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POMPEJI

IN SEINEN

GEBÄUDEN, ALTERTIIÜMERN UND KUNSTWERKEN

DARGESTELLT

VON

JOHANNES OVERBECK-

VIERTE IM VEREINE MIT

AÜGÜST MAÜ

DURCHGEARBEITETE UND VERMEHRTE AUFLAGE

MIT 30 GBÖSSEBEN ZUM THEIL FABBIOEN ANSICHTEN UND 320 HOLZSCHNITTEN IM TEXTE

SOWIE EINEM GROSSEN PLANE.

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LEIPZIG

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VERLAG VON WILHELM ENGELMANN

1884.

Da$ Recht der Übersetzung haben sich Verfasser und Verleger vorbehalten.

HERRN

JOSEPH FIORELLI

SENATOR DBS KÖNIOBEICHS, GENEBALDIBECTOR DBB ALTBBTHÜMEB UND DEB KÜNSTSCHlTZE ITALIENS U. S. W.

BLEIBT AUCH DIESE VIERTE AUFLAGE

ZUaEEIGNET

VON DEN HERAUSGEBBEN,

Vorwort zur vierten Auflage.

Als mir der Herr Verleger mittheilte, es mache sich eine vierte Auflage dieses Buches nöthig, und mich ersuchte, für die- selbe die nöthigen Vorbereitungen zu treffen, erklärte ich ihm, mich hierauf nur unter der Bedingung einlassen zu können, dass es mir gelingen würde, namentlich für den ersten, baugeschicht- lichen und topographischen Theil einen sachverständigen Mitarbeiter zu finden. Meine Beweggründe zu dieser Erklärung waren sehr nahe liegende und zwingende. Schon in den Vorreden zu der zweiten und dritten Auflage dieses Buches habe ich mich über meine Stellung zu dem in demselben behandelten Gegenstande freimüthig ausgesprochen und hervorgehoben, dass nach meiner Überzeugung eigentlich nur derjenige, welcher sich durch beson- dere Studien und einen lange dauernden Aufenthalt an Ort und Stelle hierzu in vollem Maße vorbereitet habe, über Pompeji zu schreiben berechtigt und berufen sei, und dass ich nur zu gut wisse, wie wenig diese Vorbedingungen bei mir zutreffen. Seitdem aber haben sich die durch Fiorelli {Gli scavi di Pompei dal 1868 al 1872, Napoli 1873) angebahnten Studien über Pompeji namentlich durch die Arbeiten von Nissen (Pompejanische Studien, l^eipzig 1877), Mau (Pompejanische Beiträge, Berlin 1879; Geschichte der deco- rativen Wandmalerei in Pompeji, Berlin 1882) und von den zur Herausgabe der Samraelschrift zum Centennarium der Verschüttung

VI Vorwort zur vierten Auflage.

Pompejis [Pompei e la regione sotterrata dal Vesuvio nelT afino 79, Napoli 1879) vereinigten Gelehrten in einem Grad und in einer Weise vertieft, dass es nur demjenigen, welcher die oben bezeich- neten Vorbedingungen im vollen Maß erfüllt, möglich ist, sich über die meisten der in diesen Studien behandelten Gegenstände selbst nur ein eigenes Urteil zu bilden. Ich aber bin in den acht Jahren, welche seit der Herausgabe der dritten Auflage dieses Buches (1875) verflossen sind, um von einer umfangreichen amtlichen Thätigkeit an unserer Universität zu schweigen, litterarisch auf ganz anderen Gebieten, durch Herausgabe des dritten Bandes meiner Griechischen Kunstmythologie (Hera, Poseidon, Demeter und Kora 1873 1878) und Besorgung der dritten Auflage meiner Geschichte der Griechischen Plastik (1880 1882) so vollauf in An- spruch genommen gewesen, dass ich den neuen Pompejistudien, ohne länger als anderthalb Wochen in den Osterferien des vorigen Jahres wieder an Ort und Stelle gewesen zu sein, wohl von ferne habe folgen, aber mir in denselben kein selbständiges Urteil habe bilden können.

Nun hat sich die von mir dem Herrn Verleger gestellte Be- dingung für die Besorgung dieser vierten Auflage in der voll- kommensten Weise erfüllt, indem Herr Dr. August Mau, den man wohl ohne Widerspruch zu finden als den besten Kenner Pompejis, wenigstens unter uns Deutschen, bezeichnen kann, sich auf meine Bitte in liebenswürdig entgegenkommender Weise zur Mitwirkung bei der Herstellung der neuen Auflage bereit finden ließ.

Über die Art seiner auf den ganzen ersten Theil (vom 1. Ca- pitel des einleitenden Theiles bis einschließlich zum 4. Capitel des antiquarischen Haupttheiles, also aUe die in der Inhaltsüber- sicht mit einem * bezeichneten Abschnitte und Capitel) erstreckten Mitarbeiterschaft kann ich mich kurz fassen. Allerdings lag ja ein bereits mehrmals überarbeiteter Text vor, dessen Gliederung und Eintheilung und dessen auf ein nicht fachwissenschaftlich ge-

Vorwort zur vierten Auflage. VII

bildetes Publicum berechnete^ Haltung wir Beide stillschweigend als maßgebend anerkannt haben. Ich habe mich jedoch nicht für berechtigt gehalten, meinem verehrten Mitarbeiter in Beziehung auf eine conservative Behandlung des in der dritten Auflage vor- liegenden Textes irgendwelche Schranken zu ziehn oder selbst ihm nur Wünsche in dieser Richtung anzudeuten. Ich darf also die von Mau bearbeiteten Theile, obgleich in ihnen Manches aus der firühem Bearbeitung stehn geblieben ist, als durchaus sein geistiges Eigenthum erklären, wobei ich indessen nicht unerwähnt lassen will, dass er mir in Hinsicht auf die formale Redaction des Textes, auf die Ausdehnung oder Beschränkung wissenschaftlicher Erörter- ungen eine Einwirkung freundlich gestattet und namentlich zuge- lassen hat, manche Ausführungen und Begründungen in die An- merkungen zu verweisen, welche auf diesem Wege zu einer ganz andern wissenschaftlichen Bedeutung gelangt sind, als welche sie in den firüheren Auflagen besaßen.

Für den ganzen letzten Theil (von dem fönften Capitel des ersten Haupttheiles an, also für alle in der Inhaltsübersicht nicht durch einen * ausgezeichneten Capitel und Abschnitte) triflFt mich ganz allein die Verantwortung und ich kann nur wünschen und hoffen, dass dieser Theil der Arbeit gegen den andern nicht aUzu weit zurückstehe.

Da wir die von uns benutzten Schriften überall in den An- merkungen angeführt haben, ist hier nur noch zu bemerken, dass Helbigs »Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Cam- paniens« Leipzig 1868 und das ergänzende Verzeichniss von Sogliano: nJLe pitture muraU Campane scoverte negli anrd 1867 79« in dem oben genannten Sammelwerke zum Centennarium der Verschüttung Pompejis, auf welche Verzeichnisse bei jedem angefahrten Bilde verwiesen ist, mit den Abkürzungen Hlbg. No. x und Sogl. No. x angeführt sind, woneben es in der Regel überflüssig erschienen ist, die hier genannten Abbildungen zu bezeichnen.

VIII Vorwort zur vierten Auflage.

Der Herr Verleger hat seinerseits durch Vermehrung der Abbildungen und Ersetzung mangelhafter und veralteter Illustra- tionen durch neue, sowie durch Vervollständigung und Berichtigung des großen Planes das Seinige gethan, um dies Buch der ihm nun bereits seit einer so langen Reihe von Jahren bewahrten Gunst des Publicums würdig zu erhalten. Möge diese Gunst demselben auch in dieser seiner neuesten Gestalt zugewendet bleiben.

Leipzig im October 1883.

Overbeck.

Inhaltsverzeichniss.

I. Einleitender Theil.

Seite

[1]

Einleitiing

* Erstes Capital. Campania felix, der Golf von Neapel, der Vesuv, Pompejis

Lage, Heerstraßen in Campanien I

^Zweites Capitel. Qeschichtliohe Notizen über Pompeji bis zur Yerschüttung 8 ^Drittes Capitel. Die Verschüttung Pompejis 16

* Viertes Capitel. Andeutungen über die Geschichte der Wiederentdeckung

und der Ausgrabungen Pompejis 25

* Fünftes Capitel. Übersicht über den Plan und die Monumente Pompejis . 30

IL Erster oder antiquarischer Haupttheil.

* Erstes Capitel. Die Befestigungs werke, Mauern, Thürme und Thore ... 42

Mauern S. 42, Th&rme 8. 47, das Stabianer Thor S. 50, das Nolaner Thor 8. 61, das See- thor 8. 52, das Hercalaner Thor 8. 54.

* Zweites Capitel« Die Straßen und Plätze Pompejis 57

1. Die Straßen 8. 57. StraOen und Straßenpflaster 8. 57. Trottolrs, Gossen nnd Emis- säre 8. 60. 2. Das Fornm eirile 8. 61. Normalmasse 8. 63. S&nlenhaUen 8. 64. Triumph- bogen 8. 67. 3. Das Forum trianguläre 8. 75, die Qladiatorenkaserne 8. 76, das Forum boarium 8. 79.

^Drittes Capitel. Die Offentlicben Gebäude 80

♦Erster Abschnitt. Die Tempel und CapeUen 80

BinWitung 8. 80, der Tempel auf dem Forum trianguläre 8. 85 , der Tempel des luppiter 8. 90, der Tempel des Apollo (s. g. Yenustempel) 8. 96, der Tempel der Isis 8. 104, der Tem- pel des luppiter, der Inno nnd der Minerra (s. g. Aesonlaptempel) 8. 110, der Tempel der Fortuna Augusta 8. 114, der Tempel des Genius des Augustus (s. g. Tempel des Mercur) 8. 117.

*Z weit er Abschnitt. Municipalgebäude 120

1. Das Macellum (s. g. Pantheon) 8. 120. 2. Das s. g. 81tEungsloeal der Decttrionen (8e- naculum) 8. 128. 3. Das Geb&ude der Enmaohia 8. 131. 4. Die s. g. Schule 8. 136. 5. Die

X Inhal tsverzeichniss.

Seite 8. g. drei Carien oder Tribnnalien S. 139. 6. I>ie Basilika S. 142« 7. Die Palaestra (s. g. Carla Isiaca) S. 150. 8. Das b. g. Zollhaus B. 152.

♦Dritter Abschnitt. Die Theater 153

Einleitung S. 153. a. Das große Theater S. 156. h. Das kleine Theater S. 171.

•Vierter Abschnitt. 1. Das Amphitheater 176

2. Die Gladiatorenkaseme (ludus gladiatorius) 193

♦Fünfter Abschnitt. Die Thermen 198

Einleitung S. 19S. a. Die kleineren Thermen S. 200. b. Die größeren Thermen S. 215. c. Die Centralthermen S. 2^33.

♦Sechster Abschnitt. Brunnen, Altäre und sonstige kleine Bauwerke . 238

* Viertes Capitel. Die Privatgebäude 244

♦Erster Abschnitt. Die Wohnhäuser 244

Einleitung S. 244, ursprünglicher Plan des röm. Hauses S. 248, Plan des römischen Nor- malhauses S. 251 , Hausfluren und Hausthüren S. 253 , Atrien S. 255 , Dächer S. 257 , Normale Gem&cher im röm. Hause S. 261, Xysten und Virldarien S. 265, cenacula, pergulae, maeniana S. 266, Sacella und Sacraria S. 268, Keller S. 269, die Nomenclatur der pompejaner Hänser S. 269, vier der kleinsten H&user in Pompeji S. 270, No. 5 Casa di Modesto S. 273, No. 6 Casa della toletta deir Ermafrodito S. 275, No. 7 Casa della caccia antica S. 277, No. 8 Casa del chirurgo S. 279, No. 9 ein zweites mittelgroßes Haus S. 2S1, No. 10 das Haus des M. Caesius Blandus S. 282, No. 11 Casa del poeta tragico S. 285, No. 12 Haus IX, 5, 6. S. 289, No. 13 Haus des Holconius S. 290, No. 14 Haus des M. Epidius Rufus S. 297, No. 15 Casa di Sal- lustio S. 301, No. 16 Casa di Meleagro S. 307, No. 17 Haus des M. Lucretius S. 314, No. 18 Haus des Siricus S. 320, No. 19 Casa di Pansa S. 325, No. 20 Casa del Centauro S. 330, No. 21 Casa dei Dioscuri S. 334, No. 22 Casa del Laberinto S. 342, No. 23 Casa del Fauno S. 346, No. 24 Casa del Centenario S. 353, No. 25 Haus des Popidius Secundus S. 359, No. 26 drei- stöckig terrassirtes Haus S. 366, No. 27 s. g. Villa des M. Arrius Diomedes S. 369.

•Zweiter Abschnitt. Läden, geschäftliche und gewerbliche Wohnungen . 376 Einleitung S. 376, Ladeneinrichtung S. 377, LadeaTerschlfisse S. 378, Aush&ngeschilder S. 379, die einzelnen Geschiftszweige in Pompeji S. 380—396, Bickerei S. 384, Tuchwalkerei (Fullonica) S. 390.

♦Dritter Abschnitt. Die Gräber und Grabdenkmäler 396

Einleitung, Sitten der Bestattung S. 396, Ustrinum? S. 397, Plan der Gr&berstraße S. 399, Grabnische des M. Cerrinius Restitutus S. 400, GrabmUer des A. Yeius, des M. Porcius and der Cerespriesterin Mamia S. 401, das Grab des blauen Glasgefößes S. 406, das Grab mit den Guirlanden S. 405, halbkreisförmige Nische S. 406, Grabst&tte der FamiUe des M. Arrius Dio- medes S. 407, Grab des L. Ceius Labeo S. 409, Grabmal der beiden Libella 8. 410, das Grab mit der Marmorthftr S. 411, das Triclinium funebre S. 412, das Grab der Naevoleia Tyche S. 413, das Grab der Familie Istacidia S. 415, der Grabaltar des C. Calventins Quietus 8. 416, rundes Grabmal S. 418, das Grab mit den Gladiatorenreliefen S. 420.

Fünftes Capitel. Die gegenständliche Hinterlassenschaft des Verkehrs und

des Lebens 422

Erster Abschnitt Mobilien, Geräthe und Gefäße 422

Allgemeines S. 422, Betten und Bett schirm 8. 423, 8itze, Stahle, Sessel, lectus tricliniaris 8. 425, Tische 8. 428, Lampen 8. 431, Lampenfüße 8. 435, Candelaber 8. 436, Feuerbecken und Kohlenpfannen 8. 439, Wasserbecken 8. 440, Ofen und Heerde 8. 441, Gef&O zur Bereitung der Calda 8. 443, Kochgeschirre und Kftchenger&the 8. 443, Siebe 8. 445, Kannen 8. 446, Schnell- wagen 8. 447, Laternen 8. 448, Prachteimer 8. 449, Krater 8. 450, ThongesoUrre 8. 450, Thon- und GlMgeHkße 8. 451, Badeger&thschaften 8. 452, SchmuekgeräthschafteB 8. 453.

Zweiter Abschnitt. Waffen und sonstige Instrumente 454

Kriegerwaffen 8. 454, Gladiatorenwaffen S. 457, Pferdegeschirr S. 459, Opferger&thschaften 8. 459, Sonnenuhren 8. 459, Messgerftthe 8. 461, chirurgische Instrumente 8. 461.

Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften 462

Dipinti und Graffiti 8. 463, Alphabete, grammatische Übungen, griechische Inschriften 8. 464, Alter und Masse der Inschriften 8. 467, Unterschied der Dipinti und Graffiti 8. 467, Dipinti 8. 468—477, Wahlempfehlungen 8. 468—471, Gewerbe und Z&nfte in Pompeji 8. 470, Besonderheiten der Wahlempfehlungen 8. 471 , Gladiatorenprogramme 8. 473 , Micthanzeigen 8. 475, Diebstahlsanzeige 8. 477, Graffiti 8. 477—492, Metrisches 8. 477-482; Graffiti in Prosa, Zurufes. 483, Glftckwünsche 8. 483f., Yerwftnschungen 8. 483 , Briefe 8. 483, Angebereien, Spott 8. 484, Karrikaturen S. 484, Gladiatorenlibelli 8. 485, h&usliches und geselliges Leben S. 486, Sohenkeninsohriften 8.487, Jftdisches und Christliches 8.488, Qnittungstafeln S. 489.

Inhaltsyeneichniss. XI

in. Zweiter oder artistischer Haupttheil.

Seite

Einleitung nnd Allgemeines 492

Erstes /Capitel. Die Architektur und das Bauhandwerk 497

Erster Abschnitt Material und Technik 497

Steinarten 8. 497, Mörtel, Ziegel S. 499, Zimmerhandwerk S. 505, Mosaik in den geringeren Sorten S. 506, Holzwerk, D&cher, Thftren S. 507.

Zweiter Abschnitt. Stü und künstlerischer Werth der Bauwerke in Pompej i 508 Fehler nnd schlechte Motive S. 509, dorische Ordnung S. 511, ionische Ordnung S. 516, korinthisch-römische Ordnung S. 518, Mischgattung S. 519.

Dritter Abschnitt. Die Decoration und Ornamentik 520

Die Uteste Art der Wanddecoration S. 521, die zweite Art derselben S. 522, die dritte Art derselben S. 524, die jftngste Decorationsweise B. 525, die Utere Ornamentik S. 527, die spä- tere Ornamentik S. 528, Marmor S. 528, Stucco S. 529, Thon S. 530.

Zweites Capitel. Die Plastik 532

Einleitung. Menge der Sculpturwerke S. 532, Bestimmung und Aufstellung S. 533, Tech- nisches S. 534, Kunstformen : Statuen, Hermen S. 537, Beliefe S. 539, Oegenst&ade : Tempel- bilder S. 540, Qötterbitder in PriTath&usem S. 543, Brunnenfiguren S. 546, sonstige mytho- logische Bildwerke von Marmor S. 550, Idealbildwerke aus Bronze 8. 551, Bftsten von Marmor und Bronze S. 556, Portr&tstatuen S. 559, Genrebilder 8. 560, kunstgeschichtliche Wftrdigung 8. 561, die sp&ten Monumente 8. 562, Archaistisches 8. 562, pasitelische Schule 8. 562, Bild- werke aus der Blftthezeit 8. 563.

Ihrittes Capitel. Die Malerei 563

Werth im Allgemeinen, das Malerische 8. 563, Gesammtcharakter als Deoorationsmalerei 8. 565, die Bilder an Ort und Stelle, im Museum und in Nachbildungen 8. 567, Technisches, Fresco 8. 568, die Malweise 8. 571 , Classen der Oem&lde 8. 572, Landschaftsmalerei 8. 572, Genrebilder, Stillleben S. 576, Thierstftcke 8.577, Genrebilder 8.579, Theaterscenen 8.585, mythologische Einzelflguren 8. 586, größere mythologische Compositionen 8. 587, Quellen und Vorbilder 8. 593, kftnstlerischer Werth, das Malerische 8. 599, Landschaftsmalerei 8. 608.

Viertes Capitel. Die Mosaiken 611

AUgemeines 8. 612, die Alexanderschlaoht 8. 613.

Fünftes Capitel. Die untergeordneten Kunstarten und das Kunsthandwerk 617

Metallarbeit, Toreutik und Empaestik 8. 618, die Toreutik S. 618 , die Empaestik 8. 621, Ooldschmiedekunst 8. 622, Glasarbeit 8. 625.

Anhang. Anmerkungen 627

Register 653

Nachweis zum großen Plane 671

Verzeichniss der gröfseren Ansichten und Pläne.

Titelbild: Der s. g. Narkisso» (vgl. S. 553).

Abguss einer 1873 gefundenen Leiche nach Seite 24

Ansicht der Ausgrabungen in Pompeji im Mai 1873 vor - 29

Gesammt])lan der Stadt Pompeji mit dem Ergebniss der Ausgrabungen bis 1882 vor - 33

Ansicht des Modells eines Theilcs der Stadt nach - 40

Kestaurirte Ansicht des Herculaner Thores von außen nach - 42

Außenansicht des Nolaner Thores nach - 52

Außenansicht des Herculaner Thores nach - 54

Innenansicht des Herculaner Thores vor - 55

Ansicht der Vorhalle des Forum trianguläre vor - 77

Ansicht der Ruinen des Isistempels nach - 80

Ansicht der Ruinen des Apollotempels nach - 96

Ansicht der Ruinen des Tempels der Fortuna Augusta vor - 115

Ansicht der Ruinen des Tempels des Genius des Augustus vor - 117

Ansicht der Palaestra vor - 151

Ansicht der Ruinen des großen Theaters vor - 153

Ansicht der Ruinen des Amphitheaters von außen nach - 176

Ansicht des Hofes der Gladiatorenkaseme vor - 195

Ansicht des Hofes der größeren Thermen gegen Nordwest vor - 222

Ansicht des Apodyterium der größeren Thermen vor - 225

Ansicht des Sacellum im Hause des M. Epidius Rufus vor - 299

Restaurirte Ansicht der Casa del Centenario vor - 353

(Oben Qnerdurchschnitt durch das Peristjrl, iiiit«ii Läugendarchschuiit.)

Ansicht der Villa suburbana vom Garten aus vor - 369

Ansicht der Gräberstraße von außen her nach - 396

Zwei Marmortische nach - 422

Eine pompejanische Quittungstafel wiederhergestellt vor - 489

Fa9ade der Casa del chirurgo. »Kalksteinperioden nach - 500

Mauer eines Hauses in der Strada di Mercurio. »Tuffperiode« nach - 502

Das große Mosaik der Alexanderschlacht vor - 6J3

Muster von Arbeiten in getriebenem Silber nach - 624

Angehängt ist: ein großer Plan der Stadt Pompeji mit dem Ergebniss der Aus- grabungen von 1748 1882.

Verzeichniss der Holzschnitte im Text.

K«. SeMe

1. Karte von Campanien 1

2. Profil des Stadthügels von Pompeji 7

3. Schlägerei im Amphitheater. ... 14

4. Auffindung eines Gerippes .... 22

5. Leichenabguss ; Mann ...... 24

6. LeichenabgOsse ; Frau und Mädchen

7. Grundriss der Mauer 45

8. Durehschnitt der Mauer

9. Ansicht eines Ausgussrohres der

Mauer 46

10. Brustwehren der Mauer

11. Ansicht der Mauer

12. Ansicht eines Thurmes 48

13. Grundriss der Thürme in drei Ge-

schossen

14. Durchschnitt eines Thurmes. ... 49

15. Grundriss des Stabianer Thores . . 50

16. Grundriss des Nolaner Thores. . .

17. Innenansicht des Nolaner Thores . 51

18. Oskische Inschrift am Nolaner Thore 52

19. Grundriss des Seethores 53

20. Plan des Herculaner Thores ... 54

21. Pflaster mit Trittsteinen 59

22. Plan eines Emissärs 60

23. Öffentliche Normalmaße 63

24. Ansieht und Durchschnitt des Maß-

tisches 64

25. Treppe am Forum 65

26. Colonnade des Forums 66

27. Qoase am Forum 67

28. Äußere Ansicht des s. g. Triumph-

bogens 68

29. Ansicnt der nördlichen Seite des

Forums 69

30. Restauration der nördlichen Seite

des Forums 70

31. Relief mit Darstellung der nörd-

lichen Seite des Forums .... 71

32. Plan des Forum trianguläre. ... 76 33—40. Demonstration der Entwicke-

lung des Tempels 81—85

41. Ruinen des griechischen Tempels

auf dem Forum trianguläre ... 86

42. Grundriss des griechischen Tempels 87

43. Brunnenhaus 89

44. Geison (Sims) des Brunnenhauses .

Fig. Seite

45. Plan des luppitertempels 92

46. Wand aus dem luppitertempel . . 94 47 u. 48. Seitenansicht und Durch- schnitt des luppitertempels . . 95

49. Plan des ApoUotempels 96

50. Fußboden der CeUa

51. Peribolos im ApoUotempel .... 97

52. Restaurirte Ansicht des ApoUo-

tempels ... 100

53. Herme im Peribolos 101

54. Wand aus den Gemächern im Peri-

bolos des ApoUotempels .... 102

55. Gem&lde aus dem Zimmer x . . . 103

56. Tempel der Isis. Haupteingang . 105

57. Plan des Isistempels 106

58. S. g. Pur^torium 108

59. Stuccoreliefe an den Außenwänden

des s. g. Purgatoriums 109

60. Plan des Tempels des luppiter, der

luno und der Minerva .... HO

61. Ansicht desselben Tempels. ... 111

62. CapiteU

63. Altar 112

64. luppiter

65. Plan des Tempels der Fortuna

Augusta 115

66. Restaurirte Ansicht desselben

Tempels U6

67. Plan des Tempels des Genius

Augusti 118

68 u. 69. Altar in demselben Tempel .

70. Das MaceUum (s. g. Pantheon) . . 120

71. Plan des MaceUum 121

72. CeUen im MaceUum 123

73. Hintergrund des MaceUum. ... 124

74. SaceUum im MaceUum

75. Plan des s. g. Sitzungssaales der

Decurionen 130

76. Plan des Gebäudes der Eumachia 132

77. Statue der Eumachia und bUnde

Thür 134

78. Album am Gebäude der Eumachia 135

79. Grundriss der s. g. Schule .... 137

80. Plan der s. g. Curien oder Tribu-

naUen 139

81 . Ansicht der BasiUka 142

XIV

Verzeichnis» der Holzschnitte.

Fig. Seit«

82. Plan der Basilika 143

83. Raum unter der Tribüne der Ba-

silika 144

84 u. 85. Säulenstellung der Basilika 147 f.

86. Plan der Palaestra (s. g. Curia

Isiaca) 150

87. Eine Reihe Masken 153

88. Plan des großen Theaters. ... 157

89. Steinring und Balken im großen

.. Theater 164

90. Äußere Ansicht des großen

Theaters 165

91. Grundriss der Bühne des großen

Theaters 166

92. Stein unter der Scena 167

93. Durchschnitt des großen Theaters 168

94. Seitenansicht der Ruinen des gro-

ßen Theaters 169

95. Restaurirte Ansicht der Scena des

Theaters von Herculaneum . . 170

96. Eine Periakte

97. Plan des kleinen Theaters ... 172

98. Ansicht des kleinen Theaters . . 173 99 u. 100. Löwentatae und Atlant an

den Sitzreihen des kleinen Thea- ters ►►.. 174

101. SitKstufen im kleinen Theater. . 175 i02. Da«- Amphitheater, innere An- sicht 178

103. Plan des Amphitheaters ; l'^Q i04. Querdurchschnitt des Amphithea- ters 180

i05. Gemälde an der Brüstungsmauer,

Thierkampf 181

i06. Gem&lde an derselben, Gladiato- renkampf 182

i07. Gem&lde an derselben, Waffnung i 08 1 1 4. Gladiatorenkämpfe von einem

GrabreHef 189—192

15. Pkm der Gladiatorenkaseme . . 194

16. Han der kleineren Bäder. ... 202

17. Ansicht des Apodyterium .... 204

18. Ansicht des Fri^aarium .... 205

19. Ansicht des Tepidarium .... 207 i20. Deckenwölbung des Tepidarium . 208 121. Durchschnitt des Caldarium. . . 209 [22. Ansicht des Caldarium 210

123. Ansicht des Frauenbades der

kleineren Thermen 213

124. Plan der größeren Thermen ... 217 i25. Hof derselben, die Palaestra ge- gen Südost 220

i26. Plan der Centralthermen .... 234

127. Plan eines Brunnens 239

128. Ansicht desselben 240

i29. Hahn einer Wasserleitung ...

130. Ansicht eines zweiten Brunnens . 241

31. Durchschnitt eines Brunnens . .

132. Ansicht eines dritten Brunnens .

[33. Altar an einer Straße 243

134. Ursprünglicher Plan des römischen

Hauses 248

35. Plan des römischen Normalhauses 251 [36. Plan und Durchschnitt des Haus- flurs in der Casa di Pansa . . 253 137. Gypsabguss des Fragmentes einer

Hausthür 254

Fig.

138. 139

141.

142.

143.

144.

145.

146.

147. 148.

1 149.

150.

151. 152.

154.

155. 156.

157.

158.

159.

160. 161. 162.

163.

164. 165. 166.

167.

168. 169.

170. 171.

172. 173.

174.

176. 176. 177. 178.

Seit«

Mosaikhund 255

u. 140. Plan und Durchschnitt eines

tuseanischen Atrium 256

Dach im Peristyl der Casa di

Sirico 257

Dach im Peristyl der domus C.

Vibii . 258

Elegante Traufrinne eines Privat- hauses 260

Beetanlage in den Xysten zweier

pompejanischen Häuser. . . . 266 Maenianum der Casa del balcone

pensile 267

Sacrarium in dem Hause No. 117

im Plane 268

Plan eines kleinen Hauses (No. 1 ) 270 Haus des M. Tofelanus Valens

(No. 2) 271

Plan eines dritten kleinen Hauses

(No. 3) . 272

Plan eines kleinen Hauses (No. 4)

mit tetrastylem Atrium .... Plan der Casa di Modesto (No. 5) 273 Restaurirter Durchschnitt der- selben 274

Plan der Casa deUa toletta dell' Ermafrodito (No. 6) ..... . ^76

Plan der Casa della caccia antica

(No. 7) 277

Plan der Casa del chirurgo (No. 8) 279 Plan eines andern mittelgroßen

Hauses (No. 9) 281

Restaurirter Durchschnitt des- selben

Plan des Hauses des M. Caesius

Blandus (No. 10) 282

Restaurirte Ansicht der Casa del

poeta tragico (No. 11) .... 285 Plan der Casa del poeta tragico . 286 Plan des Hauses IX, 5, 6 (No. 12) 289 Plan des Hauses des Holconius

Rufus (No. 13) 290

Plan des Hauses des M. Epidius

Rufus (No. 14) 298

Fenster in diesem Hause .... 299 Plan der Casa di Sallustio fNo.l5) 300 Restaurirte Ansicht der Casa di

Sallustio 303

Restaurirte Ansicht des Gartens

derselben 304

Plan der Casa di Meleagro (No. 16) 308 Gemälde im Hause des M. Lucre-

tius (No. 17) 314

Plan des Hauses des Lucretius . Plan des Hauses des Siricus

(No. 18) 320

Plan der Casa di Pansa (No. 19) 325 Restaurirter Durchschnitt der- selben 328

Plan der Casa del Centauro (No. 20) und der Casa del Dioscuri

(No. 21) 330

Plan der Casa del Laberinto (No. 22) 342 Fensterverschluss in derselben. . 344 Plan der Casa del Fauno (No. 23) 347 Plan der Casa del Centenario (No. 24) 364

Verzeichniss der Holzschnitte.

XV

Fig. Seite 179. Plan des Hauses des Popidius Se-

cundus (No. 25) 360

i80. Plan eines dreistöckigen Hauses

(No. 26) 367

181. Plan der Villa suburbana (No. 27) 370

182. Plan eines Ladens 377

183. Restaurirte Ansicht eines Ladens 84. Plan eines Ladeneinganges ... 378

185. Ladenverschluss

1 86. Reliefdarstellung an einem Bäcker- laden 379

187. Dreifacher Heerd mit Kesseln. . 382

188. Ansicht einer B&ckerei und Mühle 385

189. Plan einer B&ckerei 38 'j

190. Mühle 387

191. Zapfen und Drehscheibe .... 92. Durchschnitt des Backofens. . . 388

193. Plan der FuUonica 391

194 u. 195. GemSlde aus der Fullonica 392

196. Zeugpresse 393

197. Plan der Gr&berstraße 399

198. Orabnische des M. Cerrinius Re-

stitutus 400

199. Cbabm&ler des A. Veius, M. Por-

cius und der Mamia 401

200. Grab der Mamia 402

201. Durchschnitt und Restauration

desselben 403

202. Grabmal der Guirlanden .... 405

203. Halbkreisförmige Nische .... 406

204. Grabst&tte des M. Arrius Diomedes 408

205. Grab des L. Ceius Labeo .... 409

206. Grabmal der beiden Libella. . . 410

207. Grab mit der Marmorthür. ... 411

208. Marmorthür

209. Orabkanmier desselben Grabes .

210. Triclinium funebre 412

211. Grab der NaeWeia Tyche ... 413

212. Lischrift und Relief am Grabe der

Naevoleia Tyche 414

213. Aschenume

214. Relief am Grabe der Naevoleia

Tvche 415

215. Grao der Familie Istacidia ... 416

216. Grabaltar des CCalventiusQuietus

217. Reliefe vom Grabe des C. Calven-

tius Quietus 417

218. Relief ebendaher 418

219. Rundes Grabmal

220. Grabkammer desselben 419

221. Relief von demselben

222. Grab mit den Gladiatorenreliefen 420

223. Hermencippus 421

224. Bettschirm 424

225. Kopfende eines hölzernen Bettes

226. Zwei Sessel von Bronze .... 426

227. Zwei Bisellien

228. Lectus tricliniaris 427

229. Marmortisch und Tischfuß ... 428

230. Dreifüße und Vierfuß von Bronze 429

231. Lampen 432

232. LampenfÜße von Bronze .... 435

233. {Kleine Candelaber 436

234. Große Candelaber 437

235. Bronzene Feuerbecken 440

236. Marmornes Wasserbecken. ...

237. Ofen 441

Fig. Seite

238. Kohlenbecken von Bronze ... 441

239. Heerd von Bronze 442

240. Gefäß zur Bereitung der Calda . 443

241. Küchengeschirre von Bronze . . 444

242. Siebe von Bronze 445

243 u. 244. Kannen von Bronze . . . 446

245. Schnellwagen 447

246. Laterne aus Bronze 448

247. Prachteimer 449

248. Krater 450

249. Trinkgefäß und Schüssel von

Thon

250. Gefäße aus Glas und gebranntem

Thon 451

251. Badegeräthschaften 452

252. Schmuckgeräthschaften 453

253. Kriegerwaffen 455

254. Gladiatorenhelme 457

255. Beinschiene, Armberge und Ga-

lerus 458

256. Sonnenuhr 460

257. Messgeräthe 461

258. Chirurgische Instrumente ....

259. Inschrift; Wahlempfehlung ... 462

260. Karrikatur 484

261. Graffito mit Bild 485

262. Probe einer innem Mauer aus

Kalksteinfachwerk 501

263. Probe einer Facade aus Kalkstein

und Tuff 502

264. Übertünchtes dorisches Gebälk

vom Apollotempel 504

265. Durchschnitt eines Balkens . . . 506

266. Fragment einer Zimmerthür . . . 507

267. Giebel mit abgeschrägten Krag-

steinen 510

268. Proben der dorischen Ordnung in

Pompeji 512

269. Probestück der altem Forumco-

lonnade von der Südseite ... 514

270. Probestück der restaurirteuForum-

colonnade von der Westseite . 515

271. Proben der ionischen Ordnung in

Pompeji 517

272. Ionisches CapiteU von den Propy-

laeen des Forum trianguläre .

273. Proben der korinthischen Ordnung

in Pompeji 519

274. Phantasiecapitelle 520

275. Thüreinfassuuff von Marmor aus

dem Gebäude der Eumachia . 528

276. Herme des C. Cornelius Rufus . 538

277. OsciUen von Marmor 539

278. Artemis aus dem Apollotempel . 541

279. ApoUon aus dem ApoUotempel .

280. Weihebilder 542

281. Archaistische Artemisstatue . . . 544

282. ApoUonstatue von Bronze. ...

283. Bronzene Götterbilder aus Privat-

häusem 545

284. Brunnenfiguren 547

285. Trunkener Satyr, Brunnenfigur

aus der Casa del Centenario . 548

286. Knabe mit Ente, Brunnenfigur . 549

287. Tanzender Faun, Bronze aus der

Casa del Fauno 550

288. Idealbildwerke aus Marmor ... 551

XVI

Verzeichniss der Holzschnitte.

Fig. Seite

289. Silen von Bronze 552

290. Nike von Bronze 556

291. Hermenbüsten von Marmor . . . 557

292. Doppelkopf von Bronze

293. Doryphoros nach Polyklet. Aus

der Palaestra 558

294. Porträtstatuen der Livia und des

jungem Drusus aus der Ca-

pelle des Macellum 560

295. Fischer, Genrebild von Bronze . 561

296. Kleine Landschaft 572

297. Felseninsel 573

298. Bild mit landschaftlicher Stimmung 574

299. Heroische Landschaft 575

300. Stillleben 576

301. Thierstück 578

302. Realistisches Genrebild; Wein-

wagen 579

303. Hellenistisches Genrebild ; Eroten-

verkauf 581

Fig. Seite

304. Schwebende Tänzerinnen .... 582

305. Mythologische Genrebilder ...

306. Pygmaeenbild ; angeblich das Ur-

teil Salomonis 583

307. Theaterscenc 585

308. Demeter. 586

309. Herakles mit dem Löwen von

Nemea 589

310. Achilleus' Erziehung durchCheiron 591

311. BriseiV Wegführung

312. Odysseus und Penelone 592

313. Medea nach Timomacnos .... 594

314. Iphigenias Opferung 596

315. Mosaikschwelle 611

316. Muster toreu tischer Arbeiten . . 619

317. Bleigefäß mit Reliefen 621

318. Großes Armband von Gold ... 622

319. Verschiedene Schmucksachen von

Gold 623

320. Glasgefäß mit Relief 626

I.

Einleitender Theil.

Einleitung.

w.

enn Goethe in seiner italienischen Reise unter dem 13. März 1787 von der Zerstörung Pompejis schreibt : »Es ist viel Unheil in der Welt ge- schehn, aber wenig das den Nachkommen so viel Freude gemacht hätte. Ich weiß nicht leicht etwas Interessanteresa , so leiht er damit einer Em- pfindung Ausdruck, welche wohl so ziemlich Jeder theilen wird, dem es vergönnt war^ durch die Kuinen der uns durch ein wunderbares Schicksal überkommenen antiken Stadt zu wandern. Allerdings mag der erhaltene Eindruck bei Verschiedenen verschieden, auch bald starker, bald schwächer sein; möglich dass der eine und der andere Besucher, der mit wer weiß welchen Erwartungen nach Pompeji gekommen ist, sich enttäuscht gefunden hat, spricht doch üoethe selbst in einem Briefe vom 1 1 . März des genannten Jahres von dem »wunderlichen, halb unangenehmen Eindrucke dieser mumi- sirten Stadt«, den er imd Genossen sich »in der Laube zunächst am Meer in einem geringen Gasthofe bei einem frugalen Mahle aus den Gemüthem gewaschen haben«, und gewiss ist, dass man den ganzen Zauber dieser Stätte erst bei einem langem Aufenthalt imd gründlichem Studium empfindet. Dennoch wird man gewiss Wenige finden, welche nicht in Pompeji selbst mehr oder weniger enthusiasmirt gewesen wären. Wenige, denen die stund^- lange Wanderung durch Pompeji, selbst imter dem Strahle der in den schatten- losen Ruinen besonders heiß brennenden Sommersonne Süditaliens, dem Geschauten gegenüber zu mühsam erschienen wäre, ja Wenige, denen selbst fem von Pompeji und ohne es mit leiblichem Auge sehn zu können, nicht Schilderungen und Abbildungen der antiken Stadt ein lebhafteres Interesse erregen, als gar mancher andere Gegenstand.

Der Zauber aber, den Pompeji auf den Besucher ausübt, das Interesse, welches seine Ruinen imd Überreste dem Gelehrten wie dem Laien erregen, be- ruht darauf, dass gegenüber dem Zustande der Vereinzelung der antiken Monu- mente und ihrer modernen Umgebung fast im ganzen Bereiche der antiken üultur, es hauptsächlich nur Pompeji ist, wo das Alterthum luis, wenn auch nicht in ungestörter Ganzheit und Unverletztheit, so doch in einem Zustande der Erhaltung entgegentritt, welcher durch verhältnissmäßig geringe Anstren- gung in der geistigen Anschauung zur Granzheit erhoben werden kann, wo uns also am vollkommensten und klarsten ein Stück der antiken Welt mitten in unsere moderne gestellt und dennoch in sich abgeschlossen entg^entritt

[2] Einleitung.

Denn selbst von der Schwesterstadt Herculaneum kann man Gleiches nicht sagen. Herculaneum nämlich ist nicht allein ungleich tiefer verschüttet, als Pompeji, es ist in seinen wichtigsten Theilen von einem mächtigen Strome vulcanischen Schlammes überfluthet, der zu einer felsenfesten Rinde erstarrt ist, und auf dem großentheils die modernen Städte Portici und Resina erbaut sind. Demnach kann Herculaneum nur zum kleinsten Theil aufgedeckt werden, und zu Tage liegen von ihm nur ein paar einzelne Häuser, während manches früher in der Art eines Bergwerks, gleichsam durch Stollen und Schachte aufgegrabene und nach Kunstwerken durchsuchte Gebäude, wie die Basilika u. a. wieder verschüttet worden ist, imd das Theater, zu dessen über den Sitzstufen umlaufendem gewölbtem Corridor man auf einer 112 Stufen tiefen Treppe hinabsteigt und dessen Orchestra 26,60 M. unter dem Niveau der Stadt Resina liegt, nur bei dem zweifelhaften Lichte von Kerzen be- sichtigt werden kann. Pompeji dagegen liegt wieder offen imter dem freund- lichen Lichte des campanischen Himmels, der ihm einst gelächelt hat, wir können, die leichte Luft des Lebens athmend, durch seine Straßen wandern, in seine Häuser eintreten und seine Monumente im Strahle der glänzenden Sonne betrachten, die, Leben und Freude weckend, die Gedanken an Tod und Zerstörung aus unserer Seele verscheucht. Herculaneum ist eine dunkele Gruft, in der ein ganzes Geschlecht begraben liegt, Pompeji ist wie eine Stadt, die etwa nach einem Birande von den Einwohnern ver- lassen ist, welche sich die Phantasie als wiederkehrend denken mag. Ein wunderbares Walten des Schicksals hat uns diese Stätte des Alterthums in ihrer Ganzheit bewahrt. Hier pulsirte das Leben in frischester Fülle und Kraft, hier schuf und wirkte dasselbe nach allen Richtungen mit ganzer, reger Geschäftsthätigkeit, hier trieb sich der lebhafte Verkehr eines sorglosen Völkchens durch die Straßen und Gassen, als plötzlich die Parze den Faden abschnitt. Ungeahnt imd daher um so furchtbarer brach das Verhängniss über die Stadt herein, als der für erloschen gehaltene Vesuv in seiner ersten historisch bekannten und zugleich gewaltigsten Eruption vom Jahre 79 Massen von Bimsstein- und anderen Steinbrocken, dann von Asche auswarf, die, von gewaltigen Wassergüssen zusammengeschlämmt, mit einer gleichmäßigen Decke die ganze Stätte dieses Lebens einhüllten , sie beschützend vor den langsam aber sicher wirkenden Zerstörungen kommender Zeiten, und Alles, was sie trug, geheimnissvoll bewahrend bis auf späte Jahrhunderte.

Diese Jahrhunderte sind gekommen; uns war es vorbehalten die be- deckende Hülle hinwegzuheben. Ohne große Mühe kann die höchstens sieben bis acht Meter starke, dabei weiche und lockere Masse vulcanischer Asche und Lapilli (Bimssteinbrocken) hinweggeräumt werden, bis man auf das Pflaster der alten Straßen gelangt, zu deren Seiten die Gebäude sich erheben. Und wenngleich die Ausgrabungen während der einhundert und fünfunddreißig Jahre, die seit der Entdeckung verstrichen sind, meistens, und auch bis in die neueren, besseren Zeiten mit einer Säumigkeit und Lässigkeit betrieben worden sind, die gegenüber den wissenschaftlichen und künstlerischen Inter- essen der Funde nur aus einer gründlich schlechten Verwaltung erklärbar ist, so ist doch ein ungefähres Drittel der verschütteten Stadt wieder an den Tag gebracht, und zwar dasjenige Drittel, welches neben dem Forum und noch ein paar Plätzen die Hauptstraßen, die bedeutendsten öffentlichen Gebäude, Tempel, Basilika, Bäder , Theater und Amphitheater umfasst und daneben eine Fülle von Wohnhäusern, Läden, gewerblichen Anlagen, so dass kaum

Einleitung. [3]

eine Seite des alten Lebens in seinen monnmentalen Resten nicht vor un- seren Blicken offen läge.

Freilich sind auch diese Gebäude Trümmer; theils die Verschüttung selbst, theils die langsamer, aber unaufhaltsam >¥irkenden Einflüsse der Zeit während der 1800jährigen Bedeckung, theils endlich die Thätigkeit der Menschen, welche, nachweisbarer Weise bald nach der Verschüttung begin- nend, vielleicht Jahrhunderte lang eine Art von Baubbau in Pompeji getrieben und Alles was sie brauchen und fortschleppen konnten, herausgewühlt haben ; sodann die weiterhin näher zu schildernde Art, wie die Ausgrabungen bis in die neueren 2ieiten betrieben worden sind, und endlich die aller Vorsichts- maSregeln spottende Macht der Jahre und der atmosphärischen Einflüsse auf die ausgegrabenen Gebäude *) , dies Alles hat uns auch von Pompeji nur Rui- nen, in den am frühesten ausgegrabenen Theilen mehrfach recht kahle und verfallene Ruinen übrig gelassen. Aber dennoch lassen sich diese Ruinen im Granzen betrachtet kaum mit irgend welchen anderen an Erhaltung vei^ gleichen , und außerdem fand man in ihnen eine solche Masse der beweg- lichen Reste des Lebens, welches in ihnen kreiste, wie an keinem anderen Orte der Welt. Des Erhaltenen ist mit einem Worte so viel, dass es kaum möglich ist, dasselbe in Gedanken nicht zu ergänzen, zu verbinden, zu be- leben, und dies Erhaltene ist nicht zerstreut, wie an anderen Orten, es steht oder liegt (lag wenigstens bei der Auf&ndung) an dem Orte seiner Bestim- mung, begrenzt, nachbarlich umgeben von Gleichartigem, nicht von unserer modernen Welt, nicht zusammengetragen und classificirt in einem Museum. Kein Ort der Welt ist daher geeigneter, dem Liebhaber eine Übersicht über das antike Leben zu gewähren, als Pompeji, kein Monumentenkreis lässt sich so leicht xmd völlig zum Ganzen verbinden, an keinen die Belehrung über Zweck und Bestimmung alles Einzelnen so leicht anknüpfen, und bei keinem Anlass ist die Gefahr der Eintönigkeit des Vortrags über die Sitten und das Wesen einer vergangenen Zeit so gering, wie bei einer Beschreibung Pompejis.

Dies ist die eine Seite der Bedeutung, welche die alte wieder aufgegra- bene Stadt für uns hat, man kann sie die antiquarische nennen ; eine andere ist künstlerischer Art. Die Bauwerke Pompejis, welche, zum größten Theile wenigstens, einer von den tiefen und durchgreifenden Principien kitgriechischer Architektonik bereits vielfach abweichenden Zeit angehören, bieten freilich nur einen Anhaltepimkt von zweifelhaftem Werth, imi den Liebhaber über das Wesen der alten Architektur zu belehren; auch die verhältnissmäBig wenigen Sculpturwerke Pompejis (deren Herculaneum eine ungleich bedeu- tendere Reihe bietet) sind, obgleich sie einige vorzügliche Stücke enthalten, sehr wenig geeignet, einen Begriff von dem Wesen, namentlich von dem Umfange antiker Plastik zu geben oder selbst nur zu unterstützen. Um so wichtiger sind dagegen die Malereien, sowohl die eigentlichen wie die Mosaiken. Auch die Malereien Pompejis sind freilich nur geringe Vertreter der alten Malerkunst, sie sind, selbst in ihren Vorbildern, aus sinkender Kunstzeit wie die Mehrzahl der Bauwerke, sind nicht die Arbeiten nam- hafter Meister selbst dieser Zeit; dennoch aber und trotz allen diesen Mängeln sind die Gemälde von Herculaneum und Pompeji die Grundlage unserer monumentalen Vorstellung von der antiken Malerei, da außer dem einen oder dem andern Tafelgemälde und einigen nicht wesentlich verschie- denen, zum Theil noch späteren Wandgemälden von der Art der pompeja- nischen, endlich außer den Vasenbildem, die in ihrer Einfarbigkeit kaum Schat-

[4] Einleitung.

tenbilder der alten Gemälde sind, Alles von alter Malerei unwiederbringlich verloren ist. So vertreten uns die herculanisehen und pompejanischen Wand- gemälde fast allein die ganze alte Malerkuust, und zwar nach einer sehr bedeutenden Seite ihrer Technik , nach dem Wesen der Form- und Farb- gebung wenigstens dieser Technik, nach dem der Composition, nach dem der Gegenstände. Und mögen auch die besten dieser Bilder , hätten wir die Werke der Meister, als sehr schwache Nachklänge der eigentlichen Herr- lichkeit der Kirnst erscheinen , mögen sie einen großen Theil der Schuld tragen, dass über die antike Malerei als Ganzes schwer ausrottbare falsche Vorstellungen und Vorurteile sich festgesetzt haben, dennoch können wir uns ihrer Frhaltung nicht genug freuen, dennoch werden wir immer aner- kennen müssen, dass sich vortreffliche, reizvolle, anmuthige, in jedem Be- tracht interessante Kunstwerke in großer Zahl unter ihnen befinden.

So tritt neben die antiquarische Bedeutung Pompejis eine künstlerische, und so wird neben die Abtheilung dieser Beschreibung, welche es mit den Kesten des Lebens und mit deren Erklärung und Neubelebung zu thun hat, eine zweite künstlerischen Interesses zu stellen sein, deren Gegenstände besonders die Gemälde Pompejis und die durch sie vertretene antike Malerei bilden.

Sowie aber der Hervorhebung der Bedeutung der pompejanischen Ge- mälde gleich eine Einschränkung hinzuzufügen war, so muss eine ähnliche für die oben angedeutet^ antiquarische Wichtigkeit der alten Stadt und eine Warnung vor Überschätzung hier zum Schlüsse nachgetragen werden. Pom- peji ist, wenngleich eine reiche, handeltreibende Stadt mit lebhaftem Verkehr, dennoch nur eine kleine und eine Landstadt ohne politische Bedeutung gewesen ; allen ihren Resten ist nicht der Stempel des VVesens einer Haupt- und Weltstadt aufgeprägt, und wenn man Pompeji ein Miniaturbild Roms genannt hat, so kann das, abgesehn von den unrömischen Elementen, denen man in ihr begegnet, nur in Beziehung auf die Denkmäler des communalen und privaten Lebens gelten. Was Rom darüber hinaus besaß, was die ewige Stadt zur Hauptstadt nicht allein Italiens, sondern der Welt machte, was von den Monumenten, welche diese weltbeherrschende Stellung geschaffen, in Rom geblieben ist, das fehlt nicht allein in Pompeji, das lässt sich an den Monumenten in Pompeji auch nicht nachweisen, so wenig wir Jemandem an Städten wie Bonn oder Zwickau die Einrichtungen und das Eigenthüm- liche von Städten wie London und Paris oder Berlin und Dresden klar machen können. Mit der bloßen Vergrößerung durch die Phantasie ist's hier eben nicht gethan. Vergleichende Blicke auf das Leben der Welthauptstadt können wir wohl von dem vor uns befindlichen Monumentenkreise des Landstädtchens werfen, aber nur dagegen muss gleich hier Verwahrung eingelegt werden, dass es nicht die Absicht dieses Buches sein kann, die Beschreibung Pom- pejis zum Anlass einer encyklopädischen Darstellung der römischen Anti- quitäten zu machen, dass vielmehr Pompeji der wirkliche und eigentliche Gegenstand der Beschreibung, Darstellung und Erklärung ist und, wenn der Zweck nicht verfehlt werden soll, sein muss.

Erstes Capitel.

Campanis fellx, der Qolf Ton Neapel, der Tesav, Pompejis Lag^ Heerstraßen in Campanlen.

Fig. 1. Karte von Campanien.

Die ganze Küstenlaiidschaft, in der Pompeji liegt, zwischen dem Liris ond der Halbinsel von Sorrent. welche seit dem fünften Jahrhundert v, Chr. unter dem Namen Campania begriffen wurde, gehört zu den glücklichsten und reichsten Strecken der ganzen Erde. Besonders ist die Strecke am Meeresufer selbst, zwischen den beiden Vorgebirgen, welche den heutigen Golf von Neapel, im Alterthum der Krater genannt, umschließen, dem von Misenum mit den vorliegenden Inseln Procida und Ischia und dem der Minerva [Punta della Campanella) mit der Insel Capri, von einer Fruchtbarkeit und von einer

OTtrbtck. Pompeji. 4. AsB. ]

2 Erstes Capitel.

landschaftlichen Schönheit zugleich , welche ihr im Munde aller Reisenden den Namen eines Paradieses verschafft und sie zum unzählige Male wieder- holten Gegenstand unserer Landschaftsmalerei gemacht hahen. Im Norden treten mäßige Hügel, im Süden hohe und steile Berge dicht an das JMeer hinan ; dazwischen, von Neapel bis zu den Kalksteingebirgen der sorrentiner Halbinsel, erstreckt sich ins Land hinein die weite, von Bergen umgrenzte, stets von kühlenden Seewinden erfrischte Ebene, unterbrochen nur durch den zugleich großartig und anmuthig emporsteigenden Kegel des Vesuv, der da- mals, vor dem ersten geschichtlich bekannten, für Pompeji so verhängniß vollen Ausbruche, bis hoch an seinen Gipfel vom herrlichsten Laubwalde bedeckt war. Die Vulcanität des Bodens ist wie überall so auch hier die Quelle großer Fruchtbarkeit ; bereits der unter August schreibende Geograph Strabo erkannte in ihr den Grund des Reichthums dieser Gegend an den edelsten Producten der Vegetation, Getreide, Wein und Öl, obgleich man damals den Vesuv für längst erloschen und ausgebrannt hielt. Olivenwälder bedeckten namentlich die ansteigenden Höhen der südUcben und mittlem Gegend, während aus der nördlichen zwischen dem Liris und Vultumus, aus dem Gebiete von Teanum, dem ager Falemus der bekannte Falemerwein und der kaum minder edle Massiker stammten. Wir brauchen übrigens nur an die heutigen Tages an den Abhängen des Vesuv producirten Weine zu erinnern, um es wahrscheinlich zu machen, dass auch im Alterthum der uns zunächst interessirenden südlichen Gegend manches edle Gewächs nicht gefehlt haben wird, obgleich Plinius angiebt, der Wein Pompejis sei nicht ohne unangenehme Folgen genießbar gewesen. Reben vielleicht weniger vorzüglicher Gattung haben sich aber imstreitig damals, wie heute, fast wild, bis hoch in die Bäume emporgerankt und wie Festons von Stamm zu Stamm, von Wipfel zu Wipfel geschlungen. Zu der Fruchtbarkeit der Gegend gesellt sich deren hohe land- schaftliche Schönheit, welche in dem bekannten »veder Napöli e poi morire« sprichwörtlich geworden, aber keineswegs auf Neapels Aussichten allein be- schränkt ist.

Wenngleich Pompejis Lage in dem weiten Thale des Samus und mit nur theilweiser Aussicht auf das etwa V4 Meile entfernte Meer sich nicht mit der Neapels messen kann, so ist doch die Aussicht von den freien Höhe- punkten der Stadt, von dem Podium des Juppitertempels, von dem Steinsitze auf dem Forum trianguläre, der offenbar dort der Aussicht zu Liebe gegründet wurde, endlich von den oberen Rängen des Theaters, sowie von mehren Pri- vathäusem des südlichen und westlichen, jetzt freilich durch die Aufschüt- tungen der Ausgrabungen zum Theil bedeckten, Abhangs eine überaus ent- zückende. Stellen wir uns auf dem letztem Punkte so, dass wir den leichte graue Wolken ausstpßenden, nur y^ Meile entfernten Vesuv zur Rechten haben, so schweifen unsere Blicke über die schöne, reich bebaute, von Baumgruppen und Alleen unterbrochene, mit Dörfern und Städtchen reich übeisäete Ebene hinaus auf den klarblauen Golf von Neapel, den rechts die vorspringenden Abhänge des Vesuv begrenzen, welche uns den Blick auf Neapel verhüllen, während in weiterer Feme der in dem steil abfallenden Cap Misenum endende Höhenzug und der gewaltige Kegel des Epomeo auf Ischia^ den Horizont

Campania feilt, der. Oolfyon Neapel etc. 3

b^rensendy in blajien Duft gehüllt empdrr^en. Links, auBlaiifend Yon den bedeutenden Höhenzügen des Hixpiner Gebirgs streckt sich die bergige Land- zunge vor, von der^i Fußnnd ansteigenden Seiten uns Castellammaxe und Sor^ rent entgegenschimmem^ und an deren Ende das wundervoll gestaltete Capri^ fireilich nidit ganz und nicht in seinem interessantesten Profile, mit dem es sich Neapdi danrtellt, sichtbar wird« Höher und steiler erhebt sich landein* wärts die Fortsetzung der sorrentiner Berge und übertagt mit den schroffen und phantastischen Gipfeln des Monte Santangelo die vom Samo durchströmte Ebene südöstlich von Pompeji. Voll imposanter Pracht ziehen sich, wenn wir uns w^ter links wenden , die Hirpiner Berge in das Land hinein und Theben sich in maimig&chen und schöngefoxmten Umrissen zu der Masse des Apennin, der weit hinten das Bild dieser glanzvollen und gesegneten Ebene begrenzt. Der Sarüo strebt in der geringen Entfernung von etwa 20 Minuten von Pompeji dem Meere zu, noch heute ein immer strömender, ja wasserreicher, im Älterthum ein weit landeinwäxts schiffbarer Fluss. Wie aber um Pompeji, so ist Cainpamen in allen Thiailen wasserreich, sdbet im höchsten Sommer, weshalb, sowie wegen der Seewinde, die Hitze dort knge nicht die dörrende Wirkung hat, wie im nachbarHchen aber trockenen Latium und wie nament- lich in der nahem Umgebung Roms.

Dass ein in jeder Weise so g^egneter Landstrich von alter Zeit her seich bevölkert war, ist leicht begreiflich : in der That sind uns die Namen vieler Städte bekannt, und von manchen derselben sind bedeutende Buinen nachweisbar. Soweit unsere Kenntniss hinaufreicht, waren diese Gegenden von einer BeviHkerung bewohnt , welche dem oskischen Zweige des itali- schen Volksstammes . angehörte. Schon früh siedelten sich dann an den Küsten Griechen, namenüich ionischen Stammes an: schon im 11. Jahrhun- dert v. Chr. soU Kyme gegründet sein. Von hier aus ward Dikaearchia (Poz- zuoU), abdann Parthenope (s^ter Palaeopolis) an der Spitze des Posilipo, und im Anschlüsse daran Neapolis gegründet. Der Einfluss der griechisdien Cultur auf die Eingeborenen war bedeutend. Sie nahmen das griechische Alphabet an, welches sie freilich in eigenthümlicher Weise zu dem uns wohlbekannten oskischen Alphabet umbildeten , und es scheint, dass sie im fünften Jahrhundert in Sitten imd Gebräuchen vollständig hellenisirt waren. Eine zweite Periode in der Geschichte Gampaniens beginnt mit dem Ende des fünften Jahrhunderts. Die gleichfalls oskischen Stämme des Gebirgslandes, be- kannt unter dem Namen der Samniten , welche an der Cultur imd Hellenisi- mng ihrer in der Ebene wohnenden Stammesgenossen nicht Theil genommen, dafür aber sich größere kriegerische Tüchtigkeit bewahrt hatten, drangen jetzt in die Ebene vor, und bemächtigten sich sowohl der Städte einheimischer Gründung als der griechischen Colonien. Im Jahre 424 fiel Capua, 420 Kyme in ihre Hände. Nur Neapel rettete eine beschränkte Selbständigkeit. Aber auch die neuen Bewohner Campaniens entzogen sich nicht der griechischen Cultur, und nach weniger als einem Jahrhundert war es schon wieder der Gegensatz .zwischen ihnen und den zurückgebliebenen Stammesgenossen im Gebirge, welcher zu neuen Kämpfen, zur Einmischung der Römer, und durch die samnitischen Ejdege (342 290) zur Unterwerfung Campaniens und zu-

4 Erstes Capitel.

gleich auch Samniums unter die römische Herrschaft führte. Die Unterwerfung geschah in der Form eines ewigen Bündnisses ; sie ward gesichert durch ein wohlberechnetes Netz von Straßen und festen Militärcolonien.

In der nun folgenden dritten Periode, der Zeit der römischen Herrschaft bis zum Bundesgenossenkriege , ist ohne Zweifel römische Sitte und Sprache vielfach in Campanien eingedrungen. Doch blieben die meisten Gemeinden der Form nach selbständig ; sie behielten ihre einheimische Verwaltung, die Bevölkerung im wesentlichen ihre oskisch-samnitische Nationalität und ihre vom Griechenthum abhängige Cultur.

Erst in den Jahren 90 80 kämpften die Samniten ihren letzten Ver- zweiflungskampf gegen das übermächtige Rom , in Verbindung anfangs mit den übrigen »Bundesgenossen« Roms (Bundesgenossenkrieg 90 88], dann mit den römischen Demokraten (Marius und Cinna) . Die Niederwerfung und blutige Vemichtimg der samnitischen Nation durch Sulla, die Ausdehnung des römischen Bürgerrechts auf ganz Italien, endlich die Deduction römi- scher Colonien führte zur vollständigen Romanisirung auch Campaniens. Die römische Sprache herrscht von jetzt an im of&ciellen Gebrauch ausschließlich und wird auch im Privatverkehr immermehr die Oberhand gewonnen haben.

Die Bedeutung Pompejis beruhte darauf, dass es Hafenstadt war. Und zwar diente ihm nach dem Zeugniss Strabos (V, p. 247) als Hafen die Mündung des Samus. Derselbe Strabo giebt an, Pompeji sei Hafenort für Nuceria (No- cera) , Nola und Acerrae, eine Notiz, welche in Bezug auf das viel näher an Neapel liegende Acerrae höchst seltsam ist imd fiir die Zeit des Strabo kaum glaublich scheint. Man hat vermuthet, dass in früheren Jahrhunderten, als der nördliche Theil der campanischen Küste (Kyme, Dikaearchia, Parthenope) in den Händen der Griechen war, die oskischen Städte des Binnenlandes und unter ihnen auch Acerrae, um sich von den Griechen unabhängig zu machen, sich in Pompeji einen eigenen Hafen geschaffen haben, und dass dann auch später der Handel dieser Städte die einmal eingeschlagene Straße beibehalten habe ; und in der Thät scheint dies der einzig mögliche Ausweg zu sein, wenn man nicht einen Irrthum Strabos annehmen will.

Es ist^zwar auch versucht worden, die Stelle Strabos so zu erklären, dass Pompeji eine gemeinsame Colonie jener drei Städte wäre. Ja man hat gemeint, dass dies in dem Namen Pompaiia auisgedrückt sei, welcher, mit dem griechi^ sehen Verbum TcifXTta) (aussenden) nahe zusammienhangend, gar nichts anderes als eben ))Coloniea bedeuten könne. Und da nun Pompeji durch zwei ostwest- liche Straßen in drei Stücke zerlegt wird, so hat man in diesen die drei Tribus der Nuceriner, Nolaner und Acerraner erkennen wollen. Doch ermangeln leider diese geistreichen Combinationen des Fundaments. Die Worte Strabos sagen durchaus nichts anderes, als dass zu seiner Zeit Pompeji jenen drei Städten als Hafenplatz diente ; und auch die erwähnte Bedeutung des Namens kann nicht im geringsteh als sicher gelten: warum sollte z. B. nicht der ita- lische Stamm pompe, welcher »fünf« bedeutet, darin stecken 2) ?

Pompeji, obgleich Hafenstadt, brauchte darum doch nicht unmittelbar am Meere zu liegen, denn, wie Strabo bezeugt, diente als Hafen der Fluss. Da aber die Alten Pompeji durchweg als Küstenstadt erwähnen, so hat man

Gampania felix, der Oolf von Neapel eto. 5

auch in neuerer Zeit ziemlich allgemein angenommen, dass das Meer im Alter- thum Tiel näher hinanreichte als jetzt, wo die Küste etwa zwei Kilometer Ton Pompeji entfernt ist. Rosini, welcher in seiner Einleitung zu der Publication der herculanensischen Papyrusrollen sich eingehend mit dieser Frage bescMf- tigt, kam, gestützt namentlich auf Höhenunterschiede des Terrains, zu dem Resiütat, dass das Meer sich dem südwestlichen Thor (Porta marina) bis auf etwa 300 Meter näherte, dass dann nach Südwesten eine kleine Halbinsel vor- sprang, weiter aber die Küste mit tiefer Einbuchtung dicht an die Südseite der Stadt und das Amphitheater hinantrat. Seine Meinung ist von den Spä- teren meistens gebilligt worden. Eine methodische Untersuchung dieser Frage hat erst in neuester Zeit der gegenwärtige Director der Ausgrabun- gen, Herr M. Buggiero, vorgenommen, indem er durch eine Beihe von Ver- suchsgrabungen zwischen Pompeji und dem Meer das Terrain untersuchen und die dabei sich ergebenden Bodenschichten sorgfältig au&eichnen liefi. Auf diese Weise ist zwar eine vollständige Lösung der Frage noch nicht erreicht worden, doch sind wir ihr nahe gekommen imd ist der Weg zu derselben deutlich vorgezeichnet. Es ergab sich nämlich , dass , wenn man von der Stadt aus an der Eisenbahn entlang gegen das Meer fortschreitet, der obere, der Stadt zunächst liegende Theil der Ebene von den Verschüt- tungsmassen des Jahres 79 n. Chr. in regelmäßigen Schichten bedeckt ist, während weiter g^en das Meer hin diese Massen fehlen. Diese Erscheinung erklärt sich allein durch die Annahme, dass zur Zeit des verhängnissvollen Ausbruches das Meer bis dahin reichte, wo die Verschüttungsmassen sich zu finden beginnen ; denn da dieselben specifisch leichter sind als das Wasser, so wurden sie, soweit sie in^s Meer fielen, fortgespült ohne Spuren zu hinter- lassen. Da nun schon bei einer Grabung an einem reichlich 500 Meter von der Porta marina entfernten Punkt die betreffenden Schichten nicht mehr ge- funden wurden, so ist es sehr glaublich, dass auf dieser Seite die von Bosini auf Grund einer Senkung des Bodens angenommene Uferlinie, etwa 300 Meter von dem genannten Thor, das richtige trifft. Dagegen ist durch zahlreiche Funde von Besten antiker Gebäude und Pflanzungen, welche ebenfalls Bug- giero zusammengestellt hat, sowie auch durch das Vorhandensein der Ver- schüttungsmassen festgestellt, dass die Ebene südöstlich der Stadt im Alterthum bewohnt und bebaut war, dass also Bosinis Annahme, als habe das Meer dicht an die Südmauer und an das Amphitheater hinan gereicht, irrig war. Bei weiteren Nachforschungen wird es nim darauf ankommen, genau den Punkt zu ermitteln, bis zu welchem die Verschüttungsschichten von 79 reichen, und von diesem Punkte aus nach beiden Seiten die Uferlinie zu verfolgen. So viel Jst sicher , dass die Entfernung Pompejis vom Meere höchstens den vierten Theil der jetzigen Entfernung betrug. Von den erwähnten antiken Gebäude- resten fanden sich die dem Meere am nächsten liegenden in der Nähe der Samobrücke und des von ihr nicht weit entfernten Mühlencomplexes : also mindestens dahin reichte das Land im Jahre 79 ; und eben hier wurden unter anderem Beste einer Barke, ein Anker und Fischergeräth gefunden. Da nun die Fischerei ihren natürlichen Sitz am Meeresstrande , nicht etwa am Ufer des Flusses hat, so ist es. wahrscheinlich, dass wir auch hier einen Punkt

6 Eretes Capitel.

der alten Küste gefunden haben ; die Entfernung zwischen der alten und der neuen Küste ist dann hier annähernd dieselbe wie vor der Porta marina. Es mag noch bemerkt werden, daß das Ufer nicht durch die Verschüttungsmassen des Jahres 79 vorgerückt wurde, welche wie gesagt f ottgespült werden mussten, sondern im Lauf der Jahrhunderte durch die erdigen Theile, welche der früher in mehren, oft sich verändernden Armen die Ebene durchströmende Fluss mit sich führte.

Wie die Küstenlinie so ist auch das Flussbett des Samus nicht mehr das alte. Seinen jetzigen Lauf erhielt er erst durch die in diesem Jahrhundert vorgenommene Regulirung. Das alte FluBsbett kennen wir bis jetzt nicht, doch scheint es, dass eine in den Jahren 1880 und 1881 stattgefundene Entdeckung einen Schluss auf die ungefiSire Lage desselben gestattet. In einiger Entfer- nung von dem südlichsten Thor Pompejis, dem Stabianer Thor, eben jenseits des aus dem Samo abgeleiteten Canals (Canale di Bottarö) stieß man auf einen Complex von Gebäuden und fend daselbst eine große Anzahl von mensch- lichen Gerippen nebst auffüllend vielen werthvoUen goldenen Schmucksachen. Combiniren wir nun damit die Beobachtung, dass der Verkehr Pompejis mit seinem Hafen offenbar hauptsächlich eben durch das Stabianer Thor stattfand, da die an die Porta marina sich anschließende Straße für Wagen gesperrt, die Stabianer Straße aber augenscheinlich stark befahren war, so ergiebt es sich uns als sehr wahrscheinlich, dass jene Skelette und jene Gt)ldsachen von Pom- pejanem herrühren, welche am Tage der Katastrophe mit ihren Schätzen ge- flohen waren um sich einzuschiffen, was ihnen, vermuthlich wegen des zu großen Zudranges, nicht gelang. Wir werden weiter annehmen dürfen, dass jener Gebäudecomplex den Landungsplatz bezeichnet und dicht an dem alten Flussbett, aber noch diesseits desselben lag. Ist dies richtig, so mochte der Fluss um etwa 400 Meter näher an der Stadt fließen als jetzt ^j.

Wenn also Pompeji weder unmittelbar am Meer noch unmittelbar am Fhiss lag, so hatte dies seinen Grund darin, dass bei der Wahl des Ortes andere Umstände maßgebend waren. Es musste nämlich nicht nur auf bequeme Lage für den Handel, sondern auch auf natürliche Festigkeit und Vertheidigungs- fähigkeit gesehen Werden. Deshalb gründete man Pompeji auf einem Hügel, d. h. auf dem unteräten Ende eines uralten Lavastromes, der lange vor Menschengedenken sich vom Vesuv in südwestlicher Richtung dem Meere zu- wälzte, ohne dasselbe zu erreichen. Vx erstaitte in seinem Lauf, indem er sich gegen den Endpunkt desselben aufstaute und so die zur Gründung einer antiken Stadt wünschenswerthe Erhöhung darbot. In Folge seiner Lage auf eiiiem Hügel ist Pompeji bei allen späteren Ausbrüchen von Lavast3x>men verschont geblieben: ein für uns höchst wichtiger Umstand, denn andern- falls würde die Wiedemufdeckung mit den allergrößten Schwierigkeiten ver- bunden sein» In neuester Zeit ist der Stadthügel genau triangulirt und nivellirt worden (Piorelli, GM scavi 1861 78 Tat XIII), mit dem Ergebnisse dass sein höchster Punkt, ganz nahe bei dem Herculaner Thor. 42,53 M., der niedrigste innerhalb des damals ausgegrabenen Theils, östlich neben dem kki* nen Theater, 15,08 (das Stabianer Thor liegt noch tiefer), die Area des Forums 33,60 M. imd die Arena des Amphitheaters 12,80 über der mittlem Höhe des

Campania felix, der Oolf yon Neapel eto. 7

Meeresapiefgels liegt. Von atinem Profil und den NireauverhältnissefiL yerscbie- dener Hauptpunkte der Stadt wird die SldiEze Fig. 2^ aufgenommen von eineQi Punkte am Samo, eiile wenigstens allgemeine Voistellung rermitteln können»

Fig. ^, Skisze Tom Profil des pompejantschen Stadthügels.

« Sehnithalden ; Zweistöckiges modernes Wirthshans ; c Forum; d Höchster Pnnlct; « Forma trianguläre;

/ Großes Theater ; g Amphitheater.

Wie die natürliche Wasderstraße des Samus Pompeji mit den Binnen- landstädten verband, so war dasselbe, freilich erst später, erst als die römische Herrschaft sich über diese Gegend verbreitet hatte, durch die via Campana, eine jener gewaltigen Heerstraßen, welche man mit Recht die Adern des römischen Beiches genannt hat,, und durch deren municipale Fortsetzungen mit mehren der umliegenden Städte und schließlich über Herculaneum, Neapel, Puteoli, Capua und die via Appia mit Born verbunden. Diese großen römi- schen Heerstraßen, welche die Hauptstadt mit den entferntesten Grenzen des unermesslichen Beiches verbanden, über Berge und Thäler und Ströme weg- liefen, an vielen Orten, selbst in entfernten Provinzen nicht allein erkennbacr erhalten, sondern fahrbar und wirklich befahren sind, waren der Gegenstand der ei£rigatten Sorge der Machthaber Borns sowohl in den Zeiten der Bepublik wie in denen des Kaiserreichs, und sind diejenigen Monumente, welche uns neben den gewaltigen/ oft viele Meilen langen Aquaeducten den stärksten Begriff von der Größe des römischen Beichs und seiner Verwaltung zu geben geeignet sind. Ihre Constructidn , die sorgfaltigste welche man fiir Jken Straßenbau überhaupt anwenden kann, besteht aus drei Lagen; duß Fvndainent {riatumeti) wurde ^bildet durch eine mächtige Lage größerer durch Mörtel verbundener Steine; die mittlere Lage (rudera) besteht aus Kies oder kleineren Steinen, auch Scherben und Sand, bestimmt, ein völlig ebenes Niveau xu bilden und, in einand^ gearbeitet Tind festgewalzt wie unsere Chausseen, die oberste Lage, die eigentlidie Fahrstraße zu tragen, welche aus großen, wohl in einander ge&igten Steinplatten gebildet ist. Die so hergestellte Fahrstnße (agger) wurde in der Nähe von Städten zu beiden Seiten mit FuB-> wegen (Trottoirs, tnargine») eingeüeiBt, welche sidi bis zu 10" über das Niveau des Ag^er erheben und durch Prellsteine, die in mäßigen Entfernungen von «inander aiigebl»dit sind, geschützt werden. Die Ediebung und Einfius- 8ung der Fußwege durch behauene Steine bildet gegen den flachgewölbten Bücken des Agga: die Bannsteine oder Gbssen, in welche das Wasser von der Fahrstraße abfließt, um durch eigene in maßten Zwischenräumen angebrachte Abzugsröhren unter den Trottoirs hindurch von der Straße ganz entfernt zu weiden. In der Nähe Pompejis zeigt die Hauptstraße nidit drei, sondern nur 2wei Lagen, die aweite und dritte, indem der felsige Untergrund die Errichtung eigener Substmctionien [staiumina) unnöthig machte. An. der ganzen Länge der HmiptstraSen hin standen Meilenzeiger [müliaria)^ so wie seit Augustus Hatünes undmamiones^ Stationen und Einkehre für die von ihm organisirten

3 Zweites Capitel.

Postanstalten, während in der Nahe der Städte die StraBen zu beiden Seiten mit Tempebi oder kleineren Heiligthümem, mit Villen und mit Grabmälem eingefasst waren, welche letzteren man unmittelbar Tor dem Thor anzubringen liebte, seitdem das Zwölftafelgesetz die Bestattung innerhalb der Stadtmauern verboten hatte. An den Seiten der Hauptstraßen vor dem Thore schienen die Buhestätten der Verstorbenen von dem Leben nicht abgetrennt, imd der leb- hafte Verkehr, der sich hier bewegte, musste diesen Ort als den wünschens- werthesten für die Denkmäler verdienter Bürger erscheinen lassen. Wie reich und anmuthig diese Einfassimg der Hauptstraßen war, werden wir bei der Gräberstrafie Pompejis kennen lernen, obgleich auch diese nur ein schwaches Abbild des Glanzes imd Geschmacks der Hauptstadt bietet.

Zweites Capitel. Gesehiehtllehe Notizen Aber Pompeji bis zur Yersehflttimg.

Von einer Geschichte Pompejis im eigentlichen Sinne kann nicht die Bede sein, denn kaum ein halbes Dutzend kurzer Notizen über die Schicksale der Stadt sind auf uns gekommen ; im übrigen wissen wir von denselben nur das, was sich aus imserer Kenntniss der Geschichte der ganzen Landschaft ergiebt.

Ohne Zweifel ward auch Pompeji um 420 von den aus dem Gebirge in die Ebene Tordringenden Samniten besetzt. Von seinen Zuständen vor dieser Zeit wissen wir gar nichts. Aber auch in Betreff der samnitischen Zeit müssen wir uns mit wenigen Andeutungen genügen lassen. Zunächst ist es bemer- kenswerth, dass die* nach und nach alle Städte Campaniens erobernden Sam- niten, so wenig sie daheim eine staatliche Einheit bildeten, was ihr endliches Unterliegen gegen Rom bedingte, eben so wenig in Campanieh zu einer 6e- sammtverfassung oder auch niir zu einer dauernden Eidgenossenschaft, die sich über den Heerbann im Momente der Noth erhoben hätte, zusammentraten. In den Inschriften ist wenigstens keine Spur ron einer Centralgewalt, welche gemeinsame Anordnungen für mehre Städte getroffen hätte, und in ihnen sowohl wie bei den Schriftstellern werden immer nur städtische Localbehdrden genannt. Der gemeinsame oskische Name dieser ist Meddiss (romisch medix) Yon dem Stamm des lat. Verbums tn^deri, welchen wir mit »walten« über- setzen können; die oskischen Behörden hiefien also »Walter« im Sinne Ton »Herrscher«, aber mit dem Nebenbegriff der Tom Volke eingesetzten und einer republikanischen Gemeinde gegenüber ausgeübten Gewalt, im Gegensatze der im Worte »Herrscher« ausgedrückten königlichen. Zu dieser Bezeidinung Medix tritt dann ein den Amtskreis bezeichnendes Beiwort, imd der höchste Magistrat wird durch Medix-tuticus [meddisB^tovtiks) als »Stadt-« oder »Staats- walter« bezeichnet. Neben diesem ftmgirten andere niedere Beamte in be- stimmten Amtskreisen, wie z. B. zwei etwa den Aedilen entsprechende Medices decetäsii in Nola (Mommsen, XJnterit. DialU S. 254, 278) und in Pompeji ein

Gesehiohtliohe Notiien über Pompeji bis sur Verschattung. 9

in einigen In8<dixiften genannter ktaisstur d. i. Quaestor (das. S. 183) und zwei Aedilen (okKU«), sowie ein ktmibennieis d. i. conventus, in anderen Städten auch senaUts genannter Sath, in dessen Händen die Wahl der Biagi- strate nnd die oberste Staatsgewalt gelegen zu haben scheint.

Die sdion berührte erste geschichtliche Erwähnung Pompejis bei Livius £S., 38 fällt in das Jahr 310 v. u. Z. Im zweiten Samnitenkriege, während der Consul C. Marcius Rutilus den Samniten die Bergfeste Allifae und die Herrschaft im Yultumusthal entriss, landete der Flottenfuhrer P. Cornelius mit seinen Kriegsschiffen bei Pompeji, in der Mündung des Samus, von wo ein Theil der Flottenmannschaft plündernd im Gebiet von Nuceria flussauf- wärts Tordrang. Sie fanden keinen Widerstand; dadurch sorglos gemacht, zogen sie nach vollbrachter Plünderung ohne die nöthigen Vorsichtsmaßregeln wieder den Schiffen zu. Indess die Bewohner des Samusthals waren nicht gemeint, sich das Ihrige so gutwillig entreißen zu lassen; sie rotteten sich zusammen, folgten den heimkehrenden Plünderern, erreichten sie nidit weit von den Schiffen, erschlugen einen Theil derselben und nahmen ihnen die Beute ab ; die XJberlebenden flohen in größter Angst und Üile auf die Schiffe. Wir dürfen wohl kaum annehmen, dass auch die Pompejaner an dieser Waffen-^ that betheiligt waren. Livius spricht nur von Landbewohnern [agrestes) ; auch ist es nicht glaublich, dass P. Cornelius seinen Mannschaften erlaubt haben sollte, am rechten Samusufer zu plündern, imter den Mauern der festen Stadt, welche, didit am Landungsplatz gelegen , ihnen sofort den Rückzug abgeschnitten haben würde. Ohne Zweifel lag das von den Römern geplünderte Gebiet von Nuceria auf dem linken Ufer, imd waren die Plünderer gegen einen Uberfidl seitens der Pompejaner dadurch geschützt, dass die Stadt durch die nknische Flotte cemirt war. Aber so wenig dieser locale Sieg über eine römische Heeres- abtheilung, wie die vielen und glänzenden Erfolge der Samniten über die römi- schen Eroberer im ersten und zweiten samnitischen Ejicge (343 304) und die verzweifelten Anstrengungen des dritten samnitischen Krieges (298 290), konnte das endliche Schicksal Samniums und der von Samniten abhängigen und besetzten Landstriche, die gänzliche Unterwerfung unter Rom, abwenden. Pompeji war von jetzt an durch ewiges Bündniß mit Rom vereinigt und zur Heeresfolge verpflichtet, blieb aber im übrigen formell selbständig, behielt seine eigene Yerfiussung und Verwaltung, und auch die oskische Sprache wird die herrschende geblieben sein. Dass ficeilich jetzt römische Sitte und Sprache vielfach Eingang fand, dürfen wir sicher annehmen. Wenn die oskischen Inschriften uns beweisen, dass schon vor der völligen Romanisirung es hier Magistrate mit römischer Benennung (kvaisatWj aidiUs) gab, so kann es kaum zweifelhaft sein, dass diese Benennungen in der Zeit nach den Samnitenkriegen aufgekommen sind.

Im zweiten punischen Kriege, nach Hannibals glänzendem Siege bei Cannae, fielen die Samniten und fast alle anderen Stämme und Städte Unter- italiens von den Römern ab und wandten sich dem karthagischen Sieger zu. Es ist wahrscheinlich obgleich bestinunte Nachrichten fehlen , dass auch Pompeji, C^puas Beispiele folgend, wo die Yolkspartei fiannibal die Thore geöffiiet hatte, mit Hilfe karthagischer Waffen seine Unabhängigkeit von Rom

10 , Zweites Capitel.

in begründen suchte. Vergebens. M. Marcellus' Sieg über Hannibal bei Nola im Jahre 2 1 5 nöthigte den Letztem , sich weiter südlidi zu ziehen und die campanischen Städte sich selbst zu überlassen. Bekannt ist, dass Capua nach hartnäckigem Widerstände im Jahre 211 wiedererobert und streng bestraft wurde, und, dass trotz des im Einzelnen zwischen Römern und Puniem wech- selnden Kriegsglückes in Unteritalien vor Ablauf des Jahrhunderts Roms neu% Herrschaft in diesen Cregenden neu begründet war und dieselben fester um- schlofis, als zuvor.

Im Bundesgenossenkrieg drangen im Jahre 89 v. Chr. die Römer unter Sulla in das südliche Campanien ein; T. Didius erstürmte Herculaneum* Sulla selbst zerstörte Stabiae und belagerte Pompeji. Ein imter Cluentius her- anrückendes Entsatzheer ward zweimal geschlagen, Pompeji aber nicht ge-^ nommen, da Sulla es vorzog, statt sich mit längerer Belagerung aufzuhalten, lieber in Samnimn , den eigentlichen Herd des Aufstandes , einzurücken. So war der Kriegssturm mit den Schrecken der Einnahme, Plünderung und Zerstörung an Pompeji vorübergegangen. Sulla schiffte sich im Jahre 87 nach Asien ein xaa König Mithradates zu bekämpfen ; in Rom kam die demokra- tische Partei unter Marius und Cinna ans Ruder, der sich sowohl das von Sulla vor Nola zurückgelassene Heer , als die Samniten und Campaner an- schlössen. Als dann im Jahre 83 Sulla aus Asien zurückkehrte, als mit den römischen Demokraten auch die ihnen verbündeten Samniten in ihrem letzten blutigen Verzweiflungskampf unterlagen, da war es aus mit dem letzten Rest von Selbständigkeit Campaniens und speciell Pompejis. Sulla hatte Pompeji nicht vergessen. Nachdem im Jahre 80 der letzte Widerstand nied^geworfen vrar, sandte er eine Anssahl wir wissen nicht wie viele seiner ausgedienten Soldaten als Cokmisten dahin, indem er ihnen einen Theil der Stadt und der Flor anwies. Sulla's Neffe, P. Sulla, leitete die Ansiedelung.

So war ein großer Theil der Pompqaner seines Besitzes und seiner Hei- math beraubt ; die übrigen nrassten mit den verhassten Eindringlingen in den- selben Mauern leben, ja sie mussten es sich wahrscheinlich gefallen lassen, dass dieselben als eine bevorzugte Classe oonstituirt wurden^ sie selbst aber in Bezug auf die Abstimmungen in Commimalsachen und auf die Benutzung der (^entliehen Loealitäten nur beschrankte Rechte genossen. Denn namentlich £slls die Colonist^i weniger zahhreich waren, als die alten Pompejaner, bedurfte es besondexer Bestimmimgen, imi jenen, was ja nothwendig war, die Herr- schaft £u sic^m, und sicher werden diese Bestimmungen nicht gefehlt haben. In der THat er&hren wir aus einet Rede, welche Cicero zur Yertheidigung jenes Sulla hielt, dass gleich in der nächsten Zeit zwkohen den Ah- und Neubüxgem Jahre lang gestritten wurde über die Spazier^nge und die Ab- stimmungen [de ambulatione ac de mffragiis) ; der Streit wurde durch einten Schiedspruch der Patrone der Colonie erledigt. Übrigens erfahren wir bei dieser Gelegenheit, dass P. Sulla bei der Constituirung des Gemeinwesens in billiger und verständiger Weise vorging. Beide Theile waren mit seiner Thä^ tigkeit zu&ieden imd er erfreute sich einer solchen Beliebtheit auch bei den Altbürg^n, dass man ihn beschuldigen konnte, er habe dieselben zur Theil- nahme an der Verschwcming Catilina''s zu verleitien gesucht. Die Rechtsun-

Geschichtliche Notizen übe* Pompe}! bis zur Verschüttung. 1 1

gleiehlieit zwischen Alt*- und Neubürgem wird nur fUt die erste Zeit der Colonie gegolten haben ; wir dürfen annehmen, dass mit Beginn der Raisereeit der Unterschied aufhörte und sie zu einer Bürgerschaft verschmolzesi waren.

Was wurde aus den bei der Ansiedelung der suBanischen Veteranen aus- getriebenen Bürgern? Auch diese Frage kann wenigstens vermuthungsweise beantwortet werden. Pompeji hatte eine Vorstadt, welche den Kamen pttffus Auffusius 'Felix suburbanua fährte. Den Namen Augustus konnte dieser Pagus natüxücfa nicht vor der Zeit des gleichnamigen Kaisers erhalten. Da aber der Diütator Sulla den Beinanaen Felix fährte, so ist nicht ohne Wahrscheinlich- keit Termuthet wt>iden, dass sdion zu seiner Zeit, also zur Zeit der Colonisi- rung, dirae Vorstadt entstand, und 2war dadurch, dass die ausgetriebenen Einwohner außerhalb der Stadt angesiedelt wurden«

Pc^npefi erscheint seit der suUanischeii Colomsinmg ganz ronianisirt und erfireute sich ohne bemerkenswerthe Ereignisse eines wachsenden Wohlstan- des, welcher auf dem Handel und auf mannigfaltiger Industrie beruhte und nidit wenig dadurch erhöht wurde, dass Pompeji in die 2ahl derjenigen Land- städte eintrat, in welche, wie nach Bajae, Neapel, Puteoli, romehme Römer sieh zurückzogen^ w^in sie des Staatslebene und des Geräuscbes der Haupt- stadt müde geworden waren, oder wenn sie aus anderen Ghründen Erholung und Ruhe unter dem schön»! Himmel Süditaliens und inmitten griechischer Kunst und'Sitte aufsucht»!.

Die erste namhafte Person, Ton der wir eine solche Ansiedelung in Pom- peji erfiihren, ist Cicero, weldier, obgleich nicht unbeträchtlich retschuldet, sich neben seinem Landsitze in Puteoli noch einen solchen in Pompeji kaufte, von dem er in seinen Briefen {Epp. ad die. 7, 1) zu erzählen weiB. Die Annahme £reiGch, dass die unter dem Namen der Villa des Cicem bekannten, didit vor dem Herculaner Thor gelegenen, 1763 aufgegrabenen und isum größten Theile ^bald wieder zogesohütteten Buinen einer Villa wirklich dem Pompeianum des großen B«dners angehören, ist gnmdlos, imd schon deshalb nicht glaublich, weil Cicero in seinen Briefen ganz besonders die stille Zurückgezogenheit «eines Landsitze» rühmt, was sich mit der Lage der m B^e stehenden Villa an der Heerstraße kaum verträgt. Auch der M. TuUius, welcher laut der Inschrift auf dem Architrav der Aedicula den Tempel der Fortuna Augusta •erbaut hat, ist nicht der Bedner ; ob er mit ihm verwandt war, können wir nicht wissen.

Kaiser Claudius besaß in Pompeji eine eigene Villa, in der ihm sein Sohnchen Drusus an einer Birne erstickte, die der Knabe in die H5he ge- worfen und mit dem Munde aufgefangen hatte, ein Kunststück, welches man noch heute bei der neapolitaner Straßenjugend geübt sieht. Ohne Onmd frei- Eäi glaubt Winckelmann in seinen Nachrichten v. d. neuesten hereul. Ent- deckungen § 58 in einer der beiden Villen links an der Gräberstraße, welche mam als die des Cicero und die des M. Arrius Diomedes zu bezeichnen pflegt, die ViUa des Claudius 'erkennen zu dürfen. Auch andere vornehme Römer scheinen der Mode, sich in Pompeji anzusiedeln, gefolgt zu sein ; doch ist es bestimmt nachweisbar nur in Betreff des Senators Livineius Begulus, auf welchen wir demnächst zurüdtkommen.

12 Zweites Gapitel.

Pompeji hieß jetzt Colonia Veneria Cornelia Pompeianorum , nach dem Namen des Dictators und der von ihm vorzugsweise verehrten Göttin ; wie ganz Italien erhielt es das römische Bürgerrecht und ward zum Behuf der hauptstädtischen Abstimmungen der Tribus Menenia zugetheilt. Römische Amtssprache und römisches Hecht wurden eingeführt , auch bei öffentlichen Bauten von jetzt an römisches Maß zu Grunde gelegt. Die Verfassung war eine der römischen nachgebildete Municipalverfassung. Dem römischen Senat entsprach die Versammlung der Decurionen, deren Normalzahl vermuthlich auch hier, wie in der Kegel, hundert war, und welche sich hauptsächlich durch die Aufnahme der abtretenden Beamten ergänzte. Den römischen Consuln entsprachen als höchste Beamte die »rechtsprechenden Zweimänner« [duum- viri iuri dicundo] ; ihre Namen dienten , wie die. der Consuln , zur Bezeich- nung des Jahres in miinicipalen Documenten. Ihnen stand, wie schon ihr Name besagt, die Gerichtsbarkeit zu, mit der Maßgabe jedoch, dass sowohl Civilsachen, deren Object eine gewisse Werthsimime überstieg, als auch schwerere CriminalfäUe den römischen Behörden vorbehalten waren. Außer- dem hatten sie den Vorsitz im Decurionensenat und in der Volksversamm- lung; die in letzterer gewählten Beamten wurden von ihnen ernannt und proclamirt. Dem in Rom nur in jedem fünften Jahr gewählten Censor ent- sprach keine besondere Behörde, sondern die Geschäfte desselben wurden von Rechtsduumvim besorgt, welche in dem betreffenden Jahr, also im gewöhn- lichen Lauf der Dinge in jedem fünften Jahr, den Titel fün^ähriger Duumvim [duumviri quinquennalea) führten. Ihnen lag die Revision der Decurionenliste [album decurumum) ob, in welche sie die abgetretenen Beamten eintrugen, und aus der sie diejenigen strichen, welche wegen eines Criminalverbrechens ver- urtheilt oder wegen sonstiger Bescholtenheit nicht mehr zum Sitz in der Ver- sammlimg berechtigt waren. Auch die Bürgerliste wurde von ihnen geführt. Femer wurden die wichtigsten Finanzgeschäfte von den Quinquennalen be- sorgt: sie hatten die öffentlichen Bauten zu vergeben imd die städtischen Crrundstücke jedesmal für die fünfjährige Etatsperiode zu verpachten. In letzterer Beziehung erfahren wir durch die im Jahre 1875 gefundenen Quit- tungstafeln des pompejanischen Bankiers L. Caecilius Jucundus, dass Pompeji u. A. Weidegründe [pascua) und eine Tuchwalkerei [ftUlomca) besaß, welche beide eine Zeit lang an den genannten Bankier verpachtet waren ; die Quit- tungen über seine jährlichen Zahlungen sind ausgestellt von einem Sklaven der Gemeinde [servus coloniae Veneriae Comeliae Pompeianorum); unter den Zeugen, welche ihre Siegel darauf gesetzt haben, erscheinen die Duumvim des laufenden Jahres, entweder beide oder einer von ihnen.

Die zweite Behörde der Colonie waren die beiden Aedilen , welche bis- weilen auch mit den Rechtsduumvim zusammen als »Viermänner« (quattuorviri) bezeichnet werden und den curulischen Aedilen Roms entsprachen. Ihnen lag die Sorge für die öffentlichen Gebäude und Wege ob, femer die Sorge für die Getreideztifuhr [cura annonae) uQd die Marktpolizei, namentlich die Controle der im Marktverkehr angewandten Maße und Gewichte.

Quaestoren, welche wir in anderen Municipien und Colonien finden, gab es in Pompeji wenigstens in der Kaiaerzeit nicht. Der Quaestor Vibius Popi-

Qeflchiohüiche Notisen über Pompeji bis zur Versohüttung. 13

dius, welcher die Säulenhallen am Forum erbauen ließ, gehört wahrscheinlich der 2ieit vor der Deduction der Colonie an. Einige sehr alte gemalte Wahl- programme, in denen jemand zur Wahl als Quaestor empfohlen wird, sind kei^ nesfalls jünger als die älteiste Zeit der Colonie.

Die Beamten wurden gewählt von der nach Curien abstimmenden Volks- Versammlung. Die Candidaten mussten sich vorher melden, und ihre Namen wurden ron dem die Wahl leitenden Duumvirn bekannt gemacht. Meldeten sich nun weniger Candidaten, als Stellen zu besetzen waren, so präsentirte der Vorsitzende selbst so viele wie noch fehlten. Jeder von diesen durfte einen Gegencandidaten vorschlagen, welcher seinerseits einen dritten Candi- daten namhaft machen konnte: alle diese wurden dann zur Wahl gestellt. Abgestimmt wurde schriftlich durch Einreichung eines Täfelchens [tabella); in jeder Curie wurden die Stimmen gezählt und der Name des von dieser Curie gewählten Candidaten auf eine Tafel (tabtsla) geschrieben ; als gewählt galt, für wen die absolute Majorität der Curien sich entschieden hatte. So konnte es also vorkommen, dass überhaupt keine Wahl zu Stande kam, oder dass von zwei Stellen nur eine besetzt wurde. Für diesen Fall scheint ange- ordnet gewesen zu sein, dass die Decurionen einen interimistischen Beamten mit dem Titel eines Präfecten wählten ^ welcher bis zum Zusitandekommen einer Wahl die Geschäfte wahrzunehmen hatte. Es wird niit Wahrscheinlich- keit angenommen, dass diese Bestimmung auf ein von einem Petronius vor- geschlagenes Gesetz (aus der letzten Zeit der Republik) zurückgeht, und dass dies die mehrfach auf Inschriften, auch in Pompeji, vorkommenden praefecti ex lege Petronia sind.

Neben die Decurionen tritt seit der Zeit des Tiberius eine zweite bevor- zugte Classe, die Augustalen, ein dem Cultus des Augustus und des iulischen Kaiserhauses, dann auch anderer vergötterter Kaiser gewidmetes Collegium, welches ausschliefilich oder vorwiegend aus Freigelassenen bestand. Da die Freigelassenen vom Decurionat und den Municipalämtem ausgeschlossen waren, so fanden reiche Männer dieses Standes, wie Trimalchio im Roman des Petronius, in den Würden des AugustalencoUegiums eine Befriedigung ihres Ehrgeizes.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Vorstadt, der pagus Augustus Felix suburbanus, gesonderte Verwaltung und eigene Beamte hatte, vielmehr stand sie wohl unter den städtischen Behörden. Die auf Inschriften vorkommenden mmistri und wahrscheinlich auch der magister des Pagus sind Priester, das Collegium der pagani hatte ohne Zweifel ebenfalls priesterlichen Charakter. Vermuthlich besorgten auch diese Priester und dies Collegium den Cultus des Augustus und aüderer vergötterter Kaiser.

Ein Beispiel des Eingreifens der römischen Behörden berichtet uns Tacitus [Ann, XIV, 17) aus der Zeit Neros. Der aus dem Senat ausgestoBene Livineius Regulus veranstaltete im Jahr 59 n. Chr. in Pompeji, wohin er sich zurückge- zogen, Gladiatorenkämpfe im Amphitheater. Das pompejanische Amphitheater, zu groß für die Zahl der Einwohner der Stadt allein, wie noch genauer dargethan werden soll, war auf Besuch von den Nachbarstädten berechnet. Auch bei dieser Gelegenheit waren zahlreiche Nuceriner nach Pompeji gekommen, zwischen

14 Zweites Capitel.

denen und den Pompejanem es, wie schon früher, zu Sticheleien, Reibereien, dann tu Steinwürfen und zum Gebrauch der blanken Waffe kam. Es setzte zahlreiche Todte und schwere Verwundungen, namentlich auf Seiten der Nuceriner, da die Pompejaner natürlich zahlreicher waren und daher Sieger blieben. Die Nuceriner wandten sich klagend nach Rom; der Kaiser Bchob die Sache dem Senat, dieser den Consulu zu, und nachdem sie von diesen wieder an den Senat gelangt war, lautete der UrtheilBspruch , alle ähnliche Schau sei in Pompeji auf 10 Jahre zu verbieten, die gegen das Gesetz gebil- deten Collegien sufzulöaen, Livineius und die Theilhaber an dem Krawall zu verbannen. Bedenkt man, mit welcher Leidenschaft das Volk an diesen Spie- len hing, welche ihm nächst dem Brode als das wichtigste Lebensbedürfniss erschienen {panem et circenaeB), so begreift man die Härte dieses freilich nicht ungerechten Spruches für Pompeji. Die beiden Kechtsduumvim des laufen- den Jahres , Gaius und Cmaeus Pompejus Grrosphus, wurden ihres Amtes enthoben; den neu gewählten, N. Sandelius Messius Baibus und F. Vedius Siricus, wurde zur Herstellung der Ordnung und zur Durchführung des Ur- theils ein auUerordaitlicher Praefectut iuri dicundo, eine Art municipaler Dictator, in der Person des Sex, Pompeius Proculus , eines frühem Rechts- duumvim, neben- oder vielmehr übe^eordnet.

Es kann nicht überraschen, wenn wir in Pompeji localen Erinnerungen an dieses wichtige Erlebniss der Stadt begegnen. Eine solche liegt vennuthlich

in einer seit langer Zeit bekannten Griffelzeichnung mit Inschrift vor, auf welche an einem andern Orte zurückgekommen werden soll, ganz unzwei-

. Geschichtliche Notizen Hber Pompeji bis zur Verschüttung. ig

£eUiaft abeor ist die KampÜBcexie im Ami^iitheater in ein^m freilich rohai, aber sehr iivteressaBteii Bilde dargestellt^ wdlehes im Jahre 1869 in eiilem gexing^A Hauae in der Strmda ddP Ja^teatre entdeckt, vdn de P^za in dem Oiomale degli $cavi di Pompei, nuova serte Vol. I, tav. 8, p. 185 ff. poblicirt und erläutert wooeden ist nnd hier (Fig. 3) in kleinerem Maßstäbe wiederholt wird.

Lange bevor die Zeit der Strafe abgelaufen war, im Jahre 63 n. Chr. mid zwar am 5. Februar, betraf Pompeji eine entsetzliche Zerstörung durch ein von tödtlichen Erdaushauchungen begleitetes Erdbeben, welches die wiedererwachten Kräfte des seit Jahrhunderten, vielleicht seit Jahrtausenden sdilummemden und für erloschen geltenden Vesuvs ankündigte und in allen tunliegenden Städten, in Neapel ', Herculaneum , Nueeria, mehr oder minder bedeutende Verheerungen anrichtete, am schwersten aber Pompeji heimsuchte. Zahlreiche Gebäude stürmten ganz oder theilweise rusammen, Statuen wurden von ihren Piedestalen herabgestürzt und zerbrochen und manches Privathaus beschädigt. Wie groß der Schade im Ganzen gewesen sei, können wir nicht angeben , jedenfalls" war er bedeutend, und wir werden mehrfach den Spmren dieser Zerstörung begegnen.

Für alle Untersuchungen über die Gebäude Pompejis bietet das Erdbeben vom Jahre 63 einen willkommenen Anhaltspunkt. Von einem Gebäude, dem Tempel der Isis, i^ es uns durch eiae Inschrift ausdrücklich bezeugt, dass er nach demselben vonGrrund auf neu gebaut wurde; an vielen anderen Gebäuden ist der mehr oder weniger vollständige Wiederaufbau deutlich zu constatiren. NamentUcfa aber geht der überwiegende Charakter der ganzen Decoration auf diese Restaurationen zurück: nicht nur wurden die Wände im neuesten Stil bemalt, sondern auch die Säulen sammt ihrem Gebälk vielfach mit einer dicken StuokhüUe imigeben, die alten Capitelle verstümmelt und in aus Stuck gebildete bunte Phantaeiecapitelle eingehüllt. Andererseits aber war die Zer- stOTung keine vollständige, und es ist genug stehn geblieben, um uns von dem Charakter der Stadt, wie sie früher war, xmd von ihrer Entwicklung mindestens seit dem zweiten Jahrhundert vor Chr. eine deutliehe Vorstellung zu geben. Und bei der Art, wie man die stehn gebliebenen Reste beim Neubau verwerthete, dürfen wir wohla^nnehmen, dass ihrer nicht allzu viele in Folge des Erdbebens vom Jahr 63 spurlos verschwunden sind.

Der Neubau Pompejis schritt mit großer Raschheit vorwärts. Der Isis- tempel vnur durch die Freigebigkeit eines Privatmannes wieder aufgebaut, der Apollo- (sog. Venus) -tempel hergestellt imd gründlich modemisirt worden ; die Privathäuser waren, je nach den Mitteln der Besitzer, theils glänzend erneuert, theils, so gut es eben ging, ausgebessert worden ; an den Säulengängen des Fo- rums wurde rüstig gearbeitet. Schon bewegte sich von neuem ein reges und unbesorgtes Leben durch die Straßen der verfüngten Stadt, schon waren Handel und Gewerbe wieder in schwunghaftem Betrieb, schon hatte ohne Zweifel der Luxus und die Üppigkeit sich aufs neue mannig&ch entfaltet, da plötzlich sdüug Pompejis zwölfte Stunde. Es war nach unserer Zeitrechnung der 24. August des Jahres 79 n. Chr., als der Ausbruch des Vesuvs erfolgte. Dunkele Naeht, nur von den zuekenden vulkanischen Blitzen grauenvoll

16 Drittes Capitel.

erhellt, hüllte die Gegend ein, über welche das Verderben sich dahinwälzte ; und als nach drei langen, fürchterlichen Tagen die Aschen- und Rauchwolken die Sonne durchbrechen ließen, waren die Beste des im Bürgerkriege zer- störten Stabiae, waren die blühenden Städte Herculaneum und Pompeji vom Erdboden verschwunden, versenkt in das dunkele Grab für mehr als anderthalb Jahrtausende.

Drittes Capitel. Die Yersehttttiing Pompejis.

Mit der größten Lebendigkeit hat Bulwer in seinem Roman »Die letzten Tage von Pompeji« die Scenen der Verschüttung, das nicht Überlieferte durch Phantasie ergänzend, geschildert, wobei er, im Anschluss an eine nicht glaub- würdige Nachricht, die Pompejaner eben im Amphitheater versammelt sein lässt. Ein Gleiches zu versuchen, liegt außer der Aufgabe dieser Schrift, nur das muss hier eine Stelle finden, was aus alten Schriftstellern über das furcht- bare Ereigniss entnommen und aus Spuren desselben an Ort und Stelle ge- schlossen werden kann. Dass die Pompejaner ganz unvorbereitet von ihrem Schicksal betroffen wurden , dass man den Vesuv für völlig erloschen hielt, bezeugt uns Strabo, welcher unter Augustus Folgendes schrieb: »Oberhalb dieser Orte liegt der Berg Vesuvius, von herrlich angebauten Feldern umge- ben bis an den Gipfel. Dieser aber ist größten theils flach und ganz unfrucht- bar, dem Ansehn nach aschig, und man sieht daselbst Höhlungen in den porösen Steinen von rußiger Farbe, als wäxen sie vom Feuer zerfressen, so dass man schließen möchte , der ganze Ort habe einmal gebrannt , enthalte Feuerkrater, und sei erloschen, nachdem ihm der Stoff ausge- gangen. Vielleicht ist grade das der Grund der ihn umgebenden Frucht- barkeit, wie man sagt, dass bei Katana die Gegend so vorzüglichen Wein hervorbringe, seitdem ein Theil derselben mit der vom Aetna ausgeworfenen Asche bedeckt ist.«

Über den Ausbruch des Vesuv ist es von Interesse, wenigstens die auf dies Naturereigniss bezüglichen Stellen der Briefe des jungem Plinius zu lesen, welche freilich nicht Pompejis Untergang, sondern den Tod des altem Plinius und die Begebenheiten in und um Miseniun zum Hauptgegenstande haben. Ohne die in allen Sprachen oft abgedruckten Briefe (Plin. Epist. VI, 16, 20) hier nochmals ganz zu wiederholen, zidien wir die den Vesuvausbruch betref- fenden Stellen aus. »Am 24. August gegen 1 Uhr Nachmittags (nach unserer Tagesrechnung) machte meine Mutter ihn (meinen Oheim, den altem Plinius) auf eine Wolke von ungewöhnlicher Gestalt und Größe aufmerksam ... Er stand alsbald auf und begab sich auf eine Höhe, von der man diese außer- ordentliche Erscheinung besser sehen konnte. Es war damals in dieser Ent- fernung nicht möglich; zu entscheiden, von welchem Berge diese Wolke auf- steige, später ÜEtnd es sich, dass sie sidi vom Vesuv erhob. Ich kann keine

Die Verschüttung Pompej is . 17

genauere Beschreibnng ihrer Gestalt geben, als indem ich sie mit der eines Pinienbaums vergleiche, denn sie schoss zu einer bedeutenden Höhe empor wie ein Stamm und breitete sich oben in Zweige aus, indem sie, glaul^e ich, zueist durch einen LuftstoB, so weit dessen Kraft reichte, in die Höhe ge- trieben wurde, dann aber, wo diese Kraft nachließ, oder ihr eigenes Gewicht zur Geltung kam, sich in die Breite ausdehnte. Sie erschien bald glän- zend, bald dunkel imd gefleckt, je nachdem sie mehr mit Erde oder mit Asche erfdUt war.« Darauf folgen die Angaben über das, was der ältere Pli- niuß zur Rettung seiner Freunde unternahm, welche nahe am Fuße des Vesuv wohnend, der dringendsten Gefahr ausgesetzt waren, und welche er zur See zu retten hoffte, wobei der dicker werdende und mit Bimssteins tücken und schwarz gebrannten Steinen untermischte Aschenregen in sein Schiff stürzte, während das Meer neue Untiefen zeigte und der Berg herabzustürzen, das Ufer vorzurücken schien. »Mittlerweile«, fährt der Briefsteller fort, »stiegen vom Vesuv an verschiedenen Orten große Flammen empor, was durch die einge- tretene nachtgleiche Finstemiss noch schrecklicher sichtbar wurde.« Weiter wird erzählt, wie Plinius in Stabiae das Zimmer, in welchem er ruhte, ver- lassen musste, weil sonst die in dem Hofe, aus welchem es zugänglich war, sich häufenden Massen von Asche und Bimsstein den Ausgang gesperrt haben würden, wie man dann, als wegen des heftigen Erdbebens ^e Häuser einzustürzen drohten, ins Freie ging, indem man sich durch auf den Kopf gebundene Kissen gegen die herabfallenden Massen schützte, wie dann plötz- lich Flammen und Schwefeldämpfe aus dem Boden drangen , wie Plinius, von diesen Gasen betäubt, umsank und so sein Ende fand. In dem zweiten. Briefe wird noch Folgendes erwähnt, was für uns Interesse bietet. »Schon mehre Tage vor dem Ausbruch hatten verschiedene Erdstöße stattgefunden, die aber wenig beachtet wurden, da sie in Campanien gewöhnlich sind ; in der Nacht aber (nach dem Ausbruch) waren sie so besonders heftig, dass sie Alles um uns her nicht nur erschütterten, sondern umzuwerfen drohten.« Am näch- sten Morgen war das Licht äußerst matt und dämmerig ; die Wagen, in denen Plinius mit seiner Mutter die Stadt (Misenum) verließ, wiurden von Erd- stößen hin und her geworfen, und konnten auch durch die Unterstützung mit großen Steinen nicht festgehalten werden. Die See schien sich vom Lande zurückzuziehen, getrieben von den krampfhaften Bewegungen der Erde, so dass das Ufer erweitert wurde und Seethiere auf dem trockenen Sande liegen blieben. »Auf der andern Seite brachen aus einer furchtbaren schwarzen Wolke

große Flammen hervor, die Blitzen glichen, aber größer waren Bald

darauf senkte sich die Wolke auf die Erde und bedeckte das Meer, so dass die Insel Capreae und das Vorgebirg Misenum imseren Blicken entzogen wur- den Aschenregen, obgleich noch nicht sonderlich dick, begann zu

fallen ; ich blickte zurück : dichte Finstemiss lag hinter uns und kam , wie ein über die Erde sich ergießender Strom, uns immer näher. Wir wichen, so lange wir noch sehen konnten, von der Straße auf die Felder aus, um nicht im Gewühl der Menschen erdrückt zu werden. Kaum hatten wir uns hier nie- dergelassen, so umgab uns eine Finstemiss, die nicht mit der einer mondlosen oder wolkigen Nacht, sondern nur mit der in einem verschlossenen Zimmer

Orerbeck, Pompeji. 4. Aufl. 2

1 8 Drittes Capitel.

ohne Licht verglichen werden kann. Man hörte das Jammern von Weibern, das Geschrei von Kindern und die Rufe von Männern ; die einen riefen nach ihren Altern, andere nach ihren Kindern, andere nach ihren Gatten ; nur an der Stimme erkannten sie sich. Einige beklagten ihr eigenes Schicksal, Andere das der Ihrigen. Einzelne wünschten aus Todesfurcht zu sterben, Viele erhoben ihre Hände zu den Göttern, aber die Meisten glaubten, auch mit den Göttern sei es jetzt aus, und es sei dies die letzte und ewige Nacht, das Ende der Welt. Auch an solchen fehlte es nicht, welche die wirklichen Schrecknisse durch eingebildete vermehrten : Misenum hieß es, sei theils eingestürzt, theils stehe es in Flammen; unwahre Nachrichten, die aber doch geglaubt wurden.« Wir haben die Schil- derung dieser Scenen beigefügt, weil sie uns ein Bild dessen geben, was, und sicher in erhöhtem Maße, unter der unglücklichen Bevölkerung Pompejis vor- ging. »Dann wurde es etwas heller : uns schien dies ein Anzeichen nicht des wieder anbrechenden Tages, sondern des sich uns nahenden Feuers. Das Feuer blieb uns nun freilich fem ; die Finstemiss trat wieder ein-, neuer und schwerer Aschenregen folgte, den wir von Zeit zu Zeit abschüttelten um nicht von ihm begraben und erdrückt zu werden .... Endlich lichtete sich diese fürchter- liche Finstemiss nach und nach und verwandelte sich in eine Art Bauch oder Nebel; bald wurde es dann auch wieder völlig Tag, und selbst die Sonne erschien am Himmel, obgleich nur sehr blass, so etwa wie bei einer Sonnen- finstemiss. Jeder Gegenstand, der sich unseren Blicken bot, war verändert, indem er mit Asche wie mit einem tiefen Schnee bedeckt war.«

Ergänzend tritt diesem Berichte zur Seite, was der Historiker Cassius Dio (lib. 66, c. 22 sq.) um 200 n. Chr. unter Commodus erzählt. Freilich aber stammt sein Bericht offenbar aus den Erzählungen minder kaltblütiger Beol)- achter, und zeigt den Einfluss der in Folge eines so erschütternden Ereignisses nothwendig eintretenden Mythenbildung. »In Campanien folgten schreckliche und seltsame Ereignisse. Nämlich im Herbst desselben Jahres brach auf ein Mal ein großes Feuer aus. Der Berg Vesuvius liegt nah am Meere bei Nea^ polis, und hat reichliche Feuerquellen. Früher war er überall gleich hoch und das Feuer stieg mitten aus ihm empor. Denn nur hier ist er in Brand gekom- men, die ganze Außenseite ist aber auch bis jetzt feuerlos geblieben. Weil sich nun diese nie entzündet hat, der innere Theil aber am Feuer verdorrt und zu Asche wird, so haben die Gipfelwände rings umher noch jetzt die ursprüngliche Höhe, die ganze Brandstätte aber ist von der Zeit verzehrt und durch das Zusammenfallen hohl geworden, dergestalt, dass der ganze Berg, wenn man Kleines mit Großem vergleichen darf, einem Schauplatze für Thier- gefechte ähnlich ist. Und zwar enthält seine Höhe viele Baum- und Wein- pflanzungen , der Kreis aber ist dem Feuer überlassen und giebt am Tage Bauch von sich, bei Nacht aber eine Flamme, so dass es aussieht, als würde in ihm viel Räucherwerk aller Art angezündet. Und das geschieht immer so, bald stärker bald wieder schwächer; oft stößt er auch Asche aus, wenn viel auf einmal eingesunken ist, und wirft Steine empor, wenn er vom Dampfe überwältigt wird ; dann tost und brüllt er, weil er nicht feste, sondern schmale und verborgene Luftöffnungen hat. Das ist die Beschaffenheit des Vesuvius und solches geschieht auf ihm fast jedes Jahr. Alles andere aber, was sich in

Die Versohattung Pompejis. 19

früherer Zeit zugetragen hat, mag es auch den jedesmaligen Augenzeugen ungewöhnlich groß erschienen sein: dennoch möchte es^ selbst alles zusam- mengenommen, im Vergleich mit dem, was sich in dem Jahre begab, von dem wir sprechen, gering zu achten sein. Es geschah nämlich Folgendes. Man glaubte viele große übermenschliche gewaltige Männer, wie man die Giganten malt, bald auf dem Berge, bald in dem umliegenden Lande und in den Städten, bei Tag und bei Nacht auf der Erde herumwandeln und in der Luft einher- schweben zu sehen. Darauf folgte eine furchtbare Dürre und plötzliche Erd- stöße , so dass dort der ganze Boden aufgeschüttelt wurde und die Höhen emporsprangen. Und Töne vernahm man, theils tinter der Erde donnerähnlich, theüs über derselben wie Gebrülle ; tind zu gleicher Zeit brauste das Meer auf und hallte der Himmel wieder. Nach diesem hörte man plötzlich einen Unge- heuern Knall, ols ob auch die Berge zusammenstürzten, und es fuhren zuerst übergroße Steine empor, so dass sie bis zum Gipfel selbst gelangten , dann vieles Feuer und entsetzlicher Rauch, so dass die Luft ganz verdunkelt und die Sonne ganz verhüllt wurde, als wenn sie sich verfinsterte. So verwandelte sich der Tag in Nacht und das Licht in Finstemiss, und Manche wähnten, die Giganten stünden auf (denn es erschienen wiederum allerlei riesige Gestalten im Rauch, und man vernahm Schall wie von Trompeten), Andere aber, die ganze Welt vergehe in Nichts oder in Feuer. Darum floh AUes, die Einen aus den Häusern auf die Straße, Andere von draußen in die Häuser, noch Andere von der See auf s JLand imd von diesem aufs Meer, bestürzt und jede Entfernung sicherer wähnend als den Ort, wo sie sich grade aufhielten. Während dies geschah, stürmte ungeheurer Aschenregen einher, welcher Land iind Meer und die ganze Luft erfüllte. Dieser that an vielen Orten Schaden, wie und wo es sich grade traf, an Menschen, Land und Vieh, tödtete sämmtliche Fische und Vögel und verschüttete sogar zwei ganze Städte, Her- culaneum und Pompeji, da eben die Bevölkerung der letzteren im Theater saß. Denn die Menge der Asche war so groß, dass ein Theil davon bis nach Afrika, S3rrien und Aegypten und sogar bis nach Rom kam und hier die Luft erfüllte und die Sonne verdunkelte. Daher entstand denn auch in dieser Stadt eine nicht [geringe, viele Tage anhaltende Furcht, denn keiner wusste, was geschehen war, imd keiner konnte es vermuthen ; vielmehr meinte man auc\i hier, die ganze Welt kehre sich um und die Sonne sinke in die Erde und erlösche, die Erde aber erhebe sich in den Himmel. Damals that indess diese Asche dort keinen großen Schaden, später aber brach in Folge dessen eine furchtbare Pest aus.«

Weitere Aufklärung liefert uns die Untersuchung des noch jetzt vorlie- genden Thatbestandes. Eine Prüfung der 7 bis 9 Meter starken Decke Pom- pejis ergiebt zuerst, dass dieselbe wesentlich einer Eruption des Vesuv, der- ' jenigen vom Jahre 79, angehört, welche durch die weiße oder weißgraue Farbe der von ihr gelieferten LapiUi sich von allen späteren unterscheidet. Damit soll nicht gesagt sein, dass in späterer Zeit keinerlei Aschenregen mehr auf Pompeji gefallen sei, es ist vielmehr an vielen Stellen das Vorhandensein schwarzgrauer LapiUi Zeugniss späterer Eruptionen und die Überlagerung des Materials der Eruption von 79 durch späteres sehr bestimmt nachweisbar.

20 Drittes Capitel.

Allein zu der Stärke und Tiefe der Verschüttung hat das nichts Wesentliches beigetragen, im Mittel 7 Meter tief ist Pompeji im Jahre 79 verschüttet worden. Und zwar besteht die Verschüttung ihrer Hauptmasse nach etwa zur Hälfte ihrer ganzen Tiefe aus Lapilli (neapolitanisch Bapilli), d. h. unregelmäßig gestalteten Bimssteinbröckchen von der Größe einer Erbse bis zu 6, auch 9 Cm. Durchmesser, unter welche sich gelegentlich, aber doch nur einzeln, ansehn- liche Stücke von 30 und mehr Centimeter Durchmesser gemischt finden. Diese Lapillimasse, als lockere, Feuchtigkeit durchlassende und daher selbst feuchte Decke liegt zu unterst auf dem Pflaster der Straße und den Fußböden der Zimmer ; von einer noch unter derselben befindlichen dünnen Schicht feinerer Asche, die angeblich »papamonte« heißen soll, habe ich weder irgendwo eine Spur gefunden , noch war den Beamten in Pompeji die Sache oder der Name bekannt. Wohl aber liegt über der dicken Lapillimasse eine im Allgemeinen ebenfalls 1 2 Meter dicke, fest zusammengeklebte Aschenschicht. Untrüg- liche Kennzeichen beweisen , dass gewaltige Wassermassen entweder gleich- zeitig mit der Asche, oder sehr bald nachher gefallen sind. In dieser Aschen- schicht.und von ihr abgeformt sind etwa 3 V2 Meter vom Boden die unten näher zu besprechenden Leichen, sowie früher manche andere gefunden worden. Die vereinzelten Massen meist dunkler Lapilli, welche hie und da über der Aschenschicht liegen und namentlich miildenformige Vertiefungen in der- selben ausgefüllt haben, welche durch das Einsinken der oberen Verschüt- tungslagen beim Zusammenbrechen der verdeckten^ebäude oder ihrer Fuß- böden entstanden sind, diese kommen kaum in Betracht. Nach außen zu ist die Asche nach und nach in fruchtbaren Boden übergegangen, dessen dünne Humusschicht mit flachwurzelnden Pappeln und Maulbeerbäumen, sowie mit Korn-, Baumwollen- imd Lupinenfeldem bestellt ist*). Aus der Beschaffen- heit der verschüttenden Massen lässt sich nun mancherlei für die Geschichte der Verschüttung schließen. Zunächst muss der oft wiederholten Annahme wider- sprochen werden, als wären die Auswürflinge des Vesuv glühend auf Pompeji gefallen , so dass sie das Holzwerk entzündet oder verkohlt hätten. Das ist gewiss nicht der Fall gewesen ; die Verkohlung des Holzwerkes, des Brodes, der Früchte, des Kornes u. dgl. ist freilich Thatsache, aber sie ist sicherlich nicht das Resultat bei der Verschüttung entstandener Brände, sondern das- jenige eines andern chemischen Processes in Folge des Verschüttetseins wäh- rend 18 Jahrhunderten. Denn theils ist es ^nz undenkbar, dass die kleinen und porösen Lapilli während ihrer langen Bewegung durch die Luft eine solche Hitze bewahrt haben sollten, theils geht auch aus sicheren Thatsachen hervor, dass ein allgemeiner Brand nicht stattfand. Wir finden nämlich Holz, Früchte, Stoffe wohl in Kohle, niemals aber in Asche verwandelt; femer sind alle diese Gegenstände, wo sie mit Eisen oder Bronze in Berührung waren, auch von der Verkohlung verschont geblieben, was bei einem Brande unmöglich sein würde ; die Knochen und der Marmor sind nirgends calcinirt, das Blei nicht geschmolzen ; Menschen und Thiere blieben im Lapüliregen ^m Leben und wurden, wie die schon erwähnten Leichen beweisen, von der Asche erstickt, nicht verbrannt ; endlich zeigen auch die Malereien der Wände keine Spur des Feuers, was um so deutlicher wird durch den Vergleich mit den hie

Die Verschattung Pompej is . 21

und da sich findenden Brandspuren von geringer Ausdehnung. Denn natür- lich wird es an einzelnen localen Bränden, verursacht durch das Feuer von Herden, Lampen u. dgl., nicht gefehlt haben. Diese Beweise sind so zwingend, dass ihnen gegenüber die hie und da roth gewordene gelbe Ocker- farbe, die bisweilen verbogenen Gläser nicht als Gegenargumente aufkommen können: wir müssen annehmen, dass diese Erscheinungen durch chemische Einwirkungen zu Stande kamen, welche wir freilich genauer nachzuweisen nicht im Stande sind, wie denn ja Experimente von 18 Jahrhunderten nicht gemacht werden können. Aus der Art der Verschüttung, zusammengehalten mit deii Notizen des Flinius, geht hervor, dass die Katastrophe über Pompeji nicht mit einer solchen Heftigkeit hereinbrach, dass es den Bewohnern nicht möglich gewesen wäre, das nackte Leben zu retten, wenn sie es hierauf ange- legt und dazu die rechten Mittel ergriffen hätten. Die meisten Bewohner Pompejis sind nach Ausweis der Fundorte ihrer Gerippe und sonstiger Um- stände entweder, jedoch in der Minderzahl, dadurch umgekommen, dass sie sich Schutz suchend in das Innere ihrer Gebäude, nicht selten in die Keller flüchteten, wo sie dann allerdings durch die nachfolgenden Massen einge- sperrt worden und erstickt oder verhungert sind *) . Andere, und zwar scheint dies die Mehrzahl gewesen zu sein, haben von ihren Habseligkeiten, zum Theil, wie das zu gehen pflegt, Schnurrpfeifereien, zu retten versucht, und sind dann, zu spät fliehend und durch die lockeren Lapillimassen in der Flucht gehemmt, umgekommen. Manche blieben während des Lapilliregens in ihren Häusern: als derselbe nachließ, suchten sie zu fliehen, wurden aber von dem nun folgenden Aschenregen begraben, über die Zahl der im Ganzen gefun- denen Gerippe schwanken die aus älterer Zeit sehr imzuverlässigen Angaben so sehr, dass keine derselben hier wiederholt werden kann ; einen ungefähren Maßstab für das Ganze giebt uns aber die Thatsache, dass in dem kleinen von 1861 bis 1878 ausgegrabenen Stück 116 menschliche Gerippe und außerdem Gerippe von 8 Pferden, 14 Schweinen, 10 Bindern, 4 Hunden u. dgl. m. ge- funden worden sind. Danach zu schließen ist die Katastrophe eine in der That entsetzliche gewesen. Über die Situationen, in denen man die Gerippe fand, in denen also die alten Fompejaner gestorben wären, sind eine Masse romantischer aber unbewährter und zum Theil sicher falscher Erzählungen im Schwange*). Zu solchen Fabeln gehört die Schild wache, welche man in der ersten kleinen Grabnische links vor dem Herculaner Thor gefunden haben will, das junge liebende Paar, welches in innigster Umarmung in der Straße von dem Theater zum Forum verschüttet worden sein soll ') , die Mutter mit drei Kindern in der überwölbten Halbkreisnische rechts an der Gräberstraße, die Männer, welche angeblich nicht weit davon im Triclinium funebre beim Leichenmahl von der Katastrophe überrascht wurden. Von einigen Isispriestem erzählt man, sie seien länger als rathsam in den Nebengebäuden des Tempels zurückgeblieben ; den einen habe man unfern eines Tisches mit Speiseresten (Hühnerknochen] gefanden und er scheine plötzlich erstickt zu sein, den andern hätte die Verzweiflung der Todesangst zu einem gewaltsamen Rettungsversuch getrieben : mit einer Axt hätte er, da die Thür versperrt war , bereits zwei Wände durchhauen, um sich einen Ausweg zu bahnen, vor der dritten wäre

22 Diittes Capitel.

er ebenfalls erschöpft oder erstickt zusammengesunken. Ein dritter hätte allerlei Tempelkostharkeiten zusammengerafft und wäre mit ihnen geflohen, aber er hätte nur das Forum trianguläre erreicht, wo man das Gerippe mit allerlei Gegenständen des Isiscultus fand. Uesser verbürgt ist es. dasa man anf dem einen Altar des Isistempels, wie auf keinem andern, halbverbrannte Opfer gefunden hat *) , Doch würde ea unvorsichtig sein, hieraus auf eine be- sondere Itliithe des Isiscultus zu schließen. Ähnlich wie der erwähnte Isis- priester sind die meisten übrigen Bewohner Pompejis mit ihren Habseligkeiten beladen umgekommen ; aus den Dieterichen in den Schlüsselbunden Einige; hat man schließen wollen, dass unter den Rettern auch unberufene gewesen seien [Finati, 3fw*ce So«rfion, Naples 1843, 3, S. 117). Die Kryptoporticus des am Ende der Gräberstraße gelegenen Landhauses (der s. g. Villa des M. Arrius Diomedes] zeigt uns das Bild eines jener vei^eblichen Rettungsversuche im Innern der Häuser ") . Am Eingang und am Fuße der Treppe der als Keller dienenden Krypta, in der viele Amphoren an den Wänden standen, fand man 1 8 erwachsene Personen und zwei Kinder. Ihre Gebeine waren unter mehre Fuß hoch liegender feiner Asche begraben, welche, durch die eingedrungene Feuchtigkeit verbunden eine gypsartige feste Masse bildete, in der die bedeckten Gegenstände abgeformt waren. Leider war es nur möglich, einen solchen Ab- druck von dem Halse, den Schultern und der Brust eines jungen, nach dem ZeugnisB des Abdrucks tadellos schönen, mit ganz feinem Gewände bekleide- ten Mädchens zu gewinnen, welcher in Gyps ausgegossen im Museum be- wahrt wird. Sie hatte sich im ersten Schrecken mit ihrer Mutter, welche ein Kind auf dem Arme, ein größeres neben sich hatte, und vielen anderen Fami- liengliedem in diese bedeckte Gallerie zurückgezogen und war dort von der fallenden Asche und den Lapilli begraben worden. Sie scheinen in ihr Schicksal ergeben gestorben zu sein, man fand sie mit verhülltem Haupte. Der Hausherr dagegen , von einem Sclaven begleitet , hatte die Flucht für sicherer gehalten, und in Hofinung auf Kettung im Freien die Seinen ver- lassen. Aber nicht ein- mal den Umkreis seiner Besitzung erreichte er, man fand sein Gerippe, den Schlüssel zur Garten- thür in der Hand und einen schlangenformigen Ring am Finger, nahe bei dem hintern Ausgang aus dem Garten, neben ihm den Sclaven, der aller- lei in Leinen gewickelte Münzen mitgenommen Fig. 4. Auffindung einei GerippeB. hatte. Die allermeisten

dieser und manche an- dere derartige Berichte, ausgenommen den letzterwähnten , sind unverbüi^, obgleich ihrer ein^e an und für sich nicht unglaublich klingen und sowohl

Die VeTBchüttung Pompejis. 23

mit dem übereinstimmen, was z. B. ein Mazois als sicher überliefert, als mit dem » was heutzutage sich bei den meisten Aiiffindungen von Gerippen wiederholt. Die Lagen, in denen die armen Verschütteten starben, sind meistens erkenn- bar, und eben so erkennbar ist, dass die meisten den Erstickungstod, Andere durch Hunger gestorben sind. So z. B. derjenige, von dessen Auffindung in einem gewölbten Raimie des Hauses reg. VH, ins. 14, n. 9 die nebenstehende, aus Mazois' großem Werke entlehnte Abbildung (Fig. 4) eine Vorstellung giebt. Ein ungleich höheres Interesse als die Gerippe nehmen sieben ziemlich vollständige Leichenabgüsse in Anspruch, welche, in dem neuen Local- museimi im Flügel des s. g. Seethores gleich neben dem gewöhnlichen Eingang in die Stadt aufbewahrt, ein Hauptaugenmerk aller Besucher Pom- pejis ausmachen, und von denen unzählbare Photographien verbreitet sind. Mit diesen Abgüssen, von deren dreien, einem riesig großen Manne (Fig. 5), einer Frau imd einem neben derselben liegenden sehr jungen Mädchen hier- nächst (Fig. 6) nach Photographien gefertigte Abbildimgen mitgetheilt werden, verhält es sich folgendermaßen. Die vier Personen, um die es sich zunächst handelt, hatten auf ihrer Flucht, offenbar dem Forum und weiterhin einem Thore zustrebend die Masse der an der Fundstelle 3 1/2 Meter dick gefallenen LapiUi überwunden, und suchten durch dieselben watend weiter zu kommen, als der Aschenregen begann ^®) . Dieser hemmte ihre weitere Flucht, sie sanken auf die Unterlage der Lapilli nieder und wurden von der Aschenschicht ein- gehüllt und begraben, und zwar so, dass diese feine, schlammartige Materie sie allerseits dicht umgab und erhärtend ihre Körper nebst der Bekleidung ab- formte, ungefähr so wie in ähnlicher Materie das oben erwähnte Mädchen in der Villa des Diomedes abgeformt und theilweise erhalten ist. Indem nun die Körper und Gewänder im Laufe der 1800 Jahre bis zur 'Auffindung in Staub zerfielen, wurden durch die Natur gleichsam fertige Hohlformen hergestellt, in deren Innerem nur die Gerippe vollständig erhalten sind. Als nun die Ar- beiter bei der Ausgrabung an der auf dem großen Plane mit f bezeichneten Stelle in dem s. g. vicolo del tempio di Augusto oder vico degli scheletri am 5. Febr. 1863 auf die erste dieser Hohlformen mit darin steckenden Knochen stießen, wurde Fiorelli herbeigeholt, dessen kluger und vorsichtiger Gewandt- heit wir den s^tenen und werthvollen Anblick verdanken. Derselbe ließ nämlich die gefundene Hohlform und nach einander die später gefundenen mit Gyps ausgießen und dann die Form zerstören. Und so feierten zuerst diese vier unglücklichen Pompejaner, später noch drei andere, ihre Auferste- hung im Gypsabguss, der freilich an Feinheit und Schärfe gegen einen aus künstlicher Hohlform gemachten weit zurücksteht, der aber dennoch hinläng- lich genau ist, um nicht allein die Situation des Todes, und die wesentlichen Formen der Körper, sondern selbst manche Einzelheit dieser Formen: der Gewänder und des übrigens sehr geringfügigen Schmuckes erkennen zu lassen. Der wie das Maß des in unserer Abbildung daneben stehenden pompejaner Führers in der Tracht der sechziger Jahre zeigt riesig große Mann liegt auf dem Rücken, auf den er sich im Todeskampfe gewälzt zu haben scheint, wobei er sein kurzes Gewand krampfhaft emporgezogen hat. Er soll nach der Ansicht Sachverständiger am Schlag gestorben sein. Eine nähere Beschreibung des-

24 Vieitee Capitel

selben scheint der Abbildung (Fig. 5) gegenübet unnüthig. Ein ungleich rüh- renderes Bild bieten die beiden Frauen, und in der That wahrhaft erschütternd wirkt im Original der Anblick des jungen Mädchens dieser Gruppe (Fig. 6 rechts in der Ab- bildimg) , eines zarten Wesens von 13 14 Jahren , welches sich, offenbar ermattet imd in der sichtbaren Unmöglichkeit zu entkommen, in ihr hartes Schicksal ergeben und sich vorwärts und halb seitwärts mit unter dem Kopf gekreuzten Armen niedergelegt hat. So ist sie , die Ruhe ihrer Lage be- zeugt es, verhältnissmäßig sanft gestorben, und so liegt sie mehr wie schlafend als wie todt vor Fig. ä. LeichenabguBs; Mann. „ug^ während die sie beglei-

tende Frau, aus der Lage auf dem Gesicht, aus der Haltung des linken Armes, der geball- ten Faust und der Stellung der Beine zu schließen, sich nicht gleicherweise niedergelegt hat, sondern hingestürzt und in schwererem Todeskampfe durch Erstickung gestorben ist. Die Bekleidung aller dieser Gestal- ten ist sehr geringfügig ; na- türlich haben die Fliehenden

ihre weiten Gewänder von sich FiiF. 6, LeichenabFflBRe ; Frau und Midchen. _r j -l j .■

'S "* ' geworfen und. im hemdartigen

Unterkleide zu entkommen gesucht. Dieses erkennt man mit hinlänglicher Deutlichkeit; um Studien über die Einzelheiten der antiken Gewandung an- zustellen, sind aber diese Abgüsse doch zu roh. Es ist jedoch keinem Zweifel unterworfen , dass man nach und nach eine größere Anzahl von so abformbaren Leichen finden und die Ausgüsse in immer vollkommenerer Weise herzustellen lernen wird. Am besten, ja fast wunderbar erhalten und trefflich abgeformt ist die im Juni IS 73 gefundene fast ganz nackte Leiche eines Mannes, welche die hier beigegebene lithographische Nachbildung einer Photographie ver- gegenwärtigt. Und so werden diese Abgüsse voraussichtlich dem antiquarisch- wissenschaftlichen Interesse noch manche interessante Einzelheiten darbieten, mehr, als die ersten es vermögen. Sentimentale Betrachtungen und Beschrei- bungen, zu denen die gegenwärtigen Leichenformen hinlänglichen Anhalt bie- ten, müssen Jedem überlassen bleiben, welcher an dergleichen Gefallen findet.

Andeutungen über die Geschichte der Wiederentdeckung Pompejis. 25

Über das Schicksal der überlebenden BeTÖlkerung der verschütteten Stadt sind wir nicht genauer unterrichtet. Sichere Spuren an mehr als einem Orte weisen darauf hin, dass, vielleicht bald nach der Verschüttung begin- nend und wer kann sagen wie lange fortgesetzt, nicht unbeträchtliche Nach- grabungen gemacht worden sind, um dem Grabe der Stadt an Schätzen und an kostbaren Werkstücken zu entziehn, was etwa noch zu erlangen war. An sehr vielen Orten sind auch wirklich Baumaterialien, namentlich Marmor- stücke und Marmortafeln, ja ganze Saiden und Beihen von Säulen und Gebälk gehoben worden, und die verhältnissmäßig immerhin geringe Zahl nicht allein von Werken der Sculptur, sondern auch von Kostbarkeiten, sowie das wenige Greld, welches in Pompeji gefunden ist, zeigt, dass die Ausbeute dieser früheren Grabungen nicht gering war. Bei der Lockerheit der Verschüttung ist dies auch recht wohl begreiflich, besonders da wir, wie gesagt, gar nicht bestimmen können, wie lange dort gewühlt worden sein mag. Sind doch selbst in dem tief verschütteten Herculaneum Ausgrabimgen vorgenommen worden: man hat dort mühsam gehauene Gränge gefunden, durch welche manches schätzbare Kunstwerk entfernt worden sein mag **) .

Der ELaiser Titus fasste den Plan, die zerstörten Städte wieder herstellen zu lassen, beauftragte zwei römische Senatoren mit einer Bundreise und Durch- musterung der verwüsteten Plätze und besuchte sie nach einer Nachricht auch selbst. Was für Pompeji das Ergebniss gewesen sei, ist unbekannt. Der Name Pompejis soll auf ein in der Gegend der alten Stadt gegründetes Dorf über- gegangen sein, welches aber im Jahre 472 n. Chr. das Schicksal des altem Pompeji erlitt *'^) , und dessen Trümmer unter dem Landvolke den Namen la Civitä erhielten, wie Altpompeji noch viele Jahre lang (den 27. November 1756 kommt der Name Pompeji zuerst vor, aber la Civitä kehrt noch in den 60er Jahren wieder) in den Ausgrabungstagebüchem heißt. Jedenfalls blieb das alte Pompeji verschwunden, der größte Theil der Bewohner mag sich zerstreut oder nach der Hauptstadt gezogen haben ; Alles was der Boden und die bald auf demselben wuchernde Vegetation deckte, gerieth nach und nach mit Pom- pejis Namen in völlige Vergessenheit.

Viertes Capitel.

Andeatungen fiber die Geschichte der Wiederentdecknng und der

Ausgrabungen Pompejis.

Diese Vergessenheit dauerte bis zum Jahre 1748, wo, 30 Jahre nach der ersten , unbenutzten Entdeckung Herculaneums , und zehn Jahre , nachdem man dort zu graben angefangen hatte, ein Zufall auf Pompejis Wiederauffin- dung leitete. Dies ist um so bemerkenswerther, als die verschüttete Stadt als solche eigentlich nie ganz unkenntlich gewesen sein kann, und namentlich das Amphitheater deutlich genug als eine kraterförmige Vertiefung im Boden sich zu erkennen gab. Wenn wir aber die Nichtbeachtung dieser Anzeichen daraus erklären können , dass der Name und die Existenz Pompejis in den

28 ' Viertes Capitel.

die Stadt Schreitenden, während das kleine Quartier, welches von der Haupt- straße und der ersten, zu der Stadtmauer führenden Nebengasse eingefasst ist, erst im Anfang der 90er Jahre ausgegraben wurde. Gleichzeitig grub man an einigen anderen Stellen, von denen namentlich das Theaterquartier schon erwähnt wurde, aber nur einzelne Entdeckungen kann man aus diesem Zeit- raum anführen. So wurde 1767 69 in der genannten Gegend das nach dem Kaiser Joseph II von Osterreich genannte Haus (106 im großen Plan) auf- gegraben, und 1795 98 räumte man abermals in demselben Quartier und fand die sogenannte Bildhauerwerkstatt (Plan 107); so brachte das Jahr 1799 durch die Bemühimgen des französischen Generals Championnet zur Zeit der »par- theiiopeischen Republik« die nach ihm benannten Häuser südlich am Forum (Plan 92) zu Tage. Das ist aber auch fast Alles, was in dieser ganzen Periode gethan wurde, und von 1800 bis 1802, während der blutigen Beaction unter den wieder in's Land gekommenen Bourbonen stockte die Arbeit vollständig ; 1803 ist sehr wenig und 1804 6 wiederum gar nicht gearbeitet worden, wenigstens wissen die Tagebücher, sofern solche überhaupt vorhanden sind, nur von eingestürzten oder ruinirten Gebäuden und von etlichen Maßregeln zu berichten, welche man gegen den totalen Zerfall ergriff. Reger wurde der Eifer seit Joseph Bonapartes (1806) und Joachim Murats (1808) Thronbestei- gung, und in dem Zeitraum von 1806 1815 wurde Bedeutendes geschafft. Man arbeitete nicht allein mit sehr verstärkter Mannschaft, welche sich 1809 96 Köpfe stark, 1812 eine Zeit lang ca. 150, 1813 aber bis zu 674 Personen mit 26 Karren und 7 Saumthieren verzeichnet findet, sondern man arbeitete, was viel mehr sagt, seit 1807 zuerst nach einem bestimmten Plane, dessen Entwurf von Michael Arditi in den Tagebüchern abgedruckt ist und manches sehr Interessante enthält. Den Hauptschauplatz bildet das Quartier vom Her- culaner Thor bis zum Forum und die Gräberstraße von außen her, aber auch das Amphitheater, dessen Ausgrabung früher in den ersten Anfängen stecken geblieben war, wurde in den Jahren 1813 16 gänzlich an's Licht gebracht, ebenso erreichte man §chon 1806 die (bis 1813 ganz ausgegrabene) Basilika; 1813 das Forum an seinen beiden Enden; auch eine Reihe der interessanteren Privathäuser verdankt man dieser Periode des Eifers. Allerdings ermattete der Impuls nach der glorreichen zweiten Wiederkehr der Bourbonen, dennoch war bis 1823, außer einer bedeutenden Zahl von Privathäusem, das ganze Herz der Stadt, das Forum civile mit allen imiliegenden Gebäuden, sowie der größte Theil des Umfanges der Stadtmauern imd die ganze Gräberstraße zu Tage gefordert. Leider war auch in dieser Periode seit dem Beginn der plan- mäßigen Ausgrabungen das Verfahren ein verkehrtes. Man räumte nämlich, dem Niveau der Straßen und der Fußböden der Gebäude folgend die Verschüt- tungsmasse in verticalen Abschnitten fort , wobei dieselbe, welche, wie schon früher bemerkt worden, zur Hälfte aus lockeren und unverbundenen Lapilli, zur Hälfte aus der darüber liegenden schweren, verschlämmten Asche besteht, nothwendig nachstürzen und eben so natürlich die von ihr getragenen und gestützten Theile der Baulichkeiten in ihren Sturz mit hineinziehen musste. Wie viele Dächer, Erker, Balcone, obere Fußböden u. dgl. auif diese Weise zusammengebrochen und dann als werthloser und unförmlicher Schutt wegge-

Ansicht derAu^rvJxmgen

inPimpeji imMai 1815.

^

Andeutungen über die Qeschichte der Wiedeientdeckung Pompejis. 29

woifen sind^ kann Niemand sagen, obgleich uns die neuesten Ausgrabungen schließen lassen, dass Vieles und Bedeutendes früher zu Grunde gerichtet worden sein muss. Dazu kommt, dass man den ausgegrabenen Schutt theils innerhalb der Stadt selbst, z. B. in der Gegend am Stabianer Thor, wieder ablud, theils unmittelbar vorder Stadt aufwarf und damit jene Schutthügel herstellte , welche jetzt den Anblick derselben von außen verhüllen, und die wegzuschaffen, was geschehen muss und wird, neue Arbeit, Zeit und G^ld kostet. Wie wenig sorgfältig man die Sache behandelte, zeigt unter Anderem der Umstand, dass noch vor wenigen Jahren in dem weggeworfenen Schutt eine der schönsten Geramen, welche das Museum von Neapel besitzt, hat gefunden werden können.. Mit abnehmender Anstrengung arbeitete man in dieser Weise bis um die Mitte der dreißiger Jahre fort, und brachte außer den kleineren Thermen (1824) und dem Tempel der Fortuna (1825) wesentlich nur Private häuser zum Vorschein. Seit der Zeit bis auf die unsere erkaltete der Eifer immer mehr, und obwohl in der zweiten Hälfte der dreißiger und in den vier- ziger Ji^hren mancher hochwichtige Fund gemacht, manche Aufklärung über den Gesammtplan der Stadt gewonnen wurde, obgleich femer jährlich 7000 Ducati = 24,600 M. angewiesen waren, so waren doch die Ausgrabimgen fast nur zu Festlichkeiten geworden, mit denen man die Anwesenheit vornehmer Gäste zu feiern pflegte, so dass Beisende in den 30er bis 40er Jahren meistens nicht eine Hacke oder Schaufel in Thätigkeit fanden.

In neuester Zeit ist dies anders und imendlich besser geworden , und namentlich seit 1861 und seitdem Fiorelli an der Spitze der Ausgrabungen stand, ein Mann, der besser gar nicht gewählt werden konnte, datirt eine neue Epoche der Ausgrabungen , von denen in ihrem gegenwärtigen Betriebe die hier beigegebene, am 5. Mai 1873 eigens für diesen Zweck photographisch aufgenommene Ansicht auch demjenigen, der nie an Ort und Stelle war, eine in der Hauptsache klare und vollständige Anschauung wird vermitteln können. Nicht etwa als würden dieselben nun in Hast und Eile betrieben und gingen mit Riesenschritten vorwärts, im Gegentheil. sie werden mit eben so viel Besonnenheit und Vorsicht wie warmem Eifer fortgesetzt. Was die jetzige, in der Hauptsache übrigens schon seit 1852, unbekannt durch wen *^) , eingeführte Methode vor der frühem auszeichnet, ist, dass durch sie möglichst Weniges zerstört, möglichst Vieles gewonnen und erhalten wird. Man gräbt nicht mehr in verticalen , sondern wie das auch in der Ansicht erkennbar ist , von der Oberfläche aus in horizontalen Schichten, und der Erfolg davon ist, dass Alles was man findet seine Unterlage und Unterstützung behält, bis man zu seiner Erhaltung oder Erneuerung (bei Holzwerk, Dächern, Balconen u. s. w.) gethan hat, was nöthig und möglich ist. So und nur so haben jene Balcone oder Erker conservirt werden können, auf die wir zurückkommen, so Treppen und an- deres Holzwerk, Hausbedachungen. Fußböden u. s. w. So hat man schon 1852 einen Theil eines Daches wenigstens auf so lange Zeit zu erhalten ver- mocht, dass es hat gezeichnet werden können (s. unten Cap. IV), während es den Ausgrabungen des Jahres 1866 gelungen ist, die Eckpartie der Bedachung eines Peristyls (in der domus C. Vibü, Plan 72 s. unten a. a. O.) vollkommen zu retten und sein gesammtes Balkenwerk zu restauriren. Bei der frühem

30 Fünftes Capitel.

Verfahrungsart sind so und so viele ähnliche zusammengebrochen und besten Falls als Ziegeltrümmer und Stücken verkohlter Balken in die Protokolle auf- genommen worden. Schnell geht nun solche vorsichtige und conservative Ausgrabung nicht von Statten, und wir müssen uns resigniren, die Vollendung der Aufdeckung Pompejis nicht zu erleben ; aber das ist in mehr als einer Hinsicht sehr gut, es erhält das Interesse noch auf lange hin wach und wird auch unseren Enkeln noch den Anblick frischer Monumente Pompejis ge- währleisten, während die Methoden zur Conservirung des Ausgegrabenen von Jahr zu Jahr verbessert werden und die fortschreitende Wissenschaft Zeit behält, das allmählich Gewonnene immer gründlicher zu verarbeiten.

Durch diese kurze Vergegenwärtigung der Geschichte der Ausgrabungen wird es begreiflich, wie bisher nicht mehr geschehen ist, als wirklich ge- schah. Thatsache ist, dass wir schon ein mäßiges Dritttheil der Stadt kennen*^) , abgesehn von der Vorstadt Augustus felix. Trotzdem dürfen wir annehmen, dass theils oben erwähnte Umstände, theils der mit ihnen in Verbindung stehende günstige Zufall uns die hauptsächlichsten und wichtigsten Tbeile der Stadt hat finden lassen, was von den öffentlichen Gebäuden, abgesehen etwa von Tempeln, Capellen und möglicherweise Bädern, mit großer Wahrschein- lichkeit gesagt werden kann. Was freilich von Privathäusem, was in ihnen von Gemälden, Utensilien, Sculpturen und Kostbarkeiten noch für besten Falls ein halbes Jahrhundert unter der mit Maulbeer- und Weinpflanzungen und Feldern bestandenen Decke des Restes der Stadt liegt, wer könnte das errathen oder voraussagen.

Wenden wir uns, ehe wir zur Einzelbetrachtung übergehn, zu einer allgemeinen Übersicht über die bisher aufgegrabenen Theile der Stadt.

Fünftes Capitel. Übersicht Aber den Plan und die Monumente Pompejis.

Auch hier sind noch ein paar vorgängige Worte über den Zustand der pompejanischen Monumente im Allgemeinen zu sagen.

So reich die Funde sind und so vollständig sich die aufgegrabenen Theile imGrundriss zeigen, so darf doch nicht übersehn werden, dass nur ein verhält- nissmäßig geringer Theil der beweglichen Habe wirklich auf uns gekommen ist, wovon die Gründe oben angegeben sind^ und dass diese fast ohne Aus- nahme sich nicht mehr an Ort und Stelle befindet, sondern in das größten* theils aus den Ausgrabungen der verschütteten Städte 1758 in Portici ge- gründete Museum, und seit dem Anfang unseres Jahrhunderts nach Neapel in das frühere Museo Borbonico, jetzt Museo Nazionale, welchem das Museum von Portici einverleibt wurde, gebracht worden ist. Die beweglichen Mo- numente aus Pompeji fortzuschaffen und sie in einem Museum zu vereinigen, gab es verschiedene sehr triftige Gründe. Einerseits erforderte der Schutz der Denkmäler, namentlich der Gemälde, gegen die Unbilden des Wetters und verschiedener Aschenregen des Vesuv ihre Verpflanzung, andererseits

Übersicht über den Plan und die Monumente Pompejis. 31

hatte man sehr dringende Veranlassung ^ sie gegen unberufene Liebhaber, besonders auch gegen die Custoden selbst und ihre Vorgesetzten (denn der organisirte Diebstahl soll sich unter dem Bourbonenr^ime in sehr vornehme Kreise erstreckt haben) in Sicherheit zu bringen, durch deren Hände man- ches kleinere Stück in den Besitz von Vornehmen und Gelehrten anderer Länder, manches größere und werth volle in die Sammlungen von allerlei vor- nehmen Leuten in Neapel selbst gekommen ist. Endlich glaubte man der Wissenschaft mehr durch eine systematische Zusammenstellung, als durch ein Belassen der Gegenstände an ihrem Fundorte zu nützen, worüber sich aller- dings streiten lässt. Ob nicht der an sich ganz natürliche Wunsch, der Haupt- Stadt auch noch den Glanz dieser Monumente zuzuführen, zu der Übersiede- lung von den Fundorten nach Neapel mitgewirkt habe, kann hier unerörtert bleiben. Genug, es ist Thatsache, dass Pompeji in den älter ausgegrabenen Theilen gründlich ausgeräumt ist, xmd dass abgesehn von unbedeutenden Decorationsmalereien fast nur die kahlen Häuser- und Tempelmauem zurück- geblieben sind. Neuerdings, und zwar schon seit etwa der Mitte der 50er Jahre, ist dies anders geworden; man lässt von den gefundenen Gegenständen, namentlich Decorationsstatuen und Gemälden, an Ort und Stelle, so viel man kann, und sucht es daselbst so gut es gehn will gegen Zerstörung zu sichern, während man nach Neapel in das Museum nur das schafft, was in Pompeji zu lassen Unverstand wäre, wie z. B. Kunstwerke ersten Ranges, leicht beweg- liche und dem Verderb ausgesetzte Gegenstände u. s. w. Mag der endliche Erfolg dieser Methode sein welcher er will, wir jetzt Lebenden gewinnen durch dieselbe unendlich und können mit derselben nur höchst zufrieden sein. Zum Glück sind die Fundorte fast aller Gemälde und der meisten übrigen Gegen- stände auch in älterer Zeit amtlich protokollirt und könnten genau genug bekannt sein, um sie in unserer Phantasie aus dem Museo Nazionale wieder an ihre alten Stellen zu schaffen, was in den folgenden Theilen dieser Dar- stellung hie und da geschehen soll , wenn die Angaben über die Fundorte in den alten Protokollen genauer und besonders wenn sie wissenschaftlicher wären, als sie es sind. Dass hiedurch einer durchgreifenden Arbeit der ange- deuteten Art große Schwierigkeiten entgegenstehn, soll nicht geläugnet wer- den; dass die Schwierigkeiten unüberwindlich seien, kann nicht zugegeben werden ; auch gehört eine solche Arbeit, die freilich nur ein in Neapel Ange- siedelter oder längere Zeit daselbst Lebender machen kann, mit zu Fiorellis Plänen, während sie zum Theil wenigstens dutch W. Helbigs Buch über die Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens und nament- lich durch dessen topographischen Index bereits gelöst ist. Durch Eintragung der Notizen über die in den verschiedenen Zimmern und sonstigen Bäumen gefundenen Gemälde , Sculpturen, wichtigeren Geräthe, Gerippe u. s. w. in die leeren, jetzt nur die kahlen Mauern zeigenden Bäume würde Fiorellis rie- siger Stadtplan von Pompeji erst seinen vollen wissenschaftlichen Werth und ein unsäglich erhöhtes Interesse erhalten.

Was aber die unbeweglichen Monumente, die Bauwerke und Anlagen betrifft, 80 dürfen wir uns diese insgesammt nur als Ruinen denken. Zum kleinem Theile sind sie durch die Verschüttung und in gewissem, aber bisher

32 Fünftes Capitel.

nicht genau festgestelltem Maße durch das Erdbeben während der Eruption des Vesuv, von dem Plinius redet, zertrümmert, zum großem durch die antiken und modernen Ausgrabungen und vor und nach ihrer Wiedergeburt durch den nagenden Zahn der Zeit beschädigt, dem die verschleppende Hab- sucht nur zu sehr zu Hilfe gekommen ist. Von allen Privathäusem Pompejis mit wenigen Ausnahmen stehn ungefähr nur die Erdgeschosse, welche in den beiden älteren Perioden der Stadt theils aus Quadern, theils aus opus incertum mit reichlichem Mörtel, in der römischen Zeit aus dem letztem, seltener aus Ziegeln oder aus gemischtem Material erbaut sind, während die leichter und dünner gebauten, zum Theil mit Fachwerk durchzogenen oberen Geschosse fast durchweg, sowie die aus Holz construirten Dachstühle fehlen , und ent- weder unter der Wucht der Verschüttung zusammengestürzt, oder aus der Verschüttung hervorragend, im Laufe der Jahrhunderte sei es durch Men- schenhand, sei es durch natürliche Einflüsse verschwunden sind. Diese oberen Geschosse, von denen erst den neuesten Ausgrabungen gelungen ist wenig- stens einige Fußböden und die unteren Theile der Wände zu retten, diese Obergeschosse zu restauriren, würde sehr schwer sein, da sich begreiflich von den Holzbauten der Alten so gut wie nichts erhalten hat, wenn uns hier nicht einerseits Herculaneums Ruinen zu Hilfe kämen , welche uns wenigstens einige Muster des Zimmerhandwerks erhalten haben, und zwar zum Theil in verkohlten Balken imd Streben, zum Theil in Abdrücken der Holzconstruction in den umgebenden und jetzt erhärteten Schlammströmen, und wenn nicht andererseits die neuesten Ausgrabungen in Pompeji diese Muster in der über- raschendsten Weise vermehrt hätten. So wie seit dem Anfang der 50er Jahre gegraben wird, wird ziemlich alles Holzwerk, wenngleich natürlich verkohlt, gefunden; es wird gemessen und durch neu eingesetzte Stücke ersetzt, so dass wir es an Ort und Stelle wie am Original studiren können. Und da, wo dies nicht möglich, ist häufig ein Anderes möglich, der Ausguss in Gyps näm- lich, in welchem eine ganze Beihe von Gegenständen, Haus- und Zimmer- thüren, Laden verschlusse, Bettstellen, ja eine spanische Wand von Holz und gewebtem Stoff und ein Korb von feinem Weidengeflecht in dem Localmu- seum, wo sich auch die Leichenabgüsse und die Menschen- und Thiergerippe finden, aufbewahrt und dem genauesten Studium zugänglich ist. Durch diese Muster, auf welche später zurückgekommen werden soll, sind wir in den Stand gesetzt, die fehlenden, an sich einfachen Gallerien, Dächer und sonstigen Theile der oberen Geschosse mit Sicherheit zu reconstruiren, und in gezeich- neter, wenn auch nicht ausgeführter Ergänzung die bedeutenderen Häuser uns vorzuführen. Es ist übrigens hiebei nicht zu vergessen, dass bei weitem die wichtigsten Bäumlichkeiten des antiken Hauses im Erdgeschosse liegen, wäh- rend das obere Stockwerk meistens nur kleine Schlaf- oder Esszimmer oder Miethswohnungen enthält, die nicht selten zu den ebenfalls vermietheten Läden im Erdgeschoss gehören. Da nun auch die Ornamente von Marmor oder Stucco größtentheils, auch wo sie nicht mehr vorhanden, doch bekannt sind, so vermögen wir uns ein ziemlich vollständiges Bild von dem architekto- nischen Gesammteindruck der pompejanischen Gebäude zu entwerfen. Von den öffentlichen Gebäuden stehn ebenfalls meistens nur noch die zerbrochenen

Übersicht über den Plan und die Monumente Pompejis. 33

Säulen und Mauern bis zu der durchschnittlichen Höhe der Erdgeschosse der Privathäuser. Aber auch für die öffentlichen Gebäude sind die Werkstücke noch bekannt oder am Platz, so dass wir fast überall die Reconstruction mit größerer oder geringerer Sicherheit vornehmen können. Und so werden wir es nicht versäumen, neben dem Bilde der Denkmäler« in ihrem heutigen Zu- stand uns dasjenige ihrer ursprünglichen Gestalt zu vergegenwärtigen.

Nach dieser Einleitung beginnen wir mit einer Übersicht über die Anlage der Stadt.

Der beigegebene kleine Gesammtplan der Stadt Pompeji zeigt uns, dass dieselbe, im Allgemeinen der Form des von ihr besetzten Hügels folgend, ein etwas verschobenes Oval bildet. Nach der 1859 von Fiorelli geleiteten Ver- messung beträgt dessen großer Durchmesser 3154 FuJJ, der kleine 1992 Fuß und der Umfang 8767 Fuß, doch kann insbesondere diese letzte Zahl nicht als absolut genau gelten, da sich der ursprüngliche Zug der Mauerlinie vom Forum trianguläre bis gegen das Herculaner Thor nicht mehr feststellen lässt. Da bloße Zahlen eine Anschauung von Größen weniger leicht vermitteln, als an- dere Angaben, so sei beiläufig bemerkt, dass der Umfang Pompejis einer reich- lichen Drittelmeile oder Y4 Wegstunden imgefähr gleich kommt.

Betrachten wir nun auf unserem kleinen Übersichtsplan die Form der Stadt und das Straßennetz des bisher ausgegrabenen Theiles, so ergiebt sich uns eine wichtige Thatsache mit hinlänglicher Deutlichkeit : wir haben hier eine planmäßig angelegte, nicht eine durch allmähliche Ansiedlung entstan- dene Stadt vor uns. Besonders deutlich ist die planmäßige Anlage im nörd- lichen Stadttheil und östlich neben der großen Hauptstraße, welche vom Vesuvthor bis zum Stabianer Thor in grader Linie die Stadt durchschneidet. Aber auch in dem um das Forum gruppirten Quartier sind die Spuren einer durch spätere Umwandlungen verdunkelten, ursprünglich regelmäßigen Anlage nicht zu verkennen, welche mit der des nördlichen Stadttheils dadurch in Ver- bindung steht, dass das Forum in der Verlängerung der mittelsten imd brei- testen Nord-Südstraße desselben liegt.

Über das Straßennetz von Pompeji, über die Grundsätze , nach welchen dasselbe angelegt ist, über die Art, wie durch die Hauptstraßen die Stadt in Regionen getheilt ist, sind in neuerer Zeit verschiedene Ansichten ausge- sprochen worden, und eine dieser Ansichten, die Fiorelli's, ist der jetzt durch- geführten officiellen Numerirung der itisulae, d. h, der rings von Straßen umgebenen Häusercomplexe , zum Grunde gelegt worden. Fiorelli nimmt an, daß die Stadt durch vier sie durchschneidende Hauptstraßen in neun Kegionen getheilt wurde. Diese vier Straßen sind: 1) die Stabianer Straße, vom Sta- bianer bis zum Vesuvthor ; 2) eine von FiorelK vermuthete, ihr parallel lau- fende Straße vom Nuceriner bis zum Capuaner Thor ; 3) die Nolaner Straße, vom Nolaner Thor bis an den noch verschütteten Westrand der Stadt ; 4) die Sirada delV Abbondanza mit ihren Verlängerungen, vom Samo- bis zum See- thor. Die durch diese vier Hauptlinien getrennten Stadttheile sind in der auf iinserm Plan ersichtlichen Weise als erste bis neunte Kegion bezeichnet wor- den ; innerhalb jeder Kegion haben die einzelnen Insulae , innerhalb jeder Insula die einzelnen Hauseingänge sowohl Haupt- wie Nebeneingänge

Orerbeck, Pompeji. 4. Aufl. 3

34 Fünftes Capitel.

fortlaufende Nummern erhalten: eine Einrichtung von größtem praktischen Werth, durch welche es ermöglicht wird, irgend ein Haus durch drei Zahlen, ohne weitläuftige und oft missverständliche Beschreibungen zu bezeichnen. Eine andere Frage freilich ist es, ob eine solche Theilung wirklich im alten Pompeji bestand. Vielmehr scheint aus den Ausgrabungen der letzten Jahre hervorzugehen, wie es auch auf unserem Plan angegeben ist, dass dies nicht der Fall war, dass nämlich die eine der vier Theilungslinien, die das Capuaner mit dem Nuceriner Thor verbindende Straße, nicht vorhanden, dass die durch das Capuaner Thor ausmündende Straße mit der Stabianer Straße nicht parallel ist, sondern nach Süden mit ihr convergirt und sich der Richtung des Forums und der Mercurstraße stark nähert. Es geht dies hervor aus der unregelmäßigen Form der östlichsten unter den auf der Südseite der Nolaner Straße ausgegra- benen Insulae, deren Ostfront, wie es scheint, in der Richtung der durch das Capuaner Thor ausmündenden Straße liegt.

Die Frage nach dem Grründungsplan Pompejis ist noch nicht spruchreif: wir müssen das weitere Fortschreiten der Ausgrabungen abwarten. Doch dürfen wir, namentlich auf Grund der eben erwähnten neuesten Entdeckun- gen, Folgendes als ziemlich sicher betrachten.

Die Richtung der ostwestlichen Straßen wird bestimmt durch die Linie der Nolaner Straße und die in ihrem östlichen Theil ihr parallele Straße zwi- schen Seethor und Samothor. Von dieser Richtung ist, so viel wir sehen, nur in dem südwestlichen Stadttheil abgewichen worden, wo auch der südlichen von den beiden genannten Hauptstraßen aus noch nicht erkennbaren Gründen eine etwas andere Richtung gegeben worden ist. Die bestimmende Linie für die nord-südlichen Straßen giebt die am Forum entlang bis an den Südrand der Stadt verlängerte Mercurstraße; denn eben die neuerdings festgestellte Richtung der durch das Capuaner Thor ausmündenden Straße lässt uns anneh- men, dass auch die Straßen der östlichen Hälfte dem Forum und der Mercur- straße wenn nicht ganz so doch annähernd parallel sind. Dies von zwei Grund- richtungen beherrschte System wird aber durchbrochen durch die Stabianer Straße, welche nicht der Richtung des Forums, sondern einer Einsenkung des Bodens folgt, und offenbar angelegt wurde in der Absicht, mit möglichst all- mählicher Steigung die Höhe des Stadthügels zu gewinnen. Um diese Diffe- renz der Straßenrichtung auszugleichen, mussten einige Insulae eine unregel- mäßige Gestalt erhalten : so die fünfzehnte der sechsten Region und die östlichste südlich der Nolaner Straße. Ebenfalls aus praktischen Gründen ist in der Nordwestecke der Stadt die Regelmäßigkeit des Straßennetzes durch- brochen worden. Sowohl die seltsame Lage des Herculaner Thors als der an dasselbe sich anschließende unregelmäßige Straßenzug erklärt sich nur daraus. dass hier die von Neapel über Herculaneum und Pompeji nach Nuceria füll- rende Straße die Stadt erreichte, und man bestrebt war, eine möglichst directe Verbindung mit dem Centrum der Stadt imd weiter mit dem Stabianer Thor, aus welchem die Straße weiter ging, herzustellen. So ist, wie es scheint, das Straßennetz Pompejis hervorgegangen aus einer Combination eines vielleicht auf sacraler Grundlage beruhenden Liniensystems mit anderen Linien, "welche nur diurch die praktischen Bedürfhisse des Verkehrs bedingt waren ^^).

Übersicht über den Plan und die Monumente Pompejis. 35

Wir unterlassen es, auf die Einzelheiten des bei Stadtgründungen und Anlage des Straßennetzes üblichen Verfahrens einzugehen, und bemerken nur, dass im technischen Sprachgebrauch die ostwestlichen .Linien decumani, die in dieser Richtung zuerst gezogene Grundlinie decumanus maximus^ die nord- südlichen Linien cardines, die entsprechende Grundlinie cardo maximus ge- nannt wird. Im Anschluss hieran ist nach der zugleich mit der Numerirung der Regionen xmd Insulae durchgeführten ofüciellen Bezeichnung die Nolaner Straße decumanus nuyfor, die Strada delT Abbondama mit ihren Fortsetzungen decumanus minor, die Stabianer Straße endlich cardo genannt worden. Die übrigen Straßen haben innerhalb jeder Region eine Niunmer erhalten [via prima j secunda u. s. w.). Anlass zu dieser Numerirung hat eine in die Wand der Straße zwischen der ersten und zweiten Insula der ersten Region einge- kratzte Inschrift gegeben: dieselbe lautet via III, und man hat hierin eine Bezeichnung der Straße gefunden, welche in der That die dritte von dem itdecufnanus minore ist.' Das Fundament ist also ein sehr schwaches; ohne Zweifel hatten die Straßen Namen, nicht Nummern, wie etwa in amerikani- schen Städten. Auch für den praktischen Grebrauch hat diese Numerirung geringen Werth, und es ist weit zweckmäßiger sich zur Bezeichnung einer bestinmiten Localität nur der Nummern der Regionen und Insulae zu be- dienen.

Es darf hier nicht verschwiegen werden, dass die Annahme von einer planmäßigen Anlage Pompejis nicht unbestritten ist, dass vielmehr Fiorelli auf Grund wichtiger, von ihm beobachteter Thatsachen zu einem ganz andern Resultat gekommen ist. In seinem im Jahre 1873 herausgegebenen Bericht über die Ausgrabungen von 1861 1872 theilt er nämlich sämmtliche Gebäude Pompejis in drei aus verschiedenen Perioden stammende Classen, deren erste er der altoskischen Bevölkerung zuschreibt, während die zweite von den um 420 eingedrungenen Samniten, die dritte von den Römern herrühren soll. Jener ersten Classe gehört namentlich eine Reihe alter Privathäuser an, mit Fronten aus massiven Quadern des vom Sarnus abgelagerten Kalksteines ipietra di Samo) und Innenmauem aus demselben Stein in eigenthümlicher £Eu;hwerkartiger Schichtung, ohne Kalkmörtel, mit Lehm als Bindemittel: Fiorelli zählt deren in dem bis 1872 ausgegrabenen Theil etwa 70. Es ist nun, nach Fiorelli, nicht denkbar, dass, wenn zur Zeit dieser alten Häuser die ganze jetzige Stadt 1)ebaut gewesen wäre, dieselben bis auf diese geringen Reste sanunt ihren Fundamenten hätten verschwinden können, und er schließt weiter, dass in jener ältesten Periode eben nur diese Häuser, keine zusanunenhangenden Straßen und Insulae vorhanden waren, dass vielmehr diese erst später durch allmähliche Ansiedlung sich an jene vereinzelt liegenden Häuser angeschlossen haben. Doch ist diese Annahme unhaltbar. Jene alten Häuser liegen stets mit ihrer Front an den jetzigen Straßen, und setzen offenbar deren Existenz vor- aus. Sie finden sich stellenweise in ganzen Reihen, wie z. B. in der elften In- sula der sechsten Region, mit gemeinsamen Zwischenmauern, also völlig städtischer Bauart. Sie haben durchaus ungemein feste Frontmauem aus Qua- dern, Seiten- und Innenmauem aus dem erwähnten fach werkartigen Mauer- werk von geringer Festigkeit, sind also darauf berechnet nicht isolirt im Felde

36 Fünftes Capitel.

sondern zwischen anderen Häusern an den Straßen einer Stadt zu liegen. Und dies wird noch augenscheinlicher dadurch, dass ein solches Haus in der vierten Insula der ersten Region ausnahmsweise auch eine Seitenmauer aus Quadern hat : die Ausnahme erklärt sich einfach daraus, dass das Haus ein Eckhaus, jene Seitenmauer die Südmauer der Insula ist, also auch an der Straße lag ; es wird also hier die Existenz der Insula vorausgesetzt. Und eben so setzen die Reste alter Häuser in der sechsten Insula der siebenten Region offenbar die ziemlich unregelmäßige Form des Westendes der Insula voraus. So dürfen wir also für sicher halten, dass schon zur Zeit jener alten Kalksteinhäuser der Grundplan der Stadt wesentlich derselbe war, welcher uns noch jetzt vorliegt.

Dagegen müssen wir uns ein anderes wichtiges Resultat von Fiorellis Forschungen aneignen, nämlich seine Eintheilung der Gebäude Pompejis in drei zeitlich auf einander gefolgte Gruppen, deren charakteristische Eigen- thümlichkeiten im ersten Capitel des zweiten Theiles dargelegt werden sollen. Wir können Fiorelli nicht beistimmen, wenn er die Gebäude der ältesten Gruppe, die eben besprochenen Kalksteinhäuser, für älter hält, als die samni- tische Eroberung um 420 eher mögen sie bis ins dritte Jahrhundert hinab- reichen — , auch nicht, wenn er den dorischen Tempel auf dem Forum trian- guläre dieser Gruppe zuzählt ; er ist vermuthlich älter. Um die Zeit der Stadt- mauer zu bestimmen, fehlt es an genügendem Anhalt.

Die Zeit der zweiten Gruppe nennen wir mit Nissen die Tuffperiode, und schreiben mit demselben Gelehrten (pompejan. Studien S. 48) den durch sie bezeichneten Aufschwung der langen Friedenszeit zwischen dem hannibali- schen und dem Bundesgenossenkriege zu. Sie ist zugleich die Zeit des ersten pompejanischen Decorationsstils. In ihr wurde Pompeji durch eine lebhafte Bauthätigkeit vollständig umgestaltet: es entstanden die Säulenhallen des Forums mit den beiden anliegenden Tempeln: dem Juppiter- und Apollo- (s. g. Venus-) tempel, die Basilika, die größeren Thermen, das größere Theater mit den beiden großen ihm benachbarten Portiken, die kleinere Porticus, in der wir eine Palaestra erkennen werden, endlich eine ganze Anzahl großer Privat- häuser mit Säulenhöfen (Peristylien) .

Von der dritten Gruppe , den Bauten der römischen Zeit, sondern sich, wie wir weiterhin sehen werden, als Unterabtheilung einige der ersten Zeit der Sullanischen Colonie angehörige Bauten ab: das kleinere Theater, das Amphitheater, der s. g. Aesculaptempel, die kleineren Thermen, der innere Theil der Porta marina. An diese Unterabtheilimg knüpfen sich die Anfänge des zweiten Decorationsstils, während der letzte (vierte) hauptsächlich den meistens ziemlich kenntlichen Bauten aus der Zeit nach dem Erdbeben von 63 n. Chr. angehört 20).

Wir kommen noch einmal auf die schon erwähnte Heerstraße zurück, welche von Neapel über Herculaneum und Pompeji nach Nuceria führte. Da das Herculaner Thor offenbar mit Rücksicht auf diese Straße angelegt worden ist, so dürfen wir nicht zweifeln, dass der Durchgangsverkehr ursprünglich von hier aus den kürzesten Weg zum Stabianer Thor einschlug, indem er durch die Via consulare, den Vicolo delle Terme und weiter entweder durch die Strada degli AuguatcUi oder über das Forum und die Strada delV Abbondama die Stabianer

Übersicht über den Plan und die Monumente Pompejis. 37

Straße erreichte. Als dann später das Forum für Wagen gesperrt und der Vicolo deüe Terme durch den Thermenbau so verengt wurde, dass das Fahren hier mindestens sehr erschwert war, scheint man den Weg durch die Nolaner Straße eingeschlagen zu haben. Außerdem aber wurde, wie es scheint, da die enge Strada consolare dem wachsenden Verkehr nicht mehr recht genügen mochte, eine neue Verbindung hergestellt , indem man vor dem Herculaner Thor eine Straße links abzweigte und an der Mauer entlang zum Vesuvthor führte, so dass nun die breite Stabianer Straße in ihrer ganzen Ausdehnung für den Durchgangsverkehr benutzt werden konnte. Außerdem werden wir mit größter Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen, dass sich in größerer Entfernung vom Herculaner Thor, am Fuße des Stadthügels oder noch früher eine andere Straße rechts (für den von Neapel kommenden) abzweigte, welche sich dann, am West- und Südrande der Stadt hinlaufend, außerhalb des Stabianer Thors mit der Stabianer Straße vereinigte. So war es dem von Neapel und Hercula- neum Kommenden ermöglicht , nach Stabiae oder Nuceria weiter zu fahren, ohne erst den Stadthügel ersteigen und durch die Stadt passiren zu müssen ; und dies war um so wichtiger, weil der Wagenverkehr durch die Stadt nur Nachts gestattet war. Ob nun unmittelbar vor. dem Stabianer Thor sich die Straßen nach Stabiae (Castellammare) xmd Nuceria theilten, oder ob sie etwa bis an den Samus zusammenfielen, so dass nur eine Brücke nöthig war, und erst jenseits derselben sich trennten, dies zu entscheiden sind wir nicht in der Lage 21).

Wegen einer topographischen Beschreibung der Stadt selbst muss der Leser auf den großen Plan der bisher ausgegrabenen Theile Pompejis ver- wiesen werden, welcher diesem Werke am Schlüsse beigegeben ist ; hier soll nur versucht werden, vorweg auf die bedeutendsten und interessantesten Punkte hinzuweisen, welche in den folgenden Theilen in systematischer Ord- nimg behandelt werden. Der heutige Keisende, welcher auf der Eisenbahn von Neapel nach Salemo Pompeji erreicht, betritt die Stadt gewöhnlich durch das s. g. Seethor und das Forum an der südlichen Ecke neben der Basilika ; wir wählen zu dem raschen Gange durch die Straßen, welche mit nach verschie- denen Anlässen erfundenen Namen bezeichnet zu werden pflegen, einen andern Ausgangsptmkt, nämlich die antike Hauptstraße von Neapel über Hercula- neum, die heute so genannte Gräberstraße, welche mit Unrecht in manchen neuen Büchern als die Vorstadt Augustus felix bezeichnet wird, während uns doch die Lage der letzteren imbekannt ist. Mehre Straßen, deren Anfänge aufgedeckt sind, zweigen sich nördlich von der Hauptstraße ab. Die Gräber- straße führt in einer nicht ganz unbeträchtlichen, wenn auch sanften Steigung, bedingt durch die Hügellage Pompejis, zu dem stattlichsten, wenn auch jüngsten Thore, dem von Herculaneum. Der erste Gegenstand von Interesse, der uns auf unserer Wanderung begegnet, ist die rechts an der Gräberstraße, etwa 300 Schritte vom Thore belegene s. g. Villa des M. Arrius Diomedes, welche, wie sich das bei der Betrachtung der Privathäuser zeigen wird, weder die Norm eines großen Wohnhauses, noch selbst die einer ländlichen oder pseudo-urbanen Villa, wohl aber ein interessantes Beispiel der Anwendung normaler Anlage auf local gegebene Verhältnisse bietet. Gegenüber beginnen

38 Fünftes Capitel.

die Grabmonumente, welche sich zu beiden Seiten der Straße fortsetzen und einer eigenen Sonderbetrachtung vorbehalten bleiben. Sind wir etwa halb- wegs zur Stadt gelangt, so finden wir links ein nur theilweise ausgegrabenes ausgedehntes Gebäude. Es ist dies eine Villa, deren Eigenthümer die Lage seines Besitzthums an der Landstraße der Art verwerthete, dass er in einem Theil derselben eine mit einer Reihe von Schenklocalen (Tabemen) verbun- dene Herberge errichtete , welche den gewöhnlichen Bedürfnissen der Rei- senden entsprach, und die wir vielleicht am treffendsten mit modernem Aus- druck als eine Fuhrmannseinkehr bezeichnen können. Zunächst an der Straße liegt ein 1813 ausgegrabener Bogengang, der den Gästen und Käufern Schutz gegen Sonne und Regen bot, hinter diesem die Schenkzimmer, deren geringe Bauart und rohe Malereien den wenig vornehmen Zweck der Anlage darthun. Jedes derselben hat zwei Hinterzimmer und eine Treppe zu oberen Kammern : vermuthlich war hier auch Gelegenheit zum Übernachten. Dtirch den letzten Bogen des erwähnten Bogenganges gelangt man zu der auch für Wagen be- stimmten Einfahrt in einen Hof, an welchem ein Stall und eine steinerne Tränke, so wie eine beträchtliche Anzahl kleiner Zimmer und zwei Treppen zu oberen Zimmern liegen. Man fand hier außer dem Gerippe eines Maulesels und den Fragmenten eines Karrens eine Fülle von Hausrath aller Art : bron- zene Eimer, Mörser aus Kalkstein, Flaschen, Gläser, Schüsseln von Thon, Spin- deln, Würfel, Wage, Töpfe und Kasserolen. Ein kleiner Herd an der Straße, auf dem, wie noch heute in Neapel, für das gemeine Volk gekocht wurde, vollendet das Büd dieser antiken Kneipe. Ein schräg ansteigender Gang fuhrt links zu höher gelegenen Räimien, welche vermuthlich die Wohnung des Hausherrn enthielten. Zu demselben Gebäude gehören auch die weiter an der Straße, gegen das Thor zu, folgenden Räume : vier Läden oder Tabemen, zwi- schen denen ein Gang in einen offenen Hof führt, in dessen Mitte ein von vier mosaikbekleideten Säulen getragener laubenartiger Bau und an der Rückwand eine gleichfalls mit buntem Mosaik bekleidete Brunnennische stand. Von diesen Säulen hat dieser ganze 1837 imd 1838 ausgegrabene Com- plex seinen Namen, casa delle colonne a musaico, erhalten. Auch gegenüber rechts an der Straße sind die Reste eines von breiten Pfeilern gebildeten Ganges und hinter demselben Läden. Vor einer Tabeme am Südende dieses Ganges stehn steinerne Bänke, und viereckige Löcher im Trottoir weisen daraufhin, dass man diese Sitze durch ein Holz- oder Zeltdach zu beschatten suchte. Diese Läden liegen an der Straßenfront der 1763 ausgegrabenen und wieder verschütteten s. g. Villa Ciceros, deren Einfahrtsthor sich etwas weiter nach der Stadt hin findet. Indem wir sodann rechts und links noch an einer Reihe von Grabmonumenten vorbeigeschritten sind, stehn wir am Herculciner Thore. Die erste Straße der Stadt, welche wir durch dies Thor betreten, trägt die augenscheinlichsten Spuren lebhaften Verkehrs und des Handels, der sich hier bewegte. Sie ist ausgezeichnet durch eine beträchtliche Zahl von Wirths- häusem und Schenken (Thermopolien), deren Gäste aus Inschriften an den Wänden als Sackträger, Kärrner und Maulthiertreiber erscheinen. An ihrer rechten Seite beginnen die großen , am Hügelabhange und auf der hier ein- gerissenen Stadtmauer erbauten, zum Theil dreistöckigen Häuser, welche

Übersicht über den Plan und die Monumente Pompejis. 39

groBe Lageiräume enthalten und nicht mit Unrecht für Kaufmannshäuser gelten. In den kleinen Straßen, welche links im spitzen Winkel von der Hauptstraße abzweigen und bis an die Stadtmauer fähren, sowie in dem ganzen Stadtviertel nördlich von der Hauptstraße, welche , die ganze Stadt durchschneidend, das Thor von Herculaneum und das von Nola verbindet, stehn nur Wohnhäuser , die hier nicht aufgezählt werden können ; an den Ecken finden wir öffentliche Brunnen, welche man an Straßenscheiden und Dreiwegen {in triviis) anzulegen liebte. Die vierte dieser nördlich abzweigen- den Straßen giebt sich als die vornehmste Pompejis zu erkennen, einmal durch ihre Breite, sodann durch den Umstand, dass die in ihr stehenden Häuser im Erdgeschoss nicht von Läden umgeben sind, endlich dadurch, dass an ihrem Anfang ein eigner Thorbogen steht, welcher einst die jetzt im Museum zu Neapel stehende Beiterstatue des Caligula trug. Diese Straße, welche nach einem mit dem Reliefkopf des Mercur geschmückten Brunnen den Namen Strada dt Mercurio trägt, fuhrt uns denn auch, wenngleich nicht durchaus grad- linig, auf das Forum, dessen Ruinen wir durch einen zweiten Bogen südlich vor uns liegen sehen. Indem wir auf diesen zuschreiten, lassen wir rechts die schon seit älterer Zeit bekannten Bäder, weder die einzigen, noch die größten und schönsten, welche die Stadt besaß, links den Tempel der Fortuna liegen. Das Forum, welches die bedeutendsten öffentlichen Gebäude umgeben, wird uns noch zu einem hesondem Besuche nöthigen, und so dtirchschreiten wir die zertrümmerte Säulenhalle dieses in der That prächtigen Platzes ohne Aufenthalt in südlicher Richtung, um an der südöstlichen Ecke eine mit dem Namen der Sirada delt Äbbondama bezeichnete Straße und durch sie das am wenigsten regel- mäßig gebaute Quartier Pompejis zu betreten, welches sich um das Forum tri- anguläre gruppirt. In die vielen Wohnhäuser dieses Quartiers einzutreten, haben wir jetzt keine Zeit, wir begeben uns durch eine südlich abzweigende Straße auf den dreieckigen Platz am Südrande des Stadthügels, wo die Ruinen des grie- chischen Tempels stehn, und nachdem wir, auf der halbkreisförmigen Bank an seiner westlichen Ecke ausruhend, die köstliche Aussicht genossen haben, betreten wir von diesem Platze aus den mittlem Rang des großem Theaters. Vor uns liegen die Ruinen des Bühnengebäudes und hinter denselben sehen wir den viereckigen säulenumgebenen Hof der Gladiatorenkaseme, welche irrthümlich für den Wochenmarkt [Forum nundinarium) gehalten worden ist. Neben dem großen haben wir die Ruinen des kleinem Theaters und hinter den Theatern die Tempel, deren kleinerer an der Ecke dieses Viertels belegene (der 8. g. Aesculaptempelj dem Juppiter, der Juno und der Minerva, deren größe- rer der Isis geweiht war. In dem Quartier östlich vom Forum und nördlich vom Theaterviertel stehn an verschiedenen Straßen, außer den in neuerer Zeit ausgegrabenen Thermen wieder nur Privathäuser. Getrennt von allen bisher genannten Gebäuden liegt im südöstlichen Winkel der Stadt an die Mauer gelehnt das Amphitheater, zu dem uns der Weg über unausgegrabene Stadt- theile durch Kornfelder, Maulbeer-, Baumwollen- und Weinpflanzungen führt. Nördlich vom Amphitheater liegt ein freier, jetzt wieder verschütteter Platz, den man für den Viehmarkt [Forum boarium) hält, und neben diesem endlich die ebenfalls wieder verschütteten Ruinen eines großen, xmter dem Namen »Villa

9.

40 Fünftes Capitel.

der Julia Felix« bekannten Gebäudes, wahrscheinlich der Hauptsache nach einer Badeanlage.

Nach dieser kurzen orientirenden Wanderung beginnen wir unsere Ein- zelbetrachtung der Monumente Pompejis in systematischer Ordnung, durch welche freilich der Reiz der Mannigfaltigkeit verloren, jedoch Übersicht und |^ Verständniss gewonnen wird. Zuvor mag aber der Leser sich aus der dieser ""' Seite beigegebenen Zeichnung eine Gesammtanschauung von dem heutigen Zustande der Ruinen von Pompeji verschaffen, welche in keiner andern Weise ft^ besser vermittelt werden kann. f

Diese Zeichnung ist die skrupulös genaue Wiedergabe einer besonders für Im diesen Zweck gemachten Photographie von einem Stück eines Modells der ^ Stadt Pompeji, dessen Herstellung im Maßstabe von 1 : 100 zu den rühmens- werthesten Unternehmungen der neuen Aera gehört, wie Jeder zugeben wird, der da weiß, wie sehr die Ruinen selbst allmählichem Verderb entgegengehn. f^^ Schon deswegen ist die Herstellung eines Modells, welches die sämmtlichen Baulichkeiten so darstellt, wie sie sind oder wie man sie bei der Ausgrabimg findet, nicht blos wünschenswerth, sondern nothwendig. Dazu kommt, dass ^ man sich an einem Modell viel leichter, als am Original eine Übersicht über den Zusammenhang und die gegenseitige Lage aller einzelnen Räume und Gebäude, über den Lauf der Straßen, die Niveauverhältnisse u. dgl. m. ver- itt schaffen kann ; und endlich ist dieses mit der höchsten Sauberkeit und Ge- nauigkeit aus Kork, Gyps und Papier hergestellte Modell, in welchem auch die Malereien an den Wänden und die Mosaiken der Fußböden in feinster *, Malerei eingetragen werden, an sich ein höchst erfreuliches, ja bewunderungs- |^j würdiges Kunstwerk ^2) . Unsere Zeichnung stellt das Stadtviertel um das Forum civile dar, freilich nur ein kleines Stück, aber ein sehr wichtiges, und giebt über dieses eine Übersicht, wie sie keine s. g. Totalansicht der Stadt selbst, dergleichen mehrere in Photographien unter dem Namen »Panorama von Pompeji« existiren, geben kann, weil es in der Stadt und in ihrer unmittelbaren f ^ Umgebung an freien Höhepunkten fehlt, von denen herab man eine Ansicht in einer Art von Vogelperspective gewinnen könnte, wie sie sich für das Modell ^ hat gewinnen lassen. Die photographischen Panoramen von Pompeji, aufge- "^rl nommen, wo es allein möglich ist, von einem Thurme der Stadtmauer in der ^^ Verlängerung der Strada di Mercurio , zeigen nichts als die oberen Enden j| zerbrochener Mauern und die Stümpfe von Säulen, die über jene emporragen, nebst einer Anzahl modemer Dächer, welche über wichtigeren Malereien und Mosaiken angebracht sind, während unsere Zeichnung uns in das Innere der Gebäude wenigstens zum Theil hineinblicken lässt, so wie wir in das Modell selbst hineinschauen können. Der Standpunkt ist ebenfalls in der Verlänge- rung der Strada di Mercurio. Im Vordergrunde haben wir von links nach rechts die Häuser : des großen Mosaiks oder des Fauns (Plan 46), sodann den Complex der zusammen eine Insula bildenden Häuser des Ankers und des Schiffes, des Pomponius und der fünf Gerippe (41 44), femer rechts von der Mercurstraße die Häuser des tragischen Dichters, des großen und des kleinen Mosaikbrunnens und die FuUonica (32 35), endlich rechts das Haus des Pansa (25); im Mittelgnmde, jenseits der Straße der Fortuna sehn wir links

Übersicht über den Plan und die Monumente Pompejis. 41

von der Mercurstraße den Complex folgender Häuser : das der Jagd, dasjenige der bemalten Capitelle, des Großherzogs von Toscana, der Figurencapitelle, der Bronzen, der Gypsformen und des Bacchus (57 64), sowie den Fortuna- tempel (vi) , rechts die alten Thermen (xv) . Im dritten Plane liegt das Forum mit seinen s. g. Triumphbögen und den dasselbe umgebenden öffentlichen Gebäuden, links dem s. g. Pantheon, dem Senaculum, dem Mercurtempel und dem Gebäude der Eumachia (xxiii, xxii, viii, xxi) , rechts der s. g. Lesche, den s. g. Gefängnissen, dem Apollo- (s. g. Venus-) tempel und der Basilika (xvn, XVI, IX, xvin) . In der Mitte des Vordergrundes des Forum zwischen den Triumphbögen steht der Juppitertempel (xii) und seinen Hintergrund bilden die Fa^adenmauem der s. g. drei Curien (xix) .

n.

Erster oder antiquarischer Haupttheil.

Erstes Capitel. Die Befestignngswerke, Manem, Thfirme and Thore.

Der erste Gegenstand von Bedeutung und Interesse, den wir in's Auge zu fassen haben, sind die Befestigungswerke, die Mauern nebst den Thürmen und den Thoren der Stadt. Die vollständig au%egrabene aber zum Theil von außen her wieder verschüttete Mauer Pompejis umgiebt die Stadt nicht in ihrem ganzen Umfange ; sie reicht nur vom Herculaner Thor nördlich und östlich, dann südlich fortlaufend bis an die Theater; auf dem Stücke vom Forum trianguläre bis zu dem Herculaner "Thor ist die Mauer in antiker Zeit eingerissen und ihre Stelle nehmen die am Abhänge des Stadthügels erbauten, großen terrassenförmig dreistöckigen Häuser ein, in deren unteren Bäumen jedoch hinlängliche Reste der Mauer vorhanden sind, imi den Gang derselben deutlich zu verfolgen. Pompeji war also in der letzten Zeit seiner Existenz' eine offene Stadt.

Die Mauern bestehen aus zwei Steinwänden, einer äußern und einer innem, deren Zwischenraum mit Erde ausgefüllt ist. An ihnen sind zwei verschiedene Bauarten, und auf Grund derselben ältere und jüngere Bestand- theile auf das deutlichste zu unterscheiden. Die älteren Theile sind aus Qua- dern aufgeführt; und zwar meistens in den unteren Schichten aus Kalkstein, in den oberen aus Tuffquadem. Dieselben sind von mäßiger Größe, hoch etwa 0,35 bis 0,45, lang 0,68 bis 2,60 M., nicht etwa zu vergleichen mit den riesigen Werkstücken der kyklopischen Mauern Griechenlands, Latiums und Etruriens. Einen zeitlichen Unterschied zwischen den Kalkstein- und den Tuffschichten anzunehmen, liegt kein Grund vor. In der äußern Steinmauer sind die Quadern wohlbehauen und sorgfältig ohne» Mörtel an einander ge- passt; in der innem, von der freilich nur geringe Theile sichtbar sind, ist die Bearbeitung und Schichtung weit nachlässiger, und stellenweise sind ün- gleichmäßigkeiten in den Dimensionen der einzelnen Stücke durch dicke Mörtelschichten ausgeglichen. Es ist auf Grund dieser Verschiedenheit ver- muthet worden, dass ursprünglich die Mauer nur aus der äußern Steinwand

Die Befestigungswelke, Mauern, ThOrme und Thore. 43

und einer Erdanschüttung auf der Innenseite bestand, und dass erst später, viel- leicht als man gegen 420 den Angriff der Samniten fürchtete, die innere Stein- wand hinzugefügt worden sei. Unmöglich ist dies nicht, doch kann es nicht als ein sicheres Resultat gelten. In den Quadern der Innenwand finden sich vielfach buchstabenähnliche Steinmetzzeichen eingehauen, welche in vielen Fällen, aber nicht immer, mit Buchstaben der altitalischen Alphabete überein- stimmen. Andere, einfachere Zeichen imd in viel geringerer Anzahl zeigen die Steine der Außenwand.

Dem gegenüber bestehen die jüngeren TheUe aus opus incertum, kleineren Bruchsteinen, fast ausschließlich Lava, welche durch Mörtel verbunden sind und nach außen mit stellenweise noch bemerkbarem Stuck überkleidet waren. Diese jüngere Bauart findet sich vorwiegend in der Außenwand ; ihr gehören femer die Thürme an, und an diesen sind besonders ausgedehnte Reste der Stuckbekleidimg erhalten , welche zweifellos dem ersten pompejanischen Wanddecorationsstil angehört : es ist hier in Weiß die Schichtung von Qua- dern mit Fugenschnitt nachgeahmt. Der Ursprung dieser jüngeren Theile ist ein doppelter. Zum Theil sind es offenbar Wiederherstellungen zerstörter oder verfallener Strecken, zum Theil aber ist die alte Quadermauer absichtlich ein- gerissen worden, um an den betreffenden Stellen die Thürme einzusetzen. Wir dürfen also annehmen, dass die ursprüngliche, aus Quadern bestehende Mauer ohne Thürme war. Es fragt sich nun^ aus welcher Zeit diese jüngeren Theile stammen. Man hat in ihnen die Ausbesserung der durch Sulla gelegten Breschen erkennen wollen ; und es könnte hierfür geltend gemacht werden, dass sie sich ganz vorzugsweise auf der nördlichen, einem Angriff am leichte- sten zugänglichen Seite finden. Dagegen spricht jedoch ihre große Ausdeh- nung : es ist kaum glaublich, dass Sulla einen so bedeutenden Theil der äußern Steinwand niedergeworfen haben sollte, ohne doch an irgend einer Stelle bis an die innere vorzudringen. Es sind hier aber noch andere Umstände zu er- wägen. Zunächst der Charakter des Mauerwerkes und noch mehr derjenige der Stuckdecoration, welcher entschieden auf vorrömische Zeit weist. Femer eine Anzahl merkwürdiger gemalter oskischer Inschriften, auf welche wir noch zurückkommen müssen, und welche mit Wahrscheinlichkeit auf die sullanische Belagerung bezogen worden sind, jedenfalls aber eine Erwähnung der Thürme enthalten. Es ist also durch diese Inschriften mindestens die Existenz der Thürme, und mit ihnen der jüngeren Mauertheile, in vorrömischer Zeit erwie- sen: wollen wir sie dennoch mit den Breschen der suUanischen Belagerung in Beziehung setzen, so können wir nur an die Zwischenzeit zwischen eben dieser Belagerung und der Deduction der römischen Colonie denken, an die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts v. Chr., als Sulla, in Asien mit Mithridates kämpfend, den Samniten und den mit ihnen verbündeten römischen Demo- kraten Zeit ließ, sich für neue Kämpfe zu rüsten. Sind aber die Inschriften mit Recht auf die Belagerung bezogen worden, alsdann waren zur Zeit der- selben, im Jahr 89 v. Chr., die Thürme und die jüngeren Mauertheile schon vorhanden. Wir haben dann in den Lücken, welche hier geschlossen wurden, nicht die Wirkung einer Belagerung, sondern die der langen Friedenszeit vom hannibalischen bis zum Bundesgenossenkrieg (201 90) zu erkennen. Nichts

44 Erstes Capitel.

ist natürlicher, als dass man damals die Mauer in Verfall gerathen ließ, ja viel- leicht gar dieselbe gelegentlich als Steinbruch für außerhalb ihrer entstehende Gebäude benutzte. Beim Herannahen des Bundesgenossenkrieges, als der Gedanke reifte, sich gegen Kom zu erheben, stellte man sie her und versah sie mit Thürmen. Und so wird es sich wohl in der That verhalten.

Die Mauern und Thürme Pompejis entsprechen nun keineswegs den Regeln der voll entwickelten antiken Befestigungskunst, wie sie uns nament- lich durch Philon von Byzanz (um 100 v. Chr.), Vitruv und Vegetius überlie- fert sind. Nach diesen Regeln soll die Mauer in Krümmungen (circumiiiombics] geführt werden, mit einspringenden und ausspringenden Winkeln, von welchen die letzteren durch starke Thürme geschützt, die einspringenden Theile aber dadurch gedeckt sein sollten, dass der Feind, hierher vorgedrungen, von mehreren Seiten beschossen werden konnte. Die Thore sollten so gelegt sein, dass der Anrückende von der rechten, vom Schild nicht bedeckten Seite be- schossen wurde; für die Thürme wird runde oder polygone Form empfoh- len. Dagegen sind die Mauern Pompejis in graden Linien geführt und folgen im Osten, Süden und Westen so ziemlich den Abhängen des alten Lavastromes, auf dem die Stadt erbaut ist, während sie im Norden quer über den Nacken des hier sich weiter fortsetzenden Hügels laufen. Die Thore sind einfach an den Endpunkten der Hauptstraßen angelegt und durchschneiden die Mauer in der Richtung eben dieser Straßen, woraus sich beim Nolaner Thor ergiebt, dass grade die linke, vom Schild gedeckte Seite des Angreifers den Geschossen der Vertheidiger am meisten ausgesetzt war. Was es mit den Vorbauten auf sich hat, welche die Pläne am Capuaner Thor angeben, kann bei dem jetzigen Stande der Ausgrabung nicht festgestellt werden. Die Nord- seite war die von Natur schwächste, da hier keine Abhänge den Befestigungen zu Hilfe kamen ; deshalb hat man der hier die Mauer erreichenden Haupt- straße, der Strada dt Mercurio, kein Thor entsprechen lassen, was xun so eher anging, als das der Stabianer Straße entsprechende Vesuvthor nicht weit ent- fernt war. Dagegen hat man die kurze Strecke zwischen dem Herculaner und Vesuvthor durch drei Thürme verstärkt, deren Distanzen der Vorschrift Vitruv's entsprechen , dass nämlich die Thürme nicht mehr als einen Pfeilschuss von einander entfernt sein sollen, während sie im übrigen in größeren Zwischen- räumen angebracht sind. Die Thürme endlich sind viereckig, nicht rund oder polygon. Kurz, wir haben hier nicht eine nach allen Regeln der Kriegskunst angelegte Festung vor uns , sondern eine alte , kunstlose Umfassungsmauer, welche später verstärkt wurde, um den mittlerweile sehr vervollkommneten Belagerungsmitteln widerstehn zu können.

Die Bauart der Mauern erinnert an die Vorschriften, welche Vitruv (I, 5) für die Herstellung der stärksten, äff ff er genannten Befestigungen giebt. Er schreibt vor, hinter einem breiten und tiefen Graben zwei Steinmauern auf- zuführen, eine äußere und eine innere, und sowohl an diese als an jene Quer- mauem anzusetzen, der Art, dass die einen den Zwischenräumen der anderen entsprechen {pectinatim) , und dann den Zwischenraum mit Erde auszufüllen ; die Breite soll so groß sein, dass Cohorten auf der Mauer in Schlachtordnung auf- marschiren können. Pompejis Werke sind in geringeren Dimensionen, aber in

Die Befeatigungawerke, Mauern, ThOrme und Thore, 45

ähnlichet Weise erbaut ; freilich fehlte, wenigstens in der letzten Zeit, der äußere Wallgraben, wie an den Thoien deutlich zu erkennen ist, namentlich am Her- culaner Thor. Doch steht nichts der Annahme entgegen, dass er ursprünglich vorhanden war und erst s|üter verschüttet wurde, etwa in der Friedenszeit von 201 bis 90, als man auch die Mauer inVer&ll gerathen ließ. Betrachten wir den Grundriss der Mauer (Fig. 7], so finden wir zwischen der äußern Steinwand a

Fig. 7. Onindriss der Mauei.

und der innem c, welche beide durch nach innen gelegte Strebepfeiler d ver- stärkt sind, den aufgeschütteten Wall [agffer) b. Die innere Mauer hat außer den nach der innem Seite

vorspringenden Strebepfeilern ~~

d in größeren Intervallen auch noch solche, welche in den A^er eingreifen ( rf" ) , und demselben einen festem Halt geben. Die Mauer ist auf der Oberfläche (an einer gut meas- baren Stelle) 6,07 M. dick, wovon je 0,70 auf die beiden Quadermauem kommen. Da die Außenseite nicht ganz senkrecht , sondern um etwa 0,50 nach oben eingezogen ist, so mag sich die untere Mauerstäxke auf 6,50 bis 6,60 belaufen. Die Höhe beträgt 8 bis 8,50 M. Die obere Fläche ist ein wen^ nach vom ge-

neigt, um dem Regenwasser Fig. 8. Durohechnitt der Mauer,

einen Abäuss durch unter dem

Zinnenkranz in Abstanden von etwa 2,7 M. angebrachte steinerne Ausgussrohre

von der in Fig. 9 gezeichneten Gestalt zu gewähren, welche jedoch nur auf

den jüngeren Mauertheilen constatirt worden sind. Dasselbe gilt von den

Brostwehren der vordem Mauer, welche sich um 1,3 M. über die obere Fläche

46 Erstes Capitel.

erheben, indem sie zwischen sich 1,25 M, breite und etwa 0, SO M. tiefe Schieß- scharten zum Abschleudern der Wurfgeschosse lassen, von welchen aber meh- rere vermauert oder nicht geoffeet sind. Diese Brustwehren, welche auf den Strebepfeilern der Mauer sich in Distanzen von 3,2 M. erheben, sind zum Schutze des hinter ihnen aufgestellten Verthei- digers sinnreich construirt.

Dieselben springen nämlich, wie die Abbildung einer Innenansicht und der kleine Grundriss (Fig. 10] zeigt, auf der Höhe der Brustwehr im rechten Winkel nach innen um etwa I M. vor und bilden Fig. 9. AuBguBsrohr. auf diese Weise von zwei Seiten einen festen stei-

nernen Schild des hinter ihnen stehenden Postens, der zum Wurfe seines Speeres sich nur auf einen Äugenblick nach rechts vor die Öf&iung (Schießscharte) zu bewegen hatte, und gleich darauf wieder seinen Platz hinter der schützen- den Wehr einnehmen konnte, die ihm grade einen freien Blick auf die Angreifer gestattete, tlber das Plateau des Walles erhebt sich nun die innere Mauer noch um mindestens 3 M., um die innere Stadt besser gegen Wurfge- echosse zu schützen , so daaa das Ctauze die Höhe von im Mittel 1 1 M. erreichte.

Alles bisher Gesagte wird durch die nebenstehende Abbildung Fig. 11 klar wer- den, a äußere Mauer, c innere Mauer, e Brust- wehr mit den Of&iungen zum Wurfe , _/ Aue- Fig. 10. Brustwehren der Mauer. gussrohre für das vom Walle abfließende Re- genwasser, g Zinnen der innem Mauer. An diese Mauer nun ist von innen gleich am Her- culaner Thor eine breite, ziemlich steile Treppe aus Tuffstein {/i Fig. 7 ; vgl. den großen Plan) angelehnt, welche ursprünglich ohne Zweifel vom Thot bis dicht an den nächsten Thurm reichte, in späterer Zeit aber durch das an die Mauer hinangebaute Haus {casa deile Vettali, unterbrochen wurde. Sie diente \an den Ver- theidigem die Besteigung der Mauer zu ermög- lichen, und vertritt zi^leich die Stelle der innem Steinwand , welche auf dieser Strecke fehlt. Eine eben solche Treppe, aber von viel geringerer Ausdehnung, finden wir ÖBtlich am

„. ,, ..,,,, Stabianer Thor, und wir dürfen wohl anneh-

Fig. 11. Anaicht der Mauer. , , , . , , ,

men, dass dergleichen noch an mehr Stellen

vorbanden waren. Ihre große Ausdehnung am Herculauer Thor erklärt suh

Die Befestigungswerke, Mauern, Thürme und Thore. 47

daraus, dass die Nordseite, wie schon erwähnt, bei einem Angriff am meisten gefährdet war. Weiter nach Osten, wo die Treppe aufhört, ist die Mauer durch eine Erdanschüttung auf der Innenseite verstärkt ; stellenweise finden sich Reste einer diese Anschüttung gegen die Stadtseite stützenden Futtermauer. Wir dür- fen hier an die Anweisung desVegetius (IV, 3) denken, dieMauer von innen durch zwei von Futtermauern gestützte Erdterrassen zu verstärken ; freilich schreibt auch er wieder weit größere Dimensionen (20 Fuß für jede Terrasse) vor.

Zwischen der Mauer und den Häusern war natürlich ursprünglich überall ein freier Baum, auf welchem die Vertheidiger von einem Punkte zum andern gelangen konnten. Nur auf geringen Strecken kann dieser Streifen (pomoerium) constatirt werden, doch erkennen wir, dass die Breite an verschiedenen Stellen verschieden war. Auf der Nordseite, östlich vom Herculaner Thor, schwankt die Entfernung zwischen der innem Steinwand der Mauer und den Häusern von 8 bis 15 Meter; dagegen können wir auf der steil abfallenden Westseite, wo von der Mauer nur Beste erhalten sind, constatiren, dass schon die ältesten Häuser (Kalksteinatrien) sich der innem Steinwand bis auf höchstens 4 M. näherten. Dieser Unterschied erklärt sich dadurch, dass im Norden die Mauer durch die erwähnte Erdböschimg und stellenweise durch Treppen verstärkt war, welche eine ziemliche Fläche einnahmen, während sie im Westen an den hinter ihr steil ansteigenden Abhang des Stadthügels angelehnt war und einer Bö- schung nicht bedurfte.

Es scheint nun, dass in derselben Zeit, welche die Befestigungen der Nord- seite in Verfall gerathen ließ, die Westmauer von den Anwohnern occupirt, überbaut und zerstört wurde : die Untersuchung des Mauerwerks und der Beste von Malereien in den die Zerstörung der Mauer voraussetzenden Bäum- lichkeiten führt mit Wahrscheinlichkeit auf die Zeit vor der römischen Co- lonie, und somit, da man die Mauer gewiss nicht während des Bundesgenos- senkrieges zerstört hat, auf die Zeit vor diesem Kriege, d. h. vor 90 v. Chr. Auch auf der Nordseite wurden wohl schon damals Theile des Pomoeriums von den Anwohnern überbaut ; doch respectirte man noch die Mauer mit den Treppen und der Erdböschung. Erst später, etwa zur Zeit des Augustus oder etwas früher, ward das nördlichste Haus der ersten Insula der sechsten Begion (casa delle Vestali) bis unmittelbar an die Mauer ausgedehnt. Noch später wurde in der sechsten Insula derselben Begion die casa d* Apollo über die zwischen den Häusern und der Mauer hinlaufende gepflasterte Straße erweitert.

Am Südende des Forum trianguläre bildete die Mauer eine vorspringende, wahrscheinlich durch einen Thurm verstärkte Ecke, welche, durch antike Steinbrüche unterhöhlt, eingestürzt ist. Irrthümlich geben einige Pläne einen Thurm am Südende der Osthalle des Forum trianguläre an; das betreffende Mauerwerk erklärte La Vega (bei Mazois) für Wasserreservoirs.

Was nun die Thürme betrifft, so schreibt Vitruv vor, dieselben nicht mehr als einen Pfeilschuss von einander zu entfernen, damit die Angreifer der Mauer stets von zwei Thürmen aus wirksam beschossen werden können. Dies an sich sehr einleuchtende Princip ist in Pompeji nur auf der von Natur schwächsten Strecke, im Norden, eingehalten worden; im übrigen sind die

4S Erateg Capitel.

Tliürme in eehr ungleichen Entfemimgen von einander angebracht. Auf der bezeichneten Strecke stehn die drei Thürme nur etwa S5 M. von einander entfernt; beim Amphitheater etwa 100 1:^5 M., auch dies Entfernungen, welche durch einen Ffeilschuss gewiss erreichbar waren. Der Thurm aber zwi- schen dem Nolaner und Capuaner Thor ist von beiden 275 M. entfernt, ebenso der nächste zwischen dem nolanischen Thor und dem des Samus. Diese Ent- fernungen sind fiir wirksame Pfeilschüsse offenbar zu groß und es ist klar,

dass man sich hier auf die größere natürliche Festig- keit der Lage verließ. Es ward schon erwähnt, dass die Thürme auch in ihrer Bau- art nicht den Vorschriften der alten Techniker entspre- chen. Nach diesen sind sie ■entweder rund oder polygo- nal aus Hausteinen zu bauen, weil durch den von außen auf die keilförmig gehauenen Steine wirkenden Sturmbock diese schwer oder gar nicht aus ihrer Fügung zu treiben

f 1*" sind. Die Thürme Pompejis

Fig. 12. ADBichl eines Thurmei. dagegen sind viereckig und

bestehn ans mortelgebunde- nen und mit Stucco überkleideten kleinen Tuff- und Lavastücken, s. g. opus incertum (s. Fig. 12).

Die innere Einrichtung dieser 8 M. ins Geviert haltenden und etwa 14 M. hohen Thürme ist die folgende.

o

F*l

Fig. 13. OiundTiga der Thürme in drei Geachossen.

Sie bestanden aus zwei bedeckten Stockwerken, 2 und 3 Fig. 1 3, \md einer offenen Terrasse, die nirgends erhalten ist. Aus dem untersten Stockwerk, 2, welches wenig höher liegt als das äußere Terrain, gelangt man durch eine der Stadt {auf dem Grundriss oben) zugewandte Thür und durch einen an der Stadtseite und an der von außen gesehen linken Seite entlang laufenden schräg absteigenden Gang (i in 1.) zu der Ausfallspforte a (in 1.); man ver- gleiche den Durchschnitt Fig. 14, welcher durch die Axe eben dieses Ganges , genommen ist. Der Boden des überwölbten Hauptraumes ist grade ; er hat Schießscharten, c, vom und in den vor die Mauer vorspringenden Seiten- wänden. Aus diesem Baum gelangt man durch den schräg ansteigenden

Die BefeotiguDgBwerke, MBOern, Thürme und ThoTe. 49

gewölbten Gang b' und die an ihn sich im rechten Winkel anschließende Treppe (Fi^. 13 und 14) in das zweite Geschoßs (3 Fig. 13), das im Niveau der Oberfläche des Walles liegt und dessen gradet Fußboden auf dem Tonnen- gewölbe des untern Stockwerks (siehe Fig. 12) ruht. Da wo der Gang h' umbiegt und zur Treppe wird, öffnet sich eine Thür gegen die Stadtseite, so hoch, dass nur durch die oben erwähnte Erdböschung der Zugang zu ihr ermÖg- hcht wird. Auch im obem Stock hat der Thurm nach drei Seiten Schieß- scharten c [Figg. 13 und 14) und nach den beiden Seiten des anstoßenden Walles hin Thüren d (Figg. 13 und 14), durch welche eine freie Verbindung mit allen Theilen der Walle aufrecht erhalten wurde. Endlich erhob sich über diesem ebenfalls überwölbten (case- mattirten) Stockwerk noch ein oberstes, ver- muthlich offenes und mit einem Zinnenkranz umgebenes, zu dem man auf der Treppe b" (Figg. 13 u. 14) emporstieg.

Wir bemerken noch, dass die Auafallspfor- ten alle auf der von außen 'gesehen linken Seite der Thiirme liegen, so dass die aus ihnen Her- auskommenden dem Feinde die linke , vom

Schild gedeckte Seite zuwandten. Um nicht f. |i ^ut

bd der Rückkehr ihm die unbedeckte Seite p^ I)„ol«taittei«.,Thun«,. zeigen zu müssen , schreibt Philo vor, dass

die aus einer Pforte Ausgefallenen nicht durch dieselbe, sondern durch eine weiter links liegende in die Stadt zurückkehren sollen i^] .

Durch den Umfang der Mauern führen acht Tbore, welche man (im NW. beginnend) mit folgenden Namen belegt hat (s. den kleinen Plan) : 1 Hercu- lanerTbor, 1 Vesuvthor, 3 Capuaner Thor, 4 Nolaner Thor, 5 Samustbor, 6 Nuceriner, 7 Stabianer und 8 Seethor.

Von diesen Thoren liegt uns begreiflicherweise keines in der Gestalt vor, welche es ui^rüi^lich, bei der Erbauung der Stadtmauer, hatte. Vielmehr erhielten sie alle, mit Ausnahme des Herculaner Thors, ihre jetzige Gestalt durch einen erweiternden Umbau in der von uns als Tuf^riode bezeichneten Zeit. Und zwar wurde damals am Stabianer, Nolaner, Vesuv- und Samo- thor, und wie es scheint auch am Capuaner und Nuceriner Thor, welche jetzt nicht sichtbar sind, zu dem alten Durchgang ein neuer, innerer hinzugefügt. Am Seethor dagegen ward der alte Durchgang ganz beseitigt und durch einen jungem ersetzt. Endlich das Herculaner Thor ist noch später, vermuthlioh kurz vor der Zeit des Augustus, an der Stelle eines alten Thores neu erbaut worden.

Betrachten wir also zunächst die alterthümlichsten Thore, d. h., da von den übrigen wenig zu sehen ist, das Stabianer und Nolaner Thor. Am einfach- sten und klarsten ist der Grundriss des Stabianer Thors [Fig. I5j . Von außen (auf dem Plan unten) kommend gehen wir zuerst zwischen zwei gewaltiged, an den äußern Mauerrand sich anschließenden Pfosten aus Kalksteinquadem

Oiarkisk, titwt*fi~ 4. Aofl. 4

50 EiatM Capitel.

durch: wir dürfen vermuthen, dass hier der alte und uraprüngliche Thorver- - schluss war. Von Überwölbung desselben ist keine Spur nachweisbar. Eine Einkerbung an der innem Ecke dieser Pfosten bezeichnet wohl den Punkt, wo sich die alten Thorflügel drehten ; dass aber dieselben schon in vorrömischer Zeit hier nicht mehr vorhanden waren, geht daraus I hervor, dass an dem Punkte d ein Stein auf- "^ gestellt ist, der eine oskische , auf Wege- bau bezügliche Inschrift enthält und die Drehung der Thorflügel unm<^lich machen musste. Der zwiecben diesen Pfosten 3,60 M. weite Durchgang erweitert sich inner- halb derselben auf 5,30 M. : wir kommen in einen im Mittel 6,40 M. langen Gang, des- sen Wände mit auf die schmale Kante ge- stellten KalkBteinquadem belegt sind. Wie- der verengt sich dann der Weg auf 4,05 Fig. 15. GrundriM de. StobianM Thors. ^ «« folgt der Innerste Durchgang mit (modern wiederhergestellter) Überwölbung. Zwei an die Seitenwände angesetzte Pfosten aus Kalksteinquadem bezeichnen die Stelle derThorflügel, welche sich nach innen öffiieten. Dieser innere Durch- gang zeigt die Bauart der Tuffperiode : Lava-Incertum mit Ecken aus Kalk- steinquadem ; er gehört ofi'enbar mit der Quaderbekleidung des mittlem Ganges zusammen, welche nur die Fortsetzung derjenigen ist, welche die Außenseiten des innem Thotbaues schützt. Wir dürfen also annehmen, dass diese beiden Theile des Thores zu dem alten, von den Kalksteinpfosten gebil-

Fig. lü. QrundriBB des Nolanei ThoTS.

deten Durchgang in späterer, aber immer noch vorrömischer Zeit, bevor jene Inschrift gesetzt wurde, hinzugefügt worden sind.

Die Befestigunggwerke, Meuen, ThOrme und Thore. 51

In der für den Eintretenden rechten Wand des mittlem Gcanges ist eine mit Stuck bekleidete, 0,64 M. koke und 0,45 M. breite Nische angebracht. Nach Analogie einer freiück viel großem Nische am Seethor köimen wir vet- muthen , dass hier eine kleine Statue einer das Thor schützenden Gottheit. vielleicht auch hier der Minerva, aufgestellt war. Der Raum reichte nicht am, um der Straße auch im Thor zwei Fußwege zu gehen ; daher hat man nur das Östliche a in gleicher Linie wie in der Stadt fortgeführt, das andere aber fortgelassen. Östlich neben dem Thor bei c führen Treppen , wie am Her- culanei Thor, aber in geringerer Ausdehnung, auf die Mauern. An den letz- teren ist ein kleiner viereckiger bedeckter Baum abgetheilt : wir dürfen hier volil den Platz des Thorwächters erkennen, b ist ein Brunnen: bei e steht rine zweite Wegebauinschrift aus der Kaiserzeit.

Fig. IT. Innenansiclit des Nolanei Thors.

Das Nolaner Thor, dessen Grundrias Fig. 16 zeigt, sieht etwas ahwei- diend aus, hat aber im Wesentlichen dieselben Kestandtheile. Der wichtigste

52 Krgte« Capitel.

Unterschied gegenüber dem Stahianer Thor beruht theils darauf, dass ea die Mauer schiefwinkehg durchschneidet, theila darauf, dase die äußeren Kalkstein- pfosten sich nicht an den äußern Mauerrand anschließen, sondern die ganze Anlage weiter gegen die Innenseite zurückgezogen ist, so dass die Angreifet nur in schmaler Colonne gegen das Thor anrücken konnten und hierbei den Geschossen der Vertheidiger [vornehmlich freilich auf der linken, vom Schild geschützten Seite) ausgesetzt waren. Damit hangt es zusammen, dass die Ein- kerbungen für die Thorflügel sich hier an den der Stadt abgewandten Ecken der Kalksteinpfosten finden. Dunkel bleibt die Bestimmung der auf unserem Grundrias neben dem mittlem Gange angegebenen Bäume; von denselben ist jetzt nichts sichtbar: sie sind aber so von Mazois veTzeichnet worden. Die Abbildung Fig. 1 7 giebt die Innenansicht des Thores ; wir sehn hier also die der Stadt zugewandte Seite des innem, überwölbten Durchganges. Rechts sind die ursprünglichen Quadern bei einer Auabesserung in römischer Zeit durch kleinere, ziegelfÖrmige Tuffstücke ersetzt worden. Der Schlussstein des Stim- bogens (Tuff) ist mit einem weibhchen Kopf in Hochrelief geschmückt , nach einer auch sonst bekannten italischen Sitte. Links neben dem Kopfe war die nach der Ausgrabung geraubte und, wie es heißt, nach Paris gebrachte Inschrift Fig. 18 angebracht. Sie lautet: V .PopidÜs V.med. tot>. aamana^ed isidu pro- J'atted, d. h.- Der Medix tuticus Vibius Popidius, Sohn des Vibius, hat [diesen Bau) errichten lassen, derselbe hat ihn gebilligt (d. h. dem Bauunternehmer D^charge ertheilt) . Die letzten Worte, in denen man irrthümlich die Erwähnung eines Propheten der Isis finden wollte, gaben friiher Anlas«, das Thor als Isisthor zu bezeich- nen, und in dem Kopf diese Göttin zu erkennen. In OskiBche Ingchrift. Wahrheit scheint es trotz der schlechten Erhaltung

sicher zu sein , dass der Kopf einen Helm mit drei- fachem Buckel trug und dass wir auch hier Minerva, die SchutzgÖttin aller Stadtthore, zu erkennen haben.

Endlich geben wir nebenstehend noch die Außenansicht des Thores. Wir sehen hier deutlich den rechten, stark vorspringenden Kalksteiuquaderpfosten des äußern Durchganges mit der Einkerbung iur den Thorflügel ; vor dem- selben das schräg auslaufende Endstück der Mauer. Die Aufmauenmg aus Quadern am Fuß der Ecke bezeichnet die Ausmündung einer durch die Mauer hindurchgehenden Wasserrinne, welche oberhalb jener Aufmauerung aus ihr hervorkommt. Doch sollte ohne Zweifel diese solide Steinmasse zugleich die Mauerwerke verstärken und die Annäherung erschweren. An der linken Seit« des Thors gehört die weit vorspringende Ecke zu den jüngeren Mauertheilen und besteht aus Opus incertum von Lava: doch ist nicht zu zweifeln, dass die Mauerlinie von Anfang an dieselbe war.

Anders verhält es sich mit dem s. g. Seethor [Porta della Marina), durch welches man jetzt die Stadt zu betreten pflegt. Wir schreiten hier, von außen kommend, gleich zuerst durch einen überwölbten Dugphgang [a auf dem Grundriss Fig. 19), der in seiner Bauart wesentlich den inneren Durchgän- gen der bisher besprochenen Thore gleicht, sich aber dadurch von ihnen unter-

Die Befegtigungsweike, Mauein, ThQrme uod Thote. 53

scheidet, dass hier neben dem Fahrweg links noch ein von einer besondem, niedrigem Wölbung überdachter Zugang b für Fußgänger angebracht ist. Die Wölbung des Fahrweges ist eingestürzt ; derselbe steigt steil an , während der FuBweg über vier Stufen erstiegen wird und dann mit viel geringerer Neigung weiter führt. Auch der Fußweg war verschließbar ; am Fahrw^e finden wir dieselben steinernen Thürpfosten wie in den gewölbten Durchzügen der oben besprochenen Thore. In der rechten Wand, außerhalb der Thoräügel d, ist eine Nische c angebracht, weit gtößet als die des Stabianer Thors : hier atand eine Thonstatue der Minerva, der Schutzgöttin der Thore, von welcher ein beträchtliches Fragment gefunden wurde und jetzt im Museum zu Neapel auf- bewahrt wird. Links vom Eingange für Fußgänger ist der Ansatz der Stadt- mauer sichtbar, etwas weiter zurück als die Front dieses Thorbaues, welcher also um ein weniges vor die Außenfläche der Mauer vorsprang.

JBs ist nun klar, dass dies Vorspringen, dass femer die Lage der Nische für die Thorgöttin außerhalb des ThorverschluBses, endlich doch auch wohl der besondere Eingang für Fußgänger, dass alles dies für ein eigentliches Befestiguugsthor wenig passt. Dazu kommt noch, dass links von dem Eingang für Fußgänger nach sicheren Spuren einst eine Pforte in der Mauer vorhanden war, welche später vermauert worden, deren Anlage aber allem Anschein nach dem Bau des Thores gleichzeitig ist. Es ergiebt sich also, dass dies Thor weniger der Vertheidigung als vielmehr polizeilichen Zwecken dienen sollte, dass, als es erbaut wurde, Pompeji auf dieser Seite, militärisch betrachtet, eine offene Stadt war. Und da die Bauart so wie auch die Reste der Stuckdeco- lation ersten Stilsauf voilrömische Zeit deuten, es auch in beiden Be- ziehungen den inneren Theilen des Stabianer und Nolaner Thors gleicht, welche, wie wir sahen, aus Torrömischer Zeit stammen , so werden wir zu dem Resultat ge- fuhrt, dass schon vor dem Bundes-

genoesenkn^^ , unter dem Ein-

1111 in 1 Via, 19. Giundrias des Seethors.

druck des langen Friedens von *

201 bis 90, Pompeji auf dieser Seite seiner Befestigungen entkleidet wurde:

ein Restiltat, welches trefflich mit dem übereinstimmt, was auf S, 43 fg. über

den Verfall der Mauer auf der Nordseite in eben dieser Zeit gesagt worden ist.

54 EtiUi Capite\.

Der bisher besprochene Thorbau erfuhr aber in römischer Zeit eine auf unserem Plane durch Schraffirung von den alten Theilen unterschiedene Erwei- terung, indem nach der Stadtseite ein überwölbter Gang e, lang 22,63 M., an ihn angesetzt wurde. Sein Zweck ist dunkel ; vielleicht sollte diirch ihn nar ermöglicht werden , oberhalb des tief in das Terrain eingeschnittenen Fahrweges Kaume herzustellen, welche öffentlichen Zwecken dienen mochten. In der rechten [südlichen] Wand dieses Ganges führt eine Thür in eigenthüm- Hche , langgestreckte , überwölbte , von oben durch einzelne LichtÖfinungen erhellte Baume h. in denen wir Magazine, sei es Öffentliche, sei es an Private vermiethete, vermuthen dürfen. Die Fenster dem Eingang gegenüber sind modern. Eine entsprechende Thür ^ in der linken Wand des Ganges ist schon in antiker Zeit vermauert worden ; die Räume, zu welchen sie fiihrte, mochten ähnlichen /wecken dienen. Das Mauerwerk des Ganges und der beiden Thüren gleicht dem des kleinem Theaters und des Amphitheaters: Gebäude, welche sicher der ersten Zeit der römischen Colonie, bald nach 80 t. Chr., angehören : wir dürfen also diese Anlage etwa derselben Zeit zuschreiben.

Der düstere und fast unheimliche Eindruck, welchen dieser Zugang jetzt macht, beruht darauf, dass der Fußweg der sich an ihn anschließenden Straße sich bei k plötzlich bis zur Scheitelhöhe des gewölbten Ganges e erhebt und als massiv vorspringende Ecke den obem Ausgang desselben fast zur Hälfte sperrt. So hat der Eingang für Fußgänger 6/ keine Fortsetzung, und anderer- seits endet das erhöhte Trottoir k an dem Obergeschoss des Ganges e als Sack- gasse, welche durch ein theils von Säulen, theils von Pfeilern getragenes Dach in eine auf die Fahrstraße geöffnete Halle verwandelt war. Ohne Zweifel war vor Erbauung des Ganges e dieser Zugang Pompejis weit freundlicher und stattlicher: nach sicheren Spuren setzte sich damals der Gang für Fußgänger ununterbrochen als we- nigstens theilweiae von einer Säulenhalle be- decktes Trottoir fort, auf dem man, theils über Stufen , theils in allmählicher Steigung, die Höhe des Apollotempels, der Basilika und des Forums erreichte.

Wir haben noch von dem Herculaner

Thor, dem jüngsten und stattlichsten von

allen, zu reden. Es ist 14 M.breit undhat, wie

unser Grundriss (Fig. 20) zeigt, eine 4,40 M.

breite Ein&hrt und zwei 1,35 M. breite und

am äußern Ende 4 M. hohe Nebeneingänge

für Fußgänger. Nur der vordere und hintere

Theil waren überwölbt, so dass wir auch hier,

** "^ ' dem Schema der älteren Thore entsprechend,

Fig. 20. PlaivdesHercuUnerThow. einen äußern und einen innem Durchgang

und einen beide verbindenden Gang haben.

Der mittlere, offene Thoil des Fahrweges war mit den Fußwegen durch je

zwei überwölbte Durchgänge verbunden. In den Seiten wänden der Fahrstraße,

Die Befestigungswerke, Mauern, Thürme und Thoie. 55

etwa 1,80 M. von der äußern Front entfernt, findet sich auf jeder Seite ein mit weifiem Stuck sorgfaltig ausgestrichener Falz, von dem man anzunehmen pflegt, dass flieh in ihm ein Fallgatter bewegte. Dies kann aber kaum je zur Anwen- dung gekommen sein, da sonst der Stuck nicht so unbeschädigt sein könnte. Überhaupt aber ist die Annahme nicht ohne Bedenken, dass man diese beschwer- liche Art des Verschlusses hier angebracht haben sollte, während die beiden Eingänge für Fußgänger an dieser Stelle gänzlich unverschlossen blieben. Die Bestimmimg der Falze ist dann unbekannt. Gegen die Stadt war der Fahrweg 7 am äußern Endq des innem Durchganges, durch eine Thür ge- schlossen, und Thüren, deren Angellöcher erhalten sind, schlössen auch die Fußwege. Auch dies Thor ist offenbar kein Befestigungsthor, sondern diente nur polizeilichen Zwecken und um der Stadt einen stattlichen Zugang zu geben.

Das Mauerwerk (Opus incertum mit Ecken, in denen immer drei Ziegel mit einem ziegelförmigen Haustein wechseln) kann nicht wohl viel älter sein als die Zeit des Augustus ; die Stuckbekleidung, vermuthlich der Erbauimg gleichzeitig, zeigt unten einen hohen schwarzen Sockel , oben ist durch pla- stische Stuckarbeit in Weiß eine Marmortäfelung nachgeahmt: letzteres ein jener Zeit sonst fremdes, hier im Anschluss an die Decoration der Thürme zur Anwendimg gekommenes Motiv. Offenbar ist dies Thor an die Stelle eines altem Thores getreten, welches etwas weiter westlich lag: gleich inner- halb des Thores finden wir noch einen Rest des Fußweges, wie es vor dem Neubau war; dasselbe liegt 0,85 M. westlich von der Westmauer des Thors. Diese Beobachtung ermöglicht es uns, mit Hilfe der für den Hinausgehen- den links am Wege liegenden Gräber, die Zeit des Thorbaues näher zu be- stimmen. Während nämlich das Grab des M. Porcius, des Erbauers des kleinen Theaters imd des Amphitheaters (auf unserem Plane nur zur Hälfte sichtbar) , offenbar an der aus dem alten Thor kommenden Straße lag, setzt die anstoßende halbrunde Bank und ebenso die gleich am Thor liegende Grab- nische deutlich den Neubau voraus. Nun ist diese Bank älter als die nach- träglich hinten an sie angesetzte Basis der Statue des M. Yeius, welcher tribu- bunus miUtrnn a populo heißt, ein nach der Zeit des Augustus nicht mehr vorkommender Titel. Auf Grund dieser Daten dürfen wir den Thorbau schwerlich später ansetzen, als die erste Zeit des Augustus, und so ei^ebt sich uns, mit Berücksichtigung des Mauerwerks, der Regierungsantritt dieses Kai- sers als ungefähre Zeitbestimmimg desselben.

Den heutigen Zustand dieses Hauptthores von Pompeji stellt die Abbil- dung nach S. 54 in Außenansicht dar. Die kleine Nische rechts ist es, in der man das Skelett eines Soldaten gefunden haben will (S. 21); in Wahrheit ist sie, wie wir unten sehen werden, ein Grabmal. Links sind die Beste eines andern Grabmales sichtbar. Die zweite, hiemeben stehende Abbildung giebt die innere Ansicht , auf welcher die Seiteneingänge von den Neben- thoren in den innem Hof deutlich sichtbar sind. Das Gebäude gleich rechts ist eine Schenke (Thermopolium) . Endlich die dritte, diesem Capitel vor- geheftete Ansicht giebt eine einfache imd deshalb wahrscheinliche Kestaura- tion der Außenseite (nach Mazois) ^^j .

56 Zweite« Capitel.

Die Befestigungswerke können nicht verlassen werden, ohne dass wir noch einiger schon oben S. 43 erwähnten oskischen Inschriften gedenken, welche nicht allein für die Topographie und die Baugeschichte der Mauer und ihrer Thürme wichtig sind, sondern auch deshalb ein ganz besonderes Interesse beanspruchen , weil sie uns einen wichtigen Vorgang aus der Ge- schichte Pompejis in lebendiger Weise vergegenwärtigen. Denn wenn sie auch nicht in allen Einzelheiten sicher erklärt sind , so ist doch ihre Bedeutung im Ganzen klar und es scheint zweifellos, dass sie sich auf die Belagerung Pompejis durch Sulla beziehn. Zwei dieser Inschriften, welche, fast genau übereinstimmend , auf den Tufipfeilern der Paraden der unter dem Namen Haus des Sallust und Haus des Pansa bekannten Häuser stehn, besagen: »Durch diese Gasse geht der Weg zwischen den zwölften Thurm und das Salinen ('?)- thor , wo Maras Adirius seinen Stand hat.« Sie beziehen sich offenbar auf die beiden Gassen zwischen der 1. und 2. und zwischen der 6. und 8. Insula der 6. Region. Es kann daher mit dem zweifelhaft be* zeichneten Thor nur das s. g. Herculaner Thor gemeint sein, so wie mit dem 12. Thurm der diesem ITior zunächst liegende, welcher auch in der That, wenn man annimmt, dass ein Thurm an der Ecke des Forum trianguläre und ein weiterer zwischen diesem und dem Seethor lag, von hier aus gezäMt der zwölfte ist. Maras Adirius, und der in einer dritten, ganz ähnlichen Inschrift, auf welche wir noch zurückkommen, vorkommende T. Fisanius, waren, wie wir annehmen dürfen, die Befehlshaber auf bestimmten Abschnitten der Mauer, und die Inschriften hatten den Zweck, der vielleicht nicht durchweg ortskundigen Besatzungsmannschaft als Wegweiser zu ihren Posten zu dienen. Da aber die zweite der oben genannten Gassen nicht zwischen das Thor und den 12. Thurm, sondern zwischen den 11. und 12. Thurm führt, so ist vmhr- scheinlich anzunehmen, dass M. Adirius das Thor und den 12. Thurm, der nächste Commandant (T. Fisanius] den 10. und 11. Thurm unter sich hatte^ während das Mauerstück zwischen dem 11. und 12. Thurm von Beiden ge- meinsam geschützt werden musste: alsdann führte die an zweiter Stelle genannte Gasse an das äußerste rechte Ende des dem Adirius anvertrauten Abschnittes. Dass grade die bezeichneten Gassen als Zugänge zu dem unter Adirius' Befehl stehenden Mauerstück genannt werden, ist vermuthlich dadurch zu erklären, dass die übrigen auf das Pomerium mündenden Gassen verbarrica- dirt waren , damit der Feind , wenn er an irgend einem Punkte die Mauer eingenommen hatte, möglichst wenig Wege in das Innere der Stadt offen fände. Die schon erwähnte dritte Inschrift, welche den Weg dahin weist, wo T. Fisa- nius zwischen dem 10. und 11. Thurm commandirte, steht an der Südwestecke der Cctsa del Fauno, und bezieht sich offenbar auf die Gasse zwischen der 10. und 12. Insula der 6. Region (Vtco del Fauno). Und in der That, wenn der letzte Thurm der 12. ist, so sind die beiden, zwischen denen diese Gasse aus- mündet, der 10. und 11. Endlich besagt eine vierte verwandte Inschrift, welche an der Südseite des südöstlichen Eckpfeilers der 6. Insula der 7. Region (also dicht an der Nordwestecke des Forums) steht : »Durch diese Gasse kommt man zu dem Hause des Maius Castricius und des Maras Spumius, wo der Feld- herr Vibius Seius sein Quartier hat.« Nissen (Pomp. Stud. S. 508) erkennt das

Die Straßen und Pl&tze Pompejis. 57

Haus des Malus Castricius in dem südwestlichen Eckhaus (Nr. 1 und 2) der Insula VII, 15, und das des Maras Spumius in einem benachbarten Hause (Nr. 10) der Insula VII, 7 : hier also würde der wis sonst nicht bekannte Im- perator {imbrtr) Vibius Seius sein Hauptquartier gehabt haben.

Zweites CapiteL Die StraBen nnd Plätze Pompejis«

1. Sie Straßen.

Die Straßen Pompejis bieten und boten bei weitem nicht den mannich- faltigen, lebendigen und freimdlichen Anblick wie die einer mittelalterlichen oder niodemen Stadt mit ihren mehr oder weniger bimten und reichen Para- den; der Gesammteindruck nähert sich viel mehr dem einer orientalischen Stadt. Das antike Haus blickt nicht, wie das moderne, auf die Straße hinaus ; es ist nach innen gewandt und zeigt der Straße den Rücken ; durch einen innem Hof, nicht von außen, erhalten die wichtigsten Räume Licht und Luft. So ist das belebendste Element der modernen Fa9ade, das Fenster, an der Straßenseite des antiken Hauises nur schwach vertreten. Nicht als ob' es ganz an Fenstern fehlte ; sie sind vorhanden, namentlich in den oberen Räu- men, -wo sie vielfach noch erhalten sind. Aber sie sind wenig zahlreich und klein, namentlich in den Räumen des Erdgeschosses, wo sie aus begreiflichen Grründen so hoch angebracht sind, dass sie wohl zur Erhellung, nicht aber zum Hinausschauen dienen konnten. Von künstlerischer Ausbildung des Fen- sters und Verwendung desselben zur Belebung der Fa^ade finden wir keine Spur.

Es zerfallen aber die Straßen Pompejis in zwei bestimmt geschiedene Classen : Verkehrsstraßen undystille Straßen. Zu den ersteren gehören nament- lich die beiden großen, die Stadt in grader Linie durchschneidenden Straßen, die Nolaner und Stabianer , femer die das Forum mit der Stabianer verbin- ' dende Abbondanzastraße. Fast nirgends zeigt hier das Erdgeschoss an der Straße eine fortlaufende Wand ; dicht gereiht liegen hier die weit geöffiieten Läden, so dass sie fast wie eine Erweiterung der Straße erscheinen. Zu den stillen Straßen ohne Läden gehört eine vornehme, die breite, stattliche Mer- cuTstraBe, die nördliche Fortsetzung des Forums, an welcher fast nur große und reiche Häuser liegen, und die große Menge der übrigen, engeren Straßen. Hier wurden die einförmigen Fa^aden nur durch die Hausthüren und die wenigen kleinen Fenster belebt, allenfalls auch noch dadurch, dass das obere Geschoss einiger Häuser erkerartig vorsprang.

Der malerische Schmuck der Außenseite der Häuser ist meist sehr einfach. Entweder sind sie ganz weiß, oder es ist zu unterst ein hoher schwärzlicher oder dunkelrother Sockel angebracht ; selten sind Fa^aden wie die eines Hauses an der Mercurstraße VI, 9, 6 7) , wo über einem lebhaft rothen hohen

*58 Zweites Capitel.

Sockel in weißem Stuck eine Bekleidung mit bunt und etwas kleinlich profi- lirten Marmorplatten nachgeahmt ist. Nicht ganz fehlt es an der Abwechse- lung, welche durch das Nebeneinanderstehen von Bauten aus verschiedenen Zeiten hervorgebracht wird. Zwischen den nur durch die Farben wirkenden, in den Formen ganz vernachlässigten und unkünstlerischen Stuckfa^aden der Kaiserzeit begegnen wir den ernsten Quaderfa^aden aus dem grauen Tuff von Nocera, wie sie in der spätoskischen Zeit beliebt waren. Der Keiz der Farbe ist hier verschmäht ; der Stein erscheint in seiner natürlichen, unscheinbaren Farbe ; dagegen finden wir hier schöne und reine griechische Formen, nament- lich an den Thüren mit ihren durch korinthische Capitelle gekrönten, durch ionisches Gebälk verbundenen Pilastem : bisweilen, wie an der casa del Faunoy ist die Thür durch einen einfach weißen Stucküberzug ausgezeichnet. Nur einmal, an einem Hause der Mercurstraße (VI, 8, 20 22), finden wir eine geschlossene Fa9ade aus Tuffquadem : sonst ist überall die Fa^ade aufgelöst in Pfeiler von geringer Ausdehnung zwischen den Läden. Die nicht aus Tuff- quadem bestehenden Fa^aden derselben Zeit waren einfach weiß.

Zu weiterer Belebung der Straßen trugen die zahlreichen Brunnen und sonstigen kleinen Monumente bei, von denen weiterhin die Rede sein wird.

Ohne Zweifel hatten die Straßen ursprünglich eine gleichmäßigere Breite als jetzt; dieselbe ist vielfach verändert worden, theils durch die Anlage öffent- licher Gebäude, theils durch das eigenmächtige Vorrücken der Privathäuser, deren Besitzer ihr Grundstück auf Kosten der Stadt vergrößerten. Es scheint aber, dass die großen, die ganze Stadt durchschneidenden Hauptstraßen auf 26 bis 29 oskische Fuß 0,275 M.) normirt waren. Die Nebenstraßen schwan- ken je nach ihrer Wichtigkeit von 1 1 bis 23 Fuß, so dass es unmöglich ist, für sie ein Normalmaß aufzustellen. Der mit polygonen Lavaplatten gepflasterte Fahrdamm pflegt die Hälfte, und nach Bedürfhiss mehr, der gesammten Breite einzunehmen ; die andere Hälfte kommt auf die erhöhten Fußwege.

Pflasterung und Theilung in Fahrweg und Trottoir waren sicher nicht von Anfang an vorhanden. Wenn auch in manchen Beziehungen die gräci- sirten Osker ihren römischen Siegern an Cultur überlegen waren, so dürfen wir doch dies nicht auf die specifisch römische Kunst des Wegebaues ausdeh- nen, müssen vielmehr annehmen, dass auf diesem Gebiete der Fortschritt von Rom ausging. Und in Rom selbst ist die Pflasterung erst spät und allmählich durchgeführt worden. Im Jahre 174 v. Chr. beschränkte man sich darauf, die innerhalb der Stadt liegenden Strecken der großen Landstraßen und außerdem den Aufgang zum Capitol zu pflastern, und als im Jahr 45 v. Chr. Cäsar seine Städteordnung [lex lulia municipalis) erließ, war offenbar die Pflasterung noch keineswegs in der ganzen Stadt durchgeführt. Um die Zeit der Pflasterung Pompejis zu bestimmen, haben wir nur einen Anhaltspunkt. Nämlich an zwei Stellen, westlich der Insiila IX, 4 (an der Stabianer Straße) und nördlich der Insula IX, 2 finden wir in der senkrechten Fläche des Trottoirrandes die In- schrift EX K QVI , A.\i, ex kalendis Quinctilibus, wom ersten Juli an« ; und zwischen Ins. YII, 2 und 4 steht in einem Lavastein des Pflasters die ofl^enbar gleichbedeutende Inschrift K Q. Diese vermuthlich auf die Pflasterung be- züglichen Inschriften beweisen jedenfalls , dass das Pflaster schon vorhanden

Die StraOsTi und FUtM Pompejii. 59

oder doch in Arbeit war, bevor der Monat Juli zu Ehien Cäsars im Jahre 44 T. Chr. seinen jetzigen Namen erhielt.

Straßenarbeiten freilich wurden schon in samnitischer Zeit betrieben. Dies bezeugt uns die schon auf S. 50 erwähnte, im Stabianer Thor aufgestellte samnitische Inschrift, welche besagt, dase die Äedilen Malus Sittius und Nu- meriuB Pontius die Straße bis zur Stabianer Brücke [also vor der Stadt) und die »FompejanersttaBei bis zum Tempel des Juppiter Milichius (doch wohl in der Stadt) terminiit, d. h., wie man meint, den dort 10, hier 3 Schritt breiten Fahr- damm vom Fußwege geschieden haben, dass dieselben femer eben diese Straßen, sowie die »Juppiterstraßea und eine andere unaufgeklärter Bezeichnung [dei- viarim) auf Anordnung des Medix von Pompeji haben herrichten lassen. Welche Straßen mit diesen Namen bezeichnet sind , können wir nicht fest- stellen. Weit jünger ist die außen am Stabianer Thor {e Fig. 15] stehende lateinische Wegebaninschrift, nach welcher die Duumvim L. Avianius Flaccus PoDtianas und Q. Spedius Finnus die Straße vom Meilenstein (der wohl dicht beim Thore stand) bis zur Station der Cabrioletkutscher, so weit das Gebiet Pompejis reichte (a müiario uegae ad ciaiarioa, qua territorium est Pompeiano- rum) auf eigene Kosten gepflastert haben [munierunij .

Zur Zeit des Unterganges war die Pflasterung fast überall durchgeführt : nur einige abgelegene Gassen im nördlichen Stadttheil, außerdem im Süden die zwi- schen den Insulae I, 1 und I, 2 sind ungepflastert gebliehen. Die Fahrstraßen smd sanft gewölbt und aluf das sorgfältigste mit ziemlich großen polygonen Lavaplatten belegt, welche genau an einander gepaßt und nur hie und da durch zwischengetriebene Eisenkeile und kleine Steine an schadhaft gewor- denen Stellen ausgebessert sind. Die Wagen haben bei einer Spurweite von 0,90 M. Rillen von zum Theil beträchtlicher Tiefe eingeschliffen, so dass das Pflaster in den frequenteren Straßen stark vemutzt ist und einen ziemlich holperigen Eindruck macht.

Für die Bequemlichkeit der Fußgänger, welche von einem Trottoir auf das andere überkreuzen wollten, ist durch große, oben flache Steinblöcke gesorgt, welche sich über das Niveau des Pflasters bis zu dem des Trottoirs erheben imd auf welchen man ohne Beschmutzung der Füße und ohne von dem Eum Theil recht hoch über der Fahrbahn, d. h. im Niveau des uisprünglicheii Terrains liegenden Fußwege herabzusteigen , die Straße quer überschreiten konnte. Es giebt kaum eine Straße ohne diese Bequemlichkeit, welche zur Zeit der heftigen Winterregen mehr als nur diea<flein mochte. In breiteren Straßen wurden mehre Steine, drei oder auch fünf, angebracht, welche jedoch immer so liegen, daß ihre Zwischenräume den rich- tigen Platz für die Wagenräder und die Fig. 21. Pflaster m Zugtbiere bieten ; in den engen Gässchen

liegt nur ein Stein in der Mitte, und es fragt sich, ob diese nach dessen Anbrin- gung noch &hrbar geblieben sind. Allerdings linden sich auch hier vielfach die von den Bädern eingeschliffenen Billen, diese aber können ans früherer

60 Zweit« B Capitel.

Zeit stammen, und gewiss ist, dass einige Oässchen durch B{wter angebracht« Trittsteine gesperrt worden sind. Auch die Straße vom Forum nach den Sta- bianer Thermen [Sh-ada delt Abbondtmxa] kann wenigateua in den letzten Zeiten Pompejis gar nicht mehr befahren worden sein. Denn am Forum war sie vei^ttert, an den Thermen aber zieht sich quer über den Fahrdamm eine hohe Stufe, welche kein Wagen, weder auf- noch abwärts überschritten haben kann. An ein rasches Fahren war begreiflich auch in den Hauptatraßen nicht zu denken, ohnehin fuhr man im Alterthum lange nicht so viel wie bei uns; schwere Lastwagen durften in Rom die Straßen bei Tage nicht passiren und der persönliche Verkehr zu Wagen war auf eine geringe Anzahl bevorzugter Personen der höheren Stande gesetzlich beschiAnkt. In Pompeji war die Sta- tion der cisiarii (Cabrioletkutacher], wie die oben erwähnte Inschrift zeigt, vor der Stadt.

Zu beiden Seiten wird der Fahrweg durch ein Trottoir [marga, margims) von sehr verschiedener Breite eingefasst. Dieses besteht nach dem Fahrdamm zu aus 0,30 0,40 M. breiten Hausteinen, welche oftmals, namentlich vor Läden, schräge durchbohrt sind. Man hat diese Löcher daraus erklären wollen, dass man Pferde und anderes Vieh durch dieselben festgebunden habe ; doch dienten sie stellenweise wohl auch zur Hefestigung von Zeltdächern, die man vor den Läden wie noch jetzt in Neapel ausspannte. Innerhalb der Hausteine besteht das bald bis zu fast einem Meter hoch über, bald fast im Niveau der Fahrstraße liegende Trottoir aus fest- ' gestampfter Erde , welche verschie-

den, bald mit Sand, bald mit Ziegeln, mit Steinplatten, mit der opus Signi- num genannten rohen Art von Zie- gelmosaik, gelegentlich auch mit Marmorplatten bedeckt ist, je nach- dem ein Hauseigenthümer, dem die Sorge für das Trottoir in der Breite seines Grundstückes oblag, ein ge- ringeres oder besseres Material zu wählen (ür gut fand. An den Trot- Fig. 22. PUn eines EmiMMB. t«™ entlang stehen in mehren

- H -. -k* o. .»..» —1 j V. j ..j .1.1 Straßen noch eigene Prellsteine,

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Veiänderungen statl^funden haben . Das Regenwasser der Fahrstraße floss durch Ahzugsoffiiungen, die an verschie- denen Orten im Trottoir angebracht sind, in größere Canäle und wurde durch diese unterirdisch und unter den Häusern durch aus der Stadt entfernt. Die nebenstehende Figur 22 zeigt uns den Plan eines dieser Emissaxe {F. G.J>. im

Die Straßen und Plätze Pompejis. Das Forum civile. 61

großen Plan] j welcher da43 Wasser dreier Gassen aufnahm und daher ziemlich eomplicirt ist^).

2. Das Forum eivile.

Der ausgegrabene Theil Pompejis hat drei größere öffentliche Plätze, das Forum civile ^ das s. g. Forum trianguläre y innerhalb dessen die Ruinen des griechischen Tempels stehn, und das s. g. Forum boarium, den Ochsenmarkt, nahe beim Amphitheater. Von diesen Plätzen war das F6rum civile mit Platten weißen Travertins belegt, welche aber, ausgenommen auf dem Stück östlich neben dem Juppitertempel, bis auf einzelne noch vorhandene schon im Alterthum ausgehoben und weggeschajfft worden sind ; außerdem hatte es eine umlaufende bedeckte Gosse. Über die Art, wie die beiden anderen Plätze gedeckt oder gepflastert waren, ist jetzt kein Urteil mehr möglich, das Forum trianguläre zeigt das natürliche Erdreich, das Forum boarium ist, wie schon gesagt, wieder verschüttet.

Das imgleich größte Interesse nimmt das Forum civile als das eigentliche politische Centrum der Stadt in Anspruch, imd zwar sowohl durch die Bedeut- samkeit der um dasselbe vereinigten öffentlichen Gebäude, als auch durch die architektonisch schöne Gosammtansicht , welche dieser nur von öffentlichen Gebäuden umgebene, wenn auch vielleicht nicht urprünglich nach einheit- lic&em Plan angelegte, so doch jedenfalls nach einem solchen umgemodelte Platz vor seiner Zerstörung dargeboten haben muss. So wenig wie einer mittelalterlichen fehlt einer antiken Stadt ihr Marktplatz, denn das ist die ursprüngliche Bedeutung des Forums ; es ist der Platz für Handel und Wandel und für den ganzen bürgerlichen Verkehr sowie für die Gerichte, wie ja auch in unseren Städten die Gebäude der städtischen Verwaltung imd der Gerichte am Marktplatze zu liegen pflegen. In Italien gesellte sich zu dieser Bestimmung des Forums noch diejenige für die Gladiatorenkämpfe, nachdem diese zu allge- meinen Volksfesten geworden waren, und deshalb sind die Fora meistens mit einer durch Gitterwerk abtrennbaren Colonnade umgeben, welche häufig eine obere Gallerie für die den Kämpfen zuschauenden Frauen trug. Später wurden Handel und büi^erlicher Verkehr getrennt und für erstem theils eigene Marktplätze, die Fora venalia, theils Verkaufshallen, Basiliken, ge- schaffen, so dass das ursprüngliche Hauptforum wesentlich den politischen Angelegenheiten vorbehalten blieb und demgemäß den Namen des Forum civile erhielt. Denn auch die Gla,^iatorenkämpfe wichen von dem Forum in die eigens für dieselben erbauten Amphitheater. Die Fora venalia, die Markt- plätze für Kauf und Verkauf, wurden nim je nach der Größe der Städte und den Bedürfiiissen des Verkehrs vervielfältigt und die Hauptgegenstände des Handels auf sie vertheilt, so dass sie als Viehmärkte, Gemüse-, Fisch-, Kram- märkte U.S. w. unterschieden wurden. Für die politischen oder conmiunalen Angelegenheiten aber erstand wieder um das Forum civile eine Reihe von Gebäuden, welche den verschiedenen Interessen der Verwaltung und der Rechtspflege gewidmet waren.

So auch in Pompeji, wo wir außer einer Reihe von Tempeln fast alle die

62 Zweites Capitel.

öffentlichen Gebäude wiederfinden, denen Vitruv am Forum ihren Platz an- weist. Wir fassen zunächst das Forum in seiner Gesammtheit in^s Auge und werden auf die einzelnen jetzt zu nennenden Gebäude gehörigen Ortes zurück- kommen.

Vitruv berichtet uns, dass nach gi'iechischer Sitte das Forum ein Quadrat bildete, schreibt aber für italische Städte, ohne Zweifel im Anschluss an das von Alters her übliche, eine längliche Form vor. Als Grund giebt er an, dass diese Form zum Zuschauen bei Gladiatorenspielen geeigneter sei ; wir erinnern uns dabei, dass ja auch die Amphitheater nicht rund, sondern oblong angelegt wurden. Das von ihm vorgeschriebene Verhältniss von 2:3 ist freilich am pompejanischen Forum nicht eingehalten: es ist lang (im Westen) 151,60 M., breit, einschließlich der Säulenhallen (im Süden) 47,66 M. Die von den Hallen umgebene unbedeckte Fläche ist lang 142,51 M., breit 38,48 M., einschließlich der den Hallen vorliegenden Stufe.

Das Forum Pompejis war zur Zeit des Unterganges keineswegs eine nach einem einheitlichen Plane durchgeführte und vollendete Anlage. Vielmehr standen neben einander Reste aus ganz verschiedenen Zeiten, welche nach einander, ganz verschiedenen Geschmacksrichtungen folgend , an der Aus- schmückung des Platzes gearbeitet hatten. Und zwar war die letzte Phase dieser Entwickelung noch nicht zum Abschluss gekommen : in Folge des Erd- bebens .vom Jahre 63 n. Chr. hatte man eine durchgreifende Umgestaltung begonnen und war im Jahre 79 noch in voller Arbeit begriffen. Wir werden «Iso die uns vorliegende Gestalt am besten verstehen, wenn wir uub ihre Ent- wickelung, so weit dies möglich, zu vergegenwärtigen suchen.

Von den vielen Säulenbauten Pompejis gehört keine der ältesten uns erkennbaren Bauperiode (Zeit der Kalksteinatrien) an ; die ältesten derselben tragen den Stempel der folgenden Periode (Tuffperiode), der Zeit nach dem hannibalischen Krieg und es ist wohl sicher, dass erst diese Zeit anfing, die Stadt, und zwar in ausgedehnter Weise, mit Säulenhallen zu schmücken. So müssen wir aurh annehmen, dass das Forum nicht von Anfang an ein solcher säulenumgebener, gegen Wagenverkehr abgeschlossener Platz, gleichsam ein Festsaal unter freiem Himmel war , sondern dass sich hier ursprünglich ein einfacher, von Fahrstraßen begrenzter und durchschnittener Platz, ein Haupt- kreuzpunkt wichtiger Straßen befand. Das Straßennetz ist alt;' und da sich die Straßen durchaus nicht rechtwinkelig schneiden, so war die Form des Platzes vermuthlich damals nicht eben sehr regelmäßig, und es mag wohl, trotz aller späteren Umgestaltungen, hiermit zusammenhangen, dass noch jetzt die meisten der anliegenden Gebäude eine von der Axe des Forums abweichende Orientirung zeigen. Auch war das Fonun damals schwerlich planirt, sondern wird sich zu der es nördlich begrenzenden, jetzt über Stufen zugänglichen Straße in allmählicher Steigung erhoben haben.

Die Tuffperiode, eine Zeit der lebhaftesten Bauthätigkeit, hat, wie die ganze Stadt, so auch das Forum in durchgreifendster Weise umgestaltet. Nachdem an die Stelle einfacher Kalksteinatrien große Paläste mit stattlichen Peristylien getreten waren, nachdem die Tempelhöfe Säulenhallen erhalten hatten, konnte auch das Forum nicht in seiner alten, einfachen Gestalt fort-

Die Straßen und Plfttze Pompejis. Dm Forum oivile. 63

bestehn. Der Platz winde planirt, und dann an seinem Nordende der stattliche, auf hohem Unterbau ihn ganz beherrschende Juppitertempel erbaut. An der Westseite' entstand der Apollo- (s.g. Venus-] tempel mit seinen Säulenhallen. An die nördliche Umfassungsmauer dieses Tempels ward eine nach Norden geöfinete Säulenhalle angelehQt, vor welcher selbstverständlich ein freier Platz liegen mnsste, der vermuthlich keinen andern Zweck hatte , als dieser Säulenhalle Licht und Luft zu geben. Wie dieser Platz vom Forum getrennt war, wissen wir nicht ; es ist sehr wohl denkbar, dass hier eine Reihe von Verkaufsläden angebracht war. Ebenso wissen wir auch nicht, ob die von dem fico dei 8opr(uUmti schräg auf das Forum zufuhrende Straße auf diesen Platz ausmün- dete, oder ob sie schon damals in eine Sackgasse verwandelt war. Die Säulen- halle reichte nicht ganz an das Forum hinan ; auf dem übrig bleibenden Räume be&nd sich die vom Forum auf sie hinauf führende Treppe [sie hatte also ein oberes Geschoss] , und neben derselben ein kleines, durch modernen Umbau unkenntlich gewordenes Local'").

Die Abweichung der Axe des ApoUotempels von derjenigen des Forums maskirte man, wie der Plan zeigt, durch eine Reihe nach Norden zu dicker werdender Pfeiler, zwischen welchen durch Thüren verschließbare Eingänge in den Tempelhof blieben. Ein weiterer Eingang, der Front des Tempels ent- ■prechend, befand sich im Süden, an der Sirada della MarinQ. Die südlichsten, dünnsten Pfeiler bestanden ganz aus Quadern grauen Tuffes, während die an- deren nur auf der dem Forum zugewandten Seite mit aolchen Quadern bekleidet wurden, im übrigen aber aus Kalkstein bestanden. Der nördlichste aber dieser Pfeiler ist nicht massiv, sondern gegen das Forum zu ausgehöhlt, so dass er hier eine Nische bildet (s. den Plan) . Hier fand sich eines der merkwürdigsten Uonumente Pompejis: der in das Museum zu Neapel gebrachte Aichimgsblock oder das öffentliche Normalmaß (s. Fig. 23]; am Fundort ist eine rohe Nachbildung aufge- stellt. DasBel))e ist ein schwerer steinerner Tisch auf zwei durch- gehenden und hinten verbun- denen Füßen, dessen 2,25 zu 0,55 M. große Travertinplatte nach vom folgende Inschrift (Mommsen /. B. JV. 2195; C.I. L. X, 793) trägt; A. ClodiusA. f.Flacctu N- Arcaeus N.f. Arel- lian. Caledut d. v. i. d. memu- rat exaeguandaa ex dec. decr. Es haben also die beiden ge- nannten richterlichen Zwei- i£- ^ „_nj*

manner nach Decurionendecret Fig. 23. Öffentliche NonnabiuJJe.

die Au^leichung der Maße,

d, h. die Einführung des römischen Maßsystems, besorgt. Eine neuere und

genaue Untersuchung dieses Aichungstisches ;von Mancini im Oior». d. ecam

Q4 Zweilea Cftpitel.

N. S. 11 S. 144 ff.) hat nämlich herausgestellt, dass hier die aus einer altern Zeit stammenden Maßhöhlungen umgewandelt und zwar erweitert worden sind (s. Fig, 24). Diese auf der Mittellinie der Steinplatt« angebrachten MaB-

Fig. 24. Ansicht und DuTchschnitt des Maßtisohes.

höhlungen, von denen die 2. und 5, nach Ausweis des großem Loches im Hoden zum Messen trockener, die 1.3. und 4. nach Maßgabe des kleinem Loches zum Messen von Flüssigkeiten gedient haben, waren mit den Namen ihrer Maße in oskischer Schrift bezeichnet, welche bei der Umwandelung und Neubenennung der MaSe ungiltig wurden und deshalb au^emeiBelt worden sind, jedoch nicht so, dass es nicht möglich wsie, dieselben mit größerer oder geringerer Sicherheit zu entziffern. Am unzweifelhaftesten ist der Name der zweiten Höhlung von links her als ^)IIHIV)I, d. i. das griechische ymtil (Choinixj, zu erkennen, welcher allein schon, noch mehr aber in Verbindung mit einigen anderen, auch kaum anfechtbaren Entzifferungen %eigt, dass es sich um ein griechisches, von den Samniten Pompejis adoptirtes und mit den »amnitisch umgemodelten griechischen Namen bezeichnetes Maßsystem han- delt, welches dem römischen, unter Augustus im ganzen römischen Reich durch- geführten weichen musste.

Weiter südlich folgte die Basilika, an der Siidost«cke das unter dem Namen der Schule bekannte Gebäude (XX auf dem Plan) , Wie es damals auf der Südseite, wie es auf der Westseite nördlich vom Apollotempel, auf der Oetseite von der Sirada delV Abbondansa aussah, wissen wir nicht: die hier erhaltenen Bauten sind Jüngern Ursprunges. Es ist aber wenigstens ftir die erwähnten Theile der Ost- und Westseite nicht unwahrscheinUch, dass hier Frivathäuser und vor denselben Läden standen, in welchen letzteren nament- lich die Geldwechsler ihren Stand haben mochten ( tabentae argentariae] . Läden Öffiieten sich auch auf die nördlich am Forum entlang führende Straße.

Damals nun Heß der Quästor Vibius Popidius die das Forum umgebenden Säulenhallen erbauen, wie die Inschrift [jetzt in Neapel) besagt:

V[ibiu8) Popidius Ep{idii) ßiiius] q[aaeator] porücua facienda» eoeravit.

Die StmOen und PUtie Pompejis. Das Forum civile. 65

Ohne Zweifel bildeten die Portiken den letzten AbscUuss der Neugestal- tung des Forums und sind erst nach den vorhin erwähnten Bauten errichtet worden. Schon die lateinische Spreche der Inschrift deutet auf relativ späte Zeit. Femer liegt es in der Natur der Sache, dass man erst die Gebäude vollendete, an welche die Portiken sich anlehnen sollten. Endlich ist deutlich sichtbar, dass die Treppe, durch welche man südlich der Basilika auf die Por- ticus stieg, an die Basilika angebaut worden "bt, als dieselbe schon ganz fertig und auch auf der Außenseite mit Stuck bekleidet war^').

Die damals erbauten Säulenhallen sind auf der Südseite und im südlich- aten Stück der Ostseite theilweise erhalten ; auf diesen Strecken, wo die Ge- bäude weiter zurücktreten, stehn die Säulen in doppelter Reihe, und noch hinter diesen zwei ßeihen stand eine Säule in der Ausmündung der Via deüe Scuoie, und wahrscheinlich zwei Säulen in der Ausmündung der Sirada delt Ahbondctma; auch die Ausmündung der Strada della Marina wurde durch nrei ^ulen heseichnet. Saiden und Gebälk , dorischer Ordnung , bestehn aus dem grauen Tuff von Nocera. Es ist bemerkenswerth, dass die Gebälk- Rtücke nicht von einer Säule zur andern reichen , auch nicht durch Keil- schuitt (horizontale Wölbimg] verbunden sind. Sondern man legte auf die Säulen zui^hst eine Holzbohle, welche auf der Innenseite noch durch eine auf ihr stehende schmälere, auf die schmale Kante gestellte Bohle verstärkt wurde, und stellte auf dieser Unterlage die GeMlkstücke, welche für die letz^enannte Bohle eine Einkerbung haben , neben einander auf. Ohne Zweifel waren , dem uns hinlänglich bekannten Geschmack jener Zeit Kitsprechend, die Säulen und ihr Gebälk mit sorgfältig geglättetem weiBem Stuck bekleidet. Nur die Metopen waren vielleicht dimkelroth. Aufierdem lernen wir aus Stuckdecorationen in Privathäusem, welche Säulen- bauten in Belief nachahmen, da«s die das Gebälk tragende Bohle gelb gemalt zu sein pöegte: man verschmähte es, die unvollkommene Construction durch eine gemeinsame Stuckdecke zu verhüllen, zog es vielmehr vor, dieselbe, wie sie nun einmal war, künstlerisch zu verwerthen. Eine zweite, obere ^ulenstellung schreibt Vitruv vor ; zu ihr führte die schon erwähnte Treppe an der Südseite der Basilika tmd eine zweite östlich von dem Gebäude XIX auf der Südseite (Fig. 25); die in Figur 26 wiedergegehene Hestauration von Mazois ist uns auch durch einige, zwar not sehr wenig Fragmente des obem Gebälks b^laubigt ( dorische und ionische Ordtaung sind nicht selten in dieser Weise verbunden worden) und sehr geeignet uns einen Begriff von dem heitern

und anmuthigen Charakter dieser Hallen zu geben. pjg. 25. Treppe am Forum. Wir dürfen annehmen, dass dieselben das Forum auf

«wei Seiten und in dem südlichsten Theil der dritten (Ost-) Seite umgaben: auf der ganzen Westseite hat man auch bei dem spätem Umbau die Lava- und Tuffblöcke,* auf denen die Säulen standen, stehn lassen. Dagegen fehlt uns

66

Zweites Capitel.

Fig. 26. Colonnade des Forums.

jegliche Spur, aus der wir schließen könnten, wie es auf der Ostseite vor den Bauten der Kaiserzeit aussah 2*^) . Sicher aber war auf der Nordseite weder eine Säulenhalle noch sonst ein Abschluss vorhanden, sondern das Forum zu beiden

Seiten des Tempels frei auf die dort vorüberführende Straße geöfihet. Hingegen musste, wer aus der Ab- bondanza- oder der Seestraße den Markt betrat, unter der Säulen- halle, welche hier ein weiteres In- tercolumnium hatte, durchgehn.

Die hinter den Portiken he- genden Gebäude erhielten ver- muthlich alle die damals so belieb- ten Fa9aden aus Tuflfquadem ; die- selben sind erhalten an der s. g. Schule (XX) und an der Basihka ( XVIII ) , an deutlichen Spuren kenntlich an den massiven Pfei- lern, welche damals den Hof des Venus tempels vom Forum trennten, also überall wo nicht neuere Bauten an die Stelle der älteren getreten sind.

Und dieser Schmuck der Tufffa^aden wurde, ohne Zweifel durch eine Anordnung der Baupolizei, auch auf die größeren der dem Forum benachbarten \md auf dasselbe mündenden Straßen ausgedehnt, wenngleich es zweifelhaft ist, ob er hier je vollständig durchgeführt war. Wir finden sie, zum Theil freilich durch spätere Bauten verdrängt, auf der dem Forum zunächst liegenden Strecke der nördlich an demselben vorüberführenden Straße, an der von hier aus schräg auf die Strada delle Terme führenden engen Gasse [Vicolo delle Tenne) , an der ganzen Strada delF Abbondanza, und im Anschluss hieran auch an der von ihr aus zum Forum trianguläre führenden Strada dei Teatri und auf der zunächst liegenden Strecke der Stabianer Straße, an der das Forum süd- lich fortsetzenden Strada delle Scuole, und in einzelnen Resten sogar an den engen, später durch die Bauten der Ostseite gesperrten Gassen. Wenn wir an der Strada della Marina keine Tufifa^aden finden, so liegt das daran, dass hier zunächst am Forum die geschlossenen Mauern des Venustempels und der Basilika liegen, während die Tuffquadem fast ausschließlich (mit Ausnahme eines Hauses an der Mercurstraße, VI, 8, 20 22) da verwandt wurden, wo es sich nur um Pfeiler zwischen weiten Thüröffhungen (wie die Läden an den ge- nannten Straßen) handelte. Hier trat die Stuckbekleidung an die Stelle des natürlichen Steins ; und zwar war südlich die Außenseite der Basilika so behan- delt, dass ein hoher gelber Sockel durch einen etwas vorspringenden violett- rothen Gurt begrenzt wurde, oberhalb des letztem aber die Wand einfaeh weiß war. Vermuthlich war die Umfassungsmauer des Venustempels ähnlich decorirt.

Sicher machte das Forum in dieser Periode, mit seinen schön geformten weißen Portiken, die sich von dem dunkeln TuflF kräftig abhoben, einen un-

Die Straßen und PUtM Pompejis. Du Forum cirile. 67

gemein haxmonischen , heitern und freundlichen Eindruck. Wie überhaupt für die Architektur Pompejis, ao war auch für das Forum dies die schönste Zeit: die Zeit, in welcher die reinen Formen der griechischen Architektur, vemi auch in einer der spätesten Phasen ihrer Entwicklung, herrschten, frei von dem Einflüsse des zur Überladung neigenden, iäi FormenschÖnlieit wenig empßin glichen , dagegen derbe Farbenwirkungen liebenden romischen Ge- schmackes.

Bald nach der Deduction der römischen Colonie, noch in republikanischer Zeit, sperrte man das Forum westlich vom Juppitertempel durch eine an diesen sich anschließende Mauei gegen die hinter demselben vorbeiführende Straße ab. Diese Mauer hat jetzt zwei Durchgänge, einen der Säulenhalle, einen der unbedeckten Fläche des Forums entsprechenden ; doch »ind hier wiederholt Veränderungen voi^enommen worden, und die Mauer mit ihren Durcligängen liegt uns in ihrer dritten Gestalt vor^^). Die Reste des ältesten noch erkenn- baren Durchganges (0,42 M. vom Kamies des Tempelunterbaues) deuten auf republikanische Zeit. Dagegen sind östlich vom Tempel keine Spuren einer so frühen Absperrung erhalten; dass sie vorhanden war, können wir nur ver-, muthen; deim die Absperrung hatte doch sicher einen praktischen Zweck, and dieser konnte nur erreicht werden, wenn sie vollständig war. Und wir müssen annehmen, dass spätestens aus dieser Zeit die Thüren stammten, durch welche alle auf das Forum führenden Zugange gesperrt werden kormten.

Sonstige Veränderungen aus republikanischer Zeit sind nicht nachweisbar. Deato lebhafter ward aber die Umgestaltung des Forums in der Kaiserzeit be- trieben, wobei wir freilich die Zeit und Reihenfolge der einzelnen Bauten nicht immer genau bestimmen können.

Das Forum erhielt ein Pflaster aus Travertinplatten ; dasselbe ist älter als der weiterhin zu erwähnende, dem Augustus nach dem J, 12 v, Chr. errichtete Bogen. Dies Pflaster bildet rings an den Portiken eine 2,1 M. breite Stufe, welche die Gosse v^birgt, der das Regenwasser durch von

3 zu 3 M. augebrachte Löcher zugeführt Fig. 27. Gosse wn Forum,

wurde (Fig. 27).

Da wo die breite Fortsetzung der Mercurstraße einmündet, rechts vom Juppitertempel, begnügte man sich nicht, wie links von demselben, mit einer einfachen Trennungsmauer, sondern erbaute den auf unserer Fig. 28 abgebil- deten s. g. Triumphbogen, vermuthlich zur Zeit des Tiberius: wenigstens be- sieht man ein am Fuß des Bogens gefundenes Inschriftfragment (/. J2. .^.2213: C. /. X.X, 798)mitWahrscheinlichkeitauf Nero, den Sohn desGermanicus, und vermuthet, dass diesem der Bogen gewidmet war. Jetzt nur in seinem Ziegel-^ kern erhalten, war et einst reicher verziert. Seitwärts angebrachte Nischen, welche auf der Außenseite (Fig. 28), unterwärts ab Bassins ausgetieft, als Brunnen dienten , auf der Innenseite (Fig. 29 ) weniger tief sind und un- zweifelhaft Statuen enthielten, ferner Reste von Marmorbekleidung und von marmornen Halbsäulen bieten die nöthigen Elemente zur Reconstruction,

welche in Fig. 30 gewiss mit Glück versucht iflt*"). Ebenda sehen wir rechts noch einen dei rechten Umgangscolonnade entsprechenden Durchgang, welchei

Fig. 28. Anßeie Ansicht des 8. g. Triumphbogens.

durch seine Höhe und die jetzt fest ganz eingeetürzte Wölbung vor dem ent- sprechenden links vom Tempel auggezeichnet ist ; er ist jungem Ursprunges als der Triumphbogen und gehört wohl der letzten Zeit Pompejis an ; wie es hier irüher aussah, wissen wir nicht.

Nicht nur dieser letztere Eingang, sondern auch der durch den Triumph- bogen war nur für Fußgänger bestimmt : es ergieht sich dies theils aus den beiden Stufen, welche innerhalb des Bogens selbst eine geneigte Ebene um- fassen, theils aus den auf Fig. 28 sichtbaren, neuerdings wieder aufgerichte- ten Steinen, welche ihn für Wagen sperrten. Beide Durchzuge waren ver- schließbar.

Femer trennte man noch, in nicht näher bestimmbarer Zeit, die beiden schmalen Streifen der Forumsfläche neben dem Juppitertempel von der breiten Flache vor demselben ab, indem man an den Vorbau des Tempels auf jeder ^ Seite einen marmorbekleideten Backsteinbogen anlehnte. Der zur Linken ist auf Fi^ur 29 sichtbar iind auch auf dem großen Plan angegeben ; von dem zur Kechten sind die Fundamente vollkommen deutlich : entweder ist er beim Erdbeben des Jahres 63 eingestürzt und die Beste sind weggeräumt worden, oder er war älter als der besprochene Triumphbogen , und ist weggeräumt worden, um den Blick auf diesen, und durch ihn auf das Forum frei zu maeheu.

Die Straßen und Plstie Pompejis. Dm Fomm civile.

Endlich hat man neben dem untern Theil der Treppe des Tempels Treppenwangen ange- bracht, deren Bauart der des Bogens links gleichartig ist.

Damit war die Aus- schmückung der Nord- seite des Forums voll- endet; die auf Fig. 30 versuchte Bestauiation [von Mazois) giebt sie im wesentlichen richtig wieder, wie sie zur Zeit des Unterganges war, nur dasa die Säulen- halle links nicht vor- handen war, sondern erst wieder neu auf- gebaut werden sollte. Wir sehen rechts vom Tempel den s. g. Tri- umphbogen, links den B<^n neben der Trep- pe, und durch ihn die Thür in der abschlie- Benden Mauer mit der Treppe.

Zur Ei^änzui^ und Berichtigung die- ser Restauration geben wir in Fig. 31 eine Ab- bildung eines Reliefs, welches offenbar eben diese Nordseite des Fo- rums darstellt , wenn auch mit einigen will- kürlichen Abweichun- gen von der WirkUch- keit. Es ist nach Art eines Frieses ange» brachtam obem Bande des ÜBtexbaues der Hauscapelle eines rei- chen Pompejaners, des

70 Zweites Capitel.

Ilankiets L. Caecilius Jucundus, in der Ecke semeg Atriums (V, 1, 26). Die Darstellung ist äußeist ungeschickt und, wie es scheint, zum Theil absichtlich

karikirt; die schräge Stellung der horizon- talen Theile ist ein un- glücklicher Versuch,

die perspectivische Verschiebung wieder- zugeben. Der Tempel hat 4 Säulen in der Front statt fi, und sie sind auch anders ge- formt als sie in Wahr- heit waren. Nur links •4 sehen wir den Bogen,

mit dem Tempel, der P Wirklichkeit entspre- u chend , durch ein ^ Mauerstück verbun- § den. Der zur Rechten g' stand , als dies Belief S- gemacht wurde, nicht a mehr , imd der Tri- 3. umphbogen ist als wei- g.' ter zurückliegend fort- S gelassen. Wir lernen S. aus dieser Darstellung, g, dass auf den Treppen-

Wangen je eine Reiter- I statue, auf dem Vorbau I in der Mitte aber ein

Altar stand. Und da wir auf dem Forum eine Rednerbühne {roatra) nicht finden , so werden wir wolil anzunehmen haben, dass man von diesem Vorbau aus zum Volk zu sprechen pflegte. Der Altar rechts, zu welchem ein Opferthier herbeige- führt wird , hat wohl mit der Darstellung

der Forumsgebäude nichts zu thun , sondern gehört zu den Opfergeräthen,

zwischen welchen er sich befindet.

Die Straßen und Fl&tie Pompejia. Du Forum oivile, 7]

Bestanden die Veränderungen der Kaiserzeit '

Ulf der Nocdseite des Forums in Bauten rein de- i

Gorativen Charakters , so erhob sich dagegen in Ä

derselben Zeit auf den anderen Seiten des Platzes ü

eine Beihe großer und wichtiger Gebäude, welche weiterhin im einzelnen zu besprechen sein werden.

Betrachten wir zuerst die Osbseite. Hier ent- stand wohl am frühesten, 7 2 v. Chr., ziemlich genau in der Mitte dieser Langseite, der Tempel des Genius des Augustus [VIII auf dem Plan) ; dann, bald nach 14 u. Chr., das anstoßende, an der Kcke des Forums und der Abbondanzastraße hegende Gebäude der Eumachia (XXI) . Etwa um dieselbe Zeit mit letzterem, ward an der Nordost- ecke das s. g. Pantheon (XXIII), eine Verkaufs- 1 halle fiir Victualien [macelium], erbaut. Endlich 3 ward der Baum zwischen Pantheon und Augustus- j tempel ausgefüllt durch die gewöhnlich für den & Sitzungssaal der Decurionen {aenacuium] gehal- ^ tene, nach vom weit geöffnete, hinten durch eine g halbrunde Nische abgeschlossene Halle (XXII). 3 Gleichzeitig ward vor dem Pantheon eine Keihe g Ton Läden (Wechslerbuden?) angelegt, durcli deren 2 ungleiche Tiefe der Winkel, welchen die Front des "^ Pantheons mit dem Forum bildet, wenigstens an- g nähernd ausgeglichen wurde. Zwei Straßen, s welche früher von Osten her auf das Forum mün- 8 deten, wurden durch diese Gebäude gesperrt und ,w in Sackgassen verwandelt. Südlich von der Strada ^ ddt Ahbondama erfuhr die s. g. Schule jetzt oder » vielleicht schon früher einen vollständigen Umbau. ■*

Auch die ganze Südseite des Forums vmrde ;;'

von neuen Gebäuden eingenommen : wir finden .tj:

hier drei fast gleich große Gebäude (XIX), die je ^

einen großen Saal mit einer geräumigen Nische im Hintergrund bilden, im übrigen aber keineswegs ganz gleichartig sind. Hie sind bekannt unter dem Namen der drei Curien ; zwei derselben liegen ziemlich symmetrisch, der offenen Area des Fo- rums entsprechend, die dritte bildet den südlichen Abschluss der westlichen Säulenhalle. In ihrer jüngsten Gestalt stammen diese Gebäude offenbar aus der letzten Zeit Pompejis; doch werden wir weiterhin sehen, dass sie nach sicheren Anzeichen wenigstens in ähnlicher Gestalt schon früher vor- handen waren. Eine Straße, welche von Süden her

72 Zweites Capitel.

auf das Forum mündete, wurde durch diese Bauten so verengt, dass sie nur noch als Fußweg benutzt werden konnte. Ihr Pflaster und westliches Trottoir ist zwischen der mittlem und westlichen Curie sichtbar; sie blieb durch eine hier angebrachte Thür zugänglich.

In der letzten Zeit Pompejis, nach dem Erdbeben von 63 und wohl gleichzeitig mit dem Wiederaufbau der Curien, ward auch der nördliche Theil der Westseite umgestaltet durch einen zusammenhangenden Complex neuer Gebäude. Wir sahen oben, dass in oskischer Zeit an die nördliche Um&s- sungsmauer des Venustempels eine nach Norden geöfihete Säulenhalle ange- lehnt war, welche sich auf einen Platz öffnete, von dem wir nicht bestimmen konnten, wie er vom Forum getrennt war. Diese Säulenhalle wurde in römi- scher Zeit verbaut und in Räume unbekannter Bestimmung verwandelt ; an dem Platz ward östlich eine Pfeilerporticus, westlich eine geräumige Verkaufs- halle angelegt. Zwischen diesem Platz nun und dem Forum errichtete man eine geräumige, mit einer Pfeilerstellung auf das Forum geöffnete Halle ( XVII ) , welche durch zwei aus den Langseiten vorspringende Pilaster in zwei Abtheilungen zerlegt wird. Man hat in diesem Raum eine Gemäldegal- lerie [stoa poiküe) , oder einen Versammlungsort zu Unterhaltung und Gespräch (lesche) erkennen wollen. Doch ist wohl die Annahme wahrscheinlicher, dass er als Kaufhalle dem Handelsverkehr, etwa dem Frucht- und Gemüsehandel, diente; so erklären sich auch am besten die zwei Abtheilungen^ deren jede einem besondem Handelszweige zugewiesen sein mochte. Wir mögen also diesem Gebäude den Namen einer Fruchthalle beilegen.

Zu derselben Gebäudegruppe gehört die nördlich anstoßende Anlage (XVIa) , ein öffentlicher Abtritt, der hier am Forum am wenigsten entbehrt werden konnte , und der für den Anstand und Reinlichkeitssinn der alten Pompejaner ein rühmliches Zeugniss ablegt. Da die Thüren des schmalen Vor- und des weiten Hauptraumes nicht in einer Axe liegen, so konnten die Vorübergehenden in letztem nicht hineinsehen. Dieser ist an drei Seiten mit einem nach hinten unter der Mauer durch ausmündenden Canal versehen, durch welchen Wasser floss, und über welchem die steinernen Träger des über- deckenden Holzwerkes erhalten sind. Einer ähnlichen Anlage begegnen wir in den Stabianer Thermen , einer kleinem am großen Theater, während be- schränkte Einrichtungen zu derartigen Zwecken überall an den Straßen nicht selten und meist discreter eingerichtet sind, als in unseren modernen Städten.

Immer noch in denselben Zusammenhang gehört das Gebäude] (XVI), welches den nördlichen Abschluss dieser Seite des Forums bildet. Es besteht aus zwei Stockwerken. Das untere hat vom Forum aus einen sehr engen, aus gewaltigen, roh behauenen Lavablöcken gebildeten Eingang, welcher durch eine eisenbeschlagene Thür, deren Spuren noch kenntlich sind , geschlossen war. Durch ihn gelangt man in einen engen, gewölbten Raum, der von oben durch eine schmale Ritze erhellt wird, und aus diesem durch eine zweite Thür in einen ähnlichen aber ganz dunkeln Raum. Das obere Stockwerk besteht aus zwei Räumen, welche weite Öffnungen, nach Art der Läden, auf die nördlich vorbeifirhrende Straße ( Vico dei Soprastanti) haben ; sie liegen aber so hoch

Die Straßen und Plfttie Pompejis. Das Forum ciyile. 73

über dem Niveau der Straße, dass sie von ihr aus nicht unmittelbar, sondern nur über Treppen zugänglich sein konnten.

Zwei Benennungen hat man diesem Gebäude gegeben. Die altherge- brachte Erklärung ist die, dass es das Gefängniss gewesen sei, und in der That sind die unteren Bäume zu diesem Gebrauch wohl geeignet, wenn gleich es natürlicher gewesen wäre, die beiden Zellen so zu legen, dass man zu jeder derselben hätte gelangen können ohne die andere durchschreiten zu müssen. Neuerdings hat Fiorelli hier das städtische Schatzhaus (aerarium) erkennen wollen. Es spricht hierfür die Ähnlichkeit dieser Bäume mit den doch gewiss zu ähnlichen Zwecken angelegten Bäumen unter dem Juppitertempel. In Be- treff der oberen ' Bäume mögen wir alsdann vermuthen, dass sie zu Bureaux der Finanzverwaltung bestimmt waren.

Eine weitere Veränderung auf der Westseite des Forums lässt sich nicht genau zeitlich feststellen. Nämlich die Durchgänge zwischen den oben erwähn- ten, die Portiken des Venustempels vom Forum trennenden Pfeilern wurden zum größten Theil ganz oder bis zu einer gewissen Höhe vermauert. Zugleich wurden die Tufira9aden der Pfeiler heruntergerissen, durch opus incerlum ersetzt, und die Front der somit entstehenden Mauer etwas gegen den Venus- tempel zurückgedrängt. Die einfachen Tufffa^aden entsprachen nicht mehr dem Zeitgeschmack : man wollte hier ohne Zweifel eine moderne Malerei auf Stuck, oder gar Marmorbekleidung anbringen.

Beim Erdbeben des Jahres 63 n. Chr. stürzten wahrscheinlich die schönen alten Sätdenhallen des Forums zum größten Theil ein. Sie in derselben Gestalt beizustellen, lag nicht im Geschmack der Zeit, vielmehr begann man den Bau neuer Portiken aus dem feinen weißen Kalkstein, den man in Neapel Travertin zu nennen pflegt, und war zur Zeit dfer Verschüttung noch in voller Arbeit begriffen. Eine Probe der neuen Portiken wird zum ersten Capitel des zweiten Abschnittes gegeben werden ; sie stehn mit ihren derben, uneleganten Formen, ohne Cannellirung und ohne Gliederung des Frieses, künstlerisch weit unter den älteren. Dagegen sind sie constructiv vollkommener: die Anwen- dung eines Holzarchitravs ist hier vermieden worden, und die Gebälkstücke sind durch Keilschnitt (horizontale Wölbung) verbunden, der Art, dass je zwei auf je einer Säule ruhende Stücken ein drittes zwischen sich halten, wie auf der angeführten Figur sichtbar ist.

Auf der Ostseite, nördlich der Abbondanzastraßc; bieten die Gebäude der

Kaiserzeit, wie ein Blick auf den Plan zeigt, keine gemeinsame, in grader

Linie fortlaufende Front. Bei ihrer Orientirung ist offenbar nicht die Bich-

tung des Forums, sondern die der hier früher in etwas schiefem Winkel auf

dasselbe ausmündenden Straßen maßgebend gewesen: so musste hier eine

vielfach gebrochene Linie entstehen, zumal einige dieser Gebäude mehr,

andere weniger vorspringen. Wir werden hieraus wohl schließen, was wir

oben unentschieden lassen mussten, dass die Portiken des Vibius Popidius

sieb nicht hierher erstreckten, denn sonst würde doch wohl im Anschluss an

sie hier, wie gegenüber, eine grade Front entstanden sein. Wenn also bei

der Neugestaltung des Forums in der letzten Zeit Pompejis diese Seite anders

74 Zweites Capitel.

behandelt wurde als die gegenüberliegende, so schloss man sich darin nur dem an, was früher gewesen war.

Man hat nämlich auch bei der letzten Umgestaltung nach dem Erdbeben darauf verzichtet, hier eine gleichmäßig durchgehende Säulenhalle herzustellen, und sich damit begnügt, vor den einzelnen Gebäuden Säulenhallen zu errich- ten, welche zu denselben gehörten und unter einander wohl eine gewisse Ähnlichkeit hatten (oder haben sollten ; denn sie wurden nicht fertig) , sich aber keineswegs vollkommen glichen. Das Gebäude der Eumachia (XXI) hatte, wie wir weiterhin sehn werden, vermuthlich von Anfang an eine Vorhalle, welche in der Bauinschrift mit dem Worte Chalcidicum bezeichnet ist. Zur Zeit des Unterganges war man beschäftigt, sie in Travertin , im Einklänge mit der neuen Forumsporticus, zu erneuern. Die Säulen standen so weit von dem Körper des Gebäudes entfernt, dass man es fiir nöthig gehalten hat, zwischen die Südwestecke des letztem und die südlichste Säule noch eine Säule einzu- schieben. An den Fuß einer jeden Säule, auch der zuletzt genannten, stellte man auf der dem Innern der Vorhalle zugewandten Seite eine Basis für eine Statue. Wegen der großen Tiefe der Vorhalle hat man vermuthet, dieselbe habe noch eine zweite Säulenreihe erhalten sollen ; offenbar mit Unrecht, wie aus der Basis am Fuße der erwähnten Seitensäule hervorgeht; denn dann würde ja die hier stehende Statue nicht dem freien Raum der Vorhalle, son- dern einer Säulenreihe zugewandt gewesen sein, was doch nicht wohl denk- bar ist. Außerdem hätte eine zweite Säulenreihe schwerlich so spurlos sammt ihrem Fundamente verschwinden können.

Vor dem Tempel des Genius des Augustus (s.g. Mercurtempel, VIII) sind keine Spuren einer Säulenhalle erhalten, doch geht der Travertinstylobat des Gebäudes der Eumachia hier unverändert weiter. Dagegen finden wir vor dem s. g. Senaculum (XXII) in regelmäßigen Entfernungen Lavaquadem, welche offenbar bestimmt waren, Säulen zu tragen ; von der sich hier ergebenden constructiven Schwierigkeit wird weiterhin die Bede sein. Vor dem s. g. Pan- theon (XXIII) standen schlanlj:e Marmorsäulen, und an jeder , auf der Innen- seite, wie beim Gebäude der Eumachia, eine Statuenbasis.

Diese Statuenbasen leiten uns hinüber zu einem weitem Schmuck des Forums , zu den zahlreichen , auf der offenen Fläche desselben errichteten Denkmälern , welche größtentheils in Reiterstatuen bestanden , wie aus der Form der auf unserm Plan angegebenen Basen hervorgeht. Es scheint, dass man seit der ersten Kaiserzeit mit der Errichtung dieser Monumente begann. Eines der ältesten derselben dürfte der in der Mitte der Südseite stehende, enge und niedrige Bogen sein : auf ihn hat Fiorelli mit Wahrscheinlichkeit eine trümmerhafte Inschrift (/. R. N, 2202 und 6377, 16; C. L L. X, 805) bezogen, laut welcher er dem Augustus nach dem Jahr 12 v. Chr. gewidmet worden ist. Vermuthlich trug er, mit Marfnorplatten und Säulen geschmückt (cum omamentis suis sagt die Inschrift) die ßeiterstatue des Kaisers. Zu jeder Seite erhebt sich eine gewaltige Basis : von beiden ist nur der Kern aus gelbem Tuff erhalten : sie waren ohne Zweifel mit Marmor bekleidet und trugen wohl jede mehrere Reiterstatuen. Dazwischen sind vier Basen für je eine Reiter- statue symmetrisch vertheilt; weitere vier, die sich am Südende der Ost- und

Die Straßen und Plätze Pompejis. Das Forum trianguläre. 75

Westseite gegenüberstehen, und eine große, in der Axe des Forums, gegen- über der Abbondanzastraße, der eine ähnliche in dem nördlichen Theil, vor dem Juppitertempel, entspricht, vollenden den Schmuck des südlichen Theils des Forums.

Blicken wir nun weiter nach Norden, so zeigt sich uns eine auffallende Erscheinung. Auf der westlichen Seite finden wir eine ganze Reihe Basen für Reiterstatuen, dazwischen ziemlich genau in der Mitte (das Stück neben dem Juppitertempel nicht mit gerechnet) eine größere Basis, auf der mehrere, etwa drei, der gewöhnlichen Basen für Reiterstatuen neben einander gestanden zu haben scheinen, endlich hinter den Reiterstatuen, auf der der Porticus vor- gelegten Stufe, vier Basen für einfache Statuen. Dagegen standen auf der Ostseite keine Statuen, und umgekehrt fehlen auf der Westseite die Statuen im Innern der Portiken. Es ist also in dieser Beziehung die Anordnung ge- macht worden für den Anblick aus dem östlichen Umgange. Wer sich z. B. in der Vorhalle des Gebäudes der Eumachia befand, sah zunächst vor sich die in dieser Vorhalle selbst an den Säulen stehenden Statuen, weiterhin die der Westseite. Dagegen wer unter der gegenüberliegenden , westlichen Porticus stand, sah die Statuen dieser Seite von hinten, die der Ostseite gar nicht, da sie ihm durch die Säulen verdeckt wurden. Es ist dies dasselbe Verfahren, welches in Bezug auf die Schmalseiten befolgt ist, nur dass es uns hier viel natürlicher erscheint und nicht auffällt. Der höchste Gott ist gedacht als der ideale Be- trachter des Forums : ihm zeigt keine Statue den Rücken, sondern alle sind entweder ihm oder der Längenaxe zugewandt ; besonders reich aber sind sie an der ihm gegenüberliegenden Seite gruppirt. Es ist also die Ausschmückung des Forums in gewissem Sinne keine centrale, auf einen in der Mitte stehen- den Beschauer berechnete, sondern es ist eine zweiseitige Anordnung befolgt, der Art, dass zwei Seiten vorzugsweise als sehend, die beiden anderen als ge- sehn behandelt sind. Und zwar müssen wir natürlich die sehenden, die Nord- und Ostseite, als die bevorzugten, vornehmeren betrachten. Unter diesem Gesichtspunkt wird uns die mangelnde Symmetrie der beiden Langseiten we- niger auffallend erscheinen.

3. Das Forum trianguläre.

Der zweite Hauptplatz der Stadt ist das nach seiner dem Dreieck sich nähernden Gestalt so genannte Forum trianguläre neben dem großen Theater ^ welches es mit seiner westlichen Langseite begrenzt. Dasselbe liegt am süd- westlichen Rande des Stadthügels, dessen Niveau jedoch hier bereits bedeu- tend niedriger ist, als am Forum civile (dieses hat 33,50, jenes nur 26 M. mitt- lere Höhe) **); sein Boden ist jetzt bloße Erde, der Platz aber sorgfältig geebnet. Den künstlich steil gemachten Abhang (im S. und SW.) bekleidet eine etwa % M. hohe Futtermauer aus Lava-Incertum, welche hier die Stelle der Stadt- mauer vertritt und durch in den letzten Jahren vorgenommene Ausgrabungen wieder sichtbar geworden ist. Am Südende des durch die niedrige Mauer 5 (Fig. 32) abgetrennten schmalen Streifens war nach Mazois eine breite, nach Süden führende Treppe : jetzt ist aber von derselben nichts zu sehn, und die Existenz

76 Zweites Capitel.

derselben ist wohl sehr zweifelhaft. Am Fuß des Abianges sind antike Stein- brüche sichtbar [vgl. S. 47). An allen nicht an den Abhang stoßenden Seiten ist der Platz von Säulengängen umgeben und von Mauern eingeschlossen, so dass

Fig. 33. I^an dei Forum triuiguUce.

er nur durch die in diesen Mauern gelassenen Thiiren betreten werden konnte. In der Mitte liegen die dürftigen Reste eines dorischen Tempels, welcher alle anderen Tempel Pompejis an Alter weit Überragt.

Entstehung und Geschichte, Bedeutung und Bestimmung des Platzes wer- den uns klar werden, wenn wir seine Beziehung ins Auge fassen einerseits zu dem Tempel, andererseits zum Theater. Ohne Zweifel war hier von Alters her der geheiligte Platz, das Temenoe des Tempels, und ist dies der Ursprung des Platzes. Ebenso unzweifelhaft aber hatte derselbe nicht von Anfang an diese Größe und seltsame Form. In dieser Form ist er das Resultat der benachbarten Anlagen, namentlich des Theaters (XXV) und der zu ihm gehörigen, später als Gladiatorenkaseme benutzten Porticus (XXVII): er entstand, indem man den bei der Einfügung dieser Anlagen in das Straß ensystem übrig bleibenden Raum künstlerisch gestaltete. Zugleich aber wurde er in directe Beziehung zum Theater gesetzt. Von den vier Eingängen, durch welche man zum mitt- lem Theil des Zuschauerraumes gelangt, sind zwei, von den beiden, welche zum obem Theil führen, ist einer von hier aus zugänglich. Mit einem Theater muBsten, wie Vitruv [V, 9, 1) vorschreibt, Säulenhallen verbunden sein, um bei plötzlich eintretendem Regen dem Publikum Zuäucht zu gewähren : sicher sollte diesem Zweck nicht n\ir die spätere Gladiatorenkaseme, sondern auch die Portiken des Forum trianguläre dienen.

Außerdem aber bildete dieses mit seiner Vorhalle den stattlichsten, ja den einzigen monumentalen , daher sicher den officiellen und festlichen Zugang zum Theater. Freilich müssen wir, um dies zu verstehen, auf eine ältere Ge- stalt dieser Anlagen zurückgehen. Bei <^ fuhrt eine (besser auf dem großen Plan ersichtliche] breite, monumentale Treppe über den auch hier künstlich steil gemachten Abhang hinunter. Ihr unterer Abschluss ist ihrer ganz unwürdig : sie endigt vor einer Quermauer, und man gelangt dann seitwärts über zwei

Bie Straßen und Plätse Pompejis. Das Forum trianguläre. 77

kleine Treppen einerseits in die Gladiatorenkaseme, andererseits in den Raum hinter der Bühne. Es ist nun aber neuerdings in unzweifelhafter Weise nach- gewiesen worden, dass dies nicht immer so war, dass an der Stelle der aus der nördlichen Porticus der Gladiatorenkaseme zugänglichen Kammern einst ein zweiter, auf den Platz hinter der Bühne geöffneter Säulengang lag. Ob der- selbe Ton der nördlichen Halle der Gladiatorenkaseme durch eine Mauer, oder nur durch eine Säulenreihe getrennt war, lässt sich nicht entscheiden. Wie dem aber auch sei , er bildete die directe Fortsetzung der Treppe , omd es ist klar (am besten sichtbar auf dem weiterhin zu ge'benden Plan des großen Thea- ters), dass man von ihm aus, links umbiegend, unter einer weitem Säulen- halle (die ohne Zweifel auch schon vor dem Bau des kleinem Theaters vor- handen war) theils auf die Bühne, theils durch den östlichen Seiteneingang (Parodos, 7 auf dem Plan des Theaters) in die Orchestra gelangte. Ziehen wir nun femer in Erwägung, dass, wie wir oben (S. 66) sahen, der Straßenzug vom Forum bis zu den Propyläen des Forum trianguläre im Anschluss an die Ausschmückimg des Forums in spätoskischer Zeit in seiner Bauflucht sorgfältig geregelt und mit Tuflfa^aden geschmückt , und so die beiden Plätze in Verbin- dung gesetzt wurden, so wird uns klar, dass ohne Zweifel bei festlichen Ge- legenheiten der Zug der den Spielen versitzenden Behörden und andere feier- liche Au&üge auf diesem Wege sich vom Forum ins Theater bewegten. So war also die Vorhalle des Tempelhofes zugleich der Haupteingang des Thea- ters. Und dem gemäß entsprechen die beiden (freilich in ihrer jetzigen Gestalt aus römischer Zeit stammenden) Thüren der Vorhalle nicht den beiden langen Säulengängen, sondern der eine liegt in der Mitte, der andere, und zwar der breitere, links, d. h. eben auf der Seite des Theaters. Wir bemerken noch, dass man auch noch' in römischer Zeit, als das kleine Theater erbaut wurde, auf diesem Wege ins Theater zog; denn das kleine Theater wurde so angelegt, dass der westliche Zugang zur Orchestra der Treppe und der sie fortsetzenden Säulenhalle gegenüber zu liegen kam ^2) .

An dem abgestumpften spitzen Winkel der beiden langen Schenkel des Platzes, vor dem aus zwei Thüren bestehenden Haupteingang, liegt eine Säulen- halle von sechs ionischen Säulen und zwei an die Anten gelehnten Dreiviertel- säulen , welche zu den besten Monumenten Pompejis gehört. Sie ist neuerdings unter Er^nzung der fehlenden Stücke theilweise wieder aufgerichtet worden und auf der beigehefteten Ansicht abgebildet. Die Rückwand dieser Vorhalle ist weit jünger, als die der samnitischen Zeit angehörige Anlage des Platzes und der Vorhalle selbst; sie besteht aus Ziegeln und dürfte der letzten Zeit Pompejis nicht fem stehen. Von ihren beiden Thüren entspricht die linke, größere, der östlichen Säulenhalle ; sie war, wie an der Lavaschwelle kenntlich, durch eine Flügelthür verschließbar. Die andere entspricht dem mittlem Intercolum- nium der kurzen vordem (Nord-) Halle. Da aber die Travertinschwelle älter ist als die Mauer, so erkennen wir deutlich an den für die Holzverkleidung der Pfosten [antepagmenta] bestimmten Löchern, dass sie ursprünglich nicht, wie jetzt , rechtwinklig durch die Mauer ging , sondern schräg nach links , und dass sie so dem Streifen zwischen der Osthalle und der niedrigen Mauer 5 ent- sprach. Femer finden wir in dieser Schwelle wohl Löcher für Riegel, aber

78 Zweites Capitel.

keine für Angeln: es war hier also n\ir eine leichte, an den antepagmenta hangende Gitterthür mit horizontalen Angeln. Diese Verschiedenheit der beiden Thüren bestätigt unsere Auffassimg des Platzes und seiner Propyläen : der Platz selbst schien durch eine leichte , wohl meist geöffnet« Gitterthür hinlänglich geschützt ; dagegen war die große Thür links für Festzüge reser- virt und für gewöhnlich mit einer soliden Thür verschlossen.

Treten wir durch die Thüren ein, so befinden wir uns unter dem sich an den beiden langen Schenkeln des Platzes hinziehenden Säulengange, welcher aus 100 dorischen Säulen bestand, von denen einige jetzt sammt dem leichten Gebälk wieder aufgerichtet sind. An der Seite des Theaters hat der Säulen- gang 117,80 M. Länge, an dem andern Schenkel 65 M., so dass er, die kleine Seite des Einganges von 16,60 M. eingerechnet, bei 5 M. Breite fast genau 200 M. Gesammtlänge hatte. Nach dem Abhang zu ist die Aussicht ganz frei gelassen. Auf den langem Schenkel öffnen sich mehre Eingänge. Der erste (a) führt in die ebenfalls der samnitischen Periode angehörende sogenannte Curia isiaca, yon deren Bedeutung unten gehandelt werden soll ; durch den zweiten und dritten (i, c) gelangte man zu ebener Erde in den überwölbten Umgang [crypta^ 1 auf dem Plan des Theaters) und aus diesem auf die mitt- leren, durch b außerdem über eine Treppe zu den von der Crypta getragenen oberen Sitzreihen des Theaters, und über eine von der genannten sich abzwei- gende Treppe auf die oberste Platform desselben ; der kleine vierte Eingang [c'] führt unmittelbar über eine gleich hinter der Thür beginnende Treppe auf die obersten Sitzreihen. Von der Treppe bei d und der andern zweifel- haften, jedenfalls nicht mehr erkennbaren bei e war schon die Rede.

Die ziim Tempel gehörigen Monumente werden besser weiterhin mit diesem zusammen besprochen. Parallel mit der Säulenhalle des langem Schenkels zieht sich über den ganzen Platz eine niedrige Mauer (5) , von der man ein Stück in Fig. 43 sieht und welche von einem vergittert gewesenen Durchgange bei der Fa9ade des Tempels durchbrochen ist. Dieselbe, jetzt nur in ihrem Kern erhalten, soll mit schwarzem Stucco überzogen gewesen sein, in welchen in ziemlich weiten Zwischenräumen weiße Marmörstücke incrustirt waren. Wahrscheinlich ist diese niedrige Mauer ursprünglich eine Schranke gewesen, welche den geweihten Boden des Platzes um den Tempel und seine Altäre von dem Profanterrain längs der Säulenhalle abgrenzte, ohne zugleich ihn abzuschließen und die Aussicht zu rauben, und gewiss ist, dass alle gehei- ligten Gegenstände jenseits, westlich, von dieser Schranke liegen und dass die Öfihung in derselben sich grade der Ecke des Tempels gegenüber befindet. Dass diese Mauer zugleich, wie man gemeint hat, als eine Bank zum Sitzen gedient haben mag, ist vielleicht möglich, nur ist sie gewisslich nicht zu diesem Zwecke auf den freien Platz hingebaut, wo keinerlei Schutz g€;gen die Son- nengluth ist oder war, und wo zu der Zeit, als der Tempel noch aufrecht stand, nicht viel von der Aussicht auf die Gebirge und das Meer zu genießen gewesen sein kann. Die damit zusammenhangende Ansicht, welche in den abgegrenzten Stücken zugleich eine Art von Stadium, eine Bahn für gymnastische Übungen erkennt, denen man auf der Bank sitzend zugeschaut hätte, lässt sich auch in keiner Beziehung erweisen.

Die Straßen und Plätze Pompejis. Das Forum trianguläre. 79

Durchaus der von hier aus wahrhaft köstlichen Aussicht zu Liebe ist dagegen ein von zwei geflügelten Löwentatzen eingefasster halbrunder Sitz [schokij 6) an der nordwestlichen Ecke des Tempels erbaut. Er trägt auf seiner Lehne eine Sonnenuhr [haroloffiüm] , von der weiterhin die Rede sein soll, und in die Lehne eingelassen eine Travertinplatte mit einer Inschrift (/. R. N. 2227 ; (7. i. L. X, 831), welche besagt, dass zwei Rechtsduumvim , L. Sepu- nius Sandilianus, M. Herennius Epidianus (nach der Schrift etwa um die Zeit des Augustus) den Sitz und die Sonnenuhr auf eigene Kosten machen ließen. Zwei ganz ähnliche Sitze finden sich an der Gräberstraße wieder, und ein dritter, erst halb ausgegrabener, kommt vor dem Stabianer Thor zum Vorschein. Von einer Schranke, welche von diesem Sitze gegen die vordere Ecke des Tempelfundaments lief, ist nur der Ansatz an dem Sitze erhalten.

An der Säulenhalle entlang finden sich mehre Cisternen zur Aufbewah- rung des Regenwassers, während eine größere Rinne in der Mauer des kurzem Schenkels (7j das überflüssige Wasser aufzunehmen und abfließen zu lassen bestimmt war. Die Säule x dem Eingang gegenüber ist von einer Brunnen- röhre durchbohrt, wie eine ähnliche den Brunnen an der Vorhalle dieses Platzes speiste; das Wasser fiel in eine Marmorschale, deren cannellirter Fuß noch am Platze steht ; von diesem Brunnen wird weiter unten insbeson- dere zu reden sein. Endlich sehn wir an dem Ende der langen Schranke dem Eingange gegenüber [Sj die Basis einer Ehrenstatue, welche nach ihrer' Inschrift (/. B. N. 2228 ; C. I. L. X, 832) dem Patron der Colonie M. Claudius Marcellus, wahrscheinlich dem Neffen und Schwiegersohn des Augustus [starb 23 V. Chr.) , gewidmet war.

Über den nördlich vom Amphitheater belegenen, Forum boarium, Ochsen- cd» Viehmarkt benannten, wieder verschütteten Platz ist so wenig Einzelnes bekannt, dass derselbe nach dieser Erwähnung mit Stillschweigen übergangen werden kann.

Wir wenden deshalb unsere Aufmerksamkeit den einzelnen öffentlichen Gebäuden Pompejis zu und beginnen mit den Tempeln, welche in mannig- &chem Betracht ein überwiegendes Interesse in Anspruch nehmen.

80 Drittes Capitel.

Drittes Capitel. Die öffentlichen Gebäude.

' Erster Abschnitt.

Die Tempel und Capellen,

Der Betrachtung der pompejanischen Tempel und Capellen werden wenig- stens einige allgemeine Bemerkungen über Zweck und Bedeutung , Anlage^ Raumvertheilung und bauliche Construction in den verschiedenen Erschei- nungsformen der Tempel, sowie über den an sie geknüpften Cultus voranzu- senden sein, durch welche der Betrachtung der einzelnen Monumente größeres Interesse und Leben verliehen werden wird. Und zwar ist hier von der grie- chischen wie von der italischen Tempelanlage zu reden, weil wir neben der in allen übrigen Tempeln von Pompeji hervortretenden italischen Bauform in dem s. g. Tempel des Hercules, dessen Ruinen auf dem Forum trianguläre stehn, ein Beispiel des griechischen Tempelbaus haben.

Der antike Tempel, ausgenommen etwa den Weihetempel, in welchem die Mysterien gefeiert wurden, war nicht, wie die christliche Kirche, Versamm- lungsort für die Gemeine, Bethaus für eine Menge Menschen, welche gemein- samer Gottesdienst vereinigte , sondern seiner Grundbestimmung nach das Haus des in seinem Bilde persönlich anwesend geglaubten Gottes und daher sein Name im Griechischen »Naosa (das Haus), im Lateinischen aedis, gleich dem griechischen Naos.

Aus dieser seiner Bestimmung folgt erstens, dass der eigentliche Tempel, der Naos oder die Cella, selbst in den größten Gebäuden nie von einer solchen Bedeutung im Maßstabe oder von einer solchen Anordnung der Häumlich- keiten war, dass er viele Menschen fassen sollte oder konnte ; denn es gab bei Griechen und Römern keinen Cultusact, welcher für die Theilnahme und gleichzeitige Anwesenheit einer großen Menschenmenge im Tempel berechnet gewesen wäre ; auch da wo an großen Festtagen der Tempel offen stand und von vielen tausend Menschen besucht wurde, geschah doch der Besuch nur im Zu- und Abgang. Die großen Festopfer und Festschmäuse, an denen das Volk gemeinsam Theil nahm, wurden nicht im Tempel, sondern vor demselben ge- halten, wo, wie dies auch die pompejaner Tempel zeigen, mit noch nicht genau übersehbaren und bestimmbaren Ausnahmen, die Brandopferaltäre standen, während in der Cella sich nur Speiseopfertische oder Altäre für unblutige Opfer, Früchte, Kuchen und Räucherwerk, befanden.

Aus demselben Grundprincip folgt zweitens, dass bei einer Erweiterung und Vergrößerung des Heiligthums es nicht sowohl auf ein Hinausrücken der Wände ankam, als vielmehr darauf, die z\im äußern Schmuck der Cella be- stimmten Bautheile zu erweitem und zu vermannigfiichen.

Und drittens ergiebt sich aus demselben Grundprincip, was schon in dem eben Gesagten mitenthalten ist, dass bei dem antiken Tempel der nach außen gewendete Schmuck der Architektur und der mit ihr verbundenen Schwester-

Die öffentlichen Qeb&ude. Tempel und Capellen. gl

künste den innem Schmuck des Tempels in demselben MaBe überwiegt , wie mngekehrt bei der christlichen ELirche das Innere über das Äußere.

Es ist nicht dieses Ortes, auf die verschiedenen Formen und auf die all- mählichen Erweiterungen des Tempelbaues in nähere Erörterungen einzugehn ; vielmehr wird nur das hervorzuheben sein, was zum Yerständniss der dem- nächst im Einzelnen zu durchmusternden pompejanischen Ruinen nothwendig erscheint.

Demgemäß sei in Beziehung auf die griechische Tempelanlage erwähnt, dass der ein&chen Cella, welche den ursprünglichen Kern bildet und welche

Fig. 33.

i

a G6lU, b Cnltasbild, c Binclieraltar.

nichts enthielt, als das Cultusbild omd den Speiseopfertisch oder den Bäucher- altar, zuerst eine offene Vorhalle (Pronaos) vorgelegt wurde, welche durch die verlängerten und mit einem Stimpfeiler (Ante, Parastas) abgeschlossenen Sei- tenwände und zwei zwischen den Anten stehende Säulen gebildet wird, wie Fig. 34 zeigt:

Fig. 34.

a Cella (Naoi), b Vorhani (Pronaoe), c Sftnlen, d Anten.

So entsteht das templum in antis. Der Vorhalle folgt dann, um die hintere Fa^de des Tempels ähnlich zu gestalten, eine entsprechende Hinterhalle (Opisthodom, e),

welche wie der Pronaos hauptsächlich zur Aufstellung von Weihgeschenken diente und durch diese ihren bedeutsamen Schmuck erhielt. Die Cella selbst aber wurde durch die Aufnahme des Cultusbildes ein geheiligter Kaum, der nur von demjenigen betreten werden durfte, der sich einer symbolischen Reinigung durch Besprengimg mit dem ähnlich wie in der katholischen Kirche vor dem Eingang aufgestellten Weihwasser, fließendem Quell- oder Salzwasser unterzogen hatte. Der Antentempel erweitert sich auf der nächsten Entwicke- lungsstufe durch eine vor die Flucht der Anten gestellte, freistehende Säulen- reihe unter Beibehaltung oder Unterdrückung der zwischen den Anten stehen- den Säulen zum »Prostylos«

Fig. 36.

und durch die Wiederholung dieser offenen Säulenhalle auch an der Hinter- seite zum »Amphiprostylos«, während durch die Herumfiihrung der Säulen- halle rings um die ganze Cella die Form des »Peripteros«

Overbeek, Pompeji. 4. Anfl. 6

82

Drittes Capitel.

Fig. 37.

gewonnen wurde, dessen Name von der Bezeichnung der seitlichen Säulen- hallen als »Pteron« (Flügel) herstammt. Es ist von selbst einleuchtend, dass der Peripteraltempel mindestens sechs Säulen in der Front haben musste, während die gestreckte Figur der Cella es mit sich bringt, dass an den Langseiten die doppelte Zahl der Säulen (die Ecksäulen mitgezählt) stehn musste, was indes- sen dahin abgewandelt erscheint, dass dieselben der Regel nach in ungrader Zahl errichtet wurden, dass ihrer also, abgesehn von manchen bedeutenderen Schwankungen , an den Langseiten entweder eine mehr oder (seltener) eine weniger, als die Doppelzahl der Frontsäulen standen. Die so gewonnene Säu- lenhalle diente aber nicht, wie man nach Vitruv annehmen könnte, als Um- gang för Menschen oder gar als Zufluchtsort bei plötzlichem Regen ; einen so äußerlichen Zweck verband man nicht mit der Anlage, der Heiligthümer ; viel- mehr diente die rings umlaufende Säulenhalle wie die Vorhalle des Prostylos hauptsächlich zur Aufstellung von Weihgeschenken, weswegen die Interco- lumnien (der Raum zwischen den Säulen) vergittert und nicht selten auch die Säulen mit der Langwand der Cella wie folgt:

durch leichte und niedrige Schranken verbunden wurden, wodurch ein Kranz von Capellen um den Ilaupttempel entstand. Noch sei bemerkt, dass das von der Säulenhalle umgebene Tempelhaus entweder die Form des einfachen oder (wie in Fig. 37) doppelten Antentempels oder auch des Prostylos und Amphi- prostylos haben konnte. Diese letzte Form stellt die höchste Vollendung des Peripteros dar; wenn in ihr aber, wie das bei dem Parthenon der Fall ißt, die Vorhalle anstatt von nur 4 von 6 Säulen in der Front gebildet wurde, so musste der äußere Säulenumgang auf die Zahl von 8 Säulen anwachsen, denen 17 an den Langseiten entsprachen. Eine in Griechenland höchst seltene Nebenform ist die des »Pseudoperipteros« (scheinbaren Peripteros) , bei der die thatsächlich den Tempel umgebende Säulenhalle an den Langseiten nur durch Halbsäulen vertreten wurde, welche aus der Cellamauer vorsprangen. Wurde dagegen der freie Säulenumgang verdoppelt,

Fig. 39. Dipteros.

Die öffentlichen Gebäude. Tempel und Capellen.

83

so entstand als größte Form des griechischen Tempels der »Dipterosa, welcher selbstverständlich wenigstens 8 wie der Peripteros 6 Säulen in der Front haben musste, aber auch zehnsäulig wie der Peripteros achtsäulig vorkommt, während, wenn die innere Säulenreihe des Dipteros unterdrückt, die äußere aber in dem Abstände zweier Intercolumnialweiten um das Tempelhaus gefuhrt wurde, die Form des »Pseudodipteros«

Fig. 40. Pseudodipteros.

entstand , welcher sich der griechische Tempel auf dem Forum trianguläre Pompejis durch die Breite seiner Umgänge nähert, ohne sie doch in normaler Weise darzustellen.

Ehe nun der im Vorstehenden skizzirten Gestaltung des griechischen Tempels diejenige des italischen gegenübergestellt wird, sei, um diese vnch- tige Bauform nicht ganz mit Stillschweigen zu übergehn , mit einem Worte der Hypaethraltempel gedacht. Es war nämlich bei bestimmten Gottheiten ein Cultus unter freiem Himmel erfordert. Um jedoch das Tempelbild und was sonst im Innern der Cella aufgestellt war, nicht schutzlos den Unbilden des Wetters preiszugeben, wurde nicht die ganze Cella, sondern nur ein mittlerer Theil derselben unbedacht gelassen, das Tempelbild aber im Grunde der Cella und ein Umgang um diese überdacht. Bei kleineren Tempeln konnte die hypaethrale Öffnung des Daches und der Decke einfach mit Hilfe der quer- über geführten Balken, ähnlich wie bei dem toscanischen Atrium geschaffen werden, bei größeren aber nur vermittels einer innern Säulenstellung, ähnlich wie bei dem tetrastylen oder korinthischen Atrium des Hauses (s. Cap. IV, Abschn. 1). Die innere Säulenstellung aber wurde, lun leichtere Säulen an- wenden zu können, in zwei Geschossen über einander mit einem Zwischen- gebälk construirt, mit welchem zugleich der Regel nach eine obere, an den Langseiten der Cella hinlaufende Gallerie verbunden war, zu welcher Treppen vom oder hinten in der Cella empor führten. In Pompeji bot der Juppitertempel ein Beispiel einer solchen doppelten innern Säulenstellung, ohne dass er jedoch hypaethral gewesen wäre. Dass die Anordnung der hypaethralen Öffnung zu- gleich das einfachste und wirksamste Mittel bot, um dem Innern auch der größten TempelceUa volles und günstiges Licht zuzuführen , braucht kaum gesagt zu werden ; es war dies um so wichtiger, als Fenster in den Cellawänden höchstens in ganz einzelnen Ausnahmefällen vorkamen und die Beleuchtung durch die Thür nur bei kleinen Cellen genügen konnte.

Endlich ist noch hervorzuheben, dass der griechische Tempel vom gemei- nen Boden stets nur durch einen flachen Unterbau abgehoben wurde, welcher mit einer ungraden Zahl von Stufen profilirt wurde, die für die Beschreitung

34 Drittes Capitel.

von Menschen nicht bestimmt und, namentlich bei großen Tempeln, auch viel zu hoch waren; dem Bedürfhiss der Besucher des Tempels dienten niedere Stufen, welche dem Eingange gegenüber in die großen eingelegt wurden.

Orientirt war der griechische Tempel der Regel nach, wenn auch nicht ausnahmslos und keineswegs stets genau, von West nach Ost , d.h. sein Tempelbild stand im Westen und sein Eingang war im Osten, was bekanntlich bei der christlichen Kirche umgekehrt ist, wo der Eingang im Westen und der Ilauptaltar im Osten liegt. Umgekehrt sollten die römischen (italischen) Tempel, wie mehre Schriftsteller lehren, der Theorie nach gegen Westen orientirt sein, so dass der vor ihnen Opfernde die aufgehende Sonne anblickte; so lehrt noch Vitruv. Später scheint die Orientirung nach Osten Eingang gefunden zu haben. Indess schreibt Vitruv gleichzeitig vor, dass häufig von der normalen Orientirung abzuweichen sei aus Rücksicht auf locale Umstände, z.B. auf die an dem Tempel vorbeiführenden Straßen. In der That lehrt eine Durchmusterung der erhaltenen römischen Tempel, oder auch nur derer in Pompeji, dass dieselben nach den allerverschiedenaten Weltgegenden orientirt sind. Für Pompeji scheint durchaus der Straßenzug maßgebend gewesen zu sein ; und zwar verfuhr man im Allgemeinen so, dass der an zwei Straßen liegende Tempel mit seiner Längenaxe der einen Straße parallel oder fast parallel zu liegen kam, während die Front von der Richtung der hier vorbei- führenden Straße so weit abwich, als es die Schiefwinkligkeit der Straßen- kreuzimg mit sich brachte ^^) .

Ein wichtiger Unterschied zwischen dem griechischen und dem römischen Tempel betrifft die Plananlage. Die griechische Tempelcella stellt ein mehr oder weniger langgestrecktes Viereck dar und dies Oblongum wird in allen Tempelformen von der kleinsten bis zur größten beibehalten. Der römische Tempel dagegen wird ursprünglich von einem dem Quadrat sich nähernden Rechteck eingeschlossen, dessen eine Hälfte von der Cella und dessen andere von einer dieser vorgebauten Säulenhalle eingenommen wird. Bei diesem Verhältniss blieb es auch dann, wenn, wie bei den meisten uns bekannten Tempeln, die ganze Anlage mehr in die Länge gezogen wurde : in demselben Maße wie die Vorhalle durch Vermehrung der vor den Anten stehenden Säulen und Vorlegung einer den Altar tragenden Platform wuchs, wurde auch die Cella vertieft, doch stets so, dass die Schwelle der Eingaugsthür die ganze, nun oblong gewordene Anlage halbirte. Nur die so angelegten Heiligthümer führten im technischen Sprachgebrauch den Namen templum, alle übrigen, wie namentlich die Rundtempel, hießen aedes sacrae.

Ein letzter Unterschied zwischen griechischen und römischen Tempeln betrifft den Unterbau, welcher, wie oben gesagt, bei den griechischen Tem- peln als eine ringsumlaufende Stufenreihe behandelt wurde, während er bei den römischen Tempeln als ein mehr oder weniger hohes Podium erscheint, dem nur an der Frontseite eine sei es einfache, sei es doppelte Treppe vorge- legt wurde, deren verschiedene Gestaltungen uns die pompejanischen Tempel zeigen.

Ein Wort muss endlich noch über die Umgebung des Tempels gesagt werden. Da der Tempel in seiner Gesammtheit ein Heiliges, also eigentlich

Die öffentlichen Gebäude. Der Tempel auf dem Forum trianguläre. S5

Unbetretbares ist, dem nur derjenige nahen durfte, der ohne Sünde und Makel war, und sich durch ein Bad physisch, durch die Besprengung mit Weihwasser symbolisch gereinigt hatte, da femer der ebenfalls geweihte und deshalb un- betretbare Altar vor dem Tempel stand , so musste man streben, die ganze heilige Anlage durch irgend ein Mittel gegen die AuBenwelt abzuschließen. In der Kegel geschah dies durch eine Umzäunung oder Ummauerung eines großem Stückes Landes um den Tempel ; dies nannte man den Peribolos (die Umfassung] des Tempels, und dieses zum Theil (wie z. B. in Olympia) sehr beträchtliche Stück Land, welches selbst von einer solchen Ausdehnung sein konnte , dass es mehre Nebenheiligthümer und Cultusgebäude mit umfasste, ' war profanem Gebrauche entzogen imd diente höchstens um außer den heiligen Bauwerken die Priesterwohnungen aufzimehmen. Wir finden diesen heiligen Peribolos bei mehre^ pompejaner Tempeln, als hohe Mauer z. B. beim Tempel des Apollo und dem der Isis, als niedere Schranke (vgl. S. 78) bei dem griechischen Tempel auf dem Fonmi trianguläre. Bei denjenigen Tem- peln aber, welche, wie z. B. derjenige der Fortuna Augusta in Pompeji, un- mittelbar an Straßen standen, also keinen Peribolos haben konnten, wurde die Unzugänglichkeit durch Vergitterung der Treppen hergestellt.

Nach diesen allgemeinen einleitenden Betrachtungen wenden wir uns unserem Hauptgegenstande, den Tempeln und Capellen von Pompeji zu. Wir beginnen billig mit dem ältesten dieser Gebäude, dem einzigen von rein grie- chischer Anlage.

1. Der Tempel aaf dem Forum trianguläre.

Von diesem Tempel ist nichts erhalten, als der Unterbau, der im Profil als fünf große Stufen behandelt ist, zwei Säulenstümpfe und eine Spur einer dritten Säule, alle drei neben einander an ihrem alten Platze, Keste der Cella- mauer, die 0,55 M. hohe, 1 M. im Durchmesser starke ruu,de Basis für das Tem- pelbild und vier Capitelle. Diese dürftigen Reste zeigt die Ansicht Fig. 41 zum größten Theil. Der Fußboden sowohl der Cella als des Umganges zwi- schen ihr und den Säulen war mit Ziegelmosaik [opxis Signinuni) belegt.

Die Geringfügigkeit dieser Reste wird in den Ausgrabungsberichten des Jahres 1767 daraus erklärt, dass der von nur sehr wenig Erde bedeckte Tempel durch die Bauern, welche hier ihre Pflanzungen anlegten, zerstört worden sei. Gewiss hat dies mitgewirkt. Es steht aber vollkommen fest, dass von dem alten dorischen Bau im Jahre 79 n. Chr. nur wenig anehr übrig war. Eine genaue Prüfung der Reste der Cella ergiebt nämlich, dass von denselben nur einige an ihrem alten Platz liegende Quadern der rechten und Rückmauer, sowie die beiden Schwellen, dem alten dorischen Tempel angehören, alles übrige einem sjMlter an der Stelle der alten Cella und mit Benutzung jener Reste erbauten bescheidenen und dürftigen Heiligthum, welches nicht genau in der Mitte des Unterbaues, sondern etwas mehr rechts lag (vgl. Fig. 32) . Die Basis für das Götterbild, welche rechts von der Axe sowohl des altem als des jungem Tem- pels steht, scheint aus einer Säulentrommel des alten Baues zurecht gemacht zu sein 5*). Von einem Altar im Pronaos (Fig. 32) ist nichts erhalten; vielleicht

erschlosB ihn Mazois aus jetzt nicht mehr sichtbaren Spuren im Fußboden.

Die Zerstörung des alten Tempels darf nicht auf das Erdbeben des Jahres 63 n. Chr. zurückgeführt werden, sondern fällt in weit frühere Zeit. Das gute und feste , dennoch aber stark vemutzte Ziegel- mosaik des Fußbodens des j üngem Baues trägt keineswegs den Stem- pel der letzten Zeit; und dieser Fußboden setzt in der Nordecke eine ebenfalls alter- thümlicbe Stuckbe- kleidung (0,011 groI» Unterlage, 0,009 Zie- gelstuck] voraus, welche offenbar , als dei Fußboden gemacht wurde , nicht mehr vollständig erhalten war, sondern auf der Nordwest wand fehlt, ihrerseits aber auch den Neubau voraus- setzt, so dass wir die- sen wohl sicher in re- publikanische Zeithin- aufdatiren müssen.

Wenn nun gleich von dem alten Tempel nicht viel mehr übrig ist , so genügt doch diea wenige, um über Grundriss, Bauart und Stil desselben einiger- maßen zu urteilen. Der Grundriss, den wir mit dunklerer SchrafGrung

Die öffentlichen Gebäude. Der Tempel auf dem Forum trianguläre.

87

der erhaltenen Theile in Fig. 42 geben, und zu dem nur noch zu bemerken

ist, dass der Säulendurchmesser ganz unten 1,1 S5 beträgt, kann als fast ganz

sicher gelten. Die elf Säulen der Langseiten ergeben sich mit Nothwendig-

keit aus den erhaltenen Intercolumnien und dem hinlänglich feststehenden

Yorderrande ; die Eckintercoliunnien müssen, gegen die Regel des dorischen

Baustils, eben so weit, nicht enger gewesen sein, als die anderen. Für die

11+1 Schmalseiten aber ist nur die Zahl von sechs ( - ; vgl. S. 82) möglich.

Hierbei wird nun freilich die (übrigens nicht ausnahmslos beobachtete) Regel

verletzt, dass die Cent- ren zweier Frontsäulen den äußeren Fluchtli- nien der Seitenwände der Cella entsprechen: eine zweite Abwei- chung von den Regeln der strengen dorischen Bauweise. Wegen eben

dieser Abweichung können wir in unserem Tempel keinen eigent- lichen Pseudodipteros (S. 83) erkennen ; denn es ist wesentlich für diese Tempelform, dass die Seitenumgänge je zwei Frontintercolum- nien entsprechen, un- ser Tempel repräsen- tirt keines der be- kannten Schemata : charakteristisch ist für ihn die Breite der Um- gänge und das eben

hierdurch weniger fühlbar gemachte Feh- len der Entsprechung von Cella und Säu- len ^*j . Die Cella ist getheilt in Naos und Pronaos : wo beide zu- sammenstoßen , war Fig. 42. GrundriBs des griechischen Tempels. j^j rechten Seiten-

mauer von außen eine ihr parallele, 0,28 M. von ihr entfernte, 2,78 lange, 0,75 dicke, bis zur Höhe von 0,81 erhaltene Quadermauer vorgelegt; später ist sie in der Länge

iOM,

88 Drittes Capitel.

verkürzt und von den oberen Steinen an der innem Seite abgehauen worden. Eine antike Verbindung zwischen ihr und der Cellamauer, auch der des Neu- baues, ist nicht erweislich. Über ihre Bedeutung sind wir im Unklaren: viel- leicht war es eine Basis für mehre Statuen ; wir dürfen vermuthen, dass ihr auf der Westseite etwas ähnliches entsprach.

Die messbaren Verhältnisse der Säulen (unten 1,185, oben 0,95 M.), die schwere Profillinie des Capitells (Echinos) und die Mächtigkeit seines Plinthos (1,50 M. breit), in Verbindung mit der engen Stellung der Säulen lassen uns nicht zweifeln, dass wir es mit einem beträchtlich alten Monumente zu thun haben , das in seiner Gesammtheit etwa den Stil des großen Tempels von Paestum zeigen würde. Das Podium und die Säulen sind aus dem grauen Tuff von Nocera, die Capitelle aber aus Samokalkstein, weil der Tuff für ihre starke Ausladung zu wenig haltbar gewesen sein würde. Von den alten Cella- mauem sind Quadern aus Tuff, Kalkstein und Lava erhalten. Das Ganze war, wie bei anderen griechischen Tempeln von weniger edelem Material als Marmor, mit feinem und hartem Stucco leicht überzogen, jedoch nicht so be- kleidet, dass der Stucco irgendwo zum Träger auch nur des geringsten Gliedes benutzt wäre ; der Tempel muss ursprünglich in seinen feineren Gliedern bemalt gedacht werden. Die Traufrinne war mit Löwenköpfen sehr alter- thümlichen Stils aus Thon geschmückt : einer derselben ist gefunden worden und befindet sich im Localmuseum in Pompeji (abgebildet Fiorelli, Gli Scavi dt Pompei 1861 72, Tf. XX; v. Rohden, Terracotten von Pompeji, Taf. I). In den erhaltenen Säulenstümpfen finden sich Spuren einer zwischen ihnen angebrachten Vergitterung.

Über den Namen der Gottheit, der dieser Tempel geweiht gewesen sein mag, sind vielerlei Vermuthungen aufjgestellt worden, welche hier nicht ver- mehrt werden sollen. Was sich für den gewöhnlichen Namen, Tempel des Hercules, etwa sagen lässt, ist neuerdings von Fiorelli erörtert worden ; dass es überzeugende Kraft hätte, wird man schwerlich behaupten wollen, und ebenso beruhen die Benennungen, welche ihn l)ald dem Juppiter, bald dem Neptun, bald dem Bacchus zuschreiben, auf keinen stichhaltigen Gründen. Auf Grund der Orientining, und weil er im Forum trianguläre die Burg [arx] von Pom- peji erkennt, glaubt Nissen (Templum S. 204, Pompej. Studien S. 336 ff.), dass hier die Stadtgöttin von Pompeji verehrt wurde, für welche er beispiels- weise den in anderen samnitischen Städten vorkommenden Namen Juno Po- pulona vorschlägt , indem er vermuthet , dass auf sie von den sullanischen Colonisten der Name der Venus Pompejana, der Schutzgöttin des römischen Pompeji, übertragen worden sei. Als einigermaßen sicheres Resultat kann jedoch auch dies nicht gelten, zumal die Bezeichnung als Burg für diesen von dem anstoßenden Stadttheil überragten Platz doch wenig geeignet ist und der Tempel, wie wir sahen, auch vor dem Erdbeben von 63 n. Chr. von recht dürftiger Beschaffenheit war. Da nur ein Tempel gjriechischer Anlage in Pompeji steht oder stand , so genügt diese Bezeichnung zur Verständigung über denselben , und wird beizubehalten sein , bis sich einmal bestimmtere Argumente für eine nähere Benennung finden.

Die Stufen des Unterbaues sind zu hoch, um auf ihnen hinaufzugehn ; es

\

Die Öffentlichen Qebftude. DeT Tempel «uf dem Forum triangulsie. g9

ist daher auf der Frontseite eine Treppe von neun Stufen angebracht. Am Fufie dieser Treppe steht vor dem Tempel ein lüthselhaftes Monument : eine niedrige Umfassungsmauei, innerhalb deren eine kleinere Fläche, in der Weise wie es der Plan (2 auf Fig. 32j zeigt, durch eine zweite niedrige Mauer abge- theilt ist. Man hat hier einen Verschluss für Opferthiere vor dem Opfer, andere einen Aufbewahrungsort für die Asche der Opfer erkennen wollen. Auch hat mtm vermuthet, es sei eine Umfassung des Brandaltars, nach Art der Ustrinen bei Grabstätten. In der That ist es schwer zu glauben, dass an dieser Stelle etwas anderes als der Hauptaltar gewesen sein sollte ; aber die eigenthiimliche Form dieser Umfriedigung- wird auch so nicht erklärt, und vor allem findet sich von dem Altar keine Spur. Neuerdings hat Nissen (Pomp. Studien S. 340) hier den Begiäbnissplatz der Friesterinnen der Stad^ttin erkennen wollen. Wir bescheiden uns lieber, hier ein ungelöstes Räthsel zu sehen, indem wir nur nvcb bemerken , dass dies Monument frühestens der Zeit des Augustus aDgeKören kann, und vermuthlich jünger ist, als der Neubau des Tempels'»).

Neben dieser Umfriedigung stehen drei Altäre [3) ; weiter vorwärts bei 4 die^auf Fig. 43 abgebildete Ruine eines nach der oskischen Inschrift des Epi-

Fi^. 43. BTUunenhaui.

«tyls vom Meddix tuticus Nmnerius Trebius erbauten Gebäudes. Auf einem kreisförmigeu Unterbau von 3, TU M. Durchmesser stehen acht dorische Säulen, welche das Gebälk mit der erwähnten Inschrift trugen. Letzteres [Fig. 43 das Stück rechts, und Fig. 44) war offen- bar zur Aufnahme weitem Gebälkes oder eines Daches hergerichtet. Dieser kleine Rundbau ist ein Brunnenhaus. Er umschließt nichts anderes als eine o,78M.in derHöhe, 0,65 M. im Durch- messer (im Lichten) messende Brun-

neniuiindnng aus Tuff, von der in « « .

■■ -.1 1. i !■ j 1. Fiir. 44. Oeiaon (Sims) des Bninnenhauae».

rompeji gewohnuchen cylindriscnen °

Fonn, auf einem aus mehren Quadern

beitehenden viereckigen Unterbau. Merkwürdig ist es, dase sich keine deutliche

Spuren von Ausschleifung durch die Seile der Schöpfeimer zeigen, und man hat

90 Drittes Capitel.

deshalb vermuthet. es sei kein Brunnen, sondern eines jener Monumente, welche man unter dem Namen puteal und in der Gestalt von Brunnenmündungen auf Stellen errichtete, welche durch das Einschlagen des Blitzes geheiligt waren. Es ist aber sicher eine wirkliche Brunnenmündung; denn in ihr findet sich, auch unter dem Niveau der äußern Fläche, "nicht der natürliche Erdboden, sondern unverkennbar die Eruptionsmassen des Jahres 79 n. Chr., und zwar Asche, unter der wir also noch die Lapilli voraussetzen müssen. Auch fehlen die Spuren der Seile nicht ganz, wenn sie auch nicht so stark sind, wie man in dem weichen Stein erwarten sollte. Wir können nicht entscheiden, ob man durch den Fels gebohrt und eine Quelle gefunden hatte (wie dies an zwei Stellen in Pompeji geschehen ist) oder ob hier eine Cisteme war. Sicher schöpfte man hier das zum Gottesdienst und zur Beinigung des Tempels nöthige Wasser 37).

Die übrigen Tempel Pompejis tragen den Gesammtcharakter der eigent- lich italisch-römischen Anlage, innerhalb dessen sie jedoch Verschiedenheiten darbieten, welche sie einer Einzelbetrachtung durchaus würdig machen. Voran sei bemerkt, dass sie sämmtlich in korinthischer Ordnung oder in jenem korin- thisirenden Stil gebaut oder umgebaut sind, welcher die römische Mischgat- tung charakterisirt.

2. Der Tempel des Juppiter.

In dem am obem Ende des Forums liegenden und dasselbe beherrschenden Tempel (VII auf dem großen Plan) waren die Restaurationsarbeiten nach den Beschädigimgen vom Jahre 63 noch keineswegs beendigt. Eine neue Wand- decoration war noch nicht gemacht worden : die theilweise erhijtene (Fig. 46) kann nach ihrem Stile spätestens der ersten Zeit des Augustus angehören. Allerlei Marmorarbeiten waren dort im Gange : man fand nach den Ausgra- bungsberichten (21. Jan. 1817) ein Fragment einer Colossalstatue , aus dem man eben beschäftigt war, eine kleinere Statue zu machen.

Mit Unrecht hat man gezweifelt, ob das Gebäude wirklich ein Tempel sei, und hat man in demselben vielmehr einen Sitzungssaal des Stadtrathes (Curie, Senaculum) erkennen wollen. Alles spricht dafür, dass es in der That ein Tempel ist: die Lage auf dem hervorragendsten (nicht höchsten, wie auch gesagt worden ist) Bauplatz der Stadt und die gesammte charakteristische Anlage: die Cella mit dem Unterbau für das Cultusbild im Hintergrunde, die vor ihr liegende Säulenhalle mit der zu ihr hinaufführenden Treppe. Haben wir femer mit Recht in dem auf S. 71 abgebildeten Relief eine Ansicht der Nord- seite des Forums erkannt , so erfahren wir aus demselben auch noch, dass auf der Platform am Fuße der Treppe ein Altar stand. Die gewölbten Keller- räume, welche sich unter dem ganzen Gebäude ausdehnen und durch acht 0,85 M. lange und 0,8 M. breite Löcher im Fußboden der Vorhalle \md der Cella [a Fig. 45 u. 48) spärliches Licht erhalten, können wir entweder yai?w«atf nennen imd annehmen, dass hier Tempelgeräth bewahrt wurde, oder wir kön- nen vermuthen, dass, wie in Rom das Aerarium im Tempel des Saturn wat, so auch hier, wenigstens in vorrömischer Zeit, der Stadtschatz aufbewahrt wurde.

Die öffentlichen Qeb&ude. Der Tempel des Juppiter. 91

Die Zutheilung an Juppiter beruht auf einer Inschrift und einem Juppi- terkopff die man in der Cella gefunden hat. Die Inschrift (/. R. N. 2212 + 6321 ; C. /. L. X, 796) enthält eine im Jahre 37 38 zu Ehren des Kaisers Caligula an den Juppiter optimus maximt^^ den capitolinischen Juppiter, ge- machte Dedication; freilich wissen die Ausgrabiingsberichte nur von dem Funde der einen Hälfte derselben; die andere, über deren Auffindung nichts überliefert ist, fand Fiorelli im Nationalmuseum vor. Was den Kopf betrifft, so sagen die Berichte, man habe am 21. Jan. 1817 einen Colossalkopf des Juppiter aus Alabaster gefanden. Da nun das Museum in Neapel, wohin er doch gekommen sein muss. keinen Kopf aus Alabaster besitzt, so erkennt man den pompejanischen Kopf nicht ohne Wahrscheinlichkeit in der jetzt im Zim- mer des colossalen Zeusfragments aus Cumae aufbewahrten Büste (No. 6266), einem der vorzüglichsten der auf uns gekommenen Bilder dieses Gottes. Außerdem besitzt das Museum nur noch einen Zeuskopf (No. 6260). Dies ist aber kein vollständiger Kopf, sondern nur das abgesägte Gesicht, gehört außerdem zusammen und ist ohne Zweifel zusammen gefanden worden mit einem ebenso behandelten Junokopf, beides Umstände, von denen die Aus- grabungsberichte nicht schweigen würden. Außerdem heißt es, man habe im Tempel Votivgliedmaßen (wie sie noch jetzt in katholischen Kirchen zimi Dank für wunderbare Heilungen aufgehängt werden) aus Erz und Stein ge- funden. Allein dieselben sind jetzt nirgends nachzuweisen , und vermuthlich ist diese Nachricht, von der die Ausgrabimgsberichte nichts wissen, unrichtig.

Sehr wohl denkbar ist es, dass hier nicht Juppiter allein, sondern mehre Götter, vielleicht drei, wie im capitolinischen Tempel Juppiter, Juno und Mi- nerva, verehrt wurden, und es leitet darauf die Form des weiterhin zu erwäh- nenden großen Piedestals an der Rückseite der Cella, dessen Form (breit 7,83, tief 2,84 M.) weit eher für mehre als für eine Statue geeignet ist. Grade an die capitolinische Trias zu denken, ist nicht nöthig, zumal die Entstehung des Teto- pels vor die Zeit der römischen Colonie fällt. Nissen (Pompej. Studien S. 326) meint, dass neben Juppiter Ceres und Venus standen, welche beide Göttinnen allerdings in römischer Zeit in Pompeji besondere Verehrung genossen : nach der Venus nannte sich die Colonie (s. oben S. 12) und öffentliche Priesterinnen der Ceres kennen wir aus verschiedenen Inschriften. Nissen führt außerdem an, dass im Kellerraum des Tempels eine Hand mit Ähren und Mohnköpfen und eine andere mit einer Blume (Attribut eines gewissen Venustypus) gefun- den sei. Doch führen diese Umstände keineswegs zu einem bündigen Schluss, da wir vom Venuscultus vor der Zeit der Colonie doch nichts sicheres wissen, und andrerseits es keineswegs als erwiesen gelten darf, dass alles im Keller- raum gefundene zum Tempel gehört hat. Zudem war die Hand der ver- meintlichen Venus von natürlicher Größe, die der Ceres überlebensgroß ^s).

Der Tempel bildet im Plan (mit dem Unterbau) ein Rechteck von 16,98 X 37,0 M. Von der Länge kommen 5,91 M. auf die Treppe, 12,02 M. auf die Vorhalle, 18,43 M. auf die Cella (einschließlich der Mauern), 0,65 M. auf den hinten vorspringenden Theil des Unterbaues, so dass also eine die Länge halbirende Linie auf die Schwelle der Cella (deren Vofdermauer 0,84 M. dick ist) fäUt. Die Freitreppe, von schmalen Treppenwangen ein-

92 Drittes Cspit«).

gefasst, besteht aus zwei Abtheiluiigeii. Die unterste hat zwei schmale Stufen- aiifgänge, welche eine breite Platforni umschließen. Letztere hat man, unter der Voraussetzung, unser Gebäude sei das Senaculum, für die I{«dnerbuhue

Fig. 45. Plan des Juppitert«mpeli (Norden links).

gehalten, von der man zur Volksversammlung sprach, und in der lliat, da sich andere Ro»tra nicht finden , ist es sehr wahrscheinlich, dass sie zu diesem Zweck benutzt wurde, Ihr eigentlicher und nächster Zweck war aber ohne Zweifel, den Opferaltar zu tragen, den an eben dieser Stelle auch der Fortuna- tempel hat, und den uns eben hier das mehrfach erwähnte Relief (S. 71) zeigt. Mit Unrecht hat man in der auf dem Forum vor der Front liegenden Aufmaue- rung den Altar des Tempels erkennen wollen: es ist eine aus später Zeit stammende HaHiH für eine Statue, jünger als das Travertinpflaster des Forums. Dagegen muss allerdings erwähnt werden, dass diese Platform nicht alt ist; nicht älter als die gleich zu erwähnenden Treppenwangen ; doch hindert uns nichts, anzunehmen, dass hier auch schon firiiher eine ähnliche Anlage bestand.

Neben diese untere Abtheilung der Treppe wurden später nach Art von breiteren Treppenwangen zwei auch auf dem Plan sichtbare Piedestale gebaut, welche, wie das erwähnte Kelief zeigt, Reiterstatuen trugen. Die zweite Ab- theilung der Treppe erstreckt sich mit sieben Stufen durch die ganze Breite des Daues.

Über diese Treppe gelangt man durch die Frontsäulen hindurch in den Prouaos oder die Vorhalle des Tempels. Die Pracht dieses Platzes ist fast ganz verschwunden ; von den zwölf Säulen, welche ihn einst umgaben, sind nur Reste übrig geblieben , daninter drei an ihrem Platze stehende Basen ; die übrigen Trommeln hat man nach der Ausgrabung so vertheilt, dass wenigstens die Plätze der Säulen durch sie bezeichnet werden (s. Fig. 29). Nur in der Phantasie können wir diese unten 1 M. dicken, aus Tuff gearbeiteten und mit weiSem Stuck bekleideten korinthischen Säulen etwa 12 M. emporschießen lassen (s. Fig. 47 und iH) und nur in der Phantasie sehn wir die von ihnen getragene leichte und farbig strahlende Decke über unseren Häuptern schweben.

Die öifentlicheii Geb&ude. Der Tempel des Juppiter. 97

Aber einen andern prachtvollen Anblick genießen wir mit leiblichem Auge, ehe wir die heilige Schwelle der Cella überschreiten ; noch einmal um- gewandt, sehen wir das Forum mit allen seinen bedeutenden Kuinen vor uns, dann weiter hinaus die herrliche Gegend, in der über Stabiae und Castellammare das Schloss Quisisana liegt und als Abschluss das kühne Profil des Monte S. Angelo, der sich als mannigfaltig gestaltete Bergwand vor unseren Augen lang hinstreckt und sich allmählich, für unsere Blicke bis etwa in die Gegend von Sorrent verfolgbar, zum Meere hinabsenkt.

Jetzt betreten wir die Cella, deren Boden ringsum mit schwarzweißem Mosaik belegt war, während in der Mitte nur eine eigenthümlich in 0,09 M. breite Streifen getheilte Mörtelschicht erhalten ist, welche entweder einem feinem Mosaik oder einer Marmortäfelung als Unterlage gedient haben wird. An beiden Seitenwänden, und zwar nur 1,04 M. von denselben entfernt, bemerken wir zwei Reihen von je acht nur theilweise erhaltenen 4,50 M. hohen , aus Tuflf gearbeiteten und mit weißem Stuck bekleideten ionischen Säulen, welche auf ihrem Gebälk eine zweite korinthische Säulenstellung ge- tragen haben müssen, etwa 4 M. hoch, deren Capitelle gefunden sind. Dass an den Seitenwänden in der Höhe des Zwischengebälks eine Gallerie an- gebracht war, ist möglich; sie diente alsdann der Festigkeit und konnte außerdem zur Aufstellung von Statuen und Weihgeschenken benutzt werden ; wie sie hätte zugänglich sein können, ist; wenigstens auf der linken Seite, durchaus nicht ersichtlich. Die korinthischen Säulen trugen die auch hier leicht aus Holz construirte und farbenstrahlende Felderdecke. Denn dass der Tempel hypaethral gewesen sei, kann wegen seiner ganzen Baumanordnung unmöglich angenommen werden. Die ganze Rückseite des breiten Mittelschiffs wird durch einen Einbau eingenommen, welcher drei kleine, dunkele, durch Thüren verschließbare Kammern enthält^ zugleich aber zweifellos als Basis für ein wahrscheinlich sitzendes Cultusbild, oder noch wahrscheinlicher, wie schon oben angedeutet wurde, für mehre Cultusbilder diente. Die Ecken waren ursprünglich als Pilaster, der obere Band als Architrav gebildet, zwei weitere Pilaster theilten die Vorderseite; doch ist bei einem spätem Umbau auf der Vorderseite diese architektonische Gliederung beseitigt und dafür eine Mar- morbekleidung angebracht worden, deren dicke Mörtelunterlage noch theil- weise erhalten ist; ursprünglich war die ganze Basis mit Stuck bekleidet. Durch eine hinter der eigentlichen Cella gelegene, von vom nicht sichtbare Treppe stieg man aus dem linken Seitenschiff auf die Basis, eine Einrichtung, welche zu gottesdienstlichen Zwecken, z. B. zur Bekränzung der Götterbilder, nothwendig war. Was die Bestimmimg der drei Kammern betrifft, so ist es das Wahrscheinlichste, dass in ihnen gottesdienstliches Geräth aufbewahrt wurde, z. B. der Schmuck, welcher den Götterbildern bei festlichen Gelegen- heiten angelegt wurde. Eine dem Zugang zur Treppe entsprechende Thür am Ende des rechten Seitenschiffs ist antik vermauert, und wir wissen nicht, wo- hin sie führte.

In Anbetracht der Entstehungszeit des Tempels dürfen wir vermuthen, dass die Wände der Cella einst eine Stuckdecoration ersten Stils (Nachahmung von Marmorbekleidung durch plastische Arbeit) trugen. Ist das richtig, so ist

94 Drittes Oapitel.

dieselbe in nicht näher l)eBtimmharor Zeit, spätestens in der ersten Zeit des AuguBtiis, emeuerungsbedürftii» geworden; denn die erhaltene Decoration (F'ig, 4C) zeigt den zweiten Ktii, während der Sockel noch später im dritten Stil (also spätestens etwa 5U n. Chr.) erneuert worden ist. Sie ist erhalten bis etwa zur Hühe der untern Säulenstellung; der Sockel ist schwarz, mit weißen Linien und klei- nen blauen, gelben und rothen Feldern (die den Fugeuschnitt andeutenden Linien sind nicht vor- handen] ; dann folgt ein gelber Streif und dann (zweiten Stils] eine Reihe violetter liegender Rechtecke. Von -den Feldern der Hauptfläche sind die großen zinnoberroth mit weiBHchem. scheinbar prolilirtem, die schmalen gelb mit grü- nem Rande; der Eierstab ist gelb, der Mäander violett, gelb, grün und weifi. Wetter die größeren Rechtecke grün mit gelbem Rande, die kleinen violett. Der Fries zwischen dem weißlichen Epi- styl und Gesims ist violett; oben folgen noch liegende Rechtecke (gelb, grün). Auf unserer Figur fehlen die gemalten Consolen, welche, auf YoTsprüngen des Epistyls stehend, zum Gresims hinau^ichen.

Die Säulen sind tief canneUirt und hatten sicher ursprünglich nur einen feinen, sich den Formen des Steines genau anschließenden Stuck- Wand au« dem jtfppitert«mpel. Überzug; spater, vieUeicht erst nach der Zeit der Decoration zweiten Stils, erhielten sie eine dicke , die feinen alten Formen ganz verbergende Stuckumhüllung. Und einen ähnlichen Vorgang können wir auf der Außenseite des Tempels beob- achten. Die weiße, durch plastische Arbeit in große Felder getheilte Stuck- hülle derselben ist dem spätem Stuck der Säulen gleichartig. Doch sind auf der Westseite, namentlich an der Nordwestecke, Reste eines frühem, sorgfältiger bearbeiteten Stucks sichtbar, in welchem namentlich der später ganz formlose Kamies des Unterbaues reicher und feiner profilirt war. Diese Reste sind älter als die ältesten Theile der hier ansetzenden, das Forum nördlich abschließen- den Mauer ; und da diese Mauertheile, ihrer Bauart nach und in Anbetracht der mehrfachen späteren Veränderungen der ganzen Mauer (s. oben S. 67}, schwerlich jünger sind als die Decoration zweiten Stils in der Cella, so folgt, dass die erwähnten Stuckreste auch älter sind , als besagte Decoration, und unsere Annahme, dass sie nicht die erste war, sondern ihr eine ersten Stils vorhei^ng, gewinnt auch von dieser Seite an Wahrscheinlichkeit.

Die folgenden Abbildungen geben den Tempel nach Mazois' Restauration im wahrscheinlichen Aufriss von der Seite , wobei die durchgehende Linie Erhaltenes und Ergänztes trennt (s. Fig. 47) , und im Längendurchschnitt, welcher die doppelte Säulenstellung im Innern zu vergegenwärtigen bestimmt ist (s. Fig. 48). In letzterer Abbildung sehn wir zugleich, wie das 3,80 M.

Die Cffentlichen Oebtude, Uer Tempel des Juppiter. 95

hohe Basament als Kellei^Bchoss benutzt ist, dessen Eingang auf den Lang- seiteD des Tempek liegt, und -welches sich, wie schon erwähnt, unter dem

Fig, 17. Seitenftnsioht dea JuppitertempelB.

ganzen Gebäude hin erstreckt. Doch ist zu bemerken, dass dieser Baum in eine Anzahl kleiner gewölbter Kammern zerfällt, was in der Abbildung nicht

Fig. 48. DuichBchnitt des JuppitertempeU.

ersichtlich ist. Die Frontansicht des Tempels in seinem gegenwärtigen Zustand und in der Restauration ist bereits oben Fig. 29 »i. 30 gegeben.

Die Bauart des Tempels weist ihn unwidersprechlich der spätoskischen Zeit (Tufl^riode) zu, und zwar wahrscheinlich dem Ende derselben, der zweiten Hälfte des 2. Jahrh. v. Chr. Er setzt die Planirung des Forums vor- aug. Dass an dieser hervorragenden Stelle schon früher, schon seit der Grün- dung der Stadt ein Tempel stand, können wir vielleicht vermuthen, ein be- stimmter Beweis kann aber dafür nicht erbracht werden '*) .

3. ÜfT Tempel den Apollo

(s. g. Venustempel;.

In der (^ella ((/. des großen und stttttlichen Tempele westlich vom Forum (IX auf dem PlanJ, dessen Grundriss Fig. 49 giebt, bestand der Fußboden an den drei inneren Wänden entlang aus schwarz-weißem Mosaik, in der Mitte,

^^^^^^B l,.,,l=PgrTT

*Fig. 49. Plan des ApoUotempela. (Norden rechts).

wie auch unser Plan andeutet , ist er getafelt mit rautenförmigen kleinen Platten von weißem Marmor, grünem Marmor und Schiefer; dieser Theil ist einge&sst durch zwei schmale Streifen von grünem Marmor und von Sdiiefer, und weiter von einem Mäander aus far- bigem Mosaik. Unsere Fig. 50 giebt eine Probe. Auf der Vorderseite nun war in dem Schieferstreifen der Einfassung durch eingebohrte Tind mit Metall ausgefüllte Locher (sieben eine senkrechte, vier eine wagerechte Linie bildend) in oskischen Buchstaben eine bisher nicht bemerkte Inschrift angebracht, welche, obgleich sehr besclüldigt, doch noch fast völlig gelesen oder ergänzt werden kann und besagt, dass der Quaator O(ppiua) Cam- p[aniu3) auf Jleschluss des Käthes aus dem Vermögen des Apollo etwas hat machen lassen. Was er hat machen lassen, ist nicht mit Sicherheit zu ei^änzen ; vielleicht war es der Fußboden **) . Diese Inschrift, im Verein mit dem in der Cella liegenden Omphalos, dem bekannten Symbol des Apollo (einem Tuffr stein in Form eines halben Eies, hoch 0,50 M., Durchmesser 0,73 M.), lässt uns nicht im Zweifel über die hier verehrte Gottheit ; eine weitere Bestätigung giebt ein auf dem ersten Pilaster recht« am Tempelhof gemalter colossalet DreiT- fuß. Die gewöhnliche lienennung als Venustempel stützte sich auf eine miss- verstandene Inschrift, in welcher in Wahrheit von der Coltmia Venerea Cor-

T\f. SO. Fußboden der Cella.

Die öffentlichen Geb&ude. Der Tempel des Apollo |a. g. VenuHtempel). 97

nelia, dem Gemeinwesen Pompejis , die Bede ist, und auf eine im Peribolo» aufgestellt gewesene Venusstatue in halber Lebensgröße.

Der nach Südost orientirte Tempe] begrenzt das Forum (dessen Co- lonnade auf unserm Plan Fig. 49 mit A bezeichnet ist} in dem mittlern Theil der Westseite, hat aber seinen Eingang B von der vergitterten Straße, welche zwischen dem Tempel und der Basilika auf das Forum mündet. Von diesem Eingang aus ist die beiliegende Ansicht aufgenommen. Er führt zu- uäclut in den durchschnittlich 4 M, breiten bedeckten Umgang von 48 Säulen, von dessen östlicher Seite Fig. 51 ein Stück darstellt. Derselbe ist vom Forum

F^. 51. Peribolo« im ApollotempeL

getrennt durch eine Mauer, aus welcher, wie der Plan zeigt, Pilaater vor- springen, die nach Norden zu immer stärker werden und deren nördlichster die Nische mit dem MaBtisch (Fig. 23) enthält. Die Längenaxe desTempels weicht nämlich von der des Forums um etwa ab, in Übereinstimmung mit einer Strafie, welche an dieser Seite des Forums entlang führte, bevor die Säulen- hallen des letütem erbaut und dabei seine Axe etwas verschoben wurde. Diese Abweichung hat man durch die erwähnten Pilaster verhüllt und es so mißlich gemacht , jeden der beiden PMtze durch eine seiner Axe parallele Linie zu n").

ick. Psmptjl. 4. AdI. 7

98 Drittes Capitel.

In der Anordnung der Säulen ist eine Besonderheit zu bemerken ; auf den Schmalseiten stehn dieselben in ungrader Zahl, nämlich neun, und es ergiebt sich daraus, dass der Thür und der Treppe des Tempels kein Inter- columnium etitspricht, sondern eine Säule grade davor steht. Und da man den Eingang des Hofes lieber mit der Porticus, in die er zunächst fuhrt , als mit dem Tempel in Übereinstimmung bringen wollte , so ließ man ihn dem links von der Mitte liegenden Intercolumnium entsprechen. Diese störende Nicht- übereinstimmung zwischen dem Eingang des Hofes und dem des Tempels zeigt auch unsere Ansicht.

Es ist noch deutlich zu erkennen, dass gegen das Forum zu ehemals keine fortlaufende Mauer war, dass jene Pfeiler von ungleicher Dicke nicht durch Mauern verbunden, sondern zwischen ihnen weite Durchgänge waren, durch die man über eine Stufe in den etwas höher gelegenen Tempelhof gelangte. Die Anordnung ist die, dass jeder der beiden kurzen Portiken und außerdem jedem zweiten Intercolumnium ein Durchgang entsprach; nur am Südende musste von dieser Anordnung etwas abgewichen werden, weil sonst ein Pfeiler vor die Südporticus zu stehn gekommen wäre. Diese vielen und breiten Durchgänge konnten als die Hauptzugänge des Tempelhofes gelten, so dass dadurch die schiefe Lage des vordem Zugangs entschuldigt wurde. Und wenn, wie gewisse Umstände vermuthen lassen, in noch früherer Zeit eine einfache Mauer Tempelhof und Forum trennte, so steht nichts der Annahme entgegen, dass auch in ihr ein Durchgang, der Hauptzugang zum Tempel, an- gebracht war.

In späterer, nicht näher bestimmbarer Zeit wurden die Durch^uige zwi- schen den Pfeilern geschlossen. Und zwar ist es ziemlich sicher, dass die vier südlichsten (links auf dem Plan) ganz zugemauert wurden, ebenso der nörd- lichste, nur dass hier eine schmale Thür (1,82 M.) blieb, während die fünf übrigen, welche dem Tempel selbst gegenüberliegen, nur durch eine niedrige Brüstungsmauer gesperrt wurden, so dass der Tempel vom Forum aus sichtbar blieb *2) .

Ein so unvollkommener Verschluss gegen das Forum darf uns nicht Wun- der nehmen ; denn es ist vollkommen erkennbar, dass noch in keineswegs sehr alter Zeit die Portiken des Tempelhofes zugleich als öffentlicher Durchgang dienten. Es ward schon oben (S. 63) erwähnt, dass an die hintere (Nord-) Wand des Tempelhofes eine nach Norden geöffnete dorische Porticus angelehnt war. Dieselbe entsprach aber nicht der ganzen Breite des Hofes, sondern nur dem mittlem, unbedeckten Theil. An der Seite nach dem Forum zu ist das übrig bleibende, der Ostporticus entsprechende Stück eingenommen durch die zum obem Geschoss der dorischen Porticus (und wohl auch der des Apollo- tempels) führende Treppe und durch das daneben liegende kleine Local. Am entgegengesetzten (West-) Ende aber führte direct auf dies übrig bleibende Stück zu die von Norden die Nordwestecke des Tempelhofes erreichende Straße. Ihre Richtung ist offenbar nachträglich geändert und sie weiter nach Westen gewendet worden ; die natürliche Fortsetzung ihrer Westseite fallt zusammen mit der Westmauer des seltsamen , engen , als Passage ganz un- brauchbaren Ganges an der Westseite des Tempelhofes ; die natürliche Fort-

Die öffentlichen Qeb&ude. Der Tempel des Apollo (s. g. Venuttempel). Q^

Setzung der StraBe selbst ist also die Westporticus nebst jenem Grange, wie auf imserm Plan ersichtlich ist. Und ohne Zweifel hatte sie eixist eben diese Fort- setzung, deren Ausmündung auf tlie Strada della Marina vermuthlich erst zur Zeit des Augustus geschlossen wurde, während zugleich die Porticus eine eigene, sie von den anliegenden Häusern trennende Rückmauer erhielt, wo- durch jener schmale Crang entstand. Auf diese Veränderungen, und insbesondere auf den Bau der letztgenannten Mauer bezieht sich wahrscheinlich folgende im Tempelhof gefundene Inschrift : M. Holconius Rufus d. v. «. d. tert, (7. Egna-- tiu9 Postumus d. v. t. d. iter, ex d. d. ius luminum opstrtiendorum IIS oo oo oo redemerunt, pariet&mque privatum coL Ven. Cor. tisque ad tegtUas faciundum eoerartmt. Es ist klar, dass dem Besitzer des anliegenden Hauses durch jene Hauer das Licht verbaut wurde, und das Becht hierzu erkauften die genannten Duumvim von ihm für die gewiss nicht übertriebene Summe von 3000 Sesterzen (652 Mark). Da M. Holconius Bufus im Jahr 3/2 v. Chr. zum vierten Male das Amt des Duumvim bekleidete, so wird sein drittes Duumvirat, in welchem er diesen Bau vornahm, etwa um das Jahr 10 v. Chr. anzusetzen sein^^j .

Die ganze Anlage stammt ihrer Bauart nach aus der Tuffperiode ^^). Die Südmauer des Hofes besteht aus Incertum mit Thürpfosten und Eckpilaster aus Tuff^ mit nach griechischer Weise einfacher und schöner Profilirung. Von den ungleichen Pfeilern sind die dünnsten, südlichsten, ganz aus Tuffquadem aufgesetzt, die anderen aus Incertum mitEcken aus Kalksteinquadem und einer TufflTa^ade gegen das Forum. Die Säulen sind aus Tuff gut und sorgfältig ge- arbeitet und waren mit weiSem, feinem Stuck überzogen , die der Porticus ionisch mit dorischem Gebälk (Triglyphen&ies), die des Tempels korinthischer Ordnung; auch die Bauart der Cella ist die der genannten Periode. Die Por^ ticus war zweistöckig : nicht nur finden wir in den Blöcken des Gebälks die Balkenlöcher für die horizontale Zwischendecke, sondern auf eben diesen Blöcken ist die obere Säulenstellung durch Linien und einmal auch durch einen ELreis vorgezeichnet.

Der Tempel selbst (c) steht auf einer hohen, durch eine Freitreppe b zu- gänglichen Basis; sein Grundriss bildet den vollständigsten Gegensatz zu dem des Juppitertempels. Während dort die weite Cella die ganze Breite des Unter- baues einnimmt, im Innern aber durch zwei Säulenreihen in drei Schiffe getheilt ist, finden wir hier eine kleinere Cella, rings umgeben von 28 Säulen ; die Decke der geräumigen Vorhalle wurde von sechs Säulen in der Front und vier auf jeder Seite getragen. Als er noch ganz erhalten war, muss dieser Tempel, der einzige periptere Pompejis (außer dem griechischen) einen ungemein präch- tigen und eleganten Eindruck gemacht haben, den die nachstehende Restaura- tion (Fig. 52) nicht völlig wiedergeben kann, da bei der geometrischen, nicht perspectivischen Ansicht die Seitensäulen nicht sichtbar werden, auch der obere Säulengang sowohl des Tempelhofes als des Forums weggelassen ist. Von den Säulen sind zwei neuerdings ganz wieder aufgerichtet, von anderen die Stümpfe an ihre Stelle gesetzt worden. Wir überschreiten die Schwelle der Cella, in welcher nach hinten die Löcher der Angeln einer wahrscheinlich hölzernen doppelten Flügelthür, nach vom aber diejenigen einer vermuthlich hronzenen ebenfalls doppelten Gitterthür nebst den mit Bronze eingefassten

Löchern der Rie^l erhalten sind , mit denen diese Terscblossen winde, und zwar 80, dass entweder das mittlere Drittheil allein, oder die ganze Thür ge- öffnet werden konnte. Die Baeis (üi das Tempelbild e steht nicht ganz an der Hinterwand, so dass ein Umgang um dasselbe frei bleibt. Von dem Fußboden war schon oben {S. 06] die Bede. Die Wände sind weiß , durch nicht eben feine plastische Stuckarbeit in Felder getheilt ; doch ist das erhaltene nur als ein freilich sehr hoher Sockel zu betrachten. Offen- bar stammt diese Decoration aus der letzten Zeit Pompejis. Doch kommen unter derselben die Reste einer altem Decoration zum Vor- 3 schein ; wir erkennen deutlich,

'a, dass der Tempel einst im Stil der

Tufi^>eriode decorirt war ; es war W auf seinen Wänden in Stuck eine

g Kekleidung mit bunten Marmor-

platten nachgeahmt, welche durch ein auch in Stuck gearbeitetes Zahnschnittgesims unterbrochen ET war. Auch die Stuckdecoration

§* der Außenseite der Cella gehört

>• der letzten Zeit Pompejis an: iu

X Weiß ist eine Incrustation nach-

s geahmt ; doch sind die fiigen-

■Q schnittartigen Räuder der etnzel-

^ nen Platten mit feinen gepressteu

Ornamenten verziert : ein der Zeit des ersten Stils fremdes Motiv. Links in der Cella liegt gänzlich unsymmetrisch der schon oben [S. 96] erwähnte Omphalos. Ein Tempelbild hat man hier nicht gefiinden: es war wohl durch an- tike Nachgrabungen entfernt wor- den. Indem wir die Cella wieder verlassen und die Treppe hinunter- steigen, haben wir grade vor uns den großen Hauptaltar a aus Tra- vel tin mit Mannorbekrönung, oben mitLavaplattenbedeckt; erwendet

r

T>ie OfibntlicheD GebSude. Der Tempel des Apollo [s. g. Venuitempelj. ]01

dem Tempel eine Schmalseite zu und trägt auf beiden Langseiten die Inschrift : Jf. Poreiat M. f. L. Seziüius L. f. Cn. Gomelitis Cn. f. A. Gormlius A. f. IUI vir. d. d. t.f. locar., welche besagt, dass diese vier Quattuorrim auf Be- schluss der Decurionen den Altar haben machen laaeen, und zwar durch Ver- dingung der Arbeit {de decurionum aententia facivndam hcarunt] . Die Namen (ohne cogtwmen] und der Umstand, dass die DuumTim und Aedilen zusammen als QuattuoFvim bezeichnet sind, deuten auf republikanische Zeit. Links neben der Treppe sehen wir ein niedriges , von LavapUtten gebildetes Rechteck , von dem wir nicht wissen, was es getragen haben mag , rechts (s. die Ansicht) steht eine uncannelKrte Säule aus grauem Marmor mit ioni- schem Capitell, welche einst eine Sonnenulir trug und deren Inschrift [L. Se- puniua L. f. SandUianu» , M. Herennius A. f. Epidianus duovir. i. d. d. t. p.f. c.) aussagt, dass die genannten Rechtsdnumvirn die Säule aus eigenen Mitteln haben herstellen lassen: es sind dieselben, welche die Bank mit der Sonnenuhr auf dem Forum trianguläre (S. 79) stifteten. Rund um den Hof läuft eine Regenrinne f, an zehn Stellen durch viereckige Vertiefungen g un- terbrochen , in welchen sich die XJnreinigkeiten des Wassers niederschlagen sollten ; dies wurde dann in eine Cisteme abgeführt, aus der man es zur Rei- nigung des Tempels schöpfte. Die Regenrinne lauft nicht unmittelbar an den Säulen entlang, sondern es ist dazwischen noch eine 0,65 M. breite Tuffstufe and noch eine Reihe 0,85 bis 0,93 M. breiter Platten zu ebener Erde einge- schoben. Ohne Zweifel schützte ein vorspringendes Dach die auf der Stufe an den Säulen stehenden Statuen, Diese standen nämlich am Fuß von sechs Säulen, dem Hofe zugewandt; an der dritten und fünften [von Süden) der beiden Langseiten, an der zweiten von Westen und der dritten von Osten auf der Südseite; die beiden letzten also standen sym- metrisch zum Eingange des Tempelbofes, nicht zum Tempel. Von diesen Bildwerken steht nur eines noch an seinem Platz an der fünften Säule der rechten (östlichen) Langseite: es ist die Herme, welche schon Fig. 51 an ihrer Stelle und die neben- stehende, nach einer Photographie gezeichnete Ab- bildung [Fig. 53) in etwas größerem Maßstabe in der Vorderansicht zeigt. Sie ist ohne Zweifel männlich, mitkurzemAthletenhaar und jugendlich heroischen, obwohl sehr milden und fest etwas wehmüthigen Zügen, übrigens von vortrefflicher Arbeit, die einen griechischen Meißel verräth. Wen sie vorstellt, e^ebt sich aus einer Stelle des Fausanias, welcher uns berichtet, dass im Gymnasium zu Fhigalia Her- mes dargestellt war , in ein Gewand gehüllt und unterwärts in einen viereckigen Pfeiler auslaufend.

Die Beschreibimg passt genau auf unsere Henne ; Fig. 53. Henne im Peiibolos. und da wir nun eine eben solche in der Palaestra

der Stahianer Thermen finden werden, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass wir hier eine eigenthümliche Darstellung des Hermes, des Gottes der Pa-

102 Drittel Capitot.

laeBtia zu erkennen haben. Unter den übrigen Statuen befand sich nur noch eine jetzt verschollene Herme ; sie wird von einigen Aphrodite, von anderen Maja genannt, und stand der eben besprochenen gegenüber ; denn nur hier findet sich eine offenbar für eine Herme bestimmte , der des Hermes ganz gleiche Basis. Weiter stand an der dritten Säule der rechten Seite die jetzt in Neapel befind- liche schöne Statue des bogenscbießenden Apollon und ihm gegenüber die

Fig. 54. Wand lus den Oemlchem im Peribolos d«* Apollotempela.

ebenda befindliche , nur im Ob^theil erhaltene ebenfalls bogenschieBende Artemis, wie aus den Lochern, in welchen sie auf den Hasen befestigt waren, deutlich hervo^^eht. Beide sind aus Bronze und offenbar als Gegenstücke gearbeitet. Endlich an den beiden genannten Säulen der Vorderhalle standen zwei ebenfalls als Gegenstücke zusammengehörige Marmorstatuen (unter Le- bensgröße) der Aphrodite und des Hermaphroditen (Gerhard, Neap. ant. Bildw. 427. 433), namentlich letztere von guter Arbeit, jene durch antike Überarbei-

Die öffenüiohen Gebftude. Der Tempel des Apollo (s. g. Venustempel) .

103

tnng Terdorben. Vor den beiden Basen in der Südwestecke stehen zwei Altäre, ein größerer und ein kleinerer ; wir werden also vermuthen, dass hier neben der Artemis Aphrodite stand; denn dem Hermaphroditen hat man schwerlich geopfert. Dass auch vor dem Apollo kein Altar steht, erklärt sich einfach daraus, dass ihm ja auf dem groBen Hauptaltar geopfert wurde ^^). Endlich stand noch an jedem Ende der beiden Schmalseiten, dicht an der Ecksäule, auf einer kleinen marmorbekleideten Basis eine Brunnenfigur, von der das Wasser in eine auf der Stufe stehende Schale mit cannellirtem Mar- morfuB fiel ; von den vier Figuren ist keine erhalten ; die Berichte erwähnen eine große Muschel aus Thon, welche auf einem dieser Füße gestanden haben kann, obgleich es etwas seltsam sein würde, eine Thonschale auf einen Mar- morfuß zu stellen.

Sehr reich sind die malerischen Decorationen dieses Tempels. Die Säulen sind in ihrem untern Theile gelb, weiter oben weiß. Die Art, wie diese ursprünglich ionischen Säulen mit dorischem Gebälk mittels Tünche in korinthische verwandelt worden sind , werden wir unten besonders zu betrachten haben. Die Wände des bedeckten Umgangs, welche nach der Seite des Forums hin Nischen von verschiedener Tiefe bilden, sind im Stil der letzten Zeit Pompejis mit geschmackvollen architektonischen Perspectiven bemalt, von denen Fig. 54 eine Probe aus der Zeit besserer Erhaltung bietet. Das Viereck in der Mitte enthält ein noch zum Theil erhaltenes Fresco- gemälde (Heibig No. 1306), in dem man den gegen Agamemnon losstürmen- den , von Athena zurückgehaltenen Achill erkennt. Andere Gemälde aus eben diesem Umgange, jetzt alle fast völlig zu Grunde gegangen (s. Heibig No. a324. 1325 und die Nach- träge S.461 f.), haben ebenfalls heroische Scenen aus dem troi- schen Kreise zum Gegenstande gehabt ; man erkennt mit größe- rer oder geringerer Sicherheit in älteren Publicationen Hektors Schleifung (?) , den vor Achill um die Leiche seines Sohnes bitten- den Priamos, die Gesandtschaft der Grriechen zu Achill (?) und den Kaub des troischen Palla- diums.

Es ward schon oben (S. 98) bemerkt, dass nördlich vom Tem- pelhofe ehemals eine aus der Tuffperiode stammende , nach Norden geöffnete Säulenhalle lag. Später wurden Zimmer aus der- selben gemacht, von denen we- nigstens X zum Tempel gehörte und als Wohnung des a^Ä^ww* (Küsters) betrachtet werden kann. Man gelangte zu derselben durch die Thür *, welche zugleich

Fig. 55. Gemälde aus dem Zimmer x.

104 Drittes Capitel.

vermittels des Ganges h einen hintern Ausgang des Tempels bildet. Auch x ist im letzten pompejanischen Stil ausgemalt; von den Gemälden dieses kleinen Zimmers ist nur eins (Heibig No. 395), noch leidlich erhalten, und wird nach einer altem Publica tion in Fig. 55 mitgetheilt. Es stellt den auf Silen gestützten jugendschönen Bakchos dar; während dieser auf seinen Panther den Weinbecher ausgießt, spielt Silen die Leier, so dass musi- kalische Begeisterung mit der bakchischen verbunden ist. Von diesem Bild ist vielfach angegeben worden, es sei auf einer eigenen, in die Wand eingesetzten und in derselben durch geschickt verborgene Eisen befestigten Tafel gemalt; doch beruht dies, wie Donner (Einleitung zu Helbigs Wandg. S. LXIX f.) genau und vollkommen richtig erwiesen hat, auf Täuschung ; die tiefe und an mehren Stellen ziemlich klaffende Fuge, welche das Bild umgiebt, ist keine Einsatz- sondern eine Einputzfuge, wie sie sich auch bei manchen anderen Bil- dern wiederfindet, und die Nägel, deren Köpfe man außerhalb dieser Fuge sieht, dienen nicht zur Befestigung des Bildes, sondern großer Thonplatten, mit denen die Wand in einiger Entfernung vom Mauerwerk bekleidet ist, vrie dies in Baderäumen geschah, um Wärme durchstreichen zu lassen, und in anderen Räumen, wo man sich gegen die Feuchtigkeit einer Mauer schützen wollte.

4. Der Tempel der. Isis.

Neben den Göttern Griechenlands fanden auch die tiefsinnigen und fremdartigen Culte Aegyptens Aufnahme bei den Oskem Pompejis. Der nörd- lich vom großen Theater liegende, 1765 ausgegrabene Tempel wird als Tempel der Isis bezeichnet durch die außen über dem Haupteingange des Tempel- hofes (Fig. 56; B im Plan Fig. 57) angebrachte Inschrift (Nationalmuseum 1208; /. R. N. 2243; C. I, L. X, 846; an Ort und Stelle eine Copie): N, PopiditM N, y. Celsintis aedem Isidis terrae motu conlapsam a fundamento p, s. restituit; kunc decuriones ob liberalitatem^ cum esset annorum sezs, ordini suo gratis adlegerunt; das heißt: »Numerius Popidius Celsinus, Numerius Sohn, hat den durch ein Erdbeben (63 n. Chr.) eingestürzten Tempel der Isis von Grund aus auf eigene Kosten wieder hergestellt ; ihn haben die De- curionen wegen seiner Freigebigkeit, als er sechs Jahre alt war, kosten- frei ihrem Collegium zugewählt. a Das sehr jugendliche Alter des Wieder- erbauers darf kein Bedenken erregen : in Wahrheit war es nicht dieser Knabe, sondern seine Eltern, welche den Bau betrieben. Wir werden weiterhin einem N. Popidius Ampliatus, dem Vater, als Stifter einer Statue in diesem Tempel begegnen, und in dem Mosaikfußboden eines zum Tempel gehörigen Zimmers (J3) stand der Name des N. Popidius Celsinus nebst dem des N. Popidius Ampliatus (wohl seines Bruders, und Sohnes des Stifters der Statue) und dem der Corelia Celsa, in der wir ihre Mutter erkennen dürfen. Offenbar war N. Popidius Ampliatus ein reich gewordener Freigelassener ; wäre er frei geboren gewesen, so hätte er nicht unterlassen, den Namen seines Vaters beizufügen. Durch diese große Leistung erkaufte er seinem Sohne die Erhebung in den Decurionenstand ; für sich selbst konnte er, als Freigelassener, dies nicht erreichen. Für die Aufnahme von Kindern unter die Decurionen fehlt es

Die ffffentliohen OobSude. Der Tempel der IsU. t05

I nicht an inschriftlich beglaubigten Beispielen ; dagegen ist die Erklärung von texi als »exaginta ganz unmöglich.

Es stammt also der Tempel in der ans vorliegenden Gestalt aus der letzten Zeit PompejiB; und dies wird eowohl durch die Bauart als durch den Stil der Malereien und Stuck- arbeiten bestätigt. Von dem altem , durch das Erdheben zerstörten Tem- pel ist nichts mehr übrig als geringe Beste der alten Säulen der Vorhalle, und wir können nicht einmal feststellen, ob er dieselbe Form hatte. Dagegen ge- hört offenbar der alte, aus Tuffblöcken bestehende Säulenstuhl mit seiner Regenrinne und Spuren der frühem Säulenstel- lung jenem ersten Bau an und bezeugt uns, dase der Tempelbof damals «war dieselbe Form, aber auf den Langseiten 10 (jetzt 8), auf den Schmal- seiten 8 (jetzt 7) Säulen hatte. Er sieht ganz so

aus, wie Säulenstühle in -c- ... n v « ^ t ti .

' Flg. 56. Der Tempel der Isis. Hauptemgang.

Bauten der Tufipenode;

und wenn wir femer in Betracht ziehn, dass die Säulenreihen derLangseiteu so ziemlicb 60, die der Schmalseiten 50 Fuß oskisch (0,275 M.) messen, so dürfen wir wohl Bchliefien, dass die Erbauung des alten Tempels und die Einfuhrung des Isiscults schon in Torrömische Zeit, etwa in das zweite Jahrhundert v. Chr. fallt, während in Rom dieser Cultus noch bis in die Kaiserzeit nicht ofliciell anerkannt war und wiederholt gegen ihn eingeschritten wurde. Noch bemer- ken wir, dass der Tempel nach dem Erdbeben nicht einfach wieder aufgebaut, sondern auch erweitert wurde, indem das westhch anstoßende Gebäude (die Palaestra) zu seinen Gunsten betröchtlich verkürzt wurde, wie weiterhin ge- zeigt werden soll : dadurch erst entstanden die ßäume H und / *') .

Über den Plan des Gebäudes (Fig. 57 ; Norden ist unten) genügen wenige Worte. Ä Straße, B der in Figur 56 abgebildete Eingang : die Thür dreiflü- gelig, so dass der mittlere Theil allein geöfhiet werden konnte war bei der Verschüttung geschlossen und fand «ch vollkommen in der Asche abgedrückt, so dass sie gezeichnet und bei Niccolini Taf. V abgebildet werden konnte : C Säulenumgang um den Tempelhof; die vordere Säulenreihe ist auf Fig. 56 «ichtbar: das mittlere Intercolummum, der Tempelfront gegenüber, ist breiter,

106 Drittes Capitel.

und es treten hier an die Stelle der Säulen Pfeiler mit Halbsäulen. c eine 1 ,r>& M. vom Boden entfernte Nische, in deren Grunde eine Statue des Harpo- krates und ein mit zwei biennendeu Candelabem vor ihr stehender Isisprieater [jetzt im Nationalmuseum ; Heibig No. i; gemalt war. Vor der Niscdie befand sich eine verkohlt aufgefundene Bank d. Am Westende der Südwand, der westlichen Säulenhalle entsprechend, stand die Henne des Schauspielers C. Norbanus Sorex (Niccolini Taf. X des betr. Abschnitts) mit der Inschrift : C. Norbani Soricis $ecundarum maff. pagi Aug. /elids suburbani ex d. d. l. d. {ex decurionum decrefo loco dato). Es kann zweifelhaft sein, ob dieser

Fig. 5~. Plan des Isiatempela (Noiden unten!.

Schauspieler zweiter Rollen [actor secundarum partium) Magister der Vor- stadt war, oder ob die Magistri sein Bild aufstellten; so wissen wir auch nicht, wegen welcher Verdienste dieses hier und in dem weiterhin zu be- sprechenden Gebäude der Eumachia aufgestellt wurde : sowohl der Bronze- kopf als der Marmorpfeiler sind im Nationalmuseum*'). Dicht dabei fand sich eine 0,77 M. hohe Venusstatue ans Marmor mit Vergoldung und Remalimg (Niccolini Taf. VIII). CJegeniiber an der Nordwand stand eine 1,09 M. hohe, reich vei^oldete und bemalte Isisstatue (Niccolini Taf. VI), gestiftet von dem Freigelassenen L. Caecilius Phoebus [L. C Ph. posmt l. d. d. d.). Eine 'l'reppe von sieben Stufen und der Schwelle führt aus dem Tempelhof in den Pronaos D, welcher durch sechs korinthische, im Steinkem glatte, nur im

Die öffentlichen Oeb&ude. Der Tempel der Isis. 107

Stuccoübeizug cannellirte Säulen gebildet wird. Rechts und links neben dem Eingang in die Cella sehn wir eine Nische für ein Weihebild, d d, außerhalb der Ante angebaut ; hinter dem linken Anbau sehn wir eine Nebentreppe e', über welche die Priester durch den Seiteneingang e den Tempel betraten. Im Hintergrunde der Cella E findet man das über die ganze Breite derselben reichende Postament der Statue ganz ähnlich behandelt wie dasjenige im Juppitertempel, nämlich als einen Hohlraum ; derselbe hat hier, von nur ge- ringer Höhe, gewölbt und mit zwei niedrigen Öffnungen nach vom versehn, wohl unzweifelhaft als Aufbewahrungsort heiliger Geräthschaften gedient, wäh- rend das auf dem Postament erhaltene, nicht in der Mitte stehende Piedestal (die Ausgrabungsberichte wissen von zwei Piedestalen) dasselbe als Basis fiir mindestens zwei Tempelbilder charakterisirt. Dass dies Postament als Apparat des Priestertruges gebraucht worden wäre, indem sich derjenige in ihm verbarg, welcher im Namen der Gottheit Orakel verkündigte, ist schon der Niedrigkeit wegen und deshalb ganz unwahrscheinlich, weil Alles so ganz offen vor den Blicken Aller daliegt. Man fand in der Cella keine Statue, nur eine Hand aus Marmor; ohne genügenden Grund hat man das Tempelbild in einer weiblichen Statue erkennen wollen , welche in dem nördlichsten der gewölbten Durchgänge zwischen C und H gefunden wurde. An dieser Statue war von Marmor nur der Kopf (mit Haarbüschel über der Stirn] , die Hände (in der rechten ein Sistrum aus Bronze) und die vorderen Theile der Füße ; der übrige Körper, welcher ohne Zweifel durch Gewänder verhüllt wurde, bestand aus Holz imd zerfiel bei der Auffindung in Staub. In der Cella aber fand man zwei verkohlte Holzkisten mit wenigem Tempel- geräth , darunter eine kleine goldene Schale , zwei bronzene Leuchter und ein kleines Götterbild, auch aus Bronze ; außerdem lagen in der Cella zwei Todtenköpfe.

In der Hinterwand der Cella nach außen ist noch eine Nische k , in welcher eine von N. Popidius Ampliatus dem Vater geweihte marmorne Bac- chusstatue (abgeb. Mus. Borb. IX, 11 ; Inschrift: N. Popidim Ampliatus pater p(€cuma) (sua) stand. Es ist bekannt, dass Osiris als Urbild des Bacchus be- trachtet wurde.

Fast alle Bäume des Isistempels waren mit jetzt entweder zerstörten oder in das Museum von Neapel geschafften Gemälden geschmückt, welche sich auf den Mythus der Isis oder auf Aegypten als das Land von dessen Herkimft be- zogen. Von der Decoration des Peribolos giebt Niccolini auf Taf. XI des betr. Abschnitts eine Probe : über einem gelben Sockel ist die rothe Haupt- fläche durch phantastische Architekturen (gelb) in große Felder getheilt, in deren Mitte einzelne Figuren von Isispriestem, Isispriesterinnen und aegypti- schen Gottheiten gemalt waren (Heibig No. 1096, 1097, 1099, 1103); darüber ein breiter Fries, welcher auf schwarzem Grunde ein mäanderartig gewundenes Pflanzenomament enthält. Die Wände von H zeigten Landschaften aegypti- schen Charakters (No. 1571), ein großes Bild, das lo's Ankunft bei Isis (No. 138) und ein anderes, welches dieselbe Heroine von Argos bewacht dar- stellt (No. 135). Weit geringer in der Ausführung waren die Malereien von /; hier wirren wf weißem Grunde aegyptische Gottheiten, wie es scheint Isis,

lOS ' DntteiCHpiUl.

OHiris und Typbon, nebst ihren Symbolen und den ihnen heiligen Thieien dargestellt [No. 2 5).

Von den übrigen im Tempelhof befindlichen Gegenständen sind folgende

die interessantesten. Zumeist das kleine Gebäude, welches auf dem Plan mit

7^ bezeichnet ist und dessen Ansicht in Fig. 59 folgt. Basselbe bildet einen

ungetrennten Raum, in dessen Hintergrunde eine Treppe angeblich zu einem

unterirdischen Waaaetbehälter

führt , dessen Um&ng auf dem

Plan durch eine punktirte Linie

angedeutet ist. Da jedoch der

Brunnen unter diesem Bauwerke

durchaus nicht sicher verbürgt

ist, so lässt sich auch über dessen

Bestimmung kaum absprechen,

und ist der ihm gegebene Name

eines Pui^atoriums, das wäre ein

Waschungs- und KeintgungBort,

den der Cultus bedingt hätte,

nur problematisch. Bei i fand

man eine jetzt nicht mehr sicht-

„. o Ti . hfu^e Grube mit Resten vei^

Flg. 58. 8. g, Purgatonum. » r u. t7 j u

brannter rruchte. Vor der ra-

^ade des Gebäudes befindet sich der große Hauptaltar k, auf dessen mit einem starken Rande eingefasster vertiefter Fläche Asche und Knochen von Brandopfem gefunden wurden {Pomp. Ant. Hut. 1765. S Juni, p. 172). Er bezieht sich ohne Zweifel auf die Cella des Hauptgebäudes, ist aber, um in dem nicht sehr weiten Tempelhofe Raum zu geben, zur Seite gerückt und vielleicht aus demselben Grunde nicht dem Gebäude gegenüber, sondern von der Seite zugänghch, wo ein erhöhter Stein im Boden den Standort jdes Priesters be- zeichnet und ebie Unterbrechung des die Oberfläche umgebenden Randes die Hantierung beim Opfer erleichterte und die Reinigung durch einen geneigten Abfluss ermöglichte.

Ein anderer Altar / scheint sich auf das Bild in dem linken Nischenbau der Cella zu beziehen. Auf dem mit « bezeichneten Postament rechts neben der Treppe, dem ein gleiches links entspricht, fand mau eine Tafel mit Hiero- glyphen, die im Museo Nazionale aufbewahrt wird, aber weder mit dem Isis- cult im allgemeinen, noch im besondem mit dem pompejanischen zu thun haben soll. Also ein echtes Scheinstück und Blendwerk, w ist eine ziemlich tiefe viereckige Grube, eingcfasst von einer Ummauerung, weldie noch zu der Zeit, als die Photographie aufgenommen wurde, welchedet diesem Abschnitt voz^hef- teten Abbildung zum Grunde liegt, nach zwei Seiten giebelformig abgeschrägt war, während sie jetzt grade abachlieBt. Uicht neben dieser Grube flieBt jetzt Fontana's Canal ; nach den Ausgrabungsberichten [Pomp. Ant. Hut. I, p. 1 82 u. 189; 1765, 14 Uecbr. u. 1766, 21 Juni) wurde dieselbe angefüllt gefunden von einer Menge schwarzer Asche und von Resten verbrannter Fruchte, unt^ denen man Feigen, Piuieukerue, Kastanien, Baum- und llaseluüsse und Datteln

Die Öffentlichen OebBude. Dei Tempel der Isis. 1 09

unterschied und für das Museum aushob ; wir weiden also hiet wie in der sclion erwähnten Grube i einen Behälter zur Aufbewahrung von Opferresten zu erkennen haben. Nach denselben Berichten [14. Dec. 1765) war die Ummaue- Tung mit einem Dache bedeckt.

In der Noidwestecke des offenen Hofes stand ein cylinderförmiges Blei- gefäB (hoch 0,56, Durchm. 0,45 M.), am Bande mit Ornamenten und aegypti- sehen Figuren veniiert; eine an der Ecksäule in die Höhe gehende, mit einem Bronzehahn verschlieBbare Bleiröhre führte in dies Gefäß das zum Gottes- dienst erforderliche Wasser. In den Säumen o, o' ,p, ^wohnten wahrscheinlich irgendwelche Tempelbediensteten ; q ist mit einem überwölbten Heerde ver- sehen. Irrig hat man o' als den Stall für die Opferthiere bezeichnet ; es ist ein gemaltes Zimmer wie aUe anderen. In dem Zimmer o will mau das Gerippe des Priesters, der sich, wie bereits früher (S. 21) erwähnt, mittels eines Beiles einen Ausgang durch die Wand zu öffnen versucht hatte, gefunden haben ; allein davon ist jetzt nichts mehr bemerklich , und da anderweitige Durch- brechungen von Wänden sehr deutlich sind, muss der erwähnte Versuch des Priesters , wenn er angestellt wurde . in seinen Anfängen stecken geblieben sein. Der groBe, nach vom durch Bögen offene Saal H im Hintergrunde des Tempelhofes muss zu Cultusz wecken, die wir bestimmt nicht mehr nachweisen können, am wahrscheinlichsten aber als Versammlungsort des Collegiums der Isiaci gedient haben. Man fand daselbst einen Marmortisch, einige Flaschen und weniges andere Gei^the und Hühnerknochen. Auch der Saal /neben dem großen war, nach den Malereien (s. oben S. 107) und nach der überwölbten Nische mit dem Opfertisch davor zu schlieSen, zu Cultuszwecken bestimmt ; zugleich scheint man hier Tempelgeräthe aufbewahrt zu haben , deren man mancherlei vorfand. Auch hier traf man auf Reste von Statuen, an denen nur der Kopf und die Extremitäten von Marmor, das uhrige aber von Holz war (19. Juli 1766); gleich links neben derThür vom Tempelhof her ist ein Wasser- behälter u, zu dem man auf drei Stufen emporsteigt. K\at die oberste Cavea des großen Theaters, zu der in dem mit a t> bezeichneten Raum eine Treppe

Fig. 59. StuocoTeliefe an den Außenwänden dei H. g. Fuigatoriums.

von der Straße aus emporiiihrt. Den Raum unter dieser Treppe , in welchen eine Thür aus q hineinführt, hat sich die Priesteischaft des Isistempels auch noch zu nutze gemacht ; zu welchem Zwecke, ist aber nicht sicher nachweisbar.

110 Drittes CapitoL

Mit Unrecht bat man c als Küche bezeichnet ; denn erstens war die Küche zweifellofl in q, zweitens ist die in r> befindliche Aufoiauerung kein Herd, aon- dem ein ^VaSBerbassin .

Die diesem Abschnitt vorgeheftete Tafel bietet eine Ansicht der Ruinen im gegenwärtigen Zustande ; der Standpunkt ist gleich innerhalb des Haupt- einganges; die voietehende Abbildung (Fig. 59) ist eine Probe der etwas schwerfälligen und jetzt stark beschädigten Stuccoreliefe von den Außenwän- den des s. g, Purgatoriums, welclie weiß auf blauem Grunde standeu. Dies Itelief befindet sich an der rechten Nehenseite, ein ähnliches, in dem nui der Mars voran ist, links ; vom neben dem Eingange sind aegypti sirende Figuren angebracht. Auf den Stil des Tempels sowohl im Architektonischen wie im Decorativen wird im artistischen Theil zurückzukommen sein.

5. Der Tempel des Jnppiter, d^r Juno und der Kinerva {». g. Aegculnptempel).

Dies Tempelchen (XIII auf dem Plan] liegt, östlich vom Isistempel und von demselben durch den Zugang zum großen Theater getrennt, an der Ecke der Sta- bianer-undderIsisstraBe,mit£ingangvon ersterer; Fig. 60 giebtdenPlan. Zu- nächst an der Straße liegt eine kleine, 3,45 M. tiefe Halle (1) ; von den zwei Säulen, welche ihr Dach stützten , sind die ge- mauerten Fundamente und ein dorische Lava- capitell erhalten ; auf ne mündete rechts ein klei-

2 -' .2 ^ ,"« nes Gemach [ des aedi-

tuusf). Auf dem 5,53 M. tiefen Tempelhof (2], un-

mittelbar vor der in der ganzen Breite des Raumes zum Heiligthum hinauf- fuhrenden Treppe, steht, mit seiner Schmalseite dem Tempel zugewandt, der HauptaltaT(3], welchen als ein gut gearbeitetes Stück, von dem im artistischen Theile noch ein Mal die Rede sein wird, die Abbildung Fig. 63 zeigt. Die Treppe (tief 2,78 M.J besteht aus neun Stufen; die Vorhalle (4) muss vier Säulen in der Front, eine zu jeder Seite gehabt haben ; der Boden der Cella (5} war mit jetzt verschwundenem Ziegelmosaik belegt; das Piedestal für das Tempelbild oder die Tempelbilder [6] steht, in geringen Resten erhalten, an der Hinterwand.

Offenbar haben wir hier nicht etwa mit einer schon bei der Gründung der Stadt vorgesehenen Anlage zu thun, sondern der Platz für den Tempel ist erst in relativ später Zeit von den Privathäusem abgenommen worden. Und damit stimmt der ganze Charakter des Baues. Das Mauerwerk besteht aus kleinen Lavastücken und ist auf den Innenwänden und auf der Außenseite

Die öflentlichen Oebiude. Ylei Tempel des Juppiter, dei Juno und der Mineit-a, . 1 1 1

der Vorderwand als grobes Netzwerk behandelt, die Hiürpfosten sind aus ziegelfSrmigen Kalk- und Tuffsteinen gemacht : kurz, es ist das Mauerwerk der

Fig. 61. Ansioht de« Tempels des Juppiter, der Juno und der Minerva.

Gebäude aus der ersten Zeit der sullanischen Oolonie (Ampbitheatet, kleines Theater, kleine Thermen vgl. S. 36j,und dieser Zeit, bald nach SOv. Chr.,mu88 zweifellos der Bau zugeschrieben werden. Leider ist keine Säule erhalten, wohl aber die Capitelle der Pilaster an beiden Enden der Front, und ein anderes, etwas niedrigeres Filastercapitell (Fig. 62), welches wohl der Thiir angehörte. Diese Capitelle, aus Tuff mit feinem Stuck- überzug, sind ganz in der Art der vorher- gehenden Periode, der Tuffperiode oder der Zeit des ersten Decorationsstils gearbeitet. In diesem Stil war, wie es scheint, auch die Decoration der Wände gehalten, von der ein Theil noch erhalten war als Gau (vor 1837, Mazois rV, 4) den Tempel zeichnete ; und es hat ja nichts auffallendes, dass der Decora- tionsstil einer Periode auch noch im Anfange

der folgenden einmal zur Anwendung gekom- pjg, ^2. Cspii«!!.

men ist. Den Motiven desselben Stils In-

cmstation mit Fugenschnitt und Triglyphenfries begegnen wir an dem großen Altar, weicher auch aus Tuff gearbeitet ist und mit Stuck überzogen war (Fig. 63)«).

Auf der Basis an der Hinterwand wurden bei der Ausgrabung im Jahre 1766 die CultusbÜder an ihrem Platze gefunden : zwei Terracottastatuen, eine

1 12 nrittes Capitet.

männliche (hoch 1,85 M.) und eine weibliche (hoch 2,07 M.), and eine Büste der Minerva aus demselben Material, charakterisirt durch den Helm mit drei- fachem Busch, den Schild und das Medusenhaupt auf det Brust. Alle drei

Fig. 63. Altar.

sind von geringem Kunstwerth; sie stehn in der Terracottensammlung des Nationalmuseums in Neapel. Die beiden Statuen waren auf der Basis be- festigt, und unter die männliche hatte man einige Kupfermünzen gelegt, deren Gepri^ leider nicht festgestellt und aufgezeichnet worden ist. Nun stammen zwar diese Thonbilder keinenfalls aus der Zeit der Gründung des .Tempels, sondern können nach Stil und Arbeit sehr wohl nach dem Erdbeben des Jahres 63 n. Chr. die damals zerstörten ur- sprünglichen Bilder ersetzt haben; dennoch aberhaben wir in ihnen zweifellos die hier verehrten Gottheiten zu erken- nen, tlber die Benennung der Statuen, deren Gewänder Spuren rother Farbe zeigen , giebt es zwei Meinungen : Juppiter und Juno oder Aesculap und Hygieia, Gottheiten, die sich manchmal sehr ähnlich sehen. Nut die männliche Statue [Fig. 64) kann Entscheidung geben: die Haltung der rechten Hand ist entschieden die des blitztragenden Juppiter; die linke hielt offenbar einen Stab, und so dürfen wir hier wohl sicher den durch Blitz, Scepter und Eichen- kranz charakterisirten Juppiter erkennen , für den auch die au&echte und selhstbewusste Haltung besser passt als für den milden Arztgott. Bei Aesculap müssten wir in der rechten Hand den Schlangenstab annehmen, wozu die Hal- tung der Finger durchaus nicht stimmt. Die weibliche Ge- Fig. 64. Juppiter. ^'*^* istohne Attribute und schlechter erhalten; sie iet ganz bekleidet und trägt auf dem Kopfe ein Diadem {5fe- phatie) : nichts hindert uns, in ihr ein schlechtes Bild der Juno zu erkennen. Und es ist klar, dass die Minerva, welche keinerlei Attribute einer Heilgöttin trägt, trefflich zn Juppiter und Juno passt, mit denen zusammen sie ja auch im capitolinischen Juppiter tempel verehrt wurde. Dass die TempelbÜder nicht

Die öffentlichen Geb&ude. Der Tempel des Juppiter, der Juno und der Minerva. 113

schöner sind, dass Juno größer ist als Juppiter, dass man neben die Statuen eine Büste stellte, alles dies erklärt sich daraus, dass man nach dem Erdbeben in aller Eile, um nur den Tempel wieder in Stand zu setzen, bei irgend einem Händler kaufte was grade gleich und billig zu haben war.

Die Benennung des Tempels als Neptuntempel gründet sich nur auf den Kopf an dem phantastisch korinthisirenden Capitell Fig. 62 S. 111; wenn wir aber demselben überhaupt eine Bedeutung beilegen wollen, so können wir in ihm eben so gut einen Juppiter wie einen Neptun erkennen. Dass eben jene Gottheiten -hier verehrt wurden, wird uns auch durch ein inschriftliches Zeug- niss bestätigt. Es ist nämlich so gut wie sicher, dass aus dem Vorhofe des Tempels zwei beim Bau von Fontana's Canal (S. 26) gefundene Inschriften stammen, deren eine lautet: Imperio Veneris Fisicae lovi o. m. Antistia Methe Antüti Primigeni ex d[ectmonum) d[ecreto) . Auf den noch unerklärten Beinamen der Venus Fisica gehen wir hier nicht ein und heben nur hervor, dass es eben der capitolinische Juppiter optimus maximus ist, dem Antistia Methe auf Befehl jener Göttin hier irgend ein Weihgeschenk aufstellte '**) .

Es haben also hier die suUanischen Veteranen bald nach ihrer Ansiedelung einen Tempel der capitolinischen Gottheiten erbaut ; wahrscheinlich ward er, wie der capitolinische, als Juppitertempel bezeichnet. Es ist also nicht der in der oskischen Wegebauinschrift (S. 59) erwähnte Tempel des Zeus Meilichios. Man könnte vermuthen , dass letzterer vielleicht an derselben Stelle stand ; unmöglich ist dies nicht, doch liegt wohl zu einer solchen Vermuthung kein genügender Grund vor

Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung der beiden jüngsten Tempel Pom- pejis, welche als Tempel der Fortuna Augusta und des Genius Augusti der Verehrung des ersten Kaisers gewidmet waren. Die römischen Kaiser wurden nicht nur nach ihrem Tode von Staats wegen vergöttert und als Divus Augu- stus, Divus Claudius u. s. w. verehrt, sondern es war auch von Anfang an die Neigung vorhanden, ihnen schon bei ihren Lebzeiten göttliche Ehren zu erweisen. Es kam sogar vor, dass dem Augustus bei seinen Lebzeiten von Privatpersonen Tempel gestiftet wurden, z. B. in Puteoli. Von einem solchen Tempel ist uns in Pompeji nichts bekannt ; aber von dem Cultus des Kaisers haben wir hinlängliche Kunde. Zu demselben gehörte ein jährlich gewähltes, aus Sclaven und Freigelassenen bestehendes, uns aus einer Reihe von In- schriften bekanntes Collegium , welches diesen Cultus pflegte unter der Lei- tung der Duumvim und zweier Beamten, deren Titel uns nur in der Abkürzung d, v. v. a, 8, p. p. [dtmmmri votis augustalibtis sacris publicis pro- curandis?) erhalten ist. Dies Collegium, dessen älteste Inschrift aus dem Jahre 25 v. Chr. stammt, nennt sich bis mindestens zum Jahre 14 v. Chr. mi- nisiri Mercurii [et] Maiae, dann ministri Augusti Mercurii Maiae^ endlich, spä- testens seit dem Jahre 2 v. Chr. einfach ministri Augusti. Ihre Inschriften reichen bis zum Jahre 40 und wurden in der Stadt zerstreut gefunden, so dass wir nicht wissen, wo sie aufgestellt waren. Auch die Vorstadt pagus Augusti^ felix suburbanus hatte ihren besondern Augustuscult , dem die magistri und minisiri pagi dienten ; letztere wurden nach einer Inschrift (/. jR. N. 2293;

Orerbcok, Pompeji. 4. Aufl. S

114 Drittes Capitel.

C. /. L, X. 924) im Jahre 7 v. Chr. gestiftet. Vornehmem Ranges als diese Sclaven und Freigelassenen war der sacerdos Augusti, aMchßamen Augtisti, nach dem Tode des Kaisers sacmdos divi Augusti genannt ; dies Priesterthum bekleideten nach einander die beiden Erneuerer des großen Theaters (s.S. Ab- schnitt) M. Holconius Rufiis. mindestens seit dem J. 2 v. Chr., und nach dessen Tode M. Holconius Celer.

Neben diesem unmittelbaren Kaisercultus gab es noch einen gewissermaßen mittelbaren : man verehrte nicht den Kaiser selbst, sondern die ihn beschützende Glücksgöttin, die Fortuna Augicata; man verehrte femer den Genius des Kai- sers. Genius ist der mit dem Menschen geborene und ihn durch das Leben geleitende Schutzgeist ; auch Privatleute opferten ihrem eigenen Genius, namentlich am Geburtstage wurde er als Gefiius jiatalis verehrt. In jedem Hause genoss der Genius des Hausherrn besonderes Ansehn : er wurde mit den Hausgöttern, Laren, zusammen in der Hauscapelle, dem Lararium, ver- ehrt, und wir finden in einem reichen pompejanischen Hause (IX, 1, 20) eine Hauscapelle , welche laut der Inschrift von zwei Freigelassenen dem Genius des Hausherrn und den Laren geweiht worden ist : Genio M[arc%) n[ostri] et Laribus duo Diadumeni liberti. Und im Atrium des Bankiers L. Caecilius Jucundus (V, 1, 26) stellte sein Freigelassener Felix zwei Porträthermen dessel- ben auf und widmete sie seinem Genius: Genio L{ucti) n(ostri) Felix über- tus, Wie das Haus unter dem Schutz der Laves familiäres^ so standen die Straßen unter dem Schutz der Laves compitales [compitum^ Ort wo sich zwei Wege theilen) . Der Dienst derselben wurde von Augustus im Jahre 7 n. Chr. neu geordnet : sie wurden fortan als Lares Augusti^ Laren des kaiserlichen Hauses, bezeichnet, und ihnen (sie waren je zwei, wie auch die Hauslaren) als dritter der Genius des Kaisers zugesellt, welcher also dadurch zur Haupt- stadt in das Verhältniß des Hausvaters trat. Wenn man nun auch in Munici- pien, Colonien und Provinzialstädten den Genius des Kaisers verehrte und ihm Tempel errichtete, so lag darin noch kein Versuch zur Vergötterung, son- dern man trat dadurch nur zum Kaiser in das Verhältniss der Hausangehörigen zum Familienvater. Immerhin aber ist der Cultus des Genius eine directere Verehrung des Kaisers, als der der Fortuna x^ugusta ; denn im Tempel der letz- tem stand als Haupt- und Cultusbild die Fortuna, in dem des Genius dieser selbst, d. h. der Kaiser in der Tracht des Genius, mit Füllhorn und Opfer- schale, wie ihn uns eine Statue im Vatican (Visconti Mtis, Pio-Cl. 3, 2) zeigt.

Betrachten wir also jetzt die beiden dem Cult des Augustus gewidmeten Tempel.

6. Der Tempel der Fortuna Aa^fasta.

Wenn wir vom Forum aus, östlich vom Juppitertempel, den großen Ein- gangsbogen durchschreitend uns nordwärts wenden, so gelangen wir in eine in derselben Richtung weiterfuhrende, ungewöhnlich breite und stattliche Straße, welche auf der rechten Seite eine offenbar aus der letzten Zeit der Stadt stammende Säulenhalle , auf der linken die zu den weiterhin zu be- sprechenden Thermen gehörigen Läden hat. Wo diese Straße auf die Stra<ia

Die öBeutliehen Gebäude. Der Tempel dei Fortuna Augiuta. 1 15

dt Noia trifft, liegt ein kleiner , aber nach den geringen Resten reich mit Marmor geechmückter Tempel, dessen 1823 ausgegrabene Huineu die bei- li^ende Ansicht darstellt. Seine Orientiruug ist bedingt durch die Rich- tung der SbsBe. Seine Raumanordnuug ist, wie der Plan (Fig. 65) zeigt, der des Juppitertempels sehr ähnlich. A ist die Platform mit dem Opferaltar ; die punktirte Linie bezeichnet die Reste eines nur in der halben Breite der Treppen unterbrochenen, hier ohne Zweifel mit Pforten ver- sehenen eisernen Gitters , welches die heilige Stätte von der Straße absonderte; B Freitreppe, b Trep- penwangen, vermuthlich zugleich Piedestale für Sta- tuen, G Fronaos mit acht römisch-korinthischen Säu- len, c Schwelle, D Cella, E Nische mit der Äedicula für das Bild der Göttin: man fand die Capitelle der beiden korinthischen Marmorsäulen und das Epi- styl mit der Inschrift : M. TuUiiu M. f. d. v. i. d. ter. qumq. auffur tr. mtl. a pop. aedem Fortanae Augwst. »oh et peq. sua, zu deutsch : »Marcus Tullius, des Marcus Sohn, zum dritten Mal richterlicher Zwei- mann, Quinquennal, Augur und aus der Biii^erschaft f f -"^ erwählter Kriegstribun bat den Tempel der Fortuna Augusta auf seinem Grund und Hoden und auf seine Straten erbaut.i Hierdurch ist der Name des Tem- pels bestimmt. Er wird bestätigt durch zwei andere, auch hier gefundene InschriAen, zu denen sich weitere drei gesellen, die wohl in Folge des Erd- bebens vom Jahr 63 aus dem Tempel abhanden gekommen waren und in und bei der Basilika und im Apollotempel gefunden wurden (/. Ä. N. 2223 ff.; C I. L. X, 824 828). Es sind dies Inschriften des Priestercollegiums der minietri Fortunae Augmiae, welches aus Sclaven und Freigelassenen be- stand, und jedes Jahr vier Mann stark gewählt wurde. Sie besorgten im Auftrage der Duuinvirn den Gottesdienst, und es gehörte zu ihren Statuten, dass sie alljährlich eine kleine Statue [signum] im Tempel aufstellen mussten ; und auf diese Aufstellung bezieben sich die Inschriften. Von besonderer Wichtigkeit ist es, dasa eine dieser Inschriften [/. R. N. 2223 ; C. /. L. X, 824] im Jahr 3 n. Chr. von den ersten ffimüfrt iibr^uftac^tfytutoe gesetzt ist; wir lernen also aus ihr , dass in diesem Jahr das PriestercoUegium gestiftet wurde, und wir dürfen vermuthen, dass nicht viel früher der Tempel erbaut sein wild.

In den vier Nischen der Seitenwände standen sicher Statuen, und zwar ist in einem Tempel der Fortuna Augusta zunächst zu vermuthen, dass es Statuen de» Augustus, der Livia und zweier anderer Mitglieder seiner Fa- milie gewesen seien. Nun fand sich im Tempel keine Statue des Augustus, sondern nur eine auf eine solche bezügliche Inschrift : [Augu\ato Caesari parenü patriae, nebst Fragmenten einer Statue ; femer eine aus der Nische 1 heral^fallene weibliche Statue mit über den Kopf gezogenem Mantel, der man das Gesicht abgesägt und durch ein neues [nicht mitgefundenes) ersetzt

]lfi nrittes Cnpitel.

hatte, und eine männliche Statue, jedenfalls eines Privatmannes, die eine ent- fernte Ähnlichkeit mit Ciceni hat : auch dies*' scheint im innersten Theil der {'ella (etwa bei 2) (gefunden zu sein. Es könnte also scheinen, dass in einer Nische die Statue des Au^stus stand, in anderen, ihm gewissermaßen gleich- herechti({t, die von i'rivatpersonen. Da nun dies sehr unwahrscheinlich ist, hat Fiorelli die Vermuthung aufgestellt, man habe hei Erbauung der Ca- pelle des Kaiserhauses im s. g. Pantheon die Statuen dieses Tempels dorthin geschafft und solche verdienter Privatmännel- , darunter die des Stifters des Temi)els, an ihre Stelle gesetzt : eine Annahme, die freilich auch nicht ohne Schwierigkeit ist.

Schließlich ist, zur Vermittlung einer Anschauung von dem Gebäude vor seiner /erstÖrung, noch in Fig. 6fi eine Ansicht des Tempels nach der so viel

Fig. 66. Regtauiute AnBicht des FoTtunatempel«.

wie tbunlich berichtigten Wiederherstellung Gell's gegeben, ohne dass jedoch für alle Einzelheiten derselben eingestanden werden soll.

Als M. Tullius nach Niederlegung der hier früher stehenden, ihm gehöri- gen Gebäude den Tempel errichtete, blieb der schmale Hodenstreifen x übrig. Von der Straße zuganglich, konnte derselbe öffentlicher Boden scheinen; M. Tullius wahrte sich aber sein Eigen th um sr echt durch einen am Eii^ange errichteten niedrigen Lavastein mit der Inschrift ; M. Tullü area privata (Pri- vatbesitz des M. Tullius) .

Zwei eigenthümliche Umstände sind bei diesem Tempel zu beachten.

Die öffentlichen Gebäude. Der Tempel des Genius des Augustus. ]] 7

Erstens dass der halbrunde Ausbau an der Rückseite auf einer nachträglichen Änderung beruht, auch nicht auf dem Boden steht, sondern von einem Bogen getragen wird, welcher an das Nachbarhaus angelehnt ist. Zweitens, dass die Stifbungsinschrift des Tempels gegen den sonstigen Gebrauch im Innern der CeUa, an der Aedicula angebracht war. Eine genügende Erklärung dieser Umstände ist bis jetzt nicht gefunden ^^] .

7. Der Tempel des Genius des Augnstus (s. g. Tempel des Mercur).

Der Name Mercurtempel, welchen dies kleine Heiligthum (VIII auf dem Plan) gleich nach seiner Aufgrabung erhielt, beruht auf der Vorschrift Vitruvs, dass der Tempel des Mercur am Forum liegen soll, und darauf, dass die auf S. i 1 3 erwähnten Inschriften auf einen Cult des Mercur und der Maja schließen lassen. Unter diesem wenig gerechtfertigten Namen ist der Tempel an Ort und Stelle bekannt. Tempel des Quirinus (Romulus) hat man ihn genannt nach einer Inschrift (/. R. iV. 2189 ; C. I. L. X, 809), in der ein kurzer Ab- riss des Lebens und der Thaten des Romulus gegeben ist. Da aber diese Inschrift und die ähnliche auf Aeneas bezügliche (a. O. 2188; 808) vielmehr der Vorhalle des anstoßenden Gebäudes der Eumachia (XXI) angehören, so ist auch diese Benennung grundlos.

Mit mehr Glück hat Garrucci (Quest. Pomp. S. 74, auch Bull, napol. N. S, II, S. 4) die Reliefe des Altars zum Ausgangspunkt für die Bestimmung des Tempels gemacht. Die Rückseite nämlich desselben (Fig. 69 in der Mitte) zeigt den Eichen- oder Bürgerkranz zwischen zwei Lorbeerbäumen, also das Symbol des Augustus ; denn nach Beschluss des Senats war über der Thür des Kaisers ein Eichenkranz aufgehangen, zu jeder Seite derselben aber ein Lor- beer gepflanzt worden. Vermuthungsweise hat femer Fiorelli eine Inschrift mit diesem Tempel in Verbindung gebracht, über deren Fundort nichts be- kannt ist, sie lautet: M[am]ia P, f. sacerdos public. geni[o Aug. s\olo et pec[unia sua]^ »Mamia, Tochter des Publius, öffentliche Priesterin, dem Ge- nius des Augustus auf ihrem Boden und auf ihre Kosten«. Sie kann über der Thür des Tempelhofes gestanden haben . In dem Relief der Vorderseite des Altars (Fig. 68) hat man wohl mit Recht das Opfer erkannt, welches bei der Stiftung des Tempels selbst dargebracht wurde. Der Tempel mit seinen vier Säulen ist im Hintergrunde angedeutet. Der Opfernde, bekränzt, mit über den Kopf gezogener Toga, ist dann wohl der sacerdos Augusti ; ihn begleiten zwei Licto- ren, ein Diener, ein Flötenbläser und zwei Opferknaben [camilli] , ^velche ihm die Opfergeräthe nachtragen; rechts führt der victimarius mit seinem Ge- hilfen den Opferstier herbei: wir wissen, dass dem Genius des regierenden Kaisers immer ein Stier geopfert wurde. Auf den Seitenflächen (Fig. 69) sind Opfergeräthe dargestellt : links das Handtuch [mantele] , das Weihrauchkästchen [cu^erra] und der Augumstab [lituus] , rechts die Opferschale [patera) , der Schöpf- löffel {simpulum) und die Weinkanne [praefericulum] .

Es ist also dieser Tempel jedenfalls zu Ehren des Augustus erbaut, höchst wahrscheinlich seinem Genius geweiht gewesen. Wenn jene Inschrift hierher

1 1 S DtittcR CBpiWl,

gehört, nrüiidete ihn die rriesterin Mamia auf ihrem Boden, d. h. vermuthtich auf (lom Hoden eines von ihr z»i diesem '/.v/eck gekauften Hauses , wahr- scheinlich bald nachdem im Jahr 7 v, Chr. in Kom der Cultus des Genius des Äugustus eingeführt war, wohl sicher vor dem Jahr 2 v. Chr.. in welchem M. Hulconius Rufus schon das Amt des Auguatuspriesters bekleidete (Nissen, rornj). Studien S. 1&3, 273 .

Das schiefwinklig oblonge Areal der Umfassungsmauer von 23X30 M. Flachenraum (s. den Plan Fig. 67] stößt mit seiner Hauptfront an das Forum A, dessen Colonnade vor diesem Oelräude erst noch gebaut oder wiederhei^s teilt werden sollte. I^inks ist es von dem s. g. Sena- culum S begrenzt , aus dessen rechter Seitennischc M durch c ein VerbindTingsweg in unser Gebäude, durch fünf Zimmer desselben [ 1 5 } , die wahr- scheinlich derPriestetschaftge' hörten , bei e' in den Hof des Heiligthums gelangt. An dreien dieser Zimmer (3 5) vorbei Fis. 67. Plan des Augustustempeu (Norden oben). . j i

^ " ' kommt man durch einen wie

geheimen zweiten Anfang (a) auf die Gasse, welche einst südlich vom Tempel auf das Forum mündete, und auf welche auch das Gebäude der Eumachia einen Nebenausgang [a'j bat. Der Haupteingang ist vom Forum aus durch eine Mauer, welche, nach schwachen Resten zu schließen, ganz mit Marmor bekleidet gewesen zu sein scheint. Älmlich wie beim Tempel des Juppiter, der Juno und der Minerva (S. 110] gelangt man zunächst in eine vom Hoftaum durch

Fig. U. Altai. (Vorderseite.) vorspringende Mauerpfeiler und durch vier Säulen getrennte l>edeckte Vor- halle B, aus der die Ansicht der Kuinen vor S. 117 aufgenommen ist, sodann

Die effentliehen Oeb&ude. Der Tempel des Genius des AugustuB. 1 19

auf den unbedeckten Hof F, in dessen Mitte der schon ervnihnte, wohlerhal- tene Marmoraltar mit seinem reichlichen Reliefschmuck sich befindet. Unter diesem nimmt die Darstellung der Vorderseite [Fig. 63] , das Stieropfe^, auch abgesehn von seinem Gegenstand, als eines der früheren Reliefe mit maleri- scher Anordnung der Figuren in verschiedenen Plänen [Vorder- und Hinter- grund) ein besonderes Interesse in Anspruch. Zu unserer Abbildung der halben Rückseite [Fig. 69 in der Mitte) ist noch zu bemerken, dass die Volute oben in Wahrheit nicht von der Rückseite, sondern von den Schmalseiten in dieser Weise sichtbar ist.

Fig. 69. Altar. (Rflokaeite und Nebenaeiten.;

Im Hintergrunde des Tempelhofs liegt die Cella H auf einem breit vor- liegenden Unterbau G, auf den zu beiden Seiten von hinten Treppen ff y fuhren. Dies , die Platform vor dem Pronaos und die Lage der Treppen, ist die bemerkenswertheste Eigen thümlichkeit in der Anlage dieses Tem- pels. DasB derselbe eine von vier Säulen getragene Vorhalle hatte (so hat ihn Mazois restaurirt}, muss wohl aus dem besprochenen Relief geschlossen werden. Denn an Halbsäulen zu denken, erlaubt weder das Relief, wo Vor- hänge zwischen den Säulen hängen, noch die Form des Tempels, mit einer kleinen Ante an jedem Ende der Front, wie auf unserer Abbildung ersichtlich. In I sehn wir die Basis für das Tempelbild. Mit Geschick hat der Architekt die Schiefheit der Grundfläche seines Gebäudes auszugleichen und zu verber- gen verstanden, dagegen hat er in der Decoration der Umfassungsmauern des Hofes durch abwechselnd mit flachen Giebeln und flachen Wölbungen ab- geschlossene Mauerfelder (s. die Ansicht] wenig Geschmack bewiesen, obgleich wir diese Art von Omamentirung in Pompeji noch einige Male und an vielen modernen lUuserfa^den wiederzufinden Gelegenheit haben. Unerwähnt soll schließlich nicht bleiben, dass der Tempelhof, wie die Ansicht zeigt, neuer- dings zur Aufbewahrung von mancherlei Fundstücken der Ausgrabungen, namentlich Architekturtheilen, benutzt und daher verschlossen gehalten wird"'} .

Zweiter Abschnitt. anlclpalgAbäade.

Der folgende Abschnitt umfasst diejenigen öfTeiitlichen Gebäude, welche der Verwaltung und Rechtspflege, dem Handel und Verkehi in Pompeji dienten; die ihnen gegebene Bezeichnung ist deshalb nicht im Strengsten Wortsinne zu fassen , und ist nur gewählt , weil sich schwer eine andere finden läßt, welche erschöpfend und doch gleich kura diese Classe äflTentlicher llauwerke von den anderen Claasen unterscheidet.

Wir eröffiien unsere Hctracbtung passend mit einem Gebäude, welches theils religiösen, theils weltlichen Zwecken diente, so dass es gleichsam auf der Grenze der heiligen und der profanen Dauwerke steht.

1. Das MaMllam

; 8. g. Pantheon).

Dies seiner Bauweise

nach ganz der römischen

Kaiserzeit angehörende

merkwürdige Gebäude

(XXIII aufdem Plan), von

dessen Ruinen in ihrem

gegenwärtigen Zustande

Fig. 70 eine Anschauung

tx] gieht, und welches sowohl

^ w^en seiner Größe wie

wegen seines eigenthüm- B liehen Planes und seines

* Bilderschmuckes zu den g' bedeutendsten Monumen- ^ teu Pompejis gehört. £ wurde 1818 entdeckt, aber ^ erst 1821 und 1822 voU- L, »ständig ausgegraben. Um

0 diejenigen Bilder, welche

1 nicht entfernt weiden

konnten, gegen die Ein- flüsseder Witterung thiin- liehst zu schützen , hat man hier wie sonst in Pompeji die Wände mit der kleinen Ziegelbe- dachung versehn, welche unsere Abbildung erken- nen ^sst, jedoch den Zweck nur sehr unvoll- kommen erreicht, so dass

Die OffenOiehen Qebftude. DaB'Maceltum (s. g. PBotheonj. 121

die glänzenden Farben der Gemälde bereits stark verblichen sind. Nur die- jenigen an der Wand gegen das Forum sind durch ein breites Bach hinläng- lich geschützt und meistens gut erhalten. Um uns über die Bestimmung dieses Gebäudes ein Urteil zu bilden, müssen wir zunächst seinen Plan im Ganzen überblicken und die Bedeutung der einzelnen Räumlichkeiten so viel irie mißlich festzustellen suchen.

Das Gelräude steht, wie schon oben bemerkt, an der Nordostecke des Forums, unmittelbar am s. g. Triumphbogen, dessen einen Pfeiler der Plan Fig. 71 neben dem gewölbten Eingang I zeigt. Es liegt nicht rechtwinkelig gegen das Forum, sondern schließt sich mehr (frei- lich auch nicht genau) den an den Langseiten vorbeifiihreu- den Straßen an. Die westliche Schmalseite, welche wir als Front bezeichnen können, stößt an das Forum, welches, wie schon oben (S. 74) bemerkt nnirde, auf die- ser Seite keine gleichmäßig fort- laufende Coloimade hat; dieselbe wird ersetzt durch die unter ein- ander verschiedenen, den einzel- nen Gebäuden voi^elegten Säu- lenhallen. Diejenige des in Rede stehenden Gebäudes wurde ge- bildet (oder sollte gebildet wer- den; denn wir wissen nicht ob sie fertig war) durch schlanke ionische Säulen aus weißem Mar- mor, welche auf viereckigen Basen standen ; am Fuße einer

jeden Säule .tod, dem Innern " "" ?SS'\S^ «' ''""'""' der Halle zugewandt, ein Piede-

stal für eine Statue: diese I^edestale (2 im Plan] sind 1,14 M. hoch und jetzt mit unregelmäßigen Marmorstücken belegt: die Krönimgsplatten sind antik, aber nach der Ausgrabung wieder auf ihre Plätze gelegt worden. Auf zweien dieser Basen liegen marmorne Architravstücke ionischer Ordnung, welche nach beiden Seiten behauen sind und wahrscheinlich der Front dieser Vorhalle an- gehören. Eine zweite Reihe von Statuenbasen stand auf der Bückseite der Vor- halle, zwischen den dort sich auf dieselbe öfiienden Läden 5 und an den beiden Säulen des Eingangsraumes a. Auf ein oberes Gescboes der Vorhalle deutet die Treppe 3, welche nicht zum Innern des Gebäudes in Beziehung steht, sondern mit den früher erwähnten Aufgängen zur Gallerie des Forums zu vei^leichen ist. Links fuhrt die s. g. Strada degli Auguatali (früher Straße der getrock- neten Früchte) vorüber, und mit 4 sind jene Läden bezeichnet, von deren

122 Drittes Capitel.

reichem Inhalt an allerlei Früchten die Straße den früher üblichen Namen erhalten hat. Von dieser Straße her führt ein mit zwei Erotenbildern (Hlbg. No. 777, 800) geschmückter Nebeneingang b auf den Hof unseres Gebäudes. Eben dahin fuhrt durch ein kurzes Vestibül und über fünf Stufen ein zweiter Eingang c aus der durch das angrenzende s. g. Senaculum zur Sackgasse ver- bauten kleinen Straße, jetzt Vicolo del balcone pensile \ an seiner linken Wand ist die Nische für die Larenbilder nebst den gewohnten zwei Schlangen an- gebracht. Nach hinten stößt unser Gebäude an Privathäuser.

Vor seiner Front unter der Colonnade liegen die mit 5 bezeichneten, als Wechslerbuden, tabernae argeniaria^^ bekannten kleinen Läden; dass sie wirklich diesem Zweck dienten, kann zwar nicht erwiesen werden ^^j^ doch ist ihre Lage wohl dazu geeignet. Durch ihre verschiedene Tiefe ist der Winkel, welchen die Queraxe des Gebäudes mit der Längenaxe des Forums bildet, ausgeglichen worden. Zu diesem Zweck musste der südlichste dieser Räume eine so geringe Tiefe erhalten, dass er als Laden nicht benutzt werden konnte. Man verwerthete ihn daher in andrer Weise : an der Rückwand ward eine in ihrem hintern Theil 1,77, im vordem 1,20 M. hohe, 1,60 breite und 1,20 M. tiefe Aufmauerung angebracht, welche, ihrer eigenthümlichen Form nach, am ehesten als Basis einer Aedicula gedient haben kann. Alsdann war dieser Raum, von dessen Wänden der untere Theil mit Marmor bekleidet war, ver- muthlich dem Dienst der Laves compitales gewidmet. In der Mitte ist der Haupteingang a, zwei Thüren, zwischen denen sich eine von zwei korinthi- schen Säulen einge&sste Nische für eine verlorene Statue befindet. Die jetzt nicht mehr an Ort und Stelle befindlichen Capitelle dieser Säulen sollen in ihrem Ornament einen Adler gezeigt haben, was für die Ansicht ins Gevncht fällt, dass das ganze Gebäude zum Cultus des vergötterten Kaisers Augustus in Beziehung stand. Vor dem Eingangsraum a, in der Frontlinie der Taber- nen (5) standen noch zwei Säulen (die Steine, welche ihnen als Fundament dienten, sind erhalten) und am Fuß derselben (wie schon erwähnt) zwei weitere Statuenbasen. Tritt man durch den Haupteingang ein, so befindet man sich in dem breiten, den Mittelraum umgebenden Umgang d. Seiner Bestimmung nach können wir nicht umhin, ihn für eine Säulenhalle zu halten ; doch ist der Zustand, in welchem er gefunden wurde, merkwürdig. Nur an der Nord- und einem Theil der Westseite liegt ein solider Säulenstuhl aus Travertin, und an ihm eine Rinne aus demselben Stein. Im Säulenstuhl sind in regelmäßigen Entfernungen, wie auf dem Plan (Fig. 71) angegeben, kleine viereckige Löcher angebracht, in welche, von der Seite des Mittelraums her, je eine kleine Rinne einmündet : offenbar für den Bleiverguss zur Befestigung der hier aufzustel- lenden Säulen ; viereckige Spuren zeigen, dass dieselben Basen hatten. Mit Ausnahme dieses Stückes aber hat der Umgang d statt des Säulenstuhls nur eine aus ziemlich kleinen Tuffsteinen bestehende Stufe mit kleinen Löchern, welche, ziemlich gleichmäßig von einander entfernt, zur Anbringung eines Gritters dienen konnten ; von Säulen keine Spur, und offenbar war auch die Festigkeit dieser Stufe viel zu gering, um solche zu tragen. Kein Zweifel, diese dürftige, provisorische (zum Theil übrigens moderne) Stufe sollte überall durch den Travertinsäulenstuhl ersetzt werden.

Die öffentliahen Gebäuds. Dag MBCellum (s. g. Pantheon). 123

In der Mitte jeder der vier Seiten bildet ein über die Rinne gelegter Tra- vertinstein einen schmalen Zugang zu dem 16X25 M. großen mittlem Hof- raum, von dessen gut gearbeitetem terrassirten Fußboden, bestellend aus in Stuck gelegten Stückchen weifien Marmors, nur wenig erhalten ist. Hier erheben sich auf einer zwölfeckigen, etwas erhöhten Fläche von 12,50 M. Durchmeaset zwölf in ganz zerstörtem Zustande gefundene, jetzt restaurirte und mit modernem Stuck überzogene basenartige viereckige Aufmauerungen, welche zu der populären Benennung des Gebäudes als Pantheon Anlass ge- geben haben, indem man sich auf ihnen die Statuen der zwölf Götter errichtet dachte. Neuerdings hat Niesen vermuthet, dass es vielmehr Altäre der zwölf Götter waren, denen zu Ehren hier nach seiner Meinung geschlachtet wurde. Eine andere Ansicht ist die, dass diese zwölf vermuthlich mit Marmor beklei- deten Aufinauerungen einen mit einer leichten Kuppel gedeckten Säulenbau trugen , dessen Verschwinden uns weiter nicht wundem dürfte. Letztere An- nahme wird sich uns weiterhin aus allgemeinen Gründen als wahrscheinlich eichen, und es spricht für sie der bemerkenswerthe Umstand, dass die frag- lichen Aufmauerungen auf einem gemeinsamen, fortlaufendeu, zwölfeckigen Fundament stehen : ein Verfahren, welches bei Säulenbauten stets beobachtet wurde und nöthig war um ungleichmäßige Senkungen zu vermeiden, nicht aber hei Reihen von Statuenbasen , wie wir sie mehrfach auf der Ostseite des Forums finden. Gleich außerhalb der Basen linden sich Beste einer ebenfalls zwölfeckigen, mindestens 0,44 M. dicken, aus ziemhch großen Kalk- steinen gut gefügten Mauer. Dieselbe muss schon im Alterthum entfernt worden sein: nur auf der Westseite finden sich diese Reste auf einer zusam- menhangenden Strecke, doch befinden sich auch im Osten einzelne Steine genau an ihrem Platze. Es liegt nahe, hier einen Rest eines altem, geschlossenen Gebäudes zu erkennen, welches später durch den Säulenbau ersetzt wurde. In der Mitte fand man ein mannorbekleidetes Brunnenbassin, welches jetzt nicht mehr sichtbar, aber auf den Plänen Fiorelli's und Niccolini's sowie auch auf dem unsrigen verzeichnet ist; das dahin fuhrende Leitungsrohr ist in der Senkgrube e' gesehen worden. Ebenda sollen auch Fischgräten gefunden worden sein^). Rechts, dem Eingang i gegenüber, lehnen sich elf kleine

Fig. 72. Cellen im Macelium (s. g. Pantheon].

Celleny von 2,75 X 3,12 M. an die Mauer des Gebäudes »'). Die beiden Abbil- dungen Fig. 72 zeigen deren Hinter- und Seitenwand ; man bemerkt den nach

124 Dritte« Cnpitel.

hinten leise geneigten Fußboden, die durch die Rückwand hindurchgehende Ahflussrimie und die Löcher zur Aufnahme der Deckenbalken. Da sich die Mauer üher diese Löcher nicht uiihctnichtlich erhebt, so müssen die Cellen zweistückig gewesen sein. Der Eingang in das obere Stockwerk konnte nur durch eine äullerc Galleric vermittelt sein, wie eine solche in der nuten zu besprechenden Gladiatoren schule (dem s. g. Soldatenqiiartier ) zum Theil erhalten ist. Diese, sowie die Treppe, ist, als von Holz, gänzlich verschwun- den, aber man kann viereckige l>i>cher in der Front der die Cellen trennenden Wände auf die hier eingefügten Kalken der Gallerie wahrscheinlich genug beziehen. Die Form der Cellen ist durchaus die von Kaufläden, und auf einen solchen Gebrauch <leut«n auch die vielen in die Wände eingekratzten Zahlen [C. I. L. IV, 1960—190«').

Im Hintei^undc des Gebäudes, dem llaupteingang gegeiiül)er, liegen drei größere Räumlichkeiten ff, h, t, von denen Fig. 73 eine Gesammtansicht bietet.

Fig. 73. Hintergrund des Macellum !s. r. Pantheon).

Das mittlere dieser Zimmer, von 6,50 M., ist ein ganz unzweifelhaftes Hei- ligthum. Dasselbe ist auf fünf Stufen, die in einer eigenen Vorhalle liegen, ül>er den Hoden des Gesammtbaus erhoben, hat im Hintergründe eine große Hasis für das geweihte Bild und in seinen Seitenwänden je zwei Nischen für andere Statuen. Zwei derselben fand man, wie Fig. 74 zeigt, an Ort und

Fig. "4. Sacellum im Macetlum (s. g. FsDtbeon).

Stelle und erkennt in ihnen, die jetzt im Museum zu Neapel stetm, Livia, Augustus' Gemahlin, und den jungem Drusus, Sohn des Tiberius. .Tetzt stehn zwei Gypsabgüsse dieser Statuen in den beiden hinteren Nischen, rechts und links, ob genau an ihrem Platze, muss dahinstehn; nach älteren Angaben standen beide, wie es die Abbildung zeigt, rechts, und gegenüber werden sich demnach die Statuen zweier anderen Glieder der Kaiserfamilie befunden

Die öffentlichen Gebäude. Bas Macellum (s. jjj. Pantheon), 125

haben. Von dem Hauptbilde, welches an der Rückwand aufgestellt gewesen sein muss, fand man nur einen die Weltkugel haltenden Arm, aus dem man wohl mit Recht auf eine Kaiserstatue, und zwar die des Augustus, schließt, welchem dies Sacellum geweiht gewesen.

Durch diese Statuenfunde wird festgestellt, dass das Heiligthum, und mit ihm der ganze Bau, vor dem Jahre 23 n. Chr., dem Todesjahr des Drusus, entstanden ist. Und wenn mit Recht in der Statue mit der Weltkugel Augu- stus erkannt wird, so ist es nach dessen Tode (14 n. Chr.) erbaut worden; denn er ist alsdann als Gott dargestellt gewesen. Eine andere Möglichkeit wäre freilich die, dass in der Hauptnische Juppiter mit der Weltkugel, Augu- stus aber in einer Seitennische der Livia gegenüber gestanden hätte ; alsdann fällt der Bau vor den Tod des Kaisers ; denn als Gott, als Divus Augustus, musste er einen hervorragenden Platz haben. Doch ist diese letztere Annahme weniger wahrscheinlich: die Bauart deutet eher auf spätere Zeit, und wir werden besser thun, den Bau nicht älter anzusetzen als durchaus nöthig ist ; femer ist es nicht recht glaublich, dass hier noch ein dritter Juppitertempel in augusteischer Zeit erbaut worden sein sollte **) . Es war also dies ein dem Kaisercultus gewidmetes Local, und nicht ohne Wahrscheinlichkeit hat man in ihm schon gleich nach der Auf&ndung (so neuerdings auch Nissen, Pomp. Stud. S.274) das Cultuslocal der Augustalen erkannt, ein Heiligthum der gens JuHuj deren Cult diesem Collegium nach Tacitus [Hist, 2, 95) übertragen war. Auch das mit einer Stellung von zwei Säulen, deren viereckige Marmorbasen erhalten sind, gegen den Hof geöfl&iete Gemach links «, diente wahrscheinlich Cultuszwecken. Es hat im Hintergrunde eine erhöhte und überwölbte Nische k für ein Weihebild, und vor derselben zunächst ein breites, mit Marmor be- legtes und durch eine seitliche Treppe von fünf Stufen zugängliches Podium, so wie vor diesem einen ganz niedrigen, eigenthümlich geformten Altar : auf zwei Marmorstufen (hoch 0, 44 M. ) liegt eine länglich viereckige (1 ,33 X 0,64 M.) Platte aus schwarzem Sandstein, deren obere Fläche von einem niedrigen, leicht profilirten Rande umgeben ist , welcher in der Südostecke durch ein kleines Loch zum Abfluss von Flüssigkeit durchbohrt ist ; die Form scheint auf Libationen zu deuten und man könnte also vermuthen, dass hier Opfer- schmäuse gehalten wurden. Endlich steht noch gleich rechts am Eingange ein großes, 0,82 M. hohes marmorbekleidetes Podium. Die Nische k mit Zubehör ist offenbar ein nachträglicher Einbau : es handelt sich also hier vielleicht um den Cultus eines der auf Augustus gefolgten Kaiser.

Einen ganz andern Charakter hat das Gemach rechts A, welches ebenso wie % sich mit zwei auf Basen stehenden Säulen auf die Ostporticus öffnet. Die charakteristische Eigenthümlichkeit desselben ist die steinerne Bank, welche an den drei inneren Wänden entlang läuft. Sie ist 1,18 M. von der linken, 1,13 M. von der hintern, 2,74 M. von der rechten Wand entfernt und hat in der Mitte ihrer Rückseite einen Durchgang. Ihre Oberfläche neigt sich gegen die Mitte des Zimmers, und es ist deshalb nicht zulässig, sie mit den in Pompeji nicht seltenen gemauerten Triclinien zu vei^leichen und in dem ganzen Räume ein Speisezimmer zu erkennen : die Tafelnden hätten als- dann entweder mit den Füßen höher als mit dem Kopfe, oder mit dem Gesicht

126 Drittes Capitel.

gegen die Wand liegen müssen, während die Speisetische doch nur in der Mitte des Zimmers stehen konnten. Denken wir uns dagegen die obere Fläche mit einer harten Masse bedeckt, so ist die ganze Vorrichtung zu keinem Ge-» brauch so vollkommen geeignet, wie zu einer Fleischbank; noch heutigen Tags kann man in italienischen Städten sehen, wie das Fleisch auf gemauerten Tischen verkauft wird, die mit einer nach der Seite des Käufers geneigten Marmorplatte belegt sind : eine ganz ähnliche Vorrichtung , nur nicht huf- eisenförmig, steht z. B. auf dem Markt von Torre Annunziata. Auch die an der innem Seite des Hufeisens am Fuß des Tisches entlang geführte Rinne, mit einem bedeckten Abfluss nach Süden, passt hierzu vortrefflich. Noch ist zu bemerken, dass der linke (nördliche) Arm abweichend behandelt ist: der Fußboden zwischen Tisch und Wand ist hier erhöht, mit ^tuck bekleidet und sehr stark gegen einen Punkt am Ostende geneigt, an welchem eine Rinne durch den Tisch hindurch in jene andere Rinne führt. Dies deutet darauf, dass hier besonders viel Wasser gebraucht wurde, und man könnte vermuthen, dass auf dieser Seite Fische verkauft wurden *^j . Wir erwähnen noch den kleinen (4,75 X 0,93 ; hoch 2, 10), von i aus zugänglichen Raum /, in welchem Gerippe von kleineren Thieren, wie von Schafen , gefunden sein sollen (Nissen, Pomp. Stud. S. 279) . Es ist dies ein späterer Einbau, jünger als die Malerei der Wände. Ehe wir nun versuchen, die Bedeutung und den Zweck des Baues zu bestimmen , müssen wir noch einen Blick auf die Malereien seiner Wände werfen, welche, namentlich die des Hauptraums, fiir jene Frage nicht un- wichtig sind. Wir bemerken zunächst, dass sämmtliche Malereien den Stil der letzten Zeit Pompejis zeigen. Die horizontale Theilung der Wand ist die gewöhnliche, in Sockel, Hauptfläche und obem Wandtheil. Der Sockel ist in spielend omamentaler Weise als. ein vorspringender und namentlich die leichten Architekturen der Hauptfläche stützender Unterbau charakterisirt ; und zwar sind die architektonischen Glieder gelb, die von ihnen umrahmten omamentirten Flächen schwarz. Die Hauptfläche besteht aus großen schwarzen Feldern mit breitem rothen Rande, welche getrennt werden durch architektonische Durch- blicke mit weißem Hintergrund. Die schwarzen Felder haben in der Mitte theils Gruppen schwebender Figuren (Hlbg. No. 1952, 1957), theils viereckige Bilder mythologischen Inhalts; so an der Westwand (gut erhalten) lo und Argos (Hlbg. No. 131), an der Nordwand (ebenfalls gut erhalten): Odysseus imd Penelope (No. 1332), Medea auf den Mord ihrer Kinder sinnend (noch ziem- lich erkennbar, No. 1263), Thetis, welche Achill die Waffen bringt (sehr zer- stört, No. 1322), Phrixos auf dem Widder (ziemlich zerstört, Nr. 1257). Die phantastischen Architekturen der erwähnten Durchblicke sind vorwiegend gelb, die scheinbar weiter zurück liegenden Theile auch roth imd grün. Auch in ihnen sind Figuren, einzeln und in Gruppen, angebracht (No. 940, 1780). Am auffallendsten aber, und für die Bedeutung des ganzen Gebäudes am wichtigsten ist die Behandlung des obem Wandtheils. Es ist sonst durchaus Regel , dass derselbe von leichten , phantastischen Architekturen , in denen häufig Figuren angebracht sind, daneben auch wohl von allerlei Omament- streifen eingenommen wird. Hier dagegen wird dieser Wandtheil fast ganz ausgefüllt durch große, den schwarzen Feldern der Hauptfläche entsprechende

Die öffentlichen Gebäude. Bas Macellum (s. g. Pantheon). 127

Bilder, die weitaus gröBten der gesammten Wände, welche die verschiedensten Gattungen von Lebensmitteln nebst verwandten Gegenständen darstellen. Wir finden daselbst allerlei Geflügel, Kalkuten, Enten, Gänse, Eebhühner, bestens gerupft und gereinigt , einen Hahn mit gebundenen Füßen , Wild , Fische, Früchte in verschiedenen Gefäßen, Eier in Glasschalen , Amphoren für Wein, allerlei Fleisch , Schinken , Schweinsköpfe , Brod und Kuchen , verschiedene Greräthe, z.B. Vorlegemesser und dergleichen mehr [Miss, Borb. VI, 38. VIII, 26 u. 57). Diese eigenthümlichen Malereien erstreckten sich durch den ganzen Hauptraum und auf den nördUchen Eingang b. Auf den Hauptfeldern des letz- tem erwähnen wir noch zwei höchst anmuthige. leider jetzt sehr zerstörte Bild- chen, deren eines Liebesgötter darstellt, welche das Mühlenfest Vestalia feiern (Hlbg. No. 777), das andere dieselben, wie sie mit Kränzewinden beschäftigt sind. An untergeordneten Stellen der Wände des Hauptraumes finden wir, wie mehrfach sonst, Landschaften, Seestücke, Thierkampfe , Jagden u. dgl. mehr. Auf der Hinterwand des Baumes h sind in einem großem Bilde (No. 1019) vermuthlich pompejanische Localgottheiten dai^estellt, Erotenscenen in zwei Bildern des Baumes t.

Diese Decoration kann nicht diejenige sein, welche unser Gebäude gleich nach seiner Erbauung erhielt ; denn damals herrschte der dritte pompejanische Decorationsstil. Außerdem ist sie jünger als die Nische k in t, welche wir als einen spätem Einbau erkannt haben. Wir dürfen also annehmen, dass ihr eine Decoration dritten Stils vorherging.

Fragen wir nun, was wir in diesem Gebäude zu erkennen haben, so fehlt es ims nicht an Anhaltspunkten. Wir fanden eine Reihe von elf Localen, welche, nach vom weit offen, durchaus die Form von Läden haben, und in denen wir daher Verkaufsräume vermuthen dürfen. Wir fanden femer in dem Baume h eine Vorrichtung, die vollkommen wie eine Fleischbank aussieht und uns zu der Vermuthung berechtigt, dass dies Local dem Fleischverkauf diente. Endlich die besprochenen Malereien : dieselben entsprechen weder dem was in der pompejanischen Wandmalerei üblich ist, noch können sie als eine Verschöne- rung der üblichen Decorationsweise gelten. Dazu kommt der große Maß- stab , welcher den Gedanken an ein decoratives Spiel ausschließt, die unge- wöhnliche Ausdehnung , und der Umstand , dass , während auf den großen Feldern der Hauptfläche die mythologischen Bilder mit Einzelfiguren wech- seln , diese Darstellungen von Victualien sich über ihnen gleichmäßig durch den ganzen Hauptraum mit dem Nordeingang erstrecken: offenbar sind sie von den darstellenden (nicht omamentalen) Bestandtheilen der Decoration der- jenige, welcher am meisten in die Augen fallen und am meisten den Charakter dieser gesammten Wände bestimmen musste. Wir können also kaum umhin, anzunehmen, dass diese Malereien in enger Beziehung zu der Bestimmung des Gebäudes stehn. Alle diese Umstände führen uns fast mit Nothwendigkeit auf die Vermuthung, dass wir hier eine Verkaufshalle für Lebensmittel der ver- schiedensten Art, einen Victualienmarkt vor uns haben . Ein solches Ge- bäude,^ in welchem man jeglichen Bedarf für die Mahlzeit, namentlich auch kostbare Speisen kaufen und sich außerdem noch einen Koch miethen konnte, nannten die Römer mit einem griechischen Wort Macellum^^); es gab deren

\ 2S Drittes Capitel.

raehie in Rom, und sie fehlten auch nicht in den Munieipien. Durch Inschriften und literarische Zeugnisse erfahren wir, dass zu ihnen sowohl Säulenhallen und ein freier Platz [area] als auch Verkaufsläden gehörten, femer steinerne Tische: lauter Dinge, die wir auch in unserem Gehäude gefunden hahen. Wir wissen aus einer gelegentlichen Erwähnung Varros, dass zu dem Macellum ein Kuppelbau (tholus) gehörte ; und auf einer Münze , welche ein von Nero ge- bautes oder hergestelltes römisches Macelliun darstellt, erscheint innerhalb eines zweistöckigen Säulenbaues eine säulengetragene Kuppel, unter welcher eine Statue steht. Wir sind also wohl nicht zu kühn, wenn wir annehmen, dass auch in unserm Gebäude in den zwölf Basen die Reste des Kuppelbaues (tholus) erhalten sind.

In Betreff des Letztem muss der Vermuthung begegnet werden, als sei er etwa ein Schlachthaus gewesen. Zwar geht aus einigen Andeutungen hervor, dass es Macella gab , in welchen auch geschlachtet wurde ; da aber hier die Entfernung zwischen dem Bassin und den Basen nicht mehr als etwa 3 M. betragen konnte, so war der Raum für einen solchen Zweck durchaus ungenü- gend. Überhaupt ist in dem ganzen Gebäude kein zimi Schlachten geeigneter Raum vorhanden ; denn an die neben dem Zwölfeck übrig bleibenden Ab- schnitte des Mittelraumes zu denken verbietet nicht nur ihre hierfür doch kaum hinreichende Ausdehnung, sondern mehr noch die feine FuBboden- bedeckung, die schmalen Zugänge, so wie die Unzuträglichkeit, dass alsdann das Schlachtvieh durch das in den Umgängen sich bewegende kaufende Publi- kum hindurch gefuhrt werden musste. Der Tholus war wohl nur ein den Brunnen umschließender Zierbau ; wie wünschenswerth es war, an einem Ort, wo Lebensmittel verkauft wurden, Wasser zur Hand zu haben, bedarf keiner weitem Ausführung. So bleiben wir also dabei, in unserem Gebäude nicht ein Schlachthaus, sondern ein Macellum im Sinne eines Victualienmarktes zu erkennen, welchem man durch die in ihm angebrachte Capelle des kaiser- lichen Hauses eine religiöse Weihe geben und ihm wohl auch den besondem Schutz des Herrschers zuwenden wollte.

2. Das 8. g. Sitzungslocal der Decarionen (Senacnlum).

Das Macellum und der Augustustempel liegen nicht senkrecht auf das Forum, sondern haben sich der Richtung der neben ihnen auf dasselbe mün- denden Straßen anbequemen müssen. Als man nun aber die Lücke zwischen beiden durch das auf unserm großen Plan mit XXH bezeichnete Gebäude ausfüllte, wurde die südlich am Macellum entlang laufende Straße gesperrt, und da man auf keine Straße mehr Rücksicht zu nehmen hatte, legte man das neue Gebäude senkrecht auf das Forum, indem man da, wo es an jene beiden anstößt (bei e] zur Ausgleichung der Abweichiing die Zwischenwände ungleich- mäßig verstärkte. Die Mauern sind theils aus Ziegeln, theils aus netzförmig angeordneten Steinen verschiedenen Materials (vorwiegend Kalkstein) errichtet.

Das Gebäude besteht aus einem großen, 18,20 M. breiten, 19,90 M. tiefen Saal b, welcher um 3,45 M. vor die anstoßenden Gebäude vorspringt und auf das Forum in ganzer Breite geöffnet ist. Vor ihm sehen wir, in einer Linie mit

Die öffentlichen Gebäude. Das b. g. Sitzungslocal der Decurionen (Senaculum). 129

den Säulen der Vorhalle des Mäcellums, die Fundamentsteine von acht Säulen : in jedem derselben sind vom zwei Löcher, welche, wie vor dem Macellum deutlicher zu sehen ist, dazu dienten, um mittels Eisenklammem die Marmor- bekleidung zu befestigen. Eisenspuren in einem dieser Löcher beweisen, dass diese Marmorbekleidung schon gelegt war, und es ist deshalb nicht unwahr- scheinlich, dass auch die Säulen schon standen. Auf den Hauptsaal öffnet sich von hinten die Apsis c von 1 1 M. Weite und 6,50 M. Tiefe, in welcher die 3,03 M. breite, 1,75 M. hohe Basis d steht. Hinter und über dieser ist in einer viereckigen, wohl als Aedicula überdeckten Nische eine zweite, um 0,90 M. höhere Basis von geringer Tiefe angebracht ; ihre Form lässt schließen, dass hier mehre Statuen standen. An den Wänden der Apsis zieht sich in der Höhe der großen Basis eine etwa 0,85 M. breite Stufe hin, auf der an jeder Seite die Fundamen tquadem von zwei Säulen und zwei Halbsäulen erhalten sind. Letztere Beobachtung leitet uns auch zur richtigen Beurteilung der großen Basis rf an: da die Seiten wände der Apsis mit vorgestellten Säulen verziert waren, so war es eine decorative Noth wendigkeit, dass auch der Mittelpunkt, die Aedicula, des Säulenschmucks nicht entbehrte. Ohne Zweifel standen auf den Vorderecken der Basis zwei Säulen, welche mit Gebälk und Dach die Vorhalle der Aedicula bildeten : dieselbe Anordnung, welche wir auch im For- tunatempel (Fig. 65) finden. Die beiden großen viereckigen Nebenräume e (M. 8X3,70) haben an ihrer Rückwand je eine 1,55 M. hohe Basis für eine Statue, und waren vom Hauptraum durch je zwei Säulen, deren Fundament- quadem noch liegen, getrennt. Im Hauptraum finden wir noch beiy, g und h Nischen, etwa 1,70 M. vom Boden. entfernt, jedenfalls auch für Statuen bestimmt. Unter einer jeden derselben springt eine Art schmaler Basis aus der Wand vor: offenbar der decorative Unterbau für Pilaster, welche neben den Nischen durch die Marmorbekleidung der Wände ausgedrückt waren ; bei g sind diese Vorsprünge so breit, dass sie auch wohl auf jeder Seite eine Säule getragen und so das Motiv der großen Aedicula d im Kleinen wiederholt haben können. An den Seiten wänden ist je die hinterste Nische noch dadurch aus- gezeichnet, dass sie innerhalb einer großen, bis auf den Boden hinabreichenden überwölbten Nische angebracht ist. Es standen also liier im Granzen minde- stens 11, wahrscheinlich 12 oder 13 Statuen.

In der Mitte des ganzen Baumes steht das Fundament eines Altars i. Der Fußboden ist mit verschiedenfarbigen Marmorplatten, wie sie der Plan an- giebt, bedeckt gewesen, von denen nur ein Stück in der Ecke erhalten ist, wie sich auch von dem Marmorschmuck der Wände nur geringe Reste vorfinden. Schwierig ist die Frage nach der Bedachung. Für eine so colossale Wölbung sind auch nicht im Entferntesten die nöthigen Widerlager vorhanden, und auch eine Holzconstruction von solcher Spannweite ist nicht ohne Bedenken. In der That aber zwingt uns nichts, den Mittelraum h als bedeckt anzunehmen, und die Thatsache, dass e und c offenbar ihre eigene Bedeckung hatten, lässt es nicht unglaublich erscheinen, dass er unbedeckt war. Eine Schwierigkeit bleibt dann nur in Betreff der durch die erwähnten Fundamentsteine bezeugten Säulenstellung am Forum, da es nun an einem Auflager für das obere Ende des Daches der Porticus fehlt. Indess ein solches gewinnen wir auch nicht

Ot erbeck, Pompeji. 4. Anfl. 9

130 Drittes Capitel.

durch die Annahme einea aus Holz construirten Dachstuhls. So werden wir wohl entweder annehmen müssen, dasa noch eine zweite Säulenreihe Iwi a beabsichtigt war (was nicht wahrscheinlich ist, da doch die Fundamente wohl schon da sein wünlen), oder dass hier keine bedeckte Porticus war, sondern

Fig. 75, Plan dea b. g. Sitzunggaaales der Decurionen iNorden links).

nur eine decorativ am Forum entlang geführte Säulensteltung. In beiden Fällen müssen wir uns die Säulenstellung jünger als das Gebäude, und nicht ursprunglich im Plane desselben liegend denken. Über den kleinen Verbin- dungsgang e', durch welchen man in die Hinterzimmer des AuguBtustempele gelangt, ist schon bei Gelegenheit dieses gesprochen worden.

Unser Gebäude ist bekannt unter dem Namen Curie, oder Senaculum, und man vermuthet in ihm den Sitzungssaal der Decurionen ; der Altar könnte dann, nach dem Muster der römischen Curie, ein Altar der Victoria sein. Es ist aber dagegen mit Recht angeführt worden, dass ein solcher Sitzungssaal doch wohl ein geschlossenes Local sein musste. Fiorelli nennt es Atriimi, indem er vermuthet, dass es dem Kaisercultus gewidmet war ; eine Annahme, welche durch die erwähnte Verbindung mit dem Augustustempel sehr wahi^

Die öffentlichen Gebäude. Das Gebäude der Eumachia. 131

scheinlich wird. Näheres läöst sich nicht feststellen. FiorelH bezieht auf die Einweihung dieses Raumes und seines Altars eine gemalte Inschrift [C. I. L. IV, 1180), vermuthlich aus der Zeit des Tiberius, in welcher zu Ehren der kaiserlichen Familie und zur Einweihung eines Altars [ob dedicatioTiem arae) JFechterspiele angekündigt werden: eine ansprechende Vermuthung, welche sich auch mit der muthmaBlichen Entstehungszeit des Gebäudes wohl verträgt. Denn keinenfalls stammt dasselbe aus der letzten Zeit Pompejis, da die zu ihm gehörigen, durch e zu^nglichen Räume im dritten Decorationsstil ausgemalt sind, wodurch wir bis über das Jahr 50 n. Chr. hinaufgeführt werden ^^).

3. Das Gebäude der Eumacliia.

Dieses nächst der grade gegenüberliegenden Basilika größte und bedeu- tendste, ganz der letzten, römischen Bauperiode der Stadt angehörende Ge- bäude am Forum wurde von 1817 1821 ausgegraben. Über dem Neben- eingang von der Abbondanzastraße steht eine Inschrift, welche über dem Haupteingang auf dem Architravbalken der Forumcolonnade wiederholt war und auf dessen Blöcken in Fragmenten erhalten ist ; wir lernen aus ihr, dass die Stadtpriesterin Eumachia in ihrem Namen und demjenigen ihres Sohnes M. Numistrius Fronto das Chalcidicum, die Porticus und die Crypta auf eigene Kosten gebaut und der Pietas und Concordia Augusta geweiht hat [Eumachia L.f. sacerd. ptd>l. nomine suo et M, Numistri Frontonis ßli chalcidictmi cryptam porticus Concordiae Augustae Pietati sua pequniafecit eademque dedicamt) . Dazu kommt eine andere auf dem Fußgestell der Statue der Stifterin, welche aus- sagt, dass die- Tuchwalker die Statue gesetzt hatten [Eumachiae L.f, sacerd. publ. ftdlones] . Obgleich wir aber aus der erstem Inschrift die Namen für Theile des Gebäudes kennen und aus der zweiten ersehen, dass die Tuchwalker bei der Errichtung desselben ein ganz besonderes Interesse hatten, so sind wir doch keineswegs über die Bedeutung und Bestimmung des ganzen Gebäudes und seiner Theile zweifellos au%eklärt. Selbst die Zurückführung der in der Weihinschrift genannten drei Theile des Bauwerks auf die Räumlichkeiten der Ruinen hat zu Zweifeln Anlass gegeben. Doch darf als sicher gelten, dass unter Crypta der bedeckte Umgang (7, unter Porticus der Säulengang 5, unter Chalcidicum die Vorhalle A zu verstehen ist : es ergiebt sich dies namentlich aus einer Stelle des Vitruv (V, 1, 4), welcher vorschreibt, dass, wenn der für eine Basilika gegebene Raum zu laug ist, man an den Schmalseiten Chalcidi- ken, also Vorhallen, vorlegen soll.

Die Form des Gebäudes giebt uns keinen Anhalt, um seine Bestimmung zu erkennen : der offene imd der geschlossene Umgang können zum Spazieren- gehen, zu beliebigem Aufenthalt bestimmt scheinen. Von einigen noch zu erwähnenden Vorrichtungen in dem unbedeckten Mittelraum lässt sich durch- aus nicht feststellen, welchem Zweck sie gedient haben mögen, und da auch die Inschriften wenig weiter helfen, so sind wir auf's Rathen angewiesen. Da hat nun die Ansicht, es sei eine Art Börse, ein Gebäude für Handel und Ver- kehr, vielleicht ganz besonders für den Zeughandel gewesen, manches für sich, und mag in Ermangelung einer beweisbaren andern einstweilen fest-

132

Drittes Capitel.

gehalten werden. Unter dieser Voraussetzung^ erklären sich die Einzelheiten ziemlich genügend.

Die große Vorhalle A von 39,50 M. Breite und 12,50 M. Tiefe mag für Besprechungen der Handelsleute bestimmt gewesen sein. Sie scheint nach den Seiten hin durch Gitterthüren verschließbar gewesen zu sein, welche freilich mit Sicherheit nur nach der Seite der Straße hin nachweisbar sind. Hier steht in der Mitte eine aus der Zeit des Gebäudes stammende Säule auf einer Base hinter einer alten aus samnitischer Zeit, und in den erhaltenen Marmorplatten des Fußbodens sieht man die Zapfenlöcher für zwei zweiflü- gelige Gitterthüren. Nach der Seite des Augustustempels hin sind keine Spuren einer ähnlichen Vergitterung erhalten. In den durch eine kleine Treppe a' und zwei Thüren betretbaren Nischen aa mit einem 1,36 M. über

mmmm^^mmmmmmmmmM' -

Fig. T6. Plan des Gebäudes der Eumachia (Norden unten).

dem Boden erhöhten Podium und einem noch erhaltenen Rest von Marmor- bekleidung vermuthet man den Platz für Ausrufer von Bekanntmachungen öder auch bei Auctionen, was freilich nicht zu erweisen, jedoch nicht unwahr- scheinlich ist. Die kleinen Nischen b in der Hinterwand dieser Halle sind für Statuen bestimmt gewesen : links vom Eingang standen Aeneas und Romulus, rechts ohne Zweifel Caesar und Augustus ; die Inschriften zu den Statuen der beiden ersteren, mit kurzer Angabe ihrer Thaten, befinden sich im National- museum zu Neapel, an Ort und Stelle sind Copien angebracht. Schwierig ist die Frage nach der Bedachung dieser Vorhalle. Mit der für Portiken ge- wohnlichen Uberdeckung durch schräge Latten kam man hier nicht aus ; die Absicht, eine zweite Säulenreihe anzubringen, scheint durch die am Fuße der einzigen Säule der Südseite stehende, der Vorhalle selbst zugewandte« Statuen- basis ausgeschlossen; auch müssten, bei dem Stadium, in welchem sich die Arbeiten befanden, die Fundamente sichtbar sein. So musste man also wohl beabsichtigen, hier einen vollständigen Dachstuhl zu constmiren *^) .

Durch die doppelte Rückmauer der Vorhalle hat man den schiefen Winkel, welchen das Gebäude mit dem Forum bildet, ausgeglichen. Von den so ent-

Die ötfentlichen Gebäude. Das GlebfLude der Eumachia. 1 33

stehenden kleinen Räumen enthält der zur Rechten eine Treppe, eine durch eben diese Treppe unzugänglich gewordene Cisternenmündung und einige unklare Vorrichtungen, die zum Theil vielleicht als Abtritt gedient haben können. Aus dem Räume links vom Eingange gelangte man durch einen Nebenausgang auf die hier einst auf das Forum mündende Straße : man fand hier viele Marmortafeln, mit denen die Wände bekleidet werden sollten, auf- gespeichert : ein Zeichen, dass auch dies Gebäude bei der Katastrophe Pom- pejis noch unvollendet war. Zu diesem gesellt sich das andere, dass man im Innern einen Marmorblock gefunden hat, auf dem mit Kohle eine Linie für die Steinsäge oder den Meißel vorgezogen war. Der mit einer großen Flügel- thür verschließbar gewesene Eingang in der Mitte der Vorderwand führt in die Porticus, einen 4,40 M. breiten Säulenumgang von, wie man berechnet hat, 58 Säulen, von denen nur bei x einige marmorne Basen und Stümpfe erhal- ten sind. Auch die Marmorbekleidung des Säulenstuhls und der ihm vor- gelegten Stufe ist niir auf der Rückseite und einem Theil der Langseiten erhalten. Dieser Säulengang umgiebt einen offenen Hof von 37,70 M. Tiefe und 19,16 M. Breite. Unter dem Boden dieses Hofes befindet sich eine oder mehre (/istemen : eine Mündung , geschlossen durch eine Steinplatte mit einem Eisenring, befindet sich in der Mitte, eine zweite, in einer großen Tra- vertinplatte, an der Vorderseite, eine dritte, in einem Lavastein, bei der vierten Säule rechts. An der rechten Seite fand man bei c fünf länglich viereckige, jetzt vollkommen verschwundene Aufmauerungen: ihre Form war die von niedrigen Giebeldächern. Zwei Vorrichtungen anderer Art sind bei d noch theilweise erhalten : der Boden ist hier etwas erhöht, mit opus Signinum belegt und mit einem niedrigen Rande umgeben, so jedoch, dass ein Abfluss in die Traufrinne bUeb. Dass alles dies die Füße steinerner Tische gewesen seien, auf deren Platten man die feilgebotenen Waaren (WoUenstoffe) zum Verkauf ausgelegt habe, ist wenig wahrscheinlich. Andere haben hiermit die Cisteme und den öffentlichen Brunnen vor dem Südeingang verbunden, und unter Hinweis darauf, dass noch heute in Italien vielfach, wie auch anderswo, die Wäsche durch Ausklopfen auf flachen Steinen gereinigt wird, angenommen, Eumachia habe diesen Mittelraum den Tuchwalkern zur Ausübung ihres Ge- werbes überlassen, und es sei derselbe eine fullontca gewesen. Doch wird der seltsame Gedanke, als sei in Mitten dieser höchst eleganten Hallen jenes sicher sehr übelriechende Gewerbe betrieben worden, durch die Betrachtung der erhaltenen und durch Malerei dargestellten Apparate in den beiden wirk- lichen Fulloniken Pompejis hinlänglich widerlegt®®). Ringsum, am Fuß der Säulen, läuft eine Traufrinne aus Tuffblöcken ; dieselbe ist nicht, wie wohl sonst, namentlich in den Bauten der Tufiperiode, durch kleine viereckige Bassins xur Abklärung des Wassers unterbrochen, sondern es sind diese kleinen Bassins, 0,60 M. im Quadrat, 0,50 M. tief, neben der Rinne an- gebracht, und zwar an sechs Stellen, in den Ecken und in der Mitte jeder Langseite (s. den Plan Fig. 76).

In diesem offenen Säulengange und dem von ihm umschlossenen Hofraum kann sich bei gutem Sommerwetter der Zeughandel bewegt haben, vielleicht nebst anderen Geschäften; bei schlechtem und bei Winterwetter zog man sich

134 Dritte« Capitel.

m die Crypta C zurück, in die man durch die Eingänge ee gelangt, und welche durch Fenster^ von dem Hofe aus ihr Licht empfing. In den Marmorech wellen einiger von diesen Fenstern sind die Löcher für die Angeln erhalten.

Auf die Rückseite der Säulenhalle öSftiete sich eine große halbrunde, ohne Zweifel überwölbte Nische, mit zwei Kacksteinpfeüem im Eingang. Siemußste das üach der Säulenhalle weit überragen, so dass ihre Frönt, deren Marmor- bekleidung, wie aus den Fragmenten hervoi^eht, giebclartig gebildet war, liur aus der Vorderjiorticufi und deu Anfängen der Seitenporticus sichtbar war. Hier steht eine große Statuenbasis ^, und man fand daselbst im Jahre 1818 eine Statue ohne Kopf, mit eiuem reich verzierten Füllhorn im Unken Arm : das Gewand war bemalt und die Verbrämung vergoldet *'j . Ohne Zweifel mit Recht hat man in ihr die Concordia Augusta erkannt ; sie trug vermuthlich

Fig. 77, Statue der Eumachia und blinde Thär.

die Züge der Livia, In den beiden Nischen neben der Basis werden die Sta- tuen anderer Mi^lieder des Kaiserhauses, vermuthlich des Tiberius und seines Sohnes, des jungem Drusus, gestanden haben. So hatte diese Nische für unser Gebäude dieselbe Bedeutung, wie dieCapelle^ (Fig- 71) iüi das Macellum: sie gab dem für praktische Zwecke bestimmten Kau eine religiöse Weihe und stellte ihn unter den Schutz der kaiserlichen Familie. Die Bestimmui^ der kleineren Nischen zu beiden Seiten h h ist so wenig auszumachen, wie die Verwendung bestimmt werden kann, welche die beiden unregelmäßigen, durch xwei Fenster au8 dem Säulenumgang und vier aiis der Crypta erleuchteten Bäume 1 1 zu den Seiten der großen Nische gefunden haben ; sie waren hei Anlage der Haupt- räume übrig geblieben, und man legte so wenig Werth auf sie, das« man ihnen nicht ei nmalThüien gab: es mögen hier irgend welche Gegenstände aufbewahrt worden sein. Hinter der großen Nische, also im Hintergrunde der Crypta und des ganzen Baus, steht (jetzt in einem Gypsabguss: s. Fig. 77) die Statue der Stifterin in einer viereckigen Nische k. Rechts von derselben ist eine Thür /, welche sich auf einen über Stufen luid eine geneigte Ebene abwärts auf die Straße fuhrenden Gang ö£het. Um mit dieser die Symmetrie herzustellen, ist

Die öffentlichen Oebftude. Da« Oeb&ude der Eumachia. 135

links auf die Wand eine blinde Thür V, gelb, also in Holzfarbe, gemalt, welche uns in Verbindung mit den neuerdings gewonnenen Gypsabgüssen des ver- kohlten Holzwerkes bei der Reconstruction der Producte des pompejaniechen Zimmerei^ Werkes wesentliche Dienste zu leisten im Stande ist. Sie ist drei- flügelig, eine Art von Thüren, welche öfter auf pompejanischen Wänden durch Malerei dargestellt ist und den Vottheil hatte, dass die Flügel, wenn sie ge- ofiiet waren, wenig Platz einnahmen, und dass man den mittlem Flügel Öffnen konnte, während die beiden anderen mit ihren Riegeln befestigt blieben. In der Mitte ist der kleine King zum Anziehn nicht vergessen.

Die im dritten Decor&tionsstil gehaltene Malerei der Wände war, wie aus den geringen Resten hervorgeht, ziemlich einfach: die abwechselnd gelben und rothen Wandfelder der Crypta enthielten in der Mitte je ein kleiues, meist landschaftliches Bild ; anf dem schwarzen Sockel sind Pflanzen dargestellt. Die Wände der Porticus waren am Sockel mit zum 'llieil noch erhaltenen bunten Harmortafeln bekleidet ; die fehlenden sind wahrscheinlich von den Pompeja- nem bald nach der Verschüttung oder im Laufe der auf diese folgenden Jahr- hunderte au^egraben und dabei denn auch wohl die korinthischen Marmor- säulen der Porticus entfernt worden, von denen man nur einzelne Reste an Ort luid Stelle gefunden hat. Die Hauptthür hatte eine schöne Einfassung von Marmor in geistreicher Arabeskenmanier, von der noch unten die Rede sein wird, ebenso wie von dem Giebel der Nische, bei dem die Geschmack- losigkeit von Kragsteinen unter der Giebels chräge hervorgehoben werden muss.

Die äußere Mauer nach der Abbondanzastraße zu ist durch flache Pfeiler in eine Reihe von Feldern zerlegt , die wie die gleichen im Augustuetempel abwechselnd flachdreieck^ und flachgewölbt geklönt sind. Diese Mauerfelder dienten als Album (s. Fig. 7S], und es sind auf ihnen viele interessante

Fig. 78, Album am Gebäude der Eumsohia.

Inschriften gefunden worden , welche mit anderen später zu besprechen sein werden.

Es ist von Nissen mit Recht hervorgehoben worden, dass die Weihung seitens einer Mutter mit ihrem Sohne an die Concordia Augusta und Pietas nicht wohl etwas anderes bedeuten kann, als eine Huldigung an die Kaiserin- mutter und den regierenden Kaiser. Da nun dies Gebäude im dritten Deco-

136 Drittes Capitel.

rationsstil ausgemalt ist, mithin nicht wohl jünger als das Jahr 50 n. Chr. sein kann, in der Bauart aber dem Augustustempel gleicht, so kann diese Huldi- gung nur der Li via und dem Tiberius gegolten haben.' In der That pflegte Li via den Cultus der Concordia Augusta . der sie einen neuen Tempel grün- dete und einen altern herstellte ; der Pietas Augusta weihte der Senat im Jahre 22 n. Chr. einen Altar auf Anlass einer schweren Krankheit der Livia, und auch auf den ihr zu Ehren geschlagenen Münzen erscheint die Pietas. Es wurde also dies Gebäude im ersten Theil der Regierungszeit des Tiberius erbaut ^2j. Durch das Erdbeben des Jahres 63 n. Chr. muss es schwer gelitten haben: die ganze Fa^ade (d.h. die vordere der beiden Mauern) musste nachher neu aufgebaut werden, und zwar wurde sie, wie aus einigen Resten der alten Fa^ade hervorgeht, genau in der frühem Form wieder hergestellt. Auf den Neubau nach dem Erdbeben geht femer die Rückmauer des Mittelraumes mit den drei Nischen h und g zurück : hier können wir nicht feststellen, ob sich der Neubau genau an das Alte anschloss. Endlich stürzte damals auch die Nordostecke des ganzen Gebäudes ein und wurde wieder aufgebaut. Ver- muthlich wollte man den Marmorschmuck der Hallen vervollständigen und war damit zur Zeit des Unterganges noch nicht fertig: die oben (S. 133) erwähnten Funde in dem Raum hinter A deuten darauf, und vielleicht ist es auch hierauf, nicht nur auf antike Nachgrabungen zurückzufuhren, dass namentlich die Marmorbekleidiing des Säulenstuhls sich nur so theilweise vor- gefunden hat. Sicher war die Vorhalle noch im Bau begriffen : nur die eine oben erwähnte Säule fand sich an ihrem Platz; Theile der übrigen, durch ihre Form (mit Basen) von denen der Forumsporticus unterschieden, fanden sich, unfertig bearbeitet, an verschiedenen Stellen des Forums*^).

Wir bemerken noch, dass der Brunnen vor dem Südeingang mit Rücksicht auf dies Gebäude angelegt worden ist : denn die an ihm angebrachte Relief- figur mit dem Füllhorn, gewöhnlich Abundantia genannt, ist doch wieder die Concordia Augusta. Man könnte also die Strada delV Abbondama mit mehr Recht Strada della Concordia nennen. Auch durch sein Material (Travertin) unterscheidet sich dieser Brunnen von den gewöhnlichen Lavabrunnen. Er bestätigt uns, dass im Gebäude selbst kein Leitungswasser vorhanden war, was allein hätte hinreichen sollen, um den Gedanken an eine FuUonica fern- zuhalten.

4. Die 8. g. Schule.

Ein räthselhaftes Gebäude (XX auf dem Plan) liegt an der südlichen Ecke zwischen dem Forum und der Abbondanzastraße ; wir geben in Fig. 79 den Grundriss desselben. Auf Grund zweier Inschriften, die sich auf dem Album des gegenüberliegenden Gebäudes der Eumachia befunden haben, und nach der Analogie orientalischer Schulen hat man es für eine öffentliche Schule ge- halten. Doch ist diese Vermuthung wenig wahrscheinlich, da sie nicht die enge Verbindung des Gebäudes mit dem Forum und noch weniger seine weiterhin zu besprechende frühere Gestalt erklärt. Es war in seiner letzten Gestalt ein geräumiger Saal mit einer 1,25 M. hohen, durch eine Treppe zu- gänglichen Tribüne a in einer großen Nische der Südwand, mit einem Eingang

Die öffentlichen Oebftude. Die H. g. Schule. 137

von der Strada deH Abbondama, und zweien ( von denen man einen , nach einigen Mauerresten zu urtheilen, vielleicht verengen wollte; vom Forum. An der Nordseite folgt der Fußweg e der AbbondanzastraBe nicht der Senkung der Straße, Bondem hält sich in der Höhe des Forums, was dann an der Nordost- ecke durch drei Stufen bei g auEgeglichen wird. Im Fußweg finden wir die

Fig. 79, Grundriss der 8. g. Schule (Norden oben).

auf unserm Grundriss beiy angegebenen Steine mit viereckigea Löchern (0,15 bis 0, 1 S M.) , in welche offenbar Pfahle gesteckt werden sollten, wodurch dann eine Absperrung dieses Stückes des Fußweges gegen die Straße bewirkt wurde, so dasB man es vom Forum aus durch Ofihung der betreffenden Pforte zugänglich machen konnte, ohne damit auch die Straße zu öÜnen, wenn nur die l^forten des Fahrdamms nnd des gegenüberliegenden Fußweges geschlossen blieben. Ein sechstes Loch bei den drei Stufen ist undeutlich, doch ist es sicher, dass

138 Drittea Capitel.

hier nach Osten) das erhöhte Stück des Fußweges durch eine Thür abgesperrt werden konnte. Endlich konnte, wie es scheint, zwischen der Ecke am Forum und der nächsten Säule eine Vergitterung angebracht werden.

Es ist nun auf Grund dieser Vorrichtungen vermuthet worden, dass das Local zu Abstimmungen diente, dass die Stimmberechtigten auf dem ab- gesperrten Fußwege hinter einander antraten, am Nordeingange controlirt wurden, an der Tribüne ihr Votum abgaben und durch die Westeingänge hinausgingen. Indess war dies einheitlich angeordnete Local, mit nur einer Stelle für die Stimmabgabe, wenig geeignet für eine nach Curien abstimmende Versammlung (s. oben S. 13); und wer möchte leugnen, dass einejsolche Ab- sperrung auch noch anderen Zwecken dienen konnte? Außerdem stammt die jetzige Form der Nordseite, mit dem einen, leicht controlirbaren Eingang, von welchem obige Vermuthung ausgeht, aus der letzten Zeit Pompejis, und müsste also das Gebäude jedenfalls früher eine andere Bestimmung gehabt haben.

Wir müssen nämlich an demselben alte {vorrömische) , jüngere (republi- kanische?) und ganz junge, vermuthlich der Zeit nach 63 n. Chr. angehörige Theile unterscheiden, welche auf unserm Plane durch Schwärze, dunkle Schraf- firung und helle Schraffirung unterschieden sind. Die aus der ersten Periode stammenden sechs TufFpfeiler am Forum beweisen nur, dass hier damals ein Gebäude mit fünf >veiten Öffnungen lag, nicht jünger als die Forumsporticus, deren zweite Säulenreihe mit Kücksicht auf diese Öffnungen angeordnet ist. In der zweiten Periode wurde auf Kosten des Nebenhauses die Tribüne a an- gelegt und in der Süd- und Ostwand symmetrisch angeordnete Nischen d (für Statuen?) angebracht; zwischen den Ziegelpfeilem der Nordseite waren (ohne Zweifel auch fünf) weite Öffnungen. Aus eben dieser Zeit scheint auch die Anlage von b zu stammen : es war dies eine zweite, aber auf das Forum geöff- nete, hier 1,06 M. hohe Tribüne, zugänglich von der zu a führenden Treppe und durch einen besondern Zugang bei A, so dass in c eine Treppe gewesen sein muss ; wie es scheint, war bei d statt einer Nische damals ein Fenster. So war das Ganze eine durch zehn weite Eingänge zugängliche Halle, mit einer nach innen und einer nach außen geöffneten Tribüne. Da nun die Löcher/ im Trottoir der Abbondanzastraße den erwähnten Ziegelpfeilem entsprechen, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie aus eben dieser Zeit stammen, dass mithin die Vergitterung nicht zur Herstellung eines leicht controlirbaren Zu- ganges, sondern nur deshalb angelegt wurde, um diese Seite des Gebäudes vom Forum aus zuzüglich zu machen, auch wenn letzteres gegen die Straße gesperrt war. Wozu nun aber damals das Gebäude diente, ob etwa zu gericht- lichen Zwecken, das können wir nicht errathen. Von der Wichtigkeit, welche man ihm beimaß, zeugt die Marmorbekleidung, welche es damals erhielt, von der aber nichts erhalten ist.

Erst in der letzten Periode wurden die Eingänge in der auf dem Plan ersichtlichen Weise vermindert und der mittlere der Forumsseite ,|wie es scheint, verengt. Zugleich ward die Tribüne b gegen das Forum zu vermauert, ebenso auch ihr Zugang h und das Fenster d , Jedenfalls hangen diese Umgestal- tungen mit einer veränderten Bestimmung des Gebäudes zusammen ; sie geben uns aber keinen Anhalt, um nähere Vermuthungen aufzustellen ^*)

Die öffentlichen Gebiude. Die ». g. drei Curien oder Tiibunnlien,

3. Die s. g. drei Cories oder TribuaaiieD.

An der Südseite des Forums Hegen drei, wie der Gnindriss Fig. 80 zeigt, unter einander ziemlicli ähnliche Gebäude, welche hauptsächlich 1S12 aus- gegraben wurden und gewöhnlich - als Curien oder Tribunalien bezeichnet

Fig. HO. Plan der s. g. Curien oder TTibunRÜen (Norden unten].

werden. Sie gehören ihrer Bauart nach zweifellos der letzten Zeit Pompejis, nach dem Jahr 63, an; doch können wir feststellen, dass hier schon früher ölTentliche (^bäude standen. Am deutlichsten ist dies bei dem westlichsten der drei Gebäude: hier sind in beiden Seitenwänden die Reste des altem Baues, dessen Front, wie es scheint, etwas weiter zurück lag, vollkommen deutlich erhalten: ihrer Bauart nach mögen sie etwa der Zeit des Augustus angehören. Weiteres ergiebt die Betrachtung der Forum sporticus. In oski- scher Zeit stand hier eine doppelte Reihe von Tuffsäulen ; von der hintern sind nur die beiden östlichsten erhalten ; von den übrigen wissen wir nicht, wie sie angeordnet waren und ob ihre Anordnung auf irgend welche öffent- liche Gebäude Rücksicht nahm. Dagegen ist ganz klar, dass die Ziegelsäulen, welche in römischer Zeit an die Stelle der Tuffsäulen der zweiten Reihe (mit Ausnahme jener beiden östlichsten) traten, angeordnet wurden mit Rück- sicht auf zwei Gebäude, welche genau an der Stelle der beiden östlichen s. g. Curien lagen, mit besonderer Hervorhebung des mittlem Gebäudes, indem sowohl den Seitenwänden als dem Eingang desselben je zwei Säulen ent- sprachen; noch später wurden dann diese Säulen zum Theil abgetragen, wie unser Plan zeigt. Der Raum vor den beiden östlichsten Gebäuden kunnte durch Vergitterungen [ähnlich der, welche wir an der Nordseite der s. g. Schule fanden) und durch Thüren abgesperrt und zu den Gebäuden gezogen werden, wie auf dem Plan durch punktirte Linien angedeutet ist. Mehrfache hier

140 Drittes Capitel.

wahrnehmbare ^'eränderungen können nicht innerhalb eines ganz kurzen Zeit- raumes vorgegangen sein und wir dürfen daher annehmen, dass schon geraume Zeit vor dem Erdbeben des Jahres 63 auch an der Stelle der mittlem s. g. Curie ein öffentliches Gebäude lag. Alle drei Gebäude bestehen aus Incertum mit Ecken und Fayade aus Ziegeln; Fußboden, Wände und Fa^aden waren mit Marmor bekleidet.

Die herkömmlichen Bezeichnungen als Curien oder Tribunalien dürfen wir bei Seite lassen, schon deshalb weil die drei Räume bemerkenswerthe Ver- schiedenheiten zeigen und daher ohne Zweifel verschiedenen Zweigen der städtischen Verwaltung gedient haben. Nissen erkennt in ihnen den Sitzungs- saal der Decurionen, das Amtslocal der rechtsprechenden Duumvirn und das- jenige der Aedilen. Und in der That, da diese Locale vorhanden sein mussten, sonst aber nicht nachweisbar sind, so hat diese Vermuthung große Wahrschein- lichkeit. Ehe wir jedoch auf die Benennung der einzelnen Gebäude eingehen, betrachten wir dieselben etwas genauer.

Sie haben eine gemeinsame Fa^de, und die Gänge zwischen ihnen sind nur durch niedrige Thüren zugänglich. Ihre Anordnung ist eine offenbar symmetrische mit Hervorhebung des mittelsten durch den erhöhten Fußboden, durch die kleine Freitreppe, sowie dadurch, dass die Frontmauer etwas zurück- tritt; auch war es, wie wir sehen werden, das prachtvollste. Betrachten wir nun aber die drei Gebäude nicht mehr für sich, sondern in ihrer Beziehung zum Forum, so liegen das östliche und das mittlere zu beiden Seiten der Sym- metrielinie, der Axe des Forums, das westliche dagegen bildet den Südabschluss ^ der Westporticus. Aus jedem der beiden ersteren blickt man zwischen dem Augustusbogen und den colossalen Basen neben demselben auf den Juppiter- tempel, und hat, bei der geringen Entfernung von der Axe des langgestreckten Platzes, den Eindruck, ihm gegenüber zu stehen. Wir müssen annehmen, dass der obere Theil der Fa^ade, welcher für den Gesammteindruck des Forums in Betracht kommt, bei diesen beiden gleichartig, bei dem westlichsten Gebäude bescheidener war. In der Betrachtung der einzelnen beginnen wir von Osten.

Für den ersten Saal ist charakteristisch die halbkreisförmige Apsis von 5,40 M. Öffnung, an deren Wand eine 1.20 M. hohe, 0,75 M. breite, in der Mitte gradlinig abgeschnittene Stufe angemauert ist: sicher stand hier eine Statue und war zu den Füßen derselben der Platz des Vorsitzenden Magistrats. Ohne die Apsis ist der Saal 12,45 M. tief, 9,40 M. breit; er war, außer durch die 3,87 M. weite Hauptthür noch durch eine kleine Nebenthür aus dem Gange zwischen diesem und dem nächsten Gebäude betretbar; auch der Gang war durch eine Thür geschlossen. Der Haupteingang war sehr stark versichert, wie aus der freilich nur rechts erhaltenen Marmorschwelle ersichtlich : vor der auf starken Angeln sich drehenden Thür befand sich noch ein zweiter, durch sehr starke Eisenriegel in der Schwelle befestigter Verschluss ; und die Spuren eines weitem, wie es scheint gitterartigen Verschlusses finden wir auf der vorgelegten Stufe, über welche man das Gebäude betritt. Geringe Reste sind von der Marmortäfelung des Fußbodens und der Wände erhalten. Ob der nun folgende enge Gang noch zu etwas anderem benutzt wurde, als um zu dem erwähnten Nebeneingang zu gelangen, wissen wir nicht ; durch die ihn theil-

Die öffentlichen Gebäude. Die s. g. drei Curien oder Tribunalien. 141

weise überdeckenden Strebebogen wird bewirkt, dass die beiden Mauern sich gegenseitig stützen.

Der Fußboden des mittlem Gebäudes liegt um 0,70 M. höher als der der beiden anderen. Die 3,20 M. breite Thür ist nicht von vom zugänglich, son- dern von beiden Seiten über eine Freitreppe von 1,18 M. Breite, so dass mit Bequemlichkeit nur eine Person zur Zeit hinaufsteigen konnte : also ein vor- nehmer, aber nicht auf starken Verkehr berechneter Zugang. Die Schwelle fehlt, so dass uns die Art des Verschlusses unbekannt ist. Das Innere wird beherrscht durch die ungewöhnlich große Aedicula an der Hinterwand. Sie besteht aus einer etwa 3,75 M. breiten Nische, deren ganze Breite durch das 1 M. hohe Podium für eine oder mehre Statuen eingenommen wird. Diese Nische ist 2 M. vom Boden entfernt; unter ihr springt eine eben so hohe, 5 M. (ohne die Marmorbekleidung) breite Basis um 1,78 M. vor die Rückwand vor. Ohne Zweifel haben wir hier dieselbe Anordnung, welche wir oben (S. 129) in dem s. g. Senaculum fanden , dass nämlich auf der Basis zwei Säulen standen, welche die Vorhalle der Aedicula trugen: es ist wahrscheinlich, dass hierher zwei Säulenbasen von 0.83 M. im Quadrat gehören, welche in dem dritten Saal liegen, dort aber nicht verwandt sein konnten. Bei dieser An- nahme ist nicht ausgeschlossen, dass auf eben jener Basis, in der Vorhalle der Aedicula, zu den Füßen der auf dem hintern Podium stehenden Statuen, ein Magistrat, etwa der Vorsitzende einer hier tagenden Versammlung, seinen Sitz hatte ; ja die ungewöhnliche Größe der Basis scheint darauf zu deuten, dass sie auch einem praktischen Zweck diente. Dass aber in der That Säulen vor der Aedicula standen, wird bestätigt durch die Art, wie die Seitenwände be- handelt waren. Dieselben sind nämlich bis zur Höhe von 1,60 M. durch eine 0,43 M. starke Anmauerung aus Ziegeln verstärkt, aus der wieder je sechs basenartige Vorsprünge, breit 0,58 M., und je zwei halb so breite in den Ecken um 0,295 M. vortreten. Am Fuß dieser Anmauerung lief eine niedrige Stufe, die auf der linken Seite von 0,48 M. später auf 0,59 M. verbreitert wurde, rechts etwa 0,80 M. breit war. Für diese ganze Vorrichtung lässt sich keine bessere Bestimmung denken, als dass jene Vorsprünge Säulen trugen, welche vor der Wand standen^ und die vier halb so breiten in den Ecken je eine Halb- säule oder einen Pilaster, durch welche die Säulenreihe abgeschlossen wurde. Bei der bedeutenden Höhe der Mauern ist vielleicht noch eine zweite, obere Säulenstellung anzunehmen : es war also dieser Raum ungemein reich und prachtvoll decorirt. Er ist 14.46 M. tief, 9,50 M. breit. Geringe Reste des Marmorfußbodens sind bei x erhalten ; die Entfernung, in welcher er von der Wand bleibt, beweist, dass auch diese mit Marmor getäfelt war. '

Für den dritten Saal ist es charakteristisch, dass der Raupi vor ihm nicht abgesperrt werden konnte, und dass sein vorderster Theil (2,36 M.) im Niveau der Forumsporticus liegt ; dann erst steigt man über zwei Stufen hinauf ; doch war auch an den Seiten dieses vordem Raumes der Boden erhöht. In einer flachen Apsis an der Rückwand und in den Seitenwänden sind sieben Nischen fiir Statuen angebracht. Der Marmorfußboden des niedrigem .Theils ist grau, der des hohem auö CipoUin, nur am Rande weiß. Der Saal ohne die Apsis ist 14,99 M. tief, 1Ö,Ö5 M. breit, der Eingang 3,84 M. weit.

142 Drittea Capitel.

Alle drei Sääle hatten, wie es scheint, keine Fenster, und erhielten ihr Licht nur durch die offene Thür. Sie waren flach (gedeckt: denn Wiilbungen würden hei ihrem Einsturz weit ^Ößere Zerstörunfifen angerichtet haben.

Offenbar ist das mittlere Gebäude das vornehmste ; die Form seines Zu- ganges beweist, duss hier nur auserlesene Personen zugelassen waren. In der ^nßen und hohen Aedicula, gegenüber dem Juppiter, konnte nur der Kaiser seinen Platz haben. Zu seinen Füßen tagte htichst wahrscheinlich der Senat der Colonie, die Decurionen Versammlung. Schwieriger und un- sicherer ist die Benennung der ))eiden anderen Räume. Da jedoch den Aedilen unter anderem die Marktpolizei oblag, und ohne Zweifel in Folge dessen zu ihrem l.ocal ein größerer Zudrang des Publikums stattfand, so werden wir nicht ohne Wahrscheinlichkeit in dem westlichen Saal, ohne facMMiiere Absperrung, mit einer Art Vorraum fiir solche, die warten muasten, das Amtslocal der Aedileu erkennen dürfen. Alsdann bleibt der östliche Saal für die Duumvim ; in der That iat An Apsis im Hintergründe für den Sitz einer richtenden Behörde wohl geeignet, und ist es tn der Ordnung, dass der höchste Magistrat dasjenige Gebäude inue hatte, welches nächst dem Decu- riohensaal als das hervorragendste und in Bezug auf die Symmetrie des Forums ihm gleichberechtigt erscheint*'').

A. üip Basilika.

Die Basiliken, wie auch der Name basilike'atoa d. i. königliche Halle zeigt, griechischen Ursprungs, wurden in Rom erst nach der genauem Be-

Fig. 81. Ansicht der Baailika.

kanntschaft mit Griechenland eingeführt. Die erate Basilika in Rom baute M. Porcius Cato im Jahre 570 d. Stadt (184 v. Chr.), später wurden die Basi-

Die affentlichen Oebiude. Die Builikft.

143

liken zu den ausgedehntesten selbst fiinfschiffigen Prachtbauten, deren mehre hochberühmte (H. Aemilia, B. Julia) am Forum in Rom standen. Ihrem Grund- princip nach waren sie nur bedeckte Hallen, welche Schutz gegen Sonne und Regen boten und dem Handel und Verk^r bestimmt waren: später verband man mit diesen antiken Börsen sehr zweckmäßig eine Gerichtstätte [Tri- bunal] , welche am hintern Ende irgendwie erhöht und abgetrennt angelwacbt wurde, häufig in einer eigenen beramgebuiten Nische, der Apais, in welcher der Sitz des Piätors mit seinem Personal war , der von hier aus das ganze Treiben des Verkehrs überblicken konnte. I>ie so eingerichtete Basilika erschien den Christen zur Zeit der ersten öffentlichen Anerkennung ihrer Re- ligion mit Recht als das geeignetste Gebäude für ihre Kirche; die mehrfachen Schiffe fassten eine bedeutende Menschenmenge und die ÜMifae oder Apria erschien in ihrer AuascM^anif tntd Abtrennung als ein natürlicher Platz der (jeiadicAifcCTt; vor sie stellte man den Hochaltar und den s. g. Triumphbogen, ungeachtet einiger Veränderungen, namentlich der Erweiterung der Apsis und der Durchlegung eines Kreuz- _ _

Schiffes, ist doch dieser Plan das Grundschema aller originell abend- ländischen kirchlichen Architektur bis auf unsere Zeit geblieben.

Da nur sehr wenige Reste an- tiker Basiliken auf uns gekommen sind, so ist für unsere Kenntniss des Basilikepbaues, neben den Re- geln VitruTs {V, 1) und seiner Be- schreibung der von ihm in Fanum errichteten Basilika, das pompeja- nische Gebäude, von dessen Ruinen wir (Fig. 81) eine Ansicht vor uns haben, von besonderer Wichtigkeit, vorausgesetzt nämlich, dass dies Gebäude wirklich eine Basilika ist. Die allgemeine Anordnung des hie- neben stehenden Planes und die fast zur Gleichheit aller Theile gestei- gerte Ähnlichkeit eines Gebäudes in Herculaneum, dtis nur die Basilika gewesen sein kann, spricht gewiss dafür ; mancherlei Einzelnes macht Schwierigkeiten, während anderer- seits der Bezeichnung als Basilika noch der Umstand zur Unterstützung gereicht, dass unter den mancherlei

Fig. 82 Plan der Basilika (Norden rechts).

von müQigen Händen in die Wände eingekratzten Inschriften sich mehrmals das Wort RASSUJOA fand 'C. f. L. IV, 17791, was doch ein seltsames Spiel

144 Drittes Capitel.

ileü /ufftlls genannt werden miisRte, wenn dan Oeliäude einen andern Zweck iinil Namen Kelialit liätte.

Vitruv schreibt vor, dasH die Itaailiken am Forum und zwar in der wärm- sten I^a^e erriulitet werden sollen, liedinf^uitgen, welche unser an der süd- westlichen Ecke Ae» Forums liegendes Gebäude so gut wie möglich erfüllt, sowie es auch die von Vitruv geforderte Urnndform des oblongen Vierecks von einer Breite von nicht unter '/;, und nicht über '/a der l^nge in seinem Areal von 25, Li X 67 M. (= c. l : 27:,) bestena einhält. Das im Hintergrunde anzubringende erliiilite Tribunal aehn wir in unserm Ciebäude in a; vor dem- selben war bis zur ääulenstellung ein freilich nicht großer, aber immerhin genügender Kaum fiir das Auftreten der Parteien, so da^s eine Apsia nicht an- gebaut zu werden brauchte.

Der FuBl>oden des Tribunals liegt 2 M. über dem der Kasilika ; es hat in der Front vier theilweise erhaltene korinthische Säulen und zwei mit den Seitenwänden verbundene Dreiviertelsaulen : zwischen ihnen scheint eine Vet^ gitterung augebracht gewesen zu sein. Ihnen entsprechen Halbsäulen an der geschlossenen Kückwand und an den Seitenwänden . Viertelsäulen in den Ecken. Im «weiten Geschoss, welches, da kein Aufgang vorhanden ist, durch keinen Zwischenboden vom ersten getrennt gewesen sein kann, war die Rück- wand durch fünf Fenster durchbrochen: in der Mitte ein großes, bis auf das Gebälk der unteren Säulen hinabgehendes, und vier kleinere. Das Tribunal kann offenbar nur durch die kleinen Thiiren in den Seitenwänden zugänglich gewesen sein. Da sich nun aber vor denselben wohl je eine kleine HIatform, aber keine Trepj« oder Spur einer solchen findet, die bei i angegebenen Trep- pen vielmehr in den noch zu erwähnenden Kaum unter dem Tribunal fuhren.

80 bleibt nur die Annahme übrig, dass man sich hier tragbarer Holztreppen bediente, durch deren zeitweilige Entfernung der Zugang zum Tribunal

Die öffentlichen Gebäude. Die Basilika. 145

gesperrt, der zum XJnterraum (den sie sonst verdeckten) eröfihet wurde. Wann dies geschah , ob wenn der Richter mit seinem Personal oben war, ob nur dann, wenn das Tribunal nicht benutzt wurde, das können wir nicht wissen.

Eine weitere Frage ist die nach der Bestimmung jenes Kellergelasses (Durchschnitt Fig. 83), welches durch zwei Thüren zu^Lnglich, durch zwei kleine Fenster (a) in der Rückseite erleuchtet, und dtirch zwei runde Öffiiungen b in der Wölbung mit dem Tribunal in Verbindung gesetzt ist. Ein Gefängniss kann es schon deshalb nicht sein, weil seine beiden Eingänge offenbar un- verschließbar, ohne Thürflügel waren; nur die Thüren oberhalb der Treppe (bei b] konnten geschlossen werden, doch finden wir auch hier nur Spuren von Angeln, nicht von Riegeln, so dass der Verschluss wohl nicht sehr fest war. Es mag gedient haben, um jene hölzernen Treppen und anderes Geräth au&ubewahren ; vielleicht hatte hier auch ein Sclave seinen JPlatz , welcher solches Geräth (z. B. Schreibmaterial) auf Verlangen durch die beiden Öff- nungen hinaufreichen konnte. Dieser war, wenn die Treppen an ihrem Platze standen, eingesperrt; doch dem war in späterer Zeit abgeholfen; denn die südliche der beiden Thüren des Tribunals ist nachträglich, wir wissen nicht wann, vermauert und dann natürlich auch die entsprechende Treppe nicht mehr benutzt worden •*) .

Der Haupteingang in die von 1806 an ausgegrabene Basilika ist vom Forum aus, durch fünf weite Thorwege zwischen sechs aus Tuffquadem auf- gesetzten Pfeilern. Letztere haben den Schwellen zugewandte ziemlich tiefe Falze (auf unserm Plan Fig. 82 angedeutet) , welche wohl sicher für Holzein- sätze bestimmt waren, an denen ein gitterartiger Verschluss befestigt war. Die genauere Beschaffenheit des letztem können wir nicht errathen : ein vier- eckiges Loch (0,1X0,06 M.) in der Mitte der Schwelle diente zu seiner wei- tem Befestigung ; mit zwei Eisenklammem wurden die Holzeinsätze an der Schwelle festgehalten. Zuerst gelangt man in eine zur Herstellung der Rechtwinkligkeit des ganzen Baues gegen das Forum um ein geringes schiefwinklige offene Vorhalle, ein Chalcidicum (s. oben S. 131). Gegen das Innere Öffaen sich wieder fünf Thorwege zwischen zwei Eckpfeilern, zwei an Pfeilern angelehnten und zwei freien Säulen in der Mitte (unsere Abbil- dung Fig. 8 t ist in diesem Punkte nicht genau) ; über vier Lavastufen be- trat man die eigentliche Basilika, in welche auch noch zwei Seitenein- gänge in den Langwänden führen. Diese bestätigen das von uns über den Verschluss des Haupteingangs Vermuthete. Wir finden nämlich in ihren Schwellen wohl Löcher für die Holzverkleidungen [antepagmenta) der Thür- pfosten und für zwei Riegel, aber keine Spur von Angeln (die antiken Thüren drehten sich um Zapfen, die in Schwelle und Sturz eingriffen) ; es scheint also, dass auch hier der Verschluss durch leichte, an den Antepagmenta hangende Gitterthüren bewirkt wurde. Da in der Basilika keine Werth- gegenstände aufbewahrt vnirden, sie vielmehr nur eine Erweiterung des Forums war, so mochte ein festerer Verschluss nicht nöthig erscheinen. Eine um alle vier Seiten umlaufende Reihe von 28 starken und hohen

Ov erbeck, Pompeji. 4. Aufl. 10

146 Drittes Capitel.

Ziegelsäulen zerlegt den ganzen Kaum in einen innem Theil und einen Umgang.

Es scheint dass zu Vitruvs Zeit (s. namentlich auch VI, 5, 9) die gewöhn- lichste Form der l^asilika die war, dass die Seitenschiffe von dem Mittelschiffe überragt wurden, und dass hier, über den Seitenschiffen, die LichtöffiQungen waren. Indess banden sich die alten Haumeister nicht an Schablonen, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn uns bei diesem, übrigens weit altem Bau die Erwägung aller Umstände auf eine andere Disposition führt*') .

Mit Unrecht hat man bezweifelt, dass der Mittelraum überdacht war. Man führte gegen die Uberdach\|ng an, dass am Fuß der Säulen sich die auf dem Plan angegebene Rinne befindet. Allein dieselbe ist keine der gewöhnlichen Traufrinnen, sondern von quadratischem Durchschnitt (0,!5 M.) und aus In- certum mit Stuckbekleidung hergestellt. Sie befindet sich nur an drei Seiten, ist an acht SteUen durch quadratische Bassins (ß, c. 0,55 M.) zur Abklärung des Wassers unterbrochen, und ist wahrscheinlich bedeckt gewesen. Ihr Zweck ist unklar aber auf keinen Fall konnte sie bestimmt sein, das von einem so hohen und großen Dach herabfallende Wasser aufzufangen ; vielleicht diente sie zur Reinigung des Gebäudes. Auch der Fund einzelner thönemen Stimziegel und Traufkasten, wie sie den Rand des Daches zu umgeben pflegen, kann gegen- über entscheidenderen Erwägungen nicht in Betracht kommen: solche Angaben beruhen vielleicht nur auf einer ungenauen Fundnotiz, da man mit dem Namen Basilika anfangs häufig den ganzen südlichen Theil des Forums bezeichnete ; es konnten aber auch sehr leicht Stücke von so geringem Grewicht in die Basilika gelangt sein, die ihr entweder gar nicht angehört oder sich auf der Außenseite befunden hatten. Entscheidend aber für die Bedachung ist die Erwägung, dass die ungemein festen Ziegelsäulen von über 1 M. Dicke und wohl nicht unter 10 M. Höhe, welche das Mittelschiff von den Umgängen trennen, zwecklos und sinnlos waren, wenn es sich nur um die Herstellung von Portiken an einem offenen Mittelraum handelte, welche Portiken ja bei viel geringerer Höhe ihrem Zweck, gegen Sonne und Regen zu schützen, weit besser entsprochen haben würden. Dagegen begreifen wir sofort die Höhe der Säulen, wenn sie zu dem Mittelraum im Verhältniss stehen sollten, ihre Festigkeit, wenn sie ein großes Dach zu tragen bestimmt waren.

Man hat ferner gefragt, ob über den eben besprochenen Säulen eine zweite Säulenstellung folgte, und ob über dem Umgang zu ebener Erde noch ein oberer Umgang vorhanden war. Die Frage muss verneint werden, namentlich des- halb, weil es an einer geeigneten Treppe fehlt. Die bei c angegebene Treppe gehört zur Forumsporticus und ist erw'eislich jünger als die Basilika und als die Stuckbekleidung ihrer Außenseite. Wenn aber der kleine Raum zwischen dieser Treppe und der Vorhalle auch eine Treppe enthielt, was sehr zweifelhaft ist, so konnte dieselbe nur in mehren Wendungen die Höhe der großen Säulen erreichen, war also sehr eng und unbequem. Außerdem war sie nicht von der ebenen Erde aus zugänglich, sondern man erreichte sie von der Vorhalle aus vermittelst einer Leiter durch ein 2,20 M. vom Boden entferntes Thürchen. Sie kann gedient haben, um, wenn es nöthig war, den Dachstuhl zu besteigen,

Die öffentlichen (Gebäude. Die Basilika. 147

war aber sicher kein für den gewöhnlichen Gebrauch bestimmter Aufgang zu oberen Räumen, welche mithin nicht vorhanden waren.

Den großen Säulen entsprechen an den Lang wänden je zwölf Halbsäulen von wesentlich geringerem Durchmesser (c. 0,80 M. mit dem Stuck) als die Säulen. Denselben kleinem Durchmesser haben die beiden Säulen und die beiden mit Mauerstücken verbundenen Dreiviertelsäulen im Haupteingang, femer die beiden Dreiviertelsäulen, durch welche die Vordermauem der Treppenräume des Tribunals abgeschlossen werden, und die beiden ihnen am Eingang der beiden Zimmer neben dem Tribunal gegenüberstehenden Halbsäulen, endlich die mit diesen letzteren gekoppelten Viertelsäulen in den hinteren (West-) ecken des Hauptraumes und die beiden eigenthümlichen, aus einem großem und einem kleinem Segment gebildeten Combinationen in den Vorderecken des- selben. Da nun alle diese Säulen, Halbsäulen u. s. w. in demselben oder in ähnlichem Verhältniss wie sie dünner sind, auch kürzer gewesen sein müssen als die 28 großen Säulen , so muss die Differenz durch eine zweite, obere Säulen- und Halbsäulenstellung ausgeglichen worden sein. Nun finden wir in der Basilika eine beträchtliche Anzahl von Fragmenten korinthischer Säulen, Halb-, Viertel- und Dreiviertelsäulen, welche so ziemlich alle Formen des untern Geschosses wiederholen : es liegt daher nahe, anzunehmen, dass wir hier eben die Reste jener obem Stellung vor uns haben. Denn nur zum kleinsten Theil können sie dem Tribunal angehören, dessen Säulen, Halbsäulen, . Viertelsäulen genau dieselben Formen und Verhältnisse haben. Weiter aber lehren uns eben diese Fragmente, dass das obere Geschoss keineswegs genau dem untern entsprach : wir finden hier erstens weit mehr Rundsäulen, als wir bei genauer Entsprechung unterbringen können, zweitens eine eigenthüm- liche Art von Dreiviertelsäulen, w^che ein Wandstück so abschlössen , dass sie vor die eine Seite desselben (natürlich die innere) als Halbsäulen vor- sprangen, während die andere Wandfläche in der Tangente liegt. Diese Drei- viertelsäulen bezeugen uns, dass die Wand, der sie angehörten, durchbrochen war ; die Rundsäulen , dass die Durchbrechungen mehre Intercolumnien um- &ssten, endlich die Halbsäulen, dass stellenweise auch zwei neben einander liegende Intercolumnien geschlossen waren. So ergeben sich uns, unter Be- rücksichtigung der Zahl der durch die Fragmente bezeugten Säulen, diese beiden Grundrisse des obern Theils einer Langwand als möglich :

Fig. 84.

Wenn jedoch, was auch möglich ist, die obere Säulenstellung der Seiten- wände doppelt so eng war wie die untere, so dass nicht nur über den Hall>- säulen, sondern auch über ihren Intercolumnien Säulen oder Halb- oder

10*

148 Drittes Capitel.

Dreiviertelsäulen standen, alsdann waren natürlich außer den beiden genannten noch andere Combinationen möglich, z. H. diese:

Fig. 85.

wobei wir uns freilich wundem müssten, dass von so vielen Halbsäulen nur so wenig erhalten ist.

Schwierig ist die Frage nach der l^edachung; doch dürfen wir auch in dieser Beziehung wenigstens eine Vermuthung aufstellen. Zwar können wir nicht genau wissen, wie hoch die großen Säulen, wie hoch die zweigeschossi- gen Seitenwände nebst der Fa^ade waren ; es ist aber sehr wahrscheinlich, dass letztere die ersteren überragten. Dann aber werden wir zu der Annahme gedrängt, dass der Mittelraum sein gesondertes, von den Säulen getragenes Dach hatte [mediana testudo^ Vitruv V, 1 , 6) , das Dach der Umgänge aber nach innen geneigt war, so dass das Regen wasser zwischen den beiden Dächern zusammenfloss und irgendwie in das Innere der Basilika gelangte. Hiermit stimmt es gut , dass wahrscheinlich hier Cistemen vorhanden waren ; auf dem Stylobat der großen Säulen liegen nämlich zwei große Cistemenmündungen aus Lava; da jedoch keine ihnen entsprechenden Öffnungen nachzuweisen sind, so können wir hier zu keiner Gewissheit gelangen. Auch die Bedeu- tung der oben erwähnten Rinne ist zu wenig klar, um auf sie Vermuthungen zu gründen.

Leider wissen wir nicht, wie die Gebäudeform der Basiliken sich ent- wickelt hat. Denken wir sie uns so entstanden, dass man den offenen Mittel- raum einer vierseitigen Säulenhalle mit einem Dache versah, so ergiebt sich sofort eine Form, welche der so eben von uns vorausgesetzten sehr nahe kommt. Das Tribunal und die daneben liegenden Räume werden ihr eigenes , nach hinten geneigtes Dach gehabt haben. Die Vorhalle kann sehr wohl auch un- bedeckt gewesen sein.

Die Halbsäulen stehen auf einer sich um c. 0,18 M. über den Fußboden der Umgänge erhebenden Stufe; und etwa eben so hoch lag der Fußboden' des Streifens, auf welchem die Säulen stehn, wie aus einem Fußbodenrest gegenüber dem Nordeingang, bei rf, hervorgeht, und der des Mittelraums, wie an der Statuenbasis bei y zu erkennen ist. So waren also die Umgänge gegen den Mittelraum vertieft. Auf jenem Rest d liegt, in der Fußbodenmasse be- festigt, eine Brunnenöffnung aus Marmor; doch führte sie nicht etwa zu einer Cisteme, wie der in ihr erhaltene Fußboden beweist, vielmehr scheint ein von Südwest her in sie einmündendes Bleirohr auf eine Fontäne von Leitungs- wasser zu deuten. Wir erwähnen bei d.ieser Gelegenheit, dass an die West- mauer, hinter der Nordwand des Tribunals, ein Wasserleitungspfeiler, wesent- lich jünger als die Basilika, angebaut ist (sichtbar auch in dem Durchschnitt Fig. 83, das Stück aus ziegeiförmigen Steinen), welcher bezeugt, dass ihr Leitungswasser zugeführt wurde.

Die öffentlichen Gteb&ude. Die Basilika. ] 49

Die beiy angegebene Basis einer Reiterstatue ist viel jünger als die Basi- lika. Von der Statue sislbst ist nichts gefunden worden *^) ; drei weitere Basen für Statuen sind von außen an die Eingangspfeiler der Vorhalle angelehnt (s. den Plan Fig. 82).

Die Basilika gehört ihrer Bauart nach der; von uns als TuflPperiode bezeich- neten, dem Bundesgenossenkriege vorhergehenden Blütheperiode der oskischen Architektur an. Eine nähere Zeitbestimmung ist nicht möglich. Inschriftlich wissen wir, dass die Forumsporticus , welche jünger ist (s. oben S. 65) von einem Quaestor, also wahrscheinlich vor der Zeit der römischen Colonie, erbaut ist. Wir wissen femer, dass im Jahre 78 v. Chr. am 5. October ein gewisser C. Pumidius Dipilus seinen Namen und den der Consuln jenes Jahres in die Stuckdecoration der Basilika einkratzte (C. /. L. IV, 1842 : C, Pumi- dius Dipilus heic fuit a d. V nonas octobreis M. Lepid, Q. Catul, cos,). Wir dürfen den Bau dem 2. Jahrhundert v. Chr. zuschreiben. Die Mauern bestehen aus trefflichem Incertum aus Lava ; und zwar sind aus demselben Stein auch die Ecken hergestellt, zu denen man sonst wohl Kalk Steinquadern benutzte. Die Pfeiler der Vorhalle sind aus Tuffquadem aufgesetzt, aus solchen be- stehen auch die Pfosten des Nordeinganges: sie waren an letzterer Stelle nicht künstlerisch gestaltet, auch nicht mit Stuck überzogen, sondern trugen Holz- verkleidungen [antepagmenia) . Die 28 großen Säulen sind nach einem eigen- thümlichen System aus eigens dazu gebrannten Ziegeln mit großer Sorgfalt und Festigkeit aufgemauert worden. Sie waren mit feinem weißem Stuck be- kleidet : ihre Capitelle waren ohne Zweifel aus Tuff und auch mit Stuck über- zogen. Ebenso aus Ziegeln ist die ganze dem Forum zugewandte Front des eigentlichen Gebäudes gearbeitet, so wie auch die Säulen vom an den Treppen- räumen des Tribunals und die Halbsäulen: hier überall sind auch von den ionischen Capitellen einige erhalten ; an den Halbsäulen ist auch die Basis aus Tuff. Aus letzterem Stein bestanden die Säulen des Tribunals und des obem Geschosses der Seitenwände, so wie das Zwischengebälk, von dem ein- zelnes erhalten zu sein scheint. Dagegen finden wir von dem Kranzgesims nichts : wir werden annehmen müssen, dass es auf einer Holzbohle aus Mauer- werk mit Stuckbekleidung hergestellt war. Ebenso ist zu vermuthen, dass auf den großen Säulen deren Capitelle , der obern Stellung der Seitenwände entsprechend, korinthisch gewesen sein werden ein Holzarchitrav lag; denn der Tuff ist solcher Spannweite nicht fähig, und die horizontale Wölbung durch Keilschnitt ist dieser Periode fremd.

Die Wanddecoration ist im ersten Decorationsstil ausgeführt ; sie ahmt in Stuck eine Bekleidung mit farbigem Marmor nach, in einfacher und würdiger Weise im Hauptraum, mit etwas reicheren Profilen im Tribunal. Ganz einfach sind die Räume neben letzterem, die Vorhalle imd die Außenseite behandelt : ein gelber Sockel, ein violettrother vorspringender Gurt, darüber weiße Wand- fläche, welche in den Bäumen neben dem Tribunal durch plastische Stuck- arbeit in liegende Kechtecke getheilt ist. Auf der Außenseite der nördlichen Langwand ist später der alte Stuck durch neuem ersetzt worden, auf dessen rothem Grunde omamentale Malereien letzten Stils ausgeführt waren ; es ist jedoch von diesen kaum noch etwas zu erkennen.

150

Drittes Capitel.

Außer dem Haupteingang war ursprünglich nur noch einer in der nörd- lichen Langseite vorhanden ; erst in römischer , nicht näher bestimmharer Zeit brach man den gegenüberliegenden in der Südmauer durch *^) . Wir wissen auch nicht , wann man begann , das Tribunal in Marmor zu restauriren, ob nach dem Erdbeben von 63 n. Chr., ob schon früher; auf eine solche Restau- tion müssen aber einige dort vorhandene Säulenbasen, Capitelle und Gebälk- stücke aus Marmor zurück gehn 'O) . Auch das können wir nicht sicher ent- scheiden, ob man im Jahre 79 die Restauration des Hauptraumes in Angriff genommen hatte. Wahrscheinlich war es nicht der Fall : man müsste sonst mehr Spuren davon finden , und namentlich dass von den großen Säulen so wenig stehen geblieben ist, erklärt sich am besten durch die Annahme, dass man nach 63 etwa nur die Trümmer fortgeräumt hatte , um den Raum, un- bedeckt wie er war, benutzen zu können.

7. Die Palaestra

( 8. g. Curia Isiaca) .

Dies Gebäude (XXIV auf dem großen Plan) liegt in der Gruppe von Kau- werken, zu welcher auch die Theater gehören, hinter dem großen Theater,

zwischen dem Forum trianguläre und dem Isis- tempel. Seine Bauart ist die der Tuffperiode. Der Plan des Gebäudes Fig. 86 ist ein- fach und mit wenig Worten zu erläutern. Es hat zwei Eingänge, einen a vom Forum trian- guläre, den andern b von der Straße des Isis- tempels aus. Der erstere bildet eine Art von kleiner Vorhalle zwischen den auf dem Plane sichtbaren Mauern ; die Thür gegen das Forum trianguläre war verschließbar; an der Thür, welche zur Rechten des Eintretenden in den Raum hinter dem Theater führt, ist der Ver- schluss nicht deutlich nachzuweisen, wird aber doch wohl vorhanden gewesen sein. Übrigens ist es nicht unwahrscheinlich, dass diese Thür erst nachträglich angebracht worden ist, da sie mit den drei Stufen, über welche man in die Area des Gebäudes hinabsteigt, collidirt. Tritt man ein, so befindet man sich unter einer um drei Seiten eines offenen Hofes von 24,15 X 17,52 M. umlaufenden, 3,85 M. breiten Colon- nade von 19 sehr schlanken dorischen Säulen [Durchmesser unten 0,40 M.) , die größtentheils heutigen Tags noch in der Höhe von 3,29 M. unverletzt auf- recht stehn.

Eine genaue Prüfung lehrt unwidersprechlich , dass das Gebäude nicht immer diese unsymmetrische Form , mit Säulengängen nur auf drei Seiten,

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Fig. 86. Plan der Palaestra (Norden rechts).

Die öffentlichen Gebäude. Die Palaestra. 151

hatte, sondern dass es in verhältnissmäBig später Zeit, vielleicht erst als nach dem Erdbeben von 63 n. Chr. der Isistempel neu aufgeführt wurde, zu Gunsten eben dieses Tempels um einen beträchtlichen Theil seines Bestandes verkürzt wurde. Damals entstanden die Zimmer {HFig, 58) auf der Westseite des Tempel- hofes, an welchen unser Gebäude früher unmittelbar hinanreichte. Ursprünglich waren also Säulengänge auf allen vier Seiten; die Langseiten hatten je zehn Säulen; der Eingang b imd die gleich zu besprechende Vorrichtung bei c lagen genau in der Mitte der Langseiten des Hauptraumes. An der Westseite liegen zwei Zimmer und ein vom ganz offener Raum, in welchem man Spuren einer Treppe gefunden haben will ; doch sieht das, was jetzt davon sichtbar ist (eine dünne Mauer parallel der Nordmauer) nicht danach aus : eher möchte man an einen Abtritt denken. Erwähnung verdient noch, dass die eine der Säulen rechts vom Eingange b als Brunnen durchbohrt ist, und dass man beobachtet haben will, die benachbarten Stylobatsteine seien durch den vielfachen Ge- brauch dieses Bnmnens stark abgenutzt.

Der merkwürdigste Gegenstand in dem Gebäude aber befindet sich dem genannten Eingange gegenüber bei c im Plane und ist auf der beiliegenden Abbildung deutlich zu sehn. Es ist dies ein mit einfachem , aber wohl- gegliedertem Camies bekröntes 1,42 M. hohes Fußgestell von 1,10 M. oberer Fläche, in welcher sich eine 0,14 M. tiefe, 0,53 M. breite und 0,57 M. lange Vertiefung eingehauen findet. Hinten an diese Basis ist eine sie um 0,465 M. überragende, aus fünf Steinblöcken bestehende, sechs Stufen hohe, aber nur 0,38 M. breite Treppe angebaut, und vor derselben steht eine niedrige Basis von 1,20 M. Höhe, deren Oberfläche auffallend uneben ist; auch ist an den Seiten der Carnies abgehauen. Was nun die Bedeutung dieser ganzen Vor- richtung betrifft, so geht aus den Ausgrabungsberichten von 1797 (Pomp, anL hist. vol. I, fasc. 2, p. 66 ff.) mit voller Gewissheit hervor, dass auf dieser Basis eine jugendliche männliche Statue gestanden hat, welche man von der- selben herabgestürzt fand , während ihre Füße an Ort und Stelle geblieben waren und erst später mit dem Plinthos entfernt worden sind. Und weiter ist durch eine glückliche Beobachtung R. Schönes festgestellt worden, dass diese Statue keine andere war als die im Nationalmuseum befindliche, unter dem Namen des Doryphorös bekannte und auf ein Original des Polyklet zurück- geführte Athletenstatue , welche einen Jüngling mit einem Speer über der linken Schulter darstellt. Denn wenn es auch sehr seltsam bleibt, und Be- denken erregen könnte, dass der länglich runde Plinthos der Statue zu groß ist, um in die viereckige Vertiefung in der Oberfläche der Basis zu passen, und diese letztere also zwecklos erscheint, so stimmen doch die Brüche der genann- ten Statue zu genau mit den in den Berichten angegebenen, als dass man an der Identität zweifeln dürfte ; vielleicht hatte hier früher einmal eine andere Statue gestanden, für welche jene Vertiefung gemacht war. Stand aber hier nicht ein Gott, sondern ein Athlet oder Ephebe, das Vorbild des sich körperlich ausbildenden Jünglings, so werden wir uns auch den von Schöne und Nissen (Pomp. Stud. S. 163 ff.) gezogenen Folgerungen nicht entziehen können, dass nämlich das Gebäude eine Palaestra, ein Turnplatz war, die niedrigere Basis der Tisch, auf dem die Preise für die Sieger in den Wettkämpfen auf-

1 52 Dritte« Capitel.

gestellt wurden, und dass vielleicht die siegreichen Knaben, auf die Treppe steigend, der Statue ihren Kranz aufsetzten. Durch letztere Annahme erklärt sich auch die Höhe der Treppe, welche für einen erwachsenen Mann zu einem ähnlichen Zweck nicht nothwendig gewesen wäre. Merkwürdig bleibt dabei freilich, dass man für einen solchen Gebrauch nicht vielmehr die Statue eines Gottes aufstellte. Und auffällig ist auch die geringe Ausdehnung der Palaestra- Für die Zimmer an der Westseite ist es leicht eine Verwendung zu finden : sie konnten zum Auskleiden, Salben u. s. w. dienen.

Dass der Bau aus vorrömischer Zeit stammt, wird außer durch die Bauart noch dadurch erwiesen, dass die Säulenreihen offenbar nach oskischem Maß angelegt sind, indem die längere 90, die kürzere 36 oskische Fuß (24,764 und 9,913 M.) maß, und durch eine dort gefundene, wahrscheinlich auf den Bau bezügliche Inschrift, welche übersetzt wird : »Welches Geld Vibius Adiranus, Sohn des Vibius, der pompejanischen Jugend durch Testament geschenkt hat, für dies Geld hat Vibius Vinicius, Sohn des Maras, pompejanischer Quaestor, dies Gebäude nach Beschluss des Bathes in Arbeit gegeben und derselbe (den Bau) approbirta ; wobei nur die XJbersetzung eines Wortes (vereiiat »der Jugend«) zweifelhaft ist. Eine in der Nähe gefundene lateinische Inschrift (M, Faecius Suavis M. Faecius Primogenes scholam de suo] hat schwerlich mit unserm Ge- bäude zu thun.

Die früheren Vermuthuugen, nach welchen es ein Local zur Einweihung in die Isismysterien [curia Isiaca), oder ein Versammlungsort einer Tribus, oder eine Markthalle gewesen sein soll, begnügen wir uns kurz zu erwähnen. Für dieselbe spricht nichts; die Widerlegung liegt in der mit großer. Wahr- scheinlichkeit gefundenen richtigen Deutung ") .

8. Das 8. g. Zollhaus.

Als solches gilt ein in der Straße des Herculaner Thores, also in der leb- haftesten Geschäftslage Pompejis belegenes Gebäude (XIV im großen Plane), welches nur einen geräumigen Saal mit sehr breitem, nur durch ein Eisengitter verschlossenem Eingange von der Straße enthält''^). Im Hintergrunde des Saales ist die mit Marmor bekleidet gewesene Basis für eine Statue angebracht, während sein Fußboden mit weißem, schwarzumrändertem Mosaik belegt ist. Nach der Angabe mehrer neueren Schriftsteller hätte man in diesem Saale eine große Zahl von meistens marmornen, aber auch aus Serpentinstein gefertigten Gewichten nebst einigen Maßen aus Basalt, femer Wagen verschiedener Art, namentlich Schnellwagen nach dem System der Decimalwagen , dergleichen später genauer betrachtet werden sollen, gefunden. Es wird sogar angegeben, eine dieser Wagen, welche aber nicht in Pompeji, sondern in Herculaneum gefunden worden ist (s. Mommsen, /. R. N, 6303, 3), habe auf dem langen Schenkel des Wagebalkens in punktirten Buchstaben die Inschrift :

IMP VESP . A VG IIX . T . IMP AVG F COS EXACTA IN CAPITO

getragen, durch welche sie sich als eine auf dem römischen Capitol ofBciell geaichte Normalwage zu erkennen giebt. Gestützt auf diese angeblichen That-

Ansicht decRainei

des grossen Theateiv.

Die öffentlichen Gebäude. Die Theater.

153

Sachen, und da keine Spur von Verkaufsgegenständen oder Waaren in diesem Gebäude gefunden worden ist, hat man dasselbe zum Zollhause [teloniutn) von Pompeji gestempelt, in welchem die durch das Herculaner Thor kommen- den Händler, Bauern und Höker ihre Waaren zu verzollen gehabt hätten. Das wäre an sich gewiss nicht unmöglich, allein von allen jenen Funden wissen die Tagebücher der Ausgrabung nichts. Wohl aber geben dieselben ganz richtig an, dass hinter diesem Saale und mit ihm durch eine Thür ver- bunden ein zweiter, etwa eben so großer Raum, mit dem Haupteingange von der ersten kleinen Querstraße ( Vicolo dt Narcisso) aus liegt. Es ist dies offenbar ein Stall mit Wagenremise. In dem Hauptraum konnten die Karren stehn, rechts von demselben ist unverkennbar der Stall für die Zugthiere und eine Kammer. Und in der That fand man hier zwei Pferdegerippe und einen frei- lich sehr fragmentirten zweiräderigen Karren. Um aus dem sogenannten Zoll- hause in den Stall zu kommen, durchschreitet man eine kleine Localität, welche sich in zweifelloser Weise als Abtritt zu erkennen giebt.

Neuerdings hat Fiorelli [Descriz, S. 81) die Ansicht ausgesprochen, dass das Gebäude vielmehr einen religiösen Charakter gehabt habe und dem Dienst der Lares compitalesj der Schutzgötter der Straßen, gewidmet gewesen sei. An diesen Cultushandlungen hätten auch die zu Wagen hereingekommenen Bewohner der Vorstadt Theil genommen, und ihre Wagen seien in dem Stalle untergebracht worden.

Wir enthalten uns, dem Gebäude einen Namen zu geben. Nur so viel erscheint allerdings nach seinem ganzen Charakter sehr wahrscheinlich, dass es in der That ein öffentliches, nicht ein Privatgebäude war. Für den reli- giösen Charakter desselben dürfte die Statuenbasis kein hinlänglicher Beweis sein, zumal keine Spur eines Altars vorhanden ist, und die unmittelbare Ver- bindung mit dem Abtritt , sowie die auffallende Schmucklosigkeit der Wände scheinen doch eher dagegen zu sprechen.

Dritter Abschnitt. Die Theater.

Fig. 87. Eine Reihe Masken.

Pompeji besitzt zwei neben einander, nahe dem südlichsten Stadthor, dem Stabianer Thor, gelegene Theater, ein größeres, an den Abhang östlich vom Forum trianguläre, südlich vom Isistempel und der Palaestra, angelehntes, und

1 54 Drittes Capitel.

ein kleineres, freistehendes, welches letztere nach der weiterhin zu besprechen- den Bauinschrift mit einem Dache versehn (theatrum tectum] war. Es scheint, dass häufig ein bedecktes Theater mit dem offenen verbunden war ; ein dem Untergang Pompejis etwa gleichzeitiges und der nächsten Nachbarschaft an- gehöriges Beispiel liefert uns der Dichter Statins, welcher unter den Herrlich- keiten Neapels »den Doppelbau des offenen und des bedeckten Theaters« [geminam molem fiudi tectique theatri: Silv, III, 3, 91) auffuhrt. Vermuthlich war das größere Theater für dramatische, das bedeckte für musikalische und kleinere Aufführungen bestimmt; ganz grundlos ist die Auffassung, als habe jenes der Tragoedie, dieses der Komoedie gedient. Wie wir weiterhin sehen werden, sind die beiden pompejanischen Theater nicht gleichzeitig, vielmehr ist das bedeckte erst später hinzugefügt worden. Beide Gebäude sind gut erhalten und sehr geeignet, um uns an ihnen die bauliche und scenische Ein- richtung der antiken Theater und die wesentlichen Eigenthümlichkeiten thea- tralischer Aufführung bei den Alten zu vergegenwärtigen.

Bei Besprechung derselben müssen gewisse Grundverhältnisse des antiken Drama und Theater wesens als bekannt vorausgesetzt werden, und können hier nur mit Hin weglassung alles dessen, was nicht zum nächsten Zweck, der Erklärung der pompejanischen Theater gehört , in der gedrängtesten Kürze angedeutet werden.

Das griechische Drama , Tragoedie sowohl wie Komoedie, ist aus einer religiösen Festfeier im Culte des Dionysos hervorgegangen und hat durch die ganze Zeit seiner Entwickelung den Charakter einer religiösen Festlichkeit bewahrt. Der Träger dieser ursprünglich ländlichen Feier war ein beim Weinlesefest umherschweifender Chor, der tanzbegleitete Chorlieder zu Ehren des Gottes sang, welche wir uns nach der wechselnden Stimmung der Wein- lese bald ernster in Bezug auf den Segen des Gottes, bald heiter und aus- gelassen denken dürfen, wenn es galt der berauschten Lust Ausdruck zu leihen und dieselbe an Unbetheiligten auszulassen. Erst später trat dem Chor ein Einzelner als Redner gegenüber, indem er von den Thaten und Erlebnissen des Dionysos erzählte, welche der Chor in seinen die Erzäh- lungen unterbrechenden Tanzliedern feierte. Schon wenn man diesen ersten Keim des Drama betrachtet, kann man sich vorstellen, wie seine Be- dürfnisse einen Baimi schufen, der etwa ebenso die Elemente des spätem Theaterbaus enthielt, wie jene von Rede unterbrochenen Tanzlieder eines bakchisch schwärmenden Chores die Elemente einer vollendeten Tragoedie. Den Redenden, Erzählenden auf ein Gerüst, die Urbühne, zu stellen, damit er besser gesehn und gehört werden möge, lag zu nahe, als dass nicht an- zunehmen wäre, dies sei fast von Anfang an gethan worden. Der Chor da- gegen brauchte weder einen erhöhten Standort, noch wäre derselbe für eine irgendwie zahlreiche Menge von Choreuten so leicht zu beschaffen gewesen ; für ihn ist der natürliche Boden ein zureichender Tanzplatz. Dass sich die Tänze des Chores, sobald sie zu der Erzählung des Redenden in der leisesten Beziehung standen, wie von selbst in einem Verhältniss zu der Urbühne be- wegten, begreift sich ; denkt man sich aber die zuschauende Menge in der natürlichen Kreisstellung um Redenden und Chor versammelt und diesen

Die öffentliohen Gebäude. Die Theater. 155

Menschenkreis an der einen Seite durch das Bühnengerüst abgeschnitten, so hat man das Grundschema des griechischen Theaterd in seinen drei Theilen, der Skene (Bühne) , der Orchestra (Tanzplatz des Chores) und dem. um diesen Halbkreis geschlossenen Theatron (Zuschauerraum) vor sich und sieht) wie diese Form des Baumes mit den Bedürfnissen der Darstellung zusammen ent- standen ist. Man braucht eigentlich nur das Bühnengerüst für die Aufnahme mehrer Schauspieler, welche nach und nach dem ursprünglich einen Bedner gegenüber oder zur Seite traten, erweitert, den Tanzplatz des Chores, um seine Bewegungen zu erleichtem , gedielt oder mit einer niedrigen Bühne aus- gestattet und den Zuschauerraum, wie wir zu sagen pflegen, amphi-theatra- lisch erhoben zu denken, und das Theatergebäude ist in seinen bestimmenden Elementen und Formen fertig bis auf die Decorationen, die nie eine so große Bolle im Alterthum gespielt haben wie bei uns.

Als öffentliche religiöse Festlichkeiten fanden die Theateraufführungen keineswegs allabendlich^ wie bei uns, statt, sondern in Griechenland nur an den Festen des Gottes, dem sie ursprünglich galten, in Rom an unbestimmten Festen, welche meistens beim Amtsantritt oder um sich zu einer Wahl zu empfehlen , aber auch bei Leichenfeiern reiche und ehrgeizige Bürger dem Volke gaben. An den Bakchosfesten aber füllten dafür auch die' dramatischen Aufführungen nicht ein paar Abendstunden , sondern den ganzen Tag; eine ganze Reihe von Dramen wurde nach einander aufgeführt, und zwar im Wett- kampf mit einander um drei Ehrenpreise, welche eigens verordnete obrigkeit- liche Preisrichter zuerkannten. Dieser Umstände und besonders auch der Tagesaufführungen, die aus anderen Gründen auch in Rom Sitte waren, mußte hier gedacht werden, w^il ihre Folgen viel weiter in das ganze Theaterbau- wesen eingreifen, als man auf den ersten Blick glauben sollte. Aus dem religiösen und festlich-öffentlichen Charakter der dramatischen Aufführungen erklärt sich zunächst, um nur dies vorweg zu erwähnen, das Bedürfiiiss weit größerer Theater, als wir sie kennen. Griechenland hat Theater, welche 60 80,000 Menschen fassten, und selbst das Theater eines Städtchens wie Pom- peji fasste etwa 5000 Zuschauer. Aus dieser Größe der Theater und aus den Tagesaufführungen ergiebt sich aber weiter die Unthunlichkeit der Be- deckung der Theatergebäude ; dieselben waren also offen oder doch nur, nach einer in Campanien gemachten Erfindung, durch ein an aufgerichteten Masten übergespanntes Zeltdach {velum, vela) gegen den Brand der Sonne und einen plötzlichen nicht zu starken Regenguss geschützt^

Es ist bekannt, welche wichtige Rolle im griechischen Drama der Chor spielt, welcher, durch die Seiteneingänge [TtaQodoi) der Orchestra eintretend, in dieser, um einen Altar [thymele] gruppirt, unter Tanzbegleitung seine Lieder sang, gelegentlich auch, auf Treppen die Bühne besteigend , in die Handlung eingriff. Die Römer beseitigten ihn, eine Neuerung, welche nicht ohne Einfluss auf den Bau der Theater blieb ; aus ihr ergeben sich nämlich die beiden wesentlichen Eigen thümlichkeiten, welche nach der Angabe Vitruvs das römische Theater vom griechischen unterscheiden. Da die Orchestra dem Zweck, für welchen sie ursprünglich bestimmt war, nicht mehr zu dienen hatte, und nur noch benutzt wurde^ um die Sitze bevorzugter Zuschauer zu

156 Drittes Capitel.

stellen, so konnte sie bedeutend kleiner gehalten werden : sie soll nach Vitruv einen Halbkreis nicht überschreiten, während die griechische Orchestra einen weit großem Kreisabschnitt darstellt. Und um zweitens eben diesen bevor- zugten Zuschauem einen ungehinderten Blick auf die Bühne zu schaffen, musste diese niedriger gemacht werden : nach Vitruv soll die römische Bühne nicht über 5 Fuß (1,48 M.), die griechische zwischen 10 und 12 Fuß (2,96 3,55 M.) hoch sein. Die Vorschrift in Betreff der Orchestra findet sich in den erhaltenen römischen Theatem insofem nicht immer befolgt, als dieselben nicht selten mehr als einen Halbkreis umfassen. Andererseits führt die Be- obachtung der Monumente auf zwei weitere, von Vitruv nicht erwäBnte Unter- schiede. In römischen Theatem nämlich werden die Sitze an der der Scene zugewandten Seite durch eine der Scenawand parallele Linie abgeschnitten. Dagegen finden wir in griechischen Theatem häufig, dass die Linien, mit denen die beiden Flügel der Sitzreihen abschließen, nicht in einer Flucht liegen, sondern der Art convergiren, dass ihre Verlängerungen sich in einem in der Orchestra liegenden Punkt schneiden. Femer scheint es, dass nach der ältesten , rein griechischen Bauart die Sitzreihen nicht bis an das Bühnen- gebäude verlängert wurden, sondern hier ein Zwischenraum blieb, welcher nur durch eine von einer Thür durchbrochene Mauer geschlossen war, so dass der hier eintretende und abziehende Chor nicht unter einem Theil der Zu- schauersitze hindurch zu gehen brauchte. Dagegen reichen die Sitzreihen der römischen Theater durchaus bis an das Bühnengebäude hinan.

a. Das große Theater.

»

Wenden wir uns nun zuerst zur Betrachtung des großen Theaters, so drängt sich uns vor allen Dingen die Frage auf, in welcher Zeit es entstanden sein mag , ob zur Zeit der römischen Colonie , ob früher , als die autonome oskische Stadtgemeinde unter dem Einfluss der griechischen Cultur stand. Es leuchtet ein, wie wichtig diese Frage ist für die Beurteilung der Culturstufe des vorrömischen Pompeji.

Um einen vorläufigen Anhalt zu haben, halten wir uns zunächst an eine Inschrift, welche in großen Buchstaben, in Marmor, wiederholt angebracht war, und sich jedenfalls auf einen Bau oder Umbau bezieht. Sie lautet : M. Jf. Holconii Rufus et Celer cryptam trihunalia theatmm s[ua) p[ecunia). Beide Männer, namentlich aber Rufus, werden noch durch mehre im Theater gefun- dene Inschriften gefeiert. Glücklicherweise sind wir nun im Stande, die Zeit dieser beiden Holconier ziemlich genau festzustellen. Wir wissen nämlich durch eine andere Inschrift, dass M. Holconius Rufus im Jahr der Stadt 752 (3/2 V. Chr.) zum vierten Mal die Würde des Duumvim bekleidete. Da nun eine der ihm im Theater gesetzten Inschriften ebenfalls sein viertes Duumvirat erwähnt, so dürfen wir den Bau der Holconier kurz vor dem genannten Jahr ansetzen« M. Holconius Celer war jünger: es geht aus anderen Inschriften hervor, dass er erst im Todesjahr des Augustus, 14 n. Chr., zur Würde des duumvir quinquennaiis gelangte. Vermuthlich bezieht sich auf denselben Bau oder Umbau die Inschrift , welche in die Südwand des östlichen Flügels,

Die Offentliohen Oebftude. Du gioBe ThMter. 157

zwischen den beiden Ausgängen aus dem hiei unter den Sitzreihen hinfuh- renden Ganges, eingelassen ist; M. Ariorvu» Primus architectus.

Fig. SS. Flau dei großen Theatere (Norden oben] .

Also in augusteischer Zeit, kurz vor Christi Geburt, haben die beiden Uolconier wahischeinlich durch den freigelassenen Architekten M. Artorius Primus die Crypta, die Tribunalien und das theatrum bauen lassen. Die De- deutung der drei hier genannten Theile des Theaters kann nicht zweifelhaft sein. Crypta ist ohne allen Zweifel der auf unserm Plan mit 1 bezeichnete überwölbte Gang, welcher den Halbkreis der Sitzreihen abachloss und die »bersten Reihen («unwna cacötj) trug. Tribunal heißt im römischen Theater der besondere, für den Torsitzenden Beamten bestimmte Platz: die hier in der Mehrzahl genannten Tribunalien können nichts anderes sein, als die beiden Platformen über den Eingangen der Orchestra. Wenn endlich an dritter Stelle

158 Drittes Capitel.

das iheatrum genannt wird, so kann dies nicht wohl anders verstanden werden^ als dass auch der Zuschauerraum denn dies ist die engere Bedeutung des Wortes , die Sitzstufen von den Holconiem hergestellt wurden.

Betrachten wir nun diese Theile, so finden wir, dass sie einen von den eigentlichen Grundbauten verschiedenen Charakter zeigen , offenbar jünger sind, dass also die Holconier einen Umbau, nicht einen Neubau vornahmen.

Reste des alten Baues finden wir, wenn auch vielfach später ausgeflickt, an der Front des Zuschauerraums gegen den Hof A^ namentlich an dem ge- wölbten Durchgang von 9 zu ^ , weniger deutlich an dem entsprechenden Durchgang rechts : die Bauart dieser Theile ist derjenigen der Basilika ver- wandt. Ala Schlussstein der Wölbung des Zuganges von 9 finden wir einen Satyrkopf aus TuflF. Ahnliches begegnet uns nur noch am Nolaner Thor (S. 52) , welches durch seine oskische Inschrift auf das unzweifelhafteste in Torrömische Zeit hinaufgerückt wird. Und da auch die Arbeit des Kopfes derjenigen des am Nolaner ITior befindlichen ähnlich ist, so dürfen wir auch hier auf jene ältere Zeit schließen. Wir können femer feststellen, dass der Zuschauerraum schon damals denselben Umfang hatte. Denn von einem zum Isistempel gehörigen Raum (/ auf Fig. 58} aus ist es sichtbar, dass die Rückwand der nischen- artigen Erweiterung in dem am weitesten zurückliegenden Theil des Ganges 1 in ihren unteren Theilen aus dem Lavabruchsteinwerk der erwähnten alten Theile besteht. Dasselbe gilt von den kurzen , strahlenförmig an die Umfas- sungsmauer des Halbkreises angesetzten Mauerstücken. Dieselben haben an dem Bau der Holconier eine vollkommen klare Bedeutung : es sind Pfeiler, welche, durch Bogen, verbunden, einen Umgang trugen, der sich an der Außen- seite der obersten, von der Crypta getragenen Sitzreihen hinzog und den Zu- gang zu ihnen vermittelte (s. Fig. 90) . Es ist nun schwer zu ersinnen, welchen andern Zweck sie an dem alten Bau gehabt haben könnten. Und da es auch kaum glaublich ist, dass sie damals ganz zwecklos gewesen sein sollten , so werden wir doch wohl annehmen müssen , dass schon an dem alten Bau 1 nicht ein offener Gang, sondern eine Crypta war und Sitzreihen trug, zu welchen man vermittelst eines von Bogen getragenen Umgangs gelangte, dass also die Thätigkeit der Holconier, wie selbstverständlich in Bezug auf die Sitzreihen, so auch in Bezug auf die Crypta in einem Wiederaufbau, nicht in einem Neubau bestand.

Vergleichen wir nun mit den alten Theilen die von den Holconiem her- stammenden. Die Crypta ist fast ganz erst nach der Aufgrabung wieder auf- gemauert worden ; doch sind am Boden hinlängliche Reste erhalten, um die Bauart zu erkennen. Wir würden geneigt sein, diese aus regelmäßig wech- selnden Ziegeln und ziegelformigen Hausteinen gebildeten Thürpfosteft, deren rechtwinklige Verzahnungen mit Netzwerk ausgefüllt waren, den letzten Zeiten Pompejis zuzuschreiben , wenn nicht die besprochenen Inschriften uns eines bessern belehrten.

Zur Crypta gehören die schon erwähnten, an die Außenseite derselben angelehnten , durch Bögen verbundenen Pfeiler. Auch hier hat ein aus- gedehnter, moderner Wiederaufbau stattgefunden; doch genügen die erhal- tenen antiken Theile, um zu zeigen, dass die Pfeiler, und vermuthlich auch

Die öffentlichen Oeb&ude. Das große Theater. 1 59

die Bögen aus ziegelformigen Tufistücken hergestellt waren, eine Bauart, welche für die Zeit des Augustus sehr gut passt, nicht wohl aber jenen alten Theilen gleichzeitig sein kann.

Und auf dieselbe Zeit passt auch ganz vorzüglich die Bauart der Tribuna- lien : Netzwerk aus Tuff, mit Ecken theils aus ziegelformigen Stücken des- selben Steins, theils aus Ziegeln, mit ziemlich dicken Mörtelschichten. Das Netzwerk war in Kom nach dem Zeugniss des Vitruv zu seiner Zeit, der Zeit des Augustus eben üblich geworden, und ganz ähnliches Mauerwerk wie dieses hier können wir auch sonst in Pompeji mit Hilfe der Wandmalereien ungefähr auf dieselbe Zeit zurückführen.

Was endlich das theatrum, die Sitzstufen betrifft, so genügt es zu bemer- ken, dass sie aus weißem Marmor bestehen. Sie können also keinenfalls der vorrömischen Zeit angehören, welche vom Marmor den allerspärlichsten Ge- brauch machte, und auch für Säulen und Gebälke sich begnügte, den Tuff mit Stuck zu bekleiden ; unzweifelhaft bestanden die Stufen ursprünglich aus Tuff, wie im kleinen Theater und im Amphitheater '^) .

So ergiebt sich uns also aus der Vergleichung der Holconierinschrift mit dem Thatbestande , dass ein vermuthlich aus vorrömischer Zeit stammendes Theater kurz vor Christi Geburt umgebaut und den römischen Gewohnheiten angepasst wurde. Das alte Theater gehörte der spätoskischen Blüthezeit Pom- pejis , der Tuffperiode an , und zwar wird es durch die Ähnlichkeit mit der Basilika und dem Nolaner Thor einer Gruppe von Gebäuden zugewiesen, welche namentlich gegen das Ende der genannten Periode entstanden ist.

Also nicht mit römischen Dramen ist diese Bühne eröffnet worden, son- dern es ist hier wahrscheinlich zuerst in oskischer Sprache gespielt worden. Wir wissen, dass die Osker Campaniens eine einheimische Posse, die Stamm- mutter der Pulcinellakomödie , besaßen, die Atellana, in der die stehenden Masken des Pappus, Dossennus, Bucco und Maccus ihr Wesen trieben. Ob sie auch eine eigene Tragoedie hatten, ob sie, wie die Römer, sich die griechische Tragoedie und Komoedie durch freie Übertragungen zu eigen gemacht hatten, davon wissen wir nichts ; war es der Fall, so ist in dem gänzlichen Untergang der oskischen Cultur jede Spur davon verloren gegangen. Es zu leugnen liegt aber kein Grund vor : die Osker waren an geistiger Cultur den Römern wahr- scheinlich überlegen und standen mit dem Griechenthum in unmittelbarerer Berührung. Auch das können wir nicht entscheiden, ob zur Zeit der Selbstän- digkeit die Kenntniss der griechischen Sprache so verbreitet war , dass grie- chische Dramen in der Ursprache hätten aufgeführt werden können. Nach der Besiedelung Pompejis durch die suUanischen Veteranen wird hier das römische Drama, daneben der Mimus und Pantomimus, geherrscht haben.

Wir haben also hier weder ein einfach griechisches, noch ein römisches Theater vor uns, sondern ein unter griechischem Einfluss entstandenes, in römi- scher Zeit umgebautes. In der That finden wir hier verschiedene Eigenthüm- lichkeiten des griechischen Theaters. So die weit mehr als einen Halbkreis umfassende Orchestra, welche vermuthlich ursprünglich noch größer war; denn wir werden annehmen dürfen, dass die vier untersten, breiten und niedri- gen Stufen erst in römisclier Zeit an die Stelle von etwa drei gewöhnlichen

1 50 Drittes Capitel.

Stufen getreten sind. Griechisch ist femer das hier freilich nur schwache Convergiren der die beiden Flügel der Sitzreihen abschließenden Linien; endlich auch die Anlehnung des Zuschauerraums an den Hügel. Dagegen freilich befanden sich die Seiteneingange [parodoi] der Orchestra niemals in einem zwischen Zuschauerraum und Bühnengebäude frei gelassenen, nur durch eine Mauer mit einer Thür geschlossenen Zwischenraum ; vielmehr sahen wir, dass grade hier durch Keste des ältesten Baues die jetzige Form uns auch als die ursprüngliche verbürgt wird. Da jedoch grade diese Besonderheit des griechischen Theaterbaues durch keinerlei Eigenthümlichkeit des griechischen Dramas und der griechischen Sitte im Gegensatz zum römischen bedingt war, so können wir wohl annehmen, dass eine Bauart wie die hier vorliegende etwa im zweiten Jahrhundert v. Chr. bei den Griechen aufgekommen war, und dass sich die Römer in dieser Beziehung nur der damals neuesten griechischen Ge- wohnheit anschlössen. Keinenfalls ist es zulässig, an römischen Einfluss zu denken, bei einem Theater welches mindestens 50 Jahre, vielleicht noch um weit mehr, älter ist als das erste steinerne Theater Roms, das des Pompejus.

Der römischen Sitte entspricht femer die geringe Höhe (etwa IM.) der Bühne. Nun ist zwar ohne Zweifel die Bühne, wie sie uns vorliegt, im Ganzen jungem Ursprungs. Wann sie umgebaut worden ist, wissen wir nicht: wegen des Charakters des Mauerwerks würde nichts im Wege stehen, ihre Erneuerung mit der Thätigkeit der Holconier in Verbindung zu setzen. Es kann aber kein Zweifel obwalten, dass die Seiteneingänge der Bühne, F^ mit Pfosten aus sorgfältig gefugten Tuffquadem, dem ursprünglichen Bau angehören, und sie beweisen unwidersprechlich , dass die Höhe der Bühne schon damals die gleiche war wie später. Und da diese Abweichung von der griechischen Sitte bei den Römern aus einem bestimmten praktischen Bedürfhiss hervorging, so dürfen wir wohl schließen, dass hier niemals Auffuhrungen nach griechischer Art mit Chören stattgefunden haben , sondern die Orchestra von Anfang an nur diente, um die Sitze bevorzugter Zuschauer zu stellen.

Nachdem wir nun die Erbauungszeit und den ursprünglichen Charakter des Theaters, sowie die wichtigsten Veränderungen , welche es im Laufe der Zeit erfahren , festgestellt haben, wenden wir uns zur Betrachtung der ein- zelnen Theile ; es sind dies 1 ] der Zuschauerraum , das Theatron im engem Sinne, griechisch auch das Koilon, römisch die Cavea ; 2) der Platz des Chores, die Orchestra ; 3) der Platz der Schauspieler, die Bühne, Scena.

Der Zuschauerraum ist, wie ein Blick auf den Plan zeigt, von nicht ganz regelmäßiger Form. Fassen wir den westlichen Theil seines äußern Umfanges ins Auge, so finden wir, griechischer Sitte entsprechend, einen Kreisabschnitt, welcher größer ist als ein Halbkreis. Ebenso war es ursprünglich im Osten; doch sind hier die Holconier von dem noch deutlich sichtbaren Zuge der alten Mauer abgewichen, und es erscheint jetzt der Halbkreis tangential verlängert. Und ein tangential verlängerter Halbkreis ist auch die den Zuschauerraum von der Orchestra trennende Linie. Wir werden wohl nicht irren, wenn wir auch dies auf eine Veränderung in römischer Zeit zurückführen. Denn diese Linie bemht auf den vier untersten,' breiten und flachen, für die Sitze (Bisellienj der Decurionen bestimmten Stufen, während man doch höchst wahrscheinlich

Die öffentlichen Gebäude. Das große Theater. \Q\

ursprünglich bis unten bin nach griechischer Sitte unmittelbar auf den Stufen saB ; und es ist recht wahrscheinlich, dass damals die etwas größere Orchestra, dem äußern Umfang entsprechend , ihre größte Breite an der Stelle des der Bühne parallelen Kreisdurchmessers hatte, gegen die Bühne hin sich aber verengerte, wie wir das in verschiedenen griechischen Theatern finden.

Der Zuschauerraum ist in eine Folge ganz tunlaufender Sitzstufen zerfallt, welche, wie schon bemerkt, bei griechischen Theatern an den Abhang eines Hügels angelehnt werden, während das römische Theater dieselben auf Bögen und Gewölbconstructionen, wie wir sie bei dem Amphitheater kennen lernen werden , über den ebenen Boden zu erheben pflegt. Hier finden wir b^ide Bauweisen vereinigt. Die Stufen der untern und mittlem Cavea (soweit die linkfe Seite des Planes Fig. 88 schraffirt ist) lehnen sich an den Abhang des Stadthügels; dagegen erheben sich die obersten, von der Crypta (l) getra- genen, durch einen auf Bögen ruhenden Corridor ( 2 ; vgl. Figur 90) zugäng- lichen Sitzreihen über die obere Fläche des Hügels.

Die sämmtlichen Sitzstufen werden nun in doppelter Weise eingetheilt. Erstens durch eine Anzahl breiterer Umgänge [diazotnata , praecinctiones) im Sinne unserer Bange, und zweitens durch eine Anzahl kleiner Treppen, welche von der Orchestra (hier genauer von der obersten der vier breiten un- tersten Stufen) bis zu der Höhe der Sitzreihen emporlaufend dieselben in Keile [kerkides^ ctmeij theilen. Das pompejanische Theater wird durch eine Prae- cinction (3) hinter den ersten vier Sitzreihen und durch den gewölbten Gang l in drei Bange (caveae) und durch sechs Treppen (4) in sieben Keile getheilt.

Der Zweck dieser Eintheilung ist ein doppelter. Zunächst und haupt- sächlich diente sie,^ um die Zuschauer zu ihren Plätzen zu leiten und die ver- sammelte Menge selbst bei eiligem Verlassen des Theaters, z. B. bei plötzlichem Regen, ohne starkes Gedränge rasch hinauszuführen. Jede der erwähnten sechs Treppen entspricht nämlich einer Ausgangsthür (vomitorium) 5 auf den gewölbten Umgang 1 (vgl. Fig. 93 und 94); aus diesem führt dann weiter eine Thür auf das Forum trianguläre, eine zweite auf den winkligen Baum zwi- schen diesem und der beginnenden Kundung des Theaters, eine dritte, am Ostende (links auf dem Plan) zu einem Gange, der zuerst über sechs Stufen, dann in allmählicher Neigung auf die Stabianerstraße hinabführt. Von diesen Thüren ist die auf das Forum trianguläre führende auf unserem Plan (Fig. 88) nicht angegeben, weil sie dort mit der auf den obersten Rang fuhrenden engen Treppe zusammenfallen würde. So gelangten die Zuschauer der von der Crypta 1 abwärts liegenden Stufen durch sechs Thüren in die Crypta, durch drei von hier, wo sie sich schon freier bewegen konnten, ins Freie. Außerdem aber konnten die Zuschauer der mittleren Sitzreihen über die Praecinction 3 und die Treppen 8 in die Seitenausgänge der Orchestra gelangen. Wir dürfen annehmen, dass die oberen, von der Crypta 1 getragenen Sitzreihen von eben 80 vielen Treppen durchschnitten und durch entsprechende Vomitorien mit dem hinter ihnen entlang gehenden, von den Pfeilern und Bögen getragenen Umgang 2 verbunden waren. Dieser Umgang aber reichte westlich (links) nur bis an den Winkel, wo die Rundung mit dem Forum trianguläre zusam- menstößt; und so führt die letzte Thür auf dieser Seite durch eine in der Dicke

Overbeck, Pompeji. 4. Aufl. 11

162 Drittes Capitel.

der sehr starken Mauer angebrachte Treppe direet auf das Forum trianguläre hinunter. Der Umgang war von außen zugänglich dxirch eine in dem erwähn- ten Winkel und eine zweite nahe dem entgegengesetzten Ende des Halbrundes angebrachte Treppe, zu welcher man durch eine StraBe zwischen dem Isis- tempel und demjenigen der capitolinischen Gottheiten gelangte. Endlich führte eben dahin eine dritte, auf unserem Plan nur zum Theil sichtbare Treppe, welche an die südliche Außenmauer der Palaestra angebaut ist und den Umgang ziem- lich in der Mitte der Rückseite erreicht haben muss. Unter der erstgenannten dieser drei Treppen war an wenig in die Augen fallender Stelle im Niveau des Fotum trianguläre ein Abtritt angebracht. Eine verwandten Zwecken dienende Rinne ist an die Innenseite eines Theils der Außenwand der Crypta und an die Nordwand des von der Stabianer Straße in die Orchestra führenden Ganges (C auf Fig. 97) angemauert. Der unterste Rang [ima cacea) entleerte sich durch die Orchestra und deren Ausgänge (parodoi) 7.

Der zweite Zweck der Eintheilung der Sitzplätze entspricht dem der Rang- theilung in unseren Theatern. Die untersten Reihen, der Bühne am nächsten gelegen, waren bevorzugten Zuschauem vorbehalten. Im Dionysostheater zu Athen, dem Ur- und Vorbild aller Theater, bestanden die untersten Reihen statt einfacher Stufen aus steinernen Lehnsesseln, welche nach den Inschriften, dem religiösen Charakter der griechischen Theaterauffiihrungen entsprechend, fast ausschließlich von Priestern eingenommen wurden ; zwischen ihnen saßen nur wenige weltliche Beamte und einige Personen, denen dies Recht als be- sondere Ehre durch Volksbeschluss zuerkannt war. Der Mittelplatz der ersten Reihe, ein etwas in die Orchestra vorstehender Lehnsessel, gehörte dem Vor- sitzenden der ganzen Feier, dem Priester des Dionysos von Eleutherae, des Gottes, an dessen Cultus sich die Entstehung des Dramas knüpft, und als dessen Fest diese Feier bei den Griechen stets betrachtet wurde. Und in der Orchestra, vor dem Platz des Priesters, stand die aus dem Tempel herbeigeholte Bildsäule des idealen Vorsitzenden, des gefeierten Gottes Dionysos selbst. So war er gewissermaßen der erste und vornehmste Zuschauer, und konnte des- halb in den Fröschen des Aristophanes als scherzhafte Personification des athenischen Theaterpublikums auftreten. Weiter waren auch die folgenden Sitzreihen, bis zur zwanzigsten, teservirte Plätze : sie gehörten einer großen Zahl von Priesterinnen, wenigen Priestern und einigen durch Bewilligung eines solchen Platzes geehrten Personen. Außerdem wissen wir, dass in Athen die Mitglieder des Rathes, und in der Kaiserzeit die Epheben besondere Plätze hatten.

In Rom gab es anfangs keine derartige Unterscheidung ; und da hier die Theaterspiele nie einen so ausgesprochen gottesdienstlichen Charakter hatten, so wurden auch später , als dieselbe ein- und von Augustus strenge durch- geführt wurde, nicht die Priester, sondern andere Classen bevorzugt. Im Jahre 67 V. Chr. wurde durch die lex Roscia bestimmt, dass die vierzehn ersten Reihen den Rittern vorbehalten sein sollten, d. h. denen die ein Vermögen von mehr als 400,000 Sesterzen (c. 70,000 Mark) besaßen. Weiter wurde durch die Theaterordnung des Augustus die unterste Stufe den Senatoren angewiesen, welche außerdem noch in der Orchestra zu sitzen berechtigt waren. Der mitt-

Die öffentlichen Oebftude. Das große Theater. ] g3

lere Sang [media cavea) gehörte den Bürgern , der oberste [summa cavea] dem gemeinen Volk und den Frauen.

In uxiserem Theater können wir sehr deutlich die Ränge unterscheiden. Der unterste, die infima cavea^ hat vier Stufen. Diese sind jedoch nicht Sitz- stufen der Art wie die weiterhin zu besprechenden der media cavea, sondern sie sind beträchtlich breiter und nur von der halben Höhe dieser, dienten also offenbar nur, um die Ehrensessel, die Bisellien, der hier sitzenden bevorzugten Zuschauer zu tragen. Wir werden hier den Platz des Stadtraths, der Decurio- nen zu erkennen haben, unter denen noch einzelne Begünstigte Platz finden mochten. Vermuthlich standen einige der Decurionensessel auch in der Or- chestra, wo man den Mitgliedern des römischen Senats, wenn solche zug^en waren, die besten Plätze eingeräumt haben wird.

Hinter diesem ersten Range folgt eine höhere und breitere Stufe 3, in deren Oberfläche wir den ersten Umgang, Praecinction, erkennen. Sie war von den Decurionenplätzen durch eine niedrige Marmorbrüstung (nicht erhal- ten) getrennt imd zugänglich durch drei kleine Treppen von je drei Stufen, denen Öffnungen in der Brüstung entsprachen. Den Enden der Praecinction entsprachen die gewölbten Ausgänge 8.

Der zweite Rang enthielt 20 Sitzreihen, von denen sicher auch hier die unteren für die Ritter , die oberen für die übrige Bürgerschaft bestimmt waren. Gesetzlich kamen, wie schon bemerkt, den Rittern 14 Reihen zu: ob dies in Pompeji durchgeführt war, dürfte wohl davon abgehangen haben, wie zahlreich dort die Zahl derjenigen war, die den Rittercensus besaßen. Die Stufen sind aus Marmor, nicht ganz glatt gearbeitet, einfach rechtwinklig, ohne Profilirung der Vorderseite und ohne die sonst häufig auf der Oberfläche angebrachte Vertiefung für die Füße des Hintermanns. Stellenweise waren in der media cavea die einzelnen Plätze durch senkrechte Linien von einander ge- trennt und numerirt, doch war dies nur für einen kleinen Theil durchgeführt: was es damit für eine Bewandtniss hatte, entzieht sich unserer Kenntniss, und es ergiebt sich aus den wenigen erhaltenen Zahlen kein System der Numeri- rung. Die Sitze waren 0,39 M. breit. Die Stufen der Treppen haben die halbe Höhe der Sitzstufen ; es müssten ihrer also bei zwanzig Sitzstufen vierzig sein, von denen aber zwei in Abzug kommen, da die oberste Sitzreihe (vgl. Fig. 93) höher lag als die Schwellen der Vomitorien, und deshalb, anstatt in Treppen- stufen zerlegt zu sein, den Vomitorien gegenüber ganz durchbrochen war. In der Mitte der imtersten Stufe der media cavea stand eine Statue, welche auf Decret der Decurionen dem einen der Hersteller des Theaters, M. Holconius Rufus, zum fünften Mal Rechtsduumvim, Militärtribunen, Flamen des Augu- stus und Patron der Colonie errichtet war. Die vier Löcher, in denen das Po- stament der Erzstatue befestigt war, sind erhalten, und neben ihnen steht die durch die Statue unterbrochene , in Erzbuchstaben eingelegt gewesene De- dicationsinschrift (/. R, N. 2232; C. L L, X, 838). Die Stufe hat hier doppelte Breite, so dass die nächst höhere auf der betreffenden Strecke unter- brochen ist ; hinter den erwähnten vier Löchern, etwas weiter links, finden sich noch vier andere, deren Bestimmung jedoch nicht mehr auszumachen ist.

Endlich der dritte Rang, die summa cavea, mochte etwa vier Sitzreihen

11»

164 DTittes Capitel.

haben. Näheres lässt sich nicht sagen , da dieser ganze ITieil modern auf- gemauert ist, und wir nicht wissen, in wie weit mau sich dabei an etwa vor- handene alte Spuren gehalten hat. An seinem untern Rande schloss dieser Kang ab mit einem Marmor karnies, von dem hinlängliche Fragmente vorhan- den sind und welcher nach sicheren Spuren ein Eisengitter trug.

Oberhalb des die summa cavea umkreisenden, von Högen getragenen Um- ganges [2 auf Fig. S8u. 93] hat die modernB Reatauration noch eine schmale, von einer zweiten Itogenreihe getragene Platform angenommen (s. Fig. 93), ohne Zweifel mit Recht, da sie sich auf der kurzen Streclce am Forum trianguläre aus der Dicke der Mauer ergiebt ; sie ist jetzt zu^nglich durch eine schmale Treppe, welche sich von derjenigen abzweigt, die in der Ecke zwischen Forum trianguläre und Theater auf den erwähnten Umgang iuhrt. Wahrscheinlich hielten sich auf dieser Platfonn die Arbeiter auf, welche das velum, das Zelt- dach, aufzuziehen hatten. Denn dasa dem Theater Pompejis das in Campanien erfundene, in Rom erst später aufgenommene, dann aber mit unglaublichem Luxus be^estellte Zeltdach nicht gefehlt hat, dürfen wir wohl für sicher halten. Dagegen müssen wir es dahin gestellt sein lassen, ob es so angebracht war, wie die moderne Restatiration angenommen hat, nämlich an viereckigen Balken, welche an der Rückwand der summa catea mit ihrem untern Ende in Löchern zwischen den Sitzen und der Mauer standen, weiter oben aber durch viereckig durchlöcherte Lavaringe gingen (s. Fig. 89, 93, 94). Anderswo, z. B. am Theater zu Orange und am Colosseum in Rom, waren diese Balken oder Masten an der Außenseite der Umfaseunge- mauer angebracht und standen mit ihren unteren Enden auf aus der Mauer vorspringenden Consolen. Über die Art, wie an diesen Balken (die am Theater zu Orange auch an der Rückwand des Bühnengehäudes angebracht waren] das Zeltdach aufgezogen wurde, sind wir nicht unterrichtet: es bedurfte dazu jedenfalls eines künstlichen Systems von Stricken. Das Aufziehen und Ausspannen des Zeltdachs Fig. 69. Steiniing über dem Amphitheater in Rom besorgten Matrosen, und und Balken dann. ^^^ dürfen annehmen, dasB auch in Pompeji Seeleute hiezu verwendet wurden. Gegen die Bühne zu bildete eine schräg herablaufende Mauer Fig. 93) den Abschluss der Sitzplätze.

Die beiden von den Holconiern erbauten Tribunalien, über den Seiten- eingängen der Orchestra, wurden schon erwähnt ; sie sind zugänglich durch Treppen, welche sich von eben diesen Seitenein fingen auf der der Bühne zugewandten Seite abzweigen. Die eigentliche Bedeutung des Tribunal ist die, dass hier die das Spiel gebende Behörde Platz nimmt. Es ist mit Wahr- scheinlichkeit vermutbet worden, dasS; wie Augustus in Rom den Vest&linnen einen Platz gegenüber dem Tribunal des Praetors anwies, so hier das zweite Tribunal den öffentlichen Friesterinnen bestimmt war, deren wir verschiedene {Eumachia, Mamia u. A.) aus Inschriften kennen.

Den äußern Anblick des Zuschauerraum s zeigt, ireilich auf Grund der modernen aber wahrscheinlich richtigen Restauration, die Abbildung Fig. 90.

Die Öffentlichen Oebfiude. Das gioBe Theater. 1 65

Den Voidergrund bilden die Propyläen des Ftwum trianguläre sowie ein Theil von diesem selbst; im Mittelgründe sieht man das starke Wasserreservoir, welches auch auf dem Plane (Fig. 88) angegeben ist; rechts davon erhebt sich der obere Theil des Theaters, von der Crypta an aufwärts, mit der doppelten Ar- kadenreihe, deren untere den Umgang hinter der summa cavea, die obere die

Fig. 90. Äußere Aneicht des großen Theateis.

oberste Platfonn trägt. Unter dem einen Bogen ist ein Zugang zur Crypta sichtbar; eben dahin führt die erste (größere) der beiden Thüren in der Mauer gegen das Forum trianguläre. Durch die kleinere daneben gelangt man über eine enge Treppe zur summa cavea. Der Zugang der Treppe, welche auf den Umgang hinter letzterer führt, ist in dem Winkel zwischen dem Halbrund und der graden Mauer versteckt ; ihre Ausmiindung auf den Umgang ist rechts unter dem ob^n Bogen sichtbar. Das Haus links im weitem Mittelgründe ist ein modernes, dicht vor dem Stabianer Thor stehendes ; weiter hinaus sieht man in die Landschaft, durch welche der Samo fließt, und die Froüllinie des Monte Santangelo schließt den Hintetgrund ab.

166 Dritte» CapiteL

In Itetreff der Orcheetra ward schon oben bemerkt, daas sie vielleicht in vorromischer Zeit noch etwas ^ößer war und eine etwas abweichesde, sich gegen die Bühne wieder verengernde Form hatte , während sie jetzt durch einen gradlinig verlängerten Halbkreis begrenzt wird. Sie ist ein durchaus ebener, mit Marmorplatten gepflastert gewesener Raum. Die kleinen Treppen bei in (Vig. 8Sj ermöglichten einen Verkehr zwischen der Orchestra und der Bühne. Was endlich drittens die Bühne selbst anbelangt, so gilt es hier, die stärk- sten Abweichungen von den Vorstellungen zu bemerken, welche uns von mo- dernen Bühnen her geläufig sind. Der erste Blick auf den Plan zeigt einen wesentlichen Unterschied : die Bühne ist ungleich weniger tief und im Vethältniss viel breiter als unsere Bühnen. Bei der geringen Zahl von Schauspielern, welche im antiken Drama zugleich auftraten, und bei der Gemessenheit der Hand- lung wäre eine große Tiefe der 5? Bühne hinderlich, sie wäre äußer-

te dem akustisch schädlich gewesen.

Die Bühne in Pompeji, von 33 X 1* 6,60 M. Größe erscheint als ein

schmaler Streifen, und doch hat sie, mit anderen Bühnen des Alterthums 6" ^ verglichen, noch eine verhältniss-

g b, mäßig nicht unbedeutende Tiefe.

Wir werden annehmen dürfen, dass sie von einem nach hinten sich senkenden Dache bedeckt war. Er- halten ist davon nichts, doch sind die Spuren solcher Decken an den 3 * besterhaltenen Theatern, denen

S von Aspendos in Kleinasien und

Orange, deutlich zu erkennen.

Da der bis vor Kurzem ver- schüttete Raum unter der Bühne neuerdings wieder aufgedeckt wor- den ist , so geben wir in Fig. 92 den Grundriss dieses Theils des Theaters, wie er jetzt ist, in größe- rem MaIJstabe. Der hölzerne Fuß- boden ruhte hinten - auf den vor- springenden Fundamenten der Scenawand S, wo früher die Löcher für die Balken sichtbar gewesen sein sollen, vorn auf einer mit dem Pioscenium p parallel laufenden niedrigen Mauer m, in der Mitte auf der Verbindungsmauer v und dem überwölbten Abzugscanal r.

Die öffentlichen Gebäude. Das große Theater.

167

Fig. 92. Stein unter der Scena.

Links von v ist der Raum unter der Bühne beträchtlich tiefer (1,80 M.) als rechts (0,95 M.): es wäre möglich, dass aus diesem tiefem Räume Geister- erscheinungen aufgestiegen wären. Eben hier finden wir bei t in den Boden eingelassen zwei massive Steinblöcke, welche in ihrer Oberfläche (1,20X0,50M). eine flache viereckige Vertiefung (0,22 X 0, 1 5 M.) und ein mindestens 7 Centim. tiefes, rundes, stark mit Eisen gefüttertes Loch haben: ihre Gestalt wird durch nebenstehende Figur deutlich. In den runden Löchern will man bei der Entdeckung die mit einem eisernen Zapfen endenden Reste starker Balken aufrecht stehend gefunden haben, und hat deshalb vermuthet, dass hier die unten bei Besprechung der Decoration näher zu erwähnenden, unseren Coulissen

entsprechenden prismatischen Trigonen standen, welche auf jenem Zapfen gedreht den Decorationswechsel bewirkten. Wie dies mit der eigenthümlichen Stellung dieser Steine, und damit, dass sie nur auf einer Seite der Bühne vor- handen sind, sich vereinigen lässt, muss dahin gestellt bleiben; für sicher dürfen wir obige Erklärung nicht halten, und müssen uns daran erinnern, dass die Alten ohne Zweifel noch manche Maschinerien hatten, von denen wir nichts wissen. Man gelangte zu diesen Maschinen bei x, wo Mazois Treppen angiebt, von denen jetzt nichts zu sehen ist : man sieht nur allerlei imklare Mauerreste, wie sie auf unserm Plane angedeutet sind. Die Mauer n senkt sich allmählich vom rechten Ende gegen die Mitte und weiter gegen m. In den Raum zwischen m und p mündet bei q (und wahrscheinlich auch am entgegengesetzten Ende) von der Orchestra aus eine Wasserrinne, die in der Orchestra unter der Erde liegt, aber irgendwie das in den Zuschauer- raum gefallene Wasser gesammelt haben muss. Dasselbe gelangte dann bei y in eine an der Innenseite von m entlang laufende Rinne und wurde end- lich aus der Mitte derselben durch den weiten, gewölbten Canal r unter der Scena hindurch abgeführt. An die Innenseite der genannten Rinne sind bei o kleine Pfeiler/ angemauert, die zur Stützimg des Fußbodens mitwirkten. Bekanntlich wurde der Vorhang bei Beginn des Spiels nicht aufgezogen sondern niedergelassen, und es ist wohl klar, dass der Raum zwischen m und p bestimmt war, ihn aufzunehmen, und dass die hier sich findenden Vorrich- tungen damit in Verbindung stehen müssen. Es erstreckt sich nun unterhalb dieses nur wenig unter das Niveau der Orchestra vertieften Raumes ein jetzt verschütteter, aber auf dem Durchschnitt Fig. 93 nach Mazois angegebener und mit p bezeichneter gewölbter Gang. Beide Räume sind verbunden durch zwei Reihen ausgemauerter viereckiger Löcher, 0,36 bis 0,37 M. im Quadrat, deren obem Rand je ein viereckig durchbohrter Lavastein bildet. Von diesen Reihen muss die eine der Scheitellinie der Wölbung des untern Raumes, die andere etwa seiner nördlichen Wand entsprechen. Mazois^ Annahme, es sei hier eine Maschinerie angebracht gewesen, durch welche an femrohrartig in einander geschobenen hohlen Balken der Vorhang gehoben und gesenkt worden sei, hat wenig Wahrscheinlichkeit und erklärt keineswegs die doppelte Reihe von im Ganzen 17 Löchern. Wahrscheinlicher ist es, dass für den Vorhang das Bühnendach benutzt wurde; vielleicht gingen durch jene Löcher Stricke,

an welchen ziehend in dem untern Raum befindliche Personen die Hebung und Senkung hewirkten.

Figur 93 stellt einen wesentlich architekto- nisch gezeichneten Durchschnitt des großen Theaters dar, auf welchem die Buchstaben und Zah- len den im Plane ge- hrauch tcn grüßtcntheils

entsprechen , während Figur 94 dieselbe Ansicht der Ruinen in ihrem heutigen Zustande , nach einer Photographie ge- zeichnet, wiederholt. Es •4 ist demnach bezeichnet

* mit A die i^ma , B die ." media , C die summa ca- ö vea, mit 1 der gewölbte 3, Gang [crypta) hinter der S, media cavea, auf dem die 5. vier Sitzreihen der summa g, capeo ruhen., mit 2 der von " Rogen getragene, durch 3 die Pfeiler der oberen S Bogen hindurch gehende ^ UmgatighinterderSKTOwa R coeea, mit 3 die erste Prae-

cinction hinter der infima

cavea, mit 3' die Mauer vor derselben, mit 4 sind die Treppen, welche die cune* trennen, mit 5 die Vomitorien der media ca- vea bezeichnet, welche in den Corridor 1 fuhren; 6 aind die Vomitorien der summa cavea, 7 ist die eine Parodos der Orchestra, hei 8 sieht man eine der aus den Parodoi auf die erste Praecinction führenden Thüren; mit ß ist die

schräg herablaufende Mauer, welche den Zuschauerraum von der Bühne trennt, bezeichnet, und d steht neben dem ersten Steinring (s. Fig. S9] nebst

Die Offentliolien Qeb&ude. Du große Theater. 169

dem in ihm steckenden Balken für das telum; weiter techts sieht man auf gleicher Höhe eine Reihe dieser Steinringe. An dem Bühnengebäude ist mit p der oben besprochene, vermuthlich für den Vorhang dienende gewölbte Gang bezeichnet. Im Übrigen kann sich jeder nach dem Plane leicht selbst orieutiren.

Schon Aeschylus gab der griechiacben Bühne ein ziemlich entwickeltes Decorations- und Maschinenwesen ; die Decorationsmaleiei beschäftigte schon firüh namhafte KüuBtler. Auch hier aber ist der Unterschied von der mo- dernen Bühne beträcht- lich. In der überwiegen- den Mehrzahl aller Tra- goedien war der Ort der

Handlung vor dem Palast ^

des Fürsten. Und da nun %

die reich architektonisch ^

ausgebildete Hinterwand a

der Bühne {Fig. 95 zeigt o

die des Theaters von Her- si

culaneum nach Mazois' -S

Bestauration ) sehr wohl ^

die Fa^ade dieses Palastes "g

darstellen konnte, so war ^

in allen diesen Fällen eine "^

weitere Decorirung der ,g

Rückwand nicht nöthig. g

Verschiedene Erwägun- -S

gen aber, auf die wir hier *

nicht weiter eingehen j

können , fuhren darauf, tj,

dass dennoch auch die ^

Fa^de des Königspala- ßtes nicht durch die ge- mauerte Bühnenwand, sondern durch gemalte Decorationen dargestellt wurde. Ein Scenenwech- sel wurde in der Weise

bewirkt , dass die Decoration nach beiden Seiten fortgezogen wurde und so eine dahinter befindliche zum Vorschein kam, Dass ein solcher Decorations- wechsel auch innerhalb desselben Stücks, bei offener Bühne, vorkam, beweist der Aias des Sophokles, dessen Schauplatz anfangs das Griechenlager, dann der einsame Meeresstrand am Hellespont ist. Diese Decorationen hießen bei den Römern scena dactüia, die ziehbare Scenerie ; auch sie hatt«,wie das Büh- nengehäude, drei Thüren. Die mittlere Thür war die vornehmste: aus ihr

170 Drittes Capitel.

betrat der erste Schau8)>ieler, Protagonist, die Bühne : demnächst die zureite, durch die der zweite Schauspieler, Deutcragonist, auftrat. Spielte das Stück vor dem KÖnigspalast, so führte die Mittelthür in die Uauptwohnung desselben , die rechte Tliür in irgend ein Nebengebäude, z. B. die Fremden Wohnung, die Frauenwohnung, die linke je nach den Umständen in irgend eine Localität geringerer Bedeutung.

Die Seiten decorationen wurden bei den JEtömem, im Gegensatz zur scena ductüia, als acena versilis, die drehbare Scenerie, bezeich- net. Sie bestanden aus prismatischen Maschi- a nen (Periakten) Fig. 96, auf deren drei Flächen

^ a b c drei coulissenartige

" Decorationen auf Stoffe

W oder Hoktafeln [katable-

g mata) gemalt ange-

§• brachtwaren, und welche,

j^ oben und unten eingezapft

g. (rf) durch eineDrehungvon

1" 120''aufdie leichteste Art Fig. 96. Eine Periakte.

2" einen Decorationswecb-

» sei bewirkten, während die scena dtictUis eben

I so rasch zur Seite gezogen wurde. Ganz irrig

g- würde es sein, anzunehmen, als hätten die drei

^ Seiten der Periakten die Decorationen der Tra-

g goedie, der Komoedie und des Satyrspiels ent-

g halten. Vielmehr diente diese Vorrichtung

I ohne Zweifel namentlich auch dem Scenen-

M Wechsel innerhalb des einzelnen Stücks, und

I konnten je nach den Erfordernissen desselben

t* die Katablemata gewechselt werden." Von der

g zweifelhaften Beziehung gewisser Vorrichtun-

- gen der pompejan lachen Bühne auf diese Pe-

riakten war schon S. 167 die Rede.

Nur wenige Punkte bleiben noch zu erle- digen. Dass der Verkehr zwischen der Bühne und der Orchestra durch die kleinen funistu- ßgen Treppen, to im Plan, ermöglicht wurde, ist schon bemerkt. Da der Bühnenbau zwei- fellos aus römischer Zeit stammt, so dürfen wir nicht an den Chor und sein im griechischen Theater gelegentlich vorkommendes Hinauf- steigen auf die Bühne denken. Ob mitunter Schauspieler, welche aus der Feme kommende Personen darstellten, nicht neben den Periakten eintraten, sondern durch dfe Parodoi und die Orchestra auf die

Die öffentlichen Gebäude. Das kleine Theater. 171

Bühne stiegen.^ ist eine offene Frage sowohl für das griechische als für das römische Theater. In Abrede stellen können wir es nicht und dürfen vielleicht die fraglichen Treppen des pompejanischen Theaters dafür geltend machen.

Durch die drei Thüren der Bühnenrückwand betritt man über zwei Stufen das Postscenium 2), den Raum in welchem die Schauspieler ihren Auftritt erwarteten. Im Plane sehen wir aufier der Mittelthür, in welche die Sampe C leitet, zu den Seiten in der Hinterwand noch zwei Thüren ; dieselben sind jedoch schon im Alterthum vermauert worden. Die Sampe bei 0 kann schwer- lich nur dazu gedient haben, dem einzelnen Schauspieler Zugang zur Bühne zu schaffen ; sie wird vielmehr den Zweck gehabt haben, allerlei chorartigen Aufzügen, die aus irgend einem Grunde durch die Mittelthür eintreten sollten, ein wohlgeordnetes und effectvoUes Auftreten zu ermöglichen. Häufiger freilich mochten hierfür die großen Seitenthüren i^ benutzt werden; wir haben oben (S. 77) gesehen, dass der feierlichste Zugang zum Theater, über die Treppe vom Forum trianguläre, direct auf den linken dieser Eingänge zu führte. Im griechischen Theater zogen dergleichen Au&üge (wie der Siegeszug Agamem- nons beim Aeschylus] durch die Parodos in die Orchestra ein. Es sind also diese Zugänge zur Bühne ein Beweis mehr dafür, dass Aufführungen nach griechischer Art hier nie stattgefunden haben.

Die dem Zuschauerraum zugewandten viereckigen Nischen /> in der Prosceniumsmauer waren nicht sowohl, wie man angenommen hat, für Sta- tuen, als zum Aufenthalt der Theaterpolizei bestimmt, welche an diesen Orten sitzend, wie sie uns eine bildliche Darstellung zeigt, die ganze Zuschauermasse auf das bequemste überblicken konnte.

Es ward schon oben (S. 77) erwähnt, dass an der Stelle der Cellen an der Nordseite der Gladiatorenkaseme, in der Fortsetzung der vom Forum trianguläre herabkommenden Freitreppe, einst ein Säulengang lag, und dass so der Hof A an der Süd-. Ost- und am Ostende der Nordseite von Säulen- hallen umgeben war, welche mit jener Treppe den feierlichen und officiellen Zugang zur Bühne (durch F) und zur Orchestra bildeten. Dass eben dies, und nicht der den Zuschauem bei Regenwetter zu bietende Schutz, die eigent- liche Bedeutung dieser Hallen war, wird eindringlich und gleichsam absichtlich dadurch klar gemacht, dass sie am westlichen Ende des Platzes fehlen. Wenn nun Vitruv V, 9, 1 vorschreibt, dass zu jenem andern Zweck Portiken anzu- legen sind, so ist kürzlich mit Recht hervorgehoben worden, dass dies offenbar die ursprüngliche Bedeutung der unter dem Namen Gladiatorenkaseme be- kannten und zu solchem Zweck in der Kaiserzeit benutzten großen Porticus (XXVII auf dem großen Plan) gewesen ist. Hierauf wird bei Besprechung derselben noch zurückzukommen sein.

b. Bas kleine Theater.

Das kleinere, nach der Bauinschrift überdachte Theater (theairum tectum) liegt östlich (auf dem Plan Figur 88 rechts) von dem hinter dem Bühnen- gebäude des großen Theaters befindlichen Hofe A, zwischen diesem und der Stabianer Straße. Es ist jünger als das große Theater. Die erwähnte Bau-

172 Drittel Capitel.

inschrift besagt: C Quinctius C. f. Valg. M. Porcius M. f. duovtr. dec. decr. theatrum tectum fac. locar, eidemg. prob. Es haben also die Zweimänner C. Quinctius Valgiis und M. Porcius , welche uns noch als Begründer des ÄTuphitheaters wieder begegnen werden , auf Beschluas des Stadtraths den Kau verdungen und nach seiner Vollendung approbirt. Die Inschrift genügt, um ungefähr die Zeit des Baues zu bestimmen. Da wir nämlich aus einer andern Inschrift wissen, dass eben dieser Valgus als Patron des Municipiums Aeclanum bald nach dem Bundesgenossenkriege bei dem Wiederaufbau der von Sulla zerstörten Mauern dieser Stadt witwirkte, so dürfen wir in ihm und M. Porcixis Häupter der sullanischen Veteran encolonie erkennen, welche nicht allzu lange nach der Deduction derselben das bedeckte Theater und das Am- phitheater bauten '*) .

Die Bedachung konnte nur durch einen hölzernen Dachfituhl bewirkt sein, da fiir ein Gewölbe die Umfassungsmauern zu schwach sind. Man hat auf letzterer Reste kleiner Säulen sehen wollen, welche den Dachstuhl getragen hätten. Doch muss diese Nachricht dringend bezweifelt werden ; denn einen 80 großen Dachstuhl zu tragen, waren wohl die sehr starken Seitenmauem, nicht aber eine Säulenstellung im Stande. Wie Ijicht und Luft in den Baum kam, wissen wir nicht.

Aus den der Bedachung halber nothwendigen, den ganzen Bau viereckig umsclilieQ enden Mauern ergiebt sich eine Form, welche von der gewöhnlichen.

Fig. 97. Plan daa kleinen Theaters (Norden oben).

der Rundung der Sitzreihen entsprechenden, abweicht: der AbschluBs ist gradlinig, hinten sowohl als an den Seiten, wo die Flügel der Sitzreihen der^

Die öffentlichen OebSude. Das kleine Theater. 173

gestalt abgeschnitten sind, dass nur die vier Stufen der ii^ma catea und die neun untersten der media cewea einen vollen Halbkreis bilden.

Zur Erläuterung des Planes werden unter Verweisung auf die Beschrei- bung des großen Theaters wenige Worte genügen. Die Straße rechts ist die die Stadt von Norden nach Süden durchschneidende, südlich in geringer Ent- fernung an das Stabianer Thor führende Stabianer Straße. Sie ist auf beiden Seiten von einer ununterbrochenen Reihe von Läden, zum Theil Schenken (Thennopolien) eingefasst. Von dieser Straße führten zwei Eingänge in das kleine Theater. Zuerst, von Süden beginnend, der auf Fig. 98 dargestellte,

Fig. 98. Anaicht des kleineo Theatets.

auf dem Plan mit A bezeichnete. Er fuhrt in die Orchestra, zur in^ma cacea, zur eisten Praecinction und so zu den die Sitze durchschneidenden Treppen, von denen an jedem Ende die den Halbkreis abschließende und die nächste . nur von hier aus, nicht auch von oben zugänglich sind. Es ist klar, dass dieser erste Eingang, dem bei Ä ein gegenüberliegender Eingang oder Ausgang auf den ^ulenhof hinter dem großen Theater entspricht, fiir die Zuschauer der tn^ffia cavea und der beiden äußersten cuTiet bestimmt war, welche von dem andern, jetzt zu besprechenden Eingang nicht gut zugänglich waren.

Dieser zweite Eingang bei B ist beiden Theatern gemeinsam. Durch den gewölbten Gang C*) (rechts an demselben die S. 162 angedeutete Vorrichtung]

174 Brittea Capitel.

gelangt man gerade ausgehend in die Paroilos and weiter in die Orcbestra des groBün Theaters, links aber duEch zwei Thüren c c zu zwei zum Theil üher- wölbten Treppen , welche in den Ecken bei e umbiegend in den hinter der obersten Sitzreihe sich hinziehenden Umgang d fuhren ; aus diesem gelangt man durch zwei Vomitorien [\aei f) zu den beiden mittelsten der die cunex theilenden Treppen. Es ist klar, dass durch diesen zweiten Eingang [B] die Zuschauer der drei mittleren cunei eintreten sollten.

Die Einrichtung des Zuschauerraumes unterscheidet sich von der des grölten Theaters noch durch das Fehlen der summa cavea. Die infima cavea besteht auch hier aua vier breiten und niedrigen Stufen für die BiselUen der Deciirionen. Die Fraecinction 3 ist an jedem Ende aus der ParodoB über vier ■Stufen in Gestalt concentrischer Halbkreise zog^glicb (s. Fig. 98) und ist durch eine auf der linken Seite (von der Bühne aus] erhaltene Brüstung aus Tuffquadem, mit drei Durchzügen, von der it^ma cavea abgetrennt. Diese Brüstung wird an ihren Enden von den kräftig aus Tuff gehauenen ge- äugelten LöwenfuQen (Fig. 99] gestützt und abgeschlossen, während die an den Sitzreihen, parallel der Bühne, schräg herab- laufende Mauer an ihrer Stirn in eine knieende Atlantenfigur endet , welche auf den Ellbogen eine Platte tiägt, auf der eine Vase oder eine sonstige Decoration gestanden haben mag (Fig. 100). Die Arbeit an dieser Figur, die mit der Erbauung des Theaters gleichzeitig za setzen ist, gehört zxim Bessern , wenigstens zum Kräftig- Fiir. 89. Fiir. 100. sten, was I'ompeji an derartigen nur ornamentalen

Sculptiuren aufzuweisen hat, und stimmt, worauf zurückzukommen sein wird , im Stile mit den Atlanten im Tepidarium der kleineren Thermen überein.

Außer den Sitzreihen der zweiten Cavea 4 finden wir hier noch einige, links von der Bühne besser erhaltene Zuschauerplätze, welche unseren Pro- Bccniumslogen verglichen werden können, über den Eingängen zur Orcbestra, 5 5 auf dem Plan, zugänglich durch eigene Treppen vom Proscenium aus. Es mussten also die Zuschauer, denen diese Plätze vorbehalten waren, durch 6 oder durch Z> (resp.//)und(^ eintretend die Bühne überschreiten, so dass ihr Weg von dem des übrigen Publikums ganz getrennt war. Wir erkennen hier sofort die uns schon vom großen Theater her bekannten Tribunalien. Nur sind dieselben hier nicht nachträglich angebracht, sondern gehören zur ursprünglichen An- lage. Femer setzen sich hier die oberen Reihen der mittlem Cavea nicht über den Tribunalien fort, sondern es ist von oben bis unten vollständige Trennung hergestellt durch die schon erwähnte , in einen Atlanten endigende , schräg herablaufende Mauer [s. Fig. 98] , während die entsprechende Mauer im groBen Theater (Fig. 93, /S) in einer Linie mit der Vordermauer des Prosceniums liegt. So erscheinen im kleinen Theater die Sitzstufen oberhalb der Tribima- lien als ein Anhang derselben, und nur von ihnen aus zugänglich, Plätze, über welche die Inhaber der Tribunalien vermuthlich zu Gunsten ihres Gefolges und ihrer Freunde verfügten. Die bei Besprechung dee grofien Theaters

Di« ftffentlicheD OebSude. Du kleine Theater. t75

erwähnte Annfthnie, dass das eine Tribunal dem spielgebenden Beamten, das andere aber den Öffentlichen Priesterinnen reservirt war, wird durch den ganz gesonderten Eingang noch wahrscheinlicher.

Die in der Mitte und links von der Bühne fast vollständig erhaltenen Sitz- stufen unterscheiden sich von denen des großen Theaters durch Material und Form. Sie bestehen aus Mauerwerk, nur oben mit einer 0,21 M.dickenTuff- platte bedeckt. Trotz diesem bescheidenem Material sind sie so gut wie die Marmorstufen des großen Theaters lange vor der Aufdeckung großentheils fortgeholt worden. Der nebenstehende Querdurchschnitt zweier Stufen, mit Angabe der Maße, zeigt, wie der Platz für die Füße des Hintermannes gegen den eigentlichen Sitz etwas vertieft ist, wodurch die Kleider vor Be- Bcbmutzung geschützt wurden, was um so nothwendiger war, da man das Theater durchaus in weißem Anzüge zu p^. loi. Sitistnfen. besuchen pflegte, mit Ausnahme des niedem Volkes der

summa catiea. Übrigens brachte man sich entweder Sitzkissen mit oder faltete einen Mantel als Polster zusammen ; denn bloße Steinstufen würden bei der Dauer der Auffuhrungen auch dem eifrigsten Theaterbesucher die Lust ver- dorben haben. Auch das vordere Profil diente nicht nur dem gefälligem Anblick, sondern zugleich der Bequemlichkeit, indem es ermöglichte, die Füße etwas zurijck zu setzen. Die Zahl der Zuschauer, welche hier Platz finden konnten, bat man auf 1 500 berechnet. Die Treppen und die untersten , breiten Stufen sind aus Lava.

Die Orchestra ist, der römischen Sitte entsprechend, nicht unbeträchtlich kleiner als die des großen Theaters, wenn sie auch den von Vitruv vorgeschrie- benen Halbkreis nicht unbeträchtlich überschreitet. Durch den Duumvim M. OcnlatiuB Verus wurde sie mit mehrfarbigen Marmorplatten (Giallo und Aj&icano) belegt ; die bezügliche, mit großen Bronzebiichstaben in den Streifen, welcher die Sehne der untersten Cavea bildet, eingelegte Inschrift {M. Ocula- taiius M. f. Veru» Ilvir pro ludü] ist im Jahre 1816 theilweise geraubt und falsch hergestellt worden, 8o_ dass jetzt Olconius statt Oculatins dasteht. Pro btdis bedeutet, dass M. Oculatius statt der von ihm zu veranstaltenden Spiele diese Verschönerung ausführen ließ .

Die Mauer der Scena ist, im Gegensatz zu der reichen architektonischen Entwickelung des großen Theaters, ganz glatt und war nur duröh Malerei, von der Reste gefunden sein sollen, decorirt ; außer den gewöhnlichen drei Thüren hatte sie noch zwei kleinere (rf} , welche jedoch schon im Alterthum vermauert wurden. Auch hier ist die Bühne außerdem durch zwei weite Seitenthüren 6 mgänglich, deren eine vergittert auf Fig. 98 sichtbar ist. Auffallend ist es, dass das Fostscenium nicht weniger als sechs Thüren hat : eine (D) aus der das Theater von der Stabianer Straße trennenden Säulenhalle, vier [e] aus dem von dieser Straße zur Gladiatorenkaseme führenden Wege, eine (Z/) aus der kleinen Säulenhalle F, welche übrigens zur Gladiatorenkaseme gehört und älter ist als das Theater.

Die Substructionen des Bühnengebäudes sind hier sehr einfach ; auf den vorspringenden Fundamenten der Scenawapd sieht man hier deutlich die

176 Drittes Capitel.

Auflager der Balken des Bretterfußbodens. In dem sehr flachen Raum unter diesem tritt der natürliche Lavafels zu Tage ; an den Enden sind kleine Räume abgetheilt zu uns unbekannten Zwecken.

Die an den Außenwänden des Gebäudes, namentlich in dem gewölbten Gang theilweise erhaltene Malerei ist sehr einfach im zweiten Decorationsstil ausgeführt. Eine in diesen Stuck eingekratzte Inschrift [CLL. IV, 2437) nennt die Consuln des Jahres 37 v. Chr.

Erwähnt w erde endlich noch die Säulenhalle an der Ostseite, über dem sehr verbreiterten Fußweg der Stabianer Straße. Mazois allein hat diese Säulenhalle, aber nicht nur giebt er dieselbe auf das bestimmteste an, so dass an einen Irrthum nicht zu denken ist, sondern ihr einstmaliges Vorhandensein wird auch dem heutigen Besucher von Pompeji dadurch bewiesen, dass sich in der Mauer BAD eine Reihe von viereckigen Löchern findet, in welche nur die Balken der Decke dieser Vorhalle eingegriffen haben können. Und dass der Raum eine Säulenhalle beinahe fordert, leuchtet ohne Weiteres ein. Ihre größere Breite bei A D erklärt sich vielleicht dadurch, dass feierliche Aufzüge, welche durch die Thüren 6 ein- und austretend, über die Bühne gezogen waren, hier umwendeteij und durch ü und das Postscenium ihren Rückweg nahmen.

Vierter Abschnitt. 1. Das Amphitheater"'»).

Von den Schauplätzen edeler musischer Kunst führt unser Weg zu dem Schauplatze jener blutigen ^und grausamen Spiele, vor denen selbst das ab- gehärtetste moderne Gemüth schaudernd zurückbebt, und welche uns in ihrer Ausbildung eine der dunkelsten Nachtseiten des sinkenden Heidenthums zeigen, zum Amphitheater, in welchem die Thierhetzen und die Gladiatoren- kämpfe stattfanden. Auch diese sind nicht in Rom heimisch; sowie die dra- matischen Spiele größtentheils aus Griechenland, kamen die Gladiatorenkämpfe den Römern aus Etrurien zu, in welchem Lande des finstern Aberglaubens und blutiger Cultusübung sie in' ihrem Keime, aber auch nur in diesem, mit reli- giösen Anschauungen zusammenhingen, deren Analoga wir freilich auch bei anderen Völkern, namentlich bei den Griechen wiederfinden. Aus Menschen- opfern auf dem Grabe der Edeln zur Verherrlichung des Todten und zur Sühnung der Manen gingen die Gladiatorenkämpfe hervor, indem man die Schlachtopfer, zunächst gefangene Feinde, anstatt sie von Priesterhand erwür- gen zu lassen, paarweise mit einander um Tod und Leben kämpfen ließ. Dass diese Kämpfe zu einem Schauspiel wurden, welches sich den übrigen Schau- spielen zur Ehre des Bestatteten* einreihte, begreift sich , und ebenso leicht verständlich ist es, dass dieses einer weiten Entwickelung Thür und Thor öffiiete, in der das anfängliche religiöse Element mehr und mehr zurück, das des Schauspiels mehr und mehr in den Vordergrund trat. Aus Rom werden die ersten Gladiatorenkämpfe vom Jahre 490 d. Stadt (264 v. u. Z.) gemeldet; Marcus und Decius Brutus gaben sie zu Ehren der Manen ihres Vaters, indem

Die öffentlichen Gebäude. Das Amphitheater. 177

sie drei Paare mit einander kämpfen ließen. Aber schon im Jahre 538 d. Stadt (216 V. u. Z.) gaben die drei Söhne des M. Aemilius Lepidus zu Ehren ihres Vaters dem Volke das Schauspiel von 22 Einzelkämpfen, welche drei Tage auf dem Forum dauerten, und bald darauf 554 d. St. (200 v. u. Z.) ließen die Söhne des Valerius Laevinus bereits 25 Paare gegen einander kämpfen. Seit dieser Zeit war der Geschmack an diesen blutigen Spielen so allgomein ge- worden, dass nach und nach ziemlich jede Verbindung mit der ursprünglichen Veranlassung zerrissen ward, und man dieselben wie andere Volksbelustigungen mit Triumphen , Gebäudeeinweihungen und anderen Gelegenheiten verband, und dass ehrgeizige und reiche Männer dem Volke diese Schauspiele wie andere gaben, imi sich für eine Wahl zu empfehlen oder um für eine solche ihre Dankbarkeit zu bezeigen. Ja in Campanien ging man so weit, bei Gast- mählern wie Tänzer und andere Kunststiickmacher auch Gladiatoren einzu- führen, die auf Tod und Leben kämpften, während die Gäste schmausten, und deren Blut nach des Dichters Silius Italiens Ausdruck die Tische besudelte.

Ein verwandtes Vergnügen waren die Thierhetzen {venattaties)^ d. h. die Kämpfe wilder Thiere theils unter einander, theils mit Menschen, namentlich verurtheilten Verbrechern. Auch die Anfänge dieser grausamen Sitte sind als Leichenspiel bei den Etruskem nachweisbar und wahrscheinlich von ihnen zu den Römern gekommen.

Die Thierhetzen fanden in Rom ursprünglich in der Rennbahn (circus) statt. Für die Gladiatorenkämpfe war der altherkömmliche Schauplatz das Forum, und noch Vitruv (V, 1, 1) schreibt vor, dasselbe mit Rücksicht darauf einzurichten. Die häufige Wiederholung dieser Spiele und der massenhafte Zu- drang des Volkes nöthigte später zur Errichtung eigner Gebäude, der Amphi- theater, in welche dann auch die Thierhetzen verlegt wurden. Dennoch blieb Rom lange ohne Amphitheater ; erst Julius Caesar ließ im Jahr 46 v. Chr. ein solches Gebäude aus Holz auf dem campus Martins errichten. Bald nachher stellte sich auch der Name fest ; da, wie bereits früher bemerkt^ im engem Sinne die Zuschauerräume allein den Namen Theatron führten, so bezeichnet Amphitheatron eine ringsum von Zuschauerplätzen umgebene Anlage. Um aber für die Bewegung der Kämpfe und Jagden mehr Raum zu gewinnen, baute man die Amphitheater nicht kreisrund, sondern als ziemlich gedehnte Ovale, und es ist wohl möglich, dass nicht sowohl das Theater als der Circus das Vorbild für diese neue Gebäudeform lieferte. Das erste bleibende, zum Theil aus Stein, zum Theil aus Holz bestehende Amphitheater baute in Rom unter August Statilius Taurus; dasselbe brannte unter Nero ab und wurde von diesem restaurirt. Der Folgezeit aber erschien dasselbe nicht groß und prachtvoll genug ; Vespa- sian unternahm und Titus vollendete das Ampkitheairum Flaviumy das heute Colosseum oder Coliseo genannte gewaltige Gebäude, welches über 80,000 Zuschauer fasste. Die auf dasselbe verwendete Summe soll so gewaltig gewesen sein, dass sie zum Bau einer ansehnlichen Stadt genügt haben würde ; 12,000 Juden arbeiteten an demselben, und bei seiner Einweihung sollen nach der geringsten Angabe 5000 vrilde Thiere getödtet worden sein, worauf der Schau- platz durch hineingeleitetes Wasser in einen See verwandelt wurde, auf welchem man ein Schiffsgefecht, eine sogenannte Naumachie veranstaltete.

Ov«rb«ck, Pompeji. 4. Aufl. 12

178 Drittel Capitel.

Die Municipien und Colonien folgten dem Beispiele der Hauptstadt, wenn sie nicht, wie dies grade in Pompeji der Fall war (a. u.), in der Erbauung stehender Amphitheater der Hauptstadt vorangegangen waren. Wenngleich in einem zum Theil sehr verjüngten Maßstab im Vergleich zum Coloeseum, sind daher an vielen Orten Amphitheater erbaut worden, deren Ruinen viel- fach noch vorhanden sind"), unter denen aber an Größe unser pompejanisches Amphitheater mit seinen Durchmessern von 130 X 102 M. einen nicht ge- ringen, an Erhaltung einen ziemlich hohen Kang einnimmt. Es ist schon früher bemerkt, dass dasselbe, wie es sich äußerlich am leichtesten erkennen ließ, zu den ersten Entdeckungen in Pompeji gehört; schon 174S vom 20. October bis zum 16. November deckte man mit 12 Arbeitern die summa caoea so weit auf, dass man deren 40 Vomitorien zählen konnte, aber auch nichts mehr ; nachdem man die Maße genommen und berechnet hatte, dass

Fig. 103. Das Aiii)>hith(;at«T, innere Ansicht.

wenigstens 12,000 Menschen in demselben Platz gefunden haben mochten [in Wahrheit mochte wohl für 20,000 Menschen Platz sein), verließ man diese viel versprechende Ausgrabung ^inzlich, und erst in den Jahren 1613 bis 1816 wurde dieselbe vollendet und das Gebäude in zum Theil wenigstens ziem- lich unversehrtem Zustande wieder an das Tageslicht gebracht. Ein Klick auf den kleinen Stadtplan vor S. 33 genügt, um über dessen Lage sich zu orien- tiren. Wir finden es im östlichen Winkel der Stadt, und zwar so hart an die Stadtmauer gelehnt, dass die äußere Fiatform auf der Hohe der dritten Cavea nur um Y& *^^ Gebäudes umlaufen kann, und auf dem Reste seines Umfiings

Die öffentlic1i«D QeUude. Cu Amphitheater. 17{|

von der Stadtmauer unterbrochen wird. Wenn man auf der Straße von den Theatern her dem Amphitheater naht, so zeigt sich dasselbe in der Ansicht, welche diesem Abschnitt vorgeheftet ist, nach außen von einer Beihe Uogen getragen, während wir in der Mitte eine der \ ier Treppen sehn, auf denen man zu der auf der Höhe der dritten Cavea umlaufenden Gallerie oder Platfonn gelangt. Über diese erheben sich die Substructionen der obersten Platform, durchbrochen von Wölbungen, welche theils zu den Vomitorien der dritten Cavea, theils zu den Treppen der obersten Platform fuhren. In dieser Ansicht erscheint das Gebäude, obwohl von bedeutendem Umfang, so doch von ver- .hältnissmäBig geringer Höhe. Der Grund hievon ist, dass dasselbe fast eben so tief in die Erde eingegraben wie über den Boden erhoben ist. Erst wenn wir durch einen der beiden stark geneigten Haupteingänge das lim ere be- treten, sehn wir das Gebäude in seiner ganzen Hübe vor uns, wie es die zweite Ansicht (Fig. 102) zeigt; imd da zugleich die geringere Weite des Innern die Höhendimensionen scheinbar wachsen lässt , macht das Amphitheater einen wirklich bedeutenden Eindruck, selbst auf den, welcher das Colosseum kennt. Das Auge überfliegt den weiten ebenen Platz der Arena, auf welchem jene grausen Kämpfe ausgefochten wurden , jene wilden Thierhetzen und Thier- gefechte stattfanden, und steigt an den zahlreichen, freilich ihrer Tuffatufen zum größten Theile beraubten Sitzreihen empor, auf denen Tausende in blut- dürstiger Aufregung den Scenen wilder Tapferkeit und Geschicklichkeit, den Scenen blutiger Niederlagen und gefassten Sterbens zuschauten.

Die beiden Haupttheile sind hier die Arena, der Kampfplatz t 1 Fig. 104, und die Cavea, der Zuschauerraum 1 2 Fig. 104. Betrachten wir uns

jgO Drittes Capit«!.

zuerst die 69 X37 M. ffroße Arena in ihren Einzelheiten. Uher den Kampf- platz an sich, der seinen Namen von der Sanddecke hatte, mit welcher man ihn belegte, und welche die Blutströme aufsog, wie das heute noch bei den spanischen Stiergefechten ge- schieht, ist freilich nichts zu sagen, als dass in Pompeji, so weit die Untersuchung bis jetzt gediehen ist, der Arena jene tiefen und weitläuftigen Substructionen fehlen, die in manchen anderen Amphitheatern nach- gewiesen, in denjenigen von Pozznoli und Capua von besonderem Interesse, aber nach Zweck und Bedeu- tung noch nicht in sUen Einzelheiten erklärt sind, obwohl man wohl begreift, dass sie für mancherlei Maschinerien, Versenkungen u. dgl. , welche bei amphi theatralischen Darstellungen zur Anwendung kamen, erforderlich waren'*). In Pompeji wird die Arena von dem natürlichen Boden der gewachsenen Erde gebildet, und es ist daher klar, dass Darstellun- iS' gen von Seekämpfen unter den hier gegebenen Spielen

S nicht vorgekommen sind. Denn der Gedanke, als

hätte man die Arena bis an den Rand der Bru- g stung mit Wasser gefüllt, wird durch die an der Brü-

B> stung gefundenen Gemälde ausgeschlossen. Dagegen

§ ist es im Colosseum zu Rom trotz der späteren Ein-

^ bauten vollkommen klar, dass die gewöhnlichen Dar-

g; Stellungen auf einem mit Sand bestreuten Bretter-

e. boden stattfanden, welcher sammt seinen Stützen

^ weggenommen werden konnte, so dass nun statt der

J bisherigen Fläche ein tiefes Bassin zum Vorschein

g kam ; durch die erwähnten Einbauten wurden die

8 Kaumachien unmöglich. Wir bemerken zunächst

g die beiden großen Eingänge in die Arena von Nord-

west und von Südost in der Längenachse des Ge- bäudes, deren die AnsichtiFig. 102 den erstem (3 F^;. 104) im Hintergründe der Arena zeigt. Beide Ein- ^^ge sind gewölbt und ihr stark geneigter Boden ist gepflastert ; an den Seiten nimmt eine Gosse das etwa hineinlaufende Regenwasser auf, Der nordwest- liche Eingang, 1 im Plane Fig. 103, führt in grader Linie in die Arena ; der südöstliche 2 musste im rechten Winkel gebrochen werden , weil er sonst außerhalb der Stadtmauer ausgemündet sein würde. Die Wölbung dieses Ganges wird auf seinem langen Schenkel von fünf, diejenige des andern von vier Bogen, welche der Plan hei a zeigt, verstärkt, um die Last der Sitzreihen, welche auf der Wölbung ruhen, sicherer zu tragen. Die beiden ersten Bogen des

Die öffantlichen Geb&ude. Du AmphitheateT. 1SI

graden Eingangs sind durch Einbau einer Basis und Decke zu Nischen ge- macht, in denen, und zwar durch Gitter geschützt, die Statuen des C. Cuspius Pansa und seines gleichnamigen Sohnes standen, deren Inschriften sich noch an Ort und Stelle befinden. Diese Eingänge führen, wie gesagt, in die Arena, nachdem sie den gewölbten Umgang 3 durchschnitten haben, welchen der Durchschnitt Fig. 104 bei 4 zeigt. Durch diese 5 M. weiten Thore zogen zu Anfang der Spiele die Gladiatoren, zum Theil beritten, zum Theil zu Fuß in ihrem vollen und mannichfaltigen Waffenschmuck in geschaarten Gliedern unter kriegerischer Musik feierlich in die Arena ein, oft in bedeutender Zahl, wie z. B. ein Anschlag am Album des Gebäudes der Enmachia dreißig Gladia- toren anzeigt. Nach vollendetem Umzug zogen sie sich wieder zurück, um dann nach der Kampfordnung in einzelnen Paaren oder in größerer Anzahl den Kampfplatz wieder zu betreten, der mittlerweile gegen die Eingangsthore mit Gitterthüren abgeschlossen war. In das Pflaster des nordwestlichen Eingangs sind nahe der linken Wand Steine mit viereckigen Löchern eingelassen, welche offenbar den Zweck hatten, hier durch eine Vergitterung einen schmalen Gang an der Wand entlang abzutrennen. Vermuthlich wurde wahrend der Vorstel- lung dieser Eingang für das Aus- und Einziehen der Gladiatoren benutzt und war nur jener schmale Gang dem Theil des Pubmcums reservirt, welcher dem östlichen Abschnitt des gewölbten Umganges (3 auf dem Plan, 4 Fig. 104) zu- strebte; der westliche Theil hatte ja seine eigenen Eingänge. In dem Plan Fig. 103 bemerkt man rechts neben dem nordwestlichen und links neben dem südöstlichen Eingange noch je eine Thürnahe an der Arena. Diese öfibet sich auf kleine, viereckige, ganz niedrige Räume (4), ihrer zwei am südöstlichen, einen am nordwestlichen Eingange ; man nimmt an, dase in ihnen die wilden Bestien eingeschlossen gehalten wurden, bis man sie in die Arena losließ. Endlich sehn wir auf dem Plane noch einen Eingang in die Arena bei 5 ; er ist eng und führt auf einen langen Gang , an dem links ein kleines Käramerchen (6) mit ganz niedrigem Eingange liegt, welches offenbar den kleinen ßaiuuen neben den anderen Eingängen gleichartig ist und demselben Zweck gedient haben wird.

Die Arena ist gegen die Sitzplätze durch eine etwa 2 Meter hohe Brü- stungsmauer [5 Fig. 104) abgeschlossen, auf deren oberer Kante wir uns ein

Fig. 105. Oemftlde an der BiOatungsmauer. Thielkampf.

Gitter oder ein Netzwerk von starkem Draht errichtet denken müssen, welches die Zuschauer gegen das etwaige Überapringen der Tiger oder Panther schützte

1^2 drittes Capitil.

und von welchem noch Spuren eihalteo sind. Die Hriistungsmauer ist mit Gemälden (Hei big No. 1514, 1515, 1510) bedeckt gewesen, die fteilicb jetzt vollständig verschwunden sind, aber vor ihrer j^eistörung copirt wurden und in diesen Copien im Nationalmuseum ausgestellt sind. Es naren abwechselnd breite und schmale Felder ; die schmalen enthielten jedesmal eine bekmnzte Herme zwischen zwei Säulen, die breiten abwechselnd eine Scene aus den Spielen der Arena und ein einfaches schuppen artiges Muster. Eine Probe giebt Fig. 105; es ist die Uarstcllung eines der Kämpfe von Thieren gegen einander, hier eines Stieres mit einer gewaltigen Molosserdo^e oder (noch Heibig No. 1519) ein^Lowin. Dagegen ist die Datstellung von Fig. 106 den Gladiatoren-

Fig. 106. Oem&lde an dei BtüitungBmauer. Oladiatorenkampf.

kämpfen entnommen. Wir sehen hier den Augenblick der grausen Ent- scheidung : der rechts stehende Gladiator ist im linken Arm verwundet, der Schild ist ihm entfallen, sein Leben hangt von der Gnade des Volkes ab; aber nur dann darf er hoffen dasselbe zu retten, wenn es ihm gleichgiltig und er bei

Fig. 107. Oemälde an der Brafltunggmauei. Waffnung. /

dem drohenden Tode ganz unbewegt erscheint. Deshalb steht er luhig da, indem er mit erhobenem Daumen der linken Hand die Menge stumm um

Die öffentlichen Gebäude. Das Amphitheater. ^63

Gnade anfleht ; denn der emporgerichtete Daumen war das Gnaden-, der ge- senkte das Verdammungszeichen. Seine Bitte scheint nicht erhört zu werden, wir dürfen ims das Volk mit der Geberde der Verurteilung sitzend denken ; denn der siegreiche Gegner tritt heran , um seinem wehrlosen Schlachtopfer den Todesstoß zu geben.

Fig. 107 (Heibig No. 1515) zeigt uns eine andere Scene, die offenbar dem Beginne des Kampfes, der Wafhuing der Gladiatoren angehört. In der Mitte der Kampfordner, mit langem Stabe den Kreis des Kampfes bezeichnend, rechts ein Gladiator, der halb gerüstet dasteht^ und dem zwei andere Schwert und Helm bringen, gegenüber ein ebenfalls halb gerüsteter, der das Schlacht- hom bläst (nicht der bei den Kämpfen unbetheiligte Tubicen, der wie der Kampfordner ungerüstet sein würde), während zwei hinter ihm an einem der Victorienbilder , die die Scenen einfassen, hockende Genossen auch für ihn Helm und Schild bereit halten.

Was nun den Zuschauerraum, das eigentliche Amphitheatrum anlangt, so sieht Jeder bei einem Blick auf den Plan wie auf den Durchschnitt Fig. 104, dass derselbe durch zwei Praecinctionen [a i Fig. 104) in drei Bange oder Caveen getheilt ist, welche wieder durch Treppen in Cunei zerfällt werden. Der Sitzreihen sind im Ganzen 35, nämlich inßma cavea (ausgenommen zwei große Mittellogen an den Langseiten mit nur vier breiten Stufen für beweg- liche Ehrensitze der Vornehmsten) 5 (6 Fig. 104), media cavea 12 (7 Fig. 104), summa cavea 18 (8 Fig. 104); die unterste Cavea ist nicht in eigentliche Cunei getheilt, doch können wir auch bei ihr vermöge der Eingänge und kleinen Treppen aus dem großen Umgang (4 Fig. 104) eine Zerfallung in 18 Logen von verschiedener Breite (7 auf dem Plan) wahrnehmen; außerdem trennen Brüstungsmauem die beiden großen Mittellogen mit den breiten Stufen von den seitlichen mit den gewöhnlichen Steinsitzen ab. In Betreff dieser breiten Stufen ist noch zu bemerken, dass an der Ostseite die imterste derselben auf eine Strecke von 3 M. doppelte Breite hat, indem hier die nächst höhere Stufe unterbrochen ist. Ohne Zweifel haben wir hier den Platz des den Spielen ver- sitzenden Beamten zu erkennen. Der mittlere Bang ist durch 20 Treppen in Cunei zerlegt, der oberste durch ihrer 40 : die Verdoppelimg war wegen des nach oben immer größer werdenden Umfanges der Sitzreihen nothwendig. Die Einrichtung der Sitzstufen ist durchaus die, welche bei dem kleinen Theater beschrieben worden ist, nur dass sie ganz von Tuff sind. Nur in einem Theil der Westseite sind durch eingeritzte Linien die einzelnen Plätze, 0,37 M. breit, abgetheilt. Hinter der obersten Cavea läuft eine von überwölbten Vomitorien durchbrochene doppelte, durch Wölbung verbimdene Umfassungsmauer um das ganze Amphitheater ; sie bildet eine Platform von 5 M. Breite, auf welche eine Anzahl von Treppen (8 im Plan, 9 im Durchschnitt Fig. 104) fahren, und welche folgendermaßen eingerichtet ist. Ringsum läuft zu äußerst ein 1.40 M. breiter, nach außen durch eine Brüstung geschützter Umgang, an den sich nach iniien eine Beihe kleiner viereckiger, gegen die Arena geöflVieter Cellen von 1,30 M. Tiefe anreiht, von denen je drei zwischen zwei Vomitorien liegen, aber nur je die dritte von dem äußern Umgang aus zugänglich ist. Die beiden anderen öffiien sich lediglich gegen einen nur 0,80 M. breiten innem Umgang,

ISi Drittes Capitel.

der steil gegen die summa cavea abfällt, so dass man, um zu ihnen zu gelangen, durch eine jener mit Thüren versehenen Gellen hindurchgehen musste. Eine solche Eintheilung des obersten Ranges in eine Art geschlossener Logen erklärt sich durch die Annahme, dass dieser Theil des Amphitheaters den Frauen an- gewiesen war, während sie sinnlos ist unter der Voraussetzung, dass hier das niedere Volk seinen Platz hatte. Die Frauen müssen hier auf hölzernen Bänken oder Sesseln gesessen haben. Die mit der Bedienung des Zeltdaches betraute Mannschaft wird auf dem äußern Umgange gestanden haben. Das einstige Vor- handensein eines solchen Daches wird, außer durch das in Fig. 3 wiedergegebene Bild, in welchem es dargestellt ist, erwiesen durch hie und da im Boden des äußern Umganges, also außerhalb der kleinen Gellen, an der innem Wand an- gebrachte durchlöcherte Steine, welche die Balkenenden des Zeltdaches auf- zunehmen bestimmt waren, und durch einzeln zerstreut umherliegende Stein- ringe, durch welche die Balken wie bei dem großen Theater gehalten wurden. Die ganze Einrichtung kann nur an der südlichen Ecke studirt werden ; auf dem größten Theile des Umfanges des Amphitheaters ist nichts mehr von ihr erhalten. Übrigens geht aus eben jenem Bilde hervor, dass das Zeltdach an den Thürmen der Stadtmauer befestigt war, und vom Amphitheater aus nur gestützt wurde.

Von besonderem Interesse ist die Einrichtung der Eingänge und der Zu- gänge zu den verschiedenen Bangen. Es ist schon bemerkt, dass die infima und der größte Theil der media cavea unterhalb des äußern Bodens liegen (s. Fig. 104). Zu beiden gelangte man aus dem weiten gewölbten Umgang 3, dessen Zugänge theils mit den großen Eingängen in die Arena zusammen- fallen, theils in zwei eigenen gewölbten und stark geneigten, von Stufen unter- brochenen Orangen bestehn, welche die irntere Hälfte des Planes darstellt. Dieser Umgang umgiebt mit Ausnahme eines kleinen Stückes an der west- lichen Langseite, wo er durch den bei 5 in die Arena mündenden schmalen Gang unterbrochen wird, das ganze Amphitheater im Niveau der Arena (s.Fig. 104 bei 4); an seinen Wänden hat man eine Reihe von gemalten und einge- kratzten Inschriften gefunden, die sich zum großen Theil auf Scenen der Schau- spiele beziehn. Gegen die Gavea ist er durch eine Reihe von Bogen (4 im Plan) geöfihet, durch welche er sein Licht empfängt, und in welchen die Zugänge. zur ersten und zweiten Gavea angebracht sind. In die erste gelangt man auf den im Plan mit c bezeichneten kleinen Treppen, welche, da das Niveau nicht ganz gleich ist, bald 9 , ,bald 1 0 Stufen hoch, auf die Höhe der zweiten Sitzreihe fahren . Eine eben solche Treppe zu den Bisellienstufen der Westseite zweigt sich von dem schmalen Gange 5 ab. Zwischen diesen Treppen zur ersten Gavea liegen die zur zweiten {b auf dem Plan) ; man schreitet über zwei Stufen durch den Bogen und findet sowohl rechts wie links eine Treppe von elf Stufen, welche auf die Höhe der ersten Praecinction, also an die unterste Sitzstufe der media cavea, hinter die Brüstung führt, welche sie von der untersten trennt. Ist man oben angelangt , so steht man auf einer viereckigen Platte ( e im obem Theile des Planes) und hat vor sich die Treppe, welche die Sitzstufen durchschneidend bis zur Brüstung der zweiten Praecinction, durch diese hindurch zur zweiten Praecinction und grade aus zur Hälfte der Treppen der summa cavea empor-

Die öffentlichen Gebäude. Das Amphitheater. Ig5

fuhrt. Die Hauptzugänge aber zur summa cavea sind von der auf der Höhe derselben außen um das Gebäude, bis auf den Theil, der an die Stadtmauer stößt, herumlaufenden breiten, nach außen von einer 1,30 M. hohen, nur theil- weise erhaltenen Brüstung umgebenen Grallerie, 9 im Plan (vgl. Fig. t04, 10). Man besteigt sie vermöge zweier Doppeltreppen (11 Fig. 104), deren eine die Ansicht bei S. 176 zeigt, und zweier einfachen in den Winkeln zwischen der Kundung des Amphitheaters und der Stadtmauer, 10 auf dem Plan, der zu- gleich bei 11 einen der Thürme der Stadtmauer imd in 12 die äußere und innere Linie dieser selbst zeigt. Auf diese Gallerie und auf die sie fortsetzende obere Fläche der Stadtmauer münden die 40, den 40 Treppen der summa cavea entsprechenden Vomitorien, 13 im Plan ; und in je dem vierten der Ab- schnitte, welche durch die Vomitorien in der Außenseite des höchsten Theils des Baues gebildet werden (s. die Ansicht bei S. 176) , findet sich der Zugang zu einer Doppeltreppe, d. h. zwei Treppen, welche von einem Punkt in entgegenge- setzter Richtimg auf die oberste Platform mit ihren kleinen Gellen fuhren. Man wird bei genauer Erwägung dieser ganzen Einrichtung begreifen, wie vortreff- lich für freie Bewegung gesorgt ist, selbst wenn das Volk zu Tausenden her- anfluthete oder wenn es nach Schluss des Schauspiels in grausamer Aufregung wogend das Amphitheater verließ. Es ist femer bemerkenswerth, dass bei der Anlage des Baues offenbar der Gedanke maßgebend war, eine spätere Ver- größerung zu ermöglichen ; denn durch Uberwölbung des breiten Umganges auf der Höhe der summa cavea (10 Fig. 104) konnte noch für eine beträchtliche Anzahl Zuschauer Platz gewonnen werden.

Wir erwähnen noch , dass, wie das mehrfach erwähnte Gemälde Fig. 3 zeigt, um das Gebäude sich ein mit Bäumen und Verkaufständen besetzter Platz befand.

Eine in zwei Exemplaren in zweien der Eingänge gefundene Inschrift lautet : C, Quinctius C. f. Valgus M. Porcius M, f. duovir. quinq, coloniai honoris caussa spectactila de sua peq, fac, coer, et coloneis locum in perpetuom deder, Sie nennt also, mit bemerkenswerthen Archaismen in der Sprache, als Erbauer aus eigenen Mitteln zwei Qtiinquennalen (S. 12), welche uns schon bekannt sind, da sie als Duumvim auch das kleinere Theater haben erbauen lassen (s. S. 172). Es steht damit fest, dass auch das Amphitheater in der ersten Zeit der römischen Colonie erbaut worden ist ; und in der That ist die Bauart der des kleinen Theaters sehr ähnlich : namentlich charakteristisch ist das netzwerkartige Mauerwerk aus Lava. Daraus nun ergiebt sich, dass das pompejanische Amphitheater nicht nur älter ist, als das des Statilius Taurus in Rom, sondern überhaupt als alle uns bekannten derartigen Bauten, höchst wahrscheinlich auch älter als das Kunststück des C. Curio, der im Jahr 53 V. Chr. in zwei hölzernen Theatern spielen und diese dann umdrehen ließ, so dass ein Amphitheater entstand , was gewöhnlich für den Ursprung des Amphitheaters gilt. Nicht ohne Grund ist daher vermuthet worden, dass in Campanien, wo ja von je her die Fechterspiele sehr im Schwünge waren, diese Gebäudeform erfanden worden sei.

Vier andere Inschriften (/. JR. N. 2252 ; C. I. L. X, 853—857) sind in die Travertinbekrönung der Brüstung der Arena eingehauen. Sie besagen,

186 Drittes Capitel.

dass die magistri der Vorstadt Aupustus felix und zwei Duumvim je einen cuneus (d. h. die Sitze desselben), desgleichen vier andere Duumvim zusam- men drei cunei haben machen lassen, und zwar pro lud. oder auch pro lud, lum., d. h. »statt der zu gebenden Spiele« und »statt der Spiele und der Be- leuchtung« [pro ludis luminibus) , wobei wir dahin gestellt sein lassen müssen, ob die Beleuchtung mit den Spielen verbunden oder von ihnen unabhängig war. Es scheint demnach, dass man sich eine ziemliche Zeit mit provisori- schen Sitzreihen behalf, und dass noch in der spätem Zeit des Augustus [denn die Organisation des pagus Augustus felix fällt ins Jahr 7 v. Chr.: s. oben S. 1 1 3 f.) die Herstellung der Sitzstufen nicht beendigt war. Die Inschriften stehn jede vor dem Cuneus oder den Cunei, auf welche sie sich bezieht, und es sind dies die sechs ersten östlich vom nördlichen Haupteingang. Zur Zeit des Unterganges hatte das ganze Amphitheater seine Sitzstufen und waren die- selben schon ziemlich viel benutzt worden 'ö) .

XJber die Kämpfe und Spiele des Amphitheaters ist Viel und Vielerlei geschrieben; die schriftlichen Quellen sind reichlich genug, und auch nicht wenige Kimstdenkmäler, freilich an Kunstwerth gering, sind auf uns gekom- men, welche ims die schriftlichen Überlieferungen erläutern und manche Ein- zelheit der Kämpfe und der Rüstungen der Gladiatoren aufs klarste anschau- lich machen. Je ausgedehnter aber hier der Stoff ist, um so mehr muss sich die gegenwärtige Darstellung auf das Nöthigste imd Nächste beschränken, wobei das eigentliche Thema, die Erklärung der pompejanischen Monumente, den Anhalt bietet und zugleich die Grenze weist. Eine der wichtigsten bild- lichen Darstellungen von Gladiatoren - und Thierkämpfen findet sich in den Reliefen eines pompejanischen -Grabmals, welches freilich jetzt größtentheils zu Grunde gegangen, aber in der Zeit der Auffindung fast unverletzt von Mazois und von Miliin gezeichnet worden ist ^®) . Der Erklärung dieser Reliefe sind nur einige allgemeine Bemerkimgen voranzustellen.

Kriegsgefiaugene und nach antiker Sitte in Sclaverei gefallene Feinde waren die ersten Opfer auf den Gräbern und in Folge dessen die ersten gezwungenen Gladiatoren. Aus Kriegsgefangenen , Sclaven und verurteilten Verbrechern bestand auch in der Folgezeit die eine Hälfte der Kämpfer des Amphitheaters, nämlich die gezwungenen, denen durch ausgezeichnete Tapfer- keit und Geschicklichkeit die Möglichkeit gegeben wurde, Entlassung von den Kämpfen und selbst die Freilassung zu erringen. Es wird überflüssig sein, ausfuhrlicher über die tiefe Barbarei zu reden, welche sich darin ausspricht, dass man den Verbrecher dem strafenden Arme der Gerechtigkeit entzog, um ihn zur Lust des Volkes für sein verwirktes Leben kämpfen zu lassen, oder dass man den im ehrlichen Kampfe Gefangenen und den schuldlosen Sclaven jenem gleich behandelte. Ist doch hiermit die Grenze der Schändlichkeit nicht erreicht; wissen wir doch, dass man Verurteilte, unter denen mancher der ersten Christen gewesen ist, der für seinen Glauben dulden musste, in der Arena den reißenden Thieren entweder schwach oder gar nicht gewaffiiet ent- gegenstellte, oder sie selbst gefesselt und an Pfähle gebunden von den Bestien zur Lust des Pöbels zerfleischen ließ ; wissen wir doch, dass schon vor der Zeit der Kaiser römische Schlemmer ihre Fische mit Menschenfleisch, dem Fleische

Die öffentlichen Gteb&ude. Das Amphitheater. 1 87

geschlachteter Sclaven futterten, um sie zarter und wohlschmeckender zu machen. Wo dergleichen bestand, musste es ja als ein Geringes erscheinen, Verbrecher, Gefangene, Sclaven wohlgerüstet mit einander kämpfen zu lassen. Und wie sollte sich hiegegen das Gewissen eines Volkes empört haben, aus dessen Mitte freiwillige Klopffechter in großer Zahl hervorgingen, und zwar nicht allein aus den niedersten Classen, die Mangel und Habsucht und ein be- stialischer Ehrgeiz treiben mochte (denn die Gladiatoren wurden gut bezahlt, konnten in schönen Kleidern und Rüstungen prangen, und es fehlte ihnen, obgleich ihr Stand als unehrlich galt, nicht an mancherlei Auszeichnungen und Gunst), sondern aus dem Ritter- und Senatorenstande, ja bei dem selbst Frauen in der Arena erschienen. So finden wir neben den gezwungenen frei- willige Gladiatoren , welche ihre Kunst gewerbmäßig trieben und ihr Leben um Geld imd um den Beifall des Pöbels feilboten, und wohl verdient es beson- ders hervorgehoben zu werden, dass während einerseits Gesetze nöthig wurden, welche dem Senatorenstande Roms die Arena verboten, andererseits ein Gesetz, das petronische , erlassen wtirde, imd zwar unter Neros Regierung, welches verbot, den Sclaven ohne richterlichen Spruch zum Kampfe zu zwingen. Bei- läufig mag erwähnt werden, dass der dem C. Cuspius Pansa Vater, dessen Statue im Nordeingang des Amphitheaters stand , beigelegte Titel praefectus ex lege Peironia [I. R, N. 2250; C. I. L. X, 858) hiermit nicht zusammen- hangt (s. oben S. 13).

Die zunftmäßigen Gladiatoren lebten in Truppen [familia] zusammen, vielfach, wie auch in Pompeji, in eigenen Kaserneii, und erlernten die Hand- und Kunstgriffe der Klopffechterei in eigenen Gladiatorenschulen unter einem Vogt [lanista] . Sie gehörten Vornehmen und Reichen, die sie vermietheten und nach denen sie genannt wurden, wie z. B. in einer pompejanischen Mauer- inschrift, der Anzeige von Kämpfen im Amphitheater, A, Suettii Certi familia gladiatoria erscheint, in einer andern die Truppe des N. Festius Ampliatus ®*) . Die Kämpfe selbst waren sehr verschieden, theils indem die Gladiatoren ent- weder paarweise oder in größerer Zahl gegen einander fochten, theils durch die Verschiedenartigkeit der Bewaffiiung und die dadurch bedingte Ver- schiedenartigkeit der Kampfweisen. Das pompejanische Grabrelief wird uns Gelegenheit geben, eine Reihe der verschiedenen Rüstungen imd Kämpfe kennen zu lernen, obwohl immerhin nur eine beschränkte Zahl derselben. Man focht zu Ross und zu Fuß, mit Lanzen und mit Schwertern, in schwerer und in leichter Rüstimg, deren manche nationaler Sitte unterworfener Völker entsprach und demgemäß bezeichnet wurde, so dass z.B. eine Art von Gladia- toren (die schwergerüsteten) den Namen der Samniten trugen, eine andere als Gallier, wieder eine andere als Thraker bezeichnet wurde; zu den Waffen, welche aus der Kriegführung civilisirter Völker entnommen wurden, gesellten sich andere, welche man fernen, halbbarbarischen Stämmen entlehnte, so na- mentlich das Fangnetz, welches der Schlinge des amerikanischen Gaucho, der Kirgisen und mancher Kosakenstämme ungefähr entspricht, und das nach vielfachen Spuren auch unter die auf dem Schlachtfelde gebrauchten Waffen aufgenommen wurde. Im Amphitheater handhabte es der außerdem mit einem Dolche und einem der Harpune nachgebildeten Dreizack bewaffnete Retiarius

188 Drittes Capitel.

(Netzmann) gegenüber dem Mirmillo oder dem Gallier, auf dessen Helme ein Fisch gebildet war. Wenn der Ketiarius den Mirmillo verfolgte, so rief er ihm zu : ich will ja dich nicht, ich will nur deinen Fisch, was fliehst du mich ! Genug um wenigstens angedeutet zu haben, wie mannichfaltiger Art die Kämpfe der Arena waren, die mit stumpfen Waffen eröffnet und, nachdem die Kämpfer sich erhitzt hatten, mit schneidenden ausgefochten wurden, und zwar ent- weder »bis zum ersten Blut«, oder, und zwar meistens, bis zum vollständigen Unterliegen der einen Partei, deren Leben von der Gnade des Volks abhing. Schon aus dem wenigen hier Gesagten wird man sich eine Vorstellung davon bilden können, welche Fülle von Kraft und Muth und Gewandtheit sich in der Arena entwickelte , welcher Keichthum der verschiedensten Scenen und Stadien der Kämpfe von dem Scheingefecht am Anfange bis zum Unterliegen und zu der Tödtung des Besiegten vor den Augen der Menge sich entMtete, wie tief alle die verschiedenen Momente kunstvoller Kampfiibung, wilden Muthes, verzweifelter Gegenwehr, gefassten Sterbens die Herzen des blut- dürstigen Pöbels bewegen mussten. Vergegenwärtigen wir uns einige dieser Scenen nach der Anleitung unseres Grabreliefs, welches die Kämpfe darstellt, die zu Ehren des hier Bestatteten die Gladiatorenfamilie des N. Festius Am- pliatus gefochten hat , dieselbe , deren abermaliges Auftreten in Verbindung mit Thierhetzen bei ausgespanntem Zeltdach eine Mauerinschrift an der Basi- lika ankündigt, die also lautet: N. Festi Ampliati famäia gladiatoria pugnaMt tterum, puffnabit XVII [Kai.) lunias, venatio, vela.

Die erste Gruppe Fig. 108 links stellt den noch nicht entschiedenen Kampf zweier berittenen Gladiatoren [equites) dar, welche, wie alle übrigen bis auf die Netzkämpfer, mit dem geschlossenen Visirhelm, mit der Lanze (hasta) und dem runden Schilde (parma) bewaffnet, im Übrigen leicht gerüstet sind, so dass besonders nur der rechte Arm, der die Lanze führt, mit Binden oder glatten Metallringen umgeben ist. Die Namen Bebrix und Nobilior sind den Kämpfern mit rohen schwarzen Buchstaben beigeschrieben, und auf die Namen folgt nach vier, TVL. V. d. h. tultt mit abgekürztem victorias zu lesenden Buchstaben eine Ziffer , welche die Zahl der Siege angiebt , die ein jeder derselben davon trug. Bebrix^ ein barbarischer Sclavenname, der an die Bebryker erinnert, mit denen die Argonauten kämpften^ hat nach der Zeich- nung Millins 15 Siege erfochten; jetzt erscheint er im Nachtheil gegen Nobilior mit 1 1 Siegen ; wenigstens ist dieser offenbar der Angreifer, und es ist fraglich, ob Bebrix sich seiner wird erwehren können. Alle folgenden Gruppen zeigen die Kämpfe verschiedener Paare in dem Augenblick der Entscheidung, den einen Gladiator wie er, so oder so besiegt, sich an das Volk um Gnade wendet, seinen Gegner in Erwartung des Befehls ihn zu tödten. Die erste Gruppe stellt zwei ungefähr, wenn auch nicht ganz gleich Gerüstete dar, wahrscheinlich Samniten ; der Besiegte , dessen Name verloren ist , der aber 16 frühere Siege zählt, ist etwas leichter gerüstet als sein Gegner, dsr- gegen mit einem großem Schilde versehn, hinter den sich der Mann ganz zusammen kauern kann ; er ist entwaffnet und blutet aus einer Brustwunde ; aber mit der äußersten Ruhe^ auf den Band seines Schildes gestützt, erwartet er den Entscheid der Menge über sein Leben, so ruhig, dass andere Erklärer,

Die öffentlichen Oeb&ude. Du AmphiÜieatei. 1 89

die Wunde übersehend, ihn fiir einen Zuschauer des Beitergefechts ausgaben. Die Zahl der Siege seines Gegners, der mit gleicher Ruhe den Befehl zur Tödtung erwartet, ist unsicher ; Binden oder Me- tallringe um die Oberschenkel und Beinschienen (otreoe) zeichnen seine Rüstung aus. Bewegter ist die folgende Gruppe. Ein wahrscheinlich als Thraker zu bezeichnender Kämpfer, dessen Name verwischt ist, der aber 1 5 {rubere Siege zählt, hat gegen seinen schwergerüsteten Gegner, den man wohl wiederum als Samniten bezeichnen darf, Lanze und Schild verloren; er scheint gestürzt üu sein, und hat von dem Gegner einen breiten Schwerthieb über die Bruat erhalten. Auf dem Knie liegend, richtet er weniger rubi^ als der erste Besiegte seine Bitte an das Volk , indem er zugleich an seine schmerzende

Wunde zu greifen scheint und ziemlich ängstlich

auf den Sieger zurückblickt, der freilich auch schon g

zum Todesstreiche ausholt. Dieser scheint ein alter ^

ausgedienter Fechter zu sein, denn 31 Siege sind -

neben seinem Kopfe verzeichnet. Hinter der Sieges- S

zahl des hier Besiegten stehn noch zwei Buchstaben, ^

ein M und ein griechisches @ ; wahrscheinlich ist >

der erstere die Initiale von mors und der zweite der %

Anfangsbuchstabe von ^ävatoe, so daas beide den m

Besiegten als dem Tode ver&llen bezeichnen. S

Die folgende Gruppe von vier Personen ist ^

etwas reicher zusammengesetzt. Sie bezieht sich auf J

die Kämpfe der retiarii und secutores. Der Netz- ®

fechter, R«tianu8, war ganz leicht genistet ; seine ^

Waffen bestanden in dem Netze, in das er seinen ~\

Gegner zu verwickeln suchte und in einem leichten S

Dreizack; der eecutor, mit glattem Helm, kleinem Schild und dem Schwert bewaflnet, hat seinen Namen daher, dass er den Retiarius, der sein Netz fehl ge- worfen hatte, verfolgte. In der Gruppe unseres Re- liefe scheint der Retiarius Nepimus, der 5 Siege zählt, allerdings sein Netz vei^ebens geworfen zu haben, denn sein secutor, dessen Name beschädigt ist, der aber 6 Siege zählt, ist nicht in ein solches ver- strickt ; hei der Verfolgung aber hat ihm sein ge- wandterer und durch keine Rüstung gehemmter Gegner verschiedene Wunden beigebracht : er blutet aus zweien am Bein und einer am Unterarm, und der Blutverlust mag ihn ermattet aufs Knie ge- stürzt haben. In dieser Lage!hält ihn Nepimus fest, indem er ihm auf den FuB tritt und ihn in der Leibbinde ergriffen bat; das Verdammungs-

I 90 Drittes Capitel.

zeichen des Volkes ist erfolgt, aber der leichte Dreizack ist keine tödtliche Waffe, deshalb ist ein zweiter secuior Hippolytus, ftnf Mal Sieger, herbeigeeilt, Henkerdienste zu thun ; indem er ihm die linke Hand auf den Kopf legt, stößt er sein Schwert in den Hals seines gleich gerüsteten Cameraden, der in vergeblicher Hitte sein Knie umfasst. Im Hintergrunde erwartet den Hippo- lytus der Hetiarius, der mit ilmi kämpfen und ihm vielleicht ein gleiches Hchicksal bereiten wird. Jlei den Kämpfen der fünften Gruppe wiederholt sich die llewafinung derer der zweiten, das Motiv der Handlung aber ist nicht durchaus klar, es ist möglich, dass der llesiegte, der seinen Schild verloren hat, flieht : warum und wonach aber sein siegreicher Gegner umblickt, ob nach der Exccution in der vorigen Gruppe oder etwa nach einem Zuruf des Volks oder des Festgebers, ist nicht zu eutechciden. Die bisher beschriebenen Grup- pen befinden sich auf der Umfassungsmauer des Grabmals ; ihre Fortsetzung ist über der Thür dieser Umfassungsmauer eingelassen, zum Theil erhalten, und enthält Einzelheiten, um derentwillen auch diese noch kurz zu betrachten ist. Die Darstellung umfasst zwei Paare ziemlich gleich gerüsteter, nur durch die Verschiedenheit der Helme unterschiedener Gladiatoren in zwei Gruppen, in deren erster der Gladiator mit dem Ituschhclni der Sieger, derjenige mit

Fig. 109. FoTtsetzuDg des vorigen Reliefs.

dem glatten Flügelhelm der Überwundene ist, was sich in der zweiten Gruppe umkehrt. Iluschhelme haben nämlich nach der vorliegenden Zeichnung Mazois', der den Helm noch groß eigens abbildet, der erste Sieger und der zweite Be- siegte *^) ; doch soll nicht verschwiegen werden, dass diese Kämpfer von mehren Gelehrten als Mirmillonen bezeichnet werden, wonach der Busch ihres Helmes nur scheinbar ein solcher, in der That aber ein von Mazois verkannter Fisch sein müsste. Dem ist jedoch nicht so, und überhaupt sind die Mirmillonen in Monumenten bis jetzt nicht sicher nachzuweisen gewesen. Der erste Besiegte scheint tapfer gestritten zu haben, obwohl er entwaffnet ist; ruhig wendet et sich an das Volk, während sein Gegner so erbittert scheint, dass er die Ent- scheidung nicht abwarten will. Ehe er jedoch gegen die Kampfordnung den Todesstreich fuhren kann , ist ein Lanista oder Herold [praeco] ihm in den Arm gefallen. Wir dürfen annehmen , da^s hier ein Gnadenact sich vorbe- reitet. Bei dem Besiegten der letzten Gruppe würde Gnade zu spät kommen ; er ist im Kampfe tödtlich getroffen und es bleibt ihm nichts, als mit .anstand zu sterben, wie das in jener ergreifenden Scene des nFechters von Ravenna« der Vogt dem Thumelicus empfiehlt. Unser Gladiator hält seinen Schild hinter sich, um auf denselben zurückzufallen.

Die effentlivhen Oeb&ude. Du Amphitheater. ]91

Den zweiten Theil der Spiele des Amphitheaters biMeten die sogenannten Jagden , venatümes , Thierhetzen und Kämpfe entweder von Thieren unter einander oder mit mehr oder weniger bewafineten Menschen [bestiarn) . Der-

Fig. 110. Fortsetiung deuelben Reliefs. Übung eines Beatiarius.

gleichen hegt unserm VerslÄndniss vermöge der spanischen Stiei^efechte näher, und in derThat werden wir sogleich durch einzelne Umstände in der Darstellung der Reliefe von demselben Grabmal, welche cenationea darstellen , an Gebräuche des Stiergefechts erinnert werden. Freilich, ao begeistert der Spanier fiir Stiergefechte ist, einen so großen Aufwand er an Schlacht-

opfem, Stieren und Pferden macht, dem ^.^ j„ FortaetzunR.

alten Römer musa er in der einen wie in Kampf mit dem B&ren.

der andern Rücksicht weichen. Nament- lich ist die Mannichfaltigkeit der Jagden und Kämpfe hervorzuheben ; denn nicht blos Stiere wurden getÖdtet, sondern alles jagdbare Wild wurde gehetzt, und mit allen streitbaren Thiereu, seibat mit Elepbanten, wurde gekämpft.

Fig. 112. Fortsetzung. Thierkampf.

So weit wird man nun wohl in Pompeji mit dem Luxus nicht gegangen sein, und auch die Reliefe, die wir zu betrachten haben, und welche sich zum Theil an der Um&ssungsmauer des besprochenen Grabmals, zum Theil an dem

Fig. 113. FoTtBetiung. Thierkampf.

Stufenuntersatz befanden, der den Inschriftstein ti%t, wie wir es bei Betrach- tung der GräberstraQe sehn werden, bieten uns eine verhältnissmäßig be- schränkte Auswahl von Scenen der Venationen ; aber auch diese haben Man- nichfaltigkeit genug.

Der erste Reüefstreifen [Fig. 110) scheint die Einübung eines Bestiarius zu enthalten. Es gilt, einen Panther oder ein sonstiges katzenartiges Raubthier zu belümpfen, dem der leicht au^eschürzte Lehrhng, mit zwei Wut&pießen

192 Drittes Capitel.

bewaffnet, zu Leibe geht. Der Panther ist an einen Strick, aber dieser nicht an einen festen Gegenstand befestigt, was alle Gefahr des Bestiarius aufheben würde, sondern an den Gurt, der einem frei laufenden Stier um den Leib gelegt ist. Ihre gefährlichsten Spriinge kann so die wilde Katze nicht machen, aber der Bestiarius kann eben so wenig berechnen, wie schnell der Stier dieser nachgeben oder selbst gegen ihn heranstürmen wird. Er muss also bestens auf der Hut sein, und seine Ubui^ ist keineswegs gefahrlos. Hinter dem Stier, der nicht recht vorwärts zu wollen scheint , sehn wir einen Treiber, der aber nicht mit einer bloßen Gerte oder einem Knittel, sondern für alle Fälle ebenfalls mit einer Lanze bewaffnet ist, mit der er den Stier ^ antreibt vorzugehn und dem wild anrennenden

-r Panther Raum zu geben.

^ Das zweite kleine Relief [Fig. 111) zeigt

g einen emstlichenKampf einesMenschen gegen

E* einen Baren ^^) . Der Bestiarius bekämpft das

^ Thier wie der spanische Matador mit vorgehal-

I tenem Tuch. In diesem Umstand liegt zugleich

S ein ungefähres Datum unserer Reliefe, denn

^ nach Flinius VIII, 16 wurden die Kämpfe

S. mit dem Tuch erst unter Claudius eingeführt ;

p da nun die Spiele in Pompeji von 59 69

h, u. Z. verboten waren (s. S. 14), und auch

^ von 69 bis 79 wohl schwerlich stattgefonden

I haben, so können diese Reliefe nur zwischen

§ 41 {Claudius' Regierungsantritt) und 59 ge-

macht sein ^*) .

Das Belief Fig. 112 zeigt uns einen ganz nackten und wehrlosen Mann zwischen einem Löwen und einem Tiger, doch ist die darge- stellte Scene sehr unklar, da beide Thiere in der größten Eile zu entfliehn scheinen, wovon man das Motiv nicht einzusehn vermag.

In dem Relief Fig. 113 sieht man wieder einen Nackten, der seinen Speer gegen einen fliehenden Wolf verschossen zu haben scheint, und der jetzt, gestürzt, von einem Ebe^ ange- griffen und hart bedrangt wird. Weiter rechts ist eine Scene aus den Kämpfen von Thieren gegen einander oder eine Jagd dargestellt. Ein Hirsch oder vielleicht richtiger eine Antilope ist von zwei wolfsartigen Hunden ereilt und niede^eworfen ; ein Strick an den Hörnern des gej^^ten

Die öffentlichen Gebäude. Die Gladiatorenkaserae. 193

Thieres zeigt, dass dasselbe gegen seine Angreifer in Nachtheil gesetzt gewesen war, und sich erst losreißen musste, um jene zu fliehn.

Am reichhaltigsten ist das ReUef an der Um£EU9Sung8mauer des Grabes Fig. 114. Zunächst bemerkt man in seinen oberen Theilen ein Zeugniss, dass man die blutigen Kämpfe auch mit heiteren Zwischenscenen zu unterbrechen liebte. Schon die Jagd eines Rehes durch Hunde könnte man dazu rechnen, sicher aber muss es sehr komisch gewirkt haben, wenn man in die Arena, in der sich Löwen, Tiger, Panther, Bären, Eber, Stiere tummelten, ein paar Hasen losließ , von welchen der eine auf unserm Bilde nicht übel Lust zu haben scheint, Männchen zu machen. Im Übrigen geht es ernster zu : links wird ein Eber von Hunden gejagt, in der Mitte hat ein Bestiarius einen Bären niedergestreckt, und rechts ein anderer, ein wahrer Matador, einem Stier seine Lanze durch den Hals gerannt, so dass es um diesen gethan ist, mag er auch im gesprengten Galopp an dem verwunderten Kämpfer vorüber geeilt sein-

Die betrachteten Bildwerke werden und müssen hier genügen, uns einen Begriff der Kämpfe und Jagden zu geben, welche in Pompeji stattfanden.

2. Die Gladiatorenkaseme {ludus gladiatorim).

Das Gebäude, welches hier, der jetzt wohl allgemein^) angenommenen Benennimg Gaxruccis im Ntwvo Bullettino Napolitano gemäß, als Gladiatoren- kaseme bezeichnet wird, wurde 1766 entdeckt, 1794 ganz ausgegraben und wie das große und das Amphitheater zum Theil restaurirt. Bei der Ausgrabung erhielt dasselbe den Namen Soldatenquartier oder Kaserne, und obgleich zu ^eser Nomenclatur wesentlich ein nur halbwegs richtig beobachteter Umstand, nämlich die Auffindung zahlreicher Waffen, den Anlass gegeben hat, so wird sich doch ergeben, dass dieselbe begründeter war, als diejenige, welche man sich längere Zeit hindurch gewöhnt hatte an die Stelle zu setzen. In neuerer Zeit nämlich betrachtete man dieses neben dem Forum trianguläre und hinter dem großen Theater belegene Gebäude als einen Marktplatz, als das Forum nundinarium, den Wochen- oder Kranmiarkt, ohne freilich im Grunde nur ein einziges wirklich durchschlagendes Argument hiefür aufzustellen oder auf- stellen zu können, so dass es überflüssig ist, diese falsche Bezeichnung jetzt noch ausdrücklich zu bestreiten, und genügt, die Momente hervormheben, welche die richtige augenscheinlich machen. Zu diesen gehört eine genauere Bietrach- tung der aufgefundenen Waffen und der an mehren Wänden befindlichen Ma- lereien, sowie die schärfere Prüfung der ganzen Baulichkeit an sich, welche Grarrucci auf den neuen Namen gefuhrt, den die Überschrift angiebt und welcher trotz den gegen denselben erhobenen in der That sehr unerheblichen Bedenken für den allein richtigen erklärt werden muss. Die aufgefundenen Waffenstücke sind nämlich ohne Ausnahme die augenscheinlichsten Gladia- torenwaffen; es ist kein einziges Soldatenwaffenstück unter denselben; die erwähnten Malereien beziehn sich, wie mancherlei gemalte und eingekratzte Inschriften, auf das Amphitheater, und eine genauere Betrachtung des Ge- bäudes selbst wird lehren, dass dasselbe alle Zeichen einer Kaserne und keines

Overbeek, PomiMiL 4. Aufl. 13

194

Dritte« Capit«L

von einem Marktplatz an sich trägt; ist es aber eine Kaserne, so kann es nach den angegebenen Umständen nicht die der pompejanischen Besatzung, son- dern nur die der Gladiatoren gewesen sein, zumal in der Kaiserzeit die Städte Italiens im Allgemeinen keine Besatzung hatten.

Fig. 115. FUn der GUdiatoreiikuenie (Norden oben).

Das fragliche Gebäude ist ein großer offener, von Säulen^ingen umgebener Hof von 56X45 M. mit Einrechnung der 4,40 bis 4, SO M. breiten Säulen- gänge, 'hinter denen eine Beihe von Gellen in zwei Stockwerken und einige größere Bäumlichkeiten liegen, von denen im Einzelnen zu handeln sein wird. Im Westen begrenzt dasselbe das Forum trianguläre, von dem die schon früher (S.T6) besprochene Treppe Iherabführt, die zugleich auf den offenen Hof hinter dem das Ge^ude im Norden begrenzenden großen Theater einen Zugang bietet, während ein zweiter zum großen, und, wenn man sich nach seiner Durchschreitung rechts wendet, zum kleinen Theater führender Durchgang an der rechten Ecke dieser Seite angebracht ist. Ostlich liegt eine Gruppe von Frivatgebäuden an der Straße , die am kleinen Theater vorübet nach dem Thor von Stabiae führt. Von dieser Straße zweigt sich eine Ciasse ab, welche bei 2 zu dem Haupteingang in unser Gebäude fuhrt; man gelangt

Die öffentliohen Oeb&ude. Die Gladiatoieokaserne. ] 95

ans ihr, über eine Stufe hinabsteigend, in 4ie von drei ioniachen Säulen ge- bildete Säulenhalle 3, au9 welcher a^uch das Postsceuiunx des kleinen Theaters zugänglich ist, und aus ihr über weitere drei Stufen in den Umgang. Im Süden endlich lief die Stadtmauer an unserm Gebäude vorbei, doeh ist die Beschaffenheit dieser Stelle in den letzten Zeiten Pompejis, unvollendeter Ausgrabung wegei), gegenwärtig nicht sicher festzustellen. Um den Säulen- gang liegt, wie gesagt, eine zweistöckige Reihe von gleichgroßen Gellen 7, und zwar sind auf der nördlichen Seite, außer zwei großen überwölbten Wüschen unter der großen Treppe, ihrer 2X8=16 (in beiden Geschossen] und tine Treppencella 8 : in letzterer biegt die große Treppe rechtwinklig um und mündet in viel geringerer Breite bei 1 in die Säulenhalle ein. Von dem Treppenabsatz führte ein schräg aufsteigender Gang (aus Holz) zu der nodi xu b^prechenden Holzgallerie, welche, vor den Gellen des obem Geschosses hinlaufend den Zugang zu denselben vermittelte. Auf der west- lichen Seite finden wix, außer einer zweiten Treppencella 8' und einer Gella unter der großen Treppe 18, zu ebener Erde zehn Gellen, in deren Mitte ein breiter, von fester Erde erfüllter Raum sich befindet, dessen Zweck unklar ist. Im obem Gesohoss gehen die Gellen auch über diesen und die Gella unter der großen Treppe hinweg, so dass hier 14 sind : also im Ganzen 25 ; auf der süd- lichen Seite sind zu ebener Erde, und ebenso auch im obem Geschoss zehn Gellen zu beiden Seiten eines großem, jetzt verbauten Mittelraums 9. Endlich finden wir auf der östlichen Seite im Eidgeschoss außer einem Treppenraum 8'' an der Ecke, dessen Treppe recht augenscheinlich auf die gleich zu be- sprechende Gallerie führte, und außer mehren größeren Säumen noch sechs Gellen, die sich im obem Geschoss wiederholen: also 12, oder, da für zwei sich uns eine besondere Verwendung ergeben wird, 10. Dieser Gellen sind also im Ganzen 71, welche alle unter einander keine Verbindung, sondern nur einen Eingang nach vom haben, welcher im obem Geschoss auf eine rings umlaufende Gallerie führte, deren Balkenlager in den Wänden unverkennbar, und welche zum Theil aus antiken Elementen, im Übrigen nach Maßgabe solcher auf der einen Ecke, welche die beiliegende Abbildung zeigt, recon- struirt ist. Diese Gellen von durchschnittlich 4 M. Größe können nur einen Zweck gehabt haben ; zu Verkaufsbuden sind sie, sind namentlich diejenigen im obem Geschoss nicht geeignet, wohl aber auf's beste zu Schlafzimmern für die Bewohner der Kaserne. Dass man keine festen Betten in ihnen gefunden hat, widerspricht nicht im geringsten, denn Gladiatoren genügte ein Stroh- lager mit etlichen Decken. Wahrscheinlich haben wir uns jede Gelle von zwei Mann bewohnt zu denken, was bei gänzlicher Besetzung eine Zahl von 142 Bewohnern dieses Gebäudes ohne die etwaigen Vorgesetzten ergeben würde. Dass eine Stadt, welche ein Amphitheater für etwa 20,000 Zuschauer^^j besaß, auch das Bedürfhiss empfand, ein eigenes Gebäude für die Unterbringung der, wenn auch nicht ständig, so doch häufig vorhandenen Gladiatorenbanden zu besitzen, darf uns nicht Wunder nehmen. Und was die Zahl anbetrifft, für welche dies Gebäude eingerichtet ist, so genügt es, auf die an die Wände ge- malten Ankündigungen von Gladiatorenkämpfen zu verweisen, in welchen dem Volke bis zu 30 Paaren in Aussicht gestellt werden, die von Sonnenauf-

13»

196 DritteB Capitel.

gang an kämpfen sollten. [C. I. L. IV, 1200. 1204); femer auf die Grabschrift des A. Clodius (/. R. N. 2378; gj. /. L. X, 1074), welcher an einem Tage 40 Paare und dazu noch Thierkämpfer auftreten ließ. Hienach wird die Zahl von 142 Gladiatoren, die in unserer Kaserne hausten, wahrlich nicht zu groß erscheinen, da wir ja gar nicht berechnen können, wie oft man Kämpfe viel- leicht einer gleich großen und großem Zahl veranstaltete. Zurück also ziun Plane des Gebäudes selbst, welches sich als Kaserne noch weiter deutlich erweisen wird. Die bezeichnendsten Räumlichkeiten liegen auf der östlichen Seite. Hier ist namentlich das Vorhandensein einer großen Küche (12) her- . vorzuheben, die vermöge der wohl erhaltenen gemauerten Heerde ganz un- verkennbar bezeichnet und von Magazinräumen 10 und 11 begrenzt ist. Dass eine solche große Küche an einem Markte gar keinen Zweck hatte, während sie in einer Kaserne nothwendig war, ergiebt sich von selbst. Neben derselben führt bei 13 eine Treppe, breiter als die Treppen zur Gallerie, in einige größere Zimmer über den entsprechenden größeren Bäumen im Erdgeschoss, in denen wir die Wohnung des Lanista oder der Lanisten fuglich erkennen können. Neben der Treppe ist in 17 ein Gefängniss, in welchem man ein für zehn zu fesselnde Personen eingerichtetes Fußeisen auffand, welches in das Muaeo nazionale geschafft und daselbst im obem Geschoss im Bronzezimmer zu sehn ist ; man fand in demselben Baume die Gebeine von vier Personen, vermuth- lich Gefangenen ; die Einrichtung des Eisens ist der Art, dass der Gefangene nur liegen oder sitzen, nicht aber sich erheben konnte®^). Auch ein solches Gefängniss, eine solche Strafkammer passt nicht an einen Markt, aber wohl in eine Kaserne, zumal eine Gladiatorenkaseme. Die übrigen Bäume sind nicht entscheidend und zum Theil ihrem Zwecke nach nicht zu benennen. In 15 ist das Kämmerchen des Thürhüters oder des Wachpostens, 16 bildet einen geräumigen Vorsaal der Küche, vielleicht den Esssaal, 9 ist ein großes Zimmei^ in Form des Tablinums von Privathäusem, eine Exedra, in der man die Wände mit Tropäen aus Gladiatorenwaffen bemalt ®^) und derselben viele, zum Theil kostbare in Natura fand, welche in einem spätem Theile dieses Werkes be- sprochen und in einer Auswahl abgebildet werden sollen. 18 scheint ein Pferdestall gewesen zu sein : man fand dort ein menschliches und ein Pferde- skelett. Dass bei Gladiatorenkämpfen auch Pferde zur Verwendung kamen, ist bekannt genug (vgl. Figur 108)®®).

Vier und siebzig 3,60 M. hohe dorische Tuffsäulen (unterer Durchmesser ursprünglich 0,48) trugen das Dach der Porticus. Sie sind nur in den oberen zwei Drittheilen cannellirt, unten gekantet, schlank und gut geformt, stammen unzweifelhaft aus der Tufiperiode und waren ursprünglich sicher nur mit einer dünnen weißen Stuckschicht bekleidet. Später gab man ihnen, wie in so vielen Fällen, eine dickere Stuckhülle , ließ ihnen aber so ziemlich die alte Form; nur wurden sie unten gerundet und das Capitell erhielt eine etwas buntere (nur durch die Abbildung bei Mazois erhaltene) Gestalt. Der untere Theil ward jetzt dunkelroth, der obere gelb, nur an vier Säulen, den je zwei mittelsten der Ost- und Westseite, blau : vielleicht sollten hierdurch bei den Übungen verschiedenen Abtheilungen ihre Plätze angewiesen werden. An den Säulen entlang läuft eine Begenrinne mit mehrfachen, im Plan angegebe-

Die öffentlichen Geb&ude. Dia Gladiatorenkaseme. 197

nen Cistemen \md kleineren Vertiefungen , in denen sich der Schmutz auß dem Wasser niederschlug.

Die beiliegende Ansicht ist von der Terrasse neben der großen Treppe vom Forum trianguläre Fig. 88) aufgenommen ; man sieht in der südlichen Porticus die factisch ausgeführte Restauration eines Theils der Gallerie oder des Balkons der oberen Gellen.

Es ist nun aber schon an sich wenig glaublich, dass diese Säulenhallen Yon Anfang an zu dem dargelegten Zweck gebaut worden sein sollten, dass an der ganzen Anlage die verlmltnissmäßig kleinen umliegenden Bäume, von zimi Theil recht dürftiger Bauart, die Hauptsache, die schönen, solide gebauten Hallen und der weite Platz dagegen nur ein eigentlich überflüssiger Anhang gewesen sein sollten. Denn wenn auch der Platz als Übungsplatz dienen konnte, so war doch eine Gladiatoren schule hier gewiss nie vorhanden. Es ward daher schon oben (S. 76 f.) angedeutet, dass sowohl die Form als der Zweck der Anlage ursprünglich andere waren. An der Stelle der nördlichen Cellenreihe lag eine die große Freitreppe vom Forum trianguläre fortsetzende, nach Norden geöfihete Säulenhalle. Sie lag auf etwas höherem Terrain, als die der Gladia- torenkaseme, doch war der Unterschied durch geringere Höhe der Säulen ausgeglichen. Ob die beiden hier an einander stoßenden Hallen durch eine Mauer oder nur durch eine dritte Säulenreihe getrennt waren, wissen wir nicht. Femer sind sowohl die Gellen der Nordseite als die Bäume an den anderen drei Seiten ihrer Bauart nach offenbar weit jünger als die Säulen- hallen; ganz besonders gilt dies von den kleinen Gellen (regelmäßig wech- selnde Ziegel und ziegelformige Hausteine) , von denen nur die am Nordende der Westseite ^twas älter aussehen. Im übrigen stammen die verschiedenen Bäume aus verschiedenen Zeiten und kann ihre Entstehung im einzelnen nicht verfolgt werden. Wie bemerkt wurde, war der Hauptzugang von der Stabia- nerstraße her bei 2 durch die sehr anmuthige kleine ionische Säulenhalle 3, welche nach Stil und Bauart den großen Säulenhallen gleichzeitig ist. Auch sie ist viel zu schön für eine Gladiatoreükaseme. Besonders bemerkenswerth aber ist der Umstand, dass die Mauer, durch welche sie bei 4 von der Osthalle des Hofes hinter dem großen Theater getrennt wird, jungen Ursprunges ist, dass noch zu einer Zeit, wo das kleine Theater schon stand und seine Stuck- bekleidung (zweiten Stils] hatte, die beiden Hallen nicht von einander getrennt waren. Es fehlte hier also der für die Gladiatoreükaseme so wichtige sichere Verschluss. Die spätere Gladiatoreükaseme stand ohne Zweifel ursprünglich in Beziehung zum großen Theater und war bestimmt, bei plötzlichem Regen den Zuschauem Schutz zu gewähren. Vitruv (V, 9, 1) schreibt vor, zu diesem Zweck hinter der Bühne Portiken zu errichten, und in der That finden wir sie in eben dieser Lage bei anderen antiken Theatern. Ihrer Bauart nach können diese Hallen sehr wohl dem großen Theater gleichzeitig sein. Freilich müssen an ihnen, wenigstens im Westen, von An£Eing an irgend welche Bäume gelegen haben; denn die Bückwand der Gellen ist die alte Futtermauer des Hügels, auf dem das Forum trianguläre liegt. Es ist selbstverständlich, dass eine solche Anlage nicht nur an Spieltagen geöffnet war, sondern auch sonst als Spazier- gang diente. Demgemäß mündeten in die Eingangshalle 3 zwei Wege: der

198 Drittes Capitel.

von der Stabianer Straße und der Säulengang, welcher die Verbindung mit dem großen Theater herstellte ^®) .

Aber genug von dem Amphitheater und dem Gladiatorenwesen, wir ver- lassen die für dasselbe errichteten Gebäude, um Ruinen au&usuchen, in denen friedlichere Scenen römischer Üppigkeit spielten und welche von nicht gerin- gerem Interesse sind, als irgend welche andere in den Mauern Pompejis, nämlich :

Fünfter Abschnitt. Die Thermen

oder öffentlichen ßadehäuser, deren man bis jetzt drei kennt, ein 1824 aus- gegrabenes, ein größeres, welches den Ausgrabungen der 50er Jahre unseres Jahrhunderts verdankt wird, und eines , welches zur Zeit der Verschiittung noch im Bau begriffen war; es wurde im Jahr 1877 ausgegraben. Die beiden zuerst erwähnten Thermen gehören zu den am besten erhaltenen, in ihrer Ausschmückung reichsten und schönsten, in ihrer Bestimmung unzweifelhaf- testen und zu den lehrreichsten aller Kuinen der antiken Stadt; sie verdie- nen an dieser Stelle eine ganz besondere Aufmerksamkeit wie im Original einen besonders eingehend prüfenden Besuch.

Häufige Waschungen und Bäder sind ein Bedürfhiss aller Völker in süd- lichen Klimaten, und so finden wir denn auch bei den verschiedenen Völkern des Alterthums mehr oder weniger bedeutende Einrichtungen, welche diesem Bedürfhiss entsprachen ; aber bei keinem Volke des Alterthums oder der Neu- zeit ist das Baden so sehr zu einer förmlichen Leidenschaft geworden, wie, aber freilich erst in der spätem Periode, bei den Römern, und kein Volk hat so viel gethan, so Großes geschaffen imd gebaut, um diese Leidenschaft zu befiriedigen, wie eben die Römer. In Jlom badete in der Kaiserzeit Jeder, arm und reich, vornehm und gering, alt und jung wenigstens einmal täglich, oft auch mehrmals, ja wir wissen, dass ein guter Theil der feinen Welt in den Bädern, wo sie freilich außer den Waschungen noch sonst allerlei Nennbares imd Unnennbares suchte und fand, fast den ganzen Tag und einen Theil der Nacht zubrachte. Flussbäder sind natürlich das Anfangliche; eigene Bade^ anlagen in geschlossenen Räumen folgten, und sollen aus Griechenland ent- lehnt sein ; aber bis zum Ende der Republik waren derartige öffentliche und private Einrichtungen noch keineswegs zahlreich in Rom und von allem Luxus und aller Großartigkeit weit entfernt. Luxus und Großartigkeit brachte auch hier die Kaiserzeit ; an Zahl wie an Umfang nahmen die öffentlichen Bade- häuser, welche man, weil sie neben kalten auch warme und Dampf- oder Schwitzbäder enthielten, mit dem Namen Thermen, d. h. Warmbäder bezeich- nete, schnell zu, so dass im vierten Jahrhundert ihrer 856 in Rom gezählt wurden. Agrippa baute unter August die ersten ausgedehnten Thermen, welche aber an Glanz und Größe von den Thermen der Kaiser in späterer Zeit vollkommen in Schatten gestellt wurden. Diese Kaiserbäder, eigentlich

Die öffenüiohen Oeb&ude. Die Thermen. 199

für die ärmere Classe bestimmt, da Wohlhabendere eigene Bäder in ihren Häusern besaßen, aber doch auch von den höheren Classen der Gesellschaft als allgemeine Sammelplätze der feinen und geistreichen Welt stark besucht, waren von einer derartigen Größe, dass z. B. in den Thermen des Caracalla 3000 Menschen zugleich baden konnten, waren von einer solchen Ausdeh- nung, dass sie außer den eigentlichen Baderäumen nicht allein Bibliotheks- und Unterhaltungszimmer, sondern Ringplätze, Spaziergänge, Parks, kleine Theater, Schauplätze für Gladiatorenkämpfe und dergleichen mehr um- schlossen, waren dabei endlich von der fabelhaftesten Pracht und mit dem überschwänglichsten Luxus ausgestattet. Stammt doch eine Reihe der berühm- testen Bildhauerwerke, der Laokoon, der Famesische Stier, der Famesische Hercules, die s. g. Flora (Hebe) in Neapel, der Torso von Belvedere und vieles andere aus den Thermen des Titus und denen des Caracalla.

Es begreift sich, dass bei der Wichtigkeit des Badewesens sehr Vieles überliefert und dass dieses in mannichfachen Schriften behandelt worden ist^^); da aber die Einrichtung der öffentlichen Bäder in der römischen Welt selbst in ihren eigentlichen und wesentlichen Theilen eine ziemlich mannichfaltige und von derjenigen der modernen Welt abweichende ist, so musste in den Überlieferungen ohne monumentalen Anhalt, ohne die Anschauung der Denk- mäler selbst Manches unklar bleiben. Die monumentale Anschauung hat nun freilich schon lange vor der Entdeckung Pompejis keineswegs gefehlt ; stehn doch, um nur das Bekannteste zu erwähnen, von den fünfzehn großen Bade- häusem, die Rom unter Constantin zählte, die Ruinen der Thermen des Cara- calla in imposantester Großartigkeit da, während das große Schwimmbassin der Thermen des Diocletian in die Kirche Sta. Maria degli angeli umgebaut ist, um von anderem zu schweigen. Aber vermöge der gewaltigen Ausdeh- nung dieser Gebäude und vermöge der überschwänglichen Fülle der Neben- räume, welche sie umschlossen, war es keineswegs leicht, sich in ihnen zurechtzufinden und die einzelnen, namentlich die wesentlichen Theile zu bestimmen. Auf der andern Seite haben wir freilich auch von kleinen mehr oder weniger grade auf die nothwendigsten Theile beschränkten Badeanlagen Ruinen in verschiedenen Theilen das weiten Römerreichs. Und endlich wurde die monumentale Grundlage unserer Anschauung noch durch ein angeblich aus den Thermen des Titus stammendes Gemälde vollendet (abgebildet u. a. in Winckelmanns Werken Taf. 9 No. 19 und mehrmals in anderen Werken wiederholt) , welches ein römisches Bad in seinen wesentlichen Räumen selbst mit Namensbeischrift darstellt, dasselbe ist jedoch nicht antik, sondern von dem Architekten Giovanni Antonio Rusconi 1 553 erfunden, um einem Compen- dium über Bäder als Titelkupfer zu dienen ^^) . Mögen aber die Grundlagen unserer Kenntniss antiker Bäder sein welche sie wollen, immer stehn die Thermen von Pompeji an Erhaltung und Klarheit der Bestimmung aller Bäume, die weder auf das allgemeine Bedürfiiiss beschränkt, noch mit Ne- bensächlichem überladen sind, in der allerersten Linie und bilden eine durch- aus sichere Grundlage für das Yerständniss aller derartigen Anlagen, welches auch bereits nicht unwesentlich durch sie gefordert worden ist. Wir können also nicht besser thun, als dieselben nach Anlage und Einrichtung des Gtmzen

200 Drittes Capitel.

^ie des Einzelnen zu erläutern, indem wir die weitergehenden Bemerkungen an diesen Stamm anlehnen.

Ehe wir zur Besprechung der erhaltenen Thermenanlagen übergehen, bemerken wir in der Kürze, dass das unter dem Namen der Villa der Julia Felix bekannte, in der Nähe des Amphitheaters ausgegrabene Gebäude nichts anderes war, als eine doppelte Badeanstalt, für Männer und Frauen. Femer wissen wir noch von einer weitem Badeanstalt, welche wesentlich anders gewesen sein muss als die erhaltenen. Nämlich im Jahr 1749 £Eind man vor dem Herculaner Thor, in der sogenannten Villa des Cicero, folgende Inschrift, nicht an ihrem Ort, sondern als Baumaterial verwandt: Thermae M. Crassi Fragt aqua marina et baln, aqua dulci, lanuäriua l[ibertu8) ; das heiBt : »Bade- anstalt des M. Crassus Frugi mit warmen Seebädern und SüßwaBserbädem, verwaltet vom Freigelassenen Januarius.a Die Inschrift wird trefflich erläutert durch eine Stelle des altem Plinius [Nat, hist, 31, 5), wo von einer im Meere aufsteigenden warmen Heilquelle berichtet wird, welche früher dem Licinius Crassus gehörte. Es ist kaum zweifelhaft, dass sowohl die Inschrift als Plinius von M. Licinius Crassus Frugi reden, Consul 64 n. Chr., dann im Jahr 68 von Nero getödtet. Der Stein war vermuthlich da aufgestellt, wo sich der Weg zur Badeanstalt von der Grräberstraße abzweigte, und mochte entfernt worden sein, als dieselbe nach dem Tode des Besitzers in andere Hände überging. Nach einer offenbar falschen Nachricht soll ein Exemplar dieser Inschrift bei den gleich zu besprechenden kleineren Thermen gefunden sein, mit denen man sie deshalb irrthümlicher Weise in Verbindung gebracht hat ^^) .

a. Die kleineren Thermen.

Beginnen wix mit den kleineren, 1824 ausgegrabenen Thermen, welche allerdings ihrer Erbauungszeit nach die jüngeren sind, deren Plan sich aber als der einfachere leichter zum Verständniss bringen lässt. Dieselben bilden eine von vier Straßen umgebene Gebäudegruppe [inmla] für sich; sie liegen unmittelbar hinter (nördlich von) dem Forum, einerseits an der nach ihnen benannten Strada delle Tenne im Norden, andererseits an der Verlängerung der Straße des Mercur {Strada delForo) im Osten, von welchen beiden Straßen die Haupteingänge sind, während die dritte Straße mit einem dritten Eingang und die vierte, westlich und südlich (Vicolo delle Terme und Vico dei Sopra- stanti genannt), nur unbedeutend erscheinen. Diese Thermen bedecken in ihrer Gesammtheit ein unregelmäßig viereckiges Areal von 49,50 M. Breite an der Strada delle Terme, 28,30 M. Breite an der kleinen südlichen Straße und 53 M. mittlerer Tiefe.

Bevor auf den Plan dieses Gebäudes eingegangen wird, muss wenigstens mit ein paar Worten von einer Inschrift gesprochen werden, welche sich auf diese Thermen bezieht und in zwei Exemplaren in der Nähe derselben gefun- den worden ist. Sie lautet: L. Caesius C.f. d, v, t. d. 0. Occius M, f, L, Niraemius A. f. II v. d, d. s. expeq. publ.fac. curar, prob. q. Sie nennt also diejenigen Beamten, vermuthlich einen Kechtsduumvim und zwei Aedilen, unter denen dieselben aus öffentlichen Mitteln , also von vom herein als

Die öffentlichen Oebftude. Die kleineren Thermen. 201

öffentliche Anlage, gebaut und der Benutzung anheim gegeben worden sind. Wann dies geschehen ist, ergiebt sich theils daraus, dass L. Niraemius in einem der ältesten, der ersten Zeit der römischen Colonie angehörigen Wahl- programm vorkommt, theils aus der Bauart des Gebäudes, welche in auffal- lender Weise mit der des Amphitheaters und des "kleinen Theaters überein- stimmt. Wir werden also nicht zweifeln dürfen, dass, wie die genannten Gebäude, so auch diese Thermen bald nach der Deduction der suUanischen Colonie entstanden sind.

Sieht man sich nun den Plan an, so mag auf den ersten Blick die nicht tmbeträchtliche Zahl von einzelnen Bäimilichkeiten auf demselben verwirren, doch werden wir uns leicht zurechtfinden, wenn wir alles Nebensächliche weg- denken. Es sind dies besonders die vielen Läden, welche ohne jede Verbin- dung mit dem Innern des Gebäudes, wie dies auch bei Privathäusem das Ge- wöhnliche ist, bald aus einem Zimmer, bald aus mehren bestehend, fast das ganze Erdgeschoss der Thermen umgeben. Sie sind zur leichten Absonderung auf dem Plane hell durchschraffirt. Ausgedehnte und zusammenhangende Bäume, deren Bestimmung wir nicht errathen können, lagen über den Läden der Ostseite und erstreckten sich auch über die östliche Halle des Hofes A ; sie waren zugänglich durch die breite und stattliche Treppe neben a 3. Sodann vereinfachen wir uns die Übersicht, wenn wir die beiden Abtheilungen der Thermen, das Männerbad und das Frauenbad, getrennt betrachten, wie sie denn thatsächlich getrennt und auch auf dem Plane Fig. 1 1 6 unterschieden sind, indem die Mauern der Frauenabtheilung [F J) nur dunkel schraffirt, die Mauern des Männerbades [A E) ganz schwarz erscheinen.

Wie schon bemerkt, haben die Thermen drei Eingänge, abgesehn von demjenigen in die Frauenabtheilung b und dem zu den Heerden führenden c, welcher übrigens erst später aus einem Laden gleich den anstoßenden in einen Zugang verwandelt worden ist. Die Eingänge zum Männerbade sind mit a 1 . 2, 3 bezeichnet. Der Eingang a 1 liegt an der westlichen Gasse ( Vicolo deüe Terme) und führt unmittelbar auf den innem Hofiraimi A : ein kleines Gemach links an demselben d ließ sich früher, denn jetzt ist es unzugänglich, auf das bestimmteste als Abtritt erkennen, und muss im ELleinen gezeigt haben, was wir größer in den größeren Thermen wiederfinden werden und noch größer am Forum neben der Fruchthalle getroffen haben. Der Eingang a2 von der Straße des Forum aus ist überwölbt wie die umliegenden Läden, um dem obem Stockwerk und den großen Wölbungen der eigentlichen Bademume einen festen Halt entgegen zu setzen. Auch dieser Eingang fuhrt durch einen Gang e links in den Ho&aum, rechts in das Auskleidezimmer JB, Der dritte Eingang a 3 dagegen an der Thermenstraße, der einzige heute zugängliche, leitet mittels eines zweiten gewölbten Ganges, dessen Wölbung auf weißem Grunde mit rothen und gelben Sternen bemalt ist, direct in das Auskleide- zimmer B» Neben diesem Eingang, zunächst der Nordostecke des ganzen Ge- bäudes ist eine steinerne Bank angebracht; vermuthlich warteten hier die Sclaven, welche ihre Herren ins Bad begleitet hatten. Der Ho&aimi A, der jetzt anmuthig genug in einen kleinen Garten verwandelt ist, wird an zwei Seiten von einem dorischen Säulengange, an der dritten, im Osten, von einer

Crypte, einem durch ein Gewölbe bedeckten Gange mit Bogenfenstern, um- geben und lehnt sich mit der vierten an die Hinterwand der Läden. Eine Gosse ist rings herumgeführt . um das Regenwasser aufzufangen und zu ent-

Fig. 116. FlsD der kleineren B&der.

fernen. Uhei der eingestürzten Wölbung der Crypte sind die Ruinen eines obem Geschosses deutlich sichtbar. Diesen Hof von 21,80 M. Breite und 16,30 M. Tiefe mit Einschluss des Umganges kann man als die ambulatio, den Ort betrachten, an welchem sich die Badenden versammelten, um das Bad abzuwarten. Er vertritt also, freilich sehr im Kleinen, jene großen Anlagen der Kaiserbäder , welche ähnlichen Zwecken dienten , die Ambulationen, Xysten u. s. w., und wir dürfen ihn uns mit schattigen Bäumen bepflanzt als einen anmuthigen Aufenthaltsort für müßige Stunden denken. Zwar der Hof der größeren Thermen wird in der ihres Orts zu besprechenden Inschrift als Pa- laestra bezeichnet, und man könnte deshalb auf die Vermuthung kommen, dass auch dieser Hof zu Leibesübungen bestimmt war ; allein seine Ausdehnung ist doch wohl für einen solchen Gebrauch zu gering. Da hier täglich viele Menschen ihre müßigen Stunden zubrachten, so musste der Ort für Bekaunt- machungen aller Art als sehr geeignet erscheinen, auch hat man solche in nicht unbedeutender Zahl, aber kaum noch lesbar, auf den Wänden der Por-

Die öffentlichen Gebäude. Die kleineren Thermen. 203

ticus gefimdeA, unter anderen an der Südwand eine ebenfalls fragmentirte Anzeige von Amphithi uli iiipiiku In dem Umgange dieses Hofes £ei.nd man auch ein Schwert und die Büchse, in wddie der tMilintende Badewärter das für die Bäder empfangene Geld sammelte. Es war dies ein äuBenst geringer Betrag, ein quadrana nämlich, d. h. V4 As oder V40 , und nachdem man 16 As auf den Denar rechnete, 7^4 Denarius, nach unserem Gelde ungefähr 1 Y2 Pfen- nig. Für einen Quadrans gebadet, gehst du wile ein König einher, sagt der Dichter; in den großen öffentlichen 'Badeanstalten Roms wurden aber oft genug der armem Classe aus Schenkungen Großer und Reicher unentgeltliche Bäder gegeben.

An diesen Hof stößt das offene überwölbte Gemach y*, die Exedra mit Sitzen, das eigentliche 4,75 X 5,90 M. große Unterhaltungszimmer für die, welche ausruhen \md sich zum Gebrauche des kalten Wassers abkühlen wollten. Auch zu beiden Seiten der Exedra finden wir an den Wänden des Umgangs steinerne Sitze g\ bei der Lage des Gebäudes wird in diesem Theile des Ganges, der sich nach Südost öffnet, eine angenehm gemäßigte Temperatur geherrscht haben, die man in der Exedra selbst noch kükler fand. Hatte man sich nun in diesem Hofe, seinen Gängen und der Exedra gehörig vor- bereitet, so begab man sich durch den erwähnten Gang 0, dessen Wölbung blau mit goldenen Sternen gemalt gewesen sein Soll, in das Apodyterium, das Auskleidezimmer B^ in welches man, wie bemerkt , durch den Eingang a 3 unmittelbar gelangt. Durch letztem konnten diejenigen, welche nur die Erquickung des Bades suchten, zu ihrem Ziele gelangen, ohne mit der Ver- sammlung im Hofe in Berührung zu kommen, während diejenigen, welchen das Bad selbst vielleicht Nebensache, ein angenehm verbrachtes Plauder- stündchen, Austausch von Stadtneuigkeiten oder geistreichere Unterhaltung die Hauptsache war, den Weg durch den Hof vorgezogen haben werden. Denn das Bad war die Vereinigung der feinen Welt, und in der Exedra trugen die Poeten die jüngsten Kinder ihrer Laime vor. In dem kleinen Gange e fand man nicht weniger als 500 Lampen (in diesen Thermen überhaupt über 1000), die meisten von gewöhnlichem gebranntem Thon. Man sieht also, wie bedacht die Pompejaner auf eine genügende Erleuchtung der an und für sich nicht gar zu hellen Bademume waren. Die besten dieser Lampen hat man für das Museum in Neapel ausgesucht, die übrigen in lächerlicher Eifersucht zerschla- gen und vernichtet ; die erhaltenen besseren Lampen zeigen sehr mäßig aus- geführte Reliefe meist mythologischen Inhalts.

Durch diesen Gang also gelangte man in das erste eigentliche Bade- gemach, das Apodyterium, d.h. das Auskleidezimmer, B auf dem Plan. Dieses 11,50x6,80 M. große Gemach ist wie die nebenliegenden Zimmer mit einem Tonnengewölbe bedeckt, welches aus einem ziemlich schwerfälligen, mit Greifen, Amphoren und Lyren in bunten Stuccoreliefen und dazwischen lie- genden gemalten Arabesken verzierten Camies entspringt. Die Wände sind gelb bemalt, von der gewölbten Decke mit weißen Feldern in rother Umsäu- mung ist nur wenig erhalten. Der Fußboden besteht aus einem groben weißen Mosaik mit schwarzem Rande ; eine mit Marmor eingefasste viereckige Vertie- fung in der Ecke neben dem Eingang zu C diente wohl zum Abfluss des zur

204 DritWB Capitel.

B«inigunf^ dea Fußbodens gebrauchten Wassere. Steinerne Bänke, Aim Flau, auf einer niedrigen steinernen Stufe laufen rings an den Wänden hinein welchen mau Locher sieht, die von hölzernen, zum Theil verkohlt aufgefun- denen Pflücken heiTÜhren. Sichere Spuren im Stuck der Wand beweisen, dass

Fig. 117. Ansieht dei Apodytetium.

auf ihnen ein Brett ruhte, welches offenbar bestimmt war, die abgelegten Klei- dungsstücke aufzunehmen. Diese blieben unter der Obhut eines capsartut ge- nannten Badesclaven, der in einer capsa (einem Schrein) die Werthsachen der Badenden gegen ein kleines Trinkgeld verwahrte. AU den Aufenthaltsort des Capsarius wird man wahrscheinlich das kleine, jetzt durch Aufführung einer neuen Schlussmauer ganz verschwundene Zimmer t am Ende des Apodyterium zu betrachten haben, in welchem zugleich allerlei Badegeräthe nebst Salben und Ölen aufbewahrt worden sein mögen, dem man also den antiken Namen des elaeothesium beilegen kann, wahrend es als Umatrina, d.h. als Barbierstube, wie man auch gemeint hat, schon deshalb nicht gedient haben kann, weil es fast ganz dunkel war. Sein Licht erhält das Apodyterium durch ein großes Fenster in der Südwand hart unter der Wölbung, die es sogar etwas unterbricht (s. Fig. 117); ein ähnliches wird ihm an der zerstörten Nordwand entsprochen haben. Das erhaltene Fenster auf der Südseite von 1 M. Breite und 0,70 M. Höhe öffnet sich über der Kuppel des anstoßenden Schwimmbassins C; es war mit Glas geschlossen, und zwar mit einergroBen, 0,013 M. dicken, guten, flachen Fensterscheibe, welche in einem ehernen Rahmen haftete und sich in demselben lun zwei Zapfen in der Mitte drehend bewegte. Die bei der Aus- grabung in Fragmenten gefundene und in das Museum in Neapel gebrachte Scheibe gilt als auf der einen Seite matt geschliffen, und dafür giebt man als Grund an, es solle dadurch das Hereinsehen in das Apodyterium Ton dem Dache des Schwimmbassins verhindert werden. Allein dies Alles ist höchst zweifelhaft, schon deswegen, weil die Erklimmung des Daches des Schwimm- bassins bei seiner Steilheit ziemlich halsbrechend sein musste, und weil die

Die öffentlicheD Gebende. Die kleineren Thennen. 205

Lu8t, Badende za belsiuschen, sehr wenig antik ist. Bemerkenswerth aber ist diese Fenstetscheibe deswegen, weil sie nebst mehten ähnlichen, an vetschie- denen Orten, z. B, in der Villa subuxbana gefundenen diejenigen widerl^t, welche den Gebrauch von Fensterscheiben in dieser Zeit bezweifelt haben. Das Relief zu beiden Seiten des Fensters, welches bei der Reparatur der Wöl- bung stark gelitten hat, stellt in großartiger Composition Tritonen mit groBen GefaBen auf den Schultern umgeben von Delphinen dar; in der Fensternische selbst sieht man eine colossale Okeanos- oder Flussgottmaske. Unter diesem Fenster ist in der Wand noch eine kleine ÖÖhung, welche, wie der ÖlruB zeigt, mit dem man bei der Ausgrabung ihr Inneres bedeckt fand, diente lun durch hingestellte Lampen das Apodyterium bei Nacht zu erhellen.

Aus dem Apodyterium betritt man am zweckmäßigsten zuerst das Frigi- darium oder die frigida lavatio, d. h. das kalte Bad C. Dieser Raum ist voll- ständig erhalten; es fehlt nur das Wasser in dem Bassin, welches durch die 1,20 M. vom Boden des Um- ganges der Eingangsthür ge- genüber angebracht^ flach gedrückte, 0,13 M, breite Mündung einer kupfernen Röhre sich in einem Strahle von oben her in die Piscina ergoss ; das Gemach ist nach auBen viereckig, innen kreis- rund von 5,74 M.Durchmes- ser; den vier Ecken nach auBen entsprechend sind im Innern vier halbrunde Ni- schen von 1,60 H. Durch- messer und 2,20 M. Höhe, die B. g. acholae, Ruheplätze, angebracht ; in der Mitte be- findet sich die piacina , die Wanne oder das Bassin, von 4,31 M. oberem Durchme»- ser, umgeben von einem 0,48 M. unter der Fläche des Bodens befindlichen 0,28 M. breiten Sitz, innerhalb des- sen an der einen Seite (links auf der Ansicht Figur IIS)

noch ein niedriger Tritt an- pig. 118. An«cht des Frigidarium.

gebracht ist, um das Her- aussteigen aus dem Wasser zu erleichtem. Dicht neben diesem Tritt ist auf dem Grunde die viereckige Öfibung des Abzugsrohres , das natürlich ver- schlieBbar gewesen ist und nur zu Reinigungszwecken geöfihet wurde, wäh- rend eine zweite, nahe dem Rand angebrachte Öfihung das Wasser im Maße

206 Drittei

seines Zuflusses ablaufen ließ. Das wohlerhaltene und ine diu Flittung des Umgangs und der Nischen aus weißem Marmor bestehende BftMm ioft im Ganzen nur 1,30 M. tief. Die Bedeckung des Gemachs besteht ia etner uneigentlichen Kuppel, d. h. in einer solchen in Form eines abgestumpften Kegels, und ist jetzt im Gipfel offen; daß dies ursprünglich so gewesen sei, ist nicht glaublich, vielmehr rührt es von der Zerstörung her, die hier ein- treten musste, weil die Spitze über die verschüttende Asche herausragte ; den Beweis für den ursprünglich vollständigen Gipfelschluss der innen blau ge- malten Kuppel liefert eine durch dieselbe nach Südwest gebrochene Fenster- öffnung, welche die Ansicht Fig. 1 18 zeigt, und die überflüssig gewesen wäre, wenn der Gipfel nicht verschlossen war. Sie scheint ohne Scheiben gewesen zu sein, weil es für dies Gemach zum Kaltbaden nicht auf einen Abschluss gegen die freie Luft ankam. Die Wände waren hier mit grünen Pflanzen auf gelbem Grunde bemalt ; die Nischen sind hellblau, wieder mit Pflanzen und je einem Brunnenbecken, ihre Wölbungen roth gemalt und mit einem hübschen Stuccorahmen eingefasst. Die Ornamentation, welche ähnlich in dem Frigi- darium der größeren Thermen wiederkehrt, sollte offenbar an die freie Natur erinnern. Auch der etwa 3 M. vom Boden umlaufende Carnies, aus der die Kuppel entspringt, ist mit Stuccoreliefen geziert, welche gut gearbeitete Rennen von Eroten zu Ross, zu Wagen und zu Fuß darstellen, die auf rothen Grund aufgesetzt sind.

Kehrt man aus diesem Frigidarium zurück und schreitet durch die auf der Abbildung Fig. 1 1 7 sichtbare Thür in der rechten Wand des Apodyterium, so befindet man sich in dem 10,40X5,60 M. großen Tepidarium, D auf dem Plane, dem Gemach für die Entkleidung derer, welche die heißen Bäder in dem Caldarium JS gebrauchen wollten, und zur Abkühlung derer, welche diese gebraucht hatten, sowie für die mit dem Gebrauche der Schwitzbäder in Ver- bindung stehenden Reibungen und Salbungen und alle die anderen Opera- tionen nach dem Schwitzbad, für welche eigene Sclaven, unctoreSj Salber, angestellt waren. Zu diesem Zwecke wurde das Gemach durch einen beweg- lichen Heerd von Bronze mäßig erwärmt, während es einen unterhöhlten Fußboden , wie das benachbarte Caldarium^ nicht gehabt zu haben scheint. Die folgende Abbildung Fig. 119 zeigt, dass dies Gemach sehr reich deco- rirt ist, und in der That übertrifft es in dieser Beziehung alle anderen Ab- theilungen dieser Thermen. Der Fußboden mit grobem weißen, schwarzum- randeten Marmormosaik geplattet, die Wölbung der Decke reich mit Stuc- caturarbeit auf farbigem Grunde verziert, die Wände roth gefärbt, der Carnies von Statuen getragen : Alles dies wirkt zusammen, um das Gemach sehr elegant und prachtvoll erscheinen zu lassen. Die Statuen, weldie den Carniea der Deckenwölbung tragen und die nat dem tedmisdien Ausdruck als Atlanten oder Telamonen zu bezeichnen sind, stehn auf einer rings um das Gemach in der Höhe von 1 , 7 0 M. aus der Wand allerdings ziemlich unorganisch und schwer vorspringenden Platte (die übrigens in einer frühem Periode besser profilirt war, wie in der Nordostecke sichtbar] auf kleinen Basen und vor flachen Pfei- lerchen, welche Nischen (loculi) zwischen sieh lassen, von denen nur diejenigen zwischen dem 2. und 3. und dem 7. und 8. Atlanten der linken Seite aus

Die öffeutliohen Oebftude. Die kleineren Thermeo. 207

einem uns nicht verständlicheii Gtunde ausgelilUt und mit totlibemaltem Stucco geschlossen sind. Diese Nischen haben als Aufbewahrungsorte der, wenn man sich zum Gebrauche des Schwitzbades eben hier im Tepidarium vollständig entkleidete, gesondert abgelegten Kleidet gedient, und wiederholen sich mit gleicher Bestimmung in den beiden Apodyterien der größeren Ther- men. Die Telamonen selbst, 0,61 M. hoch und aus gebranntem, mit feinem

Fig. 119. Ansicht des Tepidarium.

Stucco überzogenem und bemaltem Thon, scheinen nach einem guten Motiv die Last des Camieaes mit den über das Haupt erhobenen Ellenbogen zu stützen ; sie sind zum Theil ganz nackt, zum Theit mit einem schuppigen Schurz bekleidet, in knlftiger Naturwabrheit, jedoch etwas schwerfallig mo- dellirt, und ähneln den knienden Atlanten im kleinen Theater, mit welchen ne die Entstehungszeit theilen.

Die überaus reiche Stuccaturarbeit und Malerei der Deckenwölbung wird sich am besten aus der Frohe Fig. 120 beurteilen lassen, obgleich in dieser, dem Werke Gel]e 'entlehnten Abbildung die Anordnung der einzelnen Felder eine willkürliche ist. Der Grund ist theils weiß , theils violett, theils blau, die Figuren, sowohl die größeren, unter denen der vom Adler geraubte Gany- medes, Eros (Amor) in Jünglingsgestalt auf seinen Bogen gestützt, der von einem Greifen getragene Apollon beispielsweise hervorgehoben werden mögen, als auch die kleineren und die Ornamente sind weiße Reliefe. Den Rand bildet eine reiche imd geschmackvolle Stuccoarabeake , ebenfalls weiß auf rothem Grunde.

Das Tageslicht empfing das Tepidarium auf dieselbe Weise wie das Apodyterium. Das große Fenster an der Südseite, dessen Scheiben in einem bronzenen fiahmen gefasst waren, ist erhalten und auf der Abbildung Fig. 1 1 9

20S Diittei C»pit«l.

sichtbar, nebat der kleinem Öffnung für die Lampen, welche hinterwärta xur- gleich die Exedra erhellten.

Im Tepidarium sind drei Bänke von Bronze und ein ehernes Kohlen- becken gefunden worden, welche die Abbildung Fig. 119 an Ort und Stelle zeigt. Auf den Sitzen fand man den Namen des Schenkgebers M NIGIDIVS -

VACCVLA -P.S. {pecunia sua) bM. Nigidius Vaccula aus eigenen Mitteln«, und eine Anspielung auf seinen Namen ( Kühlein , kleine Kuh) wird man in den Or- namenten der von ihm ge- schenkten Gegenstände nicht verkennen dürfen. Die Füße der 1,80 M. langen Bänke sind Kuhfüße, welche oben in einen Kuhkopf en- den, und an dem 2,12X0,77 M. großen Kohlenbecken ist an der Vorderseite das Thier als redendes Emblem in der Mitte des obern Bandes in ganzer Gestalt und in Hoch- relief angebracht. Dieses im Wesentlichen den noch heut- zutage in Neapel gebräuch- lichen entsprechende Koh- lenbecken ruht vom auf zwei in geflügelte Sphinxe enden- den Lowentatzen, hinten auf drei graden Beinen und hat Fig. 120. Deckenwölbung des Tepidarium. außer der Kuh ein umlau-

fendes zacken- oder zinnen- förmiges Ornament , welches an den Ecken in ein Blatt endet und ähnlich an anderen Kohlenbecken in Pompeji, von denen später zu reden sein wird, sich wiederholt. Innerhalb des Zackenomaments ist ein eisemA* Band eingescho- ben, den Boden bildet ein Bost von bronzenen Stangen, auf dem Ziegel lagen, die ihrerseits Bimsstein trugen, auf welchen erst die glühenden Holzkohlen geschüttet wurden.

Aus dem Tepidarium gelangt man in das Caldarium, E auf dem Plane, von 16,25X5,35 M. Grundfläche. Die Pfosten der Thüren, welche aus dem Apodyterium in das Tepidarium und aus diesem in das Caldarium führen, sind geneigt, so dass die an ihnen hangenden Thürflügel sich durch ihr eigenes Gewicht schlössen, und dass nicht durch nachlässiges Offenlassen der Thüren Zugluft entstehen oder Hitze entweichen konnte. Caldarium nennen wir zunächst das ganze Gemach nach seinem Hauptzweck , dem warmen Bade ;

Die Öffentlichen Gebinde. Die kleinecen Thermen. 209

wir können abet in dem Durchschnitt drei Theile unterscheiden, a die achola labri, eine große halbrunde Nische mit dem großen Becken [lahrum] für Abwaschungen nach dem Schwitzbade, b in der Mitte das eigentliche Calda-

Fig. 121. Durchschnitt des CaldaTium.

rium, den Raum fui das trockene Schwitzbad mit unterhöhltem Fußboden (tuapmisur<i\ und hohlen Wänden, durch welche die heiße Luft strich, endlich rechts am Ende c die viereckige Wanne fiir das warme Wassexbad {lavaHo calda ) , alles dies in wesentlicher Übereinstimmung mit den Vorschriften Vitruvs (V, 10). Nach einer sehr ungenauen Auslegung eben dieses Capitels des Vitruv ist vielfiich behauptet worden , nach seinen Vorschriften sei mit dem Caldarium das »Laconicuma verbunden gewesen, während er doch nur sagt, ein solches solle neben dem Tepidarium angelegt werden. Und weiter hat man demgemäß eben dies sLacunicum« in der Nische mit dem Labrum gesucht. Nach der einzig richtigen Ansicht über die Natur dieses Haderaumes ist es jedoch gewiss, dass in den kleineren Thermen überhaupt gar kein Laco- nicnm gewesen ist und dass am wenigsten die Nische mit dem Labrum, deren sehr verschiedenen Zweck wir demnächst kennen lernen werden, als solches gelten kann. Denn das Laconicum war ohne Zweifel ein eigenes, zur Her- vorbringung einer besonders starken Hitze eingerichtetes, von den gewöhn- lichen drei Baderäumen gänzlich abgetrenntes, mit dem Tepidarium als Vorraum aufs natürlichste verbundenes und mit einer Kuppel überwölbtes Gemach. Dagegen dient die halbrunde Nische am einen Ende des Caldarium nur als architektonisch höchst angemessen gestalteter Ort zur Aufnahme des runden Labrum, um welches sie einen überall gleich (1,30 M.) weiten Umgang herstellt. Unmittelbar vor dem Bogen , der die Nische von dem Caldarium sondert, findet man in der Ansicht Fig. 122 das größte Fenster in der Mitte der Decken Wölbung, zu beiden Seiten sind kleinere angebracht, so dass man sieht, wie eifrig bedacht die Pompejaner waren, in diesen heißen Bäumen ' volles Licht und zugleich die nöthigen Öffnungen zum Ablassen des Dampfes und zum Einlassen frischer Luft herzustellen. Diese Fenster sind übrigens in so BufTallendem Maße unorganisch durch die Wölbung gebrochen, dass mau sie für modern halten konnte, und, um sich von dem Alterthum dieser Fenster zu überzeugen, erst darauf aufmerksam werden muss, dass die Omamentirung

Overbcok, roBpaji. 1. Anfl. 14

210 DritC«a Capitel.

durch die Uffnungen nicht uiiterbioclien wird, sondern Bich bis in dieselben hineinzieht. Die Omamentirung besteht in Stuccoreliefen , welche in den Hauptfeldern schwebende weibliche Figuren darstellen. Grade über dem Labrum befindet sich ein rundes Fenster in der Wölbung der Nische, auch dies nach Vitruvs Vorschrift, der als Grund dieser Stellung angiebt, dass die Schat- ten der sich waschenden Perso- nen nicht in die Wanne fallen sollen. Das Labrum in Pompeji ist eine groBe äache Kumme von 2,34 M. Durchmesser, 0,21 M. Tiefe und 1 M. Erhebung über den lioden, in der Mitte nabel- fbrmig erhoben. Hier ist eine bronzene Röhre durchgetrieben, durch welche das Wasser empor- stieg. Dies Wasser war wahr- scheinlich von gemäSigter Tem- peratur ; in den größeren Ther- men ist es zwar ganz unzweifel- haft, dsss das zum Labnim des Frauenbades leitende Wasser- rohr aus dem Heizraum kommt, doch kam es sicher aus dem am höchsten gelegenen und am we- nigsten erwärmten der drei wei- Fig. 122. Aniicht dea Caldarium, terhin zu besprechenden Wasser-

behälter. Nur von diesem aus hatte es den nÖthigen Druck, um in einem Strahl emporzusteigen, und es ist beachtenswerth . da^s in beiden Thermen die Wasserbehälter so angeordnet sind, dass der wärmste dem Alveus, der kühlste dem Labrum zunächst liegt. Das Becken ruht auf einem nicht eben zierlichen Fuße von Lava, welcher aber aus dem besondem Grunde so schwerfallig genommen scheint, um einigen kleinen Rissen im Marmor eine um so festere Unterstützung des Ganzen entgegen zu setzen. Es war nach Decurionendecret von den Rechts- duumvirn des Jahres 3/4 n. Chr. (/. Jt. N. 2223. 2264; C. /. L. X, 824. 893 j Gnaeus Melissaeus Aper und Marcus Staius Kufus aus Öffentlichen Mitteln beso^t worden, wie uns die folgende mit Bronzebuchstaben in den Band eingelegte Inschrift lehrt :

CN MELISSAEO CN F APRO M STAIO -MF- BVFO - II VIR ITER ID LABRCH EX D D EX P P F C C0N8TAT - HS »CCL

aus der wir zugleich den Preis erfaliren, der für dieselbe bezahlt wurde iutd der sich auf 5250 Sestertien, nach unserem Gelde 1140 Mark belief, eine

Die öffentlichen Qeb&ude. Die kleineren Thermen. 211

Summe, die jetait wohl ungenügend sein würde, um eine solche Marmorwanne zu bezahlen.

Am entgegengesetzten Ende des Caldarium (c Fig. 121, im Vordergründe Fig. 122) ist die viereckige Wanne [aiveus] für das warme Bad. Auf zwei Stufen stieg man zu derselben hinauf und setzte sich auf die dritte oder die Wand der Wanne von weißem Marmor und 0,41 M. Breite. Die Füße ruhten auf einer innem Stufe von halber Höhe der Wanne, vermittelst deren man sich allmählich in das warme Wasser tauchen konnte. Die ganze Länge der Wanne ist 5,05 M., die Breite 1 ,59 M. und die Tiefe beträgt nur 0,60 M. Zehn Personen können neben einander auf dem Boden des Bassins gesessen haben ; denn sitzend wird man, nach der geringen Tiefe der Wanne zu schließen, das Bad genommen haben, weshalb auch die hintere Wand derselben wie die Lehne eines Stuhles geneigt ist. Das heiße Wasser kam vermuthlich aus einer über der linken Seite der Wanne in der hier nicht erhaltenen Wand ange- brachten Röhre. Ein Kupferrohr, welches in der linken vordem Ecke, am obem Bande, in die Wanne selbst einmündet, ist, nach der Form seiner Öffiiung zu schließen, eher ein Abflussrohr, durch welches das Wasser in dem- selben Maße, wie es zufloss, entfernt wurde. Durch eine Öfihung im Boden, welche mit einem beweglichen Stein geschlossen wurde , konnte die ganze Wanne, der Reinigung halber, ausgeleert werden; das Wasser floss dann auf den Fußboden und diente zugleich zur Reinigung desselben.

Zwischen dem Labrum und diesem Alveus ist nun endlich das eigentliche Caldarium, das trockene, d. h. nicht durch Dampf, wie in unseren russischen Bädern, vermittelte Schwitzbad, dessen Sitze von Holz gewesen sein werden, weil außer diesem Material nur Stein der dauernden warmen Feuchtigkeit widerstanden haben würde. Der Boden ist nach dem Alveus hin leise geneigt, es muss also in seiner Nähe ein Abfluss für das niedergeschlagene Wasser ge- wesen sein. Aus Rücksicht auf die in diesem Gemach stätig aus dem Alveus aufsteigenden warmen Dämpfe sind seine Decorationen ungleich einfacher als die des Tepidarium; Malerei fehlt ganz, weil sie nicht Stand gehalten hätte ; die Wölbung ist nach einem sehr guten Motiv querüber von Carnies zu Camies gleichsam cannellirt , wodurch die Form des Tonnengewölbes nachdrücklich hervorgehoben und zugleich dem an der Decke in Tropfen condensirten Dampf eine Reihe von Rinnen zum Abfluss geschaffen wird ; im ganzen Raimie treten flach cannellirte Wandpfeiler hervor und die Kuppel über dem Labrum enthält die auf der Ansicht Fig. 122 erkennbaren, schon erwähnten Stuccoomamente . Unterhalb der Kuppel ist , wie in den vorhin besprochenen Räumen , eine Öffiiung für die Lampen angebracht ; sie muss durch eine Glasscheibe ge- schlossen gewesen sein, und Glasscheiben werden wir auch in den Fenstern der Decke anzunehmen haben, nicht geöltes Leinen, welches sonst in der- artigen Räumen auch verwandt wurde; denn das Bestreben, viel Licht zu schaffen, ist hier augenfällig. Der Fußboden ist von Mosaik und durch kleine Ziegelpfeiler, suspensurae^ unter den Ecken der einzelnen das Mosaik tra- genden großen Thonplatten unterhöhlt. In ähnlicher Weise ist die Höhlung der Wände hergestellt. Dieselben sind nämlich nicht, wie in manchen anderen Beispielen solcher Anlagen, von denen dasjenige des Caldarium der größeren

14*

2 1 2 Drittes Capitel.

Thermen (s. unten) am nächsten liegt, von einem System von Thonröhren durchsetzt, durch welche die heiße Luft circulirte, sondern sie bilden gleich- sam eine große Röhre, indem 0,07 M. von der Mauer eine Verkleidung von Thonplatten gebildet ist, welche mit jener durch an ihren Ecken angebrachte thöneme Zapfen verbunden sind ^*) .

Unmittelbar neben dem Caldarium liegt der Heizapparat , zu dem ein eigener, jedoch, wie schon bemerkt, erst nachträglich eingerichteter Ein- gang c von der Strada delle Terme, femer der Gang vom Apodyterium und ein zweiter Gang aus dem Hofe K führt, in welchem letztem wahrscheinlich das Brennmaterial aufbewahrt wurde. Der Heizapparat bestand aus der Feuer- stelle und drei eingemauerten großen cylindrischen Kesseln. Zu der Feuerstelle gelangte man, um das Feuer zu schüren, zu ebener Erde, zu den Kesseln seit- wärts über eine kleine Treppe. Aus der Feuerstelle a leitete ein gemauerter Gang die heiße Luft unter den Fußboden und in die hohlen Wände des Calda- riums. Über ihr (also auch mit a bezeichnet) stand der erste und größte Kessel von 2,20 M. Durchmesser, aus dem sich ohne Zweifel das heiße Wasser in die Wanne des Caldariums ergoss. Der zweite Kessel ß stand über einem runden hohlen Saum, welcher mit der Feuerstelle in unmittelbarer Verbindung steht, so dass das Wasser hier noch einen ziemlich hohen Wärmegrad erreichen musste. Auch unter dem dritten Kessel y war ein solcher hohler Baum; doch steht derselbe mit dem unter ß, und also auch mit der Feuerstelle in keiner Verbindung, wohl aber mit dem hohlen Raum unter dem Fußboden des Cal- dariums. Er wurde also nur durch die von dort zurückströmende heiße Luft erwärmt, so dass hier das Wasser nur eine sehr gemäßigte Temperatur erreichen konnte; von hier aus wurde vermuthlich, wie schon bemerkt, das Labrum gespeist. So hatte man stets Wasser von drei verschiedenen Temperaturen zur Verfügung, und es ist klar, dass a, wie sein Inhalt verbraucht wurde, aus ßj dies wieder aus / gefüllt wurde. In geringer Entfernung liegt dann der große, tiefe, viereckige Brunnen <J, welcher theils durch das auf die flachen Dächer der Baderäume fallende Regenwasser, theils durch Leitungswasser gespeist wurde, wovon noch weiter die Rede sein wird. In dem Vorräume des Heerdes, dem prae/umiumy in welchem sich der Heizer, furrmcarius oder fomacatoTy aufhielt , fand man eine beträchtliche Menge Pech , welches zur lebhaften Anfachung des Feuers gedient haben mag.

Der schon erwähnte Hof K war durch eine Thür vom Vicolo delle Terme und in einer frühem Zeit durch eine zweite aus dem südlich anstoßenden Laden zugänglich. In ihm befinden sich zwei Säulen. Von diesen war die eine mindestens 5,60 M. hoch; ihr Mauerwerk ist Netzwerk aus Cruma (Lava- schaum), wechselnd mit Ziegelschichten; ihr unterer Theil, bis zu 1,48 M., ist umgeben von einem dicken Ziegelmantel (Durchmesser c. 1,21 M.). Die andere Säule besteht aus Ziegeln und war sicher viel niedriger. Hieraus und aus ihrer ganz unsymmetrischen Stellung geht hervor, dass sie kein Dach trugen. Ihr Zweck ist also dunkel ; man hat vermuthet, dass die erstgenannte Säule eine Sonnenuhr trug, wie wir sie auf einer Säule am Apollotempel fanden. In der That würde die Form der Säule dazu wohl passen ; zwar wäre der dafür gewählte Raum seltsam, doch werden wir bei den weiterhin zu besprechenden

Die öffentlichen OebSude. Die kleineren Thermen. 213

Centralthermeii etwas ähnliches zu vermuthen Anlass haben; die Kauart. der Säulen passt zu der des ganzen Gebäudes. Bei & sind zwei Treppen an- gegeben : eine derselben führt auf das flache Dach der Laderäume, die andere abwärts zu einem Gange unbekannter Bestimmung, der sich unter das Männer- caldarium richtet; er theilt eich in zwei Arme, deren einer sich gleich links wendet, der andere unter der Mauer der achola labri vermauert ist.

Getrennt von dem beschriebenen Männerbad liegt das jetzt in der Regel verschlossene und als Magazin benutzte Frauenbad, welches, im Plane durch dunkle Schraffirung unterschieden, dieselben Räumlichkeiten wie das Männer- bad, nur kleiner und mit weniger eleganter Ausstattung enthält. J'ist das Caldarium mit unterhöhltem Fußboden, mit Labrum ß. Derselbe Heerd und Kessel, welcher das Caldarium des Männerbadea veisoi^e, brachte auch in das Caldarium der Frauen heiße Luft und heißes Wasser ; der Canal ist auf dem Plane punktirt. Vor dem Caldarium liegt das Tepidarium O, ebenfalls mit hohlem Fußboden, unter den sich die Luft aus der suspensura des Calda- rium verbreitete, so dass hier eine eigene Feuerpfanne bei der geringem Größe und Entfernung vom Meerde überflüssig wurde. Der Umstand, dass das Tepidarium in der Frauen abtheilung > mit einer auapenmra versehn ist, während diese in demjenigen der Männerabtheilung, wie we- nigstens allgemein angenommen wird, fehlt^^i, ist sehr auffallend, da ja sonst die Männerabtheilung offenbar die bevorzugte ist, und sicher waren beide ursprünglich in dieser Beziehung gleichg^ stellt. Wir können aber auch aus anderen Umständen nachweisen, dass die Frauenabtheilung uach- tri^liche Veränderungen erfah- renhat. Zu denselben gehörtder auf dem Plan sichtbare östliche Ausbau des Caldariums F\ und auch die nördliche Fa^de an der Strada delh Terme scheint um- gestaltet worden zu sein. JTist das Apodyterium, auf welches das Ftigidarium mit der Piscina

/ wie eine Art Alkoven weit ge- pig. 123. AoBioht de« Frauenbaaes.

öfihet ist. Von diesem Baume

giebt Fig. 123 eine Ansicht. Rechts am Frigidarium vorbei fuhrt der Ausgang durch die Thür / und einen kurzen, rechtwinkelig gebrochenen Gang zunächst in einen Vorhof m mit einer steinernen Bank, gleich denen im Apodyterium,

214 Drittes Capitel.

und dann durch den Eingang b auf die Strada delle Tenne. Dieser Vorhof war nicht immer vorhanden, sondern ist offenbar erst später angelegt worden, während früher die Bank frei an der Straße lag ; ohne Zweifel war er. so wie auch die gemauerte Bank am Ostende der Nordfront neben dem Eingang a ^, für die wartende Dienerschaft bestimmt. Der schon erwähnte Umstand, dass alle genannten Käumlichkeiten dieser streng abgetrennten Abtheilung der Thermen von ungleich einfacherer Omamentirung als die der gröBem Abtheilung sind, hat auf den Gedanken geführt, in dieser Abtheilung, welche als die Frauenabtheilung bezeichnet worden ist, die Badezimmer für die ärmere Classe zu finden. Eine bündige Widerlegung dieser Auffassung ergiebt sich eröt aus der Betrachtung der gleich zu besprechenden größeren Thermen, wo in der Frauenabtheilung die zur Aufbewahrung der Kleider bestimmten Nischen niedriger sind als in der Männerabtheilung, entsprechend dem durchgängigen Größenunterschied der Geschlechter. Da es aber reine Willkür sein würde, die ganz entsprechende Verdoppelung der Bäume hier anders als dort zu erklären, so werden wir ohne Bedenken auch hier das Frauenbad erkennen dürfen. Bei der Zurücksetzung der Frauen ist die geringe Ausschmückung der für sie bestimmten Baderäume erklärbar genug.

Eine andere Ansicht hat Breton [Pompeia decrite, 3. Ausg. Paris 1870) auf- gestellt : nach ihm wäre die Frauenabtheilung das ältere Badehaus, die Män- nerabtheilung ein neues und erweitertes. Umgekehrt sind Nissen und Schöne (Pomp. Stud. S. 128 ff.), welche die beiden Abtheilungen als Männer- und Frauenbad unterscheiden, der Ansicht, dass das Frauenbad erst später hinzu- gefügt worden sei. Beide Meinungen widerlegen sich durch eine sorgfältige Prüfung des Mauerwerks, welche ergiebt, dass dasselbe gleichartig und offenbar zu gleicher Zeit entstanden ist, mit Ausnahme einiger Reste älterer Gebäude, die man stehn gelassen und für den Neubau benutzt hat, imd einiger, schon erwähnter Veränderungen am Frauenbad. Jene älteren Keste sind die West- mauer des Frauencaldariums und die Läden der Südseite mit ihren ersten Hinterzimmem : sie beweisen, dass die Insula schon vor dem Bau der Thermen wesentlich ihre jetzige Form hatte ö<^).

Zu bemerken ist noch, dass die ganze Nord- und Ostseite des Gebäudes, an der Thermen- und Forumstraße, mit einem vorspringenden Dach zum Schutz gegen Bogen versehen war, wie aus den Löchern für die Dachbalken und ihre schrägen Stützen deutlich hervorgeht.

Was endlich die Zuleitung des für diese Thermen nöthigen Wassers anlangt , so kann dasselbe nur durch die städtische Wasserleitung geliefert worden sein. Ein Pfeiler derselben findet sich in n auf dem Plane, und hinter diesem Pfeiler, welcher ohne Zweifel, grade so wie die übrigen, ein offenes Bassin getragen hat (s. unten) ist eine überwölbte Öfinung schräge durch die Mauer in den Baumiw/des Planes gebrochen, und zwar in einer Richtung, dass ihre Verlängerung auf den, Brunnen d trifft. Dagegen hat die große Cisteme, L L L auf dem Plane , welche erst in der allerjüngsten Zeit völlig ausgeräumt und dabei als in der Ausbesserung (Abputzen der Wände) begriffen gefunden worden ist, mit den Thermen keinen Zusammenhang. Diese Cisteme bildet einen durch nach innen vorspringende Pfeiler in drei Abtheilun^n

Die Öffentlichen Ctebäude, Die größeren Thermen. 215

getrennten, von starken, nur hoch oben von einigen (zum Theil modernen) Licht- und Luftöffhungen durchbrochenen Mauern umgebenen, überwölbten Baum, der, gegen zwei Stockwerke über die Straße erhoben und tief unter ihr Niveau hinabgehend, eine groBe Wassermasse zu enthalten bestimmt gewesen ist. Dieses Wasser wurde durch ein rundes Rohr weiter geleitet, welches etwa 1 M. vom Boden die Wand gegen o, eine zu einem Fenster emporfuhrende Treppe, durchsetzt, während eine in derselben Wand dicht am Boden angebrachte viereckige und mit Bronze verkleidete Öffnung offenbar zur Reinigung der Cisteme gedient hat und den am Grund angesammelten Rückständen des Wassers von Zeit zu Zeit einen unterirdischen Abfluss ver- schaffte. Diese Öffiiung ist nämlich in dem Räume, zu welchem die Treppe o hinabführt, mit einer bronzenen Schiebeklappe verschlossen gewesen ; wurde diese gezogen . so floss der unreine Rest des Wassers ab und man konnte, über die Treppe o empor und durch das Fenster über eine Leiter hinabstei- gend, die Reinigung gründlich bewerkstelligen. Durch die Leitungsöffhung ist, weil sie höher lag, offenbar stets nur reines Wasser abgeflossen, während sich der Bodensatz unterhalb derselben sammelte.

b. Die größeren Thermen o^.

Schon seit langer Zeit hatte man aus der Kleinheit der früher bekannten Thermen in ihrer Gesammtheit und in ihren einzelnen Räumen geschlossen, dass sie schwerlich das einzige öffentliche Badehaus Pompejis gewesen seien. Es konnte daher die Auffindung eines zweiten Badehauses im Jahre 1857, dessen Ausgrabung bis 1860 im Wesentlichen vollendet wurde, nicht unerwartet sein; wohl aber gehört trotzdem und obgleich die neuen Thermen in manchem Betracht als eine Wiederholung der früher bekannten gelten müssen , diese Entdeckung zu den bedeutendsten und erfreulichsten der Neuzeit. Denn die neuentdeckten Thermen sind nicht allein größer als die alten, sondern sie zeigen auch eine ganze Reihe neuer und interessanter Räume und bieten starke und lehrreiche Eigenthümlichkeiten, welche zu einer nähern Betrachtung auch dann auffordern würden, wenn es sich nicht zugleich um reichen, merkwürdigen und schönen künstlerischen Schmuck handelte. Indem nun diejenigen Stücke, in welchen die neuen Thermen die alten wesentlich wiederholen, so kurz wie möglich behandelt werden, wird die Aufmerksamkeit besonders auf dasjenige zu lenken sein, was sie Neues und Eigenthümliches darbieten.

Auch hier müssen wir eine Inschrift an die Spitze der Besprechung stellen. Sie wurde, angelehnt an die Mauer, also nicht an Ort und Stelle, in dem kleinen Flur^ im Plane Fig. 124 gefunden, wohin sie, beim Umbau der nach dem Erd- beben vom Jahre 63 neu hergestellten Thermen von ihrem Platze entfernt, einstweilen abseit gestellt worden sein muss. Diese Inschrift (jetzt in Neapel) besagt :

C Uulius C, f. P. Aninitis C, f, II v. i, d, Laconicum et destrictarium fon dand, et porticus et palaestr, reficiunda locarunt ex d[ecurionum) d[ecreto) ex ea pegtmia quod eo8 e lege in ludos aut in monumento consumere oportait faciun coerarunt eidemque probaru[nt]

21 G Dritteg CapiteL

also nach dem wesentlichen Inhalte, dass die Rechtsduumvim C. Ulius und P. Aninius nach Decret der Decurionen die Herstellung eines Laconicum und Destrictarium und die Wiederherstellung einer Palaestra und einer Por- ticus in Accord gegeben, und zwar aus dem Gelde, welches sie nach dem Gesetze auf Spiele oder ein Monument verwenden sollten, und dass dieselben den Bau nach der Vollendung geprüft und gebilligt haben.

Wichtig ist die Inschrift besonders dadurch, dass sie (ähnlich wie diejenige am Gebäude der Eumachia, s. oben S. 131) vier Theile des zu betrachtenden Gebäudes, Laconicum, Destrictarium, Palaestra und Porticus, bestimmt nennt. Diese werden also in den zu durchwandernden Bäumen aufzusuchen sein, wobei jedoch gleich hier mit Nachdruck hervorgehoben werden muss, dass die In- schrift aus entscheidenden sprachlichen und epigraphischen Grründen trotz einigen entgegenstehenden Schwierigkeiten etwa in das Jahr 70 vor u. Z. zu setzen ist, dass folglich die in ihr erwähnte Wiederherstellung von Porticus und Palaestra nicht durch das Erdbeben von 63 n. Chr. veranlasst worden sein kann, und dass es demgemäß von vom herein fraglich ist, ob sich die genannten Räume alle in den Ruinen unserer Thermen werden nachwei- sen lassen, ob nicht vielmehr ihrer einige durch die neueste Restauration beseitigt oder in ihrer Bestimmung geändert worden sind. In der That werden wir finden, dass auch noch nach der Zeit des Ulius und Aninius, und nicht nur in Folge des Erdbebens vom Jahre 63 n. Chr., mancherlei Ver- änderungen vorgenommen worden sind. Andererseits aber ist klar, dass eine schon um 70 v. Chr. emeuerungsbedürftige Anlage geraume Zeit vor der Deduction der sullanischen Colonie erbaut sein muss. Damit verträgt es sich vortrefflich, dass die Bauart Bruchsteinmauem (optis incertum) mit Ecken und Thürpf Osten aus Kalksteinquadem, Fa9aden aus Tuffquadem ganz ent- schieden die der samnitischen Zeit, der Tuffperiode ist, so wie auch, dass man hier eine Sonnenuhr mit oskischer Inschrift fand. Dass die unter griechischem Einfluss stehende Stadt schon damals eine Palaestra hatte, während dieselben in der römischen Welt erst unter Augustus gewöhnlich wiurden, kann uns nicht Wunder nehmen, nachdem wir bereits (obenS. 150) eine solche, aus vor- römischer Zeit stammende Anlage gefunden haben. Doch gehn wir zur Betrachtung des Gebäudes selbst über, welches nördlich von dem Theater- viertel liegt und im S. von der Straße der Holconier (der verlängerten Abbon- danzastraße) , im W. von der Theaterstraße, im O. von der Stabianer, nördlich dagegen von einem Privathause, demjenigen des Siriciis, begrenzt wird und, die im W. angrenzenden Läden mitgerechnet, einen Flächenraum von etwa 60 M. mittlerer Breite (v. O. n. W.) und 55 M. Tiefe (v. S. n. N.) bedeckt. Der Plan (Fig. 124) ist in ähnlicher Weise wie derjenige der früher gefundenen Thermen behandelt, um dem Leser die Übersicht über dessen einzelne Theile und eine schnelle Orientirung in denselben zu erleichtem. Und zwar sind die Mauern der Haupträumlichkeiten , welche sich als das Männerbad erweisen werden, schwarz gezeichnet, diejenigen einer zweiten Abtheilung, welche das Frauenbad darstellt, dunkel schraffirt, der Hof, wie sich zeigen wird die Pa- laestra , und Alles was zu dieser zu gehören scheint , heller schraffirt , eine abgesonderte, im Norden hinter diesem Hofe und den ihn begrenzenden

Die öffentlichen Gebäude. Die größeren Thermen.

217

Käumen an einem eigenen gewölbten Gange liegende Abtheilung mit ganz feiner Strichlage bezeichnet, während die Mauern der umgebenden Läden, welche nicht zu den Thermen selbst gehören, weiß gelassen sind. Für die erste Abtheilung sind zugleich zur Bezeichnung der einzelnen Bäume römische Ziffern, für die zweite arabische Ziffern, für die dritte große Buchstaben, für

MOfr

Fig. 124. Plan der größeren Thermen.

die vierte kleine Buchstaben und zur Bezeichnung von Einzelheiten und be- sonders bemerkenswerthen Punkten das griechische Alphabet angewendet.

Nicht weniger als sieben Eingänge führen von den drei begrenzenden Straßen in die Thermen, und von diesen zwei, j^ der Haupteingang des ganzen Gebäudes von der Straße der Holconier und V^ von der Theaterstraße, in den

218 Drittes Capitel.

großen Hof C; einer X* von der Straße von Stabiae in die Hauptbadeabthei- liing; zwei, l* von derselben und 5* von der Theaterstraße in die zweite Ab- theilung der Bäder ; einer a* von der Theaterstraße in die hinter dem Hofe gelegene Sonderabtheilung, und endlich einer XH* von der Straße von Stabiae zu den Heizräumen.

Betreten wir das Gebäude durch den Haupteingang A*, in dessen an der Straße gelegener Schwelle die Reste eines doppelten Thürverschlusses sichtbar sind, so stehn wir in einer Art von Vestibulum -4, welches erst nachträglich aus einem Laden in das verwandelt worden ist, was es jetzt darstellt. Sein Fußboden, sowie auch die ihm entsprechenden Theile des Trottoirs und der Säulenhalle Bj ist mit Travertinplatten belegt; seine Wände sind über schwarzem Sockel roth bemalt und mit unbedeutenden kleinen Malereien ver- ziert. Aus diesem Vestibulum gelangt man in den großen Hof C und in den ihn imigebenden Umgang B, B% jB". Dieser 3 M. breite Umgang, welcher den Hof an der Süd- und Ostseite ganz, an der Nordseite zur Hälfte begrenzt, wurde ursprünglich gebildet von gut gearbeiteten, nicht cannellirten sondern nur gekanteten dorischen Tuffsäulen von 2,78 M. Höhe und 0,40 M. Durch- messer, welche 1,50 M. von einander entfernt standen. In der hintern Hälfte von ff sind einige derselben ohne die spätere Ubertünchung sichtbar, und hier zeigt sich , dass die alten , gut gearbeiteten Trommeln irgendwann einmal theilweise durch andere von viel gröberer Arbeit ersetzt worden sind. Später, wohl nach dem Erdbeben von 63, sind sie dann mit einer dicken Stuckhülle umgeben (vgl. Fig. 125) und, wie oft in Pompeji, unten, soweit sie zugleich etwas stärker gehalten sind, gelb, darüber weiß bemalt, mit cannelurartigen Streifen bedeckt und mit einem Phantasiecapitell versehen worden. Wahr- scheinlich eben damals wurden weitere Veränderungen vorgenommen. Wir können auch in den Peristylien der Privathäuser beobachten, dass man in der letzten Zeit Pompejis es liebte, das dem Eingang entsprechende Intercolum- nium, und auch wohl das gegenüberliegende, zu erweitem und auch sonst hervorzuheben. So hat man auch hier dem Eingang entsprechend an die Stelle von vier Säulen zwei längliche Pfeiler gesetzt, welche um etwa 1,70 M. höher sind als die Säulen, an der dem Eingang abgewandten Seite aber mit einer Halbsäule abschließen, welche den Säulen an Höhe gleich ist und mit ihnen dasselbe Gebälk trägt (s. Fig. 125). Und dasselbe Motiv wiederholt sich, mit einigen Variationen, an der Kückseite, dem Eingang gegenüber; hier steht an der Kückwand eine Herme, welche jenen eigenthümlichen Typus des Hermes, des Gottes der Palaestra, darstellt, welcher uns schon im Apollotempel (oben S. 101) begegnete, nur von weit geringerer Arbeit und etwas kleiner. Links von diesem erweiterten imd erhöhten Intercolumnium schließt mit noch einer Säule und einer Halbsäule die nördliche Halle ab, und es folgen andere Bäume (•/, Ä), von denen noch weiter die Rede sein wird. Am Westende der vordem Halle sind zwei Säulen durch eine ersetzt worden, um dem noch zu besprechen- den Streifen d d ein weiteres^ Intercolumnium entsprechen zu lassen.

Von dem alten Tuffgebälk ist nichts an seinem Platz geblieben ; einige Blöcke (mit Zahnschnittgesims , von geringer Ausdehnung, so dass sie auf einer Holzbohle ruhen mussten) liegen im Vestibül A. Der spätere^ auf einer

Die öffentlichen Geb&ude. Die größeren Thermen. 219

HolzboUe aufgemauerte Architrav, schwerfallig, mit Stuccoomamenten und rother und blauer Malerei auf weißem Grunde, ist bei a' a' und a" a" erhalten, so wie auch Reste des gegen C geneigten Daches, welches bei der Ausgrabung fast ganz erhalten gefunden wurde, aber bald bis auf einzelne Reste zusam- menstürzte. Oberhalb desselben ist die Wand mit wilden Thieren, den so beliebten Venationen der Arena, bemalt. Dagegen befanden sich über dem vordem Umgange B obere Räume , welche aber zu den anstoßenden Läden gehörten ; denn nur hier finden sich Spuren von Treppen ; ein Mauerrest ist bei a a erhalten (vgl. Fig. 125). Die Pfeiler sind mit den Säulen überein- stimmend bemalt. Der Umgang selbst ist, ausgenommen das Stück am Ein- gange , wo sich das Travertinpflaster fortsetzt , mit optts Signinum geplattet, seine Wände sind wie die des Vestibüls gemalt. In dem Umgange befindet sich an der Südseite hinter den Säulen eine Steinbank ß ß, welche, solange hier die Decke des obern Geschosses vorhanden war, den ganzen Tag im Schatten lag und offenbar für diejenigen bestimmt war, welche hier in Muße dem Leben und Treiben auf dem Hofe zusehn wollten. In dem Boden des Umgangs ff liegen mehre Bleiröhren, welche sich in die Wände der angren- zenden Baderäume ziehn und zu der diesen das Wasser zuführenden Leitung gehören. Innerhalb der Säulen umgiebt den ganzen Hof eine Rinne, der- gleichen wir schon aus dem Apollotempel und anderen Gebäuden kennen, bestimmt, das vom Dach abfließende Regen wasser aufzufangen. Bei y und / / ist dieselbe durch viereckige Bassins zur Abklärung des Wassers unterbrochen, welches aus y einen Abfluss in eine Kloake hatte. Wurde dieser, etwa durch einen Stein, geschlossen, so floss es weiter bis y", wo die Rinne durch eine Cistemenöffnung unterbrochen wird, welche das Wasser aufnahm.

Die schon erwähnte Sonnenuhr fand sich, gut erhalten, bei a' a' ; ihre Inschrift besagt, dass der Quästor Maras Atinius sie aus Strafgeldern nach Beschluss des Convents hat machen lassen. An den Säulen und Wänden des Umganges sind viele eingekritzelte und angemalte Inschriften, auch etliche rohe Griffelzeichnungen gefunden worden , auf die hier nicht weiter einge- gangen werden kann.

Der im Mittel 21 M. breite und 33 M. tiefe Hofplatz C hat einen Boden von gestampfter Erde ; nur an der Westseite zieht sich ein etwa 2,48 M. breiter Streifen <J <J von glattem grauem Tuffpflaster mit erhöhter Kant6 hin. Auf diesem lagen bei der Ausgrabung zwei große und schwere steinerne Kugeln, welche gewiss nicht zum Ballspiel, sondern, auf der gepflasterten Bahn gerollt, zur Erprobung der Kräfte dienten, wofür eine schriftliche Analogie beigebracht worden ist. Ob man nun hiemach die in Rede stehende Bahn mit Recht ein Sphaeristerium genannt hat (was einen Raum zum Ballspiel bezeichnet) , mag dahingestellt bleiben ; dagegen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass wir in diesem Hofe, mit Vorrichtungen zu gymnastischen Übungen, mit der Herme des Gottes der Palaestra, die Palaestra der an die Spitze dieser Besprechung gestellten Inschrift, in dem Säulengange die ebenda erwähnte Porticus vor uns haben. In oskischer Zeit war sie, griechischer Sitte gemäß, dem Treiben der Straße entrückt ; es gab keinen breiten Eingang [A*] , durch den man hinein blicken konnte. Man betrat sie durch eine nur 1,13 M. breite, später ver-

220 DritleB Capitei

mauerte Thür und einen rechtwinklig gebrochenen Gang bei ///, /', /. Dass ein ähnlich eny:er £ingang schon damals bei L* vorbanden war, können wir nur vennutheii, da die gait^te Fa^de von L' bis zu dem stumpfen Winkel auf der Südseite später umgebaut worden ist. Sicher ütammt aus dieser Zeit die Sonnenuhr, deren Inschrift uns die oakischen Behörden in Thätigkeit zeigt und in der Erwähnung dei- Strafgelder auf die in dieser Palaeetra ß^ltigen Kegeln

Fig. 125. Hof der giöQeien Thennen, die FalaeBtra gegen Südost.

und Gesetze hinweist, so wie auch die älteren Theile der Säulen (s. oben S. 218). Die jüngeren, gröber gearbeiteten Trommeln dürfen wir sicher auf die Wiederherstellung durch U litis und Aninius zurückfiihren. Auch der Säulenstuhl , die liegenrinne und die Bahn d Ö seheinen größtentheils von diesen Duumvim erneuert worden zu sein.

In unmittelbarer Verbindung mit der Palaestra stehn zuimchst diejenigen Bäume, welche im Plane mit D, E, F, G bezeichnet sind. Von diesen ist ganz unzweifelhafter Bestimmung der Raum F\ derselbe ist ein offenes Bade- oder Schwimmbassin von betrachtlicher Größe (12,7x8 M-) und 1,50 M.

Die öffentlichen Gebäude. Die größeren Thermen. 221

Tiefe, ohne Zweifel zu kalten Bädern unter freiem Himmel und in Verbindung mit den Leibesübungen der Palaestra bestimmt. Dieses unbedeckt gewesene Bassin öffnet sich in seiner ganzen Breite auf den Hof, und ist gegen den- selben durch eine niedrige, stufenförmige Brüstungsmauer abgeschlossen. Innerhalb dieser fuhren vom drei über die ganze Breite fortlaufende Stufen sowie an beiden Seiten von E und G ihrer je vier in die Tiefe hinab, während an der Kückseite und in der Mitte zwei Stufen angebracht sind, die sicher nur zum Sitzen gebraucht wurden. Die ganze Piscina oder Natatio war im Alter- thum mit weißen Marmorplatten ausgekleidet, von denen jetzt nur einige noch vorhanden sind, und muss in der That ein verlockend schönes Bade- bassin gewesen sein ; das Wasser wurde ihr durch ein Bleirohr in der einen Ecke bei zugeführt, während es durch eine große Öffnung bei e' abfloss. Ilechts und links in der Wand über diesem Bassin sind Nischen ^ ^ an- gebracht, welche in eigenthümlicher Weise mit Kalksteinstücken, die viele Pflanzenabdrücke enthalten, ausgekleidet sind, und in welchen einstmals Sta- tuen gestanden haben mögen.

Begrenzt wird das Bassin zu beiden Seiten durch die ursprünglich ganz gleichen Bäume E und &, welche sich gegen dasselbe mit zwei weiten . im Bogen geschlossenen Thüren öffnen, während sie durch eben solche Thüren mit der Palaestra in Verbindung stehn (s. die Ansicht nach S. 222). Beide Bäume waren ursprünglich flache Nebenbassins , und ein solches ist E bis zuletzt geblieben. Alle Eingänge liegen 0,65 M. über dem Boden, so dass das Wasser nicht durch sie abfließen konnte. Dasselbe fiel in das Bassin aus einer Bohre in einer kleinen Nische der Westwand imd floss aus E ab durch eine Öffiiung bei s' ; der Boden ist in E terrassirt, mit Resten von Mo- saikverzierungen. Die Wände waren bis zur Höhe von 2 M. mit Marmor bekleidet, oben mit weiterhin zu besprechenden Malereien bedeckt, welche für ein Wasserbassin trefflich passen ; die Marmorstufe, über welche man aus der Palaestra zu F hinaufsteigt, erstreckt sich ebenso auch vor E und G. In G aber ist in späterer Zeit der Fußboden bis zur Höhe der Eingänge erhöht worden ; der Baum hat also eine andere Bestimmung erhalten.

D ist ein großer Baum mit einfach weißen Wänden, an welchen ringsum Schränke von 1,65 M. Höhe deutliche Spuren zurückgelassen haben; auch von den Eisen, mit denen sie befestigt waren, sind Beste geblieben. Ohne Zweifel ist D ein Auskleidezimmer, und die Schränke dienten zur Aufbewah- rung der Kleider. Hier entkleidete und salbte man sich und ging dann in die P&laestra, um gymnastischen Ubimgen obzuliegen ; hierher kehrte man nach Beendigung derselben zurück, entfernte mittels des Schabeisens [stlenffis, stri- güis) Öl und Staub (aTto^vead-ai, destringere se), und begab sich dann zu- nächst in das flache Bassin £, um sich vollends abzuwaschen. Von hier mochte dann, wer wollte, noch in das größere und tiefere Bassin, die Natatio JPüber- gehn. Es ist nun klar, dass zu solchem Gebrauch E vollkommen bequem liegt, nicht aber 6r, weil es mit keinem Auskleidezimmer in Verbindung steht. Offen- bar ist G mehr nur der Symmetrie halber angelegt und wenig benutzt worden ; und dies war der Grund, weshalb man diesen Baum später durch Erhöhung des Fußbodens für eine andere, uns unbekannte Bestimmung einrichtete.

222 Drittes Capitel.

Aus dem Gesagten geht mit hinlänglicher Klarheit hervor, dass wir wahr- scheinlich in D das in der Inschrift genannte destrictai'ium zu erkennen haben , d. h. den Ort, wo man sich Staub und Ol abschabte, und der außerdem zum Aus- und Ankleiden diente. Ebenso klar ist nun freilich, dass alle die eben besprochenen Räume, so wie sie uns vorliegen, ihrer Bauart nach nicht aus der ersten Zeit der römischen Colonie stammen, nicht von Ulius und Aninius erbaut sein können, vielmehr der Kaiserzeit angehören. Ist also unsere Erklä- rung richtig , so müssen wir annehmen , dass das damals erbaute Destricta- rium später umgebaut worden ist : eine Annahme, der ja auch nichts im Wege steht. Wir haben also nur noch das Laconicum zu suchen.

Bevor aber weiter gegangen wird, ist noch ein Wort über den Wand- schmuck der besprochenen Bäume zu sagen. Die beiden einander entsprechen- den Räume E und G waren, so viel wir sehen, ganz gleich decorirt ; sie haben im Hintergrunde, dem Eingange von der Palaestra gegenüber, in der Wand eine viereckige flache Nische , welche mit einer Mosaikborde umgeben und mit Muscheln verziert ist. Unter diesen Nischen ist noch je eine kleinere angebracht (s. die beiliegende Abbildung) : aus dieser kam das Wasser. Im übrigen ist der blaue Grund durch pflanzenumrankte Pfähle, zwei auf jeder Wand, getheilt. Vor diesen Pfählen steht auf der Rückwand je eine Nymphe auf einem Postament, farbig gemalt, also als bemalte Statue gedacht, welche mit beiden Händen eine große Muschel, aus der Wasser sprudelt, vor sich hält (Hlbg. No. 1 057) . Auf der Südwand von E finden wir an gleicher Stelle einen ähnlich behandelten tanzen- den Satyr (Hlbg. No. 432); ferner war an jedem Ende jeder Wand eine auf einem Piedestal ruhende Sphinx in Weiß gemalt. Dazwischen sind auf dem blauen Grunde Pflanzen und Vögel dargestellt, so dass es scheint, als sähe man in einen Garten (Hlbg. No. 1545) . Unter dem Hauptgemälde läuft ein schmaler Sockel- streifen hin ; derselbe enthält in der Mitte jeder Wand eine aegyptische Land- schaft mit Pygmaeenscenen, Krokodilen und anderen Flussthieren, die zum Theil mit einander kämpfen ; an den Seiten ist er als gelbe Tafel behandelt. Unter diesem Streifen ist auf 2 M. Höhe die Wand nicht bemalt, sondern war mit jetzt fehlenden Marmorplatten bekleidet, ähnlich wie dies auch auf der Außenseite der Eingangswand dieser Zimmer der Fall ist , wo einige Marmorplatten erhalten sind (s. die dieser Seite gegenüberstehende Ansicht) . Die Wände des Destrictarium D sind einfach weiß. Desto reicher verziert zeigen sich dagegen die Mauern aller dieser Räume gegen den Hof, wie dies aus der Nachbildung der einen Hälfte derselben in der eben erwähnten Ansicht ersichtlich ist. Hier ist die ganze Wandfläche mit einer jener phantastischen Architekturen bedeckt, welche wir aus so vielen anderen Beispielen in öffent- lichen, besonders aber in Privatgebäuden kennen. Über gemeinsame Sockel erheben sich schlanke Säulchen mit Simsen verbunden, welche hier runde, da viereckige, bald offene, bald gradlinig oder mit flachen Wölbungen gedeckte Räume einfassen ; zweistöckig bauen sich diese über einander, Treppen führen hinein^ Thüren weisen auf dahinterliegende Gemächer hin, Draperien hangen von den Simschen, Balcönchen springen vor, Guirlanden schweben von Säule zu Säule ; das Ganze ist überaus luftig , leicht, zierlich, perspectivisch sym- metrisch gegliedert und doch überaus reich und laimig zu gleicher Zeit, sehr

Die öffentlichen Oeb&ude. Die größeren Thermen. 223

wenig classisch und sehr heiter. Diese gesammten architektonischen Glieder und Ornamente sind aber nicht j wie in anderen Fällen, gemalt, sondern in Stucco sauber ausgeführt und durch Stuccoreliefe weiter belebt und bereichert ; nur die Gründe sind farbig, roth und blau, und an untergeordneten Stellen sind kleine Bilder in die Stuckomamente eingefasst ; in Kelief ist auf der einen Treppe ein Jüngling mit einem Tambourin, auf der andern ein kleiner Satyr mit einer Fackel, der gegen einen Silen mit Trinkhom und Stab die Hand ausstreckt, und was dergleichen meist dem bakchischen Kreise entnom- mene Gegenstände mehr sind. Über der Wölbung aber des Eingangs zum Zimmer -B sitzt, nach einem auch sonst noch nachweisbaren Motive ^^) gut ausgeführt und trefflich erhalten; Zeus unterwärts bekleidet auf einem glatt- behauenen Steine, auf den er auch die Linke aufstützt, während er in hoch erhobener Rechten sein Scepter hält und sein Adler seitwärts auf einem Pfeiler sitzt. Auch die breiteren Wandflächen zwischen den Stuccosäulchen sind theils mit Reliefen bedeckt, theils mit Gemälden, meist Landschaften und einer jetzt fast unkenntlich gewordenen Darstellung des Hylasraubes (Hlbg. No. 1260 b) geschmückt, so dass, wenn man alles nennen und beschreiben wollte, kaum ein Ende abzusehn sein würde. Ganz ähnlich ist die Wand von G verziert, wo unter den, freilich viel schlechter erhaltenen tmd vielfach ganz abgefalle- nen, nur in den Umrissen erkennbaren Reliefen zwei als besonders interessant hervorzuheben sind, welche sich auf die Geschichte von Daedalos und Ikaros beziehn. Die ganze Decoration aber ist so reich und schmuck wie man sich nur Etwas denken kann, ein Abbild des üppigen und heitern Treibens, das sich durch diese Räume bewegt hat. Doch kann auf das Einzelne hier nicht näher eingegangen werden.

Es ist schon oben erwähnt worden, dass der Säulenumgang der Palaestra auf deren Nordseite in mehre loggienartige Gemächer, «/und üTim Plane, über- geht, welche zu der Palaestra ebenfalls in unzweifelhafter Beziehung stehn. In das erstere dieser Zimmer führt nur ein nicht breiter Eingang aus dem Flügel B^ der Porticus, während es mit einem sehr breiten aber verschließbar ge- wesenen Fenster über einer niedrigen Brüstungsmauer gegen den Hof und mit einem gleichen gegen das Zimmer K geöffnet ist. Seine Decoration ist über- aus einfach, der Boden von schlechtem opiM Signinum^ die Wand weiß über schwarzem Sockel bemalt. In diesem Zimmer fand man ein elegantes Kohlen- becken von Bronze, demjenigen im Tepidarium der kleineren Thermen (oben S.208) genau entsprechend und wie jenes mit der Inschrift M'NIGIDIVS-P -S« und dem redenden Symbol der kleinen Kuh verziert **) . Dass dieser Heerd nicht ursprünglich für dieses durch die zwei großen Fenster weit offene Zimmer bestimmt gewesen sein kann, ist fast augenscheinlich ; aus ihm also dürfen wir für die Bestimmung dieses Raumes keine Schlüsse ziehn ; aber auch sonst fehlt es an jedem Anhalt , um die Bedeutung dieses Zimmers festzustellen. Unmittelbar ergiebt sich, dass man aus demselben in aller Ruhe eine vortreff- liche Aussicht auf das Leben und Treiben der Palaestra hatte ; allein ob wir darin den Zweck der Herstellung dieses Locales erkennen sollen, ist doch zweifelhaft. Der angrenzende Raum K bildet eine nach vom ganz offene ^S^^) ^^ deren Öfihung nur eine Säule zwischen zwei Halbsäulen steht,

224 Drittes Capitel.

welche aber nicht als Fortsetzung der Porticus erscheinen, sondern höher sind als dieselbe. Die Wände sind einfach weiß bemalt, der Bewurf fehlt am untern Drittheil ; doch scheint dies nur zufällig zu sein. Da nun das rechte Inter- coluranium dieses Raumes sich grade auf das Nordende der mit Tuffplatten gepflasterten Bahn ö ö öffnet, so werden wir hier am natürlichsten den Standort derjenigen erblicken, welche auf dieser Bahn die oben (S. 219) erwähnten Steinkugeln entlang schoben. Die links auf dem Plane anstoßenden Ge- mächer stehn mit der Palaestra in keiner Verbindung, und auch den Raum rechts 6, obwohl in ihn eine Thür aus der Palaestra führt, werden wir nicht zu dieser, sondern zu der Abtheilung der Frauenbäder zu rechnen haben.

Lassen wir diese zweite Badeabtheilung einstweilen bei Seite und wenden uns derjenigen zu , welche* im Plan mit römischen Ziffern bezeichnet ist und deren Beschreibung sich wegen ihrer großen Übereinstimmung mit den klei- neren Thermen am schnellsten wird erledigen lassen. Man gelangt und gelangte in der letzten Zeit Pompejis in diese Abtheilung entweder von der Palaestra aus durch die beiden Eingänge IV* und I*, I**, oder von der Stabianer Straße aus durch X* : ganz wie wir es in den kleineren Bädern fanden. Von der Stabianer Straße aus kam man zuerst in einen kleinen Vorraum X2, mit Bänken für die ihre Herren begleitenden Sclaven, und von da in das Apodyterium VI. In älteren Zeiten war die Anordnung hier eine etwas andere. Man trat damals durch die Thür X** in den Raum X*, welcher zu- sammen mit X^ als Vorraum diente. Dies musste geändert werden, als man in dem Tepidarium VII eine Badewanne anbrachte, nebst einer Vorrichtung k um unter ihr von X^ aus ein besonderes Feuer anzuzünden: da X* nicht zu- gleich Vorzimmer und Heizraum sein konnte, schloss man die Thür X** und öffiiete eine neue X * ^^^) . Welchen Zweck der erst in später Zeit angelegte unbedeckte kleine Ausbau XI haben konnte, ist ganz unklar. Es ward schon oben erwähnt, dass der Eingang III* nachträglich vermauert worden ist: früher gelangte man durch ihn von der Straße der Holconier sowohl in die Palaestra als in das Bad. Betreten wir die Baderäume durch den Eingang I* von dem südlichen Säulenumgange der Palaestra aus, so befinden wir uns in einem Gange I, welcher ebenso bemalt ist wie das Vestibül A und die Säulen- gänge, und in welchem zu iinserer linken Hand wie in einer Nische zwischen den Pfeilern der Thüren I* und I** eine steinerne Bank für die wartenden Diener angebracht ist. Dieser Gang und der Gang III umgeben das schmucklose Gemach II, welches, aus einem ursprünglichen Laden in seine jetzige Gestalt gebracht, sich gegen den erstem Gang mit einem ziemlich großen Fenster öffnet und von demselben aus seinen Eingang hat. Wir lassen es unentschieden, ob dieses Zimmer für die Wächter und Capsarii bestimmt war, oder ob es als Elaeo- thesium, d. h. als Kammer für das Salböl diente, oder ob es noch eine andere, ims unbekannte Bestimmung hatte. Aus dem Gange I und III betreten wir in IV ein, wie wir gesehn haben, auch direct von der Palaestra her zugängliches Zimmer, welches sowohl zu der Cella frigidaria V, als auch zu dem Apodyterium VI, von dem es durch keine Thür getrennt war, im Verhältniös eines Vorzimmers steht. Es ist der am reichsten und prachtvollsten decorirte von allen Räumen der größeren Thermen und übertrifft selbst das angrenzende Apodyterium an Schmuck ; es ist

Die öffentlichen Qebäude. Die größeren Thermen. 225

überwölbt, aber etwas niedriger als das Apodyterium, während umgekehrt der Boden hier um eine Stufe höher liegt als dort. Die Decoration gehört^ wie in allen diesen Bäumen, der letzten Periode an. Die Wände sind roth, mit bunten Verzierungen bemalt, das vollkommen erhaltene Tonnengewölbe der Decke dagegen mit der reichsten Stuccaturarbeit bedeckt. Das Ornament gliedert sich hauptsächlich in theils runden, theils achteckigen Cassetten^ in denen wieder buntfarbige Stuccoreliefe angebracht sind, und zwar in den runden Feldern auf blauem, in den achteckigen auf schwarzem Grunde. In vier größeren Feldern sind halbnackte weibliche Figuren gebildet, deren drei Blumen in Füllhörnern, die vierte ein rundes Bild trägt ; in den kleineren Feldern finden wir theils Thiere, namentlich Seethiere, theils Amoretten. In dem großen Halbkreisbogen der Eingangswand unter dem Ansatz der Wölbung ist ein kreisförmiges Fenster in die Palaestra hinausgebrochen (welches man in Fig. 125 sieht), durch welches namentlich die Wölbung Licht erhält; unter diesem Fenster ist der Stichbogen mit einem Relief geschmückt, welches eine auf einem Meerungeheuer von Amoretten umgebene durch die Wellen schwim- mende Nymphe, Galatea etwa, darstellt.

Ehe wir von diesem Zimmer aus weiterschreitend das Apodyterium VI betreten, wenden wir uns auf einen Augenblick zu der Cella frigidaria V, um uns zu überzeugen, dass diese in allen Stücken, in der Einrichtung der pücina, der scholaey der Zu- und Ableitung des Wassers, jener durch eine Röhre in einer kleinen Nische, welche dem Eingange gegenüber sich hoch in der Wand befindet, dieser durch eine Öffnung am Boden der Piscina auf der Seite der Thür. vollkommen der Cella frigidaria der kleineren Thermen ent- spricht. Und nicht minder in der hier allerdings etwas reichem aber schlecht erhaltenen Decoration der Wände, welche in den Nischen zu den Seiten einer Vase mit sprudelndem Wasser Büsche und Sträucher mit Vögeln zeigt, wäh- rend auf die Wandflächen zwischen den Nischen unter Guirlanden Bäume und Sträucher gemalt sind, welche über eine Mauer emporragen; auch hier fehlt es nicht an wassersprudelnden, kelchartig gestalteten Brunnen. Der Grundgedanke ist also auch hier wie in der entsprechenden Ortlichkeit der kleineren Thermen die Nachahmung der freien Natur, und mit diesem stimmt es überein, dass die hier allerdings fast ganz eingestürzte kegelförmige Be- dachung blau gefärbt und mit Sternen verziert war.

Das Apodyterium VI, ein Saal von 1 1 ,50 M. zu 9 M. Größe ist der nächst dem Vorzimmer IV am elegantesten und reichsten geschmückte Raum dieser Thermen und übertrifft das Apodyterium der kleineren Thermen in diesem Betracht weit (s. die beiliegende Ansicht). Vier starke Pfeiler, welche aus seinen Langwänden vorspringen, und auf welche zwei Gurtbogen des Gewölbes aufsetzen, theilen ihn in drei ungleiche Abtheilungen. Zur rechten Hand des Jlintretenden beginnen von der Thür an den Wänden fortlaufende steinerne Bänke mit einer vor ihnen liegenden Stufe, welche sich rechts zwischen den Pfeilern und auch an der Wand des Ausgangs, links nur an dieser und bis zimi ersten Pfeiler der Langwand fortsetzen (s. den Plan Fig. 124) . Über derselben sind, aber ebenfalls nicht den ganzen Saal umgebend, zwischen den Pfeilern und weiter bis zur Eingangswand jene Nischen zur Kleideraufbewahrung an-

Orerbeck, Pompeji. 4.Aafl. 15

226 Drittes Capitel.

gebracht, welche wir aus dem Tepidarium der kleineren Thermen schon kennen, und welche hier wie dort auf einem schwer aus der Wand vorspringenden Abacus stehn und den Carnies tragen, nur dass hier die Telamonen fehlen, welche sich in den kleineren Thermen finden. Der Boden ist mit grauem Mar- mor gedeckt, in den hie und da, wohl von einer Restauration herrührend eine weiße Platte eingelassen ist ; ringsum läuft eine Borde von Lava ; in den beiden Ecken zimächst dem Eingang sind bei 1 1 Löcher angebracht, welche ohne Zweifel zum Abfluss des Wassers dienten, mit welchem man den Boden reinigte. Die Wände sind nur einfach, unten roth, oben weiß abgestrichen ; dagegen ist das freilich zum großen Theil eingestürzte Gewölbe nebst den Gurtbogen sehr reich und geschmackvoll mit Stuckomamenten verziert. Das Ornament besteht aus Cassetten, welche in der ersten Abtheiliing achteckig sind und zwischen schwebenden Figuren bakchischen Charakters Waffentro- päen enthalten, während in der zweiten in unten viereckigen, oben sechs- eckigen Cassetten Rosetten und schwebende Eroten angebracht sind. Die Gurtbogen sind auf ihrer untern Fläche mit phantastischen Ornamenten ver- ziert , dagegen zeigen sie auf ihren Seitenflächen schwebende , fast nackte weibliche Figuren, welche in Arabesken übergehende Delphine in den Händen halten. Nicht minder reich sind die oberen, durch die Wölbung halbkreis- förmig abgeschnittenen Theile der Eingangs- und Ausgangswand in Stucco omamentirt; phantastische Architekturen, wie wir sie als Decoration der breiten Wandflächen im Hofe kennen gelernt haben, bedecken, theilen und beleben auch diese Flächen, und auf den innerhalb der Säulchen dieser Architektur entstehenden Feldern sind theils auf Delphinen dahin schwim- mende Amoretten, theils auf leichten Postamenten stehende, fast nackte Figuren bakchischen Charakters angebracht.

Eigenthümlich ist in dieser Abtheilung des Bades die Anordnung des Apodyteriums und Frigidariums. Die Erweiterung des Apodyteriums durch den Vorraum IV ist nicht nur zwecklos, sondern es ist auch unbequem, dass sich die von der Palaestra her eintretenden und die aus dem Frigidarium V kommenden und dahin gehenden Personen in diesem engen Räume begegnen mussten. Es lässt sich aber noch nachweisen, dass die Bedeutung von IV ursprünglich eine ganz andere war, dass nämlich sein ganzer westlicher (der Palaestra zunächst liegender) Theil, bis dicht an die Thür von III, durch ein Wasserbessin eingenommen wurde. Offenbar konnte die Thür IV ^"^ nicht vor- handen sein, so lange dies Bassin in Gebrauch war. Wie aber letzteres benutzt wurde , ob etwa als ein flaches Nebenbassin , wie die , welche wir an der Palaestra fanden [Ey G; s. oben S. 221), das würde nur durch Nachgrabung vielleicht festgestellt werden können. Auch die Thür aus III musste damals unbequem sein; sie trägt kein Zeichen hohen Alters, und nichts hindert uns anzunehmen, dass sie jungem Ursprungs ist, und dass man damals am Ende von III, rechts imibiegend, wenn man von III* kam^ direct in das Apodyterium gelangte; der vollkommen erhaltene Stuck macht es unmöglich, zu unter- suchen, ob etwa hier eine Thür vermauert worden ist. So ist also IV erst später aus einem Theil des Frigidariums zu einem Vorzimmer geworden.

Eine Thür in der linken Langwand des Apodyteriums führt uns in das

n

Die öffentlichen Gebäude. Die größeren Thermen. 227

Tepidarium VII, welches namentlich in einem Punkte von der Einrichtung des Tepidariums der kleineren Thermen abweicht und uns hierin etwas Neues kennen lehrt. An seiner kurzen Wand rechts von der Thür, durch welche man eintritt, enthält es nämlich eine große Badewanne, welche einst mit Marmorplatten ausgekleidet gewesen ist, unter denen sich einige befanden, auf denen eine Inschrift aus der Begierungszeit des Augustus eingehauen war. Die Tafeln selbst sind, verschwunden , aber da sie mit der Inschrift- seite in den Mörtel eingelegt waren, sind die Buchstaben in diesem ab- gedrückt , und aus diesen Abdrücken hat wenigstens der für die Zeitbestim- mung (9/8 V. Chr.) wichtige Anfang der Inschrift zusammengelesen werden können. In dieser Wanne , welche als ein Zusatz der letzten Aestauration der Thermen nach dem Erdbeben zu betrachten ist, wurden lauwarme Bäder genommen und zu diesem Zwecke das Wasser in derselben durch einen eigenen kleinen unter ihrem Boden befindlichen Ofen h erwärmt, der von dem Gange X' aus geheizt wurde. Die Thatsache, dass in diesem Tepidarium, allerdings ungewöhnlicher Weise, gebadet wurde , während , wie wir gesehn haben, die Tepidarien sonst nur den auf den Genuss des Schwitzbades vorbe- reitenden Operationen dienten, diese Thatsache erklärt auch, warum unser Tepidarium weniger reich als dasjenige der kleineren Thermen, obgleich nach Maßgabe der wenigen erhaltenen Reste immerhin reich genug in Stuccoreliefen omamentirt war; denn die in allen Baderäumen herrschenden feuchten Dämpfe konnten der Omamentirung nur nachtheilig sein. Die Verzierungen stellen in dem rings umlaufenden Friese Schiffe dar, in den Stichbögen leichte Lauben- gerüste, ähnlich wie wir sie an der Palaestra &nden, und zwischen denselben Figuren, welche SchriftroUen in den Händen halten und lesen: vielleicht dürfen wir hier eine Andeutung der bekannten Sitte finden, dass Dichter, die ja auch Pompeji besessen haben wird, in den Bädern ihre neuesten Producte zum Besten gaben. Die Wölbung ist fast gänzlich eingestürzt und die Wände sind stark beschädigt; der ebenfalls fast gänzlich eingestürzte Fußboden ruhte, wie derjenige im Caldarium der kleineren Thermen, auf Ziegelpfeilerchen, war also hohl um die heiße Luft aufzunehmen, welche ihm aus dem ebenfalls hohlen Eaume unter dem Fußboden des angrenzenden Caldariums VIII durch eine unter der Schwelle der beide Bäume verbindenden Thür befindliche Öff- nung zuströmte. Die Wände sind mit Thonplatten belegt, welche die Wand nur mit vier warzenartigen Vorsprüngen berühren [iegulae mammatae) und so hinter sich einen hohlen Baum zum Durchstreichen heißer Luft frei lassen.

Das sehr zerstörte Caldarium VIII entspricht fast genau demjenigen der kleineren Thermen. Es zeigt dieselben drei Abtheilungen : erstens die Nische mit dem Labrum, von dessen Schale hier nichts mehr vorhanden ist, während der ebenfalls zum Theil zerstörte Fuß in der Mitte durchbohrt ist, um das Wasser zuzuleiten. In der Mitte zweitens das eigentliche Sudatorium mit Suspensurae und Wänden, welche nicht, wie im Tepidariimi, mit Platten, son- dern mit viereckigen Thonröhren belegt sind, und drittens am andern Ende der Alveus für das heiße Bad, über welchem in der Wand drei, ohne Zweifel für Statuen bestimmt gewesene Nischen angebracht sind. Der Wandschmuck ist gänzlich verschwunden, die Wand über dem Alveus zeigt jetzt nur einfachen

15*

228 Drittes Capitel.

Abstrich, das Gewölbe fehlt fast ganz. Die Beleuchtung wird ähnlich wie in dem Caldarium der kleineren Thermen hergestellt worden sein und ebenso entspricht die Einrichtung der Wanne, soweit man nach den dürftigen Resten urteilen kann, demjenigen, was wir bereits aus den kleineren Thermen kennen.

Ganz dasselbe gilt von der mit IX bezeichneten Heizeinrichtung in ihrer Gesammtheit. Das Praefumium bildet einen schmalen Gang, der in den Vor- platz 6 sowie in den auch von der Straße zugänglichen, durch einen Ausbau erweiterten Vorraum XII mündet. An diesem Gange liegen zwei kammerartige Räumlichkeiten , eine größere , welche etwa zur Aufbewahrung des Brenn- materials gedient haben kann, und eine kleinere unmittelbar neben dem Heerde gelegene, deren Bestimmung sich nicht nachweisen lässt. Den Heerd mit seinen drei in verschiedener Höhe angebrachten und unter einander in Ver- bindung stehenden Kesseln brauchen wir mit Verweisung auf die Beschrei- bung des in den kleineren Thermen befindlichen hier nicht näher zu erörtern : wir bemerken nur, dass der dritte Kessel nicht, wie dort, durch die aus dem Caldarium zurückströmende Luft erwärmt ward, sondern der Raum unter ihm höher lag als der Raum unter dem zweiten Kessel und mit demselben in Ver- bindung stand. Neben dem Heerde verwandelt sich der Gang in eine Treppe, welche über das Zuleitungsrohr für die heiße Luft zum Caldarium 4 hinweg und dann über sieben steile Stufen in XII hinabführt. In IX ist das ziemlich starke Bleirohr sichtbar, welches von den Kesseln, und zwar ohne Zweifel aus dem dritten, am höchsten gelegenen und am wenigsten erwärmten, zum Labrum des Frauencaldariums führt.

Größeres Interesse als diese Nebenräume nimmt eine vollständige zweite Abtheilung dieser Bäder in Anspruch, welche gleich bei dem ersten Anblick an die Frauenabtheilung der kleineren Thermen erinnert , und auch , nach- dem einige, dieser Annahme scheinbar entgegenstehende Thatsachen richtiger, als dies früher geschehn war, beleuchtet worden sind, mit Gewissheit als solche betrachtet werden darf. Außer der Thür von dem Vorplatz 6 , der lediglich ein Verbindungsgang zwischen dem Praefumium und dem Apodyte- rium 2 gewesen zu sein scheint und dessen Thür in das Apodyterium auch erst nachträglich eingebrochen worden ist, führen zwei eigentliche Eingänge von außen in diese Abtheilung. Diese Eingänge 1 * und 5* führen durch die Gänge 1 und 5 in das Apodyterium. Sie waren beide gewölbt, doch ist die Wölbung desjenigen, der von der Straße von Stabiae herkommt, 1 , eingestürzt, während diejenige des ungleich langem 5, welcher rechtwinkelig gebrocken von der Theaterstraße herkommt, vollkommen erhalten ist. Derselbe erhält auf seinem langem Schenkel durch sechs, auf dem kurzem durch drei viereckige Öffnungen im Scheitel seiner Wölbung, welche im Plane angegeben sind, sein Licht. Er trifft nicht auf irgend eine der Wände des Apodyteriums, sondern durchbricht schräg dessen Ecke, was ursprünglich auch in Betreff der Thür zwischen Apodyterium und Caldarium der Fall war. Das Apodyterium 2, an dessen Wänden gemauerte Bänke Und über denselben die bekannten aber hier zur Bequemlichkeit der kleiner gewachsenen Frauen etwas niedriger (1,50 statt 1,75 M. vom Boden) als in der Männerabtheilung angehauchten Nischen [loculi) sich hinziehn, ist merkwürdig nur dadurch, dass sich in ihm, wie

Die öffentlichen Gebäude. Die größeren Thermen. 229

übrigens auch in der Frauenabtheilung der kleineren Thermen, an einem Ende eine große, hier über den Boden erhobene Wanne für das kalte Bad befindet, in welche vier Stufen von der Langseite hinaufführen, während ihr das Wasser durch ein in dem Gange 5 liegendes Bohr zugeführt wurde und durch einen Canal in ihrer einen Ecke bei X abfloss. Übrigens ist diese Wanne erst nachträglich hier angebracht worden, was unter anderem auch daraus hervor- geht, dass die erwähnten Nischen sich ursprünglich auch hier fortsetzten. Wie früher für das kalte Bad der Frauen gesorgt war, wissen wir nicht, können aber bei dieser Gelegenheit auch noch feststellen, dass im Frauenapodyte- rium nicht nur die gleichen Nischen waren, wie in dem der Männer, sondern unter denselben noch eine zweite Reihe niedriger Nischen, von denen einige neben der Wanne erhalten, die anderen bei Gelegenheit der Neudecorirung des Baiunes ausgefüllt worden sind.

In Betreff der Decoration ist dieser übrigens sehr gut erhaltene Saal der alterthümlichste von allen : die einfach glatte und weiße Wölbung nebst dem einfachen Gesims der Stichbögen stammt sicher aus der Zeit des ersten Decorationsstils und wird wohl der Erbauung gleichzeitig sein. Und dasselbe gilt von einem Theile des Fußbodens, welcher mit eigenthümlichen, sonst in Pompeji nicht vorkommenden glasirten Ziegeln in Kautenform, getrennt durch Keihen von Mosaiksteinchen, belegt ist. Dieser Fußboden hatte offenbar sehr durch den Gebrauch gelitten; statt ihn aber ganz zu erneuern, hat man sich begnügt, die zerstörten Theile durch einen schlechten Stuckboden zu ersetzen ; ein Streifen an der Ostwand war von Anfang an mit Lavaplatten belegt. Die Wände sind in der letzten Zeit Pompejis neu decorirt und bei dieser Gelegenheit wohl die unteren Nischen ausgefüllt worden : sie sind nebst den Bänken bis zum Abacus der Nischen roth bemalt, während diese und der über ihnen liegende Stuccosims weiß sind wie die Decke. Zwei runde Offnun- gen in dieser letztem und eine dritte im Stichbogen der kurzen Wand über der Wanne geben eine mäßige Erleuchtung.

Aus diesem Apodyterium führt eine mit Unterdrückung zweier Nischen nachträglich eingebrochene Thür zu dem Vorplatz 6, eine zweite in ein eben so einfach geschmücktes Tepidarium 3, dessen mit grobem weißen Mosaik be- deckter Fußboden auf suspensurae ruht. Auch seine Wände sind hohl ; vom Gewölbe ist die querüber cannellirte Stuccobekleidung fast ganz herabgestürzt ; man sieht aber, dass auch sie einen Hohlraum hinter sich ließ. Die Thür zum Tepidarium diirchbricht rechtwinkelig die Mauer ; ursprünglich aber war sie, wie die Lavaplatten des Fußbodens beweisen, schräg durch die Ecke ge- brochen.

Das angrenzende Caldarium 4 entspricht den Caldarien in der andern Abtheilung und in den kleineren Thermen wiederum genau bis auf den einen Umstand, dass ihm an seinem einen Ende dem Alveus gegenüber die halb- runde Nische für das Labrum fehlt ; letzteres selbst ist vorhanden, vollkom- men erhalten , aber grade nicht elegant. Auch in diesem Caldarium ist der Fußboden hohl, die Wände und die zum größten Theil eingestürzte wiederum querüber cannellirte Decke wie im Tepidarium mit Thonplatten belegt ; die Decoration ist weit eleganter als diejenige der beiden bisher betrachteten Säle.

230 Drittes Capitel.

Aus den Wänden springen über einem niedrigen weißen Marmorsockel flache, gelb bemalte und cannellirte Pilaster vor, welche die roth bemalten Wand- flächen einfassen und einen Stuccofries mit einfachen Ornamenten tragen. In dem Stichbogen über dem Labrum ist ein reicheres Ornament von Stucco angebracht, und hier ist das Fenster durchgebrochen, welches dem Saale von dem Vorplatz 6 aus Licht zuführt. Der Fußboden ist wie in dem vorigen Saale von weißem Mosaik gebildet und der Alveus sowie die Stufe vor dem- selben mit vollkommen erhaltenen und ganz wie neu erscheinenden weißen Marmorplatten bekleidet. Eine große unverschlossene halbkreisförmige Öffnung in der linken Schmalseite bei f.i führt zu einer sich 2 M. in die Wand hinein erstreckenden Höhlung, deren Boden etwas tiefer liegt als der der Wanne. Nur eine dünne, wie es scheint metallene Platte trennt diese Höhlung von der unter ihr hindurchgehenden Leitung für die heiße Luft, so dass das in der Wanne befindliche Wasser, indem es natürlich auch die Höhlung füllte, hier stets neue Wärme erhielt. Die Zuflussröhre ist nicht erhalten : sie war ohne Zweifel in der rechten Wand oberhalb der Wanne angebracht ; eine kupferne Röhre, welche in der rechten vordem Ecke, am obem Bande, in die Wanne einmündet, ist nach ihrer Form und ihrem Orte eher für eine Abflussröhre zu halten. Wollte man die ganze Wanne ausleeren, so öflhete man eine in der linken vordem Ecke am Boden derselben angebrachte, für gewöhnlich wohl mit einem Stein verschlossene Öffnung, worauf das Wasser auf den Fußboden strömte und zur Reinigung desselben benutzt werden konnte.

Bei Besprechung der einzelnen Räumlichkeiten haben wir einen Punkt bei Seite gelassen, weil er sich besser für alle gemeinsam erledigen lässt, nämlich die Frage nach der Entstehungszeit und allmählichen Vervollkomm- nung der Heizeinrichtungen. Die hohlen Fußböden sind erst zu Anfang des letzten Jahrhunderts v. Chr. von C. Sergius Orata erfunden worden; es ist also nicht wahrscheinlich, dass sie in dieser, aus vorrömischer Zeit stammenden Anlage von Anfang an vorhanden waren, und in der That ergiebt eine genaue Untersuchung der Suspensuren des Männercaldariums, welche älter sind, als die des Tepidariums, dass sie auch hier nicht den Anfängen des Baues an- gehören, sondern gewisse nachträgliche Veränderungen ihnen zeitlich voraus- gegangen sind. Vor Anlage des Heizapparats waren die Baderäume einfeche Säle, welche durch Kohlenbecken geheizt wurden, während der in der Mitte zwischen beiden Abtheilungen liegende Ofen nur das heiße Wasser lieferte. An den Wänden der Tepidarien und Caldarien waren zwei Reihen von Nischen, die untere von geringer Höhe, angebracht; dieselben sind besonders deutlich noch in der Männerabtheilung zu erkennen. Mit dem Bau der hohlen Fuß- böden in den Caldarien beginnt nun eine ganze Reihe von Veränderungen dieser Räume, welche uns zeigen, dass die Ansprüche, welche man in Beziehung auf Wärme an die Baderäume machte, stets im Wachsen begriffen waren, dass man femer auch immer mehr Gewicht darauf legte, dieselben durch größere Fenster zu erleuchten, und dass man endlich auch immer prachtvollere Deco- rationen verlangte. Wir können diese Veränderungen, Dank dem Zustande der Zerstörung, welcher uns einen Einblick nicht nur unter die suspendirten Fußböden und hinter die Hohlwände, sondern auch in das Innere der Mauern

Die öffentlichen Oeb&ude. Die größeren Thermen. 231

gestattet, ziemlich genau verfolgen, und somit eine Geschichte der Anlage aufstellen, indem wir folgende vier Gruppen von Veränderungen unter- scheiden :

1. In den Caldarien werden hohle Fußböden angelegt. Die Nischen werden im Männercaldarium mit Ziegelstuck, bald nachher im Männertepi- darium die obere Beihe mit weißem^ die imtere mit rothem Stuck ausgeputzt.

2. In den Caldarien werden hohle Wände, in den Tepidarien suspendirte Fußböden und hohle Wände angelegt, hier jedoch mit Ausschluss der Wöl- bungen und Lünetten, welche, wenigstens im Frauentepidariimi, eine neue Decoration (Gesims mit Eierstab) erhalten. Gleichzeitig erfahren die Ost- wände beider Caldarien und des Männertepidariums einen Neubau ; in der des Frauentepidariums wird ein kleines Fenster geschlossen. Die Thüren werden erweitert und mit Ziegelpfosten versehen, die schräg durch die Ecke gehende zum Frauentepidarium rechtwinkelig gemacht.

3. Die Hohlwände werden im Frauen- und vielleicht auch im Männer- tepidarium auf Wölbung und Lünetten ausgedehnt. Im Frauentepidarium und Caldarium wird die Westwand neu gebaut, mit 0,90 M. breiten Fenstern in den Lünetten.

4. Im Männertepidarium werden die Hohl wände von Wölbung und Lü- netten (wenn sie hier vorhanden waren) wieder entfernt. Ebenda wird eine Wanne, im Frauenapodyteriimi das kalte Bad gebaut. Die Wannen in den Caldarien werden erneuert, im Männercaldarium gleichzeitig auch der suspen- dirte Fußboden. Die Wände werden neu decorirt mit theilweiser Marmor- bekleidimg. Wieder wird im Frauenbad die Westwand neu gebaut, diesmal mit größeren, 1,05 M. breiten, oben über die Lünetten hinausreichenden Fenstern.

Es bedarf nun keines großen Scharfsinns , um zu vermuthen , dass die tmter 1 zusammengefassten Veränderungen in die erste Zeit der römischen Colonie, bald nach Erfindimg der Suspensuren fallen müssen. Femer ist es ganz klar, dass die mit 4 bezeichneten der Zeit nach dem Erdbeben von 63 n. Chr. angehören : damals konnte es begegnen, dass eine dem Augustus ge- widmete Inschrift (oben S. 227) als Baumaterial benutzt wurde; imd auch der Charakter der Decoration stimmt dazu. Dagegen müssen wir darauf verzichten, auch für die mit 2 und 3 bezeichneten Vorgänge eine genauere Zeitbestimmung zu finden. Den einzigen Anhalt dafür bietet das von M. Nigidius Vaccula ge- schenkte Kohlenbecken, wenn wir annehmen, dass dies zur Erwärmung eines Tepidariums diente, bevor dasselbe seinen Heizapparat erhielt. Die Erben eines Nasennius Nigidius Vaccula kommen in einer der Quittungstafeln des L. Caecilius Jucundus (S. 12) vor, welche im Jahre 54 n. Chr. geschrieben ist; ist also dies der Schenker des Kohlenbeckens, so ist derselbe kurz vor dem Jahr 54 gestorben, und wenn er auch die Schenkung geraume Zeit vor seinem Tode gemacht haben kann, so kann dieselbe doch firühestens in die letzte Zeit des Augustus, die Umgestaltung der Tepidarien (2) firühestens in die Zeit des Ti- berius fallen. Aber fireilich ist die Identität der beiden Persönlichkeiten nicht sicher >®i).

232 Drittes Capitel.

Wo aber, so müssen wir jetzt fragen, bleibt das Laconicum der Inschrift ? Einen runden, kuppelformig bedeckten Schwitzranm, wie man ihn mit diesem Worte bezeichnete und wie wir ihn in einer andern Badeanstalt Pompejis kennen lernen werden, finden wir hier nicht, und es ist auch ganz sicher, dass er nie vorhanden war ^^^) . Es scheint aber, dass jenes Wort auch in weiterem Sinne gebraucht wurde, und wenn uns vonM. Agrippa berichtet wird, dass er in Uom »ein Bad, ein sogenanntes Laconicuma erbaute (Dio Cass. LIII, 27), so müssen wir doch wohl an eine ganze Badeanstalt mit Heizapparaten, nicht nur an ein Laconicum im engem Sinne denken. Da nun, wie wir sahen, eben um die Zeit des Ulius und Aninius, der ersten Zeit der Colonie, die Caldarien mit den neu erfundenen Heizvorrichtungen versehen wurden, so werden wir an- nehmen müssen, dass dies mit Laconicum facere gemeint ist : sie gestalteten die alte Anlage so um, dass sie nun zu einem Laconicum im weitem Sinne wurde. Somit haben wir also alles das, was die Inschrift jenen Duumvirn zu- schreibt, an dem Gebäude selbst wenigstens mit großer Wahrscheinlichkeit wiedergefunden .

Der unbedeckte Vorplatz 6 , welcher bei i; i; und ij' die Reste mehrer Treppen in obere Räume enthält, ist völlig schmucklos, ja roh, mit mehr be- rappten als abgeputzten Wänden. Gleichwohl ist auf seiner östlichen Wand über einer Öffnung, durch welche dem Labrum des Caldariums sein Wasser zugeführt wurde , wenn auch nur höchst roh , ein Tempelchen mit Giebel- dach gemalt, innerhalb dessen sich eine große Schlange auf einen Altar mit Früchten zu ringelt (Hlbg. S. 11). In ihr wird entweder einfach der Genius loci oder der custos fontis, genauer der die Wasserleitung schützende Genius zu erkennen sein.

Ehe wir die Thermen verlassen, haben wir noch eine ganze Abtheilung zu betrachten, welche allerdings unscheinbar in ihren Räumen, aber deswegen nicht uninteressant und zugleich die am meisten noch in ihrem Urzustände befindliche des ganzen Gebäudes ist. Es ist die mit kleinen Buchstaben von a k bezeichnete. Ihren äußern Eingang hat sie in a* von der Theaterstraße ; derselbe fuhrt in einen gewölbten Gang a mit Lichtöffhungen gleich denen im Gange 5 der zweiten Badeabtheilung. Allein auch mit der Palaestra steht diese Abtheilung durch die verschließbar gewesene ITiür aus h mit erhöhter, über einer Stufe zu betretender Schwelle in Verbindung. Lassen wir die Räume b c d rechts am Gange a zunächst bei Seite, so finden wir links etwas weiterhin an demselben in e vier ganz gleiche, kleine und schmucklose, von ihrer Wölbung aus nothdürftig erleuchtete Zellen von ungefähr 2X2 M. Größe, jede mit einer gemauerten Wanne, die aber ohne Zufluss- oder Ab- flussrohre für das Wasser und in sehr zerstörtem Zustande aufgefunden worden sind. Es sind dies Einzelbadezellen, für welche der antike Name solia mit Glück aufgefunden ist. An diesen und dem Gange f vorbei gelangt man auf das in die Palaestra ausmündende Vorzimmer h, an dem ein kleines schmuck- loses Cabinet i liegt, welches keinen andern Eindruck als den einer Rumpel- kammer oder eines Aufbewahrungsortes für uns unnachweisbare Gegenstände macht, vielleicht aber ursprünglich auch eine Badezelle war. Vor demselben biegt der Gang links ab in den Zweig ^, der zu einer steilen Treppe auf das flache

Die öffentlichen Geb&ude. Die Centralthermen. 233

Dach führt, welche modern vermauert ist. Aus der linken Wand dieses Ganges ragt, abwärts gerichtet, eine starke Bleiröhre hervor, welche ganz den Ein- druck macht, als hätte sie, mit einem Hahn verschließbar, zum Wasser- schöpfen gedient. Hier wurde auch die mehrerwähnte Inschrift an die Wand gelehnt, d. h. offenbar einstweilen bei Seite gestellt aufgefunden. Kehren wir hier um, so führt uns der abzweigende Gang f in das ziemlich geräumige und überwölbte Zimmer A, in welchem Michaelis mit überzeugender Genauigkeit die Latrina mit ringsumlaufendem Canal nachgewiesen hat *03) ^ dergleichen wir eine kleinere in den kleinen Thermen in d und eine größere am Forum neben der Fruchthalle gefunden haben. Da hier die nöthigsten Andeutungen über die Beschaffenheit solcher durch fließendes Wasser stets rein erhaltenen, über- aus sinnreich angelegten Bäume gegeben sind, mag es mit einer Verweisung auf die genaue und correcte Beschreibung von Michaelis hier sein Bewenden haben ; nur sei bemerkt, dass diejenigen, welche in diesem Kaum ein Wasch- haus erkennen wollten, sowie diejenigen, welche hier das in der Inschrift erwähnte destrictarium suchten, sich im augenscheinlichsten Irrthum befanden. / ist ein großer, viereckiger Brunnen, ganz ähnlich dem der kleineren Thermen {d auf dem Plan Fig. 116), welcher vermuthlich theils durch das auf die flachen Dächer fallende Regenwasser, theils durch Leitungswasser gefüllt wurde. m ist ein von allen Seiten geschlossener, unzugänglicher Kaum.

Mit wenigen Worten ist noch die Bedeutung der am Anfange des Ganges a von der Theaterstraße her befindlichen Käume J, c und d festzustellen, von denen b als die cella ostiarii durch eine gemauerte Lagerstätte an ihrem linken Ende bezeichnet wird. In c führt eine Treppe in einen jetzt wegen starker Kohlensäureausdünstung unbetretbaren Keller hinab, d endlich, in welchem Gemach der Anfang der auB Ziegeln erbauten Treppe in c liegt, ist nichts als ein Vorzimmer zu c.

Die auch diese wie die kleineren Thermen an drei Seiten umgebenden Läden verdienen keine nähere Beschreibung. Dieselben sind zum Theil mit der Errichtung des Gebäudes gleichzeitig und zu diesen älteren Läden gehörte auch derjenige, welcher später, wie seines Ortes bemerkt , in den Eingangs- raum A verwandelt worden ist. Dagegen zeigen die Läden der Westseite jüngere Bauart; freilich aber ist zu vermuthen, dass schon vor den Umbauten, welche mit den Thermen vorgenommen wurden, auch hier Läden vorhanden waren.

c. Die Centralthermen lo*; .

Eine dritte große Thermenanlage wurde im Jahre 1877 ausgegraben; sie ist nicht nur weit jünger als die beiden besprochenen, sondern war zur Zeit der Verschüttung noch im Bau begriffen und ihrer Vollendung ziemlich fem, ist also trefflich geeignet uns über die Anforderungen zu unterrichten, welche man um's Jahr 79 n. Chr. an eine solche Anstalt stellte. Nach ihrer Lage an dem Kreuzpimkt der beiden die Stadt in grader Linie durchschneidenden Hauptstraßen nennen wir sie Centralthermen.

Der große Hof rf, den wir nach Analogie der eben besprochenen Thermen als Pialaestra bezeichnen dürfen, ist auf zwei Seiten von Läden umgeben ; t scheint

234

Drittes Capitel.

ein öffentlicher Abtritt zu sein ; die Bestimmung von u ist unbekannt. Man betritt die Palaestra durch zwei große und einen kleinen Eingang, a, a', a\ Nur neben a finden wir die zwei kleinen Käume b undc, und da gleich in der Nähe der einzige Zugang zu den Haderäumen ist, und alle die aus der Palaestra dorthin

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Fig. 126. Plan der Centralthermen.

gingen, hier vorbeikommen mussten, so gingen offenbar diese beiden Bäume nur die Besucher des Bades, nicht die der Palaestra an. Vielleicht war das eine der Sitz des Capsarius und wurden in dem andern -Einlassmarken aus- gegeben. Neben a" fehlt auch hier der Abtritt nicht. Die Palaestra ist in ganz unfertigem Zustande. Man war eben beschäftigt, den nur ganz roh be- arbeiteten Stylobat für die Säulengänge zu legen ; derselbe liegt nur auf der Hälfte der Nordseite. Etwas weiter war man mit der Traufrinne gekommen : sie liegt auf der ganzen Nordseite und auf dem Nordende der Westseite, ist aber auch nur erst aus dem Groben gearbeitet. Im Übrigen liegen nur die Fundamente ; sie werden auf der Westseite unterbrochen durch einen Brunnen, d. h. eine impluviumartige, terrassirte, mit einer niedrigen Mauer umgebene Vertiefung, in welche, von Westen kommend und sich bis zur Höhe dieser Mauer erhebend, ein mit einem Hahn verschließbares Wasserleitungsrohr ein-

Die öffentlichen Gebäude. Die Centralthermen. 235

mündet. Vennuthlich ist dieser Brunnen nur provisorisch, mit Benutzung des Imphiviums eines früher hier befindlichen Hauses eingerichtet worden, um beim Bau das nöthige Wasser zur Hand zu haben. Andere Reste früherer Bauten liegen noch vielfach zu Tage, sollten aber sicher entfernt werden. Daneben fehlt es auch nicht an Materialien für den Neubau : Säulentrommeln, ganze Säulen, Baeen und Capitelle, so wie auch Marmorplatten, darunter zwei sehr schöne von Cipollin. An der Ostseite war man beschäftigt, das geräumige Schwimmbassin [natatio] h anzulegen, war aber noch nicht weit damit gekom- men : es ist nur die Vertiefung ausgegraben und der Boden mit mäßig großen Lavasteinen gepflastert. Aus der Südwestecke der Natatio sollte ein nur erst gegrabener Canal das Wasser, wenn man es ablassen wollte, in den Abtritt e leiten, so dass es zur Reinigimg desselben verwerthet wurde.

Nur wenig Räumlichkeiten liegen an der Palaestra : zwei Exedren von geringer Tiefe, v v\ und zwei Zimmer, von denen das aus t?' zugängliche, y, zwei große Fenster, das andere, g^ keine Fenster hat. Sie sollten ohne Zweifel zum Aus- und Ankleiden, sowie zum Salben und zum Abstreichen des Öls dienen ; wir mögen sie also etwa als Apodyterium und Destrictarium bezeichnen.

Aus der Palaestra gelangen wir durch eine Thür am Nordwestende der beabsichtigten Säulenhalle in einen Vorraum der eigentlichen Baderäume, t, an welchem zwei ladenartige Räume », o und zwei Zimmer A, m mit je zwei großen und niedrigen Fenstern, deren Brüstung auch als Ladentisch dienen konnte, gelegen sind. Wir können nur vermuthen, dass hier irgend welche zum Baden nöthige Gegenstände zu haben waren, t.war bedeckt, denn es erhielt sein Licht durch mindestens drei Fenster auf die Palaestra, ebenso k lind m und der zwischen ihnen übrig bleibende Raimi / durch Fenster auf die Nolaner Straße.

Gehen wir nun zur Betrachtung der eigentlichen Baderäume über, so bemerken wir zunächst, dass hier nicht gesonderte Abtheilungen für Männer \ind Frauen, sondern alle Räimie nur einmal vorhanden sind. Ob hier nur für Männer gesorgt war, ob den beiden Geschlechtem verschiedene Stunden angewiesen waren, ob endlich wir hier an die unter Nero eingerissene Unsitte des gemeinsamen Badens zu denken haben, das können wir nicht entscheiden; doch dürfte die letzte Möglichkeit am ehesten auszuschließen sein, da wir hier allem Anschein nach kein Luxusbad vor uns haben.

Die einzelnen Räume sind sehr groß und jeder durch zwei Thüren zu- gänglich. Ein besonderes Frigidarium ist nicht vorhanden, sondern diesem Zweck sollte die sehr große Wanne am Ostende des Apodyteriums /? dienen. In sie sollte das Wasser aus drei Nischen fallen, deren in jeder Wand eine angebracht ist. Femer ist unmittelbar über dem rechten Rande die Wand durch ein viereckiges Loch durchbohrt, welches mit leiser Senkung zu dem Ausgussbassin u) führt. Wenn, wie zu vermuthen ist, hier das Wasser im Maße des Zuflusses ablaufen sollte, so musste der Rand der Wanne noch erhöht und in dieser Erhöhung ein Einschnitt oder ein Abflussrohr angebracht werden, welches jetzt fehlt. Da die Wanne nur mit opi^ Signinum bekleidet ist, 60 können vdr vermuthen, dass sie noch mit Marmor getäfelt werden und dann die noch fehlende Vorrichtimg erhalten sollte. Wollte man sie ganz

236 Drittes Capitel.

ausleeren, so geschah dies durch ein Bleirohr, welches an eben dieser Stelle vom Boden derselben in dasselbe Ausgussbassin führte. Die Wanne ist 1,40 M. tief; man stieg hinein über drei Stufen, deren oberste durch die Umfas- sungsmauern, die zweite durch den Fußboden gebildet wird, während die dritte nur auf der Vorderseite angebracht ist. Noch bemerken wir, dass aus einer Nische zwischen der Wanne und der nächsten Thür zum Tepidarium ein Loch schräg durch die Wand auch zu w führt, offenbar um irgend welches schmutzige Wasser auszugießen. Aus w führt eine gemauerte Rinne auf die Straße.

Das Tepidarium q ist ein einfacher viereckiger Baum, geheizt durch den von stuckbekleideten Ziegelpfeilerchen getragenen suspendirten Fußboden und Thonröhren (0,13x0,075 an den Wänden; die Wärme gelangte hierher aus dem Raum unter dem Caldarium und unter dem noch zu besprechenden Laco- nicum r durch Verbindungsgänge unter den Thüren. Nahe der Nordecke führt ein Ausgussloch zu w^ wohl für das zum Reinigen des Fußbodens gebrauchte Wasser. Eine Wanne, wie im Männerbad der gi'ößeren Thermen, ist hier nicht vorhanden.

Dagegen hat das Caldarium s nicht weniger als drei Wannen, zwei große an den Schmalseiten und eine kleine, die als Labrum dienen mochte, in der Mitte der südlichen Langwand. Die Heizungsvorrichtungen sind wie im Tepidari\im: nach einem hier liegenden Fragment der Stuckbekleidung des Gewölbes zu schließen, erstreckten sich die Hohlwände nicht auf dieses und also auch wohl nicht auf die Lünetten, was also auch im Tepidarium nicht der Fall gewesen sein wird. Ein Ofen genügte aber nicht für den großen Raiim: man wollte ihrer zwei anlegen, bei x und y, doch war mit ihrer Erbauung noch gar nicht der Anfang gemacht worden. Wohl aber sind an beiden Stellen die (Mhungen in der Wand vorhanden, durch welche die heiße Luft unter den Fußboden gelangen sollte. Diese Öffnungen nun fuhren nicht nur unter den Fußboden, sondern sie haben oben eine gewölbte, halbkreisförmige Erweite- rung, welche über denselben hervorragt, so dass das Ganze das Aussehen eines gewölbten Durchganges hat. Wozu diese halbkreisförmigen Öffnungen ober- halb des Fußbodens dienen sollten, kann uns nicht zweifelhaft sein, wenn wir uns an dasjenige erinnern, was wir im Frauencaldarium der größeren Thermen beobachtet haben (S. 230). Offenbar beziehen sie sich auf die Wannen. Diese sollten hier eine ebensolche halbkreisfomige Öffnung und eine ebensolche höhlenartige Erweiterung bekommen, wie wir sie dort fanden, in welcher das Wasser, von der Leitung für die heiße Luft nur durch eine dünne, vielleicht metallene Platte getrennt, stets von neuem erwärmt wurde.

Das Wasser sollte in die Wannen fallen aus Nischen, die über ihren Langseiten angebracht sind : über der östlichen Wanne sind ihrer drei, eine halbrimde und gewölbte und zwei viereckige, über der westlichen zwei in den beiden Pfeilern zwischen den Fenstern ; in die kleine sollte es durch eine Röhre unter dem Fenster geleitet werden. Alle drei konnten ausgeleert werden durch kurze Bleiröhren, welche nahe dem Boden in die dem Caldarium zu- gewandte Mauer eingesetzt sind : das Wasser floss dann auf den Fußboden und diente zur Reinigung desselben. Dagegen vermissen wir Vorrichtungen

Die öffentlichen Oeb&ude. Die Centralthermen. 237

zum allmählichen Ablaufen im Maße des Zuflusses; dieselben sollten wohl bei der Bekleidung mit Marmor angebracht werden.

Jeder der drei bis jetzt besprochenen Räume hat drei große , gewölbte Fenster auf die Palaestra. Letztere sollte offenbar auf dieser Seite keine Por- ticus erhalten, um diesen nach Südwest gerichteten Fenstern nicht die Sonne wegzunehmen, welche also mindestens vom Mittag an mit ihren Strahlen der Heizung zu Hülfe kam. Dazu kamen im Caldarium noch fünf etwas kleinere, nach Südost gewandte Fenster, denen freilich die Sonne zum großen Theil weggenommen wurde durch eine eben im Bau begriffene Mauer. Alle diese Fenster bilden eine treffliche Illustration zu der Vorschrift Vitruv's (V, 10, 1), dass die Tepidarien und Caldarien Fenster haben sollen wo möglich nach Südwest, sonst nach Süden, weil man namentlich Nachmittags zu baden pflegte, tmd zu der Bemerkung Seneca^s (Ep, 86, 11), dass man zu seiner Zeit verlangte, in hellem Lichte abgebrüht zu werden [in multa liice decoqui).

Zu diesen ims auch aus den beiden anderen Badeanstalten bekannten Bäumen kommt nun noch ein vierter, r, ein runder, durch vier halbrunde Nischen [scholae) erweiterter, mit einer flachen Kuppel (von der nur sehr wenig erhalten ist] bedeckter Baimi, mit suspendirtem Fußboden und Hohl- wünden, welcher von x aus durch die auf dem Plan angegebene Leitung geheizt werden sollte ; der Baum unter dem Fußboden stand auch mit dem unter dem Tepidarium und Caldarium durch Öffnungen unter den Thüren in Verbindung. Eine solche Schwitzkammer nannten die Alten, wie namentlich aus einigen Stellen Vitruv^s (besonders V, 10, 5) hervorgeht, Laconicum ; sie war der heißeste Theil des Bades und wurde namentlich von denjenigen benutzt, welche nicht eigentlich warm baden, sondern nur schwitzen wollten. Seine Lage, in Ver- bindung mit Tepidarium und Caldarium ist durchaus zweckmäßig. Zwar scheint es Begel gewesen zu sein, dass nur das Tepidarium von allen Baden- den gemeinsam benutzt wurde, dann aber sie sich theilten, indem die einen zum warmen Bade ins Caldarium, die anderen in das Laconicimi, den Schwitz- raum gingen ; und daher war in der als Villa der Julia Felix bekannten Bade- anstalt (S. 200) das Laconicum nur aus dem Tepidarium zugänglich. Es mochte aber theils manche geben, die, um einen allmählichem Übergang zu haben, durch das Caldarium ins Laconicum gingen, theils mochte es vorkom- men, dass man nach dem Schwitzbad im Laconicum noch ein warmes Wasserbad nahm ^^*) . Wo die Kuppel ansetzt, sind drei kleine runde Fenster sichtbar, welche wohl, durch Glasscheiben geschlossen, Licht gaben. Wir müssen an- nehmen, dass, der Vorschrift Vitruv's (a.O.) gemäß, im Scheitelpunkt der Kuppel eine Öffnung gelassen war, welche durch einen an Ketten hängenden kupfernen Schild bald mehr bald weniger geschlossen werden konnte, um so die Hitze zu mäßigen. Vitruv^s Vorschrift, dass die Höhe bis zum Ansatz der Wölbung gleich dem Durchmesser sein soll, ist nicht befolgt: die Höhe kann wenig über 4,50 M., der Durchmesser zwischen den Hohl wänden wenig unter 6 M. betragen haben.

Was die Decoration dieser vier Bäume betrifft, so war wohl nur die der Wölbungen und Lünetten vollendet Geringe Beste sind am imtem Bande der innem Lünette des Apodyteriums erhalten ; femer liegt ein Fragment aus

238 Drittes Capitel.

der Wölbung im Caldarium : an beiden Stellen erkennen wir nur ziemlicli grob in weißem Stuck ausgeführte Ornamente. Fußboden und Wannen waren mit opus Siffntnum, die Wände mit hellröthlichem Ziegelstuck bekleidet, so dass das Ganze ungemein einförmig aussehen musste. Schwerlich sollte dies so bleiben: wir dürfen sicher annehmen, dass dies nur die Unterlage für weitere Decorationen sein sollte, dass man die Wannen mit Marmor, die Wände viel- leicht auch theilweise mit Marmor, im übrigen mit gemaltem Stuck bekleiden wollte.

Über den östlich und südlich von den Badesälen übrig gebliebenen, durch zwei Eingänge von der östlichen Straße [vico dt Tesmo) zugänglichen Raum ist wenig zu sagen. Mit der östlichen Umfassungsmauer ist man ein beträcht- liches Stück über die frühere Grenze der Insula hinausgegangen und hat so die Straße verengt. Am Nordende des bezeichneten Baumes hatte man eine Pfeilerporticus z, wie es scheint mit Benutzung schon früher vorhandener Pfeiler, errichtet, welche aus «, dem Vorraum der Badeanstalt, zugänglich war. Der massive Pfeiler a, welcher in ganz anderer Richtung steht, als die Mauern des Gebäudes, kann keinen constructiven Zweck gehabt haben; da er genau nach Süden orientirt ist, so liegt die Vermuthung sehr nahe, dass er eine Sonnenuhr tragen sollte : wir erinnern uns, dass eine solche in den größeren Thermen gefunden wurde, und dass wir in den kleineren Thermen, an einer ganz ähnlichen Stelle, einer Säule begegneten, für die wir den gleichen Zweck vermutheten (S. 212) . Zu welchem Zweck man den Raum ß mit einer Mauer umgeben wollte (auf der punktirten Strecke sind nur erst die Fundamente gelegt) , können wir nicht errathen.

Sechster Abschnitt. Brunnen, Altäre und sonstige kleine Bauwerke.

Gutes Trinkwasser galt im Alterthum für ebenso wichtig wie bei uns, ja, wenn wir von den ungeheuem Bauten, welche die Römer in viele Meilen langen riesigen Aquaeducten anlegten, um sich dasselbe zu verschaffen, auf den Werth schließen, den das Wasser hatte, für noch ungleich wichtiger. Für den Bedarf des Haushaltes, für Küche und Wäsche hatte man das in den Im- pluvien gesammelte, in tiefgegrabene Brunnen geleitete und in ihnen geklärte Regenwasser in jedem Hause bei der Hand, zum Trinken aber zog man, obgleich das Wasser der Cistemen namentlich in älterer Zeit gebraucht wurde, Quellwasser begreiflicher Weise vor, welches oft sehr weither geschafft werden musste.

So auch in Pompeji. Denn die Stadt hatte vermöge ihrer schon früher dargestellten Lage auf einem Lavahügel im Alterthum jedenfalls nur sehr wenige lebendige Quellen oder Brunnen von Quellwasser ; wir kennen deren nur zwei : einen von 28 M. Tiefe in dem Keller der s. g. casa dei marmi^ jetzt domus N, Popidii Prisci genannt (VII, 2, 20), den andern, ähnlich tiefen, in dem anliegenden Hause, domus C Vibi (VII, 2^1 8) . Das Wasser des Samus, der

Dia effentliolieii Oeb&ude. Brunnen, Altftre und sonstige kleine Bauwerke. 239

iibrigeDa im Alterthum schwerlich unmittelbar an der Stadt vorbeifloss (s. oben S. 6), in Eimern oder. Hydrien (Wasserkannen) herbeizuscb äffen, konnte besten Falls für die nächsten Häuser am Flussufer und für sehr primitive Culturzustände genügen. Pumpwerke aber, durch welche man das Flusswasser hätte heben können, sind dem Alterthume fremd gewesen. Pompeji war also für seinen Bedarf an Trinkwasser auf eine Wasserleitung angewiesen , an deren einst- maligem Vorhandensein man schon gegenüber den an nicht wenigen Stellen der Stadt noch jetzt sichtbaren Pfeilern und den vielfach auf den Straßen und in den Gebäuden sichtbaren Bleirohren, sowie den zahlreichen Brunnen nie hat zwei- feln können, welche letztere sich nicht allein in den Straßen und an fast allen Straßenecken [m biciis oder trimis] finden, sondern auch in nicht wenigen Häusern, zum Theil sehr reich und eigenthümlich verziert, wiederkehren. Woher das Wasser kam, ob aus dem Samus, worauf die starke Ablagerung von Kalksinter führt, ob vom Vesuv, das ist noch nicht sicher festgestellt. Jedenfalls lag der Ausgangspunkt der Leitung viel hoher als der von Fontana's Canal (oben S. 26) : es geht dies theils aus der Höhe der erwähnten Pfeiler hervor, auf welche das Wasser durch seinen eigenen Druck hinaufgetrieben wurde, theils aus dem vor kurzem nördlich von der Stadt aufgefundenen Zu- leitnngscanal "'(j . Die Leitung war sowohl außerhalb als innerhalb der Stadt unterirdisch, und die schon erwähnten Pfeiler bildeten ihre Knotenpunkte. Sie bargen in den beiden Vertiefungen, die sie charakterisiren, Röhren ; in einer derselben stieg das zugeleitete Wasser in auf der Höhe des Pfeilers be- findliche offene Bassins, welche, obgleich selbst zerstört, doch sicher nach- gewiesen sind ; in der zweiten Vertiefung wurde es durch mehrfach sich ver- zweigende Röhren an seine Bestimmungsorte weiter geleitet. Der Zweck dieser örtHchen Erhebungen ist ohne Zweifel, den gar zu großen Fall und Druck des Wassers auf die Röhren abzuschwächen , indem aus den offenen Bassins das überschüssige Wasser abfloss, während andere Knotenpunkte der Leitung unter dem Niveau der Straßen lagen und durch s. g. castella aquae, für deren eines man das auf Fig. 128 hinter dem Brunnen sichtbare kleine Gebäude hält, geholfen wurden, ohne gleichwohl unzugäng- lich zu sein. So ist das Wasser dieser Leitung durch alle Quartiere und auch in viele Häuser vertheilt gewesen, und zwar allen Anzeichen nach reichliches Wasser.

Von den sichtbaren Monumenten der pom- pejaner Wasserleitung fassen wir zunächst die Brunnen in den Straßen und an den Straßen- ecken ins Auge.

In.,den beiden Abbildungen Fig. 127 und , , , f , , f ^

Fig. 128 finden wir den Plan und die Ansicht p;» ,27 pian eines Brunnena. einer Straßenecke, eines bwium mit dem eben

erwähnten casteüum a und einem Brunnen b ; es ist der erste an der Haupt- straße vom Herculaner Thor, welche man mit ihrem Pflaster und ihren Trot- toiis ebenfalls auf dem Plan erkennt. Die Gestalt des Brunnens selbst ist, wie

240 Drittel Capitel.

die der meisten llruiuicii in Pompeji, die einfachste, die man sich denken kann. Aus einem kleinen, aus einem Lavastein bestehenden Pfeiler, welcher zur Aufnahme des Rohres der Leitung durchbohrt und in den meisten Fällen mit einem Figurenoruamcnt am Ausruss verziert ist (in diesem Beispiel ist es

verloren gegangen], fallt das Wasser in einen s. g. Can- tharus oder ein viereckiges Itassin, welches aus mit eiser- nen Klammem verbundenen Lavaquadem erbaut ist , um der Last des Wassers sicher zu widetetehn. Hinter dem j Brunnen sieht man das ver-

I vermeintliche castellum, d. h.

ein kleines gewölbtes Ge- ' häude mit einer fensterartigen

Öffnung; einegleicheÖffnung I auf der gegenüberliegenden

Seite ist schon im Alterthum Y'xa. 128. Ansicht eines BrunnenB. _. j -n

" zugemauert worden. Dage-

gen ist eine Thür nie vor- handen gewesen. Die Parade dieses kleinen Bauwerks nach dem Brunnen hin war mit einem jetzt ganz verschwundenen, vielleicht den Larendarstellungen angehörenden Gemälde (Hlbg. No. Sä) geschmückt, und vor demselben steht ein kleiner, wohl den lares compitaUe, den Schutzgöttem der StraBen, deren Cult Augustus erneuerte, geweihter Altar. Ob es wirklich ein Castellum der Wasserleitung ist, kann jetzt, wo der Hoden nicht sichtbar ist, nicht untersucht werden : es wird erlaubt sein, daran zu zweifeln, da auf der Ostseite (auch auf dem Plan Fig. 127 sichtbar) einer der gewöhnlichen WasserleiCungspfeiler daran gelehnt ist, das Gebäude selbst aber alterthiimlichere Bauart zeigt, als die Pfeiler der Wasserleitung. Der Hahn der Leitung ist an diesem Orte nicht gefunden worden, wohl aber zeigen diejenigen von anderen Knotenpunkten wesentlich die Einrich- tung, welche uns der Hahn aus dem Palast des Tibe- rius auf Capri im Museum von Neapel vergegenwär- tigen kann, den die nebenstehende Figur 129 zeigt.

Jeder sieht, dass der Theil b sich in demjenigen a

Fie. 129. drehte und so die Rohre c öffnete oder schloss, welche

Hahneinermsserlcitung. ^^ch beiden Seiten fuhren. Jetzt sind diese Stücke ganz fest in einander gerostet und sollen , so zu sagen, antikes Wasser eingeschlossen enthalten, welches man, wenn. der Hahn geschüttelt wird versucht habe ich es nicht in dessen Innerem deutlich plätschern hören soll. Die meisten Brunnen sind dem hi^ beschrie- benen und abgebildeten sehr ähnlich, nur dass der Cippus, aus welchem das Wasser in das Becken floss, wie schon gesagt, bei den meisten auf eine ver- schiedenartige Weise mit Beliefen geschmückt ist. Beispielsweise bringen wir

Die (•ffentlicben Gebäude. Brunnen, Alt&ie und sonitige kleine Bauwerke. 241

die Abbildung eines ebenfalls an einei Straßenecke belegenen Brunnens (Fig. 130] . Der.CippUB ist mit einem Relief geschmückt , darstellend einen Adler, der einen Hasen im Schnabel hält, aus dessen Maul das Wasser floss. In dem Laden, in dessen Thür hinter dem Brunnen wir hineinsehen, wurden Esswaaren verkauft, von denen man Beste in demselben gefunden haben soll. Der ßelief- schmuck der meisten, stets in gleicher Weise eingerichteten Brunnen ist zu wenig bedeutend, um hier einzeln erwähnt zu werden ; Auszeichnung verdient nur ein solches Relief an einem in der Nähe des Apollontempels und des Seethors (Reg. VII, Ins. 15) neuerdings ausgegra- benen Brunnen von schönem weißem Marmor, da dasselbe nicht ohne Laune ist. Es stellt

Fig. 130. Ansicht eines iweiten Brunnens.

nämlich einen schönen Haushahn vor, der in eiligem Lauf ein Gefäß umgeworfen hat, dem nun der Wasserstrahl entspringt. An eben diesem Brunnen siebt man besonders deutlich die Spuren der Ab- nutzung.durch den Gebrauch; neben dem Cippus ist derBnmnenrand durch die aufgestützten Hände und in dem Belief ist die Mündung des Gefäßes durch die darangelegten Lippen der Trinkenden ziemlich beträchtlich aus- geschliffen. Noch stärker ist diese an allen Brunnen wahrnehmbare Ab- nutzung an demjenigen an der Strada deir Abiondama an der hintern Ecke des Gebäudes der Eumacbia. Der I Durchschnitt eines derartigen an den Propylaeen des Forum trianguläre be- I legenen Brunnens (Fig. 131) mag die I Art verdeutlichen, wie das Wasser

' durch ein Rohr in dem durchbohrten

Fig. 132. Ansicht eines dritten Brunnens. Cippus bis zum Ausfluss geleitet wurde, die Ansicht noch eines Brun- nens (Fig. 132) eine Besonderheit vei^egenwäxtigen. Derselbe, dessen Cippus mit einem Stierkopf in Relief geschmückt ist, ist in den Fußweg der ziemlich engen

OT«rli«ck, Ponpajf. 4. Aufl. 16

242 Drittes Capitel.

Straße hineingebaut, und augenscheinlich deshalb an zwei Seiten mit einem eisernen Geländer umgeben gewesen, um Fußgänger vor dem Hineinstürzen zu bewahren. Dies bereits bei der Entdeckung ganz verrostete Geländer ist bis auf ein paar Stümpfe im Stein verschwunden. Das Material ist fast überall Lava. Nur der Brunnen mit dem Hahn ist aus Marmor ; der neben dem Ge- bäude der Eumachia und ein anderer am Kreuzpunkt der Nolaner und Sta- bianer Straße aus Travertin ; nur einer, am Stabianer Thor, ist aus Tuff.

Andere Brunnen in Pompeji bieten nun allerdings abweichende, aber nicht minder einfache Formen. So iöt schon früher bei der Beschreibung des Forum trianguläre sowie der Palaestra durchbohrter Säulen Erwähnung gethan worden, welche als Brunnen dienten ; ein Brunnen in demselben Stadtquar- tier hat ungefähr die Form eines Sitzes mit sehr niedriger Lehne, aus der aus vier kleinen Löwenköpfen die Wasserstrahlen in den das Bassin bildenden Sitz fielen.

Diese Beispiele mögen genügen, um das immer gleichbleibende Princip der antiken Brunnen an den Straßen zu vergegenwärtigen. Diese Gleichheit des Princips schließt übrigens eine größere Mannichfaltigkeit der Erscheinun- gen, als sie uns Pompeji in seinen öffentlichen Brunnen bietet, keineswegs aus, wie dies, ganz abgesehn von den Monumenten anderer Orte, die Brunnen in den Privathäusem Pompejis beweisen ; hier finden wir die Cippen, wenn diese überhaupt beibehalten wurden, was nur ausnahmsweise der Fall ist, ungleich reicher decorirt ; noch häufiger sind sie durch ganze Marmor- oder Bronzestatuen ersetzt, durch welche das Brunnenrohr bis zu irgend einem mehr oder weniger sinnreich construirten Ausguss geführt wurde. Diese Brun- nenfiguren, deren Herculaneum eine ganze Reihe und auch Pompeji nicht ganz wenige aufzuweisen hat, boten der Plastik ein fruchtbares Feld und ge- hören zu den anmuthigsten Erfindungen derselben ; von ihnen soll im artisti- schen Theile ausführlicher gesprochen werden.

Es wäre nun interessant zu wissen, wann Pompeji seine Wasserleitung erhielt. Betrachten wir daraufhin die Monumente derselben, so finden wir, dass keines derselben auf vorrömische Zeit deutet. Am alterthümlichsten sehen noch die Brunnen aus ; doch liegt dies an der Rohheit der Arbeit, welche in der Lava durch die Beschaffenheit des Steines bedingt ist. Aber auch das Medusenhaupt des aus Tuff, einem leicht zu bearbeitenden Stein, bestehenden Brunnens am Stabianer Thor, zeigt nicht im entferntesten den künstlerischen Charakter der Tuffköpfe des großen Theaters und des Nolaner Thors (S. 52, 158). Die Pfeiler bestehn theils (und vorwiegend) aus ziegelformigen Tuff- steinen, theils aus Ziegeln : ihre Bauart zwingt uns nicht, sie auch nur in republi- kanische Zeit hinau£zurücken. Ohne also den Zeitpunkt näher bestimmen zu wollen, können wir doch sagen, dass allem Anschein nach die Wasserleitung Pompejis der römischen Zeit, und zwar schwerlich den Anfängen demselben angehört.

Von öffentlichen Monumenten sind außer den Brunnen besonders noch die, wie in katholischen Ländern die Heiligenhäuschen, vielfach in den Straßen aufgestellten Altäre der Schutzgottheiten der Wege und Straßen zu erwähnen. Ein solches kleines Heiligthum haben wir bereits an dem Brunnenhause bei

Die öffeutlicheD Gebäude. Brunnen, AltSre und «onatige kleine Bauwerke. 243

dem etaten Brunnen kennen gelernt, bestehend auB einem Altar vor dem Bilde der Straßenlaren , auf welchem diesen Daemonen von den Voiüber- gehenden ein wohlfeiles Opfer und ein flüchtiges Gebet dargebracht wurde. Ganz ähnlich ist ein zweites derartiges Heiligthum in der Strada atabtana ebenfalls mit einem Brunnen verbunden. Ohne Verbindung mit einem Brunnen ist ein Altar in der Straße hinter dem s. g. Gefangniss am Forum, angelehnt an eine Wand; hinter demselben erscheint auf einem von Pilastem eingefaßten und von einem Giebel gekrönten Felde die bekannte Opfercaeremonie anstatt gemalt in Stuccorelief. In dem Giebel ist ein Adler in Belief gebildet, welcher zu der unrichtigen Annahme den Anlass gegeben hat, dieser Altar sei dem Juppiter geweiht gewesen ; er erscheint vieiraehr nur als ein sehr passender Schmuck des flachen Giebeldreiecks, welches er mit seinen ausgebreiteten Schwingen^rfullt, und welches eben wegen der Ähnlichkeit seiner allgemeinen Form mit den ausgebreiteten Flügeln eines Adlers in Griechenland den Namen aAdler« (aeiös) erhalten hat. Ein anderes Beispiel (Fig. 133) wird genügen, um nebst dem zuerst betrachteten den durch- Bchnittlichen Charakter dieser Cultus- etätten der dii populäres oder pateUarii uns zu vergegenwärtigen. Es ist dies ein ziemlich ansehnlicher Altar, welcher, um den Verkehr auf dem ohnehin nicht allzu breiten Fußweg nicht zu versperren oder zu beengen , bescheideutUch in einer Mauernische steht, in welcher über dem- selben eine Opfer darstellung, ähnlich den besprochenen, geraalt oder in Relief an- gebracht gewesen sein wird, welche uns verloren gegangen ist. Statt der Laren-

darstellung erscheinen gelegentlich auch Fig- 133. Altar an einer Straße.

nur die beiden Schlangen , die Vertreter

des männlichen und weibUchen Genius ; so gleich rechts am Stabianer Thor, und an der Südwestecke der Insula IX, 2, wo statt des Altars nur eine Nische für die Opfergaben angebracht ist.

Ein wahrscheinlich den Straßenlaren geweihtes Heiligthum in Form einer Aedicula begegnete uns ara Forum in einer Nische an der Außenseite des Macellums [oben S. 122). Hierher gehört femer ein Sacellum an der Stabianer Straße, auf der Ostseite der vierten Insula der achten Region. In einem nach Art eines kleinen Ladens auf die Straße geöffneten Räume finden wir nicht weit von der Rückwand und ihr parallel einen länglichen Altar, in der rechten Wand eine kleine Nische, in welcher ohne Zweifel die Lareubilder standen, und an der- selben Wand, gleich am Eingang, eine niedrige Bank. Und wohl im Hinblick auf die Ähnhchkeit mit diesem Heiligthum hat Fiorelli vermnthet, dass auch das als Barbierstube bekannte Local an der Mercurstraße [W, S, 14] den Stiaßenlaren geweiht war. Wir finden hier in der Mitte einen viereckigen

16*

244 Viertes Capitel.

Travertinstein , der sehr wohl, mit Stuck bekleidet, ein einfacher Altar sein konnte , in der rechten Wand zwei kleine Nischen und unter denselben wie- derum eine niedrige Bank. Durch eine Thür in der Kückwand gelangt man in ein kleines Hinterzimmer unbekannter Bestimmung.

Als verwandt mit diesen volksthümlichen Straßenheiligthümem müssen endlich die mehrfach an Ecken und Mauern vorkommenden religiösen Male- reien hier erwähnt werden, die, weil kein Altar vor denselben angebracht ist, mehr einen talismanischen als einen Cultcharakter tragen. Sie sind, wie man sich aus der Zusammenstellung in Helbigs Wandgemälden (No. 7 94, zu denen noch manche hinzugekommen sind) überzeugen kann, zahlreich genug, bieten aber nur in einzelnen Fällen ein hinlängliches Interesse, um auf ihren Gegen- stand auch nur flüchtig einzugehn. Dies ist besonders der Fall bei einem Gemälde an der Ecke der kleinen Straße ( Vicolo dei dodici dei) , welche von der Strada delF Abbondanza nach dem Vicolo dei teatri führt (Plan CD de), welches (Hlbg. No. 7) die zwölf großen Götter darstellt, unter denen, beiläufig bemerkt, der Juppiter doch auch heute noch ziemlich unzweifelhaft als jugend- lich dargestellt erkennbar ist. Andere dieser Bilder zeigen uns einzelne der griechisch-römischen Gottheiten (Hlbg. No. 8 26); wieder andere den Genius familiaris (31 ff.), die Laren imd Larenopfer (35 45) oder den Genius und die Laren verbunden (46 59) oder Laren und Penaten (60 66) u. dgl. m. Endlich müssen noch die vielfältigen Schlangenbilder (29 f.) erwähnt werden, darstellend meistens zwei gewaltige Schlangen, welche sict auf einen mit Früchten, meistens Pinienzapfen und daneben mit Eiern belegten Altar zu ringeln und dazu dienten, den Ort religiös zu weihen, gelegentlich nur, um ihn vor Verunreinigung zu schützen. Eines der gewaltigsten und interessan- testen dieser Schlangenpaare ist dasjenige an der Wand gegenüber der domus Sirici (Plan 91 , DE fg] , welchem die Inschrift oliosis locus hie non est, discede morator (vgl. Cap. 6) beigefügt ist.

Viertes Capitel. Die Priyatgebäude.

Erster Abschnitt. Die Wohnhänser ^^^].

So groß in manchem Betracht das Interesse der öffentlichen Gebäude Pompejis für den Alterthumsfreund theils durch ihre Erhaltung, theils und besonders durch ihre gegenseitige Lage, welche sie als ein Gesammtes erschei- nen lässt, sein mag, so kann man doch nicht läugnen, dass die Privatgebäude ein bei Weitem größeres Interesse für sich in Anspruch nehmen und von höherer Bedeutung für unser Studium des Alterthums sind, als jene. Denn so

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. 245

wie überhaupt das öffentliche Leben der Alten, welches gewissermaßen als der Geschichte angehörend betrachtet werden kann, uns ungleich bekannter und in zahlreicheren und zusammenhängenderen Zeugnissen überliefert ist, als ihr Privatleben, so sind auch die Monumente des öffentlichen Lebens, Tempel und Hallen, Basiliken, Theater und Amphitheater, Straßen, Wasserleitungen und Bäder u. a. aus fasjfc allen Theilen der alten Welt in viel größerer Zahl auf uns gekommen; sie sind in ihren mehr oder weniger erhaltenen Ruinen lange bekannt, gemessen, gezeichnet imd studirt worden, ehe der erste Spatenstich zu Pompejis Ausgrabung gethan wurde, und zugleich sind gegen viele dieser Heste alter Tempel, Theater und sonstiger Bauten die pompejanischen öffent- lichen Gebäude klein, unbedeutend und stehn namentlich in künstlerischem Betracht mit wenigen Ausnahmen auf einer nicht allzu 'hohen Stufe. Von den Privathäusem der Alten aber war vor Pompejis und Herculaneums Entdeckung momunental sehr Weniges vorhanden ; denn die Trümmer einiger Paläste und Villen der Großen und Gewaltigen, welche wir außer den beiden verschütteten Städten haben, können hier nicht mitzählen, weil sie von der Norm bürger- licher Wohnhäuser weiter entfernt sind , als irgend ein Privatgebäude Pom- pejis. Und auch die einzeln erhaltenen Fundamentruinen und die allerdings in der antiken Litteratur vorhandenen Beschreibungen ländlicher Villen brin- gen uns der Kenntniss des gewöhnlichen bürgerlichen Wohnhauses etwa und kaum so nahe, wie die Ruinen der s. g. Villa des Diomedes in Pompeji. Von dem Normalhause, namentlich von dem Hause in der Stadt ist kaum anderswo die B^de, als in Vitruvs Architektur, wenigstens nirgend im Zusammenhang und anders als in gelegentlicher Erwähnung einzelner Käumlichkeiten. Ab- gesehn aber davon, dass Vitruvs Beschreibungen durch die Bank nicht die klarsten und für uns doppelt schwierig zu verstehn sind, weil sie sich auf Abbildungen beziehn, die uns verloren gegangen , abgesehn femer von der Unklarheit, welche mit dem Mangel monumentaler Anschauung unausbleiblich verbunden ist, haben wir bei Vitruv nichts, als die starre mittlere Norm, das Gesetz schlechthin, und zwar für das, was er bei seinen Lesern als bekannt voraussetzen mußte. Diese Norm aber ist nach hundert verschiedenen Um- ständen hundertfach verschieden angewendet worden, und erst die Kenntniss dieser verschiedenen Anwendungen des Gesetzes verschafft uns ein lebendiges und anschauliches Bild von der Stätte, in welcher sich das nach den Umständen xind Verhältnissen mannichfaltig gestaltete Privatleben der Alten bewegte. Eine solche Kenntniss ist aber, und zwar nur, durch Pompejis Häuser und die we- nigen vermittelt, die man in Herculaneum hat bloßlegen können ; und welches der Gewinn dieser Anschauung sei, das lernen wir recht würdigen, wenn wir unsere auf die Wohnungen Pompejis gegründete Kenntniss des römischen Hauses mit der Kenntniss von dem griechischen Hause vergleichen, die nur auf einer unklaren Normalbeschreibung Vitruvs und auf zerstreuten Stellen der alten Schriftsteller beruht.

Wir haben den pompejanischen Wohnhäusern gegenüber eine doppelte und nicht leichte Au%abe zu lösen. Einerseits nämlich sind die unsäglich reichen -^Einzelheiten der uns vorliegenden Monumente, wenn auch natürlich nur in einer Auswahl, zu beschreiben und zu erklären; wir müssen die Mannichfaltig-

246 Viertes Capitel.

keit der Pläne einer Reihe von kleineren, mittleren und groBen Wohnungen, d. h. von relativ großen, denn wirklich große Häuser, wie sie in Rom die Nobilität hatte, bietet uns Pompeji nicht, und zwar in ihrer bald durch locale, bald durch anderweitige Verhältnisse begründeten Modification zu-verstehn suchen, haben uns vorzufiihre«, was man in diesen verschiedenen Wohnungen an Resten baulicher und decorativer Einzelheiten und an Spuren des täglichen Lebens vorfand, und zu versuchen, nach der Anleitung dieser die Häuser in ihrer Gesammtheit zu reconstruiren und aus den Spuren des Lebens ein Bild desselben zu entwerfen; andererseits darf nicht versäumt werden zu unter- suchen, was in dieser Verschiedenheit das Gemeinsame, was in den Variationen und Modificationen das Gesetz und die Norm sei. Ein solches Gemeinsame, eine Norm und ein Gesetz aber ist wirklich vorhanden und ist durch die sorg- fältige Erforschung der gegebenen Mannichfaltigkeit als ein Maßstab zur Be- urteilung und als eine Leuchte der Erklärung gewonnen und festgestellt worden, weshalb wir damit zu beginnen haben, uns diese Norm klar zu machen.

Fragen wir uns zuerst, worin wohl der durchschlagende Unterschied des antiken Hauses und des modernen gelegen sein möge , so werden wir nach einer ziemlich allgemein verbreiteten Anschauung zu antworten geneigt sein : in der Ausdehnung des Grundrisses im antiken und der Beschränkung des- selben im modernen Hause j femer darin , dass mit dieser Ausdehnung in der Längen- und Breitendimension des antiken Hauses eine Beschränkung in seiner Höhe, mit der Beschränkung des Grundareals im modernen Hause eine größere Zahl von Stockwerken verbunden ist. Diese Antwort ist in gewissem Betracht richtig, aber in einem andern ist sie es nicht. Richtig ist die An- schauung von der Ausdehnung des Grundareals beim antiken Hause in so fem, als sich in demselben im Erdgeschoss eine viel größere Zahl von Räum- lichkeiten befindet, als im modernen Hause, unrichtig aber ist diese Ansicht, wenn von M aßvergleichung schlechthin die Rede ist. Eines der größten Häuser Pompejis z. B., das s. g. Haus des Pansi^, enthält im Erdgeschoss, Alles in Allem gerechnet, etwa 60 verschiedene Räumlichkeiten. Um diese Zahl von Zimmern, Kammern, Gängen u. s. w. anzulegen, gebrauchte aber der antike Baumeister nicht mehr als 35 M. Front und gegen 65 M. Tiefe des Areals. Fragen wir uns doch einmal, wie viele Höfe, Säle, 2iimmer, Kammern, Gänge, Vorplätze und andere Räumlichkeiten des wohnlichen Bedürfnisses wir auf dies Areal bauen würden, und wir werden etwa den vierten bis höch- stens den dritten Theil nennen müssen. Der Grund liegt darin, dass der Alte sein Areal viel stärker theilte, dass er seine einzelnen Wohnräumlichkeiten im Allgemeinen viel kleiner machte, als wir es thun können. Ein Unterschied wäre also allerdings hierin gefunden ; dass dieser aber ein durchgreifender, für das Ganze charakteristischer sei, kann man kaum behaupten, und zugleich sehn wir, dass es mit der bequem breiten Ausdehnung des antiken Hauses nicht so weit her ist, wie wir gewöhnlich glauben. In einer ganzen Zahl kleiner, ja selbst mittlerer Häuser Pompejis würden wir uns thatsächlich nicht zu bewe- gen, noch den nothdürftigsten modernen Hausrath unterzubringen wissen. Auch die Annahme der mit der großem Flächenausdehnung in Verbin- dung stehenden geringem Höhe des antiken Hauses ist nur zum Theil

Die Privatgeb&ude. Die Wohnh&user. 247

richtig. ist wahr, dass der Alte nicht so thurmartig baute wie wir in eini- gen unserer größten Städte mit unseren sechs bis sieben Stockwerken und himmelanstrebenden Däx^hem ; es ist richtig, dass die ältesten Häuser in Kom, die nur 172^^^?^ Mauern haben durften, die Last hoher Geschosse nicht zu tragen vermochten ; aber es ist auch bekannt, dass Augustus verbot, über 70 Fuß römisch = 66 Fuß unseres Maßes hoch zu bauen, was Hadrian auf 60 Fuß (= etwa 56 F.) herabsetzte, eine Höhe, die sich mit der gewöhnlichen moder- ner Häuser messen kann, welche ja selten die Höhe von 70 Fuß übersteigen. Einen durchschlagenden Gegensatz können wir also in den Maßverhältnissen antiker und modemer Häuser nicht finden. In ähnlicher Weise könnte man eine ganze Beihe von Unterschieden anführen, welche alle ihr Richtiges haben, ohne jedoch den bestimmenden Gesammtchaf akter zu treffen. Einen solchen durchschlagenden Gegensatz und bestimmenden Gesammtcharakter, und zwar den mit dem innersten Wesen tmd Bedürfhiss des Lebens zusam- menhangenden, finden wir in einem Umstände der Anlage, welcher diese im Ganzen beherrscht und bedingt.

Wir haben für den antiken Tempel im Gegensatze gegen unsere Kirchen, welche ihrem Wesen nach durchatui Linenbauten sind, den Charakter des Außenbaues in Anspruch genommen ; der entgegengesetzte Charakter ist der des antiken Hauses : dies ist von außen im Princip so gut wie völlig abge- schlossen und ganz nach innen gewendet. Hierin liegt der charakteristische Unterschied zwischen ihm und unserem, auch dem südlichen, modernen Hause , welches sich nach außen in vielen und breiten Fenstern öfihet und in seiner ganzen Anlage eine entschiedene Beziehung zur Straße zeigt. Für das antike Haus in seiner wesentlichen Anlage aber ist die Straße nichts als der Weg, der am Eingang vorüberführt ; weder in der Öffiiung der Fenster, deren Vorhandensein als bloße Lichtöffnimgen hiemit natürlich nicht g^läugnet werden soll, noch in der Ausstattung der Fa^de ist auf die Straße Rücksicht genommen ; das Erdgeschoss, der ursprüngliche Theil des Hauses, bildet nach außen wesentlich nur vier abschließende, vom Eingang durchbrochene Umfas- sungsmauern ; die ganze Anlage wendet sich nach innen und schließt sich um den innem Hof, auf den, oder in späterer Entwickelung auf deren zwei hinter einander liegende, die Zimmer ausgehn und von dem sie ihr Licht empfangen. Die Entwickelung unserer modernen Bauweise wurde ermöglicht durch den Gebrauch der Fensterscheiben aus Glas, welche zwar dem spätem Alterthum nicht fremd waren und auch in Pompeji vorkommen, deren Verwendung aber noch nicht so allgemein geworden war, dass sie hätte auf die Gestaltung des Hausbaues Einfluss gewinnen können. Nur durch die Glasscheiben wurde es möglich, an die Stelle des Licht und Luft vermittelnden Binnenhofes die Fa^ade mit ihren Fensterreihen zu setzen und so den Innenbau in gewissem Sinne in einen Außenbau zu verwandeln ^^^) .

Obige Eigenthümlichkeit ist bei verschiedener Benennung, modificirten Zwecken und danach veränderter baulicher Beschaffenheit der Theile zugleich das Gemeinsame des griechischen imd des römischen Hauses. Eine weitere Ähnlichkeit findet sich darin, dass das normale, wenn auch nicht das iirsprüng- liche römische wie das normale griechische Haus aus zwei hinter einander

248

Viertes Capitel.

liegenden Hälften besteht, die sich in dem Wesentlichen ihrer Anlage wieder- holen, die aber freilich im griechischen und im römischen Hause eine ver- schiedene, wenngleich im letzten Grande verwandte Bestimmung haben. Im griechischen Hause gehört die vordere Hälfte dem Manne und dem Verkehr mit der Außenwelt, die hintere Hälfte der Frau und der Wirthschaft des Hauses; auch im römischen Hause ist der vordere und ursprünglich einzige Theil der Öffentlichkeit, der hintere dem Familienleben bestimmt.

Auch die ältesten Häuser Pompejis zeigen uns nicht den Typus des ur- sprünglichen römischen, richtiger altitalischen Hauses, des Bauernhauses, aus welchem, dem natürlichen Gange der Entwickelung gemäß, das städtische Wohnhaus hervorgegangen ist. Dasselbe ist uns aus einer ganz andern Quelle bekannt geworden : durcJh Aschenkisten aus verschiedenen uralten, in Latium und Etrurien gefundenen l^egräbnissplätzen ^^^) . Jene alte Bevölkerung gab ihren Aschenkisten die Form ihrer Häuser, und so lernen wir aus denselben, dass diese Häuser über niedrigen Wänden ein hohes Strohdach, über der an der Schmalseite liegenden Thür eine fensterartige Öffnung hatten. Statt dieser alten Bauweise ist aber schon in früher, nicht näher bestimmbarer Zeit, wahrscheinlich durch fremden, vielleicht griechischen Einfluss, eine andere aufgekommen, deren älteste uns bekannte Form durch die ältesten pompejanischen Häuser (Kalksteinhäuser) vertreten wird. Es mag ferner hier erwähnt werden, dass im alten Born, zur Zeit als die Zwölf tafelgesetze gegeben wurden, die Häuser, alle oder doch großentheils, durch einen Zwi- schenraum [ambiüis) von 2^2 F^ getrennt waren, während in Pompeji keine Spur einer altern Bauart als der mit gemeinsamen Zwischenwänden nachweisbar ist^i^). Aus dieser ältesten pompejanischen Hausfbrm entwickelte sich dann, etwa im 2. Jahrhundert v. Chr., durch Hinzufugung weiterer, dem spätem griechischen Hausbau entnommener Bestandtheile, diejenige Bauweise, welche

uns einerseits aus den stattlichen pompejanischen Häusern der Tuffperiode, andererseits aus der Be- schreibung Vitruvs (VI, 3 ff.) bekannt ist.

Das italische städtische Wohnhaus bildete in der Zeit der pompejanischen Kalksteinhäuser, d. h. etwa bis in das 3. Jahrhundert v. Chr., ein Rechteck, dessen schmälere Seite als Front der Straße zugekehrt war. Nach hinten stößt ein ^Garten (hortus) an dasselbe, während die Mitte seiner Wohnräume der Innenhof, das Atrium oder Cavaedium {cavum aedium) einnimmt, dessen nach Innen geneigtes Dach in der Mitte eine rechtwinklige Öfihung, das Compluvium (s. Näheres unten) hat. Diesem entspricht im Fußboden das Impluvium , in welchem sich das Regenwasser sam- melte, um aus ihm in eine darunter befindliche Cisterne geleitet zu werden. Im Atrium war der Sammelplatz der Familie, hier, am hintern Rande des Impluviums, stand der Heerd, dessen Rauch durch die Dachöffnung abzog, hier der Geldkasten, hier verrichtete die Frau ihre häus- lichen Geschäfte des Spinnens und Webens, während die zwölf das Atrium

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Fig. 134. Ursprünglicher Plan des röm. Hauses.

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. 249

umgebenden und von ihm in der Hauptsache ihr Licht empfangenden Zimmer, ihrer drei an jeder Seite, von denen aber eines den Eingang darstellte, den Zwecken der Familie als Schlafzimmer {cubicula), Vorrathskammem [cellae penariae) , Speisezimmer [cenacula] dienten, ohne dass über die Lage und Be- stimmung jedes einzelnen dieser Bäume sich Genaueres feststellen lässt. Die beiden letzten Räume rechts imd links sind keine eigentlichen Zimmer, son- dern unverschlossene Erweiterungen des Atriums , und werden Flügel [alae] genannt. Ebenso ist das Mittelzimmer der Rückseite, das Tablinum, in allen uns erhaltenen Häusern der ältesten Zeit Pompejis nach vom wie nach hinten in ganzer Breite geöffnet und bildet die Verbindung zwischen Atrium und Garten ^^^). Auf der Vorderseite des letztem war wohl häufig durch ein von Pfeilern getragenes Dach eine bedeckte Halle gebildet. Die Wohnungen dieser Art haben wir uns in der ältesten Zeit in Anlage und Ausstattung äußerst ein- fach zu denken, so wie sie auch nur klein, sehr leicht gebaut und mit Holz, Brettern oder Schindeln gedeckt waren. Das Material war jedenfalls nach den örtlichen Bedingungen verschieden ; stellenweise waren es Riegel aus mit Stroh gemischtem, nicht gebranntem, sondern an der Sonne getrocknetem Thon, mit denen das Fachwerk von Holz ausgefüllt ^^rde ; erst später traten gebrannte Ziegel an die Stelle. Von dem Material und der Bauart der pompejanischen Kalksteinhäuser, mit Lehm als Bindemittel, wird im ersten Capitel des zweiten Theiles die Rede sein. Da nun das Gesetz verbot, die Mauern mehr als l*^ Fuß stark zu bauen, so ist es klar, dass die Häuser .nur einstöckig sein konnten; und in der That ist dies bei den ältesten Häusern Pompejis offenbar der Fall gewesen. Bei wachsender Bevölkerung stellte sich freilich das Bedürfniss oberer Geschosse als unabweislich heraus, imd man musste die Mauern, um ihnen die nöthige Stärke zu geben, entweder aus Quadern herstellen, oder den Ziegeln, falls man diese verwandte, durch sorgfältige Bearbeitung und Brennen, namentlich aber ihnen sowohl als den kleineren Bruchsteinen durch guten Mörtel eine größere Festigkeit geben. Das als Terrasse gestaltete flache Dach des untern Geschosses nannte man aolarium, indem man dort in der kühlem Jahreszeit den Sonnenschein aufsuchte, und aus den Solarien gingen durch Bedachimg luftige obere Gemächer (pergulae) hervor. Da man nun auch häufig das obere Stockwerk für die Mahlzeiten benutzte, erhielten seine Gemächer den Namen cenacula ; im Allgemeinen aber dienten die oberen Stockwerke (tadulata) zu Miethwohnungen. Nachdem durch Einrichtung oberer Geschosse einmal ein zweckmäßiger Weg zur Gewinnung von Raum auf be- schränktem Areal gezeigt war, fuhr man wofür Vitruv (II, 8, 17) ausdrück- lich als Grund angiebt, dass bei wachsendem Raumbedarf das Areal des Erd- geschosses nicht ausreichte, so dass man die Höhendimension zu Hilfe nehmen musste, mit der Hinzufügung von Stockwerken fort, bis allmählich die Häuser eine solche Höhe erreichten, dass sie die Straßen dunkel machten, bei Erdbeben, Feuersbrünsten und den Überschwemmungen, von denen Rom viel zu leiden hatte, die Gefahr vermehrten, und jene Beschränkungen der Höhe durch kaiserliche Gesetze hervorriefen , von denen oben gesprochen wurde. Indess alles dies fällt in spätere Zeit; die pompejanischen Kalksteinhäuser hatten, so weit wir erkennen können, keine oberen Räume.

250 Viertes Capitel.

Eine neue Periode der römischen häuslichen Architektur können wir vom letzten Jahrhundert der Republik an datiren, als Rom den Einflüssen Griechen- lands in Kunst und Sitte sich öffnete ; für Pompeji beginnt sie wohl noch etwas früher. Dieser Periode gehört die Erweiterung des römischen Hauses durch vom griechischen Hause entlehnte Räumlichkeiten mit griechischen Namen, sowie der Beginn einer reichem architektonischen und decorativen Gestaltimg der alten Theile an. Der hierdurch angebahnte Luxus, der sich mehr und mehr geltend machte, leitet bald in die letzte Periode hinüber, welche mit dem Ende der Republik beginnt, und deren wesentlicher Charakter der des Luxusbaus ist. Die Häuser wuchsen zu Palästen nach und nach von fabel- hafter Ausdehnung, und gleichzeitig nahm die Pracht und Kostbarkeit des Materials und der Ausschmückung zu, obgleich das Grundschema des Planes der vorigen Periode auch in dieser noch festgehalten wurde. Wie rasch Luxus und Pracht zunahmen, können ein paar sehr bekannte Beispiele klar machen. Lucius Crassus war der erste, welcher in seinem Hause Säulen von fremdem Marmor anwendete ; doch waren ihrer nur sechs von zwölf Fuß Höhe. Aber schon Marcus Scaurus zierte das Atrium seiner Wohnung mit monolithen schwarzen Marmorsäulen von 38 Fuß Höhe, während Mamurra, Zeitgenoss Julius Caesars, sich nicht mehr mit Marmorsäulen allein begnügte, sondern der erste war, welcher die Wände seines ganzen Hauses mit Marmortafeln beklei- dete. Den besten Maßstab für die reißende Zunahme des Luxus finden wir in der Angabe des Plinius, dass Lepidus^ Haus, im Jahre 676 der Stadt (78 V. Chr.) in jeder Weise das schönste in Rom, funfunddreißig Jahre später kaum das hundertste an Pracht und Glanz war. In dieser Zeit wuide das Angebot der Kaufsunmie von nach unserem Gelde fast einer Million Mark, welches Ahenobarbus dem Crassus für sein Haus that, als zu gering abgelehnt. Von ähnlicher Pracht und Größe wie die Häuser in der Stadt waren die Villen und Landhäuser der Großen und Begüterten ; wir brauchen nur die Nachrichten über Ciceros Tusculanum, über die Häuser und Gärten des Sallust und Varros Ausspruch, »sonst baute man dem Zwecke gemäß, jetzt baut man, um allen erdenklichen ausschweifenden Launen zu genügen«, zu vergleichen, um uns hiervon zu überzeugen. Augustus^ Reaction gegen den übertriebenen Luxus blieb wirkungslos, obwohl er selbst immer in einem verhältnissmäßig sehr einfachen Hause lebte und gar zu üppige Bauten seiner Tochter Julia ein- reißen ließ. Nach seinem Tode schritt der Luxus um so gewaltiger fort, und zwar in dem Grade, dass unter Claudius ein reich gewordener freigelas- sener Sclave seinen Speisesaal mit 32 Onyxsäulen zierte* und, um gleich das höchste Beispiel zu nennen, Neros sogenanntes goldenes Haus, dessen Porticus von 1000 Schritten Länge von drei Säulenreihen umgeben war, den Um£Emg einer mehr als mäßigen Stadt hatte, während gleichzeitig nach dem berühmten Brande Rom nach einem gemeinsamen Plan mit der größten Herrlichkeit wieder aufgebaut wurde. Dies war der Gipfelpunkt der Pracht und des Luxus der Privatbauten ; von dieser Zeit an beginnt der Verfall, der zuerst allmählich, dann immer rascher fortschreitet, aber den weiter zu verfolgen über unsere Zwecke hinausgehn würde; wir kehren deshalb zu einer Betrachtung der normalen Anlage eines bürgerlichen römischen Wohnhauses mittlerer Größe

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser; Normalplan.

251

aus der Zeit zurück, welche schon die oben erwähnte Erweiterung aus dem griechischen Hause angenommen hatte, wobei wir bemerken, dass natürlich manche Modification im Einzehien des Planes, z. B. in der Zahl der Zimmer, diurch die Größe der ganzen Wohnung bedingt wird, ohne dass der Grundplan im Wesentlichen geändert erscheint.

Es ist schon erwähnt, dass das römische Haus auf dieser Entwickelungs- stufe wie das griechische in zwei Haupthälften zerfällt, von denen die vordere der Öffentlichkeit angehörte, die hintere die für die Familie vorbehaltene eigentliche Wohnung war. In den vordem Theil hatte in vornehmen Häusern zu gewissen Stunden Jeder Zutritt ; hier versammelten sich die Clienten, um dem Patron aufzuwarten und um seine TJnterstützimg zu bitten, imd in diesen Theil verlegte der Römer diejenigen Gemächer imd Gegenstände, durch welche er seinen Bang oder Reichthum vor den Blicken der Welt zur Schau stellen wollte. Es begreift sich, dass bei kleinen Häusern armer Leute auch jetzt die Unterscheidung der beiden Theile fortfiel ; was hätten sie auch mit einem öffentlichen Yorhause anfangen sollen, sie, denen Niemand aufwartete, die außer ihren Freunden Niemand besuchte, und die froh sein mussten, auf ihrem kleinen Areal die nöthigen Räumlichkeiten für die Familie und etwa für ihr Geschäft unterzubringen. Wir werden einige charakteristische Bei- spiele solcher kleinen Häuser in Pompeji kennen lernen, und sehn, dass die- selben nicht einmal immer die Einrichtung des Atrium festhalten kpnnten, wähi'end wir zugleich bemerken werden, dass bei nur einigermaßen wach- sendem Wohlstand imd Raum eben dieses Atrium der erste Theil der Anlage ist, für den man Sorge trägt. Von diesen kleinen Wohnungen sehn wir ab und construiren uns den Normalplan eines gewöhnlichen Mittelhauses , in welchen wir aber nur die wesentlichen Räumlichkeiten au&ehmen.

Vor großen Häusern und Palästen befand sich zunächst eine s. g. area oder area privata, welche bei Mittelwohnungen wegfällt. Diese Area wiirde mit einer Porticus umgeben oder mit einer Säulenreihe geziert oder auch mit

Fig. 135. Plan des römischen Normalhauses.

Bäumen bepflanzt. Derartiges ist in Pompeji nicht zu suchen, aber als eine Art von area privcUa werden wir die nach vom vergittert gewesene, über eine

252 Viertes Capitel.

Treppe an jedem Ende zugängliche breite Rampe vor dem Hause des Epidius Rufus (Plan No. 116 ; s. unten) zu betrachten haben. Hinter derselben beginnt die Wohnung mit einem Räume, dem Vestibulum ^*^), der auch seinerseits in so fem noch nicht zu den eigentlichen Theilen des Hauses gerechnet werden darf, als er außerhalb der Hausthür lag, dennoch aber zum Hause gehörte, in so fem er in den Bereich der Umfassungsmauern fällt. Das Vestibulum ist nämlich ein gegen die Straße unverschlossener Flur, in dessen Grunde die Hausthür [ianua] sich befindet, begrenzt zu beiden Seiten von den vorspringenden Flü- geln des Gebäudes, 2 in dem Plane Fig. 135. Dieser Flur kann nun von sehr verschiedener Größe und Ausstattung sein ; er kann fast auf ein Nichts zu- sammen schrumpfen, oder gradezu fehlen; und davon sind die Beispiele in Pompeji auch in großen Häusern keineswegs selten. In anderen Fällen wird er zu einem Gange von verschiedener Tiefe, wächst auch in die Breite und kann die Größe eines Gemaches annehmen, wie wir dieses auch, wenngleich in bescheidenem Maßstab, in einigen Häuserplänen Pompejis finden werden. In ganz großen Privathäusem und in Palästen kann das Vestibulum zu einem weiten, saalartigen, mit Säulenhallen umgebenen Raum anwachsen, der mit Statuen, auch Reiterstatuen und Viergespannen geschmückt wird, große Wasserbassins einschließt ; wie dies z. B. in Neros Palast der Fall war, Verhält- nisse, die uns nicht berühren. Immer aber ist das Vestibulum eingeschlossen von den Flügeln des Hauses, mögen diese groß oder klein sein und enthalten was es immer sein mag, Läden, Wohnräume oder Hallen, und stets liegt das Vestibulum hinter der Straßenflucht des Hauses. In einigen Fällen, die uns angeführt werden, war es imbedacht ; in anderen, und dies ist in Pom- peji durchaus die Regel, ist es sicher mit imter das Dach des Hauses gefasst worden *^ 3). Auf das Vestibulum öflRnet sich in einigen Fällen der Raum für die Treppe in das, in diesem Falle wohl immer als getrennte Miethwohnung zu betrachtende Obergeschoss. Gegen die Straße wird es in manchen Fällen gar nicht, in anderen durch eine einfache Schwelle, in noch anderen durch eine oder auch ein paar flache Stufen begrenzt und öffnet sich gegen dieselbe meistens zwischen zwei antenartig gegliederten Mauerpfeilem , welche auch durch ein paar Säulen ersetzt werden konnten *^^) . So ist das Vestibulum inner- halb des Hauses, und dennoch, als unverschließbar und unverschlossen, kein eigentlicher Theil desselben, diente, außer zu gewerblichen Zwecken, haupt- sächlich als Vorzimmer für ungeladene Besucher, welche hier abwarteten, ob sie vorgelassen werden sollten oder nicht. Wo das Haus mit der Straße einen schiefen Winkel V^l^^^^ wird derselbe durch das Vestibulum ausge- glichen, so dass dies schiefwinklig, der innerhalb der Thür liegende Gang aber rechtwinklig ist. Im Grunde des mehr oder weniger tiefen Vestibulum, wo ein solches vorhanden, sonst unmittelbar an der Straße, liegt die meistens zweiflügelige Hausthür [iantm] 3, welche sich stets nach innen öffnet. Eine nur scheinbare Ausnahme von dieser Regel bildet die Casa del Fauno ; denn in Wahrheit hat dieselbe zwei Thüren, von denen nur die innere sich nach außen öffnet. Ein solcher doppelter Verschluss begegnet nur selten: wir finden ihn außerdem noch im Hause des Epidius Ruins (IX, 1, 20}. In beiden Fällen war, wie die Löcher für die Riegel beweisen, die äußere Thür drei-

Die Privatgebäude. Die Wohnh&user ; Hausflur.

253

flügeUg, wie die gemalte Thür im Gebäude der Eumachia (Fig. 77), indem zwei Flügel durch horizontale Angeln nach Art unserer Thüren verbunden waren : man konnte so den mittlem Flügel öffnen, wahrend die beiden an- deren verriegelt blieben.

Die Thüren befinden sich zwischen zweien aus den Wänden des Flurs vorspringenden Mauerpfeilem oder Pfosten [postes), welche, wie die Ober- schwelle, mit in der Regel hölzernen Verschalungen (antepagmenta) bekleidet wurden ; die zur Aufnahme letzterer bestimmten, in die Schwelle eingehauenen Vertieftingen findet man noch heut in Pompeji fast überall. Die Flügel der Thüren hingen nicht wie bei uns in an den Thürpfosten befestigten Angeln, sondern waren in die Unter- und Oberschwelle (Schwelle und Sturz) mit Zapfen [cardmes] eingelassen, und zwar meistens in bronzenen Kapseln, welche vielfach erhalten sind, und wurden am häufigsten durch in die Schwelle sich senkende und in den Sturz emporzuschiebende Riegel [pessuü) geschlossen. Nicht selten ist jedoch der Verschluss verstärkt durch einen innerhalb der Thür quer vorgelegten Balken [sera] , zu dessen Aufnahme rechts und links in die Pfosten eingehauene, nicht selten mit vier Thonplatten ausgesetzte Löcher sich finden, oder durch eine schräge Stütze, welche von der Mitte der Thür hinterwärts auf den Fußboden des Hausganges hinabging, wo durch einen eigenen über den Boden etwas erhobenen viereckigen Stein oder auch nur durch ein Loch im Fußboden für die Aufnahme ihres untern Endes ge- sorgt ist ; manche Thüren waren sowohl durch die sera als durch den schrägen Balken gesichert. Endlich finden sich in Pompeji auch eigentliche Schlösser,

Fig. 136. Hausflur der Casa di Pansa.

und zwar nicht selten von beträchtlicher Größe, aber meistens, da sie von Eisen sind, in durch den Rost sehr zerstörtem Zustande, so dass es erst neuer- dings möglich geworden ist, ihre Construction näher zu ergründen. Diese, eben

2S4 Viertes Capitel.

so einfach wie sinnreicli, kann an dem Modell einer pompejaner Thür, welche der dirigirende Architekt M. Buggiero nach antiken B«sten hat anfertigen und in dem Localmuseum an der Porta della marma aufstellen laasen, genau nachgewiesen werden, lässt sich aber mit Worten und selbst mit Hilfe einer Abbildung nur schwer recht verständlich machen"*). Was über die Pfosten und ihre Verkleidung, über die Thürangeln und Hiegel gesagt ist, wird durch die vorstehende Figur 1 36 klar werden. Sie stellt in Grundriss und Durchschnitt den Eingang des s. g. Hauses des Pansa dar und es bezeichnet in ihr F'das Vestibulum, O das Ostium, auf welches wir gleich kommen werden, A die Pfosten, S die Schwelle und in ihr a die Vertiefungen für die Verkleidung der Pfosten, (i die ThürangellÜcher, ■/ die ßiegellöcher und 8 endlich eine flache Kille, welche der eine mangelhaft emporgezogene Riegel bei vielmaligem Öffnen der Thür in die Schwelle und den Fußboden des Ostium eingeschliffen hat. Auch von einer pompejanischen Flügeltbür mit ihren Angelzapfen und einem mächtigen, aber sehr verrosteten Schlosse kann Fig. 137 wenigstens einiger- maßen eine Vorstellung geben. Die- selbe stellt in einer von dem Verfasser selbst so gut es gehn wollte gemachten Zeichnung einen der schon früher erwähnten, im kleinen Localmuseum von Pompeji auf bewahrten Gypsal^iisse einer hölzernen , verkohlt gefundenen Thür, und zwar deren innere Ansicht dar. Zierlicher gestaltete Thüren wer- den an einem andern Orte beigebracht werden. In größeren Häusern, nament-

_.,,__ . . TT ..„ lieh der Tuffperiode, finden wir nicht

Flg. 137. Fragment einer HauBthat. . .

selten neben der Hansthur und mit ihr

einen rechten Winkel bildend , eine

kleine, einflügelige Thür, welche also auf der rechten oder linken Seite des

Vestibulums liegt und zunächst in einen Winkel zwischen eben dieser ThÜr

und der entsprechenden Seitenwand des Hausflurs führt; so konnte man in

das Haus treten, ohne die große und schwere Hauptthür zu öfl^en. Wir finden

diese Einrichtung z. B. in der Ca»a del Laberinto (VI, II, 20], in der Casa

del Tora dibronzo (V, 1, 7) und im Hause des Epidius Rufus (IX, 1, 20), wo

sie auf dem weiter unten zu gebenden Plan deutlich sichtbar ist. Vei^essen

sei nicht, der freundlichen Sitte Erwähnung zu thun, nach welcher die

Schwelle der Hausthür oft, auch in Pompeji einige Male, mit dem Bewill-

kommnungsgruB SALVE in Mosaik geschmückt war. Auf die Hausthür

folgt der innere Hausflur, ostium, 4 auf dem Plane Fig. 135, zur Seite dessen

sich, in Pompeji freilich keineswegs in der Regel, ein Kämmerchen 5 für den

ostiariua, den Portier, befindet, neben welchem man oft einen Hund ankettete,

oder ihn nur malte oder von Mosaik in den Fußboden einlegte, wie dies in

Pompeji in der Caaa del poeta der Fall ist. Eine Inschrift »Cace canemh nimm

dich vor dem Hunde in Acht ! warnte vor der allzu großen Annäherung an

den vierfußigen Wächter und findet sich auch neben dem erwähnten Mosaik-

Die Priyatgeb&ude. Wohnhäuser; Atrium. 255

hnnd, den unsere Abbildung (Fig. 138) darstellt "*). Das Ostium, welches in ganz

einzelnen Fällen so gut wie das Yestibulum gänzlich fehlte so dass man durch

die Hausthür unmittelbar das Atrium betritt (s. z. B.

tmten Fig. 156 imd in dem Hause I, 3, 23), steigt

in der Regel nach einer kurzen Strecke , welche

der einwärts schlagenden Thür wegen horizontal

liegt (s. Fig. 136), gegen das Atrium etwas an, um

den Abfluss des etwa in's Atrium eingedrungenen

Regenwassers und doch wahrscheinlich auch des

beim Reinigen gebrauchten Wassers zu erleich- pj« 133^ Mosaikhund. tem. Demselben Zwecke dienten wohl auch die

häufig in diesem Gange angebrachten, durch runde Steine geschlossenen Öffiiungen der weiterhin zu erwähnenden, aus dem Impluvium auf die Straße führenden bedeckten Rinne; wenngleich Hauptzweck derselben wohl die gelegentliche Reinigung dieser Rinne selbst war. Es sei noch bemerkt, dass der Name ostium für den Hausflur hinter der Thür zweifelhaft ist. Vitruv, wo er die Größenverhältnisse des Atriums und der umliegenden Räume vor- schreibt (VI, 4, 5), nennt ihn fauces; an einer andern Stelle (VI, 10, 5, vgl. VI, 10, 1) scheint er zu sagen, dass ihn die Römer, nicht die Griechen, pro^ thyron nannten. Eine zweite Thür am innem Ende des Ostium, gegen das Atrium, ist ungewöhnlich; zwei sichere Beispiele bieten die Ciisa (TAdone (oder della toletta delF Ermafrodita^ jetzt domus M, Asellinij VI, 7,18) und das Haus des L. Caecilius Jucundus (V, 1, 26). Wo sich keine solche zweite Thür fand, also in der Regel, wurde das Ostium gegen das Atrium entweder durch einen Vorhang [velum) oder auch gar nicht abgeschlossen.

Auf das Ostium folgt unmittelbar das Atrium^ der, wie schon zu Fig. 134 bemerkt, bei weitem am meisten charakteristische Theil des römischen Hauses. Der Name ist wahrscheinlich von ater, schwarz, abgeleitet, und es ist, wie auch das griechische fiila&QoVj so genannt worden, weil seine Decke vom Rauche des Heerdes geschwärzt wurde, was natürlich in noch viel höherem Grade der Fall war bei den alten Häusern mit Giebeldächern, deren Haupt- raum vermuthlich schon denselben Namen führte. Hier hatte ein zweiter, atriensia genannter Sclave den Dienst und die Wache, als dessen Aufenthalt [cella atriensia] wir etwa das Zimmer 7 neben der Treppe 8 bezeichnen können.

Vitruv unterscheidet fünf Arten von Atrien, das tuscanische, das tetra- style, das korinthische, das displuviatum und das testudinatum. Wenige Worte werden genügen, um diese Benennungen, von denen wir die drei ersten in Pompeji mit Beispielen belegen können, klar zu machen. Die ersten vier Arten waren theilweise, das testudinatum allein war ganz bedeckt. Das Atrium tusea- nicum ist das einfachste von allen. Es ist ein viereckiger Hof, dessen nach innen geneigtes Dach von zwei tnit ihren Enden in die Langwände eingelassenen Hauptbalken und zwei in dieselben eingebundenen oder auf ihnen liegenden Querbalken getragen wurde. Die folgenden beiden Abbildimgen, ideale aber wahrscheinlich im Ganzen richtige Reconstructionen Mazois' werden Alles leicht verständlich machen, a sind die Mauern, b die Hauptbalken [trabes] , c die auf den Hauptbalken aufliegenden Querbalken [interpensiva] ^ durchweiche die

256 Vierte» Capitel.

viereckige innere Öffnung, d die Zwischenhalken , durch welche die gleiche Hübe dieses ganzen Halkenweiks he^estellt wird ; sie waren unnöthig, wenn die Querbalken nicht auf den Ilauptbalken lagen, sondern in sie eingefügt

Fig. 139. Fig. 140.

Plan und Durohschnitt eines tuacaniichen Atrium.

waren, eine Annahme, welche Mazois wohl vennieden bat, um nicht durch die Einfügung die sehr langen und schwer belasteten Ilauptbalken zu schwächen ; e sind die geneigten Streben [tigni colticiarum) , f die Latten [capreoli]. Ge- deckt wurde das Dach durch zweierlei Ziegel , Plattziegel {tegulae) 1 und Hohlziegel {ymbnces] 2, welche letzteren über die zusammenstoßenden Platt- ziegel gelegt wurden, um die Fugen zu schließen ; von ihnen unterscheidet man noch, 3, unter dem Namen der tegvlae colltciarum die eigenthümlichen Flachziegel , mit denen die zusammenstoßenden Kanten zweier nach innen gegen einander geneigten Dachschrägen gedeckt wurden, eine offenbar vor- treffliche Erfindung, um sowohl den raschen Ahlauf des Wassers wie auch die Dichtigkeit der Bedachung an dem Punkte zu sichern, welchem das Wasser von beiden Dachschrägen zulief. Die richtige Anschauung der Gestalt tmd Anwendung der verschiedenen Ziegel und die Art der Dachbedeckung ver- danken wir schon früher erwähnten neueren Ausgrabungen in Pompeji, Ein Beispiel bietet das nur theilweise und auch nur eine Zeit lang erhaltene, jetzt zusammengebrochene und verschwundene Dach des Peristyls in der Cata di Sirico, ausgegraben 1852 (s. Fig. 141), welches aber hinreichen wird, um die Arten der Ziegel und ihre Verwendung klar zu machen. A sind die Platte Ziegel, B die über ihre Fugen gestürzten Hohlziegel, C die teffulae collidarttm. Einige der gewöhnlichen Plattziegel 1 , 2, 3 sind mit eigenen Licbtöffnungen von etwas verschiedener Gestalt versehn, die möglicher Weise, obgleich nichts dergleichen aufgefunden worden, mit ii^end einem durchsichtigen Material geschlossen gewesen sind, um ihren Zweck, den Kegen abzuhalten, zu erfül- len, und dennoch Licht in den unter ihnen belegenen Baum zu lassen. Ganz sicher sind wir übrigens über diese Einzelheit noch nicht. Beigegeben sind der Fig. 141 Abbildungen der einzelnen Ziegel in größerem Maßstabe, mit denselben Buchstaben und Zahlen wie in der Gesammtzeicbnung versehen ;

Die PiiTatgebSude. Die Wohnhiuser. Atrium. Dftcher. 257

C" in eine Profilansicht der Eckziegel, welche deren Biegung und aufetehende lUnder zeigt, über welche die Hohlziegel gelegt wurden.

F^. 141. J)Bch im Feristyl de« C<ua dt Sirieo.

Die in Fig. 139 und 140 wohl etwas zu klein angegebene viereckige Öff- nung in der Mitte des viereeitig nach ihr abfallenden Daches, der natürlich das Regenwasser zufloss, heißt das compluoium ff, und eine im Boden unter derselben angebrachte, meiet mit Tufiplatten belegte und eingefaeste Ver- tiefung, in welcher das Regenwassei sich sammelte, h Fig. 140, das impluvium. Aus diesem wurde das Wasser in eine Cisteme geleitet, aus der man es zum häuslichen Gebrauche schöpfte, und welche sich oft unter einen großen Theil des Atriums erstreckt. Außerdem aber hat das Impluvium regelmäßig einen zweiten Abfluss durch eine bedeckte Kinne, welche unter dem Ostium hin- durch auf die Straße fuhrt. Vermuthlich kam dieselbe nur dann zur Anwen- dung , wenn unreines , zu häuslichen Zwecken gebrauchtes Wasser entfernt werden sollte , oder wenn mau das Atrium reinigte. Alsdann wurde das Abflussloch zur Cisteme durch einen Stein geschlossen.

Ein zweites, besser erhaltenes und jetzt vollständig restaurirtes Dach findet sich im Peristyl des Hauses des C. Vibius [Plan No. 72) in der rechten hintern Ecke. Dasselbe stellt Fig. 142 nach einer photograpbi sehen Aufiiahme dar. Bemerk enswerth ist an ihm die Art, wie die Streben von der Wand in einer Richtung schräg herab auf das Epistyl der Säulen und an der Ecke selbst auf einen in dies eingelassenen Balken gelegt, und wie auf ihnen, mit den Enden über einander greifend, die großen Flachziegel ohne Latten durch Nägel be- festigt sind.

Das Atrium tetrastylum oder das viersäulige Atrium gleicht ganz dem tuaca- nicum, mit der einzigen Ausnahme, dass die Hauptbalken au den vier Funkteu, ■wo die Nebenbalken aufliegen, von vier Säulen unterstützt werden. Ein Bei- spiel hierfür bietet unter anderen die s, g. Casa di Championnei südlich vom Forum in Pompeji (Plan No. 92*] , ein zweites und drittes das östliche (Neben-)

OitTback, FoDpBJi. 1. Ann. 17

258 Viertes Capitel.

Atrium der Vasa del Fauno (VI, 12,7; Plan No. 46) und Asa östliche (Haupt-] Atrium der Casa del Laberinto (VI, 11, 10; Plan No. 45), ein viertes die Ccua del Tora di hronzo (V, 1, 7) u. a. m. Es scheint nicht, dass man die Säulen als eine Verschönerung betrachtete und um ihrer selbst willen anbrachte ; vielmehr hat man in dem prachtvollsten Hause der Tuffi>eriode, der Casa del

Fig.']42. Dach im Peristyl der domui C. Vihii.

Fauno, für das Ilauptatrium die tuseanische Constmction voi^ezt^en, welche in der That sowohl wegen des ungestörtem Verkehrs als wegen der großartigen Kaumwirkung den Vorzug verdiente, während im Nebenatrium die tetrastyle Bauart angewandt ist. Letztere scheint vielmehr ihre Verbreitung dem Um- stände zu verdanken, dass hei der zunehmenden Entwaldung Italiens es immer schwerer wurde, sich so große und starke Balken zu verschaffen, wie sie für das tuseanische Atrium erforderlich waren'").

Auch das Atrium corintMum ist ganz verwandt, und unterscheidet sich wesentlich nur durch eine größere Öffnung des Compluvium und eine größere Zahl von Säulen um dasselbe, sowie durch die Lage der Balken, welche nur von der Wand bis zum Epistyl der Säulen reichten. Ein Beispiel ist in dem zu der Fullonica gehörigen Atrium (VI, 8, 21), ein zweites in der Casa äei DioBcuri (VI, 9, 6 ; Plan No. 39), ein drittes in dem Hause des Epidius Rufos (IX, 1, 20; Plan No. 116) mit C, 12 und 16 Säulen um das Compluvium. Wir

Die Privatgebäudß. Die Wohnhäuser. Atrium. 25&

sehen ab von solchen Fällen, wo Peristylien von ihren Atrien getrennt und so gewissermaßen selbst zu Atrien geworden sind.

Abweichender ist das Atrium düpluf)iatum, obwohl es noch zu den mit innerer Offiiung versehenen gehört, indem bei ihm das Dach nicht nach innen, sondern nach außen geneigt ist, so dass der Regen nicht in das Impluvium zusammenfloss, sondern in Rinnen gesammelt wiurde, welche, an der äußern Dachkante angebracht, ihren Inhalt in Röhren ergossen, die das Wasser in die Cisteme führten. Vitruv nennt diese Art der Bedachung bequem wegen der großem Helligkeit, indem das Dach mit dem. höher gelegenen Compluvium den am Atrium liegenden Triclinien nicht das Licht wegnahm, hebt aber den Nachtheil für die umgebenden Wände hervor, der dadurch ent- stand, dass das Wasser aus der horizontalen Rinne am untern Dachtand nicht schnell genug durch die senkrechten Röhren abgeführt wurde und daher über- lief. Irrthümlich hat man als Beispiel hiervon die s. g. Casa dt Modesto (Plan No. 24, s. unten S. 27a) angeführt.

Endlich war das Atrium testudinatum mit dem displuviatum in so fem ver- wandt, als auch bei ihm das Dach sich nach außen neigte, unterschied siph aber von allen anderen Atrien dadurch, dass es, ganz bedeckt, keine Complu- vialöfihung hatte. Der Name stammt von dem Vergleich des Daches mit der Schale einer Schildkröte [testudo] ; aber irrig ist es, anzunehmen, die Atria testudinata seien gewölbt gewesen; vielmehr hat man sie sich als mit einem vierseitig abfallenden und in der Mitte in eine Spitze zusammenlaufenden Dache gedeckt zu denken. Es scheint aber, dass Vitruv unter diesem Namen auch solche Atrien begreift, über welchen sich von einem Balkengerüst ge- tragene Wohnräume befanden. Für die Erleuchtung musste natürlich durch Fenster gesorgt werden. Pompeji bietet uns kein Beispiel eines derartigen Hauaes.

Bei den ersten drei Arten des Atriums, deren Dach nach innen geneigt ist, wurde in größeren und stattlicheren Häusern, namentlich der Tuffperiode, der Rand des Compluviums durch Traufkasten gebildet, aus welchen, wie aus einer Art Dachrinne, das Wasser sich durch Wasserspeier in Form von Thier- k(^en in das Impluvium ergoss. Über diese Wasserkasten ragten dann noch, wo die Verzierung des Dachrandes vollständig war, Stirnziegel (Antefixen) hervor, welche den Abschluss der Hohlziegel bildeten und meistens entweder als Palm^tten oder als menschliche Köpfe gebildet waren. Ein sehr schönes Beispiel einer solchen Vorrichtung zum Wasserausguss, welches aus einem der Häuser in der Nähe der Porta Marina (VII, 15, 2) stammt und iii einem Laden an der Ecke der Strada del Foro und der Sirada degli AugusUdi (Süd- westecke der Insula VII, 4) aufgestellt ist, giebt Fig. 143 wieder. Hier sind die Wasserspeier nicht bloße Köpfe, sondern ganze Vordertheile von Hunden, imter deren Füßen das Wasser durch ein mit einem Akanthusblatt omamen- tirtes halbes Rohr abfloss. In den Ecken, wo der Abfluss natürlich am stärksten war, ragte je ein Löwe mit einem größern Rohr über die Hunde empor ^^^) .

Ob unter dem Dache des Atriums noch eine horizontale Felderdecke an- gebracht zu sein pflegte, kann nicht mit Sicherheit ausgemacht werden, da die Wände fast nie bis über die Höhe des CJompluviums erhalten sind. In

17»

260 Vierte« Capitel.

Säulenhallen können wir eine solche Decke mit ziemlicher Sicherheit nach- weisen, nämlich in der Porticus und in der Vorhalle des Forum trian^lare; ähnliche, freilich weniger sichere Spuren zeigt das erste Peristyl der Casa del

Fauno, während in dem

der Ca^a del Laöermto

allem Ansehein nach das

Dach hloß lag. Unsicher

sind auch die in zwei

Atrien, dem des Epidius

Rufus und der Caea del

Navifflio(VI, 10, ll)8icht-

baten Spuren. Schwerlich

stimmten in dieser Bezie-

~ hung alle Atrien überein ;

wir dürfen Termuthen,

^ dass sie in eleganteren

H Häusern manchmal eine

l Felderdecke hatten ">}.

g" Die GröBe des Complu-

^ , vinms schwankt nach

* Vitruv zwischen '/^ und '/j

3 der Breitendimension des

2_ Atriums , von welchen

g Maßen sich das erstere

y nur in wenigen Fällen,

S das letztere als Regel in

5 Pompeji findet. Über die

I Öffnung des Compluvium

wurde ein, oft gefärbtes oder bunt gewirktes, Zelt^ dach ausgespannt, um die Strahlen der heißen Sonne zu brechen und im Atrium ein angenehmes, schatti- ges und kühles Helldun- kel zu erzeugen. In einem Falle (I, 2, 28) fand mb. das Compluvium durch ein (nach der Ausgrabung neu hergestelltes) Eisengitter geschlossen, um das Einsteigen von Dieben zu verhindern.

Die Bedeutung des Atriums wurde eine wesentlich andere, als das Haus durch das Peristyl erweitert wurde, und noch mehr, als sich in der Kaiserzeit das häusliche Leben immer mehr in diese hinteren Räume zurückzog. Aus dem Mittelpunkt wurde es nun zu einem Vorraum der eigentlichen Wohnung, und so kommt es, dass es gelegentlich von den Schriftstellern mit dem Namen Vestibulum bezeichnet wird. In Pompeji äußert sich dieser Voigang durch

Die PriTatgebäude. Die Wohnhäuser. Atrium. Alae, Tablinum. 261

die augenscheinlich immer mehr zunehmende Vernachlässigung nicht grade des Atriums selbst, welches nebst Alae und Tablinum immer der stattliche, der Kepi^isentation dienende Eingangsraum blieb, wohl aber der anliegenden Zimmer. Abgesehn von kleineren Häusern ohne hintere Bäume, dienten sie in der Jetzten Zeit gröBtentheils als Schlafzimmer für Sclaven, als Yorrathskam- m^m, vielfach, wie aus den dort gefundenen Gregenständen hervorgeht, gradezu als Rumpelkammern. Dies gilt auch in Betreff des Hauses des Epidius Rufus, welches, offenbar ein reiches Haus, doch keine hinteren Bäume hat: hier waren offenbar die besseren Zimmer im obem Stock ^^^i .

In manchen großen Häusern begnügte man sich nicht mit einem Atrium, «ondem legte deren zwei an, von denen das eine als prachtvolle Eintrittshalle diente, das andere einen mehr privaten Charakter hatte und namentlich auch den Zugang zu den Wirthschaftsräumen vermittelte. Dies letztere ist kleiner lind hat nicht immer die vollständige und regelmäßige Gestalt mit Alae und Tablinum; es ist bisweilen nur ein einfacher viereckiger Baum. In der Regel liegen die beiden Atrien neben einander : so in der Casa del Fauno, del Laberinto, del Tora dt bronzo (V, l , 7) und öfter. Ausnahmsweise hatte das Haus des Pansa sein kleines Atrium neben dem Peristyl, in welches eine Thüjr in der Bückwand des Atriums führte. Später ist dann diese Thür vermauert und das Atrium mit den anliegenden Bäumen getrennt vermiethet worden ^^^j .

Über die Gemächer, welche sich um diesen Hauptraum des vordem Theiles des Hauses gruppirten und von ihm ihr Licht empfingen, 9 auf dem Plane Fig. 135, ist schon oben gesprochen worden; hier ist nur auf diejenigen zu- rückzukommen, welche ihren festen Platz und ihre nachweisbare Bedeutung haben, die drei Erweiterungen des Atriums, die alae und das tablinum. Alae, Flügel, heißen die beiden letzten, der Begel nach in ihrer ganzen Breite offen gelassenen Gemächer der Langseiten, 10 im Plan Fig. 135, welche zwischen Mauerpfeilem eingefasst oder in prächtigeren Wohnungen mit Säulen zwi- schen den Anten verziert wurden und in Pompeji fast immer durch sorgfal- tigere und schönere Bedeckung des Fußbodens, seltener durch reichem Schmuck der Wände ausgezeichnet sind. Nicht ganz selten sind sie aus ihrer Lage am Ende in die Mitte der Langseiten des Atriums verrückt. Auch kommt es in kleinen oder mittleren Häusern manchmal vor, dass sich die Ala nebst den übrigen Seitenzimmem nur auf einer Seite des Atriums findet, oder auch, wo der Baum sehr beschränkt war, dass sie ganz fehlen. In den Alae ver- wahrte in Rom die Nobilität ihre Ahnenbilder in eigenen Schränken ; außer- dem mögen sie als Empfangs- und Sprechzimmer benutzt worden sein. In Pompeji können wir jedoch beobachten, dass sie in der letzten Zeit mehr wirthschaftlichen Zwecken dienstbar gemacht wurden, indem man große Schränke in ihnen anbrachte, deren steinerne Untersätze in zahlreichen Fällen erhalten sind. Ihnen entspricht im Hintergrunde des Atriums das Tablinum, 11 im Plane Fig. 135, ein größeres, wie die Alae nach dem Atrium zu ganz offenes, nur durch ein velum zu schließendes Gemach, welches nach hinten in den ältesten Häusern Pompejis (Kalksteinatrien) , so oft wir seine ursprüng- liche Gestalt erkennen können, ganz offen war. Erst in den folgenden Perio- den finden wir es bisweilen durch eine Brüstung vom Peristyl getrennt, wie

262 Viertes Capitel.

im Hause des Sallust, oder auch ganz durch eine Mauer geschlossen. Seine Bedeutung ist sicher in verschiedenen Zeiten eine verschiedene gewesen. In den ältesten pompejanischen Häusern hildet es die Verbindung zwischen Haus und Garten ; es diente als Durchgang zu dem letztem, und mochte überdiesals kühles und luftiges Sommerzimmer benutzt werden : in der That berichtet uns Varro, dass man im Sommer im Tablinum zu speisen pflegte. Eine ganz an- dere Stellung erhielt es in den großen palastartigen Häusern der Tuflfperiode und der spätem Zeit. Hier liegt es auf der Grenze des privaten und des gewissermaßen öffentlichen Theiles des Hauses: wir dürfen annehmen, dass hier der vornehme Hausherr unter die ihn erwartenden dienten trat, dass hier sein eigentliches und ofificielles Empfangszimmer war. Am einleuchtend- sten ist dies da, wo es hinten offen ist. Wie sehr aber dies die Regel war, wie sehr man die Verbindung zwischen den beiden Theilen des Hauses als das eigentliche Wesen des Tablinums betrachtete, geht daraus hervor, dass man da, wo die Raumverhältnisse die Anlage eines Tablinums nicht gestatteten, stets einen in der Breite ihm entsprechenden Durchgang zwischen Atrium und Peristyl anbrachte, wie z. B. an dem nördlichen Atrium der C(ua del Citarista (I, 4, 25, domius L. Optati Rapiani) und in den Häusern VI, 14, 12 und VII, 7, 5.

Der Name tablinum oder tabulinum ist natürlich von tabula abzuleiten ; doch kennen wir damit noch nicht seine Bedeutung, da tabula Verschiedenes bezeichnen kann. Schon die Alten waren im Zweifel über die Erklärung des Wortes. Festus sagt, die alten Magistrate hätten hier ihre amtlichen Docu- mente [tabulae] aufbewahrt, so dass also das Tablinum für den Einzelnen das- jenige gewesen wäre, was das Tabularium für das Gemeinwesen war. Es ist aber undenkbar, dass ein alter und regelmäßiger Theil des Hauses seinen Namen von einem Gebrauch erhalten haben sollte, der nur in sehr wenigen Fällen stattfinden konnte. Ungleich glaublicher ist daher die Ableitung des Namens von den Bretterverschlägen, mit denen es, wie auch in Pompeji viel- fach nachgewiesen werden kann , gegen das Peristyl oder den Grarten ge- schlossen werden konnte. Sehr ansprechend ist endlich die neuerdings von Nissen gegebene Erklärung, dass nämlich Tablinum ursprünglich nicht einen Theil des Hauses selbst bezeichnete, sondern eine im Garten aufgeschlagene Laube aus Brettern [tabulae; Varro a. a. O. : in tabulino, quod maenianum possumus intellegere tabulis fabricatum) , und dass man dann später diese Laube als stehenden Bestandtheil dem Hause einverleibt, sie in ein vom und liinten offenes Sommerzimmer verwandelt, den alten Namen aber beibehalten habe *2^). Vorher war dann an dieser Stelle ein geschlossenes Zimmer, und hier stand vermuthlich das Bett des Hausherrn.

Da das Tablinum Wohnzimmer, später Staatszimmer war, so musste es wünschenswerth sein, noch eine zweite, namentlich für die Dienerschaft be- stimmte Verbindung zwischen Atrium und Garten oder Peristyl zu haben. Wir finden daher schon in den alten Kalksteinatrien Pompejis bisweilen neben dem Tablinum einen engen Verbindungsgang, der freilich damals noch sehr häufig gefehlt zu haben scheint. In den Peristylhäusem der Tuffperiode wird das Vorhandensein dieses Ganges, 12 auf dem Plan Fig. 135, zur Regel; man

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. Fauces. Der private Theil. 263

pflegt ihn Fauces zu nennen, ein Name, den wir, obgleich seine Berechtigung zweifelhaft ist (vgl. oben S. 255), doch in Etmangelung eines andern beibehalten. Ein ursprünglicher und wesentlicher Theil des uns in Pompeji vorliegenden Haustypus war dieser Gang wohl nicht. Er fehlt auch in großen und stattlichen Häusern der Tufiperiode nicht selten ; in einigen besonders alterthümlichen ist er erst später von einem der neben demTablinum liegenden Zimmer abgetrennt worden ; so in der Casa diSaUustio (femer in den Häusern VI, 13, No. 2 u. 6). Namentlich ließ man ihn aber da gern fort, wo durch ein Nebenatrium eine zweite Verbindung mit den hinteren Käumen ermöglicht war, wie in zwei großen Häusern in der Nähe des Brunnens mit dem Hahn (S. 241) : VII, 15, 2 und insula ocddentalis 11. Nur ganz ausnahmsweise wurden, der Sym- metrie halber, zwei solche Gänge, einer auf jeder Seite des Tablinums, an- gelegt; in Pompeji finden wir dies in der Casa dei Capitelli ßgurati (oder €f.4riawia, VII, 4, 31).

Mit der. Anlage der Fauces hängt eine weitere Veränderung zusammen: das auf der betreffenden Seite neben dem Tablinum liegende Zimmer verlor jetzt seine Verbindung mit dem Atrium. Überhaupt aber musste es wün- schenswerth sein, die beiden großen Zimmer neben dem Tablinum nicht mehr zum Atrium, sondern zu dem neuen Centrum des Hauses, dem Peristyl, in Beziehung zu setzen. Daher finden wir durchweg in den Häusern der Tuff- periode diese beiden meist als Triclinien benutzten Zimmer mit einer breiten Thür auf das Peristyl geöffiiet, auch in den Häusern, welche keine Fauces haben. Sehr häufig sind die Thüren, mit welchen sie früher auf das Atrium, neben dem Tablinum, geöffiiet waren, vermauert und in blinde Thüren ver- wandelt.

Durch die Fauces also betreten wir den privaten Theil des Hauses, dessen Mittelpunkt wiederum ein dem Atrium entsprechender offener, säulen- umgebener Hof, 13 auf dem Plane Fig. 135, bildet, welcher den Namen des entsprechenden Theiles des griechischen Hauses, Peristylium, lateinisch Por- ticus erhalten hat. Das Peristylium ist jedoch bedeutend weiter offen, als das Atrium, immer von Säulen umgeben, welche oft einen obem Umgang trugen, und häufig in der mittlem Öffiiung unter freiem Himmel als Garten, xystus^ behandelt; wohl auch dann, wenn die Häuser einen eigenen Grarten hinter sich hatten ; häufig auch ist im Innern des Säulenumgangs ein Wasserbassin mit einem Springbrunnen oder einer Nische mit Wasserwerk, die piscina 14, angebracht, imd diese wiederum nicht selten mit Blumenbeeten umgeben. Heiterkeit und Luftigkeit war hier der Hauptzweck der Anlage, weshalb wir auch die Säulen von leichter, meist korinthischer Ordnung und weit gestellt finden. In der Kaiserzeit, vermuthlich etwa seit der Zeit Neros, liebte man es, das dem Tablinum entsprechende Intercolumnium, und auch wohl das gegenüberliegende auf der Rückseite, dadurch auszuzeichnen, dass man sie weiter xmd höher machte als die übrigen. Wir finden daher häufig, dass mit den firüher in gleichmäßigen Zwischenräumen stehenden Säulen ähnliche Ver- änderungen vorgenommen sind, wie die, welche wir im Hofe des Isistempels und in der Palaestra der größeren Thermen (S. 105 u. 218) beobachten konnten. Noch muss bemerkt werden, dass die Anlage des Peristyls bald mehr bald

264 Vierte» Capitel.

weniger vollständig ist, indem manche, auch recht ansehnliche Häuser sich begnügen, die Säulengänge an drei Seiten henmizufuhren, wie z. B. das Haus der schwarzen Wand (VH, 4, 59), das der capitelli ßgurati (VH, 4, 57) und noch viele andere. Hier wird die vierte Seite durch die oft mit Halbsäulen oder Pilastem verzierte Außenwand des Hauses gebildet. Auch an Häusern die nur auf zwei Seiten des Peristyls Säulengänge haben, fehlt es nicht; wir nennen als Beispiel die unten zu besprechende casa d'Adone (oder deJia toleUa dein Ermafrodita^ VI, 7, 18). Und es kam auch in der Blüthezeit des Peristyl- baues noch vor, dass man sich in einem reichen Hause, wie das des Epidius Rufus [IX, 1, 20), nach alter Weise mit einer quer vor dem Grarten liegenden Säulenhalle begnügte. Um diesen Hof des Peristyls und seinen bedeckten Säulengang gruppiren sich nun die Privatgemächer der Familie, ähnlich wie die Zimmer des Vorderhauses um das Atriiun. Hier finden wir zunächst die Schlaf- zimmer [cubicula] 15, in größeren Häusern bisweilen mit einem Vorzimmer, pro- coeton 15«, verbunden, in welchem ein Diener schlafen konnte. Im eigentlichen Schlafisimmer ist manchmal noch der Platz für das Bett als Nische oder Alko- ven y von dem Hauptraum ß abgetheilt. Doch ist diese letztere Sitte schon seit der ersten Zeit der römischen Colonie, der Zeit des zweiten Decorationsstils abgekommen : man begnügte sich seitdem , die Stelle des Bettes durch die Malerei der Wände und durch das Mosaikmuster des Fußbodens zu charakte- risiren. Die Zahl der cubicula ändert sich natürlich nach dem Bedürfiiiss der Familie. Femer begegnen wir den Speisezimmern, triclinia (16), so genannt von den drei Speisesophas oder Bänken, welche das Zimmer an drei Seiten umgeben, während die vordere vierte frei blieb, um der aufwartenden Diener- schaft Zugang zu dem in die Mitte gestellten Speisetisch zu gewähren. Ge- wöhnlich unterscheidet man ein Sommer- und ein Wintertriclinium (16 u. 16' auf dem Plane Fig. 135), deren ersteres in einer möglichst wenig sonnigen Lage angebracht wurde und gegen das Peristyl ganz offen war, wie die Alae und das Tablinum gegen das Atriiun, um frische Luft einzulassen und die Aussicht auf das Peristyl mit seinen Blumen, Springbrunnen und sonstigen Decorationen zu gestatten. Das Wintertriclinium dagegen legte man an den sonnigsten Ort und öffnete es weniger weit, um den Zutritt der Luft abzuhalten. In großen Häusern steigt übrigens die Zahl der Speisezimmer auf eine be- deutende Höhe, und dieselben unterscheiden sich nicht allein in der angege- benen Art nach den Jahreszeiten, sondern sowohl nach der Größe wie nach der Pracht der Decoration, welche dem Aufwand der in ihnen gefeierten Mahle sich anpasste, und noch sonst in mancherlei Art. Die gewöhnlichen Tridinien fassten neun Personen. Für ganz große Gastmähler konnten, falls kein großes Speisezimmer (oeaui) vorhanden war ein besonders großes hat das Haus des Popidius Secundus die Hallen des Peristyls und das Atrium be- nutzt werden. Näheres über die Einrichtung der Triclinien wird sich bei der Beschreibung einiger Häuser in Pompeji beibringen lassen. Femer verdienen als das Peristylium umgebende Gemächer außer der Küche nebst Vorrathskam- mer, 1 7 auf dem Plane Fig. 135, besonders noch Erwähnung die oeci und ezedrae, indem sie mehr als die später anzuführenden der Norm eines Mittelhauses an- gehören. Die oeci, von olxog, waren weite Säle, die größten Gemächer des

Die Privatgeb&ude. Die Wohnhäuser. Der private Theil. 265

Frivathauses, die eigentlichen Gesellschaftszimmer und deshalb so groß ge- nommen, dass man zwei Triclinien in ihnen stellen konnte ; ihre Lage ist nicht fest bestimmt. Unterschieden werden tetrastyle Oeci mit vier Säulen zum Tragen der Decke, korinthische mit doppelter Säulenreihe unbestimmter Zahl und aegyptische mit einer eigenen Einrichtung. Diese hatten nämlich eine untere und obere Säulenstellung ; die Intercolumnien der letztem dienten als Penster des erhöhten Mittelschiffs, während die Seitenschiffe in der Höhe der unteren Säulen einen äußern Umgang, einen erweiterten Balcon trugen. Endlich werden noch kyzikenische Oeci erwähnt, welche seltener im Gebrauch und besonders für den Sommer bestimmt waren, deshalb nach Norden sich öffneten und die Aussicht auf den Garten boten. Verwandt mit den Oeci waren die exedrae (20 auf dem, Plan), zu deren Charakteristik es gehört, dass sie nach vom ganz oder fast ganz offen waren ; sie dienten zu beliebigem Aufenthalt, konnten aber auch als Speisezimmer benutzt werden. Häufig ist eine geräumige Exedra dem Tablinum gegenüber auf der Rückseite des Peristyls angebracht. Die Wirthschaftsräume , Küche mit Yorrathskammem , zu denen in größeren Häusern manchmal noch ein Backofen nebst Zubehör und auch wohl ein Bad hinzukommt, bilden nicht selten eine gesonderte dritte, meist neben dem Peristyl gelegene Abtheilung des Hauses. Ein besonders deutliches Beispiel bietet die Casa del Laberinto, mit Bad, Bäckerei und Stallung ; aber auch das Haus des Faun ist so angelegt, femer das größte der kürzUch ausgegrabenen Häuser, die Casa del Fauno ubbriaco (oder del Centenario) u. a. m.

Dies sind die Gemächer des normalen Mittelhauses. Das obere Geschoss enthielt außer den cenacula die Zimmer für die Sclaven, ergastula^ Arbeits- zimmer genannt. Manche Häuser haben hinter der Wohnung, andere seitlich neben den Wohnräumen einen Garten, auf den sich bei der erstem Anlage an der hintern Parade des Hauses ein Säulengang, porticus, 2 1 , öffnet und der eine Piscina, Brunnen und Springbrunnen und eine künstliche Gruppirung von Bäumen und Sträuchem, Büschen \md Blumen enthielt, falls er nicht wie in Pompeji z. B. der Garten im Hause des Pansa und ganz ähnlich derjenige im Hause des Epidius Rufus (Plan No. 116), sowie derjenige in einem dritten, namenlosen Privathause (Plan No. S6j, bei denen noch heute die Art der antiken BesteUung völlig erkennbar ist, zu Gemüsebau verwendet wurde. Manche Häuser mit sehr kleinem Grartenraum halfen durch auf die Hinteiv wand gemalte Bäume, Sträucher und Blumen aus, und hatten den Xystus im Peristyl. In mehren Fällen, deren zwei als Beispiele ausgehoben werden mögen (Fig. 144), kann man die durchaus architektonisch symmetrische An- lage der Beete noch erkennen, indem dieselben mit hochkantig gestellten Zie- geln eingefasst sind. Der Geschmack solcher Anlagen ist in der modernen italienischen Gartenkunst ein ganz ähnlicher geblieben, so sehr die Anlagen selbst gewachsen sein mögen. Das erste Beispiel (a) ist aus dem hintern Peristyl der Casa dei capitelli colorati^ das zweite (i, jetzt nicht mehr erhalten) aus derjenigen der capitelli ßgurati^ welche beide (Plan No. 63 u. 61) dicht bei einander imter Nr. 31 imd 57 in der Insula VII, 4 liegen. In einem Falle, soviel bisher bekannt, ist ein von jeder Wohnung abgesonderter, offenbarer Gemüsegarten mit gut erhaltener Beetanlage, eine Handelsgärtnerei, gefun-

<len worden, tn welchem nur in der einen Ecke eine Zelle als Wohntmg des Gärtners angebracht ist (Plan No. &4 ; vergl. unten im zweiten Abschnitte dieses Capitels .

Fig. 144. BeeUmUge in den Xy:

pompej (milchen HfiuMi.

Grenzte ein Haus mit mehren Seiten an Straßen , wie in dem Plane Fig. 135 angenommen ist, so sorgte man für eigene Ausgänge aus dem Hinter- hause 22, welche den Numeu posticum führten und dem Wir th Schafts verkehr einen kurzem oder zweckmäßigem Weg öffneten, als derjenige durch das Vorderhaus war, und zugleich dem Hausherrn gestatteten, den im Vorderhause wartenden Clienten auszuweichen, postico /allere clientem. Endlich ist noch zu erwähuen, dasa meistens, und so auch in dem Plane Fig. 135, die Häuser von einer Reihe von Läden 23 umgeben sind, die aus einem oder ein paar größeren oder kleineren Räumen bestehen, und von denen oft einer (24 im Plane Fig. 13^] mit dem Innern des Hauses in Verbindung stand, so dess in ihm offenbar der Jiesitzer des Hauses sein Gewerbe trieb und seine Waaren feil hatte oder durch Sclaven feil halten ließ. Die übrigen Läden wurden ver- miethet, oft mit Beigabe eines kleinen Zimmers im ersten Stock, einem cena- culum, maenxaimm oder einer pergvla, wie dies in einer unten beizuhringeaden Vermiethungsanzeige ausdrücklich gesagt ist. Auch wurden cenacula, mae- niana und pergtiiae allein venniethet, und es sind außer vielfachen Eingängen und Treppen zu abgetrennten Mi eth Wohnungen seit den neueren vorsichtigen und conservativen Au^rahungen mehre solche kleine Miethwohnungen im obem Stockwerk, zum Theil mit vorspringenden Erkern, aufgefunden worden. Namentlich ist dies der Fall in der kleinen Oasse del balcotie pensile, in welcher mehre Häuser neben einander, wie dies die verkohlt aufgefundenen und jetzt erneuerten halken beweisen, ziemlich weit über die Straße vorspringende Erker Imaeniana) gehabt haben. Von diesen hat einet, von dem Fig. 145 eine Ansicht bietet, durch Erneuerung des Holzwerkes vollkommen erhalten werden können. Ei findet sich in dem nach ihm benannten Hause del balcone pensile (Plan No. 79), einem an sich weder großen, noch besonders ausgezeichneten oder merkwürdigen Hause, obgleich dasselbe in seinen pri- vaten Theilen anmuthig genug erscheint. Von diesen sticht das vermiethete Maenianum gewaltig ab. An dem ziemlich tiefen aber wenig breiten Hausflur liegt rechts ein von der Wohnung wahrscheinlich unabhängiges ganz schmuck- loses und von der Straße aus durch zwei vergitterte Fenster nothdürftig erleuch-

Die PrivatgebSude. Die Wolmhauaer. Gärten. LSden. Maenianum. 26?

tetes Zimmer, wenn es eiA solclies und nicht vielmehr ein Stall war ; links ist ein ähnlicher noch unansehnlicherer, wüster Raum. Unmittelbar hinter der

Fig. 145. Maenianum del Catä del baleone peruile.

Thür , die vom Hausflur in diese Bäume fuhrt , liegt die jetzt wiederher- gestellte hülzenie Treppe, über die man in die kleine Miethwohnung hinatif- Bteigt. Dieselbe besteht aus drei wenig geräumigen, durch Thüren verbundenen Zimmern, welche zum größten Theile freilich über dem Hausflur und dem atallartigen Zimmer liegen , zum Theil aber als Erker über die Straße vor- springen, auf welche sie sich mit nicht allzu kleinen Fenstern ofl'nen. Ihr Fußboden ist von opus Signinum hergestellt, die Wände sind ganz einfach bemalt. Der Umstand, dass man in einem dieser Zimmer einen Gladiatoren- helm fand, legt den Gedanken nahe, dass sie von einem, wahrscheinlich aus- gedienten Gladiator bewohnt gewesen sind. Die Thür des Pnvathauses, zu dem diese kleine Miethwohnung gehört , lag im Hintergrunde des Ostium : schloss sie der Hausherr, so war er von der Miethwohnung abgetrennt, mit der er freilich einen gemeinsamen Hauseingang zu benutzen hatte.

Das Vermiethen solcher überflüssigen ßäumlichkeiten der Häuser war ein nicht unbedeutender Erwerbszweig, und andererseits lässt uns die Masse der Laden dieser Art in Pora^ieji, deren in jener Yermiethungsanzeige allein melire Hundert einer Besitzerin gehörende angeboten werden, auf die Lebhaf- tigkeit des Verkehrs schließen.

Außer den genannten Gemächern enthalten große Häuser deren noch eine ganze Keihe zu den verschiedensten Zwecken: ein Bibliothekzimmer, ein Gemäldezimmer [pinacotheca], ein sphaeristerium zum Ballspiel, emalea- torium fiir sonstige Spiele, und viele andere, welche der Luxus dem Be- dürfnisB hinzufügte, die uns aber größtentheils für Pompeji nicht interessiren

268 Viertel Capitel.

odei, wo sie sich finden, gelegentlich besproclien ' werden können. Vtel&ch findet man auch noch eine kleine Hauacapelle [sacellum, sacrarium), am häufig- sten in einer Ecke des Atriume, hieweilen auch am Peristyl, wie z. B. im Hause des tragischen Dichters. An die Stelle derselben tritt lüiufig eine bisweilen als Aedicula gestaltete Nische in der Wand, in weichet die kleinen Bronzefiguren der Laren aufgestellt wurden, oder auch nur eine die Laren und den Genius ^miliaris darstellende Wandmalerei. Unter dieser Nische oder dieser Malerei ist manchmal, aber nicht immer, ein kleiner Altar angebracht ; viel&ch half man sich mit kleinen tragbaren Altären aus Stein oder Thon. Diese einfacheren

Fig. 146. Saciaiium in dem Haute No. 117 im Plane.

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. Sacraria. Keller. 269

Heiligthümer finden sich besonders häufig in der Küche. Ein Beispiel einer im Stil der letzten Zeit Pompejis besonders reich mit Stuckomamenten ver- zierten Hauscapelle stellt Fig. 146 nach photographischer Aufnahme dar; es befindet sich im Atrium des im großen Plane mit No. 117 bezeichneten, neben demjenigen des Epidius Rufus an dei Strada della casina delV aquila liegenden Hauses des Epidius Sabinus (IX, 1 , 22] .

Keller {hypogaea oder apogaea) im eigentlichen Sinne, wie wir sie bauen, sind in Pompeji nicht häufig, denn die nur halb unterirdischen Bäume, welche sich vielfach aus der Unebenheit des Terrains ergeben, können nicht eigent- liche Keller genannt werden. Solche halb unterirdische Käume finden sich namentlich unter den großen Kaufmannshäusem am Südwestabhange des Stadthügels, unter der Casa delV Ancara, unter der Casa dt Marie e Venere (Plan No. 66) und noch öfter. Als wirklichen Keller müssen wir dagegen die Kryptoporticus der Villa suburhana bezeichnen, welche, nach den dort gefun- denen Amphoren zu urtheilen, auch zu ähnlichen Zwecken wie unsere Keller gebraucht wurde. Ein wirklicher Keller findet sich femer unter dem Hause des Caecilius Jucundus (V, 1 , 26) , unter der Casa del Fauno ubbriaco [del Cen- tenario)^ unter der Casa del Centauro (VI, 9, 5; Plan No. 38), wo im Keller die Küche mit dem Larenheiligthum war, über ihm aber, auf jetzt eingestürzten Wölbungen, der Garten. Der merkwürdigste aber ist derjenige in dem Hause des N. Popidius Priscus, früher Casa dei marmi, am Vicolo del panattiere (VII, 2, 20 ; Plan No. 71), welcher sich seitwärts am Peristyl und zum Theil unterhalb desselben befindet. Aus diesem steigt man auf einer gradeaus ge- führten Treppe von zwölf Stufen in denselben hinab und befindet sich dann zunächst der Hauscapelle oder dem sacellum des custosfontis gegenüber, d. h. zwei Nischen mit davorstehendem Altar. Links erstreckt sich der Keller in zwei Abtheilungen, in deren erster sich der früher (S. 238) schon erwähnte tiefe Brunnen befindet. Der Keller ist mit einem spitzbogigen Tonnengewölbe bedeckt, durch-welches LichtöfFhungen nach dem Peristyl hin gebrochen sind, während er sich gegen die Treppe mit zwei rundbogigen Eingängen öffiiet ; in seinem Grunde ist eine wie eine große Badewanne gestaltete Abtheilung, in welcher bei der Ausgrabung Kalk gefunden wurde.

Schließlich muss hier noch ein Wort über die gangbare Nomenclatur der Häuser in Pompeji gesagt werden, der man, weil dies zur Verständigung noth- wendig ist, folgen muss, obgleich die Namen nur selten gut gewählt sind. Einen Theil der Häuser hat man nach den Namen genannt, welche in den auf die Wände gemalten Wahlempfehlungen vorkommen, und welche man, ab- gesehn von wenigen Ausnahmen, mit Unrecht auf die Besitzer oder Bewohner bezog ; so sind getauft worden z. B. die Häuser des Modestus, Pansa, Fuscus, Sallustius, Pomponius u. a. Zweitens entnahm man Häusemamen den Titeln der hohen Herrschaften, in deren Gegenwart und zu deren Ehre die Häuser oder einige Käume derselben ausgegraben wurden; so sind benannt die Häuser des Königs von Preußen , des Kaisers von Russland , der Königin von England, des Großherzogs von Toscana u. a. Drittens benannte man die Häuser nach auffallenden Eigenthümlichkeiten der Decoration oder des Haus- raths oder nach Hauptbildem oder irgend einem sonstigen Merkmal ; von der

270 Viertes Capitel.

Art »ind z. B. diu Namen der Häuser der bemalten und der Figurencapitelle, der sclnvarzcn Wand, der Mosaikbninnen , des Centauren, des Apollo, der Jagd; ferner der Silbergeschirre, der Glasvasen, des eisernen Ileerdea, oder des Labyrinths, des Schiffes, des Ankers, des Bären, der fünf Gerippe, Endlich viertens hat der erkennbare oder vermuthete Stand des früheru Eigners zur Benennung der Häuser geführt, was z. B. von denen des Bildhauers, des Chi- rurgen, des tragischen Dichtens u. A. gilt. Erst in der neuesten Zeit sind die Häuser, meistens nach sicheren Merkmalen und Zeugnissen, besonders häufig auf Grund der dort gefundenen Petschafte, mit dem Namen ihrer einstmaligen letzten Besitzer belegt, und sind diese Namen auf Marmortafeln eingehauen neben den Hauptthüren angebTacht worden ; so bei den Häusern des Siricus, des L. Clodins Varus, des V. Paquius Proculus, des M. Lucretius, des M. Ga- vius Rufiis, des N. Popidius Priscus, des L. Caecilius Jucundus u, m, a. Nach diesen Bemerkungen wird jede Polemik gegen die früher gangbare NomeE- clatnr und selbst das »sogenannt" vor den alteren Namen überflüssig erscheinen. Die wenigen richtigen sollen als solche bemerkt werden und sind in dem an- gehängten Verzeichniss und im Register zum Plane dadurch kenntlich ge- macht, dass ihre) Bezeichnung in lateinischer Sprache gegeben ist , so z. B. domus M. Gami Rtifi, domus M. EpidÜ Ruß u. s. w.

Unsere Musterung einer Auswahl charakteristischer Häuser Pompejis heginnen tvir nach dieser Einleitung mit ein paar der kleinsten Häuser, die eben nur dem nackten Bedürfniss eines wenig begüterten Einwohners ent- sprechen.

(No. 1.) Dag erste dieser Häuser am Vico di Modesto. 16 im Plan [VI, 2. 29], enthält eben nur die Theile, die durchaus nothweudig sind. Vor dem Hause befindet sich eine Bank a, auf welcher die Familie die freie Luft genoss, da das Haus weder Atrium noch Peri- styl enthält. Durch die Haußthür ge- langt man auf einen bedeckten Haus- flur 1 , von dem sogleich links die Treppe 2 in das obere Geschoss führt und von dem man ebenfalls links in das Zimmer des Sciaven 3 gelangt. 4 ist das am sorgfältigsten ausge- malte Zimmer des Hauses, also wohl ein Speisezimmer, 6 vielleicht ein Schlafzimmer ; alle diese drei Zimmer erhalten ihr Licht durch Fenster, welche auf den Garten des Hauses des Sal- lust (s. unten) gehen. Der durch den bedeckten Gang ."> zugangliche Raiun S diente zugleich als Garten und Küche : das Dach senkte sich gegen die rechte hintere Ecke und hatte hier ein Compluvium ; zwischen den Umfassungsmauern des gemauerten Impluvium 9 und den Wänden ist ein etwa 0, 1& M. breiter Zwischenraum gelassen, welcher mit Erde gefüllt war und in welchem man Blumen zog : eine Vorrichtung, die in ähnlicher Weise nicht selten gefunden wird. Links daneben liegt der Heerd und der Abtritt. Eine Cisteme ist nicht vorhanden, das Regenwasser könnt« durch eine bedeckte Rinne auf die Straße

Fig. 147. Plan eines kleinen Hauses.

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 1 u. 2, kleine Häuser. 271

abgelassen werden ; bei 7 ist ein kleines rundes gemauertes Bassin unbekannter Bestimmung. Weitere Wohnräume haben wir uns im obem Geschoss zu denken. Es ist interessant zu beobachten, wie die Anordnung um eine Art Atrium (1) und etwas dem Garten und Peristyl Ähnliches auch in den kleinsten Wohnungen so viel wie möglich durchgeführt wird.

(Nr. 2.) 123) Das zweite Haus, 51 a im Plan, liegt am nördlichen Theil der Stabianer Straße (V, 1, 28). Es mag, seiner Bauart nach, aus den früheren Zeiten der römischen Colonie stammen und gehörte, wie wir aus einer noch zu erwähnenden Inschrift entnehmen, dem M. Tofelanus Valens. In der linken Wand des gleich an der Straße verschlossenen Ostiums 1 ist die als Aedicula geformte Nische für die Larenbilder angebracht, welche, aus Bronze, in den Boden derselben eingelassen waren. Weiter gelangen wir in das kleine Atrium 2, welches nicht die gewöhnliche Bedachimg mit dem Compluvium in der Mitte hatte. Vielmehr neigte sich das Dach gegen die Rückseite, und hatte eine Öffnung nur in der linken Idntem Ecke, über dem dort befindlichen au%emauerten Bassin, in welches das Regen- , f p ^ ^ 4 iom.

virasser fiel und aus welchem es durch eine Fig.148. HausdesM.Tofelanus Valens. Offiiung am Boden und eine bedeckte Rinne

auf die Straße geleitet werden konnte. Über den Mangel eines Gartens hat sich der Hausherr in sinnier Weise dadurch zu trösten gewusst, dass er auf die Wände der linken hintern Ecke des Atriums , so weit sie dem erwähnten Impluvium entsprechen, über einem hohen rothen Sockel auf gelbem Grunde Pflanzen imd Vögel malen ließ, so dass es scheinen sollte, als sähe man hier in einen Garten. 3 ist offenbar das Schlafzimmer des Sclaven (schwerlich hatte diese Familie mehr als einen) ; die Wände haben einen hohen Sockel aus Ziegelstuck, weiter oben groben weißen Stuck ; in der rechten hintern Ecke ist die Wand durchbohrt, um von hier aus den Querbalken (sera) vor die Haus- thür schieben und wieder fortziehen zu können. 7 war das Schlafzimmer des Hausherrn und seiner Familie: seine Thür konnte von Innen durch einen Querbalken geschlossen werden. 6, mit weiter Öffnung aiif das Atrium, war 'Wohl ein Speisezimmer. Die Bestimmung von 4 können wir nicht feststellen : es konnte als Wohnzimmer oder Schla&immer dienen ; in einer frühem Periode ^wrird es wohl die Küche gewesen sein, denn wir finden gleich daneben den gewöhnlich mit der Küche verbundenen Abtritt 5. In späterer Zeit, wohl nach der Zeit des Augustus, gab man dem Hause ein oberes Geschoss, welches sich über alle unteren Räume mit Ausnahme des Atriums erstreckte und durch die in das Zimmer über 7 einmündende Treppe an der Rückseite des Atriums zugänglich war. Hierher wird man dann auch wohl die Küche verlegt haben, da Tfdr eine solche im Erdgeschoss nicht finden. Im übrigen scheinen die oberen Räume sehr bescheiden gewesen zu sein; sie hatten auf die Straße enge Schlitzfenster, nur der über 4 und 5 liegende Raum ein etwas größeres. Links am Atrium, zwischen 6 und dem Gange zu 4 und 5, ist eine kleine Marmor- tafel eingemauert mit der Inschrift : M, Tofelano M,f, Valentin quod amico

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Viertes Capitel.

Fig. 149. Plan eines dritten kleinen Hauses.

donavi IIS n. /, welche so erklärt wird, dass ein Freund dem Hausherrn diese Inschrift nebst einem dabei aufgestellten Gegenstand, etwa dem Hermen- bildniss desselben, schenkte, und zwar in der Form, dass er ihm beides um einen Sesterz (22 Pfennige) verkaufte.

(No. 3.) Endlich das dritte Beispiel dieser kleinsten Häuser (103a im Plan) liegt hinter dem Hause des M. Holconius an der Stmße des Isistempels,

ist allerdings ziemlich stark zerstört, aber in der Bestimmung seiner Käume doch noch mit hin- länglicher Sicherheit zu erkennen. Ein ziemlich langer Hausflur 1 zwischen zwei nicht zum Hause gehörenden Läden führt in einen atriumartigen Hof 2, an welchem im Hintergrund eine Cella 3 und, von einem kleinen Corridor 4 her zugäng- lich, ein ziemlich geräumiges Triclinium 5 liegt, welches sich mit einem breiten Fenster auf einen rechts abzweigenden Gang 6 öffnet. Dieser führt gradaus in die Küche 7, in welcher neben dem Heerd in der linken Ecke sich ein großer ein- gemauerter Kübel findet, während rechts, aber von der Küche abgetrennt, der Abtritt 8 an- gebracht ist. Die Schlafzimmer werden, wie bei No. 1 , im Obergeschoss gelegen haben und die Treppe, welche nicht mehr nachweisbar ist, wird ähnlich wie bei No. 2, in dem atriumartigen Hofe 2 gewesen sein.

(No. 4.) Bei nur wenig größerer Ausdehnung zeigt das folgende Haus, welches neben dem unter No. 3 besprochenen an der Straße des Isistempels

liegt (VIII, 4, 34; Plan No. 104 a) , nicht allein ein tetrastyles Atrium, sondern in eini- gen seiner wenigenGemächer namhafte Bilder. Die Hausthür führt ohne jede Art von Ostium unmittelbar in das, wie schon gesagt, tetrastyle Atrium 1 mit einem ungewöhnlich großen Impluvium in der Mitte. Rechts und links umgeben dies Atrium zwei schmucklose Räume 2, 3, von denen 2 eine Thür und zwei große Fenster, 3 zwei Thüren und ein großes Fenster hat. Von dem Stuck der Wände ist hier und im Atrium nichts erhal- ten. Offenbar sind dies Arbeitsräume, Werk- stätten, und hat man das Compluvium nur deshalb so groß gemacht, um ihnen das nöthige Licht zuzuführen. In 3 liegt an der StraBen- wand ein Haufe zerstoßener Ziegel, wie man sie zum optis Signinum brauchte ; an der linken Wand des Atriums liegt ein Haufe Kalk, imd links vom Ein- gange eine Lavaschwelle und eine große neue Travertinschwelle , aus drei Stücken bestehend, lang zwischen den Antepagmenta 4,52 M. Wir dürfen aus diesen Funden, namentlich aus der Schwelle, welche in diesem Haxuse

Fig. 150. Kleines Haus mit tetra- stylem Atrium.

Die Priyatgeb&ude. Die Wohnhäuser. No. 4 kkines Haus. No. 5. Ctisa di Modesto. 273

mdit zur Verwendung kommen konnte, auf das von dem Hausherrn betriebene Gewerbe schliefien; er wird ein Unternehmer (redemptor) von Bauarbeiten gewesen sein. Im Hintergründe, an der Stelle des Tablinums, liegt ein über zwei Stufen zugängliches großes Speisezimmer (Triclinium oderOeous), 4. Dasselbe ist stattlich geschmückt; es hat rothe und gelbe Wände mit reichen, pliantastischen Architekturmalermen letzten Stils, und in denselben als Mittel- bilder auf der Hinterwand Herakles bei Omphale (Hlbg. No. 1136), rechts eine der unerklärten Darstellungen aus dem Kreise der Lichtgottheiten (Hlbg. No. 971), während dasjenige Unks die vom Stier geschleifte Dirke darzustellen scheint. Auf den Seitenfeldem der Wände sind außerdem noch in schwebenden Figuren die Jahreszeiten (Hlbg. No* 978, 982, 988, 1002), ^ike (910) und Eroten (686. 675) gemalt. In der linken vordem Ecke dieses Tablinum führen drei Stufen zu der Thür eines angrenzenden, auch im letzten Stil ausgemalten Cubiculum 5, in dem wir an der Eingangswand eine Darstellung von Phaedra imd Hippolytos (Hlbg. No. 1245), gegen- über eine solche des Endymion (956) finden, während auch hier das dritte Bild an der Wand rechts vom Eingange zerstört ist. Die linke ist Ton einem Fenster durchbrochen, welches diesem Gemache rom Atrium her Licht schafft. In dem Baum 6 rechts rom Tablinum, welcher durch zwei kurze Wandstücke in zwei'Theile getheilt wird, sind die Wände unten mit Ziegelstuck, oben mit rohem weißen Stuck bekleidet. Ohne Zweifel diente dieser Raum in nicht lüher bestimmbarer^ Weise dem Gewerbsbetrieb: jene beiden Wandstücke sollen nur ermöglichen, den entsprechenden Kaum des Oberstocks in mehre Zimmer zu theilen. Links am Atrium liegt die Küche 7 mit Heerd und Ab> tritt und der Treppe zum Obergeschoss. An dieser Treppe vorbei gelangt man endlich in die dunkle Speisekammer {cella penaria) 8. Die eigentlichen Wohnräume der Familie waren im Oberstock. 4 wurde sicher nur benutzt, wenn man Gäste hatte, 5 war entweder ein Gastzimmer oder das Schlafzimmer des Hausherrn, der seinen Werkstätten nahe bleiben wollte. Oben war ein Gang über 8, an weldiem ein

Cubiculum über 5 lag, und dxirch welchen man zu einem Speisezimmer über 4 gelangte. Von da kam man in ein größeres Zimmer über deip Tordem Theil von 6; aus diesem in ein Schlafzimmer mit er- höbtem Platz für das Bett über dem hintern Theil von 6 und in eine

W^^^ämi^^^)

Fig. 151. Plan der Casa di Modesto,

Kammer mit nur roh gemalteh Wänden über der rechten hintern Ecke des- selben Baumes.

(No. 5.) Das Haus, dessen Plan die obenstehende Fig. 151 zeigt, kaum ausgedehnter, als das vorige, und bekannt unter dem Namen der Casa di

Orerb eck, Pompeji. 4. Aufl. 18

274 Vierte» Capitel.

Modesto, liegt an der Ecke des Vicolefto dt Mercurio und dessen rfi Modeeto (VI, 5, 13; im Plan No. 24). Es ward in der ersten Zeit der römischen Colonie mit Benutzung von Theilen eines altem Hauses erbaut und ist durch zwei Umstände besonders interessant. Erstens nämlich enthielt es vorzügliche Gemälde zum Theil mythologischen Inhalts, so namentlich nach einigen Angaben in dem Gemache 6, nach anderen, weniger wahrscheinlich, im Atrium, jetzt völlig zerstört und spurlos vergehwunden (Hlbg. No. 1329|, die bekannte Sceneans der Odyssee (X, 315 ff), wo Kirke dem Odysseus das zauberische WeinmuS gemengt hat, und eben ihm, auf dessen Veiwandelung sie hofft, gebietet, zu den Genossen in den Kofen zu wandern, als Odysseus

das Schwert von der Hüfte eich reiOend,

Bannt' auf S.uke hinan wie voller Begier tu enuoiden ; Doch laut Bchiie sie und eilte gebückt ihm die Kniee lu fassen. Das ist genau dem Dichter folgend und doch in trefflicher malerischer Aufias- BUDg wiedergegeben (abgeb. beiMazois II, p1.43). Ein zweites Gemälde, Achill auf SkyroB darstellend (lllbg. No. 1299), ist gleicherweise zerstört und nur in älteren Zeichnungen überliefert. Zweitens ist dieses Haus zur Besprechung geeignet, weil wir dabei Gelegenheit haben werden, einen durch die Autorität Ma2ois' verbreiteten Irrthum zu berichtigen, als ob wir nämlich hier ein Bei- spiel des Atrium düpluviatum (s. oben S. 239) hätten. Indem wir also in Fig. 152 den von Mazois restaurirten Durchschnitt geben, müssen wir bemer- ken , dass die Kestanration des Daches falsch, dasselbe vielmehr, wie gewöhnlich, nach innen ge- neigt zu denken ist. Jene Mei- nung nämlich stützt sich aus- schliefilich auf die in der That vorliandenen Löcher für einige schräg aufstehende Latten oder dünne Balken, wie sie auf dem Durchschnitt links den Dach- vorsprung unterstützen. Diese , i ff g a Löcher aber liegen nicht mehr

~ als 2,30 M. über dem Fußboden

Fig.lSZ.RestauTiiteTDurchgchmttaufdef Linien 6. , . . - , , -n i i. ..

° des Atriums (der Durchschnitt

giebt sie zu hoch an] , das Dach könnte also da, wo es die Wand trifft, allerhöchstens 3,50 M. hoch gewesen sein, und müsste in derselben Höhe auch die gegenüber liegende Wand getroffen haben:. Da aber diese bis zu 5 M. unversehrt erhalten ist, so können wir vollkommen feststellen , dass dies nicht der Fall war , dass also jene schrägen Balken eine andere Bedeutung hatten, etwa ein kleines Dach, unabhängig von dem des Hauses, zum Schutze des Fußweges trugen. Auch findet sich von den bei Vitruv erwähnten Köhienleitungen keine Spur ; das Wasser müsste also, wie auch Mazois annimmt, nach außen abgeflossen sein, das heißt nach rechts in den Garten des Nachbarn, was doch schwerlich zu- lässig war. Dagegen sieht man in der rechten Wand in der Höhe von 5 M.,

Die Priyatgeb&ude. Die Wohnh&user. No. 6. Casa della toleüa delt £rmqfrodito. 275

genau der Vorder- und Rückseite des ImpluTiums entsprechend, zwei größere Kalksteine, oberhalb deren die Mauer nicht erhalten ist : wahrscheinlich lagen auf ihnen die gewöhnlichen Querbalken des tuscanischen Atriums. Falsch ist femer in dem Durchschnitt das Impluvium, welches in Wahrheit nicht nur durch die es um£Eissenden Mauern, sondern auch, wie gewöhnlich, durch eine Vertiefung im Fußboden gebildet wird ; die erwähnte Malier enthält, wie Plan und Durchschnitt zeigen, eine rinnenartige Vertiefung, welche diente, um Erde zur Zucht einiger Blumen aufzunehmen. Zwei Mündungen der Cisteme sehn wir in 4 neben dem ImpluVium. Links im Atrium ist die Treppe 5, 'Welche zu zwei Gemächern im obem Geschoss führt, deren allerdings lediglich vermuthete Fenster der Durchschnitt zeigt. Die Treppe ist aus ihren untersten Steinstufen deutlich zu erkennen, und soll der Symmetrie wegen auf der ent^ gegengesetzten Wand in Malerei wiederholt gewesen sein, was aber schwerlich in der That der Fall war. Von den sorgfältig im Stil der letzten Zeit Pompejis ausgemalten Zimmern auf der Rückseite des Atriums können wir in 6 das Schlafzimmer des Hausherrn vermuthen; für 7, an dessen Hinterwand eine Darstellung von Phrixos und Helle (Hlbg. No. 1252} gemalt und, wenngleich ziemlich zerstört, noch an Ort und Stelle ist, während ein Adonis (Hlbg. No. 343) an der Wand rechts jetzt gar nicht mehr erkannt werden kann, wird der Name Oecus am ehesten passen. S ist das Zimmer des Sclaven, 9 die Küche mit Heerd, Abtritt und einer Thonröhrenleitung aus dem Oberstock ; 10 ist ein mit dem Innern des Hauses in Verbindung stehender Laden ttiit einer gemauerten Ladenbank , an deren Ende eine auch sonst häufig begeg- nende Vorrichtung angebracht ist , um ein Gefäß über Feuer zu halten : es wurden hier also warme Speisen verkauft.

Doch genug dieser kleinen Häuser; die gegebenen Beispiele, die sich i)edeutend vermehren ließen, werden genügen, um klar zu machen, wie man die regelmäßige Grundanlage möglichst festzuhalten strebte, wie dieselbe aber doch naöh den Bedürfiiissen und den räumlichen Bedingungen vielfach ab- geändert werden musste. Wenden wir uns zu der Betrachtung einiger Häuser mittlerer Größe, um auch bei ihnen die Entfaltung und die oft geistreiche Modification des Princips zu beobachten.

(No. 6.) Als ein erstes Bei- spiel wählen wir die nach ihren Hauptbildem sogenannte Casa della toletta delT Erma- frodito oder di Adone fe^ ritOy jetzt domus M. Asel- /t»»,anderMercurstraße,VI, 7, 18 (No.29 imPlan) , ausgegraben 1835 1836. Das Haus stammt in seinen wesentlichen Bestand-

theilen , einschließlich des Pe- Fig. 153. Plan der Casa della tolettu delf Ermafrodito. ristyls , aus der Tuffperiode ;

einem altem Umbau verdanken die Zimmer 9, 10, 11 ihre Entstehung; durch einen spätem, in der letzten Zeit Pompejis, ward 12 vergrößert und das Haus

18*

276 Viertes Capitel.

mit dem Nachbarhause durch 15 verbunden. Decorationsreste ersten Stils be- wahrt 4 rechts vom Eingang. Einfache Decorationen dritten Stils, aus der Zeit nach dem frühem Umbau, sind in demselben Cubiculum 4. im Atrium und in 9 erhalten ; alle übrigen Malereien zeigen den Stil der letzten Zeit.

Zur Verständigung über die Räumlichkeiten und deren Bestimmung werden hier wie bei den folgenden Plänen wenige Worte nebst dem Verweis auf die Zahlen des Planes genügen, denen andere Notizen hinzugefügt werden sollen, wo die aufgefundenen Gemälde, Sculpturen oder Mobilien dazu Ter- anlassen. Die Fa^ade ist schmucklos ; ursprünglich traten die Thürpfosten als Pilaster vor, später aber ist alles gleichmäßig mit grobem weiBen Stuck über- zogen worden. Auf den Pfosten der 4,2^ M.^hohen Thik liegen statt der Capitelle einfache rechteckige Tuffblöcke , wie häufig in Häusern der Tuff- periode. 1 Eingang oder Ostium mit der Thür unmittelbar an der Straße und einer zweiten Thür bei der Einmündung ins Atrium ; 2 Atrium ; 3 marmor- bekleidetes Impluvium; 4 Cubicula, von welchen das rechts Tom Eingang, durch einen schwarzweißen Mosaikfußboden ausgezeichnet, vielleicht vom Hausherrn selbst benutzt wurde ; das zweite links am Atrium 4', dessen Wände nur mit Ziegelstuck bekleidet sind, war woh] für einen Sclaven bestimmt; 4" Durchgangsraum zur Treppe 5 : sowohl 4" als 5 waren früher von der Straße zugänglich; 6 Platz eines großen Schrankes, dessen gemauerter Untersati erhalten ist: wie schon oben (S. 261) bemerkt, ist in vielen Häusern eine der Alae ganz oder zum Theil, je nach ihrer Größe, durch einen solchen Schrank ausgefüllt worden , wie es scheint , nicht vor der Zeit des dritten Decorationstils; für eine zweite Ala gegenüber war bei dem beschränkten Areal kein Baum ; 7 Tablinum, aus dem man über eine Stufe in das höher liegende Peristyl 13 gelangt; S Fauces; links am Tablinum, wo das Areal breiter zu werden beginnt, liegt an einem gangartigen Vorraum 9 a ein Ge- mach 9 , welches wir als die hierher verschobene Ala betrachten können, angelegt als man die eigentliche Ala in einen Schrank verwandelte ; 1 0 Cu- biculum mit einigen weniger bedeutenden und schlechterhaltenen Gemälden bakchischen Inhalts, deren eines ausgehoben ist (Hlbg. No. 547, 548); 1 1 triclinium fenestratum , gegen das Peristyl mit einer Thür und niedrige Brüstungsmauer geöffnet ; in ihm befindet sich an der Wand links vom Eingange aus dem Peristyl das Bild der Schmückung des Hermaphroditen (Hlbg. No. 1369), an der Hinterwand ein sehr zerstörtes und nicht sicher gedeutetes Gegenstück (Hlbg. No. 1373); 12 Triclinium oder, besser, Oecus mit der offenen Aussicht auf das Peristylium ; der Platz des Tisches ist in dem schwarzweißen Mosaikfußboden durch ein von einem Bandomament umgebe- nes Quadrat bezeichnet, welches in grober Arbeit vier Tauben enthält. In dem nur auf zwei Seiten von Säulengängen umgebenen Viridarium 14 bemerken wir ein kleines viereckiges Springbrunnenbassin und ein Luftloch der von dort zum Impluvium führenden Rinne. Die ursprünglich ziemlich schlanken, nicht cannellirten , sondern nur gekanteten dorischen Tufisäulen erhielten in der letzten Zeit eine dicke, unten gelbe, oben weiße Stuckhülle ; die Intercolum- nien sind bis auf zwei Eingänge mit niedrigen Brüstungsmauem geschlossen ; in einem derselben sehn wir die Mündung der Cisteme, ohne Puteal. mit

Die Privatgeb&ude. Die WohnhAuser. No. 7. Casa della caccia antica. 277

einem Maimordeckel gescUoss^i. Ein hinterer Ausgang, posticum^ 15 neben dem OecoSy führt in ein ursprünglich selbständiges, dann mit dem unsrigen verbundenes Haus, welches seinen Eingang von der Straße der FuUonica hat. l^ne Rüche können wir nicht nachweisen; denn auch in dem erwähnten Nebenhause finden wir nur eine sehr dürftige, keinenfalls für ein so offenbar wohlhabendes Haus genügende Rochvorrichtung. Wir müssen also wohl an- nehmen, dass sich die Rüche im Oberstock befemd. An der Wand des Peri- styls 14, dem Tridinium gegenüber, befindet sich das große Gemälde, welches dem Haus den zweiten Namen der C<isa di Adone ferito gegeben hat , der verwimdete Adonis von Aphrodite und Liebesgöttern beklagt, eines der bedeutendsten und durch die an ihm besonders deutlich nachweisbare Fresco- technik (auf die zurückgekommen werden soll) interessantesten Bilder in Pompeji (Hlbg. No. 340) ; zu beiden Seiten ist zwei Mal mit hübschen Vari- anten, als Marmorgruppe weiß vor den rothen Pfeilern Achills Unterweisung im Lyraspiel durch Cheiron (Hlbg. No> 1295) gemalt (links schlecht erhalten), rechts davon, imgleich roher, ein über einem Brunnenbassin auf einer runden Marmorfoank schlafend liegender Satyr, mit dem linken Arm auf einen Schkuch gestützt (Hlbg. No. 436), im Hintergrund ein Garten.

(No. 7.) Casa dellu caccia antica oder di Dedalo e Pasifae y an der Ecke der Fortunastraße und des Vico storto^ VU, 4,'4S (im Plan No. 64), ausgegraben 1832 und die folgenden Jahre. Auch dies Haus stammt aus der Tuffperiode; auf einen ersten Umbau (Anfang der Raiserzeit?) gehn die Bäume links am Peristyl, von 15 an, zurück; durch einen spätem, wahrschein- lich nach dem Jahr 63, erhielten 10 und 1 1 ihre jetzige Gestalt; das Tablinum 10 war vorher wahrscheinlich auch nach hinten in ganzer Breite geöffnet; femer wiirde damals die linke Ala getheilt in einen zur Küche 7 führenden Crang und einen fast ganz offenen Baum 5', der vielleicht als Schrank diente oder einen solchen enthielt. Die Malereien stammen alle aus der letzten Zeit Pompejis. Die Fa^ade an der Fortunastraße (rechts auf dem Plan) und am Vico storto (unten) bis jenseits der Ladendiür besteht aus Tuffqua- dem ; die Pfosten der 4, 07 M. hohen Hausthür sind als Pilaster behan- delt, mit Tuffwürfeln statt der Ca- ptelle. Die Eingänge der Läden sind noch höher.

1 Eingang mit Thür gleich an der Straße; 2 Atrium; 3 sehr kleines Impluvium, hinter dem das Puteal steht ; 4 und 5 Cubicula, von denen das zweite rechts (4) ziemlich sorg- föltig ausgemalt ist und vielleicht vom Hausherrn benutzt wurde ; die

beiden links mochten, ihrem Aussehn nach, für Sclaven bestimmt sein; das erste rechts dient jetzt zu Verwaltungszwecken. Auch der fensterlose Baum 8 war wohl eine SclavenceUe ; in der linken Wand ist eine von Baudi

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Fig. 154. Plan der Casa deUa caccia antica.

278 Viertes Capitel.

geschwärzte Nische für eine Lampe ; 6 Ala ; von der Umgestaltung der linken Ala war schon die Rede ; 7 Küche mit Heerd , Abtritt und einem Tisch auf drei gemauerten Füßen ; 9 Fauces ; 1 0 Tablinum ; 1 1 Winterspeise- zimmer: 12 Peristylium, welches den Garten mit der 2,60 M. großen und 1,35 M. tiefen Piscina 13 nur an zwei Seiten mit dorischen, unten roth be- malten und durch eine Brüstungswand [pluteus] verbundenen Säulen umgiebt. Die Säulen glichen ursprünglich denen der Cctsa dt Adone und sind auch in ähnlicher Weise umgestaltet worden: unten glatt und roth, oben weiß mit dorischen Canneluren. Über einer dieser Säulen steht noch ein Stumpf einer zweiten leichterer Ordnung, zum Beweise, dass oben eine Gallerie um den Hof führte, auf welche die Zimmer des obem Geschosses ausmündeten. 14 Som- mertriclinium ; 15 Exedra; l6Po8ticum, an dem die Treppe zu dem obem Stockwerk und ein Abtritt liegt ; 1 7 Kaufläden ohne Zusammenhang mit dem Hause. Die malerische Decoration ist reich. Im Atrium finden wir rechts schwebende Figuren der Hören (Hlbg. No. 987, 998) ; das erste Cubiculiun 4 zeigte auf seinen drei Wänden Danae, auf welche Eros den goldenen Regen ausgießt (Hlbg. No. 116, ausgehoben), Leda (Hlbg. No. 145) und ein angelndes Mädchen, nach gewöhnlicher Benennung Aphrodite (Hlbg. No. 346), eine der in Pompeji oft wiederholten Darstellungen ; in dem zweiten Zimmer 4 finden wir auf der Hinter wand eine reiche Architektur und in derselben, sehr stark verblichen, in ungewöhnlicher Art mit der Architektur verbunden, Achill auf Skyros unter den Töchtern des Lykomedes von Odysseus erkannt und entlarvt (Hlbg. No. 1301), ein ebenfalls in Pompeji mehrfach wiederholter Gegenstand. Auf den Wänden des Tablinum war rechts Daedalos dargestellt, welcher der Pasiphae die von ihm gefertigte Kuh bringt (Hlbg. No. 1206), und links The- seils, der von Ariadne den Knäuel empfängt, vermöge dessen er den Ausgang aus dem Labyrinth finden wird (Hlbg. No. 121 1, beide ausgehoben), außerdem ztrei Mal Nike (Hlbg. ^No. 904, 918) und schwebende Gruppen nicht sicherer Bedeutung (Hlbg. No. 1953); schwebende Gruppen bakchischen Charakters (Hlbg. No. 519, 521) schmücken auch die Wände des Wintertriclinium 11. Die Hinterwand des Peristyls 12 ist ganz mit dem noch jetzt an Ort und Stelle befindlichen Bilde bemalt, von dem das Haus seinen gewöhnlichsten Namen trägt (Hlbg. No. 1520), darstellend eine Jagd und Thierkämpfe, in Scenen, welche die Venationes im Amphitheater darbieten mochten, welche aber hier in die fireie Natur und zwar in eine ziemlich bedeutend gehaltene wilde iGre- birgsgegend verlegt sind, in der wir doch wohl schwerlich ein Muster der Decorationen der Arena erkennen dürfen ; die der Exedra gegenüberliegende Wand desselben Viridariums ist mit zwei Landschaften mit Stafiage geziert; die Figuren der einen stellen, jetzt schwer erkennbar, Polyphem und Galatea (Hlbg. No. 1043), die der andern eine Opferscene (Hlbg.No. 1555) dar. Die Wände def Exedra 15 haben oder hatten nur mittelmäßige Bilder; eines, welches angeb- lich Apollons Aufenthalt bei Admet, richtiger wohl den Grott mit einem nicht bestimmbaren Geliebten (Hlbg. No. 221), und ein zweites, welches Artemis im Bade von Aktaeon belauscht (Hlbg. No. 250) darstellt, sind, dad letztere stark zerstört, an Ort und Stelle, während das dritte, seiner Obscönität wegen in ein besonderes Zimmer des Museums in Neapel versetzte, sich wahrscheinlich

Die PriTKtgeb&ud«. Die WohnhSuwr. No. S. Cata dtl ehintrgo. 279

auf Polyphem und Galatea bezieht (Hlbg.No. 1052), ein viertes endlich (Hlbg. No. 1393] unerklärt ist. In dieses Gemach ist man bei Nachgrabungen wahr- scheinlich bald nach der Verschüttung durch ein Loch in der rechten Wand gedrungen, welches man jetzt, wie manche andere dergleichen an verschiedenen Stellen der Stadt, als besondere Merkwürdigkeit zeigt ; möglich, dass grade in diesem Hause mancherlei Kostbarkeiten begraben lagen ; auf recht reichlichen Hausrath lassen wenigstens eine nicht unbeträchtliche Keihe von Gegenständen aus Bronze, Thon und Glas schließen, die man hier nebst Esswaren, nament- lich vielen Eiern, ausgegraben bat. In dem Fußboden des Atrium hinter dem Brunnen und vor dem Tablinum lag ein jetzt in das Museum geschafftes Mo- saik, welches eine Maske darstellt und zu den besseren von Pompeji gehört.

Wir geben hiemächst den Plan eines dritten etwa gleich geräumigen Hauses und lassen den eines vierten und fünften folgen, um eine möglichst genaue Vorstellung von der Mannichfaltigkeit der Hausanlagen Pompejis za geben, die immer nach dem Bedürfniss und dem Baum variiren, der zu bebauen war, und doch fast immer nach antiken Begriffen sehr bequeme Wohnungen darstellen.

(No. 8.) Dieses Haus, das s. g. del ckirttTgo an der Via conaolare [VI, 1 , 10; No. 7 im Plan) , au^egraben 1770 und 71, war wohl eine der ansehnlichsten Wohnungen der ersten uns bekannten Bauperiode, der Zeit der Kalksteinatrien, und seine Fa^ade [s. unten) bietet eines der bestenMuster jener Bauweise'^*). Der wohl erhaltene alte Theil, die Bäume 1 10, den letzten zur Hälfte, umfassend, ist wenig ausgedehnt, aber fast vollkom- men regelmäßig und symmetrisch in der Anlage ; die Unregelmäßigkeit des Ge- sammtplanes rührt von einem theüweisen Umbau in der römischen Periode her. Das Ostium I mit der Thür unmittelbar an der Straße, ist von mehr als der ge- wöhnlichen Breite; der daneben links liegende Laden 2 steht im Zusammen- hange mit dem Hause ; in ihm wurden also die Waaren des Hausherrn feilgehal- ten, seien dies Producte des Ackerbaus, seien es solche eines Gewerbes gewesen. Sollte wirklich der Bewohner dieses Hauses ein Chirurg gewesen sein , wie Fig. 156. PUn der Cata del chiittrgo. man nach Maßgabe der Auiißndui^ von

allerlei chirm^schen Instrumenten in einem Zimmer (wahrscheinlich No. 9 oder 10) im Innern des Hauses annimmt"*), so würde man vielleicht sogar Aacaa denken können, dass derselbe oder ein Gehülfe, wie mehr als einet seiner Berufsgenossen im heutigen Neapel , in diesem Zimmer an der Straße manche der weniger tief eingreifenden Venrichtungen seiner Kunst vot- geuonunen habe. Wie freilich damit die hier zerbrochen au^efundenen

2S0 Viertes Capitel.

thönemen Gefäße tHydrien nennt sie der Fundbericht) übereinstimmen, muss dahingestellt bleiben. Im Atrium fand man 38 Gewichte von Blei, zum Theil mit der auch sonst noch vorkommenden Inschrift £M£ auf der einen und HA BEB IS auf der andern Seite (d. h. »kaufet und »du wirst haben«, natürUch : die mit diesen Gewichten gewogenen Waaren). Im Übrigen ist unter dem Hausrath außer den chirurgischen Instrumenten nichts besonders Interessantes gefunden worden. Der Laden 3 mit dem Hinterzimmer 4 an der rechten Ecke des Hauses hat wenigstens in der letzten Zeit nicht zu diesem gehört, sondern stellt mit ein paar Oberzimmem, zu denen die Treppe in 3 führte, eine Miethwohnung für sich dar. 5 Atrium mit dem Impluvium von Tuff; hinter demselben die Mündung der Cisteme ; 6 verschiedene Zimmer, von denen dasjenige an der Straße, mit einem viereckigen Fenster, in seinem vom Hauseingang entferntesten Theil einen Zwischenboden hatte, au dem man auf einer hölzernen Treppe hinaufsteigen musste ; die Wände sind hier nur ganz roh verputzt ; am Boden liegt ein doch wohl hier gefundener kleiner Mühl- stein : vermuthlich diente das Zimmer zu wirthschaftlichen Zwecken und zu* gleich als Sclavenwohnung. Die übrigen sind Cubicula von verschiedener Größe. 7 Tablinum ; 8 Alae : aus der rechten fuhrt eine Thür zu den Neben- räumen; 9 Sommertriclinium (?); 10 Wintertriclinium , welches seine jetzige Form dem oben erwähnten Umbau verdankt, früher aber nicht größer war als 9. Hinter diesem alten und regelmäßigen Theil des Hauses lag noch ein Garten, und vor demselben eine von Pfeilern getragene Porticus : wenigstens ist der gleich neben der Brunnenmündung sichtbare Pfeiler aus Kalksteinquadem erbaut. Erst in römischer Zeit wurde die Porticus beseitigt durch den Bau zweier 2iimmer : 19 kleines Sommertriclinium mit Fenster auf den Garten 20, und 2 1 kleines, sehr einfach gemaltes Schlafzimmer, vielleicht für einen Sda- ven. So bKeb von der Pfeilerhalle nur ein auf den Garten geöffneter, bedeckter Kaum 16 übrig, und der erwähnte stehen gebliebene Pfeiler arscheint ziemHeh zwecklos. 1 8 Treppe zu oberen Räumen, natürlich nicht älter als 1 9 : das alte Haus hatte ursprünglich nur ein Erdgeschoss. Aus 16 führt neben der Treppe eine Thür zu den Nebenräumen; sowohl diese Thür ak die in der rechten Ala (8) ist allem Anschein nach alt, aus der Zeit der Kalksteinatrien. Und aus derselben Zeit stammt ein Theil (bei 22] der Trennimgsmauer zwisdien den Nebeniäumen und dem anstoßenden Gebäude. Wenn also diese Nebenräume auch vielleicht nicht von Anfang an zum Hause gehörten, so scheinen sie doch schon in jener alten Periode mit demselben vereinigt, dann aber ganz umgebaut worden zu sein ; denn in ihnen selbst finden wir nur jüngeres Mauerwerk. Aus der Ala führt der stumpfwinklig gebrochene Gang 12 in die Küche 13 mit Heerd und Abtritt a. An dem Gunge liegt rechts zuerst ein wie es scheint fensterloser Baum 23, unbekannter Bestimmung, dann der kleine unbedeckte Raum 22, in welchen das auf das Dach der Nebenräume fallende Regenwasser zusammenfloss ; der Boden ist mit optM Signinum belegt imd gegen den Eingang geneigt ; eine Rinne führt auf die hinter dem Hause entlang gehende Straße. An der Küche vorbei gelangt man zu einem hintern Ausgange {posticum) 14, neben welchem ein zweiter Abtritt 15 liegt. Das der Küche gegenüberliegende Gelass 1 1 ist wohl eine Yorrathskammer, apotheca, 1 7 ein Raum unbekannter

Die Pri-ratgebauae. Die Wohnhbiara. No. 9 mittelgroßes Hau». 281

Beatimmung. Die Malneien dieses Hauses stammen alle aus dei letzten Zeit Pompejis. Im voidem Theil des Hauses ist wenig etbalten, recht gut dagegen das 'rridinium 19 ; hier stellt ein nicht sicher gedeutetes Bild [Hlbg. No. 14&9) ennen Mann mit einem geö&eten Diptychon (einen Dichter?) und zwei mit ihm im Gespräch begriffene Mädchen dar ; ebenda fand sich die jetzt im Mu- seum zu Neapel befindliche Daratellung einer Malerin in ihrem Atelier (Hlbg. No. 1443).

(No. 9.) Der Baumeister dea nachstehenden, im wesentlichen aus der Tuff^eriode stammenden, nahe am kleinen Theater in der Strada ttahiana ge- legenen, 1 793 au^egrabenen Hauses (VHI, 8, 22; No. 1Ö8 im Plane) fand eine andere Aufgabe. Der Baugrund ist ein sehr gestrecktes Viereck und an drei Seiten (oben, rechts und links im Plane) von anderen Gebäuden begrenzt, so d«sa die Hausthür nicht, wie dies gewöhnlich geschah, au die Schmalseite verlegt werden konnte. Außerdem ist das Terrain ungleich, indem es zunächst links in Fig. 156 ziemlich stark fällt, noch weiter links aber s(^on früher, vielleicht beim Bau des grofien Theaters, bedeu- tend erhielt worden war. Um nun diese Ungleich- heit des Niveaus nutzbar auszugleichen , hat der Baumeister an der tiefem Stelle den inFig. 1 5Q nicht

achraffirt dai^eetellten Theildes Hauses unterkel- lert imd um 2,20 M. über den schraffirten rechts, bis pig las, pign ^laes andani imttelgt(,ß«n H«um9.

■um Niveau des Aüher

au%ehöhten Terrains erhöht, während er den Rest der Bedingungen, welche ihm sein Areal von^rieb, dadurch erfüllte, dass er die beiden durch eine Treppe verbundenen Theile der Wohnung neben einander anstatt hinter einander legte. Demnach finden wir in 1 die Eingangsthür ohne Vestibulum, in 2 das Atrium, in 3 Cubicula, in 4 das Tablinum, in 5 die Alae, in 6 die Treppe von fiinfiEehn Stufen in den privaten Theil der Wohnung, zunächst in das Peristyl,

Fig. 157. Reatsurirter Durchsohnitt.

an dem ein vom offenes Tridininm 7, gegenüber eine ebenfalls offene Exedra 8 und ihr zur Seite üwei Cubicula 9 liegen. In dem Baume 10 führte die

282

!■ Capitel.

Treppe zu einem obem Geschoss, während wir in 1 1 die Treppe in den Keller finden. In einem der Kellerräume befindet sich eine Nische, a\»f deren Rück- wand eine Fortuna f^emalt ist : offenbar haben wir hier das Lararium sn erkennen, und in der Xähe wird auch die Küche gewesen sein. Derrestau^ rirte Durchschnitt Fig. 157 macht sowohl die besprochene Einrichtung klar, wie er den jetzt verschütteten Brunnen in der Mitte des Perietylhofes 12 und eine Andeutung der Kellergewölbe sehn lässt.

(Xo. 10.) Auch das folgende kleine Haus, gelegen an der Ecke der j5^a(£ii degli Auguatali und des Vico delle terme Stabiane , genannt domua M. Caeai Blandi [VII, 1,40; No. 89 im Plane) , stammt im Weseutlichen aus der Tuff- periode, und hat in seinem vordem Theil den alten Grund- riss soriemlich bewahrt'"). £e wurde nach einem gründlichen Umbau , namentlich des Peri- Btyls , im zweiten Stil ausge- malt ; in einigen Zimmern am Atrium und in diesem selbst ward die Malerei zur Zeit des letzten Stils erneuert. Das an der Straße verschlossen gewe- sene Ostium t liegt neben einem Laden mit Hinterzimmer 2, 2a. In die Wand des Ladens sind folgende zwei Inschriften ein^ gekratzt : M. Nonnu Campaaut mü. coh. Villi pr. ICaesi, und Pr. idua lulttu rtfeci sca^o anglato et ntbla nerviaria ; man fand hier femer Schustergerüth und schließt aus alle dem, das« jener ausgediente Prätorianer der 9. Cohorte, aus der Cen- turie des Caestus hier das Schu- sterhandwerk trieb, wozu auch der 0,68X 1,03 M. große Tra- vertintisch auf vier Füßen aus Tuff wohl geeignet ist. Da nun auf den Säulen des Peristyls dreimal der Name des M. Caesius Blandus eingekratzt ist, so vermuthet Fiorelli wenigstens nicht ohne Wahrschein- lichkeit, dasB dies der Hausherr und zugleich der Centurio war, unter dem M. Nonius Campanus gedient hatte und der ihm in seinem Hause diese Werkstatt eingeräumt hatte. Der Plan zeigt, dass das Zimmer 2* verkleinert worden ist, um den Laden geräumig zu machen. An der Rückwand des letz- tem sieht man Spuren eines großen Schrankes, in dem M. Nonius seine Ar- beiten und sein Geitith bewahren mochte. Das tuscanische Atrium 3 mit

Fig. 158. FUn des Hauies des M. Caenui BUndus.

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. Na 10. Haus des M. Caesius Blandus. 283

einem Impluvium von Tuff, hinter dem zwei gemauerte TischfüBe stehn, und einer Cistemenmündung, hat theils rothe, theils gelbe Wände, welche auBer mit weiblichen schwebenden Figuren von nicht sicher bestimmbarem Cha- rakter (Sogliano No. 803, 821, 830] mit einem doppelten Brustbilde geschmückt sind (Hlbg. No. 1247), in welchem man Hippolytos mit Phaedra erkennen zu dürfen glaubt. Der Fußboden des Atriums besteht aus schwarzem Mosaik mit weiBem Rande und unregelmäBig vertheilten bunten Marmorstückchen; das des Ostiums stellt auf weiBem Grunde in Schwarz ein großes Steuerruder und einen Dreizack zwischen zwei Delpbinen und einem Meerungeheuer dar, femer auf der Schwelle gegen das Atrium eine Stadtmauer mit einem Thor und zwei Thürmen nebst zwei Schilden. An diesem Atrium liegen vier Cubicula, von denen 6, neben dem Ostium, eine reiche architektonische Decoration zweiten Stils bewahrt hat, deren Mittelbilder aber bis auf geringe Reste zerstört sind. Die anderen sind, wie das Atrium selbst, im letzten Stil ausgemalt. Zwei liegen rechts, 4 und 5, von denen das erste auf rothen Wänden kleine Darstellungen aus dem s. g. Stillleben, das zweite auf gelben Wänden mit leichten Archi- tekturen schwebende Eroten zeigt; 7, links 5 gegenüber, hat auf weiBem Ghrunde zwischen gelben Feldern leichte Architekturen und in den Mittelfel- dern kleine Rundbilder, unter denen eins der nicht seltenen Brustbilder des von Eros begleiteten und umschmeichelten Paris (Hlbg. No. 1274) hervorzu- heben ist. 8 war früher ein Laden ; später schloss man den Eingang von d^r Straße und benutzte das Local zu irgend welchen wirthschaftlichen Zwecken und zugleich als Durchgangsraum zu dem Gange 9, welcher zu dem unter dem hintern Theil des Hauses befindlichen Keller führt. In der Mauer links neben der Thür zu diesem Raum war in früherer Zeit eine 0,40 M. vom Boden ent- fernte, mit einem Muster von kleinen bunten Quadern, nach Art des ersten oder zweiten Decorationsstils bemalte Nische, wohl ohne Zweifel für die Laren- bilder bestimmt. Als nun das Atrium im letzten Stil neu decorirt wurde, hat man die Nische nicht ausgefüllt, wohl aber, wir wissen nicht recht wie, die neue Stuckschicht über sie hinweggefuhrt, so dass sie als eine Höhlung be- stehn blieb, welche nun von dem Thürpfosten aus durch eine nur 0,175 M. breite Spalte zugänglich gemacht wurde, in welche man grade bequem die Hand einführen kann. Was man in dieser Art Schrank verwahrt haben mag (Fiorelli denkt an Wachstafeln oder Schriftxollen) , das wird wohl schwer zu errathen sein. Von den Alae 10, 10 a ist die erstere in jüngerer Zeit durch eine Wand in zwei Theile getheilt und jeder derselben als Schrank, wohl zur Aufbewah- rung von Geräthen und Gefäßen der Haushaltung, verwendet worden, ähnlich wie wir es im Hause des Holconius (s. unten No. 13) finden werden. Die rechte Ala 10a, hat weiße Wände mit leichten Architekturen; ihr Mosaik- fußboden ist schwarz wie der des Atriums, aber ohne die farbigen Marmorstücke, und bat in der Mitte ein quadratisches Ornament, welches, wenn hier gespeist wurde, den Platz des Tisches bezeichnen konnte ; ein schwarzes Ornament mit wenigen farbigen Zuthaten auf weiBem Grunde bildet die Schwelle. Das Tablinum 1 1 hat gegen das Atrium eine farbige Mosaikborde ; sein hinterer Ausgang ist nachträglich durch Ziegelmauerstücken verengt worden. Das mit zwei Thüren nach dem Atrium und dem Peristyl geöffnete oecusartige Gemach

284 Vierte« Capitel.

12 hat eine reiche Decoration zweiten Stils bewahrt. An seinen drei Wänden, diejenige gegen das Tablinum ausgenommen, finden wir, an derjenigen rechts am besten erhalten, sechs hermenartig aus Blattkelchen emporsteigende groBe geflügelte weibUche Gestalten, welche Guirlanden von Blumen und Früchten in den Händen halten (Sogliano No. 757); die Bilder am obem Theile der Wand sind zerstört; in den Resten eines derselben (Hlbg. No 574) glaubt man einen orgiastischen Tanz vor einer Priaposherme zu erkennen. Links vom Tablinum ist der Faucesdurchgang durch eine Art von Vorplatz 1 3 ersetzt, aus welchem man links in die Küche 14 gelangt und in welchem eine steinerne Treppe liegt, die links, von Holz fortgesetzt, in den Oberi^tock führte, in dem erhal- tenen Stück aber den Zugang zu einem kleinen Bade bildet, deren es in mehren pompejanischen Häusern ähnliche oder etwas ausgedehntere giebt. Das gegenwärtige besteht aus zwei kleinen , mit Tonnengewölben überdeckten Cellen, welche ein Tepidarium 15 und ein Caldarium 16 darstellen. Das letz- tere, welches seine Hitze von der Küche durch heiße Luft erhielt, die in seine suspensurae und Hohlwände eingeführt wurde, hat mit farbiger Stein- nachahmung decorirte Wände in unechtem, zur Zeit des dritten Stils imitirtem zweiten Stil, während das Tepidarium, mit einer monochromen Decoration echten zweiten Stils in gelb, übrigens von geringem Werth, seine Wärme von dem Caldarium aus durch ein 1,60 M. über dem Boden befindliches rundes Loch neben der mit einem Bogen überspannten engen Thür erhielt, welche beide Bäume verbindet. Beide Bäume haben einen schwarzweißen Mosaik- fußboden ; außer Ornamenten stellt der des Tepidariums Gladiatorenwaffen, Vögel und Delphine, der des Caldariums tanzende Satyrn dar. Im Caldarium ist außerdem durch das Mosaik und durch die Wandmalerei der Platz eines Ruhebettes angegeben, auf welchem ausgestreckt man sich dem Genuss des Schwitzens hingab. Den Xystus 17, von nicht ganz regelmäßiger Form, um- giebt eine Porticus von weißen, gekanteten, links durch ein:e roth gemalte Brüstungsmauer verbundenen Säulen. Im Hintexgrunde ist der Xystus mit drei kleinen Hermen bakchischen Charakters aaa geschmückt, während vom ein marmorner Tisch b und eine dreieckige Basis von schwarzem Granit staad, welche einen Candelaber oder auch eine Blumenvase getragen h^ben mag. Im Peristyl ist die eine Marmorbekleidung nachahmende Decoration zweiten Stils bewahrt gebUeben, und so auch in allen anliegenden Zimmern außer 23. Di«se Zimmer dienten theils als Speiseräume, theils zu beliebigem Aufenthalt. Wir verzichten darauf, ihnen besondere Namen als Oeci, Exedren u. s. w. zu geben, und bemerken nur, dass 19 ein Cubiciilum mit Yorzimmerchen [procoetum), und dass in der linken hintern Ecke von 21 eine große Nische cmgebracht war, deren Bestimmung nicht klar ist ; vielleicht war sie als Aedicula gestaltet. Die hinteren Gemächer lagen über dem anstoßenden Hospitium »Zum Ele- phanten«; ihr Fußboden ist eingestürzt, so dass die Gestalt von 24, welches gewiss mehre Zimmer umfasste, nicht mehr zu erkennen ist; 23 ist im letzten Stil ausgemalt. Die Thür rechts hinten in der Porticus führt von der Straße in den auch durch 8, 9 zugänglichen Keller, welcher sich unter dem ganzen Complex 17 21 hinzieht und zu dem auch 22 gehört, welcher Baum aber höher ist als die anderen Kellerräume, so dass über ihm kein Zimmer am

Die FriTBtgebtude. Die WohnhiDael. No. 11. Cata dtlpoela tragieo. Jgg

Peristyl lie^. Der uistoBende Laden mit seinen Hinterzimmem 24 gehört niclit Eum Hause; et wird nach einigen, aber kaiuu entscheidenden Anzeichen emem Gemüfieh&sdler zugeschrieben, hat uns aber hier nicht zu bescMftigen. (No. 11.) Die durchweg der lömiachen Periode angehörende und deshalb den alten Typus in etwas modificirter Gestalt zeigende Casa del poeta tragico oder Cata omerica, gegenüber den Sltereu Thermen an der Strada delle terms belegen und 1824 182& ausgegraben (VI, 8, 5 ; No. 35 im Plane), Tradankt ihren erstem Namen insbesondere einem Gemälde , in welchem man iirthümlich eine Leseprobe erkannte (b. unten] , und einem Mosaik im Tabli- nnm, welches auf das Theater Bezug, hat, den letztem den zahlreichen Ge- mälden ans den homerischen Gedichten (namentlich der lüas] , mit denen &st alle Wände bedeckt waren. Durch diesen Bilderscbmuck, der, wenigstens theil- veise, zu dem Vorzüglichsten zählt, was Pompeji au&uweisen hat, und durch die etUe Eleganz der Einrichtung ist dies Haus eines der berühmtesten der Stadt gewinden und ist dasjenige, welches Bulwer in seinem Roman als die Wohnung seines feingebildeten Atheners Glaukos betrachtet. Die Annahme nun freilich, der Bewohner dieses Hauses sei ein tragischer Dichter gewesen, lässt sich nicht rechtfertigen ; aber auch die, dass er Goldschmied gewesen sei, welche Ton Gell ausgegangen ist, ist unhaltbar. Diese Vermuthung stützt sich auf die Behauptung, in den mit dem Hause zusammenbangenden J^den sei eine Menge Goldschmiedewaaren nebst Gei^tben der Goldschmiedekunst gefunden worden ; allein die Ausgtabungsberichte '>') zeigen , dass der aller- dings nicht unbeträchtliche in diesem Haiise ausgegrabene Goldschmuck zu

Fig. 159. BeBtaurirt« Anmoht der Cata del poeta tragtco.

den lÄden in keiner nahem Beziehung stand , sondern vielmehr aus dem abem Stockwerk mit dessen Mosaikfußboden herabgestürzt, folglich weit eher als der Schmuck der Frau vom Hause, denn als die Waare des Hausherrn zu betrachten ist. Sei deswegen der Besitzer dieses Hauses gewesen wer oder

286 Viertes Capitel.

wa6 er gewesen ist, jedenfalls treten uns in dieser wenig ausgedehnten WoIh nung Spuren eines gebildeten Geistes leichlich entgegen und bezeugen, daSB der Besitzer ein Mann von Geschmack und beiher von Wohlhabenheit war. Über den Plan (Fig. 160) nur ein paar Worte.

I Ostiuni ; die zweiflügelige Hausthür lag unmittelbar an der StraSe, und zwar noch außerhalb der kleinen Eingänge in die mit 2 bezeichneten Läden, welche also zum Hause gehören. Unmittelbar hinter derselben lag im Ostium das oben Fig. 138 init)^etheilte, jetzt in das Museum geschaffte Mosaik mit dem angeketteten Hunde und der Inschrift cave canem. Das Ostium steigt nicht unbeträchtlich gegen das Atrium an und ist an seinem obem Ende mit einer einfachen Mosaikschwelle geziert, wahrend sich vor der untern eine kleine Öffnung der aus dem Impluvium auf die Straße führenden Rinne, zum Abfluss des zum Reinigen gebrauchten Wassers, befindet. 3 ist das Atrium mit einfachem schwarzweißen Mosaikhoden und einem Bandomament um das marmorbekleidete Impluviiun, hinter dem rechts von der Mitte ein hübschem Puteal steht, welches &eilich in der letzten Zeit nur zur Zierde diente, da unter ihm die Cisteme durch eine Marmorplatte geschlossen ist, von dessen einstmaligem Gebrauche aber die in den innem Rand eingeschliffenen Rillen Zeugniss ablegen, welche von den Tauen herrühren, an denen man die £imer

Fig. 160. Plan der Cata ddpoela lragie<

emporzog. Eine in den wesentlichen Theilen auf sicheren Elementen be- ruhende Restauration dieses Atriums nebst dem Tablinum, der einen Ala und den Fauces bietet Fig. 159. 4 Treppen: die Zweizahl derselben war wohl nothwendig, weil die beiden Hälften des Oberstockes durch das Tablinum, welches höher' war als die Seitenzimmer und über welchem sich vermuthlich kein oberes Zimmer befand, getrennt waren; 5 Zimmer des Atriensis, mit Nische unter der Treppe; 6 verschiedene Wohn- und Schlafzimmer, unter denen das erste links durch bessere Malereien und einen Mosaikfußboden aus- gezeichnet ist ; das zweite links, ursprünglich ein gut gemaltes Cubiculum mit der Nische für das Bett rechts vom Eingang, ist später in eine Vorrathflkammer

Die Priyatgebäude. Die Wohnhäuser. 'So. II. Casa delpoetatragico, 287

verwandelt worden : in der mit jüngerem weißen Stuck bekleideten Rückwand flielit man drei B^ihen von Löchern für die Balken, auf denen die Bretter ruhten. 7 Ala; 8 Tablinum; 9 Fauces; 10 Peristylium mit Säulenumgang an drei Seiten und einer Hauscapelle 11 an der Hinterwand, in der man die Marmorstatuette eines Satyrn fand, welcher Früchte im Bausche eines um den Hals geknüpften Felles trägt; 12 ein Cubiculum, nicht Bibliothekzimmer, wie vielfach gesagt ist imd zwar imter dem Eindruck, dass hier ein Dichter wohnte; 13 Küche, in deren Vorraum die Treppe zum obem Geschoss des Hinterhauses liegt, unter derselben der Abtritt. 14 Cubicula, 15 Sommertri^ clinium, geräumig imd heiter, mit der Aussicht auf das Yiridarium im Peri- Stylhofe, 16 Posticum auf die Strada dellaßillonica^ welche seitwärts an diesem Hause vorbeiführt.

Wir durchwandern die bezeichneten Bäume noch einmal, um uns den Bilderschmuck in seinem Reichthum und in seiner Anordnung tm vergegen- wärtigen. Im Atrium finden wir (jetzt freilich meistens ausgehoben und in das Museum geschafft) abgesehn von decorativen Malereien, folgende Haupt- bilder : bei a Zeus^ und Heras heilige Hochzeit; denn so , nicht a)s die aus dieser abgeleitete Scene auf dem Ida nach dem 14. Gesänge der Ilias, wird man nach den mannichfachen neueren Erörterungen über dasselbe dies schöne Gemälde (Hlbg. Nr. 114) benennen müssen, das jetzt im Museum ist. b. Hier befand sich ein schon bei der Ausgrabung stark beschädigtes Gemälde (Hlbg. No. 294), darstellend eine nackte Aphrodite wesentlich in der Stellung der bekannten Statue der s. g. Mediceischen Venus in Florenz, zu ihren Füßen eine Taube oder ein Taubenpaar; Gell macht (N. Pomp. II, p. 148) großes Wesen von demselben, ja vergleicht das Colorit mit dem Tizians. Jetzt ist nichts mehr von dem Bilde zu sehn, man kann also auch nicht sagen, wie weit dessen Lob übertrieben ist. c. Übergabe der Brisei's durch Achill an die Herolde des Agamemnon (Hlbg. No. 1309), vielleicht das berühmteste aller pompejanischen Gemälde, das^ im artistischen Theil abgebildet und besprochen werden soll (ausgehoben] . d. Chryse'is' Einschiffung nach Ilias I, 310, oder nach neuerer, nicht unwahrscheinlicher Erklärung Helenas Entführung (Hlbg. No. 1308 u. Nachtrag S. 461, ausgehoben) ; ^ an Ort imd Stelle, Fragment, ein Triton, der, begleitet von einem Eros auf einem Delphin, ein Seepferd am Zügel zu führen scheint, auf welchem zwei Figuren gesessen haben, von denen nur noch die Füße erhalten sind, wahrscheinlich eine, näher nicht erklärbare Darstellung aus dem Leben (der Liebe) der Meergötter (Hlbg. No. 1092); f stark zerstörtes Bild, an Ort und Stelle, von dem nur die Füße mehrer Figuren erhalten sind. Von den Gemächern um das Atrium ist nur das größere links mit nennenswerthen Gemälden geziert; in ihm finden wir und zwar sämmtlich noch an Ort und Stelle : g Entführung der Europe (Hlbg. No. 129, jetzt ganz zerstört), A Phrixos imd Helle (Hlbg. No. 1256, erhalten ist nur das Brustbild des Phrixos mit blauem Nimbus) und i ApoUon und Daphne, obscönes, jetzt ebenfalls stark zerstörtes Gemälde, dessen Gegenstand zu den häufigeren in Pompeji gehört (Hlbg. Nr. 210). Nach Heibig (No. 296) wäre auch noch eine Venus Pompeiana hier dargestellt gewesen, was zweifelhaft ist. Im Fries dieses Zimmers ist ein Kampf von Fußgängern gegen Amazonen auf

288 Viertel CapiteL

Streitwagen vind Rossen gemalt Illbg. No. 1250). Im anstoßenden Zimmer sind, ebenfalls noch an Ort und Stelle, auf abwechselnd rothen und gelben Wandflächen Vögel gemalt ; die übrigen Zimmer sind noch einfacher deoozirt. Die Ala ist ebenfalls einfach mit architektonischen Decorationen über einem schwarzen Sockel mit Pflanzen bemalt, die jetzt sehr gelitten haben, hat aber einen hübschen Fußboden von schwarz und weißem Mosaik. Das Tablinum hatte außer niedlichen schwebenden Figürchen nur ein mittelmäßiges, aus- gehobenes Gemälde auf der Wand k (Hlbg. No. 1158), in welchem man be- stimmt mit Unrecht Terenz hat erkennen wollen, welcher in Anwesenheit Ton Apollo und Diana mehren Personen ein Stück vorlese ; nach der neuesten und sicher allein richtigen Erklärung bezieht sich dasselbe auf die Geschichte von Admetos und Alkestis. Der Fußboden zeigte ein merkwürdiges, jetzt ebenfalls in das Museum gebrachtes Mosaik, eine Theaterprobe oder die Vorbereitungen zur Aufführung darstellend (abgeb. farbig bei Gell, N. Pompeiana pL 45). Der Chorag, umgeben von verschiedenen Masken, überhört zweien Choreuten, die als Satyrn costumirt sind, ihre Rolle, während hinter ihm ein dritter sich mit einem gelben Gewände mit Hilfe eines Theaterdieners bekleidet. In dem ersten Gemache links am Peristylium finden wir bei / an Ort und Stelle Ariadne vom Theseus verlassen, einen der häufigsten Gegenstände in Pompeji (Hlbg. No. 1225), bei m, erloschen und durch hinabrinnendes Nass sowie den Salpeter der Wand zerstört, Narkissos sich im Quell spiegelnd, ebenfiüls viel- fach wiederholt (Hlbg. No. 1352), bei n Aphrodite imd Eros fischend nadi der gewöhnlichen Bezeichnung; wahrscheinlich aber ist nur eine schöne Frau gemeint, die sich die Zeit mit Angeln vertreibt, und welche Eros auch hierbei nicht verlässt, wie denn Anmuth und Liebreiz schönen Frauen überall bleibt (Hlbg. No. 349). Außerdem in Kränzen schwebende Eroten (Hlbg. No. 637, 638, 708, 731, 735, 736). Das folgende kleine Gemach hat auf den Seitoi- wänden Landschaften, auf der Hinterwand (erloschen) eine Papymsrolle und sonstiges Schreibzeug, wonach man dies Zimmer zum Studirzimmer gemacht hat. Am Ende des Peristylumganges rechts bei o war das berühmte Gemälde der Opferung Iphigenias (ausgehoben, Hlbg. No. 1304), nicht gerade hervor- ragend in seiner Technik, aber höchst interessant in Auffassung und Compo- sition. In einem Hauptmotiv nämlich, dem Dastehn des Agamemnon mit verhülltem Haupt, geht dasselbe auf ein hochberühmtes Bild von Timanthes zurück, von dem noch später im artistischen Theil zu reden sein wird. Endlich das Triclinium zeigt in gar anmuthigem Bilde an Ort und Stelle bei p eine mehrfach wiederholte Composition, welche man bisher auf Leda und Tyndareos mit dem Neste voll Kinder, welche aus den Eiern gekrochen sind, die Leda von dem Zeusschwan empfangen hatte, bezog, während zwei neuerdings auf- gefundene Exemplare (Hlbg. No. 822, 823) gelehrt haben, dass es sich um ein Nest mit Eroten handelt, das ein junges Paar gefunden hat (Hlbg. No. 821) . An der Hinterwand ist bei q stark beschädigt die von Theseus verlassene Ariadne anders als im Zimmer 14 wiederholt (Hlbg. No. 1218), und die Seiten- wand enthält bei r, ebenfalls stark fragmentirt, ein unerklärtes Bild aus dem Mythus der Artemis (Hlbg. No. 254). Diese fein gemalten Bilder sind auf den Nebenfeldem der Wände von meistens schönen schwebenden Figuren

Die Privatgebäude. Die WohohäüBer. No. 12. Plan des Hauses IX , 5, 6.

289

umgeben, unter denen wieder vier Tänzerinnen und vier Kämpfer oder Heroen hervorzuheben sind; der Mosaikfußboden ist in der Mitte mit schwarzen Or- namenten versehn, in welche Fische und Enten eingefasst sind. Auch das obere Geschoss hatte reichem Schmuck, als man gewöhnlich dort annehmen kann^ wenigstens hat man bei der Ausgrabung einen Mosaikfußboden in Frag- menten gefunden, der von dort herabgestürzt war und der auf andere ent- sprechende Decorationen schließen lässt.

(Nr. 12.) Höchst eigenthümlich ist der Grundriss

des im Jahre 1878 ausgegrabenen Hauses IX, 5, 6, im Plan No. 108 a, welches in der uns vorliegenden Gestalt in römischer, aber wohl sicher noch republika^ nischer Zeit entstanden ist, während seine Malereien sämmtlich den Stil der letzten Zeit Pomj^ejis zeigen *^^]. Das Atrium 2 (Fig. 161) hat hier die Form eines schmalen Ganges, nur wenig breiter als das Ostium 1 . Zum ersten Mal begegnet uns femer hier die Anord- nimg , dass die Alen nicht am Ende, sondern in der Mitte der Langseiten angebracht sind; zwischen ihnen liegt das ungewöhnlich tiefe (0,35 M.) Implu- vium. Sehr merkwürdig ist femer die Anlage des Tablinums 5 : vor demselben zweigt sich in sonst nicht vorkommender Weise links der nach hinten führende Gang (Fauces) 7 ab, rechts bei 6 die hier ganz aus Mauerwerk bestehende und erhaltene Treppe zum Oberstock; hinten ist dem Tablinum ein be- deckter Gang 8 quer vorgelegt, auf welchen es sich mit einem breiten Fenster öffnet. Aus 8 gelangt man über drei Stufen in den unbedeckten Gang 9, an welchem die Wirthschaftsräume liegen: 13 Küche; 1 1 Vorrathskammer, in welcher Amphoren gefunden wurden; 12 und 14 entweder auch Vorrathskammem oder Sclavenzimmer ; 15 Abtritt. 10 scheint, wie auch der Baum unter der Treppe, als eine Art Schrank gedient zu haben.

Die vorderen Bäimie, einschließlich d^ Tabli- nums, sind alle im letzten pompejanischen Stil aus- gemalt und mit ziemlich sorgfältig ausgeführten Bil- dern verziert, deren Aufzählung wir der Kürze halber imterlassen. Nur das erste Zimmer rechts, vermuthlich die Celle des Atriensis, hat nichts als einen rohen Bewurf aus Ziegelstuck ; die hinteren Räume haben einfachere Malereien, ohne Bilder.

Der geringen Ausdehnung des Hauses kam ein oberer Stock zu Hilfe, welcher sich über alle be- sprochenen Räume erstreckte, mit Ausnahme des Atriimis 2, des unbedeckten Ganges 9 und der linken Ala (3, rechts auf dem Plan). Diese letztere war

Orerbeek, rompeji. 4. Aufl. |9

X.

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Fig. 161. Plan des Hauses IX, 5, 6.

290

Viertes Capitel.

nämlich höher als alle übrigen Räume, so dass also der Querschnitt des Hauses nicht so symmetrisch war, wie der Grundriss: vielleicht wollte der Erbauer hier etwas dem Tablinum anderer Häuser ähnliches schaffen.

In Betreff des Gartens 16 ist zu bemerken, dass an der Westecke desselben ein gemauertes Bassin steht, welches durch eine von Nordwesten kommende Lei- tungsröhre mit Wasser gefüllt wurde und zur Bewässerung des Gartens diente. In der Nordostwand ist eine Nische angebracht, vor welcher ein kleiner Altar steht ; wir erkennen hier das Lararium. An dem auf die hinten vorbeigehende Straße führenden Posticum 1 7 liegt ein Stall 1 S für Pferde oder Esel, mit dem zugehörigen Räume 19, und es mag noch erwähnt werden, dass Reste von Pferdegeschirr in dem Raum unter der Treppe 6 gefunden wurden.

(No. 13.) Einen sehr regelmäßigen Plan einer mittelgroßen Wohnung bietet das Haus des Holconius Rufus, das Eckhaus an der Strada degli Olconü und derjenigen dei teatri, dessen Haupteingang an der erstgenannten Straße liegt (VIII,' 4, 4 ; No. 103 im Plane). Einige der Läden, welche dieses Haus um- geben, sind schon 1766 aufgegraben, aber wieder verschüttet worden; die Ausgrabung des ganzen Hauses gehört dem Jahre 1861, und wir haben über

Fig. 162. Plan des Hauses des Holconius Rufus.

dasselbe zwei genaue, einander vortrefflich ergänzende Beschreibungen von Minervini und Fiorelli ^2») ^ auf welche für manche hier, wie bei anderen neuen Ausgrabungen, reichlicher als bei älteren bekannte Einzelheiten verwiesen sein mag, obgleich die ausführlichere Beschreibung dieses wie einiger anderen der genauer bekannten Häuser auch hier geboten erscheint.

Der Haupteingang 1 zwischen mannshoch roth, darüber weiß gemalten Pfeilern, an welchen man die Spur der hölzernen Antepagmenta deutlich wahminmit; war ohne Vestibulum unmittelbar an der Straße mit einer zwei- flügeligen Thür versehn, deren Verschluss außer durch die gewöhnlichen in die Schwelle eingreifenden Riegel durch einen innen vorgelegten, in zwei

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 13. Haus des Holconius. 291

Löcher in der Wand eingreifenden Querbalken [sera] bewirkt wurde. Das Ostium, dessen Wände über rothem Sockel mit gelber und grüner Einthei- lung und kleinen Vögeln breite schwarze und schmale rothe Felder haben, war auf ersteren mit anmuthigen schwebenden weiblichen Figuren bakchischen Charakters (Hlbg. No. 1909. 1913. 1920. 1942) geziert, welche schon 1855 gefunden und für das Museum ausgehoben worden sind. Auf dem obersten, weiß gegründeten Theil der Mauern sind phantastische Architekturen gemalt, von Figuren, Eroten und Weibern belebt.

Das tuscanische Atrium 2, dessen Impluvium wohl schon bei antiken Nach- grabungen seiner Marmorbekleidung beraubt worden ist, hat einen Fußboden von einer stuckartigen Masse aus Kalk und zerstoßener Lava mit regelmäßig in Linien eingelegten Marmorstückchen und in der Hauptsache über schwarzem Sockel mit grünen Pflanzen roth bemalte Wände ohne grade hervorragenden Gemäldeschmuck; hervorzuheben ist nur auf der Wand links vom Eingang ein gelagerter, epheubekränzter Silen (Hlbg. No. 375), jetzt ziemlich zerstört, welcher das auf seinem Beine sitzende Dionysoskind mit der Rechten umfaßt ; schräge darunter ist auf gelbem Grund als gelbes Monochrom eine großartig gedachte Okeanosmaske mit Krebsscheeren in den Haaren gemalt, deren fließender Bart seitlich in emporgeschwungene Arabesken übergeht (Hlbg. No. 1023). Manche interessante Stücke des Hausraths sind bei der Ausgra- bung in diesem Atrium gefunden worden , und zwar zum Theil auf dessen Fußhoden selbst, zum Theil vier Meter über demselben, woraus hervorgeht, dass sie den Zimmern im obem Stockwerk angehört haben, von welchem sich beträchtliche Reste zeigen. Es seien nur die interessantesten der hier gefun- denen Gegenstände erwähnt. Unter den aus dem Obergeschosse gefallenen sind vor allen die Gerippe zweier seiner Bewohner nebst mancherlei Gefäßen von Thon und Glas hervorzuheben; unter denen, welche dem Erdgeschoss angehörten, verdient besonderes Interesse das Gerippe der Frau vom Hause, welche mit ihrem in einer Büchse verwahrten Schmuck zu fliehen versucht hatte, aber nahe beim Tablinum niedergestürzt ist. Unter diesem Schmuck zeichnet sich ein Halsband besonders aus, welches aus einer Menge ver- schiedenartiger Amulette zusammengesetzt ist, imd auf das wir zurückkommen werden. Außerdem sind besonders mehre kleine Schlösser bemerkenswetth, welche auf hier vorhanden gewesene Schränke und Truhen oder Kasten hin- weisen ; einer derselben wird wohl links vom Eingang gestanden haben, wo am Boden noch Eisenspuren kenntlich sind.

Von den das Atrium umgebenden Zimmern 4, 5, 6, 7, welche alle gegen jenes mit Thüren abschließbar waren, deren Angeln man in den Schwellen sieht, war das erste rechts 4 die Cella des Sclaven, welcher den Verkauf uns unbekannter Waaren des Hausherrn in dem neben dem Ostium belegenen und mit dem Atrium sowie mit dieser Cella in Verbindung stehenden Laden 31 besorgte und vielleicht zugleich als Atriensis diente. Seiner Bestimmung als Aufenthalt eines Sclaven gemäss ist dies flach gedeckte Zimmerchen sehr ein£eu;h auf weißen Wänden , die durch gelbe und rothe Linien eingetheilt sind, mit Darstellungen verschiedener Gefäße, Candelaber und Festons deco- jirt. Reicher ist das folgende Cubiculum 5 geschmückt, welches durch eine

19*

292 Viertes Capitel.

Austiefung in der linken Wand zur Aufnahme der Bettstelle als Schlafzimmer bezeichnet ist. Die weißen Wandfelder, mit einfachen aber ziemlich sorgfältig gemalten Ornamenten enthalten in der Mitte kleine viereckige Bilder (Hlbg. No. 372. 384. 417. 454. 455. 1274), welche in Halbfiguren Wesen hauptsäch- lich des bakchischen Kreises, daneben Paris und Eros darstellen, ohne große Kirnst, aber flott gemalt. Gedeckt war das Zimmer mit einer 3,83 M. hohen Verschalung in Form eines Tonnengewölbes. Von dem Bette, das hier ge- standen, wurden einige Theile des bronzenen Beschlags aufgefunden. . Granz schmucklos ist die Cella 6 links am Atrium, welche mit dem Laden links am Ostium im Zusammenhange steht, also für den hier verkaufenden Sclaven wie die gegenüberliegende für seinen CoUegen vom andern Laden bestimmt war. In der Hinterwand sieht man die Löcher für die Deckenbalken; die linke Wand ist bis zur Höhe des ersten Stockwerks erhalten, welches durch eine Treppe in 30 a zugänglich war; in der Rückwand des obem Zimmers war ein Abtritt mit Röhrenleitung angebracht. Die Hinterwand und die linke Seitenwand des anstoßenden Cubiculum 7 ist bei alten Nachgrabungen durch- schlagen; dasselbe ist einfacher als das gegenüberliegende 5, aber gleichfEdls mit ähnlichen Bildern bakchischen Inhalts [darunter die Silenbüste Hlbg. No. 413), freilich von ungleich roherer Malerei, geschmückt, von denen einige durch die Durchschlagung der Wand zerstört sind. Auch dies Zimmer war vrie 5 mit einer Verschalung bedeckt, aber nur 3,21 M. hoch. An der linken Wand hat eine eisenbeschlagene hölzerne Kiste gestanden, deren Spuren an der Wand und im Fußboden sichtbar sind ; zu ihr gehörten verschiedene Exemplare viel- fach vorkommender, eigenthümlicher Röhren von Knochen, deren Bedeutung, lange ein Räthsel, jetzt erklärt ist, und auf welche bei Besprechung des pom- pejanischen Hausgeräths zurückgekommen werden soll.

Die Ala 9 hat einen Fußboden aus einer stuckartigen Masse mit Marmor- brocken; die Mitte ist durch ein aus Marmorplatten gebildetes, mit einer Mosaikborde eingefasstes Quadrat ausgezeichnet. Auf den auch hier bei an- tiken Nachgrabimgen durchbrochenen Wänden finden wir Bilder, unter denen ApoUon mit Daphne (Hlbg. No. 209), Perseus und Andromeda links (Hlbg. No. 1192) und ein halbzerstörtes rechts (Hlbg. No. 1149) zu nennen sind, welches letztere wahrscheinUch Herakles darstellt, welcher Alkestis dem Admet zurückführt. Anders verhält sich's mit dem gegenüber liegenden Zimmer 8, der Lage nach der zweiten Ala, welche aber von Anfang an kleiner war, und von der es sehr zweifelhaft ist, ob dieselbe, wenigstens in der letzten Zeit Pompejis, als solche gedient hat. Hier fand man nämlich, aufgestellt auf den Resten von hölzernen Brettern, welche in den roh angestrichenen Wänden befestigt waren, überaus reichliches Küchengeräth von Bronze, Eisen und Thon. Natürlich widerspricht dieser auch bei den entsprechenden Gremächem in anderen Häusern sich wiederholende Umstand der Bestimmung des Zimmers als Ala; wir werden es vielmehr als Gefäßkammer anzuerkennen haben; Spuren eines Verschlusses sind nicht nachweisbar, doch wird ein solcher wohl vorhanden gewesen sein. Die Lage dieser Gefäßkammer ist auffallend genug, um so mehr, da wir die Küche auf der andern Seite des Hauses finden werden y wir erinnern uns dabei der Schränke, welche, wie oben (S. 26 1) bemerkt.

Die Privatgeb&ade. Die Wohnhäuser. No. 13. Haus des Holconius. 293

oft in den Alae angebracht wurden. Vollkommen normal liegt dagegen das TabUnum 1 0 ; gänzlicb unverschlossen gegen das Atrium, gegen das Peristy- lium jetzt ebenfialls ganz offen , ist dies Tablinum in antiker Zeit gegen dieses mit einer sich mehrfach zusammenlegenden Thür von Holz verschließbar ge- wesen, deren hölzerne Antepagmenta mit eisernen Krampen in die Wände befestigt waren. Der Fußboden ist ebenso behandelt wie in 9, die Decoration der Wände ziemlich reich, obgleich zum Theil zerstört. Auf der Wand rechts sind in der Mitte die Reste einer der oft wiederholten Darstellungen von Selene und Endymion (Hlbg. No. 961) mit Wahrscheinlichkeit erkennbar, zur Seite sind schwebende Figuren der Jahreszeiten (Hlbg. No. 984. 993, schlecht erhalten) gemalt. Auf der Wand links finden wir, wiederum zwischen jenen der rechten Seite entsprechenden Figuren, einen Gegenstand, dem wir auch schon begegnet sind (s. oben S. 288) : das junge Paar näöilich, das ein Erotenr nest gefunden hat (Hlbg. No. 822), hier mit manchen Besonderheiten behan- delt. Das eine der Kinderchen hatte bei der Entdeckung des Bildes , jetzt nicht mehr, einen deutlich erhaltenen Flügel, welcher es als Eros charakteri- sirt. In 2/3 der Höhe der Wand läuft ein kleiner Camies von Stucco, oberhalb dessen die Wandfläche mit den gewohnten phantastischen, hier durch mensch- liche Figuren belebten Architekturen bedeckt ist; ähnliche Architekturen sind auch als Umrahmung der oben genannten Bilder verwandt.

An allen Thüren am Atrium, mit Ausnahme des Ostiums und der rechten Ala (8) waren die dem Atrium zugewandten Ecken mit hölzernen Antepag- menta verkleidet. Die Zimmer selbst waren nicht alle von gleicher Höhe : 6 und 7 waren 3,21 M., die anderen 3,83 M. hoch. Die oberen Bäume waren, nach den Malereien zu schließen, niedrig luid bescheiden ; über 6 und 7 (nur ein Zimmer) waren die Wände roh, über 4 einfach bemalt und hier höchstens 3 M. hoch, so dass beide Stockwerke nicht ganz 7 M. erreichten.

Nach dem Plane scheint es, als hätte das Haus zwei Fauces, 11 und 12 ; doch ist nur 12 in der That dieser Durchgang zwischen dem öffentlichen und privaten Theile des Hauses, in 1 1 dagegen lag die Treppe zum obem Geschoss, deren erste steinerne Stufe erhalten ist, und unter welcher, vom Peristyl aus zugänglich, ein Tisch an die Wand angelehnt gestanden hat; von Decoration ist nicht die Bede ; es ist übrigens deutlich zu erkennen, dass 11 erst nachträglich von dem anstoßenden Zimmer 19 abgetrennt worden ist. Eine bescheidene Decoration findet sich in dem Gange 12, dessen Wände mit sehr rohen, jetzt zerstörten Figürchen bemalt waren; am linken vordem Pfosten ist roh ein Gladiator gemalt. Außerdem ist hier der Name PBIMI mit Farbe angeschrieben und ein Distichon eingekratzt gewesen, von dem wir mit anderen Graffiti später sprechen werden. Thürangeln zeigen, dass dieser Gang an beiden Enden verschließbar gewesen ist. Mit 13 ist das Peristy- liimi bezeichnet. Die eigenthümliche Anordnung der nur an der linken vor- dem Ecke durch ein Podium verbundenen Säulen zeigt der Plan. Sie gehört aber nicht der ursprünglichen Anlage an ; es ist vielmehr erweislich, dass die eigenthümliche Einknickung an der erwähnten Ecke auf einen Umbau zurück- geht, welcher jünger ist als die dem letzten Decorationsstil angehörige Stuck- bekleidung der übrigen Säulen ; die frühere Gestalt der linken Seite des

294 Viertes Capitel.

Peristyls lässt sich nicht mehr mit Sicherheit ermittebi. Die Decke des Peristylum ganges bildete zugleich eine breite, von einer obem Säulenstellung umgebene Gallerie, zu der die erwähnte Treppe 1 1 empor£uhrte, und von der aus man die Zimmer des obem Geschosses betrat. Links nach hinten bei 13a nimmt der Peristylumgang mehr als doppelte Breite ein und bildet hier eine Art von großem offenem Saale, welcher als Sommertriclinium benutzt worden sein mag. Das Gärtchen in der Mitte ist von einer großen Wasserrinne unw geben, in welche aus Röhren, die sich in den Säulen der Vorder- und Rück- seite (hier zwei an jeder Säule und eine an jedem Eckpfeiler) finden, aus der Höhe von 1,25 M. vom Boden verschiedene Wasserstrahlen sich ergossen. Die kleine Piscina in der Mitte 14 ist 1,35 M. tief; in ihr steht auf einer cannel-» lirten Säule, welche ein Wasserrohr umkleidet, ein runder marmorner Tisch^ aus dessen Mittelpunkte sich der Wasserstrahl des Springbrunnens erhob. In den Wänden der Piscina sieht man acht (vier erhaltene) eiserne Haken, an welchen man etwa Fleisch , Früchte u. dgl. zum Abkühlen in dem zu- und abfließenden, also stets frischen Wasser aufgehängt haben mag. Bei 15 ist ein kleiner Brunnen, gebildet durch die ziemlich rohe Marmorstatue eines Knaben, der eine Ente und ein Gefäß in den Armen trägt und auf einer kleinen Mar- mortreppe steht, über deren Stufen der aus dem Gefäß gegossene Wasserstrahl herunterplätscherte. Bei 16 steht noch ein runder marmorner Tisch, während 17 die Mündung einer Cisteme bezeichnet. Die Decoration des Peristyls ist im Ganzen einfach; die 4,10 M. hohen Säulen sind im untern Drittheil bei ausgefüllten Canneluren gelb, oben bei offenen dorischen Canneluren weiß, die dorischen Capitelle mit bunten gepressten Ornamenten verziert ; die Wände (verblichen) sind in breite schwarze und schmale rothe Felder getheilt, deren erstere je ein kleines Bild, namentlich Esswaaren darstellend (Hlbg. No. 1665. 1671.1713), letztere je einen Candelaber enthalten ; der Sockel ist mit Pflanzen und Vögeln bemalt. Von den verschiedenen an den Wänden und Säulen des Peristyls gefundenen Graffiti (eingekratzten Inschriften) kann hier nur eine erwähnt werden, die auf einer Wand der rechten Seite gefunden wurde :

IIX . ID . I VL AXVNGIA P CC ALIV . MAN VPLOS CCL d. h. zu deutsch: »den 7. Juli Schweinefett 200 AT-, Knoblauch 250 Bündel«, eine Notiz über an diesem Tage gekaufte oder wahrscheinlicher verkaufte Waare. Von den im Peristyl gefundenen Gegenständen sind besonders die Reste von zwei großen hölzernen, mit Metall beschlagenen Kisten zu nennen, deren eine bei J, die andere bei c stand. Ehe von den das Peristyl lun- gebenden Zimmern gesprochen wird , ist dasjenige zu erwähnen , welches rechts neben dem Faucesdurchgange , auf diesen und auf das Peristylium geöffiiet, liegt und mit 18 bezeichnet ist. Durch die an der Rückseite an- gebrachte Nische für das Bett giebt es sich deutlich als Cubiculum zu erkennen. Von den nur omamentalen Malereien seiner über rothem Sockel wieder schwarz gegründeten und durch rothe Streifen getheilten Wände ist nichts zu sagen ; es sei aber nicht vergessen, zu erwähnen, dass in ihm zwei Gerippe gefunden worden sind. Das größere gegenüber links gelegene Gemach 19 ist ein Triclinium, dessen oblonge Gestalt ganz Vitruvs Vorschrift ent-

Die Privatgeb&ude. Die Wohnhäuser. No. 13. Haus des Holconius. 295

spricht und welches in seiner Bestimmung auch noch durch die Nachbarlich- keit der Küche 22 bestätigt wird ; durch ein großes Fenster empfing das Gemach vom Peristyl aus Licht. Der Fußboden liegt eine Stufe tiefer als dieses und besteht aus opus Signtnum^ in welchem weiße Steinchen ein Muster bilden ; ein Mosaikomament bezeichnet den Platz des Tisches. Die Wände sind abermals schwarz und außer mit Ornamenten verschiedener Art und schwebenden Eroten an den beiden Langseiten mit mythologischen Bildern von freilich nur geringer Ausdehnung geschmückt ; und zwar finden wir links Fhrixos auf dem Widder, von welchem Helle eben herabgestürzt ist (Hlbg. Nr. 1254), einen Gegenstand, dem wir z. B. schon im Macellum und in der Casa di Modesto und del poeta tragico begegnet sind, und rechts die un- zählig oft wiederholte verlassene Ariadne (Hlbg. No. 1229). Mehr als drei Meter vom Boden fand sich in die Wand eingekratzt: SODALES AVETE »seid g^egrüßt, Genossen!« was zu der Bestimmwg des Gemachs bestens passt, da wo es steht aber nur angeschrieben werden konnte von Jemand, der sei es auf eine Bank, sei es auf eine Leiter gestiegen war. Wer der Schreiber war, lässt sich n^ht sagen, aber Fiorellis Annahme, es sei der Sclave gewesen, der die Wände abzuputzen hatte, ist sehr anmuthend ; dem mag bei seiner Arbeit der vielleicht oft genug von seinem Herrn gehörte Anruf an seine Gäste ein- geÜEÜlen sein ; der Herr selbst hätte dergleichen wohl anders und anderwärts, wenn überhaupt, angeschrieben. Von diesem Triclinium, welches wir als das für den Winter bestimmte werden auffiassen dürfen, führt der Weg zunächst in die nachbarliche Küche. Man gelangt dahin, indem man jenen kleinen Gang 20 betritt, welcher gegen das Yiridarium durch die schon früher erwähnte Brüstungsmauer abgeschlossen ist und durch welchen man, rechts gewandt, in das Peristyl kommt. Neben diesem Gange befindet sich ein viereckiges gemauertes Wasserbehältniss 21, das durch ein kleines Leitungsrohr gefüllt wurde und von der Küche aus durch ein überwölbtes Loch in der Wand erreichbar ist. Geht man von dem zuerst erwähnten Eingange an dem Fenster des Triclinium vorbei gradaus, so kommt man in die eine Stufe tiefer liegende Küche 22, an welche hier wiederum der Abtritt 23 grenzt. In der Küche finden wir den Heerd, eine Vorrichtung, um einen großen Kessel zu erhitzen, ein gemauertes Wasserbassin und einen langen Tisch mit weißer Marmor- platte, auf welchem die Speisen zugerichtet wurden und welcher, wie andere ähnliche Tische, an seinem einen Ende eine flache Aushöhlung zeigt, vielleicht bestimmt, um in derselben Salz und Gewürze fein zu reiben. Die etwa einst vorhanden gewesene Decoration dieses Raumes ist gänzlich zerstört, nur aber dem Wasserbassin ist eine rohe Larennische sichtbar.

Von den das Peristyliimi umgebenden Gemächern können die drei kleinen auf der der Küche gegenüber gelegenen Seite, 24, 25, 26, welche mit ziemlich untergeordneten Decorationen versehn sind, als Cubicula bezeichnet werden. Neben dem ersten derselben liegt ein Posticum, welches in einen Laden und weiter auf die Theaterstraße hinausführt.

Größer, reicher decorirt und bestimmter charakterisirt sind die drei Ge- mächer an der Hinterseite des Peristylium 27, 28 und 29. Das erste derselben, 27, ist freilich in seinen Decorationeu auch von geringem Belang und scheint

296 Viertes CapiteL

ein Schlafzimmer gewesen zu sein; der Fußboden ist opus Signinum^ die Wände, hauptsächlich gelb und roth gegründet, zeigen, abgesehn von den bekannten Architekturen, rechts eine Nereide auf einem Delphin (Hlbg. No. 1030] und links entsprechend die an der Flanke des Zeusstieres durch die Wellen getragene Europe (Hlbg. No. 128); hinten, dem Eingange gegenüber ein sehr zerstörtes und nicht sicher erklärtes, aber, wie es scheint, auf Licht- gottheiten bezügliches Bild (Hlbg. No. 964). Eine Besonderheit findet sich in eben dieser Wand ; in ihrer Mitte unmittelbar über dem Boden ist eine 0,58X0,65 große viereckige Ofihung, welche einstmals ganz mit Holz aus- gekleidet und nach vom und hinten mit hölzernen Thüren versehn gewesen ist ; in ihr fand man acht Lampen. An sich betrachtet, würde sich dieser kleine Wandschrank also als zur Aufbewahrung der Lampen bestimmt sehr wohl verstehn lassen ; das Merkwürdigste aber ist, dass hinter ihm einer jener unter- irdischen Canäle sich hinzieht, durch welche in Pompeji das Wasser von den Straßen und aus den Häusern ablief. Es scheint nun, dass die besagte Öffiaung auch die weitere Bestimmung hatte, diesen Abzugscanal, vielleicht behufb ge- legentlicher Keinigung zugänglich zu machen. Mehr kann man hierüber bis jetzt nicht sagen, da die ganze Einrichtung bisher vereinzelt ist.

An dieses Schlafzimmer grenzt die schöne und große Exedra 28 mit weiß und schwarzem Marmorfußbbden und einem kleinen, jetzt halb zerstörten Impluvium in der Mitte, welches aber wohl schwerlich auf eine ÖfEhung in der Decke schließen läßt, sondern vermuthlich einen kleinen Springbrunnen enthielt. Die Wände sind mit schönen Gemälden von ansehnlicher Größe geschmückt ; diejenige dem Eingange gegenüber zeigt , sehr zerstört , aber durch die Art wie das Spiegelbild dargestellt ist, nicht uninteressant, eine der vielen Wiederholungen des sich im Quell spiegelnden Narkissos (Hlbg. No. 1356) ; Unks finden wir einen auf die Schulter des Silen gelehnten Herma- phroditen (Hlbg. No. 1372] , dessen schwermüthige Gedanken Silen mit Lauten- spiel sowie ein daneben stehender Eros mit der Doppelflöte zu begleiten scheint, während ein Panisk ihn verwundert betrachtet und eine zur Seite stehende Bakchantin Thyrsos und Tamburin hält. Rechts endlich eine der ebenfalls oft wiederholten Darstellungen der von Dionysos in Begleitung seines Thiasos aufgefundenen schlafenden Ariadne (Hlbg. No. 1240). Außer- dem tritt eine Reihe nur zum Theil erhaltener weiblicher Figuren hervor, unter denen drei Musen, Urania (Hlbg. No. 891), Klio und Melpomene am sichersten erkennbar sind, sowie am obem Theile der Wand schwebende Figuren und Bilder erscheinen, deren Gegenstand (links Adonis? Hinterwand Danae ?) kaum mehr zu bestimmen ist. Eine Thür verbindet diese Exedra mit dem Triclinium 29, von dessen wiederum reicher Decoration wir nur die Hauptbilder, einen Achill auf Skyros (Hlbg. No. 1296), ein sehr interessantes Parisurteil (Hlbg. No. 1284) imd eine größtentheils zerstörte und nur nach dem besser erhaltenen Exemplar (Hlbg. No. 1333) bestimmbare Darstellimg der Iphigenia in Tauris (Hlbg. No. 1336) hervorheben wollen, ohne eine Reihe von sechs Medaillons mit Halbfiguren zu vergessen, welche, ähnlich denen, die wir in dem Zimmer 5 am Atrium gefunden haben, sich größtentheils auf die Rindheitspflege des Dionysos beziehn (Hlbg. No. 1413. 1427. 1440).

Die Priyatgebäude. Die Wohnh&user. No. 14. Haus des Epidius Kufus. 297

Sämmtliche Gemächer tun das Peristyl zeigen in ihren Schwellen Spuren von Thüren, mit denen sie verschlossen werden konnten.

Über die Läden, welche dieses Haus an zwei Seiten umgeben und die mit den Nummern 30 37 bezeichnet sind, ist nicht viel zu sagen. Drei derselben, No. 30 mit 30a, 31 mit 31a und No. 34, 34a neben den beiden Einengen des Hauses, stehn mit diesem in Verbindung, die übrigen vermiethet gewesenen bestehn meist nur aus dem Ladenlocal mit einem kleinen Hinter- zimmer und bieten außer dem durch große in den Boden eingemauerte thö- neme Dolien (Vorrathsgefäße) ausgezeichneten No. 33 nichts Charakteristi- sches. Nur die mit der Ziffer 32 bezeichneten Bäume geben sich ziemlich unzweifelhaft als Behausung und Werkstatt eines Färbers [offector] zu erkennen, und zwar durch die in dem Gange 32 c aufgefundenen gemauerten und mit härtestem Stucco ausgekleideten Färberwannen, in denen Beste der zum Färben gebrauchten Materie erhalten waren ; bei der chemischen Analyse erwies sich diese als schwefelsaures Eisenoxyd. Der hier arbeitende Färber liatte auch im Obergeschoss noch ein paar Cenacula inne, zu denen eine Treppe hinaufführte. Der erwähnte Gang enthält außerdem einen Heerd; die Bestimmung des niedrigen Yerschlages 32 d ist imklar. Sein Laden ist nach beiden Straßen weit geöffnet und war in einer Weise verschlossen, auf welche im folgenden Capitel zurückgekommen werden soll. Erwähnen wollen wir schließlich noch, dass neben dem Laden 30 in 30 a eine Treppe in das obere Geschoss hinaufführte.

(No. 14.) Unter den einfachen Häusern mit mehr oder weniger regel- mäßigem Plane nimmt einen hervorragenden Platz ein dasjenige des M. Epi- dius Bufiis. Dasselbe liegt an der östlichen Verlängerung des Sirada degli Olcomij der s. g. Strada della casina delP aquüa (IX, 1,2; No. 1 16 im Plane) und wurde von 1866 an ausgegraben. Es stammt aus der Tufi^riode und ist in römischer Zeit nur wenig tmigebaut worden ; späteren Ursprunges ist na- mentlich die Treppe 15. Von der dem ursprünglichen Bau wahrscheinlich gleichzeitigen Decoration ersten Stils ist in verschiedenen Bäumen nament- lich das charakteristische Zahnschnittgesims erhalten. Später, etwa in der Zeit des Augustus, wurde das Haus in einer dem dritten Stil verwandten, aber auch dem zweiten noch nahe stehenden Decorationsweise (v:Candelaber- stil«) ausgemalt; auch von dieser Decoration sind Beste (im Atrium und in 8) erhalten ^^). Endlich erhielten die meisten Bäume eine größtentheils ge- schmackvolle und sorgfältige Decoration im Stil der letzten Zeit Pompejis.

Die Eigenthümlichkeit dieser Wohnung beginnt schon vor ihrer Hausthür mit einer in Pompeji bisher einzigen Einrichtung, welche beim Beginne der Ausgrabung den Gedanken nahe legte, dass es sich nicht tmi ein Privathaus, sondern um ein öffentliches Gebäude handele. An der Straße liegt nämlich vor der Fa^ade und zwischen rechts und links vorspringenden Anten eine fast 15 M. breite und 1,20 M. hohe rothbemalte Bampe oder Platform l, welche vom in ihrer ganzen Breite auf einer Hausteinkante vergittert gewesen ist und zu der an ihren beiden Enden verschließbar gewesene gebrochene Treppen von sechs Stufen emporführen. Die Fagadenwand (unten schwarz, durch rothe Streifen in Felder getheilt, oben weiß), welche mit vielen, zum Theil über

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Viertes Capitel.

einander gemalten, also älteren und jüngeren Wahlprogrammen bedeckt ist, wird nur in der Mitte von der sehr stattlichen Ilausthür durchbrochen, deren Pfosten als Pilaster gestaltet sind. Durch sie betritt man ein wiederum eigen- thümliches , wenngleich nicht einziges Vestibulum 2 : dasselbe hat nämlich

eine Uauptthür gradaus im Grunde und daneben rechts zur Seite eine zweite, natürlich ebenfalls verschließ- bar gewesene kleinere, welche offenbar dem alltäglichen Verkehre bestimmt war, während die Hauptthür beson- deren Gelegenheiten vorbehalten blieb. Durch ein kurzes aber weites Ostium betritt man das sehr prächtige korin- thische Atrium 3, dessen Porticus von sechszehn ganz weißen und cannelir- ten Säulen von Stein mit feinem, altem Stuccoüberzug und kleinen dorischen Capitellen getragen wird. Dieselben umgeben ein sehr großes Impluvium mit einem Springbrunnen, dessen bleiernes Zuleitungsrohr (im Plane punktirt) erhalten ist, in der Mitte und einem marmornen, nicht mehr am Ort befindlichen Tisch im Hintergründe. Von der Malerei des Atriums ist wenig erhalten; Bilder sind hier gar nicht. Oberhalb des spätem Stuckes hat man ein- Stuckgesims mit Zahnschnitt, einen Rest der Decoration ersten Stils, stehn lassen. Das erste Gemach rechts an diesem Atrium 4 ist ein Scla- vencubiculum mit weißen Wänden und einem in halber Höhe umlaufen- den Stuccocamies , einem Rest der altem Decoration; über diesem ist die Wand nach der Straße von zwei schmalen Licht- und Luftöffnungen (Fenster kann man sie kaum nennen) durchbrochen, von deren eigenthüm- licher und schöner Umrahmung die folgende Figur 164 wenigstens eine Vorstellung geben wird. Die äußerste Linie stellt einen hochkantig stehen-

Fig. 163. Plan der domus M. Epidii Rufi.

den Stuccorahmen dar, die darauf folgende ist kräftig roth, die Lichtöffnung selbst liegt im Spiegel vertieft ; in späterer Zeit scheint hier eine Glasscheibe ein- gesetzt gewesen zu sein. Das folgende Gemach 5 ist eine Vorrathskammer [cella

Ansicht des Sacellum im Hause des H. Epidins BnfiiB.

Die Privatgsb&ude. Die Wohnhfiuser. Nd. 14. Hkqb daa Epidios Rnfna. 299

) geweBen, in welcher sich eine CiBtemenöfihung und der Fuß eines steinernen Tisches findet, und das dann folgende Gemaeh 6 ein zweites Cubi- colum, dessen Wände im Stil der letzten Zeit Pompejis bemalt sind : die g:elbeii Felder, ohne Bilder, werden getrennt durch archi- tektonische Durchblicke auf schwarzem Girunde;^ ^>ivl'"i.^*^' ^HilK""- (1er obere Wandtheil zeigt die gewohnten leichten Architekturen auf weißem Grunde. Eine Thür zu der anstoßenden rechten Ala 7 ist antik vermauert. Diese Ala, deren Gebälk oder Giebel von zwei unten roth bemalten, oben weißen und cannelirten [ursprünglich aber ganz weißen und cannelirten) ionischen Säulen getragen wird, gewälirt eben hier- durch einen überaus stattlichen Anblick. Sie ist zum häuslichen Heiligthum eingerichtet worden, und zwar von zwei Freigelassenen, welche an der Hinterwand das Sacellum errichteten, welches die . ^^ ^ beiliegende Ansicht nach photographischer Auf- „. ,.. p„g(a-

nahme darstellt. Die Inschrift auf der Marmortafel

lautet: Genio M[arcij n{o8tri} ei Lartbaa duo Dtadameni liberti (also; dem Genius unseres Marcus und den Laren geweiht von den beiden Freigelas- senen Diadumenusj. Die weißen Wände dieser Ala, welche mit leichten Ornamenten letzten Stils luid auf halber Höhe mit einem der altem Decora- tion angehörigen Stuccocamies geschmückt sind, zeigen seitwärt« schwebende Figuren (Eroten), im Hintergründe rechts und links neben der Aedicula Opferscenen, ein Weihrauch- und ein Stieropfer (Hlbg. No. 59), welche dem Genius und den Laren dargebracht werden. Die Statuetten, welche offenbar in dem Tempelchen stehn sollten, sind nicht aufgefunden worden. Dass die ganse Einrichtung dieser Ala als luiusliches Heiligthum später ist als der Bau des Hauses, geht besonders aus der Art hervor, wie, offenbar nach der Weihung, der Raum zwischen den Säulen und zwischen diesen und den Wänden durch ein hölzernes Gitter abgesperrt wurde, von dessen etwas roher Befestigung man in den Säulen die deutlichen Spuren sieht und auch in der Abbildung erkennen kann ; auch zeigen die erwähnten Opferscenen den Stil der letzten Zeit der Malerei in Pompeji., Zwischen der Ala und dem folgenden Gemach ist eine Thür schon im Alterthum zugemauert worden. Sowohl 8 als 9 sind einfache Cubicula ; in ersterem ist auf dem obem Wandtheile die Decoration im Can- delaberstil erhalten , während sie unten in der letzten Zeit Pompejis durch rothe und gelbe Felder [ohne Bilder) ersetzt worden ist. Gegenüber, an der linken Seite finden wir ein ebenfalls rohes Zimmer 10, wahrscheinlich die Cella des Atriensis ; das größere Gemach 1 1 war ursprünglich ein Triclinium, wie die für die Speisesophas bestimmten Aushöhlungen in den Wänden be- weiset! ; aus dem rohen Stuckbewurf, unter dem nur geringe Reste der Deco- ration ersten Stils zum Vorscliein kommen, müssen wir schließen, dass es in der letzten Zeit zu geringeren Zwecken, etwa als Speisezimmer der Diener- schaft gebraucht wurde ; das von ihm aus zugängliche Gemach ungewisser Bestimmung 1 2 hat eine hübsche Decoration letzten Stils auf weißem Grunde ;

300 Viertes Capitel.

eine Thür fuhrt von hier in die linke Ala 13. Diese, welche der gegenüber- liegenden in Anlage und architektonischer Ornamentik entspricht, aber ihrer ursprünglichen liestimmung erhalten blieb, ist ebenfalls im letzten Stil aus- gemalt worden, wobei jedoch auch hier der Stuccocamies ersten Stils erhalten blieb ; sie zeigt auf ihren weißen Wänden außer leichten Ornamenten kleine Landschaften und auf dem Mittelfelde der Rückwand eine schwebende weib- liche Figur. Folgt eine, an den Löchern, in denen die Bretter befestigt waren , erkennbare Vorrathskammer ( apotheca ) 14, die Treppe zum obem Stockwerk 15, welche sich nach rechts über 16, einer zweiten Vorrathskammer mit Brunnenöffiiung fortsetzt, und ein überwölbter dunkler Baum 17, der ein Ergastulum, als das man ihn bezeichnet hat, des mangelnden Lichtes wegen schwerlich gewesen sein kann. Im Hintergrunde des Atrium liegen zunächst die Fauces 18, dann das nach hinten nur durch ein großes Fenster geöffnete Tablinum 19, dessen Malereien nicht erhalten sind, und endlich ein ebenfalls mit einem Fenster nach dem Garten versehenes Triclinium 20, welches wie das Tablinum mit einem weißen Mosaikfußboden geschmückt ist und auf seinen Wänden eine reiche Decoration letzten Stils auf weißem Grunde bewahrt hat. Bei a finden wir den lyraspielenden ApoUon, bei b gegenüber den flötenden Marsyas (Hlbg. No. 231) , bei c eine unerklärte Darstellung von Lichtgottheiten (967 Ä), außerdem bei rfrfund ^e Musen (863 J. 870 J. 874 ä. 885 ä. 892 i. nnd noch eine) , welche mit dem ApoUon und Marsyas offenbar als Schiedsrichte- rinnen in ihrem Wettstreit in ideeller Verbindung stehn, obgleich sie mit diesen beiden Hauptpersonen nicht in eine Gesammtscene zusammencompo- nirt sind. Die Fauces durchschreitend gelangt man links in die überwölbte, geräumige , aber dunkele und nur von zwei Oberlichtem erleuchtete Küche

2 1 mit ihrem Zubehör, einer kleinen Vorrathskammer a und dem Heerde b. Ehe aber der Garten besprochen wird, muss hervorgehoben werden, dass an der schon erwähnten Treppe 15 ein Gemach des obem Stockwerks, wenn auch nicht ganz, erhalten ist und dass neben demselben rechts die Treppe sich noch mit einigen Stufen fortsetzt und in ein etwas höher liegendes Zimmer fuhrt, so dass hier also die Bäume des Obergeschosses nicht alle in gleicher Höhe lagen. Im Garten 24, in welchen man durch eine Porticus mit Ziegelsäulen

22 gelangt, an der am Ende die Cella des Gärtners [hortulanus] 23 liegt, ist die antike Beetanlage vollkommen erhalten und lässt keinen Zweifel übrig, dass es sich um einen Nutz- und Gemüsegarten, nicht um einen Ziergarten handelt ; Blumen und Ziergewächse sind dagegen wenigstens nicht unwahrscheinlich auf dem erhöhten Stücke des Gartengrundes hinter dem Gemüsegarten 25 gezogen worden, zu dem man über eine rechts gelegene Treppe gelangt und von dem aus sich ein hinterer Ausgang [posticum] auf die hintere Straße [tico dei Serpenti] öffnet.

(No. 15.) Nicht geräumiger als dies Haus, dagegen von einer viel eigen- thümlichem Planeintheilung ist dasjenige, welches man unter dem nicht besser als viele andere begründeten Namen der Casa di Sallustio oder (nach einem Hauptgemälde) Casa di Atteone kennt, No. 15 im Plane (VI, 2, 4). Im Jahre 1806 aufgefunden imd der Hauptsache nach ausgegraben, aber erst 1809 beendigt, zeichnet sich dies an der jetzt Strada consolare genannten Haupt-

Die PriTatgeb&ude. Die Wohiihluui. Ko.\b. Cata dt SaUtutio. 301

stiaBe vom Herculanei Thor schräge gegenübei dem ersten Brunnen gelegene Haus vor manchen anderen durch treffliche Erhaltung, sinnige Benutzung des nicht eben günstigen Bauplatzes, edlen Gemäldeachmuck und eine auf- fallende Anmuth und Wohnlichkeit aus. Auch dies Haus stammt aus der Tufiperiode; die eben dieser Zeit eigene, Marmortäfelung nachahmende "Wanddecoration ist hier besonders gut erhalten '3i] . in der Zeit des dritten Decorationsstils wurden verschiedene Räume neu ausgemalt, und wahrschein- lich erhielt damals das rechts neben dem Atrium liegende Peristyl 31 im Wesentlichen seine jetzige Gestalt; zur Zeit des letzten Stils erfuhr es einige Veränderungen und wurde neu ausgemalt. An der HauptstraBen&onte (unten auf dem Plane Fig. 165) finden wir mehre Läden: die Bäume 6, 7, 8 und 9

Fig. 165. Plan der Cata dt Saliuttio.

waren an einen Bäcker vermiethet, der in 6 drei Miihleu a und den großen elliptischen Backofen mit Schornstein 7, in 9 (ehemals einem Laden) seine Küche mit Heerd 4 imd Abtritt c, und in 8 einen Nebenraum hatte, während eine Treppe im Backhaus zu Zimmern im obem Geschoss führte. Die Ein- richtungen der Mühlen und Bäckereien, deren wir noch mehre in verschiedenen Häusern finden werden, sollen in einem folgenden Capitel erläutert werden. Der Laden 3 mit einem kleinen Wandschrank steht durch eine weite Thür mit

302 Viertes Capitel.

dem Atrium in Verbindimg und war auch gegen den Hausflur geöfihet, in ihm betrieb also der Hausherr selbst ein Geschäft , und zwar hielt er vermuthlich hier eine Garküche ; denn in den Ladentisch sind nicht nur, wie so Mufig, Thongefäße eingelassen , welche zur Aufbewahrung von Flüssigkeiten , aber auch von Korn und Hülsenfrüchten dienen konnten, sondern er läuft neben der Thür zum Atrium in eine heerdartige Vorrichtung aus, um ein Gefäß durch ein darunter gestelltes Kohlenbecken warm zu halten : auch dies eine häufig wiederkehrende Erscheinung. Mitten im Local steht noch ein zweiter gemauerter Tisch, auf welchem weitere Gefäße Platz finden konnten ; der auch auf dem Plan angedeutete niedrigere Theil desselben (links hinten) diente wohl dem Verkäufer als Sitz Die ganze Anlage ist offenbar darauf berechnet, dass die Käufer in den Hausflur i traten, und so werden wir wohl annehmen dürfen, dass das von hier aus zugängliche gegenüberliegende Zimmer 2 ähn- lichen Zwecken diente, um etwa hier die in 3 gekauften Speisen zu verzehren; auch dieser Baum steht mit dem Atrium und dem Zimmer 16 durch Thüren in Verbindung. Auch der zunächst angrenzende Kaum 4 ist ein Laden, der aus einem einzigen Gemach besteht, in welchem der Anfang einer Treppe zu einem zugehörigen Zimmer im obem Stockwerk liegt; im Übrigen steht er mit dem Hause in keiner Verbindung, und Gleiches gilt von einem andern, 5 mit zwei Hinterzimmem, deren erstes einen Ausgang auf die Nebenstraße hat. Dieser Laden hat eine gemauerte Ladenbank mit eingelassenen Thon- gefäßen und eben solcher heerdartigen , hier besonders großen Vorrichtung, wie wir sie in dem des Hausherrn fanden, scheint also ebenfalls als Garküche und Speisewirthschaft [thermopolium] gedient zu haben, wozu ihn seine Lage an der Geschäftsstraße und an einer Ecke sehr geeignet erscheinen lässt. Li der Mauer , welche die Läden 4 und 5 trennt , ist ein für beide brauchbarer Brunnen angebracht. Li den leider in Beziehung auf die Angabe der Lage der einzelnen Bäume schwer verständlichen Ausgrabungsberichten wird [Pomp, ant. hist, I, ii, p. 84] die Vermuthimg ausgesprochen, dass in einer der bisher besprochenen Localitäten ein Steinhauer gehaust habe, da man in derselben viele Stücke und Splitter Marmor und Sand auffand, wie er beim Steinsägen gebraucht wird.

Betreten wir hiemach das Haus selbst, so wollen wir nicht unterlassen zu bemerken, dass die Straßenthüren der drei vom Hausherrn selbst benutzten Bäume, 1, 2, 3 Travertinschwellen haben, aus denen wir ersehen, dass 1 ohne Vestibulum gleich an der Straße durch eine dreiflügelige, 2 durch eine vier- flügelige Thür geschlossen wurde, während 3 die gewöhnliche, weiterhin zu besprechende Ladenthür hatte. Diese hatte auch 6 über einer schlecht erhal- tenen Lavaschwelle, und wahrscheinlich auch 4 und 5, wo die Schwellen ganz fehlen und vermuthlich aus Holz waren. Von dem wohlerhaltenen tuscanischen Atrium 10 giebt Fig. 166 eine anmuthige Bestauration , in welcher nur die Cassettendecke und die Malereien an den oberen Theilen der Wände besser weggeblieben wären, da dieser Theil des Hauses keine Gemälde hat. Hinter dem Impluvium stand ein Tisch aus CipoUin mit Füßen aus rosso antico in Form von Adlerfängen. In dem Zimmer 16 dürfen wir den Aufenthalt des Sclaven vermuthen, der vielleicht als dispensator in dem Laden 2 und als

Die Privatgebäude. Die Wohnh&uHer. Nr. 15, Caia di Sallutlio. 303

atrieitsis zag\eic)\ fuugirte. Die drei mit 14, 14 und 15 bezeichneten Zimmer, Ton denen das erste und zweite einfach ausgemalt sind, das dritte am obem Theil seiner Wände schöne Beste der Decoration ersten Stils bewahrt hat,

Fig. 166. Restaurirte Ansieht der Cata di Salliutio.

waren Gastzimmer, 12 bildet ein Vorzimmer zu einem gei^umi gern Zimmer 13, das offenbar durch Oberlicht erleuchtet worden ist und bei den meiBten Schriftstellem für ein Wiutertriciinium gilt. In jedem Falle ist dies wahr- scheinlicher, als ein SchlaEeimmer in ihm zu erkennen, wenngleich auf die Nachbarschaft des Backofens , durch welchen man dies Gemach behaglich erwärmen lässt, nicht zu viel Gewicht fallen möchte. Denn da der Backofen mit seinen ohnehin starken Mauern nicht unmittelliar an dies Zimmer grenzt, durfte es mit seiner Erwärmung nicht so gar weit her gewesen sein. Etwas' anderes ist es wohl um ein Zimmer im ersten Stock über dem Raum 8 und über dem Backofen 7 gewesen : dieses ist dem Backofen und seinem Schorn- stein, denn er wie andere Backöfen in Pompeji hat einen solchen, nahe genug gewesen, um von ihm durchwärmt worden zu sein und als hibemactäum, Winterwohnzimmer, zu gelten ; es gehörte aber zur Bäckerei und war durch die Treppe in 6 zugänglich.

In den beiden Alae 1 7 ist, wie im Atrium, die eine Bekleidung mit buntem Marmor in Stuck nachahmende Decoration ersten Stils gut erhalten. Neben derjenigen links und neben dem Tablinum, an der Stelle einer vermauerten Thür, ist ein durch seine jetzt entfernten Malereien [Illbg. No. 51) kenntliches Lararium d als Nische in der Wand angebracht. In der Rückwand eben dieser Ala fiihrt eine Thür in das von der Ala nur durch eine Brüstung getrennte Zimmer 18, aus welchem man über eine Treppe, über 14 hinweg, in das ObergeschoBs der um das Atrium liegenden Räume gelangte. An der rechten Ala liegt der große Wandschrank 17, neben ihr die Fauces 20; es ist aber wohl werih beachtet zu werden, dass dies Haus ursprünglich ebenso wie das einer frühem Periode angehörige Haus des Chirurgen (S. 279] keine Fauces

304 Viertes Capitel.

hatte, sondern IT, 20 und 28 nur ein großes, wie es scheint ziemlich schmnck- loDcs jtimmer bildeten. Das Tablinum 19 ist nach vom ganz offen, nach hinten durch eine niedrige Jtrüstungsmauer geschlossen und links zwei Stufen auf- wärts in ein größeres Gemach 22 geöffnet, in welchem man viel wahrschein- licher das Sommerspeisezimmer, als eine Uibliothek oder Pinakothek erkennt. In diesem Gemache ist an der Hinteiwand bei e an der Stelle einer vermauerten Thiir aus dem Atrium eine blinde Thür gemalt, welche nächst der blinden Thür im Gebäude der Eumachia mit als Grundlage zur Reconstmction der verbrannten llolzthiiren Pompejis dienen kann; die Thur aus dem Tablinum ist erst nachträglich durchgebrochen worden '^i). Durch dieFauces gelangt man in den Säulengang 21 des kleineu Gartens, von dem gleich die Bede sein soll, nachdem die Gemächer kurz bezeichnet worden sind , welche von diesem Säulengang ihren Eingang haben. Es sind dies außer dem Triclinium 22 ein kleines Zimmer 2H, welches von dem Garten hinter der Bäckerei durch ein Fenster sein Licht erhält und als Cella des Gärtners gelten kann ; sodann hinter dem Sclirank IT ein kleines Schlafzimmer 2S, gegenüber der Äbtritt n und neben demselben der hintere Ausgang, das posticum, durch einen Raum un- bekannter Hcstimmung 2T, von dem man wegen des benachbarten Abtritts vermuthea kann, dass er in einer frühem Periode einmal als Küche gedient hat ; endlich hinter einem an 2T vorbeiführe nden Gange ein großer, jetzt gani schmuckloser, aber nie besonders decorirt gewesener Raum 26, aus welchem einige Schriftsteller augenscheinlich verkehrt ein Bad machen wollen, während Andere, wie Mazoia, hier die Küche erkennen. Diese berufen sich auf das mit m bezeichnete Mauerwerk, welches zerstört aufgefunden, restaurirt und wieder zerstört worden ist, und welches der lleerd sein soll, aber gewiss nicht ist.

Eher könnte man hier den Arbeitssaal der Sclaven ver- muthen ; es steht aber nicht einmal fest, dass dieser Baum bedeckt war. Rechts an dem Gange , der in denselben fuhrt , finden wir in o die Treppe in das obere Gescboss. Von dem freilich sehr klei- nen, aber allerliebst und in- teressant angelegten Garten kann man sich durch die auf durchaus sicheren Elementen beruhende Restauration (Fig- 167) leichter als durch eine Schilderung in Worten einen Eindruck verschaffen. Da zur Fig. 16T. Reataurirte Ansicht des Oartens. Anpflanzung von Bäumen

und Gesträuchen zu wenig Raum vorhanden war, hat man sich hier wie in einigen anderen Beispielen in Pompeji begnügt, einen unregelnmßigen und um ein paar Stufen Über den

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 15. Casa di Sallustio. 305

Säulengang erhabenen Sandplatz 24 auf beiden Langseiten mit gemauerten rinnenartigen Behältern für Erde zur Blumenzucht zu umgeben und die feh- lenden Bäume auf die Uinterwand zu malen, wo sie (jetzt allerdings sehr zerstört) von zahlreichen bunten Vögeln belebt, die Aussicht zu erweitem und zu begrenzen schienen. Freilich gehört diese Ausschmückiuig des Gartens erst einer spätem Zeit, etwa der des dritten Decorationsstils an : ursprünglich hatte die durch weiße Pilaster getheilte Gartenwand einen rothen Sockel, der durch einen hell marmorirten vorspringenden Gurt von der gelben obem Fläche getrennt wurde. Zwei kleine Treppen y und ff führen an den beiden Enden in diesen Garten ; neben der einen derselben befindet sich am schmalen Ende der Cistemenbrunnen h; k ist eine kleine, inwendig blau ausgemalte Piscina. Das breite Ende des Gartens nimmt ein gemauertes Triclinium 25 ein; das- selbe war von einer Laube beschattet , wie die Restauration sie zeigt , was durch das Vorhandensein der Löcher für die Balken oder Latten der Decke und durch einen dieselben stützenden Pfeiler unwidersprechlich erwiesen ist. In der Mitte dieser gemauerten und bemalt gewesenen Buhebänke steht noch der Fuß eines steinernen Monopodium, eines einbeinigen Tisches, dessen Platte allerdings zertrümmert ist. Ganz nahe neben der einen Bank des Tri- clinium und auf der Grenze der Laube finden wir an der Wand einen Altar /, auf welchen man die Libationen ausgoss ; etwas weiterhin bei n sprang aus der Wand ein lustiger Strahl Trinkwassers .aus der städtischen Leitung und lief über eine an den Seiten mit einem aufstehenden Bande versehene Marmor- platte in ein Becken im Boden, aus welchem es in nicht bestimmbarer Weise weitergeleitet wurde. Unter dem Säulengang und vor dem Zimmer 23 steht in der Nähe des Triclinium an der Wand ein kleiner Heerd p, dessen Bestim- mung man in nichts Anderem zu suchen haben wird, als darin, die Speisen, die aus der Küche am andern Ende des Hauses gebracht wurden, und welche in freier Luft schnell abkühlen mussten, vor dem Auftragen auf den Tisch zu erwärmen und während des Essens zur zweiten Darbietung warm zu halten ; ein Heerd unter dem Säulengang eines Hofes, dessen imbedeckter Theil ein gemauertes Tricliniimi enthält, findet sich auch in einem kürzlich ausgegra- benen Hause (VIII, 5, Südseite], obgleich dort die Küche ganz in der Nähe ist. Der an der linken Seite des Hauses sich hinziehende Theil des Garteüs, 20', mit einer Cistemenmündung y, war vermuthlich mit Pflanzen besetzt; auch an ihm entlang erstreckte sich ursprünglich die Säulenhalle, welche erst nachträglich zum Theil in die Zimmer 18 und 23, mit Fenstern auf den Garten, verwandelt worden ist.

Es entgeht wohl Niemandem die große Ähnlichkeit des Gnmdrisses der bisher besprochenen Theile mit dem der casa del Chirurgo (S. 279): hier wie dort fehlt der private, hintere, um das Peristyl gruppirte Theil des Hauses fast ganz. Und vielleicht war ursprünglich die Übereinstimmung noch größer, und war auch hier die schiefwinklige Fläche rechts vom Atrium und den an- liegenden Zimmern zu Wirthschaftsräumen benutzt. In römischer Zeit hat man dann hier den vorher fehlenden privaten Theil des Hauses, ein kleines Peristyl mit Küche und einigen Zimmern, angelegt. Die eng gestellten dünnen und niedrigen achteckigen Säulen, die niedrigen Thüren, die zierlichen Male-

OT«rb eck, Pompeji. 4. Aufl. 20

306 Viertes Capitel.

reieii letzten Stils, in denen es auch an figürlichen Darstellungen nicht fehlt, bilden einen eigen thümlichen Gegensatz zu den hohen und weiten Verhältnissen, dem ernsten, Marmorbekleidung nachahmenden Wandschmuck der bisher be- sprochenen Theile. Dort ist alles auf Großartigkeit und Repräsentation, hier auf Eleganz und Wohnlichkeit berechnet : die Wandelung der Zeiten und des Geschmacks wird hier recht anschaulich. Ganz unbegründet ist die weit ver- breitete Ansicht, welche hier ein Venereum , einen Ort für geheime Orgien erkennt. Die Bilder, auf welche man sich dafür berufen hat und von denen weiter unten die Rede sein wird, sind in ganz Pompeji, in Räumen jeglicher Art, häufig genug angebracht, so dass aus ihnen gar nichts geschlossen werden kann. Als vollständige Wohnung freilich konnten diese Räume nicht genügen, da sie außer dem Säulenhofe nur eine Küche 36, ein großes Triclinium 35 und zwei kleine Zimmer 33 und 34 enthalten, welche letztere beide wegen der großen Fenster auf den Garten zu Winterschlafzimmem nicht geeignet waren ; als solche wurden ohne Zweifel die Zimmer am Atrium benutzt, während dieser ganze Theil des Hauses hauptsächlich als Sommeraufenthalt dienen mochte. Wir erwähnen noch, dass diese Räume nicht gleich in ihrer jetzigen Gestalt an- gelegt wurden : die beiden Zimmer 33, 34 sind erst nachträglich in das Peristyl hinein gebaut worden, zu welchem dagegen früher das zweite Hinterzimmer des Thermopoliums 5 gehörte, welches auch zum Winterschlafeimmer geeignet war. Endlich hatte das Triclinium 35 damals auch rechts eine solche nischen- oder alenartige Erweiterung wie noch jetzt bei 8, Vor diesen Veränderungen waren diese Räume im dritten, nach ihnen w\irden sie im vierten Stil aus- gemalt.

Der Eingang in diese Privatabtheilung des Hauses ist aus dem Atrium durch einen Gang 29, der, wie die erhaltene Schwelle und Reste der Thürangeln beweisen, am hintern Ende durch eine Thür geschlossen werden konnte. Von dem Kämmerchen 30 neben diesem Gange kann man nur vermuthen, dass es entweder als Vorrathskammer für Hausgeräthe oder, was wahrscheinlicher ist, als Wachtzimmer für einen Sclaven diente. Durch den Gang also gelangt man in das Peristyl 31, welches von neun achteckigen und rothbemalten Säulen oder Pfeilern gebildet wird, die einen offenen Hofraum 32 mit einer umlau- fenden Wasseninne an drei Seiten umgeben. Da der Hofraum nicht gepflastert oder mit sonst einem Fußboden bedeckt ist, darf man annehmen, dass er als Blumengarten diente. An der Hinterwand des Peristyls, in welchem sich die von Heibig unter No. 373, 493 und 1943 verzeichneten, nicht eben bedeutenden Bilder finden, ist zu beiden Seiten des Hofraums je ein Zimmer 33 und 34, welches durch ein Fenster vom Hofraum Licht erhielt und die Aussicht auf die Blumen des Gärtchens hatte. Diese Zimmer sind mit Eleganz decorirt, ganz besonders aber dasjenige rechts 34, in welchem sowohl der Fußboden als der Sockel der Wände, letzterer mit Ausnahme des Platzes, wo an der Rück- wand das Bett stand, mit Marmor getäfelt ist: hier fand man auch eine Bronzestatuette in einer Nische der Wand r, und neben mehren bronzenen ein goldenes Gefäß von 85 Grammen Gewicht und Münzen des Vespasian. An der Hinterwand ist das noch an Ort und Stelle befindliche Gemälde : Ares und Aphrodite (Hlbg. No. 319) angebracht, darunter Paris und Helena (Hlbg.

Die Privatgebäude. Die Wohnh&user. No. 16. Caaa dt Meleagro. 307

No. 1311) und in den Nebenfeldem schwebende Eroten (Hlbg, No. 746. 751). Die Wände des Peristyls schmücken andere Bilder in reicher architektonischer Umrahmung, die Hinterwand zwischen den Cabinetten das Bild des bestraften Aktaeon (Hlbg. No. 249 i), eines der größten Pompejis (4X3 M.), diejenige am Cabinet rechts Phrixos auf dem Widder, von welchem Helle hinten in das Meer gefallen ist (Hlbg. No. 1255) ^^) , die gegenüberliegende an dem Cabinet 33 Europa neben dem Stier durch die Wellen schwebend (Hlbg. No. 124), außerdem die von Heibig unter No. 1055, 429 und 465 näher beschriebenen Bilder. Bechts von dem Eingange ist ein großes Triclinium 35 mit einem jetzt fast ganz zerstörten schwarz weißen Mosaikfußboden, welcher die Stellung der Buhebetten in seinen Figuren bezeichnet haben soll. Erkennbar ist als eine Nische in der rechten Wand 8 die Stelle für den Tisch, auf welchem die Sclaven die Speisen zerlegten, die bekanntlich ohne Hilfe von Gabeln genossen wurden. Gegenüber links am Ende des Peristylganges ist ein Baum 36, der die Küche, den Abtritt und die Treppe enthält. In der Küche wurde mancherlei ihrer Bestimmung entsprechendes Geräth von Bronze \md Thon gefanden. Die Treppe führt zunächst auf die flache Decke des Peristyls, welche auf der Ost- irnd Südseite (links und oben auf dem Plan) eine Art großen Balcons oder ein Solarium abgab, von welchem aus man wohl in die auf der rechten Seite des Atriums liegenden Bäume des Oberstockes gelangte ; dagegen war die nörd- liche Halle (unten auf dem Plan) mit einem schrägen Dache bedeckt. Zum Schlüsse sei nech bemerkt, daß nach sicheren Spuren in dem öffentlichen Theile auch dieses Hauses in alter Zeit, vielleicht von den ursprünglichen Be- wohnern selbst, nachgegraben und das Meiste der beweglichen Habe weg- genommen worden ist. In den privaten Theil, rechts, sind sie dagegen nicht eingedrungen, und hier fand man außer einigem schon angeführten Hausrath und ein paar unbedeutenden Bronzefigürchen auch noch eine merkwürdige Lampe mit zwölf Schnauzen, eine Art antiken Kronleuchters.

(No. 16.) Eine gewisse Ähnlichkeit des Planes mit dieser Casa di Sdllusiio zeigt die Casa dt Meleagro ^ welche deshalb zunächst folgen möge: denn auch in diesem Hause ist die ganze private Abtheilung neben anstatt hinter die öffentliche gelegt. Im Übrigen zeigt diese von 1829 1831 ausgegrabene, an der Ostseite der vornehmen Mercurstraße belegene Wohnung (VI, 9, 2; No. 37 im Plane) beträchtliche Unterschiede von der eben betrachteten und bietet, ohne zu den größten zu gehören, in Anordnung und Schmuck der Ge- mächer eines der reizendsten Bilder des behaglichen und heitern Luxus, denen wir auf unserer Wanderung durch Pompeji begegnen. Und da nun auch die größte Mehrzahl der hier gefundenen Bilder publicirt ist, so dass man sich auch ohne an Ort und Stelle gewesen zu sein grade von der Decoration dieses schönen Hauses eine Vorstellung machen kann, so ist an ihm am wenigsten stillschweigend vorüberzugehn. Es ist in der Tuffperiode wesentlich in seiner jetzigen Gestalt auf der Stelle mehrer älteren Häuser erbaut worden ; von der Wanddecoration jener Zeit ist aber nur ein geringer Best in 10 erhalten, im übrigen zeigen sämmtliche Malereien den Stil der letzten Periode.

Wie die allermeisten Häuser der Mercurstraße, die man Strada della siffnoria zu taufen sich versucht fühlt, ist auch die Casa di Meleagro ohne

20»

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Viertes Capitel.

Läden an der Straßenfront. Ihre Außenwand, in der man die Reste der Bauart und des Gesteins der ältesten Periode erkennt, ist ganz mit Stucco bekleidet, welcher im untern Drittheil wie graugestreifter Marmor gefärbt und durch rothe Streifen in Felder getheilt, oberhalb weiß ist; außer der

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Fig. 168. Plan der Ca^a di MeUagro.

Hausthür wird dieselbe nahe bei der letztem nur von drei hoch angebrachten Fenstern, zwei größeren und einem kleinen, durchbrochen, welche den Zim- mern rechts und links vom unmittelbar an der Straße verschlossenen Ostium 1 Licht geben. Schon in diesem Ostium beginnt der Gemäldeschmuck; in der Mitte der unten schwarz, darüber roth und oben weiß gegründeten, mit reichen Grottesken geschmückten Wände finden wir einerseits in bester Erhal* tung a Demeter, der Hermes einen Beutel in den Schoß zu legen im Begriff ist (Hlbg. No. 362), andererseits h ein Bild, von dem das Haus seinen Namen erhielt : Meleagros tmd Atalante nach Erlegung des kalydonischens Ebers im Gespräche mit einander (Hlbg. No. 1163). Zu den Seiten außerdem noch schwebende Figuren und im obersten Theile von Figuren belebte Grottesken. Betreten wir das geräumige tuscanische Atrium 2, so fällt unser Blick zimäohst auf das mit Marmor ausgekleidete Lupluvium 3, hinter dem ein marmorbeklei- detes Postament 5 und über einer doppelten mit Marmor ausgekleideten vier- eckigen Vertiefung zum Kühlen von Flaschen u. dgl., 7, ein wohl erhaltener Marmortisch 6 steht, dessen Füße durch die oft wiederkehrenden geflügelten

Die Priyatgebäude. Die Wohnhftaser. No. 16. Cwa di Meleagro. 309

Löwen von eleganter Sculptur (Mus. Borb. VII, 28, 2) gebildet werden. Der Fußboden des Atrium ist von optM Signümm mit reichlichen eingelegten Mar- morstücken, aber stark beschädigt ; die Wände sind über dunkelrothem Sockel hauptsächlich schwarz gegründet und außer mit den gleich zu nennenden Bildern mit leichten Architekturen bemalt : darüber lag, jetzt zu Grunde ge* gangen, ein bimtfarbiger Stuccosims. Von den Hauptbildem nennen wir: bei c ein auf Paris und Helena bezogenes, aber nicht sicher erklärtes und jetzt ausgehobenes Gemälde (Hlbg. No. 1386 i); bei e eine allegorische Darstel- lung der drei Welttheile des Alterthums (Europa, Asien und Afrika. Hlbg. No. 1113, ausgehoben) , bei d folgt eine größtentheils zerstört aufgefundene und jetzt vollends zu Grunde gegangene Darstellung von Daedalos, welcher der Pasiphae die hölzerne Kuh bringt (Hlbg. No. 1208), und bei/ Hephaestos, welcher der Thetis die für Achill geschmiedeten Waffen zeigt (Hlbg. No. 1317, ausgehoben). Am Sockel finden wir, links noch jetzt erhalten, auf Meerthieren reitende Nereiden, dergleichen an derselben Stelle auch noch in anderen Theilen dieses Hauses wiederkehren.

Das Tablinum 8 hat einen ähnlichen Fußboden wie das Atrium, mit in regelmäßigen Figuren eingelegten Marmorstückchen. In 9 sehn wir eine aus der linken Seitenwand des Tablinum herausgebaute Nische ; in derselben sind noch jetzt die Spuren eines hier angebracht gewesenen hölzernen Schrankes mit mehren Brettern wahrnehmbar. Die Decoration des Tablinum, von welcher die Abbildung der hintern Wand^ im Mus. Borb. X, 37 eine Vorstellimg geben kann (gelbe Felder, getheilt durch leichte Architekturen auf weißem Gnmde, wie sie vermuthlich auch im obem Wandtheil angebracht waren) , ist besonders durch einen theils gemalten, theils aus Stuccorelief bestehenden, aber jetzt entfernten oder zu Grunde gegangenen Fries, das einzige Beispiel eines solchen in Pompeji, ausgezeichnet und trug außerdem auf der Wand rechts bei h eine Darstellung von Ares und Aphrodite (Hlbg. No. 318, ausgehoben): das Gemälde der linken Wand enthielt wahrscheinlich die bei Heibig 132 verzeichnete, ebenfalls ent- fernte Darstellung von Argos mit lo ; am Sockel setzen sich die Nereiden auf fieethieren fort. Von den übrigen das Atriimi umgebenden Zimmern giebt sich dasjenige rechts neben dem Eingange 10 unzweifelhaft als Vorrathsraum zu erkennen, in welchem zugleich die Treppe 11 liegt ; denn in seinen ein&ch weißen Wänden finden wir in zwei über einander liegenden Reihen von vier- eckigen Löchern die sicheren Spuren hier befestigt gewesener ringsumlaufender Brett^estelle , und von den hier bewahrt gewesenen Geräthen und Gefäßen sind wenigstens einige nach den Ausgrabungsberichten [Pomp. ant. küt. II, n, p. 229 und III, i, p. 102) aufgefunden worden. So schmucklos dies Zimmer ist, so hübsch decorirt sind die drei kleinen Cubicula rechts am Atrium, 12, 13 und 14. Das erste derselben hat über schwarzem Sockel rothe Wände mit weißem obem Theil und außer reichen Grottesken mit mancherlei Figuren in seinen drei Wänden kleine aber hübsche Bilder gehabt, von denen die beiden auf den Seitenwänden ausgehoben sind: bei i die wohl kaum mythisch zu fassende Mahlzeit eines Mannes und einer Frau (Hlbg. No. 1448 i), gegenüber bei k den schlafenden Ganymedes, zu welchem Eros den in einen Adler verwandelten Zeus heranführt (Hlbg. No. 154) ; das Bild in der Hinter-

3 1 0 Viertes Capitel.

wand ist an Ort und Stelle geblieben, aber zerstört. No. 13 hat sehr schöne grüne Wände mit rothem Sockel und weißem obem Theil, wiederum mit reichen Grottesken und schwebenden Eroten , und trug auf seinen beiden Seitenwänden rechts bei / eine schöne auf einem Lehnstuhl sitzende Frau, der Eros ein geöflhetes Schmuckkästchen darbietet, wohl nicht mythisch (BUbg. No. 1430, zerstört), gegenüber bei m ein obscönes, nicht publicirtes, im Mu- seum befindliches Bild (Hermaphrodit und Panisk, Hlbg. No. 1371). Endlich hat No. 14 auf rothen Wänden alle drei Bilder an Ort und Stelle, aber völlig zerstört : bei n Leda mit dem Schwan (Hlbg. No. 149), bei o Herakles mit seinem Söhnchen Telephos auf dem Knie, welcher der Hirschkuh, die ihn gesäugt hat, einen grünen Zweig darbietet (Hlbg. No. 1144 ), endlich bei p eine der oft wiederholten Darstellimgen einer angelnden Schönen (Hlbg. Nr. 355) . Die Spuren der Thürangeln sind in den Schwellen aller dieser Zimmer erhalten.

Rechts neben dem Tablinum liegt ein geräumiges Zimmer 15, welches gelbe Wände über rothem Sockel, aber keine Hauptbilder auf den großen Flächen hat. Seine Form ist die eines Tricliniums ; eigenthümlicher Weise war die linke Wand durch Holzpfosten, an welche der Stuck hinangestrichen war, in zwei größere (in der Mitte) und zwei kleinere Abschnitte getheilt ; der Fußboden besteht aus opus Signinum ; man fand hier (s. Pomp. ant. hist. III, i, p. 103 und 105) ziemlich reichliches Bronzegeschirr, zwei Kessel, einen Can- delaber , eine Schale , ein Olgefäß , ein Sieb , ein kleines silberbeschlagenes Altärchen (wohl zum Verbrennen von Bäucherwerk) u. dgl. m. Fin Fenster, welches dies Triclinium mit dem Zimmer No. 14 verbindet, mag zum Hin- einreichen der Speisen gedient haben, so dass die Thür während des Mahles geschlossen bleiben konnte.

Indem wir die Fauces (30) links neben dem Tablinum und alle jene Bäume, zu denen dieser sehr lange Gang in seinem Verlaufe führt, einstweilen über- gehn, wenden wir uns der in der linken Wand des Atrium befindlichen breiten Thür zu, durch welche wir das schöne und große Peristylium 16 und den pri- vaten Theil des Hauses mit seinen zum Theil überaus prachtvollen Gemächern betreten. Die erwähnte Thür war eine vierflügelige, welche in sich zusammen- geschlagen fast nur die Dicke der Wand bedeckte und einen sehr stattlichen Durchgang und Durchblick in das Peristyl gestattete. Dies luftige Peristyl bildet einen 3,50 bis 4 M. breiten Umgang um das Viridarium 17 mit der Piscina 18 in der Mitte ; vierundzwanzig unten nicht cannellirte und roth be- malte, oben cannellirte und weiße Säulen phantastischer Ordnung auf runden Basen Tind mit flachem Capitell umgeben das Viridarium. Die Intercolumnien konnten mit Gardinen verhängt werden; die Haken, an welchen man die Schnur befestigte , vermöge deren diese Gardinen gezogen wurden , sind in dem Fußende einiger Säulen an der linken und hintern Seite (vor 24 und 26) erhalten. Durch diesen Apparat, dem man übrigens in mehren anderen großen Peristylien und Atrien wieder begegnet, muss dieser weite, farbenglänzende, schattige und doch lichte Peristylumgang zu einem wahrhaft reizenden Aufent- halte geworden sein. Von den Pflanzungen im Viridarium sind die Wurzeln bei der Ausgrabung noch aufgefunden worden. Die Piscina in seiner Mitte ist 1,20 M. tief, von mannichfaltigem Planschema, wie unsere Figur zeigt, und

Die Privatgebftude. Die Wohnhäuser. No. 16. C<uadi Meleagro. 31|

innen mit lebhaft azurblauem Stucco bekleidet, welcher dem Wasser eigen- thümlich schöne Reflexe mitgetheilt haben muss ; ein Springbrunnen in der Mitte der Piscina ist fast genau so eingerichtet gewesen, wie derjenige im Hause des Holconius, und besteht aus einer Säule, welche eine jetzt größten- theils zerstörte Tischplatte trägt, auf welche das aus einer darauf liegenden Säulenbasis emporspringende Wasser plätschernd wieder hemiederfiel. Ein zweiter Strahl rieselte von einem Brunnenuntersatz^ 19 mit acht Stufen, auf dem vermuthUch eine Figiur stand, in die Piscina, eine Einrichtung, der wir sehr oft in Pompeji begegnen. Mit 20 ist ein neben dieser Brunnen treppe befindlicher, mit der Piscina durch ein Bohr verbundener Wasserbehälter be- zeichnet, der zur Aufbewahrung von Fischen oder auch zum Kühlen von Getränken gedient haben mag; bei 21 befindet sich ein ähnlicher kleinerer, bei 22 das Puteal der Cisteme, bei 22' eine zweite Oflhimg der Cisteme ohne Puteal, mit einem Lavadeckel, und 23 bezeichnet ein großes thönemes Geföß, welches nur zufällig da gestanden hat, wo wir es sehn, und in welchem ein reichlicher Vorrath von Gypsstucco aufgefunden worden ist, worin man einen Beweis dafür zu finden meint, dass dies Haus bei der Verschüttung in Reparatur war. Die schwarzen Wandfelder werden getrennt durch lebhaft gefärbte leichte Architekturen auf weißem Grunde, welche auch den obem, ebenfalls weißen Wandtheil erfüllen. In den schwarzen Feldern sind nicht weniger als achtzehn Bilder angebracht , von denen aber nur noch fünf an Ort und Stelle sind, nämlich bei a Aphrodite, welche, einen Speer in der Linken haltend, eine Kette aus einem ihr von Eros dargebotenen Kästchen nimmt (Hlbg. No. 303, beschädigt, aber nicht zerstört), bei b Silen in felsiger Gegend gelagert, dem ein Knahe (Satyr?) ein Trinkhom bringt (Hlbg, No. 419), bei c Narkissos (Hlbg. No. 1344), bei c;? Dionysos und ein Knabe (Hlbg. No. 401), endlich an der westlichen Wand bei e Silen sitzend, welcher in beiden Händen das fröhlich nach einer ihm von einer Nymphe dargebo- tenen Traube greifende Dionysoskind emporhebt (Hlbg. No. 377). Von den entfernten Bildern, deren Ort sich nicht genauer bestimmen lässt, seien in Kürze noch genannt: Adonis (Hlbg. No. 337), Pan \md Eros (No. 406), Satyr imd Knabe (No. 441), Satyr und Mädchen (No. 545), Hymenaeos (No. 855), Perseus und Andromeda (No. 1202), Ariadne (No. 1227), Thetis (No. 1320), und wahrscheinlich noch ApoUon und Daphne (No. 214). Am Sockel treten außer Pflanzen wiederum Nereiden auf Meerungeheuem reitend hervor.

Von den das Peristyl umgebenden Gemächern ist weitaus das bemerkens- wertheste der schöne Oecus Nr. 24. Derselbe öfihet sich ohne jeden Verschluss gegen das Peristyl zwischen zwei Halbsäulen und zwei mit seiner innem Säulenstellung gekoppelten Säulen von der Stärke und Höhe derer im Peri- styl. In seinem Innem wird er an drei Seiten, die ersten gekoppelten mit gezählt, von zwölf dünneren und niedrigeren Säulen umgeben, welche höchst wahrscheinlich eine Gallerie trugen, zu der die Treppe 39 hinaufgeführt hat. Diese Gallerie stützte sich auf flache Bogen, deren Ansätze an den Capitellen nachweisbar sind und deren einer probeweise neuerdings restaurirt worden ist. Wir können dies schöne Speisezimmer als korinthischen Oecus bezeichnen, wenn es auch der Beschreibung des Vitruv (VI, 5) nicht ganz genau entspricht,

312 Viertes Capitel.

und wir von dem Verhältniss der Säulen zur Decke, bei dem Fehlen der oberen Theile. keine sichere Vorstellung haben. Dass das Leben und sein wechsehides Bedürfniss, dass Lust und Laune des Bauherrn und Architekten sich an die starre Norm nicht band, lehrt uns ganz Pompeji wieder und immer wieder. Sehr merkwürdig ist femer die Thatsache. dass die gesammte Decoration in diesem Saale einfarbig in Gelb gemalt ist. Von den ebenfalls einfarbigen Hauptbildem sind zwei erhalten, bei q Theseus, nach Erlegung des Minotauros mit Ariadne im Gespräch (Hlbg. No. 1215) und bei reine noch nicht ge- nügend erklärte Vorstellung, in welcher ein Satyr ein Mädchen mit einer um einen Stab gewundenen Schlange zu schrecken scheint (Hlbg. No. 541). Der Fußboden ist von weißem Mosaik mit schwarzen eingelegten Ornamenten.

Von den beiden Exedren, welche diesen Oecus rechts und links umgeben^ ist diejenige rechts No. 25 auffallend einfach: die Wände sind ganz weiß, aber sorgfältig geglättet und oben durch einen schönen Stuccocamies abgeschlossen : der Fußboden ist mit Mosaik belegt ; man fand hier (s. Pomp, ant. hist. a. a. O. p. 107) außer einer Wage , einem Kessel, einem Siebe und anderen Sachen die Fragmente des bronzenen Beschlages eines Ruhebettes [Uctus tricliniarU] . Die größere Exedra links No. 26 hat ihren vollständigen und sehr reichen Wandschmuck erhalten, welcher der Hauptsache nach aus phantastischen Architekturen mit schwebenden Figuren auf den roth und blau gegrün- deten und zum Theil wie aufgespannte Tücher behandelten Feldern besteht ; von den Hauptbildem sind die der Seitenwände zerstört, erhalten das der Rückwand, welches Marsyas (Hlbg. No. 227) darstellt. Am Sockel abermals Nereiden auf Meerthieren (Hlbg. No. 1031. 1035. 1038. 1039), dies Mal aber schön und in natürlichen Farben ausgeführt, außerdem nicht uninteressante Atlanten, welche stehend und kniend den Camies des Sockels zu tragen scheinen. Das größte Gemach dieses Hauses ist das Triclinium No. 27, welches sich sowohl gegen das Peristyl wie gegen den zur Küche fuhrenden Gang öffnet und vermuthlich durch ein Fenster bei 8 von dem dort anstoßenden offenen Hofe erleuchtet wurde. Seine Decoration schwarze und rothe Felder, dazwischen Durchblicke auf bunte phantastische Architekturen ist sehr reich, und auch hier haben wir bei der Zerstörung einiger anderen (außer schönen schwebenden Figuren) wenigstens einige mythologische Hauptbilder zu bemerken, bei 8 ein Parisurteil (Hlbg. No. 1285) und bei «' Paris eich rüstend, wie man meint (Hlbg. No. 1313). Am Sockel der Langwände liegende weibliche Figuren, an dem der Schmalseite telamonenartige Satyrfiguren, welche aber hier , leicht dahinschreitend , nur mit einer Hand den Camies stützen. Der Fußboden besteht auch hier und in 26 aus schwarzweißem Mosaik.

Links an dieses Speisezimmer grenzt ein geräumiges Cubiculum 28, wir dürfen wohl vermuthen dasjenige des Hausherrn; es erhielt wahrscheinlich Licht durch ein Fenster über der Thür. Die Decoration zeigt auf rothen Wänden bei schwarzem Sockel und weißem obem Theile zierliche Grottesken, auf seiner Hinterwand bei t ein anmuthiges Genrebild , eine schöne Dame , an deren Knie sich Eros, schalkhaft plaudernd , vertraulich anlehnt (Hlbg. No. 1429, ausgehoben), während die Bilder beider Langwände an Ort und Stelle

Die Privatgeb&ude. Die Wohnhftuser. "No. Iß. Casa di Meleagro. 313

zu Gmnde gegangen sind. Der Fußboden aus opus Signinum zeigt ein mit kleinen Steinen eingelegtes Muster. Endlich haben wir noch eines an der entgegengesetzten Ecke des Peristyls gelegenen Zimmers 29 Erwähnung zu thun, welches sich freilich auch gegen das Atrium öffnet , allein zum Peristyl durch ein breites Fenster neben der Thür einen noch bestimmtem Bezug hat. Die hellblauen Wände über rothem Sockel und mit weißem obem Theile sind reich mit architektonischen Ornamenten, schwebenden Figuren und mytholo- gischen Bildern bemalt, von welchen letzteren wir eines (Hlbg. No. 205, der es irrig in das Peristyl setzt) hervorheben, welches Apollon mit einem nicht benennbaren Geliebten darstellt ; der Fußboden besteht aus schwarzem Mosaik mit weißem Bande. Für ein triclmmm fenestratum erscheint das Zimmer zu klein; wir können in Betreff seiner Bestimmimg nur sagen, dass es, nach Norden geöffnet, einen angenehmen Sommeraufenthalt bieten musste.

Es bleibt nur noch übrig, einen Blick in die Wirthschaftsräume dieses stattlichen Hauses zu werfen, die sämmtlich an dem Gange 30 liegen, welcher neben dem Tablinum 8 beginnt und rechtwinkelig umbiegend an der von mehren Fenstern durchbrochenen Hinterwand des Hauses hinläuft ; an seinem Ende ist er antik vermauert ; einst aber mündete er auf einen von der hintern Straße , dem Vico del Fauno , zugänglichen Hof, der also in einer frühem Periode zum Hause gehört haben muss. Verfolgen wir ihn in diesem seinem Verlaufe, so begegnen wir zuerst einem überwölbten Zimmer 31 mit zwei Bettnischen; nach seinen sehr geringen Malereien auf weißem Grunde zu schließen, war es in der letzten Zeit von Sclaven bewohnt ; doch deutet der sehr gfute schwarz-weiße Mosaikfußboden darauf, dass es einst eine andere Bestimmung hatte. Hinter diesem liegt in 32 eine die Treppe ersetzende ge- neigte Rampe, welche in den obem Stock führte, dessen Zimmermauem zum Theil über denen des Erdgeschosses erhalten sind. Wir verzichten darauf, die vier Bäume 33 36 genauer zu benennen und erkennen in ihnen nur Wirth- schaftsräume unbekannter Bestimmung. Das erste Zimmer links an dem zweiten Flügel des Ganges, No. 37, können wir als Sclavencubiculum be- trachten , obgleich es einen freilich sehr gewöhnlichen Mosaikfußboden hat. Nun folgt die Küche 38 mit leidlich erhaltenem gemauerten Heerd und einer Cistemenmündimg. Über dem Heerde bei u fand sich noch ein Gemälde, welches (Hlbg. No. 37), obwohl es in der Hauptsache nur die vielbekannten heerd- und hausbeschützenden Genienschlangen darstellt, dadurch sehr merk- würdig ist, dass es diese um einen nabelformigen Stein gewunden zeigt, in welchem ein uraltes Symbol der Göttin des Hauses, Hestia oder Vesta nach- gewiesen ist*^). Von der Treppe 39 zur Gallerie des Oecus ist bei diesem bereits gesprochen; an dem Abtritt 40 gehn wir stillschweigend vorüber, und von den kleinen \md schmucklosen Zimmern 41, 42 und 43 ist nichts zu sagen, als dass sie wahrscheinlich Sclavencubicula für die in einem so vor- nehmen Hause natürlich zahlreiche Dienerschaft gewesen sind. Von den in diesem Hause bei der Ausgrabung gefundenen Gegenständen sind einige schon bei den einzelnen Gemächern genannt worden ; der Best, mannichfache Ge- räthe und Gefäße, Thürangeln, Thürbeschläge und Beschläge von allerlei Mobilien, Glas- \md Thongefäße u. dgl., welche in den Tagebüchern [Pomp.

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Copitel.

ant. hisl. Vol. 11, ii, p. 214 ff., III, i, a. d. a. O.". verzeichnet sind, vetdienen eine Einzelerwähnung an dieser Stelle nicht.

(No. 17.1 Wenden wir nun unsere Aufinerksamkeit einem Hause zu, welches durch die Fülle der in demselben gefundenen Gegenstände zu den

interessantesten der Stadt gehört.

Fig. 169. Gemälde im Hause des Lucretius.

ist dies das 1S4T vom März bis Juni ausgegrabene, an der SU^ada Btabiana belegene Haus des M. LucretiuB (IX, 3, 3; No. 109 im Plan), welches seinen Kamen einem etwas Terschiede- nen Umstände verdankt, als an- dere Häuser in Pompeji; nicht an dem Hausthürpfeiler &nd man nämlich den Namen Lu- ctetius, sondern auf einem Ge- mälde in einem Cabinet (20) am Peristyl. Dies Gemälde [Fig. 169) stellt Schreibzeug dar, ein Tintenfass, Falzbein, eine offene Tafel, den Schreibstift und endlich einen Gegenstand, den man für einen geschlossenen und adressirten Brief hält. Die Adresse : M LVCKETIO FLAM MARTIS DECVEIONI POMPEI [a oder am] wi Deutsch; »An Marcus Lucretius, den Priester des Mars und Decurionen in oder von Pompeji« hat man auf den Hausbesitzer bezogen. In den Ans- grabungsberichten und einigen äl- teren Schriften fuhrt dies Haus nach einem Gemälde in demselben den Namen der Ccua deiie tuonatrici; was , um Irrthümer zu vermeiden, bemerkt werden muss ' ^) . Das Haus zeigt durchaus die Construction der spätem römischen Zeit, nur die Vorderseite des Nebenatriums (28, 30, 31] ist älter; die Decoration gehört ganz der letzten Periode an. Der Plan bietet nicht viele , aber immerhin einige Besonderheiten, die es der Mühe werth machen, denselben im Einseinen zu be- trachten. Der Flächenraum des Areals ist unregelmäßig und um- schließt auf der linken Seite ein kleines fremdes Haus, dessen Plan in Fig. 170 unterdrückt ist; zugleich aber hat dies Areal eine nicht unbeträchtliche Steigung von der Stralle nach hinten, so dass das Atrium höber liegt als der FuBweg der Straße, und der Garten oder Xystus wieder ganze acht Stufen in den Faucea höher als das Atrium. Deswegen führt das 4,80 M. lange und mit weiß und schwarzem

Plan des Haueeg des Lucretius.

Die Privatgebäude. Die AVolmhäuBer. No. 17. Haus des Lucretius. 315

Moeaik gepflasterte Ostium 1 hinter einem nur etwa 1,20 M. tiefen Yestibulnm ziemlich rasch aufwärts in das tuscanische Atrium 2, vorbei an einer cella ostiarü 3, welche zugleich eine Treppe in das obere Gemach enthält. Schon das Ostium ist mit Gemälden geziert, und zwar, selbst abgesehn von den rein decorativen Malereien, mit bedeutenderen als sich sonst gewöhnlich in Pom- peji an dieser Stelle finden ; namentlich ist eine Komoedienscene (Hlbg. No. 1469] hervorzuheben und sind die mußicirenden Bakchantinnen (Hlbg. No. 482. 1919. 1945) zu erwähnen, von welchen das Haus bei der Ausgrabung, wie schon erwähnt, den Namen delle suonairici erhielt. Das mit einem weißen Mosaik- fußboden versehene, 8,36X9,7 M. große Atritun ist zunächst dadurch merk- würdig, dass es kein Impluvium hat, während eine gemauerte Wasserrinne durch dessen ganze Tiefe und unter dem Fußboden des Ostiums, sowie der Schwelle und dem Trottoir hindurch auf die Straße fuhrt. Doch sind Spuren eines altem Impluviums vorhanden, welches vermuthlich in kostbarem Material erneuert werden sollte, so dass die erwähnte Rinne nur als eine provisorische Aushülfe zu betrachten ist. Die Wände sind über einem Sockel, welcher ver- schiedene Marmorarten nachahmt, blau gegründet imd mit Grottesken bedeckt, innerhalb deren Tritonen, Nereiden u. a. Seewesen gemalt sind; der Fries bestand aus vergoldetem Stucco und ist bei der Ausgrabung in vielen Stücken in der Verschüttungsmasse gefunden worden. An imgewöhnlicher Stelle imd in imgewöhnlicher Gestalt, aber ähnlich der in dem Hause No. 117 im Plane (S. 2 68) , finden wir hier gleich rechts vom Eingange bei a die mit farbigem Stucco reich verzierte Larennische , deren Giebel von zwei Säulen getragen wurde, deren Stellen wenigstens noch erkennbar sind. Man fand hier drei Figürchen von Bronze.

Vier Cubicula, 4,5,6,7 gruppiren sich zunächst um das Atrium, alle aufs reichste bemalt, und zwar alle vier auf weißem Grunde, der das nicht beson- ders helle Licht in diesen Zimmern hebt, welche vermuthlich wie in der Casa dt MeUagro durch Fenster über den Thüren, auch wenn diese verschlossen waren, erleuchtet wurden. Ahnlich sind einander in den vier Cubiculis auch die architektonischen leichten Umrahmungen der Haupt- und Nebenbilder; im Übrigen ist die größte Mannichfaltigkeit vorhanden. Das Zimmer No. 4 hat auf jeder Wand als Nebenbilder kleine Genien oder Eroten, die mit Waffen spielen (Hlbg. No. 624), rechts als freilich sehr kleines, aber feingemaltes Mittelbild Selene und Endymion (Hlbg. No. 950), einen oft und in sinniger Weise behandelten Gegenstand, an der Mittelwand Achill vom Kentauren Cheiron im Leierspiel unterwiesen (Hlbg. No. 1294, sehr zerstört), ebenfalls ein in Pompeji und in Herculaneum wiederkehrender Gegenstand. Auf der dritten Wand links stellt das Mittelbild eine Nereide ai^ einem Seepferd dar (Hlbg. No. 1029). An dem obem Theile der rechten und linken Wand sind noch die Musen Melpomene und Thalia gemalt (Hlbg. No. 876, 880). Eine Nereide auf einem Delphin reitend (Hlbg. No. 1037) bildet auch den ersten Hauptgegenstand rechts in dem Zimmer No. 5, dessen übrige Bilder, ein Ky- parissos (Hlbg. No. 219) und ein Polyphem mit Galatea (Hlbg. No. 1051) stark gelitten haben, so dass ihre Deutung nicht ohne Bedenken ist und dass mit Sicherheit nur noch in den Nebenfeldem außer zwei schwebenden Satyrfiguren

316 Viertes Capitel.

vier Bildchen erkannt werden können, welche mit Thieren spielende Genien darstellen (Illbg. No. 778. 792. S45), in einer obem Keihe links ein, wie es scheint, allegorisches Bild, in dem die Personification Afrikas mit einer Ele- phantenexuvie auf dem Kopf (Hlbg. No. 1116^ erkannt wird, rechts eine Frau mit Fruchtschale, in der Mitte eine solche mit einem FüUhorne, außerdem sechs Genien. In diesem Zimmer wurde ein 1 M. hoher Candelaber gefunden.

Auch in dem Zimmer No. 6 sind nur zwei Bilder außer den Decorations- malereien vorhanden, das eine, an der Hinterwand, derb obscön, Faun und Nymphe darstellend (Hlbg. No. 562), das andere links (ausgehoben) den so vielfach wiederholten Narkissos, der sich im Quell bespiegelt (Hlbg. No. 1354), das dritte rechts stellt Aphrodite mit Eroten dar iHlbg. No.820^j . Unter den Decorationen in den oberen Reihen kehren Mädchenfiguren mit verschiedenen Attributen wieder (Hlbg. No. 932. 1798i. 1820. 1947). Endlich das Zimmer No. 7 enthält an der untern Abtheilung seiner Wände eine Beihe kleiner Gemälde bald in rundem, bald in viereckigem Rahmen, unter denen rechts ein Polyphem, der Galateas Brief empfängt (Hlbg. No. 1049), in der Mitte eine angelnde Frau (Hlbg. No. 354) und links (jetzt ausgehoben) eine Darstellimg von Phrixos auf dem Widder, von dem Helle ins Meer stürzt (Hlbg.No. 1253); zu nennen ist, beides mehrfach wiederholte Gegenstände. Die Rundbilder zeigen die Brustbilder der Aphrodite mit Eros (Hlbg. No. 277) und diejenigen des Zeus (Hlbg. No. 99, sehr zerstört) und der Hera (Hlbg. No. 159], beide einander entsprechend an der Eingangswand. In der obem Abtheilung der Hinterwand ist eine Nike mit Kranz und Palme auf einem Zweigespann gemalt (Hlbg. No. 939) , an den Seitenwänden finden wir Thierstücke (Hlbg. No. 1521. 1588). Darüber Mädchen auf Globen stehend (Hlbg. No. 453. 471), sowie an der Hinterwand seitwärts weibliche Genien (Psychen) mit Schmetterlings- flügeln (Hlbg. No. 830).

An der gewöhnlichen Stelle liegen im Verfolge der Gemächer um das Atrium die Alae 8 und 9. In der Ala rechts No. 8 sind über einem Sockel, der weißen , leichtgeaderten Marmor nachbildet und einer rothen Borde mit Meerungethümen auf hauptsächlich gelbem Grunde, der hie und da roth ge- worden ist, die Stellen von sieben ausgehobenen Bildern, die wir in Neapel zu suchen haben (Hlbg. No. 1455. 1458. 647. 835. 839. 840;. Der eme Stufe über das Atrium erhobene Fußboden ist von weißem Mosaik mit schwarzen Linien. Bei der linken Ala No. 9, unter deren Bildern eine bessere und eine schlecht erhaltene Komoedienscene (Hlbg. No. 1466. 1474] her- vorzuheben sind; und deren Fußboden nur aus opus Siffnmum besteht, kehrt ein Umstand der Anlage wieder, den wir im Hause des Sallust gefunden haben, dass nämlich dieselbe nach hinten nicht geschlossen ist, sondern einen Durchgang bildet, dort nur zur Treppe des obern Stockwerks, in dem vorliegenden Falle zu mehren Bäumen, welche den Bedürfiiissen des Haushalts dienten. Und zwar öfihet sich die Ala einerseits in ein dunkeles und durchaus xmgeschmücktes Gemach 10, welches nur Vorrathskammer ge- wesen sein kann, andererseits nach hinten auf den gemeinsamen Vorplatz U des für zwei Personen eingerichteten Abtritts 13 xmd der durch Fenster aus dem Baume 39 dürftig, besser vielleicht durch Oberlicht erleuchteten Küche

Die Priyatgeb&ude. Die Wohnhäuser. No. 17. Haus des Lucretius. 317

14, in der man den Heerd, auf dessen einem Ende ein kleiner Backofen stellt, und den Ansgussstein für das gebrauchte Wasser nebst verschiedenem Küchen- geräth fand, \md endlich der Speisekammer 12, welche nur durch ein Fenster von der Küche aus dürftig erleuchtet war.

Das Tablinum 15 im Hintergrunde des Atriums, über dessen Fußboden sich auch dieses um eine Stufe erhebt, ist sowohl durch seine elegante Deco- ration wie durch einen besondem Umstand merkwürdig und bedeutend. Der Fußboden besteht aus weißem, mit schwarzen Linien eingefasstem Marmor- mosaik, welches sich um ein Mittelstück von farbigen Marmorplatten und eine dasselbe einfisuisende bunte Mosaikborde legt. Die Wände sind mit reichen Architekturen verziert, die jederseits einen viereckigen, vertieften, leeren Raum einrahmen, über dessen Bedeutung man bis auf den heutigen Tag noch nicht ganz im Beinen ist. Nach der gewöhnlichen Ansicht waren in diese leeren Bäume Bilder auf Holz eingelassen, die man aber schon im Alterthum entfernt hätte, und es gehört grade dies Beispiel zu den hauptsächlichen Beweisen für die Annahme , als hätten die Alten fertige Temperabilder auf Holztafeln in die Wände eingelassen. Allein die genauere Untersuchung durch Donner (Einleitimg zu Helbigs Wandgemälden S. cxxvi) ergiebt, dass, obwohl ohne Zweifel Holz in diesen jetzt leeren Bäumen befestigt gewesen ist, dieses, von dessen Kohle sich noch Spuren im Verputz fanden, weder von den Alten entfernt worden ist noch füglich als Bildtafel gedient haben kann, ohne dass es möglich wäre, eine bessere Vermuthung aufzustellen. Die Decke des Tabli- num war von Stucco, und zwar zeigen die reichlich aufgefundenen Fragmente derselben farbige Cassetten mit vergoldeten Bosetten im Centrum.

Das große Gemach 16 rechts vom Tablinum, von 6,40 zu 5,70 M. Grund- fläche, welches, weil ein Eingang von hinten wegen der Niveauunterischiede unthunlich war, mit einem weiten Eüigange gegen die rechte Ala geöffiiet ist, scheint ein Wintertriclinium ((riclimum fenestratum) gewesen zu sein, dessen Vorhandensein im Vorderhause durch die Lage der Küche (No. 14) in dem- selben in so fem bedingt wird, als zu dem einzigen Gemach rechts vom Xystus, welches noch ein Triclinium gewesen sein kann, der Weg von der Küche übermäßig weit erscheint. Sein Licht empfängt es durch das große niedrig anhebende Fenster in der linken Wand, welches auf den Garten hinausgeht, und zwei höher an der rechten Wand angebrachte, welche sich über die Dächer der angrenzenden Läden erheben. In ihm fand man die Beste einer um seine drei Wände umlaufenden Buhebank, eines überaus kostbaren Möbels, da seine acht gedrechselten hölzernen, mit einer eisernen Stange im Centrum in den Boden befestigten Füße mit getriebenem Silber überkleidet waren. Die Deco- ration dieses Zimmers ist, solchem Luxus entsprechend, überaus kostbar und vortrefflich ; der Fußboden ist mit weiß und schwarzem Mosaik im Maeander- muster bedeckt, die Wände enthielten außer dem hier wie überall die Haupt- bilder umrahmenden architektonischen Ornament und sechs kleineren treff- lichen aber ausgehobenen Bildern von Eroten und Psychen (Hlbg. No. 757. 759. 760. 766. 767, 768), drei große Bilder mit fast lebensgroßen Figuren, von denen zwei in das Museo nazionale gebracht sind. Das erste derselben stellt Herakles bei Omphale dar (Hlbg. No. 1140), das zweite den Knaben

318 Viertes Capitel.

Bakchos auf stierbesimnntem Wagen von seinem Gefolge umgeben (Hlbg. No. 379), und das dritte (Hlbg. No. 565) die Errichtung eines Tropaeon durch bakchische Figuren, aber nicht Dionysos selbst, obgleich das Bild wohl auf den indischen Sieg des Gottes bezüglich ist. Diese drei Bilder, welche zu den bedeutendsten und schönsten von Pompeji gehören und uns im artistischen Theile noch beschäftigen werden, sind nicht, wie man wiederholt gesagt hat, fertig in die Wände eingelassen worden, sondern, wie das auch bei anderen Bildern der Fall ist, auf eigens für sie eingeputztem Stuck an Ort und Stelle afresco gemalt.

Links vom Tablinum sind die Fauces 17, welche sich dadurch von son- stigen unterscheiden, dass sie, wie schon erwähnt, eine achtstufige Treppe in das Peristyl enthalten. An dem Theile vor dem Beginn der Treppe sind die Wände dieses Ganges mit zwei erwähnenswerthen Bildern geschmückt (Hlbg. No, 111 und 167), welche die Masken (links) des Zeus und (rechts) der Hera nebst Adler und Weltkugel bei jenem und dem Pfau bei dieser darstellen. Auf der Treppe fand man ein Gerippe und rechts liegt auf ihr das Bleirohr, welches dem Springbrunnen im Peristyl das Wasser zuführte. Der Peristylhof 18 wird an zwei Seiten von Pfeilern umgeben, welche durch Brüstungsmauem mit ein paar Eingängen verbunden werden, während das Tablinum 1 5 an die dritte und eine Exedra oder ein Oecus 25 an die vierte Seite grenzt. Auf den Eckpfeiler links ist ein jetzt ausgehobenes Labyrinth nebst der Inschrift: Labyrinthus, Hie habitat Minotaurus (abgeb. Mus. Borb. XIV, tav. a) sehr roh mit einem scharfen Griffel in die Tünche eingeritzt gewesen. An der Stelle des linken Peristylganges finden wir ein kleines Zimmer 19 und einen halboffenen Baum 20, und in ersterem, gegenüber dem Fenster auf den Peristylhof, ein auf Paris und Helena bezügliches, schlecht erhaltenes Bild (Hlbg. No. 1312), während in dem zweiten das oben Fig. 169 mitgetheilte Bild gefanden wurde. Der Peristylhof ist nicht, wie gewöhnlich, durch ein Viridarium geschmückt, sondern in einer ganz eigenthümlichen und im Granzen herzlich geschmack- losen Weise eingerichtet und verziert. Im Hintergründe zxmächst an der Mauer steht auf funfstufigem Untersatz eine mit Mosaik, Muschelwerk und Malerei verzierte Brunnennische , in derselben als Brunnenfigur ein kleiner Silen. Dergleichen Nischen, und zwar zum Theil noch geschmackloser mit Muscheln verzierte, kommen auch sonst noch vor, es brauchen nur die beiden nach ihren Brunnen benannten Häuser della grande oder prima und della piccola oder seconda fontana a musaico in der Mercurstraße (Plan No. 32 und 33) und die Casa del grandtica in der Straße der Fortuna (Plan No. 62) genannt zu werden: im Übrigen aber ist die Decoration des Hofes hier einzig. Das Wasser, welches die Brunnenfigur ausgoss , floss über die Stufen des Unterbaues der Nische herab, wurde unten durch eine flache Marmorrinne gesammelt und in eine runde Piscina in der Mitte des Hofes geleitet, in der ein Springbrunnen an- gebracht ist. Um diese Piscina herum sind nun zunächst allerlei Thiere von Marmor, aber von ganz verschiedener Grröße, aufgestellt, unter denen eine Ente, zwei liegende Kühe (auch diese von verschiedenem Maßstabe), zwei Kaninchen und zwei Ibisse genannt werden mögen. Weiter hinaus stehn dann zwei Reihen von Sculpturwerken ; zunächst am Brunnen zwei Hennen-

Die Priyatgebäude. Die Wohnhftuser. No. 17. Haus des Luoretius. 31^

pfeiler mit Doppelköpfen einerseits (a im Plan Fig. 170) des stierhömigen, bärtigen und des ebenfalls stierhömigen aber unbärtigen Dionysos, anderer- seits {c) wiederum des bärtigen, aber nicht gehörnten Dionysos und eines wahrscheinlich weiblichen Wesens (Ariadne?) . Diesen entsprechen zwei gleiche Hermenpfeiler d e ia den vorderen Ecken des Hofes, welche beide einen bär- tigen Bakchos und ein weibliches Wesen darstellen. In einer noch etwas vorgerückten Beihe stehn sodann zunächst den Hermenpfeilem zwei seltsame Bildwerke y^, welche Eroten auf große Polypen verschlingenden Delphinen reitend darstellen, während in der Mitte eine sehr mittelmäßige Gruppe h einen bocksfußigen Pan zeigt, dem ein kleiner Satyr einen Dom aus dem Fuße zieht. Endlich stehn links zwischen den Hermenpfeilem noch zwei Sculpturen, welche die übrigen übertreffen, nach hinten ein junger Satyr f , welcher die Hand über den Kopf hebt, als wolle er sich gegen die Sonnenstrahlen schützen*, ein lebensvolles und auch nicht schlecht ausgeführtes Bildchen, weiter nach vom ein in Hermenform auslaufender Satyr mit der Bohrflöte k, der ein Zick- lein im Arm hält und an dem eine Ziege nach ihrem Jungen emporspringt. Die ganze Sammlung von Sculpturen, die mit einander nichts gemein haben, macht einen nichts weniger als künstlerischen Eindruck, wohl aber den eines heiterem Lebensgenüsse dienenden Baumes. Das Wasser für den Brunnen \ind den Springbrunnen wurde von der Straße her durch ein Bleirohr geleitet, welches zuerst in den Fauces 1 7 und wieder hier links von der Nische voll- kommen erhalten aufgefunden und noch heute nebst seinem Hahn und den zwei Zweigen, welche den Brunnen (Silen) und einen Springbnmnen in der Piscina speisten, vorhanden ist. Die Brüstungsmauem des Peristylhofes sind zur Aufnahme von Erde für Blumen ausgehöhlt.

Um das Peristyl liegen: 21 ein Zimmer mit zwei Eingängen, dessen Bestimmung als geräumiges Schlafzimmer wenigstens in hohem Grade wahr- scheinlich ist, indem man nur die rechte Hälfte seiner Wände, wo als Haupt- bilder Narkissos (?oder Aphrodite, Hlbg. No. 304) und Apollon mit Daphne (Hlbg. No. 207) hervortreten, bemalt fand, während die andere Hälfte links, mit dem eigenen schmalen Eingange, einfach abgeweißt ist, wie man glaubt, um mit Teppichen oder l^peten [aülaea] als der eigentliche Schlafraum be- hangen zu werden. Als eine Art von Vorzimmer zu diesem vermuthlichen Schlafzimmer des Hausherrn, und vielleicht für dessen Kammerdiener be- stimmt, folgt das Cubiculum 22, daneben ein ungeschmücktes Vorrathszim- mer 23 ; hierauf finden wir rechts einen Treppenraimi 24, der- in den Keller führte, und den Oecus 25 mit hübschen, aber kleinen Bildern, welche Eroten als Winzer (Hlbg. No. 801) und spielende Knaben (Hlbg. No. 1477) darstellen. Auf der gegenüberliegenden linken Seite des Peristylganges kommt man an der Treppe in das obere Geschoss 26 vorbei auf einen breiten Durchgangsplatz 27 in eine kleinere Nebenabtheilung des Hauses, ursprünglich ein selbständiges kleines Haus, dessen Tablinum 33 jetzt den Durchgang bildet, mit einem eigenen Eingang 28 von einer bisher namenlosen Seitengasse, eigenem Atrium 29 ohne Impluvium (ein kleines, nicht in der Mitte liegendes, jetzt fast ganz mit Erde bedecktes Bassin kann kaum als solches bezeichnet werden] , links mit einem nicht sicher gedeuteten Bilde (Hlbg. No. 78), drei Cubiculis 30, 31, 32,

320 VieriCB Capitol.

dem schon erwähnten Tablinum und den Fnucee 34, Alles mit gelingen Deco- rationen, so daaa wir hier wohl mit einigem Itecht an eine Sclavenwohnung denken können. tJbrigeus ist es klar, dass diese ganze Abtheilung nicht von Anfang an zum Hause gehörte, sondern dasselbe durch den Ankauf eines angrenzenden kleinen Hauses er^^'eitert worden ist, ohne dase, wie den weiterhin zu besprechenden Doppelhäusern, ein vollständiger Neubau oder ein durchgreifendet Umbau stattfand. Ein dem hier vorliegenden Beispiel solcha lockern Verbindung zweier Häuser ganz analoger Fall findet sich in

iNo. 18.) dem Hause des Siricus, an welchem ohnehin nicht wohl stillschweigend vorbeigegangen werden kann, weil es auch sonst maDchee Interessante darbietet und eine nicht geringe Zahl bedeutender Malereien enthält.

Dieses in der zweiten Hälfte der äOer und im Anfange der GOerJahie unseres Jahrhunderts ausgegrabene , anfänglich als Casa dei principi Rain

Plan des Hausea des Siiicus.

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 18. Haus des Siricus. 321

benannte und jetzt nach ziemlich sicheren Merkmalen, namentlich einem auf- gefundenen Petschaft als ^Donms Svrida bezeichnete Haus (VII, 1, 47; Plan No. 911, liegt unmittelbar nördlich von den Stabianer Thermen, mit dem Ein- gange seines zunächst zu besprechenden westlichen Theiles in der Strada delle ierme Stabiane^ während seine andere Abtheilung den Eingang von der Strada Stdbiana aus hat. Seinem Haupteingange 1 gegenüber steht an der Wand die Inschrift otiosis locus hie non est, discede morator, aufweiche zurückgekom- men werden soll ; in den Fußboden des Ostiums, nahe am Atrium, sind in Mosaik die Worte SALVE LVCRV(m) (sei gegrüßt, Gewinn!) eingelegt, so dass man gewiss nicht fehlgeht, wenn man dies Haus als dasjenige eines Kaufmanns betrachtet. Die Anlage dieses westlichen Theils geht wohl auf ältere Zeit zurück, doch hat derselbe in römischer Zeit beträchtliche Umbauten erfahren. Die Hausthür, deren eine Hälfte aus der Form, welche sie in der Verschüttungsmasse zurückgelassen hatte, abgeformt worden ist, war reich mit kupfernen Nägeln beschlagen, von denen man 85 aufgefunden hat. An seinem ziemlich langen und am Ende wieder mit einer Thür versehenen Ostium 1 liegt rechts ein Gemach 2 mit weißen Wänden, leichten Ornamenten, kleinai Vögeln, welches als die Cella des Ostiarius gilt, für eine solche aber reichlich groß erscheint, vielleicht also als Geschäftsraum, allerdings aber nicht als Laden des Hausbesitzers gedient hat. Sein Licht empfing es von der Straße aus durch ein ziemlich großes, aber hoch angebrachtes, vergittertes Fenster. Das Ostium fuhrt auf das sehr geräumige tuscanische Atrium 3, dessen Wände erst roh berappt sind, dessen marmornes Impluvium dagegen sehr schön ist; in ihm steht ein kleines Marmormonopodium (einfüßiges Becken zur Aufnahme eines Wasserstrahls) , hinter dem sich die Basis des verlorenen Brunnenbildes imd ein größeres Marmormonopodium findet. Rechts vom Impluvium steht das Futeal von weißem Travertin, welches geborsten war und von den Alten geflickt ist ; an der vordem rechten Ecke des Atriums (bei a) sieht man die Spuren eines hölzernen Schrankes, in dem nicht wenige Tischgeräthe und Gefäße gefunden worden sind, femer bei b einen Stein, auf welchem die Geld- kiste befestigt war. Eine besondere Merkwürdigkeit in diesem Atrium bilden zwei viereckige Höhlungen in seiner rechten Wand, in welchen, den Ecken des Impluvium gegenüber, einst zwei hölzerne Bohlen [antae) aufrecht standen, oberhalb deren, wie noch deutlich zu erkennen ist, die das Dach tragenden Querbalken (S. 255) in die Wand eingelassen waren. Als wirkliche Stütze der Dachbalken konnten die beiden Bohlen wegen ihrer zu geringen Stärke nicht in Betracht kommen ; sie waren vielmehr eine Verzierung der Wand, welche freilich die Vorstellung einer solchen Stütze erwecken sollte. Eine ähnliche Verzierung begegnete ims in einem Zimmer der casa di Meleagro (S. 310). Neben der rechten Ecke öffiiet sich die Thür eines sehr einfachen kleinen Cubiculum (4) , vielleicht der cella atriensis, mit einer Bettstatt an der rechten Wand. Grade gegenüber befindet sich eine ähnliche kleine Kammer 5, welche firüher durch eine Thür mit dem Tablinum 6 verbunden war, zuletzt aber, nachdem diese Thür vermauert worden, als Schrankzimmer gedient hat, in welchem man noch die Spuren von drei Reihen Brettern in den Wänden erkennt. Das Tabliniun 6 liegt an der gewöhnlichen Stelle, ist aber un-

Ot erbeck, Pompeji. 4. Aufl. 21

322 Viertes Capitel.

gewöhnlicher^eise nach hinten geschlossen und erscheint wie das Atrium in seiner Ausschmückung unfertig, einfach roh abgetüncht. In diesem Tablimim fand man außer manchen anderen Gegenständen die Reste einer sehr großen hökemen Kiste und in derselben Reste von Geweben, welche möglicherweise die Waaren des Siricus waren. Neben ihm führen die Fauces 7 in den hintem Theil des Hauses und neben ihnen liegt ein großes und elegantes triclmium fenestratum 8. Dieses empfing sein Licht aus dem Peristyl durch ein breites Fenster, an dem man nachweisen kann, dass es mit doppelten Klappladen geschlossen werden konnte, welche sich an einen in der Mitte stehenden hölzernen Pfeiler anlehnten. Wie so häufig in Triclinien war der innere Theü des Zimmers, wo der Tisch und die Ruhebetten standen, mit einer flach gewölbten Verschalung, der vordere Theil mit einer flachen Decke in der Scheitelhöhe der Verschalung überdeckt ; über ihm lag ein Zimmer im Ober- stocke, von dessen Wänden Stücke erhalten sind. Unter der Wölbung war ein eleganter Stuccocamies angebracht; sehr elegant, im letzten pompejani- schen Stil, sind auch seine unten gelb und schwarz, oben weiß gegründeten und durch bunte Omamentstreifen eingetheilten Wände bemalt, welche inner- halb reicher Architekturen eine Reihe interessanter Bilder tragen, so (aus- gehoben) eine Darstellung von Aeneas' Verwundung, eines der sehr wenigen auf römische Poesie (hier Verg. Aen. XII, 398 ff.) zurückgehenden Bilder (Hlbg. No. 1383), die nicht näher zu erklärende Schmückung eines Jünglings dxirch Mädchen (Hlbg. No. 1386) und ein mit Sicherheit noch gar nicht ge- deutetes Bild (Hlbg. No. 1396); außerdem an den untergeordneten Stellen schwebende weibliche Figuren (Hlbg. No. 478. 485. 488. 494. 1915. 1983). Dagegen besteht der sehr einfache Fußboden aus opm Signinum mit einem grob ausgeführten Muster aus weißen Steinchen. Neben diesem Triclinium fiihrt der Gang 9 in die Küche ; jenseits dieses Ganges liegt am Atrium und weit gegen dasselbe geöffnet das größte und am glänzendsten geschmückte, auch mit den interessantesten Bildern ausgestattete Gemach des Hauses, die große Exedra 10, deren mit opus Signinum gedeckter Boden in der Mitte durch ein mit Marmor getäfeltes, von einer Mosaikborde umgebenes Viereck ausgezeichnet ist. Auch hier zeigen die Malereien den Stil der letzten Zeit. Auf der Wand dem Eingange gegenüber ist als Hauptbild Herakles bei Omphale gemalt (Hlbg. No. 1139), an der Wand links der troische Mauerbau durch Poseidon und ApoUon (Hlbg. No. 1266), auf derjenigen rechts Thetis' Besuch bei Hephaestos, um die für Achill geschmiedeten Waffen in Empfang zu nehmen (Hlbg. No. 1316). Diese Bilder stehn auf rothem Grunde; ringsum in den gelben Nebenfeldem sind ApoUon und die Musen angebracht (Hlbg. No. 186. 860. 863. 866. 869. 872. 882. 888. 890), Apollon und Kalliope auf der beson- ders reich geschmückten Hinterwand, die anderen Musen rechts und links neben den Hauptbildem vertheilt, während über einem umlaufenden Camies von der Decoration des obem Theiles der Wand außer Architekturen die bronzefarbig, also als Statue gemalte Figur des Ares (Hlbg. No. 273 ä) erhalten ist. An der vordem linken Ecke des Atriums befinden sich zwei Thüren, von denen die eine, dem Ostium zunächst, den Zugang einer ziemlich breiten, nicht erhaltenen Holztreppe zum obem Stockwerk bildet, während die andere in

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 18. Haus des Siricus. 323

ein sehr geräumiges , aber seinem Zwecke nach schwer zu bestimmendes, wiederum von der Straße aus durch ein vergittertes Fenster erleuchtetes Gemach 1 1 fuhrt , das auf weißen Wänden mit sehr einfachen Ornamenten letzten Stils und kleinen Landschaften und mit einer interessanten Folge von Götterattributen (Adler, Blitz und Globus für Zeus, Pfau und Wollkorb für Hera, Greif und Kithara für ApoUonu. s. w., Hlbg. No. 108. 166. 192. 241. 268. 364. 586. 1108) decorirt ist. Der Fußboden besteht aus opus Signinum. Auch hier wurden die Beste einer großen hölzernen Kiste und ein schöner Candelaber gefunden, dessen Fuß mit scenischen Masken geziert ist. Der Gang 9, an welchem rechts eine Nische für eine Lampe angebracht ist, führt, wie schon erwähnt, in die Küche 12 ; diese enthält an der Wand rechts vom Eintretenden den Heerd, femer einen Backofen sowie einen gemauerten Wasserbehälter 14 mit einer Ofihung zum Abflüsse des gebrauchten und einer Bohre der Wasserleitung zur Zuführung frischen Wassers, endlich die Spuren einer, oflFenbar schon in antiker Zeit entfernten Mühle, für welche der Haus- besitzer in der großem Bäckerei seines Nachbars in der Via stabiana Ersatz finden mochte. Über dem Wasserbehälter sind Vesta, Vulcan und Laren (Hlbg. No. 63) in roher Ausführung gemalt. Neben der Küche liegt eine größere Vorrathskammer 13. Ein langer Gang 15 fuhrt in einen auch von der Straße aus zugänglichen Baum 16, in welchem, gleich links für den von der Straße eintretenden, ein Abtritt, femer rechts eine unbestimmbare Kammer (Vor- rathsraum?) 16 i und ein offener Baum 16 a angebracht ist. Durch die Fauces 7 und durch ein kleines, gänzlich schmuckloses Zimmer 17, welches für irgend einen Sclaven bestimmt gewesen sein mag, gelangt man in das Peristyl, dessen Porticus 18 an zwei Seiten von Säulen, theils aus Tuff, theils aus Ziegeln, gebildet wird, die mit Stucco überkleidet, nicht cannellirt, son- dern nur gekantet und mit einander durch eine Brüstungsmauer [pluteus] verbunden sind ; innerhalb des frei bleibenden viereckigen Baumes 1 9 stehn vier grün bemalte und nicht cannellirte Säulen, auf denen ein leicht gebautes Schattendach gelegen haben wird. An der rechten Seite der Porticus wurde eines der vollständigsten Beispiele eines mit tegulae und imbriees gedeckten Daches gefunden, welches indessen nicht hat erhalten werden können. Halb in die Brüstungsmauer eingeschlossen ist bei b eine Cistemenmün- dung und bei c eine zweite mit einem thönemen Puteal angebracht. In der vordem rechten Ecke der Porticus liegt ein kleines Gemach 20 mit weißen Wänden und leichten Ornamenten letzten Stils. Dagegen haben die Wände des Peristyls eine Decoration zweiten Stils bis auf die letzte Zeit bewahrt. Am rechten Ende der vordem Porticus ist in der dem Atrium zunächstliegenden Wand in bedeutender Höhe eine Nische angebracht, bestimmt vermuthliph zur Aufstellung von Thonfiguren^^ej, Der unbedeckte und ganz schtnucklose Baum 2 1 ist durch Niederreißung verschiedener Zimmer gewonnen worden ; es ist wohl das wahrscheinlichste, dass er als Garten diente. An ihm ging süd- lich früher eine Straße vorüber, auf welche sich bei d zwei Thüren und außer- dem mehre Fenster öfiheten. Diese Thüren und zum Theil auch die Fenster wurden zugemauert, als beim Bau der Thermen die Straße einging und nur der auf unserem Plan ersichtliche schmale und unzugängliche Gang übrig

21*

324 Viertes Capitel.

blieb. Damals wurde nahe der rechten hintern Ecke ein Ausgang auf die Stabianer Straße eröffnet, dann aber ebenfalls wieder zugemauert. Das inner- halb dieses Gartens gele<i;ene kleine , sorgfältig im dritten Stil ausgemalte Zimmer 22 diente jedenfalls als Schlafgemach. Es hatte drei Hauptbilder; dasjenige der Hinterwand aber ist zerstört, während man links vom Eingang einen nicht ganz sicher erklärten musikalischen Wettstreit (Hlbg. No. 137S), rechts gegenüber ein noch ganz unerklärtes Bild findet, welches (Hlbg. No. 1388 6) einen Jüngling vor einem barbarischen phrygischen) Könige darstellt. Mit dem in den Räumen 1 20 in ziemlich normaler Anlage ursprünglich ab- geschlossenen, dann durch 21 und 22 erweiterten Hause ist nun vermöge einer durch die Wand der Porticus, wie es scheint nach ihrer Ausmalung im zweiten Stil, gebrochenen Thür e ein zweites Haus verbunden, welches wiederum für sich betrachtet eine ziemlich normale Anlage zeigt. Seine Bauart gehört der spätem römischen Zeit, seine Malerei ganz der letzten Zeit Pompejis an. Für diese Zeit ist auch die Vernachlässigung der Räume um das Atrium charakteristisch, wäh- rend die besseren, von der Familie des Hausherrn benutzten Wohnritume um das Peristyl liegen. Sein Eingang 23 ist, wie schon gesagt, von der Strada Stabiana aus; das mit gelben Wänden geschmückte ziemlich tiefe Ostium, neben dem an der Straße zwei Läden y^ liegen, führt in ein mäßig geräumiges tuscanisches Atrium mit dem regelmäßigen, hier mit Marmor getäfelten Im- pluvium ; am hintern Rande desselben steht eine Basis für eine Brunnenfigur, welche einen Wasserstrahl in ein im Impluvium stehendes wannenformiges Marmorbecken fallen ließ ; hinter der Basis endlich steht ein Marmortisch. Von den das Atrium umgebenden , durchweg kleinen Zimmern ist das auf gelben Wänden nur roh omamentirte 25 eine Vorrathskammer mit zwei Reihen Brettgestellen. In 26 (weiße Wände) sind auf der Wand links vom Eingang die bekannten zwei Schlangen angebracht ; da wir hier keine der in einer Küche gewöhnlichen Vorrichtungen finden, müssen wir wohl annehmen, dass dieser Raum früher einmal als Küche, später aber zu anderen Zwecken diente ; viel- leicht war es auch eine cella penaria; an der Eingangswand rechts führt eine Treppe zu oberen Räumen. 27 und 29, auch mit weißen Wänden, sind oflFenbar Sclavencubicula ; ziemlich gut ausgemalt ist das Cubiculum 28. Nur das alaartige Gemach 30 ist reicher mit gemalten Architekturen geschmückt und empfängt außer durch die Thür vom Atrium her, so wie auch das benachbarte Zimmer 29, Licht durch ein Fenster in seiner Hinterwand, welches auf einen am Ende vermauerten Gang des Nebenhauses hinausgeht. Jeder tablinum- artige Raum fehlt diesem Hause ; aus dem Atrium tritt man durch eine breite, verschließbar gewesene Thür sofort in das geräiunige und regelmäßige Peri- stylium 31, dessen Porticus von zehn 2,50 M. hohen, unten gelb bemalten, oben weißen Säulen mit angedeuteten Canneluren getragen wird, innerhalb deren in der umlaufenden Rinne ein Puteal k steht. Die Wandfelder sind gelb, roth und schwarz, in nicht eben geschmackvoll angeordnetem Wechsel, und diejenige Wand, welche gegen das Peristyl des vorher beschriebenen Hauses grenzt , ist mit interessanten Bildern bemalt , unter denen eine muthmaß liehe Leto (Hlbg. No. 170) und als ihr Gegenstück eine Artemis (Hlbg. No. 238) hervorzuheben, außerdem schwebende Figuren, eine Bak-

Die Privatgebiude. Die WohntSuBer. No. 19. Ca»a di Fan»a.

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chantin und Niken (Hlbg. No. 490 ; 907. 911. 914), endlich im Friese ein Amazonenkampf (Hlbg. No. 1250 h] zu bemerken sind. In der rechten hintern Ecke des Peristyls finden wir eine gewölbte Nische und in derselben eine Basis: es kann nicht zweifelhaft sein, dass auf dieser Basis die Aedicula der Laren stand. Im Hintergrunde des Feristyls liegen drei Gemächer, von denen das erste 32, auf gelbem Grunde reich bemalt, jetzt aber sehr zerstört, ein Triclinium ist. Das mittlere 3 3 trägt exedraartigen Charakter und hat ebenfalls gelb bemalte Wände. Das dritte Gemach 34, ein Cubieulum, hat drei Haupt- bilder aufzuweisen: links vom Eingange Aphrodite und Ares (Hlbg. No. 317), an der Hinterwand Endymion [Hlbg. No. 957) und rechts Achill aufSkyros (Hlbg. No. 1300); außerdem Küsten (Hlbg. No. 356c. 1270). Alle drei Zimmer waren mit flach gewölbter Verschalung überdeckt.

(No. 19.) Obgleich in der diuch die verschiedensten Verhältnisse be- dingten Mannichfaltigkeit der bereits mitgetheilten Pläne das Streben nach der Normalanlage und das Festhalten an der charakteristischen Ordnung der wesentlichen Räume des römischen Hauses eben so wenig verkannt werden kann, wie in den in der Folge mitzutheilenden Plänen, so soll doch nicht versäumt werden, hier Plan und Durchschnitt desjenigen Hauses von Pom- peji mitzutheilen, welches am meisten von allen die Regel darstellt und die charakteristischen Räumlichkeiten am vollständigsten enthalt. Es ist dies, wie schon früher bemerkt, das unter dem Namen der Oaaa di Pansa bekannte, ISIl entdeckte, aber eigentlich erst 1813 und 1814 ausgegrabene Wohnhaus (No. 25 im Plan), welches mit seiner Fa^ade an der Sirada delh

mm'Sf?mm^:i^-^m'.-m&x,.-m5'ifi:^,.-,,

Plan der Cata di Panta (Norden rechts).

terme den alten Thermen gegenüber liegt, mit seinem Areal jedoch eine ganze Insula, d. h. ein Quartier zwischen vier Straßen [Strada delle terme, Vico della _/wU<mica, Vico dt Mercurio und Vicolo dt Modesto) ausfüllt. Seiner Itauart nach stammt es offenbar aus der Tuffpetiode, doch haben in nicht näher be-

326 Viertes Capitel.

stimmbarer römischer Zeit Umbauten stattgefunden, denen namentlich die Läden an der Westseite (oben auf dem l^lan) angehören. Von Malereien ist fast nichts erhalten ^37) .

a Vestibulum, dessen innere Schwelle mit einem SALVE in Mosaik geschmückt gewesen und auf welches, ziemlich rasch ansteigend, das Ostium l folgt ; 2 Atrium mit dem marmorbekleideten Impluvium ; 3 Cubicula ; 4 Alae, durch feinere Fußböden aus opus Signinum vor den anderen Zimmern aus- gezeichnet, hier zu beiden Seiten des Atriums vorhanden und zu keinem Nebenzweck benutzt, während wir bereits in mehren Häusern des beschränk- tem Eaumes wegen nur eine Ala oder eine derselben, sei es als Vorrathskam- mer, sei es als Durchgang, benutzt gefunden haben; 5 Tablinum, dessen Boden, wie in vielen anderen Häusern, mit weißem, schwarzgerandetem Mosaik be- deckt ist ; dasselbe ist ganz offen nach beiden Seiten, nur dass der Boden nach hinten um zwei Stufen erhöht ist; 6 Fauces, auch hier nur auf einer Seite angebracht, während gegenüber ein mit weißem Mosaikboden geschmücktes, nach hinten gegen das Peristyl nur durch eine niedrige Brüstungsmauer geschlossenes Zimmer 7 liegt, welches von Einigen nach den angeblich vor- gefundenen Resten von Manuscripten die Bibliothek oder das Archiv des angesehenen und reichen Bewohners gewesen sein soll, welches aber viel eher den Eindruck eines triclinium fenestratum^ kurz eines behaglichen, zum Peristyl in Beziehung stehenden großen Wohn- oder Speisezimmers macht. Ungefähr dasselbe gilt von dem Zimmer 8, rechts neben den Fauces und mit einem Eingange von ihnen, welches auch gegen das Peristyl durch eine, deiii Fenster des Gemaches links entsprechende weite Thür geöffnet ist ; dieses Zim- mer war ursprünglich ein kleines Sommertriclinium und hatte in der linken Wand eine Aushöhlung für eines der drei Ruhebetten; da dieselbe später theilweise ausgefüllt worden ist, so scheint es dann anderen Zwecken gedient zu haben. Aus dem Peristylium 9 führt gleich hinter diesem vordem Theile des Hauses durch das rechte Gemach 1 1 ein mit eigenem Verschluss versehen gewesenes Posticum 10 auf die Nebengasse; an dem Posticum liegt eine Treppe, durch die man auf den obem Umgang des Peristyls gelangte. Dies ist eines der geräumigeren in Pompeji, 19,17X15M. groß, von sechszehn Säulen umgeben. Diese Säulen, von Nocerastein und ursprünglich ziemlich reiner ionischer Ordnung, wurden bei einer Restauration, wahrscheinlich nach dem Erdbeben von 63, mit Stucco bekleidet und im Capitell mit jetzt nur sehr wenig erhaltenem Blätterschmuck versehn, also in gemischte Ordnung gebracht, und in ihrem untersten, gekanteten Drittheil gelb bemalt, in den oberen zwei Drittheilen dagegen tiefer cannellirt und weiß gelassen. Zwischen den beiden ersten Säulen jeder Seite war ein Puteal für das Wasser der Cisteme, von denen aber nur dasjenige der linken Seite erhalten ist. Der von den Säulen ein- geschlossene Raum war vermuthlich bepflanzt ; die Mitte desselben bildet eine Piscina von gegen 2 M. Tiefe, deren Wände mit Wasserpflanzen und Fischen bemalt gewesen, jetzt aber völlig farblos sind. Von den Gemächern, welche das Peristylium umgeben, bilden die ersten beiden rechts und links 1 1 eine Art von Exedren , schattige offene Räume mit Ruhebänken , welche beim Lustwandeln im Peristyl benutzt worden sein mögen ; die zur Rechten diente

Die Privatgebäude. Die Wohnh&u^er. No. 19. Casa di Fansa. 327

zugleich als Durchgang zum Posticum. Auf der linken Seite liegen drei Cubi- cula 12, von denen die beiden letzten ausnahmsweise durch eine Zwischenthür verbunden sind. Rechts finden wir nur ein großes Triclinium 13 mit einem Nebenzimmer 14, welches wahrscheinlich fiir die Bedienung beim Gastmahl benutzt wurde ; möglich auch, dass sich hier die Musikanten, Tänzerinnen, Gaukler und dergleichen Leute versammelten und vorbereiteten, welche man gegen das Ende der Mahlzeit den Gästen ihre Künste vorführen zu lassen liebte. Der übrige Baum dieser Seite steht mit dem Innern des Hauses in keiner Verbindung. Im Hintergrunde des Peristyls liegt das Hauptgemach des Hauses, ein prachtvoller Oecus 15 von 10,40 X 7,40 M., mit breitem thor- artigem Eingang vom Peristyl, nach dem höher liegenden Säulengang und Garten hinter dem Hause durch eine Futtermauer gesperrt, welche die ganze Aussicht frei ließ, jedoch ohne die innere Säulenstellung, welche wir aus dem Oecus der Casa di Meleagro (S. 311) kennen. Neben demselben ein um zwei Stufen erhöhtes, nicht näher zu benennendes Zimmer 1 6 mit schmaler Thür, andererseits ein faucesartiger Durchgang in den Garten 1 7 mit einem Eingang in den Oecus. Neben diesem Gange sehn wir die Küche 1 9 und in 1 8 den Stall fiir Pferde oder Maulthiere mit einem Abtritt ; der größere Nebenraum 20', mit einem breiten, auch für Pferde und Wagen hinreichenden Ausgang auf die zweite Nebengasse, ist offenbar die Wagenremise. In der Küche sind außer dem gemauerten Heerde, auf dem noch die Holzkohlen gelegen haben sollen^ viele Geschirre von Thon gefunden worden. Links vom Heerde ist ein Laren- bild mit den Schlangen darunter (Hlbg. Nr. 53), zur Seite rechts ein auf- gehängter Schinken gemalt, während das entsprechende Bild links zerstört ist. An der hintern Fronte des Gebäudes erstreckt sich ein Säulengang 21 , dessen mittelstes Intercolumnium, wo die Säulen durch dickere Pfeiler ersetzt sind, wie sich das mehrfach in ähnlichen Fällen wiederholt (s. Isistempel, größere Thermen ii. s. w.), weiter ist und ohne Zweifel auch höher war als die übrigen (welche nur 2,35 M. hoch sind), um eine freie Aussicht auf den Oecus und aus demselben ;su gestatten. Das einzige an ihm liegende Zimmer 22 wird als Wohnung [cella] des Gärtners [hortulantis] zu betrachten sein, welche wir an der entsprechenden Stelle auch im Hause des M. Epidius Rufus gefunden haben.

Was nun endlich diesen jetzt völlig wüst liegenden Garten anlangt, dessen Anfang der Plan Fig. 172 zeigt, so will man seine Beete bei vorsichtiger Aus- grabung noch unter den Lapilli gefunden haben, wie dies bei dem Garten in dem eben genannten Hause des M. Epidius Rufus sicher der Fall ist. Hier im Hause des Pansa ist davon jetzt nichts mehr zu sehn ; doch geht aus ihrer durch frühere Berichte überlieferten und mit derjenigen im Hause des Epidius Rufds übereinstimmenden Anordnung, welche man im Plan erkennen kann, deutlich hervor, dass der Garten nicht als Zier - \md Blumen-, sondern als Nutz- und Küchengarten ^dient hat. Ob die hier gefundenen Bleiröhren zur Bewässerung der Beete und nicht vielmehr zur Füllung der Piscina dienten, darf bezweifelt werden ; sicher diente jenem Zwecke ein in der auf dem Plan Fig. 172 fehlenden) rechten hintern Ecke angebrachter gemauerter Wasser- behalter. Zwei große kupferne Kessel können nur zufällig in diesen Garten

32S Vierte» Capilel.

gekommen sein, so gut wie eine kleine Itronzegruppe, Bakchos und einen Satyrn darstellend (abgeb. unten im artistischen Tlieil<, die man in Leinen gewickelt in einem dieser Kessel fend, wohl nur bei der Flucht der Bewohner hierher gelangt iat. ^'on der Einrichtung des obem GeechoBses, dessen sichere Spuren vorhanden sind , können wir nichts Bestimmtes mittheilen : das Vorhan- densein eines ohem Umganges übet der Porticus des Peristyls bezeugen die erhaltenen Säulen- reste; nur in einigen wenigen Zimmern des obem Stockwerks fand man den Fußboden bei der Aus- grabung noch nicht eingestürzt, und dass man in diesen Käumen namentlich sehr viele Gegen- stände der Toilette und des weiblichen Putzes anf dem Boden liegend fand, beweist, was ohne- hin anzunehmen war, daß hier Schlafzimmer, S namentlich solche für den weihlichen Thei! der

"^ Familie waren. Es ist zweckmäßig erschienen,

p von diesem regelmäßigen Hause einen aus za-

M verlassigen Elementen von Mazois restaurirten

f Durchschnitt (Fig. 173] zu geben, in welchem

g jedoch leider der obere Umgang des Peristyls au»-

I, gelassen ist. Ehe wir aber dasselbe verlassen.

^ muBs noch der Läden und sonstigen Bäunilich-

^ keiten Erwähnung geschehn , welche dasselbe

£ rings umgeben und durch deren Miethe der Haus-

g. herr einen nicht unhetiüchtlichen Theil seines

Hj Aufwandes bestritten hat.

I An der obem Seite unseres Planes begin-

nend, finden wir zunächst in 22. 23 eine kleine Wohnung, zu welcher noch wenigstens ein Zim- mer im ohem Geschoss gehörte, wie dies die Treppein 22 selbst beweist. Das hintere Zimmer 23 steht durch Fenster mit dem Periatyl und mit dem Cubiculum 12 in Verbindung: wir können ans vorstellen , dass diese Wohnung einem Scla- ven überlassen war, welcher auswärtige Geschäfte besorgte, aber mit dem Hausherrn, der vielleicht in 12 schlief, in steter Verbindung bleiben musste. Zwei ganz ähnliche kleine Wohnungen sind 24. 2b und 26. 27 : in beiden enthält der Haupt- räum einen Heerd und ist von demselben eine kleine Schlafkammet ahgetheilt ; nur in 24 führte eine Treppe zu obem Räumen. Die fiäume 28 34 gehören einer Bäckerei und Mühle an, deren Einrich- tungen wir B[räter an einem andern Beispiel genauer kennen lernen werden.

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 19. Casa di Pama. 329

29 ist das Mühlenhaus mit drei Mühlen, zwei gemauerten Tischfußen und mehren Wasserbecken, 30 der Backofen, 28 das Backzimmer (panificium) mit dem Backtisch und zwei cylinderformigen Steingefäßen, die woW zum Kneten des Teiges dienten; in 33 mit dem Hinterzimmer 34 wird man den Laden annehmen dürfen, und auch 3 1 . 32 scheinen ähnlichen Zwecken gedient zu haben. In dem Mühlenraum, pistrinum, war ein talismanisches Bild an die Wand gemalt mit der Unterschrift: Hie habitat Felicttas , Hier wohnt das Glück.

Der folgende Laden 35 gehört zum Haus, in welches er sich öffnet, und zwar durch ein am Atrium gelegenes Zimmer 36, in welchem der Sclave sich aufhielt, der in diesem Laden für seinen Herrn feilbot. Welcherlei Waare, lässt sich nicht entscheiden; es ist aber in diesem Falle allerdings anzunehmen, dass es die Erträge des Feld-, Wein- und Olbaus des Hausbesitzers gewesen seien. Der nächste Laden 37, sowie die beiden Läden an der Hauptstraße jenseits des Einganges zum Hause 38 und 39 bilden einzelne Zimmer oder Gewölbe ohne Zusammenhang unter sich oder mit dem Hause. Auch die Treppen fehlen ihnen, mit Ausnahme von 38, und nur der Laden 39 hat ein Hinterzimmer 40. Größer ist die Einrichtung des gewerbtreibenden Abmie- thers des Eckladens 41, welcher außer diesem Laden noch ein größeres, durch ein Fenster auf die Straße erleuchtetes Gemach 42 innehatte, in welchem ein Backofen nebst einem Wasserbehälter steht und an welches ein Hinter- zimmer 43 anstößt. Trotz dieser Funde hat es nicht gelingen wollen, das Geschäft sicher festzustellen, welches der Inhaber dieses Ladens betrieb.

Endlich bleiben uns noch drei Gruppen von Gemächern zu erwähnen übrig, welche mit A, B und C bezeichnet, und welche, daran kann kaum gezweifelt werden, Miethwohnungen für weniger Wohlhabende [inquäitd, Miethbewohner ohne Eigenthumsrecht) gewesen sind. In A führt die erste Thür (von links auf dem Plan) zur Treppe des Oberstockes, welcher also getrennt vermiethet war, und ebenso verhält es sich mit der zweiten Thür von C. B war nicht immer vom Haupthause getrennt : in der Rückwand des atriumartigen, aber bedeckt gewesenen Hauptraumes ist noch deutlich die Thür zu erkennen, welche hier einst in das Peristyl führte. Wir werden später aus derselben Periode stammende Häuser kennen lernen, welche in der Front zwei Atrien neben einander haben, ein vornehmeres und eines, durch welches man zu den Wirthschaftsräumen gelangte : hier war die Anordnung insofern abweichend, als das letztere neben das Peristyl gelegt, überdies aber als bedeckter Raum, ohne Impluvium behandelt war. Übrigens handelt es sich hier nicht etwa um Einverleibung eines altem Hauses ; vielmehr ist das ganze Haus des Pansa nach gründlicher Wegräumung aller älteren Bauten auf Grund eines einheit- lichen Planes erbaut worden. In der Wohnung C hat man vier Frauengerippe gefunden, welche goldene Ohr- und Fingerringe mit geschnittenen Steinen trugen, etliche dreißig Stücke Silbergeld und noch sonst allerlei Gegenstände bei sich hatten, und die also, falls es die Bewohnerinnen dieser Abtheilung waren, was man wohl annehmen darf, beweisen, dass dergleichen zur Miethe Wohnende nicht als arme Leute zu denken sind, wenn sie auch keinen Grundbesitz hatten.

330 Vietlee Uapitet.

Der in Fig. 174 gegebene Plan zweier großen, in den Jahren 1&2S und 1S29 ansgegrabenen, unter den Namen Casa del centauro und Casa dei Dioscuri [ili Caatore e Polluce oüer del ^ues/ore bekannten groBen Häuser an der Mercurstraße (VI, 9, 3 7 ; No. 38 und 3'J im PlanJ, zeigt uns ein Doppel beispiel des so häufigen \'organges der Vereinigung mehrer älteren lliinser zu einem großen. Man hat hier nicht, wie beim Hause des Fausa und in anderen noch zu besprechenden Fällen, das Alte vollständig oder fast voll- ständig weggeräumt, um von Grund auf in gi-ößeren Verhältnissen neu zu bauen, andererseits aber auch sich nicht begnügt, die älteren Häuser einfach in Verbindung zu setzen, wie im Hause des iSiricns, sondern man hat sie so viel wie möglich benutzt, aber auch, so weit es nüthig war, gründlich um- gebaut, aus welchem Verfahren sich eine gewisse Unregelmäßigkeit des Grund- risses mit Nothwendigkeit ergeben musste. Über die Benutzung der Theile solcher großen Häuser lässt sich etwas Allgemeines nicht sagen. War das eine der so verbundenen Häuser ein kleines, schuiuckloses neben einem großem und reichem, so ist es ganz natürlich, dass man das kleinere als Sclavenwohnung, zu Haushaltungs- und Arbeitsräumen, zur Unterbringung von Gästen u. s. w, benutzte und die größeren und schöneren Bäume dem Verkehr der Gesellschafl und ähnliclien Zwecken vorbehielt. Häufig mochten auch verwandte Familien sich ein solches großes Haus theilen, oder die verschiedenen Theile mochten zu verschiedenen Jahreszeiten vorzugsweise benutzt werden.

No. 20.) Die Casa del centauro, VI, 9, 3—5, A, B auf dem Plan Fig. 174 ist vermuthlich schon in vorrömischer Zeit durch Vereinigung dreier lUusei entstanden; wir schließen dies daraus, dass die namentlich in 3, 32 und an dem

Fig. 1 74. Plan der Cata del ctniauro und der Ctua dei Diotcari. (Norden links.)

Garten 29 erhaltene Deeoration ersten Stils im Wesentlichen die jetzige Gestalt des Hauses voraussetzt "*) . Wir betrachten zuerst die Abtheilung A. 1 Ostium, mit Thür gleich an der Straße, vor der Mitte durch eine Stufe zwischen zwei Pfosten unterbrochen ; zu seinen Seiten zwei Zimmer 2, 3 mit Fenstern nach der Straße, die aber so hoch angebracht sind, dass sie sich recht deutlich als bloße

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 20. Casa del centauro. 331

Lichtöfihungen zu erkennen geben, ohne den Bewohnern ii^end eine Sonstige Beziehung zu dem Leben der StraBe zu gewähren. Ganz Ähnliches ist uns schon in der Casa di Meleagro an derselben Straße begegnet, und überhaupt ist dies die Regel. Das Zimmer rechts 3 ist deutlich ein Schlafzimmer mit einem angebauten und etwas erhöhten Alkoven a ; beide Käume ernst prächtig mit mehrfarbigen Quademachahmungen in Stucco imd wohl erhaltenem , im großem Baume doppeltem Stuccocamies mit feinsten Zahnschnitten decorirt. An die Cella des Atriensis kann hier nicht gedacht werden ; ^her schlief hier der Hausherr. Den kleinen Baum neben a könnte man am ehesten für die Schla&telle eines Lieblingshundes halten. Der Fußboden des Zimmers wie des Alkovens ist mit opus Signinum gedeckt, in welches kleine weiße Marmor- stückchen , einfache gradlinige Figuren und auf der Schwelle des Alkovens einen Mäander bildend, eingelegt sind. Das Zimmer links 2 ist im letzten Stil ausgemalt; es zeigt auf abwechselnd gelben und rothen Wandflächen allerlei Thiere, zum Theil phantastische, außerdem kleine schwebende und sonstige Figuren, unter denen eine archai'sirende, als Statue gedachte, welche auf einer Basis von vier Stufen steht, auffällt. Auch das Zimmer 2 hat einen doppelten Camies von Stucco und war wie jenes gegenüber gewölbt. 4 tusca- nisches Atrium, hinter dessen Lnpluvium von Tuff ein jetzt fehlender, nicht besonders eleganter Tisch von weißem Marmor stand; an der linken Wand, zwischen der ersten und zweiten Thür, stand auf einer noch vorhande- nen, mit unregelmäßigen Marmorstücken bekleideten Aufinauerung die mit Bronze beschlagene Geldkiste. Links am Atrium liegen verschiedene kleine Gellen 5, deren erste ursprünglich eine Schlafkammer mit Alkoven ß war, dann aber, wie die Löcher in der Wand zeigen, als apotheca diente ; hier, wie es scheint (denn die Ausgrabungsberichte sind nicht ganz klar), fand man dreizehn silberne Löffel , sechs kleinere und sieben größere, deren Griff als Ziegenfuß gestaltet ist. Auch die letzte dieser Gellen war eine apotheca^ die übrigen waren Sclavenschlafkammem. Bechts liegen keine Zimmer am Atrium, in der Mauer dagegen befinden sich zwei Thüren, deren eine schon im Alterthum vermauert worden ist, wobei man jedoch ihre Schwelle von weißem Marmor liegen ließ ; durch die andere gelangt man drei Stufen ab- wärts in das Peristyl 16. Neben dem Tablinum 6 Hegt links ein größeres, sehr einfach im letzten Stil auf weißem Grund ausgemaltes Zimmer 7, in dem ein kleiner Wandschrank y angebracht ist ; in diesem, in der Wand, ist ein Bleirohr der Wasserleitung sichtbar; rechts die Fauces 8, durch welche, wie dxirch das nach beiden Seiten ganz offene aber nach hinten um eine Stufe erhöhte Tabli- num mit Besten einer Decoration dritten Stils, man in das Peristylium 9 ge- langt. Dasselbe ist in jeder Weise sehr beschränkt, der Säulenumgang schmal, der als Viridariimi benutzte, von einer Wasserrinne umgebene Hoftaum klein; die acht Säulen von Tuff mit späterer Stuccobekleidung, deren letzte links in römischer Zeit in einen starken Doppelpfeiler von Ziegeln vermauert ist, sind durch einen pluteus, eine niedrige Brüstungsmauer, verbunden, welche oben ausgehöhlt ist, um Erde aufzunehmen, in welche Blimien gepflanzt wurden ; in der Mitte liegt ein aufgemauertes Wasserbassin; Beste der kleinen Säulen eines obem Umgangs stehn im Tablinimi. Links ist der Säulenumgang durch

332 Viertes Capitel.

ein hineingebautes Zimmer 10 verengt; hinter demselben erweitert er sich, und man gelangt von hier gradaus in ein herrschaftliches Zimmer 11, mit Malereien letzten Stils, links durch eine Thür zu den ebenfalls mit 11 be- zeichneten Wirthschaftsräumen. Von diesen ist der hinterste, mit Ausgang auf die östliche Straße [vtco del Fauno] , die durch Heerd und Abtritt gekenn- zeichnete Küche : die anderen mochten als Vorrathskammer und Sclavenschlaf- zimmer dienen. Hei d ist der Anfang der Treppe erhalten, welche vielleicht in einer Wendung nach links auf den Umgang des Peristyls, wenigstens sicher nicht gradaus führte. Im Hintergrunde des Peristyls liegt eine Exedra 12, auf deren linker Seiten wand ein mythologisches Bild sich befindet, welches (Hlbg. No. 1382 auf Aeneas bezogen wird, der von Venus die Waffen empfangt; ihm entsprachen andere, jetzt zerstörte, unter denen man die Auffindung Achills unter den Töchtern des Lykomedes (Hlbg. No. 1303) erkannt hat; eigenthüm- lioherweise liegt hier eine Cistemenöffnung. Der kleine Raum 13 enthielt wohl eine Treppe. Man sieht aus dem Überblick des Ganzen, dass dies ein völlig in sich abgeschlossenes und vollständiges Haus gewesen ist, welches einzig und allein durch die Thür im Atrium mit dem umgebauten Nachbar- hause verbunden worden.

Dieses, jB, welches im engem Sinne den Namen »Haus des Centauren « nach einem Gemälde im Tablinum trägt, ist größer und reicher in seiner Decoration und bietet in seinem Plane einige nicht unwichtige Besonderheiten. An der Stelle des Hauptraumes 1 6 lag ohne Zweifel einst ein Atrium ; doch verdient derselbe in seiner jetzigen Gestalt, nach seinen Verhältnissen , mit Viridarium und flacher Piscina , sowie nach der Form und Anordnung der umliegenden Zimmer, eher den Namen eines Peristyls als den eines korinthi- schen Atriums. Neben dem Eingang 14, in dem wir demgemäß das Posticum erkennen, obgleich er ursprünglich das Ostiiun des einst hier befindlichen Atriums ist, liegt an der Straße links ein sowohl auf die Straße wie auf den Gang des Ostium geöffiietes Zimmer 15, welches eine steile Treppe zu einer obem, wahrscheinlich unabhängigen Miethwohnung enthielt, von dem Haupte hause aber zugleich (im subscalare) , vermuthlich als Schlafstelle für den Ostia- rius, benutzt wurde. Von der Decoration des Ostium ist nur ein kleines Stück erhalten, welches einen im Kohr gehenden storchartigen Vogel erkennen lässt. Die Hausthür lag unmittelbar an der Straße. Im Hintergrunde des schon erwähnten Viridariums steht eine Marmorbasis für eine Brunnenstatue €, die aber so wenig aufgefunden wurde, wie zwei Statuetten in Nischen des Tabli- num , wahrscheinlich also von den Besitzern des Hauses nach der Katastrophe ausgegraben worden ist. Dass im Nachbarhause C Nachgrabungen angestellt sind, ist wenigstens sicher. Vor der Basis e ist noch ein flaches Bassin für Wasser mit zwei kleinen Löchern in die Kinne um das Viridarium. Die sechszehn gemauerten und mit weißem Stucco bekleideten Säulen haben be- malte Capi teile, von denen ein Exemplar bei Zahn II, 19 abgebildet ist. An dem breiten Säulenumgang liegen nur sehr wenige Zimmer. An der Straßen- seite sind 1 7 und 1 8 beide in fast gleicher Weise im dritten Stil auf schwarzem Grunde ausgemalt; 17 ist eine Schlaf kammer, 18 eine Exedra. Die Wand des Atriums rechts ist von einem weiten Eingang nicht in ein Zimmer, sondern in

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 20. Cam del centauro, 333

eine eigene Abtheilnng des Gebäudes durchbrochen, in der man, vielleicht nicht mit Unrecht, die Frauenwohnung hat erkennen wollen. Jedenfalls ist dies der privateste Theil des Hauses, erbaut auf dem Boden einer einst selbständigen kleinen Wohnung, welche, wie schon oben bemerkt, bereits in der TufEperiode mit der Casa del Centauro vereinigt, später aber durchgreifend umgebaut wtirde. Den Mittelpunkt bildet das kleine Viridarium 19 mit dem Brunnen, von dessen Säulenumgang aus zwei Zimmer 20 und 21 durch breite Fenster Licht erhielten, aus welchen man zugleich die Aussicht auf die grü- nenden Pflanzungen hatte. Die Hinterwand des Zimmers 20, eines iriclinium fene$tratum^ ist bei Zahn II, 74 farbig abgebildet. Sie zeigt auf schwarzem Grunde ziemlich einfache architektonische. Pflanzen- und Thieromamente dritten Stils und macht einen wenig heitern Eindruck. 22 ist eine apotheca. Aus dem Peristylium zweigt sich ein schmaler gewölbter Grang 23 ab, welcher allmählich geneigt zu den Kellerräumen dieser Wohnung führt, welche sich mit jetzt eingestürzten Wölbungen soweit der Plan schraffirt ist unter No. 27, 29, 30 und 31 befinden. In diesen durch Fenster auf den Vico del Fauno erleuchteten Kellerräumen befindet sich die Küche, wo neben dem Heerd ein kleiner Altar an der Wand steht, auf welche über demselben das Larenbild gemalt ist. Über dem sich senkenden Gange 23 führte ein anderer, jetzt ein- gestürzter Gang, etwas höher als die Haupträume, um für den untern Platz zu lassen, zum Posticum auf den Vico del Fauno: neben dem Zugange des untern Ganges erreichte man den obem auf einer schmalen Rampe. Neben dem Eingang in die eben besprochene Abtheilxmg der Wohnung liegt am großen Peristyl 16 ein Cubiculum 24, welches außer durch die Thür noch durch ein Fenster Licht erhält. Unmittelbar an dieses Zimmer grenzt ein Baum 25, der einzig in seiner Art in Pompeji ist. Es ist dies nämlich ein vom durch eine niedrige Brüstungsmauer, in deren Marmorplatte die Spxiren eiserner Riegel sichtbar sind, abgeschlossener Raum. Auf die wunderlichen Vermuthungen, als sei hier ein Behälter für wilde Thiere, oder ein Bad, oder ein Zimmer für Blumen gewesen, brauchen wir nicht einzugehen, da die wahre Bestimmung des Raiunes hinlänglich klar ist. Die Brüstungsmauer ist 0,57 M. hoch; in der Höhe ihres Randes laufen viereckige Balkenlöcher um alle drei Wände ; die hier eingelassenen Balken trugen also wohl unzweifelhaft einen hölzernen Fußboden ; in der Hinterwand finden wir übet einander zwei weitere Reihen viereckiger Löcher, in welchen Balken für Bretter oder schrankartige Kasten befestigt waren. So ist das ganze offenbar nichts anderes als ein großer, der Feuchtigkeit wegen über den Boden erhöhter Wandschrank.

Die Rückseite des Peristyls ist, weil hier noch ein Garten folgt, ziemlich so angeordnet, wie es bei der Rückseite der Atrien der Fall zu sein pflegt. Die tablinumartige Exedra (wir nennen sie der Deutlichkeit halber Tablinimi) 26, nach vom ganz offen, nach hinten halb geschlossen, war prächtig mit zwei großen ausgehobenen Gemälden geschmückt, von denen dasjenige rechts I Hlbg. No. 1146) Herakles mit den Kentauren Nessos in einer in Pompeji wiederholt vorkommenden Weise darstellend, dem Hause den Namen gegeben hat. Auf der Wand gegenüber sind Meleagros und Atalante, den getödteten kalydonischen Eber vor ihren Füßen, gemalt (Hlbg. No. 1165). An den Seiten

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des breiten Ausgangs nach hinten sieht man zwei blau gemalte Nischen für Statuetten , welche aber so wenig wie die Figur auf der Basis im Peri- styl aufgefunden worden sind. Dagegen war dieses Haus besonders reich an mancherlei , zum Theil sehr schönem Hausgeräth , Candelabem , Vasen, Wagen u. dgl. m.

Links neben dem Tablinum, dessen Boden mit weiß und schwarzem Mosaik und in dasselbe eingelegten bunten Marmorstückchen bedeckt ist, welche regelmäßige Figuren bilden, liegt ein geräumiges Triclinium 27 mit einem doppelten Eingang aus dem Tablinum und aus dem Peristyl des Hinter- hauses, auf dessen Viridarium ein breites, jetzt mit dem hintern Theile der Mauern zusammengestürztes Fenster sich öffnete. Der Fußboden dieses Saales, dessen Wände sehr einfach im dritten Stil bemalt sind , enthielt eines der schätzbarsten Mosaike, welche wir aus Pompeji besitzen und auf das wir zu- rückkommen werden, jene bekannte Darstellung eines von Eroten gebändigten Löwen, abgebildet unter anderem bei Zahn II, 93. Dies Bild, nind^ von 2,30 M. Durchmesser, lag in der Mitte des Bodens, wurde 1829 in Gegenwart des Königs und der Königin von Sardinien entdeckt und ist in das Museum in Neapel gebracht worden. Rechts am Tablinum haben wir die Fauces 28, die hier die Gestalt eines von vom und hinten und auch aus dem Tablinum zu- gänglichen Zimmers haben und reicher als gewöhnlich decorirt sind. Das in Folge des Einsturzes der Gewölbe des darunter liegenden Kellers unbetretbare und nebst den angrenzenden Räumen bis fast zur Unkenntlichkeit zerstörte Peristyl 29 xmd Viridarium 30 sind sehr beschränkt. Nur eine Reihe von \ier Säulen, deren beide äußerste noch vermauert sind, öffnet den Zugang zum Viridarium, neben dem rechts eine Piscina lag. In der Mitte der Hauptwand des Viridarium ist, jetzt kaiun noch erkennbar, eine lebensgroße Nereide auf einem Seepferd gemalt. Neben dieser führt ein hinterer Ausgang des Peristyls 31, neben dem Posticum, auf den Vico del Fauno, Diesem Ausgang gegen- über finden wir in 32 eine früher nur vom Peristyl aus, jetzt gar nicht mehr erreichbare Exedra. Hier ist die eine Marmortäfelung nachahmende Decora- tion ersten Stils erhalten , welche aber in der Gliederung der Wände dmch flache Pilaster mit eigenthümlichen , an diejenigen des Athenatempels von Priene erinnernden Capitellen, über denen ein freilich nicht ganz reiner dori- scher Fries mit Triglyphen und Metopen liegt, wieder ihr ganz Besonderes hat. Eine ganze Abtheilung dieser Wand ist abgebildet im Mus. Borb. VI, tav. AB unter E,

(No. 21.) Die Wohnung C, mit welcher 2> verbunden ist, die Casa del questore oder dei Dioscuri, 1828 und 1829 ausgegraben, ist nicht allein die größte und reichste dieses Complexes, sondern nimmt nach der Schönheit und Pracht ihrer Decoration eine der ersten Stellen unter allen Häusern Pompejis ein. Den ersten Namen empfing das Haus von drei Geldkisten im Atrium, natürlich ohne jegliche Gewähr, zumal es in Pompeji zu der Zeit, welcher das Haus in seiner uns vorliegenden Gestalt angehört, keine Quaestoren gab; der zweite Name, welcher überwiegend im Gebrauche ist, bezieht sich auf ausgehobene Gemälde der Dioscuren rechts und links im Ostium (Hlbg. No. 963).

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 21. Casa del quesiore, 335

Die Fa^ade des Hauses hat ein heitereres Aussehn , als die mancher anderen, wenngleich auch sie nur einförmig und durch die zwei kleinen Fenster der Zimmer an der Straßenfront wenig belebt ist; aber man hat durch Farbe zu helfen gesucht, den in Quaderform gearbeiteten Bewurf mit einem mannshohen rothen Sockel verziert und die darauf folgenden in Stucco nachgeahmten weißen Quadern mit zierlichen Rändern eingefasst. Auf den rechten Thürpfeiler war ein jetzt ausgehobener Mercur (Hlbg. No. 181 gemalt, der mit dem Beutel in der Hand von der Fortuna ausgesandt wird, um einem Günstling die Schätze der Göttin zu bringen, der also wahrscheinlich die Wohnung eines Kaufmanns bezeichnet. Die Schwelle des Hauses liegt zwischen zwei Anten unmittelbar an der Straße. In der Mitte des lebhaft gelb, blau und roth mit schwebenden Figuren bemalten Ostium 33 befindet sich ein Stein mit runder Öffiiung, welcher zur Reinigung des unter dem Boden fortgeführten Wasserabzugs diente und sich ebenso in manchen anderen Häusern wieder- findet (oben S. 255) . Rechts öfiiiet sich eine Thür in einen dunkeln, nur 2 M. hohen Raum 34, welcher einen Abtritt und eine Treppe in ein oberes, durch ein Fenster auf die Straße erleuchtetes Zimmer enthielt ; ohne Zweifel war dies der Aufenthalt des Ostiarius, welcher also hier durch das Fenster des obern Raumes die vor der Thür stehenden in Augenschein nehmen konnte. Links vom Eingange finden wir ein nach dem Atrium geöffnetes kleines, elegant bemaltes Cubiculum 35. In ihm sieht man eine flache Nische, welche einen Schrank enthalten haben wird, und links neben der Thür füllt den Hinter- grund eine Erhöhung (0,09 M.) für ein sehr breites Bett. Die weißen Wände sind mit Architekturen letzten Stils geziert, von denen Zahn II, 89 eine farbige Probe giebt ; von den sie schmückenden Einzelfiguren sei in der obern Abthei- lung ein Poseidon (Hlbg. No. 171) und eine als Hera mit zweifelhaftem Rechte benannte Figur (Hlbg. No. 160) hervorgehoben. Neben diesem Zimmerchen ist eine kleine Geräth- oder Kleiderkammer 36, mit eigener Thür ver- schließbar. Das ausnahmsweise quadratische Atrium, dessen Eingang vom Ostium her wieder von zwei Pilastem flankirt wird, 37, ist korinthisch und eines des geräumigsten und schönsten in ganz Pompeji; zwölf Säulen mit unten rothen, oben weißen und cannellirten Schäften und jetzt nicht mehr vorhandenen bemalten Capitellen umgeben das Impluvium, an welchem seit- wärts das Puteal der Cisteme und in der Mitte der hinteren Säulen ein Posta- ment für eine nicht aufgefundene Statue steht. Übrigens stammt das Atrium aus der Tufiperiode und sind die Tuffsäulen erst später in der angegebenen Weise übertüncht worden. Der bedeckte Umgang ist fast 3 M. breit; die Malerei seiner Wände ist dadurch merkwürdig, dass hier eine übrigens ziem- lich einfache Decoration dritten Stils auf rothem und gelbem Grunde nur rechts hinten bei ^, durch einen Schrank geschützt, erhalten, im übrigen aber in der letzten Zeit Pompejis, weil der Besitzer an dem altem Stil Gefallen fand, erneuert worden ist. Die Wände sind ringsum mit Gemälden bedeckt gewesen, von denen allerdings wenig zurückgeblieben ist. Jedoch rühren nicht alle leeren Stellen der Wände von modernen Aushebungen vorgefun- dener Bilder her ; ihrer mehre sind vielmehr bei der Ausgrabung leer gefunden worden, waren also antiker Weise hergerichtet um in dieselben den Marmor-

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stucco für die nach Vollendung der Wanddecoration zu malenden Bilder ein- zufügen. Auf der Wand a war Fortuna mit Füllhorn und Steuerruder (Hlbg. No. 942), auf derjenigen h Hakchos mit einem Satyrknaben (Hlbg. No. 400) gemalt ; die Wand c zeigte Demeter ^Hlbg. No. 176) , diejenige d an der andern Seite des breiten Eingangs in das Peristylium, ApoUon die Leier spielend illlbg. No. ISl); über der erwähnten Thür ist in der Mitte ein Panisk mit einem Hermaphroditen ;Hlbg. No. 1370), zu beiden Seiten sind Landschaften gemalt ; dies Alles ist bis auf die an Ort und Stelle zu Grunde gegangenen Landschaften jetzt ausgehoben. Weiter folgte, jetzt ebenfalls im Museum zu suchen, bei e Kronos mit der Sichel in der Hand (Hlbg. No 96); beiy^ist eine schwebende Siegesgöttin mit einem Kranz und einem Schilde, auf dem die bekannten Buchstaben S. C. [senattis consultum, senatus consulto) stehn (Hlbg. No. 909), noch heute vorhanden. Auch auf den schmalen Wandfiächen der gegenüberliegenden Seite fehlten ähnliche Einzelfiguren nicht, von denen aber nur ein Ares iHlbg. No. 273) erkennbar und am Orte ist, während unter den hier ausgehobenen der sitzende. Von der Nike bekränzte Zeus (Hlbg. No. 102) als besonders großartig erfunden hervorgehoben werden muss. Die Malereien des Atriums stehen aber sowohl an Kunstwerth wie an Bedeutsamkeit des Gegenstandes gegen mehre Bilder der anderen Gemächer dieses Hauses zurück. Bevor wir diese durchwandern, müssen wir uns noch die drei im Atrium bei g g g aufgestellten Geldkisten, von denen jetzt nur noch die ge- mauerten Fundamente vorhanden sind, etwas näher betrachten. Dieselben '^^j waren von starkem und dickem Holze, im Innern mit Kupfer ausgeschlagen, äußerlich mit bronzenen Platten belegt, in welchen theils reine Ornamente, Maeander, Arabesken, Blätterwerk, theils figürliche Reliefe ausgetrieben waren, die aber, schon bald nach der Ausgrabung durch einander geworfen, bis jetzt nicht näher bekannt sind. In der großem, reicher decorirt gewesenen fand man 45 Gold- und 5 Silbermünzen, in den kleineren kein Geld, sondern nur in einer derselben einen liegenden Himd in Relief von Bronze und eine Fortunen- büste von gleichem Material. Die schon erwähnte in der rechten hintern Ecke verdient wegen ihrer mehr hohen als breiten Form mehr den Namen eines Schranks als den einer Kiste. Von den das Atrium umgebenden Gemächern ist dasjenige 38 an der Straße ein hübsch, mit dem Schlafzimmer 35 übereinstim- mend ausgemaltes kleines Triclinium. Seine hintere Hauptwand, dem Eingange gegenüber, war in der Mitte durch ein ausgehobenes Gemälde geschmückt, welches Selene und Endymion darstellt (Hlbg. No. 960), während zu beiden Seiten desselben auf den Nebenfeldem des architektonischen Gesammtoma- ments sich schlecht erhaltene, schwebende Bakchantinnen finden und unter dem Fenster auf der Wand nach der Straße die Spuren eines sich im Quell be- schauenden Narkissos (Hlbg. No. 1364) noch erkennbar sind. Auf dies größere folgen zwei kleinere Zimmer 39, deren zweites in einer schmalen Nische rechts vom Eingange einen Wandschrank enthielt, während in dem ersten an den Aus- höhlungen in den Wänden der Platz eines an der Rückwand stehenden Bettes kenntlich ist. Die Ala 40 war durch einen großen Schrank ausgefüllt, dessen Unterbau als Stufe an den Wänden hinläuft; durch ihn geschützt ist hier eine einfache, Marmortäfelung nachahmende Malerei zweiten Stils erhalten

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 21. Casa del quesiore. 337

worden, während das Atrium zur Zeit des dritten und wieder zur Zeit des letzten Stils neu ausgemalt wurde. Auf der Rückseite des Atriums finden wir nach den Fauces 41, neben denen die Treppe liegt, ein schönes, nach beiden Seiten ganz offenes Tablinum 42 von 5,30X4,80 M., dessen Boden mit weißem, schwarzgerandetem Mosaik belegt ist und dessen beide Wände mit sehr reicher und prächtiger Malerei bedeutsamen Inhalts geschmückt waren. Die ganze Wand rechts, letzten Stils mit blauen Feldern, ist bei Zahn II, 23 abgebildet, die einzelnen Ornamente farbig auf Taf. 75; das ausgehobene Mittelbild stellt die Entdeckung Achills durch Odysseus unter Lykomedes* Töchtern auf Skyros dar (Hlbg. No. 1297), und ihm entsprach auf der in gleicher Weise decorirten Wand links als Hauptgemälde in der Mitte die firagmentirt ausgehobene Darstellung der bekannten Scene des ersten Buches der Ilias, wo Achill mit Agamemnon hadernd gegen den König sein Schwert ziehn will, von Pallas aber zurückgehalten wird (Hlbg. No. 1307). Dieselben "beiden Gegenstände finden wir in der Casa dt Apolline in merkwürdigen Mo- saikgemälden einander ebenso entgegengesetzt; wenn auch die Gegenüber- stellung derselben hauptsächlich durch Ähnlichkeit in der Composition und in der Bewegung der Hauptfiguren veranlasst sein mochte, so wollen wir doch auch den tiefem Sinn nicht verkennen: dort der Augenblick, wo die Griechen mit Mühe und List den gewaltigen Peliden gewinnen, ohne den sie nicht hoffen, Ilion einzunehmen, hier Achills Trennung von der gemeinsamen Sache der Griechen, jener Groll, der

»den Achaeem unnennbaren Jammer erregte Und viel tapfere Seelen der Helden sandte zum Hades.«

Die Seitenfelder zeigen schwebende Gruppen je eines Bakchanten und einer Bakchantin (Hlbg. No. 515. 522. 52^. 529), auf der linken Wand noch vor- handen, rechts ausgehoben.

Rechts neben dem Tablinum ist das Triclinium 43 , welches aus dem Atrium betreten wird, aber aus dem Peristyl durch ein großes Fenster Licht erhält. Es ist reich und prächtig, ganz ähnlich wie das Tablinum, auch auf blauem Grunde, ausgemalt. Hier ist namentlich ein Gemälde an der Wand gegen das Tablinum bemerkenswerth , welches gewöhnlich als des Kindes Achill Eintauchimg in den Styx durch seine Mutter gedeutet wird, aber schwerlich wirklich diesen Gegenstand darstellt (Hlbg. No. 1390). Auch Thetis mit den Waffen für ihren Sohn auf einem Seeross reitend (Hlbg. No. 1321) und gegenüber Arion auf dem Delphin (Hlbg. No. 1377) kommt hier vor, und in kleinen Medaillons tanzende imd verschiedene Instrumente spielende Eroten. Auch an der Wand gegen das Atriimi ist ein größeres Gemälde, welches erst neuerlich seine richtige Deutung: Minos und Skylla (Hlbg. No. 1337) erhalten hat. Viel weniger reich und elegant im letzten Stil auf weißem Grunde decorirt ist ein auf der andern Seite neben den Fauces ge- legenes imd ebenfalls aus dem Peristyl beleuchtetes aber kleineres Zimmer 44, an dessen Hinterwand, bestens erhalten, ApoUon und Daphne (Hlbg. No. 208) gemalt sind, während rechts kaum in Spuren erhalten Adonis (Hlbg. No. 344) und links Silen mit dem Bakchosknaben (Hlbg. No. 378) die Wand ziert i^»).

Das Peristylium 45 ist ein nur unvollständiges, indem nur die vordere

OTerbeck, Pompeji. 4. Aufl. 22

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Säulenreihe, einstmals in ihren Intercolumnien mit einem hölzernen Gitter verschlossen, frei steht, während links und hinten Halbsäulen aus den das Viridarium umgebenden Mauern vorspringen. Recht« fehlen auch diese; hier tritt an die Stelle der Porticus ein schmaler, mit opus Signinum gepflasterter Gang, welcher durch das vorspringende Dach der Räume 46,47 bedeckt imd Yom Viridarium durch ein in Steinen mit viereckigen Löchern stehendes, 0,75 M. hohes Gitter getrennt war. Vor dem Säulengang ist eine Brunnenöffiiung, um das Wasser aus der Cisterne zu ziehn, auch steht hier ein Marmortisch mit Löwen- fiißen. An der Rückseite des Viridariums befindet sich ein kleines zweisäuliges Tempelchen mit der Basis einer in Fragmenten gefundenen und nicht mehr vorhandenen Statuette, deren Kopf dem der Isis aus dem Tempel dieser Göttin gleichen soll ; vor dem kleinen Heiligthume stand ein kleiner Altar aus Tuff, auf welchen die Opfergaben niedergelegt wurden. Auch in diesem Räume fehlt der malerische Wandschmuck nicht ; unter dem Säulengang an den Mauerr pfeilem des Tablinums entsprachen einander ein paar jetzt entfernte Lust- spielscenen (Hlbg. No. 1465. 1470); außen an der Wand des großen Tricliniums oder Oecus 46 rechts vom Viridarium ist einerseits links neben dem großen Fenster eine Landschaft mit Staffage, ein Opfer darstellend (Hlbg. No. 1556) gemalt, andererseits, an der Schmalwand der Porticus die bekannte Geschichte von Phaedra und Hippolytos (Hlbg. No. 1242) , während eine lo (Hlbg. No. 133) ausgehoben ist und auf der Ilinterwand des Viridariums Baume und Sträucher mit Blumen und flatternden Vögeln, in Spuren erhalten, den beschränkten Raum des Viridariums scheinbar zu er weitem bestinunt sind, wie das in Pom- peji noch mehrfach vorkommt.

Von den Gemächern, welche von der Porticus aus ihren Zugang haben, wurde schon erwähnt das Sommertriclin^ium oder der Oecus 46, neben dem der Gang zur Hinterthür 47 vorbeiführt. Vielfache und bedeutende Licht- öffiiungen nach allen Seiten, die man im Plane erkennen kann, und die Aus- sicht auf die beiden Viridarien des Hauses machten ihn zu einem der heitersten und luftigsten Räume in Pompeji. Zugleich war er eins der am kostbarsten ge- schmückten Gemächer der Stadt ; nicht mit bemaltem Stuck waren seine Wände bekleidet, sondern mit jetzt allerdings bis auf einzelne Spuren verschwundenen Platten vielfarbigen Marmors : eine Decoration, welche in Rom erst in Caesars Zeit durch Mamurra (s. obenS. 250) aufkam. Die daneben gelegenen Zimmer 48 können als Cubiculum mit einem Vorzimmer gelten ; der schöne Mosaik- fußboden des erstem stammt aus einer Zeit, wo die Räume ganz anders ver- theilt waren : er gehörte da,mals einem großen Triclinium an, welches auch das Vorzimmer und einen Theil des Oecus 46 umfasste, welcher letztere also erst später, vermuthlich in der letzten Zeit Pompejis angelegt worden ist. Auf der andern Seite des Säulenganges finden wir in 49 nach der Ansicht einiger Schriftsteller ein geräimiiges Schlafzimmer, während dasselbe Anderen im- gleich wahrscheinlicher für ein Wintertriclinium gilt, das sein Licht von oben empfangen haben muss. Von der Malerei seiner Wände gilt dasselbe wie von der des Atriums (oben S. 335) : die Decoration dritten Stils ist nur im obem Theil wirklich erhalten, während sie unten zur Zeit des letzten StUs erneuert worden ist. Von den Bildern erwähnen wir eines an der Eingangswand, welches Narkissos

Die Privatgebäude. Die Wohnhäufler. No. 21. C<isa del queatore. 339

(Hlbg. No. 1366), und ein anderes an der Wand rechts von der Thür, welches nach einer frühem Deutimg Hektor und Paris, nach dem sechsten Gesänge der Ilias 325 341, nach richtiger Bestimmung dagegen ApoUon mit einem hier so wenig wie in anderen Fällen benennbaren Geliebten darstellt, außer- dem Ornamente, welche bei Zahn II, 49 farbig abgebildet sind. Neben diesem Zimmer liegt die Küche 50 mit wohlerhaltenem Feuerheerd, Resten einer Larencapelle und einer Treppe zum obem Geschoss ; in 5 1 ist ein Durchgang mit einer Wandschranknische links neben dem Eingange ; hinter diesem be- findet sich in 51' noch ein geräumiges, einfach ausgemaltes Gemach mit einem Fenster in das Viridarium, und in 52 haben wir den hier, wie vielfach, neben der Küche angebrachten, durch zwei kleine Lichtöffnimgen und ein größeres Fenster von der Straße erleuchteten, merkwürdig großen und mit unten rothen, oben weißen, roth getheilten Wänden stattlich decorirten Abtritt. In der Ecke der Treppe gegenüber ist in der Küche ein Ausguss mit einer aus dem Oberstock herabkommenden Thonleitung, vor der Kammer 51 in der Wand eine Cistemenöffhung.

Wenn für ein so großes und reiches Haus wie dieses das Viridarium mit der Hauscapellennische klein und unbedeutend erscheint, so ist diesem Mangel abgeholfen durch ein zweites Peristyl 53 mit Garten und Piscina, in der ein Springbrunnen plätscherte; dies liegt, wie in der Casa di Meleagro (oben No. 16) und in der eben besprochenen Casa del Centauroj neben der Haupt- abtheilung der Wohnung und steht sowohl mit den beiden Atrien 37 und 60 als mit dem Peristyl 45 durch Durchgänge in Verbindung; auf dasselbe öffnen sich die schon besprochenen Zimmer 46 und 48. Sehr ausgedehnt ist es frei- lich nicht, doch bot es ohne Zweifel für die im Triclinium gelagerten Gäste eine reizende Aussicht, für die Hausbewohner einen ausgesuchten Spaziergang. Der Umgang farbiger Säulen mit seinen in lebhaften Farben (Roth, Gelb, Grün, Schwarz) reich bemalten Wänden, das schöne , tiefe Bassin des Fischteiches mit dem Springbrunnen, die Pflanzen des Gartens, in welchem noch ein klei- neres, viereckiges, auch wohl sicher einen Springbrunnen enthaltendes Bassin angebracht ist : alles das zusammen musste diesem Peristyl einen ganz eigen- thümlichen Reiz verleihen. Es ist einer der Räume, in welchen uns die Bequemlichkeit und Heiterkeit dieses antiken Lebens so recht fühlbar vor die Seele tritt. Wir bemerken noch, dass wir hier nicht die gleichmäßig ringsum laufenden Säulenreihen finden, wie sie in früherer Zeit, namentlich in der Tuffperiode üblich waren. Schon der Plan zeigt die in zwei Halbsäulen aus- laufenden Eckpfeiler, zwischen denen auf den Schmalseiten gar keine Säulen standen ; dazu kommt aber noch ein beträchtlicher Höhenunterschied zwischen den Lang- und Schmalseiten, indem die Eckpfeiler mit ihren den Schmalseiten zugewandten Halbsäulen 4,03 M., die Säulen und Halbsäulen der Langseiten nur 3,26 M. hoch waren. Ein solches Streben nach Abwechselung begegnet uns in Bauten der letzten Periode nicht selten; hier war ohne Zweifel die Rücksicht auf die große Öffiiimg des Tricliniums 46 maßgebend.

Der Gemäldeschmuck ist sehr interessant. Rechts und links vom Ein- gange aus dem Atrium setzen sich (noch vorhanden) jene Einzelfiguren fort, welche wir im Atrium gefunden haben, dort [h) in einer Venus Pompeiana mit

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dem Genius (Hlbg. No. 295), hier (i) in einer schwebenden Bakchantin mit Thyrsos und Tamburin (Hlbg. No. 481), einer der schönsten und großartigsten dieser schwebenden Einzelfiguren. Als männliche Gegenstücke finden wir gegenüber rechts und links neben dem Durchgang in das kleine Nebenhaus hier (k) einen bewegt vorschreitenden bewaffneten Jüngling oder Heros im- gewisser Deutung (Hlbg. No. 1830), dort (/), zerstört, einen Krieger, der den Schild hoch erhebt und das Schwert zum Streiche bereit hält, und der durch die kühne Verkürzung, in der sein Gesicht gemalt ist, besonders merk- würdig wird (Hlbg. No. 1834). Eine Einzelfigur schmückt endlich noch einen jener Pfeiler, welche an den Ecken des Peristyls anstatt der Säulen die Decke tragen, beim eine Priesterin mit einer Schlange (Hlbg. No. 1819), während auf dem entsprechenden Pfeiler n ein heiteres Bildchen gemalt ist, ein Knabe, der einen Affen tanzen lässt (Hlbg. No. 1417). Auf der äußern Fläche der Pfeiler gegen das Triclinium befand sich (jetzt ausgehoben) rechts bei o Medea im Begriffe ihre Kinder zu tödten, welche in kindlicher Unschuld unter der Aufsicht des Paedagogen Knöchel spielen (Hlbg. No. 1262), links bei p (auch ausgehoben) eine der häufig wiederholten Darstellungen der Befreiung Andro- medas durch Perseus (Hlbg. No. 1186). Das meiste Interesse aber von den Gemälden dieses Hauses nehmen zwei Gegenstände auf der Fläche der beiden anderen Eckpfeiler y, r in Anspruch. Beide stellen (jetzt im Museum, Hlbg. No. 1154) golden gemalte Dreifüße dar, auf deren Querstäben die ApoUons und Artemis' Pfeilen unterliegenden Kinder Niobes, links sieben Söhne, rechts sieben Töchter angebracht sind. Endlich nennen wir noch (ebenfalls ausgehoben) einen Bakchos mit einem Satyrn (Hlbg. No. 399) auf der Wandfläche s neben dem breiten Eingang vom Triclinium, sowie eine weitere Reihe von Compositio- nen und Einzelfiguren, von denen die folgenden noch an Ort und Stelle, andere ausgehoben oder bis auf geringe Reste zerstört sind : bei t eine WaflEhung Achills (Hlbg. No. 1 323) , bei u ein Jüngling neben einem Pferde (Hlbg. No. 1841), gegen- über bei V ein bewafiheter Jüngling (Hlbg. No. 1835) , endlich bei x ein sitzen- des und wie aufmerksam lauschendes Mädchen (Hlbg. No. 1886). Außerdem sind als Nebenbilder an den untergeordneten Stellen dieser Wände in dem Ornament eine Menge kleiner Darstellungen angebracht, welche sogenanntes Stillleben enthalten : eine Taube, welche eine Ähre aus einem Korbe zieht, zwei gebun- den liegende Antilopen, Wasserhühner, ein todtes Rebhuhn neben einem Korb mit Feigen, ein Schwan, ein Korb mit Früchten, ein todtes Ferkel u. dgl.mehr.

Von den umliegenden Räumen ist außer den schon besprochenen Zim- mern der Ostseite noch das kleine Cubiculum an der Nordostecke (ohne Nummer) zu erwähnen. Es war mit flachgewölbter Verschalung bedeckt, hat einen weißen Mosaikfußboden mit schwarzem Rande und auf den Wänden eine Malerei letzten Stils auf schwarzem Grunde.

Aus diesem Peristylium gelangt man endlich in das kleine Nebenhaus D, welches in seiner ganzen Einrichtung Manches enthält, was den Gedanken zu unterstützen scheint, den man zur Erklärung der Doppelhäuser unter anderen ausgesprochen hat, dass nämlich die kleineren Nebenwohnungen für die Dienerschaft der Haupthäuser benutzt worden seien. Erweislich ist freilich eine solche Bestimmung auch hier nicht, und es darf nicht verschwiegen

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 21. Casa del quesiore. 341

werden, dass der wenngleich verhältnissmäßig bescheidene Schmuck dieser Abtheilung für eine Diener- d. h. Sclavenwohnung doch zu bedeutend erscheint. Das ursprünglich ganz selbständige Haus hat seinen eigenen Eingang von der Straße 54 behalten, neben dem jechts die Küche 55 mit wohlerhaltenem ge- mauertem Heerd (über demselben sind zwei Schlangen gemalt) , und der Trep- penraum 56 liegt, in welchem sich auch ein Abfluss für das Wasser der Küche und der Abtritt befindet. In Betreff dieser Räume und der folgenden Zimmer 5 7 , 58, 59 ist bemerkenswerth, dass sie nicht von gleicher Höhe sind. 56 oind 57 sind niedrig (2,40 M.) , um Baum für obere Säume zu gewinnen, während 55 und 58 höher sind. 57, mit einem ganz kleinen Fenster auf die Nebengasse, den Vicolo di Mercurioy und mit sehr bescheidener Decoration, gelben, von dun- keln Pfeilern getrennten Wandfeldem ohne Bilder, scheint ein Cubiculum gewesen zu sein ; hier fand man eine Fülle von wohl nur zufällig hierher gekommenen Geräthen und Gefäßen, Bronzevasen mit eingelegtem Silber- omament, Candelaber, ein Bäucherfass {acerra)^ bronzene Schüsseln^ Bade- kratzen, «in Feuerfass, eine Wage, eine kleine eiserne Hacke u. dgl. mehr. Etwas eleganter ist die Decoration von 58 mit einem großem , höher an- gebrachten Fenster nach der Straße, und das dritte, welches am 15. November 1828 in Gegenwart des Königs Friedrich Wilhelm IH. von Preußen ausgegraben wurde, der auch die mancherlei in demselben gefundenen Geräthe vom Könige von Neapel zum Geschenk erhielt. Dies die Zimmer rechts an dem einfachen und schmucklosen tuscanischen Atrium 60, in dessen Hintergrunde ein kleines mit opus Signinum geplattetes Tablinum 61 mit schwarzen Wänden und zerstörten kleinen Bildern , ein als Fauces dienendes Gemach 62 und ein an einer Aushöhlung in der einen Wand kenntliches Cubiculum 63 mit gelben Wänden und leichten Architekturen liegen. Die linke Seite des Atriums ist nur von der Wand mit dem Durchgange in das größere Haus C begrenzt, während an der Vorderseite links vom Eingange ein einziges, einfach auf gelbem und rothem Grunde ausgemaltes Cubiculum 64 liegt. Aus den Fauces gelangt man rechts in ein Triclinium 65 mit rothen und gelben Wand- flächen und der Aussicht auf das kleine Viridarium, neben dem eine Cistemen- öffiaung liegt. Die Decke des Umganges um dies Viridarium 66 wird nicht von Säulen, sondern nur von ein paar Pfeilern getragen. Auf den Umgang öffoet sich eine Keihe kleiner Schlafzimmer 67, welche in ihrer Schmucklosig- keit und Gleichförmigkeit für die der Dienerschaft gelten mögen. Hinter dem Tablinum liegt eine Art von kleiner Exedra 68', fast nur eine Nische oder Grotte mit einfach im zweiten Stil gemalten Wänden (während sonst dieser ganze Theil des Hauses nur Malereien letzten Stils hat), kleinem Stuccocamies und niedriger Decke, deren Balkenlöcher erhalten sind; an den drei Schlaf- zimmern vorbei gelangt man in einen großen Baum 69, dessen Decke durch einen Pfeiler in der Mitte gestützt wurde und welcher einen fahrbaren, ge- pflasterten, jetzt vermauerten Ausgang auf die hintere Straße, den Vico del Fauno hatte und ohne Zweifel als Stall und Kemise gedient hat. Links endlich neben diesem Stall, doch ohne Verbindung mit demselben, sehn wir noch zwei kleine Schlafzimmer 70, in welche man gradaus durch die jetzt verbaute Fort- setzung des Ganges zu 69 und durch einen Gang gelangt, der, durch ein Hinter-

342

Viertes Capitel.

fenster erleuchtet , am Ende über eine Eampe 7 1 anstatt der Treppe zum Posticum der Hauptwohnung C fuhrt. Auch dies sind offenbar Sclavenzimmer gewesen. (No. 22.) Hinter den beiden eben besprochenen Häusern, jedoch mit dem Eingang nicht aus dem breitem Vico del Fauno , sondern von dem engen Vicolo dl Mercurio aus, liegt ein Haus mit zwei Atrien, die 1834 gefundene

aber besonders 1835 ausgegrabene Casa del Ldberinto (VI, 11, 9 und 10; No. 45 im I ^ r— T..,,^ ■— i-- Plan) , welches zu den bekanntesten von Pom- ""PJ ^ I, , , }. ^ I peji gehört. Es ist in der Tu%eriode, wohl ^^^ ^ ** iH! . '^— J gegen das Ende derselben, nach fast vollstän- diger Wegräumung älterer Häuser , nach einem klaren und übersichtlichen Plan erbaut worden ; nur die Front des rechten Atriums und das vorspringende hinterste Stück der rechten Wand sind Reste älterer Bauten^**). Die ursprüngliche Decoration ersten Stils Nachahmung einer Marmortäfelung durch plastische Stuckarbeit ist nur in dem rechten Atrium 27 und in einigen anliegen- den Räumen erhalten. Nicht allzu lange nach der Deduction der römischen Colonie wurden in den Wirthschaftsräumen (11 22) einige V^eränderungen vorgenommen , namentlich auch das kleine Bad 20 22 eingerichtet, und das ganze Haus, mit Ausnahme der erwähnten Säimie am rechten Atrium, im zweiten Stil ausgemalt, welche Decoration nur in wenigen Bäumen (z. B. in dem Bade) durch spätere Malereien ei^etzt worden ist. Ihr sind wahrscheinlich die zum Theil sehr schönen Mosaikfußböden gleich- zeitig. Die rechte Vorderecke endlich ist in Folge des Erdbebens vom Jahre 63 neu aufgebaut worden. Die Orientirung ist leicht und lässt sich kurz abthun. 1 Eingang , Ostium , mit derselben doppelten Eingangseinrichtung, wie sie in dem Hause des M. Epidius Rufus (oben No. 14) besser erhalten ist. An demselben liegt rechts der Treppenraum 2, der, nach seiner Größe zu urteilen, auch entweder als Vorrathskammer oder als Schlafzimmer für Sclaven gedient hat. Das tuscanische Atrium 3, hinter dessen Impluvium der gemauerte Rest einer Statuenbasis steht, ist ein Nebenatrium, weniger regelmäßig gestaltet als das andere (27), und vermittelt den Zugang zu den links hinter ihm liegenden Wirthschaftsräumen. Am Atrium liegen nur links Zimmer und zwar 5 ein großes, von der Straße her erleuchtetes Gemach ungewisser Bestimmung mit einer gemauerten Basis an der Westwand (links), sorgfältig, wenn auch einfach decorirt, zu welchem der Gang 4 führt, an dessen Ende rechts eine frühere Thür nach 6 verbaut ist ; ein klei- neres dergleichen 6, welches, durch ein Fenster von der Straße her erleuchtet, in einer Decoration letzten Stils recht hübsche Bilder enthält, namentlich links

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Fig. 1 75. Plan der s. g. Casa del Laberinto (Norden oben).

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 22. Casa del Laberinto. 343

(halb zerstört an Ort und Stelle) eine Entführung der Europe (Hlbg. No. 125) und gegenüber, noch mehr zerstört, eine verlassene Ariadne (Hlbg. No. 1230); sodann eine Ala 7 mit einem weißen Mosaikfußboden und streng architekto- nisch decorirten Wänden ; eine rohe überwölbte Sclavencella 8 mit kleinen, nach atißen sich verengenden Fenstern; die Schlafstätte befand sich wohl unter der vortrefflich erhaltenen Treppe 9, welche über neunzehn steile Stufen zum Oberstock führt. Von einem Vorplatze 1 0 gelangt man links in ein erst später hineingebautes ganz wüstes Zimmer oder einen Verschlag ungewisser Bedeutung 11 mit einem Nebenstübchen 12, in welchem sich ein kleiner Larenaltar befindet, und durch dieses in die Küche 13. Letztere hat zwei Heerde, einen rechts, neben welchem sich in einer viereckigen Nische Reste des Larenbildes finden, und einen zweiten an der Hinterwand. Von letzterem aus müssen auch die Baderäume 21 , 22 geheizt worden sein, wenn gleich das Nähere hier nicht mehr kenntlich ist. Rechts neben diesem Heerde war wohl der Abtritt. Von 10 gradaus, vorbei an dem Cubiculum 14, gelangen wir auf auf einem langen Gange 15 in eine Bäckerei 16 mit den Mühlen a, vier großen Wasserschüsseln von Thon auf gemauerten Untersätzen b, einem Ausguss- stein c, über dem der Flussgott des Samus, eine der symbolischen Schlangen und Vesta von zwei Laren umgeben nebst der Venus Pompeiana mit dem Genius (Hlbg. No. 65) gemalt sind, endlich dem großen gewölbten Backofen d. Links neben letzterem sehn wir das eigentlich zur Brotbereitung bestimmte Zimmer mit einer Brunnenöffnung an der einen Seite, dem Fuße des Back- tisches in der Mitte, dem cylinderformigen Steingefäß zum Kneten des Teiges und Balkenlöchem für Bretter in der Wand des andern Endes. Da kein Laden mit dieser Bäckerei in Verbindung steht , vielmehr der Zugang zu derselben nur durch die ganze Wohnung ist, so darf man annehmen, dass das hier ge- backene Brod nicht verkauft, sondern nur für den Hausstand dieser Familie verbraucht wurde, auf dessen Ansehnlichkeit sich aus diesem Umstände schließen lässt. Hinter der Bäckerei sehn wir noch den unregelmäßigen Raum 18, welcher durch die gemauerte Krippe deutlich als Stall gekennzeichnet ist. Links von ihm führt der Gang 17 zu einem zweiten Abtritt. Das größte Interesse in dieser Abtheilung des Hauses nehmen die Räume 20, 21, 22 in Anspruch, welche ein vollständiges Bad bilden, und zwar so, dass das kleine Vorzimmer 20 das Apodyterium war, 21 das Tepidarium, welches mit Stuc- catur lind Malerei in seiner Wölbung verziert war, imd 22 das Caldarium mit der in Muschelform überwölbten Nische für das Labrum an dem einen Ende und zwei Nischen für Wannen an dem andern Ende imd an der dem Eingang gegenüberliegenden Seite. Beide letzteren Räume wurden von der Küche 13 aus geheizt vermittels des von Thonröhren getragenen suspendirten Fußbodens imd der Hohlwände. Ihre Malereien sind dritten Stils, einfach aber ge- schmackvoll, leider schlecht erhalten ^^^j , Am Anfang des langen Ganges 1 5 ist die erste Verbindungsthür mit der Hauptabtheilung des Hauses, welche in das Peristyl führt, eine zweite und eine dritte finden wir zwischen beiden Atrien. Neben der letzten stand bei e im Nebenhause auf einer gemauerten Basis eine starke Geldkiste, ähnlich derjenigen im Hause des angeblichen Quaestors, von der noch jetzt einige unförmliche Reste erkennbar sind.

344 Viertes Capitel.

Die Hauptabtheilung des Hauses hat natürlich ihren eigenen Eingang von der Gasse 23 in ein ungewöhnlich breites, mehr zimmer- als gangartiges Ostium, neben dem links ein kleines Zimmer 24, füglich nur die cella atrierms^ rechts ein noch kleineres 25 liegt, welches als apotheca diente. Rechts war das größere Zimmer 26 zur Zeit des zweiten Decorationsstils sorgfältig ausgemalt, vermuthlich ein Triclinium; später, als nach 63 die Ecke neu aufgebaut war, ließ man es roh und scheint es zu wirthschaftlichen Zwecken benutzt zu haben. Das Atrium 27 ist tetrastyl und von korinthischer Ordnung, geräiunig, luftig, elegant ; von der Stuckbekleidung der Säulen ist fast nichts erhalten ; hinter dem Impluvium steht eine Basis für eine Brunnenfigur, welche einen Wasserstrahl auf einen im Impluvium selbst stehenden Marmortisch f fallen ließ ; weiter zurück, sowie zwischen den vorderen Säulen, sind im Boden die Öffnungen cler Cisteme. Als das Haus im zweiten Stil ausgemalt wurde, war im Atrium die Decoration ersten Stils noch vollständig erhalten ; erst in der letzten Periode wurde sie auf dem untern Theil der Wände durch einfachen schwarzen, durch grüne Streifen in Felder getheilten Stuck ersetzt. Rechts bei g fand man auf ge- mauerter Unterlage eine in ihrem Eisenwerk wohl erhaltene zweite Geldkiste, welche aber nur mit Lapilli angefüllt war. Von den das Atrium umgebenden Zimmern gelten das erste und zweite links 28 und 29, und ein anderes rechts 30 für Cubicula, und zwar ist 29 durch die für das Bett bestimmte Aushöhlung in der einen Wand, 30 durch den erhöhten Platz des Bettes als solches gekenn- zeichnet. Dass 29 von beiden Atrien aus zugänglich ist, kann keinen Gegen- grund abgeben. Diese beiden Zinuner sind im letzten Stil ausgemalt; in 29 ist ein wegen seines Gegenstandes bemerkenswerthes, wenn gleich nur mittel- mäßig ausgeführtes Gemälde: Paris, welchen Eros, indem er ihm Helena verspricht, zur Untreue an seiner ersten Gattin Oenone verführt (Hlbg. No. 1287); das Motiv, nach welchem Eros dem willig lauschenden Paris über die Schulter seine Schmeichelreden zuraunt, kehrt auf Vasen freien Stils und in Reliefen wieder. Dagegen ist für 28 seit der Zeit des zweiten Stils nichts geschehen und befinden sich die Wände daselbst in einem sehr verwahrlosten Zustande.

Von dem Wandschmuck der rechten Ala 32 ist nichts erhalten ; die Wände der linken 3 1 sind weiß : sie war in der letzten Zeit in einen Schrank oder eine Vorrathskammer verwandelt , so dass man für gewöhnlich nur die Thür sah ; ihre Hinterwand ist von schmalen Luftöffhungen nach dem benachbarten Atrium durchbrochen. In der Mitte der Rückseite liegt das weit offene, aber nach hinten durch eine Brüstungsmauer gesperrte Tablinum 33 mit einem Fußboden von weißem Mosaik mit farbigem Rande, einer farbigen Schwelle

in Form eines Maeanders und einem bunten, aus vier Maean- dem gebildeten Labyrinth im Mittelpunkte; die Decoration ersten Stils ist hier erhalten. Daneben die Fauces 34, neben deren hinterer Thür eine viereckige Öffiiung sich befindet, ^ ^ welche durch eine von sechs gewölbten Öffiiungen tauben-

verschluss. schlagartig durchbrochene Thonplatte geschlossen ist, eine

Füllung innerer Fenster zum Luftdurchzug, welche in Pom- peji mehrfach vorkommt. Zur linken Seite des Tablinums sehn wir endlich in

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No 22, Caaa del Läberinto. 345

dieser vordem Abtheilung noch ein großes Sommer triclinium 35, welches gegen die Ala wie gegen das Peristyl und gegen das anstoßende Zimmer 38 hin durch breite Fenster geöffiiet ist ; es ist im letzten Stil auf vorwiegend rothem Grunde ausgemalt und hat einen weißen Mosaikfußboden mit schwarzem Bande.

Das Peristylium 36, welches einschließlich des 4 M. breiten Säulenganges 23,20X26,50 M. misst, dürfte wohl eines der größten in Pompeji sein. Die dreißig dorischen Ziegelsäulen, welche die Decke des Umgangs trugen, sind mit feinem weißem Stucco überkleidet ; ihnen entsprechen an den Wänden beider Seiten flache Wandpilaster. Von farbiger Decoration dieses weiten Umgangs ist nichts erhalten ; doch war sie zur Zeit des zweiten Stils sicher vorhanden. Eine Piscina findet sich nicht im Peristylhofe, nur eine Cisternenöfftiung h sehn wir an der hintern Säulenreihe ; in der Mitte der vordem Reihe steht ein Monopo- dium aus grauem Marmor. Es ist nicht anders zu denken, als dass der Hofraum zum Garten benutzt war. Man denke ihn sich bepflanzt mit schattigen Baum- gruppen, unter denen für buntfarbige Blumen, für welche man in Pompeji nach dem Zeugniss der Gemälde viel Sinn hatte, Baum und Licht genug bleiben mochte, eingefasst von den dreißig weißglänzenden Säulen, umgeben von dem schönen breiten und schattigen Umgang, man denke sich darüber den blauen Himmel und die glänzende Sonne Süditaliens ; alsdann wird man sich vielleicht eine Vorstellung machen können von der Anmuth und Schönheit eines solchen Peristyls, das wir nur durch ein paar armselige Linien im Plan anzugeben vermögen, und das auch in seinen Buinen den Eindruck nur ahnen lässt, welchen es einst machen musste. An diesem Peristyl liegen nur vom und hinten einige Zinmier, vom ihrer zwei, beide mit schwarzweißem Mosaik- fußboden, nämlich eine kleine Exedra 37 rechts neben den Fauces, die Wände sehr einfach im letzten Stil gelb und roth mit schwebenden Figuren bemalt, xind ein größeres, einfach im zweiten Stil ausgemaltes 38 mit breitem Eingang vom Peristylgange und großen Fenstern gegen das Atrium 3 und das Gemach 35: wie dies letztere können wir es als Sommertriclinium bezeichnen. Die Zimmer der hintern Seite sind alle im zweiten Stil gemalt. Hier liegen neben einander zunächst zwei große, gegen den Peristylhof weit geöffnete Zimmer 39 imd 40, welche beide als Triclinien bezeichnet werden müssen. Der Fuß- boden von 39 ist in eigenthümlicher Weise aus Signinum und Mosaik zusam- mengesetzt; ein Mosaikquadrat bezeichnet den Platz des Tisches; 40 hat einen schönen farbigen Mosaikboden (bei Zahn II, 99), als Triclinium wird es durch seine Form hinlänglich charakterisirt. Die einfache Decoration von 39 (Mau, Wandmalerei Tf. III) stellt eine Marmorbekleidung und vor der Wand stehende Pfeiler dar ; complicirter, mit gemalten Säulen, Pilastem und Gebälken, dabei weniger geschmackvoll in den Farben ist die von 40, hinter welchem ein kleines Cubiculum 4 1 liegt, gekennzeichnet durch die gewöhnliche, für das Ende des Bettes bestimmte Vertiefung in der einen Wand. Weiter folgt eine allerliebste Exedra 42 mit einem noch vorhandenen schönen Mosaik- gemälde im Ftißboden (abgeb. Zahn II, 50), welches innerhalb eines den Eand bildenden Labyrinthes den Kampf des Theseus gegen den Minotauros darstellt und dem Hause seinen Namen gegeben hat. Sodann der prachtvolle korin-

346 Viertes Capitel.

thische Oecus 43 von 6,70X6,80 M., dessen Fußboden von weißem, fEurbig umrandetem Mosaik ist und in der Mitte ein Quadrat aus farbigen Marmor- platten enthält, und an deren Wänden entlang, ähnlich wie in der Ca$a di MeleagrOy zehn mit weißem Stuceo überkleidete Backsteinsäulen stehn, deren Function und Verhältniss zur Zimmerdecke bei der Zerstörung der oberen Theile nicht kenntlich ist. Die Wände sind mit barocken und nicht allzu geschmackvollen Architekturen bemalt, haben aber sehr gelitten. Sehr eigen- thümlich sind die beiden kleinen gewölbten und nur durch ganz kleine Fenster in den Lünetten erleuchteten Cabinette 44 und 45 (ersteres etwas größer; der Plan ist nicht genau) , welche sich zu beiden Seiten im Hintergrunde in den Oecus öffnen. Über ihre Bestimmung kann man nur die ähnlichen Bäumen gegenüber schon hier und da ausgesprochene, natürlich nicht beweisbare Ver- muthung aufstellen, dass ihrer eines als Zimmer zum Vorlegen und Warmhalten der Speisen, das andere als Wartezimmer für die Jongleurs, Tänzer, Akrobaten, Mimen u. dgl. Künstler diente , die man nach den Gastmählern auftreten ließ. Den Schluss der Gemächerreihe bildet ein schönes, weit offenes Zimmer [exedra] 46 mit einer Nische für die Ruhebank im Hintergrunde. Hier wie in 44 und 45 ist an den Wänden farbiger Marmor und Alabaster nachgeahmt und darüber liegt in der Nische ein Fries mit einfarbig gelb, grün und braun gemalten Brustbildern (Hlbg. No. 601. 1526) und kleinen scherzhaften Figuren (Hlbg. No. 1527). Der Fußboden besteht aus schachbrettartigem Mosaik.

(No. 23.) Als ein in mancher Hinsicht in seinem Plane verwandtes, aber besonders durch die Eigenthümlichkeit seiner Decoration und durch seine große Vornehmheit sich auszeichnendes Haus, welches zugleich zu den be- rühmtesten und meistgenannten der Stadt gehört, möge hier auf die Casa del Laberinto das Haus No. 46 im Plane folgen, welches man 1830 in Gegenwart von Goethes Sohn auszugraben begann, und zu Ehren dieses xind seines großen . Vaters eine Zeit lang Casa di Goethe nannte, ein Name, den wir Deutsche nicht ganz in Vergessenheit gerathen zu lassen Ursache und Recht haben, ob- gleich man sich seiner an Ort und Stelle nicht mehr erinnert. Denn jetzt sind zwei andere Namen für dies Haus im Schwange, nämlich entweder Casa del Fauno nach einer kleinen Meisterstatue eines tanzenden Fauns, oder Casa del gran musaico nach dem großen Mosaik der Alexanderschlacht, auf welches wir zurückkommen. Aber nicht allein dieses wundervolle Mosaik- gemälde zierte die Casa del gran musaico ; dieselbe enthielt noch mehre andere ebenfalls vorzügliche Mosaiken, und ist eben durch diesen vielfachen Mosaik- schmuck und die dem ersten Decorationsstil angehörende Stuccoomamentik ihrer Wände bei geringfügiger W^andmalerei von den meisten anderen Häusern Pompejis unterschieden. Zahlreiche Amphoren für Weinbewahrung, welche man in diesem Hause fand und noch heutzutage an der linken Wand seines Peristyls sehn kann, können zu der freilich sehr unsichem Vermuthung Anlass geben, dass sein letzter Besitzer Weinhandel trieb. Das Haus nimmt, wie das des Pansa, eine ganze insula (VI, 12) ein, ohne wie jenes rings von Läden umgeben und durch vermiethete Räimilichkeiten beschränkt zu sein; der Haupteingang ist von der Nolaner Straße.

Auch dies Haus ist in der Tuffperiode, nach vollständiger Wegräumung

Die Privatgebfiude. Die Wohnhausei. No. 23, Cata del Fautto. 347

älterer Bauten , auf einmal und nach einem leicht übersehbaren Plan erbaut worden und ist seiner Bauart nach älter als die eben besprochene Casa del Laberinto. Die derselben Periode an gehörige Decoration der Wände ist darum

Fig. 177. PUn der 9. g. Cata del Fauna oder del gran mutaico (Norden linka).

doch nicht dem Bau gleichzeitig : ihr gingen einige bauliche Veränderungen vorher. In vielen Theilen finden wir unter dem Stuck Bleiplatten mit vielen Nägeln auf die Wand befestigt ; es ist aber erweislich , dass dieselben hier angebracht wurden nicht um die uns vorliegende, sondern um eine ältere, jenen baulichen VeiSnderungen vorausliegende Decoration gegen Feuchtigkeit zu schützen. Auch diese aber muss, nach der Bauart zu schließen, dem ersten Decorationsstil angehört haben '*^).

Wie die Casa del Laberinto hat auch dies Haus zwei neben einander liegende Atrien; hier aber sind dieselben so geschickt in einander gefügt, dass auch das Nehenatrium 7 eine regelmäßige Form, freilich ohne Tahlinum und mit den Alae in der Mitte der Langseiten, erhalten hat. Wie dort, so liegen auch hier die Wirthschaftsräume neben dem Peristyl und sind in ganz ähn- licher Weise aus dem Nebenatrium zugänglich. Wenn wir die Rundschau in der kleinem Abtheilung beginnen, soll doch zuvor noch kurz bemerkt werden, dass von den vier Läden 1, 2, 3, 4 zwei mit dem Innern des Hauses in Ver- bindung stehen und zwar No. 1 durch eine Thür direct ins Atrium und eine zweite in ein kleines auf das Atrium ausgehendes Ladenzimmer 5. Der Laden gehörte also zum Hause, so gut wie No. 2, weichet sich nach hinten direct in da« größere Atrium öffnet. Im Eingang der kleinem Abtheilung gleicht ein um zwei Stufen erhöhtes, unverschlossenes Vestibulum den schiefen Winkel aus, welchen die Axe des Hauses mit der Straße bildet. Durch das Ostium 6 gelangen wir in das tetrastyle Atrium 7, dessen korinthische Tuffsäulen später an ihrem untern Theile mit dickem Stucco überzogen, eben hier nicht cannellirt und gelb bemalt sind, während ihr oberes Stück, noch mit dem dünnen und harten weißen Stucco der altem Periode überzogen, cannellirt ist. Der Unter- schied der beiden Arten des pompejanischen Stucco und ihrer Verwendung kann hier besonders deutlich beobachtet werden. Das Impluvium ist, wie gewöhnlich, aus Tuff. Im Atrium wurde eine kleine Ära von Travertin mit einer oskischen luBchrift gefunden, welche den Namen der Göttin Flora

348 Viertes Capitel.

[Fluusai d.i. Florae] enthält. Eine kleine Ikonzestatuette, in der man eben diese Göttin erkennen will, findet sich ebenfalls in den Fundberichten dieses Atriums verzeichnet, doch ist sie nicht bekannt. In Bezug auf die Flora-Inschrit äußert Mommsen (Unterital. Diall. S. 189) frageweise die sehr wahrscheinliche Ver- muthung, dass dies prächtigste aller Häuser in Pompeji einer alten Familie oskischer oder samnitischer Abkunft gehört habe, welche den nationalen Cult und die nationale Sprache länger als die übrigen Bewohner bewahrt hätte. Gleich links am Ostium und Atrium finden wir eine apotheca 8, welche zu- gleich eine vom Ostium aus betretbare Treppe zum Obergeschoss enthielt; gegenüber liegt die cella ostiarii 9. Auf der linken Seite des Atriums ist 10 ein sehr einfach im letzten Stil ausgemaltes, auch durch eine Thür aus dem Hauptatrium 27 zugängliches Schlafzimmer, wie wir es ganz ähnlich auch in der Casa del Laberinto (29) fanden. Die linke Ala 1 1 diente als Durchgangs- raum. Neben der rechten Ala 14, mit schwarzweißem Mosaikfußboden, liegt ein Schlafzimmer 1 3 mit einem zweiten 1 2 hinter sich , welches , durch ein Fenster von der Straße erleuchtet, nur durch das erstere betretbar ist. Beide sind sehr einfach , mit weißen Wänden ; man würde sie für Sclavenzinuner halten, hätte man nicht in beiden, außer einigen bronzenen Vasen, elfen- beinerne Bettgestellfüße, also die Keste von sehr kostbaren Bettgestellen ge- funden. Diese beiden Zimmer sind viel niedriger gestochen als die übrigen, so dass man über den Balkenlöchem der Decke den Anfang des zweiten Stockes sieht, in dessen sehr einfachen, durch die Treppe in 8 zugänglichen Räumen (über 8, 6, 9, 12, 13, vielleicht auch über dem Laden 4) wohl sicher die Diener- schaft untergebracht war. An den Enden des Atriums befinden sich rechts und links Hausteinfiindamente a und i, von denen dasjenige links einem in Fragmenten gefundenen Geldkasten zur Basis gedient haben mag, während das andere rechts, so viel man aus den bei der Ausgrabung gefundenen Besten zu schließen vermag, eine Presse zum Ausdrücken einer Flüssigkeit getragen zu haben scheint, welche sich durch ein Loch in der Mauer in das durchaus ungeschmückte Zimmer 1 5 ergoss. In der Mitte der Steinbasis rechts steckt noch ein Zapfen von Eisen. Auf der Rückseite des Atriums fiinden wir links nur die Fauces 16 in das beiden Abtheilungen gemeinsame Peristyl, während der großem Abtheilung die Fauces fehlen, rechts einen Durchgangsraimi zu den Wirthschaftsräumen, 17, an dem zwei Treppen und ein von der Straße her erleuchtetes Sclavenzinmier 18 liegen, und als dessen Verlängerung sich ein durch ein paar Fenster vom Peristyl 36 erleuchteter langer Gang 19 darstellt, welcher in das auf den Garten geöfihete Zimmer 43 führt. An diesem Gange liegen rechts ein zweites Sclaven- oder auch Vorrathszimmer 20, der geräumige Abtritt 21 mit einem ansehnlichen Fenster nach der Straße, ein doppeltes Badezimmer 22 imd 23 mit unterhöhltem,von Thonföhren getragenem Fußboden und den Resten der die Hohlwände bildenden Thonplatten , weiter eine von zwei Fenstern erhellte geräumige Küche 24 mit einem großen ge- mauerten Heerde, der Öfiiiung zur Heizung des Caldariums 23, einer Brunnen- Öffnung in Travertin und einer hoch oben als Aedicula aus der linken Wand hervortretenden Larariumnische , endlich das weite Tricliniiun 25, welches sich mit einer Thür gegen den Gang, mit einer zweiten in die Exedra 43 öflBiet

Die Privatgebäude. Die "Wohnhäuser. No. 23. Casa del Fauno. 349

und auf den Säulengang des Gartens ganz offen ist. An der Mauer der Küche ist im Gange noch eine Treppe in das obere Geschoss angebracht. Von Deco- ration ist außer dem erwähnten bescheidenen Mosaikfußboden in der Ala 14 nichts Nennenswerthes in dieser Abtheilung vorhanden, ja alle zu ihr gehörigen Eäume sind, wenn nicht ganz roh abgetüncht, wie geflissentlich einfach mit weißen Wänden über rothem Sockelstreifen gehalten ; ohne Zweifel geht dies zurück auf den Wiederaufbau nach dem Erdbeben vom Jahre 63, welches die rechte Seite dieses Atriums zerstörte.

Dagegen bietet das größere linke Atrium nebst den hinteren Bäumen ein treffUches Beispiel der Decorationsweise der altem Zeit. Hier beginnt in ge- wissem Sinne der Schmuck schon vor dem Hause, indem in das Trottoir von opus Signinum vor der Thür des Vestibulums 26 das Wort HA VE [ave , sei gegrüßt!) mit großen Mosaikbuchstaben aus farbigen Marmorstücken eingelegt ist. In dem Hausflur können wir sehr deutlich das durch eine dreiflügelige Thür verschließbare Vestibulum c vor der, wie schon früher (S. 252) bemerkt, nach außen sich öffnenden Hausthür, von deren Eisenwerk und Bronzebeschlag man bedeutende Reste aufgefunden hat, und das Ostium d unterscheiden. Das Vestibulum gleicht auch hier die Schiefwinkligkeit gegen die Straße aus. Das Ostium hat eine beträchtliche Steigung bis in das Atrium und ist mit einer Zusammensetzung von kleinen Marmordreiecken von weißer, schwarzer, rother, gelber und grüner Farbe gepflastert und gegen das Atrium mit einem jetzt ausgehobenen Mosaiksaume abgeschlossen , welcher meisterhaft aus farbigen Marmorstückchen, nicht aus Pasten, gearbeitete Masken, durch- schlungen von einer Guirlande von Früchten und Blumen (Mus. Borb. XTV, 14) darstellt. Die Wände des Ganges sind mit Feldern in Stuck bis zur Höhe von 2,40 M. bekleidet, welche marmorartig bemalt sind. Darüber lag ein von in Hochrelief aus Gypsstucco gebildeten Sphinxen und Löwen getragener Camies, über welchem zu beiden Seiten eine kleine Nische mit blinden Thüren in Stucco mit Stuccosäulen und Pfeilern, eine vollständige Tempelfa^ade dar- stellend, angebracht ist. Getragen werden diese Säulchen und Pfeiler von einem mit Cassetten geschmückten, einst von Kragsteinen getragenen und mit schönem Geison abgeschlossenen Deckengliede. Von der reichen Bemalung der Cassetten ist wenig erhalten ; die violette innerste Fläche derselben war von einem gelben Eierstab eingefasst und enthielt in der Mitte je eine kleine Reliefbüste, die aber nirgends erhalten ist. Von allen bisher entdeckten Haus- eingängen Pompejis ist dieser weitaus der prächtigste^^*).

Das tuscanische Atrium dieser Wohnung 27 hat an sich nichts besonders Interessantes, ausgenommen die schon erwähnte, hier namentlich an der untern Ecke rechts deutlich erkennbare Bleibekleidung der Wände. Der die Bleiplatten haltenden Nägel sind so viele, dass man ihrer auf einem Quadrat- meter über 200 zählt; ihre vorspringenden Köpfe dienen als Haltepunkte der Stuccoverkleidung, welche natürlich auf dem Blei selbst nicht gehaftet haben würde. Das ungewöhnlicher Weise mit einem Springbrunnen versehen ge- wesene Impluvium aus Travertin in der Mitte des Atriums ist besonders deswegen merkwürdig, weil sich bis auf seinen Boden die in diesem Hause vorherrschende Lust am Mosaik ausgedehnt hat, und zwar so, dass dieser

350 Viertes Capitel.

Boden aus wohl in einander gefugten Stücken bunten Marmors gebildet wird. Auf der Borde rechts vom Impluvium lag, also wohl nxir zufällig an diesem Orte, der schon erwähnte meisterhafte kleine Faun, auf den wir später noch einmal zurückkommen werden. Die Bleiröhren der Leitung, welche den Springbrunnen speiste , sind im Fußboden des Atriums rechts noch jetzt an ihrer Thonbedeckung verfolgbar.

Das erste Zimmer rechts 28 ist ein Cubiculum mit zwei erhöhten Plätzen für Betten, welche im rechten Winkel zusammenstoßen und deren Oberfläche, so wie auch der Fußboden im Zimmer, mit Mosaik belegt ist. Und zwar enthielt derselbe in der Mitte ein Bild, Faun und Nymphe, welches ausgehoben ist. Die Wände sind im zweiten Stil decorirt und mit einem Stuccocamies geschmückt; auf die Ilinterwand ist in grader Perspective eine überwölbte Nische, auf die linke Wand eine Thür gemalt. Die beiden folgenden Zimmer 1 0 und 1 1 , mit Durchgängen in das Atrium der andern Abtheilung, sind schon bei dieser erwähnt worden ; das erstere ist mit doppeltem Stuccocamies aus der altem Periode über weißen, roth eingetheilten Wänden aus der jungem geschmückt. Links neben der Thür ist ein kleines, noch theilweise mit Glas geschlossenes Fenster angebracht. In den beiden Alae 29 und 30 waren die Wände mit farbigen Quademachahmungen omamentirtT; die Fußböden finden wir mit Mosaikbildem geschmückt, und zwar denjenigen der Ala links 29 auf schwarzem Grunde mit einer ziemlich grob gearbeiteten Darstellung von weißen Tauben, deren zwei aus einem halbgeöfftieten, buntfarbigen Kästchen eine Perlenschnur ziehn, während derjenige der gegenüberliegenden Ala 30, von ungleich feinerer Arbeit (abgeb. Mus. Borb. XIV, 14), den wir aber jetzt im Museum in Neapel aufsuchen müssen, in der Mitte einer breiten Omament- borde eine Katze darstellt, welche einen Vogel frisst, darunter zwei Enten, mehre kleine Vögel, Fische und Schalthiere. Die Hinterwand dieser Ala, ist mit einer weiten Öffnung auf das Atrium des Nebenhauses durchbrochen, so dass von den beiden Alae die eine geschützt, die andere luftig war. Die beiden durch je zwei hoch angebrachte, sich nach außen verengende Fensterchen von der Straße aus erhellten Schlafzimmer 31 und 32 enthalten nichts besonders Bemerkenswerthes , es sei denn im erstem die Decoration des zur Zeit des zweiten Stils erneuerten Sockels, welcher einen aufgehängten gelben, roth gestickten Teppich darstellt, wie auch in 28, wo er aber schlecht erhalten ist; 32 zeigt ganz die alte bunte Stucconachahmung von Quadern und einen feinen Zahnschnittcamies. Das von mächtigen cannellirten Anten eingefasst ge- wesene Tablinum 33 in der Mitte des Hintergrundes ist nach vom ganz offen und nach hinten nur durch eine niedrige Brüstungsmauer gegen das Peristyl gesperrt, während es nach beiden Seiten je zwei Fenster in die anstoßenden Säle hat. Seinen Fußboden schmückt ein buntes Mosaikpfiaster, umgeben von einer weißen Borde. Hier fand man die Fragmente einer zweiten oskischen Inschrift fwif einer marmornen Tafel (Mommsen, Unterital. Diall. S. 183 und 188) und einen Hermenkopf des bärtigen Bakchos. Außer- dem aber grub man hier das Gerippe einer Frau aus, in der wir die Hausfrau vermuthen dürfen, welche mit reichlichem Schmuck beladen zu fliehen ver- sudit hatte, und als sie dies für unmöglich erkannt haben mag, ihren Schmuck

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 23. Casa del Fauno, 351

weggeworfen und sich unter das Tablinum geflüchtet zu haben scheint. Der Fundbericht [Pomp, ant. hist, II, ii, p. 248) giebt an, was aber kaum glaublich ist, man habe das Skelett in einer Lage gefunden, aus der sich schUeßen lasse, die Unglückliche habe mit den Händen die sich senkende Decke des Tablinums zu stützen versucht, sei aber endlich von dieser begraben worden. Von ihrem im Atrium gefundenen Schmucke werden wir eines der zwei unter ihm aus- gezeichneten großen goldenen Armbänder [armiUae] in Schlangenform später in Abbildung mittheilen ; das ganze Verzeichniss dieses höchst reichen Gold- und Silberschatzes mag man in den Fundberichten nachlesen; es umfasst Terschiedene Ringe, Ohrringe, Haarnadeln u. dgl., eine silberne Vase und einen Spiegel, sowie viele Münzen von demselben Metall, ein Glaskorallen- halsband und Anderes *4*). Auch andere Skelette sind in den benachbarten Zimmern gefunden worden. Rechts neben dem Tablinum liegt ein vom Atrium aus zugängliches und vom Peristyl nur durch eine Brüstungsmauer getrenntes großes Sommertriclinium 34 , in dessen Fußboden in der Mitte eines der schönsten Mosaikgemälde des Alterthums (jetzt ausgehoben] eingelegt war, darstellend den bakchischen Daemon Akratos, der auf einem Panther reitet (ahgeb. Zahn II, 50). Das Zimmer links vom Tablinum 35 ist von ungewisser Bestimmung, vielleicht ebenfalls ein Triclinium ; mit Thüren sowohl auf das Atrium als auf das Peristyl bildet es, da die Fauces fehlen, die Verbindung zwischen beiden ; auf das Peristyl hat es außerdem ein großes Fenster. Auch hier war der Fußboden mit einem jetzt ausgehobenen Mosaik geziert, welches zwar von gleich schöner Technik ist, wie das von No. 34, aher einen weniger interessanten Gegenstand in natürlicher Größe darstellt, nämlich ein Stück Meeresufer mit Fischen, Muscheln, Polypen und anderen »frutti di mare« (abgeb. Mus. Borb. XIV, 15). Von dem Speisesopha, welches hier stand, wurden die schönen bronzenen Füße aufgefunden. Der hier in der Farben wähl nicht geschmackvolle Stuccoquaderschmuck ist an der linken Wand des Zim- mers 35 besonders gut erhalten. Hinter den drei zuletzt genannten Zimmern erstreckt sich das Peristyl 36 von 24 M. Breite und 19,20 M. Tiefe mit einem 3,80 M. breiten von 28 Säulen getragenen Umgang. Diese Säulen sind von Tuff und mit feinstem , marmorhartem , weißem, aber dünnem Stucco über- zogen, unendlich verschieden von demjenigen der spätem Periode ; nur einige der allerfeinsten Einzelheiten, wie der Perlenstab der Capitelle, sind nur im Stuck, nicht auch im Stein ausgearbeitet. Über den ionischen Capitellen lag, grade wie bei dem aus derselben Periode stammenden Apollotempel, auf einem sehr schmalen Architrav ein mit Triglyphen omamentirter dorischer Fries, von welchem ein paar Stücke rechts an der hintern Seite des Peristyls liegen. Reste der kleinen Säulen eines obern Umganges sind jetzt an der rechten Wand des Gartens 39 aufgestellt. In der Mitte bilden TufFplatten mit erhöhtem Rande ein Viereck, in dessen Mitte ein Monopodium von Marmor ein Becken gleichen Materials trug, aus dem sich, wie in den Häusern des Holconius und des Meleager, ein Springbrunnen erhob. Auf das Peristyl öffnen sich nur zwei Zimmer : das auf unserm Plan nicht numerirte Cubiculum neben den Fauces 16, mitTohen Wänden und Fußboden aus Signinum. und die Exedra 37. Letztere, gegen das Peristyl ganz offen, jedoch mit zwei rothbemalten korinthi-

352 Viertes Capitel.

sehen Säulen auf 0,5 M. hohen viereckigen Basen zwischen den Antenpfeilem, vom Garten durch eine Hrüstungsmauer getrennt, ist ein lleiligthum der Kunst; hier wurde am 24. October 1831 ^*^) das wunderbare Mosaik der Alexander- schlacht gefunden, ein ganz einziges Kunstwerk, welches nach dem Vorgange der größten Gelehrten und Kunstkenner zu würdigen und zu erläutern in dem artistischen Theile dieser Betrachtungen versucht werden soll. In der rechten Ecke des Peristyls führt ein faucesartiger Durchgang 38 in den säulenum- gebenen Garten 39 von 32 X 35 M., mit dem Umgange von 4M. Breite und 56 gemauerten und mit feinem, weißem Stucco bekleideten, flach cannellirten dorischen Säulen, zu deren Füßen eine Wasserrinne das Wasser in die Cisteme führte, aus der man dasselbe durch zwei Offiiungen 40 und 41 schöpfte. Nur bei 40 ist ein schönes Puteal aus Marmor erhalten, an dessen oberem Bande Reste von Eisenkrampen sichtbar sind, von denen man annimmt, dass sie zur Befestigung eines Deckels dienten. Neben diesem Puteal hat vor Alters ein marmorner Tisch gestanden, von dem man leider nur einen Fuß, eine hockende, geflügelte Sphinx, gefunden hat, die zu den besten Werken der Sculptur ge- rechnet werden kann (abgeb. im artistischen Theile). Im Umgange links stehn noch an Ort und Stelle eine Masse von Weinamphoren. In den Säulen des Umgangs fand und sieht man zum Theil noch heute eiserne Nägel oder Haken ; vielleicht ruhten auf ihnen die Stricke, an denen die Vorhänge, durch welche man bei heißem Sonnenschein den Umgang gegen den Garten ab- schließen und anmuthig beschatten konnte, hin und her gezogen wurden, wie dies auf einigen Wandgemälden, z. B. im Zimmer 46 der Casa del Laberinto^ ersichtlich ist. Auch die Ringe, durch welche die Schnüre zum Ziehen der Vorhänge liefen, hat man in jeder Säule etwa 1 M. vom Boden, wo man jetzt die Löcher sieht, vorgefunden. Derselben Einrichtung sind wir schon in der Casa di Meleagro begegnet, und auch die dort besprochene Vergitterung der Intercolumnien wiederholt sich hier. Ein oberer Umgang war, wie in der Südostecke deutlich erkennbar, nicht vorhanden, und es müssen daher die hier aufbewahrten Reste kleinerer ionischer Säulen dem obem Umgange des Peristyls 36 angehört haben.

Neben der Exedra des Peristyls liegt links gegen den Garten geöffiiet ein Oecus 42, dessen Fußboden abermals ein bewunderungswürdiges Mosaik ent- hält, das leider arg beschädigt ist und deshalb nicht hat in das Museum ge- schafft werden können, abgeb. Mus. Borb. Vol. IX, 55. Dasselbe stellt inner- halb einer reichen Maeanderborde einen von vom gesehenen Löwen dar, ein Meisterstück des Ausdrucks von Kraft und Feuer und ein eben so großes Meisterstück der Verkürzung. Das neben diesem Oecus und am Ende des langen Ganges 19 belegene kleinere Gemach 43 ist theils wegen seiner architektonisch gegliederten Decoration zw eiten Stils, theils deswegen bemerkenswerth, weil in ihm eine ähnliche Maßregel zum Trockenhalten der Wände angebracht ist, wie die oben erwähnte, nur dass hier die Bleiplatten durch solche von gebrann- tem Thon ersetzt sind. Die ohne Zweifel mit einem großen Fenster (die beiden jetzt vorhandenen sind modern) auf den Gartenumgang geöffnete Saal 44 links vom Oecus enthält jetzt eine Anzahl von zum Theil sehr interessanten Frag- menten der Stuccoomamentirung dieses Hauses nebst Stücken von thönemen

Eeatoorirte is^^

I dal Oantenftrio.

I. utti LbfaiduchKkBilt.J

Die Privatgebäiide. Die Wohnhäuser. No. 24. Casa del Centenario. 353

Traufrinnen, von denen eines ein vollständiges Löwenvordertheil mit einem Blatt als Ausguss darstellt, ähnlich wie in der Traufrinne oben Fig. 143. An der hintern Seite des Gartens liegen von rechts nach links zunächst zwei kleine Zimmer ohne Schmuck 45 und 46 ; vermuthlich war 46, wo das Muster des Fußbodens aus Signinum den Platz des an der Straßenwand stehenden Bettes bezeichnet, die Cella des Tbürhüters, 45 dagegen die des Gärtners. Sodann das Posticum 47 auf den Vicolo dt Mer curia, neben dem in 48 eine Treppe zu einigen oberen Bäumen des großen Peristyls lag; femer eine breite, wohl zur Aufstellung von Statuen bestimmte, heute aber zur Aufbewahrung architekto- nischer Ornamente benutzte, über den Boden des Umganges erhöhte Nische 49, mit zwei Cabinetten 48 a und 48 b zu den Seiten, welche durch hölzerne Treppen zugänglich gewesen sein müssen und von denen 48 a, wie die erhal- tenen Bretteindrücke und Löcher zeigen, als Vorrathskammer diente. Weiter links folgt eine Erweiterung des Umganges, von der aus unter 48 J die Öffnung einer gewölbten Kloake sichtbar ist. Endlich an der Hinterwand zwei kleine Lararien 50 und 51, Nischen von flachen Giebeln gekrönt. Merkwürdig ist in einer so großen Wohnung das Fehlen von Zimmern, welche sich durch Lage und Bauart als Wintertriclinien zu erkennen geben.

Von den in diesem Hause in sehr großer Zahl gefundenen Gegenständen verdienen einige versilberte Thürschlösser , bronzene Thürbeschläge mit mannichfaltigen Beliefomamenten, sowie Ornamente verschiedener Mobilien von demselben Metall, silberne Casserolen und Schalen und dergl. hier zum Schlüsse noch erwähnt zu werden, da auch diese Dinge von dem Beichthum, welcher in diesem Hause herrschte, Zeugniss ablegen.

(No. 24.) In den Jahren 1879 und 1880 wurde in der neunten Region, östlich derlnsulae 5 und 6, ein großes und in vielfacher Weise interessantes Haus (No. 108 i im Plan) aufgedeckt, welches man, weil dort bei der im Jahre 1879 veranstalteten Erinnerungsfeier an die Verschüttung Pompejis Ausgra- bungen gemacht wurden, Casa del Centenario, oder nach einer daselbst ge- fundenen Bronzestatuette Casa del Fauna ubbriaca nennt. Wir sind in der glücklichen Lage, von demselben nicht nur den Grundriss, sondern auch den Längen- und Querschnitt nach einer in allen wesentlichen Punkten sicher rich- tigen Restauration zu geben. Es stammt in seiner uns vorliegenden Gestalt im Wesentlichen aus römischer, aber wahrscheinlich noch republikanischer Zeit ; seine Malereien zerfallen in zwei Classen : die älteren sind vermuthlich dem Bau des Hauses gleichzeitig, jedenfalls aber, nach dem Zeugniss einer noch zu erwähnenden Wandinschrift, älter als das Jahr 15 n. Chr. ; sie gehören einer dem dritten Stil verwandten Manier (»Candelaberstil«) an. Diese Male- reien sind aber in den meisten, und namentlich in den bevorzugten Räumen, durch Decorationen verdrängt worden, welche den Stil der letzten Zeiten Pompejis zeigen *^') .

Ein Blick aulden Plan (Fig. 178) zeigt, dass wir hier im Großen und Ganzen dieselbe Anordnung haben, welcher wir in der Casa del Laberinta und del Fauna (No. 22 und 23) begegneten: ein Haupt- und ein Nebenatrium, ein Peristyl hinter beiden, hauptsächlich aber hinter dem Hauptatrium, Wirth- schaftsräume neben dem Peristyl auf der Seite des Nebenatriums. Das Cen-

Ot erb eck, Pompeji. 4. Aufl. 23

trum der Wohnung ist das grolle Peristyl 9. Von den an ihm liegenden Räumen können wir 7, b imd 11 als Winter-, 36, weil es nach Norden ge- wendet ist. aU Sommertriclinium bezeichnen. Und ein SommeranfenthaU tbi

Fig. 17S. Flau der Cata del CenUnario.

oüenbar auch das sehr einfach, mit weißen Wänden über wenig omamentirtem rothen Sockel decorirte große Zimmer 32 : zwischen dem Peristyl und dem kleinen Garten 33 gelegen, musste es ganz besonders kühl und luftig sein. 12, 31 und 35 sind Schlafzimmer; ebenso 27, welches mit einem Procoeton 26 versehen ist. 29 und 30 sind Wirthschafts- und Vorrathsräume, ebenso 37 und 38 : beide Abtheilungen sind durch den niedrigen bedeckten Gang 34 (auf dem Plan schraffirt^ verbunden.

Die Privatgebäude. Die Wohnli&user. No. 24. Casa del Centenario. 355

Die Säulengänge des Peristyls hatten nur auf der Vorderseite (oben auf dem Plan) ein oberes Geschoss, wie die beistehenden Durchschnitte zeigen. Die uncannelirten Säulen sind bis zur Höhe von 1,47 M. roth, dann über einem schmalen grünen Streifen weiß, mit einem blauen Streifen unter dem Capitell, welches von der dorischen Form abgeleitet ist, aber ein zierlich ge- gliedertes Profil hat; das einfach geformte Gebälk ist über einer Holzbohle aufgemauert. Die Säulen waren durch ein Holzgitter verbunden ; an jeder derselben finden sich, auf der dem Viridarium zugewandten Seite, Reste von zwei eisernen Nägeln oder Haken, welche ohne Zweifel zum Aufhängen von Vorhängen dienten. 10 ist eine Piscina, an deren gerundeter Seite auf einer kleinen TuiFbasis eine sehr schöne Bronzestatuette (jetzt im Nationalmuseum) stand, einen Satyr darstellend, welcher aus einem Schlauch den Wein aus- laufen lässt : aus der Öffnung des Schlauches ergoss sich ein Wasserstrahl in die Piscina. Die decorativ wirkungsvolle und auch in manchen Details schöne Malerei der Peristylwände, letzten Stils, ist nur auf der Südwestwand erhalten : die großen gelben, violettroth geränderten, durch phantastische Architektur- prospecte getrennten Felder enthalten jedes in der Mitte ein Bild, und zwar zwei größere Bilder, deren eines die Befreiung der Andromeda durch Perseus darstellt, das andere Bauern oder Hirten, welche mit Steinen und Stöcken einer Frau zu Hülfe eilen, welche in einem Teich, in der Nähe von Gebäuden, von einer Schlange in ihren Windungen gehalten wird : wahrscheinlich eine Parodie der vorigen Darstellung. Die übrigen Bilder sind kleiner imd ent- halten Götterattribute. Unter jedem der erwähnten Architekturprospecte ist in schwarzem Felde ein geflügelter Kopf gemalt ; einer derselben ist besonders gut erhalten und meisterhaft ausgeführt ^^sj ; wahrscheinlich haben wir in ihnen Windgötter zu erkennen.

33 war, wie schon erwähnt, ein kleiner Garten, rechts und hinten durch den bedeckten Gang 34 (auf dem Plan schraffirt) verengt. Auf dem vordem Sande dieses letztem steht eine mit buntfarbigem Mosaik bekleidete Brunnen- nische, aus welcher ein Wasserstrahl über eine weiße Marmortreppe in eine geräumige, innen blau ausgemalte Piscina fiel; eine in der Nähe gefundene kleine Marmorstatue eines Hermaphroditen stand wahrscheinlich in der Nische. Die Malereien der Wände, aus der letzten Zeit Pompejis, sind nicht eben sehr geschmackvoll. Sie stellen theils die hinter einer Mauer sichtbaren Pflanzeil eines Gartens dar, theils sieht man in einem 0,57 M. hohen, bis an den obern Rand der Vor der wand des Ganges 34 reichenden Streifen wie in einem Aqua- rium allerlei Seethiere : Fische, Muscheln, Hummer und Polypen, zum Theil im Kampf mit einander.

In Betrefft der übrigen Zimmer heben wir hervor die Wanddecorationen von 7 und 8, deren Wandfelder, dort weiß, hier schwarz, mit Arabesken um- säumt sind, besonders hübsch in 7 ; ferner das eine Gorgonenmaske darstel- lende Fußbodenmosaik von 12.

Den Hauptzugang zu diesem centralen Theil der Wohnung bildet das Haupt- und Repräsentationsatrium 2, welches dieser seiner Bestimmung ent- sprechend nebst Alae und Ostium im Stil der letzten Zeit gut ausgemalt ist und auf seinen rothen Wandfeldem theils schwebende Figuren , theils vier

23*

356 Viertes Capitel.

Theatersceuen enthielt, von denen drei erhalten sind. In der linken Vorder- ecke stand die Geldkiste, deren Platz durch den Randstreifen des schwarz- weißen Fußbodenmosaiks bezeichnet ist. Die rechte Ala ist, wie so häufig, zur Aufstellung eines sie ganz ausfüllenden großen Schrankes benutzt worden, und zwar erst nachdem sie im Stil der letzten Zeit ausgemalt worden war. Hinter dem Impluvium führt eine enge Treppe in einen Kellerraum, welcher sich bis unter die vordere Halle des Peristyls erstreckt.

Es scheint, dass der Hausherr dem Dienst aegyptischer Gottheiten ergeben, und dass diesem Dienst das erste Zimmer links am Atrium gewidmet war. Hier ist nämlich in der Mitte eines jeden der weißen Wandfelder eine aegyp- tische Götter- oder Priesterfigur in ebenso unkünstlerischer wie ausfuhrlicher Weise gemalt, während im übrigen die Decoration von äußerster Einfachheit ist. Man fand hier ein Sistrum aus Bronze und eine Bronzescheibe von 0, 16 M. Durchmesser, auf welcher in Hochrelief eine weibliche Büste dargestellt ist, deren Kopf mit der Kopfhaut eines Elephanten bedeckt ist. Die übrigen das Atrium imigebenden Zimmer (3) erläutern in sprechender Weise die schon oben (S. 260) gemachte Beobachtung, dass sich in der Kaiserzeit das Leben vom Atrium in die hinteren Räume zurückzog : sie dienten als Vorrathskam- mem und waren, wie die in den Wänden erhaltenen Löcher beweisen, mit Brettgestellen versehen. Dass sie aber einst als Wohnräume dienten , heweist der schöne Fußboden des zweiten Zimmers rechts, in dessen opus Signinum ein Muster aus weißen Steinchen eingelegt ist, durch welches an der linken Wand der Platz eines Bettes bezeichnet wird. Das Zimmer war also ein Schlaf- zimmer, aber von solcher Geräumigkeit, dass es unmögUch etwa für einen Sclaven bestimmt sein konnte. Diese ausgedehnten Vorrathskammem , im Verein mit den zum Theil offenbar für ähnliche Zwecke bestimmten Bäumen 38, legen die Vermuthung nahe, dass der Hausherr Handelsgeschäfte trieb und hier sein Waarenlager hatte.

Während man durch das Hauptatrium 2 nur in das Peristyl gelangte, führte das Nebenatrium 16 (an dem auch einige Cubicula 17 und apothecae 14, 15 liegen) zu den verschiedensten Theilen des Hauses. Das Tablinum 21 führt in das Peristyl; der auch aus diesem zugängUche Corridor 22 zu den verschiedenen Räumen auf der Südwestseite des Hauses, die rechte Ala 19 in den Hof oder Garten 25 von unbekannter Bestimmung. Drei Treppen führten in das Obergeschoss : die links am Atrium (neben 20) auch zu den Bäimien über den das Hauptatrium umgebenden Zimmern, 24 zu den oberen Zinuqem der Südwestseite, endUch eine dritte in 25 (von der die Aufmauerung an der Nord- westmauer ein Rest ist) zu den über 18, 19 und den Läden an der Nolaner Straße gelegenen Räumen : es ist hier ganz besonders klar, wie das Haupt- atrium als stattUcher Eingang, das Nebenatriimi zu praktischen Zwecken diente.

Demgemäß war das letztere in der letzten Zeit sehr vernachlässigt (die Wände hatten nur einen ganz rohen schwarzen Bewurf), früher zwar nicht ohne Sorgfalt und Geschmack, aber doch nur einfach decorirt, wie die in 19, 20 und 21 erhaltene Malerei im »Candelaberstil« beweist. Dass die letztere mindestens älter ist als das Jahr 15 n. Chr., beweist eine in die Wand von 20

Die PrivatgebÄude. Die WohnhÄuger. No. 24. Casa del Centmario. 357

neben einer rohen Zeichnung eines Gladiatorenkampfes eingeritzte Inschrift : Offidosm fugit Vlll.idus nov. Druso Caesare M. lunio Silano cos, Auf der Bückseite des Impluvinms steht ein kleiner Tufipfeiler, von dem wohl ehemals eine Brunnenfigur einen Wasserstrahl in das Impluvium fallen ließ.

Der schiefwinklige südwestliche Theil des Hauses enthält drei bestimmt geschiedene Gruppen von Räumlichkeiten, welche durch den Gang 22 unter einander und mit den übrigen Räumen verbunden werden. Die erste der- selben, bestehend aus den Zimmern 40, 41, 42, 43, ist von 22 aus durch den Gang 39 zugänglich, und war für die Gelage und Vergnügungen des Haus- herrn bestimmt : 41 ist ein großes tmd schönes Triclinium; 43 enthält obscöne Malereien, welche über den Charakter der Vergnügungen, denen dies Zimmer gewidmet war, keinen Zweifel aufkommen lassen ; 42 ist nur ein Vorraum zu 43 ; für 40 lässt sich kein bestimmter Zweck nachweisen. In einer frühem Periode bestand diese Gruppe aus den Zimmern 40, 41, 45, welches letztere damals nicht mit 44 tmd 46, sondern mit 39 durch eine Thür in Verbindung stand, während 42 tmd 43 nicht von 41, sondern nur von 25 aus zugänglich waren. So kommt es, dass 42 und 43 im letzten pompejanischen Stil aus- gemalt sind, während 40, 41, 45 die älteren Malereien im »Candelaberstil« bewahrt haben, und zwar 40 und 45 auf weißem, 41 auf schwarzem Gnmde.

Die Malerei des Tricliniums 41 (welches auch durch die alenartigen Erweiterungen seines vordem Theils merkwürdig ist) verdient eine beson- dere Erwähnung als eines der schönsten und reichsten Beispiele des genannten Stils. Mit seiner schwarzen Wandfläche imd seinem ebenfalls schwarzen Fuß- boden, in welchem eingelegte weiße Steinchen ein Muster bilden, müsste das Zimmer einen ungemein ernsten, fast finstem Eindruck machen, wenn nicht die zwar sparsamen und zarten, aber in lebhaften Farben sich kräftig abheben- den Einzelheiten der Wandbemalung dem erfolgreich entgegen wirkten. Ein rother Streif zieht sich am Fußboden entlang ; weiter wird der Sockel durch einen grünen gemalten Camies, die Hauptfläche durch zwei einen Fries einschließende gemalte Gesimse abgeschlossen, deren geschwungenes Profil ohne horizontale Gliedenmg mittels Abschattirung aus Violett durch Weiß zu (jrün mehr an- gedeutet als eigentlich dargestellt ist ; den obem Abschluss der ganzen Wand bildet über einem schmalen hellen Omamentstreif ein etwas breiterer hellrother Streifen. In horizontaler Richtung werden die Wände getheilt durch dünne Säulen imd einfache Candelaber, beide in Grün gemalt; von den so ent- stehenden Feldern ist das Mittelfeld der Hauptfläche jeder der drei Wände des engem und innem Theils zinnoberroth, das der Straßenwand und der gegen 42 (in welche die Thür erst später gebrochen wurde) gelb. Jedes dieser Mittelfelder enthielt eine ziemlich groß ohne Einrahmung auf den rothen resp. gelben Grund gemalte genrehafte Gruppe ; in den übrigen, schwarzen Feldern ist in viel kleineren Verhältnissen je eine weibliche Figur mit aegypti- schen religiösen Symbolen und Geräthen dargestellt ; der Fries enthält ab- wechselnd tragische und komische Theaterscenen, endlich der obere Wandtheil kleine, als Tafelbilder gedachte Gemälde mit Genrescenen. Die vorwiegenden Farben aller dieser Darstellungen sind Violett, Gelb, Grün, Hellblau. Von den Gruppen der Mittelfelder ist nur die der Straßenwand, eine Opferscene, ganz

358 Viertes Capitel.

erhalten ; die übrigen sind ganz oder theilweise zerstört worden durch die Anlage der Thür zu 42 und dadurch, dass man in dem innem Theil des Zim- mers hier in der letzten Zeit Pompejis viereckige Löcher in den Bewurf schnitt, diese mit frischem Stuck ausfüllte und Bilder von geringem Kunst werth darauf malte (Theseus nach Tödtung des Minotaur, Hermaphrodit und Silen, Iphi- genia, Orestes und Pylades in Tauris; Sogliano 530, 596, 585), welche zu der ganzen Decoration wenig passen und von dem Abwärtsgehen des Geschmackes ein deutliches Zeugniss ablegen *"*ö).

Die zweite Gruppe, 44, 45, 46, 47 ist eine Badeanlage. 44 ist das kalte Bad, mit dem großen Bassin 44a, zu welchem man über eine Treppe hinauf- stieg. Dieser Kaum war unbedeckt, und von ihm erhielten 49 und 53 ihr Licht. Jedoch sprang aus der für den Eintretenden rechten Wand ein Dach vor, welches eine schmale Passage von 22 zu 45 bedeckte ; femer wurde in der Nähe des Bassins ein baldachinartiges Dach von der Eingangswand und zwei Säulen getragen, offenbar bestimmt, den sich Aus- imd Ankleidenden Schutz zu bieten. Die Malereien der Wände, im letzten Stil, sind von ge- ringem Interesse ; wir bemerken jedoch, dass die Wände des bedeckten TheUg an der rechten Wand ihr besonderes Muster haben, und dass über dem Bassin aegyptische Landschaften mit wenig Farben auf gelben Grund gemalt sind. 45 ist das zum Schwitzbad gehörige Apodyterium, 46 das Tepidarium, 47 das Caldariimi. Beide letztgenannten Räume liegen oberhalb des im Keller be- findlichen Backofens und daher wesentlich höher als 44. Weil 45 den Zugang vermitteln musste, ist auch sein Fußboden, als es, wie oben bemerkt (S. 357), nachträglich zum Bade gezogen wurde, etwas erhöht worden; vorher war ohne Zweifel 46 über eine Treppe von 44 aus zugänglich. Die Heizung der beiden mit hohlen Fußböden und Wänden versehenen Bäume 46 und 47 wurde von der Küche 53 aus besorgt. Beide sind im letzten Stil ausgemalt; der Fußboden von 46 besteht aus schwarzweißem Mosaik, in welchem Fische dargestellt sind; der von 47 bestand aus rautenförmigen Marmorplatten, welche aber durch antike Ausgrabungen fast alle entfernt worden sind. Dieser letztere Eaum hat gegen die Straße eine halbrunde (auf dem Plan irrthümlich eckige) Nische, in der wir die schola labri erkennen ; die andere Nische ent- hielt eine gemauerte Wanne.

Die dritte Gruppe besteht aus einem bedeckten Nebenatrium 49, drei Schlafzimmern 51, einem Abtritt 50, einem Local unsicherer Bestimmung (vielleicht einem Stall) 52, einer Küche 53 und einem unter 53, 46 und 47 liegenden Keller, welcher unter 47 einen Backofen enthält und zugänglich ist durch einen schmalen, schräg abwärts führenden Gang neben dem eben so schmalen, welcher schräg aufwärts in die etwas erhöht liegende Küche führt. Am Atrium liegt links eine Treppe zu oberen Bäumen ; das in der rechten hintern Ecke angebrachte Larenheiligthum besteht aus einer für kleine Bronze- figuren der Hausgötter bestimmten Nische und ans Malereien, welche auf der rechten Wand neben der Nische die Laren, auf der Bückwand einen mit Beben bepflanzten Berg, und neben demselben den seinen Panther tränkenden Bakchos darstellen, welcher ganz in Trauben wie in ein Gewand eingehüllt ist (abgeb. Gaz. archeol. 1880 Taf. II, Not, degli Scavi 1880 Taf. VII). Die

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 25. Haus des Popidius Secundus. 359

kegelförmige Gestalt des Berges macht es wahrscheinlich, dass mit ihm der YesuY gemeint ist; doch ist die Darstellung so kunstlos, dass unsere Kenntniss von dem Aussehen desselben vor dem Ausbruch durch sie nicht wesentlich gefördert wird. Diese ganze Ecke des Atriums ist durch eine Brii- stungsmauer abgetheilt, innerhalb welcher ein kleiner tragbarer Altar (eine viereckige Steinplatte auf einem cylinderförmigen Fuß) gefunden wiirde*^^). Zwischen dieser Brüstung und der Thür z\im Peristyl, ebenso auch an der rechten Atriumswand und an der Straße links vom Eingang 48 sind gemauerte Bänke angebracht. Im Atrium fand man das Gerippe eines Esels und Reste des Geschirrs, wodurch die Annahme wahrscheinlich wird, dass 52 (da an keinen andern Kaum gedacht werden kann) ein- Stall war. In der Küche 53 bemerken wir den sehr großen Heerd ; außer einigem andern Geräth fand man hier eine Thonamphora , welche laut der darauf gemalten Inschrift mulsum, d. h. mit Honig angemachten Wein, enthielt.

Wir müssen es dahin gestellt sein lassen, ob die zuletzt besprochene Ab- theilung des Hauses (48 53) von der Dienerschaft bewohnt war, oder ob hier vielleicht ein Gasthaus [hospitium] mit Schenkwirthschaft gehalten wurde. Für letztere Annahme könnte geltend gemacht werden, dass das den Bacchus neben dem Vesuv darstellende Gemälde so angebracht ist, dass es, wenn die Thür bei 48 offen stand, den auf der Straße Vorübergehenden in die Augen fallen musste und so den Dienst eines den »Vesuvwein« ankündigenden Aus- hängeschildes leisten konnte. Doch werden wir wohl, in Anbetracht der Verbindung dieser Bäume mit den Wohnräumen, jene andere Annahme für wahrscheinlicher halten.

Auf den vorhergehenden Blättern ist eine Auswahl der gewöhnlichen kleineren und größeren ein- oder zweistöckigen pompejanischen Wohnhäuser, und zwar eine Reihe der normalsten Pläne, sowie der durch besondere Eigen- thümlichkeiten ausgezeichneten beschrieben worden, welche zur Vergegen- wärtigung der Verschiedenheiten in Anlage und Decoration genügen müssen, da es unmöglich ist, wenn nicht dieser Band gar zu sehr anschwellen und die Geduld seiner Leser auf eine gar zu harte Probe stellen soll, eine noch größere Anzahl pompejanischer Häuser im Einzelnen zu besprechen. Nur noch eines derselben muss seines ganz besonders eigenthümlichen, durch die Vereinigung mehrer Häuser entstandenen Planes wegen hier in Betracht gezogen werden. Dies ist

(No. 25.) die domus Popidii Secundi Augustiani (I, 4, 5; Plan No. 118), früher Casa del citarista genannt. Schon in der Tuffperiode wurde der südliche Theil des Hauses, das Atriimi 6 und die Peristylien 17 und 32 umfassend, auf dem Boden mehrer älteren Häuser erbaut. In römischer Zeit kamen dann die Bäume 19 30 und der nördliche Theil (47, 56) hinzu und erhielt das Haus eine Decoration zweiten Stils, von der nur wenig erhalten ist. Auf einige Veränderungen, namentlich am Peristyl 56, folgte dann eine Decoration dritten Stils, und endlich wurden, wiederum nach einigen Ver- änderungen (am Atrium 47) einzelne Räume im letzten pompejanischen Stil ausgemalt.

An der Front dieses Hauses an der Strada Stabiana^ dessen Ausgrabung

360 Viertes Capitel.

schon 1853 begann, aber nach langer Pause erst 1868 vollendet wurde, liegen drei Läden 1 , 2 und 4, die ersteren beiden linkB, der letzte rechts vom Ein- gänge 3. Zwei derselben 2 und 4 haben augenscheinlich bis in verhältniss- mäßig späte Zeit mit dem Innern des Hauses in Verbindung gestanden, sind

Fig. 179. Plan des Hauses des Popidius Seoundu«.

aber zuletzt durch neu aufgebaute Scheidemauem von ihm getrennt worden, wobei die ursprünglich aus 2 in das Atrium führende Thür als Fenster übrig geblieben ist. In diesem Laden {mit Hinterzimmer) lag nach sicheren Spuren eine Treppe zu den im Oberstocke mit vermietheten Zimmern. Auch der Laden 4 hat ein Hinterzimmer b, welches früher mit dem Atrium und Ostium in Verbindung stand, indem die Mauer zwischen der links sichtbaren Nische und dem kleinen Baum 5 fehlte ; nach Vermauerung dieser Verbindung ward in der erwähnten Nische ein Heerd gebaut. Der Laden 1 mit seinen beiden Hinterräumen b c endlich war von dem Hause unabhäi^g und besonders ver- miethet; irgend Etwas von besonderem Interesse bietet auch er nicht. In diesen Läden ward eine ziemlich bedeutende Anzahl Gerätbe und Gefäße von Bronze gefunden. Die Hausthür liegt unmittelbar an der Straße, über drei Stufen erhöht; ob, wie Fiorelli behauptet, eine zweite Thür weiter im Innern des Ostiums vorhanden gewesen sei, ist zweifelhaft; wenn sie vorhanden war, so dürften wir vielleicht in dem sonst räthselhaften, auf das Ostium wie auf das Atrium geöffneten kleinen Baum 5 einen Nebeneingaug erkennen, ver-

Die Privatgebäude. Die Wohnh&user. No. 25. Haus des Popidius Seoundus. 361

gleichbar dem, welchen wir im Hause des Epidius Rufus (S. 298] neben der eigentlichen StraBenthür fanden. In dem nicht eben besonders geräumigen tnscanischen Atrium 6 ist das Impluvium fast spurlos verschwunden, aber vor- handen gewesen. In ihm fand man einen kleinen marmornen Altar mit zwei eine Guirlande haltenden Eroten, zwei Vögeln, zwei gekreuzten Palmen und einem Praefericulum verziert. Die fünf das Atrium umgebenden Cubicula 7 und 8 rechts, 9, 10 und 11 links, von denen 7, 8 und 10 mit verschließbaren Thüren versehn waren, sind unbedeutend und auch ohne nennenswerthen Schmuck. Etwas reicher erscheinen die Alae 12, 13, mit lebhaft rothen Wän- den letzten Stils; diese sind in der linken 13 besser erhalten und hier ist das Brustbild eines jungen Satyrn mit einem Kantharos (Hlbg. No. 424) gemalt. Bis hierher erscheint der Plan abgesehn von seiner Schiefwinkligkeit ziem- lich normal; wenn das Tablinum 14 nicht in der Mitte der Rückseite liegt, so hat dies seinen Grund offenbar darin, dass man für den im Atrium Stehenden einen Blick durch das Tablinum in das Peristyl eröffnen wollte. In den natür- lichen Höhenverschiedenheiten des Bodens ist es begründet, dass das Tabli- num vom Atrium aus nicht betretbar, sondern durch eine 0,50 M. hohe Futtermauer von ihm getrennt ist. Betretbar ist es theils aus dem Peristyl, gegen welches es durch eine Thür al^eschlossen werden konnte, theils aus den in ihrem ersten Theile ziemlich steil ansteigenden Fauces 15. Auch dass man von eben diesem Tablinum aus nicht allein ein Zimmer (36) des zweiten Theiles des Hauses betrat, sondern auch vermöge der Treppe d zum obem Geschoss der das Atrium umgebenden Räume hinaufstieg, ist ein sehr unge- wöhnliches Yorkommniss. Durch dies Alles wird der Charakter des Tablinums stärker alterirt, als vielleicht in irgend einem andern pompejanischen Hause. Von den um das Atrium gruppirten Räumen ist nur noch die kleine, unter der eben erwähnten Treppe liegende Vorrathskammer 16 zu erwähnen. Die Fauces 15 führen in das erste Peristyl 17 mit rothen, leicht omamentirten Wänden letzten Stils. Seine Porticus besteht aus ursprünglich achtzehn tmten rothen, oben weiBen cannelirten Säulen mit Phantasiecapitellen, von denen jedoch später eine, vor der Piscina e, um den Blick aus 18 auf das Viridarium frei zu machen, entfernt worden ist. In der erwähnten halbrunden Piscina e liegt eine Stufe ; auf ihrem Rande standen als Wasserspeier eine Anzahl von theils einzelnen, theils unter einander kämpfenden Thieren von Erz : ein Eber, zwei Hunde, ein Löwe, eine Hirschkuh und eine Schlange, welche jetzt ent- fernt, in das Museum nach Neapel gebracht und dort in der Ordnung, in der der man sie fand, aufgestellt sind. Nahe bei diesem Bassin fand man auch die schöne Erzstatue eines kitharspielenden Apollon , von der das Haus seinen ersten Namen (del citarista) empfing und von der im artistischen Theile näher gehandelt werden soll. Von den beiden Cistemenmündungen hat die eine, y, ein Lavaputeal, die andere ff ist in einem Marmorstein angebracht, aber ohne Puteal ; h ist eine viereckige Grube, wie es scheint zur Abklärung des aus der Piscina abfliefienden Wassers. Auf der Schwelle der großen Exedra 1 8 stehn zwei Säulen als Träger ihres Gebälkes ; ihr Fußboden besteht aus schwarzweißem Mosaik mit einem aus Marmorplatten zusammengesetzten Rechteck in der Mitte ; die Wände sind einfach im letzten Stil auf gelbem

362 Viertes Capitel.

Grunde gemalt und hatten in den Mittelfeldern drei größere Bilder, von denen aber zwei ganz fehlen, das dritte unkenntlich geworden ist.

Die Räume an der gegenüberliegenden Seite des Peristyls zeigen, wie schon bemerkt, jüngere Bauart; sie entstanden in römischer Zeit nach Ankauf des ehemaligen südöstlichen Eckhauses der Insula. Auch ihre Wandmalereien haben einen gemeinsamen Charakter und sind zwar dem dritten Decorations- stil nahe verwandt, bilden aber eine besondere, dem zweiten Stil noch näher stehende Gruppe. In der linken hintern Ecke des Peristyls liegt ein großer Oecus 1 9 mit reicher Decoration großer, aber sehr zerstörter Architekturen auf schwarzem Grunde ; das einzige hier gefundene Bild , eine ermattet einge- schlafene Bacchantin darstellend, befindet sich im Museum zu Neapel. Der Fußboden besteht aus trefflichem weißen Mosaik mit schwarzem Rande. Weiter folgt ein wahrscheinlich als Triclinium zu bezeichnender Raum 20 mit einem eigenen Vorplatze 20 a und drei größeren Bildern auf seinen einfach gemalten Wänden, nämlich links einer Darstellung von Ares' imd Aphro- ditens Liebe (lUbg. No. 323), dem Eingange gegenüber einem unerklärten (Hlbg. No. 1401), rechts einer auf Leda nicht ganz sicher bezogenen Compo- sition (Hlbg. No. 152): die beiden erstgenannten befinden sich in Neapel. Der Fußboden (Signinum mit eingelegten Steinen) ist sehr gering, besser der des Vorraumes, welcher aus in Stuck gelegten Travertinstückchen und unregelmäßigen Marmorstücken besteht. Die Wände des Vorraiunes zeigen Pflanzen auf dunklem Grunde. Weiter rechts folgt eine Gruppe von Zimmern, welche aus dem atriumartigen aber bedeckten Mittelraiun 21 zugänglich sind, auf dessen linker Wand eine interessante Darstellung des Parisurteils (Hlbg. No. 1286) erhalten ist. Von den hinter diesem Mittelraum liegenden Räumen ist 22, mit sehr einfachen, oben weißen, unten rothen Wänden, wohl eine Vorrathskammer ; eine dort gefundene kleine Handmühle steht noch an ihrem Platz. Dagegen ist 23 ein zierlich gemaltes Cubiculimi, welches auf den weißen Mittelfeldern seiner rothen Wände drei Bilder aufzuweisen hat : dem Eingange gegenüber Apollon vom Kitharspiele ruhend (Hlbg. No. 183 ; dies Bild geringer als die übrigen und später eingesetzt), rechts einen musika- lischen Wettstreit (Hlbg. No. 1378 6), links einen imerklärten Gegenstand (ein Jüngling Vor einem barbarischen oder phrygischen Könige, Hlbg. No. 1388), welcher sich ganz ähnlich in der domita Sirici (s. oben S. 324) wieder- holt findet. Der kleine Raum daneben 24 ist eine Vorrathskammer [apotheca) gewesen, in welcher die Wände die Löcher zur Befestigung ringsum laufender Bretter zeigen. Hier vorbei führt der Gang 25 in eine Art von kleinem Atrium 26, an welchem ein Stall 27 und zwei Schlafzimmer der Stallknechte 29 und 30, mit vergitterten Fenstern, liegen, zwischen denen die breite Ein- fahrt 28 deutliche Spuren von Wagenrädern zeigt. Über allen diesen Räumen, mit Ausnahme vielleicht des von der Straße entfernten Theils des Atriums 26, befand sich ein niedriger Zwischenstock [mezzanino] , welcher über dem Stall zwei Fenster auf die Straße hat. Darüber sieht man den Anfang des offenbar ganz niedrigen dritten Geschosses mit gut gemalten Wänden letzten Stils und einer Thür nach dem Raum über 24. Kehren wir nun durch den Gang 25 in den atriumartigen Raum 2 1 zurück, so finden wir an der linken (südlichen)

Die Priyatgebäude. Die Wohnh&user. No. 25. Haus des Fopidius Secundus. 363

Seite desselben noch das im letzten Stil mit rothen und blauen Feldern über schwarzem Sockel ausgemalte Triclinium 30', ohne erhaltene Bilder, und das zierliche Cubiculum 30", dessen Wände (blaue Felder bei violettem Sockel und weißem obem Wandtheil) denselben oben erwähnten Stil zeigen, wie die übrigen Bäume dieses Complexes. Wenden wir uns nun wieder in das Peri- styl 17, so bemerken wir zunächst noch nahe der Südostecke die kleine, als Wandschrank dienende, gewölbte Nische 31, und auf der entgegengesetzten Seite die gewölbte Exedra 45, von nur sehr geringer Tiefe, mit Marmortäifelung auf dem Fußboden und am Wandsockel, endlich das Sclavencubiculum 44. Auf der Südseite ist das Peristyl von einer Mauer begrenzt, welche von zwei Thüren an den beiden Enden und zwischen diesen von sechs Fenstern durch- brochen ist. Diese Thüren und Fenster verbinden mit dem ersten ein zweites, schönes und heiteres Peristyl 32, dessen weiße Wände mit leichtem Ornament letzten Stils geschmückt sind, während seine Porticus von zwanzig dünnen, unten rothen, oben weißen cannelirten Säulen mit Phantasiecapitellen gebil- det wird, zwischen denen ein Mosaiksaum liegt. Die freie Area in der Mitte ist, von einer niedrigen Mauer umgeben, erhöht und war ohne Zweifel als Xystus bepflanzt. Ein Puteal steht neben der nordöstlichen Ecksäule des Um- gangs. Dieser Ecke gegenüber beginnen die Gemächer dieser Abtheilung mit einer kleinen , weit und unverschließbar gegen das Peristyl und außerdem gegen das anstoßende Cubiculum geöfineten Exedra 33, mit weiß und schwar- zem Mosaikfußboden; folgt das eben erwähnte Cubiculum 34 mit Alkoven im Hintergrunde imd weißen, mit leichten Architekturen decorirten Wänden, und ein großer Oecus 35, in. dessen Eingang zwei Pfeiler stehn, welche den Deckenbalken trugen und zwischen denen Thüren angebracht waren. Die Wände sind in gelbe und blaue Felder getheilt und mit schwebenden Figuren bemalt, doch haben die blauen Felder sehr gelitten. Aus den blauen Mittel- feldern sind ausgehoben und in das Museum zu Neapel geschafft die Bilder bei Heibig No. 1239 und 1333, ersteres Ariadnes Auffindung durch Dionysos, letzteres Orestes und Pylades in Tauris vor Thoas gefesselt und Iphigenia mit dem Götterbild im Arme darstellend, eines der schönsten und merkwürdigsten aller in Pompeji gefundenen Bilder. Am entgegengesetzten Ende des Peri- styls liegt zunächst am Tablinum 14 der ersten Hausabtheilung das Zinmier 36, gegen das Peristyl und die beiden angrenzenden Räume geöffnet. Durch die dem zweiten Stil angehörige, eine Marmortäfelung nachahmende Malerei seiner Wände wird der innerste Theil als der Platz eines Bettes bezeichnet ; derselbe hatte auch seine besondere, flach gewölbte Verschalung : wir dürfen also das Zimmer als ein Cubiculiun bezeichnen. Neben ihm liegt das Tricli- nium 37, dessen gelbe Wände letzten Stils mit Architekturen und schweben- den Gestalten (Hlbg. No. 1951) und auf rothen Mittelfeldern mit drei namhaf- ten Bildern geschmückt waren. Von diesen ist dasjenige rechts, die von Argos bewachte lo darstellend (Hlbg. No. 137), für das Museum ausgehoben, das- jenige hinten (Hlbg. No. 1400) unerklärt und dasjenige links, Aphrodite und Adonis (Hlbg. No. 330), stark beschädigt.

So geräumig nun auch diese Wohnung in den bisher geschilderten Theilen ist, so genügte sie doch nicht dem offenbar wohlhabenden imd vor-

364 Viertes Capitei.

nehmen Besitzer. Kehrt man durch das erste Peristyl 17 und die Fauces 15 in das Atrium zurück, so findet man einen aus dessen linker Ala abzweigen- den Gang 38, welcher zu einem Bade fuhrt, dessen Tepidarium 40 und Calda- rium 41 unter sich verbunden sind. In früheren Zeiten war mit denselben noch ein dritter Raum, 39, verbunden, welcher als Apodyterium imd Frigi- darium diente, später aber zu anderen Zwecken verwandt worden ist: die ausgefüllte Wanne in seinem innersten Theil, sowie die vermauerte Thür zum Tepidarium sind vollkommen kenntlich. In seiner Fortsetzung 38 a fuhrt dieser Gang weiter links in die Küche 42, welche außer dem Heerde »und dem mit eigener Thüre verschließbaren Abtritt k auch die Vorrichtung zur Heizung des Bades / enthält. Rechts zweigt dieser Gang zu einem Räume 38 h ab, welcher, an seinem Ende durch ein Oberlicht m und durch ein kleines Fenster auf das Peristyl, wenn auch nur sehr mäßig, erleuchtet, eine Treppe in den Oberstock und einen Brunnen oder Wasserbehälter n enthält. 43, aus dem Peristyl 1 7 zugänglich, ist ein Vorraum zum Bade, d. h. ein kleiner Hof mit Impluvium o und einem von vier achteckigen rothen Säulen getragenen atriumartigen Dach ; von diesen Säulen sind zwei nachträglich in eine Mauer eingeschlossen, die übrigen durch ein niedriges Podium verbunden worden.

Aus dem Peristyl 1 7 gelangt man links noch zu einer Erweiterung dieser Wohnung, welche nicht blos ursprünglich ein eigenes Haus gewesen, sondern in der ganzen Einrichtung ziemlich unverändert geblieben ist, als Popidius Secundus oder sein Vorfahr es mit seiner Wohnung verband, während die zu- letzt beschriebenen Räume 38 42 ziemlich augenscheinlich von dem Nach- barhause an der Strada Stabiana abgeschnitten und durch Umbau zu dem gemacht worden sind, als was wir sie kennen gelernt haben. Die Verbindung zwischen dem ersten Peristyl und dem annectirten Hause [domtts L. Optati Rapiani ist seine officielle Benennung) , welches, da sich die Strada Stabiana an dieser Stelle bereits ziemlich rasch dem Thore zu senkt, höher liegt als die beschriebenen Theile, wird durch eine breite Treppe von zehn aus Ziegel- steinen aufgemauerten Stufen p hergestellt, neben der rechts und links in dem theilweise mit Erde ausgefüllten Räume zwischen den Wänden des Peri- styls 17 und des Nachbarhauses die beiden schon erwähnten Räume 44 und 45 ausgespart oder gewonnen sind. Bei der vollkommenen Selbständigkeit des Planes dieses Nebenhauses wird dessen Beschreibung am besten bei seinem eigenen Eingang an der nördlichen Nebengasse beginnen. Das kurze, unmit- telbar an der Straße geschlossene Ostium 46 führt in das ziemlich geräumige tuscanische Atrium 47, dessen Impluvium von einer sehr wenig erhaltenen schönen farbigen Mosaikborde umgeben war. Links neben dem Ostium liegt eine in früherer Zeit von der Straße zugängliche Treppe zum Obergeschoss, zu welcher jedoch der nachträglich durchgebrochene überwölbte Eingang aus dem Ostium so eng ist, dass man sich nur von der Seite hindurchschieben kann. Die neben dieser Treppe liegenden Räume gehören nicht zu diesem Hause, sondern zu dem Laden neben seinem Eingange. Am Atrium liegt rechts neben dem Ostium eine nur 2 M. hohe Celle 48 ; ohne Zweifel konnte der Atriensis von hier in ein oberes Gemach steigen und von dort durch ein Fenster auf die Straße sehen, wie in der Casa dei Dioscuri (S. 335). Weiter folgt eine von der

Die Privatgeb&ude. Die Wohnhäuser. No. 25. Haus des Popidius Secundus. 365

StraBe aus durch ein enges Fenster dürftig beleuchtete schmucklose Vorraths- kammer [cella penaria) 49. An diese stößt das im letzten Stil gemalte Cubi- culum 50, auf dessen rechter Seitenwand sich ein Bild (Hlbg. No. 542) findet, darstellend einen jugendlichen Satyrn^ welcher vorsichtig eine schlafende Bakchantin beschleicht. An der linken Wand dieses Zimmers führt eine Treppe zum Oberstock , mit besonderem Zugang vom Atrium, steil über eine kleine Thür zur rechten Ala 51 hinweg; unter ihr waren einige Bretter zum Auf- bewahren irgend welcher Gegenstände angebracht. Der innerste Theil der Ala 51 ist, wie öfter, durch die steinernen Substructionen eines großen hölzer- nen Schrankes eingenommen. Hier und unter der Treppe in 50 ist die einfache Decoration dritten Stils, mit schwarzem Grunde, erhalten geblieben. Aus der Ala führt eine Thür in das auch vom Peristyl zugängliche und, wie das Peristyl und alle umliegenden Bäume, im dritten Stil (auf schwarzem Grunde) gemalte Zimmer 52. Auf der andern Seite liegt zuerst ein Triclinium 53 mit gelben Wänden letzten Stils, leichten Architekturen und kleinen Bildern von Fischen ; auf dieses folgt die ursprüngliche linke Ala 54, welche aber zu einem bloßen Durchgang in ein großes Gemach 55 verwandelt worden ist^ welches, in der letzten Zeit Pompejis durch Vergrößerung und Umgestaltung eines auf das Peristyl geöfiiieten Tricliniums entstanden, vermuthlich irgend einem Gewerbsbetriebe dienen sollte ; durch die in ihm liegende Cistemen- mündung q wird es nicht hinlänglich gekennzeichnet. Ein Tablinum fehlt diesem Hause ^Uizlich ; das Atrium wird nach hinten durch eine glatte Wand abgeschlossen, welche nur durch die breite Thür in das Peristyl unterbrochen ist ; links neben derselben liegt der Stein, auf welchem die Geldkiste durch einen noch vorhandenen Eisenzapfen befestigt war. Die ursprünglich achtzehn Säulen, welche die Porticus bildeten, wurden später in der auf dem Plan ersichtlichen Weise zum Theil in Zwischenwände verbaut ; im Allgemeinen sind sie ganz roth bemalt imd glatt ; nur das dem Eingang aus dem Atrium gegenüberliegende Intercolumnium sowohl der vordem als der hintern Reihe, sowie auch das mittlere der linken Schmalseite sind nicht nur durch größere Breite, sondern auch dadurch ausgezeichnet, dass hier die Säulen auf der dem Intercolumnium zugewandten Seite unten glatt und schwarz, oben weiß und cannelirt, auf der andern Seite aber, wie die übrigen, glatt und roth sind. Dem entsprechend sind auch die Halbsäulen der rechten Schmalseite unten glatt und schwarz, oben weiß und cannelirt. Es äußert sich hierin die auch sonst schon von uns beobachtete Neigung der spätem römischen Zeit, hier der Zeit des dritten Decorationsstils, die den Eingängen und den größeren Zim- mern entsprechenden Intercolumnien hervorzuheben. An der Unken Schmal- seite steht zwischen den Mittelsäulen ein Puteal aus Travertin r. An diesem Peristyl liegt rechts nur eine geräumige Exedra 57 (mit wenig erhaltener Malerei) hinter einem eigenen Vorräume 57 a, welcher erst durch die oben erwähnte Umwandlung der Porticus entstanden ist, links dagegen eine ganze Folge kleinerer Gemächer. Und zwar in der Mitte ein Triclinium 58 mit marmornem und Mosaikfußboden und gelben Wänden letzten Stils mit ur- sprünglich drei Bildern, von denen aber das der rechten Seitenwand fehlt, während das der Hinterwand (Hlbg. No. 333), etwas beschädigt, den ver-

366 Viertes Capitel.

wundeten, von Eroten bedienten Adonis darstellt; auf der linken Wand Nereiden auf einem 8eepferd. Zu diesem Triclinium scheint das rechts von ihm liegende und mit ihm verbundene Gemach 59 als Anrichte- und Bedie- nungszimmer (vgl. S. 327 und 368) zu gehören, während dasjenige links 60, welches Bilder an seinen schlecht erhaltenen Wänden hatte, als Cubiculum gilt. Neben ihm fuhrt ein Durchgang 61 links in eine Vorrathskammer [cella penariä) 62, gradeaus in einen Durchgangsraum 63, durch welchen man zu der rechts und hinter dem Triclinium liegenden Küche 64 gelangt, welche durch den Heerd gekennzeichnet wird. Der Baum hinter den Zimmern 58 und 59 ist nicht ganz ausgeräumt worden ; vermuthlich enthält er den Abtritt.

Es bleibt jetzt nur noch übrig, solche Leser, welche Pompeji selbst be- suchen, auf einige der hier nicht beschriebenen Häuser aufmerksam zu machen, welche, sei es der Eigenthümlichkeit ihrer Decoration oder der Besonderheit häuslicher Einrichtimg wegen, einen Besuch besonders lohnen. Als solche seien die beiden Häuser mit den Mosaikbrunnen in der Mercurstraße, die Häuser des Schiffes, der bemalten und der Figurencapitelle in der Fortunastraße und besonders die in den letzten Jahren ausgegrabenen Häuser der Comelier, des Paquius Proculus, des N. Popidius Priscus, dasjenige mit dem Niobidenbilde (VH, 15, 1. 2; Plan No. 52), sowie diejenigen in Beg. I, Ins. 3 und 2 besonders empfohlen, sowie auch wegen ihrer schönen und zum Theil pracht- vollen Decoration die Casa di Apolltne, della parete nera, del cignale u. A.

Es können nun aber die Privatgebäude der Stadt Pompeji nicht verlassen werden , ohne dass wenigstens von einem jener großen mehrstöckigen oder vielmehr terrassenartig angelegten Häuser, welche am südwestlichen Abhänge des Stadthügels auf der hier niedergerissenen Mauer erbaut sind, der Plan mitgetheilt und kurz besprochen werde. Wie schon früher bemerkt wurde, bildete die Straße vom Herculaner Thor, an welcher diese Häuser liegen, die Hauptverkehrstraße, und dem entsprechend scheinen die in Bede stehenden Häuser Kaufmannshäuser gewesen zu sein.

(No. 26.) Eine nähere Betrachtung des mitzutheilenden Planes eines der ausgedehntesten dieser Häuser, der nach einem Wahlprogramm so genannten Casa di Polibio (VI, ins. occid, 1 9 26 ; No. 3 i im Plane) , wird dies bestätigen, indem wir in demselben nur verhältnissmäßig wenige Wohnräumlichkeiten, da- gegen eine beträchtliche Zahl solcher finden werden, die allem Anscheine nach als Lagerräume für verschiedene, natürlich jetzt nicht mehr zu errathende Waaren gedient haben. Vor der Analyse des Planes sei noch bemerkt, dass bei diesem Hause unsere Autopsie nur eine theil weise hat sein können, da verschiedene der sehr zerstörten Bäiimlichkeiten der unteren Geschosse unzugänglich sind. Wir finden uns also hier vielfach auf Mazois angewiesen, nach dessen Plänen die drei Geschosse oder Terrassenetagen neben einander gestellt worden sind, und zwar so , dass A das Geschoss zu ebener Erde an der Straße enthält, dessen Bäume durch Zahlen bezeichnet sind, während in B das zweite, in C das dritte Geschoss d.h. das unterste, im Niveau des Bodens am Fuße des Stadthügels von Pompeji, dargestellt wird , in welchen die Bäume mit lateinischen und griechischen Lettern versehn worden sind.

Fassen wir zuerst das Erdgeschoss an der Straße Ä in das Auge. An der

Die FriTstgebftude. Die Wohnhiuser. No. 26. DteiatMkiges Haus. 367

Fronte der Straße liegen zunächst vier Läden 1 ohne Zusammenhang mit dem Hau§e, welche mit ihrer Hinterwand den Umgang des Feristyls begrenzen. Neben diesen weiter links ein weiter Doppelladen 2 mit zwei Eingängen und

Fig. 1

Plan eine« dieistOckigea Hauaea.

in Verbindung mit dem Hause, und zwar sowohl mit dessen Atrium und Feristyl wie auch vermöge eines geneigten Ganges {/> in B) mit den Magazin- Turnen des untern Geschosses. Es kann wenig Zweifel sein, dass wir hier die Packniume des Kaufherrn vor uns haben, aus denen die Waaren in die Magazine gebracht wurden, zu denen ein geneigter Gang anstatt einer Treppe fiibrt, weil dieser für Waarentransporte ungleich zweckmäßiger ist als jene. Die Treppe nämlich 3, welche in diesem Räume angegeben ist, führt aus dem Erdgeschoss in das obere Stockwerk von A , der geneigte Gang geht unter ihrer obem Wendung hindurch. Eine ähnliche, kleinere Packkammer als Vorraum eines zweiten geneigten Ganges findet man jenseits des Hauseinganges in 4 ; der Gang, den wir in B bei a wiederfinden, ist mit einer einfachen Linie angegeben. Zwischen diesen dem Geschäft gewidmeten Räumlichkeiten liegt das eigentliche Wohnhaus, zu dessen Verständniss auf dem Plane ein paar Winke genügen. In 5 ist der Eingang, das Ostium, in 6 das tuscanische Atrium, in dessen Hintergründe das Tablinom 7 zwischen den beiden Fauces 8 leicht erkennbar ist. Die hinteren Theile, von der Mitte des Tablinume an, sind jetzt eingestürzt. Tablinum und Fauces öffneten sich auf eine große Ter- rasse 13, in welcher man die umgitterte Öffnung eines kleinen Hofes sieht, der in das untere Geschoss Licht bringt und welche als das flache Dach eben dieses untern Geschosses gelten kann. Für ein Feristyl im eigentlichen Sinne war hinter dem Tablinum kein Raum ; dasselbe liegt also, ähnlich wie bereits au8 anderen Beispielen zur Genüge bekannt ist, seitwärts in 9, mit dem Atrium

368 Viertes Capitel.

durch einen Zugang aus den rechten Fauces verbunden und nach hinten durch drei kleinere, mit einander zusammenhangende Zimmer 10 begrenzt, von denen das erste von rechts eine zugleich als Durchgang zur Terrasse dienende kleine Exedra, die anderen Triclinien mit Fenstern sind. Daneben liegt das ge- räumige Triclinium oder der Oecus 1 1 , neben welchem ursprünglich ein Gang auf die Terrasse führte ; von diesem wurde aber später das kleine Anrichte- cabinet 12 abgetrennt, mit einem gemauerten Tisch an der Rückwand. Rechts sind keine Zimmer am Peristylumgang, links liegt nur eine kleine unregel- mäßige Sclavencella 14.

Der Umgang und die denselben bildenden Säulen umgeben den Hof oder das Viridarium nur an drqi Seiten ; in ihrer Nähe sind Reste eines Mosaik- bodens erhalten, welcher jedoch vielleicht nicht die ganze Porticus, sondern nur den Streifen, auf dem die Säulen stehn, bedeckte.

Gehn wir zum Geschoss B über, welches unter dem Niveau der Straße liegt. Über die Eingänge in 2 und 4 des obem Geschosses ist das Nöthige gesagt ; die beiden geneigten und überwölbten Gänge sind im Plane mit a und h bezeichnet. Folgen wir zuerst dem Gange a, so gelangen wir gradaus auf eine Treppe c, welche in das dritte Stockwerk hinunterfuhrt und hier nur zum Theil, im Plane C ganz dargestellt ist. Mit einer kleinen Wendung rechts gelangt man in eine weitere Fortsetzung d des Ganges a, eine Fortsetzung, welche sich fast durch das ganze Geschoss als ein Corridor hinzieht, auf den die meisten Räume sich öffnen. Gleich zu Anfang liegt an demselben in e ein Saal unter dem Tablinum , an den hinten ein Cabinet f angebaut ist. Man hält dies für ein Badezimmer, ohne dass die bestimmenden Merkmale dafür angegeben werden könnten. Am Ende des Saales macht der Gang eine Wen- dung im rechten Winkel und wird zur linken Hand von dem wirklichen Bade dieses Hauses begrenzt. In ^ nämlich hat man das Apodyterium, in A das eigentliche Badezimmer und in i die Officin des Bades mit dem Feuerheerd erkannt ; jetzt sind diese Räume nicht mehr sichtbar. Unter diesem liegt in dem Stockwerke C noch ein Bad, welches möglicherweise für die Dienerschaft bestimmt war. An der Ecke des Saales e stößt der geneigte Gang ft, von den Packkammem 2 herabkommend, mit dem Gange a zusammen, und unmittelbar im Winkel dieses Zusammentreffens liegt in k der kleine Hof, der, unbedeckt, die obere Terrasse unterbricht, und hier wahrscheinlich mit einem Geländer umgeben war. Er ist einzig der Erleuchtung des Ganges und der umliegenden Räume wegen angebracht. Diese sind auf den beiden Seiten des Hofes zwei kleinere Zimmer / und m, von denen das letztere nur sehr wenig Licht hat; dies scheinen sicher Lagerräume gewesen zu sein und ebenso auch die weiter gegen die Straße zu liegenden, auf de^i Plan nicht numerirten dunkeln Räume. Dagegen geben sich die Räume auf der andern Seite des Granges, gegen den Abhang zu , durch die in ihnen erhaltenen Malereien als Wohnzimmer zu erkennen. Von ihnen kann der große Saal », mit einem durch eine zwei- flügelige Freitreppe o vermittelten Ausgang auf die etwas niedrigere Terrasse )>, als Sommertriclinium gelten; auch 8 mochte ein Triclinium sein, während i ein geräumiges Cubiculum ist. Etwas niedriger noch als die Terrasse p^ um die von dieser aus zu genießende Aussicht nicht zu beschränken, liegt der mit

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 27. Villa auburbana. 369

u bezeichnete Umgang über den Säulen, welche den Hof des untersten Stock- werks umgeben ; man gelangte auf ihn über die je vier Stufen der Treppen v. Endlich das Stockwerk C, über das sich nur wenig Bestimmtes sagen lässt. Um bei einem Punkte anzuknüpfen, der das obere Geschoss berührt, sei zuerst die hier mit a bezeichnete und in ihrer ganzen Ausdehnung sichtbare Treppe [e in B) genannt, welche in das untere Stockwerk und durch dies hindurch in den Hofraiun führt. Bechts vom ersten Absatz dieser Treppe zweigt sich der Gang ß ab, welcher in die als Bad für die Dienerschaft geltenden Baume y und sodann weiter führt. Der bestimmte Zweck des hinter den Badezimmern gelegenen, auf den Hof geöffneten Zimmers d ist nicht bekannt. Durch das Apodyterium des Sclavenbades hindurch betritt man auf dem Gange ß ein geräumiges Zimmer e mit rohen Wänden, welches, wie der darüber in B gelegene Saal n, als Triclinium für die heiße Jahreszeit gilt, in der man die Kühlung der keUerartigen Luft dieses untersten Stockwerks suchen mochte. C und d waren ursprünglich beide Wohnräume mit guten Malereien dritten Stils ; d ist dann später zu Wirthschaftszwecken (aber nicht als Küche) benutzt worden. Der Gang ß fuhrt mit einigen Niveaudifferenzen, welche zimi An- bringen von einigen Stufen nöthigten, am Saale e imd an einem Zimmer t], dessen Zweck nicht bekannt ist, vorüber und neben f auf den Hof hinaus. Rechts an demselben finden wir einen großen, überwölbten, schwach erleuch- teten Baum, welcher durch dünne und nicht bis an die Decke reichende Mauern in eine Anzahl kleiner Bäume t getheilt ist, welche von einem gemeinsamen Vorraum ^ aus zugänglich sind. Ob dies Sclavenwohnungen waren, ob Vor- rathsräume, ist wohl schwerlich zu entscheiden. Die von Mazois aufgestellte Meinung, es sei ein ergastülum mit Strafcellen, ist schon wegen der schwachen Beleuchtung wenig glaublich ^*>). Hinter diesem untersten Geschoss dehnt sich der geräumige Hof x aus, den an allen vier Seiten eine Säulenhalle X umgiebt, über der der Umgang u des Geschosses B liegt; die geräumige Area des Hofes X, in deren Mitte eine Piscina ^ sich befindet, war ohne Zweifel zu Baum- pflanzungen und Blumenzucht benutzt.

(No. 27.) Den Schluss unserer Betrachtungen pompejanischer Wohnhäuser machen wir mit der vorstädtischen Villa, der sogenannten des M. Arrius Dio- medes, welche nicht allein zu den größten, sondern auch zu den am besten erhaltenen Wohnhäusern Pompejis gehört imd seit ihrer Ausgrabung im Laufe der Jahre 1771 74 ganz besonders die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Sie mag uns zugleich als Muster ähnlicher Baulichkeiten in Pompeji, der leider wieder zugeschütteten Villen, namentlich der sogenannten des Cicero dienen, von der nur mangelhafte Pläne überliefert sind^^^j^ go dass ein näheres Ein- gehn auf dieselben für die Zwecke dieses Buches kaum hinreichendes Interesse bieten dürfte. Diese Villen, namentlich diejenige, welche der Kürze wegen als diejenige des Diomedes bezeichnet werden mag, obgleich der Name durch das gegenüberliegende Grab des M. Arrius Diomedes keineswegs hinlänglich be- gründet wird, verhalten sich zu der von Vitruv VI, 8 gegebenen Vorschrift der Mtisteranlage fast grade so, wie die Wohnhäuser zu dem vom alten Architekten für solche angegebenen Grundschema, übereinstimmend im Vorhandensein und der Lage der meisten wesentlichen Theile, abweichend nach dem Bedürf-

Ot erbeck, Pompeji. 4. Aufl. 24

niss des Raumes und dem Geschmack des Eignevs. Es soll im Verlaufe der Darstellung auf die Übereinstimmung mit der Itegel hingewiesen werden und

es darf daher von einer ~-' ' ' ' '..". T T vorgängigen Darstellung

dieser abgesehn werden, welchezu vielen Wieder- holungen führen miisHte . üer Einzelbetrachtung des Planes ist nur die eine Bemerkung roran- zusenden , dass , da die Villa mit ihrem Ein- gange an der gegen die Stadt ansteigenden Giü- berstraße liegt, dieselbe in derselben Art wie das eben vorher betrachtete Haus mehrstöckig ist. Da aber diese Geschosse fast ganz terrassenför- mig hinter, nicht unter einander li^en, so ist ein Plan genügend er- schienen, in welchem die im Niveauder Straße lie- genden Theile schwarz und mit Ziffern, die tie- fer liegenden hell ge- halten und mit kleinen ~ Buchstaben bezeichnet sind '**) .

Der Fußweg der Fig. 181. P\An am Väta tiümrbana. Gräberstraße ist etwa 4

Meter zu beiden Seiten des Eingangs als eine kaum merklich ansteigende Rampe behandelt, vermt^e deren man auf eine kleine Plattform vor dem Eingange gelangt. Dieser ist wie das ganze vordere Geschoss, welches die Wohnung umfasst, etwa l,öO M. über das Niveau des Fußweges erhoben, so dass man über eine Treppe 1 von sieben Stufen zur Hausthür emporzusteigen hat. Auf den Enden der Treppenwangen stehn noch die fragmentirten Schäfte zweier Backsteinsaulen , welche eine verschwundene Bedachung der Treppe stützten. Nach Durchschreitung der Hausthür und eines kleinen dreieckigen Vestibulums 2, welches auch hier die diesmal ganz besonders starke Schiefwinkligkeit gegen die Straße ausgleicht, stehn wir unmittelbar im Peristjl 3. Dies entspricht Vitruvs Angabe, dasa in Landhäusern und derartigen subuibanen Villen das Peristyl anstatt des Atriums anmittelbar auf den Eingang folgend angelegt weide. In der Mitte des Säulen-

Die Privatgeb&ude. Die 'Wohnhäuser. No. 27. Villa suburbana, 37 1

Umgangs finden wir ein kleines Yiridarinm mit Begenrinne^ aus der das Wasser in eine darunter befindliche Cisteme zusammenfloss. Aus dieser wurde es durch zwei roth gefärbte Puteale aus Travertin a geschöpft. Roth gemalt ist auch das untere nicht cannelirte Drittheil der vierzehn die Porticus bildenden dorischen Säulen von Ziegeln mit Stuccobekleidung , deren obere zwei Drittheile weiß und mit nur durch eingeritzte Linien angedeuteten Canne- luren versehn sind, imd deren Capitell, welches im artistischen Theile noch einmal zu erwähnen sein wird, dasjenige Ornament plastisch ausgeführt zeigte (denn erhalten ist es nirgends), welches bei den meisten Säulen nur gemalt war und verschwunden ist. Ein oberer Umgang war nicht vorhanden; die einfache Malerei der Wände zeigt den Stil der letzten Periode. Der ganze Peristylhof macht in seiner einfachen Eleganz einen sehr heitern und freund- lichen Eindruck.

Von den imi das Peristyl gelegenen Räumen sind die meisten leicht und mit wenigen Worten bezeichnet. Beginnt man rechts am Eingang, so findet man in einem durch oben erwähnte Umstände wiederum dreieckigen Raum 4 die Treppe zu den rechts tiefer gelegenen Theilen des Hauses, in denen sich die Wirthschaftsräumlichkeiten befinden, und zu einem Gange a aa, der in den Hof und Garten fuhrt. Sodann folgt ein durch moderne Einbauten un- kenntlich gewordenes Cubiculum 5, aus welchem man nach links in ein größeres Zimmer imbekannter Bestimmung , mit weißen Wänden, gelangte. An der Hinterseite des Peristyls liegt rechts der offene alaartige Vorplatz 6 a des engen Durchganges 6, durch welchen man auf die unten zu besprechende Gallerie kommt, und an welchem rechts ein Cubiculum, links das kleine Zimmer 7 liegt, welches sich mit einem großen Fenster auf die Gallerie öffnet ; weiter folgt ein nach beiden Seiten offenes Tablinum 8, aus dem man ebenfalls die Gallerie betritt. Entweder aus diesem Tablinum oder aus dem Zimmer 25 stammen die bei Heibig unter No. 546 J (Satyr und Bakchantinj, 1222 J oder 1223 (Ariadne) imd 1351 (Narkissos) verzeichneten, zimi Theil zerstörten, zum Theil im Museum in Neapel befindlichen Bilder. Neben dem Tablimmi liegen zwei wiederum auf diese Gallerie geöffnete Zimmer 9 und 10, deren letzteres als Exedra gelten kann ; in 9 ist die Wanddecoration zweiten Stils, eine Porticus darstellend, erhalten. Hinter 9 imd 10 die vom Peristyl zu oberen Räumen führende Treppe 11, unter deren oberem Theil ein vom Peristyl aiis zu- gänglicher Wandschrank angebracht war. Weiter neben 10, und mit ihm durch eine Thür verbunden, das auf die Gallerie geöfiiiete Triclinium 12. An der linken Peristylseite finden wir zwei Cubicula 5, in deren vorderem eine nicht uninteressante Decoration zweiten Stils jetzt nur sehr wenig erhalten ist: dieselbe (abgeb. Mau, Wandmalerei Taf. VII oben) stellt einen Ausblick auf das Meer mit von Meerthieren getragenen Nereiden dar. Zwischen diesen aber betritt man das interessanteste imd schönste Schlafzimmer Pompejis 14 durch ein Procoeton 13, aus welchem die zwei bei Heibig No. 196 (Wagen des Apollon) und 247 (Wagen der Artemis) verzeichneten Gemälde stammen und neben dem ein Alkoven ß für den cubicularis, den Kammerdiener, angebracht ist. Dieses Schlafzimmer ist halbrund mit gradlinig verlängerten Schenkeln ; sein runder Abschluss ist von drei großen Fenstern durchbrochen, welche Luft

24*

372 Viertes Capitel.

und Sonne eindringen ließen, jedoch bei zu großer Hitze sowie bei Nacht mit Läden ganz verschlossen werden konnten, in welchem Falle ein über dem mittelsten derselben angebrachtes viereckiges Fensterchen das nöthige Däm- merlicht eindringen ließ. Unter den Fenstern dieses Schlafzimmers lag, jetzt wiederum vollkommen verschüttet, ein Garten im Niveau der Straße, auf welchen der Gang [postictim] 15 hinausfuhrt. Im Hintergrunde des Schlaf- zimmers sieht man in y den Bettalkoven, der mit einem Vorhang verschlosBen war, dessen Ringe man noch gefunden hat, und in d ein Mauerwerk mit einer Vertiefung, das wohl als Waschtisch gedient hat. Salb- und Olgefäße hat man ebenfalls in diesem Gemach gefunden. Neben dem Ausgang in den Seiten- garten 15 liegt ein von diesem Gange aus betretbares, ganz schmuckloses Zimmer 16, in welchem man die Reste mehrer Wandschränke fand, und das darum als Garderobezimmer gilt, eine Bestimmung, die nicht recht einleuch- tend ist.

Die Räume an der Vorderseite des Peristyls, zunächst der Straße, enthalten ein vollständiges Bad und außerdem die Küche nebst einer Vor- rathskammer. Aus dem Peristyl gelangt man zuerst auf einen dreieckigen Hofraum 17 ; an zwei Seiten desselben bildete ein von sieben schlanken acht- eckigen Pfeilern getragenes Dach eine schattige Ambulatio, an deren einem Ende bei e ein kleiner gemauerter Heerd steht, wahrscheinlich zur Bereitung warmer Getränke, welche die Römer nach dem kalten Bade zu genießen liebten. Ein Kessel und mehre Töpfe wurden hier gefunden. An der dritten Seite des dreieckigen Hofes, gegenüber dem Eingange, ist angelehnt an die Mauer gegen die Straße das Bassin für das kalte Bad, die Piscina ^ von 2,17X2,85 M. Größe und 1,10 M. Tiefe, mit härtestem Stucco ausgekleidet und durch drei in der einen Ecke angebrachte Stufen zu betreten. Die Ränder sind mit Marmorplatten belegt und die Wände um 0,65 M. über den Boden erhöht. Auf ihren Enden stehn zwei Säulen aus Backsteinen, welche ein Dach trugen, dessen Spuren auch noch in der Wand erkennbar sind, und welches die Badenden gegen die Strahlen der Sonne schützte, ohne den Zutritt der freien Luft zu behindern. Die Hinterwand war auf blauem Grunde mit Fischen, Muscheln und sonstigen Meerthieren bemalt, während zunächst außerhalb der Badenische jederseits Bäume und Gebüsche auf die gelbe Wand gemalt waren. Diese Decoration ist jetzt fast völlig verschwunden, hat aber von Mazois, der sie Band II, Taf. 52 Fig. 1 mittheilt, noch gezeichnet werden können. Der Boden des Hofes imd Umgangs war mit weiß und schwarzem Mosaik belegt. Das Wasser wurde von der Straße her durch ein, wahrschein- lich mit der großen Leitung der Stadt in Verbindung stehendes Bleirohr ein- geführt und nach dem Gebrauch auf die Straße wieder abgeleitet. An diesen Hofraum grenzen zimächst die beiden Zimmer 18 und 19, von denen 18, nur durch eine schmale Thür vom Hofe aus erleuchtet und ohne andere Zu- gänge, mit weißen Wänden , an welchen Brettgestelle angebracht waren, als eine Vorrathskammer zu betrachten ist. Dagegen gehört 19 zum Bade als Vorraimi oder Apodyterium, entsprechend dem Räume 20 der CfMa del Ixibe^ rinto. Aus ihm gelangt man in das Tepidariimi 20. Diesem wurde die warme Luft von dem angrenzenden Caldarium aus durch eine runde, 0,22 M. weite

Die Priyatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 27. Villa suburbana. 373

und mit Stucco bekleidete, wahrscheinlich verschließbar gewesene Öfl&iung zugeführt. Es hat ein Fenster nach dem Garten, welches mit vier 0,27 M. im Quadrat großen dicken Scheiben in hölzernen Kahmen, den ersten in Pompeji gefundenen, geschlossen war ; durch ihre Auffindung wurde die Frage über den Gebrauch der Fensterscheiben bei den Alten zuerst endgiltig gelöst. Neben diesem Tepidarium liegt das Caldarium 21, welches fast in allen Stücken mit den Caldarien der Thermen, auf deren genauere Beschreibung verwiesen werden muss, übereinstimmt. Wir finden hier den Alveus, die Wanne für das heiße Wasser, in iy, und die halbrund herausgebaute, mit einer Halbkuppel in Muschelform gedeckte, mit einem schmalen Stuccofriese geschmückte Nische für das Labrum in -d-, während der Boden durch eine suspensura unterhöhlt ist, um die heiße Luft durchstreichen zu lassen, zu welchem Ende auch die Mauern mit jenem ein paar Zoll Raiun lassenden Plattenüberzug bekleidet sind, von dem bei der Beschreibung der Thermen gesprochen ist. An die schmale Seite dieses Caldariums lehnt sich die zugleich als Heizraum für das Bad dienende Küche 22. An der Wand des Caldariums ist in x das Hypocaustum für die heiße Luft ; über demselben stand der Kessel für heißes Wasser, zu welchem man über drei Stufen hinaufstieg. An der zweiten Wand ist der Kochheerd [m angebracht, und an dem einen Ende desselben, in der Ecke, ein kleiner Back- ofen X] gegenüber an der Straßenwand stand auf zwei gemauerten Füßen ein Tisch r. Neben dem Heerd ist in ^ der Treppenraum, in dem heutzutage die hölzerne Treppe natürlich fehlt. In der Ecke, neben x war der Abtritt. Den Schluss der Bäiunlichkeiten dieses kleinen Bades bildet ein Zimmer 23 ohne jeden Zugang, welches den Hauptwasserbehälter enthielt.

Kehrt man in das Peristyl zurück und durchschreitet das Tablinum oder die Fauces, so steht man auf der großen Gallerie 26 oder dem breiten Gange, aufweichen, wie oben erwähnt, außer Fauces und Tablinum die Zimmer 7, 9, 10 ihren Ausgang haben. Geräumig, reichlich erleuchtet und doch durchaus schattig, bildet dieser Gang eine der anmuthigsten Räumlichkeiten der Häuser in Pompeji ; man konnte sich in ihm trefflich ergehn und vielleicht wurde er auch als Sphaeristeriimi oder zu ähnlichen Zwecken verwendet. An ihm liegen zu beiden Seiten kleine Gemächer 25 und 26 mit einer köst- lichen Aussicht über den Garten imd auf Meer und Gebirg, und nach dem Garten zu hinter dem Tablinum, nur freilich nicht in seiner Axe, ein großes Triclinium oder ein Oecus 27 mit zwei Thüren auf den Gang und nach hinten einem gewaltigen, bis auf den Boden herabgefuhrten Fenster, das augen- scheinlich wieder nur der herrlichen, den ganzen Golf von Castellammare bis Torre deir Annunziata nebst Capri, Ischia und Procida umfassenden Aussicht zu Liebe hier so groß gemacht ist. Zu beiden Seiten dieses Oecus liegen zwei weite unbedeckte Terrassen 28, an welche sich der Umgang über der Porticus des tiefer gelegenen Gartens e,/, ff, h anschloss. Endlich sind noch zwei kleine Cabinette 29 und 30 zu erwähnen, welche hinter dem linken Flügelzimmer der Gallerie an einer Treppe b in das untere Geschoss liegen ; beides sind wohl Cubicula, und zwar war das sehr einfache Zimmer 29, mit weißen Wänden und einer Nische für eine Lampe, wohl für einen Sclaven bestimmt ; die Wände von 30 sind einfach gemalt. Soweit die Wohnräumlichkeiten des Geschosses im

374 Viertes Capitel.

Niveau der Gräberstraße ; über denselben befand sich ein fast ganz zerstörtes Stockwerk, von dem natürlich Näheres nicht angegeben werden kann. Die Decorationen der besprochenen Gemächer, deren sich eine Reihe bei Roux, Hercul. et Pomp, Bd. I, Taf. 63 90 findet, sind elegant, ohne dass jedoch irgendwo außer an den bereits bezeichneten Stellen namhafte Gemälde oder auszuzeichnende Mosaiken hervortreten.

Seitwärts vom Hauptgebäude und vermöge der schon mehrfach erwähnten Steigung der Gräberstraße gegen die Stadt etwas tiefer liegt eine im Plane dunkel schraffirte Gruppe von Räumlichkeiten mit eigenem Eingange 31 von der Straße, in welchen man die Wirthschafts- und Haushaltungsabtheilung erkennt, was durch die Auffindung reichlicher Acker- und Küchengeräth- Schäften in derselben bestätigt wird. Sie ist vom Wohnhaus durch einen schmalen, fast ganz durchgeführten Gang 32 abgeschieden, wahrscheinlich um einer Vitruv'schen Vorschrift gemäß die Feuersgefahr, welche Bäckerei und Küche mit sich bringen, zu verringern. Diese ganze Abtheilung wurde schon bei der Ausgrabung so arg zerstört vorgefunden , dass es unmöglich ist, die Bestimmung der einzelnen Gemächer nachzuweisen. Nur so viel ist aus den stehengebliebenen Mauern auch heute noch zu erkennen, dass ein atriumartiger Hof 33 die Mitte einnimmt, an den sich die Küche, die Bäckerei, die Wasch- zimmer anlehnen und der an der einen Seite durch eine fiinfsäulige Porticus 34 begrenzt wird. Die Auffindung von Flaschen, Gläsern, Küchengeschirren, einer Amphora mit Getreide, einigen Spaten, einer Harke u. dgl. mehr bezeugt im Allgemeinen die Bestimmung dieser Abtheilung, in der auch noch das Skelett eines Mannes neben dem einer Ziege gefunden wurde, die eine Glocke am Halse trug.

Was endlich das untere Geschoss im Niveau des Hofes und Gartens an- langt , das auf dem Plane heller schraffirt ist , so ist schon auf die beiden Zugänge zu demselben aus dem Hause, nämlich den geneigten Gang aaa und die Treppe h hingewiesen worden, welche letztere für die Herrschaft bestinunt gewesen zu sein scheint, wie ihre Lage im Innern des Hauses anzeigt. An dem geneigten und durch kleine Fenster erleuchteten Gange liegt eine Folge ebenfalls durch kleine Fenster von dem Gange her freilich nothdürftig erleuch- teter Kammern c, welche nur als Vorrathsräume gedient haben können. Die Hauptgemächer des untern Geschosses liegen an der Hinterfront des Hauses unter dem Oecus und den Terrassen, welche diesen flankiren. Ein breiter Gang ddd bildet zu ihnen insgesammt den Zutritt. Dieser Gang ist vom Hofraum nur durch eine Reihe von Pfeilern getrennt, welche durch horizon- tale Wölbungen verbunden sind, und in gleicher Weise ist derselbe als eine Pfeilerporticus um die übrigen drei Seiten e—f^ f g^ g h des 33 Meter ins Geviert großen Gartens , vier Stufen über dessen Niveau , herumgeführt; er war augenscheinlich mit einem obem Umgange versehn. Diese Porticus ist auf der einen Seite, links vom Beschauer der S. 371 vorgehefteten Ansicht, bis auf die Fundamente zerstört, rechts dagegen im untern Geschoss völlig, im obem so weit erhalten, dass das Vorhandensein desselben sicher festgestellt werden kann. Die Bestimmung der elegant aber doch ziemlich einfach decorirten Zimmer t unter den Terrassen und dem Oecus ist nicht mehr nachzuweisen; man

Die Privatgebäude. Die Wohnhäuser. No. 27. Villa mburbana, 375

kann die größeren als Sommertriclinien, die kleineren als Cubicula bezeichnen; jedenfalls dienten sie als angenehmer und kühler Aufenthalt in der heißen Jahreszeit. Aus k stammen die bei Heibig unter No. 533. 534 (schwebende Gruppen), 875 (Melpomene), 263 (Pallas und Urania) und 1463 (Alter und Mädchen) verzeichneten Gemälde. Zwei Cabinette / m am Ende des Ganges e A und in der Flucht der Portiken e /und ff A sind merkwürdig wegen der hier erhaltenen flachen Decken ; die von / ist glatt mit grünen und rothen Sternen auf weißem Grunde , die von m war mit wenig erhaltenen Stuck- cassetten verziert. Zwischen a und i befindet sich ein kleiner Brunnen, d. h. eine durch eine Brüstung von dem Gange d getrennte Nische, aus deren Rück- wand ein Wasserleitungsrohr hervorkommt. Zwei andere Cabinette zu beiden Seiten der Porticus/ ff, mit n und o bezeichnet, sind dagegen sehr einfach verziert, und eines derselben scheint ein Lararium gewesen zu sein. Neben dem Triclinium k fuhrt ein Gang p zu einer Treppe y, die in den Keller führt, in welchen man auch von den oben besprochenen Wirthschaftsräumen aus durch den Gang 32, welcher wieder mit dem Gange a durch eine Thür ver- bunden ist, gelangen kann. Der Keller ist gewölbt und durch kleine Ober- lichtfenster aus dem Hofe erleuchtet und erstreckt sich unter der ganzen Ausdehnung der drei Arme e f,f ff, ff A der Porticus, deren Boden des- halb, wie schon erwähnt, um vier Stufen über das Niveau des Gartens und der vierten Seite A e erhoben ist, um den Kellern die nöthige Höhe und das nöthige Licht zu verschaffen. Zahlreiche Amphoren, die man hier an die Wände angelehnt fand, zeigen, dass dieser Keller als Weinkeller diente. In ihm fand man die früher (S. 22) erwähnten achtzehn Gerippe der hierher geflüchteten Familie des Eigners.

In der Mitte des Gartens, dessen Bäume man, wie der Ausgrabungs- bericht vom 17. August 1771 angiebt, verkohlt, jedoch so auffand, dass man die Anordnimg ihrer Pflanzung erkennen konnte, befindet sich eine geräu- mige Piscina r, mit einem Springbrunnen in der Mitte, deren Bassin ähnlich wie dasjenige in der Casa di Meleaffro in Nischenform behandelt erscheint. Hinter der Piscina liegt zwei Stufen über den Boden erhoben eine Säiilenhalle 8 von sechs Säulen, deren Bestimmung nur die eines Gartenhauses, eines Sommertricliniums oder eines Oecus gewesen sein kann. In ihrer Axe führt in t die Hinterthür aus der Porticus in die Felder : in ihrer Nähe fand man die Skelette vielleicht des Herrn und eines Sclaven. Das erstere hatte einen Goldring am Finger, einen großen Schlüssel in der Hand und neben ihm lagen 10 goldene und 88 silberne Münzen. Hinter der Porticus links führt ein Gang u zu einer breiten Treppe t?, über die man in den Garten im Niveau der Straße gelangte. Auf der andern Seite, neben der Porticus ff A, finden wir noch einen schmalen Gang, der grades Weges in der Wirthschaftsabtheilung des Hauses ausgeht.

Die in diesem Hause aufgefundenen Gegenstände, deren einige schon erwähnt wurden, sind unzählbar ; Geld, Schmuck, Geräth aller Art, darunter als die werthvollsten Stücke ein leider in viele Fragmente zerbrochenes Glas- gefaß mit Reliefen luad ein ebenso zerstörter silberner Becher, mehre Mobi- lientheile und sonstiger Hausrath, unter dem ein Bronzecandelaber, auf den

376 Viertes Capitel.

zurückzukommen ist, sich auszeichnet, und Anderes mehr, welches aufzuzäh- len ermüden würde. Skelette wurden in den verschiedenen Räumen dieser Villa 34 Stück gefunden (vgl. Anmerkung 9).

Zweiter Abschnitt. Läden, geschäftliche und gewerbliche Wohnungen.

Nachdem wir eine ausgewählte Zahl von kleinen, mittleren und großen Wohnungen Pompejis durchwandert und den Luxus und Aufwand in vielen derselben kennen gelernt, sowie auch eine Reihe von Spuren und Zeugnissen über die Art des Lebens, welches sich in diesen Häusern bewfegte, angefun- den haben , muss uns die Frage besonders interessiren , wovon denn diese Alten lebten, womit sie die Bequemlichkeit und den Aufwand ihrer Wohnun- gen bestritten. Es ist nim freilich unzweifelhaft, dass manche Einwohner von Pompeji als Rentner ohne Geschäft lebten, dass reiche Römer sich in die anmuthige Stadt Campaniens zurückzogen, dass mancher Bürger von Pompeji seine Einnahmen aus dem Ertrag ländlicher Güter in der Umgegend der Stadt haben mochte; fanden wir doch manche Häuser, namentlich diejenigen in der Straße des Mercur, welche ohne Läden oder Geschäftsräume waren. Auf der andern Seite aber wissen wir, dass Pompeji einen schwunghaften Handel selbst bis nach Aegypten betrieb ; auch ist uns die Hauptstraße vomHerculaner Thor bereits früh im Charakter einer Verkehrs- und Kaufmannsstraße mit großen Magazinen und anderen bezeichnenden Räumlichkeiten erschienen; femer haben wir die große Zahl von Läden an den Häusern, und von Häusern, die mit Läden in Verbindung standen , nicht übersehn und haben bemerkt, dass mancher wohlhabende Pompejaner es nicht unter seiner Würde hielt, die Producte seiner Felder und Weinberge, wohl auch die seines Handels, und warum nicht die seines Gewerkes in einem mit seinem Hause verbundenen Laden durch einen Sclaven im Einzelnen verkaufen zu lassen, während die ungleich zahlreicheren, von den Häusern unabhängigen imd mit ein paar Zimmern vermietheten Läden uns von großer Regsamkeit in Handel und Wandel, Kauf und Verkauf, namentlich Kleinhandel und Gewerbebetrieb deutlich redende Zeugnisse waren.

Das Vorhandensein dieser allgemeinen Zeugnisse legt die Frage nahe, ob sich denn etwas Näheres über die Arten und Mittel des Erwerbes, nament- lich des kleinem Verkehrs, in Pompeji nachweisen lasse? Diese Frage lässt sich mit Ja beantworten, und es sollen auf den folgenden Seiten die Läden im Allgemeinen und die bedeutendsten und am besten verbürgten Geschäftsräume und Erwerbsanstalten der Stadt behandelt werden, während es für einen spätem Abschnitt vorbehalten bleibt, die sonstigen Zeugnisse des Verkehrs und Erwerbs mit den übrigen Spuren des bürgerlichen Lebens in ein Ge- sammtbild zu vereinigen.

Über die Einrichtung der Läden ist im Allgemeinen schon bei der Be- sprechung der Häuser gehandelt und es ist gezeigt worden, dass sie entweder

Zweiter Absalinitt. Lfiden, geschäftliche und gercTbUche '^^'ohDUDgen, 377

aus dem einzigen Ladenlocal oder außerdem aus einem oder ein paar Zimmer- clien hinter diesem bestehn, zu denen vielfach noch Schlafzimmer im obeni Stockwerk sich gesellten, wie aus den Treppen in den Läden emcbtlicb ist. Um noch ein paar Bemerkungen im Ein- zelnen beizufügen, knüpfen wir an einen kleinen Laden mit zwei hinteren Zim- mern an , dessen Plan in der neben- stehenden Figur 182 mitgetheilt ist. Es ist dies der Laden eines Garkochs und Händlers mit Leckerbissen , kann aber in den meisten Dingen als Norm dienen. Wie unsere Kleinlündler nach so breiten und glänzenden Schaufenstern wie mög- lich streben, so sorgten auch die pompe- janer Krämer und Kaufleute dafür, ihre Waaien möglichst offen auszulegen und Fig. 162. Fku e

den Vorübergehender bemerkbar zu machen. Deshalb sind die Laden nach der Straßenfront, bei Eckbäusetn nach beiden Straßenfronten, fest ganz offen, jedoch häufig im untern Theil durch einen gemauerten Ladentisch, welcher gewöhnlich, wie auf dem Plane Fig. 182 bei 3, im rechten Winkel gebrochen iSt, bis auf einen Eingang von gewöhnlicher Dreite gesperrt. Die gemauerten und mit bemaltem Stucco oder mit Marmorscherben be- kleideten Ladentische sind in der Regel mit einer Stein- oder Mar- morplatte oder mit Stein- mosaik bedeckt, und häu- fig sind, wie in dem hier angehobenen Beispiel, ThongefäBe zur Aufbe- wahrung flüssiger und auch wohl trockener Waa- ren , die man mit einer Schöpfkelle herausnahm, in den Ladentisch einge- lassen. An den Wänden hinter dem Ladentisch sind häufig in Treppen- form gemauerte Vorrich- tungen zum Aufstellen

von Gefäßen angebracht. pig. 183. ReBtoucirte Ansicht eines Lndeiui.

Am Ende des Ladentisches

ist häufig, und so auch in der hier zu schildernden Garküche, eine einfache Vor- richtung [s. den Plan Fig. 1S2] angebracht, um ein Gefäß durch ein darunter

378 Viertes Cspitel.

gestelltes Kohlenli ecken warm zu halten. In vielen Thermopolien hat man auf der Platte des Ladentisches die^puren der dort geschenkten Getränke gefunden lind zwar in aufgetrockneten Ringen, welche denFüßenderTrinkgeechirre ent- sprechen. In den meisten dieser Getränke war Honig, Gegenüber dem Laden- tisch oder sonst irgendwo zur Seite, auch in einem der Hinterzimmer, pflegt die Treppe 4 angebracht zu sein, an der vorüber ein Eingang in die Ladenzimmer 5 führt, über die Näheres im Allgemeinen nicht zu sageu ist. Auch die oben- stehende hübsche Restauration unseres Ladens bedarf keiner Erklärung ; nur darauf sei noch ein Mal aufmerksam gemacht, dass diese weit offenenLäden mit ihren bunten Fa9adenpfeilem, ihren mancherlei Waaren und ihrem tie&chattigen Innern den Hauptschmuck der kahlen Häuser und Straßenfronten abgegeben haben, was angesichts der Abbildung [Fig. 183) emleuchten wird Über die Art des Verschlusses der Läden haben erst die neueren Ausgrabungen vollständige Aufklärung gebracht. Die Schwelleu namhch vor der (

Fig. 1^4. Plan eines Ladeneingangg.

Breite der Öffnung sind so gestaltet, wie es vorstehende Fig. 184 zeigt. In die Schwelle ist auf ^4 */s ihrer Breite an der einen Seite eine schmale Rille eingehauen [/>) , während man in dem übrigbleibenden Viertel oder Fünftel die Vorrichtung eines gewöhnlichen Thürverechlusses [a] findet. Nun zeigen mehre während des letzten Jahrzehnts ausgegrabene und in Gyps au^egossene Ladenverschlüsse , deren einen Fig. 185 darstellt, dass in jene Rille schmale

DEE

^

Fig. 185. FUn und Ansicht eines Ladenvetschluises.

Bretter, mit ihren Enden über einander greifend [Fig. 185 fi) seitwärts hinein- geschoben wurden, in deren letztes das Schloss der sich in regelmäßigen

Zweiter Absclinitt. Laden, geschtftlicbe und gewerbliche Mobnuugen. 379

Angeln drehenden Thür (Fig. 185o) eingriff, und so dem ganzen Verschluss Halt und Festigkeit gewährte, Dass die ObersiAwelle mit einer eben solchen Rille versehn war, wie die Unterschwelle, versteht sich eigentlich von selbst, wild aber auBerdem dnrch ein vollkommen erhaltenes Beispiel, nicht in Pom- peji, sondern in Rom am Traiansforum bewiesen '*^) . Demnächst ist auf die Pfeiler rechts und links neben den Thüren und Verschlüssen der Läden zu achten. Es vruzden mimlich diese Pfeiler dazu benutzt, um die Aushänge- schilder und Ladenzeichen aus Thon einzulassen oder häufiger noch anzumalen. Diese angemalten oder plastischen Ladenzeichen bieten uns denn auch die Mii^lichkeit, die urprüngliche Bestimmung des einen und des andern Ladens in Pompeji nachzuweisen. Ein Milchhändler z. B. in einem Laden der kleineren Thermen hat eine Ziege an seinem Ladenpfeiler in Terracottarelief angebracht, ein Bäcker die Reliefdarstellung einer von einem Maulthier getriebenen Mühle [s. Fig. 186) von der unten zu erklärenden Art ; an dem Ladenpfeiler eines Weinhändlers fand man ebenfalls in Steinrelief zwei Männer, die eine Weinamphora an einem Stock auf den Schultern tragen '**) , Ehrend ein anderer, ungleich ge- schmackvoller als die meisten übrigen Kleinhändler, einen recht leidlichen Bakchos, der eine Traube aus- drückt (Hlbg. No. 25, jetzt zerstört) , auf seinen Laden- Fig- '86. E«Uefdwetel- pfeiler hatte malen lassen. Andere Zeichnungen auf den laden.

Pfeilern sind ihrer Bedeutung nach nicht sicher, und so

auch die Bedeutung der mehrfach an Schenken vorkommenden Schach- oder Damenbretter; da aber die Alten das Brettspiel kannten, so mag durch diese Aushängeschilder angezeigt worden sein, dass man in diesen Localen auch sein Spielchen machen konnte. Ein einzeln vorkommendes Schild eines Ladens an den kleineren Thermen neben dem des Milchlüindlers, welches einen Gladiatorenkampf darstellt, dem Laden den Namen der Gladiatorenschule verschafft hat und an die Verse des Horaz Sat. II, 7, 71 ff. erinnert, erklärt sich vielleicht aus der Vergleichung der Sitte in modernen Matrosen- und Handwerkerkneipen , auf deren Schildern auch oft die Gaste gar anmuthig abconterfeit zu sehn sind. Der Laden wäre danach besonders von Gladiatoren besucht worden. Unter dem Bildchen steht in vorzüglicher und dem Stande der Gäste angemessener Orthographie , nämlich ABEAT VENERE BOMPEIIANAMA IRATAM QVI LAESERIT (d. h. habeat Vene- rem Pompeiatwim^^'^) iratam qui laeaerit), eine Verwünschung dessen, welcher das schöne Gemälde beschädigen würde. Von ganz besonderem Interesse sind die Schilder einiger Hospitien (Wirthshäuser) , indem sie wie viele der unseren ein Thier als Zeichen fuhren ; so beispielsweise das Wirthshaus im Vico delle terme Stahiane, No. 90 im Plane, neben der Casa di Sirico, dessen Schild, dem Vicolo del balcone pensüe grade gegenüber, einen Elephanten darstellt, der von einer Schlange umrmgelt und von einem Zwerge gehütet wird'*'}. Darunter steht mit großen Buchstaben roth auf weißem Grunde HOSPITIUM - HICLOCATUR||TRICLINVM CVM TBIBVS LECTIS 1] IIT COMfmorfM omnibus) '**) also : »Wirthshaus. Hier vermiethet man ein Speisezimmer mit

380 Viertes Capitel.

drei Lagern und allen Bequemlichkeiten«, wie wahrscheinlich zu ergänzen sein wird. Der Gastgeber in diesem übrigens äußerst bescheidenen Elephanten- wirthshaus scheint ein in einer kleinen Inschrift [Sittius restituit elepantu[m]) über dem Abzeichen als dessen Erneuerer genannter Sittius zu sein. Hospitien dieser Art kehren in nicht geringer Zahl in Pompeji wieder; hier mag nur noch dasjenige im Vicolo dt Eumachia No. 15 angeführt werden, auf dessen Wänden die hier einquartiert gewesenen Gäste mancherlei interessante Inschriften hinterlassen haben. Die verschiedenen Lupanare, die man in Pompeji aufgefunden haben will (das neueste ist sicher ein solches) , und die sich hier am besten anfügen lassen, können aus nahe liegenden Gründen nu erwähnt werden. Außer den Ladenzeichen und dem ihnen Verwandten wurden auf die Pfeiler der Läden vielfach noch die bekannten symbolischen Schlangen als talismanische Zeichen zur Abwehr von Unheil angemalt, hier und da wohl auch noch ein anderer Schutzgenius [genius loci) , und dieselbe oder ähnliche Bedeutung werden auch die Phallen haben, welche mehrfach an den in Bede stehenden Stellen und neben Hauseingängen in Pompeji vorkommen.

Wenn man nun Alles zusammenfasst, was man von Merkmalen geschäft- lichen Betriebes in Pompeji aufgefunden hat oder auch aufgefunden zu*haben meint, denn man kann sich keineswegs für Alles verbürgen, so können wir die folgende kleine Reihe von Handwerken und Gewerben in Pompeji nachweisen. Die Werkstatt eines Grobschmiedes oder eines Wagners (Plan No. 19) liegt in der Straße vom Herculaner Thor unfern des zweiten Brunnens an der Vorderseite eines geräumigen Hauses, welches jedoch außer einem ziemlich bedeutenden Keller nichts besonders Bemerkenswerthes bietet. Auch die Werkstatt an sich enthält von Nennenswerthem höchstens eine kleine Nische für den Schutzgenius, die charakteristischen und nicht uninteressanten Werkzeuge sind in das Museum geschafft. Man fand mehre Hebebäume, von denen einer am obem Ende in «inen Schweinefuß ausgeht, Hammer, Zangen, eiserne Zirkel und andere Geräthe, Wagenachsen und die Felge eines Bades. Größeres Interesse gewährt eine Töpferei in einem der Läden links an der Gräberstraße, namentlich durch die beiden eigen thümlichen Öfen zum Brennen der Geschirre. Dieselben sind gemauert und zwar mit doppelter Höhlung; der untere Theil, in welchen die Feuerung gethan wurde, ist mit einer flachen, von vielen kleinen Löchern durchbrochenen Wölbung gedeckt, um die Hitze in den obem Baum, in den die Gefäße gestellt wurden, leicht durchdringen zu lassen. Dieser obere Baum ist überwölbt, und zwar ist in Betreff des kleineren Ofens bemerkenswerth, dass das Gewölbe aus in einander gesteckten Thongefäßen gebildet ist, eine Construction , welche in sinnreicher Weise Leichtigkeit und Festigkeit vereinigt. Keineswegs aber bilden diese kleinen Amphoren, wie behauptet worden ist, eine Spirale— ^ eine Construction, welche bei der Kuppel von S. Vitale in Bavenna und in der Sophienkirche in Kon- stantinopel im Großen angewandt worden ist. Vielmehr ist die Wölbung ein Tonnengewölbe, gebildet durch sieben in der Querlinie liegende Beihen von Amphoren* Hiemächst ist kurz die s. g. Casa delle forme di creta, das Haus der Gypsformen (No. 59 im Plane), zu nennen, welches seinen Namen der Auffindung ziemlich vieler Formen aus Gyps verdankt und wahrscheinUch

Zweiter Abschnitt. Läden, geschäftliche und gewerbliche Wohnungen. 381

von einem Stuccateur bewohnt wurde. Die Atusgrabungen von 1862 haben uns wenigstens mit Wahrscheinlichkeit an der Ecke des Vtco delle terme Sta- biane und desjenigen degli Aufftcstali die Werkstatt eines Riemers und Schusters kennen gelehrt**^), bezeichnet als solche dulth die Auffindung von mancherlei Handwerkszeug, unter welchem sich einige jener haldmond- förmig gebogenen Messer mit in der Mitte befestigtem Griffe auszeichnen, welche noch heutzutage von den Lederarbeitern zum Verdünnen des Leders gebraucht werden (vgl. oben S. 282).

Den Ausgrabungen des Jahres 1873 verdanken wir die in der ersten Re- gion, an der Nordostecke der fünften Insula gelegene Gerberei *®ö). Da wir von der Gerberei der Alten nur wenig wissen, so kann der Zweck der einzelnen hier erhaltenen Vorrichtungen nicht genau nachgewiesen werden. Doch ist so viel klar, dass dieselben in zwei Abtheilimgen zerfallen, von denen die eine zur Bereitung irgend welcher beim Gerben gebrauchten Flüssigkeit, die andere zum Einweichen der Felle diente. Es ist hier offenbar ein Haus zur Anlage der Gerberei umgebaut worden ; man betritt dasselbe nicht mehr durch das Atrium, sondern gelangt zuerst in das Peristyl, an dessen einer Wand die zuerst erwähnte Vorrichtung angebracht ist. Dieselbe besteht aus einem gemauerten Becken, aus welchem die Flüssigkeit theils durch zwei Öffnungen in ein niedrigeres Becken, theils in eine an der Wand entlang laufende Rinne abfloss, aus welcher sie wieder durch drei am Anfang, in der Mitte und am Ende sich seitlich abzweigende Rinnen in große Thongefäße gelangte. Die zweite Abtheilung ist in dem frühem Atrium angelegt worden, von welchem etwa drei Viertel mit einer ganz niedrigen Mauer umgeben sind ; innerhalb des so abgetheilten Raumes finden sich fünfzehn annähernd runde Gruben von 1,25 bis 1,60 M. Durchmesser und etwa 1,50 M. Tiefe, mit je zwei Löchern in den Wänden zum Ein- und Aussteigen. Sie sind, wie auch der Boden zwi- schen ihnen, mit Stuck bekleidet; in ihnen wurden sicher die Felle auf- geweicht. Zwischen ihnen befinden sich länglich viereckige, nach unten sich erweiternde Gfuben [ungefähr 0,55X2,70M.) von viel geringerer Tiefe (etwa 0,5 M.), welche nicht mit Stuck, sondern mit irgend einem andern, nicht erhaltenen Material bekleidet waren. Neben diesen länglichen Gruben ist an der Mitte jeder Langseite ein irdener Topf (größter Durchmesser 0,45, Tiefe 0,40 M.) in den Boden eingelassen. Endlich zwischen einem solchen Topf und der länglichen Grube findet sich jedesmal ein senkrechtes, cylinderfÖrmiges Loch von der Tiefe der Grube, und gegen diese geöffnet ; es sieht aus, als sei hier eine Thonröhre eingesetzt gewesen ; doch ist eine solche nirgends erhalten. Offenbar diente alles dies zur Bereitung von irgend welchen zur Bearbeitung der Felle nöthigen Stoffen; und in der That fanden sich in den Töpfen Reste einer derartigen Masse ^ welche, soviel bekannt, noch nicht chemisch untersucht worden sind. Außerdem fand man hier vier Instrumente, welche den noch heute üblichen ähnlich sind. Das eine ist ein grades Schabmesser aus Bronze, mit einem Holzgriff, welcher den ganzen Rücken der Klinge um- fasste. Das Holz war merkwürdig gut erhalten, ist auch nachher an der Luft nur etwas zusammengeschrumpft. Femer zwei gebogene Schabeisen, mit der Schneide auf der concaven Seite und einem (in Spuren erhaltenen) Holzgriff

382 Viertes CapiteL

an jedem Ende : offenbar wurden mit ihnen die auf den iSchabebaum gelegten Felle gereinigt. Das vierte Instrument ist ganz aus Eisen, mit annähernd halbkreisiormiger ScLneide und knopfartigem Griff und diente zum Schneiden des Leders.

Unfern des ersten Itnimiens in der Straße vom llerculanei Thor liegt eine Seifenfabrik'*'; ; so nennt man wenigstens diese Werkstatt, in deren einem Zimmer mau einen lleerd und fünf muldenartig geformte, mit sehr hartem Stucco überzogene Gefiiße von Stein in den Boden eingelassen fend, welche hei der Seifensiederei gebraucht wurden. Mehre andere Seifensiedereien glaubt man an verschiedenen Stellen der Stadt nachweisen zu können, doch bieten die- selben keine interessanten Einzelheiten. Neben den angeblichen Seifenfabriken darf sodann der s. g. Laden eines Parfiimeurs und Weihrauchhändlers [boitega del profamiere . No. 31 im Plane) nicht unerwähnt bleiben , um so weniger als er neben zu Grunde gegangenen, angeblich auf sein Geschäft be- züglichen Gemälden noch ein paar an seinen Eingangspfeilem Zeigte, von denen {Hlbg. No. 1207 Daedalos und Pasiphae und No. 14S0 Ferculum der Tischlerinnung' wenigstens genauere Kunde auf uns gekommen ist.

Als den Laden und die Werkstatt eines Färbers betrachtet man, und zwar aus besseren Gründen als sie für manches andere Gesclüft geltend gemacht werden können, wie schon früher (S. 297) bemerkt wurde, den einen Eckladen an der Casa di Oicomo mit seinen Nebentüumen. Wahrscheinlich war auch nichts Anderes die so-

^ .. , , '. ^ . genannte Fabrik von Chemikalien neben

DceifaDberHeeid mitEeueln. , , r .- i c^ j r.. i-

dem Hause des Lucretius an der Strada Stabtma,

deren dreifachen Heerd mit eingemauerten Kesseln die beistehende Figur zeigt. Die Verkaufs^den liegen zu beiden Seiten des Eingangs in das Haus, welches kein besonderes Interesse bietet. Die \^'ohnuiig eines dritten Färbers glaubt man im Vico del balcone pemile No. 3 zu erkennen.

Hier wird sich am besten die Erwähnung von Apotheken einfügen, deren man drei in Pompeji zu kennen meint, die eine au der Straße vom Her- culaner Thor gegenüber dem zweiten Brunnen au der einen Ecke der kleinen dreiseitigen Insula, deren Nebengässchen man Vico delfarmacUta getauft hat, die andere in der Strada delV Abbondama dem Gebäude der Eumachia gegen- über, und die dritte im Vico delle terme Stabiane gegenüber der Casa di Sirico. Das Aushängeschild der erstem zeigt eine Schlange mit einem Pinienapfel im Maul, bekatmtlich das heilige Thier des Asklepios und der Kygieia, welche aber bei der vielfachen Verwendung der Schlangen in Pompeji in ganz anderer Be- deutung in diesem Falle die Apotheke nur setir unsichei bezeichnen würde (vgl. auch Hlbg. S. 10 f.). Fest steht die Bedeutung des Ladens durch die Auffindung einer Menge von Arzneien , Täfelchen , Pillen , eingetrockneten Flüssigkeiten in Gläsern und dergleichen mehr. Das merkwürdigste Stück, dns hier aufgefunden wurde, ist ein jetzt im Museum beimdlicher Arznei- kasten von Bronze mit verschiedenen Fächern und mit einer Schublade unter denselben, in welcher ein kleiner Salbenlöffel und ein Porphyrplättchen zum

Zweiter Abschnitt. Läden, geschäftliche und gewerbliche Wohnungen. 3S3

Reiben der Salben lag. Die zweite und dritte Apotheke sind durch in ihnen aufgefundene Arzneien wie die erste bestimmt.

Droguen und Arzneien fand man femer in einem Hause der Strada delV Abbondama ; außer ihnen aber eine Anzahl interessanter chirurgischer Instru- mente, weshalb man glaubt, in diesem Hause habe ein Arzt oder Chirurg gewohnt. Das Haus eines angeblichen andern Chirurgen an der Strada conso- lare ist schon früher (S. 279) besprochen worden; chirurgische Instrumente sind übrigens einzeln in noch mehren anderen Häusern gefunden worden. Eine tonstrina^ d. i. das Local eines Barbiers will man in dem feinen Stadt- viertel, in der Strada di Mercurio neben der FuUonica in einem gar beschei- denen Stübchen von nur 3,30X2,18 M. Größe erkennen, welches eine Stein- bank an der einen Wand, zwei Nischen darüber und einen gemauerten Sitz in der Mitte hat, von dem man glaubt, dass er für die Kunden während des Barbierens gedient habe ; wir haben oben (S. 243) gesehen, dass es mit mehr Wahrscheinlichkeit für eine Capelle zu halten ist.

Zu den am sichersten nachgewiesenen Geschäftszweigen gehören die Farbenhandlungen , deren man mehre an verschiedenen Stellen der Stadt gefunden hat und unter welchen diejenige in der Casa del grandtica di Toscana (No. 62 im Plane) das meiste Interesse in Anspruch nimmt. In den drei Liäden an der Straße fand man außer einer Beibschale mit ihrem Pistill viele Stücke Bimstein , welche oben halbrund gearbeitet sind , um beim Beiben bequem in der Hand zu liegen, femer große Stücke Asphalt, ein Gemisch von Asphalt und Pech, reines Pech sowie Harz und sodann ein Stück gelben Ockers, in welchem sich Stücke Harz befinden, endlich von Farben Ocker in verschiedenen Farbenabstufungen, Blau, Bauchschwarz und zwei Arten Weiß. Fasst man alle diese Gegenstände zusammen, so ergiebt sich, dass sie sich auf die Bearbeitung und den Anstrich von Holzwerk beziehn, welches mit dem Bimstein glatt gerieben, mit dem Pech und Asphalt gegen Feuchtigkeit ge- ' schützt und mit der mit Harz vermischten Farbe ähnlich wie mit Lackir- farbe angestrichen wurde. Zum Malen von Bildern, wie man, auf die Enkaustik hinweisend, gemeint hat, konnte die so praeparirte Farbe nicht dienen ^*^2j. Von einer zweiten Farbenhandlung an der Strada consolare sprechen die Aus- grabungsberichte vom 20. October 1770; hier wurden namentlich angemachte Farben in thönemen Schalen gefunden, welche auf verkohlten hölzernen Brettern standen, und ganz Ahnliches ist wiederum unter dem 27. October 1808 aus ungefähr derselben Gegend, gegenüber dem Hause des Pansa berich- tet. Auch unter den neuesten Funden ist ein Laden eines Farbenhändlers in der Strada degli Olconf^^^) . Die in diesen Läden verkauften Farben, als Mate- rial der in Pompeji besonders geübten Kunst, erinnern uns, dass man auch die Werkstatt eines Künstlers, eines Bildhauers gefunden zu haben meint. Dieselbe (No. 107 im Plane) liegt in der Nähe des bedeckten Theaters un- mittelbar hinter dem Tempel des Juppiter, der Juno und der Minerva. In diesem Hause fand man außer verschiedenen Geräthen zur Steinsculptur, ähnlich denen, welche noch heute gebraucht werden, mehre Marmorstatuen, Hermen imd Büsten, femer aber auch eine halb auseinandergesägte Marmor- platte mit darin steckender Steinsäge, verschiedene Tische mit verzierten

384 Viertes Capitel.

Füßen, wie wir sie aus den Häusern kennen, endlich einen unfertigen mar- mornen Mörser, also Gegenstände, aus denen hervorgeht, dass der in Frage kommende Bildhauer nicht nur mit höheren künstlerischen, sondern auch mit handwerksmäßigen Aufgaben beschäftigt gewesen ist *^*) . Um so mehr sei noch ein Mal an den Meister Steinhauer erinnert (vgl. S. 302), dessen Werkstatt von den Ausgrabimgsberichten in der Casa di Sallustio vermuthet wird. Neben dem Bildhauer dürfen dann auch die Goldschmiede genannt werden. Die Läden derselben glaubt man in der Straße hinter oder neben dem Gebäude der Eumachia, die jetzt den Namen der Strada deW Abbon- danza führt und früher Strada degli orefici hieß, gefunden zu haben. Aus einer Inschrift, in der die aurifices universi genannt werden, ersehn wir, dass die Goldschmiede eine Zunft oder Corporation [collegiuni] bildeten, wie gleicher- weise die Sackträger, die Maulthiertreiber, die Obsthändler und Andere, unter denen die Miethkutscher {cisiariCj nicht zu vergessen sind, welche nach der auf S. 59 besprochenen, vor dem Stabianer Thore aufgestellten Inschrift außer- halb des genannten Thores ihre Station gehabt haben ^^*) .

Eigentliche Kramladen sind in Pompeji nicht bekannt, nur den Laden eines Ölhändlers können wir in der Strada Siabiana nachweisen, in wel- chem die Thonbank mit einer Platte von Cipollin und grauem Marmor bedeckt und nach vom mit einer runden Porphyrplatte zwischen zwei Kosetten verziert ist. In diesen Ladentisch sind acht Thongefäße eingelassen, in deren mehren man Oliven und verdicktes Ol fand. Eine neunte große Vase stand in der Ecke des Ladens, wo auch ein Heerd gefanden wurde, sowie eine kleine Cisteme ebenfalls für Öl. Auf dem gemauerten Repositorium fand man den angeklebten Fuß eines Bronzegefäßes und in dem Laden einige Gold- und Silbermünzen.

Auch wenigstens eine Handelsgärtnerei ist in Pompeji bekannt. Dieselbe (No. 84 im Plane) liegt am Vico della mascher a und giebt sich als das was sie ist leicht zu erkennen. Es handelt sich nämlich um nichts als um einen Garten mit wohlerhaltener, durchaus regelmäßiger Beetanlage, welcher nicht, wie andere ähnliche Gärten, zu irgend einer Wohnung gehört, sondern ein Grundstück für sich bildet, in dessen linker vorderer Ecke neben dem Eingange von der Straße ein einziges Zimmer, die Wohnung des Gärtners, sich befindet. Dieser Wohnung gegenüber ist rechts vom Eingange von der Straße her der Rand des ersten Beetes mit zwölf halben, d. h. ihres obem Endes beraubten Amphoren eingefasst, welche, dicht neben einander flach in den Boden eingelassen, augenscheinlich als Blumentöpfe gedient haben. In ihnen mag der Mann entweder Pflanzen zum Verkauf gehalten oder auch die Ansaat seiner Sämereien besorgt haben. Es giebt wenig so anheimelnde und unseren Einrichtungen so sehr entsprechende Dinge in Pompeji, wie diese kleine Handelsgärtnerei.

Genaueres als über die bisher kurz aufgeführten Erwerbszweige und die Locale, in denen sie betrieben wurden, können wir über zwei Gewerke bei- bringen, erstens über Bäckerei und zweitens über Tuchwalkerei. .

Es sind, auch abgesehn von den Privatbäckereien in mehren Häusern Pompejis, wie z. B. in der Casa del Laberinto (S. 343), schon seit lange mehr-

Zweitei Abaohnitt. Lfiden, geschäftliche und geveibliche Wohnungen. Jgg

faclie gewerbmäBig betriebene Bäckereien aufgefunden und zum Tbeil bereits oben besprochen, so diejenige im Hause des Sallust und die im Hause dea Pansa, zu denen, um unter vielen durch die neueren Ausgrabungen aufgedeck- ten nur noch einige zu nennen, noch eine dritte am Vico storto und eine vierte an der Strada degli Auffuatali (VII, 1, 36] kommt, in deren Ofen eine groBe Anzahl allerdings fast ganz verkohlter, aber sonst sehr gut erhaltener Brode gefunden worden ist. Dicht neben der Bäckerei im Hause des Sallust an der Straße zum Herculaner Thor liegt die bedeutendste in Pompeji, welche der Besitzer im eigenen ganzen Hause betrieb (No. 17 im Plane). Diese und die in ihr aufgefundenen Mühlen und anderen Geräthe und Einrichtungen

Fig. 18S. Anflicht einer Bäckerei und Mühle.

mögen als Beispiel und Muster bei einer genauem Betrachtung dienen, während die vorstehende Fig. 188 von derjenigen in der Casa dt Salluttio eine Ansicht nach photographischer Aufnahme bietet, aus welcher die Einrichtung eines

OTarbiak, roBpajI. 4. Aufl. 35

386

Viertes Capitel.

der in Pompeji, wo man in der Regel mit Holzkohlen geheizt hat, seltenen, aber doch auch in Privathäiisern, in denen sie aus thönernen Rohren bestehn, keineswegs unerhörten Schornsteine (s. Reg. VII, Ins. 12 zwei Beispiele und Ins. 3)1*^6) auch ohne weitere Erläuterung klar werden wird.

An der Straßenfront liegen rechts und links vom Eingang 1 Fig. 1S9 zwei Läden, die aus je drei Räumlichkeiten 2, 3, 4 und 5, 6. 7 bestehn, jedoch keine Verbindung mit dem Innern des Hauses haben, in denen also unser Bäcker nicht sein eigenes Geschäft betrieb, sondern die er anderweitig vermiethete. Die Bäckerei in Pansas Hause hangt dagegen mit einem Laden zusammen, so dass es zu viel behauptet ist, wenn einige Schriftsteller an- geben , keine Bäckerei habe ihre Waare im Hause feilgehalten, sondern das Brod sei auf tragbaren leichten Tischen auf dem Forum verkauft worden, wie ein Gemälde aus Pom- peji (Hlbg. No. 1497) es darstellt. Das Atrium unserer Bäckerei 8 , in welchem rechts die Treppe in das obere Stockwerk 9 liegt, zeigt vier starke Pfeiler um das Impluvium als Träger der Decke, welche nach sicheren Anzeichen nicht ein schräges Dach, sondern eine Terrasse oder ein rundumlaufender großer Balcon war. Zu beiden Seiten des Atriimis liegen je zwei Cubicula 10, 11 und 12, 13; das letzte ist mit gemauerten, aber nicht mehr vorhandenen Tischfiißen versehn gewesen. In der Mitte des Hintergrundes liegt ein Gemach in der Form eines Tablinums 14, natür- lich hier nicht in der That ein solches, sondern ein geräumiger Vorplatz, durch welchen man in die Werkstatt selbst eintritt. Der Hauptraum dieser Werk- statt, das Mühlenhaus 15, istlO,20X8M. groß und enthält als ersten Gegen- stand von großem Interesse vier Mühlen i, welche in Form eines verschobenen Vierecks gegen einander gestellt sind, um den Raum weniger zu beengen, als sie bei einer den Wänden parallelen Stellung gethan haben würden. Zur Würdigung dieser Maschinen muss voraus bemerkt werden, dass, obwohl um die Zeit, um welche es sich hier handelt, Wassermühlen bereits bekannt waren, welche ein Epigramm der griechischen Anthologie poetisch preist und Vitruv ganz klar beschreibt, Windmühlen nicht erfunden, und alle Vor- richtungen zum Mahlen des Getreides lange Zeit sehr unvollkommen waren, so dass Orte wie Pompeji , welche kein fließendes Wasser in ihren Ring- mauern hatten , auf den Gebrauch von Mühlen angewiesen waren , die ent- weder durch Menschenkraft oder von Zugvieh getrieben wurden. Derartige Mühlen sind überhaupt die ältesten ; schon bei Homer drehen die Sclavinnen die Handmühle , welche das noch ältere Instrument zum Zerdrücken des Gre- treides, Mörser und Stößel, verdrängt hatte. Dass namentlich in Italien das Zerstoßen des Getreides das Ursprüngliche ist, wird uns bezeugt und liegt

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Fig. 189. Plan einer Bäckerei.

Zweiter Abschnitt. Laden, geBChfiftliohe and gewerbliche Wohnungen. 3S7

schon in dem Namen pistor, des tiäckers, der zugleich Müller ist. Wann das iingleichlich vorzüglicheie Princip, das Kora darch Reibung großer Steine zerdrücken zu lassen, aufgekommen sei, ist nicht genau zu ermessen, vielleicht dürfen -wir annehmen , dass die Neuerung in Kom erst in der Zeit ein- und durchdrang, als daaelbat eigene Bäcker aufkamen, während früher jede Haus- haltung ihr eigenes Brod mahlte und hackte oder , noch richtiger , als einen Mehlbrei kochte. Es wäre nicht unmöglich, dass die Einführung der Bäcker- eunft in Rom im Jahre 480 der Stadt (274 v. u. Z.) wenn nicht mit der von irgend welchen Mühlen überhaupt , so doch von stehenden Mühlen in größe- tem MaBstahe zusammenhinge, welche offenbar eine große Beform in der Brodhereitung hervorrufen mussten, indem erst sie im Stande waren, wirklich feines Mehl zu liefern. Mühlen wie die in unserer Bäckerei gefundenen scheinen die um diese Zeit allgemein gebräuchlichen gewesen zu sein und fanden sich ebenso, nur z. Th. weniger gut erhalten , in den anderen Bäcke- reien Pompejis. Die folgende genauere Betrachtung wird zeigen , dass diese Maschinen, obwohl mit unseren Mühlen verliehen noch tm vollkommen, doch sinnreich genug construirt und im Stande waren, ein ziemlich feines Product zu liefern. Die Abbildung Fig. 190 zeigt eine Mühle halb (rechts) in äußerer Ansicht, halb (links) im Durchschnitt. Die Grundlage bildet ein schweres, cylinderförmiges Gemäuer a, auf welches vielleicht, denn vorgefunden hat man dies an keiner Mühle in Pompeji, eine rundumlaufende Rinne pig. 190. MOhle. h aus Haustein aufgesetzt gewesenist, in der sich das fertige Mehl, welches mit den Händen herauszunehmen war, sammelte. Auf diesem flachliegenden Gemäuer erhebt sich, in dasselbe eingelassen, ein kegelförmiger Stein c mit etwas geschwungenen Profillinien. Dieser bildet den einen Rei- her ; der andere besteht aus einem ausgehöhlten Doppelkegel oder Doppel- trichtet d in Form unserer Sanduhren, welcher über den festen Kegel gestürzt ist und um denselben gedreht wird. Der obere Trichter diente um das zu mahlende Getreide aufzunehmen , welches , durch die beide Trichter verbin- dende ÖShung hinabgleitend , bei der Umdrehung des Apparates allmählich zerrieben wurde und als Mehl in die Rinne des Gmudsteins fiel. Nachdem ao das Grundprincip nachgewiesen ist, sind noch einige feinere Einzelheiten EU betrachten, deren Kenntnis wir dem glücklichen Umstände verdanken, dass Mazo is bei der Ausgrabung der hier näher beschriebenen Mühle anwe- send war und die gleich zu nennenden, aus Eisen gebildeten Theile, freilich von Rost fast ganz zerfressen, jedoch durchaus erkennbar vor- fand, was bei keiner andern Mühle der Fall ist. ' f^'*^ Zunächst würde es beinahe unmöglich gewesen sein, den (* 9

gegen 2 M. hohen Doppeltrichter um den feststehenden untern ViV

Reiher zu drehen, wenn beide aus rauhem vulcanischeu Stein Fig. 191. gearbeitete Theile mit ihrer gesamraten Fläche auf einander un"i>"*wheibe gelten hatten. In den feststehenden untern Reiber ist daher ein starker eiserner Zapfen, a Fig. 190, eingelassen, während die Ofihung des Doppeltrichters an ihrer schmälsten Stelle durch eine dicke, von fünf

388 Viertes Capitel.

Löchern durchbolirte Scheibe b von demselben Metall verschlossen ist. In dos mittelste und größte dieser fünf Löcher passte der feste Zapfen des unt«m Reibers , und folglich bewegte sieh der steinerne Doppel trieb ter um diesen Zapfen, während das Getreide durch die vier kleineren Löcher zwischen die Reiber fiel. Indem nun so der obere Reiber um ein Geriuges von dem untern gehoben war, entstand zwischen beiden ein enger Zwischenraum, welcher vermöge der geschwungenen l'rofillinie der Reiber oben und nnten etwas weiter, bei dem Punkte e Fig. 190 am engsten war. Hier war es also, wo eigentlich das Korn zerdrückt und zerrieben wurde, und diesem Punkte fiel es in Folge der Erneiterung des Zwischenraumes nach oben nm so lebhafter zu. Wäre der Zwischenraum von oben bis nnten gleich weit gewesen, so hätte man nur dann feines Mehl erhalten, wenn die Steine sich fast ganz berührt hätten, und dann wäre die Reibung so groß gewesen, dass sie nnr dxirch die doppelte oder dreifache Kraft hätte überwunden werden können, die jetzt erforderlich erscheint, abgesehn davon, dass die ganze Operation durch den langsamem Zufall des Getreides unsäglich verlangsamt worden wäre. Die Vorrichtung zum Ilewegen des obern Reibers besteht aus hölzernen Balken , welche entweder , wie bei unserer und einigen anderen , in der Form etwas abweichenden, pompejanischen Mühlen, am Zusammenstoß der beiden Trichter eingelassen, oder in einer etwas künstlichem Weise, welche wir aus einem Sarkophagrelief im Vatican ""') kennen, mit dem obem Theile des Rei- bers verbunden waren. An diesen Balken oder Stangen schoben nun Men- schen , natürlich meistens Sclaven , und diese Arbeit war die härteste von allen , welchen die Sclaven sich zu uuterziehn hatten , so dass man sie zur Strafe für Vergebungen in die Mühlen sandte. Jedoch übertrug man die Drehung der Mühle in vielen Fällen auf Thiere, Esel oder Maulesel'^^], und dass dies auch in unserer Bäckerei, sowie in derjenigen in der Ctua di SaSoitio und in den auderen pompejanischen der Fall gewesen sei , lässt sich erstens daraus schließen , dass der Umgang um die Mühlen, wie Plan und Ansicht es angeben, gepflastert ist, während im Übrigen der Fußboden mit Estrich belegt ist, zweitens daraus, dass sich neben dem Mühlhause in 16 der Stall mit der steinernen Krippe befindet, in welchem Mazois einige Reste von Maulthier- knochen fand. Die Art, wie die Thiere an die Balken der Mühle angespannt wurden, finden wir freilich nur in roher Weise in dem oben (Fig. 186 S. 379) mitgetheilten Auahängeschilde einer Bäckerei, genauer in dem erwähnten Sarkophag- relief dargestellt. Es begreift sich, dass. wenn man die Balken, an denen geschoben oder gezogen wurde, in ein Kammrad vervollständigte, man dieses auf die ein- fachste Weise mit einem Wassermde in Verbindung setzen konnte. Das ist die Einrichtung, welche Vitruv beschreibt.

Rechts von den Mühlen liegt bei 1 7 im Plane der Backofen, von dem Fig. 192 einen Durchschnitt giebt. Aus diesem ist ersicht- lich, mit welcher Soi^falt man die Hitze des Ofens zu benutzen strebte, indem der eigentliche innere gewölbte Ofen a von einem ringsum wohl verschlossenen,

Zweiter Abschnitt. Läden, geschäftliche und gewerbliche Wohnungen. 389

mit einem Tonnengewölbe bedeckten Vorraum b umgeben ist, der die erhitzte Luft festhielt. Durch zwei Öffnungen rf, die mit Thonröhren verkleidet sind, und nicht, wie es nach der Abbildung scheint, in der Scheitellinie liegen, zog der natürlich auch bei Holzkohlenheizung und dem Backen des Brodes entstehende Qualm und Dampf ab ; e ist der Aschenbehälter. Mit Holzkohlen aber muss hier, wo von einem Schornstein keine Spur ist, geheizt worden sein. Der Backofen steht vermöge einer mäßigen Öfihung c mit den beiden anstoßenden Zimmern, 18 und 19 auf dem Plan, in Verbindimg. In dem erstem dieser Zimmer erkennen wir das Backzimmer (pan^ficium) ; hier sah man die jetzt nicht mehr erhaltenen gemauerten Füße eines großen Tisches, dessen hölzernes Blatt verkohlt war, und der offenbar zum Formen des Teiges diente ; an den Wänden waren drei Reihen Brettgestelle , zum Aufbewahren des Brodes vor und vielleicht auch nach dem Backen, angebracht. Das geformte Brod wurde durch die erwähnte Öffnung c links in den Vorraum des Backofens gebracht, wo der Bäcker dasselbe empfing und in den Ofen schob. War es gar ge- backen , so wurde es vielleicht durch c rechts weiter in das durch einen wenn auch nur gewöhnlichen Mosaikfußboden ausgezeichnete Zimmer 19 gebracht, welches dann als Kühlzimmer gelten muß. Ein anderer Zweck der Verbin- dung dieses Zimmers mit dem Backofen ist nicht wohl denkbar ; von irgend welchen bezüglichen Vorrichtungen freilich, z. B. Gestellen an der Wand, ist hier keine Spur. Links vor dem Backofen ist ein flaches Thongefäß, / im Durchschnitt Figur 192, in den Boden eingelassen, welches ver- muthlicb Wasser zum Befeuchten des halbgaren Brodes enthielt , um seine Binde glänzender zu machen. Femer sind an der Tablinumswand , rechts und links von einer Brunnenöffnung, c Fig. 189, zwei ähnliche aber größere Gefäße auf einer Erhöhung von Mauerwerk eingelassen ; vermuthlich wurde aus ihnen jenes kleinere Gefäß gefüllt, d (Fig. 189) bezeichnet jetzt nicht mehr erhaltene gemauerte Füße eines sehr niedrigen Tisches , der vielleicht zum Sieben des Mehles dienen mochte. Über dem Brunnen und dem Wasser- behälter war ein jetzt nicht mehr sichtbares und bei Mazois (II, 19) undeut- hch überliefertes Bild in zwei Zonen ; die obere (Hlbg. No. 85) wird Vesta zwischen den Laren darstellen ; in der untern sind die bekannten zwei symbo- lischen Schlangen gemalt. In dem Stalle 16 ist eine eingemauerte Tränke, welche mitten in der Wand liegt , so dass sie auch aus dem Nebenzimmer 20 erreichbar war und von hier aus mit Wasser versehen werden konnte ; 20 ist ako vermuthlich das Schlafzimmer des Mühlensclaven, vielleicht auch zu- gleich, wie man aus den Fragmenten eines Heerdes schließen könnte, die Küche oder ein zweiter Backraum. Wir erwähnen endlich noch eine hier fehlende, sonst aber häufig in pompejanischen Bäckereien, und zwar regel- mäßig im Backzimmer vorkommende Vorrichtung, deren besterhaltenes Beispiel, oder vielmehr das einzige, welches auf ihre Bedeutung schließen lässt, sich in dem Backzimmer einer Bäckerei auf der Nordseite der Insula VI, 14 befin- det, welche bei dem jetzigen Stande der Ausgrabungen nur durch das auf der Westseite der Insula liegende Haus No. 37 zugänglich ist. Es ist dies ein cylinderförmiges Gefäß aus Lava von 0,38 M. Tiefe und 0,47 M. innerem Durchmesser. Am Boden desselben befindet sich eine an den Enden etwas

390 Viertes Capitel.

in die Höhe gebo^^ene Eisenstange, welche um einen im Centmm des Bodens befindlichen Zapfen drehbar war, jetzt aber natürlich festgerostet ist. An dieser Stange sind Spuren von Holz kenntlich, und es fanden sich in dem Ge- fäß beträchtliche Holzreste. Mithin ist klar, dass in dem Steincy linder eine drehbare Vorrichtung aus Holz angebracht war. In den Wänden des Gefäßes befinden sich Löcher, deren Zweck nicht erkennbar ist. Das Ganze ist befestigt auf einem etwa 0,1 M. hohen Untersatz von Mauerwerk. Wozu nun diese ganze Vorrichtung gedient hat , ist nicht sicher , doch dürfen wir sie ohne Zweifel wiedererkennen in einigen auf das Bäckerhandwerk bezüglichen bildlichen Dar- stellungen, in welchen in einem cylinderformigen Gefäß ein senkrechter Balken durch ein Pferd oder durch Männer gedreht wird. Man hat vermuthet, da sich eine andere einleuchtende Erklärung nicht bietet, dass hier eine Maschine zum Kneten des Teiges zu erkennen sei. Abbildungen von Broden, wie sie im Pompeji gebacken wurden , sind im artistischen Theile in dem für die Malerei bestimmten Capitel unter anderen Gegenständen der Stilllebengemälde mit- getheilt.

Ehe die Bäckerei ganz verlassen wird, um der Werkstatt der Tuchbereiter einen Besuch zu machen, sei noch bemerkt, dass man hinter dem Hause der Figurencapitelle [capitellißgurati^ VII, 4, 57 ; No. 61 im Plane) an der Strada cfe^/t ^w^WÄ^/t die Werkstatt eines Kuchenbäckers [ptstor dulciarius) auf- gefunden hat, welche deutlicher als durch die kleineren Mühlen [pisirilla] und den Doppelofen dadurch bezeichnet wird, dass man in dem Locale mehre Kuchen- oder Tortenformen und selbst zwei Kuchen noch vorfand, welche in das Museum gebracht sind ; der eine stellt eine Art von Krone dar. Eine ähn- liche Zuckerbäckerei ist in dem Hause No. 71 im Plane.

Die Fullonica oder Tuchwalkerei, an der Straße des Mercur (VI, 8, 20; No. 29 im Plan), entdeckt 1825 und hauptsächlich 1826 ausgegraben'^®), ist in allen zum Geschäftsbetrieb wesentlichen Theilen eben so gut erhalten wie die Bäckerei, und nimmt ein fast eben so bedeutendes Interesse in Anspruch wie jene. Der Plan des ganzen Gebäudes Fig. 193 ist so einfach, dass man sich mit einem flüchtigen Blick in demselben zurecht zu finden vermag. An der vordem Straßenfronte liegen links vom Haupteingange vier Läden 1, 3, 5, 6 ohne Zusammenhang mit dem Innern des Hauses, die also vom Eigner ver- miethet waren und zwar die beiden ersten mit einem hintern Ladenzimmer 2 und 4, diese und der dritte außerdem mit einem oder mehren Zimmern im obern Geschoss, wie sich aus den Treppen ergiebt. Neben dem sehr geräu- migen Hausflur 8 liegt ein durch ein Fenster von der Straße her erleuchtetes Gemach 7, welches man nur sehr uneigentlich als cella ostiarii betrachten darf, welches vielmehr bestimmt gewesen scheint, iim die eingehenden Be- stellungen und Arbeiten in Empfang zu nehmen. Etwas weiterhin am Haus- gang ist in 9 ein räthselhaftes Kämmerchen von nur 1 D Meter Größe, welches wohl ein Fenster auf den Hausflur, aber keine Thür hat ; vielleicht war es ein Wandschrank, doch findet so das Loch in der Wand, durch welches dieser Kaum mit 7 verbunden ist, keine Erklärung. An diesen Zimmern vorbei ge- langt man in das Atrium 10, oder vielmehr in den Baum, der unrichtiger, wenigstens uneigentlicher Weise gewöhnlich mit diesem Namen bezeichnet

Zweiter Abschnitt. Läden, geflohäftliche und gewerbliche Wohnungen.

391

wird, eigentlicli aber als Peristyl zu betrachten ist. Der breite Umgang um das Viridarium wird von zwölf massiv gemauerten Pfeilern getragen, über welchen sich wohl nur ein offener Umgang, ein Solarium, befand ; ursprüng- lich freilich stammt das Peristyl aus der Tufiperiode und hatte auch eine obere

Fig. 193. Plan der Fullonica.

Porticus, deren Tuffsäulen in Fragmenten erhalten sind. Bei c' ist die Oeffhung der Cisteme ; c ist eine Oeffnung der Rinne, durch welche das Regenwasser auf die StraBe abfloss. Zwischen den Pfeilern des vordem Umganges befindet sich ein Wasserwerk, bestehend aus einer Marmorschale h in der Mitte, deren Fuß noch jetzt erhalten ist, und in die von beiden Seiten Wasserstrahlen aus gebogenen bleiernen Röhren fielen, während an den Pfeilern links ein kleiner Flussgott mit strömender Urne (Hlbg. No. 1011), rechts eine weibliche Figur mit einem Becken, aus dem Wasser sprudelte (Hlbg. No. 1059), gemalt ist. Das überlaufende Wasser wurde unter der muschelförmig gestalteten, in Stücken aufgefundenen Schale durch ein unregelmäßig geformtes Bassin auf- gefangen. An dem mit a bezeichneten Eckpfeiler befanden sich außerdem dem Kunstwerthe nach geringe, dem Gegenstande nach interessante Gemälde (Hlbg. No. 1502), welche verschiedene Scenen, Vorrichtungen und Geräthe der Tuchwalkerei darstellen und in das Museum in Neapel gebracht sind. Auf dem ersten derselben, Fig. 194, sitzt im Vordergrunde eine reich bekleidete

S92

Viertes Capitel.

Frau, welche einer jungen Arbeiterin ein Stück Zeug eingelündigt zu halten und ihr Unterweisung zu geben scheint, um dasselbe zu nähen oder zu flicken.

Im Ilintei^runde ist ein hoch- geschürzter und nur mit der Tunica bekleideter Arbeiter beschäftigt, einen Mantel mit purpurnem Saum ausznbür- eten oder mit einer Striegel aufzukratzen , während ein zweiter, ebenso bekleideter, aber mit Olirenlaub bekränz ter die Räucherpfanne und das Gestelle herbeiträgt, über welches die Stofie nach dem Aufkratzen zum Schwefeln gelegt wurden : ein Verfahren , welches hauptsächlich zum

f <n. n .ij j 1? 11 Bleichen der sehr beliebten

Flg. J94. Gemälde aus der Fullooica. •.u.^,u

weißen Stoffe diente. Minet^ vens, der Schutzgottin der Tuchwalker, heilige Eule sitzt auf demselben. Ein zweites 13ild (Fig. 1!>5] zeigt uns vier in vieler Beziehung seltsam genug aussehende Arbeitet, beschäf- tigt die Stoffe in runden Bütten oderKummen zu waschen. Der mittelste, doppelt so groß als seine Genossen gebildete At^ heiter tritt das Zeug mit den Füßen aus und stützt sich dabei mit den Händen auf eine nie- drige Mauer, welche, nischen- artig behandelt, diesen Baum von anderen abzugrenzen scheint. Drei fernere, klein dar- gestellte Arbeiter, ein kahlköpüger Alter imd zwei junge, stehn in ähnlichen Bütten, aus welchen sie das mit den Füßen gewalkte Zeug mit den Händen her- Torziehn. Es ist dies die erste der in der Fullonica mit den Stoffen vorgenom- menen Manipulationen , das eigentliche Walken oder Waschen unter Bei- mischung von Chemikalien; es diente theils zni Reinigung, theils bei neuen Stoffen zur Verfilzung der Wollfaden. Auf der andern Seite des Pfeilers sah man ein drittes Bild, in welchem eine Vorsteherin mehren Arbeitern Befehle ertheilte, während im Hintergründe auf einer wie im ersten Bilde unter dem Boden hangenden Stange Tuch zum Trocknen aufgehängt ist. Ein viertes Bild endlich [s. Fig. 196) stellt die Zeugpresse dar, unter welche die Tuche zuletzt, wenn sie fertig waren , gebracht wurden , und welche um so weni^r einer Erklärung bedarf, je genauer sie mit den bei uns gebmuchtichen fast in jeder Beziehung übereinstimmt.

Fig. 195. Gemfilde aus der Fullonica.

Zweiter Abschnitt. Läden, gewerbliche und geschäftliche Wohnungen.

393

Fig. 196. Zeugpresse.

Andere Gemälde an den Wänden und Pfeilern dieses Raumes sind bei Heibig (No. 190. 390) verzeichnet ; sie haben mit derFuUonica als solchernichts zu thun imd können daher, als an und für sich jiicht bedeutend, übergangen werden.

Auch über die um das Peristyl ge- legenen Zimmer nur wenige Worte. Das erste am Eingange links 1 1 scheint ein zweites Zimmer zum Annehmen der Bestellungen zu sein, da es sich mit einem kleinen Fenster, gleichsam einem Schalter, gegen den Hausflur öffnet. Von der einfachen Decoration sind be- sonders zwei jetzt fast verloschene Bilder zu nennen, welche leichte Wagen, den einen von zwei Hirschen (Artemis, Hlbg. No. 246), den andern von zwei Pfauen (Hera, Hlbg. No. 169 i) gezo- gen darstellen. Der Fußboden besteht aus dem in Pompeji so gewöhnlichen weiBen Mosaik mit schwarzer Borde. Dies Zimmer öffiiet sich zugleich in das anstoßende Gemach 12, eine Exedra, welche wiederum mit einem Cubiculum 1 3 in Verbindung steht. Der jetzt fast bis zur Unkenntlichkeit zerstörte Gemäldeschmuck der Exedra ist ziemlich reich, aber ohne sonderlichen Kunstwerth, die beiden nennenswerthesten Hauptbilder auf den Wänden rechts und links zeigen Aphrodite und Adonis (Hlbg. No. 338) und Theseus als Sieger über den Minotauros (Hlbg. No. 1213) . Ein drittes (Hlbg. No. 223) ist nicht sicher erklärt. An der linken Seite des Peristyls liegt zuerst ein oecusartiges großes, hohes und sehr luftiges Gemach 14, dessen eine schadhafte Wand durch einen modernen Strebepfeiler gestützt wird, wiederum mit weiß und schwarzem Mosaikfußboden ; von der Malerei der Wände ist nichts erhalten. Die Vermuthung liegt sehr nahe, dass hier ein Haupttheil der Werkstatt, das Trockenzimmer, nicht ein Salon zu erkennen sei. Sodann folgen zwei kleine Zimmer 15 und 17, je mit einem Vorzimmer 16 und 18, das erstere mit seinem Vorzimmer drei Stufen über den Peristyl- gang erhöht ; von diesen ist 1 5 offenbar eine Vorrathskammer, sei es für die zubereiteten Stoffe, sei es für andere Dinge; dagegen ist 17 ein mit einem Procoeton versehenes Schlafzimmer. Den Hauptraum 19 dier folgenden Gruppe von Räumlichkeiten nimmt eine Privatbäckerei ein, in der ein großer Backofen d steht, an den die gemauerten Füße des Backtisches e sich anlehnen und vor dem sich ein gemauerter offener Heerd / befindet, der uns zeigt, dass man den Baum zugleich als Küche benutzte ; in der Eingangswand sieht man die Löcher zur Befestigung zweier Bretter, wie sie in den Panificien der Bäcke- reien sich zu finden pflegen. Eine kleine Handmühle steht in der Porticus. Vor dem Back- und Küchenzimmer ist ein Gang 20, mit der Treppe zur Gal- lerie, und neben der Bäckerei ein ganz schmuckloses Zimmer 2 1 , das wohl als Speisekammer oder Vorrathszimmer zu gelten hat. Über die Bedeutung und

394 Viertes Capitel.

liestimmung der vier unter sich verbundenen Bäume am Ende des Peristyls lässt sich nicht absprechen, sicher ist nur, dass in 25 ein Durchgangsraum theils zum Posticum, theils zu den anderen Räumen zu erkennen ist, und wahrscheinlich , dass in 24 der Abtritt war. Die beiden Räume 22 und 23 scheinen ohne Zweifel zur Werkstatt gedient zu haben. In 23, tv^elches von 22 nur durch eine Brüstungsmauer getrennt ist, und dessen Fußboden um einen Fuß erhöht ist, mag die Presse aufgestellt gewesen sein ; 22 diente dann wohl nur, um zu derselben zu gelangen ; zu anderem Gebrauch ist es zu klein. An der Hinterwand des Peristyls befinden sich vier große gemauerte Wasser- behälter 26, deren erster und letzter höher liegen als die mittleren, welche von gleichem Niveau sind ; alle vier sind unter einander verbunden, so dass die Flüssigkeit aus dem einen in den andern ablief. Sowie an Erhebung über den Boden unterscheiden sie sich auch an Tiefe: der erste ist 1,15 M., der letzte nur 0,50 M. tief. Das hohle Mauerwerk dieser Behälter bildet vor den beiden mittleren einen ziemlich breiten, nach innen geneigten Auftritt, welchen man an der Seite des höchst gelegenen Behälters links auf einer Treppe besteigt. Da- gegen ist der erste von höheren aber viel dünneren Mauern eingeschlossen, so dass zwischen denselben und der Regenrinne Platz bleibt für ein länglich run- des Wasserbecken , während die Mauern der beiden mittleren ganz an die Rinne hinanreichen. In den ersten Behälter mündet von links vom eine Wasser- leitungsröhre, deren Hahn in der Grrube 28 gelegen haben muss. Aus dem ersten konnte dann das Wasser in die folgenden Behälter abgelassen werden. Am rechten Ende des erwähnten Auftrittes ist in 27 eine Reihe von sechs jener kleinen Zellen angebracht, welche das eine der oben betrachteten Gemälde (Fig. 195) zeigt, und deren Zweck, die Aufnahme der Waschbütten, hierdurch bestimmt nachgewiesen werden kann. Dass die großen Behälter einen andern Zweck hatten, ist wohl klar; am wahrscheinlichsten wurden sie theils zur Färberei gebraucht, theils wurden hier die Stoffe nach dem in Fig. 195 darge- stellten Verfahren in Wasser gelegt, um sie von den zum Theil sehr übel- riechenden Stoffen zu reinigen, mit welchen sie dort in Berührung gebracht wurden. Links ist zwischen der Treppe und einer niedrigen Mauer eine mit Ziegelstuck bekleidete Rinne angebracht, welche sich gegen die Regenrinne des Peristyls senkt und gewiss zu irgend welchen Waschungen diente. Am Ende des linken Peristylganges finden wir endlich bei 29 noch einen einzelnen und zwar in der Höhe des Bodens liegenden Behälter ungewisser Bestimmung^ am wahrscheinlichsten einen Brunnen.

Ein sehr bezeichnender Raum ist das gewölbte Zimmer 30 rechts am Peristyl ; wenigstens waren bei der Ausgrabung die jetzt nur noch in Spuren erkennbaren Gegenstände, welche seinen Charakter bestimmen, noch sehr wohl erhalten ^'ö), nämlich außer einer Cistemenöffnimg an der linken Wand eine große gemauerte Wanne und an der rechten ein Steintisch zum Ausschlagen der Wäsche mit dem noch heute in Italien und auch sonst gebräuchlichen Schlagholz. Es ist dies also ein Waschzimmer ; man fand in demselben eine beträchtliche Menge einer Masse, in welcher man Seife zu erkennen glaubte (vgl. S. 395). Ein kleines Schlafzimmer 31 mit seinem Procoeton 32 bildet den Schluss der Räume um das Peristyl. Neben diesen Zimmern fuhrt eine

Zweiter Abschnitt. Läden, geschäftliche und gewerbliche Wohnungen. 395

Thür in eine Seitenablheilung des Hauses, welche das Atrium 33 und neben dem eigenen Eingang 34 links ein kleines, durch die für die Ruhebetten be- stimmten Aushöhlungen in den Wänden deutlich gekennzeichnetes Speisezim- mer 35, rechts ein Sclavenzimmer 36 und den Treppenraum 37 umfasst. Das ursprünglich geräumige, aus der Tuffperiode stammende korinthische Atrium ist später durch hineingebaute Scheerwände, deren Zweck im Einzelnen nicht verfolgt werden kann, entstellt worden. Vor dem Impluvium steht ein Puteal aus gebranntem Thon A, hinter demselben eine Basis oder ein niedriger mit weißem Marmor bekleideter Altar und hinter diesem ein zweites Puteal. End- lich muss im Peristyl des Haupthauses noch eine kaum mannshohe nach vom geöffnete Ummauerung 38 erwähnt werden, welche im Fußboden die Eindrücke von fünf Balken zeigt und vermuthlich nichts anderes als ein Schrank war.

Eine zweite Fullonica wurde im Jahre 1875 in der 14. Insula der 6. Region gefunden (No. 21. 22, Plan No. 50 b) ; dieselbe ist zwar von geringerem Um- fange, aber auf einen mindestens eben so großen Betrieb eingerichtet. Die zur Tuchbereitung dienenden Vorrichtungen finden sich theils in einem Laden, theils im Peristyl. Im Laden, wo jedenfalls der Verkehr mit dem Publicum stattfand, sind die Plätze für drei Waschbütten (Fig. 195) uad außerdem eine Vertiefung im Fußboden, in welcher vermuthlich die Presse festgemauert war. Im Peristyl sind weitere sieben Plätze für Waschbütten und drei große Wasser- behälter (3,90X1,65 M.) angebracht, in deren hintersten das Wasser aus einer Leitungsröhre hineinfiel, um dann durch Löcher in den 2Wischenwänden in die beiden anderen zu gelängen. An der linken Schmalseite eines jeden der drei Behälter sind Stufen in denselben angebracht, und zwar in den beiden ersten je eine in halber Tiefe. Diese machen ganz den Eindruck als habe man, auf ihnen knieend, die Stoffe auf der an dieser Seite nach Innen geneigten Oberffäche der Umfassungsmauer gewaschen. Dagegen sind in dem dritten Behälter zwei nur die halbe Breite einnehmende Stufen, welche offenbar zum Hineinsteigen dienten. In dem ursprünglich die Fauces bildenden Räume &nd man eine beträchtliche Menge einer weißen Masse, in der man anfange eine seifenartige Substanz zu erkennen glaubte ; doch hat die chemische Ana- lyse gezeigt, dass es vielmehr eine weißliche Thonart ist, Walkererde (terra fullonica) , welche wegen ihrer fetteinsaugenden Kraft zur Reinigung der Stoffe benutzt wurde *'*). Die linke Seiten wand des Peristyls trägt ein ihre ganze Länge einnehmendes und noch auf die anstoßenden Wände übergreifendes Gemälde, welches in ziemlich geringer Ausführung die Walker darstellt, wie sie ein Fest, wahrscheinlich ihr Hauptfest, die zu Ehren der Minerva gefeierten Quin- quatrus, begehn, nebst der gerichtlichen Verhandlung über eine dabei entstan- dene Schlägerei (abgeb. Giomale degli scavt di Pompeij nuova serie III tav. 4) .

Eine ungleich kleinere Tuchwalker- oder Wäscherwerkstatt haben die Ausgrabungen von 1862 im Vico del balcone pensile (No. 81 im Plane) zu Tage gefordert, welche sich durch Heerde mit Kesseln und eine Wanne zum Waschen des Zeuges in ihrer Bestimmung zu erkennen giebt. Auch das Zimmer zum Aufhängen der gewaschenen Stoffe mit den Löchern für die zum Aufhängen dienenden Latten ist noch nachweisbar. Hier wurde die vortreffliche Bronze-

396 - Viertes Capitel.

Statue gefunden, welche das Titelbild darstellt, und auf welche im artistischen Theile zurückgekommen werden soll ; da diese Werkstatt mit einem durchaus nicht unansehnlichen Hause in Yerbindung steht , mag das kostbare Kunst- werk, was man früher glaubte verneinen zu müssen "2j ^ in der That dem Wal- ker gehört haben, der einst hier gewohnt hat.

Dritter Abschnitt. Die Gräber und Grabdenkmäler.

So wäre sie denn durchwandert die Stadt der Lebenden, und abermals stehn wir an dem Thore, durch das wir sie betreten haben. Wir durch- schreiten das Thor, denn es bleibt noch ein Besuch bei den Wohnungen der Todten , die Betrachtung eines Theils der Stadtanlage von Pompeji übrig, welcher das mannichfaltigste Interesse sowohl in antiquarischer wie in künst- lerischer Rücksicht in Anspruch nimmt, der vor dem Herculaner Thor gele- genen Gräberstraße. Da diejenigen Gebäude, welche außer Grabdenkmälern und dem zu ihnen Gehörigen an dieser Straße stehn, die Villa des Diomedes, die s. g. des Cicero, das Haus der vier Mosaikpfeiler, die Läden und Schenken zu beiden Seiten theils genauer, theils wenigstens im Vorübergehn besprochen worden sind, so bleiben jetzt nur diejenigen Monumente zu besichtigen, welche mit der Todtenbestattung im Zusammenhang stehn. Eine Ansicht der Gräberstraße in ihrem gegenwärtigen Zustande, von der Villa des Diome- des gegen das Thor aufgenommen, ist dieser Seite vorgeheftet ; Fig. 197, S. 399 ist ein Specialplan der Gräberstraße, zu dem im Allgemeinen nur zu bemerken ist, dass die Theile zwischen A. A den Ausgrabungen des vorigen Jahrhun- derts (1755, 1756, 1757, dann besonders 1763 1782), diejenigen zwischen B, B hauptsächlich denjenigen der Jahre 1812 imd 1813 angehören.

Zur Erläuterung der n\in folgenden Monumente sind nur wenige allge- meine Vorbemerkimgen über die römische Todtenbestattung nöthig. Es ist schon früher bemerkt , dass die Zwölf Tafeln sowohl das Begraben wie das Verbrennen der Todten in der Stadt untersagten ; denn früher war es Sitte, die Todten im eigenen Hause zu bestatten, während nach dem Verbote man sich einen Platz außerhalb der Stadt, vorzugsweise an den Heerstraßen erwarb, um auf demselben das Grabmal zu errichten. Ein solcher Platz konnte auch von Seiten der Gemeine als Auszeichnung für verdiente und angesehene Per- sonen geschenkt werden, wovon uns Beispiele in Pompeji vorliegen, während nur für die Allergeringsten, namentlich für Sclaven und hingerichtete Ver- brecher ein öffentlicher ßegräbnissplatz, in Kom aiif dem Esquilin, vorhanden war. Die religiös gebotene Sorgfalt für die Todten in Verbindung mit dem Verlangen nach Pomp und Pracht und dauerndem ehrenvollen Andenken ließ die Gräber mit der größtmöglichen Schönheit und Eleganz ausführen, so dass wir selbst in dem kleinen Pompeji eine Reihe äußerst stattlicher Grabdenk- mäler finden, welche architektonisch zum Theil zu den besten Monumenten der Stadt zu rechnen sind, während in der Hauptstadt ein ungleich bedeuten-

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Dritter Abschnitt« Die Gräber und Grabdenkmäler. 397

derer Luxus und eine wunderbare Pracht in den Grabmonumenten entfaltet wurde und namentlich die Grabmäler der Kaiser zu so kolossalen Bauwerken erweitert wurden, dass sie mit den Gräbern der Pharaonen, den aegyptischen Pyramiden, wetteifern können, und dass, wie männiglich bekannt, z.B. eines, das Grabmal Hadrians , in späterer Zeit zu einer eigenen Festung , der be- rühmten Engelsburg umgewandelt werden konnte.

Über die Sitten der Bestattung in Rom und der römisch gebildeten Welt sei nur das gesagt ^^^j, dass, während in der ältesten Zeit die Beerdigung des unverbrannten Leichnams Sitte gewesen sein soll, welche in einzelnen Fami- lien beibehalten wurde, und von der auch in Pompeji Beispiele vorliegen, in der historisch bekannten Zeit das Verbrennen der Todten der allgemeinere Gebrauch war und erst in der spätem Zeit , namentlich unter den Antoninen, mehr und mehr wieder dem Beisetzen der unverbrannten Körper in Särgen und Sarkophagen wich, einer Sitte , der wir einen eigenen reichen Ejreis von Kunstwerken, eine Kunstwelt für sich, in den Sarkophagreliefen verdanken. Verbrannt wurden die Leichen auf Scheiterhaufen , welche in einem eigenen, für diese bestimmten , meistens wohl ummauerten Baume errichtet wurden, welcher den Namen ustrinum führte und, wie Inschriften beweisen, häufig mit dem Grabe verbunden war. In Pompeji können wir kein sicheres Beispiel eines ustrinum nachweisen. Nach der Verbrennung der Leichen wurden die Knochen gesammelt, mit Wein und Milch begossen, und nachdem sie wieder getrocknet waren, in eine Urne, sei es von Thon, sei es von Stein oder Glas oder Metall, nebst Spezereien. oft auch mit Flüssigkeiten, namentlich Wein und Öl gelegt. In mehren Urnen Pompejis fand man neben den Knochen auch Münzen, die jedoch in diesem Falle wohl nicht auf dasFähi^eld für Charon zu beziehn sind, welches man unverbrannt Beerdigten in den Mund zu stecken pflegte, sondern die man hier eher als Andenken, vielleicht auch als Merkmal des Datums der Bestattung zu betrachten hat. Die Urnen wurden im Innern der Grabmäler in Nischen aufgestellt, deren nur eine vorhanden war, wenn das Grab ein Einzel- denkmal sein sollte, deren jedoch mehre, oft sehr viele angebracht waren, wenn viele Urnen der Mitglieder einer Familie in einem gemeinsamen Grab- mal beigesetzt werden sollten. Bei großer Zahl der Urnen, welche namentlich dadurch stark anwachsen konnte, dass manches Familienhaupt, außer für sich und die Seinen , auch für seine Freigelassenen Baum in dem Grabe haben wollte, half man sich durch Steinbänke, welche die Mauern des Grabes innen unter den Nischen umgaben, und auf welche man die Urnen hinstellte. Wuchsen solche gemeinsame Grabmäler einer Familie oder auch einer Corpo- ration zu einer beträchtlichem Zahl von Nischen in den Wänden an, so nannte man sie columbarioj wegen ihrer Ähnlichkeit mit Taubenschlägen. In den öffentlichen großen Grabmälem in Rom hatte sich ein armer Sclave, der ein eigenes Grab nicht bezahlen konnte, eine Nische, olla genannt, für seine Urne zu kaufen^ und diese ollae waren selbst Gegenstände von Geschenken, welche sich die Ärmeren unter einander machten, wie dies Inschriften be- weisen. Denn unterhalb der einzelnen olla wurde in diesem Falle eine kleine Inschrift angebracht, welche den Namen dessen enthielt, dessen Gebeine in der Urne lagen und welche im Schenkungsfalle zugleich als Schenkungs-

398 Viertes Capitel.

Urkunde abgefasst wurde. Bei Privatgräbern dagegen wurde die Grabschrift außen, der Straße zugewendet angebracht, wie man dies in Pompeji an einer Fülle von Beispielen sehn kann. Wenn nun schließlich noch bemerkt wird, dass die Grabmäler in der Regel mit einer das Areal bezeichnenden Mauer eingehegt waren, so dürfte Alles vorausbemerkt sein, was zum Verständniss der folgenden Einzolbe trachtung und zur Vermeidung von Wiederholungen nöthig erscheint ; vieles Einzelne wird man am besten den Monumenten gegen- über kennen lernen.

Der wichtigste und am vollständigsten bekannte Begräbnissplatz in Pom- peji ist die s. g. Gräberstraße vor dem Herculaner Thor, es ist aber in mehr als einer Beziehung werth hervorgehoben zu werden , dass man auch vor an- deren Thoren der Stadt Gräber gefunden hat, so vor dem von Nola, vor dem Seethor*''*) und angeblich auch vor dem Stabianer Thore*'^). Doch verdienen von diesen nur die Gräber vor dem Nolaner Thor eine kurze Erwähnung. Offenbar befand sich hier ein Begräbnissplatz armer Leute , denen es nicht möglich war, eine eigene Grabstätte zu erwerben. Ihnen gestattete man, ihre Todten am Fuße der Stadtmauer , im städtischen Boden (im Pomerium) zu begraben. Den Ort bezeichneten sie theils dadurch, dass sie den Namen des Bestatteten in die Steine der Stadtmauern eingruben, theils durch Aufetelhmg der weiterhin zu erwähnenden kleinen Cippen in Hermenform ; ein solcher Cippus, sowie Aschen- und Knochenreste wurden in der Nähe der erwähnten Inschriften gefunden >'6) . Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung der Gräber vor dem Herculaner Thor.

Schon lange bevor in römischer Zeit die stattlichen Monumente zu beiden Seiten der Straße entstanden , begruben hier in viel anspruchsloserer Weise die Osker ihre Todten. Da wo sich kurz vor der s. g. Villa des Diomedes rechts für den von der Stadt her Kommenden eine Straße abzweigt, sind rechts an dieser Straße neuerdings einige ihrer Gräber, namentlich von Leuten geringen Standes , aufgedeckt worden : zwei derselben sind auf unserm Plan angegeben. Dieselben bestehen aus sargartigen Kasten aus Kalkstein , und zwar zum Theil aus Quadern, zum Theil aus kleineren Steinen, und waren mit Erde bedeckt. In ihnen fand man die Gerippe der unverbrannten Leichen (während die Gräber der römischen Zeit durchweg zur Beizetzung der Asche bestimmt sind) imd viel kleines bemaltes Thongeschirr nolanischer Fabrik, während im übrigen bemalte Vasen in Pompeji nicht gefunden werden; femer 2 Kupfermünzen mit oskischer Aufschrift, von denen man vermuthet, dass sie in Nola geprägt sind. Für eine genaue Zeitbestimmung fehlt es an Anhalts- punkten ; vermuthlich aber gehören diese Gräber in's zweite oder dritte Jahr- hundert V. Chr. In der sie bedeckenden Erde haben dann in der Kaiserzeit arme Leute die Asche ihrer Todten beigesetzt : man fand daselbst Thongefäße mit verbrannten Knochen und Münzen der genannten Periode. Ob diese dicht gereihten einfachen Gräber auch über der Erde einzeln kenntlich waren, wissen wir nicht ; wahrscheinlich war es nicht der Fall ; wenigstens hat man keine zu ihnen gehörigen Cippen gefanden >'') .

Eigentliche Grabmonumente entstanden hier erst in römischer Zeit, und zwar, wie es scheint, von den ersten Zeiten der Colonie an. Ein BUck auf

Britter AbwlkDitt. Die Or&bei uod Oiabdenkm&lei.

Pig. 197. Plan det OräbeTstniBBe.

400 Vierte» Capitel.

unscni l'lan (Fig. 197) zeigt, tlass dieselben in zwei Gruppen zerfallen: die eine dicht am Tlior, auf beiden Seiten der Straße , die andere weiter abwärts, und zwar theils auf der Unken ^seite der Straße, theils auf der Hötie zwischen den hier sich trennenden .Straßen und am Fuße derselben. Von diesen Grup- pen ist die am Thor die älteste : hier begann man wohl bald nach der Ankunft der römischen Colonic zu begraben; eines dieser Gräber [30] ist das des M. Porcius, des Miterbauers des kleinen Theaters und des Amphitheaters. Man fuhr fort, hier Ueiikmäler zu errichten bis in die Zeit des Augustus, noch nach dem oben [S. 55) erwähnten Umbau des Thores. Dann bebaute man zur Zeit des Augustus die Höhe zwischen den beiden Straßen, wo vermuthlich schon in der letzten Zeit der Eepublik zwei bescheidene Gräber (2 und 4) ent- standen waren ; die bekanntesten, aber nicht ältesten dieser Gräber sind die der Familie des M. Arrius Uiomedes. ITnd als die Höhe voll war, legte man, noch in frii,her Kaiserzeit, weitere Gräber am Fuße derselben an. Etwa gleichzeitig (unter Augustus oder Tiberius) entstanden zwei bescheidene Grä- ber ( 1 1 und 1 3) auf der linken Seite der Straße , einem damals wohl noch we- niger gesuchten Platze. Uann aber begann man, von der Zeit des Claudius an, auch hier stattliche und mit der Zeit immer prächtigere Gräber zu errich- ten, indem man von unten nach oben (auf die Stadt zu) vorrückte [16, 17, 19). Und als man dann, wegen der an die Straße hinanreichenden Gebäude, in dieser Richtung nicht weiter gehen konnte , füllte man auch die anfangs gelassenen Zwischenräume , wieder von unten beginnend , mit immer reicher geschmückten Gräbern [12, 14, 15) aus. Gleichzeitig entstanden auf dem durch die Trennung der beiden Straßen gebildeten Platz neue Gräber, welche zur Zelt der Verschüttung noch unvollendet waren.

Beginnen wir nun, vom Thor (H. T. auf dem Plan] ausgehend, die Be- trachtung der einzelnen Monumente.

An das erste Denkmal gleich links, 28 auf dem Plan, knüpft sich die oben [S. 21) erwähnte Fabel von der heim Untei^nge der Stadt auf ihrem Posten gestorbenen Schild wache. Es ist, wie der Grundriss auf dem Gesammtplan und die Abbildung Fig. 198 zeigt, eine viereckige und überwölbte Nische , an deren Seiten- wänden steinerne Bänke angebracht sind , während in der Hintetwand eine viereckige Vertiefung sich be- findet. Die Inschrift dieses jetzt im Museum zu Neapel aufgestellten Cippus (/. R. N. 2315; C. I. L. X, 994. 995) belehrt uns, dass dies

"^ '' ^ die Ruhestätte des Augustalen M.

Fig. 198. Ofsbniache des M. Oerriniu«. Cerrinius Restitutus ist, zu dessen

Begräbniss die Decurionen den Platz

geschenkt haben, Vor dem Cippus war hei der Auffindung noch das Fiedeatal

einer Statue, natürlich des hier Begrabenen, sichtbar, und vor diesem stand

Drittel Abschnitt. Die Or&bei und Orabdenkmäler. 401

ein an den Ecken mit Hörnern verzierter, nachher zerstörter Altar mit der gleichen Inschrift. So stand also der Todte hier im Bilde vor seinem Grab- stein und es wurden ihm auf dem vor ihm stehenden Altar die Todtenopfer dargebracht •") .

Weiter hinausschreitend befinden wir uns vor einer symmetrisch ange- ordneten Gruppe von Monumenten , bestehend aus zwei großen unbedeckten halbrunden Sitzen von Tuffstein, -welche ein bis auf den Unterbau fast ganz zeratöites Grabmal einfassen, 29, 30, 31 auf dem Plan. Und zwar ist es klar, dass von diesen Monumenten das Grabmal das älteste ist, die Sitze erst später an dasselbe hinangebaut sind , während der erste Sitz seinerseits älter ist als die Nische des Cerrinius Die beiden Sitze sind 6 M. breit und nach vom mit

Fig. I9d. Oiabrnftler des A. Veius, des M. Poicius und der Cereapiiesterin Mamia.

Löwentatzen abgeschlossen, wie sie als Abschluss auch an dem Sitze auf dem Forum trianguläre und an der untersten Cavea des kleinen Theaters (Fig. 99] vorkommen. An den ersten derselben (29) ist nachträglich in der Mitte der Rückseite eine die Lehne überragende Basis angebaut worden, welche eine [nicht gefundene] Statue und auf der Vorderseite oberhalb der Lehne eine Inschrift trug, welche besagt, dass dieselbe dem Aulus Veius, zweimal Rechts- dnumvini, Quinquennalen und aus der Bürgerschaft gewähltem Militartribun auf Decurionenbeschluss gesetzt war ; wohl zur Zeit des Augustus , da später die Würde des tribunus militum a populo nicht mehr vorkommt. Dass A. Veius hier auch begraben war, geht ans der Inschrift nicht hervor, und wir haben keinen Gmnd es anzunehmen. Noch später, beim Bau der Nische des Resti- tutus, ist dann, wie es scheint, die Lehne bis zur Höhe der Basis aufgemauert worden; doch ist das, was hiervon jetzt sichtbar ist, fast durchaus moderne Restauration'").

Das dann folgende Grab 30 war ein massiger Bau auf einem Lavafun- dament. Seinen Bruchsteinkem müssen wir uns mit Quadern verkleidet denken, die hier alle verschviTinden , aber an dem ähnlichen Monument 27 erhalten sind ; dieselben bestanden aus Travertin, was in Anbetracht des hohen Alters dieses Monumentes auffallend ist, Am Platz geblieben ist zwar nur der Ablauf, doch liegen am Fusae des Monumentes axich Theile der volutenartigen Glieder, durch welche es als Allar charakterisirt war (vgl. Fig. 206). Die im Innern befindliche Grabkammer war vermauert und unzugänglich. Zwei kleine Lavacippen an den beiden vorderen Ecken tragen in alterthüm lieber Schrift die gleichlautende Inschrift: M. Porci M- f. ex dec. decret. in frontem

Ofttback. PoTopeJl. 4.AdB. 26

402 Vitrlps Cnpilel.

pcd. XX T', in affriim pc(f. XX F. Es ist also (lies das Grab des M. Porcius, für Mfltlits die Decurioiieii ein Gniiidstück von 25 Fuss ins Geviert ange- wiesen. In der Tliat ist dies die ungcfdlire Große des Monuments: genau 2ri r'idS freilich betragt weder die Seite desselben noch die Entfernung der

Cippen'-" .

Fig. 200. Grab der Mamia.

Die Lehne des zweiten Sitzes 31, dessen Löwentatzen viel weniger gut gearbeitet sind, als die des ersten, trägt in ihrer ganzen Ausdehnung in großen und schönen Buchstaben eine Inschrift [/. M. N. 2318; C. I. L.

Dritter Abschnitt. Die Gräber und Grafadenkm&ler. 403

X, S98), welche besagt, dass der öfFentliclien l'riestcrin Mamia, Tochter des Publius, durch Decurionendecret der Platz zum Begi^bniss angewiesen ist: Mamia ist uns bekannt als die muthmaßliclie Stifterin des Augu^Custempels am Forum (S. 1 1 7) . Das Grab selbst'»',, 32, liegt weiter zurück, weil an der Straße, wegen des sich hier abzweigenden Weges, kein genügender Kaum vorhanden war; es bestand aus einem tempelartigen Ilauwerk mit Halbsäulen auf erhöhtem Unterbau und lag innerhalb einer von kleinen Bogen durchbrochenen Um- fessungsmauer, wie die Gesammtansicht Fig. 200 zeigt, während Fig. 201 links den Durchschnitt und rechts die Restauration vorführt '^^). Aus dem Durch- schnitt ersieht man, dass in den Mauern Nischen für Urnen sich befanden: es sind ihrer zehn und eine größere in der Ostwand ; doch ist es wahrschein- lich, dass auch der große Steinpfeiler in der Mitte weitere Nischen enthielt. Auf die in diesen Nischen beigesetzten Personen beziehen sich wahrscheinlich die Inschriften und Grabcippen , welche innerhalb der Umfassungsmauer des Grabmals gefunden worden sind ; eine dieser Inschriften (/. B. N. 2319; C. I. L. 999) nennt eine zweite öffentliche Priestetjn , und zwar der Ceres, Istacidia Kufilla ; andere Grabsteine gehören anderen Mitgliedern der vornehmen Familie der Istacidier, andere solchen der Familie der Melissaeer, einer einem Freigelassenen der Colonie, C. ^'eneriua Epaphroditus (so genannt nach der

Fig. 201. Durchschnitt uiiil Beateuration dea Grabes der Mamia.

colonia Veneria, S. 12). In welcher Beziehung diese Personen zur Mamia standen, können wir nicht feststellen. Der Zugang zu diesem umfriedigten Baum war von der Stadtseite her durch einen schräg ansteigenden Gang hinter dem Grabe des Porcius (30), wie der Plan zeigt. An dem Eingange der Straße, welche sich neben dem Sitze der Mamia abzweigt, war eine große Schlange, das Bild des genius loci, angemalt; unterhalb derselben sprang ein Ziegel vor , auf welchen man kleine Opfergaben niedergelegt haben mag. Jetzt ist dies vollkommen zerstört und die Straße vermauert. Diese aber führte nicht zu dem besprochenen Grabe, sondern theils an das Meer und namentlich zu der auf S. 200 erwähnten Badeanstalt des M. Crassus Frugi, theils zu mehren von eigenen Mauern umgebenen, jetzt wieder verschütteten Abtheilungen dieses antiken Friedhofes ; in letzteren fand man außer mehren Inschriften

404 Viertes Capitel.

auf Herrn encippen auch Statuen und Statuenfragmente, einige mehr oder weniger zerstörte nicht sehr erhebliche Monumente und einige mit Thon- platten bedeckte Gräber in der Erde, in denen ganze Gerippe (also von Be- grabenen) sowie verbrannte Knochen lagen. Die Mauern dieser Abthei- lungen waren theils mit Masken, theils mit Stierschädeln verziert. In den ersteren hat man verkehrter Weise ein Zeichen sehn wollen, dass dieser Platz zum Begräbniss von Schauspielern gedient habe , während die Masken nach mehrfacher Analogie nur als ein allgemeines Grabessymbol, die ab- geworfene Maske des Lebens, gelten können. Noch ungleich verkehrter hat man die mit Stierschädeln decorirte Abtheilung zum Viehbegräbnissplatz sepolcro dei bes f tarnt) machen wollen, während in Wahrheit diese Bukranien, wie sie oft zur Verzierung von Altären und sonstigem heiligen Geräthe ver- wendet wurden, eben auch nichts sind, als ein auf Opfer hinweisendes Sym- bol. Der Annahme einiger Schriftsteller , dieser Platz sei das Ustrinum gewesen, steht die Auffindung von Gräbern in demselben entgegen i^^j. Den Eingang zu der ersten dieser Abtheilungen, durch eine eigene Thür, lässt die Ansicht Fig. 200 erkennen.

An der Ecke jenseits des mehrerwähnten Weges stand eine jetzt im Mu- seum befindliche Inschrift (/. jR. N, 2314; C. /. L. X, 1018), welche besagt, dass im Auftrage des Kaisers Vespasian (also als außerordentlicher kaiserlicher Commissar) der Tribun T. Suedius Clemens nach Untersuchung der einzelnen Fälle [causis cognüts) und nach Aufnahme der Maße die von Privaten in Be- sitz genommenen [occupata] Bodenstrecken dem Gemeinwesen von Pompeji zurückerstattet hat. Wir wissen leider nicht, wo diese Gemeindegründe Ij^en und auf welche Weise ob etwa durch Anlage von Gräbern sie von Privat- leuten occupirt worden waren.

\'on hier an tritt die s. g. Villa des Cicero unmittelbar an die Straße hinan und lässt keinen Platz für Gräber. Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung der Monumente auf der gegenüberliegenden Seite der Straße, indem wir nur noch bemerken, dass das Grab des Cerrinius und die Bank mit der Statue des Veius den mit einer Verschiebung nach Osten verbundenen Neubau des Thores vor- aussetzen, während das Grab des Porcius sich der alten Straßenrichtung anzu- schließen scheint. Die Bank der Mamia ist allem Anschein nach jünger als die des Veius.

Gegenüber also finden wir gleich am Thor, diesseits der sich hier abzwei- genden , an der Mauer entlang fuhrenden Straße , ein Grab 27, welches dem des M. Porcius sehr ähnlich ist: ein mit Tuffquadem bekleideter Kern aus Incertum auf einem Unterbau aus Lava. Auch hier sind Theile der oben erwähnten volutenartigen Altarglieder erhalten , die Grabkammer ist auch hier unzugänglich. Offenbar setzt dies Grab den Neubau des Thores voraus*^*).

Ihm gegenüber liegt jenseits der erwähnten Straße das Grab des Aedilen T. Terentius Felix (auf dem Plan ohne Nummer), zu dessen Begräbniss die Stadt nicht nur den Platz , sondern noch 2000 Sesterzen (435^/2 Mark) bewil- ligte; mit dieser Beihülfe hat ihm seine Gattin Fabia Sabina, des Probus Tochter, das Denkmal errichtet, wie die Inschrift [/. R. N. 2337; C. /. X. X, 1019) bezeugt. Das Grab ist sehr einfach: eine bloße Ummauerung,

Dritter AbHchnitt. Die Gfftber und Orabdenkmäloi. 405

innerhalb deren die auf dem Plan schraffirt angegebenen ganz niedrigen Mauern sichtbar sind ; man wird in ihnen Tielleiclit zwei eingefriedigte Be- gräbnissplätze und ihnen gegenüber einen kleinen Altar erkennen dürfen. Nach dem Schriftcharaktei gehört das Grab ebenfalls der Kaiserzeit an.

Weiter folgt eine Reihe von Gi^bem (24 26J, deren der Straße nicht parallele Kichtung (auf dem Plan nicht deutlich) sich dadurch erklärt , dass sie älter sind als der Neubau des Thores und an einer Linie Hegen , die ver- längert die Osteeite des alten, weiter westlich liegenden Thors traf, von wel- chem aus die Straße sich allmählich erweiterte '^'] . Das erste [26} scheint dem des Porcius ähnlich gewesen zu sein ; nur der Unterbau ist erhalten ; ebenso steht es mit dem folgenden, nur zum kleinsten Thcil freigelegten (ohne Num- mer}. Daran stößt 25 eine in Netzwerk gemauerte Grabeinfassung (rechts auf der Abbildung Fig. 202), in welche ein äußerst enger Eingang zwischen zwei altarfürmigen Cippen hineinfuhrt; innerhalb der Mauern sind nur ein Paar namenlose Hermencippen gefunden worden. Hieraiif folgt das Grab der Guirlanden [tomba delle ghirlande), 24 auf dem Plan , so genannt von den Verzierungen an den Seiten, welche die nachstehende Abbildung (rechts' erkennen lässt. Das Grabmal besteht aus einem einfachen , auf einer Basis stehenden Mauerwürfel , an dem Pilaster vorspringen , vier an der Front, drei

Fig. 202. Grabmal der Guirlanden.

an den Seiten, zwischen denen die Guirlanden angebracht sind. Die Guir- landen sind ein beliebtes Motiv des zweiten Decorationsstils. Die Tuffquadem, mit denen derKem aus Incertum verkleidet ist und in welchen die Pilaster gear- beitet sind , haben eine dünne weiße Stuckhülle nach Art der vorrömischen Zeit, der Zeit des ersten Decorationsstils. Doch ist weder diese Stuckhülle so fein, noch sind die Quadern so gut gearbeitet und gefugt, wie es in jener Zeit üblich war. So werden wir also ohne Bedenken dies Grab der ersten Zeit der römischen Golonie und des zweiten Decorationsstiles zuschreiben dürfen. Auch hier war die Grabkammer unzugänglich. Nach einer leeren Ummaue- rung 23 folgt endlich ein an sich wenig ausgezeichnetes Grab, 22 auf dem Plan . deesen allein erhaltener, aus Quadern aufgeführter unterer Theil auf Fig. 203 rechts theilweise sichtbar ist. In demselben wurde das schönste Werk in Glas gefunden, welches wir bisher neben der Portlandvase au» dem

406 Viertes CapUel.

Alterthiini licsitzcn. Es ist eine \'ase von ihm kel blauem Glase mit weißer Kelicfdarstellunf^ bakchischcr yccncn in reichem Laubwerk, deien Abbildutig und Uosprefhiinj^ im artistischen Theil fircgcben werden soll. Hier genügt es zu bemerken , dass das Grab von diesem Glaegefäß den Namen der tomba Hei vaso di veiro blu erhalten hat.

Den Abachluss dieser Keibe von Monumenten bildet ein nischenformig überwölbter Sitz, 21 auf dem Plan, dessen Ansicht die folgende Figur 203 darstellt. Man könnte vcrmuthen, dass, wie der Sitz der Mamia zu dem Grabe derselben, so dieser zu dem des blauen Glaegefiißes in Beziehung stände;

Fig. 203, HalbkreisföTmige Nische.

doch ist allem Anschein nach die Nische viel jünger als das Grah und ge- hört wohl der Zeit des dritten Decorationsstils an. So ist es wahrscheinlich,

Dritter Absclinitt. Die Gräber und Grabdenkmäler. 407

dass dieselbe ohne Beziehung auf ein Grab zur Bequemlichkeit der Vor- übergehenden angelegt worden ist. In der That ist sie ein gar ange- nehmer Sitz , theils wegen der Aussicht auf die schönen gegenüberliegenden Monumente und über dieselben hinaus auf das prachtvolle Gebirge, theils weil derselbe vermöge einer einfach sinnigen Einrichtung im Winter Wärme, im Sommer Schatten gewährte. Die Öffnung der Nische liegt nämlich fast genau gegen Süden (SSW), und die Nische selbst ist so tief, dass die hoch- stehende Sommersonne, wie in der Abbildung Fig. 203, den Schatten der Wölbung auf die Bank im Hintergrunde wirft, während sie bei tieferem Stande im Winter ungehindert die Nische mit ihren warmen Strahlen erfüllen kann. Die Stuckomamentik der Nische ist bizarr; namentlich gilt dies von den Pilastem, welche die Öffnung einfassen, und welche in einer Doppel- stellung über einander ohne trennende Balken aus einander hervorspringen. Die nur an der Wölbung jetzt zerstörte Malerei im Innern ist einfach und ge- fällig. Wie aus älteren Abbildungen (Mus. Borb. XV, tav. 25 ; Mazois I, pl. 34) und Nachrichten ersichtlich, war in der Wölbung eine fast die ganze Halb- kuppel einnehmende Muschel in Weiß gemalt, während die ringsum übrig bleibenden Theile des Grundes blau waren ; auf den rothen Wandfeldem sind in natürlichen Farben kleine Thiere gemalt, während von den dieselben tren- nenden schwarzen Streifen oder Pfeilern das leichte Ornament sich goldfarbig abheT)t. In das Giebelfeld der Nische ist eine kleine aber unbeschriebene Gedenktafel eingelassen.

Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung einer etwas jungem Gruppe von Gräbern, denjenigen, welche auf der Höhe zwischen den beiden in einiger Entfernung vom Thor sich theilenden Straßen und am Fuß derselben liegen, l 10. Hier ist bei 1 die 1774 aufgedeckte Grabstätte der Familie des M. Arrius Diomedes, gegenüber der Villa suburbana, welche eben deshalb gewöhn- lich als »Villa des Diomedes« bezeichnet wird.

Auf einem gemeinsamen, durch eine Treppe bei dem Grabe 5 zu erstei- genden Unterbau von optis incertum erheben sich mehre Denkmäler ; zunächst, von Norden (links) beginnend, zwei kleine Cippen in Hermenform, welche nach ihren Inschriften I.R,N. 2357. 2358 ; CLL. X, 1044. 1045) die Ruhestätten zweier Mitglieder der Familie des Diomedes bezeichnen. Dann folgt das Haupt- monument in Form eines zweisäuligen Tempelchens mit jetzt nicht mehr erhaltenem flachen Giebel ; der Vorderwand hat man die Form einer geschlos- senen Doppelthür gegeben , auf der zwei Fasces mit den Beilen die höhere obrigkeitliche oder priesterliche Würde des Gründers dieser Grabstätte be- zeichnen. Aus der über der Doppelthür eingelassenen Inschrift in Marmor /. R, N. 2355 ; C. /. L. X, 1042) lernen wir, dass M. Arrius Diomedes, Freige- lassener der Arria, Magister der Vorstadt Augustus Felix, dies Grab für sich und die Seinigen erbaut hat. Unterhalb dieses Grabes ist in den Unterbau, der Straße zugewandt, eine Tuffplatte eingelassen mit der Inschrift Arriae M. f. Diomedes l[iberlu8) sibi suis (auf der Abbildung Fig. 204 sichtbar), welche besagt, dass Arrius Diomedes hier für seine ehemalige Herrin (patrona) Arria, für sich und die Seinigen eine Ruhestätte gegründet hat. Ohne Zweifel haben wir das Grab der Arria in dem in unserer Abbildung theilweise sichtbaren

408 Viertes Capitel.

Monument 5c zu erkennen: es ist viereckig, vod ähnlicher Bauart wie das des Diomedca [Lavaiiicertum mit Zi c geleck en ) , mit dem es durch eine Mauer ver- bunden ist, mit nur theilweise erhaltener Stuckbekleidung. Nach Mauerwerk und Schriftcliarakter gehören die Arriergräber wohl in die Zeit des Äuguatus.

Fig. 204. GrabaUtte de« M. Arriua DioinedeH.

Hechts neben dem Monumente des Diomedes, aber etwas hinter demselben zurückliegend und durch die erwähnte Mauer von ihm getrennt, finden wir ein zweites Monument, 2 auf dem Plane, in Form einer giebelgekrönten Nische, in der die Spuren einer von Stuccorelief gebildeten Figur in den ein- geritzten Umrissen unter Guirlanden erkennbar sind ; es bezeichnet nach der in den Unterbau eingelassenen Inschrift {N. Velasio Grato vix. ann. XU] die Buhestatte des zwölfjährigen N. Velasius Gratus. Dies Grab ist wohl das älteste dieser Gruppe, erweislich älter als die der Arrier und das gleich zu erwähnende des Lalieo, und kann nach dem Schriftcharakter sehr wohl in republikanische Zeit gehören ; das erwähnte Stuccorelief geht auf eine spätere Ausputzung zurück. Namenlose Hermencippen stehn in nicht un- beträchtlicher Anzahl in der Nähe. Auf ein äußerst kleines und inschrift- loses, nichts desto weniger in Form eines Tempelchens mit einem Cippus gearbeitetes Grab, 4 auf dem Plane, links auf der folgenden Abbildung a, folgt das von seinem Freigelassenen Menomachus errichtete Monument des ßechtsduumvirn und Quinquennalen L. Ceius Labeo, 5 auf dem Plane, welches zu den am wenigsten geschmackvollen von Pompeji gehört. Dasselbe ist in opus ituierium erbaut und mit Stucco überkleidet; es bildet zuerst eine glatte Basis, welche nach vom die heute ganz unkenntliche Copie der im Museum befindlichen Inschrift {I.R.N. 2351 ; C. I.L. X, 1037] trägt: über dieser erhebt sich ein von Pilastern eingefasster Würfel, welcher nach der

Dritter Abgehnitt. Die Gräber «nd GrabdenkmSler. 409

Vorderseite a zwei ebenfalls nicht mehr erkennbare Porträtreliefe in Festons zu beiden Seiten eines Korbes zeigte, an der Seitenfläche nach der Stadt b in

Fig. 205. Grab dei L. Ceiua Labeo.

der Mitte zwei jetzt ganzlich zerstörte Reliefdarstellungen, deren ersteie einen Gerüsteten neben einem Pferde zum Gegenstand hatte, während die andere, schon bei der Ausgrabung gänzlich zerstört, nur die Beine einea wie es scheint gleichfalls Geriisteten erkennen lässt. Zu beiden Seiten sind die Felder mit gitterförmiger Stuecatur sehr dürftig ausgefüllt. Dieser relief geschmückte Würfel diente als Hasis mittelmäßiger Statuen, welche aus Tuff gearbeitet und mit feiner Tünche überzogen einen Mann in der Toga und eine reichlich bekleidete Frau, wahrscheinlich Ccius Labeos Gemahlin, darstellen, was wir um so bestimmter annehmen dürfen, da auch die fragmentirte Inschrift der Frau {I.R.N. 2352; C. /. L. X, 1038) im Museo Nazionale aufbewahrt wird. Die Statuen waren Ton dem theilweise zerstörten Basenwürfel herabgestürzt und sind im Museum ; doch stehn vier nicht bessere Statuen ohne Kopf, deren Herkunft nicht nachgewiesen werden kann , jetzt an den Unterlmu dieses Grabmals und des dahinter befindlichen 5& angelehnt. Das Grab des T^beo ist erweislich älter als das gleich zu erwähnende 5 b, welches in der Bauart dem der Arria aulfallend gleicht und ihm daher wohl gleichzeitig ist, jünger dagegen als das des Velasius Gratus : wir werden es also in die erste Zeit des Augustus setzen dürfen. Hinter demselben liegen noch zwei sehr zerstörte Monumente ba, b und c auf dem Plane. Das erste, 5a ist eine 1,25 M. hohe Umfassungsmauer, nach hinten und der rechten Seite von achtzehn schmalen gewölbten Öffnungen durchbrochen, wie sie uns an der Umfassungsmauer des Grabes der Mamia begegneten. Zuzüglich war der so eingefriedigte Platz nur durch eine 0,90 M. weite Öffnung, die aber auf den 2,20 M. hohen Abhang Bach der Stadtseite geht und von außen nur durch Ansetzen einer Leiter oder Holztreppe erreicht werden konnte. An die entgegengesetzte Seite grenzt das Monument bb, welches dem Grabe der Arria, 5o, sehr ähnlich ist: ein vier- eckiger Unterbau von opus i?icertnm, mit einer halb unter das Niveau des Bodens vertieften Grabkammer im Innern. Über ihm erhebt sich ein kleinerer

410 Viertes Capitel.

Oherba» |j;lc'ichcr Constructioii mit Stucco überkleidet und etwa 1, 30 M. hoch erhalten, mit einer zweiten Kammer. Hinter diesem Monumente stehn neben einander zehn Ilermencippen aufrecht an Ort und Stelle, während hinter dem Orahma! der Arria 5o ihrer drei am Hoden liegen'^').

Ein uugleifh scliüueres und interessanteres Monument finden wir gleich am Fuß der Anhohe, auf der die bisher besprochenen Gräber liegen. Es ist dies das Grab des M, AlleiTia Luccius Libella und seines Sohnes, 6 auf dem Plane. Das- selbe (Fig. 20ti) erhebt sich ohne Unterbau in Form eines einfachen , aber in Tollkommen tadellosen l'roportionen gehaltenen Altan von feinem und hartem weißen Travertin über den Fußweg der Straße. Aus der In- schrift (/. R. N. 2350; Ü. I. L. X, 10361, welche ganz gleichlautend auf der Haupt- imd einer der Nebenseiten wiederholt ist, er- giebt sich, daas M. Alleius Luccius Libella der Vater Aedil und fünfjähriger Duumvir (hier duumvir praefectus quinquennalü ge- nannt) •"), sein Sohn, obwohl bereite im 17. Jahre verstorben , Decurio von Pompeji war,

fi ,t ,< |j« unddass dieGemahlin desLibella, AUeiaDe-

cimillft, die ihrem Gemahl und ihrem Sohne dies Monument hat aufrichten lassen, öffent- liche Priesterin der Ceres war, deren Tempel bisher in l'onipeji noch nicht hat nachgewiesen werden können. In jeder Weise haben wir es also hier mit einer vornehmen und angesehenen Famihe zu thun, von deren Geschmack und Bildung das einfach schöne Monument eben so deutlich Zeugniss ablegt, wie von ihrem Ansehn zwei in der Inschrift erwähnte Umstände. Erstens, dass der junge Libella so früh schon Decurio geworden war, was um so mehr bedeuten will, da wir Ciceros Antwort auf die bitte um Unterstützung bei der Bewerbung um eine Decurionenstelle in Pom- peji kennen : es sei leichter in Kom Senator als in Pompeji Decurio zu werden. Als ein ferneres Zeugniss von dem Ansehn der Familie muss es uns gelten, dass nach der Inschrift der Platz für das Monument diesen verdienten Bürgern von der Stadt geschenkt wurde [locus monumenti publice dattu). Ein Zugang zu einer Grabkammer ist auch hier nicht vorhanden.

Hinter diesem Grabmal befindet sich ein ummauerter viereckiger Baum, von dessen kleinen pyramidal auslaufenden Eckthürmchen jetzt keines mehr erhalten ist, 7 auf dem Plane. Man hat denselben als Umfassung von Gräbern ärmerer Bürger oder Einwohner, wie sich eine ähnliche Einfassung auf der andern Seite der Gräberstraße findet, angesprochen, ohne doch jemals nur die leiseste Spur von Gräbern darinnen zu änden. Andere haben in diesen vier kahlen Mauern eiu Ustrinum erkennen wollen, was auch aus verschiedenen Gründen nicht angeht ; denn erstens würde ein solches doch wohl einen Zu- gang haben, zweitens durfte ein Ustrinum nicht in geringerer Entfernung

Drittel Abschnitt. Die Grftbet und OrabdeokmaleT. 41 1

ab 500 Schritt von der Stadt angelegt werden. \Vahrscheinlich sollte hier ein stattliches Denkmal errichtet werden ; nachher aber fehlten die Mittel, und man gab den bis zu einer gewissen Höhe gediehenen Mauern durch jene Eck- tbürmchen eine Art Abschluss. Jedenfalls ist das vor diesen beiden liegende Grabmal 8 unvollendet, oder richtiger eben erst begonnen ; es besteht aus zwei Lagen gro&er, roh behauener weißer Kalksteine auf einer breiten Unterlage.

Ehe wir uns auf die an in- teressanten Monumenten un- gleich reichere rechte Seite hin- überbegeben , betrachten wir noch das mitten auf der Kreu- zung der beiden Straßen belegene Grabmal, 9 auf dem Plane, Die ■=— -*■ ^ * '"

äußere Form dieses aus kleinen Fig. 207, Das Giab mit der Mannorthar.

Tuffsteinen meist in opus reti-

culatani regelmäßig erbauten Grabes (Fig. 207), welches, da es namenlos ist, nach seiner bemeikenswerthen Thür'den Namen des Grabes mit der Mar- morthür [della poria di marmo) erhalten hat, ist einfach, aber sein Detail mannichfaltig genug, um unsere Äufmerk- Bamkeit auf einige Zeit zu fesseln. Vfix änden nämUch hier eine weit vollständiger als im Grabe der Mamia erhal- tene Grabkammer, welche leider heutzutage unzugänglich ist, ao dass wir für die folgenden Einzelheiten auf frühere Berichte angewiesen sind. Die Marmorthür, welche die Grabkammer verschließt (Fig. 208), dreht sich, wie die Zeichnung deutlich erkennen lässt, auf starken bronzenen, in die Ober- und Unterschwelle und zwar in Kapseln von

Anziehn einer bronzenen Handhabe geöflhet und durch das Vorschieben eines in Spuren erhaltenen Riegels und eines mit dem Schlüssel zu Öfihenden

412 VieHes Capitel.

Scttlosaes geschlossen. Das Innere bildet eine durch ein kleines Fenster a [Fig. 2itU) von oben her beleuchtete und mit einem Tonnengewölbe gedeckte Kammer, in welche man über zwei Stufen b hinabsteigt, und welche im Hintet- grunde eine giebclge krönte Nische c für den ersten oder hauptsächlichen Aschenbch älter, den des Stifters, enthält, wie aus der Abbildung ersichtlich. Das in dieser Nische stehende größere Gefäß von Alabaster enthielt wirklich ver- brannte Knochen. Vm die ganze ürabkammor läuft eine Steinbank d, welche andere Aschengefäße von Glas, von Marmor und ^on Thon, und außerdem mehre bronzene Lampen trug . mit denen wahrscheinlich an den Feralien, dem römischen Allerseelenfeste, das Grab beleuchtet wurde. Es ist nicht glaublich, dass das opus reticttlatum hier sichtbar bleiben sollte ; ohne Zweifel sollte dasGrab eine Quaderbekleidung, wahrscheinlich aus Travertin, erhalten, zu der wohl die rechts und hinten an den Kern angesetzten, aber weder genau an einander gepassten noch behauenen Blöcke dienen sollten. Vielleicht gingen auch hier den Erben die Mittel aus, um den Bau in der beabsichtigten Groß- artigkeit durchzuführen ; denn das Mauerwerk trägt nicht den Stempel der letzten Periode. In dem viereckig ummauerten Platze 10 hat man dos zu dem eben besprochenen Grabe gehörende Ustrinum erkennen wollen , doch steht dem die Gesetzesbestimmung entgegen , dass ein Ustrinum mindestens 500 Schritt von der Stadt entfernt sein musste (vgl. Anm. 183). Es wird wohl auch dieses ein angefangenes Grab sein.

Wir wenden uns jetzt zurück auf die andere Seite der Straße, zu dem jüngsten Theil der Gräberstraße, welcher mehr und besser erhaltene Monu- mente darbietet. Gleich das erste derselben, 1 1 auf dem Plane, ist von !>&- ti^chtlichem Interesse. Es ist ein durch eine giebelgekrönte Thür über drei

Fig. 210. Triciinium ßimbre.

Stufen hetretbares, rings ummauertes, aber unbedecktes Triclinium für die Leichenmahle, welche den Schluss der Bestattung iHldeten, erbaut

Dritter Abschnitt. Die Or&ber und OrabdenkmaleT. 413

dem Cn. Vibrius Satuminus aus der falemischen Tiibus von seinem Freigelas- senen Callistus, wie die in den Giebel eingemauerte Inschrift /. R. N. 2349 ; C. I. L. 1033 (Copie der alten] aussagt. Die vorstehende Innenansicht zeigt dies jetzt viel mehr zerstörte Monument so, wie mau es bei der Ausgrabung &ad, eigentlich restaurirt ist aber außer der Decoration nichts als die kleine runde, jetzt tbeilweise zerstörte Basis eines Opferaltars. Die Wände waren einfach aber graciös bemalt, doch ist von der Malerei jetzt so gut wie nichts mehr vorhanden; die Bänke für die Theilnehmer am Mahle sowohl als der Tisch in ihrer Mitte bestehn, wie in manchem Triclinium in Privathäusem oder deren Gärten [z. B. im Hause des Sallust, s. S. 305), aus stuccoübei- zogenem Mauerwerk , ebenso das kleine runde Fiedestal ; in welchem ein Opferaltar für die Libationen während des Mahles schwer zu verkennen ist. Hinter der Mauer des Tricliniums zieht sich die gemeinsame aus Tuffsteinen in opus incerium erbaute und bis an das Periatyl der Villa des Cicero fort- geführte Einfassung der GräberstraBe hin. Dies einfache Monument ist nebst einem noch zu erwähnenden (13) das älteste dieser ganzen Reihe.

An dies Triclinium, in welchem, wie bereits in der Einleitung angegeben, mehre Gerippe gefunden worden sein sollen, die wohl in das Gebiet der Fabel gehören, grenzt eines der bedeutendsten Grrabmäler Pompejis, das der Naevo- leia Tyche. Das Motiv desselben weicht von denen der bisher betrachteten Gräber ^^Inzlich ab, winl uns aber auf dieser Seite der Straße noch öfter be- gegnen. Aus seinem Grundriss, 12auf dem Plane, sowie aus der Ansicht Fig.211 links erkennt man, dasfl dasselbe aus einer Umfassungsmauer 'vom aus Tuffqua- dem, im übrigen opus incertum) mit einer Thür nach der Straße besteht, inner-

Tig. 31t. Grab der Naevoleia Tyche. Ansicht und Duichachnitt.

halb welcher Umfassungsmauer sich eine Grabkammer (aus Tuffquadem) erhebt, die oben durch ein Monument in Altarform geschlossen wird. An der Vorder- seite des Altars ist unter dem Reliefportiüt der Gründerin und über einem ein Todtenopfer darstellenden Relief in eleganter und reicher Arabeskenumrah- mung die Inschrift (/. R. N. 2346 ; C. /. L. X, 1030) angebracht, welche in erster Linie unsere Auftnerksamkeit erheischt. Sie lehrt uns Folgendes : Nae- voleia Tyche, die Freigelassene eines Lucius Naevoleius, hat dies Grabmal sich und dem Augustalen und Paganen (s. S. 13} L. Mimatius Faustus, sowie

ihren und seinen fiei gelassenen Sclaven und Selavinnen bei Lebzeiten errichtet. Dem Munatius Fau^tiia aber haben die Decurionen unter Zustimmung des

Fig. 212. Inschrift und Belief am Grabe der Naevoleia Tyche.

Volkes wegen seiner Verdienste die Ehre des liisellium zuerkannt (s. Figg.212 und 214.

Man sieht also zunächsl, dass das Grabmal das gemeinsame der ganzen Familie der Naevoleia «ar, und demgemäß hat das Innere der Grabkammer (Fig. 211 rechts} eine ähnliche Einrichtung wie die in dem kurz vorher be- sprochenen Grabe mit der Marmorthür. In einer Nische im Hintergrunde ist der Platz für eine Aschemime, welche als die der Gründerin gelten mag; andere Nischen in den Seitenwänden sind für kleinere Gefäße bestimmt , während eine »imlaufcnde Steinbank deren mehre von grcißeren Dimensionea und einige Lampen trug. Von den Äschengefäßen sind nur drei, von denen in Fig. 213 eines als Probe mitgetheilt wird, von siiecicllerem Interesse; denn während die übrigen von Thon sind und gewöhnliche Formen zeigen, beatehn diese drei aus Glas, welches in einer bleiernen, ungefähr gleich gestalteten Kapsel steht : die gewöhnliche Art, Glasgefäße in Gräbern gegen etwaige äußere Verletzungen zu schützen. Obgleich nun diese Gefäße keineswega zu den besseren Arbeiten in Glas gehören, von denen uns ein Meisterstück FiK 213 AHchenuroe '^^^^ begegnete, so sind sie doch wegen ihres vollkommen erhaltenen Inhalts merkwürdig genug. Sie enthalten oder enthielten, so wird nämlich von Früheren überliefert, die verbrannten Knochen, schwimmend in einer aus Wasser, Wein und Öl gemengten Flüssigkeit, welche als bei ihrer Auffindung halbdick, aber durchsichtig, in einem Fälle rÖthlich, in den anderen gelblich geschildert wird.

Dritter Abachnitt. Die GiSber und Grabdenkmäler. 415

Das in der Inschrift erwähnte Uisellium des L, Munatius Faustus ist zum Andenken seiner Ehienauszeichnung , über deren Bedeutung bei der Besprechung der Theater das Nothige gesagt ist, auf der einen Seite des Altars in Relief dai^estellt, während die andere Seite ein Schiff darstellt, an dem die Segel gerefft werden. Über das Bisellium wäre höchstens das Eine zu bemer-

Fig. 214. Relief vom Grabe der Naevoleia Tyche.

ken, dass der in der Mitte vor demselben stehende Schemel die Bedeutung dieser Doppelsitze für eine Person recht augenscheinlich macht. Das Schiff dagegen ist verschieden gedeutet worden. Nicht wenige Schriftsteller über Pompeji sehn in demselben eine allegorische Hinweisung auf den Tod als das Einlaufen in den Hafen nach den Stürmen des Lebens, indem sie sich auf eine Stelle Ciceros [de seneci. 19, 71) berufen, in welcher der Blick auf das Grab mit dem Blicke des Reisenden verglichen wird, der nach langer Fahrt sich dem Gestade und Hafen nähert. Vermuthlich aber ist nach Analogie anderer Grabsteine in diesem Schiffe nichts zu erkennen als ein Denkmal des Ge- schäftes, welches einer der hier Begrabenen trieb. Entweder Faustus oder Tyche (letzteres ist vielleicht wahrscheinlicher) trieb Handel und hatte ein eigenes Schiff zur See. Zugleich aber werden wir in der am Steuer sitzenden weihlichen Figur die Fortuna [griechisch Tyche), und somit eine Hindeutung auf den Namen der Erbauerin des Grabes zu erkennen haben.

Das K«lief endlich unter der Insclirift und dem ansehnlichen Porträt der Naeroleia zeigt uns das Todtenopfer, zu welchem die Sclaven und Sclavinnen oder die Freigelassenen der Naevoleia Opferspenden herzutragen. Dies Grab ist neben dem gleich zu erwähnenden des Calventius Quietus das am reichsten omamentirte, und muthmaßlich sind diese beiden auch die jüngsten der ganzen Reihe.

Hart neben diesem Grabe der Naevoleia und der Ihrigen liegt das Grab eines Freigelassenen, des Paganen N. Istacidius Helenus, und seiner Familie (Fig. 215). Dies sehr einfache Monument, neben dem Triclinium das älteste dieser Reihe, besteht wie der Gnindriss 13 auf dem Plane verliehen mit der nachstehenden Ansicht lehrt, aus einer Ummauerung, innerhalb deren mehre Hermencippen mit den Inschriften (/. B. N. 2344. 2345; C. I. L. X, 1028. 1029) aufgerichtet sind. Einer derselben ist in seinem obem nmden Tlieil

416 Viertes Capitel.

nach hinten als ein mciiachlichcr Kopf mit Haarflechten behandelt, n'ovon wir iveitcrhin noch ein Beispiel finden werden. Vor dem einen Cippus ist eine Vase iu den Uoden eingelassen, um die Spenden aufzunehmen. Das Grab bietet in seiner Einfachheit kein be- sonderes Interesse, wenu nicht das, uns die Mannich faltigkeit der alten Grabstätten zu zeigen. Eine Beson- derheit bietet die Inschrift an der Frontmauer der Straße (/. H. N. 2343; C /. i. X, 1027), in so fem sie die Ma&e des von dieser Familie gekauf- ten UegräbnisBplatzes enthalt : tn agro pedes XV, in fronte pedes XV, d. h. von 15 Fuß Tiefe und gleicher Breite. Inder Ihat ist derselbe genau 15 römische Fuß oder 4,44 M. tief, während die Breite nur 4,34 M, be- trägt.

Das folgende Grabmal, No. 14

Fig.215. Grab der Familie iBUciaia. auf dem Plane, hat wiederum ein

größeres eigenes Interesse und muas

zu den zierlichsten Monumenten seiner Gattung gezählt werden, obgleich

von Einigen übersehätzt wird. Wahr ist es, dass ein reinerer Geschmack in

diesem Denkmal herrscht, als in manchen anderen, auch dem der Naevoleia

Tyche, dem es durch die ganze Anordnung und den Beichthum det Ornamente am nächsten steht ; aber den Adel der Einfachheit und die Beinheit der Verhältnisse des Grabaltars der Libella erreicht dies dem Augu- stalen C. Calventius Quietus'**) gesetzte Mo- nument nicht. Dasselbe be- steht, wie die ( restaurirte ) Abbildung (Fig. 216) zeigt, innerhalb einer nach der Straße zu niedrigen , nach hinten erhöhten und giebel-

Fig. 216. Grabaltar des C. Calventius Quietu». artig abgeachloa

kleinen Pfeilern mit Eelief flankirten Ummaucning aus einem Altar auf drei Stufen und einem viereckigen Unterbau [aus Ziegeln und ziegclfornig behauenen Steinen). Die Hauptfa^ade des Altars nach der Straße zu trägt die Inschrift [/. R. N. 2342; C. I. L. X,

Viertel Abschnitt. Die Otfiber und Qiabdenkmfiler. 417

1026], aus der wir den erwähnten Namen und Stand des Calrentius Quietus, sowie femer erfahren, dasa ihm die Decurionen unter Zustimmung des Volkes wegen seiner Munificenz das Bisellium zuerkannt haben. Dies ist denn unterhalb der Inschrift in Relief gebildet, fast ganz so wie das Uisellium des Munatius Fanstus am Grabe der Naevoleia und wie dieses mit dem Schemel tot der Mitte des Doppelsitzes. An den beiden Nebenseiten des Altars sind Eichenkränze mit Bändern, das sind bürgerliche Kronen {coronae doicae] , gebildet, welche für verschiedene Verdienste , namentlich aber für Lebensrettung von Bürgern ertheilt wurden, weshalb vielfach bei ähnlichen Reliefen im Kranze steht O. C. S. = oh cioem servatum oder ob cives aervatos. Welcher Art Calventius' Verdienste waren , und worin seine Munificenz sich offenbarte , wissen wir nicht , obgleich es nahe liegt , in Bezug auf letztere an den Neubau der Stadt nach dem Erdbeben zu denken, bei dem der Bürgersinn mancher reichen Pompejaner sich, wie wir gesehn haben, so glänzend kundgab, und bei dem eben hierfür diesen Bürgern mehr als eine Ehren auszeichnung zu Theil wurde. Der hintere Giebel der Umfassungemauer enthält, jetzt am besten von dem Nachbargrabe aus sichtbar, eine von in Stuck gearbeiteten schwebenden Flügelfiguren, wohl Victorien, getragene und unten von Löwenklauen gestützte Gedenktafel, auf der jedoch die Inschrift fehlt. Die kleinen Thürmchen oder Pfeiler der Umfassungsmauer waren mit Stuccoreliefen geziert, welche jetzt fast gänzlich abgefallen und nur noch in ihren eingerissenen Umrisslinien halbwegs erkennbar sind.

Die Gegenstande der interessantesten dieser Reliefe, welche nach früheren, freilich ungenügenden Abbildungen in den Figg. 217 und 218 mitgetheilt werden, sind: Oedipus vor der Sphinx in dem Augenblick, wo er, dem Sinne des berühmten Bäthsels nachdenkend, den Finger an die Stirn legt, während am Fuße des Felsens, auf dem die Sphinx hockt, die Leichen der von ihr ge- tödteten thcbanischen Jünglinge hegen. Sodann wahrscheinlich Theseus im Labyrinth nach Besiegung des Minotauros (s. Fig. 217].

Fig. 217, Keliefe vom Grabe ilea'CalveiitiuB.

Das dritte Relief Fig. 218 ist, in so fem es richtig verstanden und erklärt worden, von besonderer Bedeutung, indem es uns eine Sitte der Todtenb»-

OTtrblck, Psnpaii. 4. Aafl. 27

418 Viortes Capitel.

Stattung vergegenwärtigt. Der Sclieitcrhaufen, auf welchem die Leiche lag, war von (lern uiitlisteii An'^rhiirifieii zu eiitzüiiilcn, und dies fifeschali, um den Wf^reiflidier Weise uiisü^lich sehmer/liclu'n Eiiidniek zu vermeiden, welchen der Anblick des geliebten Todten in dem Augenblick hervorrufen musste, wo er der Zerstörung auf immer an- heimfallen sollte, hinterrücks mit alt- gewandtem Ciesichte. Es scheint nun, diiss die Figur unsere!« Reliefs, welche als eines der officicllcn Klt^eweiber zii erkliiren sehr oherflächlich ist, eine Frau oder 'l'ochter in dem Augenblick dar- atellt, wo sie die Fackel an den Holz- stoß legt.

Dies Grabmal wird gewöhnlieh als Kenotaph bezeichnet, weil ein Zugang Fig. il8. Relief ebendaher. zu einer Grabkammer nicht vorhanden

ist. In der That ist dies auffallend, weil es offenbar, wie die ähnlichen tiräber zeigen, in dieser spätem Periode üblich war, die Grabkammer zugiinglicli zu lassen ; doch dürfen wir die Mög- lichkeit nicht leugnen, dass mau hier einmal zu der altem Weise zurückgekehrt ist, vielleicht weil der \'erstorbene keine Angehörigen hatte, die mit ihm in demselben Grabe heigesetzt werden sollten.

An dieses Grab grenzt ein mit einer, wie man annimmt provisorischen Mauer umzogener Raum, 1 5 auf dem Plane, in welchem erst spater Monumente oder G ruber angelegt werden sollten, in dem aber we- nigstens ein Herrocncippus steht ; und auf diesen Raum folgt ein vi>n den bisher betrachteten in einer Beziehung abweichendes, aber iuschriftlose» Familienbe- gräbniss, 16 auf dem Plane. Dassolbe besteht innerhalb einer mit kleinen relief geschmückten 'nüirmen versehenen Mauer aus einem nmden und stumpfen j Thunn , zu dessen von der ' StralSc abgewendetem, jetzt ver- mauertem Eingang man auf einer fi ,! ,1 .j ,,if in Fig. 2 1 9 durch die Thür sieht-

Kg. 219. Hundes Gmbmal. baren steinernen Treppe em-

porsteigt. Der runde Thurm auf viereckiger Basis ist von außen mit Stucco bekleidet, und enthält, aber- mals nach früteren Berichten über das jetzt unzu^ngliclie und wohl gänzlich

Drittel Abschnitt. l>ie OrSber und OiabdeokinSleT. 419

ausgeräumte MonTiment, die mit kleinen, aber zierlichen Gemälden (Ara- besken) verzierte und 2 M. weite Grabkammer mit drei Nischen, welche Lampen und die in den Uoden ganz eingemauerten Urnen einschließen. In einer derselben fand man noch die verbrannten Knochen. Am merkwür- digsten iat die geschweifte Wölbung der Decke, deren Profilinmg in antiken Monumenten ohne ein zweites Beispiel sein dürfte, wohl aber in der tür- kischen Architektur wiederkehrt. Der flache Boden dieser Decke soll mit einem ziemlich roh gemalten Gesichte [etwa einem Gorgoneion?) verziert sein oder gewesen sein ; für eleganter gelten die übrigen einfachen Male- reien, deren Charakter sich einigermaßen aus der Zeichnung in Fig. 220

Fig. 121). Grabkammer des runden Orabmals.

erkennen lasst. Die niürmchen auch dieser Umfassungsmauer, in welche in der Mitte der Frontseite eine unbeschriebene Tafel eingelassen ist, sind, wie erwähnt, nach der Seite der Straße hin mit Keliefen in Stucco verziert. Diese Reliefe, von denen eines einen schwebenden Genius, das zweite eine Opfercaeremonie darstellt , bieten weder ihrem Gegenstande noch ihrer Ausführung nach ein besonderes Interesse; nur ein drittes ist von größerer Bedeutung. Es stellt eine Frau dar, welche eine Taenie (Binde) auf das Gerippe eines auf Stein- triimmem liegenden Kindes zu breiten im Begriffe ist (s. Fig. 221). Warum und mit welchem Rechte man freilich dieseDarstellung vielfach auf eine Scene des Erdbebens vom Jahre 63 bezogen hat, ist schwer anzugeben. Dies m

übrigen dieser Reihe (abgesehn vom Triclinium und

dem Grabe der Istacidier) durch größere Einfachheit und durch die Bekleidung mit Stucco anstatt mit Marmor. Schon dies lässt auf höheres Alter schließen.

420 VieiteB Capitel.

In der Tliat kann deutlich festgestellt werden, dass es älter ist, ala das an- stoßende, jetzt gleich 711 l>esprecliende, welches, wie wir sehen werden, der Zeit des Claudins angehört.

Es ist dies, 17 anf dem Plan, das Grab des Scaurus'^"). Das Haupt- interesse dieses 1812 aufgefundenen Grabmals, von dessen keineswegs schöner Form Fig. 222 eine Gesammtansielit bietet, bestellt in den Gladiatorenreliefen,

welche bei Besprechung des Amphitheaters hin- reichend genau betrach- tet worden sind. Die Art, wie diese Reliefe auf die Umfassungsmauer imd die Stufen der Inschrift- basis, welche wahrscheia- lich eine Statue trug, vertheilt sind , erkennt man aus der Abbildung ohne weitem Nachweis. Das Tonnengewölbe der Grabkammer wird ge- stützt durch einen von zwei sich kreuzenden Ton - nengewölben, zur Auf- nahme von vier Aschen- unien, durchschnittenen Pfeiler; außerdem sind

^ '^ ^ * '** in den Wänden vierzehn

Fig. 222. Grab mit den Gladintorenreliefen. Nischen [loculi] für wei-

tere Urnen angebracht. Wir ersahen oben (S. 192) aus den Reliefen, dass dies Grab in die Zeit des Claudius oder die erste Zeit des Nero (41 59 n, Chr.) fällt. Von den späteren, mit denen es im Grundmotive übereinstimmt, unterscheidet es sich durch die Armuth an Ornamenten, indem der oberste Würfel an drei Seiten nur mit Stuck, an der Vorderseite mit der ganz einfachen Inschrifttafel bekleidet ist.

Ein wenig weiterhin liegt ein Grab, 19 auf dem Plan, welches den- jenigen des Calventiua Quietus und der Naevoleia Tyche am meisten gleicht, indem es ans einem altarförmigen Monumente besteht, welches sich über zwei Stufen auf einem viereckigen Unterbau von glattbehauenen Tuffquadem erhebt. Von den genannten Monumenten unterscheidet es sich durch etwas einfachere Omamentirung , indem Ablauf und Camies ohne Ornamente und einfach glatt sind. Auf seiner Hinterseite hat es einen jetzt vermauerten Ein- gang. Man sagt, dies Grabmal sei bei der Verschüttung erst im Aufbau begriffen gewesen, und bezeichnet es demnach als sepolnro m cosfnaione; doch ist das Fehlen einiger Platten der Marmorbekleidung hierfür kein genügender Beweis und kann sehr wohl auf andere Ursachen zurückgehen ; mit mehr Becht kann auf Grund der erwähnten einfachem Omamentirung ver-

Dritter AbBohoitt Die OrSber und OrabdeokmaleT. 421

muthet werden , dase dieB Grab zeitlich dem der Naevoleia Tyche und des MunatiuB FauBtus vorausliegt. Neben diesem Grabe steht ein im Plane mit 18 bezeichneter Hennencippus von Marmor, an welchem man die wunder- liche Form dieser Pompejii eigenthümlichen Monumente aus der umstehenden Abbildung recht genau kennen lernen kann. Die Hinterseite [rechts) zeigt deutlich , dasa mit dem obem runden Theil ein menschlicher Hals und Kopf gemeint ist, der hier wie in anderen Beispielen wie Haare mit auf den Schul- tern herabfallenden Flechten gearbeitet ist, während das Gesicht (s. die Vorderseite links] entweder wie in diesem Falle ganz fehlt oder durch die Inschrift ersetzt wird, die sich hier auf dem untern Theile findet, deren Erläuterung sich aber nicht füglich in der Kürze geben läast'*'). Nach dem Grabe No. 19 wird die Folge der Gräber unter- brochen, indem die s. g. Villa des Cicero, und die zu ihr gehörigen, früher (S. 38) erwähnten Läden unmittelbar an die Straße herantreten ; der Eingang der Villa ist auf dem Flaike mit V. C, ein neben ihm lie- gendes Wasserbehältniss mit P bezeichnet. Den ummauerten dreieckigen Baum 20, dessen Mauer wie diejenige des Grabmals 5 a unddeBJeiiigenderMamiaFig.200 von einer

Seihe kleiner neben einander stehender pig. 223. Ein Uermencippus.

Bt^enöfihungen durchbrochen ist, hat man

ohne genügenden Grund für den oskischen Begräbnissplatz oder für ein Ustri- num gehalten; in Wahrheit gehörte er wohl zur Villa. Die jenseits der letz- teren folgenden Gräber sind schon oben besprochen worden.

Fünf Formen von Grabmonumenten sind es [abgeBehn von den oskischen Gräbern), die wir auf unarer Wanderung durch die Gräherstraße kennen gelernt haben. 1 . Ummaueningen , in denen man die Asche mehrer Todten begrub und die Plätze der einzelnen durch Hermencippen bezeichnete. 2. Grabnischen über dem gleichfalls imterirdischen Grabe ; in einer derselben fanden wir einen Cippus, das Bild des Todten und einen Altar. 3. Große, mit Tuffquadem bekleidete Monumente in Altarform (das beeterhaltene 27), wahrscheinlich mit einer Grabkammer im Innern , welche nach der Bei- setzung geschlossen wurde. Dieser Classe schließt sich auch das Grab der Libella an, nur in eleganterer Form und feinerem Material. 4. Monumente in Tempelform , in einem Falle mit Tuffquadern bekleidet (Guir landengrab) , sonst aus Incertum mit Stuck Verkleidung; auch hier ist die Grabkammer mit Ausnahme eines Falles (Mamia) vermauert ; ob das Grab mit der Marmorthür dieser oder der folgenden Classe angehören sollte, können wir nicht entschei- den. 5. Gräber wie das der Naevoleia Tyche : ein großer, die mit Ausnahme eines Falles (Quietus) zugängliche Grabkammer enthaltender Unterbau , trägt das viel kleinere als Altar oder als einfacher Würfel (Scaurus) gestaltete , mit der Inschrift versehene Monument. Von diesen fünf Classen gehört die fünfte der letzten Zeit Pompejis, seit Claudius, an. Die dritte und vierte

422 Fünftes Capitel.

können wir seit den ersten Zeiten der römischen Colonie, die zweite wahr- scheinlich seit Ende der Republik, die erste seit der frühem Kaiserzeit nach- weisen. Doch ist wahrscheinlich, dass die beiden ersten Classen, bei denen die Pompeji eigenthümlichen llermencippen zur Verwendung kamen oder kommen konnten, eine mindestens eben so alte Sitte darstellen, wie die dritte und vierte. Es ist femer klar, dass die vierte Classe erst seit Augustus all- gemeiner wurde und die dritte verdrängte ; mit dem Grabe der Libella (der \'ater Quinquennal 25/26 n. Ohr.) griff man auf ein älteres Motiv zurück. Wir bemerken noch, dass die ältesten Monumente den Kern aus opt^s ificertum mit Tuffquadern verkleidet haben , welche in einem Falle (Guirlandengrab) nach Art der vorrÖniischen Zeit eine dünne, weiße Stuckschicht tragen. In der ersten Kaiserzeit begann man dann, das opus ificertum einfach mit Stuck zu bedecken und in diesem die Ornamente auszuführen ; gleichzeitig entstand das auch in dieser Beziehung vereinzelt dastehende Travertingrab des Libella. Endlich seit Nero begann die Sitte der Verkleidung mit immer reicher orna- mentirten Marmorplatten.

Fünftes Capitel. Die gegenständliche Hinterlassenschaft des Terkehrs und des Lebens.

Erster Abschnitt. Mobilien, Oeräthe und Oefaße.

Bei der Beschreibung einer Anzahl der bemerkenswerthesten pompejaner Häuser ist allerdings hier und da auch des in den verschiedenen Zimmern gefundenen und für ihre Bestimmung bezeichnenden Ilausraths im weitesten Sinne, der gemauerten Bettstellen, der in die Wände vertieften oder an den- selben befestigt gewesenen Schränke und Bretter , der Speisesophas , Geld- kisten, dann auch der in ihnen gefundenen Candelaber, Kessel, Lampen u. s. w. gedacht ; allein das ist doch mehr gelegentlich geschehn, und zwar aus dem bedachten Grunde, um einerseits die sich immer wiederholenden Verzeichnisse wichtiger und unwichtiger Geräthe und Gefäße zu ersparen, welche das Lesen der Fundberichte bis zur Unleidlichkeit ermüdend machen, und um anderer- seits die hier in Frage kommenden Gegenstände in einer planmäßig geordneten Auswahl zu vollständigerer Übersicht bringen zu können, als es bei der Ver- flechtung in die Darstellung der Häuser in ihrer architektonischen Anordnung und in ihrer künstlerischen Ausschmückung möglich gewesen wäre. Hier soll nun versucht werden , von dem ganzen antiken Hausrath aller und jeder Art, welcher die Häuser in Pompeji erfüllte, eine so vollständige Anschauung zu geben, wie dies innerhalb gewisser, nothwendig einzuhaltender Grenzen thim- lich ist.

Zwei HanDortiache.

Erster Abschnitt. Mobilien, Gcräthe und Gefäße. 423

Beginnen wir mit dem, was wir » Mobilien a (beweglichen Hausrath) nennen, obgleich deren Manches, wie die gemauerten Bettstellen in Pompeji eben nicht beweglich gewesen ist, so muss vorweg bemerkt werden, dass deren Funde nicht so zahlreich und bedeutend gewesen sind, wie man vielleicht vermuthen mag. Der Grund hiervon ist ein doppelter. Erstens ist natürlich alles aus vergänglichen Stoffen, namentlich alles aus Holz Verfertigte bis auf verhältnissmäßig geringe Reste verkommen und untergegangen, und erst das neueste schonende Verfahren bei der Ausgrabung hat auch von diesen Dingen Manches so weit erhalten, dass es entweder durch neue Nachbildung ersetzt oder in Gyps abgegossen werden konnte. Von ein paar in Gypsabgüssen erhaltenen merkwürdigen Gegenständen werden demnächst die ersten über- haupt gemachten Abbildungen vorgelegt werden. Aber Alles, was man auf diese Weise hat gewinnen können und Alles, was man in der Zukunft noch gewinnen mag , wird gegenüber der Masse des rettungslos verlorenen IIolz- werks immer wenig bleiben, und das trifft besonders die Mobilien ; denn dass Holz mit verschiedenen Verzierungen aus anderen Stoffen, Elfenbein, Metall und dergleichen auch im Alterthum das Hauptmaterial der Möbelschreinerei gewesen sei, braucht kaum gesagt zu werden. Dazu kommt aber noch ein Anderes. Es ist nämlich eine Thatsache, dass der Hausrath der Alten ungleich einfacher und weniger mannichfaltig war, als der unsere, indem namentlich die vielerlei Schränke und Commoden, die unter wechselnden Namen und Bestim- miuigen unsere Häuser füllen, als Mobilien fast ganz fehlen, und entweder durch eingetiefte oder angehängte Wandschränke oder durch kofferartige Kasten ersetzt wurden. Mit Tischen, Sitzen, sophaartigen Lagern, Betten und Kasten ist im Grunde das antike Mobiliar erschöpft, wobei freilich innerhalb dieser Klassen Mannichfaltigkeit nicht ausgeschlossen ist, und auch nicht bestritten werden soll, dass dieses und jenes über dieselben hinausgeht, wovon der Schrank mit einer Klappe in dem kastenartig vertieften Boden, welcher, nach antiken Besten genau restaurirt (und deshalb ohne Thür, weil man diese nicht gefunden hat) , im Localmuseum der porta della marina ein sehr bemer- kenswerthes Beispiel darbietet.

Möge die Rundschau in den Mobilien Pompejis von denen der Schlaf- zimmer ausgehn. In diesen findet man in der Regel nur die Bettstelle, am gewöhnlichsten, wie bereits mehrfach bemerkt, in eine Vertiefung der Wand eingepasst, aber auch in einem Alkoven der Hinter- oder einer Seiten wand, welcher, wie das Beispiel des halbrunden Cubiculum in der Villa des Diomedes uns lehrt , wohl durch eine an einer Stange und Ringen hangende Gardine verschlossen werden konnte. In anderen Fällen mag man ein Geräth. welches wir eine »spanische Wand« nennen würden, wie auch wir das thun, um die Lagerstatt oder das Bett gestellt haben. Ein solches Geräth, wohl eines der in seiner Erhaltung merkwürdigsten ist der Bettschirm, welchen Fig. 224 nach einer Zeichnung des Verfassers darstellt, für welche demgemäß auf alle mög- liche Nachsicht gerechnet werden muss. Es kann freilich nicht verbürgt werden, dass dieselbe, deren Gyi)sabguss im Localmuseum steht, in einem Schlafzimmer aufgefunden worden ist, allein ihr Zweck kann kein anderer gewesen sein, als den wir mit dergleichen Geräthen verbinden. Dies antike

424

Fünftes Capitel.

a ib! c

Fig. 22J. Bcllschirin.

Stiirk, welclips uns die drei Theile des Schirmes o, h (in der Abbildung im- Biclitl)ar, hinter u) und <■ zusammengelegt zeigt, besteht aus einem festen, ziemlich schweren Hol/rahmen, der auf der lialben Höhe durch eine Querleiste getheilt wird. Da, wo diese Querleiste in den HauptpfoMten eingezapft ist, ist der lot/tero mit einem bronzenen Knopfe ver- ziert, der jetzt fest auf dem Gyps haftet. In diese feste Umrahmung sind nun feine höl- zerne Stäbe senkrecht und wagerecht ein- gespannt, welche je drei Vierecke in der Breite und ihrer vier in der Hohe jede der beiden Abtheiluiigen bilden und auf ihren Schneidungspunkten mit Knöpfen aus weißem Knochen verziert sind , die eben- falls aufdemOyps haften. Weiter spannen sich noch feinere hölzerne Stäbe querlaufend durch die eben beschriebenen Vierecke, und endlich ist der Grund des Rahmens von hin- ten her mit starkem, zwil ligartigem Zeuge gefüllt, dessen Gewebe sich auch im Gyps- ahguss noch erkennen lässt. Die antiken Bettstellen waren von Holz, mit Bronze oder auch mit Elfenbein und natürlich in sehr verschiedenem Grade einfach oder reich verziert. Ganz aus Metall ge- arbeitete Ifettstellen, wie sie jetzt in Italien üblich sind, scheinen in Pompeji nicht oder nur sehr selten vorgekommen zu sein, wenigstens sind deren keine vorgefunden worden. Dagegen sind einige Fragmente elfenbeinerner Bett- gestelle, namentlich gedrechselte Füße, aufgefunden und früher schon erwähnt, so dass man, die leichte Zerstörbarkeit dieses Materials erwägend, auf eine nicht gar zii seltene Verwendung desselben schließen darf. Von dem Kopfende einer hölzernen Bettstelle ist ebenfalls ein Gypsabgnss, den die folgende Figur (auch sie nach einer Zeichnung des Verfassers] wenigstens einigermaßen vet- n der porta della marina vorhanden. Der halbrund gebogene Ablauf oben und die mit fünf Spiegeln (Pannelen) verzierte Fläche dar- unter wird wohl Jeden an manches Ähnliche bei uns erinnern. Die Breite dieses Bettkopfes scheint darauf hinzuweisen, dass dasselbe für zwei Personen bestimmt war. Bei einem andern Bettkopfe da- selbst sind die Ornamente, theils grade Linien , theils blattartige Zierath von Knochen eingelegt und haften auf dem Gypsabguss. Am häufigsten aber findet man die Bettstelle durch Mauerwerk hergestellt, und zwar als eine gewöhnlich etwa 2 M. lange, 1 M. breite und nur 0,50 bis 0,70 M. hohe Stufe, deren vorderer Rand zuweilen etliche Finger breit erhöht ist. Auf diese gemauerte Unterlage

gegenwärtigen wird, in dem Localmuseui

DDDD

Fig. 235. Kopfende eines hslzemen Bettes.

Erster Abschnitt. Mobilien, Geräthe und Gefäße. Bettgestelle. Sitse. 425

wurden die Matratzen oder Decken und Kissen gebreitet. Dass im Schlaf- zimmer und in seinem Procoeton, wo ein solches vorhanden war, noch einige andere Mobilien, Sitze, Waschtische und Kleiderkisten, sowie dergleichen für Kostbarkeiten, die man in den innersten Gemächern verwahrte, gestanden haben, ist natürlich anzunehmen, obgleich von denselben nichts vorgefunden ist, ausgenommen den gemauerten Waschtisch im halbrunden Cubiculum der Villa des Diomedes (S. 372). An den Wänden sind sehr häufig die Löcher gefunden worden, in denen Bretter befestigt waren. Die nicht selten in ver- schiedenen Säumen der Häuser in Resten aufgefundenen großen Kisten bezeichnet man wohl mit Unrecht durch die Bank als Geldkasten ; es mögen auch ganz andere Dinge, namentlich Kleidungsstücke in ihnen bewahrt worden sein. Die Scharniere von solchen Kisten und wohl auch anderen Mobilien, wurden gewöhnlich aus Knochen und zwar aus jenen in unüber- sehbarer Zahl aufgefundenen Knochenröhren gebildet, welche man früher als Flötenstücke bezeichnete, und deren wirkliche Bestimmung erst neuerlich nachgewiesen ist, wie sie denn auch bei einem neu hergestellten Modell eines kleinen Kastens im Localmuseum an der porta della marina in praktische An- wendung gebracht worden sind*®^). Zwei besonders schöne Exemplare erz- beschlagener Kisten, welche den neueren Ausgrabungen verdankt werden, stehn im Museum zu Neapel in dem letzten Bronzezimmer, wo auch die beiden gleich zu erwähnenden Speisesophas aufbewahrt werden. Ihr Schmuckwerk ist so reich und fein, dass ihre Darstellung in diesem Buch in Holzschnitt oder Lithographie nicht wohl möglich gewesen ist.

Besser erhalten sind ims die Mobiliar gegenstände der Wohn- und Esszim- mer, welche in Sitzen und Stühlen bestehn. Die antiken Sitze, Stühle und Sessel sind uns in Malereien in anmuthigster und reichster Mannichfaltigkeit überliefert, so dass wir eine lange Keihe von Formen in denselben verfolgen können. Diese beginnen bei dem einfachen lehnelosen Klappstuhl, dessen Beine in der Segel als Thierbeine gestaltet, dessen Sitz aus einem Stück Leder, Leinen oder Wollenzeug über Gurten gebildet ist, treten sodann als feste Sessel mit vier in leichter Säulenform gestalteten Füßen und gradem Sitzbrett imd als eben solche mit ausgerundetem Sitz auf; ihnen folgen Klappstühle mit schräge zurückliegender Lehne, welche gerundet und oben geschweift dem Körper die bequemste Stütze bieten musste, die man sich denken kann. End- lich um nur die Hauptformen anzuführen, da das Eingehn auf das Einzelne in's Endlose führen würde, schließen sich die s. g. Throne [solia], die eigent- Uchen Armstühle mit hoher und grader Lehne, weitem, von Armstützen begrenztem Sitz an, welche als die Sitze von Göttern und vornehmen Personen vorkommen. Die Bisellien, über deren Bedeutung bereits gesprochen ist, mögen der Vollständigkeit wegen noch einmal erwähnt werden. Von dem ganzen Seichthimi dieser Formen ist in Wirklichkeit in Pompeji nur sehr wenig gefunden ; dass Holz begreiflicher Weise grade für Stühle und Sessel das Hauptmaterial war, hat deren Untergang bedingt. Von gewöhnlichen lehnelosen Sitzen seien als Beispiele die beiden in Fig. 226 folgenden von Bronze angeführt, der eine in perspectivischer, der andere in geometrischer Ansicht von zwei Seiten gezeichnet. Die geschmackvolle Art der einfachen

Verzierung ergiebt sich aus der Abbildung; nur auf die Schweifung des Sitzes möge aufmerksam gemacht werden, welche das Nitren auf diesen Sesseln selbst

ohne l'olster bequem macht. Zwei bronzene itiscllicn stellt die Abbildung l''ig. 227 dar; auch bei ihnen genügt die Zeichnung, «m den Charakter des

Fig. 221. Zwei Bisellii

Schmuckwerkes zu erkennen ; die in demselben hervortretenden Pferdeköpfe mügen auf ritterlichen Stand deuten. Die in Herculaneum gefundenen sellae curules gehn »ms hier nicht an.

Nächst den Sitzen erwähnen wir die Kuhebetten und Sophas [lecti], die wir ebenfalls in großer Fülle und in sehr zierlicher Gestalt aus Bildwerken kennen, in AVirklichkeit dagegen in Pompeji nxir selten gefunden und in diesen Ausnahmefällen bereits angeführt haben (s. z. B. S. 3I7|. Den neueren Aus- j^rabungen werden die schon erwähnten drei prachtvollen lectt tricUniares Speisesophas) verdankt, welche als Hauptschaustiicke im letzten Bronzeziiu- mer des neapeler Museums stehn und von denen Fig. 228 das eine, wie es nach seiner Kestauration dasteht , nach photographischcr Aufiiahme wieder- gieht. Das ganze Gestell und das Kopfende ist von Holz, welches, natürlich verkohlt, in einem so vorzüglichen Zustande der Erhaltung aufgefunden worden ist, dass man es ganz nach dem antiken Muster hat wiederherstellen können. Es war beschlagen mit fein getrieben er Bronze (nur die Halbfiguren am Kopf- ende sind gegossen) und diese mit silbernen V'erzierungen ausgelegt. Von solchen zierlichen Ruhebetten und Speisesophas sind außer den Fragmenten bronzener, mit Silber eingelegter Bekleidung auch solche mit elfenbeinernen

Erster Abschnitt. Mobilien, Oei&the und 0«fjlße. Kuhebetten. Speiaesophaa. 427

Füßen gefunden worden. Sie waren entweder beweglich oder mit den Füßen in den Boden eingelassen und so befestigt, und wurden beim Gebrauche über einer Gurtenspannung mit beweglichen , zum Theil matratzenartigen , zum

Fig. 228. ttcttt» trictiniant.

42S FünfteH Capitel.

Theil pfiihlartigen Polstern, auf welche man den linken Ann stützte, belegt. Als einfache Furni der Ruhebetten können wir die lehnelosen Bänke bettachten, die wir gemauert in einigen Häusern im Atrium, oder den Alae, von Bnmze im Tepidarium der kleineren Thermen fanden. Über diese und über die von den zierlichen lecli von Holz und Metall sehr verschiedenen gemauerten Tri- elinien, wie sie in manchen Häusern sich fanden, ist dem, was bei der Be- sclireihung der Häuser gesagt worden, hier nichts hinzuzufügen.

Viel seltener sind in Kunstwerken Tische dargestellt, wovon der haupt- sächliche Grund in der geringem Mann ich faltigkeit des Gebrauchs gelegen ist, Sitze braucliten die Alten luigefahr so viel wie wir, ol^leich sie bei mehr Gelegenheiten lagen als wir ea tlmn ; Tische hatten sie weit weniger als wir, die wir in Ess-, Sopha-, Spiel-, Putz-, Schreib- und anderen Tischen eine ganze Heerschaar besitzen. Esstische hatten die Alten in ihren Triclinien natürlich, und zwar in recht verschiedener Form, mehrfüBig und einfüßig, und von sehr verschiedener zum Theil großer Kostbarkeit. Die einfachsten Esstische sind die gemauerten Monopodien, wie beispielsweise derjenige im Hause des Sallustius [oben S. 305), auf deren massiven Fuß man ein Blatt von glattem Holz oder auch eine Steinplatte legte. In hölzernen Tischen wurde , in Material und Verzierung , ein zum Theil fabelhafter Luxus entfaltet, und auch die steinernen sind, wenn sie aus weißem oder farbigem Marmor gearbeitet wurden , großentheils ebenfalls gat kostbare Prachtstücke, welche außer als Esstische, namentlich auch als Schautische für kostbare Gefäße dienten. Dieser Zweck kann bei den schönsten der wenigen in Pompeji gefundenen Marmortische vorausgesetzt werden, von denen die folgende Figur 229 links das besterhaltene Prachtexemplar aus dem Hause

Marmortisch und Tiechfuß.

des kleinen Mosaikbrunnens, rechts ein kostbares Fragment , einen Fuß in Gestalt einer meisterhaft gearbeiteten kauernden Sphinx aus dem Hause des Fauns darstellt. Andere sind weniger reich und schön geschmückt, jedoch bestehn ihre Füße meistens wie in dem vollständigen Beispiel aus stilisirten und tektonisch behandelten Thier- meistens Löwenklauen. Derartige Tische haben meistens ihren Platz im Tablinnm, etwas anders gestaltet finden wir sie im Atrium, vielfach über einem Puteal hinter dem Impluvium mit dem an^n- sclieinlichen Zweck, die Schopf- und Wassei^efäße oder diejenigen G^en-

Erster Ab«ohniCt. Mobilien, Oeräthe und Oef&ße. Tiiohe. DreifQße. 429

stände aufzunehmeb, die man im Wasser kühlen wollte. Hier sind sie oftmals ganz einfach mit zwei durchgebenden Füßen und Bchlichtem dickem Blatt. In anderen Fällen dagegen, von denen die diesem Capitel vorgeheftete Ansicht zwei Beispiele bietet, und zwar ein ganz erhaltenes aus der domua Sirici und ein besonders prächtiges ohne Blatt aus der domus Com, Ruß, sind die durch- gehenden Füße reich mit Sculptur verziert, und stellen über den stützenden Löwentatzen, die sich auch hier wiederholen, die Leiber und Köpfe mehr oder weniger fabelhafter geflügelter Thiere dar, während sie auf der Mittelfläche bald mit einem Füllhorn, wie in dem Beispiel aus der domus Strici, bald mit ver- schiedenen Ornamenten, wie in dem andern, verziert sind. Ein merkwürdiges Beispiel steht in der domus Octaciiprimi [No. 54 im Plane), ganz erhalten wie der Tisch in der domus Sirici, aber an den Breitseiten unten zwischen den geflügelten Löwenklauen anstatt mit den gewöhnlichen Ornamenten mit in- teressanten kleinen Reliefen verziert, darstellend zwei Mal einen Hund neben einem Baum und einen solchen, der einen Eher gepackt hat. Auch die, an den Innenseiten besser erhaltenen, Fatbensputen sind bemerkeusweith ; an den Flügeln der Löwenfüße sind reichliche Reste von rother und gelber, an den großen Eicheln des einen Baumes von grüner Farbe.

Putztische hatten die Alten ebenfalls, jedoch sind uns deren keine erhalten. Eine eigene leichte Art von Tischchen stellen die bronzenen Dreifuße (ge- l^entlich Vierfiiße) dar, welche freilich ursprünglich den Küchengeräthen angehören und zur Aufnahme von Kesseln bestimmt waren, die aber, wie in den folgenden Beispielen, zum Theil von solcher Zierlichkeit und Eleganz sind, dasB sie für diesen ursprünglichen Zweck wenig geeignet erscheinen, vielmehr sich nur als leichte Tische mit losem Blatt darstellen, die man im Wohnzimmer, im Tahhnum oder Atrium stchn hatte, um dies und das aus der Hand zu legen, oder um Bluraenvasen oder einzelne Prachtgefaße darauf zu stellen. Durch kein Beispiel wird das klarer bewiesen, als durch den Vierfuß

Fig. 230. Dreifaße und.VierfuC von BroiiEe.

c in Fig. 230, den man von den Dreifüßen durchaus nicht trennen kann ; denn hier ist die Tischplatte von rosso anttco mit um den Rand umlaufender bron-

430 Fünftes Capitel.

zener Verzierung erhalten, und in sie sind die vier Füße eingezapft. Ein ver- wandter Gebrauch der Dreifüße zum Schmucke des Speisesaales ist schon homerisch und für Pompeji wird er mit dadurch bestätigt, dass diese Mobilien nicht in der Küche, sondern in Wohnräumlichkeiten aufgefunden sind. Von den beiden mitgetheilten Proben von Dreifüßen zeichnet sich das eine ö, welches aus dem Isistempel stammt und dem Cultus diente, durch große Zierlichkeit und reichen Schmuck aus, während das andere b durch eine Vor- richtung zum Höher- und Niedrigerstellen interessant ist, welches sich bei dem Vierfuß wiederholt. Die Beine sind oben in Gelenkbändern beweglich, und die ebenfalls beweglichen Querstäbe enden in einen Ring, der an einem Metallstab an den Beinen herauf und hinunterläuft , so dass vermöge dieser Vorrichtung der Dreifuß bei breiter Auseinanderstellung der Füße um Y4 der Höhe seiner Beine erniedrigt, bei engerer Fußstellung um so viel erhöht werden kann. Angesichts aller dieser und vieler anderen antiken Tische kann die Bemerkung nicht unterdrückt werden, wie viel reiner der Geschmack der Alten war, als der moderne, indem sie allen Schmuck auf die Füße und auf die Kante des Blattes verwendeten , nicht aber wie es seit der Renaissance geschieht, auf die Fläche dieses letztern, welche zum Bestellen oder Belegen bestimmt ist , und auf der das Ornament verschwindet oder für das Auge wenigstens unterbrochen wird, sobald der Tisch seinen Zweck erfüllt, irgend Etwas zu tragen.

Auch dürfte hier der Ort sein, die Bemerkung einzuschalten, zu der die neueren Ausgrabungen die Unterlage geliefert haben, dass nämlich, mag der größte Theil der pompejaner Mobilien an Ort und Stelle oder in den benach- barten Städten gearbeitet worden sein, man prächtigere Stücke weiterher, ja aus der Hauptstadt selbst bezog. Den Beweis liefert ein im Localmuseum von Pompeji aufbewahrtes Plättchen von Bronze, welches nebst verschiedenen Ornamenten, unter denen zwei jugendliche gehörnte Dionysosköpfe hervor- treten, zum Beschlag eines Mobiliarstückes von Holz diente und die Inschrift C . CALPVRNIIVS . ROMAE . ¥[ecit) trägt.

Dass außer den zum eigentlichen Mobiliar des Wohnhauses gehörenden Tischen sich deren in jedem Haushalt, in Küchen, Anrichtezimmem, Bäcke- reien u. 8. w. und in vielen Läden und Werkstätten noch manche andere zu verschiedenem Gebrauche bestimmte Tische fanden, versteht sich so ganz von selbst, dass es kaum erwähnt zu werden braucht, und auch dass diese Tische, seien sie von Holz , seien sie gemauert und mit hölzernen oder steinernen Platten je nach dem Bedürfniss belegt, immer ganz einfach und praktisch waren, lässt sich nach den Beispielen, die wir in den Häusern vorgefunden haben, nicht bestreiten.

Einen wichtigen Platz unter dem Hausrath nehmen die Candelaber ein, wichtig sowohl in praktischem wie in decorativem und künstlerischem Betracht. Von keiner Art antiker Mobilien ist in Pompeji eine so große Zahl und eine so große Mannichfaltigkeit aufgefunden worden, wie von Candela- bem, und in wenigen anderen zeigt sich die unermüdliche und unerschöpfliche Erfindungsgabe der Alten so glänzend und erstaunlich, wie in diesen Geräthen. Über die Candelaber kann man nicht reden, ohne einige Worte über die antike

Erster Abschnitt. Mobilien, Gteräthe und (}efäße. Candelaber, Lampen. 431

Beleuchtung vorauszusenden. Dieselbe stand, was die Hervorbringung hellen Lichtes anlangt, keineswegs auf einer hohen Stufe der Ausbildung, namentlich deshalb nicht , weil bei dem die Benutzung von Kerzen weit überwiegenden Gebrauch der Lampen die Alten keine jener Erfindungen gemacht hatten, durch welche wir, die Hitze der Flamme zusammenhaltend, die Verbrennung im Wesentlichen auf das aus dem Brennmaterial sich bildende Gas nebst der Verzehrung des Rauches beschränken. Von Gläsern, welche die leuchtende Flamme umgaben, kommt nicht eine Spur vor, und die antiken Lampen, selbst die größten und schönsten, sind in ihrer Einrichtung grade so vollkommen und um nichts vollkommener, als die kleinen Lämpchen, die wir in unseren Küchen und Gesindestuben zu verwenden pflegen oder wenigstens in älteren Zeiten verwendet haben. Denn jede antike Lampe besteht aus einem weitem, gewöhnlich flachen, runden Behälter für das Ol und den dasselbe aufsaugenden Docht, welcher aus einer an das Olgefäß angefiigten Lichtschnauze hervor- steckte. Grade dasselbe Princip zeigen noch heutigen Tages auch die Stuben- lampen besonders in Rom, die von den antiken nur darin abweichen, dass sie von Messing gemacht und an einem den antiken Candelaber ersetzenden Stiel hinauf und hinabschiebbar sind. Wer diese römischen lumi aus Erfahrung kennt, der weiss, wie schlecht sie ihm (namentlich ehe er sich an sie gewöhnt und civilisirtere Lampen vergessen hatte) geleuchtet haben, mochten sie auch mit drei oder vier Flammen brennen, welche, um nicht trotz der Verwendung von Olivenöl erster Güte, unerträglich zu dunsten, klein gehalten werden müssen, in jedem Luftzuge flackern und im Winde auslöschen. Was von diesen modern -antiken, das gilt ebenso von den wirklich antiken Lampen, und namentlich gilt, dass man auch bei deren kleinen Flammen in der Ver- vielfachung dieser das einzige Mittel zur Steigerung der Beleuchtung besaß. Wollte man ja einmal eine größere Flamme brennen lassen, so musste man für einen Rauchfang über derselben Sorge tragen, wovon uns in der immerbrennenden Lampe des Kallimachos im Tempel der Polias in Athen, bei welcher der Rauchfang als ein Palmbaum gestaltet war, ein interessantes Beispiel überliefert ist. Die Vervielfältigung der Flammen erreichte man nun entweder, wie wir dies z.B. in den kleineren Thermen gefunden haben, durch die Aufstellung einer großem Anzahl von Lampen mit einer Flamme oder Tülle , welche mit einem aus dem griechischen entlehnten Ausdruck myxa hieß und der einflammigen Lampe den Namen monomyxos gab , oder durch die Vervielfältigung der Tüllen an einer Lampe, welche man nach deren Zahl mit den Namen dimyxos (zweitüUig) oder hibjchnis (zweiflammig), trimyzos (dreitüllig) oder trilychnis u.s. f. belegte. Als das einfachste Material erscheint gebrannter Thon, neben dem jedoch vielfach auch Bronze verwendet wurde. In beiden Hauptmaterialen, Thon und Bronze, zu denen gelegentlich edlere Metalle kamen , finden wir, dass die Lampen von der allereinfachsten Form sich durch eine fast unübersehbare Reihe von Ornamenten bis zu äußerst zier- lichen und schönen Kunstwerken erheben, wobei natürlich die Blüthe der Entwickelung der Bronze zufällt. In der folgenden Abbildung Fig. 231 ist eine Reihe pompejanischer und herculanischer Lampen zusammengestellt, in der die Hauptstufen des Aufsteigens sowohl in Beziehung auf die Zahl der

Flaimnpn wie dcsjenigon von der einfachsten Form bis zur kunstTollsten veranschaulicht werden.

Fig. 2iil. I^ampen von Thon und BioDie.

Die einfachste Grundform der antiken Lampe vergegenwärtigt das I^ünp- chen a aus gebranntem Thon. Derartige Lämpchen sind in unübersehbarer Masse in allen llieilen des weiten Romerreichs gefunden, bestehn in der Regel aus nicht glasiertem, einmal gebranntem Thon und sind sehr oft in der ein- fachsten Weise dadurch verziert, daas mit einem scharfen Instrument auf den Deckel oder den Bauch des Ölbehälters Kreise, Spiralen oder sonstige Linien eingerissen, oder dadurch, dass diese Linien mit einer blasstothen Farbe auf- getragen sind. Von den beiden Löchern in der Lampe dient dasjenige im Bauch, welches, wie wir sehn werden, bei besseren Lampen mit einem oft sehr hübsch verzierten Deckel verschlossen wird, zum Eingießen des Öles, dasjenige in der TüHe für den Docht. Zu diesen beiden natürlich immer vorhandenen Löcliem kommt oft noch ein viel kleineres drittes am Anfang der Tülle, welches entweder zum Heran BStochern des Dochtes, oder viel wahrscheinlicher noch dazu diente, um den nöthigen Luftdruck zu vermitteln, falls die Öl- öffnung durch einen Deckel verschlossen war. Zu den einfachen Verzierungen dieser kleinen Thonlampen gesellt sich sehr oft noch der unter dem Fuß eiu- gestempelte Name des Fabrikanten , wie dies beispielsweise das Lämpchen b zeigt. Dieser Name steht entweder, wie hier, im Nominativ und allein PVL- CHER, oder mit einem F {/ecit] hinter sich, oder im Genetiv allein, z. B. TITINI , des Titinius Lampe oder Machwerk, oder was man sonst ergänzen

Erster Abschnitt. Mobilien, Geräthe und Gefäße. Lampen. 433

will, oder auch mit vorhergehendem OF., d. h. officinay Fabrik, z. B. OF- ATIMETI, Fabrik des Atimetus. Die Lämpchen a und h vergegenwärtigen, wie gesagt, die gewöhnliche Grundform, welche wir noch vielfach, aber doch nicht so ausschließlich wieder finden werden, dass daneben nicht andere, zum Theil verwandte Formen vorkämen. Als Beispiel einer solchen diene das Lämpchen c, bei dem die Tülle als runde Spitze verlängert und der Griff seit- wärts angebracht ist. Auf ihr erscheint nun auch zuerst einer jener figürlichen, fast den ganzen Kreis darstellbarer Gegenstände umfassenden Verzierungen, welche insbesondere eine fast vollständige und sehr mannichfaltige mytholo- gische Folge enthalten und in welcher eines der wesentlichsten Interessen der antiken Lampen liegt. Auf diesem Lämpchen ist ein kampfbereit stehender Gladiator in flachem Relief angebracht, wogegen das in gewöhnlicher Weise gestaltete Lämpchen d ein palmettenartiges Ornament zeigt, in dessen Mitte das ÖUoch durchgebohrt ist. Unter e ist ein in mehrem Betracht interessantes Beispiel einer bilychnis von Bronze in der Oberansicht mitgetheilt, welche sich von der in der Folge noch vorzufindenden gewöhnlichsten Form der zwBiflam- migen Lampen dadurch unterscheidet, dass bei ihr die Tüllen einander gegen- über liegen, anstatt wie gewöhnlich neben einander. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, dass diese Lampe zum Hängen an Kettchen bestimmt war, welche in die als Haken behandelten omamentalen Gänseköpfe auf den Tüllen eingehängt wurden. Eine ganz besondere Wichtigkeit erhält diese im Übrigen sehr einfache Doppellampe dadurch, dass sie die erste war, in deren Tülle man, wie später bei mehren anderen, den Docht steckend fand, wie dies die Abbildung zeigt. Dieser antike Docht besteht aus gehecheltem, aber nicht gesponnenem Flachs, der zu einer Art von Strick zusammengedreht ist, und verdankt seine Erhaltung der Berührung mit dem Metall, einem Umstände, der auch sonst noch manchen leicht zerstörbaren Gegenstand in Pompeji hat auffinden lassen, wie z. B. leinene Geldbeutel, das wollene Futter von Bronze- helmen u. dgl. m. Einen reicher verzierten bronzenen Dimyxos der gewöhn- lichen Form stellt f dar : sein Griff ist als Adler gestaltet und auf der Decke seines Ölbehälters, aus dem die beiden Lichttüllen neben einander entspringen, ist die Büste einer Lima vor der Mondsichel ausgetrieben, welche zugleich als ein Beispiel dieser mythischen Darstellungen dienen mag, und bei der auf die nach damaliger Sitte als Perücke gestaltete Haartracht aufmerksam gemacht werden möge. Ehe zu weit in der aufsteigenden Entwickelung der Ver- zierungen fortgeschritten wird, sind ein paar an sich einfache vielflammige Lampen g, h zu betrachten, von denen die erstere sehr deutlich den Übergang der gewöhnlichen Form mit neben einander stehenden Lichttüllen zu der kreisförmigen Stellung der Flammen zeigt, welche sich bei der zweiten Lampe h findet. Bei ihr ist der mit dem Kranze verzierte Theil der Ölbehälter, das Loch zum Eingießen liegt rechts, das kleine Loch für die Luft nach vom. Dadurch, dass dies nur einmal, nicht aber bei jedem Flammenloch vorhanden ist, wird sein angegebener Zweck recht deutlich. Ein anderes Beispiel einer ringförmigen Hängelampe mit mehr Verzierung ist mit n a und ß bezeichnet ; die drei nach innen stehenden Zapfen sind durchbohrt und in ihnen waren die Ketten zum Aufhängen befestigt. Die Löcher zum Oleingießen sieht man oben

0 verbeck, Pompeji. 4. Aafl. ' 28

434 Fünftes Capitel.

neben dem Silenskopf, hinter dem ein kleiner Griff angebracht ist. Unter t folgt ein kleines , aber sehr anmuthig und reich gestaltetes Bronzelämpchen in der Oberansicht, dem weiterhin unter k ein anderes in der Seitenansicht beigefügt ist , während bei / und bei m zwei jener nicht seltenen Lampen abgebildet sind, welche bei sehr einfach gestaltetem Körper einen mehr oder weniger reich, hier im einen Falle durch einen kräftig modellirten Löwenkopf, im andern durch einen Pferdekopf geschmückten Griff zeigen. Außer dem Körper und dem Griff der Lamjie bietet nun besonders noch der Deckel oder der Deckelknopf des Ölbehälters Gelegenheit zu kunstreicher Gestaltung, wovon 0 ein Beispiel ist. Hier steht auf dem Deckel ein leichtgegürteter Jüngling, der sich im vollen Laufe gleichsam nach einem mit ihm um die Wette laufenden umblickt, und der zugleich als Halter des Häkchens dient, mit dem man den Docht stocherte. Ein ungleich anmuthigeres Beispiel eines sehr gefällig gestalteten und durchweg mit großem Geschmack verzierten Dimyxos finden wir bei p. Hier stellt der Deckelknopf eines jener allerliebsten Genrebilder der antiken Plastik dar, welche noch immer nicht gehörig zu- sammengestellt und gewürdigt sind, ein Flügelknabchen, das mit einer Gans ringt, an deren Fuß zugleich das Kettchen hangt, mit welchem der Deckel an den Griff befestigt ist. Den Grundgedanken der kleinen Gruppe bietet ein Werk des Boethos , welches Plinius anführt , und welches auch in Marmor nachgebildet auf uns gekommen ist. Eine ziemlich reich verzierte größere dreiarmige Hängelampe ist mit q bezeichnet, und endlich sind unter r, «, t und u vier Lampen von besonderer Form zusammengestellt, welche beweisen, dass der Geschmack in der Gestaltung dieser Geräthe grade nicht immer sich auf gleicher Höhe hielt. Die Abbildung r zeigt eine dreiflammige Lampe, bei der für die zweite und dritte Flamme ein Nebenlämpchen dem Körper der Haupt- lampe unorganisch genug angeflickt ist, s eine schiffartig geformte vielflam- mige Lampe, t eine Lampe in Form eines menschlichen Kopfes, bei dem die abnehmbaren Haare als Olöffhung und der maskenartig verzerrte Mund fiir den Docht diente, endlich u eine ähnliche Lampe in Maskenform in drei An- sichten. Diese Spielerei kommt in ähnlicher Weise ziemlich häufig vor, während, ungleich sinniger, auch die Form des Schneckenhauses, indem dieses umgekehrt aufgehängt wurde, nicht selten zu Lampen verwendet worden ist. Doch nun zurück zu den Candelabem, zu deren Würdigung diese Ab- schweifung in der Besprechung der pompejanischen Geräthe nothwendig war, um die Zwecke der Candelaber deutlich zu machen. Die Durchmusterung der Lampen hat gezeigt, dass die meisten zum Hinstellen eingerichtet sind ; das Hinstellen konnte nun freilich wohl auf den bloßen Tisch erfolgen, aber in diesem Falle wäre die Flamme so niedrig gewesen, dajss ihr Licht sich nur auf einen kleinen Kreis erstreckt haben würde. Man musste also Untersetzer für die Lampen haben, welche man auf den Tisch stellen konnte, und diese Unter- setzer erscheinen entweder in Form niedriger Tischchen oder Dreifuße, oder als die der einen Hauptclasse der Candelaber , welche etwa einen Fuß bis anderthalb hoch sind. Aber nicht allein auf den Tisch wollte man Lampen stellen, es galt viel häufiger die Erleuchtung des ganzen Zimmers. Wollte man nicht Hängelampen verwenden, so musste man höhere Stände für die

Erst6r Abschnitt. Mobilien, Geräthe und Gefäße- Lampenfüße. Kleine Candelaber., 435

Lampen haben, und diese Stände sind die zweite Hauptclasse der Candelaber, welche 3 5 Fuß hoch von Bronze, in noch viel größeren Maßen, jedoch gewiss nicht zu häuslichem Gebrauche, sondern besonders wohl für Tempel oder für Paläste der Großen bestimmt, auch von Marmor gebildet, zugleich zu den schönsten Mobiliarstücken des Alterthums gehören. Die folgende Auswahl von Lampenfüßen , kleineren und größeren Candelabem wird zur Vergegen- wärtigung dieser Geräthe genügen. Von den vier Lampenfüßen Fig. 232 sind

Fig. 232. Lampenfüße von Bronze.

zwei gewichtig und zwei leicht und elegant. Der Vorzug dieser antiken Lampenfüße, bei denen meistens Thierfüße, einmal Delphine als Stützen der Platte benutzt sind, vor den meisten der sehr ähnlichen modernen Füße der lampes ä modSrateur besteht in der Klarheit, mit der die zum Tragen be- stimmten Theile diese ihre Function ausdrücken, während wir nur zu oft in dieser Beziehung ganz gedankenlos verfahren und künstlerisch betrachtet Unmögliches schaffen.

Noch ungleich größer igt die Mannichfaltigkeit und zugleich die Anmuth der Formen bei den kleinen Candelabern, von denen nachstehend fünf als Proben ausgewählt sind, welche, wenngleich sie eine sehr kleine Auswahl aus der Fülle des Vorhandenen bilden, doch im Stande sein werden, eine ungefähre Vorstellung von diesen Geräthen zu geben. Die kleinen oder Leuchtercande- laber, wie man sie nach der Analogie unserer auf den Tisch zu stellenden Leuchter und Armleuchter nennen könnte, sind wie diese zunächst nach der Lampenzahl zu unterscheiden, welche sie zu tragen bestimmt sind. Die Ab- bildung giebt in a einen einlampigen , in b und d zweilampige , in e einen vierlampigen und in c einen fünflampigen Candelaber, so dass der letzte, mit fünf Bilychnen behängt, mit zehn Flammen leuchtete. Femer kann man diese Leuchtercandelaber insgesammt nach der Form in zwei Hauptclassen eintheilen, in solche, die rein tektonische Formen verwenden, wie in Fig. 233 a und e, und solche, die in freierer Weise pflanzliche und ausnahmsweise thierische oder menschliche Formen benutzen, wie in b, c und d. Die ersteren stehn den großen Candelabem am nächsten , bei denen man als die Haupttheile Fuß, Schaft und Platte unterscheidet, die als Träger der Ornamentik erscheinen. Bei der andern Art findet sich freilich ebenfalls in vielen Fällen Fuß, Schaft und Platte , wie in b und c, in vielen anderen ist aber entweder der Fuß im eigentlichen Sinne aufgegeben wie in d oder die Platte ganz weggelassen wie in c, bei welchem als Baum gestalteten Candelaber die fünf Lampen an Ketten von den Zweigen hangen. Bei der Anmuth aller dieser Exemplare verdient doch ohne Zweifel a als tektonisch, d als freier gestaltetes Geräth den Preis,

28*

436 FOnfteB Capitel.

wogegen b einem leisen Tadel nicht recht oi^;auischer Yerbindung des Fußes mit dem Schaft schwerlich entlehn wird.

Noch etwas anders gestaltet sich die Aufgabe bei den großen Candela- heni , welche frei ins Zimmer auf den Itoden oder auch in Wandnischen ge- stellt wurden, in denen einige Exemplare ge- funden worden sind, bestimmt die Räume im Allgemeinen, kaum aber dieselben sehr hell zu beleuchten, weshalb die großen Candelaber in der Kegel nur Kr eine, zwei bis höch- stciiB drei Lampen, die freilich mehrdammige sein konnten, auf ihren S Platten oder Tellern

M Raum bieten. In Fig.

y 234 sind drei ganze

pj Candelaber und einige

g. Deispiele der drei schon

^ obengenannten Haupt-

I theile, Fuß, Schaftund

£■ Knauf oder Platte zu-

1" sammengestellt , auf

welche hei der folgen' den Beschreibung zu verweisen ist. In seiner Gesammtheit spricht der Candelaber seine Bestimmung, dasLidit hoch emporzuheben, mit seiner leichten Schlankheit auf das

Vortrefflichste aus. Nicht eine Ijast zu he- ben und zu stützen ist der Candelaber be- stimmt, deshalb konnte ein Schaft so dünn und lang genommen und auf dem zierlichen Fuße erhöbt werden. Dieser meistens aus Thierklauen, aber auch aus pflanzlichen Formen zusammengesetzte Fuß ist wieder nur diesen leichten Stengel zu tragen im Stande, der mögUcher Weise aus einer natür- lichen vegetahilen Stütze hervorgegangen und deshalb auch zuweilen nach ihrem Schema gearbeitet [siehe Fig. 2.14 das Schaftatiick beiy], in der Regel aber nach diesem Gtundsctiema, wie alle Säulen, weiter stüisirt und zu einer

Eistei Abwlinitt. Mobilien, Oer&the und Oeföfie. Groß« CandelabsT. 437

cannelirten Säule geworden ist, aua der in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle und in den besten Exemplaren ein, natürlich ebenfalU stilisirter, Hlu- m^ikelch emporblüht, dem das Licht der Lampe entstrahlt. Die Abweichungen

Fig. 234. Gioße Candelabet.

438 Fünftes Capitel.

von diesem als regelmäßig zu betrachtenden Schema sind bei allen drei Theilen mannichfaltig genug, um eine etwas genauere Betrachtung zu rechtfertigen. Im Fuße sind die Verschiedenheiten nicht so bedeutend wie im Knauf. Zu- nächst werden durchgängig drei Stützpunkte festgehalten, welche selten durch andere Glieder als Thierfüße dargestellt werden. Am häufigsten sind Löwen- klauen verwandt, seltener die Hufe grasfressender Thiere, wie in c Fig. 234, noch seltener Pflanzen theile, namentlich Baum wurzeln. Pflanzen theile werden dagegen meistens in verschiedenem Grade des Reichthums zur Verbindung der drei Thierfüße verwendet, ein Beispiel ihres Fehlens sieht man bei dem Candelaber a, ein anderes bei demjenigen c, bei dem sie einem praktischen Bedürfniss weichen mussten, das überhaupt zum Nachtheil der Form in diesem ('andelaber durchherrscht. Sehr zierlich dagegen ist das pflanzliche Ornament mit dem thierischen in dem Candelaberfuß verbunden, von dem e eine Ober- ansicht bietet, einfacher in dem Fuß des Candelabers J, sehr reich und pracht- voll dagegen in dem bei f in der Seitenansicht mitgetheilten Candelaberfuß. Die so gestalteten Füße lassen nun den Schaft des Candelabers entweder un- mittelbar aus ihrer Mitte emporschießen, oder sie sind mit einer Scheibe, einem Teller (Diskos) bedeckt, aus dessen Mitte sich der Schaft erhebt. Ein Beispiel eines solchen Fußes zeigt in der Seitenansicht der Candelaber a, ein anderes in der Oberansicht derjenige rf, ein drittes, aber nicht mustergiltiges Beispiel der Candelaber c. Es ist wohl einleuchtend, dass die Candelaberfüße ohne Deckplatte den Vorzug verdienen, weil aus ihnen der Schaft am meisten organisch entspringt, doch läest sich nicht läugnen, dass wieder die Platte der Kunst des Ciseleurs den schönsten Anlass zu getriebenen , eingeritzten imd eingelegten Ornamenten (Damascenerarbeit) darbot, und dass diese Gelegen- heit in geistreicher Weise benutzt ist. Verwandt mit dieser Art von Füßen, aber am wenigsten mustergiltig sind diejenigen, von welchen / eine Probe ist, und bei denen sich die Platte in ein flach glockenförmiges Glied verwandelt hat, dem der Ausdruck des Emporhebens fast ganz abgeht. Wesentlich ab- weichend von der Form dieser bronzenen Candelaber sind diejenigen der gießen marmornen, von denen eine Reihe von Prachtexemplaren auf uns ge- kommen ist. Bei ihnen ist der Fuß dem Material gemäß massiver, als ein dreiseitiger Altar auf niedrigen Löwenfußen gestaltet, dessen drei Flächen mit bedeutungsvollen Reliefen verziert wurden. Und ebenso ist der Stamm dicker: entweder als Stengel oder Stamm mit Blättern behandelt, wie in g oder mit Relief oder auch von fast rund herausgearbeiteten Figuren umgeben , endUch die Platte gelegentlich zur Aufnahme einer großem Fackel oder eines sonstigen Feuers ausgeweitet. Doch kann hierauf nicht näher eingegangen werden, da in Pompeji dergleichen Geräth nicht vorkommt.

Der Schaft der bronzenen Candelaber ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine schlanke cannelirte Säule , seltener eine nicht cannelirte wie in dem Candelaber c und dem, dessen Fuß bei / abgebildet ist , noch seltener als Baumstamm gestaltet wie der Schaft bei g. Mit dem Fuße verbindet den Schaft eine leichte Basis, welche in der Mehrzahl der Fälle, am musterhaftesten bei dem Candelaberfüße bei f aus mehren Reihen von Blättern mit leichtem Überfall besteht, gleichsam den Wurzelblättem des schlanken Blüthenstieles.

Erstei Abschnitt. Mobilien, Geiäthe und Gefäße. Candelaber, Feuerbecken. 439

Bei anderen Candelabem ist dies Bindeglied zwischen Fuß und Schaft zum Nachtheil des Organischen ins Ktirze gezogen, aber nur in sehr seltenen Fällen verfehltermaßen in der Gestalt der eigentlichen Säulenbasis behandelt und niemals vergessen. Dass das Bindeglied bei Füßen mit der Deckplatte kleiner sein dürfe, als bei solchen ohne diese, leuchtet von selbst ein. Endlich der Knauf und die Platte. Die Blüthenkelchform ist bei Candelabem mit canne- lirtem Schaft für den Knauf ohne Frage die beste und naturgemäßeste, die ihr nahe verwandte Vasenform weniger zu loben. Bei Candelabem mit Pflanzen- schaft muss natürlich der Knauf der Natur des Stengels folgen, was in ein- fachster Weise durch Darstellung von Zweigen geschieht, welche die Platte tragen ; ein einfaches Beispiel ist bei t. So wie der Anfang des Schaftes mit dem Fuß, so muss das Ende oder die Spitze desselben mit dem Knauf ver- bunden werden, was am besten wie bei a und A durch Glieder geschieht, welche die stilisirte Blumenform des Knaufs tragen und sich ihm unten gleich- sam wie der Fruchtboden und die Kelchblätter den Kronenblättem der Blume anlegen. Andere Verbindungen, sei es durch reine architektonische, sei es durch thierische Glieder, verdienen weniger Lob, und so anmuthig die Schaft- spitze des Candelabers h mit der Sphinx, welche vergrößert in der Seitenansicht bei m wiederkehrt, auch erscheinen mag, so kann sie doch der tektonischen Idee nach nicht tadellos genannt werden. Ganz verwerflich erscheinen aber Vermittelungen des Schaftes und des Knaufes wie die, wovon k ein geschmack- loses Beispiel ist. Schließlich sei noch auf die Vorrichtung zum Verlängern und Verkürzen bei dem Candelaber c hingewiesen. Man sieht, dass der Schaft aus dem Fuße gelöst werden kann, indem zwei große Scharniere in dem letz- tem, wie es die Zeichnung darstellt, geöffnet werden; femer, dass der Schaft selbst aus zwei in einander steckenden Theilen besteht, von denen der obere emporgehoben und durch einen an einem Kettchen hangenden durch seinen durchlöcherten Stiel gesteckten Pflock beliebig hoch oder tief gestellt werden kann. Schön wird wohl Niemand diesen Candelaber finden.

Mit den Sitzen, Tischen, Dreifüßen, Leuchtern und Candelabem nebst Lampen und Hängelampen ist das ständige Mobiliar des pompejanischen Wohn- zimmers und Salons erschöpft. Von solchen Mobilienstücken oder Geräthen, welche zeitweilig in diesen Räumen aufgestellt wurden, sind nur etwa noch die Feuerbecken oder Kohlenpfannen und tragbaren Ofchen und Ileerde zu nennen, welche im Winter, da wo man nicht etwa durch Hypokausten geheizte hohle Fußböden und Wände hatte, was in Pompeji außer in Baderäumen nicht vorkommt, unsere Ofen ersetzen mussten, und grade so gut und so schlecht ersetzt haben werden, wie die ganz verwandten Kohlenbecken dies thaten und thun, welche vor noch nicht langer Zeit den ganzen Heizapparat im modernen Süditalien ausmachten, übrigens besser sind, als ihr Ruf durch manchen modernen Reisenden. Diese Kohlenbecken, deren je eines in beiden Thermen schon erwähnt wurde, sind so einfach eingerichtet, dass Abbildungen derselben unnöthig sein würden, wenn zur Mittheilung einiger Proben nicht doch die anmuthige Verzierung veranlasste. Sie bestehn wie aus Fig. 235 ersichtlich aus einer gewöhnlich runden Platte mit einem entweder grade oder geschweift aufsteigenden Rande, welcher mit verschiedenen getriebenen oder eingegra-

440

Fünftes Capitel.

bellen Ornamenten verziert wird. Auf die Platte werden unverbrennliche Stoffe, in der Regel Ziegel- oder Bimssteinstücke gelegt, über diese ein Rost

Fig. 235. Bronzene Feuerbecken.

von Eisenstäben, auf welchen man die glühenden Holzkohlen schüttete. Das Ganze wird von drei oder vier Füßen getragen, die, wie sich dies beinahe von selbst versteht, durch Thierklauen dargestellt werden, und bildet, obgleich gewöhnlich, doch mit Ausnahmen , an Zierlichkeit und Eleganz hinter den Candelabem nicht allein, sondern auch hinter Sitzen und Tischen zurück- stehend, doch ein Stück , welches sich dem hübschen Hausrath harmonisch einfügt und die modernen scaldini höchlich überragt. Von den kleinen trag- baren Heerden von Bronze wird besser bei Durchmusterung der Küchengerathe gesprochen werden, denn als bloße Heizapparate haben diese schwerlich ge- dient. Ehe wir uns zu diesen wenden, muss noch kurz der Mobiliardecoration, wenn man so sagen darf, der Atrien gedacht werden, welche außer in den

schon erwähnten und abgebildeten an den Impluvien stehenden , mehr oder weniger reich und geschmackvoll ge- stalteten Tischen, Putealen, Wasser- becken und Springbrunnen, in Cande- labem, Sesseln, Stühlen und Bänken und außerdem noch gelegentlich in kleinen Altären besteht, von denen ein paar Beispiele in der Beschreibung der Häuser erwähnt worden sind, ab- gesehn von den mehrfach vorhandenen Geldkisten und von gelegentlich vor- handen gewesenem Statuen- oder Her- menschmuck. Das marmorne Wasserbecken Fig. 236 in flacher Kraterform wurde in einem Hause gegenüber dem Gebäude der Eumachia gefunden und ist das schönste seiner Art in Pompeji.

Die Einrichtung der Küchen war, so weit es sich aus den monumentalen Resten beurteilen lässt, einfach genug. Die in der Regel und mit nur sehr seltenen Ausnahmen gemauerten Heerde, über denen nur in ganz einzelnen Fällen ein Heerdmantel angebracht ist, welcher den Rauch auffing und in die Esse leitete, während gewöhnlich mit rauchlos brennenden Holzkohlen geheizt worden sein wird, diese Heerde machten nur ein Kochen auf der Platte über freiem Feuer möglich, über welches die Kochgeschirre auf Dreifüßen gestellt

Fig. 236. Marmornes Wasserbecken.

Erster Abschnitt. Mobilien, Gerftthe und Gefäße. Ofen, Kohlenbecken.

441

c.-,_______.

Fij<. 237. Ofen.

wurden. Von den gewöhnlichen Heerden braucht nach dem Gesagten nicht näher geredet zu werden, dagegen müssen hier jene kleinen tragbaren Öfen und Heerde oder Feuerbecken erwähnt werden, die freilich schwerlich zum eigentlichen Kochen oder Backen der Speisen dienen konnten, und deshalb auch schwerlich in der Küche ihren Platz fanden, sondern welche zum Warm- halten oder Wiedererwärmen der Speisen allein geeignet scheinen, und aller Wahrscheinlichkeit nach im Triclinium oder in dem mehrfach, wie bei der Häuserbeschreibung bemerkt wurde, mit dem Triclinium verbundenen An- richtezimmer standen. Es sind hier zwei Hauptfor- men zu unterscheiden. Die erstere, welche, mit Ofen bezeichnet, Fig. 237 vergegenwärtigt, besteht aus einem auf drei Löwenfüßen stehenden Cylinder von Eisenblech mit einem beweglichen Henkel zum Tragen an seinem obem Rande. In diesen Cylinder ist von oben her ein kupferner Kessel von fast % der Höhe des Ofens hineingelassen (s. die punk- tirte Linie ) , so dass für die Kohlen darunter nur wenig Baum verblieb. Diese wurden durch die kleine Thür , deren Griff einen Gänsekopf bildet, hineingethan, und für den nöthigen Luftzug um sie brennend zu erhalten war dadurch gesorgt, daß man lyeiter oben ein paar mit Löwenköpfen verkleidete Löcher anbrachte, die Bauch abzuführen gewiss

nicht bestimmt sein konnten. Man sieht recht deutlich, dass es sich bei diesem Ofen um ein Instrument zum Erhitzen der Gegenstände handelt , die man in den Kessel that, und nicht um einen Heizapparat für ein Zimmer. Das Gleiche gilt von den kleinen Kohlenbecken, welche Fig. 238 darstellt. Sie bestehn wie die Feuerbecken aus einer Feuerplatte mit umgebendem Bande, der jedoch doppelt und oben verschlossen, eine rund- umlaufende Binne für Wasser bildet. Wird nun das Innere des Feuerbeckens mit glühen- den Kohlen gefüllt, so musste,

wie leicht einzusehn , das umgebende Wasser schnell erwärmt werden , und die obere Fläche der erhitzten Bohre oder Binne konnte zum Aufstellen heiß zu haltender Schüsseln dienen, während immerhin auch die aufsteigende Gluth des Feuerbeckens zu gleichem Zwecke verwendet worden sein mag. Zu gleicher Zeit •konnte man das kochende Wasser benutzen, welches durch einen Hahn abgezapft wurde. In aller Einfachheit zeigt das niedlich verzierte Becken rechts in Fig. 238 diese Einrichtung, während dasjenige links noch um ein Geringes vervollkommnet erscheint. Es gleicht im Ganzen einem kleinen Be- festigungswerk mit einem Zinnenkranz, welcher als Ornament für derlei Heerde und Feuerbecken ganz besonders beliebt war, so dass ein ähnliches bei einem der in Fig. 235 abgebildeten Feuerbecken, sowie bei dem Heerdchen

Fig. 23S. Kohlenbecken von Bronze.

442 FQnftes Capitel.

nichts nnd I)ei den Feuerliecken der 'ITiormen sich wiederholt. An den vier Ecken dieses Ileerdchens erheben sich kleine , ebenfalls zinnenbekränzte 'lliiirnie, welche mit einem Klappdeckel verschlossen sind ; wurde dieser zu- rück gesclilagfsn, wie es bei dem einen Thürmchen in der Abbildung ersichtlich ist, so konnte man ein Gefäß etwa mit zu erwärmender Brühe unmittelbar in das heiße Wasser stellen, welches zu anderweitigem Gebrauche durch den an der linken Flaclie erkennbaren Hahn abgezapft wurde.

Verwandt im Princip, aber abweichend in der Form und von weniger einfacher Einrichtung ist der Ilcerd, den Fig. 2;tS in Ansicht und Durchschnitt

L

Fig. 2a9. Heerd von BronEe,

darstellt. Die Grundlage bildet auch hier eine von vier Sphinxfußen getragene Feiieriilatte mit einfachem Itaude, in dem fünf Handhaben befestigt sind. Gegen das eine Ende hin endet diese Platte rechtwinkelig, gegen das andere ist sie einerseits balbkreisfönnig , andererseits durch ein rundes, tonnenfÖr- miges Kronzegcfüß abgeschlossen. Der halbrunde nach vom offene Abschluß bildet das eigentliche Feuerbecken und ist von dem Wassergefäß mit doppelten Wänden umgeben, auf dessen llande drei Schwäne als Träger eines überzu- setzenden Kessels stchn. Während also das Wasser ringsum kochte, strahlten die Kohlen auch nach oben ihre durch die Wände zusammengehaltene Hitze aus, deren Benutzung in diesem Falle augenscheinlich und eben dadurch in anderen Fällen wahrscheinlich ist. Mit dem halbrunden Wassergefäß, dessen Hahn in Maskenform gearbeitet ist, steht, wie der Durchschnitt zeigt, der tonnenförmige Hehälter im Zusammenhange, der mit einem Klappdeckel ver- schlossen und mit einer Öffnung in Maskenform luthe dem obern Rande ver- sehn ist. Es scheint, dass durch das Feuer in dem halbrunden Kohlenbecken das Wasser auch in dem großem Gefäß zum Kochen gebracht wurde und dass die Öfiriung zum Ablassen des Dampfes diente, denn als bloßer Behälter kann das größere Gefäß wegen seiner ganz freien Veibindrmg mit dem halbrunden nicht gelten. War sein Deckel zurückgeschlagen, so konnte man ein passendes

Erster Abschnitt. Mobilien, Ger&the und Oef&ße. Kochgeschine. 443

GeJUB mit der zu erwäimeiideii Speise ia das heiße Wasset Btelien. Der vier- eckige Vorraum mag zum Abstellen der erhitzten Geschirre gedient haben.

Eine nicht uninteressante Erscheinung unter diesen Geräthen zur Berei- tung warmer Speisen und Getränke bildet ein in Pompeji gefundenes Gefäß von Bronze zur Bereitung des unter dem Namen der Calda aus Wasser, Wein und Honig zusammengesetzten und sehr beliebten warmen Getränkes. Die Einrichtung desselben wird ajus der nachstehenden Abbildung, welche Ansicht und Durchschnitt vereinigt, leicht klar werden. Das Ganze ist ein auf drei Füßen ruhendes ; einem russischen Samovar am meisten gleichendes Gefäß

Fig. 24U. QefSß von Bronze zai Bereitung der Calda.

mit zwei Henkeln, durch dessen Bauch von oben nach unten ein mäßiges Rohr von Bronze führt, welches unten mit einem siebartigen Rost geschlossen, zur Aufnahme der glühenden Kohlen bestimmt war ; den umgebenden, mit dem Getränke angefüllten Raum des Gefäßes verschließt ein abnehmbarer ringförmiger Deckel , der den Kohlenbehälter offen lässt , während der an einem Scharnier bewegliche spitze Deckel, den die Ansicht geschlossen, der Durchschnitt zurückgeschlagen zeigt, das ganze Gefäß bedeckt. An der Hin- terseitc desselben ist eine vasenartig erweiterte Röhre angebracht, welche in den für die Flüssigkeit bestimmten Raum führt und durch welche das allmäh- lich abgezapfte Getränk nachgegossen werden konnte; zum Abzapfen dient ein Hahn an der Vorderseite, mit dem ein nach oben führendes Rohr in Ver- bindung steht , durch welches der Dampf entweichen und Luft eintreten konnte.

Hier wird nun eine Auswahl von Kiichengesch irren am natürlichsten fol- gen, bei denen um so weniger Erklärung nöthig ist, je mehr dieselben mit den bei uns gebräuchlichen übereinstimmen.

In der untersten Reihe in Fig. 24 1 steht zunächst links a ein Kessel oder Topf auf dem niedrigen dreifüßigen Gestell, mit dem er über die auf der Heerd- platte glühenden Kohlen gestellt wurde. Dieselbe Aufstellung ist bei allen Koch-, Brat- und Uackgeschirren wiederholt zu denken , weshalb auch kein antiker Topf oder Tiegel Füße hat. Die Größe der Dieiüifigestelle wechselt

444 Ffliittea Cnpitel.

natiirlicli mit derjenigen der Geschirre, welche sie zu tragen Itestimmt sind. Ein geräumiger Kessel ist bei b ab Beispiel vieler ähnlichen abgebildet und neben

Fi^. 'H\. Verschiedene Küche n)(CBchirie von Bronze.

ihm bei r wnd d zwei verschiedene Eimer , welche von der gewöhnlich im Haushalt gehrauchten Sorte, keineswegs Prachtstücke wie der unten beizu- bringende sind. Ihre Verzierungen sind einfach, und doch wie viel reicher als an irgend einem modernen Eimer; der erstere hat im Henkel einen Ring zum Anhängen, und neben den Ringen, in denen sich dieser Henkel bewegt, sind Zapfen angebracht , durch welche das Niederschlagen des Henkels auf den Bauch des Gefäßes verhindert wird. Der zweite Eimer hat einen Doppel- henkel, durch welchen das ruhige Tragen desselben erleichtert wird und der, niedergelegt wie in der Abbildung, genau auf den Rand passt und diesen abzuschließen scheint. An dem oben querüberlaufenden Stabe hangen drei Schöpfkellen, eine größere mit kurzem Stiel e, und zwei andere kleinere mit längerem in einen Schwanenkopf endenden Stiele q und u. Die erste Schöpf- kelle kann als in der Küche gebraucht gelten, die beiden anderen waren bestimmt, um Wein oder andere Flüssigkeiten aus den tiefen und nicht sehr weiten Amphoren, in denen dieselben aufbewahrt wurden, h erauszuschöpfen - Auf der Platte des Tisches liegt eine Casserole f und über dieser sind bei o und p zwei flache Bratpfannen aufgehängt, welche sich durch einen spitzen Ausguss für die Brühe im Gebrauche bequem erwiesen haben werden. Eine andere flache Pfanne mit zwei Handgriffen ist mit f bezeichnet. Auf der Tischplatte fo^ bei g ein Gefäß, welches wahrscheinlich zur Aufbewalurui^

Gntei Abaohnitt. Mobilien, OeiSthe und Oefaße. Soehgesohim.

445

eines trockenen Küclienmaterials gedient hat, mit einem Klappdeckel vetsehn ist und sich durcli den elegant als handlicher Delphin gestalteten Griff aus- zeichnet. Ein tehr einfachet Topf ohne Griff steht hei h, zwischen den Brat- pfannen hangt bei t eine kleine viereckige Pfanne mit vier flachen Löchern, sowie weiterhin bei t eine größere mit 29 Löchern jedoch ohne Handhaben steht, welche beiden Instrumente wohl zum Eierbacken gedient haben werden. Neben der großem Pfanne ist ein zierliches TÖpfchen / mit wohl verschließen- dem Deckel aufgestellt und rechts von demselben eine niedliche Kanne h, welche sich vor anderen ihres Gleichen, die unten folgen, durch einen Klapp- deckel und vor unseren Kannen durch den einfach zierlichen Griff auszeichnet. An das Töpfchen l lehnt sich auch ein Sacher rundlicher Löffel m, den wir als Löffel zum Begießen der Braten betrachten mögen, während den Schiusa zwei Esslöffel n und c machen, von denen der Stiel des letztem in einen ZiegenfuB endet. In der Mitte des Stabes oben hangt bei s noch eine Pastetenform, welche, wie die meisten Geräthe der Art , muschelförmig gestaltet und auf dem Grunde mit einem Gesichte (Gorgoneion) verziert ist. Andere derartige Formen ahmen mancherlei kleinere Fleischgerichte nach , einen Hasen , ein Spanferkel, Huhn u. dgl. m. und haben vielleicht nicht immer fiir süße Kuchen und Pasteten, sondern fiir aülzeartige Speisen gedient.

Die Figur 242 enthält eine kleine Sammlung von Geräthen d^ Küchen- gebrauchs, wie Siebe, Durchschläge oder Schaumlöffel, dazu bei 1 noch eine Schöpfkelle in per- spectivischer Seiten- anBicht ; 2,3,4,5 sind eigentliche Siebe oder Durchschläge, welche zum Umwen- den und Abschäumen deB kochenden Flei- sches gedient haben, und bei denen be- sonders nur die zier- lichen Figuren zu be- merken sind, welche die Durchlöcherung darstellt. Bei No. 3 hat sich der Fabrikant Victor [Victor fecit) auf der Handhabe genannt. Das Geriith No, 6 in Ansicht a und Durchschnitt b ist einem Gebrauch be- stimmt gewesen, für den wir keine eigentliche Analogie haben, dem Abklären des Weines nämlich, der vermöge der eigenthümlichen antiken Behandlungs- und Bewahrungaart leicht einen Bodensatz bekam. Um diesen abzuklären, bediente man sich des mitgetheilten Geiüthes, welches aus einem von einer soliden Kelle umgebenen und lose in dieser an eigenem Stiele liegenden Siebe besteht. Schöpfte man nun mit dem ganzen Geräth den Wein im unkUten Zustande und hob sodann das innere Sieb heraus, so blieb in der Kelle die geklärte Flüssigkeit zurück.

Fig. 242. Siebe von Bronie.

446

Fünftes Capitel.

Die Kannen, von denen die Figuren 243 und 244 Proben darstellen, j^ehören zu den am mannichfaltippsten ^gebrauchten und demgemäß gestalteten Geräthen des Alterthums. Schon bei uns giebt es eine Reihe von verschieden verwendeten und verschieden gestalteten Kannen von der Waschkanne bis zum Sahnekännchen hinab, im Alterthum aber mussten Kannen außerdem fast

Fig. 243. Kannen von Bronze.

allen den Zwecken dienen, für welche wir Caraffen und Flaschen verwenden, woraus sich ihre viel größere Mannichfaltigkeit leicht begreifen lässt. Ein ein- gänglicheres Studium der sehr verschiedenen Formen antiker Kannen, als es hier bei der Fülle zu betrachtender Gegenstände möglich ist, ist mehr als manches Andere geeignet, uns ein Bild von dem praktischen Sinn der Alten zu geben, mit welchem sie ihre Geräthe dem Gebrauch gemäß und für diesen bequem gestalteten ; denn nach der Größe und Weite des Bauches, des Halses, des Ausgusses, nach der Gestalt und Lage des Henkels läßt sich in den mei- sten Fällen der Gebrauch errathen. In Fig. 243 darf No. 1 vermöge seines dünnen röhrenartigen Ausgusses wohl für eine Ölkanne gehalten werden, mit der man das Ol in das Mittelloch der Lampen natürlich in feinem Strahle goss. No. 2 und 4 gelten für jene kleinen Wasserkannen, aus denen man bei Tisch den Gästen nach jedem Gange die Hände begoss, damit sie dieselben in einem untergehaltenen Becken wüschen. Die größere Kanne No. 3 in der Mitte darf man als eine Weinkanne betrachten. Ihre etwas seltsame Verzierung ist aus

dem Thierreich entnommen ; auf dem Rande sitzt, als oberer Griff zum Tra- gen des Gefäßes bestimmt , ein Adler auf seiner Beute, einem Reh, den eigentlichen untern, beim Einschen- ken in der Hand ruhenden Griff bildet der obere Theil eines Schwanes oder einer Gans, welche sich zum Fluge zu erheben im Begriff ist. Wie be- quem beide Griffe in die Hand fallen,

Fig. 244. Kannen von Bronze. ^^^"^ «^^n freilich nicht an der Zeich-

nung, sondern nur am Original wahr- nehmen. Der ehemalige Gebrauch der letzten schlichten Kanne No.5 mag dahin- stehn, sie wird aus der Küche stammen. Dagegen gehört die links in Fig. 244

Erster Abschnitt. Mobilien, Ger&the und Qefäße. Wagen.

447

stehende nur kleine Kanne sicher dem Gebrauche in den Zimmern des Herrn oder seiner Familie an, wenn dieselbe nicht vielleicht noch vornehmerer Be- stimmung, dem Tempeldienste gewidmet war. Die eigenthümliche Form lernt man erst dann ganz würdigen, wenn man das Geräth in der Hand hält und bemerkt wie genau man die Menge der auszugießenden Flüssigkeit in seiner Gewalt hat. Man nimmt das Gefäß für eine Weinkanne. Ob die andere rechts stehende gleichen Zweck hatte, wie man nach ihrem bakchischen Ornament, namentlich dem ausdrucksvoll modellirten Satyrkopfe, aus dem der Henkel ent- springt, schließen will, muss iingewiss bleiben ; der weite Hals und der breite Ausguss lassen eher an eine Wasserkanne denken. Hier sei noch bemerkt, dass die Henkel der meisten Kannen sich an Schönheit ja Kunstwerth der Arbeit weit über die Schönheit der wenn auch äußerst zweckmäßig gestalteten Kannen selbst erheben ; auch sind sie, die man häufig in größerer Zahl allein aufgefunden hat, ohne dass man dabei an die Zerstörung und den Verlust der zugehörigen Kannen zu denken hätte, die Producte anderer Hände als die Kannen, welche der gewöhnliche Kupferschmied anfertigte, der dann bei dem feinem Bronze- arbeiter den passenden und ihm oder seinem Auftraggeber gefallenden Henkel fertig kaufte oder bestellte und sei es durch Löthung , sei es durch Vernie- tung mit dem Körper seines Gefäßes verband.

Recht sinnreich ist die Einrichtung der zierlichen Schnellwagen oder Desemer, welche in Pompeji gäng und gebe waren, wie sie es noch heute in Italien sind, und von denen Fig. 245 etliche Probestücke bietet. Das einfache Princip dieser Geräthe ist wie bei unseren Deci- malwagen das der un- gleichen Schenkel , an dem kurzem hangt der zu wägende Gegenstand, an dem langem wird das in allen Fällen gleich bleibende Gewicht auf einer Scale bald näher an den Aufhängungs- pimkt , bald entfernter von demselben gerückt. Einige dieser Wagen (2, 4, 5) haben nur Haken, an denen der zu wägende

Gegenstand aufgehängt wurde, andere bieten nur eine Schale, in welche man denselben legte, bei noch anderen, wie den Nummern 1 und 3, finden sich Schale und Haken verbunden. Bei diesen und ähnlich bei No. 2 findet man zwei merkbar verschiedene Aufhängungspunkte für den zu wägenden Gegenstand, den einen femer vom Schwerpunkte des Wagebalkens, den andern näher an demselben. Bei diesen Wagen aber ist auch eine doppelte Scale auf beide Seiten des langen Schenkels eingegraben, von denen die eine dem äußern, die andere dem innem Aufhängungspunkte des zu wägenden Gegenstandes ent-

Fig. 245. Schnellwagen.

448 Fanftes Capitel

spricht, 80 dasa auch die erstcre Scale kleinere, die andere größere IrVerthe und Verachiedcnheiteu bietet. So zierlich diese Gerathe an sich schon sind, hat doch das im Verzieren nie müde werdende Alterthum noch auf Gewichte und Wagschalen besondem Fleiß verwendet ; die Gewichte erscheinen in der ein- fachsten Form als Eicheln oder kleine Vasen (No. 4 und 5), häufiger aber noch als KÖi>fe von Guttoni oder Menschen, so in No. 3 als Satyrbüst«. in No. 1 und 2 als weibliche, wie es scheint Porträtköpfe. IJei anderen Wagen sind Mer- ciirs-, auch Uakchusköpfc oder Kaiserköpfe, sowie sonstige Menschenbilder als Gewichte verwendet. \'on der Omamentirung der Wagschalen ist rechts in der Abbildung ein einfaches Beispiel mit concentrischen Doppelkreisen und ein schmuck volle res mitgetheilt, welches einen mit einem Bock ringenden Satyrn in Relief in seiner Mitte zeigt.

Dass man in Pompeji neben diesen Desemem auch gewöhnliche zweischa- lige Wagen kannte, braucht kaum besonders erwähnt zu werden ; eine Samm- lung von dergleichen Hegt im Museum von Neapel in einem Glasschranke zusammen, in welchem sich auch eine größere Schalenwage an einem eigenen Gestell befindet. Dieses besteht aus zwei, oben durch einen Bogen, an welchem der Wagebalken hängt, geschlossenen Pfeilern, welche auf einer breiten Grund- lage stehn; das ganze, etwa 0,50 M. hoheGeräth von streng architektonischem Charakter besteht aus Bronze. Abgeb.b. Niccolini, Lecaseecc. De8cr.gen.tav.2. Hier mag ein weiteres Stück seinen Platz finden, welches aus den Gebieten von Küche und Keller stammt, in denen wir uns jetzt bewegen, eine Laterne Fig. 246. Die Veranlassung zum Gebrauch vou Laternen liegt bei der früher beschriebenen Beschafiienheit der an- ' tiken Lampen, die jeder irgend leb-

haftere Windzug verlöschen musste, so nahe, dass darüber nichts zu sagen ist; nur das sei bemerkt, dasa, weil Laternen fast überall vorkommen, wo im Freien Beleuchtung geschafft wer- den sollte, ihr Gebrauch ein sehr aus- gebreiteter sowohl im Privatleben wie im Heer- und Seewesen war, und dass die Laternen aus verschiedenen Mate- rialien, Holz, Bronze, Thon, vielleicht auch edlen Metallen verfertigt und mit Glas, geöltem Leinen oder Hom, FiB.246. L.l.,„..u.B,.n... lJl„en,Häuten, je n.chHedürfni.sgc-

schlössen wurden, sowie sie auch vier- eckig und cylindrisch, wie das hier ausgewählte Beispiel aus Ilereulaneum, vor- kommen. Die Abbildung zeigt diese Laterne in der Ansicht 1 bei gcachlossenem und im Durchschnitt 2 bei aufgezogenem Deckel. Hierzu ist noch zu bemerken, dass der Boden und der obere Kand, auf welchem der Deckel ruht, nur durch die zwei Stützen verbunden wird, welche die 'äeichuung darstellt, in deren Bingen die Kette zum Tragen befestigt ist, und deren wir eine in grader Ansicht bei .t finden ; sodann sei darauf hingewiesen, dass, wie aus der Zeichnung eben&Us

EtBtn Absohnitt. Mobili^n, Oei&the und Gef&ße. Eimer; Krater. 449

hervoi^lit, das Licht im Innem von einer Lampe ausging, deren fest auf- zusetzende!, im Durchschnitt 2 gehoben gezeichneter Deckel das Verschütten des Öles verhinderte, dass femer der bei 4 in der Oheransicht mitgetheilte Deckel von verschieden gestalteten Löchern durchbohrt ist, um der Luft Zutxitt und dem Kauch Abzug zu gestatten, endlich, dasB bei 5 der Dämpfer oder Lichtverlöscher daigeetellt ist. Auf dem Deckel ist eine Inschrift von aller- dings zweifelhafter Lesung (s. I. B. N. No. 6305. 13) eingeritzt, in welcher man jedoch den Namen des einstmaligen Eigenthiimers wohl nicht ohne Wahr- scheinlichkeit zu erkennen glaubt.

Außer den in Beispielen mit^etheilten einfachen oder mäßig verzierten Gieiäthen und Gefäßen ist noch eine beträchtliche Zahl wirklicher Prachtge^e in den verschütteten Städten aufgefunden worden, von denen wenigstens zwei Proben mitgetheilt werden mögen, ein Eimer und ein Krater, zwei Gefäße, welche an eleganter und geschmackvoller Pracht bei aller Einfachheit und Zweckmäßigkeit eo ziemlich zu den vorzüglichsten unter Ihresgleichen gehören durften. Schon die Oesammtform des folgenden, übrigens au^ Herculaneiun, nicht aus Pompeji stammenden Eimers ist gefällig und schön, noch mehr aber nehmen die an seinen Füßen und um seinen Band angebrachten Ornamente unsere Bewunderung in Anspruch. Die Stützen werden von den beliebten Thierklauen gebildet, welche hier jedoch, wie auch in anderen Beispielen, in ein geflügeltes Fabelthier auslaufen, welches sich dem Bauche des Crefäßes anlegt. Den Band bildet ein feiner ArabeskensQeifen, aus pflanzlichen Ele- menten mit eingefugten Tbiergestalten bestehend, und über demselben ein reiches geflochtenes Band, jenes sinnige Ornament, welches die antike Kunst überall anwendet, wo ein Umfassen und Umspannen ausgedrückt werden soll. Die beiden Henkel, welche hier wie bei früher betrachteten Eimern angebracht sind, um dem Schwanken des Gefäßes entgegenzuwirken , entspringen aus anmuthigen Bosetten, welche zwei Mas- ken mit Diadem und Weinlaubbekrän- zung, vielleicht den geflügelten Diony- sos darstellend, einfassen. Die Inschrift auf den Henkeln (/. R. N. No. 6305. 5), Comeliaes Chelidonis, bietet den Na- men der Eigenthümerin in einer un- regelmäßigen, aber auch in Pompeji noch sonst vorkommenden Genetivform. Übertroffen wird die Schönheit und ele- gant© Pracht dieses Eimers noch durch ^'«- 2*'- Prachteimer. den in Fig. 248 abgebildeten Krater,

welcher in Pompeji in einem Hause an der Straße der Abundantia, gegenüber dem Seiteneingang in das Gebäude der Eumachia gefunden worden ist. Die

450

Fünftes Capitel.

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Fig. 248. Krater.

Krateren waren die Gefäße, in denen nach bekannter antiker Sitte der Wein mit Wasser gemischt, und aus denen er mit der Schöpfkelle geschöpft wurde.

Der hier abgebildete von 0,54 M. Höhe ist eben so tadellos und zweckmäßig in seiner Gesammtform, wie zierlich in seinen Ornamenten, welche zum Theil ausgetrieben, zum Theil mit Silber eingelegt sind, nach einer Technik , in welcher die Alten den höchsten Grad der Vollkommenheit erreicht haben. Um die Gestaltung der Stelle, welche den Fuß mit dem Gefäße verbindet [a) recht zu verstehn, muss bemerkt werden, dass sie dadurch bedingt wird, dass in der Regel Krater und Fuß oder Untersatz aus zwei Stücken bestanden, dass der Krater einen kleinen Fuß fiir sich hatte, und dass deshalb der Untersatz in einen Teller oder eine Platte zur Auf- nahme dieses Fußes enden musste. Danach wird man das Schema des Untersatzes vollkommen billi- gen, wenngleich bei diesem Geräthe Krater und Fuß ein Stück bilden, so dass die gewöhnliche Trennung nur künstlerisch und formell festgehalten ist.

So mannichfaltig nun auch die Geräthe und Gefäße von Bronze waren, so konnten sie doch nicht jeglichem Gebrauche dienen, und andere Materialien mussten zur Herstellung anderer Geräthe verwendet werden. Diese Materialien waren Thon und Glas. Es ist allerdings richtig und geht schon aus dem bisher Gesagten hervor, dass die ausgebreitete und ausgebildete Bronzetechnik dem Thon und dem Glase manche Anwendung, die sie in anderen Zeiten und Orten hatten, entzog ; aber entbehren konnte man weder das eine noch das andere. Zum Aufbewahren des Weines wurden z. B. ständig thöneme Amphoren ver- wendet und alle jene Geräthe und Geschirre, in denen man Säuren bewahren oder aus denen man Säuren genießen wollte, mussten von Thon oder Glas an- gefertigt werden. Die Thongeschirre stehn freilich, vergleicht man sie mit dem, was in Pompeji in Bronze geleistet wurde, oder was Griechenland früher

in Thon hervorgebracht hatte, auf einer niedrigen Stufe oder der Stufe des Verfalls. Das Material selbst, mit rothem Fimiss über- zogener Thon, ist allerdings noch vorzüglich zu nennen, sehr fein geschlemmt, fest, rein und in Folge dessen oft von erstaim- licher Leichtigkeit bei lebhafter Farbe ; aber weder in den Gefäß- formen noch in der Ornamentik ist Besonderes geleistet. Unter den Formen treten mehr oder weniger flache Schüsseln und Trinkgeschirre, wovon Fig. 249 Proben giebt, am meisten hervor, die Ornamente aber bestehn in flach auf- liegenden Reliefarabesken, welche mit dem Gefäße zusammen in der Form

Fig. 249. Trinkgef&ß und Schüssel von Thon.

Erster AbBchnitt. Mobilien, Geräthe und GeffiOe. Trinkgef&Be. 451

gepresst wurden und welche meistens in der Zeichnung und Composition heaser als in der Ausführung, in etwas schweren und stumpfen Formen ge- lathen sind.

Von ThoDgeschinen zeigt Fig. 250 zwei Amphoren zur Aufbewahrung des Weines a, b, beide aus dem Hause des großen Mosaik, die eine in der gewöhnlichen schlich- ten, die andere in einer

etwas gewähltem Form, namentlich mit eleganteren Henkeln. Diese Amphoren , un- fähig allein zu stehn, wurden an die Wand des Kellers gelehnt, wie mau sie in der Villa des Diomedes gefunden hat, auch ge- l^entlich mit dem spitzen Ende in den Boden gesteckt. Aus Thon besteht auch die

tiefe Schüssel mit um- F»g- 250. Gefäße auB GIm und gebranntem Thon.

laufenden Arabesken-

omamenten und das flache Trinkgefaß Fig. 249, welches unterhalb eines glatten Bandes und eines Eierstabes zunächst mit einer Beihe einzelner Blätter verziert ist, zwischen denen die Inschrift Bibe amice de meo, »trinke, Freund, von meinem Weine!« steht, einer der vielfachen älmlichen Sprüche auf solchen Trinkgeschirren. Zu untetst besteht das Ornament wieder aus einzelnen Blättern, an denen zwei Kaninchen nagen und zwischen denen zwei Hunde Eber oder nach Anderen Wölfe verfolgen. Endlich finden wir an der einen uns zugewendeten Seite einen Frauenkopf zwischen zwei Caduceen (Mer- cuTBtäbchen] von eigenthümlicher Form. Reicher konnte eine Sammlung ge- wöhnlicher Glasgefäße (Fig. 250) ausgestattet werden. Hier sind zuerst von Flaschen bei c ein cylindrisches Flaschenpaar mit Henkeln in einem Trag- behälter von Thon , bei o eine kleinere kugelige Flasche ebenfalls mit einem Henkel, also eigentlich kannenartig gestaltet, mit engerem Halse als die vorigen Exemplare, in limA-p dagegen zwei henkellose, also eigentliche Fla- schen, die eine in anmuthiger, die andere in wunderlicher Gestalt, deren Zweck und Bedeutung schwer zu ermessen sind, endlich bei q ein amphoren- loTiDiges zierliches Gefäß, wohl für feines Ol bestimmt, vereinigt. Zwecken der Körperpflege wird auch das kugelförmige Gefäßchen k mit kurzem engem Halse und zwei kleinen Henkeln gedient haben ; unter dem sogleich zu be- trachtenden Badegeräth befindet sich ein älinliches Gefäß von Bronze für die in's Bad mitzunehmende Salbe, und ein sicheres Salben- oder Olöäschchen von dem Futztisch einer Pompejanerin iet das Fläschchen von buntfarbig in Zickzack oder Wellenomamenten verziertem Glase bei s, eines der verkehrter

452 FQnftes Ctpitel.

Weise so genannten Thränenfläsclichen. Der Trichter bei h, das zierliche Henkelgefäß chen bei r, sowie der bei n abgebildete Hebei bedarf keiner Erklärimg. Verwandt ist das bei g abgebildete fragmentirte Geiüth, welches an seiner untern Fläche von sechs Löchern durchbohrt ist, um den dicklichen Satz des Weines nicht mit durchzulassen. Bei d, e und^stehn drei Trink- gläser, welche mit aufgeschmolzeneu Reliefverzierungen versehn sind, nach einer Technik, in der man im Alterthum, wie noch weiterhin gezeigt werden wird, Erstaunliches leistete. Endlich finden wir bei m eine flache Schale und bei t eine größere dergleichen auf einer Unterechüssel ; es ist möglich , aber nicht gewiss, dass diese Geschirre zum Auftragen von Hriihe dienten.

Reichlich vertreten sind in den Funden von Pompeji auch die zur Körper- pflege und zum Putz dienenden Gegenstände, von denen die folgenden Abbil- dungen eine kleine Auswahl enthalten. Fig. 251 stellt einen in den kleineren Thermen gemachten Fund von Badegeräthschaften dar. Dieselben sind auf einen Metallring, unseren Schlüssolr Ingen ähnlich, gezogen, welcher elaetisch ist und dessen Trennung in das Ornament zweier Thierköpfe fallt, welche in einen Apfel oder in eine Kugel beißen. Am zahlreichsten vertreten ist das- jenige Geräth, welches uns am üremdartigsten er- scheint, die Badekratze nämlich («fr^t/ü] , welche die Alten nöthig hatten, um das Fett, die Salben und Öle vom Körper abzuschaben , mit welchen sie sich ein- zureiben und zu bestreichen liebten. Und zwar so- wohl nach dem Baden wie auch bei den Übungen auf dem Bing- und Turnplätze, hei denen sich auf das Öl noch Staub und Schmutz legte, so dass eine Strigilia als das einzige mißliche Werkzeug der Fig. 251. Badegeräthschaften. ßgi^ig„jjg erscheint, obgleich ea den Nachtheil hatte , dass man durch häufigen Gebtauch leicht Schwielen bekam. Die Gestalt dieser Instrumente ist aus der Zeichnung (Innen- und Seitenansicht) wohl klar genug, um eine längere Beschreibnng unnöthig zu machen ; an einem Handgriff ist ein halbhohler Haken befestigt, dessen Schärfe über die Haut gefuhrt wurde, so dass sich das abgeschabte Öl in der Höhlung sammelte. Das Vorhandensein einer Mehrzahl dieser Instru- mente überhob den Besitzer der Reinigung derselben während des Gebrauchs ; diese war Sache des den Herrn begleitenden Sclaven. Neben den Badekratzen hangt einerseits ein Salhbüchschen mit aufgeschraubtem Deckel, andererseits eine Patera, deren Innen- und Seitenansicht außerdem beigegehen ist, und welche der Badende gebraucht haben mag, um sich nach dem Schwitzhade im Caldarium mit dem lauen Wasser des Labrum zu begießen.

Die folgende Abbildung enthält eine Sammlung von Gegenständen des weiblichen Schmuckes, zu der nur sehr wenige Bemerkungen zu machen sind, während diejenigen , welche sich Sit die Körperpflege und den Schmuck der antiken Damen näher interessiren, auf BÖttigers »Sabimu und Beckers iGallus«, 3. Aufl. III, S. 114 ff. verwiesen werden mögen.

Enter Absohnitt. Mobilien, Ger&the und Qef&De. Bade- und Schmuckgerfithschaften. 453

Bei a, l, m und n finden wir Spiegel, und zwar in a, l, n die runden Handspiegel von Metall, welche überwiegend im Gebrauch waren, obwohl auch viereckige Spiegel vorkommen , wie das Beispiel bei m (in modernem

Fig. 252. Schmuckgeräthachaften.

Sahmen) lehrt, und Wandspiegel ebenfalls nachweisbar sind. Gewöhnlich aber bediente man sich der runden Handspiegel von Metall, meistens von Erz, hie und da auch von edelen Metallen, bei denen die Kückseite und der Stiel der künstlerischen Verzierung Baum und Anlass boten. Die Rückseite wurde bei den Römern freilich nur mit einfachen Linien, Arabesken oder sonstigen rein decorativen Ornamenten in eingerissenen oder erhabenen Figuren verziert (siehe n] , während die Rückseite der in früheren Zeiten irrthümlich für Pateren gehaltenen Spiegel bei den Etruskem mit einer Fülle zum Theil der voitreff- Üchsten Figurencompositionen bedeckt wurden; den Stiel dagegen findet man auch bei Spiegeln aus Pompeji in mannichfaltiger Weise gestaltet und ge- schmückt, wie die mitgetheilten drei Heispiele zeigen, deren eines eine nackte auf einer Schildkröte stehende Figiur zum Träger hat, während der Stiel des zweiten nur ein&che Omamentglieder zeigt und der des dritten aus einer Maske entpringt und in einen Schwanenkopf hakenförmig endet. Neben den Spiegeln stehn bei c und e ein paar Schminknäpfchen, das eine von Glas, durch welches man das vielgebrauchte Material , ein Stückchen rother und ein kleineres weißer Schminke erkennt, das andere von Elfenbein mit einem, Eros darstellenden Relief verziert. Die lülmme d, i, & erkennt Jeder ohne Beschreibung, es ist nur zu bemerken, dass die weiten (Pferde-] Kämme cf, k von Bronze sind, während der Staubkamm i, welcher den modernen durchaus gleicht, wie diese aus Knochen besteht. Auch das Ohrlöffelchen b erklärt sich selbst. Den beiden Büchschen von Elfenbein /, k kann nur firagweise ein Zweck angewiesen werden, iiir das eine ist, er durch hineingel^te moderne Stecknadeln angedeutet, bei dem andern mit dem Stöpsel wird er in Auf- bewahrung einer feinen Salbe bestanden haben. Bei g endlich ist eine Auswahl von Haarnadeln von Elfenbein zusammen geordnet, deren Köpfe in verschiedener Weise und mit verschiedenem Geschmack verziert sind. Am anmuthigsten erscheinen unstreitbar die weiblichen Figürchen, welche Aphro- dite darstellen, auch ungleich passender zum Schmuck eines schönen Kopfes als eine Gemse oder eine offene Hand oder dergleichen armselige, nur zum Theil durch symbolische Bedeutung der dargestellten Gegenstände motivirte

454 Fünftes Capitel.

Spielereien mehr, über welche die moderne Darstellung von solchen Gegen- ständen sich fast nie erhebt.

Die eigentlichen Stücke der Kleidimg und des Schmuckes, Fibulae, Ringe, Spangen, Hals- und Armbänder, Ohrringe u. dgl. sind so unsäglich mannichfaltig, dass hier unmöglich eine nur irgendwie die Verschiedenheit ihrer Formen erschöpfende Darstellung versucht werden kann, ohne weit über den Baum hinauszugehn, welcher diesem Abschnitt im ganzen Werke angewiesen werden darf, weswegen die Betrachtung einiger Hauptstücke der Geschmeide- und Goldschmiedearbeit für den artistischen Theil ver- spart wird.

Zweiter Abschnitt. Waffen und sonstige Instrumente.

Dem in dem vorigen Abschnitt betrachteten Ilausgeräthe wird in diesem Abschnitt eine kurze Übersicht über die sonstigen Geräthschaften beigefügt, welche in Pompeji gefunden worden sind; der Abschnitt umfasst freiUch nicht ganz Gleichartiges, aber zu einer weitergehenden Theilung ist der Stoff doch nicht reich genug.

Am reichlichsten vorhanden sind die Waffen, von. denen jedoch die zuerst zu behandelnden Kriegerwaffen nicht aus Pompeji, sondern fast durch- gängig aus griechischen Gräbern stammen. Sie mussten trotzdem hier auf- genommen werden, um ihren großen Unterschied von den in Pompeji und namentlich in der Gladiatorencaseme gefundenen Gladiatorenwaffen recht augenfällig zu machen.

Von den Gladiatorenwaffen unterscheiden sich die Kriegerwaffen, von denen Fig. 253 eine Auswahl der am meisten charakteristischen darbietet, außer durch das Fehlen einiger besonderer Theile, welche bei jenen durch die eigenthümlichen Kampfarten bedingt wurden , durch die Bank durch große Einfachheit und Schmucklosigkeit , die dem Schmuck und Putz der Gladia- torenwaffen gegenüber einen sehr würdigen und wohlthuenden Eindruck macht. Bequem und zweckmäßig mussten die Waffen des ernsten Kriegers sein, der die Schlachten des Vaterlandes schlug oder die Ordnung in den Städten erhielt; jene feilen Sclaven und Schlachtopfer einer blutgierigen Menge mochten sich putzen imd schmücken bei ihren elenden Klopffechte- reien, wie man das Opferthier schmückte, das zur Schlachtbank geführt wurde. Wir finden in Fig. 253 zunächst einen Erzpanzer in der Vorder- und in der Hinteransicht a und J. Er besteht aus zwei Hälften, deren eine die Brust, die andere den Bücken deckte, und welche über der Schulter mit einer Spange, hier in Form einer Schlange, an den Seiten unter den Armen durch doppelte Gelenkbänder verbunden wurden, welche die Zeichnung andeutet. Die Hauptformen des Körpers sind in dem Erz des Panzers sorgfältig ausgetrieben, damit er nicht irgend drücke und die Bewegungen lähme. Man sieht, dass hierdurch zugleich jener widerwärtig steife und schwerfällige Eindruck fast

Zweiter Abschnitt. Waffen und wnstige Instruments. Kriegerwaffen.

455

ganz gehoben wird, den mittelalterliche Harnische und moderne Kürasse machen. Den Unterleib und die Obeischenkel schützte ein doppelter in Falten gelegter oder in Streifen zerschnittener und mit Erzplatten beuieteter Leder- schurz, welcher zi^leich jeder Bewegung Baum ließ. Bei c ist diesem Etz-

Fig. 253, Kriegerwaffen.

panzer die Probe eines im Museum von Neapel aufbewahrten Schuppenpanzers von Knochen beigefugt, der allerdings sich nicht mehr ganz herstellen lässt, dessen Zusammenaetzung aus kleinen KnochenpUtten , welche durch einen Kiemen aneinandergeheftet wurden, man jedoch aus der Probe hinreichend erkennen kann. Während die Brust und der Leib des Kriegers vom Panzer und Lederschurz geschützt wurde, welchen letztem ein um die Nabelgegend gelegter metallener King oder Gürtel o verstärkte, blieben die Arme zur un- behinderten Bewegung des Angriffs und der Abwehr ganz nackt ; bekanntlich wurden sie aber nebst dem Hals und dem ganzen übrigen Oberkörper durch den Schild gedeckt, den man am linken Arm trug, und der je nach der Waffen- gattung in verschiedener Größe und Form erscheint. Die Abbildung n stellt einen mäßig verzierten runden Schild {pamu£\ dar, wie ihn die Beiterei und das leichtbewaffnete Fußvolk zu tragen pflegte. Ein Medusenhaupt, das be- liebte und passende Emblem des Schildes , schmückt die Mitte auch dieser Parma. Von den Schutzwaffen des Hauptes, den Helmen und Sturmhauben, sind zwei Exemplare verschiedener Art g und tn aufgenommen, von denen das erstere g, eine einfache Sturmhaube mit beweglichen Backenlaschen, aus- Pom- peji stammt. Für sie genügt der Hinweis auf die Zeichnung ; dagegen ist in Betracht des Helmes m, der diesen Namen im eigentUchen Sinne verdient, und der aus den Ruinen des antiken Lokris in das Museum von Neapel ge- bracht ist, wenigstens das hervorzuheben, dass er von der Form der sogen, korinthischen Helme, wenngleich weniger hoch ist, als diese zu sein pflegen. Diese Helme haben nicht bewegliche [in Gelenkbändern wie die Sturmhaube g),

456 Fünftes Capitel.

sondern elastische Backenlaschen, vermöge deren sie in zwei Stellungen auf dem Kopfe gehalten werden, entweder zurückgeschoben, der Art, dass die hier als Widderköpfe gestalteten Backenlaschen sich den Schläfen- und den Backenknochen anlegten und aller Druck vom Schädel entfernt wurde, oder dergestalt über das Gesicht gezogen, dass die Backenlaschen die Wangen bis zum Kinn bedeckten , die Erzzunge vom am Helm sich auf die Nase legte, und diese gegen einen Schwerthieb schützte, während die Augen aus den Öflfnimgen her vorsahen, welche zwischen den Backenlaschen und dem Nasen- schutz angebracht sind. Um diese tiefe Lage des Helmes, der somit eine Art von Visirhelm wurde, zu ermöglichen, ist endlich jener Einschnitt oder jene Einbucht im untern Bande hinter den Backenlaschen nöthig, in welche sich das Ohr legte. Selbstverständlich trug man den Helm in der erstem Stellung auf dem Marsch und im Lager, in der andern im Kampfe und man sieht, wie zweckmäßig eine solche Einrichtung und mit wie einfachen Mitteln sie erreicht ist. Außer der Brust, dem Leibe und dem Kopfe bedurften namentlich die Beine einer Schutzwaflfe, weil man dieselben mit dem Schilde nicht zu decken vermochte. Seit der ältesten Zeit bediente man sich daher der Beinschienen [knemidesy ocreae), deren e undy* ein Paar der einfachsten in doppelter Ansicht darstellt. Sie reichten, wie die Austreibimg der Hauptformen des Beines zeigt, vom Knie bis zum Fußgelenk, waren meistens so viel elastisch gearbeitet, dass sie sich ohne zu drücken an das Bein anlegten, an dem sie durch mehre hinten querübergeschnallte Riemen oder durch eine Schnürung der beiden Kanten gehalten wurden.

Noch ungleich einfacher als die SchutzwafFen sind die zum Angriff be- stimmten, Lanzen, Speere, Schwerter, Dolche und Messer. Hier ist nur an den Unterschied der langen Stoßlanzen des schweren Fußvolkes und der kurzen imd leichten Wurfspeere des leichten Fußvolks und der Heiter zu erinnern, und auf die Abbildung zu verweisen, welche sechs verschiedene Lanzen- und Speerspitzenformen bei ä, t und /darstellt, da hier zu weitläu- £gen Einzeluntersuchungen über die Gestaltungen der römischen Speere nicht der Raum ist. Das Schwert d steckt in seiner Scheide, welche an den beiden Ringen an Riemen umgeschnallt oder richtiger, über die Schulter gehängt wurde. Der Griff ist hier zerstört, weshalb daneben der Griff eines andern Schwertes d' in Form eines Adlerkopfes beigefügt ist. Endlich zeig^ k ein kurzes Schwert oder eine Art Dolch außer der Scheide, von dessen Griff eb«i- falls nur der innere, aus Bronze bestehende Theil erhalten ist , während die beiden Elfenbein- oder Homplatten fehlen, die, mit den in der Zeichnung erkennbaren Stiften aufgenietet, dem Griff erst die nöthige Dicke und Hand- lichkeit verliehen.

Ganzanders erscheinen die Gladiatorenwaffen; reich verziert, fiwt überladen stechen sie sichtbar gegen die ernste Einfachheit der Kriegerwaffen ab. In der 254. Figur sind drei Gladiatorenhelme in drei verschiedenen An- sichten zusammengestellt, aus denen sowohl die eigenthümliche Gestaltung wie die Verzierung derselben ersehn werden kann '^^j^ Anlangend die Gesammt- form unterscheiden sich diese Gladiatorenhelme von den eng an den Kopf anliegenden ELriegerhelmen namentlich durch den schwerfälligen, schirm-

Zweiter AbBchnitt Waffen und «onstige Instrumente. Oladiatorenwaffen. 457

artigen, weitabstehenden lUnd, der sich bei allen Exemplaren in etwas rer- Bclüedener Gestalt wiederfindet. Sodann iet aber besonders das eigenthüm- liche Visir daa unterscheidende Merkmal, das jeden Gladiatorenhelm vor dem

Fig. 251. Oladiatoienhabne.

Kriegerhelm auszeichnet. Wir kennen diese Viaire bereits aus den früher betrachteten Reliefen und Gemälden, welche Amphitheaterkämpfe darstellen, hier können wir die Art der Einrichtung kennen lernen. Die Visire bestehn aus viö- Stücken, zwei massiven Platten , welche den untern Theil des Ge- sichtes deckten, und zwei mit vielen Öffnungen durchbohrten Platten, welche sich vor dem obem Theile des Gesichtes befanden, das Dntchsehn ermög- lichten, indem sie zugleich jeden Schweräiieb abhielten, und in den unteren am Helm mit Gelenkbändern befestigten Platten, sowie in dem Schirm des Helmes befestigt wurden, wie dies namentlich durch den mittlem Helm in der Vorderansicht klar wird. Seitwärts legt sich über die Verbindung der oberen und unteren Theile noch eine kleinere Platte, welche den wohlgezielten Hieb in diese Verbindung abwehrte, und welche bei dem Helm links am deutlichsten zu erkennen ist.

Die Verzierung der Gladiatorenhelme ist doppelter Art, zunächst die- jenige, welche ihnen durch Bosshaar oder Federbüsche verliehen wird, und sodann die eigentlich künstlerische durch ausgetriebene und aufgenietete oder aufgelöthete Beliefe. Der erste Helm links hat wahrscheinlich niemals einen Busch getragen, sein Bu89hti^er [crista) endet in einen Greifenkopf; die Crista des mittlem Helms wird mit wallendem Bosshaarbuach geziert gewesen sein, zu dessen Aufnahme die Crista oben hohl und mit kleinen Löchern am fiande durchbohrt ist, durch die man MbtaUstiJle oder Fäden zum Befestigen des Busches steckte. Bei dem ersten und dritten Helm endlich ist seitwärts am Kopfe ein schneckenförmig gewundener Behälter angebracht, in welchen jederseits entweder ein emporstehender Rosshaar- oder ein Federbusch gesteckt wurde.

Zur Beliefvetzienmg bieten fast alle einzelnen Theile des Helmes ge- eigneten Baum. Zunächst findet man die Crista mit Figuren geschmückt und TW8X am ansehnlichsten bei dem rechts stehenden Helm, dessen Crista vom einen bärtigen Krieger in Hochrelief, seitwärts eine Arabeskenverzierung mit Greifen in Flachrelief zeigt. Verziert wird sodann der eigentliche an den Kopf anliegende Theil, mit einem Medusenkopf nach vom bei dem Helme rechts,

458 Fanftes Capitel.

mit einem weiblichen Gesicht nach vom und Delphinen an der Seite bei dem Helme links , mit einem ganz umlaufenden , ägurenreichen Relief, welches verschiedene Scenen des Sieges und der Unterwerfung der besiegten enthält, hei dem mittlem Helme. Kin liesoudcis ausgezeichneter Piachthelm im Museum von Neapel s. Anm. 192) enthält an den genannten Theilen verschiedene Scenen der Einnahme l'rojas. Relief geschmückt erscheinen endlich die verschiedenen Visirplatten, und zwar die Verhin dungsplatten bei dem Helme rechts und dem mittlem, die unteren massiven Platten bei demjenigen rechts, wahrend diese bei den anderen beiden Helmen glatt sind.

In mehren dieser Ornamente treten bakchische Scenen oder Elemente des bakchischen Cultus hervor, welche an theatralische Schauspiele erinnern, zu denen die Gladiatorenkämpfe freilich nur sehr uneigentlich gehören, üieselben Elemente herrschen sehr bestimmt vor in den Verzierungen anderer Waffen der Gladiatoren, namentlich in den meistens sehr reich geschmückten Beinschienen, von denen in der nachstehenden Abbildung Fig. 255 links ein Exemplar als Probe mitgetheilt ist. Hier bilden sechs Theatermasken, oben und in der Mitte angebracht, den hervorstechenden Theil des Reliefschmuckes,

der in seiner Gesammt- heit nicht erörtert werden kann, weil dazu ein ganz un verhältnissmäßiger ^ Raum nöthig sein würde.

1 Neben dieser Beinschiene

I ist eine ähnlich gestaltete

1 Armbei^ abgebildet, eins

I jener Waffenstücke, wel-

I ches die Rüstung der

Gladiatoren von deijeni- Fig. 255. Beinschiene, Armberge und Galeru». gen der Krieger unter-

scheidet. Diese Armbe^ schützte, angeschnallt wie die Beinschienen, den rechten Oberarm, ehrend der linke den Schild trug, von dessen verschiedenen Formen die früher be- trachteten Reliefe eine Anschauung vermittelt haben. Ein ganz eigenthüm- licbes Schutzwaffenstück, welches ausschließlich den Retiariem zukommt, den sog. galeru», zeigt die Abbildung rechts "') . Der vorgewölbte Theil schloss sich der Schulter und dem Oberarm an, während die diesen Theil umgebende und aufsteigende Platte mit den Relief köpfen den Hals deckte. Befestigt war dieser Galerus an dem Ärmel des linken Armes und mit einer Schnur um die Brust, und so finden wir ihn in mehren Darstellungen der Retiarier von diesen getragen. Diese Schutzwaffen sind jedenfalls die am meisten charakteristi- schen Theile der Gladiatorenrustung ; die meisten ihrer Angriffswaffen, unter denen der Dreizack des Retiarius und das winkelig gebogene Schwert, die nca des Thrakers, welche sich in dem Tropaeon aus der Gladiatorenkaseme [Bull. Napol n. s. I. tav. 7) gemalt finden, am eigenthümlichsten sind, erscheinen im Übrigen nicht so seht abweichend von den gewöhnlichen Formen, dasa « nöthig wäre, sie hier im Einzelnen vorzuführen. Auch sind die meisten der-

Zweiter Abschnitt. Waffen und sonstige Instrumente. Pferdegeschirr. Sonnenuhren. 459

selben auf den schon oben (S. 189 f.) mitgetheilten Reliefen mit Amphitheater- kämpfen, so weit nöthig erkennbar. Bei Vergleichung dieser Reliefe bemerkt man, dass die Speere ganz die gewöhnliche Form haben, die Schwerter sich nur durch den glockenförmig erweiterten Handschutz von den Baiegerschwer- tem unterscheiden, und dass die Tridente der Retiarii, leichte dreispitzige Speere, die einzigen Angriffs waffen sind, welche wesentlich nur von Gladia- toren geführt wurden.

Von Pferdegeschirr, welches hier zunächst Erwähnung verdient, sind nur einige Fragmente gefunden worden, wie überhaupt Alles, was auf Reit- und Fuhrwesen Beziehung hat, in Pompeji selten ist. Proben von pompejaner Pferdegeschirren sind im Mus. Borb. vol. VIII, Taf. 32 abgebildet. Von einem Wagenrade ist es gelungen , einen im Localmuseimi der porta della marina aufgestellten Abguss zu gewinnen.

Von den ziemlich mannichfaltigen Opfergeräthschaften der Alten ist nur weniges in Pompeji aufgefunden oder bekannt gemacht, und das wenige ist nicht bedeutend genug, um ein näheres Eingehn auf dasselbe an diesem Orte zu rechtfertigen. Bekannt sind einige Kannen [simpulaj, in denen die beim Opfer gebrauchten geweihten Flüssigkeiten getragen wurden, in ihren Formen nicht wesentlich von oben mitgetheilten Kannen abweichend ; femer etliche Pateren oder flache Opferschalen, mit denen man die erwähnten Flüssigkeiten auf das Opfer ausgoss; sie sind in doppelter Hauptform be- kannt, mit einem langem Stiel oder Handgriff, welcher erwünschte Gelegen- heit zur Omamentirung bietet, oder mit zwei Henkeln. Auch ein paar Weih- rauchbüchschen [thuribolaj thymiateria) werden im Museum bewahrt, einfach cylindrische Gefäßchen mit einem Gelenkdeckel an Ketten hangend. Etwa noch vorhandene Opfermesser und Beile sind nicht bekannt gemacht, dagegen unter den in den Schränken des Museums neuerdings wohlgeordnet liegenden Geräthen unschwer aufzufinden.

Keine andere Stelle als diese war ausfindig zu machen^ um von den in Pompeji gefundenen Sonnenuhren zu sprechen, welche als regelmäßige Beispiele dieser interessanten Monumente gelten dürfen. Von den fünf in Pompeji gefundenen Sonnenuhren ^®*), deren mehre ihres Ortes bereits erwähnt worden sind, sei als Beispiel diejenige, welche in den größeren Thermen ge- funden wurde (s. S. 216. 219], ausgehoben, indem dieselbe sich nicht allein durch ihre oskische Inschrift und durch die besonders gewählte Ausstattung mit Löwentatzen und Ornamenten auszeichnet, sondern vor allen anderen durch die vollkommene Erhaltung des Zeigers wichtig ist.

Ohne dass hier auf eine Erörterung der antiken Zeitmesser, Wasser- und Schattenuhren, eingegangen werden könnte, wird das, was zum Verständniss des in der nachstehenden Figur in doppelter Ansicht dargestellten Instrumentes nöthig ist, sich in wenig Worten sagen lassen. Die Fläche, auf welche der Schatten des Zeigers [ffnomon) fällt, ist wie ein Kugelabschnitt ausgehöhlt und mit graden Linien eingetheilt, welche als Radien in dem Punkte zusammen- laufen, in welchem der Gnomon horizontal befestigt ist. Jeder sieht, dass sie die Zeiteintheilung bezeichnen, welche in anderen Exemplaren mit Zahl- zeichen an ihren Endpunkten versehn ist. Wir finden rechts wie links von

der Mittagslinie ihrer je fünf; außerdem aber eehn wir diese Itadien von drei Kreislinien geschnitten, welche, antiken Zeugnissen nach, sich auf die ver-

Fig. 256. Sonnenuhr.

schiedenen Jahreszeiten und die Länge des Gnomon Schattens in denselben beziehn ; die oberen Linien dienten bei niedrigem , die unterste bei hohem Sonnenstände, also jene im Winter, diese im Sommer. Diese hemicyclium genannte Art von Sonnenuhren wird auf die Erfindung des Chaldaeers Berosus zurückgeführt.

Bei weitem das meiste Interesse gewähren nächst dieser Sonnenuhr der Betrachtung, außer den nicht eben zahlreichen musikalischen Instrumenten, deren nur wenige, wie einige nach Art unserer Schalmeien zu blasende Flöten »md mehre grade Tuben (Posaunen) mehr oder weniger gut erhalten, die meisten nur in Bruchstücken aufgefunden sind '^"j , diejenigen, welche zu tech- nischen Zwecken gedient haben. Hier ist denn in Eisen und Bronze die aller- größte Fülle vorhanden, beginnend bei Acker- und Gartengeräthen aller Art von der Badehacke bis zum Baummesser, die Instrumente mehr als eines Handwerks, besonders Tischlerwerkzeuge (Fuchsschwanzsäge und Hobel, Hammer und Bohrer u. s. w.). Vollständig aufgefunden sind auch die Werk- zeuge des Bildhauers , von dem schon früher berichtet worden ist. Aber alle diese Geräthe entsprechen , abgesehn von ein paar unwesentlichen Ab- weichungen in der Form so vollkommen den heutzutage, besonders den in Italien gebrauchten , dsss es völlig überflüssig ist , sie näher 2u beschreiben oder vollends abzubilden. Nur einen Zirkel, der bei der Bildhauerei diente, theilen wir zur Probe unter der kleinen Auswahl von pompejaniachem Mesa- geräth mit, welche Fig. 257 enthält, und welches dem unsem so ähnlirh ist, wie ein Ei dem andern, was übrigens das Interesse an diesen Gegenständen nicht vermindern kann. Wir finden zu unterst einen zusammenlegbaren Maß- stab von einem römischen Fuß, welcher durch Punkte auf der einen Seiten- flache in zwölf Uncien, durch Punkte auf der untern Kante in sechszehn Digiti, die beiden gewöhnlichen Theilungen des Fußes, getheilt ist. Den kleinen Halter, durch welchen der auseinandergelegte Maßstab gesteift, und der,

Zweit« Abwhmtt. "Waffen und loiiBtigelDitniinent«. Mea^eiStlie. Chiiuig. InatiumenU. 461

venu der Maßstab zusammengeklappt ist, zuxiickgeschlagen wird, bemerkt und Terstekt man wohl ohne weitem Nachweis aus der Zeichnung. In der Mitte der Figur ist ein ein&cher Zirkel, innerhalb dessen Schenkeln ein Blei- gewicht (Senkblei, Loth , perpendicu- ium ] großem Ge- wichtes, sowie zwi- schen den Schenkeln des Halbirzirkels links ein solches kleinem Gewichtes und Ton zierlicher Gestalt gezeichnet. Rechts ist ein Zir- kel mit gebogenen

Spitzen (Tasterzir- Fig. 257. Mesagerathe.

kel), von denen die

eine lose ist, aus der Bildhauerwerkstatt abgebildet, wo er zur Messung von krummen Flächen diente, und zwar mit nach innen gekehrten Spitzen zur Messung convexer, mit nach außen gekehrten Spitzen zur Messung concaver Gegenstände. Zum Veretändniss der Anwendung ist etwa noch zu bemerken, dass die beiden Schenkel wie die Schneiden einer Scbeere neben einander liegen, so dass der jetzt rechts befindliche links, der linke rechts stehn konnte, in welcher Stellung sodann durch Umdrehung der einen Spitze die beiden Spitzen einander zugekehrt waren. Dieselbe Einrichtung der Lage beider Schenkel in zwei Ebenen zeigt die Seitenansicht des Halbirzirkels links, über den nur hervorgehoben werden mag, dass er in jeder Weite durch die in der Seitenansicht deutliche Stellschraube befestigt werden konnte. Mehr noch als

Fig. 36S. Chiruigische Inatnimente.

diese MesBgeräthe werden Manche die chirui^achen Instrumente interessiren, deren Abbildimg aus mehren, für die Kundigen leicht ersichtlichen Gründen

462 Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

in diesem Buche ohne eingehende Beschreibung bleiben muss. Es möge deshalb genügen anzugeben, dass wir nach der ausführlichen, von Fachleuten übrigens nicht in allen Theilen unangefochten gebliebenen Erörterung Benedetto Vulpis im Miiseo Borbonico Vol. XIV zu tav. 26 und Quarantas zu Vol. XV tav. 23 bei a und a zwei Ansichten eines speculum magnum matricis^ bei e eine Seiten- ansicht eines einfachen speculum ani, zwischen ihnen und der Knochenzange bei d und y diejenigen zweier feiner Pincetten, femer bei c ein Löffelchen und bei b eine einfache Sonde, sowie rechts bei ff eine gebogene Zange vor uns haben, welche zum Ausziehn von Knochensplittern, zum Halten der Adern beim Unterbinden und zu dergleichen Zwecken gedient haben mag. Den Schluss bildet bei h ein Katheter.

Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs and des Lebens nach Inschriften*).

M HOICONIVM

Fig. 259. Inschrift; Wahlempfehlung.

Sowie überhaupt neben den litterarischen und monumentalen Überliefe- rungen des Alterthums die epigraphischen, welche in gewissem Sinne zwischen den beiden anderen stehn, an Bedeutung und Interesse keineswegs die letzte Stelle einnehmen, so darf man Gleiches getrost auch von den Inschriften Pom- pejis oder wenigstens von zweien der gleich zu nennenden drei Classen der- selben behaupten. Die erste Classe, die in Stein gehauenen Urkunden, deren manche schon im Verlaufe der vorhergehenden Darstellung gelegentlich be- rührt worden sind, bieten freilich kein Interesse, welches sie über die zahl- reichen ähnlichen Urkunden anderer Colonien und Municipien erhöbe. Das was vrir aus diesen Steinschriften über das Verhältniss der Colonie zur Haupt- stadt, über ihre commimale Verfassung und Verwaltung, über ihre Magistrate Priesterthümer und Stände, über Ehrenauszeichnungen verdienter Bürgern, s.w. lernen können, dies Alles ist uns auch sonsther vielfaltig überliefert und be- zeugt, und darauf hier näher einzugehn würde wenig geeignet sein. Was wir

*) Die Quellennachweise mussten hier unter dem Text gegeben werden. Die im Text hinter den einzelnen Inschriften stehenden Zahlen beziehn sich auf das Corpus Irucriptionum Latinarum Voh IV.

Pompejaner oskische und griechische Inschriften. 463

aus diesen Urkunden für die Baugeschichte der Stadt entnehmen können, ist seines Orts benutzt worden, darauf also liier nicht zurückzukommen.

Anders verMlt es sich mit den beiden anderen Classen der pompejaner Inschriften, den an die Wände öfRentlicher und privater Gebäude mit bald rother, bald schwarzer Farbe angemalten (dipinit) ^^^) , in einzelnen Fällen mit * Kohle angeschriebenen, und den ebendaselbst außen und im Innern in den Stucco eingekratzten [graffii^ ^^^) . Allerdings sind auch diese nicht einzig in ihrer Art ; man hat, abgesehn von der Schwesterstadt Herculaneum, auch sonst noch angemalte , so gut wie eingekratzte Inschriften, zum Theil es seien nur die Ausgrabungen am Palatin in Rom erwähnt*) in beträchtlicher Anzahl und von nicht geringem Interesse aufgefunden. Allein schon ihrer bloßen Zahl nach nehmen die pompejaner dipinti und grafßti einen hervor- ragenden Platz ein, und ihrem Inhalte nach verdienen sie die eingehendste Betrachtung in eben so hohem Grade wie irgend welche anderen.

Einer solchen Betrachtung sind nun freilich in einem Buche, wie dieses ist, sehr enge Grenzen gezogen, und zwar nicht allein aus äußerlichen und räumlichen Gründen. Mit einer bloßen Sammlung dieser Inschriften oder der Wiedergabe und Ergänzung der von Anderen gemachten Sammlungen, von der ohnehin gewisse, hier nicht näher zu bezeichnende Theile ausgeschlossen bleiben müssten, welche sich zur Mittheilung an ein nicht gelehrtes Publikum nicht eignen, mit einer solchen Sammlung würde einem nicht gelehrten Leser- kreise gewiss sehr wenig gedient sein ; ausführliche Erklärungen und Erörte- rungen — und nicht wenige dieser Inschriften erheischen solche würden wahrscheinlich den meisten Lesern dieses Buches auch sehr wenig willkommen sein. Und somit bleibt nichts übrig, als eine ausgewählte Zusammenstellung solcher dipinti und graffiii^ welche, sei es an und für sich verständlich,- sei es durch eine beigefügte Übersetzung und ein paar kurze erläuternde Bemerkun- gen allgemein verständlich zu machen sind. Die durchgängige Hinzufügung einer Übersetzung, so mannichfaltige Schwierigkeiten dieselbe bieten mochte, wurde für Pflicht erachtet ; mögen die hier angedeuteten Gesichtspunkte von einer billigen Beurteilung dessen, was gegeben und nicht gegeben, auch wie es gegeben vrird, erwogen werden.

Ehe wir auf die dipinti und graffiti näher eingehn, muss in Betreff aller pompejanischen Inschriften bemerkt werden, dass in denselben die drei Sprachen erscheinen, welche nach einander und wohl auch neben einander in Pompeji gesprochen worden sind : die oskische, die griechische und die latei- nische. Die oskischen Inschriften, jedenfalls in ihrem Hauptbestande die ältesten, aus der Zeit der Autonomie Pompejis vor dem Bundesgenossenkriege und der Gründung der sullanischen Colonie (88 v. u. Z.) stammenden, müssen hier ganz bei Seite bleiben ; wer sie sucht, findet sie in ihrem Hauptbestande gesammelt und erläutert in Mommsens Unteritalischen Dialekten S. 185 189 und in Fiorellis Monumenfa epigraphica Pompeiana Heft 1 , in denen sie in erster Ausgabe 1854 in Facsimiles in der originalen Größe, freilich für den Preis von 150 lire, publicirt sind, während sie in einer zweiten Ausgabe in 8^.

*) Garrucci, Graffiti de Pompeietc. 2. Aufl. Paris 1856. pl.50 und 31.

464 Sechstes Capital. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

1856, wenn auch nicht facsimilirt, leicht zugänglich sind. Nachträge neuer- dings aufgefundener, wie z. B. die Wegebauinschrift aus dem Stabianer Thor (s. S. 59 und Anm. 25), die Inschrift an der Sonnenuhr aus den größeren Thermen (s. S. 219 und S. 400) u. a., hat das Bulletino archeologico Napoli- tano, welches als Italiano leider ! mit dem zweiten Jahrgange zu erscheinen aufgehört hat, nach ihm das Giornale degli scavi dt Pompei gebracht und bringen seitdem die Notizie degli scavi di antichitä (in den Schriften der R, Accademia dei Lincei ) und das Bulletino unseres archäologischen Instituts in ßom.

Was zweitens die griechische Sprache anlangt , so scheint es nach Maß- gabe der Inschriften, dass dieselbe in Pompeji nicht so verbreitet gewesen ist, wie man nach anderen Spuren griechischer Bildung und Kunst glauben sollte. Allerdings ist Griechisch in den Schulen ohne allen Zweifel gelehrt worden, und wenn nichts Anderes , würden die gar nicht selten in die Wände ein- gekratzten griechischen Alphabete dies beweisen. Diese rühren von Kindern her, welche sie auf ihrem Wege in die Schule und aus der Schule in die Wände eingekritzelt haben, wo wir sie meistens, wenn nicht durch^mgig, zwei bis drei Fuß über dem Boden, also auf der Höhe finden, welche den Kleinen am bequemsten war. Hier sind sie in einfacher Folge a ß y d M.s.yr, angeschrie- ben, theils vollständig, theils auch unvollständig, von links nach rechts und auch von rechts nach links "^j, je nachdem Zeit, Geduld und Wissen des kleinen Schreibers ausreichten. Hier sei denn auch gleich angeführt, dass sich in ähnlicher Weise auch das lateinische Alphabet nicht selten findet, einzelne Male wohl noch aus republikanischer Zeit stammend und mit dem X schließend (2514 sqq.)**), in anderen Fällen so, dass der Schreiber von vom und von hinten anfangend die ersten und die letzten Buchstaben abwechselnd setzte : so: A X B V C u. s. w. oder ABVCTDSERFIQ, was vielleicht auf eine Manier in den Schulen, das Alphabet in und außer der Reihe zu lehren, schließen lässt (2541 p. 176). Auch die gelegentlich in Graffiti vorkommenden grammatischen (Declinations-) Übungen ***) finden wohl am besten an diesem Orte ihre Erwähnung. Die übrigen griechischen Inschriften außer den erwähnten Alphabeten sind von geringem Belange, die eingehauenen ganz selten ; die angemalten und eingekratzten bieten meistens nur Namen, dieils einzelne, theils in größeren Folgen, von denen abgesehn werden kannf), hier und da, echt griechischer, aus den Yaseninschriften überaus bekannter Sitte entsprechend, mit einem rühmenden Y,aX6g »schöna oder »schön ist« ver- bunden , aber meistens mit lateinischen Buchstaben geschrieben : caios Her- meros ^ calos Paris u. s. w. ff). Ein besonderes Interesse bietet es, dass im Tablinum des Hauses des Bankiers L. Caecilius lucundus der Anfang eines

*) Corp. Inser. Lat. a. a. O. p. 164.

♦•) Vgl. Bücheler N.Rhem. Mua. XII, S. 246 f. Ritsohl, Priscae Latinitatii numumenta epigraphica, tab. 17, No. 24.

♦♦*) Gamicci Taf. 17 No. 1 und 4, Taf. 26 No. 26.

+) Vgl. Bücheler a. a. O. S. 248 f. ff) Baohelei a. a. O. und Mommsen N. Rh. Mus. V, S. 462.

Grieohisohe Insobriften. 465

homerischen Verses xa/ ^iv tpiün^aag eingekratzt gefunden ist*), wie sich dies mit Versen römischer Dichter wiederholt (s. unten S. 477). Denn dies möchte doch ein Zeugniss dafür sein, dass die homerischen Gedichte in Pom- peji gelesen wurden und im Gedächtniss hafteten. Von den wenigen längeren Inschriften ist vorzüglich die folgende hervorzuheben, welche 1872 an der Aufienwand eines Hauses der Beg. VII, Ins. 1 5 gefunden worden ist und lautet : ^Af^iiQLfxvog ifxvrja&r] aggiovlag rfjg Idlag xvgtag In ayad-i^ ^g o aqid^^Cog (xe (oder aXs) rov xalov ovofxarog''^)

(Amerimnos gedachte der Harmonie mit seiner eigenen Herrin zu guter Vor- bedeutung, der die Zahl 45 (oder 1035) diejenige des schönen Namens ist).

Das Letztere will sagen, dass der Name, welchen Amerimnos nicht aus- zuschreiben wagte, durch die genannte Zahl bezeichnet wird, wenn man dessen Buchstaben (/i=40, 6 = 5; oder a= 1000, ^=30, €=5) als Zahlzeichen be- trachtet und diese addirt. Den mit den Summen ^e oder aXa (denn die Schreibung ist nicht sicher) gemeinten Namen zu errathen ist uns natürlich hier so wenig möglich wie in einem andern ähnlichen Falle, wo im Atrium eines der früher scbon einmal ausgegrabenen und wieder verschütteten, neuerdings zum zweiten Mal ausgegrabenen Häuser geschrieben steht : q)LX(jj fig dgcd-fiog q)fis (ich liebe die, deren Zahl ist 545).

Eine andere längere griechische Inschrift ist von einem Ladeneingange in der Sirada degli Olconj den Thermen gegenüber in die große Eingangshalle des Museums in Neapel geschafft; sie (733) lautet, mit großen und deutlichen rothen Buchstaben angemalt, mit Hinweglassung orthographischer Fehler :

*0 rov Jiog Jtalg %aXXLvi%og 'HQaTclfjg ^Evd-ade ycaToixei' fitjdkv elaina %aY,öv*

also etwa :

Der Sohn des Zeus, der siegesfrohe Herakles Bewohnt dies Haus, nichts Böses komme hier herein I

Die Verse sind auch sonsther bekannt ^^^) , und an sie knüpft sich eine Anekdote von Diogenes dem Cyniker, der, als er diesen Spruch über der Thür eines Hauses las, fragte, wo denn der Hausherr hineingehn solle? Zwei andere längere griechische Inschriften***) sind noch nicht entziffert und werden vielleicht nie entziffert werden.

Hier möge denn auch ein Fund des Jahres 1875 seine Stelle finden, welcher allerdings, streng genommen, in dieses den inschriftlichen Zeugnissen des Verkehrs und des Lebens gewidmete Capitel nicht gehört, aber schwer an einer andern Stelle unterzubringen ist und doch nicht unerwähnt bleiben darf. In dem Hause V, 1, 18, dem Nachbarhause des L. Caecilius lucundus an der Via Siabiana^ wurden in einem kleinen Zimmer am Atrium fünf Gemälde entdeckt, welche, zum Theil stark zerstört, mit mehr oder weniger vollständig lesbaren Inschriften in griechischen Versen versehn und folgender-

*) Bull. d. Inst. 1876, p. 233. **) Bull. d. Inst. 1874, p. 90. *♦♦) Garrucci Taf. 2. No. 5 und N. Rhein. Mus. XVII (1862) S. 140 mit der dazu gehöri- gen Tafel.

Orerbeek, Pompeji. 4. Aufl. 30

466 Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

maßen angeordnet sind :

B C D A JE

Das Gemälde A^ nur theil weise erhal-

ten, stellt vor einem Rundtempel den Kingkampf zwischen Pan und Eros, einen in antiken Kunstwerken nicht selten wiederholten Gegenstand, hier in Anwesenheit der in nachdenklicher Haltung bei Seite stehenden Aphrodite dar. Unter den Füßen der Kingenden stehn die jetzt zum großen Theil unles- bar gewordenen Verse :

'O d'Qaavg avO^toraytev ^'Egtog np TLcxvl Tzakakov^

%a KvjtQig lodiveij zig riva jiQtJvog ekel, naxvqhg ^ev o Tlav "Kai y.aQVBQog' akka jtavovqyog

b TtTuvog^ xai "Egiog' oix^vai a övvafAiga.

welche in Übersetzung etwa so lauten würden :

Kühn zum Eingkampf stellet dem Pan sich Eros entgegen,

Kypris zagt, wer wohl schneller den andern besiegt. »Muthig zwar ist Pan und kraftvoll, aber ein Schlaukopf

Eros, der Flügelknab' ; ihm unterlieget die Kraft«.

Das Mittelbild der Hinterwand [C] stellt eine in den Lebensbeschreibun- gen Homers berichtete Anekdote dar. Homer soll in los am Meeresufer sitzend Fischer , welche vom Fange heimkehrten , nach dem Ergebniss ihres Fanges gefragt und von diesen die ihm unverständliche Antwort erhalten haben : oaa ekoixev IcTtofisad^a, oaa ovx ekofiev (peQOfiea&a (was wir gefangen haben warfen wir weg, was wir nicht gefangen haben tragen wir bei uns). Sie sprachen nämlich nicht von ihrem Fischzuge, sondern von Ungeziefer. Die vor Homer (OMHPOC) stehenden Fischer {AA[ljEIC), von denen der zu Homer redende eine der Räthselantwort würdige, gemeine Gestalt ist, stellt das Bild dar und zu denFüßen der Fischer steht der Vers. Das Gemälde links von diesem (B) zeigt drei Jünglinge, welche an einem Baume vor einer mit der Statue des Pan gekrönten Säule Netze aufgehängt haben. Die zugehörigen Verse sind bis auf einzelne Spuren zu Grunde gegangen ; aus diesen Spuren aber lässt sich feststellen , dass diese Verse diejenigen waren, welche in der Anthol. Palat. VI, 13 dem Leonidas von Tarent beigelegt werden und in denen drei Brüder, ein Jäger, ein Vogelsteller und ein Fischer dem Pan zum Danke für glücklichen Fang ihre Netze weihen. Das nur in der untern Hälfte erhaltene entsprechende Bild rechts [D] zeigt eine an einer Säule sich emporwindende Rebe, gegen welche ein Ziegenbock sich aufrichtet, um die Trauben zu fressen. Links in dem Bilde wird derselbe Ziegenbock von einem Knaben zum Opfer geführt, während ein Mann ihm den Saft einer Traube auf den Kopf träufelt. Darunter stehn die ebenfalls schon anderweit bekannten Verse (Anthol. Falat. IX, 75):

Kav /,ie cpäyrjg norl ^Ltav of^iog btl xaQTtoQOQTjacj oaaov kTti^aTteiaai aolj TQaye, d-vo^iivff also etwa:

Frisst du mich auch bis zur Wurzel, genug doch trag* ich der Früchte, Dich zu weihen, o Bock, wirst du zum Opfer geführt.

Von der Hauptcomposition des fünften Bildes [E] sind nur geringe und

Alter und Masse der lateinischen Insohriften. 467

nicht mit Sicherheit zu deutende Reste erhalten, nichts aber von den bei- geschrieben gewesenen Versen *) .

Die überwiegende Masse der angemalten sowohl wie der eingekratzten Inschriften ist lateinisch, und zwar stammen wiederum die meisten aus beiden Classen unzweifelhaft aus der Zeit kurz vor der Verschüttung, also aus der letzten Periode Pompejis. Allerdings lassen sich nicht ganz wenige dipinti bis in die Zeit des Bundesgenossenkrieges hinaufdatiren, und beweisen neben den Steinschriften, dass schon damals die Geschäftssprache in Pompeji lateinisch war. Diese älteren Inschriften**), welche zum Theil erst durch das Abfallen der sie verhüllenden Tünche späterer Perioden zum Vorschein gekommen sind, stehn mit oskischen Inschriften gemischt auf den soliden Tuffpilastem der älteren Bauwerke Pompejis , nicht auf dem Stucco, mit welchem in der letzten Periode Alles überzogen worden ist; sie unterscheiden sich in den Buchstabenformen; in den Namen, in orthographischen und grammatischen Archaismen von denen der jungem Zeit. Von Graffiti ist das älteste Beispiel eine Inschrift in der Basilika (1842), welche bis in das Jahr der Stadt 676 (78 V. u. Z.) hinaufgeht, Dipinti zeigen die Daten 707 urb. (47 v. u. Z.) (60), 708 urb. (46 v. u. Z.) (60), 751 (3 v. u. Z.) (2450), 771 (17 n. Chr.) (1552), andere die Jahre 18, 19, 21, 25, 29, 37, 47, 58 n. Chr., noch andere weisen durch sprachliche Archaismen auf eine frühere Periode hin***); aber die groBe Masse der auf den Stucco gemalten und in denselben eingekratzten Dipinti und Graffiti gehört, wie gesagt, der letzten Periode der Stadt nach dem Erdbeben von 63 an, tmd grade diese eröffnen uns einen überaus interessanten Blick in das Leben imd Treiben der antiken Stadt, welches durch die Verschüttung abgeschnitten wurde.

Über die Sitte oder Unsitte die Mauern imd Wände öffentlicher und pri- vater Gebäude zu beschreiben haben wir reichliche Zeugnisse in den Schriften der Alten ; in welcher erstaunlichen Ausdehnung man aber derselben huldigte, hat uns so recht deutlich erst Pompeji gezeigt, wo an gewissen Orten eines besonders lebhaften Verkehrs, in der Basilika, im gewölbten Theatergang und im Amphitheater die Masse der Schreibereien so groß ist, dass sie schon den Alten den an den drei genannten Orten bis auf kleine Abweichungen überein- stimmend eingekratzten Vers (1904. 2461. 2487)****) eingab:

Admiror partes te non cecidisse ruinis,

Qui tot scriptorum taedia sustineas.

(Wand, ich wundere mich, dass du nicht hinsinkest in Trümmer, Die du zu tragen verdammt so vieler Hände Geschmier.)

Beide Classen, die Dipinti sowohl wie die Graffiti gehn so recht unmittel-

♦) Vgl. zu dem Ganzen Dilthey in den Ann. d. Inst. 1876, p. 294 sqq. mit dem Facsi- mile tav. d'agg. P und die Abbildungen in den Monumenti Vol. X, tav. 35 u. 36. *♦} Vgl. Mommaen, Unterital. Diall. S. 116. . ***) Bücheier a. a. O. S. 247.

♦«♦*) Hr. Prof. Zangemeister theilte mir dazu folgende naive Parallele vom Palatin mit ; da steht imter vielen Inschriften, größer als alle anderen :

noXXoi noXXh Iniyqaxpay, iya fjtovo^ ov[x i7r]iyQaiptc. (Viele schrieben hier vieles, nur ich habe nichts hier geschrieben.)

30»

46S Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

bar aus dem täglichen Leben hervor ; dennoch besteht zwischen ihnen ein wichtiger Unterschied. Die Dipinti, allermeist an die Außenwände der Ge- bäude, nur in öffentlichen Gebäuden auch im Innern, angemalt, leicht mit dem gefügigen Material flüssiger rother oder schwarzer Farbe herzustellen und vielfach, vielleicht in der Regel von der Hand öffentlicher Schreiber (s. S. 472), zeigen uns große, nicht selten mehr als fußgroße, dicke und deutliche Buch- staben (vgl. z. B. Fig. 259 an der Spitze dieses Capitels); sie sind, meistens ohne Mühe und schon in größerer Entfernung zu lesen und waren für die Öffentlichkeit bestimmt. In ihnen spiegelt sich also das öffentliche, besonders das communale Leben ; Wahlempfehlungen machen ihren Hauptbestandtheil aus, daneben Anzeigen, namentlich amphitheatralischer Spiele, dann auch zu vermiethender Localitäten, verlorener Sachen und dergleichen Dinge, welche leicht und schnell von den Vorübergehenden gelesen werden sollten.

Anders die Graffiti, welche mit einem Nagel oder einem ähnlichen spitzen und scharfen Instrument in den zum Theil sehr harten und spröden Stucco eingekratzt werden mussten, und welche daher selten aus großen, und wohl fast nie, wenigstens nicht durchgängig, aus mehr als etliche Zolle großen, dünnen, mehr oder weniger lang gezogenen, oft aus ganz kleinen, gekritzelten, schwer, zuweilen gar nicht lesbaren Buchstaben einer sehr wenig kalligraphi- schen Cursivschrift bestehn, zu der nicht selten allerlei an Kunst werth mit der Schönheit der Schrift wetteifernde Zeichnungen sich gesellen (vgl. die Proben weiterhin) . In diesen Graffiti , welche die Wände sowohl im Innern der Gebäude, in Zimmern, Gängen, Küchen u. s. w., wie außen in Anspruch nehmen, hat das Leben der Individuen mit allen seinen Eindrücken, hat gute und schlechte Laune, Scherz, Witz, Neckerei und bis zum bittersten Hohn gesteigerter Spott, Übermuth und Langeweile in Versen und Prosa ihren Aus- druck gefunden ; da finden wir Lesefrüchte aus Dichtem, Stücke von Rech- nungen, Fragmente von Briefen, Erinnerungen an Gladiatorenspiele, Empfeh- lungen von Gasthäusern und Kneipen und Erinnerungen an deren Treiben, gute und schlechte Lebensweisheit, Grüße und Liebesseufzer neben Verwün- schungen und Angebereien bunt neben einander, kurz Alles und Jedes, was in irgend einem Augenblick die Seele irgend eines alten Pompejaners bewegte, oder dessen schriftlicher Ausdruck einen Zweiten zu einer Entgegnimg, gele- gentlich einen Dritten zu einer Duplik anregte. Waren nun auch viele dieser Graffiti gewiss nicht alle bestimmt, von Anderen gelesen zu werden, so kann man ihnen doch den Charakter der Öffentlichkeit, welchen die Dipinti tragen, im Allgemeinen absprechen und sie als den Spiegel des Privatlebens bezeichnen. Um so werth voller aber sind sie für uns, denen sie einen Einblick in innerliche, vertrauliche und zum Theil heimliche Verhältnisse dieses seit achtzehn Jahrhundeiten erloschenen Privatlebens gestatten , wie ihn kaum irgend eine andere Überlieferung des Alterthums zu vermitteln im Stande ist.

Beginnen wir unsere Umschau in diesem Schatze von antiken Lebens- äußerungen mit den Dipinti. Die größte Zahl derselben besteht, wie gesagt, aus Wahlempfehlungen, durch welche die Aufmerksamkeit der Wahlberech- tigten auf den einen oder den andern Candidaten für das Duumvirat oder die Aedilität (denn meines Wissens kommen nur diese vor) von Seiten dessen oder

Dipinti: Wahlempfehlungen. Gewerbe und Zünfte in Pompeji. 469

derjenigen gelenkt werden sollte, welche eben ihn in einer dieser obrigkeit- lichen Stellungen zu sehn wünschten. Denn keineswegs sind es die in den Wahlcomitien stimmberechtigten Bürger selbst, oder nur sie, von denen diese Wahlempfehlungen ausgegangen sind, im Gegentheil finden wir unter denen, welche sie angeschrieben haben oder haben anschreiben lassen, außer nicht wenigen , welche sich dienten der Empfohlenen nennen , was an sich wohl nichts beweisen würde, Weiber, Kinder und Sclaven oder Freigelassene, kurz Leute, welche mit den Wahlabstimmungen gewiss nichts zu thun und selbst keine Stimmen abzugeben hatten^).

Die gewöhnliche, einfache aber vollständige Form dieser Wahlempfeh- lungen ist diese : sie enthält 1. den Namen des Empfohlenen, 2. das Amt, zu dem er empfohlen wird, und 3. den Namen dessen oder deren, von denen die Empfehlung ausgeht, mit der Formel : Orat Vos Faciatis (»bittet Euch, dass Ihr macht, wählt«) , welche gewöhnlich nur mit den Anfangsbuchstaben O V F und zwar mit diesen in einer Sigle (zusammengezogen) geschrieben ist, und deren richtige Auflösung und Erklärung sich erst in neuerer Zeit durch die AufGindung einiger ganz ausgeschriebenen Beispiele hat feststellen lassen"^). Früher wurde sie stark missverstanden , indem man die Buchstaben O Y F ergänzte : Orat Vt Faveat ( »bittet, dass er gewogen sei«) und darin die An- rufung des Patrons durch einen Clienten, eines Reichen und Angesehenen durch Arme und Hilfsbedürftige zu erkennen meinte, woraus man sodann weiter folgerte , diese Anrufungen möchten wohl an den Häusern der angerufenen Patrone gestanden haben. Dieser falschen Ansicht verdanken, wie schon früher im Vorbeigehn erinnert worden ist (S. 269), die Häuser des Modestus, des Pansa, des Sallustius, des Pomponius, des lulius Polybius u. a. m. ihre populären, aber ohne Frage ihnen nicht zukommenden Namen. Eine ganz normale, einfache Wahlempfehlung würde dem Gesagten nach z.B. folgender- mafien abgefasst sein : M, Holconium Priscum duumvirum iuri dictmdo orat vos faciatis Phäippus. Aber diese Formel ist keineswegs die alleinige oder auch nur überwiegend häufige, sie wird im Gegentheil sehr vielfach abgeändert und erweitert ***) . Unter den Abänderungen ist die geringfügigste , wenn statt orat das gleichgeltende rogat oder petit gesetzt wird, oder wenn statt der Bitte : orat vosfaciatis die einfache Aufforderung : facite steht, wobei nicht selten der Name des Auffordernden weggelassen wird, auf den es ja in der That weniger ankam, als auf denjenigen des Empfohlenen, auf welchen die öffentliche Auf- merksamkeit gelenkt werden sollte. Setzt der Empfehlende seinen Namen hinzu, so geschieht das wohl meistens, weil er glaubt, damit seiner Empfeh- lung irgendwelchen Nachdruck zu geben. Dies wird namentlich gelten, wenn eine geschlossene Mehrzahl von Personen, eine Zunft oder eine Bruderschaft die Empfehlung ausspricht.

Solchen Inschriften verdanken wir zugleich ein kleines Verzeichniss von Gewerben imd Gewerken, Zünften und Collegien (Bruderschaften) in Pompeji,

•) Vgl. Garrucci, Bull. Napol. n. s. I, p. 151 sq. C J. X. a; a. O. p. 10. ♦*) Vgl. C. J. X. \, a. O. p. 9. ♦♦*) Vgl. C. J. X. a. a. O. p. 9 sq.

470 Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

deren wir folgende nachweisen können*): die offectores (Färber), pistores (Bäcker), cUhanarii ( Topf kuchenbäcker ) , at^rj^c?^« ( Goldschmiede ) , pomarii (Obsthändler), lignarii (Ilolzhändler) , plostrarii (Stellmacher), salinienses (Sa- linenarbeiter) , piscicapi (Fischer) , agricolae (Bauern) , forenses (Marktleute) , muliones (Maulthiertreiber) , cisiarii (Kutscher) , saccarii (Sackträger) , fullones (Zeugwalker) nebst einem lanifricaritis (1190)**) (Wollenwäscher), sagarii iMantelschneider oder -händler) , caupones Schenkwirthe) , tonsores (Barbiere) , unguentarii (Salbenköche) , einen perfusor (Parfümeur) , einen vesttaritis (Klei- derhändler) und einen ^omaca^or [Ofenheizer). Daneben erscheinen die Colle- gien der Isiaci und Venerei ^ das sind die Tempelsclaven der Isis und der Stadtgöttin Venus. Erwähnen wir sodann noch, dass ein gewisser Phoebus mit seiner Kundschaft [cum emptoribus) (t03); ein Valentinus, buchstäblich »mit seine Lehrlinge« [cum discentes suos) (275) und Sema mit ihren Kindern [cum pueris) (668) Wahlempfehlungen hat ausgehn lassen, und dass so gut wie die Ballspieler [pilicrepi] zu einer Wahl aufgefordert werden (1147), die Schläfer, und zwar »sämmtliche Schläfer« [dormientes universi) (575) und in einem an- dern Falle alle Spättrinker [seribibi) (581) sich zu einer Empfehlung zusammen- gethan haben, so bekommen wir ein heiteres Ende unserer kleinen Liste, der wir nur etwa noch hinzuzufügen haben, daös ein Mal erklärt wird, »sämmt- liche Pompejaner« [Pompeiani umversi) (1122) stimmen für den^und den.

Wie sich Gesellschaften oder auch Einzelne als Empfehlende nennen, tritt auch gelegentlich der Ausdruck des Wunsches mit cupü oder cupiunt an die Stelle der l^itte oder Aufforderung , was an dem Sinne der ganzen Sache um so weniger ändert, als sich gelegentlich die Formel : cupidissime orat vos faciatis findet. Alle diese Bitten, Aufforderungen und Wünsche richten sich öffentlich an die Wahlberechtigten , seien dies die in den Comitien stimm- berechtigten Bürger, sei es das Collegium der Decurionen, nachdem, wahr- scheinlich unter Tiberius, das Wahlrecht oder ein Theil desselben von der Bürgerschaft auf jenes Collegium übertragen worden war***). Es ist nun schon gesagt, dass die Namen und der Stand sehr vieler der Empfehlenden jeden Gedanken an ihr eigenes Stimmrecht ausschließt ; die gewöhnlichen Formeln der Empfehlungen sprechen nicht hiergegen, und nur das nicht selten vorkommende facti oder faciunt, axLch fecit (»macht« oder »machen«, »hat ge- macht, gewählt«) könnte wie die öffentliche Stimmabgabe eines Wahlberech- tigten oder wie eine Erklärung über seine Abstimmung aussehn, doch wechselt diese Formel unter sonst ganz gleichen Umständen entweder mit den anderen, oder ist mit ihnen verbunden [rogat et facti) , so dass wir ihr schwerlich eine besondere Bedeutung beizulegen haben ****) . Hervorgehoben zu werden ver- dienen dagegen insbesondere die Fälle, in denen sich die Bitte oder Auf- forderung nicht an die Gesammtheit der Wähler, sondern an einen Wahl-

♦) Bull. Napol. n. s. I, p. 150, vgl. den Index zum C, I. L. a. a.O. p, 256. Abschnitt XI. *♦) Giom. d. scavi fasc. 14, p. 36, vgl. 15, p. 81 u. 85.

*♦*) Vgl. Bull. Napol. n. 8. II, p. 51. Becker-Marquardt, Köm. Alterthümer ITI, S. 349. C. J. L. a. a. O. p. 11.

♦♦**) Vgl. Garrucci Bull. Nap. n. s. I, p. 150, Note 3. p. 151. C. I. L. a. a. 0.

Dipinti. Besonderheiten der Wahlempfehlungen. 471

berechtigten, dessen Namen genannt werden, mit der Formel fac oder fac facias (»mache!«), einzelne Male BMchfave (426) (»begünstige«) wendet, wovon die neueren Ausgrabungen mehre Beispiele geliefert haben. So liest man: Modestttm aed[üem] Pan8[d\ fac facias (1071) oder Cuspi fac Fadium aed[tlem] (1068) oder [Post]tmiium Modestum Sirice fac facias (805) (also: Pansa oder Cuspius d. i. desselben Pansa bekannter Geschlechtsname oder Siricus mache zum Aedilen den Modestus oder Fadius) u. s. w. Ein besonders merk- würdiges Beispiel ist: Sabtnam aed[ilem] Ptocule fac et ille te faciet (635) *) (»Proculus, mache den Sabinus zum Aedilen, imd er wird dich [seinerseits dazu] machena) . Mit groBer Wahrscheinlichkeit ist angenommen worden **) , dass in diesen Fällen die Inschriften sich an die Besitzer der Häuser wenden, an deren Wände neben der Haus- und Hinterthür die Aufforderung gemalt ist, wonach denn freilich das Haus des Pansa sich als ein ganz anderes heraus- stellt, als dasjenige, welches populärerweise mit diesem Namen belegt ist.

Die bisher besprochenen Abwandelungen sind nun freilich nicht die ein- zigen, welche die Wahlempfehlungen aufzuweisen haben. Ztmächst müssen wir die mannichfaltigen Lobsprüche imd Anpreisungen hervorheben, welche bald in einzelnen Buchstaben, deren Sinn bei ihrer unzählbar häufigen Wieder- holung jeder alte Wähler verstand wie wir ihn verstehn, bald ganz ausgeschrie- ben den Namen der Candidaten hinzugefügt werden ***) . Der allerhäufigste Lobspruch ist Y B d. i. virum bonum; er war so gewöhnlich, dass Seneca schrieb : omnes candidatos viros bonos dicimus ( alle Candidaten nennen wir vortreffliche Männer) , demnächst folgt ein dignus^ dignisstmus est (er ist würdig, sehr würdig), dignus reipublicae (würdig der öffentlichen Beamtung), probissu- mus und verecundissimus (Ehrenmann) ; durch : iuvenis integer, innocuus^ f'^ii egregitAs (junger Mann von gutem Ruf), bonus civis (guter Bürger), omni bono meritus (in jeder Weise verdient), auch hie aerarium conservabit****) (wird sparsam wirthschaften) u. dgl. m. setzen sich diese Lobsprüche fort, welche sich gelegentlich verdoppeln und verdreifachen, mit einem cupidissime rogat (bittet aufs dringendste) des Schreibers verbinden und so bis zu beträchtlichem Schwung und Nachdruck anwachsen können. In allen diesen Fällen aber bleibt die Verhandlung zwischen den pompejaner Wahlberechtigten und den einzelnen Einwohnern, welche auf die Wahlen einen Einfluss zu gewinnen und dem sie so oder so ein Gewicht zu verleihen suchen. Nur in ein paar ein- zelnen Fällen, welche besondere Beachtung verdienen, finden wir eine, man kann nicht sagen Einmischung, wohl aber Hineinziehung einer hohem Auto- rität in den Wahlkampf der Colonie. Schon früher ist eine Inschrift zu Tage gekommen (668) , welche einen lulius Simplex zur Aedilität empfiehlt und in deren einzelnen Buchstaben V A S man die Worte votis Atyusti stdsceptis und in diesen eine Hinweisung auf den Wunsch des Kaisers selbst ver-

*) Vgl. Procule Frontoni ttto officwm commoda, No. 920.

**) VgL Eiessling im Bull. d. Inst. 1862, p. 94, FioreUi im Oiorn. cL soav. fasc. 15, p. 120.

***) Vgl. C. J. L. Index p. 253 sq. »candidatorum laudes», ♦♦**) Ephem. epigr. I, 52.

472 Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

muthete *) ; die neueren Ausgrabungen haben uns aber zwei Mal denselben Tribunen T. Suedius Clemens, den kaiserlichen außerordentlichen Commissar, dessen Wirksamkeit in Beziehung auf Expropriation occupirter Bodenstrecken schon früher erwähnt wurde (oben S. 404), in die Wahlangelegenheiten Pompejis hineingezogen gezeigt, indem seine mächtige Empfehlung für einen Candi- daten in die Wagschale geworfen wird ; denn an eine directe Einmischung dieses hochgestellten Mannes ist auch hier sicherlich nicht zu denken. Um nicht zu tief in Einzelheiten zu gerathen, welche hier doch nicht erledigt werden können, muss es genügen, den Wortlaut der in Bede stehenden In- schriften in einer unten stehenden Note**) mitzutheilen. Als Besonderheiten führen wir demnächst noch an, dass neben demjenigen, welcher, und zwar als öffentlicher Schreiber , der dies Geschäft jahrein , jahraus besorgte ***) , die Wahlempfehlungen angeschrieben zu haben angiebt (scripsit; scriptor), in einigen Fällen auch noch der genannt ist, welcher eine ältere Inschrift; über- weißt hat [dealbante; dealbator) (1190. 222), nm für die neuen den nöthigen Platz herzustellen. Dem entsprechend finden wir denn auch an nicht wenigen Stellen mehre solcher Inschriften über einander gemalt, und mehr als eine ältere, zum Theil von den auf den Tuff gemalten, ist, wie schon erwähnt, erst dadurch sichtbar geworden, dass die Überweißung, welche die jüngeren trug, abgeblättert ist.

Dass die ständig sich wiederholenden Ämter des Aedilen oder Duumvim, zu denen der und der empfohlen wird, und dass die fiEist eben so ständigen Lobsprüche, die wir oben kennen gelernt haben, dass endlich das immer wiederkehrende orat vos facialis^ rogat^ cupitj facti in Siglen und Abkürzun- gen oder mit einem einzigen Buchstaben für jedes Wort geschrieben ist, wird Niemand Wunder nehmen ; viel auffallender ist die Thatsache, dass auch die Namen der Empfohlenen gelegentlich und nicht ganz selten mit den bloßen Anfangsbuchstaben bezeichnet sind, so dass wir Inschriften finden, welche fast nur aus einzelnen Buchstaben bestehn****) ; und dennoch scheint es, dass diese Thatsache nicht wegzuleugnen ist, welche sich daraus erklären mag, dass die in solchen Inschriften Empfohlenen besonders stadtbekannt. und viel- leicht grade zur Zeit einer Wahl besonders oft genannte Personen waren, deren Namen eben alle Welt im Munde führte, so dass es genügte P P P M E S zu schreiben, um die Vorübergehenden an P. Paquius Proculus und M. Epidius Sabinus zu erinnern. Hiermit dürfte über die Eigenthüm- lichkeiten dieser Wahlempfehlungen , ohne natürlich den reichen Stoff zu

♦) Bull. Nap. n. s. I, p. 151, Note 27, vgl. Bull. d. Inst. 1865, p. 183 sq. **) Schon seit längerer Zeit bekannt war die Inschrift (791) : 3£, Epidium Sabinum ex senterUia Suedi Clementü d, t. d, o. v.f,; die beiden neuerUch gefundenen lauten ( 768 ) : 3£. Epidium Sabinum d. t. die [o v, f, dig. est. kleiner) || defeneorem. coloniae. ex. eententta. Suedi. dementia, sancti iudicis || consenm. ordinie. obmerita (so) || ews, et. probitatem. dignum reipublicae. faciat H Sabinu8. düsignator. cum, plausu. faciL Und (1059): M, Epidium || Sa- binum II II. vir^ iur. die. o, v. f. dignum. iuvenem {, Suediue. Cletnens. sanctissimus \\ iudex facU, vicinis. rogantibus. Vgl. noch Bull. d. Inst. 1865, p. 184 und C J. L. a. a. O. p. 11. **♦) Henzen, Archaeolog. Zeitung v. 1846, S. 295. C. I. L. a. a. O. p. 10. **»•) Vgl Bull. Nap. n. s. I, p. 6 sq.

Dipinti. Wahlempfehlungen. OladiatoTonprogramme. 473

erschöpfen, das Hauptsächliche und so viel mitgetheilt sein, wie sich, ohne ge- lehrte Einzelerörterungen überhaupt mittheilen und zum Yerständniss bringen lässt, tmd somit wenden wir uns zu der zweiten Classe der Dipinti, den Amphi- theateranzeigen.

Dieselben bilden, wie ebenfalls schon erwähnt, nächst den Wahlempfeh- lungen die am häufigsten vertretene Art der pompejanischen Dipinti. In ihrer einfachsten Art enthalten diese an verschiedenen Orten der Stadt zum Theil ganz gleichlautend wiederholten Programme den Namen der zum Auftreten bestimmten Gladiatorenfamilie, den oft lange vorher angesetzten Tag des Auftretens, sowie fast regelmäßig den Beisatz, dass eine Thierhetze [venatio] mit den Gladiatorenkämpfen verbunden und dass das Zeltdach [vela] aus- gespannt sein werde. Eine Anzeige in dieser einfachsten Form ist z. B. diese, welche am Album des Gebäudes der Eumachia (s. S. 135) und fast buchstäb- Uch wiederholt an einer Wand in der Strada degli Augustaii (tl89 und 1190) stand: A, Suettii Certi aedilü familia ffladiatoria puffnabü Pompeis pridie Ka- lendas lunias, venatio et vela -erunt. Eine andere fragmentirt erhaltene Anzeige (1181) des Auftretens der Gladiatoren des Ti. Claudius Verus schlieBt mit den Worten : qua dies patientur , d. h. »wenn das Wetter es erlaubt«, womit also auf eine als möglich vorausgesehene Störung und eine etwa dadurch nöthig werdende Verschiebung des Schauspiels sehr begreiflicher Weise hingedeutet wird. Dergleichen mochte aber dem schaulustigen Pöbel nicht genehm sein, und danach begreift es sich nicht minder leicht, dass wieder durch eine andere Anzeige (11 80) ausdrücklich erklärt wird, das Schauspiel werde stattfinden sine uila dilatione «ohne jeglichen Aufschub«.

Es ist schon bei der Besprechung des Amphitheaters (S. 176 f.) darauf hingewiesen worden, dass die ursprünglich mit feierlichen Bestattungen allein verbtmden gewesenen Gladiatorenkämpfe später, wie jedes andere Schauspiel mit Gebäudeeinweihungen und allen anderen Veranlassungen verknüpft wur- den, bei denen überhaupt dem Volke ein Schauspiel veranstaltet wurde. Eine Anzeige der Art fand sich, wenn auch bescluLdigt im Hofe der kleineren Ther- men (oben S. 178), auf deren eigene Einweihung (man ergänzte die erhaltenen

Worte : dedicatione rum in dedicatione ihennarum) sie freilich, wie aus

der Zeit der Erbauung der kleineren Thermen (oben S. 176) hervorgeht, sicher mit Unrecht bezogen worden ist*). Und so möge nur noch erwähnt werden, dass diese Anzeige (1177), welche außer einer Thierhetze das Auftreten von Athleten verheißt und neben der Ausspannung des Zeltdaches Besprengungen (sparsiones) gegen Staub und Hitze ankündigt, ähnlich wie andere den Inhaber der zum Kampfe bestimmten Gladiatorenbande [familia ffladiatoria) , hier den Cn. Alleius Nigidius Maius nennt, neben dessen Namen dann eine dankbare Hand geschrieben hat : Maio principi coloniae feliciter^ d. h. Heil dem Maius dem Stadtältesten ! Ein solcher Zuruf an den Festgeber verbindet sich auch mit anderen dergleichen Anzeigen ; demselben Maius, der hier aber als Quin- quennal wie dort als Ältester des Decurionencollegs bezeichnet ist, gilt er in einer Anzeige, die man in Aex Strada di iVb/a fand (1179: Maio quinq, feli-

*) Vgl. Fiorelli, Desorizione di Pompei p. 230 sq.

474 Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

ff

citer), in einer dritten in der Gladiatorenkaseme gefundenen Anzeige (1186) lautet der hinzugefügte Zuruf . . . . o procurator[{\ felicü[er\ und mag sich an den Vorsteher der pompejaner Gladiatorenschule richten, denn die Vorsteher der Gladiatorenschulen führten den Titel procurator *) . Aber unendUch em- phatischer ist der Zuruf an den Festgeber, wahrscheinlich Ampliatus, neben einer andern, an demselben Orte gefundenen Anzeige (1 184), wo wie es scheint derselbe totius orbis desiderium und munificus ubique (»des Weltalls Lieblinga und »überall freigebig«) genannt wird, Worte die an des Kaisers Titus erhar benen Lobspruch amor et deliciae generis hutnani (»Liebe und Wonne des Men- schengeschlechts« ) erinnern. Außer der auf die Einweihung eines uns un- bekannten Gebäudes bezüglichen Anzeige in den Thermen ist noch eine solche, allerdings nur in den Ausgrabungstagebüchem und nicht durchaus zuverlässig überliefert, welche (1180) abermals von Cn. Nigidius Mains als Priester des Augustus veranstaltete Gladiatorenspiele mit der Einweihimg des Altars einer Göttin ungewissen Namens, wahrscheinlich aber der dementia in Verbindung bringt und außerdem erklärt, dieselben werden gefeiert pro sabUe .... Caesaris Augusti liberorumque eins (zum Heile des Kaisers, wahrschein- lich Claudius, und seiner Kinder)**). In ähnlicher Weise zeigt ein anderes Progranmi (1196) Spiele an, welche pro salute domtes Augusti (zum Heile des kaiserlichen Hauses) gegeben werden sollen. Schon früher (S. 195 f.) ist er- wähnt worden, dass manche Anzeigen auch die Zahl der zum Kampfe bestimm- ten Gladiatorenpaare enthalten, hier sei noch nachgetragen, dass eine daselbst angeführte Anzeige (1179) gladiatorum paria XXX et eor[um] supp[ositicio8] (30 Paar Gladiatoren und »Hilfsgladiatoren, Stellvertreter«) erwähnt, welche letzteren für die Besiegten mit deren Siegern zu kämpfen hatten***) . Dieselbe Anzeige verheißt, dass die Spiele drei Tage dauern sollen.

Während, wie es scheint, die sechs Inhaber von Gladiatorenbanden, die wir bisher aus Pompeji kennen****), Pompejaner gewesen sind, was von fünf derselben als sicher gelten darf, während ihre Mannschaften also, wenn sie in Pompeji waren , wahrscheinlich in dem uns bekannten ludus gladiataritu (S. 193) gehaust haben, kommen, allerdings nicht in öffentlichen Anzeigen, sondern in Grafüti, welche Erinnerungen an gesehene Spiele enthalten (1421. 1422. 1474 und sonst), neronische Gladiatoren [Neronianus) vor, und Neros Name in Verbindung mit Spielen ist auch in einem Dipinto in dem Vico dd lupanare [delle terme Stabiane) zum Vorschein gekommen (1190). Diese nero- nischen Gladiatoren sind wohl ohne Zweifel Mitglieder der oder einer kaiser- lichen Bande, von deren Bestehn wir sonsther unterrichtet sindf); auch wissen

*) Vgl. Friedlaender, Darstellungen aus der Sittengesch. Roms 11, S. 203. 5. **) ^gl- wegen der wahrscheinlichsten Ergänzungen des lückenhaft und entstellt über- lieferten Textes Zangemeister in der Archaeolog. Zeitung von 1868, S. 88 f. und Mommsen das. S. 90. Dass Oarrucci den Altar der Amentia statt der dementia geweiht werden Usst, darf auch hier nicht unerwähnt gelassen werden.

*♦*) S. Henzen ind. Atti dell' accad. pontif. Born. XII, p. 120. *♦♦*) C. I. L, a. a. O. p. 70, es sind diese : Cn. Alleius Nigidius Maius, [Ti.] Claudiufl Verus, N.FestiiM Ampliatus, . . . Lucretius Valens, N. Popidius Rufus und A. Suettius Oertu«. i) Friedlaender a. a. O. S. 202 flf.

Dipinti. Gladiatorenprog^ramme und Libelli. Miethanseigen. 475

wir, das8 es nicht nur in Rom, sondern auch in den Provinzen, so namentlich in Capua kaiserliche Gladiatorenschulen gab. Die capuaner Bande war von lulius Caesar eingerichtet und ihre, auch in pompejaner Graffiti (z. B. 1182. 1770) vorkommenden Glieder heißen luliani^ sowie andere kaiserliche Gla- diatoren als Augtistani (z. B. 1330. 1379. 1380) bezeichnet sind. Ob aber die Mitglieder der kaiserlichen Banden in Pompeji gekämpft haben, oder ob die Graffiti Erinnerungen an in Rom oder etwa in Capua gesehene Kämpfe enthalten, muss dahinstehn. Dasselbe gilt von einem angeblich, nicht gewiss " in Pompeji gefundenen, jetzt im Museum von Neapel bewahrten Graffito (2508) , welcher ein interessantes Beispiel eines s. g. Ubellus gladiatorius ent- hält, d. h. des Programms eines Gladiatorenkampfes oder der vom Festgeber geordneten Verzeichnisse der ztim Kampfe bestimmten Gladiatorenpaare, welche vielfach abgeschrieben, in den Straßen verkauft, ja nach auswärts ver- sandt wurden. Der hier in Rede stehende l%bellt$s, bezüglich auf zwei Kämpfe, in denen in Pompeji sonst nicht nachweisbare Kampfarten vorkommen*), oder genauer gesprochen, das in ihm copirte Original scheint vor deli Spielen auf- geschrieben und nachher mit der Bezeichnung der Sieger (V[%ctor]) und Be- siegten (M[is8U8]) versehn worden zu sein, woraus es sich am einfachsten erklärt, dass der Sieger nicht immer vor dem Besiegten genannt ist, wie dies in allen dei^leichen Schriftstücken der Fall zu sein pflegt**). Auf andere Graffiti mit Erinnerungen an das Amphitheater und Nachklängen aus den dortigen Kämpfen wird weiterhin zurückgekommen werden.

Was neben den Wahlprogrammen und Gladiatorenanzeigen noch von Dipinti an den Wänden von Pompeji vorkommt, trägt durchaus den Charakter des Einzelnen. Die schon früher (oben S.379) mitgetheilte Anzeige am Gast- hause »Zum Elephanten« und die oben (s. 465) angeführte griechische Inschrift aus der Strada degli Olconj können hier kaum zählen, zu ihnen gesellt sich zunächst noch folgende Inschrift. Der Besitzer der Cc^a d% Sirico, Strada delle tenne Siabiane No. 16, offenbar ein Kaufinann, in dessen Schwelle, wie seines Ortes (S. 321) erwähnt, in Mosaik die Worte Salve lucru[m] »sei gegrüßt, Ge- winn« eingelegt sind, welche in dem Ijucrum gaudium (»Gewinn ist Freude«) auf dem Band eines Impluviums Reg. VI, 14, 39 ihre Parallele finden, hat seiner Hausthür gegenüber an die Wand unter einem Paar ganz riesenmäßiger Schlangen mit großen rothen Buchstaben anmalen lassen (813) :

Otiosis locus hie non estj discede morator.

(»Hier ist kein Ort für Nichtsthuer, hinweg Müßiggänger, a) Eher lassen sich als eine Classe öffentlicher Kundgebungen, obgleich nur durch zwei Exemplare vertreten, die Vermiethungsanzeigen anfuhren. Die eine verloren gegangene und in der Überlieferung an mehr als einem Punkte nicht ganz verlässliche (13S) lautet:

mSVLA . ARRIANA POLLIANA . CN ALLEI NIGIDI MAI

*) Mit WahiBoheinliohkeit lassen sich folgende Bezeichnungen von Kämpfern entzif- fern : Threx, Miimillo, Oplomaohus, Essedaiius, Dimaohaerus. **) C. J. i. a. a. O. p. 163.

476 Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Insohriften.

LOCANTVR . EX . K . IVLIS PRIMIS TABERNAE

C\M PERGVLIS SVIS ET . CENACVLA

EQVESTRIA ET DOMVS CONDVCTOR

CONVENITO . PRIMVM CN ALLEI

NIGIDI . MAI . SER.

Im Häuserquartier der Arria Polla im Besitze des Cn. Alleius Nigidius Maius werden vermiethet von den nächsten Iden des Juli an Tabernen mit ihren Vorbauten und feinen Ober- Stuben (oder et vestibiUa (?) Mommsen, C. I, L, a. a. O.) und ein ganzes Haus. Der Abmiethe hat sich zu benehmen mit des Cn. Alleius Nigidius Sclaven Primus.

Die zweite, am 8. Februar 1766 gefundene und jetzt im Museum von Neapel auf bewahrte (1136) sagt aus:

IN . PRAEDIS . IVLIAE SP F FELIcIS

LOCANTVR BALNEVM . VENEREVM ET NONGENT VM TABERNAE PERGVLAE

CENACVLA . EX - IDIBVS AVG PRIMIS IN . IDVS . AVG . SEXTAS . ANNOS CONTINVOS QVINQVE

SQ. DL. ENG

»In dem Grundstück der lulia Felix, des Spurius Tochter, werden ver- miethet ein Balneum venereum und neunhundert (?)*) Läden, Buden, Ober- zimmer vom nächsten 14. August bis zum sechsten 14. August auf fünf Jahre hinter einander«. Die Siglen der letzten Zeile sind überaus verschieden erklärt worden. Winckelmann**), dem Andere gefolgt sind, welche das Original nicht kannten, haben den Anfang einer Wahlempfehlung: A SVETTI\TVI VERUM AED, welche sich unter der in Rede stehenden befindet und mit der Miethanzeige natürlich nichts zu thun hat, ungehöriger Weise zu derselben gezogen und nun erklärt: si quü damitiam loci eins non cognoverit adeat Suettium Verum aedilem (wer die Herrin dieses Ortes nicht kennt, der wende sich an den Aedilen Suettius Verus) ;- Andere, welche die Trennung richtig vornahmen ***) , erklärten entweder : gi quia domi lenocinium exerceat ne con- dticiio oder si quem deceat locatio eorum fios convenito (»wer im Hause ein schmutziges Gewerbe betreibt, wird nicht angenommen« oder »wenn Jemand Lust zur Abmiethe hat, so wende er sich an uns«) . Die neueste Erklärung, welche aber eben so wenig unbestritten geblieben, ist von Fiorelli ****): gi quinqtiennium decurrerit locatio esto nudo consensu (»nach Ablauf der fünf Jahre wird die Vermiethung [wenn nicht gekündigt worden] stillschweigend verlängerta).

Diese kleine Reihe der für die ÖflFentlichkeit bestimmten Dipinti möge mit einer aus voraugusteischer Zeit stammenden, gegen das Ende nicht

*) Die Lesart nongentum steht unbedingt fest, desto unsicherer ist die Bedeutimg; die in der Übersetzung gegebene bisher allgemein befolgte Erklärung ist weder der Form noch der Sache wegen wahrscheinlich.

♦•) Sendschreiben §. 59, Orelli 4323. •*♦) Rosini, Dissert. isag. p. 1. cap. 10. pag. 63 sq.; Guarini, Fasti duumy. p. 199. **•*) Bull. Nap. n. s. II, p. %6 sq. mit einem Zusatz von Oarruoci, der diese Erkl&rung nur als möghch gelten lassen will, während sie Mommsen bei OreUi-Henzen III, p. 469 und zum C I. L. a. a. O. als juristisch unmöglich bezeichnet. . .

Dipinti, Diebatahlsanzeige. Graffiti, Metrisohes, Leie&üohte. 477

sicher lesbaren Anzeige eines Diebstahls in der Theaterstraße (64) geschlossen werden :

VKNA AENIA PEREIT DE TABERNA

SEIQVIS . RETTVLERIT DABVNTVR

HS LXV . SEI . FVEEM

DABIT . VNDIcr

IMVAPIIC

(»eine eherne Urne ist aus einem Laden fortgekommen; wenn sie Jemand zurückbringt, so werden bezahlt 65 Sest. [ungefähr 14 Y4 M.], wenn den Dieb,

80 wird bezahlt «) .

Durchaus nicht den Charakter der übrigen für die ÖflFentlichkeit be- stimmten *Dipinti tragen ein paar gemalte Inschriften, welche sich aber auch der Form nach von den bisher besprochenen dadurch unterscheiden, dass sie sich in Gemälden befinden ; eine derselbe ist jene Briefadresse an M. Lucretius (879), die ihres Ortes bei Besprechung der nach ihr genannten Casa diLucrezio [S. 314) erwähnt worden ist; eine andere, welche uns mit XJbergehung von noch etlichen nicht besonders bedeutenden, den Übergang zu den Graffiti bahnen mag, steht als Text auf einer halb aufgerollten, gemalten Bücherrolle (1173) und lautet unter Nichtberücksichtigung der orthographischen Eigen- thümlichkeiten, in den ersten beiden Versen (welche im Hause des L. Caeci- lius lucundus als Graffito wiederholt sind und deren erster an einer andern Stelle ebenso wiederkehrt) (1173, 3199. Bull. d. Inst. 1876, 233) :

Quisquis amat valeat, pereat qui nescit amare^ Bis tanto pereat quisqms amare vetat,

(etwa: Heil sei Jedem, der liebt, weh dem, der die Liebe nicht kennet, Doppelt verwünscht sei der, welcher die Liebe verbeut.)

Zwei folgende Verse sind so unsicher entziffert, dass sich ihr Sinn allen- falls, aber auch dies kaimi, errathen lässt, so dass hier von ihnen abgesehn werden muss.

Sowie wir die Dipinti mit diesen Versen schließen, ist die Übersicht über die Graffiti mit den metrischen Inschriften zu eröffnen. Unter diesen eingekritzelten Versen findet man zuerst nicht ganz wenige Lesefrüchte aus lateinischen Dichtem, zum Theil nur abgerissene Worte und einzelne Nach- klänge, wie mehrfach (1282. 2361. 3198) die ersten Worte des Verses arma virumque cano Trotae qui primus ab oris und (1841) quisquis es, amissos hinc iam obliviscere Graios aus Vergils Aeneis (I, 1 und II, 148), auch (1672 und sonst) das Wort conticuere, welches als das erste des Verses conticuere omnes intentique ora tenebant ebendaher (II, 1) gelten kann, femer (1524. 1527), rusticus est Corydon und (1982) carminibus Circe socios mtdavit Ulixis aus dessen Belogen {II, 56 und VIII, 70), Aeneadum genetrix (3072) aus Lucre- tius (I, 1) u. m. a.; theils ganze Distichen*), deren Lesart übrigens, obgleich die älteste auf uns gekommene, der in den Handschriften überlieferten keines- wegs immer vorzuziehn ist, was sich sehr leicht daraus erklärt, dass diese Verse aus dem Gedächtniss gewiss nicht immer der Höchstgebildeten an-

') S. Bücheier, N. Rhein. Mua. XII, S. 251 f.

478 Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschiäften.

geschrieben worden sind. Beispielsweise finden wir die Verse aus Ovids Ars ama7idi I, 475 f. in der Basilika von Pompeji (1895) in dieser Gestalt wieder:

Quid pote tarn durum saxso aut quid mollius unda ? Dura tarnen molli saxsa cavantur aqua,

[Was ist härter als Fels und was ist weicher als Wasser? Aber der härteste Fels wird von dem Wasser gehöhlt.)

So hat ein Anderer ebendaselbst (l 893. 1894) zwei Verse Ovids [Amores I, 77 f.) mit zweien des Properz (V, 5, 47 f.) der Ähnlichkeit des Inhaltes nach zn einem Ganzen verbunden, noch ein Anderer wieder an demselben Orte (1950) zwei andere Verse des Properz (IV, 16, 13 f.) mit einigen nicht vorzüglichen Abweichungen von unserer handschriftlichen Lesart wiederholt. Und neuer- dings sind abermals zwei Verse desselben Dichters (II, 5, 98 f.) im Peristyl des Hauses Reg. VI, 14, 9 gefunden worden*).

Neben diesen Erinnerungen aus bekannten Dichtem und zwar überwie- gend oft aus Vergil und weiter aus erotischen Gedichten, finden wir nun aber an den Wänden Pompejis nicht wenige andere Verse, welche an bekannte nur entfernter anklingen , und noch andere , von denen wir es dahingestellt sein lassen müssen, ob sie der Schreiber auch selbst gedichtet, oder wie jene anderen aus fremden, uns nur nicht bekannten Poesien entlehnt hat. Auch von solchen Versen mögen hier ein paar Proben folgen. Wiederum aus der Basilika, die überhaupt am meisten derartige Inschriften aufzuweisen hatte, ist dies aus allerlei ovidischen , properzischen und anderen Erinnerungen zusammen- gesetzte Distichon (1928):

Scribenti mi dictat Amor m(j{n]stratque Cuptdo, [Ah] peream^ sine te si deus esse velim.

(Mir spricht Amor vor und mich belehret Cupido :

Weh' mir, wünscht ohne dich selber ein Oott ich zu sein.)

Sehr zierlich, und bis auf einen metrischen Fehler eines guten Dichters würdig, aus dem es ein nicht genau wiedergegebener Nachklang sein mag, ist folgendes Distichon (1649), welches an den Thürpfeiler eines Hauses im Vico dei soprastanti eingekratzt ist :

Alliget hie auras si quis obiurgat amantes

Et vetet assiduas currere fontis aquas.

(Binde den Wind hier an wer Liebende suchet zu trennen Und verbiete des Quells murmelnden Wellen den Lauf.)

Überaus schmachtend hat sich der Verliebte ausgedrückt, der folgende Verse (1837) mit Anklängen an Tibull (II, 6, 17—22) und Vergil (Ecl. II, 7) in der Basilika angeschrieben hat :

Si potes et non vis cur gaudia differs^

Spemque foves et cras usque redire iubes ?

[Er]go coge mort, quem sine te vivere coges, Munus erit certe non cruciasse boni.

Quod spes eripuit spes certe reddet amanti ....

♦) Bull. d. Inst. 1875, p. 191.

Graffiti. Metrisches. 479

(etwa : ELannst du mich lieben und willst es doch nicht, was vertröstest du stets mich, Nährest die Hoffnung und sprichst : kehre nur morgen zurück?

Heiße mich sterben, den ach ! ohne dich du zwingest zu leben, Dank verdienst du gewiss, quälest du länger mich nicht.

Was Enttäuschung entriss, giebt Hoffen dem Liebenden wieder. . . .)

Den dritten Pentameter hat der Unglückliche in seiner Rührung ver- gessen, Andere aber hat sein Erguss zu etlichen bissigen Bemerkungen ver- anlasst, welche unter den obigen, von einer Hand geschriebenen Versen stehn; der Erste schrieb in vortrefflicher Orthographie Qui hoc leget nunc qtuim posteac aled legat et nunquam sit salvos (»wer dies liest, möge niemals nachher etwas Anderes lesen und es gehe ihm nie gut«), ein Zweiter fügte bei : qui 9upra scripsit (»der oben geschrieben hat«) und ein Dritter bekräftigend : vere dicis (»du hast Recht«) .

Neuesten Funden (s. Not, d, scavi 1883 Febbr. p. 53) werden die folgenden Verse verdankt, welche an einem Pfeiler rechts neben dem Westeingange zum Theatrum tectum tmter anderen stark beschädigten standen :

Sei quid amor valeat nostrei^ sei te hominem scis, Commiseresce mihi, da veniam ut veniam. (welche man, wenn es erlaubt ist, um das kleine Wortspiel im Pentameter zu wahren, diesen als Hexameter zu fassen, etwa so übersetzen könnte : Wenn meine Liebe dir etwas gilt und du fühlest als Mensch dich, Ach, so erbarme dich mein und heiße mein Kommen wülkommen.)

So schmachtend diese Verse sind, so wild geberdet sich der folgende unglückliche Verliebte, welcher seinen Zorn über die Göttin der Liebe selbst in diesen Versen ebenfalls in der Basilika (1824) ausschüttet:

Quisquis amat veniat; Veneri volo frangere costas

' tUstibus et lumbos debilitare deae : Sipot[is\ illa mihi tenerum pertundere pectus^ Cu[r] ego non possim caput il1\i\ frangere fuste ? (also etwa : Komme hierher, wer liebt : der Venus will ich die Hipp^i^

Brechen mit Prügeln und ihr weidlich die Schenkel zerbläun ; Kann mir jene das zärtliche Herz im Busen zerreißen. Warum könnt' ich ihr nicht den Kopf mit Prügeln zerbrechen?)

ja sein Eifer hat ihn sogar, wie man sieht, den zweiten Pentameter verfehlen und durch einen Hexameter ersetzen lassen. Ziemlich kräftig verwünscht seinen Nebenbuhler auch ein Liebender, welcher diese Verse (1645) an den schon erwähnten Pfeiler im Vico dei soprastanti angeschrieben hat :

Si quis forte meam cupiet f)io[lare'\ puellam,

Illum in desertis montibus urat Amor, (Wer mein Mädchen verführt . . .

Den verzehre die Lieb' einsam im rauhen Oebirg.)

Eide merkwürdige Parallele dazu findet sich zwei Mal dicht neben ein- ander in Rom an einem der Bögen am clittis Victoriae an der Südseite des Falatin angeschrieben [C, I, L, a. a. O. Anmerkung), und zwar mit dem vor- gesetzten Namen Cresce[n]s :

Quisque meam f . . . , rivalis amicam Hlum in secretis montibus ursus edat!

480 Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

(Wer mein Mädchen verführt . . .

Den im öden Gebirg fresse der gräuliche Bär !)

Aber nicht blos Liebesseufzer und Verwünschungen sind in Versen an die Wände Pompejis geschrieben, auch ganz andere Interessen geben sich gelegent- lich in Hexametern oder Pentametern kund. Gegen den Kneipwirth, der ver- wässerten Wein verkauft, macht z. B. ein Gast seinem Arger in folgenden

Versen Luft:

Talia te fallant utinam me[n]dacta, copo ;

Tu ve[n]des acuam et bibes ipse merum,

0 dass solcherlei Lug doch dich betrüge, du Kneipwirth; Wasser verkaufest du uns und trinkest selber den Wein.)

welche an einem Pilaster in einer caupona (Kneipe) Reg. I, 2, 24 standen, aber, obwohl tief und deutlich eingekratzt, schon in dem Jahre, in welchem sie ge- funden wurden, zu Grunde gegangen sind *) . Wenn dagegen einer dem L. Ista- cidius (die Istacidier gehören zu den Vornehmen in Pompeji) wiederum in der Basilika (1880) zuruft:

L, Istacidi! At quem non ceno barbarus ille mihi est. (L. Istacidius ! Wer mich zu Tische nicht l&dt, gilt mir als roher Gesell!)

wozu sich folgende daselbst (1937) in Prosa geschriebenen Worte : quisque me ad cenam vocarit v[aleat] (»Heil dem, der mich zur Tafel ruft!«) in Gegensatz stellen, so darf man in Beiden Zeugnisse des auch in Pompeji blühenden Para- sitenthums erkennen. Und vielleicht war von dem Parasitismus auch der dankbare Gast nicht allzu weit entfernt, der in einem Schlafzimmer des Hauses Reg. VI, 14, 3 an die Wand geschrieben hat:

Semper M. Terentius Eudoxus unus supstenet amicos et tenet et tutat supstenet omne (so) modo**)

(Immer erhält M. Terentius Eudoxus allein seine Freunde; hält und beschützt und erhält alle in jeglicher Art).

Denn die letzten Worte sollen doch wohl ein Vers sein.

Nicht ganz so leicht verständlich wie Anderes und noch schwerer in Übersetzung wiederzugeben sind die folgenden von indirecter in die directe Anrede übergehenden Verse, die, in Schlangenwindungen***) (s. 1595) an dem Eingang eines Privathauses der Strada di Nola angeschrieben (jetzt im Museum) die Schlangenspiele eines gewissen Sepumius (wohl eines JGrauklers oder Kautschukmannes) der Bewunderung empfehlen und den Leser auffordern, die Wage des Rechts oder des Urteils stets gleichschwebend zu halten, d. h. gerecht zu urteilen über des Sepumius Künste, möge er Bühnenliebhaber oder Liebhaber von Pferden (des Circus) sein :

[Ser\penti8 lusos si quis sibi forte notarit Sepumius iuvenis quos fac[t\t ingenio : Spectator scaenae sive es Studiosus e[q]uorum Sic habeas \lan\ces semper ubiq[ue pares].

*) Bull. d. Inst. 1874, p. 252. *♦) Giom. d. scavi di Pomp. III, p. 18. **♦) Siehe C. J. L. a. a. O. nach Garrucci tav. VI, No. 1.

Graffiti. Metrisches. 481

(also etwa : Wer sie jemals gesehn die Schlangenspiele des jungen

Sepumius, die er künstlich zu spielen versteht : Seist du der Bühne Freund, seist du Liebhaber der Rosse,

Stets doch halte du gleichschwebend die Schalen des Rechts.)

Neben den Hexametern und Pentametern treten ferner unter den Poesien an den Wänden Pompejis nicht ganz selten iambische Senare auf, von denen jedoch, theils weil die meisten nur mangelhaft entziffert sind, theils aus an- deren, hier nicht zu erörternden Gründen , nur ganz einzelne Proben aus- gehoben werden können. Kecht anmuthig, wenngleich nicht ohne alle me- trischen Anstöße, sind die Verse, welche Jemand in Erinnerung an die auf einer Reise nach Pompeji, welche ihm, dem Verliebten, zu langsam gegangen, empfundene Ungeduld, im Peristyl des Hauses Reg. IX, 5, II an die Wand geschrieben hat. welche hier aber nur mit Unterdrückung einer dritten, nicht metrisch gefassten Zeile in ihrer auch sprachlich interessanten Schreibweise mitgetheilt werden können :

Amoris ignes si sentires mulio Magi properares ut videres Vener em. Bibisti; iamus ! prende lora et excute^ Pompeios defer^ übt dulcis est amor Mens ....*)

(und welche man etwa, mit Modemisirung des in keinen deutschen Vers zu bringenden Maulthiertreibers [mulio] , so wiedergeben könnte :

Wenn du der Liebe Feuer fühltest, Hauderer, So führst du schneller, um dein Liebchen zu erschaun. Getrunken hast du ! So nimm die Zügel und peitsche drauf, Bring schnell mich nach Pompeji, wo mein Schätzchen weilt. Das süße . . . .)

Eines der interessantesten Stücke in freilich nicht durchgeführten oder etwas wild gewordenen Senaren ist ferner das folgende mit »Räthselo überschriebene aus der liasilika (1877), von dem es uns nicht wundem darf, wenn wir es nicht ganz verstehn, da es ja schon den alten Pompejaneni zu rathen geben sollte :

Zetema,

Mulier ferebat filium similem sui ;

Nee metcs est nee mi similat sed

Vellem esset meus

Et ego: voleba[m] ut meus esset,

(Räthsel. Es trug ein Weib ein Kindchen, das ihr ähnlich war ; Nicht ist es meines, noch auch gleicht es nur, Doch wollt ich, es war' meines. Und ich : auch ich wollte, dass es meines war') **).

♦) Bull. d. Inst. 1877, p. 223. **) Die Erklärungsversuche, die aber zu keiner Lösung geführt haben, sind im C. I. L. a. a. O. angeführt. Hr. Dr. B. Kogowicz , damals stud. phil. in Halle, sandte mir brieflich (d. d. 30. 1 . 74) einen nicht unwahrscheinlichen Lösungsversuoh, welcher sich in der Über- setzung nicht wiedergeben lässt, da er auf ein Wortspiel in dem Worte sui (= gen. von 8UU8 Overbeck, Pompeji. 4. Aufl. 31

482 Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

Wohl dem Wortlaute, aber nicht so ganz ihrer innem Bedeutung nach sind

die folgenden, communistisch lautenden Zeilen in einem Hause der Sirada

di Nohi ;1597) klar:

Communem nummum dividendum censto est^

Narrt noster nummus rnagna\rn] habet pecuntam,

(Die gemeine Casse zu vertheilen hat man Lust, Denn unsere Casse hat gewaltig vieles Geld.)

Dagegen können wir über den Sinn des folgenden Verses aus dem Peristyl der Casa di Olconio (s. 8. 291. C. I. L. 20G9) nicht zweifelhaft sein:

Moi'am st quaeres sparge miliu[Tn\ et collige, (etwa: Langweilst du dich, streu' Hirsen aus und lies sie auf!) *)

mit welchem grade nicht sehr witzigen Einfall eines müßigen Kopfes wir von diesen pompejaner Versen Abschied nehmen, um uns den in Prosa abgefassten Graffiti zuzuwenden**], unter denen wir freilich noch allerlei rhythmischen Anklängen, daktylischen so gut wie iambischen begegnen, die aber, wenigstens in ihrer Gesammtheit, nichts als Prosa sein wollen.

In der Fülle dieser in Prosa abgefassten Graffiti Weg und Steg zu finden ist nicht leicht, und man weiß in der That nicht, wo man anfangen soll, um sie in Auswahl zur Übersicht zu bringen. Denn wie sie im buntesten Durch- einander an gewissen Wänden stehn, so greift auch ihr Inhalt vielfältig in ein- ander über, wenn man ihn nach gewissen Classen eintheilt. Und dabei geräth man außerdem in Gefahr bei Dingen, welche von allem Systematischen und Steifen so entfernt wie möglich sind, den Eindruck des Steifen und Pedanti- schen hervorzurufen. Allein in irgend einer Ordnung muss man denn doch vorgehn, und so sei versucht, wie weit wir kommen, indem wir an die metri- schen Graffiti mögli(?hst nahe anknüpfen, während es vielleicht eben so nahe gelegen hätte, bei den kürzesten und einfachsten Inschriften, d. h. den sehr vielen bloßen Namen anzufangen und von ihnen zu den längeren und inhalt- reicheren emporzusteigen. Die Anknüpfung aber geschieht wohl am besten, wenn wir etliche Liebesergüsse voranstellen. So z. B. das sententiöse und metrische Sprüchlein (1883) : Nemo est bellus nisi gut atnavit mulierem .... («wer nie ein Liebchen hatte ist kein braver Mann«). An einer andern Stelle schmachtet Einer: amans animus mens (»mein Herz ist voll Liebe«), hat ein Zweiter das Wort »Psyche« ( »Seele« , Liebchen ) so angeschrieben , dass die Schnörkel des f ein Herz bilden, welches das ganze Wort einfasst (s. C /. L, a. a. O. tab. XXVII, 15). Der Liebeszurufe mit dem griechischen xorio^',

und dat. von sus) hinausläuft, nach welchem ^/tW similis sui auch = porculua sein könnte. Dass es eine mulier ist, welche diesen ^/tt<m sitnilem sui tT&gt, ist für die eigentliche Bedeutung des Räthsels gleichgiltig, vermehrt aber den Doppelsinn in dem ferre [seil, in venire). Mein College Lange schlägt folgende Herstellung der von dem Schreiber entstellten Verse vor .

Mulier ferebat filium similem sui;

Nee meus est nee mi simüis^ ast esset metis. Der vierte Quasivers ist Zusatz des Schreibers.

♦) Anders Minervini, Bull. Ital. I, p. 55 und Fiorelli, Giorn. d. scav. I, fa«o. 2, p-90, tav. il, No. 6.

*♦) Die Citirung der Nummern des C. I, i. bei jedem einzelnen Oraffito ist überfliUMg erschienen.

Graffiti in Prosa. Zurufe, Glackwünsche, Verwansohungen, Briefe. 4S3

wenn auch in lateinischen Buchstaben geschrieben , wurde schon gedacht ; ihnen entsprechen am nächsten diejenigen mit dem lateinischen Bravoruf euge ; so enge Issa, Cerialts euge u. A. und auf dasselbe Gebiet gehört es, wenn schöne Mädchen selbst Aphroditen genannt werden, Aphrodite Issa, Aphrodite Augustiana u. dgl. m. Ein zärtlicher Abschiedsgruß im Theatergange (2414) lautet: propero, vale mea Sava (?) fac tne ames (»ich scheide [eile], lebe wohl, meine Sava, und liebe mich«); ein verschmähter Liebhaber schrieb (3042): crudelis Lalage quae non am , , . . (grausame Lalage, die du nicht geliebt. . . .). Sehr rührend wird die Liebe zweier Unfreien unter den Schutz der Venus Pompeiana gestellt in dieser Zeile (2457) aus dem Theatergange: Methe Co- miniae s. atellana amat Chrestum cor de ^ sit utreisque Venus Pompeiana p'opitia et semper concordes veivant (Methe, der Cominia Sclavin, die Schauspielerin liebt Chrestus von Herzen, sei ihnen Beiden die pompejanische Venus gewogen und mögen sie stets in Eintracht leben«). Eine Angeberei ist die folgende Zeile (2060) in dem Atrium eines Hauses an der Strada delV abhondanza : Romula hie cum Staphylo moratur (»hier giebt sich Romula mit Staphylus Kendezvous«) .

Zu den verliebten gesellen sich dann andere Zurufe und Grüße, so un- zählbare mit vale: Lucide vale, Crispe vale, Acti vale amicus u. s. w., andere mit ave (have): Egloge have^ wieder andere mit salutem: Vettius Cranio salur- fem^ Gemellus Ce8ernin[a]e salutem ; und eben so häufige mit feliciter (Glück auf!), nicht nur an Privatpersonen gerichtet wie Claudio Vero feliciter, duobus Fabis f elidier u. A., sondern auch an Standespersonen, wie in iudicis Augusti feliciter j defensoribus coloniae feliciter und den Kaiser selbst (2460) : Auguste feliciter. Daneben femer: felix Atamas felix, faustus feliz FloruSy A. Veius M. f, felix u. dgl., auch ein Mal ofelicem me (»ich Glücklicher«) ; auch der oft gebrauchte Segenswunsch bonum faustum felix ( »Glück , Heil und Segen« ) ohne bestimmte Adresse und wiederum felix est lanuarius Filius qui hie habitat (»der hier wohnt«) mit einer sehr bestimmten, sowie der Neujahrwunsch (2059) lanuarias [Kalendas] ?wbis felices multis annis (»Neujahr sei uns viele Jahre glücklich«). Aber auch das Gegentheil dieser Glückwünsche und Segens- wünsche findet sich nicht minder oft, Verwünschungen im Allgemeinen oder bestimmter Personen, so vae tibi (»wehe dir«), Nucerinis infelieia und.Fet Barca tabescas (»gehe zu Grunde«) im Amphitheater; ferner Samius Cornelia suspendere (»lass dich hängen«) in der Basilika, oder wenn einer daselbst an- geschrieben hat: Agato Herentii servus rogat Verierem . . . . (»A., Herennius* Sclave, bittet die Venus ....«) und ein Anderer darunter setzte: ut pereat roffo (»dass er sterbe, bitte ich«).

Zu den An- und Zurufen stellen sich sodann die gar nicht seltenen Briefe und Brieffragmente in natürliche Nachbarschaft, welche, vielleicht als Entwürfe wirklicher Briefe, vielleicht, in einigen Fällen gewiss, nur als der in diese Form gefasste Ausdruck dessen zu gelten haben , was die Seele des Schreibenden bewegte und bekümmerte. Ein solches Fragment aus der Küche der Casa di Apolline e Coronide (1991) lautet: Aelius Magnus Plotillae suae salutem. Rogo domina (»A. M. seiner Plotilla Gruß! Ich bitte dich, Herrin«). Weiter stand nichts da, der Schreiber mag hier unterbrochen worden sein und hat später nicht fortgefahren. Ein ähnlicher Anfang des Briefes, vielleicht

31*

484 Sechstes Capitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lehens nach Insehriften.

eines Mädchens an ihren Schatz ist (1695): .... Paguro suo 8(dutem, Vielleicht kann man auch als Hrieffragment die folgende nichts weniger als höfliche Anrede (in dem Eingang eines Hauses des Vtco del balcofie pensüe^ 2043) he- trachten: Niceiate, vana auccula, qu[a€] amas Fehrtonc[m] et ad porta[m] de- ducia, {/lud Uintum in mente hubefo .... (etwa : »Nicerate . . . . , welche du den Felicio liebst und ihn an die ITiür verlockst, dies Eine bedenke doch wenigstens» ....). Indem wir ein paar längere, aber von Gamicci unsicher überlieferte, neuerlich nicht wieder aufgefundene Briefe bei Seite lassen, führen wir noch die beiden naivsten dieser Briefe an. Im Hausflur der Ccisa del orso (1684' steht: Victoriae sitae salute[m\. Zostmus Victoriae salutem. Boyo te ut mihi su('\c]ur\r]as aefati meae ; st putas me aes non hab[e]re .... »Seiner Victoria Gruß! Zosimus grüßt Victoria. Ich bitte dich, dass du mir zu Hilfe kommst , meiner Jugend ; wenn du denkst , dass ich kein Geld habey ....). Das erste Victoriae suae sidutem steht getrennt von dem Texte, gleichsam als Adresse, die Orthographie ist vielfach fehlerhaft. Aus der Basi- lika, jetzt im Museum ist dies (1852): Pyrrhus Chio conlegae 8al[ttt€fn\, Moleste fero quod audivi te mortuom; itaque vale. (»)Pyrrhus seinem CoUegen Chius Gruß. Ich bin betrübt, dass ich gehört habe, du seiest gestorben. So gehabe dich denn wohl !«)

Im Gegensatz und zum Theil in schneidendem Gegensatze gegen die Gemüthlichkeit und Gutmüthigkeit dieser Briefe stehn die Äußerungen von Neckerei, Spott, Lästerung, welche sich sehr zahlreich finden, und welche sich bis zu den gröbsten Schmähungen und Beleidigungen steigern. Die aller- meisten dieser Inschriften liegen auf einem Gebiete, von dessen Wiedergabe hier ganz abgesehn werden muss, so dass man deren Gesammtheit nach dem sehr Wenigen , das hier mitgetheilt werden kann , nicht zu beurteilen im Stande ist. Von der Angeberei der Rendezvous des Staphylus und der Ro- mula ist schon oben gesprochen : in einer andern Inschrift, abermals in der

Basilika (1948) wird einem mit Namen genannten. Mädchen (Lucilla) ein schmutziges Gewerbe nach- gesagt, wieder in einer andern daselbst (1949): Oppi emboliari für furuncule der genannte, wahr- scheinlich ein Possenreißer des Mimus, als »Dieb, Spitzbube!« angeredet. Unter dem mancherlei Spott ist beispielsweise auch dieser, allerdings nicht ganz sicher überlieferte*) , dass einer ein )( hingezeichnet mit den begleitenden Worten : Miccionis statum considerate (»seht euch des Mic- cio Beine an«), und endlich treffen wir auch auf offenbar karrikirte Porträts mit Namenbeischrift, von denen Fig. 260 wenigstens eine Probe (1810) bietet, da sich dergleichen in Worten nicht wiedergeben oder umsciueiben lässt. Der Name ist Peregrinus.

Von ganz besonderem Interesse ist der Wiederhall des öffentlichen Lebens

V

^MC^M^m/

Fig. 260. Karrikatur.

') 8. Zangemeisters Bemerkung zu C\ I. L. a a. O. No. 24 i6.

Graffiti. Öffentliches Leben, Gladiatorenlibelli.

485

in diesen privaten Inschriften ; denn anders kann man es doch füglich nicht nennen , wenn sich fünf Wahlempfehlungen und Wahlprogramme in den Stncco der Säulen und Wände der Atrien und Peristyle im Innern von Privat- häusem eingekratzt finden *) , die hier für die Öffentlichkeit in keiner Weise hestimmt gewesen sein können. Auf den besondern Inhalt dieser zum Theil etwas abgeänderten Wiederholungen der für die .Öffentlichkeit bestimmten Dipinti kann hier nicht eingegangen werden; interessant ist vor Allem die Thatsache im Ganzen, welche deutlich zeigt, wie lebhaft bewegt das öffent- liche communale Leben zu Zeiten in Pompeji war, und wie die Wahlkämpfe die Gemüther erregten.

Neben ihnen dann, und zwar in ganz besonderer Ausdehnung, die Kämpfe des Amphitheaters, die Erinnerungen an welche eine ziemlich starke Classe der Graffiti abgeben. Auch hier muss auf das Eingehn in das Einzelne verzichtet werden; von einigen dieser Inschriften, welche uns die ausgegebenen Ubelli mit den zum Kampfe geordneten Gladiatorenpaaren vergegenwärtigen, ist schon oben bei Gelegenheit der Dipinti gesprochen worden ; andere und neben ihnen vielfache, wenn zum größten Theile auch sehr rohe Zeichnungen, welche Gla- diatoren verschiedener Waffengattungen, häufig, ja meistens mit ihren Namen, in den verschiedensten Scenen und Stadien der Kämpfe, gegen einander an- gehend, siegreich und besiegt, triumphirend und gefallen darstellen, mochten als werthe Erinnerungen an die gesehenen Herrlichkeiten der heißgeliebten Spiele dienen. Auch von diesen Zeichnun- gen ist Fig. 261 ein Pröbchen, welches zu- gleich zu ^'ergegenwärtigung des Schrift- charakters der Graffiti dienen kann. Rechts steigt ein Bewaffneter mit einer Palme in der Hand, also jedenfalls ein Sieger, viel- leicht ein Gladiator, eine Treppe, vielleicht . eine solche des Amphitheaters herab, die beiden Personen links sind weniger sicher zu erklären, möglicherweise sollen sie einen Magistrat oder den Procurator auf

dem Tribunal und den Herold darstellen. Unsicher ist auch die Bedeutung der jetzt verlorenen Inschrift (1293): Campani mctoria una cum Nucerinis peristis (»Campaner [Capuaner', ihr seid in einem Siege mit den Nucerinem umgekommena) . Sie ist schon seit langer Zeit und neuerdings wieder, wohl nicht ohne Grund, auf jene Schlägerei im Amphitheater von Pompeji bezogen worden, über welche oben S. 14 f. berichtet ist. In eine nähere Auseinander- setzung über den Wortlaut der Inschrift kann hier nicht eingetreten werden.

Sowie die Erinnerungen aus dem öffentlichen Leben finden sich auch die- jenigen aus dem Leben des Hauses und der Familie in nicht geringer Zahl an den Säulen und Wänden im Innern der Häuser angeschrieben, neben ihnen auch etliche aus dem Treiben der Gesellschaft. Ein Stück einer Buchführung über Schweinefett und Knoblauch haben wir schon früher (S. 294) in der Casa

..•V i.fd(^'w ^y^n'h

Fig. 261. Graffito mit Bild.

*) Zangemeister BulL d. Inst. 1865, p. 183 sq.

4 so Sechstes Capitel. Zeu^isse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

(H Olco7iio keimen gelernt. Ahnliches kommt auch sonst vor. Femer finden sich Verzeichnisse von Kleidungsstücken, wie z. li. K, XXI, Maias tuntra pallitnn 7wms Maias fascia. VIII iihis Maias tunicae III (»den 18. April eine Tunika ein Pallium, den T.Mai eine Hinde, den S.Mai drei Tuniken«), welche vielleicht, in einem Falle wohl gewiss zur Wäsche gegehen, oder zu solcher vom Walker und Wiischer angenommen sind ; Buchführung üher Schnster- arheit und dergleichen mehr. Von hesonderem Interesse ist uns der Einblick in eine antike Spinn- oder genauer gesprochen Webestube, ein Ergastulum der Sclavinnen eines Hauses, welches uns das Verzeichniss von elf Mädchen versehaflft, deren Namen nebst den von ihnen zu lösenden Aufgaben [pensa geschrieben j!;^Äa) wahrscheinlich ein dispefisator^ d. i. ein Aufseher des Erga- stulum an eine Säule, und zwar des Peristyl, nicht des Atrium, wo die Web- stühle zu stehn pflegten, in dem Eckhause der Strada della Fortuna [di Nola) und des Vico degli scienziati geschrieben hat (1507). In diesem Verzeichniss heißt es *

VITALIS TRAMA PIISV

FLORI INTINA PI ISA- III

AMARVLLIS PIISV, TRAMA IITSTAMIIN

lANVARIA SVPTII PIISA III NT- STA' PIIS DVA S

HIIRACLA. PIISV STAMIIN

MARIA PI! STAMIIN

LALAGII PIIS STAMIIN

lANVARIA PIK TRAMA

FLORI INTINA PIISV TRAMA

DAMALIS TRAMA PIISV

S.. .RVSA TRAMA PIISV

PAPTIS, PIISV TRAMA

DORIS, PIISV STAMIIN

Wenn dazu bemerkt wird, dass »tarnen den verticalen Aufzug am aufrecht stehenden Webstuhle, trama den schräge gekreuzten Aufzug, $ubte[men] die Kette des Gewebes bezeichnet und pensum die zum Spinnen zugewogene Wolle , so kann von einer Übersetzung des ganzen Verzeichnisses abgesehn werden; es ist nur noch auf die zum Theil sehr poetischen Namen dieser Mägde (Damalis, Doris, Lalage, Amaryllis z. B.) aufmerksam zu machen, unter denen aber die Maria nicht etwa Maria zu lesen und als Christin oder Jüdin zu betrachten ist, sondern Maria, als Femininum zu Märius. Aber auch an- deren häuslichen Notizen begegnet man. Mit feierlicher Angabe des Consulats ist auf^ler Wand des Atriums eines Hauses in der Strada della Fortuna [di Nola) die Geburt eines Eselchens am 6. Juli im Jahre 783 Roms =r 29 n. Chr. ver- zeichnet (1555) so:

L . NONIO ASPRENATE A . PLOTIO COS ASELLVS NATVS PRIDIE NONAS CAPRATINAS

An einem andern Orte wahrscheinlich die Geburt von Lämmern im Jahre 784 R. = 30 n. Chr. vermerkt. Auch sehr vergängliche persönliche Leiden

Graffiti. HäuBtiohes und geselligefl Leben , Schenk ingchrlften. 487

finden wir inschriftlich verewigt, so wenn Jemand der Mitwelt kundthat und der Nachwelt, letzterer freilich ohne Absicht, hinterließ, dass er den Schnupfen habe (pituita me tenef) . Aus dem geselligen Leben aber ist eine Erinnerung folgende Notiz über ein Ballspiel in der Basilika (1936): Amianthus, Epaphra, Tertius ludant cum Hedysto, lucundus Nolanus petat, numeret Citus et Stacns Amianth[6\, in welcher die Rollen an die sieben Theilnehmer vertheilt werden, die ersten vier sollen den Ball schlagen, der fünfte ihn holen und die zwei letzten die Gänge zählen. Aus einem Ballspiel stammt auch (das. 1926) der an sich gutmüthige Spott über den schon hier genannten Epaphra, von dem es heißt püicrepus non est (»ist kein Ballspieler«) und der eine sehr stadtbekannte Persönlichkeit gewesen zu sein scheint, in mehren Graffiti wieder vorkommt und sich die größten Abscheulichkeiten nachsagen lassen muss.

Diesen häuslichen und geselligen Inschriften fügen sich diejenigen an, welche sich auf Wirthshäuser und Schenken und das Leben in ihnen beziehn. Die Anzeige des Wirthshauses »zum Elephanten« haben wir oben (S. 379) kennen gelernt; hier sei zunächst erinnert, dass sich hier und da in den Straßen Empfehlungen von Wirthshäusem, Schenken oder Läden eingekratzt finden, z. B., allerdings nicht sicher (2324): L. Sentius Celsus adeas Liani (?) tabema[m] ad dex[tram\ . . . (»besuche des L. Taverne rechts« an der und der Straße); auch die Worte fabema[in] Appü sind wohl das Fragment einer solchen Empfehlung, eine dritte anderer Art, so interessant sie ist, muss hier übergangen werden*). Femer finden wir in mehren Hospitien, namentlich in dem schon früher (S. 380) erwähnten im Vicolo d% Eumachia No. 15 an den Wänden der Cubicula eine Menge von Namen, welche ein Fremdenbuch ver- treten, so manches Interessante sich in diesen Namen, in den Angaben über Stand und Herkunft findet**), wir müssen, tun gelehrte Erörterungen zu vermeiden , daran vorübergehn. Ohne Commentar aber versteht Jeder den Stoßseu&er eines Verliebten (2146) aus demselben Wirthshause : Vibiua Re- stitutus hie solus dormivit et Vrbanam suam desiderabat (»V. R. schlief hier allein und sehnte sich nach seiner Urbana«). Aus der Schenke stammen aber beispielsweise folgende Inschriften : unter einem Bilde im Innern einer Schenke, auf welchem ein Soldat dem Schenksclaven den Becher reicht, steht (1291): da fr%\g%\dam pusillum (»^gieb ein wenig kalten Trunk!«), eine andere jetzt zerstörte Inschrift an demselben Orte ebenfalls mit einem Bilde (1292) lautete: adde caUcem Setinum (»thu ein Maß Setinerwein hinzu«, nämlich zu dem Gemisch, das dem Gaste nicht stark genug sein mochte) . Über ein in einer Kneipe Reg. VI, 14, 36 aufgefundenes und ausgehobenes Gemälde mitKneip- seenen und auf dieselben bezüglichen Inschriften ***) lässt sich aus Gründen nicht ausführlich berichten. Dasselbe ist friesartig angeordnet und bietet vier Darstellungen neben einander. Die dritte zeigt zwei Männer beim Würfelspiel

•) Vgl. C. J. i. a. a. O. No. 1751 und N. Rhein. Mus. 1862, S. 138 mit Taf. 1. *♦) Zangemeister, Bull. d. Inst. 1865, p. 179 sqq.

***) Das Gemälde ist yeröffentlloht in den Noiizie degli scavi di ant. 1876, tav. 7; mit Text p. 1^3 sq. und inJPresuhns: Pompeji, d. neuesten Ausgrabungen, 2. Aufl. Abth. 5, Taf. 6 u. 7; über die Inschriften ygl. Bull. d. Inst. 1878, p. 192 sq.

4 SS SechHttJs (^apitel. Zeu^niflse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

lind aus don h i sei irif teil gelit hervor, dass sie über den von dem einen oder von dem andern gethanen Wurf in Streit j^erathen. Dieser droht in dem vierten Hihi in Thätliehkeiten auszuarten, welche in den Beisehriften von gegenseitigen Heschiinpfungen hegleitet sind. Der Wirth aher tritt hinzu mit den über ihm gesehrieht^nen Worten : »iV/a foris rixsatlsn (hinaus ! zankt euch draußen . Hier wird es erlaubt sein, des ebenfalls auf den Trunk bezüglichen Inhalts wegen eine Inschrift nicht von einer Wand, sondern von einer 1763 in Pompeji gefundenen Weinaniphora ;*2776; anzufügen: pi'esfa nn si7ieeru[m] sie te amei (ftiae eustodit [/rortu,m\ }'enu6 (»gieb mir reinen Wein, so liebe dich Venus, welche den (Wein- Garten schützt«), Worte, die der Gast zum Wein- bauer spricht, welcher ihm Wein ausschenkt, ^'on einem starken Durst legt folgende Inschrift aus der Hasilika (1819) Zeugniss ab: Suaris vinaria sitit^ rogo COS. et valde sitit (»Suavis dürstet nach ganzen Flaschen, ich bitte euch, er dürstet gewaltigul *), der hinzugefügt ist: Calpurnia tibi dicit vale (»Cal- purnia die Schenkin] sagt dir ; wohl bekomm's !«) . Die interessanteste dieser Schenkinschriften aber ist die im Atrium der Casa del orso gefundene (1679), welche so lautet : Edone dicit : assibus hie bibiiur, dipundium si dederis meliora bibes, quantus (?) si dederis mtm Falerfiu bibes (»Edone = (Hedone, das ist die Kellnerin] sagt : hier trinkt man für ein As ; giebst du ein Doppelas. so wirst du bessern Wein trinken ; wenn du viere bezahlst, trinkst du Falemergewächs«), denn dies scheint der Sinn zu sein, da die l^esung oder Erklärung des quantus^ das eine l nregelmäßigkeit in den Satz bringt, nicht über allen Zweifel erhaben ist ; die Bedeutung des Ganzen ist klar , und prächtig ist, wie der edle Fä- lemerwein am Schlüsse die poetischen Anklänge der ganzen Inschrift in einen regelrechten Pentameter sammelt. Die Verwünschung eines betrüglichen Kneipwirths ist oben (S. 480) unter den Versen mitgetheilt worden.

Wir beschließen diese kleine Ubei^sicht mit der Erwähnung der wenigen mehr oder weniger sicheren Notizen über Juden und Christen in Pompeji, welche sich bisher gefunden haben. Dass Juden in Pompeji gelebt haben, ist bei dem schwunghaften Handel, welchen die Stadt betrieb, an sich wahr- scheinlich genug, die sicheren Beweise aus Inschriften aber sind noch ziemlich vereiiizelt. ^V^as sich von ihnen hat auftreiben lassen, hat Garnicci im Bul- lettino Napolitano n. s. II, p. 8 zusammengestellt, doch ist von seinen Beweis- stücken das ^'orkommen eines anscheinend semitischen Namens Meruob in einer der schon oben (S. 465, Note***) erwähnten griechischen, nicht ent- zifferten Inschriften nur schwach, viel bedeutender die mehrfache Wieder^ holung des Wortes verpus in Dipiuti, da dieses eine aus Juvenal (Sat. 14, vs. 104) u. A. bekannte Bezeichnung der Juden ist, welche sich «diwerlich anders wird erklären lassen. Ganz vereinzelt, aber doch wohl nicht zu bezwei^ fein ist die Erwähnung von Christen in einer mit Kohle geschriebenen Inschrift in dem Hause No. 26 des Vico dei lupanari (679). Zum größten Theile ver- wischt lässt sie mit der nöthigen Sicherheit nur das einzige, aber wohl

*} Die Übersetzung folgt der Erklärung Jahns, Jahrbb. des Alterth. Vereins im Rhein- lande XIII, S. 106, aber vgl. denselben in Ber. d. k. Sachs. Ges. d. Wiss. IX, S. 196, Note 32. Suavü kann auch fem. und als Schenkin bezeichnet sein.

Eine piiinpejanif^chc Qiultung.slafcl u-ieärrha-gesktK .

Graffiti. Jüdisches und ChristUohes ; Quittungsjbafeln. 489

entscheidende Wort [C]HRISTIAN . . erkennen , welches speciell auf die neronische Christenverfolgung zu beziehn, wie dies geschehn ist, allerdings kern genügender Grund vorliegt. Eine unzweifelliaft christliche Lampe, welche nach Annahme der Akademiker von Herculaneum im Jahre 1756 in Pompeji gefunden sein soll, gehört dem vierten christlichen Jahrhundert an *) , kann also zur Lösung der Frage über die Anwesenheit von Christen in keiner Weise benutzt werden.

Um die Reihe der kleineren inschriftlichen Denkmäler des Verkehrs und des Lebens in Pompeji, welche durch eine Übersetzung und einige Worte der Erläuterung zum Verständniss gebracht werden konnten, nicht durch solche zu unterbrechen, welche eine eingänglichere Erklärung nöthig machen, hat die Mittheilung des interessantesten Inschriftenfundes bis hieher, an den Schluss des Capitels verschoben werden müssen. Es handelt sich um die Quittungstafeln des Bankhalters L. Caecilius lucundus ^•*"). Dieselben wurden am 3. und 5. Juli 1875 in dem durch sie seinem Namen nach bestimmten Hause Reg. V, 1, 26 gefunden, und zwar auf der Höhe des ersten Stockwerks über der Porticus des Peristyls, sorgfältig neben einander gepackt in einer hölzernen Kiste, welche selbst zu stark verkohlt war, um erhalten zu werden, während es gelang, ihren Inhalt, eben die Quittungstafeln, ihrer 127 an Zahl, mit unvergleichlicher Geschicklichkeit zu bergen, mehr oder weniger gut erhalten in das Museum nach Neapel zu bringen und zum größten Theile zu entziffern.

Diese Quittungstafeln, welche, wie schon ihre Verpackung in eine Kiste und ihre Aufbewahrung im ersten Stockwerke der Privatwohnung schließen ließ und wie die Daten, deren jüngstes aus dem Jahre 62 u. Z. stammt, be- stätigen, ein alter, zurückgestellter Besitz, sind meistens Triptychen, nur wenige Diptychen, d. h. sie bestehn, wie die ideale Reconstruction eines Triptychon in der l>eiliegenden Abbildung zeigt, aus drei mit einander ver- bundenen Holztafeln, deren Größe zwischen 0,137X0,120 M. und 0,100 X 0,053 M. schwankt. Von den sechs zur Auiuahme von Schrift geeigneten Seiten, welche sie darbieten, sind die beiden äußersten, 1 und 6 unbeschrie- ben und bilden die Decken. Die Seiten 2 und 3 wurden durch einen um- geschlungenen, durch Löcher in den Rändern gezogenen B^aden zusammen- geschlossen und enthalten die Haupturkunde nebst den Namen und den Siegeln der Zeugen; die Seiten 4 und 5 blieben offen und enthalten die Nebenurkunde nebst der Unterschrift und dem Siegel des Ausstellenden und den Namen und Siegeln von Zeugen. Die Seiten 2, 3 und 5 sind in der Mitte , bis auf einen umgebenden Rand ausgetieft und waren in dieser ver- tieften Mitte mit Wachs ausgefüllt, in welches die Urkunden mit dem Griffel geschrieben wurden; die 4. Seite zeigt nur eine Vertiefung für die Wachs- siegel des Quittirenden und der Zeugen, deren Namen auf der neben der Ver- tiefung (oft zu beiden Seiten derselben, welche in der Mitte liegt) stehn gelassenen Fläche mit Tinte geschrieben wurden. Auf dem obem Rande der Tafeln steht oft eine Überschrift (Inhaltsangabe) der Urkunde.

*) Oaxruoci, BulL Napol. n. 8. U, p. 8 o. £.

490 Sochfltefl Capltel. Zeupjnlsse des Verkehr« und de« TiCbens nach Inschriften.

Ihrem Inhalte nach zerfallen die Tafeln a) in Auctionsquittungen , d. h. Quittungen über vonL. ('aecilius luoundiis ausgezahlte, aus Auctionen stam- mende Gelder und b) Pachtquittungen, d. h. Quittungen über von dem Ge- nannten gezahlte Pachtgelder für die von ihm gepachteten Gemeindegrund- stücke.

Mit den Auctionsquittungen verhält es sich, wenn, der gebotenen Kürze wegen. Alles, sei es auch inannichfach interessant, hinweggelassen wird, was nicht streng zum Verständniss der Sache gehört, folgendermaßen.

Hei allen Arten von Verkäufen war es in der römischen Welt üblich, den Weg der öffentlichen Auction zu beschreiten, wobei jedoch der Verkäufer in den allerseltensten Fällen das Geschäft selbst besorgte. Da man näm- lich bei auch nur einigenuaßen beträchtlichen Gegenständen ein bestimmtes Auctionslocal und ein geschultes Personal für Ausrufung, Rechnungsführung, lieitreibuug des Geldes nöthig hatte, so bediente man sich eines Mittelmannes, des roarfor. Dieser tritt nun dem Publicum und dem Käufer gegenüber als Verkäufer auf, stellt die Zahlungsbedingungen fest und bürgt seinem Auf- traggeber für die Zahlung, welche er in der Regel sofort leistete, auch dann, wenn er selbst dem Käufer Credit geben musste. Hiezu hatte er selbstver- ständlich lietriebscapital nöthig und so kommt es , dass bei nur einigermaßen erheblichen Geschäften der coactor ein argeiitaritts ^ d. h. ein Bankier oder Hankhalter sein musste und dass er gewöhnlich als coactor argentartus oder auch nur als arge^iturius bezeichnet wurde.

Für die oben bezeichneten Leistungen und für die weiteren Geschäfls- unkosten , für das Local, die AMsmiex (praecofies) ^ die Bedienung und die Rechnungsfühiung, endlich für eine dem Staate zu leistende Abgabe von 1 % des Kaufgeldes erhielt der argentarüis seinen »Lohn« [merces] , welcher in der Regel 2% (= V^o? ^^guinqtiagesimaa) der gesammten Kaufsumme betrug, bei kleineren oder schwierigeren Geschäften aber höher berechnet werden konnte und in einem uns vorliegenden Falle von L. Caecilius lucundus mit 8% berechnet worden ist. Diesen Lohn des Auctionators hatte der Käufer als Zuschlag zu seinem Gebote zu erlegen , während dem Verkäufer die ganze Summe gut geschrieben und die Auctionskosten verrechnet, d. h. abgezogen wurden. Vom Käufer also wurden 102 statt 100 erhoben und der Auftrag- geber quittirte seinem Mittelsmann beim Empfange des Auctionsbetrages über 102 »weniger den Lohn« [mercede minus). Die Geringfügigkeit des Lohnes (wir sagen in unserem Geschäftsleben »der Provision«) des Auctionators erklärt sich nur aus der großen Zahl der von ihm besorgten Geschäfte, und eben diese große Zahl und der wenigstens zum Theil beträchtliche Umfang der Geschäfte (die höchste dem L. Caecilius ausgestellte Quittung lautet auf 38079 Sesterzen, in runder Simime 8270 M.) macht es begreiflich, dass die argeniarii zu an- gesehenen und vermöglicheu Leuten wurden, dergleichen unser pompejaner Bankhalter nach Ausweis seiner Wohnung geworden zu sein scheint.

Die Quittungen selbst nun, in welchen stets L. Caecilius lucundus als der Zahlende erscheint , dem die Quittung ausgestellt wird , während der Empfangende und Quittirende, einige Wiederholungen abgerechnet, stets

Orafflti. Quittungstafeln. 491

wechselt, zerfallen in zwei Formen, welche sich zugleich als eine ältere und jüngere erweisen.

Die erstere Form, welche, neun Fälle ausgenommen, den Inhalt der ver- schlossenen Tafeln (Seite 2 und 3, ))Haupturkunde«) ausmacht, darf man als das Protokoll einer mündlichen Verhandlung vor sieben (oder mehr) Zeugen, römischen Bürgern bezeichnen, abgefasst und geschrieben (stets von dei-selben Hand auf der 2. Seite) von dem Zahlungsleistenden, während von dem Em- pfängei' in der dritten Person gesprochen und von diesem erklärt wird, dass er die Zahlung der aus seiner Auction stammenden Gelder von Jj. ('aecilius lucundus bar ausgezahlt erhalten habe [numeratos se acceptsse dixit) . Auf der dritten Seite stehn dann die Namen der sieben (oder mehr) Zeugen, oft nebst Namen und Siegel des Quittirenden. Auf die vor Zeugen [testato) geführte Verhandlung und Empfangserklärung [acceptilatio] des Quittirenden wird dann in der (offenen) Nebenurkunde (Seite 4 mit den Worten facta mterrogatione tabellarufnsiffnaiarum) verwiesen. Und weil es sich um eine mündliche Ver- handlung und deren protokollarische Aufnahme vor Zeugen handelt, findet niemals eine Stellvertretung des Quittirenden statt, wie dies in den Neben- ifrkunden der Fall ist. Die Nebenurkunden nämlich auf der vierten und fünften Seite enthalten nur in drei Ausnahmefällen eine Wiederholung der Haupturkunde, der Regel und dem Wesen nach sind sie von der eigenen Hand des in der ersten Person redenden Empfängers geschriebene (c/iiroffra- phum]j unmittelbare Empfangsbescheinigung (scripsi me acceptsse), bei welcher es auf die eigenhändig vollzogene , unterzeichnete und untersiegelte Schrift ankommt, wobei, der Vorsicht wegen, Zeugen in beliebiger Zahl beigezogen werden können, aber nicht müssen, so dass sich lediglich von dem Empfänger des Geldes vollzogene Quittungen finden. Eben deswegen kann bei diesem Acte Stellvertretung stattfinden und muss dies, wo es sich um des Schreibens unkundige Personen handelt, um welche es sich in Pompeji wohl immer ge- handelt haben wird, da unter den Vertretenen sich fünf Frauen finden.

Da, wie gesagt, die Form der Haupt Urkunde die ältere ist, findet sie sich auch unter den datirten Quittungstafeln des L. Caecilius lucundus nur bei den beiden ältesten (vom 7. November 27 und vom 10. Mai 54 u. Z.) in der Neben- urkunde wiederholt. Unter den chirographischen, datirten Quittungen ist die älteste vom 29. Mai 54. Es scheint also, dass bis zum Tode des Kaisers Clau- dius die ältere Form die allein giltige war ; seitdem trat die eigenhändig ge- schriebene Nebenquittung auf und endlich (wie in neun der hier behandelten Fälle) gab man die ältere Form ganz auf und die Form der Nebenurkunde ist auch diejenige der Haupturkunde. Oder man begnügte sich mit einer ein- zigen eigenhändig geschriebenen und vollzogenen Quittung.

Von den Auctionsgelderquittungen unterschieden sich die Pachtgelder- quittungen zunächst dadurch, dass bei ihnen in allen Fällen der Gemeinde- sclave {servus actor ; colonorum coloniae Veneriae Cornelias sertms oder kürzer : coloniae sertms) der Quittirende ist, der aber (als Unfreier) giltig nur quittiren konnte, wenn zu seiner schriftlichen, unterschriebenen und untersiegelten Erklä- rung, das Geld empfangen zu haben, die Vollmacht der zur klagbaren Beitrei- bung der Gelder berechtigten Gemeindebeamten hinzukam , welche deshalb

492 SechHtes Tapitel. Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.

die UrkuiuU* ebenfalls zu uiitersebreibeii und zu besiegeln hatten. Eben dies zeigen auch die ])oinpejaniseben Urkunden, deren ältere von dem Gemeinde- selaven Secundus und deren jüngere von demjenigen Namens Privatus aus- gestellt und welche, da es Uuaestoren in der hier in Rede stehenden Zeit in Pompeji nicht gab, von den Kechtsduovirn, entweder von beiden, oder doch von einem derselben mit unterschrieben und besiegelt sind. Denn ein Fall ;No. 127). in welchem der aerous uetvr allein unterzeichnet hat, kann nur als eine Interimsquittung gelten, während auch die Fälle, wo neben den Rechts- duovirn noch ein weiterer Zeuge mitunterschrieben hat, als Ausnahmen erscheinen.

Eine weitere Abweichung der Pachtgelder- von den Auctionsquittungen besteht darin, dass bei jenen zur Bestimmung von Ort und Zeit die Gemeinde- behörden (üuovirn) an der Spitze stehn, deren Namen das Datum (Tag und Monat) folgt, während die C/Onsuln erst am Schlüsse bei der Ortsangabe ge- nannt werden, wogegen in den Auctionsquittungen die Gemein debetörden un- erwähnt bleiben.

Mit Übergebung mancher Einzelheiten , welche sich in Kürze nicht erörtern lassen, wie das \'erhältniss der Fälligkeitstermine zu den Zahltagen, die \'ermerke über früher bereits erfolgte Theilzahlungen u. dgl. m. ist nur noch anzuführen , dass die Zahlungen auf Grund eines mit der Gemeinde abgeschlossenen Pachtvertrages erfolgen, als dessen Gegenstand 1) eine Weide mit dem Pachtzins von 2075 sest. (pp. 573 M.). 2) eine Zeugwalkerei {fuUo^ nica] mit 1652 sest. (pp. 3S0 M.) Zins und 3) die Erbpacht eines der Gemeinde gehörigen Grundstückes (fundus) erscheint, in welcher L. Caecilius lucundus jährlich 6000 sest. (pp. 1286 M.) erlegte. Das Genauere über dies letzte Rechtsgeschäft lässt sich hier nicht darlegen.

in.

Zweiter oder artistischer Haupttheil

Einleitang und Allgemeines.

. Es ist schon in der allgemeinen Einleitung hervorgehoben worden, dass die Monumente Pompejis außer in antiquarischer auch in künstlerischer Rich- tung unser Interesse in Anspruch nehmen, und ebenso wurde in kurzen Zügen dargelegt, unter welchen Gesichtspunkten dies der Fall sei. Obgleich nun die antiquarische und die künstlerische Betrachtung vielfach in einander greifen und daher im ersten Theile dieses Buches mancherlei technische und künst- lerische Einzelheiten, welche für die Baugeschichte Pompejis von entschei- dender Bedeutung sind , haben berührt werden müssen, ist es doch zweck- mäßig erschienen, die beiderlei Gesichtspunkte so viel wie möglich getrennt zu halten, um sowohl der antiquarischen wie der künstlerischen Betrachtung ihre Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit zu wahren und der letztem die Hervorhebung mancher Gesichtspunkte zu ermöglichen, welche sich mit den gegenständlichen Erörterungen nicht wohl verbinden ließen.

So wenig aber im antiquarischen Tlieile die öffentlichen und privaten Gebäude Pompejis nach Maßgabe der Chronologie der Baugeschichte haben dargestellt werden können, da es galt, sie unter Zusammenfassung des gegen- ständlich Gleichartigen und Zusammengehörigen und deswegen sich unter einander Erläuternden zur Überaicht zu bringen, so wenig kann hier eine rein kunstgeschichtliche Abfolge der Betrachtung, wie sie vielleicht erwartet wird, unternommen werden. Der Grund davon liegt darin, dass die Reste der früheren Perioden von dem was aus den letzten Zeiten Pompejis, zwischen dem Erdbeben von 63 und der Verschüttung stammt, selbst auf dem Gebiete der Architektur und der mit dieser zunächst zusammenhangenden Wanddecoration und plastischen Ornamentik in dem Maß überwuchert wird, dass sie mehr oder weniger mühsam aufgesucht und als das was sie sind erwiesen werden müssen, während eine kunstgeschichtliche Anordnung der mit der Architektur nicht verbundenen ' Sculpturwerke und der llervorbringungen des Kunsthandwerkes, so gewiss unter

494 Zweiter oder artistischer Haupttheil.

beiden Älteres und Jünj^(»res untersehieden werden kann, nur zu sehr dürftigen und vielfaeli zweifelhaften Erj^ebnissen führen würde. Wenn gleichwohl im anti(|uarischen Theile nirgend versäumt worden ist, die Monumente innerhalb der gleiehartigen Grujipen so viel wie möglieh baugeschichtlich zu ordnen, oder wenigstens auf die Periode» ihrer Entstehung hinzuweisen, so soll hier eine allgeuieine kunstgeschichtliehe Übersicht über die Entwickelung der Kunst«; in Foni])eji der Einzelbetrachtung der verschiedenen Gattungen von Kunstwerken vorangeschickt und an diese in den späteren Capiteln erinnert werden .

Die drei oder vier IIau])tperioden der pompejanischen Bau- und Kunst- geschichte sind schon oben S. 3H bezeichnet und kurz charakterisirt worden.

Aus der illt(?sten Periode, deren Hegiini wir nicht bestimmen können und welche am sichersten durch die Kalksteinhäuser bezeichnet wird, während ihr ohne /iweiffd der griechische Tem])el auf dem Forum trianguläre (s. S. 88) und doch wahrsch(»inlich die Mauer in ihrer ursprünglichen Gestalt ohne Thürme angehört iS. 4:\) , lässt sich von Kesten der bildenden Kunst mit Sicherheit nichts nachweisen. /ug<»schrieben sind ihr ein Simafragment mit einem Löwenkopf als Wasserspeier von bemalter Terracotta (abgeb. bei Fiorelli, Gli neu vidi Pompvidal 18 Gl r// 1 872 tatu 20 und bei v. Rohden, Die Terracotten von Pompeji, Stuttg. 1880 Taf. l. vgl. 8. 31), welches man als von dem griechischen^ Tem])el herstanmiend betrachtet 's. oben S. 88] und welches in seinem schönen und kraftvollen Archaismus di(»ser Herkunft wenigstens würdig erscheint.

Anders und wesentlich besser stelin die »Sachen für die zweite Periode, die lUüthezeit der in künstlerischer Beziehung unter griechischen Einflüssen stehenden oskischen Cultur, der s. g. »Tuffperiodc« , zugleich derjenigen des ersten Decorationsstiles, welcher die Friedenszeit zwischen dem hannibalischen und dem Bundesgenossenkrieg (etwa von 200 80 v. u. Z.) umfasst. Dieser l^eriode, welcher die hauptsächlichsten Säulenbauten (die Porticus des Forums in ihrer altern Gestalt , diejenige des Forum trianguläre , der Gladiatoren- kaserne), der rJuppiter- und der Apollotempel, die Basilika, die Stabianer Thermen, die Palaestra, das größere Theater und die alten vornehmen Häuser d(»s Fauns, des Labyrinths, des Sallust u. s. w. in ihrer Anlage und die letz- teren auch ihrem llauptbestande nach angehören, ist zunächst eine ausgiebige Verwendung der Terracotta zu plastisch verzierten Baugliedem, Simsen, Wasserrinnen und Wasserspeiern zuzuschreiben, dergleichen wir vom Apollo- tempel (v. llohden a. a. (). 2 und Holzschnitt 22 a. i), wahrscheinlich von den Stabianer Ihermen (das. 7 u. 8) und aus den Häusern des Fauns (das. 5, 2. 6, 1. 21, l u. 2, und Holzschnittfiguren 32 u. 33) und des Sallust (das. 5, 1. 6, 2, vgl. S. 9 u. 10) kennen, um von weniger Sicherem zu schweigen. Aber auch zu Friesen scheinen Terracottareliefe damals verwendet worden zu sein, wie die Platten mit Nereiden aus der Casa del Fauno (das. 21) und die ver- wandten ungewisser Herkunft (das. 20, vgl. die Fragmente eines großen Frieses mit Reiterkämpfen das. 22 und Holzschnitt Fig. 12) zeigen. Nicht minder ge- hören die in Tuff gehauenen Köpfe an den Schlusssteinen der Bogenwölbungen des Nolaner Thores und des großen Theaters (s. oben S. 51 f. u. 158) dieser Periode. Für die schöne Hermesherme im ApoUontempel (oben S. 101) ist dies

Einleitung und Allgemeines. 495

wenigstens nicht unwahrscheinlich. Ob dagegen ebenfalls ihr oder einer spä- tem Zeit die Marmorcopie des polykletischen Doryi)horos in der Palaestra suzuschreiben sei, wird durch die oben S. 151 besprochene Art der Atifstellung zweifelhaft. Wichtiger aber als alles bisher Erwähnte ist, dass während Wand- gemälde dem Stil dieser Periode fremd sind, nicht der geringste Grund vor- liegt, zu bezweifeln, dass die bewunderungswürdigen Mosaiken der CcLsa del Fauno (s. oben S. 349 ff. u. vgl. unten Cap. 4) mit dem Bau dieses oskischen Patricierhauses gleichzeitig seien. Ob dies auch von der vortrefflichen Sta- tuette des tanzenden Satyrn (s. S.549 f.) gelte und wenn von ihm, dann auch von einigen anderen, ihm an Kunstwerth ebenbürtigen Bronzen, dies lässt sich nicht ausmachen und dasselbe muss man von dem schönen Niobebild auf Marmor (s. Cap. 3) sagen, welches in dem von Nissen dem Maius Castricius zugesprochenen, seiner Anlage nach altoskischen Hause (s. oben S. 56 f.) ge- funden worden ist.

Der frühesten Periode der römischen Herrschaft von der Gründung der Sullanischen Colonie bis zur Herrschaft des Augustus, also etwa dem halben Jahrhundert von 80 30 v. u. Z., dem von hervorragenden öffentlichen Bauten das kleinere Theater, das Amphitheater, die kleineren ITiermen und der Tempel der capitolinischen Gottheiten (s. g. Aesculaptempel oben S. 110 ff.) gehören, sind zunächst mit Sicherheit nur die mit diesen Bauten verbundenen Omamentsculpturen, also die in Tuff gehauenen Atlanten des kleinem lliea- ters (s. V. Rohden a. a. O. Taf. 26, 1) und die durchaus stilverwandten thönernen im Tepidarium der kleineren Thermen (das. 25) , weiter mit Wahrscheinlichkeit die nur in einem beträchtlichen Bruchstück erhaltene Terracottastatuette der stadtschützenden Minerva aus A&: porta dellu marina (das. 31, vgl. oben S. 53) zuzuweisen, während vielleicht auch eine Anzahl von Stiniziegeln mit Götter- köpfen , welche sich durch die Güte ihrer Technik und die Energie ihres Formenausdrucks vor anderen auszeichnen (s. von llohden Taf. 11 mit S. 34), von Bauten dieser kurzen Periode herstammen. Dagegen sind ohne Zweifel nicht ihr, sondern der letzten Periode Pompejis nach dem Erdbeben die thönernen Götterbilder des s. g. Aesculaptempels zuzuschreiben, s. vonliohden Taf. 29 mit S. 20 f. und 42 f. ; vgl. oben S. 112. Auf die Wanddecoration und die zu ihr gehörigen Gemälde soll weiterhin zurückgekommen werden.

Auch in dem letzten Jahrhundert Pompejis wird man zwei Perioden seines Kunstlebens zu unterscheiden haben, deren Trennung ungefähr durch die Thronbesteigung Neros (54 n. Chr.) bezeichnet wird. Die frühere, charakte- risirt durch die Blüthe des dritten Decorationsstiles, steht an Güte der Kunst- leistungen in der Hauptsache hinter der zweiten und dritten kaum zurück, von denen sie sich durch Verfeinerung und Eleganz unterscheidet, während die letzte, durch den vierten Decorationsstil bezeichnete, in mehr als einer Hinsicht eine Verfallzeit genannt werden muss.

Am wenigsten sicher datirt sind an sich die plastischen Monumente. Einen Maßstab für das, was wir von solchen der einen und der andern Periode zuzu- weisen haben, bieten uns die zu den datirten öffentlichen Bauten gehörenden, mit ihnen als gleichzeitig zu erachtenden Sculpturen. Da sei denn für die frühere Zeit an die im Tempel der Fortuna Augusta gefundenen Statuen (oben

496 Zweiter oder artiBtischer Haupttheil.

S. 1 15 f.), an die Porträtstatuen der kaiserlichen Familien in der Capelle des Macellum (S. 124), an das Altarrelief im Heiligthume des Genius Augusti (S. 118 f.), au die Statue der Concordia Augusta und die Porträtstatue der Eumachia in dem nach dieser letztem genannten Gehäude (S. 134) erinnert. Für die s])ätere Zeit bietet uns namentlich der nach dem Erdbeben von Grund aus neu gebaute 'l'empcl der Isis neben mancherlei architektonischen Oma- mentstücken in gebranntem Thon (s. von Rohden Taf. 17, l. 24, 1. 26, 2 und den Holzschnitt Fig. 3ö), zu denen sich die Stuccoreliefe an dem s. g. Purga- torium (oben S. lOD) gesellen, in den S. 106 f. genannten Statuen der Venus, der Isis und des Bacchus (s, unten Fig. 2S0) nebst der Herme des Norbanus und dem Fragment einer Sphinx von Terracotta (von Rohden Taf. 33) die erwünschten Muster, welche durch die Thonstatuen aus dem s. g. Aesculap- temjiel vermehrt werden.

Nach Maßgabe dit ser Muster wird man nicht zweifelhaft sein, das aller- meiste was sich von Decorationsstatuen von Marmor und Thon in den Privat- häusern gefimden hat, so gut wie die nur roh zugehauenen, auf einen Stuck- überzug berechneten Grabstatuen von Tuff der letzten Periode zuzuweisen und nur für wenige Ausnahmen eine frühere Entstehung anzunehmen. Zu diesen Ausnahmen wird mau unter den Marmorstatuen wohl die archaistische Artemis (Fig. 281) zu rechnen haben, welche einer anderweitig bekannten Liebhaberei der augusteischen Zeit für die alterthümliche Kunst entspricht, unter denTerra- cottawerkcn am sichersten die schöne, wenn auch noch nicht sicher gedeutete Statuette eines bärtigen sitzenden Mannes (bei von Rohden Taf. 32), welche auf ein griechisches Original zurückgeht , so wie den elegant und edel gestalteten Atlanten (das. 26, 2), welcher einen Tischfuß bildet. Von den decorativen Marmorsculpturen dürften am ersten mehre der kraftvoll und schön modellirten und vortrefflich ausgeführten Tischfüße , zum Theil nachweislich griechische Arbeiten, von denen im letzten Capitel des I. Haupttheiles gesprochen worden ist und von denen dort einige erlesene Muster mitgetheilt sind, der frühem Zeit zugeschrieben werden dürfen.

Anders als mit den Marmorstatuen und Terracottawerken steht es mit den größeren Hronzefiguren, deren örtliche Entstehimg in Pompeji außerdem im allerhöchsten Grad unwahrscheinlich ist. So wie sich unter ihnen weitaus das Beste findet, das in Pompeji von Kunstwerken zu Tage gekommen, so wird man, was schon oben l)ei Erwähnung des tanzenden Satyrn berührt worden, für manche derselben einen wesentlich altern Ursprung in wirklich guter Kunstzeit und eine Herkunft aus Griechenland anzunehmen geneigt sein, ob- gleich sich unter ihnen, vielleicht abgesehn von dem ApoUon aus dem Hause des Po])idius Secundus (unten Fig. 282), nicht allein keine Arbeit irgend eines namhaften Meisters, ja nicht einmal eine unmittelbare Copie nach irgend einem uns bekannten griechischen Originalwerke nachweisen lässt. Nur für wenige , durch eine gewisse Leere und Glätte auffallende Bronzefiguren , wie z. B. die in Fig. 283 abgebildeten, wird man unter die Periode des Augustus herabzugehn Grund haben. Von kleinen Bronzesigillen ist hierbei so wenig die Rede wie von den kleinen Thonfiguren, von denen bei von Rohden Taf. 37 ff. eine Auswahl abgebildet ist und welche ihrer Hauptmasse nach unzweifelhaft

Erstes Capitel. Die Architektur und das Bauhandwerk. 497

örtlicher Fabrikation und den letzten Jahrzehnten der Stadt angehören. Die malerische Wanddecoration auch dieser letzten Perioden kann erst weiterhin in einem andern Zusammenhang erörtert werden und dasselbe gilt von den Hervorbringungen des Kunsthandwerkes.

Aus dieser kunstgeschichtlichen Übersicht, mit so flüchtigen Strichen sie auch skizzirt sein mag, wird man wohl von vom herein den Schluss ziehn, dass man in Pompeji keine oder doch nur recht wenige Meister- und Muster- werke der Kunst zu suchen hat, womit freilich durchaus nicht gesagt werden soll, dass sich nicht manches Schöne und Erfreuliche fände. Aber nicht diese aus der Masse hervorragenden Stücke, welche man ja leicht aussondern und zusammenstellen könnte, oder doch nicht sie allein und nicht einmal vorzugs- weise sie sind es, welche ein näheres Eingehn auf die in Pompeji vertretene Kunst rechtfertigen ; es ist vielmehr auch auf dem künstlerischen .wie auf dem antiqtiarischen Gebiete das Ganze als solches, es ist der Zusammenhang alles Einzelnen unter einander und mit dem gesammten Leben der antiken Stadt, was der kleinen pompejanischen Kiinstwelt ihren eigenthümUchen Reiz und ihre große Wichtigkeit für die Forschung verleiht. Denn es giebt auch unter diesem Gesichtspunkte keinen Ort auf Erden, wo die Hervorbringungen der bildenden Künste von der Architektur an durch Plastik und Malerei und durch das Kunstgewerbe in. seinen verschiedenen Zweigen bis hinab zum reinen Handwerk auch nur annähernd in gleicher Vollständigkeit erhalten wären ; und wenngleich das Gesammtbild, das wir von der Kunst in Pompeji empfangen, nur dasjenige seiner letzten Periode ist, in welche die Reste der Vergangen- heit mehr oder weniger vereinzelt hineinragen, so ist doch auch dies unschätz- bar, mit nichts in der weiten Welt zu vergleichen und mehr als sonst irgend etwas geeignet, um uns die Kunst als einen organischen Bestandtheil des antiken Lebens erkennen und empfinden zu lassen.

Erstes CapiteL

Die Architektur und das Banhandwerk.

Erster Abschnitt. Material and Technik. 200)

Eine etWas eingehendere Zusammenstellung der Materialien, aus denen die pompejanischen Bauwerke aufgeführt sind, rechtfertigt sich nicht allein dadurch, dass mit dem Material die Technik au& engste zusammenhangt, sondern weiter und nicht am wenigsten dadurch, dass diese Materialien eine der wesentlichsten Handhaben zur Bestimmung des Alters der Bauten und demgemäß zur Herstellung einer Baugeschichte der Stadt darbieten. Im All- gemeinen findet sich in Pompeji wie in der ganzen Welt dasjenige Material

Overbeck, Pompeji. 4. Aufl. 32

498 Krstes Capitel. Die Architektur und das Bauhandwerk.

zu den Bauten verwandt, welches am Orte selbst oder in seiner nachbarlichen Um- gebung zu gewinnen war ; und sowie das in seinem Pentelikos marmorreiche Attika in seinen öffentlichen Monumenten fast nur Marmorbauten aufzuweisen hat, wie in anderen Gegenden Griechenlands bald Sandstein, bald Kalkstein, bald Tuff gebrochen und verbaut wurde, so sind in Pompeji hauptsächlich solche Gesteinarten verwendet, welche in der Nähe oder doch in nicht allzu großer Entfernung gewonnen wurden und noch heute nachweisbar sind. Doch ist schon hier zu bemerken, dass die ältere Zeit sich soweit möglich an das zunächst gelegene Material hielt, während der verfeinerte Kunstbetrieb die Herbeischaffung des für seine Zwecke geeigneten Materials aus größeren Ent- fernungen nicht scheute.

Ungewiss wo, jedenfalls aber in der Nähe hatte das selbst auf einem uralten Lavastrom erbaute Pompeji Brüche von Lava, einem sehr harten, schwer zu bearbeitenden Material, welches daher auch nur sehr selten zu Quadern behauen und nur an einer einzigen Stelle zu einer ganzen Quader- mauer verwendet worden ist. Auch ihr sonstiges Vorkommen in Pfeilern, Thürgewänden , Säulentrommeln u. s. w. ist vereinzelt, wahrend sie ihre Hauptverwendung außer im Straßenpflaster in den Schwellen der Thüren und Läden gefunden hat und außerdem als unregelmäßiger Bruchstein in kleinen Stücken häufig in den Wänden (dem optis incertum) der früheren Perioden vorkommt. Auch die vulcanische Schlacke [crtima] und der Bimsstein kommen nur unregelmäßig in Bruchsteinmauerwerk und, ohne Zweifel der Leichtigkeit wegen, in Gussgewölben, wie z. B. denjenigen der Stabianer Thermen, vor. Das erste Hauptbaumaterial ist ein aus dem Wasser des Samo niedergeschlagener Kalkstein, welcher sich längs des ganzen Flusslaufes in mehr oder weniger starken Lagern findet. Derselbe ist nicht durchaus von gleicher Beschaffenheit , bald dichter , bald poröser und von Pflanzenresten durchsetzt; frisch gebrochen ist er nicht hart und unschwer zu bearbeiten, während er an der Luft dunkelt und erhärtet und in den antik verwendeten Stücken braun aussieht und ein hartes, sehr widerstandfähiges Material darstellt, welches jedoch eine feinere Bearbeitung nicht zulässt und deswegen hauptsächlich da verwendet worden ist, wo gegen Druck, Stoß oder Verwitterung größerer Widerstand geleistet werden sollte. Im Übrigen ist sein Gebrauch früh eingeschränkt worden, und zwar zu Gunsten des ungleich feinkörnigem, durch sein Gefüge und seine graue Farbe von jenem leicht zu unterscheidenden vulcanischen Tuffes, welcher in den Bergen bei Nocera bricht und zu Lande aus einer immerhin ansehnlichen Entfernung herbei- gebracht werden musste, aber sich als ein sehr vorzügliches, auch zur feinem Formgebung geeignetes Material erweist, dessen überwiegende Verwendung die höchste Blüthezeit des selbständigen Pompeji (»Tufl^eriode«) bezeichnet. Neben diesem grauen Tuff erscheint eine zweite von gelber Farbe und sehr geringer Haltbarkeit, welche an den Küsten um Pompeji überall vorkommt, aber niemals in größeren Blöcken, sondern lediglich in kleinen, ziegelformig oder quadratisch zugeschnittenen Stücken in dem Mörtelmauerwerk verwendet worden ist. Dass dieses jedoch nur in den letzten Zeiten der Stadt geschehn sei, ist ein Irrthum. Dagegen gehört in architektonischer Verwendung

Erster Abschnitt. Material und Technik. Steinarten, Bauweise. 499

lediglich der Spätzeit ein allerdings schon seit alter Zeit bekannter weiBer, fest marmorartiger Kalkstein ungewisser Herkunft, der s. g. Travertin, an, den wir hauptsächlich aus der unvollendet gebliebenen Wiederherstellung des Forums nach dem Erdbeben (s. oben S. 73 u. vgl. unten Fig. 270) und sonst an einigen Bauten kennen lernen, an denen er als Ersatz für den kost- spieligen weißen Marmor zu dienen hatte. Denn dieser ist wesentlich als ein Luxusmaterial der Kaiserzeit zu betrachten, welches nur decorativ in den weiterhin genauer zu beschreibenden Formen verwendet wurde, uns aber wohl häufiger, als es thatsächlich der Fall ist, entgegentreten würde, wenn er nicht bald nach der Verschüttung seines Werthes wegen entfernt worden wäre. In dem Localmuseum der Porta della marina hat Ruggiero mehre Tafeln mit Proben der in Pompeji gebrauchten Marmor-, Alabaster- und sonstigen Stein- arten anbringen lassen und wir finden diese Steinarten in öffentlichen und in Privathäusem der späteren Bauperioden in Säulen imd Halbsäulen, Capitellen, Täfelungen, Thüreinfassungen und anderen Gliedern in zum Theil vortreff- licher Behandlung wieder. Auch zu Fußbodenplattungen wurde in öffentlichen und Privatgebäuden farbiger Marmor verwendet, der übrigens meistens in unregelmäßigen Platten, Plättchen und Stücken vorkommt, was den Gedanken nahe legt, dass es sich hier um den Abfall handelt, der etwa in der Hauptstadt bei der Herstellung von Prachtbauten übrig blieb und der in die Provinzen verkauft worden sein mag^®*).

Neben den Bruchsteinen ist endlich noch der Thonziegel zu gedenken, von denen wir nicht mit Sicherheit sagen können, ob sie einheimisches Fabrikat oder von außen her eingeführt worden sind. Indem auf ihre Verwendung in Verbindung mit anderen Materialien zurückgekommen werden soll, sei hier nur bemerkt, dass in Pompeji, wo sie am frühesten zur Dachbedeckung, dann zu Säulen (schon in der Basilika und in den vornehmen oskischen Häusern : del Fauna ^ del Laberinto u. a.) verwendet wurden, kein ganzes Bauwerk lediglich aus Thonziegeln errichtet worden ist und dass ganze Wände nur aus Ziegeln (wie die Fa^ade der Basilika gegen das Forum) zu den Ausnahmen zu rechnen sind.

Zu dem Material, von welchem die Bauweise abhangt, gehört aber nicht allein der Stein, aus dem, sondern eben so sehr das Bindemittel, mit dem man baut. Es ist eines der wesentlichsten Verdienste Nissens (Pompejan. Studien S. 40 ff.), dies nachgewiesen und daraus die für die Bauten in Pompqi sich ergebenden Folgerungen abgeleitet zu haben.

Nun findet sich neben dem verschieden gemischten Kalkmörtel an zahlreichen pompejanischen Bauwerken Lehm als Verband der Werkstücke verwendet, und wenn es auch irrig sein würde, alle die Stellen, wo dies der Fall ist, schlechthin für älter zu erklären, als diejenigen, wo Kalkmörtel ge- braucht ist, so ist doch sicher, dass der Lehm verband dem Kalkmörtel voran- gegangen ist und dass, so wie ein haltbarer Bruchstein- und Ziegelbau von der Verwendung von Kalkmörtel abhangt, der massive Quaderbau durch den Lehmverband bedingt und hauptsächlich durch das Aufkommen des Kalk- mörtels verdrängt worden ist.

Es unterliegt hiemach keinem Zweifel, dass wir in den massiven Quader-

32*

5(H| Erstes Capitel. Die Architektur und das Bauhandwerk.

bauten die ältesten Monumente Pompejis vor uns haben ; und zwar wurde in Privathäusern dem Samokalkstein, als dem in der größten Nahe zu habenden Material, der Vorzug gegeben. In den vollkommensten Mustern^ von denen nur als Beispiele die Casa del chirurgo (oben S. 279 f.), del navifflio (No. 44 im Plane) , deffli scienziati (No. 48 im Plane) genannt werden mögen und von denen die Fa^ade der Casa del chirurgo in der beiliegenden Abbildung mitgetheilt ist, finden wir in den Fa^aden und in den Hauptmauern, namentlich den- jenigen um das Atrium, welche wegen ihrer Durchbrechung mit den Thüren der umliegenden Zimmer und ihrer Belastung mit den Balken des Daches besondere Festigkeit erheischten, den Kalkstein in ziemlich bedeutenden, regelmäßig behauenen Quadern verwendet, zwischen denen eine dünne Lehm- schicht, nicht sowohl als Bindemittel, als vielmehr zu dem Zwecke angebracht ist, um durch sie kleine Unregelmäßigkeiten der Oberfläche auszugleichen, welche, indem sie einen ungleichmäßigen Druck der Quadern mit sich bringen, diese leicht zersprengen würden.

Dieser massive Quaderbau ist nun aber in keinem Falle durch alle Mauern eines Hauses durchgeführt, noch jemals durchgeführt gewesen, vielmehr ver- bindet sich mit ihm grade in den genannten besten Mustern dieser Bauweise, mit denen alle übrigen Beispiele übereinstimmen, für Innen- und Zwischen- wände, welche nichts oder doch nur geringe Lasten zu tragen und die Bäume nur abzuschließen hatten, der eigenthümliche Kalksteinfachbau, von welchem Fig. 262 aus einem Hause der Reg. VII, ins. 3 eine Probe giebt und der sich ebenfalls nur aus dem Mangel des Kalkmörtels verstehn läAst. Diese Wände bestehn aus kleinen Bruchsteinen, wie sie bei der Bearbeitung der Quadern abfallen mochten und daher überwiegend, aber nicht ausschließlich, ebenfalls von Kalkstein^ welche ohne Verbindung durch Kalkmörtel, vielmehr nur mit Lehmverband auf einander geschichtet sind und welche deshalb ein Mauer- werk von sehr geringer Haltbarkeit abgegeben haben würden. Aus diesem Grunde hat man diesen Wänden außer massiven Quaderecken ein System von Pfeilern aus theils flach gelegten, theils hochgestellten Quadern gegeben, zu dem der Holzfachwerkbau das Vorbild geliefert haben mag. Dies Quader- gerippe, dessen Zwischenräume mit den kleinen Bruchsteinen im Lehm verband ausgefüllt wurden, gab der Wand die nöthige Festigkeit, welche bei der Ver- wendung von wirklich verbindendem Kalkmörtel auch ohne dasselbe erreicht worden wäre.

Wenn oben gesagt wurde, dass ma^ für den ältesten Quaderbau dem Samokalkstein den Vorzug gegeben habe, so würde es doch irrig sein, zu behaupten, derselbe sei zu irgend einer Zeit ausschließlich im Gebrauche gewesen und die Verwendung des Tufles gehöre einer spätem Periode als die- jenige des Kalksteines an ; besteht doch schon das älteste uns bekannte Ge- bäude Pompejis, der griechische Tempel bis auf die CapiteUe aus Tuff (s. oben S. 88) . Vielmehr steht die Sache so, dass man den Kalkstein als das wider- standsfähigere Material da verwendete, wo es galt, äußeren Einflüssen (Stoß und Druck) zu begegnen, den Tuff dagegen als das feinkörnigere und leichter zu bearbeitende Material da, wo eine feinere und künstlerische Formgebung gefordert wurde. Aus diesem Grunde bestehn die unteren Theile der Stadt-

Eisten AbBohnitt. Hftterial und Teotmik. Steinarten, Bauweiw. 501

mauer aiu Kalkstein, während in den oberen Tuff verwendet ist (oben S. 44), aus demselben tirunde behauptet der Kalkstein auch in den prächtigeren

Fig. 26% Probe einci innoin Mauer auH Ealksteinf ach werk.

Häusern der Tuffperiode, deren Fa^aden und Säulen aus diesem Material her- gestellt sind, seinen Platz in den Waiidstückcn der Atrien, wieder aus dem- selben Grunde bestehn die Capitelle der Tuffsäulen des griechischen Tempels aus Kalkstein, und wenn sich hier und da in den Fa^aden der Frivathäuser wie in dem in Fig. 263 gegebenen Beispiele von der domua Spurit Mesoris (Vn, 3, 29) die beiden Gesteinarten so verbunden zeigen, dass die unteren Lagen aus Kalkstein, die oberen aus Tuff bestehn, so mögen hierfür ähnliche Erwägungen wie bei der Stadtmauer maßgebend gewesen sein. Es verdient hierbei hervorgehoben zu werden, dass die kleinen Fensterspalten, welche sich an diesem Bau erhalten haben, und welche der ältesten Bauweise angehören, sich in den oberen Tufflagen beEnden. Die größeren Fensteröffnungen sind erst später eingebrochen.

502 Etate» Capitel. Pii^ Architektur und Um Bauhandwerk.

Dio aiiMgedelinte , ja ganz überwiegende Verwendung des Tuffes aber beginnt im Zusanunenhange mit «lern Bestreben nach künstlerische): Gestaltung der Ilauglieder in der Periode, in welcher der Säulenbau im Innern der Häuser Eingang gefunden hat, mit welchem der Fa^adenbau in demselben Material Hand in Hand geht.

Von dem Charakter, der Fein- heit und Güte des Steines kann man sich aus dem vortrefflichen Quaderbau mit feinstem Fugen- schnitt und glatt geschliffener Oberfläche an der 26, 13 M. langen Fa9ade eines an der Westseite der (fi' Stradadi Merctaw gelegenenHau-

g ses, welche die beiliegende An-

sicht nach photographischer Auf- ^ nähme darstellt, eine Vorstellung

» machen. Es muss aber hervo^e-

5* hoben werden, daas dergleichen

)1 geschlossene Fa^aden in der Tuff-

en periode sehr selten vorkommen;

S" denn diese Periode, zugleich die-

g jenige des lebhaften Au&chwunges

gl des Verkehrs, war es, welche in

F der Regel die Häuser mit den nach

|. der Straße weit geöffneten Läden

g umgab, zwischen denen die Tuff-

^ quadem nur in Gestalt von Pfei-

^ lern die Fa9aden d^ Häuser

bilden. Daneben werden die Thür- pfosten imAnfang noch aus Kalk- stein,erstspäter aus Tuff als eigene Pilaster gebildet, welche denXhür- sturz tragen und welche nicht selten mit mehr oder weniger reichen Capitellen (daa reichste Muster an der Oasa dei oapüelii , ßgurati, No. 61 im Plane) aus- ! gestattet wurden. Uie oTuffperiode« war aber zugleich diejenige, in welcher der K a 1 k m ör t e 1 gegen- über dem Lehm zur durchgreifen- den Verwendung gelangte, und

Enter Ab6chnitt. Material und Technik. Kalkmörtel 503

zwar zunächst an den Innenmaiiem der Bauwerke mit Tuflfpfeilem, während später das Bruchsteinmauerwerk den Tuffquaderbau auch aus den Fa^aden verdrängte. Die Technik ist eine vorzügliche ; ganz selten und nur zur Ver- bindung von Kalksteinquadern braucht man reinen Kalk, der Kegel nach wird er mit Puzzolane gemischt, mit der er zu einer steinharten Masse zu- sammentrocknet. Mit diesem vorzüglichen Material wurden die Mauern aus kleinen, an ihrer Außenseite glatt behauenen Bruchsteinen erbaut, zu welchen man in der altem Zeit gleichmäßiges Material, in den unteren Theilen aus- schließlich Lava, weiter nach oben andere Steinarten wählte, während man später und namentlich bei dem Wiederaufbau der Stadt nach dem Erdbeben auch in dieser Beziehung nachlässig wurde, so dass sich das Mauerwerk der verschiedenen Perioden unschwer unterscheiden lässt. Dasjenige der altem Zeit, welches man namentlich an der Basilika, an den jüngeren Theilen der Stadtmauer imd an den Thürmen studieren kann, zeigt das s. g. opt4s incer- tum, d. h. eine horizontale Schichtung der mit mäßiger Mörtelmasse aufs festeste verbundenen Bruchsteine; die Ecken solcher Mauern stellte man anfangs noch aus Quadern, bald aber auch sie aus ziegeiförmig behauenen Bruchsteinen her, während Thonziegel, wie bereits bemerkt, in dieser Periode nur selten verwendet wurde. Erst später kam neben dem opus incertum das s. g. opus reticulaium, das netzförmige Mauerwerk mit schachbrettartig geord- neten Bruchsteinen und schräg laufenden Fugen auf, dessen gröbere Art (»Quasireticulat«) für die Bauten der sullanischen Zeit (kleineres Theater, Amphitheater, Forumstheater, Tempel der capitolinischen Gottheiten, an welchem letztem sowie an dem Grabmal des M. Cerrinius man in Fig. 61 und Fig. 198 eine kleine Probe davon erkennen kann] bezeichnend ist, während das reine Beticulat, d. h. dasjenige mit Ecken aus ziegeiförmig behauenen Stücken desselben Steines, zu Yitruvs Zeit allgemein üblich war, also gegen Ende der republikanischen Zeit aufgekommen sein wird, und endlich das in der spätem Periode übliche mit Ecken von Ziegeln am frühesten an der Südwand des Macellum nachgewiesen werden kann (vgl. oben S. 120 f.).

Außer als Mörtel wurde der Kalk aber noch zum Verputz verwendet. Die Frage, bis in welches Alter der Stuccoverputz hinaufreiche, ist eine offene ; oder vielmehr nicht die nach seinem frühesten Vorkommen, als vielmehr die- jenige nach dem Alter imd dem Maße seiner Anwendung und Verbreitimg. Denn schon die Bautheile des griechischen Tempels waren, wie oben S. 88 bemerkt worden, mit feinem weißem Kalkstucco überzogen, und es wäre gegen jede Analogie, anzunehmen, dass dieser Verputz erst nachträglich angebracht worden wäre. Während aber weder die Fa^aden des Kalksteins, noch die- jenigen des Tuffquaderbaus verputzt gewesen sind, ist es nicht gewiss, aber sehr unwahrscheinlich, dass die mit Lehm aufgeführten Kalksteinfach- wände unverputzt geblieben sind und hätten bleiben können. Und so wie die Ziegelwände (Front der Basilika) und Ziegelsäulen der Tuffperiode (s. oben) ohne Stuccoüberzug gar nicht gedacht werden können, so kann man auch daran nicht zweifeln, dass die Tuffsäulen derselben Periode ebenfalls verputzt gewesen sind, während die aus Bruchstein und Mörtel aufgeführten Mauern dieser Periode die eigentlichen Träger der weiterhin näher

504 Entei Capitel. Diu Anhitektui und das Bauh&ndimk.

zu schildernden ersten Decorations weise sind , welche auf der Nachahmunj^ von Marmorin crustation durch plastisch behandelten Stuccovcrputz beruht.

In Ketreff des Verputzes aber ist es fast noch wichtiger als in Betreff des rein Baulichen auf den großen Unterschied der älteren Perioden von der jüngsten aufmerksam zu machen, und zwar deswegen, weil hier der künst- lerische Charakter der Architektur und der Ornamentik fast noch unmittel- barer in die Erscheinung tritt. Der ünterechied ist aber der, dass der Stucco, wo er in den älteren Perioden als Verpiitz auftritt, nur bestimmt ist, dem un- scheinbaren und ungleichartigen Material ein edleres und gleichmäSiges Änsefau zu geben und der Färbung oder Malerei, wo diese auftrat, als Unterlage zu dienen, ohne, wie dies schon bei dem griechischen Tempel bemerkt worden i^t, irgendwo zum Träger auch nur des geringsten Gliedes zu werden. Er erscheint hierbei, technisch auf das vortrefflichste bereitet, als ein sehr harter und feiner Überzug, der weder architektonische Glieder noch selbst plastische Ornamente in ihren Formen verdirbt (vgl. z. B. von ßohden, Terracotten von Pompeji S. 9), während in ihm, da wo er im Innern selbst formgebend ver- wendet wird, wie an Simsen und den für den ersten Decorationsstil so charak- teristischen Zahnschnitten, die größte Schärfe und Genauigkeit der Formen zeigt. Im graden Gegentheil hierzu bildet der Stuccobewurf der spätem Zeit, welcher wesentlich als die Grundlage der Frescomalerei zu betrachten und unter diesem seines Ortes näher darzulegenden Gesichtspunkte vortrefflich ist, eine dicke Kruste, unter der jede Form wie jedes Material verschwindet oder gleichgiltig wird. Mit dieser dicken Verputzungskruste hat aber die letzte Periode Pompejis nicht nur ihre eigenen Bauten, sondern zum großen Theil auch diejenigen der früheren Perioden überzogen und verdeckt und dabei eine Menge schöner alter Formen nicht nur verhüllt und stumpf gemacht, sondern auch vielfach gänzlich umgewandelt. Hierfür möge es genügen auf ein be- stimmtes Beispiel hinzuweisen, welches Fig. 264 vei^egenwärtigt. Um die

Fig. 264. ÜbertQncbteH doriiches OebSlk vom Apollotempel.

ursprünglich ionischen Säulen mit dorischem Gebälk im Periboloe des Apollo- tempels (s. Fig. 51) mit dem in korinthischem Stil restaurirten Tempe) in eine Art von Übereinstimmung zu bringen, sind dieselben in der Weise, welche die

Erster Abschnitt. Material und Technik. Verputz; Holz. 505

Abbildung zeigt, übertüncht worden. Jetzt ist übrigens davon nichts mehr sichtbar, an der von Mazois überlieferten, vielen anderen entsprechenden und durch die zum Theil noch erhaltene dicke Umhüllung der Säulen verbürgten Thatsache jedoch nicht zu zweifeln. Ein Beispiel der Verunstaltung eines alten Traufkranzes von Terracotta behandelt von Rohden a. a. O. Auf die originalen Stuccoarbeiten der Spätzeit soll im dritten Abschnitte dieses Capitels zurückgekommen werden.

XJber die Bauweise der römischen Perioden Pompejis ist, wenn nicht auf eine Fülle von Einzelheiten eingegangen werden soll, welche großentheils bei der Beschreibung der einzelnen Gebäude berührt worden sind, nur wenig zu sagen. Das Hauptmerkmal dürfte das Aufhören des Quaderbaus und seine Ersetzung durch den Bruchsteinbau auch in den Paraden sein, wobei eine zunehmende Verwendung des Bäcksteinziegels in den Ecken und den Thür- pfosten bemerkt wird, welche letzteren zum Theil ganz aus Ziegeln, daneben freilich auch ganz aus ziegelformig geschnittenem Bruchstein oder gemischt, in abwechselnden Lagen (ein Bruchstein und zwei Ziegel) aus beiden Mate- rialien aufgeführt werden. Für die augusteische Zeit scheint die Anwendung des reinen opus reticulatum charakteristisch, während die Bauten nach dem Erdbeben vielfach die Spuren flüchtiger Arbeit und in der Wahl der Materialien sowie in der Technik geringere Sorgfalt zeigen. Daneben wird noch ein Mal auf die vielfache Verwendung des Travertins (s. oben) und darauf hinzuweisen sein, dass der Kaiserzeit neben dem dicken Stuccoverputz auch die Incrustation und Verblendung des Baukemes mit edleren Steinarten, namentlich mit Mar- mor eigenthümlich ist.

Mit dem Maurerhandwerk verband sich in allen Privatbauten Pompejis und in den meisten öffentlichen das des Zimmermanns, und Holz, besonders Fichtenholz, daneben, wie die Untersuchungen der Kohlen ergeben haben, in geringerem Umfange Nussbaum-, Kastanien-, Eichen- und Buchenholz wurde überall in großer Masse und auch da verwendet, wo es in der Gegenwart ver- möge der Holzarmuth Italiens vollständig verdrängt ist. Namentlich wurde es in den oberen Geschossen gebraucht, welche deshalb, wie bereits verschie- dentlich bemerkt, fast durchgängig zerstört sind. Von Holz construirte man so ziemlich alles Decken- und Dachwerk in Privathäusem wie in öffentlichen Gebäuden ; Wölbungen kommen außer in den Thermen, in den Thorbogen, in den Gängen der Theater und des Amphitheaters und in beschränktem Maß- stabe in einigen Privathäusem (z. B. S. 284. 322) und Grabmälem nicht vor, was um so mehr bemerkt zu werden verdient, als in der Durchführung der Wölbung der bedeutendste Fortschritt der römischen Architektur gegen die griechische liegt ; aber auch gerade Steinbalkendecken sind höchstens in ganz einzelnen Ausnahmen und in geringen Maßen nachweisbar, und selbst das Gebälk der alten Forumscolonnade besteht (wie S. 65 bemerkt) nicht aus einem Stück von Säule zu Säule, sondern ruhte auf einer Holzbohle, welche auf der Innenseite durch eine hochkantig gestellte Bohle verstärkt wurde. Auch hatte kein Tempel, keine der öffentlichen Hallen in Pompeji eine Steindecke, son- dern die Decke wie der Dachstuhl war von Holz und wahrscheinlich mit lebhaften und glänzenden Farben bemalt. Diese Thatsachen, welche auf eine

506 Erstes Capitel. Die Architektur und das Bauhandwerk.

große Hilligkeit des Holzes schließen lassen , stimmen damit überein, dass Italien noch zui* Zeit des Augustus ausgedehnte und prächtige Waldungen besaß, aus denen das viele und starke Langholz entnommen werden konnte, welclies zu diesen Decken und zu den Architravbalken über den Tablinum- und Ladenöffhungen nöthig war, welche nicht selten bis zu 5 M. Spannweite zeigen. Nichts desto weniger kann man auch an den Bauten Pompejis die all- mähliche Abnahme des Holzrcichthums gar wohl verfolgen. Es ist schon oben (8. 258) darauf hingewiesen worden, dass die Einführung der Säulen in die Atrien nicht sowohl als eine Verschönerung betrachtet wurde, sondern darauf beruht, dass es bei der fortschreitenden Entwaldung Italiens immer schwerer werden mochte, sich so schwere und starke Balken zu verschaffen, wie sie für das tuscanische Atrium nöthig waren. Sehr deutlich weist auf denselben Um- stand ein durch die sorgfältigen Untersuchungen des Architekten Ruggiero nachgewiesenes Verfahren hin, durch welches man in dem römischen Pompeji die Anwendung ganzer Balken von den angedeuteten Maßen zu umgehn imd eine bedeutende Ilolzerspamiss mit fester Construction zu verbinden wusste. Die Balken bestanden eben nicht aus einem Stück, sondern waren aus zwei hochkantig gestellten Bohlen (a) vom und hinten und aus einer darunter liegenden wagrechten Bohle [b) so etwa zusammengesetzt, wie es die folgende Skizze eines Durchschnitts Fig. 265 zeigt. Das Innere des so zusammen- gesetzten, eben so wohlfeilen wie starken Balkens wurde mit Mauerwerk in

Bruchsteinen mit viel Cement [c] und zu oberst Ziegeln aus- gefüllt. Man erneuert die betreffenden Gebälke jetzt auf die- « selbe Weise mit dem besten Erfolge. Von Holz bildete man ferner die zum Theil ausgedehnten Gallerien, von denen das V— ^j bedeutendste öffentliche Beispiel in der Gladiatorencaseme, Fig. 265. sehr ansehnliche aber auch in den Peristylen mancher Privat-

einjBB Balkens. häuser zu finden sind. Von Holz waren meistens in den

Häusern imd in einigen öffentlichen Gebäuden die Treppen bis auf die in der Regel von Stein gearbeiteten untersten Stufen, welche viel- fach den sichersten Anhalt zum Nachweis des Vorhandengewesenseins des Ortes und der Beschaffenheit der Treppen bieten ; sodann die Thüren, wenig- stens ständig in Privathäusem, meistens aber auch in öffentlichen Gebäuden, weshalb sie auch überall fehlen ; sicher in der Regel auch die Fenster, deren Existenz nicht mehr bezweifelt werden kann und an vielen Orten nachgewiesen ist. Nur in Ausnahmefällen, wie z. B. in den Thermen und in einigen Privat- häusem finden sich metallene Fensterrahmen und Sprossen. Nicht von Holz waren dagegen die Fußböden, sondern diese stellte man, den Forderungen des Klimas gemäß, aus Estrich und aus den verschiedenen Arten von Mosaik her, welche sich vom rohesten bis zu den wundervollen Mosaikgemälden erheben, die bereits genannt und weiter unten zu besprechen sind. Über die roheren Arten, welche man in Pompeji fast überall findet, sei hier nur kurz bemerkt, dass den Ausgangspunkt eine auf den geglätteten Boden ausgegossene und auf demselben geebnete Gyps- und Mörtelmasse bildet, welche nach einer in Signia (Segni) gemachten Erfindung entweder nur mit zerstoßenen Ziegeln oder einem sonstigen Stoff gefärbt wurde, und dadurch ungefähr das Ansehn rothen Granits

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Enten Abuhoitt. Material und Technik. Holz ; Mosaik. g07

erhielt, indem zugleich die Festigkeit erhöht wurde (opus Stgmnum), oder in welche man, wie wir dies nach der Auffindung eines unvollendeten Fußbodens ganz genau beurteilen können, nach Torgezeichneten Linien vor der völligen Erstarrung Terachieden gestaltete Ziegel- oder Steinstückchen incrustirte, mit denen mancherlei Linien und Figuren hergestellt wurden [vgl. Zahn II, 96]. Dies ist bereits ganz das Princip des in Grieclicnland erfundenen Mosaiks (Lithostroton) , welches in Kom seit Sullas Zeiten in Gebrauch kam, und von diesem einfachsten Mosaik bis zum vollendetsten Gemälde ist in Pompeji eine fast ununterbrochene Reihenfolge nachweisbar, indem die in den Gypsmörtel- grund eingelegten Steine denselben immer mehr verschwinden machen, wäh- rend in ihnen die Figuren und Linien immer reicher und mannigfaltiger, sodann diese Steinwilrfel immer kleiner, die Zeichnungen dadurch fleißiger werden, indem man femer die Steinwürfel farbig, oft sehr vielfarbig wählte, und sie endlich etwa in der Art eines Stickmustere so nahe und unmittelbar an einander rückte, dass der Grrund, in dem sie alle haften, vollkommen ver- schwindet. Beispiele, durch welche man sich die aufsteigende Reihe ver- gegenwärtigen kann, die aber in Verkleinerung und ohne Farben hier nicht ■wiederholt werden können, finden sich in Zahn's Ornamenten und Gemälden 2. Folge auf den Tafeln 56. 79, 96. 99.

Um aber über die Fußböden und Mosaike das Zimmerhandwerk nicht aus den Augen zu verlieren, ist zu bemerken, dass, was uns in den verschütteten Städten sei es im verkohlten Zustand oder Abdruck oder in Nachbildung, über- liefertist, in structiver Beziehung als gut, selbst vortrefflich behandelt anerkannt werden muss, wofiir namentlich die weit ausladenden Gallerien Zeug- niss ablegen und was bei den weiten Spannungen mancher Decken , z, B . im bedeckten Theater, im Sitzungs- saale der Decurionen und sonst vorausgesetzt werden muss. Aller- dings ist das Balkenwerk in Privat- luLusem, da wo es nicht in der oben näher ax^egebenen Weise zusam- mengesetzt ist, meistens einfach, ja sogar ziemlich roh bearbeitet, selbst nicht überall regelmäßig viereckig verschnitten, allein dies wird dadurch erklärt und entschul- digt, dass das Meiste durch ver- schiedene Verschalungen und Ver- putze den Blicken entzogen war.

Auch mehre der in Gypsabguss Fig. 266. Fragment einer Zimmerthür.

erhaltenen Thüren sind nichts we- niger als zierlich gearbeitet, wogegen z. B. die gemalte blinde Thür im hintern Gange des Gebäudes der Eumachia (oben S. 134) und diejenige im Hause des Sallustins (S. 304] wohl geeignet sind, uns von dem Zimmerhaudwerk einen

508 Erstes Capitel. Die Aiehiteklur und das Bauhandwerk.

günstigen Begriff zu gehen. Ganz besonders aber zeigt uns das ebenfalls im Gypsabguss erhaltene Fragment einer breiten Thür aus dem Innern eines Privathauses, von dem die vorstehende Zeichnung 202j (pig. 265) wenigstens eine Vorstellung geben vfird, die Arbeit der pompejaner Schreiner in sehr vortheilhaftem Lichte.

Metalle findet man fast an allen Orten im Bau verwendet, an welchen wir dieselben gebrauchen, und auch die Art des Gebrauchs stimmt mit der unserigen bis auf wenige Ausnahmen, z.B. die bronzenen Thürangeln überein. Bemerkt muss jedoch werden, dass gegen sonst bekannte Sitte des Alterthums das Eisen in Pompeji eine über die Bronze überwiegende Verwendung fand, und dass, was uns von Schlosserarbeit in Schlössern und Schlüsseln überliefert ist, so sinnreich es construirt sein mag, in auffallender Weiöe durch Schwer- fälligkeit und selbst Rohheit gegen die meisten sonstigen Handwerkerarbeiten in Pompeji contrastirt, was zum großen Theile damit zusammenhangt, dass noch nicht eine einzige Schraube so wenig wie eine Feder in Pompeji gefunden worden ist, vielmehr Alles, was an- und angeheftet wurde, mit durchgetriebenen und an der Spitze umgeschlagenen Nägeln und Stiften be- festigt erscheint ^03) .

Nach dieser zur Vergegenwärtigung des Wesentlichen wohl genügenden, gedrängten Ul)ersicht über die in Pompeji gebrauchten Baumaterialien imd die Art ihrer Verwendung ist der folgende Abschnitt bestimmt zu vergegen- wärtigen, was die pompejaner Architekten und Baumeister in formeller und stilistischer Beziehung geleistet haben.

Zweiter Abschnitt. Stil and künstlerischer Werth der Bauwerke in Pompeji.

Aus dem, was in der Einleitung über den Entwickelungsgang der Kunst in Pompeji im Allgemeinen und was im vorstehenden Abschnitt über die ma- terielle Bautechnik gesagt worden ist, geht hervor, dass wir auch an die künst- lerischen Leistungen der Architektur der verschiedenen Perioden einen sehr verschiedenen Maßstab zu legen haben, wobei es sich indessen, da aus der Zeit der Kalksteinquaderbauten so gut wie nichts erhalten ist, das uns über den künstlerischen Werth ihrer Architektur unterrichten könnte, in der Haupt- sache um den Unterschied der Blüthezeit der oskischenCultur, der »Tuffperiode« und der römischen Periode und allenfalls innerhalb dieser um die vor- und die nachneronische Zeit handelt. Diese letztere und der Wiederaufbau der Stadt nach dem Erdbeben aber ist es, welche den Gesammteindruck wie alles Pom- pejanischen so auch der Architektur bestimmt ; es mögen daher über die archi- tektonischen Leistungen dieser letzten Periode einige Bemerkungen voran- stehn, denen eine Betrachtung der älteren imd besseren Zeiten gegenübergestellt werden sollen.

Bei der Beurteilung der jüngsten Bauten Pompejis wird man gut thun, die strengeren Forderungen nicht nur der Regel und der Schule, sondern auch eines geläuterten Geschmackes so viel wie möglich bei Seite zu lassen, womit freilich nicht gesagt sein soll, dass wir diese Forderungen auch da schweigen

Zweiter Abschnitt. Stil und künstlerischer Werth der Bauwerke in Pompeji. 509

heiBen müssten , wo gedankenlose Nachahmimg das wenig Mustergiltige als Muster und rechtfertigendes Vorbild betrachtet hat, weil es auf classischem Boden steht.

Zimächst darf nicht vergessen o4er verschwiegen werden , dass eine Zeit wie diejenige, aus der die neue Stadt Pompeji stammt, nicht nach einem festen, einheitlichen, alle Kunstbewegungen beherrschenden Princip baut und bildet, imd deshalb auch, genau gesprochen, keinen eigenen Stil, d. h. keine Kimstform hat, welche aus dem Volksbewusstsein mit Nothwendig- keit so und nicht anders entspringt, imd welche sich deshalb folgerichtig in jeder einzelnen Schöpfung offenbart. Eine solche Zeit ist vielmehr die des Eklekticismus. Und doch, wenn wir imter Stil die Kimstdarstellung gemäß der eigensten und individuellen Anschauung eines Künstlers, eines Volkes oder eines Zeitalters verstehn, so geht auch den architektonischen Leistungen der Pompejaner in der letzten Periode ein Stil, ein gemeinsamer Charakter, ein eigenthümliches Gepräge, und zwar überwiegend dasjenige der Üppigkeit, des Strebens nach Mannigfaltigkeit imd decorativer Heiterkeit nicht ab. Die aus classischen Zeiten überlieferten Formen liegen auch den jüngsten Schöpfungen der pompejaner Architekten zum Grunde, aber deren strenge Anwendung und principielle Durchführung war diesem leicht lebenden Völkchen viel zu ernst und einförmig; deshalb wird die Norm und das Gesetz überall überschritten, und es entsteht eine Kegellosigkeit, welche der strenge Kimstrichter, der den Maßstab des reinen Princips anlegt, freilich in derselben Art verurteilen mag, wie Vitruv gegen die Phantasiearchitektur eifert, welche in seiner Zeit in der Decorationsmalerei herrschend zu werden begann. Dennoch wird man nicht verkennen, dass diese Kegellosigkeit vielfach den Beiz besitzt, den die Über- schreitung strenger Formen und Gesetze durch geistvolle und muntere Men- schen fast überall im Leben auszeichnet. Freilich kann auch hier zu weit ge- gangen werden ; von der Überschreitimg der Regel , von dem Verlassen des Princips bis zur Verwilderung sind nicht gar viele Schritte. Und auch in Pompeji finden wir in einigen der jüngsten Monumente Ausschweifungen, welche als Ausartungen und als mindestens der Beginn verwilderter, de&r innem Haltes barer Formgebung erscheinen. Ja man könnte eine recht lange Liste von unglücklichen und unrichtigen Motiven aufstellen, doch mag es genügen, einige der hauptsächlichsten deswegen hervorzuheben, weil sie nicht selten nachgeahmt worden sind.

Eines der häufigsten schlechten Motive, welches aus dem Streben nach Mannigfaltigkeit und Heiterkeit, der Furcht vor Eintönigkeit recht deutlich hervoi^eht, ist die abwechselnde Bekrönung sich wiederholender Wandfelder zwischen Pilastem mit flachdreieckigen und flachgewölbten Giebeln, von der in den früheren Zeichnungen zwei Beispiele mitgetheilt sind, das eine in der Mauer des Peribolos des Tempels des Genius Augusti (s. die Ansicht zuS. 117), das andere in der als Album benutzten Seitenwand des Gebäudes der Eumachia (Fig. 78, S. 135). Dieses letztere Gebäude, welches im Übrigen manches Hübsche aufzuweisen hat, wie namentlich z. B. die schöne und reiche Thür- einÜEissung von Marmor mit Arabesken, welche jetzt im Museum von Neapel den Eingang zum ersten Statuenzimmer bildet (s. die Probe weiterhin), ent-

510 Erstes Cftpitel. Die Architektur und da« Bauhandwerk.

hält in atigeschrügteii Kragsteinen unter der Dacheclii^ge des Giebels über der Ni»<^Ile atu Kiidc dos offenen Mittelschiffs (siehe Fig. 267) einen recht hässlichen

Fehler, der sich jedoch ähn- lich an anderen römischen Bauwerken, z. B. sogar an der Vorhalle des Pantheon in Rom wiederholt. Zweimal sicher , vielleicht noch öfter kehrt eine Durchschneidung eines graden Zwischen- gehälks durch einen run- den Kogen, der unter dem

Gebälk keine orinuiische F,s.267. 0,.l,.l™i.bu.„h,i*..„K.,g.»,..^ g,.^ ^^ ^^^^ ^

Triumphbogen (Fig. 28, vgl. Mazoialll, pl. 41, Fig. 3j und noch aufiallender am s. g. Furgatorium des Isistcmpels (Fig. 58) . In der halbrunden Nische an der üräberstraße Fig. 203 springt ein anderer Fehler in die Äugen, dass nämlich zwei Pilaster ohne Zwischengebälk über einander gestellt sind. Auf den ohne ätiitze in seiner jetzigen Gestalt unorganisch aus der glatten Wand schwer aus- ladenden Abacus unterhalb der Nischen zur Klei derbe wahrung in mehren Sälen beider Thermen (s. Fig. 1!9 und die Ansicht zu S. 225) ist schon früher (S. 206 u. 226) hingewieacn worden. Sehr gewöhnlich und viel zu häufig, um in einzelnen Beispielen angeführt zu werden, ist der Verstoß theilweiser Cannellirung der Säulen, welche den Begriff der Cannellur aufhebt, den Ausdruck des Aufstrebens des Säulen Schaftes, welcher so glücklich in ihrer Cannellirung gegeben ist, ver- nichtet. Die Nichteannellimng des untersten Drittheils der Säulen oder die Wiederausfüllung der Canncllur durch Kundstabe (s. den Peribolos des Isistem- pels und des Apollontcmpels in den Ansichten zu S. 80 u. S. 97) ist zum großen Theil eine praktische Folge der Üherkleidung mit der dicken Stuccokmste der Spätzeit, eine Sicherung eben dieser die Säule umgebenden Stnccomasse gegen die äußeren Verletzungen, welche hei lebhaftem Verkehr beinahe un- vermeidlich sind. Aber nachgeahmt, und zwar auch da, wo die praktische Rücksicht sie nicht gebietet, sollte diese Form des nicht muatergiltigen Alter- thums nicht so oft werden, wie es unter uns geschieht. Noch auffallender wird der Verstoß gegen das Princip der Säulen, wenn die Schäfte im untern Drittheil dicker gehalten und zugleich nicht, cannellirt sind, womit sich dann sehr noch das verschiedenfarbige Bemalen der Säulen verbindet. Man sollte sich doch nicht darüber täuschen, dass wenn man die aufstrebende Ver- ticale des Säulen Schaftes durch eine nicht durcl^efuhzte Cannellur oder durch verschiedene Stärke des Schaftes oder durch eine Fäxbung des untern Dritt- theils unterbricht, man gegen die Natur und das innerste Wesen der aus dem Boden aufstrebenden Stütze handelt und den Ausdruck ihrer Function trübt oder zerstört. Einen ähnlichen Fehler finden wir an vielen Wänden nach außen, bei denen das untere Drittheil oder die untere Hälfte aus einer ganz glatten Stuccomasse besteht, während nach oben der Bewurf in derselben Art, wie bei uns geschieht, in Hausteinform, aber freilich nirgends als eine mächtig

Zweiter Abschnitt. Stil und kQnstleiischer Werth der Bauwerke in Pompeji. 5]]

aussehn sollende Rustica, wie an manchen modernen Bauwerken, behandelt ist. So gut wie durch unvollständige Cannellirung der Begriff der Säulenfunction, wird hierdurch der Begriff der Wandfiinction, das Umhegen und Umschließen^ getrübt, abgesehn davon, dass in Quaderbauten, die doch nachgebildet sind. Niemand so etwas machen könnte. Finden sich diese und eine Reihe anderer, scheinbar kleinerer, aber aus derselben Quelle, der Principlosigkeit, fließender Fehler, welche übrigens nur Fachkenner würdigen könnten und die deshalb übergangen werden sollen, in öffentlichen Bauten, so ist begreiflicher Weise die Regellosigkeit in den Privatbauten noch viel bedeutender und steigert sich zu völliger Geschmacklosigkeit, wie z. B. der Bekleidung von Säulen und Pfeilern mit Mosaik oder in ihrer Bemalung mit einem schuppenförmigen vielfarbigen Ornament oder in Herstellung von Dingen, wie die Mosaikbrunnen in den nach diesen Brunnen genannten Häusern (Case della prima e seconda fantana a tnusaico, oder in der Casa del granduca oder derjenigen di Lucrezio und anderen) .

G^enüber diesen Ausstellungen dürfte es nun aber am Orte sein, mit besonderem Nachdruck dessen zu gedenken, was den Architekten Pompejis zu unvei^änglichem Ruhme gereichen wird, nämlich die bewunderungswürdig malerische Anlage der Privathäuser und zwar nicht am wenigsten derjenigen der letzten Periode. In der That kann man sich nicht leicht etwas Reizenderes und Anmuthigeres denken, als die perspectivischen Durchsichten dieser Woh- nungen vom Hausflur durch die Atrien, Tablinen, Peristylien und Xysten mit dem Schmuck der Säulen, der farbigen Wände, der marmornen Tische, Spring- brunnen, Piscinen, Brunnennischen. Und wenn diese inneren Ansichten in ihrer Mehrzahl noch jetzt im höchsten Grade mannigfaltig, reich ohne Über- ladung, farbig ohne Buntheit sind, so müssen sie im Alterthum noch ungleich lebhafter und reicher gewirkt haben, als jetzt, wo alle Räume der fehlenden Decken wegen im gleichmäßig hellen Lichte daliegen. Freilich haben im Alterthum geschlossene Thüren oder Vorhänge den Blick vielfach beschränkt ; allein wenn man sich diese Thüren oder Vorhänge im Tablinum geöfihet denkt und nun im Geiste aus dem halbschattigen Atrium durch das bedeckte Tablinum hinausschaut in das lichte Peristylium mit den grünenden und blühenden Grärten , den springenden und fließenden Wassern, den luftigen, farbigen Säulengängen, dem gelegentlichen Schmuck plastischer Decorationen und zierlicher Mobilien, so ergiebt sich ein Ganzes nicht allein von der rei- zendsten und behaglichsten Wohnlichkeit für das südliche Klima, sondern von wahrhaft künstlerischer Schönheit und Harmonie.

Wenden wir ims mm von den Bauten der letzten Periode denjenigen der früheren Zeiten und ihrer Fortsetzung im augusteischen Zeitalter zu, so wird es erlaubt sein, von den altclassischen Ordnungen, der dorischen, ionischen und korinthischen auszugehn tmd deren Modificationen in Pompeji ins Auge zu fassen.

Es zeugt von gutem' Geschmack und richtigem Gefühl, dass in der Tuff- periode die einfache dorische Ordntmg wenn nicht durchgängig, so doch ganz überwiegend zur Herstellung der Säulengänge um die großen Plätze und Hallen verwendet ist. Dorisch ist die Colonnade des Forum trianguläre, des Forum

512

Erstes Capitel. Die Architektur und das Bauhandwerk.

civile, der Gladiatorencaseme, der Palaeatra; auch die gröBeren Peristyle der Privathäuser gehiiren dem Durismua an, so z.B. in der CtuadelFauno (S,352), in der (Jasa del Labertnto (S. 345), iu dem Hause des Epidius ßufiis [S. 298}; auch der Säulengang an dem klei- nen Garten der Casa dt Saüastio ist dorisch (S. 344]. Ionisch dage- gen oder paeudoionisch und mit einander ganz übereinstimmend sind der Periboloa des Apollotem- pels (S. 97) und da£ erste Peristyl in der Casa del Fauao [S. 351). Die mehrfach aufgestellte Behauptung, der UorismuB herrsche in Pompeji Tor, ist also für die Tuäperiode ge- rechtfertigt, und nur wenn man die Stadt Pompeji, so wie sie aus ihren letzten Umwandlungen hervorge- S ■■-■ g<u^n ist, ins Auge fiisst, muss

■f r-:d man sagen, dass derselbe durch

eine überwiegende Verwendung der korinthiBchen und einer korin- thisirenden Misch- oder Phantasie- gattung überwuchert worden ist. Von den Bauwerken in dorischer Ordnung, welche freilich nii^nd in ihrer ganzen Würde auftritt, verdient die Colonnade des Forum trianguläre das meiste Loh (Fig. 26S a, vgl. für die Einzelheiten MaKois III, 10). Die Säulen sind üat T (6'/^) untere Durchmesser hoch und 3 Durchmesser von einander ent- fernt, eine Leichtigkeit, welche, obgleich sie bei classischen Tem- pelmuBtem vor der makedonischen Zeit nicht vorkommt, aus dem Zweck der Säulen, einen groBen Platz luftig zu umgeben und ein nur leichtes Dach zu tragen, sich gar wohl vertheidigen lasst, und welche dadurch um so harmonischei erscheint, das« auch das Gebälk verhältnissmäßig leicht (l'/s untere Säulen- durchmesset hoch) genommen ist. Die mit feinem weißem Stucco überklei- deten Tuffsäulen sind vom Boden aus eannellirt, sehr wenig veijüngt ('/« u. D.) imd ohne Entasis (Schwellung) sowie ohne den energisch hervoj^ebobenen Hals guter griechischer Vorbilder in das Capitell übergeführt, dessen Echinus

Zweiter Abschnitt. Stil und künstlerischer Werth der Bauwerke in Pompeji. 513

selbst im Verhältniss zu dem leichten Gebälk mit etwas zu wenig Ausladung straff zur dünnen Plinthe au&teigt, eine Form, welche durch das nicht sehr widerstandsfähige Material wenn auch nicht bedingt, so doch wohl veranlasst worden ist. Dem Schein der Leichtigkeit zu Liebe ist der Epistyl(Architrav)- balken in nicht ganz stilgerechter Weise der Länge nach in zwei gleiche Hälften zerschnitten, von denen die untere um ein geringes zurückliegt. Die in gutem Verhältniss ausladende Dachschräge (Geison) ist einfach, aber nicht makellos profilirt. Die Streben des Daches ruhten auf ihr imd in der Hinter- mauer einfach auf, eine Construction, welcher das Umstürzen der Säulen beim Erdbeben wesentlich mit zur Last fällt. Die einzelnen Blöcke des Gebälkes waren, wie sich aus der Abbildung Fig. 268 a erkennen lässt, im Innern durch eine durchgehende hochkantig gestellte hölzerne Bohle unter einander ver- bunden, wodurch ihre Tragfähigkeit vergrößert wurde.

Über den Dorismus der Palaestra (vgl. die Abbildung zu S. 151) lässt sich nur unvollständig urteilen, da das Gebälk verloren ist, und die Elemente nicht bekannt sind, auf denen Mazois' Reconstruction (III, 1 1) mit zerschnit- tenem Architrav und ohne Fries beruht. Nur das ist gewiss, dass die Säulen (von 73/4 u. D.) unverhältnissmäßig schlank und die Intercolumnien (von fast 6 u. D., Säulen 0,40 M., Intercolumnien 2,31 M.) zu weit sind, so dass lange nicht der harmonische Eindruck entsteht, den die Colonnade des Forum trian- guläre macht. Die Capitelle sind auch hier schwächlich, die Plinthen leicht, aber stark ausladend.

Die an der Südseite erhaltenen Theile der altem Colonnade des Forum civile (Fig. 268 J, vgl. Fig. 26) , welche nach der bereits lateinisch gefEissten Erbauungsinschrift der Spätzeit der oskischen Periode Pompejis angehört (vgl. oben S. 64 f.), erscheinen, so wie sie jetzt zum Theil wieder aufgerichtet sind und wie sie Fig. 269 in einer nach photc^praphischer Aufnahme gezeich- neten Probe darstellt, in den genau 5 untere Durchmesser hohen, 3 u. D. von einander entfernt stehenden ganz cannellirten Säulen nicht ohne Würde und Krafit, aber wiederum mit zu schwächlichen Capitellen ausgestattet und im Gebälk, auch wenn man dasselbe als Zwischengebälk betrachtet (s. oben S. 65) dadurch fehlerhaft, dass der Architravbalken fast ganz unterdrückt und ihm gegenüber Fries und Krönung schwerfällig ist. Über die Construction dieses Gebälks mit der untergelegten Holzbohle sowie über die wahrscheinliche Farbenausstattung desselben ist a. a. O. gesprochen worden. Interessant ist es, mit den ursprünglichen Säulen an der Südseite die der Restauration nach dem Erdbeben angehörenden an der Westseite zu vergleichen, von denen, wie sie ebenfalls in neuerer Zeit zum Theil wieder aufgerichtet sind, Fig. 270 nach photographischer Aufnahme eine Probe giebt (vgl. oben S. 73). Sie sind aus weiSem Travertin erbaut und schlieBen sich in ihren Ausmessungen natürlich den vorbildlichen älteren an, doch sind sie gänzlich uncannelllrt und es lässt sich kaum bezweifeln, dass sie später so geblieben wären, wenn nicht die Verschüttung die Arbeit unterbrochen hätte. Denn erstens ist auch der Fries ungegliedert und ohne die Abwechselung von Triglyphen und Metopen, welche die älteren Friesstücke zeigen, und zweitens ist die Cannellur auch am Halse nicht angelegt, wie dies bei dem Aufbau der Säulen zu geschehn pflegte,

OTerbeck, Pompeji. 4. Aufl. 33

51 4 Erstes Capit«!. Die Architektui und das Bauliandweik.

um nach den Maßen diesei) Anfangs die fertige Säule 2u cuuielliien. Auf die Construction des Gebälkes mit Keilschnitt der einzelnen Blöcke ist schon oben ft. a. 0. hingewiesen worden.

Fig. 269. pTobcstück der älccni ForumcoloDnade von der SadseiW.

Etwas leichter erscheint wiederum der Säulenumgang der Gladiatoren- caseme (Fig. 268 c, vgl. die Ansicht vor S. 1 97) , über deren uraprünglidi »ehr

Zweiter AtMchnitt. Stil und künaüenschei Wertti dei Bauwetke in Pompeji. 515

Teisctiedene Bestimmung oben S. 197 gesprochen worden ist. Die 74, im untern Drittheil nur gekanteten, in den oberen zweiDrittheilencannellirten, ursprüng- lich mit feinem Stucco bekleideten, s{wter mit einer dicken StuckhüUe umgebenen

Fig. 270. Pf»hcBtüok der reataurirt«n Fotumcolonnade Ton der Westseite.

Tuffsäulen, welche um 3</j u. D. von einander entfernt stehn, ersetzen mit ihier Hohe von 7Yj u. D. (dickO,48, hoch 3,60 M.) die fehlende Würde durch

516 Erstes Capitel. Die Architektur und das Bauhandwerk.

Eleganz, so dass man einen Sinn für einen harmonischen Gesammteindruck bei dem Baumeister erkennt. Dass hier aber wiederum der Fries wie beim Forum der Architrav fehlt , ist eben so wenig zu loben ; dass sich das Dach unmittelbar auf den Architravbalken legt, bringt ein gedrücktes Aussehn her- vor. Die ursprünglich aus Tuff gehauenen, leichten Capitelle sind durch Tünche in einer nur bei Mazois überlieferten Weise nicht zu ihrem Vortheil umgestaltet. Über die Colonnade, welche die Palaestra der Stabianer Thermen umgiebt (s. oben S. 220) ist kein Urteil möglich, da sie nur in ihrer letzten Umgestaltung und Entstellung auf uns gekommen ist (oben S. 218 f.). Die dorischen Säulen, welche zwei Seiten des Hofs der, wie S. 201 bemerkt, aus der Zeit der suUanischen Colonie stammenden kleineren Thermen umgeben, sind bereits wie die neuen Säulen des Forums ohne Cannellirung. Der zwei- farbige Ajistrich, welcher sie ihrer Höhe nach halbirt, wird dagegen der letzten Periode zuzuschreiben sein. Uncannellirt ist auch noch die aus der Zeit des Augustus stammende ionische Säule mit der Sonnenuhr im Apollotempel (s. oben S. 101], was hier beiläufig bemerkt wetden möge, und sind mehrfach die dorischen Peristylsäulen in Privathäusem. Dagegen kommen dorische Säulen mit Basen noch durchaus nicht vor.

Ein besonderes Interesse bieten die vierzehn Säulen, welche das Peristyl in der aus der römischen Zeit stammenden sogenannten Villa des Diomedes umgeben (Fig. 268 d, vgl. oben S. 369 ff.), indem sie in ihren Capitellen und Gebälken die Gliederschemata plastisch ausgeführt zeigen, welche den Glie- dern zum Grunde liegen und meistens nur mit Farbe in leichten Unurissen auf dem glatten Kern angegeben sind. Wenn dies einerseits ein nicht unwich- tiges Beispiel der Dauer älterer Tradition ist, so darf doch auch nicht verkannt werden, dass das Bewusstsein der Bedeutung der Ornamente nicht mehr leben- dig war, so dass zwar das Ornament des Echinus und der Sima, der s. g. Eier- stab (Blätterkyma), richtig \ind am richtigen Orte ist, während das Ornament der Plinthe ohne Analogie und Verständniss erscheint. Dazu kommt, dass die Cannellur zwischen den Hohlkehlen Stege stehn lässt, was den beiden jüngeren Ordnungen, nicht aber der dorischen zukommt.

Außer zu Gebäuden scheint die dorische Ordnung selten verwandt worden zu sein, die Grabmäler und die Geräthe wie Candelaber u. dgl. gehn in ihrer Formgebimg von anderen Ordnungen aus ; einen wie schönen Dorismus man aber gelegentlich doch außerhalb der Säulenbauten findet, zeigt der oben (S. 112, Fig. 63) abgebildete Altar des Tempels der capitolinischen Gottheiten, welcher, herstammend aus der Zeit der sullanischen Colonie (s. oben S. 111), dem berühmten Grabmal des Lucius Cornelius Scipio Barbatus im Yatican an die Seite gestellt werden kann.

Die ionische Ordnung ist am seltensten in Pompeji und findet sich in ihrer ganzen Reinheit und dem Reichthum ihrer Gliederung, in welchem sie in den Monumenten der Blüthezeit Griechenlands uns entgegentritt, nicht ein einziges Mal. Das vergleichsweise vorzüglichste Monument finden wir auch hier wie bei der dorischen Ordnung wieder in einem der ältesten Bauten, der Vorhalle des Forum trianguläre, von der in ihrem gegenwärtigen Zustande die der Seite 77 vorgeheftete Abbildung eine Ansicht giebt. Diese Halle zeichnet

ZwetteT Abschnitt. Stil und kOmatlemehBi ^V'»^th der Bauwerke in Pompeji. 5t 7

sich sowolil im Ganzen durcb schöne Verhältnisse vor den meisten Bauwerken Pompejis aus, wie auch die Säulen (Fig. 271 a) im Einzelnen von feinem Sinn und Verständniss der Formen und von dem Herrschen einer guten Tradition

Fig. 371. Proben der ioniicben Ordnung in Pompeji.

Eur Zeit der Erbauung dieser Ptopylaeen Zeugniss ablegen. Die Basis ist in ihrer Gliederung durchaus richtig gedacht, wenngleich ein wenig straff und trocken ausgefallen, der Schaft, der übrigens in seinem untern Theil aus- gefüllte (nicht ausgehöhlte, sondern nur durch Linien bezeichnete] Cannellur hat, kräftig, ohne schwer zu sein, das Capitell aber, welches Fig. 272 in einer nach photogiaphischer Aufnahme gezeichneten Probe darstellt, deren Eigenthiimlichkeiten in Fig. 271 kauok- erkannt werden können, weicht von classischcn Mustern Kiemlich weit ab, verdient aber um iK> mehr Beachtung, als ihm so ziemlich alle ionischen Capi teile aus den früheren Bauperioden Pompej is , auch diejenigen in I*rivathäusem entsprechen. Hervonfehoben zu

j j- . j 1 fr Fift- 272. loDiscbee Capitell von den Propylaeen

werden verdient, dass an der Vor- ** ^^ Forum uianguUre.

halle des Forum trianguläre wie an

anderen Gebäuden [z. B. auch am Peribolos des ApoUotempels) alle Capitelle durch diagonale Stellung der Voluten die Gestalt von Eckcapitellen haben, ein Umstand, den man, so wenig er zu billigen ist, wohl aus dem Streben nach vermehrter Zierlichkeit ableiten darf. Das Gebälk ist einfach, findet aber in dem jetzt zerstörten Tempel am Ilissos in Athen ein durchaus classisches Vorbild.

Weit Kurück steht hingegen, was sonst in ionischer Ordnung in Pompeji

518 Erstes Capitel. Die Architektur und das Bauhandwerk.

gebaut und hinlänglich erhalten ist, um beurteilt werden zu können. Zunächst ist bei einem der aus der altem Periode stammenden Bauwerke, dem Peribolos des Apollo tempels, die schon einmal (oben S. 99) berührte und von Vitmv (I, II, 6) streng getadelte Seltsamkeit hervorzuheben, dass die Säulen, welche vor ihrer durch Tünche bewerkstelligten Umwandlung ionisch waren, ein dorisches Gebälk mit Triglyphen und Tropfenregula tragen, weshalb man früher auch die durch den Stucco verhüllten Säulencapitelle für dorische ge- halten hat. Ganz dieselbe Verbindung ionischer und dorischer Ordnimg kehrt in dem Peristyl 36 der aus derselben Periode stammenden Cctsa del Fauno wieder (s. oben S. 351) und Ahnliches wiederholt sich in der Stuccodecoration des Zimmers No. 15 der Casa di SaUustio^^^) .

Die Cellasäulen des Juppitertempels (Fig. 271 b) haben gedrückte Basen und ein durch das fast gänzliche Fehlen des Polsters schwächliches , durcli schwerfällige Voluten steifes Capitell und der leichten Schlankheit erman- gelnde Schäfte, bei denen die Art, wie die Cannellur über der Basis unmittel- bar aufsetzt, sehr hart und unangenehm berührt; jedoch ist hier noch kein fremdartiges Element beigemischt, wie dies bei den Pilastercapitellen der Ba- silika (Fig. 27 t c) der Fall ist. Diese nehmen schon Einiges (Blätteransätze und eine Blume vor dem Polster \md der Plinthe) aus der korinthischen Ord- nung auf und bahnen jene Mischgattung an, welche man mit dem Namen des compositen Capi teils oder der römischen Ordnung zu bezeichnen, und für welche man den Bogen des Titus in Rom als das früheste Beispiel anzugeben pflegt. Wahrscheinlich aber haben wir in den Säulen desPronaos des Juppiter- tempels (Fig. 271 d) ein früheres Beispiel dieser aus Elementen des lonismus und der korinthischen Ordnung gemischten Gattung vor uns. Denn ob wir die Capi teile dieser Säulen für rein korinthisch erklären können, ist zweifel- haft. Freilich sind die Voluten abgeschlagen, aber der Bruch und die Fläche derselben scheint deren einstiges Vorhandengewesensein in einer Größe zu bezeugen, welche dem reinen korinthischen Stile nicht gemäß ist.

In Privatbauten ist die ionische Ordnung selten, jedoch immerhin nach- weisbar. Außer den oben bereits erwähnten Beispielen aus der Casa del Fauno und derjenigen di Sallustio finden wir ein recht gefälliges aus der Casa dei capitellißgurati bei Zahn II, 36, ein anderes weniger anmuthiges aus der Casa dei capiielli colorati daselbst 19 ; nicht minder ist das Peristyl in der Casa del rimperatore Giuseppe //ionisch. Auch bei den Grabmälem sind die Elemente des lonismus seltener (und dabei nie ganz rein) verwendet, als man es bei der alten Anwendung dieser Ordnung bei Gräbern erwarten sollte.

Am häufigsten findet sich, allerdings besonders in dem Pompeji der letzten Perioden, in öffentlichen und Privatbauten die korinthische Ordnung, freilich auch sie, die heitere Blüthe der Marmorarchitektur, selten ganz rein, meistens mit Elementen vermischt, welche von der geistreichen Launenhaftigkeit der Baumeister und von der Beschränkung durch das Material zugleich Zeugniss geben. Am reinsten und elegantesten in Verhältnissen und Aiwführung er- scheinen uns die Capitelle von Marmor im Gebäude der Eumachia (Fig. 273 a), ähnlich die am Grabmal der Mamia (Fig. 201), gegen welche die Formen der Capitelle in der Basilika (Fig. 273 i) und die sehr ähnlichen des restaurirten

Fig. 273. I^beo dei korintHiochen Oidnung in Pompeji.

Zweiter Abachnitt. Stfl uod künstleriichei Werth dei Bauwerke in Pompeji. 519

ApoUotempels sich stumpf und schwer ausnehmen, welcher Eindtuck durch die Verhältnisse des gamteu Oliedes noch vermehrt wird. Weniger fein als die Capitelle der Eumachia sind die Steincapitelle des Tempek des Ge- nius Äu^usti (Fig. 273 c, vgl. Mazois IV, 12], am weitesten von der Norm entfernt die Pilastercapitelle von y Stncco im Isistempel (Fig. 273 d), welche mit ihren einfachen Blättern und den nack- ten Voluten recht dürf- tig aussehn, sowie auch die Basis, welche die zwei Polster fast ohne Hohlkehle auf einan- der gelegt hat, überaus schwächlich ist.

Mit der Vei^genwärtigung der Monumente der drei altelassischen Ord- nungen an den pompejaner Monumenten ist aber erst eine Hälfte von dem gethan, was zu thun ist, wenn man sich von den in Pompeji auftretenden Bau- formen unterrichten will. Der lebendige Geist des Schaffens und Hildens im Sinne der Zeit offenbart sich viel deutlicher in dem Erfinden neuer Formen, als in der Wiederholung der alten und überlieferten, bei denen es mit Neue- rungen im Einzelnen immer misslich steht. Es ist freilich sehr möglich, dass der Kigonsmufi in der Kunst sich geneigt fühlen mag, die vielfachen Erfin- dungen, von denen jetzt ini reden, in Bausch und Bogen als unclassisch, als Spielerei einet ungeschulten Phantasie, als Aasgehurt der Laune zu verwerfen ; legt man aber einen billigem Maßstab , als den der starren Classicität an die heiteren Schöpfungen der campanischen Architekten, beurteilt man diese nach dem Werthe des in ihnen li^enden Formgefiihls , der Sinnigkeit und des Verständnisses der Functionen, so wird sich Manches finden, was unserer Billigung und , recht benutzt , unserer Nachahmung durchaus würdig ist. So mtmentlich viele der zahlreichen und mannigfachen s. g. Pti an tasiecapi teile von Stein imd Stucco, von denen in der folgenden Abbildung eine kleine Aus- wahl der vorzüglichsten zusftnmiengestellt ist, und von denen sich die einen an Formen und Elemente der ionischen (3, Fig. 274) , andere an die der korin- Uüschen (1, 2, 4, 6, 7, 8) Ordnung anlehnen, während einzelne entfernt an den Dorismus erinnern (z. B. die Capitelle der Säulen im Xystus des Sallust Fig. 274, 5, vei^l. Mazois U, pl. 37, 2], aber alle den Zweck und die Func- tionen des Säulen-, resp. Pilastercapitells mehr oder weniger klar, bündig, geschmackvoll ausdrücken und nur eine Minderzahl diesem echt künstlerischen Kriterium nicht genügt, wie namentlich solcheOapitelle, welche, seien es Köpfe.

520 Erstes Capitel. Diu Architektur und du Bauhandwerk.

seien es halbe Figuren, in ihre Gliederung auinehn[ien (vgl. Mazois II, Frontisp. und Taf. 36, 2)., Was von den Capitellen, gilt fast ebenso von den anderen Gliedern der Privatbauten, in Gebälken, Täfelungen und sonstigen Einzel- heiten ; in Maßen und Verhältnissen , in Anlage und Ausführung findet sich so viel Geschmack und feiner Sinn, dass sich eine MuBtersammlung von großem

^

Fig. 374. Phantasieoapitelle.

Reichthum zusainmenstellen ließe, wenn nicht die Beschränkung des Baumes und der technischen Mittel hier Verzichtleistung geböte. Dass neben den mustergiltigen Schöpfungen auch Verirrungen, Beispiele von Mangel an Ge- schmack, von Dürftigkeit oder von wirklicher Regellosigkeit der Phantasie vorkommen, wer könnte das verkennen und wen könnte das in Erstaunen setzen. Müssen wir doch vielmehr diese alten Baumeister bewundem und voll Ehrfurcht zu ihnen emporschauen, in denen der Geist der Form und des Prin- zips vielleicht mehr thatsächüch als bewusst, jedenfalls aber in echt künstle- rischer Weise so lebendig war, dass sie für eine Gestaltung, die wir ihnen mit Sinn und Verstand ablauschen, deren ganze Reihen aas der eigenen Phan- tasie hervorbrachten.

Dritter Abschnitt.

Sie Dsoorstioii und Ornamentik.

Dasjenige, was in den vorigen Abschnitten über die Bautechnik und Bau- geschiehte Pompejis milgetheilt ist, erheischt als wesentliche Ergänzung eine etwas nähere Erörterung des Systems der Decoration und Ornamentik, oder richtiger der verschiedenen, in historischer Entwickelung auf einander gefolg- ten Systeme. Denn nur einem ganz fluchtigen Beschauer kann die Decora- tionsweise der pompejaner Gebäude vermöge des Überwiegene des letzten Stiles

Dritter Abachnitt. Die Decoration und Ornamentik. 52 t

gleichartig erscheinen , wer auch nur etwas genauer zusieht und prüft , wird sich der durchgreifendsten Verschiedenheiten und unschwer auch dessen bewusst werden, dass in denselben Älteres und Jüngeres vorliegt, wenngleich man nicht im Stande ist, so ohne Weiteres die historische Abfolge der einzel- nen Decorationsweisen zu erkennen und festzustellen. Dies in umfassender scharfsinniger und überzeugender Weise gethan zu haben, ist das Verdienst von A. Mau 20*) , dessen Ergebnisse daher im Folgenden, so gut es ohne auf zu viel Einzelheiten einzugehn und ohne die Unterstützung von Abbildungen möglich ist, zusammengefasst werden sollen.

Von der Decorationsweise der ältesten Periode (»Kalksteinatrien«) können wir uns keine Vorstellung machen, es ist von ihr Nachweisbares nicht erhalten ; chronologisch feststeUbar ist nur diejenige der beiden letzten Jahrhunderte Pompejis. Der älteste Stil wird als solcher zunächst dadurch bestimmt dass er sich im Innern der Basilika findet, auf deren Wand, wie schon früher (oben S. 149) bemerkt worden, eine aus dem Jahre Roms 676 (= 78 v. u. Z.) stam- mende Inschrift eingekratzt ist. Allein dieser Anhalt ist deswegen ungenügend, weil sich aus ihm nicht ableiten lässt, wie viel älter die Decoration der Basilika und alles das sei, was mit ihr im System übereinstimmt. Weiter fuhrt die Thatsache, dass sich die Decoration dieses Stiles fast ausschließlich in Bau- werken aus der »Tuffperiode« findet, mit deren architektonischen Merkmalen, den Quaderfa^aden mit Fugenschnitt (oben S. 502) und den Zahnschnitt- gesimsen die in Bede stehende Decoration im unlöslichen Zusammenhange steht. Wenn nun die Tuffperiode, wie früher bemerkt, der langen Friedens- zeit zwischen dem hannibalischen und dem Bundesgenossenkrieg entspricht, so werden wir das zweite und den Anfang des ersten Jahrhimderts v. u. Z. als die Zeit des ersten Decorationsstils betrachten dürfen, dessen besterhaltene Muster uns auBer der Basilika die Ccua di Sallustio und die Casa del Fatmo (vgl. oben S. 301 f. und 347 f.) bieten, während sich mehr oder weniger be- deutende Überbleibsel in nicht wenigen anderen Gebäuden finden, welche beweisen, dass diese Decoration einstmals weit verbreitet war, aber von jüngeren Decorationsweisen verdrängt worden ist, und zwar an nicht wenigen Stellen in der Art, dass man deutlich die historische Abfolge zu erkennen vermag. Diese älteste Decorationsweise (erster oder »Incrustationsstil«) besteht in einer plastisch in Stucco ausgeführten Nachahmung der Wandbekleidung mit Tafeln mehrfarbigen Marmors, deren Vorbilder man aller Wahr- scheinlichkeit nach in Alexandria zu suchen und bis in das 3. Jahrhundert hinaufzudatiren haben wird. Denn in Italien war um diese Zeit die In- crustation der Wände mit wirklichem Marmor noch nicht eingeführt und wurde, wie ebenfalls schon früher bemerkt (oben S. 250), in Rom zuerst von Mamurra , dem Zeitgenossen Caesars , etwa ein Menschenalter nach dem in der Basilika angeschriebenen Datum angewendet. Eine Schilderung dieser Decoration im Einzelnen würde hier zu weit fuhren; es sei daher nur im Allgemeinen bemerkt, dass dieselbe, wie sie sich am besten erhalten und am strengsten durchgeführt in dem ursprünglichen Theile der Casa di Sallustio (oben S. 301) vorfindet, zu unterst mit einem in diesem Stile stets heller, ab die über ihm liegenden Mauertheile gehaltenen, meistens ganz glatten

522 Erstes Capitel. Die Architektur und das Bauhandwerk.

Sockel beginnt, über welchem mehre Lagen von quaderartig behandelten, zu Unterst größeren , zu oberst kleineren Rechtecken folgen. Diese bedecken jedoch selten die ganze Wand, meistens nur deren untere ungefähre Hälfte und werden durch das fiir diesen Stil ganz besonders charakteristische Stucco- gesims mit Zahnschnitt bekrönt, auf welches schon mehrfach in der Beschrei- bung der Häuser aufmerksam gemacht worden ist und das in Stein ausgeführt als Bekrönung der Thüren der größeren Thermen an dem Vico deUe terme Stahiane sowie sonst noch in einzelnen Beispielen aus derselben Periode wieder- kehrt. Oberhalb dieses Gesimses bildet die Wand entweder eine nur mit gröberem Stucco überzogene weiße Fläche oder sie ist doch nur durch ver- schiedene Farben felderweise, aber nicht mehr in Quademachahmung ein- getheilt und wird endlich zu oberst durch ein schmales und einfach gegliedertes Gesims abgeschlossen. In vielen Fällen, aber nicht immer, ist die Wand durch Pilaster oder Halbsäulen gegliedert; es verdient hervoi^ehoben zu werden, dass wo dies der Fall ist, wohl die nachgeahmten Quadern, niemals aber die Gesimse bis an diese Pilaster hinangeführt sind, vielmehr kurz vor ihnen mit Wiederholung ihres Profils an den Enden abbrechen. Dasselbe ist neben Thür- gewänden der Fall ; die Nachahmung einer mit dem Gesims abschließenden Mauer ist also nicht rein durchgeführt. Eben so wenig ist dies die Nachahmung der Quadern, indem zwischen diese trennende Glieder eingeschoben und die Stuckmarmorplatte mit anders£Eu:bigen Rändern umgeben wird.

Größere Gemälde, welche in mehren der späteren Stilarten den Mittel- punkt des ganzen Wandschmuckes bilden, sind von dieser Decorationsweise gänzlich ausgeschlossen ; durch Malerei sind nur kleine Zwischenglieder aus- gedrückt und außerdem finden sich, nicht häufig, auf einzelnen Platten ein- farbige Darstellungen, welche zum Theil wie Naturspiele des Marmorgeäders aussehn sollen, zum Theil enkaustische Marmormalerei nachahmen. Um so unzweifelhafter ist es, dass die malerischen (Mosaik-) Darstellungen in den Fußböden mit dieser Decorationsweise zusammenhangen und mit ihr gleichzeitig sind (s. oben S. 495). Die malerische Decoration in älterer Zeit ist offenbar durch die prachtvolle Marmorincrustation der hellenistischen Periode von den Wänden auf die Fußböden verdrängt und hier durch das in eben dieser Periode er- fundene Mosaik in dauerhafter Weise festgehalten worden.

Die Decorationsweise des ersten Stils tritt uns als eine durch lange Übung ausgebildete Decorationskunst entgegen, welche, ihres Grundmotivs bewusst, dieses nicht in sclavischer Nachahmung wiedergiebt, sondern den Anforderun- gen des eigenen Materials gerecht wird und sich mit mancherlei Modificationen den zu schmückenden Räumen anzupassen weiß, wobei jedoch in der Wahl der Farben immer die Grenze dessen eingehalten wird, was mit den in Marmor vorkommenden wenigstens eine gewisse Ähnlichkeit hat, weswegen sich die Farbenscala hauptsächlich von Schwarz durch Yiolet, Grün, Roth, G«lb und verschiedene Marmorirung bewegt, Blau dagegen so gut wie völlig ausschließt.

Der zweite oder »Architekturstil« kann im Allgemeinen dahin charak- terisirt werden, dass er die Wand nicht omamentirt, sondern zum Feld einer Darstellung architektonischer Art macht ; er zerfallt sie daher in mehre, in verschiedener Tiefe liegende Flächen der gemalten Architektur, behandelt die

Dritter Abschnitt. Die Decoration und Ornamentik. 523

Torspringenden Theile perspectivisch und durch Licht und Schatten und giebt jedem Theile sein bestimmtes Yerhältniss zu dem architektonischen Ganzen. Er steht also mitten zwischen dem ersten Stile, welcher die architektonische Ornamentik in plastischer Wirklichkeit darstellt und den späteren Stilarten, welche die Wand als solche decoriren, jedoch zeigt er mehre Entwickelungs- stufen , welche sicher principiell , wahrscheinlich auch zeitlich auf einander gefolgt sind. Auf der ersten Stufe, für welche die Casa del Laberinto (oben 8. 342) das beste Muster bietet, ahmt dieser Stil eben so wie der erste die Incrustation der Wände mit Marmor nach, allein nicht mehr plastisch, sondern lediglich durch Malerei; dies bezieht sich sowohl auf den Sockel und die Quadern der Wand mit dem sie umgebenden glatten Streifen , über welchen die Mitte durch Schattenlinien als erhoben gebildet ist, wie auf das charakteristische Gesims oberhalb der Quaderlagen und alle sonstige Gliederung der Wandflächen. Oberhalb des Gesimses setzt sich die Wand theils in liegenden Rechtecken (Marmortafeln nachahmend) fort, theils zeigt sie einheitliche größere Flächen, an welche verschiedene weitere Modi- ficationen anknüpfen. Ein wesentliches Merkmal dieses Stiles besteht darin, dass man, um den engen Baum der Zimmer scheinbar zu erweitem, Säulen oder Pilaster auf die Wände malt, und zwar so, dass sie entweder (seltener) auf dem Fußboden oder (gewöhnlich) auf dem perspectivisch vorspringenden Sockelstreifen aufsetzen und bis zur Decke emporragen, unter welcher sie das Epistyl tragen. Da sie nun in der Fläche der Wand liegen, so soll die zwischen ihnen gemalte Wand als hinter ihnen zurücktretend erscheinen. So große Sorgfalt aber auch auf eben diese perspectivische Wirkung gelegt ist, so wenig ist sie irgendwo streng richtig durchgeführt, noch war dies bei den wechselnden Gesichtspunkten des Beschauers möglich. Die Fiction der hinter den Säulen in größerer Tiefe sich hinziehenden Wand führt dann dazu, dass, während zwischen den Säulen vielfach Guirlanden wie frei schwebend auf- gehängt werden, das den imtem Wandtheil abschließende Gesims hinter ihnen fortlaufend gemalt wird. Auf dem untern, auf diese Weise selbständig ge- wordenen Wandabschnitte werden nun 'entweder die Incrustationsplatten des ersten Stiles beibehalten oder diese Tafeln weichen einheitlichen und ein- farbigen Wandflächen, welche die Aufnahme von Bildern an diesen Stellen vorbereiten, während der obere Wandabschnitt entweder als eine abermals entfernter liegende Wand oder eine dahinterliegende , theilweise recht weit ausgeführte Architektur behandelt oder endlich himmelblau gefärbt wird, so dass es scheinen soll, die Wand erhebe sich nur bis zum Gesims und oberhalb desselben sehe man in's Freie.

Durch diese Behandlung der Wandflächen innerhalb der architektonischen Gesammtdarstellung , deren verschiedene Abwandelungen hier nicht weiter verfolgt werden können , bahnt sich dann endlich auch die Wiederaufnahme der durch den ersten Stil verdrängten Gemälde in den Wandschmuck an. Es ist ein erster Schritt , wenn auf dem Abschluss des imtem Wandabschnittes verschiedene Gegenstände : Masken, Gefäße, kleine Tafelbilder als aufgestellt gemalt werden, ein weiterer,' wenn, in nicht eben zahlreichen Fällen, der obere Abschnitt von einer Landschaft mit Staffage , auf die man gleichsam hinaus-

524 Erstes Capitel. Die Architektur und das Bauhandwerk.

blickt, eingenommen wird. Es schließt sich an , wenn der Fries des untern Wandabschnittes mit landschaftlichen Darstellungen verziert wird und wenn auf einzelnen Platten desselben kleine Bilder, aber noch nicht Nachahmungen von Tafel gemälden erscheinen. Der entscheidende Schritt aber wird mit eben dieser Nachahmung von Tafelbildern gethan, welche man in den reichen Häusern der frühem Periode ohne Zweifel vielfach vor den Wänden auf- stellte und welche nunmehr in die überhaupt nur gemalte Decoration selbst aufzunehmen und damit auch weniger Bemittelten den Gemäldeschmuck ihrer Wohnungen zu ermöglichen kein entscheidendes Hindemiss mehr vorlag. Und so finden wir denn in der letzten Entwickelung des Architekturstiles die Wand zur Aufnahme des Schmuckes größerer Gemälde hei^erichtet, ja diese als den Mittelpunkt der ganzen Decoration behandelt. Die mittleren Säulen werden vor den übrigen, welche zum Theil durch candelaberartige Gebilde ersetzt werden, hervorgehoben , erhalten ihr eigenes Gebälk und einen selbständigen Abschluss und bilden auf diese Weise ein pavillonartiges Bauwerk , welches ein gleichsam dahinter erscheinendes Hauptbild einfasst und in auszeichnender Weise umrahmt. Auf den seitlichen Wandflächen treten nun aber nicht selten ebenfalls figürliche Darstellungen auf, seien es Einzelfiguren, welche auf eige- nen Sockeln stehn oder schwebend auf der Wandfläche gemalt sind , seien es Gegenstände, welche wie an der Wand hangend gedacht werden. Das ganze auf diese Weise ausgebildete System aber bereitet den dritten Stil vor, von dem sich der zweite in seiner letzten Entwickelung hauptsächlich durch das Festhalten an structiv möglicher oder möglich scheinender Behandlung der Glieder unterscheidet, bei denen auch das für sie angenommene Material, sei dies Marmor , sei es Holz oder Metall , in seiner Farbe und in den ihm natürlichen Formen mehr oder weniger gewissenhaft nachgebildet ist. Den Zeitpunkt aber, in welchem der zweite Stil, dessen Beginn sicherlich später ist , als die Tufiperiode und mit der Deduction der sullanischen Colonie zu- sammenfallen wird, durch den dritten verdrängt worden ist, lässt sich mit voller Bestimmtheit nicht angeben ; die frühesten Zeugnisse für das Vorhandensein des dritten Stils (in Inschriften auf in diesem Stile decorirten Wänden) fallen in die Jahre 15 19 n. Chr. ; man wird aber schwerlich irren, wenn man den Beginn desselben etwas früher und den Übergang des zweiten in den dritten Stil etwa um den Beginn unserer Zeitrechnung ansetzt.

Der dritte oder »Decorationsstil« hält das architektonische Schema in der Theilung der Wand aus dem zweiten Stile fest, aber er charakterisirt die Theile nicht mehr oder doch nur andeutungsweise architektonisch. Auch hier bildet der pavillonartige Bau für ein Hauptbild , welches auch meistens , aber nicht immer vorhanden ist , den Mittelpunkt der ganzen Deconition [und sein Ge- bälk enthält noch Nachklänge eines vollständigen Baues , aber er erzielt seine Wirkung wesentlich durch die Farben. Die weißlichen Säulen , welche auf einem nicht mehr als vorspringend gemalten Sockel stehn , sind uncannellirt, oder die Cannellur ist nur durch feine Linien angedeutet ; sie sind mit fiEurbigen Ringen oder spiraligen Bändern umgeben , in mehrere Abschnitte zerlegt, in dem Gebalke herrscht der mit feinen Flächenomamenten in matten Farben, selten mit körperlichen Gregenständen verzierte Fries vor. Der immer dunkele,

Dritter Abschnitt Die Decoration und Ornamentik. 525

meistens schwarze Sockel ist mit sich durchkreuzenden feinen Linien, seltener mit straff gespannten Laubbändem, noch seltener mit weiter ausgeführten Ornamenten verziert ; die auf ihm gemalten , wie aus dem Boden aufsprießen- den Pflanzen theilt dieser Stil mit dem vierten , niemals aber zeigt der Sockel dieses Stiles Marmomachahmung , welche erst im vierten , wahrscheinlich im Anschluss an wirkliche Marmorincrustation in reichen Häusern der letzten Zeit wieder aufkam. Über dem Sockel pflegt ein reich omamentirter Streifen zu liegen, welcher sich ähnlich als oberer Wandabschluss wiederholt. Die verticale Theilung der Wand wird durch zum Theil auf's reichste omamentirte Streifen bewirkt, in welchem körperliche Darstellungen mit Flächenoma- menten auf eigenthümliche Art verbunden werden ; schmale Wandstreifen, durch welche zu breite Flächen getheilt werden , zeigen diesem Stil eigene weiß gemalte und auf das feinste und geschmackvollste verzierte Candelaber. Die Seitenfelder der Wände sind mit feinen mehrfarbigen Linien oder mit jenen straff gespannten Laubbändem eingefasst, welche auch am Sockel er- scheinen und welche , indem von ihnen äußerst fein gezeichnete Zweige und Kränze ausgehn , auch die Fläche der Wand überspannen , in deren Mittel- punkte wohl eine einzelne Figur , aber weit seltener als im vierten Stil ein nachgeahmtes Tafelbild angebracht ist. Unter diesen Figuren sind solche aegyptischen Charakters im dritten Stile nicht selten. An dem obem Theile der Wände, wo die Vorstellung eines offenen Raumes zum Grunde liegt, finden sich phantastische Architekturen, welche aber, bald weiß auf rothem, bald blaugrau auf weißem oder gelbem Grunde , sorg^tiger gemalt sind , als in dem jüngsten Stile. Überhaupt ist größte Sauberkeit , Feinheit und Sorgfalt in allen Einzelheiten für diesen Stil charakteristisch und bildet den schärfsten Gegensatz gegen die auf eine malerische Gesammtwirkung abzielende flotte und nachMssige Technik des letzten Stiles. Indem auf eine Menge interes- santer Einzelheiten und Abarten, welche sich theils nicht ohne Weitläufigkeit erörtern , theils ohne Hilfe von Abbildungen unmöglich verständlicb machen lassen, verzichtet werden muss, sei nur noch bemerkt, dass auch in den Haupt- bildem, und zwar sowohl ihrem Gegenstande wie auch ihrer Behandlung nach, der dritte Stil sich von dem vierten sehr bestimmt unterscheidet , worauf bei der Betrachtung der Malerei zurückgekommen werden soll. Als die Zeit , in welcher der dritte Stil herrschte, lässt sich mit ziemlicher Bestimmtheit und Genauigkeit das erste halbe Jahrhundert unserer Zeitrechnung bezeichnen.

Der jüngste Stil endlich, welcher zugleich als der Hauptträger der eigent- lichen , erst in einem spätem Capitel näher zu besprechenden Wandmalerei erscheint , setzt an die Stelle der verhältnissmäßigen Einfachheit des dritten eine überwuchernd reiche Entwickelung phantastischer Architekturen, welche allerdings an Vorbilder anknüpft , welche einzeln der zweite Stil darbietet, aber diese ohne Rücksicht auf structive Möglichkeit und auf die Herstellung bestimmter, in sich zusammenhangender Bauformen umgestaltet. Die An- ordnung der Wand , welche dem zweiten und dritten Stil eigen ist , die Drei- theilung mit dem pavillonartigen Mittelbau, wird nicht ganz aufgegeben, aber das charakteristische Motiv des vierten Stiles ist die Durchbrechung der ganzen Wand durch zwischen die Hauptfelder eingeschobene architektonische Pro-

526 Erstes Capitel. Die Architektur und das Bauhandwerk.

specte, oder die Auflösung der ganzen Wand in solche (z. B. Zahn II, 76), welche zum Theil schon im Sockel beginnen, der außerdem eine Reihe gegen- ständlicher Darstellungen , auch menschlicher Figuren , in sich aufnimmt, von denen nur die Pflanzen dem dritten Stile nicht fremd sind. Auf den Haupt- abschnitten der Wand aber treten an die Stelle kleiner Systeme von ein paar Säulchen oder der kleinen Durchsichten in einen angrenzenden Baum ganze Gebäulichkeiten von mehren Stockwerken mit Treppen und Balconen, Bogen- und Säulengängen, luftigen Perspectiven. Hier lassen nun die Maler ihrer Phantasie Zaum und Zügel schießen, die Mannigfaltigkeit der Formen, welche sich kaum an irgend ein als bestimmt gedachtes Material , am meisten noch an durch gelbe Farbe Vergoldung andeutendes Metall knüpfen , ist iinüber- sehbar, es ist eine Architektonik, in der sich Rohrsäulen, Festonsgebäude, Rankenbogen in's Schrankenlose nach aUen Richtungen und in zwei- und dreifachen perspecti vischen Durchsichten aufbauen. Der Reichthum des Einzelnen entspricht dem der Hauptformen, da ist kein Pflanzenelement, kaum eine Thiergestalt , welche nicht benutzt würde; Geräthe und Gefäße aller Art und endlich menschliche Gestalten als Statuen und Statuetten be- handelt oder auch, was am wenigsten reinen Geschmack verräth, als Bewohner dieser luftigen Gebäude , müssen sich dem Ganzen einfügen , welches in leb- haften und bunten Farben einer ungleich reichem Scala , als in den früheren Stilen, wie spielend mit kecker Hand hingeworfen wird. Die Hauptflächen der nach oben oft mit einem buntbemalten Stuccogesims abgeschlossenen Wand aber zwischen diesen phantastischen Architekturen sind reichlich mit Bildern geschmückt ; neben die Hauptgemälde in dem Mittelfelde treten auf den Seitenfeldem viel häufiger und in größerer Mannigfaltigkeit, als im dritten Stile schwebende Figuren , einzeln und in Gruppen , aber auch Tafelgemälde auf und kleinere Darstellungen , Landschaften , Genre , Thierstücke nehmen die untergeordneten Stellen ein, an welchen im frühem Stile nur feinge- zeichnete Ornamente sich fanden. Auch hier wäre noch viel im Einzelnen zu sagen, wäre neben manchem Schönen auf manches Andere hinzuweisen, welches diesen Stil als den Beginn des Verfalls der antiken Decorationskunst charakterisirt. Allein der Mangel bildlicher Darstellimg und die der grade hier besonders großen Fülle gegenüber unüberwindliche Schwierigkeit einer Auswahl gebietet Verzichtleistung. Während aber der dem Mau' sehen Buche beigegebene Atlas für die drei früheren Stilarten bezeichnende Proben bietet, sei für den letzten Stil nur beispielsweise auf die in den Zahn'schen Blättern II, 6, 13, 23, 24, 25, 33, 43, 44, 53, 54, 66, 73, 76, 83, 84, 89, 94 und 95 gegebenen Proben des letzten Stils in seinen verschiedenen Abarten hin- gewiesen.

Nach der Vergegenwärtigung der Gesammtdecoration pompejanischer Wände, welche, wie gezeigt wurde, nur in der ältesten Stilart einen plastisch- architektonischen Charakter trägt, während sie in den späteren in einen male- risch-architektonischen , dann einen malerisch-decorativen und zuletzt einen fast ganz malerischen übergeht, ist zur Ergänzung dessen, was im zweiten Ab- schnitte dieses Capitels über den Stil der eigentlichen Bauformen gesagt worden, noch ein Blick auf die Ornamentik im engem Sinne zu werfen , welche sich

Dritter Abechnitt. Die Decoration und Ornamentik« 527

mit den Baugliedem m. o. w. nahe verbindet und von ihren Grundformen aus- gehend sich bis zu m. o. w. selbständiger Bedeutung erhebt. Es darf hierbei jedoch nicht unausgesprochen bleiben , dass die Geschichte der Ornamentik in Pompeji eine durchgreifende Bearbeitung noch nicht gefunden hat, ja dass es selbst an einer irgendwie übersichtlichen Zusammenstellung des Materials fehlt. Wenn also hier nicht eine Menge Einzelheiten erwähnt und geschildert werden sollen, wozu der gebotene Baum nicht ausreicht, so^muss es bei wenigen Bemerkungen und einer allgemeinen Gegenüberstellung der älteren und der jüngeren Perioden sein Bewenden haben.

Die ältere Periode, welcher die Quaderbauten aus Noceratuff und die älteren Bruchsteinmauem sowie die erste und zweite Decorationsweise ange- hören, zeigt sich wie in diesen , so auch in der Ornamentik ernster , einfacher und strenger als die späteren. Sie legt ihrer omamentalen Gestaltung von Thür- und Fenstereinfassungen, Thürbekrönungen , Friesen und Simsen hauptsächlich die Formen des ionischen Baustiles zum Grunde oder wendet diese in ganzer Reinheit an, was besonders von den Thürbekrönungen und von den Gesimsen innerhalb der incrustirten Wände gilt, welche nach dem Schema des ionischen AuBengebalks und besonders des Gesimses mit darunter liegendem glattem Friese und getragen von Mutulen und Zahnschnitten ge- staltet sind. Als ihr Material verwendet diese Periode auch im Ornament ent- weder Tuff, oder, und zwar in ganz überwiegendem Maße Stucco. Diesen aber weiß man in der altem Zeit so zu bereiten, dass er im Material und folgeweise in den Formen sich, wie dies schon bei der Besprechung einzelner Beispiele und oben in der kunstgeschichtlichen Einleitung berührt worden, bedeutend und sehr zu seinem Vortheile von demjenigen der spätem Periode unter- scheidet. Materiell ist er von der größten Feinheit und Härte und demgemäß lässt er sich formell mit der Feinheit und Sauberkeit behandeln, welche an den aus ihm hergestellten Gliederungen und Ornamenten, Eierstäben, Zahn- scbnitten, Perlenstäben, Voluten an Capitellen, sowie an jenen zierlichen kleinen Nachbildungen von Tempelfa^aden, mit denen das Ostium der Ctisa del Fauno geschmückt ist (oben S. 349, abgeb. bei Niccolini, Le case ecc. di Pompei, Casa del Fauno tav, 8), unsere volle Bewunderung erregt. Dabei wird dieser Stucco niemals in der Dicke und Massenhaftigkeit aufgetragen wie derjenige der spätem Periode, sondern stets, wo er nicht selbständiger Träger der Form ist, wie z. B. in Säulenüberzügen, Füllungen u. dgl. fein und dünn, so dass er nichts von den Formen verhüllt, denen er lediglich eine edlere Oberfläche zu geben bestimmt ist, als die, welche das Baumaterial darbietet. In welchem Umfange die ältere Periode ihren trefflichen Stucco in freier Modellirung, in welchem dagegen in Anwendung mechanischer Behand- lung durch das Formholz oder durch Aufpressung hölzerner Formen gestaltet hat, lässt sich genau noch nicht feststellen, dass jedoch bei durchlaufenden Gliedern, Eier- und Perlenstäben u. dgl. mechanische Mittel angewendet worden sind, lässt sich gar nicht bezweifeln und an manchen Beispielen be- stimmt darthun, während uns andererseits wiederum eine überraschend weit- gehende freie Modellirung entgegentritt, welche aus leichten Ungleichheiten in wiederholten Gliedern und Ornamenten unwidersprechlich nachgewiesen

ETstei Capitol Die Architektur und dM Bsuhandwerk.

ein Stück nach Zahn II, Taf. 16 darstellt. Dass dies Gebäude aus dem Anfange der Regierungszeit des Tibe^ rius stammt, ist oben S. 136 bemerkt, nicht minder aber, dass es bei der Verschüttung in einer umfassenden und Marmor verwendenden Restauration begriffen war , der wohl ohne Zweifel auch unsere Thüieinfassung ange- hören wird.

Aus einer in sinniger Weise den Fußpunkt bilden- den, durch einige niedergeschlagene Wurzelblätter noch näher charakterisirten Reihe von Akanthusblättem ent- wickelt sich eine mit bald rechu bald links gest^wun- ThareiufaBsuni;. gsnen Spiralen reich und kräftig aufsteigende 8. g. Arabeske , deren Blätterwerk hauptsächlich auch dem Akanthus entlehnt ist, während in den Windungen der Spiralen verschieden stilisirte Blumen liegen und hier und da Früchte an eigenen Stielen

Dritter Abschnitt. Die Decoration und Ornamentik. 529

hervorschießen, zu denen Maiskolben (wie gleich unten), Mohn oder Granaten und Trauben die Vorbilder geliefert haben. Diese Arabeske an sich wird man gewiss (namentlich auf der hier mitgetheilten linken Seite, denn auf der rechten ist sie stellenweise etwas magerer) als gut erfunden und fein aus- geführt anerkennen dürfen, während ihr jedoch die in sie eingestreuten mannig- faltigen und zum Theil sehr ungeschickt ausgeführten und angebrachten Thiere, Hasen oder Kaninchen, Mäuse, vielerlei Vögel, Schlangen und Ei- dechsen, mancherlei Insecten, Käfer, Schmetterlinge, Heuschrecken, Fliegen, nebst Schnecken u. dgl. durchaus nicht zu erhöhter Zier gereichen, sondern so verständig der Grundgedanke der Belebung solches lUätterwerks sein mag, als eine dürftig erfundene und zum Theil hässliche Spielerei erscheinen.

Neben dem Marmor und verwandten Gesteinarten (s, oben S. 499) bleibt der Stucco das Hauptmaterial der Ornamentik auch in der letzten Periode; in dieser aber war er nicht auf die Herstellung einzelner architektonischer und plastischer Glieder und Schmuckstücke beschränkt wie, abgesehn von der Wandbekleidung mit Marmomachahmimg , in der frühem Periode, sondern wurde zu ganzen und ausgedehnten Decorationen verwendet, wie sie ganz besonders aus dem Hofe der größeren und den Baderäumen beider Thermen bekannt und ihres Ortes (oben S. 207 f., 222 f. und 225) näher beschrieben worden sind und wie sie sich weiter z. B. im Isistempcl am s. g. Purgatorium (S. 109 f.), aber auch an der einen und der andern Wand von Privathäusern wiederfinden, von deren letzteren eines der schönsten Beispiele im Museum zu Neapel im zweiten Saale der Ornamente aufzusuchen ist.

Wie in diesen wesentlich malerisch gehaltenen und mit den gemalten übereinstimmenden Decorationen wirken auch bei den einzelnen Stuccooma- menten dieser Periode an Sockeln , Einfassungen , Bekrönungen , Capitellen und Simsen sowie in den größeren Compositionen lebhafte Farben in ungleich höherem Maße mit der plastischen Gestaltung zusammen, als in den Omament- gliedem der frühem Zeit, wie dies nicht blos aus einem Theil der auf S. 520 abgebildeten Capitelle sondern ganz vorzüglich aus dem auf S. 268 abge- bildeten Sacrarium selbst in der nichtfarbigen Nachbildung ersehn werden kann. Die Formen selbst aber haben nicht blos an Classicität, sondern auch an Schärfe, Eleganz , Feinheit bedeutend verloren und sind eben so oft plump wie spielend und kleinlich und viel häufiger als früher auf mechanischem Wege, durch Aufpressen und das Formholz hergestellt. Und auch das Material selbst , obgleich dem meisten modernen Stucco , namentlich dem in unseren Privathäusem verwendeten, weit überlegen, ist in auffallendem Grade geringer als dasjenige der frühem Periode. Je mehr nun dieser massenhaft angewendete und dick aufgetragene Stucco Alles überwuchert und sich zum fast alleinigen Träger der Formgebung und Ornamentik aufwirft , er von dem mit dem voll- sten Rechte gesagt worden ist, »dass er auf die Länge die Formen immer demoralisire« , desto gerechtfertigter ist es , wenn man von einer übermäßigen Tünche wirthschaft in den letzten Zeiten Pompejis redet , wodurch man sich nicht braucht abhalten zu lassen gleichzeitig den aus dem Zusammenwirken der Stuceoornamentik und der Farbe hervorgegangenen glänzenden und hei- tern Gesammteindruck der späten pompejanischen Decoration anzuerkennen.

Overbeck, Pompeji. 4. Anfl. 34

530 Erstes Capitel. Ple Architektur und das Bauhandwerk.

Das dritte Material der plastischen Ornamentik ist der Thon , welcher niodelHrt oder in Formen gepresst und dann ^ehrannt zu solchen Ornamen- ten verwendet wurde, welche hesonders der Nässe auso^esetzt waren. Aus ge- branntem Thon bestanden deshalb besonders die Verzierungen des Daches, die Traufrinnen mit ihren Ausgüssen (Speiern) und Stirnziegeln, weiter Bninnen- miindungen und die Atlanten im Tepidarium der kleineren Thermen , aber auch einzeln Friesreliefe. Im Allgemeinen jedoch ist gebrannter Thon zur architektonischen Ornamentik in Pompeji nur selten verwendet worden und seinem Material nach , wenn man von den Wasserspeiern des griechischen Tempels (S. 494) absieht, gewiss nie zu Gesichte gekommen, sondern mit einer dünnen Stuccolage überzogen und auf dieser bemalt worden , was sich für die ältere Zeit aus der damals verwendeten groben Thonmasse erklärt, welche, wie der Tuff, mit einer glatten Oberfläche versehrt werden musste, um einen Farben- auftrag aufnehmen zu können, dessen Vorhandengewesensein sich jedoch selten nachweisen lässt. In der spätem Periode aber verschwand ohnehin alle Form, gegen welche man immer gleichgiltiger wurde , unter der dicken, bunt bemalten Stuccodecke.

Über die einzelnen Formen mögen hier noch die folgenden Bemerkungen Platz finden.

Die Bi-unnenmündungen von Thon waren seit der Tuffperiode im Gebrauch, es sind aber nur wenige auf uns gekommen. Die älteren sind mit einem Triglyphensims abgeschlossen ; ein Heispiel mit einem schönen Eankenoma- ment auf dem mittlem Theile ist bei v. Rohden , Terracotten aus Pompeji Taf. 27, 1 (das Ornament auch bei Zahn II, 46) abgebildet. Diejenigen aus der spätem Zeit, in welcher vorzugsweise Travertin zu den Putealen verwendet wurde , sind mit ganz wenigen Ausnahmen künstlerisch werthlos ; zwei Proben (die eine aus dem Isistempel) bei v. Rohden a. a. O. 2 u. 3. Etwas zahlreicher sind die Traufrinnen , welche übrigens nur eine beschränkte Anwendung ge- funden haben und deren von öffentlichen Bauten stammende nur in ganz ge- ringer Zahl nachgewiesen werden können. Schöne Muster aus der altern Periode stammen aus der Casa di Salltistio (von Rohden Taf. 5, 1) und aus der Casa del Fauna (das. 5, 2 u. 6, 1), wahrscheinlich aus den Atrien: sie sind mit dem schönen feinen Zahn Schnittgesims der Tuffperiode abgeschlossen und ihre Speier bestehn aus vortrefflich modellirten Löwen- und Hundeköpfen, während die Eckspeier, welche die größere Masse Wasser aufzunehmen hatten und vom Impluvium entfernter waren, selten ebenfalls nur aus Köpfen , der Regel nach aus weiter vorspringenden Löwenvordertheilen bestehn, zwischen deren Tatzen sich der Ausguss befindet. Ein Beispiel aus der CVwacfe/Fotiwo a.a.O. Taf. 6, 2. In der Zeit des zweiten Decorationsstiles scheint die Modification aufgekommen zu sein, von welcher unsere Fig. 143 (oben S. 260) eine Vorstellung giebt. Die Form der alten Eckspeier ist hier auf sämmtliche Ausgüsse übergegangen und neben ihnen , welche Hundevordertheile bilden , erscheint der Eckspeier als größerer Löwen vordertheil. Die unverkennbare Überladung wird durch die Palmetten zwischen den Ausgüssen noch veimehrt. Die Stimziegel , welche sich jedoch keineswegs mit allen Traufrinnen verbunden finden, hatten in der altern Zeit wohl n\ir die Palmettenform, welche unsere genannte Figur zeigt.

Dritter Abschnitt. Die Decoratlon und Ornamentik. 531

In der Spätzeit kehrte man für die Wasserspeier entweder zu der Form der Löwenköpfe zurück, welche aber kleinlich und schleckt modellirt und zwischen denen in recht .wenig organischer Weise andere Reliefe angebracht wurden (Beispiele a. a. O. Taf. 1 0 u. 24, 1 , letzteres aus dem Isistempel) , oder man ge- staltete die Speier als, meistens komische, Masken, welche fabrikmäßig herge- stellt wurden und zugleich als Stimziegel dienen konnten (Beispiele a. a. O. Taf. 14 16). Eine ungleich bessere Sorte von Stimziegeln mit Götterköpfen (das. Taf. 11 13) gehört wahrscheinlich der augusteischen Periode an.

Von Friesreliefen , welche aus guter alter Zeit stammen , sind nur einige Proben auf uns gekommen, ahgeb. a. a.O.Taf. 19 22. Zwei derselben stellen auf Seethieren reitende Nereiden dar (Taf. 21 aus der Casa del Fauno)^ je zwei Compositionen, welche in längerer Folge mit einander abgewechselt zu haben scheinen ; ein dritter (Taf. 22) stellte einen Reiterkampf dar , und von einem vierten ist uns nur ein Stück (Taf. 19, 1), eine anmuthige Bakchantin dar- stellend, erhalten. Wenn man die pompejanischen architektonischen Oma- mentterracotten in ihrer Gesammtheit überblickt , so drängt sich die Bemer- kung auf, welche auch von Rohden S. 16 ausspricht, dass sich in der Terra- cottatechnik in verhältnissmäßig nicht langer Zeit ein starker Wandel voll- zogen hat, ähnlich demjenigen im Stil der Decoration. Würdig und ernst beginnend, werden die Ornamente bald bunter, leichter und kleinlicher, und nach dem Erdbeben erfolgt ein, in den letzten Jahrzehnten vor demselben vor- bereiteter Niedergang der Kunst , welcher mit der Eile des Wiederaufbaus in offenbarem Zusammenhange steht. Die Alles überwuchernde Tünche, welche alle Mängel zudeckte, machte Geschmack und Sorgfalt der Ausführung überflüssig.

Wenn man schließlich die ganze pompejanische Ornamentik überschaut, darf die eine Bemerkung nicht unausgesprochen bleiben, dass sich in ihr mit den architektonischen Grundformen in auffallend geringem Maße die höhere , namentlich die figürliche Plastik verbindet. Für die jüngere Periode erklärt sich dies einfach daraus , dass in ihr der ganze Charakter der Decora- tion durchaus malerisch ist; aber auch für die ältere muss dieselbe Thatsache festgestellt werden, welche wohl nur aus der Beschränktheit der Mittel einer kleinen Stadt zu erklären ist. Immerhin ist es auffallend, dass in Pompeji, wo doch so Manches in dorischer Ordnung gebaut ist, sich keine einzige mit Relief geschmückte Metope findet. Ob dielben bemalt gewesen sind, lässt sich nicht mehr nachweisen , auf farbigen Schmuck derselben (roth) können wir nur schließen (s. oben S. 65). Eben so ist nicht die geringste Spur vorhanden, dass irgend einer der Giebel der Tempel und öffentlichen Gebäude plastischen oder vollends statuarischen Schmuck getragen habe, und nicht minder fehlt der Reliefschmuck an Statuenbasen und Altären , den einzigen im Tempel des Grenius Augusti ausgenommen. Überhaupt ist das Relief in Pompeji selten und auch die statuarische Plastik, so vielfach ihre Werke decorativ aufgestellt worden sind, erscheint aus der nähern Verbindung mit der Architektur voll- kommen gelöst.

34»

532 Zweites Capital. Die Plastik.

Zweites Capitel. Die Plastik.

Es ist schon früher hemerkt worden , dass die Plastik in ihrer ganzen Ausdehnnnji^ nicht ei*^entlich die Trägerin des C/harakters der Kunst in Pom- peji scn. Dennoch darf sie in diesen Hetrachtungen nicht ühergangen oder veniachlüssigt werden, und zwar aus mehr als einem Grunde. Erstens näm- lich gehören ihre Werke doch nicht allein mit zu dem Ganzen dieser ver- sunkenen kleinen Welt , sondern es finden sich initer denselben , wenn auch nicht ehen viele , so doch immerhin einige Stücke , welche als Muster in ihrer Art eine eingehende Betrachtung erheischen und lohnen, und die allgemeinste Aufmerksamkeit erregen würden , wenn sie auch nicht in Pompeji gefunden wären, Stücke, welche sich, wo nicht dem Besten, das wir überhaupt von antiker Kunst besitzen, jedenfalls dem Bessern anreihen, und welche sich namentlich neben Allem, was das wesentlich vornehmere und an plastischen Kunstwerken ungleich reichere Ilerculaneum hat zu Tage fordern lassen, getrost sehn lassen können. Dazu kommt zweitens, dass die plastischen Monu- mente aus Pompeji uns mancherlei lehren, was uns unser übriger Antiken- besitz entweder gar nicht oder doch nicht in der Ausdehnung und Klarheit zu lehren im Stande ist. Das gilt schon von manchen technischen Eigenthümlich- keiten, wie z. B. von der Bemalung und Vergoldung der Statuen , welche an den pompejaner Sculpturen vermöge der Art ihrer Erhaltung sich vollständiger nachweisen lassen , als an den meisten übrigen Antiken ; ganz besonders aber tritt auch bei den plastischen Monumenten in Pompeji das Interesse in den Vordergrund, welches , wie schon früher hervorgehoben wurde , allem Pompe- janischen seinen eigen thümlichen Werth verleiht , das Bekanntsein der Be- stimmung, der Aufstellung, der Zusammengehörigkeit mit Anderem. Die Werke der Bildhauerei nehmen in unserer modernen Welt einen verhältniss- mäßig so untergeordneten Platz ein, dass es denen , welche auf diesem Gebiete nicht besondere Studien gemacht haben, schwer wird, sich ein richtiges Bild von der ganz verschiedenen Stellung zu entwerfen, welche die Plastik in der antiken Welt einnahm. Es ist uns freilich geläufig genug geworden, dass die Alten einen überschwänglichen Reich thum plastischer Kunstwerke besaßen, wohl wissen wir, dass manche kleine griechische Stadt mehr Statuen aufweisen konnte, als viele unserer Hauptstädte, dass das kaiserliche Rom neben seiner lebenden noch eine andere Bevölkerung von Stein und Erz hatte ; allein so wenig wie überhaupt erweckt in diesem Falle das Anhören von abstracten großen Zahlen eine lebendige Vorstellung. Und wenn wir die Masse von Sculpturen überblicken, welche als geringe Reste dessen, was einst vorhanden war, zu Tausenden unsere ÄJuseen füllen, so mag uns das freilich vergegen- wärtigen, wie groß der Reichthum der Alten gewesen ist, allein nun werden wir andererseits nicht wissen , wo wir diesen Reichthum , der ja doch im Alterthum nicht wie bei uns in Museen zusammengehäuft war , in der lebendigen antiken Welt unterbringen sollen. Freilich wird der Gelehrte hier wohl nicht in Verlegenheit gerathen ; die Bilder dessen, was an plastischen

Reiohthum an plastischen Kunstwerken. Aufstellung derselben. 533

Werken z. B. die AkropoHs von Athen, was die Altis von Olympia, der delphische Tempelbezirk, um nur diese zu nennen, umschloss, sind ihm mehr oder weniger lebendig : er weiß auch, wie viel man, um ein anderes Beispiel anzuführen, in Rom aus den Trümmern der Thermen des Caraealla oder aus denen des Palastes des lladrian in Tivoli gezogen hat. Allein dem Nicht- archaeologen diese Bilder, zu denen ihm die Analogien fehlen, klar und an- schaulieh zu machen, wird nicht in allen Fällen leicht gelingen. Auch hier, wie auf anderen Punkten, bietet nun Pompeji, so weit sein Besitz plastischer Werke hinter dem mancher andern Stadt gleichen Umfangs zurückstehn mag, eine erwünschte Vermittelung bestimmter Anschauungen. Schreitet der Kunst- freund durch die Ruinen der pomi)ejani8chen Tempel und Capellen und man kann ihm sagen, dass in den Gellen, dem Pronaos, den seitlichen Nischen, dem Peribolos außer den geweihten Cultusbildem noch so und so viele Weihe- und Ehrenbildsäulen standen, sieht er auf dem Forum die Stellen und Posta- mente , wo , abgesehn von Reiterstatuen , ganze Reihen von Porträtstatuen verdienter Bürger standen (ihrer vierzehn allein an der westlichen Langseite des Forum civile , folgt er uns durch die Straßen der Stadt, durch die öffent- lichen Gebäude, durch die Grabmonumente und wir können ihm überall nachweisen : hier sind so und so viele Nischen und Fußgestelle für Statuen :ihrer 12 13 allein im Sitzungssaale der Decurionen, s. oben S. 129), oder er sieht ihrer noch manche, wie im Macellum, im Gebäude der Eumachia. in der Gräberstraße im Original oder im Abguss vor sich; betritt er dann ein Privathans nach dem andern und es kann ihm, sei es aus noch an Ort und Stelle Vorhandenem, sei es aus den Fundberichten, nachgewiesen werden, wie auch hier Hauscapellen, Atrien, Peristyle, Gärten, Brunnennischen u. s. w. mit Statuen geschmückt und erfüllt waren : so gewinnt er auf einen Schlag nicht allein eine Übersicht über die Fülle der hier vorhanden gewesenen Scul])- turwerke, sondern er sieht eben so schnell, wo er diesen Reich thum unterzu- bringen und einzuordnen hat, und begreift auf einem solchen Rundgange, wie dieser Reichthum an plastischen Kunstwerken aus dem idealen Lebensbedürf- nisse der Alten naturgemäß entsprang und wie mit demselben hausgehalten wurde. Und das ist kein Geringes.

Wenigstens eben so wichtig aber ist ein Zweites. Unser Urteil über ein Sculpturwerk wird sich nicht unerheblich nach Maßgabe seiner l^estimmung zu ändern haben ; Anforderungen, welche wir z. B. an ein Tempelbild oder an ein öffentliches Weihebild stellen müssen und dürfen, sind andere als die, welche wir einer, wenn auch mythologischem, also idealem Kreise angehörigen Decorationsstatue gegenüber erheben werden ; anders wirkt ein Sculpturwerk in prächtigen architektonisch umschlossenen Räumen, anders in traulicher häuslicher Umhegung, verschieden auf dem säulenumgebenen Marktplatz und im lauschigen Winkel eines grünenden und blühenden Gartens oder dem plätschernden Brunnen nachbarlich gesellt. Was hier in einem Falle passt und grade das Rechte trifft, das kann im andern Falle sehr unpassend und verkehrt sein. In unseren Museen aber stehn die antiken Statuen unterscheidungslos durch einander, ihre einstmalige Bestimmung und Aufstellung lässt sich in den wenigsten Fällen erweisen, und ist sehr oft viel schwieriger festzustellen,

534 Zweites Capitel. Die Plastik.

als man «gewöhnlich weiß nnd glaubt. Und so hat sich denn für die Beurteilung der Antike ein gewisser Durchschnittsmaßstab ausgebildet, mit dem wir wenn auch nicht grade unterscheidungslos messen, aber doch sehr vielen Werken schwerlich ganz gerecht werden. Hier wird nun durch die pompejanischen und herculanischen Monumente wenigstens manches berichtigt. Freilich sind auch sie jetzt mit wenigen Ausnahmen von ihren ursprünglichen Aufstellungs- und Fundorten entfernt und in das Museum von Neapel zusammengetragen, ein unvermeidlicher Ubelstand , dem man je eher je lieber durch Rückver- setzung von Abgüssen an Ort und Stelle begegnen sollte ; allein auch bevor dies geschehn sein wird, kann man diese Rück Versetzung wenigstens im Geiste bewirken, da die meisten Fundstätten bekannt sind: und fast in jedem Falle ist es möglich, unter den Sculpturen aus Pompeji Tempel- und Cultusbilder, Weihestatuen (Anathemata), Bilder des häuslichen Cultus, öflFentliche Ehren- standbilder. (irabstatuen , Brunnenfiguren und sonstige Üecorationsarbeiten siclier nachzuweisen und demgemäß an ihre Beurteilung eigenartigere Maß- stäbe anzulegen , als an die große Masse der Antiken , denen die Analogie des hier Gewonnenen ebenfalls, in gewissen Grenzen wenigstens, zu gute kommt.

Wer diese Gesichtspunkte bei der Durchmusterung der pompejaner Sculp- turen festhält, dem werden diese ohne Zweifel ein mannigfaltiges Interesse erwecken, welches in der künstlerischen Freude an dem wahrhaft Schönen und Gediegenen, das uns besonders unter den Bronzewerken begegnet, seinen natürlichen Gipfel findet.

Beginnen wir mit einigen technischen Erörterungen im weitern Sinne dieses Wortes, d. h. mit solchen, die sich auf das Material, die technische Be- handlung und die Kunstformen der pompejaner Sculpturwerke beziehn, so finden wir von Materialien am häufigsten weißen Marmor, griechischen und italischen , aber keinen farbigen , sodann Bronze verwendet , verhältniss- mäßig seltener Thon, wenngleich, auch abgesehn von kleinen Statuetten, die Anzahl der größeren Thonstatuen und Statuetten etwas bedeutender ist, als man vor v. Rohdens Arbeit über die Terracotten von Pompeji allgemein ge- wusst oder beachtet hatte, wie die Übersicht a. a. O. S. 18 beweist. Auf ein- zelne derselben soll im Verlaufe der folgenden Darstellung zurückgekommen werden. Auch die kleinen Statuetten von Terracotta, welche in Griechenland eine ganze Kunstwelt für sich ausmachen und vielfache Verwendung hatten, sind in Pompeji verhältnissmäßig wenig zahlreich. Die Blüthezeit der Terra- cottafabrication war vorüber, der Geschmack an Thonfiguren geschwunden, wenngleich er sich grade in Campanien länger gehalten zu haben scheint, als an anderen Orten . Die Römer machten dergleichen Sigilla lieber von Bronze imd zwar entweder als selbständige kleine Kunstwerke oder in mehr oder weniger enger Verbindung mit Geräthen und Gefäßen, von denen auch die meisten in Pompeji gefundenen stammen. Grade die pompejaner Funde be- stätigen nicht am wenigsten, dass die llionfiguren in der nachaugusteischen Zeit auf die unteren Volksclassen beschränkt gewesen sind, deren Geschmack die zahlreichen Männer und Frauen in römischer Tracht, die Gladiatoren und Krieger und manche sonstige genrehafte Darstellung wie Sänftenträger, Pack-

Technisches. Polychromie. 535

träger, Sieger im Wettrennen neben mancherlei Porträtartigem oder Karrikir- tem am meisten entsprochen haben mögen.

Von der ganz seltenen Verwendung des Tuffs und der reichlichen des Stucco ist im vorigen Capitel gesprochen worden ; edle Metalle finden wir in den Producten plastischer Goldschmiedekunst, auf welche weiterhin in einem eigenen Capitel über das Kunsthandwerk zurückzukommen sein wird. Da- selbst soll auch ein ganz vereinzeltes Hleigefäß mit Reliefen näher erörtert werden. Irgend namhafte Arbeiten künstlerischer Art in Elfenbein und Knochen sind aus Pompeji nicht bekannt; dagegen ist eine Merkwürdigkeit nach Maßgabe der Ausgrabungsberichte (Pomp. Ant. Hist. I, i, p. 186, cfr. Add. pars II, p. 151) am 4. März 1766 im Isistempel gefunden worden, näm- lich eine weibliche Statue, deren Kopf und Extremitäten von Marmor gearbeitet sind, und die so lagen, dass man deutlich sah, der Körper habe aus Holz be- standen. Das ist ein s. g. Akrolith*^"^^), und zwar fast der einzige, von dem auch nur Stücke, die widerstandsfähigen Marmortheile, aus dem Alterthum auf uns gekommen sind.

Von irgend welcher technischen Besonderheit in der Sculptur des Marmors in Pompeji ist nichts zu sagen, dagegen verdient allerdings hervorgehoben zu werden, dass viele der in allen Perioden der Ausgrabung aufgefundenen Marmorstatuen, wenn auch bei weitem nicht alle, mehr oder weniger reich- liche Spuren von Hemalung und von Vergoldung zeigten und zum Theil noch heutigen Tages deutlich erkennen lassen. Wohl das merkwürdigste Beispiel einer durchgeführten polychromen Behandlung eines Marmorwerkes bietet die am 22. März 1873 in einem Hause an der Strada Stabiana (Reg. I, 2, 17) gefundene, in der Archaeologischen Zeitung von 1881, Taf. 7 abgebildete Gruppe der Venus und Spes von griechischem Marmor. Die ohne die Basis 0,90 M. hohe Göttin steht, oberwärtö nackt, das Himation vom linken Arme hinten herum über die rechte Hüfte und über die Beine gezogen , mit dem linken Arm auf die Spesfigur gelehnt. Ihr Haar ist gelb mit einem darin- liegenden weißen Bande, welches vielleicht einst roth gefärbt gewesen ist, die Augensterne sind innerhalb einer schwarzen Kreislinie graubraun mit schwarzer Pupille, Brauen und Wimpern schwarz, das Himation außen gelb wie das Haar, in beiden Fällen nicht unwahrscheinlich als Grund- lage von Vergoldung, das Gewand mit einem weißen , vielleicht einst rosa gefärbten Saume, innen jetzt weiß, aber mit deutlichen Resten von blau- grüner Farbe in der Tiefe der Falten und von einem violetten Saume, also, wie in vielen Wandgemälden, als mit einem andern Stoffe gefüttert ge- dacht. Die Spes trägt einen grünen Chiton und eine gelbe, miteinem Saum von etwas verschiedenem Gelb verbrämte Chlamys (nicht Peplos) ; Haar und Augen nebst Brauen und Wimpern sind schwarz. An der Venus ist bemerkenswerther Weise am Nackten keine Spur von Farbe ; nur in den Nasenlöchern und im Nabel ist etwas Roth, dagegen nicht an den Lippen^o?). Das Gleiche gilt von der Spes. Der Apfel, welchen die Venus in der linken Hand hält, ist gelb; das Sandalen band am linken, weiter aus der Gewandung vortretenden Fuß allein sichtbar, ist gelb (Gold). Der Fels, auf welchem die Spes steht, ist schwarz. Die

536 Zweites Capitel. Die Plastik.

Farbe, wc^lflui auf die n;latte Fläche des Marmors nur enkaustisch aufgetrageu sein kann, haftet nicht eben fest. Gefunden wurde diese jetzt im Museum zu Neapel in dem /immer der Venusbilder zu suchende Gruppe in einer voll- kommen erhaltenen Nische im Peristyl des genannten Hauses, welche außen mit Marmor bekleidet, innen mit einer lebhaft blauen Draperie ausgemalt ist. An der Venus sind der Kopf und die Hände der Marmorersparung wegen aus besonderen Stücken Marmors gearbeitet und dem Körper in recht plumper Weise angefügt; doch gehören sie nicht, wie ich früher (3. Aufl.) geglaubt habe, einer antiken Restauration an.

Nächst dieser Gruppe dürfte eine Venus genannt werden , welche nach den Ausgrabungsberichten (s. Pomp. ant. bist. I, i, p. 165) am 16. Februar 1765 im Isistempel gefunden wurde, jetzt aber nicht mehr nachweisbar ist 2«**). Sie soll nach der genannten Quelle die Göttin darstellen oder dargestellt haben : ober war ts nackt , wie aus dem jiade gekommen , und die nassen Haare ausdrückend, welche als gelb gefärbt bezeichnet werden, während sie ein vergoldetes Halsband getragen haben soll und gleicherweise ihre lernst Warzen und, seltsamer Weise der obere Theil ihres IJauches vergoldet gewesen w^äre , das Gewand dagegen, welches sie von den Hüften abwärts umhüllt, lebhaft himmelblau (turchino) gefärbt. Auf eine archaistische Artemisstatue mit gelbem Haar und bemalten Gewandsäumen (unten Fig. 281) soll weiterhin zurückgekommen werden. Das Isisbild aus dem Hofe des Isistempels unten F'ig. 280 a, vgl. oben S. 106) hat vergoldete Haare und ein theils lebhaft rothes, theils vergoldetes Obergewand, goldene Armbän- der und in der gesenkten Linken einen goldenen s. g. Nilschlüssel, sowie braun- roth bemalte Augensterne (s. Niccolini, Le case ecc. di Pompei, Tempio d'Iside tav. 6) . Von der Statue der Concordia Augusta mit farbigem und vergoldetem Gewand aus dem Gebäude der Eumachia ist S. 124 berichtet worden; die im F^ortunatempel gefundene weibliche Statue (S. 115) hat einen goldenen Saum der Tunica und einen rothen der Palla (s. Niccolini a. a.O. Tempio della Fortuna tav. 2), die männliche (S. 116) zeigt purpurne Gewandung, gelbes Haar, dunkele Augen und rothe Lippen (Niccolini a. a. O.) und ähnlich, mit rothgefärbtem Haar, purpurner Toga und schwarzer Fußbekleidung erscheint die 1853 ge- fundene Statue des M. Holconius Rufus^^'-»). Aber bei keiner dieser Statuen und eben so wenig bei einer Anzahl anderer Statuen mit sicheren, aber weniger gut erhaltenen Farben lässt sich am Nackten irgendwelche Farbspur nach- weisen. Ist nun auch die Thatsache, dass man im Alterthum überhaupt die Marmorstatuen in ziemlich hohem Grade bemalte, bekannt und picht mehr zu bestreiten, kann also das Vorkommen bemalter Statuen in Pompeji durchaus nicht als etwas Eigenthümliches gelten, so gehören die pompejaner Exemplare doch immerhin zu denen, bei welchen die Farben am sichersten und reich- lichsten vorhanden sind, und sie sind deshalb nicht uninteressant. In weit höherem Grade würden sie dies sein, wenn es erlaubt wäre, aus der Art und dem Grade ihrer Bemalung und Vergoldung für das ganze Alterthum giltige Schlüsse abzuleiten, was aber, gegenüber der Thatsache wechselnder Sitte in verschiedenen Zeitaltem bestritten werden muss.

Auch von technischen Besonderheiten in der Behandlung der Bronze ist

Technisches : Marmor, Bronze, Terraootta. Kunstformen : Hermen. 537

nichts zu sagen ; Erwähnung verdient aber die ganz eigenthümliche , zum Theil lebhaft blaue Patina vieler, aber nicht aller pompejaner Bronzen, welche am auffallendsten bei dem 1853 in der s. g. Casa del citarista gefundenen Apollon (Fig. 282), weniger stark, aber doch in charakteristischer Weise bei der in unserem Titelbild und farbig bei Niccolini a.a. O., Descrizione generale tav. 15 abgebildeten Figur vertreten ist. Manche Bronzen von Pompeji, namentlich die Fragmente von Reiterstatuen, von denen früher gesprochen worden ist, zeigen reichliche Spuren von Vergoldung, welche jedoch bei Erz- statuen im Alterthum etwas sehr Gewöhnliches ist. Von der technischen Be- handlung des Thones ist einerseits als auffallend zu bezeichnen, dass die pom- pejaner Thonstatuen nicht mehr Reste von Farbe zeigen, als es der Fall ist, und andererseits ist auf eine allerdings keineswegs allein in Pompeji gefun- dene Art von glasirten l'erracottafiguren aufmerksam zu machen, von welchen V. Rohden a.a.O. auf Taf. 47 ff. die interessantesten Stücke aus Pompeji zusam- mengestellt und S. 29 f., 57 ff. besprochen hat. Sie gehören der Spätzeit an und es scheint kaum zweifelhaft, dass die Technik aus Aegypten stammt, woher auch die eine Classe derselben in Pompeji, die meistens aegyptische üötter- figuren darstellt, importirt sein wird. Für die andere Classe, römisch genrehafte Figuren, welche sich in Material und Technik (abgesehn von der Glasur) von anderen römisch-italischen Terracotten nicht unterscheiden, ist dagegen ein örtlicher Ursprung viel wahrscheinlicher. Das interessanteste Stück dieser .Vrt aus Pompeji ist die auch in verschiedenen Gemälden dargestellte Gruppe des Kimon und der Pero (a. a. O. Taf. 47).

Was dann zweitens die unter den pompejaner Sculptur werken vertretenen Kunstformen anlangt, so ist, da die Statuen und Statuetten in nichts von denen anderer Fundorte abweichen , zunächst etwa auf die dreifache in Pom- peji vorkommende Hermenform aufmerksam zu machen, deren eine, roheste Art schon S. 42 1 bei Besprechung der Grabmonumente als ganz specifisch pom- pejanisch bezeichnet worden ist. Üie beiden anderen Arten dagegen sind auch aus anderen Fundorten nicht selten nachweisbar. Die erstere derselben, die in ihrer Grundform überall gewöhnlichste, besteht aus einer 15üste, welche von einem viereckigen , meistens nach unten mehr oder weniger verjüngten , bei den pompejaner l^orträthermen jedoch fast immer ganz gleichmäßig verlaufen- den und mit viereckigen Armansätzen versehenen Pfeiler getragen wird. Sie bietet eine namentlich für das Porträt, bei dem es auf die Hervorhebung dessen, was am Menschen das Individuellste ist, des Kopfes, ankommt, sowie da, wo es sich um engen Anschluss an die Architektur, an die Wand sowohl wie an den Mauer- und Thürpfeiler handelt , aesthetisch vollkommen berechtigte , ja ganz vorzügliche Kunstform dar, sofern sich die vordere Fläche des Pfeilers zur Aufnahme einer Inschrift , sei es des Namens der dargestellten Person , sei es, wie z. B. bei den bekannten Hermenpfeilem der Sieben Weisen im Vatican, eines besonders denkwürdigen Ausspruches derselben oder wie z. B. bei einer Sokratesherme in Neapel eines ihren Charakter bezeichnenden Satzes aller- bestens eignet. Von den mancherlei Porträthermen dieser Art, welche aus Pompeji bekannt sind , wird es genügen diejenige des C'. Cornelius Rnfus als ein vorzügliches Beispiel hervorzuheben, welche Fig. 276 mit einem Theile

538 Zweitea Cupitel. Die Plastik.

(ii's Atrium , in welclirm bie noi-h jetzt vor dem einen Antenpfeiler des Tabli- num islfhl, iliirHtellt, um /ugleich zu zeigen, wie harmonisch diese Art der Aufstellung wirkt. Auch für Gütterbilder, bei denen es aus iri;end einem Grunde, wie z. It. der Aufstellung an Thürpfeilem oder als Grenzsteine wegen, nnr auf die Bezeich- nung der Gottheit durch die Hervorhebung des llezeichnendsten und Wesentlichen an- kam , ist diese Ilermenform seit alter Zeit vielfach und so auch in l'omjwji nicht selten angewendet worden, und zwar ist sie voll- kommen berechtigt, wenn und so lange die Kö]>fe in vollkommener Ruhe ohne die Hervorhebung einer liesondem Bewegung des Ocmüthes dargcHtellt werden. Dasselbe kann jedoch nicht gelten , wenn in den Köpfen das Gegentheil eintritt, d. h. wenn in denselben eine bestimmte gemüthliche !5ituation, sei es Freude oder Trauer aus- gesprochen ist , wie in nicht wenigen Bei- spielen auch unter den [lompejaner Hermen. Uenn hier stellt sich zwischen der Bew^t- heit des Kopfes und der starren Ruhe des in ungefährer Lange und Breite des Körpers den Kopf tragenden l'feilers ein Widerspruch heraus, welcher das Ganze wie unfertig oder wie in die Gebundenheit der Versteinerung zurückgesunken erscheinen lasst.

Die Gefaht eines solchen Eindruckes wachst bei der zweiten , ebenfalls in Pom- peji nicht seltenen, obgleich keineswegs Fi«,27C. H.rmeJc,C.CorndiuaKufu8. ^uf Pompeji beschränkten, vielmehr auch aus Griechenland, und zwar schon in sehr guter Kuustzeit nacbweisbaren^ioj Form der Hennen, das ist diejenige, welche anstatt nur einen Kopf auf den Pfeiler zu setzen , große Theile des Ober- körpers, sei es bis zum Nabel, sei es bis zu den Hüften hinab in natürlichen Formen bildet und nur die Beine und Fuße durch einen so oder so gestal- teten Ifeiler ersetzt. Ein Beispiel einer eulchen Herme in dem Peribolos des Apollotempels ist schon (S. 101, Fig. 53) besprochen worden, andere finden sich z. B. im Pcristyl der Casa di Lucrenio (oben S. 319) und auch sonst noch. So vorzügliche griechische Muster dieser Kunstform aber auch auf uns gekommen sein mögen , immer bleibt sie ab solche aesthetisch schwer zu rechtfertigen. Bei ruhiger Haltung und engem Anschluss an die Architektur wie im A[>ollotempel mag sie erträglich sein , aber beinahe unerträglich wirkt sie, wenn sie selbständig hingestellt oder gar, wie in der Caea di Lturcao, genreartig in lebendige ^Beziehung zu anderen Wesen gesetzt wird. Jene

KuDstformen : Hennen, Reliefe, Ogeillen, 539

Herme z. B. im genannten Hause, welche einen jungen Satym darstellt, der einer Ziege, man begreift bei seiner Angeworzeltbeit in den Boden nicht wie , ihr Junges genommen hat, and an dessen Schaft ntm die alte Ziege mit voller Natürlichkeit emporspringt, ist gradezu eine Ge- schmacklosigkeit, und das in diesem Falle ganz Unorganische des aus Akanthusblättem aufsteigenden

Pfeilers tritt uns auffallend und pei- nigend entgegen.

Neben den Statuen und Hermen, der Tollen und der abgekürzten Form des Rundbildes , ist sodann der im ganzen, wie schon bemerkt, wenig zahlreichen Keliefe zu gedenken. Wir haben sie zum ITieil omamental ver^vendet an Ort und Stelle, von Marmor und anderem Stein an dem Altar des Tempels des Genius Au- gusti und an Grabmälem , von Stucco an manchen , hier nicht abermak aufzuzählenden Urten ge- funden, und auch der wenigen Ter- racottareliefe ihres Ortes gedacht. Im Museum von Neajwl wird noch einer nicht ganz unerheblichen An- zahl loser Platten, welche zum Theil ähnlichen Zwecken gedient haben, pompejaniscbe Herkunft, zum llieil gewiss mit Unrecht'^") zugeschrie- ben. Neben diesen ist besonders der eigenthümlichen Form von beider- seits mit Reliefen geschmückten, bald runden, bald halbmondförmig oder wie eine Amazonenpelta gestal- teten Marmorscheiben zu^ gedenken, welche nicht selten in den l*rivat- lükusem gefunden worden sind, und von denen Fig. 277 ein paar Hei- spiele zeigt. Man hat diese Scheuten, und zwar die halbmoiid- und ama- zonenachildgestaltigen ganz außer Acht lassend , früher für Wurf- scheiben (Disken t gehalten und sich hauptsächlich nur gelragt, oh sie wirklichem Oebrnuche gedient haben oder nur .Schaustücke gewesen sein

540 Zweites Capitel. Die Plastik.

mö*ijen . deren Form aus der Erinnerung an den wirklichen Gebrauch her- stamme. Schon die vom Hund a])weichende Form nicht weniger dieser »Scheiben konnte das Irrige dieser Annahme zeigen, die wirkliche Bestimmung offenbart sich erstens daraus, dass sie zum Aufhängen eingerichtet sind, und ist zweitens aus ihrer DarsteUung in anderen Kunstwerken, Reliefen und Ge- millden erwiesen worden , welche sie in der That an Zweigen heiliger Bäume oder an Bauwerken frei schwebend aufgehängt zeigen. Es sind s. g. Oscil- len ''^'^), welche zum bedeutsamen Schmuck zunächst an heiligen^ in Pompeji aber wohl auch an profanen Gegenständen aufgehängt wurden und welche dem- gemäß meistens in den Peristylien und Yiridarien gefunden worden sind, wo sie in den Intercolumnien des Säulenimigangs vom Architravbalken, vielleicht auch von Baumästen herabgehangen haben mögen. Reliefe von Bronze kommen nur als Decoration von Geräthen und Gefäßen vor und sind bei der Besprechung dieser schon erwähnt worden.

Endlich sei der Masken gedacht , welche . abgesehn von den als Wasser- speier oder als Stirnziegel der Traufrinnen verwendeten (oben S. 531), theils in symbolisch ornamentalem Sinne , z. B. an der Umfassungsmauer des Grabes der Mamia oben S. 404: aufgestellt waren und welche andemtheils eine rein decorative und zwar sehr eigenthümliche Bestimmung hatten, in welcher man sie z. B. au dem Mosaik- und Muschelbrunnen der Casa della prima fontana a musaico findet. liier sind an den beiden Pfeilern, welche die Nische einfassen und ihre Wölbung tragen, zwei Masken , eine nicht näher bestimmte tragische und eine des Herakles mit dem Löwenfell angebracht, deren Mund und Augen ganz geöffnet sind ; aber nicht etwa zum Ausgießen von Wasser , sondern , so vermuthet man wenigstens, um das Licht von in die Masken gestellten Lampen herausstrahlen zu lassen. Die Richtigkeit dieser Annahme kann allerdings nicht verbürgt werden , allein unwahrscheinlich ist sie nicht , und diese ge- schmacklose Spielerei der Geschmacklosigkeit des Ganzen dieser antiken Rococcobruunen durchaus würdig und angemessen.

Um nun die pompejaner Sculpturen ihrem Gegenstande und ihrer Be- Stimmung nach , so weit die letztere bekannt ist , zur Übersicht zu bringen, wird mit den mythologischen Bildwerken am natürlichsten zu beginnen sein, und unter diesen wiederum mit den Tempel- und Cultusbildern.

Es versteht sich von selbst , dass alle Tempel und Capellen in Pompeji ihr Cultusbild gehabt haben , denn ohne ein solches ist , ganz einzelne und besonders motivirte Ausnahmen abgerechnet , überhaupt kein antiker Tempel zu denken ; nachzuweisen aber vermag man von den pompejaner öffentlichen Cultusbildern nicht eben viele. Von demjenigen aus dem griechischen Tempel (S. 85) fehlt jede Spiu:; ob die schöne Büste des Zeus oder Juppiter, von der schon bei Besprechung des Juppitertempels (S. 91, vgl. Anm. 38) die Rede gewesen, in der That demselben ja überhaupt Pompeji angehört, ist, wie a. a. O. bemerkt worden , zweifelhaft. Die Statue , welche in der Cella des Apollo- tempels doch wahrscheinlich gestanden hat , ist verloren. Aus dem Peribolos desselben Tempels stammen die schöne ehenie Apollonstatue Fig. 279, die ihr entsprechende, nur zur Hälfte erhaltene Artemisstatue (Fig. 278) und die marmorne Aphroditestatue Fig. 280 i, denen, wie oben S. 103 (vgl- Anm. 45)

Kunitfotmen: Maaken. OegeaRtStide : Cultuibilder. 54

nachgewieiwm ist. an eigenen, ihnen entsprechenden Altären, dem Apollon ai dem Ilauptaltai, geopfert worden ist. Von diesen Statuen gehören der AikiIIui

mehr wird es nur darauf an- ^'8- *'^' Apollon uuh dem ApoUoiitein]>el.

gekommen sein, die beiden

Letaiden nach hekannten poetisch-mythologischen Beinamen , ihn als den nFemtreffeni, sie als die «Pfeilfroheic zu charakterisiren, und es ist sehr fraglieh, ob diese ihre Charakteristik mit dem Cultus, welchen sie in dem Tempel in Pompeji hatten , in einem hestimmten, vollends in einem nachweisbaren Zu- sammenhange gestanden hat. Eine Oombination (hei Nissen, Pomp. Studien S. 334), welche den Apollon hier als Gott des Schicksals und des Todes fasst, womit sich sein Kogenschießen vertragen würde, in Artemis aber, der Helferin hei der Gehurt, das entgegengesetzte Prinzip aiisgedrückt. findet, wozu ihr PfeiUchießen recht schlecht stimmen würde , iliese Combiuatiou , welche mit

542 Zveltei Caplul, Die Plastik,

der a. a. (>. entwickelten Ansicht iilior ilin Hedeutniif; des Tempels und dei übrigen in ihm gofunilenen Itüdwerke zusammenhangt, wird wohl nach der ncM gew(nineiien Einsicht in den wahren Namen dea lenipele als hinfällig erkannt werde». Es ist schon oben (S. 49li) im Allgemeinen liemerkt worden, dass die örtliche Gntatelniiig der größeren Uronzefiguren in Pompeji im höch- sten Cirad unwahrscheinlich sei. Dies muas auch für die hier in Retlc stehen- den beiden schönen Er/statiien gelten , welche ohne Zweifel nicht aus der Periode der letzten llestauration des Tempels stammen , Rondem demselbeu von Alters her gehört haben müssen und welche dalier als griechiflche Arbeiten zu achten sind, von denen es zweifelhaft erscheint, ob sie für den Tempel in Pompeji gemacht oder für denselben erworben worden sind, Ist das Letztere der Fall, so wird man darauf verzichten müssen, eine bestimmte Beziehung ihrer bcsnndcm Gestaltung inid Handlung zu dem pompejaner Tempel zu behaupten, und den Nachdruck lediglich darauf zu legen haben, dass sie überhaupt Ajiollon und Artemis darstellen. An Analogien hierzu fehlt es wahrlich ni<^ht. Und so sei in ItetrefT des Apollon , über dessen hemerkens- werthe Fundumstände es genügt, auf die Ausgrabungstagebücher ^'*) zu ver- weisen, dem allzu abfälligen Urteil von Friederichs (Bausteihe z. Gesch. d. griech.-röm. Plastik I, S. 517) entgegen getreten, ohne damit den schlanken, sehr jugendlich dargestellten Gott zu einem Meisterwerk ersten Banges

Fig. 2Sa. Wethebilder aus pompejanischen Tempeln.

machen zu wollen. Ihm die ihm gebührende Stelle in der Entwickelung des Apollonideales anzuweisen ist nicht hier der Ort. Es sei deshalb hier nur

Cultus- und Weihebilder, Bilder des h&usliohen Cultus. 543

noch bemerkt, dass beide Statuen aus Schmelz eingelegte Augen hatten, welche, wie die Zeichnung erkennen lässt, bei der Artemis erhalten sind, während der ApoUon jetzt hohle Augen hat.

Dass uns die Cultusbilder des Tempels der Fortuna Augusta (S. 11 5 f.), des Tempels des Genius Augusti (S. 117 f.) und dasjenige aus dem Sacellum im Macellum bis auf einen Arm mit der Weltkugel (S. 125), die beiden letz- teren Porträtstatuen, fehlen, ist an den angeführten Orten gesagt worden. Ebenso ist (S. 134) bemerkt, dass die Statue der Concordia Augusta, die vermuthlich die Züge der Livia trug, aus dem Sacellum im Gebäude der Eumachia, wenn auch ohne Kopf , auf uns gekommen ist. Ebenso sind es die Bilder von Thon aus dem Tempel der capitolinischen Gottheiten, von welchen die männliche schon S. 1 12. Fig. 64 in Abbildung mitgetheilt worden. Nicht das Cultusbild aus der Cella des Isistempels, sondern ein nach der Inschrift von dem Freigelassenen L. Caecilius Phoebus gestiftetes Weihebild dieser Göttin , von dessen Vergoldung und Bemalung schon gesprochen wor- den ist, zeigt Figur 280 a. Zu diesem Anathem gesellt sich die aus der Nische außen an der Hinterwand der Cella desselben Tempels stammende, in Fig. 280 c abgebildete , sehr unbedeutende Marmorstatue eines mit Epheu bekränzten Bacchus , welche laut der Inschrift an dem Plinthos N. Popidius Ampliatus der Vater von seinem Gelde geweiht hat; au Her ihr ist als hier ge- funden noch eine Satyrstatue ^i-*^) zu erwälinen, ebenfalls ein mittelmäßiges Stück Arbeit, obgleich besser gedacht und componirt als ausgeführt. In den übrigen Tempeln sind Weihebilder, nachweislich mythologischen Gegen- standes, nicht aufgefunden worden.

Nächst den Tempelbildem ziehn die Bilder des häuslichen Cultus die Auf- merksamkeit auf sich, ja sie verdienen dieselbe in gewissem Sinne in höherem Grade, als jene, da sie viel mehr eine Besonderheit Pompejis bilden. Auf die verschiedenen Hauscapellen und Nischen für häusliche Götterbilder ist schon in der Einleitung zu der Beschreibung der Häuser und in diesen da , wo sie sich fanden, aufmerksam gemacht worden, auch sind ebenda schon einige Bilder selbst angeführt worden , wie z. B. die nicht mehr nachweisbare Flora- statuette aus der Casa del Fauno , zu der das Altärchen mit der oskischen In- schrift gehörte (S. 347 f.) Auf eine Menge kleiner Bronzesigilla, welche nach Ausweis ihrer Fundorte dem häuslichen Culte gedient haben, kann hier, ohne weitläufig zu werden, nicht eingegangen werden, es muss genügen, die Thatsache als solche hier berührt zu haben. Im Einzelnen sind hier nur einige Bildwerke von größeren Maßen und höherer künstlerischer Bedeu- tung hervorzuheben. Unter diesen verdient in mehr als einer Hinsicht den ersten Platz die in der nachfolgenden Fig. 281 abgebildete, schon oben er- wähnte Statue der Artemis. Ihre Herkunft aus Pompeji ist freilich nicht unbestritten, allein über ihre Auffindung in der Hauscapelle eines der später wieder verschütteten und neuerdings zum zweiten Mal ausgegrabenen Häuser an dem südlichen Abhänge der Stadt im Theaterquartier sprechen die Aus- grabungstagebücher so bestimmt und ausführlich, dass dagegen die Zweifel ver- stummen müssen 2<«). Die Art der Aufstellung, wie es scheint in einer eigenen Aedicula im Peristyl eines großen Hauses auf einer aus Ziegeln hergestellten,

mit iin'lirtitrhiiroii iMariiuiriilatteti lickI''i(U'ten Haais ist das zunächst Tkriiswcvllii: an dieser Statiii-, /iveitt'iis vcnliont sie die «prößtc Iteaclitiiu^

Fig. 281, A rdia ist i sehe ArtemiaBtatiit.

Fig. 28'i. A]io Hon Statue von Br»

als cliisciuzige, uUerdiiigs wohliiiclit erhtalterthümliche, wohlalMsrhieratiscJi- ardiais tische statuarische Werk , welchüa wir bisher aus Fonnieji keouen, und drittens wegen der sehr reiclilichen Fürhuiig , von der schon oben S. 536 im Allgemeinen gesprochen worden ist. Etwas genauer sei hier nur bemerkt, dass die gelben Ilaare , in denen ein weißer Reifen mit rothen Rosetten liegt, wohl (matt) vergoldet gewesen sein werden ; die Gewandsäume , das Kiicher- l>and, die Saudalenriemen sind rotli (oder rosa) gefärbt gewesen, was noch heute in m. o, w. sicheren Spuren erkennbar ist. Hagegen bemerkt man auch hier am Nackten keine Farbe. Dieser Statue stellt sich als nicht minder auch kunfit<;e schichtlich interessant zur Seite die IS53 am 8, November in dem nach ihr C'asa del citarüta inach einem Hauptbilde C'asa d' Ißgenia, richtig domut

Bilder ded h&uslichen Cultus.

545

Popidii Secundi Augustiant) genannten Hause der Slrada Stabiana (Plan No. 118) gefundenen lebensgroßen Hronzestatue eines ApoUon^''), von welcher Fig. 282 eine nach einer Photographie gemachte Darstellung giebt. Diese Statue, auf deren künstlerische und kunstgeschichtliche Bedeutung zurück- gekommen werden soll , hält in der gesenkten Rechten das Plekti-on , so dass kein Zweifel sein kann, dass sie mit der Linken, in welcher noch ein Apparat zur Befestigung erhalten ist , die Lyra gehalten hat , die aber spurlos verloren ist. Sie stand an der Ecksäule im Peristyl des genannten Hauses, freilich nicht in einem häuslichen Heiligthum , wie die eben besprochene , so dass wir nicht mit Bestimmtheit sagen können , dass sie dem Cultus der einst- maligen Bewohner gedient habe, welche sie auch als ein bloßes Schaustück besessen haben mögen , obgleich sie den Charakter hat , der Cultbildem be- sonders zuzukommen scheint. In einer Aedicula dage- gen wurde, falls nämlich den Angaben Finatis im Mus. Borbon. Vol. H zu tav. 23, der über das Datum der Auf- findung (1808 statt ISIl, den 6. April nach Pomp. ant. bist. I, III, p. 54 sq.) irrt, mehr als dem nicht ganz genauen Fund- berichte zu trauen ist, eine zweite , kleinere bronzene Apollonstatue von sehr ju- gendlichen und zarten For- men gefunden, von welcher der Umriss Fig. 283 a wenig- stens der Composition nach eine Vorstellung geben kann. Das Haus, in welchem sie stand (Plan No. 26), scheint von einem besonders eifrigen Verehrer des ApoUon bewohnt gewesen zu sein, denn auch in den Gemälden desselben, welches nach diesen und der Statue den Namen Casa d' Apolline führt, ist diese Gottheit mehr als ein Mal dar- gestellt. Die jetzt im Museum befindliche Statue ^*^) zeigt den Gott an einen schlanken Pfeiler lässig angelehnt, sein Spiel unterbrechend, als wolle er mit sanft geneigtem Haupte den Bitten des vor ihm Opfernden horchen. Sie ist von zierlicher, wenn auch etwas glatter Arbeit und von einer so vortrefflichen Erhaltung, dass selbst noch einige der silbernen Saiten an ihrer Lyra unge- brochen sind. Diesen beiden bronzenen Statuen des ApoUon gesellt sich eine dritte von griechischem Marmor, von der freilich nur der Körper antik ist 2»») (abgeb. mit den Ergänzungen Mus. Borb. XII, tav. 56), welche aber ebenfalls aus einem Privathause stammen soll und füglich ein Cultusbild gewesen sein mag. Auch in dieser Statue scheint der Gott, welcher mit über den Kopf gelegtem Arm an einen Baumstamm gelehnt ist, an dem sein Köcher hangt,

Fig. 283. Bronzene Götterbilder auB Privathäusern.

Overbeckf Pompeji. 4. Aufl.

35

540 Zweites Capitel. Die Plastik.

sich j^nädij^ zuhörend den an ihn gerichteten Geheten zu neigen. In dem s. g. Hanse der Isis und des Osiris, welches nach seinen Gemälden auch das Hans der Tänzerinnen [Casa delle danzatrici^ Plan No. 11) heißt, fand man in der Aedicnla, in der auch ein kleiner Altar stand, die hronzenen Statuetten der beiden genannten aegyptischen Gottheiten nehst derjenigen des Harpo- krates mit dem Finger auf dem Munde, ein Beleg mehr dafür, wie tief der fremdländische Cult in die römische Welt eingedrungen war. Häuslichem Cultus hat wahrscheinlich ebenfalls die in Fig^r 28 1^ b dargestellte kleine Bronzegruppe des Dionysos und eines Satyrn 220) gedient, obgleich sie nicht in ihrer Aedicula, sondern in Leinwand gewickelt und mit anderen Gegen- ständen in einen kupfernen Kessel verpackt, dann aber bei der Flucht weg- geworfen im s. g. Hause des Pansa gefunden wurde (s. S. 328).. Der Gott, den sein dienender Begleiter zutraulich umfasst, hat wiederum den Charakter der gnädigen Bezugnahme auf die ihm Opfernden oder zu ihm Betenden, welchen man als den dem Cultusbilde angemessensten wird anerkennen müssen, so vielfache Thatsachen im Allgemeinen und so manche aus Pompeji bekannte (s. den ApoUon und die Artemis aus dem Apollotempel Figg. 278 u. 279, die archaistische Artemis Fig. 281, um nur diese zu nennen), beweisen, dass auch solche Bilder dem Cultus gedient haben, welche sich in Situationen befinden, die den Gedanken an eine unmittelbare Beziehung des Bildes zu dem anbeten- den Sterblichen ausschließen. Eben dieser Umstand ist auch der Anlass, die wenn auch noch so kleine Liste häuslicher Cultusbilder hier zu schließen, um nicht als solche Statuen anzuführen , welche sich in dieser Bestimmung weder durch sich selbst, noch durch die leider nur in wenigen Fällen hinreichend ge- nauen Fundberichte erweisen lassen. Der Vorrath mythologischer Bildwerke aber ist damit nicht erschöpft, eine größere Zahl derselben, als die bisher ver- zeichneten, diente erweislich anderen, als den bisher besprochenen Zwecken, und von ihnen wiederum lassen sich ziemlich viele sicher als Brunnenfigu- ren erweisen. Es ist schon früher (S. 242) der Brunnenfiguren im Allgemeinen gedacht worden, zu denen von den Statuen in unseren Museen viel mehre gehören, als Mancher ahnen mag 221). Eine ganze Reihe derselben ist freilich unverkonnbar, indem sie gradezu die Brunnenmündung selbst bilden' und so oder so den Ausguss des Wassers vermitteln, sei es, dass sie aus Gefäßen oder Schläuchen den Wasserstrahl auszugießen scheinen, oder dass ein von ihnen gehaltenes Thier oder auch eine Maske diesen ausspeit. Denn nur in ganz seltenen Fällen besorgen Brunnenfiguren dies selbst, wie z. B. der in der Archaeol. Zeitung von 1879 Taf. I, No. 5 abgebildete Satjrr, welcher aus den gespitzten Lippen den Wasserstrahl her vorbläst, als wollte er Jemand mit demselben bespritzen. Eine bei diesen Statuen irgendwo, meistens sehr sinn- reich, angebrachte Durchbohrung, welche das Wasserrohr aufzunehmen be- stimmt war , lässt die Gattung erkennen, zu welcher sie gehört haben : bei anderen aber fehlt dies sicherste Kennzeichen, welches entweder mit den Theilen , an denen es sich befand , verloren gegangen ist , oder auch sich nicht unmittelbar an der Statue selbst fand , sondern an ihrer Ba&is , einer Stütze oder sonstwie in entfernterer Verbindung. Noch andere Statuen von etwas anderer Erfindung besorgten weder das Ausgießen des Wassers selbst,

Brunneaflguren, ^lAl

noch standen sie zu demselben in so naher Beziehung, wie die erwähnten, dennoch hatten sie mit dem Wasser von Impluvien und Piscinen zu thun, wie Beispiele aus Pompeji und Herculancum zeigen, un<l gewinnen bei einer solchen Aufstellung außerordentlich an lebendigem Charakter und an Anmuth der Erfindung. Alles in Allem genommen gehören die Hrunnen- figuren sehr verschiedenen Kreisen an ; es giebt mythologische sowohl wie nicht mythologische. Die ersteren sind vorzugsweise, aber keineswegs aus- schlieBlich, dem bakchisclien Kreise entnommen, die anderen reine, zumTheil allerliehst erfundene Genrebilder im eigentlichen Sinne des Wortes, wie die zehn Knabenfiguren aus Hronze von Herculaneum (Mus. Horb. Vol. 1, 45; II, 22 und III, II], welche aus Gefäßen den Wasserstrahl ausgießen oder einen Fisch oder eine Maske halten , aus der er liervorapringt. Hei ihnen soll man ja nicht nach irgend einem mythologischen Namen suchen, und ihnen würde man mit der gezwungenen Beilegung eines solchen großes Üurecht thun.

Herculaneum sowohl wie Pompeji haben Itrunnenfiguren aller Art, von Marmor und Erz, aus mytholc^ischem Kreise und aus dem des Alltagslebens in nicht geringer Zahl geliefert, welche durch die Analogie, welche sie zu anderen Statuen liefern, von ganz besonderem Werth und einer Durch- mustemng durchaus würdig sind. Die folgende kleine Auswahl mag die ver- schiedenen Classen zur Vorstellung bringen. Zunächst einige Proben solcher Figuren, welche direct als Wasseransgüsse dienten. Wie schon gesagt, sind hier ganz besonders die Figuren des bakchischen Kreises beliebt, namentlich Silene und Satyrn mit dem Weinschlauch oder der Amphora, bei denen das Ausgießen ans eben diesem Schlauche oder Gefäße, mögen sie <lasselbe auf der Schulter oder unter dem Anne tragen, mögen sie den Schlauch im seligen Rausche oder im trunkenen Schlafe auf den Itoden fallen ge- lassen, oder die Amphora, um aus- zuruhen, auf einen Pfeiler oder Baumstumpf gelegt haben, als na- türliches, oft aber mit trefflichstem Humor behandeltes Motiv er- scheint. Auch in Pompeji sind der- artige Brunnenfiguren nicht selten : einem alten Silen mit dem Wein- schlauche sind wir schon in der Bninnennische der Casa di Lucre^ (8. 318) begegnet, ein Satyr mit demselben Geräthe aus ^ci s. g. Villa des Cicero ist auch schon er- wähnt ; einen zweiten Silen von „. . Marmor, welcher in der Brunnen- nische der Casa del granduca aus einem auf einen Baumstamm gelegten Ge- fäße das Wasser ausgoss, zeigt Fig. 284 a; auf ein zweites Motiv in der

35«

548 Zweites Cn|iitel. nie Plnstik.

Composition dieser Gestalt liraiiclit angesichts ilor Ahlnldiing wohl nicht be- sonilers hingewiesen zu werden.

Weitaus die vorziiglifhstc Figur dieser Art ist die schon oben S. it55 er- wähnte. welche in Fig. 28rj nach einer Photographie ahgchildet ist. Der

Pig. 285, Trunkener SatjT. Brunnenfigur aui der Cwa del Centenario.

Gedanke der Composition ist voll Humor: der trunkene Bursche, der sich taumelnd kaum auf den Füßen erhalteu kann, drückt unwillkürlich so auf den unter dem linken Arme getragenen Schlauch, dass aus diesem die Flüssig- keit in starkem Strahl hervorspritzt, was der Träger gern durch einen Griff der rechten Hand verhindern möchte. Dieser aber ist zu unsicher, um wirkungs- voll zu sein. Über die drastische Lebendigkeit, mit welcher dieser Voi^ng dargestellt ist, braucht eben so wenig gesprochen zu werden wie über die VortrefTlichkeit der Formen, welclie nur in der Abl)ildung, weil mit dem Fehler der photographischen Perspective behaftet, theiiweise viel schwerer erscheinen,

Brunnenfiguren. 549

als sie in der That sind. Nicht vertuscht werden soll, wie sehr das Bleirohr, welches das Wasser von hinten in den Schlauch leitet, den Eindruck der Composition heeintrachtigt.

Neben den Personen des bakchischen Kreises eignen sich natürlich Fluss- göttet und Quelleniiymphen in ganz besonderer Weise zu Brunnenflgiiren ; auch davon bietet Pompeji ein lieispiel in der ziemlich hübsch gearbeiteten, auch noch in anderen Exenii»laren bekannten Nymphe, welche Fig. 284 b dar- stellt"^) ; bequem auf einem Felsen sitzend scheint sich diese oberwärts nackte Figur die eine Sandale zu lösen, während sie behaglich auf das aus ihrer umgestürzten Urne rinnende und in dem Bassin zu ihren Füßen ge- sammelte Wasser blickt, bereit, demnächst badend in das kühle und klare Nass zu tauchen. Sinniger konnte eine Brunnenfigur kaum erfunden werden: es ist aber gar nicht unwahrscheinlich, dass mehr als eine Statue der im Bade kauernden oder eben dem Ifade entstiegeneu tind die feuchten Haare trock- nenden Aphrodite in ganz ähnlicher Weise am Kande von Wasserhecken auf- gestellt gewesen ist.

In einer bedeutenden Zahl anderer Brunnenfiguren wird das Motiv des Wasserausgießens weniger nahe begründet, so dass dieses als etwas mehr Zufälliges, ja zum 'fheil als nicht vollkommen passend erscheint. Besonders beliebt war es, den Wasserstrahl durch irgend ein 'fhier ausspeien zu lassen, sei es dass dieses allein stand, wie aus Pompeji z. B. ein kleiner bronzener Stier oder ein marmorner Löwe^^*) oder die thönemen Frösche, welche in der Casa del poetu tragico gefunden wurden und von denen einer bei von Rohden a a. O. S. 29, Fig. IS und 19 in doppelter Ansicht abgebildet ist, sei es dass dasselbe, von einer menschlichen Figur gehalten wurde oder sonstwie mit der- selben in Zusammenhang stand. Von dieser Art sind drei der in der Archaeol. Zeitung a. a. O. abgebildeten Gruppen und ist die, freilich nicht mythologisch zu benennende, zierliche Gruppe eines Knaben mit einer gefangenen Ente Fig. 286. Dieselbe stand in der Casa della piccola Jontana a musaico im Bassin des Viridariums selbst , imd das hübsche Motiv der Composition ist offenbar, dass der Knabe sich von seiner Ver- folgung des Thieres zu weit hat fortreißen lassen und nun sich erstaunt rings von Wasser umgeben sieht *^').

Endlich haben wir auch von solchen Brunnenfiguren, welche mit dem Wasserausgießen selbst unmittelbar nichts zu pj ^ge

thun haben, wenigstens ein mügliches, wenn auch nicht Brunnenfigur, sicheres Beispiel in dem meisterhaften kleinen bronzenen Faun oder Satyrn, Fig. 287, welcher der Casa del Fauno den Namen gegeben hat, der aber, wie S. 350 schon bemerkt wurde, nicht aufgestellt am Impluvium, sondern an dessen Rande, vielleicht nur zufallig, liegend gefunden wurde. Er mag aber dennoch zu dem, wie a. a. O. angeführt, mit einem Springbrunnen versehn gewesenen Impluvium und dessen Wasser in Beziehung gestanden haben, wie denn auch sonst Satyrn in ähnlicher Weise aufgestellt wurden, welche man sich im Walde lebend, an Bachesrande mit den Nymphen schä- kernd, zum Rauschen der Quellen ihre Flöte blasend oder unter demselben

Zucitcfl Capitel. Die Plastik.

ifl ciitscliliimmcrt diichtc \nu\ sie ilemKcmUß I>il(lcte. Sei aber dieser Satyr Hriiimcii aiiffirstcllt t^i'wcsi'ii tider nicht, das ist fiir seine kimstlerische Würdigung gleichgiltig, und der ■\\ trth der Statue bleibt in allen !• illtn ein sehr hoher. Es giebt i^twis'. nicht viele Kunstwerke, rttlchL <lie ausgelassene Lust des bAkdu^iheu Taumels so verge- flinwiiti^en wie dieser sehnige \ltc der ganz Uewegung und Hiiiticitat über den Itoden da- hnitaii/t als gab' es keine kÖr- [lerlithc bchnere, und als sei die \rbeit aller angespannten Mus- keln des ganzen Körpers nichts als Lust und Itchagen. Den hat der Cteist seines Oottes ei^iflFen und hebt und treibt ihn, dass er sich und die Welt vergisst; und daf^s wir dennoch sehn wie et arbeitet , dass hier kein Schwe- ben und leichtes Schweifen, soniiem ein tüchtiges Auftreten und Schwenken der Glieder dar- gestellt ist, das ist vom Künstler vortrefflich ersonnen , der uns eben ein Bild der derben Sinn- lichkeit vor Augen fuhren will, und dieses in allen Zügeu bis hinab zu den unverhiillten Zei- chen halbthierischer Natur mei- sterhaft durchgeführt hat, Dass es sich hier um ein echt griechi- sches Kunstwerk aus sehr guter Zeit handelt, möge noch ein Mal hervorgehoben werden.

Von anderen Statueu my- thologischen Gegenstandes ist auch in Pompeji zufolge der mangelhaften Überlieferung des Standortes bei der Auffindung die ursprüng- liche llestimmung wenigstens nicht mit Sicherheit nachwebbar ; bei mehren derselben, namentlich denen von Marmor, ist ein bloßer Uecorationszweck der Atrien , Peristylien oder ^'iridarien , dem sonst auch Genrebilder dien- ten, nicht unw ah pichein li ch , in ein paar Beispielen in der C'ctaa dt Lucresio jS. 319) sogar nachweisbar; andere, namentlich kleinere von Bronze, soweit sie nicht dorn häuslichen Cidtus dienten, mögen, wie es von dem gleich zu

Ki{t. -Ml.

u dei Fun

Q ÜTonze a

Souatige mythologische Figunu. 551

erwähnendeu Silen erweislich ist, Träger von Gerätheu und Gefäßen oder deren Veizierungen in der Art gewesen sein wie der Sileu an dem kleinen Candelaber Fig. 233 d odet der bakcliische Knabe auf dem Panther an dem- jenigen daselbst e, oder aber wie die Figuren auf den Lampen de ekeln in Fig. 231 0 und^. Für den Rest mag sich die ursprüngliche Bestimmung zum Theil noch aus dcu Ausgrabtmgstagebüchem aufüiidcn lassen, zum 'i'beil bleibt er zu errathen.

In Fig.28Saic sind ^

drei der besseren Mar- morstatuen dieser Art vereinigt ; a zeigt den schon S. 319 erwähnten Satyrn aus dem Peristyl

der Vota di Lucrezio, wel- ~

eher mit der über den Kopf erhobenen Hand die Strahlen der Sonne abzublenden scheint, um besser in die Feme sehn zu können, ein, wie schon a. a. O. bemerkt wurde, lehensvoll erfundenes und

auch nicht schlecht aus- '

geführtes Bild. Mit i ist ^ ^

eine jetzt im Museum be- Fig. 288. Idealbildwetke aus Marmor.

findliche jagende Artemis

bezeichnet*^*), deren Fundort nivht genauer bekannt ist. Die Oomposition, welche sich übrigens ähnlich nicht selten wiederholt, ist vortrefflich, der Eifer der Göttin der Jagd und ihr rasches und doch nicht angestrengtes Daher- schreiten, welchem der Hund in vollem Laufe kaum zu folgen vermag, sind sehr wohl ausgedrückt ; nur könnten die Formen wen^er derb und die Arbeit ausgeführter sein. I>a8 Haar der Göttin und der Felsen, über welchen der Hund dahcistürmt, zeigen deutliche Spuren rother Bemalung. Unter c ist eine kleine aus dem Bade gestiegene und ihr Haar trocknende Aphrodite mit gelb- bemaltem Haar und rosarothem Gewände bezeichnet , über deren Fundort Sicheres nicht feststeht. Es ist dieselbe, über deren nicht aufgeklärtes ^'er- hältniss zu der im Isistempel gefundenen Figur des gleichen Motivs, aber mit angeblich verschiedenen Farben schon oben [S, .136 mit Anm. 208] gesprochen worden ist. Ein paar andere nach Gegei^tand und Ausführung gleich interes- sante Marmorfigureu aus mythologischem Kreise, welche nach England ver- zettelt worden sind, bringen die Monumenti ed Annali d. Inst. 1857, tav, 40 und 1855, tav, U. Die erstere zeigt einen auf einem Esel liegenden betrun- kenen, die zweite einen von einem Hunde angegriffenen Satyrn.

Unter den Erzwerken kann auf die zaldreichen ganz kleinen Figuren [siffilla] , unter denen sich auch nur weniges in irgend einer Hinsicht Hervor- ragendes findet, im Einzelnen hier nicht eingegangen werden; nur einige

552 Zweitei Capitel. Die Plastik.

Werke von etwas größerem Maßstäbe venlienen in alle Wege eine besondere Hervurlicbmifj und eine etwas näber eingehende Besprechung. Ihrer zwei, «iiliri' IVirUni der Hronzeliililnerei , haben die neueren Ausgrabungen zu Tage g(^fiiriU;rt. Krstcns den hierneben Fig. 289) nach einer Photographie ge- zeidmeton Silen Küi>thöhe ohne die Basis 0,42 M.) , welcher in dem Hause des N. Popidius Priscus {Caaa deimarmi, Plan No. 71) gefunden, als Gefäßfiifl gedient hat, und zwar so, dass das hrag- nientirt mitgefundene Gefäß in dem von ihm mit der Linken emporgchaltenen Ringe stand. Es ist einfach unmüglicb, das mühsame, alle Kräfte des Körpers in Anspruch nehmende Emporstützen einer schweren Last und den vollen und dabei derben Eifer , mit welchem der dickl)äuchige alte Geselle dies Geschäft besorgt, besser auszudrücken, ala ea hier gesehehn ist, und zwar mit Wahrneh- mung nicht allein der hauptsächhchen, sondern einer ganzen Reihe feinerer Mo- tive der Bewegung , wie dasjenige des rechten Armes, welcher das Gleichge- wicht herzustellen sucht, das Andrücken des bärtigen Kinnes an die Brust, die Stellung der Füße. Seltsam, dass sich mit dieser untadelhaft ausgeführten, vortrefflichen Composition eine ganz un- gereimte Erfindung zur Aufnahme des von der Figur getragenen Gefäßes ver- bindet. Dieses nämlich stand, an und für sich fest genug, zwischen den drei Pal- mctten des emporgehattenen Ringes: Fig, 2K9. Silen von Bionie. allein diese Palmetten entspringen so un-

oi^aliisch wie möglich aus dem Ringe, der von einer Schlange gebildet wird, und dieser wird von dem Silen an einem Punkte seines Umkreises gefasst und so mit seiner Belastung gehoben , was wiederum statisch und mechanisch ein Ding der reinen Unm<:^lichkeit auch dann sein würde, wenn der Ring nicht aus einem biegsamen Schlangenkörper bestünde , namentlich bei der Schwere der Last, welche eine so große An- strengung des Trägers erfordert , wie die hier bei der Große des Gefäßes mit gutem Grunde dargestellte. Es dürfte schwer sein , ein zweites Beispiel aus der verwandten Antike aufzufinden, in welchem sich der feinste künstlerische Geschmack mit einem ähnlichen Mangel an Takt und Gefühl verbände , wäh- rend wir Modernen freilich zu Hunderten dergleichen Erfindungen machen, gegen welche diese hier noch als musterhaft gelten muss.

Noch ungleich liebenswürdiger ist die wie schon früher gesagt in einem

Bronzestatuetten. 553

Hause des Vico del balcone pensile gefundene, in jeder Hinsicht bewunderungs- würdige Bronzestatuette (Höhe ohne die Basis 0,59 M.), deren nach einer Pho- tographie gemachte Abbildung das Titelblatt dieses Buches schmückt, und welcher, wenn sie nicht die Krone aller bisher in Pompeji gefundenen Kunst- werke ist, sich nur der tanzende Satyr der Casa del Fauno als ebenbürtig an- reihen kann. Der Name , welcher dieser unbeschreiblich weichen und dabei dennoch irischen, lieblichen Jünglingsgestalt zu geben ist, steht auch heutigen Tags nach vielfachen Erörterungen noch nicht über allen Zweifel fest, obgleich die allgemeine Ansicht sich je länger , desto mehr der gleich in den ersten Zeiten nach der AufGndung ausgesprochenen Erklärung zuneigt, dass der mit einem Panther spielende Dionysos zu erkennen sei22ö). Allerdings hat Minervini, dessen Resultaten sich auch Fiorelli in allem Wesentlichen an- geschlossen hat 227) ^ in einem gelehrten Aufsatze Gründe für die Benennung der Figur als Narkissos geltend zu machen gesucht, und dieser Name ist jetzt der am allgemeinsten gebrauchte. Allein wenn er auch ohne Zweifel Manches für sich zu haben scheinen mag, so stehn ihm doch nicht allein einige nebensächliche Umstände entgegen, das Ziegen- oder Rehfell nämlich, das von der linken Schulter des Jünglings herabhangt und um seine linke Hand- wurzel geschlungen ist, und der Epheukranz mit Beeren , welcher sich durch sein Haar schlingt , sondern die Situation , nach welcher hier Narkissos den Schmeichelworten der Echo lauschend dargestellt sein soll , entspricht nicht dem Narkissosmythus. Die angeführten Einzelheiten, welche Minervini für Narkissos vergeblich zu rechtfertigen sucht, weisen mit Bestimmtheit auf den dionysischen Kreis hin , und ihnen gegenüber ist zur Erklärung der Statue wohl der Gedanke an einen Satyrn ausgesprochen worden , welche in ihren edelsten Gestaltungen nicht allein in ganz ähnlicher Zartheit und weicher Jugendblüthe , sondern auch ohne jegliches thierische Abzeichen (Spitzohren und Ziegenschwänzchen) vorkommen , durch welches sie sonst bezeichnet zu sein pflegen. Ob aber irgendwo ein Satyr mit einer so zierlichen Fußbe- kleidung nachweislich ist, wie sie unser Jüngling trägt, ist sehr fraglich , und Gleiches dürfte von Pan (Diopan) gelten, welchen ein weiterer Erklärungs- versuch 22») in dem Jüngling erkennen möchte, so dass man sich auch mit dieser Erklärung nicht zufrieden geben kann , so wenig an der gelegentlich rein menschlichen und jugendschönen Bildung des Pan gezweifelt werden soll. Für die Benennung als Dionysos wird neuerdings von mehren Seiten besonders die Parallele eines von Michel Angelo zu einer Gruppe ergänzten, lebensgroßen Marmortorso in Florenz ^^o) geltend gemacht, welcher, das lässt sich nicht ver- kennen, mit der in Rede stehenden pompejaner Figur eine große, wenn auch in der Bewegung des Leibes vielleicht nicht vollkommene Ähnlichkeit hat. Das Unglück ist nur, dass an dem florentiner Marmor der Kopf, beide Arme und die Beine von den Knien abwärts der Ergänzung angehören und dass, wenngleich eine abgearbeitete Stelle an der linken Hüfte mag schließen lassen, dass die florentiner Figur in Übereinstimmung mit der pompejaner Bronze die linke Hand hier aufgestützt hatte, ihr Motiv doch nur vermuthet werden kann. Nun soll freilich nicht geläugnet werden, dass für den florentiner Torso die An- nahme, dies Motiv habe in dem Spielen des Gottes mit einem neben ihm ^m

554 Zweites Capitel. Die Plastik.

Hoden sitzenden und sich etwa halb gegen ihn aufrichtenden Panther be- standen, nahe genug zu liegen und befriedigend genug zu sein scheinen mag. Aber man darf doch nicht vergessen, dass dies vielleicht nur deswegen der Fall ist, weil uns an ihm die Theile fehlen , welche dies bedingen oder hierdurch in ihrer Haltung bedingt sein würden und dass es sich auf alle Fälle um nichts als um eine bloße Vemiuthung handelt. Es dürfte aber doch fraglich sein, ob es gerechtfertigt ist , auf eine solche die Erklärung der pompejaner Bronze zu stützen. Denn erstens ist auf der l^asis dieser völlig unverletzt auf ims gekommenen Figur nicht die geringste Spur weder von einem Panther noch von sonst irgend einem verlorenen Gegenstande. Und wenn dem gegenüber gesagt worden, das Thier sei in der verkleinerten Copie weggelassen, ent- weder weil man das Motiv auch ohne dasselbe für klar und deutlich genug hielt, oder weil für den Panther auf der kleinen runden Basis kein Platz war, so dürfte der erstere Grund insofern problematisch erscheinen, als wenigstens uns das Motiv durchaus nicht klar ist: den zweiten aber wird man in Abrede stellen dürfen, denn für einen Panther in der Große, welche ihm als Beiwerk zukam, ist auf der Basis reichlich Platz. Uazu kommt aber zweitens, dass die Stellung der pompejaner Figur, die Neigung ihres Kopfes, die Richtung ihres Blickes und die eigen thümliche Haltung der Finger ihrer rechten Hand sich aus dem bezeichneten Motiv nicht erklären lassen. Wenn der Gott mit seinem rechts neben ihm sitzenden Panther spielte , so müsste nach natürlichem Motive sein Blick auf das Thier gerichtet sein, wobei der Kopf anders gedreht und weniger geneigt sein würde. So wie die Figur vor uns steht (und am Original oder Abguss ist dies noch klarer, als an der Ab- bildung) geht der Blick ihres stark nach rechts geneigten und nach links ge- wendeten Kopfes entschieden nach ihrer linken Seite , wo selbstverständlich in keiner Wiederholung der Composition der Panther gewesen sein kann. An der Fingerhaltung der rechten Hand aber ist das Eigen thümliche, dass wäh- rend die drei letzten Finger eingeschlagen sind , der Daumen und der Zeige- finger ganz grade ausgestreckt werden , wodurch auch ^jeder Gedanke an einen in dieser Hand gehaltenen Thyrsos oder dergleichen ausgeschlossen wird. Denkt man die Figur mit einem Panther oder sonst einem Thiere spie- lend, so würde man die Fingerhaltung nur als den Gestus einer scherzhaften Drohung auffassen können, wofür es an antiken Analogien fehlt. Die Stellung des Jünglings, wenn wir von dem thatsächlich Gegebenen ausgehn, scheint vielmehr die eines Lauschenden zu sein. Den Schritt anhaltend steht die reizende Gestalt vor uns , und so hat sie oflFenbar schon eine Weile ge- standen, und deshalb die linke Hand leicht auf die Hüfte gestützt ; das Haupt ist mehr träumerisch als sinnend zur Seite geneigt , die rechte Hand erhoben nach der Richtung , wohin auch der Kopf sich neigt und woher der Ton zu kommen scheint, auf den der Jüngling, fern von gespannter Aufmerksamkeit, vielmehr mit einer gewissen Versunkenheit horcht, der also kein plötzlicher, rasch vorübergehender sein kann , sondern als ein dauernder zu denken ist, wie ein lerner Gesang. Auf diese Auffassung der Stellung ist die Ansicht ge- gründet, die Statue stelle Narkissos dar und es sei der Ruf der Nymphe Echo, auf welchen der schöne Träumer lausche. Dass dieser Annahme mancherlei

Bronzestatuetten. 555

Bedenken entgegenstehn, ist gesagt worden ; es fragt sich nur , ob diejenigen geringer sind , welche sich an die Benennung der Statuette als Dionysos knüpfen. Denn mag es Echos Ruf, mag es der Schlag der Nachtigall oder das Bauschen eines Quells oder endlich menschlicher Gesang sein, der des Lauschers Ohr trifft , als »Lauscher« scheint ihn seine Stellung sicher zu bezeichnen und eben so sicher sind es süße Töne , die zu ihm dringen , und denen hingegeben er das Haupt wie selbstvergessen sinken lässt und wie verzaubert in seiner Stellung verharrt. Ob und wie sich hiermit der Name des Dionysos wird ver- einigen lassen, dem freilich der Charakter der Gestalt entspricht, mag dahin- stehn ; eine sichere Entscheidung scheint nicht möglich. Denn so richtig der Grundsatz sein mag , dass wir Kunstwerke aus der Analogie paralleler Kunst- werke erklären sollen, eben so unanfechtbar dürfte der andere sein, dass keine Erklärung eines Kunstwerkes auf Giltigkeit Anspruch hat , welche wichtigen Momenten in diesem selbst widerspricht oder sie nicht deckt. Wie bedenk- lich aber im vorliegenden Falle der Analogieschluss aus einem nicht ganz er- haltenen, sondern selbst erst nach Vermuthung zu ergänzenden und seinem Motive nach zu errathenden Kunstwerke sei, ist hinlänglich betont worden. Und auch den Einwand, dass das Motiv des Lauschens, namentlich für eine lebensgroße Figur, wie die florentiner, zu genrehaft sein würde, kann man nicht gelten lassen. Denn einerseits fragt es sich, ob das für die florentiner Figur vorausgesetzte Motiv des Spielens mit einem Thiere minder genrehaft wäre, und andererseits sind die Beispiele derartig genrehafter Motive seit der Periode der zweiten Blüthe der Kunst zu häufig, um in einem bestimmten Fall Anstoß erregen zu können. Halten wir uns also vor der Hand an die Composition unserer pompejanisehen Bronzefigur selbst, so wird man sagen dürfen, dass ihre Stellung lieblicher und anmuthiger nicht sein konnte, möge man die zarte Wellenlinie der Umrisse oder die feinen Gegensätze der tragenden und getragenen Theile, des zurückgezogenen rechten Armes mit gesenkter Schulter und des aufgestützten linken mit der höhern Schulter in's Auge fassen. Ja diese scheinbar so natürliche Stellung ist mit einer Feinheit erfunden und in der ganzen Composition durchgeführt, dass sie des größten Meisters würdig erscheint und dass sie das Auge des Beschauers nicht wieder loslässt, er möge die Statue in der Vorder- oder in der Hinteran- sicht oder in einem der beiden Profile vor sich haben. Und in gleichem Maße liebenswürdig sind die Formen , sind die Verhältnisse , ist die Weichheit der Einzelbehandlung, welche weit eher an Fleisch und blühend zarte Haut, als an Bronze denken lässt. Es ist freilich keine erhabene Schönheit, eher eine sinn- liche, aber von der höchsten Reinheit und Unschuld, und rein und unschuldig sind auch die Züge des Köpfchens mit seiner zierlichen Lockenumrahmung und ist der zwischen Träumen und Sinnen, zwischen Lächeln und leiser Weh- muth schwebende Ausdruck des reizenden Antlitzes. Möge die Statue, welche durch ihren Charakter und Stil dem Kreise praxitelischer Kunstübung zuge- wiesen wird, einen Namen tragen welcher es sei, unvergänglicher Ruhm und eine bevorzugte Stelle in unserem Antikenschatz ist ihr für alle Zeit gewiss. Unter den kleineren Bronzen zeigt die Nike (Fig. 290) am meisten Eigenthümlichkeiten, welche sie einer Hervorhebung werth machen. Zunächst

556 Zweites Cspitel Die Plastik,

ist Till liemerkeu, dass die Kii[H!l, auf welcher die Figur (vom Scheitel bis zur Fuilsiiit/e II, Kl M, hoi-h) zn stuliii scheint, iiiwderue Zuthat ist : iu Wirklich- keit ist sie, wie die Herzte eines Uiii^en an ihrem Kücken l)€weii«in, schwebend aufjrehäiigt gewesen , wozu sich noch einige , wenngleich nicht viele antike Analogien anführen lasBen^^"). Modern ist auch der stahartige Liegenstand in der Linken der Ciöttin, an dessen Stelle man entweder eine l'almc oder vielleicht das leichte Ocstell eines Tropaeun zu denken hat, wie es die Nike auf den zur Ueconstruction der großen Nike von tiainuthrakc benutzten Münzen des De- in etrios l'olioikctes im linken Arme triigt^-"]. Sehr möglich ist es, dass wir auch den rechten Arm der pompejaner Nike nach Alaßgabe dieser Münzen, und zwar mit einer Tuba zu ergänzen haben, welche sie eben an den Mund zu BetZQji im ItegrifF ist, um eine Siegesfanfare zu Fi« Wo. Nike von Brunese. blasen. Daraufweist die ungewöhnlich

bolie Erhebung des Armstümpfen und die Wendung des Kopfes hin, während die, vortrefflich wieder gegebene, iingewohu' Hell stürmische Itewegung des Figiireheus sieh am leichtesten aus einem der- artigen Vorbilde der l>ia<loclienperiode wird herleiten lassen, wie sie sich denn außer in dem genannten Münztypus in der grüßen Nike von Samothrake wieder- tindet, mag diese in dem 'l'ubamotiv mit jenem Münztypus zusammengehii, wie bisher angenommen wurde, oder nicht, wie man neuerdings glaubt nachweisen zu können. Damit soll natürlich nur ein allgemeinerer Anschluss der pompe- janer Nike an diejenige des Demetrios Poliorketes behauptet sein, nicht aber eine unmittelbare Nachbildung dieser, wogegen ja schon der Umstand beweist, dass die pompcjaner Itronze schwebend dargestellt ist, während diejenige des Demetrios wie die sainothrakische auf einem Schiffs vorderth eile steht.

Einige l'roben mögen endlich die letzte Klasse mythologischer Rundbilder in den bereits oben erwähnten Hennen vergegenwärtigen. Ursprünglich ent- weder durchaus oder wenigstens zum großen Theile Cultusbilder, dienten die Hennen in rom])eji soviel wir wissen, wenn auch nicht ausschließlich (s. den Apollotempel und die Palaestra der größeren ITiermen), so doch überwiegend Decoratioiiszwecken , indem sie entweder an Tliüreingängen oder in Atrien und Peristylien an den Ifeilem, in Gärten an den Mauern der Lauben^nge oder um, Piscinen oder endlich in der Art aufgestellt wurden, wie wir es im Hause des Lucretius finden. Von den mythologischen Büsten, die wohl ohne Zweifel alle auf Ilermensehäften gestanden haben, sind in Fig. 291 ein paar der besten, zwei einfache imd ein Doppelkopf zusammengestellt.

Die erste Stelle an Kunstwerth nimmt unter ihnen die Marmorbüste eines bärtigen alten Satyrn ein, bemerke nswerth sowohl durch den (iegenstand, da

Hennen büaten.

Fig. 291, Hermenbüsten Ton Marmor.

jugendliche Satyrn weniffstens viel gewöhnlicher sind, wie durch die Aus- führxmg. Mit deutlichen Zeichen der Thierheit, mit IlÖnichcn unter dem struppigen, mit Epheu bekränzten und von ei- ner Taenie, deren En- den auf die Schultern herahhangen . durch- schlungenen Hanr, aus Bcharf au^ep ragten Zügen sinnlich her vor - lächelnd , stellt uns dieser alte Satyr, ein würdiges, wenn auch etwas anders gefasstes Gegenstück zu dem tanzenden . ein Bild

mitten aua dem Festzuge des Weingottes vor die Seele, in welcliem alle Leiden- schaften , von der üherscliwängliclisten Begeisterung des Gemüthes bis zur rohsten Sinnlichkeit, entfesaelt sind. Ein edleres Bild aus demselben Kreise liietet die an zweiter Stelle gezeichnete Marmorbiiste, welclie wohl mit Unrecht für weihlich gilt, während sie keinen Andern darstellt, als den jugendschönen, fast weiblich weichen, dabei aber ernsten Dionysos selbst, und in ihrer strengen Haltung von allen Hermenbüsten Pompejis am meisten an die ui'sprüngliche Cultusbestimmung erinnert. An dritter Stelle ist eine jener Doppelhermen abgebildet, welche urs]>rünglich an Scheidewegen aufgestollt waren und in denen nach den verschiedensten Beziehungen und reli- giösen Ideen zwei Wesen gleichsam z»i einer beide Indi- vidualitäten ergänzcn<leu Einheit verbunden sind. Die hier in Rede stehende Üopi>elherme von Marmor zeigt einerseits das Gesicht der Athena, andererseits einen Kopf, der für den der Demeter gehalten wird, vielleicht jedoch mit größerem Recht für den einer apollinischen, und deshalb lorbeerbekränzten Artemis gehalten werden dürfte. Einen ähnlichen Doppelkopf von Bronze, allein von ungleich kleineren Maßen , welcher , wie mehre andere in einem Schranke des zweiten Brouzezimmers im Museum von Neapel aufbewahrte, wohl als das Or- nament eines Geräthes oder Gefäßes gedient hat, gie))t Fig. 292 wieder. Er ist bei aller Kleinheit ein Meister- werk lebendigen Ausdrucks und scharfer Formgebung,

welches in einem Satyrn und einer Satyrin die unverhüUteste sinnliche Lästig- keit ausspricht.

Vei^egenwärtigt uns schon die erste Classe pompejanisclier Sculpturen einen Reichthum an plastischen Kunstwerken, welcher in der modernen Welt fest so unmöglich wie in der antiken nothwendig und durch die idealen Lehensbedürfuisse gefordert erscheint, so darf man nicht vergessen, dass man

Fig. 992. Doppelkopf voll BroiiEC.

5r»S Zweites Cnpitel. Die Plantik.

in ihnen die Masse der Sculptu- r«ii, die eine antike Stadt verci- nigto, lind auf welche in der Ein- leitung; hingcwiei^en worden ist, erst zur Hälfte kennt. Nur in ei- nem einzigen Iteispiel können wir in Pompeji eine Claase von Bild- werken natthweisen, welche sieh in grierliischen Städten in größe- rer oder geringerer Anz.ahl fanden, die Athleten Statuen. Das pompcjaniscliG Heitipiel ist die in Fig. 2'Jn abgebildete Mar morcopie de» Doryphoros-Kanon Polyklets, über dessen Aufstellung in der l'alaestra bereits oben S, 151 ge- sprochen worden ist. Dass es sich iti dieser Statue um eine Nachbil- dung des genannten berühmten Meisterwerkes handelt , braucht nach den über diesen Gegenstand in den letzten Jahrzehnten gepflo- genen und zum Abschluss gelang- ten Erörterungen***) hier niclit mehr nachgewiesen zu werden ; das unzweifelhafte Motiv der Fi- gur, welche mit einem auf die linke Schulter gelegten Speere in der Polyklet eigeuthümlichen Be- wegung, wie im Schritt anhal- tend dasteht , wird durch die Nachbildung in der . neben der Statue gezeichneten Gemme voll- kommen klar gemacht. Und somit kann auf alles Weitere Verzicht geleistet werden, da es nicht ge- rechtfertigt sein würde, diesen Anlass zu einer Erörterung ülier den Kunstcharakter des Polyklet zu benutzen oder einen Nachweis der weiteren Copien dieses Wer- kes, unter denen die pompejaner F^-. 593. nicht die erste, aber eine ehren-

Doryphoro. nach Polyklet- Au.derPake.tr.. ^^jj^ g^^j,^ einnimmt und unter

denen sie durch ihre vollständige Erhaltung besonders wichtig ist, ansni- knüpfen. Nur schien die Mittheiluag einer Abbildung um so mehr geboten,

Athletenstatue. Porträtstatuen. 559

weil diese einzige Athletenstatue , abgesehn von ihrem eigenen, nicht un- erheblichen Werthe, wie gesagt, eine ganze Classe von Hild werken zu ver- treten hat. Außer den Athletenstatuen, welche man auch dann, wenn sie bestimmten Individuen als Ehrendenkmäler gesetzt wurden (was bei dem Doryphoros wohl nicht der Fall war) , Porträtstatuen nicht nennen kann, weil sie nur in Ausnahmefällen mit individuellen Zügen ausgestattet wur- den, gesellten sich in antiken Städten den mythologischen Bildwerken die Porträt- und Ehrenstatuen, beinahe die einzige Gattung, die wir außer deco- rativen Sculpturen besitzen, die aber in Pompeji reichlicher vertreten sind, als in sehr vielen, um nicht zu sagen den meisten modernen Städten, die größten nicht ausgenommen. Erhalten ist uns hier freilich verhältnissmäßig nicht eben Vieles; an die Statuen im Tempel der Fortuna Augusta (S. 115 f.), diejenigen der Livia und des Jüngern Drusus im Macellum (S. 124) und die Statue der Eumachia (S. 134), welche ihres Ortes erwähnt wurden, möge hier noch einmal erinnert werden , ebenso an die in Fragmenten aufgefun- dene bronzene Reiterstatue auf dem Forum, deren Stücke, darunter der treflTliche Kopf des Pferdes, jetzt im Museum sind^^^j. Von einer andern bronzenen Reiterstatue, welche vielleicht den Ehrenbogen am Eingang des Forum geschmückt hat, ist der fragmentirte Reiter, welcher Caligula darzu- stellen scheint, ebenfalls im Museum ^ '*) , wogegen von den Statuen, welche die übrigen großen Postamente des Forum zierten, nichts aufgefunden wor- den. Dasselbe gilt von den sämmtlichen kleineren Postamenten des Forum civile, von denen nur mehre, nicht alle, die Namen der verdienten Bürger zeigen, deren Standbilder sie einst trugen, und wiederum dasselbe von der einen Basis im Forum trianguläre, auf welcher nach der Inschrift (/. R. N, No. 2228) die Statue des M. Claudius Marcellus stand. Fragmentirt wurde die Ehrenstatue des T. Suedius Clemens in der Gräberstraße, besser erhalten eine unbekannte ähnliche 1816 östlich vor der Stadtmauer gefunden, welche nun im Musemn ist^^^). Von der Statue des Holconius, welche neuere Funde in der Sirada degli Olcor^' zu Tage gefördert haben, ist schon oben (S. 536) gesprochen worden. Aber auch mit den hier angeführten Ehrenstatuen ist der Vorrath derselben, welchen Pompeji einst besessen, noch lange nicht erschöpft; ob wirklich auf dem Forum trianguläre die Ehrenstatue des M. Claudius Marcellus vereinzelt gestanden hat, ist ungewiss, eben so, ob das Theater weitern Sculp- turschmuck als die einzige Statue des Holconius (S. 163) gehabt habe, doch ist dies, theils nach den aufgefundenen, wenngleich nicht sicher zu deutenden Spuren (s. a. a. O.) nicht unwahrscheinlich, theils wird es durch die Analogie des Theaters von Herculaneimi nahe gelegt, welche uns annehmen lässt, dass allein der nicht vollendete Umbau der Theater das Fehlen eines reichem Statuenschmuckes bedingte. Und wie zahlreich müssen nicht überhaupt in allen öffentlichen Gebäuden nach Maßgabe der zu ihrer Aufnahme bestimmten Nischen und Fußgestelle, die bei ihrer Beschreibung verzeichnet worden sind, die Ehrenstatuen gewesen sein ; denn dass es solche waren, ist doch weitaus am wahrscheinlichsten , obgleich der Gedanke an die i^ildnisse berühmter Staatsmänner und Redner nicht völlig ausgeschlossen ist. Rechnet man aber auch nur die nachweisbaren und mit ziemlicher Sicherheit zu vermuthenden

560 Zweites Capltel. Die Plastik.

Rilclwprko dipsnr ClasAo zxisammpii, so erhält mau eine Zahl von Ehren- und l'orträtstatiipii , wolchp offenhar die Zahl ähnlicher Hilder auch in unseren 1 lauptstäilU^n übersteigt.

Als l'rolten aller dieser Statuen m&^ es genügen . die beiden aus der ()a]>ellc des Maeellum in Zeichninig Fig. 20J mitzuth eilen, von denen die eine, iiiscliriftlich gesiehert (/. R. N. No. 2214}, Auguatua' Gemahhn Livia als dessen l'riesterin, «iemanannimmt, darstellt, während die andere in heroischer Tracht ohne Zweifel mit Kecht den, wenn auch inschriftlich nicht verbürgten, Namen des jungem Drusus, des Sohnes des Tihcrius, trägt. Auf Einzelheiten, welche diese Werke axign stoischer oder kurz nachaugusteücher Zeit merk- würdig machen, kann hier nicht eingegangen werden.

FiK. 294. FoTtT&tBtstuen der Livia und des jangem Diuiui aua der Capelle des Maoellum.

Als dritte Classe der in Pompeji aufgefundenen und vorbandea gewese- nen Sciilpturen endlich sind die Darstellungen aus dem nicht individuellen wirklichen Leben . mit einem gebräuchlichen Worte die Genrebilder zu be- trachten, welche der Privatliebhaberei und Laune ihre Entstehung verdanken. Wir finden diese Genrebilder in Marmor, Hronze und Thon und in ihnen eine ziemliche Reihe von Darstellungen , welche zu dem Orte der Aufstelhing in mehr oder weniger passender Beziehung stehn , obgleich dies nicht von allen gesagt werden kann. Die größeren unter ihnen waren als Decorationsstücke im Innern von Privathäusem , meistens an Krunnen, oder, nicht selten, in

DeaontionaflguieB. *,Q\

Gärten aufgestellt, so z. K. die schon erwähnten thönemen Schanspicler- statuetten (v. Rohden Taf. 35 vgl. S. 22] , die Knahenetatue von Terracotta (das. 34 S. 2 1} u. a. m. Die kleineren, welche entweder aus Bronze oder ans Terra- cotta hestehn . vertraten -die Stelle der hei uns üblichen Figürchen aus Gyj» oder Hiecuit und sind im Innern der Häuser überwiegend, die Terracotta- figürchen vielleicht durchgängig, in Nischen aufgestellt gewesen (v. Kohden S. 24). Unter allen diesen Figuren sind nicht eben viele, welche in AI)- bildungen zu wiederholen sich lohnen würde ; einige der interessanteren sind unpublicirt. Als in Abbildungen zugängliche Beispiele mögen außer den eben genannten Terracottastatuen und derjenigen eines anscheinend leidenden Mannes (v. Rohden Taf. 32) nur die Hronzestatuetten zweier Jünglinge ge- nannt werden, welche mit Trinkhömem (Rhyta) in den erhobenen Händen im Tanzschritt sich bewegen, abgeh. Mus. Korb. XII, 25, femer die Marmor- statuette eines schlafenden Fi scher knabeu , abgeh. Mus, Horb. IV, 54, welche am Rande des Wasserbeckens in der Casa della leconda fontana a musaico liegend gefunden wurde , die kleine Bronzesta- tuette eines unartig weinenden Kindes, abgeh. Mus. Borb, XIII, 28, diejenige eines mit einer Amphora tanzenden Al- ten, der nicht Silen zu sein scheint, ab- geh. daselbst. Als Probe dieser Genre- bilder aber möge außer dem bereits unter den Brunnenfiguren Fig. 286 beigebrach- ten Knaben mit der Ente die in der nebenstehenden Figur 295 abgebildete Broozestatue eines Fischers dienen, der am Rande des schon mehrfach genannten Bassins in der Ctua della seronda Jtmlana a musaico saß und in demselben zu angeln

schien. Die Statue ist eben so scbätzens- F* 2S5. Fischer. Genrebild von Bronw. werth durch den deutlichen Ausdruck der

Situation eines Menschen , welcher die Angel in 's Wasser hält und mit ge- spanntem Blick auf das Nahen der Beute sieht , wie sie als ein Beispiel der den Aufstellungsorten angepassten Darstellungen dieser Genrebilder interes- sant und belehrend ist. Aus der Maske am Sitze der Figur ergoss sich ein Wasserstrahl.

Von einer Verzeichnung der ]>ompejaner Reliefe ihrem Gegenstande nach wird abgesehn werden dürfen, nachdem das einzige bedeutende unter ihnen, dasjenige am Altar des Tempels des Genius Augusti seines Ortes (oben S. IIa, Fig.68) besprorhen worden ist. Dagegen mögen noch einige kunstgeachichtliche Bemerkungen hier ihre Stelle finden. Nicht allgemeiner Natur noch in Be- ziehung auf die ganze Masse der pompejaner Monumente , über welche schon früher gesagt worden ist, was zu sagen war, sondern nur in Hinsicht auf einige stilistisch von den übrigen verschiedene , die hieratisch-archaistischen, welche mehr oder weniger bestimmt alterthümliche Formen zeigen. Denn

5B2 Zweites Capitel. Die Plastik.

daas irgend ein pompejaner Monument von echt alterthümlichem Stile sei, ist nicht anzunehmen. In erster Reihe kommt hier die Artemis Fig. 281 in Frage. Es ist wahr , dass die Merkmale der Nachahmung des alterthümlichen Stiles grade hei dieser Statue weniger fühlhar und augenfällig hervortreten, als bei manchen anderen archaistischen Arbeiten , und dass man grade sie eher, als manche andere für ein Originalwerk alter Kunst halten könnte , dessen Auf- findung in Pom])eji dann eine ganz besondere Merkwürdigkeit sein würde. Allein vorhanden sind gewisse derartige Kennzeichen dennoch, und man wird sicherer gehn, wenn man auch diese Statue für archaistisch (d. h. nachgeahmt alterthümlich) . als wenn man sie für archaisch (echt alt) hält^^**) . Ihr gesellt sich am nächsten die Statuette einer s. g. Venus Proserpina fabgeb. Mus. Borb. IV, 54), bei der aber keinerlei Zweifel sein kann, dass sie kein archaisches Originalwerk sei , und ferner kommen ein paar marmorne Oscillen mit Relief in Betracht (oben Fig. 277, vgl. Mus. Borb. X, 15 und 16), deren erstes in sehr bestimmter Weise nachgeahmt alterthümlich ist , während die Reliefe des zweiten Oscillum eigentlich nur noch Spuren alterthümlichcr Formbe- handlung zeigen , welche der absichtlich so arbeitenden Hand eines späten Künstlers zuzuschreiben gewiss nichts im Wege steht. Wenn endlich Einige in der Gruppe des Dionysos und seines Satyrn (Fig. 283 h) ebenfalls Spuren des Archaismus haben erkennen wollen , so ist ihnen durchaus nicht beizu- stimmen; was hier steif und beschränkt ist, kommt auf Rechnung spätem Ungeschicks, nicht auf diejenige früher Gebundenheit in der Formgebung. Gegenüber diesen archaistischen Sculpturen entsteht nun die Frage nach ihrer wahrscheinlichen Periode. Es ist Thatsache , dass die Nachahmung älterer Kunst , des , wenn man so sagen darf, kirchlichen Stils , in Griechen- land ziemlich früh begonnen und nicht unbeträchtliche Ausdehnung ange- nommen hat; nicht minder aber ist bekannt, dass bei weitem die größte Mehrzahl archaistischer Werke , die wir besitzen , aus der römischen Kaiser- zeit stammt, in welcher besonders Augüstus und später wiederum Hadrian eine starke Liebhaberei für die Werke der alterthümlichen Kunst besaßen, welche natürlich von allen denen getheilt wurde , die irgendwie Hofluft athmeten oder mit den tonangebenden Kreisen in Verbindung standen. Echt alterthümliche Kunstwerke sich anzuschaffen war aber nicht Jedermanns Sache , und so erwuchs eine nicht unbeträchtliche Fabrikation der Nach- ahmung. Dieser und damit der augusteischen und nachaugusteischen Epoche nun auch die pompejaner archaistischen Arbeiten zuzuweisen , wird schwer- lich etwas Wesentliches im Wege stehn.

Auf den ersten Blick möchte es scheinen , als sei auch der bronzene ApoUon Fig. 282 einfach unter die Zahl der archaistischen Werke zu rechnen, da bei ihm allerdings gewisse Züge eines Strebens nach alterthümlicher Strenge hervortreten. Allein diese Statue wird mit gutem Bedacht erat hier und gesondert von anderen aufgeführt; denn sie ist ein kunstgeschichtlich sehr merkwürdiges Stück und geht wahrscheinlich nebst einigen anderen ihr mehrfach verwandten Statuen auf die unteritalische Schule des Pasiteles zurück, dessen Hauptthätigkeit in die Zeit des Pompejus fällt, und dessen Charakter durch große Sorgfalt einerseits und gelehrtes Studium- und Nach-

Drittes Capitel. Die Malerei. ' 563

bilden älterer Werke andererseits^ bestimmt wird, während noch etwa ein gewisses trocken correctes akademisches Wesen hinzukommen mag , welches schon darin seine Spur hinterlassen hat, dass wir in seinem Schüler Stepha- nos und wiederum in dessen Schüler Menelaos die ersten Künstler finden, welche sich in Inschriften an ihren uns erhaltenen Werken ausdrücklich Schüler eines Meisters (des Pasiteles resp. des Stephanosj nennen. Mit diesen Werken zunächst und dann mit einigen anderen offenbar verwandten ist der pompejaner ApoUon vergleichend zusammengestellt worden ^37) ^ und zwar so gewiss mit Eecht , dass wenn er bei seiner hohen Vortrefflichkeit als ein mög- liches Originalwerk des Hauptes dieser Schule, des Pasiteles selbst angesprochen wird, kaum ein wesentlicher Grund hiergegen anzuführen sein möchte.

Drittes Capitel. Die Haierei.

Je weniger die Plastik für die Kunst in Pompeji besonders charakteristisch ist, in desto höherem Grade ist es die Malerei ; denn einmal ist in der That die Malerei in Pompeji in ganz überwiegendem Maße geübt worden , und so- dann müssen uns, wie schon in der allgemeinen Einleitung gesagt worden ist, während die pompejaner Sculpturwerke in der Masse der uns erhaltenen an- tiken Sculpturen fast verschwinden , die pompejanischen Wandgemälde nebst denen von Herculaneum und verhältnissmäßig wenigen anderen in der Haupt- sache die ganze, unwiederbringlich verlorene Malerei der Alten vertreten. Sie gewinnen dadurch in der That eine Bedeutung, welche nicht zu hoch , kaum hoch genug angeschlagen werden kann, und wir werden zugestehn müssen, dass wir trotz der vielfachen Beschäftigung mit diesen Schätzen doch noch weit davon entfernt sind, dieselben in jeder Weise und nach allen Richtungen ausgebeutet zu haben. Dass freilich die Wandgemälde Pompejis uns eine nur unvollkommene Vorstellung von der Malerkunst der Griechen geben können, das versteht sich theils von selbst, theils wird es sich mit wenigen Bemerkungen begründen lassen. Sehn wir auch davon ab, dass sie, die Producte einer kleinen Provinzialstadt aus einer Periode der Malerei, welche der gleichzeitige Plinius als diejenige der »sterbenden Kunst« bezeichnet, keine Meisterwerke sind, dass wir also die Herrlichkeit dessen , was die großen Künstler schufen , etwa nur in derselben Art aus ihnen zu erkennen oder zu ahnen vermögen , wie wir im Stande sind, aus den gleichzeitigen Sculpturen der römischen Periode Pompejis z. B. auf die des Parthenon oder gar auf die untergegangenen Meisterwerke eines Phidias , Praxiteles , Skopas , Lysippos zu schließen , sehn wir auch zu- nächst hiervon ab. so ist ganz besonders noch Folgendes zu erwägen. Die Meisterwerke der antiken Malerei waren entweder Wand- oder Tafelgemälde,

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564 ' Drittes Capitel. Die Malerei.

(leren erstere ihren Hauptcharakter in ihrer Monumentalität, in der Großartig- keit ihrer, ganze Wände in öffentlichen Gebäuden bedeckenden Compositionen hatten, während die Vorzüge der letzteren hauptsächlich in der Vortrefflichkeit ihrer technischen Ausfuhrung, sei es in Tempera- sei es in enkaustischen Farben bestanden. Nun aber sind die pompejanischen Gemälde weder das Eine noch das Andere , weder Wandgemälde , welche auf einen großen , monumentalen Charakter Anspruch erheben könnten , noch auch mit allen den Hilfsmitteln der verschiedenen Arten der Technik hergestellte Tafelgemälde , sondern die- jenigen, auf welche es hier ankommt, sind die Nachahmungen der letzteren in einer den Originalen fremden Technik [fresco] , welche gegen die bei den V^orbildem angewendete in mannigfaltiger Hinsicht in wesentlichem Nachtheil und folglich eine bedeutende Zahl ihrer größten Vorzüge, im Colorit, in der Sorgfalt der Durchbildung u. dgl. m. an und für sich wiederzugeben außer Stande war. Es ist hiernach eine selbstverständliche Thatsache, dass die Ge- mälde Pompejis in keiner Weise vermögen, uns die verschiedenen alten Schulen in ihren gewaltigen Unterschieden überwiegender Zeichnung (der sikyonischen) oder überwiegenden Colorits (der ionischen Schule) , vorherrschend großartiger und tiefsinniger Composition (der älteren attischen Meister) oder vorherrschend vollendeter und lieblicher Formgebung (der Enkausten , des Apelles , Proto- genes U.A.), zu vergegenwärtigen. Die Anerkennung dieser Thatsache, deren Hervorhebung auch deswegen nöthig war , um uns vor der Abschätzung der antiken Malerei nach dem aus den pompejanischen Gemälden zu gewinnenden Maßstabe zu bewahren, soll gleichwohl unsere Werthschätzung dieser Gemälde nicht veningern , sondern nur bestimmen und regeln , damit wir nicht An- sprüche erheben, die nicht erfüllt werden können und, in diesen Ansprüchen enttäuscht, geringer von den Schätzen der alten Stadt denken , als billig ist. So gut wie man , eine gleich mangelhafte Überlieferung in der Plastik ange- nommen, aus etlichen hundert Gruppen, Statuen und Reliefen aus dieser Zeit, von etwa gleichem Werthe mit den pompejaner Malereien, freilich gewiss nicht die ganze Herrlichkeit der alten Sculptur zu ermessen vermöchte , wohl aber durch ein genaues Studium dieser l^ildhauerwerke in l^eziehung auf die Gegenstände und ihre Auffassung und die Art ihrer Darstellung, in Beziehung auf die Eigenthümlichkeit ihrer Formgebung und die Technik der Alten mehr lernen würde, als aus allen, von keiner monumentalen Anschauung unter- stützten , schriftlichen Nachrichten und Urteilen zusammengenommen , ja so gilt man erst durch die Anschauung auch nur eines halben Dutzends antiker Statuen und Reliefe fähig wird, die Nachrichten und Urteile der Alten über- haupt zu verstehn : so gut bilden die pompejaner Gemälde die einzige feste Gi-undlage unserer Vorstellung von der Malerei der Alten überhaupt. Zeug- nisse genug hierfür sind jene seltsamen Ansichten und Meinungen, die vor der Entdeckung alter Bilder über die Malerei im Schwange waren, der man z. B. entweder jede Perspective, unsinnig genug, absprach, oder der man höchstens eine der Perspective chinesischer l^ilder ähnliche zugestehn wollte ; die relief- artig componiren und in einer abstracten oder auch Conventionellen Farbgebung befangen sein sollte, und was dergleichen mehr war. Jetzt erscheint uns dies freilich ziemlich abgeschmackt, jetzt ist, wir dürfen es behaupten, unser

Werth der Bilder für die Kenntniss alter Malerei. 565

geistiges Auge geschärft und geübt genug , um die vergangene Herrlichkeit der griechischen Malerei ahnungsvoll zu erschauen, und die schriftlichen Nach- richten zu würdigen ; aber was hat denn unsere Blicke geschärft und geübt, unser Urteil geläutert und uns einen Maßstab in die Hand gegeben, wenn nicht der Schatz alter Malerei in Pompeji und Herculaneum ?

Niemand kann eine Folge pompejanischer Gemälde , sei es auch nur in farbigen Nachbildungen, so wenig genau diese den Charakter dieser alten Bilder wiedergeben mögen, betrachten, ohne inne zu werden, dass die alten Griechen und ihre Schüler, die Römer eben so sehr im Besitze des Sinnes für das eigent- lich Malerische waren , wie sie der Sinn für das Plastische vor allen Völkern alter und neuer Zeit aiiszeichnet. Wir finden diesen malerischen Sinn, mögen wir nun die Blicke auf die Gegenstände, auf deren Auffassung und Compo- sition, auf die Form- und Farbgebung richten. Wenn das oberste Prinzip der Plastik in der Form, so liegt das Prinzip der Malerei in der Farbe : und wenn aus dem Prinzip der Plastik sich als das Wesen ihrer Darstellung die that- sächliche Bildung jeder einzelnen tastbaren Form als solcher ergiebt , welche den in sich abgeschlossenen Sonderbestand jedes plastischen Kunstwerkes, ja jedes Theiles eines solchen bedingt , so ergiebt sich aus dem Grundprinzip der Malerei als das Wesen ihrer Darstellung das Ineinsbilden des in seiner Beziehung zum Ganzen aufgefassten Einzelnen. Und grade die harmonische Gesammtwirkung jedes pompejanischen Bildes , stelle es eine einzelne Gestalt auf einfarbigem Hintergrunde dar, wie die vielen schwebenden Figuren, oder eine große Gruppe von Gestalten mitten in landschaftlicher oder architek- tonischer Umgebung, wie in vielen mythologischen Compositionen, diese har- monische Gesammtwirkung jedes Bildes selbst bei nachlässig behandelten und sogar mangel- oder fehlerhaften Einzelheiten beweist für den recht eigentlich malerischen Sinn der Künstler, welche diese Gemälde schufen. Nicht weniger offenbart sich dieser Sinn in dem Colorit , das , ohne natürlich der Tiefe und Gluth unserer Ölmalerei oder der antiken Enkaustik fähig zu sein , und ohne sich mit der feinabstufenden Abtönung in den Halbschatten unserer Malerei messen zu können , doch so harmonisch gewählt und behandelt ist , dass wir wohl häufig den Eindruck des Lebhaften und Glänzenden , nie aber den des Grellen und Bunten empfangen. Und endlich zeigen sich die Künstler der pompejaner Gemälde (und das dürfen wir bei den großen griechischen Mei- stern in noch höherem Maße voraussetzen) auch dadurch als echte Maler, dass sie ihren Gestalten ein glühendes , pulsirendes Leben , eine feurige Seele einzuhauchen verstehn, die namentlich aus den ganz besonders in den Bildern aus der letzten Periode mit bewusster Kunst oder mit bestimmter Manier, wie man es nennen möge, behandelten Augen spricht, diesen Lichtem des mensch- lichen Antlitzes, deren Reiz und Zauber die Sculptur zum größten und besten Theile darzustellen verzichten muss.

I Wenn maix aber die pompejanische Malerei gerecht würdigen will , darf man bei ihren technisch vorzüglichen Leistungen so wenig wie bei den nicht wenigen flüchtig und selbst nachlässig gemalten Bildern vergessen , dass alle unter dem Gesichtspunkte der Decorationsmalerei betrachtet werden wollen, wie ja eine große Menge derselben . die Darstellung von l^anzen mancherlei

566 Drittes Capitel. Die Malerei.

Art, Gebüschen, Laubgäiigen u. dgl., dann auch Landschaften, Genrebildchen, Stillleben . endlich die die phantastischen Architekturen gleichsam als ihre 1 Bewohner belebenden menschlichen Figuren mehr oder weniger eng in die in einem frühem Capitel geschilderte Gesammtdecoration der späteren Stilarten verflochten und ihre organischen Hestandtheile sind. Nun ist allerdings nicht zu läugnen, dass den größeren Compositionen, besonders denen mythologischen Gegenstandes, ein höherer ideeller ('harakter zugesprochen werden muss, als den eben erwähnten reinen Decorationsmalereien ; man kann hierbei als be- zeichnende Äußerlichkeit die feste Umrahmung dieser IWlder oder ihre oben näher besprochene Einfassung in die pavillon artige Decoration der Wandmitte geltend machen, welche sie aus der Wandfläche abhebt und welche aufs be- stimmteste ihr Hervorgehn aus an den Wänden aufgehängten oder unter eigenen Gerüsten aufgestellten Tafelgemälden einer altem Kunst erkennen lässt *^ **^) . Gleichwohl haben auch diese Bilder nicht oder doch nur selten den ('harakter selbständiger , für .sich bestehender Kunstwerke , sondern sie geben die Beziehung zu der Gesammtdecoration der Wand , für welche sie gemalt sind, so wenig auf, wie andererseits die Gesammtdecoration als Umrahmung des Hauptbildes den Zusammenhang mit diesem verläugnet. Aus diesem decorativen Zweck und Charakter auch der Hauptbilder erklärt sich , wenn- gleich nicht allein, so doch zum guten Theile die Wahl der in ihnen dar- gestellten Gegenstände. Denn diese gehören nicht allein bei aller Mannig- faltigkeit doch keineswegs einem sehr weiten Kreise an , begreifen vielmehr ihrem hauptsächlichen Bestände nach, allerdings besonders in den Bildern aus der letzten Periode, wie ein gründlicher Kenner sagt, nur die Mythen, welche durch wiederholte Behandlung der Dichter und Künstler zu einem Gemeingut der gebildeten Welt, zu einer Art »mythologischer Scheidemünze« geworden waren, sondern der decorative Zweck hat auch, wie erst neuerdings gründlich nachgewiesen worden ist 2^^), auf die Zusammenstellung der für einen und denselben Baum bestimmten Bilder (die »Gegenstücke«) einen viel weiter reichenden Einfluss ausgeübt , als der uns auf den ersten Blick gerechtfertigt erscheinen will. Wenn es aber , was die Auswahl der Gegenstände im Allge- meinen anlangt , nur natürlich erscheint, dass die Räume , in denen man sich täglich bewegte, mit einem Bilderschmuck bekannter und lieber Darstellungen versehn wurden , durch welche der Beschauer , ohne zum Nachdenken oder zum gelehrten Studium aufgefordert oder genöthigt zu sein, sich angenehm und leicht erregt fühlte, so ist es bei einigem Nachdenken auch nicht schwer, zu begreifen, dass bei der Zusammenstellung die Rücksicht auf Ähnlichkeit in der Composition der verschiedenen Bilder diejenige auf die Verwandtschaft der Gegenstände in einem uns allerdings überraschenden Maß überwogen hat. Wenn wir aber in den pompejaner Wandgemälden eine vorwiegend auf das Anmuthige und sinnlich Reizende gerichtete Auffassung And Darstellung finden, so hat auch das, grade so gut wie die Auswahl der »Gegenstücke«, nicht am wenigsten seinen Grund in dem decorativen Grundcharakter, welcher dem Großartigen und dem tragisch Erhabenen seinem innersten Wesen nach ab- geneigt ist.

Ehe nun auf die einzelnen Fragen über die pompejaner Bilder einge-

Der decorative Charakter. Ortliche Verhältnisse. Beleuchtung. 567

gangen wird, mögen noch ein paar allgemeine Bemerkungen hier ihren Platz finden , welche für ihre Beurteilung , sei es für den , welcher sich an Ort und Stelle befindet, sei es für den, welcher auf Abbildungen allein angewiesen ist, wesentlich sind. Die allermeisten Hauptbilder, wenige der neuerdings ausgegrabenen und derjenigen, welche ganze Wände bedecken, ausgenommen, sind ausgehoben und in das Museum von Neapel gebracht worden , wo sie in älterer Zeit in der abscheulichsten Weise aufgestellt waren, während eine neue Aufstellung auch nicht für alle günstigen Platz und günstiges Licht hat schaffen können. Dass man die Gemälde aus den Wänden, zu denen sie gehörten, entfernt hat , muss als in den meisten Fällen nothwendig anerkannt werden ; eine weitere leidige Thatsache aber ist,' dass sehr viele namentlich der früher gefundenen Bilder sehr schlecht behandelt , nicht selten wiederholt mit unge- eignetem Fimiss überstrichen und somit , zum Theil bis zur Unkenntlichkeit, entstellt und verschmiert sind. Dazu kommt, dass eine ganze Keihe der ange- wendeten Farben, durch die Feuchtigkeit, der sie Jahrhunderte lang ausgesetzt waren, angegriffen, jetzt durch Licht und Luft rasch verändert werden, ein Übel- stand dem man erst in der neusten Zeit zum größten Theil und wie man hofft, mit dauerndem Erfolge wenigstens zum Theil entgegen zu wirken gelernt hat. Wer also an Ort und Stelle das Wesen der Farbengebung studiren will, der halte sich mehr an die wenigen aus neueren Ausgrabungen stammenden noch in Pom- peji befindlichen Bilder, als an die in den Sälen des Museums aufgestellten, denen gegenüber man farbiger Nachbildungen aus der Zeit besserer Erhaltung, so unvollkommen sie sein mögen, nicht entrathen kann, wobei jedoch die höchste Vorsicht in der Prüfung zu empfehlen ist. Denn leider hat sich in allen Publicationen und in allen den zahllosen (Kopien, welche tagtäglich im Museum von Neapel gemacht und an die Reisenden verkauft werden , eine Behandlung festgesetzt , welche weder von der Zeichnung noch von dem meistens viel zu glänzend oder zu zart behandelten Colorit der alten Bilder eine rechte Vor- stellung giebt. Den in Pompeji verbliebenen Bildern gegenüber vergesse man aber ein Anderes nicht. Allerdings sieht man diese noch innerhalb des ganzen Raumes und der ganzen Umgebung , für welche sie gedacht sind , allein man sieht sie, und zwar mit sehr wenigen Ausnahmen alle , in einer ganz andern Beleuchtung. Jetzt sind fast alle Räume offen, das hellste Sonnenlicht herrscht so gut wie überall ; für dieses volle , helle Tageslicht und diese allseitige Be- leuchtung ist aber kein pompejaner Bild bestimmt gewesen , denn auch die- jenigen in Atrien und Peristylen standen in sehr gebrochenem Licht und waren von oben her entschieden beschattet, so dass sie nur Seiten- und halbes Ober- licht hatten. Noch ungleich weniger beleuchtet waren die Gemälde in den verschiedenen Zimmern, ja es ist in vielen Fällen schwer zu sagen , woher sie überhaupt die nöthige Beleuchtung empfingen. Denn die Annahme eines Oberlichts durch die geöffnete Decke , welche ein geistreicher Kenner ausge- sprochen hat 240), ist deshalb unzulässig, weil fast überall ein oberes Stockwerk nachweisbar, dagegen eine Vorrichtung, welche auf eine geöffnete Decke schlieBen ließe, nii^endwo nachweisbar ist. Hoch angebrachte Fenster mögen in einzelnen Fällen dem Lichte Zugang verschafft haben, allein die mit Fenstern versehenen Zimmer gehören wohl in den seltensten Fällen (wie z.B.

5f)S Drittes Capitel. Die Malerei.

das Triclinium und das ciibiculum in der Casa di Meleagro S. 312) zu den mit reicherem Hilderschmuek versehenen und in den meisten mit Bildern ge- schmückten Räumen waren Fenster bestimmt nicht vorhanden, in diese drang vielm(*hr nur sehr ^gebrochenes Licht aus dem an sich schon schattigen Atrium oder IV^ristyl. Allein wie dem auch war, so viel steht fest, dass wir die Bilder, ja die gesammte Decoration in Pompeji heutzutage, wo alle Bedeckung von oben fehlt , in ganz anderer und viel grellerer Beleuchtung sehn , als sie die Alten sahen, ein Umstand, dem mit aller Sorgfalt Rechnung getragen werden muss. Wie ganz anders die Malereien bei einer schattigen Bedachung von oben, als bei allseitiger Beleuchtung wirken , davon kann man sich am besten in einigen der neuerdings mit vollen Schutzdächern versehenen Räumen , wie z. B., um nur diesen einen zu nennen, in dem eben schon angeführten großen Triclinium No. 27 der Ciisa di Meleagro (Plan S. 308), überzeugen, wo ein ähnliches Licht herrscht wie das, in welchem die Alten die Bilder malten und sahen. Denkt man sich hier alles frischer und lebhafter in der Farbe, so wird man hier am ehesten imgefähr den Eindruck erhalten, den die pompejaner Malerei im Alterthum hervorbrachte.

S])rechen wir nach diesen allgemeineren Betrachtungen nun zuerst von der materiellen Technik der Malerei in Pompeji.

Von den verschiedenen technischen Arten der Malerei bei den Alten, welche unter die beiden Ilauptgattungen der Tafel- und der Wandmalerei fallen, ist uns in den pompejanischen Gemälden nur die letztere, die Malerei auf die Tünche der Wände erhalten. Damit soll nun allerdings durchaus nicht bestritten werden, dass man in Pompeji auch Staffeleibilder auf Holz ge- malt habe, wofür schon die zweimalige Darstellung der Malerei auf Tafeln^*) Zeugniss ablegt; allein, da uns dergleichen Bilder, wie gesagt, aus Pompeji nicht erhalten sind, so kann, ja muss hier ganz und gar von den Erörterungen abgesehn werden, welche sich auf die Tafelmalerei der Alten, ihre Technik und deren Ergebnisse beziehn, und die Darstellung auf das beschränkt werden, was über die Wandmalerei in Pompeji bisher erforscht und neuerdings in un- umstößlicher Weise festgestellt worden ist.

Es ist bei dem lebhaften Interesse, welches die ganze gebildete Welt an den pompejanischen Wandmalereien nahm und nimmt, sehr begreiflich, dass man dieselben von Anfang ihres Bekanntwerdens an in jeder Weise und nach allen Richtungen hin, in Beziehung auf den Grund, auf die Farbenmaterialien, auf deren Auftrag vielfältig untersucht hat. Die Bilder selbst in ihrer un- übersehbaren Menge und Mannigfaltigkeit boten diesen antiquarischen und artistischen und die aufgefundenen F'arben, sowie Stücke von halb oder ganz zerstörten Bildern daneben noch chemischen Untersuchungen ein wenn auch nicht überall ausreichendes, so doch ziemlich reichliches Material, und dennoch müssen wir gestehn, dass die nur selten mit der nöthigen Unbefangenheit und technischen Kenntniss angestellten Untersuchungen vielfach zu ganz un- richtigen Ergebnissen geführt haben. So von den chemischen Untersuchimgen mehr als eine derjenigen, welche, an Gemäldefragmenten vorgenommen, außer Acht ließen, dass auf diesen ein Conservationsfimiss haftete oder dass sie modernerweise mit Wachs oder auch Wasserglas überzogen worden waren,

Technisches. 569

während diejenigen Untersuchungen, welche sei es an den unverfälschten Kohmaterialien, sei es an unverdorbenen Gemäldestücken vorgenommen sind^ Resultate geliefert haben, welche mit den Ergebnissen dör Untersuchungen über die Maltechnik in vollster Übereinstimmung stehn. Es steht nämlich, um es kurz zusammenzufassen, einerseits fest, dass in Pompeji bei den Wand- gemälden außer Sauchschwarz nur anorganische, mineralische und ausschließ- lich solche Farbenstoffe verwendet sind, welche auch jetKt bei der Fresco- malerei angewendet werden, nicht ein einziger, welcher nach antiken Aus- sagen und technischer Erfahrung sich (wie vegetabilische und animalische Farbenstoffe und von den mineralischen z. B. Hleiweiß) mit dem Fresco nicht verträgt, und andererseits, dass sich in den Gemälden selbst niemals irgend ein Bindemittel, weder thierischer Leim noch Eistoffe noch Wachs hat ent- decken lassen.

Liegt hierin ein erstes und unzweideutiges Zeugniss dafür, dass die pompejaner Wände in ihrer Gesammtheit a fresco gemalt sind, so finden wir ein zweites in der Zubereitung des Bewurfes, welcher mit dem modernen Frescobewurf im Prinzip durchaus übereinstimmt und sich nur dadurch zu seinem Vortheil von diesem unterscheidet, dass er, meistens ungleich sorg- faltiger und aus besserem Material bereitet, als der moderne, ungleich stärker (2 bis 2y2 Mal so dick) aufgetragen werden konnte, woraus sich für die Malerei selbst die gewichtigsten Vortheile ergeben imd woraus sich zugleich Eigenschaften der pompejaner Fresken erklären, welche an ihrer wahren Natur haben zweifeln lassen. Die genauesten Vorschriften für die Bereitung des für Frescomalerei bestimmten Mauerbewurfes giebt Vitruv (VII, 3, 5), nach welchem außer der ersten groben Berappung der Wand nicht weniger als drei Lagen Sandmörtel und auf diese wieder drei Lagen Marmormörtel aufgetragen werden müssen, in welchen in der untersten Lage dem Kalke grobe, in der zweiten feinere und in der obersten ganz feine Marmorstücke beizumischen sind. Jede dieser sechs Lagen Mörtel soll auf die untere auf- getragen werden, grade wenn dieselbe zu trocknen beginnen will, und die letzten drei müssen mit dem Schlagholz festgeschlagen werden , damit sich ihre Masse so viel wie möglich verdichte. Als Erfolg dieser sorgsamen Be- reitung des Bewurfes bezeichnet Vitruv (a. a. O. § 7), dass in ihm weder Risse noch andere Fehler entstehn können, während die so beworfenen Wände vermöge ihrer durch das Schlagen verdichteten und durch den Glanz der Marmortheilchen glatten Masse auch nach dem Auftrage der Farbe einen leuchtenden Schimmer behalten.

Nun giebt es noch heutigen Tages antiken Mauerbewurf, welcher genau nach diesen Vorschriften hergestellt ist ; in Pompeji dagegen ist man vielfach von denselben abgewichen, theils wohl wegen der Eile des Aufbaus nach dem Erdbeben, theils aus Sparsamkeitsrücksichten. So ist der Marmorstucco häufig nur in zwei anstatt in drei Lagen aufgetragen, hier und da nur in einer einzigen und auch diese findet sich durch eine sehr dichte und harte Schicht ersetzt, welche aus Kalk und zerstoßenen Scherben rother Thongefäße besteht, um von anderen Eigen thümlichkeiten ordinärer Wände zu schweigen. Nichtsdesto- weniger ist auch der geringere Stucco in Pompeji und ohne Zweifel der meiste

570 Drittes Capitel. Die Malerei.

den wir dort hergestellt finden, weit vorzüglicher als der meiste moderne. In den besseren Gebäuden ist die Bedeckung der Sandmörtellagen mit Marmorstucco vorherrschend und während der moderne Frescobewurf etwa 0,03 M. stark zu sein pflegt, ist derselbe in Pompeji selbst bei einfacher decorirten Wänden 0,04 0,05 M., bei den meisten besser bemalten Wänden 0,07 bis 0,08 M. dick, was nothwendig ein längeres Nassbleiben des alten als des modernen Bewurfs zur Folge haben musste, also das Malen a fresco wesentlich erleichterte und namentlich die Herstellung ungleich größerer Flächen in einem Stücke mög- lich machte, als sie der modernen Frescotechnik möglich ist.

Dieser Umstand einerseits, eine mangelhafte Kenntniss des Frescover- fahrens und seiner Ergebnisse andererseits erklärt es, dass von vielen Schrift- stellern über Pompeji und seine Wandgemälde die Technik der letzteren ver- kannt und die an ihnen hervortretenden Erscheinungen unrichtig gedeutet worden. Es lohnt jetzt nicht mehr die Mühe, auf diese Irrthümer und ihre Geschichte näher einzugehn, wer sich dafür interessirt, möge auf die 2. Auf- lage dieses Buches (II, S. 181 ff.) verwiesen werden. Die volle und ganz unbezwei fei bare Wahrheit über die Technik der pompejaner Wandmalereien hat der Maler Otto Donner in seiner Einleitung (Die erhaltenen antiken Wandmalereien in technischer Beziehung) zu Helbigs Buch über die Wand- gemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens gelehrt. Das Er- gebniss seiner Untersuchungen hat Donner selbst in den folgenden Worten ausgesprochen :

1. dass wenn auch nicht absolut alle, doch ein großer, ja bei weitem der größte Theil jener Wandmalereien, und zwar sowohl die farbigen Gründe als auch die auf denselben und auf weißen Grün- den stehenden Ornamente, Einzelfiguren und abgegrenzten Bil- der a fresco gemalt sind;

2. dass diese Technik die weitaus vorherrschende ist, die Leim- farben- und Temperamalerei dagegen eine sehr untergeordnete Stelle einnimmt und sich mehr aushülfs weise als selbständig ange* wendet findet ;

3. dass enkaustische Malereien absolut nicht vorkommen. Dies Ergebniss muss hier genügen. Es ist freilich, zumal für denjenigen

welcher sich an Ort imd Stelle befindet und sich von Allem durch den Augen- schein überzeugen kann , von sehr hohem Interesse , das Verfahren der pompejaner Maler im Einzelnen zu verfolgen und eine Menge technischer Feinheiten und Kunstgriffe derselben kennen zu lernen, hier aber muss von allen diesen Einzelheiten mit Verweisung auf die Donnersche Schrift abgesehn werden. Denn da alles Richtige und Beste, welches wir über die pompejaner Frescotechnik wissen, auf den Untersuchungen und den überaus feinen Wahr- nehmungen Donners beruht und Alles von ihm in lichtvoller und umfassender Weise mitgetheilt worden ist, so würde hier nur das von ihm Gesagte wieder- holt werden können, wovon selbstverständlich keine Rede sein kann. N\ir die eine Bemerkung möge hier einen Platz finden, dass während die ganz über- wiegende Masse der pompejaner Bilder jeden Schlages unmittelbar auf die frische Tünche der Wand gemalt sind, sich einige wenige Beispiele nachweisen

Antike Fresooteohnik. Gattungen der Bilder. 57 1

la88en*(s. Donner S. LXIV ff.), dass Bilder fertig, auf eigenen Stnccotafeln gemalt und in die Wände eingesetzt worden sind, darunter möglicherweise das eine oder das andere, welches aus einer altem Wand herausgeschnitten worden ist. Wenn man früher eine viel größere Zahl von Fällen dieser Art annahm, so erklärt sich dies daraus, dass man die viele Bilder umgebende Einputzfuge mit einer Ein satzftige verwechselte. Eingeputzt sind nämlich nicht wenige Bilder, und zwar so, dass entweder große, vom Sockel bis zum Fries oder bis zu einem bestimmten, scharf gegliederten Wandabschnitte reichende Bilder zuerst gemalt und nachher die Wand vollends beworfen und bemalt worden ist oder dass, und dies ist bei den kleineren, umrahmten Mittelbildern auf größeren Wandflächen der Fall, die Wand völlig beworfen und bemalt, der Platz für das Mittelbild aber ausgespart oder der Stucco an dieser Stelle wieder ausgeschnitten und durch frischen Grund ersetzt wurde, um dem Maler den ganzen Vortheil frischer Tünche darzubieten. In beiden Fällen wurde dann entweder die umgebende Wand gegen das Bild oder das Bild gegen die Wand eingeputzt, was vielfach mit der höchsten Sauberkeit und Meisterschaft, nicht selten aber auch so geschehn ist, dass eine ganz feine Fuge übrig blieb oder dass eine solche im Laufe der Jahrhunderte entstand. Diese Einputzfugen liegen aber stets im je nachdem spitzen oder stumpfen Winkel zur Wandfläche, wälirend die wenigen wirklich eingesetzten Bilder von einer rechtwinkeligen Fuge umgeben sind.

Indem es vorbehalten bleibt, das, was über den technischen Werth der pompejancr Wandmalereien und über gewisse Eigenschaften und Eigenthüm- lichkeiten derselben zu sagen ist, weiterhin mit den^Erörterungen über ihren Stil und ihre künstlerische Bedeutung zusammenzufassen, mögen hier zu- nächst die Gattungen der Bilder übersichtlich zusammengestellt werden, wo- bei von der reinen Decorations- und Omamentmalerei abzusehn ist. Von dieser ist früher (oben S. 522 ff.) gesprochen worden und es verdient in Betreff ihrer nur noch hervorgehoben zu werden, dass auch bei ihr so gut wie bei der plastischen Herstellung in Stucco, die ganze oder theilweise Schablone beinahe niemals angewendet, sondern Alles aus freier Hand höchstens unter Anwendung von Lineal und Zirkel ausgeführt wurde, wovon man sich leicht dadurch überzeugt, dass bei durchgehenden Ornamenten mit wiederkehrenden Formen, diese fast niemals ganz genau auf einander passen, sondern stets leise Verschiedenheiten zeigen. Vereinzelte Ausnahmen können hier kaum in Anschlag kommen und sind gewiss nicht im Stande, den bedeutenden Eindruck von Leichtigkeit und Sicherheit der Hand bei diesen alten Deco- rationsmalem in uns herabzustimmen. Sehr gewöhnlich nimmt die Nach- lässigkeit des Machwerks nach oben hin zu, und zwar nach Maßgabe des hier immer ungünstiger werdenden Lichtes; augenscheinlich sind an einer und derselben Wand mehre Hände beschäftigt gewesen , und während ein mehr oder weniger künstlerisch gebildeter Mann die Hauptbilder und die schwebenden Figuren der Nebenfelder gemalt hat, hat ein blos handwerker- mäßig geschickter Gehilfe die Umrahmungen und das architektonische Orna- ment hergestellt, ein Verfahren, welches an und für sich, ganz besonders aber bei der Massenproduction gerechtfertigt erscheint, durch welche der

572 Drittes Capitel, Die MuleTei.

größte 'llieil l^oinjicjis nach dem Erdbelicii in wenif;en Jahren mit GAoälden beilci-kt worden ist.

Vtl'or die Stellen , au denen inneThalti der geRammt«n Decoration der Wände diejcnij^cn (iemäldc zu suchen sind, von deren verscliiedenen Classen jet/t K<'huiidclt Melden sull, ist in dem von der Uecoratiun handelnden Capitel )^esiiroi-hcn worden, wo auch über die Zunahme des iUlderschmuckes im vierten, )^cgeiiii1icr dem dritten Stil das Nöthige bemerkt worden ist. Indem eine etwas nähere (''harakteriHtik der zum einen und zum andern dieser Decorationsstile gehöronilen Ocmälde vorbehalten wird, können diese zunächst ihren Classen oder (iattungen nach zu einer allgemeinen tlhersicht gebracht werden.

Als erste Gattung der ]MimjH;JHner Gemälde mögen die in auBerord entlich großer Anzahl vorhandenen Landschaften und Architc kturabsichten genannt werden*'^), wobei jedoch von vom herein hervo^ehoben werden mtuss, dass sich keine so schwer in bestimmte Classen ordnen lässt, wie diese. Denn alle Classen landschaftlicher Darstellungen, welche man entweder nach formalen oder nach gegen stand lieh cu Gesichtspunkten aufstellen mag, gehn so vielfach in einander über, dass ihre Grenzen völlig zu verfließen scheinen und dass man besten Falls versuchen kann gewisse hauptsächliche Merkmale für die verschiedenen Classen geltend zu machen.

Da wird man denn als die untergeordnetste Art die kleineu Bilder nennen dürfen, welche auf selbständige Itedeutung keinen Anspruch erheben, sondern auf Wänden des vierten Stiles als integrirende Ilestandtheile der Gesammt- decuration erscheinen, und zwar einerseits, innerhalb der Architckturmalerei, als längliche Täfelchcn, aufgestellt auf Sockeln und Simsen, angehängt unter Giebeln oder als der Schmuck von Friesen mit flüchtig gemalten Gebäude- pros]iecten, llafenau sichten, Marinen u. dgl., andererseits, besonders auf Wänden dritten Stils, iinumrahmt auf die Flächen meistens weißer, aber auch rother, seltener gelber und schwarzer Wände gemalt, darstellend etliche Bäume und Baulichkeiten und mehr bestimmt, einen dccorativen, als einen naturalistischen Eindruck zu machen und daher vielfach in den Falben nicht den uatürlicheu entsprechend, sondern zu der Grundfarbe der Wand gestimmt. Von dieser ersten ( 'lasse unterscheidet sich eine zweite, so nahe sie in ihren geringfügigeren II er vorbringungen gegenständlich jener stebn mag , dadurch , dass diese meistens quadratisch, dann auch, wie in dem Beispiel Fig. 2'J6, rund umrahmten Bildchen und Bilder, wel- che sich auf der Mitte der Nebenfelder von Wän- den vierten Stiles finden, eine Bedeutung als Dar- stellungen für sich in Anspruch nehmen und daher auch stets in natürlichen Farben gemalt sind und den blauen oder nach dem Horizont hin rüthlicheu Himmel oder auch Berge und Felsen als ILinter- FiR, 2!I6. Kleine Landschaft. gru»d Ilaben. Gegenständlich beginnt die Reihe mit Bildchen wie das, welches in Fig. 296 aus hundert ähnlichen als Probe ausgehoben ist , und welche etliche Baulich- keiten mit ein paar Bäumen, nicht selten, auf Wänden dritten Stiles, einem

Qattungen dei Bilder. Luidsohaften und AiohiMktuianriohten.

573

heiligen Haume mit seinem Sacellum enthalten und wo sie nicht , als An- sichten vom Meer aus, mit Hügeln oder Bergen abgeschlossen sind, mit sehr begreiflicher Vorliebe in vielen Fällen eine PemBicht auf das Meer dar- bieten. Andere sind mehr als Seestücke gefasst und zeigen ein dabin- rudemdes Schiff oder dereu zwei, vielleicht neben einer Landzunge oder vor einer Insel, auf welcher ein Tempel oder ein Säulengang oder sonst ein Ge- bäude steht. AU Staffage finden sich in solchen Bildern ein paar Hirten mit etlichen Thieren, oder Opfernde, welche sieb einem ländlichen oder liaum- heiligthum nähern, oder auch Fischer an den Meeresufern. Mit den Maßen der ßildflächen wachsen sodann die dai^estellten Gegenstände aus einzelnen Gebäuden zu ausgedehnteren Veduten, namentlich vorzugsweise Hafenan- sichten mit architektonischen Perspectiven mit Brücken, Tempeln, Säulen- hallen, weiten Plätzen, zu ganzen Stadttheilen, in denen man jedoch schwerlicli Ansichten wirklich vorhanden gewesener Baulichkeiten zu verstehn haben wird, sondern vielmehr frei erfundene Nachbilder einer Architektonik, welche die Küsten des Golfs von Neapel zieren mochte. Als Probe bietet Fig. 297 eins der weniger aus- gedehnten und weitläufigen, dagegen besser gemalten Bilder dieser Art, welches eine mit mancherlei Tempeln und Hal- len bedeckte Felseninsel dar- zustellen scheint. Den städti- schen Hafen ansichten, welche durch mancherlei Schiffe belebt werden , schließen sich nahe die Darstellungen der mehr oder weniger [irächtigen Villenanla- gen an, mit denen in der ersten Kaiserzeit der ganze Golf von Neapel von Bajae bis Sorrent umsäumt war. Diese Villen-

FiR. 297. FeUeninsel.

darstellungen, welche uns einen weiten Einblick in das üppig heitere Leben der damaligen Zeiten eröffnen , unterscheiden sich von den Städteansichten durch das Hineinziehen eigentlich landschaftlicher Elemente, Bäume und Baumgrup))en , die in ummauerten Gärten , aber auch frei stelin , Wasser- fälle, Bäche, Teiche u. dgl, und durch die Staffage, in welcher an die Stelle der Schiffe Fischerbarken, wohl auch Lustgondeln treten, während das Ufer nicht selten von mancherlei Personen, Fischern mit Angeln und Netzen, aber auch vornehmeren Spazier^ngcm u. dgl. , einzeln auch komiseben Scenen belebt werden. Noch andere Bilder, in denen die eigentlich landschaftlichen Elemente wiederum stärker anwachsen, darf man als Dorfland Schäften be- zeichnen ; es sind Darstellungen ländlicher Gebäude in größerer oder geringerer Zahl, welche sich vielfach um ein Heiligthum, nicht selten um das Sacellum eines heiligen Baumes gruppiren, aber durch die Charakterisirung des Terrains

:,74 Drittes Cnpitel. Die Malerei.

und der ^'ü^;ctation soM-ic dutoh iliri! niie Hirten mit He«rdeii, Landleuten. Opfoniden ii. d^I. IicHtehciidc IStafTagc eiiieii idyllischen Eindruck maclien.

/u ei^ontliclier lands(:Iiaftlit:licr Stimmung erheben sich indessen nicht allein unter diesen, sondern unter dein ganzen Voixatlie nur sehr wenige Itil- der seihst unter den aiiK<;ed eh n tosten , welche zum Theil ganze Wände oder Waudahschnittc! bedecken ; aber ganz absprechen kann man diese, sei sie von nioilerner SontimentalitUt auch noch so fem, den alten Malern nicht. Um. auch ohne einer weiterhin zu gellenden etwas nähern Hesprechnug der antiken Landschaftsmalerei vor/.u greifen, deutlich zn maclien, was unter der wenig- stens halbwegs landschaftlichen Stimmung mancher pompejanischen Bilder, meistens, wenn nicht ausschließlich auf Wanden dritten Stiles, zu verstehn sei,

inüge nur das eine Beispiel Fig. 208 (Hlbg. No. 1564) aus einer Reihe ähnlicher hervorgehoben werden. Hier ist es nicht sowohl der Vor- dergrund, welcher ein nicht allzu klar aufgebautes Baum- sacellurii und einen Hirten darstellt , welcher seine Ziege, vielleicht um sie zu opfern , dem Heiligthum entgegentreibt, welcher land- schaftlich wirkt, als die Fel- senwildniss im Mittel- und Hintergrunde, besonders die Gebirgsschlucht, an der sich Pappeln oder Cypreswn hin- aufziehn. welche, hinter dem entferntesten Gipfel ver- schwindend , uns auf eine griißere Ausdehnung dieser, nur von einem rechts den Berg herabkommenden Hir- ten mit seinen Schafen und links, wie es scheint von einem an der Schlucht sitzenden Fischer belebten, mit unklar gemalten Statuen oder Hermen geschmückten Gebirgseinsamkeit hinweisen. Hiermit ist besonders die verwandt componirte Landschaft mit einem Wasserfall Mns. Borb. XI, 26 (Hlbg. No. l.^>5S) zu vergleichen, ebenso die in den Pitture d'Ercolano I, 46 und besonders die daselbst 111, 53 abgebil- dete, endlich, um nicht die Beispiele zu häufen, die bei Woermann {s. Anm. 242) Taf. 7 veröffentlichte, durchaus idyllisch gestimmte Landschaft.

Als letzte Classe der Landschaftsmalereien sind die mit mythologisclier Staffage helebten zu nennen, wclclie ebenfalls fast ausschlief ich Wänden drit- ten Stils angehören und deren Anzahl eine ziemlich bedeutende ist. Anfeine Aufzählung der üegeustände dieser »heroischen« Landschaften muss, da ein

Fig. 298. Bild mit laiidHchaftlicher Stimmung.

Oattungsn der Bild«T. Idj-lliHchs und herolgohe Lnodachaften. 575

Eingehn auf das Einzelne unmöglich ist, verzichtet werden ^*^) ; um aber auch hier ein Heispiel nicht fehlen zu lassen, ist in Fig. 299 ein Itild gewählt, wel- ches die am felsigen Meeresufer dem Meeiungethüm zur Keute ausgesetzte Andromeda und den für sie das Ungeheuer bekämpfen- den Perseus darstellt [Hlhg. No. 1184). Diese mytholo- gische Scene ist aber kaum als die Hauptsache in die- sem Bilde anzusprechen, we- nigstens hat der Künstler mit entschiedener Vorliebe die ode Felsenküste mit ihrer abgestorbenen Vegetation "'*■') und dem gegen die Klippen brandenden Meere dai^e- stellt.'und wenn man auch nittht behaupten kann, dass die mythologischen Perso- pi^. 299. Heroische Landschnft, Pmmus und Andromeda. nen nur in dem Sinne als

recht eigentliche Staffage angebracht sind , um die Stimmung von wüster Einsamkeit in dem lleechauer lebendiger hervorzurufen, als der Maler sich dies ohne ein solches Beiwerk zu thun getraute, so wird man doch zugeben müssen, dass die dargestellte Handlung mit der landschaftlichen Scenerie in einen Gesammtein druck aufgeht. In ähnlicher Weise sind manche andere Itild er gemalt, nur dass sich nicht wohl in Abrede stellen lässt, dass in den meisten der Zusammenklang des mythologischen Gegenstandes mit der Landschaft weniger gelungen ist und dass namentlich in vielen das Hineinziehn von aller- lei Jtauwerken in die letztere, auch da, wo solche gewiss nicht hingehören, wie z. H. bei dem an den Kaukaaos geschmiedeten Prometheus, die land- schaftliche Stimmung auf eine, wenigstens für unser Gefühl anstößige Weise durchkreuzen. Als das vollkommenste Muster der antiken heroischen Land- achaftemalerci dürfen hier die am Esquilin in Rom gefundenen Odysseeland- schaften ^'•*) nicht imerwähnt bleiben, so wenig es dieses Ortes ist, nach irgend einer Richtung auf dieselben näher einziigehn ; im Zusammenhang einer all- gemeinen Besprechung der antiken und besonders der in Pompeji vertretenen Landschaftsmalerei wird ohnehin auf sie noch einmal zurückzukommen sein.

Nur anhangsweise kann hier von den wenigstens halbwegs der Land- schaftsmalerei zuzurechnenden Gartendarstellungen gesprochen werden, durch welche zum Theil in den Frigidarien von Bädern, ganz besonders aber an den Wänden kleiner Gärten der mangelnde Ausblick ins Freie ersetzt und der Eindruck eines solchen hervorgebracht werden soll. Auf einzelne Beispiele ist im Verlaufe der früheren Schilderungen pompejanischcr Gebäude hin- gewiesen worden , und so bleibt hier nur zu bemerken , dass diese Bilder, welche aus der Darstellung mehr oder weniger üppiger, vielfach von Verein belebter Büsche und Bäume nebst Gittern und Lauben und den zum Garten-

576 Dilttei Capjtel. Dia Malsnl,

schmuck dicncnilen plaBtisclioii Woi-kcn licstehn, nicht eingerahmt sind, aon- «Icm, ihrem /weck entsprechend, ganze Wände bedecken oder sich durch deren architektonische Eintheihmg, als hinter derselben liegend hinziehn.

l*'«st ausschließlich den untergeordneten Stellen in der Docoration gehören, wie die kleinen Land- schaften, die als zweite Classe zu bezeichnenden (ieuremalereien an. Bei der niedrigsten Art derselben , dem Stillleben , den Frucht- und Ilhi- menstücken (Hlbg. S. 404 ff.) ist dies durchaus der Fall, wenn man jene kleinen Bildchen in den aller- l>csclieidenstcn Decorationen auf der Mitte der Haupt wand fläche und die großen, mit der Jtestim- mung des Gebäudes zusammenhangenden Darstel- lungen im Macellum (oben S. 126 f.) abrechnet. \'on den sehr zahlreichen Darstellungen dieser Art kann in Fig. 300 nur eine kleine Auswahl vorgelegt werden, welche aber vielleicht dennoch im Stande sein wird, die Gegenstände, die Corapoeition und die Ausführung dieser Bildchen wenigstene einiger- ^- maßen zu vergegenwärtigen. Was die Gegenstände

w anlangt, finden wir so ziemlich alle diejenigen wie-

P der, welche unsere modernen Maler dieser Gattung

^ darzustellen lieben, jedoch ist eine überwiegende

£ Häufigkeit essbarer, für Küche und Tafel bestimm-

g- ter Dinge und eine l>esonder8 liebevolle Itehandlung

1 dieser nicht zu verkennen. Es ist desball) auch

nicht als Zufall zu betrachten, dass in Fig. 300 unter fünf Bildchen vier in dieses Gebiet gehören. Von geschlachteten und zubereiteten Thieren, wie das gerupfte Huhn und der ausgeweidete Hase in a, hätte noch ein ganzer Speisezettel von Fleischwaa- ren, vom Schinken bis zur wohlpräparirten Wachtel vorgeführt werdeu können, sowie gebunden dalie- gende Zicklein , Lämmer, Schweinchen, Hähne: neben den Fischen in b eine beträchtliche Auswahl anderer nebst llummern, Krebsen, Austern, Mu- scheln. Polypen ; neben dem Brud und den Eiern in c verschiedene Backwerke ; neben dem Koibe voll Feigen in e noch Apfel, Granatäpfel, Weintrauben, Kirschen und kleinere Beeren in Gefäßen, femer Champignons, Zwiebeln, gelbe Rüben, Kettige u. dgl. mehr. Ebenso sind die, in diesem Falle heiligem Gebrauche bestimmten, Gefäße in d nur ein einzel- nes Pröbchen verwandter Gegenstände ; allerlei sonstiger Hausrath aus Küche und Keller, Wohn- uud Studirzimmer, z. B. aus letzterem Schreibmaterialien

Genrebilder ; StiUleben, Thierdarstellungen. 5.7 7

und Bücherrollen ^ neben denen mehrfach kleine Haufen Münzen liegen, hätten ebenfalls zu Gebote gestanden. In Beziehung auf die Composition darf nicht übersehn werden, dass die alten Maler gegen die unserigen im Nachtheil sind, sofern wir derartige Bilder aus ungleich größeren Massen zusammen- zusetzen pflegen ; auch in der Anordnung können die pompejaner Maler mit den unseren nicht wetteifern, welche vielmehr mit liebenswürdiger Naivetät verfuhren, ohne eben viel zu stellen und zu legen. Von der Laune, welche sich gelegentlich in den besseren modernen Bildern dieser Art regt, sind nur sehr vereinzelte Beispiele aus Pompeji anzuführen, doch fehlen auch diese wenigstens nicht ganz. So wirkt es, um nur eines anzuführen, humoristisch, wenn von zwei Seitenstücken auf einer Wand das eine Hahn und Henne in größtem Behagen des Zusammenlebens darstellt, das andere den gar kläglich gebunden liegenden Hahn. Auch in der Ausführung kann den neueren Kunst- lern, welche schon durch die Ölfarbe den alten Wandmalern überlegen sind, der Preis nicht abgesprochen werden, obgleich nicht zu verkennen ist, dass der effectvoUe Naturalismus, welcher die Vorzüge dieser niedern Gattung der Malerei ausmacht, auch in Pompeji so wenig fehlt, wie jene allerlei Lichter und Reflexe in und auf Gläsern, Metallgegenständen und Anderem.

Von Blumenstücken ist keine Probe mitgetheilt, weil diese diuch die Bank herzlich unbedeutend sind, und nichts enthalten, was sich nicht leicht Jeder ohne Abbildung vorstellen könnte. Compositionen , Sträuße, Kränze und dergleichen selbständige Bilder kommen nicht vor, denn die ihres Ortes bereits erwähnten dünnen Blätterschnüre in den Decorationen dritten Stiles und in ein paar Genrebildchen, z. B. dem mit den kranzwindenden Genien im Macellum (S. 127), kann man nicht rechnen. Im Übrigen beschränkt sich die Darstellung auf einzelne zum Theil sehr gut gemalte Blumenpflanzen wie Iris, Lilien, Rosenstöcke imd etliche andere, welche sich hauptsächlich an den Sockeln der Wände des dritten und des letzten Stiles finden. Von den Garten- darstellungen ist schon gesprochen worden.

Auch die Darstellungen aus dem Thierleben, welche sich meistens inner- halb der Gliederung der Decoration, daneben freilich auch in besonders um- rahmten, aber meistens kleinen Bildern finden, sind viel unbedeutender als die unserer Künstler. Ein solches liebevolles Eingehn auf das Leben und Treiben der sich selbst überlassenen Thiere, wie das unserige, ein so feines Heraus- fühlen ihrer Eigenthümlichkeiten und des Humors, der in den Erlebnissen dieser Welt liegt, ist offenbar nicht die Sache der Alten gewesen. Und der- gleichen finden wir nicht allein nicht in Pompeji, sondern schwerlich irgend- wo noch im ganzen Kreise der antiken Kunst, so sehr dieselbe sich mit der Darstellung einzelner Thiere beschäftigt und so bewundernswürdige Thierge- stalten sie geschaffen hat. Wenn aber auch die pompejanische Malerei hier nicht das Höchste geleistet hat, so hat sie doch dies Feld keineswegs unan- gebaut gelassen (vgl. Hlbg. S.398 ff.); früchtepickende Vögel, weintrauben- naschende Hasen, schwimmende Fische, welche in dem »Aquarium« der Casa del Centennario (oben S. 355) weitaus am merkwürdigsten und natürlichsten dar- gestellt sind 2*«), und andere dergleichen Schilderungen fehlen auch unter den selbständigen Bildchen, von denen allein hier zunächst die Rede ist, so wenig,

Overbeck, Pompeji. 4. Aufl. 37

578 DritteB Capitel. Die Malerei.

wie selbst ciiiinr feiner l)C(il »achtete Sternen des TliieTicbons, z. H. ein kleiner Hund im Streite mit eitii^]) fjiiißeni hikI einer Katze um ein Stiiek Fleisch (HIli(; Ni>. HilUll, eine Sclilange, welclie sich gfK*^"i Pine Maus aufliaumt und diese mit dem Hlieke liannt. wenis eiidlicli wie einige p'ößere Kilder in der Art des in Fig. 3U1 «ieilerliolteu, welelies in inäUig aiisgeflihrter 1.aii(lsc'haf[

Fifr. 301 . Thierstück.

einen Löwen darstellt, der zivei voll Eut^setüen fliehende Stiere jagt, oder wie jenes (Hlltg. No. 1521, M. H. XIV, •141, in welchem in sehr lehens voller Auf- fassung ein Elier von zwei Hunden gestellt wird, und so noch einiges \er' wandte. Sehr lersehieden von diesen Thierstücken und Thierlaiidsehafteu sind jene großen, ganze Wände hedeckendeii Thierhilder wie das schon früher (S. 27&) erwähnte, welches der Casa tfella carrm den Namen gegeben hat. Der- gleichen große Darstellungen kommen auch sonst vor und zeigen mannigfaltige Thiere theils friedlich, theils im Kampfe, auch von Menschen gejagt oder von Jagdhimden angegriffen, und wiederum die Menschen angreifend, sellstvcr- stäntllich in m. o. w. ansgefiihrten, als Fels- und Hergwildnisse chavakteri- sirten Landschaften. Es ist schon a. a. O. die auch von Anderen getlieilte A'ermuthung auBgesprochcn worden, dass die 'fhierhetzen im Amphitheater manche derartige, im Allgemeinen durchaus poesielos geschilderte Sccncn zur Anschauung gebracht haben unil so diese llilder wie jene an der llriisLungs- mauer der Arena des Amphitheaters (S. 181) angeregt haben mögen. Ein neuerdings ausgegrabenes Bild"^'") zeigt eine gaiute Schar von Thiercn aahmer und wilder Art wie in einer großeu Schaustellung neben und übeu ein;mder gruppirt und mag aus ähnlicher Quelle geflossen sein. Ein eigen th lim liches Interesse erregen endlich zwei in einem Hause des Viro d Eumachia als Gegenstücke gemalte große Thierhilder, von welchen das eine ziemlich sicher und dalier wahrscheinlich auch das andere aus der 'rhierfal>el geflossen ist'^'). Jenes (Hlbg. No. 1584) stellt einen wahrscheinlich krank daliegenden Löwen dar. vor dem ein Hirsch mit vorsichtig vorgestelltem linken \'orderfuße wie zu augenblicklicher Flucht bereit steht, wahrend im Hintergründe ein Leopard eine Gazelle verfolgt. Der luhalt des Hildes stimmt deutlich genug mit der in verschiedenen Wendungen überlieferten Fabel vom kranken Löwen übereiu. Für das Gegenstück, welches einen Hären darstellt, der sich mit einem Eber zum Kampf anschickt, während im Hintergrund ein grimmig blickender Löwe liegt, ißt eine Parallele in der antiken 'Xliierfabel nicht erhalten, doch würde sich eine solche leicht im Geiste bekannter Geschichten erfinden lassen.

}U)iniKh-a«mpaniach«a Oenre. 579

Steigen wir von diesen untergeordneten Kreisen in diejenigen des Men- schenlebens auf, 80 müssen vorweg zwei nach Uuellen und Ausführung sehr verschiedene Arten von Genremalereien unterschieden werden. Die erstere ist diejenige, welche Heibig S. 356 ff. unter der Überschrift: »römisch-cam- panisches Genre« behandelt hat. Die Kilder dieser Art bieten in nicht ganz unbeträchtlicher Zahl aber in durchweg künstlerisch untergeordneter Aus- fuhrung die realistische Darstellung von mancherlei Scenen aus dem taglichen Thun und Treiben ohne Zweifel gröBtentheils in Pompeji selbst. In diese Classe sind jene schon früher (S . 392) mitgetheilten und besprochenen Kilder aus der Fullonica zu rechnen, welche die verschiedenen Acte der Tuchbereitung und Tucfawäsche darstellen, ferner die oben (S. 568 mit Anm. 241) angeführten Bilder einer Malerin, die in ihrem Atelier, von zwei Frauen belauscht, eine DiouyeoBberroe copirt(Hlbg. No. 1443), und eines Porträtmalers in parodischer Auffassung (Hlbg. No. 1537). In einem Hanse in Pompeji, in welchem außer einem Weinschank vielleicht ein unehrliches Gewerbe getrieben wurde, fand man die Wände des Gastzimmers mit Malereien bedeckt, in welchen ver- schiedene Scenen aus dem lieben dieses Hauses geschildert sind, äo zeigt das eine, um nur ein paar gut erhaltene Beispiele herauszuheben, ein Gelage von Personen ziemlich niedem Standes, die, um einen kleinen runden drei- füßigen Tisch sitzend, unter lebendiger Unterhaltung aus Bechern Wein trinken, den ihnen ein kleiner Bursche kredenzt (Hlbg. No. 1504. 5), das andere Bild, Fig. 302 (Hll^. No- 1487] , lehrt uns zugleich eine nicht uninteressante Besonderheit des pompejani- sehen Alterthums kennen, einen auch noch in einem andern Bilde ähnlich wie- derkehrenden Wein wagen nämlich, auf dem der Wein in einem großen Schlauche vor das Hau» des Käufers oder Eigners gefahren wird.

Diesen Schlauch müssen wir Fig. 302, Realiatischea OeoTebild; Weinw^en.

uns aus einer nicht unbe- trächtlichen Zahl von Thierfellen zusammengenäht und durch die große vom empor gebundene Öffnung gefüllt denken. Zum Ablassen des Weines in die Amphoren, in denen man ihn im Keller aufbewahrte, bedient man sich einer röhrenförmigen Öffnung am hintern Theile des Schlauches, welche aus dem Bein eines Felles gebildet scheint. Das Ziisammen fallen des großen Schlauchee durch die fortschreitende Entleerung ist merkbar angedeutet, und ein guter Gedanke ist es, die Pferde losgeschirrt darzustellen, um damit anzudeuten, dass der Wagen vor diesem Hause lange anhalten, vielleicht ganz abgezapft werden soll. Da hier nicht alle Bilder dieser Art einzeln angeführt werden können, so mögen nur noch die trotz der Rohheit der Darstellung gegen- ständlich recht interessanten Forumsscenen (Hlbg. No. 1469} hervoi^ehoben

580 Drittel Capitel Die Malerei.

werden, während im Uhrigen auf den ganzen ohen genannten Ahschnitt des Helhig sehen Jiuches und seine Ergänzung bei Sogliano N().653 flF. verwiesen werden muss.

Neben diesen realistischen ist eine zweite Art von Genrebildern zu nennen, welche sich in Composition und Ausführung von der erstem stark unter- scheiden, indem sie, zum Theil selbst auf die Brustbilder der dargestellten Personen, immer aber auf wenige Figuren beschränkt, durch ideale Auffassung. Reiz und Anmuth der Erscheinung sich auszeichnen und eben so fein und sorgfältig wie diejenigen der erstem Classe meistens roh und nachlässig gemalt sind. Heibig (8. 332 ff.) hat sie als »hellenistisches Genre<( von dem römisch- campanischen unterschieden und ihrer eine ziemlich bedeutende Zahl (No. 1409 1162, dazu Sogliano No. 629 649) zusammengestellt, aus der nur ein paar heispiele angeführt werden mögen. So zeigt ein allerliebstes Bildchen (Hlbg No. 1425), welches mehrfach, am besten aber bei Temite I, 5 abgebildet und in mehren unter einander verwandten Wiederholungen nachweisbar ist, das Hnistbild einer jungen Dame, welche eine offene Schreibtafel in der linken, den Griffel in der rechten Hand nachdenklich an die Lippen gelegt hält, als besinne sie sich und schwanke, ob sie eine zärtliche Hotschaft dem ge- schriebenen Worte anvertrauen solle oder nicht, während eine Zofe ziemlich schelmisch hinter der Herrin wartend hervorschaut, aus deren Mienen wir ab- nehmen können, dass die Schöne sich doch endlich entschließen werde. Nicht allzu verschieden ist dem Grundgedanken nach der Gegenstand eines ebenfalls von Temite I, 1 mitgetheilten Bildes, welches eine als Muse erklärte, in tiefes Nachdenken versunken sitzende junge Uame darstellt, die in der That nichts als Muse charakterisirt, die vielmehr alle Zeichen reiner Menschlichkeit trägt und über eine Herzensangelegenheit nachzusinnen scheint. Ferner gehört in diese Classe reiner Genrebilder eine kleine Reihe von Hildem, in denen Eros als handelnde Person auftritt ; denn in allen diesen Fällen sind die kleinen Flügelknaben rein allegorisch zu fassen. So, wenn in einem Hilde, welches seines Ortes schon in der Casa di Meleagro erwähnt wurde (Hlbg. No. 1429), Eros sich vertraulich plaudernd und nachlässig an das Knie einer leicht be- kleideten und üppigen Schönen lehnt, so, wenn er auf einem andern des8ell>en Hauses (Hlbg. No. 1430) der Schönen das geöffnete Schmuckkästchen ent- gegenhält (vgl. S. 310 u. 312), so endlich, wenn in mehrfach wiederkehrenden und ebenfalls schon mehrfach erwähnten Hildem Eros mit einem schönen Mädchen lischt (Hlbg. No. 348 ff.). Hier bedeutet der Eros, im ersten Falle nichts als die Schönheit der Dame, deshalb ist er lässig wie sie, im zweiten den Liebreiz, der sie schmückt, im dritten die Anmuth, welche die schönen Mädchen überall hin begleitet ; Aphrodite ist in keinem dieser Fälle in der Frau zu erkennen. Und das auch die Erotenverkäufe in zwei berühmten Wandgemälden, von denen das eine (Hlbg. No. 824) aus Stabiae stammt, das andere (Hlbg. No. 825) aus der Casa dei capitelli colorati in Fig. 303 aus Zahn II, 58 wiederholt ist, in das Gebiet dieser allegorischen Genrebilder gehören, hat schon Otto Jahn in seinen Archaeol. Hei trägen S. 211 221 ausführlich und geistreich nachgewiesen und begründet. In dem hier mitgetheilten Bilde werden einer schönen, erhabenen Frau, die in trübem Nachdenken auf einen

Hellenistische Oenrebilder. ErotenTerkauf.

581

Pfeiler gelehnt dasteht, von einem alten Vogelsteller Erotchen zum Verkaufe angeboten, ganz so wie man etwa Tauben zum Verkauf anbieten würde. Zwei sitzen noch in dem Käfig, einen holt der Händler bei den Flügeln heraus, um ihn anzubieten, oder will ihn eben wieder hin- einstecken, während ein vierter sich hinter der Schönen versteckt hat und muthwillig hervor- schaut und ein fünfter, auf den ihr Blick ge- richtet ist, ihr mit zwei Kränzen entgegenfliegt. Ist auch dies merkwür- dige Bild und das andere verwandte noch nicht völlig im Einzelnen er- klärt, so dürfen wir doch deren Sinn im Allge- meinen als dahin fest- stehend betrachten, dass den > Schönen manche Liebe zur Auswahl ge- boten wird, und dass vielleicht die Dame in unserem Bilde nach einem Verlust oder in unerfüllter Sehnsucht den ihr dargebotenen Liebesgöttern gegenüber denkt: der, den ich meine, ist es nicht! Ob sich nicht unterdessen doch der rechte heimlich bei ihr eingeschlichen hat, mag dahinstehn. Auch die einige Male wiederholte, überaus liebliche und zarte Composition (Hlbg. No. 821 ff.), in der ein junges Liebespaar ein Nest mit Erotchen gefunden und ausgenommen hat, ganz so wie sonst wohl ein Vogelnest ausgenommen wird, und nun dasselbe gemeinsam mit einigen Gefährten betrachtet, gehört in diesen Kreis.

Zu den auf eine Person beschränkten Genrebildern gehört ferner auch eine Reihe jener schwebenden Figuren, welche die Mitte der Nebenfelder der Hauptfläche der Wand rechts und links vom mythologischen Mittelbild oder auch die Mitte aller Felder der Hauptfläche schmücken ; unter ihnen auch jene mit Recht hochberühmten Tänzerinnen, welche aus der s. g. Villa Ciceros vor dem Herculaner Thore stammen (Hlbg. No. 484. 487. 1904, 6, 7, 21, 28, 31, 37, 39) und, obgleich nur von sehr kleinen Maßen (0,15—0,16 M.) zu dem Vorzüglichsten gehören, was die Malerei in den verschütteten Städten geleistet hat. Man hat für diese bewunderungswürdigen und unzählige Male copirten Gestalten, deren Fig. 304 eine der großartigsten und eine der lieb- lichsten (Hlbg. No. 1904 u. 484) wiederholt, auf mythologischem Gebiete Er- klärungen gesucht und einzelne derselben als Bakchantinnen gedeutet; mit Unrecht ; es sind menschliche Tänzerinnen , vielleicht selbst aus einer der

Fig. 303. Hellenistisches Genrebild ; Erotenverkauf.

582 Diittes Capitel. Die Malerei.

niedcroii Schieliten der Gesellschaft, welche jene im Alterthum ao vielgeprie- «eneu kuti»t vollen mimischen Tanze ausführen, die wir nur mit den höchsten

Fig. 304. HellenistiBcheB Genre ; schwebende Tftnierinnen.

Leistungen unseres Itallets vergleichen können. Die ganze Folge ist Ton Teniite neu herausgegeben und von Welcker mit einer tief eindringenden Erklärung versehn.

In das Gesammtgebiet des Genre, aber freilich eines mythologisch ein- gekleideten Genre gehören sodann die sehr zahlreichen Bilder, in denen Genien oder Eroten, kurz kleine Flügelknaben in allen möglichen mensch- lichen Verrichtungen, zum Theil selbst sehr prosaischen -erscheinen. Von mythologischem Gehalt kann bei ihnen nicht die Bede sein, die dargestellten

Fift. 305, Mythulogische Genrebilder ; Eroten ala Tischler und Schuatei.

Handlungen fließen in keiner Weise aus einem symbolischen Regriff dieser Flügelknaben, man nenne sie wie man will, sondern die Maler haben nm,

Py gmMen dsratollui^ii.

wie das auch in nicht wenigen Re- liefen, namentlich Sarkophagrehefen gesohehn ist , der großem Anmuth der Form luid der Heiterkeit wegen diese fiir erwachsene Menschen ge- setzt. So iiiiden wir diese Geuien jagend (Hlhg. No.807 ff.), tischend, auf Wagen fahrend (Hlbg. No. 779 ff ), musicirend , tanzend , Kränze win- dend (Hlbg. No.799 f.), das MÜh- lenfeet der Vestalia feiernd (Hlbg. No. 777, B. oben S. 127), und so fin- den wir sie, nm ein paar Heispiele recht augenscheinlichen Inhalts zu wählen, in zweien vorstehend wie- dei^gebenen Bildchen Fig. 305 a. b aus Herculaneum als Hchreiner ein Brett zurechtsägend (Hlbg. No. SOS) und gar als l^chuster beschäftigt (Hlbg. No. S04).

Als mythologische Genrebilder, aber freilich als solche von einem von den eben besprochenen sehr ver- schiedenen Charakter , wird man auch die in Pompeji nicht seltenen Pygmaeen darstellungen ( Hlbg . No, 1527 ff.) rechnen dürfen. Die Sage von den Pygmaeen ("Fäustlin- gen«, Däumlingen) und namentlich von ihren Kämpfen mit den Kra- nichen ist uralt, kommt schon bei Homer und in der bildenden Kunst seit ileni ti. Jahrhunderte (z. H. an der berühmten Franfuisvase in Flo- renz) nicht selten vor , ist aller ganK besonders von der alexandrinischen Kunst ausgebildet und mit ihr in die römische Welt und so auch nach Pompeji gekommen. Hier finden sich Pygmaeendarstellungen mannig- faltiger, aber fast immer scherzhaf- ter, oft sehr derb scherzhafter Art, als Karrikaturen und Parodien, sel- ten in eigenen , selbständig einge- rahmten Bildern auf den Wandmitten, vielmehr meistens an den unteigeord-

584 Drittes Capitel. Die Malerei.

neten Stellen der Decoration, allermeistens, auf ihren Ursprung deutlich hin- weisend, in Nillandschaften und so, dass die Zwerge mitNilthieren, Krokodilen, llippopotamen u. dgl. in komische Berührung gebracht werden. Auf eine Schilderung dieser Scenen im Allgemeinen kann hier, schon ihres vielfach an- stößigen Charakters wegen, nicht eingegangen werden ; wohl aber muss hier das in Fig. 306 mitgetheilte, am 21. Juni 1882 aufgefundene Bild besprochen werden, das seiner Zeit das größte Aufsehn gemacht hat und welches mancher Leser nicht an dieser Stelle erwarten wird. Uenn in der augenscheinlichsten Weise stellt dasselbe eine Scene dar, welche mit dem weltberühmten »Urteil Salomonis« vollkommen übereinstimmt. Auf einem Tribunal sitzt, von zwei Käthen umgeben, von einer Leibwache begleitet, der König. Vor dem Tribu- nal steht ein Fleischerblock , auf welchem ein nacktes Kind liegt , das ein Soldat eben mit einem Hackmesser auseinander zu hauen im Begriff ist, wobei es von einer reich, wenn auch komisch aufgeputzten Frau festgehalten wird, während eine zweite Frau sich vor dem Könige auf die Knie niedergeworfen hat und mit ängstlichen Geberden offenbar um Verschonung des Kindes fleht. Links steht zuschauendes Volk. Es ist kein Wunder, dass man geglaubt hat, den Gegenstand dieses Bildes aus der Erzählung im 1. Buche der Könige 3, 16 f. ableiten zu müssen. Und dennoch bietet die Annahme, die Bibel sei die Quelle eines in Pompeji gemalten und vollends eines aus alexandrinischer Überlieferung herstammenden Bildes so außerordentliche Schwierigkeiten, dennoch will schon der Umstand, dass die handelnden Personen offenbare Pyg- maeen, Zwerge mit dicken Köpfen und spindeldürren Beinchen sind, zu einer Ableitung des Gegenstandes aus der Bibel durchaus nicht stimmen und eben so wenig der andere, dass neben diesem Bilde in demselben Zimmer noch andere Pygmaeendarstellungen gefunden worden sind. Ein Christ oder ein Jude, welcher sich eine Darstellung des Urteils Salomonis bestellte, hätte doch nim- mer dulden können, dass die Personen der heiligen Schrift in dieser scherz- haften Gestalt und neben anderen gleicher Art dargestellt worden wären. Während daher schon mancherlei Zweifel an der biblischen Quelle des Bildes laut geworden waren, hat Lumbroso^^^) vielleicht, ja wahrscheinlich die rich- tige liösung des hier scheinbar vorliegenden Räthsels gefunden, indem er auf einen (sagenhaften) aegyptischen König Bokchoris hingewiesen hat, von dem als von einem Ausbunde von Weisheit und Gerechtigkeit, ähnlich dem weisen Salomo, mehre antike Schriftsteller (l)iodor, Plutarch u. A.) zu berichten wissen und von dem uns, wenn auch nicht das hier dargestellte salomonische Urteil, so doch wenigstens ein solches überliefert ist, welches dem Grund- charakter der biblischen Erzählung und der pompejaner Darstellung entspricht. Sollte hiermit auch noch nicht das letzte Wort gesprochen sein, so wird man doch ZTigeben müssen, dass ein, aller Wahrscheinlichkeit nach wie alle Pygmaeen- darstellungen aus Aegypten stammendes, seinen Gegenstand in's Komische ziehendes Bild viel leichter aus aegyptischen Sagen und Erzählungen als aus der Bibel herzuleiten ist.

Als eine eigene Abtheilung der Genrebilder kann man endlich die von Heibig S. 349 ff. gesammelten ziemlich häufigen Darstellungen von Theater- scenen betrachten, die gewiss keiner andern Kategorie von Malerei sich leichter

Theateiaoenen. Mythologiiohe EiufielfigUTeii. 5$5

oder nur so leicht einfügen, wie dieser. Bestimmte Sceneu bekannter Stücke sind in den allerseltensten Fällen, nenn überhaupt mit Sicherheit, erkennbar, die dargestellten Handlungen sifid nicht immer klar, am wenigsten die tragi- scher Scenen, in vielen Fällen jedoch, namentlich in Sceneu der Komoedie, wie z. B. in der folgenden, als Frobe mitgetheilten (Hlbg. Nu. 146S), so aus- drucksvoll gegeben, dass man ül>er den Inhalt im Allgemeinen nicht zweifel- haft sein kann. In dem nachstehenden Bilde, in welchem offenbar ein Kriegs- mann, wenn auch nicht der tniles gloriosus des Plautus, die Hauptperson bildet,

Fig. ;t()7, Theatetscene.

sind noch die rechts und links sitzenden alten Männer zu bemerken, welche nach Wieselers gewiss richtiger Erklärung die Theaterpolizei darstellen und als deren Platz wir uns die Nischen des I'roscenium [s, S. 171) zu denken haben.

Hiemach bleiben als die letzte und llauptnbtheilung der Gegenstände pompejanischer Bilder die mythologischen zu besprechen übrig, welche meisten- theils auf den Ilanptstellen der Wände, in der Mitte der grutlen Flächen des Mittelfeldes ihren Platz finden. Hier ist die Fülle so groß, dass für alles Ein- zelne auf die beiden schon mehriach angeführten Bücher ilelliigs, die »Wand- gemälde aus den vom Vesuv verschütteten Städten Oampaniens« , und die »Untersuchungen über die campanische Wandmalerei« verwiesen werden muss, deren ersteres die Bilder gegenständlich geordnet in einer bis zu den Aus- grabungen von 1867 vollständigen, von Sogliano [in : Povtpei e la regione volttT- ratadcU Vesuoioecc. Nea])el 1879) bis zum Jahr 1879 fortgeführten Zusammen- stellung enthält, während das zweite auf eine Reibe von Fragen über diese Malereien näher eingeht, welche im Folgenden ebenfalls kurz berührt werden Bollen. Um es aber auch in Betreff der Gegenstände und der (Komposition der Bilder nicht bei der bloßen Anführung bewenden zu lassen ., soll versucht werden, dieselben zu einer ganz summarischen Übersicht zu bringen, zu der

586

Drittes C'apilel. Die Malerei.

sich am leichteslon wird {TelanRen lassen, wenn auch hier wieder Classen un- tcrachiedim werden, als welche sii^h bieten 1. mythologische Einzelfigtiren, 2. kleinere meistens xchwchendc (Jnippeii , als deren Unterabtheilung die allc^irisi-heii Darstellungen betraehtet werden künncii, und 3. größere Com- positiunuii.

Die gröLlte Monge der mytholugi sehen Einzeltiguren sind schwellende Ge- stalten in der Art iler üben angeführten Tänzerinnen. Es begreift sich leicht, dass man zn diesen vorzugsweise solche Personen wählte, bei denen das Fliegen oder das Schweben in lebhaftem Tanze, der ^on der Erde emporstrebt oder leicht über dieselbe hineilt, und bei denen eben deshalb das Weglassen des Bodens im Gemälde ebenfalls natürlich , nicht als bloße Willkür erscheint. Nike. Eros, l'syche, Hören oder Personificationen der Jahreszeiten, allerlei Genien und Nymphen und daneben Personen des bakehischen Kreises, liaki-hantiinieu, Maenaden, yatym, Kentauren u. a. dgl. bilden den Haupt- stamm dieser Gemälde. Jedoch sind die Einzeldarstellungen keineswegs weder auf sehwebende Gestalten noch auf Personen der angedeuteten Art beschränkt, last alle Gottheiten des Olymp sind natdiweisbar und finden sich je nach dem Grund Charakter ihres Wesens stehend, thronend oder gelagert, seltener in Handlung als in der- jenigen Ruhe, welche das Cultu»- bild auszeichnet und als Gegen- stand der Verehrung erkennen lässt. Mehre dieser göttlichen Einzelpersonen haben' aua dem angedeuteten Grunde ein großes Interesse , und wenngleich uns manche unbedeutende Darstellung auf diesem Gebiete entgegentritt, so fehlen <loch auch wirklich groß- artige lind schöne Gestalten auf demsellien nicht, ja wir finden selbst solche , die neben den be- rühmtesten Statuen als wahre Grundlagen unserer Kenntniss der Darstellung griechischer Gott- heiten betraclitet werden können, wovon man sich durch einen Ulick auf die hienieben abgebil- dete Demeter aus der Caea tut Dioscuri (Hlbg. No.l76i, gewiss eine der bedeutendsten und wür- digsten Darstellungen dieser Göt- tin, welche wir aus dem Gesammt^ehiete der alten Kunst besitzen, leicht selbst überzeugen kann. Außer den auf der Mitte der Wandfläche frei schwebenden und den ebenfalls auf der Mitte (von Wand- und Pfeilerfeldem, statuenartig

Fig. 3(IS. Dcmet«)

Mytholog. Einzelfiguren, Gruppen u. größere Compositionen. 587

auf leicht angedeuteter Basis als selbständige Gemälde für sich stehenden und sitzenden mythologischen Einzelfiguren erscheinen solche noch mitten in der architektonischen Decoration in der Art, wie auch menschliche Personen, als Bewohner der luftigen Tempelräume, oder endlich sind sie in die Decoration selbst verschmolzen und als Statuen oder Statuetten behandelt auf Kragsteinen, Camiesen und anderen Gliedern angebracht und in diesem Falle entweder in der Farbe des Materials gehalten, aus dem sie verfertigt erscheinen sollen, oder wenigstens durch ein bescheidenes und mit der übrigen Decoration har- monirendes Colorit als das bezeichnet, was sie darstellen sollen, als Kunst- werke, Sculpturen, nicht als die lebendigen Wesen selbst.

Die zweite Classe, welche die kleinen Gruppen umfasst, ist mit der ersten Art mythologischer Einzelfiguren am nächsten verwandt, indem diese kleinen Gruppen fast nur in der Mitte der Wandflächen und zwar meistens in den Seitenfeldem schwebend gebildet und aus dem Kreise gewählt sind, der oben bei den schwebenden Einzelfiguren bezeichnet worden ist. Über den künstle- rischen Werth dieser Bilder, unter denen sich die reizvollsten Sachen befinden, ist später zu reden, hier, wo es nur auf eine Übersicht des StoflFlichen an- kommt, müssen als Gegenstände dieser schwebenden Gruppen außer den mythologischen auch noch die allegorischen genannt werden, welche gewöhn- lich so componirt sind, dass eine geflügelte Person eine zweite trägt, welche die Attribute hält. In der Weise finden wir die Poesie, die Musik, das Leier- spiel, den Segen des Friedens und Anderes dargestellt (vgl. Hlbg. No. 1952 flF.).

Was nun endlich die größeren mythologischen Compositionen anlangt, ist schon früher bemerkt, dass sie aus einem bei aller Mannigfaltigkeit be- schränkten und, abgesehn von den bei Ilelbig als »römisch-campanische Sacral- bilder« richtig ausgesonderten, einem von Poesie und früherer Kunst durch- gearbeiteten Kreise von Gegenständen stammen, sowie dass in den Bildern von Wänden des letzten Stiles, welche die Mehrzahl bilden, der sinnliche Keiz auf die Wahl der Stoffe bedingend eingewirkt hat, während bei den Bildern auf Wänden des dritten Stiles andere Gesichtspunkte gewaltet haben, auf welche noch einmal zurückzukommen sein wird. Reine Gott er ge schichten sind verhältnissmäßig seltener, als Darstellungen aus der Heroensage ; was sich von Göttergeschichten findet, gehört überwiegend, aber freilich nicht aus- schließlich, dem bakchischen Kreise an. Die Erziehung des Dionysoskindes durch den alten Silen, Scenen aus dem Umherschweifen des Gottes mit seinem Chor von Satyrn und Bakchantinnen, besonders seine Auffindung der von Theseus verlassenen Ariadne sind mehrfach dargestellte Gegenstände, ja die verlassene und die aufgefundene Ariadne gehören zu den am häufigsten gemalten. Neben den bakchischen Scenen kehren Zeus' Liebschaften mit Leda, Danae, Europe, auch Ganymedes' Entführung oder, genauer gesprochen, die Vorbereitungen zu derselben vielfach wieder, während Ganymedes' Ent- führung selbst in einem Stuccorelief im Tepidarium der kleineren Thermen (S. 207) gebildet ist. Auch auf den lo-Mythus bezügliche Monumente fehlen nicht. Neben diesen Bildern darf aber die ernst und schön dargestellte heilige Hochzeit des Zeus und der Hera (aus der Casa del poeta tragico^ Hlbg. No. 114, oben S. 287) als eines der besten pompejanischen Bilder nicht unerwähnt bleiben.

588 Drittes Capitel. Die Malerei.

Wie /eiis' Liebesabenteuer findet sieh melirfaeh Apollons Verfolgung der Daphne, welche im Augenblick, wo sie der (Jott erreicht, in einen Lorbeerbaum verwandelt wird ; sehr häufig ist Ares' und Aphrodites Liebe dargestellt und beinahe noch häufiger Adonis. der, vom Eber verwundet, in Aphrodites Armen verblutet. Auch anderer Ciötter Liebschaften fehlen nicht, so die des Poseidon mit einer allerdings nicht zu benennenden Nymphe, Hermes und ein eben- falls nicht sicher zu bezeichnendes Mädchen ; Selene und Endymion sind mehr- fach dargestellt, auch Zepyros und Chloris (Jllbg. No. 974), ein Bild, welches wegen seines in älteren Berichten gepriesenen, jetzt freilich nicht mehr be- merkbaren, sanften Helldunkels auch künstlerisch zu den merkwürdigsten gehört. Mag aber der eine oder der andere Gott die Hauptperson des Bildes sein, in zehn Fällen gegen zwei oder drei wird eine Liebesscene den Gegen- stand ausmachen, grade so wie in der spätem Poesie alle anderen Thaten der Götter und ihre vielfachen Kämpfe über der Erzählung ihrer Liebschaften und galanten Abenteuer beinahe vergessen worden sind.

Ungleich vielseitiger sind die Darstellungen ans dem Gebiete der Heroen- sage, obgleich nicht unbemerkt bleiben darf, dass vermöge des Überwiegen? der Wände des vierten Stiles und der auf diesen hauptsächlich vertretenen Richtung auch hier gewisse erotische, sinnlich reizende oder sentimentale Gegenstände mit ganz besonderer Vorliebe häufig wiederholt worden sind. Gegenüber immer nur einzeln oder in wenigen Wiederholungen vertretenen Darstellungen heroischer Kämpfe oder sonstiger ernster oder tragischer Mythen des Herakles, des ITieseus, des Meleagros oder Perseus, der Medeia, der Dirke, der Niobe und ihrer Kinder, der Iphigenia, des Laokoon, gegen ebenso einzeln dargestellte Scenen aus den homerischen Gedichten, die erotischen aus- genommen, können wir ganze lieihen von Bildern stellen, welche den an der Quelle hinschmachtenden Narkissos, die von Perseus befreite Andromeda, die von Theseus verlassene oder die von Dionysos aufgefundene Ariadne, die von Hippolytos abgewiesene Phaedra oder auch Herakles bei Omphale, das Urteil des Paris oder Achill unter den Töchtern des Lykomedes ziun Gegenstande haben.

Jedoch ist, wie gesagt, auf dem Gebiete der Heroensage diese Behand- lung derartiger Stoffe nicht in dem Grad überwiegend , wie auf dem der Göttergeschichten, und es lässt sich eine ziemlich umfangreiche Gallerie heroischer Thaten und Leiden aus pompejanischen und . herculanischen Ge- mälden zusammenstellen. Auch hier können indessen nur im Allgemeinen die Kreise angedeutet werden, aus denen die Stoffe gewählt sind, und einige der wichtigeren Gemälde hervorgehoben werden. Von Herakles' Thaten, beginnend mit seinem Erwürgen der seine Kindheit bedrohenden Schlangen, sind mehre dargestellt, so der Löwenkampf, der erymanthische Eber, die stym- phalischen Vögel, sein Ringkampf mit Antaeos, Prometheus und Hesiones Befreiung (diese in heroischen Landschaften) . Aus den Bildern dieses Kreises giebt Fig. 309 als ein Beispiel eine Darstellung von Herakles' Kampf gegen den Löwen von Nemea (Hlbg. No. 1124), ein Bild, welches sich durch die kräftige und naturtreue Zeichnung und die lebendige Wahrheit der Corapo- sition empfiehlt. Die Art, wie der Held hier den unverwundbaren und de«-

Ootttr" und HneuunTthan, 5S9

hnlti ireiler mit der Keule noch mit Pfeil und Bogen zu besiegende» Läwen gepackt hat, um ihn durch den Druck der gewaltigen Arme zu ersticken, ge- hört einer seit den ältesten Zeiten der griechischen Kunst entwickelten und

Fi);. 'M>9. Herakles mit dem I.öwen Tim Nemea.

in den verschiedensten Kunstwerken oft wiederholten Tjpenreihe an. \'ün sonstigen Erlebnissen des Helden sind auUer etlichen Liebst^haften (Omphale, Auge) nur wenige dargestellt, unter denen die einige Male wiederholte Ke- gt^nung mit dem Kentauren Nessos hervorgehol»en zu werden verdient. Zu den vorzüglictisten Hildem gehört femer Herakles' Aiiftindung seines Söhn- chens Telephos von der Auge, der ausgesetzt und von einer Hirschkuh gesäugt worden war {Hlbg. No. 1 143) ; ein anderes, wenngleich weit unbedeutenderes Bild zeigt den kleinen Telephos auf des Vaters Knien , während die treue Hirschkuh, der der Knabe einen /weig hinhält, zur Seite steht (Hlbg. No. 1144]. Unter den Bildern, welche llerakW Liebe angehn, sei noch ein Mal auf das schöne, große Gemälde in der Casa dt Lvcrezio (oben S.^IT; Hlbg. No. 1140) verwiesen und eine melirfach mit geringen Variationen wiederholte Composition hervorgehoben , welche den Helden von Wein und Liebe be- zwungen darstellt (Hlbg.No. 11:17—39).

Unter Theseus' Thaten tritt natürlich der Kampf mit dem Minotauros besonders hervor, doch ist fast ständig außer der Emjifangnahme des Knäuels von Ariadne nur die Scene dargestellt, wo Theseus nach der Itesiegimg des todt zu seinen Füßen liegenden Ungeheuers von den ihm dankenden, geretteten Knaben und Mädchen umgeben wird. Dass daneben die Geschichten der auf Naxos verlasseneu Ariadne und von Phaedras Liebe zu Hippolytos zu den häufigsten Darstellungen gehören, ist schon gesagt worden. Seltener kommt Theseus' Amazonenkampf vor. Neben den theseischen Mythen mögen dann die einige Male wiederholten Darstellungen von Dacdalos und Pasiphac mit der hölzernen Kuh und die immer in Landschaften hehandelteik von Daedalos und Ikaros (Ikaros' Sturz, Hlbg. No. 120« f., Sogl. No. 523 f.) erwähnt werden.

590 DriUes Gapitel. Die Malerei.

Neben einigen schon früher bekannten Hildem aus dem Mythus von Admetos und Alkestis sind neuerlich einij^e solche aus der Hellerophon sage bekannt t^e worden (Soj^l . No . 5 2 0 ff. ) . 1 )er Kreis der Argonautensage ist nach den neueren Funden etwas reicher ausgestattet, als er es früher war; neben die zahlreichen Darstellungen von Fhrixos und Helle stellt sich lasons erstes Auftreten vor Pelias, aber nur ein Mal, ebenso der Bau der Argo, etwas häufiger der Raub des Hylas, nur selten Medea mit den Peliaden und mehr- fach Medea im Hegriff ihre Kinder zu tödten in Hildern, auf welche in einem andern Zusammenhange zurückzukommen ist. Zu den früher allein bekannten Niobidenbildem in der Casa del questore (oben S. 340; Hlbg. No. 1154) haben die neueren Ausgrabungen ein neues, in manchem Betracht interessantes in dem Hause No. 52 des großen Planes (Sogl. No. 505), sowie ein sehr schönes Gemälde auf einer weißen Marmortafel (Sogl. No. 504) hinzugefügt 2^*^). Als einige Male wiederholt ist sodann die Bestrafung der Dirke (Hlbg. No. 1151 ff., Sogl. No. 503) zu erwähnen. Aus dem Sagenkreise der kaly- donischen Jagd sind einige, aber nicht bedeutende Bilder erhalten, welche lediglich Meleagros und Atalante mit einander gruppirt zeigen. Von den häufigen Darstellungen von Perseus und Andromeda (ein Mal in einer schönen großen Landschaft) ist schon gesprochen ; außer der Befreiung der Andromeda ist vielfach eine durchaus idyllisch gestimmte Scene wiederholt, in welcher Perseus der Geliebten das Haupt der Medusa im Quell zeigt (Hlbg. No. 1 192 ff.). Auch seine Kindheitsgeschichte, wie er mit seiner Mutter Danae im Kasten auf Seriphos angetrieben ist, fehlt nicht in mehrfachen Wiederho- lungen, aufweiche nochmals zurückzukommen ist. Ganz vereinzelt sind Bilder aus dem thebanischen Sagenkreise, aus Oedipus und seiner Söhne tragischer Geschichte, s. Hlbg. No. 1155 f.; häufiger dagegen solche des troischenKrieges und aus den ihm vorhergehenden und ihm folgenden Be- gebenheiten, wie sich das aus der Berühmtheit der Poesien dieses Stoffes sehr wohl begreifen lässt. Aus den vorbereitenden Begebenheiten haben wir, um nur die wichtigsten Scenen anzudeuten, nächst dem Mauerbau Uions durch Apollon und Poseidon (oben S. 322 ; Hlbg. No. 1266), vielfach, wie schon bemerkt, das Parisurteil, zum Theil in Landschaften, dann mehrfach Paris' und Oenones Liebe, Paris' und Helenas Begegnung, Iphigeniens Opferung, von der noch einmal die Rede sein wird, Achilleus^ Jugendgeschiehten. Von einem Bild in der Casa del questore^ in welchem man mit sehr zweifelhaftem Rechte seine Eintauchung in die Styx zu erkennen glaubt (Hlbg. No. 1390) ist schon oben (S. 337) die Rede gewesen ; sicher ist dagegen mehrfach wiederholt die Er- ziehung des jungen Helden durch den weisen Kentauren Cheiron, namentUch seine Unterweisung im Leierspiel, und zwar in einer der wirkungsvollsten und schönsten Compositionen, welche Fig. 3 1 0 vergegenwärtigen mag, obwohl ein Hauptreiz derselben, das Colorit, durch welches der herrliche, lichte Jüng- lingskörper sich von dem dunkeln, fast braunen Leibe seines halbthierischen Lehrers abhebt, uns leider verloren geht. Auch die Entdeckung des jungen Helden auf Skyros unter den Töchtern des Lykomedes durch Odysseus' List ist mehrfach zu einer der vortrefflichsten Compositionen verarbeitet (s. Hlbg. No. 1296 ff., Sogl. No. 572 f.). Neuerdings ist ein auf Lemnos verlassener

Fig. :110, Achilleua' Eniehung dutch Cheiri

Hnoanm^hen. &91

Flnloktet nu Tage gekommen (Sogl. No. 574), während die Erklärung eines groBen T.andschaftsbildes mit mytliisclier Staffage (Sogl. No. 575) aus der

Sage von Protesilaos und MK/i'^'^Jcr:v'ih'^'^^^WJi^^^>'4^iSä^^ Laodamia "') gerechten [^iB.i^yML^JtM^toMf^iilaBi!^ Bedenken unterliegt.

Von den von Ho- mer selbst besunge- nen Hegebenheiten des eigentlichen Kampfes gegen Troia eignen sieh nur wenige zur bildlichen Darstellung, weshalb wir deren auch verhältniss- mäßig nur wenige von der Kunst überhaupt dar- gestellt finden. Aber ganz fehlen sie auch in Pom- peji nicht: das s. g. Haus des tragischen Dichters bietet zwei Bilder aus dem Kreise der Ilias. welche ihres Ortes {S. 287) angeführt worden sind. Das eine derselben, wel- ches Fig. 3 1 1 vei^cgen- wärtigt, die Wegfüh- rung der Itriseis aus Achilleus' Zelte, gehört in jeder Beziehung zu den für die pompejanische Wandmalerei charakteri- stischen Gemälden. Auch an den kleineu tioiechen Cyklus in der Porticus des Apollotempels (oben S. 103] braucht nur zu- rückerinnert zu werden. Einige zumTheil interes- sante Bilder [Hlbg. No. 1316— 18c,Sogl.No. 576) stellen Thetis bei He- phaestos dar, welcher ihr die neuen Waffen liir ihren Sohn geschmiedet hat, deren Uherbringung N0.577J sich anschließt, und möglicherweise wenigstens ist der einsam i

Fig. 31 1 , Wegführung der BriseTs. 1 mehren Wiederholungen (Hlbg. No. 1319ff., Sogl.

592

Dilttei CspiMl. Die Malerei.

seiiiuin /olte zur I^iitc siiistuiiie Achill in eiiiom Hilde iler Cata det rapHelU rolurati .llll)^. No. Mn.'i) zu erkeinieii. Von einer Durstellung (1er Zutück- tiriii^^uii^ von Ilektom Leiche nach Troia in dem Hause des ]j. Caeciliu" lueundus (Soffl- No. 57',») ist nur ein kleines Fragment übrig gel>liel)en, wel- ches durch eine wcißhaari;;, sonst aber durchaus nicht alt gemalte Ilekabe interessant isf^^*).

Von den nachhoincrischen Begebenheiten sind nicht so viele ge- malt, wie man bei ihrer puetiüclieii Itcrühmtbeit erwarten sollte. Hervorgehoben zu werden verdient eine Darstellung des l'alladienraubos (Sogl. No.fiSu,. welche nicht allein als ein atisfuhrliclivr Architokturpruspect sondern vorzüg- lich aiicli dadurch merkwürdig ist, dass den handelnden I'ersonen ihre Namen in grieehiBchcr S|irache hei gesell riehen sind. Ferner nicht am wenigsten das auf einer Wand dritten Stiles (also vor der neronischen Zeit) in einem UaUse _ - _- . .-. lieg. VI, 14, SO zu Tage gekom- mene, leider an einer der wichtigsten fStellen beschädigte Laokoonhild, I dessen Verhältniss zu der herühmicn I Urujtpe im Vatican in den letzten , Jaliren begreiflicherweise vielfach i erörtert worden ist^**). Auszuaeich- I nen sind unter künstlerischem Ge- I Sichtspunkte besonders einige Dar- stellungen des Orestes auf Tau- ris (Hlbg. No. 1333 ff., Sogl. No. '■iK\), auf welche zurückzukommen, sein wird. Nennenswertli sind ferner einige Itilder aus der Odyssee, von denen eines, Kirke und Odys- seua, schon früher (S, 274 f.) bespro- chen wurden ist. Hier sei noch der in einigen Wiederholungen [Hlbg. No. 1331 ff., Sogl. No. 582) Yorkom- menden Hegegnung derPenelope

Vi^. :(I2. OtlyxN

ind Peiielo])c.

mit OdysseuB gedacht, von denen Fig. 312 das Exemplar aus dem Macellum darstellt.

Während alle bisher besprochenen lÜlder, denen sich noch eine ganze Menge anderer aus mein- vereinzelten Mythen und Sagen, wie Minoe und Skylla, Hero und Leander, Pyramus und Thisbe (Sogl. No. 600) u. s. w. an- reihen ließe, unmittelbar oder mittelbar aus griechischen, und zwar künstle- rischen Quellen geschöpft sind, ist zum Schlüsse noch der sehr bemerkeus- werthen Thatsache zu gedenken, dass die aus römischen Dichtem, aus na- tionaler Sage und Oeschichte entlehnten Stofi'e von der alleräußersten Selten- heit unter den Gemälden der verschütteten Städte sind. Alles was sich mit einiger Sicherheit auf dies Gebiet beziehn lässt, beschränkt sich auf folgende Gegenstände"*]: aus Vergils Aeneide Aeneas' Waffnung (Hlbg. No. 1382, zweifelhaft), dessen Verwundung(uben 8. 322; Hlbg. No.l3S3), ein Fragment mit

Heroenmythen. Römisches. Quellen und Vorhilder. 593

den beigeschriebenen Namen : Dido, Aeneas (Sogl. No. 602) und eine mit sehr zweifelhaftem Recht auf Aeneas und Polyphem (nach Aen. III, vs. 655 sq.) be- zogene, ebenso wahrscheinlich Odysseus angehende Darstellung. Sodann fin- den wir ein Mal die Wölfin mit den Zwillingen (Hlbg. No. 1 :i84) , und als einziges Geschichtsbild kommt der Tod der Sophoniba (aus der Casa dt Giuseppe II, , Hlbg. No. 1385) hinzu. Vereinzelt mag noch einiges Andere der Art zu Tage kommen ; allein gewiss wird der gesammte Bestand des nicht aus griechischen künstlerischen Quellen Abzuleitenden allezeit ein sehr geringer bleiben und er beweist, dass der Kunst der damaligen Zeit die Gabe der eigenen Erfindung, wenigstens auf idealem Gebiete versagt war.

Diese Thatsache möge uns nun zu einer etwas genauem Betrachtung der für pompejaner Gemälde nachweisbaren oder zu vermuthenden Quellen und Vorbilder hinüberführen, wobei zuerst von den Figurenbildem gesprochen werden soll.

Dass in einer kleinen campanischen Landstadt nicht Künstler ersten Ranges die Decoration der Privathäuser und die mit denselben verbundenen Compositionen malten , ist so einleuchtend , dass besondere Beweise dafür anzuführen nicht nöthig ist. Dass nun aber diese ihrer Mehrzahl nach unter- geordneten Künstler die vielen bedeutenden, geistvollen und reizenden Com- positionen nicht oder wenigstens zum kleinsten Theile erfunden haben, ver- steht sich wohl ebenfalls von selbst, auch ohne dass man das für original zu achtende realistische Genre zum Vergleich herbeizieht. Bei einigen wirklichen Originalen, wie dem herculanischen Monochrom von Alexandros von Athen (Hlbg. No. 170 5), von welchem di% drei weiteren mit ihm zusammen ge- fundenen (1241, 1405 u. 1464) nicht zu trennen sind, und dem pompejanischen Mosaik von Dioskorides von Samos ist der Künstlername beigeschrieben . Auch ist es uns von alten Schriftstellern bezeugt, dass die Maler dieser Zeit sich vielfältig mit der Herstellung von Copien berühmter Meisterwerke befassten. Man braucht femer nur die zahlreichen Darstellungen eines Gegenstandes, eben so viele Wiederholungen desselben Grundgedankens der Composition zu betrachten, um sich zu überzeugen, dass wir es nicht mit Originalen im eigentlichen und höchsten Wortsinne zu thun haben. Freilich ist es auf der andern Seite wieder viel zu viel gesagt, wenn ein geistreicher Kunsthistoriker die pompejanischen Wandgemälde mit den Kupferstichen nach berühmten Gemälden vergleicht, welche unsere Zimmer schmücken ; denn diese wollen und sollen doch nur ihr Original, soweit es eine andere Technik erlaubt, genau wiedergeben, und es fragt sich, ob es in Pompeji auch nur eine einzige genaue Copie eines altem Bildes giebt. In Beziehung auf die nur ein Mal vor- handenen Compositionen muss diese Frage allerdings unbeantwortet bleiben ; wenn sich aber unter den vielen Wiederholungen eines und desselben Gegen- standes (z. B. Narkissos, Andromeda , Adonis, Ariadne u. a.) nicht zwei völlig übereinstimmende, ja kaum zwei finden, denen die feineren Motive der Composition in ihrem ganzen Umfange gemeinsam wären, so ist es augen- scheinlich, dass von Copien im eigentlichen Sinne des Wortes, oder gar von Vervielfältigungen wie durch den Kupferstich nicht die Rede sein kann. In welchem Verhältniss der Abhängigkeit von ihren Originalen dann aber die

OTerb eck, Pompeji. 4. Aufl. 38

&94 Diittai Capital. Die Malerei

[>ompejai)ischKii Gemälde sttlin, und welche diese Originale gewetien sein mögen, das ist eine der interessantesten Fragen, auf welche jedoch nur eine im Allgemeinen sich haltende und im Hesandem sehr unvollständige Antwort möglich ist. Denn, so aufTallcnd dies auf den ersten Itlick erscheinen mag, nur für ganz vereinzelte liilder ist es möglich, heatimmte Vorbilder und das Verhältniss zu diesen \'orhildeni als Copie und freie Nachbildung mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit zu vermuthen **'^) . Am meisten Überein- stimmung herrscht, und zwar mit Kecht, in der Annahme, dass die in drei Wiederholungen (Hlbg. No. 1262 64 ; das neuerdings gefundene Hild : Sogl. No. 5r>5 ist ganz verschieden) vorhandene Darstellung der auf den Mord ihrer Kinder sinnenden Medea auf ein litterarisch überliefertes Meisterwerk, die Medea des Timomachos von Hyzanz /.uriickgehe. In dem wohl erhaltenen pompejaner Exemplar aus der Casa dei Dioscuri (1262, oben S. 340), von welchem das zweite im MacelUim (12611, oben S. 126) eine weniger gut er- haltene Replik zu sein scheint, besitzen wir die ganze Composition, rechts Medea, links die auf einer viereckigen Basis in aller Unbefangenheit spielen- den, von dem weißbärtigen Paedagogen überwachten Knaben. Von dem berculaner Exemplare (1264) ist nur Medea erhalten. Denn die Ansicht, dajss dies Bild und ebenso das Original des Timomachos auf die Figur der Medea beschränkt gewesen sei , ist aufs bundigste widerlegt. Die MedeA dieses dritten Exeniplares aber, welche Fig. Sl."» vergegenwär- tigt, ist, so genau sie im Übrigen mit derjenigen des pom- pejaner Itildes in Zeichnung und Farbe übereinstimmt, vor dieser nicht allein durch einen lebhafter pathetischen Ausdruck des Gesichtes ausgezeichnet, sondern unter- scheidet sich von ihr auch in bedeutsamer Weise in der Haltung der Hände. Die pompejaner Medea nämlich hat das in der Scheide steckende Schwert in der Linken und legt die Rechte an den Griff, als wolle sie eben die Mord- waffe ziehn ; die hercnlanische dagegen hält die Hände gefaltet und presst, wie in tiefster, aber verhaltener ge- müthlicher Erregung die Spitzen der beiden Daumen gegen einander, während das Schwert in der Scheide mit dem Griffe zwischen ihren Händen ruht und an ihren linken Arm gelehnt ist, also nicht zur unmittelbar fol- genden That bereit gehalten wird. Es kann nun kaum einem Zweifel unterliegen, dass dies letztere Motiv dem Originale des Timomachos ent8i»richt, nicht allein, weil als dessen Hauptvorzug der Ausdruck des Seelenkampfes der Medea hervorgehoben wird, der in dem herculaner Hilde weit mehr zur Geltung kommt, als in den pompejanern, und weil das Motiv der verschränkten Hände weit besser zu der gesammten Haltung der Gestalt passt, sondern auch weil die Anwesenheit des Paedagogen jeden Gedanken an die unmittelbar bevor- stehende That der grausigen Mutter ausschließt, auf welche doch das Motiv des Zieheuwollens des Schwertes hinweist. Man sieht also aus der Ver- gleichung der beiden Wiederholungen , dass jedenfalls in einer derselben

Quellen und Vorbilder. 5d5

wahrscheinlich der pompejaner, und zwar nicht zu ihrem Vortheil mit einem Hauptmotiv des Originales eine tief greifende Veränderung vorgenom- men worden ist.

Vei^leichsweise am wahrscheinlichsten darf man zweitens die Composition der Danae auf Seriphos (Hlbg. No. 119 121) auf ein Original des Artemon zurückführen; aber auch hier zeigt sich in den drei bekannten Exemplaren das freie Schalten der pompejaner Maler oder ihrer unmittelbaren Vorbilder (s. unten) mit der Überlieferung, indem nur ein Bild (119) der mit dem Knaben Perseus dasitzenden Danae zwei Jünglingsgestalten, Fischer, gegenüberstellt, wie dies im Originale der Fall gewesen sein muss, während die beiden anderen Exemplare die Darstellung auf Danae beschränken und eines derselben (121) den Perseusknaben als Wickelkind darstellt.

Weiter ist die Zurückführung der durch Perseus befreiten Andromeda (Hlbg. No. 1186 89) luid der von Argos bewachten lo (131 34) auf Originale des Nikias von Athen versucht worden. Dass dieselbe sehr wohl möglich, ja sogar bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich sei, kann man nicht läugnen, aber als beweisbar wird man sie kaum anerkennen dürfen. Jedenfalls, gehn diese Bilder auf Originale des Nikias ziirück, so stehn namentlich die Maler der lo-Bilder, wie wir sie in Pompeji finden, ihrem Vorbilde frei gegenüber, indem sie, wie sich aus einer im Hause des Germanicus auf dem Palatin in Rom gefundenen, viel vorzüglichem Replik beweisen lässt, sehr zu ihrem Nachtheile die Composition zusammenzogen und die Figur des zur Befreiung der lo herankommenden Hermes wegließen, wodurch das Gemälde so ziemlich jede dramatische Spannung verliert. .

Es sei femer erwähnt , dass man bei dem Cyklus von Scenen aus der Ilias im Apollotempel an Originale des Theon von Samos, bei der Enthauptung der Medusa (Hlbg. No. 1182) an ein Vorbild des Timomachos, bei dem Achill auf Skyros (Hlbg. No. 1296 ff.) an ein solches des Athenion von Maronea, bei derHesione (1129) und den Europebildem (124 ff.) an Originale des Antiphilos von Alexandria, bei den von Satyrn beschlichenen Bakchantinnen (524 ff., 559 ff.) an ein solches des Nikomachos von Theben, bei dem Stieropfer (1411) an das Vorbild eines Gemäldes des Pausias von Sikyon oder seines Schülers Aristolaos gedacht, auch in den Darstellungen des Orestes auf Tauris (1333 f., Sogl. No. 583) auf, allerdings nur zum Theil (in der überaus schönen Gruppe der gefesselten Jünglinge) , bewahrte Reminiscenzen wiederum eines berühm- ten Originales des Timomachos geschlossen hat, ohne dass alle diese Zurück- führungen , so viel Ansprechendes die meisten derselben haben mögen , für mehr als möglich gelten können. Wenn wir daher auch in diesen Fällen den Grad der Freiheit nicht zu beurteilen vermögen, [mit welchem die pompejaner Maler ihre Vorbilder behandelten und ihren Zwecken oder auch ihrem Können nach umgestalteten, so ist endlich noch des Iphigenienopfers Fig. 314 aus der Ciisa del poeta tragico zu gedenken, in welches Bild, wie übrigens nicht minder in die Reliefdarstellung derselben Scene an einem runden Fußgestell in Flo- renz, ein Motiv, dasjenige des im tiefsten Schmerze verhüllt dastehenden Aga- memnon aus einem hochberühmten Bilde des Timanthes von Kythnos über-

38*

596 Dritten Capitel. Die MsleTei.

geganpcii ist, während din ganze übrige Oomposition mit derjenigen des Meisters nichts gemein hat.

Diese)! Kild ist aber zugleich so ziemlieh das einzige, welches in Com- ])osition , Zeichnung und (-'olorit den Charakter der altem griechischen Kunst hewalirt hat : miigen noch einige andere sei es in der Zeichnung, sei es in der der Farbe oder in den Gnindmotiren Nacliklänge aus den früheren Perioden der Kunst entdecken lassen, im Allge- meinen zeigen die pompejaner Bilder in jeder Hinsicht den Charakter der hel- lenistischen Periode, A. h. der Zeit Ton Alexander d. Gr. abwärts. Dieses und dass nicht minder die ganze Weise der Decoration , deren wesentlichen Be- standtheil die mythologischen Mittel- bilder ausmachen, an die Entwickelung Fig. 314. IphigeniBB Opferung. der Kunst der hellenistischen Periode

anknüpft, darf als das vollkommen ge- sicherte und höchst wichtige Ei^ebniss der Helbigschen und aller neueren Untersuchungen gelten.

Dabei verdient nun aber volle Beachtung das, was sich über das VerhSlt- nisB der pompcjaner Bilder zu den hellenistischen Originalen feststellen lässt. Schon nach allgemeinen Wahrscheinlichkeitsgründen, welche durch einige Sonderuntersuchungen bestätigt worden sind, muss man schließen, dass dieses Vcrhältniss kein unmittelbares sei, dass die Wandmaler in Pompeji nicht die ursprünglichen Schöpfungen der griechischen Maler wiederholten, welche sie wahrscheinlich zum größten Theile selbst nicht einmal gesehn hatten, sondern dass ihnen diese Compositionen durch verschiedene Mittelstadien, Copien und Nachbildungen zugegangen sind , die von bedeutenderen Mittelpunkten des , Knnsttreibens dieser Zeit aus verbreitet wurden und denen manche Umwan- delung zuzuschreiben sein wird, welche auf den ersten Blick das freie Eigen- thum der pompejaner Maler zu sein scheint. Es ist z. II. wahrscheinlich, dass auf eine solche Mittelstufe die Verschiedenheit in der Wiedei^abe der Medea des Timomachos zurückgeführt werden muss, von der oben die Kede gewesen ist. Nur würde man wohl zu weit gehn, wenn man den pompejaner Malern jede Freiheit und Selbstthätigkeit in der Ab- und Umwandelung ihrer Vor- bilder absprechen und jede Variante derselben Composition als in den immittel- baren Vorbildern der Künstler in Pompeji bereits vorhanden betrachten wollte. Viele der Varianten besonders in den am häufigsten wiederholten Gegenständen sind theils so wenig tiefgreifend, theils lassen sie sich aus den l>eBonderen Um- ständen, unter welchen die eine und die andere Wiederholung erscheint, so wohl erklären, dass man gewiss nicht irrt, wenn man sie als das Eigenthum der pompejani sehen Maler betrachtet. Dies gilt z. B. von der Verschiedenheit

Verhftltniss zu den Quellen. Auswahl der Compositionen. 597

der vorherrschenden Farbe der einzelnen Bilder, welche obgleich über diesen Punkt die Forschung noch nicht zu Ende geführt ist oft mit der Gesammt- oder Grundfarbe der Decoration in Übereinstimmung steht und derselben harmonisch angepasst ist; das gilt wohl auch von etwas verschiedenen, aber an sich gleichgiltigen Stellungen und Bewegungen der verschiedenen Wieder- holungen derselben Figur, von Zusätzen und Auslassungen von Nebendingen und vielleicht auch von Nebenpersonen. Genau freilich den Grad der Selb- ständigkeit und der Abhängigkeit der pompejaner Maler ihren Vorbildern gegenüber zu bestimmen, ist für jetzt nicht möglich und wird wohl um so weniger je möglich sein, je weniger genau wir nicht allein die Originale und die Vorbilder kennen, sondern auch das wahrscheinlich sehr verschiedene künstlerische Vermögen der einzelnen Maler zu ermessen im Stande sind.

Wenn aber die größere oder geringere künstlerische Freiheit der pompe- janer Maler gegenüber ihren Vorbildern und wenn das nähere oder entferntere Verhältniss derselben zu den Originalen den Satz nicht aufzuheben vermag, dass den pompejaner Wandgemälden Originale der hellenistischen Tafelmalerei zum Grunde liegen, so muss doch um die Beziehungen der Nachbildungen zu den Originalen richtig zu fassen wohl beachtet werden, dass es sich bei den Wandgemälden stets nur um die Wiedergabe einer Auswahl aus den Original- schöpfungen der Diadochenzeit handeln kann. Eine ganze Kategorie von Ge- genständen, die grauenhaften, tief tragischen und pathetischen mussten, wie schon früher bemerkt, als zur Decoration von Privatzimmern ungeeignet bei Seite gelassen werden und sind in der That mit wenigen Ausnahmen vermie- den worden. Auch selir ausgedehnte und figurenreiche Compositionen eigneten sich nicht zum Schmucke der kleinen Zimmerwände, auf denen sie nur in sehr verjüngtem Maßstabe hätten wiedergegeben werden können; sie sind daher vermieden, und es giebt kein pompejaner Bild, das eine ziemlich be- schränkte Figurenzahl überschritte. Andererseits fehlt bisher jede Spur der Nachahmung mancher auf einzelne Figuren beschränkter Werke grade der berühmtesten Meister der Zeit Alexanders und seiner Nachfolger, eines Apelles und Protogenes, ohne Zweifel aus dem Grunde, dass die pompejaner Künstler die Unmöglichkeit begreifen mochten, mit ihren technischen Mitteln Bilder nachzuahmen, deren Haupt werth in der vollendeten Durchführung und der virtuosen Handhabung einer von der ihrigen ganz verschiedenen Technik und in dem Ergebniss derselben, glänzendem Colorit und feiner Abtönung bestand. Dahin gehört es auch, dass Lichteffecte, welche nach bestimmten Zeugnissen in der hellenistischen Periode der Malerei mit Liebe behandelt worden sind, sich in den pompejanischen Wandmalereien so selten wiederfinden , dass gradezu nur zwei Bilder desselben Gegenstandes, Pero, welche ihrem Vater Kimon im Kerker die Brust reicht (Hlbg. No. 1376 und Sogl. No. 599), wobei ein schmalerer oder breiterer Streifen Sonnenlichtes durch em hohes Fenster in den Kerker fällt, als solche genannt werden können, in welchen die Dar- stellung eines Lichteffectes versucht, aber nicht einmal durchgeführt ist, in- dem der Sonnenstrahl auf die Beleuchtung der Figuren kaum einen Einfluss ausübt. Wenn das Gegentheil, d. h. eine fein abgetönte und effectvolle Be- leuchtung von älteren Beobachtern bei einem Bilde behauptet wird, welches

598 Drittes Capitel. Die Malerei.

(Illl)g. No. 974) Zephyros' und Chloris' Hochzeit darstellt, so ist davon jetzt nichts oder so ^t wie nichts mehr zu sehn ; nur das was auch Helhig angieht, ein dunkelcs Colorit wie im Dämmerlicht im ganzen Bilde, helleres Licht am Horizonte, lässt sich allenfalls noch wahrnehmen. Und wenn Zahn (H, 20) von dem Leda-Hilde (Hlbg. No. 144) sagt, der Hintergrund sei in einem sehr wannen Tone, »wie bei einer Vision« gehalten, so kann man das heutzutage auch nicht mehr controliren und wird den Ausdruck nicht grade sehr genau und anschaulich nennen wollen. Jedenfalls sind solche Bilder sehr vereinzelte Ausnahmen. Ebenso giebt es nur sehr wenige Figurencompositionen, in welchen die Personen einen Schlagschatten auf den Boden werfen. Offenbar liegen die- ser Erscheinung, auf welche bei der Besprechung der Landschaftsmalerei zu- rückgekommen werden muss, technische Schwierigkeiten zum Grunde, welche den pompejaner Frescomalem Beleuchtungseffecte besten Falls in andeutender Weise zu behandeln gestatteten und welche sie dieselben daher auch da ver- meiden ließen, wo dies nur mit einer gewissen Unnatur möglich war, wie z. B . bei dem flammenden Ileerde des Hephaestos (Hlbg. No. 259), der keinerlei Feuer- schein wirft. Andere Effecte wie Reflexe, Spiegelungen und diejenigen, welche durch durchsichtige oder halbdurchsichtige Mittel (Glas, dünne Gewandstoffe u. dgl.) hervorgebracht werden, flnden sich dagegen und sind mit größerem oder geringerem Geschick ausgebeutet.

Wenn wir nun diesen Erörterungen über die Quellen und Vorbilder der Figurengemälde ein kurzes Wort über diejenigen der Landschaftsmalerei in ihrem ganzen, oben charakterisirten Umfange hinzufügen sollen, so werden wir hauptsächlich zwei Classen zu unterscheiden haben, üie eine umfasst die heroischen und die ihnen entsprechenden idyllisch stafflrten Landschaften, die sich ausschließlich oder fast ausschließlich auf Wänden des dritten Stiles als deren Mittelbilder finden. Es unterliegt keinem Zweifel, dass wir die Vor- bilder dieser Gemälde in solchen der hellenistischen Epoche zu suchen haben, für welche uns dergleichen, namentlich Odysseelandschaften [Ulixis erratiofies per topia) ausdrücklich (bei Vitruv VII, 5) bezeugt werden. Das Gleiche gilt von den mit Cultushandlungen staffirten, von den Dorflandschaften, den Nil- landschaften , welche ihr Ursprungszeugniss in sich tragen , den Küsten- ansichten (promontoria et portus) und den Marinebildern . In die zweite Classe werden wir die Städte- und Villenansichten mit mehr oder weniger heiterer Staffage und die Gartenmalereien zu rechnen haben. Zu dieser Art von Dar- stellungen hat offenbar der römische, unter Augustus lebende, gewöhnlich unter dem Namen Ludius angeführte, wahrscheinlich richtiger S. Tadius zu nennende Maler den Anstoß gegeben, von welchem Plinius (N. H. 35, 116 f.) das Folgende berichtet: »Auch S. Tadius zur Zeit des Augustus soll nicht um seinen Ruhm betrogen werden, indem er zuerst eine höchst anmuthige Art von Wandmalerei einführte : Villen und Hallen und Gartenanlagen, Haine, Wälder, Hügel, Wasserbehälter, Gräben, Flüsse, Ufer, wie sie Jemand nur wünschen mochte ; dazu mancherlei Figuren von Spazierengehenden, in Schiffen Fahrenden und von Menschen, welche ihre Landgüter zu Esel oder zu Wagen besuchen, femer Fischende, Vogelsteller, Jäger, Leute auf der Weinlese. Unter seinen Werken befinden sich z. B. schöne Villen mit sumpfigem Zu-

Die Landschaft. Allgemeine Würdigung der pompejanisohen Malerei. 599

gange , wo die Männer keck die Frauen auf die Schultern genommen haben und nun unter ihrer Last zaghaft schwanken, und manches Witzige der Art von feinstem Salz. Er malte auch zunächst in unbedeckten Räumen Seestädte vom reizendsten Ansehn und zwar mit äußerst geringem Aufwände.« Was hier angegeben ist, finden wir in Pompeji wieder, was jedoch nicht so verstanden werden will, als ob bestimmte Bilder des Tadius hier copirt worden wären. Das ist um so weniger der Fall, je weniger Wiederholungen, einige umrahmte Landschaften vielleicht ausgenommen, wir finden ; die einzelnen Bilder sind ohne Zweifel selbständig componirt, »das Rezept, wie ein solches Bild in einer gewissen Classe anzufertigen, war vorhanden, aber es war keine Schablone, nicht einmal im übertragenen Sinne des Wortes« (Woermann).

Um nun zu einer allseitig gerechten Würdigung der pompejanisohen Wandgemälde unter künstlerischen Gesichtspunkten zu gelangen , müssen nicht nur die schon im Vorhergehenden angedeuteten Beschränkungen, welche der decorative Zweck und die Frescotechnik den Malern auferlegten, sondern auch die Bedingungen erwogen werden , unter welchen die Bilder gesehn wurden. Es ist schon oben (S. 567 f.) daran erinnert worden, dass diese Be- dingungen, namentlich diejenigen der Beleuchtung vollkommen verschieden waren von denjenigen, unter denen wir die Bilder sei es an Ort und Stelle, sei es im Museum sehn, und auf einzelne Örtlichkeiten, wie das große Triclinium der Casa diMeleagro hingewiesen worden, wo die Gemälde unter ungefähr der antiken entsprechender Beleuchtung gesehn werden. Hier möge noch her- vorgehoben werden, dass das Licht in sehr vielen Zimmern, stark gedämpft und mittelbar einfallend, ein höchst ungünstiges war, ein solches, unter dem eine große Menge Feinheiten der Ausführung gar nicht hätten gewürdigt werden können und dass es daher nur natürlich und verständig genannt wer- den kann, dass die Maler auf solche Feinheiten von vom herein verzichteten. Aber auch die eigenthümlich neutrale oder ganz allgemein gehaltene Beleuch- tung, unter welcher die gesammten Gegenstände, ganz abgesehn von den fehlenden Lichteflfecten und Schlagschatten, gemalt sind, dürfte sich aus den Beleuchtungsbedingungen erklären, unter welchen die Bilder gemalt und gesehn wurden. Je bestimmter nun in unserer modernen Malerei Beleuchtung und Lichtführung durchgebildet sind, um so auffallender unterscheiden sich von modernen Bildern diese antiken Wandgemälde, in welchen Licht und Schatten wesentlich auf das Maß beschränkt sind, welches zur Modellirung der Körper und Formen nothwendig ist, ja es kann in dieser Behandlungs- weise der Grund liegen, warum die antiken Bilder manchem modernen Auge nicht im eigentlichsten Sinne malerisch behandelt erscheinen und warum man von einem mehr plastischen als malerischen Charakter derselben, allerdings mit Unrecht, geredet hat.

Wenn man, um den freilich sehr ungleichen künstlerischen Werth der pompejaner Bilder durchgreifender als für jeden einzelnen Fall zu bestimmen, nach Classen oder Kategorien sucht, in welche sie sich ordnen lassen möchten, so wird man vorweg auf die Verschiedenheiten der Bilder von Wänden dritten und vierten Stiles aufmerksam zu machen haben. Von einer weiter gehenden kunstgeschichtlichen Gliederung der Gesammtmasse kann nicht die Rede sein ;

600 Drittes Capitel. Die Malerei.

denn die Annahme, dass nicht wenige Bilder in die fertigen Wände eingesetzt seien, und die weitere, dass diese oder doch die vorzüglichsten unter ihnen^ wie z. H. die großen und schönen lUlder in der Casa dt Lucrezio (oben S. 317 f.) aus einer frühem und bessern Kunstzeit stammen, ist, wie ebenfalls schon bemerkt, als widerlegt zu betrachten. Mit den älteren Decorations weisen aber (oben S. 521 ff.) sind Hilder überhaupt nicht verbunden. Die gegenständlichen und die teclmischen Verschiedenheiten der den beiden letzten Stilarten an- gehörenden Bilder ist jedoch bedeutend genug, um ein Hervorheben wenigstens der wichtigsten Merkmale der einen und der andern zu rechtfertigen ^s«) .

Was zimächst das Gegenständliche anlangt, braucht kaum gesagt zu wer- den, dass alle diejenigen Malereien, welche nicht auf griechische Vorbilder zurückgehn, also diejenigen, welche Heibig als »römisch-campanische Sacral- bilder« l)czeichnet, und diejenigen, welche er unter dem Titel: » rÖmisch-cam- panisches Genre« zusammengestellt hat (s. oben S. 579) ausschließlich dem vierten Stil angehören, dagegen die als: »hellenistisches Genre« charakteri- sirtcn oben S. 580 f.) wenn auch nicht ausschließlich, so doch ganz überwiegend dem dritten. Ferner soll das soeben über die Landschaftsdarstellungen des einen und des andern Stiles Gesagte nicht wiederholt werden; im nächsten Anschluss hieran ist aber zu bemerken . dass der dritte 8til es liebt, auch bei mythologischen Darstellungen den landschaftlichen Hintergrund ausführlicher zu behandeln, während in Bildern des vierten Stiles die Figuren durchaus die Hauptsache sind und der Hintergrund meistens nur in ganz bescheidener Weise angedeutet wird. Es darf hierbei freilich nicht unerwähnt bleiben, dass es an derartigen Bildern auch auf Wänden dritten Stiles nicht fehlt. Obgleich ferner eine Reihe von Gegenständen den Wänden beider Stilarten gemeinsam ist, wie Ariadne und Theseus, Ariadne und Dionysos, Aktaeon, Odysseus und Penelope, Perseus und Andromeda, finden sich gewisse andere nur auf solchen dritten und wieder andere nur auf solchen vierten Stiles. Vergleicht man die beiden Folgen, so ergiebt sich, dass die Bilder heroischen und pathetischen Charakters überwiegend dem dritten, die mehr sinnlich reizenden wie z. B. Ganymedes mit dem Adler, Leda mit dem Schwan, Apollon und Daphne, Ares und Aphrodite dem vierten Stil angehören und dass im Ganzen betrachtet die Mannigfaltigkeit der Gegenstände im dritten Stile, dem viele der nur ein Mal vorkommenden Bilder angehören, beträchtlich größer ist, als im vierten. Mit der Auswahl der Gegenstände hangt dann ihre Behandlung zusammen ; es ist bezeichnend, dass im vierten Stile, in welchem die sinnlichen Scenen über- wiegen, auch eine Freude an möglichst ausgedehnter Schaustellung des Nackten zu Tage tritt, während der dritte Stil Bekleidung liebt und auf schönen Falten- wurf viel Werth legt. Und ebenso ist der Typus der Figuren selbst in beiden Stilarten ein verschiedener ; diejenigen des dritten StiloB sind Idealgestalten und verleugnen namentlich auch in der Gesichtsbildung nicht ihren grie- chischen Ursprung , während uns in den Bildern des vierten Stiles üppige, sinnliche Gestalten begegnen , deren Gesichter einen realistischen Zug haben und in vielen Fällen den einheimischen Typus Campaniens wiedergeben mögen. Dagegen scheint die F'ähigkeit den Gesichtsausdruck charakteristisch wiederzugeben in der Zeit des dritten Stiles nicht eben sehr verbreitet gewesen

Bilder dritten und vierten Stiles. Die schönsten Bilder. 60 1

zu sein, denn obwohl Ausnahmen vorkommen , finden wir nicht selten selbst in den sorgfältig gemalten Bildern dieses Stiles eine gewisse Starrheit und Ausdruckslosigkeit der edel geformten Gesichter. Wenn uns dagegen in den Bildern des vierten Stiles, und zwar nicht allein den sorgfältiger ausgeführten, sondern auch in manchen flüchtig und lüderlich hingeworfenen eine Menge von ausdrucksvollen Gesichtern entgegenkommt, so mag das mit dem nähern Verhältniss der Maler zu den lebenden Modellen ihrer Zeit im Zusammen- hange stehn. Endlich sind auch die Mal weise und die Farbengebung in beiden Stilarten so verschieden, dass deren Merkmale zur Zuweisung der Bilder an die eine und die andere ausreicht. In den Bildern dritten Stiles ist die Zeich- nung durchweg feiner, auch in den Einzelheiten mit spitzem Pinsel sorgfältig durchgeführt, darauf berechnet in der Nähe betrachtet zu werden, häufig freilich etwas hart und trocken. Auf schöne Linienführung ist viel Werth ge- legt ; die Modellirungen sind sorgfältig durchgebildet, Licht und Schatten gehn allmählig in einander über und die Farben sind meistens etwas kalt, blass und matt. Dagegen ist die Zeichnung in Bildern des letzten Stiles viel- fach, aber keineswegs immer, weniger sorgfältig und mehr auf Farbenwirkung berechnet, dafür aber nicht selten weicher und flüssiger. Auf Linienschönheit ist meistens weniger Gewicht gelegt, als auf die Farben Wirkung und auf das kräftige, plastische Hervortreten der üppigen Formen. Das (Kolorit ist lebhaft und warm, namentlich in den Fleischtönen, und kräftige Lichter sind oft ge- schickt und wirkungsvoll aufgesetzt, ohne allmähliche Übergänge in die be- schatteten Theile.

Es ist vielleicht nicht überflüssig, dieser Charakteristik der Bilder des dritten und des vierten Stiles die Bemerkung hinzuzufügen, dass ein Vorzug an sich den älteren vor den jüngeren nicht zugesprochen werden kann. Dies könnte in der That so stiheinen, wenn man sämmtliche Her vorbringungen der einen und der andern Periode mit einander vergleicht und dabei außer Acht lässt, dass wir aus der jungem so ziemlich Alles, das Geringe und Flüchtige, selbst Rohe neben dem Bessern und Guten besitzen, während aus der altern, deren Monumente vielfach durch das Erdbeben zerstört und durch Neubauten der letzten Periode ersetzt sind, eine verhältnissmäßig beschei- denere Auswahl, ohne Zweifel des Bedeutendem , auf uns gekommen ist. Gegen- über den guten Bildern der einen und der andern Classe wird man sich wohl zu hüten haben, von einem Vorzuge der altern vor der jungem zu reden, da sich vielmehr nicht läugnen lässt, dass die schönsten aller pompejanischen Bilder von Wänden des vierten Stiles stammen. Als solche schönsten IHlder nämlich wird man, um hier nur einige anzuführen, da die großartig aus- geführte Auffindung des Telephos (Hlbg. No. 1 143) herculanisch ist, in erster Linie die großen Bilder aus der Casa di Lucrezio (oben S. 31 7 f.) nennen dürfen, demnächst das Iphigenienbild aus der domus Popidii Secundi {Casa del citarista oder d^Ißgenia^ Hlbg. No. 1333), welches, im Ganzen vortrefflich, namentlich in den Gestalten des Orestes und Pylades das höchste Lob verdient. Neben diese Bilder stellt sich dann die heilige Hochzeit des Zeus und der Hera aus dem Atrium der Casa del poeta tragico (oben S. 287), denen sich die übrigen derselben Fundstelle, namentlich die Entführung der Brisei's (S. 591),

602 Drittes Capitel. Die Malerei.

anreihen : vortrefflich ist auch, wie hereits bemerkt, die Erziehung des Achilleuß durch Cheiron (Fig. 310), sehr wirkungsvoll die Entdeckung des Achilleus unter den Töchtern des Lj komedes (wohl am besten in der Casa del questore Illbg. No. 1297, oben S. 337), auch Zephyros und Chloris (S. 598) ; immer noch sehr schön gemalt, wenn auch nicht so unbedingt zu loben das groBe Hild Isis und lo aus dem Isistempel (Illbg. No. 138), während auch dieEinzel- iiguren von Göttern innerhalb der Decoration in der Casa del questore (S. 336] hervorgehoben zu werden verdienen.

Wenden wir uns von dieser Erwähnung einiger der besten Bilder Pompejis zu dem \^ersuch einer allgemeinen künstlerischen Würdigung der pompe- janischen Malereien, welchi^r besonders deswegen von Wichtigkeit ist, weil uns dieselben, wie seines Ortes hervorgehoben worden ist, zum guten Theile die antike Malerei überhaupt vertreten müssen, so soll nicht abermals von den bereits früher erörterten eigenthümlichen gegenständlichen und technischen Hedingungen die Rede sein, unter welchen die pompejaner Bilder stehn, und ebenso darf hier die ganze Masse des flüchtig Hingeworfenen, Unbedeuten- den und Rohen bei Seite bleiben, welches nur als Zeugniss für die aufier- ordentliche Handfertigkeit und Geschicklichkeit der alten Decorationsmaler seine Wichtigkeit hat. Hält man sich an den Hauptbestand dessen, was auf künstlerischen Werth Anspruch hat, so wird man, um mit den Figurenbildem, besonders den mythologischen zu beginnen, der großen Mehrzahl eine glück- liche Wahl des Gegenstandes zuerkennen müssen, man möge von seinem Interesse oder von seiner klaren und vollständigen Darstellbarkeit und Abge- schlossenheit, oder von seiner Anlage zur formalen Schönheit reden. Es sind nur sehr wenige Gemälde vorhanden, welche nicht eine in sich vollendete oder sich vollendende und deshalb aus sich selbst verständliche und erklärbare Handlimg enthielten, die, bei vorausgesetzter Kenntniss der allgemeinen mythologischen Grundlage, selbst für uns keines Commentars bedürfen und eines solchen natürlich noch viel weniger für den alten Beschauer bedurften, welcher vermöge der zeitgenössischen Poesie, welche wie die Kunst aus helle- nistischer Quelle schöpfte imd sich vielfach an die Darstellungen der Kunst anlehnte , mitten in den Kreisen des Mythus lebte , welchen die Gemälde schildern. Durchaus vermieden, ja dem gesunden und gleichsam instinctiven Sinn der Alten für die Grenzen jeder Kimst vollkommen fremd ist jene sym- bolisch-allegorische Malerei, welche unsere moderne Kunst auf bedenkliche Abwege zu führen droht. Überall ist mit dem Idealismus der Auffassung der gesundeste Naturalismus der Darstellung verbunden, wobei es allerdings nicht verkannt werden darf, dass den alten Malern in ihrem von vorn herein aus idealen und realen Elementen gemischten Mythus ein Gebiet offen stand, welches uns Modernen größtentheils verschlossen ist und durch kein Analogon ersetzt wird. Auch auf die Composition äußert die glückliche Wahl und die frische und natürlich einfache Auffassung des Gegenstandes ihren Einfluss. Alan hat, wie schon berührt wurde, vielfach von einer plastischen oder gar einer reliefartigen Compositionsmanier der alten Malerei geredet ; dieselbe lässt sich aber in der That so wenige der wirklichen Vorzüge oder Vortheile malerischer Composition über die plastische entgehn, dass man das sogenannte plastische

Charakter der pompejaner Bilder. Das Malerische. 603

Compositionsprincip, wenn man nur wirklich weiß, um was es sich bei diesem handelt, schwer würde nachweisen können. Die reliefartige Composition aher vollends kann man höchstens in dem halbwegs archaisirenden Iphigenien- opfer Fig. 314 finden ; aber auch mit diesem müsste man größere Veränderungen vornehmen, als gemeinhin bis in die neuste Zeit geglaubt wird, um es als ein gutes Relief zu componiren. Das was man das plastische Compositionsprincip der pompejanischen Malereien genannt hat, besteht aber außer in der schon oben charakterisirten Behandlung von Licht und Schatten in nichts Anderem als in der großen Klarheit und Einfachheit der Compositionen, welche wahr- haftig kein Mangel und keine Schwäche, sondern ein großer Vorzug vor der Verworrenheit und Unklarheit vieler modernen Compositionen ist. Wenn femer die Figuren in Haltung und Bewegung, im Nackten, wie in der Ge- wandung, abgesehn von dem seines Ortes erwähnten Mehr oder Weniger der verschiedenen Stilarten, im Allgemeinen gut gezeichnet und wirkungsvoll modellirt sind, so würde man das unmalerisch nur dann nennen können, wenn man behaupten wollte, der recl\te Triumph der Farbe müsse mit nachlässiger Zeichnung und Modellirung verbunden sein, was angesichts der großen Colo- risten der Kenaissance schwer durchzuführen sein möchte. Allerdings sind in den pompejaner Bildern gehäufte und unnöthige Verkürzungen mit feinem Takt und großer Geschicklichkeit vermieden, aber un malerisch würde man das doch wiederum nicht nennen dürfen, da trotzdem keine Stellung und Be- wegung zu kühn erscheint und ihre Mannigfaltigkeit den höchsten Grad er- reicht. Wie sehr in der That die alten Maler Pompejis sich des Vorzugs malerischer Darstellung gegen die plastische in der Composition der Be- wegungen bewusst waren, das vermögen den Denkenden allein schon die schwebenden Figuren und Gruppen zu lehren, welche plastisch eben so un- möglich wären, wie sie nur einer Malerei möglich waren, die nicht durch die Ängstlichkeit realistischer Motivirung, wie unsere moderne, eingeengt war. Diese Tänzerinnen, diese Bakchantinnen , diese Kindergestalten schweben uns entgegen oder an uns vorbei aus dem einfarbigen Grunde der Wand, diese Satyrn oder Bakchanten umarmen die schönen, üppigen Genossinnen, tragen sie, schwingen sie empor, diese Kentauren galoppiren dahin, sei es gemächlich eine anmuthige Bakchantiii auf dem Rücken wiegend, sei es von ihr zu rascherem Laufe gespornt, sei es mit ihr musicirend; aber nicht mit An- strengung vom Boden emporspringend , nicht von Flügeln oder von einer kümmerlich verstandesmäßig hinzugethanen Wolke unterstützt : sie schweben wie von innerem Schwünge getragen, als hätte die Bewegung und Leidenschaft des Gemüthes die Schwere des Körpers überwunden, als höbe und schwänge sie die unendliche Lust des Daseins. Und doch sind sie nicht Schatten- und Nebelbilder, doch erscheinen sie im vollen Farbenglanze des Lebens, und doch macht eben dieses pulsirende und glühende Leben in den schönen von leicht- flattemden Gewändern umrahmten Körpern uns dieselben glaublich und be- greiflich, ohne dass wir nach den materiellen Bedingungen fragen. Diese Compositionen sind malerisch im eigentlichsten Sinne des Wortes. Und nicht minder malerisch sind die größeren, gedrängten und vielfach bewegten Gruppen wie in der Wegfuhrung der Briseis oder in Achilleus' Entdeckimg auf Skyros

504 Drittes Capitel. Die Malerei.

oder wie in dein *!;roßen \M\de des Dionysoskiiides auf dem Stierwagen aus der Cdfiii di Lucrezio und so in nocli vielen anderen, die hier nicht abermals auf- geführt werden können. Mag hier jene Vertiefung der Gründe fehlen, deren wir uns rühmen. |dasti8(;h ausführbar sind diese Compositionen nicht, sondern sie beruhen auf der Harmonie der Farbe, auf deren Gegeneinander- und doch Zusammenwirken. Mit ungleich größerem Kechte als man den pompejaner Hildern eine ]»la8tischc ('ompositions weise nachsagt, kann man behaupten, dass fast die gesammte spätere Ueliefbildnerei durch Aufnahme malerischer Com- positionsweise verdorben worden ist : doch geliört es nicht hierher, dies weiter zu verfolgen und wurde nur bemerkt, um es erklärlich zu machen, dass wenn man die pomi)ejaner Gemälde nach diesen malerisch componirten Reliefen be- urteilt, man sie plastisch coniponirt gefunden hat.

Ein ])lastisches Element der Composition hat man ferner noch darin sehn wollen, dass die Hintergründe und Umgebungen der Personen in Figuren- compositionen nur beiläufig und untergeordnet behandelt seien. Zunächst ist daian zu erinnern, dass, ganz al)gesehn von den mythologischen Land- schaft sbildern , von denen zu den Figurenbildem so unmerkliche Übergänge stattfinden, dass man oft nicht weiß, welcher Gattung man ein Bild zuschreiben soll, die vorstehende Behauptung so in Bausch und Bogen auch bei unzweifel- haften Figurenbildern keineswegs zutrifft, dass vielmehr hier, wie oben (S. 600) erinnert worden ist, zwischen Bildern des dritten und des vierten Stiles unter- schieden werden nuiss. Aber auch unter den Bildern vierten Stiles giebt es genug solche, in denen «lie genannten Dinge nicht wesentlich untergeordneter behandelt sind, als sie ein guter modemer Maler behandeln würde, dem es darauf ankommt, seine Figurencomposition als die Hauptsache, die Umgebung als die Nebensache erscheinen zu lassen. Es braucht nur an fast alle die ge- wöhnlichen, nicrht landschaftlichen Darstellungen von Andromedas Befreiung, au die liilder erinnert zu werden, in denen Perseus der Befreiten das Haupt der Medusa im Spiegel der Quelle zeigt, an die vielfachen Wiederholungen der verlassenen Ariadne, an mehr als einen Narkissos in der Einsamkeit am Quell, oder an Gemälde wie das schöne Orestesbild im Hause des Popidius Secundus (Hlbg. No. 1333), in Beziehung auf welches Heibig (Ann. 1865 p. 330 fl.) auch über das Beiwerk und seine malerische Bedeutung gute Be- merkungen macht, sowie an gar manches Andere. In diesen Bildern, in welchen die Umgebung für die Figurencomposition eine Bedeutung hat, um von den eben schon berührten ganz zu schweigen, welche auf der Grenze der beiden Gattungen : Landschaft mit Staffage und Figurenbild mit landschaft- lichem Hintergründe stehn, ist die Umgebung freilich nicht zu selbständiger Bedeutung gesteigert, was ja unter Umständen ein Fehler sein würde, wohl aber mit derjenigen Ausführlichkeit behandelt, welche sie zum integrirenden llieil der Composition erhebt. Wo aber dagegen die Umgebung gleichgiltig für die Handlung, wo sie unbedeutend an sich ist, wie z. B. ein Zimmer eines Hauses, in dem eine Begebenheit spielt, die auch in einem andern spielen, oder eine Landschaft, welche eben so gut eine andere sein könnte, da ist diese Um- gebung selten ganz unterdrückt, wohl aber leichthin gehalten, mehr ange- deutet als ausgeführt. Mag man, unfähig zu erkennen von wie feinem Takt

Das Malerische. Figtiren und Landschaft Der Ausdruck. 605

der alten Maler dies zeugt, die Aufmerksamkeit nicht auf unerhebliche Neben- dinge ablenken zu wollen, ein solches Verfahren, welches übrigens auch große moderne Künstler eingehalten haben, mangelhaft finden, aus einem unmale- rischen, aus einem plastischen Compositionsprincip wird man es mit Fug nicht ableiten dürfen.

Als ein plastisches Element in der antiken Malerei überhaupt, besonders aber in den pompejanischen Wandgemälden hat man es endlich bezeichnet, dass der Ausdruck in den Köpfen mangelhaft und gleichgiltig wie die Einen, bescheiden und zurückhaltend wie die Andern sagen, vorgetragen sei. Auch diese Behauptung ist, ganz abgesehn von der antiken Malerei schlechthin und von dem, was sich in nicht wenigen Bildern namhafter Meister, eines Par- rhasios, Timanthes, Aristides u. A. an Höhe des ethischen und pathetischen Ausdruckes geleistet hat, selbst für die pompejanischen Bilder nur dann zu rechtfertigen, wenn man solche des dritten Stiles (s. oben), nicht aber wenn man solche des letzten Stiles im Auge hat, unter denen sich genug Beispiele eines sehr energisch dargestellten Ausdrucks «des Gefühles und der Leiden- schaft in den Köpfen findet. Es braucht nur, um sehr Bekanntes zu nennen, an die Medea, an den Achill bei der Wegführung der Briseis, an die Theil- nehmer an Iphigeniens Opferung, an den Orest und Pylades, an den Thoas und selbst an den Wächter neben ihm in dem mehrfach angeführten Orestes- bilde erinnert zu werden. Trotzdem kann man zugestehn, dass in vielen Fällen der Ausdruck in den Köpfen minder lebhaft, namentlich aber, dass er minder fein ist, als er in modemer Malerei sich zeigt, man darf hervorheben, dass namentlich die leiseren Schwingungen des Gemüthes in Freude und Weh- muth sich äußerst selten auf den Gesichtern spiegeln. Wenn dies aber ein Mangel ist, so sollte man sich doch ja hüten, denselben als ein Princip, oder gar als ein plastisches Princip der Malerei anzusprechen. Denn es liegt doch offenbar viel näher anzunehmen, dass Unvermögen, einen feinen seeli- schen Ausdruck in die Köpfe zu legen, die gleichgiltigen und ausdruckslosen Gesichter erzeugt hat, wenn man sieht, dass die Darstellung heftiger Gemüths- bewegungen nicht blos angestrebt, sondern, als die vergleichsweise leichtere, vielfach gar wohl gelungen ist. Aber sei immerhin die Mäßigung im Aus- druck ein Princip der alten Malerei, so ist damit noch lange nicht bewiesen, dass es ein plastisches Element sei, um so weniger, als wir von der früher aller- dings allgemein geglaubten These von der Ruhe als dem Princip plastischer Composition mit Fug und Recht merklich zurückgekommen sind. Und wenn wir, wie gesagt, die heftigen Bewegungen der Seele unumwunden in den pompejaner Wandgemälden dargestellt und nur die leiseren Erregungen mangelhaft ausgedrückt finden, während umgekehrt in der Plastik der Alten ein Abdämpfen im Ausdruck gewaltiger Leidenschaften behauptet wird, und eine gar nicht zu beschreibende Feinheit in der Darstellung milder Gemüths- bewegungen und Stimmungen unbestreitbare Thatsache ist, wo bleibt da das Vergleichbare? wo die Begründung der Thesis, der mangelhafte oder be- scheidene Ausdruck in den Köpfen pompejanischer Gemälde beruhe auf einem plastischen Princip der alten Malerei ?

Wenden wir weiter unsere Aufmerksamkeit auf die Farbengebung, so ist

606 Drittes Oapitel. Die Malerei.

einerseits schon gesagt, dass die Eigenthümliehkeit der Frescotechnik jene Glutli und Zartheit des Colorits der Ölmalerei nicht zuließ, so dass man die pompejaner Jiilder nicht mit modernen Ölgemälden, sondern nur mit der- gleichen Fresken üherhaupt vergleichen darf. Andererseits ist nicht zu ver- gessen, dass wir das Colorit bei den allerwenigsten pompejaner Bildern in seinem ursprünglichen Zustande sehn, da manche Farbe nach der jahrhunderte- langen Lage im Feuchten bald nach der Ausgrabung bleicht oder wie z. B. Zinnober, ganz verändert wird und da alle älteren Bilder mit einem Conser- vationsiimiss überzogen sind, der, namentlich indem sich Staub in ihm fest- gesetzt hat, den Farben viel von ihrer natürlichen Lebhaftigkeit nimmt. End- lich ist darauf hinzuweisen, dass auch in Betreff der Farben sich die Bilder des dritten und des vierten Stiles, beide in Übereinstimmung mit der Gesammt- decoration zu der sie gehören, sich wesentlich von einander unterscheiden und dass diejenigen des dritten Stiles einen kühleren Ton haben, als diejeni- gen des vierten. Im Übrigen fehlt innerhalb der Scala der Frescofarben gewiss keine Stufe von der sattesten Ijis zur lichtesten Farbe, und grade durch be- wusste und absichtliche Zusammenstellung der Gegensätzte sind die vor- treffUchsten Wirkungen erzielt. So z. B. in dem in Fig. 310 mitgetheilten Bilde von Achills Erziehung, wo der Gegensatz in der lichten, blühenden Car- nation des halbgöttlichen Knaben und den schweren braunrothen Tinten in dem Körper seines halbthierischen Lehrers nicht wirkungsvoller dargestellt sein könnte ; so ebenfalls in den schwebenden Gruppen der Bakchanten und Bakchantinnen. Wenn hier die männlichen Körper fast bronzefarben gehalten sind, so mag man darin eine Nachahmung der von südlicher Sonnengluth ge- bräunten Hautfarbe, welche man noch heute an neapolitanischen Fischern und Lazaronen sieht, erkennen ; wenn aber die weiblichen Körper daneben, was keineswegs etwa in gleichem Maße der heutigen Wirklichkeit entsprioht, von der durchsichtigsten Klarheit der Färbung sind, ohne dass sie als wesentlich verhüllter, also geschützter gegen Luft und Sonne gegeben werden, so wird man nicht wohl umhin können, in der gegensätzlichen Färbung des einen Ge- schlechts und des andern eine bewusste Absicht des Malers, ein bestimmtes Streben nach Effect des Colorits zu erkennen. Und dies um so mehr, da ein solches Princip der Carnation in der ganzen alten Malerei gewaltet zu haben scheint, und in allerrohester Weise noch in den älteren gemalten Thongefaßen auftritt, auf denen die Männer schwarz und die Weiber und Kinder weiß ge- malt sind.

Wenn die Farbgebung in der Behandlung und Verbindung dieser Gegen- sätze, welche sich ähnlich im Verhältniss des Nackten zur Gewandung wieder- finden, als sehr durchdacht erscheint, so äußert sich in der Zusammenstellung der Farben in größeren Compositibnen ein höchst bedeutender Sinn für das Harmonische. Fast niemals wird man Farben neben einander finden, welche das Auge unangenehm berühren, der Accord der Farbe, den die moderne Op- tik berechnet hat, tritt uns auf überraschende Weise aus den besseren pom- pejanischen Gemälden entgegen. Deshalb sind, wie ebenfalls schon früher erwähnt, die guten Bilder, so farbig sie sein mögen, niemals bunt und grell, und nur die Tiefe und Sättigung besonders in den Schattenpartien können wir

Die Farbengebung. Die Landsohaftsmalerei. 607

vermissen, wobei indessen nicht übersehn werden darf, dass erstens die ge- sammte Farbenscala des Fresco bedeutend höher steht, als die der Ölmalerei* und dass zweitens die schon besprochene Rücksicht auf die mangelhafte Be- leuchtung vieler Zimmer die Maler abhalten musste, dunkele Töne und Farben anzuwenden, auch wenn sie ihnen zu Gebote standen.

Was die anderen Gattungen in der Malerei in Pompeji anlangt , dürfte denselben mit den Bemerkungen, welche die mitgetheilten Proben begleiten, in der Hauptsache genug gethan sein. Nur über die Landschaftsmalerei, besonders auch insofern sie sich mit Figurencompositionen verbindet, mögen hier noch einige allgemeine Betrachtungen Platz finden. Wenn dieselben je- doch nicht am Schlüsse dieses Capitels wieder zu einem eigenen Capitel aus- wachsen sollen, so muss auf eine Wiederholung dessen, was Woermann (s. Anm. 242) S. 392 ff. über die niemals ganz correcte, mehr auf dem Gefühl, als auf wissenschaftlicher Erkenntniss und Construction beruhende Linearper- spective und die meistens auch nur angestrebte Luftperspective, über die Ab- stimmung der in den Landschaften verwendeten Farben nach der Gesammt- decoration, über Licht und Schatten, über die zweifelhaften Naturstudien der campanischen Landschaftsmaler und die meistens nur ganz allgemeine Cha- rakteristik der von ihnen dargestellten landschaftlichen Elemente (besonders Bäume, Felsen, Berge) Treffendes und Wahres gesagt hat, abgesehn und nur das Eine hervorgehoben werden, dass wo es um das erste Erfordemiss eines Kunstwerkes, die Correctheit, so bedenklich steht, wie dies in der That bei recht vielen, wenn nicht den meisten pompejanischen Landschaften der Fall ist, von dem Urteil eines berühmten Kunsthistorikers, welches den pompejaner Landschaftsmalereien den Charakter Poussin'scher Bilder zuspricht, von vom herein am besten ganz abgesehn wird. Denn schon der decorative Charakter, welchen sie mehr oder weniger alle, vielleicht mit Ausnahme der oben schon als höchste Classe bezeichneten heroischen und idyllischen Bilder tragen, verbietet es, sie mit eines so bedeutenden Meisters Werken überhaupt zu ver- gleichen. Viel eher könnte man zu dem Zweifel gelangen, ob man eigentliche Landschaftsmalerei in Pompeji überhaupt anzuerkennen habe. Denn wenn man das Gebiet der Landschaftsmalerei so eng umgrenzt, wie dies ein bedeu- tender zeitgenössischer Aesthetiker thut (Vischer, Aesth. § 698), welcher da sagt, die Landschaftsmalerei idealisire eine g e g e b e n e Einheit von Erschei- nmigen der unorganischen und vegetabilischen Natur zum Ausdruck einer geahnten Seelenstimmung, wenn man mit diesem Aesthetiker die freie landschaftliche Composition als »schon nicht eigentlich das Wahre« verwirft, und die künstlerische Schöpfung des Landschaftsmalers darauf anweist, der realen Natur gegenüber von einem mit oder ohne Suchen gefundenen Stand- punkte in der Weise der Zufälligkeit das Bild eines schönen Ganzen zur An- schauung zu bringen ; wenn man, immer noch mit Vischer, wo möglich Alles Menschenwerk, alle Baulichkeiten, falls sie nicht durch Verfall den Ton eines Naturwerks erhalten haben, wenn man ferner, wo möglich alle Staffage bis auf einzelne Thiere, vor Allem aber Menschen von dem Landschaftsbilde aus- schließt, falls diese sich nicht bescheiden, nicht anders aufzutreten, denn in der Bestimmtheit, in welcher sie selbst als Kinder der Natur erscheinen, so

ßOS Drittes Capitel. Die Malerei.

(lass ihre Erscheinung mit der umgebenden Natur in einen Eindruck aufgeht, wenn wir also mit einem Worte eij^entlich nur das genrehaft realistische Stimmungshihl als rechtes Ijandschaftsgemälde anerkennen : dann freilich werden wir unter Allem, was wir in Pompeji Landschaftliches finden, kein einziges echtes Land seh aftsbild anzuerkennen vermögen. Denn eine Land- schaft ohne mehr oder weniger reichliche Zuthat von Menschenwerk in allerlei Haulichkeiten und ohne Staffage von Menschen , welche durchaus nicht als Kinder der Natur erscheinen, eine solche, obendrein eine bestimmte Gegend wiedergebende Landschaft kommt in Pompeji nicht vor. Aber freilich müsste man von diesem Standpunkt aus nicht Pompeji allein und nicht den Alten allein die Landschaftsmalerei absprechen, wie das ja auch geschehn ist, sondern von ihm aus wird man sich folgerichtigerweise auch gezwungen sehn, die ganze moderne s. g. historische oder heroische Landschaft, die Poussins, Cl. Lorrain, Koch, Reinhardt und Preller, als nicht vollgiltig zu bezeichnen. Schränkt man ab*»r das Gebiet der Landschaftsmalerei durch einen puristischen Schema- tismus der Gattungen nicht so ein , anerkennt man , dass der Landschafts- maler nicht auf ein Nachahmen der gegebenen Natur, sondern auf ein Schaffen in ihrem Sinne angewie-en sei, anerkennt man die frei componirte ideale, die historische, die mehr oder weniger staffirte Landschaft, diejenige, welche mit spannender, pathetisch bewegter oder idyllisch stiller mensch- licher Staffage zusammen componirt ist, sieht man auch noch in bedeutsamen landschaftlichen Hintergründen von Figurenbildem ein Moment der Land- schaftsmalerei , dann wird die Sache etwas anders stehn , dann wird man sagen müssen, dass es unter den pompejaner Gemälden allerdings wohl keine vollendeten Muster, aber sehr gewiss unverkennbare Vertreter mehr als einer Gattung der Landschaftsmalerei giebt. Auf die vedutenartigen Prospecte und die von diesen sich absondernden, mit mehr Stimmung ausgeführten Hilder, von denen oben (S. 573 f.) gesprochen wurde, soll hier nicht wieder zu- rückgekommen werden, auch über die Landschaften mit dem Landschaftlichen untergeordneter heroischer Staffage (S. 575) ist hier höchstens noch hinzuzu- fügen, dass ihrer einige durch bedeutungsvolle Stimmung, andere durch wei- tere Ausführung sich auszeichnen, wenn auch nicht verschwiegen oder ver- tuscht werden soll, dass der Zusammenklang des Landschaftlichen mit der mythologischen Handlung nur selten ganz voll und rein ist, vielfach dagegen durch Zuthaten getrübt wird, welche uns vollkommen ungehörig erscheinen, wie z. H. der ionische Tempel und die vor ihm stehende Gewandherme in dem Bilde, welches den an den Kaukasus angeschmiedeten Prometheus darstellt (Hlbg. No. 1128). Hier möge die Aufmerksamkeit noch auf die landschaft- lichen Hintergründe von Figurencompositionen gelenkt werden, sofern diese mit dem Gegenstande der dargestellten Hegebenheit in mehr oder weniger stimmungsvoller Übereinstimmiuig stehn. Dabei soll weder auf die starr über- hangenden Felsen am öden Strande des Meeres, unter denen die verlassene Ariadne erwacht, besonderes Gewicht gelegt werden, noch auf die stille Ein- samkeit, in welcher Perseus seiner Aiidromeda das grauenvolle Geheimniss des Medusenhauptes im Quell zeigt, oder diejenige hoch im Gebirg, in welche sich Ares und Aphrodite mit ihrer Liebe zurückgezogen haben, und auf

Die Jiandach^ftflvimlefei. 60^;

manches Andere der Art, obgleich diese Bilder doch auch anders sein könnten, wenn ihre Maler kein Gefühl für die landschaftliche Stimmung gehabt hätten. Es möge vielmehr nur auf ein paar Beispiele hingewiesen werden, in welchem das Gefühl für das Landschaftliche besonders fein hervorzutreten scheint. Ein Bild (Ant. di Ercol. V, 135. Roux II, 40) stellt Narkissos am Quell dar. Der Jüngling schmachtet noch nicht nach seinem Bilde, er hat sieh in seinem selbstischen Trieb in die Einsamkeit zurückgezogen, die er nachlässig, träu- merisch, an den Kand des Quells gelagert, genießt. Diese Einsamkeit aber ist in der Landschaft vortrefflich ausgedrückt. Vom der im Felsenbecken ge- fangene Quell von einem Baume leicht beschattet, im Hintergrunde eine Fem- sicht von Bergen begrenzt, durch eine weite Ebene von uns getrennt. Eben dadurch wird es im Vordergrunde so heimlich, so still, so träumerisch wie in der Seele des Jünglings, der diese Einsamkeit gesucht hat. Das schon erwähnte Hylasbild (Hlbg. No. 1260) ist in seiner Ausführung nicht grade bedeutend und gegenwärtig fSeist ganz verdorben ; es mag in den Nachbildungen (Ant. di Ercol. IV, 31. Mus. Borb. I, 6. Roux II, 22) in der Ausführung modemisirt sein, in der Composition nad in dem, was der Künstler mit seiner Landschaft wollte, ist es antik. Die Geschichte des von den Quellennymphen geraubten Hylas ist ungefähr die von Goethes Fischer ; jene wunderbare Sehnsucht, die das schwärmerische Gemüth hinabzieht in die räthselhafte Tiefe des klaren kühlen Nass, liegt zum Grunde. Und dem entspricht das Landschaftliche dieses Bildes, ein schattig dichter Wald, eine Waldeinsamkeit, in der nur Echos Ruf ertönt. Unter überhangenden Büschen das krystallene Quellbecken, welches uns die Labung, die süße Lässigkeit dieses Ortes empfinden lässt. Hier ist's, wo die schönen, üppigen Daemonen der Waldesstille und der Fluthenkühle den Jüngling ^greifen und ihn umarmend hinabziehn, dass er nicht mehr gesehn wird. Diese beiden Beispiele werden zeigen, um was es sich handelt, und genügen, um auf Verwandtes aufmerksam zu machen, welches man um so bereitwilliger anerkennen wird, wenn man davon absieht, dass das Landschaftliche in der Ausführung gewöhnlich weniger vorzüglich als das Figürliche ist, und dass das Fehlen des Helldunkels dem Eindruck, den die landschaftlichen Umgebungen historischer Bilder bei satterer Behandlung auf uns machen würden, starken Abbruch thut. Denn das Fehlen einer stimmungs- vollen Beleuchtung der Landschaft, auf welche die moderne Landschaftsmalerei just das allergrößte Gewicht legt und in welcher sie selbst in solchen Bildern, welche in den Formen des Terrains oder der Vegetation wenig oder keinen landschaftlichen Reiz bieten, ihre Triumphe feiert, bezeichnet die Grundver- schiedenheit aller antiken, nicht blos der pompejanischen Landschaftsmalerei von der modernen. Wir kennen keine antike Landschaft, in welcher Wolken dargestellt wären und ihren Einfiuss auf die Beleuchtung ausübten ; alle zeigen klaren Himmel, der nach oben blau, gegen den Horizont in gelblichen und röthliehen Tönen gemalt zu sein pflegt, ohne dass man dabei an die Stimmungen von Morgen- oder Abendroth zu denken hätte. Eben so wenig äußert der Wind seine Wirkungen in der Landschaft, weder auf die Bäume noch auf das Meer, das wohl in den Femen jmit weißen Schaumstreifen, nie aber bewegt, wogend und an die Küsten brandend dai^estellt wird. Und auch die Licht- er erb eck, Ponpcji. 4. Aufl. 39

ß\2 Viertes Capitel. Die Mosaiken.

enthalten ausreichende Proben, welche man durch solchejbei Presuhn, Pom- peji, die neuesten Ausgrabungen u. s. w. ergänzen kann. Aus solchen Proben sieht man, wie der Anfang damit gemacht wird, dass man in den rothgefärbten Stucco mit weißen Steinchen einfache Linien und mathematische Figuren ein- legt (Zahn 96) , dass man sodann den ganzen Grund mit weißen Steiuchen be- deckt, in welche man mit dergleichen schwarzen zunächst gradlinige (1)6 unten), sodann auch Figuren in krummen Linien einfügt, oder wie man, das Verhält- niss umkehrend, den schwarzen Grund mit weißen Figuren ziert (96 links): dass femer die Muster, die fast wie Stick- oder Iläkelmuster erscheinen, immer reicher und mannigfaltiger werden , ohne dass man andere Farben als weiß und schwarz verwendet (96) , dass ganz allmählich andere Farben zugezogen werden wie z. H. bei Zahn 56 in allerbescheidenster Weise ein helles Blau- grau, bis endlich nach Aufnahme der Vielfarbigkeit die allerreichsten Muster in sechs, sieben und noch mehren Farben, von denen Zahn 79 und 99 noch keineswegs die vollendetsten bringt, in einer fast unzählbaren Menge kleiner Steine, ähnlich den zahllosen Stichen einer Stickerei, dargestellt werden.

Die Anwendung des Mosaiks zur Darstellung verschiedener Gegenstände, die MoFaikmalerei, welche der eigentlichen Malerei möglichst nahe zu kom- men strebt, tritt nachweislich zuerst in der Zeit des wachsenden Luxus unter den Nachfolgern Alexanders auf. Da die erste und wenn auch nicht aus- schließlich, so doch besonders zu billigende Anwendung die zu Fußböden ist, so begreift sich der etwas wunderliche Gegenstand des ältesten Mosaiks, von dem Erwähnung geschieht , von Sosos von Pergamon. Dies Mosaik stellte nämlich nach Plinius (36, 1 84) »Speisereste und was sonst ausgekehrt zu werden pflegt, als sei es auf dem Fußboden liegen geblieben, mit kleinen, mannigfach gefärbten Wiirfelchen nachgebildet« dar, daneben freilich auch ein Gefäß mit trinkenden und sich sonnenden Tauben, welches in mehren Nachahmungen, darunter diejenige aus der Villa lladrians im capitolinischen Museum die be- rühmteste ist, auf uns gekommen und in vielen modernen Kunstwerken, Broschen und dergl. nachgebildet ist. Aber schon um die Mitte oder gegen das Ende des 3. Jahrhunderts werden uns große Figurendarstellungen in Mosaik genannt; so war in den Fußboden eines kolossalen PrachtschiflTes Hierons II. von Syrakus, an denen 300 Arbeiter ein Jahr lang arbeiteten, der ganze Mythus von Troia in Mosaiken dargestellt. In der römischen Kaiserzeit kam die Mosaikmalerei immer mehr in Aufnahme und wurde in allen Provinzen geübt, so dass auch wir noch außer in Italien in entfernten 1 heilen des Weltreiches, in Frankreich, England, den Rhein- und Donauländem (Köln, Weingarten, Nennig, Trier, Salzburg) nicht weniger wie in Afrika (Constantine) zum Theil nicht unbedeutende Mosaikgemälde aufgefunden haben. Auch begnügte sich die Prachtliebe und der Luxus nicht mehr mit Mosaikfußböden, sondern über- trug diese Technik auf Gemälde an Wänden, so in Pompeji z. H. in der Oasa di Apolline und, was jedenfalls eine Geschmacklosigkeit ist, an Pfeilern und Säulen, wie wir dergleichen in Pompeji ebenfalls schon kennen gelernt haben.

Als Material dieser Malereien erscheinen Würfel oder genauer gesprochen Stifte von farbigem Thon. von Stein, Marmor, später von kostbaren Steinarten,

Die Alexandersohlaoht. 6t 3

selbst Edelstein, sodann auch von gefärbtem Glas. Diese Würfel oder Stifte werden, wie gesagt, in eine Unterlage von feinem und sehr hart werdendem StucGO ungefähr in der Art hart neben ' einander eingesetzt wie wir die Stiche in unseren Stickereien, den Stramingrund gänzlich bedeckend, aneinander- reihen. Wenngleich nun freilich die Mosaikmalerei vor unserer Stickerei den einen großen Yortheil hat, wirkliche Rundungen dadurch darzustellen , dass die Stifte durchgeschlagen, abgerundet, verschiedenartig gestaltet werden, so kann sie doch die unendliche Mühseligkeit der Technik so wenig jemals ganz verläugnen, wie es ihr möglich ist, die feinen Übergänge und Nüancirungen der Farbe, ihr Verschmelzen und Abtönen, diese Stärke und diesen höchsten Vorzug der Malerei zu erreichen oder zu ersetzen. Es giebt kein Mosaik und kann keines geben, welches nicht einen mehr oder weniger entfernten Standpunkt des Betrachtenden erforderte, um in voller Schönheit zu wirken ; wogegen freilich wiederum zugestanden werden muss, dass namentlich die Mosaiken aus farbigem Glas eine Sattheit und zugleich einen klaren Farben- glanz besitzen, den nur die Glasmalerei zu übertreffen vermag. Zur Farben- pracht gesellt sich, um das Mosaik ganz besonders zum Schmuck von Fußböden zu empfehlen, die Dauerhaftigkeit, indem natürlich die den Glas-, Stein- oder Thonstiften einhaftende Farbe niemals verwischt und selbst durch häufiges Begehn der Fußböden nur äußerst langsam abgeschliffen werden kann und bei neuer Politur stets auf's neue in alter Pracht hervortritt.

Von den pompejaner Mosaiken ist eine Reihe der bedeutenderen schon bei Besprechung der Häuser, in denen sie sich fanden, erwähnt, so dass hier eine nochmalige Aufzählung nur ermüden könnte. Es scheint deshalb ge- rathen, anstatt eine kleine Reihe flüchtig zu besprechen, unsere ganze Auf- merksamkeit dem Hauptwerke, der AI exander seh lacht (s. das beiliegende farbige Blatt), zuzuwenden. Als das schönste Muster decorativen Mosaiks aus farbigen Marmorstückchen darf dasjenige von der Schwelle des Atrium im Hause des Faun (vgl. S. 349) gelten, welches (jetzt ausgehoben und im Museum von Neapel zu suchen) an der Stirn dieses Abschnittes (Fig. 315) nach- gebildet ist.

Von allen die Krone ist aber die Alexanderschlacht , deren Entdeckung am 24. October 183t in der Casa delFauno (S. 352), es ist nipht zu viel gesagt, eine neue Periode in unserer Erkenntniss der antiken Malerei eröffnet hat. Schrieb doch Goethe am 10. März 1 832 an Hrn. Prof. Zahn, der ihm eine farbige Zeichnung mitgetheilt hatte , unter Anderem : »Mit- und Nachwelt werden nicht hinreichen, solches Wunder der Kunst richtig zu commentiren, und wir genöthigt sein, nach aufklärender Betrachtung imd Untersuchung, immer wieder zur einfachen, reinen Bewunderung zurückzukehren.« Und dass dieses Lob nicht zu hoch gestimmt sei, bezeugt die gleichmäßig hohe Bewunderung aller Kenner, mögen sie Künstler oder Kunstgelehrte sein, die sich darüber haben vernehmen lassen. Ihrer ist eine große Zahl; Italiener, Franzosen, Engländer, Schweden, Deutsche haben mit einander gewetteifert, dieses Ge- mälde zu erklären und zu würdigen, mancherlei Wunderliches und Verfehltes im Granzen und im Einzelnen ist über dasselbe geschrieben worden, aber auch manches Vortreffliche, Tiefeindringende. Die ganze Literatur kann hier nicht

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angeführt werden, es muss genügen, drei Abhandlungen von Landsleuten zu nennen , welche die Palme errungen haben , ohne dass der Werth mancher fremdländischen Arbeit geläugnet werden soll; den Aufsatz von Gervinus in seinen kleinen histor. Schriften VII, S. 435 487, die Besprechung von O. Müller in den Göttinger gel. Anzeigen 1834 S. 1181—1196, und die kürzere, aber nicht minder vorzügliche Abhandlung Welckers in seinen kleinen Schriften III, S. 460— 475.

Von der größten Wichtigkeit, ja unumgänglich nöthig zum Verständniss der Composition ist zunächst die Feststellung des Gegenstandes. Es genügt hier nicht, gegenüber ganz verfehlten Erklärungen, auf die nicht näher ein- gegangen zu werden braucht, irgend eine der Perserschlachten Alexanders anzunehmen, sondern man muss aufs bestimmteste daran festhalten, dass die Schlacht bei Issos gemeint und im Wendepunkt der Entscheidung dar- gestellt sei. In mehren Berichten über diese Schlacht wird das persönliche Zusammentreffen der Könige, des Alexander und Dareios, sowie namentlich bei Qu. Ciutius III, 27 der Umstand hervorgehoben , dass, nachdem mehre persische Große, welche sich schützend vor dem Großkönig auf seinem Kriegs- wagen aufgestellt hatten, vor den Augen desselben gefallen waren, Dareios der persönlichen Gefangenschaft nur dadurch entging, dass er seinen Königs- wagen, dessen Gespann in Unordnung gerathen war, verließ, ein ihm bereit- gehaltenes Pferd bestieg und auf diesem entrann. Diese, und nur diese Scene, mag sie eine historische Wahrheit oder eine sagenhaft ausgeschmückte Geschichte sein, enthält den Schlüssel unseres Bildes und besonders die Er- klärung für das in so auffallender Weise neben dem Königswagen in den Mittelpunkt der Composition gestellte Pferd. Mit unwiderstehlicher Gewalt ist Alexander an der Spitze seiner Reiter herangedrungen, schon ist der Königswagen des Dareios gewendet, einer der edelsten Perser, der hier für jene Mehrzahl derselben gewählt ist, und in dem wir nach der Auszeichnung durch seine Tracht den Feldherm und Bruder des Königs, Oxathres erkennen dürfen, obgleich diesen die historischen Berichte nicht nennen, deckt den Rückzug. Da stürzt sein Rappe, von einer makedonischen Lanze getroffen, zusammen, und ehe der Reiter sein Ross ganz verlassen kann, braust Alexan- der heran; nichts achtet er's, dass ihm der Helm vom Haupte gestikzt ist, nichts, dass er nach den historischen Berichten selbst im Schenkel verwundet ist, mit dem Stoß seiner gewaltigen Lanze durchbohrt er den Perserfeldherm. Entsetzen und panischer Schrecken fasst die Perser, die allen Widerstand auf- geben und, die Lanzen auf die Schulter geworfen, in wilder Flucht dahineilen. Mit der äußersten Anstrengung treibt der Wagenlenker des Königs sein in Unordnung gerathenes und bäumendes Viergespann ; vergebens ! nur eine Hoffnung den König zu retten bleibt, einer seiner edlen Begleiter ist vom Pferde gesprungen, das er dem König überlassen will. »Darius aber«, um mit den schönen Worten Welckers fortzufahren, »wendet auf seinem Wagen sich um, sieht die Rettimg mit dem Rücken an, vergisst sich und die Schlacht über dem Gefühl und der Pflicht eines Königs und eines Bruders gegen den sinken- den Feldherm und Beschützer, und streckt den Arm nach seinem Getreuen aus. Dieser Arm begleitet eine Rede, und die Worte des Erhabenen, die das

Die Alezandersohlaoht. 615

Getümmel y erschlingen würde, sind im Bilde vernehmlich, und geben ihm eine GröBe, wodurch das Grausenhafte der Scene gemildert und die fürchterliche physische Gewalt des Augenblicks wie von einem Genius der Kunst gezügelt wird. Dem Sieger, der in ruhiger fester Haltung vordringt und nun nahe daran ist, die Drohung wahr zu machen, die er ausgesprochen haben soll, den . Darius in der Schlacht selbst zu tödten, wird durch diese königliche Haltung und menschliche GrröBe ein so gutes G^engewicht gegeben, dass das Mitleid nicht weniger als die Furcht sich reinigt durch die Kunst, ja dass der Unter- liegende eigentlich als der Sieger erscheint. Indem die Entscheidimg der Schlacht in ihrem rechten Mittelpunkte klar vor uns liegt und die eingreifen- den, malerisch so kräftigen Einzelheiten in einfacher, weise gewählter Mannig- faltigkeit sich vor unseren Blicken ausbreiten, reißt doch die magische Gewalt des großen und schönen und so würdig und ansprechend ausgeführten Ge- dankens Sinn imd Theilnahme überwiegend zu sich hin.« Auf Einzelheiten des Costüms, auf den Ausdruck und die Porträtähnlichkeit in den Köpfen, welche unsere kleine Nachbildung nicht wiedergeben kann, und keine der bisherigen Publicationen genügend wiedergiebt, kann hier nicht eingegangen werden, nur auf einige meisterhafte Züge in der Composition sei hingewiesen. Welch ein feiner Tact zeigt sich darin, dass die siegreich andringenden Makedonier nur ein Drittheil, die fliehenden Perser zwei Drittheile des Bildes einnehmen, wodurch zugleich die Hauptpersonen in die Mitte gerückt werden. Wenn der Reiterangriff, der die Schlacht entscheidet, in seiner vollen Wucht und Gewalt zur Anschauung kommen sollte, so durfte er nicht dadurch geschwächt werden, dass der Maler die Situationen der Andringenden persönlich ver- schieden motivirte, ein gleichmäßig unwiderstehliches Heranbrausen der Schaar ist hier das einzige Ausdrucksvolle ; ein solches lässt aber große Mannig- faltigkeit nicht zu. Deshalb genügt hier der kleine Raum. In den Personen des geschlagenen Heeres aber mussten die verschiedenen Abstufungen des Eindrucks gemalt werden, wenn das Bild der Flucht wahr sein sollte ; panischer Schrecken, Entsetzen, Zorn, Theilnahme für den sinkenden Feldherm, für den bedrohten König musste in den verschiedenen Individuen dargestellt werden und ist in ihnen dargestellt. Und dazu musste ein breiteres Feld in Anspruch genommen werden. Wie vortrefflich ist es gedacht, dass Alexander den Helm verloren hat, der neben ihm an der Erde liegt. Indem der Künstler so sich die Gelegenheit verschaffte, das Porträt des großen Eroberers unge- störter, namentlich sein mähnenartig empoigebäumtes Haar darzustellen, legt er durch diesen Zug in diese Figur den Ausdruck des Ungestümen, der kaum durch ein anderes Mittel so gut erreicht werden konnte. Wie wirkungsvoll ist der Gegensatz des gestürzten Pferdes, welches die Katastrophe herbeiführt, und des zur Flucht des Königs bereitgehaltenen ; wie tief durchdacht ist, Dareios, der sich selbst vergisst, zunächst von solchen Personen umgeben darzustellen, die voll Aufopferung auch nur an den bedrohten König, nicht an sich denken ; jenem Wagenlenker, der auf seine Weise in seiner Pflichterfüllung aufgeht, und noch ungleich mehr dem edlen Perser, der, indem er sein Ross dem König bietet, als ein sicheres Opfer, wie fest und kräftig ! vor uns steht. Aber man wende den Blick wohin man will, man studire das Gemälde nach allen Seiten

Qlß Viertes Capitel. Die Mosaiken«

und in allen Einzelheiten, ausstudiren wird man es nicht, und ganz gewiss immer wieder zu der reinen Bewunderung zurückkehren, welche Goethe für das Bild in Anspruch nahm .

Es leuchtet nun wohl ein, dass dieses Gemälde geeignet ist, uns von der antiken II istorieu maierei den höchsten Begriff zu gehen, und dass, da es das einzige auf uns gekommene von hunderten ist, es nicht zu viel gesagt war, wenn oben behauptet wurde, von diesem Bilde datire eine neue Periode in unserer Kenntniss der alten Malerei. Sehr natürlich und gerechtfertigt er- scheint der Wunsch, den Urheber dieser Composition zu kennen, doch wird er sich schwerlich erfüllen lassen, da die Perserschlachten Alexanders ein häufiger Gegenstand der Malerei waren, ohne dass wir doch über die ver- schiedenen, sie darstellenden Gemälde hinlänglich Genaues erfahren, um eine Zurückfuhrung der vorliegenden Composition auf ein bestimmtes Vorbild mit Sicherheit vornehmen zu können. Allerdings handelt es sich hier nicht um irt^end eine, sondern um die Schlacht bei Issos und das ist der hauptsächlichste Grund, warum von mehren Seiten und so auch in den früheren Auflagen dieses Buches auf die Frage nach dem Urheber des Vorbildes der pompejanischen Alexanderschlacht mit dem Namen nicht eines Malers, sondern einer Malerin, Helena, Timons Tochter aus Aegypten (Alexandria), geantwortet worden ist. Denn von ihr wird uns eine Schlacht bei Issos ausdrücklich bezeugt, welche durch Vespasian nach Kom in den Friedenstempel versetzt worden sein soll. Die Möglichkeit, dass mit dieser Antwort das Richtige getroffen sei, lässt sich nicht bestreiten. Denn wenn sich unser Gefühl dagegen sträubt, einer Frau dies gewaltige Bild, diese Stärke in der Thiermalerei, und besonders in der höchsten Hitze des Kampfes zuzutrauen, so will das nicht eben viel sagen und Welcker hat gegen diesen Einwurf ohne Zweifel mit Recht bemerkt : »wie die Geschichte nicht wenige Frauen vom Geist der Deborah und Telesilla kennt, so weist sie auch seltene Malerinnen nach, die den Neid der ersten Maler ihrer Zeit er- weckten.« Auch der Umstand, dass die Notiz über die Schlacht bei Issos von Helena aus einem sehr wenig zuverlässigen Autor (Ptolemaeus Hephaestion) fließt, kann nicht als entscheidend gelten, da die Nachricht an sich nichts Unmögliches oder schlechthin Verdächtiges enthält. Wenn man jedoch zu Gunsten derselben darauf Gewicht gelegt hat, wie das früher auch an diesem Orte geschehn ist, dass es besonders nahe liegen mochte, ein von Vespasian nach Rom versetztes, also damals besonders berühmtes Bild in Pompeji in Mosaik zu copiren, so muss dies jetzt, nachdem wir nicht mehr zweifeln, dass das Mosaik mit der Erbauung der Cdsa del Fauna gleichzeitig, also viel älter ist, als die Periode Vespasians , durchaus hinfällig erscheinen. Und wenn femer der Umstand, dass die Borde des Gemäldes zwischen den Säulen der Exedra (s. S. 351 f.), welche einen Fluss mit Hippopotamus, Krokodil, Ichneu- mon, Ibissen, kurz den Nil darstellt (Mus. Borb. VIII, 45), der zu dem Gegen- stande gar nicht passt, als eine Anspielung auf die Heimath der Künstlerin, Aegypten, auf gefasst worden ist, so wurde dabei übersehn, dass sich «ägyptische Motive auch sonst in den Mosaiken der C(X8a del Fauno wiederfinden, zu denen auch die S. 350 erwähnte, vortrefflich gebildete Katze als ein damals in Italien noch nicht eingebürgertes Thier gehört, und dass mit der Technik des Mosaiks

Fflnftes Capitel. Die untergeordneten Kunstarten und das Kunsthandwerk. 617

auch aegyptische Gegenstände auf sehr natürlichem Wege aus Alexandria nach Pompeji gekommen sind.

Wollte man, hiemach von Helena absehend, einen zweiten Künstler als den möglichen Urheber der Composition nennen, so könnte das Philoxenos vonEretria, ein Schüler des Nikomachos von Theben sein, von dem Plinius (35, 110) eine Schlacht des Alexander und Dareios als »ein keinem andern Gemälde nachzusetzendes« Bild anführt. Allein wenn man auch das pompejaner Mosaik dieses Lobes vollkommen würdig nennen wird, so müsste man, um die Zurückfährung auf Philoxenos zu rechtfertigen, die Angabe des Gegenstandes bei Plinius dahin erklären, dass es sich in dem Bilde um eine persönliche^Begegnung der beiden Fürsten gehandelt habe, was, da nicht die Schlacht bei Issos genahnt wird, nicht ohne Bedenken sein würde.

Fünftes Capitel. Die untergeordneten Kunstarten und das Kunsthandwerk«

Nachdem die drei eigentlichen bildenden Künste in ihren Hervorbring- ungen und licistungen in Pompeji durchmustert worden sind , bleibt zum Schluss noch eine Betrachtung der untergeordneten Kunstarten und des Kunst- handwerks übrig , welche , obgleich sie der Übersichtlichkeit wegen in einem eigenen Capitel behandelt wird , sehr kurzgefasst werden kann , da Manches schon im antiquarischen Theil erwähnt worden , und da des Hervorragenden und Bemerkenswerthen nicht gar Vieles vorhanden ist. Eine der wichtigsten der Plastrk verwandten Kunstarten , die Stempelschneiderei zur Herstellung von Münzen, ist in Pompeji gar nicht geübt worden ^^'j . weder in der Zeit seiner Autonomie hat Pompeji Münzen geschlagen, wie andere Städte Cam- paniens, z. B. Capua, Nola, in welche die griechische Sitte friiher und tiefer eingedrungen war, noch hatte unser Städtchen in römischer Zeit eine Präge- stätte. Römische Münzen sind freilich in Pompeji in Menge gefunden worden, aber Niemand wird erwarten, diese hier besprochen zu finden. Auch die Steinschneiderei ist kaum der Rede werth ; dass die verhältnissmäBig wenigen und mit einer früher (S. 29) erwähnten Ausnahme unbedeutenden Gemmen, welche man in Pompeji gefunden hat, Arbeiten einheimischer Werkstätten seien, ist unerweislich und kaum wahrscheinlich. Wenn daher auch das Dutzend geschnittener Steine hier nicht einzeln angeführt, besprochen oder abgebildet ist, so wird das keine Lücke in der Beschreibung Pompejis geben. Eine Probe ist in der 319. Figur mitgetheilt; es ist ein geschnittener Siegel- ring, welcher einen Frauenkopf darstellt und in der Strada degli Auguatali gefunden wurde. Von diesem und den wenigen anderen aber Anlass zu einer Darstellung der alten Steinschneiderei und Gemmenkunst zu nehmen , würde

618 Fünftes Capitel. Die untergeordneten Kunstarten und das Kunsthandwerk.

außerhalb des Planes dieses Buches liegen. Es bleiben demnach eigentlich nur zwei Arten der Technik, welche hier eine etwas eingänglichere Betrachtung erheischen und lohnen , die Metallarbeit einschließlich der Goldschmiedekunst und die Glasarbeit.

In Beziehung auf die Metallarbeit kann es sich wesentlich nur um die Ornamentik handeln , deren uns zwei technische Hauptarten entgegentreten, die Toreutik und die Empaestik . Erstere hat es mit der Herstellung plastischer Ornamente in Relief und in ganzen Figuren zu thun und hangt aufs innigste mit der Plastik selbst zusammen, von der man sie nur des geringem Umfangs und des weniger selbständigen Charakters ihrer Arbeiten wegen trennen kann. Wir finden diese Art der Metallarbeit an fast allen Geräthen und Grefäßen, welche sich über die Befriedigung des bloßen Bedürfiiisses erheben , und wir sind ihr an den Bisellien, Sesseln, Lampen, Candelabem, Dreifüßen, Eimern, Krateren, Heerden, Waflfen begegnet. An diesen Geräthen und Gefäßen schafft sie das Ornament entweder in ausgetriebenen oder in gegossenen und mit dem Grabstichel vollendeten Formen , und zwar wieder bald aus einem Stück mit dem Hauptwerk , bald durch Herstellung selbständiger Schmuck- theile, welche aufgenietet oder aufgelöthet wurden. In den Formen schließt sich diese Metallarbeit wesentlich allen denen der übrigen Ornamentik und Plastik an, beginnt mit einzelnen vegetabilen Formen , erhebt sich durch die s. g. Arabeske zum Figurenrelief und endet in der Darstellung der kleinen Rundbilder, welche sich z. B. als Deckelverzierungen mehrer Lampen, an Candelabern und sonst (in Fig. 232. 233. 234) finden. Nicht selten verbindet sie mit der Herstellung der plastischen Form den Schmuck der Versilberung und Vergoldung , wie denn auch die Herstellung von Ornamenten bronzener Geräthe aus getriebenem Silber und Gold nicht eben selten ist. Selbständig- keit der Erfindung und Formgebung wird man bei diesem untergeordneten Kunstzweige in der Regel weder erwarten noch finden, obgleich allerdings einzelne größere Prachtgefäße aus dem Alterthum auf uns gekommen sind, welche die Hand wirklicher Künstler verrathen. Ohne uns aber grade Neues und Unerhörtes zu bieten , liefert ujis die plastische Metallarbeit in Reliefen und Statuetten eine Fülle interessanter , zum Theil namhaften Kunstwerken im Kleinen nachgebildeter Gegenstände aus den verschiedenen Kreisen der Objecte der alten Kunst. Denn weder mythologische Bildwerke fehlen in dieser Reihe , noch Genrebilder aus dem täglichen Leben , ja , bei dem Ver- lust so unendlich vieler der großen Vorbilder muss uns mehr als eine dieser kleinen Nachbildungen zur Ausfüllung einer Lücke der kunstgeschichtlichen wie der gegenständlichen Monumentenreihe dienen.

Im Allgemeinen darf zur Veranschaulichung der Producte der pompejaner Toreutik wohl auf die Abbildungen derselben in früher mitgetheilten Figuren (230 248. 253 255) verwiesen werden; doch schien es zweckmäßig, hier noch einige der schönsten Muster der verschiedenen Hervorbringungen dieses Kunstzweiges in einer etwas großem Abbildung (Fig. 316) zu vereinigen. Hier finden wir zuerst (a vgl. b) das überaus reiche und mit reinster Schärfe getriebene Ornament eines prächtigen Eimers , welcher dem in Fig. 247 ab- gebildeten herculanischen ähnlich , aber in Pompeji gefunden ist. Bei c ist

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Fig. 316. Mustei toreutigclieT Arbeiten.

620 Fünftes Capitel. Die untergeordneten Kunstarten und das Kunsthandwerk.

ein vorzüglich schöner Gefäßhenkel ahgehildet, der allein gefunden worden und wahrscheinlich noch nicht an ein Gefäß geheftet gewesen ist (vgl. oben S. 447). Das Hauptomament bildet ein medusenartiger Kopf, der aber nicht nur von Schlangen umgeben ist, welche unter dem Kinn in einen Knoten sich verschlingen, sondern auch von Delphinen oder anderen Fischen, während zu- gleich auf seinen Warigen ein paar Flossenansätze liegen , welche bei Köpfen von Seewesen gefunden werden. Mit einer schlanken Arabeske geschmückt steigt der eigentliche Griff empor, welcher sich oben, wo er sich dem Kande der Kanne anzulegen bestimmt war, in zwei Arme theilt , die in Ziegenköpfe auslaufen, während in der Mitte ein breiter Ilaken sich zurückbiegt, auf wel- chem der Daumen beim Gebrauche der Kanne gelegt werden sollte. Bei d (vgl. e) ist das voraügliche Relief von dem Kelche eines Candelabers wieder- holt, der in seiner Gesammtheit schon in Fig. 234 a abgebildet ist. Vier Greife welche in lebensvollster Gruppirung einen Stier und einen Hirsch überwältigt haben, bilden das hoch ausgetriebene und sehr rein und scharf gezeichnete und modellirte Ornament. Endlich ist, als das vorzüglichste Muster dieser ganzen kleinen Reihe bei/* (vgl. y) das ganz besonders hochgetriebene Relief eines ebenfalls schon früher (Fig. 254) in seiner Gesammtheit abgebildeten Gladiatorenhelmcs ausgehoben. In der Mitte steht in amazonenhafter Gestalt die siegreiche I)ea Koma, den einen Fuß auf einen Schiffsschnabel gestützt, die Lanze in der Rechten, das Schwert in der Linken ; neben ihr knien zwei Figuren mit Cohortenzeichen , hinter denen gefesselte Gefangene stehn, wäh- rend an den Enden reiche Tropaeen errichtet sind, an denen ein paar Victorien eben noch feindliche Schilde zu befestigen im Hegriffe sind. Auf den übrigen Theilen des Helmes treten bakchische Ornamente hervor, doch findet sich auch Athena im Kampfe mit einem schlangen fiißig gebildeten Giganten. Während auf verwandte Kimstproducte aus edlen Metallen demnächst bei der Besprech- ung der Goldschmiedekunst zurückgekommen werden soll, dürfte hier der Ort sein, jenes schon oben S. 535 erwähnte Rleigefäß mit Reliefen in einer Ab- bildung (Fig. 317) mitzutheilen und etwas näher zu besprechen. Seine Be- stimmung ist nicht sicher bekannt , doch hat es wahrscheinlich zur Aufiiahme von Wasser, wenn nicht etwa von Korn oder dem Ahnlichem gedient. Die Natur des Materials zeigt hier sofort eine interessante Einwirkung auf die Art der aufgepressten Ornamente , welche man in Bronze oder edlen Metallen vergeblich suchen würde. Außer mit diesen ornamentalen Müschelchen, huf- eisenförmig gezogenen und rautenförmig gestellten Ornamenten ist das Gefäß noch mit zwei Reihen von Medaillons geziert, von denen fünf in größerer Abbildung der Gesammtansicht beigefügt sind; dieselben zeigen theils my- thologische Figuren und Köpfe , theils Thiere ; unter jenen finden wir eine jagende Artemis und eine Athena, welche eine kleine männliche Figur auf der Rechten erhebt, während ihr gegenüber ein Bildhauer mit dem Schlägel in der Hand sitzt; wahrscheinlich ist Athena Ergane (als solche ohne Aegis und Gorgoneion) zu verstehn als der göttliche Beistand werkschaffender Kunst. Das dritte Medaillon zeigt eine nicht sicher erklärte noch auch bei der Zer- stönmg des Attributs der rechten Hand erklärbare stehende männliche Figur, der der Adler beigegeben ist (einen Zeus Areios ?), das vierte einen Herakles-

köpf. Unter den Thieren finden wir außer dem mitgetheilten Adler einen laufenden Jjöwen und einen von einer schwebenden Nike hekräiizten Stier,

Fig. 317. Bleigefaß mit Reliefen.

wie er «nf den Münzen mehrer unteritalischeii Städte wiederkehrt. Jedoch kehren wir zur Bronzearbeit zurück.

In anderer, beschränkterer Weise, dennoch ehenfalb in weitem Umfange wirkt und schafft die zweite Art derselben , die Empaestik. Ihre Teclinik ist der unsereB Niello und unserer Damascenerarbeit verwandt , indem sie in den Grund des zu schmückenden (jeräthes Ornamente verschiedenen, meist edleren iUetalls incrustirt oder einlegt. Man begegnet diesem Kuustzweige besonders bei den größeren ('andelalicm und bei den Prachtgeräthen, wo er sich auf dem Gebiete der Ornamentik im engem Sinne hält, vielfach verschlungene Linien, Laubwerk, Guirlanden , Arabesken mit eingestreuten Thiergestalten herstellt, ohne sich bis zur Figurenzeichnung oder zur Herstellung bedeutsamer (Kompo- sitionen zu erheben. Innerhalb ihres Omamentgeliietes dagegen scliafil die Empaestik mit so vielem Geschmack , so unerschöpflicher Phantasie , einer so großen Correctheit und Sauberkeit des Einzelnen , daas sie uns die größte Be- wunderung abnöthigt. Bei vielen Geräthen verbinden sich beide Arten der Omamentirung , die plastische und die in eingelegter Arbeit , und zwar so, dasB , während jene die geschmackvolle Herstellung der schärfer bestimmten Glieder, wie z. B. des Fußes übernimmt, diese sich auf den größeren Flächen des Geräthes, wie den Kraterbäuchen , oder den Disken der Candelaber , ver- breitet und dieselben gleichsam mit einem Geäder kostbarer Zierate durchzieht. Die Art , wie die beiden Arten der Metaliurnamentik sich in das Kemschema

622 Fünftes Capitel. Die untergeordneten Kunstarten und das Kunsthandwerk.

des zu decorirenden Geräthes theilen, zeugt von dem feinsten Geschmack, be- wahrt auf der einen Seite vor Unkräftigkeit in der tektonischen Gliederung, auf der andern vor Überladung und Schwerfälligkeit und ist so sehr wie irgend Etwas unseren Metallarl)eitem und Goldschmieden als Gegenstand der ein- gänglichsten Studien zu empfehlen. Der Mangel dieser feinen Anwendung der einen und der andern Art der Ornamentik ist nicht am wenigsten Grund der Schwerfälligkeit der Geräthbildnerei unserer Zopfzeit und des Rococco.

Nächst der Bronzearbeit bleibt zunächst die ganz nahe verwandte , und nur im Material und den aus diesem fließenden Folgerungen verschiedene Goldschmiedekunst zu betrachten. Schon bei mehren früheren Gelegenheiten ist erwähnt worden , dass in Pompeji zahlreiche Goldschmiede arbeiteten und dass nicht unbeträchtliche Funde von Schmucksachen in Pompeji gemacht worden sind, obwohl augenscheinlich sehr Vieles grade von diesen Habselig- keiten der alten Bewohner bei der Flucht hat gerettet werden können und somit uns verloren gegangen ist. Leider ist von dem vielen Vorgefundenen nur sehr Weniges, eine kleine Auswahl bei Niccolini, Le case ecc.^ descr. gen. tav. 42, veröffentlicht , und wenn auch in den Büchern, welche Fundberichte enthalten , außerdem Manches erwähnt wird, so geschieht dies in so kurzer Weise , dass man aus diesen vielen Notizen nur einen trockenen Katalog zu- sammenstellen könnte. Es muss daher genügen, unsere Betrachtung auf eine kleine Auswahl charakteristischer Arbeiten zu beschränken, von denen Zeich- nungen mitgetheilt werden können. Wir sehn dabei' von Dingen wie die 1863 gefundene, mehr als zwei Pfund schwere, bei Niccolini a. a.O. abgebildete gol- dene Lampe ab, welche kein sonderliches künstlerisches Verdienst in Anspruch

nehmen können, und halten uns an das seiner Technik oder Form nach Bemer- kenswerthe. Die Abbildung Fig. 318 zeigt eines jener großen 22 Unzen wiegenden Armbänder von gediegenem Golde, welche, wie früher erwähnt, in dem Hause des großen Mosaik gefrmden worden sind. Dasselbe ist in Schlangenform gearbeitet, welche, wie kaum eine andere, sich zu diesem Zweck empfiehlt. Der Kopf der Schlange ist gegossen, die Augen sind von Rubin eingesetzt und die Zunge wird durch ein bewegliches Goldblättchen ge- bildet. Der spiralförmig geringelte Körper dagegen ist mit dem Hammer getrieben, um größere Elasticität zu haben, während alle Einzelheiten , die Zähne im geöffneten Bachen, die Schuppen am Hals und Schweif aufs sorgfältigste ciselirt sind. Derartige Bänder in Schlangenform wurden um das Handgelenk, um den Oberarm und um das Fußgelenk getragen : ihrer Größe nach wird unsere Schlange zum Schmuck des Oberarms gedient haben. Eine ähnliche findet sich in der folgenden kleinen Sammlung von Goldschmiedearbeiten Fig. 319 wieder, welche jedoch nicht flach ausgetrieben, sondern halbrund gearbeitet und wahrscheinlich

Fig. 3 IS. Großes Armband.

OoldaehmiedekuQit. G6ldene SehmuokMOhen. 633

zum Schmuck des Handgelenke bestimmt genesen ist. Für alle Arten von Ringen ist die Schlangenfonn eine so nntüiliche und naheliegende, ilaes es uns nicht wundem wird, in un- seiet kleinen Sammlung auch zwei in dieser Gestalt gearbeitete Fingerringe zu finden , den einen als das vollständige Thier, welches den Kopf emporhebt, als wollte es sich von dem Finger loswinden, den an- dern weniger geschmack- Toll aus zwei Schlangen- köpfen zusammengesetzt. Ein dritter Fingerring, in den eine Hyacinthgemme zumSi^^ln gefiisstist, zeigt die einfache Form des Sie- gelringes, welche auch bei uns gebräuchlich ist. Die Kedeutung des Frauen - kopfes der Gemme ist schwerlich festzustellen ; mytholf^echem Gebiete scheint derselbe nicht an- zugehören. Oben links und ganz unten in Figur 319 sind zwei der am häufigsten in den pompejanischen Aus- grabungen voi^efundenen

Arten von Ohrringen mit- ^.^^^^ Verschiedene Schmucksachen von Oold.

getheut ; die eine (oben) ist

aus zwei Perlengehängen an einem dünnen Drahthäkchen von Gold gebil- det ; die andere Art zeigt in zwei Ansichten die Form eines Ausschnittes aus einem Apfel und scheint besonders beliebt gewesen zu sein , weil derartige Ohrringe bereits in beträchtlicher Menge gefunden sind. Zahlreiche in den letzten Jahrzehnten unter uns Mode gewordene Nachbildungen antiker Muster lassen uns auch das eine der beiden größten Schmuckstücke in der vorstehen- den Abbildung vertraut erscheinen, nämlich das freilich nicht in Pompeji, sondern Sta. Agata dei Gatt gefundene, hier aber in Ermangelung eines mit- theilbaren pompejancr Heispieles verwandter Art aufgenommene Halsband, welches aus einem äußerst feinen Geflecht elastischen, durch ein mit zwei Fröschen auf der Platte verziertes Schloss zusammengehaltenen Golddrahtes besteht, an dem ein und siebenzig kleine Goldgehänge befestigt sind , welche den Hals Btrahlenformig umgeben , woher diese sehr häufig in Gemälden vor- kommenden Halsbänder den Namen der mtmüia radiata (SirahlenhalslHinder}

024 Fünften Capitel. Die untergeordneten Kunstarten und das Kunsthandwerk.

erhielten. Wenn dieses durch die äußerste Zartheit seiner Arheit ausgezeich- nete Halsband nur in seiner besondem Form von unseren modern antiken Stücken der Art abweicht, so haben wir für das darüber abgebildete Schmuck- stück, welches ebenfalls um den Hals getragen wurde, unter unseren Schmuck- sachen keine Analogie. Es ist dies eine sogenannte bulla; an dem in scharfen Schraubengängen gewundenen elastischen Draht , welcher um den Hals ging und hinten mit ein paar Haken in einander griff, hangt vom an einer ver- zierten dünnen Platte eine linsenförmige Kapsel, die eigentliche Bulla. Die- selbe diente zur Aufbewahrung der Amulette, durch welche man allerlei Krank- heiten und Zauber und den bösen Hlick abzuwenden glaubte , und wurde von Gold hauptsächlich von den Sprösslingen edler Geschlechter in der Jugend ge- tragen und nach glücklicher Vollendung der Jugend beim Eintritt in das reifere Alter den schützenden Laren geweiht. Von derjenigen Arbeit der pompe- janer Goldschmiede , welche sich , Figuren bildend , der eigentlichen Plastik nähert, bietet die erste Probe eine Heftnadel, mit der man das Obergewand zusammensteckte; auf eine nähere Besprechung der seltsamen Gestalt eines, wie es scheint, dem bakchischen Kreise angehörenden, aber mit Fledermaus- flügeln versehenen Genius, welcher das Ornament bildet, kann hier nicht eingegangen werden ; zu bemerken ist nur noch , dass unter dei^ leider nicht veröffentlichten Bildchen von Gold sich vorzugsweise Kindergestalten finden, welche nach dem Maßstabe zu beurteilen sind , den wir an die niedere Metall- arbeit überhaupt anzulegen fiaben. Ihren Gipfel erreicht die pompejaner Goldschmiedekunst in den Hervorbringungen , mit welchen sie sich dem Ge- biete des Bronzearbeiters nähert, welches oben geschildert wurde, in der Ver- fertigung von Gefäßen mit Ornamenten und Figuren in getriebenen Reliefen, zu denen die edlen Metalle ihrer großen Dehnbarkeit wegen sich besonders eigneten. In der beifolgenden Ansicht sind drei silberne Becher aus Pompeji in ganzer Gestalt und von den beiden mit Figuren geschmückten die Reliefe in größerer Zeichnung zusammengestellt , welche demjenigen, der solche be- wunderungswürdige Arbeiten des Alterthums nicht in den Originalen kennt, wenigstens einigermaßen von denselben eine Vorstellung vermitteln können. Der erste dieser Becher ist an sich einfach mit vier einander zu je zweien ent- sprechenden Rebzweigen verziert, welche aber mit eben so vielem Geschmack um den Körper des Gefäßes geordnet sind , wie sie sich durch feine und reine Modellirung auszeichnen. Ist schon dieses kein alltägliches Stück Arbeit, so wird es doch an Interesse weit übertroffen durch die beiden anderen Geschirre. Auf dem erstem derselben ist eine Apotheose Homers dargestellt , welcher in der Mitte der Vorderseite von einem mächtigen Adler emporgetragen wird, während die allegorischen Gestalten der Ilias mit dem Helm, Schild und Speer links imd der Odyssee mit der Schiffermütze und dem Ruder ausgestattet rechts zur Seite auf den feingeschwungenen Arabesken sitzen, welche nach hinten das ganze Bildwerk schließen. Eine an mehren Stellen aufgehängte Guirlande umzieht den Rand des Gefäßes über der Darstellung, zwei Schwäne (der eine fast ganz zerstört), die Vögel ApoUons, erheben sich mit dem Dichter zu den himmlischen Höhen des Olymp. Über die Sinnigkeit der Composition im Ganzen und im Einzelnen und über den Adel der Formen ist angesichts

Hnster tob Arbeiten in getriebenem Silber.

Ooldsohmiedekunst Silberne Becher. Glasarbeit. 625

der gelungenen Zeichnung zu reden nicht nöthig. So erfreulich aher auch dieses Kunstwerk sein mag , es wird doch an Schönheit noch weit übertroffen durch den dritten Becher, einen von zwei ganz ähnlichen, zusammengehörigen und zusammen nebst noch zwölf anderen, weniger ausgezeichneten und man- cherlei anderen Dingen gefundenen, und zwar gegen Ende März 1835 in dem nach diesen ausgezeichneten Gefäßen so genannten Hause der Silbergeschirre [Casa deir argenteriä) in der Strctda dt Mercurio (No. 27 im Plan). Wahrlich, es lohnt sich, den Ort und das Datum dieses Fundes zu verzeichnen, denn diese Becher sind ein Höchstes in ihrer Art , dem sich nicht eben Vieles der gleichen Gattung aus dem Alterthum an die Seite stellen kann , eine so be- deutende Anzahl von Künstlern grade auf diesem Gebiete, der Relief bildnerei in Silber, Ruhm erlangt haben. Die Figuren sind auf das Bewunderungs- würdigste bis zu fast vollkommener Rundung in hohem Relief ausgetrieben, auf's feinste und zarteste modellirt , von den lebensvollsten Formen und dem gelungensteit Ausdruck. Der Gegenstand ist ziemlich einfach; auf beiden Bechern ist je ein Kentaur und eine Kentaurin gebildet , welche , mit den Hinterbeinen sitzend, vom erhoben oder wie sich erhebend einen kleinen Eros als Reiter auf dem Rücken tragen , ein Motiv , das auch sonst noch in ver- wandten Darstellungen sich wiederholt. Jedoch ist dasselbe jedesmal verändert. Bei den männlichen Kentauren des in der Abbildung wiederholten Bechers ist der kleine Eros eben im Begriffe aufzusteigen , während sich der Kentaur, der einen mächtigen Thyrsos auf der linken Schulter und den dionysischen Kantharos in der Rechten trägt, aufmerksam zu seinem kleinen Reiter herum- wendet, offenbar bereit aufzustehn, sobald das Knäbchen fest oben sitzen wird. Bei der Kentaurin der Kehrseite hat der Reiter seinen Platz schon eingenom- men und scheint sie mit erhobenem linken Händchen , mit dem rechten ein um ihren Arm geschlungenes Fell ergreifend , gleichfalls zum Aufstehn anzu- treiben. Auch sie, welche einen Hirtenstab in der Rechten trägt und mit der Linken Trauben in dem Bausch ihrer Fellbekleidung zusammenhält , wendet sich zu dem Kleinen zurück, als wolle sie mit ihm über seinen Eifer scherzen. Den Hintergrund bildet dort ein portikenartiges Bauwerk , auf welchem eine Reihe Vasen aufgestellt ist , hier ein knorriger Baum links und eine Statue des Dionysos auf hohem Postamente rechts. An dem andern Becher hält der bequem auf dem Rücken des Kentauren sitzende Knabe eine Kithara und der Kentaur selbst außer einem Pinienzweige eine Syrinx, während die Kentaurin aus einem Trinkhom Wein in eine flache Schale fließen lässt und ihr kleiner Reiter gleichfalls ein Trinkgeschirr handhabt. Zu dem Ganzen dieser Becher ist noch zu bemerken, dass dieselben mit einer glatten Silberplatte im Innern gleichsam gefuttert sind , durch welche die hineingegossene Flüssigkeit ver- hindert wird , sich in den Höhlungen der ausgetriebenen Reliefe zu fangen ; so sind diese kostbaren Gefäße auch für praktische Zwecke brauchbar, keines- wegs bloße Schaustücke.

Der Schluss unserer pompejanischen Betrachtungen sei mit einem Meister- werk der Glasarbeit gemacht, einer Technik, in welcher die Alten kaum minder Bewunderungswürdiges leisteten als in der Toreutik. Nach Plinius wurde das Glas dreifach bearbeitet , entweder geblasen oder gegossen oder caelirt,

Overbeok, rompeji. 4. Aafl. 40

ti26 Fünftes Ca|iitel. Die untuTt^eordiieten KunstaTten und du Kunstbandwerk.

d. h, mit echneidemlen liislrumcntvn angegriffen oder geschliffen. Die beiden letzteren Arti-ii der 'i'eclinik kumnien aucli vereiiii^^t vor und zwar namentlich hei der ller^itellung der Gefälle mit Itelief, von denen die berühmte Portlandvase den ersten Itang behaiijitet, während die hier (Fig. 320) abgebildete, in dem nach ihr genannten Grabe [tomba del vaso dt eetro blu] (S. 406] gefundene Amphora den l*]att zunächst dieser einnehmen dürfte. Wie in der Kegel bei diesen Ge- fußt'Ti bestellt der Grund oder der Kern aus einem farbigen und durchsichtigen GlaaflnMs, der in diesem Falle vom scliöiisteu satten Dunkelblau ist , während das anf^siOiinoIxene und sodann zur Schärfung der Formen geschliffene und caelirte Jtclief opak , undurchsichtig , in dem gegenwärtigen Falle rein weiß ist. Die Com)>usition dieses Hcliefs ist eben so reich wie seine Ausführung zierlieh und elegant ist. Über einem schmalen sockelartigen Streifen, der weidende 'i'hiere enthält, sind einander gegenüber zwei Imkchische Masken angebracht, die eine männlich, die andere weihlich. Hinter denselben erheben sieh starke Heben, welche ihr mit anderem Laubwerk, Hlumen und Früchten verschlungenes Uankengeflecht um den ganzen Hauch des Gefäfies spinnen,

Fig. 321). alaH);€fäO mit Relief.

indem sie zwei Figurencompositionen umrahmen. Diese beiden Figurencom- posttioneu zeigen idealisirte und durch Genien dargestellte Scenen der Wein- lese in etwaa verschiedener Auffassung, beide Male jedoch unter heiterer MuMikbegleitung. Einerseits (rechts in Fig. 320) schwingt in der Mitte begeistert ein Knabe den Thyrsos , indem er zu dem Takte der Musik der von zwei sitzenden Genossen geblasenen Hirten- und Doppelflöte die friseh- gcpflückten Trauben, die ein Vierter im Gewandbausch zuträgt, mit den Füßen austritt; andererseits nimmt die Mitte eine Darstellung des heitern Weiiigenusses unter der Musik einer Lyra ein , während zu beiden Seiten ein Knabe, mit dem Pflücken der Trauben beschäftigt, auf einem hohen Postamente steht. Das heitere und bewegte Leben dieser Reliefe und die reizende Fülle der sie umrankenden Arabesken erinnert gewiss Jeden an Goethes Vers :

Sarkophage und Urnen verzierte der Heide mit Leben-, das ganze Gefäß aber, welches auf einem eigenen losen Fuß aufrecht gehalten wurde, eines der vollkommensten seiner Art, bietet einen erfreulichen Scbluss der artistischen ]tetrachtungeik der Denkmäler Pompejis.

Anhang.

Anmerkungen.

1) zuS. [3]. Mancher ; der Italiens »ewigblauen Himmel« nur aus Büchern kennt, wird vielleicht geneigt sein, die zerstörenden Einflüsse der Witterung auf die ausge- grabenen Monumente Pompejis zu unterschätzen ; ich halte es dem gegenüber und um die richtige Vorstellung zu vermitteln, dass das aufgegrabene Pompeji auch unter dem campanischen Himmel dem sichern , wenn auch langsamen völligen Untergang entgegengeht, nicht für überflüssig, einerseits hervorzuheben, dass vom September an ganz gewaltige , klatschende und spülende Gewitterregen vorkommen , deren ich im Winter 1860 daselbst etliche erlebte und gegen welche der bisher den Ruinen ge- gebene Schutz sehr geringfügig erscheint. Andererseits ist zu bemerken, dass in den Ausgrabungsberichten und den Kapporten über die in Pompeji vorgenommenen Ar- beiten gar nicht selten nicht allein von schlechtem Wetter, Sturm, Regen, ja Schnee und Frost die Rede ist , durch welche die Arbeiten unterbrochen worden , sondern auch von thatsächlich bedeutenden Verletzungen der Ruinen durch das Wetter, welche beträchtliche Wiederherstellungsarbeiten nöthig gemacht haben. Ich will nur Einiges des hier Einschlagenden aus den Tagebüchern der Ausgrabungen (Pompeianarum antiquitatum historia ed. Fiorelli) ausheben. So heißt es 1778, 3. Januar: »des fast unaufhörlichen Regens wegen sind die Arbeiter verwendet worden , Erde aus einigen unterirdischen Räumen [Kellern der Häuser an der Westseite] auszuräumen, und nur wenn es das Wetter erlaubte , ist an der Ausgrabung der Hauptstraße fortgefahren worden. a 1784, 12. Februar: »vorigen Montag stürzte die Mauer des in der Aus- grabung begriffenen Hauses vor dem Isistempel zusammen. Es war dies die Wirkung des Druckes des von den großen Regengüssen geschwollenen Erdreichs.« 1789, 8. Januar: »die Arbeiterschaft ist verwendet worden, um den Schnee aus den Höfen und Zimmern fortzuschaffen , wo Gemälde sind , um großem durch den Frost ange- richteten Schaden zu vermeiden. Der Frost hat nicht so sehr die Gemälde als den Marmor angegriffen.« 1800, 3. Januar 9. Mai: »die Arbeiterschaft ist beschäftigt worden, die unter den Einflüssen des Frostes herabgefallenen Ge- mälde wegzuschaffen, der Frost hat an den Gebäuden großen Schaden gethan und die Arbeiter haben die Ausgrabungen von Unkraut und Schutt gereinigt.« 1803, 1 1 . Februar : »es wird fortgefahren den durch heftigen Regen und Schneegestöber von den Mauern losgerissenen Bewurf fortzuschaffen ; auch manche Gemälde haben gelitten , und man muss sie mit eisernen Klammem befestigen , um einigermaßen zu helfen.« 1803, 3. September: »in vergangener Nacht hat das gewaltige Wasser, welches in der Campagne von Mezza Torre bis zur Meierei des Irace ein See schien, indem der Fluss ein tüchtiges Stück ausgetreten war, das Soldatenquartier (Gladia- torenkaserne) bis wenige Zolle unter der Mündung des Brunnens (d. h. ziemlich zwei Fuß hoch l) ausgefüllt, und es ist ein Wunder, dass hier nicht Alles zusammen-

40*

628 Anhang. Anmerkungen.

gestürzt ist. Die Orchestramauer des bedeckten Theaters ist gänzlich auf den Boden gestürzt, d. h. diejenige, welche die Orchestra von der Scene trennt. Sie war fünf Palm hoch. Ein Wasserstrom, der von dem Keller des Isidoro herkam, hat diese große Meierei zu Boden geworfen , die Straße mit Erde gefüllt und sich dann in den Fluss ergossen. Ein anderer Wasserstrom ist von der Meierei des Irace hergekommen und hat die ganze Straße verdorben , auf welcher man von der Porticus des Theaters zum Tempel emporstieg, indem er dieselbe so auffüllte, dass man wegen der 15 Palm hohen Verschüttung durchaus nicht durchdringen konnte« u. s. w. 1814, LO. Fe- bruar : »die Mauer , welche die Basilika gegen Abend abschließt , war außen mit grandiosen Groteskarchitekturgemälden und Figuren in der Mitte derselben verziert. Die starken Fröste der letzten Tage haben diese fast alle herabgestürzt , ungeachtet die gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln, die Ränder der Gemälde gegen die Wand ver- kitten zu lassen, ergriffen worden waren.« Und weiterhin: »die Gemälde in dem noch nicht lange aufgefundenen Hause nahe bei dem nördlichen Thore bleiben noch sehr feucht , und die unausgesetzten Regengüsse werden sie endlich noch ganz ein- weichen. Und obgleich ich die Verkittung an ihren Rändern hatte vornehmen lassen, hat der starke Frost , der in der Nacht von Samstag auf Sonntag eintrat , dieselben fast alle herabstürzen gemacht. Ich hatte auch angeordnet, dass die gewöhnlichen Ziegeldächer über ihnen angebracht würden , diese aber haben sich so gut wie voll- kommen unwirksam erwiesen, da die Bilder schon mit Wasser getränkt warena u. s. w. 1816, 5 . Januar : »im Amphitheater und zwar in dem Corridor zur Linken an der Morgenseite ist am 2. d. M. durch den unaufhörlichen Regen ein Bogen eingestürzt, welcher zwei Treppen der inneren Stufenreihe mit sich gezogen hat, während alle die übrigen weiter hinauf liegenden den Einsturz drohen. Einstweilen haben wir sie zu stützen versucht, aber ich bin der Meinung . es werde am besten sein, sie ganz weg- zunehmen , ehe sie zusammenbrechen , um so wenigstens die Stücke su retten , um dieselben später wieder an ihren Platz bringen zu können.«

Und wie auch unverständige und ruchlose Menschen bei der Zerstörung und Be- schädigung mitgeholfen haben , davon mögen, abgesehn von den mehrfach in den Tagebüchern erwähnten kleineren Diebstählen und abgesehn femer von der That- sache , dass in Pompeji sehr viele Wände durch eingekratzte moderne Namen verun- ziert und beschädigt , glücklicher Weise aber zugleich zu Schandmalen der Verletser geworden sind, ein paar bemerkenswerthe Beispiele angeführt werden. So heißt es unter dem 12. November 1763 wörtlich: »es ist dem Don Camillo Pademi (das ist der Director des Museums I) befohlen worden, er solle nicht wagen, Hand an die an- tiken Gemälde zu legen, welche sich bei den Ausgrabungen finden, ohne erst an Seine Majestät Bericht erstattet zu haben, da es dem besagten Pademi nicht zukomme, zu entscheiden, welche Bilder aus den Ausgrabungen weggenommen werden und welche daselbst verbleiben sollen , indem der König mit Entsetzen (con orrore 1) ver- nommen hat, dass viele dieser antiken Gemälde zertrümmert worden sind.« Damit vergleiche man folgende Notiz (Addenda p. 146): 1764, 25. Januar (also später!) »aus einem Attest des Antonio Scognamiglio, des Oberaufsehers, lega- lisirt durch den Notar Jennaco von Torre delV Annunziata geht hervor , dass auf Be- fehl des Don Camillo Pademi die Bilder , welche er für unnütz hält . zerstört worden sind, indem man den Stucco, auf welchen sie gemalt sind, mit Spitzhacken herunter- schlug.« (Siehe auch : Winckelmann, Nachrichten v. d. neuesten Entdeckungen Anno 1764 § 70: .»dass diejenigen Gemälde, welche nicht beträchtlich geachtet werden

auf ausdrücklichen Befehl der Regierung zerfetzet und verderbet werden,

damit dieselben nicht in fremde Hände gerathen«). Unter d. 12. December wird be- richtet : »Don Camillo Pademi erhielt Erlaubniss nach Roni zu gehn« (etwa »fem von « Madrid darüber nachzudenken«?) 1792, 23. November: »in vergangener Nacht von Donnerstag auf Freitag hat man nahe bei dem Thor der Stadt (in dem s. g. Hause des Chirurgen) vier Bilder von den Wänden geschnitten (und gestohlen) nämlich die folgenden : in dem Zimmer , wo man ein Bild abzunehmen beschäftigt ist , welches einen Maler darstellt y der ein Idol copirt : einen Kopf ; in dem anstoßenden Hbfe

Anhang. AnmeTkungen. 629

und zwar im Tablinum : eine Wachtel ; endlich in dem letzten Hofe in dem Zimmer mit blauen Wänden : eine der Bakchantinnen und einen Kopf. Das Ganze ist mit Geschicklichkeit gemacht und der Raub davongetragen worden ; die Nacht war sehr rauh durch Regen und Wind.« 1815 , 16. Juni heißt es unter Anderem: »jetzt, wo die Arbeiten für die Ausgrabungen dieser alten Stadt aufgehört haben, ist dies Local (das Amphitheater) so gut wie alle die übrigen verlassen und der Willkür ungebildeter Menschen anheimgegeben , und leicht könnte es vorkommen , dass , indem man von dem Holzwerk stiehlt (mit dem die Wölbungen gestützt waren) , man Einstürze des Gebäudes selbst hervorriefe , abgesehn von der Gefahr , dass irgend ein Neugieriger bei einer solchen Gelegenheit zum Opfer werde.« 1816, 28. December ist unter Anderem Folgendes verzeichnet : »die unbegrenzte JB'reiheit , mit der jede beliebige Zahl von Personen in diese königlichen Ausgrabungen eindringen kann, bringt sehr häufig das Ärgemiss mit sich, diese kostbaren Monumente misshandelt zu finden. Vergangenen Montag kam Herr Architekt Bonucci hierher und sah mit Verdruss, dass an den Säulen des Vestibüls der Porticus des Theaters die Brunnenmaske (an einer dieser Säulen) heruntergerissen und auf die Brde geworfen , eine der mit Blei vergossenen Klammem , mit der sie befestigt gewesen, gestohlen war. Die Aufseher versicherten , es sei ein österreichischer Soldat der Schuldige , und dasselbe ist auch des folgenden Tages weiter bestätigt worden« u. s. w. Vielleicht noch pikanter ist das Folgende. Unter dem 25. Mai desselben Jahres heißt es in den Addenda (S. 277): »am 24. des laufenden Monats gegen 8 Uhr italienischer Zeitrechnung begaben sich einige Officiere der österreichischen Truppen, welche hier auf dem Durchmärsche sind, nach Pompeji, und indem sie das (kleinere) Theater besichtigten, nahmen sie einige bronzene Buchstaben der Insclirift mit, welche daselbst in den Fußboden ein- gelassen ist. Als aber der Sergeant der (in Pompeji als Wache befindlichen) Vetera- nen die Sache dem kurz darauf eingetroffenen General mittheilte , ließ derselbe jene kommen und zwang sie, ihren Raub an die Wächter abzugeben.« Der Schluss dieser Notiz ist schwerlich genau , wenigstens ist es gewiss , dass die entwendeten Buch- staben nicht wieder an Ort und Stelle gebracht wurden, was doch geschehn sein würde, wenn man derselben habhaft geworden wäre, sondern dass sie durch neue er- setzt worden sind, die man als solche nebst dem Stücke des Fußbodens, in welchem sie befestigt sind, noch heutzutage erkennen kann. Dabei ist aber der Name des Duumvirn , welcher hier genannt wird , aus Unkunde verändert worden ; der Aus- grabungsbericht (Pomp. ant. bist. Vol. I, ii, pag. 54) und ebenso Mazois IV, p. 56 und Taf. 38 u. A. geben ihn richtig M OCVLATIVS M F u. s. w. , jetzt aber lautet er M OLCONIVS M F und ist in dieser Form nicht selten (auch in den /. R, N. 2242) publicirt worden , während doch der in den Mauerinschriften Pom- pejis unzählbare Male und auch in Steinschriften mehrmals vorkommende Name mehrer Holconii ohne Ausnahme mit anlautendem H geschrieben ist. Die gestoh- lenen Buchstaben sind GVL AT ; in die Lücke setzte man LCON, und so wurde aus 0[oulat]IVS 0[lcon]IVS. Von einer zweiten Verletzung derselben Inschrift durch österreichische Soldaten , welche ein R und ein O wegnahmen, wissen die Addenda zu 1809, 15. April zu berichten, s. Pomp, ant, hist. I, in, p. 231.

2) zu S. 4. Die im Text als einzig möglicher Ausweg bezeichnete Auffassung scheint die von Duhn's (Verh. d. XXXIV. Phil. -Vers. S. 154) zu sein. Denn Nissen's Interpretation (Pomp. St. S. 581) wird er doch schwerlich billigen. Wie dieser durch Strabo V, p. 245 begründen will, dass derselbe zwischen STtivBiov und aicomia nicht unterscheide, ist unverständlich; Strabo sagt dort: Dikaiarchia war früher Hafen- platz der Kymäer, während er V, p. 247 eben so deutlich sagt: Pompeji ist jetzt Hafenplatz von Nola, Nuceria und Aoerrae. Von Duhn's Ausspruch (a. a. O.), dass die Reste des griechischen Tempels nicht auf viel ältere Zeit als 310 v. Chr. deuten, dürfte doch näherer Begründung bedürfen. Was Nissen' s Etymologie des Namens betrifft, so müssen hier, und leider noch an manchen Stellen des geistreichen Buches, Wendungen wie : »es ist nicht möglich zu leugnen kann nichts anderes bedeuten« die Stelle von Beweisen vertreten.

530 Anhang. Anmerkungen

3) zu S. 6. Über die alte Küste und den Lauf des Samo s. Ruggiero , Pompti e la regione sotterrata nel LXXIXy I, S. 5 ; Mau, BuU, d. Inst. 1880, S.89ff., Rhein, Mus. 1881, S. 127. 1882, S. 319; von Duhn, Rhein. Mus, 1881, S.^26 und 632.

4) zu S. 20. Was im Text Ober die BeschafFenheit der Decke gesagt ist, unter welcher Pompeji begraben liegt, beruht auf mannichfaltigen eigenen Beobachtungen, welche besonders an den Orten der neuen und gegenwärtigen Ausgrabungen, welche gleichsam Querschnitte des Terrains darbieten , unschwer angestellt werden können, und mit deren Ergebniss dasjenige genau übereinstimmt, was Mich. Arditi, einer der besten früheren Directoren der Ausgrabungen, über diesen Gegenstand schreibt. In den Addendis zu den Berichten vom Jahre 1809 d. 28. Februar [Pomp, ant, Aist. I, III, p. 227) heißt es: »Jedermann weiß, dass das antike Pompeji bedeckt wurde von einem Regen von RapiUi und über diesem von einer Schlammlava [lava bavosa) , so genannt von den Naturforschem , weil sie aus Erde und Wasser zusanunengesetzt ist; weiter liegt darüber, nur wenige Palm stark, die bebaubare Erde«, u. s. w. Vgl. die neueste vortreffliche Behandlung dieser Fragen bei M. Ruggiero, Pompei etG. S. 22ff. Andere wollen anders beobachtet haben , und ganz besonders compUcirt klingt die Beschreibung, welche Guilelmo Bechi im 1. Bande des Mtis. Borbon. (1814) Anhang S. 1 0 entwirft. Hier heißt es: »Die Stadt Pompeji ist bedeckt von vulcanischer Asche und Rapilli, welche durch einander gemischt sind. Diese Lagen von Asche und Ra- pilli liegen, da wo sie geblieben sind , wie der Vesuv sie ausgeworfen hat, folgender- maßen . Auf der Oberfläche des antiken Bodens findet sich eine etwa einen Palm hohe Lage von sehr schwarzer und sehr feiner Asche , sodann eine Lage Rapilli von etwa 9 10 Palm Stärke, darauf eine zweite Lage Asche etwa Y4 Pal^i dick und über dieser eine zweite Lage Rapilli, ebenfalls Y4 Palm stark; femer folgt eine dritte Lage Asche von l ^/2 2 Palm Mächtigkeit , über welcher wiederum eine dritte Ra- pillischicht von Y2 Palni liegt , so wie über dieser die vierte und letzte Lage Asche von 4 Y2 5 Palm Stärke sich findet, während endlich die bebaubare Erde 5 6 Palm stark den Schluss macht. Alle diese Lagen vulcanischer Producte liegen wellig und den Erhebungen und Senkungen des Bodens folgend, ohne dass zwischen denselben auch nur die leiseste Spur von Vegetation sich zeigte, ein klarer Beweis, dass die ganze Decke von jener ersten grässlichen Verschüttung herrührt.« Dies letztere ist vollkommen richtig ; wo aber Herr Bechi und Andere die vielerlei Schichten be- obachtet haben, möchte nicht leicht anzugeben sein.

5) zu S. 21. Ein sehr merkwürdiger Fall ist in den Ausgrabungsberichten von 1787 unter dem 30. August verzeichnet. »In dem Corridor eines Hauses mit Fuß- boden von gestampfter Erde und nicht beworfenen Mauern fand man ein menschliches Gerippe ; allein die Knochen lagen nicht an ihrem richtigen Orte, sondern durch den ganzen Raum zerstreut. Man fand femer das Skelett eines Hundes , und da jener Corridor von Verschüttungsmasse fast ganz leer, und die menschlichen Knochen an- genagt gefunden wurden, so ist daraus zu schließen, dass der Hund an diesem Orte länger am Leben geblieben ist , als der Mensch , und dass er sich einige Zeit von dessen Leichnam ernährt hat.a

6) zu S. 21. Dies geht aus den nüchternen Aufzeichnungen in den Tage- büchern der Ausgrabungen unwiderleglich hervor ; die Funde der Skelette sind im- mer mit Sorgfalt verzeichnet, weil sie gewöhnlich mit solchen von Werthgegenstän- den, Münzen und Schmuck verbunden sind , also von Dingen , welche viele Jahre hindurch den eigentlichen Gegenstand des Suchens und Nachgrabens ausgemacht haben ; auch die Situationen der Skelette , sofern sie irgend charakteristisch waren, sind zum Theil mit großer Genauigkeit verzeichnet (vgl. z. B. P, A. H, 1812, 1. Febr.), meistens aber alles Andere eher, als romantisch. Die Geschichte mit der Schildwache ist einfach Fabel , in der Grabnische links neben dem Thor wurde über- haupt kein Skelett gefunden, eben so wenig in der Halbkreisnische an der andern Seite der Gräberstraße und wiederum eben so wenig in dem tricUnium f Unehre (vgl. Pomp, ant. hist. 1763, 13. August: s. g. Schilderhaus; 1775, 14. und 28. Januar: tricUnium f Unehre ; 1811, 14. December : Halbkreisnische) . Einige in der That interes-

Anhang. Anmerkungen. 631

sante Vorkommnisse kennen dagegen die romantischen Erfindungen über Skelettfunde nicht, so z. B. , was P. A, H. 1787 , 14. Juni angeführt ist, wo man acht Skelette unter Mauertrümmem fand, oder was 1818, 5. und 9. Mai berichtet wird, dass man nämlich am Forum nahe beim luppitertempel ein Skelett unt«r einer umgestOrzten Marmorsäule fand , Thatsachen , welche mit zu den besten Beweisen für das mit der Verschüttung gleichzeitige Erdbeben gehören.

7) zu S. 21. Eine ähnliche Geschichte, die ich nicht zu bezweifeln vermag, ob- wohl die Ausgrabungsberichte auch von ihr nichts wissen, wird in der dem II. Bande des Mtt9. Borhon. angehängten Rekmone degU scavi S. 3 berichtet. Hier heißt es wörtlich .; »in einem Laden (außen an den älteren Thermen) fanden sich zwei Skelette, augenscheinlich einander umarmend , aus der Beschaffenheit von deren Knochen sich auf die Verschiedenheit ihres Geschlechts schließen ließ, sowie aus der Frische ihrer vollständig erhaltenen Zähne auf die Frische ihrer Jugend.«

8) zu S. 22. So wird außer von neueren Schriftstellern erzählt in den Ausgra- bungsberichten von 1765 d. 8. Juni, P, A, H, I, i, p. 172.

9) zu S. 22. Der ausführliche Fundbericht vom 12. December 1772 steht P, A. H. I, I, p. 268 f. Mit den 18 Skeletten Erwachsener fanden sich noch die zweier Kinder. Beiläufig sei hier bemerkt , dass in den verschiedenen Iläumen der s. g. Villa des Arrius Diomedes nach Ausweis der Fundberichte (1771, 9. März, 4. Mai; 1773, 6. 13. 20. Februar, 29. Mai; 1774, 30. Juli) außer den hier in Rede stehenden 20 noch weitere 14 menschliche Skelette nebst demjenigen einer Ziege und eines Hundes gefunden sind. Die Fundorte der meisten bestimmt der Plan La Vega s, P. A. H. Taf. IV— VI, Text I, n, p. 118 ff.

10) zu S. 23. Ganz ähnliche Funde wie die hier in Rede stehenden hat man gar nicht selten schon in früherer Zeit gemacht ; Skelette über den Rapilli und in der Aschenlage und zum Theil in dieser abgeformte Leichen sind z. B. verzeichnet P, A, H, I, I, p. 272 von 1773, 13. Februar (»man erkennt gut, dass die Personen, denen diese Skelette angehörten, nachdem sie den Fall der Rapilli überwunden hatten, in der Aschenüberschwemmung umgekommen sind«), I, iE, p. 33, 1786, 9. November (ebenso), p. 36, 1787 , 3. Juni und 14. Juni (zwei und acht Skelette über den Ra- pilli), p. 59, 1795, 13. Mai (zwei Skelette ebenso), I, in, p. 78 f. 1812, I.Februar (drei Skelette, 12 Palm über dem Boden in der Asche ; »alle drei Skelettte hatten in der Asche die Abdrücke der Körper, welche sie bekleidet hatten, zurückgelassen, aber man hat kein ganzes Stück davon aufheben können, weil, als man es versuchte, Alles gleich zerfiel«) u. dgl. m.

11) zu S. 25. Vgl. Winckelmann, Sendschreiben § 25, Fiorelli im Oiomak degli scavi fasc. 2, p. 60 sq. Die oft angeführte Inschrift Mommsen No. 3612 kann schon deshalb nicht mit Martorelli , Reg, theca calam. p. 37 , Winckelmann u. A. auf die antiken Nachgrabungen in Herculaneum bezogen werden, weil sie gar nicht daher stammt und auf Herculaneum nicht entfernt Bezug nimmt. Richtig fasst die ahdita loctty die hier erwähnt werden, unter Anderen O. Müller, Handb. d. Archaeol. § 251, 5.

12) zu S. 25. Vgl. Mommsen, /. Ä. iV. p. 1 12, C. /. L. X, p. 90 , und Fio- relli , Giomale degU scavi di Pompei fasc. 2, p. 57. Hier wird eine Notiz mitgetheilt, welche im Jahre 838 von Pompeji redet, und zwar als von einer »Stadt Campaniens, die nun zerstört ist« (urbs Campaniae nunc deserta] . Wohl mit Recht bezieht Fiorelli diesen Ausdruck nicht auf Altpompeji , von dem nur einige der oberen Theile der höchsten Gebäude aus der Verschüttung hervorgeragt haben können, sondern auf den Flecken, vielleicht müssen wir sagen das Städtchen Neupompeji, von dessen Ruinen in der Gegend des alten, aber weiter gegen den Vesuv hin zahlreiche Spuren gefunden worden sind. Vgl. noch Buü, delT Inst, 1865, p. 234 sq., wo Grabcippen aus dem 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung angeführt werden.

13) zu S. 26. Vgl. Fiorelli a. a. O. S. 58 und 59.

14) zu S. 26. FioreUi a. a. O. S. 60.

15) zu S. 26. Die Belege sind in den Tagebüchern der Ausgrabungen acten-

632 Anhang . Anmerkungen .

mäßig vorhanden ; außerdem ist aber hier ganz besonders auf einen in der Pomp, ant. hisl. I, Add. p. 177 ff. mitgetheilten Bericht von dem Director der Ausgrabungen M. Arditi vom Juli 1807 zu verweisen, welcher, als es sich unter Joseph Bonaparte um die Wiederaufnahme der Ausgrabungen handelte, für diese einen wohl- durchdachten, überaus lesenswerthen Plan entwarf, nach dem im Wesentlichen auch unter der folgenden Herrschaft Murats (1808 1815) gearbeitet wurde, und bei dieser Gelegenheit über die frühere Wirthschaft eben so klar wie bitter sich auslässt.

10) zu S. 27. Merkwürdiger Weise äußert sich Winckelmann in s. Send- schreiben 32 ff. über die Methode der Ausgrabungen , namentlich das Wiederver- schütten der gefundenen Gebäude nicht so ungünstig wie man erwarten sollte. Sehr unzufrieden aber war mit der ganzen Wirthschaft Kaiser Joseph IL, der 1769 den 7. April mit dem Könige (seit 1768 mit Josephs Schwester Caroline vermählt) und der Königin die Ausgrabungen besuchte. Der interessante Bericht über diese An- wesenheit Josephs in Pompeji steht Pomp. ant. hist, I, i, p. 228 sq. und ist pikant genug , um wenigstens Einiges daraus auszuheben. Gleich in dem ersten Bauwerke das er besuchte , der Gladiatorenkaserne , ärgerte sich der Kaiser darüber, dass man nicht alle Erde aus dem Innern fortgeschafft , sondern nur einen Gang rund um den Hof ausgegraben hatte ; darauf macht man ihm blauen Dunst vor , indem man »für ein paar Tage die Zahl der Arbeiter vermehrt hatte«, um vor dem Kaiser etliche Zim- mer auszugraben. Da fand man denn reiche Beute, der gegenüber Joseph den Zweifel aussprach , ob man nicht alle diese Dinge eigens hingelegt habe , um sie vor ihm su finden, worüber er dann freilich eines Bessern belehrt wurde. Auf diese Weise auf- merksam gemacht , wie reiche Schätze Pompeji berge, und nachdem er noch das un- fertig ausgegrabene Theater besucht hatte , fragte er den Director La Vega, wie viele Arbeiter bei den Grabungen verwendet würden. »Als er darauf gehört hatte, es seien ihrer 30, sagte er zum Könige, wie er erlauben könne, dass eine solche Arbeit so nachlässig betrieben werde.« Als man ihn beruhigen wollte, indem man ihm sagte, nach und nach werde Alles ausgegraben werden , antwortete der Kaiser, »dies sei ein Werk , an welches man 3000 Menschen stellen sollte , und ihm scheine, dass weder in Europa , noch in Asien , noch in Afrika oder Amerika ein ähnliches Werk sei,

welches dem Königreich zu ganz besonderem Glänze gereiche Auch die

Königin zeigte sich mit diesen Dingen sehr unzufrieden und drängte den König ver- eint mit dem Kaiser, größern Eifer hinter dieselben zu bringen.« Den Isistempel lobte der Kaiser sehr , »hörte aber nicht auf , den König mit den kräftigsten Mitteln anzu- spornen [non cessava di sHmolare con le maniere le piu forii il Rh) , er m6ge auf diese Dinge größern Werth legen.« Darauf führte man ihn zum Thore der Stadt (dem von Herculaneum), und er war wiederum sehr unzufrieden, dass nicht auch hier gearbeitet werde. Er fragte ferner, was es mit jenen Gebäuden auf sich habe, welche er nicht gesehn, und von denen man sage, sie seien wieder verschüttet. Als man ihm dieses bestätigte , wandte er sich an den König mit der Frage , wie er dergleichen erlauben könne. Die Art wie dieser arme Junge (Ferdinand war damals 18 Jahre alt) und wie seine Beamten sich verlegen entschuldigten, ist wahrhaft kläglich. Josephs Feuer- eifer und seine Sticheleien haben übrigens nicht viel geholfen , obgleich die Königin Caroline (denn dass sie regierte, weiß Jeder) etwas mehr Eifer in die Sache zu bringen wusste. Elende Knickereien und eine Menge halber Maßregeln haben aber gleichwohl noch lange die Ausgrabungen in sehr langsamem Gang erhalten.

17) zu S. 29. In dem officiellen Ausgrabungsberichte im letzten (XV.) Bande des Museo Borbonico wird S. 4 in der Note der damalige Obervorsteher Fürst San- giorgio Spinelli als derjenige genannt , dem die neue Methode horizontaler Nachgpra- bungen verdankt werde, allein darauf möchte ich nicht zu viel geben, da bekanntlich nicht nur im bourbonischen Neapel nützliche und schöne Erfindungen unterer Beamten den Spitzen der Behörden gut geschrieben werden. Wahrscheinlich ist einer der höchst achtbaren noch heute thätigen Gelehrten von Neapel der wahre Erfinder der neuen Methode; nach dem BidL arch, nap, N. S. 1, p. 140 wäre es der Architekt Gaetano Genovese gewesen.

Anhang. Anmerkungen.

633

18) sBii S. 30. Das ganze Areal der Stadt innerhalb der Ringmauern wird be- rechnet auf 662,684 D M., der bis 1878 ausgegrabene Theil auf 264,424 D M., so dass das Verhältniss des aufgegrabenen zu dem noch bedeckten Theile der Stadt sich genauer etwa wie 2:5 steUt: s. Pompet eic, II, p. 7.

19) zu S. 34. Über das Straßennetz Pompejis vgl. Nissen, Templum S. 63 ff.; Pomp. Stud. S. 544 ff.; Fiorelli, GU Scavi dal 1861 «/ 1872, Appendice, S. 10 ff.; V. Bezold, Buü. d, ImL 1880, S. 151 ff . ; Mau, ebenda 1881, S. 108 ff.

20) zuS. 36. Über die Baugeschichte vgl. Fiorelli, GU Scavi \^^\—\S12, S. 78 ff. ; Nissen, Pomp. Stud. S. 1 ff. ; Mau, Pomp. Beitr. S. 1 ff.

21) zu S. 37. Nach Nissen, Pomp. Stud. S. 465, 480, 530, liefilie Straße vor dem Stabianer Thor , links umbiegend , dicht an der Mauer entlang ; er versichert, <lem Thurm gegenüber, in einer Entfernung von nur 4M., den alten Straßendamm gesehen zu haben. Ohne Zweifel beruht dies auf Irrthum ; um hier sichtbar zu wer- den , h&tte der Straßendamm nahezu die Höhe der Stadtmauer haben müssen , was ganz unglaublich ist: es würde dies nicht nur zwecklos, sondern eine willkommene Hilfe für den Angreifer gewesen sein.

22) zu S. 40. Das Modell ist von Vincenzo Bramante, dem geschickten Restau- rator der Bronzen , und seinen Söhnen , Custoden von Pompeji, angefertigt worden. Von denselben verfertigte Modelle einzelner Häuser in doppelter Größe des Gesammt- modells besitzt der archaeologische Apparat der Universität Berlin und das archaeo- logische Museum in Jena ; einige weitere Modelle der Art sind noch bei Bramante vorräthig.

23) zu S. 49. Über die Thürme vgl. Mau, Pomp. Beitr. S. 21 1 ff. Zu berich- tigen ist das dort über jüngere Theile der Thürme Gesagte : eine genauere Prüfung ergab, dass dieselben modern sind. Der Sachverhalt am Südende des Forum triangu- läre (S. 47) ist erst durch die Ausgrabungen der letzten Jahre klar geworden; unser Plan gicbt zum ersten Mal das Richtige.

24)* zu S. 55. Über die Thore, namentlich das Seethor, vgl. Mau, Pomp. Beitr. S. ^33 ff. Die Beobachtung, dass der Kopf am Nolaner Thor ein Minervakopf ist, wird Herrn Dr. K. Lange verdankt. Dass das Herculaner Thor beim Neubau nach Osten verschoben wurde, ergiebt sich auch aus der Richtung der Straße, welche eben vor dem Thor eine Biegung nach Osten macht, welche an Ort und Stelle, namentlich für den im Thor Stehenden, weit deutlicher und überzeugender ist als im Plan. Über die schola Veit s. unten S. 401. Über das Stabianer Thor BuU. arch, napol, N. S. I, p. 186 tav. 8, flg. 10; Fiorelli, GU Scavi 1861—72, tav. XIV, 2. Die folgende Er- klärung der oskischen Inschriften ist die Nissen' s, Pomp. Stud. S. 497 ff. Etwas anders Fiorelli, Descr, S. 83, 153. Nissen' s Erklärung ist offenbar vorzuziehen, wenngleich die der zweiten Inschrift nicht recht befriedigt. Die Annahme, dass mit veru sarimi das Herculaner Thor gemeint ist, scheint unumgänglich.

25) zuS. 61. Folgende Straßenbreiten sind zwischen alten Häusern, nicht jünger als die Tuffperiode , gemessen. Die Breite des Fahrdammes ist dabei nur da angegeben, wo die älteste uns bekannte Normirung desselben erkennbar ist, diejenige, der die Trottoirsteine aus Lava mit der Inschrift ex, k, qtti (S. 58) angehören. Ältere Trottoirsteine als diese (die leicht zu erkennen sind) sind nicht nachweisbar. Ver- gebens bemüht sich Nissen (P. St. S. 536), auf andere Weise die älteste Breite des Fahrdamms zu finden : auf Behauptungen wie die , dass immer das größte Maß als das ursprüngliche anzusehen ist (a. a. O.) , können solche Untersuchungen nicht be- gründet werden. Die Straßenbreite der Kalksteinperiode ist nur an wenigen Stellen kenntlich.

Strada Stabiana : Strada Nolana :

Kalksteinperiode : Strada dell' Abbondanza . Östliche Fortsetzung derselben :

M. 7,15—7,47. Fahrdamm: 3,98

- 7,26—8,36. - 3,54—4,0

- 7,48; 8,36.

- 8,47; 8,53. - 3,96; 4,30

- 6,83

634 Anhang. Anmerkungen.

Strada di Mercurio, Kalksteinperiode: M.

7,96

Tuffperiode :

9,25;

9,58.

Strada delle Scuole :

8,06

Strada degli Augustali :

5,14

Fahrdamm: 2,45

Östl. Verlängerung, Kalksteinperiode : -

5,77;

6,32.

3,11

Vicus zw. 1, 3 und 1,4, Kalkstein periode : -

5,88

- VI,2 u. VI, 5

4,50

- VI, 13 u. VI, 14

5,0

3,0

- VIII, 3 u. VIII, 5

3,0

Nach dem im Text über die Prellsteine oder Cippen Gesagten ist Nissen, Pomp. St. S. 533 zu berichtigen. Zur Geschichte der Pflasterung in Rom vgl. Mommsen, Hermes XII, S. 486. Über die oskische Wegebauinschrift vgl. Btdl. napol. N. S. I, S. 81 ; Memoria della R. Accad. ercoL VII, Appendice ; Huschke. Osk. Sprachdenk- mäler S. 180; Corssen, Ep/teni. epigr. II, S. 166; Nissen, Pomp. St. S. 131. Die im Text gegebene Erklärung Nissen's ist wohl dort nicht ganz mit Recht als wahr- scheinlich bezeichnet, vielmehr ist ein 50 Fuß breiter Fahrweg eine sehr bedenkliche Sache (vgl. M. Voigt in Bursians Jahresber. XV (1878) S. 375 ff.). Dass der Fahr- damm der Stabianer Straße früher einmal auf 15 Fuß = 4,1 M. bestimmt war, ist möglich, wenn auch davon keine Spuren vorhanden sind.

26) zu S. 63. Die Vermuthung liegt nahe, dass in diesem kleinen Liocal, neben der Nische für den Maßtisch, ein mit der Controle der Maße beauftragter Beamter seinen Platz hatte.

27) zu S. 65. Die Inschrift des V. Popidius zeigt einen entschieden alterthüm- lichern Schriftcharakter als die der suUanischen Zeit zugeschriebenen Inschriften des kleinem Theaters, des Amphitheaters und der größeren Thermen. Es ist also auch des- halb wahrscheinlich, dass seine Quaestur vor die Deduction der Colonie ftlllt; vgl. Mommsen C. I. L. X, S. 93.

28) zu S. 66. Wenn die Inschrift /. R, N. 2255, C. L L, X , 816 wirtlich zum Augustustempel gehört, so standen an der Stelle desselben vorher Privatgebäude, da Mamia solo et pectmia sua baute.

29) zu S. 67. Von dem ältesten Durchgang ist nur der östliche Pfosten erhalten, aus ziegeiförmigem Kalkstein, auf der Nordseite mit Ziegeln unregelmäßig wechselnd ; daneben ein kleines Fenster. Darauf folgten zwei Durchgänge , der jetzige östliche und einer in der Mitte , wo jetzt der Brunnen steht. Noch später wurde dann der westliche dieser beiden Durchgänge geschlossen, nachdem sein westlicher Pfosten mit der anstoßenden Mauer zerstört war (63 n. Chr.?). An seiner Stelle wurde die ge- wölbte Nische mit dem Brunnen hergestellt , wobei an den Ostpfosten angemauert wurde, um die Nische dem gegenüberliegenden Laden entsprechen zu lassen. Diese drei Phasen entsprechen der Zeit des zweiten, dritten und letzten Decorationstils.

30) zu S. 68. Ursprünglich hatte dieser Bogen auch östlich eine Nische wie die der Nordseite ; die Zusetzung derselben wird von der Marmorbekleidung vorausgesetzt, indem der nördlich abschließende Marmorpilaster der Ostseite den Pfosten der Nische um 0, 18M. nach Süden überragt ; es gingen also der Marmorbekleidung Veränderungen voraus, sie ist jünger als der Bogen selbst. Als sie gemacht wurde, konnte eine Zeit- lang das Mauerwerk bloß liegen, und aus dieser Zeit kann die Pinselinschrift Vettium (C. 1, Z. IV, 675) stammen, deren junger Schriftcharakter also nicht, wie Nissen S. 319 meint, auf die Entstehungszeit schließen lässt. Der Thon ist kömig \ind von ungleicher Farbe ; die Priorität gegenüber dem östlich anstoßenden Bogen, mit sorg- fältig geschlemmtem, gleichmäßig rothem Thon, ist augenfällig. Nissens Annahme, das Bild des Nero habe wohl in einer der Nischen gestanden , der Bogen aber sei dem Tiberius gewidmet gewesen (S. 373), ist wegen der Größe der Inschrift unhaltbar ; sie ist 0,70 M. hoch, der erhaltene Theil 1,72 M. lang: wenn sie zum Bogen gehört, so kann sie nur die Hauptinschrift sein.

31) zu S. 75. Dazu kommt, dass das Forum trianguläre auch von dem westlich

Anhang. Anmerkungen. 635

unmittelbar anstoßenden Stadttheil überragt wird y welcher sich in ziemlich rascher Steigung zu 32,43 und weiter zu 33,30 M- erhebt. Die Bezeichnung dieses Platzes als arx scheint also wenig geeignet : die Burg musste doch vor allen Dingen als Zu- fluchtsort nach Einnahme der Stadt dienen können. Wenn dem gegenüber der Höhen- unterschied zwischen Capitol und Palatin ins Feld geführt worden ist , so kann dies wohl nur als ein Scherz gelten. Auch was Nissen neuerdings (Pomp. St. S. 338, 495) in dieser Beziehung vorbringt, kann wenig in Betracht kommen : ein Platz, auf wel- chem ein vom Meer aus sichtbarer Tempel liegt , und der für die Vertheidigung eine gewisse Wichtigkeit hat , wird doch dadurch nicht zur Burg. Und die Frage : »was in aller Welt sollte der Platz sonst sein«, welche nach Nissen (S. 236) jeden nähern Beweis unnöthig macht, kann uns keinen Eindruck machen.

32) zu S. 77. Die frühere Gestalt der Treppe ist nachgewiesen bei Nissen, Pomp. St. S. 257.

33) zu S. 84. Auf die von Nissen, Templum S. 162 ff. aufgestellte Theorie von der Orientirung der Tempel kann hier nicht eingegangen werden. In Pompeji sind augenscheinlich keine derartigen Theorien zur Anwendung gekommen, sondern man hat da (abgesehen von dem griechischen Tempel) die im Text citirte Vorschrift Vitruvs befolgt, welche Nissen S. 175 sich nicht scheut, auf ein griechisches Compendium zurückzuführen, während sie doch augenscheinlich der italischen Praxis entstammt.

34) zu S. 85. Die Basis steht an ihrem Ort, wie die Fußbodenreste bezeugen; ihre Stellung neben der Axe ist eine auch für den dürftigen Jüngern Bau höchst auf- fallende Nachlässigkeit. Wollte man sie daraus erklären, dass sie aus dem alten Bau stammte und an ihrem alten Ort stehen geblieben wäre, so müsste der alte Bau zwei Basen für zwei Oötterbilder gehabt haben, deren eine beim Neubau entfernt wor- den wäre.

35) zu S. 87. Acht Frontsäulen nahm Mazois wohl nur an , weil er wegen der breiten Umgänge hier einen Pseudodipteros erkannte, für welchen dies nach Vitruv die regelmäßige Zahl ist. Für einen solchen aber ist es wesentlich , dass den Seiten- wänden zwei Frontsäulen entsprechen, was hier nur durch Annahme von 4, 10 oder 7 Säulen erreicht werden kann : Zahlen, die aus verschiedenen Gründen gleich unzu- lässig sind. Reste von Frontsäulen sah Mazois gewiss nicht , und es liegt keine der- artige Aussage von ihm vor. Wie Breton (Pompeia, S. 44) da, wo seitwärts die Quadermauer vorgelegt ist, einen Seiteneingang in die Cella erkennt, ist schwer verständlich.

36) zu S. 89. Schwerlich auch älter als das Grab der Mamia, wohin nach Nissen später das Begräbniss der Priesterinnen verlegt wurde. Über die vermeintliche Ana- logie des Begräbnisses der römischen Vestalen s. Jordan in Bursians Jahresber. XV (1875) S. 414.

37) zu S. 90. Obiger Sachverhalt wurde im Sommer 1882 durch Nachgrabung festgestellt. Der Curiosität halber sei erwähnt, dass Nissen (Pomp. St. S. 338) hier den Tempel der Vesta erkennt und zweifelt , dass dagegen irgend ein ernste Prüfung erheischender Grund geltend gemacht werden könne. Eine CellaÄiauer des Vesta- tempels geht doch schon aus der von Nissen citirten Ovidstelle (FasL VI, 291) her- vor und ist überdies selbstverständlich ; für einen Heerd in Form einer Brunnen- mündnng sind die »mancherlei Analogiena der »Feuerstätten in den ältesten Atrien« nicht vorhanden : s. Mau, Pomp. Beitr. S. 89 f.

38) zu S. 91. Nach Servius zu Aen. I, 422 muss die nach etruskischem Ritus gegründete Stadt drei Tempel, des luppiter, der Inno und der Minerva, haben ; vgl. Vitruv I, 7 (der übrigens nicht die Haupttempel hierfür beansprucht) . Da nun, so argumentirt Nissen, die drei Haupttempel Pompeji' s nicht dieser capitolinischen Trias, sondern luppiter, Ceres und Venus geweiht waren, so kann dieselbe Trias (als Ceres, Liber, Libera, wie im Cerestempel zu Rom) auch im luppitertempel vermuthet wer- den. Nun ist Nissens Zutheilung des Apollotempels an Ceres irrig, die des griechi- schen Tempels an Venus Pompeiana sehr zweifelhaft. Und wenn auch Venus und Ceres in Pompeji besonders verehrt wurden, so wissen wir doch durchaus nicht, dass

636 Anhang. Anmerkungen.

sie mit luppiter als Trias gefasst wurden. Und gesetzt, dass der Venus Pompeiana und dem luppiter alteinheimische Gottheiten, Liber und Libera, zu Orunde liegen, so beruht doch die aus Griechenland stammende Trias Ceres, Liber, Libera darauf, dass durch Graecisirung Libera zur Kora (Persephone) , Liber zum lakchos wird. Hier aber müsste jene zur Aphrodite-Venus, dieser zum Zeus und weiter zum luppiter opti- mus maximus geworden sein. Oder sollen sie erst graecisirend zu Kora und lakchos, dann durch die Sullaner zu Venus Pompeiana und luppiter o. m. geworden sein? Bei so complicirtcn Annahmen verlieren wir jeglichen Anhalt. Was femer die Hand mit der Blume betrifft, so gehört erstens die Blume nicht zum Typus der Venus Pom- peiana, zweitens ist es nicht unmöglich, dass sie auf Irrthum beruht, und die vergol- dete Blume Amicone's mit den vergoldeten Ähren und den Mohnköpfen des officiellen Berichts identisch ist : es ist dies mindestens ebenso glaublich, als dass letzterer die Blume übergangen haben sollte. Ist aber Nissens Auffassung der Berichte richtig, so war die Venusstatue kleiner als die beiden anderen. Nun fanden sich aber in der Cella Reste von mindestens zwei männlichen Kolossalstatuen (21. Jan. 1817: tesla eoloBsale che rappresenta nn vecchio) . Kolossalstatuen konnten aber nur auf der großen Basis stehn. Also entweder gehörte diese zweite männliche Kolossalstatue nicht zum Tempel (und mit welchem Recht dürfen wir dies dann von den im Keller gefunde- nen Fragmenten behaupten?) oder sie hat mehr Anspruch, neben luppiter und Ceres den dritten Platz einzunehmen, als die nicht kolossale Venus. Andere Sta- tuen, deren Fragmente in der Cella gefunden wurden, konnten vielleicht in den Inter- columnien der obem Säulenstellung stehn . Der schöne Zeuskopf, auf Grund einer Photographie abgebildet bei Overbeck, Atlas der griech. Kunstmythologie, Taf. I, No. 3 und 4 [Mtis. Borb, vol. V, tav. 9 giebt kaum die flüchtigste Vorstellung), ist aus griechischem Marmor. Für den im luppitertempel gefundenen gilt er sowohl in Gerhardts und Panofka s, wie in Finati's Verzeichniss der neapeler Sammlungen (dort No. 401, hier No. 468); ihn meint auch Fiorelli Dmct. p. 255.

39) zu S. 95. Über Bauart, Maße und Decoration des Tempels s. Mau, Pomp. Beitr. 8. 200 ff., wo auch auf S. 207 über die angeblichen Reste eines altem Baues (Nissen S. 320) das Nöthige gesagt ist.

40) zu S. 96. Die Inschrift ist gedruckt Bull, d. Inst. 1882, S. 223, und lautet :

0. Kamj^anns . . kva]isstur kombenni^ns tangimtd] Appellimm ^Hudfid

ops^nwi aamariaff)nd.

41) zu S. 97. Die Ostseite des Tempelhofes liegt genau in der Verlängerung der Westseite des Vico deüa Fuüonica; eine fast ganz parallele Linie bilden Mercur- straße (namentlich der alte nördliche Theil) und Sirada deüe Scttole. Wenn die Axe des Forums von diesen Linien abweicht, so kann das nur auf nachträglicher Verände- rung beruhen. Unser Plan ist für diese Fragen nicht genügend. Der luppitertempel folgt der neuen Orientirung des Forums, ist also jünger als der Apollotempel; nur für ihn könnte es in Frage kommen , ob seine Orientirung auf sacralen Gründen be- ruhe und für die des Forums maßgebend gewesen sei. Doch kann das Verhältniss eben so gut umgekehrt und die Verschiebung der Forumsaxe aus dem Bestreben her- vorgegangen sein , die Schiefwinkligkeit gegen die Östlich einmündenden Straßen zu vermindern.

42) zu S. 98. Über den Verschluss gegen das Forum siehe Nissen, Pomp. St. S. 218 ff., berichtigt durch Mau, Pomp. Beitr. S. 99 ff., letzterer wieder zu berich- tigen durch das im Text auf Grund einer Beobachtung Herrn Dr. K. Lange's über die Brüstungsmauern Gesagte.

43) zu S. 99. So wie im Text ist die Inschrift erklärt von Brizio [Giom. d. Sc.

1, p. 249), de Petra (ebenda II, p. 231) und Fiorelli (Descr. p.24l). Anders Schöne Bull. d. Inst. 1866 p. 11 und Nissen, Pomp. St. S. 218 ff., welchem Ussing (Obser- vations SpigrapMqx^es , in RisumS du Bulletin de VAcadhnie Royal Danoise des Sciences et des Letlresy 1878 p. 2 1), widerspricht. Schöne's und Nissen's Erklärung, dass es sich um die Schließung der Öffnungen gegen das Forum handle, ist voreilig gebilligt bei Mau, Pomp. Beitr. S. 99. Jemandem das Licht verbauen heißt zwar lunUmbus opstruere

N

Anhang. Anmerkungen 637

oder ofßeere ; aber itts htminihug opstruentU und ius luminum opstrttendorum sind gram- matisch gleichwerthig (Ussing a. O., Zumpt, lat.Qramm. §657, S.429 der 12. Aufl.), und es ist nicht glaublich, dass Worte, welche in der Rechtssprache eine feststehende und allgemein bekannte Bedeutung haben, hier in ganz anderem Sinne gebraucht sein sollten, um nämlich etwas zu bezeichnen, was es rechtlich nicht giebt : das Recht im Hause «eines Andern die Thüren zuzumauern. Femer ist U8qi4e ad tegulas bei Nissens Erklärung ein müssiger Zusatz und ein ganz unzutreffender Ausdruck für eine Anzahl Mauerstücke verschiedener Höhe, während bei der unserigen diese Worte einen guten Sinn haben. Was das rechtUohe Verhältniss betrifft, so sind wir wohl nicht genügend unterrichtet , ob die Trennung zwischen Stadt- und Tempelgut in Pompeji scharf durchgeführt war , und wenn, so ist es sehr möglich, dass die bis- her als öffentlicher Durchgang benutzte, ursprünglich an die Stelle einer Straße ge- tretene Westporticus als Stadteigenthum betrachtet wurde; privattis mtiss hier den Gegensatz von communis bezeichnen. Die alte Südöffnung dieses Durchganges ist daran kenntlich, dass der Pfeiler zwischen dem schmalen Gang und dem anstoßenden Laden auch gegen den Gang senkrecht, wie gegen eine Thüröffnung abschließt und hier eine Einkerbung für eine Schwelle hat, während doch der Gang in dieser Breite nie benutzt worden sein kann. Nissens Meinung, dass das Nebenhaus nach 63 sich nach Osten ausgedehnt und eine 2,46 M. breite Straße occupirt habe (S. 221), wider- legt sich theils durch das im Text über den ursprünglichen Straßenzug Gesagte, theils durch die Beobachtung, dass das Haus seine jetzige Ausdehnung nach Osten schon in einer Zeit hatte, wo man mit großen Kalksteinblöcken baute und im zwei- ten Decorationsstil malte. Übrigens führte die Sackgasse hinter der Fruchthalle (gr. Plan XVII) einst ebenso auf die Osthalle des Tempelhofes zu, welche aber schon seit viel früherer Zeit nicht mehr jls Durchgang diente (Mau, Pomp. Beitr. S. 103 ff.).

44) zu S. 99. S. Mau, Pomp. Beitr. S. 94.

45) zu S. 103. Der Platz des ApoUon ergiebt sich aus der Entfernung (0,37 M.) der Löcher mit Bleiyerguss in dem Plinthos der Basis, welche genau der Entfernung der Punkte entspricht, mit welchen die Füße der Statue den Boden berühren. Die Füße standen in der Diagonale auf den Eingang zu, so dass der günstigste Anblick von Westen war. Dass auf der ganz gleichartigen gegenüberliegenden Basis Artemis stand , ist selbstverständlich ; auch ihre Füße standen in der Diagonale gegen die Thür, so dass sie dem Hofe und dem Apollon den Rücken zeigte, wenn nicht, was wahrscheinlich ist, der Oberkörper eine Wendung nach links machte. Für Aphrodite und den Hermaphroditen bleiben dann die beiden Basen der Vorderseite übrig. Den Nachweis der auf den Hermes bezüglichen Pausaniasstelle (VIII, 39, 6) verdanke ich C. Robert.

46) zu S. 105. Über die Reste des alten Baues, die späteren Veränderungen sowie die Maße s. Nissen, Pomp. St. S. 170 ff.; Mau, Pomp. Beitr. S. 23. Die im Text gegebene Darstellung beruht, was die Funde betrifft, auf den Ausgrabungsbe- richten, der einzigen authentischen Quelle.

47) zu S. 106. Dass dies der mit Sulla befreundete Archimimus Sorex sein sollte (Plut. Sulla 36 ; Mommsen C. I. L. X, 814) ist deshalb nicht glaublich, weil es bei dessen Tode doch schwerlich schon moffistri pagi mig. fei, gab.

48) zu S. 111. Vgl. Nissen, Pomp. St. S. 175 ff., Mau, Pomp. Beitr. S. 227 ff. Mit ganz unhaltbaren Gründen will Nissen die Vorder- und Rückmauer des Hofes einem spätem Umbau zuschreiben ; namentlich die Vordermauer ist dem Tempel gleichartig. Richtig ist es aber, dass die linke Wand des Hofes älter ist als diese Mauern und der Tempel; und da an ihr keine Maueransätze vorhanden sind, so scheint es , dass hier schon vor dem Bau des Tempels ein freier Platz war. Und so wäre es wohl möglich, dass hier schon früher ein Tempel (der des Zeus Meilichios?) gestanden hätte.

49) zu S. 113. Die Statuen sind abgebildet bei von Rohden, die Terracotten von Pompeji, Taf. XXIX, besprochen ebenda S. 20 f., 42 f. Der Kopf an dem Ca- pitell ist von vandalischen Besuchern Pompejis abgeschlagen worden. Fontana's

638 Anhang. Anmerkungen.

Canal ist in Pompeji nicht von oben gegraben^ sondern als Stollen unter dem Stadt- hügel durchgetrieben worden. Die antike Oberfläche berührt er nur in der durch die Stabianer Straße bezeichneten Einsenkung, und zwar in der Straße selbst, im Hofe des Tempels, im anstoßenden und im schräg gegenüberliegenden Hause (unser Plan giebt ihn nicht ganz richtig an] . Nur hier also konnten die Inschriften gefunden werden, und dann natürlich am wahrscheinlichsten im Tempelhofe. Der Tempel wurde wahrscheinlich Capitolium genannt (O. Kuhfeldt, de capitolm imperii Romani^ Bero- /mil882).

50) zu S. 117. S. Nissen, Pomp. St. S. 178 ff.

51) zu S. 119. Nissen, Pomp. St. S. 270 ff. bringt die Orientirung des Tempels (71^ 15') mit dem Sonnenaufgang am 1. Mai, dem Fest der Laves praesiites und des Genius Augtisä zusammen. Doch wird es erlaubt sein, zu zweifeln^ ob hier etwas Anderes maßgebend war als die Form des verfügbaren Grundstücks und die Richtung der hier früher auf das Forum mündenden Straße, von der nur wenig zu Qunsten eines etwas weniger schiefen Winkels mit dem Forum abgewichen ist. Es beruht wohl auf einem Miss verständniss, wenn Fiorelli (Descr. S. 262) angiebt, die Inschrift der Mamia sei genau so lang wie das Qebälk des Tempels. Dies konnte nicht mehr als 5 M. lang sein, während die Inschrift etwa 8 M. messen musste. Auch das Podium (7,20 M.) würde kaum ausreichen ; sie kann nur über der Thür des Tempelhofes an- gebracht gewesen sein, wobei freilich der von den Maßen hergenommene Beweis weg- fällt. Über Bauart und nachträgliche Veränderungen vgl. noch Mau, Pomp. Beitr. S. 255 ff.

52) zu S. 122. Nach Niccolini soll hier ein Kasten mit 1128 sUbernen und bronzenen Münzen gefunden worden sein ; doch deutet der Bericht Amicone's [Pomp, unt. hist. III, I, p. 31 32) auf den Hauptraum, und wohl mit Recht verlegt Fio- relli [Descr. S. 265) diesen Fund links vom Nordeingang; so auch Nissen, Pomp. St. S. 283.

53) zu S. 123. S. Nissen S. 279. Die Ausgrabungsberichte wissen von diesem Funde nichts. Übrigens kann fruUa di mare wohl nur Muscheln, nicht Fischgräten bezeichnen.

54) zu S. 123. Der Eingang c ist nicht erst nachträglich aus einem zwölften Laden (f) hergestellt worden ; es ist hier vielmehr alles aus einem Guss.

55) zu S. 125. Die im Text gegebene Zeitbestimmung ist im Wesentlichen Nissen, Pomp. St. S. 282, entnommen, welcher freilich zu einem noch enger um- grenzten Resultat kommen zu können glaubt. luppiter, so argumentirt er, konnte in der Hauptnische nur vor dem Tode des Augustus (14 n. Chr.) stehen; dann standen in den Seitennischen Augustus und Livia, Tiberius und Drusus : eine nach Nissen unannehmbare Combination , da Germanicus , Neffe und Adoptivsohn des Tiberius, nicht fehlen durfte. Deshalb ist der Gedanke an luppiter aufzugeben : in der Haupt- nische stand der Divus Augustus (nach 14 n. Chr.), in den Seitennischen Livia und Tiberius, Drusus und Germanicus. Mithin fällt der Bau zwischen 14 und 19 n.Chr., d. h. vor den Tod des Germanicus. Bei dieser Beweisführung ist vorausgesetzt, dass die Gründung eines solchen Heiligthums unmöglich war, sobald die in Betracht kommenden Mitglieder der Kaiserfamilie in ungerader Zahl waren. Dies kann aber nicht zugegeben werden ; vielmehr musste es in einem solchen Falle möglich sein, sich durch Auslassung oder Hinzufügung (z. B. Sejan's) zu helfen.

56) zu S. 126. Eine Fleischbank erkennt hier auch Nissen; freilich diente dieselbe nicht , » um die geschlachteten Thiere zu zertheilen « , sondern einfach zum Verkauf.

57) zu S. 127. Für ein Macellum erklärt das Gebäude nach Bunsen's Vorgang auch Nissen (Pomp. St. S. 275 ff.); nur verdirbt er die Sache, indem er es mit Ge- walt zum Schlachthaus machen will und daran die seltsamsten Combinationen knüpft, während maceUum nur eine Victualienmarkthalle ist. Als solche wird es stets bei den Alten erwähnt (z. B. Dio 61, 18 ot^opa täv o^cdv); nur ganz einzelne Spuren führen darauf, dass in einigen Macellis auch geschlachtet wurde. Das Wort bedeutete wohl

Anhang. Anmerkungen. 639

im Griechischen ursprünglich eine Einfriedigung (s. Hesych. s. v. ; so kommt Ma- keila auch als Stadtname vor) ; Varro bezeugt , dass es bei den Lakedämoniern noch zu seiner Zeit das/ortm» oUioritnn bezeichnete. Das erste römische Macellum entstand aus einem Fischmarkt (Jordan, Hermes II, S. 90 ff.). Von mactare kann das Wort nicht kommen, höchstens von dem supponirten macere fmaeulum. Deminutiv macel- lum J, von dem wir keineswegs wissen, dass es »schlachten« hieß (vgl. macte virtute esto). Es ist aber ganz unwahrscheinlich, dass der Name einer relativ jungen Ein- richtung von jenem verschollenen Verbum abgeleitet sein sollte (wir erwarten maclar- btilumy mactatorium), und nicht weniger unpassend ist das Deminutiv, da ein Öffent- liches Schlachthaus doch größer sein musste als frühere Privatschlachtstellen. Als griechisch betrachtet das Wort auch Fick, Wörterbuch II, S. 180, und neuerdings F. O. Weise, die griech. Wörter im Latein, S. 32 f. Ein ähnlicher JBau wie das pompejanische Macellum scheint das von Puteoli gewesen zu sein, dessen Reste im Jahre 1847 gefunden wurden: s. Gervasio, Sopra cUcune iscrizioni riguardanti il ma- cello neir antica Pozzuoli S. 4.

58) zu S. 131. Nissens Vermuthung (Pomp. St. S. 305), es sei ein Heilig- thum des flavischen Kaiserhauses, ist unhaltbar wegen des aus der Wandmalerei sich ergebenden Alters des Baues: s. Mau, Pomp. Beitr. S. 256. Die Annahme eines Daches stößt auf die größten Schwierigkeiten : man versuche nur, sich klar zu machen, wie dasselbe etwa mit den Dächern der beiden Seitennischen und der im Hintergrunde zusammengehen konnte. War aber der Raum nicht bedacht , so konnte er natürlich kein Sitzungssaal sein.

59) zu S. 132. Dass die Front der Säulenhalle einst weiter zurück gelegen haben sollte (Nissen, Pomp. St. S. 289), ist nicht wahrscheinlich, weil dann doch wohl die alten Fundamente sichtbar sein würden. Mazois' Restauration benutzt das Vorspringen der Wände an beiden £nden ; wie es in der Mitte war, wird dadurch nicht erklärt.

60) zu S. 133. Obiges ist die Meinung Bechrs (del calcidtco e della cripta dt Etimachta, Napoli 1820). Nissen (Pomp. St. S. 287 ff.) erklärt frischweg das ganze Gebäude für eine Fullonica , mit Berufung auf Fiorelli , welcher von 10 vasche dt dt- versa dimemione, 2 lavcUoi e 10 bocche dt cistema spricht. Wie soll aber Fiorelli mehr gesehen haben als Bechi und Mazois, die Zeitgenossen der Ausgrabung? In Wahr- heit sind die vasche nur die im Text erwähnten , von Fiorelli vermuthungs weise auch auf der linken Seite angenommenen länglichen Aufmauerungen, die lavatoi die beiden Vorrichtungen bei d, die hocche dt cistema die sechs Bassins an der Rinne , nebst den drei im Text angegebenen Cistemenmündungen und einer vierten, welche, der dritten entsprechend, vermuthungs weise auf der linken Seite angenommen ist. Ein Blick auf Fiorelli's Plan lässt darüber keinen Zweifel. Dass einst an der Eingangswand einer der gewöhnlichen Brunnen aus Lava gestanden habe, hat Nissen irrthümlich aus den Ausgrabungsberichten herausgelesen , welche zweifellos von dem Brunnen reden , welcher in einer Nische an der Nordseite der das Forum westlich vom lup- pitertempel begrenzenden Mauer steht (Anm. 29). Hier fehlt also alles das, was für eine Fullonica charakteristisch ist (vgl. S. 390 ff.), worüber freilich Nissen (S. 295) sich sehr leicht hinwegsetzt. Dass die Umgänge ein flaches, terrassirtes Dach hatten (wie man Bunsen erzählte) , ist deshalb nicht recht glaublich, weil es an einem geeig- neten Aufgange fehlt ; die wenig zugängliche Treppe in / ist doch dafür nicht genügend.

61) zu S. 134. Vgl. Pomp, anl, hisL I, 3, p. 210.

62) zu S. 136. Vgl. Nissen, Pomp. St. S. 291. 301 ; Mau, Pomp. Beitr. S. 255, wo gezeigt ist, dass von den beiden von Nissen aufgestellten Möglichkeiten (Tiberius und Nero) die von ihm verworfene den Vorzug verdient.

63) zu S. 136. Den Kern des Säulenstuhles bilden Tuffquadem, und es hat ganz den Anschein, dass er ursprünglich nur aus diesen bestand. Also entweder be- gnügte sich Eumachia mit einem einfachen Tuffsäulenstuhl, und die Marmorbeklei- dung geht auf eine spätere Verschönerung zurück , oder sie benutzte den Säulenstuhl eines hier schon früher vorhandenen Gebäudes.

640 Anhang. Anmerkungen.

64) zu S. 138. Vgl. Nissen, Pomp. St, S. 185 ff., Mau, Pomp.Beitr. S. 152ff., wo das über die Thür bei h Bemerkte nach dem im Text Gesagten zu berichtigen ist. Seltsam sind die Bemerkungen Nissen' s zu der im Text besprochenen Vermuthiing Schöne's : nachdem er erwiesen , dass diejenigen Eigenthümlichkeiten des Gebäudes, auf welche jene Vermuthung sich gründet, auf Veränderungen nach 63 zurückgehen, bemerkt er, dass es schwer fallen würde, gegen dieselbe einen stichhaltigen Einwand zu erheben. Aber was spricht denn nun noch für dieselbe? Nach Nissen die Beob- achtung, dass, wenn man sich mit Hinzuziehung des Trottoirs und Benutzung der in dasselbe eingesetzten Pfähle Seile gezogen denkt, gerade 30 Abtheilungen entstehen, so dass also der abstimmende Bürger über Seile kletternd an seinen Platz gelangt wäre.

65) zu S. 142. Vgl. Nissen, Pomp. St. S. 306 ff., welcher in dem mittleren Gebäude das Aerarium, in dem rechten den Sitzungssaal der Decurionen, in dem lin- ken das Local der Duumvim erkennt. Für das Aerarium stützt er sich eigentlich nur auf gewisse coffres de pierre mit einigen Gold- und Silbermünzen, von deren Funde Breton spricht. Aber wo sollen denn die geblieben sein ?

66) zu S. 145. Nach Nissen, Pomp. St. S. 205, war die Basilika ursprünglich ohne Tribunal , und hinten wie vom geöffnet ; die Widerlegung dieser Ansicht bei Mau, Pomp. Beitr. S. 156 ff. Auch die Apsis der Constantinsbasilika in Rom ist durch ein Loch im Boden mit einem untern Räume verbunden.

67) zu S. 146. Die im Text angedeutete Restauration ist näher begründet bei Mau, Pomp. Beitr. S. 165 ff. Eine andere Restauration, mit überhöhtem Mittelschiff, wird nächstens von anderer Seite versucht werden, einstweilen halten wir unser Urteil über dieselbe zurück. Über die Auffindung der kleineren Säulea in der Basilika selbst s. Pomp, ant. hist. I, iii, p. 113 f.

68) zu S. 149. S. hierüber Nissen, Pomp. St. S. 203.

69) zu S. 150. Vgl. Mau, Pomp. Beitr. S. 163 ff.

70) zu S. 150. Ein in einem benachbarten Hause gefundenes Gebälkstück mit der Inschrift M, Artorius M. l. Prim ... C. /. Z. X, 807 auf das Tribunal (Jier Ba- silika zu beziehen, scheint kein genügender Grund vorzuliegen.

71) zu S. 152. Über die Benennung des Gebäudes, seine Maße, seine Verkür- zung zu Gunsten des Isistempels , die dort gefundene Statue, vgl. Nissen, Pomp. St. S. 158 ff. ; über die Maße außerdem Mau, Pomp. Beitr. S. 21. Ein oberer Um- gang ist bei der großen Schlankheit der Säulen nicht anzunehmen ; die an die Süd- mauer angelehnte Treppe gehört zum Theater.

72) zu S. 152. Das Nähere in den Ausgrabungsberichten von 1788, Pomp. ant. hisl, I, II, p. 41 f., und in den Addenda, p. 168, aus welcher letztern Stelle ersicht- lich , dass der Name des Gebäudes von Romanelli ausgegangen.

73) zu S. 159. Nissen, Pomp. St. S. 244 ff., sucht zu erweisen, dass die Mar- morstufen nicht von den Holconiem, sondern von einer zur Zeit des Unterganges noch nicht vollendeten Erneuerung herrühren , und legt besonderes Gewicht darauf, dass eine der Treppen zwischen den ctmei aus Tuff erhalten ist. Dieselbe ist aber so sicher modern, wie irgend etwas in Pompeji; das alte Tufftheater hatte ohne Zweifel Lavatreppen. Dasselbe gilt von dem obersten Gesims; dass für dasselbe antike Frag- mente benutzt sind, ist möglich, aber nicht erweislich. Übrigens wäre es doch auch nicht unmöglich, dass man dies hätte von Tuff lassen wollen. Die nicht g^anz glatte Bearbeitung des Marmors beruht wohl darauf, dass dies zum Sitzen am be- quemsten war. Die von Nissen nicht gefundenen Zahlen sind nach wie vor vorhan- den. An der Scenawand sind keineswegs so deutlich, wie Nissen meint, zwei Perioden zu unterscheiden , und überhaupt ist von einer spätem Restauration als die der Hol- conier keine sichere Spur nachweisbar.

74) zuS. 172. Nissen, Pomp. St. S. 118 ff., 240, hat die Erbauungszeit des kleinen Theaters und des Amphitheaters noch genauer zu bestimmen gesucht ; über den dabei begangenen Irrthum s. Mommsen, C 7. Z. X, 844.

75) zu S. 173. In mehren deutschen und französischen Schriften wird dieser durch sehr viele eingekratzte Inschriften wichtige Corridor als Gasse oder Gässchen,

Anhang. Anmerkungen. 64 1

vicoUUo del Teairo, rueUe du ihSäiren.B,yr. bezeichnet; es verdient aber hervorgehoben zu werden, dass derselbe sicher keine Qasse, sondern ein an beiden Enden ver- schließbarer, zum Theil überwölbter Qang ist.

76) zu S. 176. Über die Amphitheater und Gladiatorenkämpfe, sowie Alles, was damit zusammenhängt, ist besonders auf das Buch von Ludw. Friedländer: »Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms«. 5. Aufl. Band 11, S. 318 ff. zu verweisen.

77) zu S. 178. Siehe das Verzeichniss bei Friedländer a. a. O. S. 502 ff.

78) zu S. 180. Über das Amphitheater von Capua vgl. besonders die neueren Untersuchungen im Mm. Borhon, vol. XV mit den Tafeln 37 39 und 41 (von Rucca) und s. Friedländer a. a. O. S. 510.

79) zu S. 186. Es ist nicht etwa anzunehmen, dass sich die Brüstungsinschriften auf eine Erneuerung der Stufen beziehen. Denn dass etwa in früher Kaiserzeit die Sitze schon emeuerungsbedürftig gewesen sein sollten, ist nicht glaublich. An das Erdbeben aber zu denken ist noch weniger zulässig , theils weil damals die Stufen schwerlich leiden konnten, zumal die Bögen unverletzt blieben, theils weil sie zu ver- nutzt sind, um aus so später Zeit zu stammen. Ältere und jüngere Stufen zu unter- scheiden, scheint unmöglich ; vielfache Prüfung führt immer wieder dahin, dass die vorhandenen Unterschiede auf verschiedener Härte des Steins beruhen. Irrthümlich meint Nissen, die eine der Brüstungsinschriften (C. /. L, X, 857) könne frühestens der claudischen Zeit angehören : N. Istacidius N. f. Cilix kann eben so gut Patron als Nachkomme des N. Istacidius Helenus (ebenda 1027) sein. Über die Datirung des ganzen Baues, s. oben Anm. 74.

80) zu S. 186. Eine neue Abbildung nach Zeichnungen von Morelli von 1822 und den im Museum befindlichen Resten s. in Mus, Borb, vol. XV, tav. 29 und 30.

81) zu S. 187. Wir kennen aus Pompeji bis jetzt im Ganzen sechs Gladiatoren- familien; s. die Namen ihrer Inhaber oben S. 474, Note ****.

82) zu S. 190. Ebenso in der neueren Abbildung Mus, Borhon, vol. XV, tav. 30.

83) zu S. 192. Ein Kampf mit Bären wird in einer Anzeige ausdrücklich er- wähnt, indem es dort heißt: et Felix ad ursos pugndhit. C, I, L, IV, 1989.

84) zu S. 192. Vgl. Nissen, Pomp. St. S. 392 f.

85) zu S. 193. Von neueren Schriftstellern über Pompeji, soweit solche in Be- tracht kommen, ist nur E. Breton, auch in der neuesten (3.) Auflage seines Buches, Pompeia, Paris 1870, bei der Benennung quartier des soldats für die Gladiatoren- kaseme stehen geblieben und hat dieselbe zu rechtfertigen versucht; gewiss vergebens.

86) zu S. 195. Fiorelli (Gli Scavi dal 1861 al 1872, appendice p. 14) berechnet die Zahl der Zuschauer welche im pompejanischen Amphitheater Platz fanden, auf 12807. Vgl. jedoch Nissen, Pomp. St. S. 116.

87) zu S. 196. Über den Fund dieses Eisens vgl. Pomp, ant, Mst, I, i, p. 197. Man fand in demselben Zinuner, nicht aber in dem Eisen, wie einige neuere Schrift- steller angeben, vier Gerippe.

88) zu S. 196. Abgebildet m.Buü, arch. Napolit, N. S. vol. I, tav. 7.

89) zu S. 196. Nach Mazois war 10 die Küche ; doch handelt es sich wohl um ein Missverständniss : in 1 0 ist von dem Heerd keine Spur , und es ist klar , dass er dort nie war , während in 1 3 an der Südwand mehre Heerde verschiedener Größe er- halten sind. Das Gefängniss ist in 1 7 nach Fiorelli angenommen worden ; die Aus- grabungsberichte enthalten keine deutliche Angabe.

90) zu S. 198. Die Eingangshalle lag ursprünglich niedriger ; ihr Boden wurde wohl erhöht beim Bau des kleinen Theaters. Doch mündete schon früher der Weg von der Stabianer Straße in ihr Südende ein. Über die Maße der Gladiatoren- kaseme Genaueres Mau, Pomp. Beitr. S. 24.

91) zu S. 199. Vgl. besonders die neuesten Zusammenstellungen in Beckers Gallus, 3. Aufl. von Rein, Leipzig 1863, m, S. 68—114. Marquardt, Privatleben der Römer S. 262 ff.

OTerbeck, Tompeji. 4. Aufl. 41

542 Anhang. Anmerkungen.

92) zu S. 199. Vgl. das Nähere über diese von nicht Wenigen für antik ge- nommene Zeichnung bei Marquardt a. a. O. S. 283 ff.

93) zu S. 200. Vgl. Nissen, Pomp. St. S. 136 ff.

94) zu S. 212. Vgl. Nissen, a. a. O. S. 65 ff. und die Abbildung einer solchen Thonplatte mit den Zapfen bei Breton, Pompeta 3. Aufl. p. 193.

95^ zu S. 213. Diese Annahme beruht auf dem Durchschnitt Mazois*. Von Nachforschungen über diesen Punkt scheint nichts bekannt zu sein.

96) zu S. 214. Nissen's und Schöne's Ansicht ist ausführlich widerlegt bei Mau, Pomp. Beitr. S. 218 ff. Das dort S. 226 über die Läden der Südseite Gesagte ist nach dem im Text Bemerkten zu berichtigen. Unrichtig ist auch das dort S. 222 und 224 über den kleinen Raum in der Nordwestecke von K Gesagte : in demselben ist keine Thür zu G, sondern nur eine Nische zugesetzt ; auch hat er keinen Zugang aus Kj sondern es ist hier modern ein Loch durchgebrochen worden.

97) zu S. 215. Über die größeren, auch die Stabianer genannten Thermen hat Minervini im BuU. arch. Napol. N. S. Jahrg. H (1855), S. 45; HI, S. 55; IV, S. 77, 91, 95; V, S. 103, 113; VI, S. 125, 130 eine Reihe von Artikeln veröffent- licht, welche den Fortschritt der Ausgrabungen begleiten. Außerdem findet sich in dem Prachtwerk der Gebrüder Niccolini, Le case ed t monumetiH dt Pompei , im 2. Heft eine Beschreibung der größeren Thermen, neben der außer den grade für dies Gebäude besonders unzulänglichen Ausgrabungsberichten (Pomp. <mt. hist, II, S. 593 ff.) die sehr genaue und sorgfältige Beschreibung von Michaelis in der Archaeol. Zeitung 1859, No. 124 in Betracht kommt, sowie neuestens Marquardt a. a. O. S. 301 ff., Nissen, Pomp. St. S. 140 ff., Mau, Pomp. Beitr. S. 117 ff.

98) zu S. 223. Vgl. Overbeck, Griech. Kunstmythologie, Bd. 11 (Zeus), S. 177.

99) zu S. 223. S. den Ausgrabungsbericht vom 4. Juni 1857, Pomp, anf, Mst, U, p. 649.

100) zu S. 224. X** ist aus Tuff, X* aus Ziegeln; letztere setzt die Erhöhung des Fußweges an der Stabianer Straße voraus, während X** älter ist als dieselbe.

101) zu S. 231. Über die Veränderungen der Heizvorrichtungen, sowie auch über die parallele Entwickelung der Privatbäder s. Mau, Pomp. Beitr. S. 117 ff., wo Nissens Darstellung (Pomp. St. S. 140 ff.) berichtigt ist. Über die Erfindung der suspensurae s. Nissen a. a. O. S. 152.

102) zu S. 232. Nachdem S. 226 nachgewiesen ist, dass in IV ursprünglich ein Badebassin war, könnte jemand vermuthen , V sei erst nach Ausfüllung desselben zum Frigidarium geworden , früher aber Laconicum gewesen. Aber weder ist bei V der Raum für den dann nothwendigen Heizapparat vorhanden , noch ist V von TJlius und Aninius erbaut worden: Mau, Pomp. Beitr. S. 131 f.

103) zu S. 233. Vgl. außer in der Archaeol. Zeitung a. a. O. noch die weiter eingehende Rechtfertigung das. 1860, Anzeiger, g. 115* f., wo auch auf die Latrine am Forum eingegangen ist.

104) zu S. 233. Vgl. ßuü. d. Inst. 1877, p. 214 ff., 1878, p.251 ff., wo wohl irrthümlich angenommen ist, dass die Wände keine weitere Decoration erhalten sollten.

105) zu S. 237. Über das Laconicum s. Marquardt, Privatleben der Römer S. 281 ff. ; vgl. Mau, Pomp. Beitr. S. 146. Im Laconicum war die Lufttrocken, im Caldarium feucht: Galen de meth. med, (vol. X, p. 724).

106) zu S. 239. Die Entdeckung wird Herrn Baumeister R. Bassel verdankt, dessen Untersuchungen über die pompejanische Wasserleitung hoffentlich bald allge- mein zugänglich sein werden.

107) zu S, 244. In Betreff der reichen Litteratur über die bauliche Anlage und Einrichtung des antiken , namentlich des römischen Wohnhauses wird es genügen,

Anhang. Anmerkungen. 643

auf Beckers Gallus, 3. Ausg. von Rein, Bd. II, S. 1 7 1 ff. , Marquardt a. a. O. S. 208 ff. und das daselbst Angeführte zu verweisen. Neuerdings Nissen, Pomp. St. S. 593 ff. Auf eine eingehende Erörterung der Ansichten dieser Gelehrten hat dieses Orts ver- zichtet werden müssen.

108) zu S. 247. Vgl. Nissen, Pomp. St. S. 595 ff.

109) zu S. 248. Abgeb. Archaeohgxa 42, I, S. 99 ff. Arm. d. Inst. 1871, tav. d'agg. U.

110) zu S. 248. Aus den Bestimmungen der zwölf Tafeln über den Ambitus (Schoell, Fragm. p. 136 f.) schließt Nissen (Pomp. St. S. 567 f.) mit Unrecht auf Häuser mit Giebeldächern. Erstens ist es unerwiesen, dass der Ambitus nur wegen der Dachtraufe da war. Zweitens wird diese durch die spätere Bauweise keineswegs ausgeschlossen: auch die späteren Rechtsquellen [Dig. VIII, 2, 41 ; IX, 3, 5) reden von suggrunda , proiectum, stiüicidii rigor. Andererseits wird das hohe Alter des Im- pluvium durch alte Gebräuche bezeugt: Marquardt, Staatsverw. III, S. 318, A. 4 ; cf. M. Voigt in Bursians Jahresber. XV (187 8) S. 379, wo freilich das über tUncines Gesagte wohl nicht haltbar ist.

111) zu S. 249, S. Mau, Pomp. Beltr. S. 89.

112) zu S. 252. Über alles was die Hauseingänge in Pompeji betrifft, ist be- sonders zu vergleichen Ivanoff in den Ann. d. Inst, 1859, p. 82 ff., mit Mon, VI, tav. 28.

113) zu S. 252. Minervini, Bull, arch, napol. N. S. I, S. 29, wollte wohl nur sagen, dass der betr. Hauseingang (IX, 2, 8) nach seiner Meinung unverschlossen gewesen sei ; bedeckt war er sicher. Auch sonst dürften vestiboli scoperti in Pompeji schwerlich nachgewiesen werden können.

' 114) zu S. 252. Ein Beispiel bei Mazois II, pl. 41.

115) zu S. 254. Es wird dies wohl aus den Erörterungen über die antiken Schlösser und Schlüssel bei Marquardt a. a. O. S. 226 ff. hervorgehen , welche im Allgemeinen allerdings ohne Zweifel das Richtige treffen , obgleich die Modelle in einigen Einzelheiten von M.'s Darstellung abweichen.

116) zu S. 255. In der casa di Laocoonte (VI, 14, 30) war der Hund im Ostium angebunden zurückgeblieben, wurde in der Asche begraben und konnte nach der S. 23 beschriebenen Methode abgeformt werden. Der trefflich gelungene Ausguss steht im Localmuseum (abgebildet bei Presuhn, Pompeji 1874A-78, III, Taf. 3).

117) zu S. 258. Dies deutet auch Vitruv VI, 3, 1 an, wo vilitatem statt mä7i- iatem zu schrisiben ist : Mau, Miscellanea capitoUna^ Roma 1879, p. 20, nicht wider- legt von Nohl, Analecta Vitrttviana (Progr. d. Gymn. z. grauen Kloster, Berlin 1882) S. 13 : durch et et können hier nur zwei deutlich geschiedene Dinge , nicht eine allgemeine Redensart und ein bestimmter Begriff verbunden sein. Bei einem Schrift- steller von so geringem Umfang wie Vitruv aus dem Nichtvorkommen einer Aus- drucksweise Schlüsse zu ziehen ist nicht statthaft.

118) zu S. 259. Die Wasserspeier und Stimziegel Pompejis sind abgebildet bei von Rohden, die Terracotten von Pompeji, Taf. I XVIII.

119) zu S. 260. An den Gebälkstücken der Vorhalle des Forum trianguläre springt auf der einen Seite gleich über dem Epistyl eine Leiste vor , und gleich über dieser finden sich in regelmäßigen Zwischenräumen (etwa 1 ,3 M.) Löcher, annähernd in der Form eines T mit sehr starkem Querstrich, 13 Ctm. hoch, oben 9, unten 5 Ctm. breit. Oberhalb dieser Leiste ist der Tuff rauh bearbeitet , unter ihr glatt. Dies er- klärt sich am einfachsten durch die Annahme, dass in den Löchern steckende Stäbe eine Decke trugen, durch welche die obere, rauhe Fläche verborgen wurde. Das Epi- styl ist auf dieser Seite höher, als auf der andern, weil es das einzige sichtbare Glied des Gebälks war ; irrthümlich hat die moderne Restauration diese Seite nach außen gewandt. Auf dem Forum trianguläre selbst verhält es sich ebenso , nur dass die Löcher einfach rechteckig sind und das Epistyl auf beiden Seiten gleich hoch ist.

41*

644 Anhang. Anmerkungen.

Im Peristyl der casa del Fauno sind auf der Innenseite des Gebälks Löcher wie die der Vorhalle ; nur freilich fallen sie hier mit keinem Abschnitt in der Gliederung und Behandlung der Oberfläche zusammen , vielmehr ist die ganze Innenseite glatt und nicht allzu sorgfältig bearbeitet. Im Atrium der domus Epidii Rufi findet sich eine Reihe rechteckiger Löcher, etwa 1 ,20 M. von einander entfernt, aber in nicht g^anz regelmäßigen Zwischenräumen, gleich über einem abschließenden Gesims ersten Stils. Wenn hier eine Felderdecke angebracht war, so lag sie unmittelbar über den Säulen, so dass vom Architrav sehr wenig sichtbar war. Die Löcher finden sich in gleicher Höhe auch in den Alen. Im Atrium der casa del NavigUo fällt eine ähnliche Reihe von Löchern (5 6 M. vom Boden) mit einem Abschluss der Malerei letzten Stils zusammen ; an einer Stelle scheint es , dass sich die Malerei noch weiter nach oben fortsetzt, doch ist das nicht sicher.

120) zu S. 261. Als Beispiele von Vernachlässigung der Zimmer am Atrium können die domus L, Caectlii Ittcundi (V, 1 , 23) und die ccua del Centenarto (östlich von IX, 5) genannt werden; s. BulL d. Inst. 1881, p. 122 f.

121) zu S. 261. Die Häuser mit zwei Atrien neben einander sind durchweg in der Tufiperiode auf einmal so gebaut worden , die cctsa del Centenarto zu Anfang der römischen Zeit. Eine Ausnahme bildet das aus zwei Häusern entstandene Haus des L. Caecilius lucundus. Im übrigen sind die durch Vereinigung von zwei oder mehr Häusern entstandenen leicht an der unregelmäßigen Form kenntlich, so das Haus des Siricus, des Lucretius, des Epidius Sabinus, des Popidius Augustianus.

122) zu S. 262. S. Nissen, Pomp. St. 8. 643 f. Dass freilich die Einbeziehung des Tablinum in das Haus mit einer Vergrößerung des letzteren, einer Bebauung des Hortus zusammenhängt, ist wohl unerweislich.

123) zu S. 271. Das in den früheren Auflagen als No. 2 aufgeführte Haus (aus Mazois 11, pl. IX, n. 1 : auch bei Marquardt, Privatl. S. 217) ist ausg^elassen worden, weil theils die Restauration, namentlich die Treppe, unsicher, theils diese Wohnung in ganz zufälliger Weise durch Abtrennung von Räumen verschiedener Häuser entstanden ist. So auch das früher unter No. 4 besprochene Haus, weil es ursprünglich einen hinteren Theil hatte und erst spät von demselben getrennt wor- den ist.

124) zuS. 279. Nissen, Pomp. St. S. 402ff; Mau, Pomp. Beitr. S. 37ff., 49ff.

125) zu S. 279. Pomp, anL hüt. I, 1, 8. 248, 254; 2, S. 156.

126) zu S. 282. Nissen, Pomp. St. S. 421, 6; Mau, Pomp. Beitr. S. 61.

127) zu S. 285. Pomp. ant. hiet. 11, S. 116.

128) zu S. 289. Buü. d. Inst. 1879, S. 91 ff. (No. 6).

129) zu S. 290. Minervini im BuUettmo itaUano vol. I, S. 18 ff., Fiorelli im Giomale degU Scavi fasc. 1, S. 13 ff. Die im Text erwähnten Malereien sind zum Theil in den diesen Beschreibungen beigegebenen Tafeln abgebildet.

130) zu S. 297. Mau, Gesch. d. Wandmal. in Pompeji S. 98.

131) zu S. 301. Mau a. a. O. S. 17 ff., 416 ff.

132) zu S. 304. Mau a. a. O. S. 25 ff.

133) zu S. 307. Dies Bild ist allerdings von Gaedechens, Unedirte antike Bild- werke , Heft l , unter der Überschrift »Europa und Theophane« ganz anders erklärt worden. S. jedoch Overbeck, Griech. Kunstmythologie Bd. III, Heft 2 (Poseidon), Cap. XI, Theophane.

134) zu S. 313, Siehe Wieseler, Ann. d. Inst. 1857, S. 164, 165 ff., Ber. d. k. Sachs. Ges. d. Wiss. 1864, S. 161.

135) zu S. 314. Von diesem Hause giebt es eine ganz besonders eingängliche und gelehrte Beschreibung von Minervini bei Niccolini , Le case ed i montimenti di Pompei; vgl. außerdem Mtis. Borhon. vol. XIV, tav. A, B,

Anhang. Anmerkungen. ß45

136) zu S. 323. Über die AufsteUung von Thonfiguren in solchen Nischen s. von Rohden, die Terracotten von Pompeji 8. 24.

137) zu S. 326. Vgl. jedoch Mau, Wandmalerei S. 72.

138) zu S. 330. Mau, a. a. O. S. 76 ff.

139) zu S. 336. Vgl. Mus. Borb, vol. V, rehzione degU scavi i^, 1 ; Prnnp. ant. Mit n, S. 214.

140) zu S.. 337. Über den Grund der verschiedenen Erhaltung dieser Bilder vgl. Donner in der Einleitung zu Helbigs Wandgemälden S. LXXXVI f.

141) zu S. 342. Über Bau- und Decorationsgeschichte dieses Hauses s. Mau, Wandmalerei S. 80 ff., 259 ff., 422. Unrichtig Nissen, Pomp. St. S. 654.

142) zu S. 343. Die Ostwand und ein Theil der Nord wand des Caldariums ohne Farben bei Mau , Wandmalerei Taf . XVII , in Farben bei Niccolini Descr, gener, tav. 49, 53.

143) zu S. 347. Näheres bei Mau, a. a. O. S. 33 ff. Unrichtig Nissen, Pomp. St. S. 656 ff.

144) zu S. 349. Abgeb. bei Niccolini auf tav. VIII des betr. Abschnitts.

145) zu S. 351. Amicone giebt in der Pomp. ant. hist. in, S. 114 eine andere Fundstelle dieser Goldsachen, ebenso die Helazione degli scavivai Mus. Borbon. vol. Vni, S. 114.

146) zu S. 352. Vgl. Pon^. ant. hist. U, S. 251.

147) zuS. 353. Die restaurirten Durchschnitte werden Herrn Architekten P. Schuster verdankt, welcher uns eine Photographie seiner in größerem Maßstabe an- gefertigten Restauration zur Benutzung überließ. Über das Haus vgl. Buü. d. Inst. 1881, p. 113 ff. ; 1882, p. 23 ff. NoÜzie degü Scavi \S7 9 , p. 119 ff., 147 ff., 188 ff., 280 ff. ; 1880, p. 97 ff., 148 ff.

148) zu S. 355. In Farben abgebildet bei Presuhn, Pompeji 1874—1881, Abth. IX, Taf VI.

149) zuS. 358. Eine Wand dieses Zimmers ist in Umrissen abgebildet Ann. d. Inst. 1882, tav. dagg. F, ebenda p. 307 ist die Malerei besprochen. Vgl. auch Mau, Wandmalerei S. 383.

150) zu S. 359. In ein^m Loche in der obem Fläche des Fußes, durch die Steinplatte verdeckt, fand Schreiber dieses einige Kupfermünzen, welche wohl irgend Jemand da versteckjb hatte. Sie wurden von dem wachthabenden Custoden in Verwah- rung genommen, haben aber keinen Platz in den Ausgrabungsberichten gefunden.

151) zu S. 369. Heydemann (Jen. Lit. Ztg. 1875, n. 44) will Mazois' An- nahme durch einen dort liegenden Mühlstein bestätigt finden. Doch liegt derselbe in dem Gange ß, keinesfall» an seinem ursprünglichen Platz, und es dürfte rathsam sein, aus demselben keinerlei Folgerungen zu ziehen.

152) zu S. 369. Siehe Pomp. ant. hist. vol. I, tab. 2.

153) zu S. 370. Es mag hier noch bemerkt werden, dass die Villa nach Bauart und Malerei (zweiten Stils) aus republicanischer Zeit stammt (vgl. auch Mau, Pomp. Beitr. S. 151). Nur einzelne Pfosten aus Kalksteinquadem (hinten bei 8) scheinen darauf zu deuten, dass man beim Bau Reste eines altern Hauses benutzte.

154) zu S. 379. Vgl. Ivanoff in den Annali deff Inst. 1859, S. 102 f., FioreUi im Giom. degU Seavi ioBG. 1, S. 9, tav. 2.

155) zu S. 379. Abgebildet in Beckers Gallus, 3. Aufl. m, S. 28.

156) zu S. 379. Über die Venus Pompeiana sind die epigraphischen Zeugnisse zusaifimengestellt von Mommsen im N. Rhein. Mus. V, S. 457 ff . ; vgl. auch Gar- rucci, Buü. napol. N. S. 11, S. 17, Minervini, das. m, S. 58 ; Preller, röm. Mytho- logie 2. Aufl., I, S.448, welcher die Venus fisica, nach ihm gleichgeltend mit q>vaüirj, Göttin weiblicher Fruchtbarkeit, mit der römischen Veniis felix zusammenstellt. Am

ß4r) Anhang. Anmerkungen.

besten handelt über die Venus Pompeiana G. Wissowa, de Veneris simulacn's Romanis, S. 15 ff., welcher nachweist, dass sie in der That die von Sulla verehrte Venus J'elix ist.

157) zu S. 379. Vgl. Näheres bei Heibig, Wandgem. S. 400, No. 1601 und in den angeführten Schriften.

15S) zu S. 379. Vgl. Fiorelli im Giom. d. Scavi fsisc. 13, S. 24; 14, S. 25 f.

159) zu S. 381. Vgl. Fiorelli im Giom. d. Scavii^c. 15, S. 86.

160) zu S. 381. Vgl. Giom. d. Sc. N. S. III, S. 8 ff. ; BuU. d. InsL 1874, S. 271 ff., 1875, S. 18 ff. ; Blümner, Technologie I, S. 279.

161) zu S. 382. Vgl. Pomp, ant, hist. I, m, S. 20.

162) zu S. 383. Vgl. Näheres bei Donner, Einleitung zu Helbigs Wandgemäl- den S. CV ff., besonders S. CVII.

163) zu S. 383. Vgl. Fiorelli im Giom. d. ^rov« fasc. 3 e 4, p. 105.

164) zu S. 384. Vgl. Pomp. ant. hist. I, ii, S. 70 ff., 29. März— 18. Juni, und S. 84 , 16. Sept. In einem jetzt glücklicherweise wie sein Verfasser vergessenen nichtsnutzigen Büchlein von Stanislaus d'Alog (unter dem Borbonenregiment Secretär der Direction des Museums und der Ausgrabungen) mit dem Titel : »Die Ruinen von Pompeji, aus dem Französischen«, Berlin 1854, ist S. 6 angegeben, man habe in dieser Bildhauerwerkstätte mehrere Marmorstatuen in den verschiedensten Graden der Voll- endung gefunden. Dieselben sind aber nirgends zu finden , und es wird uns durch das Zeugniss Fiorelli' s bestätigt , dass die ganze Angabe auf barer Erfindung des ge- nannten Ehrenmannes beruht.

165) zu S. 384. Vgl. Buü. napol. N. S. II, S. 25.

166) zu S. 386. Vgl. FiorelU, gU Scavi dal 1861 al 1872 p. 12, 17, 20, 39.

167) zu S. 388. Abgebildet bei Pistolesi, // Vaticano descritto IV tav. 46, und in den Berichten der k. sächs. Ges. d. Wiss. 1861, Taf. 12, 2.

168) zu S. 388. Darauf bezieht sich die naiv gemüthliche, neben der Abbil- dung eines die Mühle drehenden Esels eingekratzte Inschrift in einem von den neueren Ausgrabungen bloßgelegten Gemach am Palatin in Rom : lahora aselle giiomodo ego laboravi et proderit tibi (arbeite , Eselchen , wie ich arbeitete, und es wird dir -nützlich sein) , wie der von der Mühlenarbeit befreite Sclave seinem Esel zuruft. Vgl. Gar- rucci, Graffiti di Pompei^ pl. 25 und 30. Über alles, was das Müller- und Bäcker- handwerk angeht, s. Jahn in den Ber. d. kgl. sächs. Ges. d. Wiss. a. a. O. S. 340 ff.; Blümner, Technologie I, S. 1 ff .

169) zu S. 390. Eine ausnahmsweise eingehende und verständige Beschreibung der FuUonica steht in der Pomp. ant. hist, II, p. 143 ff. Über Kunstdarstellnngen der Handwerke, welche sich auf die Bekleidung beziehn, vgl. Jahn a. a. O. S. 371, über die Tuchbereitung Blümner, Technologie I, S. 157 ff. ^

170) zu S. 394. Vgl. Pomp, ant. hist. ü, p. 150.

171) zu S. 395. Vgl. K.B. Hofmann, in den Wiener Studien VI, (1882)8.263.

172) zu S. 396. Siehe Fiorelli im ^torw. d. Sc. fasc. 14, p.59 und fase. 15,p. 83.

173) zuS. 397. Vgl. Beckers Gallus, 3. Aufl., III, S. 368 ff. Marquardt, Privatleben der Römer S. 330 ff.

174) zu S. 398. Vgl. die Inschriften /. Ä. N. 2362—2376; C. I. L. X, 1047—1062.

175) zu S. 398. Vgl. /. R. N. 2377 ; C. I. L. X, 1065.

176) zu S. 398. Die sepulcrale Bedeutung der bezüglichen Inschriften erkannte zuerst Minervini, Bidl. napol. N. S. III, p. 57 f., der freilich ohne Grund hier Ale- xandriner begraben glaubte. Siehe jetzt auch Nissen, Pomp. St. S. 480 ff.

177) zu S. 398. S. Mau und von Duhn, Bull. d. InsL 1874 p. 156 ff.; Nissen, Pomp. St. S. 381 ff.

Anhang. Anmerkungen. g47

178) zu S. 40t. Siehe Pomp. ant. hist 1763, 13 Aug. Winckelmann, Send- schreiben § 46, sah Inschrift und Altar noch am Platz; Gell's Angäbe, Pompeiana S. 94 und 109, dass der Altar einen bronzenen Dreifuß getragen habe, der in das eabmel secrei des Museums geschafft sei, ist demnach unglaubwürdig.

179) zu S. 401. Dass die Aufmauerung bis zur Höhe der Basis sich ganz herum erstreckte, hat die moderne Restauration angenommen; mit welchem Recht, ist jetzt nicht festzustellen. Alt ist nur ein kleines Stück zunächst am Grabe des Restitutus. Dass die Arbeit der LOwentatzen weit besser ist, als am Sitz der Mamia, miiss Nissen (Pomp. St. S. 396) gegenüber ausdrücklich festgestellt werden.

180) zu S. 402. Die Front einschließlich der Cippen misst 7,55 M., von der Mitte jedes Cippus gemessen 6,79, die des Monuments, mit dem Fundament, circa 7,24, die Rückseite des letzteren 7,18, die Tiefe 7,44 : doch sind die drei letzten GhrOßen schlecht messbar. 25 Fuß würden 7,4 M. sein.

181) zu S. 403. Nissens (Pomp. St. S. 394) aus Winckelmann geschöpfte Annahme, dass das einst hinter der Bank gelegene Grabmal der Mamia nach der Aufdeckung zerstört worden sei, ist ganz unglaublich : es hätte unmöglich so spur- los verschwinden können. Die Tufffragmente eines Rundbaues , welche jetzt dort liegen, deuten auf einen Durchmesser von über 20 M., müssen also anderswo herstammen. Winckelmann ist für Pompeji keine gute Quelle. Ganz falsch ist auch Nissens Ausspruch (a. a. O.), dass das hinter dem Sitz liegende Grab augenschein- lich aus späterer Zeit datirt : die Bauart gleicht der des Augustusbogens (S. 74).

182) zu S. 403. Vgl. Pomp. ant. hist. I, n, Addenda p. 1 12 ff. . Gell's Angabe (Pompeiana 1821, S. 109), dass umher an den Wänden Statuen gestanden haben, ist nicht verbürgt: die Fundstellen der zu verschiedenen Zeiten (1763, 1812 und neuerlich) hier ausgegrabenen Statuen, sowohl männlichen in weiten Togen, wie weiblichen in vornehmer und reicher Tracht , sind in den Tagebüchern der Ausgra- bungen nicht genau genug bezeichnet, um ihren Standort bestimmen zu können. Nissen (Pomp. St. S. 340. 394) erkennt hier einen Begräbnisplatz der Stadtprieste- rinnen, in dem auch Freigelassene und Clienten der Göttin aufgenommen worden seien. Ohne Zweifel aber ruhte Istacidia RufiUa hier nicht als Priesterin, sondern als Angehörige der Familie der Istacidier, welcher noch verschiedene hier gefundene Grabsteine angehören, und C. Venerius Epaphroditus war Freigelassener der Colonie, nicht der Göttin: siehe Mommsen, C. 1. L. X, 1013. Außerdem fand man hier Grabsteine der Melissäer und Buccier.

183) zu S. 404. Vgl. Pofiip. ant. hist. I, i, p. 236 fsi son trovati degU scheletri ricoperti con tegole), p. 241 und I, i, Addenda p. 117. Allerdings ist an diesen beiden letzten Stellen nicht von Skeletten, sondern von verbrannten Knochen (ossa bruciate) die Rede, allein man fand dieselben in Gräbern in der Erde, deren eines einen hölzer- nen, mit Ziegelplatten gedeckten Sarg (un vactw che si conosceva essere formato da una cassa di legno rivesiiia di fabhrica e coverta con tegole) enthalten hatte. Neben den Knochen wurden sog. Thränenfläschchen und andere den Todten in das Grab mit- gegebene Gegenstände gefunden.

184) zu S. 404. Spuren von Ausbessening (Nissen, Pomp. St. S. 385) sind nicht ersichtlich.

185) zu S. 405. Diese Linie liegt nicht, wie Nissen (a. a. O. S. 386) angiebt, in der Richtung der weiterhin sich abzweigenden Straße.

186) zu S. 410. Der Unterbau sowohl der Arriergräber als desjenigen des Labeo ist an den des Grabes des Velasius Gratus und des gleichartigen 4 nachträglich an- gemauert. 5*^ und 5^ sind an das des Labeo angemauert, als es schon fertig war.

187) zu S. 410. tJber die Bedeutung des Titels Präfect vgl. Marquardt, Staats- verwaltung 2. Aufl. I, S. 168 ff.; oben S. 13. Als Rechtsduumvim des Jahres 26 n. Chr. kennen wir Libella aus /. R. N. 2269 ; C, L L. X, 896.

548 Anhang. Anmerkungen.

188) zu S. 416. In den Quittungstafeln des L. Caecilius lucundus (de Petra No. 40, 68), aus neronischer Zeit, kommt C. Calventius Quietus als Zeuge vor.

189) zu S. 420. Über die Benennung dieses Grabes ist gestritten worden, da es zweifelhaft schien, ob die Inschrift /. R. N, 2339 [C, I. Z. X, 1024) oder /. R.N, 2341 ((?. /. L. X, 1025), beide in der Nähe gefunden, zu ihm gehört. Vgl. darüber Nissen, Pomp. St. S. 391, Mommsen C. 1. L, X, 1024. Das genaue Zutreffen der Maße, und namentlich die Thatsache , dass , wie Mazois (I, 46, n. 5) bemerkt, die Schrifttafel sich genau an die am Ort gebliebene, nicht beschriebene untere Platte anschließt, lässt keinen Zweifel übrig.

190) zu S. 421. Vgl. Mommsen im N. Rhein. Mus. V, S. 462.

191) zu S. 425. Vgl. Giorn. degli scavi fasc. 13, p. 6 f. und die Abbildung auf tav. 3.

192) zu S. 456. Eine Auswahl von acht Gladiatorenhelmen ist abgebildet bei Niccolini, Le case ed % mofittmenti dt Pompei, Caserma dei gladiatori tav. 2, Reliefe von solchen das. tav. 3, darunter das S. 458 angeführte mit einer Iliupersis, welches bei Heydemann, Iliupersis auf einer Trinkschale des Brygos, Berl. 1866, Taf. 3 wieder- holt ist.

193) zu Seite 458. Über den Galerus und die den Gladiatoren eigen thümlichen Waffenstücke überhaupt vgl. außer Garrucci im Buü. napoL N. S. I, p. 113 sqq., tav. 7. II, p. 134, was Friedländer in seinen Bildern aus der Sittengeschichte Roms U, S. 198 gesammelt hat. *

194) zu S. 459. Über die pompejaner Sonnenuhren überhaupt und die hier mitgetheilte insbesondere vgl. Minervini im Bull, napol. N. S. HI, p. 35 sq. 105 sq.

195) zu S. 460. Eine Auswahl ist abgebildet bei Niccolini a.a. O., descrisione generale tav. 4 1 .

196) zu S. 463. Die Dipinti sind jetzt bis zu den Funden des Jahres 1869 voll- ständig im IV. Bande des Corpus Inscriptionum Latinarum unter der Überschrift Tituli picti (p. 1 75) von Zangemeister gesammelt, der auch in seiner Praefatio über die früheren zerstreuten Publicationen derselben und deren sehr verschiedenen Werth genau Rechenschaft ablegt; neuerlich gefundene sind in den Berichten über die Ausgrabungen Pompejis im BuüeUhw delt InsHtuto mitgetheilt.

197) zu S. 463. Die Graffiti, »Graphio Inscriptacc füllen den bei weitem grüßten Theil des Corpus Inscriptionum Latinarum vol. IV (p. 76. 167). Auch von ihren früheren Publicationen ist in der Praefatio p. VULI, § 20 sqq. Alles gesagt, was hier zu sagen wäre. Für die neuerlich gefundenen genügt es, auf die Mittheilungen im BuU. delt Inst, zu verweisen, neben denen gelegentliche sonstige Publicationen ihres Ortes unter dem Text angeführt sind.

198) zu S. 465. S. Clem. Alexand. Strom. VH, p. 302 und vgl. O. Jahn. Archaeolog. Beiträge S. 149, Note.

199) zu S. 489. Veröffentlicht von de Petra: Le tavolette eercUe di Pompei ecc. Memorie della R, accad. dei lAncei, Sonderabdruck NapoU 1877, besonders eing&ng- lieh behandelt von Mommsen im Hermes XII (1877) S. 88, an dessen Erörterungen sich der Text hauptsächlich anschließt ; vgl. aujßerdem Henzen im Bull, d. Inst, von 1877, p. 41 sqq.

200) zu S. 497. Die hauptsächlichen Grundlagen des in diesem Capitel kurz Vorgetragenen bilden die ersten Capitel von Nissens Pompejanischen Studien ver- glichen mit den Berichtigungen in Mau* s Pompejanischen Beiträgen, Berl. 1879, S. 1 ff.

201) zu S. 499. Vgl. M. Ruggiero, Siudi sopra gU edifizi e le arte meccaniche dei Pompeiani, NapoU 1872, p. 7.

202) zu S. 508. Auch Ivanoff hat von dieser Thür eine Zeichnung gemacht, s. Ann. d. Inst. XXXI, tav. d'agg. E, No. E, doch glaube ich, dass die meinige den Charakter der Zierlichkeit und Schärfe der Formen besser vergegenwärtigt.

Anhang. Anmerkungen. 649

203) zu S. 508. Vgl. Ruggiero in dem in Anm. 201 genannten Schriftcben p. 13 sqq.

204) zu S. 518. Vgl. Mau im Giom. degU scavi dt Pompei N. S. 11, p. 392 und Gesch. der decorat. Wandmalerei in Pompeji S. 32.

205) zu S. 521. Früher, kürzer gefasst im Giom. degli scavi di Pompei N. S. II, p. 386 und p. 438 sqq. in den Osservazdom intomo alle äecorazdoni murali di Pompei^ neuerdings in berichtigter und erweiterter Gestalt in dem schon Anm. 204 angeführ- ten Buche: Geschichte der decorativen Wandmalerei in Pompeji, Berlin, 1882. 8*^ mit einem Atlas von 20 Tafeln fol.

206) zu S. 535. Vgl. O. Müller, Handb. d. Archaeol. d. Kunst § 84 Anm. 1.

207) zu S. 535. Dilthey schließt in der Archaeol. Zeitung a. a. O. S. 134 aus den Spuren rother Farbe in den Nasenlöchern und im Nabel der Statuette, »dass die nackten Theile derselben einschließlich des Gesichtes mit einem durchgängigen Far- benüberzug versehn waren« und nennt in der Anmerkung diese seine Schlussfolge- rung »natürlich und richtig«. Natürlich, d. h. naheli^end mag sie sein, ob sie auch richtig sei, ist eine andere Frage, welche indessen nicht hier, sondern nur im Zu- sammenhang einer umfassenden Untersuchung über die Polychromie der antiken Sculptur entschieden werden kann. Hier sei nur bemerkt, dass es sehr gute Ghründe für den Zweifel giebt , ob das Nackte an Marmorstatuen geerbt worden sei. Aus diesem Grunde habe ich im Texte gesagt, dass bemerkenswerther Weise auch an dieser, mit so vielen wohlerhaltenen Farben versehenen Statuette das Nackte keinerlei Farbenspuren zeige. Und aus demselben Grunde habe ich im Texte hervorgehoben, dass dieselbe Erscheinung sich an den meisten , wenn nicht an allen polychromen Sculpturen aus Pompeji wiederholt.

208) zu S. 536. Dies ist das Ergebniss einer noch g^nz neuerdings auf meine Bitte von Herrn Prof. de Petra, Director des Nationalmuseums in Neapel, angestellten Untersuchung, auf Grund deren er durch meinen Vermittler mir d. d. 14. September 1883 melden ließ : j^confirmez ä Mr. 0. que cette statue n'existe pas dans le musSea. Als identisch mit der in der Pomp. ant. /dai. a. a. O. beschriebenen Statuette ist vielfach die bei Clarac, Mus. de sculpt. pl. 600, No. 1323, in den Berichten der k. sächs. Ges. d. Wiss. von 1860, Tafel VE A, auch oben in Fig. 280 b, mit den Farben bei Nicco- lini, Le case ecc. di Pompei y Tempio d'Iside tav. 8 abgebildete Statuette No. 6292 im Museum von Neapel behandelt worden, so von Stark in den Berichten u.s.w. a.a.O. S. 74 f., von Clarac im Texte zu der genannten Abbildung, von Niccolini a. a. O., von Dilthey in der Archaeol. Zeitung von 1881, S. 133. Allein diese Statuette, welche auch mir gar wohl bekannt ist, hat ein rothes Gewand, kein goldenes Hals- band, keine Vergoldung der Brustwarzen und des Bauches, stimmt also in allen diesen Dingen nicht mit den Ausgrabungsberichten a. a. O. überein. Auf welcher Seite hier die Irrthümer liegen, kann icht nicht sagen.

209) zu S. 536. Vgl. Pomp. ant. hist II, p. 568 sq.

210) zu S. 538. So z. B. in den schönen Hermen in der Villa Ludovisi in Rom, abgeb. in den Mon. d. Inst. X, tav. 56 sq., vgl. Schreiber in den Annali von 1878 (vol. L) p. 210 sqq.

211) zu S. 539. Vgl. bei Finati: II regal Museo Borbonico I, p. 241 No. 6, p. 242 No. 9, p. 243 No. 12. 13, p. 244 No. 17. 18, p. 245 No. 21, p. 247 No. 27. 30, p. 249 No. 38, p. 250 No. 39. 41, p. 251 No. 47, p. 253 No. 58. 61, p. 254 No. 64, p. 256 No. 68, p. 259 No. 81 bis, p. 260 No. 82. 83, p. 261 No. 89. 90. 91, p. 262 No. 95. 98, welche aus Pompeji stammen sollen, wenn alle diese Angaben Glauben verdienen, was für nicht wenige, namentlich für Sarkophag- reliefe, sehr bestimmten Zweifeln unterliegt.

212) zu S. 540. Vgl. K. Bötticher, Der Baumcultus der Hellenen S. 80 flf. und Fig. 8.

213) zu S. 541. So von Finati zum Museo Borbonico VHI, tav. 59 u. 60, wo

650 Anhang. Anmerkungen.

beide Figuren abgebildet sind, so von Welcker, Alte Denkm. I, S. 255 Anm. 35 (und an den daselbst angeführten Stellen) und von Friederichs, Bausteine z. Gesch. der griech.-röm. Plastik I, S. 517.

214) zu S. 542. Pomp. ant. hist. I, ni, p, 214 sq., vgl. Nissen, Pomp. Studien S. 333.

215) zu S. 543. Vgl. Gerhard und Panofka, Neapels ant. Bildwerke No. 444, Finati, Real miis. Borbon, I, No. 86.

216) zu S. 543. Vgl. Finati a. a. O. No. 357, besonders aber im Mus, Borbon. II zu tav. 8, wo in möglichst ausdrücklicher Weise die pompejaner Herkunft be- stritten und eine zufällige Grabung zwischen Torre del Greco und Torre delF Annun- ziata als diejenige genannt wird, welche zum Funde dieser Statue geführt habe. Siehe dagegen Pomp. ant. hist. I, i, p. 114, 19 Luglio 1760, wo die Statue so genau be- schrieben ist , dass Ober ihre Identität mit der in Rede stehenden nicht der geringste Zweifel übrig bleiben kann ; vgl. Winckelmann, Geschichte der Kunst III, 2, § 11, der freilich daselbst I, 2, § 14 angiebt, die Statue sei in Herculaneum ausgegraben worden.

217) zu S. 545. Vgl. Pomp. ant. hist. II, p. 583, BuU. arch. napol. N. S. ü, p. 65 sq., Mxts. Borbon. XV. tav. 33.

218) zu S. 545. Finati a a. O. No. 66, vgl. auch Friederichs a a. O. S. 520, No. 850.

219) zu S. 545. Finati a. a. O. No. 331,

220) zu S. 546. Finati a. a. O. No. 68.

221) zu S. 546. Vgl. die neuerliche Zusammenstellung von »Brunnenfigurena aus Herculaneum und Pompeji von E. Curtius in der Archaeol. Zeitung von 1879 (XXXVII) S. 19 ff. mit Tafel 1 und den daselbst angeführten Aufsatz desselben Ge- lehrten über «Die Plastik der Griechen an Quellen und Brunnen« in den Abhand- lungen der Berliner Akad. von 1876.

222) zu S. 545. Finati a. a. O. No. 353.

223) zu S. 549. Der Stier bei Finati a. a. O. No. 74, abgeb. Mus. Borbon. XIV, tav. 53, der Löwe bei Finati No. 172.

224) zu S. 549. Die schöne, in Palermo aufbewahrte Gruppe des Herakles mit dem Hirsch, welche in der 3 . Aufl. dieses Buches als ein weiteres Beispiel dieser Art von Compositionen folgte, musste weggelassen werden, seitdem feststeht, dass sie nicht in Pompeji gefunden worden ist. Vgl. Documenti inediH per servire aUa storia dei mitsei d'Italia pubblicati per ctira del ministero della pubblica istruzione vol. II, p. 93.

225) zu S. 551. Finati a. a. O. No. 350 bis.

226) zu S. 553. Die Erklärung der Figur als Dionysos hat wohl zuerst Brunn im Bull. d. Inst, von 1863 p. 92 ausgesprochen; neuerdings vgl. Heydemann im 3. hallischen Winckelmannsprogramm 1879 S. 73 f. und was dieser anführt.

227) zu S. 553. Minervini im Bull. arch. ital. anno II, p. 9 sqq., Fiorelli im Giom. degli scavi izÄQ. 14, p. 60 sqq.

228) zu S. 553. Von O. Benndorf im Buü. d. Inst, 1866, p. 9.

229) zu S. 553. Bei Dütschke, Ant. Bildwerke in Oberitalien IH, S. 126, No. 231, vgl. auch Heydemann a. a. O.; neuerlich abgeb. in dem Jahrbuch der k. preuß. Kunstsammlungen 11, S. 77 zu einem Aufsatz von W. Bode ; siehe ferner be- sonders Bayersdorfer in Lützows Zeitschrift für bild. Kunst XII, S. 129, der auf die Übereinstimmung der Hauptfigur in der florentiner Gruppe und der pompejaner Bronze zuerst aufmerksam gemacht hat.

230) zu S. 556. Die Beispiele sind noch nicht gesammelt, so dass «ich über den Umfang der Erscheinung noch nicht urteilen lässt. Wenn man von den bei Pausan. 11, 10, 3 erwähnten, von der Decke herabhangenden kleinen Figuren [ayai.-

Anhang. Anmerkungen. 651

fiara ov /.leyaXa aTtrjQTYj^iva rov oqofpov) im Asklepieion zu Sikyon absieht, \lber deren Material wir nichts wissen, handelt es sich wesentlich um Terracottafigu- ren wie die Nike bei Stackeiberg, Gräber der Hellenen Taf. 60, den angeblichen Hermaphroditen bei Panofka, Terracotten des k. Mus. in Berlin Taf 27 u. 28 und die in dem Oompie-rendu de la eommiss, Imp. archSol. de St. PStersh, pottr 1870/71. Tafel 3, No. 2 abgebildete Tänzerin. Dass der Ganymedes in Venedig wahrscheinlich nicht ursprünglich schwebend aufgehängt gewesen ist, habe ich in meiner Eunst- mythologie II, S. 527 bemerkt.

231) zu S. 556. Vgl. meine Geschichte der griech. Plastik IP, S. 314 ff. mit Anm. 107.

232) zu S. 558. Vgl. meine Geschichte der griech. Plastik P, S. 389 f. mit dem in Anm. 130 Angeführten.

233) zu S. 559. Bei Finati a. a. O. No. 57 oder 59. *

234) zu S. 559. Bei Finati a. a. O. No. 54.

235) zu S. 559. Bei Finati a. a. O. No. 446.

236) zu S. 562. Vgl. meine Geschichte der griech. Plastik I». S. 193.

237) zu S. 563. Von Kekul6, Die Gruppe des Künstlers Menelaos in Villa Ludovisi, Leipzig 1870, besonders S. 25 ff., vgl. meine Geschichte der griech. Plastik n», S. 411 ff.

238) zu S. 566. Vgl. Heibig, Untersuchungen über die campanische Wand- malerei, Leipzig 1873, besonders S. 122 ff.

239) zu S. 566. Vgl. A. Trendelenburg: »Die Gegenstücke in der campani- schen Wandmalerei« in der Archaeol. Zeitung von 1876 (XXXIV) S. 1 ff. u. 79 ff.

240) zu S. 567. Burckhardt, Der Cicerone S. 54.

241) zu S. 568. Eine Malerin, welche eine Bakchosherme copirt (Hlb. No. 1443), ist abgebildet Mus, Borbon. VU, 3 und sonst, und ein scherzhaftes Bild, welches einen Porträtmaler in seinem Atelier und an der Staffelei in Pygmaeengestalt dar- stellt (Hlb. No. 1537) bei Zahn I, 86, Mazois ü, p. 68 und sonst.

242) zu S. 572. Für Alles was die Landschaftsmalerei in Pompeji angeht, bildet das Buch von Karl Woermann : Die Landschaft in der Kunst der alten Völker, Mün- chen 1876, und ganz besonders das 7. Capitel des 3. Abschnittes: Die Landschaften der campanischen Wandmalerei, die hauptsächlichste Grundlage. Dabei muss aber hervorgehoben werden , dass Woermann selbst erklärt, in den meisteti Punkten mit den Ergebnissen von Helbigs : Untersuchungen über die campanische Wandmalerei, Leipzig 1873, in den die Landschaft und das Thierstück betreffenden Abschnitten übereinzustimmen und dass er dieselben als seine wichtigste Vorarbeit erklärt.

243) zu S. 575. Eine ziemlich vollständige Liste der bis 1 876 bekannten heroi- schen Landschaften giebt Woermann, Die Landschaft u. s. w. S. 362 ff.; einige recht bedeutende, auf welche aber hier im Einzelnen nicht eingegangen werden kann , sind seitdem hinzugekommen.

244) zu S. 575. Woermann, Die Landschaft u. s. w. S. 361 Anm. 45 erklärt es für irrthümlich, wenn, wie »mancherwärts zu lesen ist und auch Heibig annimmt«, die Bäume für kahl erklärt werden ; doch habe ich mich auch im Jahre 1882 am Ori- ginale nicht davon überzeugen können , dass er Recht hat. Es wird also einstweilen dabei bleiben, dass diese kahlen Bäume zur »Stimmung« gehören.

245) zu S. 575. Sie sind in den Farben der Originale veröffentlicht von Woer- mann ^ München 1876; zwei Proben ohne Farben sind in der Archaeol. Zeitung von 1852 Tafel 45 u. 46 gegeben.

246) zu S. 577. Farbig abgebildet bei Presuhn, Die neuesten Ausgrabungen u. s. w. Abth. IX, Taf. 3.

247) zu S. 578. Vgl. Heibig, Untersuchungen über die campanische Wand-

652 Anhang. Anmerkungen.

maierei u. s. w. S. 311 f., Woermann, Die Landschaft u. s. w. S. 378. Im Wesent- lichen gehört auch das in der 1874 75 ausgegrabenen Casa d Orfeo (Plan No. 50') gefundene Orpheusbild , farbig abgeb. bei Presuhn , Die neuesten Ausgrabungen u. s. w. Abth. in, Tafel 6 in die hier besprochene Folge.

248) zu S. 578. Vgl. Heibig, Untersuchungen u. s. w. S. 92 und Wandgemälde S. 398, No. 1583 u. 1584.

249] zuS. 584. Für die früheren biblischen Erklärungen des Bildes genügt es beispielsweise diejenige von Victor Schnitze in der Zeitschrift »Daheimcc von 1883, No. 5, S. 72 anzuführen; die Bedenken und Zweifel, welche mehr oder weniger ent- schieden von Sogliano , Fiorelli, de Rossi ausgesprochen worden , sind angeführt bei Giacomo Lumbroso in seinem Aufsatze Sul dipinto Pompeiano in cid si e rawitaü) ü giudizio di Salomone in den Memorie della R. accetdemia dei lAnctiiy Ser. 3, vol. XI, seduta del 3 gnigno 1883.

250) zu S. 590. Veröffentlicht von Gaedechens im Giom. degU scavi di Pompei, N. S. n, tav. 9 mit p. 238 sq.

251) zu S. 591. Farbig abgebildet bei Presuhn, Die neuesten Ausgrabungen u. s. w. Abth. m, Taf. 9.

252) zu S. 592. Abgeb. bei Mau, Geschichte der decorat. Wandmalerei, Atlas Taf. 13 u. 14, auch Ann. rf. Inst. 1877. tav. d'agg. O. P.

253) zu S. 592. Vgl. die in meiner Gesch. d. griech. Plastik JP, S. 350 f. Anm. 74 u. 75 zu S. 270 angeführte Litteratur.

254) zu S. 592. Vgl. Heibig, Untersuchungen über die campan. Wandmalerei S. 4 f.

255) zu S. 594. Vgl. Heibig, Untersuchungen über die campan. Wandmalerei S. 140 f.

256) zu S. 600. Vgl. Genaueres bei Mau, Gesch. der decorat. Wandmalerei in Pompeji S. 321 ff.

257) zu S. 617. Unerwähnt bleiben soll hier jedoch nicht, dass nach Ausweis der Ausgrabungstagebücher , Pomp. ant. kist, II, p. 38 man geglaubt hat, im Jahre 1821 in Pompeji einen halben Prägestock gefunden zu haben, der einen Frauenkopf zeigte, ähnlich denen der Münzen von Neapel , Metapont und anderen Städten ; was daraus geworden ist und ob man die zweite Hälfte gefunden hat, weiß ich nicht, muss aber das Lietztere bezweifeln.

Register.

(Bearbeitet Ton Dr. pliil. K. Kant.)

Abbondanzastraße, Benennung 136.

Abklärung des Weines, Sieb zur 445. 452.

Abtritte, öffentliche, am Forum civile 72. im Gebäude der Eumachia 133. in den kleineren Thermen 201. in den größeren Thermen 233. in den Centralthermen 234. 235. im großem Theater 162. in Privat- häusem 316. 339. 364. im Oberstock 292.

Abundantia, s. g^ Brunnenrelief 136.

Abzugseanal im Hause des Holconius 296.

Abzugsöffnungen im Fußweg, für Re- genwasser 60.

Achilleus, auf Skyros, Wandgem. 590. 595. 602. 603. in der Casa di Modesto 274. in der Casa della caccia 278. im Hause des Holconius 296. in der Casa del cen- tauro 332. im Hause des Siricus 325. in der Casa del questore 337. 602. Waff- nung, Wandgem. in der Casa del que- store 340. zur Laute singend, Wand- gem. 592. und Agamemnon, Wand- gem. im Apollotempel 103. in der Casa del questore 337. Mosaik in der Casa d'ApoUine 337. und Briseis, Wand- gem. in der Casa omerica (del poeta tra- gico) 287. 591. 601. 603. und CJheiron, Wandgem. 590 f. 602. 606. in der Casa deUa toletta dell' Ermafrodito 277. in der Casa di Lucrezio 315. als Kind, Eintauchung in den Styx (P), Wandgem. in der Casa deiquestore 337. 590. Gesandt- schaft der Griechen an Achilleus, Wand- gem. im Apollotempel 103.

Ackergeräthe 460. vgl. 374.

Adirius, M., 56.

Adler als Schmuck des Giebeldreiecks 243. und Hase, Brunnenfigur 241.

A d m e t o s und Alkestrs, Wandgem. 590. in der Casa omerica 287. s. Apollon.

Adonis, Wandgem. 588. in der Casa di Modesto 275. in der Casa della toletta deU' Ermafrodito 277. im Hause des Hol- conius (?) 296. in der Casa di Meleagro 311. in der Casa del questore 337. im Hause des Fopidius 363. 366. in der gro- ßen FuUonica 393.

aedes sacrae 84.

Aedilen 9. 12. 140. 142. 468. 471.

aedituus 103. 110.

aegyi^tische Gottheiten, Statuetten 546. glasirte Terracotten 537. Wandgem. im

Isistempel 107. in der Casa del Centenario 356. aegypt. Landschaften, Wandgem. 584. 598. in den größeren Thermen 222. in den Baderäumen der Casa del Cente- nario 358. aegypt. Priester, Wandgem. 356. aegypt. Symbole u. Geräthe, Wand- gem. 357.

Aeneas, Lischrift 117. 132. Waffnung, Wandgem. 592. verwundet, Wandgem.

% im Hause des Siricus 322. 592. und Ve- nus, Wandgem. in der Casa del centauro 332. und Dido, Wandgem. 593. und Poljrphem (?), Wandgem. 593.

aerarium 73. 90.

Aesculap, Statue des (?) 112.

Aesculaptempel, s. g. 110 ff.

Afrika, allegor. Wandgem. im Hause des Lucretius 316. s. Welttheile.

agger 7. 44. 45.

Ahnenbilder 261.

Aichungsblock am Forum ciyile 63.

Akratos, auf einem Panther reitend, Mo- saik in der Casa del Fauno 351.

Akrolith, ein, in Pompeji 535.

Aktaeon, bestraft, Wandgem. 600. in der Casa di Sallustio 307. und Artemis, Wandgem. in der Casa della caccia 278.

alae 249. 261. 276. 283.

album, am Gebäude der Eumachia 135. 136. in den kleineren Thermen 202 f. in den größeren Thermen 219.

aleatorium 267.

Alexanderschlacht, großes Mosaik in der Casa del Fauno 613 ff. vgl. 352.

Alexa-ndros von Athen, Monochrom 593.

Alkes tis, s. Admetos, Herakles.

Allegorien in Wandgemälden 587. 602. vgl. 316. in MetaUreüef 624.

Alphabete, von Schulkindern angeschrie- ben 464.

Altar 80. 85. 100. im Tempel der capi- tolinischen Gottheiten 111 f. 516. kn Au- gustustempel 117 ff. im Macellum 125. m den Straßen 242 ff. vgl. 240. an Grab- mälem 401. 405. 410. 413. 416. tragbare, in den Privathäusem 268. 359. kleiner silberbeschlagener in der Casa di Meleagro 310. kleiner marmorner im Hause des Po- pidius 361. aus Tuff, in der Casa del questore 338. in der großen FuUonica 395.

Alter, mit Amphora tanzend, Bronzesta- tuette 561. und Mädchen, Wandgem. in der s. g. Villa des Diomedes 375.

654

Register.

alveus, im Caldarium der kleineren Ther- men 211. der größeren Thermen 227. 229. 230.

Amazonenkampf, Wandeem. in der Casa omerica 287. im Hause des Siricus 325.

ambitus des röm. Hauses 248.

ambulatio, in den kleineren Thermen 202.

Amor, s. Eros.

Amoretten, s. Eroten.

Amphiprostylos 81.

Amphitheater 176 flF. vgl. 16. 25. 578. N^ame 177. Entstehung 1S5. Arena 180 ff. Zuschauerraum 183. Frauen 184. Zeltdach* 184.) Verbot der Spiele in demselben unter Nero 13. 192. Wandgem. in einem Privat- hause 14. vgl. 485. Wandinschriften auf das A. bezüglich 473 ff. 485. vgl. 131. 184. 195. 203. 357.

Amphitheateranzeigen in Inschriften 473 ff.

Amphitheatererinncrungen in In- schriften 485.

Amphoren 451. 626. fs. Weinamphoren.) als Blumentöpfe 384.

Amulette 624. ^

Angebereien in Inschriften 483. 484.

angelndes Mädchen, Wandgem. 580. in der Casa della caccia 278. in der Casa omerica 288. in der Casa di Meleagro 310. im Hause des Lucretius 316.

Anker 5.

antae 81. 321.

antepagmenta 77. 145. 149. 253. 293.

Antiphilos von Alexandria, Maler 595.

Aphrodite (Venus), Marmorstatue aus dem Apollotempel 540 ff. vgl. 97. 102. 106. (Hand 91.) Elfenbeinschnitzerei an Haar- nadeln 453. aus dem Bade gestiegen, Marmorstatue 551. vgl. 549. im Isistempel 536. Wandgem. im Hause des Lucretius (?) 319. mit Taube, Wandgem. in der Casa omerica 287. und Eros, Wandgem. in der Casa omerica 288. in der Casa di Me- leagro 311. im Hause des Lucretius 316. und Eroten, Wandgem. im Hause des Lucretius 316. s. Adonis, Aeneas, Ares, aneelndes Mädchen.

apoayterium der kleineren Thermen 203 f. 213. der größeren Thermen 221. 225. 228. der Centralthermen 235.

apogaea 269.

Apollon, lebensgroße Bronzestatue aus dem Hause des Popidius 543 ff. 562. vgl. 361. 537. kleine Bronzestatue aus der Casa d' Apolline 545. Marmorstatue 545. Wandgem. im Hause des Siricus 322. schießender, Bronzesta- tue aus dem Apollo tempel 540 f. 102. bei Admet (?), Wandgem. in der Casa della caccia 278. Leier spielend, Wandgem. im Hause des Epidius Kufus 300. des Po- pidius 362. in der Casa del questore 336. und Daphne, Wandgem. 588. 600. in der Casa omerica 287. im Hause des Hol- conius 292. in der Casa di Meleagro 311. in der Casa di Lucrezio 319. in der Casa del (^uestore 337. auf dem Qreif, Stue- corelief im Tepidarium der kleineren Ther- men 207. und Poseidon, Troias Mauern

bauend 322. 590. mit einem unbe- stimmbaren Geliebten, Wandgem. in der Casa della caccia 278. in der Casa di Meleagro 313. in der Casa del questore 339.

Apollotempel 96 ff.

a p o t h e ca ( Vorrathskammer) des röm. Hauses 280. 299. 331.

Apotheken 382.

Arabesken, in der Ornamentik 528 f. vgl. 355. 413 f. 419. 618. 620. 624. 626.

archaistische Bildwerke in Pompeji 561 ff.

Architektur 497 ff. Miss^ffe 509 f.

Architekturen, phantastische, 523. 525 f. vgl. 222 f. 226. 273. 278. 309. 312. 355.

Architekturstil der Wanddecoration 522.

Arditi, Mich. 28.

area des römischen Hauses 251.

Ares (Mars), gemalte Statue im Hause des Siricus 322. Wandgem. in der Casa del questore 336. und Aphrodite, Stuceo- relief im Isistempel 110. Wan4gem. 588. 600. in der Casa di Sallustio 306. in der Casa di Meleagro 309. im Hause des Si- ricus 325. des Popidius 362.

argentarius 490.

Argonautensage, Scenen aus der, in Wandgem. 590.

Ar^os, s. lo.

Ariadne, verlassene, Wandgem. 588. 589. in der Casa omerica 288 (zirei). im Hause des Holconius 295. in der Casa di Mele- agro 311. in der Casa del Laberinto 343. in der s. g. Villa des Diomedes 371. s. Dionysos, Theseus.

Arion, Wandgem. in der Casa del questore 337.

Aristolaos, Maler 595.

Arm mit Weltkugel, Fragment einer Kaiser- statue 125. 543.

Armband, goldenes, in ScMangenf orm 622. vgl. 351.

Armbergen der Gladiatoren 458.

Armlehnstühle 425.

Arrius, s. Diomedes.

Artemis (Diana), archaistische Statue 543 f. vgl. 474. 536. 562. Wandgem. in der Casa omerica 288. im Hause des Siricus 324. marmorne Doppelherme 557. schießende, bronzene Halbfigur aus dem Apollotempel 540 f. 102. jagende, Marmorstatue 55 1 . Relief auf einem Bleigefäß 620. von Hir- schen gezogen, Wandgem. in der großen Fullonica 393. s. Aktaeon, Athena.

Artemon, Maler 595.

Artorius Primus, M., Architekt 157. 640.

Arzneien, aufgefundene 382 f.

Arzneikasten, bronzener 382.

Arzt 383.

Aschenurnen 412.419. gläserne, in bleier- ner Kapsel 414. Inhalt 412. 414.

Atellana 159.

Athena (Minerva), Büste der, im Tempel der capitolinischen Gottheiten 112. und Artemis (?), marmorne Doppelherme 557. undschlangenfüßiger Gigant, Relief an einem Gladiatorenhelm 620. und Bild- hauer, Relief an einem Bleigef&ß 620.

Begister.

655

Athenion von Maronea, Maler 595. Athleten 473. Athltenstatue 558. Atlanten, stützende, am kleinen Theater 174. in den kleineren Thermen 206. Wand-

fem. in der Casa di Meleagro 312. als ischfuß 496.

atriensis, cella des 255. 364.

atrium des röm. Hauses 248. 255 ff. 260 f. 440. (zweites, kleineres 261, s. Doppel- haus): corinthium 258 f. 298. 332. 335. 344. 395. displuviatum 259. vgl. 274. testudinatum 259. vgl. 255. tetrasty- lum 257.f. 272. 347. tuscanicum 255 f. 282. 291. 302. 308. 315. 321. 324. 331. 341. 342. 349. 361. 364. 367. Felderdecke 259. Atrium (nach Fiorelli) am Forum 130.

Auctionen 490.

Augurnstab 117.

augustales 13. 113. 125. 413.

Augustani 475.

Augustus felis, Vorstadt von Pompeji 11. 13. 37. 113 f. 186. 407.

Augustuscult 113 ff. i22. 125. Tempel des Genius Augusti 117 ff.

Au sgrabungs weise, ältere, in Pompeji 28. neuere 29. 32. 423. 632.

Ausgussrohr an der Stadtmauer 46.

Aushängeschilder 379.

aulaea 319.

Bacchus, s. Dionysos.

Bäcker (pistores) 470.

Bäckereien 384 f. die bedeutendste in Pompeji 385. ihre Einrichtung 386. die in großem Häusern 265. in der Casa del La- berinto 343. in der Casa di Sallustio 301. 385. in der Casa di Pansa 328 f. 386. in der 8. g. Villa des Diomedes 374, in der großen Fullonica 393.

Bäckerladen 379.

Backformen 444. vgl. 390.

Backofen 388 f. vgl. 301. 343. 393. im Keller 358

Bad,* Gebräuche 198 ff. 203. 206. 235. 372. im Cultus 85.

Badebassin unter freiem Himmel 221. 372.

Badegeld 203.

Badegeräthschaften 452.

Badehäuser 198 ff. EinzelbadezeUen 232. s. Frauenbad, Crassus Frugi.

Badezimmer, des röm. Hauses 265. im Hause des Caesius Blandus 284. in der Casa del Laberinto 343. in der Casa del Fauno 348. in der Casa del Centenario 358. im Hause des Popidius 364. in einem drei- stöckigen Hause 368. (für die Dienerschaft) 369. in der s. g. Villa des Diomedes 372.

Bakchantin, Friesrelief 531. Wandgem. im Hause des Siricus 324. in der Casa del questore 337. 340. schlafende, Wand- gem. im Hause des popidius 362. musi- cirende Bakch antinnen, Wandgem. in der Casa di Lucrezio 315. schwebende, Wandgem. 336. 606. und Satyrn, Wand- gem. 595.

bakchischesTropaeon, Errichtungeines, Wandgem. im Hause des Lucretius 318.

Bakchos, s. Dionysos.

Balken, Zusammengesetzter 506.

Balkenlage des Atrium 255 f. vgl. 321.

Ballspiel 487. vgl. 267. ; balneum venereum 476.

Bänke von Bronze im Tepidarium der klei- neren Thermen 208. vgl. 428.

Barbiere (tonsores) 470.

Barbierstub6(?) 243. 383.

Barke 5.

Basilika 142 ff. Bedachung 146. 148. Säulen

147. Capitelle 518.

Bauhandwerk 497 ff.

Bäume, verkohlt aufgefunden 375.

Baumsacellum in Wandgem. 573. 574.

Bauunternehmer 273.

Beamtenwahl 13.

Becher, silberne, mit Relief 624 f.

Begräbnissplatz, öffentlicher, 306. 397. 410. vor dem Nolaner Thor 398.

Beinschienen, der Krieger 456. der Gla- diatoren 458. . Bellerophon, Wandgem. 590.

Bemalung der Statuen 535 f. vgl 106. 112. 134. 544. 551.

Berosus 460.

bestiarii 191 ff.

Bett, seine Stelle durch Malerei oder Mo- saikmuster bezeichnet 264. 307. 353. 356. 363.

Bettbeschläge von Bronze 291. 424.

Bettgestellfüße von Elfenbein 348. 424.

Bettschirme 423 f.

Bettstellen 423 f. gemauerte 424. vgl. 344.

Bibliothekzimmer des röm. Hauses 267.

Bildhauer, s. Athena.

Bildhauerwerkstatt 28. 383. 646.

Bildhauerwerkzeug 460.

Bimsstein als Baumaterial 498.

Bisellien 426. vgl. 417. Relief am Grabe der Naevoleia Tyche 414 f.

Bleigefäß mit Relief 620, vgl. 109. 535.

Bleiplatten an den Wänden 347. 349. vgl. 352.

Blumenbeete 265 f.

Blumenstücke 577.

Bowle, zur Bereitung der Calda 443.

Bratpfannen 444.

Brennöfen, in Töpfereien 380.

Brettspiel 379.

Briefe, in Inschriften 483. in Wandgem. 314.

Briseis, s. Achilieus.

Brode, gemalt 390. 576. verkohlte 385.

Brodverkauf, Wandgem. 386.

Bronze in der Plastik 536 f. 540. 542. im Kunsthandwerk 618 ff. 621. blaue Patina 537.

BIronzefiguren 496. vgl 306. 307. 315. 361.

Bronzescheibe 356.

Bronzevasen 341.

Bruderschaften (coüegia) 469 f.

Brunnen 238 ff. vgl. 79. 540. in den klei- neren Thermen 212. Material 242. 530. vgl 136. Abnutzung 241.

Brunnenfiguren 241. 242. 546 ff.

Brunnenh aus auf demForum trianguläre 89.

Brustwehren der Stadtmauer 46.

Buchführung in Inschriften 294. 485 f.

656

Register.

Bühne im Theater 166. 175. mit Dach 166.

Bukranien, Opfersymbol 404.

bulla, goldne, tür Amulette 624.

Bulwer 16. 285.

Burg(?) von Pompeji 88. 635.

0.

caduceus (Mercurstab) 451.

Cabrioletkutscher 59. 60. 384. 470.

Calda 443.

caldarium der kleineren Thermen 208. 211. 213. der größeren Thermen 227. 229. der Centralthermen 236.

Caligula, Heiterstatue des (?) 559.

Calventius Quietus, Grabaltar des, 416.

Canal, der des Samus, erbaut von Dome- nico Fontana 6. 26. 108. 113. 638.

C anale 60. 296.

Candelaber 434 ff. 620. vgl. 323. 430. kleine 436. große 437.

Candelaberstil der Wanddecoration 297. 357. vgl. 299. 353. 356.

cantharus des Brunnens 240.

Capi teile 111. 512. 517 ff. 520. vgl. 326.

Capitolium 638.

capreoli 256.

capsa 204.

capsarius 204. Zimmer des, in den klei- neren Thermen 204. in den größeren (?) 224. in den Centralthermen (?) 234.

cardo 35. cardines 35. 253.

Casa dei Dioscuri 330. 334. dei principi Russi 320. dei centauro 330. 332. dei cen- tenario 353. dei chirurgo 279. dei citarista 359. dei Fauno 346. ael Fauno ubbriaco 353. dei gran musaico 346. dei laberinto 342. dei poeta tragico 285. dei questore 330. 334. dell' argenteria 625. della caccia antica 277. della toletta dell' Ermafrodito 275. deUe forme di creta 380. delle suo- natrici 314. 315. di Adone ferito 275. di Atteone 300. di Castore e Polluce 330. di Dedalo e Pasifae 277. di Goethe 346. di Lucresio 314. di Meleagro 307. di Modesto 273. ^i Pansa 325. vgl 471. di Polibio 366. di Sallustio 300. omerica 285.

Casserole 444.

castellum an der Wasserleitung 239. 240.

Castricius, Malus, 56.

cavaedium des röm. Hauses 248.

cave canem 254 f. 286.

cavea 160. 161. 183.

Ceius Labeo, Grabmal des, 408.

Cella des Tempels 81. 84. cella frigidaria, s. Frigidarium.

cenacula 249. 265. 266.

Ceres, s. Demeter.

Cerrinius, M., Grabnische des, 400.

Chalcidicum im Gebäude der Eumachia 131. v^l. 74. an der Basüika 145.

Championnet 28.

Chemikalien, Fabrik von (?) 382.

Cheiron, s. Achilleus.

Chirurg 279. 383.

Chirurgische Instrumente 461. vgl. 279. 383.

choinix 64.

Christen in Pompeji 488.

C h r y s e 1 s ' Einschiming (?) , Wandgem. in der Casa omerica 287.

C i c e r o s Ansiedlung in Pompeji 1 1 . vgl. 1 1 6. s. Tullius.

cippus des Brunnens 240. 241.

cisiarii (Cabrioletkutscher) 59.60.384.470.

Cisterne, große, an den kleineren Ther- men 214. unter dem Atrium 257.

Claudius, des Kaisers, Villa in Pompeji

11. vgl 474. dementia 474. coactor 490.

colonia Veneria Cornelia Pompeianorum

12. 96. 491.

Colonisirung Pompejis durch Sulla 10. 12.

Colonnade, s. Säulenhalle.

Colosseum 177.

columbaria 397.

compluvium 248. 257. 259. Größenverhält-

niss 260. Zeltdach. 260. Eisengitter 260. Concordia Augusta, Statue der 134. Relief

135. Cultus 131. 135 f. Cornelius, C. Rufus, Herme des, 537 f. Cornelius, P., Flottenführer 9. Corona civica, Relief 417. Coulissen 170. vgl. 167. Crassus Frugi, Badeanstalt des, 200. 403. crista 457.

cruma fvulcanisehe Schlacke) 212. 498. crypta im Gebäude der Eumachia 13t. 134.

135. cubicula 248. 264« cubicularis 371. Cultusbilder in Tempeln 81. 540 ff. in

Privathäusem 543 ff. cunei der TheatersitKreihen 161. curia Isiaca, s.. g., 150. 152. Curie 130. die s. g. drei Curien 139 ff. custos fontis 232. 269.

Dach des Atrium 255 ff. des Peristyls 257 f. 323.

Daedalos und Pasiphae, Wandgem. 589. in der Casa della caccia 278. in der Casa di Meleagro 309. an einem Laden 382. und Ikaros, Wandgj^ 589. Stuccore- liefe in den größeren Thermen 223.

Damenbretter in Aushängeschildern 379.

Danae, Wandgem. 587. im Hause des Hol- conius (?) 296. auf Seriphos, Wandgem. 590. 595. nach Artemon 595. und Eros, Wandgem. in der Casa della caccia 278.

Daphne, s. ApoUon.

Decken der Zimmer, von Holz 505.

Deckenwölbung 505. im Tepidarium der kleineren Thermen 206. geschweifte, im runden Grabmal 419. s. Tonnengewölbe.

Decoration und Ornamentik der Gebäude 520 ff. 571. Decorationsfiguren 560 f. vgl 318. 361.

Decorationen der Bühne 169 f.

Decorationsstil der Wanddecoration 524.

decumanus 35.

j

Register.

657

decuriones 12. 128 ff. 140. 142. 314. (sechs- jähriger) 104. (siebzehnjähriger) 410.

dekviarim 59.

Demeter (Ceres), Wandgem. in der Casa del questore 336. 586. marmorne Doppel- henne (?) 557. Hand 91. s. Hermes.

Desemer 447.

destrictarium der größeren Thermen 21 5 f. 221. 222. 233. der Centralthermen (?) 235.

Diadumeni, Inschrift 299.

Diana, s. Artemis.

Dichter (?) und zwei Mädchen, Wandgem. in der Casa del chirurgo 281. Dichter lesen in den Bädern ihre neuesten Producte vor 203. 227.

Dichterreminiscenzen in Inschriften 477.

Diebstahlsanzeige in Inschrift 477.

Dieteriche in Schlüsselbunden 22.

Diomedes, s. g. Villa des M. Arrius 369 ff. vgl. 22. 27. 37. 516. Grabmal 407. vgl. 400.

Dionysos, in Wandgem. 587. Doppelhermen in der Casa di Lucrezio 319. oärtiger, Hermenkopf 350. epheubekränzter, Marmorstatue im Isistempel 543 f. 107. jugendlicher, Marmorbüste 557. meister- haue Bronzestatuette (? Narkissos) 553 ff. den Panther tränkend, in Trauben eingehüllt, Wandgem. in der Casa del Centenario 358. eine Traube aus- drückend, Aushängeschild eines Wein- händlers 379. auf dem Stierwagen, Wandgiem. in der Casa di Lucrezio 318. 604. und Satyr, Bronzegruppe in der Casa di Pansa 328. 546. 562. Wandgem. in der Casa del questore 336. 340. undAriadne, Doppelherme in der Casa di Lucrezio 319. Wandgem. 600. im Hause des Holconius 296. des Popidius 363. und Sil en, Wand- gem. im ApoUotempel 103. 104. und K.nabe, Wandgem. in der Casa di Me- leagro 311.

Dionysos-Theater zu Athen 162.

Dioskörides von Samos, Mosaikkünstler 593.

Dioskuren, Wandgem. in der Casa del questore 334."

Dipiriti 463 ff. 468.

Dipteros 83.

Diptychon 489. vgl. 281.

Dirke, Wandgem. 273. 590.

dispensator 486.

Docht, antiker 433.

Dolche 456.

Dollen, thönerne, im Hause des Holconius 297.

domus M. Asellini 275. M. Caesi Blandi

282. M. Epidii Ruft 297. M. Lucretii 314.

Sirici 321. Popidii Secündi Augustiani 359.

L. Optati Rapiani 374. Doppelhaus 320. 325. 330. 334. 342. 346.

353. 359. vgl 340. Doppelhermen 319. 557. ursprünglich an

Scheidewegen 557. dorische Bauordnung 511 ff. Doryphoros, Statue aus der |Palaestra

558 f. vgl. 151. 495. Dreifüße 429. 443. Wandgem. 96. 340.

OTerbeck, Pompeji. 4. Anfl.

Dreizack der Gladiatoren (retiarii) 187. 189.

458 f. Drogen 383.

Drusus, Sohn des Kaisers Claudius, 11. Drusus, Statue des, im Macellum 124. 560. Durchgangsverkehr 36. Durchschläge 445. duumviri iuri dicundo 12. 140. 142. 468.

492. (vgL 113.) duumviri quinquennales 12.

410.

E.

Eber und Hunde, Wandgem. 578. und Bär, Wandgem. 578.

Eberjagd, kalydonische, in Wandgem. 590.

Echinos 88.

Ehrenstatuen 559.

Eimer 443. prachtvoller 449. 618.

eingelegte Metallarbeit 621.

Ein putzfugen der Fresken 571.

Eisen, vorherrschende Verwendung in Pom- peji 508.

elaeothesium, das, in den kleineren Ther- men 204. in den ^ößeren (?) 224.

Elephantenexuvie 316. 356.

Elephantenwirthshaus 379.

Elfenbeingeräthe 453. vgl 348. 424.

Empaestik 621.

Empfangszimmer des röm. Hauses 251. 261. 262. 303.

Endymion, s. Selcne.

Enkaustik fehlt in Pompeji 570.

Epaphra 487.

E p i a i u 8 Rufus, Haus des 297 ff.

Erdbeben im J. 63 n. Chr. 15.

ergastulum 265. 369. 486.

Erker 266.

Eros in Genrebildern 580. auf Elfenbeinge- räth 453. auf den Bogen gestützt, StuccoreUef im Tepidarium der kleineren Thermen 207. und schöne Dame, Wand- gem. 580. in der Casa di Meleagro 310. 312. und Psyche, Wandgem. im Hause des Holconius 292. des Lucretius 317. s. Aphrodite, Danae, Kentaur, Pan, Paris, Triton.

Erot mit Gans, Lampenomament 434.

Eroten, Wandgem. 580 ff. im Macellum 122. 127. in einem Privathause 273. im Hause des Caesius Blandus 283. in der Casa omerica 288. im Hause des Holconius 295. im Hause des Epidius Rufus 299. in der Casa di Sallustio 307. in der Casa di Meleagro 310. im Hause des Lucretius 315. 317. (Winzer) 319. (tanzend und musici- rend) in der Casa del questore 337. als Tischler und Schuster 582 f. Stuecorelief in den größeren Thermen 223. 226. auf Delphinen, Marmorstatuetten im Hause des Lucretius 319. s. Aphrodite.

Erotennest, Wandgem. 581. in der Casa omerica 288. im Hause des Holconius 293.

Erotenverkauf, Genrebild 580 f.

Esel, Geburt, in Inschrift 486. s. Mühlen.

Ess tische 42S.

Esswaaren, gemalt 576. vgL 127. 294. 327. Laden mit Esswaaren 241.

42

658

Register.

Eumachia, Gebäude der 131 ff. 518. Statue der 131. 134.

Europes Entführung, Wandgem. 587. 595. in der Casa oraerica 287. in Hause des Holconius 296. in der Casa di Sallustio 307. in der Casa del Laberinto 343.

exedra, die, des röm. Hauses 264 f. in den kleineren Thermen 203. besonders schöne im Hause des Siricus 322. des Holconius 296. in der Casa del Laberinto 345.

F.

Fackelträgerin, Relief 418. Fahrstraße 59. versperrte 60. Fahrv erkehr in Pompeji 59. Fallgatter!?) als Verschluss der Thore 55. Fangnetz der Gladiatoren 187. Farben, chemische Untersuchung der 508.

vgl. 297. Farbenhandlungen 383. Färber (offectores) 297. 470. Färberladen 382.

Farbstoffe, rohe 383. angemachte 383. fauces (Verbindungsgang) 262 f. (Hausflur)

255. Faun (Satyr) , meisterhafte Statuette eines 549 f. 350. und Njmphe, Wandgem. im Hause des Lucretius 316. Mosaik in der Casa del Fauno 350. favissae (Kellerräume) im luppitcrtempel

90. 95. feliciter 473 f. 483. Felseninsel, "Wandgem. 573. Fenster 57. 83. Schlitzfenster 271. am

Hause des Epidius Ru^s 298 f. Fensterrahmen, aus Holz und Metall

204. 207. 373. 506. Fensterscheiben 204. 207. 211.247. 350.

373. Fensterver8chlu8 8,mitLuftdurchzug344. Feralien (Allerseelenfest) 412. Ferculum der Tischlerinnung, Wandgem.

382. Festus Ampliatus 187. 188. Festzüge zum Theater 77. 171. Feuerbecken 439 ff. vgl. 208. 223. Fingerringe 623. vgl. 329. 375. Fiorelli 29. 35. Fisanius, T., 56.

Fischer (piscicapi) 470. angelnder, Bronzestatue 561. -knabe, MaAnorsta- tuette 561. Fischereigeräth 5. Flaschen 451.

Fleischbank von Stein im Macellum 125 f. Flora, Bronzestatuette in der Casa del Fauno 347 f. 543. oskische Inschrift 347 f. Flöten 460.

Flussgott, Wandgem. 343. 391. fornacator 470. in den Bädern 212. Fortuna, Wandgem. in der Casa del chi- rurgo 282. in der Casa del questore 336. bronzene Büste in der Casa del questore 336. 8. Hermes.

Fortuna Augusta, Tempel der 114 ff. Forum civile 61 ff. Relief 70 f. Princip

der

Ausschmückung 75. Forum trianguläre 61. 75 ff. 85 ff. 516. Forum boarium 61. 79. Forum nundinarium 193. Fora venaUa 61.

Forumsscenen, Wandgem. 579.

Frau, ein Kindergerippe schmückend, Stuccorelief am runden Grabmal 419. sinnende, Genrebild 580. mit Schreibtafel, Genrebild 5 SO. mit Fruchtschale, Genrebild 316. mit Füllhorn, Genrebild 316. von Schlange umwunden, und Bauern oder Hirten, Wandgem. in der Casa del Cente- nario 355. Sitzplätze der Frauen im Theater und Amphitheater 164. 184.

Frauenbad in den kleineren Thermen 213. in den größeren Thermen 288. in der s. g. Villa der Julia Felix 200.

Frauen Wohnung in der Casa del centauro 333.

Frescomalerei 569.

F r i e 8 im tablinum der Casa di Meleagro 309.

Friesreliefe 531.

frigidarium, das, der kleineren Thermen 205. 213. der größeren 225.

Frösche von Terracotta 549.

Früchte, verbrannte 108. in Läden aufge- fundene 122. gemalte 576.

Fruchthalle am Forum civile 72.

fullones 131. 470.

Fullonica, große 390 ff. kleine 395. in- schriftlich 12.

furnacarius, in den Thermen 212.

Fuß, röm. (Maß) 460.

Fußboden 506. von Marmor 499. von Mo- saik, 8. Mosaiken.

Fußeisen 196.

fi.

Galatea, (?) Stuccorelief in den größeren Thermen 225. s. Polyphem,

galer US der retlarii 458.

Gallerien von Holz 506.

Gallier (Gladiatoren) 187. 188.

Ganymedes, Wandgem. 5S7. 600. in der Casa di Meleagro 309. Stuccorelief im Te- pidarium der kleineren Thermen 207. 587.

Garkoch, Laden eines 377. vgL 275. 302.

Garten des röm. Hauses 248. 263. 265 fl 327. 375. sehr anmuthiger, an der Casa di Sallustio 304. in Malerei nachgeahmt 575. VgL 265. 271. 304. 338. 355.

Gartenfferä^the 460.

Gartenlaubje 305.

Gefängniss, offen tL am Forum civile 73. in der Gladiatorenkaseme 196.

Geldbeutel, leinene 433.

Geldkisten 248. 425. vgL 321. 331. 334. 336. 343. 344. 348. 356. 365.

Geldwechsler 64. 71. 122.

Gemäldezimmer des röm. Hauses 267.

Gemeindesklave 12. 491 f.

Gemmen 617. 623. vgL 29. 329.

Gemüsegarten 265. 300. 327.

Genien in Genrebildern 582. v^L 316. 8. Schltmgenbilder. Genius mit Fleder- mausflügeln, Ornament 624.

genius 114. Augusti (Tempel) 117. loci 232. 380. 403. familiaris 244. 268. natalis 114.

Register.

659

Genrebilder, plastische 560 f. Gemälde 576 ff.

Gerberei 381.

Gerichtsscene, Wandgem. in der kleinen

Fullonica 395.

Gerippe, menschliche 21 ff. 291. 294. 329. 350 f. 375 f. 630{:imGeföngniss der Gladia- torenkaseme 196. in Gräbern 398. 404. in großer Anzahl vor dem Stabianer Thor 6. von Thieren 21. 38. 126. 153. 196. 359. 374.

Gesellschaftszimmer des röm. Hauses 265.

Getränke, Spuren auf den Ladentischen 378.

Gewerbe in Pompeji 380 f. 469 f. unehr- liche 380. 579.

Gewichte 448. vgl. 152. von Blei (mit In- schriften »eme« und »habebis«) 280.

Gigant, s. Athena.

Gladiator, Wandgem. 293. Lampenomament 433.

Gladiatorenbanden, pompejanische 187. 195. 473. kaiserliche 474.

Gladiatorenhelm 456 ff. 620. vgl. 190. 267.

Gladiatorenkämpfe urspr. auf dem Fo- rum 61 f. 177. Entwicklung 176 ff. 181 ff. 186 ff. 195. 474. 475. 485. Graffito 357. Aushängeschild 379. Reliefs 189 ff. 420.

Gladiatorenkaserne 193 ff. 474. vgL 171. bauliche Entstehung 197. Säulenumgang 514 ff.

Gladiatorenlibelle in Inschriften475. 485.

Gladiatorenprogramme in Inschriften 473 ff.

Gladiatorenschenke (?) 379.

Gladiatorenwaffen 187 ff: 454. 456 ff. reicher Fund 193. 196. Wandgem. 196. 284.

Gläser, zum Trinken 452.

Glasarbeit 625 t Technik der 625 f.

Glaskorallenhalsband 351.

Glasgefäß 375. 414. prachtvolles, mit Re- Uef 626. vffL 406.

Glasgeschirr 450 f. 453.

Glückwünsche in Inschriften 483.

gnomon 459.

Gorgonenmaske, Mosaik355. s. Medusen- haupt.

Goldgefäß in der Casa di SaUustio 306.

Goldschmiede (aurifices) 384. 470. 622.

Goldschmiedekunst 622 ff.

Goldschmuck 622£ aus der Casa omerica 285. aus der Casa del Fauno 351.

Gossen 7. 60. eine am Forum civile 61. 67. am Forum trianguläre 79.

Götterattribute, Wandgem. im Hause des Siricus 323. in der Casa del Centenario 355.

Götterliebschaften in Wandgem. 587 f.

Grabdenkmäler 396 ff. 421. vgl 8. das der Guirlanden 405. mit EckUiürmchen 410. mit der'Marmorthür 411. rundes 418.

Gräberstraße, s. g., vor dem Herou- laner Thor 398 fL

Grabinschrift 398.

Grabkammer 403. 411 f. 413 f. 418. 419. 420.

Graffiti 463 ff. 468. 477 ff.

grammatische Übunffen in Inschriften 464.

Greife an einem Candelaberkeleh 020.

Grenzsteine mit Götterköpfen 538.

Griechisch, in den Schulen Pompejis ge- lehrt 464. griechische Ansieaelungen in Campanien 3. griechische Inschriften 464 ff.

Grobschmiedewerkstatt 380.

Grüße in Inschriften 483.

Gürtel des Kriegers 455.

Gypsausgüsse 22 ff. 32. 254. 423.

Gyps formen, Haus der 380.

H.

Haarnadeln 453.

Hahn, mit umgestürztem Gefäß, Brunnen- figur 241. und Henne, Wandeem. 577.

Hahn einer Wasserleitung 240. vgl 234. 319.

Haken in der Piscina 294.

Halsband, goldenes 623. vgl 291.

Handelsgärtnerei 384.

Handmühlen 386. 393.

Handwerkerzünfte 469 f. vgl 382. 384.

Hängelampen 433. vgL 436.

Harpokrates, Statue des 106. 546.

Häuserbau, vier Perioden 36. 494. drei- stöckige terrassenartige Häuser, erbaut auf der eingerissenen Stadtmauer 366 ff. vgL 38. 42. s. Wohnhäuser.

Häuserfa9aden 247. 502. vgl 57. 297. 335. 378.

Hausflur 254. prächtigster in Pompeji 349.

Hausffottheit, s. Laren, Schlangenbilder.

Hauskapelle 268. 299.

Hausrath 422. vgL 38. 334.

Hausthür, des röm. Hauses 252 ff. 321. 349. Gypsabguss einer verkohlten 254. Nebenthür 254. 298.

have 349. 483.

Hebebäume 380.

Heber 452.

He er de, in Küchen 440. kleine, in Läden 38. 377 f. im Garten 305. in der Ambulatio 372. tragbare 439. 441 f. dreifacher mit Kesseln 382.

Heerstraße, Bau und Einrichtung 7. von Neapel über Pompeji nach Nucena 36.

Heftnadel 624.

Heizapparat, in den kleineren Thermen 212. m den größeren 228. in den Central- thermen 236 f. Entstehungszeit und Ver- vollkommnung 230 f.

Heizung, mit Holzkohlen 208. 440. vgL 327. 386. 389. 441.

Hektor und Paris (?), Wandgem. in der Casa delquestore 338. Hektors Schlei- fung, Wandgem. im ApoUotempel 103. Zurückbringpme von He\tors Leiche nach Troia, Wandgem. 592.

Helena, Timons Tochter, Malerin 616.

Helenas Entführung, Wandgem. in der Casa omerica 287. s. Paris.

Helle, s. Fhrixos.

hellenistische Genrebilder 580.

hellenistische Vorbilder der pompeja- nischen Wandgem. 596 ff.

Helm, des Kriegers 455. vgL 433. des Gla- diators 456 ff.

42*

660

Register.

hcmicvcliiim 460.

Henkel von Gefäßen 447. 620. v^l. 449.

llcphaestos »Vulcan), Wandgem. 323. 598. und Thctis, Wandgem. 591. in der Casa di Melcagro 309. im Hause des Siricus 322.

Hera Iuno\ Statue 112. Maske, im Hause des Lucretius 318. "Wandgem. daselbst 316. in der Casa del questore (?; 335. von Pfauen gezogen, Wandgem. in der großen FuUonica 393. s. Zeus.

Herakles, mit dem Löwenfell, Brunnen- maske 540. Kopf, Relief an einem Bleige- fäß 620 f. und Alkestis, Wandgem. im Hause des Holconius292. und Telephos, Wandgem. 601. in der Casa di Meieagro 310. 5S9. und Omphale, Wandgem. in einem Privathause 273. in der Casa di Lu- crezio 317. 589. im Hause des Siricus 322. und Nessos, Wandgem. in der Casa del centauro 333. Kampf mit dem Löwen von Nemea, Wandgem. 5S8 f. mit der kery- nitischen Hirschkuh, Bronze 650.

Heraklessage, Scenen aus der, in Wand- gem. 5S8 f.

Herculaneum, Art der Verschüttung, Ein- leit. S. [2]. Ausgrabung 245. Theater S. f2\ 169 f.

Hermaphrodit, Marmorstatuette aus der Casa delCentenario355. ziegenohriger ,

Marmorstatue aus dem Apollotempel 102. u n d S i 1 e n , Wandjjem. im Hause des Hol- conius 296. in der Casa del Centenario 358. und Panisk, Wandgem. in der Casa di Meieagro 310. in der Casa del questore 336. Schmückung des, Wandgem. in der

Casa della toletta dell' Ermafrodito 276.

Hermen 537 f. 556 f. vgL421. im Peribolos des Apollotempels -101 f. 106. 491. 538. im Hause des Caesius Blandus 2*^4. in der Casa di Lucrezio 319. 538. s. Doppelhermen.

Hermencippen an Gräbern 421 t. vgL 398. 404. 405. 407. 408. 410. 415. 418.

Hermes (Mercur) als Gott der Palaestra 101 f. und Demeter, Wandgem. in der Casa di Meieagro 308. und Fortuna, Wandgem. in aer Casa del questore 335. und Mädchen, Wandgem. 588.

Hero und Leander, Wanagem. 592.

Heroensage in Wandgem. 588 ff.

Hesione, Wandgem. 595.

Hestia, Symbol (nabeiförmiger Stein] 313. Wandgem. 323. 343. 389.

hibernaculum 303.

Hieroglyphentafel im Isistempel 108.

Hinterthür des röm. Hauses 266.

Hippolytos und Phaedra, Wandgem. 588.

589. in einem Privathause 273. im Hause des Caesius Blandus 283. in der Casa del questore 338.

Hohlmaße für trockene Gegenstände und

Flüssigjkeiten 64. Holconius Rnfus, Statue im ^oßen Theater

163. 559. Statue, gefunden m der Strada

degli Olconj 536. 559. Haus des H. 290 ff. Holz, als Baumaterial 505. Malerei auf 56S. Holz händ 1er tlignarii) 470. Holzkohlen als Heizungsmittel 208. 440.

vgl 327. 386. 389.

Holzmöbel 423.

Holztafelgemälde, falsche Annahme 317.

vgl 568. Holzwerk, Erhaltung von 20. 423. 426.

vgl 381. Anstrich 383. Homer, Apotheose des, Relief an einem

silbernen Becher 624. Homer und die

Fischer, Wandgem. in einem Privathause

466. Homerische Gedichte, in Wandgem.

591. 595. Spuren in Inschriften 465. Honiggetränke 378. 443. Hören, Wandgem. in einem Privathause

273. in der Casa della caccia 278. im Hause

des Holconius 293.

horologium 79.

h o r t u s des röm. Hauses 248. s. Garten. Hospitien 359. 379 f. 487. s. Wirthshäuser. Hund, Mosaik 254 f. 286. Gypsausguss 643.

und Katze, Wandgem. 578. Hygieia, Statue der (?) 112. Hymen ae US, Wandgem. in der Casa di

Meieagro 311. Hy lasraub, Stuccorelief in den größeren

'Thermen 223. Wandgem. 590. 609.

Hypaethraltempel 83. hypocaustum 373. 439. hypogaea 269.

ianua des röm. Hauses 252 ff.

Ikaros, s. Daedalos.

imbrices 256. 323.

imbrtr (Imperator) 57.

impliivium des röm. Hauses 248. 257. 308. 321.

incertum, s. opus incertum.

Incru Stationsstil d«r Wanddecoration 521.

inquilini, Miethwohnungen für, 329.

Inschriften 462 ff. osktsehe (s. d.) 463 f. griechische 464 ff. lateinische 467 ff. Me- trisches 467. 475. 477 ff. auf Trinkgef&ßen 451. 488.

Inschrifttafel, in Badewanne vermauert 227. 231.

Instrumente 460. chirurgische 461. vgl 279. 383. musikalische 460. s. Werkzeug.

interpensiva 255.

I o , Wandgem. in der Casa del questore 338. und Isis; Wandgem. im Isistempel 107. 602. undArgos, Wandgem. 595. im Isis- tempel 107. im MaceUum 126. in der Casa di Meieagro 309. im Hause des Po- pidius 363:

ionische Bauordnung 516 ff. 512. 527. vgl 351.

Iphigenia, Opferung der, Wandgem. in der Casa omerica 288. 595 f. 603. auf T a u r i s , Wandgem.- im Hause des Holco- nius 296; in der Gas« del Centenario 358. im Hause des Popidius 363. 601. 604.

Isiaci 109. 470.

Isis, Statue 106. 536. 543. vgl 338. Sta- tuette 546. 8. lo.

Register.

661

Isis-Priester, Wandgem. im Isistempel 106. 107. Fluchtversueh bei der Verschüt- tung 21. 109. vgl 52.

Isis-Tempel 104 ff. 519.

Isis-Thor, früher fälschlich so benannt, 52.

Istacidier, Grab der, 415 f. TgL 403.

lulia Felix 47ß. g. g. Villa der 27. 40. Badeanstalt 200. 237.

luliani 475.

luno, S.Hera. Inno Populona 88.

luppiter, s. Zeus. luppiter Milichius 59. 113. 637.

luppitertempel 90 ff. 110 ff. 518.

J.

Jagd, Wandgem. 578. in der Casa della eaeeia 278.

Jahreszeiten, s. Hören.

Josephs II. Besuch in Pompeji 632. ygL28.

Juden in Pompeji 488.

Jüngling, vor einem barbar. (phrjrg.) Kö- nig, Wandp^em. im Hause des oincus 324. des Popidius 362. mit Tambourin, Stuccorelief in den größeren Thermen 223.

Jünglinge, tanzende, mit Trinkhömem, Bronzestatuetten 561«

£aia|ercultus 113 ff. 125. 130. 135 f. Kalkmörtel 499 ff. 502 ff. Herstellung . 503. Kalkstein, mit Pflanzenabdrücken 221.

als Baumaterial 35 f. 498. 500 ff. eigen-

thümUcher Kalkstein^ Fachbau 500. Kalkyerputz 503. Kämme 453. Kämpfer oder Heroen, schwebende. Wand- '

gem. in der Casa omerica 289. Kallimachos, Lampe des 431. Kannen 445 ff. Karren, zweirädriger 153. Karrikaturen bei Inschriften 484. Katheter 462.

Katze und Vogel, Mosaik 350. 616. s.Hund. Keller im luppitertempel 90. 95. inPriyat-

häusem 269. 281. 284. 333. 375. Kenotaph 418.

Kentauren, Wandgem. 586. 603. Ken- taur (Kentaurin) und Eros, Reliefs an

zwei silbernen Bechern 625. Kerzen 431. Kesse-1, zum Kochen 443 f. vgl 327. 441.

zum Wasserheizen in den Thermen 212.

228. K i m o n und Pero , Terracottagruppe 537.

Wandgem. 597. Kind, weinendes, Bronzestatuette 561. Kirke, s. Odysseus. Kisten, hölzerne 425. Tgl 322. 323. mit

Bronze beschlagen 425. s. Qeldkisten. Klappladen am Fenster 322. Klappstühle 425. Kleiaerhändler (vestiarius) 470. Kleiderkisten 425.

Klio, Wandgem. im Hause des Holconius 296.

Knabe mit Ente, Brunnenfigur 294. 549. und Affe, Wandgem. in der Casa del questore 340.

Knaben, Brunnenfiguren von. Bronze aus Herculaneum 547. spielende, Wandgem. im Hause des Lucretius 319.

Kneipscenen, Wandgem. 487 f. 579.

Kfnocnenröhren als Scharniere 425. vgL 292.

Knochenzange 462.

Kochgeschirre 443 ff. vgl. 440.

Kohlenbecken 439 f. 44i. von Bronze, in den kleineren Thermen 208. in den größe- ren Thermen 223. vgl. 230. 231.

kombennieis (conventus) 9.

Komoedienscene, Wandgem. 585. in der Casa di Lucrezio 315. 316. in der Casa del questore 338..

korinthische Bauordnung 518. f.

Krater (Golf von Ji'eapel) 1.

Krater (Mischgefäß}, prachtvoller 449 f.

Krieger (mit kühner Verkürzung des Qe-

sichts) , Wandgem. in der Casa del que- store 340.

Kriegerwaffen 454.

Kronleuchter in der Casa di Sallustio 307.

K r o n o s (Satumus) , Wandgem. in der Casa del questore 336.

Kuchen, aufgefundene 390.

Kuchenbäcker 390. 470.

Kuchen formen 390.

Küche des röm. Hauses 264. 440. vgl 317. 323. große in der Qladiatorenkaseme 196.

Küchengarten, s. Gemüsegarten.

Küchengesch'irr 443 f. vgl 38. 292. 307. 374.

Kugeln von Stein« gefunden in den größe- ren Thermen 219. 224.

Kunsthandwerk 617 ff.

Kuppelgewölbe 206. 209. 211. 237.

kvaistur (quaestor) 9.

Kvparissos, vWandgem. im Hause des Lucretius 315.

l.

Labejo, s. Ceius.

Labyrinth, Wandgem. im Hause des Lu- cretius 318. Mosaik in der Casa del La- berinto 344. 345.

Labrum, das, im Caldarium der kleineren Thermen 209. 210. 213. der mrößeren Ther- men 227. 229. der Centralthermen 236.

Laconicum der kleineren Thermen 209. der größeren Thermen 215 f. 232. der Cen- tralthermen 237. VgL 642. Laconicum im weiteren Sinne- 232.

Läden 376 ff. vgl 266 £. 328 f. 360. restau- rirte Ansicht 377.

Ladentische, gemauerte, mit eingelasse- nen Amphoren 301. 377. 384.

Ladenverschluss 378.

Lampen 431 f. zwölfschnauzige 307. bron- zene, in Grabmälem 412. 419. schwere goldene 622. reicher Fund in den kleine-

. ren Thermen 203. Aufstellungsort in den

662

Register.

kleineren Thermen 205. 208. 211. (vgl. 373.)

Lampenfaße von Bronze 434 f.

Landschaftsmalerei 572 ff. 607 ff. vgl. 338. 604. hellenistische Quellen und Vor- bilder 598. Stimmung 609. Beleuchtung 6o9 f. hoher Standpunkt der Aufnahme 610. decorativer Zweck 610. Unterschied zwischen der antiken und der modernen Landschaftsmalerei 609 f. , besonders der deutsch-nordischen 610. Berührungspunkte mit der altem französisch-italienischen 611.

Landungsplatz 6.

lanista 187. 190. 196.

Lanzen 456.

Laodamia, s. Protesilaos.

Laokoon, Wandgem. 592.

Lapilli 19 f.

Laren, Symbole der 243. Bronzefiguren 208. Wandgem. 240. 244. 268. 323. 327. 358. 389.

Larennische 315.325. 343. 348. 353. 358. 375.

Lares compitales (Aug^sti) 114. 122. 153. 240. familiäres 114. praestites 638.

lateinische Inschriften 467 ff.

Laternen 448.

Lava als Baumaterial 498.

lavatio calda 209.

Leben, geselliges, in InBohriften 485 ff.

lectus tncliniaris 426 f. vgL 312.

Leda, Wandgem. 587. 598. 600. in der Casa della caccia 278. in der Casa di Me- leagro 310. im Hause des Popidius 362. und Tyndareos (?) , Wandgem. in der Casa omerica 288.

Lehm als Mörtel 499 f.

Lehnstühle 425.

Leichenabgüsse 22ff.

Leichenbestattung 396 f. 418. oskische 398.

Leicjienpaahle, Triolinium für, 412.

Lesche (?) am Forum civile 72.

Lese fruchte aus lat. Dichtem in Inschrif- ten 477. aus Homer 465.

Leto (?), Wandgem. im Hause des Siricus 324.

Libella, Grabmal der beiden, 410.

Lichtgottheiten, Wandsem. in einem Privathause 273. im Hause des Holconius (?) 296. im Hause des Epidius Rufus 300.

Liebesäußerungen in Inschriften 478 ff. 482 f.

Li via, Statue der, im Macellum 124. 560.

Livineius Regulus 11. 1.3.

Localgottheiten, pompejanisphe, Wand- gem. im MaceUum 127.

Localmuseym in Pompeji 23. 254.

loculi 206. 228.

Löffel 445. silberne. 331.

Löwe, von Marmoj, Bnuinenfigur 549. von Eroten gebändigti kostbiares Mosaik in der Casa del centauro 334. meisterhaft verkürzt, Mosaik in der Casa del Fauno 352. von Nemea, Wandgem. 589. und Stiere, Wandgem. 578. kranker, und Hirsch, Wandgem. 578. s. Wasserspeier.

Löwenfüße, stützende, im kleinen Thea- ter 174. an einem Grabmal 401. 402. 417.

an einer Steinbank auf dem Forum trian- ^lare 79. an Candelabem 438. an einen! »larmortisch 428. vgl 309. 338. 429.

lucrum gaudium 475.

Ludius, s. Tadius.

Luna, Lampenomament 433. s. Selene.

Lupanare 380. vgl. 579.

Lustspielscene, s. Komoedienscene.

Macellum 120 ff. 127. 638 f. maenianum des röm. Hauses 266. der

Casa del balcone pensile 266 f. Mädchen auf Globen stehend, Wandgem.

in der Casa di Lucrezio 316. Magazine 39. 54. 367. magister pagi 13. 26. 113. 407. Mahlzeit, Wandgem. in der Casa di Me-

leagro 309. Maler, ein Idol copirend, Wandgem. 628.

s. Porträtmaler. Malerin in ihrem Atelier, Wandgem. 579.

vgl 568. 651. in der Casa del chimrgo 281. Mamia, Priesterin, Grabmal der, 401 ff. Mamurra 250. 338. 521. mansio 7. vgl. 38« Mantelsohneid er oder -händler (sagarii)

470. Manu Scripte, Reste von 326. Marcellus, M. Claudius, Ehrenstatue 559. margines .7. 60. Marktplatz, s. Torum. Marmor als Baumaterial 499. 505. 528. vgL

159. in der Plastik 534. Marmor bekleidung der Wände 129. 133.

134.135. 138. 140. 141. 222.250.338.363.

vgl. 235. (reicher Fund 133.) nachgeahmt

in weißem Stuck und durch Malerei 521 t

^23. vgl 55. 284. 301. 306. 308. 334. 342.

346. 363. Marmorb^ock, für die Steinsäge vorge-

zeichnet 133. Marmorplatte mit Steins^

383. Marmorscheiben (Osoillen) 539 f. Marmorthür 411. Marmortisch 428. vgL 294. 308. 324.

338. 344. prachtvoller 428. Mars, s.Areq. Marsvas, flötend, Wandgem. im Hause des

Epidius Rufus 300. in der Casa di Me-

leagro 312. Masken 531.. 540. in Mosaik 279. 349. der

Schauspieler 153. Grabesspnbol 404» Maßangabe in einer Insohnft 416. Maße aus Basalt 152. Maßstab 460. Hauern 42 ff. Verfall 44, 47. Bauart 44 fi:

Maße 45 f. Erdanschüt<^]img 47. Treppen

zur Besteigung der Mauern 46 f. Pomoe-

rium 47. Maulthiertreiber (muliones) 470. Meddiss (medix)^ oskische Behörde 8.52.

59. 89. Medea, Wandgem. 590. 594. im Macel- lum 126. in der Casa del questore 340.

nach Timomaohos 5})4. 596.

Register.

663

Medusa, s. Perseus.

Medusenhaupt, als Brunn enfi^r 242. an Schild und Helm 455. 457. mit Flossen- ansätsen, an GefUßhcnkel 620.

Meeresufer, in der Nähe Pompejis, jetzt und im Alterthum 5. Mosaik in der Uasa del Fauno 351.

Meilenzeiger 7. 59.

Meleagros und Atalante, Wandgem. 590. in der Casa del centauro 333. in der Casa di Meleagro 308.

Melpomene, Wandgem. im Hause des Holconius 296. des Lucretius 315. in der 8. g. Villa des Diomedes 375.

Mereur, s. Hermes.

Mercurstraße 39. 307. 376.

Mercurtempel 117.

Messgeräthe 460 f.

Metalle im Bau verwendet 508. im Kunst- handwerk 618 ff. edle, in der Plastik 624 ff. vgl. 618.

Miethanzeigen in Inschriften 475 f.

Miethwohnungen 249. 252. 266 f. 328 f.

Milchladen 379.

milliaria 7. 59.

Minerva als Schützerin der Stadtthore 50. 52. 53. 495. 633. s. Athena.

ministri 113. 115.

Minos und Skylla, Wandgem. in der Casa del questore 337. 592.

Mirmillo 188. 190.

Mobilien 423 ff. von auswärts eingeführt 430.

Modell der Stadt Pompeji 40. 633.

monilia radiata (Strahlenhalsbänder) 623.

Mörtel, 8. Kalkmörtel, Lehm.

Mosaiken 611 ff. am Fußboden 96. 507. 522. 612 f. vgl 317. 345. 346. an Wän- den 612. an Säulen und Brunnennische 38. 355. Reichthum in der Casa del Fauno 346 ff. 613.

Mosaikhund in der Casa omerica 254 f. 286.

Mosaikschwelle 613. vgl. 349.

Mühlen 379. 386 ff. 390. vgl 328 f. 343. 362. Esel 379. 388. 646.

Mühlen fest, Wandgem. im Macellum 127. 583.

Mühlensklaven 388.

mulsum (mit Honig angemachter Wein) 359.

Municipalgebäude 120 ff.

Musen, Wandgem. im Hause des Holco- nius 296. des Epidius Rufus 300. des Siricus 322. s. Kiio, Melpomene, Thalia, Urania.

Museo Nazionale in Neapel 30.

musikalischer Wettstreit, Wandgem. im Hause des Siricus 324. des Popidius 362.

Musikinstrumente 460.

Nachgrabungen in Pompeji im Alterthum [3]. 25. 61. 100. 135. 136. 279. 292. 307. 332. 358. ebenso in Herculaneum 25.

Naevoleia Tyohe, Grabmal der, 413.

I

Nägel, ausschließliche Verwendung 508. zur Befestigung der Stuccoverkleidung 349. kupferne, an einer Hausthür 321.

Naos SO.

Narkissos, Bronzestatue (?y 553 ff. (vgl. Titelbild.) 537. Wandgem. 609. in der Casa omerica 288. im Hause des Holco- nius 296. in der Casa di Meleagro 311. im Hause des Lucretius 316. 319. in der Casa del questore 330. 338. in der s. g. Villa des Diomedes 371.

natatio 221. 235.

Neptun, s. Poseidon.

Neptuntempel 113.

Nereiden, Wandgem. im Hause des Hol- conius 296. in der Casa di Meleagro 309. 31 L 312. im Hause des Lucretius 315. in der Casa del centauro 334. im Hause des Popidius 366. in der s. g. Villa des Diomeaes 371. Friesrelief 531.

Nero 13. 474. Neroniani 474.

Nigidius Vaccula, M., 208. 223. 231.

Nike (Victoria), Bronzestatue 555 f. Wand-

§em. in einem Privathause 273. in der Casa ella caccia 278. im Hause des Lucretius

316. des Siricus 325. in der Casa del que- store 336. Nikias von Athen, Maler 595. Nikomachos von Theben, Maler 595. Nil, Mosaikborde 616. NiUandschaften,

Wandgem. 584. Nilschlüssel 636. (vgl Fig. 280 a.) Niobe 495. die Kinder oer, Wandgem.

590. in dem Hause No. 52 im Plane 366.

590. an golden gemalten Dreifüßen in der

Casa del questore 340. Nonius Campanus, M., 282. Norbanus Sorex, C., Schauspieler (Herme)

106. Normalmaß, öffentliches, am Forum ci-

vile 64. Nymphe, Brunnenfigur 549. Wandgem. in

den größeren Thermen 222. Stuccorelief

daselbst 225.

Obsthändler (pomarii) 470.

ocreae 456.

Odyssee, Scenen aus der, in Wandgem. 592.

Odysseelandschaften, in Rom gefunden, 575. 610. vgl. 598.

Odysseus und Penelope, Wandgem. im MaceUum 592. vgl. 126. 600. und Kirke, Wandgem. in der Casa di Modesto 274. 592. und Polyphem (?), Wandgem. 593.

o e c u s des röm. Hauses 264 f. korinthischer in der Casa di Meleagro 311. prachtvoller in der Casa di Pansa 327. in aer Casa del questore 338. in der Casa del Laberinto 346.

Oedipus und Sphinx, Relief am Grabe des C. Calventius Quietus 417.

Oedipussage, Scenen aus der, in Wand- gem. 590.

Ofen, tragbarer 441. vgl. 439.

Ofenheizer (fomacatorj 212. 470.

Ohrlöffelchen 453.

664

Register.

Ohrringe 623. vgl. 329. 351.

Okeanosmaske, kolossale, im Apodyte- rium der kleineren Thermen 205. gemalte, im Hause des Holconius 291.

Ölfläschchen 451.

Ölhändler 384.

Ölkanne 446.

ollae 397.

Omphale, s. Herakles.

Omphalos im Apollotempel 95. 100. vgl. 313.

OpfergeräthschaftenllTff. 459. vgl. 447.

Opferkannen 459.

Opferscene, Wandpem. 595. in der Casa della caccia 27H. im Hause des Kpidius Kufus 299. in der Casa del questore 338. in der Casa del Centenario 357. Relief am Altar des Augustu stempeis 1 17 ff. am Grab- mal der Naevoleia Tycne 414 f. am runden Grabmal 419.

Opferschalen 459.

Opisthodom 81.

opus incertum 503. vgl 43. 48. 52. 55. 216. 408. 409. 413. reticulatum Netz- werk) 503. vgl. 159. 212. 411. 505. Signi- num 506 f. 611. vgl. 60. 85. 309. 310. 312. 316. 322. 331. 349. 356.

orchestra 155. 160. 166.

Orestes und Pylades vor Thoas, Wandgem. 592. 595. im Hause des Popidius 363. 601. 604. nach Timomachos 595. s. Iphigenia auf Tauris.

orgi astischer Tanz (?) , Wandgem. im Hause des Caesius Blandus 284.

Oscillen 539 f. archaistische 562.

Osiris 107. 108. Statue 546.

Osker 3. 8. 58. 159.

oskische Behörden 8. s. Meddiss.

oskische Inschriften 52. 459 f. 463 f. 467. vgl 56. 59. 64. 152. 347 f. 633. 636. {auch 43. 50. 89. 96. 216. 220. 350. 543.) auf Mün- zen 398.

oskisches Längenmaß 152. Hohlmaß 63.

ostiarius des röm. Hauses 254. cella des 233. 254. 335.

ostium des röm. Hauses 254. 255. 326. 335. 349. mit doppeltem Eingang 298. 342. 360.

otiosis locus nie non est 321. 475.

Ov^id^s Gedichte in Inschriften 478.

P.

Pachtgeld;er''491 f.

pagani 13. 413. 415.

pagus Augustus Felix suburbanus 11. 13. 26. 113. 186.

Falaestra 150 ff. 513. in den größeren Ther- men 215 f. 219 ff. 516. in den Centralther- men 234. 237.

Palladienraub, Wandgem. 592. im Apollo- tempel 103.

Pan und Eros, Wandgem. in der Casa di Meleagro 311. in einem Privathause 466. und drei Jünglinge, Wandgem. in ei- nem Privathause 466. und Satyr, Mar- morgmppe in der Casa di Lucrezio 319.

pan i fiel um 329. 389.

Fansa, C. Cuspius, Statue im Amphithea-

I

ter 181. 187. Haus des Pansa 325. vgl 471.

Pantheon, s. g. 120.

Panzer aus Erz 454. apamonte 20. arastas 81.

Parfümeriehandlung 382.

Parfümeur (perfiisor) 470.

Paris, sich rüstend (?; , Wandgem. in der Casa di Meleagro 312. und Eros, Wand- gem. im Hause des Caesius Blandus 283. aes Holconius 292. in der Casa del Labe- rinto 344. und Oenone, Wandgem. 590. und Helena, Wandgem. 590. in der Casa di Sallustio 306. in der Casa di Meleagro ?; 309. im Hause des Lucretius 318. s. Hek- tor, Helena.

Parisurteil, Wandgem. 590. imHausedes Holconius 296. in der Casa di Meleagro 312. im Hause des Popidius 362.

parma 188. 455.

rasiphae, s. Daedalos.

Pasiteles, unteritalische Schule des 562.

patellarii, dii 243.

patera 452. 459. vgl 453.

Paus las von Sikyon, Maler 595.

Pech 212. 383.

penariae, cellae 249. 324.

Penaten, Wandgem. 244.

Penelope, s. Odysseus.

Pergulae des röm. Hauses 249. 266. j

Periakte 170.

Peribolos 85. 97. 518.

Peripteros 81 f. 99.

Peristyl des röm. Hauses 263 f. 345. pracht- volles, in der Casa del questore 339.

Pero, B. Kimon.

PerseuB und Danae, Wandgem. 590. 595. und Andromeda, Wandgem. 590. 595. 600. im Hause des Holconius 292. in der Casa di Meleagro 311. in der Casa del questore 340. in der Casa del Centenario 355. in heroischer Landschaft 575. die Medusa enthauptend, Wandgem. 595.

Perspectiven, architektonische, in den Wandgem. 103. 523.

pessuli 253.

Petschaft 321.

Pferdegeschirr 459. vgl 290.

Pferdekämme 453.

Pferdestall 327. 362.

Pflasterung der Straßen 58. der Plätze 61. 67.

Phaedra, s. Hippolytos.

Phallus 380.

Phantasiecapitelle 519 f. vgl. 111.

Philoktet aut Lenmos, Wandgem. 591.

Philozenos von Eretria, Maler 617.

Phrizos, Wandgem. im Macellum 126. und Helle, Wandgem. 590. in der Casa diMo- desto 275. in der Casa omerica 287. im Hause des Holconius 295. in der Casa di Sallustio 307. in der Casa di Lucrezio 316.

Pietas, Cultus der 131. 135 f.

pinaeotheca des röm. Hauses 267.

Pincette 462.

piscina 263. der kleineren Thermen 205. 213. der größeren Thermen 221. 225. 229. in der

Register.

665

Casa di Meleap'o 310. mit Marmorthieren in der Casa di Lucrezio 318. mit Bronze- thieren im Hause des Popidius 361.

plastische Kunstwerke 532 ff. Keichthum 532. Aufstellung 533. Material 534. 537. Bemalung 535. Kunstformen 537 ff.

Plektron 545. (vgL Fig. 310.)

pluteus 278. 323. 331.

rolychromie, s. Bemalung der Statuen.

Polyphem und Qalatea, Wandgem. in der Casa deUa caccia 278. 279. in der Casa di Lucrezio 315. 316. s. Aeneas, Odysseus.

pomoerium 47.

Pompeji, Bedeutung des Namens 4. 12. in seiner letzten Zeit offene Stadt 42 f. 53. Wein 2. Hafenstadt 4 ff. 629. Lage auf einem Lavahügel 6. 366. Belagerung durch Sulla 10. 43. 56. röm. Colonisirung 10. 12. Vorstadt 11. 13. 26. 37. 113 f. 186. 407. städtische Verwaltung 8. 12 ff. Verschüt- tung (s. d.) 15 ff. 630. spätere Schicksale 25. 631. Wiederentdeckung 25 ff. gegen- wärtiger Zustand 31 ff. 627 f. Vermessung 33. Areal 633. planmäßige Anlage 33 ff. jetzige Eintheilung 33.

populäres, dii 243.

Porcius, M., 172. 185. Grabmal 400. 401.

porticuB des röm. Hauses 263 f. vgL 265. der größeren Thermen 215 f. 219. am Fo- rum civile 64 f. 73 f. im Gebäude der Eu- machia 131. 135.

Porträtmaler, parodisches Genrebild 579. 651.

Porträtstatuen 559. vgL 533.

Poseidon (Neptun) , Wandgem. in der Casa del questore 335. und Nymphe, Wand- gem. 588. und ApoUon, Troias Mauern bauend, Wandgem. im Hause des Siricus 322. 590.

postes 253.

posticum des röm. Hauses 266.

postsoenium 171. 175.

Prachtgefäße 449.

praecinctiones des Theaters 161.

praefecti ex lege Petronia 13. 187.

praefurnium in den kleineren Thermen 212. in den größeren 228.

Prellsteine an den Fußwegen 60.

Presse 348. 393.

Priamos, um Hektors Leiche bittend, Wandgem. im Apollotempel 103.

Priesterin und ochlange, Wandgem. 338.

Priesterinnen 403. 410. Ehrenplätze im llieater 162. 164. 175.

procoeton des röm. Hauses 264. 284.

procurator 474.

Prometheus, an den Kaukasos ange- schmiedet, Wandgem. 608. vgL 575.

Pronaos 81.

Properz* Gedichte in Inschriften 478.

Prostylos 81.

Protesilaos und Laodamia, Wandgem. 591.

prothvron 255. '

Pseudodipteros 83.

Pseudoperipteros 82.

Psychen, Wandgem. in der Casa di Lu- crezio 316. 317. s. Eros.

Purgatorium, s. g., im Isistempel 108 ^

puteal 90. 352.

Putzgeräthschaften 452ff. vgL 328. Putztische 429. Pygmaeenbilder 583 f. 654. Pyramus und Thisbe, Wandgem. 592.

Quadjerbauten 499 f.

quaestor 9. 12.

quattuorviri 12. 101.

öuellbrunnen 238. 269.

Querbalken zum Verschluss der Thür 253.

271. 291. Quinquatrus, Hauptfest der Tuchwalker,

Wandgem. 395. Quirinustempel, s. g., 117. Quittungstateln des Bankhalters L. Cae-

cilius lucundus 12. 489 ff.

R.

idäderspuren im Pflaster 59.

Kampe am Hause des E^idius Rufus 297. an der s. g. Villa des Diomedes 370.

Rapilli 20. 630.

Räthsel in Inschriften 481.

Räucherfass (acerra) 341.

Rechnungen in Inschriften 294. 485.

redemptor 273.

Rednerbühne 70. 92.

Reiters tatnen 559. Fußgestelle in der Ba- silika 149. am Forum civile 70. 74 f.

Reliefe 531. 539. 561. vgL 118 f. 189 ff. 414 f. 417 ff.

retiarius 187. 189.

reticulatum, s. opus reticulatum.

Riemerwerkstatt 381.

Roma, Relief an ein em^ Gladiatorenhelm 620.

römisch- campanisches Genre 579.

römische Behörden in Pompeji 12.

römische Dichter, Scenen aus ihren Wer- ken in Wandgemälden 592. Verse in In- schriften 477 f.

Romulus, Inschrift 117. 132. und Remus, Wandgem. 593.

rudera 7.

Ruhebank 2. 79. 428. kostbare 317.

Ruhebetten 426. vgL 312.

S.

sacellum (sacrarium) des röm. Hauses 268!

VgL 676. im Hause des Epidius Rufus 299. Sackgassen am Forum civile 63. 66. 67. 71. Sackträger (saccarii] 470. sacrarium, s. sacellum. Salbbüchschen 452. 453. Salben koche (unguentarii) 470. Salbenlöffel 382. - Salbfläschchen 451. vgL 372. Salinenarbeiter (salinienses) 470. S a 1 o m o , s. g. Urteil des , Py gmaeenbild 583 f. salve 254. 326. salve lucrum 321. 475. Samniten (Gladiatoren) 187. 188. 189. Sarnus (Fluss) 3. 4. 6. 239. Wandgem. in

der Casa del Laberinto 343.

666

Register.

Saturn US, s. Kronos.

Satyr, Marmorstatuette in der Casa del poeta tragico 287. Marmorstatue im Isis- tempel 543. im Hause des Lucretius 311>. 551. Bronzestatue als Brunnenfigur 516. vgl. 547. 541). kleine, aus der Casa del Fauno 549 f. Marmorbüste eines alten Satyrs 550. schlaf in d, Wandgem. in der Casa della toletta dell' Ermafrodito 277. tan- zend, Wandgem. in den größeren Ther- men 222. im Hause des Caesius Blandus 284. betrunken, auf einem Esel liegend, Marmorfigur 551. von einem Hunde angegriffen, Marmorfigur 551. mit KantharoB, Wandgem. im Hause des Popidius 361. mit Weinschlauch, Brunnenfigur 355. 547. und Bakchan- tin, Wandgem. im Hause des Popidius 364. in der s. g. Villa des Diomedes 371. und Knabe (und Mädchen), Wandgem. in der Casa di Meleagro 311. 312. und Silen, Stuccorelief in den größeren Ther- men 223. und Satyrin, bronzene Dop- pelherme 557. (Herme) und Ziegen 539. 8. Faun. telamonenartige Satyrfiguren in der Casa di Meleagro 312. Satyrkopf als SchlusBstein im großem Theater 158.

Säulen, Cannellirung 510. vgl. 347. Verun- staltungen 510. 518. durchbohrte, als Brun- nen 242.

Säulenhallen 62. 64. Construetion 65 £ 73. am Forum civile 66. 513. am Forum trianguläre 78. 512. am Theater 76. restau- rirte 77.

Sc au r US, Grabmal des 420.

scena 160. ductilis 169. versilis 170.

Schabeisen 221. 452. des Gerbers 381.

Schachbretter in Aushängeschildern 379.

Scharniere an Kisten 425. an Candelabem 439.

Schatzhaus 73. 90.

Schaumlöffel 445.

Schauspieler, Thon8tatuen561. Herme 106.

Schautische 428.

Scheiterhaufen, Anzündung des, Belief am Grabe des C. Calventius Quietus 418.

Schenken, s. Wirthshäuser.

Schenkeninschriften 4S7 f. vgl 38. 380.

Schenkwirthe (caupones) 470. 480.

Schiff, Relief am Grabmal der Naevoleia "^che 415. Stuccorelief e in den größeren Thermen 227. (vgl 366.)

Schild des Kriegers 455.

Schildwaohe, angebl., am Herculaner Thor 21. 55. 400. 630.

Schlachthaus 128.

Schlafzimmer, des röm. Hauses 249. 264. das schönste in Pompeü 371.

Schlagschatten inden Wandgem. 598. 610.

Schlange und Maus, WandgeuL 578.

Schlangenbilder 244. 313. 324. 327. 341. 343. 380. 382. 389. 403.

Schlangenspiele des Sepumius 480.

Schlösser 254. 291. 378.

Schlüsselbund 22.

Schlüsselring 452.

Schmiedewerkzeug 380.

Schminknäpfchen 453.

Schmucksachen 452ff. 622 f. vgl. 285. 350 f.

Schmückung eines Jünglings durch Mäd- chen, Wandgem. im Hause des Siricus 322.

Schneckenhaus, Lampenform 434.

Sehnellwagcn 447. vgl. 152.

Schöpfkellen 444 f. vgl. 377.

schola 152 (inschriftlich), auf dem Forum trianguläre mit schöner Aussicht 2. 79. scholae im Frigidarium der kleineren TTier- men 205. der größeren Thermen 225. schola labri 209. 213.

Schornsteine 386. vgl. 440,

Schrank 261. 283. 309. 321. 364. 395. restau- rirter 423.

Schreiber, öffentliche 468. 47?.

Schreibtafel 314. 489.

Schreibzeug, Wandgem. in der Casa ome- rica 288. im Hause des Lucretius 314. 318.

Schule, s. g., am Forum civile 136 ff. vgL 66. 71.

Schulkinder 404.

Schuppenpanzer 455.

Schüsseln 450 f.

Schusterwerkstatt 282. 381.

Schutthügel 29.

schwebende Figuren, WandgenL 581 f. 586. 603. im Maceilum 126. in Privathäusem 278. 288. 291. 312. 313. 315. 322. 324. 335. 337. 345. 355. 363. schwebende Grup- pen, Wandgem. 587. 603. 606. vgl 375.

Schwert des Kriegers 456. des Gladiators 458 f.

Schwitzbad 211. 227. 237. 284. vgl 206 f.

Sclavenz immer des röm. Hauses 265.

sejcutor (Gladiator) 189.

Seebäder 200.

Seegefechte im Amphitheater 177. 180.

Seethiere, Mosaik 351. Wandgem. 355. 365. 372. 576.

Seife 394. 395.

Seifenfabrik 382.

S e i u s , V., Imperator 56 f.

Selene undi^dymion, Wandgem. 273. 588. im Hause des Holconius 293. des Lucretius 315. des Siricus 325. in der Casa del que- store 336.

senaculum 128 ff. vgl. 90. 140.

Senare in Inschriften 481.

Sentenzen in Lischriften 478.

Sepumius 480.

sera 253. 271. 291.

servus coloniae V. C. P. 12. 491 f.

Sessel 425 1

sica, die, des Thrakers 458.

Siebe 445.

Siegelring 617. 623.

sigilla (kleine Figuren von Erz) 534. 543. 551.

Signinum, s. opus Signinum.

Silbergeschirr 624. vgL 351. 353.

Silen, Brunnenfigur aus dem Hause des Lu- cretius 318. 547. aus der Casa del granduca 547. als Gefilßfuß, Bronzefigur 552. trun- ken, Brunnenfigur aus der Casa del Cen- tenario 355. 548. mit einer Amphora tan- zend (?), Bronzestatuette 561. und Sa- tyr (?) , Wandgem. in der Casa di Meleagro 311. mit dem Bakchoskinde, Wand- gem. im Hause des Holconius 291. in der

Register.

667

Casa di Meleagio 311. in der Casa del questore 337. Silenbüste, Wandgem.

- 292. 8. Hermaphrodit.

simpula 459.

Siricus, Haus des, 320.

Sistrum aus Bronze 356.

Sits stufen im Theater 175.

Skelette, s. Gerippe.

sodales avete 295.

Solarium des rom. Hauses 249. 307.

solia 232. 425.

Sommertriclinium 264.

Sonde 462.

Sonnenuhr 459 f. vom Forum trianguläre 79. aus dem ApoUotempel ]01. aus den größeren Thermen 216. 219. 220. 459 f. ▼gl 212. 238.

Sophas 426.

Sophoniba, Tod der, Wandgem. 593.

Soso 8 von Pergamos, MosaikkünsÜer 612.

Speere 456. 459.

Speisesopha 426 f. ygL 351.

Speisezimmer des röm. Hauses 249. 264.

Spes, 8. Venus.

sphaeristerium des röm. Hauses 267. 373. in den größeren Thermen (?) 219. 224.

Sphinx, als Tisehfuß 352. 428. an einem Candelaberkelch 439. an tragbarem Heerde 441. Wandgem. in den größeren Thermen 222. ReUef 349. 417.

Spieeel 453.

Spielzimmer des röm. Hauses 267.

Springbrunnen 263. 294. 311. 318. 339. 349. 351.

Spurnius, M., 56.

Stadteasse 73. 90.

stationes 7.

Statuen, in Wandgem. 587.

statumen 7.

Steinbrüche, antike, am Forum triangu- läre 76.

Steinhauer 302. 384.

Steinmetzz eichen in den Mauerquadem43.

Steinsäge 383. vgl 133.

Steinschneiderei 617. s. Gemmen.

Stempelschneiderei, fehlt in Pompeji 61 7.

Stier, Yon Bronze, als Brunnenfigur 549.

Stieropfer, Wandgem. 595.

Stierschädel, Opfersymbol 404.

Stilllebenmalerei 576. vgl. 127. 283. 340.

stlengis 221. s. Schabeisen.

Stoa poikile am Forum civile (?) 72.

Stockwerke der Privathäuser, im Alter- thum 247. 249. 366 ff. jetziger Zustand 32.

Straßen 57 ff. Straßenbreite 633 f.

strigilis 221. 452.

Stuccateurwerkstatt 381.

Stucco, Verputz 503 ff. vgl 347. in der Ornamentik 527. 529 f. als Unterlage der Frescomalerei 569 f.

Stahle 425.

Sturmhaube 455.

sudatorium, in den kleineren Thermen 211. in den größeren Thermen 227.

Suedius Clemens, T., 404. 472. 559.

Suettius Certus, A., 187. 473 f. S. Verus 476.

Sulla, P., Praefect in Pompeji JO.

suspensura 209. 211.213. 227. 229.237. 373.

tabernae argen tariae am Forum civile 64. 122.

tablinum (tabulinum) 249. '261 f. 289. 317. 337.

tabulata 249.

Tadius, S., Landschaftsmaler 59S.

Tänzerinnen, Wandgem. 581 f. vgl. 289.

Tafelmalerei 568. vgl. 317.

Talismane am Hause 380. im Hause 329.

Tasterzirkel 461.

Tauben, Mosaik in der Casa del Fauno 350. vgl 612.

tegulae 256. 323. coUiciarum 256. mam- matae 227.

Teigknetemaschine (?) in Bäckereien 390.

Telamonen, s. Atlanten.

Telephos, s. Herakles.

telonium 153.

Tempel: auf dem Forum trianguläre (Benen- nung 88) 85 ff. des luppiter 90 ff. des ApoUo (s. g. Venustempelj 96 ff. der Isis 104 ff. 519. des luppiter, der luno und der Minerva HO ff. (Neptun 113.) der For- tuna Augusta 114 ff. des Genius des Augustus (s. g. Mercurtempel) 117 ff. 114. 519.

Tempelanlage, griechische 80 ff. (Orien- tirung 84.) römisch-italische 84. 90.

Tempelbilder 540 ff.

Tempelgeräthe aus dem Isistempel 109.

Temperamalerei 570. vgl. 317.

templum 84.

tepidarium der kleineren Thermen 206. 213. (Art seiner Erwärmung 206.^ das der größten Thermen 227. 229. das der Cen- tralthermen 236.

Teppich 319. Wandgem. 350.

Terentius Felix, Grabmal des, 404.

Terenz 288.

Terracotta in der Plastik 494 ff. 530 f. 534. Färbung 537. Glasirung 537. '

Thalia, Wandgem. in der Casa di Lucre- zio 315.

Theater 153 ff. das ^ße 156 ff. das kleine 174 ff. Unterschied zwischen grie- chischem und römischem 155. 160. bevoi^ zugte Rangsitze 162. Bühne 166. Vor- hang 167. Decorations- und Maschinen- wesen 169. vgl. 167. Sitzstufen 175.

Theatermasken 153.

Theaterpolizei 171. ihre Sitze im großem Theater zu Pomneji 171. Wandgem. 685.

Theaterprobe, Mosaik in der Casa ome- rica 288.

Theaterscenen in Wandgem. 585 f. vgl. 356. 357. s. Komoedienscene.

theatrum 158. tectum 154. 171 f.

Theon von Samos, Maler 595.

Thermen 198 ff. die kleineren 200 ff. 516. die größeren 215 ff. die Centralthermen 233 ff.

Thermopolien, s. Wirthshäuser.

These US und Ariadne, Wandgem. 600. in der Casa della caccia 278. in der Casa di Melean'o 312. Sieger des Mino- tauros, Mosaik in der Casa del Laberinto

668

Register.

345. Wandgem. 589. in der Casa del Cen- tenario 358. in der großen Fullonica 393. Kelief am Grabmale des C. Calventius Quietua 417. Amazonenkampf, Wand- gem. 589.

Thetis mit denWaflfen des Achilleus, Wand- gem. 591. im Macellum 126. in der Casa di Meleagro 311. in der Casa del questore 337. 8. Hephaestos.

Thiere als Wirthshauszeichen 379. s. Piscina.

Thierkämpfe 176 flf. 181f. 191 ff. Wandgem. an der Brüstung der Arena im Amphitheater 181. 578. in der Casa della caccia antica 278. vgl. 473.

Thierstücke 577 f. vgl. 316. 350.

tholus 128.

Thon, 8. Terracotta.

Thongeschirre 450 f. vgl. 327. bemal- tes 398.

Thonplatten an Wänden 352.

Thonziegelbau 499. 505.

Thore 43. 49 ff.: Stabianer 49. vgl. 6.; No- laner 51. Seethor 52. Herculaner 54.

Thraker Gladiatoren) 187. 189.

Thräuenfläschchen, fälschlich s.'g., 452. 647.

Throne (Armlehnstühle) 425.

Thür, die, des röm. Hauses 252 ff. 506 f. vgl. 145. 310. 313. blinde 263. 349. 350. im Gebäude der Eumachia 135. in der Casa di Sallustio 304. dreiffügelige 135. 252. 302. vgl. 293. vierflügelige 302. 310. selbstschließende, im Caldarium der klei- neren Thermen 208.

Thüreinfassung, verzierte, im Gebäude der Eumachia 528. vgl. 135. 509.

thuribola, thymiateria 459.

Thürme 43. 44. 47 ff. Entfernung unter einander 48. viereckig 44. 48. Ausfalls- pforten 49.

Thürpfosten von Stein 502. 505.

Thürriegel 253.

Thürschlösser 253 f. versilberte 353.

Thürzapfen 253.

tigni coUiciarum 256.

Timanthes von Kythnos, Maler 595.

Timomachos von Byzanz, Maler 594. 595.

Tische 428. vgl. 302. 496.

Tischlerwerkzeug 460.

Todtenopfer, Belief am Grabe der Nae- voleia iVche 314. 315.

Tofelanus Valens, Haus des M., 271.

Toilettegeräthschaften 452. vgl 328.

Tonnengewölbe 211. 225. 284. 412. 420. aus Töpfen 380. s. Deckenwölbung.

tonstrina (?) 383. in den kleineren Ther- men (?) 204.

Töpfe 443 ff. vgl Tonnengewölbe.

Töpferei 380.

Topfkuchenbäcker (clibanarii) 470.

Toreutik 618 ff.

Tortenformen 390.

totius orbis desiderium 474.

trabes 255.

Trau fr innen 530. elegante 259 f. 353. mit Löwenköpfen 88.

Travertin als Baumaterial 499. 528.

Treppen von Holz 506. von Stein am Fo- rum civile 65. an der Stadtmauer 46 f.

Tribunal 143. 144 ff. im Theater 157. 164. 174.

Tribunalien, die s. g. drei, 139 ffl

tribunus militum a populo 55. 401.

Tribus, Theilung der Bevölkerung Pompe- jis in drei Tr. (?) 4.

Trichter 452.

triclininm des röm. Hauses 264 f. 357. 568. im Macellum (?) 125. funebre (für Leichenmahle) 412, fenestratum 276. 322. 8. WintertricUnium.

Trinkgefäße 450 f.

Trinkgelage, Genrebild 579. vgl 487 f.

Trinkgläser 452.-

Triptychon 489.

Triton und Eros, Wandgem. in der Casa omerica 287. Tritonen, Stuccorelief im Apodyterium der kleineren Thermen 205. Wandgem. in der Casa di Lucrezio 315.

Trittsteine auf den Straßen 59.

Triumphbogen, s. g., am Forum civile 67 ff.

Troische Sage, Scenen aus der, in Wand- gem. 590 ff. 595. vgl 103. 322. (Einnahme Troias) Kelief auf Gladiatorenhelm 458.

Trottoir 60. hoch über der Fahrstraße 59.

Tuben 460.

Tuchwalker (fuUones) 131. 133. 470.

Tuchwalkerei, große 390. kleine 395. Sce- nen aus der, Wandgem. in der großen Ful- lonica 391 f. 395. inschriftlich 12.

Tuff, als Baumaterial 498. 500 ff. 528.

Tuffperiode des Häuserbaus 36. 58. 62. 66. 494. 498. 521.

Tullius, M., Inschrift im Fortunatempel 115 f. vjijl. 11.

Tünche, ihr Vorwalten in Pompeji 504. 529. 531.

Tyndareos, s. Leda. -

Typhon 108.

ü.

unctores in den Bädern 206.

Urania, Wandgem. im Hause des Holco-

nius 296. und Pallas, Wandgem. in der

8. g. Villa des Diomedes 375. ustrinum 397. 404. 410 f. 412. 421.

V.

Vaccula, s. Nigidius.

Vasen von Bronze 341. von Silber 351.

Veduten 573,

Veius, M., 55. Grabmal des A. Veiug 401.

Velasius Gratus, Grabmal des, 408.

velum (Zeltdach) 155. 164. 473. (Vorhang) 255. 261.

venationes 177. 191 ff. 219. 473. ß. Thier- kämpfe.

Venerei 470.

venereum in der Casa di Sallustio (P) 306. in der Casa del Centenario 357.

Venus und Spes, Marmorgruppe 535. 8. Aphrodite.

Register.

669

Venus fisica 26. 113. 645. felix 645 f.

Venus Pompei an a , Hauptgöttin von Pom- peji 12. 88. 636. 645 f. Inschrift 379. Sta- tuette 562. Wandgem. in derCasa omericapj 2S7. in der Casa del questore 339. in der Casa del Laberinto 343.

Venustempel, s. g., 96 ff.

Vergils Gedichte in Inschriften 477 f. vgL 322. in Wandgemälden 592.

Vergoldu ng der Marmorstatuen 535 f. Tgl. 106. der Bronze 618. der Bronzestatuen 537. des Stucco 315. 317.

Verkehr 267.

Verkohlung [des Holzwerkes in Pompeji 20. 423.

Verschüttung Pompejis 15 ff. Tiefe 20. die einzelnen Schichten 19 f. 630. vergeb- liche Rettungsversuche der Bewohner 21 ff. 631.

Verwünschungen in Inschriften 479 f. 483.

Vesta, s. Hestia.

Vestalia (Mühlenfest), Wandgem. im Ma- cellum 127.

vestibulum des röm. Hauses 252. in den größeren Thermen 218.

Vesuv S. [2]. 15. 16 ff. Wandgem. 359.

Victoria, s. Nike.

Victualienmarkt 127.

Vierfüße 429.

Villen, yorst&dtische 369 ff.

vomitorium 161.

Vorhang im Theater 167. in Wohnhftu- sem 310. 352. 355. an Bettstellen 372. 423. 8. velum.

Vorrathskammern des röm. Hau8es*249. 261. 264.

Votivgliedmaßen von Erz und Stein im luppitertempel (?) 91.

V u 1 c a n , s. Uephaestos.

Waffen 454 ff.

Waffentropaeen, Stuccorelief in den grö- ßeren Thermen 226.

Wagen: Desemer 447. zweischalige 448.

Wagen des Apollo n (und der Artemis), Wandgem. in der s. g. ViUa des Diomedes 371. der Hera (und der Artemis), Wand- gem. in der großen Fullonica 393.

Wagenrad 459.

Wagenverkehr im Alterthum 59 f.

Wagner, Werkstatt eines 380.

Wahlempfehlungen in Inschriften 13. 269. 298. 468 ff. (vgl Fig. 259, S..462.) 485.

Walkererde 395.

Wallgraben 45.

Wand aus demi luppitertempel 94. aus dem Apollotempel 102 t. im Macellum 126. mit abwechselnd durch flache Giebel und flache Wölbungen abgeschlossenen Mauerfeldem 119. 135. 509.

Wandgemälde 563 ff. Bedeutung für die Beurteilung der antiken Malerei 563. har- monische Gesammtwirkung 565. 606. de- corativer Charakter 565. 607. 610. harmo- nische Anpassung der Bilder an die Be- coration 597. Umrahmung 524. 526. 566.

Gegenstücke 566. vgl 324. 340. 355. 677. 578. Zustand 567. 606. 627 f. vgl 120. örtliche Verhältnisse 567. Copien 567. Beleuchtung im Alterthum und heute 567. 599. 607. Technik 568 ff. vgl 317. chemische Untersuchung der Farben 568. Fresco 569 f. Mauerbewurf (Marmorstucco) 569 f. eingesetzte und eingeputzte Bilder 571. vgl. 317. 318. 335. Decorations- und Omamentmalerei 522 ff. 571. Massenproduc- tion 571. Landschaften und Architektur- ansichten 572 ff. 598. 607 ff. vgl. 604. (s. Landschaftsmalerei.) Genrebilder 576 ff. Stillleben 576. Humor 577. 583. römisch- campanisches Genre 579. 600. hellenistisches Genre 580. 600. mythologische Bilder 585 ff. 600. Liebesscenen 587 f. das sinn- liche Element 588. 600. Quellen und Vor- bilder 593 ff. hellenistische Vorbilder 596 ff. Römisches 592. archaisirende Bilder 596.

603. s. g. plastische, reliefartige Elemente der Wandgemälde 599. 602 ff. Compo- sitionsmanier 602 ff. das Malerische 603. Zeichnung 601. 603.607. Verkürzungen 603. VgL 340. (352.) Gesichtsausdruck 575. 600 f. 605. Colorit 565. 601. 605 ff. Farben- gegensätze 606. Farbenharmonie 606. Be- handlung der Beleuchtung 597 f. 599. 601. 609 f. Lichteffecte 597 f. vgl 577. Schlaff- schatten 598. 610. Fehlen aes Helldunkels 609. vgl 588, des Mondscheins 610, der Wolken und der Wirkungen des Windes 609. Hintergründe der Figurencompositio- nen 604. 608. 610. Unterschied der Bilder des dritten und des vierten Stils 600 f.

604. 606. vgl. 588. die schönsten Bilder 601. vgl 318. Künstlerischer Werth 602.

Wandschrank 336.363.372. über den Fuß- boden erhöht 333. für Lampen 296.

Wäscherwerkstatt 390 ff. 395.

Wasojhti seh, gemauerter 372. 425.

Wasser, Einmiss auf den Zustand der Ruinen 627. aus dem Alterthum 240.

Wasserbecken, marmornes 440.

Wasserbehälter 47. 165.

Wasslerkanne 446 f.

W|ass,erleitung in Pompeji vgl 214. 232.

Wassermühlen

Wasserspeier Traufirinne.

Webestube 486.

Wegebauinschrift, oskische 50. 59. 113. lateinische 51. 58. 59.

Weihgeschenke 81. 82.

Weihrauchbüohschen 459.

Weijhrauchkästchen 117.

W ei brauch h an diu ng 382.

Weihwasser 81. 85.

Wein Pompejis 2.

Weinamphoren 346. 352. 359. 375. 379. 451. 579

Weingefäße 451 f.

Weinhandlung 379.

Weinkanne 446 f.

Wleinkeller 375.

Weinlese, ReUef auf einem Glasgeföß 626.

Weinschlauch 579.

239 ff. 242.

im Alterthum 386. am Dach 259 f. 494.

s.

670

.Register.

Weinwagen, Genrebild 579.

Weltkugel, Ann mit, 125. 543. vgl 318.

Welttheile, aUegor. Wandgem. in der Casa di Meleagro 309.

Windgötter, Wandgem. in der Casa del Centenario 355.

Wintertrielinium 264.

Wirthshäuser 38. 359. 377. 379 f. 579. vgl. 55. 173. 302.

Wirthshausempfehlungen in Inachr. 487. 8. Schenkeninschriften.

Wohnhäuser 244ff. Grundfläche 246. Höhe und Stockwerke 247. 249. 348. 362. 366 fl*. Mauerstärke 247. 249. Zwischenraum 248. Straßenfront 247. 502. (altitalisches Bauern- haus 248.) Stilentwicklung 248. malerische Anlage 511. ursprünglicher Plan des röm. Hauses 248. Erweiterung desselben 250. 251, Material 497 ß. 249. (röm. Normalhaus 251.) Luxusbau 250. der private Theil 263 flf. Benennung 269. 469. 471. Decora- tion und Ornamentik 520 ff. vgl. 312. 8. Doppelhaus, Häuserbau, Häuserfagaden.

Wölbungen in Bauten 505. s. Tonnenge- wölbe.

Wollenwäscher (lanifricarius) 470. vgl. 392.

Würfelspiel 487.

xystus des röm. Hauses 263. 265 f.

Zahlen in die Wände eingekratzt 122.

Zahnschnittsims 297. 298. 331. 504.521.

Zeltdach, vor einer Tabeme 38. vor Läden 60. über dem Theater 155. 164. über dem Amphitheater 184. 473. vgl 164. über dem Compluvium 260.

Zephyros und Chloris, Wandgem. 588. 597. 602.

Zeugpresse 393. 394. 395.

Zeus (luppiter), Statue 112. Kolossalbüste 91. 540. 636. Maske im Hause des Lucre- tius 318. Stuccorelief in den größeren Thermen 223. Wandgem. im Hause des Lucretius 316. mit Adler (Zeus Areios?), Relief an einem Bleigefäß 620. von Nike bekränzt, Wandgem. in der Casa del questore 336. Zeus und Heras heilige Hochzeit, Wandgem. in der Casa pme- rica 287. 587. 601. seine Liebschaften in Wandgem. 587.

Ziegel als Baumaterial 499. 500. glasirte, in Kautenform, als Fußboden 229.

Ziegelbedachung 256 f. moderne, zum Schutz der Wandgemälde 120.

Ziegenbock, Opierung, Wandgem. in einem Privathause 466.

Zimmerhandwerk in Pompeji 505 S,

Zirkel 460. 461. vgl 380.

Zollhaus, 8. g., 152 f.

Zuckerbäokerei 390.

Zünfte in Pompeji 469 f. vgL 382. 384.

Zurufe in Lischriften 483.

Zwischen stock (mezzanino) 362.

Zwölf Götter, WandgenL an einer Straßen- ecke 244.

DrackfeUer und Bericiltigiingeii.

S. 34, Zeile 12 v. unten, lies: »vierzehnte« statt fünfzehnte.

S. 166, S.215. S. 390, S. 390, S.421, S.421, S. 480,

»

9 V. » » »Fig. 91« statt Fig. 92.

22 V. oben, lies: »1854« statt 1857.

25 V. » » »No. 77« statt No. 71.

27 V. » Heg : »No. 34« statt No. 29.

13 V. unten, » »Tuff- oder Travertinquadem« statt Tuffquadem.

10 V. » zu streichen: »und feinerem Material«.

17 V. » lies: »omne{tn) modu{m)*i statt omne modo.

Nachweis zum grofsen Plane von Pompeji.

I. Herculaner Thor K. a

II. Vesuvthor K. e

in. Capuaner Thor K. h

IV. Stabianer Thor A. h

V. S. g. Seethor (Porta della marina) D. a

VI. Tempel der Fortuna Augusta F. d

Vn. Tempel des luppiter F. c

VlU. Tempel des Genius Augusti DE. d

IX. Tempel des Apollo DE. c

X. Griechischer Tempel auf dem Forum trianguläre A. f

XI. Brunnenhaus daselbst A. f

Xn. Tempel der Isis BC. g

Xin. Tempel der capitolinischen Gottheiten (s. g. Aesculaptempel) . C. gh

XIV. S.g. Zollhaus (vgl. S. 152) \ I.b

XV. Die kleineren Thermen F. c

XV a. Die größeren (s. g. Stabianer) Thermen D- %

XV b. Die Centralthermen FG. %

XVI. S. g. Gefängniss (vgl. S. 72) E. c

XVI a. Öffentlicher Abtritt . E. c

XVII. Gemüse- und FruchthaUe (vgl. S. 72) E. c

XVIII. Basilika CD. bc

XrX. Dies. g. drei Curien (vgl. S. 139) C. c

XX. Dies. g. Schule (vgl. S. 136) CD. d

XXI. Das Gebäude der Eumachia D. d

XXII. Angebl. Sitzungssaal der Decurionen (s. g. Senaculum S. 128) . E. d

XXm. Das Macellum (s. g. Pantheons. 120) E. d

XXIV. Die Palaestra (s.g. Curia IsiacaS. 150) BC.%

XXV. Das große Theater B. g

XXVI. Das kleine (bedeckte) Theater B. gh

XXVII. Die Gladiatorenkaseme A. g

A. Thürme der Stadtmauer K. b - e

B. Treppen der Stadtmauer K. ab

Br. Öffentlicher Brunnen WL. Pfeiler der Wasserleitung

> durch die ganze Stadt zerstreut.

672 Nachweis zum großen Plane von Pompeji.

EB. Ehrenbogen FG. cd

Tr. Treppen zur üallerie des Forum C. c. D. c. E. d

SH. Ehrenbogen des Augustus (S. g. Schwibbogen) auf dem Forum . . . D. c

Fg. Fußgestelle für Statuen daselbst DE. c

Fg.* Desgleichen auf dem Forum trianguläre . . . B. f

Fg.** Desgleichen in der Strada degli Olconj ^' ß

S. Schranke auf dem Forum trianguläre AB. f

Sa. Schola daselbst A. f

U. Umfassungsmauer daselbst (vgl. S. 89' A. f

WR. Wasserbehälter am großen Theater B f u. an den kleinen Thermen F. c 7 Fundstätte der ersten Leichenabdrücke (vgl. S. 23^ D. e

Privathäuser. Regio VI.

Insula occidentalis.

1 . Wirthshaus des Albinus La

2. Kleines Haus La

3. 3a, 35. Mehrstöckige Häuser (vgl. S. 366) davon 3. Casa delladan-

zatrice, 35. Casa di Polibio HL a

4. Unbenanntes Haus GH. a

4a. Casa dei cadaveri di gesso GH. ab

45. Unbenanntes Haus mit Garten G. ab

Insula I.

5. 5a. Thermopolium des Nympheros La

6. Casa delle Vestali La

7. Casa del chirurgo (vgl. S. 279) La

8. S. g. Seifenfabrik (vgl. S. 382) La

9. Thermopolium H. a

10. Kleines Haus K. a

Insula IL

11. Casad'Iside Lb

12. Casa di Narcisso I. b

1 3 . Casa di Pupio (delle danzatrici) I. b

14. Casa delle Amazoni Lb

15. Domus A. Coss. Libani (Casa di Sallustio vgl. S. 300) H. h

16. Kleines Haus No. 1 (vgl. S. 270) H. h

Insula IIL

17. Bäckerei (vgl. S. 385) GH. b

18. S. g. Accademia di Musica . .G. b

19. Schmiede (vgl. S. 380) G. b

Insula IV.

19a. Angebliche Apotheke (vgl. S. 382) •. G. 6

Insula V.

20. Casa di Nettuno Lbc

2 1 . Casa del Granduca Michele di Russta (?) I. bc

Nachweis zum großen Plane Ton Pompeji. g73

22. Casa dei vasi di vetro (?) I. bc

23. Casa dei fiori (?) H. bc

24. Casa di Modesto (vgl. S. 273) H. bc

Insula VI.

25. Domus Cn. AUeii Nigidii Maii (Casa di Pansa, vgl. S. 325). . GH. bc

Insula VII.

26. Domus A. Herenulei Communis (Casa d* Apolline) K. c

27. Domus P. Antisti Max (Casa dell' argenteria) I. c

28. Casa d' Inaco ed lo I. c

29. Domus M. Asellini (Casa d^Adone ferito, della toletta delF Erma- frodito, vgl. S. 275) I. c

30. Casa d' Ercole H. c

31. Angeblicher Parfiimeurladen (vgl. S. 382) H. c

Insula Vm.

32. Casa della seconda fontana a musaico H. c

33. Casa della prima fontana a musaico G. c

34. FuUonica (vgl. S. 390, wo irrig 29 im Plan citirt ist) .... G. c

35. Casa dei poeta tragico (vgl. S. 285) G. c

Insula IX.

36. Casa dei duca di Aumale K. d

37. Casa di Meleagro (vgl. S. 307) I. d

38. Casa dei Centauro , , ^ ,.^. „^ ,

39. Casa dei Dioscuri M^gl- S- -^30) HI. d

Insula X.

40. S. g. Lupanar H. d

4 1 . Casa dei cinque scheletri H. d

42. Casa di Pomponio GH. d

43. Casa delF ancora . G. d

44. Casa dei naviglio G. d

Insula XL

45. Casa dei Laberinto'(vgl. S. 342] HI. d

Insula XII.

46. Domus M. Cassii (Casa dei Fauno, vgl. S. 346) ....... GH. d

Insula XIII.

47. Casa dei gruppo di vasi di vetro (?) G. e

48. Domus M. Terenti Eudoxi (Casa dei fomo di ferro) G. e

48a. Domus S. Pompeii Axiochi G. e

48i. Weinhandlung (?) H. e

Insula XIV.

49. Scavo degli Scienziati (gran Lupanare) G. e

49a. Casa dei cinque consolati (d^ Adelaide dlnghilterra) G .e

50. Casa dell' Imperatrice di Russia G. e

50a. Domus Vesonii Primi (Casa d' Orfco^ G. f

Overbeck, Pompeji. 4. Aufl. 43

(574 Nachweis zum großen Plane von Pompeji.

:M. Fullonica vgl. S. VJ'^ G. f

50c. C'asa di Laocooutü 11. f

r)Of/. mckerei (vgl. S. :^bli, H. e

506'. Schenke mit IWclern aus dem Wirthshausleben H. e

Kegio V.

liisula I.

51. Domus L. Poiitii Successi (('asa del torello di bronzo) G- g

51a. Kleines Haus No. 2 (Domus M Tofelani N'alentis Ö. 27 I) (Stelle

der ersten Ausgrabungen I74S^ ü. f

51^. Domus L. Caecilii lucundi GH. f

5U". Haus mit den Hilderinschriften (vgl. 8. 465) . . . II. f

Der Rest der Regio V noch unausgegraben.

Regio VII.

In suhl XV.

52. C'asa dei Niobidi E. b

53. Thermopolium E. b

51. Domus A. Octavii Primi E. b

55. Miethwohnung des lulius Nicephorus E. b

Insula Vir.

56a. Haus aus der ältesten Periode D. b

566. Haus des Cissonius D. b

Insula VI. Ausgrabungen erst begonnen F. bc

Insula V. Kleinere Thermen XV F. c

Insula IV.

57. Casa di Hacco F. d

58. Casa del mercante di vino F. d

59. Casa delle forme di creta fvgl. S. 380) F. d

60. Casa dei bronzi della parete nera) F. d

61. Casa dei capitelli figurati mit Zuckerbäckerei, vgl. S. 390). . . F. d

62. Casa del Ciranduca di Toscana F. d

63. Casa dei capitelli colorati F. e

«'•4. Casa della caccia antica (vgl. 8. 277) FG. e

Insula IX.

65. Casa del Re di Prussia E de

66. Casa di Marte e Venere DE. d

67. Casa della pescatrice D. d

Insula II.

68. Casa delF orso F. e

69. Casa delle quadrighe F. e

70. Casa delV Amore punito F. e

71 . Domus N. Popidii Prisci ^Casa dei marmi, mit Bäckerei. 8. 3 85) F. e

72. Domus C. ^ ibii ....Ff

73. Domus M. Gavii Rufi F. f

74. Angebliche Färberei F. f

Nachweis zum großen Plaue von Pompeji. 675

75. Domus P. Paquii Proculi EF. f

76. Domus D. Caprasii Primi E. f

Insula XII.

77. Zuckerbäckerei (vgl. S. :^!)(» E. e

78. Hospitium E. e

79. Casa del balcone pensile (vgl. S. 260^ E. e

80. Domus L. Comelii Diadumeni E. c

81. Kleine Fullonica (vgl. S. 395; E. f

82. Lupanar E. f

Insula X.

83. Haus mit Garten I). e

Insula XI.

84. Handelsgärtnerei (vgl. S. 384 i De

85. Hospitium DE. cf

86 Haus mit großem Garten DE. f

Insula XIII.

87. Casa di Ganimede D. e

Insula XIV.

88. Casa del bancliiere ;della Regina dl nghil terra) D. ef

Insula I.

89. Domus M. Caesii Elandi (vgl. S. 282) E. f

89a. Schusterwerkstatt des M. Nonius Campanus (S. 282 und 381) . E f

90. Hospitium »Ad Elepantum« (vgl. S 37!) E. f

91. Domus Sirici (vgl. S. 320) DK. fg

Regio VIII.

Insula I. Basilika XVIII CD. bc

Insula II.

92a, b. Case di Championnet C. bc

Insula III.

93. Casa di Pane ('. d

94. C/asa di Apolline e Coronide Cd

95. Casa di Diana BC. d

96. Casa d' Adonide (della Regina Carolina. BC. d

97. Casa d' Ercole ed Augia . CD. d

98. Casa del cignale CD. d

99. Casa delle Grazie CD. d

Insula V.

100. Casa di Leandro CD. e

Insula VI.

101. Casa del medico 1 vgl. S. 383) C. f

102. Casa di Francesco I C. f

Insula IV.

103. Domus C. Holconii Rufi (vgl. S. 290) C. f

103a Kleines Haus No. 3 vgl. S. 272) C. f

43*

676 Nachweis zum großen Plane von Pompeji.

104. Domus Mescini Geloiiis C. g

104ö. Kleines Haus No. 1 vgl. S. 272) C. g

105. Domus ("onieliorum C. g

Insula VII.

100. Casa di Giuseppe II B. ef

Insula V'III.

107. Casa dello scultore vgl. S. 383) B. g

los. Mittelgroßes Haus No. 9 ;vgl. S. 281) B. gh

Regio IX.

Insula V.

108a. HausNo. 12 (vgl. S. 289) FG. h

\OSc. Gastwirthschaft FG. h

lOSr/. Haus mit Musenbildern G. h

108e. Haus mit Nilbildem G. h

108/ Bäckerei G. g

108^. Haus mit dem thcil weise erhaltenen Obergeschoss .... FG. gh

Insula nova.

108Ä. Casa del ('entenario (del Fauno ubbriaco, vgl. S. 353) . . . FG. h

Insula III.

109. üomusM. Lucretii (vgl. S. 314) F. g

110. Domus L. (nodiiVari F. g

111. Vom Erdbeben zerstört und Hegen gelassen F. g

112. Bäckerei mit Laden FF- g

113. Desgleichen des T. Genialis F. g

Insula II.

114. Casa della fontana d'Amore E. g

115. Domus T. D. Pantherae E. h

Insula I.

l Iß. Domus M Epidii liufi (Casa di Diadumeno, vgl. S. 297) . . . . D. h

117. Domus Epidii Sabini (Casa del Famasso) mit dem S. 268 abgebil- deten Sacrarium D. h

Regio I.

Insula IV.

118. Domus Popidii Secundi Augustiani (Casa del citarista, vgl. S. 359)CD. h

Insula III.

119. Haus des Primipilars Q. Spurennius Priscus B h

11 9a. Domus L. Volusii Fausti B. h

119Ä. Hospitium des Hermes A. h

1 1 9c. Anderes Hospitium A. h

120. Gerberei (vgl. S. 381) A. i

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Druck von Breitkopf & H&riel in Leipzig.

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