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ZWEITER BAND

BEILAGEN UND TEXTKEITIK

ZWEITE AUFLAGE

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BERLIN WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG

1920

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Alle Rechte vorbehalten.

Altenburg

Pierersehe Hofbuchdruckerei

Stephan Geibel & Co.

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Inhaltsverzeichnis.

SeHe

1. Das Material zu einer Biographie Piatons 1

2. Dialog 21

3. Ion 32

4. Wahrheit und Dichtung in Apologie, Kriton, Phaidon 47

5. Charmides 63

6. Lysis 68

7. Euthyphron 76

8. Piaton und die Pythagoreer 82

9. Piatons Gorgias und der Sokrates des Polykratea 95

10. Piaton und Isokrates 106

11. Menexenos 126

12. Menon 144

13. Euthydemos 154

14. Diotima 169

15. Staat:

a) Die Architektonik des Aufbaus 179

b) TQN nilAIS 214

c) jjiaxpoT^pa öoo; 218

16. Parmenides 221

17. Theaetet 230

18. EIAQN OTA01 238

19. Timaios:

1. Der Timaios als Glied seiner Tetralogie 255

2. Die Einheitlichkeit der Schrift 258

20. Philebos 266

21. Briefe 278

Der siebente Brief 282

Der achte Brief 300

22. Musik und Poesie 306

23. Die zweite Weltseele 315

Textkritik 324

Sprache und Stil 412

Nachträge 430

Register 434

L Das Material zu einer Biographie

Piatons.

Das erste wird immer sein, die biographische Tradition zu verfolgen. Die Übereinstimmungen zwischen Diogenes 1), Apuleius, Olympiodor beweisen, daß ihnen die Einleitungen zu- grunde liegen, die in der Philosophenschule der Kaiserzeit der Darstellung von Piatons Lehre vorausgeschickt wurden. Das steht also den Kompendien des Albinus und Genossen parallel; Diogenes hat selbst einen solchen Abriß aufgenommen. Er wird den Grundstock seiner Biographie freilich einer Philosophen- geschichte entnommen haben, derselben, die er in den Sokratikern befolgt (um nicht weiter zu greifen); aber diese deckte sich auch mit den Einleitungen im wesentlichen, wenn sie auch noch reicher war. Er hat sich aber bemüht, mehr heranzuholen, weil die Dame, der er sein Werk widmete, sich für Piaton besonders interessierte2). Daher hat er sehr viele Einlagen gemacht, die nun den Zusammenhang unterbrechen, zuweilen ganz sinnlos machen. Wenn wir noch einmal eine brauchbare Ausgabe des wichtigen Buches erhalten sollten, so muß sie durch die An- ordnung des Druckes oder durch Anmerkungen diesen Zustand des Textes deutlich machen, also die einzelnen Zettel, aus denen das Buch z. T. besteht, durch Absätze, manchmal auch durch Einrücken sondern, z. B. 5

!) Hesych-Suidas gibt nichts, was nicht bei Diogenes zu finden ist.

2) Aus diesem Zustande der Vita Piatons im Gegensätze zu den anderen Sokratikern und Akademikern folgt unweigerlich, daß Diogenes die Anrede an die Dame, 47, nicht abschreibt, was überhaupt nur als Stütze unbeweisbarer Hypothesen erfunden ist, sondern mit ihr die Begründung für seine Behandlung Piatons gibt. Eine weitere Folge ist der Verlust der Widmung in einer Vorrede.

Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Aufl.

1. Biographisches Material.

IcpiXocrocpEi 8e tV apx^v

iv 'AxaSvjfxstai, sTOiTa sv vöi xrjTctot töi 7rapa xov KoXcovov,

co<; 9Yjaiv 'AXs£av8po<; ev 8ia8oxat<; xaö' 'HpaxXEt.Tov

STrstTa (livTOi fiiXXcov aycovieiaGat TpayauSwa

7Tpo toü Atovucriaxou GsaTpou SwxpaTOU? dxoucra«; *) xaT£<pXs£s

toc 7ioi7][xaTa eirctov „"H(paiors 7rp6[xoX' &8e, nXaxwv vuv asto

touvtsüÖev Stj ysyovüx;, cpaaiv, sl'xocn styj Siyjxoucts Etoxpairou*;.

Die Einlagen zerreißen einen guten Zusammenhang. Auch die nachfolgende Notiz, nach der Lehrzeit bei Sokrates Studium bei dem Herakiiteer Kratylos und dem Parmenideer Hermokrates, ist Einschub: das e<piXoao<pei xoct' ap^a«; xaO' 'HpaxXsiTov steht richtig vorher. Aber diese störende Dublette ist eingearbeitet ; der Tod des Sokrates mußte erwähnt sein, ehe aus Hermodoros der Auf- enthalt in Megara folgen konnte. Das ursprünglich Zusammen- hängende, heraklitische Studien (also bei Kratylos), dann 407—400 bei Sokrates, dann Reise nach Megara, ist so gut, daß es aus Herrn odor stammen kann.

Seine Zusätze nahm Diogenes zum Teil aus seinen gewöhn- lichen Quellen wie den Schriften Favorins, aber er hat hier auch Besonderes, die Sammlung der platonischen oder so heißen- den Epigramme, von denen einige, die auf den falschen Aristipp zurückgehen, aus der biographischen Literatur stammen; den Rest lieferten ihm, der selbst Epigrammatiker war, die Anthologien. Irgendwo fand er das reiche Stück aus Alkimos mit den schönen Epicharmversen 9—17; das hat er, vermehrt um eine Angabe über Sophron, in den Bericht über die erste sizilische Reise ein- gelegt; ursprünglich ging es von 9 gleich zu 18. Die Darstellung der Lehre berührt sich nahe mit Albinus; Diogenes hat sich , also nicht mit dem begnügt, was wir nach der Analogie in seiner biographischen Hauptunterlage voraussetzen; er hat ja auch noch das umfängliche Stück über die SwupecrEic zugefügt. Da ist sehr wahrscheinlich, daß mit dem Kompendium der Lehre auch eine Vita vorhanden war; aus ihr wird er viele der

i) Unverständig : stilisiert, denn gemeint ist, daß die Verbrennung unmittelbar vor der Vorstellung geschieht und dicht vor dem Theater, also etwa, als er den Chor hineinführen sollte, Übertreibung des *Pö twv Aiovuotwv, wie es in derselben Anekdote bei Aelian V. H. II 30 heißt,

1. Tradition.

einzelnen Zettel genommen haben, die nun den Zusammenhang

stören.

Auffällig ist die häufige Nennung von Gewährsmännern für einzelne Angaben, darunter kaum Begreifliches, wie daß für Piatons Demos ein ganz obskurer Antileon angeführt wird (3). Das hat den Vorteil, daß wir erkennen, wie hier die ale- xandrinische Philosophenbiographie ausfällt, Satyros, Sotion und Genossen, die sonst vielfach das meiste geliefert haben. Satyros erscheint nur für den Ankauf der Schriften des Philolaos, 9; das brauchte gar nicht in der Piatonbiographie zu stehen. Hermippos,2, bringt nur eine Fabel über die Todesart, wie so oft. Neanthes, der nicht nach Alexandreia gehört, zeigt sich schlecht unterrichtet, 3. Alexandros ev SiaSoyat? erscheint ein paar Mal; wie wir den Polyhistor sonst kennen, ist ihm die Anführung vieler Gewährs- männer zuzutrauen. Auf welchem Wege auch immer sie hereingelangt sind, die vereinzelten Angaben aus Dikaiarchos, Aristoxenos, Herakleides, Speusippos sind das Wertvollste; aber wir müssen uns eingestehen, daß zwar eine reiche Überlieferung der ersten Generation nach Piatons Tode vorhanden war, aber von den Späteren ganz ungenügend ausgenutzt ist. Die dem Piaton feindliche Gelehrsamkeit, die wir bei Athenaeus wesentlich aus dem Krateteer Herodikos kennen, hat bei Diogenes keine Entsprechung, obgleich er 34—37 auch Ungünstiges bringt. Wie gern würde man hören, was der rhodische Rhetor Molon zu sagen hatte; aber wir lesen nur einen Witz (34). Ein unverächtliches Stück dieser feindseligen Darstellungen steht bei Herakleitos quaest. Hörn. 7, 8, aus dem wir wohl als glaublich übernehmen dürfen, daß Annikeris den Piaton um 20 Minen losgekauft hat *). In den Reden gegen Piaton hat Aristeides natürlich Kenntnisse über dessen Leben, aber ob seine Verteidigung der Rhetorik mit älterem Materiale arbeitet, habe ich nicht ermittelt; Tatsäch- liches bringt er nicht. Die gelegentlichen Erwähnungen selbst

1) Beiläufig eine Verbesserung, Piaton wird von Dionysios wegen vorlauter Reden bestraft w<;TavTaXo<;, w? Ka7rccve&<; [xal] oi SiÄ yktö<:<s*kyl*v pupiau; X£Xp»jtx£voi o^cpopa^, und ein Vorschlag ouSelc y«P ***** xöv S7capri<*TTjv ü6>Xw [&ij oö8' &<; A-.ßu/.oü x*pw kUou oieum. Die Bonner Herausgeber ergänzen &i zu einem erklärenden Satze; ich meine, der kann dagestanden haben, aber als erklärende Randglosse.

2*

1. Biographisches Material.

eines Platonikers wie Plutarch bringen auch kaum irgend etwas von Belang hinzu. Es scheint, da(3 die Primärquellen in der Kaiserzeit schon ganz verschüttet waren.

Die beiden letzten Reisen sind uns durch Piatons großen Brief und Plutarchs Dion so gut bekannt, daß die kargen Notizen der Biographen nichts dazu tun; was ihnen über die erste ent- nommen werden kann, wird in der Beilage über die Pythagoreer behandelt. Hier mag noch die Begründung für das stehen, was ich als glaubwürdig über Piatons Feldzüge verwertet habe.

Bei Diogenes III 8 steht xal aurov cpvjcuv ' Apurro^Evcx; tplc, larpaTsuCTÖat, arax£ {Jisv zlc, Tdvaypav, Seuxepov §£ zlc, KopivOov, Tptrov £7x1 AtjXiüh, £vöa xal apiaTEuaat.. Aelian V 16, VII 14 stellt kriegerische Leistungen von Philosophen zusammen, darunter SwxpcxTTjc: 8e eaTpareuaaTO Tpt?, IlXarcov Se xal auxö<; zlc, Tavaypav xal zlc, K6ptv6ov. Da Sokrates drei Feldzüge zugeschrieben werden, Poteidaia und Delion von Piaton, Amphipolis bei Dio- genes II 2, und seine Aristie bei Delion, wenn sie auch keine öffentliche Anerkennung fand, allbekannt war, liegt der Schluß nahe, daß die Notiz bei Diogenes aus der Fassung, die wir bei Aelian finden, schlecht exzerpiert ist, Aristoxenos nur berichtete, was Aelian liefert; Delion und Tanagra sind übrigens auch schlecht zu unterscheiden. Da er zu Piatons Ehren nichts er- dichtet hat, die Tatsachen seiner Zeit bekannt sein mußten, sind wir gehalten, sie anzuerkennen. Den Zug der Reiter kennen wir durch das Ehrendenkmal der Gefallenen und das Monument des Dexileos. Da war also die Reiterei; das ergibt Bestätigung für den zweiten Feldzug. Eine Veranlassung zu dem ersten ist nicht zu finden, aber sie konnte in dem böotisch-lakonischen Kriege sich sehr leicht bieten. Wir werden um der Reihenfolge willen an 395 denken.

Ein Wort noch über Piatons Porträt. Diogenes III 25 ev r8£: twi d (oder S', B) twv 'A7ro[j(.v7)^ovEU[xdT6>v Oaßoopivou «pEpexai oxt Mi6piSdxY)<; (MiöpyjS. F) 6 HzpoyiQ dvSptdvxa IIXaTCOvot; aveöexo zlc, tt)v 'AxaSvjuiav xal eTOypa^e „MiOpiSdxv)? [6 P] 'PoSoßdxou Ilepcr/]«; Moüaaic, Eixova dvEÖvjxs IlXdxcovoc;, 7)v ZtXavicov STcoiTjcre". Wenn Favorin das so gegeben hat, so war die Inschrift bereits interpoliert; es versteht sich von selbst, daß sie höchstens lautete MtOpaSdcTY)«; mit Vatersnamen, Uiparic, MoÜgolk; dveöyjxs. SiXavuov Itcoujcjs. Ebensogut kann Favorin aus einem Berichte die In-

1. Tradition.

schrift zurechtgemacht und sich dabei von dem Stile weit entfernt haben. Zugrunde aber liegt eine Inschrift. Mi6piSaT7j<; ist für jene Zeit eine unmögliche Orthographie, MiÖpTjS. aber doch wohl nur Schreibfehler. Unsicher ist der Vatersname, 'PoSoßaTY]? klingt verdächtig griechisch, und der als solcher un- mögliche Artikel, den P liefert, kann zum Namen gehören, wo denn 'OpovToßa-rY)<; nahe liegt, wie Marres vorgeschlagen hat, ein gut persischer Name, den ein Zeitgenosse Piatons aus dem kari- schen Dynastengeschlechte führt (Arrian Anab. I 23 u. ö.); in der Form ' OpovrortdcTa? erscheint er für die Zeit des Dareios in einem historischen Berichte bei Clemens Str. V 44, 3. Da ist es also für uns unmöglich, Sicherheit zu erlangen. Für die Zeit haben wir nur in dem Künstler einen Anhalt. Daß Silanion nach dem Leben modelliert hat, ist kaum wahrscheinlich.

Ich kann nicht umhin, da ich auf Diogenes gekommen bin, den Wunsch auszusprechen, daß die Ausgabe, die wir hoffen, etwas anders aussehen möge als das dritte Buch in der Fest- schrift Iuvenes dum sumus, Basel 1907. Ich mäkele nicht gern an einem solchen Versuche von Anfängern, aber es wäre schreck- lich, wenn die Aufgabe, die an sich nicht schwer ist, und der Diels durch seine Vorsokratiker Muster vor Augen gestellt hat, so gelöst würde, daß man einen Neudruck fordern müßte. Es mag sein, daß B, P, F nicht die einzigen unabhängigen Hand- schriften sind, so bleibt es doch nach dieser Probe dabei, daß man den Apparat mit den andern nicht belasten darf. Und dann darf der Leser nicht solche Abscheulichkeiten finden wie 'Ava£i- AiSyjc; 2, xa beim Futurum durch Konjektur 17, ou für <joü 19 wider die Überlieferung und an sich sprachwidrig und sinnlos, 0scoxav 21 mit einer schauerlich gelehrten Erklärung, an denen es auch sonst nicht fehlt, Sisccoctocto 21, dessen Entstehung augenfällig ist, 7rap£xaA7)q 22 (wo das richtige in F steht; auch aTtoXa^oV2^ war zu behalten), xarexaXouv 23, 7ioi.Y)fzaTa 24, fycrOa statt olaOoc 28, s£9jp£ (gar l^yjips), wo hlftitß gefunden war, usw. 7 heißt es in B P "0[J.7)pov <pavcu Travxa;; av6pw7rou<; Atyu7CTiou<; larpou^ stvou. Das steht im Text; unten wird notiert, daß bei Homer 8 234 steht irppbc, 8s exacTO«; (Aiyurmcov) £7ucrra[i.£vo<; rapl toxvtcov dvOpcoTrcov, und tcocvt' £v6pa>7iuv hat F. Daraus folgt, daß die gemeinsame Vorlage von allen in antiker Weise abkürzte, also tcocv mit x darüber, dvOpo mit 7t darüber; den Kasus mußte der Leser finden.

(j 1. Biographisches Material.

Außerdem war die Abkürzung von Ttept, also n mit £ darüber, vor dem rc von 7iavTCov ausgefallen. So etwas ist wichtig, weil es die Schreibart der Handschrift verrät, auf die es wesentlich ankommt. Verbessert sei ein Vers des jüngeren Kratinos 28

av6pco7vot; sl, SyjAov 6t t, xat ^üxV ^Xei?- xa.Ta [jLsv riÄaTCov', oux oISoc <S'), utcovoco 8' £xelv< „Du bist ein Mensch, da ist es klar, daß du eine Seele hast." „Ja, nach Piaton; ich weiß es nicht, aber ich denke, ich habe eine." Was in aller Welt soll ye, wo ich das fehlende 8e ein- gesetzt habe ?

Mit dem überlieferten biographischen Materiale, wie es ist, kommt man nicht weit, und obgleich man es ziemlich ungeprüft anerkannte, hat man daher auch auf das Leben des Philosophen geringes Gewicht gelegt. Als Schleiermacher durch seine Über- setzung das geschichtliche Verständnis von Piatons Philosophie begründete, lag ihm an seinem Leben Avenig. Er betrachtete die Summe der Dialoge als ein Ganzes ; sie boten die in Piatons Seele vollkommene und fertige Lehre in einer wohlberechneten Abfolge verschieden gehaltener Einzelschriften; dasselbe Licht brach durch mannigfach gefärbte Scheiben. Das Problem der Entwicklung war weder für den Stil noch für die Gedanken gestellt. Dennoch waren antike Angaben ungeprüft übernommen, und war für die Auf- fassung bestimmend, daß der Phaidros den Anfang gemacht haben sollte, der Lysis von Sokrates gelesen war. Wir wissen jetzt, daß das Autoschediasmen sind. Dennoch haben sie noch lange gewirkt, und ebenso die Reihenfolge der Dialoge in unserer Aus- gabe. Weil sie mit den Schriften beginnen, die sich auf den Prozeß des Sokrates beziehen, setzte man voraus, daß dies die ältesten wären, und weil dann die logischen Schriften folgen, rückten diese an die nächste Stelle, Theaetet, Sophistes, Politikos, von denen die letzten kaum noch sokratische Dialoge heißen dürfen x). Die Gesetze und die Briefe, die am Ende der Ausgabe stehen, hat Schleiermacher nicht mehr behandelt. Sie würden

1) Hiermit schien sich gut zu vereinen, daß Piaton, wie der zuverlässige Hermodoros bezeugte, nach dem Tode des Sokrates nach Megara ging, daß der Theaetet dem Eukleides gewidmet ist, und Schleiermacher in den „Ideenfreunden" des Sophistes die megarische Schule finden wollte, die damit aber so widergeschichtlich wie der Sophistes in die Frühzeit ge- schoben ward, als es eine Schule überhaupt noch nicht geben konnte.

1. Bearbeitungen.

sich schwerlich gefügt haben; in der Richtungslinie seiner Be- trachtungsweise lag ihre Verwerfung, zu der dann auch Zeller in seiner Jugendschrift fortgeschritten ist. Das erste Wagnis, eine Biographie zu schreiben und die Schriften auf ihre Echtheit zu prüfen, mißlang, aber darum soll Fr; Ast die Anerkennung nicht versagt werden, die Verbesserung des Textes energischer und glücklicher als alle seine Zeitgenossen gefördert zu haben, und sein Lexikon, so unvollkommen es sein mag, wird leider wohl noch lange ein unentbehrliches Hilfsmittel bleiben. Erst 1839, ein Menschenalter nach Schleiermachers Übersetzung, macht C. Er. Hermann mit dem Versuche ernst, Piatons Leben und System geschichtlich zu behandeln. Das zweite hat er nicht ausgeführt, und sein erster,, einziger Band fand nicht die An- erkennung und Nachfolge, die er verdiente. Auch Hermanns vortreffliche Textausgabe ist mehr gelesen als gelobt worden. Die Behandlung des Lebens, die Kritik der Überlieferung kann freilich wesentlich nur darum gelobt werden, daß er den richtigen Weg einschlug. Zur Synthese konnte nur geschritten werden, ■wenn die Dialoge in ihrer Reihenfolge das Gerippe der Biographie bildeten, und über sie gab es zunächst nur ein Meinen, wo denn alle möglichen und unmöglichen Vorschläge gemacht worden sind. So ist denn das Leben ziemlich verbindungslos neben den Werken und der Philosophie stehen geblieben.

Nach C. Fr. Hermann ward in Deutschland einige Jahr- zehnte wenig und noch weniger Bleibendes für Piaton getan, und dann ward auch er in den Strudel der Athetesen gezogen, in denen sich die Emsigkeit einer Zeit verpuffte, die sich zu vor- nehm zum Interpretieren dünkte. Ist es nicht beschämend, daß jemand ernst genommen ward, der nur den Staat und eigent- lich nicht einmal den übrig ließ ? Und dann heißt es, Behauptungen dürften nicht unwidersprochen bleiben, und so draschen sie das leere Stroh, um zu zeigen, daß es leer war. Eine andere sehr schädliche Verirrung entstand durch die Übertreibung feiner Ver- mutungen Schleiermachers. Man setzte voraus, daß Piaton unter der Maske des Sokrates gegen seine Zeitgenossen polemisiere, und suchte in dem Erraten dieser Ziele die Lösung der Rätsel, die man sich selber aufgab. Schon dies war ein Unterfangen, das man dem gegenüber füglich hätte unterlassen sollen, der immer sagt, daß es ihm nur auf den Gedanken, nicht auf die

8 1. Biographisches Material.

Person ankommt, die ihn ausgesprochen hat. Davon war nur noch ein Schritt, allerdings ein Schritt in das Absurde an sich, in Piaton nur den Nachsprecher zu sehen, der fremde Gedanken hin und her wälzt. Über diesem unfruchtbaren Getriebe hatte man gar nicht bemerkt, daß in England die sorgsame und ge- duldige Interpretation mit schönem Erfolge getrieben ward. Auf die Wirkung, die Jowett in Oxford weithin ausübte, kommt streng wissenschaftlich viel weniger an, aber die Kommentare, die meist in der Cambridge Press erschienen sind, die wertvollsten aller- dings erst in den letzten zwanzig Jahren, kann ich nur mit der wärmsten und dankbarsten Anerkennung hervorheben; wir haben ihnen nichts zur Seite zu stellen. Und es war schon in den sechziger Jahren, daß Lewis Campbell aus der Sprache, nament- lich dem Wortschatze, den unwiderleglichen Nachweis führte, daß die wichtigsten logischen Schriften, Theaetet bis Philebos, in Piatons Alter gehören. Damit kam ein neuer Sinn, kam in Wahr- heit überhaupt erst Sinn in seine Entwicklung als Schriftsteller und auch als Denker. Gleichzeitig verfolgte Jackson *) die Wand- lungen in Piatons Metaphysik vom Phaidon zu den nun richtig datierten späten Dialogen, und wenn auch seine positiven Auf- stellungen kaum standhalten, die Unterschiede sind vorhanden, und der wissenschaftliche Anstoß war stark und trieb vorwärts. Bei uns beachtete man das so wenig, daß selbständige Beob- achtungen in derselben Richtung wie Campbell eine ganz neue Bahn zu eröffnen schienen. Sie hielten sich an Kleinigkeiten, den Gebrauch gewisser Partikeln, und stießen daher auf manches Be- denken, zumal die mikroskopische Observation sich gleichzeitig auf anderen Gebieten starke Blößen gab. Aber es ging doch vor- wärts. Es kam auch einer aus dem baltischen Rußland, fuhr durch die ganze Welt und suchte sich als den aufzuspielen, der mit seiner (d. h. der von den andern gefundenen und angewandten) Methode die „platonische Frage" auf einen Schlag lösen würde. Aber das war kein Meteor, sondern ein Papierballon, der nur so lange leuchtete, bis er abgebrannt war. Es hat noch gute Wege und wird die Arbeit von vielen erfordern, bis die Eigen- tümlichkeit und die Entwicklung von Piatons Stil so klargelegt

x) Als Kritiker hat sich Jackson öfter zu Änderungen und gar zu Athetesen verleiten lassen, die lediglich für seine Hypothesen über Piatons Lehren nötig, also in Wahrheit verhängnisvoll sind.

1. Bearbeitungen. 9

sind, wie es der größte Stilist verdient, aber soviel ist namentlich durch Constantin Ritter und Hans v. Arnim erreicht, daß die Gruppen sich sicher scheiden, bis zur ersten sizilischen Reise, dann bis zur zweiten, und hier ist auch sicher, daß Staat, Phaidros, Parmenides, Theaetet in dieser Folge den Schluß bilden; über die Altersdialoge kann vollends kein Streit mehr sein. Die jetzt noch denkbaren Verschiebungen haben also nur noch ganz ge- ringen Spielraum und könnten keine tieferen Folgen haben. Sehr wichtig ist nur. was die Stilkritik nicht ermitteln kann, ob die ersten Schriften vor den Tod des Sokrates fallen. Das zu beweisen habe ich in diesem Buche übernommen; ohne Erfolg hatte ich es schon früher behauptet. Es war wohl die Berufung auf die Entwicklung und Stimmung Piatons etwas Befremdendes, wie es denn „subjektiv" gescholten wird, wenn man eine fremde Subjektivität, eine fremde Seele ins Treffen führt, gleich als ob sich überhaupt die Werke und die Taten anders als aus der handelnden Seele verstehen ließen. Hier kommt freilich erschwerend hinzu, daß wir, wie es gar nicht anders sein konnte, über Piatons Jugendjahre so gut wie gar nichts erfahren. Ich bedaure das sogar wenig. Da wird es Anstoß erregen, daß ich mehrere Kapitel über sie schreibe. Die Gegenwart, die sich das Zeitalter des Kindes nennt (hoffentlich macht die Not des Krieges dieser Verpimpelei und Erziehung zur Unkindlichkeit ein Ende), tut freilich so, als bilde das Talent sich in den Windeln und der Charakter in der Klippschule. Dann müßte man auf diese Zeiten bei allen Kindern achten, damit die entscheidenden Momente für die Beurteilung künftiger großer Männer nicht verloren gehen. Es würden sich vielleicht wirklich bei manchen Menschen individuell bedeutsame Züge ergeben, wenn man sie auch als Kinder beobachten könnte; Erinnerungen der Erwachsenen werden immer mehr oder minder durch den Rückblick ex eventu getrübt sein. Auf jeden Fall ist das Typische, was alle Kinder derselben Zeit und Gesellschafts- schicht erleben, und das durch Herkunft und Umgebung im ein- zelnen Fall Gegebene ungleich wichtiger. Das also habe ich recht breit ausgeführt; mochte auch das wenigste den Piaton im besonderen etwas angehen, so daß sein Name kaum vor- kommt, es sind doch die Voraussetzungen seines Lebens. Der Athener, der Sohn eines vornehmen Hauses, der Bürger der Demokratie, der während des peloponnesischen Krieges geboren

IQ |. Biographisches Material.

wird, in die Schule geht, im Gymnasion in die Gesellschaft ein- geführt wird, seiner Dienstpflicht genügt, im Theater und in den Vorträgen dcv Weisheitslehrer Genuß und Bildung findet, mußte vorgeführt werden, ebenso der Staat, in dem er zu wirken be- st immt Avar, die Sitten und Unsitten der Gesellschaft, die religiösen, sittlichen, politischen Anschauungen, die er aus der Familie, der Schule und dem Kreise der Altersgenossen überkam, all das, von dem er sich losgemacht haben muß, wenn wir später anderes bei ihm finden. Dies Allgemeine ist bedeutsam ; wie der Knabe sich dazu verhielt, ehe die eigene Seele in ihm mächtig ward, können wir nicht wissen. Als Mir ihn kennen lernen, ist er mit der Loslösung noch nicht ganz fertig, und manches hat er nie- mals ganz abgestreift. Dagegen brauchte die Welt, die ihn umgab, später nur noch selten herangezogen zu werden, weil er von ihr Einwirkungen kaum noch erfuhr, allmählich sich immer mehr von ihr abschloß.

Es könnte scheinen, als huldigte ich durch diese Schilderung der Jugendzeit jener modernen Psychologie, die den einzelnen aus dem ,, Milieu" begreifen, aus diesem sein Wesen ableiten will. Dieser Anschein wäre mir so sehr zuwider, daß ich dabei länger verweile. Das Milieu war noch kein Schlagwort, als Karl Justi in seinem nie genug bewunderten Winckelmann Halle, Dresden und Rom so eingehend schilderte, daß der Held zu- weilen verschwändet. Man muß den ebenso vorbildlichen Velas- quez Justis hinzunehmen, in dem das uns doch noch viel fremd- artigere Spanien sehr viel weniger eingehend behandelt ist, weil es für den Maler nicht so nötig ist. Und doch zeigen beide Bücher auf das deutlichste, wie sinnlos die flache und dumme, daher populäre Meinung ist, daß der Mensch ein Produkt seiner Abstammung und Umgebung ist. Der Wahnglaube an die Gleich- heit der Ungleichen, der die Gegenwart beherrscht und ihre ^Gesittung bedroht, kann den großen Menschen nicht ertragen und bemüht sich daher, ihn zu der Niedrigkeit der Masse hinab- zuziehen. Aber Schillers Wort bleibt wahr:

Millionen beschäftigen sich, daß die Gattung bestehe,

aber durch wenige nur pflanzet die Menschheit sich fort. Wie sehr auch Abkunft und Umgebung auf die Entfaltung der Seele einwirkt: die Seele bringt der Mensch mit, sie ist sein eigen, und zu dem, was er bedeutet, macht ihn immer das, was ihn

1. Biographische Methode. \\

vqn der Masse unterscheidet; daher muß eben dies sich gegen die Masse durchsetzen, und weil die starken Seelen selten sind, bleibt die Masse gleichförmig. Sie mag den nicht leiden, der anders ist, und sucht ihn niederzuhalten. Selbst wo man sagen kann, daß der große Mann in die Erscheinung führt, was in seinem Volke und seiner Zeit in der Potenz vorhanden war, erreicht er das immer im Kampfe mit eben diesem Volke und dieser Zeit; denn er bringt die Erfüllung immer anders, als sie erwarten. Wieviel mehr gilt das, wenn er Ungeahntes bringt, Unverstandenes, zur Zeit Unrealisierbares. Das hat Piaton, wenn einer, getan; aber erst, als er zum Bewußtsein seiner selbst gelangte: der Knabe lernte doch erst das kennen, über das er sich erheben sollte; der Strom trieb ihn so lange, bis er die Kraft erlangte, gegen ihn zu schwimmen. Dem äußeren Kampfe gegen die „öffentliche Meinung", d. h. die Meinung der nach- schwatzenden Masse, geht der innere voraus, die Lösung der eigenen Seele von dem, was sie zunächst in sich aufgenommen hat. Das ist oft ein viel schwererer Kampf; er tritt nur nicht an die Oberfläche. Schwer genug ist er für Piaton gewesen; man spürt es, obwohl er es nicht eingesteht. Und doch muß sich nachwirkend fühlbar machen, was der Knabe in sich auf- genommen hatte, und auch wo es der Mann abstreift, müssen wir es kennen, um die Abweichung zu bemerken. In jedem Menschen sind Widersprüche; gerade an ihnen erfaßt man die Individualität, und sehr vielfach beruhen sie auf dem Kampfe gegen das Er- erbte und früh Eingeprägte.

Es liegt mir persönlich daran, den Schein nicht aufkommen zu lassen, als schätzte ich die Persönlichkeit anders als in dem Vorwort meines Buches über Sappho und Simonides, wo ich damit begann, gegen die Mißdeutung des Goetheschen Wortes zu protestieren. Nur weil die Menschen sein Gedicht nicht zu Ende lesen, soll er die Persönlichkeit für das höchste Glück der Erdenkinder erklärt haben. Piaton gehört unter die Allergrößten, die sich also mit ihrer Persönlichkeit zu der Masse im Gegensatz fühlen; aber er hat auch, wenn einer, die Selbst entäußerung der Liebe geübt, die Goethe dem Egoismus des Persönlichkeitskultus als das Höhere entgegenstellt. Nur wer sich selbst opfert, ist der wahre Überwinder. Friedrich und Bismarck haben das getan, Goethe und Piaton.

I •_> 1. Biographisches Material.

In jenem Küche war meine Aufgabe, die Dichter der archai- schen Zeil daraufhin anzusehen, inwieweit sie individuell kennt- liche Personen sind oder nur typische Vertreter ihrer Zeit und Gesellschaft. Es ergab sich, daß wir aus jener Zeit überhaupt nur Personen erkennen können, die noch seihst zu uns reden. Das werden im allgemeinen die stärksten Individualitäten sein, die sich eben dadurch aus der Masse hervorheben, sich durch- setzen und dann die Masse beherrschen. Es kann freilich auch einer zu solcher Macht kommen, der im ganzen nur ein typischer Vertreter seines Milieus ist: so bin ich geneigt, Alkaios einzu- schätzen, von dem mittlerweile beträchtliche Bruchstücke ans Licht getreten sind. AVie gern würde ich die einzelnen, Sappho, Anakreon, Simonides auf dem Hintergrunde ihrer Umgebung eingeführt haben; aber dazu kennen wrir von dem sechsten Jahr- hundert viel zu wenig. Im fünften Jahrhundert ist das zum Glück schon anders. Dem entspricht die Veränderung meiner Behandlung. In der Ilias bergen sich die einzelnen Dichter unter dem einen Namen Homers in einem großen Epos ; da habe ich ver- sucht, sie lediglich aus den individuellen Unterschieden ihrer Dichtung zu fassen. Es gibt keine schematische Methode. Man muß das Ziel mit den verfügbaren Mitteln erreichen, soweit es erreichbar ist. Zu diesen Mitteln gehört, das Allgemeine zu verfolgen, wo das Besondere sich unter ihm verbirgt.

Wenn es hier auch eine Abschweifung ist, möchte ich das an ein paar Beispielen erläutern. Als Anfänger habe ich die überlieferten Notizen über das Leben des Thukydides behandelt. Damals lag mir daran, mit den wertlosen und widerspruchsvollen Angaben aufzuräumen, über die endlos und zwecklos hin und her geredet ward. Bezeichnenderweise beging ich selbst den Fehler, einer Notiz zu trauen,. die auf einen Dialog des Praxiphanes zurückging, also auf historische Glaubwürdigkeit keinen Anspruch hatte. Da sie fortfällt, besitzen wir außer den eigenen Zeugnissen des Thukydides nur eine Angabe über sein Grab. Aber mit dieser Negation ist es nicht abgetan, und auch was nur der Schluß eines antiken Kritikers ist, also niemals den Wert einer positiven Überlieferung besitzen kann, ist darum nicht ohne weiteres ein falscher Schluß. Ebenso wie wir für Piatons Wirken die Vorbedingungen einsetzen, die in seiner Zeit und Herkunft liegen, und wie dann seine Werke von der Entwicklung seines

1. Biographische Methode. 13

Lebens Zeugnis ablegen, so gilt das für Thukydides. Darum möchte ich in größter Kürze etwas sagen; ich habe in vierzig Jahren zugelernt.

Thukydides hatte seinen Namen von dem Staatsmanne, der als . Gegner des Perikles nach Kimons Tode eine Rolle spielte, dem Ostrakismos verfiel und nachher ein gebrochener Mann war. Die Geburt stellte also Thukydides in das Lager der gegen Perikles und die Demokratie frondierenden Anhänger des alten Athen. Aber in dem Sohne des Oloros war thrakisches Blut; seine Besitzungen lagen in dem thrakischen Berglande, das, wenn nicht zum athenischen Kolonialbesitze, so doch zum weiteren Herrschaftsgebiete Athens gehörte, also nur durch die Macht des attischen Reiches behauptet ward. Das führte zum An- schlüsse an die perikleische Reichspolitik, die nach der Unter- werfung von Samos in ihrem höchsten Glänze dastand, gerade in den Entwicklungsjahren des Thukydides. Und es mag sein Thrakerblut dabei mitgewirkt haben, daß er von den Erinnerungen an das alte Athen sich nicht befangen ließ. Aber da tritt auch sein persönliches Genie bestimmend ein, die Klarheit des Blickes, mit dem er auf die Welt und ihr Treiben sah. Er maß die Machtverhältnisse der Vergangenheit unbeirrt durch Dichtung und Sage; da verblaßte alles vor der Gegenwart. Die Demokratie täuschte ihn nicht durch ihre Phrasen, aber er verkannte nicht, daß Athens Herrschaft auf ihr beruhte, auch die Machtstellung des Perikles: nur das Vertrauen der Masse, die zu herrschen schien, gestattete diesem zu erreichen, was sonst die Gewalt- herrschaft eines Tyrannen erfordert haben würde. Er erkannte auch die unabwendbare Notwendigkeit des Krieges, der Aus- einandersetzung mit den Hellenen, die sich bisher der Vor- herrschaft Athens entzogen hatten, und er erwartete von Perikles den Sieg. Da faßte der junge Mann den Entschluß, diese Er- eignisse zu beschreiben: das ist seine Großtat.

In seiner Absicht lag dabei durchaus nicht, auf eine politisch- militärische Laufbahn zu verzichten und Schriftsteller zu werden. Das würde er verachtet haben; auf jenes wies ihn seine Familie, und sein Reichtum kam ihm zustatten. Ohne Zweifel hat er OffiziersteUen bekleidet, ehe er- zum Strategen gewählt ward und ein wichtiges Flottenkommando sofort erhielt. Aber er bemäch- tigte sich auch der neuen Bildung, die nun auch für diesen Beruf

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erforderlich schien. Vernachlässigt wird er auch anderes nicht haben, aber die Redekunst war die Hauptsache; sie kam ja auch dem Schriftsteller zustatten. Er ist ganz vertraut mit der Topik der sizilischen Schule; für Thrasy machos ist Greifbares nicht vorhanden, was seinen Einfluß nicht ausschließt, aber außer Zweifel steht der Anschluß an Antiphon den Redner. Wieder bemerken wir wie bei Piaton, daß der vornehme Athener sich an den Landsmann hält, obgleich hier die politische Partei trennte; ein persönliches Verhältnis ist ja auch nicht notwendig. Aber auch die ganz modernen Künste des Prodikos und später des Gorgias hat der Ernst des Thukydides nicht verschmäht, so selt- sam sie mit der schlichten Sachlichkeit seiner echt attischen Er- zählung kontrastieren; in dieser fehlt es nicht an ungelenken und harten Sätzen, jene Künster führen zu Verrenkungen, die als Virtuosenstückchen beabsichtigt sind.

Der Sturz und Tod des Perikles und das Unheil der Pest hat seine Zuversicht nicht wankend gemacht. Waren ihm die Demagogen zuwider, die nun hoch kamen, so traute er auf die Tüchtigkeit der Offiziere, wenn nur die perikleische Politik sonst mit Besonnenheit fortgesetzt würde. So begann er seine Lauf- bahn — da brach sie für immer zusammen. Mit oder ohne Schuld ward er für den Verlust von Amphipolis verantwortlich gemacht und entzog sich dem Todesurteil durch die Flucht. Sein Besitz lag nun außerhalb der athenischen Macht sphäre; er konnte ihn behaupten und in Sicherheit leben. Er hat sich, aber auch zu den Feinden so zu stellen gewußt, daß er den Peloponnes und Sparta besuchen konnte, vermutlich auch Sizilien (obgleich er fast nur aus Berichten von athenischer Seite, also von Über- lebenden, geschöpft hat, die er allerdings in Sizilien besonders leicht treffen konnte), während ihm die Städte des attischen Reiches verschlossen blieben, solange sie diesem gehorchten. > Seinen schriftstellerischen Plan gab er darum nicht auf; aber

er war nun auf die Berichte von Mittelsmännern angewiesen und auf die ofiiziellen Schrittstücke, so weit sie in seine Hände kamen. Zunächst schien das nur für wenige Jahre zu gelten, da der Nikiasfriede einen Schluß zu machen schien. Aber ehe er noch mit dem so umgrenzten Werke fertig war, hatten sich neue Verwicklungen angesponnen; die Friedensbedingungen wurden nicht durchgeführt, Thukydides fand keinen Endpunkt,

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wartete also ab und sammelte nur im PeJoponnes, wo er sich aufhielt, Material, das notwendig sehr unvollkommen blieb, so daß er nur einzelne Partien ausgearbeitet hat. Das nach seiner Heimkehr zu ergänzen, ist ihm nicht mehr vergönnt gewesen.

Was ihm den Entschluß zur Fortsetzung weckte, war der waghalsige Zug nach Sizilien, zu dem sich Athen durch Alki- biades verleiten ließ. Dessen Darstellung arbeitete er aus. Es ist so gut wie ein abgeschlossenes Werk, sein unvergängliches Meisterstück, denn die Tragik des Stoffes erfüllte seine Seele, und er stand auf dem Gipfel seines Könnens. Aber unvermeid- lich war, daß der auf Syrakus gerichtete Blick anderes übersah, das sich auf anderen Schauplätzen zutrug. Das ist nicht er- gänzt; die Fortsetzung setzt mit dem ionischen Kriege an, ohne auch nur das plötzlich vorhandene Eingreifen Persiens zu er- klären; sie ist in sich unausgeglichen und bricht plötzlich ab. Offenbar war das Ende des Krieges dazwischen getreten. Der Verfasser kehrte heim; Quellen der Erkundung waren ihm er- öffnet, die er zwanzig Jahre entbehrt hatte: da ging er an eine Umarbeitung des Ganzen, an die er vorher gelegentlich hier und da Hand angelegt hatte. Jetzt sollte es ein ganz neues Werk werden. Das stand in seinen Anfängen, als er starb. Aus seinen Papieren ist das Werk, wie wir es lesen, pietätvoll, aber doch nicht ohne ein wenig Redaktion herausgegeben.

Die lange Verbannung hat mit sich gebracht, daß er sich gewöhnte, Athen von außen anzusehen. Dicht vor seinen Augen spielte sich sogleich der Kampf zwischen Brasidas und Kleon ab. Die Person des spartanischen Feldherrn erweckte nicht nur che Sympathie des Thukydides, sondern ließ ihn die attische Reichs- politik von der Seite der Bündner betrachten. Die Propaganda für die Autonomie der Städte hatte Erfolg, weil die Radikalen in Athen von der Mäßigung des Perikles zu einem tyrannischen Regiment e fort schritten. Danach Tsard der Handel um Mytilene stilisiert, dem Brasidas eine programmatische Rede gegeben, der Dialog mit den Meliern zu einem typischen Gegenbilde ganz frei gestaltet. Aber es kommt nicht ganz heraus, daß darin ein Ab- fall von Perikles lag, und weiterhin treten die großen politischen Gesichtspunkte zurück; die Neubearbeitung würde das nach- geholt haben, wie der Epitaphios und der Nekrolog des Perikles zeigen, die erst nach 404 geschrieben sind, auch manches im

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ersten Buche. Zunächst orfaßt er mehr die eigensüchtigen Be- strebungen der einzelnen; aber zu einer zusammenfassenden Charakteristik kommt es nicht einmal für Alkibiades, von dem sie der untrügliche Menschenkenner sicherlich zu geben vorhatte, weil er es konnte, sobald ihm zu Hause die nötigen Informationen zu Gebote standen. Er würde dann auch die Revolution von 111 nicht nur, wie wir sie lesen, gestützt auf Pamphlete wie die Ver- teidigungsrede des Antiphon und Mitteilungen von Verbannten dar- gestellt haben. Denn so wenig er sich mit dem Drama berührt, so wenig er auch mit der eigentlichen Philosophie gemein hat, er besitzt das scharfe Auge, mit dem Euripides, Aristophanes, der junge Piaton ihre Menschen porträtieren, und er besitzt über sie hinaus die Fähigkeit, unter den Wogen der Ereignisse die großen politischen Kräfte zu bemerken, die nicht nur die Ereig- nisse, sondern am E.xde auch die handelnden Personen beherrschen. Nicht einmal in der bildenden Kunst der Zeit kann man eine vergleichbare Wahrhaftigkeit der Auffassung aufzeigen. Thuky- dides erscheint uns daher moderner nicht nur als alle Zeit- genossen, sondern als ziemlich alle Hellenen.

Und daneben diese Sprache, die das Archaische und Moderne in geradezu anstößiger Weise mischt. Und was ihm modern war, ihm noch nach 404 schön und edel vorkam, war mittler- weile veraltet. Gerade was er zuletzt geschrieben hat, z. B. der Epitaphios, zeigt dies Mißverhältnis. Das Werk ist doch erschienen, als Piaton und Isokrates schon geschrieben hatten, und es ist so wenig einheitlich stilisiert wie Antiphon der Sophist. Die Sprache allein läßt es schon begreiflich erscheinen, daß die beiden Stilkünstler von ihm keine Notiz genommen haben. Warum das so werden mußte, erkennen wir wohl: er hat zwanzig Jahre die athenischen Fortschritte der Prosa nicht mitgemacht. Sein Werk ist nur aus seinem Leben verständlich; aber umgekehrt zeugt uns das Werk für das Leben. Nur wer sich als Philologe hinein versenkt und den Schriftsteller zu verstehen weiß, wird auch dem Historiker gerecht werden. Mit dem bloßen Bewun- dern, dem Geltenlassen dessen, was da ist, wie es auch ist, tut man nicht nur einem Kunstwerke, sondern auch einem Künstler nicht geringeres Unrecht als die Kritiker, die Goethes „Dilettant und Kritiker" verhöhnt.

Dies das Gerippe einer Thukydidesbiographie, so weit sie

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sich geben läßt; die Interpretation und die aus ihr gewonnene Analyse des Werkes würde ihr einigermaßen Fleisch und Blut geben. Auch von Aristophanes gestatten die datierten ersten Werke wenigstens die entscheidenden Anfänge zu begreifen. Der Vater ist ein Städter (Demos Kydathenaion, der Demos auch des Kleon, was nicht vergessen werden darf), aber der Sohn muß auf dem Lande aufgewachsen sein, da er sich nur dort zu Hause fühlt; die Schule mußte er natürlich in der Stadt besuchen, und das ist dem unbändigen Buben schwer gefallen. Da der Vater ein Landlos auf Aigina erhielt (was erst 430 mög- lich war), war er nicht wohlhabend, aber doch kann der Sohn die Kindheit dort nicht zugebracht haben, und eine sorgfältige Erziehung hat er erhalten, wenn auch keinen Weisheitslehrer wirklich gehört. Das Talent regte sich so früh, daß er noch als Ephebe eine Komödie bei einem Chormeister anbrachte, der das Einstudieren fremder Dramen als Handwerk betrieb. Dem Aristophanes war es unbequem, und er hat auf die Ehre, auch die Gefahr des Aufführens unter eigener Verantwortung meist ver- zichtet. Sein erster Versuch war das rechte Studentenstück: er dramatisierte die eigene Schulerfahrung und verhöhnte die modische Bildung; tiefe pädagogisch-moralische Einsicht wird man nicht verlangen. Wohl aber offenbarte sich ein frisches Talent, dem Eupolis, der kurz vorher debütiert hatte, mindestens eben- bürtig, und an diesen schloß sich der Anfänger an. Eupolis, der politisch stark interessiert war, wird es vermittelt haben, daß Aristophanes sich auf dieses Gebiet vorwagte; vermutlich stand die Partei schon dahinter, für die er in den nächsten Jahren tätig war. Der erste Vorstoß gegen die Reichspolitik war aber so unbesonnen, daß das Volk der gerichtlichen Verfolgung des Chormeisters zustimmte; wie töricht, an einen Sieg dieses Stückes zu glauben. Verurteilung ist freilich nicht erfolgt; die glückliche Improvisation der Acharner gefiel dann, und der lange vor- bereitete, von Eupolis unterstützte große Angriff auf Kleon in den Rittern gelang. Und doch war in diesem Drama ein glück- licher Einfall totgehetzt und die Lösung leichtfertig erzwungen. Aus sich brachte dann Aristophanes als Fortsetzung seines ersten Angriffs auf die sophistische Bildung die Wolken und nahm ihre Ablehnung sehr übel; die Freundschaft mit Eupolis ging in die Brüche. Aber neben den Dramen, die er im Dienste der Friedens-

Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Auü. 2

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partei mit gutem Erfolge verfaßt, darunter ein flaues Gelegenheits- stück wie der Frieden, geht er auf dem allen Kriegspfade gegen die Sophist ik weiter, als deren Vertreter ihm nun Euripides gilt. Wir empfangen den Eindruck eines reichen Talentes, keines Charakters, den wir billigerweise auch nicht verlangen, aber neben der Schnellfertigkeit eines Tagesschriftstellers sehen wir doch einen ernsthaft in seiner Kunst fortschreitenden Dichter. Die Politik als solche, die Partei, ist es gar nicht, was ihm am Herzen liegt; da verfügt er auch über keine Einsicht und Ansicht. Er hat Alkibiades lange geschont, dann im Triphaies aufs heftigste befehdet, zuletzt den Verbannten, sei's auch als Tyrannen, herbei- gewünscht. Aber als Gefühl ist sein Patriotismus echt und stark; er sehnt sich nach einem großen, glücklichen Altathen, nach dem Frieden und \ . ohlstand eines bäuerlichen Stillebens, was er doch in der Erfüllung selbst schwerlich ertragen Hhaben würde. Was ihm diese Wünsche zu zerstören scheint, verfolgt seine Komödie, also den neuen Geist, den er für die Fehlschläge ver- antwortlich macht. Und doch erhebt ihn die steigende Not, und an die Stelle der politischen Fehden tritt die Mahnung zur Ein- tracht. So gelingen ihm die Werke seiner Meisterschaft, Vögel, Lysistrate, Frösche, ganz verschieden in Art und Ton, meister- lich alle. Die Thesmophoriazusen zeigen den Fortschritt auf eine Handlung, eine Intrige hin, sonst allerdings die Zersetzung der strengen alten Kunstform noch stärker als die drei anderen Stücke. Aber wenn die Komödie sich zu einem geschlossenen Drama entsprechend der Tragödie auswachsen sollte, mußte die alte epirrhematische Anlage wie die Folge zusammenhangsloser burlesker Szenen hinter der Parabase weichen. Diesen Prozeß können wir nicht verfolgen; die eine Probe der Ekklesiazusen reicht nicht; denn den Plutos, eine flaue Erneuerung eines alten Stückes, dürfen wir dem altersmüden Dichter nicht anrechnen. Wieviel aber auch immer der Verfall des Chores bewirkt hat, den die Not der Zeit mit sich brachte, das darf man wohl sagen, daß die Gestaltungskraft im einzelnen vorgehalten hat, aber die Erfindung eines Grundmotivs nur selten für ein ganzes Drama reichte, und der Hang zur Lässigkeit und Leichtfertigkeit nie überwunden ist. Es erscheint wie ein schlechter Witz, daß dieser Leichtfuß am Ende von seinem Demos Kydathenaion für den Rat präsentiert ist. Einen sittsamen Tugendwärter in ihm zu

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sehen, war ein arges Beispiel von steifleinenem Schulmeister- verstand; aber von der hohen Warte des Symposion betrachtet überstrahlt die Charis, die Anmut, formal und geistig mehr als Grazie, alle Schwächen. Und doch weiß niemand, wie es um die Eigenart und Originalität des Dichters steht, der für uns mit seiner Gattung zusammenfällt. Seine Sprache erfährt in seinem Leben kaum einen Wandel, und wir können kaum etwas an- geben, worin sie sich von der der gleichaltrigen Komiker unter- scheidet .

Wenn wir hier zwar die Anfänge leidlich übersehen, dann nur noch einzelne Höhenpunkte, ohne die Übergänge verfolgen zu kön- nen, liegen von Euripides zwar die letzten Jahrzehnte seiner langen Tätigkeit in hellem Lichte, aber er tritt uns gleich als ausgereifter, fertiger Künstler gegenüber; sein Stil ist sogar schon in manchem Manier geworden. Den unermüdlichen Bil du ngs drang, die frischeste Empfänglichkeit für alles Neue, die Lust, fast möchte man Kitzel sagen, dies Neue sofort laut auszusprechen, sehen wir bis zum Ende mit eher wachsender als erlahmender Stärke dauern. Das führt auch zur Auflösung des einheitlichen Stils, während manches einzelne erstarrt; dabei bleibt die innerlich überwundene Form des Ganzen, wird gerade in dieser letzten Phase für die Folgezeit kano- nisch. So bleibt uns das Werden ein völliges Rätsel, und der Drama- tiker enthüllt uns viele Menschenseelen, nur die eigene nicht, deren scheinbare "Widersprüche wir so gern gelöst sehen möchten. Doch vielleicht gehört das zu einer spezifisch dramatischen Be- gabung: Shakespeares Leben erklärt von seinem Lebenswerke kaum etwas, und bei Moliere steht es wenig anders. Sprache und Verskunst und Stil des Euripides haben eine kenntliche Ent- wicklung; einiges davon bemerken wir auch an Sophokles (dessen sieben zumeist undatierte Dramen für alles ein zu geringes Beobachtungsmaterial bieten), kann also allgemein gewesen sein; aber Euripides kann auch bewußt archaisieren (Elektra, Bakchen), während er dicht daneben bewußt unter das bisher eingehaltene Niveau der tragischen Sprache hinabsteigt. So etwas hatte es schwerlich bei einem Dichter gegeben, und erst Piaton hat Stil- wandel und bewußte Anwendung verschiedener Stile neben- einander wieder erreicht.

Damit sind die drei Athener kurz besprochen, von denen man etwas einer Biographie Ähnliches geben kann, weil sich

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ihren Werken so viel entnehmen läßt, daß man ein Werden er- kennt. Von älteren kann man Pindar nennen; aber was sioh etwa von innerer Entwicklung über ihn sagen läßt, ist wenig, und in Sprache und Stil ist er immer derselbe, hat sich das In- strument für seine Dichtung gemacht, als er anfängt, und spielt es bis zum Tode mit derselben Meisterschaft. Bakchylides wird es nicht anders gehalten haben. Die Dichtkunst war damals eben durchaus Techne, gelerntes, bewußt geübtes Handwerk. In der Rhetorik ist es dabei geblieben. Bei Lysias freilich steht neben den angelernten Kunstmitteln die natürliche Sprache des Lebens, und es scheint, als hätte er sich des fremden Schmuckes allmählich mehr enthalten. Aber das kann an den zufällig er- haltenen Reden liegen. Isokrates hat, seit er zum vollen Bewußt- sein seiner selbst und seiner Techne gekommen ist, stilistisch ebensowenig eine Entwicklung wie innerlich; er" erstarrt nur. Selbst bei Demosthenes wird man von Entwicklung nicht viel sagen können.

Wie ganz anders Piaton. Wie weit ist der Weg vom Hippias bis zu den Gesetzen. Welche bewußte Stilwahl im Timaios neben dem Philebos. Das sind die Dokumente seines Werdens, seines Wollens, seines Lebens. Damit ist dem Biographen Ma- terial dargeboten; mit diesem Materiale muß er bauen, weil er es kann. Und weil hier die Unterschiede so gewaltig sind, und doch unverkennbar dieselbe individuelle Seele aus allen spricht, ist die Aufgabe gestellt, den Wechsel sowohl wie die Dauer im Wechsel, die Einheit des Denkens trotz allem Wandel der Ge- danken aufzusuchen. Sein Nachlaß aber ist so reich, da muß die Aufgabe auch lösbar sein.

2. Dialog.

Rud. Hirzel hat den sokratischen Dialog auf die Erinnerung und die Niederschrift von Gesprächen zurückgeführt, die Sokrates wirklich gehalten hätte. Solche Aufzeichnungen, Stoc- rpißoa, axoXou von dem und dem, hat es später genug gegeben, schon von Piaton, von dem auch ein Paar der letzten Schüler a7roji.v7jtxovsufi.aTa veröffentlichten J). Es ist also denkbar, daß sich schon Sokratesschüler hinterher einiges aufschrieben, als uTrofxvy)- (xara; aber solches Rohmaterial zu veröffentlichen, daran dachte noch auf lange hin niemand, und daß es die Unterlage der künst- lerischen Dialoge gebildet hätte, muß erst bewiesen werden. Piaton läßt im Parmenides seinen Halbbruder Antiphon nach vielen Jahren das Gespräch des Parmenides mit dem jungen Sokrates erzählen, das er selbst nur von einem Mittelsmann gehört hat. Die wunderliche Erfindung hat nur den Zweck, das Gespräch irgendwie scheinbar zu beglaubigen, und erfüllt ihn schlecht genug. Für das Aufschreiben beweist sie nichts. Im Vorwort des Theaetet wird allerdings berichtet, daß Eukleides sich das Gespräch aufgeschrieben hat, das dann aus seinen Papieren vorgelesen wird; er hat zur Berichtigung seiner Er- innerung noch öfter bei Sokrates um einzelnes nachgefragt. Auch hier ist die Fiktion offenkundig. Das Gespräch hatte Piaton ganz unabhängig von einem Erzähler entworfen; die Vorrede fügte er hinzu, teils weil er über Theaitetos berichten wollte, teils um das Ganze dem Eukleides zu widmen. Die Vorlesung der Aufzeichnung ist nur ein Bindeglied beider Teile. Aber es sei zugegeben, daß sie die Möglichkeit einer Aufzeichnung be- zeuge: daß so ein sokratischer Dialog als Sokrates' Werk ent-

x) Eraatoa und Asklepiades nach Philodem, Index Akadem. S. 35 Melder.

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Dialoj

standen sei, folgt hieraus so wenig wie aus den Fabeln, daß Sokrates die Schriften des Aischines selbst verfaßt hätte1), u. dgl. Wenn wir einsetzen, was sogleich bewiesen werden wird, daß Piaton den sokratischen Dialog erfunden hat, so scheitert die Vermutung Hirzels daran, daß Piaton von seinen ersten Dialogen Protagoras, Ladies, Charmides in die Zeit vor oder kurz nach seiner eigenen Geburt verlegt, und dem Gespräche mit Kriton hat niemand beigewohnt. Bleiben der Lysis was da Sokrates zu den Kindern sagt, hat sich doch keiner notiert und Ion und Hippias. Das werden die ersten Versuche sein; aber wenn irgend etwas, sind diese übermütigen Satiren Poesie. Und so ist ja die ganze Hypothese unhaltbar, weil sie in Piaton den Poeten ver- kennt, der nicht beabsichtigen kann, seinen Erfindungen den Schein der Wirklichkeit zu geben. Ja, wenn Xenophon maßgebend wäre. Der sagt am Anfang von Apomnem. I 4, al§ er gerade ein ganz unsokratisches Stück bringt (seine Teleologie), er hätte es mitangehört, und hat diesem noch eins vorausgeschickt, in dem er als namentlich bezeichneter Unterredner teilnimmt. Das soll alles folgende beglaubigen. Es steht fest, daß er ganz spät, nach Leuktra, diese Dinge geschrieben hat, und sie strotzen von Anachronismen. Er beruft sich für den Ausgang des Sokrates auf Hermokrates, weil er selbst damals notorisch nicht in Athen war; auf schriftliche Unterlagen bezieht er sich nie und ist doch von Piaton und Aischines nachweislich, von Antisthenes, obgleich da das Material zum Beweise fehlt, ohne Zweifel ebenso ab- hängig. Sein drittes Buch hat einen Anhang, der sich als eine Apophthegmensammlung bezeichnen läßt; so etwas gab es, hat es vielleicht auch vor Sokrates gegeben, wenn auch ziemlich alles, was sich von solchen Apophthegmen findet, spät und wert- los ist. Aber daraus wird kein Dialog, und fliegende Worte sind das Gegenteil von einer Nachschrift.

Dialoge haben von den Sokratesschülern, so viel wir wissen, Piaton, Aischines, Antisthenes, Eukleides, Phaidon geschrieben. Es von Aristippos anzunehmen, gibt das Verzeichnis seiner Werke keinen Anhalt, überhaupt nicht zur Annahme wirklicher Dialoge, mögen auch die SiaTpißai und xp£^aI- Rede und Antwort gelegentlich gegeben haben, wie es auch bei Apophthegmen

1) Erfindung des Idomeneus, Athen. 611 d, die mehrfach nachge- sprochen wird.

2. Dialog. 23

vorkommt, von den Bedenken der Echtheit, die solche Schriften erregen, ganz zu schweigen 1). Xenophon hat so spät geschrieben, Phaidon bei seiner Jugend so spät erst schreiben können, daß ihnen die anderen bereits vorlagen. Eukleides lebte noch 367, als ihm Piaton den Theaetet widmete; seine Abhängigkeit von Piaton in der Lehre ist bezeugt. Erfolg haben seine Schriften nicht gehabt 2). Auch werden wir dem Dorer nicht zutrauen, daß er die attische Literatur um eine neue Gattung bereicherte. Aischines war ein treuer Schüler des Sokrates 3), aber für

1) Solche Sammlungen konnten sehr wohl schon früher entstehen, gab es sie doch von Sprüchen des Themistokles und Simonides, und es konnten echte, schöne Sokratesworte darin stecken, #so daß wir auch bei einer Anekdote, selbst wenn sie Aristoteles benutzt, nicht gleich an einen sokratischen Dialog denken und unter den namhaften Schriftstellern nach dem Urheber Umschau halten sollen.

2) Der Dialog Aischines des Eukleides ward um 100 v. Chr. in eine athenische Bibliothek gestiftet, IG II1 992 I 10. Erinnerlich sind mir nur zwei Stellen, die aus demselben Zusammenhange stammen, Stobaeus Fl. VI 63 H. und Censorin 3, 3. Dieser bezeugt nur, daß jeder Mensch bei seiner Geburt zwei Dämonen erhielt, was auch bei Lucilius gestanden haben soll. Uns liegt es nahe, darin den guten und den bösen Geist zu verstehen, an den wir ebenso gewöhnt sind wie an die zwei Seelen in unserer Brust. So hat es denn auch Lehrs (Popul. Aufs. 172) gefaßt; möglich ist das, und das stoische Paar Quy.6c, und Xoyiafxoc;, die zwei Weltseelen in Piatons Ge- setzen lassen sich vergleichen. Sicher ist es aber durchaus nicht. In der großen Schar von u-oipat, und Sai^ovE?, die nach Empedokles 122, 123 den Menschen bei seiner Geburt empfangen und ihm den Samen der entgegengesetzten -a07) einpflanzen, sind die Widersprüche personifiziert, die sich in dem Reiche von Werden und Vergehen der gefallenen Seele bemächtigen. Das Bruchstück bei Stobaeus bringt das Paar Schlaf und Tod; es steht aber in dem Kapitel 7t. dcxoXaaia«;, und wenn es nicht verschlagen ist, so muß es verstümmelt sein, ein anderes Paar, etwa der doppelte Eros, gefolgt sein. Das läßt sich nicht raten. Auf die Form aber muß man achten. Der Schlaf wird nur als Widerpart des Todes genannt und sein Wesen antithetisch beschrieben. Der Tod wird nicht genannt, sondern als 6 exzpoc, outoc be- zeichnet, ist also anwesend, mindestens in dem Sinne, wie in der Prozeß - rede der Gegner immer outo<; heißt. Auch da aber ist zu wenig erhalten, um zur Klarheit zu kommen. Ansprechend ist der taube und blinde Tod wahrhaftig nicht, und der Abstand dieser Mythologie von Piatons yoval "Ep<oTo<; ist gewaltig.

3) Die Anekdote, daß er zu Sokrates kommt und sagt: „Hier biete ich dir mich selbst; etwas anderes habe ich nicht" (ausgeführt bei Seneca de benef. I 8) hat Welcker auf den Dialog Aischines von Eukleides zurück- geführt; ansprechend, aber unbeweisbar.

24 2. Dialog.

einen Philosophen hat ihn niemand gehalten. Deswegen konnte er immer „sokratische Gesohichten" erfinden und in ihnen viel- leicht der Wirklichkeit näher bleiben als ein philosophischer Kopf. Aber daß er, der sich mit rhetorischem Unterricht ernährte l), ein Pfadfinder gewesen wäre, ist an sich ebenso unwahrschein- lich, wie natürlich, daß er sich auf einem Gebiete versuchte, da* ein anderer mit Erfolg erschlossen hatte. Von seinen Dialogen heißt der Rhinon nach dem Staatsmann, der um die Amnestie Verdienste hat; das gibt einen terminus post quem 2). Seine Aspa- . sia erwähnte Lysias in der Rede gegen ihn, wie man aus dem Vorkommen des Immens erschließt; dann wird sie nicht in die allerletzte Zeit des Lysias fallen, aber vor Sokrates' Tod braucht man sie auch nicht zu rücken. Da die Tränen, die Perikles bei der Verteidigung seiner Lehrmeisterin vergießt, von Aischines stammen, schilderte er sie in späterer Zeit. Es war seine Er- findung, daß sie in die Hände des Lysikles überging und diesem einen Sohn „Steuererfinder" gebar 3), Erfindung, denn kein Athener hat seinen Sohn Poristes genannt, nach einem Amte, das zur Zeit des Lysikles nicht bestand, im 4. Jahrhundert auch nicht, aber wohl in den letzten Zeiten des 5. Jahrhunderts, so daß es Aischines, aber kaum ein Spätling so verwenden konnte. So wie Aspasia bei ihm erschien, hielt sie als Sophistin Haus, Kallias lernte bei ihr, und Xenophon kam mit seiner jungen Frau. Leider steckte er zu der Zeit, wenn wir's ernst nehmen, in den Kinderschuhen, aber so frei schaltete eben Aischines mit der Wahrheit, und Xenophon hat sich geschmeichelt gefühlt, als er nach seiner Rückkehr aus Asien das Buch zu Gesicht bekam. Aspasia und dies Ehepaar führten einen Dialog; daneben sind

1) Diogenes II 63 erwähnt zwei Reden, für seinen Vater und für den Strategen Phaiax (so zu verteilen), von denen die zweite nur eine Dekla- mation sein konnte. Ob sie echt waren, darf man bezweifeln. Was Ditt- mar1 (Aischines S. 253 f.) über den Stil sagt, ist nichtig.

a) Auf den antiken Schluß, der Mütiades ist der älteste Dialog, weil er noch sehr schwach ist, wird niemand etwas geben. Was aus ihm erhalten ist, läßt sich freilich nicht mit dem vereinigen, was wir über die Träger des Namens wissen; aber darum soll man keinen anderen Miltiades erfinden, sondern die freie Fabulierung des Aischines auch hier anerkennen.

3) Der Sohn wird nicht direkt auf Aischines zurückgeführt, aber wohl die Bildung des Lysikles; aber man wird jene Notiz nicht zertrennen, die wir bei Hesych von Milet finden.

2. Dialog. 25

Reste von einem zwischen 'Sokrates und einem Freunde, in dem von Aspasia die Rede ist. Das fügt sich nicht in einen Rahmen, wie ihn Piaton aufspannt. Hinzutreten Erzählungen, Novellen, von Thargelia 1) und Rhodogune 2). Wie die auch eingelegt waren, das Ganze war so kompliziert, daß es unmöglich zu den ersten Versuchen in der Gattung gehört hat.

Ganz einfach und platonisch war dagegen der Bau des Alki- biades, den wir dank Aristeides übersehen. Sokrates berichtete einem Freunde ein Gespräch, in dem er die unbändig sich äußernde Anmaßung und Hoffart so gedemütigt hatte, daß der stolze Jüng- ling, zur Selbsterkenntnis gebracht, in Tränen ausbrach ; wir er- gänzen ein Kompliment des Unterredners für die Kunst der Seelenführung, denn Sokrates schiebt alles auf seine 6eia (xoipa. Das ist der Sokrates des platonischen Ion und der Apologie, wie ich in der Darstellung des Lebens ausgeführt habe. Das Ganze verteidigt den Sokrates so gut gegen den Vorwurf, Alkibiades verdorben zu haben, daß es in die Debatten über den Wert des Alkibiades gehören muß, am besten sich als Antwort auf den Angriff des Polykrates ausnimmt3).

Aischines rettete den Sokrates; den Alkibiades gab er preis. Tadel seiner Lebensführung enthielt auch der Axiochos, der nach seinem Vetter heißt, sonst unkenntlich ist. Der Kallias brachte die Fabel vom armen Aristeides auf : mag er auch ein sokratischer Dialog gewesen sein, so zeigt er doch, daß seinem Verfasser novellistische Erfindung, nicht Philosophie am Herzen lag. End- lich der Telauges, der bekannter blieb, stellte dem Sokrates den so benannten Pythagoreer gegenüber (der vielleicht schon den Namen von einem angeblichen Sohne desselben trug) und gab ihm ganz die Ausstattung der Pythagoristen, wie die mittlere

x) Über Thargelia wird er sein Wissen dem Hippias verdanken, den Athen. 608 f. anführt. Es bleibt also fraglich, wen der Grammatiker vor Augen hatte, der den Notizen zugrunde liegt, welche Dittmar als Nr. 21 zusammenstellt. Eins davon führt Diels (Hippias B 4) so an, als wären es Worte des Hippias. Das geht nicht an; transitives OTpaTTjyeTv ist spätester Soloecismus; aber die Grammatikernotizen sind alle Aviszüge derselben Stelle.

2) Merkwürdig ist diese Novelle deshalb, weil sie Ausdeutung einer Statue ist, ganz wie die Inschrift des Sardanapalgrabes.

3) Der Papyrus Oxyr. 1688 bringt Reste des Aischines; zunächst ist ihnen Wesentliches noch nicht abgewonnen.

26 '-'■ Dialog.

Komödie, aber erst sie, die schmutzigen Asketen nennt1). Das wird also Aischines nicht früh geschrieben haben; er ist ja noch zu Dionysios II. gegangen.

Endlich Antisthenes. Da er älter als Piaton war, liegt es nahe, ihn früher schreiben zu lassen, und als Schüler des Gorgias Mar er auch besser vorbereitet. Er mag es auch getan haben, nur keine sokratischen Dialoge. Sein Schriftenverzeichnis Diogen.VI 15 ist ja erhalten und enthält nur sehrwenigeTitel, die einen Dialog, und noch wenigere, die einen sokratischen erkennen lassen, wenn auch der Protreptikos ein solcher gewesen sein kann, da Winckelmann in ihn die Worte des Sokrates bei Athen. 784 d mit Wahrscheinlich- keit gesetzt hat; die Zahlen a ß y hinter dem Titel können nach der Praxis dieser Verzeichnisse nur Bücher desselben Werkes be- zeichnen. Dafür stehen mehrere Titel im zehnten Bande, der nicht ohne Grund im Verdacht steht, v66a zu enthalten. Aspasia, die sonst zitiert wird, fehlt, birgt sich also unter einem sachlichen Titel. Dialogische Bruchstücke sind nur ein paar erhalten. Also das eine ist sicher : Antisthenes hat die Rede und die Abhandlung bevorzugt. Den dickleibigen, spät geschriebenen Sathon für einen

1) Plutarch de curiositate 516 c berichtet aus einem Dialoge des- Aischines von einem Zusammentreffen des Aristippos mit Ischomachos in Olympia, das den Kyrenaeer veranlaßt, den Sokrates aufzusuchen. Des- wegen brauchte der Dialog nicht in Olympia zu spielen; er konnte ja er- zählt werden. Unmittelbar davor sagt Plutarch : „Ecoxpar/]<; TOptffjisi SiccTropcöv -u nuöayopa? llyw eTrsiOe", daran schließt sich, „und Aristipp fragte in Olympia, wodurch Sokrates so stark wirkte". Hängen die beiden Sätze auch inhaltlich zusammen ? Man weiß doch sonst nichts davon, daß Sokrates sich um Pythagoras kümmerte. Nur der Telauges des Aischines führte ihn mit einem Pythagoreer zusammen, und aus Aischines stammt die Szene in Olympia. Da ist es verführerisch, beides zusammen zu nehmen und in den Telauges zu rücken. Dann hat dieser dem Xenophon die Dialogperson seines Oeconomieus geliefert. Schade, daß man nicht weiß, wo Kratylos vorkam. Über ihn steht bei Aristoteles Rhet. III 1417 b, nach einem anonymen Zitat 6 o üixsxö \it uitoßkityoic, <aypt,o; xal [itxvixov ergänzt aus dem Scholiasten). xai (besser $) cic, rcepl KpaxüXoo Aiayj.vric, ötl [8ia]alCcov toiv xepotv Siaoetwv. Ich kann mir nicht denken, wie alpsiv, ,,ss" sagen, ein Stdt annehmen kann, wenn es auch der Scholiast vorgefunden hat; es drang ja leicht von Siaoeitov ein. Auf eine Anekdote von einem Bastard des Kallias bei Dion or. 15, 15, die zu einem Komikerfragment (Schol.Wesp. 1221 ) stimmt, habe ich aufmerksam gemacht; sie scheint aus Antisthenes zu stammen; comm. gramm. III (Göttingen 89) 12.

2. Dialog. 27

Dialog und gar einen sokratischen Dialog zu halten, sind wir nicht veranlaßt. Seine bekanntesten Werke, Herakles 1) und Kyros 2), haben direkte Reden enthalten, aber mindestens der Herakles kann selbst ein Dialog gewesen sein, da Antisthenes He- rakles sowohl bei Prometheus wie bei Chiron einführte. Jedenfalls zeigen diese Schriften und die erhaltenen mit den Titeln Atcuc, und 'OSucrcsuc, daß er nicht ein Dialogschreiber wie Piaton war. Aspasia und Alkibiades sind im Stoff und der Tendenz, soviel wir sehen, dem Aischines parallel. Es ist durchaus kein Schatten eines Grundes, die Aoyoi HwxpaTixoi für eine Erfindung dieses Sophisten zu halten3).

Panaitios hat, wie Arnim (Dion 31) das Zeugnis bei Dio- genes II 64 richtig deutet, als zuverlässige Zeugen für Sokrates nur die bisher aufgeführten gelten lassen. Die große Menge Schriften, die es sonst gab, werden auch später abgefaßt sein, sie kommen für die Entstehung des Dialoges unbedingt nicht in Betracht4).

x) In ihn gehört über den Wert des Lobes, was Plutarch inimic. uM. 89 hat; über denselben Gegenstand aus dem Herakles de vitioso pudore 536; mehrere Apopththegmen werden daraus abgeleitet sein.

2) Ein Bericht über Alkibiades, den Athenaeus 220 c aus dem zzcpoq tcüv Küpwv anführt, kann in dem berühmten Kyros keinen Platz finden, paßt ja auch nicht hinein. Inhaltlich deckt er sich so ziemlich mit dem, was Lysias bei Athen. 534 f. (aus Satyros) anführt. Zweifel an dem zweiten Kyros kann man nicht begründen, wird sie aber nicht los.

3) Dittmar (Aischines 63 und 71) hat eine gute Bemerkung nur nicht recht ins Licht gerückt. Er zieht erstens heran, was Cicero ad Att. XII 38 schreibt, Kopaä<; mihi sie placuit ut cetera Antisthenis, hominis acuti magis quam eruditi, worin liegt, daß der Kyrsas ihm so wenig gefiel wie was er sonst von Antisthenes kannte. Der Name, den Dittmar gegen die vulgäre Verdächtigung schützt (Kyros würde Cicero nicht mit griechischen Buch- staben geschrieben haben, von allem anderen abgesehen), ist selten genug, um damit eine Anekdote zu verbinden, die bei Suidas aus unbekannter Quelle am Schlüsse des Artikels Etoxpanr)«; steht, und in der ein Chier Kupoäi; den Sokrates aufzusuchen kommt, aber tot findet. Er geht dann an sein Grab, hat dort einen Traum und fährt zurück. Die Geschichte kennt Libanios aus dem Leben des Sokrates, das er auch sonst benutzt, und der 17. Sokratikerbrief (Dittmar 63), aber ohne den Traum. Der muß die Hauptsache sein, denn die Inkubation zeigt den Heros, die Verklärung des Toten. So etwas paßt viel besser für den Xoyo? von einer apexr) des Sokrates als für einen Dialog, oder wenn er in dem stand, war es kein Bericht über das Wirken des lebenden Sokrates.

*) Auf die bekannten Namen Kriton, den Schuster Simon, Glaukon

:N 2. Dialog.

So ist denn Piaton der Erfinder. Denn der obskure Alexa- menes von Teos oder Styra wird von Aristoteles nur als Ver- fasser von Dialogen, nicht von sokratischen, bezeichnet 1). Daneben wird dem Zenon dieser Ruhm zugesprochen (Diogenes III 47), weil ihn Aristoteles als Erfinder der Dialektik bezeichnet hatte, und seine Schrift hat in der Tat wenigstens strichweise die Form der Katechese durch Frage und Antwort getragen, wie noch sicherer als das Zeugnis des Aristoteles (Zenon A 14 Diels) die Nachbildung Piatons im Parmenides beAveist. Eine Schrift des Hippias, die der größere Dialog des Namens 286 a anführt, kann mindestens etwas Dialogisches gehabt haben. Auffällig ist, daß niemand im Altertum einen Zusammenhang mit dem Mimos angenommen hat, vermutlich weil man diesen nur in Sophron kannte, von dem feststand, daß Piaton ihn erst bekannt gemacht hatte 2). In Athen gab es keinen Mimos; deh Zenon hat der

(Piatons Bruder), Simmias und Kebes werden bei Diogenes eine Menge Titel gestellt, aber sie stehen jedesmal in einem Bande, außer den dreien des Kebes, von dem der Pinax aus keinem alten Katalog stammt, da er erst nachchristlich ist. Das waren also lauter Kleinigkeiten, die man sich nach dem Anhange der Piatonausgabe des Thrasyllos vorstellen mag, 7t. Sixafou, 7t. apzTT.q (Auszug aus dem Menon), Eiauvpo*; (aus dem Ende des 4. Jahrhunderts frühestens), Arm6§oxoc, (drei Stücke, die sich sondern lassen). Wir möchten geneigt sein, Theages und den zweiten Alkibiades ebendahin zu werfen, aber sie müssen doch höher rangieren, da sie unter Piatons Werke geraten sind. Man schrieb eben immer sokratische Reden; Pasiphon der Eretrier ist atisnahmsweise ein bekannter Verfassername. Ein My)8eio<; ging auf den Namen des Aischines, Phaidon, Polyainos; der letzte wird wohl der wahre gewesen sein. Der Eryxias, für uns ein platonisches voÖov, war auch eins des Aischines (Dittmar S. 249), vermutlich dasselbe. Schließlich hätten die 'LoiY.pä.Tzic, des Dion auch täuschen können. Verloren haben wir an diesem Zeug schwerlich Besseres, als in Piatons v60a und den sokratischen Briefen erhalten ist. Zo^xpaTixcöv imaiok&v GuvaYwyod erscheinen mit Kptaxov Scoxpa-uxöi; und Si[xcov Euxpa-nxo^, aber auch mit Dion 7tepl <xmGxla.c, (Rede 57 Arnim) in dem Petersburger Bibliothekskatalog (Wilcken Chrestomathie No. 155). Das war also in Memphis im 2. Jahrhundert vor- handen.

1 ) Athen. XI 505 c, Diogenes III 48 ; dort scheint die Heimat Styra aus Favorin zugesetzt ; dann gab es außer bei Aristoteles noch eine Erwähnung des Mannes.

2) Alkimos, der Freund Stilpons, läßt Piaton von Epicharm abhängen, von Sophron redet er nicht, bezieht sich allerdings nur auf die Lehre. Dabei benutzt er Komödien, die in Wahrheit platonische Gedanken bergen, also unter Dionysios II. verfaßt waren, uns ein kostbares Zeugnis für den Kollektivnamen Epicharm. Da die Literarhistorie neuerdings auf die

2. Dialog. 29

junge Piaton nicht gelesen; von dem obskuren Alexamenes brauchen wir das auch nicht zu glauben. Als er den Sokrates im Gespräche darstellte, hat er an kein Vorbild Anschluß gesucht, wenn nicht an Kritias' ofAiXiai; und für seine weitere Entwicklung und damit die des sokratischen Gespräches zur philosophischen Lehrschrift brauchen wir niemand anders als ihn selbst. Er erzeugt die Werke, aus denen dann die Theorie den Begriff des philosophischen Dialoges abstrahiert hat: wir werden das nicht umdrehen und an ihr die Werke messsen.

Als erstes machen wir uns klar, daß der junge Piaton, wenn ' er einen Xoyo? ScoxpaTixo? entwarf, überhaupt sich nicht bewußt war, eine besondere Kunstform anzuwenden, noch viel weniger eine zu schaffen. Er suchte ja keine „Einkleidung" für einen wissenschaftlichen Gedanken, sondern er hielt eine Szene des Lebens fest, einerlei ob des realen Lebens oder seiner Spiegelung in der eigenen Phantasie. Das neue war, daß er dazu die Fähig- keit hatte. Diese verlieh seiner Generation die nun durch die dramatische Poesie, die praktische politisch publizistische Übung und den rhetorischen Unterricht befreite und geschmeidig ge- machte Muttersprache. Man findet bei ihm keine Abhängigkeit vom Ionischen mehr wie in der ältesten Tragödie (Phrynichos), Komödie (Kratinos), bei Thukydides. Die naturwissenschaftliche Schriftstellerei des Aristoteles ist genötigt, diesen Anschluß wieder zu suchen, aber nur im Wortschatz. Die Freiheit bei Ion von Chios und bei Piaton ist dieselbe, aber ein direkter Zusammen- hang besteht nicht.

Aaao«; ttot' avxeStSacrx-e xal Ei^amS?]*;' ercsiö' 6 Aacro<; elnev, oXiyov (Aot (xeXst. Da haben wir eine Geschichte, wie sie sich die Leute beim Weine erzählen; ein Aiedmeioq Xoyo<; steht daneben. So etwas haben sich die jungen Leute auch von Sokrates und Hippias erzählt und weidlich gelacht. Unter ihnen ist ein Poet;

ältesten Schliche der Kritiklosigkeit zurückgekommen ist, Epicharm aus Kos stammen läßt und über hundert Jahre alt werden, um Aristoteles und Timaios zu vereinigen, so hoffe ich, es kommt ihr auf ein weiteres Jahr- hundert nicht an. Aber sie wird wohl lieber Alkimos recht geben. Das Lehrgedicht wird ja wirklich schon für echt epicharmisch erklärt, und Euripides holt sich die Parodos des Ion aus der sizilischen Posse. Man könnte wirklich die Lust verlieren, das Feld der historischen Überlieferung vom Unkraut zu säubern, wenn der Quark immer breiter getreten wird.

30 2. Dialog.

der versucht es zu gestalten, wirft ea aufs Papier; weil er Künstler ist, stilisiert er, weil er Poet ist, gestaltet er um, gestaltet er freier und freier, schreitet er dazu fort, ein volles Gemälde zu entwerfen. Das geht zuerst nur in Anlehnung an die Komödie: so ist der Protagoras entstanden. Wir können die Stationen des Weges erkennen; daß ihn Piaton fand und ging, dazu mußte er reichlich Pia ton sein. Dann ging es auf dem Wege eine Weile weiter. Es mußte die stärkste innere Erschütterung hinzukommen, damit er im Gorgias tragische Töne findet; wieder hilft die Tragödie unmittelbar dazu. Als er von der Reise heimkehrt, sehen wir ihn schwanken, die Leichenrede schreiben; aber er bleibt dem sokratischen Gespräche treu und ist nun genötigt, in dieses Gefäß seine Wissenschaft zu schütten. Schon im Staate wird ihm das zuweilen lästig; aber er kann nun nicht mehr los. Am Ende hängen wir doch ab von Kreaturen, die wir machten.

Da die hellenische Poesie von Hause aus mündlich ist, herrscht in ihr weithin die Anrede. Völlig in der Elegie, in der lyrischen Paränese des Alkaios, in den Erga des Hesiodos, wo sich das Allgemeine für uns befremdlich mit dem mischt, was nur den Perses oder die Könige angeht; in den Sprüchen des Apollon an Admetos, des Chiron an Achilleus ist die Anrede bereits Form, die sich der Dichter erfindet. Anrede an den Schüler ist das Lehrgedicht des Empedokles; Parmenides läßt seine Göttin reden und erfindet dafür eine Einleitung. Die An- rede als Form sitzt so fest, daß sie in der alten Politie der Athener und den hippokratischen kizi^zi'izic, durchbricht^- ohne für das Ganze zu gelten; das sind Erscheinungen, die sich in dem ausgearteten Dialoge wiederholen, den als Diatribe zu einer be- sonderen Kunstform zu machen eine der unerfreulichen Über- treibungen ist, denen gute Gedanken leider unrettbar verfallen. In der weiteren Entwicklung der Prosa ist aus dieser alten poetischen Paränese der für die Öffentlichkeit bestimmte Brief geworden, auch wohl die Widmung in einer persönlichen Vorrede.

Direkte Rede gehört zum primitiven Erzählen; es ist den Menschen gar nicht anders möglich. Das Epos ist nicht durch überlegte Kunst ein [xsixtov, halb episch, halb erzählend, sondern hat nur die primitive Ausdrucksform stilisiert. Damit ist Rede und Gegenrede gegeben; aber von da zu einem Gespräche ist der Weg noch weit. Rede und Antwort gibt es freilich, gibt es

2. Dialog. 31

auch in der Novelle, in den AloojTcetoi, Sußapmxoi, 2t.(xcovi8£t.oi. Aoyot. Die Tragödie bildet sie aus; Euripides macht sie zu einer besonderen Form, dies aber unter dem Einfluß der avTixeifiivco Aoyco des Protagoras. Eingewirkt hat natürlich auch die Praxis des Gerichtes. Die Wechselgesänge der Chöre, wie wir sie aus den Totenklagen des Aischylos mehr ahnen als kennen, führen schon früh zu der schweren Kunst der Stichomythie. Ent- sprechendes zeigt die Komödie in ihren Streitszenen, sowohl die Wechselreden Schlag um Schlag wie die langen, von der Rheto- rik aber unabhängigen Vorträge. Aber mit all dem ist ein Ge- spräch noch nicht gegeben; dazu muß die formale Bindung, muß die Responsion überwunden werden. Wie schwer das den großen Tragikern geworden ist, zeigen ihre Werke. Wird doch die Fähigkeit, mehr als zwei Redner zugleich einzuführen, von So- phokles und dann von Euripides erst auf der Höhe ihres Lebens erlangt, und Euripides, der im Satyrspiel sich ganz frei bewegt, hat in der Tragödie die sophokleische Freiheit immer stark ein- gedämmt. Aber Aristophanes brauchte nichts zuzulernen: er brachte die ganz freie Herrschaft mit; so viel machte der Alters- unterschied aus. In der Komödie lag dem Piaton das Gespräch, wie er es brauchte, vor Augen, und er war seinerseits jung genug, sich ganz zwanglos zu bewegen. Die sophistischen äywve? Aoytov haben ihn ebensowenig bestimmt wie ihre Steigerung im Dialoge der Athener und Melier bei Thukydides und den antiphontischen Tetralogien, die uns doch wertvoll sind, weil sie zeigen, wohin der Weg von der Rhetorik zum Dialoge führte.

Mit diesen kurzen Betrachtungen wird dem, der wirklich übersieht, was uns von Literatur geblieben ist, und sich des terminologischen Schematismus entschlagen hat, deutlich genug sein, daß es keines Findens oder Erfindens bedurfte, auch keines Wunders, damit ein Athener am Ende des 5. Jahrhunderts Ge- spräche schrieb, sei das nun durch die Homilien des Kritias oder die Satiren des Piaton geschehen. So hatte es damals, doch wohl in ionischer Sprache, schon Alexamenos getan, was auch immer der Inhalt seiner Dialoge war. Den Antrieb, sokratische Dialoge zu schreiben, gab diePersondes Sokrates; damit es zum Ziele und dann in ungeahnte Höhen führte, mußte Piaton kommen. Alles andere verstehen wir: der geniale Mensch bleibt ein Wunder, und Avas er schafft, bleibt Schöpfung; nur die Materie ist ihm gegeben.

3. Ion.

Goethe hat sich geradezu entsetzt, als er im Ion einen Piaton fand, der so gar nicht zu seiner und den herrschenden Vor- stellungen von dem seligen Geist stimmte, der sich dazu herab- läßt, eine Zeitlang auf Erden zu weilen. Er äußert sein Erstaunen über die „unglaubliche Dummheit" des Ion und die „aristopha- nische Bosheit" des Sokrates. In dem Ganzen findet er die Ab- sicht, den „berühmten, bewunderten, gekrönten, bezahlten Ion in seiner ganzen Blöße darzustellen; mit der Poesie hat das ganze Gespräch nichts zu tun". Was Sokrates über die homerischen Stellen äußert, hat ihn besonders verdrossen.

Schleiermacher hat die Verkehrtheiten des Inhaltes in seinen Anmerkungen hervorgehoben, auch die Abweichungen von der sonstigen Weise Piatons; die Athetese hat er nicht gewagt, war ihr aber geneigt und freute sich, daß Bekker sie vollzog. Heute ist die herrschende Meinung nicht nur für die Echtheit, sondern es wird von vielen Seiten versichert, der Dialog wäre vortrefflich, ganz platonisch wie die anderen.

Br. Keil (Athen. Mitt. 20, 78) hat geglaubt, die Schrift aufs Jahr zu datieren; aber sein Ansatz des epidaurischen Tempel- baues hat nicht standgehalten, und seine Erklärung der ersten Sätze des Ion wird sich als ein Mißgriff herausstellen.

Arnim (Sprachliche Forsch. 234) hat festgestellt, daß der Sprachgebrauch in den von ihm verfolgten Erscheinungen von den kleinen Dialogen abweicht, Hippias, Charmides, Laches, Lysis, mit denen man ihn am ehesten zusammenstellen möchte. Auch ich habe diesen Unterschied immer lebhaft empfunden. Die größte Verwandtschaft findet Arnim mit dem Protagoras, so daß er vermutet, es müßte einige Zeit zwischen dieser Gruppe und der nächsten liegen. So hatte ich den Protagoras auch an-

3. Ion. 33

gesetzt. Zuzugeben ist unbedingt, daß die Sprache des Ion keine Spur später Nachahmung trägt ; ist er aber von Piaton, so muß er zu seinen allerersten Schriften gehören. Ist er nicht von Piaton, so ist doch sehr schwer denkbar, daß der Verfasser die späteren Dialoge nicht nachgeahmt hätte.

Man hat äußere Anhaltspunkte gesucht. Es werden drei Ausländer genannt, die Athen zu Strategen gewählt hat, Phano- sthenes von Andros, Herakleides von Klazomenai, Apollodoros von Kyzikos. Dami mußten sie wenigstens das Bürgerrecht vor- her erhalten haben; so ist es noch später mit Charidemos von Oreos geschehen. Phanosthenes ist von Ed. Meyer (Forsch. II 174) in den Andriern erkannt, über deren Aufnahme in die Bürger- schaft Andokides I 149, also im Jahre 399, klagt. Herakleides ist durch die Politie des Aristoteles 11, 3 und die Urkunde I G II 2 8 bekannt geworden. Er war um 423 Gesandter nach Per- sien; Bürger ist er kurz nach 103 geworden. Diese beiden konnte also Sokrates erwähnen, wenn das Gespräch in seine letzten Jahre fiel.

In Apollodoros von Kyzikos wollte ich und, wie ich sehe, Bergk vor mir, einen gleichnamigen Mann finden, der ein Ehren- grab auf dem Keranieikos hatte (Pausan. 1, 29, 10). Der lebte zur Zeit Philipps. Dieser Einfall hat die Unecht heit zur Voraussetzung. Wenn sie bewiesen wäre, hätten wir einen so starken Verstoß gegen die Chronologie wie in dem Dialog Sisyphos, der den Kitharoden Stratonikos erwähnt. Vorgekommen ist also so etwas. Aber beweisen kann jener Apollodoros gar nichts. Ein gleich- namiger Verwandter konnte ja athenischer Parteigänger sein und, heimatlos geworden, in Athen Aufnahme und Beförderung finden; dort fehlte es 103 wahrhaftig an erfahrenen Offizieren. Damals ist also die auffallende Maßnahme verständlich. Dann wird man aber berechtigt sein zu sagen, daß ihre Erwähnung nicht allzu lange nachher erfolgt ist, denn sie rechnet doch damit, daß der Leser um die Personen Bescheid weiß x).

1) Wenn Piaton der Verfasser ist, begreifen wir es gut. Dem An- hänger der altathenischen Partei, wie wir das Bekenntnis zur Ttarpioq 7roXiTeia im Gegensatze zu den demokratischen Neuerungen ausdeutend wohl sagen dürfen, war die Heranziehung der Ausländer ein Greuel : dann hatte man zu erwarten, daß auch ein Ion über athenische Ritter komman- dierte.

Wilaraowitz, Piaton. Band II. 2. Aufl. 8

34 & Ion.

Der Ton sieht mit dem Symposion des Xenophon unzweifel- haft in Beziehung, und am nächsten liegt hier wie sonst, die Ab- hängigkeit auf Xenophons Seiten zu suchen. Wenn es nur sicher zu stellen wäre. Bei Xenophon 3. 5 rühmt sich Nikeratos, Ilias und Odyssee auswendig- zu wissen; Antisthenes wirft ihm ein, das täten die Rhapsoden auch und wären doch zugestandener- maßen besonders dumme Kerle. Sokrates bestätigt damit, daß die Rhapsoden nicht wie Nikeratos bei Stesimbrotos und Anaxi- mandros den verborgenen Sinn der homerischen Gedichte ge^rnt hätten. Die Dummheit der Rhapsoden konnte Xenophon ebenso- gut nach dem Ion verallgemeinern wie der Verfasser des Ion im Anschluß an Xenophon an einem Prachtexemplar zeigen. Ion macht aber selbst darauf Anspruch, den Homer zu erklären, besser als Metrodor, Stesimbrotos und Glaukon. Das macht einen Unterschied; das Verhältnis der Abhängigkeit ist "nicht faßbar.

Nachher, 4, 6, rühmt sich Nikeratos zum Spaße, bei ihm könnte man alles lernen, Haushaltung, Redekunst usw., denn bei Homer käme das alles vor. Auch von der königlichen Kunst bestreitet er es nicht, und als Probe führt, er die Regel über die Haltung des guten Wagenlenkers an, die Nestor (*F 335) seinem Sohne gibt, und verlangt Knoblauch zum Weine, weil ihn Nestor in der Ilias beim Frühstück hat (A 630). Ion berühmt sich 536 e, den Homer ganz zu verstehen; Sokrates will ihm zeigen, daß die Stellen, die von einem Handwerker handeln, der betreffende Fachmann besser verstehen muß; dafür ist ein Beleg die Stelle aus dem T, die ein Wagenlenker besser beurteilen wird, und über die Bekömmlichkeit des Knoblauchs wird ein Arzt besser Bescheid wissen. Aus beiden Gedichten Werden mehr Verse an- geführt als von Xenophon; in dem Zitate aus dem A ist ein Gedächt- nisfehler1). Unabhängig sind die Stellen nicht, dazu ist die Be- rührung zu nah. Wenn Xenophon später schrieb, war es begreiflich, daß er nur anführte, was ihm geeignet schien. Auch das ist gut denkbar, daß er die Widerlegung des Sokrates zu einer scherz- haften Behauptung umbog. Aber ebensogut ließ sich auf die Behauptung ihre Widerlegung bauen; wenn im Ion 538 c mehr Verse angeführt werden, so war der Verfasser doch kein Kom- pilator, sondern kannte seinen Homer, besser gesagt, er hatte

*) Ich habe Ilias und Homer 199 die Stellen aus Flüchtigkeit falsch behandelt. Das muß ich eingestehen und die Anmerkung zu streichen bitten.

:j- Ion- 35

ihn im Gedächtnis; daher hat er im A den Gedächtnisfehler be- gangen. So muß ich leider sagen, daß die Vergleichung der Stellen über die Abhängigkeit nicht entscheidet. Dann ist aber doch die allgemeine Wahrscheinlichkeit dafür, daß Xenophon wie sonst immer der Nehmende ist.

Eine andere Parallele aufgewiesen zu haben ist das Ver- dienst von Pohlenz (Aus Piatons Werdezeit 188). Aischines im Alkibiades Fr. 11c Dittmar xat yap ai ßaxyjxt ibrstSav evÖsot YsvcovToa, 66sv oi #AAot [Ix tcov cppsartov] ouSs uStop Suvavxat uSpsusaOat. sxstvat (iiXt xat yaXa dpuovTat. Ion 534 a wci7r£p at ßax/at apuovrat ex tcov 7iOTafxc5v [xeXt xat yaXa xaTe^o^evat, qjtcppove? §s oücrat oü. Pohlenz hält zwar den Ion für später, aber aus seiner Deutung des Inhaltes heraus; die Worte scheinen ihm auch das Umgekehrte zuzulassen. Daraus entnehme ich, daß auch diese Parallele keine allgemein überzeugende Kraft hat. Im Ion ist das Wunder, daß die Bakchen im Zustande der Ver- zückung statt Wasser Milch und Honig aus dem Flusse schöpfen. Aischines hat im Sinne, v as Euripides Bakch. 706 ff. beschreibt (vgl. auch 142), daß sie mit einem Schlage des Thyrsos der Erde Milch und Honig entlockten. Denn das dumme Glossem zu oOsv, das auch grammatisch unverkennbar ist, ergibt den Sinn, daß die anderen Menschen aus den Zisternen kein Wasser holen können, und die Bakchen in der Verzückung sich Milch und Honig dort >uchen. AVenn also der Nachahmende eine neue Wendung ge- ucht hat, so ist zu erwarten, daß jede ihre Verehrer finden wird. Mir ist freilich wahrscheinlicher, daß Aischines das Bild genommen hat, mit dem er den Schluß seines schlichten Dialoges verziert, während im Ion die Begeisterung der Bakchen ein Glied einer Kette ist. Der Gott, von dem Sokrates voll ist, ist die Liebe, die seinen Ermahnungen an den Geliebten wunder- bare Kraft gibt x); aber diese Kraft spürt man nur in der Wirkung

1) Xenophon, der vermutlich dem Aischines sehr viel mehr dankt, als wir erkennen können, hat die Wirkung des erotischen Enthusiasmus sehr hübsch ausgeführt. Symp. 1, 10: alle von einem Gotte erfüllten Menschen

sind dtEioÖsxxo'., 600' oi [ilv IE 600 cov ~pbc, yopy^xspov te opöcv xocl <poßepco- xepov cpÖsyvEaOai xal ccpoSpoxspoi elvaa cpspovxai, o! S' üzö xoü aa>9povoc epcoTG<; £v0eoi xdc te Öfjifxaxa qjiXotppovsaxepcos s'/puai x-x^ T^v ?g>vtjv repaiox^pav 7roioüvxoa xal xa a/jfjjjLaxa tiq eAeuöspuoxepov ayouaiv. Hierin in opäv für opäaöca eine schöne Verbesserung meines lieben Freundes Hans Wegehaupt, der für das Vaterland den Tod eines wahren Helden gestorben ist.

3*

3(} 3. Ion.

auf Alkibiades, nicht in den Worten oder dem Benehmen des Sokrates, so daß das Bild nicht von Natur zugehörig er- scheint.

Bauen will ich auch hierauf nicht; ich habe ja gerade hier j

erfahren, wie häufig ich in der Bewertung der Anklänge selbst in die Irre gegangen bin. Wie sollen wir aber zum Ziele kommen ? Helfen kann dann nur die Interpretation. Aber unter welcher Voraussetzung ? Daß die Frage nach dem Verfasser als offen behandelt wird? Dann werden wir das als Instanzen für die Unecht heit in die Wagschale werfen, was wir dem Piaton nicht zutrauen sollen, weil wir es sonst nicht finden. Aber dann sollten wir die Gleichsetzung von ayaOov und yjSu und die argen logischen Schnitzer des Protagoras auch als unplatonisch be- ' anstanden. Es steht doch anders. Hier ist unter Piatons Werken ein Dialog überliefert, der, wenn er von ihm ist, in seine Anfänger- zeit gehören muß, der Sprache nach für diese frühe Zeit allein paßt; die historischen Anspielungen, soweit man sie kontrollieren kann, stimmen dazu, und die Stellen bei Aischines und Xenophon gestatten die Annahme ihrer Entlehnung. Das spricht für die Abfassung durch Platon. Was dieser entgegensteht, ist die Zeichnung der beiden Personen, die Mängel in der Führung des Dialoges und auch der Inhalt mancher Behauptungen des Sokrates, wenn man sie ernst nimmt. Goethe und Schleier- macher haben wirklich recht; recht haben auch die, welche bestreiten, daß der Platon, der Charmides und Lysis schreiben konnte, noch so etwas gemacht hätte; gerade die tun ihm un- recht, die den Ion in der gleichen Weise wie jene bewundern. Aber damit ist ja nur gesagt, daß der Ion ein noch unvoll- kommener Versuch ist, der Versuch eines Anfängers, der ein Meister werden sollte. Vom Himmel ist auch dieser Meister nicht gefallen, und wem es um den Einblick in seine Lehrzeit zu tuu ist, der freut sich, wenn er hier sein Gesellenstück finden darf, in dem doch immer schon so viel steckt, daß die Chrysalide auf den künftigen Schmetterling vorausdeutet.

Es gilt nun, die Schrift überschauen, doch mag ich nicht alles wiederholen, was Schleiermacher beobachtet hat; darauf sei ausdrücklich, hingewiesen. Überhaupt denke ich, die Dinge werden sich demjenigen von selbst zurechtrücken, der sich auf den richtigen Augenpunkt stellt.

3. Ion. 37

Das Gespräch setzt ohne weiteres ein; das ist ganz, wie wir es erwarten. Der Rhapsode Ion kommt von den Asklepios- spielen au^ dem Hieron von Epidauros, wo er gesiegt hat, und wird an den Panathenäen auftreten. Sokrates fragt, ob er von Hause kommt (wir brauchen zur Exposition, daß er aus Ephesos stammt), und hört erst jetzt, daß im Hieron auch ein musischer Agon gehalten wird. Das ganze Asklepiosfest hat niemals sehr viel bedeutet, vollends in jener frühen Zeit, in der Asklepios über- haupt erst anfing, ein allverehrter Gott zu werden. Es ist also ganz unberechtigt, wenn Br. Keil schließt, dies wäre überhaupt der erste musische Agon gewesen, und weiter, er wäre im An- schluß an die Vollendung des Tempels gestiftet. Von dem nur zu gewöhnlichen Fehlschluß zu schweigen, daß die Abfassung eines Dialoges durch die Zeit des fingierten Gespräches bestimmt würde. Von Epidauros her lernen wir gar nichts, aber für Epi- dauros dürfen wir vermuten, daß die Asklepien nicht gar zu lange vor den Panathenäen gefeiert wurden, wenn Ion von dem einen Feste zu dem anderen reist. Das scheint auch richtig zu sein, obwohl jetzt meist ein anderer Ansatz gilt x). Für den Ion ist das einerlei.

Dann leitet Sokrates die Debatte ein, indem er sich zuge- stehen läßt, daß der Rhapsode den Dichter, dessen Verse er vor- trägt, auch verstehen muß, was Ion mit großer Bereitwilligkeit für sich beansprucht, und zwar will er es besser können als die

1) Nach Schol. Pind. Nem. 3, 145 fiel das Asklepiosfest neun Tage nach den Istkmien, die man in den Frühling setzt, dann also drei bis vier Monate vor die Panathenäen; aber ob die herrschende Meinung über die Isthmien für alle Jahre zutrifft, ist, wie Keil schon bemerkt hat, keines- wegs außer Zweifel. Er hat die epidaurischen Monate schon fast ebenso wie Bischof in Ordnung gebracht; da ist kaum noch eine Verschiebung möglich. Nun steht in Fränkels Inschriftenband, in dem ich nachsuche, ohne mich noch weiter umzusehen, IG IV 1508 eine Urkunde, die nach den Typen und nach Fränkels Urteil höchstens aus dem Ende des 3. Jahr- hunderts stammen kann, vielleicht noch etwas jünger ist. Sie enthält Straf summen, die dem Gotte geschuldet werden, verhängt von den Agono- theten der Asklepien, wie in der zweiten geschrieben steht, also für alle gilt. In der ersten ist einem auswärtigen Bauunternehmer sein Lohn von einer Strafsumme abgezogen, und er hat einen Bürgen gestellt. Das Ur- teü ist auf Antrag des Agonotheten gefällt, man kann nur annehmen gleich nach dem Feste. Datiert ist es aus dem Apellaios, der dem Skirophorion entspricht. Das paßt auf das beste zum Ion.

38 3- Ion-

damals angesehensten Homererklärer, die nicht Rhapsoden waren odc die wir doch nicht als solche kennen l), 530 d. Sokrates ver- zichtet auf eine Probe dieser Weisheit und stellt die zweite Frage, ob Ion auch andere Dichter erklären könne oder nur Homer. Das verneint Ton. Man kann sich nicht vorstellen, was Sokrates an- gefangen hätte, wenn Ion anders geantwortet hätte. Sokrates geht sofort auf diese Frage los, damit er weiter fragen kann, sobald die erwartete Antwort erfolgt ist. Er zwingt dann dem Ion das Zugeständnis ab, er müßte über die anderen Dichter auch reden können, wenn er es über Homer könnte. Trotzdem ge- steht Ion, daß er allein über diesen etwas zu sagen weiß. Nun kommt Sokrates mit seiner Belehrung heraus, auf die er es mit allem abgelegt hatte, bittet um Gehör und hält seinen, von wenigen Zwischenbemerkungen unterbrochenen Vortrag, 533 d; eine übertriebene sipcoveia, Herabsetzung seines eigenen Wissens 2), konsrastiert wenig glücklich mit dieser Belehrung. Ion kann keine Wissenschaft besitzen, aus der er über Homer redet, denn wer über Polygnot urteilen kann, kann es auch über alle andern Maler, und so in allen Künsten. Für die Skulptur werden dabei seltsamerweise Daidalos und Epeios genannt, daneben der Samier Theodoros. Den Daidalos mochte Sokrates bevorzugen, wie er im Menon 97 e die SoaSaAsioc rühmt ; er nennt ihn seinen Vor- fahren Euthyph. 11 c 3), aber den Erbauer des hölzernen Pferdes, über das niemand mehr ein Kunsturteil abgeben kann, nennt er hier unbedacht, auch wenn er dem Rhapsoden aus Homer ge- läufig ist, und auch Theodoros befremdet in der Zeit des Pheidias. Aber es werden auch für das Flötenspiel Olympos (dessen Weisen allerdings im Gottesdienst dauernd gespielt werden), für das Lautenspiel der rein mythische Thamyras, für die Kitharodie Orpheus, ihr Erfinder nach Timotheos, für die Rhapsodie der

5

1) Ion will sich einen Kranz von den 'O[i.7)pi8oci verdienen. Daß das nur das Geschlecht meinen kann, während sie im Phaidr. 252 b und im Staate 599 e die Rhapsoden sind, habe ich früher angemerkt. Der Unter- schied ist klar; aber nach dreißig Jahren durfte Piaton anders reden.

2) Das interessante Glossem äXyjöri Xeyco 532 d habe ich Herrn. 44, 458 ausgeschieden.

3) Der Verfasser des größeren Hippias 282 a sagt, die Künstler meinten, jetzt würde sich Daidalos blamieren, wenn er solche Statuen machte. Das klingt nicht platonisch.

3. Ion. 39

Phemios der Odyssee genannt 1), also immer die ältesten, die wohl besonders vollkommen sein sollen, ohne Rücksicht darauf, ob man noch etwas von ihnen hat. Wie es mit Ion steht, er- läutert dann das in der Tat schöne Bild vom Magneten 2), an dem eine ganze Kette eiserner Ringe hängt, weil er ihnen seine Anziehungskraft mitteilt. So geht der Geist der Muse auf den Dichter, durch diesen auf den Rhapsoden, durch den wieder auf den Hörer über, als eine fremde Kraft, die sie benimmt. Ich muß die Stelle hersetzen, weil der Text mehrfach Nachhilfe ver- langt; wie er bei Burnet steht, läßt er sich gar nicht konstruieren. Die Vergleichungen überstürzen sich: hier spürt man, hier allein, aber auch kräftig, platonischen Geist.

533 e oütco 8s xal yj Moucra evöeouc; [xsv izoizl au-r/), Sia Ss

twv evÖecov toutcov olXKoc, 3) svOoucua^ovTcov 6p[i.aöö(; s£ap- Tarat. TrdvTEc; yap ts t&v £7icov 7roi7jTal ol dyaöol oux ex TE/vr^ dXX' IvÖeo!. Övxs<; xal xaT£/6fj.£vot. Tcdvra

534 a rauxa toc xaXa Xiyouai 7rot.7jfi.aTa, xal 01 ia.EXo7tot.ol ol

ayaöol coo-aurco?. cocrTisp (yap) 01 x'&pußavucovTe<; oux

1) 533 b oüS' ev aüXyjaei yz . . . oüS' iv pa'icoiSiai oüSettcotcot' z\8zq <5cv8pa 6<m? Tcepi ^£v'OXÜ[jltcou 8siv6<; sariv e^YjysiaOai irepi OrjfjLiou tou 'I0ax7]a£ou pa^coiSou, srpl 8s"Icovo<; toü 'Ecpeciou tXTCopel. Das ist sehr kurz gesagt, denn zum Urteil über Ion den Rhapsoden ist der Kenner der Auletik nicht be- fähigt. Es sind also die Pendants zu den drei ersten Künstlern ausgelassen. Eben darum ist bei Phemios der Zusatz gemacht, der ihn als Fachgenossen Ions kennzeichnet: hier durfte pa^wiSoü nicht fehlen; hinter "Ia>vo<; setzt es F mit Unrecht zu. Der lässige Ausdruck ist verzeihlich, aber auch nicht mehr.

2) Der Magnet heißt wegen seiner Kraft 'HpaxXsia Xiöo? wie die voaoc,; so auch Tim. 80 c. Auffallenderweise steht 535 e 'HpaxXsÖTi^, ein Fehler, der erst bei Späteren wiederkehrt und die Fabel erzeugt hat, das magne- tische Gebiet heiße Herakleia, oder der Stein heiße nach einer lydischen so benannten Stadt. Auch sonst ist die Verwechslung nicht unerhört. Ob man sie bei Piaton ertragen muß ?

3) aXXo<; hat Stobaeus erhalten, aXXoov unsere Händschriften. Er hat auch zwei Zeilen vorher richtig sipsrai für av/;pTrjTai, das an das folgende h'-'izri-'xi angeglichen ist. bp[ict.Q6q ist series, dazu paßt sl'psTou, ein Ring hängt am anderen, und so sind die Dichter, die von den Musen begeistert werden, selbst zwar kein 6p(i.a06<;, aber daß die vielen anderen, die weiter von ihnen abhängen, als SXkoq 6puoc06<; bezeichnet werden, entspricht dem bekannten Gebrauch von aXXo?. ÄXXcov ist dem vorigen Genetiv angeglichen ; &Xko<; steht, um die Genetive zu trennen.

40 3. Ion.

£(ji(ppovsc ovrec op^ouvTat, out« xal ot u.eXo7;otol oüx £y.- cppovec; ovrzc, ra xaXa [xeXT] TauTa 7rotouo-tv, aXX' e7ret8av Ifxßc5<nv 1) elc, tyjv <xp|jtov£av xal eu; t6v (SuOptov, ßaxxeuouat, xal [xaTe^ou-evot] &<m£p cd ßaxyat apuovTat ex tov 7roxa- u.«v [iiXt xal yaXa xaTeyofxevat, ejjtcppove? 8e oüaat oü, xal tcov [X£Xo7rotwv ■/) ^u^v) touto' epya^eTat, orap auTol Xeyouar 534 b Xeyoucrt yap St(tc:ouOev upoc 7][xa<; [ol 7cot7)Tal] 2) cm dato xpvjveov [ieXtppuTCov V)3) ex Mouctcöv xvjtiwv tivcöv xat va7rcov Spe7r6u.evot t<x uiX?) r^tv tpepouatv, waTiep at uiXtTTat xal auxot out(o 7reTO(J.evof xat aXr;Ö^ Xeyouot, xoücpov yap xpvj[xa 7rot7]T7](; eaxtv xal -ttttjvov xal tepov 4), xal ou Tupoxepov oloc, re 7rotetv 7iplv av evOeo^ re yevvjTat xal excppcov xal 6 voü?

{AYjXETt SV aUTWt EV/jt* £<x>C, 8' (XV TOUTt S^TJl TO XTY)U.a, OcSu-

vaTO<; 7ra<; rotetv avOpconroc; eaxtv xal xp^J^^w^etv. are ouv ou x£yyr]i 7rotoüvTE<;,'xal 7roXXa Xeyovre? xal xaXa 7cepl tcov 7rpay(xaTO>v wc77iep ou 7rcpl 'Ou,7)pou 5), aXXa Oetat fxotpat, touto ixovov oloc; Te exa.OTOc 7iotetv xaX&i;, ecp' 8 yj Mouaa auTov copf/Tjoev, 6 [xev 8t0upau.ßou<; 8 Se eyxwfjtta 8 Se öwop- X^aTa o Se eror) o Se tau.ßouc;, toc §' aXXa 9auXo<; auxwv IxaaTot; eoTtv.

1) efzßodvetv vom Eintreten, Eingehen in den Zustand des ev0eo<;. Eurip. Bakch. 466 Ai6waoQ rniäq elai^az; die TeXeraC gehen vorher. Es ist initiare, ursprünglich eintreten, einführen in den Ort, dann in die Region, die vorher ÄßaTog war.

2) Der Zusatz wird dadurch gerichtet, daß nur von den ^eXorcoiot die Rede ist. , Es folgen Anspielungen auf bestimmte lyrische Verse aus meh- reren Gedichten, für uns nicht nachweisbar, als adespota zu führen.

3) ^ unentbehrlich, nur diirch Stobaeus erhalten. Denn aus den Quellen, die von Honig fließen, schöpfen die Dichter, nicht die Bienen den Honig ihres Sanges, von dem Pindar so oft redet; die Bienen holen sich aus den Gärten und Auen der Musen das, was sie zu Honig verarbeiten. Simonides in dem Gedichte, das ich Sitz.-Ber. 1908, 340 behandelt habe, Euripides Hippol. 77. An SpkizeaQoii wird nicht Anstoß nehmen, wer Pindars Gebrauch vergleicht.

4) Die Biene ist iepa, Pindar im Gedicht auf Theoxenos, Fr. 123. So ist es der Dichter, weil er ein lep&v 7:veufia hat, Demokrit B 18.

5) Was ich zwischen Kommata gestellt habe, ist ein Einschub, den man als solchen durch anderen Sprachton kennzeichnen muß; hergehört nur das Dichten, ttoieiv; das Reden über schöne Dinge ist nur wegen des Ion eingefügt, der den Homer erklären kann; die Dichter, das Subjekt, geht es eigentlich gar nicht an.

3. Ion. 41

Es wird dann noch gesagt, daß die Menschen eben daran, daß die Propheten die Besinnung verlieren, erkennen sollen, es spräche der Gott durch sie; und daraus, daß der schönste Päan von Tynnichos wäre, dem geringsten Dichter, der weiter nichts gemacht hätte x), wird abgeleitet, daß der Dichter nur ein Dol- metsch der Gottheit ist.

Weiter muß bewiesen werden, daß auch der Rhapsode bei der Ausübung seiner Kunst in Ekstase ist und der Zuhörer ebenso. Das bestätigt Ion aus seiner eigenen Erfahrung, auch für das Publikum. Wie sich das verhält, beobachtet der Virtuose trotz seiner Ekstase; wird der Schauspieler auch heute beobachten, wenn ihm bei der Rede vom rauhen Pyrrhus die Tränen im Auge stehen. Von dem Beifall des Publikums hängt ja die Höhe seiner Einnahme ab. Das wird 535 e in einer fein zugespitzten Antithese ausgesprochen. Sokrates setzt zusammenfassend dem Ion auseinander, daß er ou -ziyyr^ aXXa Osiou jj.otpai 'Otr/jpou Savos £7caiv£nrjc 2) ist. Das geht für die Erklärung Homers nicht leicht; er soll durch das Anhören der Verse auch dazu bezaubert werden, gleich als ob er sie jedesmal vorgesagt bekäme, wenn er einen Vortrag über Homer im Stile des Metrodoros hielte. Ion will auch noch nicht zugeben, daß er über Homer ohne tsxvyj, Sach- kunde, in Ekstase rede. Daher wird ihm mit vielen Beispielen gezeigt, daß über die Stellen, in denen Homer von Künsten oder Handwerken redet, immer der betreffende Fachmann besser ur- teilen kann als der Rhapsode. Als ihm das immer noch nicht eingehen will, schilt Sokrates ziemlich grob auf seine Vergeßlich- keit, 539 e. In die Enge getrieben, erklärt er das wenigstens am besten zu beurteilen, was sich für Mann oder Weib, Herrn

J) Es scheint, daß der Name „Kleinchen" lächerlich klang und die herabsetzende Beurteilung des verschollenen Dichters erzeugt, hatte. Den Päan des Tynnichos erwähnt noch Theophrast in einem Apophthegma des Aischylos, S. 16, 46 in meinem Anhange seiner Vita.

2) '0(i.r)pou !7rcavET7)<;, das hier 536 d und als letztes Wort des Dialoges steht, von Ion an der ersten Stelle mit "O^rjpov s~aiv<ö aufgenommen wird, bezeichnet den, der zu Ehren Homers redet, seine Sache führt, auf ihn 6chwört. Es ist ein recht platonisches Wort. Noch der Kreter der Gesetze ist Ato? eTToav£T7)s 633 a. Ich habe diesen Gebrauch verkannt, als ich über Ps.-Plutarch Inst. Lakon. 238 c handelte (Timotheos 72). Der Kompilator wird das Wort aus einer Stelle Plutarchs herübergenommen haben, dem er so viel verdankt.

42 3- Ion.

oder Diener zu sagen schickt. Aber Sokrates meint, wie ein Steuermann im Sturm zu der Mannschaft zu reden hat, wisse der Steuermann besser, und so weiter. Am Ende wird das Ganze zu einer Farce: Ion, der überzeugt, ist, daß er beurteilen kann, wie ein Feldherr zu seinem Heere zu reden hat, läßt sich davon nicht abbringen, bejaht nun die verhängnisvolle Frage, ob er die Feldherrnkunst besäße, und scheut sich vor keiner Konse- quenz, so daß er schließlich bis zu der Behauptung kommt, es läge vielleicht nur daran, daß Ephesos unter Athen steht, wenn noch niemand von seiner Feldherrnkunst Gebrauch gemacht hat. Sokrates spielt noch ein wenig mit ihm und sagt dann ab- brechend (aXXa yap 541 e), er drehe und wende sich wie Proteus (eine dem Piaton geläufige Vergleichung, Euthyphr. 15 d, Euthyd. 288 b) und liefere doch nicht den Beweis, aus Wissen- schaft (Texv7)) über Homer gut reden zu können.^ Das wäre ein Unrecht, wenn er wirklich die Wissenschaft besäße, die ihm Sokrates abstreitet; dafür bietet er ihm an, sich als Qeloc; zu be- trachten; so wird ihm zu Gefallen das evöeo^ gesteigert. Nun gibt Ion sich zufrieden.

Was ist das Ganze ? Zunächst nichts anderes, als was Goethe darin gesehen hat: Ion soll sich blamieren, wie sich die Sophisten im Protagoras und Hippias blamieren. Auf die Person wird es hier weniger ankommen als auf die Rhapsoden, deren Vertreter er ist; aber wir können auch nicht beurteilen, welche Stellung Ion seinerzeit einnahm, da wir nur hier von ihm hören. Virtuosen werden rasch vergessen, aber ihr Eintagsruhm kann groß sein. Immer aber vertritt er seinen Stand, einschließlich der Homererklärung. Xenophon hat es richtig aufgefaßt, wenn er alle Rhapsoden als anerkannte Dummköpfe bezeichnet. Zu- zugeben ist, daß die Zeichnung sehr grell ist: daß Ion sich als geborenen Feldherrn fühlt, ist eine Charakteristik, die Goethe ,mit Recht aristophanisch nennt. Dabei bekommen wir von den schönen Reden, die Ion besser als Metrodor und Stesimbrotos über Homer halten kann, gar keine Probe, werden uns aber auch nicht nach dieser Weisheit sehnen.

Sokrates ist hier ein ganz anderer, als wie wir ihn kennen, als er nach seiner Selbstschilderung in der Apologie sein muß; ich meine nicht seine ziemlich grobe Manier, die zu der über- triebenen Selbstverkleinerung an der einen Stelle schlecht stimmt,

3. Ion. 43

sondern daß er doziert wie nur ein Sophist. Das ist es, was mich so lange den Dialog für unplatonisch halten ließ. Wer sich seinen ersten Teil überlegt, muß bemerken, daß der Gedanken- gang als ein geschlossenes Ganzes konzipiert war. Der Rhap- sode, will den Homer verstehen und erläutern; dabei versteht er von anderer Poesie nichts und beansprucht es auch nicht. Dann kann er unmöglich ein wirkliches Urteil über Poesie haben, und wenn sein Vortrag den Sinn .und die Schönheit der home- rischen Gedichte so vollkommen zum Ausdruck bringt, daß sie erst durch ihn auf die Zuhörer ihre volle Wirkung tun, so ge- schieht das, weil der Geist Homers über ihn kommt und sich so auch den Hörern mitteilt. Es ist ein unbewrußtes Können, und das gilt auch von dem Dichter selbst. Weil diese Gedanken- folge als solche dem Schriftsteller feststand, ist ihre Auflösung in das Gespräch nicht recht gelungen, und daher ward So- krates zum Lehrer statt zum Frager. Schon im Hippias und Laches hat Piaton die Kunst beherrscht, die ihm hier fehlt. Darum braucht hier kein anderer zu uns zu reden, aber wenn es Piaton ist, ist es der Anfänger Piaton.

Was er sagen will, geht den Rhapsoden weniger an als den Dichter, bei dem er auch viel länger verweilt. Für den Dichter ist es viel wesentlicher, daß er nicht auf Grund eines Wissens, einer bewußten Kunst schafft. Da ist anzuerkennen, daß Sokrates in der Apologie 22 d als Ergebnis seiner Prüfung der Dichter angibt, sie wissen über ihre Werke nicht Rede zu stehen und verraten dadurch, daß sie durch Begabung (tpuast,) und im Enthusiasmus wie die Seher dichten. Die Lehre hat also der junge Piaton von Sokrates übernommen. Aber jetzt ist ihm wie dem Sokrates nur wichtig, was daran negativ ist, daß den Dichtern, den Lehrern des Volkes, das Wissen fehlt. Er wird lange brauchen, bis er auch den Vorzug in dem unbewußten Schaffen anerkennt, im Phaidros, wo er seine eigene Dichtung als solche schätzen gelernt hat, da sie ihm allein ermöglicht, auch das auszusprechen, was er wissenschaftlich nicht fassen kann, und was ihm doch das Entscheidende ist. Aischines hat sich an die Gedanken des Ion gehalten, um zu erläutern, wie Sokrates, der doch auf kein Wissen Anspruch erhebt und er- heben kann, den Alkibiades mit seinen Mahnreden im tiefsten zu treffen vermag; was ihn befähigt, ist die Begeisterung durch

44 ;{ l(>n-

die Liebe. Das ist hübsch, aber es ist keine Philosophie. Am wenigsten hat Aischines und der Piaton des Ion mit der Lehre des Menon zu tun, daß die erfolgreichen Staatsmänner Oeiou [lolpai das Richtige treffen. Da ist zwar der Gegensatz zu dem whklichen Wissen derselbe, aber beides ist vertieft, weil Piaton inzwischen Philosoph geworden ist. Wissen muß durch logisches, wissenschaftliches Denken erlangt werden; mit einer ^ijyrl l*& es nicht getan. Und was jene Staatsmänner besaßen, war dcX/]- dr\q 86£a, die im Effekt dasselbe erreicht wie die £7uctty][j17) ; man ist ihrer nur nicht Herr, weil sie eben doch nur ein Meinen ist, und insofern hat eine Öeioc [loipcc, wem das richtige Meinen zu- teil wird. Es ist sehr bezeichnend, daß der Phaidros, der die Poesie als ein unbewußtes Schaffen zu betrachten lehrt, dem Tragiker die Beherrschung seiner Kunstmittel zugesteht (268 d) : soweit sie t^vt; ist, ist sie auch lehrbar, ist sie auch bewußt. Wir hören an dieser Stelle des Phaidros, wie dem Rhetor, der es versteht, wie man rührend und drohend und schreckend reden kann, vorgehalten wird, die Tragödie wäre eine auenratn? toutcov 7rp£7coucra <xXky]koiQ te xca Ton 6Xwi, auvtaTaptew). Da fällt das Wort 7tp£7rov, das in der Stilistik später eine große Rolle spielt; die Negation anpz-xiq gehört dazu. Aristoteles Rhet. 3, 1 104 b, 4, Cicero, Orator 70, der das 7rpe7i:ov mit decorum übersetzt; beim auetor ad Herennium heißt es conveniens und kommt oft genug vor; Dionysios n. cruvö. 6v. 20; die Dichterscholien, soweit sie solche Kritik enthalten, erwähnen oft das 7ip£7rov und dt7i:p£7r£<;. Im großen Hippias 290 c wird die Abhängigkeit des Schönen vom 7cp£7rov gezeigt. Es ist also unbestreitbar, daß Ion einen ganz triftigen Einwand macht, wenn er 540 b sagt, er könne beurteilen a 7rp£7X£t. avSpi, eltoIv usw. Es ist ein Sophisma, nichts weiter, wenn Sokrates behauptet, der Steuermann verstünde besser als der Homeriker, was man beim Sturm der Mannschaft zu sagen ,hat. Wenn das vom Inhalte gelten mag, von der Form gewiß nicht, und ein Urteil über das, was Homer in solchem Falle einen Steuermann sagen läßt, ein Urteil über die fiifx/jmc;, die der Verfasser des Ion noch gar nicht kennt, hat der Steuermann vollends nicht. Goethe hat sich über diese Vergewaltigung der Kunst mit Fug und Recht entrüstet; er führt das hübsche Bei- spiel an, daß die Sachverständigen sich entrüsten, wenn auf einem geschnittenen Steine (auch in der großen Skulptur) ein Vier-

3. Ion. 45

gespann ohne sichtbares Riemenzeug den Wagen zieht, was doch künstlerisch berechtigt, also Trpercov ist. Aber wenn Piaton den Ein- wand machen läßt, so ist ihm seine Bedeutung nicht entgangen. Er darf ihn nur nicht verfolgen lassen, sonst bricht der Bau seines Dialoges zusammen. Daher der Gewaltstreich, daß Ion das große Wort spricht: „Mir scheint Rhapsodenkunst und Feldherrnkunst dasselbe zu sein." Damit erreicht die Selbstgefälligkeit des Gecken, den er blamieren will, den Gipfel, erreicht die Komödie ihren Höhepunkt und ihren Abschluß. Aber es ist auch ein Schluß wie in der Komödie: dieser Held der Homererklärung wird uns freilich nichts zu sagen haben, und Sokrates hat es erreicht, daß der große Hans ganz klein geworden ist. Aber die Behauptung des Sokrates ist darum nicht besser begründet als die, welche Hippias am Ende zugeben muß. Dem Verfasser ist das in beiden Dialogen gleich bewußt; es ist nur im Hippias sehr viel ein- leuchtender als hier, weil niemand die grobe Unsittlichkeit ernst nehmen kann. Geglaubt kann Piaton ebensowenig haben, daß die Begeisterung, welche der Rezitator aus den Versen empfängt, die er hersagt, auch den Gelehrten überkommt., der sie erläutern will. Und er hat auch nicht geglaubt, daß ein Meister des Kunst- schmiedens die homerische Schildbeschreibung besser zu beurteilen verstünde als ein Leser, wie er selbst einer war. Es ist ein Schein- resultat, das er mit einer Unterscheidung der Künste erzwingt, 538 a, die ihm ja auch sonst geläufig ist, z. B. Staat 346 a.

Wenn der Ion in seinem letzten Teile die ernsthaft gemeinte Lehre seines Verfassers gibt, so verficht dieser einen Unsinn, und verficht ihn schlecht. Dann ist es auch der junge Piaton nicht. Wenn das Ganze auf die Blamage des Ion hinausläuft, und dieser Zweck auch mit groben Sophismen erreicht wird, so ist der Ion freilich kein philosophischer Dialog; er ist eine Satire; kein Name trifft besser zu. Die polemische Absicht hat er mit Hippias und Protagoras gemein; da wird ihm der eitle Rhapsode auch an den Panathenäen begegnet sein, so daß die persönliche Polemik die- selbe wie im Hippias ist. Die Kunst ist freilich noch viel unreifer, und der Sokrates ist noch ein ganz anderer, als er seit der Apo- logie bei Piaton ist. Aber über die Poesie hat Piaton, der sich doch selbst in ihr versucht hatte, so zu urteilen gelernt, wie es Sokrates in der Apologie tut; mit den Lyrikern weiß er gut Bescheid, ver- wertet wohl auch, was ihn die Selbstbeobachtung gelehrt hat;

4(5 ;;- Ion.

er hat eben erst seine Tragödien verbrannt, und die frische Be- geisterung für das. was er bei Sokrates lernt, macht ihn ungerecht gegen das eben verlassene Ideal. Und der Widerwille gegen die Homererklärung, wie sie von den Rhapsoden und den Alle- gorikern geübt ward, die er nennt, wird wohl auch auf eigener Erfahrung beruhen. Er hat sich von diesem Felde zeitlebens ferngehalten 1).

a) Er lehnt die Belehrung über die anstößigen Göttergeschichten ab, die Euthyphron 6 a erteilen will, und spottet über die Deutungen der Moücoc Xtyeia» Phaidr. 237 a. Im Staate 378 d läßt er daher nicht zu Oeo|jiaxwc<; out £v utiovoiock; rcS7COl7){Jiivas oüte #.vsu u7rovoitdv.

4. Wahrheit und Dichtung

in Apologie, Kriton, Phaidon.

Es ist eine starke Zumutung, zu glauben, daß der Zettel, auf dem Meletos die ypoccpr) bei dem Könige eingereicht hatte, fünfhundert Jahre später im Metroon erhalten war, wo ihn Favorin (Diogenes 2. 10) gesehen haben will. Wenn er das Autograph des Meletos im Aktenschranke des Archivs vor- gezeigt erhielt, so werden wir darin nur die Geschicklichkeit erkennen, die der gläubigen Neugier der Fremden die kostbare Reliquie vorzuweisen vtußte, auch dem Kelten Favorin, der hier seine theoretische Skepsis vergaß. Der Sophist konnte aber auch ein Qzoca<k\Lzvo<; oloa mit dem Gewissen des Pausanias nieder- schreiben. Im übrigen ist es einerlei; der Wortlaut der ypacpr) stimmt ja zu Xenophon und Piaton; was er mehr enthält, ist durchaus in der Ordnung, ließ sich aber jederzeit leicht be- schaffen. Es ist ja nur ein Zufall, daß wir den Vatersnamen des Meletos in dem Scholion der Apologie nicht mehr lesen, das aus einem guten Lexikon von xco(i.wi.Soujx£vot, stammt. Es ist wertvoll, daß der Vater auch Meletos hieß, denn so schließen wir, daß sie beide Tragiker waren, und die chronologische Schwierig- keit schwindet, daß Meletos der Ankläger ein junger Mann war, und Aristophanes schon über 20 Jahre früher in den Tewpyot einen Tragiker Meletos verspottet hat x). Auch der Meletos, von dem Aristophanes in den Fröschen lockere Lieder erwähnt, wird in die Familie gehören, wohl der Vater sein. Die Ödipodie ge- hört dem Ankläger, denn die Störche des Aristophanes, die sie

!) Über die Träger dieses Namens handelt die gute Dissertation von Begodt de oral, xoct 'AvSoxiSou, Münster 1914, 39 ff.

48 4. Wahrheit und Dichtung.

erwähnten1), werden durch den Rhetor Neokleides (Schol. Plut. 665) in diese Zeit verwiesen, und es scheint doch, als wäre es nicht aus den Fingern gesogen, daß der vierzehnte Sokratikerbrief den Meletos ,,wie in der Tragödie den Menoikeus fptXo7toXi<; spielen" läßt 2) : diese Rolle des Menoikeus hatte Euripides erst in den Phönissen geschaffen.

Über Anytos wird passender bei dem Menon gehandelt.

Lykon wird von den Sokratikern ganz auffällig geschont; Flaton nennt ihn einen Staatsmann 3), das ist alles, und nur auf dem Scholion zur Apologie 23 e beruht seine Gleichsetzung mit dem Vater des Athleten Autolykos, der 422 der Geliebte des Kallias bei Xenophon ist, damals von Eupolis samt seinen Eltern scharf angegriffen und 404 von den Dreißig beseitigt wird. Daß Lykon in der Tat diese Person ist, folgt aus seiner Verteidigung durch Xenophon, denn es ist öfter bemerkt, daß es auf ihn und seine Anklage des Sokrates geht, v. enn Xenophon Kyrop. III 1, 38 von Tigranes erzählt, der einen weisen Mann töten läßt, weil er ihm die Liebe seines Sohnes entzieht. Im Symposion läßt Xenophon den Lykon seinem Sohne den Sokrates besonders empfehlen. Er hat den Tod des Autolykos in Athen erlebt und scheint die Familie gekannt zu haben. Hiernach hätte Lykon also später einen Groll gegen Sokrates gefaßt, den er nach dem Tode seines Sohnes zum Austrage brachte. Er war schwerlich aus einem altangesehenen Hause, da Eupolis seine bürgerliche Geburt anfocht, und das Scholion sagt "Icov yevo?.

1) Schol. Apol. 18 b an erei oi üsXapyol eSiSaaxovTO xal 6 MIXyjtoi; OtSi7:6Seiav xaÖTJxev (eOr^xav codd.), Cjc, 'ApiaxoTeX7)<; AiSaaxaXiaic;.

2) S. 619 Herch. a>a7rep ev TpaycoiSiat UTtexplva-ro Mevoixsa t6v 91X67TOX1V ( tpiXöacxpov codd. ) äcp' o5 yjyavaxTei &q r\ ttoXk; äSixoiTO f otco toütcov r\ aurif). Die eine Korruptel kann ich heben; <piX6<ro<pov ist Unsinn, was verlangt wird, zeigt der Nachsatz, die Verbesserung liefert Piaton 24 b 7ip6<; MeXv)Tov xöv

5 <xya6öv xal «piXo^oXiv, &c, <py]ai. Vor dem Kreuz kann der Satz zu Ende sein; 67:6 schließt zwar gut an, aber toütcov hat keine Beziehung, tj aüryj auch dann nicht, wenn 7] entfernt wird. Der Text des ganzen Briefes ist zerrissen und lückenhaft.

3) Da Lykon die pyjTope:^ vertritt, kann Anytos, Apol. 23 c, unmöglich \>Tzhp tcöv Sy][jLioupycöv xal töv 7toXi.ti.xcov auftreten, sondern die Politiker sind aus dem Menon eingeschwärzt, wie Cobet und Schanz gesehen haben. Daß die Interpolation älter ist als die Urquelle von Diogenes 2, 40 ist wichtig für die Textgeschichte, aber für den echten Text ohne Belang; es ist ja eine Korrektur auf Grund des Menon.

4. Apologie. 49

Die Zeit der delischen Theorie hat Robert, Herrn. 21, 161 auf den Anthesterion bestimmt ; auch eine Stelle des Phaidon 80 c hat er erst verständlich gemacht, wo es heißt, daß eine Leiche ev toiociStyji copai jcal 7ravu [j,aXa eine Zeit ihre Gestalt bewahrt, was- nur im Februar, nicht im Mai möglich ist, auf dessen Thargelien man trotz Robert noch immer den Tod des Sokrates verlegt. Das Fest, an dem Apollon aus Lykien nach Delos kommt, kann nur den ersten Anfang des Frühlings angehen, deckt sich also mit den Anthesterien, mag auch der Monatstag nicht genau zusammengefallen sein, ganz abgesehen von den Schwankungen der verschiedenen Kalender. Wenn man dann mit Thukydides das Blumenfest als ein altionisches anerkennt, so kommt man zu einem Weiteren Schlüsse. In Athen ist der fremde Dionysos in dieses alte Fest eingedrungen, das einerseits den Toten galt, andererseits dem Erwachen der Natur, was gut zusammen geht. Es ist kein Wunder, daß Dionysos Zutritt fand, denn sein Erscheinen auf Erden ist ja im Grunde das Erwachen des neuen Lebens 1). In Delos ist das nicht geschehen; da ist da- für ein anderer fremder Herr, Apollon der Lykier, vor dem die Anthesterien ganz zurückgetreten sind. Aber im Grunde ist seine Heimkehr von der Winterreise auch nichts anderes als das Kommen des Frühlings. Man wird nur für Delos zurzeit un- bestimmt lassen müssen, ob die Hellenen mit ihren Anthesterien nicht vielmehr sich dem auf Delos bereits bestehenden fremden Apollonkulte unterworfen haben; des Dionysos haben sie sich erwehrt. Es ist wichtig hier zu erkennen, daß das einfache religiöse Gefühl, das sich auf das Naturleben stützt, bei Hellenen, Phrygern, Thrakern und Kleinasiaten dasselbe ist und ein Fest des Vorfrühlings erzeugt, aber die Exponenten der Gefühle, die göttlichen Herren des Festes, sind verschieden und können sich demnach vertragen oder befehden.

Das Stimmenverhältnis bei der Verurteilung, 280 (genau 281) zu 220, ist aus Piaton 36 a richtig erschlossen; bei Diogenes 2, 41 steht xocTcSi.xaaöv] S'.y.xocnai,^ oySo^xovTa y.i>xi, (£a') nXzioai tj//)<poi<; tgW a7roXuoucjtov. Aber wer so rechnete, kannte die gesetzliche Zahl der Richter und berichtigte Piatons runde Rechnung.

1) Zum 'Av6iaTr)p ist Dionysos geradezu auf Thera geworden, IG XII 3, 329, I. Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Aufl. 4

50 4. Wahrheit und Dichtung.

Für die wirkliche Rede des Sokrates und den Verlauf des Prozesses haben wir kein Material außer Piaton, denn die xeno- phontisehe Apologie fällt weg, auch wenn die Leute recht haben, die Xenophon mit ihr belasten. Denn ich verzichte auf eine jede Verständigung, wenn ihre Abhängigkeit von Apologie und Phaidon bezweifelt wird. Die Berufung auf Herrn ogenes kann angesichts von Memorabilien IV sowieso nicht für mehr als Ein- kleidung gelten; sie beweist ebenso wie der Stil, daß die »Schrift xenophontisch sein will, nicht daß sie es ist.

Über Piatons Apologie hat Bruns sehr viel Feines gesagt, was ich von Schanz nicht sagen möchte. Indessen muß ich mein Urteil ganz unabhängig vortragen; Bruns verdient für alle Zeiten als Interpret der Rede nachgelesen zu werden. Rein fiktiv ist die dritte Rede; das liegt auf der Hand. Tatsache ist am Schluß der zweiten der Antrag auf eine Geldbuße samt den Namen der Leute, die sie zahlen wollen, und ihren Bürgen. Da hat Piaton also auf das Tatsächliche Wert gelegt; er selbst steht als Zahlender an erster Stelle. So Mae er die Rede gestaltet hat, klappt dieser Antrag nach, etwas disharmonisch zu dem über- legenen, fast höhnischen Tone der Rede. Diese Stilisierung ist also platonisch; aber sie ruht doch auf sokratischem Grunde. Denn er hat so gesprochen, daß eine große Anzahl von Richtern, die für nichtschuldig gestimmt hatten, nun für das höchste Straf- maß stimmten. Dazu konnte sie nur die Haltung des Angeklagten veranlassen, nicht seine Erklärung der Zahlungsunfähigkeit und das Angebot der Freunde. Daher zweifle ich nicht, daß Sokrates, wenn auch in minder hochmütigem und verletzendem Tone, von der ah-riau; lv 7tpuTaveicoi geredet hat; das ist ein so singulärer Einfall, daß er sich dem Gedächtnis unauslöschlich einprägen mußte. Wenn er nicht von Sokrates ausgesprochen war, konnte er ihm kurze Zeit nach der Verhandlung kaum in den Mund 'gelegt werden, ohne schädlich zu wirken.

Daß die eigentliche Verteidigung stilistisch und überhaupt in der Ausführung platonisch ist und gar nichts anderes be- ansprucht, ist selbstverständlich. Für das Publikum ist Piatons Apologie nicht sokratischer als die des Lysias. Denn sie ist ja nicht als Werk des Sokrates erschienen, wie Antiphon und Ando- kides ihre Selbstverteidigungen herausgaben. Ebensowenig war Piaton ein Logograph, wie Lysias für Mantitheos geschrieben

4. Apologie. 51

hatte. Aber wenn Piaton das Gedächtnis des Sokrates retten, den Urteilsspruch als ungerecht erweisen wollte, mußte er damit rechnen, daß die Richter das Buch lasen, die anderen Sokratesschüler auch. Da war er gehalten, die Gedanken wenigstens zugrunde zu legen, die Sokrates wirklich ausgesprochen hatte, und er mußte sorgfältig vermeiden, was Sokrates gar nicht hätte sagen können.

Zu einer Gerichtsrede gehören Zeugenaussagen; sie fehlen nicht, 21 a für das besonders wichtige delphische Orakel, 32 d für die Verhaftung des Leon. Gleicher Art ist die Aufzählung vieler am* esendef Personen, die bezeugen können, daß der Unter- richt des Sokrates ihren Verwandten nichts geschadet hat, 33 e. Dies sind feste Punkte für die Rede des Sokrates. Ebenso die Anführung aus der Rede des Anytos, 29 c.

In der Form stößt man sich am meisten an dem eingelegten Dialoge mit Meletos; aber daß so etwas möglich war, zeigt neben den Eumeniden die Eratosthenesrede des Lysias. Die überlegene Grobheit, mit der Meletos behandelt wird, ist hier dieselbe wie in der ganzen Rede; sie werden wir auf Piatons Rechnung setzen. Inhaltlich kommt hier das Soj)hisma heraus, durch das Sokrates sein Damionion mit den Dämonen gleichsetzt, diese als Kinder der Götter bezeichnet, so daß er, weil er an sein Damionion glaubt, seinen Glauben an die Staatsgötter bewiesen haben will. Das ist ein Sophisma, das nur scherzhaft genommen werden kann. Stammt das von Sokrates oder Piaton? In der Anklage ist auf das Daimonion ausdrücklich Bezug genommen, in der Verteidigung nur hier, denn die Erklärung, wie das Daimonion wirkt, 40 a, steht erst in der dritten Rede. Übergehen konnte Sokrates diesen Punkt nicht; wenn es also nur hier geschieht, so daß das Einführen von xy.iva Soa[i.6via an sich zugestanden wird, aber als unwesentlich behandelt, so deckt ein Witz, den die Richter belachen, einen schv achen Punkt. Hat Piaton da- mit das ersetzt, was Sokiates gesagt hatte, oder fassen wir hier nicht vielmehr einen Nachhall des Tones, in welchem dieser wirklich sprach, recht sokratisch, nicht aus der sittlichen Würde und dem überlegenen Tugendgefühle heraus, das für den plato- nischen Sokrates die gegebene Tonart war, darum, weil er nach dem Ausgange des Prozesses schrieb, sondern mit derselben Geschicklichkeit in der Verteidigung, die wir ihn oft im Angriffe auf einen weniger gewandten Gegner ausübend finden.

4*

52 4. Wahrheit und Dichtung

s-i-

Das Gespräch mit Meletos, das Mittelstück der Rede, bildet die Widerlegung der Anklageschrift; sie ist so kurz abgetan, wie es Sokrates schwerlich vor den Richtern tun konnte, zumal er eigentlich nur den einen Gegner abfertigt. Wenn Piaton sich damit begnügte, so ist das ein Zeichen seiner freien Bewegung; aber es liegt nahe, daß er sich in dem, was er gab, gerade hier von den Gedanken des Sokrates nicht entfernte.

Das erzeugt den Verdacht, daß der erste Teil, der Haupt- teil, dem Piaton angehört, und die Zurückführimg der Verurtei- lung auf die seit Jahrzehnten gegen Sokrates erregte feindselige Stimmung, also die richtige Bewertung der eigentlichen Gründe, gehört ihm sicj^rlich. Aber für das Orakel wird ein Zeuge aui- gerufen, und das Orakel, das den Sokrates zu seiner ganzen Lebensführung berechtigt, also seine Anklage verschuldet, hält so ziemlich die ganze Rede zusammen. Wie sollen wir das be- urteilen ? Vor allen Dingen hat Chairephon tatsächlich in Delphi gefragt „Ist jemand weiser als Sokrates?", und der Gott hat nein geantwortet. Das wird uns als bezeugte Tatsache angegeben, das sind wir gehalten zu glauben. Chairephon gehört zu So- krates als nächster Schüler schon 123; schon damals konnte er also in Delphi gewesen sein, ja er mußte es, wenn er sich bei dem Gotte Rats erholte, weil er noch schwankte, ob Sokrates der rechte Lehrer wäre. Mich dünkt das Avahrscheinlicher, als daß seine Begeisterung nur eine göttliche Bestätigung suchte. Sollen wir nun so schließen: wenn der Gott den Sokrates für den Weisesten erklärte, so wußten die delphischen Priester von ihm; wissen konnten sie nur, weil er seine öffentliche Wirksam- keit schon mit Erfolg geübt hatte: also wird in der Apologie das Verhältnis von Orakel und Tätigkeit geradezu umgedreht. Das klingt, bündig, hat aber mehrere schwache Stellen. Der Gott hat gar kein positives Urteil abgegeben, gar nicht gesagt, daß Sokrates weise wäre, sondern nur, kein anderer wäre weiser. Sokrates faßt das nur so weit positiv, daß die Weisheit dem Menschen abgesprochen wird, er aber in dem Bewußtsein des Nichtwissens die beste dem Menschen zugängliche Weisheit be- sitzt. Das Orakel läßt die Deutung zu; weiser ist keiner, denn alle Weisheit dfer Menschen ist Torheit vor Gott. Wir müssen uns den Orakelbetrieb realistisch vorstellen, avozu die Inschriften von Dodona guten Anhalt geben. Die Menschen stellen sehr

4. Apologie. 53

konkrete Fragen; gut für den Gott, wenn sie mit et Aonov xocl aji.ei.vov eine Weisung für die Zukunft verlangen; wenn sich's aber um ein Faktum der Vergangenheit handelt, ei II; lau-coo to 7racStov sarlv 6 'AvvuAa xuzl, so wird es peinlich. Nun kommt ein beliebiger Athener und fragt, ob jemand weiser wäre als ein Sokrates, der dem Gott dadurch nicht bekannter wird, daß er aus Athen oder aus Alopeke ist. Erkundigungen kann der Priester nicht einziehen; antworten muß er; wichtig Avird ihm der Chai- rephon nicht scheinen; Gedichte können unmöglich für jede Bagatelle gemacht werden. Welche Antwort der Chairephon gern haben wollte, war sicherlich nicht schwer herauszubekommen. Warum ihn nicht mit einem feierlichen „Nein" beglücken; mehr war nicht nötig. Wie gut sich die göttliche Weisheit erforder- lichenfalls aus der Affäre ziehen konnte, zeigt der Sokrates der Apologie.

Für Chairephon war es Offenbarung. Wie stellte sich Sokrates ? Das ist schon im dritten Kapitel des Lebens ausgeführt. Den Kopf ließ er sich nicht benehmen; davor hütete ihn der Gott in seiner Brust. Aber hielt er das delphische Orakel für Schwindel oder doch für kein Gotteswort ? Schickte er Xenophon dorthin, weil er sich auf dessen beschränkten Standpunkt herabließ ? Selbst ist er nicht hingegangen, Piaton auch nicht; aber Piatons ehrfurchtsvolle Behandlung des Pythiers ist Tatsache, und So- krates hat, so viel wir irgend wissen, dieselbe suXaßeia in Sachen der Götter beobachtet, in der zwar kein positiver Glaube, aber der ehrliche Respekt vor einem ungelösten und darum heilig zu haltenden Geheimnisse steckt. Ist es wahrscheinlich, daß Piaton dem Sokrates die Berufung auf das Orakel in den Mund gelegt hat in dem Bewußtsein : das hat er zwar nicht gesagt, das Orakel hat auf ihn gar keinen Einfluß gehabt, aber die Erfindung war auf die Athener geschickt berechnet. Das stimmt zu Piatons Verhalten gegenüber dem delphischen Gotte durchaus nicht. Dann hat also Sokrates von dem Orakel Gebrauch gemacht. Das hat sich schon durch die Berufung auf einen Zeugen so herausgestellt. Hat nun Sokrates die Richter beschwindelt? Das sieht wieder gar nicht nach ihm aus. In einer feierlichen Szene des Phaidon be- zeichnet er sich als Diener des Apollon (85 b1)); das mag Dich-

*) Es läßt an sich die Beziehung auf den Delier zu, dem er verdankt, daß er noch lebt, und der Schwan, mit dem er sich vergleicht, gehört dem

54 4. Wahrheit uud Dichtung.

tung sein, dann sollen wir es doch ernst nehmen, und die Apo- logie auch.

Als Chairephon den Gott fragte, wird Sokrates seine Ge- spräche über ethische Fragen mit jedem, der ihm Rede stehen mochte, längst geführt haben, und als jener mit dem Orakel zurückkam, wird es ihm nur eine Bestärkung gewesen sein, daß er auf dem rechten Wege war; den Dünkel, wirklich weise zu sein, hat es in ihm nicht erweckt; wir hören, wrie er sich's zurecht- legt. Aber daß er nun den inneren Beruf zu seiner Menschen- prüfung auch äußerlich durch die anerkannte höchste Instanz der Wahrheitserkundung bestätigt erhalten hatte, war doch nichts Geringes. Er war nun einmal nicht der bare Rationalist, dazu war er viel zu ehrlich, und wird seine unbestechliche Menschen- beobachtung auch auf sich angewandt haben. Unbequemlich- keiten trug ihm seine <piAoaocpia genug ein; da -war's kein ge- ringer Trost, daß er sie als 0eia (xotpa (33 c) betrachten durfte.

Wenn wir die Berufung auf das Orakel so auffassen und auf Sokrates zurückführen, so ist die Grundlage des ersten Teiles der Apologie sokratisch, denn es versteht sich von selbst, daß er zwischen sich und den [j.sTecopoacxpi.cjTcd einen scharfen Strich zog und ebenso scharf betonte, daß er niemals Geld für Unter- richt genommen hatte, also kein Lehrer im eigentlichen Sinne war. Trotzdem bleibt noch genug, was Piaton erst hineingebracht hat; erst durch ihn ist dies der Hauptteil geworden, nicht für die Richter, wohl aber für die Leser. Erst durch ihn liefert dieser Teil die Erklärung für Anklage und Verurteilung.

Auch aus dem Schlußteile, der auf die Abfertigung des Meletos folgt, sind die meisten xetpaXoua von Sokrates selbst vorgebracht oder fußen doch auf sokratischen Behauptungen. So gleich die erste, daß er den Posten nicht verlassen darf, auf den ihn der Gott gestellt hat. Das führt zur Erwähnung seiner Feldzüge und der Verachtung der Todesfurcht. Beides steht ihm ganz natürlich. Unbedingt hat er ausgesprochen, daß er sich nicht zum Schweigen bringen lassen wird; das hat seine Verurteilung vor allem herbeigeführt. Ebenso hat er sich sicher darüber aus- gelassen, weshalb er sich an der Politik nicht beteiligt hat; dabei kommt er auf seine Tätigkeit als Ratsherr und Prytan und auf

Delier. Aber Piaton wird zwischen dem Delier und Pythier schwerlich unterschieden haben, sondern an die eigene Apologie ansetzen.

4. Kriton. 55

die Weigerung, Leon zu verhaften, für die ihm Zeugen zu Gebote stehen. Dies, die Berufung auf die Angehörigen seiner Schüler, die Weigerung, an die Gnade der Richter zu appellieren, ward schon erwähnt; alles echte Motive. Dazwischen steht ein Ab- schnitt, der sich auch deutlich abhebt und den Stempel Piatons trägt, 30 c. Da steht das berühmte !(xe yap oüoiv av ßXa^sisv oute MsXtjto? oöts "Avuto?, und die Vergleichung des Sokrates mit der Bremse, die der Gott dem Rosse Athen gesandt hat, seine Träg- heit aufzustacheln.

Überblickt man alles, liest einmal die Schrift so, daß man Ausführung und Motiv scheidet, so werden, denk' ich, nicht viele schwere Bedenken bleiben. Mir scheint es, als könnte man's beinahe fassen, wie Piajon die Sokratesrede, die er in frischem Gedächtnis hat, zugrunde legt, mit ebensoviel Pietät »vie Freiheit, und das Ganze so abrundet, daß es in dem siegreichen Abgang des leidenden Helden harmonisch ausklingt. Das Sterben dar- zustellen, lag noch ganz außer seiner Absicht; das konnte er noch lange nicht; die Wunde brannte noch zu heiß.

Über den Kriton x) ist kaum etwas zu sagen, so deutlich ist, daß er gar keine andere Absicht hat, als die Handlungsweise des Sokrates zu rechtfertigen; Idomeneus (Diogenes III 36) be- stritt auch nicht, daß Piaton die Gedanken des Sokrates richtig vortrug, sondern behauptete nur, daß er Kriton statt Aischines ein- geführt hätte. Es ist beschämend, daß Moderne sich dem Evidenten verschlossen haben und den Kriton in späte Zeit gerückt, gar

1) Für seine Abfassungszeit scheint 53 c einen Anhalt zu bieten, wo Theben und Megara als euvojjioüuevai icöXeig bezeichnet werden. Über die Art, wie dis megarische Oligarchie regierte, wissen wir nichts weiter, aber da war Piaton 399 hingegangen, sprach also aus Erfahrung und sagte der Stadt des Eukleides sern ein Kompliment. Theben war die Stadt von Simrnias und Kebes, auch zu ihnen hätte Sokrates fliehen können, und auch ihnen sagte Piaton wohl gern etwas Verbindliches. Theben hatte den athenischen Verbannten 404 Unterkunft gewährt und den Zug das Thrasybulos unterstützt ; Chairephon war unter den Flüchtlingen gewesen, Apol. 21 a. Aber die demokratische Partei in Theben, der dies verdankt ward, kann nicht nach Piatons Sinne gewesen sein, denn er beurteilt ihren Führer Ismenias höchst feindselig, und seit 395, wo Theben gerade Athen in den Krieg zog, den Piaton verurteilte, konnte er der thebanischen eüvou-ta kein Kompliment mehr machen, niemals wieder. Vor 395 fällt also der Kriton. Das ist freilich selbstverständlich, er mußte ja möglichst rasch nach dem Tode des Sokrates erscheinen.

5b 4. Wahrheit und Dichtung.

solchen Unsinn geredet, die Beurteilung des Lebens nach dem Tode wäre hier anders als in der Apologie. Die Gesetze konnten doch wahrhaftig nicht das Dilemma stellen, das in der Apologie offen bleiben muß, weil Sokrates nichts Unbeweisbares als sicher hinstellen darf: er glaubt dort und glaubt immer an ein künf- tiges Leben, so gelingen Wert er den Mythen beilegt ; sicher aber ist ihm, daß der Gerechte auch weiter unter dem Schutze der Götter stehen wird, und es wird ihm hoffentlich besser, sicher nicht schlechter gehen als hier. Philosophie, was wir so nennen, steckt im Kriton nicht; wohl aber belehrt er über die Pflicht des Staatsbürgers, aber auch das nicht abstrakt, sondern sokratisch, athenisch. Die Form dagegen ist natürlich ganz platonisch, und die Prosopopoeie kann uns leicht etwas allzu rhetorisch scheinen; wir möchten die schlichten Gründe des So- krates lieber so hören, wie er sie aus sich geben" würde. Aber Piaton macht es hier wie im Menexenos, wo die Gefallenen, im Theaetet, wo Protagoras, im achten Briefe, wo Dion redet, und schon die Gegner, die Sokrates gegen Protagoras und sich im Protagoras einführt, sind gleicher Art.

Daß der Phaidon neben dem philosophischen Inhalt auch einen tatsächlichen Bericht geben will, wird nicht bezweifelt. Das Verzeichnis der Besucher, der Abschied Xanthippes, die Warnung Kritons, sich nicht heiß zu reden, die Sokrates so gar nicht befolgt (63 d), und der ganze Schluß von 115 an gehören dahin, sind auch im ganzen ohne weiteres verständlich. Daß die Abwesenheit des Aristippos und Kleombrotos ausdrücklich erwähnt wird, ist im Altertum so ausgelegt worden, daß es einen Vorwurf in sich schlösse, und eine Absicht muß darin liegen, die auch schon dann etwas Bitteres hat, wenn nur darin liegen sollte ,,sie können nichts Zuverlässiges über den letzten Tag berichten". Beide Männer erhalten keine nähere Bezeichnung, nicht einmal der Heimat, die doch den anderen gegeben wird. Der Leser muß sie also kennen. Das ist bei Aristipp begreiflich, der als ein reicher Mann in Hellas gelebt hatte und ein frucht- barer Schriftsteller war; aber Kleombrotos von Ambrakia ist uns sonst nur durch das Epigramm des Kallimachos bekannt; ich wüßte wenigstens keine Stelle, die nicht auf dies oder den Phaidon zurückginge. Nun lese man das Gedicht, Epigr. 23:

4. Phaidon. 57

zi7zv.c, ,,'J]Xt£ ycapt' RXeopißpoxo«; ' Q.[XTzp<xxiöiT-qc,

7jAaT? acp' u^vjXou Teiyeoc, sie, 'AiSyjv, a£iov ouSev iSwv öavarou xaxov 7) to IlXaTCovoq

sv to 7cepi ^u/% ypafZ[x' avaXe£a|xsvoq.

Die gewöhnliche Deutung ist, daß Kleombrotos von der Lektüre des Phaidon so ergriffen ist, daß er sofort in den Tod geht, so z. B. Cicero Tusc. I 84, Ovid Ibis 493, David proll. in Porphyr. 31 Busse, wo eine berichtigende Parodie des Olympiodor steht, Aga- thias A. P. XI 354. So kann man verstehen, und der witzige Dichter stellt uns die Deutung zur Verfügung, wenn wir sie an- nehmen. Es bleibt uns dann immer unbenommen, darin eine Huldigung für die Überzeugungskraft Piatons zu sehen, der jenes Leben so verlockend geschildert hat, oder aber auch einen Spott : denn Kleombrotos handelt gegen das Verbot des Selbstmordes, das Sokrates gerade im Phaidon gibt. Eine bloße Anekdote er- zählt Kallimachos nicht; das Gedicht gehört unter die Epigramme auf Bücher, wie die auf die OiyjxkiaLc, ahooic,, Arats ^aivojxsva, das verlorene auf den Margit es. Die Form aber ist die der er- zählten Anekdote wie im ersten Epigramm. Ich weiß aber nicht, ob damit der Witz erschöpft ist. Kleombrotos kommt doch selbst im Phaidon vor, kommt so vor, daß er einen Vorwurf über seine Versäumnis herauslesen konnte. Hat er sich die Schande so zu Herzen genommen ? Eine Antwort können wir nicht geben, weil wir die Sache nur aus dem Epigramm kennen, und vielleicht ist sein Verfasser sehr zufrieden, wenn wir nicht sicher hinter seine wahre Meinung kommen. So wie ich ihn kenne, hat er dem Piaton und erst recht dem Unsterblichkeits- glauben kein Kompliment machen wollen.

Unendlich viel ist darüber geschrieben, was Sokrates mit seinem letzten Worte gemeint hat: „Kriton, wir schuldendem Asklepios einen Hahn; gebt ihn ab, vergeßt es nicht." Das erste ist, festzuhalten, daß es die letzten Worte des Sokrates waren, denkwürdig für seine Jünger, weil sie die letzten waren, einerlei, wie bedeutsam an sich. Das zweite ist, daß wir uns auf keine mystische Ausdeutung einlassen: das Leben ist keine Krankheit, und Asklepios heilt kein Übel der Seele. Nur wer das mystische Licht in sich mitbringt-, kann so etwas hinein- tragen, daß „der Morgenhauch der Ewigkeit die Seele des So-

5 8 4. Wahrheit und Dichtung.

krates umwittert1)"; dabei wird denn Piaton dafür belobt, daß er dies Wort aus einem anderen soldatischen Dialoge nahm und in ein wunderbares Licht rückte. Ernsthaft zu nehmen ist nur die Deutung von Heiberg 2). Er verbindet das Wort mit dem Gebete des Sokrates, 117 c, um glückliches Gelingen der Übersiedelung in die andere AVeit und meint, Sokrates fühle sein Gebet erhört und danke für den leichten Tod. Aber auch dies ist zu fein. Wenn Piaton diese Verbindung im Sinne hatte, mußte er den Sokrates zu Asklepios beten lassen, und er mußte später minde- stens andeuten, daß die Opf erschuld erst durch das Vorgefühl des ruhigen Todes entstanden ist. Aber was hat der Heilgott mit dem Sterben zu tun ? Wo erscheint er in einer ähnlichen Rolle ? Wozu so weit schweifen ? Sokrates hat das gesagt, weil es ihm einfiel; weshalb dem Asklepios, dem vor zwanzig Jahren am Südfuße der Burg eingezogenen Heilgotte, das" Gelübde getan war, wissen wir nicht, fragen wir nicht. Xanthippe oder eins der Kinder wird krank gewesen sein, einerlei, was es war. Es war eine geringfügige Sache für Sokrates, da hatte er es ver- gessen, als er draußen seine letzten Bestimmungen über diese irdischen Dinge traf. Bedeutsam ist nur, daß er in seinen letzten Minuten nachgedacht hat, ob er auch alle Pflichten erfüllt, alle seine Schulden bezahlt hat; dazu gehört auch der Hahn des Asklepios, und gewiß zeigt sich die euXaßeioc Ttepl xa 6eia, die wir an ihm kennen, zeigt sich auch, wie wenig er den Vorwurf der Asebie verdiente. Das Schöne ist, daß Piaton ganz schlicht erzählt, ohne Kommentar, hier wie bei der Abwesenheit des Aristipp und Kleombrotos, wo es ihm vielleicht auch nicht ganz unlieb ist, wenn ein Leser tiefe Symbolik findet. Nur ist die schlichte Wahrheit, sollt' ich meinen, doch noch viel schöner. Richtig verstanden hat die Stelle Nikolaos von .Damaskus, der

von dem Tode seines Vaters folgendes erzählt3): tsAsotwv Se xöv

,

x) Hirzel, Dialog I 195. Er sieht im Sokratikerbriefe 14 die von Piaton umgebildete Überlieferung, wo der Phaidon durchweg ausgeschrieben ist, aber zugefügt, Sokrates hätte den Hahn geweiht, als er nach der Sehlacht von Delion krank war; also 25 Jahre hatte er gewartet, und dann mußte Kriton zahlen.

*) Sokrates sidsie ord, Danske Videnskab. Selskabs Forhandl. 1902, 106. Dort eine Anzahl an sich interessanter antiker Auffassungen.

3) Suidas 'Av-u7raTpo<; 6 NixoXaou toxttjp. Aus der Selbstbiographie durch die Vermittlung der Konstantinischen Exzerpte; in deren erhaltenen Bänden steht es nicht.

4. Phaidon. 59

ßiov oux £cttiv ö ti zTziav-'r^z NixoXaon iwt uiei xai nxoXefxaioH t<öi toutou aSsXcpcoi 7] tgh Ali Oufj.iaTY)piov, OTiep s<p0yj auröc TTpoura- (r/i]\xivo% tgh Oecoi, xaTaaxsuaaai, srcsiSav TeXsuT^crr^i, SyjXgSv, o!(xat, oxi to Tzpoq Gsou<; 6c7iov Sei xai TsXsuTwvxac; cpuXarxeiv.

Damit ist der historische Gehalt des Dialoges nicht erschöpft ; Sokrates' Scherz über die Locken des schönen Knaben Phaidon, den Piaton gern durch ihn selbst anbringen läßt, ist wohl kaum in der ergreifenden Situation gefallen, in die ihn der Dichter gerückt hat; hier deutet er es auch an, indem er sagt: „Sokrates scherzte immer über meine Locken"; aber es ist die Erinnerung an etwas Tatsächliches. Eben dazu wird jeder rechnen, daß Sokrates ein Prooimion an Apol'on x) und einige äsopische Fabeln gedichtet hat. Aber vielleicht zaudert mancher, ob er die Be- gründung als sokratisch anerkennen soll. Und doch ist sie sinn- los, wenn sie nicht wirklich sein auffälliges Dichten erklärt, und tut sie das, so hat Sokrates den Traum gehabt, denn er würde sich ohne einen äußeren Anstoß zu der ungewohnten Beschäfti- gung nicht gezwungen haben, zumal er sich seiner mangelnden Begabung bewußt war. Und von dem Traume konnte niemand wissen, wenn er nicht von ihm erzählt hatte. Das braucht nicht am letzten Morgen geschehen zu sein, nicht auf Erkundigung des Euenos; aber geschehen ist es.

Euenos kommt in der Apologie als Sophist vor, hier als Dichter; wir wissen, daß er beides war; hoffentlich waren seine Reden besser als seine ganz liederlich gebauten Verse. Wir werden dem entnehmen, daß er gerade 399 in Athen eine ge- wisse Rolle spielte und sich auch mit Sokrates berührte. Ist nun der Gruß mit der seltsamen Aufforderung zur Nachfolge eine platonische Erfindung, um die Warnung vor dem Selbst- morde, die pythagoreisch begründet wird, also sokratisch kaum sein kann 2), und die Behauptung, daß das Leben des Philosophen Vorbereitung auf den Tod ist, anzuschließen? Das mag so sein; wir dürfen nichts historisch nehmen, was keinen besonderen An-

*) npooitnov doch wohl gemeint wie bei Thukydides 3. 104, 4 von dem delischen Apollonhymnns. Es wird aber ein Godichtchen im Stile der kleinen Hymnen gewesen sein.

2) Wenn Simmias bei Philolaos wirklich vor Sokrates gehört hatte, konnte Sokrates ihn auch kennen; aber das wird man der platonischen Darstellung nicht entnehmen, die ja nur so den Philolaos erwähnen könnt*-.

(iO 4. Wahrheit und Dichtung.

halt dazu bietet. Schon in der ersten Ausführung des Sokrates, bis (59, steckt sehr viel Platonisches, sogar, wenigstens für den Leser des ganzen Dialoges, die Ideenlehre (G5d); aber es steckt auch anderes darin. Sobald die Ewigkeit der Seele zur Geltung kommt, wie es durch die Leine von der Wiedererinnerung ge- schieht, 72 e, kann es ein Fortleben des Einzelmenschen als Seele nicht mehr geben. Das gilt schon, Avenn das Leben aus dem Tode entsteht und umgekehrt, wie in dem sog. ersten Be- weise, 70 72. Aber vorher rechnet Sokrates mit dem Fortleben des Sokrates, ganz im Einklang mit Apologie und Kriton, mit den Xeyofieva, mit dem Volksglauben und der Odyssee. Wir hören sogar von der im Altertum so seltenen Hoffnung auf ein Wiedersehen nach dem Tode, 68 a, von dem doch die hier scheidenden Freunde kein Wort fallen lassen; sie sind zu sehr Philosophen, Platoniker. Es ist das ein Widerspruch, um den vor einigen Jahrzehnten ein heftiger Streit tobte, der doch wohl durch persönlichen Glauben, wenigstens Glauben an einen Piaton, wie er sein sollte, verschärft ward. Kann denn aber behauptet werden, daß Kallias als Kallias unsterblich ist, weil die Seele, die jetzt in Kallias ist, nie vergehen kann, vor Kallias in zahl- losen Leibern v, ar, nachher in unzählige Leiber eingehen wird ? Kallias bleibt sie allerdings gewissermaßen bis zur nächsten Einkörperung, bis zur Losung, wenn wir dem Mythos des Staates folgen. Sie bleibt es auch, wenn sie als Kallias so schlecht geworden ist, daß sie der ewigen Höllenstrafe verfällt, oder als wahrer Philosoph schließlich der ewigen Seligkeit würdig befunden wird. Doch das sind Mythen. Mythen sind die Hadesbilder, die sich der Volksglaube nach den Dichtern ausmalt, auch. Piatons Philosophie ist auf die Wanderung der ewigen Seele durch die Körperwelt gegründet; wie sich diese vollzieht, entzieht sich dem Wissen. Fester Glaube, der auch philosophisch begründet scheint, ist, daß das Schicksal der Seele von dem Verhalten des Menschen abhängt; insofern dauert er in ihr wenigstens zunächst. Das gewährt dem durch die Theorie der Seelenwanderung nicht ausgetilgten Glauben an die persön- liche Fortdauer eine gewisse Berechtigung, und so darf oft genug in der alten Weise geredet werden. Wenn der wahre Philosoph auch keine Sicherheit hat, die Seele aus dem Strudel des Werdens zu lösen, die Hoffnung regt sich dennoch wieder auf eine

4. Phaidon. 61

gewisse persönliche Fortdauer. Es kann ja eine Seele unmittel- bar in die ewige Seligkeit eingehen, zu ihrem Sterne erhoben werden, Tim. 42 b, und der Sokrates des Phaidon erwartet das selbst am Schlüsse, 115 d: die persönliche Fortdauer wird so zu einem Vorzuge des Philosophen; umgekehrt droht die ewige Höllenstrafe dem Tyrannen. In einem Gebiete, das dem Mythos des Glaubens den weitesten Raum zum Spielen läßt, kommt in der Tat auf die strenge Formulierung nichts an. Um so fester steht dem Piaton erstens: Seele ist etwas Ewiges, war, ehe sie in den Körper trat, wird weiter sein; zweitens: sei gut, dann bist du glücklich, und du wirst, und wenn du nicht mehr du bist, wird doch deine Seele im Jenseits erst recht glückselig sein. Das Vorgefühl dieser Seligkeit kann gar nicht anders als persön- lich empfunden werden. Fest glaubt er an die Vergeltung nach dem Tode, obgleich er sie für die Theodizee gar nicht nötig hat und für die praktische Moral auch nicht. Das kommt im Staate ganz klar zur Anschauung, sowohl der Glaube wie seine Ent- behrlichkeit, also auch ein Widerspruch, der doch in dem Menschen ganz begreiflich ist.

Anders steht das für Sokrates, denn der hatte kein philo- sophisches System; für sein Handeln brauchte er kein Wissen um eine Zukunft, von der es keines gibt. Theoretisch kam er auch aus, wenn der Tod das Ende war, darum stellt er in der Apologie auch diese Möglichkeit auf. Aber sein eigener Glaube hält sich an die /.r/oiisva, die er ja nicht widerlegen kann, so daß ihm schon die euXaßeioc gebietet, auch mit ihnen zu rechnen. Er braucht für sein Handeln keinen Gott, also braucht er keinen Lohn. Aber er beobachtet die geltenden Pflichten gegen die geltenden Götter; daß eine Gottheit die Welt regiert, ist sein Glaube; sie kümmert sich ja auch persönlich um ihn, sendet ihm Träume, spricht in -einem Innern: da ist er also sogar überzeugt, daß dieser Glaube Wissen ist. So ist es ganz seinem Glauben gemäß, daß er er- wartet, auch künftig unter der Fürsorge guter Götter zu stehen. Daß er im Hades weiterlebt, mit Palamedes sich unterhalten kann, ist ein lockendes Zukunftsbild, das er darum nicht von der Hand weist, daß es die Dichter gemalt haben, und daß es vielleicht nur ein Mythos ist.

Dieser sokratische Glaube ist die Grundlage, auf der Piaton sein philosophisches Gespräch über die Seele aufgebaut hat.

f>2 4. Wahrheit und Dichtung.

Daher herrscht er in den ersten Gesprächen, bis der erste sog. Beweis für die Unsterblichkeit einsetzt. Deshalb ist dieses sokra- tisehe Gespräch doch freie Dichtung; daß er dies jemals so, voll- ends, daß er es zu Simmias und Kebes am letzten Tage gehalten hätte, daran kein Gedanke. Aber Avollen wir bezweifeln, daß die Freunde in den Tagen des Wartens über Tod und Unsterb- lichkeit geredet haben, daß Sokrates ihnen auseinandergesetzt hat, warum er so freudig und auch hoffnungsvoll scheiden konnte, warum er so ruhig schlief? Ja noch mehr: der Gedanke, daß das Leben des Philosophen eine Vorbereitung auf den Tod und das Sterben ist, steht ihm so wohl an, es paßt so gut als Trost zugleich und als Mahnung: „Lebt so, daß ihr wie ich sterben könnt", daß ich nicht anstehe, es für sokratisch zu halten. Und für mein Gefühl wird nun erst die Verbindung des Berichtes über den Tod mit der platonischen Philosophie, Seelenlehre und Ideen- lehre, ganz verständlich. Piaton hatte in der Tat eine Grund- lage, auf der er seine eigene Dichtung aufbauen konnte. Er mag sie ja auch für vieles in den ersten Dialogen gehabt haben; da können wir es nicht kontrollieren, müssen also ganz davon absehen. Aber im Phaidon können wir es, weil er auch die Ab- sicht hat, Tatsächliches mitzuteilen.

5. Charmides.

Der Dialog hat den Untertitel 7cepl acocppoauvY)^; die Definition dieser Tugend ra auxou Tcpavreiv stammt von Kritias; das wird so gut wie ausdrücklich gesagt. Sie wird also in seinen acpopiajxoi oder 6[iikia.i gestanden haben. Kritias selbst ist es, der sie auf das yvcoOt. ctocutov stützt 164 d, und in der Tat, um xa auToö zu tun, muß man auxov yvcovoa. Entweder hat also Piaton auch diese Begründung von Kritias übernommen, oder er hat sie ihm in den Mund gelegt, um die k-Kiair\\ir\ sTUCTTYjfjiY)«; anzuknüpfen, sein zweites Thema, das mit der croocppocruvr) nichts zu tun hat. Diese Verbindung ist ganz willkürlich, wenn Piaton nichts als die eine Definition von Kritias nahm, zumal er sie gar nicht im Ernst bestreiten wollte. Lag ihm dagegen bei Kritias mit der Definition auch die Begründung auf den delphi- schen Spruch vor, so konnte er einerseits seine Kritik des leeren Wissens an das yvwöt ctocutov anhängen, andererseits führte die awcppocjüvT] zu der anderen Hälfte des Dialoges; Kritias als Person war gegeben und zog den Charmides nach sich. Vielleicht ist die absprechende Beurteilung aller Tätigkeit der niederen Stände auch nicht bloß zur Charakteristik des Kritias erfunden, sondern beruht auf einer eigenen Äußerung von ihm. Es klingt so sehr brutal und doch so charakteristisch, daß Schuster zu sein oder mit Salzfisch zu handeln, eine Schande sein, der ßavaucroc; mit dem Bordellknaben rangieren soll, 163 c. Piaton hat mit unerfreu- licher und unsokratischer Überhebung auf das Handwerk herab- gesehen, aber dies soll als Übertreibung wirken, soll Kritias charakterisieren: da dürften Worte seiner Schrift zugrunde liegen. Er erlaubt sich dabei eine arg sophistische Deutung des hesio- dischen spyov ouSev oveiSoc. Durch Xenophons Verteidigung (Mem. I 2, 57) wissen wir, daß Polykrates dem Sokrates vor-

(j^. 5. Charmides.

warf, aus diesem Spruche die Aufforderung zu jeder Handlung, zur TOxvoupyta abgeleitet zu haben, was Xenophon dahin berich- tigt, Sokrates hätte nur zur Warnung vor Müßiggang, Würfel- spiel u. dgl. jede nützliche Beschäftigung empfohlen. Daraus folgt, daß der Spruch in den somatischen Kreisen besprochen und ausgelegt ward. Weiter läßt sich in diesen Punkten nicht kommen, wohl aber scheint mir eine Äußerung im Timaios 72 a durchschlagend: so xal rcaAoa AeyeTou to TcpaTTew xal yvcovoa xa te auxoü xal auxov aco9pov!. ptovcoi TcpoG-/]xziv . Da sind die beiden Behauptungen des Kritias vereinigt, also gehören sie zusammen, und Piaton billigt sie. Da hat er doch auch den Charmides nicht geschrieben, um sie als falsch zu erweisen, sondern um sie richtigzustellen: nicht das ist aoxppoauvT), daß man sich selbst kennt und danach das Seine tut, sondern nur der oco^pwv hat die richtige Selbsterkenntnis; wer tyrannise-he Gelüste hat, verkennt sich, denn er verkennt das Lebensziel und auch die Natur und die Bedürfnisse der Menschenseele. Ein solcher ußpioxT)? ist der rechte Widerpart des Sokrates.

Die Definition tu. gcutou 7rpaxTS!.v wird mit einem Sophisma abgewiesen, das nur einen Knaben täuschen kann. Wir sollen es durchschauen, also auch einen Sokrates anerkennen, der sich so etwas erlaubt; daß er sich bei einem so errungenen Erfolge beruhigen wird, ist ja nicht zu erwarten. Wenn er hier meint, da sollte sich wohl jeder auch seine Schuhe selber machen, so hat er selbst im Staate gerade auf dieses selbe Prinizp hin den Schuster angewiesen, nichts als Schuhe zu machen, diese aber für alle. Wenn also dieser Satz im Charmides beiseite geschoben wird, so hat diese Debatte ein anderes Ziel als die Bestimmung der cw9pocruv7). Freilich hat sich dadurch eine -Disharmonie auch des Inhaltes ergeben, und entsprechend ändert sich die künst- lerische Form; es folgt schmucklose Debatte.

Kritias läßt sich das Sophisma des Sokrates nicht gefallen, und indem Sokrates seinen Unterschied von repaTTsiv und tzoizZv gelten läßt, so daß die ao^poauvy] eine ayaOwv Tzpott,ic, wird, dann aber das Bewußtsein des crco'ppovsiv hineinbringt, lockt er die Berufung auf yvtoOt. aauxov hervor: damit kommen wir zu dem Wissen um das eigene Wissen, zu der Unterscheidung der Fähig- keiten des Wahrnehmens, Denkens, Meinens, Wissens von seinem Inhalte, 167 d ff. Daß Piaton schon diese Unterschiede verfolgt,

5. Charmides. (55

ist nichtig. Es beschäftigen ihn schon logisch-erkenntnis- theoretische Probleme; schon zu dem Knaben hat er gesagt: „Wenn du ctcoöooctuvt} besitzest, mußt du eine Wahrnehmung von ihr gemacht und dir eine Meinung gebildet haben, 159 a." Da redet der Denker, der einmal den Theaetet und Sophistes schreiben wird1). Aber die dort mühsam errungene Erkenntnis hier hinein- zulesen ist ebensolche Gewaltsamkeit, wie die Idee des Guten im Lysis zu finden 2). Er weiß auch schon, daß es Lehren gibt, die von einer Wärme handeln, welche sich selber brennt, einer Bewegung, die sich selbst bewegt (168 e), also Lehren, die ihm einmal sehr wichtig v> erden sollten, geradezu das Hauptstück seiner Seelenlehre. Aber wie fern liegt ihm das noch. ,,Das müßte ein großer Mann sein'-, sagt er, ,,der das befriedigend ent- scheiden könnte." Man darf sich auch nicht zu der Vermutung verlocken lassen, daß Piaton eine fremde Lehre widerlegen wollte. Wir sehen gerade hier an seinem Kritias, daß er es kenntlich zu machen weiß, wenn er einen bestimmten Gegner angreift. Mit den Behauptungen des Kritias wird das Wissen des Wissens nur gewaltsam in Verbindung gebracht; es hat wohl auch nie-

1) Im Charmides wird ausführlich gezeigt, daß ein Wissen des Wissens zu nichts nütze ist, wenn der Inhalt des Wissens nicht eingeschlossen ist. Etwas so Tiefes wie das Selbstbewußtsein steckt durchaus nicht dahinter, davon ahnt weder Kritias noch Sokrates das Geringste. Im Theaetet 200 wird der Versuch gemacht, den Irrtum so zu erklären, daß in der Seele nicht bloß £mcTYJ{Asa, sondern auch £vs-t.<jTY;u.oaüvoa vorhanden sind, zwischen denen sich der Irrende vergreift. Das wird leicht abgewiesen, denn der Irrende würde ja die avo7riG7r(u.o<jüv7j für emcTYjiAT] halten, also wieder zu- gleich wissen und nicht wissen. Dies zu erklären war aufgestellt, daß in der Seele als Wissen das Verschiedene vorhanden war, damit man es ver- wechseln könnte. Um nun die dvE-ic-rr^oauvr; für lm<rd)(JLi) zu halten, müßte es eine STriaTif)[i7] iizia-i^r^ ~z xal ävsTnaT/^oaüvr^ geben ganz gleicher Art der vorigen, daran schlösse sich ein ganz gleichartiges Vergreifen und Irren, und so ginge es in infinitum. Ich sollte meinen, es wäre klar genug, daß beide Stellen nichts als den Ausdruck eTticnfjtM) s-ictty;^-/]!; gemein haben, inhaltlich ganz verschieden sind.

2) 168 a wird das Objekt der S6^a gar nicht angegeben, das der e-iaTYjfjLv; mit dem farblosen [l6lQt,[j.cc bezeichnet, während die IrciOufjLia üir r\8ü, die ßou}.7;ai<; ihr iyaöov, der epco<; sein xaXov neben sich hatte. Das ist sehr be- greiflich, denn man kann alles Mögliche meinen, alles Lernbare wissen. Hier die Logik und gar die Ideenlehre hineinzubringen ist nichts anderes, als wie die Stoiker den Heraklit oder die Dogmatiker ein heiliges Buch interpretieren.

Wilamow itz, Piaton. Hand II. 2. AuH. 5

(3(3 5. Charmidcs.

mand in ihm den Urheber der angeblich bekämpften Lehre finden vollen. Soll da nun ein anderer Unbekannter hinter seiner Maske stecken? Und was hätte dieser Sophist mit dem Wissen des Wissens erreichen wollen? Trieb er erkenntnistheoretische Spekulation, oder kam es ihm auf den Inhalt des Wissens an? Das Charakteristische ist in Piatons Ausführungen, daß zwar die scharfe Unterscheidung des Erkennens und Wissens von seinem Objekte die Unmöglichkeit dartut, daß das Wissen sich selbst zum Objekte haben könne, aber es ist nicht die Logik, auf die er hinaus will. Worauf es ihm ankommt, erkennen wir an der Wärme und Lebhaftigkeit des Tones, 171 e, 173 b. Er hat sich ausgemalt, wie es sein würde, wenn sich das emcrT'yju.ovwc; £tjv ganz durchführen ließe. Das Jag nahe genug für ihn, hatte er doch bei Sokrates gelernt, daß alle Tugend Wissen sei. Wenn also das Wissen unbedingt regiert, so wird alles auf das voll- kommenste geordnet sein, auch im Hause und im Staate. All- wissend ist zwar niemand; es muß das auf viele verteilte Einzel- -vvissen richtig benutzt werden. Es muß also ein Wissen regieren, das dem Wissen der anderen, dessen Inhalt es nicht besitzt, den rechten Platz anweist; das erfordert dann ein Wissen um das Wissen der andern. In diesem Sinne die emoT/ju/r) i7ziGxrnirtc, zu fassen, ist Kritias ganz bereit. Es ist ein Gedanke, der dem Piaton sehr wichtig geblieben ist. Denn der Träger dieses Wissens wird ja kein anderer als der rechte Politiker oder König, dessen Kunst im Euthydernos 291 c x) als höchste übrig bleibt, und noch im Schlüsse des Politikos wird uns die Nachwirkung dieser Ge- danken begegnen. Aber der Sokrates des Euthydernos gelangt zu keinem befriedigenden Schlüsse, und so geht es auch im Charmides. Wenn es dieses Wissen gäbe, so würde freilich materiell alles auf das vollkommenste eingerichtet sein; die euSou- (jiovia würde erreicht sein, wenn sie ein materielles Gut wäre. Aber sie ist ein moralisches Gut, der Friede im eigenen Herzen. Es fehlt das eine entscheidende Wissen um Gut und Böse. Darum genügt es nicht, ebensowenig wie die königliche Kunst im Euthydem. Was könnte helfen ? Nichts anderes als eben jenes entscheidende Wissen; weise sein reicht nicht, gut muß man

1) 292 a ist zu interpungieren xl Se 7) ßaotXix^; 7ravTwv apxouaa wv &pye: xl dc7cepya£eTat.

5. Charmides. ß7

werden, gut muß man machen. Wer erreicht das Wissen, das erst wirklich Tugend ist ? .Der Philosoph. Wer also muß herr- schen ? Die Philosophen müssen Könige sein. Diese Forderung liegt genau ebenso in der Richtungslinie der Gedanken, welche im Charmides angesponnen sind, wie die Idee des Schönen und Guten als Knospe im Lysis liegt, die Kritik der Erkenntnis- theorie des Theaetet sich von ferne ankündigt. Wir sehen, wie Piaton aus dem Sokratiker allmählich Piaton ^ird; aber noch ist er es längst nicht, fühlt was ihm fehlt, ist selbst des Weges noch nicht gewiß, auf dem er es finden wird. Aber in diesem Nichtwissen liegt ein Fortschritt, ein positiver Gewinn.

6. Lysis.

Als Dittenberger seine Beobachtungen über den Sprachgebrauch . Piatons veröffentlichte und die Bewegung auch in Deutsch- land in Fluß brachte, die in England schon vorher durch Camp- bell das wichtigste Ergebnis gewonnen hatte, um das man sich bei uns noch lange Jahre nutzlos stritt, war Uim ti [ayjv 219 e ein Stein des Anstoßes (Herrn. XVI 321); er rückte den Dialog hinter das Symposion und zweifelte an seiner Echtheit. aXXa . . . jjdjv steht außerdem 208 a und 208 c; der Anstoß ist also ärger1). Zufällig ist diese zweite Stelle auf einem Fetzen aus Oxy- rhynchos VI 881 erhalten, und da fehlt das durchaus entbehrliche Sätzchen 2). Ich will es nicht vertreiben, mich aber auch nicht darauf verlassen, denn entbehrlich ist es, und ich werde es gern los. Nur die Warnung ist beherzigenswert, auf solchen ver- einzelten Zeugnissen keine hohen Hypothesen zu errichten.

Es ist dann Mode geworden, den Lysis zum Symposion zu stellen, nicht ohne die gröbsten Mißgriffe: denn Freund- schaft und Liebe sind für griechisches Empfinden zwei grund- verschiedene Seelenstimmungen und Beziehungen zwischen Menschen. Nun hat Arnim diesem Irrtum, so lebhaft der Widerspruch noch ist, meines Erachtens ein Ende bereitet:

x) [JLrjv steht schon im Ion 531 d.

2) Der Text weicht stark im Wortbestande ab ; ich bezeichne es durch die gewohnten Klammern: dXXa apxei Tic, aou; (aou -ziq Ox.) :[8Se] 7Toa8aycoyo<;, £<p-/):[i.ä)v8oüXo<;öW; :[äXXdtTi[A7]v], i]\i.sT:sp6$ye,£$y\.i 9j Sstvov, 9jv 8' eyu, sXs:u0spov ovtoc (ye) ü~ö SoüXou apxsaOoa. : zi 81 (xou) tcoigW a3 oöto<; 6 rcaiSaycoyo«; aou apxei. (aou 6 naiS. Ox.) und nach' zwei gleichlautenden Zeilen 7ca[X7r6XXou<; apa aoi (ye) 8sairoTa<; xai. ap/ovrac; («c; goixev) exuv 6 ttoctyjp e<piaTr,<jiv. Von dem Plus ist xai sehr gut, &q eoixev möglich, die beiden ye sind falsch. 68e ist unbedingt echt, die Stellung von aou am Anfang nach den Codd., am Ende nach dem Papyrus vorzuziehen. So lernen wir, daß selbst ein Text, an dem wir nicht anstoßen, keineswegs ganz zuverlässig ist.

6. Lysis. 09

wer den Stil, innere und äußere Form, aber auch die Gedanken verfolgt und die Stimmungen nachfühlt, kann Charmides und Lysis nicht trennen. Mit dem Symposion 204 a hat der Lysis 218 a die spitzige Antilogie gemein, daß weder die Weisen noch die Dummen philosophieren, nach Wissen streben, die einen, weil sie es besitzen, die andern, weil sie danach nicht verlangen oder, was feiner ist, weil sie sich einbilden, es zu besitzen. Ganz Ähnliches bringt auch der Euthydem 276 a. Das ist nirgend Ent- lehnung oder beabsichtigte Verweisung auf eine frühere Äußerung, sondern ein Schlagwort, an dem Piaton Gefallen fand; er braucht es gar nicht selbst erfunden zu haben, denn im Euthydem be- dienen sich seiner die Sophisten, Diotima spielt auch nur; im Lysis hat es mehr Bedeutung, denn da wird eine protreptische Folgerung daraus gezogen. Die Knabenliebe wird im Lysis so behandelt, daß Pausanias ganz einverstanden sein könnte, wahr- haftig nicht Piaton auf dem Standpunkte, den er im Symposion, im Staate und im Phaidros erreicht hat. Denn auch Pausanias 184 c behauptet, daß der Liebhaber den geliebten Knaben besser macht, wie es Sokrates 210 e dem Hippothales als Probe vorführt. Pau- sanias verlangt als Gegenleistung das ^ap^e<r6ai, und so wie über das IXetv töv epco^svov geredet wird (206 a), kann man von dem Gefangenen nur das yap^ecrOat. erwarten. Wenn am Ende der epa>u.svo<; für den yvfynoq epatrcfc «piXia empfinden soll1), so wird Sokrates wissen, was er unter der Echtheit versteht, aber Hippothales denkt anders, und die beiden Knaben haben auch ihre sehr gerechtfertigten Bedenken. Also gerade von dieser Seite her hat man alle Veranlassung, den Lysis recht weit hinauf- zuschieben.

Aus der Einführung des Ktesippos läßt sich nichts gewinnen, denn er ist hier als Nebenperson derselbe wie im Euthydem, offenbar \^ eil er wirklich so war. Die anderen Personen ergeben erst recht nichts 2).

1) Im Phaidros 256 d lesen wir es, daß ein durch Eros verbundenes Paar, wenn dieser verflogen ist, Freunde bleiben. Das ist der 90.1a ver- gleichbar, die in einer glücklichen Ehe erwächst.

2) Lysis war aus Aixone und seine Tochter hieß Isthmonike, Athen. Mitt. 37, 227. Ein Verwandter, vielleicht der Vater des Lysis, dürfte der Isthmonikos sein, der ein Bad im Südwesten der Stadt besitzt, IG I 53 a, wohl derselbe, der den Xikiasfrieden beschworen hat, Thukydides V 19.

70 6- Lysis.

Der Protreptikos an Lysis hält sich ganz in der Höhe, in welche ein Knabe folgen kann, der schon Bücher über die Natur gelesen hat; man wird an Empedokles oder Anaxagoras denken (214 b). Die heraklitische Lehre, die Sokrates gleich darauf an- führt, ist dem Knaben etwas Neues, und Sokrates selbst beruft sich auf einen geistreichen Mann, der sie ihm mitgeteilt hätte. Wir haben keine Veranlassung, diesen Mittelsmann zu suchen, noch weniger eine bestimmte Schrift. Die Lehre ist fortgebildet und systematisiert; so mochte sie Piaton bei Kratylos gehört haben, der damit auch nichts Eigenes gab. Da Sokrates die fremden Ge- danken sich nicht zu eigen macht, entspricht diese Art der Be- rufung auf eine weit herrschende Lehre durchaus der Stilisierung; wissenschaftliche Lektüre treibt dieser Sokrates nicht. Der ganze Protreptikos fordert die Vergleichung mit dem an Kleinias im Euthydem heraus. Es konnte gar nicht anders sein, als daß sich manche Gedanken berühren, allein dort ist alles minder elementar, nicht nur weil Kleinias kein Schulbube mehr ist, sondern weil Sokrates viel weniger an diesen denkt als an die Zuhörer, demi das Ganze ist ein Gang in seinem Kampfe mit den Sophisten. Der Fortschritt von Lysis zu Euthydem ist unverkennbar.

In dem langen Hin- und Herreden über die Freundschaft ist Sokrates, wie es Arnim fein ausgedrückt hat, so sehr dcvii- Xoyixoc, A\ie sonst nie, das Wort nicht in dem üblen Sinne des logischen Nihilismus genommen, den es bei Piaton allmählich gewinnt. Aber Sokrates oder Piaton zeigt sich hier als ein ge- lehriger Jünger des Protagoras; er hat gelernt, daß rcepl Travrot; 7rpay[jLaTo<; o*uo !ctt6v Xoyw avTixeifiivco aXkrikoiq; aber es ver- langt ihn, den Widerspruch zu überwinden; er weiß, daß es ge- lingen muß, nur gelingt es eben noch nicht. So läßt dieses zweite Gespräch im Gegensatze zu dem gerade aufs Ziel geführten ersten nur den Stachel zurück, den Antrieb, weiter zu forschen. Auch

Hippothales ist unbekannt, aber ein Nachkomme von ihm ward Mitglied der Akademie, Diogenes III 46. Der Knabe Menexenos läßt sich von dem des gleichnamigen Dialoges nicht trennen; seine Familie hatte sich mit Politik befaßt, aber der Name ist zu gewöhnlich, als daß man eine Identi- fikation mit einem seiner Träger wagen dürfte, die auf den Steinen vor- kommen. Ein Sohn des Sokrates hieß auch so, also ist Verwandtschaft möglich, dann über Xanthippe. Ein angeblicher Dialog des Glaukon hieß Menexenos (Diogenes II 124); aber das wird Anschluß an den platonischen Dialog sein.

6. Lysis. 7^

das hat Arnim treffend bemerkt. Um den Mut dazu zu fassen, wird man die Verwirrung überwinden müssen, in die der Leser zuerst nicht weniger gerät als die armen Jungen, die Sokrates mit seinen Fragen und Gegenfragen hetzt und nicht selten ab- sichtlich aufs Eis lockt.

Sokrates wählt die Freundschaft als Thema, weil sie den Knaben nahe liegt; für Piaton ist sie nur Ausgangspunkt zu viel weiteren Ausblicken. Er hat die Freundschaft nicht wieder be- handelt, so daß Aristoteles gleich zu Anfang seiner ausführlichen Darlegungen auf den Lysis einen Blick wirft (Eth. 8, 2), der ihm doch wirklich wenig bieten konnte 1). Eins hat er gleich be- richtigt; er nennt das cpiXoujAevov gern ©iXtjtov, weil die griechische Sprache cpiXov aktivisch und passivisch verwendet, was uns recht störend wird. Unzulässig ist es im Deutschen, irgendwie von Lieben zu reden, denn dann fällt (piXia und zpioc, zusammen, und es entsteht ein ähnlicher Unsinn, wie ihn die Theologen machen, wenn sie aydor/] und epco<; zusammenwerfen. Wir tun gut, cpiXouv und <piXouu.svov an Stelle des zweideutigen <p(Xov zu setzen.

Drei Gänge hat das Redeturnier, durch Pausen geschieden, jeder aber hat seine Unterabteilungen, da immer ein Ergebnis erst gewonnen wird, dann zerrinnt. Im ersten Gange verfährt Sokrates recht sophistisch. Der gute Menexenos hat, seinem richtigen Gefühl folgend, zugegeben, daß die Freundschaft auf Gegenseitigkeit gegründet ist, läßt sich das aber entreißen, so daß weder der cpiX&v noch der <piXouu.£vo<; 91X01 sind, da es vor- kommt, daß der cpiXcöv sogar gehaßt wird, nämlich der Ipacrrr)? vom spamevot;; auch Hunde und Pferde lieben nicht immer die (piXoxuvsc; und (p'iKnznoi wieder2), und kleine Kinder können die Elternliebe noch nicht erwidern. Dabei wird iyßpoc, ebenso wie cptXo«; in doppeltem Sinne gebraucht. Es kommt auch schon ein- mal das neutrale cptXov vor, 212 d, was später die Untersuchung

1 ) Der Epikureer Kolotes hatte gegen Lyais und Euthydemos geschrieben ; wertlose Reste der Schriften b<n Crönert Kolotes und Menedemos 163. Ebenso Metrodoros gegen Euthyphron und Gorgias (Crönort 12, Anm. 24). Diese im Grunde ganz unwissenschaftlichen Leute stürzen sich auf die leichten Dialoge, weil sie das bekämpfen müssen, was ihrem ebenso un- philosophischen Anhang verständlich, ihrer Orthodoxie also gefährlich ist.

3) Daß der Hund ein treuerer Freund sein kann als die Menschen, wird der Hundefreund Piaton schon in der Jugend erfahren haben.

72 6. Lysis.

von der Menschenfreundschaft ganz ablenkt. Wer kann be- streiten, daß schon hier Verhältnisse herangezogen werden, die mit der Menschenfreundschaft nichts mehr zu tun haben. Lysis i^t eifrig, nimmt dem Menexenos das Wort aus dem Munde1); das hat aber keinen anderen Erfolg, als daß Sokrates sich nun an ihn wendet, aber statt seine Einwendungen hervorzulocken, ganz wo anders ansetzt; methodisch ist das nicht, viel eher eristisch.

In diesem zweiten Gange werden die Meinungen von Dichtern und Philosophen herangezogen, die sich widersprechen, aber auch einzeln genommen die Probe nicht bestehen Homer sagt t6v 6(j.olov ayzi Qebc, &q tov ofxoiov; dazu stimmt die empedokleische cpiAioc. Hesiod sagt xal xepa^eui; x.zpay.zZ xotesi;; dazu stimmt der heraklitische -k61z[j.oq. Daß diese Systeme, wenn auch verbreitert und verflacht, zugrunde liegen, ist unverkennbar und von Aristo- teles richtig verstanden. Der Einwand gegen Homer ist, daß die Schlechten zwar einander ähnlich sind, aber keine Freundschaft halten können, weil sie a&ixouo-iv 2). Dann können nur die Guten Freunde sein, und dies bekennt Sokrates als seine Überzeugung, 214 d, was sehr bedeutsam ist, führt aber dagegen an, daß der avyjp ayaOoi; sich selbst genügt, also keines anderen bedarf. Das bringt einen neuen Gedanken, den Nutzen, hinein.

Die entgegengesetzte Ansicht, daß sich die Gegensätze an- ziehen, wird auf die Physik hinübergespielt, was den Menexenos veranlaßt, unbedacht zuzustimmen. Sofort wird er mit den Gegensätzen yikoc, und £/6p6<; widerlegt; denn der iyßpöc, kann weder cpiXtöv noch (piXoüy.zvoc, sein. Die Behauptung wird einem xou46<; zugeschrieben; widerlegt wird sie von den avTi.Xoyt.xoL Es ist ganz müßig, hierin bestimmte Beziehungen zu wittern, und wären sie vorhanden, so könnten wir sie nicht bestimmen. So sind es in diesem Teile des zweiten Ganges lauter fremde

1) 213 d oüx, e(j.oiye Soxst, ruft er, „nein, meine ich". So zu betonen, nicht oüx ejjLoivs Soxei. Das würde er mit £ji.ol ^ev SoxsT ausdrücken.

2) Das erste Buch des Staates, das auf einem Entwürfe beruht, der nicht viel jünger aJs der Lysis ist, kennt eine Sixoaoaüvv) auch zwischen Dieben und Räubern 351 c; aber dann sind sie, soweit sie Sixouoi sind, auch nicht schlecht, können also 91X01 sein. Wenn man die ersten Partien dieses Buches liest, das Gespräch mit Polemarchos, fühlt man sich an den Lysis öfter erinnert. Der Verfasser bewegt sich in demselben Gedanken- kreise, aber bestimmte Beziehungen sind nicht vorhanden.

6. Lysis. 73

Behauptungen, die positiv nicht weiter helfen. Sie dienen aber dazu, eine neue Aufstellung zu gewinnen. Die Gedanken werden, um nicht zu schulmäßig zu klingen, in et^ as anderer Ordnung vorgetragen, folgen aber so auseinander; wenn das cpiXov (aktiv) sich auf ein «piXov (passiv) erstreckt, muß dies letztere ein ayaöov sein, denn ein xaxov wird nie ein cpiXov (passiv) sein können. Da nun beide nicht o^oia sein sollen, xaxov aber auch das cpiXouv nicht sein kann, muß dies outs xaxov outs ayaöov sein. Beispiel: dem Leibe, der ein outs xaxov outs ayaöov ist, ist der Arzt cpiXo? wegen des xaxov, der Krankheit (217 b). Damit ist diejenige Menschenfreundschaft, von der wir ausgingen, ganz verlassen; hineingebracht aber wird ein ganz neuer Begriff: die sTciöufjia, das Verlangen nach etMas, das fehlt. Es ist unverkennbar, daß dies geradezu eingeschmuggelt wird, 217 b, ou yap Syj . . . sti av toö ayaöoü £7C!.0uji.ol xal qxXov s£y].

In Wahrheit dient diese Aufstellung dem Sokrates nur als Grundlage zu etwas ganz Neuem, dem dritten Gange, den er überraschend mit einem spannenden ,,o weh, ich fürchte, alles ist falsch" einführt. Und dann schließt er so: alles cpiXstv bezieht sich auf etwas, hat einen Zweck. Wegen der Gesundheit ist der Arzt dem Kranken qnXoc. (Also nicht wegen des ^axov, der Ursache, der Krankheit). Der Gesundheit ist ein ayaöov; dann ist sie auch ein cptXov. Jedes cptXov hat seinen Zweck, also auch die Gesundheit, und so muß es immer weiter gehen bis zu einem reo'.. oVci cptXov, das ohne weiteren Zweck cptXov ist.

Das cpiXstv hat aber auch eine Ursache in dem xaxov; dies führt zu dem Verlangen nach dem cptXov (ayaöov). Fällt die Ursache weg, so auch das cpiXeiv. Das müßte also auch für das twi Öv-rt cptXov gelten. So wäre es, wenn es nicht auch eTctöufxtat gäbe, die mindestens nicht immer übel sind und auch unabhängig von dem xaxov bestehen. Sie also, nicht das xaxov, sind die wahre Ursache des cptXstv.- Hier zeigt sich, wie notwendig das Einsetzen des s7ctÖu(i,stv oben Mar. Man begehrt, was einem fehlt; das muß einem also irgendwie verwandt, zugehörig, otxstov sein; darum begehrt man's, wenn es fehlt.

Und nun geht es in überstürztem Gange zurück zur Menschen- freundschaft, 221 e: „wenn ihr Freunde seid, seid ihr oixetoi". Und wer jemandes inS\j\izl xai. Ipai, ist irgendwie sein otxeto?; dem gegenüber gebührt sich das ipiXstv, also auch gegenüber dem yv/joto?

74 6. LyBia.

epacrT^c. cl li wie man hier nur verstehen kann, der darum echt ist,

weil er olxeloc ist Es leuchtet ein, daß diese letzte Partie lediglieh für die Situation des Dialoges da ist. Sie verträgt keine scharfe Prüfung. Sokrates läßt sie auch ganz beiseite, als er die Summe zieht. Das otxetov darf kein Öfxoioy sein, denn das ist vorher abge- wiesen. Die Art, wie dieser Schluß jetzt anerkannt wird, zeigt, daß Sokrates ihn eigentlich für falsch hält. Was ist nun oixziov 1) ? Das Gute für jedermann oder das Gute dem Guten, das Schlechte dem Schlechten ? Dies letzte ist vorhin abgelehnt und gilt für beseitigt. Ist aber das ayaOov das oixelov, so kommt das auf den Satz heraus, daß nur der Gute des Guten Freund sein kann, einen Satz, der auch verworfen war, 215 d, obgleich dort So- krates gesagt hatte, daß er ihn eigentlich billigt, 214 e.

Scheinbar ist damit nichts erreicht; aber, Sokrates könnte fortfahren, möchte ältere Unterredner aufrufen. Also wird sich auch erkennen lassen, wie es weiter gehen würde. Daß nur die Guten Freunde sein könnten, war nur abgelehnt, weil der Gute sich selbst genug wäre, also keinen Nutzen von dem anderen Guten haben würde. Später ist das Verlangen hinzugetreten, ein Be- gehren nach dem oixeiov; das ist das Gute. Freilich beruht jedes Begehren auf einem Gefühle des Mangels, aber es gibt auch ein Begehren, das bleibt, auch wenn das Übel fortfällt. Und wenn die Freundschaft zu jedem <ptAov einen Zweck außer sich hat, so führt das endlich zu einem xok ovxt, cptXov, das es um seiner selbst wallen ist. Demgegenüber ward also auch das Ipav nicht aufhören. Und sehr wichtig ist, daß wir anerkennen, to ayccöov toxvtI ocxeiov, denn das bleibt nun bestehen. Der xaxo<;, der es nicht einsieht, beraubt sich selbst des wahren qxAov.

So können wir zusammenziehen. Setzen wir die ganze platonische Philosophie ein, so ist es richtig, daß das tcoi Övto dyaöov das tgh ov-u <piAov sein muß, und die hier noch sehr un- vollkommen behandelte ibuOujjua der epto^ auxou tou xaXou. Aber verstehen kann das nur ein Kenner der Lehren, welche Sympo-

' ) 222 c 7t6Tepov ouv xocl xäyaOov otxetov 6r)aoji.EV ;:avxl to Sc xaxov ä>,X6- xptov elvoa, ^ to jjlev xaxov xwi xaxcöi oi/.siov toh o"e ayaöok aya06v usw. Man muß durch die Interpunktion die scharfe Dopp elf rage kenntlich machen, dann wird der Gedanke an eine Lücke verschwinden. Es wäre überhaupt richtig, wenn wir in sehr vielen Fällen kein Komma setzten, wo M nur ein korrelates Satzglied anreiht.

G. LyeiB. 75

sion und Staat bringen, und der wird von dieser andeutenden Behandlung wenig erbaut sein. Für ihn Avürde diese mühselig antilogische Beweisführung post festum kommen, die nicht einmal zu einem anerkannten Ergebnis führt. Ist aber dem Piaton, als er dies schrieb, klar gewesen, was das Ziel der Untersuchung war, die er abbrach ? Daß die Leser es nicht finden konnten, mußte er sich sagen. Warum ließ er sie im Dunkeln ? Oder war er selbst nur so weit, daß er durch den Nebel widerstreitender Ge- danken ein Ziel in der Ferne sah ? Er wechselt mit upcÖTov cpiXov, oh; aXvjöwc; cpiXov 219 d, xwt Övxt. <piXov 220 b und behält dann diesen Ausdruck bei. So sagt er freilich auch später, als er erkannt hat, daß das, was er sucht, in einem anderen Reiche liegt, das keine <piXia erschließt, sondern "Epcos, der Mittler zwischen dem Irdischen und dem Ewigen. Aber diesen Mittler und dieses Reich kennt er eben noch nicht, und seit er es kennt, redet er von keinem -cot. Övti cpiXov mehr. Das weist dem Lysis ganz ebenso seinen Platz in der Entwicklung von Piatons Denken wie der Stil in seiner Schriftstellerei.

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7. Euthyphron.

Es ist auffällig, daß wir von Euthyphron von Prospalta nur durch Piaton hören, ganz wie von Kallikles aus Acharnai. Bergk hat die Prospaltier, die Komödie des Eupolis, ohne jeden Grund mit Euthyphron in Verbindung gesetzt. Wer den Kallikles für eine erfundene Figur hält, müßte es mit Euthyphron auch tun. Da ist es von Wert, daß sein Prozeß gegen seinen Vater einen Zug enthält, den Piaton nicht erfinden konnte, da er sich mit dem Winter 400/399 nicht verträgt, in den das Gespräch gesetzt ist. Der angebliche Mord ist geschehen, &q syecopyoufjLev ev NaEtoi, 4 c, also während dort die athenische Kleruchie bestand, also vor 40i. Dann ist die Klage, vier Jahre und mehr nach der Tat, undenkbar. Piaton hat die Unstimmigkeit nicht vermeiden können, weil er die Klage des Meletos hereinzog.

Euthyphron erbietet sich 6 c, die Geschichten von Götter- kämpfen zu rechtfertigen, noch viel ärgeren als die ausdrücklich erwähnten *). Im Kratylos 396 d führt Sokrates seine Kraft, die Götternamen zu deuten, auf Inspiration durch Euthyphron zurück. Das ist nicht dasselbe, also steckt mehr dahinter als eine Ver- weisung auf den eigenen Dialog. Natürlich beruft sich Sokrates auf ein Gespräch; aber jene allegorischen Deutungen konnten kaum, noch weniger die Etymologien von dem Propheten durch

i)8b steht, daß eine Tat 'r^aiaxwi. <pD.ov*'Hpoa 8k £x0pov sein kann. Das geht auf Heras Fesselung, den alten homerischen Hymnus, dessen Nachklänge in Poesie und Malerei vorliegen (Gott. Nachr. 1895, Hephaistos, S. 217). Piaton nimmt auf ihn im Staat 378 d Bezug. Etwas Ärgeres mochte z. B. die Zerreißung des Dionysos durch die Titanen sein oder wenigstens, daß Hera ihn wahnsinnig machte, eine fast verschollene Ge- schichte, die Piaton Ges. 672 ab erwähnt, Euripides im Kyklopen 3. Chry- sippos hatte noch sehr viel schlimmere Dinge herangeholt und allegorisch gerechtfertigt.

7. Euthyphron. nn

Unterhaltungen verbreitet werden; das erfordert mindestens die kntöz^ic, eines Sophisten, wenn nicht eine Schrift, was für die Gegenwart einen geringen Unterschied machte; aber als Piaton den Kratylos schrieb, war Euthyphron vergessen, wenn er nicht geschrieben hatte. Eine solche theologische Schrift, die dem Piaton ihrer ganzen Tendenz nach zuwider war, und daneben jener Versuch, den eigenen Vater zu verklagen, der in seine Jugendzeit fiel, erklärt die Verfolgung des Propheten, seiner Person und seiner1 Lehre.

Was Euthyphron von sich aus als Bestimmung des öcriov vor- bringt (QzoZc, 91X0V, 7z<y.ai dzoic; <pi>.ov), besteht vor der Kritik nicht, ist aber nicht bloß ein unvollkommener Versuch, sondern ent- spricht der Art Frömmigkeit, die der Theologe haben muß. Wenn Religion in dem Glauben an eine Offenbarung gefunden wird (wie das noch heutzutage gesagt wird), so wird eben der Inhalt der Frömmigkeit von oben, von außen her bestimmt, und bei der Anerkennung der offenbarten Wahrheit haben sich die Menschen zu bescheiden. Was den Göttern lieb ist, ist fromm : das ist die rechte Übung des ötktv xai su/e<70oa, wie Euthyphron das zuletzt, 14 b, ausführt.

Umgekehrt schließt Sokrates, und von ihm stammt die Ein- ordnung des öcriov in den weiteren Begriff des Staoaov 11 e. Damit ist es für die weitere Spekulation über die Tugenden ausgeschaltet, wie sich am deutlichsten im vierten Buche des Staates zeigt. Es hat nicht das mindeste zu bedeuten, daß im Gorgias 507 b steht Sixoaov to 7repl av0po.)7roi><; to. 7rpocnr)XovTa 7rpaTT£(.v, oouov to 7ispl Osouc, ohne daß das zweite als Unterabteilung des ersten be- zeichnet wird, oder daß im Menon 78 d Sixaioo-uvv) o-cocppocpjv/) Laiöxy]q als Teile der Tugend aufgeführt w erden, und noch im Theaetet 172 a Sixoaa xal aSixa xal oaia steht, ähnlich Polit. 301 d 1). Immer konnte ohne jeden Schaden der gemeine Sprachgebrauch befolgt werden. Der Inhalt dieses öcrcov sind die 0scov xal y]pcowv Qzpccxeica und der Totenkult, wie im Staate 427 b gesagt wird 2), offensichtlich

x) Es entspricht dem, daß die Priester, die Opfer und Gebete besorgen, ganz wie im Euthyphron, Sta/.ovou ziyyriq jzopta sind, Polit. 290 d.

2) In befremdlicher Weise wird behauptet, Piaton hätte die öciottqi; als Einzeltugend nicht eliminieren wollen, denn er verlange im zwölften Buche der Gesetze 967 d von dem Leiter des Staates, daß er die volle Einsicht in die kosmischen Bewegungen besitze, deren Einfluß auf das

7s 7. Euthyphron.

um das oatov aus der Tugendlehre Joszuwerden, denn dafür gibt Sokrates keine Gesetze, sondern holt sich die Weisung aus Delphi. Das ist Offenbarung; da gilt wie für Euthyphron xb OeocpiAec; ocriov.

Auch im Euthyphron wird als Inhalt (ktöv OEpooreioc angesetzt: Sokrates nimmt das mit entschiedenem Beifall an: xaAoix; ye y.01 (palvrii Xsyeiv, 12 e. Aber die Qzolc, uTnqpexiXT] geschieht nicht so, wie sie gemeiniglich gefaßt wird, zugunsten der Götter, sondern ist ein Dienst, wie ihn der Sklave dem Herrn leistet 1). Natürlich muß sich diese Beihilfe auf ein spyov der Götter erstrecken. Das möchte Sokrates hören ; wenn Euthyphron zu viele solche spya kennt, wenig- stens das xecprAoaov, die aus den einzelnen Posten gebildete Summe, er hätte auch sagen können, die Gattung, die Form, die für die einzelnen epya allgemein gilt. Euthyphron weiß nichts, kann nichts wissen, da er nur die andere Sorte Frömmigkeit kennt, mit der er also wieder herauskommt (üb); Wortschwall soll den Rückfall verhüten. Dafür trifft ihn der verdiente Hohn: ,,Du hättest mir sehr viel kürzer das xccpaAcaov, die Hauptsumme, Hauptsache von dem, wonach ich fragte, sagen können. Aber du willst mich eben nicht belehren, offenbar. Jetzt v/arst du ja eben daran, und da bogst du ab. Hättest du mir die Antwort gegeben, so würde ich ganz zureichend von dir erfahren haben, was Frömmigkeit ist." Ich übersetze, weil die einlachen Worte mißdeutet worden sind; dies nebenbei. Also mit der Angabe von dem, was das spyov der Götter ist, an dem die Frommen helfen, wäre die Frömmigkeit gegeben. Diese Aufklärung erhalten wir nirgend; nur gelegentlich wird als selbstverständlich hingestellt, ouSsv Y](j.tv ayocööv ö ii av [xy) 6sol Scoaiv, 15 a. Wer darauf weiter- baut, wird sich soviel sagen können, daß er befriedigt ist. Ge- dacht kann nichts anderes sein, als das eigene Wirken auf das Ziel zu richten, dem das Regiment der Götter zustrebt. Piaton hat

sittliche Leben begriffen hat und dialektisch darüber Rede stehen kann, sonst ist er nicht ßeßaitoi; dsoatfir^. Von dem, was er hier zur Bedingung macht, wußte er gar nichts, als er den Euthyphron schrieb; er verlangt es auch hier nicht von jedermann, oaioc, aber soll doch jeder sein. Wie kann man zwei Wörter gleichsetzen, die so verschieden sind, zwei Begriffe, die es ebenfalls sind ?

1) Den Göttern gegenüber ziemt sich die Bezeichnung SouXo?; das ist auch Sokrates gegenüber Apollon, Phaid. 85 b. Ob ein freier Qr}q oder ein unfreier 8o\j\oc„ ist für die Art der 0epa7:eta ohne Belang.

Euthyphron. 70

diese Betrachtungsweise nicht weiter verfolgt; sobald die neutrale Idee des Guten in den Mittelpunkt trat, war da kein Raum für einen Gott oder Götter, die ein tätiges Regiment über die Menschen führten, konnte also der Philosoph ihnen nicht dabei helfen.. Als er den Euthyphron schrieb, faßte er die Menschenwelt viel eher als ein Reich Gottes oder eine communio deorum et hominum, eine große cioitas, wie es Cicero de legibus I 23 nach den Stoikern ausführt. In dieser fällt dem Weisen oder Philosophen eine tätige Mitarbeit zu. Es braucht nicht von neuem gesagt zu werden, daß Piaton sehr geneigt war, an der Errichtung eines gotto-eliebten Staates Hand anzulegen. So sind diese Gedanken ganz in seinem Sinne; aber er hat diesem Sinne, später einen anderen Ausdruck gegeben. So rückt der Euthyphron den Werken der Mannes jähre zugleich näher und ferner als die andern Dialoge der neunziger Jahre.

Wie breiten Raum die logische Belehrung einnimmt, mag *ich jeder beim Lesen selbst überschlagen. Alles sind ganz elementare Dinge, aber sie werden so eingehend behandelt, daß die belehrende Absicht unverkennbar ist. Einmal wird auch die Geometrie berührt, 12 d. Am auffälligsten ist die Einführung des Terminus zl8oc und iSsa, die ganz unterschiedslos gebraucht werden. Wer den Phaidon im Kopfe hat, muß zuerst sagen, die Ideenlehre ist da. 5d fragt Sokrates, „ist nicht in jeder Handlung das octoov tocutov ocutö IccuTok, das avo<nov jedem öcriov entgegengesetzt, ocuto §s socutoh ö^oigv xou s/^ov uiav -nva LSeav xoerd ty]v ocnoTTjTa x), Tcav oxnzzp av fjiiXXyji avoat-ov zhea. Euthy- phron stimmt ohne weiteres zu. Das wird 6 d aufgenommen exeivo auro to zlSoc, &i 7ravTa ra oena öatd eemv. ecpyjaÖa vap 7iou (xiat ISeoa t<x ts dvoaia dvoma slvai xai xd oaia öcria. Und gleich danach steht tocutov toivuv fxe aü-yjv SiSaEov ttjv tS£av, tic, tots

1) Hier ist eine wichtige Variante ööi6ty)t<x B und avoai6T7)Ta T, beide mit Gefolgschaft; ävoatöxY]? liegt an sich näher, und es konnte geändert werden, weil eine Idee eines negativen Begriffes logisch, einer Schlechtig- keit ethisch für den Platoniker undenkbar war. Aber der junge Piaton brauchte das noch nicht durchschaut zu haben. Andererseits reicht die positive Idee, das Musterbild, aus, um das Gegenteil als solches zu erkennen, öoioTYjTa ist also verständlich, war auch der Änderung ausgesetzt. Daß ich mich für diese Lesart entscheide, bewirkt die zweite Stelle, in der deutlich von einer einzigen Idee die Rede ist.

£0 7. Euthyphron.

ECTTtv, £va eic, exeivqv a7ioß>i7ia)v xal /pco(j.evo<; aoTYJt. 7tapaSeiy(xaxi das einzelne bezeichne. Da haben wir das 7iapa8et.y[jt.a genau wie im Kratylos 389 b. Die Architekten reichten bei der Bewer- bung um einen Staatsauftrag einen Plan oder ein Modell ein, lateinisch forma: das ist genau eine solche tSea. Jedes ocnov oder avoaiov „hat" eine Form, die überall dieselbe ist, und die es zum oaiov oder dvoaiov macht. Diese Form, der wir es an- sehen, dies ist fromm oder nicht fromm, möchte Sokrates kennen, um sie dann als forma, als Muster, zu vergleichen, zu sehen, ob die Ausführung stimmt. Wir können auch sagen, er will den Typus des Frommen kennen. Wenn Isokrates (x. o-ocpiaT&v 16) seinen Schülern die [Seal beibringt, iE, d»v toxjc, Xoyou«; auavTa^ xal X£yo[xsv xal m/\m6efi.cv, so sind es die Typen, und mehr steht hier bei Piaton auch nicht. Noch hat das Einzelding die iSea, die Gestalt; sie ist nicht losgelöst von der Einzelerscheinung, einem anderen ewigen Reiche angehörig. Man kann wohl sagen, daß ein großer Schritt auf die Logik, auf den Begriff zu getan ist, und logisches Interesse zeigt das Schriftchen überall, aber auf die Ontologie des Phaidros und des Staates deutet noch nichts. Ihr sind wir nicht näher als mit dem toi Öv-rt, «piXov des Lysis. Der Gorgias zeigt nichts, was auf die künftige Ideenlehre deutet, aber er hatte dazu auch keine Veranlassung; er bekämpft die Rhetorik auch nicht von der logischen Seite. Es führen wenig Fäden von ihm zu den kleinen Dialogen, während er auf den Protagoras zurückgreift. Daher könnte man versucht sein, etwa den Euthyphron hinter ihn zu rücken1). Nur ist eins nicht zu vergessen: der Gorgias ist ein sehr umfangreiches Werk, vor dem die andern verschwinden. Ganz wohl konnte eins wie der Euthyphron angelegt und ausgearbeitet werden, während der Gorgias im Entstehen war. Wir werden doch dem Piaton zu- trauen, daß er oft mehrere Eisen im Feuer hatte. Diese Möglich- keiten dürfen nicht außer acht bleiben, aber die Not zwingt uns,

x) Zu dieser Annahme hat mich einst veranlaßt, daß im Gorgias 480 d, 507 d gefordert wird, sich selbst und die eigenen Verwandten vor Gericht zu ziehen, um die heilende Strafe für ein Verbrechen zu empfangen. Das j tut Euthyphron ; er tut es aber nicht aus diesem Beweggrunde, und dadurch wird die Berechtigung seines Handelns aufgehoben. Wenn Piaton die Parallele hätte ziehen wollen, so mußte er eben über den Beweggrund etwas sagen. Es besteht also keine Beziehung zwischen den Stellen.

7. Euthyphron. 81

die Gedanken allein zu verfolgen. Da ist einleuchtend, daß die Gerechtigkeit als die entscheidende Tugend im Gorgias und schon vor ihm im Thrasymachos erscheint, und die Frömmigkeit neben ihr keine Rolle spielt, was doch zumal da so nahe lag, wo Ke- phalos beim Opfern beschäftigt ist. Piaton hatte also damals schon anerkannt, was Sokrates im Euthyphron von sich aus sagt, daß die Frömmigkeit ein Teil der Gerechtigkeit ist. Damit ist der Inhalt des Euthyphron hoch hinauf geschoben; dann wird auch seine Abfassungszeit vor dem Gorgias wahrscheinlich. Wer die ganze Stimmung und Haltung der kleinen Dialoge mit jenem vergleicht, wird vollends nicht zweifeln. Und nach jenem gewaltigen Manifeste seines Glaubens und Wollens kamen die Fragen und Zweifel des nicht wissenden Sokrates nicht mehr zu- recht, weder dem Publikum noch dem Verfasser. Der Stand- punkt, von dem aus sie geschrieben waren, lag nun tief unter ihm.

Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Aufl.

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8. Piaton und die Pythagoreer.

Von Piatons erster Reise steht fest die letzte Station Syrakus und der Verkauf auf Aigina. der Krieg zustand voraussetzt, also die Jahre 388/87 etwa. Losgekauft hat ihn der Kyrenäer Annikeris, was nahe legt, daß der Besuch in Kyrene vorherging x); doch das ist selbstverständlich. Wenn Olympiodor S. 193 Herrn. Glauben verdient, ist das Jahr 388 gesichert, ein Olympien jähr, denn er sagt, daß Annikeris auf dem Wege zu dem Feste war. Das klingt ansprechend, wenn nicht der Kanal so sehr trübe wäre, der die Notiz bietet, und ein xara tu/^v 7rapfov, wie es bei Diogenes III 20 heißt, auch ausgeschmückt werden konnte. Als Reiseziele kennen wir sonst Unteritalien, das natürlich vor Sizilien besucht ward, Kyrene und Ägypten, und daß ihn nur die Zeit- läufte an dem Besuche des Orients verhinderten, muß zu dem glaubwürdigen Bestände der alten Biographie gerechnet werden. Diogen. III 7, Apuleius I 3; bei Olympiodor ist der Vorsatz zur Tatsache gemacht, was für seine Art bedeutsam ist. Die Reihen- folge ist bei Diogenes Kyrene, Italien, Ägypten, bei Apuleius Italien, Kyrene Ägypten, Cicero, de fin. V 87, de rep. I 16 hat nur Ägypten und Italien, Philodem 2) nur Italien. Daß er einmal v^on Athen direkt nach Ägypten fuhr, sagt die vortreffliche Angabe über seinen Ölhandel bei Plutarch Solon 3, und derselbe läßt ihn auch von Ägypten direkt zurückfahren, de genio Socr. 579 b: allein dies steht in einer Novelle und führt ihn nach Delos, um dort die Aufgabe, den Würfel zu verdoppeln, an Ort und Stelle zu erhalten ; das ist also nicht ernst zu nehmen 3). Man wird nicht

1) Daß ein späterer Anhänger der aristippischen Schule Annikeris heißt, darf nicht verwirren; nicht einmal Verwandtschaft der- Träger des libyschen Namens kann mit Sicherheit erschlossen werden.

2) Index Acad. Col. X. Von Z. 17 an läßt sich das meiste nicht her- stellen, denn Meklers Ergänzungen ergeben kein Griechisch.

3) Es kann gut aus dem Platonikos des Eratosthenes stammen.

8. Piaton and die Pythagoreer. $3

leicht den Besuch Ägyptens von Kyrene trennen, eine Reise Piaton* nach der Schulgründung ist im höchsten Grade unwahr- scheinlich, also ordnen sich die Stationen so: Ägypten. Kyrene, Italien, Sizilien. Daß Ägypten von einem Zweige der Tradition ans Ende gerückt wird, hat seinen Grund in der Stilisierung: bg erschien besonders wichtig und ward allein weiter ausgeführt. Um die Dauer der Reise zu berechnen, muß mit dem Aufhören des Schiffsverkehrs während des Winters gerechnet werden, der in Piatons eigenen Berichten über die beiden letzten Reisen nach Syrakus so deutlich hervortritt. Wenn wir ihn in dem ersten Sommer bis Kyrene gelangen lassen, kommt ein Winteraufenthalt heraus, der für die Lehrzeit bei Theodoros unentbehrlich ist, ein zweiter dann in Italien; dann kann er im Frühsommer des dritten Jahres von Syrakus abgeschoben sein. War das 388, so ist er 390 aufgebrochen, und so mag man rechnen, muß aber außer einer längeren Dauer der Reise auch als möglich zugeben, daß das Ende erst 387 fiel.

Über den Aufenthalt bei den Pythagoreern wissen w ir nichts und müssen auf der Hut sein, nichts heranzuziehen, was in die späteren Reisen gehört. So läßt ihn Diogenes zu Philolaos und Eurytos gehen, aber Apuleius gibt als Ziel der zweiten Reise den Besuch des Eurytus Tarentinas et senior Archytas an. Das ist der Zeit nach möglich, nur das senior kaunr auf wen auch der Komparativ bezogen werde. Von Eurytos hat Archytas etwas er- zählt, das Aristoteles und Theophrast daher kennen (Diels 33, 2. 3). Er kann also Schüler des Philolaos sein, wie es bei Iamblich Pyth. 148 heißt. Das wird stimmen; was Aristoteles Metaph. X 1092b anführt, bringt eine Zahlenspielerei, wie sie in der ältesten Akademie auch getrieben w urde. Aber Philolaos wirkte im Mutterlande; auch Eurytos wird mit den Pythagoreern von Phleius in Verbindung gebracht. Diese Filiale war im 4. Jahr- hundert ziemlich so wichtig wie in Italien Tarent; von ihr wird Aristoteles auch Nachrichten empfangen haben, die er den Pytha- goreern im allgemeinen zuschreibt. Herakleides hat die Gegen- wart in die Zeit des Stifters projiziert und Pythagoras mit dem Tyrannen Leon zusammengebracht. Weitere Wucherung läßt ihn gar selbst aus Phleius stammen.

Tarent ist durch Arch}7tas zum letzten Zentrum des italischen Pythagoreertums geworden; aber Lysis, der Lehrer des Epami-

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8 | 8. Piaton und die Pythagoreer.

nondas, hat doch auch schon aus Tarent fliehen müssen, also war die lakonische Kolonie von der Bewegung der achäischen Städte am Ende des 5. Jahrhunderts ergriffen; aber in die Pythagoras- legende hat Tarent keinen Eingang gefunden, in starkem Gegen- satze zu Phleius. Piaton läßt den Timaios aus Lokri stammen, von dem ich nicht zu bestimmen weiß, ob er nicht ganz von ihm erfunden ist: auch diese Stadt schien also in den pythago- reischen Kreis zu gehören, was den Zaleukos, den alten, viel- leicht mythischen Träger ihrer euvojxux, zu einem Schüler des Pythagoras gemacht hat. In Kroton ist die Bruderschaft wohl durch die Revolution wirklich ausgerottet worden; die Teile der Legende, welche Pythagoras dort einführen, sind also recht alt. Überhaupt ist die Aussicht gar nicht schlecht, ihre Schichtung verfolgen zu können, und ich glaube, man wfrd auch mit dem Sondern der Lehren und Gebräuche weiter kommen. Die Not- wendigkeit, um Piatons willen die Biographien zu lesen (Photius Bibl. 249 ist unverächtlich1)), hat mir diese früher gewonnene Überzeugung bekräftigt; ich habe nur keine Zeit mehr dazu. Notwendig ist, und dazu ist, seit Rohde den Grund gelegt hat, manches geschehen, die Traditionen unserer Gewährsmänner zu sammeln und zu sondern, Aristoteles, Herakleides (dessen Er- findungen besonders wichtig sind; Hermotimos, Euphorbos u. dgl., Leon), dann die beiden Westhellenen Dikaiarchos und Aristo- xenos; daß dieser die Schule als erloschen betrachtete, befremdet und verlangt Erklärung; Theokrit führt einen Pythagoristen ein, aber einen Athener, vielleicht aus der Komödie. In die erste Reihe der Zeugen gehört aber für uns auch Timaios, wichtig, weil er sein Augenmerk auf die politische Rolle des Ordens richtet, die den Philosophen gleichgültig ist. Da hat Krische unserer Forschung vortrefflich den Weg gewiesen. Allein das kann und muß stark erweitert werden, namentlich nach der religiösen Seite: da ist, als Ursache oder als Folge, die Religion der Westhellenen, so verschieden vom Mutterlande, von dem späteren Pythagoreertum nicht zu trennen, und die reiche monu- mentale Überlieferung, die die Italiener der Erde abgewonnen

x) Aber die Zuteilung an Agatharchides, die Immisch eben versucht, ist unhaltbar. Ganz verfehlt ist der Versuch von Wellmann, den Abriß der pythagoreischen Lehre, den Diogenes aus Alexander Polyhistor erhalten hat, für alt pythagoreisch zu erklären.

8. Piaton und die Pythagoreer. 85

haben, und die sich immer noch stark vermehrt, verspricht viel auch mit ihren Ausstrahlungen auf die Völker Italiens. Sie ist bei uns vernachlässigt, und in Italien wird, schon weil die Sprach- kenntnis fehlt, nur die Prähistorie mit Sachkenntnis getrieben. Das Leben der Westhellenen, in manchem auch ihr Glaube, läßt sich doch aus den Monumenten in vielem erkennen, wenn auch die Inschriften allzu spärlich sind; das gibt mindestens für das spätere Pythagoreertum Hintergrund und Untergrund. Sicher läßt sich die Brücke zu den Bacanalia schlagen, wenn auch Dio- nysosmysterien, Avie sie Philopator trieb 1), zwingen, den Blick noch weiterhin zu richten.

Zu diesen Primärquellen führt ferner die biographische Tradition des 3. Jahrhunderts, zu der wir über die Auszüge der Kaiserzeit gelangen, und sie hat mancherlei anderes benutzt, vor allem Schriften, die auf den Namen des Pythagoras und anderer alter Pythagoreer, Männer und Frauen, gestellt waren, in Versen 2) und Prosa, ionischer und dorischer. Damit, daß sie diese Namen zu Unrecht tragen, wie die Evangelien des Matthäus und Johannes und die Briefe des Petrus und anderer Urapostel, sind sie nicht entwertet, und der Religionsstifter Pythagoras ist mindestens soviel wert wie der Philosoph. Es ist aber auch

*) Diese seltsame Erscheinung, die das Einbrennen eines Efeublattes als Zeichen der Weihung in die Mysterien einschließt, ist mehrfach bezeugt, auch im dritten Makkabäerbuche, und ich habe die Efeublätter erythrä- ischer Grabsteine dahin bezogen, Nordion. Steine \i, 15, Herrn. 34, 635. Auch Einbrennen von Lilie und Tamburin kommt vor, Plutarch de aduL et am. 56 e. Eben veröffentlicht Schubart (Amtliche Berichte der Königl. Sammlungen 1917, 189) einen Erlaß des Phiiopator zur Sache, deutet ihn aber nicht ganz richtig. Die xzkow-zc, tgh Aiovuacoi aus Ägypten sollen nach Alexandreia kommen und sich binnen dreier Tage nach ihrer An- kunft auf dem Bureau eines Aristobulos eintragen lassen, angeben, von wem ihre Weihung stammt, drei Generationen rückwärts (d. h. von wem der Weihende seine Weisheit haben wollte), und in einer versiegelten und mit ihrem Namen versehenen Aufzeichnung den izpbq, Xöyoc, hinterlegen. Es war also nicht nur eine Kontrolle der Gläubigen, sondern auch des Glaubens beabsichtigt.

2) Von einem alten auf Pythagoras' Narhen gestellten Gedichte scheint mir eine Erwähnung bei Diogenes 9, 23 vorzuliegen, wo angegeben ist, Parmenides hätte Morgen- und Abendstern zuerst als identisch erkannt, &q Oaßopivo?. o? 8e iluGayopav KaX/i[xayoQ cp^at (/,•/) elvai aürou 7?o(?)[l.a. Ich kann das nur so verstehen, daß Kalliraachos das betreffende Gedicht verzeichnet, aber die Autorschaft des Pythagoras geleugnet hatte.

86 8. Plutou und die Pythagoreer.

ganz unberechtigte Willkür, diese Schriften a priori als alexandri- nische Erfindung zu betrachten, und selbst wenn sie es sein sollten, würden sie stofflich ebensogut auf älterer Überlieferung beruhen wie das Matthäusevangelium und selbst Stücke des Johannesevangeliunis. Aber daß Aristoteles von Pythagoras ab- sieht und Orpheus als mythische Person erkannt hat, ist zwar ein schönes Zeichen von historischem Gefühle, entwertet aber die mythische Tradition durchaus nicht, die sich am Ende auf Erinnerung an geschichtliche Personen und Zustände gründet. Umgekehrt wird auf dem Gebiete der Mathematikgeschichte von Zeuthen, also dem ersten Kenner, der Tradition nicht etwa der hellenistischen Biographen, sondern der Kaiserzeit ein sehr weit- gehender Glaube beigemessen, der sogar dem Pythagoras selbst nicht nur den Satz, den wir nach ihm nennen", sondern anderes Wichtige läßt. Ich kann mir sachlich nicht das geringste Urteil erlauben, aber zweierlei ist unbestreitbar, daß die Spätzeit das Platonische ohne weiteres für Pythagoras reklamiert, und daß selbst Eudemos pythagoreische Bücher nur von Archytas und seinen Schülern haben konnte, außer etwa Philolaos, und über dessen Person und die Anführungen, die wir unter seinem Namen haben, muß die Untersuchung von neuem geführt werden. Das Material ist von Diels in den Vorsokratikern unter Nr. 32 bereitgelegt, so daß ich vieles mit seinen Zahlen zitiere; nur ein Scholion zum Phaidon 61 e kommt hinzu, <Dt,XoXao<; Iluöa- Yopzioc, if)v, k\ 'LraXtac 7i£cpeuycoc; Sia tov £[X7rp7](7(i.6v tov tote utco KüXoovoc; yeyovoTa Sia to av£7UT7)<kiov auxov Tcp6<; <pt,Xoc?ocpiav ovra a7isXa6vjvai toü 6{i.axo£ou 6<; xou SV oavt.yfi.aTCov IStSaryxe, xa6a7tep 9jv I0oc auTOL<;' TjXösv oöv oütoc, zlc, 07]ßaq TsOvsam tok St.Sa(7xaXcot, AücjiSt. youc, TTOtTjacov exzl Ts6oqj.fiivo.n. "Inntxpyoc; (d. i. "Apyinnoc,, Neanthes bei Porphyrios Pyth. 55. Iamblich Pyth. 249) 8e xal OiXoXacx; y.6voi ttj<; etpvju £vy]c, aufxcpopa^ twv IluOayopsiwv Siecro'iÖTjCTav. Ber Aufenthalt des Philolaos in Theben und damit seine Lebenszeit ist durch Piatons Phaidon gesichert; danach fällt er in das Ende des 5. Jahrhunderts; seine Schüler Simmias und Kebes brachten also pythagoreische Lehren in den sokratischen Kreis. Daß Lysis Lehrer des Epaminondas war und in Theben starb, darf ebenso als Tatsache gelten. Von ihm wird die Rettung aus dem Brande von Neanthes und Iamblich erzählt, zugleich mit Archippos; im Scholion tritt Philolaos für Lysis ein, bei

8. Piaton und die Pythagoreer. 87

Plutarch gen. Socr. 583 für Archippos. Dies sowohl wie die Schülerschaft und die Reise nach Thebsn zu dem Grabe des Lehrers Lysis sind offenbar Wucherungen. Wertvoll ist dagegen, daß Aristoxenos (Diogenes VIII 46, Iamblich 251 x)) die Pytha- goreer des Mutterlandes, namentlich die von Phleius, als Schüler des Philolaos bezeichnet. Zu ihnen gehört Echekrates, der Freund des Phaidon, den Piaton einführt. Ganz wertlos ist, daß Iam- blich 104 den Philolaos zum unmittelbaren Schüler des Pythagoras macht. Auch sein Tod bei dem Versuche, Tyrann zu werden, hat keine Gewähr; da Diogenes Laertios VIII 85 hierauf sein Epigramm macht, wird es aus Hermippos stammen. Man hat nichts gewußt als die Tätigkeit des Philolaos in Hellas in den Jahrzehnten um 400.

Bei Iamblich 199 und ganz ähnlich bei Diogenes III 9, VIII 85, bringt Philolaos die Schriften des Pythagoras oder der Pythagoreer, was dasselbe ist, unter die Leute, indem er sie für Piaton an Dion um 100 Minen verkauft, weil er gänzlich ver- armt ist. Es sind „die berühmten drei Schriften" nach Iamblich, IlaiSsuTixo?, IIoXitixo?, ®ucnx6<;, wie sich aus Diogenes VIII 6 ergibt, der den Anfang, in ionische^ Sprache, angibt. Drei ßißXux üuÖayopixa kauft Dion für 100 Minen auch nach Satyros, Dio- genes III 9. Nun ist die Umgebung von Iamblich 199 nach- weislich aus Aristoxenos, so daß auch Diels (I S. 34, 12) ihm den dazwischenstehenden Abschnitt zuschreibt. Dem hat Satyros nacherzählt. Er hat also die Geschichte aufgebracht, daß Piaton sich in den Besitz der pythagoreischen Geheimlehre setzt, natür- lich um sie als seine zu verwerten, denn den ungeheuren Preis zahlt er für ein Manuskript, das er dann allein besitzt. Aber Aristoxenos kann die Bücher benennen. Darin liegt noch nicht, daß sie dem Publikum oder auch nur dem Aristoxenos vorlagen : er konnte die Titel erfinden, damit Piatons Erziehung^lehre, Politik und Physik auf Pythagoras zurückgeführt würden, und später konnte sich darauf eine Fälschung gründen. Das muß also zurzeit offen bleiben. Da Piaton sich den Kauf durch Dion besorgen läßt, braucht er nicht erst nach dem Tode des Dionysios I. erfolgt zu sein, ist also mit der Lebenszeit des Philolaos vereinbar. Ein Buch des Philolaos hat Aristoxenos nicht gekannt. Es lag aber

J) Die Lücke im Texte ergänzt sich aus Diogenes.

88 8. Piaton und die I'ythngorcer.

nahe, ihn sein eigenes Werk verkaufen zu lassen; von einem solchen weiß Herrn ippos (Diogenes VIII 85), setzt, aber den Preis stark herab und läßt Verkäufer die Verwandten des Philolaos sein oder auch einen Pythagoreer, der dafür die Entlassung aus dem Gefängnis erhält. Diese Verschiebung war nötig, da Piaton selbst kauft, als er bei Dionysios IL ist. Timon Fr. 54 weiß von dem teuren Kauf des Buches von Philolaos, das Piaton im Timaios ausschreibt Im 3. Jahrhundert wird also ein Buch des Philolaos vorausgesetzt, und ist das Plagiat Piatons genauer bestimmt. Auch Neanthes (Diogenes VIII 55) kennt ein Buch des Philolaos als erstes, das die pythagoreische Lehre öffentlich macht. Aristoteles kennt nichts von Philolaos.

In den Theologumena mathematica steht ein Auszug aus einer Schrift des Speusippos n. IluOayopixcöv a-piöji-wv, der nach der Angabe des Anonymus oder besser des Nikomachos vor- nehmlich aus Philolaos sein soll (Diels 32 A13). Nicht der mindeste Anlaß ist, diese Angabe auf Speusippos zurückzuführen. Was Speusippos ausführt, setzt nicht nur die Stereometrie des Timaios voraus, sondern bildet sie in Verbindung mit pythagoreischer Zahlenlehre genau so weiter, wie wir es von der ältesten Aka- demie erwarten. t)en Philolaos zu nennen, lag für Nikomachos nahe genug, da ihm ein Buch desselben vorlag, in dem die auch hier wichtige Zehnzahl eine entscheidende Rolle spielte.

Eudemos (Diels B 16) führt ein Wort des Philolaos an, elvai TLvac; Xoyouc; xpsiTTouc; tj[jlcov, d. h. es läßt sich das xpeiTTOi eocutou slvat nicht durchführen, also ein Gegensatz zu dem sokratischen £7r£cr6at, toh Xoyan. Xoyoi sind keine verstandesmäßigen Über- legungen; Diels übersetzt vortrefflich „Motive". Es liegt kein Grund vor, in dem Worte ein Zitat aus einem Buche zu sehen; es ist ein Apophthegma.

Menon in den larpixa (A 27) gibt ausführlich die medizi- nischen Grundansichten des Philolaos: da muß etwas Schriftliches zugrunde liegen. Alles klingt sehr altertümlich.

Ein Buch des Philolaos in dorischem Dialekte kennt Demetrios Magnes, Diogenes VIII 85, und führt den Anfang an, der sogleich den Kosmos aus araipa und 7t£7rEpaa|X£va ableitet. Kein Zweifel, daß dieses Buch in der Doxographie ausgezogen ist (Diels A 16 bis 21), und daß von ihm Bruchstücke vorliegen. Diels führt die Doxographie auf Theophrast zurück, zum Teil über Poseidonios.

8. Piaton und die Pythagoreer. 89

Das scheint mir zu rasch; es liegen zu viele Vermittler vor Aetios. Was dieser bringt, ist die Konstruktion des Weltgebäudes mit dem Zentralfeuer, um das sich Gegenerde, Erde usw. drehen; das. Zentralfeuer hat der o^fnoupyo? Öeo? „wie einen Kiel" als erste Unterlage des Weltenbaues geschaffen. Da ist der Anschluß an den Timaios nur zu deutlich; aber ein Berichterstatter konnte den Demiurgos hineintragen. Anderes bringt Angaben über Sonne und Mond. Trennen werden wir nicht Benennungen von Winkeln nach Göttern, die altpythagoreisch waren, da sie Eudoxos kannte, und mancherlei Musikalisches (A 14, 24—26). Von Stereometrie keine Spur. Auf dasselbe Buch werden wir kein Bedenken tragen, den größten Teil der im Wortlaute erhaltenen Bruchstücke zu beziehen, die namentlich Stobaeus erhalten hat, aber auch wasTheon, Iamblich, dieTheologumenaarithm. bringen (A 2—12). Aber Stobaeus hat auch ein offenbar gefälschtes Stück aus n. <|wx?te (B 21), und an die Bax/ai (17—19) kann ich auch nicht glauben: was angeführt wird, ist gleichgültig. Wichtiger, daß der Jude Philon ein gefälschtes Zitat (B 20) bringt.

Auf dieses Buch bezieht man auch Piatons Anführungen. Im Phaidon kennt er das Verbot des Selbstmordes ; dabei müssen einzelne Wendungen von Philolaos stammen. Aber es liegt keine Veranlassung vor, dies aus einem Buche abzuleiten, da die münd- liche Vermittlung durch die thebanischen Schüler des Philolaos hinreicht. Die Lehre ist die der pythagoreischen Religion; ganz Ähnliches führt Klearchos, Athen. 157 c, auf einen Pythagoreer Euxitheos zurück.

Im Gorgias 493 hat Sokrates von einem Weisen die Etymo- logie ocofxa CTYJu.a tyr/jiS gehört, die er auch im Kratylos 400 c an- führt. Dann erzählt er nach einem x.oy.<h6c, avyjp, 2ixeX6s n? ^ TraXixos ein sinnreiches Märchen, das zwar von den Seelen im Hades redet, aber eben al^ Märchen, denn die d(xuY]Tot. sind ja avo7)Toi, und das lecke Faß ist der unvernünftige Seelenteil. Der EixeXö«; xojx^o? avr.p stammt aus einem Skolion des Timokreon (Fr. 6), also ist er nur zum Scherze genannt, der Verfasser war also aus Italien, ein Pythagoreer, und da liegt niemand näher als Philolaos, von dem Piaton durch die thebanischen Freunde wußte. Aber wieder ist keine Veranlassung, an die Benutzung eines Buches zu denken. In dem Phaidonscholion steht von Philolaos, der dort kein Schriftsteller ist, ISCSaaxev

()(j 8. Piaton und ilic Pythagoreer,

Si' aiviYjxotTfov. Das paßt hierauf. Die Gleichung a<ou.a ar\[x.a. auf denselben zurückzuführen, ist nicht einmal wahrscheinlich. Nun stellt Clemens Str. TU 3, 17 (Diels B 14) aus einem Florilegium neben die Kratylosstelle folgendes von Philolaos. fAapTupeovn (Cobet rat cod.) 8s xai ol TcaXaiol QeoXoyot xal [livneq toc, Siä tivolc, Ti(J.copia<; a <\)\>ya. twl ctü)[juxti auvs^euxTat. xal xaGarop ev cry)u.aTt T£Öa7TTai. Da wundert man sich nicht nur darüber, daß statt der Etymologie nur ein Anklang bleibt, sondern auch über die Berufung auf alle Propheten und denkt an Piatons Menon, wo für die Unsterblichkeit der Seele solche Autoritäten angeführt werden. Euxitheos bei Klearch redet sachlich ähnlich, aber es war billig genug, ein Wort des Philolaos nach Piaton zu erfinden; auch der Ausdruck, zumal xaÖaTCp, klingt wahrlich nicht alter- tümlich. Das wäre ziemlich gleichgültig, wenn nicht dieser Philolaos eine Präexistenz der Seele annähme, womit die Angabe des Macrobius somn. Scip. 1 14, 19 (A 23) streitet, daß Philolaos die Seele für eine Harmonie erklärte. Denn dann vergeht sie mit dem Tode des Leibes. Das ist eine pythagoreische Lehre, die Simmias und Kebes vertreten. Die vortreffliche neuplatonische Quelle des Macrobius verdient insoweit Glauben, daß diese Lehre in dem Buche des Philolaos stand, das in jenen Kreisen ver- breitet war, und in dem die Harmonie eine große Rolle spielte. Dann stand die entgegengesetzte Lehre nicht darin. Es ist durchaus möglich, daß auch der wirkliche Philolaos die Seele als Harmonie betrachtet hat; aber ich kann es nicht entscheiden. Nun endlich die Reste jener dorischen Schrift. Ihre Sprache ist entschieden altertümlich, macht den besten Eindruck und hat daher den Philolaos als einzigen Pythagoreer, der außer Archy- tas zu uns redet, seit Boeckh zu hohen Ehren gebracht. Was über cwcsipa und TOpatvovTa gesagt wird, ist, wie man es er- wartet, pythagoreisch; das über Harmonie und Zahl ebenso, überhaupt alles in den wörtlich erhaltenen Stücken; es steht nur nichts sehr Charakteristisches darin; man muß sich hüten, Platonisches unterzuschieben. So hat man gar Piatons Seelen- teile in dem gefunden, was A 13 die Theologia arithmetica aus Nikomachos anführt. Der Mensch, das ^wiov Xoyixov, hat vier ap^ai (dies noch Worte des Berichterstatters) iyxscpaXov [iiv voou, xapSia 8s <j;uxa<; xal aiaÖTjaio^, 6u.cpaXo<; 8e pi£co<no<; xal ava<p6aio<;. tou -rrpcoTou, atSotov 8s tou anipiiccTOC, xaxaßoXa«; ts xal ysvvacrt.o<;.

8. Piaton und die Pythagoreer. (»|

Das sind Körperteile; mit dem Hirne denken wir, mit dem Herzen leben und empfinden wir usw. Gerade d»u/Y] ist nichts als Leben. Das Körperliche wiegt so stark vor, daß die Einheit des Seelen- lebens, eigentlich die Seele als solche, überhaupt noch nicht er- faßt ist. Nur das eine Fr. 12 wirbelt Staub auf. xat, xa sv Tat CTcpaipat. axou-axa rcsvxs svxt, xa Iv xat crcpatpat, ~üp (xat Diels) uSa>p xat ya xai arjp, xal ö roiq aoaipa? oXxac; 7reji.7txov. Da sagt die Überlieferung, dächt' ich, deutlich genug, daß xa ev xat acpatpat einmal fort muß; wo, ist ziemlich einerlei. Diels schreibt zuerst xa \ikv xä<; arpy.ip<x.c;, wo das jaiv auf etwas Fernes weisen müßte, das uicht leicht zu fassen ist. Auch das ist noch ziemlich gleichgültig. Aber das verteufelte Lastschiff. Das versteht nie- mand, auch vvenn er sich's abzuringen glaubt. Was hilft denn die Aetios^telle, in der der Gott die Schöpfung damit beginnt, daß er den Kiel legt, das Zentralfeuer ? Seine Tätigkeit führt auf das Bild, nicht der Bau der Welt, in dem das Feuer den Mittel- punkt bildet. Der ist kein Kiel, und der Kosmos ist kein Schiff. Das Lastschiff einer Kugel ! Das soll so was wie ihre Oberfläche sein, etwa weil die Lastschiffe naues rotundae im Gegensatze zu den longae heißen: nun, rund sind sie darum längst noch nicht, und wenn sie's sind, nicht rund wie eine Kugel. Und überhaupt oXxac;; das Wort in diesem Dorisch, in einer Metapher anzutreffen, wie kann man's ertragen ? Lastschiff der Kugel, das soll ein G&y.<x sein. Und wenn ich xal 6 ra<; <r<patpa<; oXxa? t:£[X7itov lese, dann soll nicht das zu 6 gehörige Nomen in 6Xxa.<; stecken ? Die Bruch- stücke sind doch sonst einfach und verständig. Nein, die oXxxc, hat ein Schreiber eingesetzt, weil er den 6Xxo<; nicht verstand, was ich ihm nicht verdenken kann, denn mir ging es ebenso, als ich mir sagte, es muß doch oXxo? sein. Erst spät sah ich bei Hesych und in den Lexika nach und fand Nikander 387 x% 8' £X[jttvOo;; izekzi oky.6q, Scholion t% a(jt<pt<yßatv7]<; xo cf<ou.a Xs7rx6v oiq eXjjttvOoq. Da ist oXxo«; nur in der Pariser illustrierten Ausgabe des Nikander erhalten; die anderen haben es in oyxoc, verdorben. Alexiph. 70 yXcocarjc; oXxoc, Schol. TCptcppaaxtxcöi; to (Jt'/jxo? xal rt 7iapaxaat<; xrj<; yXcocrcr/]<;. Und so noch mehrfach, gewöhnlich einfach durch acöu.a erklärt. oXxoc ist ja Volumen, oXxol 8<peö<;, oXxol vewc sind die Windungen, in denen die Schlange sich bewegt, die Schiffs- bewegung über Wellenberg und Wellental, die hinter sich die Furche der Wogen zurückläßt. Das ist gewöhnlich; aber dann

u.) 8. Piaton und die Pythagoreer.

)

wird 6Ax6<; das, was so „gewunden" ist oder sich windet, wie volumen die Rolle, auch Volumina se'rpeniis, genau wie oXxol bei Silius XIII 645, oder auch das „Volumen"; daher der Schlangen- leib, aber auch die Zunge ein oXxos genannt wird, und so die zusammengerollte, geballte Kugel. Aber wie kam Philolaos zu dem Worte, das nur aus dem in Katachresen schwelgenden Nikander belegt wird? Weil er croofm schon verwandt hatte, um nicht eben geschickter den ,, Stoff" zu bezeichnen. Wenn er dann sagt, „in der Kugel sind fünf Stoffe" und erst die vier nennt, aus denen ihr Inhalt gemischt ist, so bleibt als fünfter das, was an dem Ball der Überzug ist, das, was dem Balle sein „Volumen", seine zusammengerollte Ballgestalt gibt. Mit der Lesart hat die Schwierigkeit nichts zu tun, daß wir nicht wissen, was für einen Stoff sich der Verfasser als fünften gedacht hat; vielleicht war's gar keiner, sondern ließ er unbehilflich das, was die Kugelform gab, ein unbestimmtes Körperliches sein1). Ich will das nicht entscheiden, nicht wissen. Wer die Elemente Körper nennt, ist im Denken vermutlich nicht viel klarer als im Ausdruck. Denn daß von den fünf platonischen Körpern hier nichts steht, also auch nicht hineingebracht werden darf, am wenigsten die 7t£{jwro) ouoCa des Aristoteles oder das Dodekahedron, das doch nur die Form angehen könnte, braucht nicht mehr ge- zeigt zu werden: dazu ist wahrlich kein Anhalt 2).

So ist denn hier als Meinung dieses Philolaos nur die Auf- nahme der vier empedokleischen Elemente, die das Weltall bilden, zu konstatieren, und daneben, daß er ein fünftes Element an- nahm, das die vier Körper in die Kugelgestalt, in den runden Weltenball zwang, also etwas dem alten festen xaXxeoc; oupavo? Vergleichbares, den die primitive Vorstellung sich auch als eine feste Schale dachte. Er hatte ja auch die seltsame Vorstellung, die Sonne wäre von so etwas wie Glas und würfe das Feuer, das vom Himmel auf sie fiele, auf uns zurück; der Mond aber wäre bewohnt wie die Erde.

Man kann nicht sagen, daß die Phantasien gut zu dem Welt- bilde stimmten, das, um die heilige Zehnzahl herauszubringen,

i) Bei Piaton Tim. 36 e ist es die Weltseele, die die Kugelform von außen umhüllt und das ganze Innere durchdringt: sie ließe sich wohl als ihr okx6c, bezeichnen.

2) Eva Sachs, Die platonischen Körper 41.

8. Piaton und die Pythagoreer. 93

ein Zentralfeuer, eine Gegenerde und eine sich um das Zentral- feuer bewegende Erde annahm. Die Hypothese hat dem Philo- laos einen Platz unter den Vorläufern des Kopernikus verschafft. Er heißt daher bei Diogenes der erste, der von einem Kreislauf der Erde geredet hätte, freilich daneben auch Hiketas. Ich fürchte, es ist von Astronomie dabei wenig zu rühmen; der Verehrer der Zehnzahl mußte nur die zu ihr fehlenden Weltkörper erfinden. Von Stereometrie und Astronomie bringen die Reste nichts.

Wie sollen wir das Ganze beurteilen ? Es ist keine Fälschung, die vor allem die platonischen Anführungen hereingezogen haben würde. Es ist nicht von Philolaos, denn Aristoxenos und Aristo- teles kannten es nicht. Darum kann es sehr wohl ein Erzeugnis ihrer Zeit sein, verfaßt von einem Pythagoreer, der im Westen zu suchen ist. Ekphantos und Hiketas sind gewiß historische Personen; Theophrast hat ja über Hiketas berichtet, das sagt Diels I 340 mit vollem Rechte. Es schließt aber nicht aus, daß Herakleides sie in einem Dialoge einführte, ihnen eigene Lehren zuschob und bewirkte, daß die späteren diese auf ihren Namen setzten. Von ihnen, vielleicht auch vom Timaios Piatons, hat ein pythagoreisches Buch dieser späten Zeit mancherlei genommen, anderes aus der Schullehre vorgetragen, und dieses Buch ist im dritten Jahrhundert auf den Namen des berühmten Philolaos gegangen, ward zum Angriff auf Piaton benutzt und gewann, schon weil es durch sein Alter eine Rarität war, Bedeutung. Auch für uns ist es wertvoll als die einzige Probe dieser späten Pythagoreerschriften; aber für Piaton kommt es nicht in Betracht, und daß Aristoteles, Theophrast, Eudemos, Aristoxenos nichts von ihm wissen, soll man nicht vergessen. Ob Menon dasselbe Buch benutzt, ist nicht sicher. Und daß hier von mathematischer oder astronomischer Wissenschaft, von den platonischen Körpern, über haupt von Stereometrie nichts zu finden ist, wird für die Be- wertung des platonischen Timaios stark in Rechnung gesetzt werden müssen.

Ein. Einzelbeobachtung, die einen Zug der biographischen Tradition von Pythagoras aufhellt, darf hier wohl Platz finden. Porphyrios, Pyth. 3, erzählt nach der samischen Chronik des Duris von einem Sohne des Pythagoras Arimnestos, der, aus der Verbannung heimgekehrt, Lehrer Demokrits geworden wäre und

94 8. Pliiton und die Pythagoreer.

im Heratempel ein ehernes Weihgeschenk dargebracht hätte, zwei Ellen xara SiafAETpov, mit der Inschrift:

rTuOayopeco cpiXoi; vibc, 'Apiuv/jaToc; ji.' aveOr^xsv 7roXXa<; s^eupwv eivi-X6yoi<; aocp-'ac;.

Das hätte ein Harmoniker Simos weggenommen, eine der sieben Weisheiten, den xocvwv, als sein Eigentum veröffentlicht, und die anderen wären bei dieser Gelegenheit verloren gegangen. Über den xavcov des Simos bringt Diels Vorsokr. Kap. 43 eine sehr un- sichere Vermutung. Ich möchte nicht weiter gehen, als daß es natürlich eine musikalische Theorie war, die über die Zahlen- verhältnisse der Töne handelte, und vielleicht meint Diels auch nicht wesentlich mehr. Da diese Spekulation pythagoreisch war, ließ es sich zu einem Vorwurfe des Plagiates drehen; persönliche Bosheit gegen Simos muß dahinter stecken, die uns nichts weiter lehrt. Wohl aber das Weihgeschenk und sein Epigramm. Vor- stellen sollen wir uns, daß das Stück Blech, das erhalten war, der Rand einer runden Scheibe war, die Simos stahl, wobei natür- lich von der Schrift, die darauf stand, alles zugrunde ging, was Simos nicht veröffentlichte. Der Rand blieb und ließ die Größe berechnen. Die Inschrift enthält in dem Pentameter etwas für das lebendige Ionisch, das wir erwarten, Unglaubliches, etvl Xoyoi? für kv X6yoi(n, und das homerische elvi Opovoot, entschuldigt es nicht. Der Pentameter ist überhaupt ganz elend, in ihm aber steckt allein die Weisheit, also was die Beziehung der Inschrift auf den berühmten Pythagoras begründet. Dagegen liefert der Hexameter eine tadellose archaische Weihung, und daß sie auf einem runden Bronzestreifen stand, dient zu ihrer Empfehlung: das wird das Mundstück eines großen Kessels gewesen sein. Das hat jemand im Heratempel gesehen, abgebrochen von dem Bauche, wie es so leicht geschieht. Wenn es Duris selber war. so hat er den Pentameter und die Geschichte hinzugeschwindelt; ich glaube aber, daß es ein älterer Feind des Simos war, den Duris benutzte. Diesem lag daran, über den berühmten Samier etwas zu Hause zu finden, zumal sein saniischer Ursprung bereits angezweifelt ward. Die Heranziehung Demokrits wird seine Er- findung sein; doch da kennen wir die Begründung nicht, die in irgendeiner scheinbaren Form nicht gefehlt haben wird.

9. Piatons Gorgias und der Sokrates

des Polykrates.

v6[xo<; 6 7iavTCov ßacnXEix;

Övax&v ts xat. d6avdxa>v

ayst. Sixaicov to ßiaioxaxov

U7tepxdxai xei?'1' '^sxiJ.acpofjt.at.

Ipyoi.cTiv 'HpaxXeoc;, S7tei Firjpuova ßoa<;

KuxXO)7rtWV £711 7TpoOÜp<J)V EupU(70EO<;

dvaiT7)Ta<; xs xal a7tpidxa^ s'Xaarsv

So lautet einer der bekanntesten Sprüche Pindars (Fr. 169), den schon Herodot 3, 38 anführt. An dem Wortlaute, wie ihn Boeckh wesentlich hergestellt hat, kann kein Zweifel sein. Die Anführungen bei Piaton (Gorg. 484), Aristeides (II 68 Ddf.) und seinem Scholiasten, und im Schol. Pind. Nein. 9, 35 lassen keinen Zweifel. Die übrigen zahlreichen Anführungen, meist nur der beiden ersten Verse, sind aus Piaton genommen. Nur eins ist befremdend: bei Piaton steht im dritten Verse ßiaiwv (was man ßiauov betonen muß) Sixaioxaxov. Man ist gewohnt, es als Schreibfehler zu ändern. Daran habe ich Anstoß ge- nommen, zunächst nur an einem solchen Fehler in dieser Über- lieferung. Dann habe ich es verfolgt, und als ich 1899 den Inhalt dieser Abhandlung in der Akademie vortrug, sagte mir Vahlen, daß die Überlieferung bei Piaton heil wäre, hätte er auch gewußt, wäre nur nicht weiter gekommen.

Zunächst ist festzustellen, was Pindar will. Er hat sich darüber Gedanken gemacht, daß Herakles dem Geryones seine Rinder rauben durfte, wie er sich öfter abmüht, die alten Sagen, die er erzählen muß, mit seinem sittlichen Urteil in Einklang zu bringen. Aristeides führt eine Stelle aus einem Dithyrambus

9(j 9. Piatons Georgias und der Sokrates des Polykrates.

an, Fr. 81, in dem es hieß: „Ich billige Gcryones gegenüber Hera- kles; aber ich will nichts sagen, was Zeus nicht genehm ist." Er unterwirft sich kopfschüttelnd, aber demütig der göttlichen Ent- scheidung, die für Herakles gefallen ist. So schließt er auch hier. Herakles hat die Rinder nicht geschenkt erhalten, er hat sie auch nicht gekauft. Daraus ist zu schließen, daß der v6[xo<;, d. h. wie es die Menschen gelten lassen, bei Göttern und Menschen über die Qualität einer menschlichen Handlung entscheidet; er macht vergewaltigend mit überL-gener Faust Recht, und das hält er dann als volles Recht, ayet S'.xoucov mit dem zu beiden gehörigen Objekte ist nicht ganz einfach gesagt, ayeiv dpexav Isthm. 7, 23, voaH tcAoutov ayst, P. 6, 47, opdonc, ayet.<; eyrniooüvac, P. 6, 20 erläutern den Gebrauch des Verbums; das gewöhnliche yjau^tav ayeiv ge- hört dazu. Pindar denkt nicht an den sophistischen Gegensatz zwischen rpxxyic, und v6fxa<;; er geht hier nur einen Schritt weiter als in seinem Dithyrambus. Dort beruhigt er sich dabei, daß Zeus die Gewalttat gebilligt hat, und wir Menschen die Tat des Herakles demnach auch billigen. Hier wird es verallgemeinert, xal ßiaiov oixoaov yiyvexou eav ösoi xal av6pa>7tot. toloütov auxö vofjiCcotnv. Der Scholiast zu Nem. 9 führt den Spruch als Parallele an zu xpsaacov Se Koanzocöei Sixav t</v 7rp6a6ev dvvjp. ,,Der Mäch- tigere ist imstande, einen vorher anerkannten Rechtszustand zu ändern." Dort war das Geschlecht des Talaos um seine Macht gekommen, ßiacrOsvxs!; Auoa (14), aber Adrastos machte dem ein Ende. Es handelte sich also nicht um eine Tat, an der Pindar sittlichen Anstoß nahm; aber er prägte einen allgemeinen Satz, der an das „Gewalt kann Unrecht zu Recht machen" anklingt. Das nächste ist, die Gedanken des platonischen Gorgias herauszufinden. Da hat Kallikles mit dem Feuer seiner ehr- lichen Überzeugung ausgeführt, daß Recht und Unrecht, was man so nennt, konventionelle Begriffe sind, wider die Natur von den vielen Schwächlingen erfunden. Die Natur kennt nur das Recht des Stärkeren; aber die Menschen haben sich ein anderes gemacht und wollen mit dem Lobe der Gleichheit die Löwen- natur des Übermenschen zähmen und einschläfern, haben aber damit kein Glück, sobald ein Übermensch auftritt und der Natur folgt. Dafür führt er die Worte Pindars an, aber in der Fassung ßioucöv StxoaoTocTov, also „die absolute Gerechtigkeit vergewal- tigend". Sokrates bezieht sich darauf 488 b mit den Worten

9. Piatons Gorgias und der Sokrates des Polykrates. 97

7tcoc 9751c. to Stxaiov zyßiv xal au xal IKvSapoc to xaxa cpucn-v; ayav ßiat tov xpsi-xco to. xcöv yjttovwv ; er hat also aysiv in anderer Bedeutung angewandt, ,, wegführen"; aber er hat auch Sixoaov als' den von Kallikles und Pindar bestimmten Begriff und hat ßiai: das stimmt zu ßiauov SixaioraTOV. Dies zwingt nicht; aber Kallikles hat vor dem Zitate ic,shv.u.i\/e. tyjc. aüazoic, Stxaiov und vorher vj cpuaic; a7co<patvei öti Sixatov ectti tov <x[jielv(o tou yzipovoc ttAeov exetv. -^as Recht des Stärkeren, der von seiner Gewalt Gebrauch macht, ist das Naturrecht. Es kann kein Zweifel sein, Piaton hat geschrieben, was seine Überlieferung gibt. Das ist dann freilich ein Versehen, ein Gedächtnisfehler, denn Pindar hat das andere geschrieben, und ßiauov ist über- haupt kein gebräuchliches Wort, mag es auch Piaton als ßia^saöat genommen haben.

Im zehnten Buche der Gesetze 890 a hat Piaton sich auf denselben Spruch bezogen. Er wendet sich noch einmal zu- sammenfassend gegen die sophistische Lehre von dem vofxwt, xaXov, v6[agk Stxaiov, das gar auf die Existenz der Götter über- tragen ist (v6[acdi yap touc, öeouc. yjyou^söa Euripides Hek. 800). Das wären alles Lehren von Männern, die jungen Leuten weise schienen, ISiootcov te xal 7roi7)Tc5v cpao-xovTCOv elvai to oVxaioTaTov oTt Tic av vixat, ßia£6[j.svoc.. Da steht St-xatoTaTOV, steht ßt.a£6(j.svo<;: es kann kein Zweifel sein, daß er auf den Pindarvers deutet, wie er ihn im Gorgias zitiert hatte.

Anders scheint es in einer anderen Partie der Gesetze zu stehen. Im dritten Buche 690 b zählt der Athener die natür- lichen Berechtigungen zur Herrschaft auf, darunter als fünfte xpeiTTova [xev ap^stv, tjttco 8s apxeaöai. Der Kreter hält diese apyyj für ganz notwendig. Da fährt der Athener fort xal nXziG-vqv ys ev aüfi-uafftv xolc, ^ghoic. oticrav xal xaTa cpua'-v, wc. 6 ©vjßaioc, ecpyj ttote n^vSapoi;. Daran schließt er als sechste die Herrschaft des Verständigen über den Unverständigen, xaiTot. toüto ys, oo üivSaps crocpcoTa—, ayzSbv oux av racpa cpuaiv sycoys <pai7)v yiyvsoröai, xaTa 9UCTIV 8s, tyjv tou vofxou sxovtcov ap/vjv aXX' ou ßiatov Trscpu- xuiav. Pindars Ansicht von dem Naturrecht des Stärkeren ist dem Piaton zuwider, aber die Herrschaft des Verständigen ist auch für ihn ein Naturrecht. Das begreift man leicht; aber bei Pindar steht gar nichts von <pucnc. Piaton hat nur seine Ver- wendung des Spruches im Gorgias so fest und doch so wenig

Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Aufl. 7

98 9. Piatons Gorgias und der Sokrates des Polykrates.

genau im Gedächtnis, daß er die dortige Erklärung des v6|juot Sixociotoctov für xaxa cpucriv in den Pindar hineinträgt. Er hat wohl besonders seine Worte, Gorg. 188 b, im Sinne, wo Sokrates sagt 7T<ö^ ny]ic, to Sixoaov e-/ziv xcdci) xal IlivSapot; to xaxa cpucriv. Nur unter dieser allerdings unabw eisbaren Annahme läßt sich dem seltsamen Schlüsse entgehen, xaxa. cpücuv hätte trotz den Zitaten bei Pindar gestanden. Auf diese Stelle des dritten Buches greift im vierten Buche 714 e der Athener zurück ecpa|Jtiv 7iou xaxa cpucnv xöv üivSapov ayeiv Sixawuvxa to ßiat.6xaxov, tcc, cpavai. Da steht also das, was Pindar wirklich geschrieben hatte, und ich gehe nicht so weit, tür unerträglich zu halten, daß Pindar, sehr kühn, aber mit wirksamer Kühnheit selbst an die Stelle des von ihm präkonisierten v6[ioq tritt, die größte Ge- walt übt, indem er sie für recht erklärt. Aber daß Piaton das gesagt hat, glaube ich nicht. Denn um das natürliche Recht handelt es sich, da erwartet man, daß Pindar die wahre Gerechtig- keit übt, die der Natur entspricht, auch wenn er es mit Gewalt tut. Zu Piatons Gedanken paßt also viel besser die Fassung, die er im Gorgias und im zehnten Buche der Gesetze befolgt. Im vierten Buche ist die echte pindarische Fassung von einem Leser eingesetzt, wie es Aristeides in dem Zitat aus dem Gorgias getan hat.

Es ist gewiß befremdend, daß Piaton als Greis den Pindar- vers in der Fassung und sogar in der Ausdeutung, die er ihm in seinem Gorgias gegeben hatte, im Gedächtnis hat und ihn so von neuem verwendet, ohne nachzuschlagen. Vielen Philologen werden sich die Haare sträuben, denen eine Anführung aus dem Gedächtnis für weit unverzeihlicher gilt als ein aus einem un- gelesenen Buche entlehntes Zitat, wenn es nur durch Nach- schlagen verifiziert ist. Piatons Verschulden ist aber noch größer; er hat seinen Irrtum nicht berichtigt, obgleich er ihm aufgestochen war. Dadurch erst wird die Sache wirklich merk- würdig, bestätigt, sich allerdings auch entscheidend, daß er falsch zitiert hatte.

Es ist anerkannt, daß libanios seine Apologie des Sokrates auf der des Sophisten Polykrates aufgebaut hat. Polykrates also hatte sich über den Gebrauch aufgehalten, den Sokrates von Dichterstellen machte, des Homer, Hesiod, Theognis, Pindar (62. 69. 71) und sagt 87 ouxco xal (rapi) üivSapou (so Gasda,

9. Platons Gorgias und der Sokrates des Polykrates. 99

ILvSapcoi. codd.) S'.aXsye-at SeSoixco,; auToü ttjv SiSayvjv xal <poßou- pisvoc [it] xiq tcov vscov <xxoucra<; clx; 07r£praT7]i yeipl ßia^ETai to Sixaiov, ä.y.tXqcixc, tcov v6[zcov aaxyjt. tu Xe^P£- xal touto outco<; £txoTCO<; ixpoparat. 6 StoxpaT?)«;, co<; 6 aocpcoraTO«; "Avuto<; (den Polykrates als Sprecher vorschob) ItoAixtjcte [i.£Taypa^ai. t6 tou woiyjtou xaOarap lv Sxuöaic Si.aX£y6[j.£vo(; (-{iivou corr. Gasda) xal oux zIgq[i.£voic, avöpcoTtot.*; tl [xev 'Avutou, ti §£ EUvSapou. aXXa touto (i.£v xaXcoc; £7rot7]CT£ xaxoupytov. ev yap rcot (j.£Ta0£tvat. to tou jcomqtou xaT'/)yopY]X£ tou ILvSapou xal töv ScoxpaTTjv S7r/)ivsxsv. Darin ist zunächst mit ßta^eTat t6 Sbcaiov die Fassung Piatons ßiaicov to Sixa'.oTaTov wiedergegeben: das ist evident. Dann wird dem Ankläger eine Änderung des Wortlautes vorgeworfen, die offen- bar die Sentenz unanstößig machen sollte; damit, sagt Libanios, \\ar zugegeben, daß die echte Lesart anstößig, also von Sokrates mit Recht getadelt war. Daß die Worte Pindars bei Polykrates anders lauteten, als sie „Sokrates" angeführt hatte, steht da. Sie lauten bei Piaton anders als bei dem echten Pindar. Das kann nicht zufällig sein. Ist nun etwa nur Libanios auf die Abweichung aufmerksam geworden, die zwischen dem Texte des Polykrates und dem des Piaton bestand, und hat er den Vorwurf gegen den Sophisten erhoben, der in Wahrheit den Piaton traf ? Das paßt zu dem Texte des Libanios gut, ist aber an sich recht wenig wahrscheinlich, da es eine sehr eingehende Prüfung des Textes durch Libanios voraussetzt. Viel ansprechen- der ist, daß Polykrates sagte, Stxaicov ßiatoTaTOv heißt es: darin liegt keine Vergewaltigung der Gerechtigkeit, sondern eine Rechtfertigung der Gewalt; Sokrates hat also dem Pindar Unrecht getan. Dann hat Libanios wieder nur den Gorgias eingesehen, nicht den Pindar, und mußte die Änderung dem Polykrates in die Schuhe schieben. Auf jeden Fall ist die unpindarische Fassung bei Piaton gesichert. Daß dieser sich um Polykrates auch in der Kleinigkeit nicht gekümmert hat, wo ihm ein Versehen nach- gewiesen war, ist charakteristisch; als er die Gesetze schrieb, hatte er den ganzen Polykrates längst vergessen.

Wichtig ist die unabweisbare Folgerung, daß Polykrates den Gorgias vor Augen hatte und gegen den Sokrates des Piaton polemisierte. Denn wer wird glauben, daß Piaton den Kallikles einen Pindarvers zitieren ließ, über den Sokrates wirklich in Gesprächen gehandelt hatte, von denen Polykrates durch münd-

100 9. Piatons Gorgias und der Sokrates des Polykrates.

liehe Kunde unterrichtet war? So sind allerdings die Zitate aus Homer (B 188) und Hesiod (Werke 311) zu beurteilen, denn sie nimmt Polykrates nicht aus Xenophon (Mein. I 2, 56 u. 58). sondern dieser polemisiert vielmehr gegen ihn. Aber da sehen wir aus Piatons Charmides 163 b, daß das Zitat aus Kesiod und seine Auslegung in den Sokratikerkreisen geläufig war. Inter- essant ist es immerhin, daß Polykrates solche Nachrichten von sokratischen Gesprächen besaß1); die Polemik über Theognis hören wir nur hier. Natürlich bleibt immer die Möglichkeit, daß er auf irgendeiner unbekannten sokratischen Schrift fußt; aber es ist weder beAveisbar noch irgendwie wahrscheinlich.

Zu dem Gorgias aber ist seine Beziehung sehr viel enger. Sein Hauptangriff gegen Sokrates gilt ja der antidemokratischen Gesinnung, von der 399 nicht die Rede gewesen war. Daher der Vorwurf, Alkibiades und Kritias erzogen zu haben. Dazu gehört 155 2) das Lob von Miltiades, Themistokles, Aristeides, die keine sophistischen Lehrer gehabt haben, ebensowenig Thrasybulos und Konon, deren Lob bei Polykrates sonst bezeugt ist 3). Im Gorgias hatte Piaton mit unerhörter Schärfe die ganze

1) Dafür ist ein merkwürdiger Beleg 104 ff. Sokrates hat den Trug des Melanthos, die Apaturienlegende, den Raub des Palladion durch Odysseus (aber auch durch die Athener; die Beziehung wird aus der Gegen- schrift des Lysias klar) und auch den Trug des Thyestes (mit dem goldenen Lamm) erwähnt. Libanios gibt die ersten Fälle zu, den letzten nicht. Es ist nicht anzunehmen, daß er diese Sonderung auf irgendwelche positive Kenntnis hin vornimmt. Ob der ., Betrug der Hellenen durch die Athener", 107, auf die Botschaft des Themistokles anXerxes geht, ist mir nicht sicher; Libanios hat hier wie öfter nicht klar genug gemacht, was Polykrates be- hauptet hatte.

2) Am Anfang ist Biz^-l]izi{q) zu schreiben.

3) Favorin bei Diogenes II 39; Aristoteles Rhet. 1401 a 34. Da sieht man, daß Libanios in der lückenhaften und verdorbenen Stelle 160 sich auf die Behauptung des Polykrates bezieht „die Retter Athens, Thrasybul und Konon, sind keine Sophistenschüler", wogegen Libanios sagt, „sie wären noch besser geworden, wenn sie Sokrates gehört hätten, Kritias und Alkibiades noch viel schlechter, wenn sie es nicht getan hätten. Denn diese hat die Lehre doch etwas gezügelt, jene würden noch liebens- würdiger geworden sein, toin; uiv yap iaaq ti [oux del. Hirzel] IxaXivuaav (ot Xöyoi), ot S' av fjryav -/apisa-rspoi." Man erkennt hier gut die Gedanken- reihe des Polykrates. Auf den Angriff gegen Kritias und Alkibiades folgte das Lob der von Piaton angegriffenen Miltiades und Themistokles und auch des von jenem verschonten Aristeides: sie alle hatten keinen Sophisten

9. Platons Gorgias und der Sokrates des Polykrates. 101

demokratische Herrlichkeit angegriffen und mit ihren Heroen abgerechnet, Mütiades und Themistakles an der Spitze. Polykrates war Sophist, aber er war auch Athener. Wenn er gegen Sokrates als Feind des Demos schrieb, so durfte er auf Beifall rechnen, aber nur, wenn Platons Gorgias, ein umfangreiches Werk, wie es noch keins der Gattung gab, durch die Kraft, aber auch durch die Maßlosigkeit des Angriffs die Stimmung der Athener erregt hatte, denen sich das Bild des Sokrates so verschob, wie es Piaton nun mit wirklich ganz neuen Zügen gezeichnet hatte: nicht der wirk- liche Sokrates, sondern der platonische ist ein offener und ein- sichtsloser Feind der Demokratie.

Damit ist ein relatives Datum für den Gorgias gewonnen» vor dem Sokrates des Polykrates. Dieser hatte den Mauerbau des Konon erwähnt, also nach 394 geschrieben. Gemeiniglich sagt man, das wäre gleich nachher geschehen; aber dieser Schluß ist willkürlich l). Wir müssen versuchen, termini ante quos zu gewinnen. Die Schrift hat viel Widerhall gefunderr, bei Aischines, Lysias, Xenophon, Isokrates, Piaton. Alle müssen herangezogen

werden.

Lysias hat der Anklage eine Verteidigung des Sokrates ent- gegengestellt, die noch dem Scholiasten des Aristeides vorlag. Sein Leben können wir über 380 nicht herabverfolgen; wenige Jahre kann er wohl noch darüber gelebt haben, aber wer wird die Gegenschrift gegen den Konkurrenten gerade in seine aller- letzte Zeit rücken: um des Sokrates willen hat Lysias nicht geschrieben. Weiter als in die achtziger Jahre schiebt dies den Sokrates des Polykrates nicht, aber man geht gern weit zurück.

gehört. Perikles als Schüler des Anaxagoras durfte in der Reihe nicht stehen. Dagegen Dämon erlitt den Ostrakismos, weil er ein Sophist war, nur nicht so schlimm wie Sokrates. So haben sich die Sophisten auch früher bewährt, sie haben Ionien heruntergebracht, Bias von Priene, das jetzt kaum noch besteht, Thaies, Melissos, Pythagoras haben nur Revolu- tionen gebracht. Wie ganz anders Konon und Thrasybul: das ist der Schluß, eine Huldigung gegen die herrschende athenische Demokratie. Man wird das in der Tat vor 388 gesagt glauben. Übrigens würden wir wohl aus der Schrift des Polykrates recht viel lernen.

l) Hermippos (Diogenes II 38) hatte die Rede des Polykrates, die den Anytos als Sprecher einführte, für die wirkliche Anklagerede genommen: daß das im Altertum sehr viele nachgeredet haben, zeigt den Einfluß des Hermippos. Für die Beurteilung des Polykrates ist es ohne Belang.

I[y2 9. Piatons Qorgias and der Sokrates des Polykrates.

Xenophon hat die Verteidigung des Sokrates direkt gegen Polykrates gerichtet, die in den beiden ersten Kapiteln der Memorabilien vorliegt. Sie ist jetzt mit dem folgenden gut ver- zahnt, denn die Erklärung, nun die eigenen Erinnerungen an sokratische Gespräche zu bringen, leitet, am Anfange des dritten Kapitels geschickt über, und Kap. 4 knüpft an 2, 64 an. Dennoch heben sich die ersten beiden Kapitel deutlich ab, und die Memo- rabilien sind überhaupt eine Zusammenfassung ursprünglich ge- sonderter Teile. Das Symposion hängt von Piaton ab, gehört also in die Spätzeit, und dasselbe gilt von der Apologie, die jetzt ihre Verehrer findet, denn wer ihre Abhängigkeit vom Phaidon leugnet, kommt für wissenschaftliche Kritik nicht in Betracht. Ein Machwerk, das auf dem Niveau des Theages steht, ist ab- solut genommen wertlos; ob man dem Xenophon die Dublette zu seinem Schlüsse der Memorabilien zutraut, hängt von der Einschätzung seiner Person ab. Der Schluß der Memorabilien ist von ihm verfaßt, um das ganze Werk abzurunden, also sehr spät, denn Stücke wie III 1 7 stammen erst aus den sechziger Jahren, und die schriftstellerische Tätigkeit Xenophons fällt über- haupt zumeist hinter seine Vertreibung aus Skillus. Daß er vor der Muße von Skillus etwas geschrieben hat, ist nicht nachweis- bar, wahrscheinlich aber doch die Selbstverteidigung unter dem Namen Themistogenes x). Zur Datierung des Polykrates hilft er uns also nicht viel weiter. Aber den Eindruck der ehrlichen schlichten Wahrhaftigkeit und der ehrlichen Entrüstung machen die beideri ersten Kapitel : da ist keine Spur von jener Übertragung fremder Lehren und xenophontischer Gedanken auf Sokrates, auch keine Spur von Entlehnungen aus sokratischen Büchern. Daher glaube ich, daß dies seine erste, recht frühe Äußerung über seinen Lehrer ist, ein Denkmal der Treue, das mehr wert ist als alles, was er später zu Sokrates' Ehren geschrieben hat. Bis in die ersten achtziger Jahre schiebt das den Sokrates des Polykrates doch wohl hinauf.

Isokrates erwähnt diesen Sokrates in seinem Busiris, den er

l) Daß er in Skillus die Fortsetzung des Thukydides bis zum Königs - frieden, wie sie Nitsche abgegrenzt hat, geschrieben hat, halte ich für un- abweisbar. Ein so kurzes Stück wie die Gegenschrift für Sokrates konnte er natürlich daneben schreiben, ja sogar schon früher, seit er wieder in' Hellas war.

9. Piatons Georgias und der Sokrates dos Polykratc'3. 10;}

gegen den des Polykrates richtet. Da er sich darin dem älteren Konkurrenten gegenüber auf das hohe Pferd setzt, muß er ein erfolgreicher, anerkannter Sophist sein. Diese Stellung hat er erst 380 durch den Panegyrikos erlangt.. Der Busiris ist also später1). Auf den Sokrates des Polykrates greift er nur neben- her zurück; der konnte beliebig viel älter sein. Auch das hilft uns zunächst nicht weiter; es gestattet aber doch einige Schlüsse.

Polykrates war älter als Isokrates, und wenn ein Mann in den Fünfzigern einen solchen Altersunterschied hervorhebt, wird er nicht ganz gering sein. Polykrates hat sich für den Angriff auf seinen Busiris mit einem Ausfall auf die Helene des Iso- krates gerächt (Hypoth. Helene); das wird seine letzte Leistung sein. Als Isokrates gegen ihn schrieb, war er aus Athen fort- gegangen, wo er offenbar keinen Erfolg gehabt hatte, lehrte Leute, die ihn gar nichts angingen (fx-yjSev 7rpo<ryjxovTa<;, Bus. 42). Die Hypothesis gibt an, daß er auf Kypros war. Für Nikokles hat Isokrates drei Reden verfaßt; damit ist nicht gesagt, daß seine Beziehungen erst durch die Bestellung des Nekrologs auf Euagoras 374 begründet wurden : er konnte ebensogut beauftragt werden, weil er zu Euagoras Beziehungen hatte, und er konnte sehr wohl vorher einen Konkurrenten angreifen, der auf Kypros selbst erschienen war. Den Sokrates, die Verteidigung der athenischen Demokratie gegen Piatons Gorgias, hatte Polykrates natürlich noch in Athen verfaßt, bevor er das unfruchtbare Feld verließ. Pausanias VI 17, 9 entnimmt einer biographischen Notiz über Gorgias, daß Iason den Gorgias dem Polykrates vorgezogen hätte. Das braucht aber nicht zu besagen, daß dieser sich in Thessalien neben Gorgias hätte eindrängen wollen, was seinen Aufbruch aus Athen vor den Tod des Gorgias (um 390, Ar. und Ath. I 172) rücken würde: Iason konnte ihn immer mit dem Be- merken abweisen : wir haben an der Lehre des Gorgias genug. Auf Kypros hatte ein Athener in allen diesen Zeiten gute An- knüpfungen und Aussichten. Mehr als aus der Gegenrede des Lysias lernen wir doch nicht. Nur daß wir Polykrates nicht zu

l) Daß er erst nach 373 fiele, wie Ed. Meyer V 333 meint, ist nicht nötig. Daß der Nil Ägypten unangreifbar machte, konnte der Rhetor in ftll den langen Jahren sagen, die Ägypten sich selbständig erlnelt.

1(14 9. Piatons Gorgias und der Sokrates deß Polykrates.

lief einschätzen dürfen. Er hat die Mode der Reden über Txapa- So^a wenn nicht aufgebracht, so doch eine Weile mit besonderem Erfolg mitgemacht. Aristoteles benutzt in der Rhetorik noch das Lob der Mäuse und den Tadel des Sokrates ; das Lob der Klytai- mestra (wohl auch des Thersites x)) und des Kochtopfes ist in den Handbüchern der Rhetorik unvergessen geblieben, und an den „schönen Topf" denkt dür Verfasser des größeren Hippias 288 c Wenn ihm das Buch der Philainis über figurae Veneris beigelegt ward (Aischrion bei Athen. 335 b), so dürfte das aus einem Lobe lür diese oder eine andere Hetäre und ihre Künste herausgesponnen sein; Alkidamas, der sich mit Polykrates in den icapaSo^a berührt, hat die Nais verherrlicht. Auch über Alkibiades widerspricht Isokrates dem Polykrates. und zwar in befremdender Weise, denn er scheint jeden Vetkehr desselben mit Sokrates zu leugnen, was auch allen Sokratikern, also der notorischen Wahrheit zu widersprechen scheint. Da heißt es die Worte genau abwägen. Polykrates hat den Alkibiades als Schüler des Sokrates bezeichnet, ov W ixeivou (xev ouSel? fycxOeTo uat.Ssu6tJ.evov, ort 8s uoXu SiTjvsyxsv tcöv aXXtov, a7ia.VT£<; av 6(xoXoyy](T£i.av. Da liegt in dem zweiten Satzgliede die Schätzung, welche Isokrates in tz. t. ^züyouc, gegeben hatte, während Polykrates dem Sokrates aus der Verbindung mit dem Verräter einen Strick drehen wollte. Dagegen wählt Isokrates den Ausdruck „niemand hat gespürt, daß Alkibiades ein Schüler des Sokrates war". Das bestreitet nicht den Verkehr, sondern den erziehenden Verkehr. Das konnte der Rhetor sagen, denn auch die Sokratiker stimmten darin überein, daß Alkibiades die Lehren des Sokrates im Leben nicht befolgt hatte. Die unmittelbare Wirkung der Antithese ist aller- dings, daß die beiden Leute nichts miteinander zu tun gehabt hätten. Das soll auch die Wirkung sein. Der Rhetor erlaubt 5 sich, was ihm als Rhetor zusteht, aber wir sollen das Zeugnis auch danach werten, daß es ein Rhetor abgibt.

Endlich hat R. Hirzel zuerst erkannt, daß Piaton im Menon sich auf Polykrates bezieht: das wird nun bedeutender, da es die Abwehr der Fehde gegen seinen Gorgias ist. Den Menon pflegt man danach zu datieren, daß er von Ismenias redet als

1) Dieses nach einer guten Ergänzung von E. Maaß in der Lücke bei Demetrios 7t. ep(J.. 120.

9. Piatons Gorgias und der Sokrates des Polykrates. 1Q5

vscogti z'j.r^iic T7. IIoXoxpaTQui; /zi^y-x (90 a). was man unbegreif- licherweise auf die angebliche Bestechung der spartanerfeind- lichen Demagogen durch Timokrates bezieht, von der Xenophon Hell. III 5, 1 erzählt. Dann nimmt man einen Anachronismus bei Piaton an. und dazu noch eine Verwechslung von Timokrates uud Polykrates. und glaubt endlich, daß vetoort kurz vor Abfassung des Dialoges bedeutet. Das ist eitel Wind. Ismenias ist Führer der Partei, die schon i04 in Theben einflußreich ist, so daß ihn Sokrates sehr wohl erwähnen konnte. Als sclrw erreicher Mann erscheint er auch im Staate 336 a (dem ersten Buche, also vor dem Gorgias geschrieben), hatte also das Geld bekommen. Es stammte von einem Polykrates; wie es zu Ismenias kam. läßt .-ich nicht erraten. Bei Zenobius (Ath. 2, 24, Paris. 5, 63) hören wir, daß der Thebaner Polykrates eine vergrabene Kriegskasse des Mardonios gefunden hatte. Darauf also bezieht sich Piaton *). Von einem Anachronismus ist keine Rede, also gibt das keinen Anhalt zur Datierung. Diese muß für den Menon auf andere Weise gesucht werden. Nur daß man sicher ist: Piatons Gorgias, danach Polykrates' Sokrates, für den an sich Mohl das Jahrzehnt 393 83 möglich ist, die untere Grenze aber sicherlich höher liegt, danach Piatons Menon. Piatons Reise fixiert diese Daten unab- hängig so: sein Gorgias erscheint nach 394, vor 390, Polykrates' Sokrates ist 388 da, der Menon fällt bald nach 386. Lysias' So- krates wird auch vor 388 fallen.

J) Diese Beobachtung habe ich, als ich sie selbst schon in der Vor- mg vorgetragen hatte, ähnlich bei Cobet Coli. crit. 48 gefunden.

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10. Piaton und Isokrates.

Leonhard Spengel hat mit seinem kurzen Aufsatz über Isokrates und Piaton die Auffassung beider lange beherrscht. Es ist ein sehr schöner Aufsatz, auch wenn er ein falsches Ergebnis erzielt und viel Unheil angerichtet hat. Spengel, der die Rhetorik besser als je ein anderer verstand, hatte darin vollkommen recht, daß er in dem Philosophen und dem Rhetor zwei Antipoden sah; aber er hielt dann für notwendig, daß sie einander immer als solche betrachtet hätten. Auf seinen Spuren sind viele gegangen, mehr noch unbewußt durch die auf Spengels Deutungen fußenden Altersbestimmungen der Dialoge gebunden worden. Ausgeblieben ist die Reaktion nicht; die sehr gute Dissertation von B. v. Hagen Num simultas iutercesserit Isocrali cum Piatone, Jena 1906, mag ehrenhalber für diese ganze Richtung genannt werden. Ich halte für nötig, die Belegstellen in den Werken beider Schriftsteller vorzuführen, die mir für ihre Beziehungen ergiebig scheinen, aber nicht mehr, und so, daß die Zeugnisse für sich selbst sprechen, ungetrübt durch das Licht, in das sie der und jener gerückt hat. Es liegt in der Sache, daß die Darstellung dem Leben des Iso- krates folgt.

Überliefert ist uns über die Beziehungen zwischen Piaton und Isokrates nur, daß Praxiphanes von Rhodos einen Dialog verfaßt hatte; in dem Piaton den Besuch des Isokrates auf seinem Landgut (im Demos Iphistiadai; wir kennen es aus seinem Testa- mente) erhielt, und die beiden über Dichter ein Gespräch führten (Diogenes III 8) x). Darin liegt nicht mehr, als daß ein recht unter -

1) Kürzlich ist bekannt geworden, daß Praxiphanes in jenem Dialoge gesagt hat: „Guter Inhalt und gute Charakterzeichnung machen noch kein gutes Gedicht", also auf die Form, die technische Ausarbeitung das ent- scheidende Gewicht gelegt hat. Und es ist fein vermutet worden, daß dieses Urteil aus dem Munde des Isokrates gekommen sein wird. (Jensen, Neoptolemos und Horaz 9). Da liegt es nahe, anzunehmen, daß der Gegen-

10. Piaton und Isokrates. 107

richteter Mann damit etw as Mögliches und Glaubhaftes zu erfinden meinte, also von einer Feindschaft nichts wußte. Aber er konnte sich ja irren; wir wissen viel zu wenig von ihm. Es hilft also kaum etwas. Wir haben keinen anderen Weg, als die beiden Athener durch das Leben zu verfolgen, das sie viele Jahrzehnte nebeneinander geführt haben.

Isokrates stammte aus einem zwar nicht vornehmen, aber wohlhabenden Hause und hatte wie sein neun Jahre jüngerer Zeitgenosse Piaton bei den modischen Sophisten Bildung gesucht, ohne daran zu denken, daß er je einer von ihnen werden könnte. Aber als er durch den Krieg verarmt war, verwandte er den Rest seines Vermögens dazu, in Thessalien bei Gorgias dessen einträgliches Handwerk zu lernen. Es ist unverkennbar, daß er als Wichtigstes die Anregung erhielt, die sprachliche Form, die Xs£is, Wortwahl und Wortfügung, wenn nicht in den Mittel- punkt der rhetorischen Arbeit zu rücken, so doch mit ganz be- sonderer Sorgfalt zu bearbeiten. Wie er die Übertreibungen seines Lehrers beseitigt, die Grenzen zwischen poetischer und prosaischer Diktion ohne übertriebene Ängstlichkeit hergestellt und den gleichmäßigsten Wohllaut erreicht hat, darin liegt seine verdienstlichste Leistung, also auf schriftstellerischem, nicht auf rednerischem Gebiete. Es ist so recht etwas, das nur ein ge- borener Athener leisten konnte. Aber von der Schriftstellerei ließ sich nicht leben. Er legte sich also, heimgekehrt 1), auf das Redeschreiben für andere, veröffentlichte auch einiges davon als Musterstücke, die seine besondere Kunst empfehlen sollten 2);

redner Piaton das eigentlich Poetische, die Inspiration des wahren Dichters gegenüber der handwerksmäßigen Technik vertrat. Dann hatte Praxiphanes die beiden Meister des Stiles so entgegengesetzt, wie wir es auch tun.

1) Ein mit offenkundigen Irrtümern versetztes Zeugnis bei Pseudo- Plutarch 857 läßt ihn zuerst Ircl Xiou seine Schule halten. Der Name der Insel kehrt bald danach wieder und steht hier mit einer Präposition, deren Gebrauch mit nichten gerechtfertigt ist. So ist der Wortlaut unsicher, die Glaubwürdigkeit des Zeugnisses auch; damit ist es nicht beseitigt, aber bauen läßt sich nicht darauf.

2) Trapezitikos und Aiginetikos, für Ausländer verfaßt, sind wohl ver- öffentlicht, um solche guten Kunden anzulocken, izpbq KaXXi(xaxov ist viel- leicht von dem Klienten veröffentlicht, jedenfalls im Interesse der ehrlichen Anhänger der Amnestie, also zu politischem Zwecke, xccra Ao^^tou Ist Muster eines rhetorischen r6r.o<;, weiter nichts; so war wohl auch der ä[i.<£p-

108 10. Platon und isokrates.

aber es glückte ihm nicht. Er war zu anständig, um es mit Lvsias aufnehmen zu können. So tat er um 390 den ent- scheidenden Schritt und beschränkte sich auf den Unterricht, dessen Inhalt er Philosophie nannte, was wir in seinem Sinne als „allgemeine Bildung" fassen müssen. Er trat zu den Schulen der Sophisten in Konkurrenz, mochten sie die moralische Er- ziehung zur apsTT) einschließen, mochten sie nur die Künste der Advokaten einpauken. Was er wollte, war etwas anderes; er hatte reiflich darüber nachgedacht und trat mit einem Programm hervor. Platon war abwesend, hatte keine Schule gehalten, im Gorgias allerdings die Rhetorik so bitter befehdet, daß Isokrates den Ärger niemals verwunden hat; aber mit dem Abwesenden sich auseinanderzusetzen hatte Isokrates keine Veranlassung. Die Rhetorik stand im höchsten Ansehen, die paradoxe Verwerfung im Gorgias nahm niemand ernst, mochte er sich auch an dem geistreichen Buche amüsieren wie an anderen Paradoxien auch.

Die Schrift, die den törichten Titel xocra tg>v «Tocpiaxcöv führt, beginnt mit der heftigen Befehdung von zwei Gruppen von Gegnern: beide sind dadurch die gefährlichsten, daß sie sehr geringes Honorar nehmen (3. 9) und dafür sehr viel mehr ver- sprechen als Isokrates. Die ersten sind die tcsoI xolc, 'ipiSoLC, Si<xTpißovTs<;; so nennt er immer alle, die auf dem Wege von Rede und Antwort unterrichten, also die Sokratiker ebensogut wie Euthydemos und seinesgleichen. Diese Sophisten erklären, die „Wahrheit" zu suchen; so hieß schon eine Schrift des Prota- goras und manche andere nach ihrem Vorbild. Sie versprechen den Schülern das Wissen zu verleihen, richtig zu handeln und die suSai[xovia zu erlangen. Sie sind also auch Tugendlehrer. Auf das bißchen Geld käme es ihnen nicht an, sagen sie, aber sie lassen sich doch für die Zahlung des Honorars Bürgschaft stellen; übrigens machen sie geringe Geschäfte. Ein besonderer Zug ist, daß sie auf die IvocvTicoaen; tcov Xoywv aufpassen; das können nicht wohl Widersprüche in den Reden sein, sondern in den Aussagen, bei begrifflichen Distinktionen und Definitionen, eben das, was Euthydem und Sokrates gemein haben.

Daß hier ein oder mehrere Sokratiker gemeint sind, ist unverkennbar. Antisthenes und Aischines waren Redelehrer,

Tupoi;. it. £eüyou<; ist Literatur, ein Artikel in dem Kreuzfeuer der Journa- listen über den großen Alkibiades, noch recht unvollkommen.

10. Piaton und Isokrates. 109

waren auch arm. Mindestens der erste wird das Ziel seines Unterrichts so hoch gesteckt haben; unter seinen Schriften be- findet sich der Titel 'AX^Osia; Verachtung des Reichturas trug er' zur Schau, nahm aber Bezahlung, da er doch leben mußte1). Mit Recht also wird der Angriff auf ihn bezogen; doch mag Aischines, der keine persönliche Hervorhebung verdiente, mit abgetan sein. Die geringen Eristiker, Euthydemos und seines- gleichen, fallen auch in diese Kategorie; sie sind ja besonders auf die Xoycov svavxtcoaeti; aus; aber auch sie sind nicht in erster Linie gemeint.

Die andere Kategorie ist dem Isokrates noch gefährlicher, weil sie, wie er selbst, die ttoäitixo! Xoyoi lehren will. Daher widmet er ihr einen schärferen Angriff, 9 13, und gibt das Urteil sogleich ab, daß ihre Reden schlechter stilisiert sind als die Improvisationen vieler Leute, die gar nicht studiert haben. Auf die aA7)6sia geben sie nichts (treiben keine Philosophie im Sinne der Sokratiker), versprechen aber, ohne Rücksicht auf Begabung und praktische Erfahrung (i[i7zeipi<x) ihre Schüler so weit zu bringen, daß sie jede Aufgabe erschöpfend behandeln könnten. Denn die Rhetorik ließe sich lehren wie die Grammatik. Dadurch bringen sie die schwere Kunst allgemein in Mißkredit. Denn sie bieten eine T£Tay[jiiv7) texvvj als Vorbild einer Tätigkeit, bei der es auf ein Schaffen ankommt, ein Trpäyfxa 7uhy]t!.x6v 2). Ist es doch in der Rhetorik anders als in der Grammatik; man kann nicht das Gelernte immer wieder anwenden, sondern muß alles dem konkreten Einzelfalle gemäß behandeln. So ist denn die Verwendung von Musterst ücksn das Lehrgeld nicht wert.

Dies muß man sich erst ganz klar machen. Der wirkliche Rhetor muß ein Xoycov ttoitjty)? sein, ein Dichter in Prosa, was wir auch darin hören müssen; daher ist seine Kunst ein 7row)Tix&v ^pay^a. Als Xoycov 7coivjt^? bezeichnet Isokrates sich denn auch

1) Diogenes VI 4 epcoTü)[xevo<;, 81a iL okiyouc, g/si [ia6-/)Tcx<;, e<p7) öti dpyupsa'. aüxoü? IxßaXÄw paßStoi. Hermes führt einen goldenen Stab (0 2): ihm folgen die Seelen. Wer sagt, daß er sie mit silbernem Stabe vertreibt, erreicht das durch das Silber. Sie müssen zahlen, und das mögen sie nicht. Daß ein Lehrvertrag Bürgen enthielt, ist selbstverständlich; was Isokrates sagt, ist nur dies, daß die Schüler des Antisthenes einen Vertrag unter- schrieben. Nicht einmal das folgt notwendig, daß er einmal eine Schuld eingeklagt hat, und wenn er es tat, so war das nur sein Recht.

2) Die Variante ttoXitixov ist eine naheliegende schlechte Konjektur.

1]Q 10. Piaton und Isokrates.

selbst in der Antidosis 192, wo er diese Rede bespricht und sich zu denselben Grundsätzen bekennt, die er ausführlicher darlegt. Daher sticht es ihm Alkidamas in seiner Gegenschrift 34 auf, wo er sagt, daß ein Szivbc, p-rjTtop mehr ist als ein Xoywv uoiTj-n)«; ixavoc. wenn er auch nicht ioZc, 6v6(jLaatv dxpißw? Xeyei, was den Vorwurf des schlechten Stiles bei Isokrates pariert. Hieran ist zu fassen, daß Reinhardt, de Isocratis aemulis, Bonn 1873, mit glücklichem Scharfsinn den Gegner des Isokrates in Alkidamas erkannt hat. Was es mit der Grammatik auf sich hat, ist durch die Stelle aus Dionysios Demosth. 52 von Usener bei Reinhardt ganz klargemacht. ypoc^fjuxTa sind dazumal Lesen und Schreiben; darum ärgert sich Isokrates, daß seine schwere Kunst mit dem Elementarunterricht verglichen wird. Aber Alkidamas und seine Leute (denn diese ts/v/j ist lange vor ihm in Ordnung gebracht) sagen, so wie jeder, der schreiben gelernt hat, die Buchstaben richtig setzt, einerlei was er schreiben soll, und wie er in dem- selben Unterrichte die Redeteile richtig zu verwenden lernt (so- weit sie beobachtet waren), so lernt der Schüler des Rhetors die To-Trot., die evovra finden und anwenden, indem er Vorbilder kennen lernt., daneben ein System, in das sie eingeordnet sind wie die Buchstaben in das Alphabet. Er lernt die atoiysZcx. der Rede. Das System war so ziemlich das der alten te/v*], die wir in der Anaximenesrhetorik lesen. Es mag eine Überschätzung sein, daß Isokrates den Alkidamas ganz besonders aufs Korn nimmt; er war eben als Konkurrent aufgetreten und ist jahr- zehntelang durchaus nicht erfolglos gewesen. Die starke Berück- sichtigung bei Aristoteles beweist es, wenn dieser auch seinen Stil ebenso ungünstig beurteilt wie Isokrates.

Diesen beiden Richtungen stellt Isokrates seine Grundsätze I gegenüber. Er ist bescheiden; er hat schon vorher (8) im Gegen- satze zu den Sokratikern auf die ema-zr^v] verzichtet und sich mit den So^ai begnügt. Seine Überzeugung ist, daß die Begabung die Hauptsache ist und die praktische Erfahrung durch nichts ersetzt werden kann; aber der theoretische Unterricht wird doch allen förderlich sein, sie überhaupt einsichtiger machen, also zwar nicht die vollkommene (fpovqaic, auf die ein Sokratiker hinaus will, aber doch einige cppovrjau; verleihen. Und ein guter dycovicrT7]<;, also praktischer Redner, oder Xoywv 7ronr)T/]<;, ein Schrift- steller kann man nur durch einen Unterricht werden, wie er

10. Piaton und isokrates. Hl

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ihn erteilen wird. Seine lange erfolgreiche Tätigkeit hat ihm diese Grundsätze bestätigt; darüber redet er in der Antidosis, breiter als uns lieb ist, aber sein Selbstgefühl ist berechtigt. Er durfte sich sagen, daß er die letzte Forderung erfüllt hätte, die er in seinem Programme aufstellt : er war durch seine eigenen Reden ein Vorbild geworden, ist es selbst für Aristoteles ge- wesen. Die Wissenschaft, in der Tat doch eine imaxini-fi, die er seinen Schülern geben wird, ist die der [Seat, (16), aus denen wir redend und schreibend die Rede bilden. Da haben wir das so schwer faßbare Wort, das ihm wie der Name Philosophie für Fein Handwerk mit den Sokratikern gemein ist. Aus dem Vor- rat von Formen, iSsou, über die der erfahrene Redner verfügt, wählt er, was für den bestimmten Fall paßt, mischt sie und ordnet sie, immer unter der Berücksichtigung der richtigen Zeit (wir würden eher den Ort nennen) und des richtigen Maßes (das steckt auch im xaipoc;), gibt der Rede Farbe durch die £vOu|JiY)fi.aTa) d. h. hier noch der Bedeutung des Wortes gemäß öti toic, dcxpoco- \ihoiq sv öupicot. ßdcXAsToa, also Gedanken, Folgerungen, die auf seine Stimmung wirken, und sorgt endlich für den Schmuck des Ausdrucks; es muß Rhythmus und Musik darin liegen; der Stil soll blühend und anmutig sein.

In der stilistischen Forderung liegt ein gewaltiger Fort- schritt, freilich muß die Aufstellung eines absolut musterhaften Stiles die isokrateische Prosa eintönig machen. In der Unter- scheidung von den „Formen" der Rede steckt das, was Iso- krates tatsächlich für die Logik geleistet hat : der Aufbau der Ge- danken, den wir nach dem auctor ad Herennium in lateinischer Terminologie propositio ratio oraiionis con/irmaiio conclusio nennen, zu denen dann andere siSy) treten. Das ist mehr als das bloße Wirtschaften mit o/^aTa Siavoia«;. Es gehört aber auch der Aufbau der Periode dazu, in dem ein gutes Stück logischer Schulung steckt. Wer ehedem lateinische Aufsätze machen lernte oder besser gutes Deutsch in wirkliches Latein umsetzen, kennt den Nutzen dieser Denkarbeit aus Erfahrung, sieht auch die Folgen, die das Verschwinden dieser Übung gehabt hat.

In einem Nachtrag nimmt Isokrates noch Stellung zu der alten xiyyri, Korax-Teisias und ihren Fortbildungen, also auch zu Thrasymachos. Er tadelt, daß sie wesentlich auf die Gerichts- rede zugeschnitten war, der er persönlich endgültig abgesagt

112 10. Platon und Esokrates.

hatte. Er erklärt das mit Recht für zu eng; so Kümmerliches die Sokratiker auch in der Rhetorik leisteten (wir haben es in den Reden des Antisthenes vor Augen), so hatten sie doch die IM oral zu ihrem Ziele, während die Techniker sich um diese gar nicht kümmerten und von der Gerichtsrede, die mit ihr nichts zu tun hat (Lysias), ausgehend den Weg zu einer Sorte von 7roXiTt.xol Xoyoi wiesen, die sie als Lehrer von TcoXo7rpay|j.oauv7] und 7tXeov£^a erscheinen ließ, zu Sykophanten machte, die sich überall eindrängten, wo es ihnen Profit abwarf. Dagegen wird sein Unterricht moralisch bessern, obwohl er weiß, daß die Tugend nicht lehrbar ist. Damit hat er einen scharfen Strich zwischen sich und den Sokratikern gezogen; er wird, wenn es auch nicht ausgesprochen ist, an Piatons Protagoras und Gorgias denken, an den letzteren aber auch darin, daß er ebenso einen Strich zwischen seiner Erziehung und der der gewöhnlichen Redelehrer zieht, wie sie sich unter Piatons Kritik danstellen. Wenn man die Rolle des Thrasymachos im Staate vor Augen hat, wird der Rhetor als Erzieher zur Unsittlichkeit noch deutlicher; den Gor- gias hatte Platon persönlich geschont, und Polos war auch vor den ärgsten unmoralischen Konsequenzen zurückgeschreckt.

Isokrates ist fertig. Es folgt aber noch der Satz: „Damit ich nicht den Eindruck mache, als widerlegte ich zwar, was andere versprechen, behauptete aber selbst mehr, als mir zu Gebote stünde, werden, denk' ich, die Gründe, die mich be- stimmen, ganz leicht auch anderen einleuchten." Diese Gründe mußten also folgen. Da sie das nicht tun, ist der erste Gedanke, auf den man kommt, daß die Rede mechanisch verstümmelt sei. Aber dasselbe Bild bieten uns die Werke des Isokrates noch zweimal. Die Rede gegen Lochites ist nur ein Epilog, und da zweifelt wohl niemand, daß nur dieses Musterstück als toizoc, xoivöc; 7ispl ouxsia<; veröffentlicht ist. Der Brief an Dionysios ist nur ein Prolog, und eine Stelle aus ihm führt der Verfasser selbst im Philippos 81 an: veröffentlicht also war das. Verfaßt ist der Brief etwa 369, als der alte Dionysios in die Händel von Hellas einzugreifen begann, und Athen, das zwischen der zer- brochenen Macht Spartas und dem aufstrebenden Theben ge- fährdet und ziemlich ratlos stand, auf den Tyrannen große Hoff- nung setzte. Sie haben sich nicht verwirklicht, vielleicht nur weil Dionysios starb; ebensogut kann Isokrates erfahren haben,

10. Piaton und Isokrates. \\$

daß er mit seinem Schritte kein Glück machen würde und dann zu Hause Anstoß erregen. Da publizierte er nur so viel wie genügte, sein Eingreifen in die große Politik ins Licht zu stellen. Was er vorschlug, ließ er im Dunkeln; im Philippos dient ihm der Brief auch nur zum Beweise, daß er sich berechtigt fühlen darf, Herrschern Rat zu erteilen. Solche Verbindungen warfen ein Licht auf ihn, das er gern in der Öffentlichkeit leuchten ließ. Ist nun hier nicht der mindeste Anhalt dafür, daß jemals mehr veröffentlicht war, als wir lesen, so gilt genau dasselbe für die Sophistenrede. Daß die Hypothesis mehr vor Augen gehabt hätte, ist eine unbegreifliche Behauptung. Sein Programm hat er vollständig dargelegt; fehlte der letzte Satz, würde niemand etwas vermissen. Da kann man tadeln, daß er ihn nicht strich; -aber er wollte den Gedanken nicht missen, „den Beweis für die moralische Wirkung kann ich leicht erbringen", und wenn er ihm auch die Form beließ, die auf eine Fortsetzung neugierig machte, so diente das am besten seiner Absicht : wer das Weitere hören wollte, mochte in seine Schule kommen; da hörte er den Nachsatz und noch sehr viel mehr. Was wir lesen, ist die Ein- leitung seines Kursus der wahren Rhetorik. Damit wir wissen, daß es nur ein Kosthäppchen von einem reichen Mahle ist, be- kommen wir es in der Form eines Bruchstücks.

Wie zu erwarten war, wehrten sich die Angegriffenen. Die Gegenschrift des Alkidamas besitzen wir; sie ist sehr geschickt und verbietet von diesem Rhetor gering zu denken. Denn es ist ein Meisterstreich, daß er sich hier der stilistischen Eleganz nach dem Muster des Isokrates bedient, weil ihm vorgeworren war, nicht besser zu schreiben, als manch ein Ungelehrter aus dem Stegreife sprach; ebenso geschickt, daß er die Fähigkeit zu improvisieren als Ziel der rhetorischen Ausbildung aufstellt, weil Isokrates die Schlagfertigkeit zugestandenermaßen nicht besaß. Ein Hieb ist auch gleich das erste Wrort, daß sein Gegner ivzopLv.c, xat izo.iSz'kx.c, YjfiiXTjxev; er selbst hatte ja solche Stoffe behandelt, vermutlich im Museion, sicher in dem erhaltenen Odysseus, der allerdings den Angriff auf seinen Stil als berech- tigt erscheinen läßt. Aber Isokrates hat sich doch veranlaßt gesehen, in Busiris und Helene zu zeigen, daß er sich auch auf dem Gebiete der icrropia zu bewegen verstand. Geradezu hat er auf den Angriff in der Vorrede des Panegyrikos 12 geantwortet.

Wilamowitz, Piaton. Bund tl. 2. Aufl. Ö

114 10. Platcm und Isokrates.

Auch Antisthenes schwieg nicht. Im ersten Bande seiner Schriften, der das Rhetorische umfaßte, stand nach der Über- lieferung bei Diogenes VI 15 (soweit sie bekannt ist) 'Opecrroo a— oXoyia y\ mpi tcov 8t.xoypacptov. Wenn das y) bezeugt ist, braucht es nicht entfernt zu werden, taoypacp-yj rt Aecna<; xat 'IcoxpaTr^ rzpbc, tov 'Iaoxparou? 'Au-apTupov. Hier ist von Bake und Usener die Beziehung auf Isokrates izpoc, EüOuvov, Lysias uTrsp EuOuvou erkannt. Ob die unter den Werken des Isokrates überlieferte Rede echt oder ein Auszug oder unecht ist, kann ich nicht sicher entscheiden; viel spricht dafür, daß es ein Versuch ist, die ver- lorene, d. h. von Isokrates unterdrückte Rede aus den Gegen- schriften herzustellen. Es bleibt als Faktum, daß Isokrates in der Zeit, wo er noch Advokat war. mit Lysias, vermutlich ohne Erfolg, in einem Rechtshandel zusammengestoßen ist, in dem mangels jeder ck-zzjyoc, tzLgtic,, vornehmlich also jeder Zeugen- aussage, alles auf die Wahrscheinlichkeitsbeweise ankam. Die verdorbenen Worte des Diogenes zu verbessern, ist Pohlenz (Herrn. 42, 158) glänzend gelungen, indem er Asaia«; hielt, lao- ypoeep-/) zur Verbesserung von 'IcroxpaTT]^ in 'Iaoypaqnn? benutzte. Ich glaube, daß die folgenden Worte izpoc, tov 'Ioroxparouc; afxap- -rupov zu diesem Titel gehören; es ist doch kaum glaublich, daß Antisthenes zweimal in dieselbe Kerbe gehauen hätte. Er hat also mit demselben salzlosen Witze, der ihm erlaubte, sein dreibändiges Werk gegen Piaton Sa6o)v menlula zu nennen 1), den Lysias statt „Löser" „Binder" genannt, den Isokrates wegen des Spieles mit taoxwXa 'Io-oypacpv^. Dies hat Pohlenz treffend bemerkt, den Azg'kxc, aber schwerlich richtig auf einen reos circumveniens atque vinciens gedeutet. Diesen metaphorischen Gebrauch von Sclv wird er schwerlich belegen können. Wohl aber redet man schon früh von dem Binden durch einen Affekt, SeSstou ekniSi yuia Pindar, SeSsrat Xurcat. ^u^a Euripides, und das schöne vcxco^evoi. aypu^tai SeOsvte«; Pindars führt uns schon näher. Endlich Piaton Gorg. 508 e, eine Behauptung SsoVroa ai$'f)poic, Xoyotc;, besonders passend, weil es als ocypoixoTspov be- zeichnet wird, also als eine grobe, vulgäre Wendung. Geadelt hat es Piaton im Menon 98 a. Also der „Binder" redet bündig:

*) Die Böoter scheuten sich nicht, einen Knaben aaöcov zu nennen. Der Index zu IG VII bringt einen SdcOtov, zwei Saöivoi. Aber titus war ja auch dasselbe.

10. Piaton und Isokr.ites. \\K

er ist den stilistischen Künsteleien überlegen. Gegen Isokrates richtet sich die Schrift; das war auch zu erwarten. Daß sie auf dessen Programm antwortete, wird durch die ärgerliche Wendung bewiesen, mit welcher Isokrates seinen Panegyrikos schließt. In dem liefert er endlich, nach zehnjähriger Pause 1), eine Probe seines Könnens, und im stolzen Bewußtsein, daß an diese Leistung kein Tadel heranreicht, fordert er toik; tcov Xoycov a[A<pt.o-ß7)ToüvTa<; auf, Tipo; tt;v TrapaxaTaöifjx^v (um die sich der <k[iy.pTupoq drehte) xou 7T£pl tc5v aXXcov ti>v vuv q^Auapoucriv ihr Gerede einzustellen. Das wird schon andere mit meinen, aber die nächste Beziehung auf Autisthenes ist unverkennbar. So garantieren die beiden Gegenschriften, daß die Polemik der Sophistenrede richtig ver- -tanden ist.

Der Panegyrikos hatte vollen Erfolg, die Schule des Iso- krates blühte, und auch seine Schriftstellerei war in dem nächsten Jahrzehnte am fruchtbarsten, denn ihm gehören die beiden Reden über mythisch-historische Stoffe an, Busiris und Helene, und die drei kyprischen Reden, in denen er stark auf allgemeine politische und ethische Dinge eingeht.

Der Busiris hat sonderbarerweise öfter eine ungünstige Be- urteilung erfahren, verdient sie aber durchaus nicht, ist vielmehr eins der gelungensten Stücke, zeigt sogar mehr Witz, als man einem Bildungsphilister zutraut, und Witz allein kann die ab- geschmackten Themata genießbar machen, die 7rapa8o£a, in denen die Rhetoren gerade in jenen Jahren wetteiferten. Solch ein Thema war die Rettung des Busiris, dessen Überwindung durch Herakles immer ein Schwank gewesen war, wie die Vasenbilder zeigen, ersonnen gegen die ägyptische Fremdenfeindschaft, schwer- lich vor der Zeit des Amasis oder doch des Psammetich. Den Polykrates hatte die Aufgabe gereizt, den Unhold zu loben, und er hatte ihn gar zu einem Menschenfresser wie Polyp hem gemacht.

J) Die verbreitete und natürlich in verschiedenen vergröberten Fassungen überlieferte Angabe, daß Isokrates zum Panegyrikos mehr Zeit verbraucht hätte als Agamemnon zur Eroberung von Uion, muß auf ein Schlagwort zurückgehen, das einer seiner Gegner geprägt hatte, um den Erfolg der Rede herabzusetzen. Gesagt konnte das nur werden, wenn Isokrates zehn Jahre lang mit keinem Werke hervorgetreten war. Das würde allein genügen, jeden Ansatz einer Rede zwischen der Schul- gründung und dem Panegyrikos zu verbieten.

8*

11(5 10. Piaton uinl Isokrates.

Das will Isokrates übertrumpfen, und er beweist seine Über- legenheit am besten in der witzigen Art, zugleich einzugestehen und zu rechtfertigen, daß er genau ebenso wie sein Vorgänger freie Erfindungen auftischt (31—23). Die praktische Absicht, den Konkurrenten bei den Herren auf Kyprös zu diskreditieren, war oben (S. 103) bereits Gelegenheit zu besprechen.

Alkidamas gegenüber ist seine Absicht, seine Bemühung um IffTopia und TiaiSsta ins Licht zu setzen. Er weiß anzudeuten, daß er um die alten Dichter Bescheid weiß1); er verbreitet sich über Pythagoras, der seine Philosophie von den Ägyptern hat 2), kennt die Reinheitsvorschriften und sogar das Schweigen seiner Anhänger; sicherlich gab es schon Pythagoristen in Athen. End- lich benutzt er ein Buch, das wir gern kennen würden, in dem die spartanischen Institutionen aus Ägypten abgeleitet waren 3), die Absonderung der Kriegerkaste, selbst die Syssitien und anderes.

Sehr auffällig ist der Abschnitt 21 23. Die Ägypter sind Erfinder der 7repl r/jv (ppovyjaiv £7uuiXeia, eines höheren Unter- richtes. Ihre Priester, die Muße haben, sich dem Studieren hin- zugeben, treiben Heilkunde, Physik, Astronomie, Rechnen und Geometrie, und die Jugend, die sich hiermit abgibt, hält sich

x) 39. Der Dichter, der ein Landstreicherleben führt, ist der Homer der alten Novelle; blind geworden ist Stesichoros, den auch die Helene erwähnt; aus der Heimat (Paros) gegangen und mit den Nächsten ver- feindet ist Archilochos.

2) 28. Sehr bezeichnend ist die Äußerung, wenn die Opfer und die aytcrreioci ihm von den Göttern auch nichts weiter eingetragen hätten, so wäre Pythagoras doch bei den Menschen dadurch in guten Ruf gekommen. Eigentlich war er also doch ein y^lS- Ebenso hat Busiris, 26, den Tier- dienst eingeführt, oüx dyvoöv Tyjv 8üva;xiv ocüt&v, also klar darüber, daß es eigentlich Unsinn war, aber in der weisen Absicht, die Menge in Gehorsam zu halten. *

3) 17. ßare xal xcöv cpiXoaocpcov toü«; urcep twv toioütcov Xlyeiv e7rixel" poüvra? xal (jidcXta-r' eüSoxijxoüvTai; ty]v Iv Alyu7UT(i>i 7tpoaipeTa6oa TCoXiTeiav, xal Aax£Sa!.|i.oviou<; \iepoq ti tüv exsiOev [Li[Lo\}\i£vov£, apiara Stoixeiv xrjv auxwv nokiv. Das erste geht wohl auf Pythagoras, da kaum ein anderer Name für ein so hohes Lob zur Verfügung steht. Es ist also nicht ausgesprochen, daß die Herleitung der spartanischen Verfassung aus anderem Munde genommen ist; allein dem Isokrates ist der Gedanke nicht wohl zuzutrauen, wird also in einer der Schriften zu Spartas Ruhm gestanden haben, die damals er- schienen. Piaton ist einsichtig genug gewesen, diese oberflächliche Parallele nie zu ziehen.

10. Piaton und Tsokrates. 117

von dem Genußleben fern und lernt dafür, „was manche nur als in gewisser Hinsicht für nützlich halten, andere als für die apsTYj höchst förderlich zu erweisen versuchen". Getrieben wurden die Studien von den Pythagoreern, und 29 heißt es, daß die Eltern es gern sahen, wenn die Jugend über dem Verkehre mit Pytha- goras alles andere versäumte. Aber die Schätzung der Lehr- gegenstände, die in der Akademie getrieben wurden, ist genau dieselbe, wie sie Isokrates auch später ausspricht, und die plato- nische Schule war doch entstanden, und ihre den Athenern be- fremdlichen Übungen an Dingen, die mit der praktischen Mannes- tugend so wenig zu tun zu haben schienen, mußten auffallen. So scheint es mir unabweisbar, daß die Leser an die Akademie dachten und denken sollten. Dann ist es ein, wenn auch bedingtes, Kompliment und beweist freundliche Beziehungen zwischen den Schulhäuptern.

In der Helene hat Isokrates seinen Schülern ein Musterstück verfertigt; diesen Zweck spricht der Schluß aus. Sie sollen sich dieses Vorbild genau betrachten und daran lernen, wie man so etwas anfängt. Es ist unbestreitbar, daß die Rede im Anschluß an die unter dem Namen des Gorgias erhaltene Helene anknüpft, ebenso unbestreitbar, daß es anstößig bleibt, -wenn diese von Gorgias ist. Denn Isokrates nennt deren Verfasser nicht, hat aber den Gorgias in der Vorrede unter den philosophischen Rhetoren der früheren Generation aufgeführt, die widersinnige abstrakte Themata behandelt haben. Niemand kann den Verfasser, dessen Helene er zugleich lobt und tadelt, in der Klasse von Schrift- stellern vermuten, unter denen Gorgias steht. Ferner sollte man meinen, daß für Isokrates der Stoff, den er behandelt, ein ernst- hafter ist; er hat ja im Gegensatze zu denen, die 7iapaSo£a be- handeln, gesagt (T7rouSa^£t,v toö imi'C.eiv £7U7rovcoTepov (11). Aber am Schlüsse der gorgianischen Helene steht ep-ov 8s TOy.iyvt.ov. Diesem Einwände mag man so begegnen, daß Isokrates seine Schätzung befolgen kann und dann auf seinen Vorgänger über- tragen, obwohl das immer peinlich ist, wenn er eben selbst von na.L'Ceiv geredet hat. Den anderen Anstoß redet niemand weg; ich habe daher mit Spengel die Autorschaft des Gorgias lange bestritten, gebe auch keineswegs zu, daß ihre Notwendigkeit erwiesen sei. Trotzdem kann ich mich dem nicht verschließen, grdaß jene Rede nur im 5. Jahrhundert entstanden sein kann und

|lg 10. IMatim und Isoknitcs.

in ihrer Form für Gorgias paßt, verlange aber, daß man zugibt, Isokrates hat die Vorrede nur äußerlich an seine Helene geklebt. Inhalt lieh haben sie in der Tat nichts miteinander zu schaffen, und dies Urteil hat schon Aristoteles gefällt (Rhet. 3, 1414 b 31). Wenn beides für sich steht, ist jedes an sich unanstößig.

In diesem Vorwort greift Isokrates die Mode der Paradoxo- logien an. Da sind einige, die sind alt geworden und leugnen immer noch, daß man etwas Falsches sagen und zwei Aussagen über dasselbe machen kann. Das ist notorisch Antisthenes, denn die Behauptung war zwar nicht sein besonderes Eigentum, aber es hielt sie schwerlich ein anderer noch ernsthaft aufrecht, und die Spitze auf den o^iu-aÖ-fc ist dieselbe wie im Sophistes Piatons. Andere erklären die einzelnen Tugenden für dasselbe und führen unter Leugnung der angeborenen Begabung alle auf ein Wissen zurück. Das kann der Piaton des Protagoras sein; der der Akademie nur, wenn Isokrates ihn nicht kennt und daher nach seinen älteren Schriften beurteilt. Das ist möglich; aber diese sokratische Lehre konnte auch von anderen ebenso vertreten werden; das müssen wir sogar annehmen, bis das Gegenteil er- wiesen ist, weil es eben sokratische Lehre war. Die dritte Klasse bilden die Eristiker vom Schlage Euthydems. Isokrates ärgert sich über diese zwecklosen Künste schon deshalb, weil sie schon früher von Gorgias, Zenon usw. ähnlich betrieben sind; so be- urteilt er wenigstens deren Spekulationen. Es war also längst ausgemacht, daß so etwas ein leichtes Spiel ist; jetzt sollte man wirklich lieber die aXvjOsiot verfolgen, die Probleme des realen Lebens, in dem es auf imsiY.&c, So^a^siv ankommt, nicht Tcepl tcov axpyjCTTtov axpißw? £7uaTaa6aa. Den Gegensatz zwischen 86£a und s7U(7ty)|j.7) kennen wir aus der Rede gegen die Sophisten. Wenn aXy)6s:ia hier die realen Dinge angeht, so sollen wir doch daran denken, daß es bei den alten Sophisten die von ihnen ent- deckte „Wahrheit" bedeutete und in ihrem Sinne noch in der Sophistenrede stand. Das „genaue Wissei über nutzlose Dinge'' kann auch nur auf theoretische Disziplinen gehen, Mathematik. Astronomie, Physik. Das traf also auch die Dinge, die in der Akademie getrieben wurden.

Der nächste Vorwurf kann sie nicht treffen. „Das geschieht nur, um von den jungen Leuten zu profitieren. Dazu ist die Eristik geeignet, denn die unreife Jugend hat an ihr wie an

10. Piaton und Isokrates. \\C)

Taschenspielern Vergnügen. Wer aber erziehen will, der darf ^ich nicht mit so etwas abgeben und dabei das Verfassen von Prozeßreden verwerfen." Wenn er das alles in einem Atem vorbringt, meint man zunächst, es ginge auch alles auf dieselben Menschen. Dann gerät man aber ins Gedränge. Isokrates macht gar keinen Unterschied, sondern redet im allgemeinen von denen, die apaSoca '!»— o-iOsvToa, von der nepl iohc, sptSa? cpiXoacxpia. unter die ihm Piaton und Antisthenes, Megariker und Leute wie Euthydem gleichermaßen fallen. Nun hat gar jemand das Bettler- leben verherrlicht, weil er sah, daß solche Themata Erfolg haben und Geld (d. h. Schüler) bringen. Unerhört, daß so etwas den Nachweis liefern soll, für -0X171x01 Xoyoi (wie Isokrates sie lehrt) befähigt zu sein, die doch ganz andere Schwierigkeiten bieten. Das wird des breiteren ausgeführt, und dabei werden andere paradoxe Themata genannt, Lob von o-uu.<popais zu denen die TiTco/sia gehören kann, ßofxßuXiat1), aXö?. Man sieht, diese Mode ist es, gegen die er kämpft. Die 7TroXt.Tt.xol Xoyoi sind zu jenen Spaßen ein guter Gegensatz; das Lob der Helene im Grunde durchaus nicht : Vorwort und Rede gehören gar nicht notwendig zu einander. Themata dieser Art hat außer Potykrates, auf den sich hier nichts mit irgendwelchem Scheine beziehen läßt, Alki- damas behandelt, dessen Lob des Todes unter die aujxcpopat fallen kann. Dazu gehört auch die Tc-toyeiot., deren Lob noch Aristoteles, Rhet. 2, 24, 1401 b 25 anführt. Es könnte etwa von Zoilos, dem Schüler des Polykrates, stammen, der ein Enkomion auf Polyphem verfaßt hat. Wir wissen es nicht, wissen nichts von den Reden auf ßo|x3uXiot und Salz (dies nennt auch Piaton) : es ist die Gattung, gegen die Isokrates ficht, mit Recht ficht, wenn sie mehr als ein Spiel zu sein beansprucht. Daß er die Thesen der Eleaten und Sokratiker, weil sie ihm ebenso paradox klingen, in denselben Topf wirft, ist für die Enge seines Horizontes bezeichnend; mit Antisthenes hat er einen alten Hader; daß er Piaton persönlich treffen wollte, ist eine ganz willkürliche An-

x) Das waren wohl die Trinkgefäße, aus denen die Flüssigkeit tropfen- weise kam, für die Athenaeus XI 784 d nur einen Beleg aus Antisthenes hat. Bestimmt waren sie natürlich eigentlich für kostbare jxüpa (Bekker An. 220), benannt nach dem glucksenden Tone, den es bei ihrer Benutzung gab; auch din Bienenart ßo^.ßuXt,6<; hieß nach dem ßojxßEiv. Ich weiß nicht, ob die Archäologen die Tropfgefäße nachweisen können.

]20 10. Platon und Isokrat.es.

T

nähme. Daß sie falsch ist, zeigt sich genugsam darin, daß sie Athetesen oder andere Vergewaltigungen des Textes nötig ge- macht hat.

In der Vorrede des Nikokles wehrt sich Isokrates gegen die Vorwürfe, welche gegen die Rhetoren erhoben werden. Dazu gehört, daß es Menschen gibt, welche sich der Beredsamkeit zum Betrügen und anderen Schlechtigkeiten bedienen. Das weist er zurück, ähnlich wie Gorgias bei Piaton Gorg. 457 c. Daran reiht sich ein Lob des Xoyo?, der Rede, und es schließt damit, daß nichts Verständiges aXoyw<; getan werden kann, sondern aller Werke und Gedanken Tjyefjicov der Xoyo<; ist. Gesagt konnte das nur werden, weil das griechische Wort ratio und oratio ist, und es klingt, an den Schluß des Gorgias an, &av:tp oOv Tjyejxovt. tgh Xoycoi xp7]ffwfx£0a T<5t vüv 7rapa<pav£VTt, aber, wie schon der Zusatz zeigt, nur äußerlich. Man kann nicht behaupten, daß Isokrates die Schrift Piatons vor Augen hat, wenn das auch immerhin der Fall sein kann und mag; er bekämpft sie ja gar nicht. Denn der Vorwurf, den er wie der platonische Gorgias zurückweist, hat nichts spezifisch Platonisches an sich. Der Angriff im Gorgias auf die Rhetorik geht auf die Wurzel, nicht auf eine solche Folgeerscheinung. Übrigens wäre eine Verteidigung seiner Kunst dem Isokrates nicht zu verdenken; sie brauchte auch eine persönliche Gereiztheit gegen Piaton gar nicht ein- zuschließen.

Piaton hat während dieser Jahre selten Gelegenheit ge- nommen, sich mit der Rhetorik auseinanderzusetzen. Aber wenn er im Euthydem nicht nur über die Verfasser von Gerichtsreden abfällig urteilt, was dem Isokrates sehr recht war, sondern auch über die Verfasser von 7coXmxol Xoyot, so war das zwar nicht auf Isokrates direkt gemünzt, wie Spengel annahm, aber er mußte sich doch getroffen fühlen. Die genaue Erklärung der Stelle wird beim Euthydem gegeben werden. Ebenso mußte Piaton die Vorrede von Isokrates' Helene unangenehm empfinden. Der Gegensatz der Grundanschauungen und der Ziele ließ sich eben nicht verhüllen; es zeugt auf beiden Seiten von guter Ab- sicht, daß er nicht zur offenen Fehde ward. In einer sehr bedeutsamen Stelle des Staates hat sich dann Piaton so geäußert, daß Isokrates sich schwer verletzt fühlte. Er sagt 498 d, die Abneigung des Publikums gegen seine politischen Gedanken wäre

10. Platon und Isokrates. 121

begreiflich, da sie so etwas nie zu hören bekommen hätten, son- dern pvjjxaTa iZßizlTffizi; aXXv)Xot<; cofi.oicofi.sva, nicht den zwanglosen Dialogstil. Die Parisose, die er als Kennzeichen der Rhetorik anführt, ist zwar nicht dem Isokrates eigentümlich, aber unan- genehm mußte diesen schon dieses Wort berühren, zumal nach- dem ihn Antisthenes Lo-oypacpT]!"; genannt hatte. Kurz darauf, 500 b, heißt es, die Abneigung der Menge gegen die Philosophen wäre von denen verschuldet, die sich ungebührlich herangedrängt hätten, sich untereinander zankten x), voll Gehässigkeit (cpiXa- myßy)ii6v(xic,) und immer nur von Menschen reden, was doch alles mit der Philosophie unvereinbar ist. Isokrates, der selbst Philosophie zu treiben behauptet, hat dies Wort als einen schweren Schlag empfunden, denn er nimmt es zwanzig Jahre später in der Antidosis 260 auf: das Schlagwort cpiXa7t£x0Y)fi.6v<o<; läßt, wie Bergk zuerst gesehen hat, hieran keinen Zweifel. Aber etwas ganz anderes ist es, ob Platon es auf ihn gemünzt hat. Allein auf ihn schon ganz gewiß nicht, denn es ist eine Mehrzahl, wenn sie sich gegenseitig schmähen; ganz gewiß nicht vorzugsweise, denn Isokrates, der die Xoycov IMcni seinen Schülern bekannt macht, redet gar nicht immer nur von Menschen* das weist eher auf die Advokatenberedsamkeit. Die Gesellschaft, die Platon so scharf angreift, hat er 495 charakterisiert als her- kommend von ihren Tzyy'ux, dem niedrigen Handwerk, das sie verstehen; nun drängen sie sich an die Philosophie heran (e^coöev e7rst.GXEXcofi.ax6Ta<-; steht 500 b), weil ihr Name doch angesehen ist, wie ein reichgewordener Schustergeselle, der seines Herrn Tochter freit. Ohne Zweifel protestiert er gegen die Anmaßung anderer, die den Namen Philosophie mißbrauchen, also nicht die „Sophisten", die 493 a nur lehren, wie man den Demos umschmeichelt, was doch nur politische Rhetorik ist, sondern anspruchsvollere Leute. Es ist richtig, Isokrates gehörte in diese Klasse, durfte also böse werden; es ist richtig, wir können keinen Einzelnen bestimmt namhaft machen, auf den es speziell gemünzt war. Dann wird es so allgemein gelten sollen, wie es klingt, und die Sokratiker, die philosophischen Unterricht erteilten, wenigstens die athenischen, wurden mitbetroffen. Der

*) XoiSopou[i.evou<; auxoü;, so zu betonen; aü-coi<; ist ganz unverständlich. Das Richtige gibt Adam.

222 10- Piaton und [sokrates.

Lehrer der Akademie ist sich bewußt, daß Wissenschaft nur bei ihm gelehrt wird, und protestiert gegen alle, die sich einen Namen anmaßen, dessen Bedeutung sie nicht einmal verstehen.

Wie Piaton über Isokrates persönlich dachte, hat er bald darauf am Schlüsse des Phaidros unter Nennung seines Namens ausgesprochen. An der in die Augen fallenden Stelle ahnt So- krates eine philosophische Ader in dem Wesen des Isokrates und prophezeit, daß er nicht nur dem Lysias überlegen sein, son- dern alle Redner weit hinter sich lassen wird. Wahrlich ein hohes Lob; keine Spur von Ironie, nur der Wunsch, daß er die Be- gabung für Philosophie ausbilden möchte. Höchstens kann man sagen, daß der Leser in Piatons Sinne vielleicht bezweifeln wird, ob Isokrates dieser Mahnung nachgekommen sei. Piaton hatte auch Veranlassung zu diesem Lobe gerade in dieser Schrift, denn er hatte 271 d das, was Isokrates in der Sophistenrede (16) als den Inhalt seiner Lehre vorgetragen hatte, ziemlich mit dessen eigenen Worten aufgenommen und nur seine eigene psychologische Begründung zugefügt, die dem Ganzen allerdings erst die Seele einhauchte. Ich setze die Stellen nicht her; es mag sie jeder vergleichen 1). Versichern kann man nicht, daß der Phaidros die Wunde heilen will, die der Staat geschlagen hatte; unmöglich ist es nicht.

Weiter hat sich Piaton nicht geäußert. Nur aus Isokrates entnehmen wir, daß das Verhältnis sich wenigstens von seiner Seite immer mehr getrübt hat. Er verrät aber auch den Grund, seine im Alter bis zum Kindischen gesteigerte Eitelkeit. Den lumpigen Handel um seine Steuern hat er in der Antidosisrede so aufgebauscht, daß er sich selbst zu einem zweiten Sokrates macht. Er trägt den Vorwurf, die Jugend zu verderben, 30, er hat größere Verdienste als die im Prytaneion Gespeisten, 95, er wird nicht aus Rücksicht auf die paar Jahre, die er noch zu leben hat, mit der Wahrheit zurückhalten, 272, er verzichtet auf die Bitte um Gnade, 321. Auf die Akademie ist schon 84 die anmaßende Bemerkung gemünzt, daß er seinen 7rpoTps7mx6c; an

!) In richtiger Weise dies aufgefaßt zu haben, ist das Verdienst von J. Zycha in dem Schulprogramm des Leopoldstädter Obergymnasiums 1880. Ich habe das einst bei seinem Erscheinen schroff abgelehnt, weil ich im Banne von Schleiermacher und Usener stand. Die Reue ist mir schon lange gekommen, und nun beruhigt es mich, meinen Fehler zu bekennen.

10. Piaton und Isokrates. 123

alle Athener gerichtet hätte und mit Erfolg (er hat eben den Areopagitikos und die Friedensrede herausgegeben1)), während die Philosophen nur einige wenige ttji So^/j!. tcöv 6vo[j.(xtcov in ihre Schule zögen. Darin ist der schillernde Ausdruck 86£a gut ge- wählt, da in dem Ruhme doch immer auch der Schein steckt, und die Begriffsbestimmungen sind ihm nicht einmal Xoyot, son- dern nur Namen. Auch das ist geschickte Bosheit; er hat etwas von der platonischen Lehre gehört, die z. B. im siebenten Briefe 342 b steht.

Die eigentliche Auseinandersetzung mit der Akademie steht 258 269. Er beklagt sich über die beständigen Angriffe der reept. toci; spiSa? gkouSol^ovizc, ; diesen seinen alten Namen gibt er noch allen Gegnern, einerlei ob sie Philosophen oder Eristiker waren, die ja ihr Wesen weitet trieben. So hat man denn keine Veran- lassung, anzunehmen, daß die heftigen Angriffe auf die Rhetorik allein aus der Akademie gekommen wären; aber den Vorwurf, <pt.Xa- ■Kzyßr\[io>v zu sein, hat er doch in Piatons Staat auf sich bezogen und beweist nun seine Milde und sein billiges Urteil. Er will gar nicht sagen, daß ,,die, welche jetzt in der Philosophie ge- bieten, und die sich mit Mathematik und Astronomie abgeben", also die Akademiker und der sv toic, epiorixoi? Suvacrrsucov, Piaton, ihre Schüler schädigen. So denkt die Menge, die das alles für Geschwätz hält. Er steht über den Parteien. Sich solchen Studien ganz hinzugeben nützt freilich nur denen, die von ihnen leben wollen; aber eine Weile sich mit so mühseligen Gegen- ständen zu plagen ist eine gute Gymnastik des Geistes, eine gute Vorbereitung auf das, was man eigentlich allein Philosophie nennen sollte, d. h. was er so nennt. Mit Bedauern muß er später, 285, zugeben, daß der allgemeine Sprachgebrauch sich doch gewöhnt hat, das Wort Philosophie im platonischen Sinne

1) Viele legen Wert darauf, daß sich hier Gedanken finden, die an platonische anklingen. Das sind teils Allgemeinheiten, die damals jedem zu Gebote standen, teils ergaben sie sich daraus, daß Isokrates jetzt die Seeherrschaft preisgibt, die Piaton immer verworfen hatte, und über den Verfall klagt, den er früher nicht sehen wollte. Die Lobsprüche auf die ntXTpioc, TroXiTsia klingen an Platonisches an, aber nur von fern. Der Opportunist ist als solcher dem Piaton keineswegs näher gekommen: was der forderte, war ja eine Reform der Erziehung, die den Isokrates mund- tot machen würde.

124 10. Piaton und Isokratcs.

zu nehmen. In seiner Schätzung stehen die Lehrgegenslände der Akademie auf einer Stufe mit denen des gewöhnlichen Jugend- unterrichtes. Grammatik und Musik (Dichterlektüre), und wie Kallikles kommt er bei dem philosophari paucis an. Jede Speku- lation in der Richtung auf die Probleme von Physik und Meta- physik ist ihm Schwindel, wie sie es immer gewesen war. Man kann nicht leugnen, daß in seiner Bewertung der Wissenschaft einiges ganz verständig klingt; er beurteilt ihre Disziplinen nach ihrer Verwendbarkeit für die „höheren Schulen", und da redet er, wie sagen wir, wie einer der heut Hochmögenden in der praktischen Pädagogik. Darin liegt freilich, daß es zwischen ihm und jedem, der über die Wissenschaft und die Erziehung zum Herrschen platonisch denkt, keine Vermittlung gibt.

Nach Piatons Tode bot sich dem Isokrates noch einmal die Gelegenheit, seine Feder für eine hoffnungsvolle Sache einzusetzen, die Führerschaft des Philippos in einem Kriege gegen Asien. Es fiel ihm nicht schwer, seinen Panegyrikos zugleich heraus- zustreichen und preiszugeben; dabei verfehlt er nicht, einen Seitenblick auf die vo\ioi und nokirziixi der Sophisten zu werfen, die so wenig realisierbar seien wie die Aufforderungen an die Allgemeinheit, die 7rav7)yupi.<;. Der Hieb auf den toten Piaton ist takti&ch geschickt, denn Piatons Schüler Aristoteles ist am Hofe Philipps *). Ihm gegenüber sich geltend zu machen, schreibt er ja auch seine Briefe an den König und den Thronfolger. Im Pana- thenaikos, dem wir gewiß verzeihen, daß er nur Altes in alter Manier von neuem bringt, kämpft er gegen Personen, die bisher noch nicht sicher festgestellt sind, einen Gelehrten zumal, der zwar im Lykeion. vorträgt, aber doch wohl ein Akademiker war 2). Dabei hören wir wieder das Urteil der Antidosis oder eigentlich schon der Sophistenrede über den Nutzen von Geometrie usw. und den Vorzug der $6£<x bizttuyfe tc>v xocip&v vor der Wissenschaft, wo-

>) Aristoteles und Athen II 398.

2) Am liebsten denkt man an Herakleides, denn dieser erwartete, nach Speusippos an die Spitze der Akademien zu treten und ging erst nach der Wahl des Xenokrates in seine Heimat zurück, Philodem Akadem. S. 39 Mekler. Im Jahre 340 erhielt Astydamas eine Statue im Theater, wo Aischylos noch nicht stand. Das hat Herakleides den Athenern vorgerückt. Er hat das doch wohl nicht in dem fernen Herakleia gehört, sondern in Athen erlebt.

10. Piaton und Isokrates. 12,'

bei die Klage laut wird, daß die eristischen sogenannten Dialoge so viel Beifall fänden (26 32). Er hat denn auch eine Art Dialog dieser Rede einverleibt. 117 bekennt er endlich im Gegen- satze zu einigen wenigen, die auf Weisheit Anspruch erhoben, daß er wie alle Verständigen lieber Unrecht tun als Unrecht leiden will. So kommt der Gegensatz zu dem Hauptsatze des Gorgias noch klar heraus. Man muß das Geständnis der Anti- dosis 217 hinnehmen, daß alle Menschen in ihrem Handeln tjSovy] oder xepSoq oder zi[irt im Auge haben, also die Lebensziele, die der <pi\6ao<r>o<; gewogen und zu leicht befunden hat.

Der innere Gegensatz zwischen Isokrates und Piaton, zwischen Rhetorik und Wissenschaft läßt sich nicht überbrücken; er wird in alle Ewigkeit bestehen. Die antike Bildung und die antike Kultur sind daran zugrunde gegangen, daß Isokrates die Oberhand bekam. Vielleicht geht die moderne Kultur ebenso zugrunde; die Schule ist auf dem besten Wege dazu. Das sollen wir wahrlich fest- halten. Aber in die persönlichen Beziehungen der beiden Menschen dürfen wir diesen Gegensatz nicht hineintragen, son- dern müssen die Zeugnisse ihrer Schriften ruhig und ohne Vor- eingenommenheit interpretieren. Sie lehren, daß die Männer gar nicht kurze Zeit ihre Schulen nebeneinander geleitet haben, nicht nur ohne sich zu befehden, sondern im Gefühle, vielen anderen gegenüber etwas gemein zu haben. Piaton hat dem sehr nach- drücklich Ausdruck geliehen. Was sie schied, war ihnen dabei nicht verborgen; es mußte mit der Zeit Entfremdung bringen. Piaton hat dann geschwiegen, Isokrates geredet, aber immer noch mit Zurückhaltung. Erst in den Schülerkreisen ist es zu heftigen Zusammenstößen gekommen. Speusippos schrieb npbc; t&v a(i,apxupov; sein Brief an Philipp gegen den Philippos des Iso- krates wird uns noch begegnen.

11. Menexenos.

Eine Rede in dem Prunkstile der Sophisten zwischen winzigen dialogischen Stückchen, die gar nicht recht zn ihr stimmen wollen, Sokrates und Aspasia lebend um 386, das ist etwas, das unter Piatons Werken befremden muß. So hat denn, wenn nicht schon antike Kritik 1), Schleiermacher wenigstens die Dialog- stückchen angezweifelt, und im vorigen Jahrhundert hat die ganze Schrift bei den maßgebendsten Beurteilern in Deutschland für unecht gegolten. Davon ist man im ganzen zurückgekommen; die äußeren Gründe für die Echtheit sind richtig hervorgehoben, aber das Verständnis ist durch die Verteidiger mit ihren Schlag- wörtern der Ironie und Parodie nur noch mehr verdunkelt: wenn die Dummheiten und Plattheiten darin stünden, die man zu finden geglaubt hat, nun nicht mehr zu Schanden eines Fäl- schers, sondern zu Ehren Piatons, so müßte der Dialog trotz allen äußeren Gründen unecht sein2).

Es ist praktisch, zuerst die Rede zu betrachten, und ich

!) Proklos zum Tim. 20 (I S. 62 Diehl) berichtet von Erklärern, die dem Platon das eyxcotucxaTiKov ysvo? absprechen, oi 8e toüto Xeyovxec; Tzpbc, T&i töv Mevs^evov &mxpu<; äösTstv Soxoüai \xoi (x-^Se tyj? Iv OaaSpcot tou So- /.pocTou? I7r7]ia97j<jeai [JieyaXTiyopta*;. Das läßt doch mit ziemlicher Sicherheit j auf eine Athetese des Menexenos schließen. Nur sind solche Athetesen der Neuplatoniker Einfälle, denen kein Gewicht beizumessen ist. Philo- logische Kritik steckt nicht dahinter.

2) Ich selbst habe zuerst lange die herrschende Verwerfung mit- gemacht. Die Beschäftigung mit der politischen Literatur Athens zwang mich zu gestehen, daß ich die Rede nicht für unplatonisch halten könnte (Ar. u. Ath. TT 100), aber den umrahmenden Dialog konnte ich nicht ver- tragen, aus einer Beurteilung heraus, gegen die Diels sofort treffend Ein- spruch erhob. Außerdem muß ich bekennen, daß ich die ebenso feine wie treffende Charakteristik von Bruns (Porträt 356) nicht nach Verdienst gewürdigt habe, bis ich selbst zu ähnlichen Ergebnissen gelangt war.

11. Mencxenos. 127

tue das sogleich unter der richtigen Voraussetzung. Sie gibt sich verfaßt 386, und die Erklärung wird zeigen, daß sie um jene Zeit auch verfaßt ist. Sie ist eine fiktive Grabrede wie die des Gorgias und Thukydides, vergleichbar auch den wirklich ge- haltenen des Perikles nach dem samischen Kriege und des Hvpereides. Auch die auf die Namen des Lysias x) und Demo- sthenes gefälschten Grabreden, der Panegyrikos des Isokrates samt seinen Nachahmungen, namentlich der des Aristeides, be- rühren sich stofflich vielfach mit Piaton; das iyxcofxiov 'AOyjvwv, wie Aristophanes von Byzanz die Hiketiden des Euripides be- zeichnet, war natürlich auch schon vor ihm häufig von den Rhetoren behandelt. Da ist es allzu unsicher, auf Anklänge hin direkte Beziehungen hier- oder dorthin zu erschließen, so wahr- scheinlich es an sich ist, daß der berühmte Epitaphios des Gorgias auch bei Piaton wie bei anderen Spuren hinterlassen hat. Ich bestreite jede Beziehung auf Thukydides bei Piaton überhaupt. Die Rede Piatons zeigt, daß er zu den Kunst- rednern in Wettbewerb tritt, und wenn er einen Epitaphios schreiben wollte, so war ihm der Stil vorgeschrieben, so gut wie er in einer Tragödie euripideisch hätte dichten müssen. An dem Stile darf man also durchaus nicht anstoßen; aber daß er auf den Boden der Rhetorik tritt, befremdet und fordert Erklärung, kann sie aber erst finden, wenn die Rede selbst ge- prüft ist.

Das Proömium mit seinen unvermeidlichen Gedanken ist mit Figuren ganz besonders überladen, Antithesis, Parisosis und Reim fallen uns auf, nicht zu reiner Freude. Aber es zeigt sich

1) Daß der Epitaphios immer wieder dem Lysias zugeschrieben wird, halte ich für beschämend. Der Verfasser ist ein Abschreiber, das zeigt Bein. Verhältnis zu Thukydides; danach sind die Übereinstimmungen mit Isokrates zu beurteilen. Aber auch an sich schlagen sie durch. Wenn Lysias diese stilistischen Künste beherrscht hätte, wäre er der Pfadfinder gewesen. .letzt liegt es so, daß hier jemand redet, der den Schmuck der Figuren dem Isokrates abgesehen hat, aber den Aufbau der Gedanken ihm nicht abgucken konnte, ein Beleg für die Wirkung des Panegyrikos, ein schülerhaftes Machwerk. Wenn sich das erhalten hatte, so riet man auf einen Verfassernamen und hielt sich an die fiktive Zeit. Endlich schlägt der Mangel an wirklichen Beziehungen auf eine bestimmte Zeit durch: Pan- egyrikos und Menexenos datieren sich selbst, und das mußte jede wirkliche Rede tun. »

128

11. Menexenos.

eben unverkennbar, in welcher Stilgattung wir und bewegen1). Von Parodie, wie in der Agat honrede des Symposion, darf man hier nicht reden. Darauf wird die Disposition sehr genau an- gegeben, doch ist geschickt der letzte Teil, die Anrede an die Hinterbliebenen, in Aussicht gestellt, bevor für das Lob der Ge- fallenen die herkömmliche Disposition eines eny.woc, aufgestellt wird. Alles entspricht der Regel; in rhetorischen Exerzitien wie der Agat honrede des Symposion hält es Piaton ebenso, in be- wußtem Gegensatz zu seinem SiaXsyeaOai. und auch zu seinen Mythen. Rhetorisch schreibt er hier, aber auch so, daß ein Rhetor ihn nicht tadeln kann, und wenn er hier noch nichts weiter beweist als die Fähigkeit, den damals modernen „schönen" Stil zu schreiben, weiterhin wird er sich selbst nicht verleugnen, und da drängt sich auch die Fülle der Figuren -weniger auf.

Das Lob der Gefallenen beginnt dem Herkommen gemäß mit der suyevsia, es wird aber zum Lobe der attischen Erde, der Mutter und Nährerin ihrer Autochthonen. Dabei werden die Mythen Altathens ganz kurz berührt, der Streit der Götter um Athen, die Gabe des Getreides und der Olive. Künste und Handwerke lehren die Götter und führen in den Dienst der

i) Die Verkennung dieses Stiles hat Cobet zu lauter ganz verkehrten Streichungen verführt, zumal wenn von zwei um der Fülle und des Klanges willen kopulierten Verba oder Nomina eins für den Sinn entbehrlich ist. Auch die Ergänzung, die Cobet 247 a aus Iamblichos vorgenommen hat. gehört dem Iamblichos, nicht dem Piaton. Da war dem Spätling das echt attische kurze d Se |xy] einer Ergänzung bedürftig. Nur 241 d hat Cobet den Ausfall eines Infinitivs wie levoa richtig bemerkt. Noch viel verfehlter ist es, nach Versstückchen zu haschen, von Nachahmung tragischer Verse zu reden, weil der Wortgebrauch des hohen Stiles notwendig „tragisch" ist, wie Piaton selbst öfters sagt (Men. 76 e, Rep. 413 b). Leider hat Kaibel in den Worten 238 c xccXt] ^v ayaöwv, v) 8' evavxia xaxr), weil sie zufällig ein Trimeter sein können, ein Zitat gesehen: wozu sollte Piaton einen so nichtssagenden, klanglosen Vers zitieren ? Prosarhythmus gibt es hier für ihn so wenig wie Hiatusscheu. Die Gleichgültigkeit gegen den Hiatus ist ein wichtiges Kriterium für die Abfassungszeit: ein Nachahmer würde in hohem Stile sich an den alten Piaton gehalten haben, der immer empfind- licher gegen Hiatus wird. Auf den Satzrhythmus im Ganzen hat Piaton natürlich immer geachtet, wie jeder anständige Schriftsteller, aber regellos dem Gefühle folgend. Auf die mit Thrasy machos anhebende Regelmacher ei hat er niemals die mindeste Rücksicht genommen. Verse und Versstücke findet man bekanntlich auch bei Isokrates und Demosthenes.

11. Menexenos. 129

Waffen ein. Das zielt auf die Götter Athena, Hephaistos, Prome- theus1). Poseidon mit der Zähmung des Pferdes und der See- herrschaft, den Sophokles neben Athena und die Olive stellte, ist nicht berücksichtigt; das ist Piatons Abneigung gegen die Waffe der Demokratie, die vocutixy) axoo-[iia. Seine Liebe zu der Heimatserde und sein Athenerstolz kommt in dem schönen Worte heraus, daß die Erde nur für die Athener wirklich Mutter, für alle anderen nur Stiefmutter ist, [^Tpuia; das Wort hat nicht den üblen Klang, den ihm unsere Märchen gegeben haben. Aber die ganze Partie über das Walten der Erdmutter ist tief und schön; sie kann zum Verständnis des Kultes der Ge, der Meter führen, und wer sich schon hineingedacht hat, etwa durch das Lied in Euripides' Herakleiden 748 2), wird hier nirgend stutzen, sondern sich nur freuen, am meisten über den Spruch, daß nicht die Erde dem Weibe, sondern das Weib der Erde das Gebären und Nähren nachgemacht hat. So haben es die Frauen emp- funden, die ihre Gebete um das Gedeihen ihrer Leibesfrucht an die göttliche Mutter oder Mutter und Tochter richteten; wenn sie sich ihrer erbarmen sollte, mußte die Göttin ihre Sorgen und Schmerzen durchgemacht haben. Sollten sie oder sollte selbst Piaton so klug sein, zu durchschauen, daß die mütterliche Göttin ein Exponent der menschlichen Muttergefühle ist ? Auch wer das einsieht, muß sich sagen, daß die Erde, die doch elementare Trägerin dieser Muttergefühle wird, oder, wie wir sagen, Mutter Natur in der Tat den Weibchen der warmblütigen Tiere oder

1) Vermutlich steckt in dem Lehrer der ÖtcAmv y.T7Jai<; xocl xP^al? 238 b eine bestimmte Beziehung, die mir entgeht. Daß die Namen von Göttern am Grabe nicht genannt werden durften, also lojisv yap interpoliert ist, habe ich früher bemerkt. Wer das. nicht begreifen kann, der muß den ganzen Dialog für albern halten. Ich sehe aber, daß auch die Syntax nicht verstanden wird, zum Teil wohl, weil die Interpunktion ungeschickt war. 8i8a<7xaXou<; auxwv öeoix; S7r/]y ayETO, &v t<x (iiv ävo^ara Kpixsi ev tgh toiohSe eäv [ig^sv yäp], o" tov ßiov yjixwv xaxeaxsüaaav. Wer zu dem restringierenden tiev des eingeschobenen Satzes ein Se sucht, muß es auch für Wendungen wie eyw iasv Soxw suchen. Wer Belege nötig hat, kann sie bei Ast finden. Und da soll dem Zwischensatze „deren Namen sich freilich bei einer solchen Gelegenheit zu nenen nicht schickt", die Begründung beigegeben werden, ,,denn wir wissen sie'" ?

2) Erläutert Herrn. 17, 356. Weiteres in meiner Einleitung zur Über- setzimg der Eumeniden und in Dieterichs schönster Schrift „Mutter Erde". Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Aufl. 9

130 ll- Menexenos.

vielmehr schon den Pflanzen die Erhall ung der Gattung durch das Wunder von Empfängnis und Geburt vorgemacht hat und immer vormacht. Was Piaton sagt, ist schön, weil es wahr ist, und hier ist es auch schön, daß er scharf zugespitzte Wendungen findet ; sie prägen sich dem Gedächtnis ein. Das taten auch solche des Gorgias, aber weil man über die xaxoCrjXa lachte, E-iptr^c, 6 Ilepacöv Zeuc, yvmc, s^uyoi xacpoi.

Die Nahrung, an der sich die gefallenen Bürger Athens ge- nährt haben, die ihnen die Kraft gab, die Helden zu werden, als die sie gefallen sind, war die Verfassung ihres Staates, in der sie erwachsen und erzogen waren. Da hat der Festredner vor allem zu rühmen, daß Athen immer dieselbe Verfassung gehabt hat. Die Modernen entsetzen sich, und gewiß, bei Aristo- teles (üoX. 'A0. 41) sind in langer Reihe athenische Verfassungen aufgezählt, die sich abgelöst haben. Darunter sind kurzlebige Revolutionen, die in der Tat die Kontinuität nicht abreißen, andere sind Modifikationen, die an dem Grundcharakter nichts ändern. Daß die Demokratie eigentlich seit Solon bestand, glaubte jeder Athener und Aristoteles auch; aber der Athener glaubte auch, daß Theseus mit dem Einheitsstaate Athen die Demokratie eingesetzt hätte; so lesen wir es in den Hiketiden des Euripides, so erzählte die Atthis. Es schickte sich, in einer offiziellen Grabrede die offizielle Tradition zu befolgen. Es ge- hört dazu, daß die Reihe der Könige nicht abgerissen ist, die heiligsten Opfer, die warpiai öuaiou, immer von königlicher Hand dargebracht werden. Daß es jetzt ein Wahlkönig war, verschlug nichts; ihn atpsTo? zu nennen, also das x>of)ptot. alpsTo? zu verschweigen, war allerdings schon mehr rhetorisch als ehr- lich. Nun wagt aber Piaton diese Verfassung apiaToxpaxia zu nennen. Wenn wir jetzt bei dem Worte verwundert auffahren, soll es der attische Leser nicht erst recht getan haben % Just darauf ist es berechnet. Der Redner hätte vielleicht vor dem Öopußsiv des Publikums nicht weiter sprechen können; der Schriftsteller darf damit rechnen, daß der Leser aufs höchste gespannt weiterlesen wird. Dann bekommt er zu hören, daß man auch §7)u.oxpaxia sagte und auch anders. Die Souveränität steht wirklich bei der Menge (uXtjÖcx;, dies stärkste Wort fällt), aber diese überträgt die apyoa (Ämter reicht nicht; man muß das Herrschen hören) auf die apiaxot. SoEavxsc. Damit ist der

11. Menexenos. 131

Name apiaToxpa-na im ursprünglichen Sinne gerechtfertigt. Diese Besten werden ohne Rücksicht auf Adel oder Reichtum oder Ähnliches aus der gesamten Bürgerschaft ausgesucht. Das geschieht und ist möglich, weil die Athener als Kinder derselben Mutter sich als Brüder fühlen, es unter ihnen weder Herren noch Knechte gibt. Die icroyovia xara cpucnv hat die icrovojjia xa-ra vofxov erzeugt, 239 a: der Anklang der gesuchten Wörter und die Antithese machen die Wendung zu einer rhetorischen Perle. Der Schlußsatz aber schärft noch einmal ein, daß nur die S6£a apsTvjc xai 9pov/jasto^ den einzelnen Bürger über seinesgleichen erhebt.

Zunächst ist das ein Lob der Demokratie, das so wohl klingt und so geschickt gewandt ist wie die Rede des Theseus in den Hiketiden des Euripides. Die Gleichheit aller Bürger und die durch keine Beschränkung des passiven Wahlrechts gehemmte Berufung der Besten oder, wie es immer mit Bedacht heißt, der 8oxoüvts<; apiGToi ist durch die Demokratie gewährleistet. Ob die 86£a begründet war, braucht der Lobredner nicht zu untersuchen. Daß Piaton sich geschickt aus der Affäre gezogen hat, ist un- bestreitbar; es war nicht leicht für seine Überzeugung. Wenn er auch noch kein Urteil über Verfassungen abgegeben hatte, er war doch der Neffe von Kritias und Charmides, hatte die großen Demagogen gelästert und zu sagen gewagt, daß Perikles die Athener schlechter gemacht hätte. Man wird finden, daß er aus seinem Herzen eine Mördergrube gemacht, ganz keck wider seine Überzeugung geredet habe, und dann steigt der Wunsch auf, hier möchte nicht Piaton reden.

Ich aber sage, so konnte nur Piaton reden. Ungefähr zehn Jahre später hat er den Staat herausgegeben, an dem er lange geschrieben, länger gedacht haben muß. Lese man den Schluß des dritten Buches nach. Da wird von d^suSvj ev Seovri. yevoptsva geredet : an denen hat er also keinen Anstoß genommen. Dieses Mittels wird er sich bei der Gründung seines Staates bedienen; er wird seinen Bürgern die Überzeugung einimpfen, daß sie rt y7j ^*)TK)p oücra dcv5jxev xocl vüv BzZ oiq, Tccpl [ir^pbc, xoa xpocpou ttj<; /wpac; . . . ßouXsüsaöai. . . . xal \jnkp t<ov aXXwv 7toXi.tc5v w? aSsXcpwv cvtcov xai y7)Y£vc5v SiavosZaOat (414 e). Dann wird er darüber belehren, daß von diesen Brüdern einige Gold, andere Silber, andere Erz in der Seele haben, und danach ihr Anteil an dem

132 U> Menexenos.

7roXiT£ueaGat bemessen werden muß. Die Herrschaft werden dann die apicrroi bekommen, nicht mehr die SoxoOvtec;, sondern die <puvT£<; xat rpxyivxeq. Daß keine anderen Vorzüge bei der Aufnahme in den Kreis der ap^ovre? in Betracht kommen, ver- steht sich von selbst.

Den Kritias hat Piaton nicht vollendet; wer weiß, wie lange er den Gedanken in seinem Herzen getragen hat, seine geliebte Vaterstadt in der Urzeit die wahre Verfassung in einem Kampfe gegen die Poseidonsöhne der Atlantis verteidigen zu lassen, eine ideale Steigerung des Kampfes von Marathon gegen die Asiaten. Steht es ihm übel zu Gesicht, wenn er den Athenern schon einen Teil des Mythos vorträgt, der ja aus ihrem Mythos er- wachsen war, und daß er aus dem demokratischen Stolze auf die layjyopia so viel nimmt, wie auch für seinen" Staat zutrifft, in der §6£a aps-rr^ aber eine Einschränkung zufügt, die für die Hörer kaum vernehmlich in seinem Sinne den entscheidenden Gegensatz zwischen Schein und Wahrheit hineinträgt ?

Nun kommen die Taten, die für die Freiheit, die eigene oder die der Hellenen. Zuerst die mythischen Kämpfe, die von den anderen breit behandelt wurden; Piaton begründet ihre Über- gehung damit, daß er mit ihrer Verherrlichung durch die Dichter nicht wetteifern könne; er wolle also behandeln, was von den Dichtern würdig noch nicht behandelt war; vielleicht gebe das den Anstoß olKKqic, kc, 6>i§a<; re xod tt]v aXX/jv 7roi7]<nv auxa Oeivoc. 7cp£7r6vTfo<; rcov 7tpa£avToov (239 c). Auch dies soll in Piatons Munde unmöglich sein, weil Herakleides berichtet hat, von Piaton beauftragt worden zu sein, in Asien die Gedichte des Antimachos für Piaton zu kaufen, während Choirilos populär war, der also dem Piaton nicht genügte (Proklos zu Tim. 90 aus Longin). Als ob nicht eben dies Urteil über Choirilos hier stünde: es hat ja noch kein Dichter der Perserkriege Itc' <x£,ioic, d^iav 86£av erhalten. Es trifft ebensosehr die Perser des Timotheos, damals ein vielgesungenes modernes Werk, und da wissen wir, wie ver- dient die Kritik ist. Daß Piaton den Stoff für ungeeignet ge- halten hätte, steht nirgends. Aber wer hat denn den Kampf gegen Eumolpos, für die Herakliden und die Leichen der Sieben würdig behandelt ? Doch wohl die Tragödie. Wenn hier emp- fohlen wird, die nationalen Heldentaten eiq onSocq xat, tt)v ocXXtjv 7coi7)(jiv Ö£tvat, so schließt das freilich keine Gattung aus, aber

11. Menexenos. 133

die Gesänge stehen doch zuerst. Die herrschenden Gattungen waren Tragödie und Dithyrambus: denen weist er den Stoff; hatte er nicht recht, recht auch darin, daß die Perserkriege bereits in mythischem Schimmer lagen? Sie behandelt er zu- nächst und scheut sich nicht, sie in dieser Beleuchtung zu zeigen. Zuerst freilich hebt er mit voller Einsicht in die wirklichen Macht- verhältnisse die ungeheure Ausdehnung des Perserreiches hervor *). Dann (240 b) kommt die Fabel von dem Kesseltreiben, durch das alle Eretrier gefangen wurden; in den Gesetzen, 698 d, klingt das etwas anders, aber die ganze Behandlung der Schlacht von Marathon, der hier und dort der breiteste Raum gegeben wird, zeigt doch die engste Verwandtschaft. Wer den Menexenos athetierte, mußte Benutzung der Gesetze annehmen. So geht es weiter über Salamis und Plataiai. Das Lob der späteren Kämpfe ist schon stark gedämpft. Ihr Erfolg ist, daß der Perser an seine eigene Sicherheit denkt und die Hellenen in Ruhe läßt. Damit (242 a) wird der Übergang zu den hellenischen Kriegen gemacht, von denen als erste die Schlachten bei Tanagra stehen. Die fallen freilich früher als die letzten Perserkämpfe und der Kallias- friede, wenn man den in den letzten Worten des vorigen Ab- schnittes sucht, wozu kein Zwang vorliegt. Das ist eine Folge der Trennung der beiden Gruppen; der kleine Verstoß gegen die Zeit brauchte den Festredner nicht zu schrecken. Man begreift aber leicht, daß eine solche Teilung häufig gemacht ward und dann unkundige Leute zu der Verrückung des Kalliasfriedens dicht hinter die Eurymedonschlacht verführte 2). Darum darf man doch hier den Fehler nicht hineinlesen.

Die hellenischen Kriege erscheinen in ganz anderer Be- leuchtung als bei Thukydides; das ist recht wichtig. Der erste wird nicht im ganzen behandelt, sondern nur die Schlacht bei

x) 239 d, 8ti Bi) <xütt)v (tvjv apsT7,v tcöv 'A0?jvaicov) iSeiv, ei [zeXXsi. Tl? xaXco? ettouveTv, ev Exdvcu tcüi XP^VWI Y£V6[JL£V0V XöyaH. Man muß sich in Gedanken in die damalige Situation versetzen. So sagen wir; das steht da, aber auf Griechisch. Xo-fon ist Gegenteil von ipyoa. Sehen soll man die aperr; wie ein Zeitgenosse; das kann man nur durch X6yo<;: was wir sehen sollen, sind X6y&H öscoprjTa, einen stoischen Ausdruck zu brauchen, der bekannter ist. Die Kritiker haben sich an dem Satze unglaublich versündigt.

2) Schwartz Herrn. 35, 112. Die schöne Analyse der Überlieferung von der Eurymedonschlacht wird nicht wesentlich beeinträchtigt, wenn dem Menexenos sein Recht geschieht.

134 11- Menexenos.

Tanagra-Oinophyta mit stärkste]- Trübung der Wahrheit heraus- gehoben. Wir wissen, daß für diese Schlachten ganz besonders stattliche Monumente im Kerameikos standen. An diese erinnert er; so oft er von der Akademie zur Stadt ging, kam er an ihnen vorüber. Nicht ohne Grund erscheint dieser Kampf, von Athen aus betrachtet, als der erste Gang des ,,Peloponnesischen Krieges". Der zweite ist der Archidamische Krieg, der für Athen siegreich endet, als Überwindung zwar nicht aller Hellenen, aber der Lakedaimonier. Auch aus Thukydides kann man entnehmen, daß der Nikiasfrieden seiner Zeit so aufgefaßt ward. So hat es Piaton als Knabe gehört : seine ersten deutlichen Erinnerungen stammten aus der Friedenszeit, die Thukydides von seinem historischen Standpunkt aus mit Recht als einen faulen Waffen- stillstand betrachten lernte. Dann der letzte Krieg; da klingt die Äußerung über die sizilische Expedition an das Epigramm auf dem Grabe ihrer Opfer an : das stand auch am Wege von der Akademie zur Stadt; es war von Euripides oder galt doch für sein Werk x). Wenn Piaton hinzufügt, daß die Gegner dieser Athener, also die SjTakusaner, deren coocppocüvri und aper/) priesen, soll das eine leere Phrase sein, oder hören wir nicht den Piaton, der eben in Syrakus das Urteil über seine Landsleute kennen ge- lernt hatte, von denen mancher in der Fremde als Knecht oder Freigelassener geblieben war 2) ? Aus dem Dekeleischen Kriege wird die Schlacht bei Kyzikos hervorgehoben, die Erfolge am Hellespont, die den Alkibiades als Sieger nach Athen heimführten. Damals hat Piaton den dämonischen Mann gesehen, damals den gewaltigen Eindruck empfangen, dem er so beredt Ausdruck ge- geben hat. Er hat den Jubel über den Arginusensieg erlebt; auch den Rückschlag, den er hier nicht erwähnen darf. Wider Erwarten kam trotzdem der völlige Zusammenbruch, den er der inneren Zwietracht zuschreibt. So hat man sich ja trösten wollen.

*) 213 -aeiotoc rpozaia aT7]aavT£<; ürcep ttj<; Aeovtivcov zkzvQzpirxq. Epi- gramm des Euripides bei Plutarch Nik. 17 o'i'Se Sopaxoato>.K; oxtw vly.ccc, e/.paTY)- aav ävSpsq.

2) Plut. Nik. 29. Den gefangenen Athenern eßorjOst. r, re aiSw? xal y.oajiiov. 7] yap Y)Xsu6epoövTO -utxxzioq r\ Ti\iö)[izvoi 7iapqj.evov toic; y.zy.-T^J.ivoiq. Diodor 13, 33 klingt an; es wird bei ihm über Ephoros auf Philistos zurück- gehen, bei Plutarch wohl direkt aus diesem genommen sein, sonst durch Vermittlung.

11. Menexenos. 135

Endlich die oligarchische Revolution, deren Führer seine Ver- wandten waren, ihr Untergang und die Versöhnung. Für diese findet er warme Worte, und ist es nicht wirklich schön, wenn er darum zu beten auffordert, daß die auf beiden Seiten Gefallenen sich im Hades ebenso versöhnen möchten, wie die Lebenden sich auf die Amnestie geeinigt haben1)? Die Herstellung der Ein- tracht wird als gegenwärtig geltend behandelt. Das war ein frommer Wunsch; die- 'Radikalen hatten längst eine wüste Hetze angefangen, und das Gedächtnis des Kritias blieb verfehmt. Piaton hatte freilich seiner im Charmides zu gedenken gewagt; wie zuwider ihm Lysias sein mußte, kann man sich hiernach denken. Ganz unverkennbar ist, daß diese Partie nur bald nach den Ereignissen, und zwar von einem, der sie durchlebt hatte, geschrieben ist. Schon an der Erwähnung des Krieges mit Eleusis merkt man es, von dem wir erst durch Aristoteles' II oX. 'A0. etwas mehr erfahren haben.

Die Beurteilung der letzten Geschichte bis zum Königs- frieden ist vollends die eines Zeitgenossen, und sie gibt für die Politik des Tages Richtungslinien. Athen hätte sich auf den Krieg der hellenischen Staaten gegen Sparta nicht einlassen sollen. Das Ende ist gewesen, daß die anderen Staaten den Königsfrieden annahmen, der schon 392 den Verzicht auf die Hellenen Asiens als Bedingung gestellt hatte, damals aber noch von Athen abgelehnt war. pa blieb Athen nichts übrig, als sich zu fügen; es behielt aber wenigstens Mauern und Flotte und die drei Inseln. Dabei muß und kann man sich beruhigen 2).

1) Das Gebet richtet sich an die xpocTOÖvTet; ocutwv, die Götter drunten, in deren Reiche die Toten nun weilen (244 a). Wieder werden die Götter nicht genannt und dunkel bezeichnet.

2) 245 e vaüt; xat tsi/t) iywxzc, xai . . . ocr^Xäy^zM outw? äyaTc^Ttö«;- (#Ya7H)T<5<;) 8' a;7r»)XXdcTTOVTO xoä 01 icoX£(uol: „aber wir verloren treffliche Bürger". Zu der Herstellung der unglücklich behandelten Stelle ist die Hauptsache, daß man einsieht, wie die beiden Adverbien stehen, nämlich daß mit rAzojq die Partizipia aufgenommen werden; es liegt dem Redner daran, die Aktiva des Friedens stark zu betonen, damit die Athener sich Von ihm befriedigt fühlen können. Das zweite ist, daß man in der Be- merkung über die Feinde einen Zwischengedanken und einen Zwischen- satz erkennt. Daher steht das Imperfektum; man wird es verstehen, wenn man sich's in einen genetivus absolutus umsetzt, o^ouo? a-aXXaxTOfiivcov xal tüv TroXejJUcov. Dann weiß man auch, daß etwas fehlt, und daß der Gedanke

136 11. Mcni'xcnoB.

Platon, der Feind der Seeherrschaft und jeder expansiven Politik, hat schon in der Jugend gelernt, Athen müßte wieder der solo- nische Kleinstaat werden. So hat er keine Sympathie für die Unternehmungen des Thrasybulos. und seiner Flotte, die daher keine Erwähnung finden; sie hatten sich auch während seiner Abwesenheit zugetragen. Dabei empfindet er doch als Schande, daß die Hellenen Asiens preisgegeben sind, 245 c. Aber not- gedrungen stellt er sich auf den Boden der Verhältnisse, wie sie 386 faktisch lagen. Über Spartas Bedrückung der Hellenen nach seinem Siege fällt ein scharfes Wort, 244 d; man fühlt, daß sein Druck auch jetzt schwer empfunden wird, aber damit muß man sich abfinden. Wie das Verhältnis zu Persien gedreht wird, die Hilfe, die Konon mit persischer Macht und persischem Gelde den Athenern brachte, verschwiegen wird, das sind gewiß sophi- stische Künste, und nicht anders ist zu beurteilen, daß Athen ,,für die Parier" den Krieg gegen Sparta aufgenommen haben soll, also edelmütig, aber unklug für einen mißhandelten Klein- staat wider einen übermächtigen Gegner auf den Plan getreten sei. Wir kennen die Geschichte nicht, hören nur durch Isokrates (Aegin. 18), daß riaotvo? napov xa-riXaßev, was um 394/93 statt- gefunden haben muß. Mit Absicht läßt Platon irgendeine Baga- telle den letzten Anstoß zur Kriegserklärung bilden, die er miß- billigt. Kein Wunder, daß wir bei unserer lückenhaften Über- lieferung nicht mehr wissen; die parier durch Konjektur zu vertreiben, gibt das kein Recht1).

Der Abschluß des historischen Teiles klingt matt; das war unvermeidlich, weil zu der jetzigen Leichenrede gar kein Anlaß vorliegt : es sind ja keine Toten da, die es jetzt zu bestatten gilt ; die letzte erwähnte Schlacht liegt Jahre zurück. Man hat nur

~> war, die Feinde haben ebenso abgeschnitten. Das verschleiert die unlieb- same Tatsache, daß in dem Frieden und seinen schönen Phrasen von Autonomie die Preisgabe Asiens und die Vorherrschaft Spartas lagen. Aber das ist ja die Tendenz der Rede. So bleibt nur die Frage, was zu ergänzen ist. Ich habe mich für eine Form entschieden, die an dem Sinn keinen Zweifel läßt und den Ausfall ebenso leicht erklärt, bin aber nicht sicher, ob es nicht genügt, nur M hinter a7ry]XXaxTOVTo zu stellen.

*) Die einzig erwägenswerte Änderung ist Schönborns \)iztp rivTcov, aber den Eigennamen brachte schwerlich ein Schreibfehler herein, und wahrscheinlich ist auch nicht, daß er durch die Verbesserung eines Schreib- fehlers entstand.

11. Menexenos. 137

den Eindruck, daß der erwähnte Friede der letzten Kriegsepisode eben ein Ende gemacht hat.

Nun wendet sich der Redner an die Nachkommen der hier Ruhenden, das sind also alle Athener, mit einer langen Mahn- rede, der Väter würdig zu leben, nicht bloß im Kriege. Er ver- spricht in der Zukunft jeden, mit dem er zusammentrifft, daran zu mahnen, daß er sich Mühe geben müßte elvai <!><; Äpia-rov, 246 c. So schickt es sich in der apiaxoxpaTLa. Was für ein Redner kann ein solches Versprechen geben ? Doch nicht ein Dion oder Archinos, sondern ein Sokrates oder ein Piaton, einer, der als seinen Beruf empfindet, sein Volk zur apsxy) zu erziehen. Für diesmal kleidet er die Ermahnung in die Form einer Anrede durch die Gefallenen; damit wird sie von selbst zunächst an ihre Söhne gerichtet, wird ein Tcpozpenxiy.be, Xoyo<;. Die Prosopo- pöie befremdet uns nach der Rede der Gesetze im Kriton nicht. Hier kann keine Aufforderung zum cptXoaocpetv stehen, also bleibt es ziemlich bei Allgemeinheiten; aber wenn Reichtum, Schönheit und Leibeskraft als die Güter aufgeführt werden, die ohne apenr) niemandem gut stehen, so sind wir aus Piatons Dialogen an die Erwähnung dieser Güter gewöhnt. Und es werden doch Sen- tenzen geprägt, um die ihn ein jeder Rhetor beneiden könnte, reaaa s7UGty)(j.7] x<opi£ofjiivy) SixoaoGUVYj«; 7iavoupyia, 246 e. „Daß die Eltern in Ehren stehen, ist für den Sohn zwar ein Schatz, aber den darf er nicht verbrauchen, sondern muß ihn seinem Sohne weiter vermachen," 247 b.

Noch weniger mag uns die Mahnung an die Eltern, 247 c ff., befriedigen. Thukydides hat da stärkere Töne gefunden. Piaton hat eben das individuelle Glück auf den Frieden der individuellen Seele mit Gott und mit dem Dämon in der eigenen Brust allein begründet. Weil er selbst einsam im Leben stand, schlägt, er die menschlichen Verbindungen mit den nahestehenden Menschen gering an und berührt sich mit der allzu egoistischen Lebensrege- lung und Lebensführung der späteren Philosophen, die meist auch so einsam lebten. Für die Witwen hat er überhaupt kein Wort, kein Wort für den Schmerz, " die nie verlöschende Sehnsucht nach den lieben Verlorenen. Als er um Dion klagte, hat er doch anders fühlen müssen

Den Abschluß bildet die Fürsorge des Staates für die Kriegs- waisen, 248 e ff., bis sie die Rüstung des Hopliten vom Staate

138 11« Menexenos.

erhalten und mit der Verwaltung ihres Erbes in die Reihe der Bürger treten, dann die sonst wohl nicht erwähnte, aber als Ergänzung notwendig vom Gesetze vorgesehene yyjpoTpocpia für die ihres Ernährers beraubten arbeitsunfähigen Eltern1), endlich der Schmuck der Leichenspiele. Die Aufforderung, den Abschieds- ruf an die Toten zu erheben, wie bei Thukydides, schloß offen- bar herkömmlich die Rede.

Wir haben sie durchmustert; an dem Verfasser wird, denke ich, kein Zweifel geblieben sein, auch kein Zweifel, daß sie eben das ist, was sie sein will, eine Leichenrede, so gut oder schlecht wie alle anderen, die sich 386 gehalten gibt, berechnet auf die Zeit, die sie voraussetzt. Von Parodie der Rhetorik, von ironischer Behandlung des Inhaltes oder der Form zu reden ist nur ein Beweis dafür, daß der Kritiker sowohl Piaton wie- Isokrates und seine Leute immer nur durch moderne Brillen gesehen hat.

Aber dann deutet ja nichts in der Rede darauf, daß sie von Sokrates ist, der dreizehn Jahre vor ihrer Zeit gestorben ist. Nichts deutet darauf, daß sie nicht ganz ernst gemeint wäre, daß ein erläuternder Dialog zu ihr gehörte, der mit diesem Ernste streitet. Daher liegt der Gedanke wirklich nahe, dieser Dialog wäre unecht.

Menexenos kommt vom Rathaus und trifft den Sokrates. der sich verwundert, was der junge Mann da zu tun hat. Der hat sich nur erkundigt, wer an den Epitaphien reden soll, Archinos vermutlich oder Dion 2). Da legt Sokrates mit einer höhnischen Rede los über die schönen Reden und hohen Töne, die die Redner anschlagen zu Ehren von Toten, die oft diese Lobsprüche schwer- lich verdienen, und zu Ehren des Volkes, das da zuhört und

x) Hierüber zu wachen steht der (jisytcrTT) apxh zu> 248 e, also dem 3 Archon. Aristoteles erwähnt es nicht, aber es fällt notwendig unter seine Aufsicht über die Familien; die Sorge für die Waisen überhaupt und ihr Erbe steht auch bei Aristoteles. Die Leichenspiele richtet der Polemarch aus. 2) Dion ist nicht weiter bekannt, wird aber derselbe sein, der 392 als Gesandter zu Teribazos geht, Xenophon Hell. 4, 8, 13. Wann Archinos ge- storben ist, wissen wir nicht; an der Staatsleitung hat er im Korinthischen Kriege keinen Anteil mehr. Da in seiner Familie später der Name Myronides erscheint (Demosth. 24, 135), hängt er vielleicht mit dem alten Feldherrn dieses Namens zusammen. Archinos war ix KoiXtji;, aus einem vorstädtischen Demos; die Herkunft des alten Myronides läßt sich nicht bestimmen.

11. Menexenos. 139

von den Schmeicheleien schwindlig wird. Solche Rede vor den Athenern zu halten wäre eine Kleinigkeit, selbst aus dem Steg- reife, denn sein Lob glaubt jeder gern. Er könnte das selbst. Hätte er doch die besten Lehrer gehabt, Aspasia (235 e) und den Kitharisten Konnös. Aspasia hätte dem Perikles seine Leichen- rede gemacht; ihn hätte sie auch eine solche auswendig lernen lassen, so schwer es ihm gefallen wäre. Die läßt er sich nach geringem Sträuben herbei vorzutragen.

Dies Vorwort setzt den Wert jeder Leichenrede tief herab, als rednerische Leistung und als Lobrede. Dies muß seine Haupt - absieht sein. Es geschieht durch die absprechende Beurteilung des Sokrates, mit der sich doch schlecht verträgt, daß er sich so viel Mühe gegeben hat, bei Aspasia eine Leichenrede zu lernen; fast hätte er Prügel bekommen wie ein Schulknabe. Wie kommt er überhaupt dazu, rhetorischen Unterricht zu nehmen? Daß er bei Konnos die Leier spielen gelernt hat, erzählt er auch im Euthydem 272 c, 295 d; er hat sich dabei ungeschickt angestellt. Konnos war ein Kitharist oder Kitharode, über den sich die Komödie lustig machte, zu derselben Zeit, wo sie anfing, Sokrates zu beachten1). Ameipsias hat zugleich mit den Wolken des Aristophanes einen Konnos aufgeführt, in dem ein Chor von Sophisten vorkam und auch Sokrates nament- lich verspottet ward. Sokrates spricht im Euthydem von seinen <7U[jLcpotTy)Tai : das konnte dieser Chor sein. Man kann sich's kaum anders denken, als daß Piaton den Unterricht bei dem armen und erfolglosen Musikanten aus der Komödie des Ameipsias ge-

1 ) Der Artikel in Kirchners Prosopographie ist unvollständig. Schol. Wesp. 675 (Hesych. Suid.). Dramentitel des Ameipsias und Phrynichos. Kowo; MvjTpoßiou ist Athener, sonst würde er nicht einen Vatersnamen haben; man möchte ihn von dem alten Geschlechte der KowiSai nicht trennen, deren Ahn Pädagoge des Theseus war. Ich ziehe diese, bei Plutarch überlieferte Namensform vor; Töpffer Att, Geneal. 310 hat sich für KovsTSat, entschieden, aber Kovsü? klingt unwahrscheinlich. Zu dein Wortstamme gehört auch Kovcov. Wenn die Komiker Kovvä? für Kovvo; sagen, so verdrehen sie den attischen Namen, vielleicht mit einem Hiebe auf fremde Herkunft, und nicht ohne Grund, denn Mrtz?6$ioq heißt nach der Götter mutter, und das ist im alten Athen nicht üblich. Das spricht gegen die Verbindung mit den Kowtöai. Bergks Einfall, den Vater MTjTpoßiot; mit dem yptl[hlolzz<>c, des Kimon in der Archilochoskomödie des Kratinos zu identifizieren, schwebt in der Luft.

240 11- Menexenos.

nommen hat; Sokratos ironisiert sich selbst. Ist aber Konnos ein schlechter Lehrer, so kann Aspasia nichts Gutes sein. Das bestätigt sich darin, daß Sokrates sagt: „Auch wer einen schlechteren Unterricht als ich genossen hat, in der Musik bei Lampros, in der Rhetorik bei Antiphon, muß mit einer Lobrede auf Athener vor Athenern Glück machen." Denn Antiphon ist nun einmal der vorzüglichste Redner der sokratischen Zeit ge- wesen: das konnte niemals fraglich sein. Lampros ist auch ein berühmter Musikers als solcher steht er neben Dämon bei Nepos Epamin. 2; er darf von dem Lehrer des Aristoxenos (Suid. VApiar.) nicht getrennt werden; Aristoxenos (Ps.-Plutarch vr. \lomg. 30) nennt selbst den Lampros neben Dionysios von Theben, dem Lehrer Piatons, unter den klassischen Meistern.

Auf Aspasia wird also die Rede zurückgeführt^ um sie herab- zusetzen. Dazu paßt der Schlußdialog. Da sagt Menexenos, dem die Rede trotzdem Eindruck gemacht hat: „Aspasia kann sich gratulieren, wenn sie die Verfasserin ist"; aber er kennt sie zu gut, um das zu glauben. Er ist der Verfasserin oder dem Ver- fasser dankbar, und vor allem dem Sokrates, der die Rede ihm vorgetragen hat. Sokrates verteidigt ihre Urheberschaft und will noch andere politische Reden von ihr mitteilen, wenn Menexenos ihr nur nichts davon sagt. Das ist der zufrieden.

Offenbar ist der Epilog dazu da, die Verfasserschaft der Aspasia aufzuheben. Sokrates hat geschwindelt, genau wie er im Euthydem 291 a schwindelt, eine kluge Antwort käme von Kleinias, was Kriton genau so durchschaut wie hier Menexenos; der eigentliche Urheber bleibt auch ungenannt, and doch kennen wir ihn wohl. Das ist also eine sehr platonische Wendung. Piaton verrät also doch absichtlich, daß die Rede sokratisch ist. Das macht den Widerspruch zu seiner allgemeinen Kritik solcher r Reden nur stärker. Und nun kommt der tolle Verstoß gegen die Chronologie hinzu; Sokrates ist zu lange tot, und Aspasia, die dem Perikles um 437 spätestens einen Sohn geboren hat, deren Bedeutung mit dem Tode des Perikles für die Öffentlich- keit natürlich zu Ende gewesen war, wird 386 auch nicht mehr Schule halten. Mit diesem Anachronismus sind die kleinen Ver- sehen, die dem Platon in dieser Richtung passiert sind, oder die er sich bewußt erlaubt hat und erlauben durfte, lauter gleich- gültige Nebendinge, gar nicht zu vergleichen. Dies ist ja bei-

11. Menexenos. \£\

nahe so, wie die Erwähnung des Kitharoden Stratonikos im Sisyphos. Muß da nicht wirklich die Rede von dem umgebenden Dialoge befreit werden ?

Aber eben aus dem Dialoge zitiert Aristoteles in der Rhetorik zweimal eine Stelle (1367 b, 1415 b), und es ist bare Willkür, an einen anderen Ursprung des Wortes als aus dem Menexenos oder an einen anderen Verfasser des Dialoges als Piaton in der Vorstellung des Aristoteles oder an eine Täuschung des Aristoteles zu denken.

Ich glaube, schon bei Xenophon . ist eine Reminiszenz des Menexenos zu finden, die vergröbernde Aufnahme eines Motivs. Sokrates erzählt hier von seinem Musikunterricht bei Konnos und erklärt dem Menexenos, auf sein Verlangen würde er sogar nackt tanzen, d. h. er könnte ihm auch das Äußerste nicht ab- schlagen. Bei Xenophon im Symposion 2, 16 hat er Lust, bei dem Syrakusaner Unterricht im Tanzen zu nehmen; er treibt es als Zimmergymnastik schon zu Hause; Charmides, Hatons Onkel, hat ihn dabei betroffen. Ich kann nicht umhin, diese Erfindung aus dem Menexenos abzuleiten.

Es hilft nichts. Piaton hat die Rede ganz ernsthaft ge- schrieben und hat ihr doch die unbarmherzigste Kritik voraus- geschickt, nicht weil sie schlecht wäre, sondern weil sie eine Rede ist, und weil sie den Beifall der Menge erschmeichelt. Er hat sie auf jemand anders zurückführen müssen, weil Sokrates keine Reden hielt, und er hat sie auf Aspasia zurückgeführt, um sie noch mehr herabzusetzen. Aber sein Nachwort hebt diese Fiktion doch wieder auf, läßt auch ihren Wert nicht so gering erscheinen. Das ist ein rätselvoller Widerspruch. Und dazu der offenkundige Widersinn, daß Sokrates und Aspasia 386 reden sollen. Damit war dem Leser ein Rätsel aufgegeben; das sollte der doch fähig sein zu raten. Was wird er sich gesagt haben? Vor allem, die Rede ist von Piaton, Piaton redet 386 über Athen und seine Politik. Er schreibt nur EwxpaTMtoi Xoyot, daher die dialogische Einkleidung. Er hat den Sokrates immer die langen Reden ablehnen lassen, die Rhetorik hat er noch jüngst im Gorgias als Schmeichelkunst verworfen. Daher setzt er die eigene Epideixis in seinem Vorwort selbst herab, setzt sie auch als Weiberwerk herab; aber daß es ihm damit nicht so sehr ernst ist, zeigt der Epilog. Darin verspricht er weitere politische

1^2 U- Menexenos.

Reden. Ob das ernst gemeint ist ? Ob er sich als Publizist auf- tun will ? Das konnte der Leser sich sagen und sich fragen, und damit hatte er auch getroffen, was Piaton wollte. Ob er freilich an der Mystifikation so viel Gefallen fand, wie der Ver- fasser gehofft hatte, ist fraglich. Piaton hat den Versuch nicht wiederholt .

Wir müssen noch weiter fragen. Wie kam Piaton zu dieser Mystifikation, die sich am Ende halb und halb selbst aufhebt? Die Antwort ist gegeben, wenn die Rede verstanden ist. Piaton wollte sich wirklich mit den Publizisten des Tages, den Rhetoren, messen, wollte zeigen, daß er nur zu wollen brauchte, um es auf ihrem Felde mit ihnen aufzunehmen. Er will auch Stellung zu der Politik nehmen, das Vergangene kritisierend, die Gegen- wart beleuchtend. Aber Rhetor will er nicht sein, wenn er es auch offen läßt, ob seine Aspasia noch mehr politische Reden auf Lager hat. Daher fügt er den Dialog hinzu und erklärt solche Reden für leichtes Spiel. Sie wiegen ihm ja auch wirk- lich leicht; solche Mahnreden führen nicht zur Erkenntnis, be- freien die Seele nicht. Rede kann das SiaXeyeaOaL nicht ersetzen. So ist es Gewissenspflicht, den Leser vorher daran zu mahnen, daß er hier anderes und Geringeres findet als in den wirklichen Dialogen. Dabei ist etwas Zwiespältiges herausgekommen; wir erhalten durchaus keinen reinen Eindruck, gerade wenn wir auch den Dialog als Werk Piatons verstehen. Die Schrift hat auch nicht den erhofften Erfolg gehabt. Piaton hat auf die Politik und die politische öffentliche Meinung keinen Einfluß ge- wonnen. Der Menexenos legt Zeugnis ab für eine kurze Epi- sode in Piatons Tätigkeit, einen Seitenweg, vielleicht Holzweg, auf den seine Schrift st ellerei geriet. Darin liegt seine Bedeutung für Piaton; daß er nebenher doch auch für die Geschichte nicht unwichtig ist, auch seines Verfassers durchaus nicht unwürdig, hat sich hoffentlich gezeigt.

Ein Beiwerk ist Aspasia. Für Piaton rangiert sie mit Konnos; daß sie den Perikles gebildet hätte, glaubt er nicht mehr, als daß sie dem Sokrates Unterricht erteilt hat. Er hat sich den Konnos aus der Komödie geholt; auch diese Aspasia mußte er irgendwoher nehmen. Die Hera oder Omphale oder Deianeira der Komödie war eine andere, eine ionische Hetäre, die freilich nichts Gewöhnliches war, wenn sie den Olympier

11. Menexenos. ^43

beherrschte. Aber sie war keine Sophistin, Lehrerin, die einen Salon hielt, in dem, sogar anständige Frauen verkehrten. Wir können jetzt, wo Dittmar das Material für die Aspasia des Aischines zusammengetragen hat, nicht zweifeln, daß dieser Dialog diese geistreiche Aspasia geschaffen hat, die den Perikles und nach seinem Tode den Demagogen Lysikles zum Redner bildet und als Witwe sozusagen auch Sokrates, Kallias und Xenophon mit Frau bei sich empfängt und über die weibliche Erziehung sich verbreitet. Diese Aspasia nicht nur, sondern auch die ungenierte Vernachlässigung der Zeiten hat Piaton übernommen; einmal und nicht Mieder hat er diesen Weg be- schritten. Schwerlich war seine Absicht dabei, dem Aischines ein Kompliment zu machen, denn er hielt nichts von der Weis- heit Aspasias, und Herabsetzung des Alkibiades war auch nicht nach seinem Sinne. Aber es gab ihm einen Ausweg aus der Notlage, in die ihn der Wunsch brachte, seine Rede in einen sokratischen Dialog zu stellen. Später hat er im Parmenides einen ganzen Bau von Fiktionen errichtet, um eine eigene Er- findung als chronologisch möglich erscheinen zu lassen. Manchem wird die offene Vergewaltigung im Menexenos zwar auch nicht gut. aber doch besser gefallen.

12. Menon.

Menon von Larisa erscheint, wie es dem thessalischen Herrn zukommt, begleitet von einer Schar von Sklaven; was er bei seinem kurzen Aufenthalt in Athen sucht, erfahren wir nicht; Anytos ist sein Gastfreund. Er ist mit dem Haupte der Aleuaden Aristippos befreundet, gilt für dessen spcofxevos, obwohl er über die Jahre hinaus ist (76 b), was ihm als Kompliment gesagt wird. Sein Haus ist dem Großkönig durch Gastfreund- schaft verbunden, natürlich von Xerxes her. Auf seinen Zug gegen Artaxerxes deutet nichts, aber von dem wußte jeder Leser; vermutlich nahm Piaton und nahm man allgemein an, daß ihm diese Gastfreundschaft das Leben gerettet hatte, als er mit den anderen Söldnerführern durch Tissaphernes gefangen ward. Ktesias (44 a bei Photius, Plutarch Artax. 18), dessen Geschichte wohl schon erschienen war, wird das berichtet haben; jedenfalls war Menon noch nicht getötet, als Ktesias 398 den Perserhof verließ, und ob er es überhaupt ward, ist fraglich, da Xenophon, Anab. 2, 6, 29 es nur mit XeysTat berichtet; die Zeit, ein Jahr nach Kunaxa, kann jedenfalls nicht stimmen, denn zu lügen hatte Ktesias keine Veranlassung; wenn Menon aber nicht zurück- kam, entstand das Gerücht leicht, wenigstens bei denen, die ihm den Tod gönnten wie Xenophon, und daß er ein Verräter war, wird von Ktesias noch offener als von diesem gesagt. Die Beurteilung der Person ist bei Piaton und Xenophon ganz ver- schieden, und im Altertum hat Herodikos (Athen. 505 a) bei Piaton beabsichtigten Widerspruch gegen Xenophon gefunden; gegenwärtig ist das Umgekehrte behauptet (Bruhn in den Xapt-xs? für Leo). Eine Entscheidung ist nicht möglich, denn der einzige vergleichbare Zug, daß Menon bei Piaton ein verblühter epa>[xevo<; ist, bei Xenophon einen solchen hat, gibt nichts aus. Xenophons Gehässigkeit wird durch die eigenen Erfahrungen hinreichend

12. Menou. 145

erklärt, und eine greifbare Berücksichtigung platonischer Worte ist nicht vorhanden. Piaton charakterisiert den Menschen Menon überhaupt nicht. Für ihn ist er nichts als der Schüler des Gor- gias, der diesen vertritt; dazu brauchte er einen Thessaler, nahm den bekannten Mann und beschränkte sich auf die Äußerlich- keiten, die damit gegeben waren. Unmöglich ist ja nicht, daß Menon wirklich einmal in Athen aufgetreten war. Es ist daher am wahrscheinlichsten, daß beide unabhängig voneinander sind, und das wird auch durch die Abfassungszeit der Schriften nahe- gelegt. Denn der Menon wird um 384 verfaßt sein, und daß Xenophon seine Selbstverteidigung unter dem Namen Themisto- genes nicht nach seiner Vertreibung aus Skillus, sondern ganz früh, bald nach seiner Heimkehr nach Hellas, verfaßt hat, halte ich für sicher, für sehr wahrscheinlich, daß diese Anabasis des Themistogenes sehr viel kürzer war als die, welche uns vorliegt. Dann hat Piaton nach Xenophon geschrieben, kannte aber die Anabasis des Themistogenes nicht, die ihm übrigens auch gleich- gültig gewesen sein wird.

Gorgias wird mit derselben Rücksicht behandelt ^ie früher; möglicherweise lebte er noch als Greis von über hundert Jahren. Ebenso wie früher wird mit Entschiedenheit behauptet, daß er nichts als Redelehrer sein will, also nicht Tugendlehrer1). Das war früher geschehen, damit von der Unsittlichkeit seiner Schüler kein Schatten auf ihn persönlich fiele; auch hier soll er bei der Frage nach den Tugendlehrern aus dem Spiele bleiben. Es ist sehr fraglich, ob ihm selbst diese Rücksicht willkommen war; sein Großneffe wird doch in seinem Sinne gesagt haben, was er unter die olympische Statue schrieb : Topyiou aaxyjffai tyu'XJiv apeT9j<; ic, dycöva? oüSeu; 7rco OvtqtgSv xaXXtov' sOps ts/v/jv (Inschr. Olymp. 293). Piaton führt von Gorgias auch eine Definition der Farbe

1 ) 95 b. Wenn Gorgias in seinem Dialoge 460 a zugeben nmß, nötigen- falls würde ein Schüler auch bei ihm über Recht und Unrecht Belehrung finden, so ist das ein ihm sehr unwillkommenes Zugeständnis, zu dem ihn Sokrates zwingt, und sofort springt P0I03 ein und nimmt es zurück. Es ist ein kaum begreifliches Mißverständnis, sich daraus gar eine Gegen- schrift des Gorgias zu konstruieren, die auf Piatons Menon eingewirkt hätte. Das ist an sich ein Unding; der hundertjährige Mann konnte doch nicht mehr die neuen Wege der Literatur einschlagen, und am wenigsten konnte er verleugnen, was das olympische Epigramm an ihm rühmt. Wilamowitz, Piaton. Bun.1 II. 2. Aufl. 10

}46 12. Menon.

an (76 d) und tadelt ihren „tragischen", Avie wir sagen, poetischen Stil1). Es scheint mir ein zu rascher Schluß, sie in ein philoso- phisches Buch, etwa gar das speptische zu versetzen/ denn der Sophist konnte einen solchen Schmuck ganz wohl in einer Prunk- rede anbringen. Jedenfalls liegt dem Piaton nur daran, seine Art der Definition durch den Gegensatz zu heben. Er hat an der Mathematik die schillernden Ausdrücke durch präzise Schlicht- heit ersetzen gelernt.

Die dritte für den Dialog nichtige Person ist Anytos, des Anthemion Sohn. Er war von der Komödie als Lederhändler und Schuster verspottet, weil der Vater durch dies Gewerbe reich ge- worden war 2). Libanios 26 erzählt, daß Sokrates dies auch gelegent- lich erwähnt hätte, wie anderer Leute Gewerbe ^auch, worüber Anytos sich geärgert hätte. Das letzte ließ sich erfinden, das erste ist für Libanios überliefert, etwa durch einen ßtoc; ücoxpaxout;; er kann auch andere Handwerker nennen, die als solche entweder gar nicht oder doch nicht in der sokratischen Tradition erscheinen. Da Sokrates „Schuster, Gerber, Purpurfärber und andere Hand- werker als solche erwähnt, die über ihre Handwerke zu reden wissen und Einsicht haben", muß ein Bericht über den Verkehr des Sokrates mit Handwerkern zugrunde liegen. Das reicht aus, damit Dion am Schlüsse der 55. Rede sagen kann, Sokrates sprach mit Anytos über Leder; wenigstens scheue ich mich, hierauf einen sokratischen Dialog mit Anytos zu bauen. Auch den heillos zerrissenen und verdorbenen Worten des 14. Sokratikerbriefes

*) Was Piaton mit dem xpavixov meint, zeigt Staat 545 e, wo ui^XoXo- YEioGat dabei steht und der Stil in der Tat hochtrabend ist. Staat 413 b meint Sokrates -vpa.Yix.uc, zu reden, weil er nicht verstanden wird: da ist es r also etwas wie alvLY|JiaTco8öi<;. So hat also Piaton die Definition des Gor- gias angesehen; davon läßt sich nichts abdingen. Die Begründung hat er nicht gegeben, weil sie ihn zu weit führte. Es ist aber zu glauben, daß ihm ocTioppov) /p7][jt.aTCüv (so Diels allein richtig mit der Variante in T) nicht genügte, die Verbindung der zwei Prädikate 6<\/zi a\)[niexpoq und alcsQrlx6<; auch nicht. Im Phaidon 102 d fürchtet Sokrates auYYPacPlx-"? zu reden, als er eine schwierige Sache präzisieren will; d. h. er wird im Buchstil, wie die avyypa^riq, reden. Photius erklärt gut aTpoYyüXox;. Den sollten die Er- klärer hören, die ganz wider den Sprachgebrauch die Syngrapha der römischen Komödie heranziehen.

2) Vita aus dem Lexikon von xco(xcoiSoü(Ji£vo!. in den Schoben der Apologie.

12. Menon. 147

läßt sich mit Sicherheit nicht mehr entnehmen; vielleicht folgte darin, daß Sokrates mit Söhnen des Anytos verkehrte. Das war der xenophontischen Apologie entnommen. Sie erwähnt 31 den Anytos als tot und übel berufen: wie spät muß sie danach sein. Sokrates hat nach ihr prophezeit, daß aus einem begabten Sohne des Anytos, mit dem er etwas Verkehr gehabt hätte, nichts werden würde, weil er keinen guten Erzieher hätte, und das wäre eingetroffen. Da im Menon Sokrates mit Anytos über die Erziehung redet, Anytos jeden Erzieher für überflüssig er- klärt, und daneben die mißratenen Söhne von Staatsmännern erwähnt werden, ist tür die xenop hontische Apologie nichts als der Menon nötig. So ist überhaupt kein verläßlicher Anhalt vorhanden, einen vorplatonischen Dialog zwischen Sokrates und Anytos anzunehmen; was bei Libanios steht, führt auf keinen solchen, und selbst daß Sokrates den Lederhändler Anytos er- Avähnte, braucht nicht aus einem alten Zcoxpomxo«; Xoyoc zu stammen, wenn das auch am nächsten liegt 1).

Als Piaton den Menon schrieb, lebte Anytos wohl noch; wenigstens bekleidet er noch 388 ein Amt (Lysias 22, 8). In der Apologie 23 e war er nur als Vertreter der Sr^xioupyot er- wähnt; hier ist jede Anspielung auf den Lederhandel gemieden, auch sonst alles, was ihn persönlich verletzen konnte. Das mußte versöhnlich wirken: von Piaton bekommt er die Schimpf - leden nicht zu hören, die ihm in Aussicht gestellt werden. Der letzte Rat, der ihm gegeben wird, milder zu sein, was auch den Athenern gut bekommen würde, ist eine immer noch milde Kritik seiner Heftigkeit, mit der er die Athener zur Verurteilung des Sokrates verführt hat. Demgegenüber wirkt um so stärker, daß Anytos heftig und grob alle Sophisten ungekannt verdammt, unter die er auch Sokrates rechnet, und es für einen Angriff auf die großen Staatsmänner hält, wenn nur gesagt wird, daß sie ihre Söhne nicht in ihrer Kunst unterrichtet, nicht zu Staats- männern gemacht haben. Seine volle Bedeutung erhält alles erst, wenn Piaton den Anytos des Polykrates neben dem Staats- mann, den er nach wie vor schonen will, vor Augen hat, und

x) Über andere Fabeln von Anytos Herrn. 32, 100, Aiistot. u. Athen T 128. Dittmar, Aischines 96 wirft zuviel zusammen. Ich ersehe aus ihm, daß die xenophontische Apologie schon von Beyschlag (Programm von Neustadt a. Hardt 9!)) richtig beurteilt ist.

10*

148 12. Menon.

wenn er auf seinen Gorgias zurückblickt. Darin liegt, daß er die Reise und ihre Erfahrungen gemacht hat.

Die^e Erfahrungen treten uns gleich in dem ersten Teile entgegen, in dem die methodischen Hinweise einen breiteren Raum einnehmen, als nötig war, um dem Menon zu Gemüte zu führen, daß er sich über die aper?) selbst im unklaren ist 1), von der er wissen will, ob sie lehrbar ist. Daß dies Verlangen an sich un- methodisch ist, ist das erste. Wenn Menon 73 c die Definition ver- sucht, „Fähigkeit, über Menschen zu herrschen", wird das sofort schlagend widerlegt, weil damit den Sklaven die Möglichkeit, Tugend zu besitzen, abgesprochen wird. Aber Sokrates besteht nicht auf diesem triftigen Einwand, sondern fragt, ob es nicht heißen sollte „gerecht zu herrschen", was zu einer langen Ab- schweifung führt, unsere Gedanken aber in eine Richtung lenkt, die darum nicht minder bedeutend ist, daß die Gerechtigkeit, die einst das Entscheidende werden soll, hier nicht in Betracht gezogen wird. Als Menon auf die Hauptfrage zurückkommen muß, hat er seine frühere Bestimmung ganz vergessen und ver- sucht eine neue, 77 b, die ebensowenig fördert. Diese Metzger-, gänge sind nur äußerlich den Versuchen in den älteren Dialogen oder gar dem Theaetet ähnlich, in dem jeder Versuch ein Fort- schritt auf dem Wege zur Wahrheit ist, denn auf eine Belehrung darüber, was aps-ry) ist, kommt es dem Piaton hier gar nicht an. Was wir gewinnen, liegt in dem Beiwerk, in der Belehrung über unter- und übergeordnete Begriffe, den Definitionen von Gestalt (tfX^a) und Farbe, vor allem in dem Gegensatze der sophistischen Streitrede, der es genügt, eine Behauptung aufzuwerfen und zu sagen „bitte, widerlege, wenn du kannst", und der dialektischen Untersuchung, die das Wahre so ableitet, daß der Gegner zu jedem Satze seine Zustimmung gibt. Zuletzt wird noch ein- geschärft, daß jede Antwort unbefriedigend ist, solange sie etwas einschließt, das noch nicht zugestanden ist (79 c). Auch Mathe- matisches kommt mehrfach vor. Nimmt man die paradigmatische Szene hinzu, in der Sokrates den ungebildeten Knaben die Lösung der mathematischen Aufgabe, ein Quadrat zu verdoppeln, durch richtiges Fragen selbst finden läßt, so bleibt kein Zweifel, daß

x) 77 a xocOoXou elzwv ipzxrjq itipi 8 zi IotL. Da steht wohl zum ersten Male das später so gemeine xa96Xou. Es scheint bei Piaton sonst noch zu fehlen; was Ast an Parallelen hat, ist nicht ganz so adverbio1!.

12. Menon. J49

Platon den Menon schreibt, um zu zeigen, nicht nur, daß man etwas absolut Wahres finden kann, daß es also Wissenschaft gibt, sondern auch, daß er als Lehrer auftreten will oder eben aufgetreten ist und vor der Welt aussprechen will, was er mit seinen Schülern treibt, und wie er es anfängt. Natürlich wählt er ein ganz einfaches Beispiel, damit das Experiment gelingt; die Lösung muß ja so leicht sein, daß Menon das Richtige vor- her wissen kann, auch damit das Wissen des Sokrates nicht so groß ist, wie er selbst wenigstens hier noch nicht zeigen darf.

Daß Menon sich durch die Widerlegung aller eigenen Defini- tionsversuche wie gelähmt vorkommt, geht noch nicht über das Verhalten der Memchen hinaus, die Sokrates wirklich durch sein Fragen ärgerlich machte; auch ihm konnte passieren, daß ein Unterredner, durch seinen Mißerfolg wild gemacht, seine Zuflucht zu den schalen Künsten der Eristiker nahm, wie hier Menon unwirsch sagt, „du kannst gar nicht suchen, was du nicht kennst, denn wie willst du es als das Richtige erkennen, selbst wenn du es findest". Aber auch dem Lehrer Platon mußte das ebenso passieren, und die Frage ist ganz in dem Stile des Euthydemos, den er um dieselbe Zeit geschrieben hat. Hier löst Sokrates den Trugschluß nicht, sondern setzt ganz über- raschend mit etwas Neuem ein, 81 a; wer, was er liest, sich ge- sprochen zu denken versteht, muß auch den veränderten feier- lichen Ton hören, in dem gleich die ersten Worte gesprochen werden: „Von Männern und Frauen, die in göttlichen Dingen Bescheid wissen, habe ich gehört." Kein Wunder, daß Menon alle Höflichkeit vergessend daz wischenfährt „Was sagen die?", worauf ihn Sokrates mit der Antwort „Wahrheit, das ist es für mich, herrliche Wahrheit" nur noch neugieriger macht. „Was ist sie, wer sind sie ?", ruft er aufgeregt 1). Und nun folgt die Behauptung, daß die Seele unsterblich ist, und alles Winsen über das, was wirklich ist, Wiedererinnerung. Selbst diese brauchte Sokrates dem Menon nicht vorzutragen, denn der Erfolg seiner Belehrung des Knaben würde ausreichen, ihm Mut zur Fortsetzung des Suchens zu machen. Aber er braucht sie, da- mit wir die Sicherheit gewinnen, es gibt einen Weg, die Wahrheit zu erreichen, und damit wir sehen, es gibt auch einen Führer.

J) Ich übersetze, weil sehr leicht Anstoß nehmen kann, wer auf das Ethos nicht acht gibt.

150 12. Me.non.

Aber die Ewigkeit der Seele ist für diesen Dialog nicht nötig und noch weniger ihre so feierliche Einführung, in der die Töne des Phaidon angeschlagen werden. Verkennen wir noch, daß der Menon ein Präludium ist, auf den Unterricht der Akademie ebenso wie auf die großen Werke, mit denen Piaton sich trägt ?

Als die Frage nach der Tugend und ihrer Lehrbarkeit wieder aufgenommen wird, 86 d, bekommen wir zu hören, was eine Unter- suchung e£ i>7to0ecreoo<; ist, und zugleich eine Probe dieser Methode. Das Wort ist schon im Euthyphron 11c gefallen, aber da ist es nur „Annahme"; im Gorgias 454 c ist ra ctocutou xa-ra r/)v u7i60e(ji.v 7repoavEt.v allerdings schon „die Folgerungen aus der Voraussetzung ziehen", aber für Voraussetzung könnte ebensogut Behauptung stehen. Erst die Mathematik hat Piaton gelehrt, daß man sich auch eine „Unterlage" schaffen kann, die nur eine provisorische Geltung hat, um ihre Konsequenzen zu ziehen, die dann oft genug über die Unzulässigkeit dieser Voraussetzung entscheiden, weil sie ad absurdum führen. Die Richtigkeit wird oft genug erst durch einen neuen Bau von Hypothesen wirklich erwiesen werden. Man darf sich dadurch nicht täuschen lassen, daß die lebendige Debatte schon früher mit ähnlichen Folgerungen und Widerlegungen auch ähnliche Wendungen hervorgerufen hat, z. B. Charm. 160 d. Die Bezeichnungen wechseln noch stark, und das Nomen utzöQzgic, erscheint noch gar nicht.

Die Behandlung der Frage, ob die aper?) 9p6vy]<n<; ist, ist höchst belehrend für die Weise, wie Piaton eine frühere Be- handlung rekapitulierend und berichtigend wieder aufnimmt. Er greift ja auf Protagoras und Gorgias zurück, und daß er einmal 7]Su und ayaöov gleichgesetzt hat, ist ihm immer noch peinlich. Das ist hier natürlich ganz ausgeschlossen. Auch wie er bei der Tapferkeit auf den Laches deutet, 88 b, ist bezeichnend. Es ist von Arnim nicht ohne Schein behauptet, daß die kurze Aus- führung über die apsTYj als cppovyjat.^ 88 die ausführliche Darlegung im Protreptikos des Euthydem 278 82 rekapituliere. Und doch ist es ein Irrtum; mit dem Anklänge und der Länge oder Kürze der Behandlung allein ist es nicht getan. Die These selbst ist alt, ist sokratisch; sie beweist gar nichts. Im Menon steht sie gar nicht zur Debatte, wird nur herangezogen, weil die Lehrbar- keit zur Debatte steht. Menon hat gar keine Zweifel, kommt dem Sokrates vielmehr entgegen, als dieser ihm die Frage stellt,

12. Menon. 151

ob nicht die bekannten Einzeltugenden auf Wissen beruhen müssen, um zu nützen, und so bejaht er gelehrig alle weiteren Fragen, darunter auch die, ob die inneren und äußeren Güter wie £UfxaQs!.a, [izyc/.'koTzpiizzi<x, aber auch 7t:Aouto<;, der cppovYjaric bedürfen, um nützlich zu sein. Das Einzelne hat hier gar keine besondere Bedeutung. Im Euthydemos wird es, namentlich das Letzte, ganz ausführlich behandelt. Aber da liegt die Sache auch ganz anders. Nicht für den Knaben Kleinias, der übrigens auch erst lernen muß, was bei Menon vorausgesetzt werden kann, sondern für die Sophisten hält Sokrates den Protreptikos : da kommt es nicht auf die These an, sondern auf den Beweis. Abhängig dürfte man den Menon nur nennen, wenn die These neu oder bestritten wäre. Jetzt wird sie, eine alte bekannte Sache, je nachdem was der Dialog braucht, behandelt. Das beweist nichts; aber darum könnte der Menon immer noch später sein als der Euthydem, und nach diesen parallelen Stellen könnte man das leicht annehmen. Und doch ist es umgekehrt. Der Menon läßt offen, was die Tugend ist, also worauf sich die (ppovr^Lc, bezieht, und doch betont Sokrates immer wieder, daß diese Bestimmung getroffen sein sollte, ehe man nach der Lehrbarkeit fragen darf. Eben damit müht sich der zweite Teil des Protreptikos im Euthydem, und wenn er auch keine Antwort ausspricht, so kommt er ihr doch so nahe, daß der Platoniker sie sich ergänzen kann. Ich zweifle durchaus nicht, daß Piaton, als er den Menon schrieb, alles wußte, was der Euthydem bringt, und beträchtlich mehr. Aber er hielt es noch zurück, zum Teil für bereits geplante spätere Schriften, zum Teil auch, weil es dieser Sokrates noch nicht wissen durfte. Aber wenn der Euthydem schon auf die königliche Kunst des Politikers heraus- gekommen war, wie konnte der Menon jede Hindeutung darauf unterlassen, wo er doch die politische Tugend allein im Auge hat und auf die Erziehung zum Politiker hinausläuft ?

Der Menon hat die Lehrbarkeit der Tugend bewiesen, wenn er sie auch noch an den Nachweis bindet, daß erst Lehrer für sie gefunden sein müssen. Im Euthydem 282 c erklärt der Knabe Kleinias aus sich die Tugend für lehrbar und wird dafür von Sokrates höchlichst belobt, weil er ihm einen mühsamen Beweis erspart. Da liegt die Annahme doch wohl am nächsten, daß Piaton zu verstehen gibt : hier schenke ich mir auszuführen,

152 12. Menon

\\ as ich im Menon gesagt habe. Natürlich gibt es die Ausflucht, er hat seinen Stoff auf die beiden Dialoge verteilt, die doch ziemlich in dieselbe Zeit fallen, und welcher von beiden früher erschien, bleibt unentschieden. Aber das ist eine Ausflucht. Denn was im Euthydem unbewiesen anerkannt wird, ist ein notwendiges Glied, und dort soll nichts übergangen werden: daher die überraschende Fiktion, daß der Knabe aus sich die Erleuchtung besitzt. Somit kann ich die Stelle nur als ein Selbst- zitat betrachten. Das Zeit Verhältnis aber steht mir auch ohne dieses fest, und ich hoffe, meine Darstellung der beiden Schriften im ersten Bande rechtfertigt diese Überzeugung. Der Menon schließt: die Philosophie (Bildung zur Tugend) müßte lehrbar sein; aber weil keine Lehrer nachgewiesen sind, bleibt das zweifelhaft. Der Euthydem schließt: einerlei ob es Lehrer gibt,- lehrbar ist die Philosophie, also müssen wir uns an sie halten. Ist nicht klar, wo der Fortschritt ist ?

Ziemlich gewaltsam kommt Sokrates 96 e mit dem heraus, was die Aussicht auf die Lehrbarkeit der Tugend eröffnet, indem es rückgreifend auf die erste Episode zeigt, was ihr Lehrer besitzen muß, und was zugleich rückgreifend auf die Anytosepisode die Möglichkeit gibt, die staatsmännische Größe des Themistokles und Perikles anzuerkennen. Es ist der Begriff der <xA7)07]<; So^a; das Wort ist schon 86 a gefallen. Wir hören hier, daß sie im Effekt dasselbe leisten kann wie die imaxrni-/]. So hat sie denn Piaton auch späterhin dicht neben den vou<; gestellt, Staat 431 c, 585 b, im großen Briefe 342 c. Das steht nicht in Widerspruch mit der Herabsetzung jeder S6£<x gegenüber der tbucrrY)[ry) ; und nicht ohne Hinblick auf die Menonstelle 97 b, wo die ocAtjÖt^ 86£oc den Weg gelegentlich so gut v/eisen kann wie jene, heißt es im Staate 506 c, daß sie denen gleiche, die blind den rechten Weg gehen. Das liegt daran, daß der Erfolg der 86£a keine Sicherheit für künf- tige Fälle bietet. Daher die Aufgabe, das richtige Meinen zu festigen: das ist möglich, weil es ein Wissen geben kann; warum und wie, hat die erste Episode gezeigt. Dann wird die a?o)07]<; 86£<x (xstix ßeßoaoocreoLK; erzielt, von der der Politikos 309 c spricht, der auch ihr Objekt, die xaAa xai Sixoaa xal ayaöa, angibt, von denen Piaton hier schweigt; aber wir wissen, daß die rechte Er- ziehung zur praktisch politischen Tugend sich auf dasselbe be- zieht. Eben diese Anerkennung der dATjÖT)«; S6£a gestattet ihm,

12. MenoD. 153

sein abfälliges Urteil über die Staatsmänner öffentlich zurück- zunehmen oder doch richtig zu stellen. Denn es heißt ihn voll- kommen mißverstehen, wenn die ösia. \iolpx hier für avoia ge- nommen wird, also ironisch gemeint, höhnisch herabsetzend wie im Ion. So war sie doch nicht gemeint, als Sokrates, Apol. 33 c, von seinem Berufe sprach. Ironisch kann auch der QzZoc, avrjp hier nicht gemeint sein, wenn das. Prädikat in dem spartanischen Sinne genommen werden soll. Qzloc, av/jp ist später oft genug von Piaton in demselben Sinne gebraucht. Wenn er die Poli- tiker, die nur durch aA7)0Y]<; S6£a das Richtige finden, mit den Xpr[<j[io\6yoi und OsopiavTei.^ zusammenstellt, 99 c, so ist das auch keine Herabsetzung, denn diese sind £v0ouct(,cövts:<;; ihre (iavia wird auch der Phaidros anerkennen. Wir mögen uns wundern, daß er statt der 6eta fxotpa nicht von der Begabung, der <pümc, redet, die doch im Grunde, so wie wir denken, das- selbe wäre; aber in dieser Anlage, in der „Begabung" Hegt eben „göttliche Gabe" x). Piaton wird nicht leugnen, daß sie angeboren ist; aber dann könnte sie leicht als eine zfyc, erscheinen, und so sieht er es eben nicht an. Die Seele hat einmal das Wahre geschaut; ihre ow<xy.vt]Gic, kann geweckt werden: dann wird die aXyjÖT)*; $6£a allmählich in Itu(jt7j[ay] verwandelt. Aber wenn jemand aus sich oder sonstwie auf eine <x\rßrt<; S6£a gerät, so ist das Zufall will er nicht sagen, sagt also Oeia (xotpa; diese gibt für die Zukunft keine Sicherheit, weil sie nicht auf bewußtem Wissen beruht.

*) 98 c wird sowohl von gici<rri)ttf] wie von akr^c, S6£a geleugnet, daß sie cpüaei wären. Von dem wahren Wissen ist das klar, denn das erfordert die rechte Bildung, aber der Staat zählt doch recht viele Eigenschaften auf, die der Schüler besitzen muß, um mit Erfolg zu lernen. Bei der äXr(8/)<; S<^?a kann das zu fehlen scheinen; aber sie ist eben, wenigstens bei den Staatsmännern, die er hier im Auge hat, mehr ais ein gelegentlicher guter Einfall; es wird die eu.7:£ip{a xal xpiß/j hinzutreten, die nach dem Urteil der Welt eine tsxvt) werden kann, Phileb. 55 e. Aristekles sprach bei Eupolis auf die Frage x&q ap' iyiwj BIxolioc, das schöne Wort r\ \ikM <püci<; (xeyiGTOv 7}v, sTTCvra Si. xay& r.coQüy.^^ tt/. ipuasi cuvs>.a;xßavov. Daß ihm das gelang, würde Piaton, da er kein Philosoph war, Oeia fxoipa nennen. Seinen Sohn hat Aristeides auch nicht erzogen. Übrigens steht sich xaxa Öeov und xaxa cpüaiv so nahe, daß es oft nur in der Nuance verschieden ist, und z. B. bei der dichterischen Begabung verbunden werden kann,. Ges. 682 a.

13. Euthydemos.

Die Anklänge Euth. 278 ff., 282 c an Stellen des Menon, 78 c, 87 e, 88, sind schon behandelt, und es hat sich gezeigt, daß sich ihnen kein Prioritätsverhältnis entnehmen läßt, aber am nächsten liegt, sie als Verweisung auf den Menon zu fassen. Daß der Kra- tylos hinter den Euthydem fällt, aber kurz hinter ihn, ist I S. 284 gezeigt. Hinter Piatons Reise und die Schulgründung gehören alle drei Dialoge; das zeigt jeder einzeln und ihre Zusammengehörig- keit. Im Euthydem ist besonders bezeichnend, daß Piaton 290 c ,, gänzlich unverständige Geometer und Astronomen" kennt, die sich dagegen sträuben, was sie gefunden haben, den Dialektikern zu übergeben, also die Anwendung ihrer Disziplinen in der Schule Piatons für einen Übergriff halten. Geschrieben hatte er noch nichts über Mathematik, also kann sie nur die münd- liche Behandlung gereizt haben. Dann bestand also die Schule; Theaitetos gehörte ihr vielleicht schon an: der war ein Mathema- tiker anderer Art, ein Philosoph. Ebenso sicher ist, daß die drei Dialoge vor Symposion, Phaidon, Staat fallen. Das ergibt für sie die zweite Hälfte der achtziger Jahre. Genaueres läßt sich nicht ermitteln.

Das erfundene Gespräch mit den beiden Sophisten ist so wenig in eine bestimmte Zeit verlegt wie das mit Kratylos. Kritobulos, hier rein schmächtiger Ephebe, wenn nicht [AeXXecpvjßos, hat 399 eigenes Vermögen, da er zu der beantragten Straf summe für Sokrates neben seinem Vater beitragen will (Apol. 38 b). Das rückt das Gespräch ziemlich hoch hinauf. Sein Altersgenosse Kleinias ist Vetter des Alkibiades; man möchte ihn also auch nicht viele Jahrzehnte jünger als diesen (geboren vor 451) glauben. Xenophon läßt ihn Sohn des Alkibiades sein (Mem. 13, 8) und geliebt von Kritobulos (auch Sympos. 4, 12), ist also sehr schlecht unter- richtet. Den Kritobulos führt er 421 bei Kallias ein, was den

13. Euthydemos. 155

Euthydem wohl ein Jahrzehnt hinaufschöbe. Es ist aber offen- bar auf Xenophon gar nichts zu geben. Wenn er durchblicken läßt, daß Kritobulos ein schlechter Wirtschafter war (Oekon. 2, 7), so kann das auf Aischines zurückgehen, der ihn äußerst un- günstig beurteilte (Herodikos bei Athen. 220 a). Für Piaton lernen wir nichts hinzu.

Die beiden Sophisten, Chier von Geburt, sind in Athen ge- wesen, ehe sie nach Thurioi gingen, jetzt von dort verbannt. Das braucht nicht auf die Gründung und die Vertreibung der Athener- freunde zu gehen, die Herodotos wohl betroffen hat, kann es aber; auch dann fällt ihr Zusammenstoß mit Sokrates früh. Aber da Piaton ihn zeitlich nicht festgelegt hat, kann uns das gleichgültig sein.

Man hat die Existenz des Dionysodoros bezweifelt, und Xenophon (Mem. III 1,1) konnte ihn allerdings aus Piaton über- nehmen, ja er wird es getan haben. Aber daß er nicht weiter bezeugt und die Verdopplung der Sophisten ein besonders glück- liches Motiv ist, genügt nicht, einem solchen baren Einfall Halt zu geben. Die lustige Erfindung, daß Euthydem eine Hydra ist, Dionysodor ein Krebs, ein übers Meer zugereister Sophist, wie zur Erklärung beigefügt ist, 297 c, so daß Herakles - Sokrates einen Iolaos-Ktesippos zum Helfer braucht, sieht wahrlich nicht danach aus, die Keimzelle des Motives der Verdopplung zu sein, sondern stellte sich als ein guter Witz ein, weil die beiden Brüder gegeben waren. Euthydemos ist allerdings Hauptperson; er war ja der Verfasser des Buches, dem Piaton eine Anzahl von Vexierfragen und Trugschlüssen entnommen haben wird. Anderes hat er ohne Frage anderswoher genommen oder selbst erfunden, aber an der Existenz des Buches zu zweifeln ist ein- fach frivol. Aristoteles führt ja gar nicht weniges auf Euthydem zurück (z. B. co<p. IX. Kap. 20, 21), was in dem platonischen Dia- loge nicht steht, Daraus folgt, daß der Sophist keine geringe Wirkung gehabt hat und seinerzeit durchaus nicht als der Geck erschien, den wir bei Piaton finden. Die Existenz des Euthydemos und seines Buches erklärt, auch allein eine seltsame Stelle, einen Irrtum Piatons. 303 c höhnt Dionysodor darüber, daß Sokrates keinen Zeu<; TOxxpcoios haben will, und muß sich belehren lassen, daß es diesen Zeus in Athen nicht gibt. Wozu das? Es hält den falschen Syllogismus nur auf, kann nur dazu dienen, die

156 1& Euthydemos.

Unwissenheit des Fremdlings zu verspotten. Das hat nur Sinn, wenn er sie wirklich besaß, nicht wenn Piaton sie ihm unter- schob. Dann war der letzte Syllogismus, dessen Respektlosig- keit gegen die Götter Piaton besonders verdroß, wirklich aus dem Buche genommen, hatte der Chier ahnungslos bei den Athenern den Zsu- -rzoLTpCoioc, vorausgesetzt, den es bei sehr vielen Hellenen, und den es gerade in Chios gab, wie das Gesetz der Klytiden (Ditt. Syll.2 571) gelehrt hat,

Piaton wollte die Eristik im ganzen treffen; es ist kein An- griff auf die Person, die vielleicht vor der Zeit seines Verkehrs mit Sokrates lebte, wie in seinen Erstlingsschriften. Neben So- krates brauchte er einen zeitgenössischen Eristiker, Avählte also den, der durch sein Buch noch im Gedächtnis lebte. Es ist wohl möglich, daß er ihm auch Trugschlüsse in den Mund legte, die in der Gegenwart im Schwange gingen, wo denn ihre Ur- heber sich getroffen fühlten, und das taten sicherlich alle, die von diesen Künsten Gebrauch machten. Vielleicht war es Piaton sehr recht, wenn sich mancher kratzte, weil es ihn juckte; aber das ist für die Tendenz seiner Schrift ganz unwesentlich. Sein Angriff gilt liier wie im Kratylos der falschen Methode, und wenn wir nach ihren Vertretern fragen, so sind es die, welche wir sehen, Kratylos, den sein Schüler schonend behandelt, und Euthydemos, den er der Lächerlichkeit preisgibt. Wie hier Anti- logiker, so sind dort Herakliteer der Gegenwart mit getroffen, sollen aber Gattungswesen bleiben. Den Antisthenes einzuführen, verhinderte der sokratische Dialog durchaus nicht: das haben die Erfinder des modernen Antisthenesromans ganz vergessen, obwohl er doch bei Xenophon auftritt, Aristipp ebenfalls.

In dem letzten Trumpf, den die Sophisten ausspielen, haben wir einen tollen Schluß des wirklichen Euthydem anerkannt. Das ist wertvoll. Was noch folgt, das famose HvtztzolZ, & 'Hpa- xXsi<; 303 a ist eine Schnurre, nicht mehr: der Vokativ verbietet, eine logische Finesse dahinter zu suchen. Daß die scheinbar regellose Folge der Vexierfragen doch eine gewisse Ordnung innehält, hat Bonitz (Piaton. Stud. 105 ff.) gezeigt. Wo das Trüge- rische nicht ohne weiteres einleuchtet, gibt Sokrates unverkenn- bare Winke zur Aufklärung. Es ist eine Frage darunter, die deshalb Erklärung fordert, weil sie den Modernen zu weit- tragenden Schlüssen Anlaß gegeben hat.

13. Euthydemos. 157

300 e verweist Sokrates dem Kleinias sein Lachen ercl (T7rou- SxLoiq outw 7rpay[j.a(T!.v xal xaXot^. Da setzt Dionysodor ein „Hast du ein xaXov 7rpäy[xoc gesehen?" „Sogar viele." „erepa ovxa xoü x'aXou 73 Taura tgh xaAc&i," Sokrates ist in Verlegenheit, ant- wortet aber doch „eT&pa aörou toü xaXoü, rcapscm [iivTOt. exacfTCot. auTcov xaXXo*; Tl. lav oOv, 'iyq, Trapayev/jrat o~oi. ßou^, ßoö<; et, xal oti vuv syco aoi Tcapsipu, Aiovua6Swpo<; sl; cijcpyjjxsi touto ye, ^v 8' eyto. aXXoc Ttva Tpo7rcv, e<p7j, irspou ETepcoi Trapaysvojiivou to Srspov Ixepov av e?yj." Hier löst Sokrates die Aporie nicht (ist auch nicht nötig), sondern macht einen Witz, wie er zugibt, im Stile Dionysodors, der darauf beruht, daß Ixspov bald relativ, bald absolut gebraucht wird. Was Dionysodor, denn der bringt die Frage auf, will, ist „wenn ich xaXöv upayfxa sage, ist das dasselbe wie to xaXov?" Auf die Antwort „nein" würde er etwa sagen „dann ist das 7rpay[/.a also etwas anderes als xaXov, also nicht xaXov, also häßlich"; wenn Sokrates sagte, es ist das Schöne, so würde er etwa sagen „ist einen Feind zu belügen ein xaXöv 7rpay^.a, z. B. wie Themistokles den Xerxes ? Wenn es das ist, so ist Lügen das Schöne." Sokrates zerstört aber die Erwartung, indem er, wie gewöhnlich, seiner Antwort die nötige Ein- schränkung gibt. Sie läuft nur darauf hinaus, daß xaXov hier nicht selbst erscheint, sondern nur als Prädikat von 7tpaytu.a, also aussagt, daß dies ein Schönes (nicht das Schöne) an sich hat. Weiter als dies grammatisch logische Verhältnis liegt nichts darin. Daß er nipzaxi sagt, gibt dem Dionysodor einen Anhalt zu dem faulen Witz: also es tritt a zu b, dann wird a zu b; Tcpayfxa wird xaXov, adjektivisch, wenn xaXov, substantivisch, zutritt. Er erschleicht das; Sokrates hat mit Vorbedacht xaXXo?, nicht xaXov, und sogar xdcXXo? ti gesagt. Wenn er statt Ttapsort rcpocrecm gesagt hätte wie Sophokles (Trag, adesp. 355) Örcou ixpoorji to xaXXo?, so wäre diese Replik unmöglich, und das konnte er ebensogut tun. An die Idee des Schönen, deren Zutritt, wie immer er auch zu erklären ist, das Einzelding schön macht (Phaid. 100 d, wo 7rpoayiyveo-0a!. steht), zu denken, liegt durchaus keine Veranlassung vor. Dazu verführt, daß Dionysodor vom xaXov als etwas Gesondertem redet. Das führt den Leser Piatons auf das ocutö xaXov, die Idee. Soll Dionysodor die Ideenlehre kennen ? Oder hat Piaton versehentlich sie ihm geliehen ? Ist es nicht vielmehr wirklich nur das Prädikat schön, ein sozusagen

158 13. Euthydemos.

grammatischer Scherz wie izumzat, & 'HpaxXeit;? to xaXöv hat man doch längst gesagt, ehe jemand an das eiSoc; toü xaXou dachte, ri t6 ao<pöv y) xi to xaXXiov Eur. Bach. 877. Das fünfte Jahrhundert ist an to xaXov, to .cto^ov, to veov sogar mehr ge- wöhnt als die spätere Zeit. Es ist also von Piatons Ideenlehre überhaupt nichts darin, und man hat nicht einmal nötig zu denken, daß er unwillkürlich Wendungen aus seinem Gedankenkreise einflicht. Der folgende dumme Paralogismus ist, kaum sollte man's glauben, für eine antisthenische Widerlegung von Piatons * [xeöe^i? tou stSou? erklärt worden. Die Grobheit mit dem Ochsen soll antisthenisch sein. Ich denke gering von ihm, aber so dumm war er doch nicht, auf 7rapeaTi xaXXo*; ii einen solchen Schluß zu bauen. Dabei ist der eigentliche Witz gar nicht ver- standen „wenn ein Ochse bei dir steht, wirst du ein Ochse, und wenn Dionysodor, ein Dionysodor" : das heißt „im ersten Falle sinkst du zum Tier hinab, im anderen steigst du zum Weisen hinauf". Sokrates versteht und sagt mit herrlicher Bosheit sücp7)U.£i toüt6 ye. Vor der Erhöhung zu Dionysodor möge Gott ihn bewahren; da ist Ochse werden noch vorzuziehen.

Also von der Ideenlehre und von Antisthenes ist hier nichts; die Ideenlehre wäre den Lesern auch unverständlich gewesen, denn wo sollten sie sie her kennen ? Und nur wer Anspielungen jagt und darüber das Ganze vergißt, kann so etwas unter den Schnacken erwarten. Daß Piaton selbst schon wußte, was er bald im Phaidon vortragen sollte, bezweifle ich nicht im min- desten. Das beweist der Kratylos, 389 b. Wenn der Drechsler für ein zerbrochenes Weberschiffchen ein neues macht, so macht er es nicht nach dem zerbrochenen, sondern -Kpbq to zlBoc, ßXsbrcov izpoc, otoo xal tt]v xaTeayuiav xspxtöa CTcoiei. Darin erkennen wir Piatons tiefen Gedanken; aber die Form ist hier jedem Leser verständlich; darum ist die Stelle sehr wertvoll, denn sie zeigt, wie nahe die Lehre von ewigen Formen, die ohne die Materie bestehen, dem einfachen Denken liegt. 413, wo das tolle Etymo- logisieren auf dem Höhepunkt steht, wird Stxatov als Sia iov ge- deutet und gefragt, was ist das, was alles durchdringt. Da sagt der erste, die Sonne, der zweite, ocüto to 7rup, das in der Sonne steckt, der dritte, auro to öcpfxov, das wieder im Feuer steckt, und Anaxagoras sagt, es ist der voü<;. Wir und die Leser ver- stehen darin die verschiedenen Prinzipien der Naturphilosophie;

13. Eutliydemos. ]5^

das genügt; aber wir, die wir Piatons spätere Schriften können, finden auch schon in dem Ausdrucke auro to 7tup seine eigen- tümliche Redeweise, und wir hören am Schlüsse des Dialoges 439 c den Sokrates von etwas reden, das er noXKixxic, oveipooT-rei, slvoa xi auro xaXöv xal aya6öv xal ev Ixacrxov tgW ovtcov Övtcoi;, das bleibt, während die Einzelerscheinungen in ewigem Flusse sind. Auch das verstehen wir dort vollkommen, soweit für eine traumhafte Ahnung nötig ist. Rückschauend vom Phaidon und vom Staate erkennen wir aber die Ankündigung der Welt des Ewigen, die uns enthüllt werden wird. Piaton weiß, wohin er steuert; aber er weiß auch, wieviel er jetzt nur sagen darf. Es stimmt auf das beste, daß der Kratylos den entscheidenden Hauptwerken unmittelbar vorhergeht. Im Euthydem war eine den Lesern rätselhafte Anspielung nicht am Platze; sie mußten sie überhören.

Am meisten Staub hat die Leugnung des avriXeyeiv und ^euSsaOat durch die Sophisten aufgewirbelt. Sokrates erklärt 286 c, das wäre eine alte Behauptung, deren sich Protagoras xal ol ETI toxXou orepoi häufig bedient hätten, und zeigt dann, daß dieser Xoyo«; jedes Disputieren aufhebt und &anzp toxXociov xaxaßaXwv rauTei (288 a); das kann auf die xa-raßaXXovTS? Xoyoi des Protagoras gehen; aber der Ausdruck aus der Ringersprache liegt zu nahef und daß der Titel des Buches von Protagoras stammt oder auch nur zu Piatons Zeiten galt, ist unerwiesen. Es ist auch un- wesentlich, denn daß der Satz längst aufgestellt und längst widerlegt war, steht ja da. Es ist damit, sollte man meinen, jede Beziehung auf einen Zeitgenossen ausgeschlossen; hält einer an dem alten Satze fest, so war es auch für ihn gesagt, aber einen persönlichen Angriff konnte niemand in den Worten er- kennen. Im Kratylos 429 d vertritt dieser ebenfalls die Meinung, zunächst für die Sprache, daß jedes Wort in ihr 6v Xsyei, sonst sagt es nichts, ist gar keine Sprache. Darin findet Sokrates die allgemeine Leugnung des ^euSsaOou, einen Satz, „den viele früher vertreten haben und jetzt vertreten". Daß es ganz der- selbe ist wie im Euthydem, zeigt namentlich die auch in diesem gebrauchte Antithese 286 c vj Xsyovxa aX-yjÖTJ Xeysiv rj (j.7) Xsysiv. Offenbar ist der Satz auf allgemein logischem Gebiete entstanden und dann auf die Theorie von der Sprache angewandt. Im Theaetet 161 c wird aus dem homo mensura-Satze gefolgert, daß

160 13- Euthydemoa.

niemand eines anderen Meinung als wahr oder falsch kritisieren kann, aXX' o tcoXXocxi.^ eipYjTou, auroi; toc aurou £xaaTo<; [aovo^ 8o£a£si., d 6. Hier zeigt sich wie im Euthydom, wie sich aus dem grundlegenden Satze des Protagoras der extreme Subjek- tivismus ableiten läßt, während Kratylos in den Worten, wenn sie überhaupt Worte sind, einen bleibenden Sinn, also objektive Wahrheit findet. Da aber die Grundlage dieselbe ist, so hat Piaton recht, Protagoras für alles verantwortlich zu machen; ihm gilt daher ganz persönlich die eingehende Kritik des Theaetet. Demnach ist es von vornherein unberechtigt, an irgendeiner dieser Stellen einen anderen Gegner unterzuschieben.

Bei Diogenes 9, 53 steht von Protagoras t6v ' AvtictOevou^ Xoyov tov 7iet.pa)fj.£vov aTcoSsixvusiv de, oüx ecmv JcvTiXeyav, o5to<; TipwfO!; SistXsxxou, xa6a cpvjat. IlXartov ev Eu6u8-/)fj.on. Das ist Zitat; es stimmt dazu 51 als seine Lehre 7rdcvTa elvai aXYjSyj. Die letzte Unterlage des Berichtes ist recht alt, oder doch wenigstens der Satz 52 ttjv Stavoiav acpelc; npbc; Touvofxa Sizkb/ßt) xod vüv e7ct7roXaiov ysvoc; tcov epicmxtov eyevvYjCTEv: das ist ge- sagt, als die Stilpon und Kronos ihr Wesen trieben; schon in der Mitte des dritten Jahrhunderts ist diese Eristik tot. Damals mochte man noch von Antisthenes so viel wissen, daß er als Haupt Vertreter des Satzes vom [xy] avTtXsyetv galt. Später hat man sich überhaupt um seine Philosophie gar nicht, erst recht nicht um seine gänzlich antiquierte Logik gekümmert 1). Auf ihn zielt Isokrates Hei. 1 xocTayey/jpaxacnv [ikv ou cpasxov- T£<; o!6v t' slvai. ^£uo*9j Xsyetv ouS' avTt,Xsyst.v ouSe Suo Xoyw Trepl tcov auTcov 7rpay(jiaTCov avTeurecv. Er folgerte also gegen des Protagoras Wort von den Suo Xoyot rcspi. toxvtcx; rcpay[xaTo<; avTtxsi^svot aXXrjXoi.«; (das freilich mit dem homo mensura-Satz gar nicht zusammenzuhängen, sondern nur rhetorische Geltung zu haben braucht), daß es einen festen Sinn gibt, yj t<xX7]6yj Xeyeiv t) (XY) Xlyetv, wie es im Kratylos steht. Das empfiehlt es sehr wenig, die Ausführung des Euthydem gegen ihn gerichtet zu glauben. Die Helene fällt in die siebziger Jahre; damals war also berufen, daß Antisthenes den alten Satz vertrat, wohl längst

J) Natürlich denkt man an einen Peripatetiker ; Aristoteles stellt in seinen Vorträgen den Satz vom [ltj elvai avnXeyav auf den Namen des Antisthenes, Top. 104b; ihm war der Sathon noch im Gedächtnis.

13. Euthydemos. \Q\

vertreten hatte; er mußte älter als Isokrates, also ein Siebziger sein, wird doch auch seine Ansicht schriftlich vertreten haben. Von seiner Gegnerschaft zu Piaton in diesem Stücke hören wir in der Form einer Anekdote bei Diogenes 3, 35. Antisthenes ladet den Piaton ein, die Vorlesung einer neuen Schrift von ihm anzuhören, die rapi tou jj.7) elvai avTi>iy£t,v handelt. Da sagt. Piaton tzox; oüv au nzpl ocutou toutou ypa<pst<;; und zeigt ihm 6xi 7rspiTp£7reTai. Das reizt Antisthenes, und der schreibt den 2<x06)v, drei Bücher nzpl tou avTiA£y£t.v, wie in dem Schriften- katalog 6, 16 steht. Wir wissen darüber nur durch Herodikos, Athen. 220 d, 507 a, daß er pöbelhafte Angriffe auf Piaton ent- hielt, von denen der Titel einen Vorschmack gibt; wunder- bar, daß die Verleumder Piatons nicht mehr daraus erhalten haben.

Wer diese Zeugnisse ruhig übersieht, kann gar nicht anders urteilen, als daß Piaton im Euthydem und Kratylos ganz ohne jede Spitze gegen Antisthenes schreibt, aber freilich die prota- goreische Lehre nach beiden Seiten angreift; im Euthydem führt sie zu der Leugnung der objektiven Wahrheit, im Kratylos zu der im richtigen Worte steckenden, allein realen Wahrheit, also zu einem recht verschiedenen (j.7) zXvoli avTiAsystv.

Von der Logik des Antisthenes können wir dank Aristoteles, Metaph. A 1024 b 29, H 1043 b 3, wenigstens so weit eine Vor- stellung gewinnen, daß er eine Begriffsbestimmung für die Dinge zugleich forderte und ablehnte. Das Wesen des Dinges, 9jv xal ecra, wie er sagte, läßt sich nur benennen; dieser Name ist gegeben, ist also allgemein gültig, Gold ist eben Gold; aber weiter kommt man nicht, und mit „Mensch ist Mensch und Tugend ist Tugend" steht es ebenso. Es gibt also nur identische Urteile, und ein ^suSectÖou und avTiA£y£(,v ist über diese „Namen" nicht möglich. Das gilt aber nur für die nicht zusammengesetzten Dinge, die aroiyzly., Buchstaben, sozusagen; die o-uAAocßai kann man wenigstens in ihre Bestandteile auflösen. Wie das gemeint war und sich dann nicht gar so nichtig darstellt, ersehen wir nur aus Piatons Widerlegung, denn daß dieser im Theaetet 201 e ff . sich gegen eben diese Lehre, also gegen Antisthenes richtet, ist unverkennbar und wird mit Recht allgemein angenommen. Es ist auf das schärfste zu betonen und demgemäß auch anderes zu beurteilen, daß Piatons Polemik jedes persönlichen Akzentes

Wilaraowit/., Piaton. Band II. 2. Aufl. 11

1(52 13- Euthydemos.

entbehrt; er bestreitet eine falsche, aber schon durch die ein- dringliche Widerlegung als beachtenswert anerkannte Ansicht.

Ganz anders lautet eine Stelle des Sophist es 251 b, kurz und verächtlich, gegen die yep6vxcov b^iyaxOzlq, die nur identische Urteile gelten lassen wollen, U7rö rzeviccc, tyjs rcepl ippov/jaiv xry\ae(.oc, bewundern solche alten Leute so etwas und meinen wunder was gefunden zu haben. Auch hier ergibt sich durch Aristoteles die Beziehung auf Antisthenes; die o^tpiaOeia berührt sich zufällig mit dem xaTaysyyjpaxevat in der Helene des Isokrates. Piaton hat keinen zweiten annähernd so heftigen Ausfall auf einen Zeitgenossen gemacht, hier gar auf einen, der mit ihm vor langen Jahren um Sokrates gewesen war. Wie schwer er gereizt war, ist unverkennbar, auch daß ein Widerwille sich Luft macht, den er Jahrzehnte verhalten hatte. Mit gleicher Schärfe urteilt Aristoteles, Metaph. H 1043 b, über Antisthenes und die oütco<; aTOuSsuroi. Antisthenes hat das |i.Y) slvoci avnXeystv nicht nur vor dem Theaetet, sondern vor der Helene des Iso- krates vertreten. Also war der Saöwv (oder doch ein Teil des dreibändigen Werkes) früher erschienen und hat doch wohl auch die Lehre von otoiyeia. und cruXXaßcu enthalten. Zum Sophistes, in der Beilage EiScov cpiXoi muß ich darauf zurückkommen. So möchte man sich den Verlauf der Polemik vorstellen. Daß man von der Schrittst ellerei des Antisthenes nicht hoch denken darf, zeigt neben den kümmerlichen erhaltenen Deklamationen das Urteil Ciceros {ad AU. 12, 38) über den homo acutus magis quam eruditus.

Da so verschwindend wenig von den Schriften des Antisthenes erhalten ist, sieht man sich nach Ergänzung aus den Lehren seiner Schule um. Wenn er nur eine gehabt hätte; aber Diogenes ist sein einziger Schüler, und der erst ist der Hund: so kann ihn, ohne den Namen zu nennen, Aristoteles Rhet. 1412 a 24 be- zeichnen. Seine Schamlosigkeiten dürfen wir dem Antisthenes weder in der Lehre noch in der Praxis zutrauen; er ging nicht auf die Gasse, sondern hielt für Geld1) seine Vorträge, auch über Rhetorik, ganz wie die Sophisten. Eine kynische Schule gibt es ja gar nicht, sondern einen xuvixcx; ßioc, und in der Schrift-

1) Das ist an sich klar, wird aber auch durch das Apophthegma VI 4 bezeugt, das oben S. 108 erklärt ;st.

13. Euthydcmos. igg

stellerei einen xuvixo? Tpo7roc, die aber nicht Antisthenes, sondern Diogenes, in der Literatur wohl erst Krates und sein Kreis und dann Menippos begründen. Die Doxographie schweigt von Anti- sthenes. Es ist seltsam, wie stark sich die Modernen dadurch beeinflussen lassen, daß Diogenes ein Buch über die Kyniker hat. In das hat er Menippos und Menedemos erst selbst aus Diokles eingereiht, . die gar keinen Lehrer haben, weil es keine StaSo/y] gibt. Krates mit seiner Frau und seinem Schwager steht wieder für sich1); Hippobotos gab ihm nicht einmal den Diogenes zum Lehrer, sondern Bryson '-). Das Buch hat Diogenes Laertios wesentlich mit der Vita des Hundes gefüllt: um den hatte sich ein Legendenkreis gebildet wie um Sokrates 3), und von ihm schob sich inanches auf seinen Lehrer, so daß dieser zum Kyniker gemacht ward4), was er gar nicht war. Ah Diogenes, nicht an ihn, setzt die Stca an, und dann an Xenophon, dessen Berichte über Antisthenes wirksamer waren als seine eigenen Werke 5). Sieht man sich die Vita des Antisthenes näher an, so bleibt nach Abzug der Schriftentafel und der Apophthegmen ganz wenig; sie ist gleicher Art mit denen von Eukleides und den anderen Sokratikern, und unter diesen hatte ihn Phainias behandelt. Möglicherweise hat erst Diogenes die Vita aus dem

x) Die beiden gehören zu seiner Vita; erst hinter ihnen steht sein S chriften Verzeichnis.

2) Gemeint muß trotz der Heimatsbezeichnung 'Axaio? der Herakleote sein. Vgl. Herrn. 34, 631.

3) Wichtig die vita des Satyros, aus der Hieronymus adv. Iovinian. Wert- volles erhalten hat, das er bei Porphyrios fand, Bernays Theophrast 159.

4) Da Antisthenes kein kynisches Leben führte, mußte ein anderer Anlaß zu seiner Bezeichnung als Hund erfunden werden, und man verfiel riarauf, ihn in das Kynosarges zu verweisen. Alles sekundäre Erfindung, wie schon die späte Bezeugimg lehrt. Hätte Antisthenes sieh mit Ranzen und Stock gezeigt oder sonst in kynischer Weise der Sitte Hohn ge- sprochen, so würde die Komödie ihn nicht verschont haben, und wir würden davon durch die Komödie erfahren. Selbstverständlich beweisen Spätlinge wie Lukian dial. morl. 11, 3 nicht das mindeste: sie glauben an die StaSo^Y).

5) Besser als bei Diogenes VI 2 tritt das bei Satyros (Hieronymus) hervor, wo es heißt, daß Theopomps günstiges Urteil über Antisthenes durch seine Schriften \ind Xenophons Symposion bestätigt würde. Daß Zcnon an Xenophon anknüpft und dann wieder die stoischen Lehrer des Africanus, ist bekannt genug.

11*

].;i 18. Euthydemos.

zweit on Buche hierhergerüokt. In der Kaiserzeit spielten die Kyniker eine Rolle, die sie als eine Schule erscheinen ließ; aber sie Maren es durch ihren Widerspruch gegen den xücpo? der Philosophen und der Laien, durch die Negation: eine positive theoretische Lehre hatten sie auch nicht; Peregrinus, Oinomaos, die Gegner Julians, sind alles Einzelpersonen.

Wenn man also das Kynische und das Stoische abzieht, statt zu sagen, dies klingt stoisch, also ist es echt antisthenisch, so bleibt nicht viel x). Philosophie kommt auch aus Xenophon nicht hinzu. Es bleibt das eine, daß Antisthenes von Sokrates den neuen Inhalt der apsxr) nimmt, so daß das rkloq xou 3tou nicht die alte apex>], Macht, Ansehen, Gedeihen ist, sondern das xxx' dcpsxv]v £yjv, praktische Sittlichkeit. Das ist lehrbar, und sein Unterricht wird es lehren, ohne die formale Schulung des Verstandes und die praktisch nützliche Rhetorik aufzugeben. Seine Homererklärung, die in seinen Schriften einen sehr breiten Raum einnahm, beweist, daß er auch sonst keineswegs alles Wissen verwarf, wenn er auch einmal hinwarf, daß das Lesen- lernen zur Tugend, also zum Glück nicht nötig wäre 2) Die Haupt- sache war der Tzovoq, Mühe und Arbeit; das, was Luther dem 90. Psalm als ein neues, aber erst das rechte Licht aufgesetzt hat, ist das einseitige, aber gesunde Lebensprinzip des Antisthenes. Das sprach sein Herakles aus, und wenn er ein Leben voll Arbeit auf sich nahm, war der Held ein edles Vorbild; die kynischen Müßiggänger entwürdigten es. Metaphysik beschwerte ihn nicht; Mathematik und Naturwissenschaft fielen ganz fort; die Erkenntnistheorie borgte er zuerst bei Protagoras und versuchte sie dann auszubauen. Der Glaube an die Etymologie vertrug

1) Nach dieser Seite stehe ich auch zu Maieis Sokrates in ent- schiedenem Gegensatze; er hat der modernden Antistheneslegende so starke Zugeständnisse gemacht, daß seine Leser glauben müssen, Anti- sthenes wäre neben Piaton ein fast gleich wichtiger und gleich kenntlicher Zeuge für die Lehre und Person des Sokrates.

2) So muß man etwa umformen, was Diokles bei Diogenes VI 103 ihm zuschreibt, \ii) (j.av6av£iv ypo^axa tou? aeoeppova«;. Diokles ist bestrebt, den Zusammenhang mit der alten Stoa, Ariston und Zenon, hervorzuheben, läßt aber in diesem Stücke das. Originale durchscheinen. Stoisches ist in den Referaten gut zu erkennen, wo davon geredet wird, was der Weise tut und nicht tut, denn diesen Unterschied des Weisen von der übrigen Masse kann selbst der alte Kynismus gar nicht gemacht haben.

13. Euthydemos. 1(J5

sich mit der Unerkennbarkeit der Urworte, aber geradezu un- denkbar ist, daß er in ihnen wie die Herakliteer Aufklärung über das Wesen der Dinge gefunden hcätte.

Ich habe dies hier zusammengestellt, weil so übersehen werden kann, was das Fundament ist, auf dem die Riesen- bauten der modernen Hypothesen ruhen. Solche Luftbauten halten sich lange in den Köpfen; die wenigsten können ja von den Folgerungen absehen und allein die Zeugnisse ins Auge fassen. Hier sind sie: auf sie gestützt, bestreite ich, daß Euthy- demos und Kratylos im ganzen oder im einzelnen gegen Anti- sthenes gerichtet sind. Aber mit besonderer Freude setze ich , her, was Welcker Kl. Sehr. II 440 über den Euthydem gesagt hat. „Der Irrtum, die herrliche Streitschrift für unecht zu er- klären, der mir nach meiner Auffassung derselben ein gewisses Grauen erregt, wird nur dadurch begreiflich und entschuldigt, daß sie als eine eigentlich wissenschaftliche genommen und auf irgendeine Lehre ernstlich bezogen, in der Tat unauflösliche Schwierigkeiten darbietet. Nehmen wir aber an, daß Piaton . . . eine zwar innerlich nichtige, aber durch den Beifall der Menge für den Augenblick nicht gleichgültige verderbliche Art des Jugendunterrichtes angreife, und also der Vorzug nicht in der Tiefe der Gegengründe, sondern in der Kraft der Wirkung und satirischen Zeichnung zu suchen sei, so stimmt alles wohl über- ein.'* Ebenso einsichtig hat Bruns geurteilt: es ist eben etwas anderes, ob man einen Satz oder ein Wort aufgreift oder das Ganze erfaßt und von innen heraus das Verständnis holt, fiimum e fulgore oder e fumo lucem dat.

Sehr viel weniger Worte erfordert die sehr viel ansprechendere Hypothese Spengels, der Isokrates in dem Kritiker findet, dessen Urteil zuletzt von Kriton dem Sokrates mitgeteilt wird 1). Künst- lerisch hat das die Bedeutung, das Urteil aussprechen zu lassen, das auch der Leser an diesem Punkte hat, aber vielleicht aus Respekt nicht aufkommen lassen will: wie kann Sokrates sich mit dem Gesindel gemein machen. Das rechtfertigt auch Piaton nicht, denn er selber wird nicht anders denken. Um den Sokrates

1) Kriton führt die Worte des Kritikers wohl nicht bloß deshalb an, weil Piaton an solche Berufung auf anonyme Gewährsmänner gewöhnt war. sondern weil er so die Verantwortung für die verletzende Kritik von sich ganz abschiebt.

] lii; 18. EuthydemoB.

zu decken, verschiebt er die Frage. Der Kritiker verwirft die Philosophie überhaupt ; zu ihrer, nicht zu seiner Verteidigung kann Sokrates antworten; die Sophisten gibt er implioite preis. Es ist nicht natürlich, daß Kriton den Mann nicht mit Namen nennt, und daß Sokrates nicht fragt, wer es war, sondern ob es ein praktischer Redner oder ein Redeschreiber war : daß die Kritik aus einem solchen Munde kommt, steht ihm ohne weiteres fest. Auch ein Politiker würde es hiernach sein können; sie sind pyjTopec;. Gewandt hat es Piaton so, weil seine allgemeine Antikritik sich gegen diese ganze Klasse, die toioutoi, die (j-sOopia 7toXiTix9jc; xal cpiXo<yo©ia<; richten sollte. Und die Einführung eines un- benannten Kritikers ist ihm so wenig fremd wie die Berufung auf unbenannte Urheber von Lehrmeinungen, z. B. Staat 487 d, 499 d. Es wird hier nur etwas anstößig, weil die Person dahin bestimmt wird, daß der Mann sehr schöne Reden zu schreiben versteht, aber selbst nie vor Gericht aufgetreten ist. Er gehört also unter, die zweite von Sokrates unterschiedene Klasse als 7roi7]T7)<; twv Xoycov olq ol pyjTopec; aycovi^ov-ai; Kriton hatte ihn als einen twv 7ispl tou<; Xoyouc; touc; ei? t<x Sixaax^pia Seivcov be- zeichnet. Wenn das die Athener lasen und auf einen bestimmten rieten, wen konnten sie nennen? Isokrates nicht; der schrieb ja nicht für Prozesse. Daß er das in früheren Jahren getan hatte; mit geringem Erfolge, konnte jetzt nicht mehr angeführt werden. Und andere schöne Reden hat er vor dem Panegyrikos nicht verfaßt; der lag noch nicht vor, würde wohl auch die Formulierung des Urteils geändert haben. Die Athener konnten wirklich nur Lysias nennen, auf den bis hierher alles zutrifft; daß er vor langen Jahren einmal die Rede gegen Eratosthenes gehalten hatte, fiel nicht ins Gewicht. Piaton hat ihn nicht ge- meint, aber unter die Rhetoren, die er abweist, mochte er immer gerechnet werden. Das Folgende trifft kaum noch auf ihn zu. Wenn die toioutoi als (xsGopia cpiXoaocpia? xal 7toXitix7]<; vor- gestellt werden, so ist die Rhetorik im ganzen ebenso gemeint wie die Eristik im ganzen vorher. Diese mußte im Dialoge ihren benannten Vertreter haben; hier werden Klassen unterschieden, und eben deshalb fällt kein Name. Vor dem Erscheinen des Panegyrikos hatte Isokrates wirklich noch nichts getan, was mit der Politik in Verbindung stand. Piaton hat also unmöglich auf ihn gezielt. Aber gerade diese letzte Charakteristik traf auf

13. Euthydemos. I(j7

Isokrates, wie er sich fühlte, und wie er gelten wollte, zu: er schrieb ja am Panegyrikos. Insofern hat Spengel ganz recht gesehen. Es ist also wohl denkbar, daß er am Euthydemos, so sehr ihui die Bekämpfung der Eristiker recht war, eine geringe Freude gehabt hat; aber ebenso möglich, daß ihn die letzten anerkennenden Worte (306 c 8) versöhnten.

Eine Stelle aus dem ersten Protreptikos an Kleinias, 279 scheint mir noch ein Wort der Erläuterung zu verdienen. Sokrates läßt sich von dem Knaben zugeben, daß unter die Güter, deren Besitz bewirkt, daß es uns gut geht (so 7rpaTTeiv), auch das Ge- lingen (süxuxeiv) gehört. Das Zugeständnis an sich ist nicht wunder- bar, Aischylos Choeph. 60 8' euru/etv, toS' ev ßporooi; dzoq re xou 6soü Ti/iov. Wunderbar ist dagegen, daß Sokrates das Gelingen in einem Atem mit Reichtum, Gesundheit, Schönheit u. dergl. nennt. Er nimmt es auch gleich wieder zurück mit der ver- blüffenden Behauptung, ,,die Weisheit (Einsicht) ist doch die euTu^ta; das muß jedes Kind sehen". Der artige Knabe Kleinias stutzt, läßt sich aber einschüchtern und gibt es zu, ,,so naiv ist er noch", sagt Sokrates. Wir werden hoffentlich auch stutzen, denn der Beweis soll darin liegen, daß die Weisheit das euxuxstv, das richtige Treffen bringe. Das kann etymologisch in eüxux^a liegen, aber der Sprachgebrauch ist ja ganz anders, süru^a i3t das Glück, das dem Menschen durch die xu^t] x), den Zufall, zu- fällt. Sokrates hatte die ganze ertraglose Abschweifung über das euTu^elv gar nicht nötig; aber er hat die erste Erwähnung der sütux^ doch nur gemacht, um sich über den Begriff zu ver- breiten, und seine Bemerkungen xav neue, yvotY] und ouxax; eutjÖtj^ eaxiv sind darauf berechnet, daß wir den Schalk erkennen, der es versteht, eine mehr als gewagte Behauptung durchzufechten; ein stärkerer Gegner würde sie zurückweisen, und dann würde

1) Über den Unter.se hied von eu8ai.[xcov und eütu/tjc zu Eur. Her. 440. wo ich nur die Stelle des Euthydem noch zu ernst nahm. Richtiger Diels. über Aristoteles Physik 38 „Abbiegung des Begriffes in das etymologisch Mögliche". Nur möchte ich darin nicht Parodie der sophistischen Manier finden, sondern einfach Benutzung dieser Manier, Überwindung der Eristiker mit ihren Waffen. Die Stelle wird von Eudemos Eth. 1247 b 15 ohne Billigung angeführt. Auch Kolotes hatte sie besprochen; aber was er sagte, läßt sich nicht herstellen, Crcnert, Menedernos und Kolotes 168.

2^g 13. Euthydemoa.

uohl herauskommen, daß die eü-ru^ia über die eüoai|j,ovia nicht entscheidet. Das war freilich für den Knaben zu hoch und zu schwer, dem es nichts schadete, wenn er glaubte, daß die Ein- sicht Glück in jeden» Sinne verleihe. Es ist aber wichtig, an- zuerkennen, daß selbst in dem Protreptikos Sokrates sich einen Seitensprung erlaubt, der durch seinen Zweck, die Erweckimg des Kleinias, gar nicht erfordert ist, also für die Sophisten gemacht wird; er kann die Fechterkünste auch. Piaton hat ihn ja auch in den früheren Dialogen Ähnliches tun lassen; wir werden das- selbe sogar noch an Diotima bemerken *).

1) 281 c ist Platon durch die griechische Sprache zu einem starken Irrtum verführt, indem er 7tpa-rn:iv als dasselbe behandelt, obwohl es einmal „gut handeln", das andere Mal „es gut haben" bedeutet, Ebenso Gorgias 507 e und in einem Schlüsse, den Aristoteles Pol. H 1325 a 21 mit- teilt. Wenn Platon e5 7rpaTTetv als Grußformel im Briefe anwendet, hat er sicherlich den Doppelsinn bedacht; er mahnt „handle gut, dann geht dir's gut". Das ergibt sich auch aus dem letzten, bedeutungsvollen Worte des Staates. Damals mochte er die Grußformel sich gewählt haben: in welchem Sinne sie xatp^v ersetzt, steht in den Gesetzen 657 c.

14. Diotima.

Die Rede des Sokrates (Sympos. 199 c) hat als Vorspiel ein Gespräch mit Agathon, das zunächst den Erfolg hat, daß der Schaumschläger gestehen muß „ich scheine von dem, was ich vorhin behauptete, gar nichts verstanden zu haben" 1). Was er zugeben muß, ist, daß Eros weder schön noch gut sein kann, da er das xaXXo? (oder die xaXa) und die ayaOa nicht besitzen kann, wenn er noch nach ihnen verlangt. Die Gleichsetzung von xaXa und dyaöa wird als selbstverständlich ohne weiteres zugestanden, genauer wohl, daß die xaXa unter die ayaöa fallen. Sokrates hat diese Belehrung selbst erst von Diotima emp- fangen (201 e), hätte also alles als ihre Lehre vortragen können, wenn nicht das rhetorische Blendwerk des Agathon in seiner Nichtigkeit hätte bloßgestellt werden sollen. Aber wenn Sokrates die ersten negativen Bestimmungen in eigener Person gibt, so folgt daraus, daß sie als erwiesen gelten sollen. Auch die nächsten Schlüsse sind für Sokrates überzeugend (204 c, 205 d). Damit ist zugestanden, daß die gewöhnliche Vorstellung die Eigenschaften des £p<oy.evov auf den "Eooic, überträgt. Der Mythos, den Diotima erzählt, ist nichts weiter als ein Versuch, dem Ge- fühle, das nun in dem epwv gefunden ist, einen sinnlichen Ex- ponenten zu schaffen. Auf diese Weise hat Sokrates auch die Auf- gabe erfüllt, von dem Gotte seine yovoa 2) zu erzählen, den zu

J) 20 L b x'.vSuvsüoj oüSev elSevca <ov tot' sZ~ov. Das könnte bedeuten „ich weiß nichts von dem, was ich sagte". Aber es bedeutet oüSsv etö&g eItcov s/.slvy. Weil ciSevai keine anderen Verbalst ämme hat, muß sein In- finitiv auch eintreten, wo eigentlich der des Aoristes erforderlich war.

2) Daß die Entstehungs-Geburtsgeschichte yovai, so im Plural, heißt, sollte wirklich bekannt sein, schon aus den Dramentiteln, also 178 b vovai aus Stobaeus für yovv^ der Handschriften Aufnahme finden. Ebenso gehört 203 e 5 ao<ptoc^ S' aus Origenes in den Text; te oder te <xü der Codd. ist soloek; und 214 a 1 oöv aus Athenaeus statt eines unerträglichen Asyndetons.

170 14. Dioiima.

verherrlichen seine Aufgabe war, und die ganze Dämonologie bedeutet nichts weiter, als daß der Trieb, der in der Menschen- natur vorhanden ist, soweit er körperlich ist, dem Reiche des Werdens angehört, soweit er aus der Seele kommt, dem des Seins: danach werden sich seine Ziele verschieden stellen.

Sokrates verlangt denn auch sofort 204 c zu hören, was dieser Eros für die Menschen zu leisten hat. Darauf erhält er zunächst keine Antwort, sondern muß zugeben, daß Eros eigent- lich das Streben nach dem dauernden Besitze der Güter ist, für die dann im Singular das Gute gesetzt wird, das Avieder für das Schöne ohne weiteres eintritt. Was durch diesen Besitz erreicht wird, ist die süSaifAovta, wo es doch wohl nötig sein würde, fest- zustellen, was wirklich gut, wirklich Glückseligkeit ist. Den Dämon brauchen wir hier gar nicht mehr. Sokrates benimmt sich als Schüler so, wie sich sonst seine Unterredner benehmen, er begeht den Denkfehler, zu meinen, Eros müßte häßlich sein, weil er nicht schön ist, u. dgl. Es ist auch sehr bequem, daß er keine Antwort auf die Frage hat, was der Liebende weiter wollte, außer in den Besitz des Schönen zu gelangen. Es läge wahrlich nahe, zu antworten ypyjcrOai cxutoh. Das sind Gewalt- samkeiten der Dialogführung.

Nachdem der Eros, nicht die Person, sondern das Streben und Verlangen des Menschen, als Gattungsbegriff erfaßt ist, muß die Art bestimmt werden, welche den Namen der Gattung über- nommen hat. Das fragt Diotima nicht heraus, sondern sagt selbst toxoc; ev twi xaX&i. Sokrates ist überrascht; es leuchtet ihm durchaus nicht sofort ein, er sagt nur aXXa ti jjl-/]v 208 e, also verwundert und ungläubig fragend, und dann slsv, abwartend, was weiter kommt. Es kommt nur eine noch verwunderlichere Behauptung, daß der Eros eigentlich der Unsterblichkeit gelte (207 a). Dann wird durch eine geschickte Wendung ermöglicht, daß Diotima ihre Belehrung von frischem beginnt, wo denn Sokrates nur seine Unwissenheit und seine Zweifel äußert (207 c, 208 b); dann verstummt er. In dem Schlußworte seiner Tischrede, 212 b, bekennt er freilich niizeiayiaa syco, aber das ist nur das Bekennt- nis des Glaubens und steht genau auf einer Stufe mit dem axTj- xocbc; 7u<tt£uco vom Mythos des Gorgias, 524 a, mit dem axyjxoa avSpwv TS xal yuvatxwv crocpaiv rcepl ia QeZa 7rpayu.aTa vor der Offenbarung über die Unsterblichkeit der Seele im Menon, 81 a,

14. Diotima. 17 J

ii il dem 7CErcei(X{Jwa, das den Mythos des Phaidon einleitet (108 e), der als jxuOo^ direkt bezeichnet wird (110 b), und wenn der Mythos des Staates am Anfang kein 'AXyivou a7coXoyo<; sein soll (614 b), am Ende nicht den Märchenschluß 6 [xvüoc, aTcooXsTo er- hält (621 b), so bleibt er doch der Mythos, der er ist, ein sinn- reiches Märchen, Wahrheit im Schleier der Dichtung. Diotima hat sogar selbst bezweifelt, ob Sokrates die sTWJvnxdt, zu schauen imstande sein wird (210 a). So hat Piaton denn immer einen scharfen Strich zwischen dem gezogen, was dialektisch erwiesen ist, und was, einerlei v,ie hoch sein Wert sei, höchstens auf Glauben Anspruch machen kann.

In Diotimas Rede fängt dieser wissenschaftlich unverbindliche Teil aber sehr viel früher an als bei den e7ro7mx<£, und begreift vieles in sich, was leicht zu ernsthaft genommen wird. Das ist dann nicht Piatons Schuld, denn er hat in dem Verhalten des Sokrates deutliche Fingerzeige gegeben, ja er sagt 208 c, daß sie in dem zuversichtlichen siü taöi, mit dem sie eine verblüffende Behauptung aufstellt, es macht cbc, ol rsXeioi aocpicrrod. Damit ist gesagt, daß in dieser Rede wie in allen übrigen Enthymeme vorkommen, die wohl ruOava sein können, Einfälle, in denen auch einige Wahrheit stecken mag, die aber auf keinen Fall den Wert von bewiesenen oder auch nur völlig büligenswerten Sätzen beanspruchen.

Die erste Behauptung, die Sokrates nicht ausdrücklich billigt, ist die Lehre vorn xuetv xal toctsiv ev tgk xaXok. Sie wird später insoweit vorausgesetzt, als die Berührung mit dem Schönen die Erzeugung von xaXoi Xoyoi zur Folge hat. Darin liegt die not- wendige Verbindung des yvyjaoco^ 7taiSepaaT£tv mit dem <piXo(709stv, das SiaXeysoröat und epcorav als die Methode des Forschens, als Weg zur Erkenntnis des Wahren. Aber so wie es hier vor- getragen wird, darf es nicht als Wahrheit genommen werden. Von den Erklärern wird gerade das verkannt, was für diese Form das Wesentliche ist, denn der Satz pflegt verworfen zu werden, in dem die leibliche Zeugung zum Beweise herangezogen wird, 206 c 5. Der Beweisgang ist folgender „Alle Menschen begehren in einem gewissen Alter zu zeugen. Erfolgreiche Zeugung (tixtciv) ist nur im Schönen (durch Berührung mit ihm) möglich. Denn die geschlechtliche Verbindung von Mann und Weib ist toxo? (d. h. Vorbedingung für die Fortpflanzung von

172 14. Diptima.

einer unfruchtbaren auvouaia ist abgesehen, weil sie zweck- und naturwidrig ist: der Ausdruck ist sophistisch zugespitzt). Das ist etwas Göttliches, denn in seiner Fortpflanzung besitzt das Geschlecht der sterblichen Lebewesen eine Unsterblichkeit. Zu dein Göttlichen steht nur das Schöne in Harmonie, also ist die Schönheit Moira und Eileithyia 1)) Helferin zu Empfängnis und Geburt, für alles Werden". yeve<n<; steht hier, nicht yivvrioiq, Werden, nicht Zeugen 2), so daß die Einflußsphäre des Schönen in das Ungemessene erweitert wird. Aber für alles liefert die leibliche Zeugung und ihr Erfolg, die Unsterblichkeit der Gattung, den Beweis; hier ist es unmittelbar einleuchtend. Dies, auf das doch alles ankommt, wird ganz unkenntlich, wenn der Satz über die Vereinigung von Mann und Weib fehlt. Das Folgende gilt zwar auch von dem tixtslv xaxa <\)\jyj]v\ wie sollte es nicht; aber durchaus nicht allein, und wenn die schmerzhafte Spannung und der leidenschaftliche Drang des xuouv angesichts des Schönen geschildert wird, dessen Besitz Erlösung von der d)8u; bewirkt 3), so ist nicht nur ein Bild von dem fleischlichen Geschlechtsleben geborgt, sondern es wird geschildert, was für Leib und Seele gleichermaßen gilt.

Schon hier hätten wir wohl manche Frage zu stellen und können in der Analogie des Physiologischen und Psychologischen keinen wirklichen Beweis anerkennen. Noch verwunderter

1) Die Moiren haben gerade in Athen ihren Platz unter den Ehe- göttern, Aischylos Eum. 960 reicht als Beleg aus; mehr geben die Hand- bücher. Es versteht sich von selbst, daß die Moira Leben ebensogut gibt wie nimmt; sie kommt nur in der zweiten Tätigkeit sehr viel öfter vor, weil die Grabepigramme nichts Entsprechendes für die Amphidromia be- sitzen. Moipa xat. EiXeiOma fängt ein Epigramm an (Kaibel 238), auf eine Dichterin, die im Wochenbette starb. Es wird ein zufälliger Anklang sein. Daß als Göttin nicht das neutrale xaXXo<;, sondern die xaXXovrj steht, ist so natürlich, daß Useners unglückliche Göttin Kallone, die doch niemand kannte, auch nicht den Schatten eines großen Initialen mehr werfen sollte.

2) 207 d hat Burnet mit Recht nach Vermehrens Vorgang ttji yevlaet gestrichen, denn da könnte nur yevvr]asi stehen.

3) Das xaXöv [izyöiX-qq wSivo? äuoXüei töv ^xOVTOt- Wie soll da das Präsens ex0VTa stehen ? Soll man etwa §x0VTa TV «STvoc verstehen ? Das ergäbe nicht nur etwas Müßiges, sondern geradezu Falsches, denn die &<>i<; löst sich erst im tixteiv. Also ist xaXov Objekt zu £xovTa* Hat er es ? Oder wenn er's bereits hat, hat er noch die wSlq ? Was ihn von dieser er- löst, ist die Besitzergreifung, also' röv sX6vra. IXelv töv IpcotAevov braucht nicht belegt zu werden.

14. Diotima. 17g

werden wir, wird auch Sokrates, als nun Diotima daraus, daß die Lebewesen durch Zeugung für die Unsterblichkeit der Gattung sorgen, folgert, in dem Spw? ttj? yevvYjaeax; xal tou toxou ev ran xaAwt, den sie an die Stelle des epcoc; toü xaXoü setzt, stecke ein sptoi; dOavama<;. Wer scharf nachdenkt, wird das mit dem späteren Aufstieg zum aurö xaXov kaum vereinbar finden, und über das TtxTsiv xaxa ^u^v sind wir nicht klarer geworden.

Piaton deckt diesen Mangel, indem Sokrates die Diotima abbrechen und ein andermal von neuem anfangen läßt. Was sie da bringt, ist einigermaßen eine Fortsetzung. ,,Die Tiere gehen in der Verteidigung ihrer Jungen bis zur Selbstaufopferung; das geschieht nur aus jenem Ipco^ aöavaata^. Da dieser nicht bewußt in ihnen ist, ist er also ein Naturtrieb. Er ist ganz analog dem, daß sich der menschliche Leib als derselbe erhält, obwohl alle seine Bestandteile sich fortwährend erneuern. Ja sogar unser Wissen erhält sich nur dadurch, daß, „was durch Vergessen verloren geht, durch neues Studium im Gedächtnis ersetzt wird." Es kann uns wirklich nicht verwehrt werden, hier mit Sokrates unseren erstaunten Unglauben zu äußern. Wenn wir uns den heraklitischen Strom des Wechsels für das Leibliche gefallen lassen, das Wissen kann Piaton nie so beurteilt haben; die ava[xvy)an<; hat er nicht preisgegeben, Phileb. 33 c 34 c gibt seine wahre Ansicht.

Dann redet Diotima vollends als Sophistin. Das Streben nach Unsterblichkeit wird zur Ruhmbegierde, gerichtet auf Er- haltung des Namens. Dies Motiv für die Aufopferung von Alkestis, Achilleus und Kodros soll doch hoffentlich nicht Piatons wirkliche Meinung sein; da halten wir uns lieber an die Rede des Phaidros, 179 b. Endlich das Enthymem „Lykurg und Homer haben durch ihre geistigen Kinder Unsterblichkeit, ja sogar Heroenkult *) ge-

x) tepa noKkä. sollen Dichter und Gesetzgeber erhalten haben; es ist nicht leicht, sie nachzuweisen, außer dem göttlichen Kulte des Lykurgos. An Tempel ist keinesfalls zu denken, wohl eher an Altäre, d. h. Opfer- stätten für heroische tijjl/). Solon hatte im Kerameikos ein Ehrengrab, Opfer für Homer in Argos erwähnt der Agon 17; daß Homer sie in Chios, Kolophon, Smyrna erhielt, wird man nicht bezweifeln. Auch die lange Reihe geehrter Berühmtheiten, die Alkidamas bei Aristoteles Rhet. 2, 23 aufzählt, haben solche ti[jly], Totenkult, erfahren, wie namentlich sti xal vüv ri[L&ai bei Anaxagoras lehrt. Auch wenn Pindar in Delphi dauernd zu den Theoxenien geladen wird, ist das eine solche tijjiy).

174 11. Diotima.

wonnen; also sichern geistige Kinder die Unsterblichkeit besser als leibliche". Es war Zeit, daß endlich etwas von geistigen Kindern gesagt würde; wir hatten sie seit der Erwähnung des tixteiv xaxa ^u^vjv aus den Augen verloren. Was das xaAov war, sv tot. etexov "Oy.ripoc, xal Auxoüpyo<;, wollen wir so artig sein, nicht zu fragen. Aber die Ruhmsucht als Motiv gar des Gesetz- gebers ist wahrlich so durchaus wider Piatons Gesinnung, daß die Sophistik Diotimas gar nicht bestritten werden kann.

Damit tritt die Diotimarede in dieselbe Reihe wie alle vorher- gehenden; Sokrates durfte sich nicht selbst so weit von seiner Natur entfernen, daher schiebt er die Prophetin- Sophistin vor, die Prophetin, weil sie doch auch den gehaltvollen Schluß bringen soll. Spiel ist also alles, geistreiches Spiel, wie sich schickte. Auch die Rolle Diotimas ist nicht anstößig: sie hat in Aspasia ihre Parallele. Wie Piaton dort dem Sol rates den Epi- taphios nur so unterschieben kann, daß Aspasia die Verfasserin sein soll, wenn's auch keiner glaubt, so tut er es hier mit Diotima, ob- wohl sie über das n<xi8epo<.Gxziv aus irgendwelcher Erfahrung und Einsicht nicht reden kann, und obwohl Sokrates sie gegen Aristo- phanes polemisieren läßt. Wahrlich, dem Symposion wie dem Menexenos, wie früher dem Ion und Protagoras, geschieht Un- recht, wenn sie als Lehrschriften eines Philosophen aufgefaßt werden.

Nun steckt aber doch in der Stufenleiter der Erotik eine der tiefsten Äußerungen Piatons über sein eigenes Innenleben. Gewiß; auch die Alkibiadesrede, so stark in ihr die Ethopöie ist, bringt nicht nur für Sokrates ziemlich das Wichtigste, was Platon über seine Tugend zu sagen hatte; es ist auch für das yvyjcrio); 7rat,8epac7T£iv die eigentliche Offenbarung. In dieser seiner Dicht- kunst liegt, sein stärkster Zauber. Aber es kann nicht ent- schieden genug eingeschärft werden, daß Platon die Grenzlinie der Wissenschaft streng einhält, daß seine Leser die Schuld tragen, wenn sie seine Mythen mit in seine Wissenschaft ziehen. Die Lehre von der txvtx^vrioic,, von der Ewigkeit der Seele, von der realen Existenz der Ideen hat er geglaubt bewiesen zu haben; da würde er jeden Widerspruch aufnehmen wie der So- krates des Phaidon den von Simmias und Kebes. Schon als er den Menon schrieb, war er im Besitze seiner Beweise für die Ewigkeit der Seele, die der Phaidon bringt, und sie schienen

14. Diotima. 175

ihm wirklich beweiskräftig, aber er hielt sie noch zurück : darum gibt er die Sätze nur als Offenbarungen weiser Theologen.

Von seinen Mythen sind manche nichts als symbolische Dichtungen, die weiter keine Geltung beanspruchen. Die "Epcoxo^ yovai sind kaum etwas anderes als die der Zikaden im Phaidros. Manches ist nur Ausführung eines Bildes. Bild bleibt das chimära- hafte Wesen, als das die Seele im Staate vorgestellt wird. Der Phaidros ersetzt es durch die gelungenere Erfindung des Seelen- v.agens, und diese wird zu einem ganzen Mythos ausgestaltet. Häufig spinnt er, wie es die Dichter seit Homer und Hesiod getan haben, alte Erfindungen weiter. So geschieht es schon in dem Mythos von Prometheus im Protagoras. Der Mythos des Politikos hat zur Voraussetzung die Sage von Atreus und Thyestes, von der Herrschaft des Kronos, die empedokleiscke mythische Ein- kleidung der Weltperioden, und auch die Umkehrung des Werdens, daß die Heune zum Ei, die Kuh zum Kalbe wird, stammt sicher aus volkstümlichen Spaßen. Alle drei Eschatologien, so ver- schieden sie in Anlage und Ausführung sind, haben ältere Jenseits- bilder zur Unterlage. Auch der Mythos des Kritias ist nicht ganz frei erfunden. Die Erschaffung der Welt im Timaios ist wohl etwas Neues; aber gerade da hat die stilistische Darstellung er- zwungen, daß Weltschöpfung an Stelle der Weltbeschreibung trat.

All das wird entwertet, entweiht, wenn man die Konsequenz des wissenschaftlichen Denkens in ihm sucht und nun weiter folgert und kombiniert. Wirklich philosophische Sätze, wirkliche Wissenschaft darf darin nicht gesucht werden, und Dogmen statt der Wissenschaft hat Piaton nicht aufgestellt. Es liegt an ihnen, wenn die Späteren dogmengläubig und dogmensüchtig sich mit Vorliebe an die Mythen gehalten haben, die alle fortbleiben könnten, und die Philosophie Piatons bliebe dieselbe. Der Philo- Boph allerdings nicht; aber nur darum nicht, weil es für ihn wesentlich ist, daß er sich der Grenzen bewußt war, die der Wissenschaft gezogen sind, mit der sich hoch und immer höher steigen läßt, aber niemals bis zu ihrem Ziele. Denn das Ziel liegt jenseits. Dahin trug ihn der Fittich der Poesie; nur auf diesem war es ihm erreichbar. Anders ausgedrückt, da ist ein verschlossenes Tor, das sich nur dem auftut, der in musischer jiavta anpocht. Die müssen wir selbst haben, unserer eigenen Seele müssen die Fittiche wachsen; da* mag uns im Anschauen des Schönen, der

iy(; 14. Diotima.

platonischen Mythen, zu denen auch Diotimas letzte Rede gehört, gelingen; aber auch dann dürfen wir nicht vergessen, daß es u.ocvia ist, wenn auch die u.avia eines <piX6ao<po<;, eines OsocptÄT)?, dennoch keine ernar/jnT). Wer das Spiel zu ernst nimmt, wird wie der Famulus Wagner dem Homunculus betrübt nachschauen, der ihm auf leuchtender Phiole entfliegt.

Ist es noch nötig auszusprechen, daß es ein Unding ist, von der Rede Diotimas eine rhetorische Disposition aufzustellen, oder soll gar ein wissenschaftlicher Gedankenfortschritt in ihr ver- borgen sein? So treiben es die Jünger der Rhetorik, und schon darum würde es Sokrates nicht tun, wenn er überhaupt eine Rede halten könnte. Weil er das nicht kann, muß die Prophetin herhalten, und die bringt vielerlei; daß es nicht in sich geschlossen, kein System ist, keins sein darf, liegt in ihrem Prophetentum. Aber die Erklärer muten uns gar eine Disposition der Alkibiades- rede zu, als ob der in der Verfassung wäre, wie ein Schulfuchs zu reden; dazu ist er nicht nur zu voll des Weines, auch zu voll des inneren Feuers. Das Suchen nach einer Disposition, das auch in der Dichtererklärung stark übertrieben wird, ist nur berechtigt, wo die Rhetorik die Führung hat: in freier Poesie, bei Sophokles z. B., und ebenso im freien Gespräche ist es un- sinnig. Insoweit auch die Rhetorik einen in der Tat nicht ver- ächtlichen Bildungswert hat, mag es auch berechtigt sein, von Schüleraufsätzen eine Disposition zu verlangen (die aber jeder einzelne sich selbst ausdenken muß, nicht dem Lehrer nach- plappern); wirklich schreiben zu können soll sich niemand ein- bilden, ehe er gelernt hat, uneingeschnürt in die spanischen Stiefel einherzuschreiten.

Es ist wohl nötig, noch einmal x) über die Stelle der Aristo- phanesrede ein Wort zu sagen 193 a ^i(xiiy.iady]{iev xaOaTceo 'Apxa- Szc, U7uö AaxeSaiu.ovicov. Das hat Aristeides uicsp -rcov TS-rrapcov II 371 Ddf. als Anachronismus aufgestochen, Sicoi,xi<T07)<7av Se Mav-ttveu; uttö AaxsSaifxoviwv tjSt] t% zlpwqq (des Königsfriedens) o)\AO>\xoG\j.£vy}c>. Er nimmt das vermutlich aus einer antiplatonischen Schrift, die er auch sonst benutzt; ich verdenke dem Gramma- tiker oder Rhetor die Deutung auch nicht, weil ihm nichts

l) Textgeschichte der Lyriker 103.

14. Diotima.

177

Passendes bekannt war, die Behandlung von Mantineia aber bei Xenophon, Hell. V 2, 7, Ephoros (Harpokr. Mavxtvecov oioimG[ioq), Isokrates n. eip. 100 erwähnt war. Aber eigentlich widerlegt er sich selbst, denn wenn die Mantineer auch Arkader sind, so sind die Arkader doch keine Mantineer. Auseinandersiedeln kann man nur eine zusammengeschlossene Gemeinschaft. Wenn nun eine kurze Zeit, gerade vor der Zeit des Symposion, Münzen mit dem Stempel 'Apxa&xov geschlagen sind, die aufhören, als 418 bestimmt wird, daß alle großen und kleinen Städte autonom sein sollen, für eine Freilassung von Städten, die Mantineia sich angeschlossen hatte, ein Zeugnis vorliegt (Hiller vor IG V 2 p. XIII *)), kann man da bezweifeln, was Piaton meint ? Daß die Leute, die sich damals stolz Arkader nannten, etwas Ähnliches hofften, wie später Epaminondas erreicht hat, also auch einen awoiy.iay.6t; in eine [xsyaXy) rcöXfcj ist selbstverständlich. Ohne eine solche Stadt geht es nie. Es ist nur nicht dazu gekommen, weil Sparta zu früh einschritt. Vielleicht war der Gedanke an die „Große Stadt" wirklich schon in der Ausführung und auch später nicht ganz verschollen, denn bei Ammonius 101 Valck. steht nach einer Definition von Siot-x^e-roa, &<; <x AocxsSoafxoviot, TYjv ev 'ApxaStoa pLsyaXvjv 7r6Xiv o\cot,xt,<jav, wenn da nicht Megalo- polis durch Gedächtnisfehler für Mantineia gesetzt ist.

Aber war das später vergessene Ereignis dem Piaton bekannt, seinen Lesern bekannt? Das ist natürlich erfordert. Dazu brauchen wir die Zeit des Symposion, die man «ehr unbedacht bald nach 385 ansetzte, weil Mantineia damals in seine fünf (Xenophon sagt irrig vier, richtig Ephoros) Komen zerlegt ward. Bis 370 die Maßregel rückgängig gemacht war, konnte Piaton das immer sagen. Das Symposion ist zwar nicht absolut datiert, aber es fällt vor den Staat und den Phaidros, fällt eine ganze Weile

1) Auf ein Rätsel sei hier hingewiesen. In der Lysistrate 994 sagen die Spartaner HeXk&vau; 8k Sei, was die Scholien nicht zu erklären wissen. Eine Forderung einer Stadt Pellana liegt aber notwendig darin. Wie soll das die achäische Stadt sein ? Kann diese jemals den 'A^ävst; gehört haben, wie es Hiller (IG V 2, p. VIII) mit einigen Gründen stützt ? Lykaon von Trapezus ist doch König der 'A^ave? (Achaios Fr. 2). Oder erstreckte sich der Anspruch dieses Stammes bis auf das lakonische IleXXava ? Belmina war strittig, aber das liegt auch an der Grenze. In dem letzteren Falle hätte der arkadische Abfall sich sehr weit erstreckt. Das läßt sich nicht be- haupten; aber rätselhaft ist die Stelle und verbirgt etwas historischwichtiges. Wilamowitz, Piaton. Bind II. •>. Aufl. 12

\-^ 14. Diotima.

nach der Sohulgründung : deren Erfahrungen hat der Erotiker gemacht. Es fällt natürlich hinter Menon, Euthydemos, Kratylos. Wir mögen also sagen, es fällt 381—78 etwa. Also um der Chronologie willen könnte der Anachronismus ruhig darin stehen. Aber es ist eben keiner, nur redete man von der spartanischen Politik in Athen, der alten, jetzt neu bestätigten gegen die Ar- kader; die Mantineer, die als Verbannte in Athen lebten, hatten genug auch von früher zu erzählen, und die Aktion von 420 konnte nur im Einverständnis mit Athen in Angriff genommen sein. Gedanken an die Einigung ganz Arkadiens haben natür- lich auch vor 370 bestanden, wo denn der Versuch, der 418 scheiterte, der wichtigste Präzedenzfall war. Daher war das Wort des Aristophanes wirksam und zeitgemäß; die Zerstörung von Mantineia fiel dann auch unter das spartanische Sioix^etv, wenn dies als allgemeine Politik Spartas erschien, die jeden Versuch der Stadtgründung in Arkadien hinderte. So wird die Äußerung Piatons wichtig, weil sie ihre Bedeutung für die Politik der Gegenwart behält. Aber einen Anachronismus dürfen wir nicht annehmen, dürften es nicht, schon weil er ohne Analogie sein würde, und die Worte des Textes verbieten ihn unbedingt.

15. Staat.

a) Die Architektonik des Aufbaus.

Wann der Staat verfaßt ist, läßt sich mit befriedigender Sicherheit zwischen enge Grenzen bringen. Vor dem Theaetet. denn 176 e wird dort in der berühmten Episode gesagt, daß die Menschen es nicht bemerken, welchem von den Muster- bildern sie gleich werden, 7rapaSsiyfJiaTWv Iv »cot, toxvtI Icjtojtojv, tou ;aiv (ktou £uSat[xovec7TaTou, tou Se aöeou aeXicoratou usw. Das ist kaum verständlich, wenn die Abwägung des gerechten und ungerechten Lebens im neunten Buche nicht vorliegt; liegt sie aber vor, ist es im höchsten Grade wirksam. Ebenso erkennt Theaitetos 185 e eine Erkenntnis ohne sinnliche Wahrnehmung auf dem Wege des reinen Denkens an und wird von Sokrates gelobt, weil nun dieser Nachweis nicht geliefert zu werden braucht. Geliefert war er im Staate am Ende des sechsten Buches; es ist genau ein solches Zitat, wie im Euthydem 282 c auf den Menon verwiesen ist. Übrigens versteht sich ja von selbst, daß der Staat vor die zweite sizilische Reise fallen muß, und dann auch vor den Theaetet. der die letzte Zeit vor dieser Reise voll in Anspruch nimmt. Auch der Phaidros, der die Schätzung der Poesie berichtigt, die Seelenlehre vollendet und die unbewußte Erleuchtung erläutert, liegt hinter dem Staat, und es ist schön, wie 403 c auf ihn vorausdeutet : Stl ttou reXeuxäv ra fxouawÄ eiq t<x tou xaXoü epomxa, bei der Behandlung der Knabenliebe.

Andererseits ist anerkannt, daß der Staat über die Unsterb- lichkeit der Seele nm so kurz hinweggeht, weil der Phaidon vorausliegt; es heißt auch, daß andere Untersuchungen sie be- wiesen haben (611 c). Ebenso muß man die Diotimarede im Ge- dächtnis haben, um die t% aXvjÖsia- <piXo0sa{Aovet; 475 e und was folgt zu verstehen. Sokrates erleichtert sich den Weg, indem er sagt, Glaukon würde ihm nicht widersprechen: das Heißt ja

12*

180 15. Staat.

i

so viel wie, daß er eigentlich weiter ausholen müßte. Vielleicht noch deutlicher ist es 490 b, wo die w8l<; des Menschen, der sich nach dem Anschauen der Idee sehnt, nur aus dem Symposion ihr Licht erhalt.

Wie diese Vor- und Rückbeziehungen die Zeit des Staates eng umgrenzen, gibt 540 a ein ganz unabhängiges Selbstzeugnis. Da wird die Überschreitung des fünfzigsten Jahres für die Philo- sophen gefordert, die neben dieser Tätigkeit zum Regiment« des Staates herangezogen werden. Unmöglich konnte Piaton sich selbst als Gesetzgeber hervorwagen, ehe er das Alter erreicht hatte, das er vorschreibt. Das läßt nach unten freilich Spiel- raum; aber da stehen die anderen festen Schranken. So kann es die Wahrheit nicht verfehlen, wenn wir den Staat auf die Zeit um 374 ansetzen, höchstens ein paar Jahre später.

Ein so umfängliches,, so gedankenreiches und tiefes Werk ist nicht in einem Zuge, im Laufe von ein paar Jahren ge- schrieben; es mochte manches kleinere fertig Averden, während das Hauptwerk langsam wuchs und reifte. Wie würde es uns beglücken, wenn wir diesen Prozeß verfolgen könnten. Das ist uns nicht ganz versagt, denn hier und da spürt man die Nähte, und noch stärker macht sich der Unterschied des Stiles fühlbar; aber sehr viel wichtiger ist doch die Erkenntnis, daß der Künstler es erreicht hat, ein einheitliches .und vollkommenes Ganze zu machen, selbstverständlich xara to Suvaxöv avOpcoutot.. Das wird geleugnet, das muß gezeigt werden.

Die Teilung in Bücher rührt nicht von Piaton her; es hat auch eine Ausgabe in sechs Büchern gegeben. Aber gegliedert hat Piaton dieses große Werk sogar sehr streng, und dem hat sich angeschlossen, so weit es ging, wer die Buchteilung vornahm. Wir haben 5 Akte, Buch 1 Proömium, als solches bezeichnet, 2 4 und 5 7, durch eine besondere Einleitung nach vorn, durch eine Rekapitulation nach hinten abgesondert, 8 9; da ist die Antwort auf die in 2 gestellte Frage gegeben; 10 bringt. Nach- träge, wie gleich am Anfange gesagt wird. Unverkennbar ist, daß 1 und 10 einander entsprechen, 2 4 und 8 9 ebenso. Das erste Bild, das wir schauen, ist ein Greis, der uns sagt, mit welchen Gefühlen er sich auf das Sterben einrichtet. Er emp- findet wohl die Schauer vor dem Unbekannten, dem er entgegen- geht; das Gewissen schlägt; aber er ist heiter und gefaßt, denn

15. Aufbau. ig}

er hat redlich gelebt, was man so redlich nennt, und er freut sich, daß er reich ist : so kann er abzahlen, wo er glaubt etwas schuldig zu sein, an Götter und Menschen. Bei einem Opfer finden wir ihn gerade. Das Schlußbild des Ganzen ist der Mythos, in dem wir das wahre Schicksal der Seelen nach dem Tode zu sehen bekommen; so leicht, wie Kephalos hoffte, läßt sich die Sühne für begangenes Unrecht doch nicht abkaufen. Kann man die beabsichtigte Parallele verkennen ? Der Schlußsatz des ersten Buches gibt eine Disposition: es soll erst festgestellt werden, was die Gerechtigkeit ist, dann nach dem Glücke des Gerechten gefragt werden. So geschieht es in der Folge, mag sich auch noch so viel dazwischen drängen, wie denn sofort die beiden Söhne des Ariston Fragen aufwerfen,, zu denen sie durch das vorige Gespräch angeregt sind. Der Zusammenhang ist voll- kommen. Der ausgezeichnete Kommentar von Adam hebt es hervor, zeigt auch, wie oft die späteren Bücher Fäden aufnehmen, die in dem ersten angesponnen sind. Der Staat ist wirklich eine Einheit.

Ebenso unzweifelhaft ist nach dem Vorgang anderer von Arnim bewiesen, daß die Sprache des ersten Buches nicht nur von den übrigen abweicht, sondern zu den ganz frühen Dialogen um Laches stimmt. Piaton kann diesen Stil nicht zwanzig Jahre später mit Absicht für einen kleinen Abschnitt wieder auf- genommen haben; er würde es auch gar nicht gekonnt haben. Darauf gründet sich Arnims Schluß, das erste Buch wäre ein voll- ständiger, veröffentlichter Dialog Thrasynmchos. Dies ist eine Hypothese, die man ernst nehmen muß; wer über das erste Buch hmausgreift, verliert den Boden unter den Füßen. Dazu gibt eine Notiz bei Gellius Veranlassung, die zwar für Arnims Absonderung nicht verwandt werden kann, aber auch seine ganz unabhängig aus dem tatsächlichen Befunde abgeleiteten Schlüsse nicht be- einträchtigt.

Gellius 14, 3, erzählt, daß Xenophon durch die ersten beiden Bücher des platonischen Staates, die zuerst erschienen wären (lectis duobus fere libris qui primi in volgus exieranl), zur Ab- fassung seiner Kyropädie veranlaßt wäre, in welcher er eine andere Form der königlichen Herrschaft dargestellt hätte. Ge- nommen ist das von jemand, der über den Gegensatz zwischen Piaton und Xenophon gute Beobachtungen gemacht hatte. Daß

182 15. Staat.

die Kyropädie vor dem Abschlüsse des platonischen Werkes er- schienen wäre, ist zwar mehr als unwahrscheinlich, aber das kann die Angabe über den Staat nicht beeinträchtigen. Sie bezeichnet keine doppelte Ausgabe desselben, sondern ein Er- scheinen in einzelnen Lieferungen. Wirklich anstößig ist, daß die ersten zwei Bücher kaum etwas enthalten, das eine solche Gegenschrift hervorrufen konnte. Das zweite nun schon gar nicht, und das erste höchstens insoweit, als Thrasymachos dem Herrscher jede Rücksicht auf das Wohl der Untertanen abspricht; aber das wird ja durch Sokrates sofort richtiggestellt. Nur wenn Xenophon den Staat Piatons vor Augen hatte, der in dem dritten und vierten Buche, allenfalls auch dem dritten allein, entworfen wird, ließ sich so etwas behaupten. Man könnte sich zwar denken, daß die sechsbändige Ausgabe des Staates diesen Abschnitt, etwa bis 427 c, in zwei Büchern enthielt. Aber auch dann hätte der Gegensatz immer noch anders bezeichnet werden sollen: er lag viel mehr in der 7iai8£ia als in der regia administratio. Da kann Gellius wohl einen falschen Ausdruck gewählt haben; er selbst verstand von der Sache nichts. Jedenfalls ist die Angabe für uns unbrauchbar, soweit sie die Abgrenzung des zuerst ver- öffentlichten Stückes angeht. Daß ein so umfängliches Buch stückweise in den Handel kam, ist eine Möglichkeit, die wir nicht kontrollieren können; da wir auch die Zeit nicht abzuschätzen vermögen, die zwischen dem Erscheinen der Stücke lag, ge- winnen wir für die Beurteilung des ganzen Werkes gar nichts. Sie können wir nur aus ihm selbst abnehmen, und da finden wir eine geschlossene Einheit.

Somit bleibt nur Arnims Absonderung des ersten Buches zu prüfen. Da ist eins schon gesagt: die Disposition am Ende ist auf das Folgende berechnet , wird also erst mit diesem mindestens so geformt sein. Eine andere Partie greift tief in den Bau des Buches ein, das Auftreten des Glaukon 347 a 348 b. Sokrates hat bewiesen, daß der Herrscher nicht sein Wohl, son- dern das der Beherrschten verfolgen muß; dazu hat er den Unterschied gemacht, daß die Kirnst, die jemand ausübt, von dem Lohn, den er dafür erhält, ganz unabhängig ist. Die Kunst, sein Handwerk lohnend zu machen, ist eine Kunst für sich. Da stellt sich der Gedanke notwendig ein, daß auch wer herrscht, wer ein Amt verwaltet, einen Lohn verlangen muß, da er ja

15. Aufbau. 183

für den Vorteil von anderen arbeitet, und so ist es auch: der Lohn besteht in Geld oder in Ehre oder auch in Strafe, falls er das Amt ablehnt.

Da springt Glaukon ein; er versteht das letzte nicht. Sokrates läßt sich zugestehen, daß auf Geld oder Ehre auszugehen nicht anständig wäre, also nur das letzte bliebe. In der Tat über- nehmen in einem schlechten Staate die Redlichen nur darum ein Amt, weil sie der schlimmsten Strafe entgehen wollen, von Schlechten regiert zu werden. „Sollte es einen Staat von lauter guten Männern geben, so würde man sich darum reißen, nicht Beamter zu werden; da würde sich auch ganz klar zeigen, daß der wahre Herrscher nicht sein Wohl im Auge hat, sondern das der Beherrschten. Die Behauptung des Thrasymachos gebe ich also durchaus nicht zu; aber das wollen wir ein andermal be- trachten1), denn mich dünkt ungleich bedeutender, was er nun sagt, daß das Leben des Ungerechten besser ist als das des Gerechten. Wofür entscheidest du dich, Glaukon ?" Glaukon denkt wie Sokrates und ist damit einverstanden, daß Sokrates hierüber mit Thrasymachos disputiert. Es kommt auch am Ende zu einer Antwort auf diese Frage, 353 e, aber ganz kurz; man wundert sich, daß Thrasymachos so willig klein beigibt. Nur in dem Zusammenhange des ganzen Werkes ist das nicht anstößig, denn nun steht Glaukon auf und bringt die schwersten Bedenken gegen die These des Sokrates vor, unbeschadet seiner eigenen Gesinnung. Damit wird zugleich die Untersuchung zu dem Wesen der Gerechtigkeit gelenkt, also zu dem, was Sokrates am Schlüsse des ersten Buches gefordert hatte. Also ist Glaukon im Hinblick auf das zweite Buch eingeführt, und schon was Sokrates neben den Lohn für Bekleidung eines Amtes stellt, die Strafe für Ablehnung eines Amtes, ist nur eine Vorbereitung auf die anschließende Frage des Glaukon.

Was sich hier zeigt, kommt in der Erwähnung eines Staates von guten Bürgern vollends an den Tag. Wie kann man das von dem Buche losreißen, das eben einen solchen Staat kon- struiert und dabei auch eben diese Einzelheit nachdrücklich

1) Das ist mir eine Form für „das wollen wir fallen lassen''; in Wahr- heit ist es genügend widerlegt, und sobald die cpüXaxsq eingeführt werden, kann ein solcher Gedanke gar nicht mehr aufkommen.

184 15. Staat.

hervorhebt (540 b) ? Wenn dann Sokrates die Frage nach dein Glücke des Ungerechten als besonders dringend bezeichnet, so hat das für Glaukon und dessen Auftreten im zweiten Buche sehr viel mehr Bedeutung als für die letzten Argumentationen gegen Thrasymachos, von denen die erste, daß eine Gemein- schaft von Ungerechten selbst nur durch einen Rest von Ge- rechtigkeit bestehen kann, ihr eigenes und bedeutendes Gewicht hat, ohne Hinsicht auf den Wert des gerechten Lebens. Daß Sokrates überhaupt eine eigene Überzeugung mit Nachdruck hin- stellt, macht ihn zu einer ganz anderen Gestalt, als er in den „so- matischen" Dialogen, auch in dem Streite mit Thrasymachos war.

Ist somit erwiesen, was von vornherein zu erwarten war, daß sich in dem ersten Buche etwas findet, was erst für seine Fortsetzung geschrieben ist, so kann deshalb immer noch ein selbständiger Dialog Thrasymachos bestanden haben. Wir be- sitzen ihn nur nicht mehr, sondern nur seine Umarbeitung zu einem Teile des Staates. Daß dabei Einzelnes umgeformt ward, ist kein Wunder; das Umgekehrte wäre es. Die sprachliche Form, das ist bewiesen, zeugt für weit frühere Entstehung des ersten Buches. Also möglich ist jene Annahme; nur muß sie erst bewiesen werden, und für die Existenz dieses Dialoges in den Händen des Publikums ist kein Beweis erbracht und wird keiner erbracht werden. Denn mit dem zu operieren, was darin gestanden haben, aber uns nicht mehr erhalten sein soll, ist doch eiteles Spiel. Es bleibt ja auch der andere Ausweg, daß Piaton eine unfertige Jugendarbeit später aufnahm; wieviel er an ihr ändern wollte, müssen wir ihm wirklich überlassen. Ich halte für sehr möglich, daß er seine Brüder erst später eingeführt hat, als er ihnen eine bedeutende Rolle gab; aber da sich das nicht beweisen läßt, verzichte ich darauf, weitere Spuren der Über- arbeitung aufzusuchen. Sie fehlen im Schlußteile durchaus nicht, und eine neue Untersuchung wird sich lohnen, läßt sich aber nur durch Interpretation des ganzen Buches liefern.

Wohl aber müssen wir fragen, warum er den Dialog Thrasy- machos unvollendet liegen ließ. Daß er die Gerechtigkeit ebenso wie Tapferkeit, cro^poauv/] und Frömmigkeit von Sokrates be- handeln lassen wollte oder vielmehr mußte, sagt man sich bald: gerade das gehörte zur Verteidigung dessen, der ungerecht ver- urteilt war. Auch daß es ihm dabei nicht auf die Definition der

15. Aufbau. jg5

Tugend ankam, sondern darauf, daß Sokrates als der Gerechte erscheinen sollte, erwartet man nach den anderen Dialogen. Höchst wirkungsvoll mußte es werden, wenn als Folie für Sokrates ein Vertreter der Ungerechtigkeit eingeführt ward, der die entsprechende Zeichnung erhielt. In vollkommenster Weise leistet dies alles der Gorgias, leistet freilich noch viel mehr. Das erste Buch des Staates, so reizvoll sein Eingang ist, so packend die erste Abfertigung des Thrasymachos, leistet es durchaus nicht. Weder kommt an Sokrates die Gerechtigkeit zur Erscheinung, noch reicht ein Rhetor zum persönlichen Ver- treter der Ungerechtigkeit, die in der Gesellschaft, im Staate herrscht und herrschen will; dazu muß man Staatsmann sein oder sein wollen wie Kallikles. So begreifen wir, daß Piaton einen ersten Versuch beiseite legte, als er den entscheidenden Gedanken des Gorgias faßte, der, wie Arnim sowohl am Inhalte v>ie an der Form zeigt, später als das erste Buch geschrieben ist. Denke man sich beide dicht hintereinander herausgegeben, so haben wir eine Dublette. Betrachten wir dagegen das erste Buch als den Anfang eines unvollendeten Dialoges, seinen Schluß als Überleitung zum zweiten Buche und weiter, so werden wir die Vorstellung los, daß Piaton sich je mit diesem Stücke begnügt hätte, das die Er- wartungen so wenig erfüllt, die wir von einer Behandlung der Gerechtigkeit nach Analogie von Laches, Charmides, Euthyphron hegen müssen. Es kann beliebig viel fort geschnitten sein, kann zwar nicht geschrieben, aber geplant gewesen sein, kann end- lich in anderer Form in den späteren Büchern des Staates stecken. Also z. B., es konnte schon in dem ersten Entwürfe ein Bild des ganz Ungerechten, des Tyrannen, gezeichnet sein, dem Archelaos des Gorgias entsprechend, oder auch ein Ausblick auf ein Totengericht den Schluß bilden, in dem die Gerechtigkeit triumphierte. Denn natürlich lag es dem Piaton besonders nahe, seine beiseite gelegten Entwürfe in der Schrift zu verwerten, um derentwillen er seinen ersten Plan aufgegeben hatte. Ausmachen läßt sich das alles schwerlich; aber es genügt, die Rückschlüsse als angemessen und glaublich erscheinen zu lassen, welche die Prüfung des einzig erhaltenen Staates ergibt.

Gleich aus dem Anfang des zweiten Buches weht uns ein anderer Geist entgegen. Zu dem Streite mit Thrasymachos war Sokrates gekommen, weil er mit Polemarchos in gewohnter Weise nach

18(j 15. Staat.

dem Gerechten gesucht hatte; danach hatte er die Behauptungen des Sophisten widerlegt. Dabei hatte er sich zu dem Glauben bekannt, daß die Gerechtigkeit besser, d. i. zuträglicher als die Ungerechtigkeit ist. Jetzt wird er der Angegriffene, der eine Behauptung beweisen soll; er erscheint im Besitze eines Wissens und findet auch nicht die Beweise, sondern legt sie nur in Gesprächsform vor. Es ist im Phaidon ähnlich; aber da wundern wir uns nicht, daß er angesichts des Todes über das Schicksal der Seele nachgedacht hat. Auch das erinnert an den Phaidon. daß er nicht mit Gegnern streitet, sondern mit Freunden, die mit dem Herzen auf seiner Seite stehen, wie Simmias und Kebes. Es wechseln ja die Unterredner; nur ist Glaukon durch die vor- bereitende Einlage 337 d in bedeutsamer Weise eingeführt, gerade in seiner persönlichen Haltung. Jetzt wenden sich beide Ariston- söhne gegen die Behauptung des Sokrates, die Thrasymachos in der Tat in unbegreiflicher Gefügigkeit zugegeben hat1). Sie führen höchst nachdrücklich aus, daß die Menschen nur gezwungen oder aus Berechnung oder aus Furcht vor Strafe nach dem Tode gerecht sind, und daß auch die Götter nach dem allgemeinen Glauben nicht nach Gerechtigkeit strafen und lohnen. Dann stellen sie die Kernfrage, was bedeutet die Gerechtigkeit an sich in der Seele des Menschen ohne alle Nebenrücksichten und Nebenbedenken. Diese Frage wird als Ziel festgehalten, wenn sie auch auf lange Strecken in den Hintergrund tritt; am Ende des neunten Buches wird sie beantwortet. Wenn es dem Sokrates beliebt hätte, den Beweis, den er im Kopfe hat; in zusammen- hängender Rede den zusammenhängend vorgetragenen Bedenken gegenüberzustellen, so würden wir sehr viel rascher zum Ziele kommen. Den ersten Schritt tut er dazu sofort, indem er erklärt, die Gerechtigkeit erst im Staate suchen zu müssen, um sie dann im einzelnen Menschen zu zeigen Erst dadurch kommen wir zu dem Thema, nach dem das Buch heißt 2). Wie kurz und

*) Begreiflich wird das jetzt, weil es 7ipooi[jiiov zu dem energischen Angriff Glaukons ist ; dann ist es aber dafür geschrieben oder umgeschrieben.

2) Der Titel schwankt in den Handschriften zwischen rioXiTötoa und IloXiTeta (so nur F), ebenso Aristoteles (meist Singular, Plural Pol. 1293 b 1). Es ist begreiflich, daß die Späteren wie wir den Singular vorziehen, aber der Plural entspricht den alten Titeln 'OSuaavi? 'Apx&oxoi, den Städtenamen <P&i7T7uoi ' AqjpoSixai ' Aöyjvai. Also werden die besten Handschriften das Echte bewahren.

15. Aufbau. lg7

übersichtlich wäre es gewesen, wenn er sofort die Begründung gegeben hätte: die Teile der Menschenseele und die zu ihnen gehörigen Tugenden haben ihre Entsprechung in den Ständen des Staates, und damit diese Tugenden im Staate herrschen, müssen sie in den Seelen der Bürger vorhanden und richtig verteilt sein. Dazu ist die rechte Erziehung erforderlich. Sofort würden wir dann darüber unterrichtet, daß sowohl die Psychologie wie die Erziehungslehre in dieses Buch gehören. Jetzt kommen wir zu allem auf den verschlungenen Wegen des Gespräches. Deshalb hat der Verfasser doch von Anfang an alles im Kopfe, was er lehren will, kennt das Ziel, dem er zustrebt, und wenn das erreicht ist, fordert die Ökonomie seines Kunst- werkes, daß der schönen Einleitung des ersten Buches ein würdiger Schlußteil entspricht, eben das, was wir finden. Aber der Dialog ist ihm nicht nur die vertraute Form, er benutzt auch gern die Ausrede, daß er sich von dem Winde der Unter- haltung treiben lasse (394 d), um manches einzulegen, das nur von fern hergehört, weil er es eben gern sagen möchte, und mögen die Unterredner auch auf lange Strecken und mit gleich- gültigen Wendungen ihre Zustimmung aussprechen, oft genug hat es seine Bedeutung, daß sie in das Gespräch eingreifen, manchmal dem Sokrates durch rasche Zustimmung eine längere Begründung ersparend, öfters sie herausfordernd, zuweilen durch Mißverstehen zu weiterem Ausholen zwingend. All das erhöht den Reiz, erschwert aber auch das Verständnis des Ganzen. Denn darauf hat Piaton nicht verzichtet, seine Leser mit den Ariston- söhnen erst allmählich auf den Gipfel der Erkenntnis zu führen; wo es denn oft genug vorkommt, daß wir ein Ergebnis als das letzte und vollkommene hinnehmen, das sich später als unzulänglich herausstellen wird, wenn unser Führer uns fähig gemacht hat, das Höhere zu begreifen. Auf der Verkennung dieser Kunst beruhen die eine Weile mit Eifer betriebenen Versuche, Piaton selbst auf jeden der vorbereitenden Aussprüche festzunageln und demnach verschiedene Stufen seiner Entwicklung und verschiedene Schichten seines Werkes zu unterscheiden. Das erledigt sich durch die Interpretation, aber es fordert sie auch, und die der einzelnen Stellen, wie sie Adain gibt, macht eine zusammenfassende Be- trachtung nicht entbehrlich. Daher folgt hier eine Übersicht, die zugleich darauf abzielt, den Aristonsöhnen ihren Anteil zu

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sichern. Da dieser Anteil in den verschiedenen Büchern ver- schieden ist, darf man sich nicht wundern, wenn die Behand- lung dem entsprichl.

Gleich die ersten Schritte, die Sokrates tut, nachdem er seine Absicht ausgesprochen hat, die Gerechtigkeit im Staate zu suchen, werden durch sie bedingt und lassen die Art erkennen, wie Piaton sich hier Umwege und Ablege erlaubt, 369 b bis 374 e. Sokrates konnte ganz gerade auf das Ziel zugehen, und Glaukon würde ihn nicht aufhalten. Er brauchte nur zu sagen, im Staate gibt es zahlreiche Berufe und Stände, und jeder erfüllt seine Aufgabe am besten, wenn er sich ihr ausschließlich widmet, so daß das Prinzip der Arbeitsteilung ganz streng durchzuführen geboten ist. Dann muß es auch einen Stand geben, der für die Verteidigung und Erhaltung des Staates ausschließlich sorgt, und dieser Herrenstand muß durch besondere Erziehung für seine Aufgabe vorbereitet werden. Es könnten sogar schon die Regenten von dem Kriegerstande unterschieden werden, was nur deshalb unterlassen wird und unterlassen werden durfte, weil die Er- ziehung für beide in den ersten Jahrzehnten dieselbe ist. Diesen Weg schlägt Sokrates durchaus nicht ein. Er fängt damit an, den Staat im Werden zu zeigen, aber nicht etwa historisch, wie es Aristoteles tut, er selbst im dritten Buche der Gesetze auch, sondern so, daß er die Stände aufzählt, ohne welche ein Staat, eine Vereinigung zusammenwohnender Menschen, gar nicht be- stehen kann; die Aufzählung der Lebensbedürfnisse im Politikos 288 ist viel näher verwandt als die historische Skizze der Gesetze. Aus der Aufzählung der unentbehrlichen Berufe wird bereits das Prinzip der Arbeitsteilung als unbedingt maßgebend gefolgert. ,,Ist nun der Staat fertig ?" fragt Sokrates den Adeimantos (371 e). Unmöglich kann er die Zustimmung erwarten, die ihm jener, wenn auch zögernd gibt, denn es fehlen noch Verteidiger und Regenten. Er hatte also auf ein Nein und dessen Begründung gehofft. Aber er nimmt die Antwort ruhig hin und tut die weitere Frage „wo steckt die Gerechtigkeit ?" Adeimantos ist unsicher, „vielleicht in dem Verhalten der Stände zueinander". „Viel- leicht", sagt Sokrates; „wir müssen geduldig weiter suchen". Wo solch ein „vielleicht" gesagt wird, ist die Antwort immer un- genügend ausgefallen. Er überrascht uns nun mit der Schilderung, wie sie in diesem Staate leben werden; es ist, als wäre da alle

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Tage Festtag; mit seinem letzten Worte gibt er es deutlicher, daß dem friedlichen Genüsse der Schutz fehlt, denn er sagt, ,,sie werden dafür sorgen, daß weder Armut noch Krieg kommt". Aber der Wink wird nicht verstanden. Glaukon fährt unwillig dazwischen, „was, die Leute müssen trocken Brot essen ?" Er ist also durch die Schilderung der primitiven Genüsse von dem Wege auf das Ziel hin abgezogen. Sokrates folgt ihm ganz ge- mächlich und befriedigt den Bürgern seiner Stadt immer mehr Lebensbedürfnisse und Wünsche. Wozu das ? Damit er endlich fragen kann: „werden sie da nicht am Ende Krieg anfangen, um mehr Land zu gewinnen?" Glaukon stimmt bereitwillig zu, und nun hat er ihn eben da, wo er schon den Adeini antos gern haben wollte: der Staat braucht Verteidiger, Krieger. Auch diese müssen nach dem Prinzip der Arbeitsteilung nichts als Krieger sein, und so erhebt sich von selbst die Frage : wie müssen diese Krieger, muß dieser Herrenstand a.i Charakter und Tem- perament beschaffen sein, wie machen wir ihn für seine Aufgabe tüchtig? Das Thema der Erziehung ist erreicht.

So der Gang des Gespräches. Damit ist die Frage auf- geworfen, aber nicht beantwortet, warum Sokrates seine Be- lehrung auf einem Umwege nicht ohne Stockung durchführt. Für seinen Hauptzweck war das höchstens schädlich; er muß also etwas im Auge haben, das außerhalb seiner eigentlichen Aufgabe liegt. Das zu verfolgen ist auch Pflicht des Erklärers; aber es scheint geraten, hier die Anatyse fortzusetzen und über die Abschweifung später gesondert zu handeln.

Sokrates will nun sagen „die Wächter müssen mutig sein, militärischen Sinn haben, denn sie sollen die Feinde abwehren; sie müssen aber auch den maßvollen, freundwilligen. Sinn haben, den ihr Regiment über ihre Mitbürger verlangt. Das fordert die Verschmelzung von zwei Richtungen (Teilen, wie er sagt) in der Seele, die ausarten, wenn sie einseitig ausgebildet werden *). Es ist also sowohl musische wie gymnastische Erziehung erfordert." Um Glaukons willen geht er dazu von den Anforderungen aus,

*) Daß 0uu.oei5e<; und Yjpeu-aTov, Tju-cpov, einander entgegenwirken, hat Piaton hier nur eben angedeutet ; später hat er es daher im Politikos 306 ff. genauer ausgeführt, so weit, daß die Tugenden avSpda und acoippoauvy; mit- einander in Konflikt kommen; damals war aber seine Schätzung der dvSpeix tief gesunken. Das fühlt man in den Gesetzen sehr oft.

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die man an einen wohlerzogenen Wächterhund stellt (375 7G). Seine eigene Hundeliebe hat ihn dabei geleitet, und es ist lustig, wie sein Bruder sich erst gewaltig verwundert1), aber zu seiner Überraschung selbst etwas Philosophisches in der Hundenatur anerkennen muß. Das wird durch die Gleichsetzung von 91X0- \mdiq und 91X60-090V erzielt (37G b). Das sollte niemand als ernste Überzeugung Piatons hinnehmen, sondern durchschauen, daß es provisorische Geltung hat, für dos nächste hinreicht, aber einmal richtiggestellt werden muß. So geschieht es 475 c, wo wir die echten cpiXoaocpoi im Gegensatze zu allerhand anderer 9iXo{A<x0eia als tyj? aXTjösia? cpt.Xo8sdqi.ovs? erkennen. Das ist ein Fortschritt, der deutlich zeigt, wie wir Unterschiede dieser Art zu beurteilen haben: die ganze Behandlung bis zum Schlüsse des vierten Buches ist auf die Vertiefung in den mittleren Büchern berechnet.

Es folgt die Behandlung der musischen und gymnastischen Erziehung, deren Bedeutung der immer einsichtigere Adeimantos sofort begreift (376 d). Er ist so gelehrig, daß Sokrates seine Gedanken ungestört entwickeln kann, solange er diesen Unter- redner hat. Der Unterricht ist hier kein anderer, als ihn die athenischen Knaben erfahren, so daß sich das Ganze als eine Kritik des Bestehenden darstellt, die sehr ausführlich ausfällt, in der Hauptsache ablehnend. Denn der Standpunkt ist ganz einseitig moralisch. Schon die Märchen, die den Kindern erzählt v.erden, dürfen nicht bleiben, wie sie sind 2); damit ist über die Göttergeschichten des Hesiodos das Urteil gesprochen. Vor dieser Beurteilung bestehen Homer und die Tragödie ebenso schlecht: auch in ihnen steht zu viel, was unlautere Vorstellungen von den Göttern erweckt. Wir mögen zugeben, daß Homer wirklich

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*) Glaukons Frage to ttoiov 375 a zeigt die stärkste Überraschung; ebenso 376 a, wo er sogar dem Sokrates in das Wort fällt. Das hat ver- kannt, wer das anschließende otl strich.

2) 377 c besorgen das noch Mütter und Ammen; es kann ja noch nicht die Rede davon sein, daß der Staat die Erziehung übernimmt. Es werden auch noch die Totenklagen den Frauen überlassen, 387 e. Dabei kann es nicht bleiben, wenn die Geschlechter gleich erzogen werden. Es ist wohl richtig, daß die hier verordnete Bildung einigermaßen auch auf den niederen Stand, den Erwerbsstand, Anwendung finden muß; aber den dürfen wir nicht heranziehen, da Piaton sein Leben durch das ganze Werk hindurch unberücksichtigt läßt.

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nicht geeignet war, als Unterlage für einen Unterricht in Religion und Moral zn dienen; die Genesis besteht diese Kritik nicht besser; aber die Nahrung, die der kindlichen Phantasie geboten wird, hat ihren ungemeinen Wert; Poesie, wie sie schon in der Sage und im Mythos steckt, sträubt sich gegen die Anlegung eines ihrem Wesen fremden Maßes, und Aischylos hatte sogar als Erzieher des Volkes gedichtet. Piaton empfand selbst die Wirkung der hohen Poesie auf das tiefste, aber gerade deshalb verwirft er sie, denn die Jugend soll vor jeder starken Er- schütterung und Erregung gehütet werden (397 b). Es wird auch noch die Art behandelt, wie die jungen Bürger reden sollen, ihre Xs£i<;; die Vorschriften sind so eng, daß eine besondere Ab- weisung der rhetorischen Künste gar nicht nötig wird. Auf sie kommt dies Werk nirgend zurück, und man vermißt es nicht. Piaton hatte wohl im Sinne, noch einmal mit der Modekunst abzurechnen; aber in diesem Zusammenhange war es nicht nötig: was nach der moralischen Seite zu sagen war, stand im Gorgias. Dagegen war die Poesie damit wirklich nicht abgetan, daß sie für die Schule der Kinder nicht paßte: im Staate konnte sie deshalb immer noch bleiben; wenn nicht, so war eine Ergänzung und tiefere Begründung erforderlich, d. h. es war die allgemeine Behandlung des zehnten Buches vorgesehen, die sich erst nach den erkenntnistheoretischen Ausführungen des mittleren Teiles geben ließ.

Besonders bedeutsam ist, was 379 c über die Gottheit aus- gesagt wird. Gott ist gut, kann also nicht Urheber des Schlechten sein; die Ursache des vielen Übels auf Erden ist also nicht Gott. Wer das so formuliert, hat im Sinne, daß das alles beherrschende ayaöov seinem Wesen nach nicht oc£tiov tg>v xaxoiv sein kann; aber davon zu reden ist noch unmöglich: daher tritt d?r persön- liche Gott ein, von dem später nicht mehr geredet wird. Die Anschauung ist dieselbe, der Ausdruck verschieden, gemäß der Stufe der Erkenntnis, auf der ^ir stehen; darin liegt, daß \vir höher steigen müssen, wollen wir doch die Gerechtigkeit in der Menschenseele finden und nehmen nur den Umweg über den gerechten Staat. Die Bücher 2 4 sind Vorbereitung auf fi 7. Woher das Böse kommt, wird allerdings nicht breiter besprochen, als daß der Mensch wenn er böse ist die Ver- antwortung selbst trägt.

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Bei der Behandlung der Musik, 398 o, greift Glaukon wieder ein, denn er ist musikalisch gebildet, während Sokrates nichts davon versteht, so daß er sich auf die Lehre des Dämon be- rufen muß. 80 lacht denn Glaükon auf, als Sokrates meint, das Urteil über die Musik könnte sich jeder schon von selbst denken; ihm ist das durchaus noch nicht klar. Aber er folgt willig und ergänzt die dem Lehrer fehlenden Fachkenntnisse, was den Dialog belebt und zugleich abkürzt. Die Musik mit Harmonie und Rhythmus führt dann bequem zu dem Allgemeinen, was die musische Erziehung bewirken soll, das Gefühl und die Neigung für das Gute und Schöne: auch dieses tritt nun von selbst hinzu. Was erzi ;lt wird, lange erzielt wird, bevor die Begründung für alles verstanden werden kann, ist die Emp- fänglichkeit in aJlem und jedem, das uns entgegentritt, etwas von dem zu erkennen, besser zu fühlen, was wir lieben gelernt haben, oxocppocriv/), avSpeia, eAeuöepioTT)^, y.eyoCKoTzpiiizKx. ,, Nichts Schöneres, als wenn sich eine Seele, der diese Gesinnung zur Natur geworden ist, mit einem schönen Körper vereinigt, nichts Liebenswerteres," 402 d. Kommt das nicht sehr über- raschend ? In der Tat, es weist aus dem Gedankenkreise des Staates hinaus, in die Sphäre des Phaidros. Die Aufklärung folgt sogleich: Glaukon stimmt die Forderung an die leibliche Schönheit herab, gemäß dem Knaben, den er liebt. Hier steckt also eine persönliche Erinnerung an den Bruder, die Piaton gern einflicht, mochte sie auch schon damals kaum einer vollkommen verstehen. Sie gereicht dem Glaukon zur Ehre und nicht minder, daß er den Verzicht auf die Befriedigung der sinnlichen Begierde als unbedingt erfordert anerkennt. Wir aber würdigen die Kunst, mit welcher ein Verbot eingeführt wird, das der Gesetzgeber irgendwo in seiner Erziehungslehre erlassen wollte. Daß er da- neben das yvTjcnG)^ 7ioaS£paaTEtv nicht unerwähnt ließ (403 b), ist an dem Dichter des Phaidros begreiflich, aber es weist auch zu diesem hinüber. Läge der Phaidros schon vor, so würde er ganz anders reden.

Nun wird die Gymnastik, die während des ganzen Lebens nicht vernachlässigt werden darf, rascher abgetan, dabei auch die Nahrung. Sie bietet Anknüpfung zu etwas, das einfach als Exkurs anzusprechen ist, 404 e 410 b, über Ärzte und Richter, von denen wir an dieser Stelle wirklich nichts zu hören erwarten,

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zumal die Rechtspflege in dem besten Staate von der Verwaltung schwerlich getrennt sein wird, wie sie denn 433 e in den Händen der apxovrs^ liegt x). Da ist eben anzuerkennen, daß Piaton sich erlaubt, bei Wege vorzubringen, was er auf dem Herzen hatte. Begreiflicherweise ist der Ton lebhaft; der Unterredner hilft darin weiter, daß er schließt, ein guter Arzt müßte viele kranke und gesunde Menschen unter den Händen gehabt haben, ein guter Richter mit den verschiedensten Menschen verkehrt, also Lebens- erfahrung erworben haben. Sokrates formuliert das genauer, daß der Arzt zwar mit Kranken schon von Jugend auf verkehrt haben soll, ja womöglich selbst die Krankheiten durchgemacht haben, denn sie gehen nur den Leib an; heilen aber wird er durch seine Seele, die gesund und gut sein muß, was sie auch in einem kranken Leibe bleiben kann. Dagegen der Richter darf nicht mit den Verbrechern gelebt haben und so hinter ihre Schliche gekommen sein; erst lange Lebenserfahrung darf ihn das Schlechte als etwas Fremdes kennen gelehrt haben: Erkenntnis, nicht Er- fahrung, imaTn\i.y), nicht Ifxueipia vom Bösen soll er besitzen.

Eine abschließende Betrachtung über die notwendige gegen- seitige Ergänzung der musischen und gymnastischen Erziehung leitet sehr geschickt zu dem imartkxric, über, der es versteht, ihre richtige Mischung zu verleihen (412 a). Denn nun kommen wir zu dem Wichtigsten, das doch noch ganz unberührt geblieben war, zu den eigentlichen Regenten des Staates. Wir hatten die Wächter ja bisher nur als Verteidiger erfaßt, von den Philosophen- Königen war noch nicht einmal in einer Andeutung die Rede, und doch konnte schon die Erziehung unmöglich ohne Leitung bleiben. Es wird aber ziemlich obenhin abgemacht. Die apyovrs*; sollen nur die toxvtsXsl*; (oder reXeioi 428 d) cpuXaxs? sein, die sich als solche im Leben bewähren, indem sie sich durch nichts aus dem Geleise werfen lassen, in das sie die Erziehung gebracht hat. Es sind also die alten und bewährten ©uXaxs«;, denen dieser Name allein ganz zukommt; die jüngeren sollen besser smxoupoi oder auch GTpocTUöTai heißen. Ein qualitativer Unterschied zwischen den beiden Teilen des Herrenstandes ist nicht gemacht; die Aus-

1) Das scheint auch dem Unterredner selbstverständlich; auf eine Kritik der attischen Geschworenen mochte sich Piaton nicht erst ein- lassen, hatte es bei den Lesern, für die er schrieb, auch gewiß nicht nötig.

Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Autl. 13

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wähl der Herrscher bleibt auch unbestimmt; es steht nur das ganz allgemeine exXsx-reov 412 d, xaTacrxaxeov 414 a. Wer darf verkeimen, daß damit nicht genug gesagt ist ? Sokrates gesteht denn auch 502 d, daß er die Auswahl der Regenten mit Absicht fortgelassen hat; damit enthüllt uns Piaton den Plan seines kunst- vollen Baues.

Mit einer in der Tat durch nichts verhüllten "Willkür springt nun Sokrates zu dem <j,euSo<; über, der pia frans, die er braucht; die Berechtigung solcher Täuschung bat er früher genauer dar- gelegt, 382 c1); von ihr ist ja auch in den Mythen Gebrauch gemacht, deren die Erziehung nicht entbehren kann. Hier ist es der Glaube der Autochthonie, auf den die sämtlichen Bürger des Staates das Gefühl ihrer brüderlichen Zusammengehörigkeit gründen sollen, also der athenische Glaube, von dem er im Menexenos Gebrauch gemacht hatte 2), und die auf einen neuen eingeborenen Adel gebaute Anerkennung der ständischen Unter- schiede, Gold oder Silber oder Erz und Eisen in der Seele3). Kaum verständlich ist, wie die Kinder in den Stand gelangen sollen, dem sie das Metall ihrer Seele zuweist, wenn sie in einem anderen geboren werden, 415 b: das ist erst möglich, wenn der Staat die Neugeborenen sofort in Beschlag nimmt und über ihre Aufzucht entscheidet, was erst in ganz anderem Zusammen- hange vorgetragen wird, 460 c. Ebenso rasch wird die Gründung des Staates abgetan. Die Erdgeborenen machen sich auf, nehmen sich für ihre Ansiedelung einen passenden Platz; da werden sie wohnen, wie es sich für sie schickt. Wir erfahren, daß sie kein Eigentum haben werden, sozusagen kaserniert leben, Gold und

1) 387 c wird zugegeben, daß die Schreckbilder des Hades durch die Drohung mit Höllenstrafen für andere nützlich sein können, wenn sie auch

r den Wächtern ferngehalten werden sollen: er hatte sie im Gorgias selbst zu diesem Zwecke verwertet und tut es auch hier in seinem Mythos.

2) Die Erfindung heißt phönikisch, weil der Tyrier Kadmos aus den Drachenzähnen sich das Volk der Thebaner erzeugt haben sollte. Daß Piaton es so meint, zeigt die Wiederholung Ges. 663 e. Es befremdet aber, daß er auf das Verständnis der leisen Andeutung rechnet, und nach der geläufigen Sage sind nur fünf Sparten, Ahnherren vornehmer Geschlechter, übrig geblieben. Da steckt wohl eine Beziehung, die uns entgeht.

3) Die Metalle und damit die ganze Erfindung stammen aus den Werken Hesiods, indem aber Gold nur in den Seelen der Herrscher ist, kündigt sich der Stand der Philosophen an.

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Silber nicht besitzen dürfen. Sokrates setzt das in längerer Rede auseinander, Glaukon stimmt sofort zu. Schon daran sollte jeder sehen, daß dies alles provisorisch ist. Es fehlt aber auch nicht eine Ankündigung davon, daß die doch am eingehendsten be- handelte Erziehung durchaus noch nicht fertig ist. Glaukon nimmt das an, 416 b; aber Sokrates will es nicht versichern; ganz sicher ist nur, daß sie die rechte Erziehung erhalten müssen, welche das auch sei: dann werden wir das doch einmal erfahren, sind also die späteren Bücher in Aussicht gestellt.

Der kluge Adeimantos hat an dem geschilderten Leben der Wächter Anstoß genommen, denn ihm scheint, es fehle ihm die su8ai.fj.ovLa, die der Gerechte besitzen soll. Er läßt sich aber von Sokrates beschwichtigen (421 a); der Einzelne hätte in dem ge- rechten Staate nur auf so viel persönliches Wohlbefinden Anspruch, wie die Rücksicht auf das Ganze gestattet. Darin liegt eine große Wahrheit; es kehrt auch wieder 519 e und wird dazu gesteigert, daß der Gerechte gar nicht sein individuelles Behagen bean- sprucht., sondern sich in den Dienst des Ganzen stellt. Es ist das Opfer, das der Philosoph dadurch bringt, daß er sich an der Staa' sverwaltung beteiligt. Aber die ganz zutreffende Ant- wort gibt Sokrates dem Adeimantos doch nicht; sie müßte lauten, daß die wahre suSai.fj.ovia von Wohlleben und Muße gar nicht abhängt, sondern ihren Lohn in sich hat, oder gar, daß die Seele, auf deren Glück es ankommt, sich gerade durch den Verzicht auf jene irdischen Güter und Genüsse den höchsten Lohn ver- dient. Erst der Mythos des Schlusses kann die volle Anta ort geben.

Sokrates kehrt zu seinem Thema zurück, behandelt die Größe der Bürgerschaft und kommt dabei zu dem Prinzip, das weiterhin leitend ist, der Staat müsse \xc/Xigtj. ev sein, aus dem sich gleich eine Beschränkung für die Zahl der Bürger ergibt. Das Wichtigste bleibt die Erziehung; von der Erzeugung des Nachwuchses will er jetzt nicht reden (Ankündigung für später), aber namentlich die richtige Musik, die ganze musische Bildung darf nicht geändert werden, sonst kommt alles ins Wanken1).

*) Dämons Wort, daß die Änderung in den xpor.oi [LouGiy.r^ in not- wendigem Zusammenhange mit politischen Umwälzungen stehe, 424 c, ist das Wichtigste, was wir über seine Schrift wissen, und läßt in dem Musiker auch den Politiker erkennen. Die Begründung läßt sich aus 424 d er- gänzen, denn da redet Adeimantos, der solche Bemerkungen nicht aus

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Auf die Einzelheiten des täglichen Lebens l) wird nicht ein- gegangen, ebensowenig auf die Dinge, welche das Strafrecht der gewöhnlichen Staaten mit immer neuen Gesetzen und Verord- nungen zu treffen sucht. Das muß sich in der Praxis leicht finden. Dabei fällt ein scharfer Seitenblick auf Athen, 426 b. Das ist die Stadt, in der es verboten ist, an der eigentlichen Verfassung zu rütteln (Klage '7capav6(jL<ov), und wo in den höchsten Ehren steht, wer den Bürgern zu Wunsche redet und handelt; da sind die sogenannten Staatsmänner, die das endlose und fruchtlose Spiel treiben, unter der gegebenen Voraussetzung, die Herrschaft des Demos nicht anzugreifen, an den Spezialgesetzen herumzudoktern. Adeimantos ist geneigt, sie hart zu beurteilen, wenn sie sich darauf hin einbilden, Staatsmänner zu sein, daß das Volk sie dafür hält. Sokrates aber entschuldigt sie höhnisch; man könnte von Leuten ihrer Bildung wirklich nicht mehr ver- langen 2). Das ist im kleinen auch ein solcher Exkurs, wie wir sie mehrfach aussondern. In den Zusammenhang gehört nur der Verzicht auf die Spezialgesetze, zu dem auch der gleiche Ver- zicht auf die Behandlung des heiligen Rechtes hinzutritt (427 c). Dies hat Piaton auch in den Gesetzen ziemlich unberührt gelassen und mußte es hier, da er sonst einen Kultus hätte einführen müssen. Wenn er aber der Gesetzgebung im eigentlichen Sinne später einen so breiten Raum gewährt hat, während ihm hier dafür das Interesse noch gänzlich fehlt, so ist der Schluß ge- boten, daß ihn mittlerweile ganz neue Erfahrungen auf dieses fremde Gebiet geführt hatten; er sollte an der Verfassung der in Sizilien neu zu gründenden Städte mithelfen.

427 d erklärt Sokrates den Staat für gegründet; die Zuhörer möchten nun selbst zusehen, wo Gerechtigkeit und Glückseligkeit

Eigenem bringt. Die Erwähnungen bei Diogenes von Babylon lehren nichts (Philodem tt. {aou<j. 7 Kemke, von Gomperz um einen kleinen Fetzen vervollständigt, Fr. 13 von Bücheier falsch ergänzt), Philodem S. 104 selbst nur das Wichtige, daß die Form ein Areopagitikos war. Piaton hat diesen Gedanken nie vergessen, Ges. 700 (in meinem Timotheos 77).

1) 425 b Schweigen und Aufstehen der Jungen vor den Alten ist aus Sparta genommen, die Tracht und Haltung kann auch auf das alte Athen gehen, das der Stxaio? Xoyoi; in Aristophanes' Wolken schildert.

2) Unbegreiflich, daß selbst hier Isokrates gemeint sein soll, der wirk- lich kein praktischer Politiker war und auch keinen Antrag auf Gesetzes- verbesserung eingebracht hat.

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in ihm steckten. Das ist nur eine Redensart, um den Abschnitt zu markieren. Glaukon zwingt den Redner mit einem Worte, selbst den Nachweis zu führen. Er tut es so, daß vorausgesetzt wird, der Staat ist gut, also stecken in ihm die vier Kardinal - tilgenden; ziehen wir die drei von der ganzen Tugend ab, so ist der Rest die Gerechtigkeit. Es zeigt sich, daß die drei in den drei Ständen stecken; drei Stände sind es, weil jetzt die 7£?.£t.oi «puXaxsc; l) als besonderer Stand gerechnet werden. In ihrem ungetrübten gegenseitigen Wohlverhalten steckt dann die Gerechtigkeit, nämlich die im Staate. Die Ausführungen sind wichtig, weil wir hören, wie der gereifte Piaton über die Einzel- tugenden denkt, mit denen sich seine Jugendschriften beschäftigt hatten; wir dürfen aber nicht vergessen, daß es sich hier immer um die Tugenden in der bestimmten Relation zum Staate handelt. Die Darstellung geht in leichtem Flusse; die Unterredner stimmen einfach zu. Nur als sich zeigen soll, was die lange gesuchte Gerechtigkeit ist, die allgemeine Harmonie, die auf dem t6 aurou Ttpa-rxeiv aller Einzelnen beruht, wird das Interesse erst durch lebhafte Rede gespannt, dann aber leicht befriedigt (432). Schwierig wird erst der Nachweis, daß die Gerechtigkeit in dem einzelnen Menschen der im Staate entspricht, denn dazu muß eine ganz neue Entdeckung vorgetragen werden, die Lehre von den drei Seelenteilen, ^ep-yj oder ztSr, ^UX%- Gleich zu Anfang läßt Piaton den Sokrates erklären, daß die Begründung nicht vollständig sein wird (435 d); aber er scheut den weiten Umweg, den er sonst machen müßte. Später, 504 b, als er für eine andere Sache den weitesten Umweg nicht scheut, verweist er auf diese Stelle, was sehr viele Schwierigkeiten gemacht hat. Behandelt muß das Verhältnis der beiden Stellen werden, aber ich darf das wieder auf eine gesonderte Besprechung abschieben, weil es für den Gang des Gespräches nichts weiter abwirft.

1) Sie heißen jetzt auch bloß «püXaxec;, 434 c, indem die Krieger ini- xoupoi werden. Sie gehen ja aus demselben Stande hervor, und die cpuXaxyj wird immer mehr zu der vo(ji.ocpuXaxta. In Wahrheit hat ja Piaton immer in den Regenten die Philosophen im Auge, darf aber den Namen noch nicht verwenden, und an der Terminologie liegt ihm überhaupt nichts. Wer ihn richtig liest, muß das Ziel, dem er zustrebt, im Auge haben, wie es der Schriftsteller hatte. Dir Irrtümer seiner Chorizonten sind zumeist daraus entstanden, daß ihnen das ouviSetv fehlte, und sie wider Piaton ah den Wörtern klebten und klaubten.

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Der Abschnitt über die Seelenteile ist nicht nur für Piatons Psychologie wichtig, sondern auch für die Logik. Er formuliert den Satz vom Widerspruche 436 b und bringt in dem sich auf einem Punkte drehenden Kreisel zur Anschauung, wie es möglich ist, daß sich einem und demselben Dinge zwei widersprechende Prädikate geben lassen. Wir erhalten den Eindruck, daß er schon vieles von dem wußte oder, besser, ahnte, was zehn Jahre später ausgereift im Sophistes vorgetragen wird. Daß Ruhe und Bewegtheit sich von demselben Körper aussagen läßt, ist auch für die Anschauung von den Himmelskörpern wichtig. Aber hier bleibt es bei Andeutungen, wieder ist nur der Schein eines Dialoges vorhanden, in Wahrheit doziert Sokrates und geht nur Schritt für Schritt vor. 445 a kann er, alles abschließend, die Frage stellen, die zu allem den Anstoß gegeben hatte, ob es nützlich ist, gerecht zu sein. Glaukon führt von selbst aus, daß das keine Frage mehr ist, und wir scheinen in der Tat am Ziele, da dies Urteil aus dem Munde kommt, der den Sokrates im zweiten Buche auf den Plan rief. Seltsamerweise ist nun Sokrates doch nicht zu- frieden, sondern will weiter, will dem richtigen Staate seine Aus- artungen gegenüberstellen; vier sind es, wie er sagt. Damit fängt er schon an. Da gibt es unter den Zuhörern Unruhe, Adeimantos nimmt das Wort, alle anderen stimmen zu, Glaukon drängt am lebhaftesten, läßt sich auch nicht durch Ausflüchte beirren, daß es zu lang würde, oder daß Sokrates sich lächerlich machen oder auch irren würde. Er muß nachholen, was er vorher, 423 e, ganz obenhin berührt hat, die Weibergemeinschaft der Wächter.

Wozu dient der sofort abgebrochene Anfang einer Behandlung der ausgearteten Staatsformen ? Wozu dient das Rudiment eines allgemeinen Gespräches, an dem wie im ersten Buche auch Thrasymachos teilnimmt, aber ein ganz zahm gewordener Thrasy- machos ? Dies Gespräch hat offenbar nur den Zweck, die Teile abzugliedern. Das erstere aber verbindet sie, denn die Fortsetzung steht am Anfang des achten Buches. Die Darstellung läßt freilich die Fülle und die Frische vermissen, an die wir gewöhnt sind, und das gilt von dem ganzen folgenden Abschnitt bis 466 d oder wenig- stens 461 e in besonders hohem Grade. Sokrates behandelt die Weibergemeinschaft des Herrenstandes zwar mit einer gewissen Schüchternheit, er sieht den Spott voraus, den die abenteuer-

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liehen Gedanken hervorrufen werden, aber sein Unterredner folgt ihm gehorsam und ernsthaft; alle anderen schweigen artig. Das ist unnatürlich und läßt den ganzen Abschnitt von seiner Umgebung stark abstechen. Unvermögen kann das nicht wohl sein. Schwerlich genügt auch die Erklärung, daß Piaton ge- fürchtet hätte, selbst den Spott zu entfesseln, wenn er Glaukon die naheliegenden Einwände erheben ließe. Es wird wohl so sein, daß ihm selbst nicht wohl zumute war, als er einen Boden betrat, auf dem er sich nicht zu Hause fühlte, und die Konse- quenzen zog, die ein rein abstraktes Denken ohne jeden Blick auf das wirkliche Leben erzwang. Ihnen entspricht die leblose Darstellung, die von dem übrigen Werke ebenso absticht wie die dem Leben fremden, lebensunfähigen Gedanken.

An den, wie es scheint, unausrottbaren Unsinn schäme ich mich fast ein Wort verschwenden zu müssen, daß Piaton von den Ekklesiazusen des Aristophanes abhänge. Wie würde sich der Komiker freuen, aber wie würde er auch darüber spotten, daß seine lustigen Zoten solchen Erfolg gehabt haben sollen. Auf der Höhe seiner Kunst hatte er das unsterbliche Motiv ge- funden oder aufgegriffen, daß die Weiber alles bei ihren Männern erreichen, wenn sie sich versagen, und er hatte sie durch dies Mittel den fürchterlichen Krieg beendigen lassen; es steckte bitterer Ernst, aufrichtiger Patriotismus hinter seinen Scherzen. In der Debatte über den Staatsstreich der Frauen war auch manches Wort darüber gefallen, in wie vielem die Frau das Haus verständiger in Ordnung hält als die Athener ihr Reich. Nun war Aristophanes alt geworden; des Handwerks war er sicher, lustige Einfälle hatte er noch, aber einen, der eine ganze Komödie trüge, nicht mehr. Es war wieder einmal sehr trübes Wetter in der Politik Athens, aber er wußte jetzt nur noch mit Spaßen darüber hinwegzutäuschen. So griff er das Motiv auf, daß dk Weiber ans Staatsruder kommen, benutzt es aber nur zu einigen gelungenen zotigen Szenen. Die Gütergemeinschaft oder besser die Aufhebung des privaten Eigentumes und der privaten Wirtschaft hat eigentlich mit dem Weibe rregimente gar nichts zu tun. Sie liefert ein Festmahl, wie es in der Komödie beliebt war, übrigens hier gar nicht recht zur Geltung kommt, und eine gute Szene, die zeigt, wie das Prinzip am Eigennutze des Einzelnen scheitert. Auch das verläuft im Sande ; man schließt.

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es war auch ein verbrauchtes Motiv. Mit der Weibergemeinschaft wird's nicht anders stehen. Wilde Völker, die keine Ehe kannten, waren den Hellenen nichts Fremdes; wenn etwas, ist die Ehe

v6(j.(0!., nicht qxxjz'., also würden, wir ihre Bekämpfung den Sophisten zutrauen, auch wenn wir nicht im Protesilaos des Euripides 053 läsen xotvov yoep slvat, xpvjv yuvoaxstov yevoq, wras schon ein antiker Schriftsteller 7i£pi xXo7rwv mit Piaton ver- glichen hat. Daß in den wenigen Versen der Ekklesiazusen, die über die Weibergemeinschaft theoretisieren, 583 710, die paar unvermeidlichen Konsequenzen gezogen werden, an denen auch Piaton nicht vorbeigehen kann was beweist das ? Die Chronologie gestattet nur, daß der Philosoph bei dem Komiker gelernt hätte; das wird hoffentlich niemand zu behaupten wagen.

Piaton ist durch die Konsequenz seines Denkens zu Forde- rungen gezwungen worden, die ihm selbst sehr unwillkommen sind. Da in der Frau eine unsterbliche Seele steckt, ist sie für die Tugenden aufnahmefähig; wenn sie das ist, weist ihr die Tugend in der menschlichen Gesellschaft ihren Platz: soweit sie für Philosophie empfänglich ist, muß sie herrschen. Aber die Frau ist das Objekt der stärksten Begierde des Mannes, und der Mann begehrt sie als sein Eigentum, leidenschaftlicher als irgend etwas anderes. Also muß der Staat Piatons, der das Eigentum für den Herrenstand beseitigen will, die Ehe vor allen Dingen beseitigen. Auch das eine logisch .unabweisbare Forde- rung. So sucht denn Piaton sich mit beidem abzufinden; er verrät selbst, daß er es nur sehr unvollkommen kann. Da hatte es Aristophanes besser. Der redete von dem, was er kannte, und die Zuschauer brachten auch die Kenntnis mit. Vom Geschlechte und dem Geschlechtlichen redet er, damit weiß er zu spielen. Er kennt auch die Hausfrau, die in ihrem Reiche wirklich herrscht, von der Piaton nichts ahnt. Sie haben wirk- lich nichts miteinander gemein.

Gegen Ende des Abschnittes über die Weiber 462 wird mit Genugtuung konstatiert, daß die Forderung nun erfüllt sei, den Staat zu einem sv, einem in sich abgeschlossenen einheitlichen Organismus zu machen, und nun ist es nicht Sokrates, sondern der überzeugte Unterredner, der zu Ehren der neuen Stadt rühmen muß, erst in ihr würden nicht Herrscher oder Beamte und Beherrschte, apyovxe? und 89j(ji.o<; sein, sondern nur Bürger.

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Der unterste Stand wird die oberen orwrTjpss und e-ixoupot, nennen, bei ihnen dafür fxiffOoSoTat xal xpo<p7J<; heißen, und die cpuXaxs«; werden sich als Brüder und Schwestern betrachten, 463. Sokrates läßt sich noch bestätigen, daß in einem solchen Staate eitel Friede, Freundschaft und Eintracht herrschen muß, und wenn es auch zu Recht besteht, daß die Wächter sich mit dem äußeren Glücke begnügen müssen, das ihnen das Gemeinwohl gestattet (464 c, vgl. 419 d), so ist das doch ein volles Glück, 7c>iov r;[nc7u toxvtoc;, 466 c. Das ist wieder ein Schluß. Es könnte auf das zurück- gegriffen werden, was am Ende des vierten Buches begonnen war, aber erst im achten fortgesetzt wird. Überraschend und willkürlich wird statt dessen die Frage aufgeworfen, ob diese das Glück ihrer Bürger sicherstellende Staatsordnung durch- führbar sei (466 d), und dann gerät Sokrates gleich wieder auf Abwege, so daß ihn Glaukon mit ungewöhnlich langer Rede zu dem angeschlagenen Thema zurückrufen muß (471 c). Was da- zwischen steht, sind Gedanken, die Piaton gern vorbringen wollte und daher aut diese gewaltsame Weise eingeschmuggelt hat. wofür wir ihm doch dankbar sein werden. Zwar der erste ist nur ein wunderlicher Einfall, der ihm aber wertvoll war, denn er besteht auf ihm, 471 c. Die Kinder sollen mit in das Feld rücken, damit sie sich an den Anblick des Krieges gewöhnen, aber zu ihrer Sicherheit sollen sie beritten sein. Glaukon macht lebhafte Einwendungen, also Piaton fühlt die Bedenklichkeit. Dann redet er von Bestrafung der Feigen und Belohnung der Tapferen, anmutig und herzlich, und wendet sich zuletzt gegen das unmenschliche geltende Kriegsrecht : ein Hellene dürfe nicht zum Sklaven gemacht werden, die Verwüstung des Landes, Zer- störung der Häuser und Fällen der Fruchtbäume müsse wenigstens in Kriegen zwischen Hellenen abgeschafft werden, die überhaupt als Bürgerkriege verurteilt werden1). Das sind ganz praktisch auf die Zeitgenossen berechnete Mahnungen, die sich neben den Utopien seltsam ausnehmen. Aber hier spricht das Herz mit, klingt auch alles gleich lebendiger. Aber Abschweifung ist alles.

!) Die Kritik, daß die Hellenen sich (nur) gegen die Ausländer so verhalten dürften wie jetzt gegeneinander (471 b), trifft natürlich auch auf die Zeit zu, in der Piaton schreibt, aber es steckt keine bestimmte An- spielung darin, denn das xsipeiv yvjv hatte immer gegolten; Attika hatte es gerade in der Zeit des Sokrates erfahren.

202 15. Staat

Glaukon hat recht, wenn er dem ein Ende macht, weil Sokrates solche Einzelheiten bis ins Unendliche häufen könnte.

Also zurück zu der Frage nach der Möglichkeit des besten Staates. Da äußert sich Sokrates merkwürdig zurückhaltend. Er hat den Staat entworfen, um die Gerechtigkeit zu finden; das war so gut sein Recht, wie der Maler einen schönen Menschen malen darf, ohne daß man fordert, daß ein solcher in der Natur existiere 1). Es ist nun einmal so, wenn's viele auch verkennen, daß die Wirklichkeit hinter der Wahrheit zurückbleibt, welche der Gedanke erfassen kann. Also dürfen wir zufrieden sein, wenn der beste Staat nur einigermaßen realisiert wird. Mit solchen retardierenden und abschwächenden Wendungen werden wir auf das eine gespannt, das nötig sein soll, unbedingt nötig, um auch nur so viel zu erreichen. Und dann fällt das entscheidende Wort, die Philosophen müssen Könige werden oder die Könige Philosophen (473 d).

Damit verschiebt sich der Boden, auf dem sich das Gespräch bewegt hatte; wir verlassen die luftigen Höhen des Gedanken- spieles und kommen auf die Erde; wir werden zwar auch den Philosophen begrifflich konstruieren, aber wir fragen nicht nur. ob es ihn geben kann, sondern ob es ihn gibt, oder vielmehr wir rechnen damit, daß er vorhanden ist und fordert, was ihm zukommt. Denn es soll nicht der Staat gemacht werden, damit er herrsche, sondern er soll herrschen, damit er den Staat be- gründe oder regiere. Es muß ihn also schon in der Welt, wie sie jetzt ist, geben oder doch geben können. Daneben steht die Möglichkeit, daß ein Herrscher oder sein Sohn Philosoph wird; aber was verschlagen die wenigen Zeilen, in denen sie erwähnt wird (473 d, 499 b, 502 a), gegenüber den Seiten, die über die ~> Philosophen handeln. Die Antithese war durch den Gedanken erzwungen, einerlei, ob Piaton bestimmte Personen im Auge hatte oder haben konnte. In seinen Worten ist doch nichts davon zu fassen. Er muß ja neben die ßacnXyj«; die Suvacrrat.

x) Es ist eins der wenigen Worte zur Theorie der bildenden Künste, wenn man es überhaupt so hoch werten darf, denn davon, wie der Maler schafft, wo für ihn das uapaSetYjjta ist, hören wir nichts, mögen aus Kratyl. 389 b an das eISo<; dv0pco7tou denken; aber auch die Vereinigung des Einzel- schönen vieler Modelk , wie in der Geschichte von Zeuxis, wäre mit dieser Aussage vereinbar.

15. Aufbau. 203

setzen, da es hellenische Könige außer in Sparta eigentlich nicht gibt, wohl aber Tyrannen, die er mit einem höflichen Namen bezeichnet. Daß neben diesen ihre uist? oder exyovot genannt werden, ist auch so natürlich, daß man sich nur, wenn es fehlte, verwundern würde. Dion ist in keiner Form bezeichnet; auf die Söhne des Dionysios, die noch alle unerwachsen waren, konnte Piaton nur ebenso gut oder schlechter rechnen wie auf die Tyrannen z. B. in Thessalien. Ereignisse, die später ein- getreten sind, aber von niemandem vorausgesehen werden konnten. hineinzutragen, ist eine arge Verirrung. Nicht der Tyrann oder Tyrannensohn ist vorhanden, sondern der Philosoph. Piaton ist vorhanden, und diese nächstliegende Beziehung erklärt alles. Selbst als Dion 367 in die Lage kam, die Durchführung von Piatons Gedanken zu planen, hat er diesen berufen, weil er allein das Wissen besaß, dem nur die Macht fehlte. Wer könnte denn auch in diesem ganzen Abschnitte die innere Erregung über- hören ? Sie hat auch die Folge gehabt, daß alles im Stile, in der Dialogführung mit ihrem vielfarbigen Ausdruck so frisch und lebendig ist wie nur etwas aus der Zeit seiner höchsten Meister- schaft Daher scheue ich hier die [xocxpoTspa 6S6^ einer ein- gehenden Interpretation nicht.

Glaukon ist selbst von der These des Sokrates sichtlich überrascht und hält ihm entgegen, welchen Sturm des Unwillens sie bei der Menge erregen muß; aber er selbst ist gern bereit, ihm zu antworten, so gut er kann, aber auch ihn anzufeuern, wie es die Freunde etwa durch ihre Zurufe bei einem Läufer tun. Dazu hat er gleich Veranlassung, denn Sokrates geht zögernd an die Definition des Philosophen, die das nächste ist, wenn man entscheiden soll, ob er zum Regenten taugt x). Von der cpiXia croeptaq geht er aus, die eine wahre Verliebtheit sein muß, so daß jede Weisheit dem Philosophen begehrenswert ist. Er bringt das unter Scherzen über die Verliebtheit Glaukons vor; da hat der Bruder, wie bei den musikalischen Neigungen den Bruder charakterisieren wollen. Glaukon wendet ein, daß dadurch der Philosoph in die Gefahr gerät, mit den Neugierigen verwechselt zu werden, die von den Dingen, für die sie sich

2) 474 c, man verkenne das Drängen nicht in Glaukons kurzen Reden <äpa av ti7] 6p(£ea0oa und &yz.

204 15. Staat.

interessieren, nie genug bekommen können, während Sokrates nur wollte, daß dem Forscher nichts, das zu seinem Werke gehört, zu gering oder zu mühselig ist. Dann aber lernen wir das Objekt der Wissenschaft, die Wahrheit, kennen; daß sie nicht in den Dingen der Erscheinungswelt, sondern in den ewigen Formen zu suchen ist, braucht Glaukon nicht erst zu lernen. Das erspart hier eine Belehrung über die Ideen, führt aber nur zu einer von diesem Standpunkt aus genügenden Unterscheidung zwischen 86£a und s7u<jTY)[ry], und dabei wird der 86£a eine Mittelstellung zwischen Sein und Nichtsein zugewiesen, eine Mischung von Öv und y^ Öv, die in Piatons Schriften hier zuerst begegnet. Daß die Behandlung provisorisch ist, wird zugestanden; 484 a: es waren dem Piaton also wichtige Gedanken schon ver- traut, die er erst im Sophist es vorträgt; in der Schule hat er sie bereits behandelt 1). Glaukon erscheint wirklich wie einer seiner vsavicrxot.; nur daß er durch Scherze die Unterhaltung vor lehrhafter Dürre bewahrt (479 c). Die Laien, die nichts von den Ideen wissen und begreifen, werden mit milder Herablassung abgewiesen (476 d, 479 a, 479 d toc tcöv ttoXXcov noXhy. vojAifxa xocXou nipi usw. gehört dazu) : schon darum kann von Polemik gegen andere Philosophen nicht die Rede sein; Widerlegung solcher Mißverständnisse scheint mir entbehrlich.

Die Unterscheidung von Wissen und Meinen ist darum nötig, weil der Philosoph hier bis zur tiefsten metaphysischen Erkenntnis durchgedrungen sein soll. So ist denn von der aXyjöv^ S6£a nicht die Rede, die doch nach dem Menon 98 a ausreicht, wenn sie durch Wissenschaft gebunden ist, die yzxa. ßsßouaxjsox;, was dasselbe sagt, nach dem Politikos 309 c genügt, den Politiker zum dzloq zu machen. Groß wird für Piaton der Unter- schied nicht sein; aber es ist doch einer, und er steigert hier notwendig das Können der Philosophen, weil.es jeden An- spruch auf die Herrschaft begründen soll. Wo er von dem Politiker ausgeht, der Philosoph werden muß, schiebt sich das etwas anders. Die Anforderungen an die Begabung und die sittlichen Eigenschaften, die hier an den Philosophen gestellt werden, gehen entsprechend hoch : ganz deutlich ist die Steigerung von den Anforderungen an die cpuXaxe^ im zweiten und dritten

l) toc ixera^u kommen schon mehrfach im Symposion vor.

15. Aufbau. 205

Buche. Darin liegt eben der Fortschritt, daß wir damals erst in den Unterbau geführt wurden, aus dem wir nun bis zu den Zinnen des Gebäudes aufsteigen. Sokrates verlangt allerdings, daß ihm der Zuhörer so gutwillig folgt wie die Aristonsöhne.

Ganz ergeben sie sich hier aber durchaus nicht der Führung. Dem Glaukon ist es keineswegs sicher, daß die Philosophen außer der theoretischen Einsicht auch die Erfahrung mitbringen sollen, und er verlangt dafür den Nachweis (484 d). Man kann nicht sagen, daß sein Verlangen durch die Aufzählung der vielen Tugenden des Philosophen erfüllt würde (487 a), und er sagt auch nur, daß selbst Momos hieran nichts auszusetzen haben könnte l). Die Aufforderung, nun diesem Philosophen den Staat zu übergeben, beantwortet er nicht, denn nun springt Adeimantos mit einem gefährlichen Einwände ein 2). Er teilt die allgemeine Meinung, daß es den Menschen für das Leben unbrauchbar macht, wenn er sich dauernd der Philosophie widmet, denn ent- weder gerät er ganz aus dem Geleise, um nicht zu sagen, er wird ein Verbrecher, oder er wird ein ganz weltfremder Gelehrter. Zu unserer höchsten Überraschung erklärt Sokrates die Kritik für berechtigt und beantwortet sie zunächst mit dem berühmten Gleichnis der meuternden Matrosen, die den Steuermann von seinem Platze verstoßen. Es beweist, daß die Philosophen von der unverständigen Menge verkannt und daher nicht im Staate

1) oüS' av 6 Mc5[ao<; uiu-^aiTO wird eher ein Zitat sein als ein Sprich- wort, das Kallimachos Fr. 70 überbietet mit „auxbq 6 Mä>[j.oc, lobt". Momos ist als Person wohl schon früher durch die Dramentitel gesichert; daß er in den Kyprien vorkam, ist kaum zu glauben, es müßte denn ein ganz spätes Proömium gewesen sein. Aber in den äsopischen Fabeln mag er von Alters seine Rolle gespielt haben. Das Wort ist ionisch, nicht attisch.

2) Voraus schickt er die gewöhnliche Beschwerde, daß Sokrates seinen Unterredner zu einem Zugeständnis zu zwingen weiß, das doch wider seine Überzeugung geht (487 b). Davon redet Adeimantos zlc, -o Tnxpöv a7toßXE<{;a<;, weil er selbst die Frage des Sokrates, ob der Staat nicht den Philosophen anvertraut werden sollte, mit ja beantworten müßte, aus logischem Zwange, aber wider seine Überzeugung. Wenn er vorher sagt toiovSe ti zdco/ouaiv oi äx.oüovTEi; E/.acTore ä vüv XhfeiQ, müßte er mit demselben Satze oft einen solchen Zwang geübt haben. Wozu die bekannte Folge des sokratischen Fragens auf die Wirkung dieses Satzes einschränken ? Und ist es nicht schlechthin undenkbar, daß Sokrates diese verblüffende Behauptung oft aufgestellt hat ? Glaukon hat sie doch noch nie gehört, 473 e. Offenbar ist ä vöv ?,sYEt,t; in ä «v 7.i-;rtic, zu bessern.

206 15- st;iat-

verwendet werden, weil sie zwar die Steuermannskunst für ihn gelernt haben, aber nicht die Kunst, ihre Berufung an diesen Platz durchzusetzen, das heißt die Schmeichelkünste der Rhetorik. Er beweist ferner, dies sehr eingehend und mit starker innerer Erregung, daß die Begabung für die Philosophie und damit die wahre Staatskunst, an sich schon selten, in der Demokratie nicht nur nicht zur Entfaltung kommen kann, sondern daß durch die verderbliche Erziehung, die nur auf die hier freilich not- wendige Volksschmeichelei zugeschnitten ist, selbst die hohen Gaben des geborenen Philosophen nur bewirken, daß ein solcher Mann jene verderbliche Macht gewinnt, deren Mißbrauch zum Schaden des Ganzen dann die Philosophie in den bösen Ruf bringt, über den Adeimantos geklagt hat. Zu dessen Überraschung und zu der unseren wird dabei ausgeführt, daß die'Sophisten es nicht verschulden, wenn solch ein hochbegabter Mann auf Ab- wege gerät, wie ihn andererseits kein Warner retten kann. Der Sophist kann freilich nichts lehren als die Kunst, dem Volke nach dem Munde zu reden; aber darum liegt doch die Hauptschuld eben an der Herrschaft der Masse, die nun einmal zur Philo- sophie unfähig ist. Andererseits fallen Worte bitterster Verachtung gegen die, welche sich an die Stelle der Philosophie drängen, deren Name doch immer einen so guten Klang hat, daß sie ihn gern in Anspruch nehmen (495 c) ; es sind dieselben, von denen es später heißt, daß sie untereinander in Zank und neidischer Feindschaft leben und alles nur persönlich zu nehmen wissen, statt wie der Philosoph die armseligen Menschlichkeiten zu ver- achten (500 b). Gekennzeichnet sind damit alle, die neben Piaton sich als Philosophen aufspielen; daher fühlte sich Isokrates ge- troffen. Die Stelle ist oben S. 121 erläutert. So schließt denn diese Selbstverteidigung der Philosophie mit der wehmütigen Klage, daß wahre Philosophen nicht nur selten sein müssen, sondern gezwungen werden, abseits zu stehen und auf die segensreiche Tätigkeit für den Staat zu verzichten, liy.de ßuoerac; ist ihnen geboten; aber Piaton empfindet als einen Fluch, was für Epikur das erstrebenswerte Lebensziel war.

Bis hierher ist Adeimantos willig gefolgt. Als Sokrates sich aber darüber beschwert, daß der Philosoph nicht nur, sondern auch die Philosophie nicht zur vollen Entfaltung kommt, weil der Zustand des Staates sie nicht fördert, sondern hemmt, stellt

i

15. Aufbau. 207

er die Frage, ob der Staat, den Sokrates entworfen hat, der * rechte für die Philosophen sei (407 c). Darin zeigt sich und wird von Sokrates hervorgehoben, daß die bisherige Behandlung ihnen noch keine feste Stellung gegeben hat. Wir sollen merken, daß diese Hauptsache absichtlich zurückgehalten war, in Wahrheit, weil sie mit dem Lehrgang und der Metaphysik unlöslich ver- bunden ist, die jene den Grund legende Skizze in den Büchern 2 4 ganz unübersichtlich und unklar gemacht haben würden, wenn sie dort überhaupt schon verständlich gewesen wären. Daher sind wir durch die plötzlich aufgestellte Behauptung, die Philo- sophen sollen herrschen, in ein anderes Fahrwasser gedrängt, aus dem wir uns zurückfinden müssen. Nun bereitet Sokrates sich dadurch den Weg, daß er davon ausgeht, der Staat muß selbst für die Philosophie sorgen. Was in der Jugend davon gelernt wird, ist nur eine Vorbereitung, die den Geist ebenso bildet wie die Gymnastik den Körper. Dem muß eine gesteigerte geistige Gymnastik (also Dialektik) im reifen Alter folgen, und die Krönung wird die Hingabe der Greise an die tiefste Erfassung der Wissenschaft bilden, der sie ihre Muße widmen sollen: dann werden sie die rechten aar^pzc, Trtq ■no'ki'uziv.c, sein, wie sie es sein sollen (463 b), denn sie werden ihren Bestand durch die Erhaltung desselben rechten Geistes sichern, 497 b, 498 b. Damit ist das Programm aufgestellt, das von 502 d bis zum Ende des siebenten Buches durchgeführt wird.

Dazwischen steht der seltsamste, persönlichste Abschnitt des ganzen Werkes; er hat überhaupt, wenn wir von dem siebenten Briefe absehen, keine Parallele. Adeimantos liefert die Anknüpfung, indem er den Widerspruch der Menge gegen diese Pflege der Philosophie in Aussicht stellt und dabei noch einmal auf Thrasymachos als den Philosophenfeind hinweist. Der aber ist schon ganz zahm gemacht, erwidert Sokrates, und dann nimmt er gar auch die Menge in Schutz. Sie wissen es noch nicht besser, können es noch nicht wissen, da sie ja nie einen echten Philosophen als Staatsleiter kennen gelernt haben. Eben darum hat er diese überraschende Forderung gestellt. Kommt einmal ein Philosophen regiment, so werden sie sich überzeugen, wes Geistes Kind diese sind, und werden ihre Vorurteile fahren lassen. Die Philosophen aber werden zwar zuerst mit dem Be- stehenden tabula rasa machen müssen (501 a), aber dann nicht nur

•JOS l-r>. Staat.

an das himmlische Vorbild also die vorher gezeichnete Verfassung, denken, sondern auch auf die Menschennatur Rücksicht nehmen. Und so werden die anderen sich von der Berechtigung der Philo- sophenherrschaft überzeugen. So rst dieser Weg der Rettung nicht unmöglich, und auch der andere ist es nicht ganz, daß ein Königs- oder Tyrannensohn eine philosophische Natur in sich hat und ausbildet.

Also die Hoffnung wagt sich hier hervor, daß die wahre Verfassung trotz allem, was eben über das Los der Philosophen ausgeführt war, in die Erscheinung treten kann. Der zweite Weg wird wesentlich der Vollständigkeit halber eröffnet; Piaton hat da geringes Zutrauen; möglich, daß er an Syrakus dachte, dann aber nur von fern, an Dion nicht als Herrscher, sondern etwa als Leiter eines der Söhne des Dionysios von seiner Schwester, die noch Kinder waren. Viel dringender ist ihm der Gedanke an die Heimat, und wie könnte man verkennen, daß er durch seine Person und durch dies sein Werk auf sie Ein- druck machen will. Daß der Philosoph sich damit begnügen wird, die theoretischen Forderungen den menschlichen Verhält- nissen anzupassen, ist kein geringes Zugeständnis; es mag auch als Ersatz für die Erfahrung gelten, die ihm fehlt und fehlen muß, woran Glaukon 485 a durch die Einschränkung seiner Zu- stimmung erinnert hatte. Ganz wohl aber war dem Piaton doch bei dieser Äußerung des Zutrauens zu dem guten Willen der Menge nicht. Darum läßt er den Adeimantos hier seine Zu- stimmung nur bedingt aussprechen. „Vielleicht" sagt er t99 d. 500 e schränkt er das ja durch eavrap ai'aötovTat. ein, als er be- stätigen soll, daß die Menge ihren Groll fahren lassen wird, wenn sie merkt, daß der Philosoph die Stjjaotixt) aper/) besitzt. 501 c schränkt si acocppovoucriv eine ähnliche Erwartung ein, und 501 e heißt es wieder nur „vielleicht". So wichtig ist in diesem Falle die Abtönung der bestätigenden Antworten, über die man so oft ruhig hinweglesen darf. Piaton war mit dem Verstände auf der Seite des Adeimantos; aber er ließ seinen Wunsch durch Sokrates sprechen.

502 d schließt Sokrates die Episode mit ausdrücklichen Worten und stellt als Thema die Lehrgegenstände und Tätig- keiten, mit denen sich die Philosophen zu beschäftigen haben, um ihre Regentenaufgabe erfüllen zu können. Auch das spricht

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er aus, daß damit eine Unterlassungssünde der früheren Behand- lung gut gemacht wird, denn 412 14 war die Bestellung der Herrscher in der Tat nur obenhin besprochen. Auf eine müh- same Untersuchung werden wir vorbereitet l), und Sokrates über- rascht seine Hörer und uns mit der verblüffenden Forderung, ihr Lernen sollte der I8£x tou ayaOoij gelten. Nun soll er sagen, was das ist, aber er sträubt sich, er weiß es nicht, und seine 86£a mag er nicht geben. Da springt der lebhaftere Glaukon ein (506 d) ; unter scherzhaften Wendungen birgt sich das Zögern und spannt unsere Erwartung. Endlich kommt Sokrates mit der Sprache heraus (508 e), zur größten Verwunderung des Glaukon, die sich bis zu dem halb entsetzten Ausruf steigert "AtcoXXov. Soau-ovcocc; u7iepßoX%, denn mit einem solchen Rufe meint man den a-rzoipoTconot;. Lächerlich scheint der Ruf, den wir aus der Komödie kennen (z. B. Vögel 61), weil ein wohlerzogener Mann sich so nur äußern wird, wenn er die Selbstbeherrschung ver- liert. Sokrates entschuldigt sich; er kommt ja nur gezwungen mit seiner Meinung heraus, für die er keinen Beweis liefern kann. Was er sagt, ist so schwer, daß Glaukon einmal um nähere Ausführung bittet (510 c), ein andermal rekapituliert (511 c), um sich zu vergewissern, daß er richtig verstanden hat. Dann aber muß Sokrates zu dem Gleichnis von den Höhlenmenschen greifen, das er unter Zustimmung Glaukoms vorträgt und aus- legt: es versinnlicht in unübertrefflicher Weise den Übergang in das Reich der veröde; da muß unsere Vernunft heimisch werden, weil sie es kann, weil unsere Seele ihre Anschauung mitbringt; aber wir bedürfen einer Erziehung, die uns mit einem Ruck von dem Sinnlichen zu dem Ewigen umwendet. Und am Ende entscheidend ist erst noch ein anderes, das nur unserer intuitiven Erkenntnis erreichbar ist.

So lassen die künstlerischen Mittel der Darstellung keinen Zweifel, daß hier ein Höchstes ausgesprochen ist, das über Piatons Lippen noch nie gekommen war, das die streng wissen- schaftliche Dialektik niemals fassen kann, und an dem doch selbst die Möglichkeit dieser Erkenntnis hängt. Es kann also nur als 86£a ausgesprochen werden, obgleich damit eigentlich die Wissenschaft preisgegeben ist. Daher zögert in Wahrheit

*) Über diese Partie vgl. den Exkurs [xaxpoTEpa 686q. Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Autl. 14

210 15. Staat.

nicht der Nichtwisscr Sokrates; der hat hier längst die Rolle des wissenden Lehrers übernommen, sondern Piaton zögert, seinen Glauben zu bekennen, weil er weiß, daß er die Grenzen der Wissenschaft überschreitet.

Im folgenden ruft Glaukon nur einmal die Zurückweisung eines Bedenkens hervor (519 e). Das dient dazu, die Ver- pflichtung der Philosophen zur Beteiligung am Staatsdienste ein- zuschärfen. Gerade weil sie damit ein Opfer bringen, da. sie ungern von der reinen Wissenschaft auf eine Weile scheiden, sind sie die richtigen ap^ovret;, denn nur das ist der rechte Staat, wo das Amt nicht um eines Lohnes willen gesucht, sondern aus Hingabe an die Gesellschaft für das Wohl des Ganzen, also in Übung der wahren SixouocrovY], übernommen wird. Das weist uns weit zurück, bis ins erste Buch, 345 e.

Nun kommen wir in ruhiges Fahrwasser, die Behandlung der einzelnen [xaG^axa. Glaukon wird nur herangezogen, um durch eine Rekapitulation die frühere Behandlung in das Gedächt- nis zu rufen (522 a auf 410 c oder besser die ganze Partie des dritten Buches) und die nächstliegende praktische Nützlichkeit von Arithmetik und Geometrie anzugeben, die hier gerade nicht der Zweck des Unterrichtes ist (526 d, 527 d), in der Musik aber wieder seine besonderen Kenntnisse zu zeigen (531 a), und ein- mal durch eine längere Zwischenrede sowohl zustimmend wie auffordernd die Wichtigkeit des Überganges von den vorberei- tenden Studien der Siavoia zur Dialektik, der höheren vo^cti^, kenntlich zu machen.

Am Anfang des achten Buches wird wieder scharf der Ab- schnitt markiert und auf das Ende des vierten zurückgegriffen; es folgt die dort in Aussicht gestellte Betrachtung der übrigen Verfassungen. Hier könnte man eher eine Beteiligung der Unter- redner erwarten, aber Adeimantos löst nur 548 d den Glaukon ab, als ihm eine Ähnlichkeit des typischen cpt.X6vixo<; mit dem Bruder auffällt, und fügt ganz selten ein belebendes Wort ein, 563 d eigene Erfahrung, 565 a Hinweis auf den Ekklesiastensold, 568 b auf die IcöOsoq -rupavvic; bei Euripides Troad. 1169, 569 b die Entwaffnung der Bürgerschaft durch Peisistratos ; dies zeigt nur, daß er eine bildliche Wendung des Sokrates richtig versteht. 576 b tritt Glauken ein, SiaSE^dc^evoc; tov Xoyov, wie einfach dabei- steht, als ob sie sich wirklich nur als Jasager abwechselten.

15. Aufbau.

211

Ganz bedeutungslos ist der Wechsel doch nicht, da wir nun an die Beantwortung der Hauptfrage kommen, nach dem Glück des Gerechten oder Ungerechten, die dem Glaukon füglich zustand. Er antwortet wohl etwas lebhafter, aber wesentlich ist auch hier die dialogische Form nicht mehr. Das ist nicht anders bei der ausführlichen Schätzung der y;$ova''. der Vorstufe des Philebos, die uns so wunderlich anmutet. In ihr hat Glaukon selbst nichts zu bieten als zuletzt 592 a die vorlauteÄußerung, daß der Philosoph seine geistigen Genüsse, die er genießt, nicht für die Ehre eines Amtes preisgeben wird. Das sagt er, damit Sokrates noch ein- mal zum Schlüsse auf seinen Staat hinweisen kann, dem zuliebe der Philosoph gern seine Muße zum Opfer bringen wird, und daß dieser Staat seinen Wert behält, auch wenn er ein un- . realisiertes Ideal bleibt.

Auch in dem eisten Nachtrage des zehnten Buches über die Nachahmung und den Ausschluß Homers hat Glaukon nur gehorsam zuzustimmen, außer daß er 600 b einen Scherz über Kreophylos einflicht. Wieder hat Piaton wie in dem Abschnitt über die Stellung der Frauen die Bedenklichkeit seiner Behaup- tungen, bei denen ihm nicht wohl war, nicht durch Ein- würfe selbst hervorheben wollen. Denn gleich wird es anders, als er auf die Seele kommt, 608 b. Die Gewaltsamkeit des Über- ganges hat er selbst gefühlt. Sokrates hat die Verwerfung der Poesie noch einmal abschließend eingeschärft und begründet sie noch einmal. ,,Es ist eine zu ernste Sache, ernster, als man denkt, gut oder schlecht zu werden; darum darf man sich so v. enig \Aie durch Ehren oder Schätze oder . irgendein Amt1) durch die Poesie verführen lassen, Gerechtigkeit und Tugend hintanzusetzen." ;:Das meine ich auch gemäß dem, was wir besprochen haben, und so wohl jeder." - „Und doch haben wir die höchste Belohnung der Tugend noch nicht besprochen." ..Da muß ihre Höhe ganz ungeheuer sein, wenn es eine höhere gibt, als wir besprochen haben. " Das geht auf das 729 mal dem Ungerechten überlegene Glück des Gerechten. Aber auf die Belohnung kommt Sokrates durch einen Sprung: um ihretwillen soll es doch nicht etwa geschehen, daß der Philosoph den Reizen

l) Die Vorgleichung ist kopulativ durch outs ovts gegeben, wie es die Griechen so gern tun, und die Modernen so gern verkennen. So ist es z. B. auch 503 a.

14*

oi2 l-r>. Staat.

der Poesie widersteht. Glaukon aber ist des Todes verwundert, denn er braucht eine ähnliche Wendung des Erstaunens wie 509 c, als er von der ISeoc toü ayaÖou hört. Das scheint über- trieben. Mehr Grund zur Verwunderung hätte er, als Sokrates fortfährt: „Groß kann doch nicht sein, was nur für eine kurze Spanne Zeit gilt, und kurz ist das längste Menschenleben im Verhältnis zur Ewigkeit." Da stimmt er aber nur zu. „Hast du nicht bemerkt, daß unsere Seele unsterblich ist und nie vergeht ?" Da sah ihm Glaukon erstaunt ins Gesicht (ob er recht gehört hätte) und sagte, „nein, wahrhaftig nicht. Kannst du das behaupten ?" „Wenn's kein Verbrechen ist. Ich glaube, du auch. Es ist ja nicht schwierig." „Für mich doch; aber ich möchte von dir gern dies gar nicht Schwierige hören."

Offenbar hat Piaton gemeint, durch die lebhaftere Führung des Dialoges die Gewaltsamkeit der Übergänge zu verdecken. Denn es ist doch mehr, als man sich gern gefallen läßt, dal Sokrates eine solche Behauptung sc plötzlich vom Zaun bricht, daß Glaukon, dieser Glaukon, an dieser Stelle die Unsterblich- keit als e.was Neues, ihm Unglaubliches behandelt und, wem es das war, sich sofort beruhigt. Er hat nachher noch einmal eine lebhafte, auch wieder scherzhafte Bemerkung zu machen. 610 d, sonst stimmt er wieder bloß zu, bis Sokrates mit dei langen prachtvollen Rede seines Mythos dem Ganzen ein klang- volles Finale gibt. So bestätigt gerade die letzte scheinbar ab- weichende Partie, daß Piaton seine dialogische Kunst im letzter Viertel des Staates nicht mehr anwendet, kaum mit besonderer Absicht, sondern aus Ermüdung, die wir ihm nachsehen müssen. Theaetet, Politikos, Timaios, Gesetze werden uns gegen Ende ähnliche, wenigstens in den Spuren von Hast ähnliche Erschei- nungen zeigen. Was ihn zum raschen Abbrechen oder Fertig machen trieb, war verschieden; aber wenn er so oft in die Lage kam, ein Werk eilfertiger abzuschließen, als dem sonst erreichten Grade der Ausarbeitung und dem eigenen Vorsatz entsprach, so spüren wir, daß der Reichtum der Produktion und der Pläne dem Vollenden Abbruch tat. Wenn er sie nicht verbrannte, wird sein Nachlaß Entwürfe und Ansätze genug enthalten haben; nur das Stückchen Kritias haben die Erben veröffentlicht

Der Mythos ist ein Glanzstück für sich; das war auch voll- kommen ausgearbeitet und ist angemessen verbunden ; die Schwierig-

15. Aufbau. 213

keit, daß die Tugend einen Lohn erhält, dessen sie nicht bedurfte, konnte niemals eine voll befriedigende Lösung erhalten. Hinter dem Eindruck der letzten Mahnung, die Sokrates 621 c an Glaukon richtet, der Leser aber auf sich beziehen soll, wird niemand etwas Weiteres verlangen. Wir haben die übrigen Anwesenden, haben auch das Fest vergessen, zu dem sich die Gesellschaft in der Hafenstadt versammelt hatte. Das ist der Erfolg davon, daß der Dialog sich seit dem zweiten Buche auf Sokrates und die Ariston- söhne zusammenzog und in den drei, ja eigentlich den vier letzten Büchern so gut wie ganz entwertet ist, vorher in dem ersten Teile des fünften ebenso. Das war eine Partie, die auch inhaltlich den Eindruck spätester Entstehung machte, was von der Kritik der Verfassungen nicht gelten kann, und die Nach- träge des zehnten Buches sind es nur in der Form: die Poesie und die Psychologie mußten auf Grund der neuen Metaphysik ihre Steigerung gegenüber den Büchern 3 und 4 notwendig ebenso erhalten wie die Erziehungslehre. Wer will, mag tadeln, daß das Eingeständnis der Nachträge unkünstlerisch sei, muß aber anerkennen, daß darum das Ganze nicht weniger eine Ein- heit ist, inhaltlich schon im zweiten Buche vorbereitet, der Mythos sogar schon durch den Kephalos des Einganges. Die Unterschiede in der Ausführung bestätigen, daß das große Werk langsam, in Absätzen zur Vollendung gebracht ist, wie zu erwarten war. Jede solche Beobachtung, jede Umgrenzung von Einlagen und Abschweifungen, auch von Rückbeziehungen, ist wertvoll; aber die zahlreichen Versuche, das Ganze zu zertrümmern, verfehlen nicht nur ihr Ziel: ich muß gestehen, daß mich das, was ich davon kenne, nicht einmal in der Analyse gefördert hat. Daher habe ich auf diese Hypothesen keine Rücksicht genommen, einerlei von wem sie herrührten. Dagegen hebe ich gern hervor, daß R. Hirzel (Dialog I 270—72) vieles ebenso beurteilt wie ich, wenn ich auch nicht zugeben kann, ,,daß der Versuch mißlungen sei, die gewaltige Gedankenmasse in der knappen Form des Dialoges zu bändigen". Denn die Form einer Lehrschrift wäre ja viel knapper gewesen, und dann finde ich, daß Piaton seinen Stoff wirklich bewältigt hat, manchmal auf Kosten seiner Kunst- form; nur stellt er an seine Leser ungewöhnlich hohe Anforde- rungen, hat auch selbst sich später bemüht, seine Stoffmassen übersichtlicher zu gruppieren.

214 15. Staat.

b) YÜN nOAIS.

Es ist oben (S. 188) dargelegt, daß 369 b— 374 e etwas steckt, das seine Rechtfertigung nicht in dem Zusammenhange findet, also eine Beziehung auf etwas haben muß, das außerhalb steht. Sokrates sagt, er wolle den Staat im Werden zeigen, zählt aber zuerst nur die Bedürfnisse auf, die den Zusammenschluß von Menschen bewirken, da der Einzelne sie nicht alle selbst be- friedigen kann. Das sind Nahrung, Wohnung, Kleidung, auch Be- schuhung. Um ihnen zu genügen und zugleich die Arbeitsteilung durchzuführen, braucht man dann noch viele andere Spezialisten, Schmied und Tischler u. dgl., auch Hirten (da man Zugvieh braucht), Händler für die Einfuhr unentbehrlicher Artikel aus der Fremde, ebenso für den Export, Schiffer, Kleinhändler, auch gemünztes Geld braucht man, endlich Arbeiter, die nichts als ihre Arbeitskräfte in Dienst stellen. Damit, meint Sokrates, hätte man genug; wir haben gesehen, daß er hofft, Adeimantos werde sich nicht zufrieden geben, sondern Krieger verlangen. Der tut es nicht, so daß Sokrates fortfahren muß. Zu unserer Überraschung gibt er eine Schilderung des Lebens in dieser, wie er später sagt, ,, gesunden" Stadt. Die Leute haben sich Brot gebacken und Brei angerührt, eine weiche Streu geschüttet, lagern sich darauf, bekränzen sich und schmausen mit den Ihren, trinken Wein dazu, leben höchst vergnügt und singen Dank- lieder. Da fällt Glaukon ein; er vermißt Zubrot. „Ganz recht; das hab' ich nur vergessen, Salz, Oliven, Käse, auch Zwiebeln und Gemüse und Obst/' „Wenn du einen Schweinestaat gründen wolltest, könntest du keine andere Kost geben. Sie sollten doch auf Bänken (und Decken) liegen wie heute, an Tischen essen und Zukost (Fleisch und Fisch) und Nachtisch (Kuchen) haben wie wir.': „Ach so, du verlangst einen Staat des Luxus (xpucpcocra); auch gut. Bisher habe ich von dem gesunden geredet, aber Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit wird sich auch da finden lassen. Also kommt das alles hinzu, auch Schmuck der Gebäude und ihre Ausstattung 1). Das wird dann noch viele Berufe nötig machen, Leute, die auf den Fang (die Beschaffung) des Ge- wünschten ausgehen, und all das Volk, das Abbilder des Wirk-

x) tt)v te ^coypacptav xal x/)v roixiXtav, 373 a, das letzte Glied, das in A fehlt, geht die Kunstweberei und Stickerei der eben erwähnten l[i.aTt,a an, das TzoixiXkeiv.

15; YQN nOAIS. 215

liehen schafft, Maler, Schauspieler, Dichter u. dgl. Dazu eine Menge neuer Handwerke, mehr Diener, Kinderwärter, Ammen, Barbiere, Köche; auch Schweinehirten, die wir früher nicht brauchten; auch Hirten anderer Tiere, falls man die ißt. Endlich Arzte. Und dann reicht das Land nicht, und um mehr zu er- obern, gibt es Krieg damit ist das Ziel des Sokrates endlich erreicht, die Notwendigkeit eines Kriegerstandes.

In der Schilderung der rpixpcoara ist der Scherz des Sokrates offenbar. Weil er die erste uytY)<; genannt hat, sind die Ärzte ein Zeugnis für die Verderbnis der anderen. Weil Glaukon jene eine ueov 7coXi<; genannt hat, wird eingeschärft, daß erst jetzt Schweine gehalten werden. Die Aufzählung der Kulturbedürf- nisse verläuft sich vollends in das, was wirklich auch für Glaukon Luxus sein muß. Weder Sokrates noch sonst jemand kann je geglaubt haben, daß der Staat erst entstanden wäre, als diese Sorte Kultur Bedürfnis geworden war. Dagegen ließ sich sehi wohl denken, daß jemand die Theorie aufstellte, Wohnung, Nahrung, Kleidung sind unentbehrliche Bedürfnisse: sie zu be- friedigen, ist der Staat entstanden, und weiter braucht der Mensch nichts, um zufrieden zu sein. Aber ein anderes ist, ob das im Ernst die uyi-yj«; tcoXk; für Sokrates ist. Das ist sie nicht; sie hat Stände, von denen er in seinem Staate nicht redet, Krämer und Schiffer. Sie hat ja sogar Geld, das er ausschließt. Selbst die Stadt der Gesetze hält ihre Bürger von dem frei, was hier die Menschen" treiben, und was er von ihnen verlangt, kommt hier nicht vor. Also sein Staat kann es nicht sein. Andererseits hat diese Stadt zu wenig, nicht bloß den Herrscherstand, den er sucht, sondern auch die Schweinehirten, die er in der Tpucpcoaa bringt. Wenigstens verbietet er das Schweinefleisch nicht, und kann es nicht, da sich seine Krieger von Braten nähren sollen (404 c), und er sich dabei auf die Heroen Homers beruft, die sich ja an fettem Schweinebraten besonders delektieren. Hier aber ist bei dem Feste oder vielmehr dem festlichen Alltags- leben, das die Bewohner der uyty)? 7c6Xi<; führen sollen, der Fleischgenuß nicht vorhanden. Da löst sich denn auch das Rätsel, weshalb Sokrates ein Bild des Lebens in der „gesunden Stadt" entwirft. Piaton zeichnet ein fremdes Bild nach, das die Kulturentwicklung so darstellte, daß das Bedürfnis so und so viel Künste und Fertigkeiten hervorrief. Dann war ein Zustand

210 15. Staat.

erreicht, über den hinaus mit der xoucpv) alles Übel entstand, und ein besonders verhängnisvoller Schritt war die Einführung des .Fleischgenusses. Diese Schilderung ist dem Piaton zuwider, vor allen Dingen, weil er den Rationalismus, die bloße Berufung auf die ypeia, nicht ausstehen kann; wie anders stellt er es dar, wenn er Märchen von den Urzuständen erzählt, Prot. 321, Polit. 274 c. Dann sieht er mit vollem Rechte ein, daß der paradiesische Zustand, den jene Darstellung schilderte, ein Un- ding ist, weil gar nicht an die Bedrohung von außen her gedacht ist; das ist ihm so wichtig, weil er auf die Wächter in seinem Staate hinaus will. Endlich aber ist Piaton ja immer gegen die d-Troy-y] efx^uywv ablehnend gewesen, die Empedokles und Pytha- goras und die Orphiker und manche Mystiker (Eurip. Hipp. 952, auch wohl in den Kretern) verlangten. Man muß die Zähigkeit dieser Bestrebungen ermessen, die nie ganz aussterben, mit dem Neupythagoreertum auch nach Rom kommen und später bei Porphyrios und erst recht unter den christlichen Mönchen Boden gewinnen: dann weiß man, wie dankbar wir dem Piaton sein müssen, daß er bei allen Übertreibungen seiner Normalisierung des Lebens die Unnatur der Askese immer abgewiesen hat.

Wer wird nur der Urheber dieser Lehre sein, die den Menschen von dem Bedürfnis bis auf eine gewisse Stufe ge- hoben sein ließ, den damit erreichten Zustand als vollkommen befriedigend pries und die weiteren Fortschritte als Tpixpy) ver- dammte ? In den Gesetzen 782 c erwähnt Piaton das ,,orphische Leben", in dem die Menschen kein Fleisch essen und auch den Göttern nur ayvd 6ufJt.aTa darbringen, wie es ja immer für viele Kulte galt. Aber daneben stellt er einen Zustand der Roheit, aus dem noch die Menschenopfer vielerorten erhalten sind. Jn der unendlichen Vegangenheit des Menschengeschlechtes ist eben alles vorgekommen. Unmöglich konnte er im Staate auf ein orphisches Gedicht zielen. Demokrit, auf den Reinhardt, Herrn. 47, 492 geraten hat, kommt erst recht nicht in Betracht; das fordert nun keine Worte mehr. Bei ihm ist gerade das ent- scheidende Kennzeichen nicht vorhanden, die Enthaltung vom Fleischgenuß. Aber auch damit kommt man nicht weit; man findet diesen auch in der sonst ganz anders angelegten Schilderung des Dikaiarchos bei Porphyrios IV 2. So etwas konnte manch einer in der Sophistenzeit ersinnen. Raten scheint mir ebenso aussichtslos

15. TON nOAIS. 217

wie bei der Kulturgeschichte, die Euripides in den Hiketiden vor- trägt; auch über sie sind nur nichtige Vermutungen aufgestellt. Nur muß Piaton eine Schrift oder Lehre im Auge haben, die ihm diesen Hieb zu verdienen schien, die er also in den Händen seiner Leser voraussetzte. Schwerlich war es eine, die Sokrates bei Lebzeiten anführen konnte; daher keine Hindeutung darauf, daß er einem anderen folgt. Das würde auf Antisthenes zutreffen, an den viele, sogar Zeller, gedacht haben. Aber es ist nicht nur unerweislich; wir wissen nicht das mindeste, wie Antisthenes über diese Dinge dachte; sondern unglaublich: einen Staat ohne dpsv/) hat gerade dieser Sokratiker sicherlich nicht verherrlicht. Es läuft doch auf eine Art von paradiesischem Schlaraffenleben hinaus. Ich halte nicht für unmöglich, daß eine Komödie das Vorbild war.

Ein letztes ist, wie kann Glaukon die \)yiy]c, ixoXic, eine üuv nolic, nennen, worauf der letzte Scherz des Sokrates über die Schweinehirten zurückblickt. Auch das haben viele (ich auch) falsch aufgefaßt. Glaukon zielt ja gar nicht auf die Lehre, etwa ihren Rationalismus, sondern ihm ist das angeblich selige Leben ,, schweinisch", weil er mehr Komfort und bessere Verpflegung verlangt; das rein automatische Wohlleben wird dem musisch Gebildeten auch unausstehlich sein. Man muß eben wissen, daß die Griechen „Schweinerei" weder wie wir noch wie die Italiener porcheria brauchen. Gerade in Athen redet man von ut)vi<x und versteht darunter viehische Unbildung; so nennt Piaton die Un- erfahrenheit der Jugend im Rechnen etwas oux avöpwTrsiov aXXa utjvöv tivwv 0ps|^aTG>v, Ges. 819 d, und bildet uy]vsZv für djxaöatvsiv scherzhaft Theaet. 166 c. Als Schweine wurden wegen ihrer Dummheit die Söhne des Hippokrates verspottet, des vornehmen Verwandten des Perikles, mit denen dessen gleichnamiger Sohn aufwuchs, vgl. Meineke zu Eupolis Demen 10. Nichts anderes meint also Glaukon, ein Leben, das man einem zivilisierten Menschen nicht zumuten darf. Den Sokrates läßt aber Piaton nicht zustimmen. Denn für diesen würde ja entscheidend sein, ob in jenem Staate Gerechtigkeit war oder nicht. In den Ge- setzen 679 wird in der Tat eine Periode angenommen, in welcher die Menschen noch ohne die meisten Kulturbedürfnisse gut und friedlich in aller Bescheidenheit leben. Aber ihre Nahrung ist Milch und Fleisch, denn sie sind Hirten1).

1) Aristoteles Pol. A 1291a macht dem Piaton zum Vorwurf, einen

218 15. Staat,

c) u-axporepoc 686c;.

435 b schickt sich Sokrates an, die drei Seelenteile vorzu- führen, die den drei Ständen entsprechen. Die Bedeutung des Themas hervorzuheben, sagt er ironisch el<; 9<xuX6v y' aüi o-xe[i.|xa efA7re7rrcoxafxev 7repl 4/uZ"^? e^Te ^Xei T<* TP^a £^"0 ^aura ev eain-yji eixe jay). Da ist 9aüXov unbedeutend und daher leicht. Glaukon erwidert ou ttocvu y.oi Soxoutxev elq cpauXov' taoa; yap to Xeyofxevov aXiqöec, oti xa^£7r<* T<* xaXa. Er ist nicht so ungewandt, die Ironie zu verkennen, wie ihm zugetraut wird. Vielmehr spielt er mit der Bedeutung des Wortes cpaüXov, die er auf den Wert des gesuchten Objektes hin wendet. Es ist darum kein cpaüXov, keine leichte Sache, weil 3S sich um kein cpauXov, nichts Niedriges handelt, sondern um etwas sehr Schönes. Danach schränkt Sokrates die Bündigkeit des folgenden Beweises ein, axpiß&c; fxev toüto ex Totouxcov ue668cov, oloic, vüv ev toi^ Xoyotc; ^pcopieSa, ou (XY) rcore XaßtOfxev, aXXv] yap (xaxporepa xal rcXeitov 686<; y] eicl touto ayoucra. Aber sie beruhigen sich dabei.

In einer solchen Erklärung liegt, daß Piaton sich bewußt ist, die folgende Psychologie ist anfechtbar, sie genügt ihm selbst nicht ganz; aber er müßte gleich zu tief bohren, um sie zu ver- bessern. Daß er es könnte, werden wir nicht bezweifeln. Wir sind nicht berechtigt, den vollständigen Nachweis innerhalb dieses Werkes zu verlangen, nicht einmal zu erfahren, weshalb das hier Gegebene nicht genügt. Aber da die späteren Bücher so viele Berichtigungen der Lehren gerade des vierten Buches bringen, werden wir es doch erwarten. Und wir werden es zunächst da erwarten, wo er eben diese Stelle selbst anführt.

504 a will Sokrates die Lehrgegenstände behandeln, in denen sich die künftigen Philosophen-Regenten bilden sollen. Es wird eine lange und schwere Auseinandersetzung geben; sie reicht bis 535 a. Darauf bereitet Sokrates vor. (AVY)|xoveusi<; fxev 7tou 6t i TpiTxdc etS-/) ^UX^ 8iacro)aa(i.svot cuveßtßa^ofxev SixaiotTuv/ji; ts

Kriegerstand erst dann entstehen zu lassen, wenn die Menschen ihr Land so weit avisgedehnt hatten, daß sie mit den Nachbarn in Händel gerieten. Außerdem wären auch schon vorher Verwaltungsbeamte und Richter nötig gewesen. Er hat also für die eigene Ansicht des platonischen Sokrates gehalten, was dieser lediglich sagt, um seine Unterredner zur Erkenntnis zu führen, daß es so nicht geht, sondern «puXaxe«; da sein müssen, die alles leisten, was Aristoteles vermißt.

15. u-axporepa 6S6<;. 21<>

Tzipi xal Gcorppoowrfi xal dvSpsiat; xal aovpioLc, 6 Ixao-xov ctyj; [AT, yap [xvvjjjiovsutov, e<pyj, xa. XoiTra av eitjv Sixaio? [X7] axouetv. r, xal to 7ipoppY]6ev auiwv; x6 ttolov 8-yj; eXeyojj.ev 7iou oxt &>c, u-'sv Suvaxov yjv xaXXicna auxa (die drei Teile, denn von denen war dort nur die Rede) xariSstv aXXyj (xaxpotepa etv\ nzpioSoc,, rjv TCpLEXOovxt. xaxacpavE? yiyvoixo, twv u,ev rot. £[i,7rpo<70EV 7i:poEt.p7)u,£vcov £-/ofi.£vai; (By water für £7rou.Eva;?} <xtzo$zLc,zic, olov x' zit] Tcpocra^at. xal \jy.zlc, e^apxetv e^are. So haben wir das denn meiner An- sicht nach nicht vollständig behandelt; ob's euch genügte, mögt ihr sagen. Wir meinen, es war [isrpi^c;, hinreichend, behandelt. aXX' w cpiXs jjtirpov xcov xoiouxcov aTcoXEtJtov xal oxiouv xoü Övxo:; ou Tiavu [izrpioiq yiyvExar axsX£<; yap ouSev ooSevo? u,sxpov. Viele halten das freilich für genügend. Gewiß, sehr viele. xou- xou 8e xou 7ta6r)u,axo<; -qxiaxa 7rpocj$£i cpuXaxi no'Kzoic, te xal vofxcov. £ix6^. ty)v [xaxpoxspav xoivuv ixeov TWt xoiouxgh xal 0UX Tr~°v (xavöavovTi 7rov/jxsov tj yu[j.va£ou,svaK. 7] 6 vuvSyj EXEyofxsv xou [xsytcrxou xal u,aXt.o-xa 7rpocnr]XOVxo<; [xa0Yj[xaTO(; et:1 xeXo? ou7tot£ ij^ei ou yap raura fjiyt,o-xa, aXX' exi xt. [zeI^ov Sixaioo-uv?]? te xal cov SwjXÖojj.ev; xal [aec^ov, xal auxcov xouxoov ou^ utco- ypa9>]v SeZ coo-TCp vuv OsaarasOa!., aXXa tt;v xeXscoxoxtjv aTCpyatnav [Li] 7rapievat. Das [j.si£ov ist zunächst die Idee des Guten, von der Sokrates sofort handeln wird; die auxa xaüxa sind das, wo- von Glaukon eben sprach, also der Inhalt ihrer bisherigen Unter- suchung, deren Hauptgegenstand die Sixatoo-uv?) war, die deshalb als Beispiel hervorgehoben wird. Von all dem soll der xsXeio? cpuXa;;, der Philosoph, ein reXeiov jxaOr^a erhalten. Was dessen Inhalt ist, wird der ganze folgende Abschnitt lehren; er muß die Trepiaycoyy] kizi xa vovjxa erfahren, Einsicht in die Welt des Seins gewinnen. Das ist also etwas ganz anderes als die Lehre von den drei Seelenteilen, die denn auch in dem ganzen Ab- schnitt nicht berührt wird 1). Also ist die hier beschritt ene (j.axpox£pa 686? nicht dieselbe, d. h. nicht auf dasselbe Ziel ge- richtet, wie die im vierten Buche abgelehnte. Nicht das Objekt, sondern die Methode ist es, die verglichen wird. Sokrates er- innert : „Wir haben uns früher erlaubt, die eigentlich nötige tiefere

x) Es wäre Vergewaltigung, die Stelle des vierten Buches auf die Behandlung der Tugenden zu beziehen , die allerdings , aber auch das nicht mit ausdrücklicher Rückverweisung, im siebenten Buche auf eine andere Basis gestellt wird.

220 15. Staat.

Behandlung zu unterlassen. So darf es der Philosoph nicht machen, und, wenn ich von seinen (xotOy^axa reden soll, darf ich's auch nicht tun". Damit ist die Beziehung der beiden Stellen erledigt; sie geht nicht tief.

Ganz unabhängig davon ist es, daß wir fragen, ob sich nicht doch eine Ergänzung zu der Behandlung der drei Seelenteile findet, die 438 b als ungenügend bezeichnet war. Das ist der Fall. Sie findet eine Antwort, wenn auch ohne direkten Hin- weis, im zehnten Buche 611 c, wo der Glaube abgelehnt wird, daß die Seele in ihrer ganz wahren Natur Ungleichheit und Streit innerhalb ihrer selbst enthielte. Das tut sie doch, wenn sie aus den drei fiipy], nicht nur stSyj, besteht. Und es geht weiter ou paiSiov, dt&iov elvai auvOsröv ts Ix 7roXXcöv xal fr/] tyji xaXXioTTji xs7p7)[iivov auvöecrst, oic, vuv vjfxcv scpavr] yj "(pu^y). ,,Es ist nicht leicht (nicht leicht zu glauben), daß ein Ewiges zusammen- gesetzt sei." Das ist zunächst nur eine Berichtigung; sie wird schüchtern vorgetragen und enthält keine Begründung, und erst diese würde die (xaxpoxepa 686«; oder ihr Ziel sein. Ein Widerspruch ist trotzdem gar nicht vorhanden, denn im vierten Buche und noch 538 wird nur von der Seele gehandelt, die noch in dem Menschen ist, der immer die drei Seelenteile behalten hat, hier aber wird die Seele vorgeführt, die vom Körper gelöst ist, also, wem sie sterb- lich sind, die beiden niederen Teile verloren hat. Eine Ent- scheidung gibt Piaton nicht, sagt vielmehr ausdrücklich 612 a efae 7coAu£iSy]<; sl'xs (j.ovoet,Sy]<;. Im Mythos des Phaidros hat aller- dings die Seele auch im Himmel die drei Teile, im Politikos 309 c wird der göttliche von dem menschlichen Teile unterschieden, ohne tiefer einzugehen; so auch im Timaios 69 c, aber da gilt doch die Dreiteiligkeit, hat sogar jeder Teil seinen besonderen Sitz im Körper. Piaton hat sich also dieser Ansicht zugeneigt, rdie das zehnte Buch bringt; er hatte das getan, als er das vierte schrieb, und legte daher die Einschränkung seiner Behauptung ein; die Dreiteilung konnte er dort so wenig entbehren wie im Phaidros. Offenbar hat er sich als in einer unentschiedenen Sache freie Bewegung erlaubt. Auf die (xaxpoxepa 686c; konnte er nicht wohl zurückgreifen, da er eine entschiedene Berichtigung nicht gab noch geben konnte.

16. Parmenides.

Die Einkleidung verfolgt den doppelten Zweck, einmal so etwas wie eine Möglichkeit zu eröffnen, daß eine Erinnerung an die Begegnung zwischen Parmenides und Sokrates erhalten werden konnte, zum zweiten, den eingeführten Personen die Ehre der Erinnerung, die Erhaltung ihres Gedächtnisses zu verschaffen. Mit diesen anzufangen, ist es ganz begreiflich, daß Piaton nach der hervorragenden Rolle, die er seinen Brüdern im Staate an- gewiesen hatte, auch seinem Halbbruder Antiphon sein beschei- denes Teil gönnte. Jene werden hier ohne nähere Bezeichnung eingeführt; der Leser kannte sie, aber nur weil der Staat er- schienen war. Der Halbbruder Antiphon, dessen Vater, Pj'ri- lampes, und Wohnort, Melite, genannt werden, wird so charakte- risiert, daß wir merken, sein Leben hat ihn aus der Verbindung mit Piaton gelöst; als er ein Knabe war, wird er zu dem älteren Halbbruder aufgeschaut haben, der damals selbst den Kreisen, aus denen er stammt, und ihren Interessen noch nicht so fern- gerückt war. Antiphon kehrte ganz in sie zurück. Zwischen ihm und Parmenides fehlte immer noch ein Vermittler. Dazu bot sich Pythodoros, der hier nicht näher bezeichnet wird als etwa durch sein Haus in der Töpfervorstadt. Der Verfasser des Alkibiades I, 119 a, nennt seinen Vater Isolochos und führt ihn neben Kallias, Kalliades' Sohn, als Schüler Zenons ein, was er auch hier ist. Dieser Kallias war ein sehr ansehnlicher Staats- mann und Feldherr aus der Umgebung des Perikles (Prosopogr. Att. 7827), gehörte also in die Gesellschaft des Pyrilampes. Pythodoros ist als Feldherr erst nach dem Tode des Perikles nachweisbar, was Zufall sein kann; er paßt also auch in die Zeit und Gesellschaft. Seine Beziehung zu Zenon kann der Ver- fasser des Alkibiades nicht von Piaton haben; wir sind gehalten, sie als eine gegebene Tatsache zu betrachten, also als den Grund,

222 16- Parmenides.

auf dem Piaton seine Erfindung aufbaute. Was diese Tatsache dem Spätling vermittelte, läßt sich nicht sagen.

Erfindung ist dagegen wohl nicht nur das Zusammentreffen des Parmenides mit Sokrates, sondern dessen Besuch in Athen; eben darum wird soviel Mühe darauf verwandt, ihn glaublich zu machen. An einem längeren Aufenthalt des Zenon in Athen ist nicht zu zweifeln, dafür sprechen seine vornehmen Schüler. Dagegen hat Piaton den Sokrates eingeführt, nicht nur ohne über das, was er damals war, und wie er in die Gesellschaft kommen konnte, ein Wort zu verlieren, sondern so, als ob alle, Parmenides an der Spitze, den künftigen Sokrates in ihm ahnten. Die Möglichkeit, daß Parmenides um 450 nach Athen kommen konnte, können wir dem Piaton glauben. Wir wissen über seine Zeit doch nicht mehr, als darin liegt, daß er Schüler des Xeno- phanes war und den Herakleitos erwähnte. Aber daß es nur noch eben möglich war, verrät Piaton selbst. Als Unterredner tritt neben Sokrates ein Aristoteles auf, von dem es beißt, daß er später zu den Dreißig gehört hatte. Auch er ist uns sonst wohlbekannt, Prosop. 2057, war schon in dem Jahre nach dem Nikiasfrieden Hellenotamias. Piaton wird ihm in der Umgebung seines Onkels Kritias begegnet sein, also seine Beziehungen zu Zenon gekannt haben. Übrigens ist er hier nur Antworter; eben darum ersetzt er den Sokrates, der nicht so gefügig ge- wesen sein würde.

Wenn Sokrates im Theaetet 183 e seine Unterhaltung mit Parmenides erwähnt, so faßt man das mit Recht als Hinweis auf den Dialog Parmenides, und es müßten sehr schwerwiegende Gründe sein, wenn wir darin eine Beziehung auf eine geplante, aber noch nicht ausgegebene Schrift sehen sollten. Der einfache Schluß ist, daß sie zwischen Staat und Theaetet erschienen ist.

Den größten Teil des Dialoges nehmen die Aporien ein, ^welche Parmenides vorträgt, und welche sowohl von der Voraus- setzung, daß das Eine ist, wie von der, daß es nicht ist, zu den- selben Folgerungen führen, die sich also selbst aufheben, ein Schließen z\ uicoÖsaswc, das mit schärfster, oder doch scheinbar schärfster Logik alles zerreibt. Die Form ist in ihrer Dürre so unplatonisch wie möglich; es redet aber auch Parmenides; kein Zweifel, daß Zenons so genannte Dialoge Vorbild gewesen sind. Wer sich in dieses logische Gestrüpp wagt und auf genießbare

16. Parmcnides. 223

Früchte hofft, wird schwer enttäuscht ; da wachsen keine Pflaumen, sondern Schlehen. Das mag unehrerbietig geredet sein, aber mich dünkt, man tut dem Piaton einen schlechten Dienst, wenn man ihm zutraut, unter diesen oft so handgreiflichen Trugschlüssen tiefe Wahrheiten verborgen zu haben. Woran es den ehrlichen Leser erinnert, sind die Künste der avTsAoyixot; es ist scharf- sinniger, also mühseliger, als Euthydem es kann, aber den Megarikern, Eubulides z. B., könnte man es zutrauen; ist doch so viel von solchen öden Spitzfindigkeiten auf dem Boden der Eleaten erwachsen. Daß scharfsinnige Erklärer durch die Aus- schaltung der Trugschlüsse und die Lösung der Aporien Geist- reiches zu finden wissen, ist unzweifelhaft. Aber wenn sie positive platonische Gedanken herausbekommen, so geschieht das u7ro- 0£<jscoc, unter der Voraussetzung, daß solche Gedanken darin stecken. Dazu gibt Piaton keine Veranlassung, denn Parmenides spricht und widerlegt, hebt sich selbst auf. Aber wozu hat denn Piaton so etwas geschrieben? Ich meine, das sagt er selbst.

Parmenides gibt dem Sokrates, den er kleinlaut gemacht hat, von oben herab den Rat, er sollte sich mit dem Definieren, mit der Ideenlehre, nicht abgeben, ehe er die Gymnastik durch- gemacht hätte in dem, was die Menge ein müßiges Geschwätz nennt (135 d). Erst ganz ausexerziert wird er wirklich die Wahr- heit erkennen können (136 c). Von dieser Gymnastik geben die folgenden Aporien eine Probe. Es wird auch die methodische Regel gegeben und befolgt, man sollte uttoÖsctsco«; so disputieren, daß dieselbe Voraussetzung einmal positiv und negativ gemacht wird. Eine solche Debatte ist einem greisen erprobten Philo- sophen eigentlich nicht zuzumuten, und sie ist überhaupt nur in engem Kreise schicklich (136 d). Damit ist uns deutlich genug gesagt, erstens daß alle die folgenden Dinge nur propädeu- tischen Zweck haben, zweitens daß sie nicht für das Publikum, sondern für einen Schülerkreis bestimmt sind. Mit anderen Worten, Piatons Dialog ist für seine Schule geschrieben; da sollen sich die jungen Leute im Denken an den stacheligen Aporien üben; sie werden wirklich etwas lernen, wenn sie die Trugschlüsse herausfinden, und das eÄxuaou eauTov (135 d) wird seine Steigerung erfahren, wenn es einer am anderen besorgt. Nun bekommen die Dinge für uns den Wert, daß wir etwas von dem dialektischen Unterrichte der Akademie erfahren. Hier

224 16. Parmenides.

wird es so dargestellt, daß eben das Buch des Zenon verlesen ist, das Vorbild der folgenden Aporien. Das mag Piaton selbst so verwandt haben; dabei hat er das Bedürfnis ähnlicher Unter- lagen für die Disputation gefühlt und befriedigt es durch diese Stücke, die den zenonischen Stil einhalten. Inhaltlich werden dabei eben die Fragen berührt, auf die Piaton notwendig kam, als er sich mit den Grundlagen der eleatischen Philosophie aus- einandersetzte, also die Gedanken verfolgte, die er im Sophistes niedergeschrieben hat, als er mit ihnen fertig war. Der Parme- nides ist bei der Vorbereitung abgefallen; darin liegt, daß er eine Lösung weder gibt noch geben will.

Es geht diesen gymnastischen Exerzitien noch eine Unter- haltung des Sokrates mit Zenon und Parmenides vorher, die sich nicht mit dem übrigen abtun läßt. Sokrates löst die logische Schwierigkeit, die Zenon in dem ersten Satze seiner Schrift zu einem Beweise für die Unmöglichkeit einer Mehrheit des Seienden gemacht hat, durch die Lehre von den Begriffen, Denk- oder Vorstellungsformen; mehr brauchen sie hier zunächst nicht zu sein, aber sie werden durchaus als real existierend genommen. Er geht aber auch weiter und verlangt die Schaffung einer Logik, man möchte beinahe sagen einer Kategorienlehre (129 d). Damit ist klar bezeichnet, was die Dialektik in Piatons Schule leisten will und leistet. Parmenides hört so das Programm der sokratischen Philosophie; zwei Welten berühren sich. Es ist nichts Geringes, was Piaton damit ausspricht, und es ist schön, wie er den Parmenides nicht ärgerlich werden1), sondern dem

1) 130 a sagt Pythodoros aÜTO? jjlsv oisaöai s<p' exacrrou &yßeaQa.i xov riap[Jievi8Y)v. Das hat Burnet durch Einschub von av vor ol'eaöoa verdorben. Der Infinitiv des Präsensstammes ist wie oft Ersatz des Imperfekts. otsoOai Öti t^Geto, er glaubte, Parmenides wäre böse. Das ist nicht irreal, kann es gar nicht sein. Kurz darauf 130 c steht ehe XP"0 «pdcvoci xai toutcov exacnrou zlSoq, elvai Xtaplq ov aXXo aüxwv r) wv [AexaxeipiC6[xe8a. Da ist vj längst be- seitigt; „von diesen, den cpauXoxaxoc oder den anderen, die wir unter den Händen haben" ist unerträglich. Aber Burnet hat recht, sich dabei nicht zu beruhigen, nur hilft seine Verwandlung von aüxcöv in aö, so oft sie nötig sein mag, nichts, denn ist ein Lückenbüßer, und der Zusatz von ti hinter wv scheint mir ganz entbehrlich. Fehlerhaft ist vor allem, daß y^plc, °v durch ein Komma getrennt wird: mit öv fängt kein Satzglied an, wenn die Essenz nicht betont ist. Hat man das erfaßt, so ist man äXXo aöx&v 5} los. Wenn xwP^ falsch bezogen war, fehlte etwas, ward ov durch äXXo auxöv ergänzt; das zog yj nach sich.

16. Parmenides. 225

kühnen jungen Menschen seine Anerkennung aussprechen läßt. Einen Dämpfer will er ihm aber doch autsetzen, und seine Jugend führt er ihm wiederholt zu Gemüte. Das gehört zu der Situation, hat aber wohl noch eine andere Bedeutung.

Er erkundigt sich, wie weit die Annahme von Ideen geht. Von den sittlichen Begriffen ist Sokrates ausgegangen, aber schon, ob er von den Elementen eine Idee annehmen soll, schwankt er noch, und von Haar und Lehzn wagt er es nicht. Eben darin findet Parmenides eine jugendliche Scheu vor dem, was die Leute für eine Absurdität halten würden. Mit dem aÜTÖ to 7iup und Ähnlichem hat Piaton später ganz besonders gewirtschaftet, als er die Formen der sittlichen Begriffe kaum noch erwähnte. Die Idee des Bettes steht im zehnten Buche des Staates; er hatte also die Scheu überwunden und hat sich noch im großen Briefe 342 d zu dieser Ansicht bekannt; aber er war sich auch bewußt, daß er von den Ideen des Ge- rechten und Guten ausgegangen war, und daß er damit das Definieren des Sokrates fortsetzte. So werden diese Äußerungen verständlich und merkwürdig.

Aber Parmenides macht auch Einwände gegen die Ideenlehre, die der junge Sokrates nicht zu bezwingen vermag. Wie ist das gemeint ? Der erste ist, 131a, daß die Idee sich nicht so im Einzel- ding befinden kann, daß sie einen Teil von sich abgibt. Das darf sie natürlich nicht. Aber sie soll dabei auch nicht ganz bleiben können. Denn wenn sie wie ein Segel über alle gespannt ist, ist über jedem Einzelding nur ein Teil. Da heißt es scharf auf- passen. Sokrates nimmt das Gleichnis von dem Segel nur zweifelnd mit i'aox; hin, und die nächste Folgerung schränkt er durch 9atv£T<xi, outco ys ein. „Freilich, wenn man's so ansieht, ist die Sache klar." Aber er hat selbst vorher ein anderes Gleich- nis gebraucht: der Tag teilt sich nicht, wenn er auch überallhin sein Licht verbreitet 1). So also steht es mit diesem Einwand.

1) 131b oux öcy, el'ye, olov [ei] Tjfxepoc [et"')] [lIol /.cd r\ ocüty] oöaa zroXXaxou 0Ly.cc eciTi v.aX ouSev ti [xäXXov ocutt) <xuttj<; y^iop'u; la-riv, [ei] ourax; xat exaaxov tcöv elStov ev ev 7räat.v a(i.a togutöv ztt\. Die beiden ersten Streichungen sind alt; auch gegen die dritte soll man nicht einwenden, daß eine lässige Wieder- holung des ei nicht unmöglich sei: hier wird scharf disputiert. Nicht der Verfasser, sondern der Schreiber hat vergessen, daß ei bereits oben, wo es hingehörte, stand.

Wi lamowitz, Piaton. Band II. 2. Aul). 15

22ß H>. J'armcnideB.

Er zieht in Wahrheit nicht; der junge Sokrates läßt sich nur verblüffen. Da sollen die jungen Platoniker also lernen, wie sie sich der Folgerung aus einem täuschenden Bilde entziehen.

Der zweite Einwand 132 a ist der, den wir den ipixoc; <3cv0p<o- -oc zu nennen pflegen; er ist der Ideenlehre oft gemacht und blendet auch. Denn wenn die Form als das allen Einzeldingen Gemeinsame abstrahiert und dann als etwas für sich Bestehendes hingestellt wird, kann sie ein Einzelding scheinen, das mit den anderen zusammen auf eine neue Form führt , und dann so weiter. Im Staate 597 c hören wir, daß der Schöpfer nur eine Idee eines Stuhles gemacht hat, denn wenn er auch nur zwei gemacht hätte, müßte es von ihnen aus eine dritte geben. Das ist nicht das- selbe, löst die Schwierigkeit nicht, aber es beweist, daß sie dem Piaton schon damals bewußt war. Ich denke, seine Schüler werden sie leicht gelöst haben, indem sie sagten, in den ein- zelnen Stühlen ist immer außer der Idee des Stuhles noch vielerlei anderes; das ziehen wir ab, wenn wir die reine Form erfassen. Was ziehen wir also von dieser ab, wenn wir für sie und die einzelnen Stühle eine gemeinsame Form suchen ? Das gibt es nicht; die übergeordnete Idee würde nur eine Wiederholung sein. Der Schöpfer hat das gewußt; darum hat er nur die eine ge- schaffen. Also eine Widerlegung ist dieser Einwand auch nicht.

Der letzte Einwand1) ist 133 b, daß das Reich der votjto. und das der abÖ^xdc, es kurz zu sagen, unvereinbar neben- einander bestehen, jedes eine besondere imazruxri hat, so daß weder Gott die Menschenwelt erkennen kann, noch wir Menschen

1 ) Parmenides gesteht am Anfang selbst ein, daß der Einwand keinen Bestand haben wird. Aber der Verteidiger würde ihn nicht widerlegen können, ei [i-q ttoAXgW \ii\> tu/oi zpizeipoc, tov 6 afA<ptcßr/r<öv xod \ir) a<pu7)<;, IQeXoi Se ttocvu ttoXXoc xal 7i6ppcoGev -payfjt.aTeuo|iivou xoü £v8eixvu[Jtivou ineaQai. Also die Bedingung liegt bei dem Zweifler selbst: er müßte Erfahrung und Begabung besitzen, also schon ein vorgeschrittener Dialektiker sein, und dann dem weithergeholten Beweise des Verteidigers zu folgen bereit sein. Das trifft zu: er muß Piatons Seelenlehre, dabei also auch die <xvanv7)<Ti<; begreifen. Es folgt ein Schlußsatz, der an das oüx av e/oi ev8ei!;aa6ai an- knüpft, äAXa Tii.Qoi.vbq av eitj 6 ayvoiara avayxa£<ov auxa elvai. Ich denke, es bedarf keines Wortes, daß so zu lesen ist, nicht aXX' ämOavo!;, wie schon Proklos falsch abgeteilt hat. B und Proklos lassen außerdem äv fort, was Nachahmer gefunden hat. Daß das griechisch und verständlich wäre, bestreite ich.

16. Parmenides. 227

das Ewige. Gegen diese Beschränkung der Gottheit hat So- krates doch Bedenken, und Parmenides begnügt sich damit, auf die Schwierigkeit aufmerksam gemacht zu haben, wie er ja hier überhaupt nur Probleme stellt; was dem Verfasser des Wahrheit offenbarenden Gedichtes seltsam zu Gesichte steht. Der Einwand, daß die menschliche Erkenntnis die Ideen nicht fassen kann, ist in der Tat so lange zwingend, als die Psychologie außer Betracht bleibt. Er schwindet, sobald die 9povr(at? in der Seele göttlich ist, und sobald die Seele ein ewiges Wesen ist, also der Mensch auch in jenes Reich hinein- gehört. Es kann also keine Rede davon sein, daß die Einwände in Piatons Sinne seine Lehre erschütterten. Im Gegenteil, wer sie begriffen hat, wird sich freuen, weil er den Parmenides besser widerlegen kann als der junge Sokrates. Der darf es nicht, weil er ein Schüler ist. Piaton denkt wohl daran, daß er einmal auch nicht weiter war und diese Gegengründe in ihrem Gewichte schwer empfand, bis sein Denken ihrer Herr ward.

Daß sie keinen Bestand haben, sagt sein Parmenides selbst. Er sagt es am Ende (135 b), und das ist entscheidend. Es wird freilich Begabung und Arbeit genug kosten, die Ideenlehre zu beweisen; aber wenn sie aufgegeben wird, kann es überhaupt keine Dialektik geben. Dies letzte hat Sokrates bereits begriffen; das erste lernt er jetzt, da er noch nicht so weit ist, daß er den Einwänden des Parmenides die Spitze bieten könnte. Dazu soll er durch die stacheligen Aporien geschult werden.

Also sagt der Lehrer Piaton in diesem Dialoge seinen Schülern: werdet nicht verdrießlich über die logische Schul- fuchserei. Es geht nicht anders; ihr müßt denken leinen, sonst gibt es keine wirkliche Wissenschaft. Wenn er das mit der Fabel tut, daß der große Sokrates auch einmal klein war und sich .durch einen denkgewohnteren Gegner von einer Stellung abdrängen ließ, die er hätte behaupten sollen, so machte ihnen das die harte Arbeit leichter. So ist der Parmenides eine esoterische Schrift (a-ps7T7] -a roiaura -oXXcov evxvtiov Xeyew 136 d), freilich kein u7c6(i,vY](xa, wie Aristoteles eines geschrieben haben würde; dafür war Piaton zu sehr Schriftsteller. Er kam auch hier vom Dialoge nicht los; den zenonischen Stil zu kopieren mag ihn auch gereizt haben. Wenn die Akademie den Dialog wie die anderen auch in das Publikum ausgab, so wundern wir

15*

oog 16. Parmenides.

uns nicht; dafür war es doch ein Dialog so gut wie der Phaidros. Aber gekauft werden ihn wenige haben, wenigere noch gelesen. Dabei ist es geblieben. Und am Ende haben wir an dem Haupt- teil auch wirklich nicht viel zu lernen, denn wir sitzen nicht auf den Bänken der Akademie.

Die Beurteilung namentlich des zweiten Teiles, zu der ich gelangt bin, finde ich ganz ähnlich bei Apelt in seinen Beiträgen zur Geschichte der Philosophie. Über den ersten Teil gehen wir auseinander, doch, wie ich hoffe, nicht so, daß die Ver- ständigung ausgeschlossen wäre. Die verbreitete Annahme, daß die Einwände gegen die Ideenlehre, die Piaton den Parmenides erheben läßt, ihm von anderen gemacht wären, läßt sich weder beweisen noch widerlegen, denn sie wird nur ajus dem Dialoge selbst erschlossen. Wenn sie entbehrlich ist, ist sie beseitigt, und ich erwarte den Beweis dafür, daß Piaton diese Gedanken nicht selbst haben konnte. Von dem xpixoc, avOpcorccx; scheint mir die Stelle im Staate zu zeigen, daß er ihn eher gehabt hat, als ihn jemand anders vortragen konnte. Übrigens hatte er doch Schulgenossen in Athen genug, mit denen er disputierte. Liegt es nicht viel näher, daß sie ihm solche Bedenken vortrugen, als daß er auf den Widerhall warten mußte, den seine Schriften in Megara fanden?

Auffällig ist die teils gequälte, teils flüchtige Form. Zwar das Hauptstück, die Aporien, ist in seiner Art ganz durchgearbeitet, aber diese besondere Art hat nirgend etwas Verwandtes. Es fehlt jedes andere Wort außer Frage und Antwort; wer redet, ist schlechterdings gleichgültig, und das ganze Stück könnte für sich stehen. Das wird also Piaton auch so geschrieben und zunächst an einen Dialog gar nicht gedacht haben, in dem es Platz finden sollte. Den hat er dann zugefügt, und der zenonische Charakter des Fragespieles führte auf die Eleaten. Diese wieder forderten aus den oben angegebenen Gründen eine Beglaubigung, die er dann, ohne viel Mühe daran zu wenden, vorschob. Dabei ist ihm doch begegnet, daß er neben dem notwendigen Infinitiv 9avoa oder dizelv x) (denn zwischen den eingeführten Rednern

*) 135 d durfte Burnet das eirteiv des Proklos nicht verschmähen,, vgl. 131 eil, 132 b 10, 133 b 3, c 7 usw.; die Handschriften haben slrcev; und 131 a 7 mußte er gegen denselben Fehler ei7:eiv setzen, das häufig ist.

16. Parmenides. 229

und dem Vortragenden Antiphon steht ja der Zeuge Pythodoros) mehrfach das direkte ecp-yj x) verwendet, beides durcheinander, also offenkundige Flüchtigkeit, die aber zeigt, wie unbequem ihm diese in der Tat langweiligen Füllsel waren, die er im Symposion sorgsam überall angebracht hatte. Im Theaetet hat er sie dann fort geworfen und das in der Vorrede begründet. Von absolutem Werte ist demnach eigentlich nur das Gespräch zwischen Sokrates und Parmenides, in dem Piaton der Zuversicht Ausdruck gibt, durch seine Erkenntnislehre und Psychologie die alles zerreibenden Antinomien des Zenon und noch andere Ein- wände, die er voraussah oder gehört hatte, zu überwinden.

Piaton hatte selbst sirev geschrieben; aber auf falsche Deutung werden diese Fehler nicht mehr zurückgehen; der Indikativ lag den Abschreibern an sich nahe.

1) 131 d 3, 132 d 5, 134 d 4 gar e?7) 6 nap^evtS-rjc, und gleich auf dieser und der nächsten Seite noch viermal, dazwischen außer <p<£vca auch eItteiv.

17. Theaetet.

Der Theaetet ist in den Verdacht gekommen, überarbeitet zu sein, insofern nicht ohne Grund, als er in der Tat als Ganzes unbegreiflich ist, wenn er nach demselben Plane ent- worfen und ausgeführt sein soll. Aus dem Berliner Kommentar haben wir gelernt, daß es im Altertum eine andere Vorrede gab, aber auch daß sie für unecht galt. Wir mögen sie mit den falschen Proömien des Arat vergleichen, wissen aber allzuwenig, um mehr zu sagen, als daß uns die Fälschung nicht beirren darf. Woran nehmen wir Anstoß ? Am auffälligsten ist die Episode über die Weltflucht des Philosophen 172 a 177 b, die als ein Fremdkörper von dem Verfasser selbst bezeichnet wird x).

*) Ihre Einführung ist sehr seltsam. Es ist zuletzt wiederholt, daß die Protagoreer ein «piSaei Sixaiov bestreiten; was die Gemeinde beschließt, ist es, solange der Beschluß gilt, xocl oaoi. ye Syj [xyj TravTaTcaai töv üpcora- yopou Xoyov Xeyouaiv, &8£ Trox; ttjv aocpiav öcyouaiv. Da erlaubt die Sprache nur, wie Heindorf gleich gesehen hat, ,,die beurteilen die (d. h. diese) Weisheit so", also Ankündigung eines Urteils. Vorher darf 8r) nicht ver- trieben werden, so leicht av (Schanz) ist, und so sehr XeyftXJi (BT) dafür spricht; ob Xeyouot byzantinisch ist, wage ich nicht zu sagen, aber nötig ist es, denn das konditionale Verhältnis, das man fälschlich für ver- allgemeinernd hält, paßt nicht her, da die Anknüpfung nicht adversativ ist. Vielmehr war intendiert „die Protagoreer leugnen das qjüaet SUoaov, und wer sich ihnen nicht ganz verschworen hat, hält eben darum von ihrer ganzen Lehre nichts"; die moralische Konsequenz gibt den Ausschlag. Diese Haltung ist notorisch, daher ye Syj. Aber Sokrates gibt das Ver- werfungsurteil nicht ab, sondern sagt „sie denken über diese Weisheit so das gibt nur eine lange Abschweifung". „Wir haben ja Zeit." Nun, denken wir, legt Sokrates los. Statt dessen: „wieder ist mir klar geworden, daß ein Philosoph vor Gericht sich blamieren muß." Wir sind ebenso konsterniert wie Theodoros und sagen tcö? Stj otiv Xeyet«;. „Wer sich in Gerichtshöfen u. dgl. herumgetrieben hat, steht zu dem Philosophen wie ein Sklave neben einem Freien." Das überrascht noch mehr. „Der Philo-

17. Theaetet. 231

Wir erwarten aber doch, daß sie nicht aus dem Ganzen ebenso herausfällt wie aus dem Gespräche über die Lehre des Prota- goras. Auf seine Abschweifung gerät Sokrates durch den Gegen- satz des tpuaei und vojagk Sbcatov; vor dem letzteren bestehen die Philosophen natürlich schlecht. Entsprechend geht es den Sophi-ten (Protagoreern), wenn sie wissenschaftlich disputieren sollen; damit schließt er 177 b, so daß die Episode schön ein- gerahmt ist. Wenn wir dann in dem allerletzten Satze des Dialoges erfahren, daß Sokrates zum Verhör vor dem Könige geht, weil Meletos ihn verklagt hat, so verbindet sich dieser Schluß mit der Episode auch sehr schön: wir wissen, woran es liegt, daß er gegen Meletos den kürzeren zieht. Aber diese Verbindung und damit die künstlerische Berechtigung der Episode deutlich zu machen, war die Aufgabe des Schriftstellers. Es schneit jetzt der Prozeß des Sokrates in das Gespräch, dessen Zeit überhaupt nicht angedeutet war, ganz plötzlich hinein, so spät, daß er rückwirkend erst dem etwras sagt, der sich über die Komposition den Kopf zerbricht, einem Kritiker, nicht einem Leser. Wenn die Episode etwas Überflüssiges scheinen kann, so ist hier ein Mangel.

Die Episode hebt sich stilistisch von ihrer Umgebung ab; sie hat zwar nicht den Prophetenstil, den die zweite Sokrates- rede des Phaidros mit dem Timaios teilt, aber sie hat doch jene Fülle und jenen Glanz, der die erhabenen Partien im Phaidon und im Staate auszeichnet. Das entspricht dem Inhalt, und der Unterschied von der Umgebung ist berechtigt. Auch ist durch

soph hat Zeit usw." In dem Fahrwasser ergeht er sich nach Belieben. Also dreimal verdrängt ein neuer Einfall die erwartete Ausführung des irüheren. Weshalb ? Erregung zu malen, in uns extcXt^k; zu bewirken, damit wir Theaitetos und die aiaOrjait; vergessen, auf den Philosophen hören, der, wenn er ganz ruhig wäre, sagen müßte „die Protagoreer leugnen das cpüaEi Sixoaov, und vor einem Gerichte ihrer Leute besteht der Philosoph, der nur das <pücet Sixaiov kennt und anerkennt, schlecht genug. Das tut aber nichts, denn er steht doch als Freier vor Knechten, und wenn sich's um wahre Dialektik handelt, blamiert sich der andere". Auf diesen Ge- danken läuft die Episode aus, 177 b. So ist das sehr künstlich, mit viel Ethos angelegt; aber volle Wirkung tut es doch nur, wenn man weiß, daß Sokrates dicht vor seinem Prozesse steht. Da der Leser das erst aus dem Ende des Dialoges erfährt, hat Piaton es schlecht angelegt, oder es ist irgendeine Störung eingetreten.

232 17. Theaetet.

die Zwischenbemerkungen des Theodoros dafür gesorgt, daß wir nie vergessen, wo wir uns befinden.

Anders verhält sich das mit dem ganzen Schlußteile von 187 b ab. Da ist von dem belebten Gespräche kaum eine Spur mehr, das bisher ganz auf der Höhe des Phaidros stand, viel- mehr sind lange Strecken so dürr wie der Sophistes; Campbell hat das mit vollem Rechte bemerkt. Der Abfall muß jedem, der Stil überhaupt empfindet, deutlich, besser gesagt, peinlich werden; die glücklich erfundenen Bilder, die Siegelabdrücke im Gedächtnis und der Taubenschlag, ändern daran nichts. Aber auch die Ethopöie ist verändert, oder vielmehr es gibt sie fast so wenig wie im Sophistes. Theodoros tut den Mund nicht mehr auf; Theaitetos unterscheidet sich kaum noch von den gewöhn- lichen lolgsamen Partnern des Sokrates; nur 199 e macht er einmal einen Vorschlag und holt 201 c eine fremde Ansicht heran: dazu brauchte er kein Philosoph zu sein. Vor allem aber ist Sokrates ein anderer; nur am Anfange dieser Schlußpartie redet er noch einmal so, daß die Erziehung des Knaben als seine Ab- sicht erscheint, dann doziert er durchaus nicht anders als der Eleat des Sophistes. Das hatte er schon im Staate getan, an sich ist es also nicht befremdend; aber hier, nachdem er sich als eine Art Hebamme für die Entbindung fremder Gedanken ein- geführt hat, wo sich alles um des Theaitetos erstes philosophisches Kind gedreht hat, kann man sich diesen lehrhaften Sokrates sehr schlecht gefallen lassen. Wenn Piaton das so hat einrichten wollen, so suchen wir einen Grund, und wenn er es nicht wollte, erst recht. Aber den Versuch, alles schön zu finden, in den Anstößigkeiten tiefere Weisheit und in den Dissonanzen latente Harmonie, überlasse ich andern; es wird schon nicht ausbleiben. In den letzten Sätzen des Dialoges wird dagegen auf die Mä- eutik des Sokrates, die Entbindung des Theaitetos von einem nicht lebensfähigen Kinde, also auf die Scherze des ersten Teiles zurückgegriffen, zugleich mit der überraschenden Erwähnung des Prozesses. Also daran kein Zweifel, daß Piaton alles so ge- macht hat, wie wir es lesen.

Theaitetos hat gleich am Anfang das Wissen für Wahr- nehmung erklärt, und die Prüfung dieser Behauptung hat immer der Debatte zugrunde gelegen, auch wenn sie sich scheinbar weit entfernte. Das geht bis 187 a. Da ist die Behauptung

17. Theaetet. 233

definitiv abgetan. In gewissem Sinne sind wir fertig, wenn auch das Wissen nicht definiert ist. Es ist belehrend, noch das letzte kurze Gespräch zwischen Sokrates und Theaitetos anzu- sehen, das dem Satze ., Wissen ist Wahrnehmung" ein Ende macht. Die Mahnung des unermüdlichen Knaben 183 d führt zwar nicht zu der Kritik der eleatischen Philosophie, die er ver- langte, aber zur Fortsetzung seiner Prüfung. Er ist so hell und macht den Fortschritt so leicht, daß er sich mehrere Lobsprüche verdient (185 c d). und das steigert sich zu dem Preise seiner ., Schönheit", als er aus sich sagt, ihm scheine nur die Seele die allgemeinen Begriffe betrachten zu können, also auch die oucria. Damit hat er es dem Sokrates sehr bequem gemacht, der ihn nun nicht erst darauf zu bringen braucht. Wir dürfen wohl etwas den Kopf schütteln, nicht darüber, daß der junge Mathe- matiker dies sagt, auch nicht über den uns bekannten Kunst- griff Piatons, in dieser Weise einen von ihm trüher bewiesenen Satz einzuführen, hier also die aus dem Staate bekannte Er- kenntnis der votjtoc. Das ist alles in der Ordnung; aber ein Theaitetos, der so viel wußte, hätte schwerlich die Wahrnehmung für Wissen erklärt. Diese Bedenken gegen die Einheitlichkeit der Charakteristik beeinträchtigen das nicht, was der Stil zeigt, die Zugehörigkeit dieser letzten Seiten zu der Verhandlung über Wissen und Wahrnehmung, formell ebenso wie inhaltlich. In- haltlich ist aber ein gewaltiger positiver Gewinn erzielt; das Wissen muß nun in der reinen Denktätigkeit der Seele gefunden werden (187 a). Denken wir uns, daß Theaitetos darauf zu- schlüge, so würde sich als wahres Objekt des wahren Wissens nur das ergeben, was ein wahres Sein hat, also die Ideen. Der Anschluß an die Lehre des Staates wäre sofort da.

Statt dessen sagt der Knabe, seiner Meinung nach nenne man die Seelentätigkeit, die sich um die övtk bemüht, So^a^eiv, bekommt dafür ein Lob, dessen Berechtigung nicht ganz sicher sein dürfte, und die neue Behauptung iniGir^t] oikrßrfi 86£a ist da; damit sind wir in dem neuen Fahrwasser. Das führt zu manchen Ergebnissen, positiven und negativen; aber von dem, was wir doch schon so gut wie erreicht hatten, wird kein Ge- brauch gemacht. Um die Möglichkeit des Irrtums bemühen wir uns sehr lange, statt bei dem Wissen zu bleiben, und am Ende scheitert die Definition ImorfjfM] ocXtjÖtjs 86£a [xsta Xoyou daran,

034 17- Theaetet.

daß der Xoyo; das Wissen um das Kriterion voraussetzt, durch das das Wesen von etwas bestimmt wird. Da hätten wir in der Tat besser getan, von dem Wissen um die Övra, die voY)-ra, uns nicht zu dem So^a^etv zu Menden.

Mit anderen Worten, der letzte Teil des Theaetet ist inhalt- lich und formell von dem ersten verschieden. Ich gehe so weit, zu behaupten, daß wir ganz zufrieden wären, wenn nach 187 a formell ein Abschluß des Dialoges erfolgte. Was er für die Person des Theaitetos leisten sollte, ist geleistet und erfährt keinen Zuwachs; die Widerlegung des Protagoras wiegt an sich schwer genug; nur die Episode bliebe rätselhaft; aber das bleibt sie auch so. Und doch ist selbstverständlich alles so von Piaton geschrieben; Sokrates braucht zuletzt, (187 a), die seltsame Wendung, man müsse das Wissen suchen ev Ixeivgh t&i 6v6[J.aTt. cm 7C0T t/ßi 7] <|>i>X*)> oTav auTY) xaö' ocutyjv 7cpaY{AaTefo)T<xi 7cepl ra Övtoc, damit Theaitetos diese Tätigkeit als So^a^siv bezeichnet, so daß Mir gleich auf die 86£a, unser neues Thema, gelangen.

Sehen wir nun einmal von der Behandlung ab und fassen nur den Inhalt ins Auge, so liefert der erste Teil die Darstellung der heraklitischen Theorie des ewigen Werdens, deren Konse- quenz, die protagoreische Leugnung einer objektiven Wahrheit, widerlegt wird. Hingewiesen ist schon auf die Notwendigkeit, auch die eleatische Seinslehre zu prüfen, was nur aus äußerem Anlaß beiseite gestellt wird. Zu dieser einschränkenden Be- handlung der Wahrnehmung, die ja kein objektives Wissen liefert, fügt sich die Untersuchung über die Möglichkeit des Irr- tums sehr gut. Es müßte nur weitergehen; das-, was der Haupt - teil des Sophistes bringt, müßte folgen. Eben darum hat ja Piaton den Sophistes später an den Theaetet angeschlossen, damit auch den Politikos und den geplanten Philosophos. Es lagen einige Jahre dazwischen, und er belastete den kritisch- dogmatischen Inhalt, die Fortsetzung des Theaetet, mit den Proben dichotomischer Definition; das verbirgt den inhaltlichen Zusammenhang, aber diese Hülle streift man ohne Mühe ab.

Ganz anders ist der Eindruck des Theaetet. Da hat die neue Aufgabe, seinem Freund ein Denkmal zu stiften, die Piaton mit frischer Neigung ergriff, zu einem ganz neuen Aufbau ge- führt. Theaitetos rückte in den Mittelpunkt; im letzten Teile brauchte er für den Antworter seinen Namen so wenig her-

17. Theaetet, 235

zugeben wie er und der junge Sokrates in den beiden späteren Dialogen. Um seinetwillen trat Theodoros hinzu; weil er keine Füllfigur war, mußte Sokrates auch mehr Leben bekommen, als er im zweiten Teile hat, denn sein Lehren könnte der anonyme Eleat auch besorgen. Kurz, die Liebe und der Schmerz be- fähigten Piaton noch einmal dazu, ein Kunstwerk zu schaffen. Aber er hat es nicht durchgeführt. Das ist begreiflich, da er abschließen mußte, als er nach Sizilien aufbrach. i\.ber warum rundete er nicht bei 187 a ab ? Auch das ist verständlich, wenn man nur annimmt, daß der erste Teil des Theaetet auf einer Grundlage erbaut ist, die das Sachliche ähnlich behandelte, wie wir es im zweiten vor uns sehen. Dann hatte Piaton Stücke, deren sachlicher Wert ihm wie uns außer Zweifel stand, fertig, d. h. so fertig, wie das übrige auch einmal gewesen war, und er mochte sie nicht liegen lassen; wußte er doch nicht, ob er je zu diesen theoretischen Arbeiten zurückkehren würde. Wie weit er die Disharmonie empfunden, wie schwer sie ihm ge- wogen hat, wissen wir nicht, fragen wir nicht, dürfen aber glauben, daß er ohne die äußere Hinderung alles in den edlen Stil des ersten Teiles umgesetzt haben würde.

Das dürfen wir nicht nur glauben, das müssen wir glauben. Denn die Episode hat neben sich die Andeutung am Schlüsse, die dem Ganzen einen notdürftigen Abschluß gibt. Sokrates, der wahre Philosoph, wird im Gerichte schlecht bestehen. Das ist jetzt nicht ausgeführt, aber wir dürfen Piaton zutrauen, daß sich darauf, wie auch immer, ein Komplement zu der Episode aufbauen sollte: daß wir das auch nicht spielend ergänzen können, ist kein Wunder, denn für den logischen Inhalt des zweiten Teiles liefert der Sophistes die Ergänzung; aber den wahren Philosophen könnten wir nur in dem ungeschriebenen Schlußdialoge der Tetralogie suchen: da würde der Philosoph - der Episode seine Ergänzung finden. Jetzt ist die Unfertigkeit des Dialoges, der im Drange der Reisepläne 367/66 zustande kam, offenkundig; auch Piaton hat sie empfunden und daher den Plan der Tetralogie gefaßt, sobald er zurückkam.

Ist diese Beurteilung des vorliegenden Tatbestandes richtig, so ergeben sich für Piatons Art zu arbeiten zwei wichtige Folge- rungen. Die erste ist von meiner Hypothese unabhängig: der Theaetet muß in anderthalb Jahren geschrieben sein, denn auf

23t) 17. Theaetet

der Reise wird ihn doch niemand verfaßt glauben, und publiziert konnte er nur in Athen werden. Schon die Kürze der Zeit spricht dafür, daß der philosophische Inhalt dem Piaton zur Verfügung stand, als er ein Werk zu Ehren des Freundes schreiben wollte; der Inhalt hat ja gar nichts mit der Person des Theaitetos oder seinen Studien zu tun. Nun tritt die zweite Folgerung hinzu. Der zweite Teil war skizziert (also auch die Kritik des Protagoras im ersten), ehe der neue Plan, der Plan eines Theaetet, gefaßt war. Also Piaton schrieb damals Untersuchungen aus rein sachlichem Interesse dialogisch nieder, nicht unmittelbar zur Publikation, sondern als Skizzen, die später einmal eine künstlerische Gestal- tung finden sollten. Wunderbar ist das nicht. Ohne Nieder- schrift, ohne Hypomnemata konnte auch er die Ergebnisse des angestrengtesten Denkens nicht lassen, an die Form 3er Debatte war er nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Lehrer ge- wöhnt, und das StaXly£a0ai, forderte er als die wahre Methode; ihm mußte es zur zweiten Natur geworden sein. Als er den Theaetet nicht ohne tco^tlxtj (j.avta zu gestalten begann, ver- schwanden die dürren Schlußreihen seiner Kritik der kniaTruir) afo67)a(,<; -Lehre völlig in der frischen Fülle der neuen Dichtung; aber die Zeit reichte nicht, auch das übrige umzuschreiben (außer den paar Äußerlichkeiten, die es zu einer Fortsetzung machten), und so nahm er das Disharmonische hin. Als er nach seiner Heimkehr den Plan einer Fortsetzung aufgab, weil ihm die Stimmung, künstlerisch zu gestalten, verflogen war, hat er die noch unfertigen Hypomnemata ausgenutzt, den Sophistes fertig gemacht, in dürftiger Weise an den Theaetet angeschlossen und sich mit der Dürre begnügt. Auf dem. Wege war er ja schon gewesen, als er den Parmenides schrieb; nur die innere Er- schütterung hatte ihm für eine besondere Aufgabe noch die Elastizität des Geistes gegaben.

Mich dünkt, das ist a^es sehr glaublich; es führt aber weiter. Er wird es doch auch früher ähnlich gehalten haben; aber die künstlerisch vollendeten Werke, Phaidon, Phaidros, sind aller etwa vorhandenen skizzenhaften Vorarbeiten Herr geworden. Nicht so der Staat, an dem er lange Jahre arbeiten mußte, auch in wieder- holten Ansätzen. Die oben stehende Prüfung seiner dialogischen Anlage hat an mehr als einem Punkte (5., 9. u. 10. Buch) Partien gezeigt, die der Ethopöie und des Künstlerischen überhaupt mehr

17. Theaetet. 237

oder weniger entbehren. Sie dürfen wir mit dem zweiten Teile des Theaetet vergleichen.

Das Rohmaterial, das in den Gesetzen in Fülle vorliegt., ist dagegen unvergleichbar, weil dort nicht Gedankenreihen zu ver- folgen waren; das ist überwiegend Stoff. Dabei zeigt die im wesentlichen gleichartige Formgebung, daß Piaton gewohnt war, auch fremden Stoff, wenn er ihn zu verwenden gedachte, sogleich einigermaßen nach der Art zu formen, die ihm nun zur Gewohn- heit geworden war. Sie konnte nicht mehr dialogisch sein, erhielt den feierlichen Stil seines Alters, dessen Anfänge doch bis in den Phaidros reichen, aber hat doch Unebenheiten nicht ver- mieden, die wir nur einem anspruchslosen 'E7ti|j.v*)|i.a zu verzeihen geneigt sind.

18. EIAiJN <MAOI.

Seit Schleiermacher im Sophistes 248 die Megariker zu finden geglaubt hat, wird als sicher angesehen, daß Piaton dort eine einzige bestimmte Schule im Auge hat, und in gleicher Weise wird auch die kurz vorher erwähnte Schule der Materia: listen gesucht, aber jede Deutung stößt auf Schwierigkeiten, die Schleiermachers nur deshalb am wenigsten, weil man von den Megarikern nichts weiß, so daß man sich eben aus dieser Stelle eine megarische Philosophie konstruiert hat. Da wird es gut sein zu prüfen, ob die Grundlage der Auffassung richtig ist.

Piatons ganze Untersuchung gilt der Logik. Die Definition des Sophisten hat zu einer Verbindung des Seins mit dem Nicht- sein geführt, was bisher auch ihm für ein Unding gegolten hatte (Staat 477 a). Der eleatische Redner muß daher einen weiten Umweg machen; es fällt ihm besonders schwer, weil er gegen Parmenides polemisieren muß, einzugestehen, daß dessen Sein ebenso ein „Mythos" ist wie die Urstoffe der älteren Philosophen. Er faßt also diese alle, die noch halb mythischen Genealogien und sogar noch Herakleitos und Empedokles zusammen, die deutlich bezeichnet werden; aber genannt werden nur Xeno- phanes und Parmenides x). Dieser ersten Gruppe wird der logi-

1) Indem Piaton hier die Eleaten auf Xenophanes und noch frühere zurüekführt, legt er für die Zeitfolge Xenophanes Parmenides ein so deut- liches Zeugnis ab, daß Reinhardts Versuch, dies Verhältnis umzukehren, schlechthin abzuweisen ist. Darin konnte Piaton nicht irren. Darum bleibt die Charakteristik des Xenophanes, die Reinhardt gibt, doch sehr wertvoll. Wir werden in dem Rhapsoden nicht einen konsequenten Sa Jte- matiker sehen dürfen, also dem System, das die Referate uns überliefern, und unsere Historiker, der Philosophie noch weiter ausbauen, mißtrauen. Auch die Verteilung der Bruchstücke auf Sillen und das sog. Gedicht 7tepi (foasoiq ist ganz unsicher. Der Rhapsode, der immer kühn und geist- reich in seinen Vorträgen verschiedene Gedankenreihen verfolgte, konnte

18. E1AQN «DIAOI. 239

sehe Fehler vorgeworfen, daß sie den Subjektsbegriff des Seienden und den Prädikatsbegriff des Seins zusammenwerfen. Darauf läuft es hinaus, wenn Piaton selbst auch noch weit von dieser präzisen Formulierung entfernt ist. Gegen Parmenides und sein kugelförmiges Sein wird noch besonders polemisiert.

245 e läßt der Eleat diese Klasse fallen, obwohl er zugibt, daß er nicht alle Einzelnen besprochen hat. In der Tat, wenn eine Übersicht über die Geschichte der Philosophie gegeben würde, dürfte Anaxagoras nicht fehlen. Er nennt die, von denen er nun scheidet, StaxptßoXoyoVsvot. 6vto<; rapi xal jnfj und geht zu einer Klasse von aXXco; ÄeyovTe*;, also jat) axpißst? über, zu den Materia- listen, die nur das Sinnliche anerkennen, und ihren Gegnern, die es ganz verwerfen. Es befremdet, daß sie es minder genau nehmen sollen, und den Gegensatz von Sein und Nichtsein hat von den Älteren in Wahrheit allein Parmenides verfolgt. Aber indem nun der prinzipielle Gegensatz zwischen sinnlich und übersinnlich erfaßt ist und nur verschieden beurteilt wird, tritt vor ihm das Genauere, ob dies oder jenes Element die ap/jf), das öv ist, zurück. Wollten wir an den eigentlichen Inhalt der Philosopheme denken, so würde die ganze Gruppierung uner- träglich werden. Dem Eleaten erscheint jenes SiaxpißoXoyetcjöai ziemlich müßig; das ist ein endloses Spiel der 86£a, der sixotoc; so viel Scharfsinn darauf verwandt wird, Soxö? im tzügi TeruxTai. Was ist das ihm, der selbst ein siSwv cptXo? ist; andererseits ist

einmal angeregt durch die ionische Physik (seinen angeblichen Lehrer Anaximandros) von der Weltentstehung mehr physikalisch erzählen, ein andermal seine Theologie vortragen, hier oder da den Gedanken des Alleinen fassen, den dann Parmenides aufgriff und mit starrer Konse- quenz durchführte. Von ihm, der auch in der 86£oc an Xenophanes an- knüpfen konnte, rückschauend fanden dann die späteren Eleaten und die Peripatetiker bei Xenophanes ein System, das er mindestens bewußt nicht gehabt hatte. Es ist eben ein "Unterschied, ob ein Philosoph ein einziges Buch hinterläßt wie Parmenides und Herakleitos oder sich in einem langen Leben häufig vernehmen läßt, und wenn das ein Dichter tut, wird die Gewaltsamkeit nur ärger sein, die alles in ein System zwängt. Xenophanes aber muß ganz als Dichter gefaßt werden, nicht so gar anders als Simo- nides. Pherekydes der Syrier darf nicht von den anderen Trägern des Namens getrennt werden, oder besser von den Verfassern der betreffenden Bücher, denn ich betrachte auch jetzt den Namen genau so wie den Homers; das kann man ignorieren, aber nicht widerlegen.

240 18. EIAUN Ol AOL

sein Interesse auf ov und u.-/] Öv gerichtet, so daß er auch die vorparmenideische Philosophie sich darauf erstrecken läßt, also ihre materiell bestimmte dpyr; für einen notwendig verfehlten Versuch hält, das qualitätlose 6v (elvat) zu fassen.

Auch im folgenden gibt er durchaus keinen objektiven, historischen Bericht, sondern mischt überall sein Urteil ein. Da soll es eine Gigantomachie geben; die Giganten sind die Materia- listen, die alles aus dem Himmel herabzerren, ihre Gegner zer- trümmern dagegen die Dinge der Sinnenwelt, die jene allein anerkennen1). Einen solchen Streit dieser Parteien hat es auf Erden damals nicht gegeben; es wird nur der Gegensatz der Grundanschauungen in diesem Bilde lebhaft dargestellt. Der Knabe Theaitetos ist vielen der Giganten begegnet (248 b), ist über ihre Ansichten unterrichtet und kann für sie antworten (247 b). Es gibt unter ihnen Unterschiede der Meinung; nur die ganz echten Erdensöhne erkennen nichts Körperloses an (247 c). Auf einen Einzigen kann die Charakteristik also nicht gehen. Es sind böse Menschen, und ihre Widerlegung geschieht nur so, daß eine gewisse Besserung an ihnen vorausgesetzt wird (246 d) : darin liegt, daß die ganz konsequenten Erdensöhne nicht widerlegt werden (246 d) ; es geschieht auch nur so, daß sie zurzeit nichts zu erwidern wissen (247 e). Die Widerlegung wird nur so er- reicht, daß sie zugeben, die Gerechtigkeit sei etwas, das in der wenn auch körperlichen Seele wirkt 2). Um sie dazu zu bringen,

x) Diese Zweiteilung erinnert an die im Staate 505, wo die Masse, die in der 7)Sovyj das a-yocöov sieht, den xo^oTepot. gegenübergestellt wird, die es in der <pp6vr)<n<; finden. Von dem Unsinn, auch hier Polemik gegen bestimmte Personen zu sehen, will ich nicht reden; es liegt ja auf der Hand, daß es wirklich die Masse ist, der nichts über den Genuß geht, xsxopeaTca &av:zp x-ryjvea, sagt Heraklit, und Phileb. 67 b stehen auch die Tiere. Ihr gegenüber stehen die Philosophen, die den Namen verdienen. Alle Ansichten will und braucht er dort nicht zu umfassen. Aber ihm schien, wie der Philebos zeigt, jeder Materialismus ethisch auf den Kult der r)8ovv) hinauszulaufen, und eine wirkliche Philosophie auf den des vou?. Eben- dort zeigt sich, daß die Anerkennung der Vernunft im Weltall im Gegen- satze zu Zufall oder bloßer Kausalursache dieselbe Scheidung hervorruft. Recht deutlich wird, wie ihm das xaX&v xal [xizpiov xod &k-f}Q£c, in Physik, Ethik und auch Logik wirklich dasselbe war, und daß sich durch ihr Ver- halten zu ihm überall die Geister schieden.

2) Zeller II 298 versteht die Stelle so falsch, daß er meint, diese Materialisten hätten wirklich gelehrt, Gerechtigkeit und Einsicht wären

18. EI AON Ol AOL 241

wird das wahrhaft Seiende lediglich als eine Fähigkeit oder Kraft, Sova^, definiert (247 e). Das ist durchaus nicht die Über- zeugung des Eleaten, der nicht verfehlt, hinzuzufügen, es würde sich wohl später anders herausstellen (247 e). Jede Ansicht ist damit erledigt, welche diese Definition für Piaton in Anspruch nimmt.

Nun wendet er sich zu der anderen Klasse, den siScov cpiXoi, die „sich sehr vorsichtig von oben aus der Region des Unsicht- baren des Ansturms der Giganten erwehren, indem sie erzwingen wollen, daß es intelligible körperlose Formen des Seienden gibt" (246 b). Theaitetos weiß, daß sie Sein und Werden unterscheiden; mit dem Sein steht unsere Seele durch das Denken, mit dem Werden unser Körper in Verbindung. Diese Verbindung ist ge- mäß der eben gegebenen Definition aktiv oder passiv auch eine Kraft des so Verbundenen. Darüber weiß nicht Theaitetos, son- dern nur der Eleat Bescheid, weil er mit diesen Philosophen ver- traut ist, auf ihrem Boden steht. Sie schreiben eine Veränderung, aktiv oder passiv, nur dem Werden zu, und Theaitetos ist ge- neigt, dem beizupflichten. Allein der Eleat belehrt ihn, daß Erkennen etwas Aktives, Erkanntwerden etwas Passives ist, und sofort zieht der Knabe den richtigen Schluß, daß das Erkannt- werden als etwas Passives eine Bewegung (Veränderung) in das Sein hineintragen würde, also abgelehnt werden muß. Daraus folgt nicht, daß die Ideenfreunde diesen Schluß gezogen hätten, sondern es ist die deductio ad absurdum. Es käme ja dabei heraus, daß das Sein ein unbewegliches, in feierlicher Heiligkeit dasitzendes Götterbild würde, ohne Vernunft und Leben und Seele. Das ist widersinnig. Vernunft fordert als Sitz eine Seele, und Seele fordert Bewegung. Ihre Definition aus dem Phaidjos wird nicht angeführt, aber sie liegt der abfälligen Kritik zugrunde. So stellt sich das Dilemma: wenn alles unbewegt ist, so gibt es keine Vernunft, und wenn alles bewegt ist, so verschwindet sie

etwas Ulikörperliches. Natürlich, einen Körper hat sie nicht, aber sie „ist'' auch nur etwas, wenn sie wirkt. Das zuzugestehen sind die Materialisten so freundlich, weil sie „zurzeit nichts Besseres zu sagen haben"; d. h. sie tun es nur hier, damit der Dialog weitergeht. Zellers Mißdeutung ist gleicher Art mit der, daß Piaton jetzt in seinen Ideen nur eine S'jvauic, wohl gar eine aristotelische, gesehen hätte, weil er hier sich zunächst mit der An- erkennung dieses Inhaltes begnügt. Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Aufl. 16

242 13. EI AON Ol AOL

ebenso aus dem Reiche des Seienden; ohne Ruhe ist das Ewig- Gleiche nicht zu denken. Also kann der Philosoph weder diesen folgen, mögen sie nun eine Form oder viele annehmen, wenn sie das All für ruhend halten, noch ihren Gegnern, die alles im Flusse des Werdens sein lassen. Damit ist kein Problem gelöst, sondern nur deutlich geworden, daß sowohl Ruhe wie Bewegung ..sein" müssen, also sich Gegensätzliches mit dem ,,Sein" verbinden läßt. Wir sind wieder ganz bei der Logik und bleiben bei ihr. Auf eine einzige bestimmte Lehre können die siScov- 91X01. ebensowenig bezogen werden wie die Giganten 1), denn auch hier gibt es Unterschiede, mindestens je nachdem es ein oder mehrere sl'Syj geben soll. Der Eleat ist als solcher zu dieser Gruppe ge- hörig oder steht ihr doch nahe, und in der Tat,_das Sein des Parmenides ist ein solches ev tl8oq, ein solches unbewegtes Götter- bild. Piaton selbst gehört auch zu den eiScov 91X01. Im sechsten Briefe nennt er seine Philosophie die xocXtj twv stöcov 0-09LOC: wie hätte er da eine fremde Lehre mit dem Namen der seinen be- zeichnen können. Ob aber ein sISoc; oder mehrere: der Wider- spruch bleibt, daß die Unterscheidung der zwei Reiche streng genommen keine Verbindung zwischen ihnen gestattet, weil selbst das Erkanntwerden etwas Passives, also eine Verände- rung, in das Unveränderliche hineinträgt. Jede Aktion seiner- seits tut das auch. Die Definition des Öv als eine Suvoc[ju<; wird hier ebenso verhängnisvoll wie gegenüber der Leugnung von allem unsichtbaren Seienden. Beide Male wird durch sie dargetan, daß ,,Sein" von Widersprechendem ausgesagt werden muß, also die vorher bei dem Nichtsein entdeckten Probleme ebenso für das Sein gelten. Dazu war diese ganze Abschweifung da; auf diesem Ergebnis wird weitergebaut. , Somit ist es ein Mißverständnis, die Absicht Piatons in dieser

Partie in der Bestreitung dieser oder jener Schule zu sehen. Für die Erklärung des Sophistes brauchte also die Verkehrtheit aller solcher Deutungsversuche gar nicht nachgewiesen zu werden, und wenn sie auch einige Worte der Abwehr erhalten sollen, so hat die Erklärung des Ganzen doch den Vortritt.

x) 252 a 7TdcvTa äviora-ia y^Y0V£V °'!JLa ~e T^v T0 ^öw xwoüvtcov xal T&v w? ev IcTavTtov xal oooi xoct' el'Sr] toc övtoc xaitx xaüxa cbaaüxtoi; e^ovra eivou tpaaiv äst. Sind da nicht zwei Arten von e'iScov 91X01 unterschieden, Parmenideer und Platoniker ?

18. EIAQN OIAOI. 243

Piaton will darauf hinaus, dem [jr/j öv sein Recht zu geben, daß es durchaus kein oux öv ist; auch in dem Schein, dem Spiegel- bilde, „ist" etwas. Er hat das schwerlich an der Logik gelernt; die materielle Welt erzwang die Anerkennung; aber er erfaßt es nun von der logischen Seite. Es ist ein Fortschritt seines eigenen Denkens, und so muß er auch eigene Behauptungen berichtigen oder doch schärfer fassen. Das waren die höchsten Stufen, auf die bisher die Erkenntnis gehoben war; sie galt es also vornehmlich zu betrachten. Von der Auseinandersetzung mit Parmenides kam er her; ihm war sehr bewußt, wieviel er mit dessen Seins lehre gemein hatte; einen Eleaten hatte er eben darum eingeführt: von Parmenides mußte er auch reden. Er hatte durchschaut, daß dieser durchgehends öv und elvai gleich- setzt ; da schien er ihm noch verstrickt in dem logischen Fehler aller alten Philovopheme, die kein Sein von dem Subjekte unter- scheiden, das sie als seiend prädizieren; Parmenides bringt auch Mythologie. Wohl kommt er weiter, aber ihm wird dabei die Sinnenwelt Trug: er muß ihr da> Sein ganz absprechen. Umgekehrt leugnen die Materialisten die Existenz von irgend etwas Unkörperlichen] . Das sind zwei entgegengesetzte Stand- punkte; beide genügen nicht, aber sie weisen von entgegen- gesetzten Seiten auf dieselbe Schwierigkeit, die Piaton jetzt über- winden kann, daß sich die beiden Reiche vor^ra und a'.a07]Ta nicht miteinander vertragen wollen.

Die Materialisten bringt er zu der Anerkennung unsinnlicher Kräfte, indem er sie zugestehen läßt, daß die Seele, selbst wenn .sie körperlich ist (einerlei Avas, Feuer, Luft, Blut, Harmonie), durch r'nkörperliches bestimmt wird (das Gerechte u. dgl.). Wir wollen dieses vorläufig gar nicht näher bestimmen, als daß es eben wirkt, also eine Kraft ist, aktiv oder auch passiv. Damit haben die Materialisten (allerdings nur, weil sie besser geworden sind) <£<T<ofi.ocTa si&q zugestanden, Unkörperliches, denn weiter liegt in diesem Worte noch nichts.

Auf der anderen Seite stehen alle, die sich mit den votjtoc stSr; angefreundet haben, also auch Parmenides, denn sein Sv zlSoc, ist Avenigstens in materiellem Sinne körperlos; Piaton ge- hört auch dazu. Wie ist nun die Beziehung der beiden Reiche zueinander? Darüber weiß Theaetet nicht Bescheid, aber ihm imponiert, was der Eleat sagt, daß sie schlechthin nichts gemein

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•j.j | 18. EIAQN <F>IAOI.

haben. Er, der Sokratesschüler, ist in derselben Lage und muß es sein, in der Sokrates gegenüber Parmenides ist, als dieser ihm in dem Dialoge seines Namens die Frage stellt, 134. Indem nun wieder unter dem Unkörperlichen nicht mehr verstände!! wird als eine 8uva(xu; xou noielv yj n(ka-/eiv, also wie oben ein Minimum, zeigt sich doch schon, daß selbst die voyjtoc ein 7ra<jx£1-v von seiten der Sinnenwelt her erfahren (in Wahrheit zwar nicht; denn sie werden zwar erkannt, dies aber durch den vou<;, der zu ihnen gehört), also Veränderung und Bewegung. Andererseits liegt im Wesen des Seins die Ruhe. Der Widerspruch ist da; nur die Anerkennung des (ay) Öv in seinem Sein wird ihn lösen.

Es konnte auch so gegeben werden: die Anerkennung eines unkörperlichen Reiches wird durch die Macht des Sittengesetzes über den Menschen erzwungen. Verfolgt man das, so scheint es zunächst zu der Annahme zu führen, daß die beiden Reiche einander gar nicht berühren. Dann wird aber das Sein ein totes Götterbild wie bei Parmenides. Also ist allein die platonische Lehre möglich, die es zugleich in ewiger Gleichheit und Ruhe und doch in ewiger Tätigkeit sein läßt; aber sie vorlangt dann die logische Begründung ihrer Möglichkeit. Auf welchem Wege die Verbindung vor sich geht, wie es zugeht, daß die menschliche Seele die Ideen erkennt, wie es überhaupt um das Wesen der Seele steht, gehört hier, zu den logischen Fragen, gar nicht her, bleibt also unbesprochen.

Ich meine, die Partie ist verstanden; sie verliert damit ihre besondere Bedeutung für Piatons Lehre, aber das ist willkommen. Verschwunden ist die Deutung als Korrektur seiner Ideenlehre; daran ist nicht mehr wahr, als daß er sein Prinzip auch heran- ziehen muß, zeigen muß, auch für dieses ist die logische Unter- suchung unbedingt erfordert, aber nicht, um die Ideen in Begriffe zu wandeln oder zu beweisen, daß sie nie mehr waren, über- haupt nicht, um umzustoßen oder aufzugeben, sondern um tiefer zu begründen.

Es ist eigentlich nicht mehr nötig, die Deutungen auf be- stimmte Philosophen abzuweisen; aber weil die Hypothesen zum Teil so viel Staub aufgewirbelt haben, mag wenigstens einiges behandelt werden. Platonisch ist die erregte, ziemlich verächt- liche Stimmung, mit der der Materialismus abgewiesen wird,

18. EIAQN Ol AOL 245

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hier wie in» Theaetet 155 e x). Soll man wirklich ernsthaft davon reden, daß Antisthenes, der Unvermeidliche, auch hier genannt wird ? Es gibt ja keinen Schatten eines Grundes dafür, und wenn er es war, so soll man aufhören, ihn unter die Sokratiker zu stellen. Man ist doch nicht gleich Materialist, wenn man bekennt, die reale Existenz von Piatons Ideen nicht zu glauben. Die Stoiker sind freilich im Prinzip Materialisten, aber der Schluß, was die Stoa lehrt, ist antisthenisch, ist wirklich von einer un- verzeihlichen Ungeschicklichkeit, genau wie den Materialismus Epikurs auf Demokritos oder gar Leukippos zu übertragen. Auch Demokrit hat man hier genannt: mögen die Vertreter dieser An- sicht sagen, mit welchem Sinne sie die Atome wahrnehmen. Piatons Widerwille gegen den Materialismus kommt von der ethisch-religiösen Seite her: Demokrits Ethik zeigt am besten, daß er ihn nicht im Auge haben kann.

In den siScöv <p£Xoi ,,eleatische Platoniker" zu sehen, ist nur ein unzutreffender Ausdruck für die richtige Beobachtung, daß Platonisches und Eleatisches von dem Eleaten gesagt wird, der ein Geschöpf Piatons ist. Es hat aber dazu geführt, diese Misch- philosophie aufzutreiben, und da boten sich die Megariker, die man flugs gleich Eukleides setzte. Was wissen wir von Eukleides, der doch für Piaton allein in Betracht kommt ? Er war sein Freund, bei dem er 399 Unterkunft fand, dem er 367 den Theaetet widmete. Das Alters Verhältnis ist unbekannt. Daß erst der Sophistes auf die Megariker bezogen ward, dann in die auf 399 angesetzte „megarische Periode" Piatons samt den zugehörigen Dialogen verwiesen ward, also der Theaetet ebenfalls, hat lange Zeit die Auffassung von Piatons Schrift st ellerei und seiner philo- sophischen Entwicklung bestimmt; aber das ist alles abgetan, und der Schatten einer toten Hypothese darf die Wahrheit nicht mehr trüben (tut's in der Wissenschaft nur zu oft).

Eukleides hat Dialoge geschrieben; aber sie sind früh verschollen, so daß wir auf die Angaben angewiesen sind, die sich in der doxographischen Tradition erhalten haben, und auch da hat man bald die ganze megarische Schule fortgelassen: bei Aetios wird nur noch Diodoros Kronos berücksichtigt. Cicero im Lucullus 129 nennt den Eukleides mit den Megarikern zu-

]) Dort hat Campbell die Deutung auf Antisthenes schlagend abgeführt.

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sammen als Anhänger der Eleaten; genau so tut es Aristokles. Euseb. pr. ev. XIV 756, der aber öS reept SxiXTrwva xal tou<; Msyapixouc; sagt. Als Inhalt der Lehre gibt er an ro Öv lv slvai xat to Ixspov (j.7) ehv.i [xrfiz yevvac-üat U ytrfie cpösipccOai urfik xivstcrOai to 7rapa7rav. Das ist einfach eleatisch und ist im Hin- blick auf den Sophistes formuliert, wie das Ixspov zeigt. Ver- wendbar ist also nur Cicero id bonum solum esse dicebant quod esset uniun et simile et idem semper (Sv, 6>oiov, rawov), hi quoque nudln a Piatone.. Hinzu kommt nur noch Diogenes Laertios II 106 oöxoc; ev to aya06v aracpaiVETO tzoJ.'Koic, 6v6[xacrt. xaXou(X£Vov, ote uiv yap opovyjcriv ote 8k 6s6v xal aXXore voüv xal t<x Xonta" xa 8' avTixetfxsva toh ayaOtot. av^tpst fxv) elvai cpacrxwv; das kann nicht die Sinnenwelt, sondern nur das Böse bezeichnen. Es bleibt ungewiß, ob diese Bezeichnungen in demselben Zusammenhange gebraucht waren oder in verschiedenen Dialogen. Wichtig ist die Abhängigkeit von Piaton. die Cicero bezeugt, auf die auch das aya66v deutet: dann schrieb Eukleides wohl spät; dazu paßt seine Fürsorge für Theaitetos und Piatons Dank. Ausgeschlossen ist durch diese Angaben, daß er eine Vielheit von Ideen annahm. Wenn Aristoteles gegen Ende der Metaphysik N 1091 b 13, zurück- schauend auf die Gesamtentwicklung der Philosophie, ähnlich wie Piaton im Sophistes 242 d, 246 d, alle rocq axivyJTOu? oüaiac eZvou X£yovx£<; zusammenfaßt und dann den Unterschied macht ot fiiv <pa.Giv auTO to £v t6 dya66v auTO £tvai, ouaxav \xi\noi t6 ev auTou coi.ovto fi-aXicrra, so trifft das zwar auf Eukleides auch zu, aber Bonitz zeigt zu der Stelle, daß Aristoteles der Meinung war, es träfe auch auf Piaton zu. Weiter wissen wir über Eukleides nichts; er gehört in die Klasse der Philosophen, die votJtoc öora xal a.G0iy.xr7. el'Syj für die aX7)0>]<; oücua halten, aber daß er eine Mehrheit von eI'$v) annahm, ist nicht bezeugt. Die, welche nur eins annahmen, könnten ihn vertreten. Vor allem, seine Abhängig- keit von Piaton ist bezeugt. Das umzudrehen ist unerlaubt. Ist es nicht auch das Natürliche, daß Piaton in einem wissenschaft- lichen Freundschaftsverhältnis der Gebende war ?

Von den späteren Megarikern sind logische Fangschlüsse genug überliefert, schon von Aristoteles Met. © 1046 b 29 ff., ge- eignet, ihren Zusammenhang mit Zenon zu beweisen, aber über £?§■/) sagen sie nichts aus; nichts spricht dafür, daß Piaton sie gekannt oder gar berücksichtigt hätte. Die Schwierigkeiten, die

18. EIAQN Ol AOL 247

Stilpon oder auch die Megariker bei Plutarch adv. Colotcn l) 1120 und Simplikios in Phys. 120 erheben, operieren mit tocütov und sTspov, also mit Piatons Sophistes, dessen Lösung sie nicht gelten lassen. Das mag zeigen, daß sie sich getroffen fühlten, und das mußten sie als Parmenideer; aber Piaton braucht sie nicht im Auge zu haben und am wenigsten sie allein. Und konnte er es überhaupt ? Kann jemand auch nur von fern wahrscheinlich machen, daß Ichthvas oder Eubulides die Lehren vertreten hätten, die Piaton hier vorführt ? Stilpon hat sie nicht vertreten 2). Die Polemik gegen die Megariker ist also eitel Wind. Selbst wenn Eukleides ein einziges votjtov zlSoc, annahm, also von der Kritik mitbetroffen wird, so zielt diese nicht auf ihn im Unter- schiede von Piaton, sondern auf eine Schwierigkeit, die in Piatons eigener Lehre ganz ebenso steckt.

Wir würden nicht -nur berechtigt, sondern verpflichtet sein, jede direkte Polemik für den Sophistes zu leugnen, wenn nicht die Form, in der die Behauptung, es gäbe nur identische Urteile, vorgebracht wird, auf eine bestimmte Person, einen 6<\>i[Lxd-/}q hinwiese, 251 b, und auch 259 c verletzende Worte gegen einen Vertreter dieser Ansicht fielen. Diese Vorwürfe haben mit der Streitfrage nichts zu tun, müssen also auf anderes zielen: da suchen wir die Person, und sie ist in Antisthenes mit hinläng- licher Sicherheit gefunden. Das 6<ja;aa6sc klingt nahe an das xaTayeyr-paxacrt. des Isokrates Hei. 1 an. Über das fi.7] eivai avTt- Xsysiv hatte Antisthenes also vorher geschrieben, hielt aber noch Schule. Behandelt hat er es im Eaöcov yj 7repl tou av-n.>iyet.v :

*) Eudemos sagt bei Simplikios in Phys. 98 earl Siopi^siv exaaxov TZOW/&C, XsysTai ^owtov 7cpö<; aXrjÖE!.av. IlXärcov te y<*P £^aY<0V Siaaov (d.h. ETspov, [i.-/j öv neben dem öv) TtoXXa^ i.r.opi<xq sXucev -pay^aTov <ov vöv ol acKpicrrai. v.y->xov'r{ovzz<; &<nzzp ettI Ta eiSy). Er wiederholt die ersten Worte S. 342, schreibt aber e-l töv 7tpayn.aTo>v, abkürzend, weil er das Weitere nicht mit anführt. Das ist also keine Variante. Die Korruptel ist deutlich; sie liegt aber nicht bloß in dem Fehlen eines Verbum, sondern auch in dem sinnlosen coa-sp. Diels scheint mir zutreffend bei den vüv cocpiaTat an Stilpon und Menedemos zu denken, die immer noch an dem alten Knochen nagten, daß der Mensch Sv xcd tuoXXoc wäre, weil er verschiedene Prädikate erhält. Dann stimmt vüv, ist also nicht anzutasten. Aber es reicht eben nicht, ein ÄTCTovTai oder E/ovTat oder auch Tzy.pi-£Ovai zuzufügen, da coctteo bleibt.

2) Er macht Witze, die eines Euthydem würdig wären, gegen den Gattungsbegriff, Diogenes II 119.

248 18. EIAiiN cMAOI.

der war also früher erschienen, wenn nian nicht in seinen drei Büchern eine Folge von Pasquillen sehen will. Dann hatte Piaton den stärksten Anfall bereits erfahren, als er im Theaetet sich jeder persönlichen Replik enthielt; die Möglichkeit, daß Anti- sthenes später, also nach 306, noch einmal losschlug und sich die verächtliche Behandlung im Sophist es zuzog, ist vorhanden, aber die Wahrscheinlichkeit sehr gering. Antisthenes, älter als Isokrates, Mar damals den achtzig näher als den siebzig, wenn er noch lebte. Die Modernen mögen ünschen, daß Piaton sich an ihr de mortuis nil nisi bene gehalten hätte. Schwerlich hat er es als Grundsatz gebilligt, und es ist auch ebenso berechtigt, einen Lebenden, zumal einen, der sich überlebt hat, zu schonen, aber nach seinem Tode die Wahrheit zu sagen, die doch einmal gesagt werden muß, oder soll eine Schonfrist ausgemacht werden ? Piaton i-ah in der Trennung der Seele vom Körper einen gar nicht wesent- lichen Moment ihres Lebens. Er verleugnet sich nicht, wenn er mit der persönlichen abschließenden Charakteristik des Antisthenes hervortritt, als dessen Lebenswerk abgeschlossen ist. Das jahr- zehntelang still getragene Gefühl der erlittenen Kränkung brach freilich mit durch. Das ist menschlich; schelte, wer mag.

Wenn Piaton den Materialisten als das entgegengesetzte Lager die eiScov cpiXot, gegenüberstellt und noch im sechsten Briefe seine Philosophie die rapl xa zl&ri aocpta nennt, so sind ihm die e£8>j im wesentlichen die votjtoc, denn die Anerkennung des Übersinnlichen, Intelligiblen als des wahrhalt Seienden macht den Gegensatz zu dem Materialismus. Diese Auffassung hat er also in den sechziger Jahren gehabt, als er die logische Trilogie schrieb, und hat sie behalten. Aber das Prinzip des xoct' sI'Stj Tefxveiv etu oct^tov ist schon im Phaidros 277 b ausgesprochen: es ist die Methode, die hier entscheidet; sie bezieht sich aber auf die vor^ra a-rra xal acra>fi.aTa st§r;, welche die aXyjötvv) ouaia sind, Soph. 246 b. Denn dies hat immer auch für Piaton seine Geltung behalten: das sagt der siebente Brief 342 b. Es ist ein sehr seltsamer, ohne weiteres überhaupt nicht verständlicher Ausdruck „amici specierum" . „Freunde von Arten", ,, nach Arten schneiden", und dabei ist zlSoq im Sinne von Art über den Wort- sinn ,, Gestalt", „äußere Erscheinung" schon gesteigert, so daß es eigentlich gar keinen Plural haben kann und bei Homer, Pindar, den Tragikern auch keinen hat. Nur wenn es sich um

18. EIAQN Ol AOL 249

mehrere Gestalten desselben Subjektes oder um die Gestalten von mehreren handelt, ist der Plural natürlich berechtigt. So Empedokles öfter, Herodot z. B. 3, 107, Melissos 8, 4. Die Ent- wicklung des Wortgebrauches ist daher wert verfolgt zu werden. Hinzugenommen muß gleich iSea werden, das jüngere Synonymon, von Piaton wenigstens immer so gebraucht. Es steht wohl zu- erst bei Pindar Ol. 10, 103 IBiai te xaXov cooca xe xsxpajiivov von einem schönen Knaben; ganz wie Protag. 315 e tyjv iSsav Travo xaXoe, Charm. 154 d to zZBoq 7tdcyxaXo<;. Noch in der Diotimarede, die zu den ewigen Formen führt, ist in euki xaXov 210 b die ieibliche Schönheit. Und sogar Polit. 291 b vertauscht das n<x\i- cpuXov ysvo? der falschen Politiker xdq iz iSiaq xal r?)v Suvajxiv sie; a>>.y]Xou?, der Löwe wird zum Satyr und umgekehrt, und dem entspricht seine Haltung. Die Tragödie meidet I8ix; nur in den Bakchen 471 erlaubt sich Euripides to. S' opyi' s<m tiv' iSeocv £-/ovtoc aot, aus der Umgangssprache; Aristophanes Vög. 993 Tic lB£<x ßouAeujJiaTOc;. Die Komödie verhält sich gegen eZSoc, ab- lehnend. Der Euripides der Komödie redet tragisch, wenn er es braucht, Thesm. 267. Plutos 317 in aXXo siSoc. tosttectÖs steht es periphrastisch, ganz entbehrlich, und das ist ein Zeichen der Spätzeit des Dramas. Erweitert ist der Gebrauch in der atti- schen gebildeten Sprache der Sophistenzeit, die gleich auch auf das Ionische hinübergriff, von dem sie gleichzeitig viel aufnahm, so daß man, was erst in dieser Zeit aufkommt, nicht weiter zu sondern vermag. Am meisten lehrt Thukydides. Auch bei ihm ist slSoc. und iSsa dasselbe. Von der Pest steht eZSoc, t% voctou

II 50, toioütov y)v ttjv iSeocv II 51; das ist die Erscheinungsform.

III 82 GXO.GZIC, toic siSsari StyjXXayfJLevat. IV 55 ttjv u7rapxouaav iSeav tyjc, 7tapao-X£U7)<;, VII 81 tocutyji tyji iSsai xaTaSajxaaafxevoi, da ist es schon ganz abgegriffen ,.auf diese Weise". Ebenso :rti auTvji iSsou III 62, gleich dahinter ev oicoi sfösi, in welchem Zustande, „wie es bei uns aussah". Besonders liebt er noiaa ISzct (OavdcTou usw.), III 81, 83, 98 u. ö. TroXXoa iSeai t:oX£(j.ou 1 109, inl nkzZcncc sl'Sy) II 41. Geradezu periphrastisch steht touto to eZSoc VI 77, VIII 56, tcoi toioutgh zlSzi VIII 90. Aristo- phanes hat i8sa in dem ursprünglichen Sinne Vögel 1000 rqv tSeav xaxa 7rviysa, Wolken 288 aOavar/jv iSsav, wie Thukydides nur VI 4 SpETcavosiSec f/jv iSeav to -/<opiov. Merkwürdig noch die Antithese Plutos 559 yvcojxYjv xai iSeav ßsXTicov. wo tys/?) xal a€iy.<x.

_'.Mi 18. KIAON Ol AOL

platonisch stehen könnte. Es tritt aber ein neuer Gebrauch auf, fortgebildet von 7iäaa iSea, rcoXXal tösou bei Thukydides, Wolken 547 xaiva; iSea«; sicrcpsptov cro^ou-ai, ,,ich bringe immer neue Erfin- dungen"; die Wolken sind ein anderes Genre als die Ritter. Frösche 382 u[jlvcov JSsav e-repav. So auch Eupolis Astrat. 1 eizi xawoxepa«; iSeac aasßcov ßiou. Auf Thesm. 437, das besonders wichtig sein würde, weil es ganz isokrateisch klingt, nioonq 8' IBionc, ic,r\T(xczv, Tcavxa 8' eßaerracre 9psvl tcuxvcoi; ts 7ioixiXou^ Xoyous; avY]üpev, ist leider kein Verlaß, da es Trochäen war?n, die hoff- nungslos entstellt sind.

Diesem gewöhnlichen Sprachgebrauche fügen sich eine Menge platonischer Stellen, in die man also gar keinen spezifisch philosophischen Sinn hineintragen darf. Insbesondere hat der periphra^tische Gebrauch von sl8o<; und iSea eine sehr weite Geltung. Eine reiche Auswahl von Belegen liefert Ast im Lexi- kon. •/] xeov rpt-cov IBiy. Phaidon 104 d ist nur die Drei, die Drei- heit, und die ISsa toü ayaöou des Staates 505 a ist nichts als das ayaöov; wir legen nur das votjtov gleich mit hinein, weil wir die Lehre vorher gehört haben. 507 e steht ou a^ixpat, tSeai. o"anz gleich ou a^ixpcot, wie (ppovqazoic, xal t6 afzcxporarov zlSoc, Ges. 689 d. 510 d xolc, 6pa>[jivot,<; eiSecn 7rpoa^pcovTai. ist nicht anders, denn das Sinnliche, das Gesehenwerden, wird nicht mehr fühlen, wer die el'Syj in das Reich der vo7]tcc verweist. Selbst evl etSet. Trept-Xocßslv Theaetet 148 d ist von dem Thukydi- deischen Gebrauche aus noch ganz verständlich, nicht anders als die Suo elSt; 7tsi.0ou<;5 Gorg. 454 e, ebenso Theaet. 204 a fjia tSea it, Ixao-Tcov twv auvap^oTTovxwv crTot^sttov rt cyuXXaßY), wo ev ebensogut stehen könnte. Und im Staat 440 e XoytcjT!.xou xi sZSoc, coctts (i.7) Tpta aXXa Süo el'Sr, elvai kv ^vyjfi, wo sich über- setzen läßt „ein Denkendes, so daß keine Dreiheit, sondern eine Zweiheit in der Seele ist". Von denselben sagt er ptip7). Er würde die drei 7rpoo-co7ra der Gottheit in der christlichen Dogmatik als sl'Sr, bezeichnen können. Sehen wir nun noch einmal Euthy- phron 5 d an zyov uiav Tt.va tSsav xaxa tyjv oatoxyjTa. so heißt das nur, daß alle die einzelnen öaia eine und dieselbe Erscheinung, Form, der Betrachtung darbieten, und diese heißt 6 d ccuxo t6 zZSoc, &i Tci.vxa. toc ogiv. öena iaxi. Da ist das sISo? nichts anderes, weder eine Idee im Sinne der Lehre des Staates, noch ein logischer Begriff; es kann nur zu beidem einmal werden. Am bezeichnend-

18. EIAON OIAOI. 2

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sten ist wohl Gorg. 503 e ol ocXXoc tzohvtzc, S-yjfAioupyol [ßkkizovrec;] izpbq to socutou spyov SxaffTO? oux sixyji sxXsyofxsvoc; 7rpocr<pspei, (a 7rpoo-cpE- psc *)) [7rpo^ to Ipvov to laUTÄv], aXX' ö7roK av zl86c, ti ocutgh ayvji. toüto 6 epYO^eTat. Das wird dann dahin erläutert, daß er das Einzelne zusammenfügt sco^ av to arcav <7u<7TY]cr/)Txt. TETayuivov ts xocl xsxo- <t{xy][X£vov 7rpay(Jt.a. Das tut selbst der Turnlehrer mit dem Leibe seines Schülers. Da ist das sT8o? also die Einheit und Voll- kommenheit, die jeder herstellen will, und deren Erscheinungs- form er in der Phantasie bei seinem Wirken schon vor Augen hat. Das können wir ein Ideal nennen; von der platonischen Idee ist es noch weit entfernt; es konnte nur dazu werden. Menon 72 c heißt es, daß die vielen Tugenden ev tc e!8o<; ofoweaat ly oucti, oV 6 eialv äperai. Da haben sie die Form an sich, die sie zur Tugend macht, aber kein Wort davon, daß sie außer ihnen für sich besteht und ewig ist. Mehr konnte Sokrates dem Menon auch nicht sagen, konnte Piaton seinen Lesern noch nicht sagen, weil sie gar nicht mehr verstehen konnten. Selbst wußte er freilich schon mehr. Erst im Staate 507 b wird die Idee vom Sehen ganz getrennt, ocutö 8y) xaXov xocl ocutö ayocööv xocl outco 7rept Travrov, a tote oic, 7coXXa ETCÖsfjLEV, Tra.Xtv xoct' cSeocv u.(av exoccttov (Adam, exocgtou codd.) <löc, [iioic, oua^q tiÖevte^, 6 ecttiv IxaciTov TipocrayopEuo^sv xal ra [j.ev opaaOai cpajAsv vosio-0occ 8' oü, t«? 8' ati iSsa«; vgsutOou [asv öpocaOai S' ou. Und erst das xoct' etSvj ScoapEicvOocc, refxveiv ercl to octjjLyjtov bringt die logischen Begriffe von Gattung und Art hinein2). Die ältere Bezeichnung ist das ocutö xaXov, auf das schon das ocutö cpiXov des Lysis vor- deutet: von solchen Bezeichnungen sagt Phaid. 100 b, sie wären 7roXu0puX7)Toc, also in der Schule. In ihr also ist allmählich zlSoc, und I8£y. als die gewöhnlichere Bezeichnung aufgekommen, ohne die andere zu verdrängen 3). So ist es ganz allmählich dazu ge-

x) Die Ergänzung steht in T (gesichert durch 465 a), ob aus Konjektur, ist noch ungewiß. Gefälliger wäre a av 7cpoa<pspT)i, wie Sauppe gegeben hat, der ßXe-ovTec entfernt hat und ebenso izpbq epyov eauTÖv, es ist gleichwertige Variante zu r.poq eauröiv spyov in der Zeile darüber, eocutou, das an der zweiten Stehe schon verbessert war, hat an der ersten Luise Reinhard eingesetzt.

2) yevoc und elSo? unterscheidet Piaton in den Wörtern bekanntlich noch nicht, erlaubt sich sogar Ges. 836 d t?,c toü ao^povoc; iSixq yevex; mit doppelter Periphrase.

3) olq E7Ti<j<ppaYt.£6[xe8a toüto 6 esti Phaid. 75 d, iSeav [ifav sTU^paYiffaaöat. Polit. 258 c zeigt den Wechsel.

252 18. EIAQN Ol AOL

kommen, daß Piaton diePhilosophen, welche die vovjTa anerkannten, als etScov 91A01 bezeichnen konnte und die entscheidenden Grund- wahrheiten seiner Schule als die rrepl xd eiStj aocpia; ähnlich redet Aristoteles von den Piatonikern. Das Wort iSea tritt in dieser Zeit stark zurück und wird zumal bei dem logischen 8iai- psiaOoa kaum gebraucht. Es ist eigentlich nur durch den ein- gewurzelten Sprachgebrauch zu rechtfertigen, wenn wir von der Ideenlehre und der Idee des Guten reden, wo sich doch die Vorstellung eindrängt, es würde von ihm etwas ausgesagt, wäh- rend es schlechterdings nichts ist als to tcoi ov-u dyaöov. Piaton ist sich gar nicht bewußt gewesen, daß er sprachlich mit seiner Anwendung des Wortes etwas Besonderes tat; es lag ihm auch ganz fern, einen Terminus prägen zu wollen. Schließlich ist es doch dazu gekommen; selbst der Komiker Alexis wußte davon, als er in seinem Phaidros sagte evl tu7cgh 7roXX' sI'Sy] cpepcov (Athen. 562 a).

Daß die Wörter ähnlich zu verwenden auch anderen nahe- lag, ist beherzigenswert. Isokrates x. cto^icttcov 16 lehrt tcov iSswv iE, &>v touc; Xoyouc; oocavTaq xal Xsyofj.sv xal (juvrtösjjisv e7ti- ctty][X7)v. Das erinnert an die xatval iSeat des Aristophanes, aber es sind hier feste „Formen" der Rede geworden, keine totoi xoivoi, die man auswendig lernt, aber allerdings eine Topik. Demokritos nennt seine Atome tSeot; das war Buchtitel, und sie haben ja verschiedene Form. Das kommt von der sinnlichen Erscheinung her, aber da es die Urformen sind, den platonischen Dreiecken des Timaios entsprechend, ist auch hier eine Ver- wandtschaft. Der Arzt Philistion in Menons Iatrika 20, 25 hat die vier Elemente iSsai genannt, was Demokrits Gebrauche parallel geht. Das Merkwürdigste steht in der hipp ok rat ischen Sphrift TT. -zijyr^ 3, die jetzt keiner mehr hinter die platonischen Dialoge rücken wird, die ihr allein die el'8/) liefern konnten. ou§s[iia (ts/vy)) earlv rt ys sx tivoc, e'LBzoc, jxt) oparaf oI[xai 8' eyco- ys xat to. 6v6jj.aTa aura? 8id xa etSea Aaßstv aAoyov yap omb tcov 6vo(j.(xtwv yjyetaöat t<x ei'Ssa ßXacrTavsw xal dSuvaTov rd [ikv ydp ovofjLaxa [(püoio<; del. Diels] vo[xo0£TYjfxaTa ecrriv, rd 8s eiSsa ßXaaTT)- jxaxa. Hier ist die „Erscheinungsform" zu dem geworden, was wir Inhalt des Begriffes, der in dem Worte liegt, nennen würden. Wenn wir die Medizin studiert haben, kennen wir, was sie ist; danach muß sie auch benannt sein. Vermutlich hatte der Arzt

18. EIAQN Ol AOL 258

von der Etymologie gehört, aber von ferne; auch von dem Ver- hältnis der ovtoc und ur, övtoc hatte er nur von ferne gehört; dazu werden die st&vj, die Formen, gehören. Wer ihm das bei- gebracht hatte, der war dem platonischen^, Gedanken und sogar ihrem Ausdruck nahe. etöoW 91X01 hat es .eben manche gegeben, vor und außer und in der Akademie.

Nützlich ist auch, einen Seitenblick^- auf ein paar andere Wörter zu werfen. Das poetische fxopcpT] meidet die Komödie durch- aus, auch Thukydides und Antiphon; es war also nicht attisch, wie die Athener ja auch zvz&fc, nicht eupopyoq sagen. Aber die Tragödie braucht es da, wo sie das gemiedene tösa setzen könnte, TioXXcd aopcpod twv Sai[xovtcov bei Euripides entspricht genau den tcoXXou iBixi bei Thukydides. Piaton spielt darauf an und sagt im Staate 380 d t6v 6sov cpotvTa^eaöoc:. aXXo-rs ev aXXai<; i8h.iq . . . aXXdtTTOVTa to auTOU siSo? slg TcoXXa? fXop9a?. Beides ist eigentlich dasselbe, wird aber Phaid. 103 e, 104 d glück- lich benutzt, um eine schwierige Unterscheidung durchzuführen. Ungerade und gerade sind Gegensätze, also unvereinbar; sie werden als iSsoti bezeichnet. Unvereinbar ist auch jede einzelne ungerade Zahl, z. B. die Drei, v\ twv Tpuöv tSsa, mit dem Geraden, also jede einzelne Erscheinungsform des Ungeraden: dann wird sie [xopcp/] genamit, 103 e, und daneben heißt es 104 d eiu toioütov 7] evayua iSsa exeiviji tyji fjiop<p7]i '/] av toüto a7rspya£?]Tai oüSeW av £X6oi, wo der Unterschied nicht gilt. 105 a steht der ermittelte Satz ganz ohne die Periphrase mit I8sa oder jJ-opcpY), und das ist erst recht beherzigenswert.

Periphrastisch wie sZSo? und I8ea treten ebensogut 8uva(xi<; und cpüct- auf; das Lexikon gibt reiche Belege, und der Altefö- stil, zumal der Gesetze, kann sich ja in Periphrasen nicht genug tun. In früheren Dialogen fällt es eher auf, wie Kratylos 412 e 7cpo<rXaßov tt)v tou xdwnta Suvau.iv. Polit. 307 b tyjv awcppovcc <pfonv xai ttjv avSpstav ttjv tcov evavT'-cov olov 7roXsuioov 8taXax,ouo-a<; axaatv IMxq. Der Philebos wird dem Leser eine ganze Anzahl Belege bieten; ich setze nur 64 e her, weil Piaton hier wieder durch die Abwechslung zeigt, daß die Wörter nur paraphrasieren, also im Sinn so gut wie zusammenfallen, xaTaTre^suysv ■Jjjaiv r\ tou ayaöou 8uvau.t<; de, rrjv toü xaXoü «pteiv; „das <xya66v ist uns schließ- lich zum xaXov geworden". ty)v tou dyaOoü cpiiaiv hatte er so schon

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im Staate gesetzt 493 c; duSiov cpücriv steht Phileb. 66 a1). Das hilft zur Verbesserung einer viel behandelten Stelle Phileb. 51 d Xsyto Sy] Tai; tcov cpOoyytdv (cpuaeit;) xa<; \ziolc, xal Xa[A7ipac;. Nur diese Ergänzung gibt etwas Annehmbares. Abscheulich ist lä.q für das erste rac, als ob das selbst in der Poesie verklungene Wort zu- lässig wäre. Besser natürlich ist r)X<x.c, von Bury, aber Tim. 37 b avsu 9Ö6yyou xai, y)x% unterscheidet den erzeugten Ton von dem Hall, der nachklingt, wie tyi\ öfter steht. Hier handelt sich's um die Töne, die als solche durch die und die Eigenschaften an sich ein Lustgefühl hervorrufen, also nicht um den von ihnen gesonderten Hall; der Klang ist (xeXp?. Mit dieser Verbesserung mag dieser Abschnitt schließen, der dargetan haben möchte, daß die ganz simple philologische Interpretation, den philo- sophischen Ausdeutungen etliche Steine aus dem Wege räumen kann, über die sie leicht stolpern.

1) Plutarch gegen Kolotes 1112 e führt aus, daß bei Epikur 7) tcöv ov-wv füaiq nichts anderes als t<x Övtoc ist, vevöfuorat §£ tcwc yj Toiaü-nr) töv övojjiaTfov 6[i.iXia.

19. Timaios.

1. Der Timaios als Glied seiner Tetralogie.

Niemand kann noch bezweifeln, daß der Staat viele Jahre vor dem Timaios geschrieben ist; dennoch wird er in diesem so vorausgesetzt, als ob die Erzählung des Sokrates, die im Staate keinen bezeichneten Zuhörer hat, tags vorher stattgefunden hätte. Die Unterhaltung des Timaios fällt auf die Panathenäen (26 e), also um den 27. Hekatombaion; die Erzählung des Staates auf den Tag nach den Bendideen, also den 20. Thargelion (Proklos zum Tim. 26). Das ist ein Widerspruch, der keine Auflösung findet, dessen Zweck nicht ersichtlich ist. Ebensowenig erhalten wir über das Zusammensein der Personen Aufklärung, obwohl es verabredet ist, und von einem fünften Teilnehmer der vorigen Unterhaltung erfahren wir nur, daß er heute krankheitshalber fehlt. Alles zusammen erzwingt die Annahme, daß vor dem Timaios ein Gespräch vorausging, das zugleich die Exposition für alles enthielt.

Dies Gespräch müßte der Staat sein; aber so wie wir ihn kennen, ist er es nicht, denn er streitet mit dem Datum und liefert keine Exposition. Also kann man vermuten, daß der Staat in anderer Form vorausgeschickt werden sollte. Gut ; aber damit reimt es sich nicht, daß eine Rekapitulation seines Inhaltes gegeben J wird, die für den Timaios ganz entbehrlich ist, denn dieser hat mit der menschlichen Gesellschaft nichts zu tun. Dabei ist die Auswahl aus dem Inhalte des Staates ganz wunder- lich; von den letzten sechst ehalb Büchern ist gar nichts berück- sichtigt. So wie das hier steht, liefert es Ersatz für den Staat, der durchaus nicht tags zuvor besprochen zu sein brauchte und so, wie wir ihn lesen, gar nicht vorhergegangen sein kann: es fehlen ja gerade die Regenten, die Philosophen.

Sokrates spricht dann den Wunsch aus, den wahren Staat,

25li 19. TimaioB.

wie er ihn gestern konstruiert hat, in Tätigkeit vorgeführt zu erhalten. Das erwartet er von den drei Freunden, die dabei dem Leser vorgestellt werden, genauer, als es nötig war, wenn sie ein vorher anschließender Dialog eingeführt hatte. Hermo- krates gibt ihre Bereitwilligkeit zu erkennen und erzählt, sie hätten selbst gestern ähnliche Überlegungen angestellt, und Kritias hätte von einer alten Geschichte geredet, mit welcher der Wunsch des Sokrates wohl erfüllt werden könnte. Von dieser Geschichte, dem Kriege der Urathener mit den Urbarbaren, gibt Kritias eine Übersicht. Sokrates ist sehr erfreut; wir erwarten, daß Kritias anfangen wird, aber es kommt anders. Die Gäste hatten früher ausgemacht, erst sollte Timaios über die Entstehung der Welt und des Menschen reden, Kritias erst später; von Herrn okrat es ist hier keine Rede, und was der vierte Mann soll, der heute krank ist, erfahren wir überhaupt nicht, nicht einmal seinen Namen 1). Sokrates ist damit einverstanden, und Timaios hält seinen Vortrag, den nur nach dem Proömium ein Wort des Beifalls unterbricht, um die Abgliederung dieses Teiles zu mar- kieren 2). Kein Wort des Beifalls am Schlüsse.

Es ist gut, gleich noch die einleitenden Reden des Kritias hinzuzunehmen. Da spricht zuerst Timaios die Erleichterung aus, die er empfindet, weil er seine schwere Aufgabe gelöst hat. Es schließt also an, doch nicht so, daß man vom Ende des Timaios einfach weiterlesen könnte: man erwartet hier, wenn das neue Buch anfängt, keine Äußerung über die Rede des Timaios, setzt aber natürlich voraus, daß sie vorher erfolgt ist: wenn die beiden Dialoge so zueinander standen wie die Dramen einer Trilogie, war es ganz in der Ordnung. Kritias redet dann noch etwas über die Schwierigkeit seiner Aufgabe; wir erfahren wieder, daß nach ihm Hermokrates sprechen wird, aber worüber, das erfahren wir wieder nicht.

Wenn der Kritias folgen sollte, war die breite Ankündigung von dem, was er erzählen wird, im Timaios nicht am Platze. Jetzt ist sie uns sehr wertvoll, denn aus ihr allein erfahren wir, was der Mythos von dem Kriege der Urzeit bedeuten sollte. Aber wie wird ein Schriftsteller gerade das dem künftigen Buche

x) Törichte Deutungen dieser Person bei Proklos S. 20. 2) 29 d -KpootyLiov wird ganz musikalisch gefaßt, daher heißt der eigent- liche Vortrag vojxcx;.

19. Timaios. 257

vorwegnehmen ? Umgekehrt drängt sich der Vortrag des Timaios, der ganz plötzlich angekündigt wird, zwischen die Schilderung des Staates, wie er sein soll, und die von Sokrates gewünschte Er- zählung davon, wie er sich in der Praxis bewährt oder vielmehr bewährt hat: diese Überraschung bringt ihm Kritias. Zwischen der Weltschöpfung und der Politik besteht kein innerer Zusammen- hang; ihn äußerlich herzustellen wird auch nicht versucht; die Weisheit des Timaios bleibt ohne Resonanz. Kritias sagt nur, bevor er seine große Erzählung beginnt, es wäre viel leichter über die göttlichen Dinge zu reden, weil die Hörer ja über sie gar nichts wüßten, was uns nur einschärft, daß der Timaios Mythologie ist. Wie konnte Piaton das alles so sonderbar ein- richten? Es ist klar, sollt' ich meinen, daß er den Staat zugleich voraussetzt und nicht voraussetzt. Was die Rekapitulation bringt, ist, daß ein Stand von cpuAaxsc; besteht, den der Nährstand unter- hält, um von ihm verteidigt zu werden. Die Wächter werden durch Musik und Gymnastik so erzogen, daß sie das Qu\ioeiUc; mit dem Tcpoaov verbinden, wie es Piaton noch in den Gesetzen von dem rechten Manne verlangt; sie haben kein Eigentum, auch die Stellung der Frauen ist in allem die des Staates, demgemäß auch die geheime Fürsorge für die Verteilung der neugeborenen Kinder- in die Stände. Das alles ist zwar unzureichend, wenn es den Staat rekapitulieren will, aber es liefert das Wesentliche, was für TTr-Afhftn, ftiR0 fipn Kritias nötig war, so daß es eine Ergänzung zu seiner Vorbereitung bildet. Dadurch wird es nur seltsamer, denn wir erfahren das Wichtigste über die Tendenz des Kritias an einer Stelle, wo wir es doch überhören werden, denn sofort nimmt uns der Vortrag des Timaios ganz in Beschlag, und das Buch, in dem die Fortsetzung folgen sollte, ist niemals erschienen. Es ist klar, sollt' ich meinen, daß das nicht sowohl auf das Erscheinen als auf das Nichterscheinen des Kritias be- rechnet ist.

Daraus ergeben sich die Schlüsse, die I S. 592 f. vorgetragen sind und hier nur einige Worte der Begründung erhalten sollten, für welche dort kein Raum war.

Euphorion undPanaitios (Diog. Laert. 3, 37) berichteten, daß sich der Anfang des Staates in verschiedenen Fassungen unter Piatons Papieren gefunden hätte. Diese Papiere können hundert Jahre nach seinem Tode in der Akademie noch selbst gelegen

Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Auü. '

258 lH- ''»Biliös.

haben, so daß Euphorions Ang<abe Glauben verdient. Wir haben keine Veranlassung, daraus zu entnehmen, daß die Papiere aus seinen letzten Tagen stammten, noch weniger, daß er sich dar- über den Kopf zerbrochen hätte, ob elc, ÜEipoua yßkc, xaiiÖYjv oder xösc xaiiß^v elc üet-paia besser klingt als sein xa-reßr/v ^Osc eiq Ikipata: so fassen es die Rhetoren (Dionys 7c. auvO. 6v. 25, 133, Quintilian VIII, 6. 64). Wir werden an bald aufgegebene An- sätze zu der Umarbeitung des Staates denken.

Die Abfassungszeit des Timaios liegt zwischen engen Grenzen. Ersetzt die dritte Reise voraus; da- zeigt namentlich das Studium der sizilischen Medizin. Er fällt vor den Tod Dions, wie selbst- verständlich, aber auch vor den Philcbos x). Da nun die natur- wissenschaftlichen Studien längere Vorbereitung forderten, der Plan der Tetralogie erst gefaßt, dann aufgegeben werden mußte, A«ird sein Erscheinen der unteren Grenze 353 beträchtlich näher liegen als der oberen 359. Natürlich konnte Piaton am Philebos neben dem Timaios arbeiten, wie er die Gesetze schon längst in \Arbeit hatte.

2. Die Einheitlichkeit der Schrift.

In der Erklärung des Timaios macht die Schrift den aeläste Atomlaere von Frau Ingeborg Hammer-Jensen Epoche. Sie hat zwar von der vorzüglichen Ausgabe der Schrift keine Notiz genommen, in welcher Archer Hind bereits nachgewiesen hatte, daß Piaton sich durchgehend« auf Demokrit bezieht, aber es ist auch ein ganz neuer Standpunkt, von dem sie dies Verhältnis betrachtet. Piaton ist ihr nicht ein fortbildender Kritiker, sondern

1) I 628. Eva Sachs, Fünf Körper 191. Frau Hammer-Jensen (Den aeld. Atoml. 177) weist darauf hin, daß sich in den Gesetzen ebensowohl Stellen finden, die mit den Lehren des Timaios übereinstimmen, wie solche, die sich mit ihnen kaum vertragen. Das ist dafür bezeichnend, daß die Gesetze Stücke sehr verschiedener Zeit enthalten. Der Schluß dagegen ist vorschnell, daß der Timaios Piatons letzte publizierte Schrift sein müßte, bei dessen Fortsetzung er gestorben wäre. Er ist fertig und gerade so angelegt, daß er für sich bestehen kann, und die Disharmonie und Un- fertigkeit der Gesetze zeigt sich nicht bloß in dieser Hinsicht. Der Philebos steht vollends für sich: er führt mit r.£pa.q und ä-Eipov Begriffe ein, die der Timaios noch nicht kennt, aber vor die Gesetze fällt er auch; man braucht nur z. B. Ges. 667 mit ihm zu vergleichen.

19. Timaios' Einheitlichkeit. 259

ein alter Herr, dem man es hoch anrechnen muß, daß er eine neue bedeutende Wahrheit anerkennt, obwohl sie sein ganzes System über den Haufen warf, der aber das viele Neue, das e- übernimmt, nur verdirbt, weil er noch zu viel von dem Alten retten will; er war nämlich auch sonst nicht sehr original, sondern von den Pythagoreern (oder Pythagoräern, wie sie mit Vorliebe heißen, wenn sie aus scheuer Entfernung betrachtet werden) durch die Dünste ihrer Mystik befangen. Das ist unleugbar so durchgeführt, daß man die psychologische Möglichkeit zugeben muß. Sachliche Einwände hat Eva Sachs in wichtigen Punkten gemacht und Piaton als Naturforscher sehr hoch gestellt. Wie dem auch sei, das erste für das Verständnis des Timaios ist eine Frage der Interpretation, der Analyse. Frau Hammer-Jensen hat auch diese Seite scharf und klar beleuchtet. Sie nimmt an, daß Piaton seine Schrift entworfen und bis 45 a geschrieben hätte, als er Demokrit kennen lernte. Da hielt er inne, sah, daß er eine neue Naturerklärung geben müßte, schob gleich 45 b ein Stück davon ein und nahm schon da 46 d und weiter 48 zu den neuen Prinzipien Stellung. 49 68 d ist dann mehr oder weniger überarbeitetes demokiitisches Gut; der Schluß gehörte zwar zu dem ersten Plane, sollte auch an 47 anschließen, so daß der demokratische Teil als Digression bezeichnet wird, aber so, wie es vorliegt, ist alles Weitere von demokritischen Gedanken durchsetzt.

Die Diagnose ist richtig. Von 45 ab ist die starke Be- nutzung Demokrits nicht zu leugnen, und man wundert sich, daß die Götter die niederen Seelenteile erst 69 schaffen, nachdem Bie die Vernunft des Menschen bereits von ihrem Schöpfer über- nommen haben, 69 könnte also inhaltlich gut auf 45 folgen. Aber es ist schwer vorstellbar, daß ein Forscher ein Buch bis zu einem Punkte fertig ausarbeitet, dann plötzlich innehält, mitten in einem Abschnitt, weil er auf eine neue Lehre stößt, die mit der seinen streitet, sich ihr im wesentlichen unterwirft und auf dieser ver- änderten Grundlage den längsten Teil seines Werkes als Fort- setzung des unveränderten Anfange-, anstückt, noch dazu so, daß das Neue sich als Digression fassen läßt, d. h. die früher vor- gelegte Fortsetzung gegen Ende des Ganzen noch zugrunde liegt. Wenn er nicht ganz unbedacht war, mußte ihm doch zum Bewulit.-ein kommen, daß er Unvereinbares zusammenstellte.

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•_>(;n 19. Timaios.

Wenn das der Fall ist, wird es sich nicht nur in der Lehre ver- raten, sondern auch in der schriftstellerischen Anlage, und über diese ist eine Einigung eher zu erhoffen.

Die Schöpfung des Weltalls wird' als Handlung des Demiurgen dargestellt. Er ist durchweg der Handelnde 29 e 42 e. Dann treten die geschaffenen Götter ein 1), aber auf ihre Aktion kommt nichts an, und sehr bald geraten wir in jenen Teil, der sich selbst absondert. Doch schon vorher, 47 b, heißt es, daß Gott uns den Gesichtssinn verliehen hat. Das ist in der Weise gesagt, die dem Leser Piatons vertraut ist; die Natur könnte ebensogut stehen, wenn wir nur in diese ein Schaffen mit einem Zwecke, eine Vorsehung hineinlegen. Aber in einem Mythos, der zwischen einer Schöpfung durch den höchsten Gott und durch seine Kinder unterscheidet, ist diese Nennung Gottes inkonsequent. Ebenso wechselt 6eoi und Qeoq in dem letzten Teile mehrfach, und nicht immer dem entsprechend, was der Demiurg, und was die Götter geschaffen haben, auf deren gesonderte Tätigkeit 69 c noch einmal hinge wiesen wird. 73 c finden wir Qeoc, bei einer Tätigkeit, die ihn darum anging, weil er die göttliche Menschenseele geschaffen hat, und hier ihr Sitz, das Gehirn, gebildet wird; abermals Körper- teil fiel es doch den Untergöttern zu. 75 b heißen diese oi nzpl ty]v yjjxsTepav ysvscuv 8r;fX!.oupYoi und entscheiden über die Lebens- dauer des Menschen. 76 b, 90 b tritt gar Öscov auf, 77 c oi xpeiTTouc;. Es ist also unleugbar, daß Piaton seine mythische Erfindung nur obenhin aufrecht hält, weil sie keine innerliche Bedeutung mehr hat: es geschieht ja doch alles nach dem Willen des W eltschöpf ers oder auch gemäß der in der Natur wirkenden Zweckursache. Daher kann 47 e geradezu U7t6 voü SeSyj[i.i.oupyr;[j!.£va gesagt werden, also zugestanden, daß schon die Bezeichnung fyeoc etwas Mythisches, also Unverbindliches an sich hat.

Die Atomistik, der Piaton in sehr vielem folgt, kennt keinen solchen Zweck des Naturlebens; es wäre also zu erwarten, daß ein solcher, also auch ein Gott, in der „Digression" nicht vor- käme, und dann würde allerdings ein kaum erträglicher Wider- spruch in der Schrift anzuerkennen sein. Aber gerade an der

1) Das berühmte Öeoi 0ec5v 41a bezeichnet die angeredeten Götter als sekundär gezeugt, wenn auch aus göttlichem Samen, also als die mythischen Götter, deren Genealogien eben erwähnt waren. Es besagt dasselbe, wie daß sie 42 e -KcdoeQ des Demiurgen heißen.

19. Timaios' Einheitlichkeit. 261

entscheidenden Stelle, bei der Aufklärung über den Urstoff und seine Ordnung und Gliederung greift der Gott ein, 53 b d. Da es, sich um die Elemente handelt, deren sich derselbe 31 b bedient hat, ist der Zusammenhang wenigstens gewahrt, selbst wenn 45 eine Fortsetzung einsetzt, die innerlich nicht mehr anpaßt.

Gleich darauf, 55 d, wird der Gedanke Demokrits, daß es unzählige Welten geben könnte, mit einem verletzenden Witze abgelehnt; aber zugegeben wird, daß jemand wohl annehmen könnte, es gäbe fünf Welten, offenbar entsprechend den eben eingeführten fünf regelmäßigen Körpern. Von Widerlegung kein Wort, nur das Bekenntnis: meine Ansicht ist, nach aller Wahrscheinlichkeit ist der Kosmos als einziger geschaffen. Das ist keine Wiederholung von 31 a, denn dort bekennt sich Timaios zu dem Satze, daß es nur einen Kosmos gibt1), und führt den stxw; X6vo? dafür an. Von den regelmäßigen Körpern war da noch keine Rede, konnte also auch nicht auf eine Ansicht ein- gegangen werden, die auf ihrer Fünfzahl fußte. Diese Ansicht ist eine Möglichkeit, die Piaton ehrlich genug ist als solche vor- zutragen, obgleich er sie mißbilligt. Für ihn ist es zwingend, daß das All kein All wäre, wenn es außer ihm etwas gäbe. Aber wer schon 31 b gegen die Annahme von zahllosen Welten pro- testiert, hat schon damals Demokrit gekannt.

Die Überleitung zu der „Digression" geschieht so, daß die schaffenden Götter von den Organen des menschlichen Leibes zuerst die Augen machen, mit gutem Grunde, denn sie gewähren damit die. Fähigkeit, die himmlischen Lichter und ihre Bewe- gungen zu sehen und von dieser Beobachtung sich zur Philo- sophie zu erheben. Das ist die köstlichste Gabe der Götter, 47 b, oder auch Gottes, der im selben Atem genannt wird: mußte es doch sein Wille sein, da er die Vernunft schuf, die ohne das Organ des Auges nicht zur Erkenntnis kommen kann; man kennt diese Gedankengänge aus dem Staate 507 c. Genau korre- spondiert zoioiiSe ocitCou 45 b und 47 b auxT) eiti xaura ama. Da- zwischen steht nun eine Physiologie des Sehens und eine Er- klärung der Spiegelung, die allerdings inhaltlich und in der

*) Die Handschriften außer Y bieten eine alte Interpolation, nach der es nur einen Gott geben oder gar Gott Piatons Ansicht verkündigen soll (Osov oder Ge6<;); das ist beides undenkbar.

262 19. TimaioB.

Methode zu dem folgenden Teile, der „Digression", gehört. Es steht aber auch gleich die Erklärung dabei, daß die physikalischen Kausalzusammenhänge nur auvafrrtoc sind, deren sich Gott bedient, die wir nicht, wie es viele andere tun, als al'noc ansehen dürfen (das sind die Zweckursachen der Weltvernunft oder Gottes), aber auch mitbehandeln müssen. Ist es nicht gerecht, hier nur die Geschicklichkeit des Schriftstellers anzuerkennen, der sich einen Übergang zu einem neuen Teile macht, dessen Unentbehrlich- keit er an einem Beispiele zeigt ? Er konnte das auf viele andere Weisen machen, konnte noch eine Weile ohne die auvafoia fortfahren, also von dem Sitze der niederen Seelenteile in der Brust handeln. Aber ich dächte, wie er das einrichten wollte, war seine Sache, und da auch nach 69 von den cruvocma, den notw endigen Folgeerscbei jungen, die Rede sein muß, so wird man wohl zugeben dürfen, daß die Anlage geschickt genug ist. Wenn endlich ein integrierender Teil eines Vortrages als solcher durch Überleitung vorn und hinten abgesetzt ist, so soll man doch darin nicht das Eingeständnis sehen, daß er fremdartig und entbehrlich wäre. Hier kommt hinzu, daß Piaton sich bewußt ist, etwas ganz Neues zu bringen, das er eben erst selbst gefunden hat. Das spricht er daher 48 d unumwunden aus und spannt unsere Aufmerksamkeit, wiederholt es 53 c, nicht ohne anzudeuten, daß er nur gut vorbereiteten Lesern verständlich sein wird, und verläßt die racpuxoTa avayxyjc; 68 e nicht, ohne den Unterschied von cd-na. und cruvaiTia noch einmal einzuschärfen. Daraus, daß er die Teile seiner Schrift scharf abgrenzt und ihnen auch eine verschiedene Behandlung gibt, kann unmöglich mehr gefolgert werden, als daß er Verschiedenes zu sagen hatte.

Ob ein Bruch durch das Buch geht, wird sich dadurch ent- scheiden, daß wir zusehen, ob die Schöpfung des All durch den Demiurg mit dem Folgenden vereinbar ist, wenn sie auch jed? Beziehung auf die ciuvama vermeidet. Da ist doch wohl das erste, daß sie dies tun mußte, denn die auvotma sind die natür- lichen Kausalzusammenhänge, der Schöpf ergott aber handelt nach seiner Weisheit und seiner Willkür allmächtig. Es geschieht also durchaus mit überlegter Kunst, daß in dem mythischen Teile ausgeschaltet ist, was ihn stören würde, nachher aber die Einkleidung teils ganz -aufgegeben wird, teils nur noch als eine durchsichtige Hülle erscheint. Wir haben am Staate gesehen,

19. Timaios' Einheitlichkeit 263

daß die Bücher 2 4 eine Erziehung zeichnen, die später auf eine ganz andere Grundlage gestellt und auf eine viel höhere Stufe gehoben wird, nachdem die metaphysisch-erkenntnistheoretischen Lehren entwickelt sind. Auch dort hat die Verkennung dieses Fortschreitens zu den Versuchen geführt, das Werk zu zerreißen. Genau so steht es hier. Timaios hebt 27 d damit an, daß er nur yeveenc und ouaia gegenüberstellt. Das wird 48 e wieder auf- genommen, ausdrücklich als früher zureichend bezeichnet, nun aber muß ein Drittes hinzutreten. Jenen beiden entsprach Vor-y bild, Idee, und sinnliche Erscheinung. Sie bleiben, was sie waren; ihnen entsprechen ibucrrfyju] und 86£<x, wie gerade hier 51 e zur Begründung eingeschärft wird. Aber ein Drittes muß nun hinzugenommen werden, die jevkazcdc utcoSox/] >«al tiÖyjvt), Raum zugleich und Materie, eben das Neue, was Piaton keineswegs anderswoher übernimmt, sondern im Kampfe mit dem leeren Räume und den unzähligen verschiedenen Atomen Demokrits gefunden hat. Da haben wir eine Steigerung, genau wie im Staate.

Der Demiurg findet alles Sichtbare in einer regellosen un- steten Bewegung vor und bringt Ordnung hinein (30 a). Er schafft einen Zustand der 91X1« zwischen den Elementen, und damit sich das Feuer, das unentbehrlich ist, damit das Gewordene sichtbar wird, mit der Erde verträgt, die unentbehrlich ist, damit das Gewordene Konsistenz hat, sind zwei mittlere Proportionale nötig, Luft und Wasser. Das All erhält die Kugelform, die schönste, in der auch alle regelmäßigen Körper enthalten sind, 33 b.

Konstatieren wir vor allem, daß der Hinweis auf die anderen regelmäßigen Körper vorausdeutet auf ihre Besprechung im zweiten Teile, und daß dort die Kugel nur darum nicht erwähnt wird, weil sie hier bereits ihre Verwendung erhalten hat. Die wechselseitige Beziehung ist unverkennbar, also auch die Einheit und Planmäßigkeit des Ganzen. Das zeigt sich in allem. Wenn die Vierzahl der Elemente und die Kugelgestalt der Erde und des Kosmos erwiesen ist (dieselbe für die anderen Himmelskörper anzugeben, hielt er nicht für nötig), und hier die vier Elemente auf vier regelmäßige Körper zurückgeführt werden, ergänzt sich das nicht ? Die Elemente sind selbstverständlich materiell. Wenn sie sich auf Dreiecke zurückführen lassen, so sind diese es auch, also keine Fläche. Flächen aber sind sie in der intelligiblen Welt,

264 19- Timaios.

als Ideen, wie die Jdee des Feuers und der Erde, wie das Vor- bild, nach dein der Demiurg schafft. 80 ist auch hier trotz aller Ananke die Herrschaft der Idee mit nichten geringer als früher. Wenn wir scharf zusehen, ist der Schöpfungsbericht wider- spruchsvoll. Was ist denn das was in Unordnung bewegt ist, ehe der Deiv.iurg darüber kommt ? Erst nachher wird die Welt aus den vier Elementen gebildet, aber nirgend steht, daß der Demiurg sie schafft; auch nicht, daß er sie vorfindet; das ist mit Bedacht im Dunkel gelassen. 53 a ist die Materie, die schon die Erscheinungsform der Elemente angenommen hat (diese neue Lehre ist eben vorgetragen) in unsteter Bewegung, die leichten und die schweren Elemente streben auseinander; es ist also ein Zustand, dem empedokleischen vsixoe vergleichbar^. Dem hilft Gott ab, indem er Form und Zahl hineinbringt (53 b). Wer kann leugnen, daß die Darstellungen aufeinander berechnet sind, daß die Ungenauigkeit der ersten Stelle notwendig war, weil die Materie noch nicht auftrat noch auftreten durfte, ohne die Würde des Schöpfers zu beeinträchtigen x). Die Begründung der Vierzahl der Elemente ist auch später gültig und wichtig, da sie die Be- schränkung auf vier regelmäßige Körper mit sich bringt, so unbequem es ist, daß das Dodekaheder unverwendet bleibt. Aber auch auf die Darstellung im zweiten Teile wirkt der erste her- über. Auch hier drängt sich der Gott ein, geradezu störend, wo doch sonst alles physikalisch-mathematisch ist. Nur die Rücksicht auf das Frühere kann es rechtfertigen, daß uns zugemutet wird, einen Zustand zu glauben, in dem die Materie schon in ihren verschiedenen Aggregatzuständen als Feuer, Wasser usw. erscheint, und noch keine ei'87] xocl apiöfxoi darin sind. Ein solches Chaos hat nur in der mythischen Kosmogonie bestanden; die Welt ist in Wahrheit ewig und hat keinen Ordnung schaffenden Gott nötig gehabt, da in ihr der ewige vgu? ewig waltete, gestaltend und erhaltend. Ja noch mehr: die eI'St], mit denen der Gott Ordnung in das Chaos bringt, sind doch nichts anderes als die mathematischen Formen, auf welche die Elemente zurückgeführt

*) Dies Chaos ist wirklich nichts als das Chaos des Hesiodos, d. h. Piaton schließt sich an die mythischen Kosmogonien an, deren so viele im An- schluß an Hesiods Theogonie erfunden waren. Das geht natürlich nicht den Inhalt an, wohl aber hätte Aristoteles schon an der Form erkennen sollen, daß die Schöpfung ein Mythos ist.

19. Timaios' Einheitlichkeit. 265

werden. Was waren denn Feuer und Erde, als sie noch unge- ordnet waren ? Waren ihre Moleküle nicht Tetraheder und Hexa- heder ? Das ist gar nicht auszudenken, ist mythisch, hier wie dort, und der Mythos ist darum beibehalten, weil neben der physikalisch-mathematischen Erklärung die Teleologie nicht ver- gessen werden soll.

So weit die schriftstellerische Ganzheit des Timaios ange- griffen war, dürfte sie gerechtfertigt sein. Die Angriffe auf den inneren Zusammenhang seines Systems fallen ebenso zusammen, sobald man nur beherzigt, daß die Schöpfung überhaupt eine mythische Einkleidung ist. Darüber mich zu verbreiten, habe ich nach der schönen Einleitung von Archer Hind keine Nötigung.

20. Philebos.

j yber die yjSovy) handelt Piaton eingehend, als er im Staate das \J gerechte and das ungerechte Leben auf ihren Wert ver- gleicht. 583 b sagt. Sokrates, er erinnere sich, von einem weisen Manne gehört zu haben, die yjSovy) von allem außer^ der cppov/jau; wäre nicht wahr und nicht rein, sondern eoxiaYpoKpvjixsv/j. Dieser Ausdruck kehrt wieder 586 b, er ist also das entscheidende Schlag- wort in der Kritik jenes weisen Mannes; zur Erläuterung steht stScoXov toü oCkridouq dabei. An dem Schlagwort erkennt man deutlich, daß der weise Mann kein anderer als Piaton ist, denn ihm ist (jxiaypacpia mit seinen Ableitungen eigentümlich; wo es sonst auftritt, wie ein paarmal bei Aristoteles, von den Späteren zu schweigen, ist es von Piaton geborgt ; die Grammatiker mußten es glossieren1). Allein überhaupt heißt es die Charakteristik des Sokrates verkennen, wenn in einer solchen Berufung auf einen Unbekannten eine Hindeutung auf ein bestimmtes Buch, einen bestimmten Philosophen gesucht wird, den der Leser erraten soll, eine moderne Mißdeutung, gegen die in vielen Fällen Ver- wahrung einzulegen ist. Der platonische Sokrates mag keine Behauptung aus sich heraus aufstellen, weil er ja nichts als suchen kann, daher dieser Ausweg, einen neuen Gedanken in jdie Debatte zu werfen. Der Philebos liefert gleich 20 b ein

1) Sie sagen dafür sx7)voYpa?£a, denken an die. Illusionsmalerei der späten Bühne, während Piaton aus der Sprache der Maler seiner Jugend- zeit, von dem oy.iv.ypa.yoc, Apollodor das Wort genommen hat. Damals hat er noch die Malerei mit empfänglichem Auge angesehen und sich nicht daran gestoßen, daß sie cpoavojjisva bildete. Was Apollodors Schatten- malerei war, ist von Richard Schöne im Jahrbuch des Instituts 27, 19 in einer Epikritik der fördernden Behandlung Pfuhls (Jahrb. 25, 12, vgl. 27, 227) festgestellt. Die lebendige Kenntnis des technischen Verfahrens muß mit der lebendigen Sprachkenntnis zusammenwirken, dann leistet die Inter- pretation erst, was sie soll.

20. Philebos. 267

Beispiel. Da gibt Sokrates dem Gespräche die entscheidende Wendung so: Xoyoov 7Tots t'-vcov axouaac Övap r\ xal kyprpfopoyq vuv evvocö nspi yjSovtj; xat, ©pov/jcrea)?. Er konnte dort gar nicht anders als einen anderen vorschützen, denn er biegt plötzlich von seinem Wege ab, in Wahrheit aus eigenem Antrieb; er läßt aber auch an der Fiktion keinen Zweifel. Auch hier ist die Behauptung, daß jedes Lustgefühl außer dem des Philosophen (das ist im Grunde der cppovi[xo<;) nur ein trüglicher Schein ist, so durchaus platonisch, daß kein Gedanke an Entlehnung auf- kommen kann. Er unterscheidet dann die drei Zustände ■qSsaöai, Xurceiaöai und den Mittelzustand des Gleichgewichtes, am0 den keins von beiden zutrifft, gleichsam den Nullpunkt der Skala 1). Dem, der von oben, von der tjSovyj kommt, erscheint dieser als Xu7rv], und umgekehrt dem als yjSoviq, der von unten her, von der Xumrj kommt, was also Täuschung, yo^Teia, ist. Was daran v)8u oder Xutojp&v scheint, ist es nur in Relation auf seinen Widerpart. Demgegenüber muß man eine reine Lust ins Auge fassen, z. B. an einem Dufte; diesem Genüsse geht Schmerz- gefühl weder vorher, noch folgt es. Also darf man nicht glauben, yjSovy) Xu7t7]<; aTraXXay/j, wenn die meisten körperlichen Lustgefühle auch wirklich dieses sind. Die Schätzung beruht darauf, daß die Menschen sozusagen mit der Skala der Gefühle nicht Be- scheid wissen.

Nun kommt eine neue Gedankenreihe 2). Hunger, Durst usw. beruhen auf einer Entleerung, einem Gefühle der Leere im Körper. Unwissenheit ist eine Leere der Seele. Beidem entspricht die Ausfüllung der Leere, das eine Mal durch Nahrung usw., das andere Mal durch voxic, stcktt^T] oücrßriq 8o£a, auXXTrjßSvjv tzoLgx apsr/j Das sind dieselben Dinge, die Sokrates im Eingange des Philebos der 7]8ovyj entgegensetzt, abgerechnet die «per/]. Nun haben diese an Wahrheit und ouata mehr teil, als was die körperliche Leere füllt 3). Wenn also tcov «puarsi TrpoavjXovTCov TcXr^pouciÖai 7)o*u ist,

*) So können wir es kurz bezeichnen; da eine solche Skala fehlt, wird die Darstellung oft für unser Gefühl umständlich und sogar schwer ver- ständlich. Man sehe z. B. Polit. 283 c 285 a über das Verhältnis von Mohr und Minder zum [iiipiov.

2) Sie kann schwerlich 585 a 8 mit &8e y* ouv oxörsi angereiht werden. Da gehört vielmehr wSe 8' ouv hin.

3) 585 c 7 ist eine schwere Korruptel von Bury glänzend geheilt. Überliefert ist 7) ouv (toü) (Madvig, so nötig wie drei Zeilen vorher (toü>

208 20. PMlebos.

ist es das TiX^poüaOat. tcov Övtcoc; ovtcov in höherem Grade. Mit schönen leidenschaftlichen Worten wird dann die Verkehrtheit der Menge gegeißelt, die sich viehisch den unwahren und ge- meinen scheinbaren (mit Xu7r/] verbundenen) Lüsten hingibt, den ECTXLaypacpr^evai.. Hinzugefügt wird noch, daß auch auf dem Gebiete des Oujj-oeiS^ dasselbe gilt, sogar nach tcX^ctjjlovt] vixt)<; Tt|j.rjC Ouu.oo. Damit ist der Vorzug des ßfo<; cpt,A6ao<poc auch nach der Seite des t]Su erwiesen.

In dieser Partie deutet nichts auf Polemik gegen eine fremde Ansicht. In 584 c fr/] apa 7T£!.0a>jj,£0a xaöapav yjSovyjv sTvat, tyjv XÜ7r/;c aTTaXXay"^ liegt das ebensowenig wie in 584 a iz&c, opQ&q scm (j.r) dcXysiv IjSu y]yzZaQoLi. Zurückgewiesen werden die Irrtümer, in die wir alle in krankhaften Zuständen verfallen, so daß wir schon in dem Aufhören des Schmerzes ein positives Lustgeiühl finden.

Im Philebos, ist das anders. Da ist 43 d bereits bewiesen daß es neben Lust und Schmerz jenen Mittelzustand gibt, der von beiden frei ist. Wenn dann Sokrates fragt, wie Protarchos darüber denke, ötocv axoucryjic coc ^Sierra ttocvtcov ecmv aXi>7rcoc SiaTsXeiv tov ßiov öaiavTa, so brauchte er das von keinem Philo- sophen zu hören, steht doch z. B. bei Euripides Her. 503 [xixpa uiv Ta tou ßiou' toütov 8' o7ioj^ ^Sierra §(.a7iepaa£TS iE, ■yjuipa? zlc, vuxra \irj Xu7tou[jL£voi. Protarchos kennt die Meinung auch; aber nun kommt Sokrates damit heraus, daß die größten Feinde der y)8ov7), die piaXbc Sstvol xa 7ispl cpüoiv, also ein Naturwissenschaftler, aus einer Suoyipziu. cpuaecx; oux dcyevvouc; heraus in der Lust ouSsv \jyikq finden, ihren Reiz für YOY)Tsu[j.a erklären. Den Inhalt ihrer

Ast) del 6[i.oiou oöaioc oüaiat; tl (zäXXov yj £7UGT7)£A7]<; jASTE^ei. Gefordert wird: hat die 7rXr;pMGi<: 8id Tpotpr^ mehr teil an dem Wahrhaft -Seienden oder die ■kXtipuük; Sl' £7:ioT-/j[jt.r)<:. Gleich wird gefragt ti 8' d)o}0siac;. Also ist vor 5 allem ima-z-fiy.-/} herzustellen, und dann muß die Nahrung in oüota stecken. Davon ist ou Dittographie, aia Rest von oiria. Eine meisterhafte Ver- besserung. Was hat es auf sich, daß solche Korruptelen selten sind ? Ge- wiß, der Text ist nicht häufig so schwer verdorben, aber die Verderbnisse leugnet niemand: selten ist in Wahrheit nur der Scharfsinn, der die Heilung bringt. Es schmerzt, wenn das von einem Manne wie Adam verkannt wird, aber da ist es die Folge davon, daß er Textkritik um ihrer selbst willen nicht getrieben hat, sich mit Recht an zahllosen Konjekturen ärgert, die nur Mißverständnis hervorrief, und daher an dem Buchstaben klebt. Meist frisiert sich jetzt die Impotenz als überlegene Vorsicht, und die Unkenntnis von Sprache und Stil hält es für Widerlegung, wenn sie das Anstößige nicht empfindet.

20. Philebos. 2(59

Meinung bezeichnet er mit denselben Worten, die er im Staate 584 a für die Täuschung der Kranken angewandt hatte. Für die irrige Behauptung brauchte er keine Autorität; sie war auch schon widerlegt. Wohl aber bedient er sich jetzt der fremden Be- gründung, nicht als ob sie triftig wäre, aber doch als einer richtigen Ahnung ([xavTsuofxsvcov ou ts/vtji.). Sie haben behauptet, daß die Lust gar nichts Positives wäre, sondern nur die Befreiung von einem Schmerzgefühle, und haben verlangt, daß man das Wesen der Lust aus ihren stärksten Erscheinungen bestimmte; die findet man in der Krankheit, dann in den Ausbrüchen der Leidenschaft, die an Wahnsinn grenzen, wo der Mensch sich im Drange der Lust vor nichts scheut, ußpi;. Dann haben jene 8ucr/zpzZc mit der Lust des Kratzens, wo es juckt, operiert, also mit Zuständen, wo Lust und Schmerz sich mischen, und dazu gehört auch der Paroxysmus der duppoSuria, der 47 a b beschrieben wird: diese Verbindung führt zur völligen Verwerfung der Lust x). Nicht mehr die Sucrysps^, sondern er selbst sieht nun hierin eine Vermischung von körperlichen und seelischen Reizen und ver- folgt das weiter bei Leidenschaften, Zorn, Furcht, Trauer usw., dem Wohlgefallen an Tragödie und Komödie, nutzt also die fremde Anregung aus, um 50 e mit den Suoyspsic abzuschließen. Unmittelbar darauf kommt, was sie nicht nur abweist, sondern positiv überwindet: der Nachweis einer reinen Lust; damit ist kein anderes Ziel erreicht als im Staate. Es ist nur die alte Lehre beträchtlich vertieft.

Die einfache Interpretation führt also dazu, daß der Philebos einen Philosophen heranzieht, der im Staate gar nicht berück- sichtigt war, woraus ja nicht notwendig folgt, daß Piaton ihn damals noch nicht kannte. Er brauchte dort niemanden für die Behauptung, die er abweist, und braucht auch hier nicht die Behauptung, die er mißbilligt und schon widerlegt hat, sondern

x) Piaton selbst hatte schon im Gorgias 497 a aus der Vereinigung von Lust- und Schmerzgefühlen abgeleitet, daß die Lust nicht das rpa—E'.v und das TjSti nicht das ayocGov sein kann. Ebenda 491 d war auch die Lust am Jucken angeführt. All das brauchte er also von den Suaxzpzic; nicht erst zu nehmen, und die Krätze war wohl ein altes Schlagwort, das z. B. dem Heraklit wohl anstehen würde. Im Gorgias redet Sokrates selbst gröber, als es Piaton später sich erlauben mochte. Über Phaidon 60 b vgl. I 171.

270 20. Philobos.

was zu ihrer Begründung angeführt war, weil er auf dem weiterbaut.

Natürlich möchten wir wissen, wer der Naturwissenschaftler war. Daß er so bezeichnet wird, hat manchen auf Demokritos geführt, andere auf Antisthenes die Sucr^epeia (püaeat; oux ayevvou<;. In dieser Charakteristik liegt, daß Piaton die sittliche Gesinnung anerkennt, was wir gern glauben, da er die Verwerfung der Sinneslust teilte; aber er nahm erstens Anstoß an der Über- treibung, die keine xaOocpa v^ovv) gelten ließ, mußte aber auch bei dem Manne auf ein übertriebenes Sucr/spatveiv, einen Mangel an facultas gestoßen sein, sei es, daß sie in zu knifflichem obtopetv beruhte, sei es auf dem absprechenden Wesen, das wir bei einem Moralisten zelotisch nennen. Aber die Gedanken, was an der yjSovtj ist, soll man an ihrer stärksten Form prüfen, und yjSovYj mit Xu7nq gemischt ist nichts wert, fanden seine Billigung, vertragen sie sich doch auf das beste mit der Unterscheidung der „reinen" Lust, bei der es keinen Gradunterschied und keine Verbindung mit der Xutct] gibt.

Haben wir nun einen Anhalt, an Antisthenes zu denken ? Wenn überhaupt, so muß er trügerisch sein, denn ein Natur- forscher war Antisthenes nun einmal gar nicht. Aber was lehren denn die Sprüche [i.av£i7)v [xaAAov rt vjctOslyjv, oder ,,ich möchte die Aphrodite totschießen" ? x) Höchstens, daß er die tjSovy) für ein Übel hielt, keinesfalls nur für eine 00:09077) Xutt/^. Eins wissen wir, das Piaton gar nicht berücksichtigt und doch gut getan hätte, bei Antisthenes zu beachten: 6 tzqvqc, ayaöov. Das lehrten Herakles und Kyros; Arbeit, Anstrengung ist nicht nur der dper/j zuträglich, sondern ist auch eine Lust oder schafft doch eine edle Lust. Aber Piaton hat sich um die Ethik des Antisthenes überhaupt gar nicht gekümmert.

Demokritos war ein Naturforscher, und ein Ethiker war er auch. Daher haben andere, Natorp 2) besonders, ihn hier und

1) Die Göttin statt der yjSov/) nennt auch Philebos, 12 b, was Sokrates ablehnt; Piaton hat ja jedes Hereinziehen der benannten und anerkannten Götterpersonen in die Debatte und Kritik ängstlich gemieden und sicherlich für anstößig gehalten, Antisthenes nicht. So könnte dies auf ihn weisen, aber es muß es nicht, denn die Götternamen metonymisch zu brauchen, war gewöhnlich, und von Aphrodite despektierlich zu reden, genierte sich kaum jemand.

2) Dieser findet gar denselben Demokrit in den lebensfeindlichen

20. Philebos. 271

schon im Staate gefunden. Das letztere ist falsche Interpretation, aber es wäre sehr ansprechend anzunehmen, daß Piaton, nachdem er den Staat geschrieben hatte, wie die physischen und mathe- matischen, so auch die ethischen Schriften Demokrits gelesen hätte und nun einer anerkennenden Berücksichtigung würdigte. Aber wahrhaftig, wenn einer von SuayEp.-ta im Sinne eines Zeloten frei war, so war es der „lachende Philosoph". Dieser Name ist zwar ein Zerrbild des großen Forschers, aber eben aus seiner Beurteilung der Menschen entwickelt, aus seiner Schrift 7t. t\)Quyl'/]q oder besser den ethischen Gnomen. Da wir über seine Lustlehre so v, enig Präzises wissen wie über das meiste, so läßt sich bequem alles mögliche einschieben, und nimmt man Epikur hinzu, erst recht1). Ich halte mich an echte Sprüche: 189 apicrrov avOpcoucot. tov ßtov Siaysiv co<; TrAsuiTa £U0u[i.7]6£vn xat. eAa^icrra avtrjOlvT!.' touto S' av siYj, sl tu; [vr\ . im toZc, Qvqxolai tolc, 7]8ovac 710101x0* 194 cd (i.£yaXat. xiptytsc octto tou öeaaöai ra xaXa tcov spycov yfoovToa. Von Weltflucht ist nirgends eine Spur, ein freier Geist blickt ohne Verachtung, ohne zelotisches Schelten auf die Menschentorheit, und mit Piaton findet er sich in der Anerkennung und Schätzung gerade der reinen Genüsse zusammen, also in dem, was jene Suayepsxq nicht kannten 2). Dennoch will ich die Möglichkeit

Äußerungen Phaidon 69 b, weil da auch oüSev vyiiq und oxiaypa<p£a steht, aber von einer falschen ipg-d), wie 84 a, weil da der Philosoph sich eine yaXrjvrj bereitet, frei von vjSovai und Xörai. Dieser Gedanke führt nur auf den Mittelzustand, den auch der spätere Piaton kennt, der Philebos den Göttern, 33 b. oder auch den Öeioi avSpeq, 22 c, vorbehält. Das Wort yaX7)V7), an dem Natorp Demokrit erkennen möchte, obgleich es bei ihm nicht belegt ist, während crxiaypacpia spezifisch platonisch ist, sollte niemand für etwas Besonderes halten. Die Griechen sind ein Seevolk, und ex xu(jkxtcov yäp aüÖic au yaXrjv' 6pö> ist nicht der einzige Beleg bei Euripides; breiter ausgeführt in einer schönen Sentenz, Diktys 330. yzi\x<xC,zaQ<x.i, das Kom- plement, ist vollends gewöhnlich. Mit diesem Worte, aber in anderen Be- deutungen (im Sturm zu Schiffe sein und schwanken) spielt Piaton Phil. 29 a.

1) Usener Epikurea S. 26(3, der den bezeichneten Philosophen un- benannt läßt.

2) Usener hat Demokrit im Philebos 29 a finden wollen, wo Sokrates an dem Glauben an eine vernünftige Weltordnung festhalten will, xav avvjp Seivö«; cpyji xaü-a u./) outwc; äXX' dcTaxTcot; t/zw. Aber ganz abgesehen davon, ob Demokrit so bezeiclmet werden konnte, dessen äviyxyj keine Unordnung ist: hier ist niemand besonders gemeint, sondern nur Verteidigung gegen jeden Angriff, mag er noch so geschickt und heftig sein. Der Angreifer

272 20. Philebos.

nicht ganz von der Hand weisen, daß Demokrit gemeint sei. Denn seine rastlose Bemühung um die Erklärung aller Natur- erscheinung konnte wohl als ein Suayepoaveiv demjenigen erscheinen, den rasch ermüdete, was für ihn kleinlich war, und wer die euOufii-/) empfahl, konnte immer noch die tjSovv) verwerfen, wenn auch ein Spruch wie xip'bic, x.cd aTsp7UY) o0po<; toov au|i.<p6pa>v xal aau[xcpopcov (B 4. 188) mehr nach Eudoxos klingt. Wir wissen eben von Demokrit zu wenig.

Eine dritte Deutung, von Grote auf die Pythagoreer, führe ich nur an, weil ihr Adam (Exkurs 4 zum Staat Buch 9) geneigt ist, denn sie stützt sich nur darauf, daß unter orocpoi Pythagoreer steckten, hier und anderswo. Das verkennt den Sprachgebrauch und die Bedeutungsgeschichte von aocpo?. Gewiß, Gorg. 493 a verbirgt sich unter den uocpoi Philolaos. Es kann sich eben jeder unter dem allgemeinen Namen verbergen, der entweder allgemein ootpoc, ist oder doch dem Redenden gegenüber. So ist es bei Pindar Nem. 7, 25, wer das künftige Wetter kennt, Eur. Ion 1139, wer den Flächenraum eines Zeltes ausrechnen kann. Im Philebos selbst 43 a sind die crocpot keineswegs dieselben wie die Set-vol t<x rapl <puai.v, sondern die Herakliteer, deren Ansicht Piaton selbst teilt: Sokrates stimmt ihr auch praktisch zu. In der alten Zeit sind «jocpoi die Dichter, weil sie wirklich das aus- gebreitetste Wissen haben, die Sieben Weisen sind dem 6. Jahr- hundert vornehmlich praktische Staatsmänner oder auch ein weiser Richter, Bias, oder ein Denker, Thaies; Solon ist Staatsmann und Dichter. Seitdem Leute mit dem Anspruch auf Wissen als Lehrer auftreten, erben sie mit der Stellung der Dichter auch ihren Ehrennamen. Übrigens handelt es sich hier um einen aocpbc, xa xr\q cpüasoic,, im Menon 81 a um aocpol rcepi. Ta öeca 7rpay[j.aTa: das sind notwendig nicht dieselben Pytha- goreer. Sie sind es an keiner Stelle, im Menon sind ja Propheten und Prophetinnen bezeichnet, und Pindar gehört auch dazu. So scheitert auch dieser Versuch.

Dann zielt hier also Piaton auf jemand, den wir nicht er- nennen; das muß ertragen werden. Gellius IX 5, 4 Speusippus

gehört dann trotz seiner Ssivöty)«; nicht zu den «70901, denn die sind alle der Ansicht des Sokrates 28 d. Der Se'.vö? avrjp hier ist ganz so zu fassen wie die Seivol 7iepl Xoywv oXxyjv 57 d, bei denen niemand an einen bestimmten denken kann.

20. Philebos. 273

oetusqac omnis Academia voluptatem et dolorem duo mala esse dicunl opposiia inter sese, bonum tarnen esse quod ulriusque medium ferat1). Damit ist kein wirklicher Anhalt gegeben, den nur die Begründung der These bieten könnte. Aber ich führe es an, um zu erinnern, daß Platon sehr wohl Gedanken aus seinem Kreise einführen und widerlegen kann, sehr wohl mit dem Seivö? xa rcepl cpuaeooc; einen Schüler kenntlich machen, kenntlich für die Schule; daß auch wir ihn noch erkennen müßten, ist nicht zu verlangen.

Glücklicher sind wir in der Bestimmung der xou-^oi, der gescheiten Leute, die 53 c herangezogen werden, denn in ihnen hat Zeller (Archiv f. Gesch. d. Philos. I 172) mit hoher Wahr- scheinlichkeit Aristipp erkannt. Die Hauptsache ist die richtige Auffassung von Piatons Beweisführung. Die xojx^oi liefern ihm selbst die Waffen gegen sich, indem sie die Lust für yivzaiQ erklären und doch für das ayaöov. Denn die yiveaic, hat immer ein evsxoc, kann also nicht selbst das reXo? sein. Und wenn das v^eerOat. das ayaÖov wäre, würde der v)S6[Aevo<; zum ayaöoq. Das Ganze wird in dem Tone sicherer Überlegenheit vorgeführt, und der Dank für die unfreiwillige Hilfe ist dafür ein sehr ge- schickter Ausdruck. Bestätigt wird die Auffassung durch Aristo- teles Eth. Nik. VII, 1152 b 12, 53 a 13, der freilich den Philebos wiedergibt, aber so, wie es jemand tut, der weiß, worauf Platon zielte. Das tat Aristoteles, da er beim Erscheinen des Buches der Schule angehörte. Nun ist hiermit nicht mehr bewiesen. als daß jemand die Lust für das Gute erklärte, und doch für yevsct? eU «puaiv (ouatav Phileb. 26 d) oaaOvjTY) hielt, mit Aristoteles zu sprechen. Aber das stimmt mit der Angabe über Aristipp bei Diogenes II 87 genau. tzXoq etvai tt)v xara uipo<; tjoWjv, cuSatfjLoviav 8s to ex rcov (xeptxwv -y^ovcov auar/jU-a 2), und die platonische Polemik wird dann vollkommen schlagend, so daß Zellers Deutung sich behauptet, auch wenn man das viele ab- zieht, was er aus allen Teilen des Philebos einmischt (Gesch. d. Phil. II4 332), und die sonstigen Berichte beiseite läßt, die zum Teil sicher erst seine Nachfolger angehen. Es ist in hohem

J) Die Stelle des Aristoteles Eth. Nik. VII 14, die eine Ansicht des Speusippos über die Lust erwähnt, ist leider nicht eindeutig.

2) Die Fassung ist natürlich auch hier nicht original; die S6£ai sind auch die der KupijvaixoC, nicht ihres Stifters.

Wilamowitz, Platon. Bund II. 2. Aufl. 10

274 -0- Philebos.

Grade ansprechend, daß Piaton seiner Beweisführung am Ende Ergänzungen aus fremder Lehre gibt, die er im Staate noch nicht kannte; und den Aristippos, der ihm in Syrakus unbequem genug geworden war, führte er mit Vergnügen ab.

Die Behandlung dieser Lehre gibt sich ganz als Nachtrag, 53 c 55 c. Denn nachdem sich ergeben hat, daß die Lust meist mit Schmerz gemischt, die heftigste Lust aber krankhaft ist, daneben auch schon erfaßt ist, was reine Lust gewährt, und daß auf die Reinheit mehr ankommt als auf die Stärke, ist die Bahn zu der abschließenden Vergleichung der Lebensziele frei. Dazu wird die Beschäftigung mit dem ovtio<; ov als die reine S7ucrry][j.7) erwiesen,, entsprechend der reinen yjSovvj, die vorher bestimmt war, und da nun schon feststand, daß das Gute sowohl 9p6vyi<n? wie 7]Sovtj braucht, die Mischung vorgenommen. Dabei ergibt sich, daß zwar alle smoT'/jjAai, auch wenn sie nicht den övt(o<; ovxa gelten, zugelassen werden, aber von den -/]Sovai außer den echten nur die (j.sö' uyieia? xat tou acor-ppoveiv xod G^\j.7iy.ari<; apexr^, 63 e.

Vergleichen wir dies Ergebnis mit dem Staat, der dem Leben des Philosophen allein das v)8u zuerkennt, so zeigt sich die Über- einstimmung in den Grundsätzen; tatsächlich wird auch jetzt der Philosoph allein die echte Lust genießen, 62 e, allein das Ziel erreichen; aber Piaton hat doch mit der scharfen Unter- scheidung von Wissen und Lust seine Lehre vertieft und zugleich mindestens in der Formulierung dem Leben starke Zugeständ- nisse gemacht. Bedeutendes ist hinzugekommen; von reiner Lust hatte er früher nur den Wohlgeruch; die Vorgefühle envarteter Lust fehlten auch noch, aber was er gibt, ist doch eine neue und verbesserte Bearbeitung der eigenen älteren Behandlung. i Auch in der Hauptuntersuchung über das Wesen der Lust,

die erst 31 e anfängt und bis 42 c reicht, sind die Grundlagen durchaus dieselben wie im Staate: das Schmerzgefühl beruht auf der Empfindung einer Leere, also die Lust auf der Füllung; sie kann bereits in dem Vorgefühle der erwarteten Füllung be- stehen. Wesentlich durch die hier leicht eintretende Täuschung wird bewiesen, daß es auch täuschende Lust gibt. Es wird auch von dem Mittelzustand zwischen Lust und Schmerz Gebrauch gemacht, und wer den Staat im Gedächtnis hat, empfindet, daß sich Sol rates auf demselben Boden bewegt.

20. Philebos. 275

Aber man spürt an dem Widerstreben des Protarchos auch, daß Piaton auf Gedanken gestoßen ist, die das Problem von einer ganz anderen Seite fassen; er möchte sie widerlegen, aber es gelingt ihm nicht nach Wunsch. Protarchos leugnet, daß ein Lustgefühl falsch, täuschend sein könne. Denn das Gefühl ist durchaus real, einerlei ob die S6£a täuscht, die mit ihm ver- bunden ist. Qualitätsunt erschiede der Lust werden zugegeben, es kann also auch eine schlechte Lust geben (worauf sich Sokrates nicht einläßt, 41 a), aber das ändert an dem Lustgefühle nichts. Das hat Protarchos gehört, 38 a; „wir alle", sagt er, ..nehmen an, daß selbst das Lustgefühl des Wahnsinnigen als Lustgefühl keine Täuschung ist", 36 e (so gleich von vornherein 1- c). Sokrates macht die größten Anstrengungen dagegen; seine Ausführungen über die Vorgefühle, über Erinnerung und Wieder- erinnerung dienen diesem Zwecke. Er erreicht auch, daß Prot- archos zugeben muß, an der Lust könnte ein trügerischer Schein haften, und insoweit wäre sie selbst trügerisch. Aber seine These stürzt damit gar nicht notwendig, und er dürfte es eigent- lich nicht uneingeschränkt zugeben, denn mit dem LTnterschiede der reinen Lust von der, die mit Schmerzgefühl verbunden ist. und von der, welche durch eine falsche Meinung hervorgerufen wird, kann er auch von seinem Standpunkte aus einverstanden sein, da er Gradunterschiede anerkennt.

Piaton hat hier also mit einer Lustlehre zu kämpfen, die er in dem Kreise der Sokratesschüler als weit verbreitet be- zeichnet, und er überwindet sie zwar, aber doch nur so, daß die Anerkennung der reinen Lust auf keinen Widerspruch stößt, der Rangunterschied von Wissen und Genießen aber von ganz anderer Seite her erwiesen wird. Das führt zu der Vermutung, daß er im eigenen Lager auf Widerstand gestoßen ist, zwar nicht auf eine Hedonik, wie sie Aristippos auch im Leben ver- trat, denn auf das sittliche Verhalten wirkte die bekämpfte An- sicht nicht ein, aber sie erklärte doch alle Lustgefühle als solche für real und dies Gefühl für das Lebensziel. Das mußte in vielem sich mit den Beweisen des Aristippos decken, so daß es kein Wunder ist, wenn man bei Piaton Beziehungen auf ihn überall finden will. Aber der Unterschied ist im Praktischen bedeutend, denn Protarchos kennt auch eine schlechte Lust, und auf dem Gebiete der Moral denkt er nicht anders als Sokrates.

18*

276 ^0. Philebos.

Wenn der eine sagt, die Lust ist das Höchste, und sie in dem sittlich vollkommenen Leben und in der wissenschaftlichen Forschung findet, der andere aber eben dieses als das Höchste betrachtet und als eine Folge davon gelten läßt, daß darin auch reiner Genuß liegt, so können sie sich in der Tat sehr gut mit- einander vertragen, und wenn sie über den Rangunterschied von e7tt<n7J(i.yj und yjSovv) streiten, wird das so ziemlich eine Doktor- frage.

Wir erfahren durch Aristoteles Nik. Etil. X 2, daß Eudoxos die y]Sovyj für das Gute hielt, weil jeder sie erstrebt, genau vie die Nahrung (er konnte also, wie Piaton zu tun pflegt, vorn Hunger ausgehen); er bestritt auch, daß sie um eines anderen willen erstrebt würde (sie war also nicht ^iveai^eic, oucuav, wie für Aristoteles), und sagte zu ihrer Empfehlung, daß sie den Wert anderer Güter, z. B. des sittlichen Lebens, erhöhte, womit er dem Piaton geradezu den Weg zu seiner Lösung wies, der ja nun ebenfalls Lustgefühl und Wissen um das Ewige verbindet. Danach dürfen wir wohl als hinreichend wahrscheinlich be- trachten, daß Eudoxos dem Piaton Veranlassung gegeben hat, seine Lustlehre erneut durchzudenken und neu zu behandeln. Er hat das erst nach dem Tode des Freundes getan; er polemi- siert nicht, sondern er berichtigt; wie verschieden ist die Be- handlung der Ssivol t7<; cpuasco^ und des Aristippos; und er kommt zu einem Ergebnis, das zwar alle seine Grundsätze bewahrt und einen starken Rangunterschied macht, aber, indem er Lust überhaupt als einen notwendigen Faktor für das Lebensglück, nicht nur als eine Folgeerscheinung der Sittlichkeit anerkennt, hat er doch dem Freunde Zu- geständnisse gemacht. Wohl auch darin, daß seine Betrach- tung sich ganz in diesem Leben hält. Da darf indessen auch nicht vergessen werden, daß der wichtige Gedanke des Eudoxos, das Streben nach der Lust als Naturtrieb, in der Anerkennung der „notwendigen yjSovat" nur ungenügend berück- sichtigt ist.

Schließlich muß noch die Lehre des Timaios herangezogen werden, die im Zusammenhange mit der Lehre von den Sinnen vorgetragen wird, 64 d. Eine starke Empfindung erzeugt, wo sie dem Natürlichen zuwiderläuft, Schmerz, umgekehrt Lust; schwache Empfindungen kommen nicht zum Bewußtsein. Das

20. Philebos. 277

kommt im Philebos in der Auseinandersetzung mit dem Natur- forscher zur Besprechung, 43. Der Gesichtssinn ist ein Beleg für Empfindungen, die zwar bewußt werden, aber weder Lust noch Schmerz erregen, der Geruchsinn dafür, daß zwar die Leere nicht als Schmerz, wohl aber die Füllung als starke Lust emp- funden werden kann. Das Beispiel stand schon im Staat; hier wird nur die physiologische Seite der Erscheinung behandelt. Der Standpunkt ist also der des Philebos, wie zu erwarten; aber natürlich brauchte das Buch deshalb nicht geschrieben

zu sein.

21. Briefe.

Briefe Piatons hat Aristophanes von Byzanz in der Sammlung der platonischen »Schriften vorgefunden; darin liegt nicht, daß er unsere Sammlung vorfand, die erst für Thrasyllos oder Derkyllidas als bezeugt betrachtet werden darf; Cicero kennt die falschen Briefe. Es ist durchaus unglaublich, daß der zwölfte Brief schon zur Zeit des Aristophanes "bestand, denn er stammt aus einer Korrespondenz des Archytas und steht mit dessen zugehörigem Schreiben bei Diogenes VIII 80, trägt auch den Vermerk, ein dvriXeyo^evov zu sein. Er zieht mindestens den neunten mit sich, eine Mahnung über das Thema oft, 7zoXns\)GZTa.i 6 CT096?. Hinter dem falschen zwölften Briefe steht als letzter der Brief an Dionysios, der also offenbar später zugetreten ist, als zwei bis acht schon bestanden. Für die älteste Sammlung scheidet er also aus; wie ich ihn beurteile, ist in dem Kapitel „Dions Tod" gesagt. Eine Stelle erfordert noch ein Wort. 360 b sendet Piaton dem Dionysios tcöv IluOayopetwv xat, twv Sicapecrstov, unveröffentlichte, vielleicht gar nicht zur Ver- öffentlichung bestimmte Aufzeichnungen über Gebiete, auf denen er, wie Dionysios weiß, gerade arbeitet. Es ist also ausgeschlossen, daß er ihm die Dialoge Sophistes und Politikos schickte, in denen die beiden Begriffe, welche die Titel nennen, durch aSoiv 8i<xipeaic, bestimmt werden. Diese Dialoge lagen dem Verfasser des Briefes vor. und er wußte auch wohl sonst, daß Piaton in der Schule das Si-oapstcröai übte, wußte davon doch selbst der Komiker Epikrates. Daher läßt er Proben dieser ctxoXoci schicken. liuOa- y6p£ioc aus Piatons Feder enthält der Timaios. Mochte der schon erschienen sein oder nur bekannt, daß Piaton die pythagoreische Lehre behandelte, in beiden Fällen lag die Erwähnung dieser Studien nahe; Piaton wird gerade in Syrakus sich um üuöayopeKx bemüht haben. So ist die Stelle ganz verständlich, und die IiXarcovo? Sw.tpeast-c, die Aristoteles ein paarmal erwähnt, können

21. Briefe. 279

nichts davon noch dazu tun. In diesem Buche, das in der Schule aus den Nachschriften der Disputationen erwachsen war, haben wir die Grundschrift anzuerkennen, die dann vielfach über- arbeitet., auf den Namen von Piaton oder Aristoteles gestellt, schließlich in mehreren Brechungen auf uns gekommen und von Mutschmann herausgegeben ist. Weil sie unter Piatons Werke nicht einmal als voÖov Aufnahme gefunden hatte, glaubte Diogenes Laertios etwas Verdienstliches zu tun, wenn er sie in seinen ßio<; aufnahm. Nun liegt das Material bequem zur Prüfung vor, und das Urteil kann nicht schwanken. Zeller II 438 hatte im wesentlichen richtig geurteilt, und der Versuch, von hier aus den 13. Brief zu retten, schlug jeder gesunden Interpretation ebenso ins Gesicht wie der literarischen Tradition des Buches Siaipeos^. Wenn 9, 12 und 13 unecht sind, wird natürlich auch die Herkunft von 10 und 11 bedenklich; der erste ist ein gleich- gültiges Billett mit Komplimenten an einen Aristodoros. In dem anderen lehnt Piaton ab, sich an einer Koloniegründung zu be- teiligen, die der Adressat Laodamas betreibt. Man möchte ihn mit dem thasischen Mathematiker Leodamas, Diog. Laert. III 24 gleichsetzen. Er hat auch Beziehungen zu dem jüngeren Sokrates, dem Genossen des Theaitetos, von dem man nicht leicht einsieht, was er mit der Kolonie zu tun haben kann. Aber da möchten ja unbekannte Voraussetzungen gewesen sein. Piaton lehnt ab, weil er die unsichere Reise scheut, vor allein, weil er der Sache nicht traut. Er verlangt eine Behörde, die das sittliche Leben der Einwohner in fester Hand hält; dafür wird es keine Leute geben, also hat er kein Zutrauen x). Es ist nicht sehr schmeichel- haft für Laodamas, daß die Geschichte gezeigt haben soll, nur die Macht in den Hände l eines xaXo^ xat, ayaOo^ kann einen Staat zur Blüte bringen. Der Verdacht ist stark, daß der Brief Piaton als Tyrannenfreund einführen will: so etwas konnte im 3. Jahihundert: wo so viele „Tyrannen", durchaus nicht immer zum Schaden ihrer Städte, aufstanden, zur Rechtfertigung in Umlauf gesetzt werden. Aber da die Voraussetzungen durchaus nicht rein fiktiv zu sein scheinen, ist das Urteil unsicher. Nur

l) 359 b. Was nötig ist, habt ihr nicht, sondern -• für das Weitere betet zu den Göttern, d. h. nur die können helfen. Das sieht aus wie nach dem siebenten Brief 331 d gemacht; aber so konnte sich auch Piaton wiederholen.

280 21. Briefe.

wird das Stilgefühl auch mitreden dürfen, und das spricht gegen Piaton.

Die Reihe 1 4 gehört zusammen, und 2 4 sind sicher von demselben Verfasser: die sklavische Abhängigkeit vom siebenten Briefe ist vernichte id. Daß Piaton eine Geheimlehre hat, ist ein Mißverständnis, daß er seine Dialoge als ein xaXöt; xal vioq Dwxpaxy]? geschrieben hätte, eine Tollheit 1). Ganz kindisch ist, daß die 7rpoo£[K<x vc[i,o>v fertig gewesen sein sollen, aus den Gesetzen: als ob diese Predigten für den praktischen Gebrauch bestimmt gewesen wären. Für den Kenner von Piatons Sinnesart ver- letzt vielleicht am meisten die Sorge um den Nachruhm. Aber die Unechtheit dieser Stücke bedarf keines Beweises mehr. Auf welchen Namen der erste Brief verfertigt ist, kann man schwanken, aber Ficinus wird mit Dion recht haben, obgleich es arg ist, daß sein Verwandtschaftsverhältnis ignoriert wird 2). Über den fünften an Perdikkas hat Dümmler Kl. Sehr. I 121 richtig geurteilt, daß er ebenso wie der 30. Sokratikerbrief auf einen echten Brief des Speusippos zurückgeht; der 31. Sokratiker- brief, Piaton an Philipp, gehört auch dazu 3).

1) Vgl. I 125.

2) Die gelehrten Hypothesen von Immisch, Philol. 62, halten nicht Stich. Ich glaube, nicht tiefer darauf eingehen zu müssen. Höchst wert- voll ist das Programm von Adam über die Echtheit der platonischen Briefe, Berlin 1906.

3) Brief 5 behandelt zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Das erste ist die Empfehlung des Euphraios für die königliche Kanzlei des Perdikkas II. Dem wird die Tatsache zugrunde liegen, daß dieser wirklich eine Weile in dieser Weise tätig gewesen war. Ein makedonischer König hatte Hellenen nötig, die ihm seine diplomatischen Schreiben auf- setzten. Daß Euphraios in Athen eine Weile gelebt hat, sagt Demosthenes in der dritten Philippika 59 ff., wo er seinen Untergang erzählt; er nahm

^sich das Leben, als Oreos 343 in die Hände der philippischen Partei über- ging, hatte also die Beziehungen zu Makedonien gelöst. In dem Briefe des Speusippos an Philipp, wie ihn Karystios las (Athen. 506 e), hatte er Perdikkas bestimmt, seinem Bruder Philippos einen Teil des Reiches abzutreten. Darauf ist der 31. Sokratikerbrief gebaut. In dem fünften unserer Piatonbriefe hat Perdikkas den Piaton ersucht, auf Euphraios günstig einzuwirken; die Antwort empfiehlt ihn für die X6yot (Jiovapx^« Das ließe sich hören, wenn nicht die Begründung dabei stünde, daß jede Staatsform ihre besonderen X6yoi hätte. Denn das dient dazu, im zweiten Teile Piaton zu entschuldigen, der zwar darauf Anspruch erhebt, der Demokratie raten zu können, aber sich doch nicht auf die praktische Politik

21. Briefe. 281

So bleiben die drei Briefe sechs bis acht. Von sechs hatte ich schon früher anerkannt, daß ich gegen seine Echtheit keine Instanz wüßte. Ich habe ihn anstandslos verwertet; er trägt den Stempel von Piatons unnachahmlichem Altersstil und ist ein kost- bares Dokument seiner Denkart 1). Aber sieben und acht hielt ich für unecht, wesentlich aus dem Gefühle, daß es wider Piatons Art ist, von sich zu reden. Das ist es, aber darum ist die Aus- nahme gerade wertvoll: man muß sie nur als solche verstehen. Die historische Zuverlässigkeit, an der mir kein Zweifel war, konnte ebensogut bestehen, wenn die Akademie ihren Meister kurz nach seinem Tode verteidigte. Und dann verstand ich da^ philosophische Mittelstück nicht, urd ein Kenner Piatons wie Konstantin Ritter hat sich nicht zu helfen gewußt und eine Inter- polation angenommen. Aber er erkannte den Stil. So kann

Athens einläßt, weil er dabei nur zugrunde gehen würde, ohne etwas zu erreichen. Es ist ebensowenig vorstellbar, daß Piaton für die Demokratie besser als für alle Verfassungen gute Ratschläge hätte geben wollen, wie daß er sich bei einem jungen fremden Könige über sein Verhältnis zu Athen ausließe. Dagegen ist es dem Brief Schreiber sehr wohl zuzutrauen, Piaton zu Ehren die guten Ratschläge von einem Könige angenommen werden zu lassen, die Athen hätte haben können, aber verschmähte. Der Schluß des Briefes bedarf noch der Erklärung und Verbesserung. Es ist ein Kritiker eingeführt, der von Piaton in dritter Person redet; das behält die Verteidigung zuerst bei. Er würde dem Demos sehr gern wie einem Vater raten, wenn er nicht meinte, in Gefahr zu geraten, ohne etwas zu erreichen. Nun setzt direkte Rede ein, 322 b 5 tocütov Sri olpca Spxaui av xal tyjv e(*y)v au[ißooX7)V zl yäp S6£aiu.sv aviarox; exsiv, 7toXXa av x«'Pe'-v "Ö^v sittwv sxto<; av yiyvoiTO -zr\q 7tspl i\x.h xal xa e|i.a aufißouXYjc. Da hier nur von einer Sache die Rede ist, kann xaoxöv nicht richtig sein. Das erledigt sich leicht : tccut' ouv Stj ; dieselbe Verderbnis ist 322 a 2 nur von O 2 berichtigt. Viel schwerer ist der Sinn: „Das also, glaube ich, würde auch mein Rat bewirken". Damit wird nur aufgenommen, was eben in dritter Person gesagt war, lediglich zur formalen Überleitung. Der doppelte Ausdruck hat das xal nach sich gezogen. Nachher ist r, itepl &{J.h xal xa e[xa aufxßouXr) ein Rat, der Piaton zum Objekte hat; das kann also nur etwas sein, was Piaton in eigener Sache sagt, und die Athener darum in den Wind schlagen, weil sie meinen, daß er äviaxox; e/si. Piaton nennt oft Menschen so, die sich nicht mehr bessern können, und die Missetaten, die sich nicht wieder gut machen lassen (ältere Sprache sagte av7)xs<rxa): dem entspricht dies insoweit, als das Volk den Piaton x°"pelv ^ät, wenn es einsieht, daß er sich nicht bessert, d. h. keine Raison annimmt. So hat es der Verfasser gemeint; aber Piaton hat so nicht geredet.

J) Einen scheinbaren ävißeren Anstoß beseitigt Brinkmann Rh.M.60, 226.

282 21. ßriefe.

in der Tat nur der Piaton der Gesetze geschrieben haben. Zur Änderung des Urteils bin ich nicht von dem Briefe aus ge- kommen, sondern, als ich die politische Haltung Piatons in den Jahren 404 390 verstanden hatte, fand ich sie in dem Briefe wieder. Das schlug durch. Nun machte ich mich an die schwierige Interpretation des Ganzen; daß jede Hypothese einer Interpolation schon darum hinfällig ist, weil sich die seltsame Zert eilung des historischen Berichtes allein durch die philo- sophische Abschweifung erklärt, sah ich bald. Da saß also die Schwierigkeit; da setzte ich an. Aber nun erläutere ich das Ganze und hoffe, über die Echtheit sind die Akten geschlossen.

Der siebente Brief.

Piaton beginnt damit, daß die Anhänger Dions ihm ver- sichert haben, sie hielten an dessen politischem Programme fest und bäten ihn um tätige Unterstützung. Dazu erklärt er sich unter der Bedingung bereit, daß sie wirklich Dions Politik fort- setzen wollen; aber er ist sich offenbar bewußt, daß dies Programm präzisiert werden muß. Er weiß am besten, was Dion vorhatte, denn es stammt von ihm. Er hat den jungen Dion seiner Zeit für seine politischen Grundsätze gewonnen : jetzt soll sie Hipparinos, Dions Sohn und Erbe, befolgen; dazu muß er sie hören, hören auch, wie sein Vater auf den rechten Weg gelangt ist, den er dann bis zum Ende verfolgt hat. Wir verstehen leicht, daß diese Mahnungen auf den jungen Mann berechnet sind1). Wenn aber

1) Man muß scharf aufpassen, um durch die Schleier der greisenhaften und doch sprachgewaltigen Kede zu den Gedanken durchzudringen und unter den kalt anmutenden Schnörkeln den Pulsschlag des Gefühles zu r bemerken. „Ich kann am besten über Dions Absichten reden, denn als ich zum ersten Male nach Sizilien kam, war er so alt wie Hipparinos jetzt; auch die Meinung, die er damals gewann (sg/sv), hat er immer behalten. Da ist es wohl möglich, daß es dem Hipparinos jetzt ebenso geht." Das ist schon auf das Wesentliche zusammengezogen und würde doch einfach so lauten: denn ich habe dem Dion das Prinzip mitgeteilt; er hat es trotz seiner Jugend angenommen und festgehalten. So läßt sich dasselbe von dem ebenso jungen Hipparinos erwarten (324b). iiq S'tjv 6 xpÖKoq T7)<; yevsosox; aüxyj«; oux dvä^iov axouaoa vsan xod frr] v£gh. Darin ist die ylweaiq 86^qq aus dem Satze vorher zu entnehmen, et«; r/]v ocutvjv So'ocv 7rspi rcoXiTsiat; cxcivw. yevs aOai aü[i.cppova. Der junge Hipparinos soll es hören, die anderen olxsiot. auch, aber auch ,alt und jung', das Publikum: es ist ein offener Brief.

21. Briefe. 283

Platon von seiner eigenen politischen Entwicklung anfängt und weithin selbst den Mittelpunkt des Berichtes bildet, so findet das in dem angegebenen praktischen Zwecke seine volle Berechtiguno- nicht : da muß also noch etwas anderes beabsichtigt sein.

Er fängt damit an, daß er von vornherein eine politische Laufbahn im Auge gehabt hätte, sich seinen Verwandten unter den Dreißig x) angeschlossen, was er mit seiner unerfahrenen Jugend entschuldigt 2), aber bald angesichts ihrer Übergriffe sich von ihnen abgewandt. Als Beispiel ihrer Übeltaten erscheint der Versuch, den Sokrates durch Teilnahme an der Verhaftung des Leon zu kompromittieren. Der Name wird nicht genannt: die Sache stand in der Apologie. Die demokratische Restauration erhält anerkennende Worte, ganz wie im Menexenos. Aber da kommt die Hinrichtung des Sokrates xara riva tu/tjv: sie wird der Regierung nicht auf das Schuldkonto gesetzt. Sie trat nur zu anderen Beobachtungen über die Politiker, die Gesetzgebung (die z. B. den Ekklesiastensold einführte) und die Sitten: Platon ward reifer und sah, daß er außerhalb jeder politischen Ver- bindung stand und keine gründen konnte; vergeblich wartete er zu, bis er die Überzeugung gewann, die Rechtsverhältnisse im Staate und im Leben der Bürger überhaupt müßten vom Stand- punkte der wahren Philosophie aus betrachtet werden, wo sich dann die Forderung ergab, entweder müßten die Könige Philo- sophen oder die Philosophen Könige werden. Das war seine Überzeugung bei seinem ersten Besuche in Italien und Sizilien. Da fand er eine solche Hingabe an ein bloßes Genußleben, daß

„Von Anfang an will ich es euch erzählen: jetzt ist der rechte Moment dafür." Er ist sich bewußt, daß er über sich der Welt Rede stehen muß. Das Prinzip hat er kurz und scharf formuliert, die So^a ist Supxxoaiou? oiEöOai Selv £X£u0spou^ elvai xara vo;i.ou<; xouc äpiaTOix; olxouvTa<;, also Freiheit, aber gebunden durch die beste Verfassung; das ist immer noch eine All- gemeinheit. Sprachlich beachte man das abundierende oisaOai.: das ist für diesen Stil charakteristisch, wer beim Lesen etwas aufmerkt, wird eine Aufzählung von Belegen nicht verlangen.

x) Xeben den Dreißig erscheinen die Zehn im Peiraieus und die Elf in der Stadt, zwei Behörden mit denselben polizeilichen Funktionen. Man hat die Angabe beanstandet, bis sie durch die Politie des Aristoteles 35 bestätigt ward.

2) OaupiaGTÖv ouSev szaOov \>r.b veot^to; d. i. yprt Oau;j.a^£'.v ei TOiaüra k'rrxOov vioq vi; rv (324 d 3).

284 21- Bnofe«

überall ein beständiger Wechsel der Verfassungen stattfand, aber kein Mensch sich um Gerechtigkeit bekümmerte. Die Reise führte ihn auch nach Syrakus, ohne besondere Absicht, aber da traf er I)ion: das ward auch für die Gegenwart entscheidend.

Ob Piaton seiner politischen Überzeugung schon 390 die bekannte epigrammatische Form gegeben hat, mag dahinstehen. Inhaltlich war seine Überzeugung keine andere; es hat sich gezeigt, daß seine Schriften die Wahrheit dieses Berichtes be- kräftigen. Es war sein Recht, sich hier schon der Kürze wegen des Schlagwortes zu bedienen, zumal er Dion 328 a auf das- selbe hinweisen läßt. Die Klage über die sittenlose Lebens- führung ist nicht unwesentlich, weil es an dieser liegt, daß Dionysios II. nicht bei der Philosophie bleibt. Von dem Besuche in Syrakus erwähnt er nur die Begründung der Freundschaft mit Dion. Den Zusammenstoß mit dem Tyrannen vermissen wir und können den Grund des Schweigens nicht erraten, schon weil wir über die Tatsachen nicht unterrichtet sind.

Eine rhetorische Frage, 326 e, macht uns deutlich, daß wir nun an dem Punkte sind, dem wir zusteuerten. Er bekehrte den jungen Dion zu seinen Prinzipien in der Lebensführung und in der Politik, aber er selbst hatte gar keine Ahnung davon, daß er damit den Grund zur Zerstörung der Tyrannis legte *). Wenn er das so stark betont, ahnen wir, daß andere, Philistos z. B., daran erinnert haben werden, der ist schon einmal hier gewesen und hat revolutionäre Ideen verbreitet. Rasch über- springt er die zwanzig Jahre bis zum Tode des Dionysios I., ver- weilt aber um so länger bei den Bitten, die Dion nun an ihn richtete, er möchte zurErziehung des Dionysios II. hinüberkommen. Zur Bekräftigung führt er den Inhalt eines Einladungsschreibens ran 2) und komponiert als Pendant eine Rede, die Dion hätte

1 ) 327 a 4 äyvoeiv öti Tup<xvv'.8o<;T(,va Tporcov xaT&uaev Iff0fiiv7)v (jLYjxavw^evo«; sXiivflavov !(iocut6v. Wieder Doppelbezeichnungen ayvoslv und sXavOavov £|jiauT6v.

2) 327 e 3 entschuldigt, er die Breite, die durch Anführung von Dions Worten entsteht. Diese beginnen in direkter Rede, gehen in ein indirektes Referat über und nehmen zum Schluß die direkte Form wieder auf. Da- bei ist ein Anakoluth entstanden; das Partizipium x.a.TctXtfOiv, von dem alles abhängt, verliert seine Kraft, als mit öaxe die direkte Rede wieder einsetzt. Die Worte Dions zeigen denselben Stil wie Piatons Brief; ob er wirklich so schrieb ? An dem Inhalt hat man ausgesetzt, die jüngeren

21. Briefe. 285

halten können, falls er verbannt zu einem Piaton gekommen wäre, der zu vorsichtig und bequem die Reise gescheut hätte. Es liegt ihm eben alles daran, die Motive seiner Reise klarzustellen, und wenn er einfügt, deshalb wäre er gereist, ou/ 5j& Ttve? e86£a£ov (328 c 3), so wird es klar, daß er sich rechtfertigen will, recht- fertigen gegen Vorwürfe, die den Lesern bekannt waren, in Syrakus schon durch Tradition, sonst durch Briefe und Streitschriften, die seine Absichten ganz anders deuteten; natürlich sollte er beabsichtigt haben, den Dionysios zu berücken und seine Herr- schaft zu untergraben (333 c). Schwer ist's ihm geworden, zu gehen, das soll auch hervortreten. Dion hat ihn geholt, zu Dion ist er gegangen: das ist die Hauptsache. Dionysios hat ihn nicht eingeladen. Wenn das so war, konnte allerdings die feind- liche Partei den Vorwurf erheben, er hätte sich unberufen ein- gedrängt, trüge also selbst die Verantwortung für die Folgen. Die Darstellung bei Plutarch (Dion 11) überträgt hierher, was erst für die letzte Reise gilt, Einladungen von Dionysios selbst und den Pythagoreern, zu denen Piaton allerdings bereits Be- ziehungen hatte, wenn er sie nicht auf der Überfahrt geknüpft hat, was wohl denkbar ist (338 c). Daß Dionysios den berühmten Mann bei seinem Erscheinen mit großen Ehren begrüßt hat, wie Plutarch 13, vermutlich nach Timaios, erzählt, kann wahr sein; aber Verlaß ist auf die Anekdoten nicht, da auch hier dieselbe Übertragung der späteren Verhältnisse vorliegen kann.

Piaton erklärt, den Hof schon in voller Zwietracht und Ver- wirrung gefunden zu haben, so daß er während der ersten drei Monate, als Dion noch in Syrakus war, seine Reformvorschläge der Partei Dions nicht unterbreiten konnte (338 a b); wir ergänzen aus Plutarch 13 (Timaios), daß Philist os nach Syrakus zurück- gekehrt war und dem Dion mit Erfolg entgegenwirkte. Da wäre es in der Tat allzu unbedacht gewesen, von der Einschränkung der Stellung des Herrschers zu reden, ehe dieser gewonnen war. Dann erfolgte der Sturz Dions; er ward gewaltsam ab- geschoben *), und man erwartete, Dionysios würde im Stile seines

Brüder des Dionysios wären noch nicht reif genug gewesen, Piatons Lehren und Mahnungen aufzunehmen. Wie unbedacht: die Kritiker haben wohl den Charmides und Lysis vergessen.

l) Der glaubwürdige Bericht, zu dem Piaton stimmt, steht bei Plutarch 14, ein ganz anderer bei Diodor IG. 0, der bei Xepos 4 weiter

286 21. Briefe.

Vaters handeln und Piaton mit den anderen Hauptanhängern Dions beseitigen. Das lag nicht in seiner Natur; er ließ Piaton in seinem Schlosse Wohnung nehmen, eine Auszeichnung, die doch zugleich eine Fessel war, und suchte durch aufdringliche Höflichkeil den berühmten Mann auf seine Seite zu ziehen. Piaton hielt dem Dion die Treue, hat aber doch offenbar an der Lernbegier des Dionysios Gefallen gefunden und auf fremde Einflüsse geschoben, daß die volle Bekehrung ihm nicht gelang. Ganz kurz erzählt er 330 c, daß er endlich abfuhr, geht zu ganz anderem über und kommt 338 auf denselben Punkt zurück. Der Leser soll das merken, denn dieselben Worte stehen an beiden Orten. 330 b 8 6 Ttpcöto? Svj xpovoc t% s^ SixsAiav l(x% zniSruAcu; xal Siarpiß% Sia 7ravToc raura auveßy] yevofjieyo?. 338 a 1 6 TrptÖTO? /.povoc; t% h StxeXiai StaTptß% [ioi SieTOpavOvj 1). Ebense vertröstet er 330 c 5 den Leser, der etwas über die dritte Reise zu hören erwartet, auf später und nimmt 337 e 5 diesen Gegenstand auf. Das stört demjenigen empfindlich seine Erwartung, der eine zusammenhängende Erzählung sucht. Aber Piaton ist ja davon ausgegangen, daß er Dions Prinzipien dar- legen will, die von ihm selbst stammten. Daher hat er erst berichtet, wie er zu diesen Prinzipien gelangt ist, die in der Forderung gipfeln, der Fürst soll Philosoph sein. Dann haben wir gehört, daß Dion persönlich dieser Lehre gemäß zu leben beschloß, und daß er den Piaton nach Syrakus zog, damit er den Dionysios zum Heile von Sizilien ebenfalls bekehrte. Dieser Versuch ist mißlungen. Da fehlt durchaus, was denn eigentlich der Inhalt von Piatons Predigt war; die bloße Forderung zu philosophieren kann es doch nicht sein; dazu war Dionysios in seinen Mußestunden durchaus geneigt. So kommt diese Haupt- sache, das Ipyov, 330 c 9, jetzt. Es ist die Mahnung an die Adressaten; aber die sollen ja Dions Grundsätze befolgen, die von Piaton stammen, die Piaton dem Dionysios gepredigt hat, das ist alles dasselbe. Es ist also ganz in der Ordnung, daß

verdorben ist. Nun scheint es aber bei Plutarch, als wäre alles bei ihm auf Timaios zurückzuführen, was verbieten würde, Timaios bei Diodor zu finden. Es ist wohl nur die Initiative des Philistos von Plutarch auf die Autorität des Timaios gestellt.

x) Richards hat seltsamerweise an y.povoc, Anstoß genommen, weil es nicht the first Urne sein kann. Gewiß nicht; in xpovo«; liegt die Dauer, Ihe first pcriod mußte er verstehen und übersetzen.

21. Briefe. 287

nun bis 337 e die eru{*.ßouX^ folgt. Genau genommen kommt der Rat, den die Adressaten erbeten haben, allerdings noch lange nicht, sondern eine Erörterung der allgemeinen Prinzipien, und diese überwiegen überhaupt. Wir merken, um der praktischen Ratschläge willen ist dieser Brief nicht geschrieben. „Der Arzt überzeugt sich erst, ob der Patient sich der richtigen Diät zu unterwerfen willens ist, che er die Kur übernimmt. So mag man auch keiner Bürgerschaft raten, die jeden Politiker mit dem Tode bedroht, der ihr zumutet, die falschen Bahnen zu verlassen. Demgemäß hat Piaton sich gescheut, ungerufen mit seinem Rate zu kommen, ebenso wie er Zwang nur einem Sklaven gegenüber anwenden würde. Zu dem eigenen Vater- lande steht er wie zu den Eltern, denen man, wenn sie einen falschen Weg gehen, weder darin Vorschub leisten noch ver- gebliche Vorstellungen machen wird. Seine Ansicht wird er äußern, vorausgesetzt, daß es nicht vergeblich ist oder ihn nur das Leben kostet; aber mit Gewalt wird er das Richtige nicht aufdrängen er muß sich bescheiden und dem Vaterlande nur wie sich selbst das Beste wünschen."

Das soll gewiß auch Dions Grundsatz gewesen sein; aber der ist doch zur Anwendung von Gewalt gegen Dionysios ge- schritten. Viel mehr gilt es für Piaton, verteidigt ihn, dem man in Syrakus entgegenhalten durfte, warum kommst du zu uns, wo du doch zu Hause mit der Reform anzufangen alle Ver- anlassung hättest. Übrigens ist das Ganze aus dem Staat 425 bis 426 genommen, nur die Tonart ist anders geworden; man fühlt, am eigenen Vaterlande hat er verzweifelt.

In dem Sinne hat Piaton auch zu Dionysios geredet, So der Übergang; der Inhalt der Mahnung ist doch anders. Sie läuft darauf hinaus, daß er, außer selbst einen verständigen Lebenswandel zu führen, sich auf verständige Freunde stützen sollte, im Gegensatze zu dem Mißtrauen, durch das sein Vater vereinsamt wäre. Als Beispiel werden ihm Dareios im Verhältnis zu den sechs Genossen, mit denen er den falschen Smerdis ge- stürzt hatte, und sogar die athenische Demokratie vorgeführt, die sich siebzig Jahre durch die Parteigenossen in den Bundes- staaten gehalten hätte (332 b) l). Die Mahnung lief also darauf

l) Das Urteil über die athenische Reichspolitik darf nicht befremden, man darf auch keine Billigung darin finden. Ganz so urteilt der Feind

gg 21. Briefe.

hinaus, sich der Führung Dions anzuvertrauen. Als Ziel aber ist ihm die Befreiung Siziliens von den Karthagern und die Herstellung der zerstörten Städte aufgestellt. So hat Piaton geraten: wie falsch ist es dann, ihm die Absicht unterzuschieben, Dionysios stürzen zu wollen.

Wenn wir dem Piaton glauben, daß er in diesem Sinne auf Dionysios in den ersten vier Monaten einzuwirken versucht hat, so hieß das freilich, daß Dion die Leitung des Herrschers und des Staates übernehmen wollte. Kein Wunder, daß sich da Philistos wehrte. Aber auch die Herstellung der griechischen Städte durfte den Getreuen des Dionysios ein Abfall von dessen richtiger Politik scheinen: die Verpflanzung der Bewohner aus den früher selbständigen und daher eigenwilligen Städten nach Syrakus war, wie die Dinge lagen, die notwendige Vorbedingung für die Errichtung eines sizilischen Reiches. Die Herstellung der alten berühmten Orte (332 e) klang wunderschön; aber sie brachte Kleinstaaterei, Zwietracht und Ohnmacht. Sizilien hat es nach der Restitution durch Timoleon erfahren.

„Die falsche Auffassung von Dions Absichten hat den Dio- nysios dazu getrieben, ihn zu verbannen, und hat am Ende seinen Tod herbeigeführt, so daß nun andere sein Werk fort- setzen müssen." So etwa war der Fortschritt der Gedanken geplant; aber da drängt das eigene Gefühl sich vor (333 b 3). „Die Syrakusier haben ebenso wie Dionysios den Dion, ihren Befreier, in dem Verdacht gehabt, nach der Tyrannis zu streben; das hat ihm den Tod gebracht. Piaton aber kann sagen, wie das zugegangen ist. Er ist (auf der dritten Reise) hingegangen, um Versöhnung zwischen Dion und Dionysios zu stiften; alle Lockungen und Versprechungen des Dionysios haben ihn seinem Freunde nicht abspenstig gemacht. Dagegen Kallippos und sein Bruder (die Namen nennt er nicht, aber jeder verstand sie) haben sich in seine Freundschaft eingeschlichen und ihn am Ende ermordet. Davon soll Athen keine Schande haben, ist doch Piaton auch ein Athener, der dem Dion die Treue ge- halten hat."

dieser Demokratie in der alten 7coX. 'AOvjv. 3, 10, wenn er die parteiische Politik zugunsten der Demokraten in den Reichsstädten mißbilligt und zugleich von jenom Standpunkte aus für berechtigt erklärt.

21. Briefe. 289

Gewiß ist das eine Abschweifung, aber gerade weil sie es ist, fühlt man die Gewalt der vorbrechenden Empfindung, fühlt man, daß Piaton auch um seiner eigenen Ehre willen reden muß. Es war in seinen Augen kein besonderer Ruhm, daß er für Schmeicheleien und Bestechungen nicht empfänglich war; es ist wahrhaftig nicht unbescheiden, wenn er sagt, seine Freund- schaft mit Dion wäre auf die Gemeinsamkeit der Studien, der IXeuÖspa 7rat,8ebc, gegründet gewesen unbegreiflich, daß man das ruhmredig findet. Wog seine Person nicht schwerer als die der kompromittierten Akademiker, deren ja mehr waren als bloß die zwei Mörder ? Wir werden nicht bezAveifeln, daß er den Kallippos abschütteln will, und daß er es in Wahrheit nicht erreicht und nicht erreichen konnte, denn zur Akademie hatte der Verbrecher nun einmal gehört. Aber wohltuend ist es, daß er für Athen eintritt, denn daß dieses unter der Schande zu leiden hatte, die ihm sein Bürger Kallippos eintrug, folgt auch aus 336 d; wir wissen aus Plutarch 58, daß Kallippos nach seiner Tat an die Athener geschrieben hatte; in dem Briefe mußten die Vorwürfe gegen Dion stehen, die Piaton widerlegt, konnten Angriffe auf Piaton stehen.

Endlich kommt er zu seinem Ratschlag (334 c 3); er muß die Abschweifung decken, indem er versichert, er hätte alles im Hinblick auf diesen gesagt. Das erste ist, wie er es immer gesagt hat, Syrakus und die anderen Städte Siziliens sollten frei sein, aber einer Verfassung gehorchen. Und nun überkommt ihn wieder das Gefühl. Dion ist bei dem Versuche, so etwas zu erreichen, umgekommen. Das darf uns nicht irre machen. Die Seele ist unsterblich, und es gibt ein Gericht nach dem Tode. Da ist es ein geringeres Übel, Unrecht zu leiden als Unrecht zu tun. Wenn das die Sklaven ihrer bösen Lüste nicht glauben, so werden sie es am Ende büßen. Wohl darf Piaton den Mördern Dions und dem Dionysios grollen, denn sie haben beide seine schönen Hoffnungen zerstört. Dion wollte die Herrschaft der Gerechtigkeit gründen: wäre Dionysios ihm gefolgt, so würde die ganze Welt die Wahrheit der platonischen Staatslehre ein- gesehen haben, daß kein Staat und kein Mensch zur euSoafxovta kommt, der sich nicht an die Gerechtigkeit hält, sei es, daß er sie aus sich besitzt, sei es, daß er von anderen zu ihr (nicht

Wilamowitz, Platon. Band II. 2. Aufl. 19

2D0 21. Briefe.

gezAvungen, sondern) in rechtlicher Weise (suStxtoi;)1) erzogen wird. Dies letztere, Erziehung durch Dion und Piaton, sollte dem Dionysios zuteil werden; daß er sich das gefallen lassen sollte, war freilich für den Tyrannen eine zu starke Zumutung. Die schönen Pläne Dions, zu denen auch die Befreiung von Sizilien gehörte, sind durch Dionysios freilich zu Schanden gemacht; Dions Sieg über ihn würde einen so starken und allgemeinen Eindruck schon nicht mehr gemacht haben. Jetzt ist auch das zerstört; die Hoffnung mag gering sein2), aber versuchen muß man, dieselben Pläne durchzuführen, und das kann ausschließlich durch diejenigen geschehen, die ihr eigenes Leben nach Dions strengen Grundsätzen einrichten3). Zu der neuen Besiedelung von Sizilien mag man dereinst Kolonisten aus ganz Hellas zu- ziehen, zurzeit heißt es sich bescheiden und sich vertragen, wozu alle Parteien nachgeben müssen. Zur Versöhnung und zur Einführung einer gerechten Verfassung muß man einen Staat von Hellas um Vermittlung bitten, um die Entsendung einer Kommission, den Streit zu schlichten, die Gesetze zu geben und einzuführen. Genaueres wird nicht gesagt; das wundert uns, da es zu dem Umfang des Schreibens in stärkstem Mißverhältnis steht; die Ergänzung der praktischen Vorschläge liefert der achte Brief. Ohne diesen ist die Behandlung hier freilich nicht zu rechtfertigen; Brief 7 hat eben in Wahrheit einen ganz anderen Zweck.

Nun ist die schon oben bezeichnete Stelle erreicht, an der auf den ersten Aufenthalt bei Dionysios zurückgegriffen und die

x) 335 e 1 £ÜSixc<>^, das aus starker Verkennung geändert worden ist, steht mit Bedacht am Ende. Es ist wesentlich, daß Dionysios nicht auf irgendwelche unrechtmäßige Weise unter die Leitung Dions gebracht 3 werden sollte.

2) Man muß das fühlen, wenn 336 b 5 vüv Ss das Unheil einleitet, das Dions Tod gebracht hat, und 336 c 1 vüv 8e 8rt z\xpri\i<^[Ltv /dcpiv otcovoü einen Ausbruch der Verzweiflung unterdrückt. „Ich will nicht sagen, was ich erwarte."

3) 336 c 6 töv jxy) Suvajjuvov 6|j.gW Acopicm £vjv, das paßt eigentlich nicht auf die Adressaten, denn Dions Freunden mußte er Besseres zutrauen; aber diese ganze Mahnung zur Versöhnlichkeit gilt ja in Wahrheit dem ganzen Volke. Selbst wenn die Adresse mehr als bloße Form wäre, dürfte man an der Erweiterung der Anrede nicht Anstoß nehmen. Noch weniger darf man es, wenn in der theoretischen Partie 342 b 3 ein allgemein ge-

haltener Imperativ Xaߣ steht.

21. Briefe. 291

Erzählung fortgesetzt wird (337 e 3). Der Rat ist erteilt, um den die Adressaten angeblich gebeten haben; der Brief hat aber kaum die Hälfte überschritten. Es dürfte wirklich nicht ver- kannt werden, daß er mehr und anderes will, als sein Eingang angegeben hat, daß Piaton in eigener Sache zu der ganzen Welt redet.

Dionysios und Piaton scheiden auf Grund einer Vereinbarung. Der Tyrann geht in einen Krieg (nach Italien), Dion soll seine vorläufige Entfernung nicht als eine Verbannung betrachten, und sobald Dionysios als Herrscher fest im Sattel sitzt, soll er mit Piaton nach Syrakus kommen. Als der Krieg zu Ende ist (etwa 362), ladet der Tyrann den Piaton wieder ein, Dion aber (der unterdessen im Genüsse seines Vermögens geblieben war und seinen Wohnsitz in Athen gehabt hatte) sollte noch ein Jahr fernbleiben. Piaton lehnt ab, was ihm auch Dion verdenkt. Mittlerweile hatte Dionysios sich auf die Philosophie geworfen; die Anwesenheit von Archytas und anderen (wir Avissen es von Aristippos, Aischines und Polyxenos) hatte seine unbestreitbare Lernbegier und zugleich seine Eitelkeit geweckt. Er wollte zu gleicher Zeit den Piaton hören und doch den Schein erwecken, als wüßte er schon von dessen Lehre Bescheid. „Jetzt ist meine Pflicht, die Wahrheit zu sagen und mich darein zu finden, wenn jemand meine Philosophie verachtet und die wahre Einsicht bei dem Tyrannen findet" (339 a 3). Wer so redet, kündet eine Auseinandersetzung über die Lehre an (sie steht in dem Abschnitt, den viele auswerfen wollen). Es kommt ein Kriegsschiff, dem Piaton eine bequeme Überfahrt zu sichern; es kommt ein Ge- sandter, der ihm als Pythagoreer willkommen ist; es kommt ein schmeichelhaftes Schreiben, das doch die Drohung enthält, daß Dions Sache verloren ist, wenn Piaton nicht kommt. Er unter- drückt die Schmeicheleien urd teilt die Drohung im Wortlaute mit. Von allen Seiten drängt man ihn; da gibt er nach Es verlangte ihn auch, sich zu überzeugen, ob sich der junge Mann wirklich der Philosophie zugewandt hätte. Er hatte die Er- fahrung gemacht, daß ein begabter Jüngling, wenn er auch nur Halbwahres über die Philosophie gehört hatte, von der Sehnsucht nach dem rechten Leben erfaßt werden könnte: so redet ein erfahrener Lehrer. In dieser freilich trügerischen Erwartung machte er sich trotz allen Bedenklichkeiten auf die Reise. Er

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überzeugte sich sofort, daß Dionysios von den schiefen Lehren, die er gehört hatte, ganz eingenommen war, und schlug den bewährten Weg ein, vor allen Dingen die Einhaltung eines ver- ständigen Lebenswandels zu fordern. Wer sich darin nicht über- winden kann, ist für die Wissenschaft verloren. In dem Sinne waren die Lehren gehalten, die er Dionysios damals gab; nach den Hauptsachen trug der auch wenig Verlangen; er bildete sich ja ein, alles schon zu wissen. „Und nun soll er über das, was er damals gehört hat, geschrieben haben, sozusagen ein Lehrbuch eigener Fabrik; nichts stünde darin so, wie er es gehört hätte." In diesen sehr zugespitzten Worten liegt ein beißendes Urteil: die Schrift des Dionysios beansprucht Originalität und handelt doch über eben das, w-as er gehört hat1). Damit ist er für Piaton erledigt, und daß er die Philosophie wie die Kochkunst oder die Rhetorik in ein Handbuch, eine Te^vy], bringt, genügt auch zur Kritik. ,,Aber andere haben, wie ich weiß, gerade über dies (was ich behandelt haben soll) geschrieben; wer und was sie sind sie wissen's selber nicht 2). Aber das weiß ich, daß sie von der Sache nichts wissen können, denn ich habe nicht darüber geschrieben, werde es nicht tun, kann es nicht (341 c 4)." Und nun folgt das Geständnis, das ich I 650 ganz mitteilen mußte, aus dem wir schließen, daß die Ver- leumder das profaniert hatten, was Piatons heiligster Glaube war, das letzte Ergebnis seiner Wissenschaft, das wahre Ver- ständnis aller Dinge, und doch nicht mehr ein (j.a0v][j.a, das sich mitteilen ließe, denn ,,es leuchtet plötzlich in der Seele auf, wie

1) 341 b dcxoüco yeypaipevai ocutöv 7tepl &v tote 7]xouas auvOevra <!><; ocutou texv7)v, oüSev tcöv ocutöv 6>v äxoüoi,. Wie der Optativ zeigt, sagte Dionysios

-, Ypa<pto oüSsv t&v ocutwv wv t^xouov. Und doch ist der Gegenstand derselbe. Darin liegt, Traprjxouaev, eitcep Ttspl töv cxütöv ou ra aüra ypd^ei.

2) 341 b 5 äXkouq jiiv<TOi, die Adversativpartikel ist nötig) Tivac; olSa yeypacpoTai; 7tEpi rwv aÜT&v toutcov, o'ixivzq 8s oü8' ocütoi ocutoü<;. Es ist ge- wiß nicht leicht, sich dabei zu ergänzen oitive? 8k oüx olSa, oü8' auxoi ccutou? taaaiv. Aber die Ellipse malt die Verachtung zugleich und den Hohn. Ich er- gänzte zuerst ol'-uvei; 8s (ou), oüS' ocutoi ocutoÜi;; das wäre viel leichter, aber ich halte es nicht mehr für nötig. Den Verfasser wird Piaton schon gekannt haben, aber es schiert ihn nicht; es ist doch einer, der äyvost aurö? socutov. In oitive«; steckt eben nicht die Frage nach der Person allein, sondern auch nach dem, was sie bedeutet. Für Piaton ist der Verfasser nicht vorhanden, weil er nichtig ist.

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wenn ein Funke in sie hineinschlägt". Die Worte klingen orakel- haft und bleiben es zunächst, denn zu unserer Überraschung fährt er fort (342 a 1): „Ich bin darauf verfallen, ausführlicher darüber zu reden; es wird dann verständlicher werden. Hier gehört etwas her, das ich oft gesagt habe, und das dem, der hierüber irgend etwas sagen will, widerspricht", also seine Be- hauptung, Piatons Ansicht zu kennen, widerlegt. Es ist ganz richtig, daß hier ein Einschub ist; 341 e hängt mit 344 a zu- sammen. Piaton wird wirklich eine Einlage gemacht haben, aber Piaton hat sie gemacht; 344a nimmt auch den Gedanken von 341 e in neuer Form auf, so daß dort die Verknüpfung sogar ganz eng ist.

Er gibt zunächst eine Erkenntnislehre, und es ist wahrlich von hohem Werte, diese knappe Formulierung zu besitzen; wenn der Brief nicht geächtet gewesen wäre, hätte sie manche Aus- deutungen der letzten logischen Schriften berichtigt. Zum Wissen von jedem Ding, sagt er, braucht man dreierlei, den Namen, die Definition (den Xoyo«;), das Modell (342 b 1). ovopta und Xoyo^ sind uns aus Theaetet und Sophistes bekannt 1); das Modell oder die Zeichnung, an anderen Orten ausgelassen, hat hier seinen Platz, weil mit dem Kreise exemplifiziert wird, wie es in der Akademie üblich gewesen zu sein scheint 2). Das Vierte ist Wissenschaft oder richtige Meinung (die Verbindung befremdet auch nicht, stimmt vielmehr zu Timaios und Philebos), die sich in der Seele bilden, verschieden von den drei Wegen sinnlicher Erkenntnis, verschieden auch von dem Fünften, dem wahrhaft Seienden, dem yvo^o-Tov, wie hier für das gewöhnliche votjtov steht, ein Zeichen von Piatons Abneigung gegen starre Terminologie; yvcocTov steht ebenso an der bedeutsamen Stelle des Staates 517 b, bei der Deutung des Höhlengleichnisses. In dem Beispiele ist dies ,,die Natur des Kreises", und es wird hinzugefügt, daß es mit jeder Form und Farbe, mit den sittlichen Begriffen (aya86v

1) Eudemos bei Simplikios Phys. 98 rechnet die Unterscheidung von Övo[i.a und X6yo<; dem Piaton zu besonderem Verdienst. Piaton schärft sie. in den Gesetzen 964 a ein; 895 d gibt. er die drei, ouaioc, ~k6yoq, ovoyux.

2) Aristoteles exemplifiziert mit dem Kreise gleich am Anfang der Physik; Metaphysik Z 1036 b polemisiert er gegen den jüngeren Sokrates, der die Idee des Menschen neben den materiellen Menschen stellen will, coorrep dcveu to>j )(aXy.ou x6v xüxXov.

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SCxaiov xaXov), mit allem axeuaffrov (also auch der xXiw) des Staates) und cpuaixov, den Elementen, und mit den ev 'buy.u.ic, rß-t] [xat,] Tcepl Tiot-r^aTa xai TraO^u-axa au(j.TiavTa, also den Tugenden ebenso stünde1). Das sind also die ct&q. Von ihnen (von dem ganzen Reiche des yvcocrrov) ist das Wissen nicht vollkommen zu erlangen, wenn man nicht die vier, Namen, Zeichnung oder Modell, Definition und hziarrnLV} oder aXr,(% 86£a (von dem ein- zelnen sISo?) einigermaßen erlangt hat 2). Einigermaßen 3). denn die vier tragen immer in die Erklärung jedes einzelnen Öv ein tcoiov hinein, weil die Sprache das öv rein zu bezeichnen außer- stande ist. Da wird ein Verständiger sich hüten, es in Worte fassen zu wollen, vollends es durch die Schrift grundsätzlich zu fixieren4).

Und noch eine Erwägung. Der gezeichnete Kreis 5) ist niemals ein wirklicher Kreis; damit übernimmt Piaton den alten Einwand des Protagoras (B 7 Diels). Der Name ist ganz will- kürlich gesetzt, so daß „rund" ebensogut „gerade" bedeuten könnte; damit stellt sich Piaton auf den Standpunkt des Hermo- genes im Kratylos. Die Definition bedient sich der Sprache, wirtschaftet also mit den unzuverlässigen Wörtern. Dadurch wird auch die s7n,<TT/)[A7) getrübt. Denn wir suchen zwar das Öv, das ti (das roSe, wie sich der Timaios 49 e ausdrückt), aber ge- boten wird uns überall nur das tcoiov, überall ist ja Sinnliches dabei, und so wissen wir uns nicht zu helfen 6). Solange wir

1) (342 d 7) xat zerstört den Sinn, denn grammatisch ist dann r.zpi mit dem Akkusativ neben rcepi mit dem Genetiv unerklärlich. Vgl. 343 e 4 'i\\c, zr)q tyu'XjiS e^? [iaöelv ziq xs xa XEy6[AEva 7)6y). Der Ausdruck steht auch 334 d 2 und schon im Staate 400 d, aber etwas anders gewandt.

2) 342 d 8. Wenn dieser Gedanke mit yap angeschlossen wird, so stutzt man, denn auf das nächst Vorhergehende kann es sich nicht beziehen, Piaton denkt an die Behauptung, von der er ausgegangen ist, 342 a 7.

3) Hier ist ^pö? yap xoüxok; nur verständlich, wenn es auf a.[i&c, ye n<x>q geht, das demnach zu betonen ist.

4) yeypajj.fj.Eva xütcok;. Vgl. Gesetze 816 c, der Gesetzgeber soll Ei^/jyeiaöa!. xtiuous, was dann der Beamte in der Praxis im einzelnen durchführen soll.

5) ev xoaq 7rpa^Eai ypa<p6|j,evo<;, der bei den praktischen Übungen in der Geometrie gezeichnet wird. Phaidr. 27 ld 8 ist es geradezu ,,in der Praxis".

6) 343 c 1. Das grammatische Verständnis ist auf den ersten Blick schwierig, daher stehe hier die Paraphrase exaaxov xtüv xexxapcov 7rpoxeivet. X7jt i^uxrji [ir] CtjxoÜ[zevov (xö tcoiov), TTapexexou Se ael Xey6[i.evov xal 8et,xvu- (ievov.xoas ai<j6r)<7s<Jt,v suEXeyxxov, ßaxe 7ravx' avSpa anopiocq e|j,7:£fj.7rXaa0ai.

21. Briefe. 295

uns über das Sinnliche nicht erheben, spüren wir nicht, wie lächerlich es ist, wenn die Antilogiker uns widerlegen. Auf dem Gebiete des Seienden erreichen sie im Urteil der Welt dasselbe, auch wenn nicht die Seele, die Vernunft und echte Erkenntnis des Philosophen, die Schuld trägt, sondern nur die Unzuverlässig- keit der vier Wege der Erkenntnis. Erst lange Arbeit (Siaycoy/j) auf allen Wegen führt wirklich zur imczruir;, und dann gehört immer noch eine besondere Begabung dazu, des Schülers und des Lehrers. Wo dem Schüler die intellektuellen und moralischen Eigenschaften fehlen, wird ihn der Lehrer, und sähe er selbst so scharf wie Lynkeus, nicht zum richtigen Sehen bringen (344 a l)1). Es muß eine innere Verwandtschaft (angeborene Empfänglichkeit) zu Lernbegabung und Gedächtnis hinzutreten: wo sie fehlt, nützen die beiden anderen Begabungen nichts, so sehr sie sich auf anderem Gebiete bewähren mögen. Ebenso- wenig reicht die Empfänglichkeit ohne sie aus. Und dann kostet es immer viel Zeit und Arbeit, Studieren an Namen und Defini- tionen, sinnliche Beobachtung und dialektische Prüfung, schließ- lich, wenn man alle menschliche Kraft zusammennimmt 2), geht einmal das Licht der Erkenntnis auf. Damit sind wir, wie die Aufnahme desselben Bildes lehrt, auf den Punkt zurückgekehrt, an dem die theoretische Abschweifung ansetzte. Die Folgerung, daß Piaton hierüber nicht geschrieben hat, schließt sich an. Aber ehe wir zu ihr übergehen, muß erledigt werden, was er Theoretisches vorträgt.

Verkennen wird man nicht die Erfahrungen des Lehrers. Sie klingen trüb, nicht weil Begabung oder sittlicher Wille oft nicht zureichten, denn das kann keiner anders erwarten, sondern weil auch den Höchstbegabten eben die Empfänglichkeit für das fehlte, was dem Piaton das Entscheidende war. Ob ihn über- haupt ein Schüler außer Theaitetos ganz befriedigt hat ? Aristo- teles gewiß nicht; man könnte geradezu vermuten, daß er ihn und seine Leugnung der Ideenlehre, besser ihr Mißverständnis,

1) Man hat das Bild getadelt und kann es tadeln. Lynkeus war durch sein scharfes Gesicht zum Augenarzt nicht befähigt. Aber pedantisch ist der Tadel doch, denn hier handelt es sich um die Übertragung der Seh- fähigkeit von dem Lehrer auf den Schüler.

2) 344 b 7 hlzk>x\i^z ^övqaic, xai voü? auvTSivovxt, (odteivcov codd.) ö~i uaXiaTa. Ich verdanke die Verbesserung Frl. Eva Sachs.

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im Auge hätte. Von Dion hat er dies Studium der Philosophie nicht verlangt. Auch die eigene Erfahrung wird man nicht verkennen. Ihm selbst ist die Erleuchtung plötzlich gekommen, gewiß weil er mit aller Kraft des Geistes auf allen Wegen auf sie hingestrebt hatte, aber doch plötzlich, und nicht so, daß es ein \i.6iQr\[i<y gewesen wäre, wie der Beweis für einen mathe- matischen Satz Es ist natürlich keine Einwirkung von außen, keine Offenbarung, die ihm geworden ist; aber den Zustand, in dem ihm die plötzliche Erleuchtung kam, werden wir doch mit dem Phaidros eine Beta fxavta nennen können. Voraussetzung war die wissenschaftliche Arbeit mit allen ihren Mitteln, aber es liegt ihm hier daran, deren Unzulänglichkeit zu zeigen, selbst die des rerapToy, der strengen Wissenschaft. Daß er diesen Vor- behalt in seinem Unterrichte, also auch in seinen Schriften, nicht macht, obgleich er für alles gilt, ist begreiflich, denn das müßte abschrecken. Wenn wir im Sophistes die Scheidung und Verbindung der el'Sy) als Aufgabe der Dialektik kennen lernten und uns auf den Xoyo? verließen, so wird das hier ein- geschränkt, weil die Rede menschlich, also mit den voyynk inkommensurabel ist. Das Reich der Ideen, die er mit diesem Namen zu bezeichnen meidet, wird so weit erstreckt wie nur möglich, so daß auch die axeuaaTa hineinfallen. Das klingt sehr anders als im Timaios; aber in dem Vorbilde des Alls, das der Demiurg schafft, muß doch alles und jedes enthalten sein. Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis, aber das, dem es gleicht, muß im Unvergänglichen sein. Das unlösbare Pro- blem, den Zusammenhang des Ewig - Seienden, Ewig - Wahren, mit dem Sinnlichen, Vergänglichen, hatte er durch die Setzung von Vorbild und Abbild, wenn nicht zu lösen geglaubt, so *ioch veranschaulicht. Die Fähigkeit der Seele, das Ewige zu fassen, obwohl die Sprache nicht zureichte (und in Worten denken wir nach seiner Ansicht), hatte er aus der avafxviQcut;, also der Präexistenz der Seele, hergeleitet. Gibt er sie jetzt auf, ersetzt er sie durch die plötzliche Erleuchtung ? Das werden wir uns hüten zu behaupten. Wir brauchen ja nur zu überlegen, daß er diese Lehre hier nicht vortragen konnte, überhaupt keine positive Lehre. Wir mögen es lieber so sagen: als er den Gedanken faßte, wir haben die Wahrheit und das Sein in einem früheren Seelenleben geschaut, wir

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.stammen aus dem Reiche her, in das wir uns sehnen, da, mit und in diesem erlösenden Gedanken, kam ihm die Erleuchtung. Er drehte den Hals , der auf die Scheinbilder der Sinnlich- keit gerichtet war , um : da fand er den Weg zum Lichte der ewigen Sonne. Dies Umdrehen , dies Richten der Seele auf das Seiende, versucht er an seinen Schülern; kein Wunder, wenn es ihm geht , wie er es im Staate 516 beschreibt. Es geht eben mit Belehrung, geht mit Gewalt nicht: jeder muß die Fähigkeit mitbringen, muß die eigene Kraft daran setzen. Der Lehrer kann nur durch z\)\j.zvzlc, zXzyyoi dazu helfen. Wie wahr ist diese Erfahrung, die an den fremden und an der eigenen Seele.

Und nun der Schluß, um dessentwillen alles dies gesagt war (344 c 1). „Ein ernster Mann (arcouSoaoc, einer dem es ernst ist, und den man ernst nehmen muß) wird über o-7rouoaia, die es wirklich (nicht bloß für ihn) sind, unter den Menschen nicht reden und damit erreichen, daß sie es verhöhnen und nichts damit anzufangen wissen1). Mit einem Worte: wenn jemand etwas geschrieben hat, als Gesetzgeber in Gesetzen oder wie sonst, so ist es ihm nicht o-7CQuoai6T<xTov gewesen, vorausgesetzt, daß er ein o-7rou8oao<; ist; es mag bei ihm nur an dem schönsten Orte stehen, den er ihm geben kann. Hat er es aber wirklich als ea7cou8aafiivov niedergeschrieben, dann hat ihn die Rücksicht auf die Menschen verführt", also Eitelkeit und Effekthascherei, und er ist kein GnovSctZoq.

Eine schwere Stelle. Eins ist zwar deutlich, aus Effekt- hascherei hat Dionysios geschrieben oder schreiben lassen. Piaton als ctzouSolioq hat das, was ihm das cj^ouSaioxaTov war, niemals schriftlich von sich gegeben, das ist also seine Erleuchtung, und was sie ihn schauen ließ. Der schönste Eleck, an dem er sie bewahrt, ist der Schrein seines Herzens. Hat er aber überhaupt nichts ge- schrieben, das die Gegner mißdeuten, indem sie sagen, da haben wir sein a-reouSaioTaTov ? Das kann unmöglich sein, denn bloß

1) 344 c tö>v Övtcjv (ovtco??) axrouSoucüv -rcepi zoXXoü Sei u-tj ypa'jia«; tcote sv avÖpc'jzoi.«; elq <p66vov xai dc7rop(av xaTaßa>./]i. Da ist ocütoc zu ergänzen, denn intransitiv kann xaTaßdcXXeiv eiq . . . nicht sein, das ihm aktiv geläufig ist, obgleich das dcTropetv wie das 90oveiv die Menschen angeht. Daß xaTaßäX-rji, nicht das Futurum, hinter 7roXXoü 8tl richtig ist, lehrt die Syntax und belegt Gorg. 517 a.

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mit dem, was sie als seine Mitteilung an Dionysios vortrugen, konnten sie keinen Eindruck bei dem Publikum machen, dem doch Piatons Schriften vorlagen. Wir haben auch einen Anhalt. Was soll die Erwähnung eines Gesetzgebers? Ein Solon oder Lykurg hat doch hier nichts zu suchen. Erst wenn der vo^oOeTT^ des Staates (die Gesetze gab es noch nicht), der sich öfter so nennt, verstanden wird, erhält das seine Pointe. Im Staate ist das uaÖYjfza gXxov izpbq ty)v ouctuxv behandelt, 521 d, 524 e, im Staate wird die iSea tou ayaOou als ein ettexsivoc überraschend, beweislos eingeführt, und zu einer kmaxri[iri wird sie doch nicht. Daran konnten sie sich klammern, behaupten, er hätte dem Dionysios die letzten Schleier fortgezogen, dabei wäre heraus- gekommen, daß nichts dahinter war. Das verletzte ihn auf das tiefste; er war sich bewußt, nur andeutend geredet zu haben, wie er ja den Sokrates nur widerstrebend sich äußern läßt, und das Entscheidende, die subjektive Erfahrung, die Notwendigkeit der inneren Erleuchtung verschwiegen zu haben.

Nach diesem |j.u6o<; xal TrXavo^, dieser „Abschweifung in ein Märchenland", aus der drückenden Gegenwart in die himmlischen Regionen, wird die direkte Zurechtweisung des Dionysios wieder aufgenommen (344 d 3). Es ist nun klar, daß dieser nichts Ver- ständiges in seiner Schrift hat sagen können, die Piaton offenbar sehr gut kennt. Hätte er von dem Entscheidenden etwas gewußt, so würde er geschwiegen haben wie Piaton. Aber ihn trieb Eitelkeit, mag er nun auf Originalität Anspruch erheben oder Piatons Schüler sein wollen. In der einzigen Unterweisung, deren dieser ihn gewürdigt hat, kann er es nicht gelernt haben; weshalb es zu Weiterem nicht kam, wird sich jetzt jeder sagen können (Dionysios erfüllte die Bedingung nicht, sein Trinken zu 5 lassen). Wenn er gemeint hat, daß Piatons Lehre nichts taugt, so steht dem das Urteil sehr viel kompetenterer Männer ent- gegen. „Wenn er aber meint, sie bedeute etwas für die freie (liberale) Erziehung einer Seele, wie konnte er den yjys^wv xal xüpio? toutcov so leichtfertig in seiner Ehre kränken? (345c 1)." Diese Selbstbezeichnung in Piatons Munde? Homer ist yjysfxwv rcaiSsias, Staat 600 a; so mochte er sich allenfalls nennen, aber xupux;, dazu gibt es keine Parallele. Nein, das ist aus der Schmähschrift angeführt; da war es Hohn; dazu im Gegensatz steht bei Piaton aTt[j.a^sw. Isokrates hat ähnlich Piaton mit

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den ol ev zolc, epicmxoit; Xoyoic öuvo.ctt£uovt£^ boshaft bezeichnet. Antidosis 261. Mit dieser Anführung aus dem Buche, gegen das sich Piaton verteidigt, stimmt die eben erschlossene von dem vojxcO-hr/ji; vortrefflich.

Den Rest des Briefes nimmt eine wohl zusammenhängende, anschauliche und leicht verständliche Erzählung der Erlebnisse und Gefahren ein, die Piaton auf der dritten Reise durchgemacht hat. Das wird geschickt so angeschlossen, daß es zeigen soll, wie unwürdig Dionysios den 7]ys[i,cov xal y.üpioc, behandelt hat. Den Dank dafür, daß er ihm das Leben ließ, hat er schon früher ausgesprochen, 340 a. Heimgekehrt trifft er Dion in Olympia, zieht sich dann ganz zurück. So trifft ihn keine Verantwortung für Dions Zug und das weitere Unheil. Er meint noch jetzt, er würde Dion zurückgehalten haben, wenn Dionysios diesem sein Vermögen gelassen hätte. Dions beste Absichten sind immer dieselben geblieben, und man darf es ihm nicht zum Vorwurf machen, wenn er der Verruchtheit von Menschen zum Opfer gefallen ist, die er zwar als schlecht kannte, denen er aber doch diese äußerste Niedertracht nicht zutraute.

Zum Schlüsse wird kurz konstatiert, daß der versprochene Rat erteilt ist, das lange Verweilen bei der dritten Reise wird entschuldigt. Alles erschien ganz unbegreiflich: jetzt wird klar sein, daß Piaton zu allem seine guten Gründe hatte.

In diesen Schlußworten spricht sich der doppelte Inhalt und der doppelte Anlaß des Schreibens deutlich aus. Einmal zwang Dions Tod durch den Akademiker Kallippos zu öffentlicher Stellungnahme; der Rat, der den Freunden Dions erteilt wird, Meierte viel mehr die Form, als daß er inhaltlich von Bedeutung wäre, forderte aber die Ergänzung des achten Briefes. Das andere war die Schrift des Dionysios oder des für ihn arbeitenden Literaten, und was es sonst an Angriffen auf Piatons Ehre als Mensch und Schriftsteller gab. So wie das sich hier durch- einanderdrängt, konnte es nur aus der Feder und der Seele dessen kommen, dem Dions Tod und die Schmähschriften gleichermaßen an die Seele griffen. Es bedarf keines Wortes mehr daß der Brief von Piaton 352 verfaßt ist, als Kallippos, aus Syrakus ver- trieben, noch lebte, ein offener Brief, für das Publikum bestimmt, nur zum Schein für die Adressaten. Es ist ein umfangreiches Buch geworden, yj (j.syaXv) oder [xoexpa e7U<7toXy), wie sich Aristeides,

800 21. Briefe.

Eusebios und Proklos ausdrücken. Wenn wir dann anerkennen, daß Piaton hier, nur hier, von sich redet, so muß der Stein, den wir Bauleute verwarfen, ein Eckstein werden.

Der achte Brief.

Hier steht es nicht so, daß sich die Echtheit aus dem Inhalt erweisen läßt, denn es findet sich mindestens ein unbestreitbarer und für uns unlösbarer Widerspruch mit der sonstigen Über- lieferung. Hier haben wir über ein Faktum danach zu ent- scheiden, ob wir den Brief für echt oder nicht echt halten. Nun steht er aber im Stile, in der Sinnesart, in der Tendenz mit dem siebenten so durchaus in Harmonie, zeigt auch dasselbe Verhältnis zu den Gesetzen wie jener, daß er von ihm nicht ge- trennt werden kann. Diesen Stil nachzuahmen gelingt niemandem : man sieht es an Philipps Epinomis, die den Versuch mit übelstem Erfolge macht, und an den jämmerlichen Machwerken Brief 2 bis 4. Hätte Adam, der den Stil treffend beurteilt, sich die Frage richtig gestellt, so würde er den achten Brief nicht verworfen haben.

Der Hauptanstoß liegt darin; daß Dion einen Sohn Hipparinos hat, den Piaton für die erste Stelle eines Königs in Vorschlag bringt. Geleistet hat dieser offenbar noch nichts, aber es kommt doch wesentlich auf seinen Entschluß an, 357 b. Er ist, wie uns der Anfang des siebenten Briefes belehrt, etwa so alt, wie Dion war, als er Piaton kennen lernte, also etwas über 20 Jahre. Der Name Hipparinos steht nur im siebenten Briefe, aber man ver- steht die Stellen des achten, 355 e und 357 c erst ganz, wenn der Sohn Dions denselben Namen führt wie Hipparinos, der Sohn fies Dionysios I. ; damit derselbe Name nicht verwirrte, hat ihn Piaton hier unterdrückt. Hipparinos hat der Sohn auch bei Timonides geheißen1), und Plutarch 31 verläßt sich mit Recht auf diesen Zeitgenossen, gibt aber an, daß Timaios ihn Aretaios nenne; Arete hieß seine Mutter; wenn Timaios von 6 'Apetctioq Aiovuafou uioe redete, so konnte Plutarch mißverstehen, was so gemeint war wie Gorg. 482 a 6 KkzwUioc, oütoc, und eben um nicht durch die Namensgleichheit mit dem Sohne Dions

1) Bei Polyaen V2, 8 steht in derselben Geschichte 'lmtapiovoc,, Flüchtig- keitsfehler.

21. Briefe. 301

zu verwirren, konnte er so reden. Als nach dem Fall des Kastells die Familie des Dion befreit wird, erscheint der Sohn, wird aber als raciSiov bezeichnet, 51. Kurz vor Dions Tode nimmt er sich o-yeSov ocvtitox!.«; wv aus einem kindischen Anlaß (7roa8t.>d] v-P'/Ch) das Leben, 55. In diesen Stellen steht kein Name; aber Plutarch kennt nur den einen Sohn. Einen Sohn, der aber auch namenlos bleibt, hat Dion auch bei Nepos 4 und 6. Da wird der Knabe von Dionysios planmäßig verdorben ; der Vater nimmt ihn, als er ihn wieder in seiner Gewalt hat, in strenge Zucht, was ihn zum Selbstmord treibt. Das ist willkürlich zugestutzt, übrigens auch zeitlich verschoben. Es leuchtet ein, daß das uoaSiov nicht der Jüngling sein kann, der bei Piaton König werden soll; die Darstellung des Nepos würde sonst vereinbar sein. Wenn die beiden Briefe echt sind, denn es gilt auch vom siebenten, hat Hipparinos seinen Vater überlebt. Es entspricht der Sitte, daß der älteste Sohn nach dem Großvater heißt. Wenn die Geschichte von dem Selbstmorde eines knabenhaften Sohnes, überhaupt wahr ist. hat Dion zwei Söhne gehabt, der jüngere kann auch Aretaios geheißen haben, und Timaios den Namen Hipparinos ausgemerzt, weil Timonides und Piaton nur einen Sohn kannten, diejenigen, welche den Selbstmord des Aretaios erzählten, auch nur diesen einen1). Mich dünkt aber am wahr- scheinlichsten, daß jener Selbstmord entweder ganz erfunden ist oder doch keinen Sohn des Dion anging. Daß wir über den Ausgang des Hipparinos nichts wissen, liegt an unserer jämmer- lichen Überlieferung; wissen wir doch auch über das Ende des anderen Hipparinos nur dadurch, daß es zu einer tragischen Liebesgeschichte aufgeputzt bei Parthenios 24 steht, und selbst da würden wir nicht erkennen, welcher Hipparinos gemeint ist, wenn nicht der Vatersname in einem verstümmelten Auszuge aus Theopomp bei Athenaeus 436 stünde, in einem Verzeichnis von Trunkenbolden.

Eine Überraschung für uns ist auch, was Piaton über die Rolle des Hipparinos, Dions Vater, erzählt, nach dem die beiden anderen heißen. Er soll zugleich mit Dionysios I. zum unum-

x) Hiketas hat mit Dions Gattin und Schwester auch einen Sohn von ihm ertränkt, Plutarch Dion 58, Timoleon 33. Das war ein -oaSiov, also nach der Wiedervereinigung der Gatten geboren. Aber es könnte Aret lius geheißen und so den Irrtum des Timaios bewirkt haben.

302 21. Briefe.

schränkten Führer, auxoxpaxcop, gewählt sein, <x>c, 9a<nv, wie Piaton hinzufügt, ntit dein Titel xupavvoc. Kurz vorher hatten die Syiakusier alle zehn Strategen gesteinigt. Hier haben wir einen ausführlichen Auszug aus Timaios bei Diodor 13, 91, aber von Hipparinos ist keine Rede, ebensowenig von einer Steinigung der syrakusischen Feldherrn; wohl aber sind in Akragas vier Feldherrn gesteinigt. Die syrakusischen werden nur abgesetzt, und unter den neugewählten ist Dionysios. Das scheint ver- nichtend. Wenn bei Plutarch im Dion 3 die Wahl des Hipparinos mit Dionysios zum crTpaT7]Y6<; auToxpaxcop berichtet wird, so kann man das aus Piaton ableiten, wenn das in dem Zusammenhange auch wenig wahrscheinlich ist. Zum Glück erwähnt Aristoteles Pol. E 1306 a, daß Hipparinos, weil er sein Vermögen durch- gebracht hatte, dem Dionysios zur Tyrannis verhalf. Und in der Tat, der 25 jährige noch wenig bewährte Offizier kann nur durch den Rückhalt einer einflußreichen Partei auf den Schild gehoben sein. Phili-tos, der ihm Geldunterstützung lieh, war auch noch ganz jung. So hat es hohe Wahrscheinlichkeit, daß dem Dionysios in Hipparinos ein älterer Kollege beigegeben ward 1), der dann freilich vollständig in den Schatten trat, schon um der eigenen Sicherheit willen. Dies wußte Piaton, mußte er wissen. Daß er sonst einem Gerede folgt, dem er selbst kaum traut, sagt sein oiq cpaaiv. In der Tat ist ja der Titel Tupavvo? ganz undenkbar; er erscheint auch bei Plutarch nicht. Und die zehn Strategen ? Da wird auch schon einige Über- treibung sein: nach der Arginusenschlacht sind auch nicht alle zehn hingerichtet, und doch sagt so Aristoteles; die Zehnzahl wird wohl wirklich unwillkürlich nach dem athenischen Muster gesetzt sein. Aber wer kann angesichts unserer Überlieferung 3 behaupten, daß ein solcher Gewaltakt bloß in Akragas vor- gekommen wäre ? Will man aber an eine Verwechslung glauben, so geht sie die Tradition an, der Piaton unbesehens folgt.

Die Lage in Syrakus, die der Brief voraussetzt, ist so, daß die beiden Hipparinos in der Stadt sind und zusammenhalten. Das ist begreiflich, denn der Sohn des Dionysios hat den Kallippos aus Syrakus vertrieben (Diodor 16, 36, Polyaen 5, 4). Diodor erzählt das unter demselben Archon wie den Tod des Dion,

1) 353 b. ei'XovTO Aiovüaiov [aev &q veov xal TtoXejjuxöv . . . aüfxßouXov 8t &q (xod codd.) 7rpeaßÜTepov 'iTrrcapivov.

21. Briefe. 303

wenn auch an anderer Stelle, gibt aber dem Kallippos eine Herrschaft von 13 Monaten, dem Hipparinos zwei Jahre. Wir sind außerstande nachzurechnen; die nächsten Jahre liegen ganz im Dunkel. Piaton rechnet in beiden Briefen damit, daß Kallippos noch lebt1); er ist bald nach seiner Vertreibung aus Syrakus umgekommen, aber wir wisse l nicht wann. Die Briefe sind also 352 geschrieben.

Die Vorschläge, die für die Neuordnung gemacht werden, unterscheiden sich wesentlich von denen des siebenten Briefes. Dort war für den Moment nichts weiter vorgeschlagen als die Einholung von etwa 50 Männern aus einer Hellenenstadt, die wir etwa SiocXXaxTai xal vojxoöeTai nennen können. Hier heißen diejenigen, in deren Hände diese Aufgabe gelegt werden soll, zwar 7Epeffßei<-, aber es bleibt offen, ob sie aus Sizilien oder von außen berufen werden sollen. Vorbedingung also ist, daß die beiden Hipparinos sich der Entscheidung unterwerfen und mit einem durch die künftige Verfassung beschränkten Königtume einverstanden erklären. Eine dritte gleiche Königsstellung wird auch dem Dionysios unter derselben Bedingung in Aussicht gestellt ; aber das ist nur als ein diplomatischer Schachzug gemeint. Man fühlt, auf seine Bereitwilligkeit wird nicht gerechnet, daher kommt es wesentlich auf das Einverständnis der beiden Hipparinos an, 357 c. Vorgesehen ist ferner neben Rat und Volk, also demo- kratischen Formen, ein Kollegium von 35 vo|Ao<puXaxe<;, die über Krieg und Frieden mitzubestimmen haben, und zunächst in den Prozessen richten sollen, in denen auf Tod, Gefängnis oder Verbannung erkannt werden kann. Die Könige haben hier nicht mitzureden: sie sind absichtlich auf die Stellung beschränkt, die der spartanische König in Friedenszeit einnimmt; auf diese Analogie Avird auch hingewiesen. Zweimal wird hervorgehoben, diese Vorschläge wären schon früher gemacht. Das könnte im zweit n Falle, wo es sich um die Tupsaßei? handelt, auf den siebenten Brief bezogen werden, aber nicht in dem ersten, denn dort ist von den Königen keine Rede. In Wahrheit ist an den siebenten Brief gar nicht gedacht, denn es sind ja Dions Worte; seine früheren Vorschläge sollen es sein, und wenn Piaton ihn das sagen läßt, so wird es im wesentlichen zutreffen: irgend-

l) Er ist mit den avoatoupyoi 352 c gemeint.

304 21. Briefe.

welche, wenn auch nur zu wenig präzise, Vorstellungen über die künftige Verfassung mußte er schon mitnehmen, als er nach Sizilien aufbrach. Er mußte in der Akademie oft genug mit Piaton davon geredet haben, sich bei ihm Rats erholt, und so ist es nichts anderes, als wir erwarten konnten, wenn die Ver- fassung sich an das spartanische Muster anschließt, dabei aber die Verwandtschaft mit Piatons Gesetzen unverkennbar ist. Dion hat in der Tat die Berufung von korinthischen Gesandten be- trieben, um seine Verfassungspläne durchzusetzen; gerade das hat zu der Ermordung des Herakleidas geführt, und Plutarch 53 erwähnt dabei den Plan, die Verfassung nach lakonischem Muster zu gestalten. Piaton hat also mit dem epp^öv) xal Trpofepov recht; dann wohl auch damit, daß Rat und Volk fortbestehen sollten, was doch ein Zugeständnis an die demokratische Tradition war.

Wenn dann der achte Brief den siebenten als früher ge- schrieben nicht voraussetzt, aber um dieselbe Zeit geschrieben sein muß, da die Tyrannis des Kallippos in beiden beseitigt ist, KaMippos aber noch lebt, so ist der Schluß geboten, daß beide sich ergänzen. Der achte ist wirklich nur für die Partei des Dion bestimmt : ihr gibt er die Richtungslinien für ihr Verhalten, daher die Hauptbedingungen, auf welche sich die beiden Prä- tendenten einigen sollen. Dabei ist doch alles so vorsichtig und so versöhnlich gehalten, daß der Brief in Syrakus ohne Schaden verbreitet werden kann. Aber der Unterschied von dem siebenten ist doch gewaltig: der ist eben in Athen vor das ganze Publikum von Hellas gebracht, in ihm ist die Adresse und dör Rat an die Freunde Dions Einkleidung für die eigene Rechtfertigung.

Der achte Brief soll auf die Leute in Syrakus wirken, auf den Sohn Dions und nicht weniger auf den des Dionysios. Daher die Würdigung des alten Tyrannen als des Befreiers von Sizilien, aber auch die Hervorhebung des alten Hipparinos. Daher die Form, daß Dion seine Stimme erhebt; davon durfte Piaton sich einen starken Eindruck versprechen. Wir werden auch die innere Erregung nicht verkennen, aus der er dem geliebten Freunde seine Stimme lieh. Wir werdsn aber auch den Schrift- steller nicht verkennen, der sich derselben Ethopöie am Schlüsse des Menexenos bedient hatte.

Mit vollem Rechte hat man hervorgehoben, daß er über Lykurg 354 b ebenso urteilt wie in den Gesetzen 692 a, und doch

21. Briefe. 305

ein Widerspruch vorhanden ist. Hier setzt Lykurg Rat und Ephoren ein, dort sind die Ephoren später eingesetzt. Soll man daraus folgern, daß ein Nachahmer rede, der die Gesetze flüchtig benutzt hätte ? Dem Abschreiber lag es wahrlich näher, seiner Vorlage zu folgen, während Piaton ruhig die herrschende An- sicht wiedergeben durfte, die dem Lykurgos die ganze spartanische Verfassung ebenso zuschrieb wie die athenische Demokratie dem Solon. Überlege man sich doch, wie matt und umständlich hier die historische Genauigkeit gewesen wäre. Daß aber Piaton 352 schon recht viel von der Gesetzen geschrieben haben mußte, sollte sich jeder sagen, und die Entwicklungsgeschichte des Staates gehört sicherlich zu den ältesten Teilen.

Wilamowitz, Piaton. Band 11. 2. Aufl. 20

22. Musik und Poesie.

Die Musik und der Chorgesang spielen in dem Staate der Gesetze eine unverhältnismäßig große Rolle, und doch ist die freie Entfaltung sowohl der Musik wie der Poesie ganz ertötet. Dieser Widerspruch ist so charakteristisch, daß seine Erläuterung durch zusammenfassende Interpretation angezeigt erscheint.

riaiSsLa, Erziehung, ist im Grunde die Hauptfrage der Gesetze; der Staat ist eine Erziehungsanstalt, und der v6;j.o<;, der als Herr der Gesellschaft anerkannte Xoyiajjiof; (645 a), läßt den Menschen zeitlebens nicht frei, oder doch höchstens die Greise, die das 60. Jahr überschritten haben und zu der Einsicht gelangt sind, die sich mit dem v6[i.oc, deckt, also die Philosophenfürsten des Staates; aber hier heißen sie nicht so, wird von ihrer Philosophie nicht geredet, ist überhaupt nicht ersichtlich, wie sie zu ihrer Weisheit gelangen.

üaiSsia ist es, die uns gleich im ersten Buche 643 a von der Betrachtung des Staates abzieht, und bald geraten wir zu der seltsamsten Einrichtung, den Symposien der Alten und dem Chore der Sänger, die 30 50 Jahre alt sind. Die werden einander entsprechen. Piaton verweist nirgend, auch durch keine An- spielung, auf die drei Chöre der lakonischen Feste1); aber von 7-ihnen wird die Anregung stammen. Die Wunderlichkeit des Symposions der Alten hat er hinzugefügt und daher Dionysos unter die Götter aufgenommen, die den Menschen die Feste ge- bracht haben; man kam es auch umdrehen und sagen, daß er die Dionysien nicht verbieten, also seiner toxiSsioc einordnen mußte. In diese grillenhaften Vorschläge ist eine Gedankenreihe eingefügt, die für seine schließliche Stellung zu der [xouctixt],

1) Plutarch Lyk. 26 und öfter. Aufgezeichnet hat die Verse Sosibios. Die Überlieferung ist belehrend. Weber quaest. Lacon. (Göttingen 1887), 64.

22. Musik und Poesie. 3Q7

Musik, Poesie und Tanz, maßgebend ist, aber nicht nur diese relative Bedeutung hat, sondern wirkliche Wahrheiten enthält.

Der Timaios trägt in schönen Worten apodiktisch vor, wozu Harmonie und Rhythmus den Menschen verliehen sind. Wir sind für beide empfänglich, damit sie die unharmonischen Be- wegungen unserer Seele mit sich, also auch mit den himmlischen Bewegungen in Einklang bringen. In den Gesetzen liefert Piaton den empirischen Beweis. Er geht am Anfange des zweiten Buches davon aus, daß cppov^ait; und selbst <x\rßy)q 86£a ßeßaio?, die er ja als Greis immer nebeneinanderstellt, höchstens im hohen Alter dem Menschen erreichbar sind. Es muß also schon dem Kinde durch die Erziehung beigebracht werden, sich daran zu gewöhnen, zu Lust und Schmerz, Liebe und Haß das rechte Verhältnis zu bewahren. Das soll dann für das Leben vorhalten; aber es wird unter der Mühsal des Lebens nur zu leicht brüchig. Darum haben die Götter den Ruhetag gestiftet, an dem sie mit den Menschen verkehren, ihre Feste x). So stiftet Piaton seinen Sabbat. Da wird die Festfeier so geordnet, daß sie die Erziehung fortsetzt, daß die Menschen wieder „zurechtgerückt" werden. Es soll erzielt werden, Mas der sonntägliche Kirchgang, die tägliche Messe, die Teilnahme an Sakramenten auch erzielen will, mit sehr anderen Mitteln, die in der Natur und den Bedürfnissen des Menschen gesucht werden.

Das junge Tier, der junge Mensch kann nicht stille sein; er muß sich bewegen, springen und kreischen. Es ist ihm die Bewegung auch nötig für leibliche und geistige Gesundheit, was

1) 653 d Oeoi . . . äva-aüXocc . . . tgjv zövcov era^av-o Taq -rcöv sopTÜv d[i.oißai; Tolq 6soi<; (Ta? te Tpotpai; y^vouiva? (ysv. codd.) sv zotic, kopzaXq [ZExa Öecöv) xai Moücaq 'AttöXXwvoc te u.oua7)y£T7;v xal Aiovuaov auvEopTaaxac; SSoaav, Kv' e:tavop0cövTai. Die eingeklammerten Worte sind hinter e-avopö. überliefert; da könnten sie nur bleiben, wenn man in ihnen einen Nachtrag sehen wollte, den Piaton an den Rand gesetzt hätte; aber auch dann hätte er sie für den Platz bestimmt, den ich ihnen angewiesen habe. Die Theoxenien, die Epiphanien des Apollon und Dionysos, die ihren Festen zugrunde liegen, rechtfertigen das gemeinsame Mahl, nicht etwa die viel zu weit reichende, den Hellenen zudem fremde Vorstellung, daß Gott und Mensch vom Opfer- tiere essen und dadurch ö-jLOTpd—^o!. werden. Hesiod Fr. 82 (bei Origenes gg. Celsus 4, 79) kennt eine Zeit, da Götter und Menschen gemeinsam aßen; das war Voraussetzung für eine Geschichte, wahrscheinlich von Lykaon, vgl. Pausanias VIII 3, 4. Der Anschluß des folgenden Satzes ist einfach so zu geben opäv 8r /pr(. Überliefert ist a für 8e, d. h. A für A'.

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H()8 22. Musik und Poesie.

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später 789 b ff. zu vielen Bestimmungen über die Kinderpflege führt und sich in der Gymnastik fortsetzt. Uns Menschen haben die Götter allein Rhythmus und Harmonie geschenkt; der Rhyth- mus, Takt, geht sowohl die körperliche Bewegung an wie den begleitenden Gelang, dem die Harmonie eigentümlich ist1); er wird aber eben darum meist nur auf die Bewegung bezogen. So sind die Menschen zum Reigentanz und dem zugehörigen Chorgesange gekommen: daran haben sie auch Freude; Piaton verschmäht eine Etymologie (xopoc, dato r% ya.p<xc,) nicht; er kann überhaupt das Etymologisieren nicht lassen, obwohl er weiß, daß es Spielerei ist. Auf die Bewegung, auch die körper- liche, legt er großes Gewicht, nicht nur, weil die Seele beständig bewegt ist, sondern auch physiologisch. Schon die Schwangere soll ^^m des Kindes willen spazieren gehen, die Wickelkinder herumgetragen werden, 789. Von der Gymnastik braucht man nicht erst zu reden, aber auch hygienisch und als Heilmittel wird Bewegung verordnet, Tim. 89a. Beobachtung tritt hinzu: wenn wir uns freuen, können wir nicht stille halten, 657 c, und Rede und Gesang müssen wir mit Gesten begleiten, 816 a.

Daß der Reigentanz und damit eine der wichtigsten primi- tiven Formen von Musik und Poesie aus diesem Spieltriebe hervorgeht, also auch die rhythmische Körperbewegung der Musik und dem Versmaße den Weg weist, ist eine wertvolle Erkenntnis: der Rhythmus des Spieles ist nicht minder wichtig oder minder ursprünglich als der der Arbeit, insofern noch wichtiger, als vom Reigentanze als Spiel der Weg zu der Ver- wendung im Gottesdienste führt, davon hier zu schweigen, daß nur das Spiel und dann der Kult die Nachahmung, das Dra- matische, hinzunehmen kann 2), nicht der Rhythmus der Arbeit,

x) 672 e puöjiol xai apuoviat, xara -vry c?G>vr)v; der Körper hat eben- falls pu0{/.6<; und für sich axrj^a, das ist seine Haltung und Bewegung; die Bewegung der Stimme ist das \ii\oc,. Demgemäß entsprechen sich die Paare ^yjr\\j.<x und y.cko$, 6pyrtaic, und ü>i8/) 654 e Kein Wunder, daß auch pu0(ji6^ xai \j.£\oq für Tanzbewegung und Melodie neben den Text, pyjjjLa, treten kann, 656 c, 669 b.

2) 815 c führt einen der wichtigsten dieser dramatischen Tänze, die Pyrrhiche, den Schwerttanz, sozusagen, vor, der im Kureten-Korybanten- tanze in den Kult übergeht. Daneben die bakchischen Tänzer, die sich als dämonisches Gefolge des Gottes fühlen; Piaton würde sie verbannen, wenn er irgend könnte. 815 c cid'/] pisv $v.v.yz[% t' saxi x.y\ tcov Taürati; etto-

22. Musik und Poesie. 309

den Bücher sehr schön verfolgt bat. den aber der natürliche Mensch dazu benutzt, sich die Arbeit zum Spiel zu machen l). Naturtrieb ist aber auch die Nachahmung, wie jeder an den Kindern beobachten kann; sie kann auch den Kultus durch- dringen und hat so bis zum Drama, der höchsten Kunstform, geführt.

Daran hat Piaton nicht gedacht; aber der Lust am Ringel - reihetanze/i bedient sich die Erziehung. Sie rechnet damit, daß die Tänzer selbst und auch die Zuschauer Genuß haben, und den sollen sie behalten, sonst würden sie gar nicht mitmachen (663 b); wir wissen vom Philebos her, daß der reine, unschädliche und auch der natürliche Genuß (xaöapa, aßXaßrjc, avayxoaa yjoovyj) zur suSatpiovta gehört. Aber es muß erreicht werden, daß es bei solchem Genüsse bleibt, also darf das Lustgefühl nicht ent- scheiden, das y)Su nicht das Ziel der ;i.oo<7!.xT) sein, wie es die Menschen meist fassen, denen Kunst nur zum Zeitvertreib dient, und bei denen die Gunst des Publikums über den Wert ent- scheidet. Dp ruber v erden im wesentlichen oft ausgesprochene

•jivcov &c N\>[L<?a<; te xal Uölvolc, xal ZtX-/;voü<; xal EaTÜpous l7:ovoti.a£ovT£<;, &q <paai, uijxoüvTai xa-roHvw^voui;, -£pr/.a0ap(i.oü<; te xal TsXeTac; Tiva? airoTEXouvTWv, aü(X7:av toüto tt(c; opyjiaeoc, to ysvoi; . . . pdaSiov äcpoplaacOat. Drei Arten, ßa/./eia, das ist nicht Tanz der ßaxx<xi, sondern ebensogut der ßaxxoi, denn das folgende TauTaii; geht auf Sit;, s-saOat, ist Nachfolge auf dem Wege, den die Götter vorgehen, also „Tanz derjenigen, die den Nymphen usw. folgen"1. Da Piaton Göttern solche Tänze nicht zutraut, sagt er, „die sie unter dem Namen von Nymphen usw. angeblich nachahmen"; es bleibt unbestimmt, wie es um diese Dämonen steht, ob und was sie sind. Hart, aber in diesem Buche erträglich ist der Anschluß der Maskulina an a? . . . Nu^tpac; te xal Iläva<;. Aber allzu hart finde ich, daß nun am Ende das Maskulinum xaTcoivcü^ivoui; stehen soll, und unglaublich, daß die Nymphen betrunken sein sollen, denn die Wortstellung zeigt, daß die Betrunkenheit alle angeht; betrunken sind die Tänzer, xxtcoivco;jlevol ist fälschlich an den folgenden Akkusativ angeglichen. Daß das dritte Glied das Kompositum -epixaöap^o'j«; fordert, sollte klar sein, ä-OTEXo'-ivTcov ist sonst überhaupt unverständlich. Gemeint sind Tänze, die den zu Entsühnenden umkreisen, wie bei der Korybantenweihe.

*) Hübsch handelt Aristides Quint. II 4 über den Wirkungskreis der Musik und vergißt auch die Arbeitslieder nicht. 8s:oi jaev ujjlvol xal -riual LLOuaixvji. xoa(jioüvTai, sopTal 8e iSiai xal r:av/)YupE'.; ayaXXovxai, 7r6Xeuioi Ss xal öSwv 7:opsIai Sta (iouat,XT)<; Eysipov-at te xal xa9'l<7-avTai, vauT'.Xtaq te xal slpsaCac xal Ta x^Xs-co-aTa tcöv xetpwvaxTtxwv epvcov avs-a/O^ r.oizl tcüv -6vwv Y'VO(i£vr] -apafirjö'.ov.

310 22. Musik und Poesie.

Gedanken wiederholt. In den Reigentänzen steckt fu^yjau;, Q55 d; da muß dafür Sorge getragen werden, daß sie opOv) ist, was erst der beurteilen kann, der das Wesen desjenigen kennt, das nachgeahmt wird. Das führt zu der Abgrenzung der Kenntnisse, die von den Tänzern und den Dichter] omponisten verlangt werden, weiterhir also auch zu den Lehrzielen des Musikunterrichtes, Diese werden nicht hoch gesteckt (812); die Menge braucht nur so weit zu sein, daß sie Takt und Melodie tanzend und singend halten kann. Aber die Erwachsenen, die 3Q 60 Jahre alten *), die in dem letzten Chore sind, müssen beurteilen können, was nachgeahmt wird, wie es richtig nachgeahmt wird, endlich, ob es gut geschieht (669 b, 670 d), d. h. aperrj^ exofxevov (655 b), was hier, £v toiq 7ra0y)fi.aa!.v otocv ^o^t) yiyv^Toct, (812 c), doppelt not- wendig ist: erstreckt sich doch die \iiixr]aic, auf rpoTcoi sv nptx^zcsi 7tavT0$a7rat<; xai Tuyatc;, 655 d. Damit wissen diese Kritiker mehr als die Dichterkomponisten, die zwar alles Technische beherrschen, aber über das sO ihrer Produktionen gar nicht Bescheid zu wissen brauchen (670 e), also auch keinen Anspruch erheben können, daß alles, was ihnen gefällt, zur Aufführung kommt (656 c). So ist denn die Entscheidung ganz in die Hände der Alten gelegt, und die starre Regel schnürt jede freie Bewegung ein; in Wahrheit erdrosselt sie das Leben. Die Frage, ob die wissenden Kunst- richter auch die xkyy-f] der Tragödie beherrschen werden wie Sophokles (Phaidr. 268 c), würde ihn in Verlegenheit gesetzt haben. Denn es soll wahr werden, was die Sprache vordeutete, indem sie die „Weise" der Kitharodie vofio^ nannte (700 b, 799 c). Was von den Wissenden als Gesetz aufgestellt wird, gilt unver- brüchlich für immer. Mit Bewunderung hat Piaton in Ägypten die Jahrtausende alten Gesänge der Isis gehört und die Tänze gesehen; auch in Sparta gibt es keine neuen Lieder, 660 b2).

1) Es ist ein Versehen, wenn 812 b die Seehzigj ährigen den Chor bilden, vgl. 664 d ; aber es ist entschuldbar, denn wenn sie zum Tanzen und Singen zu alt sind, an dem Urteil über das eu wird es ihnen nicht fehlen, und die Kontrolle des v6[i.o<; wird vor allem in ihren Händen liegen.

2) Dies Geständnis ist sehr wichtig; hinzukommt, daß man nur Chor- gesang mit Musikbegleitung kennt, 666 c. Darin zeigt sich die gänzliche Verknöcherung, der das Sparta des Agesilaos verfallen war. Wie ganz anders zur Zeit Alkmans, als es auch noch Dichterinnen gab, und die les- bischen Kitharoden zu den Kameen kamen, was doch bis in die Zeit der Perserkriege gedauert hat. Ein 'Apeü? Adcxcov ev atofzaTi Küxvcoc, Antonin.

22. Musik und Poesie-. 31 1

Praktisch sind damit die Dichter abgeschafft; Lobgedichte auf verstorbene tugendhafte Männer dürfen sie noch machen (Staat 607 a, Ges. 801 c, 829 e), natürlich unter Zensur, 801 d; aber auch da wird auf die Tendenz mehr Wert gelegt als auf die Poesie1). So kommt es endlich zu dem Verbote aller bloßen Instrumental- musik, 669 e, und nichts bleibt übrig als der Chorgesang, Tcuppi//) und EfzfiiXewc, 816 b, aber zu dem Gottesdienste gehört dieser Gemeindegesang unbedingt; für jedes Götterfest gibt es die feste Liturgie; für sie werden die alten Lieder mit strenger Zensur ausgewählt und revidiert (802b2)), und ziemlich jeder Tag hat sein Fest (828 b): so füllt Musik und Tanz einen großen Teil des Lebens (799 a, 835 e).

Auf diese grausame Beschränkung, die für die Musik ebenso vernichtend wirken muß wie für die Poesie, ist Piaton durch seine Ablehnung der neuen Musik geführt, der Kitharodie des Phrynis und Timotheos und des Dithyrambus des Philoxenos. Dabei wird die pythagoreische Engherzigkeit, wie sie Aristoxeros vertritt, nicht ohne Einfluß geblieben sein, denn daß er das Talent dieser Dichterkomponisten wohl erkannte, gesteht er 700 d3), aber ebenda sieht er in den Neuerungen ein Symptom oder gar eine Ursache des sittlichen Verfalles. Und leiden- schaftlich verwirft er alles, was den Musikern doch wohl mit Recht einen Fortschritt bedeutete, 669 d4), 812 d, aber freilich den

Liberal. 12, wird in das dritte Jahrhundert gehören, benannt nach dem Könige, und braucht nicht zu Hause tätig gewesen zu sein.

J) Daß die Poesie wenig taugen wird, beirrt ihn nicht, 829 d; es ist besser, daß tugendsame Poesie schlecht, als daß frivole gut gesungen wird, 654 c.

-) Charakteristisch ist, daß die Klagegesänge nicht abgeschafft werden, obwohl sie den Bürgern vorenthalten bleiben müssen. Es werden also Fremde gedungen, 800 e, ebenso wie für die Komödie. Verboten werden für diese Chöre crrsipavot. xal smxpuaoi xoay.ot; von den Kränzen ist es be- kannt, der Goldschmuck dürfte jene goldenen Buckeln u. dgl. angehen, in denen manche die Ts-rayotpopia sehen. Auch die ore^avoi sind nicht nur Blumen- und Laubkränze, sondern alle jene Aufsätze, zu denen die selt- samen Kronen der Priester und der seit Alexander aufkommenden eponymen aT£9avTQ9opoi gehören.

3) Verbessert Timotheos 77.

4) Die wichtige Stelle ist mehrfach verdorben. Tatrra te (ye codd.) yap optdai tcocvtix xuxcofisva xal eri 8iaaTCÖiat.v ol 7roi7)Tou (man findet schon eine Verwirrung, und die Dichter zerreißen noch dazu alles) puO^öv uiv

312 22. Musik und Poesie.

Erfolg hatte, daß die Tonkunst sich selbständig machte, reine Instrumentalmusik bot oder die Poesie zum Libretto herabdrückte. So kommt es hier wie in allem zur Ertötung sowohl jedes Fortschrittes wie jeder Individualität. Kein Gedanke mehr an die Berechtigung der Oetot fxavia; es wird an den alten Mythos erinnert, 719 c, daß sich der Dichter auf den Dreifuß der Musen setzt, daß dann wie aus einer Wasserleitung aus seinem Munde ausströmt, was ihm zufließt. Aber daraus wird nur gefolgert, daß er als Nachahmer von einander widersprechenden Charakteren und Stimmungen sich selbst widerspricht. Der Gesetzgeber wird immer nur die eine Wahrheit verkündigen. Es hätte wahrlich nahe gelegen, das als göttlich und wahr an- zuerkennen, was hiernach von den Musen stammt, und wenn nicht als wahr, so doch als schön, wie es Demokritos *-) schätzt, wie

xal p^axa (axT)(i.axa codd.) {iiXoui; x^pta X6you<; t};tXou<; zic, ptixpa xiOevxe«;, [iiXoq S' ai> xal pu0(xöv avsu pvjfjiaxcov, t^iXTJi xiöapiasi xe xal aüX7ja£i7upooxpw(jievot. Hier zwingt die Erklärung ohne weiteres zu der Verbesserung: es löst sich die rezitative Poesie ebenso ab wie die wortlose Instrumentalmusik. Kurz darauf u7:oXaßetv ävayxaiov öxt, xcuo0t6v ys 7roXX7J<; aypoixtac; jaegt^v 7täv Ö7t6aov Ta^ouc; te xal d7rrat,aia<; xal cpcovyjc; Q7]piü)Sou<; c9oSpa qnXov saxiv (oiax' codd.), aüXrjasi te (ys codd.) xP'^gÖo" xal xiöaplast, tz)o]M oaov ünö Öpx^aiv te xal wiSrjv, daXöi 8' sxaxEpou 7täaa Tic, äfiouala xal 6aufxaxoupyia ylyvoix' dlv Trj? ypijazoc. Hier ist die Hauptsache, daß die beiden Sätze als selbständig erfaßt werden: erst dann kommt Sinn herein, und das erzwingt die Er- setzung von cocts durch ecxiv, das dann den ersten Satz vortrefflich ab- rundet und abschließt. a7cxaiata ist ein #7ra£ xeijjlevov und nicht unbedenklich; man wird es aber ertragen müssen. Die Verbindung Schnelligkeit und Vermeidung des Straucheins ist ein ev 8ta Suotv: das d7txat,axl xaxüvsiv ist nominal gewandt. In Piatons Sinne ist das Virtuosenstück, bei rasendem Tempo nicht aus dem Takte zu kommen, an sich schon verwerflich und gehört zur dypoixla.

1) Wenn der Dichter das Schöne im Enthusiasmus ^jleö' lepou uvEUfiaxoc; schafft (B 18), so ist das unübersetzbar, denn „heiliger Geist" erweckt falsche Vorstellungen. Ispoc ist ja heilig nur in dem Sinne, daß das Ispov dem Gotte gehört, der selbst weder Izpöc, sein, noch ein ispöv 7rvEÜ|xa haben kann, saccr ist es, und der spiritus sacer ist kein sanclus. Wie die Isp?) voüao«; ist dieses 7rvsü(i.a eins, das unheimlich, weil es als etwas Fremdes über den Menschen kommt. Besitz von ihm ergreift, also liegt nur dasselbe darin wie in evOecn;. Das Wunder des unbewußten Schaffens liegt darin. Es ist sehr fraglich, ob Demokrit in einem Buche uspl puOpioü xal äp[xoviac; davon sprach; die Psychologie konnte ebensogut Gelegenheit dazu geben. Denn was dem Poeten zuteil wird, sind kaum etwas anderes als suXoyxa stSwXa, B 166.

22. Musik und Poesie. ^13

e* der Staat ebenda anerkennt, wo er Homer ausweist. Es wird auch nicht mehr gegen die Autorität Homers polemisiert, obwohl Verse von ihm häufig angeführt werden. Es ist allerdings niemand da, dem die gewöhnliche Schätzung des Dichters zu- getraut werden könnte1), denn der Kreter kennt ihn nicht, ein Zeichen seiner Unbildung, 680 c, und für Sparta ist Tyrtaios der Dichter, der der Jugend ihre Pflichten einprägt 2). So fremd ist Piaton sich selber geworden.

Und doch ist eine Stelle in den Gesetzen, die so scheinen kann, als böte sie selbst für die Erschütterungen der Tragödie einen Weg. Als er die xiv/jctk; in der Behandlung der kleinen Kirder behandelt, 790, führt er aus, daß die innere Unruhe und Bangigkeit, die die Kinder nicht einschlafen läßt, von den Müttern durch Wiegen und durch Siigen überwunden wird, also gerade durch Bewegung die Furchtgefühle zur Ruhe kommen, die die Seele erschütterten. So heilen auch die Korybantentänze durch Bewegung. Gewiß ließe sich von hier aus zu einer xaÖapai*; xcöv 7ta0Y]fxaT<ov gelangen, und Georg Finsler hat zu beweisen gesucht, daß Aristoteles zu seiner Lehre von Piaton angeregt wäre, hat dazu auch die oben angeführte Stelle des Timaios benutzt, 89, wo das Schlagwort xocöapcrt,«; im Sinne der Reinigung neben (juaTacri^, der Herstellung des normalen Zustandes, steht. Aber wenn Aristoteles hier angeknüpft haben sollte, so wäre er gerade

*) Das formuliert der Staat 598 e so, daß Sokrates von vielen hört ;, Homer besitze alle Künste, wisse um alle menschlichen und göttlichen Dinge". Wieder eine Stelle, die dazu verführen kann, Polemik gegen eine bestimmte Schrift zu vermuten. Und doch ist es falsch, denn es geht fort „also muß der Dichter bewußt, als ein Wissender, dichten, sonst ist es unmöglich'. Dies ist ja platonisch formuliert, auf den sokratischen Gegensatz von Wissen und Nichtwissen hin. Also wird nur eine verbreitete Ansicht eingeführt. Schwerlich war auch schon damals ein Buch ge- schrieben, wie es Krates von Mallos schreiben sollte, der Homers Infalli- bilität auf Astronomie und Geographie ausdehnte.

2) 660 e wird die schöne Elegie, die allerdings erst aus dem 5. Jahr- hundert sein kann, vorgenommen und so umgebogen, wie sie lauten müßte, wenn Sparta die ganze apz-'t) und nicht bloß ihren niedrigsten Teil, die xvSpeia, ausbildete. Das führt zu der scharfen Kritik 667 a, die der Spar- taner sehr übel nimmt. Auf Tyrtaios und Theognis hatte sich der Athener schon 629, 630 bezogen. Die fremden Moralsprüche, die in der Schule traktiert werden, berücksichtigt der alte Piaton; die heimische, so un- endlich höher stehende Dichtung ist für ihn gar nicht mehr vorhanden.

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zu einer Umkehrung von Piatons Ansicht gelangt. Denn Piaton will durch körperliche Erschütterung die seelische überwinden,

schafft so yaXy]V7]v rjauyjav ts ev tyji ^X^1- ^nd so bewirkt das Tanzen der Wachenden, die es \xira. Oeöiv, im Gottesdienste, tun, dcv-l [a.avixcov rftiiv StaOsascov S^et? s[jL9povx? sx£t,v- ^*e Erschütte- rungen der tragischen Kunst würden für ihn eine Erziehung sein, die er pusdrücklich verwirft, oorocaa tyuyvi Ss^a^ auvouaa ex vecov fi.aXXov av St.a 9oßojv eö^otTO yiyveaOou' toüto Se 7T0.u 7ra<; av 9ai7) SetXia«, aax7)<nv aXX' oux avSpeta«; yiyveaOat. (791 b). Die SsifjiaTa der Tragödie sind damit unbedingt verworfen. An dieser Stelle hat er schwerlich überhaupt an die Poesie gedacht, viel eher an die TsXXco und Mopfjuo, an den schwarzen Mann und alle die 9oßoL, mit denen unbedachte Eltern und Dienstboten in der Tat die Kinder zur Ruhe bringen, aber ihnen die Feigheit einimpfen, die sich dann später in der Furcht vor den Höllen- strafen fortsetzt, mit denen die bösen Triebe gebändigt werden sollen. Von diesem Erziehungsmittel haben die Gesetze auch keinen Gebrauch gemacht.

23. Die zweite Weltseele.

Das zehnte Buch der Gesetze ist ein Stück für sich; nur in der Schlußpartie des zwölften Buches 966 d wird darauf zurückgewiesen; in ihr weht derselbe Geist. Die ersten Zeilen, 884 a 1 5, schließen sich eng an das neunte und decken sich inhaltlich mit den ersten Zeilen des elften, das durchaus hinter 9 an seiner Stelle ist. Der gemeinsame Inhalt der Eingänge von 10 und 11 ist, „keiner darf sich eigenmächtig fremden Gutes bedienen". In 10 soll das ßiaitov Tiipi gesagt sein, in 11 leitet es die Verordnungen über au[i.ßoAcaa Tzpbc, aXArjAou? ein, d. h. zivil- rechtliche Sätze. Das paßt; das ^pvjcröat. tch<; toü tzzXchc, fällt gar nicht notwendig unter ßioaa; aber dies allein bildet die Ver- bindung nach oben, zur ocbcsia, und nach unten zu den üßpsic; vlwv, die wieder nur eine Brücke zu den Religionsfreveln schlagen. Also ist der Eingang von 10 ein Füllstück, hat 9 und 11 früher zusammengehangen.

Natürlich sondern wir hier so gut, wie wir's im Homer tun; aber wie wir oft genug Homer selbst für ein Füllstück ver- antwortlich machen, das an sich wenig taugt, so hat hier niemand anders als Piaton selbst die Verantwortung, denn alles trägt den Stempel seiner Rede. Er verweist auf die frühere Behandlung der tepoaruXia (853 d) und gibt mit der Aufzählung der Arten von üßpt.<; vscov etwas Besonderes l). Aber Mittel ist ihm auch das nur, um zu dem zu gelangen, was er einmal, als 9 und 11, die eigentlichen Gesetze, schon bestanden, mit besonderer Absicht

1) Verhehlen darf man sich nicht, wie wenig juristisch das gedacht ist, wenn Verstöße gegen die Heiligkeit von Örtlichkeiten in eine Reihe mit Insubordination treten, weil in beiden Fällen junge Leute als Täter angenommen werden, was im ersten Falle wohl auf eine Erinnerung an die Hermokopiden weist oder vielmehr darauf, daß attische Komasten sich in großem Stile erlaubten, was die deutschen Studenten mit Laternen - ausdrehen u. dgl. als Ulk betreiben.

31^ 23. Die zweite Weltseele.

in besonderer Stimmung geschrieben hatte. Den Atheismus will er ausrotten, am liebsten durch Belehrung, aber er schrickt auch vor der Bestrafung von Meinungen, vor der Ketzerverfolgung nicht zurück, und das Verbot privater Kultstätten ist keineswegs eine Schutzmaßregel gegen das Eindringen fremder Götter, wie es in Athen und Rom gemäß der Herrschaft des Staates über den Kultus galt, sondern ein Zwangsmittel im Dienste der allein seligmachenden Staatskirche. Es läßt sich nicht leugnen, daß Piaton diese Seiten in einer seiner trübsten Stunden geschrieben hat, durch die Verbitterung zu schlimmster Intoleranz verführt. Es tut weh, die Gesinnung des Sokrates nicht mehr zu finden, der die Aristonsöhne wegen ihres Freimutes belobte. Und Adei- mantos hatte doch eben die Sätze verteidigt, welche hier straf- rechtlich verfolgt, aber auch widerlegt werden sollen, ausführlich, wohl gerade, weil sie im Staate eine solche Widerlegung nicht finden, aber auch nicht nötig haben. Daß manch schöner Spruch auch hier steht, bietet keinen Ersatz, und die Wissenschaftlich- keit der apologetischen Beweise ist ebenso brüchig wie die Gefahr dringend, daß der übelsten Dämonologie die Tore weit geöffnet werden, die denn auch sofort hereingestürmt ist.

Wie dem auch sei; jedes Stück platonischer Rede muß er- läutert werden, und auch hier würde sich die mühsame Arbeit am einzelnen lohnen. Ich beschränke mich aber auf die an- stößigste Lehre, die von den zwei Seelen der Welt.

Sie hat die verschiedensten Deutungen erfahren 1). Man kann es dem Clemens nicht verdenken, daß er in der bösen geradezu den Teufel gefunden hat (Str. V 14, 92, 6). Wegstreichen läßt sie sich nicht, auch nicht so beseitigen, daß etwa später eine Be-

5 *) Höchst interessant und meist auch einsichtig behandelt Plutarch die Weltseele in den ersten Kapiteln der Schrift über die Seelenschöpfung des Timaios, berichtet auch über andere Erklärungen, was ich nicht wiederholen will. Auch das ist richtig, daß die avayxv), also das in der materiellen Natur wirkende Kausalgesetz, auf eine Seele und dann eine der Materie innewohnende zurückgeführt werden muß, wenigstens so, wie der Timaios sie einführt. Freilich ist diese dann nicht xtxxrj, sondern wirkt das Gute, weil sie sich den voü? zum Helfer genommen hat. Das hat der Schöpfungsmythos und die Herübernahme der demokritischen Gedanken mit sich gebracht. In der anfangslosen Wrelt bewegt sich das Leben (^x^) in dem ewigen Kreislaufe nach den ewigen Kausalgesetzen des Werdens und Vergehens, die ewig sind, weil auch in ihnen das dya96v regiert.

23. Die zweite Weltseele. 317

richtigung folgen sollte. Zunächst heißt es interpretieren, was da steht; wie sich die Gedanken mit dem vertragen, was wir sonst als Piatons Überzeugung kennen, muß sich später finden.

Es handelt sich um den Beweis für das Dasein der Götter. Da kann der Athener es nicht vermeiden, seinen Unterrednern Spekulationen zuzumuten, die eigentlich weit über ihren Horizont gehen, und Piaton ist sich dessen auch bewußt: aber es hilft nichts, er muß den Kreter folgsam alles zugestehen lassen. Es ist aber vorauszusetzen, daß der Standpunkt nicht verlassen ist, möglichst exoterisch zu reden.

Es ist zugestanden, daß Seele, das sich selbst Bewegende, alle Bewegung bewirkt, also auch die des Himmels (des Welt- alls). Da schneit ganz überraschend die Frage herein, 896 e, ,,eine oder mehrere? mehrere, will ich für euch antworten. Wenigstens wollen wir keine niedrigere Zahl als Zwei annehmen, die wohltätige und die, welche das Gegenteil wirken kann1)". Ohne Bedenken stimmt der Kreter zu. „Seele lenkt alles durch die Bewegungen, die sie hervorruft", was bis zu den stofflichen Qualitäts Veränderungen herab ausgeführt wird 2). „Nimmt sie den voüc hinzu . . ., so leitet sie alles wie ein Pädagoge richtig und zum Segen, mit der avota wirkt sie das Gegenteil." In den Worten voöv [jiv 7cpoc7Xaßoücra &sl 6sov 6p065<; ösoic; 6p0a xal Eu8a£fj.ova TTaiSaycoyst Ttavxa steckt ein böser Fehler; eine bessere Variante ist nur Öetov zu Öeov. Denkbar ist am Ende vielleicht, daß der voö<; als ael Öelo^ opOco^ bezeichnet wird, weil er als infallibel das Prädikat göttlich ganz eigentlich verdient. Ich möchte aber lieber dtei opöov opÖoc lesen, so daß eine Variante 0s6v zu 6p06v und 6p0w<; zu 6p0a Verwirrung gestiftet hätte.

1) uiav :q tt:>.£lou<;- ^Xef.out; sy<u uirsp a<pcäi.v aTroxptvoü^ar Suotv jisv ye *ou eXarTov ^7]8sv ti8ü(jisv, tt^ te zuzpyiziSot; xal ttj? ravavua 8uva|iiv7]<; s£cp- yaseciOat.. ( Der Ansatz der Zwei wird sozusagen als willkürliche Be- schränkung gegeben. Wichtig ist, daß die schlechte Seele nur die Fähig- keit besitzen soll, das Schlechte hervorzubringen. Gleich nachher wird die Einschränkung aufgegeben, aber hier, wo das Böse eingeführt wird. soll die Schranke seiner Macht nicht unbezeichnet bleiben. Die Oberhand behält ja das Gute.

■) Ganz notwendig ist Asts Streichung, ccyet. uiv <\>uxh ^avxa beginnt es; dann wird alles aufgezählt, womit das aysiv besorgt wird. Daran schließt sich der nächste Satz [xal] ttöcoiv oI? ^u/j) xP^^v/] . rcaiSaycoyeT Travra. Die poetische Stellung des Relativs hat den Zusatz bewirkt.

318 23. Die zweite Weltseele.

,,Wenn sie den immer richtigen voü<; hinzunimmt, lenkt sie alles richtig." Aber in dieser verschnörkelten Rede traut man sich nicht zu, das Richtige richtig zu finden. Für den Gedanken verschlägt es nichts.

Der nächste Schluß ist 897 c, daß der regelmäßige Gang der Himmelsbewegung nur von der apicnry] <\>uyj), nicht von der xaxr) herrühren kann, die alles in Unordnung bringen müßte. Da sind es also zwei; aber vorher hieß es nur, daß i^u/*/) alles lenkt; ob gut oder schlecht, hängt davon ab, ob sie sich vom voü<; oder der avoia leiten läßt. Dann hören wir, daß der voüc, die Kreisbewegung (um die Weltachse) bringt, und wieder wird gesagt, daß die dp[<7T7j ^~oyjr\ diese Bewegung in Gang setzt, 898 c.

Weiter lernen wir, daß die Sonne eine Seele hat x), die als Gott anerkannt wird, und dementsprechend auch Mond und Jahr und Monat und Höre (Jahreszeit), und da tyuyr\ ^ <bvyjx.i in allen das Gute wirken, das 7ravT<x 7cX7jpv) öscöv des Thaies zutrifft. Damit ist die Existenz der Götter bewiesen.

Der nächste ist der Beweis dafür, daß die Götter sich um die Menschen kümmern, auch in Kleinigkeiten. Daraus kommt hier nur in Betracht, daß die Gottheit sich zu der Aufsicht über alles und jedes vieler Helfer bedient, eines jeden an seinem Orte. 904 a £7tsi8y) xoctsiosv y)u.<5v 6 ßacriXeu^ k\j.^\)-youc, oüaa<; tocc;

i) Der Athener läßt drei Möglichkeiten offen, wie die Seele den Sonnenball lenkt, ob sie in ihr sitzt, als Körper die körperliche Sonne vorwärtstreibt, oder körperlich oder drittens unkörperlich die Lenkung auf wunderbare Weise besorgt. Der Kreter wiederholt das bestätigend. Darauf der Athener, 899 a: ocütoö 8q a^eivov t<xutt)v ttjv •.(ju/y]v, eI'ts sv apfjLaaiv s/ouaa 7)puv t^Xiov öcysi cpwq zoXq, auaaiv, el'xe s^coOsv, eiQ' 0 7rr]i te xal ÖTicot;, 6söv ^ysiaOoti XP£"V ^ocvt' avSpa. Darin habe ich gleich Stallbaums Verbesserung vollendend sl'ö' Ö7r/ji xal oittaq aus der Wiederholung (b 8) eingesetzt. Überliefert sl'Ö' öizax; eiö' 8mji; d. h. das war als Variante gegeben; in der Tat war der Schreiber auf ÖTtoic, hinübergesprungen, und nachgetragen war nur 8mf]i. Doch das ist Bagatell. Was aber sind die unverständlichen ersten Worte, die man doch nicht mit Schneider tilgen kann ? Das Asyndeton verträgt nicht viel vor sich. Der Athener ist unzufrieden mit der bloßen Antwort, „ja, so oder so muß es sein". „Entscheide dich besser," sagt er, „Gott muß jeder- mann diese Seele nennen; das andere ist gleichgültig." Also alpoü für aÜTou. Staat 347 e Tzo-zipcoc, alpvji. Für die Rücksicht auf die mythischen Vorstellungen ist es bezeichnend, daß die Sonnenseele als Wagenlenker zu denken erlaubt wird.

23. Die zweite Weltseele. 319

npaJEßic, 6uz<xacr.<; xal 7ioXXy)v [lzv aperr]v sv zurede, oöcrav ttoXXtjv 8k xaxiav, avtoXsOpov Se ov (to Herrn.) yevojjt-svov, aXX' oux alamov, tyuyj]\> xal awjjia, xaÖdarsp ol xaxa vofxov Övts<; 6eoi" ysvso-ic; yap oux av uot'' yjv £ohcov aTcoXo[J.£Vou toutoiv OaTepou" xal t6 (i.ev axpeXetv ael 7ce<puxo<; octov dyaööv ^UX^? SievorjOy], t6 8k xaxöv ßXa7rr£t,v, Taura Tiavra auviStov £[i.r^avY)o-aTO 7rou xe£[i,evov exacrrov tcov (xepajv vixatcrav dcpETTjv YjTTCOfXEV^v §£ xaxiav ev Tto!. toxvti 7iap£X.oi [xaXiCTT' av xal paiaxa xal xaXXiaxa. Also ein jeglicher Teil (des Universums) erhält den Platz, wo er für die Vollkommenheit am besten sorgt. Das gilt zunächst von den Göttern oö<; voui£o[j.ev, über deren Natur als Geschöpfe des „Königs" Aufklärung gegeben wird. So werden die mythischen Götter zugleich anerkannt und in ihrer Göttlichkeit beschränkt. Der Kreter dürfte freilich wenig hiervon verstanden haben, und wenn er es verstand, schüttelte er sicher bedenklich den Kopf 1). Der König sieht aber eine ^xh ^n a^en Handlungen, guten und bösen: es werden also hier nicht zwei Seelen unterschieden, sondern in der Seele dyaöa und xaxa. Ist das nicht ein Widerspruch ?

Der dritte Beweis geht dahin, daß sich die Götter nicht durch Geschenke usw. von ihrem Urteile abdrängen lassen. Auch daraus gehört nur eine Stelle her, 906 a. „Wir sind darüber einig, daß das Weltganze voll von Gutem und Bösem ist ; da gibt es einen ewigen Kampf, der eires gewaltigen Schutzes 2) bedarf; unsere Helfer sind Götter und Dämonen, wir deren Eigentum 3). 90£ip£i 8' 7}(xä<; dSixta xal ußpi? (xstix a<ppoauvy)<;, aäii^ei 8k Sixatoo-uv/} xal cojcppoauvy] pt£Ta cppovyjaew^ ev -reue, Oewv iyü\i\)ypiq otxoücrai o*uvau.£cn.v ßpa^ü 8z u xal tyjiSs av xic, tcüv toioutwv Ivoixouv yjjj.Lv craepe«; (aacpGJ<; ?) tSoi. Hier erfahren wir, daß Verderben und Rettung auf dem 9povsiv beruht. Das ist dasselbe wie das Handeln der

1) Er braucht selbst 891 e den Ausdruck oi vüv xaxa vojxov Xey6(ievoL Osoi, aber das sind zwar die Götter des Staatskultus, aber für ihn sind es eben die Götter, die es gibt. Was er sich unter dem ßaoiXeü«; denken würde, ist schwer zu sagen, und vollends unter Göttern, die so geschaffen sind wie die Untergötter des Demiurgen im Timaios.

2) «puXaxrjq &eo[xev7), man braucht cpüXaxe«;; das sind die sofort genannten.

3) Dies xT-?)(xa öetöv xal Saiptovcov, schon 902 b eingeführt, schützt die XTrjjzaTa des Eros in der Antigone 781 noch besser als Phaid. 62 b. Natürlich ist es „Sklave". In der hippokratischen Schrift it. IrjTpou II 349 Chart, ist es ganz einfach in dem Sinne gebraucht, ev xrrj^aai itiicxei, e-^-i-tei vj^üv d><; ^Stj SouXucac, eTXe yap iv£xr)TO<; <SW.

320 23. Die zweite Weltseele.

^iuxri mit oder -ohne voü<;, 897 b. Laster und Tugend sind dabei für uns bestimmend; sie wohnen in den beseelten Kräften der Götter, zum kleinen Teile aber auch in uns. Hier sind es Mehr- heiten; oben war es nur die gute und böse Seele; weniger als zwei Seelen wollte der Redner nicht annehmen. 904a ist mindestens so geredet, daß Gut und Böse in derselben Seele zu sein scheint.

Hinzu tritt eine Äußerung des Pliilippos in der Epinomis 988 e r?]v ini rayaOov cpopav xou xivyjatv ir\c, apicrorjc; 4"UX^ £^vat> tt)v 8' stcI Touvavxiov evavTiav; aber siegreich ist das Gute. Das hat er im Anschluß an die erste Stelle gesagt.

Fassen wir zusammen, so ist bestimmt die Rede von zwei Seelen, die im Kosmos einander entgegenwirken, schon in dem Wandel der göttlichen Gestirne. Dann muß es jenen Kampf geben, in dem das Gute siegreich ist, denn der Wandel der Ge- stirne geht regelmäßig. Daß sich ein ähnlicher Kampf auch im Menschen vollzieht, ist eine notwendige Folge. Daß aber hier auch das Böse siegen kann, liegt an der Willensfreiheit; ama eXofiivou, wie wir wissen. Hier steht es auch ausdrücklich, tyj? yev£(j£Coc xou 7roiou tivo^ aiprjxe tolic, ßouXY]cr£cn.v exoccttwv vjfxciv tqt.c, olWkxc, 904 c. Wenn es in uns einen solchen Kampf gibt, müßten auch wir eigentlich die beiden Seelen haben, und das folgt auch eigentlich daraus, daß aSixioc und Sixoaoaüvv) nicht nur iv xcdq tcöv Ö£wv s{i4"JXoi? Suva[X£<rtv wohnen, sondern auch ein wenig von ihnen in uns. Das war uns früher so dargestellt, daß unsere Seele auch ein fbuöujr/jTixov besitzt, einerlei ob immer oder nur mit dem Körper; an dessen Kampf gegen den voüq waren wir gewöhnt. Es ist also ganz begreiflich, daß mit der gewissen Körperlichkeit der Götter, auch der Gestirne, etwas Ähnliche* gegeben ist: die zum Bösen fähige Weltseele entspricht so durch- aus den niederen Seelenteilen der Menschen.

Schwankend, schillernd sind also hier die Wendungen, oder sie werden es doch, wenn man sie zusammennimmt. Da haben wir alle Veranlassung, auf Piatons ältere Äußerungen zurück- zugreifen; damals redete er schärfer, sprach auch nicht zu einem Laien, wie es der Kreter ist. Wenn er auf die menschliche Seele blickte, so erschien sie ihm nicht einfach, denn es kämpfte in ihr um Gut und Böse der Verstand mit der Begierde x) Die

l) Polit. 306 b bewirkt der Gegensatz der Tugenden avSpsta und aa^poaüvr, ev tügXXoic x&v Övtwv axxaiv. Das wird als eine verwunderliche

23. Die zweite Weltseele. 321

Stoa hat das später weiter ausgeführt, Kleanthes in Anschluß an die Medea des Euripides auch in Versen. Piaton hat selbst geschwankt, ob der Seelenteil, den er Begierde nannte, zu dem ewigen Wesen gehörte oder zu dem vergänglichen Körper; aber selbst unter dieser Voraussetzung hatte der Leib auf die Be- schaffenheit der Seele Einfluß, die ihn verließ. Sobald der Satz anerkannt wird, wie es in der Partie der Gesetze geschieht, daß alle Bewegung von der Seele stammt, diese also erst ihren Körper schafft, wird sie notwendig ama ayaöwv x.%1 xäx&v, xaX&v xal aur/pcov, Sixouoov xal txStxwv, 896 d, und sie wird es als Welt- seele im ganzen ebensogut wie als Einzelseele im geschaffenen Grotte und im Menschen. Dann ist also auch die Seele sowohl eöepyen? ^e Suvajjiv/) Tavavrta e^epyaCecjöai. Was sie tun wird, hängt davon ab, ob sie sich den vou? zum Helfer nimmt oder nicht. Die Wahl steht ihr' frei; die Folgen hat sie zu tragen. In dieser Gedankenreihe ist Klarheit und Konsequenz. Wenn zwei Seelen statt zweier Seelenteile angesetzt würden, könnte man sich damit ebensogut befreunden wie mit ödu-o? und Xoyuju-os bei Kleanthes. Piaton vermeidet es aber, von zwei Seelen im Menschen ausdrücklich zu reden.

Er sagt es von der Weltseele; der hatte er den unvernünf- tigen Seelenteil nicht zugeschrieben, und es ist begreiflich, daß es ihm widerstrebte. Er hatte ja in der ewigen Ordnung der kosmischen Bewegung einen Haupt beweis für die Allmacht des Guten, die Theodizee, aber er hatte auch die Materie, wenn auch als y.^ öv, anerkannt. Das u-y) öv, aus dem der Demiurg die Welt geschaffen hat, war kein toter Stoff, sondern hatte seine eigene Bewegung; diese aber war genau dieselbe, welche die böse Weltseele bewirkt : Ges. 897 d et fxav.xcö; xal araxT<o^ gp/erai (t) oupavoü cpopa), tyjv xxxyjv (^uy/(v z-i\j.z'/.zla§y.i) . Tim. 30 a vom Schöpfer :rav oaov ?jv opaTov 7wepaXaßoJv xtvoufxsvov ttXy^sXw; xai dcTaxrw? ek Ta&v ^Yayev. Ähnlich 52 e. Der Mythos des Politikos führt ja bereits den Gegensatz dieser beiden Welt- bewegungen durch. Wenn nun aber in der Materie Bewegung ist, Bewegung aber von Seele kommt, so hilft es nichts: es steckt da auch Seele, und diese ist im Unterschiede zu der

neue Wahrheit vorgetragen. In diesen Äußerungen tritt der Seelenteil ti^oziUc, zurück. Vielleicht dachte Piaton an ihn. als er S96 e von einer Mehrzahl von Seelen zu reden anfing. Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Aufl. 21

322 23. Die zweite Weltseele.

Welteeele, die der Schöpfer im Timaios gemacht hat, Suvafxevy) xavavTia (ttji euepyeTiSi) e^epya^effOai (Ges. 806 e). So wird sie zunächst eingeführt, und jene erste Stelle läßt sogar die Möglich- keit von noch mehr Seelen offen. Nachher heißt die eine, die für die Ordnung sorgt, apwmq, die andere xocxy). Es liegt hier keine Inkonsequenz vor, kein neuer Gedanke; wenn der Begriff der Seele so weit getrieben wird, daß sie überall vorhanden ist, wo sich irgend etwas regt, so kann sie dem Stoffe nicht fehlen, den der Demiurg vorfindet. Die Schöpfung ist freilich Mythos, aber das ändert wenig, denn die ewige Welt besteht aus Materie und Geist, tocutov und efepov, nepocq und (Sareipov. Wenn der Stoff als [iy] Öv alle Unvollkommenheiten des Werdens, des ETepov, an sich trägt, so ist er der Erreger des Unvollkommenen, also Schlechten. Er kann und wird am Ende von dem ewigen Nus gebändigt ; aber ganz kann nun einmal die Harmonie nicht gelingen, wo auch etwas anderes als 6vto<; gvtc beteiligt ist.

Die Analogie zwischen den Teilen der Menschenseele, die miteinander streiten, und den beiden Seelen der Welt, der gött- lichen und der im Stoffe lebenden, ist vollkommen. Aber für die Menschenseele hat Piaton die Teilung in die Seele selbst verlegt, schwankt indessen darüber, ob die niederen Seelenteile gleich ewig wie der vouc, sind. Die Weltseele, die der Demiurg schafft, ist ungeteilt, kann gar kein £7u6ufj.7]Ttx6v besitzen. Sobald sich seine Wirkung im Weltlaufe fühlbar machte, trat die Unterscheidung von zwei Seelen notwendig ein. Im Grunde w ar das nicht anstößig; aber anstößig wird es in den Gesetzen, weil die Begründung fehlt : wir müssen ja auch für die wohltätige Weltseele den Timaios hinzunehmen. Und dann ist es verwirrend, daß überall, wo die Menschenseele gemeint ist oder mitgemeint ist, das Gute und ^das Böse in dieselbe Seele verlegt wird. So muß man freilich zugestehen, daß dieser ganzen Ausführung Schärfe und Klarheit fehlt; aber das gilt viel weiter in den Gesetzen, und den Ge- danken kommen wir, sollt' ich meinen, doch ganz gut nach.

An ein radikales Gute hat Piaton zu glauben nicht auf- gehört, auch nicht an seine Herrschaft in der Welt. Es ist auch nur ein Schein, daß er schließlich ein radikales Böse, einen Teufel, zugelassen hätte. Daß es in der Welt Böses genug gibt, konnte er niemals leugnen. Solange er es nur im Moralischen verfolgte, konnte er es rein negativ fassen, und immer hat er

23. Die zweite Weltseele. 323

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gemeint, die Menschen, auch wenn sie sich von den Begierden usw. zum Ärgsten verführen ließen, folgten immer dem Soxouv ayaOov; in ihrem Urteil, ihrer Einsicht lag die Krankheit, da also konnte die Heilung einsetzen. Er parallelisiert noch in den Gesetzen 906 c sv aapxivoic; ato^acn v6ao<;, sv &p<xic, excov Xo'-[x6<;, ev ttoXectiv aSixta. Als er aber fort schritt und das Reich der Natur mit denselben Augen betrachtete, ward er nicht nur dazu gedrängt, den Begriff der Seele ins Ungemessene auszudehnen, zurückgreifend auf den alten weiten Wort begriff, der Leben und Seele gleichsetzte, und doch nie von dem Inhalte ganz absehend, den er nun hinein- gelegt hatte, also von der Denkfähigkeit und dem Moralischen. Er mußte aber auch dem Stofflichen immer größere Zugeständnisse machen, und wenn die Materie, das Substrat der Idee, auch nur die Störungen des Naturlaufes bewirkt, so war in ihr etwas Schädliches, Böses; mit dem bloßen passiven Wider- stände gegen die Wirkung des Geistigen kam Piaton hier nicht aus. Das trieb schließlich mit logischer Notwendigkeit zu einer <l>\)yj) Suvauivvj Tavavua e^spyaCeaöai. in der Welt, die dann die herabsetzende Bezeichnung xocxv; im Gegensatze zu der £p£(mj erhielt. Aber vom Teufel, der, auch wenn er das Gute schafft, das Böse immer will, ist das weit entfernt. So wenig die Mejschenseele je das Böse als Böses will, will die xocxt) 'i/u/J] schaden wie die Gefolgschaft Hekates im Macbeth. Das Xeikos des Empedokles ist auch kein Teufel, und wenn die Welt nach dem Mythos des Politikos sich in ihrer Richtung dreht, ist das zwar die falsche Richtung, aber Böses ist dabei gar nichts. Vollends in der Menschenseele, der die freie Wahl geblieben ist, ist von einem radikalen Bösen keine Spur: die Wertschätzung der Seelenteile hat sich wohl verschoben wie die der Tugenden, aber wenn die niederen Seelenteile immer mehr zum Körper- lichen hinabgedrückt sind, so steigt dadurch nur die Göttlichkeit des ewigen Teiles, und damit die Wertschätzung der eingeborenen Kraft, das Ewige zu erkennen und dieser Erkenntnis zu folgen.

21

Textkritik.

Die platonischen Schriften sind uns in einer Ordnung überliefert, die wir nach Thrasyllos nennen; sie hätte aber diesem Hof astrologen des Tiberins niemals beigelegt worden sollen, denn er glaubt, Piaton hätte diese Tetralogien nach dem Vorbilde der Tragiker herausgegeben (Dio- genes 3, 56), also ordnete er nicht selbst erst so, sondern fand nur diese Ordnung vor. Sie ist auch durch Varros Zitat (L. Lat. 7,*37) des Phaidon als viertes Buch vor ihm bezeugt. Albinus (VI 149 Hermann) nennt für sie neben Thrasyll den anständigen Gelehrten Derkyllidas, den man für älter halten muß l). Ich stehe nicht an, die Anordnung für die beste zu halten, die sich machen ließ, wenn man einmal die Vierzahl durchführen wollte 2). Dazu muß man sich das leitende Prinzip klarmachen. Mit den vier Dialogen, in denen sich der Prozeß des Sokrates abspielt, fängt die Sammlung an; das hat auf die Vierzahl geführt. Die zweite Tetralogie setzt an, denn im Kratylos steht, daß Sokrates kürzlich mit Euthyphron geredet hat, was auf das Gespräch des ersten Dialoges deuten konnte, und der Theaetet setzt die Anklage voraus. An ihm hängen Sophistes und Politikos. Ebenso gegeben war die vorletzte Tetralogie, denn zu der zusammen-

x) Er benutzt Hermodoros bei SimplikiosPhys.248, Eudemos Geschichte der Astronomie bei Theon \ on Smyrna, wo ihm wohl auch das Zitat aus Hipparchos, S. 202, gehört, das nach oben seine Zeit begrenzt.

2) Die At;sgabe hat die Vorstellung von der Reihenfolge, in der Piaton geschrieben haben sollte, unwillkürlich in befremdender Weise beeinflußt. Die Gesetze standen am Schlüsse und waren das letzte Werk; . den Anfang machen die Schriften, welche den Prozeß des Sokrates an- gehen: da setzte sich der Glaube fest, daß Piaton mit ihnen angefangen hätte, ein Glaube, der immer noch allgemein gilt. Es fehlt ja sogar nicht an solchen, die den Euthyphron zu der Zeit geschrieben glauben, in der er spielt. Dann folgt die zweite Tetralogie, von der der Theaetet nach Megara weist. In Megara ist Piaton 399 gewesen: wieder ward das kom- biniert, und nun hatten die Philosophen die Genugtuung, daß Piaton, wie sich schickte, mit der Erkenntnistheorie die Darlegung seines Systems begonnen hätte. Wieviel Unheil hat dieser Irrtum gestiftet. Aber selbst das ist vorgekommen, daß der Staat, der spät in der Sammlung steht, auf Reden des Isokrates aus den fünfziger Jahren Bezug nehmen sollte, der- selbe Staat, den Aristophanes in den Ekklesiazusen nach derselben Methode vor Augen gehabt hatte.

Ordnung der Schriften. 325

hängenden Trilogie Staat, Timaios, Kritias trat notwendig der Kleitophon, der auf den Staat deutet. Entsprechend gehört der Minos inhaltlich zu den Gesetzen mit Epinomion und die Briefe als solche an den Schluß der ganzen Sammlung. Diese vier Tetralogien hat Aristophanes von Byzanz in Triiogicn umgeordnet und den Kleitophon weggelassen, weil er nur 15 brauchen konnte; eine Verurteilung des unechten Dialoges liegt also nicht notwendig darin. Aber die Abhängigkeit von den Tetralogien ist klar; die Veranlassung auch: die gegebene Trilogie Staat, Timaios, Kritias sollte als Hauptwerk den Anfang machen. Die Abhängigkeit verrät sich auch darin, daß aus der zweiten Tetralogie der Theaetet herausgenommen ist, um wegen der Zeit, zu der er spielt, mit dem Euthyphron vereinigt zu werden, und nun der Kratylos bei Sophistes und Politikos geblieben ist, mit denen er nichts gemein hat. Ebenso ist die Einreihung der Briefe hinter dem Phaidon nur daraus erklärlich, daß sie (d. h. Brief 7, 8) zu den Gesetzen gestellt waren, wo sie paßten, und hier irgendwie untergebracht wurden. Aristophanes scheint kaum mehr getan zu haben, als an der älteren Ordnung Kritik zu üben. An eine Ausgabe von ihm ist nicht zu denken. Aber sehr wichtig, daß die erhaltene in das 3. Jahrhundert rückt.

Die dritte Tetralogie setzt mit Parmenides und Pilebos die logischen Schriften der zweiten vortrefflich fort, und an rapl ■fjSovYfe schließen sich die rcepl epovroc; ebensogut an, Symposion und Phaidros. Dann lehnen sich die beiden Alkibiades an das Symposion. Da aber blieb ein Loch von zwei Nummern. Denn vor die drei unter sich nah verwandten Charmides, Laches, Lysis trat Theages, wenn er denn einmal zugelassen war, als Einleitung in die Schülergespräche. Das war die fünfte Tetralogie. Von der sechsten, die die großen Kämpfe mit den Sophisten enthält, wies der Euthydem durch den Protreptikos des Kleinias auf die fünfte zurück; Protagoras, < Jorgias, Menon halten die gebotene Ordnung inne. In der siebenten setzen die beiden Hippias und Ion die Sophistendialoge fort; Menexenos ist sui gcniris, mußte also irgendwo zutreten. Schließlich ist die Lücke der vierten Tetralogie durch Hipparchos und Anterasten gefüllt, wie es eben ging.

Diese Tetralogie enthält nur Dialoge, die wir als unecht betrachten, und der kleine Alkibiades war auch im Altertum als unplatonisch erkannt, da er auch dem Xenophon zugeschrieben ward (Athen. 506 c): verworfen waren auch die Anterasten, wie Thrasyllos selbst anmerkt. Sonst können wir nur auf die Athetese des Theages daraus schließen, daß die Theorie über das Daimonion des Sokrates, wie sie Plutarch, Apuleius, Albinus, Maximus geben, von diesem sonst entscheidenden Zeugnisse keinen Ge- brauch macht1). Wenn diese Stücke und die Erzeugnisse eines so ganz unphilosophischen und unplatonischen Verfassers, Minos und Hipparchos, Aufnahme fanden, von denen wohl nicht nur der Hipparchos auch später

M Da der Verfasser den Staat, den Theaetet und den ersten Alkibiades benutzt (Pavlu Wiener Stud. XXXI), wird er unter Xenokrates geschrieben haben. Daß Niebuhr am Theages Gefallen finden konnte, ist für seine Verkennung Piatons bezeichnender als alles andere.

32() Textkritik.

verworfen ward (Aelian V. H. 8, 2), so war eine Kritik überhaupt noch nicht vorhanden. Es ist alles nur erklärlich, wenn die Akademie zusammen- faßte, was irgendwie als platonisch in ihrer Hand war. Zur Zeit des Arkesilaos oder Lakydes ist das wohl glaublich, gerade weil der Piaton der alten Akademie aufgegeben war. Daß sämtliche hier vereinte Dialoge älter sind, läßt sich nicht bezweifeln1). Eratosthenes hat den Beinamen -svtxOXo? offenbar auf Grund der Anterasten erhalten 2). Andererseits liegt kein Grund vor, irgendein Stück der voOa, die wir besitzen, oder von denen wir wissen 3), über die Ausgabe hinaufzurücken. Von den

*) Die Sprache weicht wohl nur im kleinen Alkibiades so stark ab, daß er keinem Athener zugetraut werden kann und nach dem 3. Jahr- hundert klingt. Sie kommt für die Echtheitsfrage nicht wesentlich in Anschlag, wenigstens bisher. Freilich eine Vokabel wie xpyjyuoq Alkib. I lila, (xeppLepot; Hipp. I 290 e ist ein unverkennbares Stigma, auch das poetische Stavex/;^ Hipp. 302 b. d, noch dazu mit attischem Vokalismus, das Piaton nur Ge-. 839 a mit dem homerischen sich erlaubt hat.

2) Die Schrift ist interessant genug, denn Sokrates steht gewisser- maßen zwischen Zethos und Amphion und entscheidet sich für Zethos. Der Student der Philosophie trägt schon in seinem vom Studieren schlapp gewordenen Körper die verdiente Kritik zur Schau. Bei dieser Vielwisserei kommt nichts heraus, und die Astronomie und Mathematik, mit denen die Knaben beschäftigt sind, gehören offenbar zu den zwecklosen Künsten. Daß Sokrates selbst den Verehrer der Philosophie abfertigt und den Beifall des Gegners findet, der für die Gymnastik schwärmt, ist das Pikante. Was man lernen soll, ist: seine eigenen Geschäfte besorgen und im Staatsdienste, d. h. als Beamter in den Königreichen, brauchbar sein. Die Polymathie bringt es doch nicht dazu, den Spezialisten auch nur gleichzukommen. Dies könnte sich allenfalls gegen Aristoteles wenden, wie die gute Gießener Dissertation von Werner (Darmstadt 1912) will; aber die Heranziehung der platonischen Beispiele, Arzt und Steuermann, führt davon ab; dies Urteil wird ohne besondere Pointe abgegeben. Darauf kommt es an, daß Sokrates, d. h. die Philosophie, selbst sagt, Polymathie, Theorie überhaupt ist wertlos, praktische Tüchtigkeit die Hauptsache. Wenn so die Philosophie urteilt, wird sie selbst für dies Leben bilden. Man kann sehr wohl denken, daß

^Arkesilaos die Menge seiner Schüler in dieser Absicht erzogen hat. In seine Zeit wird dieser Dialog gehören, der zweite Alkibiades auch.

3) Zu den bei Diogenes III 62 aufgeführten kommt wohl nur K[fi.<ov bei Athenaeus 506 d. Von den erhaltenen ist der Auszug aus dem Menon, ■k. äpsT%, identisch mit dem Mi8cov(?) :/} t7r7toTp6<po<; bei Diogenes, und die unter Demodokos vereinten axscpaXot darum interessant, weil sie die beste Vorstellung davon geben, w7as die angeblichen Dialoge von Simon, Simmias, Kriton, Glaukon gewesen sind, eine Anzahl kleiner und kleinster Stücke ev evI te'j^e!,, die vielfach aus Piaton, auch wohl anderen Sokratikern kompiliert waren. Man darf das weder quantitativ noch qualitativ hoch schätzen. Dies stammt aus Bibliothekskatalogen, ist alt, hat aber keine Verbreitung gehabt. Späte anspruchsvolle Nachahmung wie Eryxias (der

Unechtes. 327

unechten Dialogen scheinen die beiden umfänglichsten niemals im Alter- tum beanstandet zu sein, die größeren Hippias und Alkibiades, und von diesen hat der letztere in der Kaiserzeit sogar mehr Beachtung gefunden als viele der echten. Das ist auch begreiflich; wie die grobe Rede des Kleitophon jtoi (papsrcÖs & av0p«7toi bei den kynischen Predigern, so fand der Nachweis £[Aa8iai ouvoixcZg tyji lari&vrf. (Alk. 118 b) als Abfuhr des stolzen Jünglings bei den Stoikern (Persius 4, 20) Bewunderung. Der Hippias trat weniger hervor, findet aber heute sehr viel mehr Verehrer als der Alkibiades, obgleich auch dieser ab und zu einer unverdienten Schätzung gewürdigt wird. Er ist von Bruns kurz und treffend beurteilt, auf seine Abhängigkeit von den älteren Alkibiadesdialogen von Dittmar untersucht, wo denn die Spuren des Antisthenes schwach, aber unverkennbar sind; Aischines hat aber die Grundlage gegeben. Im ganzen kann man sich kaum etwas weniger Platonisches denken, während doch die Absicht ist, platonisch zu sein. Denn die „zehn Syllogismen", die von den Neu- platonikern herausgerechnet werden (Proleg. 213 Herrn.), wollen seine Dialektik vorführen, knapper, geradliniger, wobei doch Sokrates die Haupt - begriffe, SUaiov» ty\i%y\, von sich in die Debatte wirft, und Alkibiades zugleich hilflos ist und doch sofort das Wesentliche erfaßt. Eine lange Abschweifung über Perser und Spartaner klingt nach der Mode der anderen Sokratiker, beiwege stofflich zu unterhalten. Gegen Piatons Protagoras richtet es sich, daß Perikles bei den Philosophen wirklich gelernt hat; wenn er seine Söhne nicht erziehen kann, liegt es an ihrer Begabung, und den Kleinias hat nicht Alkibiades verdorben, sondern er war eine unbändige Natur (Alk. 118 e gegen Prot. 320). Dabei ist die Zeit, wo der Dialog spielt, vom Protagoras genommen; Perikles lebt, und doch soll der kaum zwanzig- jährige Alkibiades Staatsmann spielen wollen. So wenig weiß der Ver- fasser Bescheid, läßt auch Agis gleichzeitig König sein, redet vom Reichtum der Spartaner, hält die Achämeniden für das angestammte Königsgeschlecht der Perser. Das Übelste ist doch die törichte Rolle, die das Daimonion des Sokrates spielt, das ihm bisher verboten hat, mit Alkibiades zu reden, und nun stille schweigt. Von Eros, epco<; <Jjux%, wird geredet; aber man spürt ihn nicht. Und die Mahnung des Sokrates, die theoretisch auf YvwOt aaurov gleich aco'-ppovei hinausläuft, ist praktisch „betrachte dich in deiner Seele, in dem Göttlichen von ihr". Wenn er sich wenigstens in der Seele des Sokrates spiegeln sollte, um sich selbst zu erkennen. Die Neuplatoniker, die ihren Unterricht mit diesem Machwerk begannen (einzeln geschah es schon früher, Diogenes 3, 62, wir haben daher zwei Kommentare, von Olympiodor und, für die erste Hälfte, von Proklos), sahen sich ver- anlaßt, hier nachzuhelfen: daher der Zusatz 133c, den unsere Handschriften nicht kennen, und schon vorher 0eöv xal 9p6vy;<nv, das Olympiodor nicht

älteste und beste von allen), Axiochos, Pinax des Kebes hat viel mehr Unheil gestiftet. Wenn Persaios (Diog. 2, 61) Sokratische Dialoge des Menedemschülers Pasiphon, also eines älteren Zeitgenossen, kennt, die auf Aischines1 Namen gingen, so sieht man, daß jene Zeit sich auf diesem Felde viel versuchte.

328 Textkritik.

hatte. Doch vielleicht sind die Zusätze älter; 115 e hat die Überlieferung

offenbar geschwankt. 128 a liefert alloin Stobaeus einen Satz; das beweist nichts für die Zeit, seines Ursprungs; aber 132 a hat der Gewährsmann des Athenaeus 506 d, doch wohl Herodikos, ausführlicher gelesen. Dieser Zu- stand des Textes, im echten Piaton unerhört, ist besonders merkwürdig. Der Dialog ist verhältnismäßig alt, benutzt im Theages, soviel ich sehe, unbeeinflußt von den Schuldialogen Piatons, den er ja auch neben Aischines und Antisthenes benutzt, ein Werk viel eher eines Literaten als Philosophen, wenn die Syllogismen wohl auch die Zugehörigkeit zur Akademie beweisen. Der Hippias ist im ganzen ertragreicher, aber eben dieser Ertrag ist unplatonisch, denn er besteht in Belehrung über die Person und Tätigkeit des Sophisten ; das hatte das Publikum zur Zeit des Verfassers schon nötig. Es gilt aber nicht diesem allein, sondern der alten Sophistik überhaupt; wir sollen hören, daß die Weltstellung von Gorgias, Prodikos, Hippias eine ganz andere war als jetzt etwa von Eubulides. An dieser Tendenz und Behandlung hat Bruns (Porträt 347) die Unechtheit gezeigt; Horneffer (de Hippia maiore, Göttingen 1895) namentlich schlagend an dem Verhältnis zum kleinen Hippias1). Das Schöne, der Gegenstand der Debatte, liegt dem Verfasser gar nicht in erster Linie am Herzen, sondern das Debattieren an sich, bei dem sich der dumme, übertrieben dumme Dünkel des So- phisten ebenso zeigt wie seine Hilflosigkeit im Denken und seine Unsitt- lichkeit (298 b). Am Schlüsse entpuppt sich der Sophist als Rhetor, so daß alles Wissen verschwindet, das Hippias vorher zugesprochen erhielt, weil er es nach dem platonischen Dialoge besaß, und die oujjißouXeuTixol xal Stxavixol Xoyot übrig bleiben, die den xv-rjapiaTa xal TTEpiT^^aTa töv Xoyuv, der Dialektik, weit überlegen sind. Das ist erst recht ein Gegensatz, der erst allmählich erwuchs, zwischen Isokrateern und Sokratikern. Ihn will der Verfasser herausarbeiten; daß er den Sokrates dazu verdoppelt, indem der eipcov sich auf den besser wissenden eXeyxoc; beruft, ist eine Erfindung, die uns belustigen würde, wenn sie sich nicht mit geringer Abwechslung bis ans Ende wiederholte. Wie der leibhaftige Sokrates am Ende von dem Sophisten und von seinem inneren Sokrates beschimpft wird, das soll die Sokratik oder Dialektik der Rhetorik gegenüberstellen, und natürlich soll der Leser gemerkt haben, wo die Überlegenheit ist. Dazu dient die De- batte über das xaXov, nicht der Ermittlung seines Inhaltes, seiner Defini- tion. Dieser Zweck an sich schließt den platonischen Ursprung noch nicht aus, wohl aber die Charakteristik dieses Sokrates. Er blamiert den Sophisten nicht; wie das zu machen war, zeigen die Jugenddialoge. Er gewinnt auch keinen Schüler wie in den Dialogen der neunziger Jahre, und es handelt sich nicht um eine Tugend, in deren Besitz er sich zeigen soll. Wir glauben ihm gar nicht, daß er das aü-rö xaXov wirklich sucht, um zu bestimmen, welche Dinge xaXa und aia/pa sind (286 c); aber der Begriff, die Idee, ist ihm scheinbar schon vertraut. Es ist auch zu metho- discher Belehrung nur ein Ansatz da, wenn bewiesen wird, daß die Summe

1) Nichtige Verteidigungen sind mir bekannt; darauf gehe ich nicht ein.

Unechtes. 329

zweier Dinge ein Prädikat erhalten kann, das jedem einzelnen nicht zu- kommt (300 ff.)- In all dem entpuppt sich ein Nachahmer, der dies und das von Piaton nimmt, ohne etwas Ganzes zu erreichen. Dieser Sokrates hat kein sokratisches Ethos, und es fehlt der platonische Witz und die platonische Charis. Nachweisbar muß der fremde Ursprung auch am Stile sein; aber ich vermag das Gefühl nicht für den Verstand faßbar zu formulieren. Der Dialog dürfte ziemlich alt sein, keine Fälschung, sondern eine unfreie und unzulängliche Nachahmung platonischer Art, noch bei Lebzeiten des Meisters in der Akademie entstanden. Von einem Mitgliede wird der Kleitophon auch herrühren, aber einem abtrünnigen.

Die Kritiklosigkeit, die in der Aufnahme von so vielen fremden Schriften liegt, hat an der Ausgabe des Demosthenes, die wir haben, und die doch schon manches abgestoßen hat, eine Parallele. Die des Isokrates hat das Falsche ganz ausgeschieden *). Dazu ist bei Piaton kein Versuch gemacht; es sind vielmehr, wenn auch als falsche gekennzeichnet, noch jüngere Stücke zugetreten; bei den Briefen, die am Ende standen, sogar eingedrungen. Die opoi brauchen nicht als Piatons eigenes Werk zugefügt zu sein; die Siaipeasic, wie sie Diogenes gibt, oder in einer anderen Fassung, könnten ebensogut folgen. Es ist aber, wie wir sehen, eine Anzahl Dialoge von der Kritik verworfen worden: leider wissen wir nicht, durch wen. Panaitios bringt man leicht damit in Verbindung, aber seine Verwerfung der Sokratikerdialoge und des platonischen Phaidon darf nicht als wirk- liche Athetese gefaßt werden, sondern ist Verwerfung der Lehre. Das ist dasWesentliche, daß die Grammatiker sich um den Schriftsteller Piaton nicht bemüht haben, den nicht sie, sondern die. Philosophen erklärten. Lediglich den Wortschatz des attischen Stilmusters haben sie avisgebeutet, sicherlich schon Aristophanes. Das steigerte sich, als der Klassizismus rein attisch schreiben wollte, und so haben wir die vielen platonischen Artikel in den byzantinischen Lexika, die man auf Boethos zurückzuführen pflegt, der dem Photius (codex 154, 155) noch vorlag2), und den dürren Auszug des Timaeus, den Ruhnken zur Grundlage seiner schönen Arbeit genommen hat. Dabei ist herausgekommen, daß unser Text einzelne glossematische Wörter durch gemeine ersetzt hat3), womit also zu rechnen ist; ohne ein

1) Die Rede gegen Euthynos war bezeugt, wenn sie denn ganz und gar unecht ist.

2) Auf den Namen des Didymos in den Exzerpten bei. Miller Mel. de litt. Gr. 399 ist nichts zu geben.

3) Das xaü xpuotov, Theaetet 17,5" e, ist z. T. mit tto>.ü glossiert: da sind wir auf dem Wege zum Glossem. Unbegreiflich, daß Burnet sich der Wahrheit verschlossen hat. Vieles, mich dünkt zu vieles, stellt Immisch, Phil. Stud. II 11 13 zusammen, aber Trp/jßaaiv für -poßara hat er Ges. 694 e evident hergestellt. An ^uyouaxeiv und xapaSoxstv kann ich bei Piaton nicht glauben. Ges. 845 a xocxa päya ßoxp'icov xal aüxa cjx% soll der Sklave für Obstdiebstahl Schläge bekommen. Eine Traube kann er sich nehmen, einen Feigenbaum nicht, und er kann doch nur bestraft werden für das, was er genommen hat. Er hatte sich einen Zweig abgebrochen aüxa xpaSr^c.

330 Textkritik.

Zeugnis läßt sich damit freilich nichts weiter machen. Das Wesentliche ist, daß es keine grammatischen Kommentare zu Piaton gegeben hat, und keine Schoben gibt. Denn was unsere Handschriftini bieten, sind ja zum ganz überwiegenden Teile die Randnotizen der Byzantiner des 9., 10. Jahr- hunderts, die über Pollux, Hosychius von Milet, Lucills Sprichwörter, die apollodorische Bibliothek, Diogenians Lexikon u. dgl. verfügten 1), also lauter Dinge, die mit Piaton selbst nichts z\i tun haben. Was sie am Bande der antiken Piatonhandschriften vorfanden, einzelne schöne Notizen, wie zur Apologie über die Ankläger des Sokrates (letzten Endes aus Schriften über xcojjuoi8o'j{i.evo!,), hat z. B. an einer Notiz seine Analogie, die wir zum Kolax des Menander am Rande des Papyrus finden. Die Text- kritik gehen nur die Varianten an, die uns jetzt angesichts so vieler antiker Bücher nicht mehr befremden; aber sie stammen nicht von Grammatikern, sondern von Schreibern, Diorthoten, wenn man will, Buch- händlern. Daß es im Altertum nicht anders stand, zeigen die neuplatoni- schen Kommentare, die von Textkritik verschwindend wenig, von gramma- tischer Erklärung nichts bieten.

Das Ziel unserer Recensio kann im allgemeinen nur auf die Her- stellung der ersten Ausgabe gerichtet sein, ganz wie bei allen Schrift- stellern der Zeit vor der Befestigung des antiken Buchgewerbes. Menander. Arat 2), Kallimachos 3), Polybios stehen anders: da ist es die Ausgabe der Verfasser selbst, die sich fortgepflanzt hat, und dem entspricht die Sicher- heit, welche wir erreichen. Für Piaton liegt immer schon ein Jahrhundert zwischen seinem originalen Texte und der maßgebenden Ausgabe. Daß wir in dieses einen Einblick tun, danken wir den Fetzen von Phaidon und Laches aus Arsinoe, den Flinders Petrie-Papyri, wo denn die radikale

Timaeus xpaS/j xXaSoq hat das echt attische Wort erhalten. Ob Symp. 203 b xexaptü^lvo«;, wie Galen XVI 645 gelesen hat, oder mit den Handschriften ßeßap7)[iivo<; das Echte ist, kann kaum zweifelhaft sein, denn xapoüv findet sich in der gleichzeitigen Komödie; später ist es ganz selten, während das Homerische leicht eindrang.

1) Die Platonscholien haben an denen zum Protreptikos des Clemens und zu Lukian ihre Analogie.

2) Ihn besitzen wir zwar in einer spätantiken Ausgabe, von der sich 5 auch nur ein Exemplar erhalten hatte, aber die zahllosen Zitate zeigen

nur die Schwankungen eines festen Textes, die in moderner Überlieferung ebenso sein würden.

3) Auch von seinen Hymnen haben wir nur die Kopien einer Hand- schrift, aber hier garantieren die Zitate den Text. Daß in den Aitia Varianten vorkamen, lehrt Fr. 109, verglichen mit der Handschrift Oxyr. XI. Von Nikander haben wir eine sehr gute antike Ausgabe mit Scholien und Bildern, daneben einen verwilderten Text. Wenn der Poet nicht so un- ausstehlich wäre, die kritische Aufgabe ist interessant genug, und Schneider hat zwar sehr gut gearbeitet, aber er konnte seine Aufgabe noch nicht ganz richtig anfassen. Theokrits Gedichte sind erst lange nach ihm ge- sammelt.

Kecensio; Handschriften. 331

Gläubigkeit ebenso verkehrt ist wie die radikale Verwerfung. Daß sich beträchtliche Fehler der kanonischen Ausgabe zeigen, ist nicht wunderbar: sie ist von keinem Grammatiker gemacht. Die älteren Texte waren frei- lich verwildert; in der Akademie konnte es an Sorgfältigerem nicht fehlen, aber fehlerlos war nichts. Daß sich auch später Einzelnes aus den älteren wilden Texten in Varianten hier und da eindrängte, ist zum mindesten eine Möglichkeit.

Im Homer und den Dramatikern, auch im Pindar liegen zwischen unseren Handschriften und den aristophanisch-aristarchischen Ausgaben eine Reihe von Stationen, die der Text in den Ausgaben von Gramma- tikern durchgemacht hat. Das kann bei Piaton auch der Fall sein, obwohl er kein Schulautor war. So ist es ja bei Hippokrates der Fall. Bezeugt ist nichts der Art ; entscheiden können nur Rückschlüsse aus dem Zustande unserer Handschriften. Praktische Einsicht in die Grundlagen und die Grenzen unserer Kritik wird auch für den einzelnen Fall nur gewinnen, wer sich über den Stand der Dinge an vielen Texten unterrichtet hat. Vergleichen wir also. Im Herodot haben wir die beiden Rezensionen, die es im Altertum gegeben hat, und die sehr stark abweichen. Wer auf eine schwört, verdirbt den Text. Dasselbe gilt von Thukydides, wo wir leider nur für das letzte Viertel die Rezension des Vaticanus besitzen 1). Nicht anders steht S zu der anderen Rezension des Demosthenes. Demgegen- über muß der Text des Piaton als fest bezeichnet werden, auch wenn sich die Möglichkeit ergeben wird, für eine Reihe Dialoge eine andere Ausgabe zu erschließen. Von einer Überarbeitung, gewaltsamer Norma- lisierung zu reden, erscheint mir geradezu als verhängnisvoll. Dabei wird der Unterschied zwischen verschiedenen Handschriften und verschiedenen Ausgaben vergessen.

Von einem Archetypus sollte überhaupt mir dann geredet werden, wenn sich nur ein einziges Exemplar aus dem Altertum erhalten hatte, das uns in einer oder wenigen oder such zahlreichen byzantinischen Ab- schriften oder Bearbeitungen erhalten ist; gibt es nur eine, so ist sie praktisch gleich dem Archetypus, aber die Umsetzung in die alte Buch- schrift müssen wir doch vornehmen: das gehört zur Recensio. Leider ist die Erhaltung eines einzigen Exemplares der häufigste Fall. So steht es im Hesiod, Aischylos, Sophokles, Aristophanes, Pindar (Schroeders zwei Klassen sind erst in Byzanz getrennt, wie die Schoben lehren), den acholienlosen Dramen des Euripides, allen kleinen Rednern, allen Schriften Xenophons außer der Kyropädie und vielleicht der Anabasis. Verkehrt dagegen und irreführend ist es, gleich auf einen Archetypus zu schließen,

]) Diese Redaktion ist nun in den Oxyrynchospapyri 124(5, 47 ans Licht getreten; die immer noch nicht ganz überwundene Ablehnung des Vaticanus im letzten Drittel ist damit abgetan. Die andere Rezension besitzen wir sowohl in C (mit G, M) als auch in der Ausgabe des Marcollinus (A, dem größeren Teile von B, E, F); dabei hat sich vereinzelt irgend- woher Brauchbares in G, M, einzeln auch F erhalten. Leider hat Hude die berechtigte Anerkennung von C wieder „methodisch" übertrieben.

332 Textkritik.

wenn ein Fohler allgemein überliefert ist. Wenn Phileb. 30 e yevoua-nrji; tou nicht nur in unseren Handschriften steht, sondern von Porphyrios und Diogenian-Hesyeh bezeugt wird , so liegt /.war überall der einmal be- gangene Fehler vor, daß der Artikel tt^ für -roü geschrieben und berichtigt, aber nicht getilgt war, und das ist für den Mangel an Kritik belehrend, mit welcher der Text des Piaton weitergegeben ward. Hipp. I 289 a 4 ist ävOpw-cov in #XA(ot verdorben; das ist wertvoll, weil es avwv, genauer ocvo, voraussetzt und gegen Traubes nomine Sacra entscheidend spricht1), sonst ist es eine allgemein herrschende Verderbnis. Theaetet 152 e hat der Berliner Kommentar ein Monstrum izy.vTzc, eÜiaiaioi mit unseren Hand- schriften, außer der zweiten Hand von T. Aber daß diese das einfache vmd sinngemäße jtAvtsc; eirje; nicht aus Konjektur hat, zeigt Stobaeus Eck I 19, 9. Wir haben also die Wahl, und Diels hätte nicht von dem Monstrum ausgehen sollen, was doch zu nichts Biauchbarem führt: hier hat ein Schreibfehler eine falsche Lesart erzeugt, die weit um sich griff, aber glücklicherweise nicht so weit wie yevoüoTr,^. Einen für. alles geltenden Archetypus beweist das alles so wenig wie die gemeinsamen Korruptelen im Hippokrates, der eine sehr reiche Überlieferung hat, oder im Herodot oder gar im Homer, sondern nur für das Alter der Verderbnis; es kann ja manchmal bis auf die akademische Ausgabe zurückreichen.

Eine einzige Handschrift hatte sich unter Piatons Schriften allein von den Gesetzen erhalten 2). Denn der Parisinus A und der Vaticanus O (Q) sind Brüder, und die Varianten aus dem Exemplar des Patriarchen, die O und andere am Rande haben, entfernen sich auch nicht weiter, ebenso- wenig die Exemplare, auf die O sonst verweist. Wir sehen nur in die anerkennenswerte Arbeit der Photioszeit hinein und konstatieren, daß jenes antike Exemplar sorgfältig korrigiert und mit Doppellesarten ver- sehen war. Praktisch hat das die Konsequenz, daß uns die Wahl freisteht, vmd jedes Mißtrauen gegen O2 ist gänzlich unberechtigt 3). Eine genaue

J) Gorg. 490 b 2 hat F <-*v6p6oi, das ist cxöpooi, mit der Variante avoi darüber; in B, T stehen sie nebeneinander. Symp. 208 d 5 hat der Papyrus ßoeXetag für ßaciXeiac. Ges. 781 e führt ypovov für x?"h (Stobaeus) auf die z. B. im Papyrus von Aristoteles Pol. Ath. belegte Abkürzung x mit p darin, die die Christen in Inschriften für ypinxöc, anwenden.

j 2) Entscheidend ist, daß ein längeres Stück 783 b im Archetypus am

Rande nachgetragen war.

3) Wie konnte Burnet yeoi^öpou; 843 b verwerfen, vgl. 919 d, wo er doch gleich 847 d O2 folgen mußte. Ebenso gehörte öcv 848 a in den Text; O2 liefert ebenda etwas anerkannt Richtiges. Ebenso 856 c steht nur in O2 eine Verbindungspartikel, die man sonst durch Konjektur ergänzen müßte. 917 c streicht O2 ein Tic;, wie wir es streichen müßten. Das wird im Archetypus unterpunktiert gewesen sein; die Wiederholung war wohl erst von dem Schreiber begangen. Fälle gleicher Zurücksetzung des Richtigen in O2 sind nicht selten, und doch ist ihm Burnet sehr häufig mit Recht gefolgt, während vorher die , .Methode" zur Verwerfung des ganzen O gekommen war.

Handschriften. 333

Vergleichung von O ist die nächste Aufgabe1); ob sich in den jungen Handschriften etwas Brauchbares findet, auch wenn sie nicht auf A oder O zurückgehen, ist sehr fraglich; da wird die Möglichkeit der Konjektur kaum abzulehnen sein. Auch die armenische Übersetzung, die ja jung ist, weicht so wenig ab, daß sie auf denselben Archetypus zurückgehen muß; ihr Nutzen ist verschwindend. Von jener antiken Urhandschrift läßt sich aus den Korruptelen erkennen, daß die Endsilben zuweilen nicht aus- geschrieben, sondern in der alten Weise durch Hochstellung eines letzten Konsonanten ersetzt waren; Proben sind unter den Konjekturen gegeben.

Im übrigen aber liegt es ganz anders. Natürlich zeigen die Hand- schriften derselben Zeit, A, B und die wenig jüngere T, in den Varianten, die sie ausgewählt oder neben der Randlesart bevorzugt haben, dasselbe achtungswerte Studium wie die Gesetze, aber es hat eben mehr als eine antike Handschrift gegeben, so daß von einem Archetypus nicht die Rede sein kann, also auch von keinem festen Text. Das Schwanken hält sich in denselben Grenzen wie drei bis fünf Jahrhunderte früher; wie es damals aussah, lassen die Kommentare und Zitate der Neuplatoniker und die massenhaften Auszüge des Stobaeus 2) (denn er hat sie selbst gemacht) erkennen. So ist es mehr oder weniger immer gewesen, seit sich der Text durch die Folge der Abschreiber erst hie und da änderte und dann durch Vergleichung der Abschriften die Variantenmasse entstand. Wie viele Handschriften nach Byzanz kamen, wie viel die einzelnen umfaßten, wie sie dort behandelt wurden, das läßt sich noch nicht entscheiden, hat auch kaum praktischen Wert 3). Ohne Umschweife mag man sich den erhaltenen Handschriften zuwenden, aber auch gleich beherzigen, daß die einzelnen Schriften durchaus nicht dasselbe Gesicht zeigen, mögen sie auch für uns zunächst dieselbe Überlieferung haben. Ehe sie in den- selben dicken Kodex aufgenommen wurden, standen sie doch einmal in verschiedenen Rollen und waren von verschiedenen Händen geschrieben. Dasselbe konnte ihnen in den früheren Zeiten begegnet sein; schließlich konnte der Zustand in der originalen Ausgabe je nach ihrer Vorlage schon verschieden sein, auch zu allen Zeiten ein Einfluß von wilder Nebenüberlieferung stattfinden. In welcher Verwahrlosung auch Männer, die es hätten merken sollen, den platonischen Text hinnahmen, zeigt das Menexenoszitat des Dionysios von Halikarnaß.

Gehen wir also sofort an unsere Handschriften 4). Über sie besteht

') Ich besitze eine, allerdings nicht genügende, Kollation der Epinomis. '-) Bei Stobaeus ist stark in Anrechnung zu bringen, daß seine Er- hallung viel schlechter ist als die des ganzen Piaton.

3) In der sehr nützlichen Straßburger Dissertation von Schäfter, quaest. Piaton. 1908, wird die Ansieht von Br. Keil vertreten, daß B eine Rezension wiedergäbe, die zwischen Olympiodor und Arethas gemacht wäre, gerade in den Jahrhunderten also, die den Tiefstand der Bildung repräsentieren. Das genügt zur Widerlegung.

4) Außer Burnets Vorreden ist namentlich auf Immisch, Philol. Studien zu Piaton II, zu verweisen, der S. 64 die Handschriften aufzählt, denen er Wert beimißt. Von ihnen kann man auf das Bruchstück Paris. Suppl. 668

334 Textkritik.

im Prinzip eine erfreuliche Übereinstimmung. Wenn nur die wichtigen gehörie verglichen wären. Daran fehlt beschämend viel, und schier un- begreiflich ist es, daß Wien seine Schätze tot hat liegen lassen; aber das ist dort auch bei Hippokrates, Arrian, mehreren kleinen Schriften Xenophons geschehen. W ist durchaus nicht hinreichend bekannt x), F durch Burnet hervorgezogen, man möchte aber doch mehr wissen. T ist zumeist noch unbekannt. Aus dem Vatikan fehlt O (Vatic. 1) für die Gesetze und Palatinus 173, der zum Teil mir Exzerpte hat. In den beiden letzten Tetralogien hat A die Führung; daß für die früheren seine Fassung durch T vertreten wird, ist mit Wahrscheinlichkeit vermutet 2). Man kennte also denken, daß die zweifellos nicht aus A stammenden 11 (bei Burnet D, Ven. Marcian. 185) und Malatestianus M die Fassung B verträten; allein sie weichen so wenig und zum Guten so verschwindend wenig ab, daß sie vielmehr zu A gerechnet werden müssen; es ist also anzunehmen, daß diese Überlieferung auf eine Handschrift zurückgeht. Aber neben ihr stehen F und Y, die leider nicht alles enthalten. Jene Ha"ndschrjft kann dieselbe gewesen sein, der wir die Gesetze allein verdanken. Das Ver- hältnis von F zu T ist noch zu prüfen.

In den ersten sieben Tetralogien tritt für A T ein, und wir haben W und für die ersten sechs Tetralogien noch den einst maßlos überschätzten B des Arethas, dessen Autorität, zumal seiner ersten Hand 3), immer noch zu hoch gewertet wird. Das sind drei selbständig in das Altertum zurück- reichende Rezensionen oder Handschriften, und durch die Varianten, die sie alle enthalten, wächst die Summe der Zeugnisse. Aber durch Abzählen läßt sich die Rezension nicht machen. Bekkers eklektische Kritik, die auf seiner seltenen Sprachkenntnis beruhte, hat recht behalten. Ferner tritt auch hier für viele Dialoge F, für einige auch T (der immer noch Einiges bieten kann) hinzu. Es erwächst die Atifgabe, in den jüngeren nach Spuren dieser in zahllosen Fällen gegen A und gegen B, T, W rettenden und doch zahllose Fehler bietenden Überlieferung zu suchen, wo denn die peinliche Frage auftaucht, wieviel auf die Emendationen der Byzantiner zu schieben ist 4). Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß für

und erst recht auf den Tubingensis verzichten. Über den Angelicus weiß

ich nichts. F kommt bei Immisch nicht zu seinem Rechte.

) 1) Burnet gibt viel zu wenig, W müßte durchgehends wie T und B

behandelt sein. Daß seine Kollationen nicht genügen, zeigt H. Schöne im

Symposion, R. Hensel, Vindiciae Platonicae, Berlin 1906, für Theaetet und

Politikos.

2) A. Jordan, Hermes 13, 479, gebilligt von Immisch.

3) Die Eintragungen der ersten und der zweiten, gleichaltrigen Hand, d. h. des Korrektors, sind gleichwertig; das Jüngere kann man wegwerfen.

*) Das gilt selbst von dem Coislinianus, mag noch so viel sicherlich Konjektursein;Charmidesl56a, 159e, 160cd, 16ld, 164b, 171a, AlkibiadesI llOd; 113a stimmt er zu Proklos, und 112c, 128e finden sich nach Schanz Lesarten des Proklos in angeblichen Apographa. Zweifel der Art entstehen öfter, Phaidr. 244 b ApOcoaav Ven. 189 mit Aristeides gegen öpQäx; BT.

Handschriften. 335

die lange Reihe Dialoge bis zum Protagoras noch etwas positiv Förderndes zu finden ist.

In F1) darf man vielleicht eine andere antike Ausgabe anerkennen, denn Stobaeus hat zum mindesten einen ganz ähnlichen Text vor Augen gehabt 2), und das Verhältnis läßt sich dem vergleichen, das der Vaticanus im Thukydides gegenüber den anderen darbietet, wo die antike Ausgabe in 13 Büchern faßbar ist. Dennoch bin ich nicht sicher. Die Überein- stimmung in offenbaren Fehlern geht im Staate doch so weit, daß die Einwirkung einer besonders großen Zahl von Varianten auf den Text A, wie er im späteren Altertum aussah, ebensogut denkbar ist. Noch viel weniger darf die starke Abweichung von T und B selbst im Wortbestande zu der Annahme verführen, diese selbe Spaltung der Überlieferung hätte schon zur Zeit von Plutarch und Gaius bestanden. Wir sollten doch an den Papyri des Aischines und der Kyropädie, den Zitaten der Anabasis gelernt haben, daß die Unterscheidung von potiores und deteriores ebenso in die Irre führt wie die Cobet-Dindorfschen erhaltenen Archetypi, denn die Papyri sprengen diese Klassenteilungen; im Piaton tun es die Zitate. Und wenn Ravennas und Venetus des Aristophanes auf dasselbe antike Exemplar zurückgehen, so liegt vor Augen, wie weit Nachkommen eines solchen auseinandergehen können. Der Fortschritt, den die Kritik gemacht hat, liegt darin, daß uns mehr Varianten zur Verfügung stehen, die zu- nächst gleichwertig sind. Das stellt uns vor die Wahl und macht die Ver- antwortung des Kritikers schwerer, alxia eXouivou. Aber schöner wird es auch. Denn auf der Krücke einer Methode, deren Regeln sich lernen lassen, humpelt auch der Lahme; hier muß sich eine Kunst erweisen, die Wissen, Sprachkenntnis fordert, aber damit nicht auskommt; Sprachgefühl ist etwas anderes. Divination, die einem variantenlosen Texte gegenüber die einzige Rettung ist. sich aber leicht zu allem berechtigt glaubt, hat hier selten Gelegenheit, sich zu zeigen. Denn sinnlose Buchstaben haben die Schreiber nie gegeben, fast immer sogar etwas auf den ersten Blick Verständliches. Was wir zu tun haben, ist selten mehr, als die Über- lieferung richtig zu deuten, die verborgene, aber noch erhaltene Wahr heit herauszuholen. Daneben gilt es, den Gedanken und den Satzbau genau zu verfolgen; da geht es ohne Zusetzung oder Streichung von Partikelchen nicht ab; es sind aber auch manchmal Wörter oder auch Satzglieder zu entfernen, vereinzelt fehlt auch einmal ein Wort. Der in die Augen fallende Ertrag ist gering und steht zu der aufgewandten Müho in Mißverhältnis. Nur wer Piatons Worte für lauteres Gold halt, wird sich's nicht verdrießen lassen, jedes Stäubchen abzublasen. Aber

i) Mir persönlich hat F einen Wunsch der Jugend erfüllt. Als Cobet in der neuen Mnemosyne III den Kritias in einer Abschrift von A heraus- gab und als Muster seiner Kritik bearbeitete (ziemlich erfolglos, wie wir jetzt wissen), ersehnte ich einen zuverlässigen Vertreter der Nebenüber- lieferung, deren Unentbehrlichkeit mit einleuchtete. Das ist F, wie Burnet richtig erkannt und durchgeführt hat.

-) Vgl. Staat 376f., 403, 441 u. ö. Ebenso steht es mit Eusebius 3Slff.

;;;>; ; Textkritik.

kein Wunder, daß diese Aufgabe einen geborenen Kritiker wie Reiske [licht gereizt hat, und wer auf diesem Felde Konjekturenjagd trieb, und uenn's ein Madvig war (dessen scharfe Logik doch manches Gute getan hat), hat sich die scheinbare Boute durch Mißverständnisse nur zu oft selbst bereitet.

Verbessert haben zuerst die Byzantiner nicht so gar weniges; nach ihnen ist als der erste und für lange Zeit einzige Cornarius mit Ehren zu nennen, denn Stephanus hat sich um das Emendieren nicht mehr als Bekker bemüht. Den eigentlichen Anfang machen die Holländer im An- schluß an die Attizisten; sie suchen nicht Piaton, sondern das reine Griechisch, und ziehen die Nachahmer und Grammatiker mit Erfolg heran. Den reinen Attizismus und die logische Korrektheit hat die Schule Cobets verfolgt und dem Texte durch zahllose Konjekturen aufdrängen wollen; auf den Inhalt kam es den meisten nicht an. Diese Flut ist abgelaufen, ohne viel Spuren zu hinterlassen; aber es ist doch Cobet, Hirschig, auch Herwerden außer Äußerlichkeiten einzelnes gelungen, sicherlich mehr, als bei Burnet Auf- nahme gefunden hat, dessen Literaturkenntnis nicht weit reicht; ich habe auch nicht die Geduld, die ungeheuren Haufen von Konjekturenspreu auf die Körner durchzusuchen, die in ihnen zu finden sind. In diese Schule gehört auch Badham, aber er hat tiefer geschürft, die Gedanken, nicht bloß die Worte gelesen und ist wohl der glücklichste Emenclator des plato- nischen Textes. Freilich versagte er ganz, wo er wie in den Gesetzen einen anderen Stil hätte anerkennen müssen.

Die gewissenhafte grammatische Erklärung beginnt mit Heindorf in Verbindung mit der genialen Erfassung des philosophischen Gedankens durch Schleiermacher, der selbst manches Schwierige im Text erledigt.; Freund Buttmann steuert Einzelnes bei, erst nachher schafft Bekker dem Text eine Grundlage. C. Fr. Hermanns Text kann es als Ganzes gewogen mit Burnet wohl aufnehmen, während Stallbaums zäher Fleiß sich an einem Objekte plagt, das seinem stumpfen Sinne in Inhalt und Form gleich unzugänglich ist; aber der Fleiß bringt am Ende nicht so gar viel weniger als Cobets flüchtiger Scharfsinn. Chr. Schneiders Staat steht be- trächtlich höher, ist aber vereinzelt geblieben. Den Engländern, denen die Palme der Erklärung zufällt, lag die Textkritik eigentlich nicht; was der anmaßliche Anhang hinter der Oxforder Ausgabe des Staates von Jowett und Campbell über die Erfolglosigkeit der Emendation vorträgt, wird schon durch die Schnitzer gerichtet, die ihrem Verständnis des Textes Adam oft genug nachweist. Bei uns hat der Glaube an die beste oder einzige Quelle einen Rückschritt hinter Hermann bedeutet. Schanz machte einen verheißungsvollen Anlauf zu einer wahrhaft kritischen Ausgabe, er- schloß T, ein großes Verdienst, aber brach ab, weil er sich nicht ent- schließen konnte, seinen Grundfehler offen einzugestehen; verhüllt hat er es zur siebenten Tetralogie getan. Jetzt schwingt der Pendel allgemein nach der Seite des bequemen Einschlafens auf der Überlieferung, d. h. den Codices, denen man traut, wo denn die Papyri unbequem sind; der Radikalismus von Blaß hat glücklicherweise keinen Gläubigen gefunden. Einen. Text wie ihn Jahn-Usener vom Symposion zugerichtet haben.

Emendatio. 337

brauchen wir nicht mehr zu fürchten. Aber zu wünschen bleibt immer noch eine Ausgabe, die uns die Überlieferung vollständig bietet, aus den Handschriften und den Zitaten, wo auch noch mancherlei zu tun ist, und mit einer Auswahl der Konjekturen, soweit sie nicht durch bessere Kennt- nis der Überlieferung und des Sprachgebrauches erledigt sind. Dabei wird auf die Anordnung des Druckes mehr Sorgfalt verwandt werden müssen. Die Angabe der Kapitel darf nicht fehlen. Durch größeren Ab- stand der Zeilen müssen die Abschnitte gegliedert werden, durch Frei- lassen einiger Spatien in der Zeile die kleineren; auch läßt sich nicht selten durch Sperrung von Schlagwörtern das in der Tat schwierige Finden einer Stelle erleichtern, die man im allgemeinen im Gedächtnisse hat. Personenwechsel kann oft in antiker Weise durch die Paragraphos genügend kenntlich gemacht werden.

Auffällig ist die ganz verschiedene Erhaltung der Dialoge, die für uns zunächst gleich überliefert sind1). Sie sehen schon in den Hand- schriften verschieden aus, weil die Varianten ungleich verteilt sind. In der zweiten Tetralogie weichen B und T stark ab, haben aber nur ganz wenige Doppellesarten, und dabei fehlt noch F. Er fehlt auch im Euthydem, aber da bieten B T schon mehr Varianten. Im allgemeinen ist die Er- haltung der esoterischen oder doch schweren Schriften besser, weil sie weniger gelesen wurden. Politikos ist besonders rein, Parmenides auch, aber Philebos, der zwischen ihnen steht, schon viel weniger. Die populärsten, a\ich von den Rhetoren traktierten Schriften, Gorgias, Phaidon, auch noch Phaidros haben besonders gelitten, wie natürlich. Im Timaios zeigt die besonders reiche Nebenüberlieferung viel Varianten, überführt auch manche schon sehr alte Zusätze 2), so daß der Kritiker an ihm lernen muß, gerade weil er ziemlich überall durch richtige Wahl zum Ziele kommt. Im Staat ist die Erhaltung durchaus nicht gut; da ermutigen die Anführungen bei Galen und Stobaeus zu schärferem Eingreifen, als es Adam sich erlaubt hat. In den Gesetzen gibt die Sicherheit, mit der wir den Archetypus herstellen, und der trotz Stobaeus überwiegende Mangel an hilfreicher Nebenüberlieferung die Berechtigung zum Konjizieren, aber über die größere Unsicherheit darf man sich auch nicht täuschen.

Nun zu einigen Beobachtungen, die sich aus dem Überblick des Ganzen für die Recensio ergeben. Daß Piaton o und s in der Weise seiner Zeit für das hybride ou und zi geschrieben hätte, müßte man an sich voraussetzen ; Neuerungen war er nicht geneigt. Dennoch war es eine Überraschung, daß der alte Lachespapyrus 190 e to<; für touc hat, und die fehlerhafte Umschrift o>w für ov zweimal 192 e; auch iktzzc, für ir.-eiq (Piaton schrieb lr.7i£a.c,) zeigt, daß dein Kopisten seine Vorlage viel

1 ) Vergleichbar ist die Entstellung der Trachinierinnen neben der fast rein erhaltenen Elektra; aber die Dramen hatten ein verschiedenes Leben, ehe sie in die Schulauswahl aufgenommen wurden.

2) 47 a hat F einen solchen, den Burnet gegen die übrigen, gegen Chalkidios und Cicero nicht aufnelimen durfte.

Wilamowiti, Plnton. Band JI. 2. A.uü. 22

338 Textkritik.

in alter Schrift bot. Dio Spuren in unserem Texte sind aber auch zahl- reich. Staat 509 8' a?> opaxoü, iva \lt) öpavoü elirwv S6^<o aoi ao<pi^EaOai: ist es nicht klar, daß er so geschrieben hat, nicht oupavoü. Dasselbe gilt von Kratyl. 396 c, wo öpav6<; auf x6po<; und voü? (vö?) zurückgeführt wird. Wenn er dort 393 d sagt, die vier Vokale e, u, o, w würden mit ihren Lauten bezeichnet, so spricht er die Namen, die unsere Grammatik längst hätte wiederherstellen sollen, statt byzantinisch zu reden, ei, ö (nicht u), o5, &. Er spricht öfter von der altattischen Schrift, nicht ohne zu glauben, daß ihr doch eine andere Aussprache entsprochen hätte, hat 410 c auch in /lopoa (wpou) ein Heta geschrieben. 398 d muß also epev (etpeiv) als seine Schroibung anerkannt werden, 412 b aoc, (Soö?), 416 d ist xocaov (xaXoüv) erhalten, 421 a steht ovo^aana ganz richtig; ov oft (i.ac|i.<x ist nur Lesung. Ein Epigraphiker nennt so etwas keine Konjektur. 426 d wird xivqan; auf xieiv und £ai<; zurück- geführt, geschrieben hat er also xiEiveaiv; da ist überliefert xieivrjaiv, aber was man kurz darauf ausgeschieden hat, 7) eiaiv, sind Varianten des Wort- schlusses, 7]atv und eiisiv, denen eatv zugrunde liegt1). Ähnlich Staat 562 b; überliefert SC oft öXiyapxia xaGtaxarai, toüto 8' 9}v u7tEp7rXouTo<;. Mit Recht schreibt man 8 für ou und streicht uTtep; aber was ist das ? Die Ergänzung zu dem einfachen 8i' 8; das sollte Si' ouxep sein; und SC onsp wird man aufzunehmen haben. Phaid. 89 a druckt Burnet 6 '7re^6v6e[jLevf gleich als ob ein kurzer Vokal einen folgenden verschlingen könnte 2). Gewiß ist das Augment nötig; aber das ist ja oüttetc 6v0e[xev. Übrigens halte ich das Zeichen für Aphäresis, wie er es bei 'xeivoc; durchführt, für ganz müßig; nach Vokal spricht man xetvo?, OeXco. Charm. 160 e 5 x6 Priscian, toü codd., Lach. 185 d 6 evexa aXXou Cornarius, oft sv. aXXo codd. und viel der- gleichen sind gar keine Varianten; ihre große Zahl erklärt sich durch die Schrift, toütou Sa^i in dem Verse des Parmenides, Soph. 237 a, 258 d ist dasselbe wie toüto bei Simplicius. Ich verzichte darauf, meine Sammlungen auszuschütten. Bei e bemerke ich es seltener; et; ist als sie, zu geben, auch wenn es ein paarmal (Gorg. 526 c, Briefe 353 a) überliefert ist. Wenn sich Infinitiv dos Präsens und Futurs nur in der Aussprache unterscheiden, kann die Schrift die Variante erklären, aber die Verwechslung ist zu allen Zeiten gewöhnlich, so daß kein Verlaß darauf ist. Nur soll man sich nie scheuen, dem Sinn allein zu folgen 3).

Die Orthographie hat Schanz für viele Worte nach den Handschriften

1) Unmittelbar darauf ist eine der in diesem Dialoge nicht seltenen Interpolationen von Heindorf entfernt.

2) Auch im Demosthenes wird dieser Unfug selbst von Fuhr getrieben, z. B. 18, 41.

3) Interessant für die Aussprache ist noch Krat. 400 b, ijwx*) aus fuazyji. Niemand schrieb nun 90 für ty, aber Piaton hörte die Aspiration. Theaetet 1 94 c schreibt er xcap, spricht aber xrjp aus. Das wird namentlich im Ionischen weit gereicht haben, woAnakreon undXenophanes lyxrjQ für sy/sae; sprechen ; die Verbalendung -eocToa fiel, wenn -7]Tat geschrieben, mit dem Singular zusammen (Herrn. 21, 98), ward also durch die Periphrase mit dem Partizip ersetzt.

Orthographie. 33t |

bestimmt. Das hat Wert, führt aber zunächst auf die von Herodian er- neuerte historische Orthographie, nicht direkt auf die der akademischen Ausgabe oder die Piatons. OXiaaicov steht am Anfang des Phaidon/Ttata;;, TitfavSpoc sind durchschlagend. Ebenso daß der Nasal im Wortschluß dem folgenden Konsonanten nicht angeglichen wird, sx auch vor einer Media und X seine Tenuis behält. Ausnahmen wie ey xaXök Staat 571b, sy ysv/jTai Pannen. 153 e 3 (B) sind so selten, daß sie als unbeabsichtigt gelten müssen, syy6vcov Staat 364 e 4 ist erhalten, wohl weil der Schreiber wie die Modernen Ivyovtov verstand, was die letzteren zum Ändern veranlaßt. Gehalten hat sich die richtige Augmentierung 7;pya£6[X7)v so oft, daß sipy zu vertreiben ist. -epiwv hat sich unter Irrtümern einzeln gehalten , Symp. 209 b, Protäg. 348 d: das zeugt hinlänglich gegen das herrschende Ttepusvai -sputov, das kein Athener gesprochen hat. xsXeüpiaTa durfte Burnet Phaidr. 252 d nicht verschmähen; ebensowenig e7ravaßaafjt,6q Symp. 211 c, oder das allein attische 6S6v Ion 535 b; oüSo? stammt aus Homer, mag daher im Staate 328 e gesprochen werden. xEvcoTEpov Symp. 175 d wird durch a-svo- rspov Phaid. 111 d, Tim. 66 d (liier gegen A) widerlegt. Wenn B im Gor- gias 466 c ei ev betont, so forderte Herodian eUv, sicherlich aus bester Überlieferung: hier eine Spur davon. oüS' sv hat man bekanntlich nicht gesprochen, sondern mit konsonantischem Heta oüSe ev. Wenn Kratyl. 400 c überliefert ist xal oüSsv 8eTv Trapaysiv oüSsv (B oüSs T) övo^a, so i'eicht es nicht, mit Diels und Burnet an der zweiten Stelle cüo"' sv zu setzen; die Variante ist aus oüSsv mit e darüber entstanden, das ergänzt werden sollte, als Ersatz der letzten Silbe verstanden ward. Nur an die eiste Stelle gehört es als oüSs ev. Staat 376 hat Cobet oüSs ev aus oüSsv os gemacht, d. h. es war ouSev mit der richtigen Korrektur darüber. Sexet^c, Ssxstic, eEet^c, §£&ng findet sich häufig; Gorgias 471 c in F gegen s7rTäsT7)S der anderen. Ges. 833 d Tale os TptaxaiSexETEai (zu lesen -lai), Ges. 772 b ist SexaTTqpu; aus 8sxsT7)p£<; verdorben, 961b Tpidcxov-' etyj ysyovoTa nur falsch getrennt: es müßte sonst et&v stehen, wie 850 c. Danach sind die übrigen Stellen zu behandeln; im Staat findet sich überliefert nur -toutt,?, 460 e äzo elxoaieriSoi; piixP1 TETTapaxov-aETiSo«;; das attische war der unwillkürlichen Entstellung überall ausgesetzt. Hübsch ist, daß es einen Fall gibt, wo wir außerstande sind, einen Akzent zu setzen, weil Piaton keinen setzte, Ges. 764 d appsvcov xai OrXsicöv xopcov. Da xopcov zu betonen und , .weibliche Mädchen*' zu ver- stehen, ist doch unerträglich. Das Substantiv gilt für beide Geschlechter, ist also xopcov und xopcov; weil er im Genetiv die Geschlechter nicht scheiden konnte wie im Dativ cuv xopoir ts xal xopa'.q, einer alten Formel, hat er die Adjektivs zugefügt. 947 b xopcov /opov ?:£VT£xai8sxa xai äppsveov ETspov zeigt wieder das Vermeiden des maskulinen y.öpoc,, das doch aus dem Fe- mininum entnommen werden muß M.

1) Um die modernen Akzente habe ich keine Lust mich viel zu kümmern, aber den Widersinn muß ich noch einmal geißeln, daß man -l druckt, gerade wo es betont ist; der Gravis bezeichnet doch den Tiefton. Die wenigsten Verehrer des Einpaukens der Akzente wissen, waR ein Akzent will; daß Immisch, der es weiß, das mumpsimus vertritt,

22*

340 Textkritik.

Die attische Form rcauov ist durch die Überlieferung gesichert; auch in dem Verse des Aischylos, Staat 383 b, muß sie mit A gegen F gehalten werden, denn auch im Texte des Aischylos sind ihre Spuren unverkenn- bar; die spätere Zeit wandte das fremde Troaäv an. Übrigens ist die Be- tonung uaiwv für den Versfuß eine byzantinische Verkehrtheit, wie die Stellen lehren, die Lentz, Herodian I 21, zusammenstellt. Auffällig kann Oäxos scheinen; aber so haben die Athener gesagt, nicht bloß die Tragödie, denn so steht auf der Francoisvase : sie haben also das Lehnwort von den mutterländischen Nachbarn.

Als eine Hauptaufgabe der Reconsio betrachte ich, die Varianten von Wörtern, aber auch von Satzgliedern zu erkennen und auszuscheiden. Darauf durchmustere ich die Dialoge, natürlich ohne Vollständigkeit auch nur anzustreben; eigentlich gehören ja auch die Fälle dazu, wo das Schwanken der Handschriften schon zur Wahl gezwungen hat.

Euthyphr. 5e \iiya. aoi epeü tsxjjiyjpiov toG vdjxou [ö-u outw? exEt,]> ^ /-a'- aKkoiq T^Sr) eZtcov, 5xi Taüxa opQCöt; av eiv) fi-(v6yLsv<x. |i.rj zr.irpe-r.eiM töi äae- ßoövTi usw. Die beiden Sätze mit oxi sind Varianten, gehören allein an die Stelle, wo der zweite steht. Ausgeworfen hat man den zweiten, was der falschen Ordnung nicht abhilft; auch ist der Ausdruck dort so eigen- tümlich, so entfernt von schematischer Logik, so gesprächsmäßig, daß ich vielmehr das Nüchterne beseitige, das sowieso an falscher Stelle stoht.

Phaidon 70 a 5 sind die von Schanz richtig ausgesonderten Worte eine kürzere Fassung, die statt des jetzt dort Gelesenen Zeile 2 hinter y.rr etieiSccv dTOxXXayTJt toö oü>\mx.to<; folgen sollte. Die Modi zeigen es. Von Glossem kann keine Rede sein, aber eingedrungen ist die Variante aus 84 b, wie Ähnliches 60 e 2, 69 e 3, 72 e 1.

84 b ex S-Jj TOiauTYjs -rpo<p7]<; und tccOtoc 8' E7UT7]8eüaaca vv. 11. ; das zweite von Ast verworfen, richtig, da das erste im Bilde bleibt.

Kratylos 383b 2 in B, ei aurcöi Troxspov KparüXcx; t^i ockrßei'xi Övo^a eaxiv 7) oü. T läßt 7t6x£pov und sotiv y) fort. B hätte Ttorepov aüräi setzen sollen; el stammt aus der richtigen Fassung T; die Wortstellung zeigt, daß sie am Rande stand. B ist hier überhaupt viel schlechter.

Kratyl. 397 d Sokrates hat die Etymologie von Qsöq gegeben und fährt fort ti o5v av (xera toüto axo7to?|jt.sv; 7j (dies fehlt in B T) St^.ov Srt oti. Sai(iova? te xal 7)pwa<; xal dvOpurcoix;: 8aitxjva<;: v-o-i <*>? 4Xvj8cis, 5<J> 'EptxoYEve^, ti av tcote vool ovou-a ol 8ai[i.ove?. So Hermann. Da ist vieles anstößig. Schwerlich würde Sokrates in der Frage r, StjXov öti noch ein Srj einschieben; kahl ist das bestätigende 8at(i.ova?; Hermokrates hat doch an der Reihenfolge nichts auszusetzen, die Sokrates auch einhält. Und was soll in dessen Munde das xal ? Wenn nun 'i\ fehlt, so fängt Hermokrates mit ovjXov Srj gut an, kann gut die Disposition geben, auch gut bloß 6tl Sxi^ovas sagen. So urteilt Burnet, weist das ZwischensteTxende aus, und da hätten wir eine andere Fassung. Aber das xal paßt auch da nicht. Das paßt erst, wenn wir eine Fassung herausschälen, die alles

ist mir unbegreiflich, t! gehört sich. Daß das nicht interrogativ ist, wird der Leser doch wohl merken; wenn er hört, ,,das ist was", kann er es doch auch.

Varianten im Text. 341

dem Sokrates gab, also r. 85jXov 8ti Sai(jtova?. xat «<; dX7]6iö<; usw. Oder auch alle drei Kategorien in dieser Fassung. Das wüßte ich nicht zu ent- scheiden. Gut sind nun beide.

. 410 e rroppw ^St) oT^oa <podvoaa-. ao<pta<; eXauveiv. Daß die beiden Verba Dubletten sind, zeigt T, in dem oalvopiat fehlt; es fehlt mit vollem Recht.

Höchst bemerkenswert ist die verschiedene Fassung einer längeren Partie 438 a, die der Vaticanus 173 erhalten hat, und an der wir auch nichts aussetzen würden, wenn sie allein im Texte stünde 1). Schon allein diese Variante hätte immer lehren sollen, daß diese Handschrift heran- gezogen werden muß; ob die Varianten, auf die man rechnen darf, etwas taugen, wird man erst dann sehen. 384 d hat B allein eine solche Doppel- fassung im Texte erhalten.

Theaetet 181 d zwei Fassungen der Antwort, ty.oi.yE SoxeZ und dvay- xaiov jxev oöv; die Handschriften haben sie nebeneinander, Stobaeus Ecl. I 19, 8 nur die zweite.

Protogaras 359 d e kid d yz öappoüai 7tdvTS<; au gpxovTai xal SstXol xal dvopsioi xal Taüxr/. ys s~i -rauTa £pxovxai. [ol SsiXoi te xal ol dvSpeToi]. Dies ist nur eine andere Fassung für die vorige mit doppeltem xat. Dagegen ist 360b xal oi SeiXol [xal ol 6paasi<; xal ol uaiv6uxvoi] als Interpolation mit Recht ausgeschieden; das war zwar nicht für den Text bestimmt, aber zog den Gedanken heran, der 351 a ausgesprochen war.

Gorgias 460 c 6 8e Stxaio? Slxaid ttou jtpdvrei;: vat.: ouxouv dvdyxTj töv pyjTopixöv Stxaiov Eivai, tov 8e Stxaiov ßouXsaöai Slxaia rpaTTEiv;: (palveral ye:

ouSettote dpa ßouX7)oe"at' ° Slxaioi; dSixstv. : dvdyxr). : t6v 8e pTj-ropixöv dvdyxY] ex tou Xoyou Stxaiov elvai: vat.: oüSe-ote dpa ßouX-rjaExai 6 p7)Topixö<; dSixstv. : ou 9atvexat ye. Ebenso evident ist die Dublette, wie daß das Eingerückte zu weichen hat.

460d edv 6 tcÖxttj? T731 7njxTixr,i xprjzat Te y-ai dSixfjt. Da schiebt F xal dSlxcc; XPV7*1 zwischen XP*)TaL tmcl ~z y-°^ ein- DaB nwßte als Variante er- kannt werden, die ttuxtixtji dStxoic XP^at lesen wollte, weil das gleich ebenso von der Rhetorik gesagt wird. Diese Fassung, die mit xat am Rande als Variante bezeichnet war, durfte im Texte nicht erscheinen.

Sympos. 178b 'Halo8o<; rpoi-ov [xsv Xdo; cp-r-al yevsaöai, aüxdp zr.eixa. Tai' eupÜGTepvo«; . . . r)o° "Epo<;- dies die echte Fassung; Aristoteles hat sie gelesen. Es folgt <pr,ol fjiETd Xdo«; Suo -ou-rco yeveoOai, T^v te xal"EproTa: das ist auch gut, schloß einst an 'HotoSoi; an. Aber nebeneinander können die Sätze nicht bestehen. So heilt sich die Stelle ganz einfach, an der so viel umgestellt ist, was immer noch besser ist, als den überlieferten Unsinn hinzunehmen.

Sympos. 202c xiyw el-ov, wiäq touto [Ecpvjv] XsyEu;. Da hätte man nicht auf den Papyrus warten dürfen, die Variante zu entfernen. Denn zur Wiederholung ist kein Anlaß auszudenken. Ich traue dem -Jjv 8' syw 208 b auch nicht. 202 d 7rü<; dv ouv die eine gute Lesart; wenn T ^w? 8' dv oöv hat, so war eine andere gute n&<; 8' dv ohne ouv.

l) Schreibfehler ist darin 6[AoXoyoöu£v für das Imperfektum.

342 Textkritik.

Staat 302a hut Herwerden sehr schön aus der Variante £xxo7rr)aExat. zu ix/.auOrjoETOu x<Ö9ÖaXucö an der Hand von Ciceros Übersetzung xaoOrjaExai, lxxo7ir)aeTai TwipOaX^w gewonnen, obwohl 613b elra axpEßXo'xjovxat. xal sxxotty)- aovxai steht. Denn das ist interpoliert und beweist nur für den Text, ans dem sich ein Leser das zuschrieb, ohne böse Absicht. Ast hat es entfernt. 413 c xoöxo i'oq, 7ToiY]-eov 5 dv xrjt. tcoXei dsl (statt dessen d F) 8oxcö<u ßEXxiaxov clvai auxou; icoieiv. Da ist die eine Fassung erreicht, wenn man die beiden letzten Worte entfernt; sie gehören zu einer zweiten d Soxcötn ß^X-ncrrov Elvat, aüxoic; rcoieiv ohne das Frühere. Auch dies, in dem der In- finitiv frei zu dem vorhergehenden 86y|i.axo<; den Inhalt bringt, wäre gut möglich, wenn nicht dv fehlte.

496 a oüSev yv/jaiov °u8s 9povY]a£co<; [dEiov] dXrjöiVT]«; exojxevov. Kein Glossem, sondern schlechtere Variante zu sx^evov. Mit einer lobenden Randnotiz, wie die merkwürdige d£t.ov Siavor^j.« 504 e (ähnlich äX^örj Theaetet 176 a), hat es nichts zu schaffen.

Aber 515 b liegt keine Variante vor, sondern wo nur„ eines der ähn- lichen Verba övopia^Eiv voui^eiv steht, ist das andere ausgefallen. Der Bedingungssatz „wenn sie sich unterhalten könnten" fordert, daß ein Verbnm des Sagens folgt, also ist vojit^etv allein unmöglich; övo|i.dC£iv geht wohl, denn man kann verstehen ,,sie nennen was sie sehen das Seiende"; aber mir scheint es wegen der Ausdeutung des Gleichnisses und der philo- sophischen Bedeutung von xd ovxa vorzuziehen, daß die Täuschung ihres Urteils über das Sein gleich hervorgehoben wird.

515d Antwort tcoXu y' £97) codd. 7udcvTW<j 8yj tcou Iamblich, gleichwertig. 528o U7u6 xwv 7roXXwv axiii.aC6u.Eva xal xoXouojxsva ü:rö 8s twv £/]xoüvx<ov X6yov oux exovtuv xaO' Öxt, xP'0(JMjLa- Da hat Madvig 8s gestrichen; das ist die eine Lesart. Die andere war (ohne xal) xoXouou.£va 8e utc6, und sie ist wohl besser. Die Menge will überhaupt von der Stereometrie nichts wissen, die Mathematiker lassen sie niofit aufkommen, weil sie ihren wissenschaft- lichen Wert nicht einsehen.

Timaios 17c xal xaxd ipiiaiv ye SiSovxsc; (ys 8tj über SiSovxec; A, 8y] 86vxe<; Stob. Prokl. T, StjXoOvxsi; corrupt F) xa6' auröv sxdaxoH rcpoatpopov sv [lövou em.T-ri8zuy.ot [fiCav sxda-coi -t/y-qv]. So richtig; das Eingeklammerte kennen Chalcidius und Proclus nicht; richtig ist der Wortlaut bei Stobaeus er- halten; in FA 2 ist sxdaxwt zu Exdaxvjv verdorben. Es ist das aber nicht jGlossem, sondern v. 1. zu ev fxovov S7ux7)8£>\u,a, und auch das andere wäre sehr wohl annehmbar. Nun hat aber A im Texte xal ä<p' Ixdaxou xvji xexvvji. Darin ist xal Bezeichnung der Variante. Die war berechnet auf eine Les- art öiSovxsc; ä<p' sxdaxoi) ttji xsxvtji Tcpoocpopov Sv ;j.6vov £7n,x7]8Euu.a, worin das a<p' sxdaxou auf das vorhergehende d:r6 xoü ysvouc; x&v 7rpo^oXe(jLV)fj6vxa)v be- zögen war, allerdings schlechter. Das Partizipium des Präsens SiSovxe? ist erfordert; ys sehr passend; dafür konnte Sv) stehen, das erst die Zeit des Itaeismus in 8i86vxe<; fand. Gleich danach: 18a 1 ist xal 960EI A bessere Variante zu dxs 96 gel T; F hat beides nebeneinander.

25a 4 ;ravxsX<o<; [dXvjöcöq] 6p06xax' Sv Xsyoixo. Darin hat die Korrektur von A die schlechte Variante zu öpÖoxaxa richtig ausradiert. Aber Vari- ante war es: niemand würde ein so einfaches Wort glossiert haben.

Zusätze im Text. 343

Wenn 41b A über ye \ir\v ein 8s hat, so gibt das eine gleichwertige Variante, will nicht 8e ye .u-tjv geben, was in P (Vatic. 173) steht. So steht Ges. 782c 8e (xyjv, wo 8e und u.tjv gleich gut sind, u.7jv natürlich das vor- nehmere ; ye uy)v zu machen, hat man keine Veranlassung. 60 e 1 hat ßurnet eine Variante xaxa Xoyov und xotxa v6(iov richtig erkannt und be- handelt.

Minos 316a hat Hermann richtig oöxoüv xal ev Ilspaaic; als Variante zu dem vorhergehenden oüxoGv xal rcapa 7iäai.v erkannt.

Aus den Gesetzen will ich hier nur ein paar bare Buchstaben Wieder- holungen notieren. 697c ist das Echte einfach ävsupiaxofiev 8s exi y^dpouq auxoü? yeyov6xa<;; da war versehentlich E7U geschrieben, ext die Korrektur dazu. So hat noch O (wie man annehmen muß). Daß der Schreiber von A noch einmal km geschrieben vuk! getilgt hat, kommt nicht in Betracht.

967d äXXa xa äv6v;xa A ist nichts als falsch aufgefaßtes äXXa t' avöirjxa. Wenn O ein müßiges au hinter dem richtigen xe hat, so ist das aus der zur Wahl gestellten anderen Autlösung Ta entstanden, d. h. ein über- geschriebenes a ergänzt. Ich habe mir die Stellen nicht ausnotiert, in denen ich ein au selbst beim alten Piatori nicht dulden kann; es sind nicht ganz wenige. 820a steht ganz außer jeder Verbindung ßaxe iz&q, in A getilgt. Wo kommt das her ? Es sind die letzten Buchstaben des nächsten Satzes, der schließt äu.&<; ys nioq, beides hinter aXX/jXa. Staat 412d ist Öxav [xaXiaxa ausgeschieden: das sind die Zeichen der vorigen Zeile xouxjo y' av [zaXiaxa.

Hippias II 368 c steht hinter S7u8et.y[j.a ein sinnloses ersiS-r). Das ist nichts als das nochmals halbgeschriebene Wort, das wohl zuerst stuSsi aus- sah, dann, da es nicht getilgt war, vom Schreiber in ein Wort verwandelt ward. So etwas beweist natürlich einen ., Archetypus" so gut wie yevouaxr^ im Philebos, und er liegt jenseits von TWF; aber faßbar, praktisch ver- wertbar wird er nicht. Nur die Gedankenlosigkeit weist er ab, die immer wieder sich auf die Übereinstimmung aller Handschriften beruft.

Auf die eigentlichen Interpolationen, also Zusätze, will ich nicht tiefer eingehen. Bloße Glossen , Erklärungen einzelner Wörter wie xoivcoveTv neben aujxßaXXe'.v (Staat 362b, von Cobet erkannt, der mehreres entdeckt hat) sind nicht eben häufig1), Wiederholungen einzelner Wörter, die Konstruktion zu erleichtern, auch nicht, aber sie kommen vor. Längere erklärende Zusätze fehlen in den esoterischen Schriften, wo wir sie am ehesten erwarten könnten, völlig. Dagegen ist der Phaidon stark von ihnen durchsetzt 2). Einzelnes gibt es im Protagoras, Euthydem, Theaetet, Sym-

1) Theaetet I75d a8rjjj.ovr7>v xs [xal äTCOp<~jv] xai ßaixapi^cov ist wohl eher eine Erklärung zu dem verdorbenen ßapßapt^oiv, das Pierson aus einem Zitat bei Thomistios geheilt hat, als Variante aus 175 b 7. Jedenfalls muß es fort.

2) 60 e, 66 b (doch halte ich nur [xsxa xoü Xoyou für ein sehr spätes Glossem zu sv ttji axsd/et; axparcoi; xiq ist ebenso echt wie 66 a etizep zic, xal aXXoq) 69b, 69e, 70a, 72a, c (xaÖsüSsiv), d, 74d (wo ich außer dem von Burnet verworfenen auch ev -zoie, looic, Z. 5 entferne), 76e Anf. (wo Archer Hind athetiert, und wenn ich auch nicht zu sicherer Entscheidung komme, Zu-

344 Textkritik.

posion. Rätselhaft ist mir einzelnes Falsche im Gorgias '). Im Timaios ist das Wichtige, daß 35 a ein Zusatz [aij 7c^pt] scheinbar zur Hilfe, in Wahr- heit zur Störung der Konstruktion seit der Kaiserzeit fest sitzt, aber dem Sextus 6(59 Bekk. oder vielmehr seinen Quellen, die weiter zurückliegen, noch unbekannt war. Goradezu Interpolation ist 41a oi' ejj.oü yev6(Jtsva in der Rede des Demiurgen; sie wird durch mehrere alte Zitate widerlegt, fehlt noqh bei Proklos, steht aber in allen unseren Handschriften. Eine dritte Stelle, 29 b, wo Cicero hilft, unsere Handschriften den Fortschritt der Entstellung zeigen, wird weiter unten behandelt 2). Im Kratylos sind etliche Zusätze gemacht, die sich mit den Etymologien befassen 3). Es ist im ganzen doch sehr wenig, in den umfänglichsten Werken, Staat und Gesetzen, verschwindend, selbst die kleinen Zusätze einzelner Wörter sind selten genug. Alle tiefgreifenden Hypothesen haben nicht standgehalten *). Die allerseltsamste Stelle ist die nur als Randnotiz in einigen Handschriften erhaltene Notiz Kriton 52 b, durch welche eine Behauptung des Sokrates tatsächlich berichtigt wird. Er ist niemals verreist außer einmal als Festgesandter an den Isthmos. Gelesen hat das Herodikos "(Athen. 216 b). Offenbar hatte Piaton, als er den Kriton schrieb, von jener Reise nichts gewußt oder hatte sie vergessen. Später ward die Tatsache bekannt, später heißt in diesem Falle aber nur gleich nach dem Erscheinen des Dialoges. Wer hat den Nachtrag gemacht ? Man möchto am liebsten an Piaton selbst denken 5).

Lücken im Texte sind sehr selten, doch ist selbst im Timaios 43 c das unentbehrliche Wort zayon nur durch Proklos erhalten. Noch seltener scheinen Umstellungen ganzer Sätze wie Krat. 392 e; mit kleineren Ver- setzungen wird man vielleicht öfter operieren können. Das Kurze und

sätze unverkennbar sind). Weiterhin scheint es sich auf einzelne Wörter zu beschränken.

x) 453c (xal ttou), 453e 8a« £emv, 465c fehlt der Zusatz in F, 467b, 488 e (tzo\ü ist jedenfalls nicht zu dulden; ttou hilft nichts). B hat eine eigene Interpolation auch Theaotet 190 c.

2) Kleine Zusätze, wie tyuyji 37a (von Archer Hind erkannt), 47a (nur in F), öeov 55 d, sind sehr selten.

3) 405c, 408b, 410 b, 415d, 420a, 426d (von y) 8k ordccic an). Kleine Zusätze sind häufig.

4) Mit Recht hat Burnet die Erwähnung des Raubes der Oreithyia vom Areopag Phaidr. 229c gehalten; sie trägt dazu bei, die Geschichte als unglaublich erscheinen zu lassen oder besser als so unsicher, daß Sokrates sich jedes Urteils enthält.

6) Noch seltsamer vielleicht ist der Satz über die beiden Totenrichter Gorg. 526c exarepo? tout<ov paßSov excov Sixa^ei. Er steht ganz unverbunden, ist also in dieser Fassung unerträglich, läßt sich aber mit annehmbaren Mitteln nicht einordnen. Der goldene Stab des Minos stammt aus Homer; wir begehren über die beiden anderen Richter nichts zu hören. So dürfte der Zusatz von fremder Hand aus einer Eschatologie stammen, die, sei es mit Recht oder Unrecht, als Vorlage der platonischen angesehen ward.

yi. 345

das Lange ist, daß die Recensio recht schwer ist und sich nirgend mecha- nisieren läßt, die Emendatio zumeist sich aus der richtigen Deutung der Überlieferung ergibt, und die Divinatio wenig Spielraum hat. Aber so steht es doch, daß jeder, der die Gedanken Piatons erfassen und verfolgen will, nicht darum herumkommt, sich über den Wortlaut des Textes zu vergewissern und, wo dieser schwankt, sich seinen Text selbst zu machen. Das aber wird er nicht leisten, ohne einmal griechisch denken zu können und zum anderen durch lange Vertrautheit das Gefühl dafür erworben zu haben, was Piaton denken und sagen konnte. Und so läuft auch hier die Kritik auf ein Gebiet hinaus, wo die Stumpfheit mit überlegener Miene das Urteil des wirklichen Kenners als „subjektiv" beiseite schiebt. Denn Verstehen ist auch eine Kunst, und wem sie nicht gegeben ist, der rächt sich dadurch, daß er diesen subjektiven Mangel für das Normale erklärt.

Nun mögen aus der Menge von Bemerkungen zum Texte, die sich auf den Rändern meiner Handexemplare angesammelt haben, eine Anzahl folgen, die mir gerade der Mitteilung wert scheinen. Natürlich weiß ich nicht, was absolut neu ist; das wird sich schon herausstellen. Überwiegend trage ich Änderungen vor; hätte ich eine andere Wahl von Lesarten empfehlen oder Änderungen abweisen wollen, so konnte ich ins Un- endliche reden.

Zuerst gibt mir Euthyphron 7 b Veranlassung, über die Kleinigkeit zu handeln, ob te oder ye zu lesen, auch wohl eins oder das andere zu tilgen ist. t und y sehen so ähnlich aus, daß ihre Vertauschung gar nicht als Änderung zählen kann. Piaton hat ye zuerst kaum häufiger gebraucht als das Drama; aber allmählich nimmt es überhand, und wenn es auch nie ganz leer ist (wenigstens würde ich es dann nicht dulden), verliert die Würze doch durch die Übertreibung einen Teil ihrer Kraft. Natürlich braucht er xocl latjv ye, aXXa liyjv ye, xodxoi und t/ivTOi ye, wie die alte gute Atthis nur getrennt. Wenn sich im Staate ein paarmal das spätere xatTOiye eingedrängt hat x), so ist es arg, daß der gerügte offenbare Fehler noch geduldet wird. Tritt hinter li.7)v noch das ver- stärkende Sy), so wird (xfv gesprochen und geschrieben. Hinter xe kann ye nur treten, wenn es das erste von zwei Korrelaten ist wie eavxe ye eavxe u. dgl. (z. B. Phaid. 59b, Ges. 720b). Daß ye nur den Hiat verhindern soll, wie oft im Drama, ist mir auch in den Schriften, die gegen Hiat emp- findlich sind, nicht aufgefallen. Anstößig ist mir oüxouv y' av ol^ai; aber da wird ye zu olpcai gehören und nur nach Wackernagels Gesetz an die zweite Stelle des Satzes gerückt sein. Doch nun mögen aus einer großen Menge von Stellen, die ich zusammengetragen hatte, einige folgen.

Euthyphron 7c exOpol xe av ocXXtjXok; eluev xal 6pyt.£ol>e0a. Hier ist zu

J) Staat 511 d duldet sogar Adam ein Satzglied xaixoc vot,tüv civxwv [i,exa äpy^c;, das sich auch sonst von selbst aussondert, obwohl das helle- nistische xaixot für xodTtep ein unverkennbares Stigma ist. Beiläufig, wie kann man bei Hipponax 22b dulden xaixoi y' eücovov aux6v, et OeXeu;, Scoaw, wo doch das Pronomen unverkennbar ist, das wir freilich xocl ao£ ye schreiben werden.

340 Textkritik.

ys (B gegen T) keine Veranlassung; te xal liebt aber Piaton auch mehr als irgendein anderer. Staat 583 b to Se rpirov oXufJtmxös töh atOTTJpl te xal T«l 'OXujZTUon Ali. Da stellt er, weil er sein beliebtos TptTOv twi a(0T75pi hier durch 6Xu[xtt'.xco; steigert (der Bieg des Cerochten soll der vor- nehmste, olympische werden), eine zweite göttliche Peison neben den ocoTrjp, obwohl man doch auch diesen Zsüc benannt haben würde. Kratylos 438e SC dXXvjXtov te (Heindorf, ys codd.) . . . xai aüia SC sauT&v.

Soph. 243b toüto te vüv d-opoüpiEvov ohne Korrelat, also hier ganz unmöglich; von einem Abbiegen von der erst begonnenen Konstruktion kann keine Rede sein. Es ist aber auch nicht ye mit Hermann her- zustellen, zu dem kein Anlaß ist, sondern te ist wiederholtes to von toüto, wie Cobet gesehen hat. 243 e durfte hinter dXX' dpa kein ye bloß aus W Aufnahme finden, ebenso 24 le toc y' svavxta gegen ra ev. in TW aus dem ganz verschriebenen t<x uiv dvTt. B gemacht werden. Polit. 273a ist te aus dem folgenden tov wiederholt, von Campbell beseitigt. Symp. 219 e entsprechen sich xp'h{x^a'1 TE UU(i &l &H**1V> so B. Der Papyrus hat beide Male ys, T an der zweiten Stelle. Da ist eine Kopula unentbehrlich; es kann aber auch an der ersten Stelle kein ys stehen, denn sonst würde man cüi Se cit[i.Y)v schreiben müssen. Gorg. 454 e dXXd u-vjv ot te ys {XEii-aö^xoTE? ... xal ot 7rsm(iT£ux6T£<;. Hier fehlt te in F, aber die beiden Kategorien, die Sokrates eben zu unterscheiden gelehrt hat, müssen hier- durch te te als unterschieden, aber korrelat bezeichnet werden. Dagegen hat ys keine Berechtigung, cla nichts Neues kommt, sondern das Ergebnis konstatiert wird 1). Staat 349 c 7 ys zu Unrecht aus Stobaeus aufgenommen.

Gesetze 642e rpa^avTE? oüSsv &v -/]X7u£ov, -aOovTE? Se (te codd.) t; SpdaavTE? 7:X£tto xaxa. 646^ xdv st u.y)Sevö<; dXXou x^-p^, dXXd TOu0au[j(.aoTOÜys(T£Codd.) xal (xtotcou. 81 ld ä7tdvTtov u-ot u-ETpiarraTOt te (y£ codd.) slvat xaTE9avr,aav xal rpooT)xovT£? Ta u-aXtcrra äxoüstv veok;. Der Vorzug ihrer Reden beruht auf den zwei Eigenschaften, also müssen sie kopuliert werden. 818 b Seat ÖsTat o![i.at twv [y£ om. Stob.] dvayxcöv slaiv etteI tö»v ys dvöpwrtvwv usw. Zwischen zwei berechtigten ist dies an sich falsche besonders ärgerlich.

Falsch zugesetztes dpa gibt es Symp. 205 b in T und dem Papyrus (hinter ydp), 199 a in T; anderes wird uns noch begegnen. Mir ist ydp dpa überhaupt bedenklich. Prot. 315 d stteStjU-ei ydp dpa xal np68txo<; ist unsicher überliefert, so nur W2, ydppa xal B ydp dpa T. Man entbehrt dpa ohne Schmerz, und B deutet darauf, daß es Variante zu ydp war, die in T auf xai bezogen ward. Gorg. 469 d ist es überliefert, aber auch da mindestens nicht nötig „Polos, ich habe tyrannische Gewalt bekommen. Ich kann nämlich, wenn ich will, jeden umbringen, sdv ydp dpa ejjloI S6£v)t".

*) Unmittelbar vorher steht SrjXov dpa Öti TaÜTov egtiv. Darin ist dpa von Olympiodor erhalten, die codd. haben ydp aü. Das ist aus einem falschen yap mit dem a der Korrektur darüber entstanden, die nicht richtig benutzt, sondern zu au ergänzt ward, das hier nichts zu suchen hat. 483 c soll man nicht ein Asyndeton entschuldigen wollen, sondern £x<poßoövT£<;(TE) aus T aufnehmen, sei das nun Überlieferung oder Ver- besserung.

Tetralogie I. 347

Es mag sein, daß man so reden konnte und geredet hat; aber ich glaube, das Bedenken äußern zu dürfen, denn ganz abgesehen davon, daß <5cpa in yap steckt, wenn apa zutreten soll, muß etwas Selbstverständliches in dem stecken, was mit yap eingeführt ist. Das ist in der Stelle des Protagoras möglich, in der des Gorgias schwerlich.

Nun zu den einzelnen Stellen der Reihe nach.

EUTHYPHRON 6 a apa toüt' sotiv oij SvExa ty;v ypatprjv ^EÜyco 8ft xa roiaüra . . . Sua/epäq Ttaq a.7-.o8zy_o[ioLi ; 81' a 8rt 6>q eoixe (prjcsEi tlq \i' e^a- (i.apTav£iv. Für 81 a gibt T 816. Sein Unglaube ist nicht der Grund, sondern der Inhalt seines Fehlers, also das Wahre a 8f( oder besser 6 8*( s^aii-apTavEiv.

APOLOGIE 35 b zo'jq Soxoüv-rai; xai cm oüv slvai. So soll der Armenier gelesen haben, lesen auch Byzantiner; B T geben ÖTnjTtouv. Da soll man nicht künsteln; es ist vielleicht Variante, 6r.rt zu 8ti, aber das ist auch nur verschiedene Deutung der Zeichen. Theaetet 187 d 9 durfte Burnet nicht nach dieser Stelle behandeln, sondern oirqi ouv in T ist richtig, ÖT^yoüv B W liest nur das 1 anders. Daß Piaton 5ti und oöv als zwei Wörter empfand, zeigt cm yap oüv tcov ovtwv Polit. 287 d. Gesetze 933 e^ tichv e-coiSaiq r^ tcov toioütcov tpapjjiaxeitov covtivcov ouv So^ei 6jjloio<; elvat. ßXarrrovTt. Da soll man sich nicht scheuen, wie der Sinn verlangt, fy-rivi. oöv zu setzen, denn die Casus sind angeglichen, Buchstabenähnlichkeit kommt nicht in Betracht. Staat 551c ist o-ou ouv vj tivo;; überliefert, d. h. die Variante oimvo? oöv.

37 d aXXrjv ei; aXXr^ -6Xeto<; ä[i.e(.ßo[jivcoi xal e^eXauvojjtivcoi £9jv. Die anstößige Inkonzinnität zu heben , hat Cobet -6Xeto<; in 7t6Xlv ge- ändert; ein anderer besserer Versuch ist, 7i6Xiv zuzusetzen. Mir scheint griechischer Weise am besten die Streichung von -öXewq zu ent- sprechen, mit jener freien Verwendung des Femininums, die ich zu Eur. Her. 681 besprochen und dabei auch Euthy dem 273b aXXr.v xal aXX/)v a.zo- ßXe-ovxec; angeführt habe. Da ist dann ein Substantiv zugesetzt worden. Dafür ist eine Stelle der Gesetze sehr bezeichnend, 666 d. Der Athener hat gesagt, das Weintrinken wäre für den Chor der Greise nicht unschick- lich sie, to zpoayeiv aüxoüt; \Lz-zyziv rjpuv <x>i8rtc. Der Kreter hat zugestimmt. Darauf fährt jener fort roixv 8s oioouaiv 01 av8pe<; [qxövJjv rt jxoüaav]; /} 8r,Xov oti -pe-ounav y.'j-zoXc, Sei ye xiva. Da haben wir zwei Ergänzungsversuche; ■qaouoiv, was Porson und Cobet vorgeschlagen haben, scheitert daran, daß es ^oüoav nicht regieren kann. Burnet hat daher noch mehr geändert, aber nur weniger befriedigend.

41b e^otye xal aÜTÖÜ'. 0aufi.acsx7) av ett) rj Siaxpißrj aüxoOi, or.ö-z evxüxoi[xt. IlaXa|i.r(8£!. Kai . . . zl ~iq äXXoq . . . Te9v7)xev avxi-acaßaXXovxi xa^auTOÜ raGr, 7tp6? xa Ixeivcov &>q eycb oT|xai oüx av ävjSe; zXrt, xal Sr, to fxeyicrxov toü? exet E^Exä^ovxa . . . Siäyetv. Das läßt keine Konstruktion zu, denn oüx av ä.rt8kq e?t) sprengt einen Satz, der sonst wohl verständlich sein würde; nur der Übergang von dem Dativ ÄVTiTcapaßaXXovri zu dem Akkusativ e^sTa^ovxa bliebe auch dann noch wenigstens für den Stil dieser Schrift anstößig, den man nicht nach den Gesetzen behandeln darf. Aber selbst in denen

348 Textkritik.

könnte ich die Künsteleien nicht ertragen, mit denen man hier das Anakolnth zu rechtfertigen sucht. Gerade die Stellen, welche Riddel in dem vorzüglichen Anhang seiner Ausgabe S. 205 gesammelt hat, werden erst recht vergleichbar, wenn man nach teOvtjxev stärker interpungiert lind mit ävTiTrapaßäXXEiv te einen neuen Satz beginnt, in dem oüx av ävjSeq eIt) regiert, te bereitet natürlich xal Sq xai vor. Es ist ein Asyndeton, das die Erklärung der Gaupiaa-r/j Siarpißr) bringt, sozusagen als Apposition.

PHAIDON 58 d tIvi oöv £zi 7u<7Tei>aopi£vX6yoK; xal (tb<;codd.) yäp a<p68pa 7vi0avö<; cov 6v 6 S<oxpaTY)<; eXcye Xoyo? vüv et? &7uaTiav xaTa7t£7rrcox£V. Wie &q verteidigt werden soll, kann ich überhaupt nicht sehen.

66 e. Wenn wir einmal etwas rein erkennen wollen, müssen wir uns des Leibes entäußern und die Dinge an sich mit der Seele an sich betrachten, xal töte, coc; eoixev rj^uv earai ou emöu^ioüpiEV te xai 9au.ev epaoral elvat <ppov7) geox;, ETiEiSav TsXeuTr;acop.sv, <»><; 6 Xoyo? a7]fxaiv£i, £töaiv 8' oü. Das, wonach wir verlangen, ist xaöapcö? ti stSevai; das steht vorher, ebenso wie tüte sich auf das tcote desselben Satzgliedes' bezieht. Schon damit ist gesagt, daß «ppovyjaeox; Glossem ist; <pp6v7)ai<; ist eben auch dem lebendigen Menschen erreichbar. Ein weiterer Beweis der Unechtheit ist, daß nicht der Genetiv, sondern die noch nicht dem Satze eingeordnete Randnotiz 9p6v7)ai? sowohl bei Iamblich, Protr. 13, S. 67 Pist., wie in der Trostschrift an Apollonios 108 a überliefert ist. Daß ein solches Glossem . so früh in den Text gedrimgen und in unseren Handschriften weiter ent- stellt ist, ist für die Beurteilung der Überlieferung sehr zu beherzigen.

lOOd oüx (äcXXo ti tcoieT aüxo (otioüv xaXov) xaXöv "?} tj exeivou toü xaXoü site Ttapouata eite xoivcovta eite 07051 Stj xal O7rco<; :vapayevo(jiEVTQ. Da ist der erste Gedanke, es fehlt ein drittes Substantiv. Dümmler hat ^eto^?) ergänzt und Zellers Beifall gefunden. Das ist nun eine bei Piaton unmögliche Form, setzen wir also (asOe^k; oder ^sTaa^cic; (101c) dafür ein. Dann bleibt immer der Einwand, daß man schwerlich sagen kann tj (jLSTaoxecii; TtpoayiyvsTai: yEvo[xsvY) erwartet man. Dieser Einwand trifft auch die Streichung des letzten eI'te, die Burnet übernommmen hat. Aber dies ist auch falsch, weil dann nur zwei Möglichkeiten zur Wahl gestellt sind, und unbestimmt nur die Weise ge- lassen ist, wie sie ,, heran treten", während offenbar unbestimmt bleiben soll, was Piaton ja noch nicht scharf bestimmt hat, wie die Idee und das Einzelding 'zusammenkommen und sich wieder trennen 1), worüber Aristo- -1 teles mit Recht sich beschwert. Verbal würde das hier so lauten und sofort verständlich sein: otioüv xaXöv oüx &yj<xoc ytyvexai xaXöv tj öxav aüfö xaXöv ev aÜTcoi 7rapyji yj aüxoü xoivcovyji 7) 87cV)i Sv) xal o-kcac, Ttpoayiyw}- xai. Wer das nominal machen will, dem stehen die Nomina 7iapoua£a und xoivcovta zur Verfügung, das dritte fehlt. Da hilft er sich so, daß er eine andere Konstruktion wählt, die an den Genetiv exe£vou toü xaXoü auch

1) Z. B. wie die Idee des Großen der des Kleinen Platz macht, je nachdem Simmias mit Sokrates oder Phaidon verglichen wird, 102 d. xoivtovla ist so allgemein wie „Verbindung", wie man am besten Phileb. 25 e sieht.

Tetralogie I. 349

anknüpft, also eixe otctji §■>) xal onuq TipoayEvoiTo av. Die Korruptel ist in der alten Buchschrift gar nicht so stark, wie sie uns erscheint. Man muß hinter dem letzten sixe eine Pause machen, die wir mit einem Gedanken- strich zu bozeichnen pflegen. Ganz ähnlich Apol. 41c 'OSuaaea r\ Siaixpov 1\ (jiuploui; av xi<; eiTTOi. Gorgias 483 d ttoioh Sixaion Hep£r)<; Im tt]v 'EXXdSa eaxpaxeuaev r) ö uar^p auxoü IttI ZxuQac; 75 &X>.a [zupia av xt? exot xoiaüxa hiyziv. Hier ist ganz klar, daß hinter dem letzten ^ eine Pause ist, dann ein ganz selbständiges Glied. So muß man im Phaidon hinter dem letzten e?TS absetzen.

lOld ist der Text heil, aber es ist mehrfach Anstoß genommen, und die Stelle hat für Piatons Methode keine geringe Bedeutung; er läßt den Echekrates eben darum unterbrechend seine Zustimmung äußern. Die Ideenlehre als Logik wird auf die Zahlbegriffe angewandt und gesagt, daß jede einzelne Zweiheit etwas anderes ist als 1+1 und erst durch den Zutritt des allgemeinen Begriffes der Zweiheit entsteht, oüxax: dcrco- xpivaio av, el 8z xiq auxvji; x^? UKodiazatq £y_ono, /acpsiv ea>iY)<; #v xai. oux ä?ro- xpivaio, zok «v T(* z-n' exeivY)«; 6p[A7}9evxa axe^ato, st aoi dXX7)Xot<; (ju(x<pa>v£i rt Sia9<ov£i. Das heißt: stellt sich jemand auf deinen Standpunkt (nichts anderes kann zyzaQal xivo? heißen), sagt also, „gut, sei dem so, wie weiter ?", so tust du ihm nicht den Willen, sondern überzeugst dich erst, ob die Voraussetzung der Prüfung an ihren Konsequenzen standhält, und dann erst gehst du weiter zum Ansätze einer übergeordneten neuen Vor- aussetzung; so geht es fort bis zu einem Ixavöv, dem letzten Grunde, der für alles Sein und alle Erkenntnis die zureichende Erklärung gibt. Wie das gemeint ist, zeigt die folgende Polemik gegen die avxiXoyixoi, die alles verderben, weil sie immer zugleich über die apxh und ihre Folge- erscheinungen reden. Sie bilden sich ein, selbst Ixavoi zu sein, wie es mit witzigem Spotte heißt: sie brauchen keine objektive Wahrheit zu suchen, da ihnen die eigene subjektive Weisheit genügt. Unverkennbar spricht hier die Erfahrung des Lehrers, der die Seinen in die Dialektik einführt und die Jugend vor der Gefahr zu hüten hat, aus Freude an dem Spiele des Witzes auf die Sprünge der Antilogiker zu geraten, wie er das im Staate 539 b geschildert hat. Der Staat gibt auch die beste Erläuterung für die hier vorgeschriebene Methodik. Der Schluß des siebenten Buches führt den Weg von der U7i60e<n<; abwärts ebenso wie den aufwärts vor zrX xr,v xoü ravxö«; dpx'fjV (also konkret gesprochen zur Idee des Guten). Dort wird alles klar, weil die U7i60eai<; an der Mathematik erläutert wird, die ja auch in der Schule auf die Dialektik vorbereitete. Sie setzt eine Voraussetzung und leitet daraus den Beweis ab für den Satz, der zu demonstrieren war. Dabei bedient sie sich der sinnlichen Zeichnungen und Modelle für die voyjxd, die sie mit der Stavoia sucht (dies Wort in der speziellen Bedeutung genommmen, die ihm dort im Unter- schiede vom voO? gegeben wird), 511a xnzoQiazai 8' dvaYxa£ouiv7)v ^uxV XpvjaOai rcept xyjv ^Y)XY)ai.v aüxoü (xou votjxoü), oux Sic' OLpX'h^ 'L°üaav "S ou Suva- uiv/jv xtov uTTOÖeaecov ävwxepa» Ixßatveiv, elxoat Se xP0i(jL^V7lv aüxoü; xou; uizb xoiv xdxco azeixaaöeTaiv (den Zeichnungen und Modellen, die materiell sind) irp6<; exeiva (die voyjxa, Kreis, Kugel), xal exeivou; (xoi; votjxoü;) &c

350 Textkritik.

Ivapysoi SsSo^aauivou; te xal TETitnrjuivou; *). Diese letzte Voraussetzung gilt, solange der Weg zu der apx'h nicht beschritten wird. Ihn geht die Dialektik, höher strebend als die mathematische Siavoia, empor bis zum dvuTröOsTOv, zu der apx^], also zu der Idee des Guten- Wer das im Staate gelernt hat, versteht die Stelle des Phaidon vollkommen, sieht aber auch ein, daß Piaton hier noch nicht eingehender und deutlicher reden konnte, weil er den Weg zum (xvu7:60etov noch nicht führen wollte.

KRATYLOS 385a lacoq (xev[toi]ti Xsysi«;, a/.e^<o[jiE0a 8s. Hier hat uIvtoi weder adversativ eine Stelle noch so, wie |i.£v toi und noch öfter xal toi namentlich bei Piaton häufig steht, daß das Affirmative in toi ganz kräftig ist. Man sollte der Deutlichkeit halber in diesen Fällen die Partikeln trennen.

389 e s<xv xal (te codd.) ev &XXcui oiS/jpwi. Die Verderbnis lag nahe, da cdvTE bald zweimal folgt. Nun ist kein Anstoß mehr. So ist alles gut; daß das Wort Kalb in dem Bedingungssatze schon steht, appositionell zu sxyovov, ist hier, wo es sich um die Wörter dreht, fast »otwendig, sicher nicht zu beanstanden; ebensowenig die asyndetische Anreihung der näheren Exemplifikation. dcXX' 6 av steht in geringeren Handschriften, ou B T für 6, aber das Richtige steht auch eine Zeile weiter unten, wo die drei Worte ganz sinnlos hineingeraten sind, von Peipers entfernt. Natürlich stammen sie vom Rande, eine Variante, entstanden durch die Detrtung von o, wie Piaton geschrieben hatte. „Ich meine nicht das, wenn wie ein portentum von einem Pferde etwas anderes als ein Pferd geboren wird, sondern etwas, das seiner Natur nach ein Junges derselben Gattung ist, das meine ich. Wenn ein Pferd wider die Natur ein Junges bringt, das seiner Natur nach das Junge eines Rindes, ein Kalb ist, so muß man es Kalb, nicht Fohlen, nennen." 393c outi Xsyco, eccv wo7rep Tspa? ysvrjTai iE, ^tcou äXXo ti 75 tr.Tzoc,, äXX' 6 av 9ji toü y£vou<; exyovov ttjv cpüaiv, toüto >iyw eav ßoö? Sxyovov cpüasi ittzoi; ::apa (püatv textji, [l6g-/_ov, ttcöXov xXtjteov äXXa jj.6gj(ov.

393 d hebe ich eine glänzende Emendation von Dümmler hervor swe; av Evapy/)? (lyY.poL-rfc codd.) rti tj oüala toü :rpdyu-aTOi; St^Xou^evy] ev tö>i 6v6fj.aTi.

395 c wird die Tav-aXsla, die zur Erklärung von TavxaXoc herangezogen wird, ohne Berechtigung in TaXavTsla geändert. Der TaXavTaTO? kommt gleich, eine zweite Etymologie, -oü X(0ou TavvaXEia ist das Schwanken des Felsblockes, der über dem Haupte des Tantalos schwebt. Zur Recht- ) fertigung genügt das TavTaXi^stv in dem Anakreonverse, den die Schoben zu Sophokles Ant. 134 und dem dortigen TavTaXwOst? anfüliren; meine Ver- besserung hat Kehrhahn Herrn. 49, 507 veröffentlicht. Hesych. sTav8apu£ov erpEfxov. ETavTaXix6y]- eoeictOy}. ETavTaXi^sv Erpspisv. Phot. Suid. TaovÖapütsiv Tpejistv, d. i. Tav0. und tov6. Pollux V 98 TavOapuaTol ÖpjjLOt, cov xaT£xp£[xavTO Xt8oi. Offenbar ist das Verbum mit und ohne Aspiration des t-Lautes in aktivischem und passivischem Sinne gebraucht, und tovOopü*Ceiv zwitschern, murmeln, steht daneben.

418 d soll Hermokrates wissen, daß die Alten für i^uyov 8uoy6v gesagt

1) Überliefert sind die Worte 7rpöq sxsiva hinter xal exetvoiq; die Um- stellung wird unten begründet.

Tetralogie II. 351

hätten; das muß also eine wirkliche Form sein. Sokrates leitet es von Stio ayov her, und das Etym. M. ist konsequent, wenn es als Urform Süayov annimmt. Aber 8uayov oder Suoyov hat niemals bestanden; das ist aus dem Folgenden eingedrungen. Piaton hat 8uy6v geschrieben, das, natür- lich aspiriert, gesprochene 8 wechselt mit £, und auf der olympischen Bronze 4 steht wirklich ü:ro8uytot<; für ü^o^uyioLq.

THEAETET 162b et ouzuq, «©eoSope, aol cpftov ot>8' sp-oi i/Öpov, ?aalv o\ -apottj.ta£6fjtevot. Darin steckt der Sprichwortvers el aol <p0.ov, ou8' k\iol £/6p6v. Ebenso Staat 362 d äSeXcpöc dvSpt Trapeb), to Xeyouevov. Beide der Sammlung Meinekes hinter seinem letzten Theokritkommentare zuzufügen. Die Freiheit vor der ersten Hebung geht durch, aber auch die kurze Senkung soll man nicht beanstanden. Im Staat 573 d twv 7uou£6vtwv ,,to-jto au xal e[j.ol epetq" ist Schhiß eines Pentameters, wird also unter die Reste der Elegie aufzunehmen sein.

171 c sagt Theodoros ayav <b EwxpaTec tov rratpov (xou xaTaöeofzev, worauf Sokrates sich entschuldigt äXXä toi, w cptXe, aSvjXov, et xal TOxpaOeo|i.ev yJkrßic,- etxo? yäp exetvov Tupeaßüxepov Övra aocpwxepov 7)(j.(öv elvat. ,,Es ist ja noch ganz ungewiß, ob wir die Wahrheit verfehlen, d. h. wir tun es vielleicht, demi es ist glaublich, daß er als der ältere es besser versteht." Der erste Satz ist so gefaßt, daß die Schalen der Wahrscheinlichkeit gleich schweben; weiter geht Sokrates nicht, aber daß er, so überzeugt er von seinen Behauptungen ist, sich doch auch irren kann, liegt an der Rücksicht auf das Alter, yap ist also ganz richtig. Was hilft es ye apoc daraus zu machen, was schon B T getan haben ? Kann denn das ein Grieche mit dem Ohr von ydcp unterscheiden ? Das ist überall, wo man es einschwärzt, eine der Künsteleien, die mit Worttrennung, Elision und Lesezeichen ope- rieren, gleich als ob diese existiert hätten. Dasselbe y' ötpa wird Phileb. 46 a aus B aufgenommen, obwohl T das ye bietet, das wir allein verlangen1). Daß yap notwendig ist, zeigt die Fortsetzung. „Er brauchte jetzt nur den Kopf aus der Erde emporzurecken, so würde er uns schleunigst zurecht- weisen und kömite wieder verschwinden." So ist die Erscheinung gemeint, die arg mißverstanden ist. An das Auftauchen eines Hauptes aus der Erde, das die Vasenbilder häufig darstellen, muß man denken. Der Tote könnte ganz als Heros erscheinen; aber Protagoras hätte so viel gar nicht nötig. Einmal aus dem Schöße der Erde, wo er weilt, hervorgucken, ein Wort sagen, das würde genügen.

176 e. Man liest mit BT 7:apa8ety(i.aTcov ev rcöt Övti ecrarrcov toü fiev Öetou . . . toü Se dÖeo'j. Aber dann würde auch das ä6eov zu den ovxa gehören,

l) Auch bei Demokrit B 191 ist yäp richtig, y' äp' wäre nicht einmal erwünscht, wenn es verstanden werden könnte. Nur scheinbar dreht sich der Beweis im Kreise herum „Man soll sich die eüOujjtta bewahren, indem man sich überlegt, wieviel besser man es hat als andere. Denn wenn man dies Prinzip befolgt, wird man zufriedener und ist die Plagegeister Mißgunst, Neid und Gehässigkeit los." Es wäre anstößig, wenn nun die eü6u|jLta wieder aufträte, aber sie begleitet nur, was die Hautsache ist, die Befreiung von jenen /.r,pe<;, die eben sonst die Gemütsruhe stören.

352 Textkritik.

die hier nur ovtus Övtoc sein könnten; es würde also eine „Idee des Bösen" geben. Das ist undenkbar. Gottlosigkeit gibt es in der Welt nur zu viel, aber nicht im Himmel. In dem ist das -nrap aSsiy V-01- von Piatons x<xXX£:toXt<; (Staat 592b), aber keins für den Staat, der diese Seivoi des Theaetot erzeugt (172 c). Folglich dürfen wir nicht ev x.&t Övti lesen, sondern mit W sv twi TiavTi, der also wieder das Echto bewahrt hat. So steht für die Welt ev twi TravTi Phileb. 29 b.

SOPHISTES 224 b ouxouv xal töv (i.aOTrjfAaTa £uviuvoü{xevov zoXiv te Ix ^oXsax; vo[iiatxaTO<; ä[i.s(ßovT<x tocütov npooepzic, Övofxa (gjATropov). Der Ausdruck, wie er steht, ist nur verständlich, wenn Piaton sich ein wenig erfreuliches Spiel mit der Sprache erlaubt hat, aber darauf müssen wir in diesen Schriften gefaßt sein. Er hat einmal 7toXiv Ix 7r6Xeoj? äueißsiv genau so gesagt wie Apol. 37d aXXrjv ei; aXXyjq. Daß dort das Medium d(jieißeaÜoa steht, hindert nicht, wie jeden das Lexikon lehren kann. Das heißt ,,von einer Stadt zur anderen ziehen"; wenn er aber voptiqxocToq hinzufügt, so ist das nicht gleich xepSou<; £vExa, wenn es auch den Sinn hat, sondern ,,er ver- tauscht die eine Stadt nach der anderen gegen Geld", die Stadt für den Aufenthaltsort oder das Wohnen gesagt.

TT)q Si ^ux£H.TTopixyj(; t<x.\)tt)c, ap' uiv IxtSeiXTixT) Sixaio-raxa Xlyonr' av, to 8e ysXoiov ^xsv oüx ^ttov toü TipoaOev, 6\io>q 8e . . . ä8eX9äk tivI t9j<; 7:pa^Eü)? 6v6ji.axi 7ipoaEi7i£Tv ävdyxT]. Sobald man sieht, daß ysXoiov und ävdyxir] parallel stehen, also der Sinn ist ,,es ist zwar nicht weniger lächerlich als das vorige (7rpoasi7teTv), aber es ist notwendig", wird man auf Heindorfs yeXoicoi gern verzichten.

248 d [xavGavw x68e ye ü<;, yt.yva>axeiv ztnep Sarai iroietv ti, ytyvw- oxojjievov ävayxaiov au aupißaivei räaxeiv. Das läßt sich nicht zertrennen. Theaitetos hat gesagt, daß Erkennen und Erkanntwerden dem Wesen des parmenideischen Öv zuwiderlaufen. Das geht dem Eleaten etwas rasch. Er ergänzt also den Gedankengang des Theaitetos richtig so „wenigstens verstehe ich so viel: wenn Erkennen eine aktive Tätigkeit ist, ist Erkannt- werden passiv". Nun kommt das zweite Glied tyjv oüatav 8e (8tj codd. )l) xoexa töv X6yov toötov yiyvo)axo[jLEV7)v . . . xiveiaöai 8ia 7cdaxet.v. Erst hierin liegt der Widerspruch; der Anschluß kann also durch keine folgernde Partikel erfolgen, und der Acc. c. inf. gehört unter fjiavOdvco. Es ist also nur zu konstatieren, daß dieser Piaton sich erlaubt, von einem verbum sentiendi einmal einen Satz mit &><;, dann einen Acc. c. inf. abhängen zu lassen.

Hinweisen will ich auf die glänzende Emendation von Radermacher 243 b otocv -viq ocutwv <p0eyE7)Tai. Xey uv &q ecmv . . . ^ ev r\ Süo, xal Öep(i.öv a5 4>uxP^1 ouyxepavvüjxevov äcXXo? etr.r]i (aXXoOi tctji codd.).

240 b ist durch eine Anzahl sicherer Besserungen noch nicht ganz in Ordnung gebracht. Die Debatte hat ergeben, daß das koixoe, als oüx 8vtco<; Öv anerkannt ist, aber doch in gewissem Sinne gern; Theaitetos nennt es daher eine etxwv Övtcck;. Dann folgt der vielbehandelte Satz oüx Öv Äpa [oüx del. Badham] övtojj; ecrrlv Övtgx; f}v Xeyo^ev etxövoc, zu

*) Ebenso verdorben wie 247 d 4, wo Heindorf mit seiner gesunden Klarheit gebessert hat.

Sophistes. 353

dem nur die wertlose Variante 8vxo<; in t notiert ist. Dabei ist vergessen, daß £<mv enklitisch ist, und ecmv zu sprechen hilft nichts, da es doch nur Kopula ist, Piaton also övxgn; earlv schreiben mußte. Mancher wird sich bei dieser Umstellung beruhigen wollen. Aber wir vermissen auch, wovon das Abbild Abbild ist. Also ist erfordert oux öv <5cpoc övrco? Övxws icrrtv Öv- tos 7jv \lyoy.zv elx6va. Das ist freilich etwas Sonderbares, aber Theaitetos nennt es auch ja sofort eine aupi7rXox7) (j.aXa #xo7co<; von Öv und [X7] Öv, und der Eleat bestätigt das nachdrücklich.

241b ,,Wir müssen uns nun überlegen1), was wir tun sollen, da uns die Begriffsbestimmimg des Sophisten in viele Widersprüche ver- wickelt." — „Allerdings." „Davon haben wir erst wenige erledigt, und sie scheinen zahllos." äSüvaxov y<xp (B T, ap' W), &q soixev, e?7) töv ccxfiazrp eXeTv, ei xaöö' oöxgx; exei. „Sollen wir's etwa aufgeben?" ctTj fordert #.v; die Byzantiner haben es hinter yap zugesetzt, Burnet Y* äv aus yap gemacht. Das beruht auf der richtigen Erkenntnis, daß hier keine Begründung stehen kann, denn eine solche am Anfang einer Ant- wort begründet ein Ja oder Nein, Theaetet aber kann koins von beiden aussprechen, sondern nur sagen, „wenn die Widersprüche zahllos sind, werden wir's schwerlich erreichen". Also hat öcpoc W den Vorzug; will man B T verwerten, kann man mit Campbell x#p' schreiben, aber <5cpa ist besser, einmal weil wir immer zwischen W und B T die Wahl haben, dann weil die Beteuerung nicht wohl am Platze ist; tö? goixev und der einschränkende Bedingungssatz zeigen, daß Theaitetos wohl weiß, un- möglich wird es nicht sein. Eine Folge ist, aber für beide überlieferte Fassungen, daß ei/j ein Zusatz ist: wer ihn machte, hielt av nicht mehr für nötig. Symp. 204b StjXov S-Jj xoöx6 0^ xo" toxiSi, oft ol [j.sxa£i> xoüxwv dcH<poTepcüv &v av xal 6 epw?. So die codd., dtv ei7) der Papyrus. Damit ist der Grammatik genug getan, aber die scharfe Folgerung gestattet hier nicht den bescheidenen Ausdruck. Usener hatte AN richtig als Stj gelesen.

249 d ßaßai (xlvxav <5cpa co ©eaixiqxz, &<; (jlol Soxoüfxev usw. Die un- mögliche Häufimg der Interjektion und der Partikeln beweist Verderbnis. ßaßai ist durch das nur daran anschließende w? gesichert. Wer die sämtlichen Stellen bei Ast im Lexikon nachsieht, in denen ßaßai steht, findet, daß es gewöhnlich nur ein Vokativ von der zugehörigen Aussage trennt. Aber Phüeb. 23 b steht apa, so auch bei den Nachahmern Hipp. 1 294 e, Alk. I 119 b. Hier wird man zunächst nicht geneigt sein, eine Folgerung anzuerkennen, sondern ein plötzliches Zwischenfahren wie Lys. 218 c. Aber es ist doch anders gemeint. Der Eleate weiß immer, wo er hinaus will. Wenn er sich eben hat zugestehen lassen, daß sie das Sein schon ordent- lich gefaßt hätten, so hat er das mit dem Bewußtsein getan, daß es ganz anders steht, folgert also, „ach, lieber Theaetet, wie sehr glaube ich, daß wir nun gerade die Schwierigkeit der Aporie erkennen werden." Also

a) Burnet verdirbt den Anfang, wenn er die vielleicht nur durch byzantinische Korrektur entstandene Lesart &pa aufgibt und dafür ßou- XeüeaOai (ßouXeüaaa8ai T, wohl vorzuziehen) streicht, das doch nur durch &pa entstehen konnte. aXX' &pa Srj ßouXeusoOai xt XP"0 $päv. Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Aufl. 23

354 Textkritik.

hat Heindorf allein recht mit der Tilgung von |iivxäv. Es wird wohl von dorn y.kv oüiv der letzt vorhergehenden Zeile herverschlagen sein. Apelt und Burnet haben ganz schreckliche Konjekturen gemacht, so wild, wie es nirgend, vollends nicht im Piaton erlaubt ist, und ganz wider den Sprachgebrauch.

Die letzten Worte des POLITIKOS gehören, wie Hennann gesehen hat, nicht dem jungen Sokrates, sondern dem alten, der allein dem Eleaten ein Kompliment machen kann. Sie sind wichtig, weil sie die Trilogie zusammenhalten, und indem sie auf den Anfang zurückweisen, auch den Philosophos vorbereiten: der ist uns 257 a versprochen.

PHILEBOS ist ein schwerer Dialog und erfordert starke Hilfe der Kritik, aber noch mehr der grammatischen Erklärung dieser verkünstelten Sprache. Da liegt eine schöne Aufgabe für einen Kommentar, wie wir ihn brauchen, nicht zu jedem Dialoge, aber zu einem, der den Altersstil ein für allemal verständlich macht. Badham hat viel geleistet, mehr als anerkannt wird J), aber es bleibt noch ebensoviel zu tun, denn es gilt hier neben den Schnörkeln des Ausdruckes dem nicht minder krausen Gespinste der Gedanken nachgehen.

Beides vereint ist nötig, um 15 b eine Lücke zu füllen, die niemand leugnen kann, der den Zusammenhang erkannt hat. Das alte Problem, wie dasselbe zugleich eins und vieles sein kann, ist für die Kategorie des ■xipczq nicht vorhanden; aber wenn man versucht, die Begriffe Mensch, Rind, das Schöne, das Gute als Einheit zu fassen, dann wird die eifrige Bemühung zugleich mit der Unterscheidung (d. h. der dialektischen Unter- suchung, dem y.ax' el'Sr) SioapsTaöou) zu einem Streite; die Dialektik macht die Annahme eines 2v, eines 7UE7i£paa|jivov bei den &7T£ipa zunächst pro- blematisch, tcöv tchoütcovt) tcoXXt) ottouS-}) [jisxa Siaipeaetoc; a[i.tpioß-/)Tr)ai? yiyvexoa. Ist es nicht klar, daß die beiden Nomina aizouS-/) und ä[i.<piaß7)X7)<nc nicht nur keine Dubletten sind, sondern auf ihrer Unterscheidung die Pointe beruht ? Man sieht es vielleicht am besten, wenn man verbalen Ausdruck wählt öxav rcepl xoüxtuv fi.Exä Sioapeascoc; (xaüxa SioupeTaOoa) 07couSä^wfJiev, äjj.<piaßriToG[i.ev. Dies nebenbei. Der Zweifel, geht es fort, erstreckt sich erstens darauf, ob es von den bezeichneten Dingen ^ovaSa^ oiXrß&c, oüaa?, Ideen, gibt, elxa Ttoic xaüxa«; [iiav exaax7)V oOaav ad X7)v aüxrjv xal (jltqte

YEveaiv y.rtiz öXeöpov TCpoa8e}(0[Jiev7)v 6[i(x>q elvoa ßeßaioxaxa \iiav xaüxrjv.

3Daß xaüxac;, durch das vorige nahegelegt, sich sofort spaltet und dann alles sich an exacxvjv anlehnt, ist in diesem Stile nur gefällig. An o(jito<; hat man den Anhalt, wie der fehlende Gedanke geformt war. Was fehlt, daß die eine Idee sich in vielen verschiedenen Erscheinungsformen offenbart,

l) Ich hatte mich mit dem Dialog an der Hand von Badham und Hermann- Wohlrab weidlich geplagt, lange ehe Burnet erschien, und war stolz, als ich von dem gräßlichen Zustand, den der Abschnitt 13 b bei Wohlrab hat, zu der Überlieferung zurückgekehrt war und nur evov 13 b 4 in evopwv verbessert hatte. Bei Burnet fand ich es, aber unter dem Texte, Verschlechterungen daneben. Auch ev (zctiq) ay<x0ou<; ist nötig. Mag ein ü7r6|i.v7)(jia in solchen Dingen lässig sein, Kunstprosa hat ihre Gesetze.

Pliilebos. 355

war also so ausgedrückt, daß 6(jlco<; adversativ, aber ohne eine andere Partikel stehen konnte. Das führt auf ein Partizipium, und wenn das medial war, lag der Ausfall nahe, also z. B. (sv 8s toic, 7toXXoi<; <pat,vo|XEVTjv). Anders als exemplifikatorisch läßt sich eine solche Lücke nicht füllen; aber man muß sie füllen können, wenn man den Anspruch erhebt, den Gedanken richtig erfaßt zu haben.

25 d Protarchos soll ttjv toü ziipcczoc, yevvocv „das Geschlecht des -spat; x)" mit dem des ä~£ipov mischen. Das muß ihm erläutert werden, tjv xat vuvStj, 8eov ^[löiq, xaQa7i£p ttjv toü aTrctpou (ysvvav) auvY)ydyou.£v zlq ev, o(jto> xat ttjv toü 7T£paToei8oG<; auvayayeiv, aovYjydyojxsv. Hier ist wieder als charakteristisch zu beachten, wie tjv genau dasselbe ist wie ttjv toü reepa- TOEtSouq. Das ist lässig, aber deutlich, in dem Nebensatze wegen des Parallelismus zugelassen; ein bloßes tjv 8eov tju.Sc; xaOdrcep ttjv toü dc7r£ipou auvayayeiv auv/jydyou-ev hätte ausgereicht und würde unserem logisch eingestellten Verständnisse willkommener sein. Es geht weiter dXX' i'acoi; xat vüv Tau~ov Spdoei toütcov du-cpoTeptov auvayousvcüv xaTacpavrjq xäxeivTj yevTj- aöTai. Der Satz ist aus den Fugen; aber wie kann Vahlen mit dem Zu- sätze Spdast, <el> . . . yevr,G£Tat Glauben finden ? Was ist das für eine Be- dingung ? Und wie soll das Futurum entschuldigt werden? Da gehört ja eav ysv/jTai hin. Wir verlangen einfach, was schon genügend dasteht, wenn nur gelesen wird tococj xat vüv toutojv a^qvoTspcov auvayou£vo:>v xaTa- <pctv&Q yevTjaerai. Was dazwischen steht, ist also ein ganz ähnliches ab- undierendes Glied wie im vorigen Satze. Ein Buchstabe muß zugesetzt werden, a und s ist dasselbe, tocutöv Spdaaoi. Wenige Zeilen danach ist ebenso sicher uEiyvüaO.) hergestellt.

26b ußpiv xat aüuTiaaav ttocvtcov TtovTjpiav aör/j xaTiSoüaa tj 0söc; usw. Die Göttin ist die Vereinigung von iz£pa.q und lätTssipov, eine xoivwvta, die seit 25 e Subjekt ist. Ich hebe die Stelle hervor, weil sie die Erhebung einer wirkenden Kraft zu einem Göttlichen, einer Person selbst in der Sprache dieses Dialoges darbietet. Die für die Schaffung persönlicher Götter un- gemein belehrende Erscheinung ist schon öfter berührt.

47 e tj SeofzeÜa 'jTrouiuvTjiaxscyOai &ot' lipeTjxsv toicj Ou;i.ot!; xal öpyatc t6 ^oXÜ9pova rep ^aXeic7)vai &cjt£ noku yXuxltav [Lskvzoq xaTaXsißousvoio, xat Tä? ev tol? Opr.voicj xat 7i60ot.<; TjSovacj [ev] Xurraic; oüaac; avaiiEueiyusvac. Um die Verderbnis zu begrenzen, muß zuerst festgehalten werden, daß die öupLot xat öpyai unmöglich fehlen können, da sie den 8p7jvoi xat z60ot entsprechen. Zweitens war der x^°?> ^er Dei Homer S 108 Subjekt ist, keinesfalls ge- nannt, aber auch bei Piaton mußte bezeichnet sein, worauf das öcte ging, das mindestens in dem zweiten wcjte stecken muß. Drittens ist nicht zu beanstanden, sondern zu erwarten, daß die homerischen Worte in die Hede dos Sokrates verflochten sind. Also t6v ogts eoetjxev toicj 0uuoi<; xat hpyoiiq TtoXü<ppovd ~ep /aXe-r^va!.. „Wir müssen an den denken, der den Anfällen des Zornes verstattete, daß selbst ein Verständiger in Groll ge- riet.'- Warum sich nicht hierbei beruhigen? Gerade dieser Gebrauch des

l) Das ist nur periphrastisch, denn das ev hat keine Deszendenz; ylvocj, zXÜoc,, t8ea könnten ebensogut stehen.

23*

35(> Textkritik.

Artikels ist doch dem alten Piaton geläutig. Eine Sache für sich ist die notwendige Streichung des letzten ev.

52 d zi tcoxs xP^i ?dvai tpo? dXr)0siav elvai; xaOapöv xs xal eiXixpivee; y; a9o8pa ts xal aoXu xal [Asya xal ixavov. Das letzte paßt schlechterdings nicht, wo os steht; aber Itx[l6v, was Burnat dafür setzt, paßt nicht besser, das ist „draufgängerisch". Hunde sind lxau.ot, und die dvatSeia pflegt nicht fern von der Itoc{a6ty)<; zu wohnen. Ixavov ist bei Piaton oft sehr stark; was „auskommt", zureicht, ist dorn xsXeiov ziemlich nahe. Das gehört also zum xocöapöv xal slXixpivst;, und die beiden rptxwXa, die durch seine Umstellung ontstehen, werden auch gefällig. Wer noch zweifelt, sehe 66 b 2.

61 d 9jv ^[xiv Y)8r,vr) ts dXr]6(o<;, i>q wi6(xs0a (ol6|j.E0a codd.), [xäXXov kzipocq öcXXy) . . . dxpißsaxepa. Der leichte Fehler scheint zufällig noch unbemerkt. In kziptxc, 6cXX7] wieder die gezierte Vermeidung dos natürlichen öcXXt) äXXyj?.

66 a 7tdvx'/ji 8?) <pr(aei<; . . . de, rjSovyj XTYJ[/.a oüx saxi Trpäxov oüS' Ssüxspov, dXXd zpcoxov [i.sv tcyji rcepl ^sxpov xal uixpiov xal xaipiov'xal Tidvxa ouöaa [xoiaüxa] XP^I vo^tt^eiv x9)v diSiov 7]iprja0oa cpüaiv. 9a£vsxai yo^v sx xöv vüv Xeyo[J.svwv. Ssüxspov jz7)v rcspl aüfxjjiSTpov xal xaXöv xal xsXsov xal ixavov xal tcocvö' orcoca xrj<; yevsä«; xaüxrj«; eaxiv.

Hierin hat xoiaüxa keinen festen Platz, schon im Altertum und auch in unseren Handschriften, sondern steht bald vor, bald hinter xP'h- Icn habe es gestrichen, Zusatz eines Erklärers, der xp^l vo^i^eiv r)ipyja0ai das zpcöxov regieren ließ, also hinter ÖTzöaa etwas vermißte. Die Athetese wird durch den genau parallelen Bau des nächsten Satzes, TcdvO' Ö7t6aa xrj«; yzvzÖ!.c, xaüxr)<; saxCv, an die Hand gegeben, und daß die Grammatik ohne Zuziehung des Gedankens entscheidet, ist an einer so schwierigen Stelle willkommen. Dann ist «piaiv, wie es scheint, byzantinische Verbesserimg von 9aa(, das auch schon im Altertum gelesen ward; daneben fehlte dies ganze Wort, wie es in B fehlt. Aber mit Recht behauptet sich tpüaiv, und ich rate, den Handschriften nachzugehen, die es enthalten, mögen sie noch so jung und interpoliert sein, denn hier glaubt man schwer an Konjektur, und wer so etwas fand, darf auch als Kritiker Gehör verlangen.

Grammatisch ist nun die Konstruktion immer noch nicht einfach, denn wir erwarten, wenn wir von hinten zurückblicken, dXXd (xö) 7rpwxov ptiv 7C7JI rspl [ilxpov (s<rr£v) xal . . . xal 7cdv6' ÖTuöaa xpv\ vojjuceiv xvjv diSiov vjipyjaöai tpüaiv. Und nachher (xö) Ssüxspov. Aber wenn wir ge- hört haben oux eaxi wpcöTOV oüo' ecu Ssüxspov, so paßt allein Trpüxov [jiv, und da das zweite xxTJjxa damit auch schon der rjSovr) abgestritten ist, gehört auch da der Artikel nicht hin. Also wäre die normale Konstruktion dXXd rpöixov [aev ?:spl jiixpov . . . XP"0 vojii^siv ttjv diStov 7)ip7jo0ai cpüaiv. Aber das ist gar nicht der Hauptgedanke, wie das nächste Glied zeigt. Nicht wem das höchste Gut zugehört, sollen wir erfahren, sondern was es ist. Also wirkt zunächst 97jcsl^ weiter, rp&xov (jisv rcspl (xsxpov usw. Diese Auf- zählung wird so lang, daß wir nun wünschen mögen, es wäre hier und in dein zweiten Satze der Infinitiv slvai zugefügt, damit die Abhängigkeit von 97)asii; deutlicher wäre. Aber dazu kommt man erst beim grammatischen

Symposion. 357

Konstruieren; hört man dem Redenden zu, so folgt man leicht, weil die Unterordnung zuerst keine Mühe macht, nachher an die Abhängigkeit nicht mehr gedacht wird.

. Was Piaton sagt, ist also, daß der höchste Besitz in all dem besteht, von dem man anzunehmen hat, daß das Ewige {alSioq «puaiq periphrastisch) es sich ausgewählt, sich vorbehalten hat. Das liegt in der Sphäre des Maßes samt dem, was dadurch bestimmt wird; denn xalpioc, bezieht sich natürlich nicht auf die Zeit, sondern der echten Bedeutung des Wortes entsprechend auch auf das Maß oder besser den Grad, wie der xa:.p6<; z. B. Polit. 307 b steht. Daß hier an dem Ewigen, dem Intelligiblen, nur die eine Seite, das Maß, hervorgehoben wird, darf in. dem Buche, das es mit dem nipctc, gleichsetzt, nicht befremden. Viel eher darf man anstoßen, daß dem- jenigen die zweite Stelle zugewiesen wird, dem die Prädikate der Schön- heit und Vollendung zuerkannt werden. Gehören sie nicht auch allein der tklSioq <püai<; ? Da muß scharf auf aufZfxexpov geachtet werden, dem vorher ^erpov xal ro {/ixpiov gegenübersteht. Diese Schönheit und Voll- endung beruht also auf einer Übereinstimmung mit dem ^expov; es ist also kein ^£p«.q, sondern ein :te7rspaa[x£vov, keine diSioq yüaiq, aber wohl ihr so nahe stehend, wie was der Demiurg des Timaios selbst schafft, was also zwar als geschaffen vergänglich, aber als von ihm vollkommen ge- schaffen unsterblich ist. Vgl. I 636.

SYMPOSION 173 d. Unsere Handschriften geben dem Apollodor den Beinamen [i.oika.x.6q, aber |xavt.x6<; als Variante. [mXax6<; hat der Verfasser des 21. Sokratikerbriefes gelesen (der übrigens fälschlich dem Xenophon beigelegt ist; den würde der Briefsteller nicht 399 nach Megara versetzt haben), jxavix6<; dagegen derjenige, dem Plinius N. H. XXXIV 81 den Bild- hauer Apollodorus insanus verdankt, denn die Personen zu trennen ist gar zu unwahrscheinlich. Zwischen solchen Varianten gibt es keine Entscheidung durch die Bezeugung; der Zusammenhang entscheidet, und hier unzwei- deutig. „Du schiltst immer auf dich und hältst alle außer Sokrates wirklich für #8X101, dich zuerst." Darin ist a9Xio<; etwas weniger stark als xaxo8ai- jxwv, das Apollodor vorher gebraucht hat; nicht das subjektive Gefühl, unglücklich zu sein, geht es an, sondern sie sind unselig, weil sie einen bösen Dämon haben, etwa „von Gott verlassen". Es geht weiter. „Woher

du den Beinamen bekommen hast, weiß ich nicht. £v |iäv yap xoTq

Adyoiq ael xoioüxoq ei, gegen alle außer Sokrates bist du ganz wild (äypi- a(veu;)." Das uh yap verrät doch deutlich, daß die Worte dem Redner die Rechtfertigimg des Beinamens zu geben scheinen, also das oüx olSa nur höflich ist. Also liegt der Beiname in derselben Sphäre wie aypiatvsiv. Und die ganze Rede ist nichts als ein höflicher Ausdruck für „da zeigt sich wieder deine bekannte ^avla". Das [LaXot.x6q paßt in keiner Weise: wenn man sich auf [loikaxbc, xapxepetv, Staat 556 c, beruft, so steht da der determinierende Infinitiv daneben. Noch entscheidender ist die Antwort Apollodors xocl S^Xov ye 8t) öxi ouxco Siavoou^evo? [xa[vo[i.at xal 7rapa7toda>. Was liegt denn in xal ye Stj anders als die bestätigende Bejahung ? „Ja freilich, bei dieser meiner Gesinnung muß ich wohl pvalveaOai (dem er

358 Textkritik.

eine vergröbernde Erklärung beigibt), d. h. {xavix6<; beißen." Man müßte uavixo? konjizieren, wenn ,es nickt auch überliefert wäre. Immer noch wirkt die abergläubische Verehrung des Clarkianus, der die Variante weg- gelassen hat. Daß Apollodor ein Bildhauer war, steht nur bei Plinius, ist aber mit Recht aus der Erwähnung bei Libanios 28 erschlossen, wo So- kratos einem Apollodoros und einem Xehokleides gegenüber ihr Handwerk ohne Vorwurf erwähnt haben soll. Xenoklcides ist ganz unbekannt; ver- geblich sucht man den einen oder anderen unpassenden Xenokles in ihm. , Libanios hat also die Erinnerung an einen sokratischen Dialog unmittel- bar oder mittelbar bewahrt.

174 b. Die vielbelobte „Emendation" Lachmanns &Q apoc xal 'AyäOcov' et« Saixaq laaiv aüx6{ji.axoi ayaGoi ist ein rechtes Musterstück joner Text- betrachtung, die den Athenern zutraut, Akzente und Apostrophe gesetzt zu haben. Konnte etwa jemand in ocyaOojv den Dativ riechen ? 'AyaGcovt, müßte schreiben, wer dem Piaton den schlechten Witz zuschieben wollte, und dabei eine Elision, die für ihn unmöglich war. Wie dje Stelle zu ver- stehen ist, hat Adam mit gewohnter Klarheit gesagt, wie ich bei Schoene finde; ich hatte genau so geurteilt. Mag auch in dem hesiodischen Ge- dichte ursprünglich gestanden haben äyaOol äyaG&v em Sctiraq i'aoiv, was ungewiß bleibt, so hat die Variante SeiXcöv doch bestanden, und Piaton hat den Vers nur so im Gedächtnis gehabt.

175 b sagt Agathon zu seinen Sklaven 7)[a<x<; <T> r.cd8ec, saxiäxe. tcocvtcoc; aapaTiOers o xi av ßoüXvjaGe:.. IrcEiSav xiq u^uv (ayj etpeaTYjxyji, 6 eyo oü8e^c[)7roxe ETroirjaa. vuv ööv vojjU^ovxei; xal ejjle ü<p' ujjlwv xsxXYJaGoa sxl Seitcvov xal xouc, &Akox>q öspaTTEÜETE, IV uyLOic, Ezai.vcofj.Ev. Die Stelle gilt für heillos verdorben; die Konjekturen sind fürchterlich. Ich habe den Irrtum auch lange mit- gemacht, bis mir plötzlich aufging, daß alles in Ordnung ist. „Bewirtet uns. Ihr tragt ja doch immer1) nur auf, was euch beliebt, wenn einer euch nicht auf den Dienst paßt, was ich nie getan habe. Also seht es einmal so an, als wären wir bei euch zu Gaste, damit wir uns bei euch bedanken." Er kennt die Bande; sie nehmen sich doch ein Paar Hummern und die besten Stücke vom Hasenbraten und servieren nur den Rest. wenn der Aufpasser nicht immer hinter ihnen steht, und damit gibt sich der feine Herr nicht ab. Also sollen sie sich als Gastgeber fühlen; der Dank, der Srcaivos, wird nicht in bloßen Worten bestehen. Also zapaxiGEXE ist Indikativ. Daß es nicht heißt IzsiSav [xrßeiq !q>saTy;x7)i, gibt dem Aus- druck die Wendung, die ich genau wiedergeben konnte; in ihr liegt, daß eigentlich ein Icpscxco? da sein muß, der aber auch nicht immer und überall seine Augen haben kann. Charakterisiert wird die Art, wie der elegante junge Herr sein Haus führt, und was dabei herauskommt.

176b xxl sxi evö^ Ssofzat ujxtov dxoüaoa, izciic, iyßi izpbq sppcoaGat, ~£veiv 'AyaGwv. Darauf antwortet Agathon, ohne daß der Erzähler den Xamen nennt, ou8au.tdc;, (pavai, oü8' aüxöc; fppcojjioa. Daran hat Vahlen erkannt, daß vorher etwas falsch sein muß, und 'AyaGcovoi; vermutet. Also „ich muß noch von einem von euch hören, wie er Sich befindet, von Agathon".

1) zavxwq asyndetisch angereiht findet sich öfter, z. B. Polit. 268 e 5.

Symposion. 359

Das scheint mir zu unlebendig. Wenn der Betreffende gegenwärtig ist, werde ich nicht sagen, daß ich ihn fragen muß, sondern werde ihn fragen; wie sich Agathon befindet, kann ja auch nur er selbst sagen, xal eti evöq Seojxai ü[i.c5v äxoüaai- rrcö^ sy£l? ^po? eppcoa9ai tuveiv, 'AyaÖcuv. Ganz korrekt müßte es heißen 7:ö>q, syst. ~pbq t6 sppoiaOai tuvsiv reö^ sysit; 'AyaOcov. Aber wer das erkannt hat, hat damit auch die Form gefunden, die allein der natürlichen Rede zukommt.

194 a sagt Sokrates zi yEvoio o'r> vüv eycb elu.'., [zäXXov 8' tcoit; o5 saotxat., ercEiSav xal 'AyaOcov et7cvjL e3 xal fzdtX' av tpoßoio. Das meint Vahlen halten zu können, indem er ein Komma hinter setzt, und das scheint dadurch bestätigt, daß Agathon seine Antwort schließt de, hpoüvzoc, e[aoö. Wieder ist zu sagen, daß Piaton das Komma gesetzt haben müßte, denn wer Ohren hat für den Rhythmus des Satzes, der hält hinter eÜtctqi inne, wie es denn auch alle bis auf Vahlen getan haben. Sollte eu zu si'TTTji gehören, so mußte ein Stilist wie Piaton die falsche Verbindung verhindern, etwa mit tot' av xal [xaXa cpoßoio. Aber auch dami lag der Ton durch die Stellung von s5 auf diesem, und dann war Sokrates ein Flegel, denn er machte es unsicher, ob Agathon gut reden würde, wenn er nur in diesem Falle Furcht zu bekommen erklärte. Gerade wenn süi nicht dabei steht, liegt in dem Satze, was Agathon in ihm findet, die Erwartung, daß er gut reden wird oder vielmehr wundervoll: so viel würde der etpcov gesagt haben, eu fi.aXa und xal [xäXa sind zwei Varianten, an sich gut, aber eS stammt aus Zeile 7.

194 c. Sokrates zu Agathon „vor uns hast du dich nicht geniert, sl 8s aXXotr EVTÜyon; aoepou;, Tay/ av ala/üvoio auTouc, st ti taco<; oioio alaypov av ttoisTv. Das ist alles richtig und schön, aber Vahlen (op. I 496) hat es wahrhaftig nicht gerechtfertigt, indem er es durch Parallelstellen ent- schuldigte. Die lehren nur, was gesagt werden kann; ob es paßt, ist etwas anderes, und auf den Gedanken kommt es an. Der Gedanke fordert jedes Wort. Denn Sokrates ist ja eigentlich fertig, als er gesagt hat „wenn du mit weisen Leuten zusammenkommst, wirst du dich vielleicht genieren". Da muß auch die Interpunktion deutlich machen, daß er eine Pause macht, denn nun tritt eine ganz neue Bedingung ein, die einen ganz neuen ver- fänglichen Gedanken einleitet „in dem Falle etwa, daß du etwas tätest, das wirklich häßlich wäre". Ohne ov ist die Pointe weg: sich schämen, wenn man vor das Publikum tritt, ist nichts als sich genieren, denn es ist kein alaypov, ein Drama aufzuführen. Jetzt wird ata/üvsaGa!. in seinem vollen Sinne genommen. Und laaq ist auch nötig, denn ohne weiteres darf Sokrates ihm das Neue, dos wirklich Häßliche, nicht imputieren. Ebenda will Vahlen in den Gesetzen 721a syoi 8' av tco? Eaw<; «8s so recht- fertigen, daß coSs -(o? häufig ist ; hier stünde rc<o<; nur bei e/oi av. Als ob das nicht eine Widerlegung wäre. Es steht eben, wo es nicht hingehört, und ist einfach Dittographie von taw;. Wer die Buchschrift kennt, weiß, wie nahe sich - und ic, stehen können. Aus einem anderen Grunde i-t Gorg. 513c taaq unecht, von Schäfer getilgt, von Vahlen unglücklich ver- teidigt, sav :roXXaxt<; [t«jw?] xal (UeXtiov TauTa TaÜTa 8ia(jxozco;i.EÖa. Denn da ist es Erklärung des 7CoXXaxi£, das ja hinter Bedingungspartikeln "die Be-

;U)0 Textkritik.

deutung forte hat. x.a.1 ist intensiv. „Oft" gehört hier doch wirklich nicht her, „vielleicht" auch nicht.

197 c. Die Hexameter, die Agathon improvisiert, sind nicht verdorben, denn neben u7:vov t' evI xtjSei, was nur ohne Lesezeichen die Textüber- lieferung ist und allerdings eine falsche Korrektur, steht yp. xod vtjxtjSei in W, te v^xtjStj in T: daraus ist die Variante v7)X7)8r, zu entnehmen, natür- lich ohne TS. So schreibt man ja auch, aber die Anerkennung der echten Variante ist wichtig. Es ist dann nichts zu ändern, Eros bewirkt

£tp-/)V7]v (jlev ev avOpwTTGK;, TtEXaysi Se yocXtqvtjv vr,vEpuav, ävE^cov xotnrjv, utcvov vtjxtjSt).

Die yaX/)V7i v7)V£|iia ist aus Homer genommen, \i 109; das grenzt dieses Glied ab; dazu ist die erste Apposition dve(juov xoCtt) sehr passend, denn xoCtth ist nicht bloß die Lagerstätte, sondern auch der Zustand des Lagerns ; nur dadurch kann es zu der Bedeutung concubitus kommen, Aischylos Hik. 805 eXÖetco fxopoi; rcpö xofo-ac; yatnqXlou. Und wer kann sich bei Agathon verwundern, wenn er an Aisch. Ag. 565 denkt, eute tiövto^ ev aecnr^ßpivatq y.oI-olic, äxu[i.cov v7)VE[i.o!.<; suSoi rcsacov. Auf ein Bette legt sich die See nicht. Daran schließt sich das letzte Glied ebenso, dessen Spondeen malen, aber so xaxo^7)Xcoc, wie die ganze Rede ist. Das ist ja der Spaß, daß dieser Eros als Schlafmittel so unsinnig wird.

201 d Sei Syj . . . c'6a7rsp ou [StjTjyqcoi) SleXOeTv aöxöv. Es ist richtig von Sauppe bemerkt, daß Agathon nicht erzählt hat, sondern den rechten Weg gewiesen. Nur ist u^y^aw keine glaubliche Verbesserung, sondern die Tilgung der fälschlich hierhergezogenen Präposition des nächsten Wortes.

203 e. Eros ist weder wie ein Gott noch wie ein Mensch, aXXa tote jaev T7}<; aÜTT]? yjjjipai; öaXXst, xat £?jt,, tote 8k arcoOvrjiaxsi, räXiv Se avaßiaxjXETai, oxav eu7:opT]07ii Sta T7]v toö TOXTpöc; cpüatv, xo Se 7ropi^6(jL£vov äsl uTTExpEu Die Worte oxav EÜ7rop7)av)i sind hinter £yjt überliefert; die Umstellung ist evident.

204 c ov Se au wivjöri«; "EptoTa slvai, Oau^aaTOV oöSev £7ia0E<;, coiyjÖtjs Se . . . spco{X£vov slvai "Eporra, ou Ipwv. Das ist syntaktisch so zu er- klären, daß als Nachsatz intendiert war, spco^Evov 3jv, ou spüv. Da schiebt sich die höfliche Entschuldigung zwischen; wir können es ganz ebenso sagen „Was du für Eros hieltest, es war ja gar nicht befremdlich, aber du hieltest das Geliebte für Eros". Gleich danach ist der Sinn zer- stört, wenn nicht mit Badham geschrieben wird gern spacTÖv [tö] tcöi

ö'vti xaXöv xai äßpov usw. Das ist ja die Begründung für das Prädikat der höchsten Schönheit, das dem Eros fälschlich gegeben war. Übrigens zeigt sich hier, daß Piaton äßpö? mit <x7taX6<; gleichgesetzt hat, denn über die a7taXoT7)<; hatte Agathon viel geredet. Ich denke, Piaton wird recht haben, äßpo? ist asiatisch, lesbisch-ionisch, von da in die Poesie aufgenommen. In dem Lautwandel ist selbst etwas aßpöv.

208c xal twv avöpcoTtcov ei eOeXek; zlq ttjv cpiXoTiuiav ßXe^ai, Qau\iä.'Croi(y.i} o' av ttjc, dXoyiat; [tceoi.], a lyw Eiprjxa zl \lv) evvoeic. Das überlieferte Qa.u\L&.- 11,01c, äv ergibt den Unsinn „wenn du auf das blickst, was ich jetzt gleich als Beweis anführe, wirst du das, was ich gesagt habe, wegen seiner Wider-

Symposion. 361

sinnigkeit bewundern, wenn du es nicht verstehst". Sagen muß Diotima „du brauchst nur auf das und das zu sehen, dann muß dir meine Behaup- tung einleuchten". Das erzielen wir so leicht, sehen auch, daß der vor- gerückte Relativsatz die Korruptel erzeugt hat. -zpi ist zugesetzt, weil nun die Genetivkonstruktion nicht mehr verständlich war, getilgt von Ast. Der Genetiv <x\oyl<xc, fordert ein Objekt zu Öau[xä£oii;; das könnte höchstens <piXoTi"ioc sein, die doch nicht £koyo<; sein kann; über sie wird er sich auch nicht wundern, sie ist ja notorisch.

209 c. Der Liebende erreicht es durch den Verkehr mit dem Geliebten, daß er die in ihm zum Lichte drängenden Gedanken hervorbringt, und beide vereint ziehen diese ihre Kinder auf, &axe tcoXü u.siC<o xoivovlav [t7)<; töv 7raiScov] itpbq äXXTjXoui; ol toioütoi toxovcsi xal <piXlav ßsßaioxEpav are xaXXt.6va>v xal äöavaTco-rEpwv 7ra(8ü)v xsxoivcovyjxötei;. Die eingeklammerten Worte sind unerträglich, denn sie können doch nicht bedeuten „wie von leiblichen Kindern". Usener hat ttjc; streichen wollen. Dann haben wir zwar eine „Kindergemeinschaft", die ganz gut paßt, aber m.si£u muß in einem Sinne gefaßt werden, den es nicht hat. Es steigert doch nur; den Sinn von xaXX£o>, Tiu-io-ripav hat es nicht. Es darf hier aber in xoivama gar nichts anderes gesucht werden als das Gemeinschaftsgefühl und der Verkehr der Eltern; so wie 188 c von der xoivwvla zwischen Göttern und Menschen die Rede war. Gut erläutert alles eine Stelle des Gorgias 607 e Der Ungerechte ist niemandem lieb, xoivwveiv yap äSuvaroc, 6t<oi 8e \i^] gvi xoivcovta, cpiXla oux av zKi).

210a evö? ocutov aü\ia.roq epäv xal evxaüOa yevväv X6you? xaXoü?- ercEiTa 8' a5[rov] xaravo^aai usw. Daß an der zweiten Stelle das Subjekt nicht wieder bezeichnet war, sondern die nächste Station des Aufstieges, leuchtet wohl ein.

210 d l'va . . . (jLY)x£xt to rcap' evl &a7t£p oIxety}? äya7:6iv 7taiSaptou xaXXo<; 73 dv0pw7rou r, £7riT7]8eü(j.aTO<; hbc, [SouXeügjv] (paüXo<; 9ji xal ojxixpoXoyo?. Hier muß man erst ayaTröJv richtig verstehen, damit die Vergleichung mit dem Diener klar wird. Bei dem ist von Liebe oder Sichbegnügen nicht die Rede; er hat einfach nichts zu tun, als den Dienst für den ihm anver- trauten Knaben zu besorgen. Das tut er so, wie ein Kindermädchen ihr Kleines verhätschelt. Euripides Hik. 764 von Theseus, der sich um die Leichen liebevoll bemüht, ßaTtep Y)Ya7ia vexpoü?. Homer sagt a^KpayarcaCetv. Bei Piaton steht so noch dya^Tjaouat Phaidr. 233 e 3. Das Bild tritt schon bei E-tT7i8eü(jLaToi; zurück; deshalb steht höq wieder dabei. Also paßt SouXsüuv nicht mehr; wie soll es auch „in sklavischer Abhängigkeit." bedeuten; das würde etwa SouXtxwi; sein, und auch das nur als Glossem. Mit Bedacht ist oixix^c, gesetzt, denn bei dem zärtlich besorgten Diener kommt das herab- setzende Sklaventum gerade nicht in Betracht.

212 e. Alkibiades ist zu Agathons Siegesfest nicht gekommen, vüv 8s 7)xto erl fvji xetpaXrji ^xtüV T<*S Taiv£a<;r l'va . . . tyjv toü aocptoTaTGu xal xaXXla-roo XE9aXyjv lav etnu ouxcual dvaSrjow. äpa xaTaY£Xda£a8l [i.ou ü>q [jleOüovtcx;; ey" 8e xäv uyiziq yO.S.xz, 6{j.oiq olSa oti aXr,ö?j "ktfa. In den Worten, die ganz sinnlos erscheinen, hat Fr. A. Wolf sav eittoj outojoI einfach ausgeworfen. Aber wo kommen sie her ? Riddell hat in der Sinnlosigkeit die Rede des

302 Textkritik.

v

Betrunkenen gefunden, und daß riaton in der Tat die Sprechweise des Alkibiades in diesem Sinne abgetönt hat, ist unzweifelhaft. Aber es ist wohl schon allzu hart, daß er den Bedingungssatz, der zu der folgenden Frage geliert, vor das ävaSy;a<o schieben soll; wenigstens ist es ohne Er- klärung kaum verständlich. Unmöglich aber kann er sagen, daß sie ihn als betrunken auslachen werden, wenn er sich so ausdrückt. Oder ist in seinen Worten etwas, das kein Nüchterner sprechen könnto ? So wie er kommt, wie er dasteht, wio er die Bekränzung vollziehen wird, das kann zum Lachen reizen, nicht das Lob des Agathon, das Sokrates obenso aus- sprechen könnte. Geheilt war die Stelle von Winkclmann, dcvei7:wv oiixwai. Wie zahllose Male liest man in den Dekreten äveireiv 8k x6v ox£<pavov . Die dvay6peuat<; gehört geradezu zu der Ehrung; in späteren Urkunden wird sogar die Formel beigefügt, die der Herold brauchen soll: oüxuol geht auf die Prädikate cotpcixaxoi; und xdXXicxoq, die also Alkibiades mit Emphase ausspricht, was sein Gebaren, wie er dunkel empfindet, nur lächerlicher macht. Zur Entschuldigung sagt er „wenn ihr auch lacht, wahr ist es doch". Das ist für seinen Zustand bezeichnend; er ist auf sein Vorhaben versessen und redet, als wollte ihm jemand wehren.

Von der unlogischen Rede des Trunkenen ist 214 d ein schöner Beleg. Alkibiades ist aufgefordert worden, auf Eros eine Rede zu halten, und sagt: „Der Vorschlag ist ganz gut, aber daß ich in meiner Trunkenheit mit euch konkurriere, ist unbillig. Übrigens hast du dem Sokrates irgend etwas geglaubt ? Du weißt dochWös ist immer das Gegenteil wahr (d. h. er ist der unverbesserliche dpuv). oü>xo<; ydp, sav tivoc eytb s7taiv£ato toutou ^ap6vToi; . . . oux d<ps£exod u-ou xw x"pe." Da hat ydp keine logische Be- ziehung. Aber als Alkibiades die Rede auf Eros ablehnte, dachte er schon an Sokrates, von dem Eryximachos auch gesprochen hatte, wollte schon sagen „ich kann auch deshalb auf Eros nicht reden, weil Sokrates hier ist". Da schob sich ihm die Bemerkung vor, die er mit xal dfxa einleitet; das xai zeigt, daß er den anderen Hinderungsgrund schon im Kopfe hat, und das ydp begründet den Hauptgedanken „ich kann nicht auf Eros reden".

223 b XGju.aaxd<; vjxetv Tza.imokXo'ot; ercl xd<; 0üpa<; xai Imxux^vxa!; dvecoiy- jxevai«; I^ovtoi; xivöt; e?aw avTtxpu? 7rop£Üsa0oa rcapd a<pä<;. Die Tür steht auf, weil sie einer der Gäste beim Fortgehen aufgelassen hat; so kommen die Ungebetenen ins Haus hinein zu der Gesellschaft avxixpuq, geradesweges, ohne sich anmelden zu lassen. So steht ja dvxr/.pui; oft, z. B. Aristoph. Ekkl. 281 iq tyjv -uxva dvxixpu?. Dies hätte Konjektur finden sollen; nun liefert es der Papyrus. Die Handschriften haben zic, xo dvxixpu<;. Was soll das überhaupt heißen ?

Im PHAIDROS hat wie im Symposion die Entdeckung antiker Buch- reste unser Vertrauen in den überlieferten Text stark erschüttert. Aus Oxyr. 1016 notiere ich folgende im verächtliche Reihe von Verbesserungen; es läßt sich noch über mehr streiten. 228 b 5 rcdvo xt 0(xyr.) Schanz: Tcdvu xiq. b 7 zweites ISwv fehlt O.t; vergeblich hat Vahlen aus der Sucht, das Vertrackte zu retten, weil es im Text steht (als ob die Variante das

Phaidros. 363

nicht täte), gekünstelt. 228 e 4 -ol . . . xa6i.C6iJt.Evoi O: zoü; die Regel der Attizisten bewährt sich. 229 a 7 xa6s8oü|j!.e6a O: xaöi^TjaöneOa; die Regel der Attizisten bewährt sich. 229 c 2 to t% "AypaLS, wie O mit den anderen hat., soll man nicht antasten, eingedenk der BacDo] im Eingang des Lysis, die man nicht glaubte, bis sie ein Stein brachte. Wer kann für unmöglich halten, daß die 'Aypoxepa in dem Orte "Aypai nicht auch "Aypa hieß. Viel- mehr so hat sie geheißen, denn"Aypai: "Aypa = 'AOrjvai: 'A87]V7) = 0r,ßai: 0r(ßY) = OiXittttoi : OiXizttoc. e 4 7cpo<; ra TOiaÖTa O; zp. xaüxa T, zp. aüra B, dies am schlechtesten. 230 b 6 ^uxpoü uSaxo«; &q ye t&i noSi -zv.y.ripacsQa.1 O: wie kann öaxe ye BT überhaupt aufgenommen werden; es ist ja soloek; Dittographie evident. Es fehlen ja in O die Fehler nicht, und das falsche ye in fxevxoiye 230 d 5 ist dazu gut, den Fehler anderswo zu vertreiben.

Oxyr. 1017 bringt weniger, aber ein paar interessante Varianten, einen Zusatz, TCTspoppuvjaaaa (-w?) ipepeTai 246 c 2 (weshalb die Seele die Federn verlor, kann der Leser leicht fragen, soll es aber nicht, weil es keine Antwort darauf gibt), und den Nachweis einer bösen absichtlichen Ent- stellung des Textes 248 a 2 r) jjlsv äpiorra 0eoT<; (ÖeÜ!. codd.) ercojA&nf] [xai elxaouivr, om. O] uTrepijpev de tov e^o tottov. Was O gibt, ist alles, was wir erwarten, denn die Seelen sollen den Weg der Götter einhalten, Oecöi. ist unter dem Eindruck von elxaajAsvif) eingedrungen. Hier kommt es auf die Ähnlichkeit der Seele mit der Gottheit, der sie besonders folgt, gar nicht an; es ist auch davon noch gar nicht die Rede gewesen, und an der Ähnlichkeit liegt es auch gar nicht, wenn die Seele folgen kann. Diese Änderung und dieser Zusatz werden doch wohl christlich sein.

Nun zu einzelnen Stellen.

242 b. Seit Jahrzehnten habe ich immer, wenn ich vom Daimonion fies Sokrates geredet habe, damit gerechnet, daß die Stelle durch eine elende Interpolation erweitert ist, [tö 8at[j.6vi6v -z xai.] ziuQoc, tnjuetov. Der Zusatz des Schlagwortes, der erst am Rande stand, erforderte im Texte die Kopula. Piaton aber konnte hier unmöglich das Daimonion von dem gewohnten Zeichen unterscheiden: das Daimonion war ja nichts als das Zeichen. Jetzt hat Hartmann die Worte auch getilgt.

244 c hnel xai tY)v ye tcüv eu^poveov ^xr.uiv toö [JLeXXovroi;, Sia x' öpviOwv rcoiouuivttv xai töv fiXXcov orjuelwv, aV ex Siavoia? 7topi£ouiv<ov ävöpcoTUvr.i oujaei voüv ~.z xai iaxopixv olovo«mx$jv ezcovo^aaav. Alles gut und schön,

#nuß aber gegen Mißverständnisse und Änderungen verteidigt werden; die Interpunktion wird es schon zeigen. Es heißt: „Auch die Zunkunfts- schau derer, die bei Sinnen sind (keine Oeia fxavla haben), und sie von den Vögeln und anderen Zeichen her betreiben, nennen sie oiov., weil sie sich Erkenntnis und Wissenschaft durch menschliches Meinen verschaffen."

245 c v'j/r, jwcoa äöava-ro?. Da verstehen wir „jede Seele"; aber 240 b 6 yr/r, -y.nv. -avTÖr ETTijxeXeiTai tou i«|"ixou können wir nicht so verstehen, denn nicht jede Seele sorgt für jedes Seelenlose. Daß Piaton so ge- schrieben hat, zeigt die Aufnahme derselben Worte am Anfange eines Abschnittes. Überliefert ist so in dem Papyrus 1017, und bei Simplikios zur Physik 1263 yy/r, nataa nur mit falscher Wortstellung. In unseren Hand- schriften ist der Artikel vor -äaa oder vor ->j/t) zugefügt, offenbar in der

364 Textkritik.

Absicht, dir Allseele zu bezeichnen, von dor doch nie die Rede ist, und die auch nur mit toü tcocvtck; ^u/tj bezeichnet werden könnte; ^j 7r5cra ^uxrj könnte allenfalls ,,die ganze Seele", d. h. die körperlose bedeuten, aber auch dann müßten wir an eine Allseelo denken. Also hat Piaton sagen wollen, tc5v Öti ^ux^ ^aTl TravTÖq toü ä<j;üxou tin[xzkziiai. Dio Aufgabe von Seelo ist über- haupt, für das Seelenlose zu sorgen. Das Distributive ist nicht ausgedrückt, und die beseelten Himmelskörper haben auch eine allgemeine Aufgabe, aber die der Einzelseele ist auf einen Körper beschränkt. Gewiß versteht man ^ux>] 7r5caa nicht sofort; die Kühnheit des Orakelstiles müssen wir hinnehmen; aber daß Piaton so geschrieben hat und so verstanden sein wollte, scheint mir fraglos.

246 c. Das £6kov, das Ovtqtov heißt, ist beschrieben. aOavaxov 8s oüS' evö<; X6you XEXoyiaptivou äXXd ^Xärropiev oute iSovtec; oute txavcoi; voTjaocvrei;, 0e6v, aöavarov ti £ühov e'xov (i.sv ^uxV ^Xov <*e a&pia. Die häßliche Härte, die in äXXa steckt, kann man mit Künsteleien und vielleicht Parallelstellen der Gesetze wegreden wollen; aber wozu Piaton sie in diesem Stile, also mit voller Absicht, gesucht haben könne, wird keiner ersinnen. Mehrere mißlungene Heilungsversuche kenne ich; das Richtige scheint mir ganz nahe zu liegen, öcXXo. „Ein unsterbliches anderes erfinden wir ohne jeden rationellen Grund, ohne es sinnlich wahrgenommen zu haben, einen Gott, ein unsterbliches Wesen mit Leib und Seele (was eigentlich unvorstellbar ist)". Gerade daß äOava-rov äXXo so gestellt ist, das erste Glied umschließend, vom zweiten abgliedernd, ist die vorzüglichste Stellung, und daß 6s6v Apposition ist, wirkungsvoll wieder hinter das zweite Glied gestellt, hat die Verderbnis von #XXo hervorgerufen.

248 b oij 8' e'vex' h ttoXXy] ctouS?) to vXrßzio.c, ISsl'v 7ve8iov [oü ^axiv], -q te . . . vojX7) . . . xuyxavEi otiaa, 'f\ te tou TtTEpoü <püai<; . . . TOÜTCot TpscpsTau Madvig hat das unsinnige zweite ou gestrichen, aber das entbehrliche scmv würde nicht an dieser Stelle stehen, sondern hinter 7toXXt) oder auch hinter dtXyjÖEta?. Im Papyrus steht oder stand vielmehr ou egtiv vor tteSiov: es sind also beide Worte zu streichen, wirklich Glossem zu evexoc, hinter dem das Verbum fehlt.

249 d. Der vierte Wahnsinn, r^v ÖTav . . . 7rr£pÜTal te xal äva7CTspoü- [xzvoc, -poOu[j.oü{AEvo<; äva^TEciöai, äSuvaTcöv 8s, opvt.0o<; Stx^v ßXsucov ävco twv xaTca 8k djjtsXwv, aWav exei. oiQ (xavix&i; SiaxEi^Evo?. Da scheint hinter TiTEpcS- toci te xal der zweite Konjunktiv zu fehlen, wie der Parallelismus zu' aSuvcxTcöv zeigt. Also hat Vahlen einen Ausfall angenommen und SiaTEX7Ji. hinter dpieXcöv eingesetzt. Die Stelle ist offenbar falsch, denn das zweite Paar von Participia gehört zu dem folgenden, da es den Grund für den Ver- dacht des Wahnsinns angibt. Aber das Mittel ist überhaupt falsch: te xal ge- hört hinter ava7rTepou[i.evoq, denn der Satz besagt: „Wenn einem die Federn wachsen, so kommt er bei der Befiederung und dem Versuche aufzusteigen, was er noch nicht kann, in den Verdacht des Wahnsinns, da er wie ein Vogel in die Höhe sieht und alles, was unten ist, vernachlässigt". Ich sehe nachträglich, daß die Verbesserung schon von Spengel gefunden war.

250 c xaöapoi Övte? da'/j[xavToi toÜtou Ö vüv Sr; oü[ia 7T£picpEpovT£<; övoj^d- £ou.ev. Da stößt uns, sollt' ich meinen, das ovo;i.d£siv darauf, daß mit o7J[i.a

Charmides. 3<35

acö[i.a gespielt wird, und zwar wieder anders als im Kratylos 400 c, wo der Körper c^ixa acöfza heißt, 8i6ti toütwi ar^cävzi a av av]|i.aiv7)t y\ tywxr); das pythagoreische ar^ix Grab spielt natürlich mit hinein, „rein und ohne einen Stempel, ein Kennzeichen, ein Mal von dem, was wir jetzt (nicht ar^iv. sondern) atöfxa nennen''. Wie töricht ist ä-yj|j.avTO'.. Als ob die Auster durch ihre Schale geschädigt würde; dieser Vergleich folgt sogleich.

256 d v6\io$ . . . (pocvöv ßiov Siayovra^ eüSaipiovslv ixet' aXXvjXoov 7cop£oo;xsvou<; xal 6(i.o::Tepo'j<; SpcoTOi; yäpiv, otocv yi^oi^zai, yeveaOai. Das Freundespaar lebt an dem 249 a bezeichneten himmlischen Orte zusammen glückselig wan- delnd, und sie werden um ihres Eros willen, wenn ihre Beflügelung ein- tritt, 6(x6zTepoi, gemeinsam beflügelt. Das letzte Nomen ist kühn gebraucht, um die Gemeinsamkeit voller herauszubringen, als durch 6;xo'.ü>q TCTepwö^vai geschehen würde. Der Infinitiv des Aorists ist für den Akt der Be- flügelung genau so notwendig wie das Präsens für den Zustand der süSou- u-ovla. Das weiß jeder, der die Gesetzessprache kennt, und dies ist ein vojxoi;. ötocv yevcovTai ist zugesetzt wie Oavcov, oxav OavvjK; Eurip. Heraklid. 320; auch bei Piaton gibt es Ähnliches. Es schiebt den sicher einmal ein- tretenden Zustand in die unbestimmte Ferne. Daß eigentlich oxocv zTepw- öcoatv stehen müßte, ist richtig; aber da das durch jenen kühnen schönen Ausdruck ersetzt war, konnte Piaton gar nicht anders reden.

Eine Sprache, wie sie Piaton hier und im Timaios redet, verlangt einen sprachlichen Kommentar, den freilich nur jemand schreiben kann, dem alle ältere und gleichzeitige Poesie und Prosa durch langjährigen Ver- kehr lebendig geworden ist ; die Nachahmer soll er schießen lassen. Lukian für Piaton zitieren ist nicht besser als Cicero durch Muret erklären.

CHARMIDES. 153 d fragt Sokrates, ob unter den Jungen im Gym- nasium hübsche oder kluge während seiner Abwesenheit aufgekommen wären, also aus dem Knabenalter so weit erwachsen, daß sie dort auf- treten und mit den Männern verkehren können. Das heißt nicht ev aüxoü; ifYeyovözsq, denn dann wären sie unter ihnen entstanden, sondern £7ti- YEyovoTss, si0 smd die kmyovri, die nun zu ihnen gehört.

157 d 7:XetcjT0)v SoxeT tcoXu ato9poveaTaTo<; elvoa töv vuvi W, daraus ist verdorben 7tXei<jtcov Soxsi 7roXu9pEVE<JTaTO<; B; T, W yp. geben 7rävu tcoX'j Soxei aco?pov£aTaTO<;. Abgesehen von der falschen Stellung von tcoXu haben wi* also die beiden Lesarten 7rXsiaTG)v und 7tdcvu, von denen die letzte nach Korrektur aussieht, da sie eine falsche Umstellung zur Folge gehabt hat. :tXeiotcov geht freilich nicht, falsch an twv vüv angegliedert. Die Änderungs- versuche sind sehr schlecht. Ich glaube das vor vielen Jahren sicher ge- heilt zu haben: ^Xsi und raat. ist in der alten Schrift so gut wie dasselbe; 7tXei aber führte zu den Änderungen uXeiotov und :raw. Die Verwechslung von ttöccnv und tcXsiv liegt bei Diodor 16, 11 vor Augen und ist von Dobree, Op. I 141, erkannt. Ich hatte damals als Parallele angeführt, daß in einer Inschrift von Prieno Ix t^Xe^ovo«; -/povou zu lesen wäre, wo Hicks ex Ilaaiwvo«; ££;xou abgeschrieben und nur das letzte Iota als unsicher bezeichnet hatte. Jetzt steht nach dem Abklatsch 59, 1 ex aX[s]tovo? [xpovjou. Die Änderung war. viel kühner; ob nun die im Charmides beachtet wird?

:}(it) Textkritik.

171 c. Ohne Kenntnis der Arzneiwissenschaft kann keiner beurteilen, ob etwas in ihrem Gebiete richtig oder falsch gemacht wird. oüSe ys <5tXXo<; oüSslc; clx; eoixev ttXtjv laxpoi;, oÖTe 8/] ö acocppcov. Da hat man sich gewöhnt, den grammatischen Fehler durch oute yz zu verbessern und einen logischen hineingebracht. Denn „weder ein anderer noch der awcpptov" ist ja Unsinn. oüSs ys ist unentbehrlich, es heißt ja „also auch kein anderer"; daran tritt als neues Glied, einschränkend oüSI S73 6 aticppwv, „natürlich auch nicht <!er, nach dem wir hier fragen". Es ist eine Kleinigkeit; aber an diesen Partikelchen hängt die richtige Nuancierung der platonischen Rede.

174 c to e7vicjT7](ji6v<ü<; tjv £rjv to e>j TtpaTTEiv ts xal EuSat^oveüv rcoioüv, oü^s aujjiTCacKov twv aX>uov £7ii<fnr)tjicöv, äXAa [xiäc; oüov)<; Taür/)<; pt.6v7]<; ttj<; rcspl to ayaOov xal xaxov. Es ist verdienstlich, daß Arnim die Unhal tbarkeit dieser Überlieferung bemerkt hat. Er hat aber gemeint, es fehlte hinter sTaoT-rjiJ.cöv etwas, das die Genetive zu einem ganzen zweiten Gliede er- gänzte; demzufolge hat er geschickt toüto spyov -rjv eingeschoben. Ein sehr starker Eingriff. Grammatisch war doch wohl die Überlieferung ver- ständlich: das, was Glückseligkeit bewirkte, war nicht das lr:icszrni.6v<i>c, £7jv, auch nicht das £?jv au|x~aacov twv £?,A<ov s7uaTY)ucov oüawv, otXka. to £'?)v y.ixc, o'joyj? TaÜTT,?. Nur ist unhaltbar, daß das Sein, die Existenz dieser Wissen- schaften die Bedingung ist; ob sie sind oder nicht sind, fragen wir nicht, sondern ob sie in dem entscheidenden Wissen vorhanden sind. Ich denke, wir kommen rr.it <7T-ap)ouay)c aus.

Der Text des LACHE S ist auffällig schlecht erhalten; den Beweis liefert nicht nur das alte Fragment der Flinders Petrie-Papyri, sondern auch der kleine Fetzen aus Oxyrynchos 229 (Gott. Gel. Anz. 1900); ein Trost ist, daß einiges durch Konjektur schon geheilt war. Besonders wichtig, daß 191 b eine böse Interpolation beseitigt wird, nur zur Hälfte von Badham erkannt, dessen Scharfsinn auch 190 a [xal laTpoi], 199 d [xal Ta pu;], 199 e [cSifj.7jv as eüp^aeiv] Berücksichtigung verlangt. Aber auch Er- gänzungen gibt es, nicht nur yjfjüv 190 b, gleich danach zweimal #v und ÖTt. (Sr^) 197d 2 (Oxyr.), auch 191 e ist avSpslat, fiiv zocvte? outoi slaiv avSpEioL ausgezeichnet und entspricht der platonischen Lehre; das müßte geradezu ein Philosoph verbessert haben, wenn Piaton geschrieben hätte ävSpEiot jxEv -avTE? outoI elgiv. Die Handschrift war aber keineswegs gut, die sich -^in Soldat in die Kolonie des Philadelphos mitnahm. Ich stoße beim Lesen dieses doch so einfachen Dialoges häufig an, kann aber nur zu sehr wenigen Stellen etwas sagen.

Gleich die erste Rede des Lysimachos soll die senile Geschwätzigkeit zeigen; wie öfter läßt Piaton im weiteren Verlauf in der charakteristischen Stilisierung nach. Ich schreibe die langen Sätze nicht ab; jeder kann das Entbehrliche leicht finden. Aber 179 a ecttiv ouv toöto rcspl iztxkcci TocrauTa Tcpooiy-iä^o^ixi t68e. Da ist das erste Pronomen gewiß entbehrlich, für uns unnachahmlich, aber sehr gut, lehrt den Unterschied der Demon- strative. Für den Redner ist das, was er im Kopfe hat. etwas Gegebenes, wie der Gegner für den Prozeß redner; der Relativsatz führt es aus, weil

Laches. 367

es für die Hörer nicht gegeben ist. Geschwätzig ist gleich nachher das überflüssige xoüixoü raxpöq. Aber er sagt auch, daß er sich wiederholt und lang wird.

In 179b ist die Lücke anerkannt; es wird hinter ürofjivr;<jovT£<; <— dtp- EO|i.£v oder t^xo^lev) fehlen.

181 ö8' laxi Scoxpaxr.Q r.zpl ou ExaaxoxE i[i£[i^rtnQz. Badham streicht den Eigennamen; das ist falsch, aber ich finde bei ihm, daß er das Richtige ebenso wie ich gesehen hat: der Artikel muß ja stehen. Es werden mehrere Sokrates unterschieden.

xal (J.f(v (o Auai|i.a-/e ut; äotsao xav8p6e &q eye) y-at #XXo0i [yz] aüxöv eO£aaä(i.r(v usw. Das erste ys steht sehr weit ab, gehört aber zu xal {rrjv; das zweite ist unerträglich, oder was soll es?

181 c 7iept 8e 6jv qp^apeOa xl ?ax£; xl üjaiv Soxei jxa07;tj.a, toi; y.£ipaxioi<; etuxtjSeiov Eivai r\ oü. So zu verteilen. Fragezeichen hinter Soxei macht den Satz leblos. Der Infinitiv erklärt xl, in zwangloser Weise angereiht.

182 c. Die Kunst des Fechtmeisters macht den Mann OappaXsoxEp'A xal ävSpEiöxEpov. [ir] dxi^äatovu£v S' eitteiv . . . 5n xal eüoyr^oviaxzpov. EvxaüOa <S'), ou xp^) t6v ävSpa £Ucxr;|jLOVEOTEpov cpalvEaOai, [oöj apia xal 8£t,v6xspo<; xoic; zyßpolc, tpavEtxai. S-.ä xr,v eüox*){Ao<niv7]V. Mit dem zweiten ou oder ouv ist in keiner Weise etwas anzufangen, ist eingesetzt, als 8' fehlte.

185 b. Sokrates hat gefragt, ob sie nicht zuerst untersuchen müßten, was das wäre, wofür sie einen Lehrer suchen, und erläutert die Frage öJ8e l'a<ü<; fxäXXov xaxäSrXov Eaxai. [ioi SoxeT ic, <xpX'r,Q hv-w waoXoyvjaÖai xl -ot' eotiv Ttspl ou ßouX£u6[i£0a xal cx£-T0ji.£6a, ooti? 1){lSdi zzyyiY.bc, xal xoüxou gvexa SiSaoxaXouc; exxrjaaxo xal öaxi? \irr „Wir haben uns nicht zuerst über das Wesen von dem verständigt, über das wir beraten und untersuchen, wer von uns sachverständig ist und um jenes willen Lehrer gehabt hat und wer nicht." Das steht da, und ich dächte, das zweite Verbum xal iaxltyaxa wäre ganz unentbehrlich, denn ou ist Neutrum, dazu paßt oaxic nicht; das ganze zweite Glied ist die nähere Ausführung des allgemeinen rcepi ou ßouÄEuopLEÖa. Aber ein anderer Fehler ist darin. Wir suchen nicht wegen der Turnkunst einen Lehrer, sondern einen Lehrer der Turnkunst. svExa muß fort. Es stammt aus 185 d 9 -z/yiv.bq, zlc, sxeIvou 0Epa-slav ou EVExa [(TX07vOÜtiEvoi] oxo7roü|X£v. Da aber ist das ou Evsxa axozoü(i.£v nicht der Lehrgegenstand, sondern die |ux^e 6£pa-£ta, die durch diesen erzielt wird. Die Dittographie 185 d soll man einfach anerkennen und tilgen.

187 e 6c, av Eyyü-axa Scoxpaxou^ fyX6yan &a~zp ysvEi xal jtX7)<na£Tji SiaXs- y6(jL£vo?. Daß die Vergleichung mit der nahen Verwandtsvhaft nur den Ausdruck Eyyüxaxa fy erläutern will, ist richtig schon von Schleiermacher bemerkt. Aber wer das zusetzte, stieß mit Recht an; oder kann man so sagen ,,nahe sein"" oder „nahe sein mit Reden". Cron hat Xoyw. wo—p y£vsi beseitigt, das letzte richtig. Also war ?ji freilich da, als der Zusatz ge- macht ward, aber er ward gemacht, weil es unverständlich war, verdorben aus fiji, das Sauppe gefunden hat, und nun ist Xoytoi durchaus angemessen.

188 d xo^iSr.i (xoi SoxeT jxouaixoq 6 xoioüxo<; slvai, apjxovlav xaXXlax7)v 7;p(xo<i[!.£voc, Xüpav oü8e JcaiSi«? öpyava, iXXa tSi Övxi £?,(. 7;p(Aoa|XEVo<; ouxo«; auToü xöv ßlov aü[X<j><ovov xoic; Xöyou; itobc, xa £?ya y-zyy&q Supiaxl. Diese

368 Textkritik.

Fassung bedarf keiner Empfehlung. Überliefort ist £vjv ^pu-oa^evoi; ou aüxöi; auToü t6v ßtov oüpupcovov, und weil weder der Infinitiv sich in erträg- licher Weise einordnen ließ, noch ou üborhaupt verstehen, sind Crjv fipy-oa- {iivo<; ou verworfen worden, und billiger geht es denn auch nicht. Aber wie sollen sie hereingekommen sein ? Und ocut6<; ist auch nur allenfalls als Stütze für aÜTOÜ entschuldbar, fast wie in anderen Dialokten das Pro- nomen aÜToaauTou oder auTauroö steht, da auf die Selbsttätigkeit nichts ankommt, ou ist in Wahrheit die richtige Korrektur, die ocüt6<; zu outos machen soll, und dies Pronomen steht, weil das ganze Glied sich ver- selbständigt hat, nicht mehr unter SoxeT fällt, d. h. weil £9)v £tji war und wieder werden muß.

189c. Lysimachos sagt: „Ich vergesse infolge meines Alters, was ich fragen will und was ich höre, eav Sk u.exa!;ü aXXoi X6yoi y^^tou, ou rcavu uiu.v7)|juxi. " Man kann nicht 8e so beseitigen, daß der Bedingungssatz zum vorigen gezogen wird. Denn wer seine eigenen Fragen vergißt, wird auch die Antworten nicht behalten, eins wie das anderp; nur zusammen könnten sie die Einschränkung bekommen „wenn andere Reden zwischen- treten". Deutlich ist das Vergessen von Frage und Antwort ein Glied, und daß er in einem Gespräche, wie es hier von mehreren geführt wird, den Faden verliert, das zweite. Dies aber ist schwerer, kann also nicht durch ou xavu uiuv7)|i.ai eingeschränkt werden, sondern fordert eine Steige- rung: xal 7uavu ou ui(Avr)[j.ai.

Über Nikeratos, Nikias' Sohn, handelt Kirchner Prosop. Att. 10 741 und schließt aus einem Aristophanesscholion, Ritter 358, daß er es zum Strategen gebracht hat, was zu dem, was wir über ihn wissen, schlecht stimmt. Ich finde am Rande des Scholions bei mir eine andere Behand- lung. Iu.<patvei cm xal <xÜtö<; töv eüSoxiuouvTwv 9jv (jTparyjyoi;, xal 6 ul6<; arpa- titc7to<;. In der richtigen Lesung axpcn.x-i]y6q sind wir zusammengetroffen, aber daß der Scholiast die ganz gleichgültige Notiz gebracht hätte, der hier erwähnte Stratege Nikias hätte einen Sohn gehabt, der es auch so weit brachte, ist unglaublich, zumal der Sohn nicht einmal genannt ist. Die leicht verlesenen Worte waren xal outoi; crpa-r^oc;, ein selbständiges kurzes Scholion zu Nix(av.

Im Gegensatze zum Ladies, über den ich noch Zweifel genug habe, liest sich der Charmides und noch mehr der Lysis ganz glatt. Bedenklich wird nur, daß im Charmides der Coislinianus so viel aus byzantinischer Verbesserung bieten soll, vgl. S. 333.

Zum LYSIS habe ich nichts zu sagen; nur die Scheußlichkeit muß ich brandmarken, daß der falsche Akzent Aucic; immer noch die Texte behauptet (ebenso Ntvo? Ges. 685 c), sicherlich nicht aus Überlegung, son- dern durch vis inertiae ; aber was sich behauptet , ist die Praxis der Byzan- tiner, die mit a i u nun einmal nicht durchkommen konnten, und da die Aussprache weder den Zirkumflex mehr vom Akut, noch kurz und lang unterschied, konnte es ihnen auch einerlei sein. Uns nicht, wenn wir einmal Akzente setzen. Es wäre Zeit, daß man sich auch klar machte, daß die Uikäxoq, Nouaxo?, AißepäXiq gar keine andere Betonung geben wollen als die, welche man hörte, aber in ~y.yo~5.zoq r.aüzoq «piXxaxcüv auch.

Euthydemos. 3(59

Endlich weise ich gern auf zwei schöne fremde Emendationen hin, Charm. 165 d, die Medizin schafft großen Nutzen, t/jv yap üyisiav xaXöv rjuiv gpyov a7repya£sTai. •/) aTCoSsx^t toüto. Da ist rj von Radermacher aus ei ge- macht. Lys. 223 b. Die Pädagogen nehmen keine Raison an, ajxa 8' eSoxouv rj(xtv Ü7to7re7:<ox6Te<; a:ropoi slvat rcpoacpepsaOai. So Kentenich, dXX' s86xouv codd.

EUTHYDEMOS 277 a G. Kleinias hat zugegeben, daß der Lehrer ihm etwas abhört, was er weiß, weil er alle Buchstaben weiß. Dann geht es nach der Überlieferung weiter zl oüv, v) 8' 6$, äpa [nxvQxveiq ätt' av <xT:oaToy.a.T'iCl7]i tk;, 6 8e (jlyj E7uaTa[i,evo<; ypd^.[i.aTa f^avOdvst.; oüx, dXX', -Jj 8' 6«;, ^avödvco (TW2, (i.av6dvet. TW1). oüxoüv ä emirraaat, elSax; (T, e<pv) BW) li.av6dvsi<;; Routh hat in elStt«; das verschriebene vj 8' 8q erkannt, das hier- her gehört, denn es steht hier bei den Fragen des Euthydem. Dann wird es aber kurz vorher bei der Antwort des Kleinias schwerlich gestanden haben. Da die erste Doppelfrage in sich unklar ist, hat Routh äpoc" für äpa leicht gemacht, der Schreiber des Coislinianus äpa oü. Aber damit ist die Antwort des Kleinias nicht gerechtfertigt, so daß Badham ein eycj in sie einsetzen wollte. So wie es steht, sieht es aus, als hätte Kleinias das zweite Glied der Frage nicht gehört, so daß ich es einmal aussondern wollte und danach übersetzt habe. Doch das verträgt sich mit dem ab- lehnenden „Nein" des Kleinias nicht. Das ist überhaupt anstößig; der Knabe wird kein Wort mehr sagen, als einem Ja oder Nein entspricht. In seiner Antwort ist der Sitz des Fehlers. Aber sehen wir erst die Frage an „lernst du, was der Lehrer abhört, und wer die Buchstaben nicht kennt, lernt es". Das ist widersinnig; da fehlt ja die Negation. Es muß heißen 6 8e \ir\ E7:iaTdu.evo<; [[xavOavei] ou. Das steht auch da: es ist nur zu der Antwort des Kleinias gezogen. (xavOavci aber ist die Variante, die BW1 im Texte der Antwort haben, stammt also vom Rande. Bleibt als Antwort <xXX\ ?) 8' öq, (iavOavco. Auch das ist noch unbefriedigend, aber wir haben schon gesehen, daß yj 8' oc, an sich unwahrscheinlich ist: es ist Korrektur, richtige Variante zu dem elSox; oder e<pv) in dem nächsten Sätzchen. Bleibt aXX': das ist das äXXco<; der Randnotiz. Kleinias hat nichts als (Jiav6av&> geantwortet. So führt die richtige Deutung der Überlieferung ohne weiteres zum Ziele.

277 c 1 -orspoi (so W eine Konjektur von Hirschig bestätigend) ouv sloiv oi XcqxßavovTSi; otioüv, ol iyovTzq 7}8y] yj ol [av] \j.'r\; ol av \lt) iy^uoiv. 280 d 2 a vuvSrj IXsyojxev ravTa, t<x dyaQä. d 4 Sta'rJjv toütcov xttjo-iv, xäiv äyaOcöv. 281 a 7 reepl tyjv XPs^av &v sXeyofxev TrpöVrov, tgjv ayaG&v. Die Inter- punktion muß dem Leser die Mühe abnehmen, die Apposition als solche herauszuhören; solche Kommata hätte Burnet häufig setzen sollen, z. B. 276 e 5 Ttavxa . . . rotaüxa ruitXq lp<oxcö[j(,ev, äcpuxxa.

283 a 5. Es muß doch wohl heißen 7rp6xepo? %xe[T°] T°S Xoyou, aber b 2 xaTr(p/£(To) Xoyov.

285 e 3 schließt Dionysodoros einen Beweis, dem sich Ktesippos nicht entziehen kann, oüxouv y' av a.-KO$zl<q<xiQ t:cü7:ot£ äxoüaat; oüSevoc; ävTt.- XeyovTO? CTepou e-epwi. Ktesippos kann dem Trugschluß nicht ausweichen, "Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Aull. 24

370 Textkritik.

hilft sich ober mit seiner Unverfrorenheit „Das ist richtig; aber ich höre .loch einen, der dir widerspricht, Ktesippos dem Dionysodor" aX-/j09j Xeyetc;, Sqwj, iXXa äxoüu uiv vuvl aol f ä^oSEixvujii] avxiXsyovxoc;, Kxy)a£7i7rou Aiovuao- Stopoji. Der Zusatz ist dadurch hervorgerufen, daß vuveC als vüv sl ver- standen war. Badham hat es richtig gelesen.

286 e 1. Dionysodor hat die Möglichkeit des Irrtums geleugnet, sich aber so weit vergessen, dem Sokrates das beliebte äXX' sfXsySov einzuwerfen; dafür straft ihn die Frage „ist das möglich, wenn es keinen Irrtum gibt ?" Euthydem sieht die Gefahr und wirft dazwischen „nein, das ist unmöglich'-. Woraus Sokrates die peinliche Folgerung zieht ouS' apa exeXeuev, e<p7]v (Byzant, gqnj codd.) syco, vuvSyj AiovuooSwpoq e^EXey^ai. Darin ist exeXeuev schon in den Codd. in IxeXeuov verdorben, geheilt von Hermann. Nun wird es schlimm. Die ersten Worte Euthydems sind noch einhellig überliefert 70 yap [X7; ov n&q äv ->.q xsXsüaai. Dann fährt T fort 5> Eü8ü8t][jie, 9jv 8' eya>, und dabei würde man sich beruhigen, denn vor dem yap des Euthydem ergänzt sich leicht, wie so oft im Drama, der Gestus der .Zustimmung, die damit als selbstverständlich erscheint. Nun steht aber in BW oü8e xeXeüek; öxi, 9)v 8' syco, co EüO., und das wiederholt die Randnotiz in W mit dem besseren 8s xsX. Ganz wegwerfen kann man das nicht; aber die Ant- wort des Sokrates kann nur so lauten, wie in T, cm verdirbt alles. Das ist ein Zeichen der Variante oder der Verweisung auf die Randnotiz ge- wesen, wie es Diels, Herrn. 36, 74 bespricht. Diese aber ist nicht am rechten Fleck aufgenommen. Auf des Sokrates Frage oü8' dtpoc exeXeuev antwortete Euthydem mit starker Stirn oü8' exeXeuev xg yap ptvj ov itüc, av xu; xeXsüaai; und Sokrates schloß ab, 6 Eü0ü8y]ias usw. Der Text schwankt hier stark; ich kann aber auch das einhellig überlieferte x<x ooepa xaüxa xal xa so exovxa nicht verstehen. In ra eu s'xovxa muß ein Fehler stecken.

289 d 5 öcXXoi Suvaxol xp7Ja0ai ole, exeTvoi Tjpyaaavxo [ol] Xoyo7tcneiv xüxol ä8üvaxoi. Die im Grunde selbstverständliche Verbesserung XoyoTtoisTv für XupoTuoistv ist längst gefunden; aber wie kann der Artikel davorstehen ? Dann bedingte die Unfähigkeit, eine Rede zu machen, die Fähigkeit, eine gemachte zu gebrauchen. Das wahre Verhältnis dieser Apposition ist konzessiv. Das ot aber wird nichts anderes sein als Rest der richtigen Variante.

293 a 8s6[i.£vo<; xolv £svoiv äaizzp Aiooxopco s7uxaXoüu.svoi; muß man aus Yen. 181, E, aufnehmen, auch wenn es Konjektur sein sollte, was mir sehr fraglich ist, Atoaxoüpcov B TW wird nur behalten, wer sich freut, wenn er etwas Anstößiges mit viel WTorten und Belegstellen zu konservieren trachtet.

293 d 3. Die Handschriften haben xöX£y6|j.svov, xaXa 8tj navxaX^yei?; das ist verdorben; xaXä Sr, -axaysic; ist bei Photios-Hesych überliefert, scheint sehr ansprechend; dann liegt in Tuaxaysiv, das von dem Gezwitscher der Vögel im Gegensatze zum Gesänge gesagt wird, daß hinter dem Gerede nichts ist. Das Scholion erklärt im xeov aicua ayysXX6vxcov, verlangt also ttxvx' ayziq, beruft sich auf Aristophanes rscopyou;. Dort wird dies also ge- standen haben; es schloß einen Trimeter. Der Sinn ist so mindestens ebenso gut. Sokrates durchschaut, wie Euthydem seinen Schluß machen

Kuthydemos. 371

wird; er bringt ., alles nach Wunsch" mit, weil er immer recht behält. Sichere Entscheidung über die alte Variante ist nicht möglich, da wir für das Xevousvov keinen Beleg mehr lesen. Aber zu eTsv, an das sich to ydp äeyö^evov lehnt, das aber die folgende vorgreifende Mitteilung des Schlusses einleitet, scheint xdvT' Äyei? besser zu passen; es liegt auch dem TudvTa Xeysic der codd. zugrunde. Im folgenden ist die Glosse toüto dSüvaxov ioTi aÜTO slvat te xal u.t; schon zu Eur. Her. 1407 ausgeschieden.

296 d 3. Euthydem hat bewiesen, daß Sokrates immer alles gewußt hat und jetzt weiß, xal vr; Ala, g<py) aÜTÖs, aei lmor^<n]t xal diravTa. Daß darin nicht txzl und a7ravTa durch xal verbunden sind, das Immer-Wissen und Alles-Wissen, folgt allein schon aus dem Fehlen von te; der Unterschied ist aber auch nicht gemacht und nicht zu erwarten. Was hinzugefügt wird, ist nur, daß die Allwissenheit auch für die Zukunft gilt, also id xal e-ia-rrjar,'. äravTa. Dies ist ein letzter Trumpf; ihn sondert der Redner dadurch ab, wie es in Referaten oft geschieht, daß er von neuem g<p7j, bezogen auf dieselbe Person, einfügt. Das hat hier die Erklärung aÜToq herbeigeführt, einen Zusatz, den Sokrates nur in der Form exeivoc allenfalls hätte machen können.

298 a 8. oüxoüv xal 6 XaipsoV^oi; sTepo? cbv 7:axpö<; 7taTrjp £<mv kann es heißen ; ebensogut oüx dv Trax^p eiyj. Auf diese beiden Fassungen führen die Varianten oux av B T, W und sfoj T, san BW. Da mag man wählen; aber ein Drittes darf man nicht machen.

298 c Tiöxspov iit.bc, \iovoc, ectI 7ra-rr,p tj xal t&v dXXcuv dvOpci^wv. Eine der zahlreichen Stellen, wo die Modernen nicht dulden, daß die C4riechen den Begriff „nur" adjektivisch geben, und daher u.6vov eingeschwärzt wird. Ich habe das häufig bekämpft, ziemlich in allen Stilarten. Hier stehe aus Piaton Lys. 212 b sdv u.6vo<; 6 ETEpo? töv srspov cpiXTJi.

297 c. Die prachtvolle Stelle ist wohlerhalten und nur aus Mißver- ständnis öfter mißhandelt. noXu ydp -oü slu.t, cpauXoTEpos toü 'HpaxX£ou<;, 6? oüx oloc te ^v T7ji te üSpai Sia^d/saGai, ao<piaTplai oüar,t. xal Sia tt,v ao<plav ivieiaiji, ei a(av xs?aXr;v &icoT[XT)0el>] J) toü Xoyou, -oXXa? dvd -.T& u.idc, xal xapxlvcoi tivi, ETspcoi ooq>iar5}i, ex öaXaTTT^ dcpiy}xsv«i, vecocti u.oi Soxeiv xaTa- -e-Xeuxoti. Die Interpunktion zeigt, wie er die Deutung auf Euthydem und Dionysodor übermütig stückweise vorbringt; das letzte Glied erst hebt den letzten Zweifel, daß alles auf diese Sophisten gemünzt ist. Was So- krates heranzieht, ist selbstverständlich das Sprichwort oü8' 'HpaxXr^ Trpo? Süo, und jedes Kind kannte die Geschichte, hatte sie auch im Bilde ge- sehen, ja sogar in ganz ähnlicher Verwendung von dem Komiker Piaton (Stob. Ekl. II 2, 3) gehört. Schämt man sich da nicht, daß die Philologen mit der Entdeckung kommen, das stamme von Herodoros oder, natürlich, von Antisthenes.

298 d 3 xal dpa dSsX^öt; ei tcöv xwßiÖM xal Kuvapiav xal xo*-pt8icov. Was soll ein Fisch, ein Dinerfisch, den Athenaeus nur mit wenig Komiker- versen zu belegen wußte, neben den jungen Hunden und Ferkeln? Schon

x) So T viel besser als B xe<paXtyi toü Xoyou &7cot£u.oi. Die passive

Konstruktion erschien anstößig.

24*

Xr2

Textkritik.

das Deminutiv sollte den Ausschlag für ßotSuov, B, geben gegen xtüßiöW T und W niarg. oüSicov W zeigt die Korruptel aus ßoi8U>v.

299 o 7 bringt Ktesippos den Euthydem zum Schweigen, merkt dessen Verwirrung und sagt höhnisch ey« 8e $t(X7)v ae Seivoxepov elvat xal x6v8e xöv exatpov. Mit den letzten Worten reizt er den Dionysodor, der denn auch sofort das Wort nimmt. 8eiv6<; ist also ganz allgemein gesagt, 8eiv6? Xeyeiv, ävxiXeyeiv, [i,axeaOai. Daher ist falsch, was dahinter überliefert ist, axe ötcXo- (xax^v Övxa, gekennzeichnet durch die unattische Form für o7tXo[i.äxov. Wer es zusetzte, dachte daran, daß die Sophisten früher oTtXojxaxot. gewesen sine), und brachte es mit der Bewaffnung des Geryones zusammen, von der vorher die Rede war. Aber ein Fechtmeister ist kein Kammerunteroffizier.

300 b 4. Euthydem hat £üXa xal atSrjpia als oiywvxa bezeichnet. Da- gegen protestiert Ktesippos oüxouv fy (ei W falsch) ye £y<«> itapepxo(i.at, ev xoi? XaXx.eiott;, dXXa 96eyy6fAeva xal ßowvxa cpalvexai (Xeyexat. codd.), eav xic, a<Jn)xai.

302 a 1 mußte es mit T2 ßou<; xal rcpoßaxa (Akkus, plur.) heißen gegen -poßaxov, das hereingekommen ist, weil ßoöq als Nominr sing, verstanden ward. Jetzt ist das Richtige durch Pap. Oxyr. 886 gesichert.

303 e 5 8e 8tj lieyiaxov, oxi xaöxa oöxwq (Badham, e^ei codd., das er behielt, Schanz richtiger tilgte) öjjliv xal xexvixö? e^üprjxai, waxe (ev add. Heindorf) uavu öXlywi xP^vcoi ovxiv' ouv av (i.a0eiv äv8pa>7twv, eyvwv eyw xal tüi Kx7)fft7nc<oi xöv voöv 7rpoaexo>v (v. Heusde, Ttpooex« codd.) w? [xaxu Cobet] üfjtäi; ex xoü 7tapaxp*J!J.a [xifxetaQai oT6<; x' rjv. Wie das steht, muß 8e [liyiaxov Objekt von eyvwv sein; aber niemand wird das erwarten, bis er an eyvwv eycoye kommt, und es ist auch schief, daß Sokrates diese Hauptsache nicht an sich, sondern nur als seine Beobachtung anführt. Also interpungiert man vor eyveov. Aber das schafft ein hartes Asyndeton, und jeder er- wartet einen Anschluß, der sich auf viele Weisen geben ließ. Warum scheut man sich nur vor einem kleinen Zusatz, was doch der Zustand der Überlieferung wahrlich nicht verbietet, der so vieler Nachhilfe bedarf. Was da fehlt, läßt sich mit Sicherheit nicht sagen; ich denke aber, eyveov (yoüv) wird es gewesen sein.

305 c 7 oiovxai elvai 7rävxcov aoqxoxaxot äv6pc!>7tcov, izpbc, 8e twi (Byz. wenn nicht andere Überlieferung, codd.) elvat xal 8oxetv Ttavu 7tapa jtoXXo!«;- wexe (8e> roxpa 7ca<nv eüSoxi^eiv etX7coScov a<piaiv elvai . . . xoöc; rcepl 91.X0a09f.av ävÖpwnrou?. Der Ausfall von 8e hängt mit der Lesart Tcpo? Soxeiv zusammen, das dann zu l^oSuv gehören soll. Ein wenig Nach- denken lehrt, daß es so nicht geht.

305 e 5 verdirbt die herrschende Änderung ovxwc für ouxox; die Fein- heit. Kriton hat gesagt, die gegnerische Ansicht hätte euTrpeTCtav; darauf Sokrates xal yap exei. ouxco?, eÜ7rpe7ietav {jtäXXov vj dXrjOeiav, ,,Ja das hat sie, schönen Schein mehr als Wahrheit". Phaidon 62b 1 xal yap av 86£et.ev oöxco y' elvai, aXoycv. So kann ouxoj öfter überflüssig scheinen, G-org. 509 a 2 &q yoüv av So^etev oötöoI, Eurip. Hik. 1186 pou8ift>s oux<«c [izMc, (wo es ganz falsch wäre ,,so leicht" zu verstehen; leichtsinnig, wie du es vorhast, ist es). Hippokrates Prognost. 11, 138 Littre yjv [zy; exwv oüxw rcoi.yJTat 6 av- öpw-oq xy]v atpeoiv X7J<; fuor]?.

Gorgias. 373

GORGIAS 460 b 7 6 -rd Slxaia tiepLaÖTrjxwq SUaioq; ITavTcx; S/)7iou. 6 8e 8lxaio<; Slxaid tto'j Äpdrrei; val.

oüx oöv dvdyxv) tov prjTopixov Sixaiov elvai; (vat. > töv 8e Sixaiov ßo'ÖXeaOai. Slxaia -pdxTSiv; y<xl\>ZTcd fe. oüSettote dpa ßouXr) trexat 6 ye .Stxaio? dStxetv. dvdyxir). t6v 8e p^Topixov dvdyx7] ex tou Xoyou Sixaiov elvai; vat.

gu8£ttots dpa ßouX^aeTai. 6 £>7]Topixö<; dSixelv; «patveTat. Natürlich ist oft bemerkt, daß hier zuviel steht, und bald dies, bald jenes als Interpolation verworfen. Aber Grund zur Interpolation ist nicht ab- zusehen. Es sind zwei gute Fassungen, die uns zur Wahl stehen; den letzten Satz haben sie gemein. Möglich ist jede; für platonisch wird die galten, welche minder schematisch ist, und der Anklang von (paivexai, 9oc(veToa fällt auch ins Gewicht. Also schalte ich die Worte vom ersten oüSettots dpa bis vaC aus. Daß vorher eine Zustimmung zu ergänzen ist, wird ohne weiteres einleuchten. Die Variante ist eben dadurch entstanden, daß der Syllogismus in strenge Form gebracht ward.

Gleich danach 460 d ist F reicher, tyji xuxtix^i. XP?)T0" <x°" «Stxfoq XpTJxai) xal dSixTJi. Was Zusatz gegen die anderen scheint, ist die Variante zum Ganzen ttji 7njxxixTJi dSixco«; yjpr\-xai; xal davor ist Angabe der v. 1., die freilich nicht zu empfehlen ist.

461 b wird die Entrüstung des Polos dadurch charakterisiert, daß er sich in ein Anakoluth verwickelt. Das ist eine glückliche Bosheit, denn bei seinem ersten Auftreten 448 c hat er sich der feinsten gorgianischen Figuren bedient, wie Sokrates zu kennzeichnen nicht verfehlt hat. Piaton hatte dabf-i seine rhetorische Schrift vor Augen, wie sich darin zeigt, daß er 462 c auf die eLtzeipla zurückgreift, die auch zuerst der Ausgangspunkt zur -iyvr, war. 465 d hören wir, daß Polos die Philosophie des Anaxagoras benutzte; Phaidros 267 c bringt einige terminologische Neubildungen hinzu. Wie es Piatons Weise ist, genügt es ihm, den Stil nur zu Anfang zu ko- pieren; den werden wir hier also nicht verlangen, aber das Anakoluth ist doch für die seelische Verfassimg des Schönredners bezeichnender als jede Beschreibung durch Worte; um so weniger ist erlaubt, es zu vertreiben. Ich muß das Ganze abschreiben, zi 8s, co ZcöxpaTec, oürco xal au rcepl T7J£ p*l)T0piX7fc 8o^ä.Z,zic, coernep vüv Xsysi«;; y] oiei oti roypla«; TjioyüvGr, aoi (xt) :rpoao- IxoXovY-aat . . . gzeiTa ex Tai>Tr(<; taa§ ttj<; 6\iokoyiccc, lvav-:lov ti auveßr, £v to?<; XöyOK;, toüto (8 Byzant.) St, irfaucauz auTÖq dyaytov e~l Toiaüra epcoTY)(AaTa- etieI Tiva ofsi drapvrjcreffÖai usw. Was ist die 86£a des Sokrates ? Nichts kann es sein, als was ich eben avisgeschrieben hatte, daß der Rhetor kein Unrecht tut. Das ist zwar nur eine Konsequenz, die Sokrates gezogen hat, aber darf hier seine S6£a heißen. Aber kein anderer teilt sie, Gorgias gewiß nicht. Also kann sich xal in oürco xal nicht auf beziehen, -ondern ist jenes häufige xal in der Frage, Porson zu Phoen. 1373; steigern könnte es nur Soleis, und das ist wohl nicht unmöglich. Im folgenden ist Sinn und Verstand verloren, wenn der Satz, den ort einleitet, und der bis tou; Xoyoi«;, wenn man will, bis IpwriJuaTa reicht, den Inhalt des oXzi bilden soll. Daß Gorgias sich geschämt hat und in Widersprüche geraten

374 Textkritik.

ist, hat jeder Anwesende gehört ; Sokrates weiß es, und so kann es ihm nicht in entrüsteter Frage vorgehalten werden. Also bedeutet Sri weil, und Folos sagt „Oder meinst du. weil Gorgias sieh genierte, dir nicht zu- zugestehen, daß der Rhetor die Gerechtigkeit kennen und nötigenfalls lehren müßte, und weil sieh daraus vielleicht ein kleiner Widerspruch er- gab — das, woran du deine Freude hast, und hast doch die Debatte selbst dahin gelenkt." Es fehlt also der Inhalt des otei. Er konnte nur so etwas sein wie „glaubst du zu triumphieren, gewonnen zu haben". Das wird nicht ausgesprochen, wird in der Erregung verschluckt, denn es drängt sich bei der Erwähnung des Widerspruches der Ärger vor, daß Sokrates es eben auf den Widerspruch abgesehen hatte, wie er das in der Debatte gern tat. Aber bei jedem solchen Anakoluth muß doch herauskommen, was normal folgen sollte, und muß der Grund des Bruches der Konstruk- tion faßbar sein. Gewiß; gewiß auch hier. Wenn der Inhalt des otsaÖai ein „triumphieren, gewonnen haben" sein würde, so ist es mit dem äyarcäv vorweggenommen, das in derselben Sphäre liegt. Polos hat nur noch im Gedächtnis, daß er angefangen hat r) otei; daher fährt er fort ercel riva otei; der Inhalt des oiEaöai ist nun ein ganz anderer. Daß Polos, der gleich danach mit sehr grobem Geschütz schießt und den Überlegenen spielt 1), sich hier zuerst verhaspelt, scheint mir eine vortreffliche Bosheit Piatons.

470 a 9 oüxoüv [to uiya Süvaaöai] 7raXiv au cot. tpaiverai, eav [i.sv rpdcT- tovti a Soxsi iizr^-ai xb to9£Xi[i.co<; 7;päTT£iv äyaöov te Eivai, xal toüto, cü? eoixsv, saxlv uiya Süvaaöai, ei Se \xi], xaxov [xal au-ixpöv Süvaaöai]. Wenn das erste richtig verworfen ist, wundere ich mich, daß das zweite nicht des- selben Weges geschickt ist. Wenn das von Polos erwünschte uiya Süva- aöai am öxpeXijjiov hängt, damit es ein äyaöüv ist, so ist es im anderen Falle xaxov. Der Grad des Süvaaöai ist weder zur Debatte gestellt, noch ist er verschieden: totschlagen kann ich auch, ohne Tyrann zu sein, das hat ja Sokrates vorher ausgeführt.

471 d xxt' dpxa<; -wv Xoycov sycoyE a' E^ivsaa cm ji.oi SoxsT? repöe; tyjv p73T0pix7)v 7T£7raiS£Üaöai too Ss SiaXEysaOai 7)(xsXY;x£vai. Da verfehlt man den Witz, wenn man erklärt, zu dem zweiten Satze sei aus EKYjivsaa ein farbloses verbum dicendi zu entnehmen. Sokrates redet nicht salopp, sondern höhnisch; er spricht den letzten Satz mit ganz anderem Tone;

3 sie hängen nicht zusammen, sonst würde beim ersten Gliede (xev stehen. Auf das p7)-ropixco<; Xsysiv kommt er gleich wieder zurück, 471 e. In der Unterordnung des 7)[JieXTqxevai, wo er ^[leXr^ac, sagen konnte, steckt die rück- sichtslose, verletzende Art, in der er überhaupt zu Polos redet.

486 c 4 steht in der Parodie euripideischer Verse aus der Antiope 7rauaai 8' eXeyxwv. Mit Wahrscheinlichkeit hatte Nauck u.eXcoi8«v aus zwei Komikerstellen eingesetzt, die man bei ihm zu Fr. 188 findet, und doch

x) Kallikles nennt es 482 d xaraysXäv. Übrigens muß dort mit dem Vindobon. T xarsysXa geschrieben werden, denn der Infinitiv würde be- sagen, daß Polos von seinem xaxaysXäv geredet hätte.

Georgias. 375

falsch. In T steht als Variante icauoai (J.aTai£<äV. Natürlich ist das aus Euripides genommen, ist auch sehr viel schöner.

491 cl 1 KAAA. Sixaiov toSt' ecttiv, ttXsov 2x£'-v toutouc; twv äXXwv, toü<; dcp/ovra:; tgSv ipxofiivcov. S£L ti 8i ; aÖTÖv, co STatpe, ti 75 ti ap^ovrai; r, ipxoiiivous ; KAAA. reo? Xly? lS- ^'r dorn TIHTI ist nichts anzufangen, wie man sich auch mit dem Akzentuieren plage, solange es in die Frage des Sokrates einbezogen wird. Scheidet man es aus, so. muß es von Kallikles gesprochen werden \ind einen verwunderten Zwischenruf bezeichnen, so daß Sokrates sein an sich genügendes auTcöv durch #px0TaS 75 äp^o^evou^ ergänzt. Und eben eine solche Zwischenfrage ist es; der Akzent ist mir ganz einerlei, tit, ti wird am wenigsten anstößig sein. Aristophanes in den Hören bei Athen. 372 b V. 14 &?tlXauaav apa asßov-sq 'j[ixq ü)? y^ic- -vrt ti. Gewöhnlicher in der Komödie Ti7) ti Syj. Für den jungen Piaton paßt die Berührung mit der komischen Sprache ausgezeichnet.

497 a 7 olaöa, äXX' axxi^rjt., KaXXixXsiq, xai np6iQi ye zlc, t6 e^Trpoaöev [oti 2/cov Xr,psi<;]. Iva eISt^, &q aoqjöt; oSv y.z vouOeteu;. oux äfAa 8n|iäiv ~z exaarot; f)(xwv rc^TOXUTai xai 7]86[i.evo<; 81a to zivetv; KAAA. oüx olSa 6t». Xeyeif;. Daß die eingeklammerten Worte ihren Platz nicht behaupten können, ist zugestanden, aber weder die Umstellungen befriedigen noch die Streichung, da niemand so etwas mit Absicht einschieben konnte. Ist nicht evident, daß sie die richtige Fassung der Antwort des Kallikles sind: oüx olSa Öti £X<ov ~Ar,pziq. Das oti Xsyeic; ist Glossem für den aus der Komödie bekannten vulgären Ausdruck.

508 a 2. Hier reimt Piaton einmal «ptXiav xai, xoa<j.i6T7)Ta xal a<ocppooüvr(v xai, SixaidTvjTa; er redet von der Harmonie in dem Weltall. Der Figur zu Liebe wagt er SixaiÖTT]?, Protag. 331 b 4 TauTov Ioti Sixaioxvjc; oaioTTjTi, um auch die Namen möglichst ähnlich zu machen. Daß er eine Figur des Gor- gias nicht parodisch braucht, sondern den Anklang erzwingt, um die Ver- wandtschaft der Begriffe zu malen, ist beides bemerkenswert, beides Jugendstil.

508 c 8 elyü Bk erel tmi ßouXopiivoH uaizep ot aTifxoiTOu IöeXov xoe, <5cv tc TÜreTEiv ßoüXrjTat usw. Die Dublette ist anerkannt; daß etcI twi ßouXo(i.evoj!. als das Gewöhnliche weichen muß, sagt Sauppe mit Recht. Es ist aber auch eine schöne Stelle, um den Unterschied von ßouXsaOai wünschen. Neigung haben, und sQeXeiv wollen, den Entschluß haben, vorzuführen. „Jeder kann mich schlagen, der es will, wenn er es wünscht." Da mir nahegebracht war, da#jetzt behauptet würde und bei Grammatikern um der Etymologie willen Anklang fände, das Verhältnis der Verba wäre um- gekehrt, fing ich einmal bei Piaton an zu sammeln und hatte bald Dutzende von beweiskraftigen Stellen für dns Gegenteil. Die attische Zeit kennt gar kein Schwanken, und nur in der Atthis sind beide Verba nebenein- ander ganz lebendig. Die Stellen schreibe ich nicht aus: es genügt Euri- pides Iph. Aul. 338 twi Soxetv <jiv oxryl xpvji^wv, twi ßoüXsaOai OsX tov. Sein Wunsch ging darauf, zu beanspruchen, zu verlangen. £8eXovd)? ist, wer etwas freiwillig tut, aus eigenem Antrieb, ßouXY)Tov ist das Erwünschte, Aristoteles Metaph. A 1072 a 28. äßoüXrja müssen wir alle oft tun, auch sxoüoioi, z. B. Steuern zahlen. Kratylos sagt 171 IGsXw aoi oüyxupvjaa'.

37«) Textkritik.

xal laxe» oöxco, gerade als er in der peinlichen Lage ist, ein sehr un- erwünschtes Zugeständnis machen zu müssen; er tut nur so, als machte er großmütig eine Konzession.

Der Text des Mi'] XON ist sehr gut; F hat sehr viel dazu geholfen. Kr verlangt. Berücksichtigung gleich- noch 70 b 2 in ol xoö aoü sxalpou 'Api- otitt-ou r.oXiTcu Aapieraiot (-aaiou die anderen). Den Nominativ hat Burnet aufgenommen, aber das notwendige 7toXTxai in der ersten Auflage, die ich allein in Händen habe, gestrichen, als ob man sagen könnte oi 'AXxißiaSou 'A87;vaioi. Menon wird hier vorgestellt, da ist kein Wort entbehrlich. Ks ist wie im Anfang des Phaidon 57 a 7, wo die Vorstellung ebenso das volle xüv tjoXitcöv OXeiacLcov verlangt. Ks soll in der zweiten Auflage hergestellt sein. 71 b 3 6 Ss jjltj oI8a xi ecxlv n&c, äv otcoiov eaxiv elSeivjv. So F. Wie kann man eaxiv gegenüber ottoiöv ye ti verschmähen? 100a 5, wenn in einem Homervers das attische U überliefert ist, darf man nicht aus Homer rot 8i einschwärzen. Wenn 77 b 3 der hübsche Spruch angeführt wird, äpexTj (gemeint als Gedeihen) ist xalpeiv xe xaXoTai xal SüvaaOai, so hat der Lyriker nicht bloß yjxipeiv SiSvccoöai gemeint, sondern „Macht haben", was zu dem frohen Mute sehr Wesentliches fügt; yalpsiv kann auch der Tote, auch der Bettler. So versteht auch Menon, wenn er es umbildet in £7ti6u[iouvxa xcöv xocXöiv xal Suvaxöv elvai 7rcpl£e<j0ai. Ich würde hier xaC ein- fügen, wenn es nicht in F vor Suvaxöv stünde. Denn das erste, das hier im Partizip steht, ist selbstverständlich, ist aber doch das eine, zu dem die Hauptsache als ein zweites hinzutritt.

76 a 9 avSpi 7rpecßüx7;t ^pay^axa 7ipoaxaxxei<; d7tt>xpivea6a!.. Da hat Cobet evident 7rpayu-axa irapsy^eiq verlangt; aber so ist die Verbesserung gewalt- tätig, und der Infinitiv schließt nicht an. 7rpayjjiaxc>: izoLpiyzic, Trpoaxaxxwv ä7:oxpiv£c6ai ist das Wahre.

Ich selbst schlage nur noch eine Athetese vor. die man mir nicht glauben wird, aber ich kann mir nicht helfen und bin zuversichtlich. Menon sagt am Schluß 99 e 3 „Anytos wird wohl böse werden". Sokrates oüSsv rasXei e'jj.otTe- tootwi [ihi & Msvwv xal aC0i<; SiaXe^ou-eöa. Da halte ich die erste Antwort für einen groben Zusatz. Krstens fehlt die Verbindung, wird durch (jiv sogar ausgeschlossen, zweitens ist die Antwort „mit dem werde ich mich weiter unterhalten" ausreichend, stimmt aber mit ihrer Versöhnlichkeit nicht zu dem derben „Meinetwegen". Und Piaton ist hier gegen Anytos gar nicht grob. 9

STAAT. Trotz Campbell -Jowetts langatmigen Beteuerungen ist die Überlieferung des Staates durchaus nicht vortrefflich, und die Konjektur hat gerade hier noch recht viel zu leisten. Das zeigt schon die Rezension F neben A, zu dem die anderen sich meist stellen. Zitate wie bei Galen 410 b (sogar U-STaxeip^ov-ai statt fxexaxEipieixaf. ist richtig), 439 b (rpaxxav), 490 c, beweisen dasselbe, aber im ganzen helfen sie nicht sehr viel. Der Ursprung der Verderbnisse ist öfter in Verwahrlosung als in dem Kin- greifen von Lesern und Krklärern zu suchen. Gerechtfertigt wird die An- wendung der Konjektur durch die Vollkommenheit des Stiles, wo er un- gestört geblieben ist; man hat einen festen Maßstab, den man anlegen darf, und das erleichtert immer die Kritik.

Staat. 377

332 c 5 „co rrpö? Ai6?", 9jv 8' eycö, sl[ouv] ti? airröv yjpeto „co £iucov(8rj, t) Ttiriv oöv ti a7toSi8oü<7a", av otsi -fjjxTv aÜTov arcoxptvaaOai; Polemarchos hat sehr lebhaft mit äXXa t! oEei zugestimmt („aber was denkst du denn", d. h. „du kannst mir doch nicht zutrauen, daß ich das nicht zu- gäbe"). Da kann die Beschwörung, mit der Interjektion dazu (das ist co, und so betonten die Grammatiker zum Unterschied von co, das sie, für den Vokativ des Artikels hielten), sich nicht an Polemarchos richten, sondern der Vokativ cb Ei[Juovt87) nimmt sie auf. Darin liegt, daß das erste oöv falsch ist; es stammt aus dem zweiten. Daß hinter der Anrede an Simonides eine an Polemarchos folgt und die Form ti oiei hat, zieht die Beschwörung nicht auf sich, denn xi oUi hat in den zwei Fällen eine ganz verschiedene Bedeutung.

335 a 6 xeXsüsi? 8t) t)[lölc, 7rpoa6stvai iwt Sixattoi :q cb? 7rpcÖTOv sXEyo^ev XsyovTS? Sixaiov slvai tov [xev cpiXov so ttoieiv, tov 8' sy^pöv xaxü;, vüv rcpö? toütcoi co8e Xsyeiv usw. Daß das nicht geht, ist ausgemacht, aber mit der Streichung von f\ kommt man nicht durch, denn er mußte sagen „sollen wir zu dem Sixaiov einen Zusatz machen, wie wir es vorhin definierten"; ohne Zusatz eines otjto ist sXsyojAsv X^ovre? unerträglich. Das führt zu dem natürlichen „Zusatz zu dem SCxaiov, das wir vorhin definierten, näm- lich" . . . Das ist oh rcpcÖTOv sXsyo^sv. co? mit i als Korrektur darüber hat den Fehler schlimmer gemacht.

336 e iir, otou, daß wir auf der Suche nach dem Gerechten schlapp werden sollten und uns nicht die größte Mühe geben, oiou ts <jü, co cptXe- iXX' oXy.(xi Suvaysöa. Es reicht nicht hin, das unmögliche ts in ye zu ändern; die Negation müßte wiederholt sein. Umzustellen ist äXX' olfiai ou Suva(X£0a, otou ts aü.

349 b 2. Der Gerechte will nicht rcXsov sysiv toü Sixatou. ti 8e; tyj? Sixaia? :rpa?£co?; oüSs t?(? [8ixa[a?] £-97). Er konnte sagen „auch als keine gerechte Handlung", allenfalls „auch als keine Handlung", aber nicht „auch als eine gerechte", denn dann lag der Unterschied in dem Adjektiv.

359 d 1 tco!. Tuyo-j toü AuSoü rcpoyovcoi. Das Verschiedenste ist ver- sucht; die Artikel zeigen die Korruptel. Befriedigend ist nur Tüy^i tcoi

Kpotoou toü AuSoü 7:poy6vcot.

359 d 7 ISsTv evövTa vsxpov, co? cpaCveaöai, fjtsiCco yj xaT avÖpco7rov toütov 8s cxXXo (jisv Exstv (fehlt in A: daran soll man sich nicht klammern) oiiSev, itepl 8e T?jt x£lP^ XPuao^v SaxTÜXiov 6v TvspisXo^svov Ixßrjvai. Richtig inter- pungiert, ist nichts zu ändern.

303 a Xsyoooi 8s rou . . . uaTspsc uteaiv . . •. cb? yjp1\ Sixaiov stvai oux aÜTÖ S'.xaioouvYjv E7:aivoüvT£? äXXa toc? oltz aÜTTJ? süSoxiiir.o-si?, Iva Soxoüvti Sixafcoi slvai ylyvYjTai a7rö tt)? 86£r)? ap/ai ts xal yajxoi xal oaausp rXaüxcov SitjXOev SpTt, dt7TÄ toü s'iSoxtjxELv ÖvTa tcoi Sixatcoi. Am letzten wird jeder anstoßen, und mit Schein hat man mancherlei geändert, tcoi 8ixa£ca gestrichen, mit tcoi a.oixcoi vertauscht; auch an Zusätze läßt sich denken. Aber Adam hat schon recht, das Überlieferte zu halten, seine Verteidigung scheint mir nur nicht ganz ausreichend. Der Finalsatz Iva .... yiyvrjTai beweist, daß der Gedankengang vorgeführt wird, aus dem die Eltern die Gerechtigkeit empfehlen, „sei gerecht, damit du, wenn man dich als gerecht anerkennt.

378 Textkritik.

Ämterstellen, vornehme Verbindungen usw. erhältst". Da Glaukon vorher eben dasselbe dem Ungerechten in Aussicht gestellt hat, der den Schein der Gerechtigkeit wahrt, schiebt Adeimantos ein xai oaixnzp rXaüxtov SiyjXOev apxi; das bewirkt, daß er nun hinzufügt „was durch den guten Ruf dem Gerechten zufällt". Auf dem guten Rufe liegt der Ton; für das eüSoxi- u-eiv kommt es gar nicht darauf an, ob die Gerechtigkeit Wahrheit oder Täuschung ist. Diesen Unterschied tat der Redner auch gut, hier nicht zu betonen, weil er den Gedankengang der Väter wiedergibt, die einfach schließen, wen man als gerecht kennt und anerkennt, dem fällt alles Gute zu, also muß man gerecht sein. Adeimantos, der diesen Gedanken miß- billigt, trägt von sich die Kritik hinein, indem er aus dem eüSoxi^sTv das SoxeTv herausholt; das hat zur Folge, daß wir anstoßen, aber wenn man's erst verstanden hat, wird man es durch richtiges Lesen einem aufmerk- samen Hörer unmittelbar verständlich machen ; meine Übersetzung I 408 f. wird das hoffentlich erreichen.

390 b A£a, xaOsuSovxwv twv aXXwv Gewv xs xai ävOpcurccov, [a>s] fjiovoq sypTjyopcx; (6a)a IßouXEuaaxo, toutwv EmXaOöfi.Evov. So schon Herwerden und Richards, aber sie stellen ooa an den Platz von 6>q: das zerstört den Anlaß des Fehlers, die feine kühnere Wortstellung. Die Verteidigungen von w<; sind unausstehlich; zlq ein recht schlechtes Basteln an den Buchstaben.

401 e 4. Vermehren hat xocl yaipoiy mit Recht umgestellt; nur ist der rechte Fleck hinter xai Sua^epatvcov, wie der Anschluß zeigt.

407 a 7. „Du weißt, bei Phokylides steht, man soll sich erst, wenn man zu leben hat, auf die Tugend legen." „Ich dächte, schon früher." „Darüber wollen wir mit ihm nicht streiten, sondern uns selbst eine Meinung bilden, :r6xspov [izkz-rqziov xoüxo (tö äpEx^v äaxeiv) xüu 7rXouai<i>i (jl6vov -/) (xal codd. ) äßicoxov xcöi y.q [aeXexcovxi.. 73 voaoxpocpia xsxxovixvji uiv xai xaic; aXXai<; tiyyctiq l(jL7i6Siov xyji TzpooeZ,£i xoü voü, 8s OcoxuXiSou rcapa- x^Xsuixa oux epiTCoSi^ei." Ohne die Änderung von xai in ^erscheint tcoxepov 't] voaoxpoipia als Doppelfrage; die beiden Glieder hängen aber für den Gedanken nicht zusammen, so daß es ein Gallimathias wird. Selbst sollen wir uns darüber belehren, daß nicht erst, wer zu leben hat, an die Tugend denken soll, sondern daß sie die erste Bedingung des Lebens ist. Damit wird abgetan, was Glaukon zwischengeworfen hat. Nun lenkt Sokrates auf seinen Weg zurück. „Ist das lange Herumkurieren an einer Krankheit nicht dem Zimmermann ein Hindernis in seinem Berufe, was °>'die Mahnung, zuerst für den Lebensunterhalt zu sorgen, nicht ist ?" Darauf kann Glaukon mit Zuversicht antworten vai \ia xov Aia, und ^ 8' Öq zeigt den Personenwechsel an. Ohne Bezeichnung und ohne Ver- bindungspartikel folgt axeSov Y^ Xl ^avxcov u-aXiaxa rt ys 7rspaiTsptu yujxvaaxc- y.r^q, •/) Tiepixxy) auxv) E7UuiX£[.a xoü aöi[Lctxoq, wozu wir aus der vorigen Sokrates- rede eu.7i68lov xvji rcpoa££ei xoü voü ergänzen. Das konnte Glaukon sagen, grammatisch, aber es paßt nicht in seinen Mund. Denn in voooxpo<p'la liegt das beständige Aufpassen auf die eigene Gesundheit nicht notwendig, in der hier ein Hemmnis der Berufstätigkeit gesehen wird; in welcher Sphäre diese liegt, folgt sogleich, xai yäp xpbq oixovo[i.ia? xai 7tpo? axpax£ia<; xai 7rp6(; E8pa£ou<; ev 7r6Xsi apxaq SüaxoXo«;, 8s (j.syiaxov oxi xai izpoq ^aQ^aei^

Staat. 379

xaxiva«; O'jv xal ewor^ci; xs xal xpbc, u.£Xsxa<; -xpbq ea'jröv yaXsxr;, was dann noch weiter lebhaft ausgeführt ist. „Da wird bei ein bißchen Kopfschmerz und Schwinde] gleich gesagt, das kommt vom Studieren." Glaukon stimmt mit dv.ö.c, ys, e<pr, zu. Nun wahrhaftig, diese Erfahrung hat der muntere Junge nicht gemacht, das gehört in den Mund des Sokrates, und die Lebhaftig- keit verrät Piatons eigene Erfahrung. Dann muß aber Sokrates alles gesprochen haben, 8k fzeyiaxov abzuteilen ist so wie so verkehrt, denn das Vorhergehende ist nur Vorbereitung darauf: die Verteidigung seines Verhaltens gegenüber leichtem Unwohlsein, dessen Ursache die Ärzte wohl erkannten, ist der eigentliche Zweck der Abschweifung. Und was hindert auch, daß Sokrates, als ihm die Schädlichkeit der voooxpocpla zugestanden ist, diesen Begriff erweiternd fortfährt Ja das tut beinahe am schlimmsten die über die Gymnastik (die er anerkennt) hinausgehende, die übertriebene Sorge für den Körper." Daß er das Verb um noch im Kopfe hat und weiter regieren läßt, ist wahrhaftig nicht anstößig. Aber mit cr/sSov xi wird er nicht anheben (t£ ye F ist noch schlechter): das war aysSöv Se xi. Das ys hängt mit der Auslassung des : zusammen, das den Personenwechsel bezeichnete.

410 e 1 ?)[i.epoM oüy 7) <pt.X6<joq>o<; av s/oi opüci? xal [zäXXov uiv aveöevxoc KÖrou fzaXaxcoTspov av eiy; xoü Seovxoq, xaXco<; 8k xpacpevxo? 7)u.ep6v xe xal xoafjuov. Die Grammatik erträgt nur, daß aüxoü sich auf die <piXoao<po<; 96011; bezieht, also aus der Periphrase cpiXoacxpov gehört wird. Dann entsteht aber das Unlogische, daß das r^epov in dem einen Falle zum T^epov xs xal xoau-iov wird. Die Heilung ergibt sich aus dem Gedanken: r^epov ist das philo- sophische Temperament immer, aber es muß richtig erzogen werden, da- mit es das im guten Sinne wird. Daher erhält das zweite rjfi.spov die Er- klärung xoafjuov, während das «piXoaocpov durch Übertreibung des rjuspov fast ein tadelnswertes fxaXaxov wird. Das ist also sehr gut gesagt; nur kann es dann nicht v;u.sp6v xs xal xocjalov heißen; das wären zwei Prädikate, sondern xe muß fort: xal gibt wie so oft die Erklärung, ein T^fXEpov, das 7.ugleich x6o(xiov ist, für das man auch xoauiov sagen kann.

411 b 1 oxav S' er.iyoiv jxvj aviyji geben die Codd. Für das schlechthin sinnlose stte/mv hat Demetrios -. spurjv. 51 xaxa/s<ov, und so steht am Anfang der Vergleichung oxav u? [ZouaiXTJi -apsyr(i xaxauXeiv xal xaxaysiv xrj<; ty'JX'K xi? apfxovlai;. Was ist das für eine Kritik, die liier xaxayscjv verschmäht und wohl gar oben auswirft. Die Variante erst noch verändern, ETuysoüv machen, ist auch müßig: Sexye tuv steht dem Setts/cov nicht ferner als Ss7riysojv.

416 d 5 -pöiTOV ji.ev oüalav xsxxr.fi.Evov fX7;8sijuav [irfiivx ISlav, av u.r) Träaa ävayxr,. Danach hat der Mann in Notfällen Eigentum. Das kann nicht gemeint sein, sondern das Eigentum muß auf das schlechthin Notwendige beschränkt sein; sein Hemd muß jeder haben. Also wohl am besten 7jv |Z7] -y.n-x aväyxr,.

421 a 8. Gegenüber der Forderung, daß die cpüXaxs? auf Eigonbesit/. verzichten sollen, die 410 zum ersten Male erhoben ist, hat Ädeimantos eingewandt, daß dann andere großen Landbesitz haben werden, reiche Opfer darbringen, Gäste bewirten können und ein seliges Leben führen; er legt dies einem unbenannten Kritiker in den Mund, 419 a. Dagegen

380 Textkritik.

spricht Sokrates sehr lebhaft; „wir könnten auch den Bauern oder den Töpfer also beglücken; sie würden dann aber aufhören, Bauer und Töpfer zu sein". Das würde schließlich kein so großes Unglück werden; aber wenn die <püXaxeq, der in jodem Staate unentbehrliche Wehrstand, das nicht mehr wirklich sind, so liegt in ihrem Wohlergehen, ihrer eüSaiuovta, der Untergang jedes Staates, ei y.zv ouv i][iziq ptiv cpüXaxa? co<; äXyjOw? jcoiou- (xev T,y.ioTtt. xaxoüpyou:; X7)c; 7t6Xeco<;, 6 8' exetvo Xeywv yetopyoüi; xiva? eüSalfxovas; xal coCT7rep ev 7rav7)yüpei dXX' oüx ev 7r6Xei eaxidxopaq, <5tXXo äv xi tj rcüXiv Xeyoi. So ist das ganz scharf. Glück behauptet der Kritiker zu bereiten, tut es auch, aber daß es sich um das Glück eines Staates handelte, hat er ver- gessen. Es ist sehr viel schärfer, daß Xeyoi da steht, nicht rcoiobj, was mancher der Herstellungsversuche fordern würde. Denn es liegt darin, daß es auf die eüSai[i.ovla des Ganzen ankommt; wer von der eines Standes redet, redet gar nicht mehr zur Sache. Überliefert ist eüSa^ova? hinter eaxidxopa<;, wo es unmöglich ist. Daher hat F xal davorgestellt, Valckenaer mit xal 8aixu^i6va<; die Reihe der Konjekturen eröffnet, sinnreich, aber zwecklos, denn das nackte yecopyoüq ist ja ebenso unerträglich, weshalb man daran geändert hat. Die Umstellung heilt beide Schäden; ich denke, das ist evident. Übrigens ist hier schon ein Beispiel der beabsichtigten Steigerung, die zu bemerken den Schlüssel zum Verständnis , der ganzen Komposition gibt: man muß 519 e vergleichen, wo dies Problem so behan- delt wird, wie es erst nach dem Emporsteigen in den Mittelbüchern mög- lich war.

434 a 3 t£xt6>v oxuxox6[aou eTU/eipöv epya epya^eaöai 7) axuxoxofxoc tsxtovo? ^ xd Öpyava |i,exaXa|xßdvovxe<; xäXXyjXojv y) xifxdq, 7) xal 6 aüxöq £7UxeiP"v dfi^üxepa Tipdxxeiv rcdvxa (xe) x&XXa [jt.eTaXXaTT6ji.sva dpa aoi av ti Soxei pisya ßXd^ai ttoXiv. Man braucht nur auf TäXXa zu achten, um die Notwendigkeit des Zusatzes einzusehen.

441 d 8 dXX' [7nr)i] [ir^ xoöxö ye S7i:iXeXrjO|X£6a. Das ist doch nur Dittographie, oÖ7v<o (F2 Stobaeus) Verbesserungsversuch.

444 b 3. Unter den drei Seelenteilen muß es einen Zwist geben, den Aufstand eines Teiles gegen die ganze Seele, IV ap/7]i ev aüxrji 7rpoa7Jxov, dXXd xoioüxou Övxoq cpüaei oiou 7rp£7ceiv aüx&i SouXeüeiv, xoü S' au SouXeüeiv apxtxoü ysvouc; ovxi. Die offenkundige Korruptel ist alt, denn ebenso steht bei Stobaeus Fl. 9, 61 (I 395 Hense). Dort hat Bücheier xou 8' SouXeüeiv vermutet, das doch keinen Satz gibt; Burnet leistet das mit twi 8' 8ou- jXeüeiv, aber nur äußerlich, denn wir verlangen, was Bücheier mit unerträg- licher Härte ergänzt werden läßt, xou 8e xoioüxou Övxo; oiou 7tpe7retv aüxtou SouXeüeiv, wo sich jeder sagen sollte, daß dpxeiv stehen würde. Es steckt dieser in der Natur liegende Anspruch bereits in dpxixou yevou<; övxi. Auf das Richtige führt IV &pyrti 7rpoa7Jxov; das führt auf den scharfen Gegen- satz xö 8' a5 SouXeÜTji dp/ixou yevou? Öv. Ausgang des Fehlers ist die falsche Auffassung von xo als xoü. Darauf ist im Altertum die Änderung gebaut. 451 a 6. „Ich glaube, es ist kein geringeres Vergehen, ohne Absicht jemandes Mörder werden ^ dzaxecöva xaXwv xe xdyaGwv xal Sixalcov vojxIiawv Trepi." Da das im Nominativ aTiaxewv xaXcöv xe xdyaöwv xal Sixalwv vo[xi{i.cov izipi sein würde, liegt auf der Hand, daß das beziehungslose xal hinter

Staat. 3yi

Sixalcov gehört: da steht eins in manchen codd. ; aber die Hauptsache ist, daß es von der falschen Stelle wegkommt. Daß Slxaia, das absolut Rich- tige, und v6(Jitua als das richtig Geltende zweierlei sind und so zusammen- gehören wie äya9ä und xaXd, kommt hinzu.

477 a 9 ouxoüv im {iiv Ttot, Övti yvcöcu; -?jv, äyvoala 8' ävayxr,c im. (twi ergänzt L. Reinhard) \pt\ Övti, im tgh [xera^ü toütcoi asTai;u ti xal ^YjTVjTeov äyvolac te xal £7uaTr)[j.7)c. Dem offenkundigen Fehler sucht eine Konjektur in F durch Zufügung von 8e in kiA Se töi [izra^ü abzuhelfen. Für mehr kann ich das 8e nicht halten, wenn es auch die Hand des Schreibers er- gänzt hat. Der Gegensatz würde zwischen 9}v und £/]tt)t£ov sein, also die Worte vielmehr so geordnet im 8z t&i y.ziaE,u toütoh £yjt/)tIov (iexa^u ti. Besser ist Hermamis Ergänzung von ercet hinter ouxoüv vor im; der schlechte Klang, an dem Adam anstößt, ist wohl nicht so schlimm. Aber was will das xal vor £/]TY]Teov ? Da gehört es doch nicht hin. Also geben wir ihm seinen Platz statt des 8e von F 2 vor dem dritten Gliede. „Also zu dem Seienden gehörte die Erkenntnis, die Unkenntnis notwendig zum Nicht - seienden, und für dies Mittelding muß etwas Mittleres gesucht werden." Jetzt ist die Wortstellung natürlich.

488 d. Das große Gleichnis von dem Schiffe und seiner Bemannung ist so gebaut, daß von vorjaov am Anfang, 488 a 7, Akkusative abhängen; das reicht bis d 3 tJ'syovTac obc ocxp^cttov; dann scheint es aus den Fugen zu gehen toü 8h äX^öivoü xußepvYjTou Trepi u.v)8' eTOaovTec. oti dvayxir) ao-räk x^v £7UfjiAet,av 7toietaGou eviauTOÜ .... #7roc Se xußepvrjaet .... (xrjTe tsxv7)v toutou [Xtjtc ;j.eXeTY)v olotxevca Suvaröv elvai Xaßeiv afxa xal tyjv xußspv^TixYJv. Dann wird mit toioütcov 8rt rcepl t<xc. vaüc. yi.yvo(xevwv alles für den kurzen Schlußsatz zusammengefaßt. Es ist viel versucht, die grammatische In- konzinnität zu heben oder zu erklären. Mich dünkt entscheidend, daß die Unmöglichkeit, zugleich Kybernetik und Rhetorik zu lernen, den Matrosen durchaus nicht einleuchtet; das gehört vielmehr zu dem, was sie gerade nicht einsehen, gehört also zu dem Inhalte von [X7)8' eTCodovrec. Dann muß oiojxevoi. fort, eingefügt, weil Piaton sich verstattet hat, von ^tj8' eTraiovTec öti dvdyxvj abhängen zu lassen, später aber den Infinitiv [ir, Suvoctöv elvai, was so bequem ist, daß man es kaum bemerkt. Dann muß natürlich auch e7raiovTec Akkusativ werden.

492 b 9 beßoövTsC xal xpoToüvTec kann es von Beifallsgeschrei nicht heißen, das ist nicht exclamare, sondern adclamare e7n.ßocövTec.

49G d 7 ev yeiy.<ä\>i xoviopxoü xal sdXTjc. Ü7rö Tzvz\}y.ccxoq <pepo|j.sv<ov urro ret/iov (XTroaTaq. Überliefert «pspo^evou, aber der Wind wird nicht getrieben, sondern Staub und 'C&kt) 6|xßp6xTu;roe (Aisch. Ag. 656) vom Winde.

499 c 7 et toivuv axpoL? eic (piXoaoqnav rcoXecdc Tic avdyxY) e7U[zeX7]67)vai :r\ yeyovev ev [twi] arceipcoi twi 7capeX'/;Xu06Ti /povoji i) usw. An beiden Stellen kann der Artikel nicht stehen, „in der unendlichen, der vergangenen Zeit". Soll er denn anaphorisch sein ? Oder soll er einschränken, weil auch die Zukunft endlos ist ? Es ist doch klar, daß er an jeder von beiden Stellen stehen konnte, also eine Variante bedeutet. Richtig ist, was zur Änderung eher Anlaß gab, also was wir umständlicher wiedergeben müssen „in der

382

Vergangenheit, die unendlich ist", besser „in den unbegrenzten Zeiten der Vergangenheit".

500 a 1. Sokrates erwartet, daß Adeimantos einwenden wird ,,die Menge wird den Philosophenherrschern nicht trauen". Er hat sich nicht getäuscht und hört die Bestätigung in' einem höflichen „vielleicht". Den Zweifel sucht er ihm auszureden. „äXXo'lav toi, 86E,av s^ouaiv, wenn du ihnen gut zuredest, ihnen die Philosophen zeigst, die du meinst, wie sie sind und was sio treiben, l'va jj.t) -qycövTai as XEyeiv oü<; ocüxol oEovroa [73], xal sav cjtw 8e&VTat, äXXolav toi c?rtaziq aÜTOix; So^av Xvjij/EaOai xal aXXa äTiroxpiveiaöai.". Das t), welches alles verdirbt, fehlt in F, sollte also nicht einmal in Klammern im Texte erscheinen. Es ist doch klar, daß dXXolav toi 86£av den Gedanken des Anfangs genau wieder aufnimmt. Soweit ist alles vor- trefflich; aber d-oxpivsiaOai ist unerträglich: die Menge ist nicht gefragt und kann nichts antworten. Gefragt ist Adeimantos; also hat Piaton dc7ro- xpivel geschrieben, das an den vorhergehenden Infinitiv fälschlich an- geglichen ist.

501 b 1. Die Philosophen sind zum Bau des Staates berufen worden, haben den Grund gelegt, nun blicken sie häufig auf die Ideen xal 7rpo<; exeivo t6 ev avQpa>7roi<;, also auf das irdische Material, Menschenmaterial, mit drm sie arbeiten; beides müssen sie berücksichtigen. Das werden wir nicht aufgeben wollen. Aber auf sv dv0pco7:oi<; folgt e^tcoioiev au(X|j.si- yvüvTsq te xal xspavvüvTS<; ex töv S7:!.T7]8su[i.dT6)v t6 dvSpslxsXov, a7r' Ixslvou Texuaip6[j.£voi, 8 8t] "Ojj.-r;poq ExdXsasv ev toi? avOpwroit; Eyyiyvojjisvov Qzozi8£q te xal OeoeixeXov. Darin haben wir wieder die Schaffung des „Menschenbildes" (Kratyl. 424 c) nach dem „Götterbilde", das in dem Heros auch auf Erden erschienen ist. Im nächsten Satze ist weiter von Auswischen und Nach- malen die Rede, bis ötl (jidXiaTa dv0po>7rs!.a ^6rj zlq Saov EvSsxeTai 0eo<piXy) 7vOi7)<j£iav l). Wie dies hier als Ziel bezeichnet wird, muß das rechte ävSpsl- xeXov auch vorher Ziel sein, erreicht durch die Beurteilung des irdischen Materials nach dem himmlischen Vorbilde. Das wird jeder in dem Satze gesucht haben; aber es ist nicht zu finden: also ituxva av exaTepwas ä7ioßX£7:oiEv izpöq ts (puaet Slxaiov . . . xal xpbq exeivo au t6 ev toi? dvöpco- r.oiq, (toq) k[j.r.oioizv . . . to ävSpslxsXov. Das finale uq ist selten, steht aber 349 c 8, Tim. 92 a 4. Symp. 211 c hat es Schanz richtig aus xai hergestellt, denn Sauppes Iva gab zwar den Sinn, aber xai konnte kaum daraus werden.

502 b 4. Es ist eben zugestanden, daß ein Königssohn ausnahmsweise einmal nicht verdorben werden könnte. dXXd p/rjv zlq txavö? yEvo^Evoq 7r6Xt.v s/fcjv 7T£!.0o^.£vy)v tcocvt' E7:iT£X£oai Ta vüv a7rt(TT0Ü[ji.£va . . . apxovTOC ydp 7tou tiOevto? -zouq vojjloui; . . . Syjtco'j äSüvaTOi; eÖsXeiv tcoieTv zouq ^okirixq. Ich habe die letzten Sätze ausgeschrieben, damit man sieht, hier ist nicht mehr von dem Königssohne die Rede, sondern von jedem, dem die Stadt

a) Nicht OeoEiS?], wie Badham scharfsinnig und scheinbar wollte, denn das Bild wird nun so, daß Gott am Ende selber bravo sagt, moralisch platonisch gewandt, das Ziel der wahren Menschlichkeit ist erreicht, 0so- 'piX'?) y£VEa0ai, Symp. 212 a

Staat. 383

gehorcht. Folglich ist zuerst yevou.evo<; falscher Zusatz, der den Prinzen hier hereinbringen will, ungeschickt, da man lxavö<; yevo|acvo<; verbinden muß. Unter dieser Voraussetzung ist mehrere« versucht, vergeblich, weil die Voraussetzung falsch war. Gegen die Annahme solcher Zusätze, die von fleißigen Lesern stammen, ist Adam viel zu ablehnend. Gleich nebenan 501 d 8 ist 9Üoei F, (p/jasiv die anderen aus cpücnv verdorben, einem Glossem zu -roiauTTjv im vorigen Satze. Madvig hat es beseitigt, und nur dann ist Text und Überlieferung recht verständlich, cp/jas!, wird durch das gleich folgende äypiavoüaiv ausgeschlossen.

503 c 2 zuikxQzic, xal u-v-f^ove? xal äy/lvoi. xal bl,zlc, xal oaa aXXa toütok; ewerat oloö' ort. oüx eösXouaiv äu.a cpüsaÖai [xal] vsavixol ts xal ^.z^aXoizpz-Kzic, xa? oiavoia? (xal) olot, xogu-icoc; [A£Ta y;auxla<; xal ßsßai6nr]TO<; eÖeXs-.v ^rjv, dXX' ol Totoü-roL üao 6^iiTYjroe yspovTai 8-isoi #v xü^waiv. Als ich nach wiederholtem Denken diese Fassung gefunden hatte, lernte ich erst, daß es die von Heindorf ist, die also erneuter Begründung bedarf. Was Sokrates verlangt, ist die Vereinigung von Scharfsinn und Lebhaftigkeit (Fixigkeit) mit dem Entschluß oder der Willigkeit (iöÖteiv), ruhig und stetig zu leben. Also faßt ä(xa die Aufzählung der ersten Reihe bis bEjzic, mit olo-, ■/.oay.L&c usw. zusammen. Dies allein ist die Eigenschaft, die mit der Summe der anderen sich schwer verbindet. Folglich gehört xal vor oloi, muß aber vor vsavixoi fort, denn schneidig (wie wir vsavixoi übersetzen können) und großzügig (was für u.eyaXoTrpETteli; t<xc Stavoiac zu sagen verstattet sei) kann mit dem v.6cT|j.tov und ßsßaiov nicht auf einer Stufe stehen. Auch nicht mit den zu Anfang genannten Eigenschaften; sie geben die Begabung an, sie werden den Jüngling zu einem veavixot; xal [XEyaXoTipe^rji; sich auswachsen lassen, aber dies muß sich erst entwickeln. Also steht es vortrefflich an Stelle der ersten Reihe, durch ä(xa mit dem x6<iu.iqv verbunden. Hübsch ist, wie EÖsXouai <püea8ai für uns nur im Sinne von Pflegen gefaßt werden kann, wie wir auch sagen können ,,die Pflanze will nicht zugleich starkes Laub und Blüten tragen". eÖeXeiv steht ja häufig auch so, olot eOeXeiv £t}v setzt hier aber einen wirklichen Willensakt voraus; ein ö^ü; hat ihn nötig zum ßeßorfßx; £5)v; die künftigen Politiker in Piatons Schule sind nicht ohne weiteres bereit, Mathematik zu treiben.

506 b 5 oöto«; iv/jp- xaXcö<; TjaOa xal -äXai xocTaqxxvfjq oti aoi oux &iroxp-»)aoi ~b toi«; aXXoic; Soxoüv 7cepl au-rwv. Damit lobt Sokrates, halb ärger- lich, die Zähigkeit, mit der ihn Adeimantos zwingt, Farbe zu bekennen. Es kann doch in Piatons Munde nur ein Lob sein, sich bei der Meinung der anderen nicht zu beruhigen. xaX&c als ein familiäres „sehr" hat Adam mit Soph. OT 1008 belegt. Aber was ist o-jtoc äv7;p ? Gorg. 485 d, 505 c, wo es in dritter Person weitergeht, oder Gorg. 467 b, wo es so weitergehen sollte, können hier nichts helfen. Also ist dv/)p Prädikat: ..der hier ist ein Mann." „Das ist ein Kerl."

511 a 6. Es war von der Mathematik die Rede, die sinnliche Figuren zeichnet, aber unter ihnen die intelligiblen Begriffe versteht. Die letzten Worte waren ^tqtoüvtec; auxa exsiva ISeiv ä oöx av äXXax; iSoi ti<; rt tt(i Siavotai. Nach einer Zustimmung fährt Sokrates fort „Diese Gattung nannte ich das votjtöv. Die Seele braucht zu seiner Untersuchung Hypothesen, zu dem

384 Textkritik.

Anfang kann sie nicht gelangen, weil sie über Hypothesen nicht hinaus- kommt, etxoat §£ xpwuivyjv aüxou; toic, uko x&v xätu d7VEt,xaa0sT<nv Trpö? sxsTva, xal ixetvoi? ux; Ivapysai 8s8oJ;aa(iivoi<; xal xi[Aco[jtivoi<;". So ist das scharf und klar, denn daß exEiva xa vovjxä sind, oder auch x<x ävo), wird kein Leser verkennen. Die voyjxa, also der wirkliche Kreis und die wirkliche Kugel, wofür wir ebensogut ihre Ideen sagen können, haben die Geltung, die Würde von svapyrj, an sich einleuchtender Wahrheiten, obgleich dem Mathematiker nur ihre Abbilder zur Verfügung stehen. Überliefert ist xal Ixdvoiq KpbQ Exstva. Die letzten Worte sind, wo sie stehen, ganz sinn- los; daher hat Ast xal exebot.^ verworfen; aber dann erfährt der gezeichnete Kreis eine Ehre, die ihm kein Mathematiker zugestehen wird. aTCEtxaaOetcRv verlangt auch eine Bezeichnung der Vorlage.

515 c 4 GX07TEI Stj aüxövXüaiv xs xal taatv xwv xe 8ea|xcüv xal xyj<; ouppOGÖvric, ota xt<; av eEt), ei <pü<j£i xoiaSs auLxßaivoi aüxotc;. Vergeblich sucht man cpüoEi zu erklären, denn so wie es steht, könnte es nur hervorheben, daß die Lösung naturgemäß geschähe, also in irgendeinem Gegensatze „zu einer anderen Art der Lösung. <püaEt, umzustellen verdirbt nur, denn ol'a xi$ av s?7] yüazi kann nicht dasselbe sein wie cpüaiv, und das ota geht gar nicht die Natur der Lösung an, sondern welche Qualität sie für die Gelösten haben wird; das Folgende zeigt, wie sie sie empfinden. Die Natur kann, wenn irgend- wo, nur bei dem cufxßaivoi stehen. So glaube ich, müssen wir «pücjEi xoiöaSe lesen, wo es freilich ziemlich periphrastisch steht. 9jmvi cpüoEi ysyovEv, Ge- setze 820 c 5, ist nicht ganz gleich, aber verwandt ist es doch.

516 d 6. Wenn einer der Höhlenmenschen, der die Freiheit gekostet hat, zurückkehren soll, xou 'Opi'/jpou av TCE7uov9£vai xal acpoSpa ßoüXEaöa'. £7rapoupov e6vxa 6'/)XEU£[i.ev aXXwi dvSpl irap' axXyjpwi xal oxloöv [av ttetcovOe- vai] (xäXXov 7) xsiva xe So^a^Eiv xal exelvcoi; ^rjv. Das Glossem ist an sich deutlich, zumal 7ts7tov0svai av in der Antwort folgt, aber auch ein Verehrer leerer Wiederholungen kann es nicht halten: was hier stünde, müßte ja von ßouXEaöat, abhängen, was das Perfektum nicht gestattet.

519 b 1 7T£pt.£xÖ7r7] xaq xtjc; yeve<je<o<; auyyEveii; &anzp [xoXußSlSac;, od 8r\ eSco- 5% (Jackson, ISco8ai<; codd. ) xe xal xoioüxcov rfiova.Zc, te xal Xi^vEian; 7tpoa<pueu; Ytyvö|i.Evai TCEpixaxco cxpsipouai xv;v xvjc; ^u^tjc; ö'Jnv. So ist alles vollkommen klar; 7rEpixaxto darf man nicht beanstanden; Photios 7rEpixaxco xpa7rr)OExat. ( Komiker fragment, wohl aus dem Attizisten Phrynichos) dvxl xou 7rspixpa- 7rv)cjExai xäxo ouvrßwq Xsyoucuv. Darauf könnte man höchstens die Kon- jektur xps^ouai bauen; aber daß das unberechtigt ist, zeigt ein entsprechen- der Versuch von Cobet Var. Lect. 90. Daß Tiepl xa xaxw eingeschwärzt ward (Iamblich), ist nicht wunderbar. So hat auch Lukian gelesen, wie die von Cobet, der an die platonische Stelle nicht dachte, in 7tspt,xaxco ge- änderte Stelle zeigt.

531 e o'j yap tcou Soxouai ys aot, 0! xauxa Sstvol SiaXsxxixol sl'vai; ou (i.ä xöv AI' s<pY), ei [li] (i.aXa ys xt,ve<; oXiyot, cov svsxuxov. äXXa Sr), eIzov, |j.y) Suvaxol [xiveq] övxs<; Souval xe xal aTToSs^aaOai. Xoyov eiasaGat tcoxs xi &v 9a(xsv Seiv siSevai; oüS' ati, sepy), xouxo ys. Mit dieser geringen Änderung ist alles in Ordnung; Soxoüot regiert durch die Fragen und Antworten. äXXa 8yj hat F gegen aXX' ^Stj der anderen erhalten; Sr) steht, weil Sokrates weiter

Staat. 385

fragt, ohne sich um die Ausnahmen zu kümmern, von denen Glaukon sprach; u-v) Suvaroi Xoyov Souvai xal drcoSs^aaOa!. ist dasselbe wie SiaXexxixoi. ■zivzc, ist von jemand zugesetzt, der die zweite Frage auf jene Ausnahmen bezog.

538 a 6 -xüc, av StaxeÖetT] . . . . ev sxslvcn te tcoi ypovcoi gh oüz i)i8ei -ri xspl T7]<; u-oßoX?^ xal sv wi au y^Sei. Da ist das zweite r,io"£i falsch, denn das Wissen liegt nicht in der Vergangenheit. ziSzii) ist gefordert und steht auch am Schlüsse der nächsten genau ebenso gebauten Periode.

539 c 3. Wenn die jungen Leute sich auf antilogisches Disputieren einlassen, aÜTol te xal to oXov 91x00091a? [-£pt.] zlc, tou? dXXous SiaßsßXYjvTai. Die ganze Philosophie bringen sie in Mißkredit, nicht das Ganze (wovon?) wegen der Philosophie; das Ganze, was uns die Philosophie ist, kann es nicht bedeuten, wäre auch wunderlich.

549 d 4 ö-av . . . xr\c, u-YjTpö:; dxoÜ7]i dxöauivYj«; °Tt °v T"v apX0VTWV xuzr^ 6 dvYjp Icmv . . . s-stra opoxr/]? |xyj a9oSpa Ttepl xp/)[i.aTa arcou8d£ovTa . . . dXXd paiOüfico? Tcav-ra -roiaöra 9spovxa, xav (xal codd.) sauTcoi piev xöv voöv rcpoa- zxov-cc dsl alaOavTjTat, SocutJjv 8e y.r-z -dvu Tifj.covTa u.y)te aTi^d^ovTa, ÄTravTcov toutwv äx0oji.£vr(<; te xal Xeyoüo'/)? wt; avavSpo? te auxöi 6 7raTr,p xal usw. Ein Nachsatz folgt nicht; Zustimmung unterbricht, und So- krates fährt mit neuem Satze fort. Klar ist, daß %yßo[i.zvrtq wieder auf- genommen wird, um auf den Anfang zurückzugreifen, daher kann der Sohn mit aÜTÖk bezeichnet werden. Der erste Grund des Mißvergnügens wird mit öti gegeben, der zweite folgt mit e-etr-a öpaxr/jq, scheinbar ko- ordiniert, und so der dritte mit xav alaOavr.Tai.. Im Grunde ist alles einfach. Ein Buchstabe war zu ändern. Man hatte mit Umstellung, mit Streichung von alaöavYjTai zu helfen versucht, was doch nur jemand zusetzen konnte, um das Klare zu trüben. Schließlich hatte Adam sich wie öfter dabei be- ruhigt, Piaton hätte Konfusion gemacht imd die Korrektur vergessen, eine Ausrede, die so nicht einmal in den Gesetzen zulässig ist, aber freilich alles Überlieferte entschuldigen kann.

558 a 4 7) -paioTr,;; svlcov tcüv SixaaösvToov xo(j.^y); yj oütco e!Se<; ev Tota>JT7)i TToXiTEtai; av0pa>^wv xaTa^r,9ia0EVT(ov OavaTOu yj ^yrtq oüSsv yjttov aÜTOü (aÜTcöv codd.) [zsvovtcov te xal dvacnps9ouivcov ev [xecgh, xal &>; oüte 9Povti^ovtoi; oüte opcövToq ouSevo; ^epivocrTsI wa-ep Tptoq. Alles ist in Ord- nung außer der kleinen Besserung, die wohl ohne weiteres einleuchtet. Die höhnische Frage beeinflußt die Konstruktion nicht; dvOpwzcov ist Apposition. Und dann malt sich die Entrüstung darin, daß sich das letzte Glied selbständig macht, wo dann der Singular eintritt, an sich passend, aber Piaton wird wohl einen bestimmten Fall im Auge haben.

559 b 3. Notwendig sind Begierden, dq te oü/. dv otoi t' slu-sv d^orps- yai und oar. d-OTsXoj[XEvai ä>?eXoü<nv Yju.ä<;. So heißt es 558 d. Der Art ist die Begierde zu essen, h, pisv yi 7tou toü <jito\j xax' itj.?6~z?x dvayxxla r/. w9eXi[jlo- Y)t te -aüaai ^cövTa ouvxty). Erstens ist es Unsinn, daß die Be- gierde zu essen tödlich sein kann; der Hunger kann es, aber der ist e'vSsix oitou, nicht eriOutaia. Zweitens entspricht es nicht der Definition, auf die Sokrates verweist. Selbst wenn so etwas stünde wie vji. te \lt\ ixoTEXouuivr, Traüaai £Svtgc SuvaTYj, wäre der Entsprechung nicht genügt, und schief wäre Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Aufl. '-'•'

38 i Textkritik.

es auch. Von den Entschuldigungsversuchen schweige ich lieber. Nun sagen Adam und Burnet, bei Athenaeus XII 511 stünde Ttsiv&VTaG für ^tövra. Sie haben nur Meinekes Text angesehen, weder Kaibol noch Schweig- häuser. Die Handschrift hat Ccövxac;, TTEivwvTac ist Konjektur von Korais oder nach Schweighäuser schon von Musurus. Falsch ist sie darum doch. Gefordert wird unbedingt, daß man essen will, solange man lobt. Das hatte Hermann herstellen wollen, aber sehr unglücklich. Ich glaube, da hilft nur 7)1 te 7rauaao6at £üvto<; dSuvaTsl. Die Verderbnis entstand so, daß erst ein <x vergessen war, also ^wvToaSuvaTEi stand; das a über der Zeile nachgetragen, ward als Korrektur gefaßt, ergab also £&vtoc oder ^covxai;. Und von da aus ward das Ganze falsch eingerenkt, wie wir es jetzt lesen.

560 b 1 Si' ocveTuaTTj^oaüv^v -rpoep^q (toü) -Kcczpöq. Hier kann der Artikel nicht fehlen, denn er hat possessive Kraft; der Vater ist vorher erwähnt.

575 a 1 TupavvixcÖ!; ev aÜTQt 6 epco<; sv iräairji ct.vct.pyla.1 xal dvojjdai ^wv octe auxo^ &v [i.6vapxo<; töv s^ov-a [te] aüxöv waTtsp 7t6Xiv <Sc£ei etci 7iäaav roXfjiav, öOev aüröv te xal t&v rcspl auröv Oopußov Qp£<\>zi, xöv [xsv eE/oÖev £ia£Xr(Xu06Ta anb xax7J<; 6fjuXla<; tov 8' sv8o6ev utco tüv aÜTÜv toutcov (xp67icüv codd.) xal sa'jToü dvEÜEVTa xal EXsuOspcoÖEVTa. So zu schreiben. In dem künftigen Tyrannen lebt ein Drang, der den von ihm Besessenen zu jedem tollkühnen Unterfangen treibt, durch das er den Eros und den ihn begleitenden Oopußoq nähren kami; von dem 66pußoc; (in dem wir das verwirrende Getobe einer Schar hören) stammt der äußerliche, aus der schlechten Gesellschaft (in der sich der Tupavvixo«; hält), der innerliche (in seiner Seele) wird durch eben diese und ihn (den -a>pavvi.x<5<;) selbst losgelassen (er hält sich selbst nicht mehr in Zaum, tjttwv Eauxou). toutuv ist ver- dorben, weil die Beziehung des Plurals auf die 6(JuXla verkannt ward, die doch kollektiven Sinn hat. Höchst unerfreulich ist, daß das te Verteidigung findet. Wo ein solches abundiert (Adam bringt mehrfach Beispiele), ist ein Bruch der Konstruktion vorhanden, und nur da ist es zu dulden. Hier ist die Entstehung ganz klar: elidiertes und unelidiertes eyovTa, also über- geschriebenes t ward falsch gedeutet.

579 c 6 6q äv xaxcü^ ev sau-rau tcoXiteuÖjjlevoi; . . . w<; jjly) ISicoty)? xaraßiak. Da sollte man an dem <!><; anstoßen, auch wenn nicht bei Stobaeus IV 8 34 H. (49, 50 Mein.) [j.tj <o<; stände. Der Mann wird Tyrann, dazu ist dies der Gegensatz, also „nicht als Privatmann". Das gibt ü>$ {xtj überhaupt nicht, [17] uq schlecht, einfach und richtig ist \i.r) ISiwr»)?. Daß <ßv daneben stehen könnte, ist wahr; daß es stehen müßte, leugne ich.

607 b 6. Belege für einen alten Zwist von Poesie und Philosophie, xal y<*P 7) „XaxEpu^a TtpoQ 8£au6xav xücov" exeivyj „xpaDya^ouca" xal ,,\l£jo.c, ev ä9p6vo)v /-EvsayopLaiat," xal 6 ,,xc5v Siaaocpwv 6y\oc, xpaxuv", xal ol „Xetttwi; u.epi.[ivöWts<; oti apa TJEvovxai" xal aXXa pjpla arj[jL£ta 7raXaiä<; EvavTt.coa£co<; toutwv. Auf diese seltsame Stelle nimmt Piaton in den Gesetzen 967 c 7 Bezug, wo es heißt, daß die Meteorologie des Anaxagoras einerseits Atheismus zur Folge gehabt hat, xal 8t) xalXoi8opr)c>£!.<; ys etcyjXOov 7roir;Tai<;, xohq qnXoacxpoüvTaq xual fiaxaiaK; äTTEtxd^ovTai; yp cofiivataiv uXaxaTc, aXXa t' äv^Tjxa ei7teiv *). Das geht auf die

*) Der Satz ist im Stile der Gesetze verschnörkelt, XoiSoprjasK; etcyjXOov

Tiraaius. 387

Xaxspu^a xücov und hilft wenigstens Gott oder Helios in dem Herrn zu sehen, den der Hund anhellt. Zunächst muß man das einzelne verstehen. Klar ist das erste und das letzte, „sie smnen nach, nämlich daß sie hungern"''; das ist ihr wahrer Gedanke, das Studieren Mittel zum Zweck. Aber „groß in dem leeren Gerede der Dummen" mag der Sophist sein; nur erwarten wir den Artikel davor, wenn das ein besonderes Zitat ist, und es wird wohl 6 vor Eiiya<; fehlen. Denn vor dem nächsten Zitat kann der Artikel nur Anführung sein. Sidac^oi;, das vielfach angefochten ist, würde, £aco«pos geschrieben, keinen Anstoß erregt haben; ein neues Wort zu finden, kann uns nicht befremden, und es ist so gut wie £<x[£evr)€ und ^cxttXoutoi;. „Die Menge, die den Überweisen bezwingt", ist auch gut; xpdcTwv dagegen im Sinne von xstpaXöiv bringt eine unerhörte Form in die Prosa, die der Leser verkennen mußte, und die Schar der Häupter ist anstößig, weil die Weisen immer in der Minderzahl sind. Die Wortstellung verliert alles Unschickliche, sobald 6 nicht mit zum Zitate gehört; so hat Burnet richtig abgeteilt. Ist man so weit, so tut man sicher den nächsten Schritt : alles ist Prosa. Liedern fügt sich weder der Inhalt noch der Rhythmus, wenigstens des ersten und letzten Zitates. Seltsam aber ist die Sprache, unattisch; das epische Xaxspu£a, das zunächst äolisch klingende 8id.ao<poq, der Vokalismus von SsarroTav. Mit dem verträgt sich wieder der lange Dativ xevEayopiaioi nicht, den man wohl auf Piatons Rechnung setzen muß. Wenn's nun Prosa ist, so wird doch alles zusammengehören, schlägt doch auch alles in eine Kerbe. Und ist man so weit, wo anders kann man es suchen als bei Sophron; dem kam auch die Bezeichnung -oi^tt;^ zu.

TIMAIOS 25 d 5. Das Meer, in welches die Atlantis versunken ist, ist unpassierbar, -zr/.oü xaTaßpax£o<; e^ltttoSojv övto?. Es ist Aberglaube an A, wenn dafür xapra ßpaxeo«; gesetzt wird, denn ßpa/jj? bedeutet nichts als kurz; darin können die ßpdcyv), die Untiefen, nicht stecken, von denen sich Piaton ein neues Adjektiv bildet, sprachgemäß wie xaTOjxßpoc xarauxio^ u. dgl. Das ionische xap-ra hat zwar die Tragödie, aber selbst hier wird man es nicht leicht anerkennen, wie schon Rutherford Phrynich. 8 richtig bemerkt hat.

29 b 3 -spl ts etxovot; xal Ttspl toü zapaSsiypiaTo*; ocjttji; aiSs Stopia-reov, &q apa toü<; Xoyou:;, wvrep slalv h^yr^ixi, toütwv aüraiv xal cs'jyysvETi; övTaq, toü {jlsv [ouv] aovifxou xal ßsßai&'j xal \xz-a. vou xa-raepavoü? \xqvi\lovc, xal ÄjAerarrTcaTouc, xaö' oaov oI6v te ävsXlyxToiq ^poa/jXEi. Xoyoi? slvai xal ävixyjTotc*

-oir(Ta?c, daran schließt sich aXXa t' eItteIv, nämlich etetjXBev, und zu dem Dativ -o'.r-al? gehört mit einer starken, aber hinreichend bekannten Lässigkeit der Akkusativ ärsixa^ovraf;, wo in der Tat der korrekte Dativ sehr häßlich gewesen wäre. Mit diesem Stile muß man sich abfinden. Dagegen kann ich nicht billigen, daß die Lesart von O befolgt wird, aXXa te a5, da au bei dem inhaltslosen aXXa keine Berechtigung hat. A hat aXXa Ta dv., d. h. ein Buchstabe war falsch wiederholt, wo denn te a5 ein Ver- such der Besserung ist wie Taüxa und das richtige aXXa te auch, was Leser von A versucht haben.

25*

388 Textkritik.

toütou See (X7]Sev gXXelTceiv toü<; Se toü 7ipo<; [jiev sxeivo dTTEixaaOsvTOi; ÖvTot; Se eiy.ovuc, eixotocc; äva Xoyov te sxslvuv ÖvTa?. Hier habe ich oöv gleich ent- fernt, obgleich es allgemein überliefert ist, denn das Siopt^eiv beweist, daß die folgende Scheidung von zwei Klassen den Inhalt der Grenzbestimmung bildet; die Akkusative sind Apposition zu auyysvsti;, da sehe ich nicht ab, wie oüv erträglich ist: eine starke Interpunktion, wie sie um seinetwillen gesetzt wird, kann doch kein abhängiges Satzglied verselbständigen. Die Fassung des folgenden ist die von A und dem Lemma der besten Proklos - handschrift. Danach treten zwei unverbundene Sätze mitten zwischen die beiden durch jjlev und M gesonderten Teile der Apposition. Das ist unerträglich, aber in sich ist der Satz klar „soweit es möglich ist, müssen die Reden unwiderleglich sein; daran darf nichts fehlen". Daß das mit seiner Kurzatmigkeit dem Stile zuwiderläuft und zuletzt etwas ganz Ent- behrliches bietet, liegt auf der Hand. Besser ist schon, was F gibt. Indern dort ein xod vor dvsXsyxTOK; tritt, schließen sich wenigstens die zwei Sätzchen zusammen „soweit es möglich ist und sich für Reden schiekt, unwiderleglich zu sein», darf daran nichts fehlen". Aber darin ist olov ts und tcpootjkei dasselbe. Also bringt uns T wieder einen Schritt weiter, in dem olov und xod fehlt, te also das Glied anreiht, wie denn auch Archer Hind geschrieben ha&. Vortrefflich ist y.y.zTccT.xtizo'oc, xaO1 öaov ts aveXsyxxoK; TtpoaYjxa Xoyoi^ slvat. xal ocvixyjtoic;, toütou Sei fr/}§£v säXeittsiv. Vortrefflich an sich; da die Reden doch nicht in demsalben Gra^e unbesieglich sein können wie die Vernunft selbst, muß olilzzolitz üzouq eingeschränkt werden. Aber Sei bleibt anstößig, sowohl daß eine Forderung erhoben wird, wo das Wesen, wie es notwendig ist, beschrieben wird, als auch der Indikativ, der einen Satz- bau sprengt, der doch gleich ^anach wieder gilt. u.r,Bsv eXXeittovtoc«; erwartet man. So sind denn auch Änderungen nicht ausgeblieben, 8yj für Sei gibt eine Klasse der Prokloshandschriften, Se Aa P; das hilft freilich nicht. Den letzten befreienden Schritt tun wir durch Cicero, Tim. 8, itaque vum de re stabili et immuiabili disputai oratio, talis sit qualis illa quae neque redargui neque conoinci potest Er hat gelesen xaö' öaov avsXEyxToit; 7:poaY)xs!.X6yoi.<; eIvoci xal ävix7j-coi<;, nichts mehr, hat aber nicht verstandet, daß es bedeutet, Xoyot? 7iporj'/)XEt ävsXsyxTOK; Elvoa. sondern xa0' öaov dvsXsyxTou: Xoyoti; 7upoc7)X£i. und das natürlich auf das Vorbil , ie Vernunft, bezogen und in rpoarjxs!. „nahe kommt, verwandt ist" ge.undtn 1). Sieht man von seinem Mißverständnisse ab, so ist alles in Form im Inhalt, wie man es nur wünschen kann. Der lateinische Chalcidius übersetzt frei und kürzt raiio constans perspicuaque et ine pugnabiUs reperitur; darauf ist nicht zu bauen. Es ist also ein Satz eingedrungen, kürzere Fassung oder Erklärung für xaO' öaov TcpoarjxEi, usw., und wohl weil ein Nachsatz zu fehlen schien, xaO' Öaov olov te toütou Sei [Z7]Sev eXXei tceiv. Das ist c ann verschieden weiter behandelt. Die Interpolation ist sehr merkwürdig. Der asyndetische Satz gleich nachher, Öti tcep irpo? ysvsaiv oüaia, toüto 7rpö<; rciaTiv äXTjÖsia darf, wie das Asyndeton lehrt, nicht

l) Ciceros Worte sind heil: quae, das in einer Handschrift fehlt, ist gerechtfertigt, sit scheint mir erträglich: prima sit disiinetio, und videiur esse geht vorher. Doch ist Piasbergs Konjektur fit verlockend.

Timaios. 389

zum vorigen gezogen werden. Er leitet vielmehr wirkungsvoll den Epilog des Timaios ein. Wichtig ist der Wert von T. 17 c 10 ist eine seiner Les- arten durch antike Zitate gesichert, 22 a 5 beseitigt er ein Glossem; Richtiges hat er noch anerkanntermaßen 43 e und 67 b 6, dies bei Stobaeus leicht durch Schreibfehler entstellt, auch 90 b 6 nepl xolc, T7j<; äX7)8e£ac ?povr)<m?> bestätigt durch I amblich.

29 c 4 socv ouv rcoXXa 7coXX«v 7rEpi. Oscöv xal ttj? toü 7ravTÖi; yevsosmc \lt] SuvoctoI yiyvco|jEOa :rävTr(i tf&YZiöq <xÜtoü<; IolutoXc, ojjLoXoyoufxevou^XoYou?. . . äro- Soüvai. Da ist es verwerflieb, 7uoXXö)v idpi zu betonen, so daß Götter und Entstehung des All Apposition wird; das umfaßt ja alles mit den zwei Be- griffen. Schon das gsläufigere zavT^t jcdvrax; sollte erkennen lassen, daß -oXX« das ftoXX&v steigert. & 7roXXa \LiGrßzlict. /eiptova^ta ist mir aus dem Prometheus 45, svou6£touv TtoXXtx tcoXXocxk; aus Eurip. Tro. 1015 im Gedächt- nis. rcdevToe steigernd ist geläufig (z. B. Aischyl. Prom. 275, Pers. 834); und vvas ist -avTxraaiv ? Eine platonische Parallele Ges. 835 e 3 tüv uoXXoü? ?t) zoXXi S7:i6ujiicöv zlc, sax*-oc ßaXXouawv. Soph. 233 b 1 xolc, veoi? 86£av rax- paeneeu<4£eiv, &s elai rcdvTa ttocvtco? aÜTol aoawTaTOt. Daß es mehr der Art gibt, des bin ich sicher.

36 e 2 stimmen A und F für die Form StaTrXsxeloa; dieselbe steht Ges. 814 e, Polit. 311 b 7 bietet sie T, für die Form mit a zeugt Theaetet 202 b 4; sie ist die gewöhnliche, hat also zu weichen. Auch im ersten Kapitel von Hippokrates it. Tpo<p7J<; hat A SiawXsxeToi gegen die Vulgata.

36 e fxev Stj awjxx opaTOv oupavoü ysyovEv, aürq 8e ä6pazoq [aev XoynJjJtoij Se piETEXouaa xal apu.ovla<; [^ux*)L tüv votjtcöv dsi te ovtcov U7tö toü apicrrou iptaTY) ysvo^svTj töv yevvyjOevtcov. Darin ist das Glossem von Archer Hind erkannt: die Stellung weist es aus, und von der Welt- seele war immer die Rede. Der folgende Genetiv läßt sich grammatisch verschieden fassen. Cicero hat ihn von Xoyiapioü xal apjxovia? abhängen lassen; das gibt keinen Sinn; er mußte auch Zusätze machen. Proklos schwankt und möchte am liebsten das Glied verselbständigen, so daß die Weltseele zu den votjtoc dsi te övra gehörte, wie sie das ja tut. Denn die Genetive von dpiaTou abhängig zu machen, scheut er sich, weil dann der Demiurg selbst zu den votjtoc gehört. Dennoch ist Archer Hind diesen Weg gegangen und sieht darin das Eingeständnis, daß der Demiurg nur eine mythische Person ist, der universale vous, der sich in der Form des y.6a[LOc, selbst entwickelt. Das führt doch zu den Schwierigkeiten, die Proklos erwägt, und streitet damit, daß die Idee des Guten, die von diesem Schöpfer nicht zu trennen ist, ercExsiva ist. also mit keinen vor^d in eine Klasse gehört. Aber vor allem legt die Sprache Verwahrung ein: urcö toü dpioTOu dptaTT), das ist komplementär, und der dpinTot; darf nicht zu einem eingeschränkten apiaTov werden. Also ist es so gemeint: „Von dem In- telligiblen und Ewigen ist die Weltseele durch den Besten als das Beste geworden, nämlich von dem Geschaffenen." Den Ideen, dem 7rapd8siy[xa, gebührt immer noch der Vorzug. Da ist wohl twv <ys> yEvvyjösvTwv das Richtige.

37 c 6. Als Gott die Welt geschaffen hat, tüv diSiwv Oeüv ysyovö«; ayaX[xa, freut er sich wie Elohim am sechsten Tage. In öecöv ayaXjxa liegt

300 Textkritik.

auch nichts anderes, als daß (kol töi x6<7|jt,ou ayaXXovTai. Ich habe #y«X|xa zu Eur. Her. 49 erläutert.

40 d 2. Es wäre müßig, über Sonnen- und Mondfinsternisse ohne ein Modell zu reden, das also in der Akademie vorhanden war, äveu 8i6<]>e(,>c, toütcov ocütcov [i.i[i.7)[xdtTcov. An der Neubildung Sto^t? anzustoßen, liegt gar kein Grund vor, StopSv ist ihm ja geläufig; dagegen wäre oveu 8i' 6<\>swq eine abscheuliche Stellung, und |i.i|XT]ji.aTa 8t/ Ö^ewi; ist unsinnig; Öt^ic; 8iä IiiIlt^oltom ließe man sich eher gefallen. Ebenso nichtig ist au twv zu trennen. „Ohne Betrachtimg von Nachbildungen von eben diesen Er- scheinungen", wie sie bei dem Drehen des Modells entstehen. Das ist schon gut; aber mit Recht stößt man sich daran, daß aürcöv toutojv, das neben uijxrjpiaTa unanstößig sein würde, neben dem Genetiv steht, zu dem es der Leser nehmen muß. Also ist die Kasusendung ausgeglichen: (ju(jl^- [loltoc, macht alles klar.

41 d 8. Der Demiurg SieiXev <\>ux<xc, la<xpLQ[iü\>c, xoiq aarxpot,^, svsi[iiv 6' IxaaxYjv npbq exaaTov. Darauf zeigt er ihnen das ganze Reich des All, d. h. der voYj-a, und verkündet ihre Aufgabe; dazu gehöi*t oTrapelaa«; aürac; £tc Ta 7rpoav)xovTa exaaTais £xaoxa opyava/povtov cpövai £okcov to Qeoae^iaxarov. Es folgt ihr Leben in der Körperlichkeit; der Gerechte kehrt zurück ro&Xiv iiq tv;v tou auvvö|i.ou oixyjaiv aarpou usw. Als er mit diesen An- ordnungen fertig ist, E<T7isipEV toü<; jxev zic yvjv, toü<; 8' elq asXyjvYjv, -uouq 8' elq -raXXa 60a öpyava xpovou. Von dem Wortverständnis muß man doch auch hier ausgehen. Das besagt zuerst, daß so viel Seelen, Einzelseelen, ge- schaffen werden, als es Sterne gibt, also zahllose. Dem entspricht die Angabe, daß die Einzelseele zu ihrem auvvopiov iarpov zurückkehrt. Andererseits steht ebenso sicher da, daß die Seelen nur auf die Erde und die Planeten ausgestreut werden, und das wird vorher mit denselben Worten angekündigt.

Schon Proklos plagt sich mit dieser Steile und ist geneigt, die äcorpa und öpyava xpQvou zu identifizieren, worin ihm die meisten Erklärer folgen. Aber die Grammatik verbietet es, und eine noch ungeteilte Gruppe von künftigen, dem Hermes etwa zugehörigen Seelen anzunehmen, ist auch zu wunderlich. Folglich müssen wir sondern. Auf ihrem Sterne wird jede Seele sitzen, wenn sie das Reich der vorjTa betrachtet. Daß die Seelen zu einem Gotte ein Verhältnis haben, steht im Mythos des Phaidrbs, aber diese Götter können die Planeten nicht sein, da der Götter elf sind, es sei T denn, daß dort und hier eine mythische unbekannte Lehre verschieden benutzt wird. Was hier steht, läßt nur die Deutung zu, daß die Planeten ebenso wie die Erde von eingekörperten Seelen bewohnt sind. Das steht zwar auch sonst nirgend, aber hier steht es. Richtig urteilt Zeller II4 819f.

42 e 5. Nach der Schöpfung zieht sich der Demiurg zurück und ejjlevev ev -etil sau-oü xocTa Tporov ^Oel. Das kann nicht sein „Charakter" sein; neben -TiOoq in dem Sinne ist xoctä tp6tcov überflüssig. Es ist auch nicht bezeichnet, wofür ich eben sagte ,er zieht sich zurück', und das ver- langen wir doch. Also muß eine Ortsbezeichnung da stehen, freilich eine, die auf den Gott, der keinen Raum kennt, anwendbar ist. Das Zurück- ziehen liegt nur darin, daß er nicht handelnd hervortritt, sondern in dem

Tiinaios. 39 1

3j6o<; bleibt, das ihm genehm ist. Offenbar spielt Piaton mit der Nuance des Wortes, die wir nur im Plural ?,0v) kennen, bei Homer, den Ioniern, aber auch einmal bei Euripides Hei. 274. Uns ist das unnachahmlich, aber wir müssen und können nachfühlen, wie hier etwas Unaussprechliches doch zum Ausdruck gebracht wird. Erleichtern wird es uns die Erinnerung an den S<paipo<; des Empedokles, 27, der [aovCtji r.zpir^zi yaicov 'Apu-ovir,«; Ttuxivw'. xpü<pou eoxrjpixxai, auf den Piaton violleicht nicht geradezu anspielt, der aber doch in seinem sjzevev sv xök eauToO VjÖet nachklingt.

43 b unter den Einwirkungen und Störungen, die der menschliche Körper in seinem animalischen Leben erleidet, ert (j.si£co 06poßov a7t7]p- yäZt-o xa xwv ^poairi^TÖVTWv rcaOrju-axa zvAa-oic,, oxe «upl zpoaxpoüaEis o<öu.a usw. Das versteht jeder so, daß die zpoc-i^Tovra leiden; es geht also nicht, steht aber in A F: xor. upoaziTtTovxa tüv rca8Y)n.axG>v ist eine so offenkundige und so törichte Interpolation, daß sie nur durch den Rück- schluß auf den unverständlichen Text Wert erhält, xüv TrpocnuTrxovxov.' jwcÖTjUjfcxuv T ist ein gleichgültiger Schreibfehler. Also ein fester, aber entstellter Text; die Heilung ist einfach xä(x> xöv 7:poc7U7;x6vxü>v zaOyjfAaxa. 48 d Treipaco^at (jlt(8evö<; 7]xxov slxöxa, u-äXXov 8s xai su-TcpocOsv ätc' apy^q :ispl sxaaTtov xal auu.7cavx&>v Xeystv. Er hat schon vorher auf 29 b verwiesen, verweist sofort auf 27 b, da wird auch in su.7rpoa0£v ein Hinweis auf früheres stecken, und richtig, 29 b 2 steht, daß alles auf den Anfang ankommt, 29 c 7 sav luj8svö<; f,xxov ::ap£xa>77E0a elxoxac (Xoyou?). So werden wir das unerträgliche xai in eine Beziehung auf das frühere verwandeln. Man kann an r\ denken; aber ein Übertreffen würde die wichtigere frühere Darstellung herabsetzen: so denke ich (&<;> xal ejxxpoaOev wird das Wahre sein; der Fülle der Rede scheint mir &q xai besser zu entsprechen als &q, so leicht sich auch das aus xal gewinnen läßt.

52 b 3 von der Materie oder auch dem Räume, dem dritten neben dem Intelligibeln und dem unter Raum und Zeit fallenden ewig Entstehenden, Vergehenden, das wir Xoyiou.<öi tivi v60gh erfassen, izpoq 6 Sfj xai 6veipo7:oXoij[xev ßXETCovTes; xal 9a[j.£v avayxatov slvat wou ov a7tav ev Tivt TÖWöl xai xaxexov x"?av «v'A (seil, elvai), Ss (ji^t' ev yijt jt^TS tcou xax' oüpavöv (seil Öv) oüSsv elvai. xaüxa 8r) Ttavxa xal xo<jxü>v aXXa dSeXtpa xai Tcepl tJjv fiuJtvov xai äX7}0öiq «püeuv uzapxouaav, Otto xaiixT);; X7}<; öveipÄ^ew? Suvaxol yiYvö[j.eOa EYSp0£VT£<; 8iopi£6u.svoi t<xXt]6s<; Xeyeiv, 6? slxovi uiv, sTCelrcsp ou8' aijxö toüto sq>' gh y£Y0V£V eauT7Jq saxlv, sxEpou 81 xivo<; äel .pspsxat. qxxvTaau-a. Sia xaÜTa ev ETspcot 7cpoaY]xet tivI YiyvEaOat, oucia? au-waY^o*; avxexQiiivYjv, 5) [xr,Ssv 7iapä7tav aüx7]v etvai" xtöc. 8e Övxüx; övti ßorjOöc; 6 8i' axpißsla? äXY)0-f]c X6yoc &<;, !u? av xi u.ev aXXo 3ji 8s aXXo, cüSsxEpov ev oöSexeptti tcots Yevojjlevov sv au.a xaüxöv xai 8uo Yev7)oe°0°v- Simplicius bewundert diese Sätze und schreibt sie zweimal ab, zur Physik 225 und 539; aber er er- klärt sie nicht. Chalcidius macht keinen Versuch, sie zu übersetzen, son- dern sucht den Sinn ganz frei wiederzugeben. Archer Hind hat es ver- standen, aber er liefert keine grammatische Erläuterung des Ganzen. Eva Sachs (Plat, Körp. 205) wendet sich gegen einen Punkt seiner Deutung; über das Ganze bleiben wir im Dunkel. Ich habe mich sehr lange ge- plagt, glaube nicht, daß sich jemand leicht durchfinden kann, daher die

392 Textkritik.

Paraphrase. „Wir sind nicht geneigt, von der Kategorie des Raumes zu abstrahieren, sondern wenden sie auch auf das Intelligible an. Dabei ver- kennen wir, daß ein Bild zwar, da es das, was es sein so]], nicht von sich ist. vielmehr immer nur das Scheinbild eines anderen ist (als solches also irreal), an etwas anderem sich befinden muß, wenn es eine gewiss^ Exi- stenz haben und nicht schlechthin nichtig sein soll; für das wahrhaft Seiende aber gilt, daß, solange zwei Dinge eine Sonderexistenz haben, sie nicht eins in dem anderen sich so befinden können, daß sie zugleich zwei und dasselbe sind." Es steht also erst tocütoc xat, toütcov ä8eX<pä schein- bar in der Luft; grammatisch brauchen wir dazu etwas wie oveipwTrovTEi;, aber das wird nicht ausgesprochen, weil \j7r6 toci5t»}<; t»js 6vetp<&£eo<; das Ganze aufnimmt. Das Wahre, das wir infolgedessen nicht sagen, ist, daß stxövi [ik\> 7rpoar)xsi sv ETspcoi yiyvsaOai, und an den Infinitiv schließt sich der Akkusativ avTExofiivvjv, der in scharfer grammatischer Rede Dativ sein würde. Daß das Bild immer nur ein 9dcvTaafz.a eines andern ist, also an sich keine Realität hat, sehen wir leicht ein; aber was bedeutet das Kor- relat, daß ouS' ocutö touto £<p' &t, ysyovev eoa>T7)<; (ttj<; elxovö?) laxiv ? Keine Erklärung, die das Reflexivum hält, darf sixtov als Subjekt aufgeben, und dazu stimmt das nächste Satzglied; folglich heißt es „da sie selbst das e<p' on ysyovsv nicht von sich ist". Sie hat keine eigene Realität, sondern ist ein <pavTaa|i.a. Was ist das e<p' äi ysyovev anders als eben eixwv ? Eine Parallelstelle wird entscheiden. Staat 477 d 1 äuva^eco:; eiq exeivo jjlovov ßXeTico c<p' &i ts ecti xai o arrepyaCeTca. Die sixuv ist dazu entstanden, nachzu- bilden, widerzuspiegeln, clxac^iv. Das tut sie aber nicht mit sich, sondern immer mit etwas anderem. Folglich muß sie etwas anderes haben, das sie widerspiegelt.

53 a 1 sollte doch das allein verständliche dvaXixvcofieva nicht auf- gegeben werden, weil die auvaycoyrj Xe^ecdv xp^aüzcov 405 Bekk. (daraus Phot. Berol.) avtx(j.(ü^£va bezeugt, und dies in F steht. Es ist wichtig, daß die Rezension F in das Altertum reicht, aber dann haben wir nur einen alten Fehler, denn die Erklärung muß nach X-.xvco-Aeva greifen, und wo gäbe es eine Spur von eint-m Stamme ixpi ?

55 d 4. Über die Zahl der Welten, to zap' t)U.cov Iva aü-öv xaxa tov slxoxa Xoyov 7T£<puxÖTa [iryüzi 6sov. Ist es schon an sich seltsam, den y.6oy.oc, Gott genannt zu finden, so wird es hier ganz absurd. So hat F; A hat Ozöq. Ich will nicht entscheiden, ob dies eingeschoben ist, als uap' r7)[i.öW als Subjekt verkannt war, oder ob es Korruptel aus 0s6v ist, das verteufelt nach dem Zusätze eines Monotheisten klingt, Daß Qzöq oder Osöv, einerlei was, fort muß, darüber sind sich Hermann und Archer Hind einig. Es fehlt in T. Nur darum hebe ich hervor.

69 a 7 darf 8vSkia[i£va. F A2 (SuxpiqjiEva A1 ist wohl Irrtum dieses Schrei- bers) nicht weichen; gewiß bedeutet SiuX^siv sonst nur durchseihen, aber ob schon zu Piatons Zeiten, ist fraglich: jedenfalls spielt er, wie er es liebt, etymologisch oiov tsxtooiv uXr, TaptxxetTat ra twv alxuov ysvr; SiuXiajxeva. Darin sollen wir so etwas hören wie „das Holz ist durchgeholzt" für „die Ursachen sind nach ihren Arten geschieden". S'uXaapieva T; dies Verbum gibt es gar nicht, und es sieht bedenklich aus.

Kritias. 393

71 b 3. Die Leber sitzt neben dem cixcov xod ttoxwv ezi.6u(X7]xix6v, iva . . . . 7) Ix xoü voü <?tpo\J.ivrt S'jva(xtc cpoßot [xev auxo, 6~6xe fj.£pst T7J<g -ixp6x7)- -oq xP^^svTj auyysvEi, xa^E7t"^ TrpocsvsxOeiox &~zO,ri<. .... xoXcoSr, XP^!xaTa ^f*" 9<xlvoi. Bedarf es noch eines Wortes, daß man x«X£7r7)t. betonen muß, wenn man die Glieder sonst richtig so mit Burnet verteilt ?

71 e 6 o'jvvoTJaai uiv z\i<?povoq xa xe p7)8svxa äva[i.v7]aÖ£Vxa ovap vj ö-ap j-o xtjc |xavxix7)<; . . . (püaEw? xal oaa av cpavxäajjLaTa 696751, rävxa (xe> Xoyia- JJ.6H SisXsaöai 87nji Tt T7)fiaivst uf^w. Daß ouvvbTjoat sowohl xa pTjösvxa wie Saa av 9avxa<ru.axa 6967)1 regiert, folgt aus te xa£; dann muß -avxa (das eben dieses zusammenfaßt) SisXsaöai seinen Anschluß haben, durch xai oder te; dies letztere ziehe ich vor. Daß am Anfang [xev eigentlich zu E(X9povo<; gehört (es entspricht toü 8h (jLavEvxoq), aber an die zweite Stelle des Satzes gerückt ist, folgt einem verbreiteten, oft verkannten Sprach - gebrauch.

86 c to a-KspyLOL 8twi 7roXü xai, powSsc wspl x6v (jlueXov yiyvsxai xal xaöa- -Epsl SsvSpov TroXuxapuoTEpov toü au[j.[JL£Tpou to^oxös 7]i, bereitet Schmerzen. Mit Recht hat Hermann xat vor xa8a7r£p getilgt; die Vergleichung kann kein zweites Glied bilden; aber dann soll man nicht yiyvTjxai schreiben, um die Modi auszugleichen; der Konjunktiv würde auch nicht ohne £v stehen, son- dern Tjt tilgen. Denn 5j (wie 9j ßaiov) TtoXXa«; ist zwar sehr gut an sich, aber in einem Nachsatze wohl zu lebhaft. Bei Galen -. ^X7^ ^öwv 6 (IV 799 K) fehlt xai, aber das kann erst ins Gewicht fallen, wenn die Überlieferung bekannt ist, ebenso die, sicherlich falsche, Variante ykoi&Szq für powSE?. Sie setzt poiwSsc voraus, das sich auch unter puöJSs«; verbirgt, das die Codd. hier überwiegend, 86 d 5 allein haben, während dort Galen das Echte hat. pucöSE? läßt sich doch gar nicht grammatisch rechtfertigen, während po&Ssq gewöhnlich ist. Als ursprünglich überliefert muß poiwSc? gelten, mit jenem Einschub eines i, der den Epigraphikern von oySoCi] Bot7;8pofntov ge- läufig ist.

Platz finden möge hier die Verbesserung eines Demokritbruchstückes, das für den Timaios anzuführen war, Sextus adv. math. VII 139 ( Fr. 11 Diels) über die yvTjaiTj und oxotCtj yvät»). Da heißt es nach ihrer Unterscheidung slxa Ttpoxpivwv T7j<; crxoxta]«; xtjv yv7]ai7)v l?riq>spet Xsycov „Öxav tj axoxb) {Xtjxsxi Sövaxai (Demokrit schrieb 8üv7]xai) u-tjxe 6p7jv et:' sXaxxov (xtjxe äxoüsiv ;i7jxE Ö8|i.äa6ai }ju;xe ysüeaöai jjujxe sv ttji (j^üasi aicröäveoöai, äXX' e^I X£7rr6x£pov. Es liegt am nächsten, einen Ausfall anzunehmen, aber dann muß man, wie Diels es tut, den Satz ausweiten, damit äXXa möglich wird. Daß Sextus einen vollständigen Satz anführte, ist nicht notwendig, da er vorausschickt, daß Demokrit der yvrjab) yvco(j.7) den Vorrang gab. Nun beachte man, daß £-' sXaxxov recht wunderlich ist, von der attischen Form ganz abgesehen. Wer drückt denn so „ins kleinere"" aus ? Heißt das gXaxxov ? Ich denke, das ist falsch, und am Rande stand die richtige Variante aXX(co;) etu Xe-xg- xEpov, die jetzt hinter das Zitat gesetzt ist.

Im KRITIAS kommt man mit AF gut aus. 120 d 4 haben Abschriften ein 8v, Dittographem, richtig gestrichen. Cobets Kritik, die jedes Stilgefühl vermissen läßt, hat auch nichts geleistet, als 115 b ein Dittographem zu ent-

394 Textkritik.

fernen. Alle seine Konjekturen brauchten nicht einmal unter dem Texte zu erscheinen. 80 fein poliert die Sprache ist, ist doch ein paarmal, wie öfter in den Gesetzen, die Verarbeitung verschiedener Aufzeichnungen nicht durchgeführt, ein Zeichen der Unfertigke.it.

Gleich 106 b 1 et Tl zepl aÜT&v axovTS? eitojaev Läßt eine grammatische Beziehung von zspl aürtov nicht zu: auf p7]0evTcov kann es ja nicht gehen. Also wird zspl zu entfernen sein.

108 b G. ..Der' vorige Redner hat Beifall gefunden, du wirst also großer Nachsicht bedürfen, el ji&Xeis aura 8uvaxö<; elvai 7rapaßaXs'iv." So A, TrapaXaßsTv F. Was dios bedeuten soll, das unsere Texte behauptet, ver- stehe ich nicht. Was soll er denn bekommen ? aüra kann doch nur, etwas lässig, auf den früheren Vortrag gehen. uTiEpßaXsiv würde passen: aber hier will keiner den anderen übertreffen. Sollte Piaton nach dieser Analogie gewagt haben, transitives rapaßaXsiv für gleichkommen zu sagen ? Ich traue es ihm gern zu.

109e 3 ev d:iopiat tüv dvayxaicuv hnl noXkaq yevea? Övte<; aÜTol xal 7ual8£c ~P°S oIq TjTCopo'jv töv voüv zyov^zc, (xal) toütcüv reepi xal TOu^Xoyoui; t:oiou(j.svoi t<5v ev Tott; Trpoaösv xal TcäXai r.oxk yeyovoTOV 7]|j.£Xouv. Die zwei einander ergänzenden Partkipia mußten unter sich verbunden werden, sie begründen zusammen das dueXeiv.

110 b 5. Es ist gesagt, daß auch die Namen der altattischen Heroinen in der Erzählung vorkommen werden, xal Sy; xal to t5;c; öeou oyfty.a. xal ayaX(i.a

de, xoivd tot' y\v ra ST:iT7]8su[i.aTa Tat? te yuvai^lv xal zoXc, ävSpaat. Ta 7tepi tov tioXejxov, oötco xaT' exelvov t&v v6fi.ov

d)7TXia[i.£V75V T7]V ÖsÖV (XV 6S^Tt[J.IX EtVai TOI? TOTE

e'vSEiyjj.a, oti 7rdv0' oaa auvvo[i.a £oka, OrjXsa xal oaa dppsva, T7)y rpoaTjxouaav dpeTTjv ExdaTGH yevEi Tav xoivyjt SuvaTÖv E7n,ry)8euet.v nicpuxEv.

Daß die eingerückten Worte den Satz sprengen, wird einleuchten. Was dazwischen steht, hat keine Verbindung, steht in indirekter Rede, ist ein eigener noch nicht fertiger Randzusatz, der ein allerdings kaum ent- behrliches Glied des Gedankens nachträgt. Die pretiöse Wendung 6r;Xea xal 8aa appsva hat eine Parallele 109 a 2 7ioXXd e6vt], ßdpßapa xal 600c 'EXXrr

VCOV Y)V y£V7j.

111 a 4 TCäaa (yj 'Attixyj) . . . rcpoTEivouGa ei<; to 7veXayo<; olov 6cxpa XEiTai, to 8s (Sr] codd.) t% 6aXaTT7)c äyyeiov 7uspl aÖTYjv Tuy/dvei jcav dy/tßaöe? öv.

1 1 1 c 5. Es gibt Anzeichen für den alten Waldreichtum, denn es gibt Berge, die jetzt nur den Bienen Nahrung geben, XP0V0? 8' °u 7rd{jLjroXu<;, ote SIvSpojv auToösv . . . tt^Oevtcov crrey do-(i.aT' egti 1), „und das ist noch nicht lange her, wo es doch noch dort geschnittene Dachbalken gibt." Da ist gar nichts zu beanstanden. Öte gleich einem ir.eiBri ist namentlich im Drama gewöhnlich ; hier lag die Zeitpartikel besonders nahe. Gesetze 886 e 3

1) Die echte alte Form <rä ist auch im Lexikon des Timaeus erhalten, wo zu lesen ist ^üXov ipe<])i[ioi\> cnr£ydcj(i.aTd ecjti t5 (t<x codd.). epltpifza" Ta sl? Ta? olxia<; TSTay^-Eva. Es steht nur ^üXwv statt SevSpwv.

Kritias. 395

würde eine schöne Parallele bieten, wenn auf die junge, im allgemeinen unzuverlässige Überlieferung Verlaß wäre, nach der man schreibt. „Ein schwere Aufgabe, selbst wenn es nur einen Gott zu beweisen gälte, vüv Ss, ots ^äpLroXXoi TUYX<xvou<nv' ^~l Xa^s7tc*>T£:P&v *v etij." A 0 haben ovts<; für frte: das darf man nicht preisgeben, (ots) ovts? oder ovxeq (ytxp) ist da- Walire. Ob das erste vorzuziehen ist, hängt an der Geltimg des Lauren- tianus 80, 17; ich traue ihm nicht.

111 d 1. Das Land (vj X^P* ist das entfernte, aber in unserem Sinne immer vorhandene Subjekt) hatte viel Regenwasser ouy, w? vüv dtTroXXüaa psov i.r.6 tyikffc friq dq OaXaTTav, dXXa ttoXXvjv exouöoc (nämlich eine dichte Erdschicht) xal et? ocÜtt,v xaTaSEXOuiv/] TTJi (te) xepatztSi aTEyoucTji yTJt Sta- -y.y.izooy.ivr,, xaTaroOsv . . . a<piei<Ja . . . r.rxpziyßzo £?9<>v;x xpTjvcöv . . . vajxaTa. Der Bau der Partizipia ist hier wie oft von eigentümlicher Schönheit; man muß auf seine Gliederung achten und ab und zu Störungen entfernen. Plutarch ist in diesem Gebrauch ein geschickter Platoniker.

112 a 4 ev (tok) eriptoi xpovwi notwendig, denn es geht auf die be stimmte, vorher mit sv twi tote XP0V6H bezeichnete Zeit.

113 c 8. Das erste erdgeborene Menschenpaar auf der Insel Atlantis wohnte in einer Ebene, an welche, von ihrer Mitte 50 Stadien entfernt. r,v opo? ßpaxu 7cavn)t. Der Wohnplatz war schwerlich von einem ßpay ;u 6poq umgeben, sondern zu seiner Abgeschlossenheit gehörte ein xpaxü.

114 b 5. Die nach dem jetzt r<x8eipixifj genannten Lande gerichtet. Gegend von Atlantis gehörte einem Poseidonsohn, der in der Landessprache Gadeiros hieß o-sp ttjv (t 9jv A, t äv F) £7tixX7j<nv (F, EmxXTjv A) tocutt;!. [Övojza] -apaixou So behandelt fehlt nur av; das gehört hinter E7r£xX7]<nv, da es hinter xauxTji einen in dieser Schrift unzulässigen Hiatus erzeugen würde. Eben dieser reicht zu der Verwerfung von Svou.oc, das zugesetzt ist, weil man hui'/kr^iq verkannte. Aber Gadeira muß doch einen älteren Name;: gehabt haben.

115b 5 wird da? Obst nach seiner verschiedenen Verwendung be- zeichnet, <5-avToc tocütx yj tote gugoc u<p' TjXtcot vyjoo«; Upa xocXa re xal flai'u».cra xal 7tXyj8egiv aitetpa s(?£pEV. Was soll lepa ? Heilig ist weder das Obst noch die Insel; die letztere Beziehung wäre auch grammatisch nicht zu recht fertigen. Das ist wpala, natürlich über.cb.cix verdorben. „All dieses brachte die Insel xa8' oipav Irou«; in Qualität und Quantität wunderbar hervor.'- Daß man eben das Obst nach seiner <üpa üpaia nennt, macht den Ausdruck noch hübscher. In ganz anderem Sinne steht wpaia 116 c 8 technisch für die Totenopfer, Eurip. Hik. 175. Hesych upala.

11 (je 5 töv (te) yuaixSv xal aÜTwv.

119 b 1 cuv<opl8a xwpU 8i9pou xaTaßaT^v te pixpaamSa xal xöv a(X<po!v ^jlet' Imß&np toTv itttcoiv y>Ioxov e'xooaav. Was soll [xet' sraßaTTjv? Der einzelne Grundherr dieses feudal regierten Staates stellt zwar nicht den Wagen, aber die Bespannung und zwei Knechte; einer wird dann als Leichtbewaffneter verwandt, der andere führt das Gespann. Wenn dabei £-ißäTr(v stünde, wäre man zufrieden; der Mann fährt dann, wie wir sagen, vom Sattel. Aber |xet zu streichen, ist unwahrscheinlich. Mich dünkl , hier steht entweder ein neues Wort {Z£T£nßaT7)v, was bedeuten kann, daß

396 Textkritik.

er {isTaßoXXwv SiwßaCvei, ein passender Sinn, oder, was ich allein empfehle, uexaßaxyjv ist das Wahfre, in gleichem Sinne, so daß der Lenker die Pferde wechselt, Bei Hesych steht CsuyrjX dxr;<; |xsxaßäxr;<; tylv/pc,.

120 c 5 v6jioi Se 7roXXol 8e fXEyiaxa, folgen Infinitive. Dann steht

xoivtji Se xaOaTzep oi -pöaOsv ßouXsu6fJiEvoi xa S6£avxa Trspl TioXspiou xal xcöv icXXuv -pd^scov r;ys|zovlav a7co8f,86vTE<; TÖt.'ATXaVTixöt yevEi, weder in sich ab- geschlossen noch nach oben oder unten zusammenhängend; dann ein Accusativus cum infinitivo, formal und inhaltlich Fortsetzung der Gesetze. Also ein hier ungehöriger Einschub, ein angefangener Satz, in dem etwas im ganzen hierher Gehöriges nachgetragen werden sollte.

121 a 8 7)0^7)07) ä rcplv 8it;X0o(jisv. So druckt man, und so verlangt aller- dings der prosaische Gebrauch. Aber Piaton kann das nicht gewollt haben, da es einen schweren Hiatus hereinbringt, wie es hier keinen gibt. Über- liefert ist xd. Mir scheint es gar nicht unglaublich, daß er sich diese Form, eben um den Hiatus zu vermeiden, erlaubt hat, wie es die Tragödie tut. Ges. 783 d 2 y.z[i^-qao\izQ<x tcou xd vuv SiaxsXsÜYjt, bedarf dann keines Zusatzes; cbv xd vuv Stephauus, aber ein Genetiv ist bei dem Nelitrum gar nicht nötig. Selbst ein attisches Psephisma IG II 2 657, 66 schreibt ev toi? dcyöot Toiq 7j izökiq ti07]<u, vgl. Wilhelm Eranos zur 50. Philologen Versammlung 129.

GESETZE 627 a 5 rcdvu ydp xal iari (saxt. xal codd.) c<p68pa to xoioöxov, oux tjxictk <§') ev -vcdq ttoXsoiv. Der Athener hat gefragt, ob ein Unter- schied, der zwischen Menschen zugegeben ist, auch für Staaten gilt. Darauf gehört sich die Zustimmung. „Ganz richtig gefragt; der Unterschied ist in der Tat in voller Stärke vorhanden, und in den Staaten erst recht." Daraus folgt der Zusatz. 7idvu und ocpoSpa werden nicht kopuliert; daher wollte Cobet xal streichen. Umstellung ist besser.

635 c 5 sl ärtEipot, xöv (jisyiaTcov tjSov&v o! roXIxai ysv/jaovxai, [xal] «{ieX^TTjToi ytyv6[xevoi ev xal? ri8ovaiq xapxspEiv xal (xtjSev xcöv alo^pcöv dvayxd- 'Csaeai ttcheiv evsxa X7)t; yXuxu0ufJua<; xtj? rcpbq xd<; 7]Sovd?, xaüxöv Trsiaovxai toTc, 7JTT7)|Asvot? xcov (poßov. Es ist nicht unwesentlich, daß xal entfernt wird (daß es ,,auch" sein könnte, ist eine faule Ausrede), und die Beziehung von svsxa xtj? yXuxu0u[jua<; muß durch ein Komma sichergestellt werden, denn der Gedanke ist „wenn die Bürger die TjSoval nicht kosten, werden sie so schlecht erzogen wie durch <p6ßoi, denn sie erhalten keine Gelegen- heit, sich darin zu üben, in den TjSoval standhaft zu bleiben und sich durch

■5 ihre Reize zu keiner Ungebühr hinreißen zu lassen".

636 b 4. Die dorischen yu^vaaia und auaalxia verführen zur Knaben- liebe. TraXaiov v6[xov Soxei xoüxo ETCixTjSsu^a xal ztxq xaxd lyuaiv (x. <pücuv ~iq codd.) reepl xa dppoSlaia vjSovai; . . . 8ie<p0apxsvai.

6*38 c 6. Jemand sagt, Käse ist ein schlechtes Nahrungsmittel, (xrj 8icc7ru- OofiEvoq aüxoü jit^ts xr(v Ipyaalav [xtjxe xtjv Trpoaipopdv, ovxiva xportov xal olaxtat, xai (xe0' wv xal ottco<; E'xovxa xal otcüx; 7rpo<rip£psiv e'xoucuv. Das ist Unsinn; wenn Madvig rcpoccpspsiv streicht, so hat er etwas gesehen, aber nur etwas. Wo käme 7rpooq>Hpetv her ? xal Ötcco«; s'xovxa und xal otzuq s/ouat sind Varianten: das erste würde die Qualität des Käses angehen, das andere den, dem er gegeben wird. Das erste ist neben den anderen Fragen müßig, das zweite

Gesetze 397

sehr passend. Also ist dies das Echte, aber als Korrektur vom Rande ein- gedrungen. Zu schreiben xat oreoiq exouat (Set) 7tpoa<pepetv. Dies ist ge- strichen, weil e'xouat für den Indikativ gehalten ward.

. 642 a 7 öpäxe xi Tiot&>[jtev el raüra [xev edaat^tev ev tgh Ttapov-rt, [xeraßat^ev S' et<; erepov xtva vöfjtcov :rept Xoyov. So druckt Burnet ohne jede Inter- punktion; er wird also wohl meinen, daß el den Bedingungssatz brächte, der seinen Nachsatz in öpäere oder besser in Trotcojxev hätte. Und dann wird man von einer Inkonzinnität reden und logisch-syntaktisches Spinngewebe daranhängen. Das läuft der lebendigen griechischen Sprache ganz zuwider, deren Einfachheit nur zu oft in die spanischen Stiefel der am Latein aus- geklügelten Syntax gespannt wird. Das Griechische setzt nun eben einmal die direkte Frage einfach hin, wo wir sagen, sie ist abhängig, indirekt: das Latein hat sich das ja auch erst allmählich abgewöhnt. Also das ist „überlegt, was sollen wir tun". Damit ist der Satz zu Ende; eigentlich sind es zwei. Und dann folgt wieder ein ganz selbständiger Satz. Wir können ihn nachbilden ,,ob wir wohl dies jetzt fallen lassen und zu einem anderen Kapitel übergehen ?". Es ist barer Unsinn, „wenn wir fallen lassen" als Bedingung für „was sollen wir machen" zu fassen. Und die Syntax der Modi geht dabei auch aus den Fugen. Dagegen hat das Griechische, solange es lebendig ist, die Freiheit nicht verloren, Sätze mit ei selbständig zu lassen, auch wenn sie keine Wunschsätze mehr sind« Es stellt die Dinge auf den Kopf, wenn man auch nur von einer Ellipse redet. Euripides Phoen. 1684 äXX* ei yaptotfr/jv, Se [xovoi; 9euyot<; rcaTep. Daß wir hier el mit wenn übersetzen, bei Piaton mit ob, macht für den Griechen doch keinen Unterschied. Euthyphr. 2 b 6vo(xa£ouat [iiv-rot aüxöv MeXrjxov, eaxt Se TÖiv Sy)[ia)v Ihröeüc;. et xtva v&t e/et<; Ilt-rüea MeXYj-ov. Das ist doch kein Bedingungssatz, hat mit dem vorigen keinen Zusammenhang. Wir sollen vielmehr empfinden, daß Sokrates eine Pause macht, abwartet, ob Euthy- phron sich jetzt auf den Menschen besinnt. Daher das AsyndetonT Und dann sagt er ,,ob du etwa einen kennst, für den ich dir die Anhaltspunkte, Namen und Herkunft, gegeben habe"; das reicht nicht, da fügt er noch die Personalbeschreibung hinzu olov TexavoTptxa usw.

643 d 7. Es darf nicht Undefiniert bleiben, was Bildung ist. vüv yap övetSt^ovxei; eractvouvTe«; ö' exaaTcov zaq xpocpa? Xeyo[i.ev &q töv [xev TtezatSeu- (jtevov Yjjjtwv üvtoc Ttvä, töv S' ävratSeuTOv, evtOTe ex (ei<; codd. ) ie xa7n)Xetag xat vauxXr(pta<; xai aXXcov (Ttvwv fügt Eusebius zu) TOtoüircov ^äXa 7ie7ratSeu- fievov (-veov codd.) cooSpa avüpajTiov (-ueov codd.). Den Akkusativ hat Cornarius hergestellt; sonst bedurfte es nur der bekannten Zusammen- ziehung von ta zu x, dann ist alles heil, und die unbegreiflichen Plural-' xaz^Xetat, vauxX^piat sind verschwunden. ,,Jotzt nennen wir häufig einen Menschen ungebildet, der von seinem Krämergeschäft her eine sehr beträcht- liche Bildung erfahren hat." Was qjtTretpta xai Tptßyj verleiht, wird zwar niemals TtatSeta; aber keineswegs alle urteilen so. Dementsprechend geht es weiter yap tocutoc Tjyoujxevcov, ax; e'otx', elvat rcatSetav 6 vuv X6yo<; av elvj. Dies yap begründet, weshalb eine Begriffsbestimmung nötig ist; das yap des vorigen Satzes erläutert, gibt den Tatbestand, aus dem die Meinungs- verschiedenheit und daher die Notwendigkeit der Begriffsbestimmung folgt ;

398 Textkritik.

os greift also auf den Eingangssatz zurück. Logisch müßte auf ihn etwa folgen ydp 6 vüv Xöyoc; 7)youpiEV(ov dv eEy) TOiaüxa ola vüv ovzi8L'C,ov-:z<; E7raivoüvT^; ts Xeyo|ji.ev . . . dXXd ttjv 7rpöq dp£T7)v TraiSeiav rroioüaav £7U- Bu(X7)T7jv . . . dpxsaOai h-Ki.G-y.\izvov \iz~6l SIxyjc;, TaÜTTjv ttjv xpocprjv d<popiadu.Evo<; 6 X6yo^ ouToq . . . vjv ßoüXoiT' av [jlövtjv zatSetav Trpoaayopsüeiv. Wie Burnet interpungiert, ist es ganz unverständlich.

681 a 1 zEpißöXoui; te oii[Lccaiü8zic, xivcnq tel^öjv (t') epü^ara t&v OTjpicav jrvsxa -otoüvTai. Die hilflosen Menschen machen sich al^aaiai, Zäune aus Dornen und Gestrüpp, oder Erdwälle: zziyr). Das ist zweierlei; jedes Wort wird durch eine Periphrase geadelt.

685 c 5. Die Heraklidenstaaten waren der Schutz von Hellas vor dem assyrischen Reiche. Vjv ydp eti to tyjc; dpy^i; exeivtjc; oyr^iot. owi^ojjievov a(Xtxp6v, (xal) xaOdcTiEp vüv töv jxsyav ßaatXsa 9cßoü^E6a t)\>.zlc,, xal töte exeIvyjv tt,v cuGTaOsiaav aüvTav.v ESsSiaav ol t6ts. Das Asyndeton wird Ver- ehrer finden, die sich vor der Wiederholung eines x scheuen; aber Be- rechtigung hat es nicht. Ebenso wird es mit t6te und" ol tote neben- einander gehen; ich erkläre für richtig xal ol tote sSsS'.aav, und daß Subjekt, Prädikat und Objekt in ihrer Stellung wechseln, ist mir eine Bestätigung-; das ol tote dahinter stand als Korrektur am Rande. Der Wechsel von 'poßeiaOai und SsSiivea Altersstil.

0

701 c 2 Tf,v Xsyo^svT.v [:taXaidv] TiTavix^v cpüaiv. Das wird gewiß schon getilgt sein; es wäre ja nur erträglich, wenn man sprichwörtlich von einer ., alten titanischen Natur" redete.

Gleich danach c 5 ist ein Kasus mehr zu ändern, um einen feinen Satz zu gewinnen. 8siv 9aiV£Tai ^(XoiyE olov^sp Etc-ov tov Xöyov exocötote dva- Xanßötvsiv xal (jlt) xaGdrsp dxdXivov xsxT7][jivou (-(jlevov codd.) to aTopta ßlai 'J7rö toü X6you <p£pöpt.svov xara ty)v rcapoifnav <xt;6 iwqq Övou zegecv. Es ist doch der Xoyo?, der hier als Roß das d/dXivov aTojia hat, das durchzugehen und den Reiter abzuwerfen droht. Gleich dahinter stehen die Varianten xdptv und Evsxa nebeneinander im Text, gleichwertig.

720 e 11 dp' xaTa cpüaiv t>;v [~epl] ysvsa£co<; dp/'/jv 7rpcoT7)v r:6X£wv r.zpi xaTaxoa(ir(aEi;

730 b 5. Lebensregln sollen gegeben und gesagt werden, daß sie sich nicht als Gesetze fassen lassen. oV dv u.tj volao? dXX' ^7raivo? raukücov

xal 'jiöyoc ExdaTouc; EÜrjvlouc; d^Epyd^ETai, TaüV ectIv [xetä touto yjjjuv

^prjTEov. Das unmögliche öa' dv war in der Aldina zu oo' oüv geändert, kam daraus in die Stobaeusausgaben ; aber dessen Handschriften haben öcov fix,. Mit oaa jjit) (Ast) ist der Felder der Negation nicht gehoben; wir erwarten doch oü, und die Verbindung fehlt auch. Die gewinnen wir mit oaa ^i.7jv; müssen wir einfügen: das fiel weg, als oaa[X7)V zu oaavfXY) ge- worden war. Also oaa \ir]v (oü)v6llo<;.

734 e 5 [i.STa to rpool^tov dvayxaiov -ou votxov s::Ea0ai, (iäXXov 8s t6 dXvjÖEi; v6[aouc -oXiTEiac; üzoypd9£iv. Was soll da -oXiTEiac; ? Gesetze für den zu gründenden Staat ? Das erforderte den Artikel. Es folgen gar keine Gesetze, sondern Grundsätze für die Verfassung. Das führt auf -oXiTslac

Gcsetzp. 399

uTtoypacp-rjv. Eine allgemeine Skizze folgt. Erträglich ist das als Apposition ; aber besser tilgt man \6[Lovq.

Es geht weiter „wie im Gewebe Zettel und Einschlag sind, und der Zettel stärker sein muß, toü<; [xeydXai; äpxd<; & ~°"? TcöXeaiv ap^ovraq Sei SiaxpC- veaOai Tiva rpörcov TaÜTr(i xal TO-jq ouxxpäi 7rai8eiai ßaaaviaGevTa? exacrroTe /-(XTa Xoyov. So hat AO2; dagegen O und Stobaeus haben für y.zy<xkaq, viel- mehr z&q. Allgemein ist der Fehler ajjiixpai, das mit rraiSeiai verbunden werden müßte und alles sinnlos macht. Ihn hat Bücheier gehoben und auixpd? hergestellt. Das korrespondiert mit ;j.eydXa^. Man muß dahinter interpungieren. ,,So muß man die höheren Beamten und die niederen scheiden, in entsprechender Weise (wie Zettel und Einschlag) auf ihre Bildung geprüft.1' Piaton erfaßt den Unterschied zwischen wissenschaftlich gebildeten mid subalternen Beamten, den die Demokratie nicht kennt oder nicht anerkennt.

738 a ist angegeben, daß die Zahl 5400 sich durch ihre vielfache Teil- barkeit empfiehlt. Abschließend und zugleich überleitend folgt t<xüt<x \lzv ouv Stj xal xaTa ayo\T,v Sei ßeßatox; Xaßeiv olq av 6 v6y.oq 7ipo<rraTT7)i Xa[ißdveiv Z/v. yip oüv oux äXXox; tj Tpctinji, Sei 8e aüxd pTjÖTJvca tövSs evexa xaTOixt^ovTi xöXiv. Das erste ist einfach; die Teilungen werden hier nicht einzeln auf- gezählt, sondern die, welche vor die Aufgabe der praktischen Durch- führung gestellt sind, sollen sie sich in Muße überlegen. Aber daß es sie gibt, kann der Redner versichern. Nur der letzte Satz verträgt sich nicht damit, denn ausgesprochen wird nichts weiter, und „aus diesem Grunde" hat keine Beziehung. Denn es folgt ohne jede Verbindung ein Stück mit ganz neuem Inhalt. Ein solcher Riß ist freilich immer ein Zeichen der Unfertigkeit ; aber daran sind wir hier gewöhnt. Es steckt also nur in dem letzten Satzgliede ein Fehler: es ist eSet. zu schreiben. „Es verhält sich aber wirklich so, und ebendeswegen mußte es aussprechen, wer eine Stadt anlegen sollte.1- In dem Falle war der Athener. Kurz ist der Ausdruck, mißverständlich, wenn man nicht nachdenkt; aber das ist auch nicht zu viel verlangt. Xaßeiv ohne tcoi vöi oder einen ähnlichen Zusatz wiez. B. X<xߣ o5 xapiv eip7}To« Soph. 208 d 5, rä? aMasXa^ßdvcouev Tim. 64 a 7. Mit Beziehung auf diese Stelle hier steht 771 a 6 dvaXaßeiv.

Der folgende Abschnitt setzt freilich im verbunden und überraschend an, ist aber 740 b 1 (ey/copioi 0eol xal Saifjiovet;) und 747 e vorausgesetzt. Wenn hier die Berücksichtigung aller auf dem zu besiedelnden Lande vorhandenen heiligen Stätten ängstlich verordnet wird, so mag man sich über den Aberglauben verwundern und ärgern, nur soll man nicht sagen, daß es sich mit der Einführung der neuen Heiligtümer und Gottheiten nicht vertrüge, die 771c verordnet wird. Es geschieht genau, was Kleisthenes getan hat, als er die Phylen und Demen schuf; deren Eponyme erhielten Altar und Kult, ohne daß die älteren Kulte, auch die der alten Götter und Heroen (Dämonen) verschwanden, welche Exponenten der alten Phylen, der Phratrien und Geschlechter waren.

Es heißt 738 b 8 oö8el? Smxeip^oet xiveiv . . . öaa. ex AeX<pwv r, AwSow;? tj -ap' 'A(jl[xwvo(; vj -rive? e'-eiaav raXaiol Xöyci 6xt)i8ri xiva<; -zLoccv-zq, 9ao(xdT&>v vEvoixevcov 5) zxnzvoltxq Azyßzia^q öecöv. Darin ist zu ex AeXcpwv nicht gerade

400 Testkritik.

Xöyoi zu denken, aber wohl dieser Begriff, der freilich von Orakeln enger, als xp^afiot, gefaßt werden müßte. Es geht weiter reicavxet; Se Quoiac, . . . xaxsar^aavTO . . . xaOtipwaav Se -otq toioütoi? X6you; <p?)[xa<; (heilige Namen) xal ayäX[xaTa usw. Da können die Xoyoi nicht Subjekt sein, gewiß nicht von xaüiipcoaav, denn da steht toi? toioütois Xoyoic; dabei, dann aber auch nicht von xaTeoTrjaavTO, und das besorgen auch nicht die überredenden X6yoi, sondern die, welche sie überreden. Also ist 7teio9evT£<; zu schreiben; das allgemeine Subjekt wird man nicht vermissen, die Verderbnis lag sehr nahe.

739 e 1, die berufene Stelle über die drei 7ioXiTeTai. Die erste ist das TrapaSeLY^a des Staates, ^v 8s vüv rjjxetc; zTziy.zjzi^riy.0L\iz» sit) t' av ysvo[jt,svy; kmc, äGavaaia? syyuTaTa xal i) uia Seutspüx;. Ich glaube doch, je länger ich es bedenke, daß die Änderung yj KpcoTYj sich mehr empfiehlt als künstelnde Entschuldigung für [iia; nur ist man bei diesem Stilisten nicht sicher, wenn man sich vor dem Künsteln scheut. Phileb. 60 b 1 hat Badham Sv in 7:pöiTov gefunden; ä war also für das Zahlwort geschrieben.

740 d 5 (XYjxa^ai- $' e^al rcoXXar xal yäp k-Kiayiazic, jeveozoic, . . . xal TOÜvavTiov s7tt.fAEXEt.ai xal CTiovSal tcXtjÖou«; yevvTjfAaTCüv [slalv] . . . Sia Xdycov . . . ä^avTwoai SüvavTat, tcoieiv ö Xeyojjlev. So renkt es sich bequem ein ; die Inter- polation lag sehr nahe.

743 d 3 verbietet das Gesetz den Besitz von Gold und Silber ^ts aG Xpr)(xaTia(i.6v ttoXüv Sia ßavaualaq xal t6xcov jr/jSs ßoax7)[i.aTC0v alaxpüv. Was das letzte ist, wird nicht verkennen, wer an uopvoßocrxoq denkt.

773 d 5. Geldheirat ist verwerflich, aber voraussehen kann niemand, wie die Naturen sich richtig ergänzen werden, toütcov Srj X<*Ptv ^av fxiv v6fjLon Ta TotaÜTa ävayxaiov, srtaiSovTa Se tceIÖeiv, lieber auf die Über- einstimmung im Charakter der Brautleute als auf gleiches Vermögen zu sehen. Da ließe sich v 6 jach nur ertragen, wenn der vo^oc selbst das Unter- lassen besorgen sollte; das verbietet sich durch das folgende. Also ist Subjekt der uelÖcov, der Gesetzgeber, voptoji. aber ist Zusatz, der aus dem Schlußworte des Abschnittes stammt |A7j ypaTCTÖk v6|aüh ßt,a£6jAsvov.

774 c 3 ist keine Ausrede möglich: da ist ein größerer Ausfall. Der erste Satz war 7tspl 7tpoixö<; EipTjTai [aev xal npoTEpov, Eiprjaöoo Se 7täXiv 6>q loa. dvTt iffuv scjtIv twi (to codd.) [atjte XajjißavovTi (ayjte SiSovTt, (lxSt.8. codd.). Darauf folgt der Gedanke. (Eigentlich sollte also jede Mitgift wegfallen, und es brauchte nicht einzutreten, a^uyaO Sia xp^aTwv a:iopiav yyjpaaxEiv xoitq Tz&vqTtxq. Aber die Frauen haben eine bessere Stellung in der Ehe, wenn sie etwas Geld haben. Also wer gehorcht (also Mitgift ausschließt), tut was Gutes, wer nicht gehorcht und mehr als soundso viel gibt oder nimmt, zahlt usw. 6 [at) 7rsi66{A£vo<; xal (vj codd.) SiSou?. Damit ist ein Toilettengeld verstattet und seine Höhe normiert.

775 e 2 äpxv) yap xal Qebq sv äv0pd)7roii; ISpuptivT] o-au^si rcavTa, ti.[a% lav TT]? 7ipoa-/)xoüarj!; aÜTvji roxp' IxaaTOu twv xpw[i.£V(ov Tuyxavv)!,. Es handelt sich um die Nacht, in der ein Kind erzeugt werden soll, und um die Vor- bereitung darauf. Nur ein Stallbaum sollte sich dabei beruhigen, xal Qebc, stünde für [ASTa Öeoü. Das ist grammatisch ein Vexierspiel, und was soll das „wenn mit Gottes Hilfe ein Anfang im Menschen begründet ist" ? Der

Gesetze. 401

Keim, der jetzt gelegt wird, soll seiner Bedeutung und Würde gemäß ge- legt werden, damit es die ganze folgende Entwicklung gedeihen macht. Die Grundsteinlegung hat eine mehr als materielle Kraft, ist also etwas Göttliches, ein dz6c,. Das xal muß fort; zugesetzt hat es jemand, dessen Frömmigkeit die Hilfe Gottes vermißte.

778c 4 xa p.sv xolvuv lepdt 7iepii; xf)v xe ayopav y_P?) xaxaaxsua^eiv xal xyjv ttoXiv oXyjv lv xüxXcoi :rpö<; xotq ü^yjXoii; x&v xotccov sÜEpxslaq xe xal xaOapoxvjxoq yapiv. Also die Heiligtümer liegen teils am Markte, teils am äußeren Rande der Stadt, alle möglichst hoch. Das Gelände ist hügelig gedacht. npbq 8s auroiq (d. h. toi? Ispou;) oIxyjctsk; xs ap^ov-rov xal Sixaaxvjpia (-plcov codd. ) sv die, xa<; Slxaq a><; IspcoxaxoK; oüaiv Xr^ovxal ts xal Scoaoumv [ax; del. Ritter] oalcov 7ispi, xa 8k xal xoioüxwv Oewv ISpüjjiaxa xal sv xoüxoii; SixaaxYjpia, sv ol<; al' te cpovcov 7tps7rouaai Slxai ylyvoLvx' <*v *a' oaa Öavaxcov a'ia äSixyjjxaxa. Als er mit xa Ss anfängt, hat er Sixaaxyjpia im Sinne (was die an sich ein- leuchtende Herstellung des Akkusativs oben fordert), da schiebt sich vor, daß nur gewisse Götter die Befleckung durch todeswürdige Verbrecher in ihren Räumen dulden, und demnach wird, ungrammatisch, aber ganz ver- ständlich, die Anlage dieser Heiligtümer auf eine Stufe mit den Richt- stätten gesetzt. Jx; vor oaiwv ist so entstanden, daß der Schreiber zuerst ein falsches o schrieb.

782 a 6 xal ßpcoasco? xal TCwpLaxwv xs &[L<x xal ßpco[i.axcov £7UX7]8£ÜfiaTa Travxoia. Natürlich hat Ast mit Recht xal ßpcoasox; gestrichen, so wird jeder zuerst sagen, denn die Tautologie ist unerträglich, und das Heilmittel scheint einfach. Und es ist doch anders. Man muß Piatons Manier be- rücksichtigen, die im Alter eine einfache Gegenüberstellung wie ßpo>[jiaxa xal 7rd)(i.axa meidet. Variante kann ja ßpwasco«; überhaupt nur sein. Also xal ßpcoasax; stand am Rande und verlangte richtig die Ersetzung von ßpoipiaxtov durch ßpcoascx;.

Dagegen ist 782 c das unmögliche Ss ^tjv Güsiv nicht in xo ys [i.Y]v zu ändern, sondern |n?]v auszuwerfen, nur wiederholt aus dem gerade vor- hergehenden XI ji.Y)V.

783 b 3 eine Partie, die im Archetypus am Rande nachgetragen war. Überliefert ist xa^' av oöxco Tipoiovxcov twv Xoywv ö xe v6\ioc, 7)[juv exaaxoq Trspaivoixo ziq xoü[j.7rpoa0ev etcI auaama ^vixa a<pi.x6[xs6a, xa? xoiaüxa«; xoivwvlat; eixs #pa yuvaixcöv sixs avSpwv Sei fi.6va>v yiyveaOai, 7rpo<7[i£i2;avx£<; aüxou; syyüösv iaco<; (i.äXXov xaxo^6fj.s0a, xa xe E7rlTcpoa0sv aüxcov exi vüv Övxa ävo[ioOsxY)xa xa^avxE? aüxa sm7rpoaQsv tzoit) a6|xs6a xal ö^Ep Epp/jÖY} vuvSy] xaxo^öfxeOa xe aüxa axpißsaxspov, fiäXXov xe xoü? 7tpoaY)xovxa<; aüxou; xal 7tps7iovxa<; v6fi.ou<; av öeiv][j.ev. Die vielfältigen Ungereimtheiten zähle ich nicht auf; die An- zeichen einer Doppelfassung sind augenfällig. Ich setze gleich beide her: zlc, (xe) xoü[A7tpoa6£v Yjvixa (av) ä9(.xa>|i.s0a . . . xaxo<j;6pt.£0a; darauf ging es weiter, entweder xa Ss exi vüv övxa ävo|i.o6sxr)xa E7tt7rpo0O£v 7roi^a6(jL£0a xal OTCsp sppYjOv] vuvSv;, xaxo'^6[xs6a auxa axpißsaxEpov, oder xa Se ETrlrpoaOsv aüxcov exi vüv Övxa avo[i.o6sx7)xa xa^avxE?, oizzp spp/jOv} vuvSy), xaxo^6[xs0a xs aüxa axpißsaxspov. Das ist verwirrt, denn am Rande ward die Variante hinein- gearbeitet.

Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Autl. 26

402 Textkritik.

789 e 9 heißt es von den Kindermädchen, die die Wiekelkinder bis zum dritten Jahre tragen sollen, sie, 8üvau.iv 8k icr/upai; aüxdq slvai xpe&v xai u.yj jxtav. Das letzte ist unglaublich; soll es denn für ein Kind mehrere Trägerinnen geben ? Da ist der Schluß der nächsten Zeile eingedrungen Ixl 8k toütok; exdaxoK;, dv jxtj yiyvij xai £r)uiav, und dann aus den sinnlosen Buchstaben etwas scheinbar Verständliches gemacht.

796 d. Die Anrede & MeyiXXe xe xai KAEivia gehört an den Anfang des neuen Abschnittes, nicht an das Ende des alten.

802 o 5 po6(x.Ö£ und dpu.ovia muß für das männliche und weibliche Geschlecht passend vorgeschrieben werden: dafür soll das Prinzip fest- gesetzt werden, saxtv 8k du-cpOTEpoi? \lzv djxqxSxEpa dvdyx/5 xaxe>r6(i.sva ä7to8i- Sovat auTWL xak t7J<; cpüaeox; sxaxspou 8t,a<pepovxi, xd 8k twv 9rjXeiwv xoüxon Set xai 8iaaa<psTv. So ist es klar; daß das Prinzip der Verteilung in dem Ge- schlechtsuntersehiede beschlossen liegt, leuchtet ein; danach wird auch gleich verfahren. Damit sind die Wörter xd 8k x&v 0t)Aeuov, die zwischen auo- 8i86vai und aüxök überliefert sind, ausgewiesen; zu xoÜxoh~8ei xai Siaaacpslv fehlt das Objekt; das liefern sie. Also durch den Geschlechtsunterschied soll, was .sich auf die Behandlung der Frauen bezieht, klargestellt werden. Dieser Satz ist für die nächste Betrachtung nicht notwendig; der Athener denkt schon weiter an das Turnen und was sich weiter daran schließt, 804 c usw. Wenn in A dvdyx7]i als Dativ bezeichnet ist, so ist das ein un- glücklicher Versuch, xaxsx<üpt.£va verständlieh zu machen.

804 b 8. Der Athener ist von seinem Thema abgekommen, hat über die Nichtigkeit des Menschentumes geklagt und nur auf göttliche Hilfe vertraut, die durch Gebete und Gesänge erwirkt werden soll. Der Spar- taner wirft miUbilligend ein „du machst die Menschen immer schlecht". Da sagt jener aüyyvcoöi (jloi, Trpö? ydp xov Oeöv ämScov xai 7ia0<wv eTtcov Ö7rep slp-rjxa vüv. Das heißt „vergib mir; ich dachte an Gott und erfuhr, was ich oben gesagt habe: da sprach ich es aus". Traöwv öttep Eip^xa vüv, nämlich <ksvooüfj.7]v xd elpv^Eva d7roxpcovx<ü<; Eiprjaöat, xd 8k xai töv 6e6v Ctco- O^asaOai., wie er es eben von seinen xp6cpi|i.ot verlangt hatte, 804 a.

815 c 2 6o't) \xkv ßaxyeia t' Icxiv (Öpx7)at.<;) xai xoSv xaüxaic; (ßdxxai?, das aus ßax/sia gehört wird) etco^evcov, olc, Nüu^ac; xe xai IIäva<; xai £iX7]voü? xai £axüpouc £7rovo[jid^ovx£(;, cot; 9aaiv, (xiu.oövxai xaxcoivcojJLEvovji;, 7t£pixa6ap[i.oü<; xe xai xEXsxdq xiva<; ä7ioxE>.oüvxcov usw. Der bakchische Tanz wird im folgen- den erklärt; da wird wohl xai vor xwv xaijxaic; besser fehlen. Der Tanz an den Dionysien ahmt den der ßdx/ai nach, die Orgien, wie sie ursprüng- lich unreglementiert waren, bei Makedonen, Thrakern, Phrygern noch sind; die Gläubigen behaupten aber, sie ahmten den göttlichen Thiasos nach, in Wahrheit fühlten sie sich ihm zugehörig. Das wird aber auf ihre Meinung geschoben, denn der Athener mag an diese Dämonen nicht glauben, wagt sie aber nicht zu verwerfen. Das ist verständlich; aber daß die Götter betrunken sind, ist doch zu stark: die Menschen sind es, xaTMivwuivoi ist zu schreiben. So hat es Piaton in Tarent gesehen, 637 b. Daß nachher 7ispt,xa0ap[i.oü(; so in einem Worte zu lesen ist, liegt auf der Hand. Wer darin eine Abweichung von der Überlieferung sieht, weil die

Gesetze. 403

Byzantiner auf -epi einen Akzent gesetzt haben, traut dem Piaton Ak- zente zu.

818 a 4 über die Lehrgegenstände der Volksschule, xcöt TtXrjöei 8e öaa auxcöy ävayxata, Ö7i<o<; opÖöxaTa Xeyexai, V-'h eiuaxaaöai [tkv xoiq TioXkoiq aiaxpöv, St.' axptße£a<; 8e £r,Teiv Ttavxa ouxe pduSiov oute xo 7capa7rav 8uvax6v. So ist es in Ordnung; xtöi ttX/jOei wird nachher in zoic, noXkoic, wieder aufgenommen; diese Lässigkeit ist jedem Leser der Gesetze bekannt. Es heißt also: die dvayxaia, die diese Bezeichnung ganz richtig führen, muß auch das Volk lernen. Im folgenden werden die dvdyxai des breiteren behandelt. Über- liefert ist dvayxaia xai 7rwq ohne Konstruktion und Sinn.

819 b 3 über Rechenaufgaben rcataiv pLa6y][xocxa u^toc -caSiüc, xe xai y]8ovtj<; iiavOdveiv (hängt von XP'') ?«vai [i.av0dveiv Ssiv ab, indem es piavOdveiv wieder- holt) u.7)Xcov xe xivüv Siavojxdi; (-vou.ai codd.) xai ox£9avwv, zXeioaiv xai eXdx- xoaiv ap[xoxx6vxo)v dpi0(A<öv xöiv aüxwv, xai 7Tuxxaiv xai TtaXaiaxcov (seil. $iotvo{JU&g)» e<pe8peia<; xe xai a\jXX7)&eo:>i; Iv [xepei xai s<ps^<; [xai] ü<; -e<püxaai yeveaöai. So ist es kein Gallimathias mehr. Aufgaben: 24 Äpfel, 6 Kinder, wieviel bekommt jedes ? 4 Kinder u. dgl. Über die Verteilung der Kämpfer- paare, wie sie zugleich oder hintereinander antraten, sind wir nicht hin- reichend unterrichtet; für Piaton geschah beides so, wie es natürlich war: das ist keine besondere dritte Weise. Aus allem ergaben sich etwas kom- pliziertere Aufgaben als bei den Äpfeln.

823 a 3. Gesetze sind gegeben; aber um ein guter Bürger zu sein, reicht es nicht hin, zu erfüllen, was in den Gesetzen steht, er muß sein ganzes Leben nach dem richten, was der Gesetzgeber lobt und tadelt, also was nicht erzwungen, sondern nur empfohlen oder widerraten wird; man kann sagen, er muß auch den zpooiu-ia v6[jlcov gehorchen, oöxco<; (o5xo<; codd.) o xe X6yo<; 6p66xaxo<; eiq E7:aivov TcoXixcj, xov xe vo[xo0exv;v ouxto«; (ovxwi; codd.) Sei \ir^ |i.6vov ypdcpeiv xo-ji; \>6[i.ou$, 7tpöq 8k xoi? v6[xoi<; oaa xaXa auxwi Soxei xai u/Jj xaXa elvai w6\ioiq eu.r:£7;XeY|jiva ypa9eiv . . . 8e 8t] -apöv Yj(i.iv xa vuv olov (idpxupa eTtayo^evoi (^e8a codd.) SiqXoTuev av 6 ßouXöu-eOa [iätXXov. Das letzte scheint mir ein besseres Heilmittel als andere, aber da mag man schwanken. Die beiden oüxeoe; aber bringen allein volles Licht. ouxo<; läßt sich überhaupt nicht konstruieren und nimmt dem Satze die notwendige Verbindung mit dem vorigen; Övxcoc; wäre nur zulässig, wenn die Berechtigung solcher Mahnreden vorher behandelt und bestritten wäre. Einen Övxcdq vojjlo0£xy)(; zu verstehen, verbietet die Wortstellung. Nach- träglich sehe ich, daß das Partizip auch Badham schon hergestellt hat.

832 a. Wie konnte Burnet hier alle Reden dem Kreter lassen, wo doch Hermann ihn durch Text und Vorrede belehren mußte, wenn er nicht selbst aufmerkte ? Der Athener sagt doch xdXXioxa & £evoi £-e^XT)Eaxe; also haben sie beide geredet. Ich hatte im Burnetschen Texte sofort geändert und mich dünkt, richtiger als Hermann. Der Kreter ist durchgehends der Sprecher, wagt auch nach Hermann hier zuletzt Xsye ^ovov; da fällt ihm die erste Frage zu „was ist die zweite Ursache?" Also gehörte die folgende parallele Äußerung dem Megillos, und dann auch das Nächste, da es aus demselben Sinne gesagt ist. „Die Geldsucht hindert die richtige Ordnung des Militärwesens; gut : so sage die zweite Ursache." „Meinst du, ich

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404 Textkritik.

käme nicht dazu, weil ich's nicht wüßte?" „Das nicht; aber du schiltst zu lange auf jenen Fohler." Wenn diese zwei zusammengehörigen Ein- wendungen einer macht, ist es Megillos, der einsichtigere der beiden, und weil er etwas Wirkliches zuzufügen hat, greift er ausnahmsweise ein. Die vorher heftig getadelte xpuaoü xal dpyüpou ä7uX7)ax£a ist hier bezeichnet als v) Sia ßtou &-!zky]ozo<; ^rjxTjau;. Da fehlt, was gesucht wird. Sta ist zu streichen. Megillos urteilt ruhiger: was die Menschen vor allem anderen anstreben, ist der Erwerb ihres Lebensunterhaltes und all dessen, was sie zu ihrem ßlo? nötig zu haben glauben.

857 d 2 muß ein beziehungsloses (iiv entfernt werden. Es steht hinter Xpcotiivwi, das die Byzantiner richtig in xpcüjjisvov geändert haben, (xev wird der Rest der richtigen Korrektur sein, die nur den Strich verloren hatte, der öv bedeutet.

8t> 1 d. Der Kreter hat gesagt, daß sie vor der Alternative stehen, die Behauptung, ouSslq excov aSixos entweder aufzugeben oder zu beweisen. Darauf erwidert der Athener xoüxoiv xotvuv xoiv Suoiv xö^filv oüx dvsxtöv epiol 7tavT(o<; ttou ylyvsaOai, ys §7) (i.7) Xsysiv ouxax; ol6[i.svov eyciv xäXrjOei;- ou yap av v6fi.ipt.ov ouS' ötuov av eitj. Ihm steht der alte sokratische Satz fest; es würde also Unrecht und Sünde sein, ihn nicht zu behaupten; der Kreter war natürlich schwankend geworden. An diesen Worten und an der Apposition mit ys Syj ist gar nichts anstößig, xaxa xlva 8s xporcov saxöv 8üo (die in den staatlichen Gesetzen unterschiedenen d8i,x7)[jt,axa exoüaia und äxouma), el [xy] xöi xs äxouaiaH xal xcöi exoutjtcoi SiacpspExov sxdxspov, [äXXa] aXXcoi xivl 8r] 7;oxe TCsipaxsov ä|xw? ys izuq Sy)XoSv. Mit der Entfernung der Dittographie ist alles in Ordnung, denn im folgenden wird ein anderes Kriterion eingeführt.

871 d 7 sdv 8s Tic, S7uß7]i tcou [twv] x?).; xoü cpovsuÖEvxoi; x^po'-'v Da war der Artikel einmal falsch geschrieben, vielleicht weil die Endung gekürzt war, das Falsche war nicht getilgt.

885 c 7. Rede der Gottesleugner, tjjxwv yap ot {jlev Tnxpa7rav 6sou<; ou8au.co<; vofii^o[Ji.ev, oi 8k (oüx) olouq ufAEiq XsysxE. a^toufxev 8r) . . . rrplv olt.ei- XeTv tjjjUV axXrjpöüi;, ü[zä<; Ttpöxspov kiziyzipziv tceIOeiv xal 8iSdaxst,v, ax; slal ösol, xex[xif)pia Xsyovxat; (-yovxei; codd.) Ixavd, xal öxi ßsXxiotx; r\ (&axs) Tcapa xo Slxaiov üuo xlvwv Scopwv 7iapaxps7r£a0at. xrjXoufxsvo!,. Die Angeredeten sollen die Beweise liefern, wie sie es auch tun; das fordert die Kasusänderung. Die Zusätze werden auch von selbst einleuchten.

903 b 7 (I 700 übersetzt) xoüxoic (den einzelnen Aktionen des Welten- regimentes) 8' slalv apxovxei; 7rpoax£xay[i.svot. Exdaxoii; etcI afxtxpoxaxov äsl izäQ-^c, xal 7rpa^£(ot; zic, (ispitTpiöv xöv Sa/axov (xö Stephanus) xeXog dTCpya- a6[i.£vot. (a7T£i.pyaa[jt.£vot). Jedes einzelne, jede Veränderung haben Organe des Weltenregimentes zu besorgen, sind darüber gesetzt, bis zur letzten Ver- teilung, wo denn eben jeder nur eine Kleinigkeit zu besorgen hat. Soweit ist alles klar, und av £v (öv wird doch wohl besser zugesetzt) xal cöv fxopiov zic, 7iav ouvxsivei ßXsrcov cScei schließt vortrefflich an, zeigt aber auch, was in den beiden unverständlichen Worten xeXo? äTTEipyaauivoi. stecken muß, das Ziel dieser Tätigkeit. Es ist so recht in Stallbaums Stil, daß er etwas zu leisten meint, wenn er übersetzt perfectionem effiecre

Gesetze. 405

solid, gleich als ob xikoq perfectio wäre, und das Perfekt sich so wieder- geben ließe. Und täte es- das, bliebe es doch Unsinn, denn der folgende Satz zeigt das als gefordert, was das Perfekt als erreicht bezeichnet. Danach war zu verbessern. Kurz darauf c 5 steht tzöls io-zpoc, xal izv.c, Zvrzyyoc, S-rjpuoupyö«; (toü) 7tavx6<; jxev evcxa 7u5v[Ta] epYaCexat Trpöq t6 xoivrji ^uvrsivov ßsXnaTov. Wie man den ersten Artikel enthehren kann, ist unbegreiflich; nachher hatte Stephanus ^uvreivwv geändert, damit Konstruktion herein- käme; aber nicht der Mensch, sondern seine Handlung strebt auf das allgemeine Beste, das zeigt das obige \xipoc, elq to 7täv auvxsivov.

92G e. Hier scheint eine ziemlich beträchtliche Lücke zu sein. Es handelt sich um die Waisenpflege, und aus dem Folgenden (von 927 c an) ergibt sich, daß £:uTpo7ro<. bestellt werden, wie das in Athen üblich war, aber über diese von den vo[io<pijXaxe<; eine sehr strenge Aufsicht ge- führt werden soll. Diese allgemeine Bestimmung fehlt, und die Reste davon stehen, wo sie hingehört, 926 e 5 upcörov {jlev 8t) qxxjxev vo[j.o0e:t£iv au-roii; (den Waisen) zoxjq vo[AocpüXaxa<; ävxl yevviQTÖpcov %cczipccq xdpovq xal 8i] xal xaO' gxaoTOv IviauTÖv da reißt es ab; an den Worten zu ändern, führt zu nichts. Was alljährlich geschehen sollte, läßt sich nicht raten, xal 8yj xoa zeigt noch, daß eine sehr wesentliche Sache folgte, nämlich wie es zu der Wahl der Ersatzväter kam. Was jetzt ohne jeden Sinn folgt, ist eine Allgemeinheit, die zu dem 7rpool[i.t.ov v6u.ou überleitet. Ersichtlich setzt es mitten in einem Satze ein, dx; olxeiwv bizi\j.£kziaQ<xi 7rpo<rraTTOji.ev, £ti.|i.£X-?j toütok; te aü-roü; (müssen die vo^ocpüXocxsf; sein) 7cepl xpotp-?]? opcpavwv zpoot(xia(ra[jL£Voi xal toi? hmtpö-KOiq.

927 b 7 c 3 steht ein Stück an falscher Stelle, das schon Heraldus umgestellt hat, nach b 3, wo man es bei Hermann lesen kann. Dann wird man sich aber überzeugen, daß dadurch ein tadelloser Zusammenhang unter- brochen wird, so daß der Leser nur mit Mühe den Faden der grammatischen Konstruktion verfolgen kann. Da halte ich für ungleich wahrscheinlicher, daß die an sich schönen Worte eine Dublette sind, eine zweite Fassung, die Piaton zur Auswahl niedergeschrieben hatte, Philippos einordnete, Weil er sie nicht zu verwerfen wagte.

930 c ist eine ganz unfertige Partie; so denke ich eher, als daß ich mechanische Verstümmelung annehme. Da steht ein sehr wichtiger Satz, 7, TtatStov 8e IxavÖTT)? axpißT)? #ppv;v xal ÖYjXEia eotco tch v6[jl«i. Der gehörte eigentlich schon nach b 8, vor die Bestimmung über die Witwe. Wenn diese zwar die nötige Zahl Kinder geboren hat, also im Hause bleiben soll, aber zu jung ist, um als //)pa gut leben zu können, sollen ihre Ver- wandten mit dem weiblichen Aufsichtsamt befinden, was zu tun ist. Wir erfahren das nicht. Ein Sätzchen, eav 8s evSssü; texvwv <boi, xal zatScov evexa, ist ganz unverständlich, und die folgende Vorschrift über uneheliche Kinder ist nicht nur unverbunden und abgerissen (das würde man ertragen), sondern bringt am Anfange etwas schlechthin Befremdendes, orav 8s 6[j.o- Xoy7jTai [izv to y£v6^svov elvai tcöv 7:oiou^.£vov exyovov, was doch heißt, „wenn das Kind zugestandenermaßen von denen stammt, die es adoptieren". Da versagen alle Künste, Interpretation und Emendation: Zerstörung oder besser Unfortigkeit liegt zutage.

406 Textkritik.

932 a 3. Greise Väter sind ätuovts; [veoi] ocpoSpa rroOe'-vol. Was hilft da, \iioic, zu machen; das Alter der Kinder ist für die Trauer einerlei. Da hnt ein Tor sagen wollen, daß früher Tod der Eltern schmerzlich wäre; den Tod von Greisen hält er für zu natürlich. An das etwas fernstehende y^paioi dachte er nicht.

935 c 7 (s)Xsyojzsv 87j ta vöv. Das Präteritum ist nötig, denn das stand b 1.

960 c 4 ;roXXa rolq (tüv codd.) £[j.T:pooOev xaXöi; ojj.v)r)xai, ct^sSöv 8e oüy ^i'.iaTa xa xöv Moipcov r:poap7)|xaxa. Nicht viel von dem Früheren ist schön gesungen (was wäre das Frühere ?), sondern die alten Dichter, d. h. Hesiod, haben wie vieles andere die Namen der Moiren sinnreich erfunden, xoiq für tcöv wie im Phaidros 239 a 6 von Heindorf verbessert war, nun durch Oxyr. bestätigt'.

Nun folgt eine schwere alte Crux. x& Aaxeoiv (i.ev x$;v 7tpa>xY)v elvai. KXwöcb 8s tv]v Ssuxepav, xv)v (8') "Axporcov 8^ xpixvjv acoxeipav x&v Xsxöevxcov. So weit ist es klar, denn der Zusatz von 8' vor A ist sehon allein durch den Artikel gefordert, der ja mir als Stütze einer Partikel gesetzt werden konnte. Auf Atropos kommt es an; in ihrem Namen liegt die Verhinderung eines Umschlags, und auf die a<ox7]pia der gegebenen Staatsordnung kommt es dem Redner an: so ist sie die Erhalterin des Gesagten. Nun aber folgt Sinnloses. ötTnQixaa^sva x9ji twv xX(oa0£vxcov xck 7uupl x^v dti.Exd(Txps7txov a7cep- ya£o|iivcdv 8uvaji.1v, eine Stelle, in der nur wahre Divinatio helfen konnte. Sie hat Hermann gehabt, als er in xcoi rcupl ein entstelltes acoxv)pi(at.) er- kannte. Das muß man nur ausnutzen. ä:i7)ixa<j(jtiv7)v xSjt twv xXoxjöevxtov acoTVjpiai; das gehört noch zum vorigen, „die als awxeipa x&v \zyߣvrtx>v in dem Bilde der acoxTjpia xoiv xXcoaGevxcov bezeichnet ist'1, x^v ajAsxdaxpoipov äzepya"ofXEV7)v 8'jvajj.t.v. Sie bewirkt, daß nichts umgewandt, verrückt wird. Weil es kein Nomen ä|i.Exa<rxpo<pia oder sonst wie gibt, steht die geläufige Periphrase mit SövaLuc. Hier darf man wohl schließen, daß die Kasus- endungen in der Vorlage nicht bezeichnet waren, sondern der letztvorher- gehende Buchstabe über die Zeile gerückt, wie wir's in den Schoben ge- wohnt sind; ähnlich erklären sich die nächsten Verderbnisse. Wir schließen, daß dem Schreiber das Papier gegen Ende knapp geworden war, so daß er von diesen Abkürzungen Gebrauch machte.

961 a 4 in der Aufzählung der Mitglieder des Öpöpivo? ouXXoyo^. ext. 8e touq IxSvjpiTjaavxai; Irci ^tjxtjglv, zt xi r.ou -r.pbc, xrjv vofxotpoXaxiav yiyvotxo ev- xoapiov äxouacu, xal aoOsvxa«; otxaSs, 86c;av xoöxo (86^at xoüxok; codd.) aüxoi?, Siaßaaavtaösvxac; xoö ouXXoyou äsioxoivwvYjxou^ ölvai. Sie sind zurück- gekommen, haben erklärt, sie wüßten etwas Empfehlenswertes, sind darauf- hin geprüft und der Aufnahme in den aüXXoyot; würdig befunden. Daß sie mit Ertrag heimgekehrt waren, ist wesentlich: das steht in dem abso- luten Akkusativ, der aus sinnlosen Wörtern gewonnen ist. An svxaipiov oder eyxoapiov, was gleichgültig ist, darf man nicht anstoßen; das ist von sv xoapök so gebildet wie das alte svapiOfi.t,o<;; es steht auch Tim. 51 d 2.

965 a 4 -oxspov ouxwc; Xsyojisv rt -KOic, aXXax; Ssiv xaxaaxeuaCeaöaa, nämlich xyjv roXiv oXyjv, was unmittelbar vorhergeht, jxcöv 6\xolo^q Tvdvxa? XEXT7)(i.Evr,v (-jaevou<; codd.) xal jxyj Siyjxpiß oi\iivoijq, ecruv 00^.

Briefe. 407

9G9 b 1. An Kleinias ,,du wirst durch die Gründung der Magneten- stadt höchsten Ruhin erwerben xal (^ codd. ) t6 ys av8pei.6TaTo<; elvai Soxsiv TOiq uoTepov emyiyvo|ASVOis oüx EX9eu^Tii. zote". Überliefert tmv . . . sTuyiyvo- (i£v<ov. Aber daß jemand dem Ruhme nicht entgeht, der Mutigste des nach- kommenden Geschlechtes zu sein, ist an sich verkehrt; anders aber läßt sich das nicht deuten. Das r, sucht man so zu entschuldigen, daß der Fall des Mißlingens gesetzt wäre; aber das Wagnis ist freilich groß ; es geht va banque, 7} zpiq iE, ^ xpeic; xüßot.. Aber wenn die Bedingung dafür, daß Kleinias der Magnetenstadt ewigen Ruhm erwirbt, mit xaraay.euaaag aÜT7)v öpOtöc an- gegeben ist, so müßte das Mißlingen an falscher Gründung liegen. Und eine andere Hinderung wird auch Piaton nicht gelten lassen. Das wird er dem Kleinias nicht zutrauen, zumal er selbst mitzuhelfen verspricht. Ruhm der Gründung, Ruhm des Gründers: das sind notwendige Komplemente.

BRIEFE. Zuerst ein paar Kleinigkeiten zu den unechten. Das große lyrische Bruchstück 310 a hat Kaibel, Herrn. 28, schön emendiert. Ein- geführt wird es mit den Worten xäxsivo Se x6 rcotajua „toi? voüv S^ouaiv xaxäk e/eiv Soxei". Ist das zufällig ein Trimeter ? Schwerlich hat ihn der Verfasser überhört, dann also xaxo£V)Xco<; mit Absicht gebaut, denn Zitat kann er nicht wohl sein.

4. 321 b 4 i)[iEic, . . . rcoXXa äxouovxet; Trapa (rrspl codd.) t&v ttjcSe ouSev tauxv.

9. 358 b 1. Hier einmal ein hellenistisches, wenigstens dem Piaton ganz fremdes Wort, xaTaXtu^avEiv.

11. 359 a. Der Hesiodvers, Fr. 229, wird so zitiert 6 eIti6vto<; (xev ejaoü, <?7jalv 'HaioSoc, S6£ai av sivai <paüXov, xaX£7töv 8e voyjaai. Da sollte doch nicht eine abscheuliche Dichtung von Göttling die einfach zutage liegende Wahrheit verdrängen eittövto;; ulv sfAoü cpaüXov, xa^E7r^v &s voTJaai. Am Schlüsse natürlich olofiivou«; ti EToi|i.to<; 8ia.Tipd.ZJeaQai für den Aorist.

12. 359 d 3. Der Adel eines unbenannten Verfassers von u7io[Av-/){i.aTa wird gepriesen, der nach dem zugehörigen Briefe der Lukaner Okellos ist. Dabei wird ein Mythos erwähnt, nach dem ot av8ps<; oötoi Müpioi (Mupatoi Diogenes) sein sollen, unter Laomedon vertriebene Troer. Das ist also eine Herleitung der Lukaner von den Troern, genau so gut wie die der Elymer und Römer. Verdorben ist nur der Name; 'iXXuptot, liegt sehr nahe, aber ohne einen weiteren Anhalt hilft das nichts, so gern man sähe, daß die Verwandtschaft der Messapier und Genossen mit den Illyriern erkannt wäre. Übertragung auf die Lukaner würde nicht befremden.

13. 3(52 c 1 :i ÄXXa -£pl ak xal Xsycov xal rcpaTrcov oti o!6<; t' fy £7i:iTr(- osicot; (lmni)8siO£ codd.) «pavspöi; fjv.

Nun zu den drei echten.

VI 323 d 1. Die Adressaten sollen seinen Brief als ein Gesetz be- trachten, E7ro|i.vüvTa$ otto'jS^i te ajxa (i.y) ä[i.oüacoi xal ttji tyjc; ottouS?]!; ä8sX<p?/. rraiStäi. (so vulgo, die codd., Clemens; Eusebius ■KcaSelai) xal töv tüv zavTtov Oeov YjYEjjLÖva tcöv te övtov xal (i.£XX6vT(ov, toü te tjye^ovoi; xal amou TOXTspa xüpiov E-ojxvüvTa!;, ov, sav opOcöq (Clem. Euseb. Övtwc; codd.) <piXoaoq>c5(i.£v, Elaö^-EOa xavTE? aa<pcö<; zlq 8tjva(i.i.v ävOpw^cuv £Ü8ai[ji6va>v. So haben die codd., so hat Eusebius Praep. 534 d gelesen; st4ne Handschriften lassen den Ar-

408 Textkritik.

tikel vor xt;<; ottouS?^ zum größeren Teile ebenso fort wie A1 O1 ; aber der Ausfall lag auch sehr nahe. opOw? scheint neben einem Verbum besser als övxtoc;, doch bleibt das ungewiß. Clemens Str. V 14, 102, 3 kürzt; ihn schreibt Eusebius 075 b ab, hatte aber jenes ttji im Texte, das in der Hand- schrift des Clemens fehlt. Hier beginnt das Zitat mit £7coLtvüvxac;, folgt genau bis zoaSeioa, dann heißt es töv 7cdyx(ov Oeov atxiov xal xoö 7)ye[x6vo<; xal aixfou 7:axepa xüpiov eTcojxvüvxai;, ßv, eav opQ&c, 91X00097)075x5, eiaeaOe. Die will- kürliche Verkürzung macht das ganze Zeugnis unzuverlässig, aber wir bedürfen seiner auch nicht, um das xal vor xov 7ravxwv zu beanstanden. Die Wiederholung von e^opivüvxa? zeigt, daß zwei Schwurzeugen angerufen werden, also der 7)ye^cov und der 7cax7jp. Dann gehört der erste Akkusativ zu dem ersten e7i:ou.vijvxa<;; damit ist xat unvereinbar.

VIT. Wegen seiner Wichtigkeit und Vernachlässigung gehe ich in diesem Briefe auf Burnets Text genauer ein. Er ist in seinem schweren Werke müde geworden, wie man schon an den Gesetzen sieht, und die Briefe hat er vollends ziemlich obenhin behandelt. Er bringt nur die Les- arten von A O, die auf dieselbe Handschrift mit denselben Korrekturen zurückgehen. Die Schwankungen im Wortbestande sind besonders be- merkenswert, 327 e 3; 328 b 5, wo 9j6o? unerträglich ist; 329 b 1, xs ist falsch; 330 e 4 uiv muß fort; 331 d 3, wo av als Variante zu 6xav notiert ist, usw. Es ist aber ganz unwahrscheinlich, daß die anderen, gewiß schlechteren, aus A O stammen. Sie verbessern nicht ganz wenig und schwerlich alles aus Konjektur, 331 a 2 xeXeüouoi aufzunehmen, 332 d 2, wo mit etcI xocöxa alles in Ordnung ist, 333 a 5, 339 e 5, 341 b 5, 344 d 1 ol aufzunehmen; A O aus Homer interpoliert, 345 a 5, 340 e 3, 347 a 2 vaüxTjs aufzunehmen. Die Korrekturen einer der beiden Haupthandschriften sind natürlich auch Varianten. Das beweist für ttoXXoü ye xal Serjcei 329 a 5, wo ys nur O2 hat, das Zitat bei Aristeides II 91, ein längeres Stück, das unsere Überlieferung bestätigt; nur Schreibfehler der dortigen Überlieferung weichen ab. II 100 steht ein längeres Stück aus dem achten Briefe 355 c bis 350 a. Da steht <üv 0! 7rpoyovot. uiyiaxov, während 355 d 5 AO x6xe ptiyiaxov haben, in einer der geringen codd. xo zugefügt ist. xoxe stammt aus 355 e 7. 350 a 0 hat Aristeides ein Glossem ätöiov für delCtov.

325 c 4 7repl eva xeov x6xe 9euy6vxtov 9&0V (9&<ov codd.). Leon war kein Freund des Sokrates, sondern der vertriebenen Demokraten. 0 6 xovx; v^uou? ye xal (xa) s8vj.

325 e 4 hat Buxnet durch die Aufnahme von 0.75 statt 71751 verdorben.

320 e 7 avSpcov olojiivtov ävaXiaxeiv ^ev SeTv 7cavxa de, uTcepßoXa«;, dpycöv Se zlq arcavxa 7jyoufJiivtov au Seiv y(yvea0at: da ist äpycöv unter dem Eindruck von Tjyouuivcov für den nach unseren Begriffen notwendigen Akkusativ ganz sprachgemäß gesetzt; es geht aber weiter -Kkrp zic, euco/iaq xal 7t6xou<; xal d9poSiaia>v arouSd^ 8ia7rovouuiva<;. Was soll da das Partizip zu arcou&dg ? Richards' Übersetzung, die es rechtfertigen soll, genügt mir zur Verurteilung the men are indolent at everything except a few things which are clabo- rately attended to. SiaTroveToöat., medial wie oft, ist ja der Gegensatz zu dpyöv elvai. So haben denn auch Byzantiner Sia7tovouuivcov vermutet; aber hinter yevsoÖai versteht man das nicht mehr: 8ia7rovou[xevou<; ist das Wahre.

Briefe. 409

Gleich danach dvayxaiov 8s [elvou] tocÜtoc«; xaq 7t6XEi<; et? Tupavv£8a<; . . . [zsTa- ßaXXoüaai;. Dieselbe Interpolation 337 c dpiG^o-v 8' [elvat] ^upiavSpan nokei xevTTjxovTa Ixavol toioutoi.

328 c 5 ata/uv 6^evoq tx.sv IjxauTOv . . . jjt.7) 86i;ai[ii t:ots EpuxuTGH 7iavra- Traaiv Xoyo<; {jiovov <xxexv"^ E^va'' Tt<^- So die Überlieferung, die Burnet mit Recht befolgt: so nennt sich der Chor der Greise zt.ex (ji6vov bei Euripides Her. 111, und Ähnliches bietet die Tragödie mehr. Auch bei Plutarch Dion 11 ist (r/j 86Eeiev ev Xoyoic elvai nur Korruptel, wie Schäfer (bei Sintenis) gesehen hat, der auch das Richtige in einer Nachbildung bei Marinus 14 aufweist. Dem aloyw 6y.tvoq ^sv entspricht xivSuvsüatov (-oeiv codd. ) einige Zeilen später: man soll nicht künsteln, sondern die leichte Änderung annehmen.

329 b 1 Sid [te] t<x mit O2; ebenso ist c 8 toütwv, das keinen festen Platz hat, zu streichen. Es war Schreibfehler, dann Variante zu 7tdvTtdv.

330 d ist eine ganze Zeile ausgefallen. Der Sinn fordert etwa t&v <Tü{z.ßouXsüovTa dvSpl y.dtAvov-rt. xai Slaixav StaiTcofiEvwi [ioyß-t)p6t.v Ttpoq üyUiav (ou zspl 9ap(i.ax(ov Sooew«; eüOÜc; SeTv X6yov Tcpoaq>EpsaOai), dXX' oxi xpr\ . . .

332 b 6. Die Athener haben beherrscht oüx auxol xal olxiaavTsc; TcoXXdt; tcüv 'EXXtjvcüv -6Xeii; üttö ßapßdpwv EixßEßXr^sva? TCapaXaß^vxe?. Da folgt außer in A dXX' olxou{i£va<; auf EjjLßsßX. : das ist eine schlechte Variante, war zuerst aXXcoc; olx. Man nahm an dem kühnen Passiv Anstoß, das aus einem ei? d<; ßdpßapoi EvsßaXov entwickelt ist. Übrigens bemerkenswert, daß Piaton die athenische Fiktion verwirft, die alle Reichsstädte zu Kolonien machen wollte.

332 d 4 aXXou? aÜTtöi tüv oIxeuov ol\lol xal tjXixiötöv [xal] auaotovou? . . .

333 c 1 komme ich ohne eine Ergänzung nicht aus 6 Ss zoiq SiaßdXXouat xal Xsyouatv (ezeIOeto).

335 b. Den schwierigen Satz mag eine Angabe der aüvza.E,'.q, wie die Byzantiner sagen, erläutern. Der Mensch, der eine arme Seele hat, mag die sittliche Mahnung nicht hören, und wenn er sie hört, bildet er sich ein, er könnte sie verachten, und -avTa^oösv dvaiScöi; ap7ra^£i oxi7TEp dv o?7jTai xaOa-sp Qr.plov (seine Rechnung ist die eines Tieres, und tierisch ist auch das dvaiScoc) ::opisiv auTcoi cpaysiv yj tcieiv r rcspl TatppoSCaia Toüfi7tl;i.7tXa- aöat. Später muß xaxöv tjXixov zwischen Kommata, quantum malum!

336 a ist zuerst mit Hermann s:rl zu streichen: das genügt völlig. Dann ist in A O überliefert ItceI ty]v SouXslav ctuzr^ duTjXXa^Ev cpaiSpüvaq, EXEuÖEpa? 8' ev nyrt[xaxi xaTEcrr/jaev, mit der Variante 9ai8püva<; EXsu9spia>i ev ->/. Nicht nur die Wortstellung, auch die Zusammengehörigkeit des Rei- nigens mit der Verleihung einer Haltung, wie sie einem Freien zukommt, zeigt, daß <pai8püva<; 8' ev eXeuOsptcot G/j)fxaTl das Wahre ist.

336 a 8 toütwv 8' aüi yEvojjivajv 8t' dvSpöc; . . . 91X00690^ ttjv auxrjv dpsT^ dv TrspiysvEaÖai 86^av toTc 7roXXoi<;, 7)7r£p dv, ei Aiovuaio<; etteIgOtj, 7tapd Ttdaiv av wq 1-koc, eitteiv dv0pw7coi(; dTTEcwcsv y£vo(X£vr(. Das ist ganz aus den Fugen: kein Mensch kann du^acocEV dazu bringen, daß es a7CEawÖ7j bedeutet. Und wenn man dp£-7j? dv jrepi ysvscQai abteilt, gerät dv an eine unmögliche Stelle, und das Verbum fehlt doch, dv ist in rjv zu ändern, nachher sind die Akkusative T,v7i£p und yEvonsv/jv herzustellen. „Wenn Dion sein Ziel erreichte, so war es möglich, daß sich wenigstens bei der Menge (zunächst

410 Textkritik.

bei den Sikelioten) die Anschauung von Tugend erhielte, die, wenn Dionysios sich bekehrt hätte, in der ganzen Welt entstanden sein würde, und die er (Dion) aufrecht erhalten haben würde", natürlich indem er das Vertrauen des Dionysios rechtfertigte. Durch das Verhalten des Dionysios war diese S6^a dpsxTJt; erschüttert, durch Dions Tod ist sie nun ganz zugrunde gegangen.

338 a 5 cuv<ofAoXoyf,aapi£v ifz<p6xepot, Aiovüaio<; (asv [e<p7j Richards] (j.sxa- TtE^saOai . . ., eyw 8s tj^eiv. b 7 [6] Aicov; nirgend steht der Artikel.

338 d 1 aXXoi xive? ev Xupaxoüaai^ 9jaav Aicovö«; te axxa 8iax7jxoox££ (xal xoüxcov am Rande ergänzt) xive? aXXoi :rapaxoucj[xdx<ov tivöv EfxpiEaxoi tüv xaxd cpiXoaocpiav oi Soxoüai u.oi Aiovoauoi TtsipaaOai SiaXEysaOai xcöv 7tepl xa xoiaüxa, toq Aiovuaiou 7tävxa Siaxyjxooxoq Öaa 8isvooü|X7)v syw. Von der Ergän- zung ist xal unentbehrlich, xoüxuv unerträglich. Nachher geht xtöv 7tepl xa xoiaüxa nicht; Richards hat daher zweifelnd itepl xeov 7repl xa xoiaüxa ver- mutet, aber selbst zu häßlich gefunden. Ich glaube, die Randnotiz xoüxwv galt ursprünglich dem xwv, denn xoüx<ov 7rspt ist vortrefflich, nämlich über ihre Philosophie, von der auch Dions Begleiter ein wenig wissen, xa xoiaüxa abunditrt dann allerdings; e^ wird wohl töiStwv 7rspi oder xa xoiaüxa zu lesen sein; beides paßt.

339 b 8 <ppdCouaa(v) Müller! c 5 oüSsv aoi xwv irepl Aicova e^ei 7tpay- fjiaxtov oüxe 7T£pl xaXXa oüxs r.tpi aüxov xaxa voüv [yiyvojjisva]. So geht es einfach: einen Gallimathias brauchen wir dem Dionysios nicht zuzutrauen.

339 e 1 [xal] TtdXiv 6 X6yo? */jxev . . .

340 b 6 [xo>v] 7rapaxouapidxwv [isarolq ... d 8 oaa (xa) u.a6v)[jiaxa . . .

340 c 5 cjvxEivat; aüxo<; xs xa! xov YjyoüfjiEvov xy]v 68öv'oüx dvivjaiv 7tp!v av . . . da achte man auf die große Kühnheit, daß ouvxeiveiv ebenso wie dvtsvai sowohl intransitiv wie transitiv gebraucht ist. Nur ein Sprachkünstlcr allerersten Ranges wird so etwas wagen, was zwar kühn, aber dem Geiste der Sprache entsprechend ist. Darum ist es schön. Aber ich glaube, so etwas kann nur Piaton.

341 e 2 y£vo[iiv7jv für X£yo^.EVY]v Bonitz, Richards.

343a 9 Övo[i.a xe au Sauppe für auxwv. Umgekehrt 347a 7 hole, x' aüxot; eiü.1, für aöx'. ^

344 a 5 6716001 . . . jxy) 7tpoacpu£ic; £io!v xa! ouyyEvsii; . . . aXXoi 8s ÄXXwv EÜtxaösi^ . . . oü8' ocroi auyy£V£i<; . . . oüSsvs^ xoüxcov. Da gilt die Negation auch für das erste Glied, die [i.yj auyysvsi^, eine verbreitete Form des <xtuö xoivoü, für die ich zu Eurip. Her. 237 manche Beispiele beigebracht habe und manches nachtragen könnte, Hippokrates 7t. dpx- fo)xp. 9 [jisxpov 8s oüxe äpi0[j.6v will ich doch nennen. Hier ist das Verständnis durch die vielen Wörter, die zwischen die korrelaten Glieder treten, stark erschwert. Ob nicht oüxe dem oüSs vorziiziehen ist, weil es das korrelate Verhältnis deut- licher macht ? An sich sind beide Partikeln zulässig.

344 e 4. Dionysios war echter Bildung nicht würdig, weil er mit dem Ruhme zufrieden war, genug an ihm hatte, der ihm aus der Teilnahme, dem Verkehre mit Piaton erwuchs, 7rai8sia<; oüx aEioc; 9jv, äya7ic5v 86£av x-Jjv t% |i.Exox?j<; y£vo(jiv)r)v. So O2 gegen A O -[aevt)?. Es geht weiter „wenn er das (die Kenntnis von Piatons Lehre) aus der einen Unterhaltung er-

Briefe. 411

reichte, mag es sein (mag er Bildung haben usw.), ei uiv . . . ysyovev, Tay' av zirt, ysyovsv 8' ouv Sttw; ittoj Ze-j;, <p7]alv 6 0/)ßaioc. Nun hat er es aber erreicht. wi>_- das mag Gott wissen. Kebes zeigt, Phaid. 62 a 8, mit diesem Beinern Provinzialismus, daß er eine Behauptung des Sokrates für ein äto-ov hält. Piaton hat einen Ausdruck sich angewöhnt, den er von dem Freunde oft gehört, zuerst wohl belacht hatte, und wendet ihn hier st. an, wie er oft „die Kinder sagen" oder ,,der Lakone sagt'' u. dgl. einflicht. Unwillkürlich kommt etwas herein, was mit der feierlichen Stilisierung kontrastiert. Wir spüren die Erregung. Es geht weiter 8is*r,X6ov uiv yap,

<I)C E17T0V, (tÖ)tS, V.V.I &1tO& {/.OVOV, ÜOTSpOV 8' OU^OJZOt' ETI.

345 b 8 a;-.a 8' slvai -poq rcatSetav yr/r^ eXsuOepav (sXe'jOepas codd.), vgl. 334 b 5.

345 d 1 iSsXtpiSoü auTOÜ so zu betonen, sonst ist der Rechtsgrund nicht verständlich. Dionysios ist der geborene Vormund seines Schwestersohnes. Eigentlich hätte freilich der Vormund in dem Geschlechte des Vaters ge- sucht werden müssen.

352 a 3 ävayxaiov eZvou e8o^s jioi pr,89jvai 8siv (Ssüv wieder abundierend) Sia tt,v dcToriav xal aXoylav tcöv yEvouivcov. st 8' apa Tivl vuv p>,0EVTa eOXoya>- -rspa E9avr(, xal xpoy&azic, ~pbq Ta ysvojXEva Ixava? zyziv eSo^sv tcöi, [XETplco? av Yjuäv xal Exaväw; sir, Ta vuv Etpr^sva. Das geht nicht, wie Karsten schon gesehen hat, denn Subjekt des Bedingungsatzes müßte t<x y£v6lusva sein, und das verträgt sich nicht mit dem folgenden -pö; t<x yEvou-sva. Aber die Änderung Xeyouivcov ist zwar neben äXoyta gut möglich, schließt aber den prädikativen Zusatz pv;8EVTa aus, und da läßt sich auch mit toc vüv pr.ÖEVTa nicht helfen. Folglich sitzt der Fehler anderswo. Wer oder was hatte -pcxpaosK; Ixavaq :rpö<; Ta yEvousva ? Das paßt doch auf niemand besser als auf den, um dessen Verhalten sich alles dreht. Man erwartet vielleicht xpoq :i äst TpaTTÖ[xsva, aber Piatons :rpo<pa<Tsi<; bezogen sich nicht nur auf sein Handeln , sondern ebensosehr auf sein Verhalten gegenüber dem Gange von Dingen, die von außen an ihn herantraten. So denke ich, £86^aji.Ev trifft das Richtige.

VIII. 353 d 2 sv eXtuSi . . . toü [vüv] oteoBai c/sSov äsi Ttvo? ajjuxpoü stuSeeT:; Etvai. Das distributive isi tivö? verträgt sich nicht mit vüv.

354b 6 rr.v twv yspovTtov apxvjv xal tyjv (tov codd.) tcöv E9opwv, 8eojj.6v -r,c, [iaa'.X'./.rc i?yr^ ic>Tr;piov, denn auch durch den Rat wird die Königs- macht gebunden.

355 e 4 ßaaiXca(?) cTY^aoOE -pcÖTov uiv tov su.ov ulov; daß auch Ari- steidee II 107 den Singular hat, verschlägt nichts.

356 b 3 Ispüv äOspa-E'jaiav xai. :a?(ov (Tacpou? codd.). In den Eepa wolmen die Götter, in den Gräbern die r^pcoE^. Dem entspricht am Schlüsse OeoI<; te -äaiv T'.u.a<; |xet' eü/ojv 86vte<; toT? te äXXotc; ol? [izrx Oecöv -pETTEi.

356 d 6 8ixa-7Tr1p'.-Jt . . . toü<; te Xs 'jr.&pyzw (vüv), T.pbq toütol? te sxXsxto ',: yiyvscOat, ^iv.-xn-rc, zv. tcöv [vüv] äsl Trspua'.vcov äp//>;Tcov. Diese Klasse kann es jetzt noch nicht geben.

357 c 6 -poxaXoüjjLEvo', -yiXo-j!; xal 8ia<p6poo<; (jiaXaxcü:; te xal rrpauot; (-avrco; codd.). So hatte ich verbessert, ehe ich Tim. 74 c 1 |xaXaxcö? xal rrpaiw^ ürsixouaav fand.

412 Textkritik.

Sprache und Stil.

So viele Worte über schließlich doch verschwindend wenige Stellen, und von diesen rühren die wenigsten an das, was den Kritiker eigent- lich reizt, das Spezifische der platonischen Sprache und Kunst. Sie ein- mal zur Darstellung zu bringen, ist eine hohe Aufgabe. Piaton vertritt uns das lebendige gebildete Attisch seiner Zeit, und während er den Weg vom Ion bis zu den Gesetzen durchmißt, wandelt sich um ihn her dieses Attisch von Antiphon bis zu Demosthenes. Dabei bringt er sofort einen ganz persönlichen Stil und behält ihn trotz aller Wandlungen bei, nicht ohne bestimmte Eigentümlichkeiten bis zur Übertreibung zu steigern. Der Einfluß eines solchen Künstlers mußte ungeheuer sein, wenn wir es zunächst auch vorwiegend bei unfreien Nachahmern, den anonymen Verfertigern sokratischer Dialoge, bemerken, auch bei Xenophon, wenn er sich auf demselben Gebiete versucht. Bei Aristoteles, wo.er künstlerische Wirkung anstrebt, wiegt die Rhetorik vor; aber seine Dialoge haben doch auch stark platonisiert, und so muß es weiter gegangen sein. Wir haben von dieser Literatur nur zu wenig. Um so stärker ist Piatons Einfluß, schon ehe die klassizistische Bewegung zum vollen Durchbruch kommt, bei Philon, wird es also bei Poseidonios gewesen sein, und dann bei Plutarch, Aristeides, Lukian usw. in der Masse der erhaltenen späteren Kunstprosa, so daß uns vieles einfach als griechisch erscheint, das platonisch ist. Darauf einzugehen, liegt mir fern; aber über Piatons eigene Sprache möchte ich doch wenigstens einige Beobachtungen und Eindrücke aus- sprechen, ehe ich von ihm scheide.

Er schreibt also sofort seinen Stil, der kein Vorbild nachahmt außer dem elSoq, dem 7rapd8£Lyu.a, das er mit dem Auge der Seele schaut, und nach dem er 7rpoaavayxd££t, exepov xcoi exspcoi xpinov xe slvoa xal apu.6xxeiv, itoq av <X7rav auaxyjcnqxai xexayuevcv xs xod xexoau.7]uivov ^päy^a (Gorg. 503 e). Wo er nachahmt, parodiert er, den Protagoras, den Polos, den Agathon. Auch der Eingang seiner Leichenrede mit ihren Figuren wirkt mit Absicht parodisch. Der Anschluß an Zenon im Parmenides ist ein Experiment, das er zum Glück wieder aufgegeben hat; es ging wider seine Natur J). Wenn er ein Märchen erzählt, wie in den "Epwxoc yovoa oder den Hadesmythen, färbt er nur leise die eigene Rede. Er nennt die Prosaiker, Soweit sie nicht Rhetoren sind, gern IStcoxai (Symp. 178 b, Phaidr. 258 d, Ges. 890 a); darin liegt, daß sie keine xexv/] haben wie Dichter und Rhetoren. So also hat er sich gefühlt, mindestens zu Anfang, und mehr hat er nicht sein wollen. Was er wiedergeben wollte und zuerst auch wiedergab, war 6|xiXia, SidXexxoi;, die Sprache des Lebens, der gebildeten Gesellschaft. Dieser Sprache bedienten sich erst seit kurzem Athener, die zwar rhetorischen Unterricht erfahren haben mochten, aber auf den Wetteifer mit den Kunst -

*) Nachahmung der attischen Gesetzessprache in den Gesetzen ist etwas für sich, war notwendig und blieb durchaus attisch. Abgetönt hat er es gemäß seinem damaligen Stile.

Sprache und Stil. 413

rednem mit Absicht verzichteten. Kritias war sein Führer. Auch in der Komödie war diese Sprache erst von der jungen Generation angewandt, Pherekrates, Eupolis, Aristophanes, im Gegensatze zu Kratinos, und Euri- pides stimmte den Ton der Tragödie in seinen letzten Werken stark auf sie zu herab. Aber den Anschluß an die Tragödie, der bei Antiphon und Gorgias fühlbar ist, wies diese neue Prosa des Lebens ab; die Überein- stimmungen mit der Komödie sind dagegen schwerlich ganz zufällig, wenn sie sich auch meistens durch die gemeinsame Rede des Lebens erklären lassen. Das gilt von der ganzen äußeren Sprachform; die längeren Dative -aiai -otai behält auch Piaton x) bei, selbst als sie dem Leben ganz fremd geworden sind. Sie reichen ja auch bis in die neue Komödie. Die alte Poesie und Prosa Athens war vom Ionischen stark abhängig; davon wandte man sich bewußt ab 2), die Komödie und Piaton erst recht, der ja überhaupt eine sehr ungerechte Abneigung gegen alles ionische Wesen hat. Dagegen finden sich Übereinstimmungen mit der Komödie, nicht nur in niedrigen Wörtern, soweit er sich zu solchen herabläßt 3), sondern auch sonst 4). Er hat auch später einzeln neue Wörter zugelassen, die, dem 5. Jahrhundert noch fremd, nun aufgekommen waren, z. B. Suawrsiv, an dem ein Phrynichos Anstoß nahm. Wenn wir im Kritias <rä finden, nicht aöka, so war das noch lebendig 5), empfahl sich ihm aber wohl durch archaisch attischen Klang. Er bewahrte ja auch das Pronomen öS ol s, das schwerlich noch gesprochen ward, und den Dual auch im Verbum6), ebenso, wie wir gesehen haben, relatives t<£. An Neubildungen hatte er keine Freude, während die Komiker darin sehr weit gingen, und

1) Wir können hierin nur den Handschriften folgen, sicher daß sie unzuverlässig sind. Man fand das für Piaton so charakteristisch, daß die Nachahmung als Parodie Piatons erschien. So hat es sich Xenophon, Symp. 2, 26, erlaubt, bei Athenaeus 501 e gegen unsere Handschriften erhalten.

2) Wenn die platonische Verwendung von xivSovsöeiv für scheinen nur bei Herodot (soviel ich weiß) wiederkehrt, so bleibt das Gebiet unbekannt, aus dem os stammt, aber an Entlehnung von Herodot ist nicht zu denken, und gesagt muß man in Athen so haben, wenigstens im Kreise des jungen Piaton.

3) So etwas wie xopu^av sagt Thrasymachos, aup<peTo<; Kallikles, uY]veiv Protagoras (Theaetet 166 c), wenn sie grob werden. Aber gerade im Theaetet trägt auch Sokrates die Farben grell auf; das raü xpuatov, die yuptvot fallen eigentlich unter das Niveau seiner Rede; auch der aup<peT6? kommt hier wieder. Man merkt doch etwas, daß der Theaetet eine Leb- haftigkeit erzwingt, die dem Verfasser nicht mehr natürlich ist.

4) Z. B. hyßoSor.ör, 0ux ixoq, xexniZa, 7toXXa>u<; für vielleicht.

5j IG. II2 123, auch das seltene, von Späteren nur aus Piaton ent- lehnte SicoXuyio«; (wieder Theaetet 162 a, mit Absicht derb) ist aus Isaios von Harpokration belegt.

6) Den Dual hat auch Isokrates aus seiner Jugend beibehalten. Mit ihm ist er 338 verstorben.

414 Textkritik

die Rhetorik eine Menge nominaler Ableitungen auf -csiq und -y.a. und -ixo; aufbrachte, auch denominative Verba. Damit ist er sparsam. Auf- fallen im Altersstile Composita mit entbehrlichem Sia, Staua^?), Siaaxaatc, Sio^i?» Siaicövioq, 8ia^otxtXX(ov, SiaypvjfxaTi^eiv, SieuXaßeiaOou. Als ihn seine Dialektik zwingt, Siavoia in neuem Sinne zu verwenden (Staat 533 d), ttoi6ty)c zu bilden (Theaetet 182 a), entschuldigt er sich, und die zahl- reichen zum Teil mehr als seltsamen Zusammensetzungen in Sophistes und Politikers sollen nur das Eintagsleben führen, wie sie es getan haben *). Etwas Besonderes ist die technische Sprache der verschiedenen Gewerbe, der Fischer im Sophistes, der Weber im Politikos. Wo er auf so etwas kommt, scheut sich Piaton nicht vor den xupioa Xs^etq, obwohl sie termini technici sind, und wir bewundern, daß er über sie verfügt, denn er konnte sie nur aus dem Munde der Handwerker nehmen; kein Wunder, daß ein- zelnes für uns vereinzelt bleibt 2). Das sind keine Glossen; die hat er ge- mieden 3). Aber auch Zusammensetzung von Verben mit mehreren Prä- positionen liebt er nicht, solange er natürlich schreibt, im Gegensatze zur Tragödie und der hellenistischen Sprache, sondern hält sich am liebsten an die alten kräftigen Bildungen, die starken Verba, wie J. Grimm sie so schön genannt hat. Daß er Tempora und Modi noch mit voller Schärfe unterscheidet und über die ganze Klaviatur des herrlichen attischen Verbums zu greifen versteht, braucht nicht erst gesagt zu werden. Bei Demosthenes ist der langsame Verfall z. B. in dem Vordringen des Per- fektums schon zu spüren.

Ganz besonders charakteristisch für Piatons Sprache ist der Gebrauch der Partikeln, mit denen er von vornherein verschwenderisch umgeht und es mit der Zeit zu einer wenig erfreulichen Manier treibt. Kein Grieche hat te ts, keiner ys und Srj 4) und a5 entfernt so stark gebraucht und

1) Wemi so etwas wie aXeci<papfj.axa öfter begegnet, das den Athenern fremd und poetisch klingen mußte, so war es offenbar von fremden Ärzten und Apothekern eingeführt.

2) Z. B. zpoaaycoyiov Phileb. 56 c 1, ein Instrument der Tischler.

3) Zu den Entlehnungen aus fremder Terminologie gehören auch die rhetorischen, zahlreich imPhaidros; xsxocXXis-vjf/ivoi X6yot, Apol. 17 b 9, soll als ein fremder Klang empfunden werden: der Athener würde nicht xaXXt- £7teiv sagen. Ein Fremdwort ist in Athen auch [Aavoe, das seit dem Timaios

5 aufkommt, bewahrt aus der physiologischen Lektüre. Wenn er Soph. 239b 4 opOoXoyia bildet, so steht das für tgv op66v Xoyov Xeyeiv und ersetzt nicht die ionische opöosTteia des Protagoras. Seltsam ist Ges. 635 c 8 izpbq tyjv vjSovtjv yXuxuOujjdoc, weiche Empfänglichkeit und Hingabe an die Genüsse, denn das Wort kann bei den Späteren, besonders Plutarch, auf diese Stelle zurückgeführt werden; dann ist es singulär, kann aber nur soweit Er- findung Piatons sein, daß es yXuxü6u|j.o<; über den poetischen Gebrauch (neben dcyavocppwv T 467, Epitheton von"Epw<; und"T7ivo? bei Aristophanes aus älterer Lyrik) in der Richtung auf animi mollities steigert.

4) Sy) öcv zu Säv zusammengezogen und für av gebraucht gibt es weder bei Piaton noch überhaupt im alten Griechisch. Es war ein Verdienst

Spruche und Stil. 415

abgebraucht. Auch ts, wenn das Korrelat nicht zu bald folgt, mit t' oder auch 8' aö, [ir,-z mit ja^ts oder lat)8£ mit aö1) aufzunehmen, erlaubt er sich immer mehr, oöv, das auch sehr häufig und in mannigfacher Ver- bindung oöxouv (wo wir besser oöx oöv schreiben würden) und ou/.oüv, (i,ev oöv, 8' oöv, yoüv auftritt, erhalt schon früh die Verstärkung durch 8r(; jjlev durch ye to-. (das für sich nicht so häufig ist wie in der Tragödie) verbindet sich mit xai oder uiv keineswegs nur so, wie wir an xai toi oder uiv toi ge- wöhnt sind, daß adversative Partikeln entstehen, sondern xai toi (das wir passend nicht in einem Worte sehreiben sollten) ist ein verstärktes /tat, atque, nicht alqui 2), und uiv toi ist stark affirmativ, uiv toi vyj Aia steht schon im Ton 531 d und in der Apologie 35 c. Mit den Partikeln erreicht Piaton die Nuancen der Behauptung und der Zustimmung oder des Zweifels auszudrücken: aber unleugbar hat er mit der Zeit durch die Verschwendimg das Ausdrucksmittel entwertet.

Die Form der Unterhaltung hat es mit sich gebracht, daß Frage und Antwort überwiegen, und die letztere wird nur zu oft den Ausdruck der Zustimmung variieren. Statistisch hat das Arnims mühevolle Sammlung erschöpft; aber Zählen reicht nicht; 7tavu(ye) (uiv oöv) u. dgl. ist freilich dasselbe, aber xdcu,ol Soxet, avayxv;, iao>q sind graduell verschieden, und die Bereitwilligkeit der Unterredner wird sich in ihrer Anwendung fühlbar machen. Im ganzen entsprechen diese Antworten sicherlich dem Leben. Von den Anreden, die Sokrates sich erlaubt, ist das nicht so sicher. Mit & 0auua<ue. u.axapie, 8aiu.6vie haben die Athener sich schwerlich so oft an- geredet, eher machten sie mit & r.aX xidvou Tav8p6<; eine Verbeugung vor dem Adel, mit <o xa/i rcat vor der Schönheit, wendeten mit co u-iape eine Grob- heit zum Kompliment. Bezeichnend ist, daß & t5v (TaXav) nur in der Apo- logie 25 c vorkommt, wo Sokrates unhöflich mit Meletos umspringt. Das

Useners, dies bei Spätlingen aufzuzeigen, aber Jahrhunderte machen einen Unterschied, und es ist eine Verirrung, auf ein paar Schreibfehler zu bauen.

1) Wenn auf die Überlieferung Verlaß ist und nicht 8' aö, jj.7)8' überall herzustellen.

2) Gorg. 452 e 4. Der Rhetor ist Hex-rscher. Seine Beredsamkeit be- zwingt das Volk in Volksversammlung und Gericht, xai toi (und wahrlich) iv TaÜTr.i tt,i Sovä^ei SoüXov uiv e£etc t6v laTpov usw. Staat 440 d 4, Sokrates hat den, der sich rächen will, in einer Beziehung mit einem Schäferhunde verglichen. Dem stimmt Glaukon bei, „vud toi in unserem Staate sollen die 9ÜXaxe<; wie die Hunde gehorchen''. Das ist also Bestätigung, nicht ein adversatives „und doch". Ähnlich 583 b 6. Theaetet 187 c 2, entweder finden wir das Gesuchte oder werden den Wahn los, etwas zu wissen, xai toi oüx av eftrj u-euTTTÖc u.iaOö<; 6 toioüto<;. ,,Und wirklich dieser Lohn ist nicht zu verachten" (wenn's auch eine Enttäuschung wäre). So etwas ist bei anderen sehr selten; aus den Dichtern und in der Prosa des 5. Jahr- hunderts, die doch xaiTo*. sehr lieben, habe ich es nicht im Gedächtnis, sehr selten wird es sein, aber Aristophanes Wölk. 1269 habe ich doch schon beobachtet. Bestätigend in der Antwort äX^OeaTaTa ixev toi Xiyeiq Soph. 245 b 7, uupia (/iv toi vt) Aia Phaid. 73 d 11.

41(5 Textkritik.

hat er später gemiedon x). Um so befremdlicher klingt 2> [like Theaetet 178 e, gar an Theodoros. Es gehört zu den auffällig starken Wondungen dieses Dialoges. Mit beidom warf die gemeine Sprache um sich, wie die Komödie zeigt. Sie warf auch mit Beteuerungen um sich, vrj xoü<; Qeouq, vtj Ata usw., die wir in unserer Sprache meist Flüche nennen; 7cu7t7ca£ & 'HpaxXeiq, Euthyd. 303 e, gehört dahin. Mit Interjektionen ist Piaton sparsam; ßaßai hat er öfter, ioü loö Gorg. 499 b, wo es ärgerliche Überraschung malt, Staat 432 d, wo es der Ruf des Jägers ist, der das Wild aufgespürt hat, wie in den Ichneuten. Beteuerungen sind zahlreich, doch häuft er die Götternamen nicht, braucht auch nicht sehr viele, aber mehrfach das im Munde eines Mannes befremdliche vvj x7)v"Hpav, das Xenophon aufnimmt, sei es in Nachahmung, sei es, daß es in der Gesellschaft Aufnahme ge- funden hatte, der sie beide angehören, npbq At,6<; xocl 'AtcoaXcovck; Ges. 662 b erklärt sich dadurch, daß Zeus dem Minos, Apollon dem Lykurgos bei der Gesetzgebung geholfen haben. Lebhafte Wendungen, die wohl auch etwas verschlucken, stammen sicher aus dem Leben, anch wenn wir sie nicht mehr in der Komödie finden, die uns ja für Piatons Lebenszeit fast ganz versagt. Der Art ist dcXXo xi, schon ganz zur Fragepartikel geworden, das nackte elitep, Euthyd. 296 b, Staat 497 e, das später z. B. Philodem auch hat, ei [ayj xi, „wenn sonst nichts, wenigstens", Staat 502 a, 509 c. Voll ist die Rede von fliegenden Wörtern, Sprichwörtern, Dichterstellen; manches, das als Xeyöjjtevov bezeichnet wird, haben die antiken Sammler von Sprichwörtern nicht mehr aufklären können, und auch von Wendungen aus der Poesie werden wir manche nicht merken, manchmal nur den An- klang an tragischen Ton erkennen, z. B. in dXX' ävxüks xol Gorg. 461 e, H7)7tü) y-zy ei^Yji? Soph. 238 a (Sophokles Tyro 601, von den Parömiographen aufgenommen), und so wird es auch vielen Lesern gegangen sein.

Die Metapher ist für den Stil, solange der Dialog wirklich Dialog bleibt, keineswegs charakteristisch 2), hält sich auch in den Grenzen, die der attischen recht strengen Schicklichkeit entsprechen. Wir wissen, daß die Rede vor der Masse gerade mit solchen Mitteln, kühnen Metaphern, Erfolg hatte 3), aber der gebildete Geschmack verschmähte sie. Um so

x) Das wird zu einem Schiboleth für die falschen Briefe; im dritten 319 e 1 soll Piaton den Dionysios so anreden, noch dazu am Schlüsse; aller- dings steht auch der Inhalt des Satzes auf derselben Höhe. Ähnlich zeigt sich in der Anrede w yXoxüxaxe, daß der Hipparchos 227 d 4 nachplatonisch ist: erst in den späteren Komödien ist diese Anrede gebräuchlich. co<; yXuxü<; cl Hipp. I 288 b 8 für das platonische y)8üq ist auch ein Zeichen seines Ursprungs.

2) Die häufigen Ausdrücke aus der Sprache der Ringer (TcaXaiajj.a, xaxaßaXXetv) und der Schiffer (xpixu[i.[a u. dgl.) waren so gewöhnlich, daß si9 nicht zählen.

3) Aristophanes Ritter 464. Seine beiden Demagogen überbieten sich in Metaphern aus ihren Gewerben 369 ff. Daß Demosthenes, so zimperlich er in der Wortwahl als Publizist ist, auf der Pnyx ganz anders sprach, wissen wir durch Aischines 3, 66.

Sprache und Stil. 417

ieber braucht Piaton wirkliche Vergleiche und Bilder, bei denen er auch gern lange verweilt. Dienen sie ihm doch oft zur glücklichsten Ver- anschauliehunff seiner Lehren, und er dichtet damit ganz ähnlich wie Homer mit seinen Gleichnissen. Kaum brauche ich an den Magneten des Ion 533 d, das zufällige Finden des richtigen Weges (Menon 97 a), an So- krates die Bremse oder den Zitterrochen (Menon 80 a) zu erinnern. Diese Erfindsamkeit verliert Piaton nie; die Wachstafeln (191c d) und der Tauben- schlag des Theaetet (197 d), die Verwechslung eines rohen avSptiq mit einem Menschen im Philebos 38 d l) zeigen es. Das Schiffer- (488) und das Höhlen- gleichnis des Staates (514 ff.), das Seelengespann des Phaidros 246 ff., die sehr ins einzelne gehen, sind Glanzstücke: manchmal, z. B. Theaetet 165 d. kann uns die Ausbeutung des Gleichnisses übertrieben scheinen. Gleichnis ist aber ganz etwas anderes als Metapher, die den poetischen, dithyram- bischen Stil ausmachte. Sie gehört erst in Piatons poetischen Altersstil, und da schwelgt er allerdings in solchen Erfindungen und überschreitet das Maß 2).

Das Wichtigste, was der Gesprächstil mit sich bringt, geht den Satz- bau an; er muß das Gegenteil der >i;ic v.<xzz<5-£0L\).}j.hvt) sein, aber die slpo- fxevr, gehört auch nur in die Erzählung. Äußerlich zeigt sich das leben- dige Wort in den Verstößen gegen die korrekte Konstruktion, und unter diesem Gesichtspunkte pflegt es behandelt zu werden. Dann gibt es Fi- guren, Ellipsen, Hyperbata, Katachresen aller Art. Aber das ist der Ge- sichtspunkt des Rhetors, und von Anakoluthen reden wir von der Gram- matik aus, deren strenge Logik wir zur Norm nehmen. Das müssen wir Um; sie ist die [Lt-zfr^iy.^ unseres Handwerks. Aber die Vorstellung wäre falsch, daß Piaton sich mit Absicht von dem Normalen entfernte, also dies erst konzipiert und dann zugunsten eines bestimmten Effektes geändert hätte. Er redet vielmehr, wie der Mensch frei spricht, dem Gedanken gemäß die Worte formend und umformend, so daß der Satz im Flusse bleibt wie der Gedanke. Wer so zu schreiben wagt, muß die höchste Kunst besitzen, so verständlich zu bleiben, wie er es mit mündlicher Rede sein würde, obwohl der tote Buchstabe die Betonung, die Musik des Wortes, nicht anzugeben vermag. Wer so stilisierte Rede erklären will, kommt mit Grammatik und Rhetorik nicht weiter, als daß er Tatsachen, Abweichungen von seiner Regel konstatiert ; dafür sammelt er Beleg- stellen, sagt, Piaton redet so, fertig. Erklärt ist damit gar nichts. Dazu gelangt man nur, wenn man das Werden begreift, das Aufsteigen des Ge-

1) Es ist recht interessant. Die Hirten stellten also an einer Qu"ll<- ein ayaXua auf, das von fern wie ein Mensch aussah. Das ist also kaum noch ein ithyphallischer Hermes, sondern ein wirkliches Menschenbild, so etwas wie der Priap in Theokrits erstem Gedicht; der Gott hieß nur noch nicht so.

2) Der gerechte Kritiker - ö<|*ou<; 32 gibt das zu. Dies Dithyrambi- sche hat Dikaiarchos bereits getadelt, Diogenes III 38, hat es aber viel- leicht als jieipaxiäSes in Piatons Jugend versetzt und daher den Phaidros falsch datiert.

Wilamowitz, Piaton. Rand I!. 2. Ä.ufl. 27

418 Textkritik.

dankens aus der Seele, die Stimmungen und Nebengedanken, die ihn vom geraden Wege ablenken, die Überlegung, die den verlorenen Faden wieder aufnimmt, so gut sie kann, bis es dann schließlich zu einem Abschlüsse kommt1). Ich will nur zwei Proben geben. Gorg. 456 a, Sokrates hat so getan, als erschiene ihm die Macht' der Rhetorik ganz ungeheuer. Das ist Wasser auf Gorgias' Mühle. Er setzt ein und hört so bald nicht auf. Der erste Satz ist el Tcdvra y' eISeit)?, w Stoxpaxsi;, ort die, ztcoq sitceTv 6i.-na.uac za.q 8uvä.[itiq <TuX>.aßou<7a u<p' aÜTYJi exsi- [liya aoi TEX[/.7)piov Epco. Da kommen die Grammatiker und sorgen durch Zusätze, daß der hypothetische Satz nicht in der Luft hängt. Und doch reden wir ebenso „wenn du alles wüßtest, daß, man darf sagen, die Kräfte alle miteinander unter ihrer Gewalt stehen''. Ein Nachsatz „was würdest du da erst sagen", ist kaum gedacht; der Ton, in dem gleich die ersten Worte gesprochen werden, macht ihn überflüssig. Und dann überwiegt der Gedanke ,,du weißt ja noch gar nicht genug", folgt also „ich liefere dir einen schlagenden Beweis". Belegstellen aus der Tragödie stehen zu Gebote; einige habe ich zu Euripidos Her. 1076 angeführt. Mit welchem Gedanken wir das ausfüllen, was uns zu fehlen scheint, ist verschieden, wie der Ton verschieden ist, in dem der Redende spricht. Vergessen dax'f nicht werden, daß eE ursprünglich Wunschpartikel war, also gar keinen Nebensatz einleitete; aber der Athener des 5. Jahr- hunderts wird bereits das Gefühl gehabt haben, etwas unausgesprochen zu lassen.

Protagoras 325 a. Streitfrage ist, ob es etwas gibt, das jeder Staats- bürger besitzen muß, die politische Tugend, und ob es Lehrer für sie gibt.

el jjlev yap sari, '/.cd toüV saxlv ev, ou textovix7) ouSe -joCh /.ziv. ouSs x£ßx|jt.£La, dXXa Sixoaoaüvv) xai. aco9poaüvr, xal to öchov clvai 2), xal a'jXkrßBr^ §v aü-rö -pooayopsüco slvai, dvSpo? äps-r/jv.

Malten wir hier inne. Als der kurze Bedingungssatz gesprochen wird, die Voraussetzung der Einheit, wird gleich das nächste als Bedingung ge- bracht, was Sokrates in der Debatte als zweite Frage gebracht haben würde (ap' ou/l ev o5 ävayxouov 7i:avTa<; izohizcxq u.s-r£x£t,v; 7:dvu y£: gern 8' oute TEXTovixrj oüte usw.). Da hat Protagoras den Nachsatz schon im Kopfe, und zwar so, wie er später ausgesprochen wird. Er muß das tun, denn er hat behauptet, daß sich so die Streitfrage nach der Lehrbarkeit der Tugend

"> l ) Eme umfängliche Arbeit über Piatons Stil in dieser psychologischen

Betrachtung von Luise Reinhard hat neben ihrer Dissertation observati- ones criticac in Plaionem (Berlin 1916) unserer philosophischen Fakultät vorgelegen und soll, sobald es möglich ist, erscheinen. Ich kenne sie, schreibe dieses mit Absicht, ohne weiter auf sie Rücksicht zu nehmen. Ob darin die Stellen, die ich als Proben nehme, behandelt sind, weiß ich nicht mehr und gehe dem nicht nach.

2) Deutlich, daß 6<u6-nq<; kein bequemes Nomen war, wenn es auch 329 c und noch ein paar Mal bei Piaton vorkommt. Es ist auch nie ein wirklich lebendiges Wort geworden. Die Poesie erlaubte sich, ^ 6<na zu sagen.

Sprache und Stil. 419

löst. Nun hat er nur gesagt, was das Eine nicht ist; da gibt er nun das Positive in einem selbständigen Satze „und mit einem Worte sag' ich, es ist eine Einheit, die Äprrij". Daß das ein selbständiger Satz ist, zeigt die Wortstellung und ev aÜTo, nicht ev toüto; das persönliche xpoaayopeuw gehört auch nicht in die Reihe mit et ecm; sonst müßte es allgemein ge- sagt sein, r.pooot.yopz\>o\i.zv. Wioder kann man sich's durch Umsetzen in sokratische Fragen klarmachen. Eben darum trägt der Redner keine Scheu, seine Konstruktion zu unterbrechen, muß sie nun aber wieder aufnehmen

ei toüt' £<jtiv oü> 8eT TtdvTa? \i&xlyew xal u.st<x toOtou Travr' ocvSpa, eav ti xal ßoüX-rjTai (jtavOavstv t) xpaTTstv, oütw rcpaTTetv, aveu 8s toütou jd), rt tov [LT] jieTsxovTa xai StSdaxeiv xal xoXä^siv, xai. ralSa xal avSpa xal yuvaixa, £a>a7rep av xoXa£6fxevo£ PeXtioiv ysv/jTai. 8? 8' av ^ Ü7raxoÜ7ji xoXaC6^svo<; xal SiSaaxojxevcx;, cb<; dviaTov toütov ex- ßäXXeiv ex tcov toXewv rj dzoxTstveiv Hier war erforderlich außer der Wiederholung die nächste Bedingung, daß jeder die äpeTY) lernen muß, also auch gelehrt werden, was wieder dialek- tisch zwei Fragen ergeben würde. Es wird aber das vorige, oti 8si Ttavxai; asTsxstv wieder durch einen positiven Satz erweitert, in dem doch Sei noch regiert, und in diesem steht gar nicht nur „und mit dieser Tugend muß jeder bandeln", sondern „lernen und handeln", ganz unlogisch, denn was er lernt, ist ja die Tugend; aber freilich beweist er sie, die ja in seiner Anlage als Mensch schon steckt, durch seine Gelehrigkeit, und der Redner hat sein Verhalten bei dem Unterrichte, von dem er gleich spricht, schon im Kopfe. Demi er verweilt bei der Erziehung und führt sie bis zu den Gewaltmaßregeln gegen die Unverbesserlichen durch. Damit ist er nun wieder so weit abgeirrt, daß er zum zweiten Male die erste Bedingung auf nehmen muß

ei gvStco uiv l'/ti, oütco 8' aÜTOÜ 77s?ux6toc oi ayaOol ävSpe? et t<x uiv

äXXa SiSaaxovTai toüc ulstc, toüto 8s y.r,, oxs'-Jm ü: Oaufzaaiuq yiyvov-

Tai oi äyaÖoi.

Hier ließe sich die Schlußfolgerung um einfachsten geben, axs^at, d><;

6au(xär>iov, eI ol aya6ol avSpsi; Ta uiv äXXa 8t8aaxovTai toü; raiSac, toüto 8e

tj.r, x). Das ist so gewandt, daß das präsumierte verwunderliche Verhalten

1) Sobald man sich das richtig in andere Form umsetzt, versteht man das vielen anstößige ü<; öocu^aatcoi; ytyvovTai ol dyaOol dv8ps<;. Mit rcecpüxaai würde es leichter verstanden. Sauppe belegt es trefflich. Derselbe inter- pungiert das Folgende richtig. Das erste unverbundene Glied beginnt hinter oisaQai ye zp-rj & 2cöxpaTs<; (so auch Burnet). Es könnte ydp stehen, aber der Frage tritt die zur Antwort konstatierte Tatsache als solche wir- kungsvoll gegenüber, und hinter Xsyopteva ist wioder der Satz zu Ende, und epcxrgetisch treten für die unbestimmte Vielheit die einzelnen Er- zieher ein. Wieder ist hübsch ungrammatisch unlogisch ex ttxISwv ojxixpwv i^d^iEvoi, nämlich apxovTai ol 8i8aaxovTE; ex töjv c;a.ixpöiv Ta(8c.v (verstehen könnte man auch „von Kindesbeinen an"')uixPto5TCeP 8vCö«v(ol8i8Aoxovres),

27*

420 Textkritik.

der äv8ps<; <xycx.0oi, der Eltern, als Bedingung mitgezählt, aber doch der anderen Bedingung durch \i£v 8s gegenübergestellt ist, um mit dein ganz kurzen Satze der Folgerung eine deductio ad absurdum auszuführen. Das hat zur Folge gehabt, daß et o'Srcoc, i^zi noch einmal in outto Te<pux6Toq auf- genommen wird. Das Ganze erfordert zur Erläutorung viele Worte, wie es geht, wenn das Natürliche sich von dem für unsere grammatische Logik Normalen entfernt, und wir können dann nicht anders als von Absicht reden, wo doch gerade keine bewußte Absicht vorhanden ist, sondern dir Gedanken, geleitet von der Empfindung, ausströmen, wie sie aufsteigen. Es ist auch durch us nicht anzunehmen, daß Piaton sich überlegt hat, nun will ich den Protagoras inkonzinn reden lassen, damit es natürlich klingt, sondern er selbst wagte es natürlich zu schreiben, wie er sprach, wie es der b[iikLa. entsprechend war. Je älter er ward, um so weniger wagte er es, odei" es kam doch nicht mehr so natürlich heraus. Daß er als Dramatiker aurli durch die Form der Rede das Ethos seiner Personen charakterisierte, ist kein Widerspruch. Das ist oben an Gorg. 461 b, der Rede des Polos, gezeigt. Zu- gleich kann man hieran gut lernen, wie unentbehrlich noch die Führung der Untersuchimg durch Frage und Antwort war, um einen wirklichen Beweisgang herauszuarbeiten. Das ist ihm denn auch so sehr zur Natur geworden, daß sein Sokrates sich immer wieder von einem supponierten Gegner Einwürfe machen läßt und so den Fortschritt seiner eigenen Dar- legungen dialogisch macht. Nicht immer zu unserer vollen Freude treibt er das so weit, schon im Protagoras 353 c und sehr lange im Gorgias 506 c, daß er einen fiktiven Dialog mit jenem Gegner führt. Sich selbst solche Einwürfe zu machen, war zwar schon früher gebräuchlich, findet sich bei Euripides und wird in der Rhetorik jener Zeit nicht gefehlt haben, hat sich aber doch wohl vornehmlich durch Piaton in der Popularphilo- sophie eingebürgert, so daß es über die sogenannte Diatribe bis zu Seneca z. B. gedrungen ist. Der streng wissenschaftliche Lehrvortrag hat sich natürlich davon frei gemacht.

Noch zwei solche Proben. Protagoras 353 b oI(xai, fjv 8' eye», sZvoa xi yju.iv toüto Ttpö? e^eupsiv zspl ixvSpeltxq, izpoc, tocXXoc (xopia T7J<; apeTYJ? ttwi; tcot' exet. Ganz prosaisch dieser Infinitiv mit dem Artikel, die Nominalisierung des Verbums, diese Gleichgültigkeit gegen die Verwendung derselben Präposition so nahe nebeneinander1). Den Griechen ganz natürlich die Herausholung der ävSpeia, die wir, wie die grammatische Logik an die Hand gibt, zum Subjekt des Fragesatzes machen; der Grieche nimmt vor- weg, was ihm als die Hauptsache zuerst über die Lippen dringt. Und

wo denn der Übergang zum Singular stteiScxv ouvi7ji Tic, ((xavödcvov) nötig wird. Daß ein solcher Abschnitt Jugendstil zeigt, sollte sich jeder ein- gestehen.

x) Dagegen ist Piaton unempfindlich geblieben. Phileb. 57 c de, 6au- u-aoTÖv 8ia<popa<; uiysöos de, aa<pr)veLav TrposXYjXüOau-sv £7n.GTr;[i.cüv. Man darf sich also vor Ähnlichem nicht scheuen; es ist auch kein Einwand gegen eine Verbesserung.

Sprache und Stil. 421

dann wieder die Fragepartikel erst am Ende, so kräftig, für uns kühn, und doch nur der Natur gemäß.

Gorg. 453 b sy<o yap, iaO' öti, w<; e^ao-öv :teÜ)g>, Et~sp tu; SXKoc, aXXon «StaXeyETai ßo'jX6u£voc ciSevai auro toüto rcepl 8tou o X6yoq scstiv, xal slxe slvat toiStwv sva. Uns scheint es salopp, daß zuletzt der Accus, c. inf. steht, gleich als ob er von :te(0co regiert würde, das doch mit w? eingeführt wird. Und es ist freilich ein Verdenken des Redenden, der noch nicht von der ( frammatik geschult ist, und Piaton hat diese Freiheit beibehalten, die ja auch bei Aischylos und Sophokles beobachtet ist, bezeichnenderweise nicht bei Euripides > ). to8' öti ist eingeschoben wie olfiai, ohne die Umgegend zu beeinflussen. Das geht sehr weit, ist nicht immer, wie es sollte, durch Interpunktion dem Leser angedeutet, Phaid. 59 c t(vo?, 97)^, fjoav 01 X6yoi;

8li a b el -ic, Suc/up^oiTO oüSsLiia yap iiYT/av») av e?7) aXXä, 90UY;,

xväy/.r( '£-: t.o-j elvat a<I>7Y;v. lOö b -ra rpta oüz sarai, £<pa^sv, äp-riov. Kratyl. 385 a 6 ätv, <fi]iq, /.aX7)t -n$ sxaaTov, toü6' exocotoh &vo|xa. Dazu gehört auch das kühne Soriq ßouXei, ganz gui'u/s, Krat, 432 a. Phaidr. 272 d -avxä- -a?i yap, 6 xal xac' äpxat; eitto^ev toüSs tou Xoyou, 6ti ouSsv iX^sia? [xetexeiv 8eoi SixaCcw 5) xal ayaOüv 7:spl -pav^aTtov vj xal dvöpw^füv ys toioütwv (püasi 3vta>v r, t;o 9-7,1 töv [iiXXovra ixav&s p^-roptxov Ecscjöai.. Da war zuerst inten- diert -avTä-aaiv ouSsv aXr,0eia<; uete/.el 6 tjiXXwv; das ist durch den Zwischen- tritt von st-opiEv abhängig geworden, so daß -avTtx-aai yap in der Luft schwebt. Dieser Konstruktionswechsel ist dem Piaton immer zulässig er- schienen; darüber wird er nicht nachgedacht haben. Aber sonst ist der Ausdruck alles andere als natürlich. Schon die Stellung von -spt (die Be- tonung reepi scheint mir unberechtigt) klingt nach dem Altersstil, und die Präposition ist mit so vielen Genetiven belastet, hängt zudem selbst von einem Genetiv ab, daß das unmittelbare Verständnis erschwert wird, r.zpl TcövSixatwv xal ayaQwv würde wohl genügt haben. Jetzt zerlegt er das Gerechte in die Sachen und Personen; dazu gab die frühere Stelle keine Veranlassung, auf die er sich bezieht (260 a), und der Gedanke auch nicht, denn das eiy.öq, das der Rhetor allein verfolgt, hat nichts damit zu tun, ob er weiß, worin die Gerechtigkeit eines Mannes besteht, und noch weniger, ob Begabung oder Erziehung die Tugend verleiht. Das gehört nicht zu dem Geschäfte, son-

*) Vahlen Ges. Schriften I 372 urteilt richtig und bringt Belege. Nur ist der Grund mit der allgemeinen Bezeichnung „psychologisch"' nicht an- gegeben: es muß das Verdenken zugestanden werden; wie das kommt, ii jedem Falle besonders. Und dann ist es mechanisch, eine Erscheinung in jedem Falle durch diese Parallelstellen gerechtfertigt zu glauben. Isaios ist ein Rhetor: der verdenkt sich nicht, vollends in einem Sätzchen wie einer eingeführten direkten Rede, 2, 12 suoi. auLißaivEt.v onzodr^ioLv w<; olaöa. Und wie hier der Stilunterschied vergessen ist, so ist der Qualitätsunter- schied der Überlieferung, wie immer, von Vahlen nicht beachtet. Der Isaios ist ja nur im Crippsianus elend genug erhalten, und xa£ und de, zu vertauschen, wird aich niemand genieren, der mit Handschriften zu ar- beiten gelernt hat. xal o'j olaOa Kaibel. Wie gut griechisch dies xal ist, das für uns auch ahundiert, hat Vahlen natürlich gewußt.

422 Textkritik.

dem zu dorn subjektiven Erfolge: die Philosophie erzieht zur Tugend, die Rhetorik nicht. Um diesen Gedanken mit hineinzubringen, ist die Sonde- rung in 7rpäy|j.axa und £v0pa>7toi gemacht und dementsprechend mit y.ai ys angeschlossen, wird auch gleich wieder eine Distinktion durch ein zweites iq gemacht, so daß der Hörer. schwankend wird, ob diese Genetive von Tvspi oder von [xsTE^eiv abhängen. ' ).

Sehen wir demgegenüber ein Stückchen aus dem Euthydem, 280 b 7. cyoj 8s 0auji.aaai; tov X6yov „^ö?" e<py)v „<o Aiovua68o>pE, Xlyei<;; yap xot. äXXa xoöxtSv yc tov X6yov zoXXtov Syj xal :roXXa>a<; axY)X0G><; äel 0au|j.a£a>. xal yap oi &\t<pl üpcoxayopav a<p68pa e/p&vxo aüxak y.al ot exi TraXatoxepoi. efxol 8k äel Öaujxaaro^ tu; SoxeT elvai xal toü? xe öcXXoik; ävaxpeTrojv y.al auxö<; sauxov; oI(zai 8s aüxoü T7jv aXrjösLav rapa aoü xdXXiaxa rtetiaeaOai. ÄXXo u ^suS?) Xsyeiv oüx saxiv; xoüxo yap Süvaxai 6 Xoyo?. yr\ yap; äXX' % Xeyovx' aXvjöyj Xsyeiv vj jj.73 Xeyctv. Jedes Wort versteht man sofort, denn jedes kommt unmittelbar so heraus, wie es sich dem Redenden auf die Lippen drängt, und doch regiert das Ethos, und weil das lebhaft ist, sind die Gedanken nicht so geordnet, wie es der Rhetor tun würde, sondern wie es der Dramatiker tut, wenn er das Leben, die Natur wiedergeben will. Die Sophisten haben gesiegt, ihren Widerpart Ktesippos mit dem alten Fangschluß mundtot gemacht. Es entsteht eine Pause. Sokrates greift ein und markiert es in der Wieder- erzählung mit der Angabe der Stimmung, in der er zugehört hat; er hat sich verwundert; der griechische Ausdruck läßt in der Schwebe, ob er bewundert hat, was zu der ironischen Haltung seiner ganzen Wieder- erzählung stimmt. K&q Xsysic;; das bereitet die Rekapitulation der gegne- rischen Rede vor, die am Ende kommt, schon jetzt kommen könnte. Mit dem kurzen, unnachahmlichen yap rot aXXa bringt er den Grund seiner Frage; wir spüren den Ton, in dem er fragt. „Ich verstehe dich nämlich wirklich nicht, sondern bin auch jetzt noch so ungläubig wie sonst." So etwa läßt sich aussprechen, was die Partikeln kurz und kräftig zu erkennen geben. Er muß um Aufklärung bitten, weil er durchschaut, daß der Fang- schluß sich selbst fängt. Aber an das äsl 0au[xat^w schließt sich erst die Ausführung, daß es ein alter Kunstgriff ist. Und dann greift er zurück, ohne sich an der Wiederholung des Gaofjiaaxdi; zu stoßen, die uns das Ver- ständnis erleichtert, und daran schließt sich mit jenem xai, das so oft eine Erklärung bringt xai avaxpeTuwv auxö? sauxov, wo wir übersetzen ,,er wider- legt sich nämlich selbst". Ganz zwanglos, so daß das anschließende 8e adversativ oder überhaupt irgendwie zu übersetzen geradezu falsch ist „ich denke, du wirst mir das ganz wunderschön erklären"; da hören wir wieder die Ironie hindurch. Und nun kann er seine Frage stellen, wieder nicht ohne einen Zwischensatz „das liegt doch darin 2), nicht wahr". Darin

x) Sachlich ist der Gedanke, ob die äpsxv) durch «pticic oder xpoep/j er- worben wird, auch nicht vor dem Menon, kaum vor dem Staate denkbar.

2) xoüxo Süvaxai 6 Xoyoq sagt der Grieche; der Lateiner sagt da vetle für SüvaaSai; beides faßt das Wort noch sinnlich, gibt ihm Kraft oder Willen. Wir verlegen höchstens noch unser Meinen oder Sagen in das Wort, das meint oder besagt, was in ihm liegt.

Sprache und Stil. 423

pulsiert das warme Leben. Wer der Sprache mächtig ist, hört alles sofort heraus, ohne an die Kunst zu denken, die es so nur herausbringen konnte, wenn der Schriftsteller die Szene wirklich innerlich durchlebte. Daher braucht der Erklärer viele Worte, und so gut sich's mündlich macht, so etwas niederzuschreiben ist unerfreulich, wie das Betasten eines Schmetter- lingsflügels, dessen Farbenschmelz dadurch zerstört wird.

Noch mehr widerstrebt es mir, eine Probe davon zu geben, wie sieh mit diesen Mitteln die höchste poetische Wirkung erzielen läßt, wenn das Ethos des Redenden entsprechend gesteigert ist. Stehe denn hier der Schluß der Diotimarede, 210 e 2, den ich oben zu übersetzen versucht habe. Aber ich überlasse es dem Leser, sich klarzumachen, wie die Sätze und Satzglieder alle schon durch die Wortstellung ganz leicht ver- ständlich sind, übersichtlich Glied für Glied, und von dem Wohllaute des Rhythmus kann ich vollends auf keine andere Weise als durch die Rezi- tation eine Vorstellung geben. Nur wenige erläuternde Bemerkungen schiebe ich ein.

Eine Aufforderung, gut acht zu geben, hat einen neuen Abschnitt abgegliedert, und durch ein eingeschobenes s^tj, das zur Verstärkung noch eine Bezeichnung des Subjektes erhalten kann, geschieht im folgenden dasselbe, 6c, yap av [Lty^i evxaüöa 7rpoc, ra Ipümxa 7caiSayt>>Y^6^t, öewjjievot; ecps^q Kai opööc, tx xaXa, izpbc, teXoc, 7]o"t} twv tüv Epomx&v s^atcpvv}^ xaTO'j/eTod xi öaujxaaxöv ttjv oüaiv xaXov, toüt' sxeivo, 5> EcoxpaTsc,, 87) evsxsv xal 01 £[L- -poaösv tcocvtsc, 7tovoi •Jjaav, Tcporrov uiv oceI 8v, xal oöte Y^TvotA£:vov oute aTioX- Xujjlevov, oute aü!;av6[Z£vov oute 9O1VOV, szzitix . . . folgen noch eine Anzahl solcher komplementärer Doppelglieder. Da wird ein neuer Ansatz und eine neue Bezeichnung des Subjekts notwendig. ou8' ccj (pavTaaOrjaeTai auräit. xaXöv olov 7rp6<iGi7rov ti oüSs yeipzc, ouSe aXXo ouSev wv <j<ö[i,a [izriyti, oüoe Tic \6yoc, ouSe Tic, imarr^-q, ouSs tcoü ov ev ETspcot. TivC, olov ev £g>ioh tq Iv Y7)i :f\ ev oupaväi'. 7] ev tcoi <5cXXcot, dXX' aÜTÖ xa9' auTO [A£0' auTOÖ [i.ovosi8sc, asl öv (so viele verschiedene Ausdrücke, weil das Singulare gar nicht stark genug herausgebracht werden kann), tx Se <3cXXa TiavTa xaXa exsIvou (xete- ^ovTa Tpo^ov tlvä toioütov, olov Y^yvo(X£vo)v te Ttöv öcXXmv xal (xttoXXujzevcüv jjl/jo'ev sxsTvo (jl7)te ti 7uXeov (j,'/)te eXxttov Y^Yvsa9al ^^Se Txaaxetv jatjSev. Nur grammatisch hängt das alles noch von 9avTaaO/)a£iai ab; das ist dem Hörer gleichgültig und kaum bewußt: er wird nur noch hören ,,das ist so", und das erträgt ja die Sprache. ÖTav Sv] Tic, <xr.b twvSe Stä to öpöcac, -rcatSspaaTEtv £7iav!.a)v exeivo t6 xaXov äpyTjTxt, xaOopav, ct/eSov &v ti öctttoito toö teXo'jc,. Damit ist, wie 8yj und die Aufnahme von teXoc, zeigt, auf den ersten aus- geschriebenen Satz zurückgegriffen. Der letzte kurze Satz läßt uns auf- atmen; das Ziel ist erreicht, in den vorhergehenden vielgliedrigen Sätzen spürten wir die Mühe. Nun wird rückblickend noch einmal der zurück- gelegte Weg überschaut toOto y<*P $'h £°Tl T0 opOöic, &«l spdmxa tsvat }] •)~" xXXou <5cY£i6ai, äp^o[i.Evov a7i6 tgjvSe twv xaXcov exelvou evexx tou xaXou asl ETravisvai, toa^sp ETavaßaa|xoic, ^cwji.Evov auö evoi; im Süo xal ärto Sootv l~l TcavTa Ta xaXa oco^xtx, xal xtcö tcöv xaXwv aco^arcov £-1 Ta xaXx e?uT7;8eiiu.aTa, xal arö twv ETUTYjo'E'ju.aTGjv sttI xaXa [xaOrju.aTa, ax; a^ö tüv (i.aOv][i.aTCi)v et' exeivo to [ia6n](ia TsXeuTTJcnrjt, o eaTtv oux a>Aou 77 auToü exeivou toü xocXou

424 Textkritik.

[j.iQr^a., xal yv&i aü:6 teXe'jtwv ö laxt. xaXov. Wie wunderbar wirkt es, daß ■o'j'ö vorausgenommen ist aus der gewöhnlichen Verbindung aürö to xaXov. Nun wieder Atem holen nach dem Aufstieg, also Nennung der Redenden und Anrede des Sokrates. EVTaüOa toü ßiou, & 91XE EcoxpaTE<;, ecpT] tj MavTi- vixv] ££vt), et7cep Jtou &XXO01, ßuoTÖv avöptorrwt Oscüptsvtoi aÜTÖ xaXöv. Fühlen wir nicht, daß wir am Ziele sind, und wie beseligend das Ziel ist, in dem kurzen Satze ? 6 eav ttots {81)13, xara /pimiov ts xal EaOrJTa xal -ovq xaXoüq TiaTSäc; te xal vcaviaxou«; S6^ei ooi stvat,, oü<; vuv opöiv lx-s7rX7)£ai xal EToipioc sT xal xal aXXoi ^oXXol opwvTE;; ra 7iai8ixa xal £uv6vts<; asl aÜTOi?, ei Jttoi; olov r' 7)v, IJ.7JT' Eaöisiv [xtjte tuveiv, iXXa Osäaöai [xovov xal auvsivai. -i Sfjzct., g<pi) (dieser Einschub gliedert wieder ab, eine allgemeine Betrach- timg; dann lenkt ein anderes e<pr, zu Sokrates zurück), olo^sOa, et toji ysvcHTO aurö t6 xaXöv LSeiv, slXi.xp;.vsi; xaOapöv ÄjxeiXTOV (drei Synonyme, weil sich wieder die Singularität gar nicht genügend herausbringen läßt) äXXa [AT] ävaTiXEcov aapxcov te avQpwiuvMV xal /pouaTcov xal öcXXtjc; -oXXtj? <pXuapla<; Ov^tt;«; (wie muß ein Rhetor diese zweiten drei Glieder bewundern, die nicht asyndetisch nebeneinander stehen, das letzte seh* viel länger, um die Menge irdischer Nichtigkeiten zu veranschaulichen, und die Stellung, die 6vy]T7J<; hervorhebt, das mit verächtlichem Tone gesprochen wird), äXX' auxo to QeTov xaXöv SüvaiTO u.ovosi8e<; xaTiSsiv. ap' ol'si, Icpi), paüXov ßiov YiyvzaQca sxEias ßXeTtovTo? ävöpojTtou xal exelvo gh Sei Qscoptivou xal <t'jv6vto<; aÜTcoi. Die letzten Worte klingen mit Absicht an das Osäaöai xal auvsivai. an, das von dem irdischen IpaaTife gesagt war. 73 oüx EvÖutz/ji, £913, öti EVTaü0a aurcüi 'jiovaxoü ysvTjasTai, opcüVTt, cot öpar&v to xaXov, tIxtsiv oüx EiSwXa ipe^jfe <xte oüx sl8ü>Xa>v £<pa7:T0[XEV(0!., äXX' äX^0'?j, ars toü aXy)0oü<; scpaTTTOLisvcoi. Das ist so scharf auch im Klange antithetisch, weil es den Eindruck der unmittelbaren Evidenz machen muß, denn mit dem Thema, der Erotik, hat dies nichts mehr zu tun; dem Piaton aber ist es erst der wahre Erfolg der Mühen, texovti 8k apsrJjjv akrßr, xal Ops^aMivoH ÜTiäpxei Oeo^iXs? yEvsaöat. xal si-ep Ttot, aXXwi ävöpuxrcov äOavaTcot. xal exeivoh. Die letzten zwei Worte konnten fehlen; sie sind für den Rhythmus da; ohne sie klingt es abgebrochen. Ein späterer Rhetor würde freilich schelten, daß der Schluß metrisch angesehen den verpönten Klang des Hexameter- schlusses hat.

Ist nicht die Wirkung hier der höchsten Poesie gleichwertig, und ist nicht zugleich alles ganz natürlich, ganz wie es frisch aus der Seele quillt ? Eben dadurch wird dieser Stil, den Piaton auf der Höhe des Lebens zur Vollkommenheit bringt, ein Unübertroffenes und Unübertreff- liches menschlicher Rede. Kunst und Natur scheinen einander zu decken. Daß er aber doch von den eisten Ansätzen, zu denen ihn die Natur halb unbewußt geführt hatte, fortgeschritten sich eine -t/y-q geschaffen hatte (die sich auch nachbilden ließ, wie es z. B. der Verfasser des größeren Hippias mit leidlichem Erfolge erreicht hat), zeigt sich in dem Stile seines Alters, der in allem künstlich ist und ebenso manieriert wird wie der Michel Angelos in der Paulskapelle gegenüber dem der Sistina. Das tritt ganz deutlich im Phaidros hervor; es werden sich wohl schon in manchen Teilen des Staates Ansätze aufzeigen lassen. Angemerkt ist es oben bei

Sprache und Stil. 425

den einzelnen Schriften des Alters, wie ich sie schätze; ich will doch auch hier Prohen geben. Zu unterscheiden sind zwei Arterf.

Wo Piaton lehrhaft seine erkannten Wahrheiten vorträgt, wie er es im Phaidros und dann weiter oft tut, wetteifert er nun bewußt mit der Poesie; daher tritt die Metapher als Ausdrucks- und Schmuckmittel hinzu. Auch gegen den Hiat wird er empfindlich, dessen Vermeidung ja aus der Poesie stammt, was die Leute, die auf diese Äußerlichkeit übertriebenes Gewicht legen, ge- meiniglich vergessen. Alles wird auf den Ton des yLzyxloTzpzxlc, gestimmt, und die weiten und schweren Falten des Prophetenmantels stehen diesem Redner wohl zu Gesichte, der aus einer anderen Welt zu kommen, vom ÖeoXoysiov herab zu reden scheint. Aber das wirkt nun auch auf den Dialog hinüber, und das darf man nicht mehr loben, an sich nicht, weil es Manier wird und da verdrießt, wo früher die Natürlichkeit entzückte, und voll- ends nicht, weil es dem schlichten Verständnis der Gedanken abträglich ist. Unleugbar machte er nun viel zu viel Worte; recht viele Partikeln möchte man ihm streichen, die au und yz und Svj und auch manches ax^Sov, und die Periphrasen töc r.zpi 1), das naXiaToc, das -avj ccpoSpa und ähn- liche Häufungen, und so manche Verdoppelungen von Verben, worin ihm Plutarch besonders gern folgt, rrspi wird seine Lieblingspräposition, und seine Anastrophe, die dem Aristoteles ganz poetisch ist, wird bevorzugt 2). Die Abneigung gegen den natürlichen Ausdruck muß geradezu als eine Leidenschaft dieses Stilisten bezeichnet werden, und keine berechtigte. Endlich hat er seine Freude an einer Wortstellung, die das gerade Gegen- teil der natürlichen ist. Wenn diese von dem logisch Normalen abwich, weil die Stimmung anderswohin zog, so ist hier freilich auch das Ethos des Redenden die Ursache, aber dieser redet nicht von der Leber weg, sondern ihm geziemt anders zu reden als die gewöhnlichen Sterblichen. Daß er sich auch im Dialoge mit der Poesie berührt, ist eine Folge- erscheinung. Phileb. 65 a et y.rt fuäi SuvaaeOa 18zoli ayaööv Ovjpsüaai, aüv Tcici XaßövTE? . . . Xsycouev. Das steht für Tpial auXXaßövTSc; aüvTpiatv ist unerträglich 3). Wenn man nur ein Sätzchen hört wie 20 b, muß man den ganz alten Piaton erkennen: Xöycov ttot£ tivcov -aXoa äxoüaai; Övap ^ xai eYP7)* •rop&c, vuv evvoö Ttept ~.z rfiovric, xai opovrjaswc. Schon daß icspl '/jSovr.t; ans Ende

1) An ol -epl 'AptoTap/ov ist man auch später gewöhnt, wie denn die Neigtmg zur Periphrase und die Substantivierung des Artikels sich als hellenistische Erscheinungen, also etwas Modernes betrachten lassen.

2) Mit dem Dativ -spi zu verbinden, hat er immer gewagt, wenn -äch's um ein Öappsiv oder SsSiivai -zpi xvn handelte. Das war ihm natür- lich. Sinnlich steht einmal reepl ttji xsipf Staat 359 d, im Märchen: das ist also ein Mittel, diesen Charakter zu geben. Übrigens steht :repi adverbiell für ringsherum Tim. 73 d ar^yaa^a vjy.r.r-pjoi; -spi oXov 6ar£tvov, wo man es :. acht falsch auffaßt. Der Gebrauch wird oft verkannt. Vermutlich hat man in solchem Falk- ~.ip: gesprochen, wie in der Ableitung 7tepi£.

3) Verstanden hat, wer 05 b 10 GuXXaßoö für Xaßoü schrieb. Darauf führt eüXocßoö bei Stobaeus. Aber die Lesart darf nicht aufgenommen werden.

426 Textkritik.

gerückt ist, macht einen gewaltsamen Eindruck; aber das mochte er sich immer erlauben. Geziert ist die Antithese t:ox£ und vüv, in rj xoa abundiert das tuet. Aber er kann nicht mehr Övap vj urcap sagen, sondern gibt dafür einen neugeformten Ausdruck: die alles beherrschende Flucht vor der xupta Xe5;i<; ist bestimmend. Er hat sich. ja auch angewöhnt. tcoXXcov ävTa^ios ETspaw für aXXwv zu sagen, und gar Irspot; #XXoh Ges. 915d l), und wenn er das Orakel anführen will oüV sv Xoyoi out' ev api9(i.toi, so sagt er 17 e oüx eXXoytfjiov oüS' £vapi6|xov häßliche Neubildungen, die an dem ebensowenig schönen cyxaipiov ihre Analogie haben. 26 d toü u.äXXov xal toü EvavTiou, Polit. 288 c <t7tou8tj<; /äpiv neben TcaiSia«; svsxa, Gesetze 860 b tcXyjSsi xat [xsyg- Gsouv, bloß um den Numerus zu variieren, und viel der Art. Zu dieser Ver- meidung des natürlichen korrelaten Ausdrucks wird man die wirklich an- stößige Verbindung von Infinitiven des Präsens und des Aoristes rechnen, die in TCocöelv 7} a:toTivsiv die Gesetze durchzieht und schonPolit. 299a vorkommt2), Die Wörter werden geflissentlich so gestellt, wie man's nicht erwartet, und dabei so kühn konstruiert, wie es mancher Dichter sich nicht erlaubt. Ges. 640b 6 vüv yz 00 oxpaTOTreSou Trspi Xeyo^ev äp^ovro? *lv ävSp&v by.'Skitxic, cxöpwv e^OpoTq (j.E-a tcoXe^ou, «piXwv 8' ev Eipr;v7)i 7vpö<; 91X0U? xoivtovTjoövTov epiXo<ppoauv7)<;. Da war zuerst gedacht Trspl OTpaTorcsSou ap£ovTO<; tzo'k£[lo\>, aber dann trat anderes dazwischen, so daß ttoXsjjiou zu diesem gezogen ward. Darin hat die Umsetzung in nominalen Ausdruck die natürliche Rede verrenkt. Verbal wäre 6\u\ouaiv <xv8ps<; hyßpoi e-/ßpolq [lst&. r.oXsuou durchsichtig. Welche Wirkimg die verschränkte Wortstellung erzielen will, sagt sich wohl jeder. Nur noch ein paar Sätzchen, die zugleich die leere Breite zeigen, Phil. 52 d 3 eti tocvuv Tzpbq toütok; \j.ztj. TaÜTa toSe auTtöv SiaösaTEov. Wieviel Wörter zuviel. Gleich darauf xi izor <5cpa & StoxpaTE^ spa/rau; ßouX6[i.£v0i;; wieder etwas weiter tÖL 87; rspl 7ravTG>v 60a xaGapa y£vri Xeyojxsv outcooI Siavoy)Oco(jiEV 7rpoEX6pi.Evot Tcp&Tov aÜT&v sv Tt axoTCoifjisv: ri o5v 7cposXc!>u.E8a;: to Xeuxöv ev xott; TtpwTov, ei ßoüXsc. ÖEaGcofjiESa ysvoc. Es hätte sich genau dasselbe mit einem Satze sagen lassen 181 873 xtov xa6apaiv rcpcüTov axo7ic5[jisv, sl ßoüXsi, to Xsuxov. Wahrhaftig, wer diesen Stil vor dem Staate für möglich hielt, der war für die Sprache, den Ausdruck der Gedanken, unempfänglich; allerdings für das Wachstum der Gedanken auch, wenn er die Lehre des Philebos vor den Staat, die Logik des Theaetet in die „megarisehe Periode" rückte.

-, ]) Scheinbar weicht ab Ges. 791 c 8 |j.y] SücxoXov ev ^ux*ji. xal

SuaxoXov ou cr[i.ixpöv u.6piov sü^u^la«; xal xoexo^u^ta^, aber da macht erst die Neubildung xaxo^uxia deutlich, daß sütLuxta ganz allgemein verstanden werden soll, nicht als Tapferkeit, wie es doch allein gebräuchlich war. Und vorher ist das natürliche SuaxoXov xal \ii\ geflissentlich um- gedreht.

2) Im Menexenos 243 b darf das nicht geduldet werden, da gehört hin E7caY(aY)£a8ou xal . . . auvaSpotaat.. Die Haplographie kommt auch auf den Steinen nicht selten vor; vielleicht darf man daher an eine Verkürzung zu ETray^aSai denken: den Unterschied der Tempora haben die Athener nicht vergessen.

Sprache und Stil. 427

So störend wird der Altersstil nur im Dialog. Dem feierlichen Vor- trage steht er wohl an, und nach einiger Anstrengung gewöhnt sich der Leser und gibt sich dem eigentümlichen Zauber dieser Rede, die kaum etwas Vergleichbares hat, willig gefangen. Als Probe gebe ich auch hier eine hochberühmte Stelle, die Rede des Demiurgen aus dem Timaios 41 a 7. 6sol 8swv. Gleich die Anrede „Götter aus Göttergeschlecht" versteht man erst nach einigem Besinnen, und dann wundert man sich erst recht, da die Götter doch eben erst geschaffen sein müßten, bis man sich klar ge- macht hat, daß eben die hesiodische Theogonie unter Vorbehalt anerkannt ist. wv eyw 8r,u.io'jpyö<; 7uax-/)p xs spycov aXuxa £|i.oü (xt) eOeXovxoi;. Da schien das Subjekt schon hellenistischen Lesern so versteckt, daß sie es durch einen Zusatz 8C efxoö ysvouEva verständlicher zu machen suchten. Es hätte nahe gelegen, auch zu |rq eÖsXovxoi; ein Xüeiv zuzufügen, denn auch das fordert Überlegung, hat auch zur Auswerfung des ptrj geführt, was dann bedeuten sollte, „wenn ich will, seid ihr unvergänglich", spywv paßt nur zu Sr^ioupyoQ; -ax7]p, das dazwischen tritt, gab sich durch die Anrede an die göttlichen Personen, (jlev oöv Sr) SeGev ttöcv Xuxov, xo ys (xyjv xaXöi<; äpu-oaÖsv (Abwechshmg von 8e6sv) y.y.l e/ov £^ ^üsiv sösXsiv xaxou. Dies kurze xaxoö würde ein Rhetor aüaxTjpov nennen; das schickt sich auch für die höchste os^voxiqc. 8i' a xaL, hr.dTZtp yey£vY]aös, äOavaxot. (xsv oüx eoxe oü8' äXuxoi. to 7ta[ATtav (abundierender Artikel), oüxi jzev 8f] (fjLsvxot. erwartet man) XuÖYjcreaös ys ouSs xsü^soOe öavaxou u.oipa<; (Periphrase), X7)q eii.r(? ßouXrjaeax; usiCovoc; sxi 8sa[xoü xal xupuoxspou Xax6vx£<; sxsivcov ol<; 5t' eyiyveaös cpjveSslgÖs. vüv oöv 6 Xeyw xpbc, ujj.5? svSsixvüjxsvoi; uäOexs. Dem Befehle geziemen kurze Glieder: 6v7]xa Sti ysvv] Xot,7ta xpla aysvvTixa' xouxwv 8e [X7] ysvojAsvcov oupavcx; äxEXr)<; saxai (den Artikel vor oupavoc; fortzulassen, ist poetischer Stil; sehr viel der Art in den Gesetzen). xa yap a7tavx' iv aüxök yEvy] £coicov oux' s£si (verschränkte Wortstellung), Sei 8s, eI uiXXsi xeXsog Ixavöii; slvai. 8i s[lo\> 8k xaüxa ysvoijiEva xal ßloo [i.sxaax6vxa 6soT<; laa^otx' av. £va o5v 6v7]Ta t' tj!., to TS rräv x68e Övxüx; a~av ^1 (der gleiche Ausklang zeigt die not- wendige Elf üllung der beiden Bedingungen), xps7usa9£ xaxa cpüatv u[aei<; kiA xtjv xwv ^roiwv 8v>(i.ioupytav u-t^oüjxsvoi xyjv e[xy)v Süvauiv 7tepl X7)v uusxspav ysv£at.v. (Recht hartes xspi, kurzen nominalen Ausdruck zu erreichen.) xal xa8' oaov |X£v aÜTÖiv aOaväxon; ouwvufjiov slva'. 7tpocY;xs!., ÖsToi. Xsy6^svov 7)y£|i.ovoüv x' ev auxoiq xcov dsl Stooji xal upüv s9sXovx<ov g-EoGai a^pa*; xal Or:a?^a^.Evo<; syco -apaSciaa». Da sind viele Gedanken mühsam verkoppelt, denn das Oslov, das diesen Namen so uneigentlich führt, wie es döavaxov nicht eigentlich ist, erhält eine Erklärung als Y)ys[i.ovoöv, und weil es nur für die Philosophen die Führung behauptet, wird das in einem Zusätze an- gegeben, der wieder neben der 81x7] wider unser Erwarten die Götter Dringt, denen die Aufsieht über das Weltenregiment zufallen soll. Und dann ist xaO' öcov „dementsprechend daß" zwar gut, aber man erwartet dann xo Gstov oder 0si6v xi. Endlich trägt xal u7rap£a<i.svo<; etwas nach, das wir entweder dem Säen (kühne Metapher) untergeordnet erwarten oder auch ein üaxspov -poxspov nennen können, wie es die Poesie seit E^jtaxä t' xjAfpisaaaa xal Xosaaaa liebt, 8s XoiTräv ü^clt; aOavaxau Gvtjtov xpo(TU9'/ivovxE? (andere ebenso kühne Metapher) azspyaCsxs ^öita xal ysvväxe

428 Textkritik.

(zusammengestellt wie Sr^ioupybq xal :rax7)p) xpcxpyjv xs SiSövreq au^avexe xal 98ivovxa T^aXiv S£yeaO£. Dor letzte Befehl greift über das jetzt zu Leistende weit hinaus, eröffnet den Bliek auf die ganze ewige Tätigkeit der Götter, gibt aber so den würdigster) Ausklang. Der Rhetor würde hier mit dem Ditrochiius zufrieden sein; der Metriker könnte eine ihm wohlbekannte Klausel glykonkcher Reihen anerkennen. An keins von beiden hat Piaton gedacht; aber es klingen die parallel gebauton Glieder würdig zugleich und sanft und wohllautend aus. Es verhallen die Mahnungen des scheidenden Schöpfers. Mehr schreibe ich nicht aus; aber ich rate, nun gleich weiter zu lesen. Da trifft man hinter vopiou«; xrjc eifj.ap(jiv/)<; eItcv aüxoi<; eine lang^j in- direkte Rede, Aus der späteren Prosa sind wir sie gewöhnt, aber es liegt am Dialoge, daß sie bei Piaton selten war, und sie hat ja auch immer etwas Reflektiertes, Unlebendiges an sich. Und in Sätzen wie 42 b ttocXiv elc, xrjv xou ouvv6[i.ou ropsuOsii; cü'xtjchv aaxpou, oder xporcov ov xaxuvo'.xo, xaxa tJjv ojzoioTYjxa ~r,q xoö xpozou yeveaeox; zXc, xiva TOiaö.T7)V dcel (xexaßaXot ÖTjpsiov ipüaiv hat er sowohl die verschränkte Wortstellung wie die Periphrase in leuchtenden Beispielen.

Im Timaios ist die Wirkung dieser seltenen, aber auch seltsamen Kunst so stark, daß sie uns ganz wie ein berauschender Duft umfängt; wir träumen am Ende, wie ja das Ganze ein Traumbild ist, und wie die Unmöglichkeiten des Traumes nehmen wir alle die überkühnen Metaphern willig hin, an denen der Schriftsteller re. Ü^ou? berechtigte Kritik übt. Ahnlich ist die Sprache wenigstens strichweise in den Gesetzen und vor allem auch in den Briefen. Im siebenten weiß Piaton den historischen Bericht auch einfacher und ganz anschaulich, doch immer mit starkem Ethos zu gestalten, wie es ja auch nicht ein Erlahmen der Kraft ist, son- dern eine eigenwillige Übung der Gewaltherrschaft, die er über die Sprache besitzt. Und immer verleiht er seinen Sätzen einen ganz beson- deren, persönlichen Rhythmus, der freilich mit Längen und Kürzen, wie os die erstarrende Rhetorik treibt, nicht zu schematisieren ist was sich meiner Überzeugung nach auch bei Isokrates und Demosthenes nicht er- reichen läßt. Prosa bleibt es bei diesen großen Künstlern immer, Prosa, die nichts mit der Metrik, ihrem Takte und ihrer Responsion zu tun hat 1 ). Man muß diese Prosa laut lesen; sie wird dann verständlicher und ent- hüllt ihre Schönheit. Es wäre eine schwere, aber auch dankbare Aufgabe, das, was zu fühlen man durch Gewöhnung erreicht, auch für den Verstand faßbar zu machen ; für Interpretation und Textkritik wird jetzt das Gefühl des persönlich platonischen Rhythmus das Entscheidende sein, leider un- wirksam für den, dem es fehlt. Vielleicht ließe sich zunächst die Wort- stellung mit Erfolg bearbeiten, natürlich unter Vergleichung mit anderen, Thukydides, Isokrates, Aristqphanes, Menander.

J) Dem Anfänger Piaton ist es begegnet, im Hippias 372 c einen Tri- meter zu bauen y.ccizoi ~i [m£ov ay.cx.Qixq xsxuTJpiov, der so im Drama stehen könnte, nicht aus den anders rezitierten Worten herausgeschnitten werden muß wie die angeblichen Hexameter im Isokrates u. dgl. Dies ist ein Zeichen davon, daß Piaton sich am Drama gebildet hatte.

Sprache und Stil. 429

Niemals ist Piatons Sprache ein sXafou psüfxa ai^ocpyjTi psov gewesen, wie die des Isokrates und noch die des Plutarch, dessen langen Perioden wir uns zuversichtlich anvertrauen; der wird uns immer ohne jede Ab- lenkung zum vorgesteckten Ziele führen. Es ist auch kein Strom, der sich hier und da an einem Felsen bricht und aus dem Bette getrieben wird, wie die Rede des Thukydides, oder gar die des Paulus, denn wo es so scheint, schlängelt sich der Bach nur anmutig, statt wider ein Hinder- nis aufzuschäumen, geschweige daß es künstlich aus dem Wege geräumt würde. Immer folgt er seiner Natur, seinem Ethos, und vjOo<; iu9pa>7üOH Sat[icov, sagt Herakleitos. Gerade in dem Altersstil steht er im Banne seines Dämon; dem müssen auch wir uns fügen, iXaaxeiv xöv Sai[!.ova. Der Schriftsteller zepl u^ouq, der so treffend als die belebende Kraft der demo- sthenischen Rede das TtaGoi; erkannt hat, der auch für Piatons Kunststil volles Verständnis hat (der Naturstil liegt selbst diesem Kritiker fern, weil er ein Rhctor ist), kann auch durch die Nachahmung, die er versucht, hilfreich sein. Uns Deutschen liegt Goethe am nächsten, und die Ver- gleichung mit ihm hat sich schon fruchtbar erwiesen. Aber das erste bleibt doch, Griechisch können, also auch die Kunstformen der alten Poesie innehaben, und dann sich in Piaton mit Liebe versenken. -Jj xpiaiq TtoXXr,!; r.tipxq TsXeoraiov <x7toyevv7i;j.a; aber auch zu ihr und über sie hinaus zum OsiaOrj.'. 7-Ütö y.aXov führt nur der Eros.

Nachträge.

Ich lasse einige der ersten Auflage stehen, die sich nicht wohl einarbeiten ließen.

I 85. Zur Zeit der höchsten Blüte des delphischen Orakels hat der Gott vielleicht selbst bei wiederholter Gelegenheit erklärt, daß ihm die reichsten Gaben nicht lieber wären als das kurge Opfer eines wahrhaft Frommen; auch daß wahres* Glück nicht an Macht und Reichtum gebunden wäre (wie doch Pindar glaubt), wird an Beispielen eingeschärft. Wahrscheinlicher ist. daß die Frommen sich diese Gsechichten zu Ehren des Gottes erzählt haben. Manches bei Herodot, auch die Solonno velle, gehört dahin. Ich stelle einiges zusammen, mag es auch hier nicht hergehören.

Zuerst hören wir von Theopomp (Porphyr, de abst. II 16), daß der Gott einen reichen Magneten aus Asien dadurch be- schämt, daß ihm die bescheidenen blutlosen Opfer des Klearchos von Methydrion am liebsten sind. Dann weiß Theophrast n. eu- (jzfizly.c, (Porphyr. II 15), daß die Pythia gegenüber Besuchern, die Stiere mit vergoldeten Hörnern bringen, einen Mann aus Hermione vorzieht, der ein paar tLouarxa mit drei Fingern aus dem Ranzen nimmt. Aber als derselbe nach diesem Lobe das Ganze auf den Altar schüttet, verwirkt er das Lob. Die Namen hat Theophrast weggelassen. Daher fingiert Ptolemaios Ghennos 249 b 19 einen Auxtac; und führt als Gewährsmann Osocppa-rrof-; ev iTuanroXcac; an 1). "Das Orakel ist in der Spätzeit verbreitet und liefert den Namen bei Hierokles zum goldenen Gedicht 421 Mullach aXXa [ioi euaSe /6v8poi; 'AyaxXuTou 'Epjjuovyjo';. aus anderer Quelle verdorben im Scholion zu Lukian, Phalaris 2, S. 8 Rabe. In Sopaters Proll. zu Aristeides 740 Dind. lautet der Spruch suaSs [ioi yßiQbq Xißavoc;

KXUTOU 'Ep(J.t.GVVJG(;.

') Daneben nennt er als (koaeßsaraTot; noch einen 'Av-uyovof; 'E<p£aio<;, den er schwerlich erfunden hatte; Photios hat weiter nichts ausgezogen, und es ist wohl nichts weiter bekannt.

Nachträge. 431

Eine dritte Pprallelfigur ist Aglaos von Psophis, den Pau- sanias VIII 24, 13 dem Kroisos als seinen Zeitgenossen gegen- überstellt; er sollte zeitlebens glücklich gewesen sein, worüber Pausanias albern philosophiert. Besser Valerius Maximus VII 1, 2. Da kommt Gyges nach Delphi, fragt nach dem Glücklichsten; der Gott nennt Aglaos, den Gyges aufsucht und seine fromme Armut findet. Wohl aus Valerius hat das Wesentliche Plinius N. H. VII 151, vielleicht auch Schol. Iuvenal 14, 120. Bei Ausonius im Ludus VII sapientium 99 ist Aglaos in die Reihe der Glück- lichen aufgenommen, von denen Solon dem Kroisos erzählt: das ist eine Abweichung von Herodot, notwendig, weil Kleobis und Biton nicht paßten, wo der Spruch Solons war riXoc, öpa (jiaxpou ßiou, wie er sehr oft lautet, also iam bisch (Usener Wien. Stud. XI 170). Hinzu tritt, daß Tellos hier TsXXtjv heißt, mit einer seltenen Bildung, die aber für einen megarischen Musiker und Dichter be- zeugt, ist. So hat wohl eine iambische Bearbeitung der Geschichte bestanden, auf die auch der Vers su8aifi.ovi£s(.v, aXX' öxav Xaßyjt xzkoc, bei Eudemos Eth. 1219 b 7 zurücl gehen wird. In den luvenal- scholien 14. 328 wird mit dem Spruch Solons verbünde i, daß Kroisos bei Tralles besiegt ist, und sein stummer Sohn dem Kyros zuruft „homo es Cyre, parcc homini": das ist auch über Herodot mit praktisch moralischer Trivialethik erweitert und paßt gut in solche Iam bographie, wie sie z. B. Chares trieb. Aglaos heißt ein Seher, Vater des Polyidos (der korrekt Koiranos ist) in (Jhristodors Ekphrasis 263; da muß ein Mißverständnis sein, das ich nicht aufklären kann.

I 289. Mit dem Protagoras berührt sich das 5. Kapitel der Aiacrol Xöyoi, wie Diels die sog. AiocXe^eic ax£7mxou passend be- titelt hat, so nahe, daß man an Abhängigkeit denken kann. Die •cheint mir doch nicht zu bestehen; wenn hier Polykleitos seinem Sohn sein Handwerk beigebracht hat, so ist es eine Steigerung, daß Piaton sagt, der Sohn ist doch hinter dem Vater stark zurück- geblieben. So betrachtet, gibt die in dem nächsten Jahrzehnt nach 404 verfaßte Schrift kein direktes Zeugnis für die Abfassungszeit des platonischen Dialoges, aber wir sehen, wie stark Piaton von den sophistischen Debatten noch abhängig ist, wie er noch ganz überwiegend fremde Gedanken reproduziert, was ich hier nicht im einzelnen ausführen mag. Gerade das zeigt den Anfänger.

ich habe vermutet, daß das Altertum diese dorische Schrift

432 Nachträge.

unter dem Namen des Aristippos geführt hätte, natürlich ohne Berechtigung, wesentlich auf 'die Sprache hin, die man einem Kyrenäer zutrauen kann. Denn daß sich in unserer für Sophistik und Philosophie doch recht reichlichen pinako- graphischen Überlieferung gar kein Fleck finden sollte, wo diese Schrift unterkommen könnte, kann ich nicht denken, und ich kenne keinen anderen. Die Sprache mit ihrem £717100 fj.toat.xa schließt die verbreitetste dorische Schriftsprache, das Korinthisch- Syrakusische, aus; an Böotisch oder Thessalisch oder Lakonisch- Tarentisch ist auch nicht zu denken. Da verfällt man auf Kyrene, und ich dächte, daß gerade ein Kyrenäer, wenn er in Hellas einen anderen Erdteil zu nennen hatte, zuerst auf Libyen verfiel (5, 5).

I 483. Cicero führt im Orator 41 das Wort des Sokrates über Isokrates aus dem Phaidros an und fährt fort haec'de adulescente Socrales auguratnr, at ea de seniore scribit Plato ei scribit aequalis. Daraus soll niemand folgern, daß Cicero über die Abfassungszeit des Phaidros auch nur nachgedacht hätte, geschweige einer be- stimmten Ansicht folgte. Er weiß natürlich, daß das Wort des Sokrates in Wahrheit ein Urteil Piatons ist, also eine Prophe- zeiung ex eventu. Hatte er doch selbst Dialoge verfaßt. Daher ist es eigentlich widersinnig, daß er es in einem Atem als Wort des Sokrates nimmt und doch das Urteil Piatons über den Alters- genossen darin findet. Aber nur als solches hat es Gewicht. Der Stilkünstler empfing natürlich vom Phaidros den richtigen Eindruck, daß so etwas nur geschrieben sein konnte, als Piaton und dann auch Isokrates sich als das bewährt hatten, was sie für die Nachwelt waren.

I 596. Die politische Wichtigkeit von Ciceros Werk de repiiblica hat Eduard Meyer in seinem neuesten Werke gebührend hervorgehoben, aber die Tendenz desselben hat er verkannt und xlamit dem Verfasser und dem Werke unrecht getan. So urteils- los war Cicero nicht, in einer Herrschaft, wie Pompeius sie haben wollte, ein Ideal zu sehen, und die er hatte, reichte nicht einmal hin, der Anarchie zu steuern. Nein, weil er sieht, daß der Staat ganz aus den Fugen ist, glaubt der Patriot Cicero den Staat, wie er sein soll, zeichnen zu müssen, ganz nach dem Vor- bilde Piatons. Eben hatte er den Redner, wie er sein soll, ge- zeichnet; da verriet er den Glauben, selbst das Ideal erreicht zu haben. Hier konnte er nur im Anschluß an Polvbios die alte

Nachträge. 433

römische Verfassung zugrunde legen. Aber hinzu trat der wahre Staatsmann Piatons, den der Politikos lieferte. Diesen Dialog hat Cicero freilich nicht gekannt, also trat ein Vermittler ein, wie ich vermute, Dikaiarchos. So boten ihm die griechischen Theo- retiker den Gedanken; hinzufügte er, was dem Ganzen nicht nur das römische Kolorit gibt, sondern was aus der Studierstube in das Leben führt, die Person Scipios. Es war einer seiner glück- lichsten Augenblicke, als ihm der Gedanke kam, Scipio als den wahren tcoXi/uxos, den vir princeps einzuführen. Der hätte sein können, was Sulla und Pompeius eben trotz ihrer Macht nicht gewesen sind, weil ihnen die Einsicht fehlte. Durch die Ver- legung des Gespräches in die Gracchenzeit entzog sich Cicero auch der peinlichen Frage nach der Realisierbarkeit seiner Ge- daaken. Dennoch fühlte er, daß sie Anstoß erregen mußten: daher sein Zögern mit der Herausgabe des Werkes, zu der er sich erst entschloß, als er auf ein Jahr aus Rom fortging. Die unmittelbare Wirkung litt unter dem Wirrsal des kommenden Bürgerkrieges; daß es später bei der Gründung des Prinzipates auf die Retter des römischen Staates seinen segensreichen Ein- fluß geübt hat, dürfen wir auch ohne Zeugnisse vermuten: es wies nach dem Vorbilde Piatons auf eine konstitutionelle Mon- archie. Ereilich mußten für diese ganz neue Formen geschaffen werden. Pompeius konnte einem Augustus so wenig Vorbild sein wie Sulla. Die dauernde Feldherrnstellung, die in der Auf- nahme des Vornamens Imperator liegt , die tribunicia potestas, die neben der persönlichen Unverletzlichkeit die Fortsetzung der populären Tradition bringt, lassen den Prinzipat von 27 v. Chr. als eine ebenso originale wie geniale Schöpfung erkennen.

Wilamowitz, Piaton. Band II. 2. Aull. * 28

Reg ist er'l

Sachregister.

I. Piaton.

a) Persönliches.

Biographisches Material II 1.

Geburt und Verwandte 34 38.

Geburtstag 272.

Jugendbildung 89.

Der Knabe 41, 116.

Schüler des Sokrates 116, 153.

Tragödien 92, 123. 112.

Während der Revolution 122.

Der Jüngling 153.

Kriegsdienste 181. II 3.

Hundeliebhaber 42.

Pferdekenner 42.

Beim Tode des Sokrates krank 325.

Stimmung nach Sokrates' Tod 203.

Stimmung im Gorgias 234, 241.

Reise 242. II 82.

Verkauf 253.

Stimmung nach der Reise 254.

Schulgründung 270.

Schule vorausgesetzt 328, 457, 519 u. ö.

Stimmungswandel bis zur zweiten Reise 287, 388, 442, 450, 489, 531.

Zweite Reise 545.

Zwischen den Reisen 547.

Dritte Reise 550.

Angeblicher Kauf der Papiere des Philolaos II 87.

Stimmungswandel bis zum Ende 587, 649, 693, 709.

Letzte Vorlesung 715.

Gesundheit 450, 615. 'Tod 719.

Testament 714.

Porträt 713. II 4.

Entwicklung der Ethopöie 140, 185, 187, 191, 210, 212, 214, 302, 326, 360, 375, 377, 445, 517, 559, 628, 660. II 232, 305, 361.

Entwicklung der Komposition 141, 148, 165, 181, 183, 186, 201, 213, 284, 297, 308, 326. 358, 367, 377, 391, 445, 515, 561, 590, 655.

164,

281, 516,

Entwicklung der Philosophie 139, 151, 201, 208, 232, 254, 274, 278, 298, 308, 341, 342, 349, 395, 418, 461, 470, 508, 522, 566, 586, 630. 632, 715—719. Entwicklung gvon Sprache und Stil 128, 134, 141, 225, 284, 461, 561, 574, 589, 629, 656.JI 232, 412—429.

b) Werke.

Apologie 165-169, 181. II 50—55. Briefe VI 605, 626, 706—707.

, VII 457, 648—652. II 282—300.

VIII 647—653. II 300—302. Charmides 187, 189—196, 200. II 63

bis 67. Epigramme 361, 362, 457, 644. Euthydeinos 299-321. II 154—168. Eutbyphron 204-208. II 76—81. Gesetze 654—704. II 258. Gesetze, zehntes Buch 660. II 315. Gorgias 209—238. Hermokrates 591. Hippias 135— 139. Ion 132—134. II 32—46. Kratylos 286—298. Kritias 594-598. Kriton 170—172. II 55. Laches 110, 183—187. Lysis 187 -191, 198, 303. II 68—75 Meuexeuos 267—269. II 126—143. Menon 274—286. II 104, 144-153. Parmenides 511—513, 516. II 221—229. Phaidon 172—179, 323—356. II 56—62. Phaidros 450—488. II 433. Philebos 628—642. II 266—277. Philosophos 560, 570, 573. Politikos 572—585. Protagoras 139—152. Sophistes 504, 559-572. Staat 393- 449. II 179-220.

erstes Buch 209. II 72. Symposion 356-392. II 169-178. Tetralogie Theaetet . . . Philosophos

557, 560, 570.

*) Das Register des ersten Bandes will nur denen dienen, welche den zweiten ungelesen lassen.

Register.

435

Tetralogie Staat . . . Herrn« ikrates 590,

627. II '255-258. Theaetet 513-533, 568. II 230-237,

413. Timaios 600-627. II 255-265.

Unechte.

N(JÖa II 325—330.

Alkibiades 1. 114. 378. II 326, 327.

II. 326. Anterasten II 325. Briefsammluug II 278—280.

Unechte 122, 513, 645. H 278—282, 407. SlCClp&Etg II 436. Hipparchoa und Minos II 325. Hippias I. 135. II 38, 328. Kimon II 326. Kleitophon 490. II 327. Sisvphos II 33. Theages 114, 184. II 325.

c) Gegenstände der Lehre oder doch der Besprechung durch Piaton. (Personen siehe unter II.) Achsendrehung der Erde 606. Äther 715. Allegorie 72.

Antilogiker 299, 520. II 156, 223. Apol Ion- Helios 420. Arete siehe Tugend. Arithmetik 251, 639, 716. Askese 73, 249. II 216. Astronomie 69, 472, 500, 606, 682, 754. Atheismus 691. Auge sonnenkaft 420.

Begrenzt und unbegrenzt 639. Bestattung Verbrechern versagt 691. Bilder II 416. Das Böse 529, 696. II 315—322.

Dämon, Dämonen 381, 615, 730.

Definitionen 276, 504.

Delisches Problem 503.

Demiurg 604.

Demokratie 435, 667.

Dezenz 361.

Dialekte, Gr. 292.

Dialektik 277, 280, 283, 301, 353, 419,

504. Dithyramben 91. Drama 322. Dreiecke 623.

Khegesetze 678. Elemeute 606, 620. Elementargeister 729. Erdgöttin 335.

Erkenntnis, Stufen der 385. Erkenntnistheorie siehe Logik. Erotik 198, 387, 457. Eschatologie 231, 329—338. 413. Etymologie 71, 287 ff. II 294, 308. Eudämonie 57, 306.

Feuer 605, 623, 635. Fischfang 505, 686. Flötenspielerinnen 154, 357. Fluchtlinie der Häuser 674. Frauen 398, 617, 677, 680, 721. II 200. Freundschaft 189, 198. Frömmigkeit 61, 203—207, 616.

Gerechtigkeit 62, 396.

Gesetz, Bindung durch 580.

Gleichheit 218.

Gott und Götter 347, 464, 589, 008,

652, 693. II 354. Götternamen 291. Das Gute (Wahre, Schöne) 59, 297,

389, 420—422, 589, 626, 640.

Harmonie der Einzelseele mit der

Weltseele 616. Hygiene von Leib und Seele 615.

Idee, Ideen 196. 208, 298, 346—352.

385, 419, 567, 604, 639. II 80, 225'

248-253, 294. Das Intelligibie siehe Sein. Ironie 376, 572. Irrtum 560.

Jagd 685. Jahr 687. Junggesellensteuer 678.

Kindergarten 679. Knabenliebe 42-48, 366, 371, 468. Komödie 641. Königtum 574, 583. Körper, Menschlicher 611. Regelmäßige 622. Kreis II 293.

Kulturgeschichte 574, 664. II 216. Künste, Bildende 19, 388, 633, 703.

Lebensglück 635.

Leber 613.

Leibesstrafe 670.

Liebe, Platonische 469.

Logik 208, 418, 521,562—569. II 293.

Lust 151, 173, 614, 630-637. II 267-276.

Mathematik (Geometrie) 69, 225.

495—500, 712. Materialisten II 240—243. Materie 621. Medizin 70, 462, 586, 613.

28*

436

Register.

Meßkunst 146, 224, 636, 639.

Meinen und Wissen; richtige Meinung

279, 282, 522, 568, 607. Metaphern II 215. Monarchie 583. Musik 50, 71, 251. 664, 679. II 306

bis 308, 438. Mysterien 39, 250. Mythen 226. II 170, 175, 393.

Naturgefühl 385, 455. Naturwissenschaft 69, 506, 587, 617. Neid der Götter 465. Notwendigkeit 374, 618. II 426.

Oligarchie 435. Orphiker 73, 249.

Philosophie, Wort 108.

Philosophie, Vorsokratische 74, 354,

562—564. Philosophen-Könige 233, 307, 404, 438,

573, 667. Poesie 454, 477-482, 664. II 308—314. Politik 234-236, 279, 305, 438—444.

Raum 621.

Rechnen 49, 682.

Rhapsoden 70.

Rhetorik 81, 214, 451, 476, 484, 578, 632.

Schrift des Theuth 453, 749.

Seele 298, 328-359, 354,395,460-463,

467, 470—474. Seelenteile 341, 395. Seelenwanderung 229, 251, 329, 460,

471, 609, 697. II 220. Seelen und Sterne 608. Seins, Reich des, des Intelligiblen

419-424, 604. Selbsterkenntnis 64, 200, 614. Selbstmord 697. Sklaverei 444, 6G8, 674. Sonne 420.

Sophrosyne 63, 197, 397. Spezialistentum 497, 617. Spiel 453, 6;^4. Staatsgötter, Staatskult 38, 40, 54, 72,

205, 296, 412, 690. Stadtanlage 674. Stände 397.

Steuern und Zölle 676. Sühnungen 411.

Talsperre 675.

Tanz II 307.

Tapferkeit 186.

Technik 632.

Terminologie 5, 289, 562.

Todesstrafe 671.

Tragödie 52, 86, 479. II 312.

Tugend und Tugenden 55, 59, 151, 396.

lehrbar 151, 276. II 151. Tyrannis 436.

Unterricht, Volksschule, Hochschule

388, 680, 683. Ursache 352, 640.

"Verfassungsformen 427, 433, 583. Vorreden der Gesetze 688.

"Wahnsinn, Göttlicher 2, 454, 484. Wahrsagung 613, 692. Weingenuß 663. Weltseele 566, 607, 707.

Zweite 696. II 315—323. Werdens, Kreislauf des 330. Wiedererinncrung 278, 354, 610. Wissen des Wissens 276. II 65.

Zeit 609. Zuchthaus 670.

d) Text.

Akzentuatiou II 339, 368. Antike Ausgabe II 324. Aphaeresis II 338. Armenische Übersetzung II 333. Emendatoren II 336. Doppelfassuugen II 340, 375. Glosseme II 329. Handschriften II 333.

F II 335, 375. 376. O II 332. " Y II 252, 358, 392.

Archetypus der Ge- setze II 332, 406. Lexika II 329. Orthographie II 337-339. Papyri Ladies II 366. Lysis II 68.

Phaidros II 362. Scholien II 330.

IL Das Übrige

Adeimantos 35, 37, 44.

der jüngere 36.

Ägypten 242—245, 596. Ärzte 70. Agathon 356, 373.

Antheus 360. Agesilaos 428. Aglaos 65. II 428. Ainos 705.

Aischines 91, 94, 126, 261, 297, 549. II 23, 35, 43, 143. Alkibiades 261. II 25. Aspasia 269. II 24, 143.

Register.

437

Akademie, Name und Ort 270 ').

Schule 272, 494, 510, 518,

663, 708, 740. Alte 728, 731. ., Neue 732.

., Florentinisehe 741.

Alexamenos II 28. Alexis, Dichter 362. II 252.

Schüler 362. Alkibiades 33, 104, 375. Alkidamas 266. II 109. Alkimos II 28. Alkinaion 249, 461, 464. Ameipsias II 139. Ammonios bei Plutarch 736. Anaxagoras 69, 77. Andokides 128. 157. Andrem 211. Antagoras 272, 364. Antiinachos 507. Antiochos von Askalon 734. Antiphon, Piatons Halbbruder 104, 512. II 221. Redner 30, 82.

s Sophist 83, 84, 128, 663.

Antisthenes 111, 136, 262, 288, 522. II 108, 163, 245. ., Dialoge II 26.

., Homererklärung II 134,

270. ., 'laoypacfTj II 113.

Logik (Sathon) 263—265,

565. II 160-164, 245, 247. Anytos 157, 161, 281. II 146. Aphrodite 296. 365. Apollodoros von Kyzikos II 33.

der Tolle 102, 359. II 357. Apollon II 49. Apuleius 737.

Arat, Überlieferung II 330. Arbeitslieder II 309. Archelaos, Philosoph 98, 331. Archimedes 730. Archinos II 138. Archytas 546. II 83. Aretaios, Dions Sohn II 300. Argos 669. Aristeides 229.

der Enkel 184.

der Rhetor 484. II 408. Aristippos 326, 549. II 273. Aristophanes 32, 94, 99, 256, 361, 427.

., Entwicklung II 16—18.

., Ekklesiazusen II 199.

Wolken 99.

von Byzanz II 325.

Aristoteles 94, 307, 426, 494, 502, 510.

584, 618, 637, 708, 711, 726. Aristoxenos 94. II 87. Arkadien 372. II 177. Arkesilaos 733. H. v. Arnim 124. II 8. Asklepios 178.

Aspasia 31, 269. II 139, 142. Assos 706. Athen um 430 13.

Adel 24.

Geschichte 16—34, 118—121, 256, 491, 513. II 288.

Verfassung 21. Athena 595. Athenagoras 339. Atlantis 594.

Atreus und Thyestes 574. Attika, Grenzen 597. Augustin 402, 741.

Badham II 336. Bienen 46. II 40. Biographie II 3, 9. Boethius 741. Brettspiel 683. Byron 471, 730.

Campbell II 7.

Chairephon 102. II 53.

Charmides 35, 37, 190.

Charondas 659.

Chion 705.

Chios, mathematische Schule 498.

Cicero 345, 346, 361, 510, 734, 745.

,, de legibus 665.

de republica 402, 584. II 435. Clemens 738.

Daidalos II 38.

Damaskios 740.

Dämon 15, 71. II 195.

Dante 424.

Delos II 49.

Demetrios von Phaleron 702.

Demochares 706.

Demokritos 73, 257, 294, 483, 587,

619, 620, 664. II 252, 270. Demos, Pyrilampes' Sohn 37, 211. Derkyllidas II 324. Dialog 124-126, 451, 744-752. II 21-31.

Form der Wicdererzählung360, 516. Dikaiarchos 332, 430, 745. II 417. Diogenes Laertios II 1 5, 163. Dion 254, 537—556, 644. Athener II 138.

') Den Preis, den Piaton für sein Grundstück bezahlte, gibt Plutarch exü. 603 'i auf 3000 Dr. an.

438

Register.

Dionysios I. 253,259,437,538-544,555. II. 437, 544—555, 646-649. Dionysodoros II 155. Dionysos II 49, 66, 85. Dionysosmysterien 250. II 85. Diotima 379. Ataaoi Xoyot II 432. Dscliclaleddin Ruini 740.

Echekrates 327.

Eid 659.

Eisengcld 672.

Elenchos 571.

Empedokles 73, 251, 621.

Ephebie 701.

Epicharmos II 28.

Epidauros, Asklepieion 554. II 37.

Epikrates 506.

Epikuros 637.

Epimenides 375.

Eratosthenes 503, 745. II 82, 326.

Erdgöttin 336. II 129.

Eretrischer Dialekt 292.

Eristiker 300.

Eros 44, 363, 386.

Eryximachos 362, 367.

Eüdemos von Kypros 708.

von Rhodos 730. II 247. Eudikos 136.

Evtdoxos 490, 501, 630. II 276. Euenos 173. Dl 59. Eukleides 201, 515. II 23, 245.

Mathematiker 754.

Euphraios II 279. Eupolis 100, 140. Euripides 13, 52, 76, 80, 86, 217, 331,

360, 364, 365. II 19. Eurj'tos II 83. Euthydemos 302. II 155. Euthyphron 204.

Favorinus 737. II 47. ricinus 5. Flötenspiel 50, 358. Elutsage 593.

Gänsezucht 435.

Gaius von Pergamon 738.

Geometrie 277, 498.

Gewissen 105.

Glaukon 35, 37, 445.

Goethe 129, 134, 351, 388, 401, 495,

603, 708, 710, 712, 747. II 437. Götter, Zwölf 465. Götternamen 291, 296. Gorgias 82, 212, 275, 338. II 145.

Helene II 117. Gott werden 251. Grabbauten 702. Grammatik 70, 291, 567. Gymnasion 310.

Hades 335. Hegel 390. Herakleia II 39. Herakleides von Ainos 705.

von Klazomenai II 33.

von Syrakus 553—559.

Pontikos 41, 402, 606, 725,

744. II 93, 124.

,, von Tarent 358.

Herakleitos 75, 90. C. F. Hermann II 6, 336. Hermias 706. Hermodoros 715. II 6. Hermogenes 297. Hermokrates 539, 590. Herodotos 68, 244. Hestia 465. Hiketas II 93. Hipparinos, Dions Sohn II 300.

Vater 539. II 302. Hippias 135, 137, 150. Hippokrates 90, 461, 462. Historie 68.

Homer 71, 477—479. II 312. Humboldt, W. v. 633. Hybris 56.

Iamblichi anonymus 58. Idee und Ideal 343. Idomenens 126, 262. II 55. Ion von Chios 130. von Ephesos 132. Ironie 572. Ismenias II 55, 104. Isokrates 266, 274, 485, 493. II 19. 107—124, 165. Antidosis II 122.

Busiris 241. II 103, 115. Helene II 117.

Nikokles II 119. x. aocpiarcüv II 108 112.

^Xvri 640.

Jackson II 8. Judengott 690.

Kallias 26.

Kallikles 211...

Kallimachos Überlieferung II 330.

Kallippos 548, 648.

Karneades 734.

Karthago 663.

Katholische Kirche 400.

Kebes 735.

Kephalos 210.

Kephisodoros 732.

Klearchos von Methydrion II 430.

Kleombrotos II 57.

Könige von Athen 577.

Komödie 20, 258, 538. 641.

Konnos II 139.

Korybantentanz 39.

Register.

439

Kratylos 89, 287.

Kreta 47, 660—662, 669, 686.

Kritias 35, 116—121, 141, 191, 591.

Kritobulos 308. II 154.

Kriton 27, 154, 161, 170.

Ktesias 666.

Ktesippos 188, 303.

Kynismus II 162.

Kyrsas von Chios II 27.

Ladies 184.

Lakydes 271, 734.

Lampon 31.

Lampros II 140.

Landschaft Athens 13, 177, 456.

Landwirtschaft 674.

Laodamas 513. II 278.

Libanios' Apol. d. Sokrates II 98. 100.

Lnkian 358, 746.

Luxusgesetze 702.

Lykon II 48.

Lykophron 567.

Lysias 120, 259-261, 475.

Apologie des Sokrates II 101.

Epitaphios II 127. Lysimachos 186. Lysis 187. II 69.

Maecenas 358. Magnesia 669. H. Maier 94, 109. II 164. Mantineia II 177. Megarikcr II 246. Meletos 155, 182. II 47. Melissos 76. Mendelssohn 747. Menexenos II 69. Menippos 744. Menon 274. II 144. Methodios 359. Mnesitheos 504. Moiren II 172. Momos II 205. Moral, Gebote 54, 690. Hellenische 53—64.

Nausikydes 211. Neuplatoniker 273, 471, 739. Neutra 348. Nikias 110, 184.

Oinopides 70, 498. ürigenes 738.

Orphiker 224, 249, 250, 420. Orthographie 292. II 337.

Pan am Ilisos 456.

Panaitios 735.

Paradoxe Themata der Rhetoren 364,

368. II 104, 119. Parmenides 75, 562. II 239, 243. 247. Paulus 338, 381, 386.

Subjekten ge-

Peisistratos 17, 24, 437.

Perikles 30.

Periktione 35, 434, 646.

Persönlichkeit II 10.

Phaethon 593.

Phaidon 101, 113, 326. II 23.

Phaidros 362, 365, 475

Phanosthenes von Andros II 33.

Pherekrates, Wilde 85.

Pherekydes II 239.

Philebos 629.

Philippos König 720.

Philippos von Opus 654, 655, 719.

Philistion 586. II 252.

Philolaos 224, 333. II 86—93.

Philoxenos' Grammatik 295.

Phleius II 83.

Phrygisch 294.

Pindaros 44, 56, 69, 221, 721. II 19. 95.

Plethon 741.

Plotin 391, 423, 738.

Plutarch 358, 746. II 316.

Polos 215.

Polybios 665.

Poiykrates 160, 261, 281. II 64, 98—103.

Porphyrios 94, 739.

Poseidon 595, 602.

Poseidonios 729, 734.

Prädikatsbegriffe zu

macht 348, 356. Prinzipat 582. II 435. Prodikos 71, 83, 140, 296. Prometheus 227, 602. Proros 247. Prosadichtung 751. Protagoras 78—81, 148, 291, 519. Protarchos 629. Psellos 741. Psyche 340. Ptolemaios IV. II 85. Pyrilampes 36. Pyrrhiche 686. Pythagoras, Pythagoreer 224, 243 bis

253, 395, 498, 639, 717, 727. II 83,

116, 272. Pythagoras Gedicht II 85. Pythodoros II 221.

Reim 83. Rodin 635. Roman 751.

Satyrspiel 324.

Sauppe 599.

Schauspielerbanden 481.

Schellings Bruno 747.

Schiller 248, 344.

Schleiermacher 5, 125, 356, 569. II 6.

Schöpfung 601.

Schriftformen 293.

Schusterdialoge II 27.

440

Register.

Seneca 745. Shaftesbury 747. Silanion 713. Simias, Flügel 373. Simmias 327.

Sizilische Geschichte 538—556, 647. Sokrates 26, 93—115, 120, 127,139,149, 153, 155—179, 375, 377, 571.

Daimonion 114, 158. II 51.

Mäeutik 518.

Orakel 115. II 52.

., letztes Wort 178. II 57.

der Mathematiker 513. Sokratikerbricfe 30 und 31, 724. II 279. Solon 17—35.

Solonnovelle in Iamben II 431. Sophisten 65, 76, 275, 299. Sophokles 27. Sophron 252. II 387. Sparta 428, 666. II 306. Spengel II 165. Speusippos 547, 646, 717, 724. Spintharos 94, 102, 113. Sprich wortverse II 351. Stallbaum II 336. Stephanephorie 689. II 311. Sterne 472, 501, 502, 607. Stilpon II 247. Stoa 288. II 164. Symposien 358. Syrakus 541, 596.

Taureas 190. Teisandros 211. Theaitetos 489, 513, 516. Theben 668. II 55.

heilige Schar 366. Theodoros 245, 499.

Theopompos 575, 725. Theopompos, Komiker 257. Theudios 500. Thrasyllos 737. II 324. Thrasymachos 82, 210. Thukydides 29, 267. II 12—16.

Überlieferung II 330.

Timaios von Lokroi 591.

Historiker II 285.

Lexikon II 329. Timotheos, Konons Sohn 25, 493. Totenkult 336. Tragödie 19. Träume 173.

Unterricht in Athen 49, 52, 313.

Weise, Sieben 65, 129. Welcker II 165. Winckelmann 345.

Xanthippe 95, 172. Xenokrates 272, 715,~719, 729. Xenophanes 75, 562. II 238. Xenophon 94, 105, 261, 265, 549. II 102, 144, 154. Apologie II 147. Hieron 437, 549. Kyropädie 666.

Memorabilien 35. II 22, 102. Symposion 357, 366, 376.

Zaleukos 692. Zauber 410, 692. Zenon 74, 300, 484, Zeus 640. Zikaden 455. Zivilrecht 659. Zopyros 113.

Jll.

Stellenregister.

a) Piaton.

Alkibiades I. 111 e II 326. 119 a II 221.

II 347.

Apologie 35 b, 37 d, 41 b Briefe 1, 310 a II 407. 2, 314 b 126. 3, 319 e II 415. 4, 321b II 407. 5, 322 a, b II 280. 6, 323 d II 407.

passim II 283—299,

bis 411. . 341 c 650. 344 a - 651. passim 353 b 358 b

7,

408

8,

»

9,

- II 407. II 302. II 407.

Briefe 11, 359 b II 279, 407.

12, 359 d II 407.

13, 360 b II 430.

Charmides 153 d 154 b

365.

II

II 189. II 191. II 365. II 368. II 65

155 d 157 d

165 d 168 a

., 171 c, 174 c II 365.

Epigramme 7 644. 8 362. 14 457. 24 456. Euthydemos 277 a II 368. 277 c II 369.

279 c II 167.

280 d II 369.

Register.

441

Euthydemos 281 c II 168.

282 a 305.

283 ab, 285 e, 286 e II 369.

286 b 425.

289 d II 370. : 292 a II 66.

293 a d, 296 d II 370.

297 c, 298, 299 c II 371. " 300 e II 157.

300 b, 302 a - II 372.

303 c - II 155.

303 e, 305 c e - II 372. Euthyphron 5 d II 79.

5 e II 340.

6 a II 347.

7 b c II 345. Gesetze 627 a, 635 c, 636 b II 396.

638 b - 668. I 638 c - II 396. ;, 641 c 668.

642 a II 396.

642 e - II 346.

643 d - II 397. ! 646 b - II 346.

653 d II 307. 666 d II 347. 669 d II 311. 681 a, 685 c - II 398. 690 b II 97. 694 e II 329. 697 c II 343. 701 c, 720 a, 730 b, 734 e II 398.

738 a II 399.

739 c 658.

739 e, 740 d, 743 d II 400.

746 d 716.

773 d, 774 c, 745 e, 778 c

II 400. 776 b 778 a 674.

781 e II 332.

782 a c II 407.

782 c II 342.

783 b, 789 c II 401. 790, 791 II 313, 426. 796 d II 401.

802 a, 804 b II 402. 811 d II 346. 815 c II 308, 402. 818 a II 402.

818 b II 344.

819 b II 403.

820 a II 343.

821 b, 822 a 682. 823 a, 832 a - II 403.

. 836 d II 251. 843 b II 332. 845 a II 329. 848 a, 856 c II 332. 857 d, 861 d, 871 d II 404,

Gesetze 870—872 251. 885 c II 404. 890 a II 97. 897 b II 317. 899 a II 318. '., 903 b II 404. 1 926 e, 927 b c, 930 c, 932 a - II 405. 933 e II 347. 935 c, 960 c, 961a, 965 a

II 406. 967 d 687 II 343. 969 b II 406. anerkannte Interpolationen II 344.

420.

II 346.

II 418.

II 372.

II 341. 461 b II 373.

346.

II 374. 80. 373. 346.

Gorgias,

453 b

454 e 456 a 460 b 460 c 460 d,

469 d - - II

470 a, 471 d 480 d II

482 d II

483 c II

484 II 95.

490 b II 331.

491 d II 373.

492 c 223.

493 II 89.

II 375.

II 252.

225.

II 375.

II 344.

II 416

II 416,

497 a 503 e 506 d - 508 c 526 c Hipparchos 227 d Hippias I. 228 b

289 a - II 332. I I. 290 e - II 326. II. 368 e II 343. II. 372 c 432. Ion 533 e II 39. Kratylos, anerkannte Interpolationen II 344. 383 b II 340. 385 a II 350.

389 e, 397 d 400 b 410 e 418 d 426 d 438 a 440 d Kritias passim Kriton 52 b

393 d, 395 c II 344.

II 340.

c II 338, 339.

II 341.

II II II II II

350. 338. 341. 433. 393—396.

II 344. Ladies 179 ä b, 181 a II 366. 181c, 182 c, 185 b, 187 e,

II 367. 189 c II 368.

188 d

442

Register.

Laches 190 a b II 366. 191 b II 366. 199 d e U 366. Lysis 208 II 68. 217 d II 73. 219 e II 68. 222 c II 74. 223 b II 368. Meuexenos 238 b I[ 129.

238 c II 128.

239 d II 133. 243 b 429. 245 b II 136.

245 e II 135.

Menon 76 a, 77 b II 376. 81 a II 149. 99 e - II 376. Minos 316 a II 343. Parrnenides 130 a II 225.

131 ab II 226, 229. 135 d II 229. Phaidon, anerkannte Interpolationen - II 343. 58 d II 348. 66 b II 343. 66 e II 348.

69 b II 270.

70 a II 340. 74 d - II 343. 84 b II 340.

89 a II 338.

100 d II 348.

101 d II 349. Phaidros 229 c II 344

242 b, 244 c II 363. 244 e II 408.

245 c, 246 c, 248 a II 363.

248 b II 364.

249 d, 250 c II 364. 255 d 189.

256 d II 364. 257 d 475. . 272 d 424. Phüebos 13 b, 15 b II 354. 22 c 422, 631. 25 d II 354. 29 a II 271. 3 29b 624. 30 d - 640. 35 b 355. 36 d 26.

47 e II 355. 51 d II 255. 52 d II 355, 426. 61 d - II 355. 66 a II 356. Politikos 311c II 353. Protagoras 312 e II 142. 315 d II 346. 325 a II 418. 359 d II 341.

Sophistes 224 b II 351. 238 a II 416.

239 d 517. 242—49 II 238-244.

240 b, 241b II 352. 243 b II 346, 352.

248 d II 352.

249 d II 353. 251b II 162.

Staat 332 c, 335 a II 376. 336 e II 377. 349 bc II 346, 377. 359 d, 363 a II 377. 362 a II 341. 364 e 411. ,, 368 a 26.

369b-374c - II 214-217. ., 373 a - II 214. 379 c II 191. 390 b, 401 e, 407 a II 378. ,. 407 b 450. 410 e, 411b H 379. 413 c II 342. 414 e - II 131. 416 d, 421a II 379. 434 a II 380. 435 b - II 218. 439 b 367. 441 d, 444 b, 451a II 380. 454 a 504. 473 b - 502 e II 202 -208. 474 c —. II 203. 476 a 567. 477 a II 380. 487 b II 205. 488 d, 492 b, 496 d II 381. 498 d II 120. 499 c, 500 a II 381. 501b, 502 b, 503 c II 382. 506 b II 383. ., 508 II 209. 508 c 421. 509 d II 337. 511a II 383. 511 d II 345. 514 b 414. 515 b II 342. 515 c, 516 d, 519 b II 384. 528 c II 342. 531 e, 538 a, 539 c II 384. 549 d 434. II 385. 558 a, 559 b II 385. 560 b II 386. 562 b II 338. 568 b 360. 575 a II 386. 577 b 437. 579 c II 386. 583—586 II 266—268. 585 ac II 267. 607 b 252. II 386.

Register.

U:\

Symposion 172 a 26.

173 d, 174 b II 357. 175 b, 176 b II 358. 178 b II 169, 341.

193 a - II 176. . _ 194 a II 358.

194 c - II 359. 195 e 75. 197 c - II 359. 199 a II 346. 201b II 169. 201 d II 360. 201 e II 169.

203 e II 169, 360.

204 b II 353. 204 c II 360. 206 c II 171. 206 e II 172.

208 c, 209 c II 360. 210 ad, 212 e II 361, 423. 214 a II 169. '„ 214 d II 362.

219 e II 346.

220 c 374.

223 b II 362.

Theaetet 152 e II 332. 155 e II 245.

162 b, 171c U 351.

172b II 230. 175d II 343.

176 e II 434.

181 d II 341.

187 d II 347.

200 II 65. Timaios, anerkannte Interpolationen II 344.

17c, 25a II 342.

25 d, 29 II 387, 388.

31a II 261. 36e, 37ac, 40d II 389.

41 a II 260, 427.

41 b II 342. . 41 d, 42 e II 390. 43b II 391. 47 a II 337. 48 d, 52b II 391.

51 b 624. 53 a, 55 d II 392. 64d II 276. '

71 bc II 392.

73d II 425. 86c II 393.

88 a 450.

b) Das Übrige.

Aischines Alkib. 11c Dittmar II 35. Antiphon Soph. B 51 85. Aristophanes Lysistr. 994 II 177. Ekkl. 281 II 362.

Aristoteles Elegie an Eudomos 70^ Rhetorik 1417 c II 26. Christodor. 263 II 431. Cicero de offic. I 15 346. orator 9 345.

41 II 433. Tim. 8 II 388. Demokritos B 11 II 393. B 18 II 312. B 191 - II 351. Diogenesbrief 38 67. Diogenes Laertios II 20 „II 23

„. II 41 III 2 HI 7 » HI HI

III 40 VI 4

102.

97.

II 49.

II 2.

5. 25 II 4. 28 II 5. - 720.

II 118. VI 15 - II 113.

VIII 88 490.

IX 23 - II 85. IX 52 - II 160.

Dion von Prusa XVII 9 219. Dionysios Hai. Demosth. 23 629. Epikrates (Athen. II 59) 506. Eudemos (Simpl. Phys. 98) II 247. Eukleides (Stob. 6, 63) II 23. Euripides Antiope 188 214. II 374. Bakch. 202 79.

Chrysippos 839 330.

Hippol. 525 363. Orest. 396 105.

Phaethon 783 69.

Phoenissen 504 218.

Fr. 910 76. Gellius XIV 3 II 181. Herakleitos B 35 108. B 51 - 367. Hesiod. Fr. 229 II 407. Hippias B 4 n 25. Hippokrates t:. xiyyr^ 3 II 252. Hipponax 22 b II 345. lamblichos Pyth. 251 II 87. Inscr. Gr. IV 1504 554.

1508 - II 37. Isaios 2, 12 II 421. Isokrates Busir. 5 II 408—438.

x. ao<p. 22 II 112. Kallimachos Ep. 23 II 57. Kratinos d. Jung. (Diogen. III 28) U 5. Libanios Apol. Sokr. 87 II 98.

100- 104, 155 bis 160 II 100. Papyr. (Amtl. Ber. der Berl. Mus. 1917,

191) II 85. Philolaos A 13 II 90. B 12 II 91. Phokylides 17 63.

444

Register.

Pindaros Fr. 107 420.

Fr. 123. 127 - 44. Fr. 169 11 95. Plutarch. conv. sept. sap. 157 b 69. de E Delph. 8 350. def. orac. 428 d 624. ,, de curios. 516 a II 25.

Porphyrien Pyth. 3 II 94. Ptolemaios Chennos 249 b 19 II 430. Sehol. Aristoph. Ritt. 358 II 368. Schol. Iuvenal. 14 328 II 431. Plat. Apol. 18 b II 48. Phaid. 61 e II 86.

Sokratikerbriefe 14 II 48. 17 II 27.

Sokratikerbriefe 30 II 715. 33 II 718.

35—36 II 716. Sophokles Antig. 781 II 319. El. 775 339. bei Hephaest. 1, 5 98.

Timaeus lex. Ipfyma II 394. Xenophon Kyrup. III 1, 38 48. Memor. III 6 35.

IV 4 - 136. Symp. 1, 10 II 35.

2, 16 II 141.

2, 26 II 413. Zenobios V 63 II 104.

Wortregister.

a' = 7tpU)T7] = fx(a II 400.

dyaöö'c 59.

dyaTcäv II 361.

aysiv II 96.

'Aypa n 362.

at&Xios 102.

ävSpeta 61.

ätVTi>ivEiv |X7] sTvai II 159.

apa II 346.

dpe-rVj 55, 59, 220. II 164.

'ApxE^s 714.

aüxol "EXXrjvss 347.

ßaßctf II 353.

ßtcuoüv II 95.

ßo|xßuXio( II 119.

ßo-iXeaöat und l&^Xetv II 375, 383, 433.

yaXV^VT] II 271.

ydp öfpa II 346.

ys II 345.

ys ä'pa II 351.

y^vva periphrastisch II 354.

yXuxü; II 416.

yXuxuöupUa II 414.

yyü>»h aaurdv II 64.

yova( II 169.

Sav II 414.

oexe'ttjs u. dgl. II 339.

OTjfiio'jpyos 589, 603.

o(x7], 8(xaiov 62.

StxatdxrjS II 375.

StuX/Cetv II 392.

5icuXüyioj II 413.

5#a dXrjÖTjC 281, 522. II 152, 233.

ouyo'v II 350.

öüvocfxis periphrastisch II 254.

ouaiDTretv II 413.

eT5o? er§7) II 79, 248, 253.

e[8(J5v cpi'Xot II 241.

e( it-ft xi II 416.

E&rep II 416.

?XEyXo; 571.

ijj.ßatv£iv II 40.

iTiaiVETT]? II 41.

E'joatfAOvt'a 57.

eu Trpdxxetv 448. II 168.

süxuy^a II 107.

9j&o? II 390.

vT) xrjv "Hpav II 416.

&da fjioTpa 280. II 44, 153.

Oslo; dvr'jp II 153.

9e6c, cpüais II 153.

ütoyOJfi 589. II 382.

Ibla II 79, 121, 249—253.

töiclm]? II 412.

lepds II 40, 312.

xct&apats Tra&T][xdTiüv II 313.

xa&oXou II 148.

xa( toi II 345, 415.

xaxaßdXXovTs; 79.

xaxaßpavjfj? II 387.

XlvSuVE'JElV II 413.

xoivcovt'a II 348. xpTjyuos II 326. xxrjfAa II 319. XocfxßctvEtv II 399. Xt[x7idvEiv II 407. Aöffi« II 368. (xavo's II 414. fj.EyaXo(|(U](oc 339. fjis'v toi II 350, 415.

Register.

445

ptipjxepoc II 326.

fJLOpcpTj II 253.

o/y.o'i II 91.

oawv 6<jmJtijc 61. II 77, 418.

03-nc ouv II 347.

oOtw; II 372.

rcavta steigernd II 389.

-avoOpyo; 530.

zapaßaAeTv II 394.

7:ct33o^o; 302.

iret&u), TTiOavo; 214.

TOptivai II 339.

htkixri'i II 389. QoXiTHfat II 186. rzo)'/A -o/.Xiov II 38t1.

TtoX'JTpCiTTOS 136.

rrperov II 43. Tipoot'fxiov II 256. fioicLosc II 393. II 394, 413. 2<£»«ov II 116. . sy.'.aypccsi'a 479. II 266.

socpof II 272. auYYpacpixäi; II 146. 3'jv£3ts, S'jve(ot]3i; 104. 3ü>fj.a sr^a II 89, 364.

3U)Cf>p03'JV7] 63.

x<£ relativ II 396. u) xa'v II 415. toö 528. II 329. TocvxaXeia u. dgl. II 350. xt5) -rf II 374. xpaYtxöi; II 146. Tpi'xoc av>)p(07roc II 226. ußpis 56. ÜTjvt'a U 217. &«<5&eoiS II 150, 222. «peXXTJc 598. cpiXosocpo; 108. Öoivtxixöv 'isOooj II 194. T(Xov iptXia 195. II 71. cpuats II 253. ihi final II 382.

Die Seitenzahlen der ersten Auflage sind gegenüber der zweiten niedriger um

1 von Seite 92—121

im zweiten Bande um

2 3 2

2— 3 4 5 6

7—8 10—11

122—182 183—238 239—296 297—386 387—426 427—528 531—603 604—709 733—760

1 von Seite 281 an.

Verlag der Weidmannschen Buchhandlung in Berlin

Einleitung in die griechischeTragödie

von

Ulrich Ton Wilamowitz-Moellendorff.

Zweiter unveränderter Abdruck ans der ersten Auflage von Euripides Herakles I. Kapitel I IV.

gr. 8°. (X u. 257 S.) 1910. Geh. 6 M., geb. 9 M.

Euripides Herakles

Erklärt von

Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff.

Zweite Bearbeitung. Neaer Abdruck, gr. 8°. (XV u. 505 S.) 1900. Geh. 15 M

Aristoteles und Athen

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Ulrich Ton Wilamowitz-Moellendorff.

Zwei Bände, st. 8°. (VII n. 381, IV u. 428 S) 1893. Anastatischer Neudruck. 1910. Geh. 20 M.

Homerische Untersuchungen

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Ulrich Ton Wilamowitz-Moellendorff.

gr. 8°. (XI u. 426 S.) 1884. Geh. 7 M. (Philologische Untersuchungen. Heft VII.)

Sappho und Simonides

Untersnchungen über griechische Lyriker von

Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff.

gr. 8°. (V u. 330 S.) 1913. Geh. 9 M., geb. 13 M.

Die Ilias und Homer

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Ulrich Ton Wilamowitz-Moellendorff.

Zweite Auflage im Druck.

Aeschyli Tragoediae

Edidit

Udalricus de Wilamowitz-Moellendorff.

gr. 8°. (XXXV u. 384 S) 1914. Geh. 14 M., geb. 18 M.

Aischylos

Interpretationen

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Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff.

gr. S". (V u. 260 S) 1914. Geh. 8 M., geb. 11 M.

Verlag der Weidmanirschen Buchhandlung in Berlin

Die Textgeschichte der griechischen Lyriker

von

Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff,

4°. (121 S.) 1900. Geh. 8 M. (Abhandl. d. Kgl. Gesellschaft d. Wiss. zu Göttingen. Phil.-hist. Kl. N. F. IV. 3.)

Die Textgeschichte der griechischen Bnkoliker

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Ulrich von Wilainowitz-Moellendorff.

gr. 8°. (XI u. 263 S.) 1906. Geh. 8 M. (Philologische Untersuchungen. Heft XVIII.)

Antigonos von Karystos

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gr. 8°. (VIII u. 356 S.) 1881. Geh. 6 M. (Philologische Untersuchungen. Heft IV.)

Isyllos Yon Epidauros

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Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff,

gr. 8°. (VII u. 201 S.) 1886. Geh. 4 M. (Philologische Untersuchungen. Heft IX.)

Griechische Tragödien

Übersetzt von

Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff.

I.Band: Sophokles, Oedipus. Euripides, Hippolytos, Der Mütter Bitt- gang, Herakles. 8. Ann. 1919. Geb. 9 M.

II. Band: Aischylos, Orestie. 8. Aufl. 1919. Geb. 9 M.

III. Band: Euripides, Der Kyklop, Alkestis, Medea, Troerinnen. 5. Auflage. 1919. Geb. 9 M.

Reden und Vorträge

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3. Aufl. gr. 8°. (VIII u. 413 S.) 1913. Geb. 10 M.

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Philologische Untersuchungen von

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Auf die vor 1919 erschienenen Bücher erhebt der Verlag einen Teuerungsznschlag von 40°/0-

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395

W6 1920 Bd. 2

Wilamowitz-Moellendorff, Ulich von

Piaton. 2. Aufl.

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