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Rede zum Andenfen

BÖehalten an 19. April 1865, dem Tage des Leichenzuges, 12 Uhr Mittags, in der \ Kirhe zum Heiligen Gifte in ©@t. Louis,

von

% Bingo Ürebs,

Baftor und Doktor der Philofophie.

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Nede zum Andenken

Ahraham Einruln,

Präfident der Vereinigten Staaten von Nord-Amerifa.

Ermordet am Charfreitage, Ail 14, 1865, A. D.

Eyang. Zue. XXIV., Ders 21. und 5.

©ehalten

am 19. April 1865, dem Tage des Leihenzuges, 12 Uhr Mittags, in ber Side zum Hüligen Gifte in @t. Kong, von

Ernst Inge Üraebs,

PBaftor nnd Doktor der Philofophie.

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Meine verehrten und geliebten Zuhörer !

Eine tiefgefühlte Trauer herrfeht heute weit und Breit in unferm großen Tande, von Norden bis Süten, von Often bis Weften, fo weit die Drähte des Telegraphen die Schredensfunte trugen, die no in unferm Herzen wieberhallt, ein fchriller Mißflang durd) tie Freudenlieder tes Ofterfeftes, zu dem mir und eben anjchieften.

DOftern forderte fein Net, Oftern mufte tennod) gefeiert werben ; aber, geftehen wir e8 nur, zit einer rechten Dfterfreude, zu einer innerlichen, tiefges fühlten, Ffonnten wir c8 dennoch nicht bringen. Aber heute, nachdem vie Aufs erftehungFgloden auegeflungen, heute verftummen alle Töne ver Freute und der Luft, jeder ift von Schmerz ergriffen, Biele geben dem inneren Gefühle Ausorud durch die Außern Zeichen der Trauer; Häufer und öffentliche Gebäude find in Sler gehültt ; die glorreihen „Sterne und Streifen” wehen vom halben Maft auf allen Schiffen in amerifanifchen Gemäffern und wo eine Kirche fteht : in Etädten und Törfern, auf Bergen und in Stillen Thälern, im fchweigenden Malve oder auf den ergrünenden Prairien, da verfammteln fid) vie Menjchen, und ihre Tranerlieder fteigen Fagend gen Himmel empor, E3 ift heute, ald ob das ganze Icyale Velf der Vereinigten Staaten einen großen Leihenzug biloe, woran die Neichen und Mächtigen mit ihrem Prunf und Glanz, woran ber rüftige Barmer, wie der Fernige Arbeiter, mit ihren treuen einfachen Herzen, ja, woran ber Bettler mit feiner Armuth Theil nimmt, woran fid) Alle an- Ihliegen, vie ein Gefühl haben für das große ale ‚Nalionale Unglüd, das ung betroffen. |

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Aud) wir, meine Brüter und Schweftern, verfammelten uns zu diefer unges wohnten Stunde in unferm Gotteshaufe, um Diefem Gefühle feinen Ausoruc zu geben, um daffelbe auszuftrömen im Trauerchorafe, und im (Schete, Troft und Stärfung fudend, unfere Seelen zur Gott zu erbeten. Denn wir be dürfen der Erleichterung, wir betürfen des Troftes. Mic fteyen am Grabe, ein tranerndes Belf, Tas fein Oberhaupt beweint, eine Familie von Millionen treuen Herzen, Die den Berluft des gemeinfamen Vaters beflagen,

Doc) aud) am Charfreitage, al$ ter Bemeinte nod) unter den Lebenten meilte, freilicd) dem Grabe jchnell entgegeneilend, ftanven wir voll tiefer Trauer an einem Grabe, und zwar, am Grabe des Menjchenjchnes, des Gettmenfcen, aber | ch on haben wir das Feft Der Zinferitchung gefeiert und wiljen, taß wir ben Geift des Menfchen nicht in feiner Gruft zu juchen haben.

Den Klagetönen jeden Charfreitages folgt das Hallelujah des Dftermorgens!

‚In diefem Gedanfengange wollen wir uns Letrachtend meiter bewegen, indem ic) zunächft anfnüpfe an die Klagewerte ver Fünger auf ven Meye nad) Emmaus, Luc. 24, 21.: „Wir aber hoffeten, er follte Sfrael erlöfen!“

I. Ihe Meifter war gemordet, ihre Seele voll Trauer und Zagen. Muthlos wandern fie dahin Die üvde felfige Strafe: da tritt ein freundlidyer dremdling zu ihnen und redet fie am. Ium jchütten fie daS Herz aus: veren von ihren Hoffnungen, veven von ihren Erwartungen, ven dem mefjianifchen Keiche und feiner Herrlichkeit, von dem verfrhnten Bolfe Gottes; —und nun war Der, am den fie alle diefe Hoffnungen fnüpften, er war tedt, gefreuziget, ge mordet, und fie feufzen aus tiefer Seele hervor: „Wir aber hojfeten, er werde Jirnelerlsfen!’ Weld’ eine Fülle zertrümmerter Er- wartungen, meld’ ein tiefer Echmerz der Enttäufhung in diefen wenigen Worten!

Aber, m. Br. u. Schw, wir, ja, wir vermögen den Edjmerz, wir vermögen die Niedergejchlagenheit, tie Enttäufchung dev Yinger vellfommen zu würtigen. Denn gleiche Urjachen haben gleiche Wirkungen und wenn wir das Klagewort der Jünger hören, fo Klingt e8 aus der Tiefe unferer Seele ebenfalls wiener:., „Divaberhofieten, er jollie Siaael erinLen!

Keiner ver fünfzehn Borfahren Hhrakbam Lineolw’s hat fein Amt unter jo [hmwterigen Umftänden angetreten und quführt, als er. Wir find die lebenden Zeugen diefer unendlich verwidelten Verhältniffe. Wir haben immer treu auf der Seite des Nechtes, ver Unten geftanten; wir werten immer auf der Seite der Freiheit ftehen ; wir find immer bereit, für Die höchften Güter der Menfchheit einzuftehen und Dafür zu fümpfen ; wir find c$ und wir waren c8 umfonehr, dir wir ein Landes: Oberhaupt hatten, Das wir je lb ft gewählt, einen Mann, der unjer ganzes Vertrauen befaß, ver diefes Vertrauen veitertigte.

Durd) mehr al vier Jahre, während das Schiff des Etnates in den ftärfjten Stürnen fhwankte, ftand er, ruhig wie Columbus, nicht beachtend dus Gefchrei der Unzufriedenen ; und, den Gonpaß in der Hand, maß er feften Dlides Wind und Segel, Tau und Naen ımd feierte dem friedlichen Hafen der Union und Freiheit zu. Der Sturm fing Shen fid; zu legen an; Schaaren von Vögeln, frohe Betidaften zwitihernd : wen Siegen über Eiegen, von ge= monnenen Schladyten, eroberten Stätten, von gefangenen Armeen flogen über unfer Schiff daher: Tas nahe Land, den fihern Hafen, den Frieten, die Ver: Töynum:, Die Bruberliebe, Die Union verfündend da trifft die ruc)lofe Hand des Meuchelmörders den ruhigen Lenfer des Schiffes, umd ftatt, Daß Frierens- und Siegesflaggen aufgehigt wurden, fliegt die [hmarze Fahne ver Trauer an den halben Maft.

E83 war aud am Charfreitage, und aus Millienen Herzen rang fih) wiederum der Geufzer: „Wir aber hoffeten, er jollte Sjrael erlöfjen!‘“

Ja, meine Freunde, als die [hredvolle Trauerfunde mitten in ten Vorbes reitungen, Das glänzendfte Siegesfejt zu feiern und das Dunkel der Nacht mit unfern Freudenfenern zu erhellen, ımsplößlid) traf, wie der vernidhtende Blig aus wolfenlofem Himmel, da war e& ung zu Muthe, wie jenen Yüngern auf den Wxge nad) Emmaus: als wenn alle Stügen und meggerafit wären, Daß wir dem Abgrunde zuzuftürzen meinten ; al$ men das gewohnte Geleis unferes Lebens von Sturm und Waffe flutben mweagerilfen wäre, und wir vergeben Meg und Steg fuchten; al8 menn alle unjere Hoffnung, wie die Saat vom Hagel, zerfchmettert wäre. Mir empfanden recht tief daS Pooe des Dienjchen in feiner Ohnmacht, hingegeben den zerftörenden Mächten des Unglüdes, tie une gefragt erjcheinen und vernidten, wir blidten ftumm zur Erve, im Gefühle uns jeres Nichts, und nur ein Wort rang fid) aus dem Innern le8: „Wir aber hoffeten, er follte Sfrael erlöfen!“

II. „Wir aber hoffeten, er werde Jfrael erlöfen!“ Das war die Klage ver entmurnhigten Jünger; der Trauerflor des erften Charfreitages umbüllte ihre Pelensanfhanung, fie jahen nichts ald Ted und Untergang: den Tod dc8 geliebten Wieifters, den Untergang ihrer Hoffnungen. Traurig jenften fie das Angefiht zur Erte, Aber fiche! das Kreuz firg am zu fprefien md feine Zweige bevdedten ih, mit Segengfrücten. Die Trauerflire des Charfreitugs fielen zur Erde und anı Hinnmel empor ftieg leuchtend die Dfterjome.

Und am Mergen frühe, da fie zum Grabe fanten, da. fchallt ihren der Iubelruf entgegen: „Was fuhetihr den Lebendigen bei den Todten ?" (Er. Yuc. 24, 5.)

Der lebendigmachende Geift hat das Kreuz überwunden. Was tie Zünger als finnlihe Gewißheit erfaßten, Tas ift ana min geiftige Wahrheit ges werten. Darum fagte ih am Chafreitage: „Oelgatha niag eine Trauerftätte

fein aber wir fönnen doch dem Morgenfchinmer nicht wehren, der fchon am Himmel heraufzieht !

„Es gibt feine Macht auf Erden, die den Geift törten fönnte, Der allmädtig aus den Gräbern der Geopferten, der Märtyrer auferfteht. Bom Kreuze herab ift Jejus gejchritten und hat mit den durhbohrten Händen die Ecepter der Könige zerbrochen und vie Säulen der Gößentempel von dei Bergen in die Abgründe geftürzt. Befreiung hat er ven Bölfern verkündigy, und Erlöfung der Menjchheit gepredigt.‘

Berfüntigt, gepredigt durd) Diejelben Jünger, die verzweifelnd, hoffs nungslos feufzten: „Wiraber hoffeten, erfollte Sfrael erlöjen!” Als ihnen erft die Augen geöffnet und fie erfannt hatten die Yedeuting des Wortes : „Mupte nicht Chriftus folhes Leiden, um zu feiner Herrlichkeit einzugehen!" da ftand der Geift des Herrn auf in feinen Jüngern und fie wurden bie treuejten Zeugen der Wahrheit, von denen tie Welt gehört.

um mohlan denn, m. Fr., die wir Flagend anı Grabe Mbrabam Lineofn’s Stehen follte unferm politifchen Charfreitag Fein DOftermorgen folgen, follte das Mort für uns vergebens geredet fein: „Was fudhet ihr den Lebendigen bei den Todten

Hbrabamı Lincoln, in Bourbon County, Kentudy, geboren, der Mann, der nad) rauhen Fugendjahren und nah Iangem und regem Streben, nad) treuer Arbeit mit Art und Never, mit Hand umd Ktopf die höhfte Würde erreichte, die unfer Arnd einem Bürger übertragen Fan. Der Mann, der lange in Springfield, Jlinois, wohnte und dert aud) ruhen wird, der Mann, der das Steuer unjeres Staatsjhiffes fo ruhig und feft geführt, ver Mann ift unziweie felhaft tott, erinordet von ruchlofer Hand, und denmodh jage id) im demfelben Angenblide mit voller Ucherzeugung: Er lebt! „Was fudet ihr den Lebendigen bei ven Todten?*

Keine Frage, m. %., der lange, hagere, fremmdlihe Main, der auf den Namen „WÜbrabam Lineofn“ hörte, den man fehen konnte, wie er durd) die Straßen der Hauptftadt jchritt oder fuhr, Diefer fichtbare, anfaßbare Präfie dent ter Bereinigten Staaten Amerifa’3 der ift todt, und dennod) fage ih: Er lebt! „Was fudhet ihr den lebendigen bei den Todten?*

Das, was wir fehen und greifen Fönnen, das it nicht Das Wahre, das Bleibende, das Welentliche des Menfchen; das ift daS Vergänglice, der Schein, das Sterbliche ; das Dleibenve und Unfterbliche des Meenfhen: das ift fein Geijt, feine Grundfäge, feine Ioeen.

Die Menfchen fterben, ihre guten Grumdfäge fterben nicht ; die Men- hen fierben, die Wahrheiten, welche fie erfannt und bekannt, fterben nit ; die Menjhen fterben, vie Ireen fterben nicht; u befeelende Geift übers windet den Tod und lebt fort im Gefylechte der Menjhen.. Db wir nım aud)

Sal ne allü

täglic) den Tod fehen und feine Schreden in unferer innigften Nähe erfahren, fo glauben wir ded) an das Leben ; denn die Welt verklärt fid) uns zu einer Dfienbarung des Geiftes und die Menfchheit zu einem Tempel Gottes.

Die beiden Hauptiveen des geliebten Verftorbenen waren: Freiheit und Liebe. Freiheit für Alle ohne Unterfchied der Harbe und des Herfont: mens; Bereinigung Aller in Tiebe, eine fefte, dauernde Unien Aller, vem Norden bi8 zum Süben, vem attantifchen zum ftillen Micere. Das find dyiftliche Ideen, das ift wahres Chriftenthum, das ift ewige Wahrheit. Nbrabam Lincoln lebt und wird mit feinem Geifte diefen Continent erfüllen, mit feinen ewig wahren Ideen die Welt erobern: Freiheit und Gleichheit für Alle, Liebe Aller zu Allen !

M. Br.! ift ed die Natur der Sonne, zu leuchten und alle Wolken und Nebel zu verzehren, jo ift das aud) die Natur der Wahrheit. Findet das Wafjer feine Kanäle in ven Felfen der Gebirge und in den Schluchten der Erbe, um als Kleiner murmelnter Duell hervorzuriefeht und zum befruchtenten, Länder verbindend.n mädtigen Streme zu wadjjen. So wird aud) die Wabr- heit ihren Weg finden zu den Menjchenherzen und in immer weiteren Kreifen den verheißenen Segen jchaffen.

Die Menjchen fterben täglich, aber die Wahrheit ftehet täglid aus dem Grabe auf, um nad und nad zur allgemeinen Herrfchaft zu gelangen. Wie auch die Feinde toben, Wahrheit, Preibheit, Liebe fiegen, und, fo wahr Gott der Allmächtige, fo wird aud) fein eich) fommen und fein Ecöpfermort: „Es werde Licht”, c8 wird zuerft in Ers füllung gehen in unferm Lande: in focialer und politifher Des jiehung nänlid. s:

Bor dem Auge meines Öeiftes fteht die Zukunft, und id fehe find es audh Träume, fo find es dod Propheten-Träume das lose. liebe Sternen- banner flattern vom Eismeere bis zu den Öeftaden Merico8,—wehen über diefe freien Bereinigten Staaten von ganz Nord-Amerifa, und in den Wollen fehe id das Bild unferes Märtprers, ben wir heute beweinen, ander Hand feines Heilandes, und von Beider Fippen [hwebt das Bort hbernieder auf unfer Yand:

riede jei mit euch!

- Emm!

ee VESAREENEN 2: EEE

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