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Aemeke zu Hans.

DEM ORIGINALE FREI NAGMGEDICHTET

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MIT 37 STAHLSTICHEN NACH ORIGINALZEICHNENGEN

Heinrich Meute.

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Veineke Juchs.

Dem Originale frei nachgedichtet

von

Julius Eduard Hartmann.

Mit 37 Stahlſtichen nach Originalzeichnungen von

Heinrich Leutemann.

A. 9. Payne,

Leipzig, Dresden, Wien und Berlin.

2242

Fig N 43 Digitized by the Internet Archive in 2010 with funding from University of Toronto

http: //www.archive.org/details/reinekefuchs00hart

Einleitung.

Reineke Fuchs, der alte ſchlaue Geſelle, möchte nicht gern in Vergeſſenheit geraͤthen. Als einer der Koryphäen der deutſchen Literaturgeſchichte verdient er wohl den Epigonen in einem neuen Gewande vor— geſtellt zu werden, und ſo hat er ſich denn hiermit moderniſirt, um mit der Zeit gebührend fortzuſchreiten. Es thut zwar meiſtentheils nicht gut, wenn Groß— väter ihrer Enkel Kleider anziehen, aber der kräftige Ausdruck, der die Geſtalten des Thierepos ausprägt, der echt deutſche Humor, der ſich in geſunden, wenn auch nicht gerade ausgewählten Scherzen ergeht, die unverjährten Wahrheiten, die in ergötzlichen Fabeln niedergelegt ſind, rechtfertigen gewiß das Unter— nehmen des Bearbeiters.

Die Weisheit dieſer Welt, wie ſie durch alle Schlingen und Fährlichkeiten doch ſchließlich zu Ehren, d. h. zu Nutzen kommt das iſt die Philoſophie

ar

IV Einleitung.

unſres Reineke, dieſelbe, die jich heutzutage noch bei ſeinen Brüdern ebenſo gut, wie damals, als die erſte Zeile des Thierepos entſtand, wiederfindet. „Wenn ſich das Laſter bricht, ſetzt ſich die Tugend zu Tiſch“ dieſe Moral darf man freilich in der Fabel nicht ſuchen ihre Tendenz gibt den Urtext zum Schluſſe ſelbſt an.

Und dieſe Idee iſt denn mit markigen Pinſelſtrichen, hie und da etwas fauſtdick, aufgetragen. Die ganze Faulheit des mittelalterlichen Feudalſtaates, mit einem wetterwendiſchen, eiteln, ſchwachen Monarchen an der Spitze, raubgierigen Baronen zur Seite, nebſt einem Haufen energieloſen Geſindels im Gefolge, prägt ſich in Reineke köſtlich aus. Der Fuchs übertölpelt kein Tugendmuſter, nein Alles iſt moraliſch werthlos, die rohe Gewalt regiert, aber Liſt und Schlauheit ſchlagen ihr ein Schnippchen. Wer von dieſem Stand— punkte aus das Gedicht zur Hand nimmt, wird ſich gewiß an der kräftigen Koſt ergötzen, und ſollte vor— liegende Nachdichtung dazu beitragen, die Koſt dem Leſer noch etwas ſchmackhafter zu machen, ſo iſt der Wunſch des Bearbeiters vollkommen erfüllt.

Zulius Eduard Hartmann.

Reineke Fuchs.

Erſter Geſang.

Wie Reineke Fuchs vor dem König Nobel verklagt ward.

——

2

Die Pfingſtzeit ſchmückte alle Felder Und friſch ergrünte jeder Strauch; Der Vögel Sang belebt die Wälder, Der Zephyr weht mit ſanftem Hauch, Und über Berg und Thal und Au Wölbt ſich des Himmels reines Blau.

2.

Der König Nobel dehnt die Glieder

Und ſagt: Den Winter hab' ich ſatt!

Nun, Gott ſei Dank, wird's Sommer wieder; Auf, ſchmückt mir Burg und Königsſtadt! Mein Hof hiemit eröffnet ſei;

Das ganze Viehzeug ruft herbei!

6 Reineke Luchs.

3.

Kaum ſcholl die Kunde durch die Lande, So ſtrömt das Thierreich raſch heran Von jedem Alter, jedem Stande,

Mit Wiehern, Schnattern, Brüll'n, Yan, Kurzum mit Kegel und mit Kind

Das Volk, ſowie das Hofgeſind.

4.

So waren Alle denn gekommen; Nur Einer fehlte noch allein,

Fuchs Reineke er war beklommen, Der Schalk, er fühlte ſich nicht rein. Drum blieb er dieſes Mal zu Haus In ſeinem Schloſſe Malpartaus.

5.

Er merkte ſchon: Läßt Du Dich blicken, Wird ſtracks Dir der Proceß gemacht! Denn Allen was an's Zeug zu flicken, War er zeither mit Luſt bedacht;

Sein Vetter nur, der Dachs Grimbart, Hat ſeine Ungunſt nie gewahrt.

Erſler Geſang.

6.

Die Andern, die der Fuchs betrogen, Die er beſchimpft und arg gequält, Sie kamen vor den Thron gezogen, Wo Nobel Hof im Freien hält,

Und Iſegrim, der Wolf, begann: Erhab'ner König, hört uns an!

-

Seit Ihr das Reich, o Sire, regieret,

Herrſcht Tugend und Gerechtigkeit; Wie Ihr mit Weisheit ſie vollführet, Rühmt jede Zunge weit und breit: Drum dringe jetzt der Klage Chor Zu Dero allerhöchſtem Ohr.

8.

Fuchs Reineke, der Schuft, der Bube Verwirrt die Leute und das Land! Ach Gott, in meiner Kinderſtube Stöhnt ſeiner Bosheit dreifach Pfand. Drei Söhne hat er mir verletzt,

Mit ſeinem Koth ſie blind geätzt.

Reineke Suche.

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3

Und nicht genug der Gattin Treue Hat er, der Don Juau, verhöhnt.

Ein Wunder, das noch kein Geweihe Das ſchwergekränkte Haupt mir krönt. Nun ſaget, ob ein Ehemann

So was gelaſſen dulden kaun?

10.

Die Summe ſeiner Uebelthaten Faßt nicht die Summe von Papier, Die aller Zeiten Literaten Verbrauchtén auf der Erde hier. Erzählt' ich, was mir der Barbar Je zugefügt, ich braucht' ein Jahr.

Al.

Das, fleh' ich, wolle Euch bewegen,

Zu ſteuern ſeinem Frevelmuth.

Geruht das Handwerk ihm zu legen, Sonſt fließt noch manches Wackern Blut. In ſeinem Schloſſe Malpartaus

Sitzt ſicher er, und lacht uns aus.

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ernehes Srhiler.

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Erfler Geſang.

12,

So endete in bitterm Grimme

Und tief erſchüttert Iſegrim.

Mit ſchüchterner und ſchwacher Stimme Ein belfernd Hündlein folgte ihm,

Von Herkunft adlig und Franzos,

Das Junkerlein von Wackerlos.

13.

Ach, aller Erdengüter ledig, Beklagt es ſich, und jammert ſehr: O Majeſtät, bezeugt Euch gnädig! Nichts hab' ich auf der Erde mehr, Seit Reineke zu meiner Qual

Den Zipfel einer Wurſt mir ſtahl.

14.

Da ſprang der Kater Hinz dazwiſchen Und maute: Welche Kleinigkeit!

Die Lumperei hier aufzutiſchen,

Iſt viel zu edel Nobel's Zeit.

Wenn Unbill durch den Fuchs geſchah, Wem größer, als dem König da?

10 Reineke Luchs.

15.

Ja, Majeſtät, ich will's beſchwören, Fuchs Reineke beſchädigt Euch.

Wen auch Ihr hier mögt klagen hören Der fürchtet mehr in dieſem Reich Des Fuchſes Schelmerei und Hohn, Als Euer Scepter, Euer Thron.

12 *

Um was ſich Wackerlos beſchwerte, Das, wie geſagt, iſt Lumperei. Mir eigentlich die Wurſt gehörte Das heißt, es iſt ein Que dabei: Aus einer Mühle über Nacht

Hab' ich ſie heimlich fortgebracht.

.

Gelegenheit macht oftmals Diebe:

Es ſchlief der Müller und ſein Knecht, Da folgt' ich meines Herzens Triebe, Und hab' allein auf ſie ein Recht, Nicht Wackerlos, der ohne Grund Vorlaut hier aufthut ſeinen Mund.

Eriter Geſang.

18.

Der Panther nahm die Rede weiter: Zu was die Worte ohne Zahl?

Der Frevel zeigt ſich factiſch, leider, Und zweifellos iſt der Scandal; Des Fuchſes Dieberei und Mord Geht morgen ſo, wie heute, fort.

19.

Er iſt zu jeder Schandthat eilig, Beleidigt Vornehm und Gering;

Selbſt der Monarch gilt ihm nicht heilig, Die Krone iſt ihm Pfifferling.

Geſetz und Recht, des Landes Ruh Er huſtet drauf, er lacht dazu.

20.

Erſt geſtern noch hab' ich's geſehen, Wie er dem Haſen nachgeſtellt.

Da ſeht nur unſern Lampe ſtehen: Na, der, wahrhaftig, iſt kein Held! Er meidet gerne Zank und Streit, Und niemals that er wem ein Leid.

11

2 Reincke Luchs.

21.

Der Fuchs naht’ ihm mit frommen Mienen, Wie ein geprüfter Candidat,

Und heuchelte, er wollt' ihm dienen

Mit Unterricht und weiſem Rath,

Damit ihm die Theologie

Ein Aemtchen und Verſtand verlieh'.

22.

Den Katechismus herzuſagen

Begann er nun, doch plötzlich, ſchau, Hatt' er den Lampe bei dem Kragen, Und würgte ihn ganz braun und blau, Obgleich ein königlich Mandat

Die Prügelei'n verboten hat.

23

Ich kam ſoeben meiner Wege;

Von Weitem hört' ich das Geſchrei. Hui, dachte ich, da ſetzt es Schläge, Und lief aus Neugier flugs herbei; Gelangt' ich nicht noch zeitig an, Wär' Lampe jetzt ein todter Mann.

Erfler Geſang.

24.

Da ſeht, noch bluten ſeine Wunden!

O König, duldet länger nicht,

Daß das, was Ihr für Recht befunden, Verachtet wird von jenem Wicht.

Wenn dieſes Mal der Schelm entflieht, Kommt die Juſtiz in Mißcredit.

25.

Ja freilich, Sprach der Wolf, jo geht es, Wenn Reineke noch länger lebt,

Um ſeinetwillen fürder Jedes

Wie ſonſt in Angſt und Bangen ſchwebt. Nicht eh'r wird Frieden uns geſchenkt, Als bis der Fuchs am Galgen hängt.

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Die Thiere in der ganzen Runde, Die, gleich dem Wolfe, ſich beklagt, Sie riefen, wie aus einem Munde: Herr Iſegrim hat recht gejagt! Des Fuchſes Neffe nur, der Dachs, Erhob ſich für den Oheim ſtracks:

13

14 Reineke Luchs.

27.

Es zeigt ſich, traun, in voller Klarheit

Das alte Sprüchwort für und für:

Aus Feindes Mund kommt ſelten Wahrheit! Das lernt man an dem Wolffe hier.

Ja, hinter'm Rücken klagt ſich's leicht, Wenn man die eigne Schuld verſchweigt.

28.

Wär’ Reinecke nur ſelbſt zugegen Und ſtünd' in allerhöchſter Gunſt! Ihr mögt vor Eurer Thüre fegen, Herr Wolf, anſtatt mit blauem Dunſt Und altem, längſt vergeßnem Zeug Hier aufzuregen Nobels Reich.

29.

Wie habt Ihr gegen ihn gehandelt, Obgleich ihr ſonſt euch Freunde hießt? Ihr ſeid recht gern mit ihm gewandelt, Habt profitirt von ſeiner Liſt,

Und, wie Ihr's denn von je gewohnt, Mit Undank ihm hernach gelohnt. |

Erfler Geſang.

30.

Zum Beiſpiel als auf ſeinem Wagen Ein Fuhrmann einſtens Fiſche fuhr, Da knurrte gierig Euch der Magen, Ihr folgtet ſchnopernd ſeiner Spur; Doch, wie gewöhnlich, hat das Geld In allen Taſchen Euch gefehlt.

31.

Was that mein kühner Ohm? Er legte Wie todt ſich quer auf die Chauſſee; Kein Odem ſeine Bruſt bewegte; Der Fuhrmann haudert in die Näh',

Und ſieht den Fuchs und greift zur Wehr:

Doch Reineke, der zuckt nicht mehr.

32.

Ei, denkt der Fuhrmann, um ſo beſſer, So bleibt ſein Balg mir unverſehrt; Berührte ihn mein ſchartig Meſſer, Wär' er die Hälfte kaum noch werth. Er wirft ihn auf den Karr'n hinauf, Und rechnet ſchon auf den Verkauf.

15

16 Reineke Luchs.

33.

So liegt mein Oheim auf dem Wagen, Die Pferde ſetzen ſich in Trab,

Und jener, ohne viel zu fragen,

Wirft Fiſch um Fiſch den Weg herab. Nachdem ihm dieſe Liſt gelang,

Er frohen Muths herunterſprang.

34.

Doch Alles hatte ſchon verſchlungen Das Leckermaul, der Iſegrim,

Eh' Reineke herabgeſprungen.

Die Gräten präſentirt' er ihm,

Und ſchmunzelt, platzend faſt vom Fraß: Da, Brüderchen, da haſt Du was!

35.

Es wär' genug an dieſem Einen!

Hört noch ein ander Schelmſtück jetzt. Der Wolf hat ſtets an fetten Schweinen Den Schnabel gar zu gern gewetzt. Einſt ſpürte Reineke eins aus,

Das hing in eines Bauern Haus.

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*

Erfler Geſang. 17

36.

Er kriecht behende durch das Fenſter, Dem Wolf wirft er herab das Schwein. Der Bauer denkt, es ſind Geſpenſter, Doch klar wird plötzlich ihn der Wein: Er merkt, daß ihn ein Dieb verdroß, Und läßt im Hof die Hunde los.

87.

Kaum daß, zerzauſt von ihren Zähnen, Fuchs Reineke dem Tod entging.

Er lief zum Wolf in eitlem Wähnen, Damit er dort ſein Theil empfing. Der ſprach: Dein Loss iſt freilich hart, Doch ſieh, was ich Dir aufbewahrt.

38.

Es iſt der allerfettſte Biſſen;

Dran labe Dich, ich hab' genug, Und will das Beſte gerne miſſen! Was war's? O ſchändlicher Betrug, Der Strick, mit dem das Bäuerlein

Am Nagel aufgehängt ſein Schwein. Reineke Fuchs 2

18 Reineke Luchs.

39:

Was Reineke im Zorn ſich dachte (Denn reden konnt' er nicht vor Wuth), Als obendrein der Wolf noch lachte Nun, Sire, da kocht das kältſte Blut! So, hundert Mal, gering gezählt,

Hat ihm der Wolf ein Bein geſtellt.

40.

Allein, ich will darüber ſchweigen, Denn leider bin ich nicht beredt.

Wird Reineke bei Hof ſich zeigen, Was gilt's, er macht die Klagen wett! Nur Eines noch geſtattet mir

Gen Iſegrim zu ſprechen hier.

41.

Wenn er von ſeinem Hahnreithume

Jetzt Lärm und großes Weſen macht, Gereicht's ihm wahrlich nicht zum Ruhme! Ein Andrer ſpricht davon gar ſacht,

Und ſtatt zu klagen, ſieht er nach,

Wie er vertuſcht des Hauſes Schmach,

Erfler Gefang.

42

Ich kann es freilich nicht verſchweigen: Frau Gieremund, ſein ehlich Weib,

Mag ſtets dem Fuchs ſich freundlich zeigen In ſüßer Minne Zeitvertreib,

Seitdem er (juſt ſind's ſieben Jahr)

Mit ihr auf einem Balle war.

43.

Herr Iſegrim (wer hieß ihn reiſen?) Ließ ſeine Frau allein, der Thor! Da, in den allerfeinſten Kreiſen, Stellt' ihr galaut der Fuchs ſich vor. Was der nun auch mit ihr gemacht. Sie hat ſich nie darob beklagt;

44.

Im Gegentheil, ſie blieb am Leben Und ward geſünder, als zuvor. Nun will der Gatte Zeugniß geben, Sich ſelber krönen, blöder Thor! Genug, genug von ſeiner Schmach, Jetzt frag' ich andern Klagen nach. 2 *

20 Reineke Fuchs.

45.

Was Euch der Panther aufgebunden Von Lampen, das iſt dummes Zeug! Wo habt Ihr in der Welt gefunden, Daß ohne einen Ruthenſtreich

Der Kinder Unterricht und Zucht Ein Lehrer irgendwo verſucht?

46.

Will Lampe Katechismus lernen,

Und paßt nicht auf, ſo ſetzt es was! Doch, um von dem mich zu entfernen, Ihr, Wackerlos, Ihr macht wohl Spaß Mit Eurer Wurſt? Der ſchweige ſtill, Wer ſich, wie Ihr, beklagen will!

47.

Geſtohlen war, ihr hörtet's alle,

Die Wurſt! Kein unrecht Gut gedeiht! Mein Ohm vertrat bei dieſem Falle Die Stelle der Gerechtigkeit.

Er nahm aus reinem Tugendtrieb

Die Wurſt dem Hehler, wie dem Dieb.

Erſler Geſang.

48.

Nach Recht nur wär' es Euch ergangen, Hätt' Reineke am höchſten Zweig

Euch nolens volens aufgehangen!

Doch nein, er wohnt in Nobels Reich, Und weiß: Nur königlich Gebot

Spricht über Leben oder Tod.

49.

Kurzum Er lebt jetzt ganz verträglich, Lebt wie ein ſtrenger Eremit;

Er hält nur eine Mahlzeit täglich,

Das Faſten nimmt ihn ſchrecklich mit. Verlaſſen hat er Malpartaus,

Ging nach der Wüſte büßend aus.

50.

Dort baute er ſich eine Zelle,

Es decket ihn ein härnes Kleid.

O, ſtünd' er hier auf dieſer Stelle, Ihr ſähet ſelbſt die Magerkeit, Und wie ihn ſeiner Reue Macht Von Kräften völlig hat gebracht.

21

23 Reineke Luchs.

51.

Da Grimbart alſo perorirte,

Naht' aus der Fern' ein Trauerzug, Der Jedermann zu Thränen rührte: Auf einer ſchwarzen Bahre trug

Ein junges, kräft'ges Hähne-Paar Ein Huhn, das todt und kopflos war.

52.

Es war, ein Anblick zum Erbarmen, Die ſel'ge Frau von Kratzefuß;

Dem zarten Leben dieſer Armen

Ward durch den Fuchs ein jäher Schluß. Um Sühne deshalb zu empfahn,

Wankt zu dem Thron der alte Hahn,

59.

Henning, mit gramgebeugtem Schritte, Und jammernd folgt der Hühner Schaar Mit ſtummem Schmerz in ihrer Mitte Der beiden ält'ſten Söhne Paar, Kreyant und Kantart; Niemand fand Zwei ſchön're Hähne rings im Land.

Erſter Geſang.

54.

So nahte tief betrübt dem Throne Henning, der Hahn, der kläglich rief: Monarch, bei Deiner mächt'gen Krone, Vor der ſich alles neiget tief,

Hör' uns! Wir dulden ſchweren Schmerz Ob Rein'kes Liſt und Kieſelherz.

55.

Wir lebten viele gute Tage

Vereint in Scherz und Fröhlichkeit, Verſchwunden war des Winters Plage, Es kam die luſt'ge Frühlingszeit.

Ich krähte laut zu dieſer Friſt

Und ſtolz herab von meinem Miſt.

56.

Sechs Töchter, vierzehn munt're Söhne Gebar mein Weib, die Henne mir.

In ihrer Jugendkraft und Schöne Bewohnten frei ſie mein Revier,

Wo ihnen Freude mancher Art

Und Nahrung ſtets in Fülle ward.

24 Reinene Luchs.

57.

Uns ſchirmt ein heiliges Gehege,

Das reichen Mönchen angehört;

Den Hof umkreiſten allerwege— Sechs große Hunde zahnbewehrt;

Sie wachten als ein treu Geſind, Stets über mich und Weib und Kind.

58.

Den Fuchs (oft lag er auf der Lauer) Hat unſer Glück in Wuth verſetzt;

Er ſtrich zur Nachtzeit um die Mauer, Bis ihn die Hunde einſt gehetzt,

Und er nach manchem ſcharfen Biß, Kaum lebend das Revier verließ.

59.

Nun blieben wir den ganzen Winter In ungeſtörter Sicherheit;

Da plötzlich trat der rothe Sünder Vor mich in dunklem Klausnerkleid, Und reichte einen Brief mir dar, Daran des Königs Siegel war.

70

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Reinecke und das Ganinchen.

Erſler Geſang.

60.

Drin ſtand, wie den geſammten Thieren Landfrieden jetzt verordnet ſei.

Nun habt ihr nichts mehr zu riskiren, Sagt Reineke, das Feld iſt frei.

Ich habe jüngſt mein Haus beſtellt,

Und ſcheide aus der Sündenwelt.

61.

Um meine Fehle abzubüßen,

Die ich beging in großer Zahl,

Und zu erleichtern mein Gewiſſen, Iſt eine Klauſe meine Wahl.

Ich fliehe irdiſches Geräuſch,

Und koſte nie mehr Blut noch Fleiſch.

62.

So ließ ich mich vom Fuchs bethören! Er zeigte mir ſein Scapulier,

Die Kutte und das Hemde hären, Des Priors Zeugniß wies er mir, Dazu, Herr König, Euren Brief, Daß völlig mein Verdacht entſchlief.

25

26 Reineke Fuchs.

63.

Jetzt, ſprach der Heuchler, muß ich weiter, Die Meſſe wartet ſchon auf mich;

Der Höchſte ſei ſtets Dein Begleiter, Segne die Deinigen und Dich!

Und ſcheinbar leſend im Brevier,

Doch argen Sinns, ſchied er von mir.

64.

Ich eilte froh zu meinen Kindern, Erzählte die erlogne Mär.

Nichts ſoll uns, rief ich, fürder hindern; Wir brauchen keine Vorſicht mehr,

Seit uns des Königs Schutz bewahrt, Und Reineke ein Klausner ward.

65.

Wir flogen jubelnd von der Mauer

Und krähten hell in vollem Chor.

O weh! Der Fuchs lag auf der Lauer, Sprang raſch aus dem Gebüſch hervor, Und ehe wir beſtürzt entfloh'n, Erwürgt' er mir den ſchönſten Sohn.

Erſter Geſang. 27

66.

Nun, da er einmal Blut getrunken, Nun paßte er bei Tag und Nacht; Weh, vor den Ränken des Halunken Schützt keine Wehr, ſchützt keine Wacht. Von zwanzig Kindern raubt' er, ach, Mir Armen fünfzehn nach und nach!

67.

Noch geſtern in den Abendſtunden

Biß er das Haupt der Tochter ab; Ich danke unſern treuen Hunden

Den Leichnam, ſie ein ehrlich Grab. Ach ſchaut, Herr König, wie ihr Blut Verklagt des Fuchſes Frevelmuth!

68.

So ſprach der Hahn und ſchluchzend rang er Die Hände ob dem Mißgeſchick.

Den König jammert' es, auf ſprang er, Und brüllte mit erzürntem Blick.

Wie, Grimbart, hörtet ihr die Schmach? Heißt Dieſes Buße heut zu Tag?

28 Reineke Luchs.

69.

Ihm iſt ſein letztes Brod gebacken,

Wenn Leben mir der Herr beſcheert;

Das Schwert ſchwebt über ſeinem Nacken, Sein Kopf iſt keinen Sechſer werth!

Erſt graben wir dem Huhn ein Grab, Dann urtheln wir den Mörder ab.

70.

Und wie der König anbefohlen, Folgt' nun der ganze Hof dem Sarg, Der ſie, die Reinecke beſtohlen

Um Kopf und Leben, in ſich barg. Bei Glockenklang und Grabgeſang Bewegte ſich der Zug entlang;

71.

Der König und des Reiches Stände Voran, das Volk ging hinterdrein Wer weiß, wie nahe mir meine Ende? Sang tief erſchüttert Groß und Klein, Dann ſenkte man in's kühle Grab Hahn Hennings todtes Kind hinab.

Erſter Gefang. 29

72.

Nachdem, wie ſich's gebührt, der Segen Von Prieſtermund geſprochen ward, Hieß Nobel einen Denkſtein legen

Aus Marmor von Carara's Art; Drauf ſetzte dann der Hofpoet

Die Grabſchrift, die zu leſen ſteht:

73

Hier liegt die beſte aller Hennen,

Die Tochter Hennings, Kratzefuß. Ach, Alle, die ſie näher kennen, Bedauern ihres Lebens Schluß,

Der durch Verrath und Schändlichkeit Herbeigeführt ward vor der Zeit.

74.

Im Scharren und im Eierlegen

Gab's Ihresgleichen weiter nicht.

Ihr Angedenken ruh' in Segen;

Fluch ſei dem frechen Böſewicht,

Der ihr aus Bosheit, ſonder Scham,

Den Kopf mit ſammt dem Leben nahm!

30 Reineke Fuchs. |

79.

Als dieſe Grabſchrift war vollendet, Berief der König ſeinen Rath. | Das Wort ward hin und her gewendet, Wie man beſtrafe jene That.

Ein Bote, hieß es, ſei ereirt,

Der an den Hof den Fuchs citirt.

76.

Wenn wiederum die Pairs des Staates Sich ſammeln hier zum Halsgericht, Dann, auf die Weiſung des Senates, Bei Leib und Leben fehl' er nicht.

Dieß auszurichten, ſtellte man

Den Bären Braun als Boten an.

AR

Der König warnte noch den Bären: Benimm Dich klug, ſei auf der Hut! Dieß nur mag Dir Erfolg gewähren, Denn Reineke hat liſt'gen Muth, Und wird mit Lug und Schmeichelei Verſuchen, was zu machen ſei.

Erfler Geſang. 31

78.

Der Bär verſetzte ſtolz bedächtig: Verlaßt Euch, Majeſtät, auf mich! Benähm' der Fuchs ſich niederträchtig, Ich zahlt' ihn aus ſo fürchterlich, Daß er ſein ganzes Leben, traun, Gedächte an den Bären Braun.

Zweiter Geſang.

Wie Reineke Fuchs den Geſandten des Königs, Braun den Bären, heimſchickt.

1.

So wandelte der Bär die Straße, Die zu der Burg des Fuchſes führt. Voll Hochmuth hob er ſeine Naſe, Weil man als Boten ihn erkürt.

Er zog durch dürres Steppenland, Bis er ſich im Gebirge fand.

2.

Dort war des Fuchſes Jagdgehege, Und in der Mitte lag ſein Haus (Man nahte auf verſtecktem Wege), Das feſte Luſtſchloß Malpartaus. Da wohnte jetzt mit Weib und Kind Herr Reineke: er merkte Wind.

Zweiter Geſang. 33

er

Noch manche Burgen, groß’ und kleine, Beſaß er hie und da im Land;

Doch war ſo feſt und ſicher keine,

Als die, wo er ſich jetzt befand,

Und wo er ſtets zu lauern pflegt, Wenn ſich Gefahr von Weitem regt.

4.

Braun klopfte an des Hauſes Pforte, Da mancher Riegel ſie verſchloß,

Und ließ darauf die groben Worte Nach kurzem Vorbedachte los:

Zum Kuckuck, Reineke, kommt 'raus: Bär Braun hält hier vor Malpartaus.

5.

Von Königs und Gerichtes wegen

Seid Ihr hiermit von mir eitirt.

Das Weigern bringt Euch keinen Segen, Drum öffnet, wie es ſich gebührt,

Und folget, aber zaudert nicht,

Mir zu des Königs Hofgericht.

Reineke Fuchs. 3

34 Reineke Luchs.

6.

Dort ſollt ihr Euch verdefendiren

Vor Nobel und vor dem Senat!

Ihr dürft kein großes Bündel ſchnüren, Um Galgen handelt ſich's und Rad; Und wollt Ihr widerſpänſtig ſein,

So ſchlägt das Donnerwetter drein!

Ur

Der Fuchs hört hinter feiner Mauer Deutlich die Drohung Braun's, des Bärs; Er lag bereits ſchon auf der Lauer Ei, dachte Reineke, wie wär's,

Lief hier der ſtolze Grobian

Mit ſeiner plumpen Weiſe an.

8

Er zog, die Sache zu bedenken,

Sich tief in's Innere der Burg,

Die eigens er zu ſeinen Ränken

Mit Schlangenwegen durch und durch, Mit Höhlen und mit Fall'n verſehn; Gefährlich war's, hineinzugehn.

Zweiter Gefang. 35

9.

Droht' ihm ob eines Frevels Strafe, So zog er ſich hierher zurück.

Auch führte oft verirrte Schafe

In dieſes Labyrinth ſein Glück,

Die er dann ohne Scrupel fing, Und in die Speiſekammer hing.

10.

Hier ſaß er jetzt in argem Sinnen, Erwägend einen ſchwarzen Plan. Dann, um den Bären zu gewinnen, Schlich zu der Pforte er heran, Und lauſchte, ob ein Hinterhalt Ihm Unheil drohe und Gewalt.

11.

Da Braun allein er wahrgenommen, So ging er kecken Muths hinaus,

Und rief: Herr Oheim, ſeid willkommen Auf meinem Schloſſe Malpartaus. Verzeiht, daß Ihr ſo lange ſteht,

Doch war ich juſt beim Nachtgebet.

36 Reineke Luchs.

12.

Wie freut es mich, daß Euch gerade Als Boten Nobel mir geſandt.

Nur iſt's um Eure Mühe Schade; Wie hat die Sonne Euch verbrannt, Wie hat Euch dieſer Weg erhitzt: Ihr ſeid ja durch und durchgeſchwitzt!

13.

Daß man den beſten Mann im Lande Die weite Reiſe zugemuth't,

Iſt doch wahrhaftig eine Schande! Indeß, mir freilich kommt's zu Gut, Den Euer werther Beiſtand ſchützt, Und an dem Hof des Königs ſtützt.

14.

Nun, morgen früh ſollt als Begleiter Zum Hof Ihr mich gerüſtet ſeh'n. Unmöglich iſt mir's heute, leider;

Ich könnte keine Stunde geh'n;

Im Magen liegt mir centnerſchwer Die Mahlzeit noch vom Mittag her.

Zweiter Gefang. 37

15

Was habt Ihr denn ſo Gut's gefreſſen? Forſcht Braun. Der Fuchs verſetzt darauf: Ach, nur ein miſerables Eſſen,

Doch fehlt das Geld zu beſſerm Kauf.

Ich ſpeiſe als ein armer Mann,

Was ich zur Noth bekommen kann.

16.

Nichts war's, als eine Honigſcheibe, Der Hunger trieb ſie mir hinein;

Nun grimmt's entſetzlich mir im Leibe, Als ſchluckt' ich einen Kieſelſtein.

Nie wieder eſſ' ich ſolches Zeug,

Iſt's häufig in der Nähe gleich.

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Ha, ſprach der Bär, mein guter Neffe, Ihr ſchmäht mein größtes Leibgericht, Wie glücklich, wenn ich's einmal treffe! So wohl ward mir ſchon lange nicht. Schafft Ihr mir was davon herbei, Dien' ich Euch wieder, meiner Treu!

38 Reineke Luchs.

18.

Ihr ſpaßt wohl? lacht der Fuchs gar liſtig. Nein, brummt der Bär, bei meinem Eid, Ich gäbe drum, wer weiß was, wüßt' ich Den Ort, wo Honig mir ſich beut.

Ei, ſpricht der Schalk, wenn dem ſo iſt, Sei gnügend Eure Luſt gebüßt.

19.

Am Fuß des Berges wohnt ein Bauer, Herr Rüſteviel, der Zimmermann. Wir ſpringen über ſeine Mauer,

Und treffen Maſſen Honigs an.

O, jauchzte Braun, dahin, dahin

Laßt uns, geliebter Neffe, zieh'n.

20

So kommt! An Honig ſoll's nicht fehlen, Sprach Reineke, ich gehe mit.

Zwar muß ich mich ein wenig quälen, Doch es erleichtert meinen Schritt,

Daß ich einmal dem Biedermann,

Dem theuren Oheim, dienen kann.

Zweiter Geſang.

21.

Indeſſen werdet Ihr hinwieder

Bei Hofe gern mein Anwalt ſein; Dann werf' ich alle Feinde nieder,

Die wider mich verleumdriſch ſchrein. Ich ſchaffe heut' Euch, wenn Ihr mögt, So viel, als Euer Rücken trägt.

22.

Vorwärts lief Reineke im Trabe,

Und hinterher der dumme Braun.

Ha, denkt der Fuchs, Du alter Knabe, Zu einem Markt führ' ich Dich, traun, Da hält ein wohlgemeſſen Theil

Von bitterm Honig man Dir feil.

23.

Sie kamen zum Gehöft des Bauern, Wo Alles ſchon im Schlafe lag, Und klettern über niedre Mauern, Zuerſt der Fuchs, und hintennach Der Bär, dem ſeine Phantaſie,

In Honig ſchwelgend, Flügel lieh.

39

40 Reineke Fuchs.

24.

Ein Eichenſtamm, am Fuß geſpalten

Mit tücht'gem Keil, lag vor dem Haus. Hier, ſprach der Fuchs, hier laßt uns halten, In dieſem Baume ſteckt der Schmaus;

Hier gibt es Honig ſüß und rein,

Steckt nur die Schnauze tief hinein.

25.

Nur freßt mir ja nicht gar zu gierig,

Sonſt wird, wie mir, Euch ſchlimm zu Muth. Ei, meint der Bär, die Wahrheit ſpür' ich: Maß iſt bei allen Dingen gut!

Glaubt Ihr, daß ich ein Vielfraß bin?

Laßt mich getroſt zum Honig hin.

26.

Alſo betrog der Fuchs den Thoren, Der zwängte nun bis an den Schopf Nebſt ſeinen beiden Zottelohren

In jenen Baum den dicken Kopf, Und zog die Vorderfüße nach,

So daß er halb im Spalte lag.

Zweiter Geſang. al

27.

Da machte fich mit allen Mühen

An's Querholz Reineke der Fuchs;

Das ſprang nach kurzem Zerr'n und Ziehen Aus dem geſpaltnen Baume flugs,

Und in die Spalte eingeklemmt

Bleibt Braun, ſo ſehr er kratzt und ſtemmt.

28.

Es hilft kein Bitten und kein Beten, Kein Droh'n, kein Fluchen, keine Kraft! Braun heult und brüllt, das alle Läden Sich öffnen in der Nachbarſchaft;

Und Rüſteviel, der aufgewacht,

Greift zu der Axt mit Vorbedacht.

29.

Braun lamentirt' in großen Aengſten, Weil ihn der Baum gefangen hielt.

Er denkt: Gelebt hab' ich am Längſten, Nun mir der Schelm mein Leben ſtiehlt, Auch Reineke, der dachte ſo,

War über alle Maßen froh.

42 Reineke Suche.

30

Von Fern ſah er den Bauer kommen

Und rief: Nun, Oheim, ſagt, wie thut's? Zum Eſſen mag ein Schlückchen frommen! Dort Rüſteviel bringt Euch was Gut's, Damit es Euch an Nichts gebricht. Verderbt Euch nur den Magen nicht!

31.

Nachdem er ſo gehöhnt den Bären, Lief er zurück nach ſeinem Schloß; Denn nicht gar lange konnt' es währen, Ging auf dem Hof der Teufel los. Kaum hatt' er von den Bären Wind, Lief Rüſteviel in's Dorf geſchwind.

32.

Dort ſaßen grade in der Schenke

Die Bauern bei vergnügtem Schmaus. He, Kinder, ruft er, laßt die Schwänke; Es harrt auf Euch ein ernſter Strauß. Gefangen hat ſich, glaubt es mir,

Auf meinem Hof ein wildes Thier.

Zweiter Geſang. 43

33.

Wie dieſe Mär die Bauern hörten, So fuhren fie vom Tiſche jach. Die Eile drängte: ſie bewehrten Mit dem ſich, was im Wege lag. Was Jeder eben paſſend fand, Nahm er als Waffe in die Hand.

31.

Der Eine griff geſchwind zum Rechen,

Die Gabel war des Zweiten Wahl,

Des Dritten Wehr ein Spieß zum Stechen, Der Vierte riß vom Zaun den Pfahl,

Mit einem Karſt der Fünfte kam,

Der Antheil an dem Feldzug nahm.

35.

Der Pfarrer ſelbſt nebſt ſeinem Küſter, Sie wurden wach von dem Scandal, Und dachten: Ueber Dir Philiſter! Drum rüſteten ſie allzumal,

Und ſtürzten beide zu dem Haus

Mit ihrem Heergeräth heraus.

44 Reineke Luchs.

36.

Des Pfarrers Köchin blieb nicht hinten; Sie mußte wiſſen, wo man focht. (Nicht eine Zweite war zu finden,

Die fo, wie fie, die Grütze kocht.) Frau Jutte folgte wuthentbrannt

Mit ihrem Rocken in der Hand.

37.

So eilte man den Pelz zu waſchen Dem kläglich eingeklemmten Braun.

O unglückſelge Luſt zu naſchen!

Der Bär vernimmt mit inn'rem Graun Wie lärmend naht der Bauern Schaar, Und ahnt die wachſende Gefahr.

38.

Da riß er in des Todes Nähe

Mit übermenſchlicher Gewalt,

Das ſeinen Henkern er entgebe,

Das Haupt aus dem geſchloſſnen Spalt, Doch bei dem heft'gen Ruck verlor

Er Haut und Haare bis an's Ohr.

Zweiter Geſang.

3).

Es war ein Anblick zum Erbarmen! Ganz überſtrömt von rothem Blut

Gelang es noch zuletzt dem Armen

Im Raſen ſinnberaubter Wuth

Die Füße aus dem Spalt zu ziehn, Doch Fell und Klauen blieben drin.

40.

Das ſchmeckte nicht nach ſüßer Speiſe, Wozu ihm Hoffnung ward gemacht.

O ſchnöder Fuchs, verwünſchte Reiſe, Die ihm in dies Malheur gebracht!

Er konnte kriechen nicht, noch ſteh'n, Nicht vorwärts und nicht rückwärts geh'n

41.

Jetzt nahte Rüſteviel, und Alle, Die Waffen führten, folgten nach. Sie kamen zu der Bärenfalle, Daneben Braun im Blute lag, Und huben ihn zu ſchlagen an:

Zu tödten wünſcht' ihn Jedermann.

45

46 Reineke Fuchs.

42.

Nun ward dem Bären Angſt und Bange: Der Feinde Anzahl wuchs gar ſchnell! Mit einer langen Bohnenftange

Schlug ihn der Pater auf das Fell,

Und Jeder gab ihm drauf ſein Theil Mit Pfahl und Hacke, Spieß und Beil.

43.

Der Schmied regierte ſeinen Hammer, Mit Schaufeln ſchlugen Andre drein: Dem Bären fuhr vor großem Jammer Der Schrecken in die Hoſen 'nein.“ Ihn prügelte zu ſeinem Leid

Die Schaar mit wahrer Freudigkeit.

44

Zumal Hans Schlump, mit ſchiefen Beinen, Und Ludolf mit dem breiten Maul,

Die klopften auf ihn, wie auf Steinen,

Auch Gerold ſtand dabei nicht faul;

In ſeinen krummen Fingern ſchwang

Er einen Flegel, daß es klang.

weiter Geſang. 47

45.

Quack und des Pfarrers Köchin, Jutte, Die draſchen Braunen windelweich;

Es ſchlug ihn mit der Waſſerbutte Quack's dickes Lorchen allzugleich.

Auch Gerolds Schwager, Kuckelrey, Drang ein mit Schlägen und Geſchrei.

46.

(Der machte ſtets das meiſte Weſen, Als wär' er vornehm. Doch man fand, Wenn man im Kirchenbuch geleſen,

Daß ſich ſein Vater nicht genannt.

Die Mutter freilich kennt man gut,

Am Hinterthor die Willgetrud.

47.

Die Bauern meinten mit einander, Der Stoppelmäher könnt' es ſein, Der ſtolze Kerl, der ſchwarze Sander, Der ähnle ihm im Dorf allein; Vermuthlich, das zum Kuckelrey

Der ſchwarze Sander Vater ſei.)

48 Reineke Luchs.

48.

Doch Jene waren's nicht alleine,

Die Braunens Leben hart bedroht;

Es flogen auch gewalt'ge Steine

Von Ferne, mehrend ſeine Noth.

Wie wüthend gingen Mann und Weib Dem Unglücks-Bären auf den Leib.

49.

Zuletzt, um ſeinen Muth zu kühlen, Bracht' einen Knüttel, lang und ſchwer, Der Bruder noch von Rüſtevielen,

Und vor den Kopf hieb er den Bär, Daß von dem Schlag, den er empfing, Ihm Seh'n und Hören faſt verging.

50.

Da raſte, aufgeſchnellt vom Schlage, Der malträtirte Braun empor;

Er jagte zu dem nahen Bache

Der aufgeſcheuchten Weiber Chor, Und unter Drängen, Stoßen, Schrei'n Fiel Manche in den Bach hinein.

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LAT

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Mümp ala Tinte,

Zweiter Geſang. 49

51.

Der Pater kreiſchte wie beſeſſen:

O helft! Frau Jutte liegt im Bach; Ihr Leben und mein Mittageſſen Sind in Gefahr! O ſpringt ihr nach. Ich gebe Euch zwei Tonnen Bier Und Ablaß extra, rettet Ihr.

325

Drauf ließen Alle von dem Bären,

Denn nach dem Sprung ſtürzt' er für todt, Und eilten, Rettung zu gewähren

Den Weibern aus der Waſſersnoth.

Bald waren dieſe unverletzt

Auf's Trockne wiederum geſetzt.

53.

Als ſich die Bauern von ihm wenden, Kriecht Braun in großem Weh zum Bach. Das Leben will er lieber enden,

Als länger dulden ſolche Schmach.

Er ſtürzt mit blindem Heldenmuth

Zum Tod bereit ſich in die Sie

Reineke Fuchs.

50 Reineke Luchs.

54.

Zu ſterben hofft er auf der Stelle, Denn ſchwimmen hat er nie gelernt; Gleichwohl hebt ihn empor die Welle, Und ſchwimmend hat er ſich entfernt. Anſtatt zu finden naſſes Grab,

Treibt glücklich er den Fluß hinab.

55.

Die Bauern, denen er entgangen, Sah'n mißvergnügt des Bären Flucht. Sie hätten gerne ihn gefangen,

Und ſchimpften: Eine ſchöne Zucht, Das uns der Bär halbtodt entflieht Und ruhig ſeine Straße zieht.

56.

Fürwahr, es ſtehn bei ernſten Sachen Im Weg die Weiber allemal!

Wie werden nun die Nachbarn lachen, Daß ſich der Bär von hinnen ſtahl.

Das Weibsvolk führt' uns auf den Leim; Ein ander Mal bleibt hübſch daheim!

Zweiter Gefang.

57.

Sie gingen jetzt zum eich'nen Blocke, Worin vorher der Bär ſich fing,

Und ſahen, wie von ſeinem Rocke

Ein gutes Theil im Spalte hing,

Und von den Füßen Fell und Klaun; Sie höhnten drum von Fern den Braun.

58.

Du wirſt doch eh'ſtens wiederkehren! Die Ohren ließeſt Du zum Pfand.

Es bleibt, um deß uns zu gewähren, Ein Zeichen da von Deiner Hand! Ja, wer den Schaden hat, weiß Gott, Zu ſorgen braucht der nicht für Spott.

59.

Zwar freut ſich Braun, daß er entkommen Dem nahen Tode durch die Flucht;

Doch hat ſein Zorn nicht abgenommen: Er hat den Stamm und Spalt verflucht, Verflucht die Dorfſchaft Glied für Glied, Verflucht den Fuchs, der ihn verrieth.

51

52 Reineke Luchs.

60.

Mit dieſem grimmen Stoßgebete Schwamm er wohl eine Meile weit. Der Fluß war tief, ein Lüftchen wehte, Daß er in nicht zu langer Zeit

Am Ufer ſeichte Stellen fand,

Und endlich mühſam kroch an's Land.

61.

Hier wand ſich der geſchund'ne Braune In bitterm Zorn, in herbem Schmerz. Des Fuchſes Trug, des Schickſals Laune Brach faſt ſein tiefgebeugtes Herz.

Es meinte der gequälte Braun

Die nächſte Stunde nicht zu ſchaun.

62.

Fuchs Reineke, der Schelm, indeſſen, Nachdem er Braunen angeführt, Hat auf ein feines Abendeſſen Nachgrade Appetit verſpürt.

Er ſchlich nach einen Hofe fort,

Und kaperte ein Hühnchen dort.

Zweiter Geſang. 53

63.

Als er geſpeiſt den leckern Braten, Lief er zum ſelben Waſſer hin,

Bevor zu neuen Heldenthaten

Er auszog mit verwegnem Sinn.

Er holte zu des Mahls Beſchluß

Sich einen Trunk friſch aus dem Fluß.

64.

Ha, ſagte er in ſchlimmer Freude, Wie bin ich fröhlich überaus,

Daß ich den braunen Tölpel heute Gebracht zu Rüſtevielens Haus. Ich wette drauf, der Zimmermann Hat mit der Axt ihn abgethan.

65.

So geh' es allen meinen Feinden, Die übel mir, gleich ihm, geſinnt, Und die mir ſtets zu ſchaden meinten! Es fragt ſich, wer zuletzt gewinnt. Nun, ruhe ſanft, mein guter Bär: Wer einmal todt iſt, beißt nicht mehr.

54 Reineke Luchs.

66.

Kaum daß der Fuchs dies Wort geſprochen, So ſieht er, wie am nahen Strand

Der Bär, der hier heraufgekrochen,

Sich blutend und in Schmerzen wand.

Ha, knirſcht er, iſt die Hölle los?

Braun lebend noch, verwundet blos?

67.

Wie, Rüſteviel, Du Schalksgeſelle, Haſt Du den guten Fang verſchmäht? Ergriffſt Du ihn nicht feſt beim Felle, Daß er ſich hier in Freiheit bläht? Hättſt Du ihm beſſer aufgetiſcht, Wahrſcheinlich wär' er nicht entwiſcht.

68.

So leichten Kaufs fällt Keinem wieder Der Bär, gewitzigt, in die Hand! Nun, mindſtens, ließ der Braune bieder Für ſeine Zeche Dir ein Pfand.

So dachte er es ſchien ihm Braun Zerfetzt und blutig anzuſchaun.

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Zweiter Geſang.

69.

Er nahte ſich dem Tiefbetrübten,

Und rief: Was ſeh' ich? Onkel Bär? Wie kommen hieher Eure Liebden?

Ihr ſeit wohl ſatt und könnt nicht mehr? Vergaßt Ihr was beim Zimmermann? Sagt mir's, daß ich Euch's holen kann.

70.

Viel Honig habt Ihr ihm geſtohlen,

Ich ſchwöre drauf! Wie iſts geſchehn? Erzählt den Spaß ganz unverhohlen!

Wie hat's behagt? Wie ſchmeckt' es denn? Wollt ihr noch mehr? Zu ſelbem Preis Ich rings noch manchen Honig weiß.

21.

Nun jagt mir noch in kurzen Worten: Wer hat ſo ſchön Euch angemalt? Gehört Ihr denn zu einem Orden, Daß Ihr in rothem Hute prahlt?

Ei, der Friſeur, der jüngſt Euch ſchor, Schnitt ungeſchickt Euch in das Ohr.

56 Reineke Suche.

72.

Wie glatt iſt die Tonſur geſchoren,

Wie ratzenkahl iſt Euer Kopf!

Die Handſchuh, ſcheint's, habt Ihr verloren, Dazu die Mütze ſammt dem Schopf.

Wüßt ich, wo Ihr ſie liegen ließt,

Ich holte ſie zu dieſer Friſt.

73

So hörte Braun den Schurken höhnen; Der bitt're Schmerz ſchloß ihm den Mund. O Qual, ſich rächen nicht zu können!

Der Spott ward endlich ihm zu bunt;

Er kroch hinunter von dem Strand,

Und ſchwamm dann jenſeits an das Land.

74.

Hier lag er in betrübtem Stande,

Und ſtöhnte laut vor großer Noth: Verruchter Fuchs! O Schmach und Schande Schlüg' Einer mich nur vollends todt!

Ich kann nicht liegen und nicht ſtehn,

Und muß zurück zum König gehn!

rinehers Beirhzr.

Zweiter Geſang.

id.

Komm ich davon, dann weh’ dem Frechen;

Bezahlen ſoll er meinen Schmerz! Ich will an ihm mich gräßlich rächen! So faßt' er endlich ſich ein Herz, Und ſchleppte ſich von Ort zu Ort Vier Tage nach einander fort.

76.

Als König Nobel ihn erblickte,

Rief er! Um Gott, ſeid Ihr es, Braun, Den ich zum Fuchs als Boten ſchickte? Erbärmlich ſeid Ihr anzuſchaun! Schwer möge büßen den Verrath,

Wer Euch ſo zugerichtet hat.

77.

Der Bär erwiederte: Drum ſtöhn' ich Um Rache hier vor Eurem Thron.

Helft mir zu meinem Recht, Herr König, Und gebt dem Schuft verdienten Lohn. Zu all' dem Leid, was Ihr beklagt,

Hat mich des Fuchſes Lug gebracht.

57

58 Reineke Luchs.

78.

Da zürnte Nobel: Ha des Loſen!

Nun iſt dem Faſſe der Geduld

Der Grund und Boden ausgeſtoßen! Zum Himmel ſchreit des Fuchſes Schuld, Da er ſogar verwegen jetzt

Solch einen Edelmann verletzt.

19.

Vernehmt, wie feierlich ich ſchwöre: Was Braun als Sühne fordern mag, Zahlt Reineke, bei meiner Ehre,

Auf einem Bret am nächſten Tag.

Und bräch' ich dieſen theuren Eid, Trüg' ich kein Schwert von dieſer Zeit.

80.

Ein Landtag ward ſogleich berufen Ob dieſer neuen Frevelthat.

An des erhab'nen Thrones Stufen Gab ſeine Stimme jeder Rath. Des Breitern wurde debattirt,

Ob nochmals man den Fuchs citirt.

Zweiter Geſang. 59

81.

Mit Stimmenmehrheit ward beſchloſſen: Man fordre abermals den Fuchs,

Daß ohne weitre Narrenspoſſen

Er an dem Hof erſcheine flugs,

Und zwar zur feſtgeſetzten Friſt,

Wenn nächſtes Mal Gerichtstag iſt.

82.

Um den Beſchluß zu überbringen, Erſah man Hinz, den Kater, aus.

Er galt für ſchlau in allen Dingen, Drum ſand man ihn nach Malpertaus. Dem Könige gefiel die Wahl;

Er ſprach zu Hinzen: Hört einmal!

83.

Bemerkt genau des Rathes Willen, Prägt ein dem Fuchſe den Beſchluß! Er möge den Befehl erfüllen! Wenn ich noch einmal ſchicken muß, Dann ſoll den Trotz nicht er allein, Auch feine Sippſchaft mit bereu'n.

60 Reineke Luchs.

84.

Der Hinz verſetzte: Herr und Vater, Habt Ihr denn keinen andern Mann? Ich bin ja nur ein kleiner Kater, Mir kommt die Botſchaft ſchwierig an, Nachdem dem großen Bär der Gang Zum Fuchſe alſoſehr mißlang!

85.

Noch weniger dürft' ich verrichten,

Drum bitt' ich ſehr, entſchuldigt mich!

Ei, ſprach der König drauf, mit Nichten, Nach Recht und Fug erkor man Dich! Man kann, iſt man auch ſchwach und klein, Doch groß an Liſt und Klugheit ſein.

86.

Ich traf zeither bei manchem Zwerge Mehr Weisheit, als bei Rieſen an. Leicht kommſt Du über alle Berge, Denn Du biſt ein gewiefter Mann. Von Dir hört Reineke den Rath, Den er verſchmäht von Andern hat.

Zweiter Geſang. 61

87.

Dem Kater jtieg das Lob zur Nafe, Er neigte ſich und ſagte: Sei's:

Ich mache gleich mich auf die Straße, Als meiner Folgſamkeit Beweis. Wenn mir der Himmel Segen bringt, Vielleicht, daß dieſer Weg gelingt!

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Dritter Geſang.

Wie Reineke Fuchs auch den zweiten Königsboten, den

Kater Hinz, übel abfertigt, und der Wölfin arg mitſpielt,

endlich aber ſeinem Beichtvater Grimbart, dem Dachſe, an den Hof folgt.

1.

Hinz ließ des Königs Burg im Rücken, Und trat den Marſch zum Fuchſe an. Könnt' ich ein Zeichen nur erblicken, Ob dieſe Reiſe wohlgethan,

Ein günſtiges, zur rechten Hand! Dacht' er, als er am Wege ſtand.

2.

Ein Martinsvogel kam geflogen; Der Kater rief ihn an und ſprach: Wohledles Vieh, ſei mir gewogen, Zur Rechten fliege mir und ſag, Ob das, deß mich betraut der Rath, Erfolg und guten Ausgang hat.

Dritter Geſang. 63

3.

Allein der Vogel flog zur Linken.

Dies Omen hat ſein Herz beſchwert, Der Muth begann ihm ſchier zu ſinken, Beinahe wär' er umgekehrt.“

Doch wie ſo mancher Freigeiſt thut, Macht er ſich ſelbſt mit Leichtſinn Muth.

4.

Er wanderte die nächſten Pfade

Zum Schloß des Fuchſes, Malpertaus!“ Und traf den rothen Schelm gerade

Im Freien ſitzend vor dem Haus.

Hinz grüßte Reineken und ſprach:

Gott ſchenk Euch einen guten Tag.

F.

Ihr ſeht des Königs Abgeſandten:

Kommt mit zu Hof, ich rath' Euch ſehr. Sonſt büßt nebſt ſämmtlichen Verwandten Die Widerſpänſtigkeit Ihr ſchwer;

Denn ſtellt Ihr Euch nicht vor Gericht, Schont länger Eurer Nobel nicht.

64 Reineke Luchs.

6.

Der Fuchs verſetzte: Sei gegrüßet, Du vielgeliebter Kater, hier!

Geb' Er, dem alles Heil entſprießet, Noch viele frohe Stunden Dir!

So ſprach der Fuchs, doch ſeine Bruſt War keiner Liebe ſich bewußt.

7.

Denn Hinzen übel heimzuſenden

War ſeine Tücke ſchon bedacht,

Und, wie den Bären, ihn zu ſchänden, Weil er die Botſchaft überbracht.

Hinz hat indeſſen Nichts gemerkt,

Da ſein Vertrau'n der Fuchs beſtärkt.

8.

Der nannte drum ihn ſeinen Neffen, Und ſagte: Neffe, nimm fürlieb!

Nur Hausmannskoſt iſt hier zu treffen, Mehr, als er hat, gibt nur ein Dieb; Doch hört' ich gern als art'ger Wirth, Wie man am Beſten Dich tractirt.

Dritter Geſang. 65

9.

Geſättigt kann man beſſer ſchlafen;

Wir ziehn mit Tagesaubruch dann.

Ja, Hinz, mich freut's, ſoll Gott mich ſtrafen, Daß Dich mein Herd bewirthen kann.

Vor Allen, die mir anverwandt,

Iſt mir kein lieb'rer Freund bekannt.

10.

Auf Dich will ich mich gern verlaſſen; Allein mit dem gefräß'gen Braun Mocht' ich durchaus mich nicht befaſſen. Geſtorben wäre ich vor Grau'n,

Hätt' ich mit ihm den Weg gemacht; Um Vieles nicht hätt' ich's gewagt!

I.

Zu ſchlimmem Rath mich zu verführen Verſuchte er: drum gab's Verdruß! Mit Dir nach Hofe zu marſchiren

Iſt Ehre mir und Hochgenuß.

Doch morgen früh erſt! Bleibe hier

Und nimm bei uns Dein Nachtquartier. Reinete Fuchs. 5

66 Reineke Luchs. f

12.

Der Kater ſprach: Es wär' geſcheidter, Wir machten gleich uns auf den Weg. Die Luft iſt kühl, der Himmel heiter, Bekannt uns Beiden jeder Steg;

In einer Stunde kommt der Mond; Ich bin das Wandern Nachts gewohnt.

13.

Der Fuchs erwiedert: Laß Dir rathen! Zur Nachtzeit reiſen bringt Gefahr.

So Mancher droht uns nächtens Schaden, Der uns am Tage freundlich war.

Nun, maute Hinz, ſo ſagt mir dann, Was, bleib' ich hier, ich eſſen kann!

14.

Beliebt Dir eine Honigſcheibe,

Fragt Reineke, ganz ſüß, mein Kind? Damit, murrt Hinz, bleibt mir vom Leibe, Mit Honig iſt mir ſchlecht gedient.

Habt Ihr ſonſt weiter Nichts zu Haus, So gebt mir eine fette Maus.

Dritter Geſang. 67

15.

Was? Ißt Du Mäuſe denn ſo gerne, Ruft Reineke, Du machſt wohl Spaß? Sonſt dank' ich wirklich meinem Sterne! Von dieſem ſonderbaren Fraß, Wahrhaftig, wimmelt nebenan

Die Scheuer bei dem Nachbarsmann.

16.

Jüngſt hört' ich ihn, den Pfarrer, klagen, Wie täglich ihre Zahl ſich mehrt;

Kaum ſei der Mäuſe Laſt zu tragen,

Die Küch' und Scheuer ihm verheert.

Der Kater ſagte unbedacht:

Dort bringt mich hin auf dieſe Nacht.

.

Von allem Wildpret auf der Erden Gilt mir am Höchſten Mäuſefleiſch. Nun, log der Fuchs, das ſoll Dir werden; Folg' mir und mache kein Geräuſch. Hinz glaubte, was der Falſche ſprach, Und ſchlich ihm voll Begierde nach.

5 *

68 Reineke Luchs.

18.

Sie kamen zu des Pfaffen Scheuer, An der der Fuchs ein ziemlich Loch Gebohrt in lehmenes Gemäuer, Wodurch er oft bei Nachtzeit kroch. Erſt geſtern hatt' er einen Hahn Hindurchgepaſcht und abgethan.

19.

Damit der Dieb ſich ſelber finge,

Hing Martin, des Ehrwürd'gen Sohn, Vor jene Oeffnung eine Schlinge;

Doch ſpürte Reineke ſie ſchon,

Und ſprach zum Hinz: Kriech' Du hinein, Ich will indeſſen Wächter ſein.

20.

Du kannſt die Mäuſe ſchockweis haſchen; Horch, munter pfeifen ſie dadrin.

Wenn Du Dir vollgeſtopft die Taſchen, Läufſt Du zurück, zum Schloſſe hin. Dort bleiben wir die Nacht vereint,

Und zieh'n ſobald der Morgen ſcheint.

Dritter Geſang.

21.

Der Kater traute zwar den Lügen Doch eine Ahnung führte ihn

Zur Frage, ob hier durchzukriechen Dem Fuchſe wirklich rathſam ſchien, Zumal, da öfters Pfaffentrug

Der Welt geſtiftet Leids genug.

22.

Der Schelm neckt' ihn in arger Tücke: Ei, biſt Du furchtſam? Nun geſchwind, Gehn wir nach Malpertaus zurücke; Dort, wenn's auch keine Mäuſe ſind, Hat meine Frau gewiß zur Nacht

Was Gutes uns zurecht gemacht.

23

Der Spott trieb Hinzen an zu ſpringen, Er ſetzte durch den Mauerſpalt.

O weh, da fiel er in die Schlingen;

Er fand ſich in des Stricks Gewalt, Und, weil er riß, ſich zu befrei'n,

Engt' ihn noch mehr die Schlinge ein.

69

79 Reineke Luchs.

24.

Der Hinz miaute laut und kläglich, Da er nicht vor- noch rückwärts kann Er flehte Reineken beweglich

Um Beiſtand und um Rettung an. Allein der Schalk verhöhnt' ihn noch, Anſtatt zu helfen, durch das Loch.

25.

Ei, Hinz, wie ſchmecken denn die Mäuſe? Gemäſtet ſcheinen ſie zu ſein.

Gelt, eine delicate Speiſe!

Nun, iſt nicht Martins Wildpret fein? Merkt' es den Gaſt, das art'ge Kind, Senf brächt' es ihm dazu geſchwind!

26.

Bravo! Herr Hinz! Da capo wieder! Wie ſchön das meinen Ohren klingt! Iſt dies wohl eins der Tafellieder, Wie man ſie jetzt bei Hofe ſingt?

O ſtäk' bei Dir Herr Iſegrim;

Ich gönnte gern ein Gleiches ihm.

Dritter Geſang. 21

27.

So ſpottend eilte er von binnen.

Ein Streich dünkt ihm noch nicht genug. Auf jedes Laſter mocht' er ſinnen,

Auf Raub und Mord und Ehebruch. Und nach dem ſchändlichen Verrath

Lockt' ihn ein neues Attentat.

28.

Drum hat er ſich zu Gieremunden, Des Wolfes Gattin, aufgemacht; Er hätte gern herausgefunden, Weshalb der Wolf ihn angeklagt. Dazu wollt' er die Schelmerei'n Mit Iſegrimens Frau erneu'n.

29.

Zu Hofe war der Wolf gegangen; Die Pirſch, denkt Reineke, iſt frei! Des Fuchſes ſündliches Verlangen, Wer zweifelt, ob der Grund es ſei, Daß Iſegrims gerechte Wuth

Lechzt nach des Ehrenſchänders Blut?

7

12 Reincke Luchs.

30.

So trabte nach des Wolfes Klauſe Der Fuchs die oft betret'ne Bahn. Frau Gieremund war nicht zu Hauſe; Er traf nur ihre Kinder an,

Und ſprach im Geh'n mit bitt'rem Spott: Stiefkinderchen, behüt' Euch Gott!

31

Wie nun der nächſte Morgen tagte, Und Gieremund die Kinderlein

Bei ihrem Wiederkommen fragte: Sprach Niemand unterdeſſen ein?

Da riefen ſie im Chore flugs:

Nein, Niemand, als der Pathe Fuchs!

32.

Wir hörten närriſch Zeug ihn ſprechen, Stiefkinder hat er uns genannt. Ha, rief die Frau, daß muß ich rächen! Sie wußte, wo er ſich befand,

Und lief zum wohlbekannten Ort

Mit zornerfülltem Herzen fort.

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einer ins Grein Iehrend,

Dritter Geſang.

33.

Was, ſchrie fie, find mir das für Reden, Die Ihr vor meinen Kindern führt?

Ihr frecher Kerl, ich ſollt' Euch tödten; Das iſt's, was Euch allein gebührt! Und keineswegs mit ſanfter Art

Fuhr Reineken ſie in den Bart.

34.

Als der erblickt der Wölfin Rachen, Und ihre ſcharfen Zähne fühlt,

Eilt er ſich aus dem Staub zu machen, Eh' ſie an ihm ihr Müthchen kühlt.

Er ſtrich davon, ſie hinterdrein,

In ein verfallnes Schloß hinein.

35.

An einem dichtbemooſten Thurme

Klafft' in der Wand ein ſchmaler Spalt, Drauf ſtürzte los der Fuchs im Sturme, Und drängte durch ſich mit Gewalt,

Die Wölfin nach, doch bot der Riß

Für ihren Umfang Hinderniß.

73

. Reineke Luchs.

36.

Und gleichwohl zwängte in der Hitze Frau Gieremund ſich halb hinein.

Da ſtak ſie in der engen Ritze;

Sie zog und ſchob mit Bruſt und Bein: Allein, wie ſie auch wüthend ſtemmt, Im Spalte bleibt ſie eingeklemmt.

37.

Der ſchlaue Fuchs roch bald den Braten, Und huſchte um den Thurm zurück.

Die ſchändlichſte der Frevelthaten Riskirte er, und ach, mit Glück:

Er fiel (es war um ſie gethan!)

Frau Gieremund im Rücken an.

38.

An Worten ließ ſie's zwar nicht fehlen, Und ſchalt: Du handelſt gräulich hier!

Der Fuchs erwiedert: Meiner Seelen,

Zu was der Lärm? Das kennen wir; Und wär' es nie geſchehen noch,

Sollt' es geſchehen heute doch!

Dritter Geſang.

—1 =

39.

Voll Zorn verhülle ihr Geſichte

Die tugendhafte Muſe jetzt!

Den Reſt verſchweige die Geſchichte, Wie Reineke die Frau verletzt. Schlecht hat die Ehre ſich bewahrt, Wer ſo ſein Weib mit andern ſpart.

40.

Als Gieremunde ſich befreite,

War Reineke längſt fortgehetzt.

Da ſieht man nun, wie manche Leute Noch tiefer ihren Ruf verletzt,

Wenn ſie, zu retten ihn bedacht,

In ſchlimme Händel ſich gewagt.

41.

Zu ihm, den Reineke gefangen,

Kehrt die Erzählung jetzt zurück.

Hinz ſchrie erbärmlich und mit Bangen Nach Kater-Art an ſeinem Strick. Zwar ſchlief im Pfarrhaus Alles ſchon, Doch hört's im Bett des Pfaffen Sohn.

76 Reineke Luchs.

42.

Er rief: Triumph! Zu guter Stunde Hab' ich dem Dieb den Strick geknüpft. Wir haben ihn! Erwünſchte Kunde! Geſchwind, daß er uns nicht entſchlüpft. So ſprang er flugs zum Bett hinaus, Und ſchlug Allarm im ganzen Haus!

43.

Den Vater, das Geſinde weckt' er:

Der Fuchs iſt in des Stricks Gewalt! Hört doch, in meiner Schlinge ſteckt er: Paßt auf, wie er den Hahn bezahlt. Da fuhren alle aus der Ruh',

Und rannten nach der Scheuer zu.

44.

Vom Lager ſprang ſogar der Pater, Er zog nur ſeinen Schlafrock an,

Und ſtürzte gleichfalls nach dem Kater, Die Köchin mit dem Licht voran,

Ihr Söhnlein Martin, hinterher

Mit einem tücht'gen Stock als Wehr.

Dritter Gefang.

45.

Nun fiel ein wahrer Prügelregen

Auf Hinzen, der zu ſterben glaubt.

Doch mit den allermeiſten Schlägen

Traf Martin ihn auf Rumpf und Haupt, Und ſchlug dem unglückſel'gen Tropf Zuletzt ein Auge aus dem Kopf.

46.

Jetzt drohte ihm den Reſt der Pater Mit einem dicken Gabelſtiel:

Da raſte grimmig auf der Kater;

Der Plagen wurden ihm zu viel.

Er ſprang entſchloſſen drum dem Mann Grad unter ſein Gewand hinan.

47.

Dort faßte er mit ſeinen Krallen, Was er zuerſt zu faſſen fand.

Zu Boden muß der Pater fallen, Wo er ſich in Entſetzen wand;

Denn Hinz zerfleiſchte ihn voll Wuth, Und dachte: Merke, wie es thut!

77

78 Reineke Luchs.

48.

Die Köchin, als des Pfarrers Wunde Sie ſpürt, zerſchlägt ſich ihre Bruſt, Und flucht der unheilvollen Stunde, Flucht unbedachtſam dem Verluſt. Der Teufel müßte, ihr allein

Zum Poſſen, hier im Spiele ſein.

49.

Wie gerne, ſchwur ſie in der Hitze, Gäb' ſie ihr Bischen Hab' und Gut, Wär' es dem armen Pfarrer nütze, Und blieb gefchont fein theures Blut. Sie hätte, wie ſie ſich vermißt,

Viel lieber Schätze eingebüßt!

50.

So jammert fie in lauten Klagen, Und flucht auf den verdammten Strick. Der Pater wird in's Bett getragen, Und Hinze bleibt allein zurück;

Denn man vergaß ihn ganz und gar, Seitdem der Pfaff verwundet war.

Dritter Geſang

51.

Zwar ſchmerzten Hinz die vielen Schläge,

Die er auf Kopf und Leib empfing; Doch ſann auf Mittel er und Wege, Wie er dem nahen Tod entging,

Und hat behend und unverzagt

Den Strick mit ſcharfem Zahn benagt.

52.

Die Arbeit krönte das Gelingen:

Der Strick zerriß, Hinz wurde los, Und eilte durch das Loch zu ſpringen. Das Glück der Freiheit dünkt' ihm groß. Er wandert fort die ganze Nacht,

Und kommt zu Hofe, als es tagt.

53.

Hinz ſprach bei ſich: Es iſt kein Zweifel, Ich wurde ſchmählich angeführt.

Den Fuchs regiert der helle Teufel:

Wie hat mich ſein Betrug blamirt! Zerſchlagen und dazu halb blind

Kehr' ich zurück, ich Unglückskind.

80 Reineke Luchs.

54.

Als ſich der Kater Nobeln nahte, Und der des Elends ward gewahr, Da rief er ohne alle Gnade

Muß an den Galgen der Barbar! Dies ſei des Fuchſes letzte That; Ruft mir zuſammen den Senat!

59

Die Weiſen nah'n und die Barone,

Die mit dem Sitz im Rath belieh'n;

Man fragt: Wie hilft man ihm zum Lohne, Dem Reineke? Wie ſtraft man ihn?

Ein Jeder meint, des Fuchſes Witz

Sei reif zur peinlichen Juſtiz.

56.

Nur Grimbart, des Verklagten Vetter, Sprang kühn empor von ſeinem Platz: So bin allein ich ſein Vertreter,

Und halte an des Rechtes Satz:

Beim freien Manne heiſcht ſein Schluß, Daß man ihn drei Mal fordern muß.

Dritter Geſang.

5%

Dies kann und darf mein Ohm verlangen, Eh' man das Todesurtheil fällt.

Wenn Eure Ladung iſt ergangen,

Und er ſich doch dem Hof nicht ſtellt,

Sei Euer Urtheil dann direct

An ihm nach Fug und Recht vollſtreckt.

Der König ſprach: Die Form iſt's freilich! Allein, wer bringt die Botſchaft jetzt? Wer, glaubt Ihr, drängt dazu ſich eilig, Daß ihn der rothe Schelm verletzt?

Ich fürchte, Niemand iſt ſo keck,

Und wagt zum dritten Mal den Weg.

59.

Die Thiere ſchwiegen in der Runde,

Doch Grimbart rief vernehmbar: Ich,

Ich wag' es, noch in dieſer Stunde!

Privatim oder öffentlich,

Wie Eure Weisheit, Sire, Euch rieth,

Geh' ich, was auch daraus geſchieht. Reineke Fuchs 6

81

82 Reineke Suche.

60.

So ziehet denn in Gottes Namen, Erwiedert Nobel, doch habt Acht.

Ihr ſaht, wie Zwei ſchon wiederkamen; Verfahrt mit größerem Bedacht,

Denn Reineke ſteckt voller Liſt.

Sagt ihm die Sache, wie ſie iſt.

61.

Der Dachs verſetzte ohne Zagen: Vertrauet, Majeſtät, auf mich.

Was ich verſprochen, will ich wagen; Den Oheim bring' ich ſicherlich.

Er neigte ſich und ſchritt hinaus Den Weg zum Schloſſe Malpertaus.

62.

Er fand den Fuchs im Kreis der Seinen, Und zog gar höflich ſeinen Hut:

Herr Oheim, ſeht mich hier erſcheinen, Zu dienen Euch mit Gut und Blut. Zwar ſeid Ihr ein geſcheidter Mann, Doch einen Rath nehmt von mir an.

Dritter Gefang.

63.

Mich nimmt es wahrlich großes Wunder, Daß Ihr des Königs Wort nicht hört. Ich bitt' Euch, zögert nicht jetzunder,

Da er zum dritten Mal begehrt,

Daß Ihr Euch an dem Tage ſtellt,

An welchem er Gerichtstag hält.

64.

Die Klagen häufen ſich in Maſſe,

Denn täglich laufen neue ein.

Glaubt nicht, daß König Nobel ſpaße:

Er kann zuweilen ernſthaft ſein!

Kommt Ihr nicht ſelbſt, und wendet's ab, So bricht er über Euch den Stab.

65.

Dann führt der König die Vaſallen Vor Eure Veſte Malpertaus.

Die ſtolzen Mauern werden fallen, Dem Boden gleich wird Euer Haus; Dem Tod vervehmt wird Euer Leib, Sammt Euren Kindern, Eurem Weib.

**

6

84 Reineke Luchs.

66.

Dem König könnt Ihr nicht entfliehen, Drum wählt das Beſte, was es gibt: Entſchließt Euch an den Hof zu ziehen! Im Reden ſeid Ihr ja geübt,

Und kamt ſchon oftmals glänzend los, Daß Eure Feinde es verdroß.

67.

Als Grimbarts Rede ſich geendet, Sprach Reineke: Ja, Vetter Dachs, Ihr habet meinen Sinn gewendet, Ich folg' Euch zu dem Hofe ſtracks. Vielleicht, daß dort mein Mund gewinnt: Stets war mir Nobel wohlgeſinnt.

68.

Hätt' ich auch zehnmal mehr verbrochen, So macht er's eben ungeſcheh'n,

Und niemals wird's an mir gerochen.

Er kann nicht ohne mich beſteh'n!

Wenn er mich nur mit Augen ſieht,

So wett' ich, daß ſein Zorn entflieht.

Dritter Geſang. 85

69.

Er weiß, wie viel an meinem Rathe Ihm und dem Reich gelegen iſt. Stets ſtimmt' ich für ihn im Senate; Ich hoffe, daß er's nie vergißt!

Um ſeine Gunſt geſchieht's allein, Daß wider mich die Andern ſchrei'n.

70.

Es ſitzen freilich eine Menge

In ſeinem Rath und plappern mit;

Doch kommt ihr Merks oft in's Gedränge Und ihr Verſtand in Mißcredit,

Sobald ein wichtiger Beſchluß

Des Königs Sache fördern muß.

Ya

Wird je was Kitzliches berathen, Geb' ich den Ausſchlag im Senat. Was thäten denn die Diplomaten, Entbehrten ſie des Fuchſes Rath? Ja, wird was Kluges je vollführt, Hat's Reineke ausſpindiſirt.

86 Reineke Luchs.

12.

Seht, daher kommen meine Neider, Herr Dachs! Hine illae lacrimae! Und zwar die allerſchlimmſten, leider, Die gelten jetzt bei'm Könige.

Wer mag ſo Vielen widerſtehn? Drum zaudert' ich, nach Hof zu geh'n.

73.

Allein, mich ſoll's nicht länger ſtören! Es bleibt zuletzt der beſte Plan, Perſönlich ſich der Haut zu wehren, Und, komm' ich gut bei Nobel an, Entgeh’ ich nicht nur der Gefahr, Ja, neue Ehre winkt ſogar.

74.

Das fern're Zaudern wär' verdächtig, Gefährdet mit mir Weib und Kind.

Der König iſt mir doch zu mächtig; Drum ſucht man, wie man ihn gewinnt, Und ſchließt, wenn man nicht ſiegen mag, Doch einen leidlichen Vertrag.

Dritter Geſang. 87

75.

Zu ſeiner Gattin Ermelinen

Sprach er darauf mit Vorbedacht:

Willſt Du, mein liebes Weib, mir dienen, Gib ſorgſam auf die Kinder Acht! Beruh'ge ſie, geh' ich jetzt fort,

Mit Naſchwerk und mit ſanftem Wort.

76.

Den Neſtling hüte mir vor Allen,

Den liſt'gen Schelm, den Reinhard da;

Wie wachſen Zähne ihm und Krallen! P Wie ähnlich wird er dem Papa! | Auch Roſſeln, den verſchlag'nen Dieb

Die Jungen hab' ich gar zu lieb!

-

re

Gott mag es uns zum Beſten lenken! Kehr' ich zurück von Nobel's Thron, Will ich gewißlich Dein gedenken! So zog er mit dem Dachs davon; Und ganz verlaſſen blieb zu Haus

Die bange Frau in Malpertaus.

88 Reineke Luchs.

78.

Ein Stückchen Wegs war ſchon vollendet, Als Reineke zu Grimbart ſich

Mit ſorgenvoller Miene wendet:

Nicht ohne Zagen nah' ich mich,

Mein werther Neffe, dem Gericht;

Ganz feſt ſteht meine Sache nicht!

79.

Denk' ich den ſchrecklichen Gedanken, Ich ginge wirklich in den Tod, Fühl' ich den Muth im Buſen wanken, Mich ängſtigt des Gewiſſens Noth, Und beichten möcht' ich darum gleich, In Mangel eines Paters, Euch.

80.

Der Dachs verſetzt: Ihr müßt verſprechen, Daß nie mehr Ihr Verrath begeht,

Daß Euch ein jegliches Verbrechen

Von Heut' an gänzlich widerſteht,

Es ſei bedeutend, ſei gering;

Sonſt nützt's Euch keinen Pfifferling!

Reimeke un Lumpr.

Dritter Gefang. 89

81

Der Fuchs erwiedert: Ja, ſo ſei es!

Leiht nur mir freundlich Euer Ohr.

Was Altes ich beging und Neues,

Haec tibi nunc confiteor!

Ei, ſprach der Dachs, was ſchwatzt Ihr denn? Sprecht reines Deutſch, ſoll ichs verſteh'n.

82.

Der Fuchs begann dem Dachs zu beichten: Nicht leugnen kann ich es fürwahr,

An Denen, die bei mir ſich zeigten,

Ließ ſelten ich ein gutes Haar.

Kaum lebt ein Thier auf dieſer Welt, Dem ich nicht einmal nachgeſtellt.

83.

Durch mich ward Braun im Baum gefangen, Und holte Prügel ohne Zahl.

Am Strick ließ ich den Kater hangen,

Sein Auge büßt' er ein zumal.

Auch Henning klagt mit vollem Recht,

Denn ſtets verfolgt' ich ſein Geſchlecht.

90 Reineke Luchs.

84.

Nicht ſchont' ich ſelbſt der Majeſtäten, Des Königs und der Königin.

Doch fügte ich die meiſten Schäden Dem Wolfe zu, dem Iſegrim,

Den ich im Scherz oft Ohm genannt, Obgleich er niemals mir verwandt.

85.

Zum Beiſpiel kam er vor ſechs Jahren Nach Elkmar in das Kloſter hin;

Und bat mich, daß ich als Scholaren Im Mönchsthum unterrichte ihn.

Er meint, dazu hab' er Geſchick,

Und läutet an dem Glockenſtrick.

86.

Weil ihm das Läuten ſehr gefallen, Band ich die Füß' ihm an den Strang. Nun ſtürmt' es luſtig in den Hallen, Daß auf den ungewohnten Klang

Die ganze Stadt zuſammenrennt,

Und ängſtlich fragt: Wo es denn brennt?

Dritter Geſang. 91

87.

Da Iſegrim nicht nachgelaſſen

Und immerzu die Glocke zieht,

Läuft man in's Kloſter von den Gaſſen, Wo man den Schlingel läuten ſieht, Und, eh' er ſich entſchuld'gen kann, Schlägt ihn halb todt des Pöbels Wahn.

88.

Und dennoch kam zurück der Narre, Und bat mich ſehr um die Tonſur.

Da ſengt' ich ihm des Scheitels Haare, Daß ihm die Haut zuſammenfuhr. Auch Fiſchfang hab' ich ihm gelehrt, Der manche Schläge ihm beſcheert.

89.

Einſt gingen wir im Jül'cher Lande Vereint auf Fang und Beute aus. Dem reichſten Pfaffen, den ich kannte, Dem ſchlichen wir an's Vorrathshaus, Das als ein wahres Paradies

Von Fleiſch und Speck Genuß verhieß.

92 Reineke Luchs.

90.

Dort brach der Wolf ſich unbedächtig

Ein ſchmales Loch hinein zur Wand;

Kaum daß er, nüchtern noch und ſchmächtig, Sich mühſam durch die Spalte fand;

Doch die Begierde trieb ihn ſehr,

Und ich beſtärkte ihn noch mehr.

Se

Nun ſchwelgte er im Uebermaße,

Bis ihm der Ranzen mächtig ſchwoll; Er ſelbſt verſperrt ſich ſo die Straße, Die ihm den Rückweg öffnen ſoll.

Es hilft nicht Fluchen, nicht Gewalt: Zu eng bleibt ihm der Mauerſpalt.

92.

Kaum merkte ich, wie viel's geſchlagen, So ſtrebte ich mit argem Sinn,

Dem Wolfe Prügel einzutragen.

Ich lief in's Haus des Paters hin, Zu hetzen ihn und ſein Geſind

Auf des Gefangnen Spur geſchwind.

Dritter Geſang. 93

93

Der Pfaff war juſt beim fetten Braten; Es war ein köſtlicher Kapaun.

Zwar wurde ich nicht eingeladen,

Doch, weil er ſaftig ſchien und braun, Nahm ich drum einen Anlauf friſch. Und ſchnappte ihn geſchickt vom Tiſch.

94.

Mein Pater ſtarrte gleich der Säule Von Salz, wie einſtens Loten's Weib. Doch ſprang er auf nach kurzer Weile, Und warf mit ſeinem dicken Leib

Den Tiſch wie thöricht und wie dumm Nebſt Krügen und nebſt Schüſſeln um.

95.

Ich huſchte weg, er, nach im Zorne,

Schrie: Fangt ihn, werft ihn, ſchlagt ihn todt! Da ſtürzte in dem Hofe vorne

Er mit der Naſe in den Koth,

Indeſſen hurtig wie der Wind

Zuſammenlief das Hofgeſind.

94 Reineke Luchs.

9 6

Ich rannte nach dem Speicher grade, Wo ſich der Wolf in Noth befand.

Dort fiel mir der Kapaun (wie Schade!) Zur Erde. Während ich verſchwand Und ſo entwiſchte der Gefahr,

Ward man Herrn Iſegrim gewahr.

97.

Ha, rief der Pfaff, ein Wolf, potz Velten! Seht da, ein noch viel ſchlimmrer Gaſt. Der ſoll es für den Fuchs entgelten. Heran, ihr Leute! Aufgepaßt!

Im ganzen Kirchſpiel rings umher

Lacht man uns aus, entkommt uns der.

98.

Was half dem Wolfe das Beſinnen? Geprügelt ward er ohne Maß.

Es gab kein Weichen, kein Entrinnen: Man ſchlug ihn ſonder Unterlaß, Und obendrein zog das Geſchrei

Die ganze Dorfichaft noch herbei.

Dritter Geſang.

99.

Nun, weiter konnte Ihm nichts fehlen! Ach, hätt' ihn Einer abgemalt,

Wie er das Speck- und Schinkenſtehlen Dem Pater damals hat bezahlt!

So lange ward er maltraitirt,

Bis man kein Leben in ihm ſpürt.

100

Nachdem man ihn genug gehudelt, Warf man den Wolf, der gräulich roch, Weil er ſich in der Angſt beſudelt,

In ein verſchlammtes Grubenloch.

Da lag er, der geprellte Wicht!

Wie er davon kam, weiß ich nicht

101.

Gleichwohl hat dies ihn nicht verhindert, Daß er (es mag ein Jahr wohl ſein), Als ſei die Freundſchaft ungemindert, Sich wieder bei mir ſtellte ein.

Warum? Nach Hühnern ſtand ſein Sinn, Da ſchien mein Beiſtand ihm Gewinn.

95

96 Reineke Luchs.

102.

Um abermals ihn zu berücken, Sprach ich von einem Hühnerſteig: Dort mag es Eurem Magen glücken, Ein fetter Hahn beherrſcht das Reich Und ſieben Hühner findet Ihr. Kommt nur um Mitternacht mit mir.

103.

Ich führte ihn zu einem Laden, Den eine Klammer offen hielt; Dadrinnen, log ich, ſitzt der Braten; Hier iſt der Balken, ſeht und fühlt. Ich folge; ſchreitet nur voran

Und packt getroſt den fetten Hahn.

104. .

Als Iſegrim hineingekrochen,

Und leiſe ſpürt nach Beute nun, Knurrt er zuletzt: Ihr habt gelogen! Hier find' ich weder Hahn noch Huhn. Ei, rief ich, ſchreitet weiter vor! Ganz hinten ſitzt das Hühnerchor.

5

SS

SS SER IIR

Praun als König,

Dritter Geſang. 97

105.

Er tappte in der dunkeln Kammer

Auf die vermeinten Hühner los;

Ich ſchlich zurück und riß die Klammer Vom Laden, der ſich klappend ſchloß, So daß der Wolf zum Tod erſchrak, Herabfiel und am Boden lag.

106.

Die Leute, die am Feuer ſchliefen Und die den ſchweren Fall gehört, Erwachten; in der Ecke Tiefen

Ward Iſegrim bald aufgeſtört. Mich wundert's, daß in dieſer Nacht Lebendig er ſich fortgebracht!

107.

Noch beichte ich zuletzt Euch offen,

Daß ich gar oft bei Gieremund

In ſchlimmer Abſicht ward betroffen;

Ich hegte den verbot'nen Bund

Bis auf die allerneuſte Zeit:

Es iſt mir aber herzlich leid! Reineke Fuchs.

|

98 Reineke Luchs.

108.

So hab' ich Alles denn geſtanden, Was mein Gewiſſen je beſchwert.

O löſet der Verdammniß Banden, Da reuig ich zurückgekehrt.

Was Ihr als Buße auferlegt,

Seht, wie es meine Demuth trägt!

109.

Der Dachs war nicht von Geſtern eben; Er brach am Weg ein Reislein ab,

Und ſprach: Soll Euch der Herr vergeben, So ſchlagt Euch drei Mal mit dem Stab, Legt ſo ihn auf den Boden quer,

Und ſpringet drei Mal drüber her.

110.

Drauf küßt das Reis zum wahren Zeichen, Daß Euch die Buße nicht verdroß.

Dann wird der Herr ſich gnädig neigen; Ich ſprech' Euch aller Sünde los,

So viel auch, bis zu dieſem Tag,

Auf Eurem Herzen laſten mag.

Dritter Geſang. 99

111,

Da Reineke nach Grimbart's Worten Der Buße völlig Gnüge that, Sprach der: Nun weiſet aller Orten, Daß wirklich ſie gefruchtet hat. Leſt in der Bibel fleißig nach, Beſucht die Kirche Tag für Tag.

112. Zeigt eifrig Euch zu guten Werken, Uebt immerdar Barmherzigkeit; Die Schwachen, Kranken müßt Ihr ſtärken; Gebt Jedem willigen Beſcheid; Vermeidet Diebſtahl, Mord, Verrath, Kurz jede neue Uebelthat.

113.

Habt Ihr den Sündentrieb verloren, Iſt ſicher Euch das Himmelreich! Ja, ſprach der Fuchs, es ſei geſchworen, Mein künftig Thun bezeug' es Euch. Nun ward der Beicht' ein Ziel geſetzt, Und weiter ging die Reiſe jetzt.

755

100 Reineke Luchs.

114.

In Kurzem führte ihre Straße Vorbei an fettem Kloſtergut; 5 Da hob der rothe Schelm die Naſe Und lechzte ſchon von Neuem Blut. Hier hatt' er oftmals in der Nacht Dem Federvieh Beſuch gemacht.

® 115.

Drum ſprach zum Dachſe unſer Schlauer: Kommt, um das Kloſter geht ein Steg! Wir wandeln näher bei der Mauer

Und kürzen klüglich ſo den Weg.

Er hofft', es würden dort im Frei'n,

Wie ſonſt, verſchied'ne Hühner ſein.

116

Der Beichtiger folgt ihm zur Seite. Sie waren bald dem Kloſter nah, Und Reineke barg nicht die Freude, Als er die Menge Hühner ſah.

Vor Allem reizte ihn ein Hahn; Den fiel er voller Mordluſt an.

Dritter Geſang. 101

117

Er jagt’ ihn, daß die Federn ſtoben, Allein der Dachs hielt ihn zurück. Wie? heißt das Buße angeloben? Verſcherzt Ihr ſo der Gnade Glück? So ſchnell vergeßt die Reue Ihr, Dazu um ſolch' ein magres Thier?

118.

Ach, ſagte Reineke zum Neffen,

Nur in Gedanken iſts geſcheh'n!

Mag mich des Himmels Zorn nicht treffen; Nie wieder will ich mich vergeh'n.

Wie iſt mir dieſer Rückfall leid!

O bittet Gott, daß er verzeiht.

119.

Jetzt ſchritten ſie zur ſchmalen Brücke, Die wieder auf die Straße führt. Allein der Fuchs blickt ſtets zurücke, So lange er die Hühner ſpürt;

Und nur des Dachſes Gegenwart Hat die vor weit'rem Leid bewahrt.

102 Meineke Suche.

120.

Den Dachs verdroß des Fuchſes Gieren, Er ſchalt: O Oheim, zügelt Euch!

Wo Eure Augen ausſpazieren,

Sie kommen zu den Hühnern gleich.

Ja, köpfte man Euch hier am Ort,

Das Haupt flög' nach den Hühnern dort!

121.

Könnt der Begierde Ihr nicht wehren, Schließt, Vielfraß, Eure Augen zu!

Ach, rief der Fuchs, wollt mich nicht ſtören, Ich bete für der Hühner Ruh,

Die ich in's Schattenreich verſetzt,

Ein ſtilles Paternoſter jetzt.

122.

Da ſchwieg der Dachs; ſie gingen weiter. Der Fuchs, der oft den Kopf noch dreht, Folgt auf die Straße dem Begleiter, Die nach dem Hof des Königs geht.

Als ſie die Burg von Ferne ſah'n,

Fiel doch den Fuchs ein Bangen an!

A

Vierter Geſang.

Wie Reineke Fuchs hochnothpeinlich proceifirt wird, ſich aber vom Galgen loslügt.

1.

Als man bei Hofe nun vernommen, Daß Dachs und Fuchs erſchienen ſei'n, Sah eilig man zuſammen kommen Die Schaar der Thiere groß und klein. Die Meiſten ſchienen hocherfreut,

Daß Reineken Vergeltung dräut.

2.

Doch Reineke that nicht dergleichen, Als ob ihm was zu fürchten ſei;

Er mocht' es wenigſtens nicht zeigen, Und ging die Straße frank und frei, Wie wenn's zu einem Feſte wär', Mit Anſtand neben Grimbart her.

104 Reineke Luchs.

3.

So ſchritt er muthig und gelaſſen, Als wäre er des Königs Sohn, Durch die mit Volk erfüllten Gaſſen In den Palaſt vor Nobels Thron. Dort trat er auf den König zu, Und ſprach mit gutgeſpielter Ruh:

4.

Sire, Eure Größe, Eure Ehre,

„Die alle Zeiten überragt,

Bürgt mir, daß Euer Ohr mich höre, Weil man mich fälſchlich angeklagt:

Denn nie ſaht einen treuern Knecht

Ihr, Sire, als mich und mein Geſchlecht.

Wiewohl mich Viele hier durch Lügen Berauben wollen Eurer Huld,

Die Weisheit läßt ſich nicht betrügen, Sie ſtraft erſt die bewieſ'ne Schuld. So lang' Ihr nicht der Bosheit glaubt, Hoff' ich noch Gnade für mein Haupt.

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U

*

Meineke und Henning.

vierter Geſang 105

6.

Schweigt, rief der König; die Tiraden Ziehn dies Mal nicht Euch aus der Noth! Verheertet Ihr nicht meine Staaten, Obgleich Urfehde ich gebot?

Ha, falſcher Dieb, ward nicht der Hahn Durch Euch zum kinderloſen Mann?

ik

Daß Ihr mich ehrt, lügt einem Thoren, Wenn meine Diener Ihr verletzt!

Ein Auge hat der Hinz verloren,

Am Kopfe kränkelt Braun noch jetzt. Allein, kein Wort verſchwend' ich mehr: Schaut dort nur auf der Kläger Heer!

8.

Wie, gnäd'ger Herr, verſetzt der Rothe, Iſt meine Schuld denn jo gewiß, Weil Braun, der tölpelhafte Bote, Mit blut'gem Schädel mich verließ?

Er ſelbſt vergaß der Botſchaft Ziel, Und kehrte ein bei Rüſteviel.

106 Reineke Kuchs.

9.

Den Honig wollt' er ihm verzehren, Das brachte ihm die Schläge ein. Braun iſt ja ſtark, er kann ſich wehren. Sollt' ich etwa ſein Helfer ſein,

Wenn er, ſtatt daß er tapfer ficht,

Aus Feigheit in das Waſſer kriecht?

10.

Und wenn zu mauſen ging der Kater, Auf ſeine eigene Gefahr,

Bei Nachtzeit in das Haus zum Pater, Obgleich gewarnt er von mir war, Und üblen Lohn ſich dort erſchlich, Trifft deshalb Euer Zorn nun mich?

A.

Nein! Eurer Krone brächt' es Schaden, Verließ' Gerechtigkeit das Land!

Ihr mögt mich köpfen, hängen, braten Ich ſtehe ganz in Eurer Hand,

Und harr' in Unterthänigkeit,

Was auch Ihr über mich gebeut.

vierter Geſang 107

12.

Wer möchte Eurer Macht entrinnen? Wir Alle beugen uns vor Euch!

Doch ſagt, was könntet Ihr gewinnen, Gebötet meinen Tod Ihr gleich? Indeſſen komme, was da will

Ich ſtehe Rede, halte ſtill!

13.

Die Rügenſtunde hat geſchlagen, Begann der Widder nun, Bellin. Wer will, mag vor dem König klagen! Da traten vor die Schranken hin Der Kater Hinz und Braun der Bär! Wolf Iſegrim und Andre mehr.

14.

Lampe und Wackerlos erſchienen, Dazu der Bullenbeißer Rin.

Man ſah den Eſel, Boldewinen, Kaninchen, Wieſel, Hermelin,

Die Ziege Metge nebſt Gemahl,

Den Bock auch Hermen, in dem Saal.

108 | Reineke Luchs.

15.

Das Pferd, der Stier und eins der Rinder, Sie traten zu dem Könige;

Sodann des grünen Waldes Kinder, Eichhorn und Eber, Hirſch und Reh. Alheyt, die Gans, auch nähert ſich,

Und Tybbeke, der Enterich.

16.

Das Mard und Bockert kommt, der Biber; Bartolf der Storch, Marquart der Heh'r, Und Kranich Lütke zieh'n vorüber

Am Thron, und viele Vögel mehr.

Auch Henning, der verwaiſte Hahn,

Bringt nochmals ſeine Klage an.

17.

Wer kennte wohl der Thiere Menge Und zählte wohl der Kläger Zahl, Die mit betäubendem Gedränge Sich ſchaarten in dem Königsſaal, Um Recht von Nobel zu erfleh'n Und um den Fuchs beſtraft zu ſeh'n!

vierter Geſang. 109

18.

Faſt Jeder hatte vorzutragen,

Was Reineke ihm angethan.

Gar mächtig ſchwoll von ſchweren Klagen Des Rothen Schandregiſter an;

Seitdem der König hielt Gericht,

Hört' er ſo viel Beſchwerden nicht.

19.

Doch Reineke blieb unverdroſſen

Und wehrte ſich gar meiſterlich;

Den Worten, die beredt ihm floſſen, Hielt Keiner von den Klägern Stich; Fürwahr, es ſchien oft wunderſam, Woher er ſeine Gründe nahm.

20.

Allein, er ſollte nicht entkommen! Gewicht'ge Männer traten vor;

Als deren Zeugniß man vernommen, Da jauchzte ſeiner Feinde Chor: Denn nun erwies ſich ſonnenklar, Daß der Verklagte ſchuldig war.

2

110 Reineke Luchs.

21.

Des Fuchſes Loos war bald entſchieden: Mit großer Mehrheit ſtimmt der Rath, Im Hinblick auf des Volkes Frieden Und im Intreſſe für den Staat,

Daß um geſammte Schelmerei

Der Fuchs des Todes ſchuldig ſei.

22.

Man ſoll den armen Sünder fangen,

Und führen zu dem Halsgericht,

Dort muß er an dem Galgen hangen, Bis ihm der Strick das Leben bricht.

Zur Strafe ihm und Jedermann

Zur Warnung ſei er abgethan!

23.

Jetzt war des Rothen Witz zu Ende;

Er fühlte ſchon ſich an dem Strick,

Als er die allerhöchſten Hände

Beſiegeln ſah ſein Mißgeſchick. _

Ihn überlief's, als ein Gend'arm

Beim Rock ihn nahm, bald kalt, bald warm.

Vierter Erfang. 111

24.

Doch ſeine Freunde und Verwandten, Der Affe Martin, Dachs Grimbart, Und Andre, die am Hof ſich fanden, Die nannten jenes Urtheil hart. Ward ein Baron vor dieſer Zeit Gehängt um ſolche Kleinigkeit.

25.

Und nun wird gar der Beſten einer, Herr Reineke, zum Tod verdammt! Des Lebens ſicher bleibt jetzt Keiner! Sie kamen darum insgeſammt

Um Abſchied ein an Nobels Thron, Und zogen unverweilt davon.

26

Den König mocht' es ſehr verdrießen, Daß um das Urtheil, was er ſprach, So viele Edle ihn verließen,

Da Mancher ihm am Herzen lag.

Er ſprach beiſeits zu einem Rath: Der Spruch iſt richtig, in der That!

112 3 Reineke Luchs.

27.

Doch wär' es gut, wenn ichs bedächte, Ob die Sentenz man ändern kann.

Es dient aus Reineke's Geſchlechte Bei Hof ſo mancher wackre Mann, Der nun mich zu verlaſſen droht, Wenn man vollzieht, was ich gebot.

28.

Allein der Kater und der Braune Nebſt Iſegrim, die jauchzten ſehr; Sie trabten in der beſten Laune Vor dem gebundnen Fuchſe her, Um nach des Königs Machtgebot Selbſt zu vollziehn den Henkertod.

295

Der Kater ſprach in grimmer Freude Zum Wolfe: Auf, bezahlt es ihm, Vergeltet's dieſem Schurken heute! Beſinnt Ihr Euch, Herr Iſegrim, Wie Eurem Bruder ſein Verdacht Einſt an den Galgen hat gebracht?

*

Isegrim und der Rranich.

vierter Geſang. 113

30.

Zu Braun ſprach er: Fließt nur ein Tropfen Von heißem Blut in Euch, alsdann Gedenket, wie die Bauern klopfen

Bei Rüſteviel, dem Zimmermann.

Gedenket, wie ſeit jenem Tag

Der Schimpf auf Eurem Haupte lag!

31

Nur fein den Fuchs auf's Korn genommen! Denn wann verließ die Argliſt ihn? Wahrhaftig, würd' er jetzt entkommen, Nie mehr dürft' uns die Rache blüh'n. Drum ſeid gar wohl auf Eurer Hut,

Daß heut' er büßt mit ſeinem Blut.

32

Der Wolf verſetzte: Spart das Plaudern;

Verſchafft mir lieber einen Strick!

Dann kürzen wir ihm ohne Zaudern

Die Pein, und brechen ſein Genick!

Der Fuchs, dem ſie ſo zugeſetzt,

Schwieg lange, doch er ſprach zuletzt: Reineke Fuchs. 8

114 Reineke Luchs.

33.

Wollt Ihr an mir Euch wirklich rächen,

So macht ein Ende nur dem Ding!

Hinz prüft' ein Seil (das wird nicht brechen), Als er beim Pfaffen Mäuſe fing.

Eilt Euch nur, Iſegrim und Braun,

Am Galgen Euren Ohm zu ſchau'n!

34.

Hinaus zum Richtplatz ſah man wallen Das Volk von allen Claſſen jetzt;

Der König kam und die Vaſallen,

Und auch die Königin zuletzt.

Man ſtrömt herbei ohn' Unterlaß,

Aus Neugier theils, und theils aus Haß.

35.

Der Wolf ermahnte ſeine Freunde Und ſeiner Blutsverwandten Schaar, (Weil er, nicht ohne Grund vermeinte, Daß zu entgehen der Gefahr

Der Fuchs noch immer ſei bedacht): Habt auf den Reineke wohl Acht.

vierter Gefang. 115

36.

Vor Allen Du, o Gieremunde!

Paſſ' auf, ſonſt trifft mein Zorn Dich ſchwer. Entkäm' er uns in dieſer Stunde,

Er trieb es ärger, als vorher!

Und Ihr, Herr Braun, denkt reiflich nach, Wie Ihr ihm heimgebt Eure Schmach!

37.

Hinz nimmt den Strick im Augenblicke, Und knüpft ihn feſt am Galgen an.

Faßt, während ich die Leiter rücke,

Den Schuft; bald iſt's um ihn gethan! Braun brummt: Rückt nur die Leiter flugs, Ich halte ſicher ſchon den Fuchs!

38.

Wie ſeid Ihr, ſeufzt der Fuchs, bemühet, Daß Ihr den Oheim bringt zum Tod! Weit ſchöner wär's, wenn Ihr verziehet, Und Euch erbarmtet ſeiner Noth. N Gern fleht' ich Euch um Gnade an, Allein, es haßt mich Jedermann.

116 Reineke Luchs.

39.

Kein Wunder, wenn mit grimmem Muthe Wolf Iſegrim den Tod mir gibt,

Da ſie ſogar mit kalten Blute

Ihm beiſteht, ſie, die ich geliebt! Gedächte ſie vergang'ner Zeit,

Gewiß, es ſchmerzte ſie mein Leid!

40.

Doch Muth gefaßt! Man kanu mich henken So hoch nur, als der Galgen iſt.

Des Vaters Noth will ich gedenken,

Da er das Leben eingebüßt

Gleichfalls am Stricke, wie fein Kind;

Es ging am Ende doch geſchwind.

41

Mir wird zum Wenigſten die Freude, Daß man ſo großen Antheil nimmt! Verſchont nicht länger mich, ihr Leute, Und ſei Euch gleiches Loos beſtimmt! Ha, grollte Braun, das klingt wie Fluch. Hinauf mit ihm! Nun 1,8 genug.

Vierter Geſang.

12.

Des Fuchſes Muth war faſt zu Ende, Er ſtöhnte: Ach du bittrer Tod! Wenn ich ein Mittelchen nur fände, Was mir verhülfe aus der Noth, Und meinen Feinden allzugleich Verſetzte einen ſcharfen Streich!

43.

Jetzt gilt's, da Zeit und Stunde drängen; Es helfe, was nur helfen kann,

Sonſt muß ich ohne Gnade hängen.

Am Galgen wünſcht mich Jedermann: Auf Nobel's wetterwend'ſchen Sinn Allein weiſt mich die Hoffnung hin.

44.

Zwar zürnt er heftig mir gerade, Und meine Freunde zogen fort; Indeß vielleicht gewährt' er Gnade, Käm' ich nur einmal noch zum Wort! So, mit der Schlinge ſchon am Ohr, Rafft' er noch ein Mal ſich empor.

117

118 Reineke Luchs.

45.

Er rief: die Ihr hier unten ſtehet,

Ihr ſeht, mein Tod iſt mir gewiß;

O höret, was mein Mund jetzt flehet, Erbittet mir vom König dies:

Die letzte Beichte möchte ich

Vor Allen ſprechen öffentlich.

46.

In Wahrheit will ich laut bekennen, Was je ich Uebles angeſtif't,

Will meine Sünden haarklein nennen, Daß nicht noch Andre Argwohn trifft. Vielleicht wird mir alsdann zum Lohn Vergebung an des Höchſten Thron.

47.

Da Reineke dies Wort geſprochen, Bewegte Manchem es das Herz, Denn, ob er gleich ſich gern gerochen, Betrog der falſchen Reue Schmerz. Faſt Alle ſtimmten darin ein,

Die Bitte ſei gerecht und klein.

vierter Geſang.

48

So brachte man denn unterthänig Am höchſten Ort ein Fürwort an, Und ohne Weigern ließ der König Gewährung Reineken empfah'n, Daß er durch wahren Reueſchmerz Entlaſte ſein beladnes Herz.

49.

Nachdem der Fuchs ſo viel gewonnen,

So ſchöpft' er wieder friſchen Muth. Er hat ein Wenig ſich beſonnen, Und dachte: Ei, nun geht es gut, Und im Vertrau'n auf ſeinen Plan Hub liſtig er die Beichte an:

50.

Es helfe mir von meinen Sünden Des Himmels Segen für und für! Ach, Alle, die ſich hier befinden,

Vom größten bis zum kleinſten Thier,

Hab' ich gekränkt und oft verletzt! Dies ſei vor Euch gebeichtet jetzt.

119

120 | Keincke Fuchs.

31.

Ich war bereits als kleiner Bube

Ein Schelm im väterlichen Haus, Und, kaum entſchlüpft der Kinderſtube, Ging ich auf Raub und Morden aus. Wie oft, daß da ein junges Lamm Verirrt in meine Hände kam.

52

de

Erſt lockte mich der Zicklein Mecken,

Das reizte meinen jungen Muth;

Dann kam's zum Ernſte von dem Necken, Ich biß eins todt, und ſog ſein Blut.

Um meine Unſchuld war's gethan

Von dieſem Augenblicke an.

53.

Nun wurd' ich dreiſter ſtets und kühner: Ich hatte einmal Blut geleckt.

Jetzt ging's auf Enten, Gänſe, Hühner; Sie haben gar zu gut geſchmeckt!

Wie viel verſcharrt ich in den Sand, Wenn ich geſättigt Beute fand.

vierter Geſang. 121

54.

Vielleicht, daß Warnung mich zurücke Geführt von dieſer Laſterbahn!

Da traf ich, nicht zu meinem Glücke, Einſt Iſegrim am Rheine an.

Im Winter hinter einem Strauch, Wo ich auf Lauer lag, er auch.

55

Kaum, daß ich meinen Namen nannte, So that er freundlich und bekannt, Behauptete, wir ſei'n Verwandte, Und zählte aus an ſeiner Hand Genau mir den Verwandtſchaftsgrad; So wurd' ich denn ſein Kamerad.

56.

Wir jagten nunmehr im Vereine, In Compagnie auf gleichen Theil.

Er ſtahl das Große, ich das Kleine, Doch, leider, bracht es mir kein Heil. Er theilte ſo, daß, wie's auch ging, Niemals die Hälfte ich empfing.

122 Reineke Luchs.

57.

Denn hatt' er jemals was gefangen Und nahte ich mich Iſegrim,

Um meinen Antheil zu erlangen, Fuhr er mich an mit Ungeſtüm, Wobei er ſo die Zähne wies,

Daß ich ihm gern den Antheil ließ.

58.

Hingegen, wenn mir's einmal glückte, Daß ich, war's nun ein feiſtes Rind, War es ein fettes Schwein, berückte, Flugs war er da mit Weib und Kind, Und eh' ich deſſen mich verſah,

War Nichts mehr, als die Knochen, da.

59.

Solch einen Freund hatt' ich erworben! Und doch, wie Ihr erfahren ſollt,

Bin ich vor Hunger nicht geſtorben:

Ein Schatz von Silber und von Gold, Den man nicht weg auf zwölf Mal fährt, Hat damals köſtlich mich genährt.

vierter Geſang.

600.

Als Nobel von dem Schatze hörte, Sprang er empor von ſeinem Platz,

Und rief mit gieriger Geberde:

Wie, Reineke, ein Schatz, ein Schatz? Woher bekamt Ihr ihn, ſagt an?

Wo kam er hin? So ſprecht doch, Mann!

61.

Der Fuchs verſetzt: Ich will's erzählen Vor dieſem letzten ſauren Schritt.

Was hälf's, möcht' ich es Euch verhehlen? Ich nehme doch davon Nichts mit!

Hört, weil es Euer Mund befahl,

Daß ich den Schatz vor Zeiten ſtahl.

62.

Doch jetzt noch an des Grabes Pforten Bereu' ich nicht, daß ich es that!

Um Euch, Herr König zu ermorden, Barg ſich am Hofe der Verrath, Nun als man jenen Schatz nicht fand, Sah man die Waffe ſich entwandt.

123

124 Reineke Luchs.

63.

So hing am Schatze Euer Leben! Gerettet hab' ich Euer Haupt, Allein, ich denk es noch mit Beben, Zugleich des Vaters mich beraubt, Der weil er ſich darob erhing,

In ewige Verdammniß ging.

64.

Entſetzt vernahm die Schreckenskunde

Die Königin vom Königsmord.

Sie ſprach zum Fuchs: Bedenkt, zur Stunde Müßt Ihr aus dieſem Leben fort!

O nehmt bei dieſem ernſten Schritt

Nicht dies Geheimniß jenſeits mit!

65.

Auch Nobeln zitterten die Glieder; Er rief: Ein Jeder ſchweige ſtill!

Es ſteige Reineke hernieder,

Da ich ihn ſelbſt vernehmen will; Denn das, wovon er eben ſpricht, Scheint mir von ſchrecklichem Gewicht.

vierter Geſang. 125

66.

Wie freute ſich auf feiner Leiter Der Fuchs, als dies Gebot er hört. Zum großen Aerger ſeiner Neider Stieg er vom Galgen unverſehrt, Und trug dem Allerhöchſten Ohr Die unverſchämtſten Lügen vor.

67.

Denn, um dem Tode zu entrinnen,

Und ſich auf's Neue Nobels Gunſt

In vollem Maße zu gewinnen,

Dazu braucht's, dacht' er, blauen Dunſt Es falle, wenn mir Nobel glaubt,

Mein Unglück auf der Feinde Haupt!

68

Auf, ſprach die Königin, erktäret,

Wie die Verſchwörung ſich verhält,

Daß Ihr die Seele nicht beſchweret

Bei Eurem Abſchied von der Welt.

Ja, ſchwor der Fuchs, das will ich thun, Denn Sterben heißt es einmal nun.

126 Reineke Luchs.

69.

Zwar muß ich manchen Freund verrathen, Doch fürchte ich der Hölle Pein,

Und von der Seele ew'gem Schaden

Soll dies Geſtändniß mich befrei'n. Vielleicht, daß mir es es jenſeits glückt, Wenn ich geſtehe, was mich drückt.

70.

Wie, Fuchs, rief mit beſorgten Blicken Der König, iſt es wirklich wahr?

Was hälf's, ſprach er, Euch zu berücken? Verdammt blieb' ich auf Immerdar, Wär' Lüge noch mein letzt Gebet,

Da mir der Tod vor Augen ſteht!

At.

Da jammerte des Heuchlers Beben Des Königs Gattin, und ſie bat: Schenkt Majeſtät dem Fuchs das Leben, Wenn Unheil er gewendet hat.

Vor jetzt laßt ſchweigen Jedermann, Daß Reineke erzählen kann.

Vierter Geſang. 127

72.

Der König winkte, Alle ſchwiegen,

Und Reineke trat kühn hervor.

Die Wahrheit, ſprach er, Sire, wird ſiegen: Leiht mir nur gnädigſt Euer Ohr.

Frei, wie's in meinem Herzen wohnt,

Red ich, und Niemand ſei geſchont.

; Fünfter Geſang.

Wie Reinere Fuchs N.bein mit einer angeblichen Ver⸗ ſchwörung und einem erdichteten Schatze eine Naſe dreht.

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1

Nun höret, wie der falſche Rothe Den ſchändlichſten Verrath erſann. Er ſchmäht den Vater noch im Tode, Der Freunde Treuſten klagt er an, Grimbart den Dachs, der jeder Zeit Ihm diente mit Ergebenheit.

2.

In keck erdichteten Geſchichten

Gab Vater er und Neffen Preis! Um ſeine Feinde zu vernichten, Dünkt ihm der glaublichſte Beweis Für das, was unverſchämt er log, Wenn er fie in die Mitſchuld zog.

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ieremund im Brummen.

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Lünfter Geſang.

3.

Er ſprgch verſtellt und unterthänig: Mein Vater fand einſt einen Schatz, Den Emmerich, der mächt'ge König, Vergraben an verborg'nem Platz. Doch ach, es ward der reiche Fund Für ihn des Unterganges Grund.

4.

Wie ſelten bringt der Reichthum Segen, Wenn man ihn nicht vertragen kann! Mein Vater ward durch das Vermögen Ein ſtolzer aufgeblaſ'ner Mann,

Und ſah in ſeines Dünkels Wahn Jedweden von der Seite an.

5.

Auch gegen Euch ſich zu empören,

Herr König, reizte ihn ſein Stolz. Den Kater Hinz ſchickt' er zum Bären, Zu Braun, in das Ardennenholz: Gelüſt' es nach der Krone ihn,

Sollt' er nur ſtracks nach Flandern a Reineke Fuchs.

129

130 Reineke Luchs.

6.

Zu krönen dachte ihn mein Vater Allda als ſeine Creatur.

Bär Braun kam eilig mit dem Kater, Da er die frohe Mär erfuhr:

Seit lange ſchielte ſchon ſein Sinn Vermeſſen nach dem Throne hin.

1

Mein Vater nahm ihn auf mit Freuden Und ſandte nach den Vettern fort, Grimbart und Iſegrim. Die Beiden Erſchienen am beſtimmten Ort.

(Es war nicht weit entfernt von Gent, Das Dörfchen, das man Nfte nennt.)

8.

Dort war's, wohin die Fünfe kamen In einer langen düſtern Nacht.

Der Teufel führte ſie zuſammen, Nicht Gottes allerhöchſte Macht, Und der gehoffte Sündenſold

Von meines Vaters leid'gem Gold.

Sünfter Gefang. 131

9.

Hier ward denn Euer Tod beſchloſſen; Man ſchwur in Iſegrimens Hand, Daß man vereint und unverdroſſen Ringsum gewänne Volk und Land, Damit der aufgedrungne Bär

Bald unbeſtrittner Herrſcher wär!

10.

Dann ſollte auf dem Thron von Aachen Des Reiches Krone Braun empfah'n.

Die Widerſacher zu verjagen,

Ging meinen Vater eigens an,

Wenn Liſt, Beſtechung, Schmeichelei,

Vergeblich angewendet ſei.

11.

Allein, Nichts iſt ſo fein geſponnen, Es kommt doch an das Tageslicht! Was ſie in jener Nacht erſonnen, Verſchwiegen blieb es lange nicht. Ja, was man einer Frau erzählt,

Poſaunt man gleich der ganzen Welt. 9 *

132 Reineke Luchs.

12.

Denn Grimbart, der ſich einſt am Morgen Beim Frühſtück ſtark benebelt fand,

Hielt ſeinem Weibe nicht verborgen,

Daß jener finſtre Bund entſtand;

Doch prägte er ihr ernſtlich ein,

Sie müſſe tief verſchwiegen ſein.

13.

Dies war ſie auch drei ganze Tage: Bis meine Frau ſie juſt beſucht. Nachdem die Unglück, Noth und Plage Auf ſich und auf ihr Haus geflucht, Wenn ſie nicht hielte reinen Mund. That jene das Geheimniß kund.

14.

Wie Weiber Wort zu halten pflegen, Zeigt meine Frau, die Abſchied nahm Und auf den allernächſten Wegen

In aller Eile zu mir kam,

Weil das Geheimniß, was ſie zwickt, Das Herz beinah' ihr abgedrückt.

Fünfter Geſang. 133

15,

Sie that's jedoch in gutem Wahne, Erzählte treulich Wort für Wort.

Da hörte ich die ſaubern Plane

Von Rebellion und Königsmord.

Ich dachte mit gerechtem Grau'n:

Ein ſaubrer Herrſcher wär' uns Braun!

16.

Der Fröſche mußte ich gedenken, Die, nicht zufrieden mit dem Loos, In Freiheit ſelber ſich zu lenken, Koaxten aus des Sumpfes Schoos Zu Gott, daß er in ihrem Teich Begründe ein gefürſtet Reich.

17:

Gott hörte, was die Thoren baten, Und König Storch kam angereiſt, Der unumſchränkt, wie Autokraten, Die Bürger allerhöchſt verſpeiſt. Die jammern jetzt und murren gar; Doch er iſt König: c'est trop tard!

134 Reineke Luchs.

18.

Wie bei den Fröſchen wir geſehen,

Fuhr laut der Fuchs zum Volke fort,

So wäre uns durch Braun geſchehen Regierte der, darauf mein Wort!

Drum ſchützte ich des Löwen Thron,

Ja, Sire, bringt mir's auch ſchlimmen Lohn.

19.

Das ganze Thierreich war verloren,

Kam Braun zum Throne. Herr des Lichts, Statt einem Fürſten hochgeboren,

Ein ungeſchlachter Taugenichts,

Der uns mit Trug und Uebelthat,

Seitdem er lebt, gepeinigt hat.

20.

Doch Nobel, der iſt gut und gnädig, Es ſchütze, wer ihn ſchützen kann! Mein Geiſt war manche Woche thätig, Mein Hirn bedachte Plan auf Plan, Bis Ueberlegung und Verſtand

Ein unfehlbares Mittel fand.

Fünfter Gefang.

21.

Klar wurde mir vor allen Dingen, Wenn mein Papa den Schatz behielt, So konnte ihm gar leicht gelingen, Was er von Anfang an erzielt: Durch der Beſtechung ſchnöde Macht Ward bald Empörung angefacht.

22.

Zuvörderſt galt es zu entdecken.

Wo ſich des Alten Schatz befand.

Spürt' ich ihn aus in den Verſtecken, Dann ward er bald von mir entwandt. Drum ſtrich ich denn bei Tag und Nacht Ihm nach und hielt getreulich Wacht.

23.

So lauert' ich in Kält' und Hitze, Bis einſtens früh ich den Papa Aus einer ſchmalen Felſenritze Mit großer Vorſicht ſchlüpfen ſah. Ich duckte mich zu Boden tief, Und lag ſo ſtill, als ob ich ſchlief.

136 Reineke Luchs.

24.

Er ſchaute rings ſich um im Kreiſe, Und da er Nichts zu fürchten fand, Füllt' er auf höchſt geſchickte Weiſe In jenes Loch Geſtein und Sand, Daß, wer nicht ſah, wie er gewühlt, Für völlig gleich den Boden hielt.

25.

Drauf wiſcht' er noch mit ſeinem Munde Und Schwanz die Spur von jenem Ort, Um zu verhindern jede Kunde,

Und eilte ſeines Weges fort.

Damals hab' ich von ihm gelernt,

Wie ſpurlos ſich die Liſt entfernt.

26.

Ei, dacht' ich nun, das träf' ſich prächtig, Wenn hier der Schatz verborgen läg',

Mit Hand und Munde ſcharrt' ich mächtig, Bald ſchafft' ich Schutt und Erde weg, Und durch zerklüftetes Geſtein

Kroch in die Ritze ich hinein.

Fünfter Geſang.

27.

Geblendet wurden mir die Sinne

Von all dem Reichthum, den ich fand! Was man an edlem Erz gewinne

In gold- und ſilberreichem Land

In eines Menſchenalters Zeit,

Wär' gegen das hier Kleinigkeit.

28.

Den reichen Fund davon zu tragen, War jetzt mein eifrigſtes Bemüh'n.

Ich hatte freilich keine Wagen,

Doch Ermeline half mir zieh'n.

So ward der Schatz bei Tag und Nacht Von uns in Sicherheit gebracht.

29

Indeſſen ſpann ſich die Verſchwörung Durch meinen Vater ſtündlich fort. Um fortzupflanzen die Empörung, Verbreitet' er von Ort zu Ort, Was Braunens Proclamation Verkündete in hohem Ton.

137

138 Reineke Fuchs.

30.

Wer reichen Lohn verdienen wollte, Den rief der Bär zum Beiſtand auf, Gern zahle er die höchſten Solde, Praenumerando obendrauf.

Wer ihm zu dienen willig wär',

Der ſtoße raſch zu ſeinem Heer.

31.

Mein Vater trug in dem Vertrauen Auf ſeinen Schatz Brauns Brief umher; Gar Mancher fiel in ſeine Klauen,

Den die Beſtechung hält nicht ſchwer; Und bei dem Nah'n der Sommerzeit War Alles ſchon nach Wunſch bereit.

32.

Zu ſeinen Helfern kehrt' er wieder, Und ruhte ſich ein Wenig aus. Kaum brachte er geſund die Glieder Von ſeiner Reiſe mit nach Haus, Da ihm im Walde und im Feld Oft Hund und Jäger nachgeſtellt.

Fünfter Geſang.

33.

Doch, nun die Botſchaft ihm gelungen, Trug ſtolz er ſeinen Kopf empor.

Er rechnete, wen er gedungen,

Dem hocherfreuten Bären vor,

Und zeigte, wie contractlich er Geworben ein bedeutend Heer.

34.

Zwölfhundert von des Wolfs Verwandten, Mit offnem Rachen, ſpitzem Zahn,

Die Kater, die ſich rings befanden,

Und alle Bären kommen an;

Und jeder Vielfraß, jeder Dachs

Aus dem Gebirge ſtellt ſich ſtracks.

35.

Beim erſten Aufgebot des Bären Rückt raſch die ganze Mannſchaft aus; Doch muß Braun ſeinerſeits erklären, Daß auf drei Wochen im Voraus

Die Löhnung er pränumerirt:

Denn ohne Geld wird Nichts riskirt!

139

140 Reineke Luchs.

36.

'S war hohe Zeit, daß ich's geſtohlen! Da Tags darauf mein Vater kam Um für die Löhnung Geld zu holen. Er ſcharrt ſich zwar die Hände lahm, Indeſſen, wie er gräbt und ſpürt, Der Schatz iſt weg, er angeführt.

37.

Allein, kaum mußt' er das entdecken, Nahm Scham ihn und Verzweiflung ein! Noch heute denk' ich dran mit Schrecken, Mit immer neuer Seelenpein,

Wie er in Wuth von dannen ging,

Und ſich am Halstuch ſelbſt erhing.

38.

Nun war die Sache Braun's verloren Durch meine Liſt, durch meine That! Und ſie, die wider Euch verſchworen, Sie ſitzen, Sire, in Eurem Rath, Und haben mich, der das gewagt, Auf Leib und Leben angeklagt.

Fünfter Gefang. 141

39.

Ach Reineke, Du armer Schächer,

Du warſt um den ein ſchlechter Sohn, Der Dich als niedrigen Verbrecher Jetzt hängen läßt, das iſt Dein Lohn! Wie fände einen Zweiten man,

Der dieß für ſeinen Herrn gethan?

40.

Indeſſen ſaß im tiefen Sinnen

Der König nebſt der Königin.

Sie wollten gern den Schatz gewinnen, Drum traten ſie zum Fuchſe hin,

Und ſagten: Nennet uns den Platz, Wo Ihr verborgen habt den Schatz!

41.

Wie, ſprach der Fuchs, das ſoll ich ſagen? Zum Lohn, daß Ihr mich tödten wollt, Wenn gleich nur Lügner mich verklagen, Dafür begehrt Ihr noch mein Gold? Muß ich denn heute in mein Grab,

Soll dies Geheimniß mit hinab.

142 Reineke Luchs

42.

Nein, rief die Königin, mit Nichten! Mein Gatte wird dies Mal verzeih'n; Er wird auf Euren Tod verzichten, Doch müßt Ihr treu und folgſam ſein, Und Euer ganzes Lebelang

Ihm thätig zeigen Euren Dank.

43.

Will mir mein Herr das Leben ſchenken, Sprach Reineke, und meiner Schuld In keiner Weiſe mehr gedenken,

Drum biet' ich ihm für dieſe Huld

So viel an Gold und Silber dar,

Wie nie in einem Schatze war.

44.

Frau, ſagte Nobel, laß ihn ſchwatzen, Er lügt uns nur den Rücken voll! Um all das geb' ich keinen Batzen, Was ich von ihm erhalten ſoll. Spräch' er von ſeinen Dieberei'n, Dies einzig dürfte glaubhaft ſein.

Sünfter Gefang. 143

0 45.

Ja, ſprach die Löwin, ſoll man ſchließen Aus dem, wie er's bis heute trieb,

So iſt es freilich klar bewieſen,

Daß ſelten er bei Wahrheit blieb.

Doch hat vorhin er, das bedenkt,

Gewiß uns klaren Wein geſchenkt.

46.

Denn, wollt' er wirklich uns betrügen, Klagt' er dann Freund und Vater an? Nein, wär's ihm jetzt zu thun um's Lügen, Hätt er es klüglicher gethan;

Er hätte, wie er ſonſt gewohnt,

Wohl die Verwandtſchaft dann geſchont.

47.

Nun, meinte Nobel, meinetwegen! Auf Deine eigene Gefahr

Verzeih' ich dies Mal die Verbrechen, Um die er ſchon am Galgen war, Und will noch einmal mit Vertrau'n Auf feinen fernern Wandel ſchau'n.

144 Reineke Luchs.

48. ®

Doch unterſtünd' er ſich vom Neuen Zu freveln wider mein Gebot,

Dann ſollt' es doppelt ihn gereuen: Ihn träfe Unheil, Schmach und Tod, Und ſeine ganze Sippſchaft mit,

Ich ſchwör' es, bis in's zehnte Glied!

49.

Da ſich die Sache günſtig wendet,

Ruft Reineke in frohem Muth:

O König, bis mein Leben endet, Gehör' ich Euch mit Gut und Blut!

Es würde bald ja offenbar,

Wär', was ich ſprach, nicht völlig wahr.

50.

So wies ſich Nobel wieder gnädig Und glaubte Reineken zuletzt;

Er ſprach ihn aller Sünden ledig, Die er vordem beging und jetzt. Der Fuchs hat ein Gefühl verſpürt, Als ſei er von dem Tod curirt.

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ee pes 2 8 ehe mir er Figl kirmmer. var Ay 38 = & 5 5

Lünfter Gefang.

51.

Mein edler Fürſt, begann er wieder, Vergelt's Euch Gott zu aller Zeit,

Daß Ihr von Eurem Thron hernieder Mit Eurer Gnade mich erfreut.

Dafür dien' ich mit Seel' und Leib Euch, Majeſtät, ſammt Kind und Weib.

52.

Ich mag den Mammon Keinem gönnen, Als Euch und Eurer hohen Frau; Drum will ich Euch die Gegend nennen, Wo ich ihn barg. Merkt ſie genau, Damit an dem beſchriebnen Platz

Ihr heben köunt den großen Schatz.

53.

Ihr findet gegen Oſt in Flandern Ein weites wüſtes Steppenland; Drin ſtößt Euch auf nach kurzem Wandern Ein Buſchwerk, Huſterlo genannt, Zugleich liegt dort ein kleiner See, Der Krekelteich, ganz in der Näh'.

Reineke Fuchs. 10

146 Reineke Luchs.

54.

eicht Mann, nicht Weib iſt da zu ſehen, Nur Eul' und Uhu hauſen dort

In der Geſellſchaft trüber Krähen.

Den Schatz barg ich an jenem Ort

Beim Krekelteich. Das merket wohl, Wenn die Beſchreibung nützen ſoll.

55.

Dahin mögt Ihr die Schritte wenden Mit Eurer Gattin nur allein.

Denn einen Boten abzuſenden,

Das dürfte nicht gerathen ſein; Wollt unverkürzt Ihr den Gewinn, Geht auf Höchſteignen Füßen hin.

56.

Wenn Ihr zum Krekelteich gekommen, Müßt Ihr ein Wenig weiter geh'n, Bis Ihr das Plätzchen wahrgenommen, Da, wo zwei junge Birken ſteh'n, Grabt nur getroſt daneben ein,

Und Euer wird der Mammon ſein.

Lünfter Geſang. 147

57.

Bedeckt- hab' ich mit dichtem Mooſe Die Oberfläche; doch es beut Darunter ſich im Erdenſchooſe

Das allerköſtlichſte Geſchmeid.

Des Schatzes ungeheurer Werth Wird durch die Arbeit noch vermehrt.

58.

Ihr findet unter den Geſchmeiden, Die König Emmrich einſt geziert, Die Krone, wegen der vor Zeiten Der Bär beinahe revoltirt,

Und die er, unverſchämt genug, Im Kopf ſchon auf dem Kopfe trug.

59.

Wie wird auf Eurem Haupte ſtrahlen Das Diadem, von Golde ſchwer! Man macht, wollt Ihr es auch bezahlen, Solch Stück Euch heut zu Tag nicht mehr. Ja, werdet Ihr die Schätze ſchaun, Des Reineke gedenkt Ihr, traun!

9

148 Reineke Luchs.

60.

Ihr ruft (ich höre ſchon Euch loben): Fuchs, Deine Redlichkeit iſt groß!

Wir finden jetzt die ſchönſten Proben Von Deiner Tugend hier im Moos! Gott ſegne Dich, wo Du auch biſt! So ſchloß der Schelm mit arger Liſt.

61.

Drauf ließ der König ſich vernehmen: Fuchs, mein Begleiter müßt Ihr ſein! Ich hörte wohl von Wien und Bremen, Paris und Aachen, Köln am Rhein, Von Lübeck, Hamburg und ſo fort, Jedoch von Huſterlo kein Wort.

62.

Auch iſt des Krekelteichs Beſtehen, Mir, ſeit ich athme, unbekannt! Wenn, eine Naſe mir zu drehen, Die Namen Euer Hirn erfand,

So will ich Euch, bei Gott, wie nie, Eintrichtern die Geographie!

Lünfter Gefang. 149

63.

Wie könnt' ich deß mich unterwinden? Verſetzt der Rothe unverzagt.

Wie mögt Ihr mich verdächtig finden, Da ich doch Wahrheit ausgeſagt, Und ſie allhier wohl mancher Mann Vor Eurem Thron erhärten kann.

64.

Ich weiſ' Euch nicht in ferne Lande, Die Gegend liegt in Eurem Reich! Die Namen, die ich vorhin nannte, Sind Huſterlo und Krekelteich.

Es zeuge mir ein jedes Thier, Zum Beiſpiel Lampe dort, o Sire!

65.

Weil Lampe zaudert angerufen,

Spricht Reineke: Herr Lampe, kommt! Naht Euch getroſt des Thrones Stufen, Da es des Königs Dienſten frommt. Kennt Ihr vielleicht den Krekelteich

Und Huſterlo, jo ſagt's ſogleich!

150 Reineke Fuchs.

66.

Da ſprach der Haſe zu den Andern: Euch zu berichten, bin ich froh.

Der Krekelteich, der liegt in Flandern, Und nebenbei liegt Huſterlo;

Vor Zeiten diente dieſer Wald Falſchmünzern lang als Aufenthalt.

67.

Auch hab' ich dort mich vor den Hunden

Im Herbtt ſchon bei der Jagd verſteckt,

Und oftmals ein Aſyl gefunden,

Wo mich die Feinde nicht entdeckt.

Gut, ſprach der Fuchs mit ſtolzem Blick, Man weiß genug, tritt nur zurück!

68.

Jetzt ſchwieg der Argwohn Nobels ſtille, Da Lampens Zeugniß er gehört; Gleichwohl hat ſein erhabner Wille

Als Führer Reineken begehrt,

Damit er ſelbſt ihn an den Platz Geleite zum vergrabnen Schatz.

Sünfter Gefang. 151

69.

Was, rief der Fuchs, glich” meinem Glücke, Dürft' ich mit meinem König geh'n,

Und bei dem Schatz mit eignem Blicke Die Allerhöchſte Freude ſeh'n!

Doch würde er durch mein Geleit

In ſeiner Majeſtät entweiht.

70.

Ihr ſollt den Grund, Herr König, kennen, Warum ich Euch nicht führen kann.

Mit tiefer Scham muß ich ihn nennen: Ich ſtehe noch im Kirchenbann,

Seitdem der Wolf durch meine Hand « Den Weg aus ſeiner Klauſe fand.

.

Er ließ ſich jüngſt zum Mönche ſcheren; In's Kloſter ging der faule Gauch, Doch wahrlich nicht, um Gott zu ehren: Denn Gott iſt ihm allein ſein Bauch. Stets winkten, glaubte Iſegrim,

Im Kloſter volle Schüſſeln ihm.

152 Reineke Luchs.

725

Obgleich ſein nimmerſatter Magen Für Sechs nun unaufhörlich fraß,

Hört' er nicht auf, ſich zu beklagen, Wenn ich in ſeiner Zelle ſaß.

Er ſchwur, er magre täglich ab,

Und phantaſirte ſchon vom Grab.

73.

Mich rührte endlich dieſer Jammer; (Wir ſind einander nah' verwandt!) Und, weil ich ihm aus ſeiner Kammer Verhalf mit dieſer meiner Hand,

Als er ſich aus dem Kloſter ſtahl, Traf mich des Kirchenbannes Strahl.

74.

Drum drängt es mich im Herzensgrunde, Vom Papſte Ablaß zu empfah'n.

Nach Rom tret' ich in dieſer Stunde

Die gnadenreiche Wallfahrt an,

Und löſe dort, wenn Ihr erlaubt,

Den Bann von meinem ſünd'gen Haupt.

7

4

4

Sünfter Geſang. 153

75.

Darf ich gereinigt wiederfehren, Verſöhnt mit Kirche und mit Gott, Und will mein König mich beehren Mit einem ähnlichen Gebot,

Dann ſchreite ich mit ſtolzem Sinn An ſeiner Seite würdig hin.

76.

Doch heute würd' es übel paſſen! Was räſonnirte wohl die Welt? Ihn, den er faſt hat hängen laſſen, Den noch der Bann belaſtet hält, Wählt Nobel zum Begleiter ſich! Nein, Majeſtät, entſchuldigt mich.

77.

Seid Ihr im Bann? rief Nobel. Leider Ein Grund, der unſre Wege trennt!

So ſei ein Andrer mein Begleiter,

Der jene Gegend gleichfalls kennt.

Weiß Lampe doch das Wie und Wo Um Krekelteich und Huſterlo.

154 Reineke Luchs.

78.

Wollt Ihr Euch von dem Banne löſen, So thut Ihr gut und wohl daran. Geht, reinigt Euch von allem Böſen; Ich hindr' Euch nicht an dieſem Plan, Und hoffe, das von dieſer Zeit

Zur Tugend Gott Euch Kraft verleiht!

S (

Sechſter Geſang. 155

Sechſter Geſaug.

Wie Reineke Fuchs als Pilger von des Königs Hof zieht und den Widder Bellin mit Lampens Haupt an Nobeln ſendet.

15

Um allem Volke anzuzeigen,

Daß neu der Fuchs in Gnade ſtand, Hieß Nobel jetzt die Menge ſchweigen, Die um den Galgen ſich befand;

Sie ſollte nach Geburt und Rang Sich lagern in das Gras entlang.

2.

Auf hohem Steine ſaß der König; Daneben bei der Königin

Stand Reineke recht unterthänig, Und blickte zum Monarchen hin, Der mit gar reiflichem Bedacht Vernehmlich zu dem Volke ſagt:

156 Reineke Luchs.

3.

Hört insgeſammt mich an, ihr Thiere, Ob arm und klein, ob groß und reich! Was ich befehle und dictire,

Vollzogen ſei es alſogleich.

Es nehme jeglicher Baron,

Wie Bürgersmann Notiz davon.

4.

Obſchon den Fuchs hier aufzuhenken,

Vor Kurzem lag in Unſerm Plan,

Woll'n Wir ihm doch die Strafe ſchenken; Wir bleiben ihm wohl beigethan,

Weil er ſeitdem durch Rath und That Sich Unſre Huld erworben hat.

Dazu hat Unſre Gattin kräftig

Sich für den Fuchs bei Uns verwandt, Und zürnten wir vordem ihm heftig, So reichen wir ihm jetzt die Hand, Indem Wir allergnädigſt nun

Zu amneſtiren ihn geruh'n,

Sechſter Geſang. 157

6.

So iſt er denn zurückgegeben

Der bürgerlichen Exiſtenz.

Erweiſt wie ſonſt, bei Leib und Leben, Gebührend ihm die Reverenz,

Und achtet ihn mit Weib und Kind Allüberall, wo ſie auch ſind.

75

Verſchonet endlich Unſre Ohren Fortan mit Eurem Klagbericht;

Er hat zu beſſern ſich geſchworen, Drum denket des Vergangnen nicht! Auch tritt um Ablaß zu empfah'n, Den Weg nach Rom er morgen an.

8.

Da wandte Hinze ſich zu Braunen Und Iſegrim in großem Schreck.

Er fluchte: Bomben und Karthaunen, All' unſre Mühe liegt im Dreck! Wär' ich doch, wo der Pfeffer wächſt! Den König hat der Fuchs behext.

158 Reineke Suche.

9.

Aus welchem neuen Höllentopfe

Kocht dieſer Schuft noch blauen Dunſt? Ein Jeder ſeh' nach ſeinem Kopfe, Steht Reineke in alter Gunſt.

Er raubte ſchon ein Auge mir,

Ich fürchte für das andre ſchier!

10.

Ja, ja, die Wendung war verdrießlich! Doch Iſegrim und Braun der Bär, Sie traten vor den König ſchließlich, Und haderten und murrten ſehr,

Daß ein fo großer Böſewicht

Entgehen ſollte dem Gericht.

11

Zuletzt ward Nobel ungeduldig,

Und ſchrie: Verräther, ſchweiget ſtill! Ihr ſelber ſeid des Todes ſchuldig, Web' Euch, wenn ich beſtrafen will! Mit Recht erwarb ſich meine Huld, Wer mir entdeckte Eure Schuld.

Sechſter Gefang. 159

12

Sie wollten weiter aufbegehren,

Als ſie der König fahen hieß.

Man band ſammt Iſegrim den Bären, Und warf ſie in das Burgverließ; Denn Nobel glaubte in der That

An den erdichteten Verrath.

13.

So kehrte ſich an dieſem Tage

Des Fuchſes Schickſal völlig um: Die Feinde traf Verluſt und Plage, Die Widerſacher wurden ſtumm, Nachdem den Fuchs die Majeſtät In Gnaden wiederum erhöht.

14.

Das Aergſte mußte Braun erleiden: Denn Nobel ließ dem armen Bär Ein Stück aus ſeinem Pelze ſchneiden, Fußbreit, auf Reinekens Begehr, Damit zu ſeiner Pilgerfahrt

Ein Ränzel draus gefertigt ward.

160 Reineke Luchs.

15.

Ja, daß ihm Nichts zur Wandrung fehle, Bat er die Königin dazu,

Das ſie, die ihn zum Pilger wähle, Ihm ſchaffe ein Paar tücht'ge Schuh'; Es habe deren Iſegrim

Wohl zwei zu viel, ſo dünke ihm.

16.

Auch dürft' es Gieremund Nichts ſchaden, Die meiſtentheils zu Hauſe wär',

Gäb' ſie zur Reiſe, gleich dem Gatten, Ein Paar von ihren Schuhen her.

Voll Huld verſetzt die Königin:

Ihr redet ganz nach meinem Sinn.

17.

Was Ihr verlangt will ich gewähren: Die Reiſeſtiefeln ſchaff' ich Euch, Die Beiden mögen ſie entbehren, Und koſtete's ihr Leben gleich.

O, rief der Fuchs mein Lebenlang Tönt Euch dafür mein Lobgeſang.

& {

Der Srprn Brllins.

Sechfler Gefana. 161

18.

Bekomm' ich nur vier tücht'ge Schuhe, Dann wird die Wallfahrt wohl vollbracht; Und was ich Gutes fürder thue,

Sei Eurer im Gebet gedacht.

Gott lohnt gewiß die Freudigkeit,

Mit der Ihr mir behülflich ſeid! ——

19.

So wurden denn Frau Gieremunden Und ihren Gatten Iſegrim

Die Füße bis an's Knie geſchunden,

Die hintern ihr, die vordern ihm;

Und Reineke erhielt im Nu,

Wie er gewünſcht, die zwei Paar Schuh'.

20.

Was mußten Wolf und Wölfin leiden Zuſammen mit dem armen Braun! Der Rothe kam, um vor dem Scheiden Der Feinde Schmach und Noth zu ſchau'n, Und ſprach mit ſchadenfrohem Ton Zu Gieremund den bittern Hohn:

Reineke Fuchs. 11

162 Reineke Luchs.

21.

Ei, Frauchen, kommt und laßt Euch weiſen, Wie ſchön mir Eure Schuhe ſteh'n! f Nun kann ich feſt und ſicher reiſen,

Und gut beſohlt von dannen gehen.

Wie freut es mich, daß Ihr dafür

Durch mich bezahlt ſeit nach Gebühr.

22.

Zwar will mich der Gedanke kränken, Daß ich Euch jetzt verlaſſen muß. Doch werde ſtets ich an Euch denken Blick ich auf den beſchuhten Fuß. Vom Ablaß, den mir Rom gewährt, Sei auch ein Theilchen Euch verehrt.

23.

Die Wölfin rang mit großen Schmerzen; Der Sprache war ſie faſt beraubt.

Doch ſtöhnt ſie aus gepreßtem Herzen; Gott iſt's, der dieſen Gräu'l erlaubt! Weil uns der Höchſte ſtrafbar fand,

Gab er uns in des Fuchſes Hand!

Sechſler Geſang.

24.

Der Wolf litt ſtumm und ohne Klagen, Auch Braun trug ſtill das ſchlimme Leid, Verwundet ſein und Feſſeln tragen.

Zum Glück war Hinz der Kater weit; Denn Reineke hätt' in der That

Auch ihm gar gern geheizt das Bad.

25.

Kaum dämmerte der nächſte Morgen, So ſchmierte Reineke die Schuh. Die er ſich geſtern ließ beſorgen, Und eilte nach dem Hofe zu, Daß Urlaub er daſelbſt empfing Zum Wege, den er ſcheinbar ging.

26.

Er beugt ſich vor den Majeſtäten, Und ſpricht: Da ich mich rüſte, Sire, Die heil'ge Wandrung anzutreten, Gewährt noch eine Gnade mir,

Daß Euer würdiger Caplan

Den Segen lieſt ob meiner Bahn. *

163

164 Reineke Luchs.

27.

Der König ließ den Widder rufen, Der Kanzler war und Hofcaplan; Der nahte ſich des Thrones Stufen, Um die Befehle zu empfahn, Womit der König Nobel ihn Beehrte, um fie zu vollziehn.

28.

Der König ſprach: Leſt mir geſchwinde Für dieſen Pilger ein Gebet,

Der im Gefühle ſeiner Sünde

Von hier direct zum Papſte geht.

Weiht ihm das Ränzel und den Stab; Von Euch geſegnet zieh er ab.

29.

Bellin erwiederte: Herr König, Das darf ich leider nicht, verzeiht! Es nützte Reineken gar Wenig, Und ich käm' in Verlegenheit,

Da er annoch zu dieſer Friſt,

Ihr wißt es ja, im Banne iſt.

Sechſter Geſang.

30.

Was würde wohl der Biſchof ſagen, Mein Präſes, der Herr Ohnegrund? Dann möcht' ich's fernerhin nicht wagen Ob unſres Propſtes, Loſeſtund. Vielleicht auch zürnte der Dechant, Herr Greifezu, würd's ihm bekannt.

31.

Da rief der König bitterböſe:

Was nützt Uns die Salbaderei?

Wenn ich befehle, daß man leſe,

Was kümmert mich die Kleriſei,

Der Biſchof mit dem ganzen Dom?

Ihr hört's, der Fuchs will ja nach Rom!

32.

Ich ſelber frage, traun, den Teufel Nach dem, was Ihr da leſt und plärrt! Doch ſtöret nicht durch Eure Zweifel Den Pilger, der darnach begehrt!

Da Nobel ſo den Text ihm las,

Ward Herr Bellin vor Schrecken blaß.

166 Reineke Suche.

33.

Erſt kratzt' er ängſtlich und verlegen Sich eine Zeitlang hinter'm Ohr; Dann ſtottert' er den Reiſeſegen Aus dem Brevier dem Fuchſe vor; Der gab denn auch gar wenig Acht, Hat ganz wo anders hin gedacht.

34.

Doch da der Segen war verleſen, Geweiht das Ränzel und der Stab, Floß ihm mit heuchleriſchem Weſen Ein Thränenſtrom die Wang' herab, Als ob von übergroßem Schmerz Zerginge ſein verruchtes Herz.

35.

Es ſchmerzt ihn auch, daß er nicht Alle, Die je ihm Uebles zugedacht,

Gefangen in der Argliſt Falle,

Und drei nur in's Malheur gebracht. Nun ſeufzte er zum Abſchiedsgruß:

Lebt wohl, ich ſcheide, weil ich muß!

Sechſter Gefang. 167

36.

Gedenket mein, es wird mir frommen, Und betet insgeſammt für mich! Er eilte von dem Hof zu kommen, Denn nicht ganz ſicher fühlt' er ſich: Ward Nobel ſeinen Trug gewahr, Erwuchs auf's Neue ihm Gefahr.

37.

Warum die Eile, fragt der König,

Herr Reineke? Nehmt Euch doch Zeit! Nein, meint der Fuchs, es nützt nicht wenig, Iſt ohne Aufſchub man bereit,

Das Gute, was man denkt, zu thun; Drum gebet, Sire, mir Urlaub nun!

38.

Wohlan, ſo geht in Gottes Namen,

Sprach Nobel drauf, ich wünſch' Euch Glück! Ich ſelbſt mit meinen Herrn und Damen Begleite Euch ein gutes Stück.

So folgte denn dem Pilgersmann

Der ganze Hof, er ging voran.

168 Reineke Luchs.

39.

Indeſſen ſeine Widerſacher

Gefeſſelt ſtöhnten im Verließ,

Schied Reineke von Nobels Lager, Geehrt, wie es der König hieß,

Und ſchritt mit Ränzel und mit Stab, Als ging's direct zum heil'gen Grab.

40.

Dort hatte er ſo viel zu ſchaffen,

Als unter'm Pfeffer Mäuſedreck!

So zog mit ſeiner Schlauheit Waffen Den Kopf er aus der Schlinge weg, Und hatte ſeiner Majeſtät

Ein Näschen ellenlang gedreht.

41.

Es mußten Alle ihn begleiten,

Die geſtern erſt ihn angeklagt;

Da, voller Tücke noch beim Scheiden, Hat er zum Könige geſagt:

Bewachet Braun und Iſegrim,

Vor allen ſind die Beiden ſchlimm!

Sechſter Geſang. 169

42.

Laßt ſie bei Leibe nicht entkommen;

Denn würden dieſe Schufte frei,

Brächt' es Euch ganz gewiß kein Frommen: Verrath erſännen ſie auf's Neu,

Und mit Empörung, ja, mit Tod

Wär' ſicher Euer Haupt bedroht.

43.

So ſprach die wohlſtudirten Reden Der Fuchs mit unbefangnem Blick, Und ſchied von beiden Majeſtäten; Die gingen zum Palaſt zurück, Mit ihnen ſämmtliches Geleit

In Thränen und in Traurigkeit.

44.

Des Rothen heuchleriſch Gebahren Berührte faſt ein jedes Herz;

Man ſah ihn ja von dannen fahren In gar jo tiefem Reueſchmerz. Beſonders Lampe ward betrübt, Obgleich er ſonſt ihn nicht geliebt.

170 Reineke Suche.

45.

Mein Lampe, rief der Fuchs mit Beben, So ſoll es denn geſchieden ſein Vielleicht, o Gott, für's ganze Leben? Ach, wolltet Ihr mich recht erfreun, Entſchließet Euch ſammt Herrn Bellin Ein Stücklein noch mit mir zu ziehn!

46.

In Eurem heiligen Geleite

Brächt' ich noch gern ein Stündchen hin; Ihr ſeid gar unbeſcholtne Leute;

Ja, die Geſellſchaft iſt Gewinn.

Ihr lebt von Kräutern nur und Gras, Und haltet ſtets das rechte Maß.

47.

O wär' ich immerdar geblieben,

Wie damals als ich Klausner ward;

Da hab' ich's auch, wie Ihr getrieben! Ihr lebet nach der ſtrengſten Art,

Flieht weiſe weltliches Geräuſch;

Trinkt niemals Blut, eßt niemals Fleiſch.

Sechſter Gefang. 171

48.

Als Lampe und der Widder hörten, Wie ſie der Fuchs ſo hoch erhob, So folgten gern ihm die Bethörten: Es freute ſie des Rothen Lob. Drum gingen ſie mit ihm hinaus Bis zu der Veſte Malpertaus.

49.

Hier ſprach der Rothe zu Bellinen: Bleibt vor dem Thor einſtweilen ſteh'n! Ihr werdet nahebei im Grünen

Gar viele ſchöne Kräuter ſeh'n,

Die, appetitlich und geſund,

Wohl ſchmecken dürften Eurem Mund.

50.

In's Haus mag Lampe mich begleiten, Denn hört mein Weib die Trauermär, Daß wir auf lange müſſen ſcheiden, Dann weiß ich ſchon, ſie jammert ſehr. Da wird ihr Lampe im Verein

Mit mir ein wackrer Tröſter fein.

172 Reineke Suche.

515

So wurden Beide denn betrogen

Durch des Verräthers Heil'genſchein. Der Fuchs ging durch der Pforte Bogen Und führte Lampen mit hinein

Zu ſeinem Weibe Ermelin;

Doch vor der Thüre blieb Bellin.

52.

Die Füchſin, die in bangen Sorgen

Zu Haus bei ihren Jungen lag,

Sah plötzlich Reineken geborgen

Mit Stab und Ränzel ganz gemach

Im Pilgerkleide vor ſich ſtehn,

Und fragt' erſtaunt: Wie ging Dir's denn?

53.

Mir wär' es übel faſt ergangen, Verſetzte Reineke mein Schatz.

Ich ward verurtheilt und gefangen, Vom Galgen macht' ich faſt den Satz, Als Nobeln mein Geſchick gerührt, Und er mich gnädig pardonnirt.

Sechfler Geſang.

8

54.

Als Bürgen ließ ich ihm zurücke

Die Vettern Iſegrim und Braun; Die hat er jetzt bei dem Genicke;

Ich aber ſchwor den Papſt zu ſchau'n, Und zog mit Ränzel und mit Stab Und heiler Haut als Pilger ab.

55.

Zur Sühnung deß, was ich erduldet; Gab Nobel mir den Haſen mit;

Der hat mein ganzes Leid verſchuldet; Er war's, der bübiſch mich verrieth. Der König ſelbſt hat mir's geſagt, Daß Lampe mich zumeiſt verklagt.

56.

Da Lampe dieſes Wort vernommen, Erſchrak er ſehr, und wollte flieh'n. Doch, gab es leider kein Entkommen; Beim Kragen griff der Rothe ihn Und drehte ihm in einem Nu

Die Gurgel ohne Gnade zu.

174 Reineke Luchs.

57.

Kaum kreiſcht' er noch im letzen Beben: Bellin, ach helft mir aus der Noth! Der Pilger ſteht nach meinem Leben! So überkam ihn ſchon der Tod.

Der Fuchs erſtickte ſein Geſchrei

Und biß die Kehle ihm entzwei.

58.

Dies war die Art, wie ſeine Gäſte

Der Rothe insgemein tractirt.

Er ſprach zur Frau: Komm meine Beſte, Greif zu, bald iſt der Kerl tranchirt, Der Haſ' iſt fett und friſch ſein Blut; Zu was iſt ſonſt der Narre gut?

59.

Der wird ſein Lebtag nie mehr klagen! Stets flickte er mir was am Zeug; Ich hab's ihm lange nachgetragen. Kommt, Kinderchen, und ſättigt Euch, Eßt nur, ſo viel der Magen faßt; So geh' es Jedem, der uns haßt!

Sechſter Geſang.

60.

Dem König Dank! rief Ermeline, Der uns mit dieſem Mahl bedacht; Ich wünſche ihm für dieſe Sühne Nebſt ſeiner Gattin gute Nacht.

So ward der Braten denn geſchwind

Verſpeiſt vom Fuchs nebſt Weib und Kind.

61.

Nachdem das Abendbrod geendet, Fragt' ihren Ehemann die Frau: Wie hat ſich Dein Proceß gewendet? Berichte, Männchen, mir genau, Wie Du der Strafe ſchlau entkamſt; Warum Du Pilgerkleidung nahmſt?

62.

Ich würde, ſagt' er, Tage brauchen, Erzählt' ich, wie ich intriguirt.

Am beſten wird die Kürze taugen: Den König hab' ich angeführt,

Und ihm ſammt Ihro Majeſtät Die größte Naſe angedreht.

175

176 Reineke Luchs.

63.

Drum mag die Freundſchaft bald ſich ſchwächen, Mit der ich von dem Hofe ſchied, Und, fürcht' ich, ganz wird ſie zerbrecheg, Wenn Nobel ſich betrogen ſieht. | Kriegt er mich wieder zu Geficht,

Dann ſchont er mich wahrhaftig nicht.

64.

Nicht Gold, noch Silber wird mich retten, Wann er die Wahrheit erſt erfährt.

Daher will ich mich ſicher betten,

So lange ſeine Gnade währt;

Laßt uns bei Zeit mit klugem Sinn Hinweg von hier nach Schwaben ziehn.

65.

Dort dürfen wir nicht länger beben, Wir wohnen dort incognito.

Man führt allda ein herrlich Leben, In ſtetem dulci jubilo.

Da iſt, wie mir von je bekannt, Recht eigentlich Schlaraffenland.

Hrimhurke Syndung.

Sechſter Geſang. 177

66.

Da wimmelt es von ſüßer Speiſe! Kaninchen, Haſe, Gans und Hahn Und Fiſch von jeder Art und Weiſe Trifft man in Hüll' und Fülle an. Man wählt nicht lange, greift nur zu Und ſchnabelirt in guter Ruh.

67.

Auch gibt's Roſinen dort und Trauben

Und Feigen, köſtlich, auf mein Wort.

Man bäckt das Brod, Du kannſt mir's glauben, Mit Butter und mit Eiern dort.

Stets iſt der Himmel rein und blau,

Das Waſſer klar und grün die Au.

68.

Ja, theures Weib, liebſt Du den Frieden, Begleite mich in's Schwabenland. Dann wird des Königs Zorn vermieden! Bis dahin reicht nicht ſeine Hand, Wenn er auch merkt, wie ſehr ich log Und ohne Beiſpiel ihn betrog.

Reineke Fuchs. 12

178 Reineke Luchs.

69.

Ich fabelte von Emmrichs Schatze, Der bei dem Krekelteiche läg':

Ich wies den König nach dem Platze, Beſchrieb ihm jeden Weg und Steg. Wenn er nun nach dem Schatze ſpürt, Sieht er ſich ſchmählich angeführt.

70.

Was mußte ich nicht Alles lügen, Damit dem Galgen ich entging!

Ich ſah mich in den letzten Zügen, Als mir der Strick am Halſe hing. Vor Augen ſchwebte mir der Tod; Da dacht' ich: Noth kennt kein Gebot!

71.

So habe ich dem weiſen Zaaren

Ein Körblein Lügen aufgetiſcht.

Drum mag der Himmel mich bewahren, Daß er mich wiederum erwiſcht; Diesmal brächt' ich wohl nicht geſund Den Daumen mehr aus ſeinem Mund.

Sechſter Geſang. 179

72.

Da trübte ſich der Füchſin Miene. Als ſie des Gatten Wort gehört.

Ach, ſeufzte jetzt Frau Ermeline, Wär' ſolch ein Kummer mir beſcheert? Sollt' ich dem Land, das uns gebar, Entſagen nun auf Immerdar?

73.

Wie lange würde dort es dauern,

Bis wir uns wieder eingewohnt?

Hier biſt Du Herr von Deinen Bauern; Stets hat das Glück Dein Thun belohnt, Und Alles, was das Herz begehrt,

Hat uns das Vaterland gewährt.

74.

Was nützen ferne Abenteuer? Gewiſſres findeſt Du zu Haus. Noch unverſehrt ragt das Gemäuer Um Deine Veſte Malpertaus. Sie bot uns ja zu jeder Zeit Die ungeſtörtſte Sicherheit.

12 *

180 Reineke Luchs.

75.

Und zöge feindlich auch der König

Heran mit ſeiner ganzen Macht,

Du weißt, mein Schatz, das ſchiert uns wenig, Wir haben ſchon den Fall bedacht.

Es ſteht ſo manche Seitenthür

Uns offen: dann entſchlüpfen wir.

76.

Nein, Nobel wird uns nimmer fangen, Wir können leicht ihm widerſteh'n! Nur Deine Abſicht macht mir bangen, Als Pilgersmann nach Rom zu geh'n. Ach, daß Du dieſen Schwur gethan! Was fang' ich unterdeſſen an?

77.

Viel beſſer iſt es falſch geſchworen, Meint Reineke verſchmitzt, und lacht, Als Hals und Kopf dazu verloren; Dies hat ein Pfaff mir einſt geſagt. Erzwungner Eid iſt Firlefanz,

Und gilt mir keinen Katzenſchwanz.

Sechſter Geſang. 181

78.

Was hätt' ich denn in Rom zu ſuchen? Weit lieber bliebe ich zu Haus

(Und müßt’ ich nocp zehn Eide fluchen) Nach Deinem Rath in Malpertaus. Ich find' es nirgends ſo bequem,

Und lief ich bis Jeruſalem.

79.

Will Nobel mich zur Rede ſtellen,

Iſt er auch mächtig, ei, was thut's? Schon einmal krönte ich mit Schellen

Die Spitze ſeines Fürſtenhuts.

Und wenn er mich durch Feindſchaft kränkt, Bekommt's ihm ärger, als er denkt!

80.

Indeſſen ward Bellin, dem Widder,

Im Freien Zeit und Weile lang.

Er klopfte an der Pforte Gitter,

Und ſchrie, daß es im Vorſaal klang: Ei, Lampe, macht! Wo bleibt Ihr denn? Kommt doch heraus, wir müſſen geh'n!

182 Reineke Luchs.

81.

Da ſchritt der Fuchs hinaus zur Straße, Und rief: Vergebt uns, Herr Bellin! Herr Lampe koſt mit ſeiner Baſe,

Mit meinem Weibe Ermelin.

Er bittet um Entſchuldigung;

Geht nur voran! Er folgt im Sprung.

Ihr werdet ſein Geſpräch nicht ſtören; Drum laßt ihn noch ein Weilchen hier! Drauf ſprach Bellin: Was mußt' ich hören? Der Haſe ſchrie, ſo dünkte mir,

Nach mir mit kläglichem Geſchrei,

Als ob ihm Hilfe nöthig ſei.

83.

Der Fuchs erwiederte zur Stelle:

Ich ſprach von meinem Wallfahrtsplan; Drob wandelte die arme Seele,

Mein Weib, ein großes Bangen an. Es ward ihr vor den Augen ſchwül, So daß ſie jäh in Ohnmacht fiel.

Jechſter Geſang. 183

84.

Da fuhr der Schreck in Lampe's Glieder; Er zeterte: Ach helft, Bellin!

Was? Weiter nichts? verſetzt der Widder; Er hat doch jämmerlich geſchrie'n;

Es klang, ſo mein' ich, ganz gewiß,

Als ſtäk' er wenigſtens am Spieß.

85.

Nein, ſchwur der Fuchs mit theuren Eiden, Fürwahr, kein Nagel ſchmerzt ihn jetzt! Weit lieber möcht' ich Alles leiden Als daß man ihm ein Haar verletzt. Beruhigt drauf der Widder ſprach: Nun, ſchickt ihn mir nur baldigſt nach.

4 86. Hört, wenn Ihr geht, verſetzt der Rothe, Und nun durchaus nicht mehr verzieht, Dient mir beim Könige als Bote! Ich gebe Euch ein Schreiben mit, Da geſtern mich um meinen Rath In wicht'gen Dingen Nobel bat.

184 Reineke Luchs.

87.

Ich habe Alles aufgeſchrieben, Indeſſen unſer Lampe ſich

Mit meiner Frau die Zeit vertrieben; Er amüſirt ſich königlich,

Und plappert Ermelinens Ohr

Gar ſaubere Geſchichten vor.

88.

Noch ſitzen Beide hinter'm Glaſe, Und divertiren ſich beim Schmaus. Laßt Lampen drum bei ſeiner Baſe, Und geht gefälligſt nur voraus! Bellin verſetzt: Genug davon; Gebt her den Brief, ich gehe ſchon!

89.

Doch mögt ihr ihn genau verwahren, Damit das Siegel nicht zerbricht. Ich garantire die Gefahren

Bei dem Transport natürlich nicht. Ei, meint der Fuchs, ich packe ſchnell Das Schreiben in das Bärenfell.

Scechfler Geſang. 185

90.

Das Ränzel, das mir Braun genommen, Iſt feſt und birgt das Schreiben gut.

Ihr ſeid dem König hoch willkommen, Nehmt ihr den Brief in Eure Hut.

Gewiß harrt Eurer reicher Lohn,

Bringt Ihr die Botſchaft an den Thron!

91.

Den Widder täuſchten dieſe Phraſen; Fuchs Reinecke ſprang in ſein Haus Und trug das Haupt des todten Haſen Im Ranzen zu Bellin heraus.

Daß dem den Inhalt er verhehlt,

Hat ihm ein Vorwand nicht gefehlt.

92,

Er ſprach: Hier, Vetter, iſt das Schreiben; Doch laßt Euch jede Luſt vergeh'n,

Sollt' Euch dazu die Neugier treiben,

In dieſen Brief hineinzuſeh'n!

Sorgt, daß er übergeben wird

Genau, wie ich ihn zupetſchirt.

186 Reineke Luchs.

93.

Auch öffnet nicht des Ränzels Knoten; Ich hab' ihn künſtlich zugeknüpft.

So ſend' ich Nobeln alle Boten,

Daß kein Geheimniß uns entſchlüpft. Bleibt dieſer Knoten unberührt,

Paßt auf, wie Euch vergolten wird.

94

Ja, um beſtimmt Euch Lohn zu bringen, Erlaub' ich, daß Ihr Nobeln ſagt,

Ihr hättet mir bei dem Gelingen

Des Briefs geholfen mit Bedacht, Geſchehen ſei auf Euren Rath,

Was er durch Euch in Händen hat.

95:

Da ward Bellin entzückt und fröhlich. Er wagte einen Freudenſprung,

Und rief: O Fuchs, Ihr macht mich ſelig, Schon ahne ich die Huldigung,

Die mir durch Euch bei Hofe wird, Daß ich ſo Kluges meditirt.

Scchfler Geſang. 187

96.

Zwar fehlen ganz mir Eure Gaben, Nicht bin ich ſo, wie Ihr, gelehrt. Doch werd' ich Ehre gleichwohl haben, Wenn man auf Euer Zeugniß hört. Welch hohes Glück, daß ich ſo weit Euch, wie Ihr wünſchtet, gab Geleit.

97.

Nie werde jemals ich vergeſſen,

Daß Ihr den Ruhm mit mir getheilt! Doch ſagt (Ihr mögt es ſelbſt ermeſſen), Beliebt's, daß Lampe noch verweilt, Wie, oder meint Ihr, daß er jetzt

In Trab mit mir ſich wieder ſetzt?

98.

Nein, ſagt der Schelm, der mag noch weilen; Was Wicht'ges muß ich ihm vertrau'n; Nachher ſoll er ſich recht beeilen;

Bald werdet ihr ihn bei Euch ſchau'n.

Nun, Gott befohlen! ſprach Bellin,

Und zog getroſt nach Hofe hin.

188 Reincke Luchs.

99.

Dort trat er ein zur Mittagsſtunde Bei Nobel, der ihn ſchleunig fragt: Woher des Weges? Gebt mir Kunde, Warum ihr dieſes Ränzel tragt,

Mit dem der Fuchs von hinnen ſchied? Bringt Nachricht Ihr vom Pilger mit?

100.

Ja freilich, ſprach Bellin gar wichtig; Hier iſt von Reineke ein Brief.

Was er Euch bringt, verhält ſich richtig; Denn wir durchdachten's Beide tief;

Der Fuchs that ganz nach meinem Sinn: Ihr findet den Beweis dadrin.

101.

Mit dieſer Rede bot der Widder Das Ränzel dem Monarchen dar. Man rief den Biber zum Gebieter, Da er Notar des Königs war.

Auch Hinzen holte man herbei,

Daß er, wenn nöthig, Dolmetſch ſei.

Schhfler Geſang. | 189

102.

Der Biber mußte Alles leſen,

Was je empfing des Königs Hand, Da er auf Schulen war geweſen, Und viele Sprachen wohl verſtand. Herr Bokert kam in ſchnellem Lauf, Und knüpfte das Torniſter auf.

103.

Als Bokert in den Ranzen faßte,

Ward er der Sinne ſchier beraubt.

Er rief: Bei Gott, was ich betaſte,

Es iſt ein abgeſchnittnes Haupt!

Er zog heraus es bei dem Schopf:

Ein ſchöner Brief, Herr Lampe's Kopf!

104.

Kaum, daß das Herrſcherpaar ihn hörte, Und ſah, daß er die Wahrheit ſprach, Sank die Monarchin faſt zur Erde,

Und Nobeln traf beinah der Schlag.

Er brüllte, kirſchroth im Geſicht:

Hätt' ich Dich wieder, falſcher Wicht!

190 Reineke Luchs.

105.

Weh, Reineke hat mich betrogen!

Hätt' ich dem Mörder nicht geglaubt. O Lampe, dem ich ſtets gewogen,

Er ſendet mir Dein blutig Haupt! So raſte Nobels Schmerz und Scham, Daß rings der Hof in Aufruhr kam.

106.

Was nehmt Ihr Euch's ſo ſehr zu Herzen? Rief Nobels Vetter, Leopard.

Gebietet männlich Euren Schmerzen

In Eures Volkes Gegenwart.

Leiht lieber Eurer Gattin Muth.

Als das Ihr ſelbſt verzweifelt thut.

107.

Wollt Ihr vor allen Leuten zeigen, Daß einen Mißgriff Ihr beklagt?

Zum Vorwurf könnt' es Euch gereichen, Sieht man, wie Ihr ſo ſehr verzagt. Ihr ſeid ja Herr von dieſem Land, Und Alles ſteht in Eurer Hand.

Zechſler Gefang. 191

108.

Dies eben macht, daß ich jetzt raſe! Verſetzte ſeine Majeſtät;

Weil dieſer Bube eine Naſe

Dem höchſten Haupt im Land gedreht, Und eine Ungerechtigkeit

Hervorrief, die zum Himmel ſchreit.

109.

Ich habe leider ſie geſchändet,

Die ſonſt ich meine Freunde hieß, Den Bären und den Wolf geſendet Um Reineken in's Burgverließ, Verunehrt einen Reichsbaron

Um dieſen frechen Höllenſohn!

110.

Der Königin Gebet und Bitte

Hat mich zu ſchnell für ihn bewegt;

Ihr Winſeln trieb mich zu dem Schritte, Der jetzt ſo bittre Früchte trägt. Verdammt, was eine Frau uns räth! Nun kommt die Reue, doch zu ſpät.

192 Reineke Luchs.

444:

Mein Herr und König, laßt das Grämen, Erwiederte der Leopard.

Könnt Ihr zur Sühne Euch bequemen, Sei jeder fernre Schmerz erſpart. Denn, wollt Ihr, ſo verſöhnt Ihr ſie, Die Ihr verletzt mit leichter Müh.

112.

Schickt nur getroſt nach Gieremunden,

Nach Iſegrim und Braunen hin,

Und gebt (dann ſind ſie abgefunden) Als Sühnung ihnen den Bellin.

Er hat mit Lampens Mord geprahlt:

Wohl billig, daß er dies bezahlt.

113.

Dann wollen wir den Fuchs bedrängen, Und wenn zu fangen ihn uns frommt, Muß der Verbrecher ſchleunigſt hängen, Bevor er noch zu Worte kommt;

Denn ſpricht er eine Zeile blos,

So ſchwatzt er ſich auf's Neue los.

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Sechſter Geſang. 198

114.

Ich weiß gewiß, fie ſind's zufrieden,

Die Herrn, wenn Ihr ſie ſo begnügt. Mögt Ihr ſie nur zu Euch entbieten

Wird ganz beſtimmt ihr Groll beſiegt. Der Rath, ſprach Nobel, deucht mir wohl! Ich will, daß man ſie holen ſoll.

115.

Man führe ſie mit vollen Ehren, Den Wolf und Bär, in meinen Rath; Und jedes Thier mag deutlich hören, Wie uns der Fuchs betrogen hat. Ruft, daß dies gleich vollzogen ſei, Den ganzen Hofſtaat mir herbei!

116.

Vernehme dann ein jeder Ritter

Von Lampens Tod die grauſe Mär,

Und wie als Sühne wir den Widder Dem Wolf verleihen und dem Bär;

Auf Ewiglich ſei dies ihr Recht,

Zu ſchlachten ihn und ſein Geſchlecht!

Reineke Fuchs. 13

194 Reineke Luchs.

117.

Auf den Befehl des Königs eilte

Der Leopard in's Burgverließ,

Wo Bär und Wolf und Wölfin weilte, Daß er die Ketten löſen hieß. | Er rief: Ich bringe guten Troſt!

Der König iſt nicht mehr erboſt.

118.

Im Gegentheil, ihn foltert Reue; Was Ihr erduldet, thut ihm Leid.

Er ſchenkt Euch ſeine Huld auf's Neue, Und, daß Ihr ganz befriedigt ſeid, Für Alles das, was Euch gekränkt, Wird eine Sühne Euch geſchenkt.

119.

Bellin nebſt Kind und Kindeskindern Gibt Nobel Euch in die Gewalt;

Und Niemand wird Euch fortan hindern, Verfolgt Ihr ſie durch Feld und Wald. Es gilt als Euer gutes Recht,

Zu tödten ihn und ſein Geſchlecht.

Sechſter Gefang. 195

120.

Den Fuchs zugleich, der Euch verrathen, Gibt er mit all den Seinen Preis.

Wo Ihr nur könnt, möcht dem Ihr ſchaden! Dies meld' ich Euch auf ſein Geheiß.

Und was der König jetzt gebeut,

Bleibt Euch geſichert jederzeit.

121.

Doch müßt Ihr Euch mit ihm vertragen; Vergeſſet, was Euch widerfuhr.

Nie wieder ſollt Ihr Euch beklagen;

Ich rath' Euch ſehr, verzeiht ihm nur! So wirkte denn der Leopard,

Daß ein Vergleich geſchloſſen ward.

122.

Der arme Widder mußte kitten Mit ſeinem Blute den Vertrag. Wie hat nicht ſein Geſchlecht gelitten Durch Bär und Wolf ſeit jenem Tag. Die kühlen ohne Unterlaß Im Widderblute ihren Haß.

12 *

196 Reineke Luchs.

123.

Sie laſſen nimmer ſich verſöhnen,

Verheeren ſtets Bellins Geſchlecht.

Ja, obendrein, ſie dürfen wähnen,

Sie hätten noch das größte Recht!

Sie ſchlachten ohne Scheu und Scham

Das Schaf, den Widder und das Lamm.

124.

Der König, der mit hoher Ehre Die Herrn zu feiern hat Raiſon, Befiehlt: Um vierzehn Tage währe Für diesmal länger die Saiſon! So eifrig wies ſich ſein Bemüh'n, Daß die Verletzten ihm verzieh'n.

Siebenter Geſang. 197

Siebenter Geſang.

Wie Reineke Fuchs auf's Neue bei Nobel verklagt wird, und der Dachs Grimbart ihn zu Hofe holt.

.

1.

So ſtrahlte denn im vollem Glanze Der Hof, den Nobel angeſtellt.

Zum Schmauſe nahte und zum Tanze Gar manche Dame, mancher Held. Zuſammenſtrömte hier, wie nie,

Die Thierwelt und das Federvieh.

2.

Man gratulirte Iſegrimen

Und Braunen zu dem neuen Glück; Denn ſie gewannen Aller Stimmen Seit ſich gewendet ihr Geſchick; Und in dem Rauſch der Feſtlichkeit Vergaßen ſie das letzte Leid.

198 Reineke Luchs.

“u 9.

So nobel war's noch nie geweſen, Wie oft auch Hof der König hielt. Die neuſten Walzer und Francaifen Hat die Capelle aufgeſpielt,

Und von der Laſt der Schüſſeln brach Beinah die Tafel Tag für Tag.

4.

Man ſah die reichſten Toiletten, Und Gäſte kommen immer mehr: Der König ſandte Eſtafetten,

In ſeinem ganzen Reich umher, Und lud, was adlig war und fein, Zu dieſem Feſte gnädigſt ein.

5.

Allein von allen Reichsbaronen

Blieb Pilger Reineke zu Haus.

Nur hier, meint' er, ſei ſicher wohnen, Wo er, geſchützt durch Malpertaus, Beſtändig auf der Lauer lag,

Und Frevel übte, vor wie nach.

Siebenter Geſang.

6.

Als die Geladnen angekommen, Begann das Feſt bei Hofe jetzt,

Und ein Diner ward eingenommen, Das Sinn und Geiſt zugleich ergötzt. Ein jeder Gaſt ward klug vom Wirth Zu ſeiner Freundſchaft hinplacirt.

7

Dann brach man zierlich manche Lanze, Dem Sieg ward hoher Dank gewährt. Den Abend weihte man dem Tanze, Der Mediſance, dem Hofconcert,

Und der Monarch ſah gnädiglich

Auf das Getriebe rings um ſich.

8.

Acht Tage waren ſchon verronnen. Der König ſaß in frohem Sinn Bei Tiſch mit ſeinen Reichsbaronen, Und neben ihm die Königin,

Da trat mit dem Deſſert zumal Flugs das Kaninchen in den Saal.

199

200 Reineke Suche.

9.

Das rief mit trauriger Geberde:

Erbarmt Euch, Sire' und hört mein Fleh'n! Schaut her! Mein Blut tropft noch zur Erde; Faſt unterlag' ich Reineken;

In einem unerhörten Grad

Beging er gegen mich Verrath.

10.

Wißt, geſtern in den Morgenſtunden Ging ich vorbei bei Malpertaus. Dort hat ſich Reineke befunden

Im Pilgerkleid vor ſeinem Haus Mit einem Buch; es dünkte mir, Als läſ' er emſig im Brevier.

11.

Ich wollte raſch an ihm vorüber

Den Weg entlang zu Eurem Schloß;

Da ſtand er auf: Grüß Gott, mein Lieber! Doch plötzlich fuhr er auf mich los,

Und, eh' ich deſſen mich verſah,

Packt' er mich bei dem Löffel da.

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Siebenter Geſang.

12.

Schon hielt ich meinen Kopf verloren, Denn ſeine Klauen ſind gar ſcharf, Mit denen er mich bei den Ohren In Mordbegier zu Boden warf,

Als es mir glücklich noch gelang, Und ich dem rothen Schuft entſprang.

13.

Behende bin ich auf den Füßen,

Und raſchen Laufs ſalvirt' ich mich. Wart, flucht er nach, Du ſollſt es büßen, Find' ich Dich wieder, ſicherlich!

Ich ſchwieg und lief gar eilig fort, Indeß ein Ohr ließ ich ihm dort.

14.

Seht nur, wie hat er mich geſchunden! Des Löffels hat er mich beraubt;

Man findet noch vier tiefe Wunden Von ſeinen Klau'n an meinem Haupt. Kaum, daß ich mit genauer Noth Entſchlüpfte ſo dem nahen Tod.

201

202 Reineke Fuchs.

15.

Drum laßt Euch meine Unbill klagen! Ich fordre, Sire, Gerechtigkeit.

Wer wird fortan zu reiſen wagen, Bricht man das fürſtliche Geleit? Wer kommt zu Eurem Hofe, Herr, Sind die Chauſſee'n nicht ſicher mehr?

16.

Da ſich Kaninchen noch beſchwerte, Erſchien die Krähe Merkenau;

Sie flatterte verſtört zur Erde

Und krächzte laut: Ach, meine Frau, Frau Scharfenebbe iſt dahin!

Weh' mir, daß ich ein Witwer bin.

17%

Vernehmt, Herr König, was ich leide; Mir zittert noch das Herz im Leib. Heut früh ſpazirt' ich auf der Haide, Und mit mir ging mein braves Weib. Dort ſah'n wir, daß der Länge nach Der Fuchs gleich einem Todten lag.

*

Siebenter Geſang. 203

18.

Sein Auge ſtarrte aus der Höhle, Die Zunge hing ihm aus dem Mund; Das rührte mich in tiefſter Seele, Ich ſchrie ob dem betrübten Fund:

O große Noth, o Herzeleid!

Wie ſchnell verſtreicht die Lebenszeit!

19.

Auch Scharfenebbe war betroffen, Sie jammerte und ſchluchzte ſehr Wir forſchten, ob noch was zu hoffen, Wir taſteten am Leib umher

Und fühlten ſeinen Puls, allein

Der Reineke blieb ſtarr wie Stein.

20.

Indem mein Weib, die ängſtlich ſpürte, Ob Odem noch im Fuchſe war,

Den Kopf zu ſeinem Rachen führte, Da ſchnappte plötzlich der Barbar, Den wir nur fälſchlich todt geglaubt, Nach ihr, und riß ihr ab das Haupt.

+

204 Keineke Suche.

21.

Wie ich erſchrak, iſt kaum zu ſagen, Ich krächzte: Wehe, Wehe mir!

Da wollt' er mir auch an den Kragen, Und ſchoß empor mit Mordbegier. Doch ich entflog in großer Haſt

Auf einen hohen, ſichern Aſt.

22.

Was mußt' ich von dort oben ſchauen! Der Mörder hielt (denkt mein Gefühl!) Mein armes Weib in ſeinen Klauen, Und fraß ſie auf mit Stumpf und Stiel. In ſeinem großen Appetit

Fraß er ſogar die Knochen mit.

23.

Als wenn er Luſt zu mehr noch hätte, Schaut' er ſich um, dann lief er fort. Ich flog betrübt zurück zur Stätte, Die dampfte von der Gattin Mord, Wo zum Beweis vom Thatbeſtand Ich dieſe blut'gen Federn fand.

Siebenter Geſang. 205

24.

Hier leg' ich ſie zu Euren Füßen.

Herr König hebet Eure Hand,

Und laßt den frechen Mörder büßen, Sonſt räſonnirt das ganze Land:

Wer nicht ſtraft, ob er Macht ſchon hat, Iſt ſchuldig ſelbſt der Miſſethat.

25.

Wie möcht' es Eurem Ruhme ſchaden, Blieb ſolch Gerede Euch nicht fern! Bald ſpielte dann in Euren Staaten Ein jeder Taugenichts den Herrn. So drang die Doppelklag' empor

An des erzürnten Königs Ohr.

26.

Er ſchwor im Eifer: Bei der Treue, Die meiner Gattin ſtets ich hielt,

Ich mache, daß den Schuft es reue, Der ſo mit den Geſetzen ſpielt,

Und unſre Sinne mit Verrath

Und Lügen ganz umnebelt hat.

206 Reineke Luchs.

27.

Die Königin hat er gewonnen

Mit heuchleriſchem Thränenſtrom;

Der folgte ich, wie unbeſonnen!

Und meint' im Ernſt, er ging nach Rom. Schlimm, daß mich Frauenrath beſiegt! Wiewohl ich bin der Erſte nicht.

28.

Ha, ließen wir ihn ferner ſchalten,

Wir wären Spott und Schande werth. Laßt einen Rath, Ihr Herrn, uns halten, Auf welche Weiſe man verfährt,

Daß der verruchte Böſewicht

Gewiß verfällt dem Strafgericht!

29.

Erfreut vernahmen dieſe Kunde Herr Iſegrim und Braun der Bär. Sie meinten, daß die Racheſtunde Nun endlich angebrochen wär'. Doch da ſie ſahen Nobels Wuth, Hielten zu ſchweigen ſie für gut.

Siebenter Geſang ; 207

30,

Weil ſich des Königs Zorn nicht ſtillte, Begann die Königin zuletzt:

Der Majeſtät ziemt ernſte Milde!

Erwäget, mein Gemahl, das jetzt.

Ich bitt Euch ſehr, laßt Fluch und Schwur; Ihr ſchadet Eurer Würde nur!

31.

Noch wißt Ihr nicht die ganze Wahrheit; Vernehmet jegliche Partei!

Dann erſt erhellt in voller Klarheit,

Ob Reineke denn ſchuldig ſei.

Wär' er nur da, ich wette d'rum,

So mancher Kläger würde ſtumm.

32.

Manch Einer ſucht durch ſolche Klagen Zu bergen eigne Miſſethat!

Was ſoll ich zu dem Tadel jagen? Zu nützen dachte Euch mein Rath, Weil ich die Klugheit, den Verſtand Am Fuchs der Gnade würdig fand.

208 Reineke Luchs.

& 33.

Zwar der Erfolg ſcheint mir entgegen, Da ſich der Fuchs ſo ſchlimm gerirt; Doch weiſe bleibt er allerwegen,

Und hat für Euch ſchon viel vollführt: Dazu, o Sire, bedenket recht: Berühmt und groß iſt ſein Geſchlecht.

34.

Ihr mögt es reiflich überdenken,

Sonſt tretet Ihr Euch ſelbſt zu nah. Wie Ihr beſchließet, könnt Ihr's lenken, Denn Eure Worte gelten ja, Ob Ihr ihn 5 Gefängniß legt,

Ob Ihr das Leben ab ihm ſprecht.

35.

Drauf ſprach der Leopard: Gebieter, Bedient Euch gnädigſt dieſes Raths, Citirt den Fuchs zu Hofe wieder,

Und ſchlichtet den Proceß! Was ſchadt's? Wie Ihr denn wollt, beſchließen wir!

Hab' ich nicht Recht, Ihr Herren hier?

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Siebenter Seſang.

36.

Ja, rief der Wolf, will man berathen, Was mit dem rothen Schelm geſchieht, So wird es allerdings Nichts ſchaden, Theilt Unſereins die Meinung mit. Ei, wird vielleicht gar noch gefragt, Ob man da Federleſens macht?

37.

Lög' Reineke ſich hier zur Stelle

Auch von der Doppelklage frei,

So wüßt' ich doch noch hundert Fälle, Warum des Tod's er ſchuldig ſei. Verwirkt hat er das Leben, traun, Allein um mich und um Herrn Braun.

38.

Daß ich von andern Sünden ſchweige,

Wie hat den König er düpirt!

Wie hat er mit dem Krefelteiche -

Und Huſterlo ihn angeführt.

Anſtatt, daß er zum Papſte iſt,

Preßt er das Land mit alter Liſt. Reineke Fuchs. 14

210 Reineke Luchs.

39.

Nur zu, was ſoll das Schwatzen frommen? Beſchließet, wie Ihr Willens ſeid!

Bezeugt' er Luſt, nach Hof zu kommen,

So ward ihm jetzt Gelegenheit!

Die Ladung ging an Alle aus;

Doch Reineke blieb hübſch zu Haus.

40.

Ha, meinte Nobel, wohl geſprochen!

Das Warten hieß ein dummer Streich. Drum ſei der Frevel raſch gerochen:

In einer Woche rüſtet Euch!

Es richtet dieſer Böſewicht

Das Reich zu Grund, faßt man ihn nicht.

41.

Wir wollen dann bereit Euch finden Bei unſerm Heer im offnen Feld, Und werden einen Orden gründen, Für Jeden, der ſich tapfer hält. Wir zieh'n alsdann vor Malpertaus, Und ſtürmen des Verbrechers Haus.

Siebenter Geſang.

42.

Da riefen wie aus einem Munde Die Räthe: Wir gehorchen gern, Und ſind bereit zu jeder Stunde, Wenn es gefällig unſerm Herrn. So ward beſchloſſen denn der Plan, Den Fuchs in ſeinem Bau zu fah'n.

43.

Doch Grimbart, der im Rath geſeſſen, Schlich mit der Nachricht ſich davon. Er mochte kaum das Leid ermeſſen, Bekam der Fuchs ſo üblen Lohn. Drum lief er auf des Oheims Schloß, Um ihn zu warnen, eilig los.

44.

Ach, ſeufzte er, was ſoll das werden,

Käm' unſer Onkel in Gefahr,

Der unſer klügſter Freund auf Erden,

Der ſtets uns Schutz und Helfer war!

Wir ſahn, daß nie es uns gebrach,

Wenn er zu unſern Gunſten ſprach. 14 *

211

212 Reineke Luchs.

45.

In ſolchen trüben Düfteleien Gelangte er nach Malpertaus. Dort traf den Oheim er im Freien Bereit zu einen leckern Schmaus; Er fing ein junges Taubenpaar, Das eben erſt kaum flügge war.

46.

Den Dachs ſah der von Weitem kommen, Und rief: Herr Neffe, Gott zum Gruß! Was mag mir Euer Nahen frommen?

Ihr ſeid ja dies Mal raſch zu Fuß,

Seid echauffirt und athemlos.

Nun ſagt, was führt Euch auf mein Schloß?

47.

Ach leider, keucht der Dachs mit Zagen, Iſt meine Zeitung ſchlimm genug.

Der König hörte neue Klagen,

Und ſchwor heut' einen theuren Fluch, Euch ohne Gnade einzufah'n,

Verloren wäret Ihr alsdann!

Siebenter Geſang. 213

18.

Er zieht mit ſeinem ganzen Heere

In einer Woche vor das Schloß,

Und tauſend Flinten, Säbel, Speere Führt gegen Euch der wilde Troß. Drum bin ich, als mir's ward bekannt, In einem Striche hergerannt.

49.

Beim König ſtehen jetzt in Gnaden, Wie nie zuvor der Wolf und Bär, Und ſchrei'n ob Eurer Frevelthaten. Es commandirt der Wolf das Heer. Der Untergang iſt euch gewiß, Befehligt der, bedenket dies.

50.

Denn das Kaninchen und die Krähe Beſchwerten ſich an Nobels Thron. Ach, die Gefahr iſt in der Nähe: Drum macht bei Zeiten Euch davon! Wenn dies Mal Euch der König fängt, Dann Oheim, fürcht' ich ſehr, Ihr hängt.

214 Reineke Luchs.

51.

Bah, rief der Fuchs, laßt's Euch nicht kümmern,

Mich ſchiert es keinen Pfifferling. Der König balge ſich mit Dümmern; Mir dünket die Gefahr gering, Wenn er mit dem geſammten Rath Auch hundert Mal geſchworen hat.

52.

Will ich mich erſt zu Rathe ſetzen, Dann lach' ich all die Andern aus! Kommt, lieber Neffe, laßt euch letzen, Und tretet ein zu Malpertaus,

In meine feſte Ritterburg. Befürchtet Nichts; ich komme durch!

53.

Seht her, zwei junge fette Tauben Hab' ich geholt aus ihrem Neſt.

Mein Leibgericht! Ihr könnt es glauben, Wir theilen, alſo kommt und eßt.

Das Fleiſch iſt weiß und zart und gut, Die Knöchelchen wie Milch und Blut.

.

Siebenter Geſang. 215

54.

Wie leicht liegt ſo ein Ding im Magen!

Zu meiner Gattin folget mir;

Auch der mag dieſes Mahl behagen; Empfangen werden freundlich wir.

Doch ſchweigt (ihr Kummer thät mir leid), Weswegen Ihr gekommen ſeid.

55.

Selbander gehen wir zum König, Gleich morgen früh, ſobald es tagt. Wenn Ihr mich unterſtützt ein Wenig, Bleibt meine Seele unverzagt.

Der Dachs erwiederte: Gebeut! Mein Gut und Blut iſt Euch geweiht.

56.

Ich glaube ſelbſt, hört man Euch reden, So hilft Euch Eure kluge Art.

Dreiſt mögt Ihr vor die Herren treten! Schon widerrieth der Leopard,

Daß man Euch ſtrafe ungehört.

Auch ſeid der Königin Ihr werth.

216 Reineke Suche.

57.

Der Fuchs verſetzte: Dank, Herr Vetter! Ich lohn' es Euch, komm' ich davon. Was gilt's, es zieht vorbei das Wetter, Was mir jetzt dräut herab vom Thron! Gewiß, wenn Nobel mich nur hört, Bleibt Kopf und Kragen unverſehrt.

58.

Nun gingen ſie zu Ermelinen;

Die nahm den Gaſt mit Freuden auf, Und ſetzte, um ihn zu bedienen, Als Hausfrau ſich in vollen Lauf. Die Tauben, die der Fuchs erwiſcht, Hat ſie in Eile aufgetiſcht.

59.

Das gab ein wahres Göttereſſen, Für Jedes eine Portion.

Knapp ward ſie freilich zugemeſſen, Und Keines wurde ſatt davon. Wie leicht jedes noch ein Paar, Wenn mehr davon vorhanden war.

Siebenter Seſang. 217

60.

Drauf rief der Rothe ſeine Kleinen: Kommt, gebt dem Onkel eine Hand! Sie wachſen tüchtig, ſollt' ich meinen; Der Große iſt bereits gewandt; Sagt, wie der Jüngſte Euch gefällt? Die Kinder ſind doch meine Welt!

61.

Sie treiben ganz verfluchte Sachen, Sind meine Freude ſpät und früh, Und werden einſt mir Ehre machen. Wo Barthel Moſt holt, wiſſen ſie! Schon jetzt (was hat es da für Noth?) Verdienen ſie ihr täglich Brod.

62.

Bald fängt der Reinhard ſich ein Hühnchen, Und Roſſel ſtellt dem Kiebitz nach,

Jagd Enten, Haſen und Kaninchen.

Die Luſt wächſt ihnen allgemach,

Und balgen ſie ſich in dem Haus,

So wird nicht ſelten Ernſt daraus.

218 Reineke Suche.

63.

Zuletzt wird's ihnen baß gelingen, Wenn ſie mein Mund erſt unterweiſt, Wie man entgeht den Jägerſchlingen Und ſchlau ſich durch die Hunde beißt. Dann holen ſie uns jeden Tag,

Was nur der Magen wünſchen mag.

64.

Mit wem ſie feindlich ſich befaſſen, Wird in der Regel leicht beſiegt. Schon haben ſie ſich lehren laſſen, Wie man den Feind am Halſe kriegt. Sie greifen zu mit raſchem Sprung; Ich fühle mich in ihnen jung!

65.

Grimbart erwiederte: Wie ſelig, Wem gute Kinder Gott beſchert! Wahrhaftig, Oheim, ich bin fröhlich, Daß ſolche Vetterſchaft mich ehrt. Ich glaube gern, daß ihr Euch freut: Denn dieſe Knaben bringen's weit.

Siebenter Geſang. 219

66.

Für jetzo laßt es nur bewenden, Sprach Reineke. Es iſt ſchon ſpät! Wir wollen die Geſpräche enden, Herr Grimbart! Gehen wir zu Bett, Da Ihr Euch nach der Ruhe ſehnt. Ihr habt ſchon zwanzig Mal gegähnt.

67.

Sie ſuchten alle nun ihr Lager;

Bald ſchlief, was in dem Hauſe war; Nur nicht der Fuchs; den Kopf zerbrach er Sich ob der drohenden Gefahr;

Bei Hofe war man ihm nicht grün!

Und wachend fand der Morgen ihn.

68.

Er ſprang empor von ſeinem Bette. Und ſagte: Frau, erſchrick mir nicht, Mach' ich jetzt Reiſetoilette!

Nach Hof zu gehn heiſcht meine Pflicht. Bleib' nur geruhig in dem Haus,

Und hüte ſorgſam Malpertaus!

220 Reineke Luchs.

69.

Was, rief die Füchſin, will das heißen, Zum König plötzlich hinzuziehn? Seltſam, nach einem Ort zu reiſen, Den Du am Meiſten ſollteſt fliehn! Bedenke, wie es neulich ging,

Wo man Dich faſt am Galgen hing.

70.

Ich wurde freilich, ſprach der Rothe, Damals gehängt bei einem Haar,

Denn Mancher ſtand nach meinem Tode, Doch hat's darum noch nicht Gefahr; Man merkt, wenn man es recht verſteht, Wie plötzlich oft der Wind ſich dreht.

Il.

Ich muß einmal: drum laß mich gehen, Und trübe nicht den holden Blick. Gewiß wirſt Du mich wiederſehen; Ich kehre bald zu Dir zurück.

In Kurzem bin ich wieder hier! So ſchied er mit dem Dachs von ihr.

Achter Geſang. 221

Achter Geſang.

Wie Reineke Fuchs dem Dachſe abermals beichtet, und vom Affen Martin auf den Beiſtand der Hierarchie vertröftet wird.

r

1.

Sie ſchritten jetzt getroſten Muthes Den Weg zur Königsburg, die Zwei. Der Rothe ſprach: Mir ahnet Gutes; Die Sache ſei nun, wie ſie ſei,

Sie wendet ſich, ich wette drum, Gewiß zu meinen Gunſten um.

2.

Doch kann's auch dieſes Mal Nichts ſchaden, Beicht' ich in Euer Ohr hinein,

Die Sünden und die Miſſethaten,

Die ich begangen, groß und klein,

Seitdem ich jüngſt zur Beichte ſaß,

Und welche damals ich vergaß.

222 Reineke Luchs.

23 3.

Ich eignete von Braunens Felle

Ein Stück mir als Torniſter zu:

Und nahm, daß Iſegrim ich quäle, Ihm und der Wölfin ihre Schuh”. Das Müthchen hab' ich mir gekühlt, Da ſie den blut'gen Schmerz gefühlt.

4.

Denn Nobeln hatte ich betrogen, Und ſo ſie ſeiner Gunſt beraubt; Von einem Schatz ihm vorgelogen: Er hat mir, dumm genug, geglaubt! Drauf brachte ich durch Lampes Tod Bellin in unverdiente Noth.

55

Die Krähe hat auch Grund zu klagen, Da ich Frau Scharfenebbe fraß. Ich nahm Kaninchen bei dem Kragen Mit Mordluſt, ich geſtehe das, Und faßte es ſo derb am Ohr, Daß es ſein Leben faſt verlor.

Achter Gefang.

6.

Das Alles habe ich begangen,

Seit neulich ich im Beichtſtuhl ſaß. Drum will's zu beichten mich verlangen, Daß damals ich ein Stück vergaß,

Was ich dem Wolfe zugefügt,

Und was mich ungemein vergnügt.

cf

Wir ſah'n einmal ein junges Fohlen (Bei Elverdingen war es juſt)

Mit ſeiner Mutter, ſchwarz wie Kohlen, Im Graſe weiden voller Luſt.

Kaum, daß der Wolf das Fohlen ſieht, So regt ſich ſchon ſein Appetit.

8.

Ei, meinte er, ob wohl die Stute Das muntre Fohlen uns verkauft? Wir thäten uns was Rechts zu Gute! Geht, lieber Reineke, und lauft,

Und fragt die Mähre nach dem Preis, Wir einigen uns vielleicht; wer weiß?

223

224 Reineke Luchs.

5

Ich ging und fragte: Madam Mähre, Das Kind iſt Euer, wie ich weiß. Wenn's etwa zu verkaufen wäre,

So ſagt gefälligſt uns den Preis. Die Antwort hieß: Ja es iſt feil,

Wird meine Fordrung mir zu Theil.

10

Den Kaufpreis hab' ich aufgeſchrieben, Er ſteht an meinem Hinterfuß. > Wer nach dem Fohlen hegt Belieben, Zuerſt die Fordrung leſen uf. Da merkte ich: Das Ding ſteht faul! Und ich erwiederte dem Gaul:

14x

Nicht Schreiben kann ich und nicht leſen. Denn leider iſt mein Unterricht

Von Haus aus mangelhaft geweſen, Auch will ich ſelbſt das Fohlen nicht; Mich ſendete Herr Iſegrim;

Am Herzen liegt die Frage ihm.

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Achter Geſang 225

12. Sie ſprach darauf: Der mag nur kommen, Daß ihn mein Hinterfuß belehrt! Kaum hatte Iſegrim vernommen, Was von der Stute ich gehört, Beſann er ſich nicht lange Zeit; Ihn ſtachelte Gefräßigkeit.

13.

Er meinte: Ei, könnt ich's nicht leſen, Dann freilich müßt' es ſeltſam ſein. Auf Schulen bin ich lang geweſen, Verſteh' Franzöſiſch, Wälſch, Latein; Die Jen'ſche Univerſität

Hat mich zum Doctor ja erhöht.

14.

Im Reden und im Disputiren

Hab' ich vor Meiſtern mich bewährt; Drum werd' ich leichtlich wohl capiren, Was aufſchrieb ſo ein lumpig Pferd. Jedwede Schrift iſt mir bekannt,

Als käme ſie von meiner Hand. Reineke Fuchs. 15

226 Reineke Luchs.

15.

Bleibt nur zurück und laßt mich leſen! So ging er fort und ſprach zur Frau: Wie theuer iſt das kleine Weſen? Doch nennt den Kaufpreis ganz genau. Leſt, ſagt ſie, was am Hufe ſteht! Laßt ſehn, verſetzt er; fie: da ſeht!

16.

Drauf hob den Fuß ſie aus dem Graſe, Der neu am Huf beſchlagen war,

Und ſchlug genau an ſeine Naſe

Den Wolf; es fehlte nicht ein Haar. Alsbald verging ihm jeder Sinn;

Wie todt ſtürzt er zu Boden hin.

17.

Betäubt lag er faſt eine Stunde,

Bis ſich das Leben wiederfand.

Nun heulte er, gleich einem Hunde; Ich kam in Eile hergerannt

(Die Stute war ſchon längſt entſlohn),

Und neckte ihn mit luſt'gem Hohn:

Achter Gefang. 227

18.

Herr Oheim, wie behagt das Eſſen?

Ihr fraßt das Füll'n mit Haut und Haar. Pfui, warum habt Ihr mich vergeſſen, Mich, der ich Unterhändler war.

Ihr hieltet, ſcheint es, gleich darauf

Ein Mittagsſchläfchen nach dem Kauf.

19.

Wo iſt Frau Mähre denn geblieben? Aus welcher Sprache war die Schrift, Die ſie an ihren Huf geſchrieben? Wie ſelten, daß man Einen trifft, Der als ein hochgelahrter Mann Jedwede Schrift entziffern kann.

20.

O, heult' er, ſpottet nicht! Ich leide,

Erbarmen möchte ſich ein Stein.

Die Vettel ſchlug mit grimmer Freude

Den Huf in meinen Schädel ein;

Die Nägel, die an ihm ſie trug,

Das war die Schrift; ich hab' genug! 15 *

228 Reineke Luchs.

21. 4

Ja, kaum behielt er da fein Leben! So habt ihr Alles denn gehört,

Herr Neffe! Wollet mir vergeben,

Was mein Gewiſſen jetzt beſchwert; Daß, ſollt' es ſchlimm bei Hof mir geh'n, Die Seel’ ich darf gerettet ſeh'n!

22.

Groß iſt die Menge Eurer Sünden,

Sprach nun der Dachs; doch todt bleibt todt. Drum will ich ihrer Euch entbinden

In Anbetracht der großen Noth,

Da wir nach Hofe jetzo geh'n,

Wo Viel' Euch nach dem Leben ſteh'n.

23.

Ich will Euch daher abſolviren;

Spräch' Euch nur auch der König los! Doch der läßt ſchwer ſich wieder rühren, Denn Eure Frechheit war zu groß.

Ihr habt gewaltſam Nobels Zorn Durch Lampe's Mord heraufbeſchwor'n.

Achter Gefang. 229

24.

Ei, meint der Fuchs, wer wird das denken? Das ſchad't mir keinen Pfifferling.

Schwer hält's, ſein Lebensſchiff zu lenken: Es iſt damit ein eignes Ding.

Wer wie ein Heiliger ſich hält,

Kommt heutzutag nicht durch die Welt.

25.

Ich ließ durch Lampen mich verlocken;

Er ſprang mir vor den Füßen her.

Ha, dachte ich, ein fetter Brocken!

Die Nächſtenliebe ſchwieg daher Bellin war mir von je verhaßt;

So hab' ich ſie zugleich gefaßt.

26.

Sie haben Schaden, ich die Sünde Doch tragen ſie die meiſte Schuld, Und kamen dadurch in die Dinte.

Sie reizten meine Ungeduld

Durch Plumpheit und durch Prüderie! Wer macht da viele Ceremonie?

230 Reineke Luchs

27.

Nun, laßt uns von was Andrem reden, Denn todt bleibt todt, wie ſelbſt Ihr ſagt. Die Welt krankt jetzt an argen Nöthen. Das böſe Beiſpiel wirkt. Das macht, Daß, was von Hoh'n der Niedre merkt, Im Sündendienſte ihn beſtärkt.

28.

Brandſchatzt das Reich doch unverholen Der König! Das weiß Jedermann. Durch Wolf und Bären wird geſtohlen, Was er nicht ſelber nehmen kann; Und Alles das in guter Ruh',

Als hätte er ein Recht dazu.

29.

Da mag ſich keine Seele finden,

Die ihm die Wahrheit einmal geigt. Der Beichtiger vernimmt die Sünden; 2 Meint Ihr, er tadelt? Nein, er ſchweigt, Ja, haſcht ſogar von dem Profit | Ein Theil, und wär's ein Rock nur, mit.

Achter Gefang.

30.

Fällt's einem Dummkopf ein zu klagen, Spricht er wie gegen eine Wand.

Was fort iſt, das iſt fortgetragen, Kehrt nie zurück in ſeine Hand.

Und wird das Klaggeſchrei zu bunt, So heißt's zuletzt: Halt Deinen Mund!

31.

Ein Jeder überlegt: Am Ende

Iſt Nobel nun einmal der Herr! Der hat die allerhöchſten Hände

In unſern Taſchen, macht ſie leer, Und fordert (welch ein Edelmuth) Vom Unterthan noch Gut und Blut.

32.

231

Ha, dürft' ich nur mein Maul gebrauchen!

Ein edler Fürſt iſt Nobel ſchon, Indeß, ich ſah's mit eig'nen Augen: Der ganz allein gilt was am Thron, Der ihm die vollſten Beutel bringt, Und ſtets nach ſeiner Pfeife ſpringt.

232 Reineke Luchs

33.

Nun gut, das möchte Alles gehen, Doch daß der Bär und Iſegrim

An ſeiner Seite rathend ſtehen, Dünkt, lieber Neffe, mir gar ſchlimm. Gar Mancher wird dadurch verletzt, Daß er auf Jene Glauben ſetzt.

34

Die dürfen morden und betrügen; Die Andern ſehn es ſchweigend an, Und hoffen, Etwas abzukriegen: So macht die Carriere man,

Und um den König finden wir

Der größten Räuber mehr als vier!

35.

Und das will man als Diebſtahl taufen, Wenn unſereins ein Huhn ſich fängt? Die großen Diebe läßt man laufen, Der kleine aber wird gehängt.

Wer offen raubt mit ſtarker Hand,

Den ſetzt man über Volk und Land.

Achter Geſang.

36.

Das hab' ich mir in's Herz geſchrieben; Ei, dies Princip iſt gar nicht ſchlecht. Nun hab' auch ich mein Spiel getrieben, Und glaubte mich im vollſten Recht; Denn was man alle Tage ſieht,

Erhält zuletzt bei uns Credit.

37.

Zwar kommen auch Gewiſſensbiſſe (Man bleibt am Ende immer Menſch!) Allein, was helfen die Entſchlüſſe? Das Herz iſt gar zu wetterwend'ſch, Und bald vergißt man Reu' und Leid, Sieht vollends man die Geiſtlichkeit.

38.

Wie treiben's viele der Prälaten? Was wird nicht Alles jetzt verübt! Kaum Einer lebt in dieſen Staaten, Der uns ein gutes Beiſpiel gibt. Sie ſitzen in der Sünde Schoß; Denn die Verſuchung iſt zu groß.

233

234 Reineke Luchs.

39.

Und iſt auch Einer brav und bieder,

Es hilft ihm Nichts! Des Pöbels Mund Zerrt doch ihn in den Koth hernieder. Bald hat Verleumdung einen Grund. Ha, dies Geſchmeiß iſt gar nicht werth, Daß Gott ihm gute Herrn beſchert!

40.

Stracks, kann man was an Einem rügen, Iſt an den Schandpfahl er geſtellt; Von edlen Thaten wird geſchwiegen, Verdorben iſt die ganze Welt! | Von Lüge, Raub, Verrath und Mord Und Meineid ſtrotzt ein jeder Ort.

41.

Voll Lug und Trug ſind die Propheten; Die Heuchelei regiert die Zeit.

Dem böſen Beiſpiel nachzubeten,

Hält ſich die Menge ſtets bereit.

Das Gute ſieht man lieber nicht.

Es kommt dahin, daß Alles ſpricht:

Achter Geſang.

42.

Ei, wäre das denn wirklich Sünde, Wie hie und da ein Mucker ſagt, Was ich doch auch bei Prieſtern finde? Man ſündigt demnach unverzagt, Dem Affen gleich, der, unbedacht Nachäffend, Schaden ſich gebracht.

43.

Man findet trotz dem Cölibate

Manch Prieſterhaus von Kindern voll. Sie heißen Neffe oder Pathe

Man weiß ſchon, was das heißen ſoll. Und dieſe noble Vetterſchaft

Wird dann pouſſirt mit ganzer Kraft.

44.

Es ſchiert ſich um der Bauern Wieſen Der Pfaffe mehr, als um ihr Herz. Die Predigt will ihn meiſt verdrießen, Und Keinen lenkt er himmelwärts.

Ja, höchſtens, wenn er Predigt hält, Schreit er: Gebt brav der Kirche Geld!

235

236 Reineke Luchs.

45.

Von Klöſtern mag ich gar nicht reden; Die Kuttenträger kennt man ja:

Die niedern Brüder müſſen beten, Und ſind zu Buß' und Arbeit da, Indeß der Abt und Prior friſch

Sich letzen am beladnen Tiſch.

46.

So treiben's Pröpſte und Legaten; Dem Mönche thut's die Nonne gleich. So leben auch die Herrn Prälaten Ganz ungenirt in Nobels Reich.

Im Argen liegt in dieſer Zeit Die hoh' und niedre Geiſtlichkeit!

47.

Ei, fiel ihm Grimbart in die Rede, Was beichtet fremde Sünden Ihr, Da man doch wahrlich beſſer thäte, Bekennte man die eignen hier.

Laßt nur für jetzt auf ſich beruh'n,

Was Dieſe und was Jene thun.

Achter Seſang. 237

48.

Was ſcheren Euch die Herrn Prälaten, Und was der Mönchs- und Prieſterſtand? Ein Jeder ſteh' für ſeine Thaten!

Gut, wenn er ſelbſt das Rechte fand.

Er ſehe zu, daß ſeiner Pflicht

Er ſtets und überall entſpricht.

49.

Drum bleibet hübſch bei dem Kapitel, Sonſt macht Ihr mich zuletzt verwirrt. Zwar, ich bewund're Eure Mittel, Womit beredt Ihr disputirt.

Ihr habt die Welt, ich muß geſteh'n, Von allen Seiten Euch beſeh'n.

50.

Wie wär's, Ihr ſelber würdet Pfaffe? Dazu ſcheint Ihr mir ganz der Mann! Und ich und andre fromme Schafe,

Wir beichteten bei Euch alsdann.

Von Eurer Weisheit lernten wir;

Denn ſtumpf und roh iſt manches Thier.

238 Reineke Luchs.

51.

Indeß naht unter den Geſprächen

Des Königs Hof. In Reinke's Bruſt Begann ſich was wie Angſt zu regen, Denn Böſes war er ſich bewußt. Doch rief er keck: Es ſei gewagt!

Der Würfel falle; nicht verzagt!

52.

Da trat der Affe ihm entgegen

(Der pilgerte nach Rom gerad),

Und ſprach: Gott geb' Euch ſeinen Segen! Geht nur getroſt in Nobels Rath.

Drauf fragt' er, wie die Sache ſtand, Obſchon ſie ihm zumeiſt bekannt.

53.

Das Glück iſt gegen mich verſchworen, Verſetzt der Fuchs. Da klagt ein Hund, Sein Weib hab' er durch mich verloren, Ein And'rer, daß ſein Ohr ich ſchund. Ließ mich der König nur zu Wort, Bald liefen die Verleumder fort.

Achter Seſang. 239

54.

Am Meiſten fällt mir das beſchwerlich:

Vom Banne bin ich noch nicht frei;

Des Königs Propſt meint mir's nicht ehrlich; Sein Einfluß iſt gar groß dabei.

Um Iſegrim ſteck' ich in Bann,

Der mir jetzt ſchadet, wo er kann!

55.

Soll ich nun ſelbſt zum Papſte reiſen, Verlaſſen Weib und Kinderlein?

Die werden dann auf alle Weiſen Durch Wolf und Bär gefährdet ſein, Und ſchweben, bleib' ich nicht zu Haus, In ſteter Angſt auf Malpertaus.

56.

Von Anderwärts auch droh'n Gefahren, Die Reiſe ſtellt ſie völlig bloß.

Braucht' ich nur nicht nach Rom zu fahren, Und käme doch vom Banne los,

Dann ſäh' ich, dieſer Sorge frei,

Was an dem Hof zu machen ſei!

240 Reineke Luchs.

57.

Das, rief der Affe, ſoll Euch glücken, So eben zieh’ ich ja nach Rom.

Dort weiß ich alle die Praktiken;

Was kümmert uns der Propſt im Dom? Brockt' ich die Suppe dem nicht ein, Müßt' ich ein dummer Teufel ſein.

58.

Laßt mich nur Eure Sache führen; Der Propſt verſteht den Rummel nicht. Man muß ihn mir nach Rom citiren, Wo man zu meinen Gunſten ſpricht. Gewiß, Ihr werdet abſolvirt,

Indeß er Geld und Zeit verliert.

59.

Ich kenne dort den Gang der Dinge, Und was man thun und laſſen muß Vo raus ſchick' ich, damit's gelinge, Mein Geld, ich folge ſelbſt zu Fuß; Und komm' ich dann in jenes Land, Bin ich auf's Beſte ſchon bekannt.

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Achter Geſang. 241

60.

Da iſt der Biſchof Wendemantel

Und Schalkefund, der Hofkaplan;

Die beiden Herrn verſtehn den Handel! Bei Doctor Graps auch klopf' ich an. Und einen Vetter hab' ich dort,

Der ſpricht für mich ein wirkſam Wort!

61.

Sie reden zwar von Procejjiren,

Und ſetzen ſich in Poſitur.

Doch Worte ſind's, was ſie verlieren, Gefüllt woll'n ſie die Taſche nur.

Wär' Eure Sache noch ſo krumm,

Mit Geld ſtimmt' ich ſie ſämmtlich um.

62.

Bringt man fein Geld, ſo find't man Gnade; Der Habenichts kommt ſtets zu ſpät. Drum bleibt getroſt hier, wie ich rathe, Und forſcht, wie Eure Sache ſteht. Bei Hofe hilft Euch meine Frau, Mein kluges Weibchen Rukenau. Reineke Fuchs. 16

242 Reineke Suche.

63.

Sie gilt gar viel bei unſerm König Und ſeiner Gattin. Ja, ihr Witz, Herr Onkel, fördert Euch nicht wenig; Auch meine Kinder ſind Euch nütz', Und Mancher noch vom Fuchsgeſchlecht Vertritt am Hofe Euer Recht. |

64.

Und will man dieſes Recht Euch hindern, So meldet mir's nach Rom alsdann!

Es kommt ſammt Männern, Weibern, Kindern Durch mich der König in den Bann;

Ich mache, daß ein Interdict

Mit ſchwerer Laſt das Reich bedrückt.

65.

Die Beichte wird dann Keinen laben, Predigt und Meſſe hören auf,

Man ſoll nicht taufen noch begraben,

So wird's, Herr Ohm, verlaßt Euch drauf. Denn ſeht, der Papſt iſt krank und alt,

Und Andre üben die Gewalt.

Achter Geſang. 243

66.

Ganz oben an ſteht Ohnegnügen, Ein junger, mächt'ger Cardinal; Der hat mit Frauen ſein Vergnügen, Und eine kenne ich zumal,

Wenn die ſich für uns intreſſirt, Dann ſind wir gut accreditirt.

67.

Dazu beſticht man ſeinen Schreiber, Johann Partei; der ſorgt für ſich. Ja, ja, die Pfaffen und die Weiber Gewinne alle ich für mich.

In Rom wird manche Gunſt gewährt, Von der der Papſt kein Wort erfährt.

68.

Allein, ſo muß man Freunde finden; Die braucht an jedem Orte man: Durch die vergibt man alle Sünden Und löſt die Völker aus dem Bann. Der König weiß, drum ſeid getroſt, Recht gut, wo Barthel holt den Moſt. *

244 Reineke Luchs.

69.

Wir machten übel ihm zu ſchaffen, Stieß' vor den Kopf uns ſeine Hand. Auch ſind den Füchſen und den Affen Die beſten Räthe ja verwandt.

Wenn er ein Wenig das bedenkt, Wird ſeine Gunſt auf Euch gelenkt.

70.

Der Fuchs rief: Tauſend Dank! mit Freuden, Denn tröſtlich klang ihm Martins Wort. Nun ſchied der Affe von den Beiden,

Und ſetzte ſeine Reiſe fort,

Indeß der Rothe von Grimbart

An Nobels Hof geleitet ward.

Neunter Gefang. 245

Ueunter Geſang.

Wie ſich Reineke Fuchs vor Nobel verantwortet, und dabei von der Aeffin, Frau Rukenau, unterftügt wird.

Ä

*

Beherzt trat Reineke der Rothe

In den gefüllten Königsſaal,

Er ahnte wohl, was ihn bedrohte, Als er erblickt der Kläger Zahl, Allein er nahm aufrecht und keck Durch all' die Freiherrn ſeinen Weg.

2.

Grimbart, der Dachs, ſchritt ihm zur Seite; Er führte ihn an Nobels Thron,

Und da vor dem ſie ſtanden Beide,

Sprach er zum Fuchs in leiſem Ton:

Nun, Oheim, ſchreckt nur nicht zurück;

Dem Blöden lächelt nie das Glück!

246 Reineke Luchs.

3.

Der Fuchs verſetzte: Dank mein Neffe, Für dieſen wahren, ſchönen Spruch! Er lugte, ob er Freunde treffe,

Denn Feinde ſchaute er genug,

Die er durch Wort und That verletzt, Doch ſah er hier auch Gönner jetzt.

4.

Vor Nobeln kniete er zur Erde.

Der Höchſte, dem Nichts unbekannt, Sprach er, auf deſſen mächt'ges Werde Die Welt und, was da lebt, entſtand, Behüt' Euch und die Königin.

Und mache weiſe Euren Sinn.

5.

Er gebe, daß das Herz Euch ſage, Was Wahrheit und was Lüge iſt. Denn, leider, herrſchen heutzutage Verrath und Heuchelei und Liſt; Gar Mancher, der von Außen gleißt, Im Innern ſich als Schelm beweiſt.

Ueunter Gefang. 247

6.

Wär's Jedem an die Stirn geſchrieben, Was er im Buſen hegt! Fürwahr,

Wie mich es drängt, Euch, Sire, zu lieben, Säht Ihr, wie ich Euch diene wahr, Obgleich Verleumdung, die nie ſchweigt, Mich Euch in falſchem Lichte zeigt.

5

Man will mich Eurer Huld berauben; Doch, Majeſtät, Ihr ſeid zu klug Und ſchenkt der Lüge keinen Glauben. Stets fand gerecht ich Euren Spruch. So lange Ihr das Scepter führt, Ward anders nie im Reich regiert.

8.

Als man des Fuchſes Wort vernommen, Staunt die geſammte Hörerzahl.

Es waren Viele angekommen,

Und drängten ſich in Nobels Saal.

Zu hören die Vertheidigung

Des Rothen, nahte Alt und Jung.

248 Reineke Luchs.

9.

Du loſer Bube, rief der König, Mich täuſchet Dein Gewäſche nicht Die Redensarten helfen wenig. Verfallen iſt dem Strafgericht, Wer thätlich, wie er uns geneigt, An Krähe und Kaninchen zeigt.

10.

Genug hätt' ich an dieſen Streichen, Doch überall treibſt Du Dein Spiel Du wateſt ja durch Blut und Leichen: Nein, was zu viel iſt, iſt zu viel!

Du biſt, ſo weit Du warm, ein Schuft, Und baumelſt nächſtens in der Luft!

17.

Weh, denkt der Fuchs, was ſoll das heißen? O wäre ich auf meiner Burg.

Allein, was hilft es? Noth bricht Eiſen! Was es auch koſte, ich muß durch.

Dies überlegte er ſich jetzt,

Worauf dem König er verſetzt:

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Ueunter Geſang— 249

12.

Mein edler Fürſt, Ihr könnt mich tödten, Doch hieß' dies Urtheil ungerecht.

Ihr lauſchtet oftmals meinen Räthen, Und was ich rieth, war niemals ſchlecht, Indeſſen Mancher, der nun klagt,

Sich, wenn es galt, davongemacht.

13.

Wollt jetzo auch Gehör mir ſchenken! Erſchein' ich ſchuldig, richtet dann. Ihr mögt mich nach Belieben henken, Wenn ich mich reinigen nicht kann. Vorher indeß leiht Euer Ohr!

Ich trage lautre Wahrheit vor.

14.

Glaubt Ihr, ich wär hierher gekommen, Wenn ich mich ſchuldig fühlte? Nein! Dann brächte mir der Weg kein Frommen; Um keinen Preis ſtellt' ich mich ein.

Ich würde mich vielmehr bemüh'n,

Sire, Euer Angeſicht zu flieh'n.

250 Reineke Luchs.

15.

Ich ſtünde nicht in dieſer Stunde Getroſt vor dem erhab'nen Thron. Ich blieb auf meinem ſichren Grunde, Nicht um die Welt zög' ich davon. Die Unſchuld fühlte ſicher ſich; Deshalb, Herr König, ſtellt' ich mich.

16.

Verſenkt in ſorgenvolles Sinnen,

Wie ich mich löſte von dem Bann, Stand ich auf meines Hauſes Zinnen; Da kam mein Neffe Grimbart an; Der hat die Nachricht mir geſagt, Daß man auf's Neue mich verklagt.

17.

Zum Glück traf Martin ich, den Affen. Der, juſt bereit nach Rom zu geh'n, Verſprach, mir Ablaß dort zu ſchaffen; Und Martin, Sire, muß das verſtehn, Da Anwalt er ſo manches Jahr

Bei Ohnegrund, dem Biſchof, war.

Ueunter Gefang.

18.

Kaum wußte frei ich meinen Rücken,

So eilt' ich an den Hof hierher,

Den Klägern in's Geſicht zu blicken; Denn hinterrücks klagt ſich's nicht ſchwer. Gerecht iſt dann nur ein Gericht,

Wenn Kläger und Beklagter ſpricht.

19.

Die Krähe, das Kaninchen, Beide Hab' ich mit Wohlthat überhäuft. Sie haben, ſcheint's, zu meinem Leide Jetzt die Erinn'rung abgeſtreift; Zumal das letztre, das ſogar

Mein Gaſt erſt vor zwei Tagen war.

20.

Vor'm Schloſſe ſtand ich in der Frühe, Und las mein tägliches Gebet,

Da hüpft's vorbei und ſagt: Ich ziehe Zum Hof, wohin jetzt Alles geht.

Ich fragte: Habt Ihr ein Begehr? Ja, meinte es, mich hungert ſehr.

252 Reineke Fuchs.

21.

Ei, rief ich, laßt Euch freundlichſt letzen! Und was mir Küch' und Keller bot,

Eilt' ich dem Gaſte vorzuſetzen;

Ich kam mit Kirſchen und mit Brod,

Mit Butter, ſüß wie Mandelkern.

Fleiſch ('s war ein Faſttag) blieb uns fern.

22.

Da trat mein Jüngſter zu dem Tiſche, Und mühte ſich, daß er mit Liſt,

Vom Tractamente was erwiſche.

Gern naſchen Kinder, wie Ihr wißt. Doch das Kaninchen ſchlug geſchwind Grad auf das Maul mein armes Kind.

23.

Als nun mein Aeltſter von den Schlägen Des Kleinen Naſe bluten ſah,

Wollt' er den lieben Bruder rächen, Und packte das Kaninchen da.

Gut, daß ich gleich dazwiſchen fuhr:

Es ward erwürgt, litt ich es nur.

Ueunter Geſang. 253

24.

Zwar bin ich ſo ihm beigeſprungen,

Und ſtrafte meine Kinder ab.

Allein im Recht ſteh'n meine Jungen,

Da es zum Streit das Zeichen gab.

Nun klagt der Schelm noch, daß ein Ohr Er, der bewirthete, verlor!

25.

Was anbelangt der Krähe Klagen, So hörte ich ſie neulich früh

Von der Frau Scharfenebbe ſagen, Erſtickt ſei an den Gräten ſie,

Die ſie in Hungers Uebermaß Mit einem Fiſche ſämmtlich fraß.

26.

Ob es geſcheh'n, Gott mag es wiſſen! Mir ſagt ein dringender Verdacht:

Wer ſpricht, ich habe ſie erbiſſen,

Der hat ſie ſelber umgebracht.

Der Mühe wär' es wirklich werth, Wenn man drauf hin ihn ſcharf verhört.

254 Reineke Luchs.

27.

Ha, dürft' ich ihn nur beichten laſſen, Er ſagte wohl was Andres aus!

Wie ſollt' ich eine Krähe faſſen?

Die flattert über Baum und Haus; Es wär' mein allerhöchſter Sprung Zu dieſem Fang nicht hoch genung.

28.

Will ſonſt noch Einer ſich beſchweren, Der bringe gute Zeugen her,

Wie ſie ein Freiherr darf begehren; Beſtraft mich dann, beweiſt es Wer. Beſtimmt, wenn Keiner zeugen mag, Zum Gottesurtheil einen Tag.

29.

Zum Zweikampf will ich mich bereiten; Stellt ſich ein würd'ger Gegner dann,

So ſoll das Schwert den Streit entſcheiden. Es ſiege dann, wer ſiegen kann.

Dies galt von jeher als Gebrauch:

Für mich, o Sire, heiſch' ich es auch.

Ueunter Gefang. 255

30.

Nachdem der Fuchs fo kühn geſprochen, Sperrt Alles Mund und Naſe auf. Die Beiden, die ſich gern gerochen, Entfernten ſich in vollem Lauf.

Kräh' und Kaninchen eilten fort,

Und wagten nicht ein Sterbenswort.

31.

Nein, meinten ſie, 's iſt nicht zu rathen, Daß wir vollenden den Proceß.

Am Ende haben wir den Schaden

Und ſtehen noch für den Regreß.

Die Zeugen fehlen, und ſein Mund Schwatzt Alles nieder auf den Grund.

32.

Was? Mit dem Schurken gar noch fechten? Nein, unſer Fünfe könnten's nicht.

Der Teufel mag den Strick ihm flechten: Den Lohn verdient der Böſewicht.

Mit ſeiner Bosheit ein Duell?

Fürwahr, dann juckte uns das Fell!

256 Reineke Luchs.

33.

Wie wurmte es den Wolf und Bären, Als jenes Paar vom Hofe ſchlich!

Nun, rief der König, laßt uns hören; Wer klagen will, der ſtelle ſich.

Noch geſtern gab's ein Klägerheer,

Wo bleibt's? Nicht Einen ſeh' ich mehr.

34.

Dies, ſprach der Fuchs, beweiſt die Stunde; Verleumder dichten mancherlei,

Und ſtehen wie begoſſne Hunde,

Kommt dann ihr Widerpart herbei.

So that auch dieſe loſe Brut:

Da ich mich zeige, flieht ihr Muth.

35.

Zwar will ich ihnen gern verzeihen, Wenn ſie ihr Unrecht eingeſteh'n. Doch, Sire, laßt gegen Eure Treuen Niemals die Wahrheit mehr verdreh'n. Nicht Jedes Unſchuld iſt ſo klar;

Ich freilich lache der Gefahr.

Nr

n N a 75 W e

Ueunter Gefang, 257

36.

Hör' auf, rief Nobel, böſer Bube! Iſt Lampe nicht, mein Hofcourier, Durch Dich gefahren in die Grube? Zum Danke wohl, daß gnädig wir Verziehn die Maſſe Deiner Schuld Und Dich beſchenkt mit neuer Huld?

37.

Den Ranzen und den Pilgerſtecken Empfingeſt Du aus Unſrer Hand,

Zu wandern büßend weite Strecken

Nach Rom und in das heil'ge Land;

Und auf der erſten Station

Mord'ſt Lampen Du? O blut’ger Hohn!

38.

Dazu verführteſt Du Bellinen!

Er pries (wer hätte das geglaubt?) Noch ſeinen Eifer, Dir zu dienen, Und trug im Ranzen Lampes Haupt. Den Mörder traf der Todesſtreich,

Und auch den Andern trifft er gleich. Reinele Fuchs. 17

258 Reineke Suche.

39.

Wie, Lampe feinen Kopf verloren, Schrie Reineke, und todt Bellin? O wär' ich nimmermehr geboren! Die größten Schätze ſind dahin, Die ich, o Sire, an Euch geſandt; Ich legte ſie in Beider Hand.

40.

Kein reichres Kleinod läßt ſich denken! Ha, hat Bellin ſich das erlaubt,

In ſünd'ger Gier nach den Geſchenken Ermordet Lampen und beraubt?

Ach, muß man ſolche Tücke ſchau'n, Darf man auf Niemand mehr vertrau'n! ——

41.

Den König überlief die Galle.

Er ſchrie: Dem Henker lüge Du! Und lief von dannen aus dem Saale. Der Zorn hielt ihm die Ohren zu; Es trieb ihn, jenen Böſewicht

Zu bringen auf das Hochgericht.

Ueunter Geſang.

42

Er trat, um den Befehl zu geben, In das Gemach zu ſeiner Frau; Bei der fand er die Aeffin eben, Die witz'ge Frau von Rukenau, Die, ſehr beliebt beim Königspaar, Dem Fuchſe nun gar dienſtlich war.

43.

Sie ſprach zum wüthenden Monarchen: Mein edler Fürſt, zürnt nicht ſo ſehr! Ihr werdet mir es nicht verargen, Tret' ich für Reineken hierher.

Er iſt, wie ſattſam Euch bekannt

Mir und den Meinen nah verwandt.

44.

Drum will ich mich der Huld bedienen, Mit der Ihr mich von je beehrt. Gehorſam iſt er ja erſchienen;

Ihr hieltet ſeinen Vater werth,

Der Euch berieth, und beſſer, traun,

Als jemals Iſegrim und Braun. 18

250

260 Reineke Luchs.

45.

Ei, meinte Nobel, könnt Ihr ſtaunen, Daß das Geſetz beim Kopf ihn nahm? Stets fröhnt' er ſeinen frechen Launen, Erſchlug den Haſen ſonder Scham; Den Widder hat er auch verführt; Und mir wird Alles keck negirt.

46.

Fürwahr, er bricht an jedem Tage

Trotz der Mandaten mein Geleit,

Und ſtündlich häuft ſich Klag' auf Klage, Die man in meine Ohren ſchreit.

Er übt beſtändig Raub und Mord: Nein, länger geht das Ding nicht fort!

47.

Die Aeffin ſagte: Nur Kabalen! Die Neider klagen falſch ihn an; Er ſoll jetzt Eure Gunſt bezahlen. Bedenket, was für einen Mann, Stets treu ergeben und verſchmitzt, Ihr an dem Reineke beſitzt.

neunter Geſang. 261

48.

Entſinnt Ihr Euch, noch iſt's nicht lange, Wie er Euch klug und weiſe rieth,

Als zwiſchen Bauer er und Schlange

Den kitzlichen Proceß entſchied?

Da blieben alle Räthe ſtumm, |

Der Fuchs nur ſprach: Ihr priest ihn drum.

49.

Ganz dunkel kann ich mich beſinnen, Verſetzt der Leu, nur Eins iſt klar: Schwer ließ das Urtheil ſich gewinnen, Da der Proceß verwickelt war.

Erzählt die Sache mir genau!

Ganz wohl, erwiedert Rukenau.

50.

Zwei Jahr ſind's, als eine Schlange Mit einem Manne kam hierher, Daß ſie von Euch Beſcheid erlange; Denn ſie beſchwerte ſich gar ſehr, Daß Jener Unrecht ihr gethan; Ihr hörtet die Geſchichte an.

262 Reineke Luchs.

51.

Die Schlange fiel in eine Schlinge, Als ſie durch eine Hecke kroch.

Sie ſah, daß es an's Leben ginge, Und ſchrie: Ihr Leute, helft mir doch! Vorüber zog ein Bauersmann,

Auch den rief ſie um Mitleid an.

52.1

Der ſprach: Ich will Dich gern befreien, Wenn Du mir ſchwörſt mit heil'gem Eid, Mir Deine Dankbarkeit zu weihen | Und zuzufügen nie ein Leid.

Die Schlange ſchwur, wie er befahl, Und ſie entging der Todesqual.

53.

Ihr Vorſatz war von kurzer Dauer: Sie kroch des Weges hinterher;

Da plötzlich ſchoß ſie auf den Bauer; Zu würgen ihn war ihr Begehr, Denn heißer Hunger quälte ſie. Der Mann entſchlüpfte ihr mit Müh'.

Veunter Geſang

54.

Iſt das mein Dank, rief der Bedrohte; So hältſt Du Deinen theuren Eid? Du willſt mir lohnen mit den Tode? Ach, ſagte ſie, es thut mir leid!

Doch mangelt mir mein täglich Brod, Und, wißt Ihr, Noth kennt kein Gebot.

59%

Der Bauer legte ſich auf's Flehen: O laß mich nur ſo lange frei, Bis wir vor braven Leuten ſtehen, Die richten, was hier Rechtens ſei. Alles, ſprach ſie, was billig iſt: Deshalb geſtatt' ich dieſe Friſt.

7

56.

Sie ſchritten über einen Graben;

Mit ſeinem Sohne Quakeler

Sahn Pflückebeutel ſie, den Raben.

Die Schlange rief: Kommt einmal her! Sprecht zwiſchen mir und dieſem Mann! Drauf fing ſie zu erzählen an.

263

264 Reineke Luchs

*

Es ſei gerecht, den Mann zu freſſen,

Meint Pflückebeutel. Denn er denkt,

Daß ihm ein Theil von dieſem Effen Aus Dankbarkeit die Schlange ſchenkt. Die Schlange triumphirt vergnügt: Seht, meine Anſicht hat geſiegt!

58.

Der Mann verſetzte drauf: Mit Nichten! Verdammen ſollt' ein Räuber mich? Allein darf dieſer mich nicht richten;

Das Urtheil Andrer fordre ich,

Und wenn es auch ein Dutzend wär'. Gehn wir, ſprach ſie, vor Wolf und Bär.

59.

Die kamen juſt des Wegs gegangen; Die Schlange rief ſie Beide an.

Da wurden todtenblaß die Wangen

Ob der Geſellſchaft unſerm Mann. Denn Raben, Schlange, Wolf und Bär, Sie ſtanden gierig um ihn her.

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Ueunter Gefang. 265

60.

Herr Iſegrim, das könnt Ihr denken, Stimmt Braunen zu im Augenblick, Das Recht der Schlange zuzulenken: Nichts halte füglich ſie zurück,

Denn Hunger ſei das größte Leid, Und ſtehe über jedem Eid.

61.

Dem Bauer wurd' es angſt und bange, Da ihm der Spruch an's Leben ging; Und züngelnd ſchoß auf ihn die Schlange, Damit die Beute ſie empfing.

Zurück, rief Jener, böſes Thier;

Was ſtehſt Du nach dem Leben mir?

62.

He, ſprach die Schlange, kannſt Du fragen? Zwei Mal biſt Du verfallen mir!

Der Mann verſetzt: Was dieſe ſagen,

Die ſelbſt in Raub und Mordbegier Verbracht die meiſte Lebenszeit,

Heißt keineswegs Gerechtigkeit.

266 Reineke Luchs.

63.

An Nobel will ich appelliren;

Was der verordnet, ſei vollbracht. Läßt er mein Leben mich verlieren, Dann ſtell' ich es in Deine Macht. Gut, fielen Wolf und Braune ein, Der Wunſch ſoll Dir vollzogen ſein.

64.

Sie meinten: In des Königs Rathe, Gewiß, geht unſre Anſicht durch! Drum führten auf dem nächſten Pfade Den Wandrer ſie in Eure Burg,

Die Schlange, Braun, der Raben zwei, Der Wölfe waren es gar drei.

65.

Denn Nimmerſatt und Eitelbauchen Nahm Iſegrim, der Alte, mit.

Die Zähne hofften ſie zu brauchen Und heulten ſchier vor Appetit, Benahmen ſich ſehr plump und grob: Vom Hof verwiest Ihr ſie darob.

Ucunter Gefang. 267

66,

Der Mann begann: Ich bin verloren, Wenn Euer Spruch mich nicht befreit. Die Schlange hat mir zugeſchworen Für meine Wohlthat Sicherheit,

Und kaum, daß ich ihr Retter war, Bringt ſie mein Leben in Gefahr.

67.

Die Schlange ſprach: Was hilft das Lügen? Ich ſchwor; allein der Hungersnoth

Muß jeder Eidſchwur unterliegen;

Die, Majeſtät, kennt kein Gebot!

Die Sache fiel Euch damals ſchwer

Auf Eure Seele, hoher Herr.

68.

Die Scheu, den Retter zu verdammen, Wog faſt des Hungers Scrupel auf. Drum rieft die Räthe Ihr zuſammen, Und ließet dem Proceß den Lauf.

Da, in der Hoffnung auf das Mahl, Verdammt den Mann die Ueberzahl.

268 Reineke Luchs.

69.

Indeſſen ſchien trotz den Beſchlüſſen Euch die Entſcheidung nicht ganz klar. Das ließet Reineken Ihr wiſſen: Der ſtellte ſich dem Hofe dar, | Und Ihr befahlt, daß ſein Gewicht Den Ausſchlag gebe vor Gericht.

70.

Er meinte: Gern bin ich erbötig;

Doch, wo der Mann die Schlange fand, Den Ort zu ſchau'n erſcheint mir nöthig. Dort ſetzt ſie in den vor'gen Stand! Erſt dann mag der Beſcheid ergeh'n, Kann ich ſie angebunden ſeh'n.

18

Man that, wie Reineke befohlen, Und band die Schlange in den Zaun. Nun könnt das Recht Ihr unverholen, Sprach Reineke, von ſelber ſchau'n! Gewonnen und verloren hat

Jetzt Keiner; höret meinen Rath:

Ueunter Geſang. 269

72.

Der Mann erlöſe nur die Schlange, Wenn's ihm beliebt. Wo nicht, nun gut, So iſt es billig, daß ſie hange,

Weil ſie für Wohlthat Uebles thut. Der Bauer ziehe frei von hier!

Dies einzig dünket Rechtens mir.

73.

Das Urtheil, Sire, wollt' Euch gefallen, Und Reineke ward hoch belobt.

Groß dünkte ſeine Weisheit Allen,

Die bei dem Spruche ſie erprobt.

Wie dankte Er, der frei durch ihn:

Wie pries ihn die Frau Königin;

74.

Da brachte Manches man zur Sprache, Verglich ihm Iſegrim und Braun.

Die wären von ganz anderm Schlage,

Und nur die Freſſerei'n zu ſchau'n.

Doch, wo Verſtand man braucht und Witz, Wär' nie ihr Rathſchlag etwas nütz.

270 Reineke Luchs.

75.

Sie wären ſtark, man müßt' es ſagen, Und trotzten hier auf die Gewalt. Allein, gält's eine Schlacht zu ſchlagen, Dann kämpften ſie im Hinterhalt. Setzt' es einmal was ernſtlich ab, Säh' man die Helden bald im Trab.

76.

Doch ſpielen ſie die Herrn im Lande, Und fragen wenig, wo es brennt, Wenn ſie ſich wärmen nur am Brande. Das Seckeln iſt ihr Element.

Die Schale kaum (iſt das erlaubt?) Bleibt Dem, dem ſie das Ei geraubt.

Pie

Der Fuchs mit feinem Haus indeſſen War ſtets auf Recht und Rath bedacht. Was er Euch nützt, mögt Ihr ermeſſen, Hat er gleich Schlimmes jetzt vollbracht. Er iſt auch nur von Fleiſch und Bein; Ich bitte: Wollet ihm verzeih'n!

Neunter Gefana. 271

78.

Der König ſprach: Ich will's bedenken, Er rathet gut, ich muß geſteh'n.

Doch darf er darum Alle kränken

Und ungeſtraft von hinnen geh'n?

Selbſt, wer mit ihm ein Bündniß ſchließt, Den täuſchet endlich ſeine Liſt.

79.

Wolf, Bär und Kater ließ er leiden,

Kräh' und Kaninchen, der Barbar.

Dem fehlt ein Aug', ein Ohr dem Zweiten, Das Leben fehlt dem Dritten gar.

Traun, ich begreife es nicht recht,

Daß Ihr zu ſeinem Gunſten ſprecht.

80.

Wollt Majeſtät nur Eins erwägen, Erwiederte Frau Rukenau.

Vergebt der großen Sippſchaft wegen, Denn ſie iſt mächtig, reich und ſchlau. Da ging der Leu zum Saal zurück,

Und ließ rings ſchweifen ſeinen Blick.

272 Reineke Luchs.

81.

Die Edeln, die verſammelt ſtanden, Durchmuſterte ſein Augenſtern.

Er ſah die vielen Anverwandten Des Reineke von Nah und Fern, Ihn zu vertheidigen, im Saal, Sah auch der Gegner große Zahl.

82.

Und er begann: Fuchs, gib mir Kunde! Wie haſt den Frevel Du gewagt,

Und mit Bellin in ſchnödem Bunde Den frommen Lampe umgebracht? Dem Widder, traun, bekam es ſchlecht; Dir widerfährt ein gleiches Recht.

83.

O wär' ich todt! ſo ſchluchzt der Rothe. Hört, Majeſtät, mich mit Geduld,

Und überliefert mich dem Tode, Erweiſt ſich wirklich meine Schuld! Ha, ew'gen Fluch dem Schuft Bellin; Der theure Lampe fiel durch ihn.

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Jsegrim entdeckt.

Neunter Gefang.

84.

Um ihn der Schätze zu berauben, Die ich den Beiden anvertraut,

Ließ er-den Haſen daran glauben, Und mordete die treue Haut.

Die Schätze, die er unterſchlug,

Wo find' ich ſie? O ſchlimmer Trug!

85.

Die Aeffin ſagte: Spart die Klagen, Wir finden ſie gewiß noch aus,

Und woll'n bei Lai'n und Pfaffen fragen Im ganzen Reich von Haus zu Haus. Ach, rief der Fuchs, vergeb'ne Müh! Wer ſie beſitzt, feſt hält er fi.

86.

Wie wird mein Weib ſich drob entſetzen!

Nie mehr mag ich fie freundlich ſchau'n.

Sie warnte mich, mit jenen Schätzen

Bellin und Lampe zu betrau'n.

Doch gebt Ihr, Sire, mir freie Hand,

So ſuch' ich ſie von Land zu Land! Reineke Fuchs. n 18

273

274 Reincke Luchs.

Zehnter Geſang.

Wie Reinele Fuchs den König auf's Neue zu feinen Gunſten lenkt, dadurch, daß er ihm den Mund mit erlogenen Schätzen wäſſerig macht.

K

1

Hört, Majeſtät, vor allen Dingen,

Fuhr fort der Fuchs, ſcheinbar ergrimmt, Welch große Schätze Euch entgingen. Denn, Sire, ſie waren Euch beſtimmt, Wenn ſie auch nicht gekommen ſind.

Nur zu, ſprach Nobel, doch geſchwind!

2 er

Vor Kummer kann ich kaum erzählen, Ach, der Verluſt iſt nicht gering!

Rief Reineke. Von den Juwelen

War das Bedeutendſte ein Ring.

Ich gab ihn eigens an Bellin,

Um an den Hof damit zu ziehn.

Zehnter Geſang. 275

1 >

Der Reif beſaß gar vieles Gute Und war des größten Königs werth. Einſt hat ein alter, weiſer Jude Die Eigenſchaften mir erklärt,

Da an des Ringes Vorderblatt

Ein jüd'ſcher Spruch geſtanden hat.

4.

Als Sieger geh' aus jedem Kriege, Wer nüchtern dieſes Sprüchlein ſpricht; Und wer den Ring am Finger trüge, Den treffe Blitz und Donner nicht.

Er friere nicht, ſei's noch ſo kalt,

Und werde reich, geſund und alt.

*

Am Ring befand ſich ein Karfunkel, Ein ſchön geſchliffner Edelſtein; Der leuchtete bei Nacht und Dunkel Wie heller, lichter Sonnenſchein, Und hat die Kranken ſtracks curirt,

Die ihn voll Glauben angerührt. 2

276 Reineke Luchs.

6.

Man überwand auf allen Pfaden

Mit ihm jedwedes Element;

Kein Feind vermochte dann zu ſchaden, Kein Saft, kein Gift, wie ſich's auch nennt. Ja, es bewirkt das Ringlein werth

Daß Haß in Liebe ſich verkehrt.

IE

Was ſoll die weitre Schildrung nützen Von dem, was jenen Ring geziert? Nicht war ich werth, ihn zu beſitzen; Nur Einen gibt's, dem er gebührt:

Der uns regiert, in deſſen Hand

Die Wohlfahrt liegt von Volk und Land.

8.

Ein Kamm und Spiegel durch Bellinen Ward fernerhin von meiner Hand

Der Holdeſten der Königinnen

Als Ehrfurchtszeugniß überſandt,

Ein doppelt Kunſtwerk wie man nie Geſeh'n in einer Galerie.

Zehnter Seſang. 277

9.

Oft kam's daheim zum Zankduette, Das Ermeline intonirt,

Weil ſie für ihre Toilette

Gern Kamm und Spiegel acquirirt. Nie gab ich ihren Bitten nach. Obſchon ſie mir zu Herzen ſprach.

10.

Nein, wie mich auch ihr Mund beſtürmte, Der hohen Frau ward's überſchickt, Sie, die mich gnädig ſtets beſchirmte, Die Schönheit, Tugend, Adel ſchmückt. Ja, würdig konnte ſie allein Des Kammes und des Spiegels ſein.

11.

Der Kamm nun war von Pantherknochen, Wie Silber weiß und fein geſchnitzt.

Er hat wie Blumenduft gerochen;

Man ſah gar künſtlich eingeritzt

An dem erhabnen, goldnen Rand

Manch ſchönes Bild von Meiſterhand.

278 Renee Luchs.

12.

Als Hauptbild wurde wahrgenommen, Wie einſt zu dem Trojanerprinz Paris drei Götterfrauen kommen; Minerva, Venus, Juno ſind's;

In dem berühmten Apfelſtreit Verlangen ſie von ihm Entſcheid.

13.

Das kann die Sanfteſte erhitzen: Ein Apfel mußte ſie entzwein;

Die Schönſte ſollte ihn beſitzen,

Und Jede will die Schönſte ſein! Mein Paris ſchaut als kluger Mann Sich eine nach der Andern an.

14.

Sie legten ſich auf das Beſtechen,

Und Juno ſagte: Wählſt Du mich,

Soll man von Deinem Reichthum ſprechen; Mit Schätzen überlad' ich Dich. Begünſt'ge mich, ſpricht Pallas dann Wirſt Du der länderreichſte Mann.

Zehnter Gefang. 279

iD,

Ei, meinte Venus, laß Dir rathen;

Was brauchſt Du Gold, was Regiment? Begnüge nur Dich mit den Staaten, Die Dein Papa ſein Eigen nennt.

Erküre mich, und auf dem Platz

Wird Dir der Erde größter Schatz.

16.

Willſt Du die ſchönſte Frau hienieden, Die herrlichſte, die je gelebt?

Sie laß Dir für den Apfel bieten, Wenn Deine Bruſt nach Liebe ſtrebt. Topp, ſagte Paris, und im Nu Sprach er ihr Frucht und Schönheit zu.

17.

Zum Dank dafür hielt ſie die Leiter, Als Helenen er drauf entführt. Dies Alles ſah man und ſo weiter In jenem Kamm hineingravirt;

Und, daß man gleich daß Rechte trifft, Bei Jedem eine Unterſchrift.

280 Reineke Luchs.

18.

Erlaubt, daß ferner ich beſchreibe,

Wie koſtbar jener Spiegel war.

Von ſeltner Schönheit ſtatt der Scheibe Dient' ein Beryll ihm, hell und klar, In dem bei Tag und Nacht man ſah, Was meilenweit ringsum geſchah.

1%

*

Hatt' Eins ein Fehl in dem Geſichte,

Im Auge etwa einen Fleck, | Das ſchaut' hinein, und die Geſchichte Ging flugs, wie fortgeblaſen, weg. | Iſt's wunderbar, wenn es verdrießt, Daß jenes Kleinod man vermißt?

20.

Ein köſtlich Holz kam zu dem Rahmen, Dem Ebenholze gleich geſchätzt.

Es ſtrahlt, und Sethym iſt fein Namen; Nie iſt's dem Wurmfraß ausgeſetzt,

Nie fault es, und für vieles Gold Wird's aus dem Morgenland geholt.

KORK. Nel iR DEAN

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Isegrim angeführt.

Zehnter Geſang.

21.

Aus jenem Holze ward dem König Krompardes einſt ein Pferd gemacht. Zweitauſend Meilen hießen wenig, Wenn's die in einem Tag vollbracht. Zu lange währte der Bericht,

Vom Holz drum red' ich weiter nicht.

22.

Der Rahmen, elegant durchbrochen, War anderthalbe Ellen breit;

Drauf ſah man, wie in Stahl geſtochen, Schnitzwerk von großer Zierlichkeit.

Die Deutung jedes Bilds befand

Mit goldnen Lettern ſich am Rand.

23.

Das erſte handelte vom Pferde, Das, aufgereizt vom fahlen Neid, Am Hirſch zu rächen ſich begehrte, Der weiter lief in gleicher Zeit. Deshalb ſprang's einem Hirten nach, Zu dem es rachedurſtig ſprach:

281

282 Reineke Luchs.

24.

Magſt Du mir raſchen Muths gehorchen, Sitz' auf und ſuche Dir Dein Heil.

Im Walde liegt ein Hirſch verborgen; Die Beute werde Dir zu Theil.

Sitz' auf! Geweihe, Fleiſch und Fell Belohnen Deine Mühe ſchnell.

25.

Ei, rief der Mann, das will ich wagen, Und ſprang auf's Roß, das gern ihn trug. Sie eilten fort, den Hirſch zu jagen,

Bis jenes ſtöhnte: Halt, genug!

Sitz' ab, und laß mir etwas Raſt,

Bis neue Kräfte ich gefaßt.

26.

Zum Reiter haſt Du mich erkoren; Verſetzt der Mann, drum halte ſtill, Und fühl' in Zukunft meine Sporen, Wenn nur ich auf Dir reiten will. So hat oft Schaden ſelbſt erlebt Wer Andern eine Grube gräbt.

Zehnter Gefang. 283

27.

Ein zweites Bild zeigt Baldewinen, Wie er mit einem Hund vereint, Bei einem Reichen mußte dienen. Der Reiche war des Hundes Freund, Gab ihm die fettſten Biſſen bloß, Und nahm ihn oft auf ſeinen Schoß.

28.

Dafür leckt er dem Herrn die Hände, Und wedelte mit ſeinem Schwanz.

Der Eſel meinte da am Ende:

Wie lebt der Köder doch im Glanz;

Er trampelt auf dem Herrn herum, Und leckt ihn ab. Wie faul und dumm!

29.

Hingegen ich muß Säcke tragen,

Spott duld' ich, Schläge oft ſogar!

Doch thun, was ich in vierzehn Tagen, Zehn Hunde nicht in einem Jahr.

Und, während man mit Stroh mich ſpeiſt, Erhält das Beſte er zumeiſt.

284 Reineke Fuchs.

30.

Ich mag nicht fürder alſo leben; Drum ahme ich dem Hunde nach. Und will des Herren Gunſt erſtreben. Indem der Eſel dieſes ſprach,

Kam grade jetzt von Ungefähr

Die Straße ſein Gebieter her.

31.

Da hob der Eſel an zu ſpringen, Stellt auf die Hinterbeine ſich,

Und ließ ſein plärrend Lied erklingen, Wobei zum Herrn er aufwärts ſtieg, Und mit dem Maule auf den Bart Ihn leckte, nach der Hunde Art.

32.

Allein er ſtieß dem Herrn zwei Beulen, Daß dem das Blut vom Munde lief, Und er, den Eſel durchzukeilen,

Die Diener aus dem Haufe rief.

Zum Stall mit Prügeln trieb man ihn: So blieb ein Eſel Baldewin.

Zehnter Geſang. 285

33.

Doch plagt noch oft des Langohrs Brüder Mißgunſt ob andrer Leute Heil.

Gelingt's auch Einem hin und wieder, Wird ihm ein günſtig Loos zu Theil,

So ſtellt er meiſtens ſich alsdann

Wie eine Sau mit Löffeln an.

34.

Der Eſel mag fein Säcke tragen!

Nur Stroh und Diſtel paßt für ihn. Indeſſen ſcheint's in unſern Tagen,

Nach Höherm ſtrebe Mancher hin,

Um bei der Spritze Mann zu ſein.

Wie kann die Wohlfahrt dann gedeih'n? ---

35

Wie einſt beinah' mein ſelger Vater Durch ſein Vertrau'n Verderben fand, Weil er gebaut auf Hinz, den Kater, Stand als das dritte Bild am Rand. Wenn's Eurer Majeſtät beliebt,

Mein Mund davon Euch Kunde giebt.

286 Reineke Suche.

36.

Vereint zu einem Abenteuer Gelobten ſie ſich am Altar

Mit Eiden, heilig, hoch und theuer, Zu theilen Beute und Gefahr. Doch kaum betraten ſie die Flur, Kam eine Jagd auf ihre Spur.

37.

Da rief beſtürzt der feige Kater: Fuchs, theuer wird der gute Rath. Ja, ja, verſetzte drauf mein Vater: Das Ding wird kitzlich, in der That. Indeß, ich trage hier im Sack

Von gutem Rath ein tüchtig Pack.

38.

Gedenket nur der theuren Eide;

Feſt bei einander laßt uns ſteh'n,

Dann thut uns Keiner was zu Leide! Es mag nun was da will, geſcheh'n. Mir iſt ein einziger Rath bekannt, Meint Hinz, den nütz' ich vor der Hand.

Zehnter Gefang. 287

39,

Er ſprang damit, flugs, wie ein Wetter, Auf einen Baum, und ſeinen Freund Verließ der ſchurkiſche Verräther,

Der nun vor Angſt zu ſterben meint; Denn drohend ſcholl des Jagdhorns Ton, Und nahe kläfft die Meute ſchon.

40

Wo ſteckt, miaute Hinz im Hohne, Der Sack mit Eurem guten Rath? Benützt ihn nur! Es wär' nicht ohne, Fänd' jetzt des Sackes Oeffnung Statt. Mein Vater ſtarb voll Angſt hinweg, Die Hunde folgten auf dem Fleck.

41.

Fürwahr, da lag er nicht auf Roſen! Die wilde Jagd kam hinterher. Dem Alten ging es in die Hoſen, Doch leichtern Fußes wurde er,

Und eine Kluft, in die er fuhr, Nahm den Verfolgern ſeine Spur,

288 Reineke Suche. »

42.

So ſchändlich wurde er verrathen Von Dem, den er zumeiſt geliebt. Noch weiß ich viel dergleichen Thaten, Die ſolche Burſche ausgeübt!

Zwar hab' ich's Hinzen halb verzieh'n, Allein, ich bin ihm noch nicht grün.

43.

Bei dieſem Bild ſtand noch am Rande Ein andres, was die Inſchrift trägt: Ein Stück, zum Nutz dem ganzen Lande, Wie Iſegrim zu danken pflegt.

Er hat von einem todten Pferd

Die Knochen nämlich einſt verzehrt.

44.

Gefräß'ge Gier, ſie zu benagen, Führt' in die Kehle ihm der Quer Ein Knochenſtück, ſtatt in den Magen. Das ſpitzge Bein verletzt' ihn ſchwer; Und, zu entgehen der Gefahr,

Bot Summen er den Aerzten dar.

Zehnter Geſang

45.

Gar lange war kein Arzt zu finden, Wiewohl er Boten rings geſandt. Schon wollte jede Hoffnung ſchwinden, Als endlich noch ein Arzt ſich fand. Mit ſeinem Doctorhut geziert

Kam Kranich Lütke anſtolziert.

46.

Herr Doctor, fleht zu ihm der Kranke, Helft mir geſchwind aus dieſem Leid! Wenn ich die Rettung Euch verdanke, Staunt Ihr ob meiner Dankbarkeit. Ihr tragt von mir dann einen Lohn, Wie Keiner je vorher, davon.

47.

Der Kranich hat (erzählt die Fabel) Den Worten Iſegrims geglaubt.

Er ſteckte ſeinen langen Schnabel

In Jenes Schlund, wo er ſein Haupt Bis in der Kehle Tiefen bog,

Aus der er bald den Knochen zog. Reineke Fuchs. 19

289

290 Reineke Luchs

48.

Da heult der Wolf in Jammertönen: Weh' mir! Ich leide arge Pein.

Nur der Erfolg kann mich verſöhnen Drum mag ſie Dir vergeben ſein. Hätt' es ein Andrer mir gethan, Nicht ſo geduldig ſäh' ich's an.

49.

Beruhigt Euch! Ihr ſeid geneſen, Sprach Lütke; fort iſt die Gefahr. Allein, um Eins nicht zu vergeſſen, Wie ſteht's mit meinem Honorar? Ha, rief der Wolf im grimmen Ton: Der Unverſchämte heiſcht noch Lohn?

50.

Wie? ließ ich nicht trotz allen Qualen Geſund den undankbaren Tropf,

Anſtatt den Schmerz ihm zu bezahlen, Aus meinem Rachen ziehn den Kopf? Spricht er von Lohn, ſo lohn' er mich! Seht, ſo bedanken Schelme ſich!

Zehnter Geſang. 291

51

Dies und noch viele andre Dinge Fand in die Faſſung man geſchnitzt, Mein Haus, o Sire, iſt zu geringe, Als daß dies Kleinod es beſitzt. Drum ſandt' ich mit ergebnem Sinn Den Spiegel meiner Königin.

52.

Wie weinten meine beiden Knaben,

Als ich den Spiegel fortgeſchickt,

Vor dem ſie oft geſtanden haben,

Und ihre Frätzchen drin erblickt;

Oft ließen ſie in kind'ſchem Spaß

Ihr Schwänzchen wedeln aus dem Glas.

53.

Ach, ahnt' ich doch das Ungewitter, Das mir durch Lampes Tod entſtand, Als ich dem Haſen und dem Widder Die Schätze auf die Seele band! Ich war den Beiden ſehr geneigt, Von ihrer Treue überzeugt.

19*

292 Reineke Luchs.

54.

Fluch ihm, der dieſen Schatz geſtohlen, Und ausgeübt den ſchnöden Mord! Gewiß, er bleibt mir nicht verhohlen, Ich ſuche ihn von Ort zu Ort. Vielleicht ſteht Einer hier im Kreis, Der um den ganzen Handel weiß.

55.

O Sire, Ihr könnt nicht Alles merken; Zuviel geht Euch im Kopf herum.

Ruf' ich von meines Vaters Werken

Euch eins zurück, ſo nehmt's nicht krumm. Vielleicht ſeht Ihr am Ende klar,

Wie ſtets mein Haus Euch dienſtlich war.

56.

Einſtmals, als Dero großer Vater Todtkrank in ſeinem Bette lag,

Ward mein Papa ſein einz'ger Rather, Da Menſchenhilfe ſchier gebrach.

Mein Vater war im ganzen Land

Als weiſer Aesculap bekannt.

Zehnter Geſang. 293

57.

Er wußte gleich, wenn er curirte, Woran es bei dem Kranken lag. Noch rühmt man, wie er operirte, Er war ein zweiter Dieffenbach. Ja, mit ſo mancher Wundercur Half der Erfahrne der Natur.

58.

Deshalb ſtand er in großen Gnaden

Bei dem höchſtſeligen Papa.

In jeder Krankheit mußt' er rathen; Drum rief ihn auch der König da.

Ich glaub's, daß Ihr Euch nicht entſinnt; Ihr wart damals noch Wickelkind.

59.

Schon hatte man ihn aufgegeben,

Kein Doctor fand mehr ein Recept.

Da naht mein Vater, ſieht mit Beben, In welcher Noth der König ſchwebt,

Und ruft: Um Euer Leben, Sire, 2 Gäb' gern ich meins! Doch, hoffen wir.

294 Reineke Fuchs

60.

Laßt mir den pot de chambre zeigen, Daß Euer Waſſer ich beſeh'.

Der König ließ das Glas ihm reichen, Er hielt's bedächtig in die Höh', Indeß die kranke Majeſtät

Vor heft'gen Schmerzen faſt vergeht.

61.

Wollt Ihr entgeh'n dem Todtengrä ber, Sprach jetzt mein Vater feſt und klar, So ſpeiſet eines Wolfes Leber,

Doch ſei ſein Alter ſieben Jahr.

Dies macht allein das Uebel gut, Denn Euer Waſſer zeugt nur Blut.

62.

Daneben ſtand der Wolf zur Stunde; Das Mittel hat ihm ſchlecht behagt.

Nun, ſtöhnt der König, gebt uns Kunde, Herr Wolf! Wollt Ihr uns retten? Sagt. Der Wolf verſetzte: Gern, fürwahr, Doch geh' ich erſt in's fünfte Jahr.

Zehnter Geſang. 295

63.

Ei, rief mein Vater, leere Gründe; Wir werden's an der Leber ſehn! Zur Küche muß der Wolf geſchwinde, Um ſeine Leber war's geſcheh'n;

Und als davon der König aß, Geſchah's, daß plötzlich er genaß.

64.

Wie iſt mein Vater groß geworden Durch des Monarchen Dankbarkeit! Er hieß, geſchmückt mit einem Orden, Medicinalrath von der Zeit.

Der König hielt ihn lieb und werth; Vom ganzen Hof ward er geehrt.

65.

Doch nunmehr iſt ſein Dienſt vergeſſen; Erniedrigt wird er in dem Sohn!

Ach, was die Tugend ſonſt beſeſſen, Erhalten Schelme jetzt zum Lohn.

Nur Eigennutz erwirbt Gewinnſt;

Im Hintergrunde ſteht Verdienſt.

296 Reineke Luchs.

66.

Empor darf jetzt manch Einer kommen, Der ſonſt in Niedrigkeit gelebt.

Dem armen Volke bringt's kein Frommen, Wo ſo ein Kerl ſich hoch erhebt,

Er denkt nicht dran, woher er kam, Und ſtiehlt und frevelt ohne Scham.

67.

Dergleichen ſchmutzige Geſichter

Belagern jetzt die großen Herrn.

Ein Anſehn giebt ſich das Gelichter,

Und protegirt dann gar zu gern.

Für jedes Wort heißt's: Bringts nur her; Ein Handgeld erſt, alsdann noch mehr.

68.

So ſieht man dieſe Wölfe ſchalten, Die beſten Biſſen ſchnappen ſie,

Und gilt's, den Herrſcher zu erhalten, Scheu'n ſie die allerkleinſte Müh', Wie Jener, der dem Könige

Die Arzenei verweigerte.

Zehnter Seſang. 297

69

Ha, dieſe unverſchämten Wölfe!

Nützt' Euch's und Eurer Königin, Meintwegen gäb' ich ihrer zwölfe

Für Euer theures Leben hin.

Es wär' auch wirklich wenig Schad': Denn Unheil ſproßt aus ſchlechter Saat.

70.

Ihr könnt euch freilich nicht beſinnen; Manch Jahr verging, ſeit es geſcheh'n. Doch mir lebt's im Gedächtniß drinnen, Als hätt' ich's geſtern erſt geſeh'n. Dazu ſtand es im Bild als Zier

Am Spiegel. Hätt' ich nur ihn hier!

7¹¹

Ich habe Dich gar wohl verſtanden,

Sprach Nobel nun, o Fuchs! Allein,

Seit das geſchah in dieſen Landen,

Muß viele Zeit verronnen ſein, 7 Da mir von Deines Vaters That

Kein Mund etwas berichtet hat.

298 Reineke Luchs

72.

Dagegen hör' ich alle Tage

Von Händeln, die Du ausgeübt, Und, wie als wahre Landesplage Den Frieden Du im Reich getrübt. Geſetzt, man klagt mit Unrecht hier, Wann hör' ich Gutes je von Dir?

73.

Weil Ihr's verlangt, ſo will ich reden, Fing nun der Fuchs von Neuem an; Nicht etwa, um Euch vorzubeten,

Was Gutes ich für Euch gethan;

Denn Pflicht iſt's ja, Euch Tag für Tag Zu nützen, wo ich es vermag.

74.

Denkt Ihr daran, wie einſt zuſammen Mit Iſegrim ich fing ein Schwein, Und Eure Hoheit zu uns kamen, Geruhend hungrig grad zu ſein?

Die Königin lief hinterher,

Und hungerte nicht weniger.

Zehnter Gefana 299

75.

Als einen Antheil Ihr begehrtet, Murrt' Iſegrim kaum hörbar: Ja; Ich, fröhlich, daß Ihr uns beehrtet, Rief: Gerne, Sire! Wär' mehr nur da. Doch, wer vertheilt den Braten nun? Der Wolf, verſetztet Ihr, mag's thun.

76.

Die Weiſung war nach ſeinem Sinne! Der Knauſer theilte ſonder Scham, Und je ein Viertel vom Gewinne Ward Euch, indeß er zweie nahm. Mir warf er Rüſſel nur und Ohr Nebſt einem Lungenflügel vor.

7

Wie ſich ſein Edelmuth bewieſen, Herr König, habt Ihr da geſehn. Er ließ ſich's weiter nicht verdrießen, Und blieb geruhig ſchmauſend ſtehn, Nachdem Ihr Euer Theil verzehrt, Und Euer Hunger mehr begehrt.

300 Reineke Luchs

78.

Hui, da bekam er eine Schelle

Von Eurer allerhöchſten Hand, Daß ſich ein Stück von ſeinem Felle Sogleich in Dero Klau'n befand; Und mit verdientem, blut'gem Lohn Stob heulend er im Trab davon.

79.

Pfui, ſchäme Dich! Komm eilends wieder! Rieft Ihr ihm nach. Ein Andermal Vertheile, Geizhals, gleich und bieder, Sonſt trifft Dich meines Zornes Strahl. Mich hungert noch; drum geh' und lauf, Und ſuche mehr zu eſſen auf.

80.

Mögt Ihr, Herr König, dies gebieten, Sprach ich, ſo helf' ich Iſegrim,

Und ſtelle Euch gewiß zufrieden.

Ihr nicktet, und ich folgte ihm.

Zwar hat der nun mir vorgeklagt, Doch trieb ich endlich ihn zur Jagd.

Zehnter Seſang. 301

81

Ein Kälblein war's, was wir erjagten; Erinnert Euch, es fand ſich fett.

Und als wir es getragen brachten,

So ſchmunzelte die Majeſtät.

Ihr lobtet mich und ſpracht dazu: Nun, Reineke, jetzt theile Du!

82.

Halb, meint' ich, Sire, ſei's Eure Beute, Halb mag es Eurer Gattin ſein,

Und mit des Kalbes Eingeweide

Erfreu' ich Eure Kinderlein.

Die Füße geb' ich mir getroſt,

Dem Wolf das Haupt, die Götterkoſt.

83.

Manierlich theilſt Du ja und edel,

Rieft Ihr. Wer hat Dich das gelehrt?

Der dort, ſprach ich, mit blut'gem Schädel Hat die Methode juſt bewährt.

Ein Beiſpiel wurde mir gezeigt;

Kalb oder Schwein jetzt treff' ich's leicht.

302 Reineke Luchs.

84.

So fiel der Wolf in Spott und Schande. Doch ahmt noch mancher Wolf ihm nach, Saugt aus die Völker und die Lande, Und dient dem Reich zum Ungemach.

Er ſchonet weder Fleiſch noch Blut, Denkt Eurer nie im Uebermuth.

85.

Wann mocht' ich deß mich unterwinden? Zu dienen Euch bei Tag und Nacht Ließ ich bereit mich immer finden,

Auf Euren Vortheil nur bedacht.

Den Abfall nahm ich nur allein: Erinnert Euch an Kalb und Schwein.

86.

Wer folgte will'ger Eurem Rufe,

Ich oder jener Iſegrim?

Doch ſteigt von Stufe er zu Stufe,

Und große Macht verlieht Ihr ihm, Obſchon der Schelm bei Rath und That Nichts als ſein Ich im Auge hat.

Zehnter Geſang. 303

87.

Er darf ſammt Braun die Leute knechten, Und Reineke wird nicht gehört!

Für meine Sache will ich fechten,

Und wär's mit meinem Ritterſchwert. Indeß befehlet, Majeſtät,

Daß man den Weg des Rechtes geht.

88.

Iſt Wer zu klagen hier im Stande, Der muß verſeh'n mit Zeugen ſein. Ich ſetze Gut und Blut zum Pfande, Dagegen ſetz' er Gleiches ein,

Und wer verliert, verliere auch

Die Caution; ſo iſt's der Brauch.

89.

Dem ſei, ſprach Nobel, wie ihm wolle; Ich liebte ſtets Geſetz und Recht.

Und daß ich's jetzo beugen ſolle, Verhüte Gott! Dann ſtünd' es ſchlecht Im Land um die Gerechtigkeit;

Nie duld' ich, daß man ſie entweiht.

304 Reineke Luchs.

90.

Wer Lampen jüngſt um's Leben brachte, Wahrhaftig, hat mich tief betrübt,

Und Reineke ſteht im Verdachte,

Daß er den Todtſchlag mit verübt, Allein, ich weiſe dieſen Fall

Vor meiner Richter Tribunal.

91.

Was mich betrifft, ſo ſei vergeben, Was je der Fuchs an mir gefehlt; Denn oft hat er ſich ohne Beben In der Gefahr zu mir geſellt.

Zieht ſonſt ihn Jemand vor Gericht, Der bringe Zeugen von Gewicht.

92.

Der Fuchs verſetzte: Euer Gnaden Sei ſteter, heißer Dank geweiht. Fürwahr, es herrſcht in Euren Staaten Die heiligſte Gerechtigkeit!

Ihr denkt gewiß in Eurem Sinn,

Daß ich des Mords nicht fähig bin.

Praun in der Falle.

Zehnter Geſang. 305

93.

Ach, ſaht Ihr doch, mit welchem Schmerzen Von Lampe und Bellin ich ſchied!

Die Ahnung ſprach in meinem Herzen, Wenn ſie auch nicht auf Todtſchlag rieth. So ſchloß der Fuchs der Rede Lauf,

Und hörte unter Thränen auf.

94.

Er konnte wacker ausſtaffiren,

Was er dem König Nobel log,

So daß er ihn nebſt vielen Thieren Mit jeder Schilderung betrog.

Im Geiſte glaubte Mancher gar

Zu ſehn den Schatz, der nirgend war.

95.

Zumal der König ſchien verſeſſen | Auf Ring, auf Spiegel und auf Kamm. Er hätte Alles gern beſeſſen, Weshalb er denn die Rede nahm, Zum Rothen ſprechend: Seid getroſt, Und nehmet ſchleunigſt Extrapoſt.

20

Reineke Fuchs.

306 Reincke £ uchs

96.

Mit einem königlichen Paſſe

Dürft Ihr durch die Provinzen ziehn; Es wird dazu aus Unſrer Kaſſe Euch ein Viaticum verlieh'n,

Und wo ich etwa helfen kann,

Ruft mich nur frei um Beiſtand an.

97.

Wie tröſten mich die hohen Worte, Rief Reineke. Ja, Majeſtät,

Es ziemt, daß Ihr dem Meuchelmorde Mit aller Macht zu Leibe geht.

Ich forſche ſelbſt mit Müh' und Fleiß, Ob Wer um das Verbrechen weiß.

98.

Und wenn die ſchwachen Kräfte wanken, Fleh' Euren Beiſtand, Sire, ich an, Mich ſtärkt der hoffende Gedanken, Daß ich die Schätze finden kann. Vielleicht hab' ich das hohe Glück,

Und bringe ſie für Euch zurück.

Zehnter Seſang. 307

99.

O welch ein ſeliges Vergnügen, Wird meine Treue ſo bewährt! Der König hat die frechen Lügen Des Fuchſes gnädig angehört.

Er hat ihm Wort für Wort geglaubt Und drum die Reiſe gern erlaubt.

20 *

308 Reineke Luchs.

Elfter Geſang.

Wie Iſegrim Reineken bart verklagt und ſchließlich zum Zweikampfe herausfordert.

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1.

Das war dem Wolfe außer'm Spaße; Er rief, aufs Höchſte mißvergnügt: Wie, Sire, frei zieht ſeine Straße, Der unabläſſig Euch betrügt,

Der täglich neue Ränke ſpinnt,

Der ſtündlich Raub und Mord erſinnt?

2.

Mögt Ihr ihm Gnade auch gewähren, Und Spielraum geben ſeiner Liſt Von mir ſoll er vor Allen hören,

Daß er ein falſcher Bube iſt.

Der Strafe darf er nicht entgeh'n,

Und müßt ich ihm im Zweikampf ſteh'n.

Elfter Geſang. 300

3.

Laßt, Sire, Euch meine Klagſchrift reichen; Drei Puncte ſind's, die ſie enthält.

Doch, bitte, ſprecht mir nicht von Zeugen! Was nützen ſie in aller Welt?

Er führt die Zeugen leicht auf's Eis,

Und macht unmöglich den Beweis.

4.

Traun, gegen ihn mag Niemand ſprechen, Dem ſeine Tücke ſchaden kann.

Er würde, fürchtet man, ſich rächen; Denn Böſes ſinnt er Jedem an,

Euch, Herr, wie mir und meinem Weib; Drum geh' ich ſelber ihm zu Leib.

5.

Hört, Majeſtät, nun meine Klage; Verſtehet meine Worte recht;

Der Fuchs war ſtets des Landes Plage, Und namentlich für mein Geſchlecht. Wie oft geſchah's, daß dieſer Dieb Zumal an meinem Weib ſich rieb.

310 Reineke Luchs.

6.

Einſt bracht' er ſie zu einem Teiche Bis in den tiefſten Schlamm hinein, Damit er ihr den Kunſtgriff zeige, Wie Fiſche raſch gefangen ſei'n, Wovon er ihr ſo viel verſprach, Sie äß' es nicht in einem Tag.

5

Den Schwanz, ließ ſich die Thörin heißen, Hineinzuhängen in den Teich.

Die Fiſche würden daran beißen,

Und eine Maſſe fing' ſich gleich.

Sie ging ins Waſſer unbedacht,

Und that, wie Reineke geſagt.

8.

Bis an das Knie ſtand ſie im Naſſen; Doch kalter Winter war's, es fror; Das Eis begann den Schwanz zu faſſen, Allein, ihr kam's natürlich vor.

Das rühre von den Fiſchen her,

Meint ſie, drum werde er ſo ſchwer.

Elfter Geſang. 311

Das ſah der Fuchs, und wie er's nutzte,

O Sire, die Scham ſchließt mir den Mund. Er, der auf ſeine Stellung trutzte, Bewältigte Frau Gieremund.

Ha, treffe den verruchten Wicht

Drum heute noch das Strafgericht!

10.

Beſchwören kann ich meine Klage. Ich mußte juſt des Weges geh'n, Und jene intereſſante Lage

Mit meinen eignen Augen ſeh'n, Seh'n die infame Frevelthat,

Die faſt mein Herz gebrochen hat.

11.

Laut ſchrie, die Reineke betrogen,

Als wenn fie an dem Spieße jtäf. Umſonſt hat ſie am Schwanz gezogen: Vergebens! Sie kam nicht vom Fleck. Geſtachelt von der Eiferſucht

Hab' ich von Fern dem Fuchs geflucht.

312 Reineke Luchs.

12.

Der rannte, wie gejagt vom Böſen,

Eh' ich an Ort und Stelle kam;

Ich konnte nur mein Weib erlöſen. Durch Waſſer watet' ich und Schlamm; Beinah hat mich die Wuth erſtickt, Als ich die Gattin ſo erblickt.

13.

Da ſtand die Arme eingefroren,

Wie raſend zerrt' ich an dem Schweif; Er riß, ein Viertel ging verloren!

Ich zitterte, von Kälte ſteif,

Und Gieremunde heult und klagt, Daß rings die Nachbarſchaft erwacht.

14.

Kaum ſpürten uns die groben Bauern, Ergriffen Pike ſie und Beil.

Es mochte gar nicht lange dauern,

Dann gaben ſie uns unſer Theil.

Sie liefen lärmend an den Teich,

Und brüllten: Schlagt und werft! zugleich.

Der Wolf und die block

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Elſter Geſang.

15.

Nie hab' ich eine Angſt empfunden, Wie dort in jener Schreckensnacht; So ging es auch Frau Gieremunden. Faſt ward uns der Garaus gemacht, Und mit genauer Müh' im Trab Entgingen wir dem offnen Grab.

16.

Beſonders war ein Schalksgeſelle Mit einem Spieß uns hinterher, Der ging uns lange nicht vom Felle. Gewiß, daß ich geblieben wär', Hätt' uns die nächt'ge Dunkelheit Von den Verfolgern nicht befreit.

17.

Wann werd' ich den Scandal vergeſſen? Die Weiber ſchimpften nach in Wuth. Wir hätten Schafe weggefreſſen, Vermeinte dieſe Hexenbrut.

Sie hätten gerne uns gefaßt;

Indeß wir hetzten fort mit Haſt.

313

314 Reineke Luchs

18.

Zurück zum Teiche floh'n wir beide, Und krochen in das Schilf hinein.

Da trauten ſich nicht nach die Leute, Und ließen die Verfolgung ſein.

Sire, Nothzucht klag' ich und Verrath. Jetzt ſtraft gerecht die Miſſethat.

19.

Der König rief: Ich werde richten, Wenn Reineken ich angehört.

Ich fühle ſchuldig mich mit Nichten; Sprach der. Der Wolf hat es verkehrt! Verhüte Gott, daß ſo ſich's fänd',

Und Schaden meinem Ruf entſtänd'.

20.

Ich lehrte freilich Gieremunden

Die Kunſt, wie Fiſche ſchlau man fängt. Doch hab' ich ſie nicht klug befunden, Als ſie den Schwanz hineingehängt. Sie hörte nicht auf meinen Rath,

Da ſie die Gier verblendet hat.

Elfter Geſang.

21.

Sie wollte viel zu viel erfaſſen,

Zog viel zu ſpät den Schwanz empor; Zu lange ſaß die Frau im Naſſen, So daß zuletzt an's Eis ſie fror. Befolgte ſie, was ich ihr rieth,

Hätt' ihr ein reicher Fang geblüht.

22

Ja, ja, wer allzuviel begehret, Bekommt gar oft am Ende Nichts! Mit Sorgen iſt das Herz beſchweret,

Und dennoch, braucht man was, gebricht's.

So ging es auch Frau Gieremund, Als dort ſie angefroren ſtund!

23.

Und nun gedenkt man es im Böſen, Daß ich mit allen Kräften ſchob, Sie aus dem Eiſe zu erlöſen!

Wie wurde nicht ihr Gatte grob, Wie fluchte er auf mich herab!

Da, freilich, ſetzt' ich mich in Trab.

315

316 Reineke Suche.

24.

In Stücke droh't er mich zu reißen. Drum dacht' ich: Fort, hier gibt's Gefahr. Wenn Zwei um eine Wurſt ſich beißen, Kriegt Einer Prügel, das iſt klar.

Ich kannte ſeine blinde Wuth:

Denn Iſegrim ſieht ſtets durch Blut.

25.

Will er die Sache anders ſagen,

So lügt er in den Hals hinein.

Frau Gieremund mögt ihr befragen, Dann wird man bald im Klaren ſein. Er ſah nur, daß im Eis ſie ſtand, Und riß ſie los mit roher Hand.

26.

Was macht er fernerhin für Lärmen, Daß ihn die Bauern aufgejagt?

Er durfte ſich dadurch erwärmen, Da ihm das Waſſer kalt gemacht. Ihm, wie dem Weibe that es gut; Denn in Bewegung kam ihr Blut.

Elfter Geſang

27.

Nun redet er, pfui, welch Betragen! Der Gattin ſolche Dinge nach.

Hier ſteht ſie ja, ſie möge klagen, Wenn ihr Gemahl die Wahrheit ſprach. Indeſſen gebt, wie üblich iſt,

Mir, Hoheit, eine Woche Friſt.

28.

Ich will mit meinem Advocaten Ob dieſer Sache ungenirt

In aller Ruhe mich berathen, Was als Erwiederung gebührt Auf all die Lügen, die der Wicht Hier gegen meine Unſchuld ſpricht.

29.

Gebt Acht, ſprach nun Frau Gieremunde, Wie er, wenn Ihr die Friſt ihm ſchenkt, Für Euer Ohr von dieſer Stunde Verrath und Täuſchung, Sire, er denkt. Er ſchwadronirt mit arger Liſt,

Daß man nicht weiß, woran man iſt.

317

318 Reineke Luchs.

30.

So hat er mir ſich ſtets bewieſen, Zum Beiſpiel an den Brunnen da, Wo ich ihn jüngſt zu meinen Füßen In einem Eimer ſitzen ſah,

Der auf dem Boden mit ihm ging, Indeß der leere oben hing.

31.

Er konnte ſich nicht wieder heben.

Ich habe ſtöhnen ihn gehört

(Bei Nacht kam ich zum Brunnen eben) Und fragt ihn' drauf, was ihn verſtört. Ach, meinte der Verruchte ſchlau,

Zu guter Stunde kommt Ihr, Frau.

32.

Wollt Ihr Euch ſatt in Fiſchen eſſen, Steigt in den leeren Eimer nur.

Ich hab' mich toll und voll gefreſſen; Nun rächt ſich peinlich die Natur: Denn jetzo reißt mir, meiner Treu, Das Leibweh faſt den Bauch entzwei.

Elfter Geſang. 319

33.

Ich Thörin glaubt' ihm einmal wieder, Stieg in das Faß, das oben hing,

Und fuhr mit ihm zum Grunde nieder, Indeß das untre aufwärts ging.

Ich ſtaunte, als ich das geſeh'n,

Und rief: Ei ſagt, wie mag das geh'n?

34.

Da lachte Reineke hinwieder:

Wißt, ſo geſchieht es in der Welt!

Die Tugend bringt das Laſter nieder, Der Eine ſteigt, der Andre fällt.

So zieht Ihr, Frauchen, mich hinauf: Das iſt des Erdenſchickſals Lauf.

35.

Mit dieſem Spruch iſt er entwichen. Jetzt merkt' ich erſt mein Ungemach; Ich ſaß, indeß die Stunden ſchlichen, Bekümmert bis zum lichten Tag, Und ſollte manchen Schlag empfah'n, Bevor dem Eimer ich entrann.

320 Reineke Fuchs.

36.

Zwei Bauern kamen zu dem Borne, Und wurden mein Malheur gewahr, Wie ich, vor Hunger und vor Zorne Vergehend faſt, gefangen war.

Seht, riefen ſie, da unten ſitzt,

Der unſre Lämmer wegſtipitzt.

37.

Hol ihn herauf’, fo jauchzte Einer, Empfangen will ich ihn mit Klang!

O Jammer! Nein, es glaubt mir's Keiner, Erzähl' ich ihm von dem Empfang!

Wie roh hat mich die Brut tractirt,

Bis ich halbtodt noch retirirt.

38.

Ei, ſprach der Rothe, nehmt's zu Herzen. Die Schläge waren Goldes werth

Und Nutzen ſtifteten die Schmerzen, Seid für die Zukunft Ihr belehrt,

Daß dieſe Welt voll Bosheit iſt,

Wie gut, wenn man das nie vergißt!

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Elfter Seſang. 321

39.

Der Schläge mocht ich mich entrathen; Nur Einen trafen ſie von Zwei'n; Drum mußt ich Euch damit beladen, Wollt' ich nicht ſelbſt geprügelt ſein. Viel leichter trägt es Euer Fell,

Traut Keinem wieder je jo ſchnell.

40.

Ja, rief der Wolf, das iſt bewieſen, Voll arger Bosheit ſteckt die Welt; Bewieſen ſonnenklar durch dieſen, Der überall ein Bein uns ſtellt. Hört noch, was er im Sachſenland Sich gegen mich einſt unterſtand.

41.

Dort führt' er mich in eine Höhle

Zu einem gräulichen Geſchlecht

Von Affen; wo die falſche Seele

Ein ſaubres Stück mir angeregt. Erreicht' ich ſchleunigſt nicht das Thor, Gewiß, ich ließ daſelbſt ein Ohr.

Reineke Fuchs. 21

322 Reineke Luchs

42.

Noch weiß ich, wie er gleißend ſagte, Die Aeffin ſei mit ihm verwandt. So hat mit tückiſchem Bedachte

In jenes Loch er mich geſandt.

Zum Glücke machte ich mich los; Wohl merkt' ich, wie es ihn verdroß.

43.

Der Wolf ſcheint toll, ſprach zu den Herren Drauf Reineke. Macht es ihm Spaß, Mag er ſich deutlicher erklären.

Wahr zeigt vor Allem ſich nur das:

Ich bin mit jenem Lügengeiſt

Nach Sachſen vor'gen Herbſt gereiſt.

44.

Nie ſah daſelbſt er einen Affen; Meerkatzen waren's, die er fand.

Mit dieſen hab' ich Nichts zu ſchaffen, Sie ſind mir keineswegs verwandt. Hingegen rühm' ich dem Geſchlecht Herrn Martins mich verwandt mit Recht.

Elfter Geſang 323

45.

Der Wolf will mich vielleicht verhöhnen, Daß er das ſcheußliche Gezücht,

Frau Meerkatz mit den ſaubren Söhnen, Nun hier zu meiner Sippſchaft lügt? Es fließt kein einzger Tropfen Blut

In mir von jener Höllenbrut.

46.

Daß ich zur Alten Muhme ſagte,

Daß Neffen ich ihr Pack genannt, Geſchah mit gutem Vorbedachte,

Damit ich dort Bewirthung fand;

Sonſt hätt' ich mir nichts draus gemacht, Wenn ſie der Satan fortgebracht.

47.

Erlaubet, Sire, daß ich erzähle. Wir kamen von dem Wege ab, Und fanden eine düſtre Höhle Die uns ein ſichres Obdach gab; Und, daß bewohnt ſie müßte ſein, Dafür traf jedes Zeichen ein.

21%

324 Reineke Fuchs.

48.

Nicht konnte Iſegrim mehr gehen:

Der Hunger macht' ihn todesmatt.

Wer hätte jemals auch geſehen,

Daß er ſich voll gefühlt und ſatt.

Nur Muth, rief ich, Herr Ohm! Vielleicht, Daß man uns hier ein Nachtmahl reicht.

49.

Geht, Neffe! Hört' ich drauf ihn ſagen, Ich harre unter dieſem Strauch;

Ihr wiſſet beſſer anzufragen,

Gewiß, Ihr thut es heute auch.

Ich hoffe, wenn es Euch gelingt,

Daß Ihr mir was zu eſſen bringt.

50.

Ja, Reineke mußt' in die Höhle;

Er wartete in Sicherheit!

Ich ging mit angſterfüllter Seele Durch krumme Gänge, ging gar weit, Und endlich ſah' ich ha, der Schreck Nahm faſt mir alle Sinne weg.

Elfter Seſang. 325

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Ein ganzes Neſt von jungen Teufeln Lag ſchmutzig in der Sauce da; Daneben, häßlich zum Verzweifeln, Ein Weib, des Teufels Großmama. Nie ſah ich, deſſen ſeid gewiß,

Ein größres Scheuſal je, als dies.

52.

Ein weites Maul mit gelben Zähnen,

Mit langen Nägeln jede Klau',

Ein Grinſen, wie bei den Hyänen,

Ein dünner Schwanz jetzt denkt die Frau: Die Kinder, daß uns Gott bewahrt,

Die waren von derſelben Art.

53.

Mit wüſtem, gräßlichem Geſchreie Wälzt ſich im Koth die garſt'ge Brut, Gebettet in verfaultem Heue.

So ſtinkt die Hölle kurz und gut. Allein ich habe mit Bedacht

Doch nicht, was ich empfand, geſagt.

326 Reineke Fuchs.

54.

Denn ihrer waren gar ſo viele;

Sie blökten mich ſehr grimmig an.

Deshalb macht' ich zum böſen Spiele

Flugs gute Miene, und begann

Mit meinem freundlichſten Geſicht:

Grüß Gott, Frau Muhme! Stör' ich nicht?

55.

Seht da, die lieben, kleinen Neffen! Dies zeigt mir ſchon die Aehnlichkeit. Ich bin entzückt, ſie anzutreffen; Wie mich das muntre Volk erfreut! Nie hab' ich Kinder je geſeh'n,

Wie ſie, den Prinzen gleich, ſo ſchön.

56.

Ich muß wahrhaftig rühmlich nennen Daß Ihr die Sippſchaft ſo vermehrt. Wie nützlich, Vettern jetzt zu kennen, Von denen ich noch Nichts gehört; Denn in der Zeit der Noth gebricht Es dann an kräft'ger Hilfe nicht.

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Elfter Geſang.

87.

Indem ich ſchmeichelnd ſie ſo ehrte, Obgleich ich anders war geſinnt, Merkt' ich, wie gern's die Hexe hörte, Wie längſt bekannt that ſie geſchwind. Da ließ der Angſtſchweiß etwas nach, Der mir aus allen Poren brach.

58.

Sie grinſte freundlich: Hoch willkommen, Herr Vetter; fühlt Ihr Euch geſund? Daß Ihr den Weg hierher genommen, Sag' ich Euch Dank von Herzensgrund. Kommt, tränket meinen Kinderlein Etwas von Eurer Weisheit ein!

59.

Seht, mit wohl angebrachten Lügen Und mit ein wenig blauem Dunſt Durft' ich das Herz der Frau beſiegen! Wem brachte je die Wahrheit Gunſt? Gern hätt' ich jetzt mich fortgemacht, Allein Frau Meerkatz hat geſagt:

328 Reineke Luchs.

60.

Nein, Ohm, ſo dürft Ihr mir nicht ſcheiden! Ihr ſeid ein gar zu ſeltner Gaſt.

Ich muß Euch erſt ein Mahl bereiten! Sie ſchleppte eine ganze Laſt

Von Wildpret aus dem innern Raum. Woher die Menge, faßt' ich kaum.

61.

Nehmt! durfte ſie nicht zwei Mal fagen. Ich langte zu, und wurde ſatt.

Drauf brachte ſie ein Stück getragen Von eines Hirſches Schulterblatt,

Und ſprach: Nehmt's mit nach Malpertaus, Und grüßt die Eurigen zu Haus.

62.

Nachdem, ich höflich mich empfohlen, Rief ſie: Auf baldig Wiederſeh'n!

So raſch, als hätt' ich was geſtohlen, Ließ ich die Beine vorwärts geh'n; Denn von dem gräßlichen Geſtank

Bei dem Geſchmeiß ward ich faſt krank.

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Elfter Geſang.

63.

Froh, daß ich heiler Haut entkommen, Lief aus der Höhle ich zum Strauch, Wo Poſto Iſegrim genommen. | Der lag, tief röchelnd, auf dem Bauch, Und ſtöhnte: O du große Noth!

Der Hunger foltert mich zu Tod.

64.

Aus Mitleid reicht' ich ihm den Braten, Den flugs voll Appetit er fraß.

Mit Dank' wollt er mich überladen!

Es ſcheint, daß er's ſeitdem vergaß. Kaum war er fertig mit dem Schmaus, Fragt' er mich neubegierig aus:

65.

Berichtet mir, wer wohnt dadrinnen, Wie fandet Ihr's, gut oder ſchlecht? Ich, weit entfernt, auf Trug zu ſinnen, Erzählte wahr ihm und gerecht,

Daß jenes Neſt des Teufels ſei,

Doch drinnen Speiſe mancherlei.

329

330 Keineke Luchs.

66.

Mögt Gutes Ihr, wie ich erfahren, Sprach ich, ſo zähmet Euren Mund. | Die Wahrheit müßt Ihr dies Mal fparen; Sie iſt nicht jeder Zeit geſund.

Indeß die Lüge macht ihr Glück,

Wird ſie verfolgt, und ſteht zurück.

67.

Wenn in die Höhle Ihr wollt gehen, Rath' ich Euch dringend, ungeſtört Zu loben, was Ihr möget ſehen, Und zu bejah'n, was auch Ihr hört! Dies waren meine Worte, Sire! Befolgte ſie das dumme Thier?

68.

Nicht etwa ich trug Schuld, bewahre! Er litt die Folgen ſeines Werks.

Zwar grau ſind ſeine Zottelhaare,

Doch drunter ſitzt kein Quentchen Merks. Ja, es verdient ſein Unverſtand,

Was er in jenem Loche fand!

Elfter Geſang.

69.

Solch Volk kann nie mit Vorſicht handeln, Drum iſt der Kluge ihm verhaßt.

Mögt Ihr in jene Höhle wandeln, Warnt' ich, ſo merkt: ein kluger Gaſt Schweigt zu des Wirthes Fehlern ſtill! Ich weiß ſchon, murrt' er, was ich will.

70.

Damit lief gierig er nach hinten,

Bis zu dem Weib und ihrem Neſt.

Den Teufel glaubte er zu finden,

Und ſchrie entſetzt! Pfui, Gift und Peſt, Iſt das die Brut, die Sie gebar?

Die Hölle ſpie ſie aus, fürwahr?

71.

Geh Sie! Erſäufe Sie die Bälger, Denn ſonſt vermehrt ſich noch das Zeug. Wär' ich der Vater (Unglückſel'ger!) Traun, ich erwürgte ſie ſogleich.

Als Vogelſcheuche ſtellt ſie an:

Kein Spatz wagt ſich ins Obſt alsdann.

332 Reineke Luchs.

72.

Der Alten fiel vom Brod die Butter. Er grober Eſel, Mord und Brand!

So kreiſchte die erzürnte Mutter,

Ward Er vom Satan hergeſandt?

Was thut's, ob Ihm mein Blut gefällt? Wer hat zum Richter Ihn beſtellt?

73.

Kaum hat uns Reineke verlaſſen; Es lobte der verſtänd'ge Mann Die Kinder über alle Maßen, Wie man nur Kinder loben kann. Er pries vor einer Stunde hier An ihnen Schönheit und Manier.

74.

Er nannte Neffen ſie mit Freuden, Und ſchied mit wahrer Herzlichkeit. Mag Er ihr Angeſicht nicht leiden, Welch Unglück hat Ihn hergeſchneit? Wer lud Ihn denn? Kurz ſag' ich Ihm Nur meine Meinung, Iſegrim!

Elfter Geſang.

75

Ei, bah! Was ſoll das viele Reden? Zu eſſen ſchafft mir was herbei,

Rief Iſegrim, ich hab's von Nöthen, Und helf' Euch ſuchen, meiner Treu! Nun er an's Fauſtrecht appellirt,

Hat man gar übel ihn tractirt.

76.

Frau Meerkatz fuhr ihm an den Kragen Mit den geſammten Kinderlein. Zerkratzt, zerbiſſen und zerſchlagen, Konnt' er Nichts thun, als Hülfe ſchrein, Bis er aus ihren Klau'n ſich wand,

Und rafch den Weg zum Ausgang fand.

77.

Er kam nicht übel zugerichtet!

Brav ſchien die Kolbe ihm gelauſt. Von Blut war Kopf und Fell gelichtet, Das eine Ohr total zerzauſt.

Da er mir ſo zerläſtert ſchien,

333

Fragt’ ich: Spracht Ihr die Wahrheit drin?

334 Reineke Suche.

78.

Ja, ſtöhnt' er in verſchiednen Pauſen: Ich ſagte offen, wie ich's fand.

Hätt' ich die Vettel nur hier draußen, Sie ſtürb' gewiß von meiner Hand. Das Gaſtrecht hat ſie ſchwer verletzt, Und mich ganz jämmerlich zerfetzt.

79.

Warum? Weil ihre ſchmutz'gen Finken Ich artig nicht befand und ſchön.

Sagt, Reineke, mag's Euch bedünken, Daß je was Wüſt'res Ihr geſeh'n?

Kein Wunder, daß ich's Maul nicht hielt. Drum ward mir garſtig mitgeſpielt.

80.

Seid Ihr, rief ich, verrückt geworden? Ganz anders hab' ich Euch belehrt!

Ihr ſolltet ſie mit zarten Worten Begrüßen, die ſie gerne hört;

Sie Muhme nennen, und die Brut:

Ihr holden Neffen! Dann ging's gut,

Elſter Gefana. 335

81.

Der Himmel möge mich bewahren, Verſetzte er. Was, Muhme ſie? Eh' möge ſie zum Teufel fahren! Ihr Grobzeug meine Neffen? Nie! Das wäre mir ein ſaubres Pack, Ich meide ſie von dieſem Tag.

82.

In ſolche häßliche Geſchichten

Gerieth der Wolf durch eignen Fehl.

Nun dürfet Ihr, Herr König, richten! Von meiner Schuld macht er Krakeel, Und doch, wenn Ihr ihn ſelbſt auch fragt, Bleibt nicht ein Schatten von Verdacht.

83.

Der Streit geht wahrlich nicht zu Ende, Rief Iſegrim. Was hilft der Zank?

Ich appellire an die Hände,

Das Schwatzen bringt mir wenig Dank. Kampf ziemt dem männlichen Geſchlecht, Der zeigt am beſten: Recht bleibt Recht.

3 336 Reineke Luchs.

84.

Der Fuchs häuft Lügen hier auf Lügen, Spricht von der Höhl' und meiner Noth, Und hat wohlweislich Eins verſchwiegen; Ein Knochen war's, was er mir bot. Wenn jemals Fleiſch an dieſem war, Fraß er es ſelbſt; das ſcheint mir klar.

85.

Wo er mir was am Zeug kann flicken, Da tritt er meinem Ruf zu nah!

Er nannte hinter meinem Rücken Verräther mich, wir wiſſen's ja,

Als hätt' ich gegen Euer Haupt,

Sire, mir ein Attentat erlaubt.

86.

Erinnert Euch, als er von Schätzen Euch, Majeſtät, was weiß gemacht, Die ſchwerlich jemals Euch ergötzen, Da er betrügriſch ſie erdacht!

Dazu hat er mein armes Weib Beſchädigt an Gemüth und Leib.

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