p. 142; Bue solt, Zum Perikleischen Plane einer hellenischen Nationalver- sammlung p. 108; ders. Die Kosten des Samischen Krieges

IL. Sprachliches und Sachliches.

p. 108; Christiansen, Beiträge zur Alexandersage p. 157; Darm- stetter , La légende d'Alexandre chez les Parses p. 157; Dubois, Les ligues étolienne et achéenne, leur histoire et leurs institutions p. 158; Duncker, Ein angebliches Gesetz des Perikles p. 108; ders. Der sogen. kimonische Friede p. 108; ders. Des Perikles Fahrt in den Pontos p.109; Egelhaaf, Die kriegerischen Leistungen des Perikles p. 109; ders. Die Schlacht bei Chaeronea p. 142; Emmin- ger, Der Athener Kleon p. 123; Fokke, Rettungen des Alkibia- des: I Die sizilische Expedition, II Der Aufenthalt des Alkibiades in Sparta p. 123; Fränkel, Zur Geschichte der attischen Finanz- verwaltung p. 141; Geiger, Alex- anders Feldziige in Sogdiana p. 152; Gehlert, De Cleomene III Lacedaemoniorum rege p. 157; . Gregorovius, Hat Alarich die Na- tionalgötter Griechenlands zer- stört? p. 158; Gruviere, Les cam- pagnes d'Alexandre p. 152; Gui- raud, De la condition des alliés pendant la première confédéra- tion athénienne p 108; Hanssen, Ueber die Bevölkerungsdichtig- keit Attikas u. ihre politische Bedeutung im Alterthume p. 109; A. ‘Id ou uevoc, 'H dien tov lv Agyivovocis otoatgyuv p. 124; Hill, Der achaeische Bund seit 168 v. Chr. 157; Hack, Zur Geschichte des zweiten athe- nischen Bundes p. 141; Holm, Das alte Syrakus p. 124; Klatt, Chronologische Beitrüge zur Ge- schichte des achaeischen Bundes p. 157; Koepp, Ueber die syri- echen Kriege der ersten Ptole- maier und den Bruderkrieg des Seleukos Kallinikos u. Antiochus Hierax p. 158; ders. Die Gala- terkriege der Attaliden p. 158; Laroque, La Grece au sciecle de Periclès p. 108; Levi, La lé- gende d’Alexandre dans les Tal- mud et le Midrasch p. 157; ' Liibke, Observationes criticae in | historiam veteris Graecorum co- moediae p. 108; Malden, Alex- ander in Afghanistan p. 153; :

775

Mangelsdorff, Za Xenophons Be- richt über die Schlacht bei Ku- naxa p. 142; Müller - Strübing, Das erste Jahr des peloponnesi- schen Krieges p. 123; Neumeyer, Aratus v. Sikyon p. 158; Pflugk- Hartung, Perikles und der sa- mische Krieg p. 108; ders. Pe- rikles als Feldberr p. 109; Phi- lippi, Alkibiades, Sokrates, Iso- krates p. 124; Pohlmann, Recens. von Pflugk-Hartung, Perikles als Feldherr p. 109; Reinach , Ob- servations sur la chronologie de quelques archontes athéniens po- stérieure è la CXXII olympiade p. 157; Rauf, Zu Xenophons Anabasis p. 141; dhl, Der letzte Kampf der Achaeer gegen Nabis p. 157; Schaefer, A., Demosthe- nes u. seine Zeit p. 1429; ders. Das makedonische Königthum p. 152; Schenkl, Zur Geschichte des attiechen Bürgerrechts p. 109 ; K. Schneider, Olympias die Mut- ter Alexanders des Großen p.158; Schuffert, Alexanders des Grofen indischer Feldzug p. 153; Seibt, Beurtbeilung der Politik, welche die Athener wührend des the- banisch - spartanischen Krieges befolgt haben p. 142; Spangen- berg, De Atheniensium publicis institutis aetate Macedonum com- mutatis p. 157; Stahl, Eine an- gebliche Amnestie der Athener p. 124; v. Stein, Geschichte der spartanischen und thebanischen Hegemonie vom Kônigsfrieden bis zur Schlacht bei Mantinea p. 141; Szanto, Plataeae und Athen p. 123; Unger, Pyrrhus und die Akarnanen p. 157; Wachsmuth, Zur Geschichte des attischen Bürgerrechtes p. 109; ders. Oeffentlicher Credit in der hellenischen Welt wührend der Diadochenzeit p. 158.

glandionida p. 46. Graf,vergl. Dionys von Halicarnaß, Grammatik : O. Bachmann, ôvrwç

in der Komódie p. 187. Fr. Hanssen, Die Aktivbildung der Adjektiva auf -bilis im archai- schen Latein p. 274: 1) Adjek- tiva auf -bilis mitechter Passiv- bedeutung p. 274; 2) Adjektiva

776 II. Sprachliches und Sachliches.

auf -bilis, die sich der Aktiv-| venal p.176. J. Jessen, Witz bildung nähern p. 279. O.| und Humor im Iuvenal p. 320. Weise, Ein Beitrag zum Vulgir- | Kenner, Fr., vergl. Alterthum. latein p. 45; Eigennamen mit | Klatt, vergl. Geschichte.

dem griech. patronymischen Suf- | K/ebs, E., Das Valesische Bruch- fix p. 46; Wortzusammensetzun- | stück zur Geschichte Constantins gen p. 46; 47; Griech. Suffixe| p. 53; vergl. Petronius; Scrip- bei rein latein. Ausdrücken p.47; | tores Historiae Augustae. Wörter auf -ismus p. 48; auf Koepp, vergl. Geschichte.

-ista p. 48 ; auf-issa p. 49; auf-icus | Kohl, O., vergl. Alterthum.

p. 49; Verba auf-izou.-isso p.49. | Kypria: R. Peppmiiller, Zu den

granomastiz p 50. Kypria p. 552. Graviére, vergl. Geschichte. | Laroque, vergl. Geschichte. Gregorovius, vergl. Geschichte. : Lasos von Hermione: Makedoni- Gruppe, O., vergl. Mythologie. i sches bei Lasos von Hermione? Guiraud, vergl. Geschichte. ‘Von y p. 186. Haeberlin, C., vergl. Aeschylos, ZLegin XIV gemina vergl. Alterthum. Tyrtaeus, Sappho, Vergil. | Leukotheasage p. 96. Hickermann, A., vergl. Juvenal. | Lévi, vergl. Geschichte. Hamann 423. Lexikographen, gr., p. 205. hamiota p. 46. | lienicus p. 52. Hanssen, v. Geschichte, Grammatik. : /imstrophus p. 51. hastiferi 483 ff. : Linde, S., vergl. Seneca. Haug, Fr., vergl. Alterthum. | Lindenschmit, L., vergl. Alterthum. Heliopolis p. 345. | Livius: A. Eufiner, Zu Livius p.635. Heraklit: Ch. Cron, Zu Heraklit | Lübke, vergl. Geschichte. p. 209, 400, 599. lunaticus p. 52. Hettner, F., vergl. Altertbum. lymphaticus p. 52.

‘Idow usvos, ’A., vergl. Geschichte. | Macer : Rob. Unger, Aemilii Ma-

Hieronymus v. Syrakus: G. F.: cri Theriacon fragm. duo p. 555. Unger, Die Regierungszeit des | Machly, J., vergl. Etymologie, Por- Hieronymus v. Syrakus p. 183.| phyrio.

Hill. vergl. Geschichte. Makedonisches bei Lasos von Her-

Hoeck, vergl. Geschichte. mione? p. 186.

Hoerschelmann, W., vergl. Metrik. | Malden, vergl. Geschichte.

Hoffmann, O.A., vgl. Archaeologie. | Mangelsdorff, vergl. Geschichte.

Holm, vergl. Geschichte. Manilius: Rob. Unger, Manilius 5, holoverus p. 51. 546 p. 8U. holovitreus p. 51. Manius, M., Beiträge zur Ge-

Holzapfel, L., vergl. Thukydides.| schichte róm. Prosaiker im Mit- Homer: O. Crusius, Zu den home- telalter p. 562; Beiträge zur rischen Hymnen p. 208; A. Pepp- | Geschichte röm. Dichter im Mit- miiller, Zu den homerischen Hym- | telalter p. 570. nen p. 13: I) Zum Hymnus auf | manticinari p. 47. Aphrodite p. 13; Il) Zu den | Marquardt, J., vergl. Alterthum.

kleineren Hymnen p. 20. Martini, H., vergl. Antoninus Li- Hübner, E., vergl. Alterthum. beralis. Jühns, M., vergl. Alterthum. Maué, H. C., vergl. Alterthum. Jessen, J., vergl. Iuvenal. Mela: E. Schweder, Die Angaben

Inschriften: R. Peppmüller, Me- über die Vólker von Innerafrika trische Inschrift von Metapont| p. 636. p. 163; O. Crusius und W. M. | melloproximus p. 51. Ramsay, Ad inscriptiones Phry- | Memphis p. 346. gias p. 44 u. 754. mentagra p. 50. Jonalegende y. 93. 94. Metrik: W. Hoerschelmann, Zur Justin: Th. Stang/, Zu Iustinus p. 643. Geschichte der antiken Metrik Juvenal: A. Hickermann, Zu lu-' p. 1: diagopal des Hexameters

II.

p. 1; xatevónliov , Zangıxov, n6- ouodixiv, ónogovOuov, Bovxolixóv, nubenes , Tostouogiov p. 2, 4, 5; Téhesov, nolsnxóv, xliuoxoóv, lu- negiBodov p. 5, 6, 7. R. Pepp- miiller, Metrische Inschrift von Metapont p. 163. Schlußlänge im Anaklomenos 235.

Meyer, Metellus, vergl. Alterthum.

Moiren als Pharmakiden p. 705.

Mirserkeule ihr Attribut p. 706.

Mommsen, A., vergl. Alterthum.

Müller, A., vergl. Alterthum.

Müller, C. Fr., vergl. Cicero.

Mäller-Strübing, vergl. Geschichte.

myobarbum p. 50.

Mythologie: O. Gruppe, Aithio- penmythen: 1) Der phoinikische Urtext d. Kassiopeialegende p. 92; Jonalegende p. 93; Derketosage p. 93; Leukotheasage p. 96; Andromedasage p.92; Phaethon- legende p. 98; Sintfluth p. 99; 2) Die Erzählung des Hygin p. 328. A. Socin, Zu den Ai- thiopenmythen p. 575.

nauta, navita p. 46.

Neumeyer, vergl. Geschichte.

omen p. 568.

Peppmiiller, R., vergl. Homer, In- schriften, Kypria, Metrik.

pernonida p. 46.

Persius im Mittelalter von M. Ma- nitius p.711: a) in Deutschland p. 714; b) Persiuscitate bei fran-

Sprachliches und Sachliches.

777

Plinius : Schweder, D. Angaben über die Völker von Innerafrika p. 636.

Plinius d. J. im Mittelalter p. 566.

Plutarch: A. Bauer, Poseidonios und Plutarch über die rómischen Eigennamen p.242. M. Treu, Zur Ueberlieferung der apoph- thegmata Laconica p. 616.

Pôühlmann, vergl. Geschichte.

Polymnestos p. 40.

Porphyrio : J. Mähly, Zu P. p. 702.

Porphyrius : E. Bethe, Handschrif- liches zu Porphyrius, De antro Nympharum p. 554.

Poseidonios : A. Bauer, Poseido- nios und Plutarch über die ré- mischen Eigennamen p. 242.

Priapus bei Petron p. 629.

Pseudocata p. 49.

pseudocomitatensis p. 51.

pseudoflavus p. 51.

pseudoforum p. 51.

pseudoliquidus p. 51.

pseudothyrum yp. 51.

pseudourbanus p. 49.

pugilice p. 46.

pultiphagus p. 47.

Ramsay, W. R., Ad inseriptiones Phrygias p. 754.

rapacida p. 46.

Retnach, vergl. Geschichte.

Reuß, vergl. Geschichte.

Roscher, W., vergl. Archaeologie.

Rühl, Fr., vergl. Bibliotheken, Be. schichte.

züsischen Schriftstellern p. 716; | sacerdotissa p. 52.

c) Persius in p. 718; d) in Italien p. 719.

Petronius; .E. Klebs, Zur Kompo- sition von Petronius Satirae p.628.

Petschenig, M., vergl. Apuleius.

Pflugk- Hartung, vergl. Geschichte.

Phaetonlegende p. 98.

phalerae p. 525.

phallovitrobulum p. 50.

Pharmakiden des Kypseloskasten vergl. Archaeologie.

Philippi, vergl. Geschichte.

Pindar: L. Bornemann, Pindars 6. olymp. Ode p. 589.

plagipatida p. 46.

Plautus: Griechische Sütze, Re- densarten u. Wôrter p. 45; Ei- gennamen mit dem griechischen

patronymischen Suffix p. 46; | scutriscum

Wortzusammensetzungen p. 46, 41.

Großbritannien | sayochlamys p. 50.

Sappho : C. Haeberlin, Za Sappho p. 598.

satirographus p. 50.

scenofactorius p. 50.

Schadius, Schuchorius 99.

Schaefer, A., vergl. Geschichte.

Schenkl, vergl. Geschichte.

Schmid, W., vergl. Alterthum, Ari- stides, Demosthenes, Dio Chry- sostomus

Schneider, vergi. Geschichte.

Schuffert, vergl. Geschichte.

Schwabe, L., vergl. Cinna.

Schweder, E., vergl. Mela, Plinius.

Scriptores Historiae Augustae: E. Klebs, Zu den Scriptor. Histor. August. p. 559.

p. 47.

Scytalosagittipelliger p. 50.

Seibt, vergl. Geschichte,

778

II. Sprachliches und Sachliches.

Seneca: S. Linde, In Senecam | tramosericus p. 50.

Rbetorem p. 173. 384. Sintfluth p. 99. Socin, A., vergt. Mythologie. Solin im Mittelalter p. 562. Spangenberg, vergl. Geschichte.

Treu, M., Excerptorum Palatino- rum specimen p. 622; vgl. Plu- tarch, Sprichwórter.

triclinium p. 47.

tussicus p. 52.

Spanien im Jahre 70 n. Chr. p.569. | Tyrtaeus; C. Haeberlin, Zu Tyr-

Sprichwörter : Griech. Sprichwör- ter besprochen von O. Crustus p.39 ff. 202, von M. Treu p. 193.

Stahl, vergl. Geschichte.

Stangl, Th., vergl. Iustin.

Stein, v., vergl. Geschichte.

Strübel, Ed., vergl. Cicero, Cornifi- cius ad Herennium.

strumaticus p. 52.

Szanto, vergl. Geschichte.

tablista p. 51.

Tacitus im Mittelalter p. 565.

Theben in Aegypten p. 351.

Theophrast : G. F. Unger, Zu Theo- phrast p. 374.

Thierfabeln auf antiken Bildwerken, von O. Crusius 185.

Thukydides: L. Holzapfel, Die ur- sprüngliche Stelle der Pentekon- taetie im thukydideischen Ge- schichtswerk p. 165.

Tibull: H. Belling, Ad Tibulli elegiam 2, 4 p. 378.

tractogalatus p. 50.

tractomelitus p. 50.

dgQu» = duvyros p. 36. Bouxdlos, Bovxolsiv p. 34. 513. Bovxolixóv, vergl. Metrik. yrousduxms p. 26. dsagogei, vergl. Metrik. diloyyos p. 36. | lunsgiolor, vergl. Metrik. quisnes, vergl. Metrik. xatevonisor, vergl. Metrik. xdiuaxotiv, vergl. Metrik. Aaxsadas Po

Àóyoc p. .

Borg p. 187.

taeus p. 598.

ulmstriba p. 47.

Unger, G. F., vergl. Alexander Polyhistor, Geschichte, Hierony- mus von Syrakus, Theophrast.

Unger, Rob., vergl. Aemilius Ma- cer, Manilius.

Valesisches Bruchstück zur Ge- schichte Constantins von E. Klebs p. 53; Spracheigenthiimlichkei- ten p. 73.

Vergil: C. Haeberlin, Quaestiones Vergilianae p. 310.

Vespasian, Konsekration desselben

. 571.

Wachsmuth, C., vergl. Geschichte.

Wagener, C., vergl. Cicero.

Weckerling, A., vergl. Alterthum.

Weise, O., Ein Beitrag zum Vul: girlatein p. 45.

Weiß, vergl. Alterthum.

Wiedemann, A., vergl. Geschichte

Zangemeister, C., vergl. Alterthum

zelivira p. 51.

Zielinski, Th., vergl. Aristophanes

ola tani Xagıkevns p. 38. ovtwe in Photiusglossen p. 41. navGwroucs? 232.

négds— opovcor p. 207. negsodexoy, vergl. Metrik. nolstexov, vergl. Metrik. donter, ponala, Goufos p. 705. Zangıxör, vergl. Metrik. télavta (Zunvoov) p. 207. telsıov, vergl. Metrik.: zgstouögsov, vergl. Metrik. ónoAsnioloyog p. 27. önöppv9uor, vergl. Metrik.