/^ R e 1 s e ^ in die A equinoctial - Gegenden des neuen Continents in den Jahren 17995 1800, 1801, 1802, i8o3 und. 1804. Verfafst Alexander von Humboldt und A. Bonpland. /^Ii^??S^.-L> Dritter TheiL \^'^3^^^i'^X Stuttgart und Tübingen, in der J. G. Colta'schen Buchliandiun 1820- r \A 3 c, 'ii^.Go^u H if^nLi^L/^».*, ) ♦^♦^ P e i s e in die Aequinoctial'Gegenden des neuen Continents. Fünftes Buch. Vierzehntes Kapitel. Erdbeben von Caracas. — Zusammgnhang dieser Erscheinung mit den vuicanischen /liisbriichen der Antil„en ■ Eilande. Wir verliefsen Caracas am 7. Hornung Ley der Abendkühle, um die Wanderung nach dem Orenoko anzutreten. Die Erinnerung dieser Abreise ist 'reiren- wärtig schmerzhafter für uns, als sie vor etlichen Mo- naten Avar. Unsere Freunde sind in den blutigen Ke- volutionen umgekommen, welche diesen fernen Land- schaften die Freyheit vvechselsweise gaben oder raubten. Das Haus, welches wir bewohnt haben, ist nur noch ein Schutthaufen j schreckliche Erdbeben haben die Oberfläche des Bodens umgekehrt. Die Stadt, welche ich beschrieben habe, ist nicht mehr vorhanden. Auf der nämlichen Stätte, auf dem zerrissenen Erdboden, yllex. V. Humboldti hist. Reistn. III. j 2 B u c h y. erhebt sich allmählig eine neue Stadt. Bereits sind die aufgehäuften Trümmer, die Gräber einer zahheichen Bevölkerung, neuerdings Wohnungen der Menschen geworden. Meine Darstellung von Veränderungen, die eine so allgemeine Theilnahme aufregen, begreift Ereignisse, welche erst lange nach meiner Rückkunft in Europa vorgefallen sind. Die Volksbewegungen und die Um- wälzungen, welche der gesellschaftliche Zustand erlitten hat, übergehe ich mit Stillschweigen. Die neueren Völkerschaften sorgen für ihr Gedächlnifs, und sie las- sen die Geschichte menschlicher Revolutionen, welche eine Darstellung heftiger Leidenschaften und eingewur- zelten Hasses ist, nicht in Vergessenheit übergehen. Anders verhält es sich mit den Revolutionen der phy- sischen Welt; diese werden um desto nachlässiger be- schrieben , wann sie mit den bürgerlichen Zwisten zu- sammentrafen. Die Erderschütterungen und die Aus- brüche der Vulcane wirken mächtig auf die Phantasie, durch die Zerstörungen, welche sie nothwendig zur Folge haben. Die Ueberlieferung greift vorzugsweise nach allem, was unbestimmt und wunderbar ist, und der Mensch scheint, in grofser öffentlicher Noth wi» im Privatunglück, das Licht z\x scheuen, welches übe«* die wahren Ursachen der Ereignisse Aufschlufs erthei- len, und die sie begleitenden Umstände in ihrer Ver- bindung darstellen könnte. Ich habe geglaubt, in die- ses Wei-k aufnehmen zu sollen, was ich Zuverlässiges inne ward von den Erdbeben des 26. März 1812, durch welche die Stadt Caracas zerstört worden ist, und in der Provinz von Venezuela über zwanzigtausend Ein- wohner fast in einem Augenblicke umgekommen sind. Die Verbindungen, welche ich fortgehend mit Personen aus allen Ständen unterhalten habe, setzten mich in den Kapitel XIV. 3 Stand , die Erzählunn;en verschiedener Augenzeugen untereinander zu vergleichen, und ihnen über Gegen- stände, welche der allgemeinen INaturlehre Aufschlüsse Iringen mögen, Fragen vorzulegen. Als Geschicht- schreiber der Natur soll der Keisende die Angaben über grofse Catastrophen erwahren, ihren Zusammenhang und ihre gegenseitigen Verhältnisse ergründen, und in* schnellen Laufe der Zeiten, in der ununterbrochenen Bewegung der einander folgenden Veränderungen feste Puncte bezeichnen, welche für die Vergleiclmng an- derer Catastrophen in der Zukunft dienen mögen. In der unermefslichen Zeitfolge, welche die Geschichte der Watur umfafst, nähern sich einander alle einzelnen Zeit' puacte (hpochen). Die verflossenen Jahre ersclieinen nur noch als Augenblicke; und wenn auch die Natur- beschreibungen eines Landes sehr allgemeine oder sehr lebhafte Theilnalime nicht erregen, so haben sie wenig- stens den Vortheil, dafs sie nicht veralten. Von ahn- liehen Betrachtungen geleitet, hat auch Hr. de la (jon- damine, in seiner /let.ye nach dem Aequator, jene denk- würdigen Ausbrüche des Vulcanes von Cotopaxi bc' schrieben *}, welche eine geraume Zeit nach seiner Ab- reise von Quito sich ereigneten. Wenn ich dem Bey- spiele dieses berühmten Gelehrten folge, so glaube ich um so weniger Tadel zu verdienen, als die Ereignis- se, welche ich schildern werde, der Theorie Avr- viil- canischen Rückiüirkiingen ^ oder des Einflusses, wel- chen das Viilcanen - System über einen weiten Land- umfang aus'ibt, zum Belege dieneh wird. In der Zeit, wo Hr. Bonpland und ich in den Provinzen von Neu- Andalusien, Neu- Barcelona und *) Es sind diejenigen vom 3i. ISovcmber 1744 und vom 5. September ijSo ilrUrod. hüt.^ p. i56 und 160.) 4 B n c h V. Caracas verweilten^ herrschte überall die Meinung, es seyen die östlichsten dieser Küstengegenden Aen zer- störenden Wirkungen der Erdbeben am meisten aus- gesetzt. Die Einwohner von Cumana scheuten das Thal von Caracas um seines feuchten und wechselnden Clima's, um seines neblichten und melancholischen Him- mels willen. Die Bewohner dieses gemäfsigten Thaies sprachen von Cumana als von einer Stadt;, in der man beständig eine glühende Luft athmet, und deren Boden heftigen periodischen Erschütterungen ausgesetzt ist. Der Verheerungen von Riobamba und anderer sehr hochgelegener Städte uneingedenk , und unbewufst, dafs die aus Glimmerschiefer gebildete Halbinsel Araya den Bewegungen der KaJkküste von Cumana nicht fremd bleibt, glaubten auch wohlunterrichtete Personen, in der Bildung derUrfelsen von Caracas und in der hohen Lage dieses Thaies Sicherheitsgründe zu finden. Kir- chenfeste, welche in Guayra und in der Hauptstadt selbst bey nächtlicher Weile begangen wurden *), er- innerten zwar daran, dafs die Provinz Venezuela von Zeit zu Zeit Erdbeben erlitten hätte j aber Gefahren, die nur selten wiederkehren, mögen auch nur geringe Furcht erregen. Im Jahr 181 1 hat eine grausame Er- fahrung den Zauber der Theorien und des Volksglau- bens zerstört. Caracas, im Gebirge gelegen, drey Grade westlich von Cumana, und fünf Grade westlich von dem durch die Vulcane der Caraiben -Eilande gehenden Me- ridian, erlitt heftigere Erschütterungen, als solche je *) Zum Beispiel die nächtliche Procession vom aistenOctober, welche zum Gedächtnifs des grofsen ErdLebens veranstaltet ward, das am gleichen Monatstag um ein Uhr nach Mitter- nacht im J. 1778 statt fand. Andere sehr heftige Erschüt- terungen waren die von 1641, i7o3 und 180a. Kapitel XW. 5 zuvor an den Küsten von Paria und Neu- Andalusien waren verspürt vi^>prden. Mir war, schon bey meiner Ankunft auf der Terra Firma, die Verbindung zwcyer Naturereignisse, der Zerstörung von Cumana am 14. Christmonat 1797, und der vulcanischen Ausbrüche in den kleinen An- tillen •"') , auffallend vorgekommen. Die Zerstörung ron Caracas, am 26. März 1812, hat diese Verhält- nisse neuerdings zu Tage gelegt. Der Vulcan von Gua- deloupe schien im Jahr 1797 auf die Küsten von Cumana zurückgewirkt zu haben. Fünfzehn Jahre später war es ein dem Festlande näher gerückter Vulcan, derjenige ron St. Vincent, welcher seinen Einflufs bis nach Ca- racas und an die Gestade des Apure ausdehnte. In beyden Epochen befand sich wahrscheinlich der Mit- telpunct des Ausbruchs ungemein tief, und in gleich- mäfsiger Entfernung von den Gegenden , nach denen hin sich die Bewegung auf der Erdoberfläche fort- pflanzte. Seit Anfang des Jahres 1811 bis zum Jahr 181 3 ist eine weit ausgedehnte Landschaft '"•■'•')^ die vom Meridian der Azoren- Eilande , Vom Thale des Ohio, von den Cordilleren Neu- Granada's, von den Küsten Venezue- la's und von den Vulcanen der kleinen Antillen begrenzt wird, beynahe gleichzeitig durch Erschütterungen be- troff'en worden, die man unterirdischen Feuerheerden zurechnen kann. Die hier folgende Aufzählung be- greift die Ereignisse, welche Verbindungen in weiten Entfernungen anzudeuten scheinen. Am 3o. Jenner *) Man vergleiche oben, Th. I. Kap. IV. S. 494- 4 *•) Zwischen dem 5ten und 36sten Grad nördlicher Breite, und dem Sisten und gisten Meridiangrade westlich von Paris. 6 B u c h r, 1811 nahmi ein Vulcan auf dem Meeresgrunde, in der Nähe von St. Michael, einer der Azoren-Inseln, seinen Ausbruch. An einer Stelle, wo das Meer soch/ig Klaf- ter Tiefe besafs, hob «ich ein Fels über die Wasser- fiäche. Das Emporsteigen der erweichten Erdrinde scheint dem Flammenausbruche de? H raters voran^e- gangen zu seyn *}, wie dies "leichmäfsig bey den Vul- canen von Jorullo , in Mexico, und 7ur Zeit der Ent- stehung der Insel von Klein Kameni, in der Nähe von Santorino beobachtet worden ist Das neue Kiland der Azoren war anfänglich nur rine unbeträchtliche Klip- pe, ^ie aber am j5. Junius durch einen neuen, sechs Tage andauernden Ausbruch vergrüTert ui'd nach und nach zur Höhe von fünfzig Toisen über der Meeres- fläche erhoben ward. Dies neue Land , wovon der Schiffscapitain Tillard im Namen der brlttischen Re- gierung ungesäumt Besitz nahm, und das er die Insel Sabrina benannte, hatte C)0o Toisen im Durchmesser. Es scheint seither wieder im Ocean untergegangen zu seyn. Zum dritten Male haben bereits nun Vulcane im Meeresgrund, unfern von der St. Michaers-Insel, diese aufserordentliche Erscheinung wiederholt; und als geschähen die Ausbrüche dieer Vulcane in regel- mäfsigen, durch eine gewisse Ansammlung ela'^tischer Flüssigkeiten bestimmten Zeiträumen, ist die kleine Insel jedesmal nachVerflufs von 91 oder 92 Jahren**) wieder ') Man vergleiche oben, Th. I. Kap. 2 S. 25/<. **;) Al< .tf- Biuriy Geogr. unii'. , Tom. V, p. 177 — 180. Et wallet zwar noch einiger Zweifel xiher den AusJiruch von 1628, welchen Analere auf 16)8 iibertragen. Der Meeres- grund ward jederzeit in der INahe der Insel St. Michael emporgehoben , obgleich nicht gon.iu auf der nämlichen Stelle. Beinerkenswerth ist es , dais das Ideine Eiland von / Kapitel XIV. 1 2um Vorschein gekommen. Man kann nicht anders als bedauern, dafs der geringen Entfernung unerachtet, we- der eine europäische Regierung noch eine gelehrte Ge- sellschaft, Naturforscher und Geologen auf die Azoren- Inseln zur näheren Unteisuchung einer Erscheinung ab- ordnete^ welche der Geschiclite der Vulcane und der- jenigen des Erdballs überhaupt wichtige Aufschlüsse lie- fern konnte. Die, 800 Meilen südwestlich von den Azoren ge- legenen, kleinen Antillen erlitten zur Zeit der neuen Insel Sabrina vielfältige Erschütterungen. Ueber zwey- hundert Erdstöfs« wurden vom Maymonat 1811 bis zum April 1812 auf der Insel Saint- Vincent, einer der drey Antillen, welche noch wirksame Vulcane haben, ver- spürt. Die Bewegungen blieben keineswegs auf das Inselland des östlichen America beschränkt. Seit dem 16. December 1811 befand sich die Erde in einer bey- nahe anhaltenden Bewegung in den Thälern des Mis- sissipi, des Arkansaw und des Ohio. Die Schwingungen waren schwächer auf der Ost- als auf der Westseite der Aileghany - Gebirge in Tennesee und Kentucky. Sie waren mit einem beträchtlichen, von Südwest herkom- jnenden, unterirdischen Donner begleitet. An einigen Stellen zwischen Neu-Madrit und Little-Prairie, so wie bey der Saline nördlich von Cincinnali, unter 87° 46' der Breite, wurden die Stöfse täglich und beynahe stünd- lich mehrere Monate durch verspürt. Diese Gesammt- Erscheinungen dauerten vom 16. December 1811 bis ins Jahr i8i3- Die anfangs südwärts auf das Thal dei 1720 gefiau die ixämlicIjeHöhe erreicht hat, welche die Insel Sabrina im Jahr 1811 erreichte. Man sehe oben, Th. t. Kap. 1. S. 128. 8 B u c h F. untern Missis«ipi bpgriinz.ten Bewegungen schienen all- mählig gegen INorden vorzuschrciten y. Zur gleichen Zeit, wo in den transalleghanyschen Staaten diese lange Reihenfolge von Erdheben ihren Allfang nahm, im Uecemher iSn^ erlitt die Stadt (Ca- racas, bey stillem und heiterem Wetter, einen ersten Stofs, Dies Zusammentreffen der Erscheinungen war vermutlilich kein blofser Zufall 5 indem man nicht ver- gessen darf, dafs der weiten Entfernung dieser Gegen- den uiierachtet, die ISiederungen von Louisiana mid die Küsten von Venezuela und Cumana dem gleichen Becken, nämlich dem des Antillen Meeres angehören. Dieses mit mehreren Aiissänoen versehene IMittelmeer nimmt seine Hichtunsf von Noidost nach Nordwest, und man glaubt eine frühere j^u^dehnung desselben in den weiten Ebenen wahrzunehmen , die stufenweise uni 3o, 5o und 80 Toisen '"'• ) über der Wasserfläche des. Oceans erliahen, mit Secundar - Formationen bedeckt sind, und durcli den Ohio, den Missoury, den Arkan- saw und den Mississipi bewässert werden. Betrachtet man das J-Vasssrbecken des Antillen- JXleers und des Golfs von Mexico mit geologischem Blicke, so findet man, dafs dasselbe südwärts durch die Küstenkette von Venezuela und durch die Cordilleren von Merida und Pamplona^ ö^tlicli durch die Berge der Antillen-Inseln und die Alleghanys, westlich durch die mexicanischen *) Die anziehende, von Hrn. Mitchill verfafsle Beschreiltung dieses Erdbebens findel sich in den Trans. 0/ the litter. and phil. Soc. 0/ Nctv-J'orh. Vol. I. p. 281 — 5o8, und die- jenige des Hrn. Drake in dein Nat. and Stat. View of Cincinnati, p. 232 — 258. **) Cincinnali, am Ohio gelegen, unter 59° 6' d»r Breite, hat nur noch 85 Toisen absoluter Höhe. h a p i t e l Xir. 9 Anden und das F«lsengel)irg *), und nürdlicli durch die unbeträchtlichen Hiigol bogränzt ist, welclie die canadisclien Seen von dtMi Zuflüssen des Mi3sis«ipi tren- nen. Ueber zwey Drillhoile dieses Beckens stehen un- ter Wasser. Zwey Reihen thätiger Vulcane fassen das- selbe ein 5 üsilich auf den kleinen Antillen, zwischen dem i3ten und i6ten Breitei^rad, und westlich auf den Cordilleren von JNicara^ua, Guatimala und Mexico, zwischen dem iiten und 20?ten Grad. Wer sich er- innert, dafs da? grofse Erdbeben von Lissabon am i. No- vember 1755 fa^'t im nämlichen Augenblick auf den scliwedischen Küsten, am Ontario-See und auf Mar- tinique verspürt ward , der wird die Vermuthung nicht allzukühn finden, dals das ganze Becken der Antillen, von Cuniana und Caracas bis in die Ebenen von Louisia- na, zuweilen gleichzeitig durch Erschütterungen, die von einem gemeinsamen Mittelpunct ausgehen, könne betroffen werden. Es ist eine auf den Küsten der Terra -Firma sehr *) Ich hediene mich ungern dieser schwankenden und un- eigentlichen Benennung , die man der mitternächtlichen Ausdehnung der Berge von INeu-iMexico gie])t. Ich würde den IS'amen der Chippewaii- Kette cChippewan ränge) vor- ziehen, welchen Hr. Druke QStat. rieiv 0/ Cincin. p. 91) und andere ISaturforscher der Vereinten Staaten statt der gewohnten Benennung von Stony- M ountains zu gebrauchen anfangen; allein heynahe gleichnamige Völker, die sehr weil von einander entfernt wohnen, und verschiedene Spra- chen reden , die CJiippeways der Quellen vom Mississipi, und die Chepewyans vom Sciavensee, welche von Pihe und Muchenzie hcjchriehen worden sind , könnten eine Ver- wechslung der Berge veranlassen, die sich auf der Siitl- und Südwest-Seite der grofsen canadisclien Seen in paralleler Richtung mit dem FelsengcLirge ausdehnen, das seine Rich- tung von Norden gen Süden nimmt. 10 B II c It V. allgemein verbreitete Meinung, die Erdbeben werden häufiger , wenn die electrischen Entleerungen einige Jahre durch seltener gewesen sind. In Cumana und in Caracas hat man zu bemerken geglaubt, dafs die Re- gengüsse seit dem Jahr 1792 seltener mit Donner be- gleitet waren , und man ermangelte demnach nicht, sowohl die gänzliche Zerstörung von Cumana im Jahr 1797, als hinwieder die in den Jahren i8oo, 1801 und 1802 in Maracaibo, Porto - Cabello uud Caracas erlit- tenen Erdstüfse *) „einer Electricitäts- Anhäufung im Innern dei^ Erde^^ zuzuschreiben. Es möchte scliwer halten, nachdem man einen langen Aufenthalt in Neu- Andalusien oder in den Niederungen von Peru gemacht hat, in Abrede zu stehen, dafs die Jahrszeit, worin am meisten Erdbeben zu befürchten sind, diejenige des Anfangs der Regenmonate ist, avo dann aber auch die meisten Gewitter eintreffen. Die Atmosphäre und der Zustand der Erdoberfläche scheinen auf eine uns un- bekannte Weise auf die Veränderungen einzuwirken, velche in grofsen Tiefen vor sich gehen, und ich halte dafür, die Verbindung, welche man zwischen dem Mangel an Gewittern und den häufigen Erdbeben wahr- zunelimen glaubt, sey viehnelir eine von den Halbwis- sern des Landes ersonnene Hypothese, als das Ergebnifs einer langen Erfahrung. Der Zufall kann das Zusam- mentreffen gewisser Erscheinungen begiinstigen. Den aufserordentlichen Erdstöfsen, welche zwey Jahre lang anhaltend an den Gestaden des Mississipi und des Ohio verspürt wurden, und die im Jahr 1812 mit denen im Thale von Caracas zusammentrafen, war in Louisiana ein beynahe völlig gevvitterloses Jahr vorangegangen**). ') De Poiis, Tom. I, p. i25. **^ Trans, of New-Jork, Vol. I, p. 285. Drake, p. 210. H a p i t e l XIV. 11 Diese Erscheinung- ward abermals allgemoiii sehr auf- fallend befunden. Man darf sich nicht wumdern, wenn im Vatt'rlande Franklin s eine grofse Vorliebe für Er- klärungen angetroffen wird, die auf der Tlieorie der Elecfricität beruhen. Der Erd^tofsj welclier zu Caracas im December 1811 verspürt ward, ist der einzige, .welcher dem schrecklichen Unglück vom 26 März 1812 voranging. Niemand kannte auf dem Festlande die Bewegungen, welche einerseits der Vulcan der Insel St. Vincent, und anderseits das Becken des Mississipi. erlitt, wo am 7. und 8- Februar 1812 der Boden sich Tag und Nacht in einem Zustand beständiger Schwingungen befand. Die Provinz Venezuela litt zu jener Zeit an grofser Trockenheit. Kein Tropfen Hegen war in Ca- racas und 90 Meilen in die Hunde während fünf Mo- naten unmittelbar vor der Zerstörung der Hauptstadt gefallen. Der 26. März eröffnete sich als ein sehr heifser Tag, die Luft war ruhig und der Himmel wol- kenlos. Es war der grüne Donnerstag, und das Volk gTofsentheils in den Kirchen versammelt. Nichts schien das drohende Uniilück zu verkünden. Sieben Minuten nach vier Uhr Abends ver pürte man die erste Erschüt- terung. ;>,'^ie war stark genug, um die Kirclienglocken in Bewegung zu setzen, öie dauerte 5 bis 6 Secundon an, und unmittelbar darauf folgte eine zweyte Erschüt- terung von 10 bis i2Sccuaden, während welcher der Erdb ;den in beständiger Wellenbewegung wie eine Flüs- sigkeit 7,u kochen schien. Schon glau.ite man die Gefahr vorübergegangen, als sich ein helliges unterirdi^.clies Getöse hören liefs. Es glich dem Hollen des Donners, war jedoch stärker und andaurender, als dieses in der Jahrszeit der Gewitter zwischen den Wendekreisen ge- wöhnlich ist. Dem Donner folgte unmittelbar eine senk- 12 B u rechte, diey Ms vier Secunden ungefähr anhaltende Bowesrunir , welche von einer etwas länß^er dauernden wellenlürmigen hegleitet ward. Die Stöfse erfolgten in entgegengesetzten Richtungen von Worden gen Süden und von Osten nach VVesten. Dieser Bewegung von unten nach oben und diesen sich durchkreuzenden Schwingungen vermochte nichts zu widerstehen. Die Stadt Caracas ward gänzlich zu Grunde gerichtet. Tau. sende ihrer Bewohner (zwischen neun- und zehntau- send) fanden unter den Trümmern der Kirchen und Häuser ihr Grab. Noch hatte die Procession ihren Um- gang nicht eröffnet 5 aber das Hinströmen zu den Kir- chen war so grofs, dafs gegen drey- oder viertausend Personen unter dem Einsturz ihrer Gewülber erdrückt wurden. Die Explosion war heftiger auf der Nordseil» in dem dem Berge d'Avila und der Silla näher gelege- nen Theil der Stadt. Die Kirchen der Dreyfaltigkeit und Alta Gracia, die mehr als i5o Fufs Höhe hatten und deren Schiff durch zwölf bis fünfzehn Fufs dichte Pfeiler getragen ward, lagen in einen Trümmerhaufen verwandelt, der nicht über 5 bis 6 Fufs Höhe hatte, und die Zermalmung des Schuttes war so beträchtlich, dafs von den Pfeilern und Säulen fast keine Spur mehr kennbar geblieben ist. Die Kaserne, EI Qnartel de San Carlos genannt, die nördlich von der Dreyfaltig- keitskirclie , am Weg nacli der Douane de la Pastora lag , ist beynahe völlig verschwunden. Ein Regiment Linientruppen stund darin unter den Waffen, und sollte sich eben zur Procession begeben. Wenige Einzelne ausgenommen, ward es sämmtlich unter den Trümmern des grofsen Gebäudes verschüttet. Neun Zehntheile der schönen Stadt Caracas wurden gänzlich zerstört. Die Häuser, welche nicht einstürzten, wie diejenigen der Stadt San Juan beym Kapuziner- Hospitium, waren Kapitel XJf, i3 dermafsen zerrissen, dafs sie nicht weiter liewohnt wer- den konnten. Etwas minder verheerend zeigten sich die Wirliunsfen des Erdbebens im südlichen und west- liehen Theile der Stadt, zwischen dem grofsen Platz und dem Hohlweg von Caragnata. Hier blieb die Ka- thedral - Kirche , durch gewaltige Strebepfeiler unter- stützt, aufrecht stehen '"•). Wenn die Zahl der Todten in der Stadt Caracas auf neun bis zehntausend berechnet wird, so sind dabey die Unglücklichen noch nicht in Anschlag gebracht, welche schwer verwundet, nach Monaten erst, aus Mangel an Nahrung und Pflege umkamen. Die Nacht vom Donnerstag auf den Charfreytag bot den Anblick eines unsäglichen Jammers und Unglücks dar. Die dichte Staubwolke, welche sich über die Trümmer er- hob und die Luft gleich einem Nebel verdunkelte, hatte sich zur Erde niedergeschlagen. Die Erschütterungen hatten aufgehört und die Nacht war so hell und ruhig als je zuvor. Der fast volle Mond beleuchtete die ab* gerundeten Dome der Silla, und die Gestalt des Him- mels bildete einen furchtbaren Abstich gegen die mit Trümmern und Leichen bedeckte Erde. Mütter trugen Kinderleichen im Arm, durch die Hoffnung getäuscht, sie wieder ins Leben zu rufen. Jammernde Haushal- tungen durchzogen die Stadt, um einen Bruder, einen Gatten, einen Freund zu suchen, dessen Schicksal un- bekannt war und den man im Gedränge verloren glau- ben konnte. Man drängte sich in den Strafsen, die an Trümmer- und Schutt- Reihen einzig noch kennbar waren. Alles Unglück^ das in den grofsen Jammerscenen *) Veber das Erdbeben von l^enezuela^ im Jahr iBia^ von Hrn. Delpeche. (.Handschrift.) 14 B u c h y. von Lissabon^ Messina, Lima und Riobamba war erlebt worden j wi<^derholte sich an dem Schreckenstage des 26. März 1812. j?Die unter dem Schutt begrabenen Verwundeten riefen die Vorhergehenden laut flehend um Hülfe an 5 über zweytausend wurden hervorgezogen, Nie hat w^ohl das Mitleid sich rührender , man kann sagen sinnreich thätiger gezeigt, als in den Anstrengun- gen, welche gemacht wurden, um den Unglücklichen, deren Seufzer man hürte, Hülfe zu reichen. Es man- gelte gänzlich an Werkzeugen zum Nachgraben und Wesfräumen des Schuttes: man mufste sich der Hände bedienen, um die Lebenden hervorzugraben. Die Ver- wundeten sowohl als die aus den Hospitälern Geretteten wurden an's Gestade des kleinen Guayre-Flusses gelagert. Hier mochte der Schatten der Bäume allein nur ihnen Obdach gewähren. Die Betten, die Leinwand zum Verband der Wunden, chirurgische Werkzeuge, Arz- neyslofFe , alle Gegenstände ersten Bedürfnisses waren unter dem Schutt vergraben. In den ersten Tagen mangelte Alles, sogar Nahrungsmittel. Auch das Was- ser war im Innern der Stadt selten geworden. Die Erdstüfse hatten theils die Brunnenleitungen zerschla- gen , theils w aren durch das eingefallene Erdreich die Ouellen verstopft. Um Wasser zu bekommen, mufste man an den Kio-Guayre hinabsteigen, der hoch stund, und wo es an Gefiifsen zum Schöpfen fehlte." „Eine den Todlen annoch zu leistende Pflicht w^ard gleichmäfsig durch die Religion und durch die Besorg- uifs der Ansteckung geboten. Bey der UnmügUciik«'it, so viele Tausende halb unter dem Schutt befindlicher Leichen ordentlich zu begralien, wurden Commissarien ernannt , die für ihr Verbrennen zu sorgen hatten. Scheitei'haufen wurden zwischen dem Schulte erric'ttet. Diefs Geschäft dauerte mehrere Tage. Mitten unter IIa p i t e l Xir. %b dem allgemeinen Jammer vollzog das Volk die religiösen Gehl äuche^ mit denen es am ehesten den Zorn des Him- mels besänftigen zu können hoffte. Die einen stellten feyerliche Umgänge an, bey denen Leichengesänge er- tönten; andere, von Geistesverirrung befallen, beich- teten laut, mitten auf den Strafsen. Es ereignete sich damals in dieser Stadt, was auch nach dem schrecklichen Erdbeben vom 4. Hornung 1797 in der Provinz Quito geschehen war: viele Ehen wurden zwischen Personen geschlossen, die seit langen Jahren ohne priesterlichen Segen zusammen gelebt hatten. Kinder bekamen jetzt Eltern, von denen sie bis dahin nie anerkannt waren 5 Rückerstattungen wurden von Leuten veihelfsen , die Niemand eines Diebstahls beschuldigt hatte; Familien, welche lange in Feindseligkeit gegen einander gelebt hatten, versöhnten sich im Gefühle des gemeinsamen Unglücks. Wenn dieses Gefühl jedoch bey den einen die Sitten milderte und das Herz dem Mitleid öffnete, so geschah hinwieder auch bey andern das Gegentheil: sie wurden hartherziger und unmenschlicher. In gros- sen Nöthen sieht man , dafs gemeine Seelen weniger noch die Güte des Gen-üthes als seine Stärke beybehal- ten, denn es verhält sich mit dem Unglück wie mit dem, Studium der Wissenschaften und mit der Betrachtung der Natur; sie mögen ihren wohlthätigen Einflufs nur an Wenigen, durch Erwärmung des Gefühls, durch Erhebung des Geistes und durch vermehrtes Wohlwol' len des Characters bewähren. ^^ „So heftige Erdstüfse, welche innerhalb einer Mi- nute '•') die Stadt Caracas zerstört haben, konnten nicht *) Die Dauer des Erdbebens, das will sagen, aller schwingenden und emporhebenden Bewegungen Cundulacion y trepidacioti)^ weiche das achreckliche Ereignif« vom aösten März i8w ver i6 B u c h P". auf eine kleine Strecke des Festlandes beschränkt seyn. Ihre traurigen Wirkungen dehnten sich über die Pro- vinzen von Venezuela, Varinas und Maracaibo, der Küste nach^ vorzüglich aber auch über das Gebirge im Innern des Landes aus. La Guayra, Mayquetia, An- timano, Barula, la Vega, San Felipe und Merida wur- den beynahe ganz zerstört. In la Guayra und Villa de San Felipe, unl'ern der F>upferminen von Aroa, betrug die Zahl der Todten wenigstens vier bis fünftausend. Es scheint das Erdbeben in der Hichtung einer Linie, die sich von Ost-JNord-Ost nach West- Süd- V\^est, von Guayra und Caracas gegen die hohen Berge von Ni- quitao und Merida ausdehnt, am heftigsten gewesen zu seyn. Im Königreiche von Neu Granada ward es von den Verzweigungen der hohen Sierra de Santa Marta *) his nach Santa- Fe de Bagota und Honda, an den Ge- staden des Magdalenen-FIusses, in der Entfernung von 180 Meilen von Caracas verspürt. Es war überall stär- ker auf den Gneifs- und Glimmerschiefer- Cordilleren oder unmittelbar am Fufs derselben, als in den Ebenen. In den Savanen von Varinas und Casanare war dieser Unterschied am fühlbarsten. CEs läfst sich derselbe am ehesten durch das System der Geologen erklären, wel- che annehmen, dafs alle Ketten vulcanischer und nicht- vulcanischer Berge zur Zeit ihrer Bildung wie durch Spalten emporgestiegen sind.) In den zwischen Caracas und der Stadl San Felipe liegenden Theilen von Aragua wurden nur sehr schwache Erdstöfse verspürt. La Vic- toria, Maracay, Valencia haben, der Nähe der Haupt- Stadt nrsachteii; ward von den einen auf 5o", von andern auf 1' 11'' tercchnei. .") Bis nach Villa de los Remedios, und sogar bis nach Cartha sena la nueva. Kapitel XIF. 17 Stadt uneraclitet, beynahe gar nicht gelitton. Zu Va- lecillo, uenii^eMeilon von Valencia, warf die zerrissene Erde eine solche Menge Wasser aus, dafs rieh ein neuer Strom Lildete. Das Gleiche geschah auch in der Nähe von Porto -Cahello*). Hingegen halte sich der Soe von Maracaybo bedeutend vermiiidert. In C^.oro verspürte n)an keinerley Bewegung, obgleich die Stadt an der Küste und zwichen anderen Städten liegt, die nicht un- heschädigt gehlieben sind *'•) " Die F'isclier, aa eiche sich am 26. März auf der Insel Orchila, dreyfsig Meilen nordöstlich von Guayra, und auf dem Lande befanden, verspürten keine Stüfse. Ks gründen sich diese Ver- Schiedenhl iten der Richtung und Fortpflanzung des Stofses wahrscheinlich auf die besonderen Lagen und Verhältnisse der Steinschichten. Nachdem wir die Wirkungen des Erdbebens auf der W^estseite von Caracas bis zu den Schneegehirgen von Santa Marta und zum Plateau von Santa -Fe de Bogota verfolgt haben, wollen wir nunmehr auch die der Hauptstadt östlich gelegene Landschaft in's Auge fassen. Die Erschütterungen waren ungemein heftig — jen-seits von Caurimare im Thale von Cupaya, wo sie sich bis zum Meridian des Cap Codera ausdehnten ; äufserst merkwürdig aber ist es, dafs sie sich an den Küsten von Nueva Barcelona, von Cumana und von Paria nur sehr schwach zeigten, obgleich diese eine Fortsetzung des *) Man behauptet, auf den Bergen von Aroa sey der Boden, unmitlelLar nach den Erschütterungen, mit einer un<»emein feinen und weifsen Erde bedeckt gewesen, die aus den Spalten herausgeworfen zu sevn sciiien. **) J punta mientos sohre las principalef circumstancias del terremoto de Caracas , por Bon Manuel Palucio Faxardo CHandschrift.) yllex. V. Humboldts hist. Reisen. III. « i8 Buch V. Küstenlandes von la Guayra sind^ und von Alters her im Hufe stehen^ öfteren unterirdischen Erschütterungen auS'iesef.-t xu seyn. Wofern man annehmen d irfle, es sey die gän/liche Zerslürung der vier Städte, Cai'acas, la Guavra, San Felipo und Merida, von einem vul- cani-^^chen Herde ausgegangen^ welcher unter der Insel St. Vincent oder in ihrer INälie Hegt, so würde dadurch hegreiflich, -.vie sich die Bewegung von INord-Ost nach Süd-West "') ausdehnen konnte, auf einer Linie, welche ihre Kiclitung durch .die kkincn Eilande der los Her- manos nimmt, nahe-hey Blant[uilla vorbey, ohne Be- rührung der Küsten von Araya, Cumana und INueva Barcelona. Diese Fortpflanzung des Stofses könnte so- gar auch statt finden, ohne dafs die Erdoberfläche der zwischenliegenden Puncte, zum Beyspiel der Hermanos- Eilande, irgond eine Erscliütterung verspürten. Wir sehen diese Erscheinung öfters in Mexico und Peru, bey Erderschütterungen , welche seit Jahrhunderten eine bestimmte Richtung befolgen. Die Bewohner der An- den brauchen von einem Zvvischenland, welches ohne ThLilnahme an der allgemeinen Bewegung bleibt, den naiven Ausdruck: „es bilde eine Brücke" (^«e hace piienle)^ als wollten sie dadurch andeuten, die Schwin- gungen pflanzen sich in sehr grofser Tiefe unter einer träfen Felsenmasse fort. Fünfzelin bis achtzehn Stunden nach dem schreck- lichen Erelg:iifs Mieb der Erdboden ruhig. Die Nacht, wie schon oben ist bemerkt worden, war still und hei- ter; erst nach dem 27. März erfolgten wieder neu© Strf e,'die von einem unterirdischen, überaus heftigen und andauernden Donner (bramiäo} begleitet waren. Die Einwohner von Caracas zerstreuten sich in der Um- *;) UngefflJir auf einer Linie in der Richtung Süd. 64° West. Kapitel XIV. ag gojTßnd •, well aber Durfer und Meierhüfe gleichmäfsig gelitten hatten, wie die Stadt, so konnten sie nur erst jenseits der Berge von los Teques, in den Thälern von Araijua und in den Llanos oder Savanon Obdach finden. Oftmals wurden an einem und dem nämlichen Tag bis auf fünfzehn Schwingungen verspürt. Am 5. April er- folgte ein Erdbeben, das «n Hefl^igkeit demjenigen we- nig nachstund, welches die Hauptstadt zerstört hatte. Der Boden erlitt mehrere Stunden nach einander un- unterbrochene Schwino;un";en. Es erfolgten beträcht- liehe Bergstürze 5 gewaltige Felsmassen lösten sich von der Sllla de Caracas ab. Man behauptete sogar (und diese Meinung Ist jetzt noch allgemein im Lande ver- breitet,), die beyden abgerundeten Spitzen der Sllla hät- ten sich um 5o bis 6o Toisen gesenkt. Diese Behaup- tung beruht aber auf keinerley Messung. Mir ist be- kannt, dafs man auch in der Provinz Quito bey jeder grofsen Erderschütterung sich einbildet, der Vulcan von Tunguragua sey niedriger geworden. In mehreren, bey Anlafs der Zerstörung von Ca- racas bekannt gemachten Nachrichten ward behauptet, „der Berg la Sllla sey ein ausgelöschter V^ulcan, man finde viele vulcanische Erzeugnisse auf dem Weg, der von la Guayra nach Caracas führt *^, die Felsen bieten keine regelmäfsige Schichtung dar, und sie tragen alle das Gepräge des Feuers an sich." Man hat sogar auch *) Man sehe die Noliz des Herrn Drouet von Guadeloupe, übersetzt in den Trans, oj N'W-YoTla , Vol. I , p. 5o8. Ihr Verfasser, indem er der Silla 900 Toisen absoluter Hölje giebt, hat in meiner Messung die Höhe des Berges über der Meeresfläche mit der Hölie nber dem Thale von Ca- racas verwechselt, welches einen Unterschied yoxi 460 Toisen macht. 20 Bach F. hinzugesetzt; ',,es hätten Hr. Bonpland und ich zwölf Jahre vor der grofsen Catastrophe , zufolge unsrer mi- neralogischen und physicali'chen Untersuchungen, die Silla als eine gefahrliche Naclibarschaft für die Stadt angeschen, indem dieser Berg vielen bchwefol enthalte und die Erschütterungen von der Nord -Ost- Seite her- kommen miifsten/^ Ks gescliieht selten, dafs Natur» forscher sich Avegen einer in Erfüllung gegangenen Vor- hersagung rechtfertigen müssen, allein ich achte mich verpflichtet, irrige Meinungen zu hestreiten, welche üher die örtlichen Ursachen derErdhehen allzuleichten Eingang finden. Ueherall wo der Boden ganze Monate lang in steter Bewegung bleibt, wie auf Jamaica '•) im Jahr 169'^, zu Lissabon im Jahr 175Ö, in Cumana im Jahr 1766, in Piemont im Jahr 1808, erwartet man den bevorstehen- den Ausbruch eines Vulcanes. Man vergifst, dafs der wirksame Herd oder Mittelpunct fern von der Erdober- flüche gesucht werden mufsj dafs, zuverlässigen An- gaben nach, die Schwingungen, und zwar so zu sagen im nämlichen Augenblick, sich auf tausend Meilen weit über Meere von grof er Tiefe hin fortpflanzen; dafs die grüfsten Zerstörungen nicht am Fufse wirksamer Vulcane, sondern in Bergketten, die aus den ungleich- artigsten Steinarten bestehen, statt finden. Wir haben, im vorhergehende I Buche, die geognostische Beschrei- bung der Gegend von (^aracas geliefert; es finden sich da'^elbst Gneifse und Glimmerscliicfer, welche Lager von Urkalkstein enthalten. Die Schicht n sind weder mehr gebrochen, noch unregelmäfiger eingesenkt, als bey Freiberg in Sachsen und allentlialben , wo das Ur- gebi.-ge sich schnell zu grofser Höhe erhebt; ich habe *) Phil. Trans, for 1694. p. 99 Kapitel XIV. 21 daselbst weder Basalt noch Dolerit gefunden, niclit ein- mal Trachyten oder Trapp- Porphyre, überhaupt kei- nerley Spur au'-'gelöschttu' Vulcane, es wäre denn, dafs man wollte die Diabasen oder primitiven, im Gneifs voi kommenden Grünsteine als Spalten ausfüllende Lave- massen betrachten. Es ist dieser Grünstein von gleicher Art mit dem in Böhmen, Sachsen und Franken vor- kommenden *), und was man auch immer über die vor- maligen Ursachen der Oxydation der Erdoberfläche für eine Meinung gefafst haben mag, so wird man doch, denke ich, nicht alle Urgebirge, welche Gemengsei von Hornblende und körnigem Feldspath, sey es in Gängen oder in Kugeln mit concentrischen Schichten entiial- ten, vulcaaisches Gebiet nennen. Man wird den Mont- Blanc und den Mont d'Or nicht in die nämliche Klasse zusammen ordnen. Die Anhänger des Universal -Vul- canismus oder der sinnreichen Hutton'schen Theorie, unterscheiden selbst auch die Laven, welche unter dem blofsen Druck der Atmosphäre auf der Oberfläche des Erdballs ihren Flufs nahmen, von denen dialten ward. Die Frair/.iscaner Mönche breiteten die JNachricht aus, (^ar- tliagena werde von den Britten belagert und bombardirt, und es fand dieselbe bey den Einwohnern überall Ein- gang. Der Vulcan von Cotopaxi ist aber ein Kegel, welcher mehr denn 1800 Toisen über dem Becken von Honda emporsteht: er sondert sich von einem Plateau ab, dessen Erhöhung über dem Magdalenen-Thal au» noch i5oo Toisen beträgt. Zwischen inne stehen die sämmtlichen colossalischen Berge, so wie die vielfachen Thäler und Schluchten von Quito, von der Provinz de los Pastos und von Popayan. Es läfst sich nicht denken, dafs, unter diesen Umständen, das Getöse durch die Luft, oder durch die Schichten der Erdoberfläche sich fortgepflanzt und von dem Punct hergekommen sey, wo der Kegel und der Krater von Cotopaxi stehen. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dafs der erhabene Theil des Königreichs Quito und der benachbarten Cordilleren keineswegs aus einer Gruppe vereinzelter Vulcane be- steht , sondern dafs diese eine gemeinsame gewölbt© Masse bilden, eine mächtige vulcanische Mauer, di» von Süden nach Norden ausgedehnt, einen Gebirgskamm von nahe an 600 Geviertmeilen Oberfläche darbietet. Der Cotopaxi, der Tunguragua, der Antifana, der Pi- chincha befinden sich über diesem Gewölbe und stehen *) Es ist dies die Entfernung des Vesuv» vom Montblanc. 26 B u c h V. Sämmtlicli avif dem unterhölilten Boden, Sie führen ungleiche JNairien^ wenn ?ie schon nur verschiedene Eri. Übungen einer getnein^anien vulcanischen Gi-und- mauer sind. Das Feuer nimmt seinen Ausgang bald durch den einen, bald durch den anderen jener Gipfel. Die geschlossenen Krater erscheinen uns als au'Jgelü^chte Vulcanej es ist jedoch wahrscheinlich, dafs wenn gleich der Cotopaxi oder der Tunguragua während eines Jahr- huv,derts nur einen oder zwey Ausbrüche machen, das Flauer darum nicht desto minder unter der Stadt Quito, unter Fichincha und Imbaburu sich in einer beständigen Wirlhiniborazo, dem Tunguragua und dem Altar (Capac-Vreu) die Stadt Kiubamba durch Kapitel XfF. 27 eines der verderbliclislen Erdbeben ^ deren die Ge- schiciite Erwäbnung tbiit;, zerslört ward. Wie liof-^e sicb's bey diesem Zueansmentroflen der Erscbeitningen bt^zweifeln, dafs die aus den klei)ien Mündungen oder Ventanillas des Vulcans von Pasto aufsteig^enden Dünste mit dein Drucke der elasiiscben Flüssigkeiten zusam- nienbängen^ die den Boden des Königreichs Quito er- schüttert, und in wenig Augenblicken dreyf-ig- bis vierzigtausend Einwohnern den Untergang gebracht haben? Um die mächtigen Wirkungen der vulcanisc/ten Reaclionen zu erklären, vim darzuthun, dafs die Gruppe oder das VnJcanen-S^'slein der Antillen ^ on Zeit zu Zeit das Festland zu erschüttern vermag, muf le ich der An- den-Cordillere Erwähnung thun. Geologische Vermu- thungen mögen nur durch Analogie neuer und dem- nach unzweydeulig bewährter Thatsachen tinterstützt werden 5 und in welch' anderem Erdstriche liefsen sich vulcanische Erscheinungen w^ahrnehmen, die zugleich gröfser und mannigfaltiger wären, als in dieser durch's Feuer emporgehobenen doppelten Bergkette, in diesem Lande, \'\'0 die Natur über jeden Bei'ggipfel und jedes Thal die Fülle ihrer Wunder ergossen hat? Betrachtet man einen entzündeten Hrater als eine abgesonderte Er- scheinung, zieht man allein nur die Masse seiner aus- geworfenen steinartigen Erzeugnisse in Betrachtung, so kann uns die vulcanisclie Wirksamkeit auf der gegen- wärtigen Oberfläche des Erdballs weder sehr mächtig noch sehr ausgedehnt erscheinen. Allein die Vor- stellung des Bildes dieser Wirksamkeit vergröfsert sich, nach Mafsgabe wie wir die Verliältnisse erfor- schen, welche die Vulcane einer gemeinsamen Gruppe untereinander verbinden , zum ßeyspiele diejenigen yon Neapel und Sicilien , jene der canarischen In- aS B tt c h V. sein *), der Azoren, der kleinen Antillen,, die Vulcane Ton Mexico, von Guatimala und vom Flateau des Quito, nach Mafsgabe, wie wir einerseits die gegenseitigen Rückwirkungen dieser vulcanischen Systeme aufeinan- der, und anderseits die Entfernungen würdigen, in de- nen sie durch unterirdische Verliindungen gleichzeitig die Erde in Bewegung setzen. Das Studium der V'ul- cane zerfällt in zwey Abtheilungen. Die eine, rein mi- neralogische, hat die Untersuchung der Steinlager und Steinarten zum Gegenstand, welche das Feuer erzeugt oder verändert, von der Bildung der Trachyten oder Trapp -Porphyre, der Basalte, Phonolithen und Dole- *) Schon oben (Th. I. Kap. 2. S. 262.) habe ich bemerkt, wie die Gesammtgruppe der canarischen Inseln , so zu sagen, über einem unter dem Meeresgrund befindlichen Vulcane steht, dessen Feuer, seit dem i6ten Jahrhundert, abwech- selnd auf den Inseln Palma , Tenerifla und Lancerote seinen Ausbruch nahm. In der Auvergne sehen wir ein ganzes System erstorbener Vulcane ; hingegen darf man mitten in einem Systeme wirksamer Vulcane einen Berg noch keines- wegs als erloschenen Vulcan betrachten, dessen Krater ver- schlossen ist, und dessen unterirdisches Feuer seit Jahrhun- derten keine neuen Ausbrüche gemacht hat. Der Aetna, die liparischen Inseln, der Vesuv und der Epomeo ; der Pic von Teyda, Palma und Lancerota ; St. jMichel , die Caldeira de Fayal und Pico ; St. Vincent, St. Lucie und Guadeloupe ; der Orizava, der Popocatepec, der Jorullo und die Calima; der Bombacho, der Vulcan von Granada, der Telica, der Momotombo, der Isajco und der Vulcan von Guatimala, Co- topaxi , Tunguragua, Pichincha, Antisana und Sangay ge- hören zum nämlichen Svsteme brennender Vulcane. Sie ste- hen überhaupt reihenweise, als ob sie aus einem Hohlwege oder einer Spalte her ausgetreten wären ; und was sehr be- merkenswerth ist, ihre Keihenfolge ist bald mit der all- gemeinen Richtung der Cordilleren zusammentreffend , bald «teht sie derselben entgegen. (.Essai politique sur le Me- xique 1 Tom. I. p. 255.) Kapitel XIV, 29 rilen, tis herab zu den jüngsten Laven. Die andere^, weniger zugängliche und Lis dahin vernachlässiglere Abtiicilung begreift die physicalisclien Verhältnisse, wel- che die Vulcane untereinander verbinden, den Einflufs, welchen ein vulcanisches System auf das andere ausübt, . den Zusamnienhany, welcher sich zwi eben den feuer- speyenden Bergen und den Stüfsen offenbart, die auf grofse Entfernungen hin , und lange anhaltend in glei- chen Kichtungen die Erde erschüttern. Es kann diese letztere nicht eher bedeutende Fortschritte machen, bis man sorgfältige und genaue Angaben besitzen wird, von den verschiedenen Epochen gleichzeitiger Wirksamkeit;, Richtung, Ausdehnung und Stärke der Erschüttervin- gen , von ihrem allmähligen Vorschreiten in vorhin durch sie unberührt gebliebene Gegenden "Q, von dem Zusammentreffen eines entfernten vulcanischen Aus- bruchs mit dem unterirdischen Getöse, welches die Be- wohner der Anden um seiner Stärke willen auf eine aus- drucksvolle Weise mit dem Namen des unterirdischen Gebrülls und Donners **) belegt haben. Diese sämmt- lichen Angaben gehören in das Gebiet der Naturge- schichte, einer Wissenschaft, der nicht einmal ihr Name gesichert geblieben ist, und die, wie alle Geschichte von Zeiten ausgeht, welche uns fabelhaft vorkommen, und von ('ata«trophen, deren Gewalt und Gröfse unsere Phan- tasie nicht erreichen mag. Man hat sich lange Zeit darauf beschränlultur Fortschritt.^ ma- chen, und wie die Vulcanen-Systenie des mexicanischen *) Jene, welche die Einwohner der Stadt Giianaxualo in Me- xico in Unruhe und Besorgnifs versetzten , dauerten vom 9. Jenner bis zum 12. Hornung 1784. Diese Erscheinung, unter den genau Leobachteten Leynahe die einzige ihrer Art, soll in der Portsetzung dieser Heise beschrielicn wer- den. Hier ist die ßemer{;ung hinreichend, dai's die Sladt vierzig Meilen nördlich von dem Vulcane von Jorullo liegt, und 60 Meilen nordwestlich vom Vulcan von Pupocatepetl. An Stellen, welche diesen zwey Vulcanen naher lagen, in drev Meilen Hntrernung von üuanaxuato, wurden die un- terirdischen Donner nicht gcho'l. Das Gelöse beschrankte sich auf einen sehr engen Kaum in der Uegion eines Ür- schiefers, der sich dem Ueliergangsschiefer nähert, welcher die reichsten Silberminen der bekannten Welt enthält , und der hinwieder mit Trapp -Poiphyr-, Schiefer- und Grünstein- Lagern bedeckt ist. Kapitel KIF. 3i Central-PIateau, der kleinen Antillen, jene von Popayan, von los Pastos und von Quito Üeifsi^er beobachtet wer- den, uird auch der Zusanimenhaiig- der Ausbrüche und der Erdbeben, welche ihnen vora :sgehen und sie zu- weilen begleiten, allgemeiner anerkannt u^erden. Die vorhin genannten \ ulcane, vorzüglich jene der Anden, Welche die gewallige Hübe von 25oo Toisen überstei- gen, bieten der Beobachtung grofseVorthcile dar. Die Epochen ihrer Ausbrüche sind sehr ausgezeichnet. Sie bleiben dreyfsig bis vierzig Jahre unthätig, ohne Schla- cken, Asche, oder auch nur Dünste auszustofsen. In dieser Zwischenzeit bemerkte ich keine Spur von Rauch über dem Gipfel des Tunguragua und des Cotopaxi. Eine dem Krater des Vesuvs entsteigende HauchwolUe mag kaum die Aufmerksamkeit der Einwohner von Nea- pel erregen , sie sind an die Bewegungen dieses kleinen Vulcanes gewölint, welcher, zuweilen lwqj bis drey Jahre anhaltend, Schlacken auswirft. Es hält alsdann schwer zu entscheiden, ob der Schlackenauswurf im. Zeitpunct eines in den Apenninen verspürten Erdbebens beträchtlicher war. Auf dem Hucken der Cordilleren gewinnt alles eine entschiethiere Ansicht. Ein Aschen- auswurf, der nur einigt Minuten dauert, wifd öfters von einer zehnjährigen Kühe begleitet. Bey solchen Umständen hält es nicht schwer, Epochen zu bezeich- nen und das Zusammentreffen von Erscheinungen an- zuerkennen. Wofern , wie sich daran in der That nicht zweifeln läfst, die Zerstörung von Cumana im Jahr 1797^ und diejenige von Caracas im Jahr 1812 den Einllufs der Vulcane der kleinen Antillen '^') auf die Erschütterungen *) Die Reihenfolge der Erscheinungen ist diese: 87. Septe/uber i"<)6. Ausbruch auf den kleinen Antillen rVulcan von Guadeloupe.) 3z Buch V. der Küsten des Festlandes darlhun, so mag am Schlüsse dieses Capitels ein kurzer UebtrJjlick dieses miltellän. dischen Archipelagus an seinei- Stelle seyn. Die vul- kanischen Inseln bilden den fünften Theil des Bogens, welcher sich von der Küste von Paria his zur Halbinsel Florida erstreckt. Vermöge ilirer Ausdelinung von Sü- den nach Norden schliefsen sie auf der Ostseite dieses Binnenmeer, während die grofsen Antillen gleichsam die Trümmer einer Gruppe von Bergen primitiver For- mation bilden, deren höchster Theil sich zwischen dem Cap Abacou, dem Cap Morant uncl den hupjerhergea an der Stelle befunden zu haben scheint, wo die Inseln St. Domingue, Cuba und Jamaica einander am nächsten stehen. Betrachtet man das atlantische Wasserbecken als ein sehr grofses 77t«/ *) , welches die beyden Fest- ^ lande Noifember i'j^^. Der Vulcan von Pasto fangt zu rauchen an. j4. December 1796. Zerslörung von Cuniana. 4. Februar 1797. Zerstörung von Riobamba. 3o. Januar löi 1. Erscheinung der Insel Sabrina hey den Azoren. Sie vergröfserl sicli insonderheit am i5. Juni 1811. May 1811. Anfang der Erdbeben der Insel Saint-Vincent, die bis zum May 1812 andauern. 16. December 1811. Anfang der Erschütterungen im Thale vom Mississipi und Ohio, die bis in's Jahr 181 5 an- dauerten. December 1811. Erdbeben in Caracas. 26. März. 1811. Zerstörung von Caracas. Erdbeben, die bis ins Jahr 181 3 andauerten. 3o. April 1811. Ausbruch des Vulcans von Saint-Vincent, und, am gleichen Tag, unterirdisches Getöse in Caracas und an den Gestaden des Ajture. *) Man vergleiche meine eiste geologische Shizzc des südlichen America, die Herr Delametherie im Journal de Phystque^ Tom. LH!, p. 35. bekannl gemacht bat. Die Küsten des alten Continents zwischen dem 5ten und loten Grad nördlich liiiben Kapitel XIF. 33 lande von einander trennt, und worin, vom 20° nüdlicl» his 7,uni 3o° nördlic I, die voi spriiigenden Winkel Cßi'a- silien und benegamhien) den einwärts gehenden Win- keln (der Golf von Guinea und das Antillenineer^ ent- sprechen, so wird man auf die Vermuthung geleitet, dieses letztere Meer sey durch Strömungen gehildet ^worden, die, wie die gegenwärtige iireisslrömuiig^ von Osten nach Westen gerichtet waren, und den Süd- küsten von Porto- Hico, von St. Dominyue und von der Insel Guha *) eine so einförmige Gestaltung ertheilten. Es hat diese wahrscheinliche Vorausset/Aing eines pe- lagischen Einbruchs zwey andere Hypothesen über die Entstehuno- der kleinen Antillen veranhifst. Einige Geo- logen nehmen an, es stelle diese ununterbrochene In- selkette, von Trinidad bis Florida, die Trümmer einer vormaligen Bergkette dar. Sie verbinden diese Ilette entweder mit den Granitlelsen des fi'anzüsischen Guinea^ oder mit den Kalkbergen von Paria. Andere, durch die Verschiedenheit der geognostischen Beschallenheit des Urgcbirgs der grofsen Antillen und der vulcanischen Kegel der kleinen Antillen geleitet, sehen diese letzteren als Erzeugnisse des Meergrundes an. haben die gleiche Richtung Cvon Südost gen Nordwest) wie die ainericanisclien Küsten zwischen G° südlich und 10" nörd- h'ch. Hinwieder zeigt sicii die Küstenrichtung von Südwest gen [Nordost, in America, zwischen dein So" und 72^5 auf dem alten Continent zwischen dem 25° und 70°. Das Thal ist enger (3oo Meilen) zwischen dem Cap Saint- Roch und Sierra I-eone. Verfolgt man dieKüslen des neuen Contincnts nordwärts von seinem pyramidalischen Endstücke oder dei^ magellanischen Meerenge, so glauht man die Wirkungen eines Antriebes zu erkennen, der anfangs nordostwärts, alsdann nordwestwärts und zuletzt wieder nordostwärts gericlilet war. *) Zwischen dem Cap Majzi und dem Cap Cruz. j4lex. V. Humboldts hist. Reisen. III. 3 34 Buch y. Erinnert man sich der geraden Richtung, welche die vulcanischen Aufstände meist heobachten, wenn sie durch weithin verlängerte Kisse geschehen , so sieht man, dais es schwer hält, nach der hlolsen Lage des Kraters zu beurtheilen, oh die Vulcane vormals zur nämliclien Kette gehört haben, oder ob sie von jeher isolirt waren. Angenommen, der Ocean würde einen Ausbruch machen, entweder gegen den östlichen Theil der Insel Java *), oder gegen die Cordilleren von Gua- »timala und Nicaragua, wo so viele feuerspeyende Berge eine zusammenhängende Kette bilden, so würde diese Kette in mehrere kleine Inseln zertheilt werden , und vollkommen dem Archipelagus der kleinen Antillen glei- chen. Auch die Vereinbarung der Primiliv-Forjnationen und der vulcanischen Steinarten in der nämlichen zu- sammenhängenden Bergkette hat nichts befrenidendes : man erkennt dieselben deutlich in meinen geognosti- schen Durchschnitten der Anden -Cordillere. Die Tra- chyten und die Basalte von Popayan belinden sich durch die Glimmerschiefer von Almaguer vom Systeme der Quito- Vulcane abgesondert; wie die Quito-Vulcane iiin- wied&r durch die Gneifse des Condorasto und des Gua- sonto von den Assuay'schen Trachyten getrennt sind **'). Es giebt keine wahrhafte Bergkette in der Richtung von Süd-Ost ^en Nord- West, vom üyapoc zu den Mündun- gen des ürenoko, als deren nördliche Ausdehnung die kleinen Antillen betrachtet werden könnten. Die Gra- *^ Eajfics, Hislorj- of Jma j 1817, p. 25 — 28. Die Haupt- rlchlung der Java-Vulcane, auf einer Ausdehnung von 160 Meilen, zieht sich von Westen gen Osten durch die Berge von GagaU, Gede , Tankuhan, Frahu , Ungarang , Meiapi, Lavvu, VYilis, Arjuna, Dasar und Tashem. **) Man vergleiche das Niieäement baromiCriJ. ***) Unter den zalilreichen ßeyspielen, »veiclie das Gerüste des Erdballs darbietet, nili man hier nur die folgenden er- wähnen: in Europa, die reclit\vinl;iiclile Einbiegung, »velciie die Ketle der Hochaipen gegen die Küstenalpen darsteilt; in Asien, den Belour-tagh, weloht-r die Que. veibindung des Mouz-tagii mit d'-m Himaiava bildet. Zu den vorgelatslen ^Meinungen, weiciie den Forlsdirilten der inmei-alogisdien Erdbeschreüjung hinderlicli sind, können gezajiit werden: ]. die Voraussetzung einer völligen Beständigkeit in der Rich- tung der Berghelten ; 2. die Hypothese des Zusammenhangs alier dieser Kelten; 5. die V oiaussel/.ung , dais je die höch- sten Gipfel diePiiciilung einer (Jeniialketle bestimmen; 4. die Meinung, dafs überall, wo beträchtliche Flüsse entspringen. 36 ' Bach l. Wenn icli hier die Einwürfe einiger Lerühmler Na- turforscher hekiirnpfe, so ist meine Absicht ilocli kei- neswegs, eine vormalige Vereinbarung der sänimtlichen kleinen Antillen in Schutz zu nehmen. Ich bin eher «re- neigt, sie für Eilande anzusehen, welche durch's Feuer emporgehoben ;, in der Richtung von Süden nach Nor- den mit derjenigen Regelmäfsigkeit gereihet wurden, welclie sich uns in so vielen vulcanischen Hügeln der Auvergne, in Mexico und in Peru auf's merkwürdigste darbietet. Das wenige, was uns bis dahin von der geo- gnostischen Beschaffenheit dieses Archipelagus bekannt ist, stellt uns ihn als demjenigen der Azoren und der canarisclien Inseln sehr ähnlich dar. Das Uro-ebirge liegt nirgends zu Tage *j, und es findet sich nur, was unmittelbar den Vulcanen zugehört, feldspathartige La- ven, Dolerite, Basalte, aus Erdschlacken, Bims- und das Daseyn grofser Plateaus oder sehr hoher Berge könne an- genommen werden. *) rVauli dem Zeugnifs der Herren Moreau de Jonnes und Cortcs CJournal de Phjs. , Tom. LXX, p. 129). Dupugel und I.e Blond glaahtcn Granit am Berg Pelee auf Mar- tinique und in anderen Thcilcn des Archipelagus wahrzuneh- men. iVoyage aiix AiUilles, Tom. I, p. 87, 274 und 410). Der Gneifs ist als Bestandlheil des Schwefclbergs der Insel St. Christoph angegeben worden. Man kann nicht mifs- trauisch genug gegen solche Angaben sevn , wenn sie in Werken vorkommen , deren Verfasser mit der Kunstsprache weniger als mit den Gegenständen vertraut sind. Wie grofs war mein Erstaunen , als Hr. lAIutis , wahrend meines Auf- enthalts in Santa -Fe de Bogota, mir im Journal de Phy- sique , 1786, p. jai eine Abhandlung des Hrn. I.-e Blond vorwies, worin dieser, librigens achlungswerlbe, Reisende das Plateau von Bogota, wo er jahrelangen Aulenlbalt gemacht halte, als ein granitisches Plateau beschreibt. Man findet daselbst nur Secundar-Formationen , Sandsteine und Gypi, wicht einmal einzelne Bruchstücke von Granit. Kapitel Xlt^. 3f Tuffstein Lestehende Genieng^sel. Unter den Kalhfor- mationen *) mufs man die den vulcanischen Tuffarton wesenllich untergeordneten von denjenigen unterschei- den, welche von Madreporen und anderen Zoophyten herrühren. Diese letzteren scheinen , der Meinung- des Hrn. Moreau de Jonnes zufolge, Klippen vulcanischer Herkunft zur Grundlage zu haben. Die Berge, welch© Spuren melir oder weniger neuer Entzündungen dar- bieten, und deren einige fast neunhundert Toisen Höhe haben, stehen alle auf der Westseite der kleinen Antil- len **). Jedes dieser Eilande ist nicht durch einmaliges Aufsteigen entstanden: die meisten scheinen aus abge- sonderten Massen, welche sich allmählig vereinbart ha- ben, gebildet zu seyn ***) Der vulcanische Stoff ward nicht von einer, sondern von mehreren Mündungen ausgeworfen 5 so dafs oftmal ein Eiland von geringem Umfang ein ganzes System von Vulcanen ****), rein ba- *) Wir liaben solche vorhin (Th. II, S. k'i'i-') auf Lancerota und Fortaventura im System der canarischen Inseln angeführt. Unter den kleinen Antillen sind , nach Hrn. Cortc's , völlig kalharlige Eilande : Marigalanta , la Desirada , die Grande Terra von Guadeloupe und die Grcnadillen. Zufolge der Beobachtung eben dieses IVaturforschers stellen auch Curacao und Bonaire iBucji- Aj re^ nur Kail^forniationcn dar. Hr. Cortes theilt die Antillen i. in solche, welche sowohl pri- mitive, secondare und vulcanische Formationen enllialten, wie die grofsen Antillen; 2. in völlig kalkartige, oder die dafür gehalten werden, wie Marigalanta und Curacao ; 5. in die theils vulcanischen, theils kalkarligcn , wie Antigua, die St. Bartholomäus-Insel, St. Martin und St. Thomas; 4. die ein blos vulcanisches Gestein darbieten, wie Saint- Vincent, Sainle- I.ucie und Saint -Eustache. **) Siehe die Beobachtungen des Hrn. Amie in dem Rapport sur Citat du Volcan de la Guadeloupe ^ en 1797 , p. 17. ***) Siehe oben Th. I. Hap. 2. S. 265. ****> Diese Erscheinungen finden sich sehr gut 10 den schönen 3S B V c h F. saltische Theile und andere, die mit frischer Lave be- deckt sind, vereinbart. IN och brennende S ulcane sind die von ^aint- Vincent, Sainte-Lucie und (juadeloupe. Der erste hat in den Jahren 1715^ und 1S12 Lave er- gosen: im zweyten wird dui"C:i die Verdichtung der aus den Spalten eines vormaligen Krati'rs aufsteigenden Dünste f"orlgi''iend Schwefel gebildet. Dir Vulcan von Guadeloupe spoyte zum letzton;. )al Feuer im Jahr 1787. Der Sc iwefelberg von St. (Christoph brannte noch im Jahr 1692. Auf Martinique miisscn der von den (ün£ Spit/.bergen du (^arbet unigebene Krater, der Vauclin und der Berg Pelee als drey ausgelöschte Vulcane be- trachtet werden. JVlan hat dort öfters die Wirkungen des Blitzes jnit denen des untenrdi-chen Feuers verwech- selt. Der anijehliche vulcaniche Aus!»ruch vom 22.Jen- ner 1792*) iit durch keine zuverlässige Beobachtung'' geologisclicn Cliarlen angpzpigt , die Hr. Moreau de Jonne's heraus7.uge]jen im ßegriH sielil. "J) Jüunial des ivlines, Tom. 111 , p. 5g. Um das ganze Sy- stem der l^ulcane der kletne.'t /iiiLillen oiitcr einem gemein- samen Gcsichtspuncle darzustellen, »erde ich in dieser ISote der Reihenordnung der Inseln von Siiüen nach INorden folgen; Granada , der vormalige Kraler ist mit Wasser gef'iilll; sie- dende VVasserquellen ; Basalte zwischenSt. Georg und Goave. — Saint- l^incent, l»rcnnender Vulcan. — Salute Lucie ^ ein sehr thätiger Schvveielberg , der Oualihou, zwey bis drey- hunderl Toisen iiocli ; lieiise Wasserstrahlen , uelcjie perio- disch kleine J>cclpalharligen L.aven der Spilzberge von Carbel helindet sich, der Angabe des Hrn. Moreau de Jonnes zufolge, in einem engen Landstriche, eine Kapitel XIF. 3(3 erwalirot. Es verhält sich mit der Vulcanen-Gruppe der kleinen Antillen, wie mit jener von (^uilo und los l'astos. Müiuhmi^ei), die mit dem unterirdischen Feuer weiter keine Verbindung zu haben scheinen, stehen auf der nämliclien Ijinie mit den feuerspeyenden Kratern und wechseln mit ihnen ab. Der innigen Verhältnisse unerachtet, die sich zwi- schen der Wirksamkeit der V^ulcane der kleinen Antillen und den Erdbeben der Terra -Firma darstellen, ge- schieht es jedoch nicht selten, dais Erdstölse, welche aul der vulcaniscen Inselgruppe verspürt werden^ sich weder auf die Insel Trinidad^ noch an die Küs-ten von Cumana und Caracas fortpflanzen. Dieser Umstand hat nichts befremdendes. Auch in den kleinen Antillen selbst bleiben die Erschütterungen öfters auf eine einzige Insel beschränkt. Der grofse Aufbruch des Vulcans von Saint- Vincent im Jahr 1812 verursachte kein Erdbeben auf Martinique und auf Guadeloupe, wohl aber hörte man daselbst, wie in Venezuela ;, ein heftiges Knallen , wäh- rend der Erdboden ruliig blieb. Das gleiche Knallen Cdetonations} ^ das mit dem Region aller Basalte, die der Gevierlfelsen genannt wird.) Heil'ses Wasser vom Precheur und vom I.amentin. — Do- minique, ganz vulcanisch. — Guadeloupe, wirJisamer Vul- can , dessen Hölie , nach t.eboucher , 799 T. : nach Amie, 85o T. beträgl. — Montserrat ^ Soufriere, schöne Porphyr- Javen mit grofsen FeldspotJi- und Grünstein -Krjstallen, nahe hey Galiowav, nach Angabe des Hrn. PSugent. — ^ieves^ Soufriere. — Saint-Crlslophe, Soufriere am Mont-Misere. — Saint-U US Lache, Krater eines erloschenen VuJcanes, vonBims- sleijnen umgeben. CDie Trinidad, welche von einer Bergkette von Urschiefer durclizogen ist, scheint vormaU zur Kiisten- kelle von Cumana und nicht zumSvslem der Berge der kleinen Antillen gehört zu haben, Edwards, Hist. of the West Ind.y Tom. III, p. 275. Duuxion Lauajsse^ Tom. II, p. 60.) 40 B II c h V. Rollen piclit verwechselt werden darf, welches iil;crnll auch den geringsten Erschütterungen vorangeht, läfst sich nicht selten an den G;>staden des Urenoko,, iui«I, wie uns an Ort und Stelle versichert ward, zwischen dem Rio Arauca und dem Cuchivero hören. Der Pater Morello erzählt, vvie in der Mission von Cahruta das unterirdische Getöse zuweilen dem Losfeuern von Stein- hölh^'n (^pedreros^ dermafsen gleich war, dafs man ein fernes Treffen zuhören glaubte. Am 21. October 1766, dem Tage des furcht'iaren Erdhehens, das die Provinz Neu- Andalusien verheerte*), bewegte sich der Boden gleichmäf>ig in Cuniana, in Caracas, inMaracavbo, an den Gestaden des Casanare, des M 'ta, des Orenoko und des Ventuario. Der Pater Gili **) hat eine ßeschreibuiiir dieser Errchütterungen einer völlig granitischen Gegend, in der ^Mission von Encaraniada, wo sie von heflisfem Knallen hegleitet waren, beschrieben. Es erfolgten an- sehnliche Bergstürze am Paurari, und in der Nähe des Fehen AravacotoVerschwand eine kleine Insel im Ore- noi'.o. Die schwindenden Bex^Ciiiinufen hielten eine e^anze Stunde an. Es war gleichsam das erste Signal jenei- hef- tigen Erschütterungen, die länger als zehn Monate an den Küsten von (Humana und Cariaco verspürt wurden. Man sollte i>lauben, zerstreut in Wäldern lebende Men- schen, die Itein anderes Obdnclj haben, als aus Scljilf- rohr und PalmbliUtern verfertii>te Hütten , wiirden sich vor den Erdbeben weni"- fürchten. Allein die Indianer vom (>revato und Caura erschrecken darüber, wie über eine ziemlich seltene Erscheinung, die auch den Wald- thieren Schrecken einjagt, und die Krokodile aus der Tiefe des Wassers ans Gestade liinaustreibt. Näher am *j Siehe ölen Th. I. Kap. 4- S. 482. **) Saggio di Storia americnnii ^ Toni. IJ, p. 6. h a p i t e l XIV. 41 Mcor, n"0 die Stöfse häufiger vorkoniinen, fürchten sich die Einwohner vor denselhen keines vveg-üs, sondern sie erkennen darin vieh)ielir die Vorholen eines leuchlL'U und Iruchlharen Jahres. Ich liahe in diesen Betraclitungen üher die Erdbehen der Terra- Firma und üher die V^ulcane des nahen Insel- meers der Antillen den allgemeinen Plan hetoL.t^ wel- chen ich mir in diesem Werk vorsetzte. Erst zählte ich eine ^rolse Anzahl vereinxelter That achen auf, die ich hernach in ihrem Zusammenhang dar.tellte. Alles verkündigt im Innern des Erdl>alls eine Wirksamkeit le- bendiger Kräfte, welche gegenseitig auf einander ein- wirken, sich die Wage halten, und Veränderungen in einander hervorbringen. Je unbekannter uns die Ur- sachen dieser Schwingungen, dieser Wärme -Entwick- lungen, dieser .Bildungen elasti-cher Flüssigkeiten sind, ■um so mehr ist es dem JNaturforscher Pflicht, die Ver- hältnisse zu ergründen, welclie diese Erscheinungen in weiten [Entfernungen und auf eine so gleichförmige Weise darstellen. Alsdann nur, wenn diese verschiedenen Ver- hältnisse aus einem allgemeinen Gesichtspunct betrach- tet, und über eine weite Ausdehnung der Erdoberfläche durch vielartige Gesteinformationen hindurch verfolgt werden, fühlt man sich geneigt, auf die Unterschiebun- gen kleiner Localursachen von Schwefelkieslagern oder Steinkohlen-Entzündungen zu verzichten *'). *) Ich finde , in einem iilirigens an geistvollen Ansichten und richtig beobachteten Thatsachen reichen Buche , den geogiio- stisch- geologischen Aufsätzen des Hrn. Stcfl'cns (S. 525), die Behauptung, dafs ., wanne (j)uellen. Erdbeben und viilcani- schc^usbrüche nur da statt finden, wo Sleinkoliienlager vorminden sind, weil diese allein die Verbrennung niöglich machen, und in dem grofsen electro- motorischen Apparat der Erde eine kräftige eleclrische Spannung unterhalten können. 42 B n c h V. Folgendes ist die Reihe der Erscheinungen, ^reiche die Nordküsten von Cuinana, von JNueva liai'celona und W enn man diese Erscheinungen in den Primitiv-Forinationen, wie neuerlich im südlichen America, zu heohacliten jjlauhte, so wird man, sagl der Verfasser, Secondar- oder Flötzpor- phyrc, welche Steinkohlenlager enthalten können, mit Ur- porphyren verwechselt hahen''. Wir liaben so eben die Erd- beben in völlig granitischem Boden heschrieben , in ausge- dehnten Landschaften, wo, wie an den Gestaden des Orenoko, keine andere primitive oder Secondar- Formation über dem Granit liegt. Bald werden wir sehen , dafs siedende Quellen, gleiclisam vorzugsweise, vom Granit und Gneifs ausströmen, und dafs die Trachyten oder Trapp - Porplivre der Anden, weit entfernt der Formation des rothen Sandsteins oder jenen Tlntzporphyren anzugehören , mit denen die Herren SlelTens und Freiesleben uns so genau bekannt gemacht haben , mitten in vulcanischem Boden aus Glimmerschieier und Gneifs her- vorkommen. Mir scheinen übrigens die INatur und die Ein- richtung der Schichten im Innern der Erde, hauptsächlich in primitivem Boden , der Ilvpothese einer grofsen Pile wenig zuzusprechen, wodurch die Stöfse auf der Erdoberfläche ver- ursaciil , und (mittelst chemischer Wirkung des electi-o- mo- torischen Apparats) den Salz- sowohl als Thermal-Quellen eine so aufserordentliche Beständigkeit der Mischung und des spe- cifisciien Gewichtes ertheilt werden sollte (_Geogn. Au/s. S. 52 2 lind 535). Wenn man, wie ich es gethan habe, auf der Cor- dillere der Anden einen langen Aufenthalt geinaclit hat , wenn man die sich in der Tiefe der Erde Ibrtpllanzenden Detona- tionen gehört, wenn man die ungelieurcn Wirbungen des Auf- stofsens des Bodens, und die Wölbungen des Erdrciciis gesehen hat, das aus seinen Spalten eine unermefsliche Menge Wasser, Schlamm und Dünste auswirft, so hält es schwer, nicht an das Dasejn von HöJilungen und an Verbindungen zu glauben, welche zwischen dem owdirten Theil des Erdballs und einem Theilc desselben bestellen, der an Metalloiden , an Schwefel- hicsen und anderen nicht o.xydirten Substanzen noch Ueberw Hufs hat. Siehe oben Th. I. Kap. 2. S. 368, und Kap. 4- S. 5oy. h a p i t e l XIV. 43 von Caracas darliieten, und von denen man glaulit^ sie düiltcn mil dcMi Ursaclien der Lrdl)eL)en und der Lave- erj^ier Dauxion-Laraysse, Voyage ä la Trinite, p. 25, 5o und 3.>. f^4 B u c h V. Secondar- Boden vorlich dasselbe unter 10° 3o' bo" derßreite, und 69° 20' o" der Länge**). Die magnetische *) Th. II. Kap. 10. S. 269. **) Hr. Fernes, welcher in der Douane beobachtet, findet die Breite von 10* 3o' zk"-, und durch das Zeitmafs von Poito-Rico (diesen Punct zu 68° 28' 5" angenommen) die Länge vonGg^^aS'.- yllex. V. Humboldts hist. ßeisen J!I A 5o JB u c h V. Declination fand ich^ aui 22. Jenner i8oo, aulser der Stadt, unfern vom Thor de la Pastora, 4° 38' 45 nord- östlich, und, am 3o. Jenner, innerhalb der Stadt, im Universitüts^ehäude, 4° ot/ i5", demnach um 26' grös- ser als in Cumana. Die Inclinalion der Magnetnadel uar 42°, 90 (der hunderttheiligen Scale). J3ie Zahl der Schwingungen, welche die Stärke der magnetischen Kraft bezeichnet, stieg, in 10' Zeit, zu Caracas, auf 2825 in Cumana, auf 229. Diese Beobachtungen konn- ten nicht sehr vervielfältigt werden; sie sind das Ergeb- nifs dreymonatlicher Arbeit. Am Tage unserer Abreise aus der, seither durch schreckliclie Erdbeben verschütteten Hauptstadt von Ve- nezuela , nahmen wir unser IMachtlager am Fufse der waldigten Berge, von denen das Thal südwestwärts ge- schlossen wird. Wir folgten dem rechten Ufer des Kio Guayre bis zum Dorf Antiinano, auf einer sehr schönen und zum Theit in den Felsen gehauenen Strafse. Man kommt durcli la'V^ega und Carapa. Die Kirche von la Vega stellt sich ungemein malerisch auf einer kleinen Anhölie dar., welche aus Hügeln besteht, die mit dich- tem Fflanzenwuchs bekleidet sind. Zerstreute Häuser, um welche her Dattelbäunie stehen, scheinen den U ohl- stand ihrer Bewohner zu verkünden. Eine Kette nie- driger Berge trennt den kleinen Guavre-Flufs von dem ' Beobachtungen, die einzig nur am Himmel angestellt sind, ge- Len für den Fiatz von Trinidad : nach Monddislanzen von der Sonne und Sternen 4 St. 5;' 27'' nach Verdunklungen von Satelliten . 4St. jy'Sj" («St. J7'/,ü" Siehe i^^cwü?// d'observ. astron.^ Tom. I, p. i58 — \^k- VV'^ir lassen eine chronometrische Bestimmung bev Seile, wegen der Bewegung des Schifles. bey stürmischer See. in der >ahe vom Cap Codera. Kapitel XF. 5i in der Geschichte des Landes berühmten Thal de la Pasciia *) sotvohl, als vun den vormaligen Goldniinen von Banita und Oripoto. Im Aufsteigen nach Carapa genielst man nochmals der Ansicht der hilla, die sich als eine ge»valtigc, gegen das Meer steil ahgesclinittene Kuppel darstellt. Dieser ahgeruudete Gipffd und der eiiier hlauer gleich gekerbte Hamm des Galipano sind in diesem, aus Gneifs und Glimmerschieier gebildeten Beeilen die einzigen Formen, welche der Land chaft Eigenthiimlichkeit gewähren. Die übrigen Bergspitzen haben eine traurig einförmige Gestaltung. Eine kurze Weile, ehe man ins Dorf Antimano kommt, stufst man reciiterseits auf eine sehr merkwürdige geologische Er- scheinung. Zum Behuf eines neuen, in den Felsen ge- hauenen Weges wurden zwey mächtige Gneilsgänge im Glimmerschiefer zu Tage gelegt. In beynahe senkrech- ter Lage durchschneiden sie alle Schichten des Glimmer- schiefers**), und sind 6 bis SToisen dicht. Diese Gänge enthalten nicht Bruchstücke, sondern Kugeln von Ur- Grünstein ***) mit concentrischen Schichten. Diese *) Thal der Corles oder Osterthal^ das diesen lV«inen daher trägt, weil Diego de Losada, nachdem er die Tekes-Indianer und ihren Kaziken Guaycaypuro in den Bergen von San Pedro geschlagen halte, im Jahr 1667 daselLsf die Ostertage zu- brachte, ehe er in's Thal von San Francisco vordrang, wo er die Stadt Caracas anlegte. (_Oi'iedo , p. 252.) **) Die Richtung des Giitnmerschiefei's ist St. 12, 2; die Sen^ kung 72° östlich. Die Gneifs- und sogar auch Granit-Gänge einer neuen Formation kommen sehr häufig im sächsischen Erzgebirge vor, das, wie wir früher schon bemerkt haben, viele Aejinlichkeit mit der Gegend von Caracas hat. Granit- gönge kommen im Gneifs zu Geyer und im Glimmerschiefer zu Johanngeorgenstadt vor. ***j Diabase grenue. Ich erinnere mich, ähnliche Kugeln, die einen Gang im Uebergangsschiefer füllten, in der INähe dej Kuffeln bestellen aus einer innigen Mischuno^ von Horn- O DO Llende und blättrigem Fcldspath. Der Feldspath gleicbt zuweilen dem glasigen Feldspath^ wenn er in sebr dün- nen Blättern in einer Masse von zersetztem und einen starken Tbongerucb ausdünstendem Lr-Grünslein zer- ^ streut ist. Der Durchmesser der flugeln ist sehr un- gleich, und beträgt bald nicht über 4 bis 8 "LoWy bald steigt er auf 3 bis 4 Fufs an : ihr Kern ist dichter, ohne concentrische Schichten und von schwärzlichtem Bou- teillen-Grün. Ich fand keinen Glimmer darin, hingegen, was sehr merkwürdig ist, viele zerstreute Granaten. Diese Grajiaten, von schön rolher Farbe, kouimen nur im Grünstein allein vor, und weder im Gneifs, der den Cement der Kugeln bildet, noch in dem Glimmer- schiefer, den die Gänge durchziehen. Der Gneifs, des- sen Bestandthcile sich in einem Zustand von unvollkom- menem Zusammenhang (desagregation considerable) be- finden, enthält grofse Feldspathkrystallen : und, obgleich er die Gangmasse im Glimmerschiefer bildi'l, wird er selbst doch hinwieder von Quarzadern durchzogen, die zwey Zoll dicht und von einer ganz neuen Formation sind. Der Anblick dieser Erscheinung hat etwas selt- sames : man möchte sagen, Kanonenkugeln seyen in einer Felsenmauer eingelafst. Ich glaubte hinwieder in der nämlichen Gegend, auf der iMoutamia de ylvilu und am weifsen Vorgebirg, auf der Ostseite von Guayra einen Ur-Gj'ünstein, mit etwas Quarz und Schwefelkies gemengt, aber ohne Granaten, nicht in Gängen, son- Schlosses Schauenstein im Markgraftlnun Bayreuth gesehen zu haben. ioli liabe mehreie Kugeln von Anliinano an das kdiiiglidie Kabinel naoh .Mailril ül)ersi';!idl. Sielie die Me- sclireibung dei- geulogischcn Sammlung aus Caracas in mei- nem Schreiben an Don Joseph Clavijo. iAiinales de hisC. nat. , Tom. 11, p. 262 — 271.) Kapitel XF. 53 dern in untorgeordne4en Lagern im Glimmei'scliiefer wahrgenommen zu haben. Diese Lagerung kommt zu- verlässig auch in Eiiropa in trgchirgen vor; überhaupt aber gohört der Ui- Grünsloin häufiger dem System der Uehergangs- Felsen^ inshcsonderc thMu Ucbergangs- ihonscliiefer an^ der in Lagern von st;.rk kohlenhalti- gem lydischem Stein, von Kieselscliielcr '•;), von Alaun- schiefer '"'■') und schwarzem Kallistein in Menge vor- kommt. In der Nähe von Antimano stunden alle Baumgärten voll hlül;»cnder Pfirsiclihäume. Dieses Dorf, so wie das Thal und die Ufer des Macarao liefern dem Markt von Caracas Pfirsiche, Quitten und noch andere europäische Früchte mehr im Ueberflufs. Zwischen Antimano und Las Ajuntasmufsman siebzehnmal über den Guayi^e-Flufs setzen. Der Weg ist sehr beschwerlich ; doch würde, statt eine neue Strafse anzulegen, vielleicht hesser ge- than seyn, das Flufsbett zu ändern, worin durch die In- filtration sowohl, als durch die Ausdünstung eine Menge Wasser verloren geht. Jede Krümmung bildet einen mehr oder minder ausgedehnten Pfuhl. Dieser Verlust mufs bedauerlich seyn, in einer Provinz, deren ange- bauter Boden überall, mit Ausnahriie der zwischen dem Meer und der Küstenkette von Mariara und Niguatar gelegenen Landschaft, überaus trocken ist. Die Hegen- niederschläge sind daselbst gar viel seltener und unbe- deutender, als im Innern von Neu-Andaluslen, in Cu- jnanacao und an den Gestaden des Guarapiche. Zwar steigen manche Berge von Caracas in die Wolkenregion empor; aber die Schichten derUrfelsen sind unter einem Winkel von ^o° bis 8q° eingesenkt, und grofsentheils *) Jaspe schistoide. **J Ampelite. 54 B n r h V. in nord - westllclier Richtnnef, so dafs sicli das \'\'a«ser entweder im Innern des Bodens verliert , oder in reich- lichen Quellen^ nicht avif der Süd-, sondern auf" der Nord-Seite der Küslenherge von Niguatar, Avila und Mariara zu Tage kommt. Die südlich aufgerichtete Lagerung der Gneifs- und Glimmerschiefer- Schichten scheint mir grofsentheils die ausnehmende Feuchligheit des Küstenlandes zu erklären. Im Innern der Provinz finden sich Gegenden von zwey und drey Geviertmeilen im Umfang, die durchaus keine Quellen hahen. Das Zuckerrohr^ der Indigo und der Kalfeehaum mögen nur da gedeihen, wo sich laufendes Wasser befindet, das während der grofsen Trockenheit zu künstlichen Bewäs- serungen gehraucht werden kann. Die ersten Colonisten haben sehr unvorsichtig die Wälder ausgerottet. Die Ausdünstung ist gar beträchtlich auf einem steinigten Boden, der von Felsen umgeben wird, welche von allen Seiten Wärme zurückstrahlen. DieKüstenherge gleichen einer Mauer, welche sich von Osten nach Westen, vom Cap Codera gogen die Tucncas- Spitze ausdehnt 5 sie halten die feuchte Luft der Küsten, die unteren Schich- ten der Atmosphäre, welche unmittelbar über dem Meer liegen und die gröfste Menge Wasser aufgelöst enthalten, vom Eindringen in die innere Landschaft ab. Es finden sich nur wenige Ueffnungen und Schluchten, die, gleich derjenigen von Catia*} oder Tipe, vom Küstenland nach den hochgelegenen Längenthälern hinziehen. Kein gros- ses Flufshett und kein Busen öH'net sich dem Wasser des Oceans, gestattet seinen Eintritt in'sLand, und macht die Befeuchtung dieses letztern durch reichliche Aus- dünstung möglich. Zwischen dem 8ten und loten Brei- tegrad lassen viele Bäume im Jenner und Hprnung ihr *;) Th. II. Kap. 12. S. 391. Kap. i3. S. 455 Kapitel XF. 55 Laiil) fallen, gewifs niclil um clor hülteron Temperatur willen, wie in Europa, sondern weil in dieser von der He"enzelt enllVrntesten .lahrs/.eit die Luft dem höchsten Stand ihrer Trockenheit genähert ist. Einzig^ nur die Pflanzen, welche glänzende und üheraus zähe Blätter hal)en, mögen diesen Mangel an Feuchtigkeit ertragen. Den Heisonden hefremdet der Anblick einer heynahe winterlichen Landschaft unter dem schönen Himmel der Tropenländer; sohald man die Gestade des Orenoko er- reicht hat, erscheint aber avich wieder frisches Grün, Ein anderes Klima herrscht hier, und die ausgedehnten Waldungen erhalten durch ihren eigenen Schatten dem Erdhoden einen gewissen Grad von Feuchtigkeit und schützen ihn gegen die verzehrende Sonnenhitze- Jenseits dem kleinen Dorf Antimano verengert sich der Thalgrund heträchtlich. Der Flufs wird durch die J^ala , jene schöne Grasart mit zweyzeiligen Blättern eingefafst, die bis an dreyfsig Fufs Höhe erreicht, und die wir unter dem Namen Gynerium beschrieben ha- ben *). Um jede Hütte her stehen gewaltige Stämme der Persea **), an deren Fufs Aristolochien, Paullinien und noch viele andere rankende Pflanzen wachsen. Die, mit Waldung bedeckten, nahen Gebirge schienen über dieses nördliche Endstück des Thaies von Caracas Feuch- tigkeit zu verbreiten. Die Nacht vor unsrer Ankunft in Las Ajuntas brachten wir in einer Zuckerpflanzung zu. Ein viereckigtes Haus ***) bewolmten nahe an vierzig Neger; sie lagerten sich auf Ochsenhäuten, die auf dem Boden ausgebreitet waren; in jedem Zimmer des Hauses *) G. saccharoides, Plant, aequin.^ Tom. If. tab. ii5. Noi^a Gen. , Tom. I , p. i4g. *•) J.aurus Persea, Avocayer. "***> Hacienda de Don Fernando Key ■ Munnoz, 56"^ Buch V, hatten vier Sclaven ihre Schlafstälte , und das Innere g^Hch ein r Kaserne. Im Hof der Meyerey brannten ein Dutzend Feuer^ an denen gekocht ward. Die lärmende Fröhlichkeit der Schwarzen war uns abermals auffallend, und störte uns am Schlafe. Der bewölkte Himmel ge- stattete keine Stern -Beobachtungen: der Anblick der Landschaft war traurig und einförmige und alle um- stehenden Hiioel von INIaguevs überdeckt. Alan arbei- tete an einem kleinen Ableitungs-Canal , welcher der MeyereVj, ülier 70 Fufs hoch, die Gewässer des Pvio San Pedro zuführen sollte. Einer barometrischen Beobach- tung zufolge steht der Boden der Hacienda mehr nicht als öoToisen über dem Bett des Kio Guayre zu la INoria, nahebev Caracas erhöhet. Das Erdreich dieser Gegfenden hat sich weni» ffün- O CO stig für die Cultur des Kaffeebaums erzeigt, der über- haupt im Thal von Caracas einen minderen Ertrag giebt, als man anfangs, zur Zeit seiner ersten Pflanzungen in der JNähe von Chacao, geglaubt hatte. Um sich einen allgemeinen Begriff von der U ichtigkeit dieses Handels. Zweiges zu machen, mufs man «ich erinnern, dafs die ganze Provinz von Caracas, im Zeitraum ihres gröfsten \A ohlstandes, vor den Revolutionskriegen von 1812, be- reits fünfzig- bis seclizigtausend Centner Kaffee erzeugt hat. Dieser, den veieinten Ernten von Guadeloupe und Martinique beynahe gleichkommende Ertrag mufs um so beträchtlicher erscheinen, wenn man vveifs, dafs erst seit 1784 ein achtung werther Bürger, Don Bartho- lomeo Blandin, die Einführung dieses Culturzweigs auf den Küsten der Terra-Pirma versucht hatte. Weil Hr. Depoiis, in «einer statistischen Bejchrei'>u!^g derGeneral- Kapitain^chaft von Venezuela, über den Zutand des Hand.'ls und der Landwirt!. schnft i.ur bis zum Jahr 1804 Nachrichten geben konnte, so dürfte es angenehm seyn^ Kapitel XF. 57 hier elniofc neuere und eben so zuverlässige Ang"aben zu finden. Die schönsten Kaffeepflanzungen helinden sich gegenwärtig in der Savane von Ocuuiare^ in der Nach- harscliaft von Salanianca, und in Kincon, so wie in den Berffffeaenden von Los Mariches, han Antonio Hatillo DO n ' und Los Budares. Der in den drey letztgenannten Orten gezogene Hailee ist von vorzüglicher Güte j hingegen irt der Ertrag der Sträuclier geringer, was man der Höhe des Orts und dem kühlen KHma zuschreibt. Die grofsen Pflanzungen in der Provinz V^enezuela, wie Aguacates in der ISähe von V^alencia und Rincon, können in guten Jahren Ernten von 3ooo (jenlnern litfern. Im Jahr 1796 betrug noch die Gcsammtausfuhr der Provinz mehr nicht als 4S00 Centnerj im Jahr 1804 war sie auf 10,000 ge- stiegen, und doch hatte sie bereits seit 1789 angefan- een ■-,). Die Preise giengen abwechselnd von 6 zu 18 Piaster der Centner. In Havanna hat man dieselben bis auf 3 Piaster sinken gesehen 5 es lagen aber auch in jener, für die Colonisten so höchst verderblichen Zeit, in den Jabren i8lO und 1812, über zwey Millionen Centner KalTee ffür den \Verth von zehn Millionen Pfund Sterl.) in den Vorralhskammern Englands angehäuft '•'"). Die grofse Vorliebe, welche in dieser Provinz für die Kaileepflanzung vorbanden ist, gründet sich zum Theil auf den Umstand, dafs die Körner sich viele Jahre *3 Folgendes sind die AngaLen der Douanen- Register in la Guavra : Ausfuhr von 1-89 , ajo Cenlner, zu 100 castillan. Pfunden. — — 1-92 . 1489 _ _ _ _ _ — " — 1794 , 5646 — — — — -^ — — 1796 . 4847 • — — — — — — — 1797 . 5095 _ _ _ _ _ **) Cvlquhoun, on the ivealth qf the British Empire, 181 /,, p. 55?. 58 Buch V. anfbewahren lassen, da hingegen ^ aller angewandten Sorgfalt unerachtet, der Cacao nach zehn Monaten oder einem Jalir in den Magazinen zu Grunde geht. Wäh- rend der lang andauernden Kriege der europäischen Mächte^ zu einer Zeit, wo der Mutterstaat allzusclnvach ^var, um dem Handel der Colonien Schutz zu verleihen, mufste sich der Arbeitsfleifs vorzugsweise einem Erzeug- nisse zuv.endon, dessen Ahsatz weniger Eile hatte, und demnach günstigere politische sowohl als Handelsver- hältnisse abwarten konnte. In den Kafteegärten von Ca- racas sah ich, dafs für die Anpflanzungen seltener die zufällig unter den Sträuchern gekeimten jungen Pflan- zen gesammelt wurden, hingegen vielmehr die, von der Beere zwar getrennten, aber doch einem Theil ihres Fleisches noch anhängenden Körner, zwischen ange- häufte Pisangblätter fünf Tage durch gelegt und zum Keimen gebracht wurden. Diese keimenden Saamen werden hernach in die Erde gelegt: sie liefern Pflänz- chen, welche der Sonnenhitze besser widerstehen mö- gen, als die in der Kaffeepflanzung selbst und im Schat- ten aufgewaclisenen. Es w^erden hier zu Lande meist 53oo Stücke im Umfang einer Vauega, welche 5if76 Geviert -Toisen hat *), gepflanzt. Ein solches Stück Land, wofern es zur künstliclien Bewässerung tauglich ist, kostet, im nördlichen Theil der Provinz, 5oo Piaster. *) T.\nt Vanega von Caracas Tind von Cumana enfliäll ungefähr drey alinuda^ ^ oder 28,300 vares carrees, oder 20,76 j Ge- viert-Meters. Eine Vanega ist demnach beinahe zwey Hec- laren gleich. Ein französischer Morgen Landes Carpent legal de france), 7-u i544 Geviert -Toisen, welcher in Europa, in mittelmafsigem Boden, 1200 Pfund Getreide oder 5ooo Pfd. Karloficin beträgt , ist der vierte Theil einer J''anega , und liönnte . unter der heifsen Zone, jährlich nahe nn. 1700 Pfd. Kaffee ertragen. Kap i t e l KV. 69 Der Kan'eeLaum Mülit erst im 7.vvPvlen Jahr^ viml soine Blütlic dauert niclit übor 24 Stunden. Während dieser Zeit gewälirt der Straucli einen überaus schönen An- blick: von f;'rne betrachtet j sieht er wie mit Schnee bedeclit aus. Die Erndtp des dritten Jahrs ist schon sehr ansehnlicli. \n wohl gejäteten und gut bewässertt'n Pflan- zungen^ in neuem Aufbruche^ triflt man erwaclisene Bäume an, die l-is 16, 18 und selbst 20 Pfund KaTee geben. Im Durchschnitt aber kann man mehr nicht als anderthalb bis zwey Pfund von jeder Pflanze auf eine Ernte rechnen, was bereits schon ein günstigerer Dnrch- schnitlertrag ist, als derjonige auf den Antillen-Eilaiidi^ü. Der Hegen, %venn er zur ßlüthezeit fällt, der Mangel an Wasser für die künstlichen Wässerungen, und eine Schmarotzerpflanze, die eine neue Art des LorantLus ist, welche sich um die Aeste schlingt, werden den Kaf- feepflanzungen sehr schädlich. Wenn man in Pflanzun- gen von achtzig- und von hunderttausend Sträuchern die ungeheure Masse organischer Substanz betrachtet, welche in der fleischigten Beere des Kafl'eebaums enllial-- ten ist, so mufs man sich billig wundern, dafs noch nie- mals versucht ward, Alcohol daraus zu gewinnen *). *~) Die angehäuften Kirschen oder Beeren des KafTeebauins {re- rathen in Weingälirung , während welcher sich ein sehr an genehmer Alcohol -Dunst verflüchtigt. Ich Leobachtele, als ich in Caracas die reife Frucht des KafTeehauins unter eine umgestürzte Glocke brachte , die mit Wasser ganz angefüli'' und den Sonnenstrahlen ausgesetzt war, dafs in den ersten 2k «Stunden heine Gasentwicklung geschah. ISach 56 Stunden wurden die Beeren braun und lieferten Gas. Ein in is 4oCubikzolle von einem Gas, das mit derSalpetcrluft keine 6o B u c h r. Wenn dip Unruhen von Saint- Domingue, die vor- übergehende Theurung der Colonialwtiaren und die Auswanderung der französischen Pflanzer die ersten Tjr:achen der Anlegung von Kafteepflanzungen auf deni aniericanischen Festlande ^ cui der Insel Cuha und auf Jainaica gewesen sind, so ist es hingegen lange nicht der Fali^ dafs ihr Ertrag nur das Deficit der Ausfuhr der französischen Antillen ersetzt haben sollte. Dieser Ertrag hat sich verhäitnifsniäfsig mit der Bevölkerung, der veränderten Lebensart und dem steigenden Luxus der europäischen Völkerschaften vermehrt. Die Insel St. Domingue hatte, zu Hrn. Becker's Zeit, im Jahr 1780, eine Ausfuhr von nahe an 76 Millionen Pfund *) Kaifee. Die Ausfuhr im Jahr 1S12 und in den drey vorhergehenden Jahren betrug, den Angaben des Hrn. bedeutende Verminderung erlitt. Obgleich viele Kohlensäure von dem Wasser der Glocke, nach JNlafsgabe ivie sie sich bil- dete , eingesogen ward , fand ich jedoch noch o, 78 in den 1,0 Cubikzollen. Der Ueberrest, oder O; 22 war Stickstoff. Die Kohlensäure hatte sich nicht durch die Einsaugung des Atmosphärischen Sauerstoffs gebildet. Diejenige , welche sich aus den etwas angefeuchteten und in mit Luft angefüllten und hermelisch verschlossenen Flaschen enthaltenen Kafieebeeren entwickelt, führt Alcohol mit sich, ungefähr eben so wie die Schwaden, welche sich bey der Gährung des Mostes in unsern Kellern bilden. Durch Rüllcln des Wassers mit dem Gas er- hält jenes einen s^hr entschiedenen Alcohol-Geschniack. ^"^ie manchcrley Substanzen mögen vielleicht jene JMiscbungen von Kohlensäure und Wasserstoff mit sich führen, die wir schäd- liche y?//flJOTe« heifsen, xind die in den Tropenländern überall aufsteigen, in Sumpfgegenden , am iNIeercsul'cr, in den Wäl- dern, wo der Boden mit abgefallenem Laub , Baumfrüchten und verfaulten Insecten bedeckt ist. *) Stets französische Pfunde, zu 9216 Gran; iis englische Pfun- de rr: io5 französisclien Pfunden Markgewicht, und joo spa- nische Pfunde :::z ^5 französischen Pfunden. Kapitel XV. 6i Colquhouii zufolge, annoch 36 Millionen *y. Die we* niger heschvverliclie und weniger kostbare Cultur des KalVoobaums hat seit Einführung- des Regiments der Schwarzen minder gelitten , als der Anbau des Zucker- rohrs. Das Deficit der 40 Millionen Pfunde aber ist gegenwärtig erset/.t durch 26,500,000 Pfunde Ertrag von Jamaica ; 20,000,000 — Ertrag von Cuba; 11,4.00,000 —f Ertrag von Surinam, Demerary, Berbice und Curacao; 5,000,000 — Ertrag von Venezuela 5 1 3,000,000 — Ertrag von der Insel Java **). 70,900,000 Die Gesammteinfuhr des americanischen Haft'ees in Europa übersteigt gegenwärtig 106 Millionen Pfunde französischen Markgevvichts. Rechnet man dazu noch 4. bis 5 Millionen von den Inseln Frankreich und Bour- bon, nebst 3o Millionen aus Arabien und Java, so er- giebt es sich, dafs der europäische Gesammtverb rauch ***;> im Jahr 1817 nahe an 140 Millionen Pfunde erreicht *) Die Ausfuhr von St. Doniingue nach den britiischen Häfen einzig nur betrug (von 1009 bis, 1811), im Durchschnitt, jähr- lich 19,36/1,666 engl. Pfunde Ka-^fee. Colquhoun^ p. 33i und 378. Ertrag der kleinen Antillen, 1 4 Millionen Pfunde. Ertrag von Cuba, nur im Jahr 1809, 80,000 Centner. **.) lieber 100,000 Pikuls^ jeder zu i33 Pfund. Hr. von Hogen- dorp glaubt, es könnte die Insel Java, im gegenwärtigen Zu- stand der Civilisalion (jedoch mit nicht sehr piiilanthropischea Mitteln), 5o INlillionen Pfund Kaffee an Europa liefern. Ruf- fies-, History of Java^ Vol. 1, p. 129 und 21 3. ***) Der Verbrauch Frankreichs wird gewöhnlich fetwas hoch) zu 25 Millionen Pfunden berechnet. Auch beträgt die Be- völkerung Frankreichs ungefähr e'n\ Sechslheil der europäi- schen ßevöIkerul)'^ 6 z ß II c h f. hat. In den Untersuchungen, die ich im Jahr 1810 über die Coloniahvaaren anstellte, hlieb ich bey einer kleineren Summe stehen ^). Dieser ungeheure Kallee- verhrauch hat demjenigen des Thees keinen Eintrag gethan, zumal die Au?luhr von diesem aus China in den füuf/.ehn letzten Jahren um mehr als den vierten Theil höher angestiegen ist '•*'■). Der Thee künnte so gut wie der KafFoe im hergiglen Theil der Provinzen von Caracas und (jumana aiigebaut werden. Es finden sich daselbst alle Klimate gleich Stockwerken überein- ander geschichtet , und es würde dieser neue Cultur- zweig dort eben so wohl gedeihen, als in der südlichen Halbkugel, wo die brasilianische Regierung, welche dem Arbeitsfleifs und religiöser Duldung edelmütliigeu Schutz verleiht, gleichzeitig den Thee, die Cliinesen und die Glaubenslehren des Fo einwandern liefs. Noch sind niciit hundert Jahre verflossen, seit die ersten Kat- feebäume in Surinam und auf den Antillen gepfianzt wurden , und bereits steigt der Ertrag der anjerica- nischen Ernten zum VVcrthe von i5 Millionen Piaster an, wenn der Centner Kalioe auch nur zu 14 Piaster gerechnet wird. Am 8. Hornung, bey Sonnenaufgang, machten wir uns auf den Weg zum Uebergang des Higuerote, feiner Gruppe hoher Berge, welche die zwey Längen- thäler von Caracas und Aragua von einander trennen. INachdem wir nalie bey Las Ajuntas die Vereinbarung der ilülschen San Pedro und Aiacarao, die den Rio *) Essai policüjue sur le Alexique, Tom. II, p. ;i55. **) Die TlieeaiisTuhr von Canton belrug, in den Jaliren 1804 Lis 1806, im Durchschnitt, 260,000 Pik/es oderöi VliJlionen Pfunde. Der Verhrauch von Grolshritannien ühcrsicigt 20 Mil- lionen. Siehe a. a. O. Tom. II, p. 658, und Colijuhoun^ p. 554 ; ^Hppendixi p. 8, 26, 54- Kapitel XF. 63 Guayro bilden, überschritten hatten, erstiegen wir ei- nen steilen Abhang, der zum Plateau von Buena-Vista führt. Man trifft hier einige vereinzelte Häuser an. Die Aussicht delint sich nordöstlich über die Stadt Ca- racas und südlicli über das Dorf Los Tec[ues aus. Die Landschaft ist wild und sehr waldigt. Die Pflanzen dos Thals von Caracas *) waren alhnählig verschwunden. *) Die Flora von Caracas zeichnet sich hauptsächlich durch nach folgende Pflanzen aus, die zwischen ^oo und 600 Toisen Höiic wachsen: Cipura marlinicensis, Panicum micranthum, Par- theniuin Hysterophorus, Vernonia odoratissima (Pevetera, de- ren Bliithen einen sehr angenehmen Heiiolropiuin-Geruch ha- Lenj, Tagcles caracasana^ T. scoparia von Lagasca cHr. Bon- pland hat diese Pflanze in die spanischen Gärlen eingeführlj, Croton hispidus^ Smilax scahriusculus^ VAmnoch^vis Humboldti Rieh. , Equiselum raitiosissiinum , Heterantiiera allsmoides, (j\yc\n^ punctata ^ Hvplis Piumeri, Pavonia canceilata Cav., Sperinacoce rigida^ Crotolaria acutifolia, Polygala tiemorosa, Stachylarpheta mutabilis, Cardiospermuni ulmaceum^ Aina- ranthus caracasanus , Elephantopus strigosus , Hydrolea rnol- lis , Alternanthera caracasaiia , Eupatoriurn amygdalinurn-, VAyXrAvidL fasciculatui S&\viajimbriata, Angclonia salicaria, Heliotropium strictuni . Convoivulus Batatilla^ Rubus ja- maicensis , Datura arborea, Dalea cnncaphylla, Buchnera rasen ^ Salix Huniboldciana Willd. , Thenphrasta longifolia, Tourneforlia caracasana, Inga cinerea^ I. ligustrina, I. sa- pindioides, I. fasluosa, Schvvenlu'a palens , Erythrina /«/^ij-. Die angenehjnsten botanischen Spaziergange, welche inan in. der rSahe der Stadt Caracas machen Kann, sind die nach den Rergschluchten von Tacagua, Tipe, Cotecila, Catoche, Ajjiuico und Ciiacaito. C^ on den Pllanzen, die zwisi.iun 800 und 1 »00 Toisen, auf der SiJla, in der Region der Refarien, der Trixis nereifolia und der INlyrica caracasana wachsen , vei-gleicJie man oben, Th. II, Hap. i). S. 418 folg) In den vier von uns herausgegebenen Wei Ken der beschreibenden llotanik, dea Pl'iutes equino.xiales ^ der Alunographie des Rhexia ^ der- jenigen der MelusCi)tTt.es uMd den Nu^'u Genera., iindci» sich 6; B u c h F. Wir befanden uns bev 835 Toisen über der Meeres- fläche: es ist dies heynahe die Höhe von Popnyan^ al- lein die nüttlere Temperatur des Orts betrügt wahr- scheinlich nur 17° bis 1^° '*'). Dieser liergpa/s wird stark gebraucht 5 man begegnet unaufliörlich langen Zügen von Manllliieren und (Jchsen^ und er bildet die Landstrafse, welche aus der Haupt; ladt nach Victoria und in die Thüler von Aragua fülirt. Der V\ eg ist in einen talkigen **_) und verwitterten Gneifs eingeschnit- ten. Eine mit Glimmerblätlchen vermengte Thonerde bedeckt den Felsen drey Fufs hoch. hn Winter ist der Staub lästig, wogegen in der Megenzeit das Land zum Sumpf wird. Beym Herabsteigen vom Phileau von Bueha-Vista findet sich etwa fünfzisr Toisen tiefer süd- o ostwärts eine wasserreiche Quelle, die aus dem Gneifs hervorkommt und mehrere vom dicksten Pfiauzenwuchs eingefafste Cascaden bildet. Der Fufs weg, welcher zur Quelle führt, senkt sich so schnell, dafs nsan die Spitze der baumartigen Farnlsräuter, deren Stamm über 26 Fufs hoch ist, mit der Hand erreichen kaim. Die um- stehenden Felden sind mit Jungermannien vmd INToosen aus der Familie der Hypnum überzogen. Der durch dia die Pflanzen der verschiedenen Theile des spanischen America den nalürlicJicn Familien gem.'irs gesammelt und geordnet : in dieser JieisL'kfschreiöiing suclie ich, was dem n.imhclien Ort angehört, •zusammeny.uslellen, nicht um eine Flora zu liefern, sondern damit hotanisciie I-eser die Physiognomie der I-and- schaft und die Gestaltung iiires Pilanzcmvuchses auffassen mögen. *) Von 1 j^, 6 zu 14", 4 Reanmur. **) Die Piici:!ung der Gneifslager wechselt; sie ist entweder St. 5, 4 mit Senkung nach IS. W. , oder St. 8, 2 mit Senkung nach S. O. Kapitel XK 65 die Quollo gebildete und durch die Heliconia *) beschat- tete Berifslroin entblülst in seinem Sturze die Wurzeln' der Plumeria**), des Cupey ***)^ der ßrovvnea und des *) ]lr. fJrcdeinever , vvelclier wfchllge Handschriften über die Pilaiv/.en von Caracas j)psil/,t , hal eine Musacee unter dem ISamen der Heliconia Cassupa beschrieben. Sie wäcJist nur in st'Jir gemalsiglen oder J.alten Orten. Wir können niclit sa- gen, ob es die auf der vSilla wachsende Art ist, (sielie oben, TI». II, Kap. iJ, S. i)2cO; denn die Herren Bredemeyer und Hose iiaben weder den üiplel dieses Cerges erstiegen , noch di'! Celarias einer so hoch gelegenen Gogond gesehen. **) Der Jasminhauin (Prangipanier) der Infreln. Die in den Gär- ten der Indianer so gemeine Piumeria ist nur selten wildwach- send angetroffen worden. Sic kommt hier in Gesellschaft des Piper /iage//are vor ^ dessen Blumenscheide bis an drej Fufs Lange jiat. In Gesellschalt der neuen Art des Feigenliauiil9, welchen wir Ficus gigäntea {Nol'. Gen., Tom. H, p. 48) nann- ten, weil er eine Höhe von 100 Puls erreicht, findet sicli in den Bergen von Buena- Visla und Los Teques der Picus nynt-i pha'iföüa des Gartens von Schönbrunn, welchen Hr. ßrede-, mcjer in unsere Garten eingeführt hat. \oi\ der Identität der am gleichen Standort enthobenen Art bin ich liberÄeugl^ ob es aber auch der wahre F. njmpha;ifoiia des l.inne' sey , für des- sen Vaterland man Ostind'en hält, daran xweifie ich. ***) In den Versuchen, die ich in Caracas mit der in den Pflan- zen umlaufenden Luft anstellte, war mir der schöne Anblick auffallend, den die Stiele und Blätter der Ciusia rosea gewäh- ren, wenn sie, den SonncnslraJilen ausgesetzt, unter dem Was- ser abgeschnitten werden. Jede Röhre liefert eine Strömung von Gas, welches um 0,08 reiner ist als die atmosphärische Luft. Die Erscheinung hörte auf, sobald die Vorkehrung in Schatten gestellt ward. Die Luftentwicklung geht aucli nur äuiserst schwach auf beydcn Oberilächcn dei- Blatter der Ciu- sia vor sich, wenn dieselben, unabgeschnitten, im Wasser der Sonne ausgesetzt ^vcrden. Das in den Saameneapseln des Car- diospermum vesicurium enthaltene Gas schien mir eben so viel Sauerstoff zu entliallen, als die Atmosphäre, während das zwischen den Knoten und in den hohlen Stengeln enthaltene Alex, u, Humbotdtt Aiit. fleisen. JII. ^ 66 Buch V. Ficus giganfea. Diese feuchte und von Schlangen te- woimte Gegend bietet den Pflanzenforschern die reich- sten Jirnten dar. Die Brownea, von den Einwohnern Rosa del yioiite oder Palo dt Cruz genannt, trägt bis vier- und fünfhundert Purpurblüthen in einem einzigen Straufse vereint. Jede Blume hat sehr beständig eilf Staubfäden, und dies prachtvolle Gewächs, dessen Stamm die Höhe von 5o bis 60 Fufs erreicht, wird selten, weil sein Holz eine sehr geschätzte Kohle liefert. Der Boden ist mit Ananas, Heniimeris, Polygalas und Melastomen überzogen. Ein grasartiges Rankengewächs *) verein- bart durch leichte Gewinde Bäume, deren Daseyn das sehr kühle Klima dieser Berge bezeugt. Darunter sind die Araiia capitata **) , die Vismia Caparosa und die Clethra fagifolia. Mitten unter diesen, der schönen Gegend der baumartigen Farnkräuter (regiou de los helechos") eigenthümlichen Gewächsen erheben sich an lichten Stollen einige Palmbäume und _einzelne Gruppen des Guarumo oder der silberblätlerigen Cecropia, deren dünne Stämme gegen die Spitze zu schw^arz und wie durch den Sauerstofl' der Atmosphäre verbrannt aus- sehen. Es ist ein befremdlicher Anblick, dafs ein so schöner Baum, der die Gestalt der Theophrasten und Palmbäume hat, gewöhnlich nur acht bis zehn Kron- blätter trägt. Die Ameisen, welche im Stamme des Guarumo oder Jarumo nisten und seine inneren Ge- ülierliaupl weniger rein ist. Es enthält nur o, 12 bis o, i5 Sauerstofi". Man nmfs die in den Piöhren umlaufende Luft von derjenigen untersclieiden , welche in den_groisen J^ölllen der Stengel und in den Saamenbehaltern stockend verweilt. *) Carice. Siehe oben, 'I'h. II. Kap. 6. S. i5. **) Candelero. >Vir fanden iiu: auch auf Cumbre. iu -00 Toisen Höiie. Kapitel XK ()2 fache zersti5ren, scheinen das Wachsthum desselben zu heiiiinen. Wir hatten schon frülior auf diesen ge#näs- sigliMi Cerg(Mi des Hiij^ucrote herborisirt^ im Chrlstnio- nal und im Begleite des General- Capitains^ des Herrn von Guevara, bey einem Ausflüge, welchen er mit dem Intciulnnt der Provinz nach den Mulles de Aragua un- ternahm. Damals entdeckte Hr. Bonpland, in der dich- testen Abtheilung des Waldes, einige Stämme des Agua- tire , dessen durch seine schone rothe Farbe berühmtesl Holz einst ein Ausfulirartikel nach Europa werden kann. Es ist die Sicking-ia Erytüvoxylon, welche die Herren Bredemeyer und Willdenovv beschrieben haben. im Hinunterstüigen auf der büdwestseite des mit Waldung bedeckten Higuerote kommt mau zu deiil klei- nen Dorfe San Pedro '■•'), das in einem Becken lie^t, in welchem mehrere Thalgründe sich vereinen, und das nahe an 3oo Toisen niedriger ist, als das Plateau der Buena- \'i5la. Es werden da neben einander der Pisang-, Karlolfeln ■■■'■•) und Haifee angebaut. Das Dorf ist nur sehr klein, und der Kirchenbau war nocli nicht vollen^ det. \n einem Wirthshaus Cpiilperia) trafen wir meh- rere, bey der Tabakpacnl angestellte spanische Eui'o- pöer. Ihre Stimmung war von der unsrigen sehr ver' scliieden. Von der tSeise ermüdet, ergossen sie sich in Klagen und Verwünschungen über das unselige Land (_esiiis lierras injelices};) worin sie zu leben gezwungen seyen. Wir hingegen konnten im Kuhnie der wilden Schönheit der Gegend, des fruchtbaren Bodens und des milden Klima s nicht satt werden. In der INä'ie von San Pedro gfiiil der talkartige Gneifs von Buena Vista in ei- nen Gliniinerschiefer über, worin seiir viele Granaten *j AIjsolule Hölie , 58 i Toisen. *'.) Soianurti luLcrosuiu. 6& B V c h r. vorkommen, und welcher untergeordnete Serpenlin- lagej:.. enthält. Diese Lagerung gleicht derjenigen von Züblitz in Sachsen. Der Serpentinstein, welcher sehr rein und von einer schön grünen Farbe ist, scheint öf- ters nur auf dem Glimmerschieier aufzuliegen. Ich land einige Granaten darin, aber keinen körnigen Strahlslein (diallage metalloide). Das Thal von San Pedro, worin der gleichnamige Flufs strömt, theilt die zwey grofsen Gebirgsmassen des Higuerote und des Las Cocuyzas. Westwärts stiegen wir durch die kleinen Mevereyen von Las Lagunetas und Garavatos wieder bergan. Es sind dies nur einige einzeln stehende Häuser, welche Wirthschaft treiben; die Mavilthiertreiber linden hier ihr Lieblingsgetränk, den Guarapo, oder den Gährungssaft des Zuckerrohrs. Die Indianer, welche diese Strafse besuchen , sind dem Trunk insbesondere sehr ergeben. JNahe bey Garavatos findet sich ein Glimmerschiefer-Fels von seltsaniem Aus- sehen; er stellt eine Gräte oder steile Mauer vor, auf der zu oberst ein Thurm steht. Wir öfineten den Ba- rometer auf der Spitze des Berges Las Cocuyzas ••), und fanden, dafs wir uns beynahe auf der nämlichen Höhe wie auf dem Plateau von Buena-Vista, oder doch kaum IG Toisen höher befanden. Man geniefst in Las Lagunetas eine sehr weite, aber ziemlich einförmige Fernsicht. Die bergigte, un- bebaute Landfchaft, zvvisclien den Quellen des Guayre und des Tuy, beträgt über ^5 Geviertnicilen. Es be- findet sich darin ein einziges elendes Dorf, Los Teques genannt, süd- ostwärts von San Pedro. Der Boden ist wie gefurcht durch eine Menge Thäler^ von den«m die kleinsten, mit einander parallel laufend, sich rechtwink- *) Höhe, 845 Toisen. Kapitel XK 69 Hellt den breitesten Thälern anschliefsen. Die Gipfel der Berge sehen eben so einlörmig aus wie^die Schluch- ten. Man sieht weder pyramidalische Gestaltungen, noch Auszackungen, noch steile ßorgwände. Ich ver- muthe, es sey die, meist sanfte und nellenförmige Be- wegung dieses Erdreichs weniger ein Ergebnifs der Be- schaffenheit der Felsen, zum Bey spiel der Verwitterung des Gneifses, als vielmehr des langen Aufenthalts der Gewässer und der Kraft ihrer Strömungen. Die Kalk- berge von Cumana zeigen nordwärts vom Tumiriquiri eine gleichartige Gestaltung ■•'). Von Las Lagunetas stiegen wir ins Thal des Rio ^ Tuv hinab. Dieser nördliche Abhang der Berggruppe von Los Teques führt den INamen Las Cocuyzas 5 er ist mit zwey agave-blätterigen Pflanzen bewachsen, dem IMagney de Cociiyza und dem IMaguey^ de Cocuy. Der letztere gehört der Gattung Yucca an ^*'"'_) : aus seinem zuckerhaltigen Gährungssaft wird durch Destillirung Branntwein bereitet ; ich sah die jungen Blätter als Speise geniefsen ; aus den alten Blättern werden über- aus zähe Seile verfertigt '••'■••'••). Wenn man die Berge von Higuerote und Los Teques verläfst, kommt man in eine Landschaft, die reich bebaut, mit Weilern und Dürfern, deren mehrere in Europa Städte heifsen wür- den, übersetzt ist. In einer Entfernung, die zwölf Meilen beträgt, von Osten nach Westen, stehen ia Vit- toria, San Matheo, Turmero und Maracay, welche zusammen eine Bevölkerung von mehr denn 28,000 Ein- *) Siehe oben, Th. II. Kap. 6. S. 81. **) Es ist unsere Yucca acaulis. Nov. Gen., Tom. I, p, 289. »**) Ein Maguey-Scil, 5 Linien im Durchmesser, hatte am Uhrwerk der Kathedralkirche von Caracas, teil i5 Jahrca, ein Gemcht von j5o Pfund getrogen. fo B V c h V. Vrohnern lialton. Die Ebenen von Tiiy I<ünnen als das ijstliche F-nde derThäler von Araj^iia aiiffeselien m erd'n, welche sicli von Gviiüue^ an den Gestaden des Valincia- SeeSj bis an den Fuf^ des La« CocuA'zas ausdehnen. Das barometrische Nivellement hat mir 2q5 Toisen als ab- solute Hühe der Falle del Tiiy , nahe beym Meyerhofe von Manterola^ und 222 Toisen für die Wasserfläche des Sees gegeben. Der Rio Tuy, welcher in den Berpen von Las(yOcuyzas entspringt, nimmt anfangs seinen Lauf westwärts, hernach dreht er sich nach Süden und Osten, zieht liings den hohen Savaoen von Ocumare hin, em- pfingt die Gewässer des Thals von Caracas, und mün- det unter dem Winde des Cap Codesa aus. Es ist der Weine, westwärts gerichtete Theil seines Beckens, wel- cher, geologisch gesprochen, als den Thälern von Ara- gua angehörend konnte erachtet werden, wofern die aus Kalk-TulT bestehenden Hüi-el, welche zwischen Can- sejo und Vittoria den Zusammenhang dieser Thäler tren- nen, nicht einige Beachtung verdienten. Wir erinnern hier nochmals, dafs die Berggruppo von Los Teques, welche 85o Toisen Höhe hat, zwey Liöngenthäler von einander sondert, die in Granit, Gneifs und Glimmer- schiefer ausgehülilt sind ; und dafs das östliche Thal, worin die Hauptstadt Caracas befindlich ist, 200 Toisen höher Hf*gt, als das westliche Thal, welches als der Mit- telpunct des landwirthschaftliclien Kunstfleifses betrach- tet werden kann. Da wir seit geraumer Zeit an eine gemäfsigte Tem- peratur *) gewöhnt waren, so fanden wir die Ebenen von Tuy aufserordcntlich heifs. Dennoch stieg der Ther- mometer öinTage, zwisclion 11 L'hr.Morgens und 5 Uhr Abends, nicht über 23 oder 24°. Des Nachts trat eine *j Auf 1," F.. Kapitel XV. 71 sehr anffenohme Külile o\x\, indem die Temperatur der Luft bis aut"i7°, 5 herabsank. Jin Verhältnils mit der Abnahme der Wärme schien die Luft von V^ ohlgerüchen der Ptlanzen mehr erlullt zu werden. ^^ ir unterschie- den zunächst die küstllclie Würze der J^irio hermoso, einer neuen Art des Pancratium "), dessen Blume 8 bis g Zoll lang ist; und das die Gestade desMioTuy schmückt. Wir braciilen zwey Tage sehr angenehm in der Pflan- zung des Don Jose de Manterola zu, welcher in seiner Jugend bey der spanischen Gesandtschaft in Kufsland angestellt gewesen war. Als Züiiflin£: und Günstling- des DO Co o Hrn. von Xavedra, eines der einsichtsvollsten Intendan- ten von Caracas, w^oUte er sich, nachdem dieser be- rühmte iVjann ins Ministerium gelangt war, nach Eu- ropa einschiffen. Der Gouverneur der Provinz, wel- cher den Einflufs des Hrn. von Manterola fürchtete, liefs ihn im Hafen anhalten 5 und als der Befehl des Hofes, der den willkürlichen Verhaft aufhob, eintraf, war der Minister bereits nicht mehr in Gunsten. Auf i5oo Meilen Entfernung von den Küsten der americanischen Aequinoctial- Lande mag man nicht leicht zu rechter Zeit eintreffen, um den Einflufs eines Staatsbeamten zu benutzen. Die Meyerey, in der wir uns aufhielten, ist eine schöne Zuckerrqhr- Pflanzung. Ihr Boden ist geebnet, ^vie der Grund eines ausijetrockneten Sees. Der Hio Tuy schlängelt sich durch einen Landstrich, der mit Pisangbäumen und einem Wäldchen aus Hura crepitans, Erythrina Corallodendron und dem nvmphäablättrigen Feigenbaum bewachsen ist. Das Flufsbett besteht aus Quarzgeschieben. Ich kenne keine angenehmeren Bä- der als die des Tuy-Flusses. Das krystatlhelle Wasser *) PaHcratium undulatum {Nou. Gen. , Tom. I , p. 380.) fZ Buch V. behält auch den Tag über die Temperatur von ig°, 6. Für dieses Klima und für eine Hübe von 3üo 1 oiyen ist lätter die drey Arten des Zuckerrohrs, wel- che angebaut werden: das alte creolische Rohr, das Kohr von Otaheiti und dasjenige von Balav ia. Die er- stere Art hat Blätter von dunklerem Grün, einen dün- neren Stengel und näher beysammen stehende Knoten. Es ist dies das Zuckerrohr, welches aus Indien zu- erst in Sicilien , auf den canarischen Eilanden und auf den Antillen eingeführt ward. Die zweyte Art unterscheidet sich durch ein helleres Grün. Ihr Stengel ist höher, dicker und saftiger. Die ganze Pflanze drückt ein üppigeres Wachsthum aus. Man verdankt sie den Reisen von Bougainville, Cook und Kapitel Xr. 73 Bliffli *). Bongainville brachte sie nach Isle de Fran- ce, von wo sie aut'Cayenne und Martinique, dann seit I7g2 üucli auf die übrigen Antillen verpflanzt ward. Das Zuckerrohr v^on Ütaheiti, das To der Insulaner, ist eine der wichtigsten Erwerbungen, welche die Land- >A irthschalt der Colonien, seit einem Jahrhundert, den Reisen der Naturforscher verdankt. JNicht nur liefert es, auf ö;leichem Landesumfang, einen Drittheil Fezou mehr als das creoUsche Piohr; sondern, um seines dicken Stengels und seiner zähen Holzfasern willen, gewährt es auch ungleich mehr Brennstoff. Dieser letzte Um- stand ist für die Antillen-Insehi sehr wichtig, weil die Zerstörung der Waldungen die Pflanzer längst nüthigte, sich der Tresler als Feuerung unter dem Siedekessel zu bedienen. Ohne die Kenntnifs dieser neuen Pflanze, ohne die Fortschritte der Landwirthschaft auf dem Fest- lande des spanischen America, und die Einführung des indischen und Java-Zuckers würden die Umwälzungen von St. Domingue und die Zerstörung der grofsen Zu- ckerpflanzungen dieser Insel einen noch weit bedeuten- deren Einflufs auf den Pjeis der Colonial-Waaren in Eu- ropa gehabt haben. Das Kohr von Otaheiti ward von der Insel Trinidad nach Caracas gebracht '-''"O- Von Ca- racas gieng es nach Cucuta und San Gil im Königreich Neu-Granada über -''«''O« Heutzutage hat ein 25jähriger *) Siehe meine Tableaux de la Nature ^ Tom. I, p. 74; Nov. Genera^ Tom. I, p. 181 ; und eine Note der Herren Tliouin und Du Buc in der Voyage ä la Trinit6^ Tom. II, p. 557 — 562. **) Durch die Sorgfalt der Herren Don Simon de Majora, ]\Tartin Iriarte , i\Ianuel Ayala unil Andres Iharra. ***) Unter dem Namen Canna solcra. Siehe die Nachricht des D. Eloy de Valenzuela, Pfarrer in Bucaramanga, in dem Seman. de Santa-Fe.) Tom. U. p. i5, 74 ' Buch V. AnLau dlo anfangs gehegte Besorgnifs fa5t ganz ge- hoben, es möchte dasselbe, nach America verpHanzt, alhiiiililig ausarten, und so dünn wie das crtolische Bohr werden. Wenn es eine AJ^art ist, so ist es eine sehr standhafte Abart Die dritte Art, das violette Zu- ckerrohr, welches Canna de Butavia oder de Guinea genannt wird, ist zuverlässig auf der Insel Java einhei- misch, wo dasselbe vorzüglich in den Bezirken von Ja- para und Pasuruan angebaut wird *}. Seine purpur- farbenen Blatter sind sehr breit; in der Provinz Caracas gii'bt man ihm für die Kumbercitung den V^orzug. Die iuhlones oder mit Zuckerrohr bepflanzten Felder wer- den durch Hecken einer colossalen Grasart, des Ltcttta oder Gyneriuni mit zweyreihigen Blattern, gesondert. In Tuv war man mit Beendigung eines Dammbaues be- schäftigt, um einen Wässerungscanal herbeyzuleiten. Diese Unternehmung hatte dem Eigenthümer 7000 Pia. sler SLW Baukosten und 4000 Piaster an Procefsauslagen mit den Nachbaren gekostet. Während die Sachwalter sich um einen erst noch halbbeendigten Canal stritten, iieng Hr. von Manterola sogar die Ausführbarkeit des Werks zu bezweifeln an. Ich nahm das Nivellement des Bodens mit dem auf einen künstlichen Horizont gebrach- ten Probierglas vor, und fand, dafs der Damm um acht Fufs zu niedrig angelegt war. Wie vieles Geld sah ich in den spanischen Colonien unnütz verschwenden, für Bau -Anlagen, die auf irrige Nivellements berechnet waren ! Das Thal von Tuy hat „seinen Goldschachf^' wie fast jeder, von Weifsen bewohnte und an's Ui'gebirg stos- sende Ort in America. Fremde Goldwäscher, erzählte man, hätten im Jahr ij'So in der Goldschlucht (ravin *> Raffles, Hist. of Java^ Tom. I. p. 124. H a p i t e I XP'. 75 ile rOro) GoMl^ürnor ^esanimolt und eine Wascliein- rjchlung^ gemacht. Der Geschältsf'iilirer (öder Major- donius^ einer lienachbarton Pflanzung liatto die;;e Spuren verfolgt: nian fand unter seinem Naclilaf? einen Kan)isol| mit GoldI ^6 B II c h V. staltung des Landes betrofFen. Die Trockenheit der Luft ist so "Tols, dafs Deluc's Hygrometer *J Tag und iNacht durch zwischen 36° und 40° zeigt. In einiger Entfer- nung vom Flusse trift't man nur selten einige Hura oder baumartige Piper an, welche ein dürres Gebüsch be- schatten. Diese Ersclieinung ist ohne Zweifel eine Folge der Trockenheit der Luft^ die im Hornung ilir Maxi- *) ISach'teliendcs ist eine Reihe hygrometrischer Beobachtun- gen, die ich in den Thälern von Tuy und Aragua im Schat- ten angestellt habe; der Fischbein -Hygrometer war sorgfäl- tig auf den höchsten Feuchtepunct reducirt. Hacienda de Manterola CHöhe 296 Toiscn). Am n. Febr. um 1 Uhr, Hygr. 560, g; hunderllh. Therm. 26", 6*, um 4 U. H. 54", 7- Th. 270, 5; um 12 U. (Nachts) H. 58°, 8. Tb. 22°, 5. Am 12. Febr. um 22 U. Morgens, H. Jy", 8. Tb. 26" 5 um 5 U. H. 55% o. Tb. 26°, 2; um 1 1 U. H. 42°, 6. Th. 210,2. Hacienda de Cura (Höhe 226 Toisen). Am 14. Febr. um 2 U. H. 55% 2. Th. 27°, 5; um 4 U. H. 54% 0. Tb. 28% i ; um 5U. 5o'. H. 54°, 2. Th. 26% 5; um 7U. 56°, 7. Th. 25°; um 12U. H. 59°, 5. Am i5. Febr. um 2 U. 5o'. H. 54°, a. Th. 25°; um 11 U. H. 5/°, 6. Th. 25°, 7. Am 16. Febr. um 18 U. H. 58°, 5. Th. 20°, o; um 21 U. H. 59°, 7. Th. 25°, 5; um5U. 5o' H. 55% 2. Tb. 26°, 2; um 9U. H. 37°, 6. Th. 25°, 5: lun 11 U. H. 58°, 6. Th. 22% 7. Am 17. Febr. um 19 U. H. 59°, 6. Th. 21°, 2 ; um 1 U. H. 55°, 2. Th. 26°, 5; um 12 U. H. 57°, 4. Th. 220,6. Am 19. Febr. um 4U. H. 54° Tb. 25", 2; um 12 U. H. 58°, 7. Tb. 220,5. Während aller dieser Beobachtungen war der Himmel hell und wolkenlos. Die mittlere Feuchtigkeit des Hornungs schien mir in den Thälern von Aragua , bey 240, 5 mittlerer Temperatur, 55o — 56° Deine, oder 70° 8 bis -20 Saussure gewesen zu seyn. Diese Zahlen bezeiclincn eine beträcht- liche Trockenheit, wenn man an den gewöhnlichen Stand des Hygrometers in den Tropcnländern denkt. (Siehe oben, Th. I. Kap. 5. S. 567.) In Paris und Genf steigt die Feuch- tigkeit der Monate, welche 18° mittlerer Temperatur errei- chen, über 82° Sauss. Kapitel XF. 77 mum erreicht^ und keineswegs, wie die europäischen Colonisten ineynen, j^des Wechsels der Jahrszeiten in Spanien, deren Wirkungen sich bis in die heifse Zone ausdelinen."^ Wur die aus einer Halbkugel in die andere verpflanzten Gewächse bleiben , in ihren organischen Verrichtungen, in der Entwiclvlung ihrer Blätter und Blumen, mit einem entfernten Klima gleichsam einver- standen, indem sie, ihren Angewühnupgen treu, seine periodischen Wechsel fürdauernd beybehalten. In der Provinz Venezuela fangen die Bäume, welche ilir Laub verlieren, einen Monat beynahe vor dem Eintritt der Regenzeit, neues zu treiben, an. W ahrscheinlich ist vim diese Zeit das electrische Gleichgewicht der Luft bereits gebrochen, und die Atmosphäre, wenn schon noch keine Wolken sichtbar sind, wird allmählig feuchter. Die Azurfarbe des Himmels erblafst, und die höheren Ke- gionen beladen sich mit leichten und gleiclifürmig ver- breiteten Dünsten. Man kann, diese Jahrszeit als das Er- wachen der Natur ansehen; es ist ein Frühlinff, wel- eher, nach der in den spanischen Colonien gewohnten Sprache *), den Eintritt des Winters verkündigt, und auf die Sommerhitzeyb/y/. V ormals ward Indigo in der Ouebrada seca an- gebaut; weil aber ihr mit Pflanzen überwachsener Bo- den so viele Wärme nicht zurückstrahlt, als das flache Land oder der Thalgrund von Tuy empfängt und wie- der ausstrahlt, so ward jener Culturzweig mit dem des Kafi'ees vertauscht. So wie man in der Bergschlucht *) TVinter nennt man denjenigen Theil des Jahrs, uorin am meisten Regen fallt, so dafs auf der Terra -Firma die mit dem VVinlcr - Solstitium anfangende Jaiirszeit der Sommer ,heifst, und man täglich sagen hört, es sey TVinter auf den Bergen, zur gleichen Zeit, wo im henachharlen flaclien Land Sommer ist. 78 Buch F. vorrückt, vermehrt sich die Feuchtigkeit. Nahe Leym Hulo , am nördlichen Ende der Qiiebrada , fanden wir einen Bergstrom, der sicli über eingesenkte Gneif^lager niederstürzt. Man arbeitete an einer Wasserleitung, die sein Wasser der Ebene xuführen sollte. Ohne Wässerung mag die Landuirthschaft in diesem Klima keine Fort- schritte machen. Ein Baum '■'} von riesenhaftem Wuchs zog unsere Aufmerksamkeit an. Er stund am Abhang eines Berges über dem Hause des Huto. Da be\m klein- sten Erdschlipf sein Fall die Zej'störung des von ihm be- schatteten Gebäudes nach sich ziehen mufstc, so ward er nahe am Boden angebrannt und auf solche \\ eise ge- fällt, dafs er zwischen gewaltige Feigenbäume zu liegen kam, die sein Herabrollen in die Schlucht henunten. Wir niafsn den umgestürzten Baum. (JJiüleich sein Obertheil vom Feuer verzehrt war, betrus die Länye seines htammes doch noch i54FuIs ■■" 0 j sein Durchmes- ser nahe an den Wurzeln war 8 Fuis^ und am oberen Ende 4 Fufs 2 Zoll. Unsere Führer, denen die Baumdicken gleichgül- tiger als uns waren, drangen zum Weitergehen und zum Aufsuchen des „Gold - Schachts^'. Dieser minder be- suchte Theil der Schlucht ist ziemlich merkwürdig-. Hinsichtlich auf die geologische Beschaftenheit des Bo- dens machten wir folgende Bemerkungen. Am Eingang des Quehrada seca sahen wir grofse Massen von ziem- lich feinkürnigem Urkalkstein, derblaulicht gefärbt und mit einer Menge Kalkspathadern von glänzendem Weifs durchzogen war. Man darf diese Kalksteinmassen nicht mit den viel jüngeren INiederschlägen von Tutl" oder kohlensaurem Kalk verwechseln, welche die Ebenen *j Hura crcpitons. *'^ Französisches Maafs, ungefähr 5o Meters. Kapitel S.V. ^g von Tuy ausfüllen: sie bilden Lager in einem Gliminex'- schiefer, welcher in 'J^alltscliiefer *) übergeht. Oefters bedeckt der Urkalkstein dies letztere Gestein nur in überoinslinimender Scliichtung (Stratificatioa concordan- te) *''''3. Ganz nahe beyni Halo wird der Talkschiefer völlig weifs, und enthalt schwache Schichten von zartem und Jettigeni Zeichenschicftr (Ampelite graphi«|ue). Ei- nige Stücke, die kein« Quarzadern haben ^ sind ein äch- ter küriiigter Graphit, welchen njan für die Kunst be- nutzen künnte. Der Anblick des Felsens Ijat etwas ganz aufserordentliches an den Stellen, wo dünne Blättchen schwarzer Kreide mit den bogigen und athisarligen Blät- tern eines schneeweifsen Kall-.schiefers abwechseln. Man möchte sagen, der Kohlenstoff und das Eisen, welche anderswo das Urgestein lärben, haben sich hier auf un- tergeordnete Lager coiicentrirt. Eine vvestliclie Krümmung brachte uns endlich in die Goldschlucht (^Qiiehrada del Oro~). Man hatte Mühe, die Spur einer Quarzader am Abhang eines Hügels aufzufinden. Das durch Hegengüsse eingestürzte Land hatte die Oberfläche des Bodens verändert, und machte jede Beobachtung unmöglich. Schon dehnten sich jetzt grofse Bäume auf den Standorten aus, wo vor zwanzig Jahren die Goldvväscher gearbeitet hatten. Es ist wahr- scheinhch, dafs der Glimmerschiefer hier, wie in der Gegend von Goldkronacli , in Franken und im Salz- burgischen, goldhaltige Adern enliiält. Wie könnte man aJ)er entscheiden, ob eine bauwürdige Lagerstätte Cgile} *) Aechtcr Wernersclier Talkscliiefer ohne Gr.malen und ohne Serpentinstein . nicht der JVeifsstein oder nuriie. In ilen Bergen von Buenavista zeigt der Gneifs. clicr eine INeigung zum UeLergang in den Weifsstein. **) Piitlilung St. 5. 5. ISeigung zu yo'^ sudöstl. So B u c h V. vorhanden sey. oder ob das Erz nur nestervveise und um so seltener^ als es reicher isl^ vortioiiune? Uin Ai^n ernuulenden Ausflug nicht ganz vergeblich getlmn zu Laben ^ herborisirten wii* eine geraume Zeit in der dich- ten Waldung, die sich jenseits des Halo ausdehnt, und worin die Cedrelas, die Browneen und die nyuiphsea- blättrigen Feigenbäume in Menge wachsen. Die Stämme dieser letzteren sind mit sehr wohlriechenden Vanille- Pflanzen bedeckt, welche grofsentheils erst im Monat April blühen. Es fielen uns hier abermals jene holzi^len Auswüchse auf, die, in Geslalt von Gräten oder Hippen, die Stammdicke der aniericanischen Feigenbäume so aus- serordentlich und bis auf 20 Fufs über den iJoden aus- dehnen. Ich habe Stämme angetroffen, die nahe an den Wurzeln 22 und einen halben Fufs Durchschnitt hatten^ Bisweilen trennen sich diese holzigten Gräten acht Fufs toch vom Stamm, und verwandeln sich in cylindrische, zwey Fufs dicke W urzeln. Der Baum erscheint alsdann wie von Strebepfeilern getragen. Diese Stützen dringen jedoch nicht sehr tief in die Erde ein. Die Seitenwur- zeln schlängeln sich auf der Oberfläche des Bodens ; und wenn man sie, bey zwanzig Fufs vom Stamm entfernt, mit der Axt durchhaut, so quillt der Milchsaft des Fei- genbaums hervor, welcher, sobald er der lebendigen Thätigkeit der Organe entzogen ist, sich verändert und gerinnt. Wie wunderbar erscheint uns die Zusammen- iügung der Zellen und Gefäfse in diesen vegetabilischen Massen, in diesen Hiesenbäumen der heifsen Zone, die seit einem Jahrtausend vielleicht, ununterbrochen, näh- rende Flüssigkeiten zubereiten, dieselben bey löo Fufs in die Höhe treiben, sie alsdann wieder zur Erde herab führen und, unter einer rauhen und harten Binde, unter leblosen Schichten von Hol/fasern, alle Bewegungen dos organischen Lebens bergen ! Ich Kapitel XF. 8l Ich benutzte die Ijellen Näclite^ um in der Pflanzung von Tuv zwey Austritte des ersten und des dritten Ju- piteitrabanten zu beobachten. Diese zwey Beobachtun- gen galten, nach Delambre's Tafehi , die Länge von 4U. 39' 14"- Dem Chronometer nach f. La Caille hatte, auf seiner Reise nach *) Ami 5. Febr. trat das gänzliche Verschwinden schon 2S1. 5o' nach Sonnenuntergang ein. Die Höhe derF/raniide über dem Horizont war 5o°. Alex. V. Humboldts hist. Reisen III. (> 82 ß n c h V. Rio Janeiro und dem Cap, bereits die Schönheit des Zodiacal- Lichts zwischen den Wendekreisen bemerkt, welche weniger der minder gesenkten Lage, als der grofsen Reinheit der Luft zugerechnet werden mufs *^. Man dürfte es seihst befremdlich finden, dafs nicht schon lange vor Childrey und Dominic Cassini See- fahrer, welche die Meere beyder Indien besuchten, die Gelehrten Europas auf diesen durch bestimmte Form und Gang ausgezeichneten hellen Schein aufmerksam gemacht haben, wenn man nicht wüfste, wie wenig überhaupt dieselben, bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, sich um Dinge bekümmerten, welche nicht unmittelbar auf den Lauf des Schiffes und die Kunst des Steuermanns Bezug hatten. Wie glänzend indessen der Zodiacal-Schein in dem trocknen Thal von Tuy auch war, so habe ich ihn doch noch viel schöner auf dem Rücken der inexicanisclien Cordilleren, an den Gestaden des Tezcuco- Sees, 1160 Toisen über der Meeresfläche gesehen. Deluc s Hy- grometer geht auf diesem Plateau bis zu i5° zurück **_), und unter 21 Zoll 8 Linien des barometrischen Druckes ist die Extinction des Lichtes um xöW schwächer als in den Ebenen. Im Jenner 1804 stieg die Helle zuweilen mehr denn 60*^ über den Horizont. Die IVlilchslrafse schien vor dem nahen Glänze des Zodiacal- Lichtes zu erblassen 5 und wenn zerstreute bläulichte Wölkchen gegen Westen sich gesammelt hatten, sah es aus, als wolle der Mond aufgehen. Ich will hier einer andern^ sehr seltsamen Erschei- *3 Der überaus lielle Himmel machte im Jahr 1668 in den dürren Ebenen Persiens auf die Erscheinung aufmerksam. **) Bis auf 4aP, 8 Sauss., Ley 33°, 4 des hundertgr. Thermo« melers. H a p i t e l XF. 83 nung gedenken, die melirmals in meinen ^ an Ort und Stelle geführten Tagebüchern vei'zeichnet steht. Am iS- Jenner und am i5. Hornung 1800 trat eine sehr merkliche Veränderung des Zodiacal- Lichts von zwey 7.U zwey Minuten abwechselnd ein. Bald war es un- gemein schwacli, und bald übertraf es wieder den Glanz der Milchstrafse im Schützen. Der Wechsel hatte in der gan/.en Pyramide, füraus aber im Innern, von den Rändern entfernt statt. Während dieser Veränderungen des Zodiacal - Scheins deutete der Hygrometer grofse Trockenheit an. Die Sterne vierter und fünfter Grüfse stellten sich dem unbewalfneten Auge in unverändert gleicher Stärke des Lichtes dar. Keine Spur von Nebel war vorhanden, und es schien durchaus nichts die Rein- heit der Atmosphäre zu sturen. In anderen Jahren sah ich in der südlichen Halbkusfvl eine Zunahme des Lichts eine halbe Stunde vor seinem Verschwinden. Dominie Cassini anerkannte *_) „eine Abnahme des Zodiacal-Lich- tes in gewissen Jahren, und eine Wiederkehr seiner früheren Helle. ^^ Er hielt dafür, diese alhnählig ein- tretenden Wechsel rühren „von den nämlichen Ausdün- stungen her, welche die periodische Erscheinung der dunkeln und hellen Sonnenflecl;en begründen,^* allein dieser trefiliche Beobachter spricht nicht von dem Wech- sel der Stärke des Zodiacal Lichtes, welchen ich mehr- mals in den Tropenliind^rn innerhalb weniger Minuten wahrgenommen habe. Mairan bezeugt**^, in Frank- reich sehe man gar nicht selten, in den Monaten Jenner vmd Hornung, den Zodiacal Schein mit einer Gattung der INordlichter, die er unbestimmte (indecises) nennt, *) Mem. de fAcad. Tora. VIII, p. 164 u. 208. •*3 Traite de t Aurore bor. (ed. 2), p. 112, 166- Mem. de lAcad.. 1755, p. 482. Id, 1754.: p. 572. 84 B u c h r. vergosellschaftet, deren Nebelstoff sich entweder rings um den Horizont verbreitet^ oder gegen Westen dar- stellt. Ich glaube nicht^ dafs bey den Beobachtungen, deren ich so eben gedachte, eine Vermischung beyder Liichtarten statt gefunden habe. Der Wechsel der Stärke gieng in sehr grofser Hübe vor sich 5 das Licht war weifs und nicht farbigt, ruhig und nicht flatternd. Da- neben ist die Erscheinung des JNordlichts in den Tro- penländern so selten, dafs in fünf Jahren, obgleich ich im Freyen schlief und das Himmelsgewölbe mit der an- gestrengtesten Aufmerksamkeit beobachtete, ich doch niemals auch nur die mindeste Spur davon zu sehen bekam. Wenn ich alles zusammenfasse, was hinsichtlich der Veränderungen des Zodiacal-Lichts in meinen Tage- büchern verzeichnet ist, so bin ich geneigt zu glauben, es seyen diese Veränderungen nicht blofse scheinbare Ergebnisse gewisser Modificationen, die unsere Atmo- sphäre erleidet. Bisweilen habe ich, bey nicht minder hellen JNächten, das Zodiacal-Licht vergeblich gesucht, wenn es am vorhergehenden Abend in seinem grüfsteu Glanz erschienen war '"'). Soll man annehmen, dafs Ausflüsse (emanations), die das weifse Licht zurück- strahlen, und die mit den Kojuetenschw eilen Aehnlich- *) Mairan lialte das namlitlie umer unsein llimmelsstriclien wahrgcnoniinen. ;-Ich soll nicht unbemerl;l lassen, sagt er, dafs ich, in diesem Monat j4p;il , zwevnial keine Spur des Zodiacal-Iachts im Westen entdecken konnte , zu einer Zeil, die dazu vorzugsweise günstig schien, in der Tages- und Jahreszeit, worin dies Liclit am sichtbarsten ist. Dabey ist noch besonders zu beriierJ;cn, dafs dasselJie an jedem un- mittelbar folgenden Tage wieder sehr glänzend und aus- gebreitet erschienen ist.'- jMein. de l Acad. ^ iJJJ, p. 483, und Mairan Traice de CAurore bor. , ed. 2 , p. 26j. Kapitel XV. 85 Jt die Ernte. Die Körner OD C sind grofs , weifs und reich an Kleber : ihr Häutchen ist dünner und weniger hart als dasjenige des W eizens der sehr kalten mexicanischen Plateaus. Ein Morgen Lan- des *) erträgt in der Gegend von Vittoria gewöhnlich 3ooo bis 8200 Pfund Weizen. Der Durchschnittsertrag ist demnach hier, wie in Buenos-Ayres, zwey bis drey- mal so grofs als in den nördlichen Ländern. Alan erntet ungefähr die sechszehnfache Saat, während, den Ergeb- nissen von Lavoisiers Forschungen zufolge, der Boden Frankreichs im Durchschnitt nur die fünf- bis sechsfache Aussaat, oder eintausend bis zwölfhundert Pfund auf den Morgen erträgt. Dieser Fruchtbarkeit dos Landes und dieses günstigen climatisclien Einflusses uncrachtet ist die Pflanzung des Zuckerrohrs in den Thälern von Ar«- gua einträglicher als diejenige der Cerealien. •) Es ist die Picde von dem arpent des eaux et forets , oder arpent legal de France^ deren 1,95 eine Hectare aus- in aolit. Kapitel XF. 91 Dei' kleine Rio Calanchas fliefst tlurcli Vilforxa; derselbe mündet sich nicht in den Tuy^ sondern in den Rio Araüua aus: daher fol^t, dafs diese fcliüno Land- schalt , welche gleichzeitig Zuckerrohr und Weizen reift^ bereits dem Biclien des Sees von Valencia und einem System innerer Flüsse angehört, die mit dem ISIeer in keiner Verbindung stehen. Das auf der West- seile des Rio Ca'anchas gelegene Stadtquaitier führt den Namen la otra banda , imd ist der vorzüglich handel- treibende Theil. Ueherall sind Waaren ausgelegt, und die Strafsen bestehen aus Keihen von Kram')uden. Durch Vitloria gehen zwey Handelsstrafsen, diejenige von Va- lencia oder von Porto- Cabello , und die Strafse von Villa de cura oder der Ebenen, die den Namen camino de los LjIciiios führt. Man trifft hier verhältnifsmäfsig mehr Weifse s.x\ als in Caracas. Bey Sonnenuntergang erstiegen wir den kleinen Calvarienberff , der eine un- gemein schöne und ausgedehnte Fernsicht hat. West- wärts übersieht man die anmuthigen Thäler von Ara- gua , deren weites Erdreich mit Gärten, angebauten Feldern, wilden ßaumijruppen, Meyerhöfen und Wei- lern besetzt ist. Im Süden und Südosten sieht man, so weit das Auge reicht, die hohen Gebirge von la Palma, Guayraima, Tiara und Guiripa, hinter welchen die un- ermefslichen Ebenen des Calabozo liegen. Diese innere Kette dehnt sich westwärts aus, dem See von Valencia entlang, gegen Villa de Cura, Cuesta de Yusma und die zackigten Berge von Guigue. Dieselbe ist steil und allezeit mit dem leichten Dunste bedeckt, welcher in heifsen Climaten Aen entfernten Gegenständen eine hell- blaue Färbung ertheilt, und ihre Umrisse keineswegs verhüllt, sondern denselben vielmehr einen kräftigeren Ausdruck verleiht. Unter den Bergen der inneren Kette errei«hen, wie man glaubt, diejenigen von Guayraima 92 Buch V. bey zwülfljundertToisen Hübe. In der Nacht des 1 1. Hor- nung fand ich die Breite von V ittoria zu 10° i3' 35" j die magnetische Inclinalion war 40°, 80, die Intensität der entsprechenden Kräfte betrug 236 Schwingungen in zehn Minuten Zeit *J), und die Abweichung der JNadel 4° 40' nordöstlich. Wir wanderten langsam durch die Dürfer San Ma- theo, Turmero und Maracay nach der Hacienda de Cura, einer schönen Pflanzung- des Grafen Tovar, wo wir erst am 14. Hornung Abends eintrafen. Der Thal- grund dehnt sich immer weiter aus: er ist durch Hü- gelreihen von Kalk -Tuff, welcher hier tierra blanca helfstj eingefafst. Die Gelehrten des Landes haben ver- schiedene V^ersuche gemacht, um diese Erde zu calci- niren: sie verwechselten dieselbe mit der Porcellanerde, ^yelche aus verwitterten Feldspalh- Schichten entsteht. Wir verweilten einige Stunden bey einer eben so ach- tungswürdigen als kenntnifsreichen Familie, den üstariz, in der Coiicesion. Das Haus, worin sich auch eine gewählte Büchersammlung befindet, stellt auf einer An- höhe. Ein Lustwäldchen aus Balsamsträuchern C^al- samo') **) gewährt der Anlage Schatten und Kühlung. 3VTit einer lebhaften Theilnahme sahen wir die zahlrei- ch«in, im Thal zerstreuten und durch Freygelassene be- *) Die Intensität der magnetischen Kraft, wie ich sie in la Guavra, auf Vcnta grande, zwischen la Guavra und Ca- racas, und in Vitforia Cvon 2J4 bis auf 236o Schwingungen) fand, ist die stärkste, welche ich auf der Terra Perma beob- achtet habe. In dieser Zone , wo die Inclination überhaupt zwischen 40° und 45° beträgt, entspricht der mittlere Stär- kegrad 226 bis 228 Schwingungen. Es beruht dieser Zu- Tvachs ohne Zweifel auf irgend einer örtlichen Ursache im naheliegenden Gneifs, Glimmerschiefer und Granit. **) Amvris elata. Kapitel XK ' 93 wolinten Häuser. Es sind die Gesetze, die Institutionen und die Sitten der Freyheit der Keger in den spaniscljan Colonien günstiger, als in denen der übrigen europäi- schen iNationen. San Matheo, Turmero und Maracay sind reizende Dürfer, worin alles den grüßten WoliKlaiid verrälh. Man glaubt sich im gewerbfleifsiysten Theil von Cata- lonlen zu befinden. In der Nähe von San IVIatheo sahen wir die letzten Weizenfelder, und die letzten IVIühieu mit wagerechten Wasserrädern. Man erwartete eine zwanzi^fache Ernte nnd als wäre dies noch ein gar mäfsiger Ertrag, fragte man mich, ob in Preufsen und Polen das Getreide mehr ertrage? Einem in den Tropen- ländern allgemein verbreiteten Irrthum zufolge glaubt man, es seyen die Cerealien Pflanzen, welche, so v,ie sie sich dem Aequator nähern, ausarten und in den nürd- lichen Ländern reichere Ernten liefern. Seit man ge- lernt hat, einerseits den Ertrag der Ernten unter den verschiedenen Zonen, und anderseits die 'f'emperaturen, unter deren Einflufs die Cerealien sich entwickeln, zu berechnen, überzeugte man sich, dafs über den 45stea Breitegrad hinaus nirgends der Weizen einen so reichen Ertrag liefert, als auf den Kord.küsten Africa's und auf den Plateaus von Neu-Granada, Peru und Mexico. Üey Vergleichung der mittleren Temperaturen, nicht des Gesammtjahres, sondern nur allein der Jahrszeit wel- che den regelationscyclas der Cerealien begreift, ti-- geben sich *) für drey Sommermonate im nördlichen *) Die mittlere Temperatur der schottischen Sommer (in der iSacliLarschaH von EJiniiurijli , 56" lir.j lindet sich »vieJer auf den Plateaus von ISeu-üranada, die so reiche Gelreide- ernlen Jiefern , hvy 1400 Toisen llöJie , unter 4" ßreilc. Anderseits trifft man die miniere Temperatm- der Thaier 94 B II c h V. Europa, i5° tis 19°; in der Barbarey und in Egypten, 27° bis 29^5 in den Tropenländernj zwi eben 1400 und 300 Toisen Hübe, 14° bis 25°, 5 des huiideiltbeiligen Wärmemessers. Die reicben Ernten in Egypten und im Königreich Algier, diejenigen der Tbäler von Aragua und der in- neren Landscbaft der Insel Cuba tbun sallsam dar, dafs der büliere VVärme";rad dem Ertrasf des Weizens und an- derer nährender Grasarten keineswegs nacbtheilig wird, wofern nämlicb dieser büberen Temperatur kein Ueber- mafs von Trockenheit oder Feucbligkeit beygesellt ist. Diesem letzteren Verbältnifs müssen ohne anders jene scheinbaren Anomalien zugerechnet werden, die zuwei- len in den Tropenländern hinsichtlich auf die untere Grenze der Cerealien bemerkt werden '•'). Alit Erstau- von Aragua (Br. 10", i30 und aller nur ■»renig erhöhelen Ebenen ilcr heifsen Zone in der Sonimertemperatiir von IScapel und Sioilien CBr. 59° 40) nieder an. Diese Zaliien hezeichnen die Lage der /j-oM^/e?« - Linien Cglp'clier Som- mer) und nicht jene der IsoÜierin-VÄmtn (gleiclier jahr- licher Wärme). Dem Verhallnifs der VYärmeniengc zufolge, welche ein Punct des Erdballs im Zeitraum eines ganzen Jahres empfängt, entsprechen die mittleren Temperaluren der Thiilcr von Aragua und der Plateaus von INeu Granada, von 3oo und von 1400 Toisen Erhöhung, den mittleren Tem- peraturen der Küsten vom 25slen und 45sten ßrcilegrad. Uebcr die Grundlagen dieser P»echnungen vergleiche man vi\c\n^w Essai sur la distributiou de la chaleur., in ^f^wMcni. de laSoc. d'Arcueil^ Tom. 111, p. 5i6, 579, 602; und diese Reisebesclircibung, Th. 2, S. 096. •) Seit meiner Rückliunft in Europa hat Hr. Caldas eine grofse Zahl Beobachtungen über diese Geiize in einer Denkschrift gesammelt, die sich zu Santa Fe de Bogota unier den Pa- pieren unscrs Lcrühmten Freundes, Don Jose Cclestino iNlutis, finden mul's. Siehe die spanische ücbersetzung meiner Pllan- Kapitel Xy. 95 nen sieht man, ostwärts von Havanna;, in dem sehr he- kanulen Landstrich der Qiiatro viilas, jene Grenze bis zur Fläche des Oceans herabsteigen ^ während west- wärts der Havanna^, am Abhang der mexicanischen Ber- ge;, in der Nähe von Xalapa^ auf 677 Toisen Hühe^ der Pflanzenwuchs noch dorniafsen üppig istj dafs das Ge- treide keine Aehren bildet, hi den ersten Zeiten der Besitznahme des Landes wurden die europäischen Ce- realicn mit Erfolg in mehreren Gegenden angebaut, von denen man heut/.utage glaubt, sie seyen zu warm oder zu feucht für diesen Zweig der Landwirthschaft. Die eben erst nach America verpflanzten Spanier waren der Maisnahrung nicht gewöhnt, imd den europäischen An- gewöhnungen noch allzusehr zugethan ; man berech- nete nicht, ob der Ertrag des Getreides dem des Kaffees oder der Baumwolle nachstehe, man versuchte allerley Gesämej man befragte die. INatur mit kühnerem Sinn, weil man weniger von falschen Meinungen befangen war. Die Provinz Carthagena, durch welche sich die Bei'gketten von Maria und Guamocö hinziehen, lieferte ■ Getreideernten bis in's sechszehnte Jahrhundert ^■■^. \n der Provinz Caracas i-t dieser Anbau in dem Ber«-- c gelände von 1 ocu} o, Quibor und Barquesimeto, wel- ches die Küstenkette iv.'iX der Sierra nevada von Me- rida verbindet, von gar langer Zeit her üblich. Er hat sich darin sehr glucklicli erhalten, und die Uiu- gegend der Stadt Tocuyo allein nur führt jährlich nahe an 8000 Centner vortrefl'liches Mehl aus. Obgleich indefs die Provinz Caracas, in ihrem weiten Ujnfange^ zen-Geographie, in dem Seminario de N. Granada^ Tom. II, p. 187. *) T>jn Ignazio de Pomho, Informe del Real Consulado dt Cartagcna de Lidius , 1810, p. 75. 96 Buch K mehrere der Entwicklung der europäischen Kornfrächte sehr günstige Gegenden darLirtt't^ so glaube ich doch nicht, dal's dieser Zweig der Landwirthschalt daselbst iiherhaupt je sehr wichtig werden könne. Die müdesten TJiäler sind aihuschnjalj es sind keine achten Plaleau'-\j und ihre iniltlere liriiühung über die Meerestläche ist zu unbclrächtUch , als dafs die Einvv ohner nicht vor- th.ilhafter finden sollten, vielmehr Kaifcepfianzungen anzulegen, ali Getreide zu ]iau;n. Gegenwärtig wird das Mehl, dessen Caracas bedarf, entweder aus Spanien oder aus den vereinten Staaten eingeführt. Wenn einst dem Gewerbüeifs und der öffentlichen Huhe günstigere politische Verhältnisse werden eingetreten seyn, und der y^^^^ von Santa Fe de Bogota nach dem Stapelplatz des Pachaquiaro gehahnt ist, so werden die Einwohner von Venezuela alsdann ihren jNIehlhedarf aus i\eu-Gra- nada auf dem Mio iMeta und dem Orenoko erhalten. Vier Meilen von San iMalheo steht das Dorf Tur- inero. Der Weg führt ununterbrochen durch Pflan- zungen von Zuckerrohr, Indigo, Baumwolle und Kaffee. Die in der Anlage der Dörler vorhandene Regelmäfsig- keit erinnert daran, dals sie alle den Mönchen und den Missionen ihren Ursprung verdanl-.en. Die Strafsen lau- fen der Schnur nach parallel mit einander, und kreuzen sich rechtwinklicht 5 auf dem in der Mitte befindlichen, ein Viereck bildenden grofsen Platz steht die Kirche. Diejenige von Turmero ist ein kostbares, abor n)it ar- chltectonischen Zierathen überladenes Gebäude. Seit die Missionare den Pfarrern Platz machten, haben f^icli diii Vv^ohnungen der weifsen Einwohner mit denen der Indianer vernsisciit. Die letzteren verschwinden nach und nach als ahsonderliciicr Stamm, das will sagen, sie werden in der Oesaintnlüber.ncht der Bevölkerung durch die Metis und die Zambos repräsenlirt, deren Anzahl sich Kapitel Xf^. t)7 sicli in sletem Wachsllium befindt^t. Inzwischen haLe ich doch noch 4000 zinspflichtige Indianer in den Thä- lern von Arai^ua angetiofl'en. Die von Turmero und Guacara sind die zahh'eichsten. Sie sind JJein^ aber wcnig^er untersetzt als die Chaymasj ihr Blick verräth mehr Lebhaftigkeit und Verstand, was vielleicht we- niger von einer verschiedenen Abstammung als von dem höheren Grad der Sitligung herrührt. Sie arbei- ten , gleich den Freyon, im Taglohn: während der kurzen Zeil, die sie der Arbeit widmen , sind sie thätig und fleifsigj aber was sie in zwey Monaten gewinnen, verwenden sie in einer W oche auf den Ankauf starker Getränke in den kleinen Wirthschafteu;, deren Zahl be- dauerlicher Weise von Tag zu Tag gröfser wii'd. In Turmero sahen wir die letzte Abtheilung einer Versanunlung der Landmiliz, der man es alsbald ansah, dafs diese Thäler seit Jahrhunderten in ununterbroche- nem Frieden gelebt haben. Der General- Capitain, in der Absicht, dem Kriegsdienst neuen Antrieb zu geben, hatte grofse Musterungs-Uebungen angeordnet j in ei- nem Scheingefecht hatte das Bataillon von Turmero auf da>jenige von Vittoria gefeuert. Unser Wirth , ein Lieutenant in der Miliz, unterhielt uns mit einer lan- gen Schilderung dieser gefahrvollen Manövers. ;;Er halte sich mitten unter Flinten befunden, die jeden Au- genblick zerspringen konnten; er n)ufste vier stünden lang an der bonne stehen, und seine Sclaven durften niciit einmal einen Sonnenschirm über ihn ausbreiten!" A"\ ie schnell gewöhnen sich die, dem Anschein nach,^ friedfertigsten Völker an's Kriegerleben ! Damals lä- chelte ich über eine, n:»it so naiver Offenheit sich aus- sprechende Furchtsamkeit, und zwölf Jahre später sind eben diese Thäler von Aragua, die slillan Ebenen von Vittoria und Turmero, der Engpafs der Cabrera und Alex. V Humboldts Auf. Reisen. III. "7 9$ Buch F. die fruclitbaren Gestade des Valencia -Sees der Schau- platz der blutigsten und erbittertrsten Gefechte zwischen den liingeborneu und den Soldaten des Mutterlandes ge- worden. Südwärts von Turmero steht eine Masse von Kalk- gebirgen in die Ebene hervor, und trennt zwey schöne Zuckerpflanzungen ^ die von Giiayavita und diejenige von Paja. Die letztere ist Eigenthum der Familie des Grafen Tovar, welcher in allen Theilen der Provinz Beisitzungen hat. Wabe bey Guavavita hat man braunes Eisenerz entdeckt. INordwärts von Turmero, in der Küsten- Cordillere, erhebt sich ein Granilgipfel, der Chnao , von dessen Höhe herab man zugleich das MeeV lind den See von Valencia erblickt. Wenn man diese Felsengräte übersteigt, die sich, so weit das Auge reicht, nach Westen ausdehnt, so gelangt man auf ziemlich schlimmen Fufspfaden nach den reichen Cacao- Pflan- zungen, welche das Küstenland in Choroni, Turiamo und Ocumare enthält, und die wie durch die Frucht- barkeit ihres Bodens, so hinwieder durch ihr ungesun- des Klima, bekannt sind. Turmero, Maracay, Cura, Guacara, jeder Punct des Thals von Aragua, hat seinen Bergpidd, der nach einem der kleinen Küsten-Hafen hin- führt. Beym Austritt vom Dorfe Tormero entdeckt man, in der Entfernung einer Meile, einen Gegenstand, der sich am Horizont wie ein abgerundeter Hügel, wie ein nüt Vegetation bedeckter tuiniilus darstellt. Es ist aber kein Hügel und keine Gruppe nahe beysammenstehen- der Bäume, sondern ein einziger Baum, der berühmte 'Lamang del Giiay-re ^ welcher in der ganzen Provin» durch die ungeheure Ausdehnung seiner Zweige, die einen halbkugelförmigen Gipfel von 676 Fufs Umfang bilden, bekannt ist. Der Zamang i;clit)nheit aher hesteht in der Gesammt- form seines Gipfels. Die Aeste dehnen sich wie ein wei- ter Sonnenschirm aus, und neigen sich überall dem Boden zu, von welchem sie gleichmälsig bey 12 bis l5 Fufs entfernt bleiben. Der Umkreis der Zerästlung oder des Gipfels ist so regelmafsig, dafs ich bey Auf- nahme mehrerer Durchmesser , dieselben zu 192 und 186 F"xifs gefunden habe. Die eine Seite des Baums war völlig entblättert, in Folge der Trockenheit j auf einer andern Seite stunden gleichzeitig Blntter und Blu- men 5 Tillandsien, Lorantlieen, die Pilabaya - Rakette und andere Schmarotzer- Pflanzen bedecken die Zweio^e o und zersj)alten die hinde. Die Bewohner dieser Thäler, vorzüglich die Indianer, tragen eine grofse Verehruno- für den Zamang del Giiayre y welchen die ersten Er- oberer ungefähr schon in eben dem Zustand, worin er sich gegenwärtig befindet, angetroffen zu haben schei- nen. Seit er genauer beobachtet wird, hat sich weder Gröfse noch Gestaltung des Baumes verändert. Der Zamang mufs wenigstens das Alter vom Drachenbaum *) Die Mimosa du Guayre ; denn 'Äamniig ist der indianische INaine, welcher die GaUungen Mimosa, Desmanllius und Acacia bezeiclinet. Die Gegend, wo der IJaun» waclist, heilst El Guayre. Die Mimosa (ln^^^) Saman von Jac(iuin Fragm. bot. p. 5. Tab. IX , die in den schönen Treihliau- scrn von Schönbrunn gezogen wird, ist eine andere Art, als die de? Uicsenbaums von Turmero. 100 ß II c h F. des Orotava haben. Es lieo^t etwas Imponirendes und Majestätisches in dem Anblick hoclibelagter Bäume 5 auch wird die Beschädigung dieser Denkmäler der Wa- tur in Ländern^ die keine Denkmäler der Kunst haben, strenge besti'aft. Wir hurten mit V^ergnügen, es habe der gegenwärtige Eigenthümer des Zamang einen Päch- ter^ welcher sich angemafst halte, einen Ast von dem Baum abzuschneiden, vor Gericlit gezogen, das nach angehörter Klage und Vertheidigung den Thäter zur Strafe verurtheilte. Es stehen in der j>iähe von Tur- mero und der Hacienda de Cura andere Zamangs, deren Stamm dicker ist als derjenige des Guayre, während ihr halbkugelfürmiger Gipfel so breit und ausgedehnt nicht ist wie jener. Die Landschaft erscheint angebauter und bevölker- ter, nach Mafsgabe wie man Cura und Guacara am nördlichen Seeufer näher kommt. Im Thale von Ara- gua zählt man über 52,ooo Einwohner auf einem Lan- desgebiet, das i3 Meilen lang und 2 Meilen breit ist. Es giebt dies eine relative Bevölkerung von 2000 Seelen aul die Geviertmeile, was ungefähr mit den bestbevöl- kerten Gegenden Frankreichs zusammentriilt. Das Dorf oder vielmehr der Flecken Maracay war vormals der Mlttelpunct der Jndigopflanzungen, zur Zeit, wo dieser Zweig des Colonial-Ge\verbHeifses sich im höchsten Flor befand. Im Jahr i^qö zählte mau daselbst, auf eine Bevölkerung" von 6000 Einwoiinern, 70 Kaufhule, die Kramljuden hielten. Die Häuser sind alle in Mauer- werk aufgeführt 5 in jedem Hofraum stehen Cocusbäu- me , deren Gipfel über die Dächer emporragt. Die Ansicht des allgemeinen Wohlstandes ist noch auffal- lender in Maracay als in Turmero. Der Anil oder In- digo dieser Gegenden ward jederzeit im Handel dem von Guatimala gleichkommend, oder noch vorzüglicher Kapitel Xf^. 101 geaclitel. Seit 1772 ist dieser Anbau dem des Cacao ge- folgt^ er war Vorläufer des liauinwoll- und Kaffee- Anbaus. Die Vorliebe der Colonisten wandte sich der Reihe nach jedem dieser vier Erzeugnisse zu 5 aber der Cacao und dor Kaffee sind allein nur wichtige Vorwürfe des Handelsverkehrs niitüuiopa ge])liel)cn. Zur gün- stigsten Zeit glich die Indigolabrication beynahe der- jenigen von Mexico '0 5 in Venezuela stieg sie auf 40,000 Arrobas oder eine Million Pfunde an , deren ^^ erth über 1,260,000 Piaster betrug ^•••'). Ich will hier, nach amtlichen, bisher nie bekannt gemachten , Anga- ben "•-•■•') den ^zunehmenden Wachsthum dieses Zweiges der Landwirthschaft von Aragua mittheilen. Indigo -ausfuhr durch La Giiayra. Durchschnitt-Ertrag d. Jahre 1774 bis 1778. 20,3ooPfd. 1784 126,233 — J780 213,172 — 1786. 271,005 — 1787 432,570 — 1788 5o5,956 — «789 718,393 — »792 660,229 — 1794 898,353 — »796- ♦ • . • . 737,966 — *) Guatfmala liefert dem Handel 1,200,000 bis i,5oo,ooo Pfund Indigo. *•) Das Pfund Indigo zu 10 Realen de plata. ***) Expediente relativo ul comercio y crecldo contrabando de la Provincia de Caracas ^ dirigido al Exe. Seiinor Don Pedro Varela , por el Conde de Casa Valencia, i5 junio 1797. — In/ormes de Dun Esteban Fernandez de Leon, Intendente de Caracas, del j6 Sept. 1795. CHandschriftenO 102 B V c h l\ In di Sfti' Uebersicht ist der Scliloichliandel in koi- nen Anschlag gelirachlj welcher, für den Indigo wenig- stens, auf ein V ier- oder Fünftlieil der jilluliciien Aus- fuhr berechnet werden niufs. Um sich von dem äufserst reiclien Ertrag der Landuirthschaft der ?pani>chen Co- lonien einen Begrift' /u machen, mufs man daran den- ken, dafs d^>r Indigo von Caracas, dessen W erth im Jahr 1794 auf mehr denn 6 Millionen Franken anstieg, das Krzeuguifs von 4 oder 5 Gevicrtmeil. n ist. In den Jahren 1789 bis 1796 begaben sich jähilich vier- bis fürftausend freve Menschen in die Thäler von Aragua, um bey der (Kultur und Fabrication des hidigo Hülfe zu leisten. »8ie arbeiteten zwey Monate lang im Tag- lohn. Der Indigo erschöpft mehr als keine andere Pflanze das Land, auf dem er mehrere Jahre nach einander an- gebaut uird. Man sieht den Boden von Maracay, von Tapatapa und von Tumiero als erschöpft an, und der Ertrag der Pflanze hat sieb auch stets verringert. Die Seel'.riege fülirten eine Stockung des Handels herbey, und die beträchtliche Indigo- Einfuhr aus Asien verrin- gerte die Preise. Die oslindica nach Guigue aus. Die grofsen Pflanzungen ertragen 60,000 bis 70,000 Pfund jährlich. Wenn man sich er- wo %-iele Baumwollzeuge verfertigt werden, 9o,.',8j; nach den fremden Colonien, 117,281: insgesanimt i,uii,8Jfi Plun- de. i^lnjorme delSr. Conde de Casa Valencia^ Handschrift.) Im nämlichen Jahr wurden aus la Guavra allein nicht mehr als 43i,658 Pfunde ausgeführt, wovon i26,^,>6 Pfunde der Provinz Maraca^bo angehörten. Die Ausfuhr el>en dieses Hafens Cden verbotenen Handel allezeit ungerechnetj betrug: im Jahr 1789 170,427 Pfunde. 1792 . . , . 253,5o2 — 1796 ..... 557,178 — 1T97 .... 107,996 — Für die sechs ersten Monate von 1809 sehe man das Sg' minario de Santa- fe ^ Tom. 11, p. 324. Die Preise be- trugen, im J. 1794, von 54 bis 56 Piaster der Centner. *) Hr. Medford berechnet in seinen Untersuchungen der eng- lischen Manufacturcn, dals von den 61, 38o,ooo Pfunden Baum- wolle , welche diese Manufacturcn im Jahr i8o5 brauchten, 5i iMillionen den Vereinten Staaten, 10 Millionen Brasilien und 10 Millionen den Antillen angehörten. Dies letztere Quantum war nicht der Ertrag eines einzigen Jahrs oder des Bodens der Inseln. Die grofsen und kleinen Antillen ertrugen im J. 1812 noch mehr nicht als 5,2oo,ooo Pfunde Baumwolle, wovon der grölsere Thell der Insel Barbados, den Bahamas-Eilanden, Dominique und Granada angehörte. Man darf das Erzcugnifs des Bodens der Antillen nicht mit ihrer Ausfuhr, die durch den Zwischenhandel vermehrt wird, verwechsejn. iCo/ Tom. I, p. 5.) Kap i t e l XK 107 innerlj dafs in den Vereinten Staaten , also aiifserhalb der Tropenländer, in einem mancherley Wechsel un- terworffncn, und darum öfters der (>ultur unjiünstig<;a lilima die Ausfuhr der einlieimi^clien Baumwolle inner- halb 18 Jahren C^on 1797 bis 181 5) von 1,200,000 auf 83 iMillionen Pfund angestiegen ist, so mag man sich in der That nicht leicht einen Begrift' von der gewal- tigen Ausdehnung machen, die dieser Handelszweig ''-'^ erl)alten wird, wenn einst dem Gewerbfleifs der Nation in den vereinten Provinzen von Venezuela, in INeu- Granada, in iMexico und an den Ufern des la Plata die Fesseln abgenommen seyn werden. Im gegenwärtigen Zustajid der Dinge sind es, nach Brasilien, die Kihten der holländischen Guyana, der Golf von Cariaco, die Thäler von Aragua und die Provinzen von Maracaybo und (^arthagena, welche im südlichen America die meiste Baumwolle erzeugen. ' Während unsers Aufenthalts in Cura machten wir zahlreiche Ausflüge nach den in der Mitte des Sees von Valencia sich erhebenden Eilanden, nach den warmen Quellen von Mariara, und auf den hohen Granitj^erg, welcher El Cucurucho de Coco heifst. Ein schmaler und gefährlicher Fulspfad führt zum Hafen von Tu- riamo und zu den bi rühmten Cacaopflanzungen der Küste. Auf allen diesen Ausflügen sahen wir uns an- genehm überrascht, nicht durch die Fortschritte der Landescultur allein nur, sondern durch den Wachs- thum einer freyen, thätigen, an Arbeit gewöhnten Be- *) Die Baum\ToIlen-Manufacturen von Grofshritannien für sich allein nur liefern an aller Arl Baumwollgewebe ( farbige Zeuge, Strümpfe u. s. w. ) für den Werlh von sg Millio nen Pfund Sterling, deren Urstoff auf 6 ^Tillioncn Werth ansteigt. ioS Buch y, Vülkerung, die nicht reich genug ist; um auf Scla- venhülfe zu rechnen. U eberall hatten liedo j p. 125. ***) Weil die Seefalirer zuerst und lange Zeit' allein in den spanischen Colonien einige richtige Begrifle über die astro- nomische Lage und die Distanzen der Orle verbreitet haben, so ward die legua nautica von 665o varas^ oder 2854Toiscn Cden Grad zu 20 Meilen) ursprünglich in Mexico und im südlichen America eingefülirt ; allein diese Itgua nautica ward nach und nach um die Hälfte oder zwoy Drilthcile verkürzt, um der Langsamkeit des l.eisens willen, über die steilen Berge sowohl als durch die beil'sen und dürren Ebe- nen. Das Volk berechnet unmittelbar nur die Zeit, und leitet daraus, nach willkürlichen Voraussetzungen, die Länge des durchwanderten Baumes ab. Ich hatte bey meinen geo- grapliiscben Forschungen öfteren Anlals, den wahren Betrag tierMeiyn zu prül'en, durch Vergleichung der Reiscdistanzen ii6 ß « c h V. merksanjkeit in dem Werke eines Mannes verdient, wel- cher die Thäler von Aragua viellaltig durchwandert ha- ben inulsj ist die Behauptung, es sey die Stadt ISneva yaleuciu de el Rey y im Jahr i 555, in der Entfernung einer halbe)i Meile vom See erbaut worden '•'), und da« Vei'hältnii's der Länge dieses Sees zu seiner Breite ver- halte sich wie 7 zu 3. Heutzutage ist die Stadt Valencia vom Gestade durch ein flaches Land getrennt, das über 2700 Toisen beträgt, welches Oviedo ohne Zweifel für eine Knlfcrnung von anderthalb Meilen gewerthet hätte, und die Länge des Seebeckens zu seiner Breite steht im Verhältniis von 10 zu 1,0 oder von 7 zu 1,6. Der An- blick des Landes zwischen Valencia und Guigue, dies auf der Ebene plötzlich aufsteigenden Hügel ostwärts von Canno deCambury, von denen einlüde (el Islote und die Isla de la Negra oder Caratapona) sogar noch ^en. Namen ßiltinde behalten haben, bezeugen hinlänglich, dafs seit Oviedo's Zeiten die Gewässer sich beträcbthch zurückgezogen haben. Hinsiclitlich der Veränderung der alli>emeinen Gestallung des Sees halte ich es für x\n- wahrscheinlich, dafs er beynahe zur Hallte so breit als lang gewesen seyn sollte. Die Lage der Granitgebirge von Mariara und Guigue, und die Senkung des Bodens, der schneller gegen Norden und Süden, als gegen Osten und Westen, ansteigt, widersprechen gleichmäfsig einer solchen Voraussetzvmg. Wenn der «o vielfältig behandelte Gegenstand der Ab- nahme der (iewässer in Frage kommt, so mufs man, glaube ich, zwischen den verschiedenen Epochen, in -denen die Senkungen der Wassertlächen statt fanden, unterschei- niit den Breiteunterschieden, unter verschiedenen anf dem gleichen Meridian gelegenen Piuiclen. *) Oi-ifdu y p. i.',o. Kapitel XFI. II7 4en. Uo])erall findet man hey Untersucliunf^ der von Flüssen ^durchströmten Tliäler oder der Seebccken, das alte Gestade in weiter EntfernuDg. Niemandem kommt es lieutzutage zweifelhaft vor, dafs unsere Flüsse und Seen einst sehr beträchtliche Verminderungen müssen erlitten haben 5 aber eine Menge geologischer That- sachen bezeugen uns hinwieder auch, dafs diese gros- sen Abänderungen in der Vcrtbeilung der Gewässer al- ler historischen Zeit vorangiengen, und dafs seit meh- reren Jahrtausenden die meisten Seen ein stetes Eben- mafs oder Gleichgewicht zwischen ihren Zuflüssen und ihrem Verlust durch Ausdünstung oder Durchseihung behalten haben. So oft dies Gleichgewicht gestört er- scbeint, so ist es wohl rathsamer zu untersuchen, ob die vorhandene Störung nicht auf blos örtlichen Ur- sachen beruht und sehr neuen Ursprungs ist, als hin- gegen eine fürdauernde VVas?erabnahme dabey anzu- nehmen. Dies Verfahren ist dem umsichtigeren Gang des neueren Zustands der Wissenschaften anüremessen. Zu einer Zelt, wo die IVaturlehre der Erde, in den be- redsamen Schilderungen einiger geistvoller Schriftstel- ler, aus dem Keiche d'er Phantasie ihre Reize borgte, würde man in der Erscheinung, wovon hier die Kede ist, einen neuen Beweis des Contrastes gefunden haben, den man zwischen beyden Festlanden gern aufstellen .mochte. Um daizuthun, dafs America spiiter als Asien und Europa dem Wasser entstiegen sey, hätte man den See von Tacarigua als eines der Wasserbecken des in- neren Landes angeführt, die ncch nicht Zeit hatten, durch die W irkung einer langsamen und allmähligen Ausdünstung zu vertrocknen. Ich zweifle nicht, dafs in einer sehr alten Zeit das ganze Thal vom Fufs der Gebirge von Cocuyza bis zu denen von Torito und ISii»- gua, von der Sierra de Mariara bis zur Kergkette von il8 B u c h P'. Guigue^ von Guacimo und Palma, unter Walser ge- standen ist. Die Gestalt der Vorgebirge und ihr steiles An'leiuen scheinen das Gestade eines Alpenfees, \vie diejenigen in bteverniark und Tyrol sind, anzudeuten. Die nämlichen kleinen Holiciten, die nämlichen Valveen, welche gegenwärtig im See von Valencia leben, finden sich in 3 his 4 Fuis dichten Schichten im innern Lande Bis nach Turmero und Concesion nahe bey Vittoria. Diese That-^achen beweisen unstreitig einen Rückzug des Wassers 5 hingegen erhollt nirgends, dafs seit dieser längst vergangenen Zeit bis auf jetzt der RüclUritt des Walsers fürdauernd gewesen sey. Die Thäler von Ara- gua bilden eine der Ahlheilungen von Venezuela, die am frühesten bevölkert gewesen sind, und doch spre- chen weder Oviedo noch irgend einer der alten Chro- nikschreiber von einer spürbaren Abnahme des Sees. Soll man nun annehmen, es sey diese Erscheinung ihrer Aufmerksamkeit entgangen, in eine«i Zeilpunct, wo die indische Bevölkerung die der Weifsen noch weit überstieg, und wo die Seegestade minder bevölkert wa- ren? Seit einem halben Jahrhundert, insbesondere aber seit dreyfsig Jahren, hat die natürliche Austrocknung dieses grofsen Beckens die allgemeinste Aufmerksamkeit erregt. Man findet vormals unter Wasser gestandene grofse Ländereyen ausgetrocknet und bereits auch mit Plsang, Zuckerrolir oder Baumwolle bepflanzt. Allent- halben, wo eine Hütte am Seeufer erbaut wird, kann man von Jahr zu Jahr das Wasser von iijr zurückwei- chen sehen. Man nimmt Eilande wahr, welche, durch das Zurücktreten der Gewässer, kaum erst sich dem Festlande anzuschliefsen beginnen, (wie die Felseninsel Culebra, auf der Seite von Guigue) ; andere Inseln bilden bereits Vorgebirge '•} (wie der Morro, zwischen *) Isla de Cura imd Cabo-Blnnro. Das Vorge])irg CaLrer« Kapitel XVL 119 Guigue und Nueva Valencia, und dieCabrera, südostwärts von Mariara); noch andere erheben sich im Innern des Landes, zerstreuten kleinen Hügeln ähnlich. Unter diesen, aus der Ferne so leicht kennharen, stehen die einen eine Viertelmeile, die andern eine halbe Meile vom jetzigen Seeufer entfernt. Als der merkwürdigsten will ich hier dreyer Granit- Eilande gedenken, welche 3o bis 40 Toisen hoch am Wege von der Hacienda de Cura zu den Aguas calienles stehen, und am westlichen Ende des Sees, den Serrito de Don Pedro, Islote und Caratapona. Beyni Besuch zweyer Inseln, welche von Wasser gänzlich umgeben sind, haben wir, mitten un- ter Gesträuche, auf kleinem bey vier, sechs und auch acht Toisen über der jetzigen Seefläche erhabenem Bo- den, feinen mit Heliclten vermengten, vormals durch Wellen abgesetzten Sand angetrolfen. Man erkennt auf jeder dieser Inseln die unzweydeutigsten Spuren der zunehmenden Senkung der Gewässer. Noch mehr, und es wird dies Ereignifs von den Einwohnern als eine wundervolle Begebenheit angesehen: im Jahr 1796 ka- men ostwärts von der Insel Caiguire, in gleicher Rich- tung mit den Inseln Burro, Otama und Zorro, drey neue Eilande zum Vorschein. Diese neuen Inseln, die das Volk los nuevos Pennones oder las Apericidas nennK, bilden gewissermafsen Untiefen mit völlig ebener Fläche. Sie stunden im Jahr 1800 bereits mehr als einen Fufs über dem mittleren Wasser. Wir haben zu Anfang dieses Kapitels bemerkt, dafs der See von Valencia, gleich den Seen des Thaies von Mexico '•'), den Mittelpunct eines kleineu Systemes von ist seit den Jahren i^So oder 17G0 durch ein Thal, welche« Portachuelo heifst, mit dem Gestade vereint. *) >'or der durch die Spanier in der fsähe \on Huehuetoqu« 120 B u c h V. Flüssen h'ildct, deren Iraus, dafs die Zerstörung der Wälder, das Ver- schwinden fürdauernd fliefsender Quellen, und das Da- seyn von Bergströmen drey genau mit einander ver- bundene Erscheinungen sind. Landschaften, welche auf entgegengesetzten Halbkugeln liegen, die von der Alpenkette begrenzte Lombardey und das zwischen den stillen Ocean und die Anden - Cordillere zusammenge- drängte untere Peru liefern auffallende Beweise von der Richtigkeit dieser Behauptung '•). Bis um die Mitte des abgeflossenen Jahrhunderts stunden die Berge, welche die Thäler von Aragua ein- fassen, mit Waldung bedeckt. Grofse, den Familien der Mimosen, Ceibas und der Feigen zugehörige Bäume gaben den Seegestaden Schatten und Kühlung. Das da- mals noch wenig bewohnte flache Land war mit Sträu- chern bewachsen , zwischen denen zerstreute Baum- stämme und Schmarotzer -Pflanzen sich befanden, der Boden selbst war mit ^ichtem Rasen überzogen, welcher *) Vergleiche meinen Essai polltique sur la Noiw.-Espagne, Vol. I, p. 208, und die Eecherches de M. de Prony sur les CTues du Po. h a p i t e l XVI. 12S zum Strahlen des Wärmestofis ungleich weniger fähig ist, als das angebaute, und eben deshalb gegen die Son- nenhitze nicht gescliül/.te Land. Mit der Zerstörung derBäunip, und mit dem vermehrten Anbau des Zucher- rolirs, des Indigo und der Baumwolle haben sich die Quellen und alle natürlichen Zuflüsse des Valencia-Sees von Jahr zu Jahr vermindert. Man macht sich nicht leicht einen richtigen Begriff' von dem ungemein grofsen Ertrag der Ausdünstung, die in der heifsen Zone statt hndrt, in einem von steil abschüssigen Bergen einge- falsten Thal, worin die Brise und absteigende Strümvm- gen gegen Abend eintreten, und dessen gleichförmige Bodenfläche wie durchs \\ asser geebnet ist. Wir ha- ben schon andersv/o bemerkt , dafs die Wärme, welche das ganze Jahr hindurch in Cura, Guacara, Nueva Va- lencia und an den Seegestaden herrscht, der höchsten Sommerhitze in ISeapel und Sicilien gleich kommt. Die mittlere jährliche Lufttemperatur der Thäler von Ara- gua ist ungefähr *_) 26°, 5: die hygrojnetrirchen Beob- achtungen geben mir, für den Monat Hornung, im Durchschnitt von Tag und Nacht, 71°, 4 des Haar- hvgrometers **•'). Weil die Worte grofse Trockenheit oder grofse Feuchtigkeit keine absolute Bedeutung ha- ben, und eine Luft, welche in den unteren Gegenden der Tropenländer sehr trocken genannt wird, in Eu- ropa für eine fc'vichte Luft gelten würde, so läfst sich über diese climatischen Verhältnisse nicht anders ur- theilen, als wenn man unter gleichem Hinunelsstrich *) 20", 4 Reaumur. Aus den Beobschlungen des Monats Hor- nung ergeben sicli 19°, 5 R. ; und in Cumana steht dieser Monat o, 7 R. unter der mittleren Jahrestemperatur. **) Diese 71*^,4 offenbarer Feuchtigkeit trafen mit der mit! teron Temperatur von 34", 5 zusammen. 124 B II c h V. befindllclie Ortschaften vergloiclit. Nun Ist in Cuniana, wo zuweilen ein ganzes, Jahr lang kein Kegen lallt, und wo ich eine grofse Anzahl hvgronietrischer, in ver- schiedener Zeit Tag und Nacht angestellter ßeohach- tungen sammeln Konnte, die mittlere Feuchtiükeit der Luft 86°, neben der mittleren Temperatur von 27°, 7. Trägt man der Regenmonate Rechnung, das will sagen, Berechnet man den Unterschied, welcher an andern Orten der americanischen Aequinoctial - Länder zwi- schen der mittleren Feuchtigkeit der trockenen Monate und derjenigen des ganzen Jahrs beobachtet wird , so erhält man für die mittlere jährliche Feuchtigkeit der Thäler von Aragua höchstens 74°, zu der Temperatur von 25°, 5. In dieser so warnjen, und doch so \t enig feuchten Luft ist der Betrag der Wasserausdünslung ungemein grofs. Daltons Theorie berechnet, unter den gegebenen Umständen, die Dichtigkeit einer inner- halb einer Stunde ausgedünsteten Wasserschichte auf o •'^'"'■",36 oder auf 3 """.S innerhalb 24 Stunden *). Nimmt man für die gemäfsigte Zone, zum Beyspiel für Paris, die mittlere Temperatur von 10°, 6 und die niitt- lere Feuchtigkeit von 82°^ so findet sich, den nämlichen Formeln zufolge, o "^'""', 10 auf die Stunde, und 1 Linie auf 24 Stunden. Will man der Ungewifsheit dieser theo- retischen Rechnung die directen Resultate der Beobach- tung vorziehen, so wird man sich erinnern, dafs in Paris und in IVIontmorency die mittlere Jahrestempe- ratur von Sedileau und Cotte zu 32 ^, 1 ^'" und 38 ^'y 4 *"" ist gefunden worden. Im südlichen F'rankreich haben zwey geschickte Ingenieurs, die Herren Clausade und Pin, berechnet, dafs nach Abzug der \A irkung des *) Vergl. weiter oben, am Ende des ersten Buclis, Th. I. S. öjo. H a p i t e l XVI. \ib Durchseihens die Gewässer des Canals von Languedoc und des Beckens von Saint-Ferreol, jährlich o ^', 768 his o '"" . 81 2, oder 336 hls 36o fjinion einhiifson. Hr. v. Prony hat ungeüihr ähnliche Wirliungea in den Pontinischen Sümpfen angetroflen. Alle diese^ unter den Risten und 4c)slen ßreitegraden und bey 10°, 5 und 16° mittlerer Temperatur angestellten Versuche zeigen eine mittlere tägliche Ausdünstung von 1 his i;, 3 Linien. Unter der heilsen Zone, in den Antillen zum Üeyspiel , ist die Wirkung der Ausdünstung nach Le Gaux dreymal und nach Cassan doppelt so grofs. In Cuniana^ einer Land- schaft, wo die Atmosphäre doch gar viel mehr Feuch- tigkeit enthält, als in den Thälern von Aragua, habe ich öfters innerhalb 12 Stunden, an der Sonne 8 "'""'■ 8, im Schatten 3 "*■"'"■ /^ Wasser ausdünsten gesehen, und ich vermuthe, der Jahresertrag der Ausdünstung dieser, in der Nachbarschaft von Cumana befindlichen, Flüsse betraiie nicht weniger als i3o Zolle. Die V^ersuche die- ser Art sind mit eigenthiimlichen Schwierigkeiten ver- banden 5 aber das Vorgesagte mag hinreichen, um dar- zuthun, wie grofs die IVlenge der Dünste sevn niufs^ welche dem See von Valencia und dem umliegenden, sein Wasser dem See zuliihrenden, Land entsteigen. Ich werde späterhin Anlafs haben, auf diesen Geo^enstand zuri'ick zu kommen; denn in einem Werk, das die gros- sen Gesetze der JNatiir unter den verschiedenen Him- melsstrichen darstellen soll, mufs die Lösung der Auf- gabe der mittleren Spannung (tension moyenne) der in der Atmosphäre enthaltenen Dünste unter verschiede- nen Breiten und in verschiedenen Höhen über der Was- serfläche des Oceans versucht werden. Eine grofse Menge örtlicher Umstände verändern das Product der Ausdiinstung, dahin gehören der meh- rere oder mindere Schatten, der die Wasserbecken deckt. 126 Buch V. ihre Bewegung und Ruhe, ihre Tiefe, die Natur und Farhc ihres Bodens : üherhaupt aber hängt die Aus- dünstung nur von drey Elementen ab, von der Tem- peratur nämlich, von der Spannung der in der Atmo- sphäre enthaltenen Dünste, und von dem Widerstand, welchen die mehr oder minder dichte, mehr oder min- der bewegte Luft der Verbreitifcng der Dünste entgegen- setzt. Die Wassermenge , welche in einem gegebenen Ort ausdünstet, steht, bey übrigens gleichen Umstän- den, im Verhältnlfs zu dem Untei'schied zwischen der üunstmasse, welche die vimgebende Luft in ihrem Sät- tigungszustand enthalten kann, und zu der Masse der wirklich in ihr enthaltenen Dünste, Daraus folgt, dafs die Ausdünstung (wie Hr. d'Aubuisson, welcher über meine hygrometrischen Beobachtungen Rechnungen an- stellte, bereits beobachtet hat) unter der heifsen Zone so grofs nicht ist, als man der sehr mächtigen Tem- peratur-Erhöhung zufolge glauben könnte, weil in die- sen heifsen Himmelsstrichen die Luft gewöhnlich auch sehr feucht ist. Seit dem Zuwachs , den der landvvirthschaftliche Gewerbfleifs in den Thälern von Aragua erhalten hat, können die kleinen Flüsse, welche sich in den See von Valencia ergiefsen, während der sechs auf den Christ- monat folgenden Monate nicht mehr als Zuwachs be- trachtet werden. Sie bleiben im Untertheil ihres Laufs trocl8 Buch F. Der Rio Pao hat sich ein so tiefes und breites Bett ausgehöhlt, tlafs in Jor Hegenzeit, \Venn der Ctniiiu fS^rande de Canihiiry die gan/.e Landschaft norduestlich von Guigue unter Wasser setzt, die Gewässer dieses C(inno und diejenigen des Sees von V^alencia in den Hio Pao seihst zurücl;fliefsen : so dafs dieser Flufs, an- statt dem See Wasser zu bringen, ihm solches eher noch zu entziehen scheint. Wir sehen etwas ähnliches im nördlichen America, da wo die Geographen auf ihre (>])arten eine eingehihicti; Bergkette zwischen die gros- sen Seen von Caiiada und das Land der IVIiamis hin- zeichnen. Zur Zeit der grof;en Gewässer stehen die Einflüsse der Seen mit den Einflüssen des Mis.^lssipi in Verbindung, und man Jsann in Booten von Ann Ouelien des St. Maria- Flusses in denWahash, so wie aus dem Chicago in den Illinois gelangen '••'). Diese analogen Thatsachen sclieinen mir die vorzügliche Aufmerksam- keit der Hydrographen zu verdienen. Weil der Boden um den Valencia- See völlig cheti und flach ist, so geschieht hier, was ich an den mexi- canischen Seen häufig wahrzunehmen Gelegenheit hatte, dafs eine Senkung der Wasserfläche um etliche Zolle ein ausiredehntes , mit fruchtbarem Schlamm und orn^ani- sehen Trünunern bedecktes Erdreich trocken legt. So wie der See sich zurückzieht, rücken die Colonisten ge- gen das neue Ufer vor. Diese, der Colonial-Landwirth- schaft so wichtigen Austrocknungen waren füraus in den zehn letzten Jahren sehr beträchtlich, während wel- chen ganz America an grofser Trockenheit lilt. Statt der Bezeichnung der gegenw^ärligen Uferkrüm munden des Sees rieth ich den reichen Eigenthümern dieser Ge- genden, im Seehecken selbst Granitsäulen aufzustellen, um von Jahr zu Jahr an denselben den mittleren VA asser- stand *) Drake y Ficture of Cincinnati., l8i5, p. 222. K a p i l e l Xfl. 129 stand beobachten zu können. Der Marquis del Toro hat die Ausführung dieses Vorschlags übernommen; er bctlicnt sich dazu dos schönen Granits der Sierra de Ma- riara , und errichtet die Ljunnomelers auf den im See von Vah>ncia sehr häufigen Gneifs-Felsengrund. Es ist unmöglich j zum Voraus die mehr oder we- niger engen Grenzen zu bezeichnen^ aufweiche dies Wasserbecken «ich einst beschränken wird, wenn zni- schi^n diMii Ertrag der Zuflüsse und demjenigen der Aus- dünsluniien und des Einseihens das Gegengewicht völlig hergestellt seyn wird. Die allgemein^ vei breitete V^or- stellung, der See werde gänzlich versch\\ inden, halte icli für chimärisch. Wenn, in Folge heftiger Erdbeben oder anderer eben so geheiinnifs\ oller Ur-achen, zehn sehr feuchte Jahre auf lange Trockenheit folgen wür- den 5 wen '. die Berge sich mit neuer Waldang bedecken und hohe Bäume die Gestade und die Eoenen von Ara- gua beschatten würden, so könnte wohl elier die VVas- sermenge von Meuem anwachsen, und den schönen Pflan- zungen, welche gegenwärtig das Seebecken beengen, gefährlich werden. Während die Pflanzer in den Thälern von Aragua einestheils das gän/liche Verschwinden des Sees und an- dcrnlheils seine Rückl;ehr zu den verlassenen Gestaden fürchten, wird in (Jaracas die Fra^e ernstlich aufge- worfen, oh nicht, um dem Landbau mehr Ausdehnung zu verschaffen, ratnsam wäre, das Seegewässer in die Llaiios zu leiten, und dafür einen Abfülirungscanal ^o^- gen den hio Pao /a; graben. Die Möglichkeit der Aus- füJirung dieses Unternehmens '0 läfst sich nicht läugnen. *J) Die Scheidungsgräte ^ wodurch die Gc.vässer zwischen die Thäler von Aragua und die L.lanos gelheilt werden, neigt sicli , wie schon ohen ist bemerkt »vorden, dermafscn west- Alex. V. Humboldts hist. fieisgn. III. Q i3o Buch F. wenn zumal Stollen oder unterirdische Canäle dabey angewandt werden. Dem allmähligen Rücktritt der Gewässer verdankt man die schönen und reichen Län- dereyen von Maracay, Cura, Mocundo, Guigue und Santa Cruz del Escoval, die mit Tabak, Zuckerrohr, Kaffee, Indigo und KakaoLäumen bepflanzt sind, wer möchte aber im mindesten zweifeln, dafs der See allein nur die Fruchtbarkeit dieser Gegenden begründet? Ohne die ungemein grofse Menge der Dünste, welche seine Wasserfläche alltäglich der Atmosphäre übergiebt, wä- ren die Thäler von Aragua dürre und trocken, wie die Berge, von denen sie umgeben sind. Die mittlere Tiefe des Sees beträgt 12 bis i5 Klaf- ter. Die tiefsten Stellen reichen nicht, wie man ge- wöhnlich annimmt, bis auf 80^ hingegen aber auf 35 bis 40 Klafter. Es ist dies das Ergebnifs der mit dem Senkbley durch Don Antonio Manzano aufs sorgfältig- wärts von Guigue , dafs es Schluchlen gicbt , welclie die Gewässer vom Canno de Cainbur^ , vom Rio Valencia und vom Guataparo , zur Zeit des hohen Wasserstandes , dem Rio Pao zululiren 5 es >räre aber leiciiler, einen fahrbaren Canal aus dem See von Valencia zum Orenoiso , durcJi den Pao, die Portuguesa und den vipure zu öflnen, als einen Austrocknungscanal im JSii'cau des Seegrundes zu graben. Dieser steht, dem SenUbley und meinen barometrischen Messungen zufolge, 222 weniger 40, oder 182 Toisen über. der V\ asser ilache des Oceans. Aul dem Weg von Guigue jiatii den IJanos, über das Plaleau der Villa de Cura, fand ich südwäi Is der iScheiduiigsgrate ^ imd auf ihrem mittäg- lichen Abhang, das den 182 Toisen enlsprechende INiveau erst in der fSahe von San Juan. Die absolute Höhe dieses Dorfs ist 194 Toisen. ich wiederhole aber, mehr westwärts in der zwischen (Janno de l^ambury und den (luellen des Rio Pao iniieliegenden Landschaft, die ich nicht untersuchen konnte, findet sich der Punct des JNiveau vom Seegrund gar viel nördlicher. Kapitel XFL l3l ste vorgenommenen Messungen. Wenn man die grofse Tiefe aller Schweizerseen bedenkt, die, ihrer Lage in liolien BtM'gt'iälern uneraclitet, beynahe die Fläche des !MiUelrneeres erreichen, so befremdet es, keine tieferen Hüiilungen im Grund des Valencia- Sees anzutreffen, welcher gleichfalls ein Alpensee ist. Die tiefsten Stellen befinden sich zwischen der Felseninsel Burro und der Spitze der Canha fi^tula, so wie gegenüber den hohen Bergen A'on JVIariara: im Ganzen aber ist der südliche Thell des Sees tiefer als der nördliche. Es darf nicht vergessen werden, dafs, wenn gegenwärtig alle Ufer flacli sintl, der südliche Theil de> Beckens jedoch einer sli'il abge-tutzlen Bergkette näher steht. Bekanntlich al)er erscheint selbst da? Meer da überhaupt tiefer, v/o die Küsten hoch, felsicht und steil abgestutzt sind. Die Temperatur des Sees auf seiner Oberfläche war, während meines Aufenthalts in den TJiälern von Aragua , im iMonat Hornuag, beständig zwischen 23° und 23°, 7. Sie stund demnach ein wenig -J) unter der mittleren Lufttemperatur, sey es als Ergehnifs der Aus- dünstung '■•'••'), die dem V\ asser und der Luft Wärme- sloff entzieht, sey es weil eine grofse Wassermasse dem Wärmewechsel der Atmosphäre nicht mit gleicher Schnelligkeit folgt, und weil sich Bäche in den See er- giefsen, die aus mehreren kalten Quellen auf den be- nachbarten Bergen herkommen. Der geringen Tiefe unerachtet bedaure ich jedoch, dafs mir die Tempe- ») Von o";6 bis i^^s. **) Wir werden spater sehcu, dafs In den zu Cutnana über die Ergebnisse der Ausdiinstunn; angesielllen Versuchen die Temperatur des Wassers der während sieben bis acht Stun- den der Sonne ausgesetzten Gefäfse am Ende der Versi*che jederzeit 1° bis i".3 unter der im Schatten beobachteten Temperatur der Luft stund. i3z Bach V. ratur des A\ assers zur Tiefe von 3o bis 40 Klaiter zu untersuchen nicht möglich uar. Ich war mit dem thermometrischen öenkbley '0 nicht versehen , dessen ich mich in den Alpenseen A'on Salzburg und im An- tillen-Meer bedient hatte. Aus Saussure's Versuchen ergiebt slch^ dafs auf beyden Seiten der Alpen Seen^ die auf einer absoluten Höhe von ige bis 274 Toison '••0 stehen, im höchsten Sommer, auf 900, auf 600, zu- weilen sogar auch auf i5o Fufs Tiefe , eine gleichför- mige Temperatur von 4°^ 3 oder 6 Centesirnal- Graden besitzen ; noch sind aber diese Versuche in den Seen der heifsen Zone nitht wiederholt worden. In der Schweiz sind die kalten Wasserschichten überaus dicht. Im Genfer- und ßieler-See wurden sie so nahe bey der Oberfläche angetroffen, dafs die Abnahme im Wasser einen Grad des hunderttheiligen Wärmemessers, auf zehn oder fünfzehn Fufs Tiefe, betrug, demnach dann achtmal schneller als im ücean, und 48nial schneller als in der Atmosphäre ***) statt fand. Unter der ge- mäfsigten Zone, wo die Wärme der Atmosphäre unter den Gefrierpunct und viel tiefer herabsinkt, muis der *) Siehe oben, Tl». I. S. 79. Die folgende Beobachtung habe ich am 16. j^pril 1798, um 4 Uhr INachmitlagS; auf dem St. Barlholomäus -See , in drn Berchtesj^adcu^chen Alpen, hinlfr dem Fnllienstcin nni;;entolll. Luft, am Geslode, Iherm. 17", 7 liundertlh.; Haar -//> grom. 56°. Luft auf der .Mitte des Sees, Th. 16", Bjgr. 63°. Wasser des Sees auf zwcy Fufs Tiefe, Th. 7«, 7-, auf 42 Fufs Tiefe, T/i. (>'\ -i ; auf 60 Fufs Tiefe, Th. 5°,o, und, an einer andern Steiler auf 84 Fufs Tiefe, Th. 3", 6. **) Es ist dies der Unterscheid der absoluten Höhe des Gcnfer- und des Thuner-Sces. ***) Siehe Th. I. S. 5.(4, und Arago in den .'l/i/i. dg Fh^s.. Th. V. p. 4o5. li a p i t e I XFI. i33 Grund eines Sees, wenn er auch niclit von Gletschern^ oder mit ewigem Schnee bedeckten Bergen umgeben ist, Wassertheilchen enthalten, welche den Winter durch auf der Oberfläche das Maximum ihrer Dichtheit (jiw'i- schen 3°j 4 und 4°, 4) erreicht haben, und demnach zur grüfsten Tiefe heruntersanken. Andere VVasser- theilchen, deren Temperatur + 0°, 5, weit entfernt, ihren Platz unter der Schichte von 4° einzunehmen, mögen das hydrostatische Gleichgewicht nur über der- selben finden. Sie werden nicht tiefer herabsteigen, bis ihre Temperatur durch die Berührung minder kal- ter Schichten um 3° bis 4° hüher gestiegen ist. Würde das W^asser , indem es sich erkältet, fortfahren sich gleichm.ifsig bis &ni Zero zvi verdichten, so würde man in den sehr tiefen Seen und in den unter einander nicht zusammenhängenden W asserbecken, ohne Unterschied der Orlsbreiten, eine Wasserschicht finden, deren Tem- peratur dem Maximum der Erkältung über dem Gefrier- punct beynahe gleich käme, welche die untern Regio- nen der umgebenden Atmosphäre alljähilich erleiden! Dieser Betrachtung zufolge ist es wahrscheinlich, dafs in den Ebenen der heifsen Zone oder in niedrigen Thä- lern, deren mittlere W^ärme 25°,5 bis 27° beträgt, der Seegrund niemals unter 21° bis 22° sinken mag. W^enn, unter der nämlichen Zone, der Ocean, in Tiefen von sieben- oder aclithundert Klaftern, Gewässer enthält, deren Temperatur 7° beträgt, demnach 12- bis iSmal käl- ter ist, als das Minimum derW^ärmo *) der Aequinoctial- *) Es dürfte fast überflüssig seyn zu bemerken , dafs ich hier nur denjenigen Theil der Atmosphäre in's Auge fasse, wel- cher zwischen dem 10 Grad nördlicher und dem lo Grad südlicher Breite den Ocean deckt. Gegen die nördliche Grenze der heifsen Zone, um den 25 Breitegrad, wo ISord- ninde mit erstaunlicher Geschwindigkeit kaite Lüfte au» Ca- i34 Buch F. Seeluft (air equinoctial surfiiarin'), so mufs, meines Dafürhaltens, diese Erscheinung als ein unniitlelharer Beweis des Daseyns einer in der Tiefe des Meers vor- handenen Slrümung- angesehen werden ^ welche die Ge- wässer vom Pole gegen den Aecjuator hinführen. Wir •wollen hier keineswegs die schwierige Aufgabe lösen, wie, in den Tropenländern und in der gemiifsigten Zo- ne, zum ßeyspiel im Antillen-jMeer und in den Schwei- «erseen, diese unteren Schichten des his auf 4° oder 7° erköltt^ten Wassers auf die Temperatur der von ihnen bedeckten Stein^chichten des Erdballs, und wie eben diese Schiclüen, deren ursprüngliche Temperatur in den Tropenländern 27° und im Genfersee 10° ist, auf die halbuefrornea Wasser im Grund der Seen und des Aequinoctial-Oceans zurückwirken? Diese Fragen sind von der höchsten Wichtigkeit , sowohl für den Haus- halt der Thiere, welche gewöhnlich im Grund des süs- sen und salzigten Wassers leben, als für die Theorie der Wärmevertheilung in Ländern, die von ausgedehn- ten und tiefen Meeren umgeben sind. Der See von Valencia enthält viele Inseln, welche die Landschaft durch die malerische Gestaltung ihrer Felsen und den sie bedeckenden Pflanzenwuchs schmü- cken. Es ist dies ein Vorzug, welchen dieser See der Tropenländer den Alpenseen gegenüber besitzt. Es sind solcher Eilande, ohne den Morro und die Cabrera, welche bereits mit dem Gestade zusammenhängen, fünf- zehn, die in drey Gruppen zerfallen 'O- Ein Theil der- jiada herbevführen , sinkt der Wärmemesser auf dem Meer tu 16" und nocli liefer. *) Die I-agc und Vorllieilung dieser Inseln Ist folgende: nörd- lich, unfern vom Ufer, Jsla de Cura; süd-ostwärts, Burro, HornOj Otama, Sorro, Caiguire, Nuei^os Peiinones oder die neuen Apericidas ; nord-wcsUvärts , Cabo Blanco oder Kapitel XVI. l35 selben ist angebaut und sehr fruchtbar, um der Aus- dünstungen des Sees willen. Das gröfste dieser Ei- lande, der Burro, welcher zwey Meilen lang ist, wird sogar von einigen Melis- Familien bewohnt, welche Ziegen halten. Diese einfach lebenden Menschen be- suchen nur selten das Gestade von Mocundo. Der See däucht ihnen unermefslich grofs j sie haben Pisang, Ma- nioc, Milch und etwas Fische. Eine aus Rohrstämmen verfertigte Hütte, etliche aus Baumwolle, die auf be- nachbarten Feldern gewachsen ist, verfertigte Hänge- matten, ein breiter Stein , worauf Feuer gemacht wird, die holzige Frucht der Tutuma zum Wasserschöpfen j hierin besteht ihr ganzes Hausgeräth. Der Metis, wel- cher uns die Milch seiner Ziegen anbot, besafs eine ungemein hübsche Tochter. Von unserm Weffweiser vernahmen wir, es habe das Alleinleben ihn nicht min- der argwöhnisch gemacht, als er es vielleicht durch den Umgang mit Menschen geworden wäre. Den Tag vor unsrer Ankunft hatten einige Jäger die Insel besucht. Von der Nacht überrascht, wollten sie lieber unter freyem Himmel schlafen, als nach Mocundo zurück- kehren. Die Kunde hi:3rvon erregte Verdacht auf der Insel. Der Vater zwang das Mädclien, einen sehr hohen Zamang oder Acacienbaum zu erklettern, welcher in einiger Entfernung von der Hütte auf der Ebene steht. Er selbst nahm sein Nachtlager unter dem Baum, und liefs die Tochter erst, nachdem die Jäger abgereist wa- ren, vom Baum heruntersteigen. Diese schüchterne Vorsicht und diese Sittenstrenge haben die Reisenden nicht allezeit unter den Insulanern ani^elroft'en. Isla de Ai'es und Chambery ; süd-westwärls, Brucha und Culebra. Mitten im See erheben sicii, wie Klippen oder kleine abgesonderte Felsstücke, Vcgre , Vraile^ Pennasc« und Pan de Azucar. i36 Buch V. Der See ist überhaupt sehr fischreich : seiner F'u Ch- arten !-intl aber nicht niihr als drey, deren Fleisch m eich und nur \a enig schmackhaft i?l ; es sind die Gaavinay der f'agre und die Sardina. Die beyden letztern kom- men aus den Bächen herab, welche sich in den See er- giefsen. Die Guavitia, die ich an Ort und Stelle ge- zeichnet habe, liat eine Länge von 20 Zoll, auf 3,5 Breite. Es ist vielleicht eine neue Art der Gattung' Erythrlna des (»ronovius. ^ie hat grofse silberlarhcne, grün geränderte Schuppen. Dieser Fisch ist überaus gefräfb^ig, und er vertilgt die ül.rigen Arten. Der Aus- sage der Fi-cher zufolge trHgt ein kleines Crocodil, der Baia ■•'), u elcher uns oft nahe l;am, wenn wir badeten, gleichfalls zur Zerstörung der Fische bey. Es gelang uns nie, dieses l^eptil in unsere Gewalt zu betioninjen, um dass.lbe näher untcrsucliea zu können. Seine Grüfse beträgt selten über 3 bis 4 Fufs. Er wird für ganz un- schädlich gehalten, indefs sind seine Lebensart und seine Gestalt denen des Gayman oder Crocodilus acutus sehr ähnlich. Beym Scl)wimnieijg»sinä nur die Spitze der Schnauze und das Schwanzende sichtbar; es legt sich mitten im Tag aufs trockne Gestade. Zuverlässig ist es weder ein Monitor (die ächten Monitors finden sich ausschliefslich auf dem allen Festland), noch Seba's Sauvegaräe (Lacerta Teguixin), welche untertaucht und nicht scliwimmt *"•'). Künftige lAeisende mögen die Frage entscheiden j wir bemerken hier nur noch *^ Der Biwa oder Bavilla ist sehr gemein in Bordones, nahe bey Guniana. Siehe oben Th. I. S. 356 und 477. Der^ame Ba\'a (^Baueusei hat den Herrn Depons sehr irre geführt. Er hält dies Reptil für einen Fisch unserer Meere , den Blennius pholis. (Vojage ä \a Terre-Fermc, Tom. I» p. 142) **> Cuuier, Regne animal y »817, Tom. II, p. a6, 37. n a p i l e l XFL iSj das auffallende Verhälliiifs, demzufolge vyeder der See von Valencia, noch das ganze System der Ideinen Flüsse, die sich in denselben ergiei'sen , grofse Caymans be- sitzen, obgleich dies gelährliche Thier, wenige Meilen entfernt, in den Gewässern, die tlieils in den Apure und ürenoko, theils unmittelbar in's Antillen ■ Meer aus- fliefsen, zwischen Porto - Cabello und La Guayra in Menge vorkommt. Auf den Inseln, welche sich gleich Bollwerken mitten aus dem Wasser erheben, und überall, w^o der Felsengrund des Sees dem Auge siclitbar ist, habe ich eine gleichfürmig'e Richtung*) der Gneifsschichten wahr- genommen. Diese Hichtung ist ungeftihr diejenige der auf der Nord- und Süd- Seite des Sees stehenden Berg- ketten. In den Hügeln von Cabo-Blanco tritft man mit ten unter dem Gneiis eckige Massen von einem undurch- sichtii^en Quarz, welcher, kaum an den Rändern durch-' scheinend, in grauer und dunkelschwarzer Farbenschat- tirung wechselt. Er geht theils in Hornstein, theils in Kieselscliiefer (Jaspe schistoide) ubei\ Ich glaube nicht, dafs er einen Gang bildet. Das Seevvasser **) löst den Gneifs durch Zerfressung auf eine ganz aufserordent- liche Art auf. Ich habe durchlücherte, fast zellenartige, in Gestalt von Blumenkohl zerj;heilte , und auf gan?, *) Richtung des Gesteins, St. 5-4 nord-westl. Senlustifolia unsrer Süm- pfe verwechseln l^unnte. Erst nach joriifällii'or Lnter- siichung erkennt man diese Pflanzen für verschiedene, dem neuen Festland eigenthümiiche Arten *). . Wie viele Pflanzen der Magellanscheu Strafse, von Chili und von den Quito-Cordilleren sind vormals, um ihrer Aehn- lichkeit willen, mit den Pflanzen der gemäfsigten nürd- lic/jen Zone verwechselt worden! Die Bewohner iler Tiiäler von Aragua fragen öf- ters, warum das mittägliche Seeufer, vorzüglich sein südwestlicher 1 heil gegen Las Aguacatas hin , über- haupt mehr Schatten und ein frischeres Grün als das nördliche Ufer besitzt? Im Monat Hornung sahen wir viele entblätterte Bäume nahe bey der Hacienda do Cu- ra, in Mocundo und Guacara, w<ährend süd -ostwärts von Valencia schon Alles die nahe Regenzeit verkündig- te. Ich stelle mir vor, es mögen in der ersten Ahthei- lung des Jahrs, wo die Sonne südliche Senkung hat, die Hügel in der Nähe von Valencia, Guacara und Cura von der Sonnenhitze verbrannt werden , während das iniltägliche Ufer, mit der Brise, sobald sie durch ^4bra de Porto Cahello in's Thal eintritt, eine Luft empfängt, die über den See w^egstrich und mit feuchten Dünsten erfüllt ist. An diesem mittäglichen Gestade linden sich auch, nahe bey Guaruto, die schönsten Tabakpflan- zungen der ganzen Provinz. INIaa unterscheidet sie durch die Namen von primera , segnnda oder tercera Jundacion. Dem drückenden Monopol der Pacht zu- folge, dessen wir bey Anlafs der Beschreibung der Stadt *) Po'amogefon tenulfol'mm ^ Chara comp . ta, Typha tenui- Jolia. A. a. O. Tom. I, p. ^5 — 85, und 370. Kapitel XVI. 141 Cumanacoa geJacht liabeu-)^ dürfen die Bewohner der Provinz Caracas den Tabak nur in den Thälein von Araiiua C^^u Guaruto und zu Tapatapa) und in den l^lanos, in der jNähe von Uritucu^ plianzen. Der Erlös davon steigt auf fünf- bis sechsiiundert Tausend Piasler an j aber die Regie - V^erwallung ist so ungeheuer kost- bar, dafs sie jährlich nahe an 230,000 Piasler eriieischt. Die General - Kapitansciiaft von Caracas könnte, ver- möge ihrer Gröfse und ihres vortretflichen Bodens, eben so gut wie die Insel Cuba, alle europäischen Märkte ver- sorgen 5 in ihren gegenwärtigen Veriiältnissen aber be- zieht sie durch bchleichhandel den brasilianischen Ta- hak auf dem Rio iNegro, d>iin Cassiquiare und dem Ore- noko, und den Tabak der Provinz Pore auf dem Ca- sanarc, dem Ariporo und dem Hio Meta. Dies sind die A^erderblichen Folgen eines verbietenden Systems, das die Forlschritte der Landwirthschaft hemmt, die INa- tur-Erzeugnisse mindert und yergeblicli darnach strebt, Landschaften zu vereinzeln, die von gemeinsamen Flüs- sen durchzoi^en sind und deren Grenzen sich in un- bewohnte Räume verlieren. Unter den sich in den Valencia -See ergiefsenden Gewässern giebt es solche, die aus Thermalquellen her- kommen, und eine besondere Aufmerksamkeit verdie- nen. Diese (Quellen entspringen auf drey Puncten der Granit- Cordillere der Fiüsten : nahe bey Onoto, zwi- schen Turmero und IVIaracay ; nahe bey Mariara, nord- ostuärts von der Hacienda de Cura, und in der Nähe von Las Trincheras, am Wege von JNueva Valencia nach Porto Cabello. Es war mir nur möglich, die physischen und geologischen Verhältnisse der warmen Wasser von Mariara und Las Trincheras mit gehöriger Sorgfalt zu *) Th. JI. Kap. 6. 5. 49- 142 Buch f^. untersuchen. Steigt man den kleinen Flufs Cura gegen seine Quelle an, so sieht man, wie die Berge von Ma- riara ins flache Land hervortreten, in Gestalt eines aus- gedehnten Ampliitheaters, das aus senkrecht ahiieschnit- tenen, in ge/ähnte Hürner auslaufenden Felsmassen be- steht. Das IViittelstück des Amphitheaters führt den selt- samen Namen der Teufels JMauer oder Eche (liiiicon del Diablo^. Von den zwey Seiten Vorsprüngen wird der östliche El Chapavro , der westliche Lios f'iruelas genannt. Diese Trümmer-Felsen beherrschen das flache Lanarischen Inseln über, denen es bis dahin völlig fremd geblieben war j denn die Feriilo? des Juba ic/iiee expressce li- cjuorem Jnndiint poliii jncundvin') sind Euphorbien, das Tahayba dnlce , und keineswegs, wie neuerlich behauptet ward **'), Zuckerrohr. In Kurzem waren zwülf Zuckerpflanzungen Cmgenios de azucar") auf den Inseln Grofs- Canaria und Palma, und zwischen Adexe, Icod und Garachico, auf der Insel Teneriffa zu Stande gekommen. Man gebrauchte die Neger für ihren An- bau, und die INaclikommen derselben bewohnen jetzt noch die Grotten von Tiiaxana in Grofs -Canai-ia. Seit- dem das Zuckerrohr nach den Antillen verpflanzt ist, und die Neue Welt den Mais auf die u-lückseligfen Inseln (lies fortunees) übertrug, hat die Cultur dieses letzterem Grasgewächses auf Grofs-Canaria den Bau des Zucker- rohrs verdrängt. Gegenwärtig findet sich dieses nur noch auf der Insel Palma , in der Gegend von Argual und Tazacorte ***), wo es jährlich kaum tausend Centner Zucker erträgt. Das canarische Rohr, v/elches Aguilon nach St. Domingue gebracht hat, ward daselbst imGros- geogr. Entdeckungen., p. 186). Alexandri Benedict iy Opera med.y 1649; p- i5o. *) Ramusio, Tom. I, p. 106. **) Uelier den Ursprung des Rohrzuckers im Journ. de Phar- macie ^ 1816, p. 38/. Das Tabayba dulce ist, nach Hrn. V. Ruch, die Euphorbia balsamifera, deren Saft nicht ätzend und bitter ist, wie der des Cardoa oder der Euphorbia ca- nariensis. ***) Bericht über die Zuckercultur auf den canarischen Inseln^ durch Hrn. Leopold v. Bush. (Handschrift.) i54 B u c li '/. sen seit i5i3 oder in den sechs bis sieben darauf folgen- den Jahren unter der Leitung der Mönche des h. Hiero- nynius angebaut *}. Gleich anfangs wurden die I\eger in diesen Pflanzungen gebraucht, und im Jahr i5i9 ward der Regierung bereits schon vorgestellt, wie noch heutzutage geschieht, „dafs die Antillen verloren wären und üde bleiben niüfsten, wofern nicht alljährlich Sclaven von der Guinea-Küste dahin gebracht würden ^^'■•'_)." Es sind der Anbau sowohl als die Gewinnung des Zuckers seit einig-en Jahren auf der Terra -Firma be- deutend vervollkommnet worden ; und weil die Ge- setze auf Jamaica das Verfahren des Raffinirens nicht ge- statten, so glaubt man auf die Ausfuhr des geläuterten Zuckers durch den Schleichhandel nach den brittischen Colonien rechnen zu können. Indefs ist der Verbrauch in den Provini,en von Venezuela, in Papelon sowohl als in Rohzucker, für die Bereitung von Chocolat und Confituren (^dalces'y so ungeheuer, dafs bis dahin über- all keine Ausfuhr statt fand. Die schönsten Zuckerpflan- zungen befinden sich in den Thälern von Aragua und Tuy **'"'); in der Nähe von Pao de Zarate, zwischen Vittoria und San Sebastian *^^**)5 in der Gegend von Quatire, Guarenas und Caurimare f). Wenn die ersten Zuckerrohre von den Canarischen Inseln nach der Neuen Welt gebracht wurden, so sind es überhaupt auch Ca- *) Herera^ Dec. 2, 1. 3, c. 14. Vergl. meinen Essai poIU. sur la Noiii>. Espagne^ Tom. 2, p. 425. **) Uerera^ Dec. 2, 1. 5, c. 5. ***) Tapatapa, oder Trinidad, Cura, Mocundo, El Palmar. ****) Zum Beyspiel die Hacienda de Santa Rosa, t) Preise, in den Thälern von Aragua : papelon, Hut von 2 \ Pf. Gewicht, \ real de plata oder ,'5 eines harten Piasters ; 1 PI*. r«oh7,ucl;cr , 1 real; 1 Pf. >Teifser Zucker, 1 bis \\ real. Kapitel Xn. i55 narler oder Islengos , die noch heutzutage den grofsen Pflanzungen vorstehen, und die Arbeiten beym Anbau so- wohl als bey der Gesinnung und Läuterung des Zuckers leiten. Die nämliche genaue Verbindung mit den Cana- rischen In^elll und ihren Bewohnern hat auch die Ein- führung der Kanieele in die Provinzen von V^enezuela veranlafst. Der Marquis del Toro liefs drey derselben von Lar.cerota kommen. Die Kosten der Ueberfahrt waren sehr beträchtlich, theils um des haunjes willen, den diese Thiere auf Kauffahrtheyschiflfen einnehmen, theils wegen der grofsen Menge süfsen Wassers, wel- ches ihnen, bey der sie in einen leidenden Zustand ver- setzenden langen Reise, erforderlich wird. Das nämliche Kaineel, dessen Ankauf nur dreyfsig Piaster gekostet hatte, kam nach der Ankunft auf den Küsten von Ca- racas auf aclithundert bis neunhundert Piaster zu stehen. Wir sahen diese 1 hiere in Mocundoj von vieren waren drey bereits in America geboren. Zwey waren am Bifs des Coral y einer am tseeufer häufig vorkommenden gif- tigen Schlange, gestorben. Bis dahin hat man sich die- ser Kameele aus^chliefslich nur für den Transport des Zuckerrohrs auf die Mühlen bedient. Die männlichen Thiere, welche stärker als die weiblichen sind, tragen 40 bis 5o arrobes. Ein reicher Gutsbesitzer in der Pro- vinz Varinas, durch das Beyspiel des Marquis del Toro aufgemuntert, hat eine Summe von i5,ooo Piaster be- stimnjt, um gleichzeitig 14 oder i5 Kameele von den Canarischen Inseln kommen zu lassen. Es sind diese Unternehmungen um so lobenswerther, weil man ge- sinnt ist, sich der Lastthiere für den Waarentransport durch die heifsen Ebenen von Casanare, von Apure und von Calahozo zu bedienen, die in der trockenen Ji»hrs- zeit den afiicanischen Wüsten gleichen. Ich habe schon i56 B u c h V. andersvYO *) die Bemerkung gemacht, wie wünsclibar es gewesen wäre, die Conqiiistadores hätten gleich zu Anfang des sechszehnten Jahihunderts America mit Ka- meelen versehen, wie sie ihm Hornvieh, Pferde und Maulthiere hrachten. Allenthalben, wo in unbewohn- ten Gegenden Wanderungen durch ausgedehnte Land- schaften geschehen müssen, überall, wo der Bau von Canälen unthunlich ist,'" weil sie allzuviele Schleufsen erfordern würden (wie in der Landenge von Panama, auf dem Plateau von Mexico, in den Wüsten, welche das Königreich Quito von Peru, und Peru von^ Chili trennen), wären Kamecle für die Erleichterung des in- neren Verkehrs buchst wichtig. Es befremdet um so mehr, dafs ihre Einführung nicht gleich im Anlang der Besitznahme des Landes durch die Regierung befördert ward, da doch lange nach der Einnahme von Granada die Kameele, für welclie die Mauren eine grofse Vor- liebe besafsen , im mittäglichen Spanien noch häufig vorkamen. Ein Biscaier, Juan de Reinaga, halte auf eigene Kosten etliche dieser Thiere nach Peru gebracht. Der Pater Acosta **) hat dieselben am Fufs der Anden gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts gesehen j weil sie aber nur schlechte Pflege hatten, so pflanzten sie sich auch wenig fort, und ihr Stamm gieng völlig aus. In jenen Zeiten der Bedrückung und des Unglüchs, welche als die Zeiten des spanischen Ruhmes geschildert worden sind, wurden den Reisenden von den Conunen- datiu-ien (^Encomenderos) die Indianer wie Laslthiere vermiethet. Sie wurden bey Hunderten gebraucht, theils zum Waarentransport über die Cordilleren , theils als *) Essai po/it. sur la Nou,\ Esp., Tom. i, p. 25; T. t. p. 689. **) Hist. Nat. d* Indiasy Lib. 4, c. 55. Kapitel XVI. \bl Gefolge der Armeen bey den auf Entdeckungen und Raub ausgehenden Zügen. Die Eingebornen ertrugen diesen Dienst um so geduldiger ^ als sie, bevm fast völ- ligen Mangel an Hausthieren, dazu längst schon, zwar auf eine minder grausame Weise, auch unter der Re- gierung ihrer eigenen Häuptlinge waren angehalten worden. Die durch Juan de R^einaga versuchte Einfüh- rung der Kameele versetzte tkie Encomei^deros , welche nicht zwar gesetzlich, aber factisch , die Oberherren (seigneurs) der indischen Dörfer waren , in nicht ge- ringe Bestürzung. Man wird sich nicht wundern, dals der Hof den Beschwerden dieser mächtigen Herren Ge- hör gab ; allein die Folge der Mafsnahme war, dafs Ame- rica eines der kräftigsten Mittel missen mufste, w^odurch die inneren Verbindungen und der Austausch der Län- dererzeugnisse erleiclitert werden konnte. Gegenwär- tig, da seit der Regierung R.önig Karls III. die Indianer nach billigeren Grundsätzen regiert werden, und da sich allen Zweigen der National-Industrie ein freyeres Feld öffnet, sollte die Einführung der Kameele im Grofsen und durch die Regierung selbst versucht werden. Ei- nige Hunderte dieser nützlichen Thiere, auf dem wei- ten Umfang von America, an warme und trockene Orte verlheilt, würden, in wenig Jahren, einen spürbaren Einflufs auf die Beförderung des öffentlichen Wohlstands haben. Durch Steppen getrennte Provinzen würden einander dadurch näher gerückt werden: verschiedene Erzeugnisse des inneren Landes würden an den Küsten im Preise fallen, und durch Vermehrung der Kameele, vorzüglich der hedjines , der Gejüfse der IViiste (vais- seaux du desert), würden Gewerbfleifs und Handel in America neues Leben erhalten. Am 22sten Abends setzten wir unsern Weg von Mo- cundo durch Los Guayos nach der Stadt Nueva Valencia i58 B u c h r. fort. Man kommt durch ein kleines Gehölz von Palm- bäumen, deren Wuchs und fächerförmige Blätter dem Chanierops humilis der Küsten der Barbarey i;leichen. Ihr Stamm erreicht jedoch eine Höhe von 24, bisweilen auch 3o Fufs. Wahrscheinlich ist es eine neue Art der Gattung Coryplui *) 5 die Landeseinwohner nennen sie Palma de Sombrero , indem ihre Blattstiele zum Flech- ten der Hüte gebraucht werden, die unsern Strohhüten ähnlich sind. Dies Palmengehölz, dessen ausgedörrte Blätter beym geringsten W4nde ertönen, diese in der Ebene weidenden Kameele, diese wellenförmige Bewe- gung der Dünste über eine durch die Sonnenljitze ver- brannte Erde geben*" der Landschaft ein aiVicanisches Aussehen. Die Dürre des Bodens nimmt zu, nach Mafs- gabe wie man sich der Stadt nähert und über das west- liche Ende des Sees hinauskommt. Es ist ein vom Was- ser geebneter und verlassener Thonboden. Die benach- barten Hügel, IMorros de l aleucia genannt, bestehen aus weifsem Tuir, einer sehr neuen Kalkformation, die unmittelbar über dem Gneifs liegt. Sie findet sich wie- der in la Viltoria , und auf mehreren anderen Stellen, längs der Heile des Küstenlandes. Die Weifse dieses, Tuffs, der die Sonnenstrahlen zurückwirft, befördert die grolVe Hitze, welche hier herrscht. AHcs erscheint unfruchtbar und öde; kaum finden sich einige Stämme des (>acaobaunis an den Gestaden des Rio de Valencia; das übrige Haclie Land ist nackt und ohne allen Pflan- zenwuchs. Dieser Anschein von Unfruchtbarkeit wird hier, wie überall in den Thälern von Aragua, dem An- bau des Indigo zugi'schriiben, der, wie die Colonisten behaupten, das Erdreich unter allen Gewächsen am mei- sten erschöpft (^cansa). Es wäre der Mühe werth, die *> Coryp]»a tectorum; I^^oi^a Gen., Tom. I, p. 299. Kapitel XVL 169 waliren physischen Ursachen dieser Erscheinung- ge- nauer zu ergründen; j|ie ist, wie die Wirkungen der Brache und der Wechselvvirthscliaft, noch lange nicht hinlängüch aufgeklärt. Ich heschränko mich hier auf die allgemeine Bemerkung, dafs die Klagen üher die zunehmende Untruchtharkeit des angehauten Landes in den Tropenländern um so allgemeiner sind, je näher man sicli dem Zeitpunct der ersten Urharmachung he- findot. In einer mit keinem Rasen hedeckten Gegend, wo jede Pflanze einen holzigen Stamm hat und strauch- artig emporwächst, hleiht die jungfräuliche Erde he- schattet, sey es durch hohe Bäume oder durch Sträu- cher. Unter diesem dichten Schatten erhalten sich üher- all Kühle und Feuchtigkeit. Wie kräftig auch der Pflan- zenwuchs in den Tropenländern erscheint, so ist doch die Zahl der in die Erde dringenden Wurzeln im unhe- hauten Lande so grols nicht, während die Pflanzen auf cultivirtem, mit Indigo, Zuckerrohr oder Manioc über- decktem Land näher heysammen stehen. Die mit Aesten und Blättern überladenen Bäume und Sträucher ziehen einen grofsenTheil ihrer Nahrung aus der sie umgeben- den Luft, und die Fruchtbarkeit des jungfräulichen Bo- dens vermehrt sich durch die Zersetzung des fortschrei- tend anwachsenden vegetabilischen Stofl'es. Anders ver- hält es sich in dem, mit Indigo oder andern Kraulgewäch- sen bedeckten Land. Hier dringen die Sonnenstrahlen ungehindert in die Erde, und zerstören, durch die be- schleunigte Verbrennung der Verbindungen des schwe- felhaltigen Wasserstoffgases mit Kohlenstoff und andern sauerbaren Grundlagen, die Keime der Fruchtbarkeit. Diese Ergebnisse stellen sich der Phantasie der Colo- nisten um so auffallender dar, weil sie die Fruchtbarkeit eines seit Jahrtausenden sich selbst überlassen gewese- nen Bodens mit dem Ertrag des angebauten Landes y%V' i6o B II c h F, gleichen. Hinsichtlich auf die Erzeugnisse des Land- haus besitzen die spanischen Colonien des Festlandes und die grofsen Inseln von Porto- Rico und Cuha heut- zutage bedeutende Vortheile gpgen die kleinen Antillen. V^ermüge ihrer Ausdehnung, der Verschiedenheit ihrer Landschaften und ihrer verliältnifsmäfsig geringen Be- völkerung tragen die erstem noch alle Kennzeichen ei- nes neuen Erdreichs; während auf Barbados, auf Ta- bago, auf Sainte Lucie, auf den Jungfrau-Eilanden und im französischen Theil von St. Domingue spürbar wird, dafs die andauernde Cultur das Land zu erscliöpfim an- fängt. Würde man in den Thälern von Aragua, statt die Indigo Pflanzungen aufzugeben und dieFeldiM- brach liegen zu lassen, diese letztern einige Jahre hindurch, nicht mit Cerealien- Grasarten, aber mit anderen Nah- runüfs- und Futter-Pflanzen decken; würde man, unter diesen Pflanzen, solche auswählen, die ungleichen Fa- milien angehören, und mit ihren breiten Blättern den Boden beschatten, so möchten dadurch nach und nach die Felder verbessert, und ein Theil ihrer vormaligen Fruchtbarkeit wiederhergestellt werden. Die Stadt Nueva Valencia nimmt einen bedeutenden Flächenraum ein, ihre Bevölkerung hingegen beträgt kaum seciis- bis siebentausend Seelen. Die Strafsen sind sehr breit, der Marktplatz iplaza mayor') hat eine über- mäfsiire Gröfse , und, weil die Häuser ungemein ni'e- driar sind, so erscheint das Mifsverhältnifs zwischen der Bevölkerung der Stadt und dem Raum, welchen sie ein- nimmt, noch ijröfser als in Caracas. Viele Welfse, von europäischem Stamme, besonders die ärmern, verlassen ihre Häuser, und leben die meiste Zeit des Jahres auf ihren kleinen Indigo- und Baumwoll-Pflanzungen. Sie dürfen hier ihr Land selbst bearbeiten, was nach ein- gewurzelten Vorurtheilen in der Stadt entehrend für sie wäre. Kapitel XVI. i6i wäre. Der Gewex'bfleifs fängt allgemein zu eru.ichen an. und die Baumwoll-Pflanzungen haben sich beträcht- lich virmehrl, seitdem Handel von Porto-Cabello neue Freyheiten ertheilt worden sind, und seit dieser Hafen (im Jahr 179S) als Grofshafen (^Puerto mayor^ den un- niitti^lbar aus dem Mutterstaat Kommenden Schilfen ge- öffnet ward. Nueva Valencia, im Jahr i555 unter Villacindas Regierang durch Alonzo Diaz Moreno gegründet, ist zwölf Jahre älter als Caracas. Wir haben bereits an- deiswo gezeigt, dafs die spanische Bevölkerung in Ve- nezuela von Westen nach Osten vorgerückt ist. Va- lencia war anfangs nur eine »Zugehör von Burburata, allein diese letztere Stadt ist zu einer Embarcadere für Maultliiere herabgesunken. Man l^edauert es, und viel- leicht mit Grund, dafs Valencia nicht die Hauptstadt des Laüdes geworden ist. llire Lage, auf einer Ebene, am Seeiiestade, würde an die Lage von Mexico erinnern, Beyin Nachdenken über die leichten Verbindungen, w eiche die Thäler von Aragua mit den Ltlanos und den in den Orenoko ausmündenden Flüssen darbieten, und wenn man sich die Möglichlteit denkt, die innere SchifF- fahrt durch den Rio Hao und die Portuguesa bis zu den Mündungen des Orenoko an den Cassiquiare und Ania/.onen-Flufs zu öffnenj begreift man, dafs die Haupt-' Stadt der weitläufigen Provinzen von Venezuela in der INähe des prachtvollen Hafens von Porto-Cabello, unter einem reinen und heitern Himmel, besser stünde^ als in der Nähe der nur wenig geschützten Rhede von la Guavra, in einem gemäfsigten, aber stets nebligten Thale. Dem Königreich von JNeu-Oranada näher ge- rückt, und den fruchtbaren Getreidefeldern Von V'ittoria und liaitjuesimito zwischen inne liegend, hätte Valencia gedeihen mögen ; so aber konnte diese Stadt, ihrer Vor- yllex. U Humboldts hist. Reisen. III- j j 102 -ß II c h A. züge unerachtel^ neben Caracas nicht aufkommen, wel- ches ihr, im Laufe zvveyer Jahrhunderte, einen grolscii Theil ihrer Bewohner enlzos^en hat. Die Familien der Mantuanos wollten lieher in der Hauptstadt, als in einer Provinzialstadt, wohnen. Wer die zahllose Menge Ameisen nicht kennt, von denen alle Länder der heifsen Zone geplagt sind, der mag sich kaum einen Begriff machen von den Zerstö- rungen und von dem Versinken des Bodens, die diese Jnsecten verursachen. Sie sind auf dem Erdreich der Stadt Valencia in so ungeheurer Anzahl vorhanden, dafs ihre Ausgrabungen unterirdischen Canälen gleichen, die sich zur Regenzeit mit Wasser anlullen und den Gebäu- den sehr gefährlich werden. Bis dahin hat man die aus- serordentlichen Mittel nicht angewandt, welche zu An- fang des sechszehnten Jahrhunderts auf der Insel St. Do- mingue ergriffen wurden, als die schönen Thal-Ebenen von La Vega und die reichen Besitzungen des Franzis- caner-Ordens durch Ameisen- Schwärme verheert wur- den. Die Mönche, nachdem sie die Larven dieser In- sectcn ohne Erfolg verbrannt und Käuclierungen ver- sucht hatten, riethen den Einwohnern, durch's Loos einen Heiligen zu bezeichnen, der als ^bagado contra las Hormigas dienen sollte *), Die Ehre ward dem h. Saturnin zu Theil, und die Ameisen verschwanden, so- bald das erste Fest dieses Heiligen gefeyert ward. Der Unglaube hat seit den Zeiten der Eroberung grofse Forlschritte gemacht, und nur auf dem Rücken der Cordilleren traf ich eine kleine Capelle an, die, ihrer Insclirift zufolge, für die Gebete bestimmt ist, welche zum Behuf der Zerstörung der Termiten dem Himmel ■Übermacht werden. *) Berrcra, Decad. II, I^. 5; Cap. 14. Kapitel XVI. l63 Valencia bietet einige historisclie Erinnerungen dar; allein diese Erinnerungen, so wie alles, was die Co- lonien angeht, reichen nicht weit hinauf, und heziehen sich entweder auf bürgerliche Zwiste oder auf blutige Gefechte mit den Wilden. Lopez de Aguirre, dessen Schal. dthalen und Abenteuer eine ausgezeichnet dra- matische Episode in der Gechichte der Eroberung bil- den, begab sich im Jahr i56i, aus Peru, auf drm Ama- zonen-^trom nach der Margaretha Insel, und von hier, durch den Hafen von burhurata, in die Thäler von Ara- gua. Bey seiner Ankunft in Valencia, die auf den Na- men der königlichen Stadt stolz ist, kündigte er die .Unabhängigkeit des Landes und die Ent.etzung Phi- lipp's II. an. Die Einwohner zogen sich auf die Inseln des Tacarigua-Sees zurück, und nahmen zu Sicherung ihres Rückzugs alle Boote vom Ufer mit sich. Diese Kriegslist setzte den Aguirre in den Fall, nur gegen seine eignen Leute Grausamkeit üben zu können. In Valencia schrieb er jenen berüchtigten Brief an den König von Spanien, worin die Lebensart und Sitten des Kriegsvolks im sechszehnten Jahrhundert mit einer furchtbaren Wahrheit geschildert sind *). Der Tyrann (mit diesem ISamen wird Aguirre noch heutzutage von dem Volke bezeichnet^, der Tyrann rühmt sich wechsels- weise seiner Verl»rechen und seiner Frömmigkeit; er er- theilt dem König Katlischläge über die Regierung der Colonien und die Einrichtung der Missionen. IVlitten unter wilden Indianern und auf der Fahrt durch ein grofses Süfswasser Meer, wie er den Amazonen-Strom nennt, „schrecken ihn Martin Luther's Ketzereyen und der zunehmende Einflufs der Schismatiker in Europa. ^^ Lopez de Aguirre ward, nachdem ihn seine Leute ver- *) Siehe die ^'ote A am Schlüsse de» fünften Buch«. i64 B II c h y, lassen hatten^ in Barquesimelo getödtet. Im Augenblick seiner Niederlage stiefs er seiner einzigen Tochter einen Dolch in die Brust, ^^um ihr die Schande zu ersparen, von den Spaniern die Tochter eines Verräthers eenannt zu werden/^ Die Seele des Tyrannen (so glauben die Eingebornen) irrt in den Savanen herum, wie eine Flamme, welche die Nähe der Menschen tjicht ■•')• Das zweyte geschichtliche Ereignifs, das sich dem Namen von Valencia anschliefst, ist der grofse U eberfall der Cariben vom Orenoko in den Jahren 1578 und i58o. Diese Antropophagen-Horde war an den Gestaden des Guarico herauf, über die Ebenen der Ltlanos gekom- men. Sie ward glücklich zurückgetrieben durch die Tapferkeit von Garci-Gonzalez, einen der Kriegshaupt- leute, deren Namen jetzt nocli in diesen Provinzen in hohen Ehren steht. Man erinnert sich gern, dafs die Nachkommen dieser nämlichen Cariben gegenwärtig in den Missionen als friedliche Pflanzer leben, und dafs kein wilder Volksstamm aus Guiana die Ebenen zu durch- ziehen wagt, welche die Region der Waldungen von derjenigen des angebauten Landes trennen. Die K^üsten Cordillere ist von mehreren Bergschluch- ten durchschnitten, welche sehr einförmig von Süd-Ost nach Nord-West gerichtet sind. DieseErscheinung zeigt sich allgemein von la Ouebrada de Tocume, zwischen Petarez und Caracas, bis nach Porto- Cabello. Man sollte glauben, der Stofs sey überall von Süd-Osl her gekümineii, und es ist diese Thatsache um so auffallen- der, als die Gneifs- und Glimmerschiefer- Schichten in den Küsten-Cordilleren allgemein ihre Richtung von Süd- West nach Süd-Ost haben. Die meisten jener Schluch- ten dringen auf der Mitlagsseite in die Berge ein^ ohne •) Siehe oben, Th. I. S. 480. Kapitel XVI. i65 sie ganz zu durchschneiden; aher im Mittagskreis von Nueva Valencia befindet sich eine OefTnung (^Abra)y die nach der Küste führt, und wodurch alle Abende ein sehr kühlender Seewind die Tliälcr von Aragua heim- sucht. Die Brise stellt sich rcgelmäfsig zwey his drey Stunden nach Sonnenuntergaiii»- ein. Durch diese Abra, durch den Meyerhof von Bar» bula und durch einen östlichen Seitenarm der Berg- schlucht wird eine neue Strafse von Valencia nach Porto - Cabello eröft'net. Sie wird so sehr abkürzen, dafs man in vier Stunden den Hafen erreicht, und dafs man am gleichen Tag aus den Thälern von Aragua die Küsten besuchen und wieder zurück seyn kann. Um uns mit dieser Strafse bekannt zu machen, unternahmen wir am 26. Hornung Abends einen Ausflug nach dem Meyerhofe Barbula, in Gesellschaft seiner Eigenthümer, der liebenswürdigen Familie der Arambury. Am 27sten Vormittags -brauchten wir die warmen Quellen der Trinchera , welche drey Meilen von Va- lencia entfernt liegen. Die Bergschlucht ist sehr breit, und man steigt vom Seegestade fast ununterbrochen ge- gen die Meeresküsten herunter. Trinchera führt seinen Namen von den kleinen Festungswerken, die durch französische Filibustiers, welche die Stadt Valencia aus- plünderten, im Jahr 1677 errichtet wurden. Die war- men Quellen (diese geologische Thatsache ist bemer^ kensvverth) kommen nicht auf der Südseite der Berge zum Vorschein, wie diejenigen von Mariara, Onota und vom Brigantin ; sie gehen vielmehr in der Kette selbst fast am nördlichen Abhang zu Tage. Sie sind gar viel reichhaltiger, als alle, welche wir bisher ge-, sehen hatten, und sie bilden einen kleinen Flufs, wel- cher zur Zeit der grofsten Trockenheit zwey Fufs tief und achtzehn breit ist. Die sorgfältig aufgenommene i66 B u c h r. Temperatur des Wassers war 90°, 3 des hunderttheillgen Wärmemessers. JNach den Quellen von Urjjino in Japan, die, wie man versichert , reines Wasser sind und eine Temperatur von 100° zeigen , scheinen die Wasser der Trinchera zu den heifsesten unter allen bekannten zu gehören. Wir frühstückten bey der Quelle, -tyer, die in dieses Thermalwasser gelebt wurden, waren inner- halb vier Minuten weich gesotten. Es entspringen diese mit geschwefeltem Wasserstoff stark geschwängerten Ge- wässer auf dem Obertheil eines Hügels, der i5o Fufs über den Grund der Bergschlucht erhaben ist, und in der Richtung von Süd -Süd -Ost gen INord- INord- West steht. Das Gestein, woraus die Quellen zu Tage kom- men, ist ein grobkörniger, wahrhafter Granit, dem- jenigen der Teufels-Mauer in den Bergen von Mariara ähnlich. Ueberall, wo die Wasser in die Luft verdun- sten, bilden sie Niederschläge und Steinrinden von koh- lensaurer Kalkerde. Vielleicht nehmen sie ihren Weg über Lager von Urkalkstein, der im Glimmerschiefer und Gneifs der Küsten von Caracas so häufig vorkommt. Wir er.^aunlen über den üppigen Pflanzenwuchs um das Becken her. Mimosen mit zarten und gefiederten Blät- tern, Clusien und Feigenbäume trieben ihre Wurzeln bis in den Grund eines Pfuhls, dessen Temperatur auf 85° stieg. Die Aeste dieser Bäume dehnen sich über die Wasserflache in der Entfernung von 2 bis 3 Zoll aus. Obgleich immeifort von dem wannen Dunste befeuch- tet, zeigte die Blätterbekleidung dieser Mimosen den- noch das schönste Grün, Ein Arum, mit holzigem Stam- me und grofsen pfeilförmigen Blättern, erhob sich sogar ro'tten aus einer Pfütze, deren Tecnperatur 70° war. Die nämlichen Pflanzenarten wachsen in anderen Thei- len dieser Berge, am Ufer von Waldströmen, in wel- chen der Wärmemesser nicht über 18° ansteigt, .Moch Kapitel XVl. 167 mehr : in der Entfernung von 40 Fufs von der Stelle, wo die heifsen Quellen ent-:t schwarz, zuweilen grün. Der (^uarz herrscht in der Masse vor: seine Farbe ist überhaupt milchweifs. Ich habe in die- sem schichtenfürniig* n Granit weder Hornblende, noch schwarzen Schörl, noch Hutil (titane rulhile} angetrof- fen. Jn einigen Schichten bemerkt man runde, grau- schwärzliche , sehr quarzartige und fast glimmerlose Massen. Ihr Durchschnitt beträgt 1 bis i Zoll, ^ie finden sich unter allen Zonen, in allen Granitgebirgen. Es sind nicht solcne eingt^fügte Bruch;-tüc!'.e, wie am Greilfenslein in ^acIlsen, sondern Aggtegale von Thei« len^ welche partiellen Anziehungen gefolgt zu haben Kapitel XVL 169 scheinen. Ich konnte die Vereinigungslinie der Gneifs- und G'ianit Gebirgsarten niclit verfolgen. Winkeln zu- folge, die in den Thälern von Araoua aufgfiionnnen wurdi'n, scheint der Gneifs unt«'r dem Granit gelagert, welcher demnach einer neueren Bildung angehören wür- de. Wir wollen anderswo das relative r\ller dieser Ge- sleiuart untersuchen, wenn wir, nach unserer Hückkehr vom Cirenoko, in einem eigenen Kapitel den geologi- schen Ahrifs der Bildungen, vom Aequator his zu den Küsten des Antillen-Meer«, zu liefein verbuchen werden. Der xAnhlick • eines Schichten - Granits zog meine Auf- merksamkeit um so mehr an, weil ich, als mehrjähriger Aufseher der Bergwerke des Fichtelgebirgs in Franken, Granite zu sehen gewöhnt war, die in 3 oder 4 Fufs dichte Lager getheilt, aher wenig gesenkt waren, und auf dem Gipfel der höchsten Berge *), Thürmen oder altem Gemäuer ähnliche Massen hildeten. Die Hitze w^ard , im Verhältnifs wie wir uns den Küsten näherten , erstickend. Der Horizont war mit einem rüthlichen Dunst üherzogen. Die Sonne stund ihrem Untergang nahe, und doch wehele der Seewind noch nicht. Wir machten in den abgesonderten, unter den JNamen Cambiiry und Canarisclies Haus iCaso del Islengo) bekannten Meyerhöfen, um auszuruhen, Halt. *) Auf dem Ochsenkopf, am Rudolphstein, am Epprechtstein, am I.uxburg und am Schneeberg. Die Senkung der Schich- ten dieser Granite des Fichtelbergs beträgt überhaupt nur 50 _ jqo^ seilen (am Schneeberg) 18°. Den Einsenkungen zufolge, die ich an den Schichten der nahestehenden Gneifs- und Glimmer -Schiefer wahrnahm, möchte ich den Granit vom Fichleilierg für sehr alt, und für die Grundlage der üixigen Formalionen halten : aber die Grünstein-Lager und das Zinnmineral, die sich in ihnen zerstreut vorfinden, kön- nen, nach der Analogie der sachsischen zinnhaltigen Granite, über sein hohes Alter Zweifel erregen. 170 Buch y. Dpi' Flnfs des warmen Wassers, dem wir zur Seite giengeiij ward immer tiefer. Ein Crocodil lag todt Siin Ufer; es war über 9 Fufs lang. Wir wollten seine Zähne und seine Mundhöhle untersuchen 5 weil es aber schon mehrere Wochen an der Sonne gelegen hatte, verbreitete es einen so scheufslichen Geruch, dafs wir unsere Absicht aufgeben Und wieder zu Pferd steigen mufsten. Wenn man die Meeresfläche erreicht hat, so dreht der Weg sich ostwärts, und durchschneidet eine dürre, anderthalb Meilen breite Ebene, die derjenigen von Cumana gleicht. Man findet da zerstreute Hacketten, vom Sesuvium, etliche Stämme der Coccoloba uvifera, und, längs der Küste, Avicennien und Wurzelträger (Paletuviers). Wir durchwateten den Guiiiguaza und den Kio Estevan, die, durch häufige Ueberschwemmun- gen, ausgedehnte Sümpfe von stehendem Wasser bilden. Auf dieser grofsen Fläche erheben sich, wie fUippen, kleine Felsen vonMeandriten, Madreporiten und andern ästigen oder rund gewölbten Korallen. Man könnte sie für Zeugen des neuerlichen Rückzugs der See halten. Es sind aber diese Polypenhäuser nur Bruchstücke, die in eine Breccie von kalkigtem Cement eingesetzt sind. Ich sage in eine Breccie, denn man darf die weifsen und frischen Korallensteine dieser sehr jungen Küstenbildung nicht mit den Korallilen verwechseln, welche der Ma^e der Uebergangs - Gesteine , der Grauwacke und des schwarzen Kalksteins einverleibt sind. Es befremdele uns nicht wenig, in dieser völlig unbewohnten Gegend einen grofsen blühenden Stamm der Parkinsonia aculeata anzutreffen. Unsere botanischen Werke geben America als das Vaterland dieses Baumes an; aber seit fünf Jahren hatten wir ihn nur zvveymal wildwachsend gefunden, in a«;n Ebenen des Rio Guaiguaza und in den Llanos von Cumana, bey dreyfsig Meilen von der Küste nahe Kapitel XVI. 171 bey der Villa del Pao, und von diesem letztern Ort liefs sich antioch vermutht-n, er sey ein alter conuco oder vormals angebauter Einfang gewesen. Sonst überall trafen wir auf dem aniericanischen Festland die Par- ler unter seinen Landsleuten vortheilhaft bekannt. Seit sieben Jahren halte er sechs- bis achttausend von der schrecklichen Seuche befallene Kranke in die Spi- täler bringen gesehen; er hatte die V erheerungen beob- achtet, welche die Epidemie vom Jahr 1793 in der Flotte des Admirals Ariztizabal veranlafste* Diese Flotte verlor beynahe einen Drittheil der Schiffsmannschaft, weil die Matrosen fast alle dem Klima nicht angewöhnte Euro- päer waren und frey mit dem Lande verkehrten. Hr. Juliac hatte vormals diese Kranken, wie auf der Terra- Firma und auf den Inseln gewöhnlich gescliieht, mit Blutlassen, gelind abführenden Mitteln und säuerlichton Getränken behandelt. Die Lebenskräfte werden bey die- sem Verfahren durch keine Reizmittel gehohen. Indem man zu beruhigen trachtet, vermehrt man die Entkräf- tung und Schwäche. In den Spitälern, wo die Kranken angehäuft waren, betrug die Sterblichkeit damals 33 vom 100 unter den weifsen Kreolen, und 65 vom 100 unter den neu angekommenen Europäern. Seit man, anstatt der alten schwächenden Methode, reizende Mit- tel anwandte, das Opium, die Benzoe und alcoholartige Getränke, hat sich die Sterblichkeit bedeutend vermin- dert. Man glaubt sie auf 20 vom 100 für die Europäer und auf 10 für dieKreolen heruntergebracht zu haben*). *) Ich halic die Verhältnisse der Stcrbh'chkeit im gelben Fieber in einem andern Werke hehandelt. Nouf. Esp. , Tom. II, p. 777 — 785 und 867. Zu Cadix war die Sterblichkeit, im Kapitel Xyi. 173 sogar auch in Fällen^ wo schwarze Ausleerungen durch den Mund und Bkilungen aus Nase, Ohren und Zalin- fleiscli einen hohen Grad von Bösartigkeit des UeJ)els anzeigten. Ich mekie treulich^ was damals iiir das all- gemeine Ergebnil's der Beobachtungen gehalten ward : man soll aber^ glaub' ich, bey diesen Zahlenvereloi- chungen nicht vergessen, dafs die Epidemien mehrerer aufeinander folgender Jahre verschieden sind, und dafs, um über den Gebrauch des stärkenden oder schwächen- den Heilverfahrens (wofern anders ein solcher Unter- scheid in absolutem Sinne vorhanden ist) zu urtheilen, zwischen den verschiedenen Zeiträumen der Krankheit unterschieden werden mufs. Das Klima von Porto- Cabello ist minder heifs, als dasjenige von Guayra. Der Seewind weht daselbst stär- ker, häufiger und regelmäfsiger. Die Häuser stehen nicht an Felswänden , welche die den Tag über ver- schluckten Sonnenstrahlen zur Nachtzeit wärmend wie- der ausstrahlen. Die Luft mag zwischen den Küsten und den Bergen von Ilaria freyer kreisen. Die Quellen der ungesunden Luftbeschaffenheit müssen an den, sich westlich in weite Ferne gegen Piiiita de Tiicacos ^ in der Nähe des schönen Hafens von Chichiribiche aus- dehnenden Seegestaden gesucht werden. Hier befinden sich die Salzwerke, und hier herrschen, beym Eintritt der Hegenzeit, die dreytägigen Wechselfiebor, welche Jahr 1800, zwanzig vom Hundert j zu Sevilla, im J. 1801, war sie auf sechzig vom Hundert angestiegen. In Vera Crus beträgt die Sterblichkeit nicht über 12 bis i5 vom Hundert, nofern die Kranken gehörig besorgt werden können. In den bürgerhchen Spitälern von Paris ist die Zahl der Sterbe- fälle, in mittleren Jahren, 14 bis 18 atifs 100; man ver- sichert jedoch, ein beträchtlicher Theil der Kranken konun» beynah« sterbend, oder auch sehr betagt in die Spitaler. Ijr^ B U C h K SO leicht in bösartige Fieber ül)ergehen. Man hat die auffallende Bemerkung gemacht, dafs die in den Salz- werken arbeitenden Metis dunkler gefärbt sind und eine gelbere Haut haben, wenn sie mehrere Jahre nach ein- ander jene Fieber überstanden haben, welche die üü- stenhrankheit genennt werden. Die Bewohner dieser Küste, arme Fischer, behaupten, nicht die Ueber- schwemmung des Meeres und das Wiederabfliefsen des salzigen Wassers sey es, was die mit Wurzeiträgern bedeckte Landschaft ungesund macht *) , sondern es rühre die ungesunde Luftbeschafi'enheit von den Ueber- schwemmungen des Guayguaza- und des hstevan- Ötro- mes her, die in den Monaten Uctober und iNovember so plötzlich und mächtig an-tsigen. Die Gestade des Hio Estevan sind für ihre Anwoh- ner minder gefährlich, seit daselbst kleine Mais- und Pisanff-Pflanzuneen anari^lest worden sind, und seit man dahin gelangt ist, durch Erhöhung und Befestigung den Flufs in engerem Bette zu behalten. Man ist mit dem Plane beschäftigt, dem Bio San Estevan eine an- dere Ausmündung zu geben, und dadurch die Umge- gend von Porto-Cabello jjesunder zu machen. Ein Ab- leitungscanal soll die Gen äs-er dem der Insel Guayguaza vorüberliegenden Küstentheil zuführen. Die Salzwerke von Porto-(]abello gleichen ziemlich denjenigen der Halbinsel Araya in der INähe von Cu- mana. Die Erde, welche man durch Sammeln des Be- genvvassers in kleinen Becken auslaugt, enthält jedoch *) Auf den Antillen Eilanden wird seit langer Zeit die Ursache der zur Winterxeit herrschenden bösartigen Krankheiten auf Rechnung der Südwinde gebracht. Diese Winde führen die Ausdünstungen der Mündungen des Orenoko und der kleinen Flüsse der Terra-Firma den hochgelegenen Breiten zu. Kapitel XVI. 175 weniger Salz. Man wirft liier, wie in Cumana, die Frage auf, ob das Erdreich mit Salztheilchen ge- sclnvängert ist, weil es seit Jahrhunderlen periodisch mit an der Sonne verdünstendem Seewasser bedeckt war, oder ob der Boden salzhaltig ist, wie eine sehr arme Steinsalzgrubt'. Ich fand die erfoiderliche Mufse nicht, um dies Gestade mit gleicher Sorgfalt, wie die Halbinsel Araya, zu untersuchen. Sollte übrigens die Aufgabe nicht mit der sehr einfachen Frage. zusammen- treffen, ob das Salz von neuerlichen Ueberschwenimun- gen , oder von sehr alten Ueberschwemmungen her- rührt? Weil die Arbeit in den Salinen von Porto Ca- bello im höchsten Grad ungesund ist, so geben sich nur die allerdürftigsten Menschen damit ab. Sie sam- meln jdas Salz in kleinen Parthieen, und verkaufen es her- nach an die Magazine der Stadt. Während unsers Aufenthalts in Porto-Cabello war die Küsten - Strömung , welche sonst überhaupt west- wärts geht, von Westen nach Osten gerichtet. Diese aij/icarts gehende Strömung Ccorriente por arriba'), von der wir auch schon sprachen, koinnit während zwey bis drey Monaten Im Jahr, vom Herbstmonat bis Wintermonat, öfters vor '0. Man hält sie für die Wir- *) Die Trümmer der auf der Dreyfaltigkeits-Insel, zur Zeit ihrer Besitznahme durch die Britten im Jahr 1797, verbrann- ten »panischen Schiffe wurden durch die allgemeine oder Rotations - StrömuJig nach der Punta Brava, unweit von Porto-Cabello, geführt. Diese allgemeine, ostwärts gehende Strömung, von den Küsten von Paria an bis zur Landenge von Panama und dem westlichen Ende der Insel Cuba, war bereits im sechszehnten Jalirhundert der Gegenstand eines lebhaften Streites zwischen Don Diego Colomb, Oviedo und dem Piloten Andres. Siehe „de novis opinionibus Huenth ad occidentem pelagi Pariensis et de impuisu c^elorum ^uo 1^6 Buch F. kung einiger IN ord-West- Winde zwischen Jamale» und dem St. Antons- Vorgebirg der Insel Cuba. Die militärische Vertlieidi^ung der Küsten der Terra -Firma beruht auf sechs Puncten , dem St. An- tons-Sclilofs von Cun)anaj dem Morro von JNueva Bar- celona, den Festungswerken der Guayra (mit 184 Ka- nonen), Porto- Cabello , dem St. Karls - Fort an der Ausmündung des Sees von iVIaracaybo, und Carthagena ]a nueva. JNach Carthagena la nueva ist Porto-Cabcllo der wichtigste befestigte Platz. Die Stadt ist von ganz neuer Bauart, und ihr Haien einer der schönsten von al- len, in beyden Festlanden beKannten. Die Kunst durfte den Vortheilen, welche seine natürliche Lage darbietet, nur weniges hinzufügen. Eine Erd'.unge verlängert sich anfangs nördlich, hernach westuärts. Ihr west- liches Ende steht einer Heihe von Eilanden gegenüber, die durch Brücken verbunden sind, und so nahe bey einander stehen, dafs man sie lür eine zwevte Erdzunge halten möchte. Diese Inseln gehören alle einer noch sehr neuen Formation von Halkstein - Breccie an, die derjenigen verwandt ist, welche wir auf den Küsten von Cumana und in der INähe des Sclilos«es Araya beschrie- ben haben. Es ist ein Agi^lomerat, worin Bruchstücke von Madreporen und andern (>orall Arten durch eine kalkartige Masse und Sandkörner veriiittet sind. Wir hatten das nämliche Agglomerat bereits auch in der Nahe des Rio Guayguaza angetroffen. Vermöge der aufser- ordentlichen Verhältnisse des Bodens gleicht der Hafen einem Wassei'becken oder einer inneren Lagune, deren Südseite voll kleiner, mit Wurzelbäumen (niangliers) überdeckter Eilande, Die westliche Oeilnung des Ha- fens torrentcs exeunt ad occidentem et per Universum circum aguntur." Petr, Martyr. Oceuii. Dec. II. Lib. X, p. 5j7. Kapitel XFI. 177 fens trägt Vieles zur Ruhe der Gewässer Ley '■'•'}. Auf einmal kann nur ein einziges Schill einlaufen 5 aber die grüfsten Linienschilfe können ganz nahe am Land an- kern^ um Wasser einzunehmen. Die Felsenriffe von PuntaBrava, denen gegenüber eine Batterie von acht Kanonen errichtet ist, können allein nur den Hafen ge- fährden. Westwärts und südwestwärts erblickt man das Fori, das ein regelmäfsiges Pentagon zu fünf Bastionen bildet, die Batterie des Felsenri^fs, und die Festungs- werke der alten Stadt, die auf einem trapezförmigen Eiland erbaut ward. Eine Brücke und das feste Thor der Eslacade vereinbaren die alte Stadt mit der neuen, welche bereits schon grüfser als jene ist, obgleich sie nur für eine Vorstadt geachtet wird. Der Hintertheil des Beckens oder der Lagune, die den Hafen von Porto- Cabello bildet, umfafst die Südvvestseite dieser Vorstadt, und bildet ein Sumpfland, das mit stehendem, verdor- benem Wasser überschwemmt ist. Die Stadt zählt ge- genwärtig nahe an gooo Einwohner. Sie verdankt ihren Ursprung dem in diesen Gewässern durch die Nähe der im Jahr i549 gegründeten Stadt ßurburuta veranlafbten Schleichhandel. Erst unter der Regierung der Biskaya- ner und der Compagnie von Guipuzcoa ward Porto- Cabi;llo, welches zuvor nur ein Weiler gewesen war. zu einer gut befestigten Stadt. Die Fahrzeuge von la Guayra, das weniger ein Hafen, als eine schlechte, of- *) Man ist in Porto-Cabello getheiJter Meinung, ob der Name des Hafens von der Ruhe seiner Gewässer herrühre, ,,die kein Haar i,cabeüo~) benegcn würden," oder ob, was wahr- scheinlicher ist, dieser ISame von Antonio Cabello herkommt, einem Fischer, mit dem die Schleichhändler von Curafao vertraute Verbindung unterhielton , zur Zeit, wo der erst» Weiler auf dieser halb öden Küste erbaut ward. AUx. V. Humboldit hist. Reisen. III. j j 178 B n c h V. fene Rhede ist, kommen nach Porto -Cabello, um sich caliatern und ausbessern zu hassen. Die wahre Vertheidigung des Hafens besteht in den niederen Batterien der Erdzunge von Punta lirava und des Felsenrills;, und man hat diesen Grundsatz mifs- kannt, als man mit grofsen Kosten auf den Bergen, welche die Vorstadt südwärts beherrschen, ein neues Fort, das Belvedere QlMirador^ von Solano ••') erbauen liefs. Dies, eine Viertelstunde vom Hafen entfernt ste- hende Werk ist vier- bis fünfhundert Fufs über der Meeresfläche erhöhet. Die Baukosten desselben betru- gen alljährlich, während einer langen Reihe von Jah- ren, zwanzig- bis dreyfsigtausend Piaster. DerGeneral- Capitain von Caracas, Hr. v. Guevara Vasconzelos, in Uebereinstimmung mit den geschicktesten spanisclien Ingenieurs, war der Meinung, der Mirador, welcher zu meiner Zeit nur noch mit sechszehn Kanonen ver- sehen war, könnte für die Vertheidigung des Platzes wenig leisten, und die Arbeiten wurden auf seinen Be- fehl eingestellt. Eine lange Erfahrung hat dargethan, dafs die sehr hohen Batterien, selbst wenn sie mit gro- bem Geschütz versehen sind, viel weniger zum Schutz der Rhede leisten, als niedrige, halb im Wasser stehende Batterien thun, die mit kleinerem Geschütz versehen, aber auf den Küsten oder Hafendämmen errichtet sind. Wir fanden den Verlheidi»ungszustand von Porto -Ca- bello sehr wenig sichernd. Die Festungswerke dos Ha- fens und der Stadt mit etwa sechszig Feuerschlünden erheischen eine Besatzung von 1800 bis 2000 Mann; es waren aber deren nur 600 vorhanden. Auch war eine königliche Fregatte von den Kanonier-Schaluppen eines *) Der Mirador liegt östlich von der Ilgia alta und südöst- lich von der Batterie des Naizwerks und der Pulvcrinühle. Kapitel XVI. 179 enffUschen Krlcssschifies an:',cori(Ten und genommen wordeil, obgleich sie am Hareneingang' vor AnKer lag. Die Blokade Legünrtigte den ScMoichhandel vielmehr, als dafs sie ihn hinderte; Alles sclsitMi in Porto-Cahello eine zunehmende Bevölkerung- und Gewerhiieifs anzu- deuten. Der thätigste Schleichhandel wird mit den In- seln Curasan und Jainaica getrieben. Jährlich werden über zehnlausend JVlauIthiere ausgeführt. Jbs ist merk- würdig diese Thiere einschifl'en zu sehen, die durch Schlingen zu Boden geworfen, und mittelst einer dem Kranich ähnlichen Vorrichtung an Bord der SchiflV; ge- bracht werden. In zwey Keihen gestellt, können die Maulthiere sich während desSciilingerns und btarnpfeiis des Schiffes kaum aufrcclit halten. Um sie zu schrecken und lenksamer zu machen, wird einen grofsen Theil des Tags und der JNacht durch die Tronimel gerührt. Man stelle sich die Kühe vor, deren ein Passagier ge- niefsen mag, welcher den Muth besitzt, auf einer dieser mit iVIaulthieren beladenen Giiletlen die Ueberiahrt nach Jamaica zu nuichen. Wir verliefsen Porto -Cabello am ersten März bey Sonnen - Aufgang. Mit Verwunderung sahen wir die Menge der, mit dem auf den Markt bestimmten übst beladenen, Kähne. Sie erinnerten mich an einen schö- nen Morgen in Venedig. Von der Seeseite gewährt die Stadt überhaupt einen freundlichen und lieblichen Anbuck. Mit Pttanzengrün bedeckte und in Spitzen *), die uian ihren Umrissen nach für trappartige Felsen hal» ten könnte, auslaufende Berge bilden den Hintergrund der Landschaft. In der Küstennähe ist Alles nacLt, weilV, und hell beleuchtet; während die ßei'gwand mit dicht helaubten Bäumen besetzt ist, deren lange Schatten sich *J Las Tetas de Ilaria- i8o Buch F. über eine braune und felsigte Landschaft ausdehnen. Bevni Ausfi-anff der Stadt besahen wir die kürzlich be- endigle Wasserleitung. Sie ist 5ooo Vares lang, und führt durch eine Rigole das Wasser des Rio Estevan nach der Stadt. Das Werk kostete über 3o,ooo Piaster: dafür fliefst nun aber auch Wasser in allen Strafsen. Auf dem Rückweg von Porto - Cabello nach den Thälern von Aragua machten wir nochmals Halt in der Pflanzung von Rarbula, durch welche die neue Strafse von Valencia geführt wird. Wir hatten seit mehreren Wochen von einem Baume sprechen gehört , dessen Saft eine nährende Milch ist. Er wird der Hiihbcnun (Varhre de la vache^ genannt , und man versicherte uns, die Neger der Meyerey, welche diese Pflanzen- milch in Menge trinken, halten sie für eine sehr ge- sunde Nahrung. Da alle Milchsäfte der Pflanzen scharf, bitter und mehr oder weniger giftig sind, so kam uns diese Angabe sehr seltsam vor. Die Eriahrung jedoch belehrte uns, während des Aufenthalts in Barbula, dafs in dem, was man uns von den Eigenschaften des Palo de Vaca gesagt hatte, keine Ucbertreibung lag. Es zeigt dieser scliöneBaum die Gestalt des Sternaplelbaums CCdimitier^ *). Seine ablangen, zugespitzten, zähen und wechselnd stehenden Biälter smd mit unterhalb vorspringenden und parallellaufenden Seilenrippen ver- sehen. Ihre Länge beträgt bis auf zehn Zoll. Die Blume haben wir nicht gesehen; die Frucht hat wenig Fleisch und enthält eine, bisweilen auch zwey Niisse. Wenn in den Mamm des Huhbaiinis Einschnitte gemacht wer- den, so fliefst eine klebiigte, ziemlich dicke, vollkom- men mildschmeckende und einen sehr angenehmen bal- *) Chrysoph^'llum Cainito. Siehe yJ finales du ßluset-, Tom. IT. p. 180. Kapitel XVl. 181 samischcn Geruch ausdünstende Milch in Menge her- vor. Man reichte uns diese Milch in Früchten vom Tiitnmo oder Kürhisflaschenbaum. Wir haben davon ansehnliche Portionen getrunken, sowohl Abends vor Schlalongehen ;, als früh Morgens, ohne irgend eine schädliche Wirkung zu verspüren. Nur die Klebrigkeit der Milch macht sie etwas unangenehm. Die ISeger und die freyen Arbeiter der Pflanzung trinken dieselbe, indem sie Mais- oder Manioc-Brod, die yirepa und die Cassace darein tauchen. Der Hausmeyer des Pachthofes versicherte, die Sclaven würden zusehends fetter, wäh- rend der Jahrszeit, wo der Palo de f'^aca die meiste Milch liefert. Bey freyem Zutritt der Luft bilden sich auf der Oberfläche des Saftes, vielleicht durch Einsau- gung des Sauerstoffs der Atmosphäre, Häute von einer, dem thierischen Stoff bedeutend sich annähernden, gelb- lichten, faserigen, einer käseartigen ähnlichen Sub- stanz. Diese von der übrigen, mehr wässerigten Flüs- sigkeit getrennten Häute sind elastisch, beynahe wie Federharz (Caoutchouc) : in der Folge aber gehen sie eben so in Fäulnifs über, wie die Gallerte. Das Volk nennt den sich durch Einwirkung der Luft trennenden Klumpen Jxüse ; derselbe wird in fünf bis sechs Tagen sauer, wie ich an kleinen Portionen desselben, welche ich n)it mir nach Nueva Valencia nahm , beobachtet habe. In einem wohl verschlossenen Fläschchen auf- bewahrt, setzte sich aus der Milch ein geringes coagu- 7h«i zu Boden : und, weit entfernt stinisend zu werden, behielt die Flüssigkeit vielmehr ihren balsamischen Ge- ruch. Unter Beymischun^ von kaltem Wasser gerann der frische Saft beynahe gar nicht; dagegen erfolgte die Trennung der klebrigten Häute, als ich ihn mit Salpetersäure in Berührung brachte. Wir sandten zwey Flaschen dieser Milch an Herrn Fourcroy nach Pari§. i8z Buch V. In der einen war sie in ihrem natürlicTien Zustand, in der aiidiTi) liin^^egen mit einer ge\vi:sen Menge kohlen- saurer Soda vermischt. Der franzö^isclie Consul auf der Insel St. Thomas hatte die Gefälligkeit^ diese Sen- dung 7,u hejorgen. Es scheint der aufserordentliche Baum ; von dem hier die iWde ist, der fiüsten-Cordillere , vorzüglich der Gegend zwischen liarhula und dem Maracayho-See anzugehören. Einige Stämme davon stehen auch in der Wähe des Dorfs San Mateo, und, dem Zeugnifs des Hrn. Bredemeyer zufolge, dessen Reisen den schönen Gewächshäusern von Schönhrunn und U ien so reichen Zuwachs brachten, auch im Thale von Caucagua, drey Tagreisen östlich von Caracas. Diespr JNaturforecher fand, wie wir, die Pflanzenmilch des Palo de J- tica von angenehmem Geschmack und gewürzhaftem Geruch. In Caucagua nennen die Eingehornen den Baum, wel- cher diesen nährenden Saft liefert, IMilc/ibaiim , Arbol de lecke. Sie behaupten, an der Dichtheit und Farbe des Laubes die Stämme zu unterscheiden, welche am meisten Saft enthalten, wie die Hirten an äufseren Kenn- zeichen eine gute Milchkuh erkennen. ^och hat bis dahin kein Pflanzenforscher das Dasoyn dieses Gewäch- ses gekannt, von dem man sich die Befruchtungstheile leicht wird verschafl'en können. IN ach Herrn Kunth scheint dasselbe der Familie der Sapoteen (Sapotilliers) anzugehören*^. Ich habe erst lange nach meiner hück- *) Galactodendrum^ ex familla sapotoarum. Arbor 6-7 -or- gyalis. Ramuli teretes; glabri , juniores angiilali, tcnuis- sime canescenti puberali. Genxniae lerminaics , subulal«^, convölutae, slriceo - pubescentes. Folia altcrna , petiolata, oblonga, utrinque rolumlala, apice brevissiine acuininata, integerrima , reticulato- venosa, venis primariis transversa- libus 'pauIo approximatis subparalleiis nervoque subtus pro- Kapitel XVI. i83 kunft in Europa, in der Beschreihnng von Ostindien durch den Holländer Lael, eine Stelle gefunden, die auf den Kulibaum Bezug- zu haben scheint. ,,Es befinden sich, sag-tLeet*^, in der Provinz Cuinana Bäume , de- ren Saft einer geronnenen Milch gleicht, und eine ge- sunde Nahrung gewährt/"^ ich gestehe, dafs unter der grofsen Zahl merk- würdiger Erscheinungen, die mir auf meinen Reisen vorgekommen sind , nur wenige einen so lebhaften Eindruck auf mich machten, wie der Anblick des Huh- bamns. Alles, was auf Milch Bezug hat, alles, was die Cerealien angeht, regt eine Theilnahme in uns auf, die nicht einzig nur auf dem Werth der Kenntnifs natür- licher Dinge beruht, sondern sich einer andern Reihe von Vorstellungen und Gefühlen anschliefst. Wir mögen uns nicht leicht denken, wie das Menschengeschlecht ohne mehligte Substanzen, ohne den Nahrungssaft be- stehen könnte, den die Mutterbrust enthält, und wel- cher der lange dauernden Schwäche des Kindes ange- pafst ist. Der Stärkmehl-Stoflf der Cerealien, ein Ge- minentibus, subcoriacea, glaberrima, exsiccata supra viridia, sublus aureo - fusca , növem aut decem pollifcs longa, vix qualuor pollices lata. Petioli crassi, canaliculali , glabri, S aut 9 lineas longi. Stipulae nullte. Fructus facie drupae jugl.Tndis, carnosus, giobosus, viridis, fcetus nucibus i aut 2, monospermis (Drupa? pluri -, arbotu uni- aut bilocularis: loculis monospermis?^. Kunth 'inHumb. et Bonpl., Nou.Gen., Tom. Ilf, ined. "*) Inier arbores quec sponte hie passiin nascunlur, niemorantur a scriploribus hispanis quaedam, quae lacteum quemdam li- quorem fundunt , qui durus admodum evadit instar gummi et suavem odorem de se fundit : aliec quee Uquorem quem- dam edunt , instar lactis coagulati , qui in cibis ah ipsis usurpatur sine noxa. Descript. Ind. occ. Lib. 18, Cap. 4 fed. i653, p. 67 j). iSi Buch V. g-en5tan(l religiüser Verehrung- bey sehr vielen alten und neueren Völkern, ist in den PHanzensaamen verbreitet, und n ird nicht minder in \A'ui'zeln angetroft'en ; die zur Speise dienende Milch zeigt sich uns ausschliefsiicli als ein Erzeugnifs thierischer Eildung-. So sind die Ein- drücke bescbaiTen, welche wir von frül'ester Jug-end an empfangen haben, und dies i'^t auch die Quelle des Er- staunens, das uns der Anblick des so eben beschriebenen Baumes erregt. Es sind hier keine prachtvollen Schat- ten der Wälder, kein majestätischer Lauf der Strüme, und keine in ewigen Winter gehüllte Berge, die uns mächtig- ergreifen. Einige Tropfen eines Fflanzensafts erinnern uns an die Allmacht und Fruchtbarkeit der INatur. Am dürren Abhang eines Felsen wächst ein Baum, dessen Blätter dürr und zäh sind. Seine dicken holzigen Wurzeln haben Mühe in das Gestein einzudrin- gen. Mehrere JNIonate des Jahres befeuchtet kein er- quickender Regen sein Laub. Die Aeste scheinen ab- gestorben und vertrocknet, bohrt man aber den Stamm an, so entfliefst ihm eine milde und nährende Milch. Bey Sonnen-Aufgang- ist diese vegetabili:c!ie Quelle am reichsten. Es kommen alsdann von allen Seilen her Neger und Eingeborne, mit grofsen IVäpfen versehen, um die Milch zu sammeln, welche gelb wird und sich auf der Oberfläche verdichtet. Die einen heren ihre Näpfe unter dem Baume selbst aus, andere bringen das Gesammelte ihren Kindern. Alan glaubt den Haushalt eines Hirten zu sehen, der die Milch seiner Heerde verlheilt. Dies sind die Eindrücke, welche der erste Anlilick des hu/tbaums im Geiste des Reisenden zurückläfst. Die Wissenschaft- zeigt uns, indem sie die natürlichen Ei- genschaften der thierischen Suhstan/en und der Hflanzen- Substanzen untersucht, die zwischen beyden bestehend© Kapitel XVI. i85 enge \ «jrbindung ; aber sie entzieht das Wunderbare, und vielleicht auch sogar einen Tlieil seines Reizes dem- jenigen, das unser Erstaunen erregt lustte. JNichts er- scheint mehr vereinzi'U f chymische Grundtheile, ivel- che man den Tliieren eigenthiunlich glaubte, finden sich in den Pflanzen wiedi^r. Ein gemeinsames Band umschlingt die ganze organische Natur. Lange bevor die öcheidekiinstler kleine Wacbs- theilchen im Blütlienstaub, iin Fiinifs der Blätter und im weifsen Staubhauch unserer Pflaumen und Trauben erkannt hatteii , verfertigltm die Bewohner der Anden von Quindiü Kerzen aus der dicken Wachskruste , die den Stamm eines Palmbaums bedeckt *). Seit wenigen Jahren erst kam man in Europa auf die Entdeckung des Caseiim **), als des Grundtueils vom Käse, in der Man- delmilch; während seit Jahrhunderten in den Küsten- bergen von Venezuela die Milch eines Baumes , und der Käse, der sich aus dieser Pflanzenmilch abscheidet, für eine gesunde Nahrung gehalten wird. Worauf be- ruht dieser seltsame Gang in der Entwicklung unsrer Kenntnisse? Wie gelangte ^as Volk in der einen Halb- kugel zur Erkenntnifs dessen, was in der andern so lange Zeit dem Scharfsinn der Scheidekiinstler sich entzog, welche gewöhnt sind, die Natur zu befragen und sie in ihrem geheimnifsvollen Gang zu überraschen? Per Grund liegt darin, dafs eine kleine Zahl UrslolTe und verschiedenthcli verbundene Grundtheile in mehreren Pflaiizenfamilien verbreitet sind 5 dafs die Gattungen *) '^ercj:\ Ion and'tcola, die wir in den Plantcs equinoxialc?, Tom. I, p. g, pl. I et II Lekannt gemaciit lia'ben. '**) Proust, im Journ. de Ph')s., Tom. I.IV", p. 43o. Boullay und \ ogei in den A/tnales de Chiniie et de Physiquc, Tom. VI, f. 408. iS6 Buch V. und Arton dieser natürlidien Familien nicht gleich- mälsig in der Aequatorial Zone und in den kalten und geinSrsi<^-ten Zonen vertheilt sind 5 dafs Völkerschaften, die das Bediirfnifs antreiht und die ihre meiste JNalirung- aus dem Pflanzenreich '/iehon , nährende Grundtheile, niehliii:e und Nahrungs- Suhstanzen überall entdecken, wo die Natur sie in Säften, Binden, Wurzeln oder Früch- ten der Gewächse niedergelegt hat. Dieses Stärke-Satz- mehl, welches die Saamen der Cerealien in seiner völ- ligen Keinheit darstellen, findet sich, mit einem scharfen vnd zuweilen sogar auch gütigen Saite vereinbart, in den Wurzeln des Arum, der Tacca pinnatifida und der Jatropha ATanihot. Der americanische Wilde hat, gleich dem Bewohner der Südsee-lnscln, das Satzmehl durch Auspressen und Trennung von seinem Safte versüfsen gelernt. In der Pflanzenmilch und in den milchisten Emulsionen sind überaus nährende Stofl'e, das Eyweifs, der Caseum und der Zucker, mit dem Caoutchouc und mit ätzenden und zerstörenden Grundtheilen vermischt, wie die Morphine '"') und die Blausäure sind. Diese Mischungen zeigen sich nicht nur in den ui'igleichen Familien verschieden, sondern auch in den Arten, wel- che zur nämlichen Gattung gehören. Bald ist es die Morphine oder der narcotische Grundtheil, der, wie dies bey einigen Paperaceen der Fall ist, die Pflanzen- milch auszeichnet; bald das Caoutchouc, wie in der Hevea und Castilloaj bald das Eyweifs und das Caseum^ wie im Melonenhaum tind im liuhhanm. Es gehören die Milchsaftpflanzen vorzugsweise zu den drey Familien der Euphorhiaceen , Urticeen und Apocineen **), und da es sich, bey Untersuchung der *) Das Opium enthält die Morphine, das Caoutchouc u. s. >v. **) Auf diese drey grofsen Familien folgen die Papaveraceen, Kapitel XFI, 1S7 Vertlieilung der Pflanzenformen über den Erdball ^ er- gi»>bt, dafs diese drey Familien in dcM- lieleiei) Gegend der Tropenländer in zalilreiclieren Arten vorl'.ouunen, so läfst sich daraus l'olgcrn^ dafs eine sehr erliühte Tem- peratur zur Ausarbeitung der Milchsäfte, zur Bildung des Caoutchouc, des Eyueifses niid der Käüesuh; tanz beyträgt. Der Saft des J'alo de I aca zeigt ohne Zwei- fel das merkwürdigste ßey?piel einer Pflanzenmilch, worin das scharfe und schädliclie Piincip dem Eyweifs, dem Caseum und dem Caoutchouc nicht beygesellt ist 5 inzwischen landen sich bereits auch in den Gattungen der Euphorbia und Ascleplas , die so allgemein durch ihre ätzenden Eigenschaften Siekannt sind, solche Arten, deren Salt mild vind unschädlich ist. Dahin geliüren das Tabasba diilce der Canarischen Inseln , von dem wir anderswo gesprochen hal)en *) , und die Asclcpias lactifera aus Ceylan. Burmann erzählt, man bediene sich, in Ermangelung der Kuhmilch, dort zu Lande des Milchsatts dieser letzteren Pflanze, und nian lasse mit ihren Blättern die Speisen Kochen , die sonst ge- w>5hnlich mit Thiermilch zubereitet werden! Man darf bolfen, es werde ein in die chymischen Kenntnisse tief eingeweihter Keisender, Hr. John Dav)', diese That- sache während seines Verweilens auf der Insel Ceylan die Chicoraceen , die Loltellaceen , die Camparmlacoen , die Sapoteen und die Cucurbitaceen. Die Blausäure ist der Gr;-ppe der Rosaceen - Amvgdaleen eigen. In den Mono- cot> ledoneen findet sich iiein Milchsaft, aber die Saamen- um;;üi)ung der Falmbaume, welche so milde und angenehme milch.irtige Emulsionen liefert, enthält ohne Zweifel caseum. Wie verhall sich s nn't der Milch der Pilze? *) Euphorliia baisamifera. Siehe oben Kap. 16. S. iS"). Der miiciii-te Saft des (^actus mamillarls ist eltenfaüs siifs. (De Candolle, Essai sur ies propr. medicales des plantcs, p. i56.) i88 Buch F.^ aufklären; denn es wäre möglich, wie Hr. De Candolle gar wolil bemerkt, dafs die Eingebornen nur den Saft der ganz jungen Pflan/e gebrauchen würden, in einem Zeilpunct, wo der scharfe, Grundstoff noch nicht ent- wickelt ist. Die ersten Sprüfslinge der Apocyneen wer- den auch wirklich in mehreren Ländern gespeist*). Ich wollte durch diese Zusammenstellung den Ver- such machen, die Milclisäfte, welche in den Pflanzen umlaufen, und die milchigten Emulsionen, welche aus den Frücliten der Amygdaleen und Palmbaumarten er- halten werden, unter einem allgemeinen Gesichtspuncte darzustellen. Es sey mir vergönnt, diesen Betrachtun- gen die Resultate einiger Versuche beyzugesellen, die ich mit dem Saft der Carica Papaya- während meines Aufenthalts in den Thälern von Aragua angestellt habe, obgleich ich damals beynahe gar nicht mit Keagentien versehen war. Der nämliche Saft ist seither von Hrn. Vauquelin untersucht worden *'■*). Dieser berühmte Scheidekünstler hat das Eyweifs und den käseartigen Stoff sehr wohl erkannt: er vergleiclit den milcliigten Saft mit einer stark animalisirten Substanz , dem Blut der Thiere^ er konnte aber seiner Prüfung nur einen gegohrnen Saft und ein Coagnliiin von stinkendem Ge- ruch unterwerfen, das sich während der Ueberfahrt des Schifies von Isle de France nach dem Havre gebildet hatte. Er drückt den Wunsch aus , ein Keisender möchte die Milch des Melonenbaums frisch , wie sie aus den Zweigen oder der Frucht abfliefst, unter- suchen. Je jünger die Frucht des Melonenbaums ist, um so *) A. a. 0. p, 2i5. **) Vauquelin und Cadet de Gassicourt, in den Annales de Chimicy Tom. A3, p. a/S; Tom. 49, p. sho und 3o4. K a p i f e l XFL \^ mehr Milch liefert sie^ und diese findet sich bereits auch in dem kaum befruchteten Keime. So wie die Frucht zeitiget;, nimmt die Milch an Monge ab und wird wäs- seriger. Sie enthält alsdann weniger von jenem thieri- schen, durch Säuren und durch die Einsaugung des Sauersloflt's der Atmosphäre gerinnbaren Stoff. Weil die ganze Frucht klebrig ist ") j so könnte man glau- ben^ es werde der gerinnhcire Stoff in die Organe ab- gesetzt und einTheil der mai'kigen oder fleischigen Sub- stanz bilde sich daraus. Wenn mit vier Th eilen Wasser verdünnte Salpetersäure tropfenweise der ausgeprefsteu Milch einer noch ganz jungen Frucht beygemischt wird, so zeigt sich eine sehr aufserordentliche Erscheinung. Im Mittelpunct jedes Tropfens bildet sich ein gallertiges Häutchen, das durch graulichte Striche abgetheilt ist. Diese Striche sind nichts anders , als der wässerig ge- wordene Saft; dem die Berührung der Säure das Ey- weifs entzogen hat. Zu gleicher Zeit wird der Mif- telpunct der Häutchen undurchsichtig, und nimmt die Farbe des Eydotters an. Sie vergrüfsern sich wie durch die Verlängerung auseinander laufender Fibern. Die ganze Flüssigkeit sieht anfänglich einem Achat mit mil- chigten Wölkchen gleich _, und man glaubt organische Häutchen unter seinen Augen entstehen zu sehen. Wenn das Coagiihim sich über die ganze Masse ausdehnt, so *) Die niimliche Klebrigkeit ist auch der frischen Milch des Pnio de Vaca eigen. Sie rührt ohne Zweifel von dem Caout- chouc her, der noeh nicht gesondert ist und mit dem Ey- weifs und dem caseum eine gemeinsame Masse bildet, wie die Butter und der caseum in der Thiermilch. Der Saft einer Euphorbiacee, des Sapium aucuparium, welches gleich falls Caoutchouc liefert, ist so klebrig, dafs man sich seiner zum Fang der Papageyen bedient (^De CandoUe, a. a. 0., p. 263.) J90 B n versclnvinilen die gelben Flrcken neuerdings. DurcV Schütteln wird die Masse körnig, wie weicher Käse *^. Die gelije Farbe kommt wieder zum Vor^-chein^ wenn man nochmals einige Tropfen Salpetersäure zugiefst. Die Säure wirkt hier wie die Berührung des Sauer'itoffs der Atmosphäre hey der Temperatur von 27° zu 35° ; denn das weiCse Coagnlum wird in zwey bis drey Mi- nuten gelb, wenn man es der Sonne aussetzt. Etliche Stunden nachher gelit das Gelbe in Braun über, ohne Zweifel weil der Kolilinstoft" frcyer wird, nach Mafs- gabe, wie der mit ihm vereint gewesene Wasserstoff verbrennt. Das durch die Säure gebildete Coagnlum wird klebrig und ninnnl den Wachsgeruch an, welchen ich bey der Behandlung des Muskelfleisches und der *) Was sich in geronnenen und faserigten Klümpchen nieder- schlagt, ist kein reines Caoulchouc, vielleicht aber eine Mi- schung dieser Sujjstan/. mit dem caseuin und dem Evueifs. Die Sciuren schlagen das Caoulchouc des MilciisalU der Eu- phorbien, der Fcigcnb.'iuine und der Hevea nieder; sie be- wirken den rSiederschlag des caseutn der ThiermiJcb. In hermetisch verschlossenen Fläschchen mit Milch der Hevea, die sich in unsern Sammlungen befand, bildete sich, wäh- rend unserer Heise an den Orenoko, ein weifses Coagulum. Es ist vielleicjit die Entvvicliclung einer vegetabilischen Sau- re, welche alsdann dem Evweifs Sauerstofl" liefert. Die Bil- dung des Coagulums der Hevea oder eines wirklichen Caout- chouc geschieht inzwischen viel schneller durch die Berüh- rung der Lult. Die Einsaugung des Sauerslofi's der Atmo- sphäre ist keineswegs erforderlich für die Erzeugung der Butter, welche völlig gebildet in der Thiermilch vorhanden ist; hingegen liegt es, glaube ich, aufser Zweilel, dafs in der Pllanzcnmilch diese Einsaugung die Jläutchen von Caoul- chouc, geronnenem Eyweifs und Caseum erzeugt, welche sich nach einander in den der Luft ausgesetzten Gefäfscn bilden. Kapitel X^Y. igi Pilze (Morcheln) mit Salpeterjiiure wahrnalim *). Den schönen Versuchen des Hrn. Hatchelt zufolge läfst sich anneinnen, dafs das Eyweifs zum Theil in Gallrrle über- geht **_). Das frisch bereitete Co«gH/u/« des Melonen- baums wird, im Wasser aufgeweicht, zum Theil auf- gelöst und fiirht das Wasser gelblich. Die Milch, mit blofsem Wasser in Verbindung gebracht, bildet gleich- falls Häute. Eine zitternde Gallerte, dem Stärkmehl ähnlich, wird alsbald daraus niedergeschlagen. Diese Erscheinung zeigt sich besonders auffallend, wenn das dazu gebrauchte Wasser zu 40° oder 60° erwärmt ist. Die Gallerte verdichtet sich im Ver^ältnifs des zugegos- senen mehreren Wassers. Sie behält ihre weifse Farbe lange, und wird nur durcli die Berührung einiger Tro- pfen Salpetersäure gelb gefärbt. Veranlafst durch den Versuch der Herren Fourcroy und Vauquelin mit dem Saft des Federharzbaums (Hevea), vermischte ich die Milch des Melonenbaums mit einer Auflösung von koh- lensaure/n Natrum. Es bildete sich kein Klumpen, auch alsdann nicht, wenn reines Wasser zu der Mischung von Milch und laugenhafter Auflösung gegossen ward. Die Häute erscheinen erst, \i enn durch Zusatz einer Säure die Soda neutralisirt und ein üebermafs von Säure vor- handen ist. Ich habe gleichmäfsig das duich Salpeter- säure, durch Citronensaft oder heifses Wasser gebildete Coagn/um mittelst der Beymischung von kohlensaurem Natrum zerstört. Der Salt wird wieder milchi^^ und flüssig, wie er urspi'ünglich gewesen ist 5 wenn dieser Versvich gelingen soll, so mufs jedoch das CoaguluiQ noch frisch und kürzlich erst gebildet seyn. *) Siehe meine Versuche über die gereizte Muskelfaser Th. I. S. .^7- **) Siehe am gleichen Ort, S- 177. 192 B n c h r. Vergleicht man die Milchsäfte des Melonenhaums, des Kiiltbuiims und der Hevea, so zeigt sich eine ciuf- fallende AeiuiHclikeit zwischen den Saiten , worin der käsigte Stofll"^ und zwischen denen, worin das Caout- choAiC vorherrschend ist. Alle vveilsen und Irisch he- reitefean Caoutchoucs, so wie die wasserdicUlen Män- tel'"'^, welclie im spanischen America durch eine, zwi- sclien zvvey Stücke Leinwand gehrackte, Schichte IVlilch vom Federharzhaum verfertigt werden, düngten einen thierischen oder ekelhaften Geruch aus. Dieser scheint anzudeuten, dafs das Caoutchouc heym Gerinnen den Caseum nach sich zieht, der vielleicht nur ein modilicir- tes Eyvveifs ist *'-*). Die Frucht des Brodbaiims ist eben so wenig Brod, als die Pisangfrucht vor ihrer Reife es ist, oder die knol- ligten, stärkemehllialtigen Wurzeln des Manioc,- der Dioscorea, des Convolvulus Balatas und dt.r Hartoll'eln. Die Milch des liuhbaiims[\'in^i?^Gn enthält den Käse.^lo/lj gleich der Milch der Säugtüiere. Zu allgemeineren Betrachtungen ansteigend, halten wir, mit Hrn. Gay- Liussac, das Caoutchouc für d .n üligtcn J hoil, die But- ter der Pflanzenmilch. Wir Hnden in der Milch der Gewächse Caseum und Caoiüclioiic ^ in der Milch der Thiere Caseum und Butter. Die iwey eyw».'il->artigen und üligten Grundstöfi'e kommen in alweiciiendem Ver- hältnifs in den verschiedenen Arten der Thiere und der Milci;saftpflanzen vor. In den letzteren sind sie njeist mit andern, als Nahrung schädlichen Substanzen ver- bunden, die man jedoch vielleicht durch chymische Vor- kehrun;ipn zu ti eiuien vermöchte. Eine PHanzenmilch wird nährend, wenn sie keine scharfen und narcotischen Grund- *) Ponchos y Ruanas cncdiichndas enlrc dos telas. **'} SJelie die ISole ß am Sclilusse des lunhen Buchs. Kapitel XVL icß Grundtlicile enthält^ und wenn das Caoutcliouc weniger als dei' KiisestolT darin vorherrschend ist. Wenn der Palo de Vacca die unermefslicheFi'ucht- barkeit und Wohlthätigkeit der Natur in der heifsen Zone darstellt, so erinnert er auch an die niancherley Ursachen^ welche in diesem schönen Klima die sorglose Trägheit des Menschen begünstigen. Mungo Park hat uns mit dem Butterbaiim von Bambarra bekannt ge- macht, von dem Hr. de Candolle vermulhet, er geiiöre, ^\{e unser Milchbnnm, zur Familie der Sapoteea. Der Pisang, der Sagobaum, die Mauritien vom Orenoko sind JJi'odbüiwie, wie derKima der Südsee. Die Früchte der Crescentia und des Lecythis dienen als Gefäfse ; Blu- menscheiden der Palmbäume und Baumrinden liefern Mützen und Gewänder ohne Näthe. Die Knoten oder vielmehr die inneren Scheidewände des Stamms der Bam- busrohre dienen zu Leitern, und erleichtern auf mannig- faltige Weise den Bau der Hütten, die Verfertigung von Stühlen, Betten und andern Geräthschaften, in denen der Keichthum der Wilden besteht. Mitten unter einer so üppigen, in ihren Erzeugnissen so mannigfalti- gen Vegetation bedarf es kräftiger Antriebe, um de^n Menschen zur Arbeit zu spornen , ihn aus trägem Schlummer aufzuwecken, und seine Geisteskräfte zu entwickeln. In Barbula werden der. Cacaobaum und der Baum- wollstrauch angebaut. Wir fanden hier, was in diesem Land sehr Selten ist, zwey grofse Maschinen mit Cy- lindern, zur Absonderung der Baumwolle von den Saa- menkernen^ die eine wird durch ein Wasserrad, die andere durch einen Göpel und durch Maulthiere ge- trieben. Der Hausmeyer des Pachtguts, welcher diese Maschinen verfertigt hatte, war aus Merida gebürtig. Er kannte den Weg, welcher von Nueva Valencia durch. ^Ux. V. Humboldts hisi. Reisen. III. .l3 ig4 ß II c h A' Guanaie und Misagual nach Varinas, und von da durch die licrgsciilucht des Calkjones nach Paramo des IVlu- cuchies und den mit ewigem Schnee hedeckten Bergen von Merida führt. Die Angahen, welche wir von ihm erhielten, üher die erfordiuliche Zeit, um von Valencia durch Vax'inas nach der Sierra Nevada, und von da durch den Hafen von Torunos und den Rio Santo Do- mingo nach San Fernando de Apure zu gelangen, waren uns überaus wichtig. INIan kann sich in Europa keine Vorstellung machen, wie schwer es hält, genaue JN' ach- richten in einem Lande zu erhalten, wo so wenige Ver- bindungen vorhanden sind, und wo man die Entfernun- gen der Orte verringert oder vergrüfsert, je nachdem man einen Meisenden aufmuntern, oder ihm seine Plane verleiden will. Bey der Abreise von Caracas hatte ich dem Intendanten der Provinz Gelder übergehen, um die- selben durch die Beamten des königlichen Schatzamts in Varinas bezahlt zu erhalten. Mein Enlschlufs war, das östliche Ende der Cordilleren von Neugranada zu besuchen, da wo sie sich in die Paramos von Timotes und JNiquilao verlieren. In ßarbula vernahm ich, dafs dieser Ausflug unsere Ankunft am Orenoko um fünf und dreyfsig Tage verzögern würde. Dieser V^erzug mufste uns um so wichtiger erscheinen, da man den Eintritt der Regenzeit früher als gewöhnlich erwartete. \'\ ir hatten die Hoffnung, in der. Folge zahlreiche, mit ewi- gem Schnee bedeckte Berge in(^)uitOj in Peru und in Mexico zu besuchen, und es schien mir um so rath- samer, den Plan des Besuchs der Berge von Merida Aufzugeben, da wir fürchten niulsten, den eigentlichen Zweck unserer Reise zu vexlieren, welcher darin be- stund, durch astronomische Beobachtungen den Verein- barungspunct dos Orenoko mit dem Rio ISegro und dorn iVmazonen-Stroxn festzusetzen. Wir kehrten demnadi Ix a p i l e l yiVI. 196 von Barbula nach Guacara zurück, ujo uns bey der ach- tungsvverthen Familie des Marquis del Toro zu ver- abscliieden und noch drcy Tage am öeeufer zu ver- weilen. Es waren die vier letzten Carnevalstage. Alles war frühhch und munter. Die Spiele, die man treibt, und die man Spiele de carnes loUendus heilst, nelimon mit- unter einen etwas rohen Character an. Einige führen einen mit U'asser beladeiicn Esel herum, und wo ein oflenes Fenster ist, wird das Innere der Zimmer mit ei- ner Spritze übergössen. Andere haben Daten voll Haare der Picapica oder des Dolichos pruriens, die sie den Vorhergehenden in's Gesicht blasen, und ihnen damit ein heftiges Hautjucken verursachen. Von Guacara kehrten wir nach Nueva Valencia zu- rück*^. Hier trafen wir etliche französische Ausgewan- derte, die einzigen, welche wir während fünf Jahren in den spanischen Colonien gesehen haben. Der Bluts- verwandtschaft unerachtet, welche zwischen den künig- lichen Familien von Fi-an!'.reich und Spanien besteht, war es selbst den französischen Priestern nicht ver- gönnt, sich in diesen Thüil der Neuen Welt, wo der Mensch so leicht Nahrung untl Obdach finden mag, zu flüchten. Jenseits des VA eltmeeres waren es die Verein- ) Ich habe die Breite der Hacienda de Cura, einen der zu- verlässigst bestimmten Standpuncte , 10" j5' ItO" gefundenj diejenige von Guacara 10" 11' sj"; die von rsueva Valen- cia 10" 9' 56". iObs. astr. Tom. I, p. 199 — 204 und 207 — 209.) Die Dedination der Mngnelnadel war jn der Hacienda de Cura 41", 20; in ^ueva Valencia ^i^.yS. Die Scliwingiingen betrugen an diesen bcvdcn Orten, in zelin Minuten Zeit, 23o und 224. Wir stellten alle diese Beob- achtungen in frever Luft und in der Entfernung von Ge- bäuden an. dSii^he weiter oben, Kap. i3. S. 104.) 11)5 Buch V. ten Staaten einzig nur, die dem Unglück eine Zuflucht- stätte darboten. Eine Kegierung, die stark ist, weil sie freysinnig, und selbstvertrauend, weil sie gerecht ist, konnte ohne Furcht den Verbannten bey sich Aufnahme geben. Wir haben weiter oben versucht, einige bestimmte Angaben über die Verhältr.is?e der Cultur des Indigo, der Baumwolle und des Zuckers in der Provinz Caracas zu geben. Ehe wir das Thal von Aragua und das be- nachbarte Küstenland verlassen, müssen wir noch von den Cacaobüumen sprechen, welche jederzeit für die Hauptquelle des Wohlstands dieser Gegenden gehalten wurden. Die Provinz Caracas *•') erzeugte, zu Ende des aclitzehnten Jalirhunderts, jälirlich i5o,ooo Fanegas, wovon 30,000 in der Provinz selbst und 100,000 in Spa- nien verbraucht werden. Berechnet man eine Fanega Cacao, zum Preise von Cadix, auch nur zu 20 Plaster, so ergiebt sich, dafs der Gcsammlertrag der Cacao Aus- fuhr in den sechs Seehäfen der Capitania geoeral von Caracas '-'^^ auf 4^800,000 Piaster ansteigt. Ein so be- *3 Die Provinz und nicht die General-Capilanschoft, also mit Ausschlufs der Cacao-Pflanzungen von Cumana, von der Pro- vinz Barcelona, von I\Iaraca_ylio, Varinas und vom spani- schen Guiana. Zur Zeit des Krieges, im J. 1800, war der Preis e\ncr Fanega in der Provinz Caracas 12 Piaster, und in Spanien 70 Piaster. Von 1781 bis 1799 "cchsellen die Preise einer Fanega in Cadix zwischen 40 bis 100 Piaster. Die Transportkosten von Guayra nach Cadix beiragen in Friedenszeilen 5 Piaster, in Hriegszeiten 11 bis 12 Piaster die Fanesa. In Friedenszeiten ist der Preis des Cacao in Caracas 12 bis 20 Piaster die Fanega. **') St. Thomas von Keu-Guiana oder Angostura , Cumana, ISupva Barcelona, La Guayra, Porto - Cabello und iMara- coybo. Kapitel XVI. 197 deutender Handelszweig verdient wohl eine sorgfältige Würdigung, und ich schmeichle mir, durch die grofse Zahl von Materialien, welche ich über alle Zweige dor Colonial-Landvvirth; cliaft gesammelt habe, im Stande zu seyn, die Angaben, welche Hr. Depons in seinem schätzbaren Werk über die Provinzen von Venezuela gesammelt hat, annocli zu vervollständigen. Der Baum, welcher den Cacao erzeugt, wäclist heutzutage in den Wäldern der Terra -Firma nordwärts d;^m Orenoko, nirgends wild ; wir haben ihn nur erst jenseits der Cataracten von Atures und JVlaypures an- getroffen. In Menge wächst er hauptsächlich unfern von den Gestaden des Ventuari und im obern Orenol;o, zwischen dem Padamo und dem Gehette. Diese Selten- heit der wilden Cacao - Bäume im südlichen America^ nördlich dem Parallelkreise von 6°, ist eine sehr merk- würdige und bisher wenig bekannte Erscheinung der Pflanzen-Erdkunde. Sie stellt sich um so auffallender dar, als man, nach dem Jahresertrag der Ernten, die Zahl der fruchtbaren Bäume in den Cacao Pflanzungen vonCumana, Nueva Barcelona, Venezuela, Varinas und Maracaybo auf mehr denn 16 Millionen berechnet. Der wilde (^acaobaum ist vielästig, vind sein Laubwerk ist dicht und schattig. Er trägt eine überaus kleine Frucht, die der Spielart j^leicht, welche die alten Mexicaner TlalcacafinatL nannten. In die coniicos der Indianer vom Cassiquiare und Rio "Negro verpflanzt, behält der Avilde Baum durch mehrere Geschlechter- Folgen jene Stärke d^s Pflanzenlebens, die ihn vom vierten Jahr an tragbar macht, wäfirend in der Provinz Caracas hin- gegen die Ernten im sechsten, siebenten oder achten Jahr erst ihren Anfang nehmen. Sie erfolgen später landeinwärts als auf dem Küstenlande und im Thalo von Guapo. Wir fanden keinen Vülkerstamm vom Orenoko, 198 Buch V. der aus den Saamen des Cacaobaums ein Getränk bereitet. Die Wilden saugen das Mark der Hülsen aus, und u erfen die Saamen weg, die man oft in Menge an stellen , wo sie gelagert hatten, antri.'lt. Obgleich das CAo/'O/e, wel- ches ein gar schwacher Cacao Aulgufs ist, im Ptüstenhinde für ein sehr altes Getränk gilt, so sind doch keine histo- rischen Angalten vorhanden, welche darthun Isüiinten, dafs die hingehornen von \ enezuela den Chocolal oder irgend eine Zubereitung des Cacao vor der Ankunft der Spanier gekannt haben. Ich halte es für wahrschein- licher, es seyen die Cacao-Ptlaniungen von Caracas durch diejenigen von Mexico und Guatimala veranlafst worden, und die Spanier der Terra-Firma haben sowohl den An- bau des Cacaobaums, dessen junge Pflanzen unter dem Schatten der Erythrina und dos Pisangs gedeihen *), als die Verfertigung der C/ioco/«//- Täfelchen und den Ge- brauch des gleichnamigen Getränks durch ihren Ver- kehr mit Mexico, Guatimala und JN'icaragua erlernt, drey Landschaften, deren Bewohner toltekischer und azteki- scher Herkunft sind. Bis in s sechszehnte Jahrhundert waren die Urtheile der Keisenden über den Chocolatl sehr verschieden, ßen- zoni ■'•'■"') sagt in seiner naiven Schreibart, er sev viel- mehr ein Getränk da porci, che da hiioviini. Der Je- suite Acosta '"'^^'y meldet: ;,die in A.-?erica wohnenden *} Dies Verfahren der mexicanisclicn Landwirthe, welches auf der Ki'islc von Caracas genau hcfolgt wird, ist hereits in den Deukschrillen hesclirieben worden , die unter defh Na- men der Relazlone di certo gentiluomo del Sigiwr Cortes^ cotiquistatore dcl Messico (^Ramusio, Tom. II, p. iJi), he- kannl sind. **) Girolamo Benzoniy Milaiiese^ Bist, del Moiido NitovOf 1572, p. 104. •**3 Tiist. Nat. de Indiasy Lib. IV, c. 22 (Ausg. von iSog), p. 25l. Kapitel XFf. 199 Spanier spyon ganz närrisch in den Chocolat verliebt, man müsse aber an diesen schwarzen Trank g-ewöhnt seyn, um nicht schon vom l.lofsen Anblick seines oben scliu inimenden^ derti Bodensat/, eines i^ährenden Safts gleichenden Schaums Ekel zu fühlen." Er setzet hin7u: .,Der Cacao ist ein Vorurtheil (nna supersticion} der Mexicaner, wie der Coca ein Vorurtheil der Periivianer ist/'^ Diese Urtheile erinnern an die Prophezeiung, wel- che die Frau von Sevigne dem Gebrauch di'S Calfee ge- stellt hat. Fernand Cortez hingegen, und sein Page, der gentil-liomhre ilel gran. Conquislador, dessen Denk- schriften Ramusio bekannt gemacht hat, rühmen den Chocolat nicht nur als ein, auch kalt zubereitet *), an- genehmes Getränk, sondern vorzüglich als ein gutes ISahrungsmittel. ^jVVer eine Tasse davon getrunken hat, sag^t der Page von Hernan Cortez, der hält es einen gan- zen Tag, ohne weiter etwas zu geniefsen, auf der Heise aus, sonderheitlich in heifsen Erdstrichen, denn der Chocolat ist, seiner Natur nach, halt und kühlend.^' Dieser letzteren Behauptung können wir nun zwar nicht Leypflichten, hingegen werden wir bald Anlafs haben, bey unserer Fahrt auf dem Orenoko und bey der Heise über die Cordilleren die wohlthätigen Eigenschaften des Chocolat zu preisen. Indem er ausnehmend leicht mit- geführt und zur Speise gebraucht werden mag, enthält er in kleinem Haume viele nährend.; und erregende Thei- le. Es i^t sehr richtig gesaugt worden, mitheis, Gummi und der Butter vom Shea möge der Mensch die africa- *) Der Pater Gili hat aus zwcv Stellen von Torquemada CMo- narquia Indiana^ Lib. XIV, cap. i4 und !^2^ genügend dar- gelhan , dafs die Mexicaner den Aufgufs kalt machten, und dafs die Sitte , den Chocolat durch Sieden des Wassers mit dem Cacao-Teig zu verfertigen, ron den Spaniern eingeführt ward. 200 Buch V. nischen Wüsten durchwandern. In der neuen Welt haben der Cliocolat und das Maismehl ihm die Plateaus der Anden und die unbewohnten ausgedehnten Wälder zugänirlich gemacht. Die Cacao-Ernte zeigt sich sehr verschieden. Die Vegetationskraft des Baumes ist so mächtig, dafs aus seinen holzigen Wurzeln sogar , wo die Erde sie nicht deckt, BliUhen hervorkonunen. Die INoidostwindc sind ihm schädlich, wenn die Wärme durch sie auch nur um etliche Grade vermindert wird. Die Platzregen, welche pach der Regenzeit, wälirend der Wintermonate, vom Christmonat bis zum März, unregelmäfsig statt finden, sind dem Cacaobaum ebenfalls sehr nachtheilig. Es geschieht öfters, dafs der Eigenthümer einer Pflanzung von öo,ooo Stämmen innerhalb einer Stunde für mehr als vier- bis fünftausend Piaster an Cacao einbüfst. Grofse Feuchtigkeit bekömmt dem Baume nur alsdann gut, wenn sie allmählich zunimmt und lange ununterbrochen an- hält. Wenn, zur Zeit der Trockenheit, die Blätter und die jungen Früchte durch einen starken Regengufs be- netzt werden, so löst sich die Frucht vom Stiele ab. Es scheint, die Gefäfse, welche das Wasser einsaugen, wer- den durch eine Art Auf Schwellung zerrissen. Wenn indefs die-Cacao-Ernte zu den unsichersten gehört, um der naclitheiligen Wirkungen der schlimmen Witterung willen, und \\ in den Thälern von Caucagua, Cajiaya, Curiepe und Guapo; in denjenigen von Cupira, zwischen dem Cap (^odera lind dem Cap Unare, in der INähe von Aroa, Barque- simeto, Guigue und Lritucu. Der Cacao, welcher an den Gestaden des Uritucu, am Eingang der Llanos, im Gerichtsbezirk von. San Sebastian de los Reyes wächst^ ist derjenige, den man für den besten hält. Auf den Cacao von üritucu folgen die von Guigue, Caucagua_, Capaya und Cupira. Im Handel von Cadix besitzt der Cacao von Caracas den ersten Rang, unn)ittelbar nach demjenigen von Socomusco. Er steht gewöhnlich um 3o bis 40 vom Hundert höher im Preis, als der von Guayaquil. Seit der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts erst waren es die Holländer, welche als ruhige Besitzer der Insel (Airacao, durch den Schleichhandel den landwirth- schaftliclien Arbeitsfleifs der Bewohner der nahe gele- genen Küsten weckten, und den Cacao zu einem Aus- fuhrartikel der Provinz Caracas gemacht haben. Alles, was in diesen Gegenden der Niederlassung der Gesell- scliaft der Biscayer von Guipu/xoa, im Jahr i7i8,*vor- angieng, ist uns unbekannt. Wir besitzen darüber kei- nerley zuverlässige statistische Angaben , und wissen nur, dafs die Ausfuhr des Cacao von Caracas zu Anfang *) Die iM'cy Provinzen Caracas und Nucva Barcelona machen sich einander diese überaus fruchtbare Landschaft streitig. Kapitel XVI. 2o3 des aclilz.plinten Jalirnuntlerls kaum "^0,000 Füiie^^as a\iFs' Jalir bttrui;. Von i73o bis 1748 sandte die Gesellschaft 85b,9"b i^V//jega* nach ^panieuj welches im Durchschnitt 47,700 Fanegas aufs Jahr beträgt. Der Preis der Fa~ negasAnk, imJahr 1782, auf 45 Piaster herab, während er sich früher auf 80 Piaster erhalten halte. Im Jahr 1763 hatte sich der Anbau schon so vermehrt j dafs die Ausfuhr auf 8o,65() Fanegas ang-estiegen war *). Den Douanen- Hegistern von la Guayra zufolge, welche ich besitze, stieg die Ausfuhr, den Betrag des Schleichhandels ungerechnet, im Jahr 1789 auf io3,655 FanegQS. — — 1792 — 100,592 — — — — 1794 — iii,i33 — — — — 1796 — 75,538 — — — — 1797 — 70,832 — — hl einem, aus dem Ministerium der Finanzen kom- menden , officieüen Actenstück **) wird „der jährliche Ertrag (die Cosecha^ der Provinz Caracas auf 1 35,ooo Fanegas Cacao gewerthet, wovon 33,ooo dem inneren Verbrauch, 10,000 anderen spanischen Colonien, 77,000 dem Mutterstaate, i5,ooo dem Schleichhandel mit den französischen, englischen, holländischen und dänischen Colonien angehören. Von 1789 bis 1793 betrug die Einfuhr des Cacao von Caracas in Spanien jährlich im Durchschnitt 77719 Fanegas , von denen 65,766 im Lande selbst verbraucht, und 11,953 nach Frankreich, *3 Von diesen 80,659 P^ö«eg-«j- wurden 5o,5)«) unmittelbar nach Spanien, 1 6,564 nach Vera-Cruz. 11,160 nach den canarischen Eiianden und 25i6 nach den Antillen gesandt. **) ßericlit (JicindjchrlftUclier) des Grafen von Casa-Valcncia, Staatsraths im Deparlement der Indien, an Don Pedro Varela, Minister von Eeat Haciendu^ üJjer den Handel von Caracas, vom i3. Juni 1797 (^»1« 46j- 204 B II c h V. Italien und Deutschland auFgeführl wurden *), Zahl- reichen Erkundigungen zufolge, die ich an Ort und Stelle eingezogen habe, sind diese Berechnungen noch ct\vas zu niedrig. Die Douanen-Register von la Guayra allein nur gehen, in Friedenszeiten, den jährlichen Durchschnitt einer Au-fuhr von 80,000 bis 100,000 P«- negas. Man darf unbedenklich diese Summe um ein Viertheil oder Fiinftheil höher annehmen, wegen des Schleichhandels mit der Dreyfaltigkeits- Insel und den übrigen Antillen. Ich halle für wahrscheinlich, es sey *) Den spanischen Hafen-Regislern zufolge belrug die Einfuhr des Cacao von Caracas nach der Halbinsel, im Jahr 1789 Fanegas 78,400 Pf. 88. 1790 — 74-0S9 - 3. »791 — 71,600 - 45. 1792 — 87,656 - 54. 1795 — 76,985 - 4. Jährl. Durchschnitt: 77/719 Fanegas. Von diesen '^'j,i\^Fanegas vi'urden 60,202 Fß«. in den nicht privilegirten Provinzen tprovincias contribuyentes) Spaniens verbraucht, und 5564 in den privilegirten Provinzen Cpro- vincias exemptas), wielNavarra, Biscaja u. s. >v. Die Aus- fuhr aus Spanien betrug, im Jahr 1789 Fanegas 15,718. Pf. 98. 1790 — 6,421. — 80. 1791 — 21,446. — 17. 1792 — 17,452. — 48. 1795 — 728. — 25. • Jährlicher Durchschnitt : i\,o,Si Fanegas. Weil , zufolge des verwickelten Svstems der spanischen Douanen, der Cacao von Caracas sehr ungleiche Gcl)ühren zahlt, >rena er in der Halbinsel verbraucht oder wenn er vom Königreich ausgeführt wird (im ersten Fall 52^, im zweyten 29^ vom Hundert>, so wird vieler Cacao in Spanien nochmals wieder eingeführt. Kapitel XVI. 305 in den Jahren 1800 bis 1806^ im letzten Zeitraum in- nerer Hu!)itanla geueral von Caracas mindestens auf ic)3,000 Fanegas angestiegen^ wovon auf die Provinz Caracas kommen . i5o,ooo — — — — Maracaybo . . 20,000 — — — — Cumana . . . 18,000 — — — — Nueva Barcelona 5,ooo. Die Ernten, welche zweymal des Jahrs ^ zu Ende desBrachmonals und dos Christuionats, eintrefren_, sind sehr ungleich und wechselnd, minder jedoch als die des üllvenbaums und der Weinrebe in Europa. Von den »91,000 Fanegas Cacao, welche die Capitania ge- neral von Caracas erzeugt, nehmen 146,000 ihren Weg nach Europa theils durch die Seehäfen der Halbinsel^ theils durcii den Schleichhandel. Ich glaube beweisen zu können *) ("und diese Be- *) Siehe über die Grundlagen dieser, für alle staatswirtlischaft- lieben Untersuchungen so wichtigen, Bereciinungen meinen Essai sur la Ncuv. Esp.^ Tom. II, p. 43 1, 455, 436, 658 j die Etats der Ausfuhr von Canton, in Sainte-Croix Voyao-e commercial aux Indes orientales, Tom. HI, p. i55, 161 170; Colquhouji, on the v)ealth of the British Empire p. 55i, 354, und in dieser Reise, Th. 5. Kap. i5. S. 60 ff. Die hriltischen Antillen füJirtcn an Zacher, im Jahr 1812, nach allen VVelttheüen über 2j5,ooo hoghsheads (zu 14 c»vt.> oder 526 Millionen Pfunde aus, woran Jamaica allein nur (mit 35o,ooo INegern) 189 Millionen Pfunde lieferte. Der Ertrag von Cuba und der von Saint- Doiningue sind zusam.- nien auf 120 Millionen Pfunde Zucker berechnet. Wenn wir den europäischen Cacaoverbraucb zu 20 Millionen, und den des Zuckers zu 45o Millionen Pfund angeben, so glau« hen >vir, es seven diese Angaben bis auf ein Punflheil für genau zu halten. Es kanj> dieser Grad von Cenaui'^keit 2o6 B n c h V. rechnungen sind die Ergebnisse zalilreicher einzelner AngabiMij, dafs Europa im gegenwärtigen Zustand sei- ner Civillsation verbraucht: 23 Mill. Pfde. Cacao zu 1 20 Fr. d. Ctr. 27,600,000 Fr. 32 — — Thee zu 4 Fr. d. Pfd. 128,000,000 — 140 — — CafTco zu 1 14 Fr. d.Ctr. 159,600,0^0 — 460 — — Zucker zu 04 Fr. d. Ctr. 243,000,000 — Gesamrnt Betrag -) 558,200,000 Fr. Von diesen vier Erzeugnissen, welche seit zwey bis drey Jahrhunderten die wichtigsten Gegenstände des Ar- errelcht werden, wenn man die Ausfuhr der Länder sorg- fältig Avürdigl, welche zum europäischen Cacao - und Zucker- Handel das iWe'/j-ff? bejlragcn; für den Cacao zum ßcyspiel die Ausfuhr der Sceliafen der Terra -Firma, von Guayaquil und Gualimala ; für den Zucker die der Ijrittischen , spa- nischen und fianzösiscjicn Antillen. Wir erinnern hey die- sem Anlafs, dafs der Zuckerverbrauch in den slalislischen F.Jats von Franl.reich für 1800 zu 5j Millionen Pfundea herechnct ist; irh Jahr 1817 betrug derselbe 56,/ioo,ooo Pfunde. ') Jm J. 1818 stunden die Cacaopreise in London, für den Cacao von Caracas, zu 6 L. bis 6 L. 10 Sh. ; für geringere Sorten 4 L. 10 Sh. bis 5 L. 10 Sh. der Cenlner. Der Mit- teipreis des Calfees war zu 95 Sh. der Centner; der Zucker stund zu 40 bis 5o Sh. Die Preise dieser bcvden Erzeug- nisse sind, seit der Ausgabe von Hrn. Colquhouns Werk, belrachllich gestiegen. Eine allgemeine Angabe für den Preis des Thees war schwierig , um der so grofsen Ver- schiedenheit seiner mannigfachen Sorten willen. Di* Ein- • fulir des indischen Zuckers in London betrug im Jahr 1817 nur 5o,oco ha^^s , oder 5,5oo,ooo Pfunde. Um einen kla- reren Begriff von der Wichtigkeit des europäischen Handels in Zucker, Calfec, Thee und Cacao zu geben, bringen wir hier in Erinnerung, dafs der Werth der Gesammleinfuhr von England, in den Jaliren i8o5 bis 1810, im Durchschnitt jährlich 1200 Millionen I-^rankcn betrug. Kapitel XF/. 207 beitsfleifses und des Handels der Colonien geworden sind, gehört das erste ausschlicl lieh America^ und das zweyte Asien an. Icli sage ausschliefslich, denn die Cacao-Ausfuhr der philippinischen Inseln isl noch eben so unbedeutend, als die Versuche, den Thee in Brasilien, auf dcrDreylaltiglu'its-Insel und auf Jamaica zu pflanzen. Von der Gesamnitmasse des Cacao, der im westlichen und südlichen Europa verbraucht wird, liefern die ver- einten Provinzen von Caracas nahe an zwey Drittheile. Dii'S Ergebnifs ist um so merkwürdiger, als es der herr- schenden Meinung widerspricht 5 der Cacao von Ca- racas, von Maracaybo und von {^uniana ist jedoch von ungleicher Güte. Der Graf von Cara- Valencia berech- net, wie wir so eben sahen, den Verbrauch von Spa- nien nur auf 6 bis 7 Millionen Pfunde; der Abbe Hervas giebt denselben auf 9 Millionen an. Wer sich eine län- ge0C Zeit in Spanien, Italien und Frankreich aufgehalten hat, wird bemerkt haben, dafs der Gebrauch des Cho- colat unter den ärmeren Volksciassen nur im ersten die- ser JLänder bedeutend, und es darum kaum glaublich ist, dafs Spanien nur ein Drittheil des in Europa ein- geführten (3acao A^erbrauchen sollte. Die jüngsten Ilrirge haben auf den Cacao-Handel von Caracas ungleich nachtheiligeren Einflufs gehabt, als auf den von Cuayaquil. Die gesteigerten Preise hat- ten zur Folge, dafs in Europa weniger Cacao von der kostbarsten Art verbraucht ward. Statt, wie sonst für gemeinen Chocolat üblich war, ein Viertheil Cacao von Caracas drey Vlerthcilen Cacao von Guayaquil bejr z,umischien, ward in Spanien der letztere all."in nur ge- braucht. Es mufs hier erinnert werden, dafs vieler Ca- cao von geringerer Güte, wie derjenige von Maranon, vom FvioJNegro, von Honduras und von der Insel Salnte- JLucie, im Handelsverkehr Cacao von Guayacjuil heifst. 2o8 Buch V, Die Ausfuhr dieses Seehafens heträgt nur 60,000 Fa- iiegas ^ sie ist demnach um zvvey Drittheile tileiner, als die der Seeliafen der Capitania general von Caracas. Ohgleicli die Cacao-Hflanzungen der Provinzen von Cumana, Barcelona und Maracayho in dem V^erhältnisse zugenommen hahen_^ wie diejenigen der Provinz Ca- racas abnahmen, so hält man doch im Alliiemcinen da- für, es befinde sich dieser alte Zweig landwirthschaflt- lichen Arheitsfleifses in fürdauernder Ahnahme. Der Cafl'eebaum und der Baumwollestrauch treten an vielen Orten an die Stelle des Cacaobaums, dessen späte Ernten die Geduld des Landhauers ermüden. Ehen so beliaup- tet man, die neuen Cacao-Pflanzungen seyen von gerin- gerem Ertrag als die alten. Die Bäume gelangen nicht zu gleicher Stärke, und sie tragen später und minder reichliche Früchte. Auch hiervon u^rd dem erschöpf- ten Boden Schuld gegeben 5 wir glauben aber, es sey vielmehr die Atmosphäre, die sich durch die Fortschritte der Cultur und der Urbarmachungen verändert hat. Die über einem noch ungepflügten, mit Waldung be- setztem Boden stehende Luft nimmt Feuchtigkeit und iene ijasai tieen Mischuuijen in sich auf, die zur Ernäh- rung der Pflanzen geeignet sind, und aus der Zersetzung organischer Substanzen hervorgehen. Wenn ein Land seit langer Zeit angebaut gewesen ist, so ändert sich nicht das Verhällnifs zwischen dem SaueistofF und dem Stickstoff, die Grundtheile der Atmosphäre bleiben die nämlichen; aber es befinden sich jene doppelttyi und dreyfachen Mischungen von Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff, die der unangebaute Boden ausdünstet und die als ene Quelle der Fruchtbarkeit angesehen werden, nicbt mehr in ihr aufgelöst, und die reinere, mit Mias- men oder fremdartigen Ausdünstunifen weniger beladene Luft wird zugleich trockner, die Spannung der Dünste nimmt 11 a p i t e l KFI. 209 nimmt fiililbar ab. Auf den voi' sehr langer Zeit urbar gciMacbteii und doswogon der Cullur des CAcaobaums minder günstigrn Liindereyen, auf den Anlillen-Eilanden '/um l]ey!i|)iel_, ist die FrucJit beynahe so klein, wie die dos u'ilden Cacaobaums. An den Gestaden des oberrt Orenoko^ jenseits der LlanoS; findet sicb^ wie wir schon anderswo beineri'.t haben, das wahre V aterland der Ca- caobäunie, wo in dichten Waldungen , auf einem noch nie umgepHiigten Boden und in einer stets feuchten At- mosphäre die Stämme vom dritten Jahr an reiche Ernten gewähren. Durch die Cultur ward die Frucht iiberall, wo das Land nicht erschöpft ist, grüfser, weniger bitter, aber auch verspätet. Bey der wahrgenommenen fortgehenden Abnahme des Cacao-Ertrags auf der Terra-Firma fi agt man sich, ob sein Verbrauch «ich in Spanien, in Italien vmd im übrigen Europa im gleiclien Verhältniis vermindern wird, oder ob wahrscheinlicher ist, dafs die Zerstörung der Cacao-Pflanzungen den Preis sattsam erhöhen dürf- te, um den Arbeitslleifs des Landhauers wieder neu auf- zureizen ? Das Letztere ist die herrschende Meinuna: Q unter allen denen, welchr, in Caracas, die Abnahme eines so alten und so einträi^lichen Handelszweiges be- dauern. Nach Mafsgabe, wie die Civiligation den feuch- ten Waldungen des inneren [.»andes, den Ge-taden des Orenoko ui^d des Amazonen-Stioine*, oder den Thälern, die den östlichen Abhang- der -^nden durchziehen, näher ri'ic!;t, mögen die neue;» ColoniUen eine der Cultur des (jacaobaums gleich vortheilhalte Beschaffenheit des Bo- dens und der Atmosphäre antreffen. Bekanntlich scheuen die Spanier überhaupt die Misciiung der Vanille mit dem Cacao, als nervenreizend. Audi wird die Frucht dieser schönen Orchidee in der Provinz Caracas gänz- lich vernachlässigt. Man könnte reiche Ernten davon W/ex- V. Hu'nhoLdts hist. Reisen III. t ■!^ 210 Buch r. auf der foucliten unis dahin anzubauen noch nicht versucht hat. Die alten Berg- werke von Aroa, nachdem sie lange Zeit vernachlässigt gehlieben waren, sind neuerdings durch die Bemühun- gen des Don Antonio Henriquez, welchen wir zu San Fernando an den Gestaden des Apure antrafen, wieder g^ülTnet worden. Den von ihm erhaltenen Angaben zufolge scheint es, das Erz komme in einer Art Stock- werk (une espece d'amo.f^ vor, das aus der Vereinba- rung mehrerer kleiner, sich in allen Richtungen durch- kreuzender Gänge gebildet wird. Dies Stockwerk ist zuweilen zwey bis drey Toisen dicht. Ks sind drey Bergwerke, welche alle durch Sclaven bebaut werden. Das beträchtlichste, die Biscayna , hat nur dreyfsig Arbeiter, und die Gesammtzahl der zur Gewinnung und zur Schmelzung des Erzes ^gebrauchten Sclaven steiii:t nicht über 60 bis 70. Weil der Altttufsstollen nur dreyfsig Toisen tief ist, so hindern die Gewässer die Bearbeitung der reichsten Theile des Siochiverks, wel- che unter dem Stallen liegen. An die Errichtung von Wasserrädern ward bis dahin nicht gedacht. Der Ge- samint Ertrag des Rothkupfers ist zwölf- bis fünfzehn- hundert Centner jährlich. Das zu Cadix unter dem TSamen des Hiipjers von Caracas bekannte Metall ist von vorlrefllicliem Gehalt. Es wird sogar dorn schwe- dischen und demjenigen von Coquimlio in Chili vor- gezogen ■'). Ein Theil des Kupfers von Aroa wird an *) Die j4usfulir des Kupfers von Aroa jjclrug /.n Guayra im Jahr i;'y4 mehr nicht als j i,525 Pfund«, die in dtii Douanen- Registern 1 eri.uichiiel sind; im Jahr 1796 war sie 5i,i/(2 Pfunde und im J. 1797 nur 2400 Pfund. Der Ccniner ward damals mit 12 Piaster hezal)lt. 214 Buch V. ort un(1 Sh 11(> 7uni Glockpiigufs gebraucht. Kürzlich ist zwisclion Aroa und INirgua, unfein von Guaiiita, im Ber^ie von San Hablo, einiü'^s Silbererz entdnclil ^vnrden. Gobll örnor Hiulen sich in aUen Gebirgslündern zwischen dem Hio Yiacnv., der Stadt San FeHpe, Nirgua und BarquesimetO;, vorzüglich im Kio de Santa Cruz^ in welchem indianische Goldsucher zuweilen Geschiebe voa 4 bis SPi'istcr an VVerth gefunden haben. Enthalten die benachbarten Glimmerschiefer- und Gneifs-Felsen wirk- liclie Erzgänge, oder ist da< Gold hier^ wie im Granit- gesteine von la Guadarania in Spanien, und vom Fich- tclberir in Franken j durch die ganze Feiemasse zer- streut? V^ielli^icht ?ammelt das eindriri^ende Masser die zerstreuten Goldblältcheil , iind in diesem Fall würden alle V^ersuche des Grubenbaus vergeblich seyn. In der Savona de 1a RJiel , nahe bey der St.^dt Barquesimeto, W9rd ein Sc]iacht- geffraben in einen) schwarzen und glänzenden, dem Erdharz gleichenden Schiefer. Die dem Schacht enthobenen Fossilien , welche mir nach Caracas gesandt wurden^ waren Quarz, Schwefelkiese ohne Goldgehalt, und kohlengesäuentes, in JNadeln von seidenartigem Glan/.e kr\ stallisirtes Bley. Wir haben früher schon bemerkt, derlheil der Hoble beständig angehäuft ist. Soll man hier die gleiche Ur- sache der gesundiieilswidrigen Beschafienheit der At- mosphäre annehmen, die in dem flachen Land zwischen Tivoli und Rom vorkommt, Entwicklungen von ge- schwefeltem VVasserslolI' **)? Vielleicht hat auch das *) Worauf beruhl die unter dem Namen der Lonterne CFarol) von ßlaraca^bo heVannyc Jcuchlcnde Ersclicinung, die in jeder ISacht, auf der Secscile sonolil als landeinwärts, zum Bcyspiel zu Merida, wo Hr. Palacios dieselbe zwey Jahre lang heoI>achlct l)at, wahrgenoninien wir^':' Die über vierzig IMeilen bedagende Entfernung, in der man cLis Liclit unter- scheidet, bat die Vermutbung erregt, es bönntc solclies die Wirbung eines Gewitters oder elecfrischer Entleerungen seyn, die in einer ßergscbluciit alltäglich stall fänden. JMan be- Jiauptet, den Donner rollen zu hören, wenn man sich dem Farol nähert. Andere s[)rccbcn unbestimmt von einem Luft- vnlcan, und von asphaltischeiu Erdreich, das, dem von ]Mena ähnlich, entzündlithe und in ihrer Erscheinung so regelmäs- sige Ausdünstungen verursacht. Der Ort, wo die Erschei- nung statt iindet , ist ein unbewohntes Bergland , an den Ufern des Rio Calalumbo , nahe bey seinem Zusammenflufs mit dem Rio Sulia. Die Eage des FaroVs "ist so beschaffen, dafs er, beynahe im Meridian der Oeffnung iboca) des INIa- racaybo-Sees stehend, den Seefahrern die Dienste eines Leuchtlhurms leistet. '*) Don Carlos del Pozo hat in diesem Bezirk, im Hintertheil Kapitel KFl. 217 Gebir^sland , woran die Lla/iof i^on IMonai grenzen, nachllieiligen Einflufs auf die benachbarten Ebenen. Süd-Ost AV'indo können fauligte Ausdünstungen herbey- führen , die der Bergjclilucht von Villegas und der Sicnega de Cabra zuisclien Carora und Carache entstei- gen. Fcb mag gern alle auf die Gesundheit der Luft Bezug habenden Umstände san)nieln ; Aveil man über einen so dunkeln Gegenstand nur durch die Verglei- chunsf zahlreicher Erscheiniino^en der VV.nhrheit auf die Spur zu kommen hofl'en darf. Die dürren^ und doch so fieberhaften Savanen, wel- che sicli von Barquesimeto bis ans östliche Gestade des Maracaybo - Sees ausdehnen, sind zum Theil mit in- dischen Feigenbäumen (raquettes) besetzt; aber die äch- te, wilde Cochenille, die unter dem unbestimmten Na- men der grana de Carora bekannt ist, kommt aus einer gemäfsigteren Landschaft zwischen Carora und Truxil- lo, hauptsächlich aber aus dem Thale von Bio Mu- cuju *), ostwärts von Merida. Die Einwohner ver- nachlässigen dieses im Handel so gesuchte Erzeugnifs völlig. der Qiiebrada de Moroturo ein Lager von Thonerdc ent- deckt, welche schwarz ist, die Finger stark färbt, einen starken Schwefelgeruch ausdünstet , und sich von selbst ent- zündet, wenn sie, nur wenig befeuchtet, den Sonnenstrahlen der Tropenlande geraume Zeit ausgesetzt ist ; die Delonalion dieses schlammiglen Stoffes ist sehr heftig. *) Dieser kleine Flufs kommt vom Paramo de los Conejos herab, und ergiefst sich in den Rio Albarregas. Noten zum fünften Buch. Note A. . Folgendes sind einige merkwürdige Stellen des Schreibens, %velrhes Aguirrc an den König von Sp.inien crliefs : ,, König fMiili|ip, aus Spanien gphiirh'g, Karl's des Unüber- windlichen Solin I Ich , I/Opez von Aguirre , dein Vasall , ein alter Christ, von armen, aber adlichen Ellcrn und aus der Stadt Onnate in Biscaya geLoren, begab mich in meiner Jugend nach Peru als Kriegsinann. Ich habe dir bey der Eroberung Indiens grofse Dienste geleistet, und ich habe für deinen Ruhm gehämpft, oline dafür Sold von deinen Kriegsobersten zu verlangen, wie dies die Bücher deines Schalzatnles dartium. Wohl glaube ich, christlicher König und Herr, der du sehr undanlüjar gegen mich und meine Waiiengei;ibrlen bist, es mögen alle, welche dir aus deinem Lande (aus America) schreiben , dich gewallig läuschen, da du alle Dinge nur aus all/.uweiler Ferne sehen bannst. Ich ermahne dich gegen die redlichen Vasallen, welche du in diesem Lande besitzest, gerechter zu seyn; denn ich und die meinen, uir sind es müde , den Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten zuzusehen, welche deine Statthalter, deine Oberamtleutc und deine Kichter in deinem iSamen verüben, und wir sind entschlossen, dir nicht länger zu geborchen. Wir sehen uns niclit mehr fiir Spanier an: wir führen grausamen Krieg gegen dich, weil wir die Bedrückung deiner Beamten nicht dulden wollen, die, um ihren Söhnen und IN eilen Stellen zu vcrschaflcn, über unser Leben, unsere Ehre und unser Vermögen willkürlich schalten. Ici» bin am linken P'ufse durch zwey Flinlenschüsse gelähmt, die ich im Tbale von Coquimbo erhielt, als ich unter derAnlübrung deines Marschalls, Alonzo de Alvoredo , gegen Franz Hernandez Giron kämpfte, der damals ein ilebell war, wie ich es nuninebr bin und allezeit bleiben werde; denn seit der Zeit, wo dei« Statt- halter, der Marquis von Cannete, ein feiger, eiller Mann und Noten. ai9 pin Woiclilinof. iinsore tapfi^rston Kripger aufhängen liefs. traue ich lieinon HcLinadigungen so wenig, als den Schriften Martin 1-iitlicr's. r,s sieht dir iiliel an, Honig von Spanien, undankbar gegen deine Vasallen zu sevn ; denn es geschah zur Zeit,, wo dein Valer. Kaiser Karl, ruliig in Castilien verweilte, dafs dir so viele Königreiche und grofse Landschaften zu Theii geworden sind. Gedenke. Konig Philipp, dafs du nur alsdann berecltligt bist, aus diesen Provinzen, deren Eroberung gefahrlos für dich gewesen ist, Einkünfte zu ziehen > wofern du auch diejenigen belohnest , die dir so wichtige Dienste geleistet haben. Ich bin völlig iilierzeugt . dafs nur wenige Könige in den Himmel kom- men. Auch achten wir andere uns für sehr glücklich , hier In Indien zu leben, und die Gebole Gottes, so wie diejenigen der römisclien Kirche, in ihrer gän/.lichen P.einheit zu erhalten : wir zählen darauf, obgleich wir hicnieden Sünder waren, doch einst zum Hange der Märtyrer für die Ehre Gottes zu gelangen. Bey der Ausfahrt aus dem Amazonen-Strome landeten wir auf einem Eiland, das die .Margaretha-lnsel heifst. Hier erhielten wir au» Spanien die >'acliriclil von der ausgedehnten Verbindung und den Anschlügen (/a MaqniiKi) der Lutheraner. Sie erschreckte uns nicht wenig; es fand sich unter den Unsrigen ein dieser A er- bindung Zugehöriger: sein IVame ist Monteverdo. Ich liefs ihn umbringen, von Hechtes wegen ; denn glaube mir, gnädiger Herr, dafs überall, wo icii mich aufhalte, dem Gesetze Folge geleistet wird. Aber die Sitienverderbnifs der Mönche ist so übermäfsig hier zu Laii\le , dafs strenge Mafsnahmen gegen sie ergriffen werden sollten. Unter den hiesigen Heligiosen ist keiner, der nicht mehr zu sevn glaubt, als der Statthalter einer Provinz. Ich bitte dich , erlauchter König, du wollest allem dem keinen Glauiien bevmcssen. was die .Alönche dir in Spanien sagen. Sie sprechen allezeit von ihren Aufopferungen, von dem harten und mühevollen Leben, welches sie in America zu führen genöthigt seven; während sie in derThat die reichsten Besitzungen haben, und die Indianer täglich für sie jagen und fischen müssen. Wenn sie Thränen vor deinem Thron vergiefsen, so thun sie es nur, damit du sie hieher sendest, um das Land zu beherrschen. Weifsest du, was sie für ein Leben hier führen? Sie leben in Praclit und Herrlichkeit, sammeln sich Reichlluimer , verkaufen die Sacramcnle, sind ehrsüchtig, übermülliig und gefräfsig: dies ist ihre Lebensweise in America. So böse Beispiele wirken 2 20 ß II C h V. nachtlieilig auf den Glauben der Indianer, und wofern du, o König von Spanien, hierin nicht Hülfe schaffst, so wird dein Reich keinen ßesland haben. Weltli Unglück ist es, dafs der Kaiser, dein Vater, Deulsr.Iiland mit so grofsem Koslcnaufwande erobert, und dafnr das Geld eben dieser Indien verwandle, die »vir ihm verscliafl't halten. \m. Jahr i559 sandle der lAIarquis von Cannete den Pedro de Ursua . einen INavaresen , oder viel- mehr Franzosen, an den Amazonen - Flufs ; nach einer langen Schifffahrt auf den gröfstew peruanischen Flüssen gelangten wir endlich in eineSüfswasser-ßucht. Wir halten bereits dreyhundert Äleilen zurückgelegt, als wir diesen schlimmen und elirsüchtigeu Capitain umbrachten. Zum König wiilillen wir einen cavallcro aus Sevilla , Fernand de Guzman , und wir schwuren ihm eben so Treue , wie dies gegen deine Person geschieht. ich ward zu seinem Feldzeugmeister ernannt; weil ich nach seinem Willen zu leben nicht geneigt war, sollte ich umgebracht werden. Icli aber tödtete den neuen König, den Hauptmann seiner Wache, seinen Generallieulenant, seinen Kaplan , eine Frau , einen Ritter von der Insel Rhodes , zwej Fahnenträger und fünf oder sechs Bediente des vorgeblichen Königs. Von da &\\ war ich entschlos- sen, deine Minister und deine Auditoren (Rathsgliedcr der Au- diencia) zu bestrafen. Ich ernannte Ilauplleute und Serschenten ; sie wollten mich abermals umbringen, aber ich licfs sie alle auf- hängen. Wahrend dieser Abenteuer dauerte unsere ScJiifffahrt eilt Monate bis zur Ausmündung des Flusses. Wir legten über i5oo 3Ieilen zurück. Gott weifs, wie wir diese grofse Wasser- masse überstanden haben. Ich ralhe dir, o grofser König, nie- mals spanische Flotten in diesen verwünscliten Strom zu senden. Gott wolle dich in seiner heiligen Obhut behalten'.- Aguirre übergab diesen Brief dem Pfarrer der Insel Mar- garetha, Pedro de Contreras, zur Bestellung an König Philipp 11, Fray Pedro^ Simon, der Provinzial vom Orden des h. Franciscus in INeu-Granada, hat mehrere handschriftliche Abschriften davon in America und in Spanien gesellen. Der Brief ward zum er- stenmal, im Jaiir 172J, in Oviedos Geschichte der Provinz Ve- nezuela (Tom. I. p. 206) abgedruckt. INicht jninder heftige Kla- gen gegen die Lebensweise der Mönche im sechszehnlen Jahr- hundert wurden durch den mail.indischen Reisenden , Girolamo Benzoni, unmittelbar an den Papst gerichtet. Noten* 22% Note B. Die Milch der milchiglcn BliUterschwäiiime ist nicht ab- soiiflerlich geprüft worden; sie enthält einen scharfen Griind- sloir im Agariius pijierarus ; in andern Arien ist sie mild und unschädlich. Die schönen Versuche der Herren Braconnot, Bouilhjii Lagrange und Vauqiielin (^yinnules de Chirnic ^ Tom. XI-VF, p. 211 ; Tom. LI, p. jS; Tom. LXXIX, p. 265; Tom. LXXXV, p. 5) haben uns in der Substanz des efshai-en Erd- schuamms (Agaricus dcliciosus) eine grol'sc Menge EyweifsslofF dargeliian. Dieser in ihrem Saft enthaltene Evweifsstoflr macht sie lievm Sieden so hart. Ich habe weiter oben der Versuche erwähnt, die ich im Jahr 1796 machte, um zu beweisen, dais die Morcheln CMorchella esculenta) in eine talgigle und felt- wachsarlige, zur Seifenbereilung geeignete Substanz sich ver- wandeln lassen. iT>e CamlAle, sur les proprie'tes mf-d. des plan- tes, p. 3^5.) Der Zuchersloff ward in den Pilzen, schon im J. 1791, von Hrn. Günther erkannt. CSiche meine yiphorismi ex physiologia ehem. plcintarittn in der Flora Friberg. p. itS.) In der Familie der Pilze CFtingl') , vorzüglich in den Clavarien, Morillen, Hervellen, Mcrulea und in den kleinen üjmnopen, die sich nach einem Gevvilterrcgen innerhalb etlicher Slundou entwickeln, sehen wir die organische ISatur am Jcbnellsteu diu grölsle Verschiedenheit chymischcr ßestandlhc-ilc erzeugen, den Zucker, das Ewreils, das Finiwachs , essigsaures Kali, Fett, Or- mazom, die Geruchslofle u. s. w. Es wäre wünschbar, dafs aufser der Milch der milchigen Schwämme auch die Arten ge- prüft würden, welche, in Stücke zerschnitten, bcv der ßerührun"»- des atmoqdiärisciicn Sauerstoffs ilire Farbe ändein. Wenn wir den Pcilo de luicca zur Familie der Brcyapfel- bäunio tSapotilliers) geordnet haben, so fanden wir an ihm je< doch nicht minder eine groise Achnlichkeil mit gewissen i/r- ticecn, vorzüglich mit dem Feigenbaum, um der gehörnt aus- laufenden Afterblälter willen, und mit dem Erosimum, wegen der lüidung seiner Frucht. Hr. Kunlh hätte auch' diese letztere ZusammiMislellung vorgezogen , wenn die am Orte selbst auf- genonnnene Beschreibung der Frucht, und die Bcschart'enheit der Milch, welche in den Urticeen scharf und hcy i\cx\ Scipotilliers ■mild ist, die Vermuthung nicht zu bestätigen scheinrn würden. 222 Such y. Noten. die wir oben Kap. 16. S. 186 ff. ausgesprochen halien. Hr. Brc- dcineyer hat, gleichwie wir, wohl die Frucht, aber nicht die Blume des Kuhhaums gesehen. Er versichert^ heohachlet zu haben Cmehrmals.'), dafs zwey Saamen neben einander stunden, wie im Avogadebaum fl/aurus Pcrsea.) Viclleiclit wollte der Bo^iniker die gleiche Bildung des Nucleus ausdrücl(en, weiche Schwartz in der Beschreibung des ßrosimuin andeutet : Nucleus bilobus aut bipartibilis. Wir haben die Standorte angegeben, wo dieser merkwürdige Baum wachst ; es wird reisenden Bo- tanikern leicht seyn , sich die ßlüthc des Falo de Kacca zu ver- schafTen , und die Zweifel zu lösen , welclie annoch über die Familie walten, zu der er gehört. Sechstes Buch. Siebenzehntes Kapitel. Berge, welche die AragitaThüler -con den Llanos de Caracas (rennen. — nila de Cura. — Parapara. — Llanos oder Steppen. — Calabo2.o. Die Bergkette, welche den See von Tacarigua süd- lich begrenzt, bildet, so zu sagen, das nördliche Ufer des grofsen Beckens der L,Ianos oder der Savanen von Caracas. Um ans den Thälern von Aragua in diese Savanen herunter zu kommen, müssen die Berge von Guigue und Tucutunemo überstiegen werden. Aus einer bevülkerten, durch Anbau verschüncrten Land- schaft gelangt man in eine ausgedehnte Einöde. Ari Felsen und schattige Thalgründe gewöhnt, betrachtet der Heisende mit Befremden diese baumlosen Savanen, diese unermefslichen Ebenen, die bis an den Horizont zu reichen scheinen. Ehe ich zu der Darstellung der hlanos oder der Gegend der Viehweiden -0 übergehe, will ich kür/.llch den Weg beschreiben , den wir von Nueva Valencia durch Villa de Cura und San Juan bis in das kleine, am Eingang der Steppen gelegene Dorf Ortiz zurücklegten. Am 6. März, vor Sonnen-Aufgang, verliefsen wir die *) Siehe oben, Th. IL Kap. 12. S- 363- 224 Buch FI. Tliiiler von Aragua. Wir wanderten durcli eine wohl angebaute Ebene, längs dem südwestlichen Gestade des Valencia-Sees, über den von seinen Gewässern trocken gebliebenen Boden, und konnten nicht sattsam die Frucht- barkeit des mit Pisang, Flaschenkürbils ur-d Wasserme- lonen überdeckten Erdreichs bewundern. Den Aufgang der Sonne verküntlit^te der ferne Schall lieulcnder Affen. In der Nähe tiner Baumgruppe, die zwischen den vor- maligen Eilanden Don Pedro und Negra steht, sahen wir zahlreiche Banden Araguaten- Affen, die gleichsam processionsweise, nur sehr langsam von einem Baume zum andern übergiengen. Einem männlichen Thier folgten viele weibliche, worunter mehrere ihre Kleinen auf den Achseln trugen. Es sind die heulenden Affen, welche in niehreren Theilen von America gesellig bey- sammen leben, durch verschiedene Naturforscher be- schrieben worden. Ihre Lehensart und Sitten bleiben sich gleich, wenn auch die Arten nicht überall die näm- lichen sind. Man wird nicht müde, die Gleichförmig- keit, mit der die Araguaten ' ) ihre Bewegungen voll- ziehen, zu bewundern. Allentlialben, wo die Aeste be- nachbarter Bäume sich einander nicht berühren, hängt das den Reihen anführende männlic])e Thier sich mit dem anfassenden und schwitlichen Theil seines Sciiwan- zes auf, und. Indem es den übrigen Körper fallen läfst, wiegt es sich so lange, bis mittelst einer der Schwin- gungen es den zunächst befindlichen Ast erreicht hat. Der üanze Zuar vollzieht hierauf an der nämliciien Stelle die tfleiche Bewegung. Es dürfte fast übi'rfiüsjig seyn, bey diesem Anlafs zu bemerl Simia urslna. Vergl. Th. H. Kap. 8. S. i45. **3 Es li.'U der berühmlc Reisende diese aufserordenlliolie Vor];eIuung der X^en mit KuJIsclnvänzen sogar auf einem Hupfer Kapitel XriL 225 ist, derzufolge die Marimondeii *") , die Araguaten und andere mit RoUschicänteii (queve prenanle) versehene Affen sich keltenartig aneinander liänüen sollen, um vom diesseitigen an das jenseitige Ufer eines Flusses zu gelangen. Wir hatten nährend fiinf Jahren Gelegen- heit, Tausende dieser Thiere zu beohachten, und konn- ten eben darum Erzähluniren keinen Glauben bevmfes- senj die vielleicht durch Europäer selbst erfunden sind, obgleich sie von den Indianern der IVlissionen wieder- holt werden , als wären es Ueberlieferungen ihrer Vä- ter. Auch der uncivilisirte Mensch findet Genufs in dem Erstaunen, das die Erzählung der Wunderdinge seines Landes hervorbringt. Er giebt für selbst gese- hen aus, was er glaubt, dafs andere es gesehen haben konnten. Alle Wilden sind Jäger, und die Erzählun- gen der Jäger werden um so mehr durch die Phantasie ausgeschmückt, als die Tliiere , deren Kunststücke sie uns melden, verständiger und listiger sind. Daher die Mährchen, wozu die Füchse und die Affen, die Ra- ben und der Condor der Anden auf beyden Halbkugeln den Stoff lieferten. Man beschuldigt die Araguaten , ihre Jungen zu- weilen im Stich zu lassen, um behender fliehen zu kön- nen, wenn sie durch indische Jäger verfolgt werden. Man behauptet, Mütter gesehen zu haben, die ihr Jun- ges von der Achsei losmachton, um es vom Baume herabzuwerfen. Ich bin geneigt zu glauben, es sey hier eine ganz zufällige Bewegung für eine absichtliche Handlung angesehen worden. Die Indianer äufsern Kupfer abzubilden l.ein Bedenken getragen. Siehe Viagg a la America meridional CMadrid, 1748), Tom. I. p. i.',4— 149. *) Simia Belzebuth. Sielic meine Obs. de Zool, Tom. I, p. 527. Alfix. V Humboldts hiit. Reiian. III. l5 226 Buch VI. Abneigung- oder Vorliebe für gewisse Affenarten. Sic lieben die Virditas, die Titis und überhaupt alle klei- nen Sagoin - AfTeUj während die Araguaten, um ih- rer traurigen Gestalt und ihres eintönigen Geheuls wil- len, gleichniäfsig verwünscht und verläumdet werden. Beym Nachdenken über die Ursachen, welche die Fort- pflanzung des Schalls in der Luft /ur Nachtzeit beför- dern können, schien es mir nicht unwichtig, mit Ge- nauigkeit die Entfernung zu bestimmen, worin , zumal bey feuchter und stürmischer Witterung, das Geheul feines Aragualen - Schwarms geliürt wird. Ich glaube gewifs zu seyn, dafs sie noch in der Entfernung von 800 Toisen gehört werden. Die vierarmigen Affen kön- nen keine Streifzüge in die Ljlanos machen 5 und wenn man sich mitten auf einer ausgedehnten , mit Gras be- wachsenen Ebene befindet, so hält es nicht schwer, die abgesonderten Baumgruppen zu erkennen, von denen der Schall herkommt, und die den heulenden Affen zum Aufenthalt dienen. Indem man sich nun diesen Baumgruppen nähert oder sich davon entfernt, wird das IMaxununi der Entfernung ausgemittelt, in wel- cher das Geheul liörbar ist. Ich fand diese Entfernun- gen zuweilen um einen Drittheil gröfser zur Nacht/.eit, vorzüglich wenn der Himmel bedeckt und die Witte- rung feucht und warm ist. Die Indianer behaupten , wenn das Geschrey der Araguaten durch den Wald ertönt, so scy immer einer, „welcher als Chorführer singt.*' Die Bemerkung ist ziemlich richtig. Man unterscheidet allgemein und geraume Zeit eine einzelne, stärkere Stimme, l>i» eine andere, von verschiedenem Gehalt, dieselbe ersetzt. Der gleiche Nachahmungsinstinct wird auch bey unj zuweilen unter den Fröschen und last allen in Gesell- schaft lebenden und singenden Thieren wahrgenom Kapitel XFIL 22? mcn. Die Missionarien versichern noch weiterhin, wenn unter den Aragualen ein VVeihclien im BpgriflT ist zu gebären, so stelle der Chor sein Geheul so lange ein, bis das Junge geboren ist. Ich konnte über die \"\ ahrheit dieser Angabe nicht selbst urtheilen ; inzwi- schen halte ich dieselbe niciit für ganz grundlos. Ich bemerkte, dafs, wenn eine aufserordenlliche Bewegung, zum Beyspiel die Seufzer eines verwundeten Aragua- ten , die Aufmerksamkeit der Bande erregen, das Ge- heul für einige IVIinuten unterbrochen wird. Unsere Führer versicherten in vollem Ernst: ,_,gegen Engbrü- stigkeit sey ein zuverlässiges Hülfsmiltel, aus dem knö- chernen Kasten des Zungenbeins vom Araguate zu trin- ken.'- Weil dieses Thier einen so aufserordenllichen Umfang der Stimme hat, so mufs sein Kehlkopf wohl unstreitig dem Wasser, welches man darein giefst, auch das Vermögen, Brusthrankheiten zu heilen, verleihen." Es ist dies die JNaturlehre des Volks, die zuweilen der- jenigen der Alten gleicht. Wir übernachteten im Dorfe Gulgue, dessen Breite ich durch Beobachtungen des Canopus zu 10° 4' 11" fand. Die Entfernung dieses, in einer trefflich angebau- ten Gegend gelegenen Dorfes vom Tacarigua - See be- trägt nicht über eintausend Toisen. ^A ir nahmen un- ser Quartier. bey einem allen Feldwebel, der aus Mur- cia gebürtig und ein sehr origineller Mensch war. Um zu beweisen, dafs er bey den Jesuiten studiert habe, sagte er uns die Geschichte der Weltschüpfnng in latei- nischer Sprache her. Die Namen von Augustus, Ti- berius und Diocletian waren ihm nicht unbekannt. Bey der angenehmen Kühle der Nacht, in einem mit Pisang bepflanzten Gehege, äufserte er viele Theilnah- me für alles, was sich am Hof der romischen Kaiser zugetragen liatle. Kr bat uns dringend um Heilmittel 328 Buch Fl. gegen die Gicht, von der er schrecklich gequält ward. ^^Ich weifs, sagte er, dafs ein Zambo aus Valencia, der ein berühmter Curioso ist, mich lieilen kann^ aber der Zamho verlangt mit einer Auszeichnung behandelt zu werden, die man einem larbigten Menschen, wie er ist, nicht bewilligen kann j ich bleibe darum lieber, wie ich bin/' Von Guigue aus beginnt das Ansteigen der Berg- kette, die sich südwärts vom See gegen Guacimo und la Palma ausdehnt. Von einer "^lo Toisen hohen Ebene herab sahen wir zum letztenmal die l'häler von Ara- gua. Der Gneil's stund zu Tage : er zeigte die gleiche Schichtenlage, die gleiche nordvvestliche Senkung. Quarzadern, die den Gneifs durchziehen , sind goldhal- tig, und eine nahestehende Bergschlucht führt auch den Wamen Quehrada del Ovo. Man ist befremdet, über- all den pomphaften Wamen Go/i/jc/j/hcä/ in einem Lan- de zu finden, wo nur ein einziges Kupferbergwerk be- baut wird. Wir legten fünf Meilen Weges bis zum Dorf Maria Magdalena, und noch zwey andere bis zur Villa de Ciira zurück. Es war Sonntag. im Dorfe Maria Magdalena fanden sich die Einwohner vor der Kirche versammelt. Man wollte unsere Maulthiertrei- ber zwingen Halt zu machen, um Messe zu hören. Wir entschlossen uns zu bleiben 5 aber nitch langem Wortwechsel setzten die Maullhiertroiber ihren Weg fort. Ich mufs hier beyfügen, dafs dies der einzige Streit solcher Art war, den wir erfuhren. Man macht sich in Europa sehr irrige Vorstellungen über die Un- duldsamkeit und selbst über den religiösen Eifer der spanischen Colonisten! San Luis de Cura, oder, wie man gewöhnlich sagt^ die Villa de Cura y steht in einem gar uniruclitbaren Thale, dessen Kichtung von Nordwest nach Südost gehl. Kapitel Xril. 219 nnd dessen Erhöhung über der Wasserfläche des Oceans, meinen barometrischen Beobachtungen zufolge, 266 Toisen betrügt. Einige Fruclilbäutne ausgenommen, ermangelt das Land ])eynalie alles Pflanzenwuchses. Die Trockenheit der Ebene ist um so gröfser, als meh- rere Flüsse (was in einem L'rgobirg^land als aufseror- dentlich kann angesehen werden) sich durch Spalten in. die Erde verlieren. Der Rio de las Minas, nordwärt« der Villa de Cura, verliert sich insFelsengebirg, kommt wieder zum Vorschein, und versenkt sich nochmals, ohne in den Valencia-See zu gelangen, welchem doch seine Richtung zugeht. Cura hat eher das Aussehen eines Dorfes als einer Stadt. Seine Eevöll erun_y beträgt nur 4000 Seelen ; wir fanden aber daselbst mehrere Perso- nen von sehr gebildetem Geiste. Wir nahmen unsere Herberge bey einer Familie , gegen welche die Regie- rung zur Zeit der Revolution von Caracas, im Jahr 1797, strenge verfahren war. Einer der Söhne ward, nachdem er lange eingekerkert gewesen war, nach der Havanna gesandt , um da in einem festen Schlosse verwahrt zu bleiben. Die Freude der Mutter war un' endlich grofs, als sie hörte, dafs wir nach der Rück- kehr vom Orenoko einen Besuch in Havanna machen würden! Sie vertraute mir fünf Piaster an, „alles, was sie hatte ersparen können.'* Ich würde ihr dieselben gern zurücHgegeben haben, wenn ich nicht fürcliten mufste, ihr Zart";efühl zu beleidi'i^en, und eine JNIutter zu kränken , die in freywilligen Entbehrungen süfsen Ge- nufs findet. Die ganze Gesellschaft der Stadt versam- melte sich Abends, um in einer Optili die Ansichten der europäischen Hauptstädte zu bewundern. Das Schlofs der Tuillerien ward uns gezeigt und die Bild- säule des grofsen Kurfürsten in Berlin. Es ist eine ganz aufscrordentliche Empfindung, seine Vaterstadt 23o Bach PI. durch eine Optik zu sehen , wenn man zAveytausend Meilen von ihr enlfernt ist! Ein Apotheker^ den ein unsehger Hang znm Berg- bau zu Grund gerichtet hatte^, begleitete uns beym Be- such des an goldhaltigem Schwefelkies selir reichen Serro de Chacao. Man steigt weiter am südlichen Ab- hang der Küstencordillere , in welche die Ebenen von Aragua ein Längenthal bilden, herunter. Die Nacht vom 11. verweilten wir zum Thell im Dorfe San Juan, das durch seine Mineralwasser und die ungewühnliche Gestalt zwey benachbarter Berge , welche die Morros de San Juan heifsen, merkwürdig ist. Diese Berge bilden schmächtige Spitzen , die über eine sehr breite Felsenmauer emporstehen. Die Mauer ist senkrecht abgestutzt und gleicht der Tevfelsmauery *) welche ei- nen Theil der Gruppe des Harzgebirgs einfafst. Weil diese Bergspitzen aus grofser Entfernung in den Llanos sichtbar sind, und die Einbildungskraft der an keinerley Unsleichhcit der Erdfläche gewöhnten Thalbewohner mächtig ergreifen, so vvird die Höhe der Pic's sehr übertrieben geschätzt. Sie waren uns als mitten in den Steppen befindlich angegeben worden, während sie die- selben vielmehr nordwärts begränzen, beträchtlich weit hinter einer Hügelreihe, welche /« GrtZer« heifst. Den in einer Entfernung von zwey Meilen aufgenom- menen Winkeln nach zu urtheilen, sind die Bergspitzen kaum mehr als i56 Toisen über dem Dorfe San Juan, und 35o Toisen über der Fläche der Llanos erhübet. Die Mineralquellen entspringen am Fufs der Berge, die zum Uebergangs- Kalkstein gehören j sie sind mit geschwefeltem Wasserstoff geschwängert, und bilden einen kleinen Sumpf oder Ljagune^ worin ich den Wär- *) Bey Wernigerode in Deutschland. Kapitel KVIL 281 memesser nicht über 3i° 3 steigen sah. Mittelst sehr befriedigender Stern - Beobachtungen fnnd ich in der Nacht vom 9. auf den 10. JViärz die Breite von Villa de Cura zu 10° 2' 47". Die spanisclien Üfilclere, welche im Jahr 1755, bey dem Grenzzug, astronomische Werk- zeuge an den Oreiioko brachten, haben gewifs nicht im Cura Beobachtungen angestoilt, denn auf Caulin's Charte und auf der von la Cruz Olmedilla wird diese Stadt um einen Viertelgrad zu weit südwärts angegeben. Die Stadt Cura ist in der Umoeo^end durch die Wun- der eines Bildes der Jungfrau berühmt, das unter dem Namen von Nnestra Sennora de los Falencianos be- kannt ijt. Dies Bild, welches ein Indianer, um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, in einer Berg- schlucht gefunden hat, veranlafste einen Hechtshandel zwischen den zwey Städten von Cura und San ^ebastian de los Keyos. Die Pfarrer der letzteren Stadt behaup- teten, die Jungfrau sey zuerst &uf dem Gebiet ihr.es Kirclispiels erschienen. Der Bischof von Caracas, um dem Aergernifs des langen Zanks ein ünde zu machen, liefs das Bild in's Archiv des Bisthums bringen, und be- hielt es darin 3ü Jahre verschlossen ; im Jahr 1802 erst ward es den Einwohnern von Cura zurückgegeben. Hr. Depons hat die näheren Umstände des seltsamen Streilhandels ausführlich erzählt. *) Nach einem, im kühlen und hellen Wasser des kleinen Flusses San Juan über basaltischem Grünstein genommenen Bade setz- ten wir um zwey Uhr Nachts unsern Weg über Orlitz und Parapara, nach der iV/ej« de Paja fort. Weil da- nials die Llanos durch Baubgesindel unsicher waren^ so schlössen sich mehrere Reisende uns an, um eine Art Caravane zu bilden. Nach sechs bis sieben Stunden an- *) Tom. ni. p. 178. 2^% Buch Fl. haltenden NledervSteigens zogen wir längs dem Cerro de FLores bin, in dessen Nähe die zu dem groTsen Dorf San Jose de Tisnao führende Strafse sich trennt. Mijn kommt durch die Meyerliöfe von Lvique und Juncalito an den Eingang der Thalgründe^, die von den schlech- ten Wegen und der hlauen Farbe der Schiefer die Na- men iMalpasso und Piedras ylzules führen. Dieser Boden bildet das alte Gestade der grofsen Steppen- Barsins , und hat für die Unterfuchungen des Geologen vielAnziehendes. Man findet daselbst Trapp- formationen, die, wahrscheinlich Jüngern Ursprungs, als die Grünsteingänge in der Nähe der Stadt Caracas, den Gebirgsarten vulcanischen Ursprungs anzugehören scheinen. Es sind nicht lange und schmale Ströme, wie in einem Theil der Auvergne, sondern breite Flüsse, die wie Schichten aussehen. Die lavaarligen Steinmas- sen declten, so zu ?agen, das Ufer des alten Landseesj alles, was zerstörbar ist, die geschmolzenen Auswürfe, die blasigen Schlacken sind w^eggeführt. Diese Erschei- nungen werden insbesondere merkwürdig durch die ge- nauen Verhältnisse, welciie sich zwischen den Kling- steinen (Phonolites) und den IVIandelsteinen zeigen, die zuverlässig Augll (Pyroxene) und Grünstein enthalten, und in dem Uebergangsschiefer Lager bilden. Um den Zusammenhang der Lagerung dieser Gebirgsarten und ihres Aufliegens deutlich zu machen, wollen wir die Formationen aufzählen, wie sie sich in einem von Nor- den nach Süden gerichteten Froille darstellen. Zunächst findet sich in der Sierra de Mariara, die dem westlichen Arm der Küsten -Cordillere angehört, ein grobkörnigter Granit } hernach in den Thälern von Aragua, am Seeufer und auf seinen Inseln, so wie auch im südlichen Arm der Küstenkette Gneifs und Glim- merschiej'er. Diese zwey letztern Gebirgsarten sind Kapitel Xril. 233 goldliallig in der Ouehrada dcl Oro , nahe tev Guipj-ue und zm?chen Villa de (3ura und den JMorros de San Juan, iui Gebirge von Chacao. Das Gold kommt in Schwefelläesen vor, die tbeils auf eine fast unbenierk- bai"e Art in der Gesammtmasse des Gneifs *) zerstreut, tbeils in kleine Quarzgänge gesammelt sind. Die mei- • sten Ströme, die von diesem Gebirg abfliefsen , fülirea [Gold. Dürftige Einwobner der Villa de Cura und von San Juan haben zuweilen, durch das Auswaschen ihres Sandes, in einem Tage bis an dreiyfsig P'astiT gewon- nen* mei?t jedoch mögen, wie fleifsig sie auch sind, in der Woche nur für zwey Piaster Goldblättchen gewon- nen werden. Auch geben sich nur Wenige mit dem unsicheren Gewerbe ab. Hingegen geschieht hier, was allenthalben beobachtet, werden kann, wo gediegenes Gold und goldhaltiger Schwefelkies im Gebirge zer- streu' sind, oder durch Zerstörung der Gebiresarten in angeschwemmtem Lande vorkommen, dafs sich näm- lich das V^olk die übertriebensten Vorstellungen von dem metallischen Reichthume des Bodens macht. Der Erfolg des Bergbaues aber, welcher weniger von der Menge des auf einer weiten Bodenfläche vertheilten Er- zes, als von seiner Anhäufung auf dem nämlichen Puncte herrührt, mag die so günstigen Vorurtlieile nicht rechtfertigen. Der durch die Bergschlucht von Tucutunemo begrenzte Berg von Chacao ist 700 Fufs über das Dorf San Juan erhübet. Er besteht aus Gneifs, welcher füraus in den oberen Schichten in Glimmer- schiefer übergeht. Wir sahen da Ueberbleibsel eines alten Bergwerks, das unter dem Namen des Real de *) Die vier Metalle , welche man im Granitgebirg zerstreut findet, als gehörten sie gleichzeitiger Bildung an. sind das Gold, das Zinn, das Titanium iind der Kohalt. 234 Bach VI. Santa Barbara bekannt i?t. Die Arbeiten Avaren auf ein angegrifTones Lager von Quarz *) gerichtet, der von vitlflächigen Hölilunjxen durclilöchert , mit ocher- gelhem Eisen vermengt ist, und sowohl goldhaltig« Schwelelkiese, als auch Ideine Goldblättchen enthält, die, wie man versichert, auch dem unbewaffneten Auge sichtbar sind. Der Gneifs des Cerro de Chacao scheint noch einen andern metallischpu Niederschlag zu ent- halten, eine Mi chung von Hupfer und Silbererz. Dieser letztere ist der Gegenstand eines mit grofser Un- wissenheit durch mexicaniFche Bergleute, unter der Verwaltung des Hrn. Avale, betriebenen Baues gewe- sen. Der in nordöstlicher Richtung ausgegrabene Stol- len hat nur 25 Toisen Länge. Wir fanden darin Stücke T'on azurfarbenem Kupfer, verbunden mit schwefelsaurer Schwererde und Quarz 5 aber wir konnten nicht selbst urtheilen, ob das Erz silherhal tiges PaA/erz enthalte, und ob es eine Lage mache, oder, wie unser Führer, der Apotheker, versicherte, wirkliche Gänge bilde. Ge- wifs ist, dafs der Versuch dieses Erzgrabens in zwey Jahren über 12,000 Piaster gekostet hat. Man würd« ohne Zweifel besser gelhan haben, die Bearbeitung des goldhaltig'^n Lagers vom Real de Santa Barbara wie- der fortzusetzen. *) Dieses Quarzlager und der Gneifs, worin es enthalten ist, zeigen die Richtung von St. 8 der Boussole von Frevberg, unter 70"* südwestlicher Einsenl^ung. Auf 100 Toisen Ent- fernung vom goldhaltigen Quarz nimmt der Gneifs wieder seine gewohnte Lagerung an, St. 3-4 mit 60° nordwestli- cher Einsendung. Einige Gneifslager enthalten eine Menge silberfarbigen Glimmers, und statt der Granaten kommen darin zahllose achtfliächige Schwefelkiese vor. Dieser silber- farbene Gneifs gleicht dem Gneifs der bekannten Gruhe d«s Himmelsfürst in Sachsen. Kapitel XVII. 235 Tiie Gneifs-Zone , von der wir hier sprechen^ ist in der Küsten -Kette vom Meer Lis nach Villa de Cura zehn Meilen hreit. In diesem ausgedeluilen Landstrich finden sich ausschliefslich Gneifs und Gliiiimerscliiefer, die hier nur eine gemeinsame Formalion darstellen. *) Jenseits der Villa de Cura und des Cerro de Chacao wird die Ansicht des Landes für den Geognosten nian- ni^^l'alliger. Noch sind aciit MeiltMi Ahhang von der Ebene der Stadt Cura bis zum Eingang der Llanos übrig, und an diesem südlichen Abhang der Küstenkette sind es vier Gebirgsarten ungleicher Bildung, die den Gneifs *) Eifie Formation, welche wir die gneifs - glimmerschiefrige nennen wollen, und die der Küsteiikclte uon Caracas ei- gen I hü ml ich ist. j\Ian müfs , wie die Herren von Bucli und R^aumer in ihren vortrefllichen Abhandlungen über Landeck und das Riesengebirge so richtig gezeigt liaben ^ fünf For- malionen unterscheiden , nämlich : a) Granit; b) Granit- Gncifs ; c) Gneifs; d) Gneifs- Glimmerschiefer; e) und Glimmerschiefer. Die Vermengung dieser Formationen, welche die ISatur in vfplen Ländern aufs bestimmteste von einander gesondert hat, ist die Ursache, warum Geognosten, deren Beobachtungen auf eine lileine Erdlläche beschrankt waren, angenommen haben, der Gneifs und Glimmerschie- fer wechseln überall in aufcinanderliegenden Schichten , oder bieten unmerkliche Uebergänge der einen in die an- dere Gebirgsart dar. Diese Uebergänge und diese wech- selnden Schichtenlagen finden unstreitig in den Formationen des Granit- Gneifs und Gneifs - Glimmerschiefers statt; weil aber diese Erscheinungen &Ti einem Orte vorkommen, so folgt daraus nicht , dafs anderswo sehr genau abgesondert© Formationen von Granit , Gneifs und Glimmerschiefer nicht angetroffen werden. Die gleichen Betrachtungen können auf die Formationen des Serpentins angewandt werden , die tald abgesondert vorkommen, und bald dem Eurit, dem Glimmerschiefer und dem Grünstein angehören. 236 Buch VI. decken. Wir wollen dieselben zunächst beschreiben, ohne sio nach systematischen Ideen zu gruppiren. Südwärts dem Cerro de Cfiacao, zwischen der Berg- schlucht des Tucutunemo und Piedras Wegias , birgt sich der Gneifs unter einer lormation von Serpentin^ dessen Mischung iri den verschiedenen übereinander lie- genden Schicliten ungleich ersclieint. Bald ist dieselbe vollkommen rein, selir gleichartig, von dunkelm Üli- vengrün, vom schuppichten zum glatten Bruch über- geliend^ bald ist sie geädert, mit blaulichtem Speck- stein vermischt, im BrucLe ungleich und enthält Glim- merblätlchen. h\ beyden Verhaltnissen habe ich darin weder Granaten, noch Hornblunde, noch körnigten. Strahlstein (iliallage^ entdeckt. Weiter südlich, und in dieser Hiclitung verfolgten wir die Landschaft bestän- dig, wird' der Serpentin dunkler grün 5 man nimmt darin Feldspath und Hornblende wahr: es hält schwer "zu sagen, ob er in Grünstein (diabase') übergeht, oder damit abwechselt. Unbezweifelt aber ist, dafs er Gän- ^e von Kupfererz enthält. *) Am Fufs dieses Berges entspringen zwey schöne Quellen aus dem Serpentin, Wahe beym Dorfe San Juan läuft allein nur der gekörn- te Gi'iijisteui zu Tage aus, der eine schwarzgrüne Far- be annimmt. Der mit der Masse innig vermischte Feld- «path sondert sich in einzelnen Krj^slalhn ab. Der Glimmer ist selten und Quarz mangelt gänzlich. Die Masse erhält auf drr Oberfläche eine gelbliche Binde, wie der Dolerit und der Basalt. *) Einer dieser Günge, auf den man zwey Stollen trieb, halte die Richtung von St. 2, 1 und die Einsenknng von 80" östl. Die Serpentinlagen, wo dieser eine etwas regelmäfslge Schich- tung zeigt, haben die Richtung von St. 8 und beynahe senk- rechte Einsenhung. Jch habe in diesem Serpentin, wo er in Griinstein übergeht, hin und wieder Malachit angetroffen. Kapitel XVII. 237 Mitten aus diesem Boden von Trapp formatlon er- heben sich, zwey zerfallenen Schlüssern gleich, die IMorros de San Juan. Sie scheinen mit den Mornes von St. Sebastian und mit der Galera zusammenzuhän- gen, welche die LIanos wie eine Felsen.naucr begrenzt. Die IMorros de San Juan sind aus einem Kalkslein von kryytallinischer Textur gebildet; derselbe ist zuweilen sehr dicht, zuweilen voll Höhlungen, grau-grün, glän- zend, aus kleinen Körnern bestehend und mit einzel- nen Glimmerblättchen vermischt. Dieser Kalkstein braust init Säuren stai'k auf: Spuren organisclier Kör- per habe ich darin nicht angetroffen. In untergeord' nelen Schichten begreift derselbe Massen eines verhäi'- teten, schwärzlichblauon und kohlenlialligen Thons. Diese Massen sind schieferig, sehr schwer und enthal- ten Eisen; sie stellen weifJichte Streifen (rayure) dar, und brausen mit Säuren nicht auf. Ihre Oberflüci)e er- hält durch die Verwitterun"^ an der Luft eine treibe Farbe. Man glaubt in diesen Thonlagcrn, eine Ten- deaz, entweder zum Uehergangsschiefer , oder zum Jiieselschiejer Cjaspe schisloido), welche allenthalben den schwarzen Uehergangs - Kalkstein bezeiclmen, zu erkennen. In Bruchstücken würde man sie, boym er- sten Anblick, für Basalte oder Amphiholiten nehmen.*) Den IMorros de San Juan ist ein anderer vveifser, dich- ter Kalkstein angelehnt, welcher einige Trümmer von •) Ich halle den Anlafs, nochmals und sehr sorgfiilh'g die GeLirgsarlcii von San Ju;ni, (]liacao , Parapara und Cala- bozo während meines Aui'enllialts in Mexico zu untersuT chen, wo ich, gemeinsam mit Hrn. Del Rio, einem der vor- zügliclisten Zögiinge der Schule von Freyberg ^ eine geo- gnostische Sammlung für das ColegLo de Mineria von ^tM- Spanien anlegte 238 B u c h VI. Schaalthieren enthält. Die VeiLlndungsllnie dieser zwey Kalktteine konnte ich nicht beobachten^ so wenig als die der Kalkstein -Formation mit dem Grünstein. Das Querthal j welches von Piedras Negras und vom Dorf« San Juan gegen Parapara und den Llanos herabsteigt^ ist mit Trapp - Gebirgsarten^ die eine ge- naue Verwandtschaft mit der unter ihnen liegenden For- mation von Grünschiefer haben, angefüllt. Man glaubt tald Serpentin zu sehen, bald Grünslein , bald Doleri- ten und Basalte. Die Vertheilung dieser problemati- schen Massen ist nicht minder aufserordentllch. Zwi- schen San Juan, Malpasso und Piedras A/ules bilden sie mit einander gleichlaufende, und regelmäfsig unter Winkeln von 40° bis 5o° nördlich eingesenkte Schich- ten; sie decken sogar auch in übereinstimmender Lage- rung (^Gisement concordanO den Grünschiefer. Wei- ter unten, wo die Mandelsteine und Klingsteine sich dem Grünstein beygeseüen, gewinnt Alles ein basalti- sches Aussehen. Ueber einander gehäufte Grünstein- Rugeln bilden solche abgerundete Kegel, wie man sie häufig im böhmischen IMllielgehirg , in der Gegend von Bilin , dem Vaterland der Klingsteine Cphonolites), antrifft. Die Ergebnisse Kieiner einzelnen Beobachtun- gen sind folgende: Der Grünstein, welcher anfänglich mit den Ser- pentin-Lagen wechselte, oder sich dieser Gel)irgsart durch unmerkliche Uebergänge anschlofs, stellt sich abgesondert dar, entweder in stark eingesenkten Schich- ten, oder in concentriscli gpsclilchteten Kugeln, die in gleichartigen Schichten enthalten sind. In der Gegend von Malpasso liegt derselbe über specksteinartigem Griinschiejer , der mit Hornblende vermischt ist, we- der Glimmer noch Quarzkürner enthält^ wie der Griiii' Kapitel XVII. a^Q alein eine nördliche Senkung von 45°, und, wie er, die Richtung Von N. 75° W. hat. Wo diese Griiaschiefer vorherrschen^ ist die Land- schaft selir unfruchtbar , ohne Zweifel uni der in ihnen enthaltenen Bittererde CMagnesie} wilh^n, die^ wie der niagncsiahaUige Kalkslein ■■■) in England darthut, dorn Fflanzenwvichs sehr naclitheilig ist. Di« Einseukung der Grünschiefer Lleibt die nämliche; aber ihre Schich- tenrichtunif wird nach und nach der al^enieinen Rich- tung des Urgchirgs der Küstenkette gleichfürmig. Bcy Piedras Aznles erhalten diese mit Hornblende ver- mischten Schiefer, wieder in gleichförmiger Liagerungy einen schwarzblauen **), sehr brücliigen, mit schwa- clien Quar^adern durchzogenen Schiefer. Die Grün- schiefer enthalten einige Grünsteinschichten , und es finden sich in ihnen auch Kugeln der nämlichen Sub- stanz. INirgends sah ich die Grünschiefer mit den schwarzen Schiefern der Schlucht von Piedras ylznles abwechseln; vielmehr schienen dieselben auf der Ver- bindnngslinie in einander überzugehen , indem die Grünschiefer, nach Mafsgabe wie sie die Hornblende verlieren , perlgrau werden. Weiter südwärts, gegen Parapara und Ortiz, ver- schwinden die Schiefer. Sie bergen sich unter einer Trappformalion von verschiedenllicher Gestaltung. Das Land wird fruchtbarer; die Felsmarsen wechseln mit Thonlagern ab, die durch Zersetzung des Grünsteins, *) Magnesian - Limestone ^ Strohgelb, mit Madreporen ; unter dem red marl oder rothen Sandstein (gres rouge muriati- fere). **) Die 7,wey Formationen von grünem und schwarzblauem Schiefer haben daselbst die Riclitung von IN'. 52. 0. (oder Sjt. 5; 4) und die Einsenkujig von 70" nordwestlich. 2+0 -ß H c h VI. der Mandehleine und Klingsteine erzeugt zu seyn scheinen. Der Grünstein, welclier mehr nordwärts weniger körnicht war und den Uehergflng zum Serpentin bildete, nimmt hier einen ganz andern Characler an. Er ent-' hält Kugeln vom Mandelstein (^amygdaloide') , welche acht bis zehn Zoll im Durchmesser haben. Diese, zu- weilen etwas abgeplatteten Kugeln losen sich in con- centrischen Schichten ab. Es ist dies eine Wirkung der Zersetzung. Ihr Kern hat beynahe die Härte des Basalts. Sie sind mit kleinen blasigen Höhlungen ver- sehen, die mit einer grünen Erde und Krystallen von Augit und Zeolith angefüllt sind. Ihre Basis ist grau- licht-blau, ziemlich \-jeich , mit kleinen weifeen Fle- cken, deren regelmäfsige Bildung auf zersetzten Feld- spath schliefsen läfst. Hr. von Buch hat die Stücke, welclie Avir davon mitbrachten, durch eine slarlv vergrüfsernde Linse un- tersucht. Er hat gefunden, dafs jeder in der erdigen Masse eingeschlossene Augit-Krystall durch, den Seiten- wänden des Krystalls parallfle, Spalten von jener ge- trennt ist. Diese Spalten scheinen die Wirkung eines Zurückziehens zu seyn, welches die Masse oder Grund- lao^e des Mandelsteins erlitten hat. Ich sah diese Man- c delstein- Kugeln theils schichtenweise vertheilt, und durch IG bis 14 Zoll dichte Grünstvinlager von einan- der getrennt, theils (und dies war die gewöhnlichere Lagerung) fanden sich die zwey bis dreyFufs im Durch- schnitt haltenden Mandelstein -Kugeln in kleine, oben abgerundete Hügel, angehäuft, wie der spheroidische Basalt. Der Thon, welcher zwischen diesen Mandel- stein - Concretionen inne liegt, kommt von der Zerse- tzung ihrer Rinde her. Sie überziehen sich an der Luft mit einer ganz dünnen gelben Ucherschichte. Süd- Kapitel XFIT. 34t Süd-vresllich vom Dorfe Parapara erhebt sich der kleine Cerro de Flores^ welcher sclion von weitem her in den Steppen kennbar ist. An seinem Fufse, hoyiiahe mitten in dem Mandelstein-Gebiete, das wir beschrie- l)en haben, liegt ein porphyrähnlicher Klingstein zu Tage, eine diclite Feldspalhniasse von grünlicb-grauer oder berggraiier Farbe, worin länglichte Krystallen von glasigem Feldspath enthalten sind. Es ist der ächte Porp/iyrschiefer von Werner, und kaum möchte man in einer Sammlung von Gebirgsarten den Klingstein (^phcnoHte~) \on Parapara von demjenigen aus Bilin in Böhmen zu unterscheiden im Stande seyn. Er stellt sich inzwischen hier nicht in grotesk geformten Felsen dar, sondern er bildet kleine Hügel, die mit tafelför- migen Blöcken, mit breiten, sehr helltönenden, am Rande durchsichtigen, und beym Zerbrechen die Fin- ger i'itzenden Platten überdeckt sind. Dies ist die Keihe der Gebirgsarten, welche ich auf ihren Standörtern beschrieben habe, wie ich sie vom Tacarigua See bis zum Eingang der Steppen sich einander folgend antraf. Nur wenige Landschaften in Europa mögen eine so merkwürdige geologische Con- stitution darbieten. Wir fanden darin sehr aufeinander folgende Formationen : von Gneifs- Glimmerschiefer, von (Üebergangs-) Grünschiefer, von schwarzem (Üebergangs-) Kalkstein^ von Serpentin und Grünstein, von Mandelstein (mit Augit), und von Klingstein. Ich bemerke zunächst, dafs die Substanz, welche XfiT hier unter dem JNamen Grünstein beschrieben ha« ten, derjenigen völlig gleicht, di« im Glimmerschiefer Alex. x>. Humboldts h'st. Btian. Dl. l6 242 B n c h VI. Lagen, und in der Gegend von Caracas Gänge bildet; *) sie unterscheidet sich nur dadurch, dafs sie weder Quarz, noch Granaten, noch Schwefelkiese enthält. Der genaue Zusammenhang und die Verhältnisse, wel- che wir in der Nähe von Cerro de Chacao zwischen dem Grünstein und dem Serpentin antrafen, können die Geognosten, welche die Gebirge in Franken und Schle- sien untersucht haben, nicht befremden. IVahe bey Zobtenberg **) wechselt ein serpentinartiges Fossil mit dem Gabbro. In der Grafschaft Glalz sind die Spalten des Gabbro mit einem blau grünliclien Steatit angefüllt, und die Gebirgsart,^ welche lange Zeit zum Grünstein ***) gezählt ward, ist eine innige Mischung von Feldspath und körnigem Strahlstein (diallage). Der Grünstein von Tuc'utunemo , von dem wir glauben p er bilde mit der serpentinartigen Gebirgsart *) Siehe oben Th. II. S. 347 ""d Th. III. K. i5. S. 5i. **) Zwisclien Tainpadel und Silslervviz QBiich , Geogn. Beob- Th. I. is. 69, und Natur/, freunde tu, Berlin., 1810. Th. 4. S. 144.) ***) heop. de Bucht Descr. de Landeck , tradu. par Mr. d'Au' buiisson , p. 26. In den, an Grünstein und Serpentin so reichhaltigen Bergen von Baireulh in Franken sind diese zwey Formationen nicht miteinander verbunden. Der Ser- pentin gehört vielmehr zum Hornblendschiefer (amphilwlite schistoide) , wie auf der Insel Cuba. Psahe hey Guanaxua- to in Mexico liabe ich ihn mit dem Syenit wechselnd an- getroffen. Diese Erscheinungen serpentinartiger Gesteine, die im Weifsstein (eurite), im ilornblendschiefer, im Gabbro und im Syenit Lager bilden . sind um so merkwürdiger, als die grofse Masse der granathaltigen Serpentine , welche in den Gneiis- und Glimmerschiefer -Bergen angetroffen wer- den, isolirte und durch keine anderen Formationen bedeckte Hügel bilden. Anders verhält sich's bey den Mischungen von Serpentin imd körnigem Kalkstein. Kapitel XFIL 243 »Ine gemeinsame Formation, enthält Gän»e von Mala- chit und kuplerlialtig'en Schwefelkies. Ehen diese me- tallli'tltigen Ltctger kommen auch in Franken vor, im Grii:i-tein der Berge von Stehen und von Lichtenberg, Was die GriinscUiefer von Malpasso hetriil't , vvelclie aännntlich die Eigenschaften des Uehergangsschiejers an sich tragen, so sind sie völlig zusammentreffend mit deut-n, welche Hr. von Buch in der Gegend Aon Schö- nau in Schlesien sehr gut beschrieben hat. Sie enthal- ten Grünsteinlager gleich den Schiefern der so eben von uns angeführten Berge von Stehen. *) Der schwarze Kalkstein der iMorros von San Juan ist ebenfalls ein Uehergangs - Kalkstein. Vielleicht bildet er ein unter- geordnetes La^er in den Schiefern von Malpasso. Es wäre diese Lagerung derjenigen ähnlich, die in vielen Gebenden der Schweiz angetroffen wird. **) Die Schie- fer-Zone, deren Mittelpunct die Bergschlucht von Pie- dras Azules ist, scheint aus zwey Formationen zu be- stehen. An einigen Stellen glaubt man einen U eber- gang der einen in die andere zu bemerken. Die Grün- steine, welche am südlichen Ende dieser Schiefer wie- der anfangen, schienen mir nicht verschieden von den- jenigen zu seyn, welche noidwärts der Bergschlucht von Piedras Azules vorkomnjen. ich habe keinen Augit darin angetroffen 5 aber am Standorte fand ich zahlrei- *) Buch , 1. c. T. I. p. 75. Im Portgange des Abzuggtollen» iFriedrich-Wühelmsstolleii) ^ den icli 1794 bey Stelten zu erö/Tnen anfangen liefs , und der nur noch 54o Toisen Län- ge hat, fand man nacheinander im Uebergangs- Schiefer: untergeordnete Lager von reinem und porplijrartigem Griin- slein , Lager vom Irdischen Stein und vom Alaunschiefer (ampelile) , Lager von feinkörnigem Grünstein. Alle diese Lager hezeichnen die Uebergangs -Formationen. ") Ztiiti Beyspiel ; am Glj'sh«rn , am Col de Balme ; «. s. tr 244 Buch VI. che Kryslallen in dem Mandelsteinc (amy-gdoloide"), der mit dein Grünstein so innig verbunden ist, dafs er öfters mit ihm abwechselt. Der-Geognost kann seine Pflicht erfüllt achten, wenn er die Lagerungen der verschiedenen Schichten genau bezeichnet, und die Analogien nachgewiesen hat, welche diese Lagerungen mit den in andern Ländern beobachteten darbieten. Wer sollte sich aber nicht ver- sucht fühlen, zum Ursprünge so mannichfacher und verschiedenartiger Substanzen anzusteigen, und sich «u fragen, wie weithin das Gebiet des Feuers sich in diesen, das grofse Becken der Steppen begränzenden Ber- gen ausdehnt? ßey den Untersuchungen über die La- gerungen der Gebirgsarten ist es eine allgemeine Kla.re, dafs die V^erhältnisse der für übereinanderliegend gehal- tenen Massen nicht befriedigend erkannt werden. Hier scheint die Schwierigkeit aus den allzu innigen und viel- fältigen Verliältnissen hervorzugehen, welche Gebirgs- arten darbieten, von denen man glaubt, dafs sie nicht zur nämlichen Familie gehören. Der Klingstein (/>/io/?o///(f, oder Hrn. Cordier's leii' costine compacte^ wird beynahe ungelheilt von allen, welche beyderley, brennende sowohl als erloschene, Vulcane zu untersuchen im Falle waren, für einen Gufs steinartiger Lave angesehen. Ich habe zwar in Para- para keine ächten Basalte oder Doleriten an^.etroften^ aber die Gegenwart des Augits i{n Mandelstein von Pa- rapara läfst nur wenigen Zweifei über den vulcanischen Ursprung dieser kugelförmigen zerspaltenen tmd mit Variolit (Vacuoles) angefüllten Massen übrig. Kugeln dieses Mandelsteins finden sich im Grünstein eingefafst, und dieser Grünstein wechselt auf einer Seite mit dorn Grünschiefer, und auf einer andern mit dem Serpentin von Tucutunemo. Hier zeigt sich also eine ziemlich Kapitel XVII. 245 innlgfe VerLinJung /wisclien den Klingstein- und den Grünschiefern ^ zwischen den augitartigep Mandelstei- nen und den Serpentinen, welche Kupfererz enthalten, zwischen den vuloanischen Substanzen und andern, die mit den schwankenden JN'amen von Uehergcin gs-Trapp- firlen bezeichnet werden. Alle diese Massen enthalten deinen Quarz, wie die ächten trappartigen Porphyre, oder die vulcanischen Trachyten. Es ist diese Erschei- nung um so merkwürdiger, als die Grünsteine, dio für "primitiv gehalten werden, in Kuropa beynahe al- lezeit Quarz enthalten. Die allgemeinste Einsenkung der Schiefer von Piedras Aznles ^ der Grünsteine von Parapara, und der in Grünstein- Lagern eingefafsten Äugitartigen Mandelsteine folgt nicht der Senkung des Bodens von Norden südwärts, sondern es ist dieselbe vielmehr ziemlich beständig nordwärts gerichtet. Es fallen die Lager gegen die Küstenkette herab, wie Sub- stanzen, welche nicht in flüssiger Form ausgelaufen Ovaren, thun würden. Läfst es sich annehmen, dafs so viele wechselnde und über einander geschichtete Ge- birgsarten eine gleiche Abstammung haben? Die Natur der Klingsteine, welcha steinartige Laven mit Feld- spath- Grundlage sind, und die Natur der mit Horn- blende gemischten Grünschiefer mögen es kaum gestat- ten. In dieser Lage der Dinge sind zwey Lösungen der vorliegenden Aufgabe möglich. Der einen zufolge würde der Klingstein des Cerro de Flores als das ein- zige vulcanische Erzeugnifs dieser Landschaft, betrach- tet, und man ist genüthigt, die äugitartigen Mandel- steine mit den übrigen Grünsteinen m eine einzige Formation zu bringen, diejenige nämlich, welche in den bis dahin für nicht vulcanisch gehaltenen Ueber- gangsgehirgen von Europa so gewöhnlich ist. Die an- dere Lösung der Aufgabe sondert die Massen voi^ Kling- «46 B n c h VI. stein, Mandoblein unH Grünslein, welche südwärtl der Bergsch)«cht von Piedras A^nles vorkommen, von Aen Grünb,tein - und Serpentin - Gebirgsarten, welch© den Abhang der Berge nordwärts dieser Bergscb locht decken. Ich finde bey dem gegenwärtigen Zuslani unsrer Kenntnisse beynahe gleich grofse Schwierig- keilen für die Annahme der einen oder andern dieser Hypothesen; aber ich zweifle auch nicht, dafs, wftnit man an andern Orten die wahren Grünsteine, (diejeni- gen, welche keine Hornblenden [amphiholiles] sind), welche im Gneifs und Glimmerschiefer eingeschlosseh vorkommen, sorgfältiger untersuclit haben wird; wenn man theils die Basalte (mit Augit), welche in den Urge- birgen Lager bilden '"')> theils die Grünsleine und die Mandelsteine in den Uebergangsgebirgen genau wird geprüft haben; wenn man den hihalt der Massen ei- ner gewissen mechanischen Analyse unterworfen, und die Hornblenden von den Augiten ••'"')? so wie die Grün- Steine von den Doleriten, besser unterscheiden gelernt hat, so dürfte ein i^rofsor Tlicil der jetzt noch verein- zelt und dunkel sich darstellenden Erscheinungen als- dann auch gleichsam von selbst den allgemeinen Gese- tzen sie') unterordnen. Die Klingsteine und die übri- gen Gebirg: arten vulcnnischen Ur5prungs von Parapara sind um so merkwürdiger, als sie Zeugen vormaliger *) Zum Rpyspiel zu Krobsdorf In SchlcsJpn wavA n'n Ba- saltlager im tilinimerschiefer von zw»y berühmten Geot'iio- sten erkannt, den Herren von Buch und Raumer. (_f''om Grw jiil des Riesengehirgcs , i8i5, S. 3o.) **) Die Grünsteine oder Diabasen des Ficbtelgebirges in Fran- ken , die dem ücbergangsschiefer angeliören , enthalten zu- weilen Augile. Siehe Goldfnfs u. Bischof über das Fich' teigehirgf^ Th. I. S. 173 — 174. Kapitel XFII. 347 Au8l)rüc}ie in einer granitarli^en Zone sind, als sie dem Gestade des Beckens der Steppen eben so angehü- ren, me die Basalte von Haruscli dem Gestade der Wüst© von Sahara zugeliören *); endlich dann auch, weil sie die einzigen sind, die wir in den Gebirgen der Capita- nia generai von Caracas beobachtet haben, die übri- gens keine Tracliyten oder trappartige Poi'phyre, keine Basalle oder vulcanische Substanzen enthalten. '■**) Der südliciie Abhang der Hiislenkette ist ziemlich steil, zumal die Steppen, meinen barometrischen Mes- sungen zufolge, um eintausend Fufs niedriger liegen, als der Grund des Beckens von Aragua. Von der aus- gedehnten Ebene der Villa de Cura stiegen wir an die Ufer des Bio Tucutunemo herunter, welcher sich in dem Serpentingestein ein Ltängenthal in der Richtung •von Osten nach Westen, ungefähr in gleicher Höhe mit la Vittoria, eingegi-aben hat. Ein Querthal führte uns von da in die Llanos, durch die Dürfer Parapara undUrtiz. Die allgemeine Richtung dieses Thaies geht von Norden nach Südon. An verschiedenen Stellen ist es eno^e zusammengedrängt. Becken von völlig wage- rechter Grundfläche werden durch enge Bergschluch- ten und steile Abhänge miteinander verbunden. Es waren ohne Zweifel vormalige kleine Seen, die durch Anhäufung der Gewässer oder durch eine noch gewalt- samere Catajtrophe die Dämme, welche sie getrennt hatten, durchbrachen. Die nämliche Erscheinung wird überall auf beyden Festlanden angetroffen, wie man sich *) Tiornemann^ T^oyage en Afrique, Th. I. p. 81 , und die vortreflliclie Erdbeschreibung von Hrn. Fütter ^ Th. I. S. 572. **) Vom Rio negro an bis zu den Kiisten von Cuinana und Caracas, ostwärts der Berge von Merida, die von uns niohl besucht wurden. 248 B n c h VL hiervon bey Jer Untersuchung der Langenthaler, welche die Uebergiinge der Anden, der Alpen *) oder der Py- renäen bilden, leiclit überzeugen leil- *) Ich erinnere die Reisenden an die Slrnfse vom Urscren- Thal ins Hospitium auf dem St. Gothard und von da nach Airolo. **) In den Sand eingesenkt, stieg der Reaumursche Tliei-mo« meler auf 38", 4 und 40". Kapitel XVII. 24^ chen gpiyen dio Kugel dos Thermometers ansclilagen, Kings wm uns her schienen die Ebenen zum Himmel anzusteigen j und diese ausgedehnte und «lille hinüd* ?lt;llle sich uns als ein mit Tfln^- oder pelagischeni Meer- gras bedeckter Ocean dar. Je nach der ungleich durch die Atmosphäre vertheilten Dünstemasse und nach der xvechselnden Temperatur - Abnahme der übereinander geh'iienpn Luftschichten erschien der Horizont an einigen St;^llen genau ahge?ondprt, e^n andern zeigte er sich vv ellenformig, schlängelnd und gleichsam gestreift. Die Erde ilofs da mit dem Himmel zusammen. Mitten durch den trockenen Nebel und die Dunstscliichten er- blickte man fernhin Stämme Ton Palmbäumen. Ihres Blälterschmuckes und ihrer grünenden Gipfel beraubt, sahen diese Stämme den Mastbäumen der Schifi'e gleich, die das Auge am Horizont entdeckt. Es liegt etwas Imposantes, aber Trauriges und Fin- steres in dem einförmigen Anblick dieser Steppen. Al- les ist darin gleichsam erstarrt : selten nur mag der Schatten einer kleinen Wolke, die durch den Zenith geht und die Nä]ie der Regenzeit verkündet, auf der Savjne gesehen werden. Ich lasse unentschieden, ob der erste Anblick derLlano5 nicht eben so überraschend ist, wie derjtniige der Andehkette. Die Gebirgsländer, welches auch die absolute Höhe ihrer höchsten Gipfel seyn mag, besitzen eine gemeinsame Physiognomie 5 man gewöhnt sich hingegen nicht leicht an das Ausse- ben der Lilanos von Venezuela und von Casanare an das der Pampas von Buenos -Ay res und von Chaco, welche ununterbrochen und während 20 untl 3o Heise- tagen des Oceans ebene Fläche darstellen. Ich hatta die Ebenen oder Lilanos der Mancha in Spanien, und die Heiden (jericeta') gesehen, welche sich vom Au-s* 25o B u c h r^L ganpre Jüflands Hnrch Lüneburg- und Westphalpn *) his in die JNiederlantle erstrecken. Diese letzleren sind va'.re St ppt^n^ von denen der Men-ch, seit Jahrhun- dertf'n, nur kleine Abt eilnn'rach ; e« stellt aber dle'^e Unterscheidung Contraste auf, die it. der Natur ds r Dinge so wenig, als im Geiste der Sprachen, liegen. Das Daseyn eines Heidelands selzi allezeit das Vorkommen von Pflanzen voraus, die der Heidekraut - Familie angehiJren; Asien's Steppen sind nicht alle mit Salzpflan/en bewachsen ; die Savanen von Venezuela bieten, ihren Gräsern zur Seite, kleine krautartige Mimosen, Schotengewächse und ander© Dicotvledonen mehr dar. Die Ebenen Songariens, die- jenigen, welche sich zwischen dem Don und der Wolga ausdehnen, die ungarischen Pnszta sind wahre Savanen, mit reichlichem Graswuchs versehene Viehweiden; wäh- rend dieSavanen im 0-tcn und Westen des Felsengebirgs und Neu Mexicos mit Pflanzen aus der Chenopodeen-Fa- milie bewachsen sind, welche kohlensaure und salzsaure Soda enthalten. *) Asien besitzt alles Pflanzenwuchses zont begränzenden Viehweiden werden von den Einwoh- nern Puszta genannt. jMan iiiidet diese mit Morastland und Sandstrecken untermischten Ebenen diesseits der Theifs, zwischen Czegled ,' Csaba, Komloss und Szarwass , jenseits der Tl)eifs, zwischen Debreczin, K«rkzag und Szoboszio. Kach Lipsky's Charte beträgt der Fliichenraum oder die Area dieser Ebenen im inneren Becken von Ungarn zwi- schen 25oo bis jooo Geviertmeilen , zu 20 auf den Grad, Zwischen Czegled, Szolnok und Ketskcmet gleicht die Flä- che heynahe einem Sandnieer. O Ilord- westlich vom Missoury und nördlich vom Rio Zagua- 252 ß n c h yi. ermanffpln(!e Wüsten, in Arabien, im Gobi und in Per- sien, öeildem man die, von so langem her und so un- testimmt unter dem Namen der \\ iiste von Sahara iZ.ah- ra) vereinharttn \Vü:lon di s inneren Alrica näher ken- nen g-elernt hat, beobachtete man, dafs im Osten dieses Festlandes, wie in Arabien, mitten im nackten und un- fruchtbaren Lande, bavanen und Vieliueiden angetrof- fen werden. Jene ersteren, die mit Kies überzogenen, vind mit keinerley Hflanzen bewachsenen Wüsten sind es, die in der neuen Welt beynahe gar nicht vorkom- men, lall hal^e solche einzig nur im tifferen Thcil» von Peru, zuisrhen Amatope und Coquimbo, an den Gestaden der Südsee gefunden. Die Spanier pennen sie nicht LJanos f sondern desiertos von Sechura und von Atacaniez. Es ist diese Einöde nicht breit, aber ihre Länge betrügt 440 Meilen. Der Felsengrund liegt überall zvvirchen dem beweglichen Sand zu Tag. Wie fällt hier ein Hegentropfen; und, wie die Wüste von Sahara, nordwärts von Tombuclou, so bietet auch die peruvianische Wüste in der Gegend von Huaura eine reiche Steinsalz- Gi'ube dar. Soost finden sich in der neuen Welt überall *) zvvar öde Flächen, weil sie un- lewohnt sind, aber keine eigentlichen \\ üslen. In den entferntesten Landschaften niederholen sich die gleichen Erscheinungen 5 und, anstatt diese weit- nanas , der sjch jn den Rio Colorado von Californien er- giefst , enlhailen die Ebenen Oyps und Steinsalz. Siehe meinen mexicanischen Ailas Tal'el I. *) Man könnte immerhin vcrsnclit seyn , den Namen IVüste den Campos dos Parecis zu geben, dieser ausgedcbnten Sand- ebene von Brasilien, in der die Flüsse Tapajos, Paraguay und Madeira entspringen . und die sich übor den Jiucken der höclislon BcrgÄ ausdehnt. Sic ermangelt lirynahc alles Pilanzcmvuchses, und erinnert an den GoK der IVIongolöi. Kapitel XVIL ä53 laufti^en mit kelnerley Bäumen besetzten Ebenen durch die auf ihnen vorkommenden Pflanzen z\x unterschei- den, mögen sie einfacher in IVnslen (des(?rts) und irl Steppen oder Savaiien j in nacktes Land ohne Plhin- zenvvuchs und in die mit Gräsern oder kleinern Pflan- zen der Dlcotyledonen bewachsenen Landscliaften ge- theiit werden. Manche Schriftsteller haben die ameri- canischen Savanen, zumal diejenigen der gemäfsigten Zone, I^Vie seil gründe genannt j dieser Warne dürfte je- doch für die öfters sehr dürren, obgleich mit vier bis fünf Fufs hohen Pflanzen besetzten Viehweiden nicht anwendbar seyn. Die Ltlanos oder Pampas, des südli- chen America sind wahre Steppen. Sie sind die Regen- zeit hindurch mit schönem Pflanzengrün überdeckt; zur Zeit der grofsen Trockenheit aber erhalten sie das Aussehen einer Wüste. Die Pflanzen zerfallen alsdana in Staub 5 die Erde wirft Spalten und Risse; das Kro- kodil und die grofsen Scliiangenarten bleiben im ver- trockneten Schlamme liegen , bis des Frühlings erst© Regengüsse sie aus der langen Ersiarrung wieder auf- wecken. Diese Erscheinungen stellen sich auf dürren, 5o bis 60 Geviertmeilen haltenden Räumen iiberall dar, wo die Savane von keinen Flüssen durchströmt wird; denn am Ufer der Bäche und um die kleinen Lachen von Sumpfwasser her stufst der Reisende, von Zeit zu, Zeit, sogar auch während der gröfsten Trockenheit, auf Büsche der Mauritia, einer Palmenart, dt'i*en fächer- förmige Blätter ihr glänzendes Grün nie verlieren. Die Steppen Asiens liegen alle aufser den Tropen- Ländern und bilden sehr hohe Plateaus. Auch Ame- rica stellt auf dem Rücken der Gebirge von MeKico; Peru und Quito Savanen von bedeutendem Umfanga dary aber seine geräumigsten Steppen, die Llanos von Cuniana; von Caracas und voiiMeta, sind nur weni^ a54 B u c h VI. über die Meeresfläche erhölitt und gehören alle der Ae- quinoctial- Zone an. Diese Umstände ertheilen ilitu-n einen eigenthümlichen Chnracter. Sie besitzen nicht, wie die Steppen des nördlichen Asiens und Persiens \^üsten, jene Seen ohneAbüufs, jene kleinen Systt^'ne von Flüssen;, die sich entweder im Sand oder durch ein unterirdisches Einseihen verhören. Die americanischen Llanos sind östlich und südlich eingesenkt, und ihr Wasser fliefst dein Orenoko zu. Der Lauf dieser Flüs«e holte mich früher glauben gemaciit, die Ebenen bildeten Plateaus, welche xve- nigstens loo bis 150 loison über der Meeresfiaclie er- höhet seyen. Ich vermuthete, die Wüsten des inneren Africa hätten gleichfalls eine beträchtliche Höhe , und folgten einander stufenweise von den Küsten bis in's Innere dieses ausgedehnten Festlandes. Woch ist kein Barometer in die Sahara gekommen. Hinsichtlich der arnericanischen Lt/anof habe ich aus den zu Calabozo, jn der Villa del Pao und an der Ausmündung des Meta angestellten liarometrischen Höhemessungen ersehen, dafs sie nur 40 bis 00 Toisen über die Wasserfläche des Mee- res erhöhet sind. Der Fall der Gewässer ist ausneh- xnend ifering, öfters bevna! p unmerklich. Auch mögen schon der schwächste Wind oder der höhere Wasserstand des Orenoko das Wasser der in denselben auslaufenden Flüsse rückwärts diängen. D»'r Rio Arauca zeigt das Schauspiel dieses ^H/tor/r/j fliefsens oftmals. Die India- ner glaui>en den Tag über den Flufs abwärts zu fahr'jn, während sie in der Thal von der Ausmündutig zu den Quclion aufsteigen. Die abfllefsenden Gewässer sind von den aufsteigenden duich eine bedeutende Mas^o stillstehenden Wassers getrennt, worin sich, durch Sl.Mung d'.s Gleiciigewichls^ den Fahrzeugen gefiihr- liche Wirbel bilden. Kapitel XFII. 255 Was in den Savanen oder Steppen dos südlichen America am aullailendsten erscheint, ist der gänzliche Mangel von Hügeln und Unebenheiten ^ die voUl^om- men wagerechte Gestaltung^ aller Theile des Hodens. Auch haben die spanischen Rrober 'ir, welche voin Coro her zuerst au die Gestade des Apu/e vordrangen, die^ , selben weder Wüsten, noch Savanen, noch Wiesen- gründe, hingegen aber Ebenen, los Llanos , genannt. Auf 3o Geviertmeilen stellt der JBoden oft kein fufshohes Hügelchen dar. Diese Aehnlichkeit mit der Meeresüä^ che ergreift die Phantasie da am meisten , wo durchaus keine Palmbäume auf den Ebenen wachsen , und wo die Entfernung von den Bergen des Küstenlandes und vom Urenoko so grofs ist", dais man sie nicht seheu kann , wie in der Mesa de Pavoiies. Man wäre ver- sucht, mit einem Heflexions- Instrumente Sonnenhühea daselbst aufzunehmen, wenn der Erdhorizont , um des wechselnden Spieles der Sti-ahlenbrechungen willen, sich nicht allezeit in Nebel aehüllt fände. Diese eleich- förmio^e Bodenfläche wird noch vollkommener anaretrof- fen im Meridian von Cakibozo, als ostwärts, zwischen Cari, Villa del Pao und IN ueva Barcelona : sie ist hin- gegen ununterbrochen vorherrschend von den Mündun- gen des Orenoko bis zur Villa de Araure und nach Os- piaos, auf einem Para//e/ von iSo Meilen Länge, und von San Carlos bis in die Savanen von Caqueta, auf ei- nem Meridian *J von 200 Meilen. Sie bildet den ei- genthümlichen Character des neuen Festlandes, wie hin- wieder auch den der niedrigen Steppen Asiens zwischen dem Dnieper und der Wolga, zwischen dem Irtiscii und dem Obi. **) Umgekehrt finden sich in den Wüstpn *y Eigentlich N. N. 0- nach S. S. W. **) GäMenstedt, Reise, Th. I, S. n6 — ia6. Gmelin, rtor. sibir. Praef. ^. 3i. Fallas^ T. 11,. p. -5: T. Ui. p. 658. a55 Buch n. des inneren Africa, Arabiens, Syriens und Per?Ienf, in Cobi und Oasna *0 viele Ungleichheiten, Hü^elrei- jhen, hchluchtei» ohne Wasser, und i eisen, die aus den» Sand hervorragen. **) Die LjIüiiüs zei«>:en jedennoch, der scheinbaren Gleiciiförmigkeil il>r»r OberHaciie unerachtet, dem Bli- cke do.« aufitu rissainen HeiSi'iiden zvvey bemerk, nswerthe Ungleichhellen. Uie erst.'* wird mit dem JNamen bancos bezeichnet. Es sind wirkliche Klippen, seichte Gründe (liaiit-fonds^ im [ieckea der Steppten, ^ehrochne Rand- stein- oder dichti^ Kai stoin- Lager, welche 4 bis 5 Fufs auf der übrigen Fläche emporstehen. Diese Hauke haben zuweilen drey bis vier Meilen Länge 5 sie sind völlig eben und ihre Oberl}äche steht wagerecht, so dafs man nur durch Untersuchung der Känder oderSeir tenwände ihr Daseyn inne wird. Die andere Art ün- fi^leichheit mag nur durch geodesische oder barometrische Ps'ivellements, oder durch den Lauf der Flüsse erkannt Verden. Sie wird IVlesa genannt. Ks sind dies kleine Plateaus, oder vielmehr gf wölbte Erhabenheiten, wel- che unmerklich auf einige Toi^en höiie ansteigen. Es gehören dahin ostwärts, in der Provinz von Cun?ana, auf der JNordseite der Villa de la Merced und von Can- delaria, die Riesas de ylniana , de Oua/iipu und de Jonoro , deren Richtung von Süd-West nach iSord-üst geht, und die ihrer Uleinen Erhöhung uncracht-t die Wasserscheide zwischen dem Orenoko und der JNord- liüste der Terra Ferma bilden. Die blolse Wölbung «1er Savane macht die Thcilung, und hier finden sich die *) Oder KsniK zwischen dem Jaxartes und dem Oxus. *"*) Siehe «lic ileilsijjen INacliforsclmngen von Jileiners über die Wüsten in den L'ntertuchuiij^en über die iVIensciienarlen, Th. I, S. 101. Kapitel Xrif. a5r die iVtvortia aquarum *) eben so^ ^ie in Polen, wo in der Entfernung von don Karpathon die Ebene selbst die Gewässer zwischen dein baltischen und dem schwar- ten Meere scheidet. Die Erdbeschreiber, welche über- all, wo eine Trennungsgräte ist, das Uasevn von Berg- ketten voraussetzen , haben nicht ermangelt, solche auf den Ciiarten bey f^Qn. Quellen des Kio Neveri, des Unare, des Guarapiche und des Pao zu verzeichnen. Die Priester von mongolischem Stamme errichten ^leich- mäfsig, einer alten abergläubischen Sitte zufolge, Ühos oder kleine Steinhügel auf jeder Stelle, von der die Ge- wässer in entgegengesetzten Richtungen abfliefsen. Die einfürmige Gestaltung der Lilanos , die äu- fscrst selten anzutreß'enden Wohnungen, die Ermü- flungen der Heise unter einem glühenden Himmel und in einer durch den Staub verdunkelten Atjnosphäre, der Anblick dieses Horizontes, welcher stets vor dem Be- schauer zu fliehen scheint, die vereinzelten Stämme der Palmhäume, welche alle die nämliche Gestalt haben, und die man zu erreichen verzweifelt, weil sie mit an- dern Stämmen verwechselt werden, welche allmählig am sichtbaren Horizont aufsteigen, alle diese verein- barten Ursachen lassen die Steppen ungleich viel grofser erscheinen, als sie in der That sind. Die Pflanzer, wel- che am südlichen Abhang der Küstonkette wohnen, se- hen die Steppen südwärts, so weit das Au^e reic t, sich wie ein grünender Ocean ausdehnen. Sie wissen, dafs man von* Delta des Urenoko bis in die Provinz Varina'^, und von da, über und längs den Gestaden des Meta, des Guaviare und des Caguan , im flachen Lande, aniäng- *) ,, Cn. Manlium prope jugis (Tauri) ad divortia aquarum castra posuisse." Lit'ius , üb. 58 , e. 75, C^ä. ygnet.j Tom, IV. p. 191.) Alex. V. Humboldts hist. Reisen. III. f 7 25S Buch VI. lieh von Ost nach West, hernach von Nord -Ost nach Süd-Ost, 3So Meilen -•) zurücl legen kann, bis üher den Aequator hin , am Fufse der Anden von Pasto. bie lachric]iten gemafs, berichligt Kapitel Xril. 269 doch mehrere ähnliche Züge darbieten. Um sich einen genauen Begriff der Ebenen, ihrer Gestaltung und Gren- zen zu machen, mufs man die Bergkelten kennen, die ihr Gestade bilden. Wir haben bereits die Cordillere des hüstenlandes beschrieben , deren höchster Gipfel die Silla von Caracas i^t, und die sich durch den Fara- mo von las Hosas mit dem JSevado von Merida und den Anden von ISeu-Granada verbindet. Wir haben ge- sehen, dafs unter 10° nördlicher Breite sie sich von Quibor und Barquesimeto bis an die Spitze von Paria ausdehnt. Eine zvveyte Bergkette, oder vielmehr ein© minder holie, aber gar viel breitere Gruppe dehnt sich zwischen den Parallelen von 3° und 7°, von den Mün- dungen des Guaviare und der Meta nach den Quellen des Orenoko, des Marony und des Esquibo^ g**g6n d^s holländische und französische Guiana liin. Ich nenne diese Kette die Cordillere von la Parime, oder der gro- fsen Cataracten des Orenoko; man kann sie in einer Aus- dehnung von 25o Meilen verfolgen, aber es ist nicht so fast eine Kette als vielmehr ein Haufe granitischer Berge, die durch kleine Ebenen getrennt, jedoch nicht überall in Heihen geordnet sind. Die Bergirruppe von la Pari- me verengt sich beträchtlich zwischen den Quellen. des Orenoko und den Bergen von Demerary^ in den Sier- ras von Quimiropaca und von Pacaraimo, vv^elche die Gewässer zwischen den Carony und den Rio Parime^ oder Rio de Airuas blancas scheiden. Es ist dies der Schauplatz der zu Aufsuchung des Dorado und dei* grofsen Stadt Manoa, dem Tombuctoo des neuen Fest- landes, veranstalteten Unternehmungen. Die Cordil- lere von la Parime hängt mit den Anden von Neu- Gra- nada nicht zusammen, sondern sie ist davon durch einen achtzig Meilen breiten Pvaum geschieden, ^^'ollte matt der Vermulhung Kaum geben^ sie sey in diesem Zwi- 26o B a c li VI. schenraum durcli irgend eine grofse Erdrevolulioii zer- stört wordßn, welches jedoch keineswegs wahrschein- lich ist, so müfstc man annehmen, sie hahe sich vor- mals von Aen Anden zwischen Santa -Fe de Bogota und Pamplona getrennt. Es mag diese Bemerkung dio geographische Lage einer his dahin nur sehr mangel- haft genannten Cordillere dem Gedächtnirs des Lesers desto leichter einprägen. Eine dritte Bergkette verei- nigt unter 16 und 18 Graden südlicher Breite (durch Santa-Cruz der Sierra, die Serranias von Aguapehy und die sehr bekannten "Crtmpoj dos Parecls') die pe- ruanischen Anden mit den Bergen von Brasilien. Es ist die Cordillere de Chiquitos , die sich in der Capi- tanschaft der IVIinas Geraes erweitert, und die dem Ama- zonenstrom und dem Bio de la Plata ^0 zufliefsenden Gewässer scheidet, nicht nur im Innern des Landes, im Meridian von Villa-Boa, sondern auch einige Mei- len von der Küste entfernt, zwischen Rio Janeiro und Bahia. **) Diese drey Querkelten, oder vielmehr diese drey zwischen den Grenzen der heilsen Zone, in der Rich- tung von\\'esten nach Osten hefindlichen dre^- Jßerg- gruppen, sind durch völlig flache Ländereven, die Ebenen von Caracas oder vom Orenoko, die Ebenen des Amazonenßusses und des Bio JNegro, die Ebenen *) Der Zwischenraum vom Guapore (einem Arm vom Marmore lind la Madeira) und dem Puo Aguapehy (der ein Arm des Jaura und des Paraguay ist) betrügt nur 5J22 bracas. Siehe die lehrreiclie, zu Piio Janeiro unter dem Titel des Patriotu ausgegebene Zeitschrift, i8i3, Nr. 5. p. 55. ^*) Die Cordillere von Chiquitos und t'on Brasilien dehnt sich in südöstlicher Riciilung im Gouvernement von Rio Grande bis über 3o° südlicher üreite aus. Kapitel XFII, a6i von Jßnenos-ylyrrs oder von la Plata getrennt. Ich ge- brauche die JN'arnen Thiiler nicht, \veil der untere Ore- noko und der Amazonenfluis, weit entfernt in einem Thale zu fliefsen , nur eine kleine Furche mitten in einer weiten Ebene bilden. Die zwey an den Endthei- len des südlichen America i^elegenen Becken sind Sa- vanen oder Steppen, baumlose Viehweiden; daszwischen- inne gelegene Becken, welches das ganze Jahr durch die Aequatorial - Regen \'\'^asser empfängt, ist fast ohne Ausnahme ein grofser \Yald, in welchem die Bäche ein- zig nur statt der Wege dienen. Diese den Boden de- ckende Kraft des Pflanzen Wuchses macht auch die Ein- fürmigkoit seiner Fläclie minder auffallend , und nur diejenigen von.Caracas und la Plata werden Ebenen ge- nannt, in der Sprache der Pflanzer werden die hier Leschriebenen Becken mit den Namen der Ltlanos von. Varinas und von Caracas , der hoscjiies oder Selvas. (Wälder) vom Amazonenstrom, und der Pampas von Buenos -Ayres bezeichnet. Die Bäume decken nicht nur den grüfseren Theil der Ebenen des Amazonen- stroms von der Cordillere von Chiquitos an bis zu der- jenigen von la Parime; sie krönen auch die zwey Berg- ketten, welche nur selten die Hübe der Pyrenäen errei- chen. *) Es erscheinen deshalli die weitläuftigen Ebe- nen dos Amazonenstroms, des Madeira und des Pilo Ne- gro nicht so genau begrenzt, wie die Ljlanox von Ca- racas und die Pampas von Buenos -Ayres. Indem die IValdrei^ioii zugleich Ebenen und Berge begreift, so *) Mit Ausnahme des westlichen Theils der Cordillere von Chi- quitos, zwischen Cochabamha und Santa Cruz de la Sierra, wo die ßerggipfel mit Schnee bedeckt sind: es gehört al)er diese colossalische Gruppe noch beynohe ganz zu den Anden de Ja Pez , von denen sie ein ostw.irts verlängertes Vorgehirg oder* Wiederlage Ccontre - fort) bildet. 202 B II C h VI. dehnt sie sich von 18° südl. ") Lis zu 7° und 8° nörd- lich aus, tmd begreift nahe an j 20 000 Geviertmeilen. Dieser Wald des südlichen America, denn eigentlich gieht es nur einen, ist sechsmal o^rüf-^^cr als Franki'^ichj die Europäer kennen davon nur die Ufer elnigf r ihn durchströmender Flüsse, und es gleht darin Lichtun- gen, deren Gröfse mit der des Waldes in Verhältnils steht. Wir nehmen nun hald unsern Weg längs der sumpfigen Savanen, zwischen dem obern Orenoko, dem Conorichite und dem Cassiquiare bey 3 und 4 Graden der Breitf. Uüter dem näiulichen Parallel finden sich andere hichlungen oder Savanas limpias, **) zwischen den (^Juellen des Mao und des flio de Aguas blancas, südwärts der Sierra von Pacaraima, Piese letzteren Savanen werden von Cariben und von den Macusis-No- madcn bewohnt. Sie nähern sich den Grenzen des hol- ländischen und französischen Guiana. Dieser allgemeinen Anslclit der geologischen Ver- hältnisse des südlichen America wollen wir jetzt die Hauptzüge desselben entheben. Die Westküsten sind durch eine mächtige Bergmauer begrenzt, welche an edeln Metallen reich ist, überall wo das vulcani.-xhe Feuer sich durch den ewigen Schnee hindurch keine Bahn ölTnete, es ist dies die Cordillere der Anden. Gipfel von Irappartigem Porphyr steigen über 33oo Toi- *) Westwärts dehnen sich , wegen der I-Ianos von Manso und der Pampas von Iluanacos , die Wälder insgemein nicht über die Parallelen von 18° und 19° südlicher Breite aus, hinge- gen ostlich von Brasilien (in den Capitanschaften von Rio Grande ) , so yvie in Paraguay an den Gestaden des Parama, verlängern sie sich bis zu 26" südl. *) OjTcne , baumlose Savanen j limpias de arboles* Kapitel XVIL 263 sen hocli an, und. die mittlere Höhe der Kette ^^') te- li'ägt iSöo Toisen. bie dehnt sich in der Richtung ei- nes Meridians aus , und sendet jeder Halbkugel einen Seiteiiast zu, unter 10° nördlicher und unter 16° und iS° südlicher Breite. Der erste dieser Aeste, derje- nige des Küstenlandes von Caracas, ist minder breit und bildet eine wahre Kette. Der zvveyte , die Cor- dillere von Chiquitos und von den Quellen des Guapore, ist überaus reich an Gold, und erweitert sich ostwärts in Brasilien in die aus^'-edehnten Plateaus von mildem und gemUfsigtem Klima. Zwischen diesrn beiden, mit den Anden zusammenhängenden Querketten befindet sich vom 3» zum 7. Grad nördlicher Breite eine abge- sonderte Gruppe von Granitbergen, welche ebenfalls in der Richturfg eines Parallels mit dem Aequator aus- gedehnt, sich aber, den Meridian "'O von fi^ nicht überschreitend, westwärts auf einmal endigt, und mit den Anden von Neu - Granada in keiner Verbindung steht. Diese drey Querketten besitzen keine arbeiten,- denVulcane: wir wissen nicht, ob die südlichste, gleich den beyden andern, keinen Trachyt oder trappartigen Porphyr besitzt. Keiner ihrer Gipfel übersteigt die Grenze des ewigen Schnees, und die mittlere Höhe der Cordillere von la Parime und von der Küstenkette von *) In Neu -Granada, in Quito und in Peru, zufolge den von Bougouer , von la Condainine und von mir angestellten Messungen. Siehe über die verschiedenen Verhältnisse, wel- che die Pyrenöen , die Alpen, die Anden und das Himalaya- Gebirg in ihren höchsten Gipfeln und in ihrer mittleren Kettenhöhe (j.we\ so oft verwechjelten Elementen) darbie- ten, meine Untersuchungen über die Berge Indiens. (^Anna- les de Chymie et de Physique , 1816, Tom. III, p. 010.) *) Die Länge von Porto-Cabelio beträgt 70" 5;' 5" nördlich von Paris. 204 -ß " c h VI. Caracas steigt nicht auf 600 Toisen, obgleich einige Giph'l '0 i)ey 1400 Toisen über der Meeresfläche erha- ben stehen. Die drey Querketten werden durch Übenen getrennt^ welche alle westwärts geschlossen sind, ost- und südostwärts hingegen ofFen stehen. Bedenkt man diese g^en sich einander von Osten nach W^esten: die L^laiios von Cumana, von Bar- celona, und von Caracas oder Venezuohi. *) Hier, wo die Steppen sicJi südwärts und süd-süd- westwärts wen- den, vom 8- Breitegrad an, zwischen dem Meridian der 70 und 78 Längegrade, finden «ich, in der Hich- tunjr von JNorden nach Süden, die Llanos von Varinas, von Ca«anare, vom Meta, vom Guaviare, vom Caguan und vom Caqueta. **) In den Ebenen von Varinas fin- den sich einige geringe Denkmäler von dem Kunstflei- fse eines niclit mehr vorhandenen V^olkes. Zwischen Mijagual und Canno de la Hacha kommen wahre liunu- Ins vor, die von den Einwohnern Serrillos de los In- dios genannt werden. Es sind kegelförmige Hügel, die, *) Die Unterabtheilungeii dieser drey grofsen Llanos^ so wie ich sie an Ort und Sieüe bezeichnet habe , sind folgende. Di« Llanos von Cumana und von Neu-Andalusicn ontha'lcn diejenigen von Maturin und von Terecen , von Amana , von Guanipa, von Jonoro und von Cari. Die Llanos von INue- va Barcelona begreifen diejenigen von Aragua , von Paria-. guan und von Villa del Pao. Man unterscheidet in den Llanos von Caracas diejenigen von Chaguaramas , von Uri- tucu, von Calabozo oder vom Guarico, von la Portugucsa, von San Carlos und von Araiire. **) Die Bewohner dieses flachen liandes unterscheiden , als Unterabtheilungen ^ vom P»io Portuguesa bis zum Cavundern. dafs die arabische, mehr als jede andere der orientalischen Spraclien , reich an INa- men ist , welche die Begriffe von Wüste , von unbenolinten oder mit Gräsern Ledecklen Ebenen ausdrücken. Ich könnte ein Verzcichnifs von mehr als zwanzig solcher Namen lie- fern, %velcbe die arabischen Schriftsteller abwechselnd ge- brauchen . ohne sie jedesmal nach den Schattirungen , wel- che jedes Wort bezeichnet, zu unterscheiden. Suhl bedeu- tet vorzugsweise eine Ebene (plaine) ; Duccali, ein Plateau j Kafry Mikfar y Tih , Mehmeh^ eine nackte, mit Sand oder Kies bedeckte, wasserlose Wüste; Tanou/ah, eine Steppe. Sahara bezeichnet eine Wüste , worin einige Viehweiden voikommen. Im Persischen bedeutet Vaila^ Steppe, eine mit Gräsern bewachsne Elbene ; Begaban, eine nackte und dürre Wüste; Deschti re/l , ein Pisteau oder Bergebene In türkisch - tartarischer Mundart wird eine Heide tala oder tschol genannt. Das Wort Gobi^ woraus die Europaer durch Verderbnifs Cobi gemaclit haben, bezeichnet im Mongoli- schen eine nackte Wüste. Es ist gleichbedeutend mit Scha- mo oder Hhan-hai im Chinesischen. Steppe , oder mit Gras bewachsene Ebene wird im Mongolischen durcli Küdassh^ iTij Chinesischen durch houang ausgedrückt. 270 Buch VI. • balls. Der unglückliche C.Tpitaln Tuokey meldet, *) es erhalte sich der hundertthcilig-e Wärmemesser dort die Nacht über meist zu 84°; lun Taire steigt er auf 40° bis 44°. \\ ir werden bald sejien, dafs «eib^t im west- lichsten Theil der Steppen von Caracas die Tempera- tur der Luft im Schatten, und vom Boden entfernt, uns nur selten über 3"° zeigte. Diesen physischen Betrachlung-en über die Steppen der neuen Welt reihen sich andere von höherem In- teresse an, welclie auf die Geschichte des Menschen Bezug haben. Das grofse africani-che Sandineer, die wasserlosen Wüsten werden nur von Karavanen hesucht, die 5o Tage auf den Durchzug verwenden. **) Die Sahara, welche die Vollmer vom I egerstamme von der Mauren- Race und derjenigen der Berberey ***) sondert, ist einzig auf den Oasen bewohnt. Ihr üstlicher Theil allein nur enthlilt Vieliweiden, weil hier durch die Kraft di'r Passatwinde eine minder dichte Sanddecke vor- handen ist, so dafs die Quellen auf der Oberfläche der Erde zu Tage gelangen können.^ In America sind die ■weniger breiten, minder heifsen und durch schöne Ströme fruchtbaren Steppen ein ungleich schwächeres- Hindernifs der Verbindung zwischen den Völkern. Die JLlauos trennen die Hiislenkette von Caracas und der Anden von Neu -Granada der Waldregion, von jener Hylaea 1) des Orenoko , die, schon zur Zeil der ersten Entdeckung von America, durch rohere, der *) Exped. to explore the R'ner Zaire, 1818, I/itrod- , p. I.A. **) ISach Hrn. Piennel ist dies das ßlaxinium der Zeit. (Vojage de IMungo-Park, Ton^. IJ, p.. 535.) '**) Die SliilJia und die Kalivles!' t) 'TXoctT}. Herod, melp. {ed. Schioeigh. Tom, II, p. »67) Kapitel XFII. 271 Cultur cnlfremdetere Völker, als die Küstenbewohner, vorzüglich aber die Bergbewohner der Cordilleren sind, beset/.t gefunden ward. Inzwischen sind die Steppen einst eben se wenig eine Vormauer der Civilisation ge- ' wesen, als sie gegenwärtig eine Scliutzwehr für diö Freiheit der in Aen Wäldern lebenden Horden sind. Die VülkeF vom untern Orenolto wurden durcli sie nicht gehindert, die kleinen Flüsse anzusteigen und nord- wärts wie westwärts üeberfälle zu machen. Hätte die ungleichartige Vertheilung der Thiere über den Erdball das Hirtenleben in der neuen Welt möglich gemacht, wären, vor Ankunft der Spanier, fiäe Lilanos und die Pampas bereits schon mit Heerden von Hornvieh und Pferden, wie solche jetzt auf ihnen weiden, besetzt ge- wesen, so hätte Columbus das Mensel. en:reschlecht in ganz anderen Umständen angetroffen. Hirtenvölker^ die von Milch und Käse lebten, wahre Nomaden, hät- ten alsdann diese ausgedehnten und mit einander zusam- menhängenden Ebenen bevvohnt. Sie würden in Zei- ten grofser Trockenheit oder auch zur Zeit der Ueber- schwemmungen, um den Besitz der Viehweiden ge- kämpft, einander wechselweise unterjocht, und, durch gemeinsame Sitten, Sprache und Cultus vereinbart, je- nen Zustand einer halben Sittigung erreicht haben, der uns bey den Völkern mongolischer und tartarischer Ab- stammung überrascht. America hätte alsdann gleich dem mittleren Asien seine Eroberer gehabt, die von den Ebenen her das Bergland der Cordilleren erstiegen, auf die herumziehende Lebensart verzichtet, die civili- sirlen Völker von Peru und INeu-Gi'anada unterjocht, den Thron der Incas und des Zako ■■'} umgestürzt, und ") Der Zako war das welUJche Olicrliaupt von CunJiiuimarca. Er llieilte die Gewalt mit dem OLcrpriester (Lama) von Iraca- 2^2 B n c 7i VI. tlen Despotismus, welchen die patriarchalieclie Regie- rung der Hirtenvölker herbe} fuhrt, erset/.t haben wür- den. Es hat das Menschongcfchlecht in der neuen Welt diese grofsen sittlichen und politischen Veränderungen nicht erlitten, weil seine Steppen, wenn gloicli frucht- harer als die asiatischen, keine Hserden ernährten 5 weil keine der Thieraiien, welche r.üchJiche Milch geben, den Ebenen des südlichen America eigen ist, und weil in der fortschreitenden Entwicl:lung der americanischen Civilisatlon die Zwischenkette mangelte, welche die Jägerstämme mit den Ackerbau treibenden Völkern ver- bindet. Ich glaubte diese allgemeinen Betrachtungen der Ebenen des neuen Festlandes und der Contraste, wel- che sie mit den Wüsten Africa's und den fruchtbaren Steppen Asiens darstellen, hier sammeln zu sollen, um der Erzählung einer Reise durch so einfürmige Land- schaften einiij^e Theilnahme zu verschaffen. Jetzt, nach- dem dies geschehen ist, will ich ^q\\ Weg beschreiben, den wir auf unsrer Heise von den vulcanischen Bergen des Parapara und vom nördlichen Ende der Lilanos, bis zu den Gestaden des Apure, in der Provinz Varinas, eingeschlagen haben. INachdem wir zwey Nächte zu Pferd zugebracht und mit geringem Erfolg unter den Gebüschen der Aln- richi-VoXxne vor der brennenden Sonne Schutz gesucht hatten, trafen wir vor Anbruch der Nacht bey der klei- nen Meierey zum CrocoJil iEl Cayman) , sonst auch die Giiadalupe genannt, ein. Es ist dies ein hato de ganaJo, das will sagen ein einzelnes Haus In der Steppe, um welches her etliche mit Rohren und Thierhäuten be- Siehe meine Recherches sur les monumens des Americains Xed. in fol., p. 246 ; ed. in 8". Tom. II, p. 225.) Kapitel Xni. 273 bedeckte Hütten steheiu Das Vieh, Ochsen, Pferde und Maulthiere sind nicht eingepfercht, sondern strei- fen auf einem Flächenraume von mehreren Geviertmei- len frey umher. Umzäunungen sind nirgends vorhan- den. Männer, die bis zum Gürtel nackt und mit einer Lanze bewaffnet sind, reiten durch die bavanen, um die Thiere zu besiclitigen, diejenigen, welche sich allza- Avcit von den Weiden der Meyerey entfernt haben, zu- rückzuführen, und was noch kein Zeichen des Eigen- thümers halle, mit einem gUihenden Eisen zu bezeich- nen. Diese farbigen Menschen, die man Peones Ltltt' neros nennt, sind thcils Freye oder Freygelafsne, theils Sclaven. Es ist kein anderer Stamm , welcher so an- dauernd der sengenden Hitze des tropischen Himmels ausgesetzt ist. Sie nähren sich von dem an der Luft gedörrtem und nur wenig gesalzenem Fleisch j auch ihre Pferde sogar geniefsen zuweilen davon. Sie sit/.en fast immer zu Pferde, und glauben sogar den kleinsten Weg niclit zu Fufs zurücklegen zu künnen. In der Meyerey trafen wir einen alten Negersclaven, der in Abwesenheit des Herrn, seine Stelle versah. Man sprach unS^von Heerden mehrerer tausend Kühe, die auf der Steppe weiden, aber vergeblich war unsere Bitte um eine Schale Milch. In Früchten vom Tutumo ward uns ein gelb- lichtes, schlammiges und stinkendes Wasser gereicht j es war aus einer benachbarten Lache geschupft. Die Trägheit der Bewohner der Lilanos ht so grofs, dafs Niemand einen Brunnen gräbt, obgleich sie uoi;l wis- sen, dafs auf zehn Fufs Tiefe fast überall schune Quel- len in einer Lage von Conßlomerat oder rothem Sand- stein angetroffen werden. Nachdem man die eine Hälfte des Jahrs an den Folgen der üeherschwemmUügen ge- litt' n hat, setzt man .-ich in der andern Hälfte den; pein» lieh ten Wassermangel geduldig aus. Der alte Neger ^(sx. V Humboldts hist lieiaen. IIL iS 274 Buch VI. rieth unS;, ein Leintuch übei' das Trinkgefafse zu legen, und gleichsam durch einen Seiher zu trinken, um den widrigen Geruch abzuhalten, und von dem feinen, gelblichen Thon, der im Wasser aufgelöst ist, weniger zu verschlucken. Wir dachten damals nicht, dafs wir in der Folge ganze Monate lang dieses Mittel anzuwen- den genothigt seyn würden. Die Wasser des Orenoko enthalten gleichfalls viele aufgelöste erdige Theile : sie sind auch stinkend, da, wo in Buchten todte Krokodile auf Sandbänken oder halb im Schlamm begraben liegen. Sobald abgeladen und unsere Instrumente versorgt waren, wurden die Maulthicre freygelassen, um, wie man sich hier zu Land ausdrüclit, „in der Sarane Was- ser zu suchen. ^^ *) Es giebt kleine Teiche oder Lachen um die Meyerey her: die Thiere finden solche, durch ihren Instinct geleitet, bey Ansicht einiger zerstreuter Mauritia- Gebüsche, oder beym Gefühl einer feuchten Kühlung, welche kleine Luftströmungen mitten in der uns still und ruhig scheinenden Atmosphäre darbieten. Wenn die Lachen weit entfernt und die Knechte im Meyerhof zu ti'äge sind, um die Thiere zu diesen natürlichen Tränken zu führen, so werden diese, ehe man sie frey läfst, fünf bis sechs Stunden in einen recht warmen Stall eingesperrt. Der heftige Durst steigert alsdann ihr Spurvermögen, indem er ihre Sinnen und ihren Insllnct gleichsam schärft. Sobald der^tall geöff- net wird, siebt man Pferde und Maulthiere, füraus diese letzteren, welche an Scharfsinn die Intelligenz der Hfer- de übertreffen, der Savane jähling zulaufen. Mit emporge- hobenem Schweif und zurückgeworfenem Haupt rennen sie gegen den Wind an, und machen von Zeit zu Zeit, gleichsam um das Land auszukundschaften, Halt^ sie *) Fara liii^enr Agita. Kapitel XVIL 275 scheinen weniger auf die Eindrücke des Gesiölits als auf diejenigen des Gehöi'S zu achten, und endlich verkün- den sie durch ein anhaltendes \yie!iern, dafs sich dag Wasser in der Richtung ihres Laufes befindet* Alle diese Bewegungen werden viel schneller und mit mehr Leichtigkeit von den eingebornen Pferden der Llanos, welche von langem her sich heerden weise frey darin aufgehalten haben, als hingegen von denen vollzogen, die von der Küste herkommen und von zahmen Pferden abstammen. Bey den meisten Thieren geschieht es, wie bevm Menschen, dafs ein lange anhaltender Zwang, durch die von den festen Wohnstätten und von fort- schreitender Cultur herrührenden Angewöhnungen, dio Sinne abstumpft oder ihre Zartheit mindert. Wir folgten unsern Maulthieren, um zu einer der Lachen zu gelangen , woraus das schlammige Wa' ser, welches unsern Durst so unvollliommen gestillt hatte, geschöpft war. Mit Staub bedeckt und von dem Sand- wind, welcher die Haut noch empfindlicher schmerzt als die Sonnenstrahlen, verbrannt, hatten wir sehnlich gewünscht ein Bad nehmen zu können, fanden aber nur einen grofsen, mit Palmbäumen umgebenen Wasserbe- hälter. Das Wasser war trübe, obgleich, zu unserni grofsen Erstaunen, etwas kühler als »He Luft. Wäh- rend der langen Heise daran gewöhnt, uns zu haden, so oft sich Gelegenheit darbot, bisweilen auch mehrmals im Tage, stunden wir nicht an, in das Wasser d* s Sum- pfes zu steigen. Kaum aber hatten wir seine Pvühlung zu verspüren angefangen, als ein Gi räuscli am jensi iti- gen Ufer uns auch wieder schnell heraus trieb. Ein Krokodil versenkte sich in den Sciilamo). Es wäre urtf klug gewesen, zur JNachtzeit in dieser sumpfigen Ge- gend zu verweilen. Unsere Entfernung vom Meyerhof betrug nur eine 276 Buch VI. Viertelmeile, und doch waren >vir schon über eine Stun- de gega"g6"; ohne ihn zu erreichen. Zu spät ward bemerkt, dafs wir eine falsche Richtung genommen hatten. Wir hatten bey der Abenddämmerung, ehe noch die Sterne sichtbar waren, unsern Weg angetre- ten, und waren in der Ebene gleichsam aufs Gerathe- wohl vorgeschritten. Mit einem Compafs waren wir, wie allezeit, versehen; auch konnten wir uns unschwer nach der Stellung des Canopus und des Kreuzes ihn Sü- den Orientiren 5 diese Mittel alle aber blieben darum unnütz, weil wir nicht wufsten , oh wir vom Meyerhof aus südwärts oder nordwärts gegangen waren? Wir versuchten an den Ort zurückzukehren, wo wir geba- det hatten, und giengen noch drey Viertelstunden irre, ohne das Sumpfwasser aufzufinden. Oefters glaubten wir Feuer am Horizont zu erblicken, es waren aufge- hende Sterne, deren Bild uns durch die Dünste vergrö- fsert erschien. Nach langem Herumirren in der Savane fafsten wir den Entschlufs, auf dem Stamm eines Palm- baums niederzusitzen, an einem völlig trocknen und mit niederem Gras bewachsenen Ort; denn für die seit Kurzem erst ausgeschifl'ten Europäer überwiegt die Furcht vor Wasserschlangen diejenige der Jaguars alle- zeit bedeutend. Wir konnten nicht holfen, dals unsere Wegweiser, deren grofse Sorglosigkeit uns bekannt war, ehe sie ihre Speise bereitet und ihr Mahl eingenommen hätten, uns in der Savane aufsuchen würden. Je un- sicherer diese Lage war, desto erwünschter kam uns der ferne Laut eines sich nähernden Pferdes. Es war ein mit der Lanze bewaft'netcr Indianer, der seinen ro- deo machte, das will sagen, die Treibjagd , wodurch man die Viehheerden auf einem bestimmten Räume ver- sammelt. Der Anblick zwevcr svelfsen Menschen, die sich auf ihrem Wege Verirrt hatten, kam ihm anlangs Kapitel XFIL 277 verdächtig vor. Wir hatten Mühe ihm Zutrauen ein- zuflöfsen. EnJlich verstund er sich, uns zum Meyer- hole vom liaiman zu führen, jedoch ohne sein Pferd darum langsamer trahen zu lassen. Unsere Führer ver- sicherten, „sie hätten bereits angefangen um uns besorgt zu werden, ^^ und zu Begründung dieser Besorgnifs zählten sie eine Menge Beyspielo von Personen auf, die sich in den Llanos verirrt halten, und in einem Zustand gänzlicher Erschöpfung waren angetroffen worden, behr grofs ist die Gefahr freylich nur für diejenigen, w eiche sich in weiter Entfernung von allen Wohnun- gen verlieren, oder die, wie dies in den letzten Jahren begegnet ist, von Räubern überfallen, beraubt und an Palmbaumstämme festarebunden wurden. Um von der Tageshitze weniger zu leiden, mach- ten wir uns um 2 Uhr Morgens auf den Weg, in der Hoffnung bis um Mittag Calabozo, eine kleine nicht unbedeutenden Handel treibende Stadt, mitten in den J^lanos, zu erreichen. Das Ausseifen des Landes ist immer das nämliche. Es war kein Mondschein, aber die Menge der Nebelsterne, welche den südlichen Him- mel zieren, erleuchteten v^or ihrem Untergang einen Theil des irdischen Horizonts. Dies erhabene Bild des sich in seiner unermefslichen Ausdehnung darstellenden Sternengewülbes, dieser kühle Seewind, der zur Nacht- zeit über die Ebene weht, die wellenförmige Bewegung der Gräser, überall wo sie einige Höhe erreichen. Alles erinnerte uns an die Fläche des Oceans. Die Täu- schung ward noch gröfser (man wird nicht müde es zu sagen), als die Sonnenscheibe sich am Horizont zeigte, ihr Bild sich durch die Wirkung der Strahlenbrechung wiederholte, und sie, ihre platte Gestaltung bald able- gend, schnell und gerade zum Zenith anstieg. Auch in den Ebenen ist der Zeitpunct des Sonnen- 278 Buch VI. aufganors der kühlste des Tages, aber es macht diese Aenderung der Temperatur keinen sehr lebhaften Ein- druck auf die Organe. Wir sahen den VA'^ärmemesser nicht leicht unter 27°, 5 ') sinken, während in der ^'ähe von Acapülco in Mexico, **) in gleich niedriger Landschaft, der Thermometer öfters um Mittag 3z°, und bev Sonnenaufgang 17° bis 18° zeigte. Die gleich- förmige Bodeiifläche der Llanos, die den Tag über nie beschattet istj'nimmt so viele Wärme in sich auf, dafs, un- erachtet der nächtlichen Strahlung gegen den wolken- losen Himmt'l, die Erde und die Luft nicht Zeit haben, sich von Mitternacht bis zu Sonnenaufgang bedeutend zu erkälten. In Calabozo ***) war die Temperatur, im *) 3s° Picaum. **) Siehe über diese aufserordentUche Erscheinung meinen Essai poUt. ^ Tom. II, p. 760. ***) In Calabozo , im Schatten und in weiter Entfernung von Boden und Mauern, am i5. i\Iarz i8->d, um 1 "•, Reaum. Therm. 24", 25 Fischbein - Hvgrom. 56": um 7 "' Abends, Th. 25»; H. 55", 2: um 12 " Th. 23°, 2-, H. 35% 4- Am 16. März, um 17 i', Th. 22», 7; H. 56«: um 25 "•, Th. 24", 2'; H. 37: um o ", Th. 25% 8 ; H. 55": um 2 " , Th. 36"; H. 34°, 5: um 4J ", Th. 25°, 5; H. 35% 5 ; um 7 P- Th. 240, 6; H. 35°, 5. Am 17. März, um 16 r, Th. 26°, 5; H. 54": um 12 ^-^ Th. 220, 4; H. 55", 3. Am 18. März, um 25 i^-, Th. 25", 2; H. 56", bis um eilf Uhr Nachts ohne Veränderung von o", 5 in beiden Instrumen- ten. Ich vermulhete, das Klima von Calabozo sey noch wärmer, als dasjenige von Cumana. Da ich Hrn. Rnbio ersucht hatte , während meiner Abwesenheit Beobachtungen in diesem Hafen anzustellen, so konnte ich die nämlichen Tage vergleiclien. In Cumana erhielt sich der Reaumur- sclie Thermometer, vom i5. bis zum 18. März, von 7 ^• Morgens bis 1 1 " ISachts, auf 20" bis 24" R. Zu Calabozo hey i3o Meilen von der Ostküste entfernt , zeigte er in den Kapitel XVII. 279 Monat März, Jjey Tage 3i° bis 32°, 5, des Nachts 28° bis 29°. Die mittlere Wärme dieses Monats, der jedoch nicht der wärmste des Jahres ist, schien unge- fähr 3o°, 6 zu seyn, was eine ungeheure Wärme für ein unter den Wendekreisen liegendos Land andeutet^ wo Tag und Wacht beynaljc st^ts von gleicher Länge sind. In Cairo beträgt die mittlere Temperatur des wärmsten Monats nicht über 29°, g 5 zu Madras ist die- selbe 3i°, 8j und zu Abushar , im persischen Meerbu- sen, wo eine Reihenfolge von Beobachtungen gemacht worden ist, 34° 5 allein die mittleren Temperaturen des ganzen Jahres sind in Madras und Abushar niedriger als in Calabozo. Obgleich ein Theil der Llanos, wie die fruchtbaren Steppen Sibiriens, von kleinen Flüssen durchströmt wird, und die dürresten Landstriche von einem zur Hegonzeit überschwemmten Land umgeben sind, so ist die Luft überhaupt doch sehr trocken. De- luc's Hygrometer erhielt sich den Tag über auf 34° und zur Nachtzeit '",) auf 36". So wie die Sonne gegen den Zenith anstiesf, und die Erde mit den übereinander liegenden Luftschichten ungleiche Temperaturen annahm, stellte sich auch die Erscheinung der Luftspieglung (mirage) in ihren ver' schiedenen Abwechslungen dar. Es wird diese Erschei- nung unter allen Himmelsstrichen so allgemein ange- troffen, dafs ich ihrer hier nur darum gedenke, weil wir Halt machten, um die Breite des luftartigen Zwi- schenraums vom Horizont bis zu dem schwebenden Ge» genstand mit einiger Genauigkeit zi^ messen. Das gleichen Stunden, aS" bis aß" R. In Cumana hatte die Temperatur des Monats März 1800 12", 2 betragen; in Calabozo ungefähr sk°t 5 Reaum. *3 Siehe oben, Kap. iS. S. 76. 28o Buch VL Schweben in derLuft war nie jnit dem verkehrten Bilde verbunden. Die kleinen Luftströmungen, welche üljer die Bodenfläche hinstreiften, hesafsen eine so wechseln- de Temperatur, dafs unter einer Heerde wilder Ochsen die einen Thiere mit den Füfsen in der Luft zu schwe- ben sciiienen, während die anderen mit den ihrigen r.uf dem Boden ruhten. Der luftige Zwischenraum betrug-, je nach der Entfernung des Thiers, 3 his 4 Minuten. Da, wo Palmgebüsche der Mauritia in langen Reihen beysammen stunden, stellten sich die End lücke dieser grünen Keihen auf gleiche Weise schwebend dar, wie die Vorgebirge, welche der Vorwurf meiner andauern- den Beobachlungen in Cumana gewesen sind. *) Ein verständiger Mann versicherte uns, zwis^chen Calabozo und Uritucu das verkehrte Bild eines Thieres, ohne dafs ein aufrechtes daneben war, gesehen zu haben, INiebuhr hat in Arabien das Gleiche beobachtet. Ver- schiedentlich glaubten wir am Horizont die Gestalten von tnmiilus und Thürmen zu sehen, die wechselnd verschwanden und wieder zum Vorschein kamen, ohne dafs wir die wirkliche Form der Gegenstände auszumit- leln vermochten. Es waren vielleicht Hügel oder kleine über dem gewöhnlichen Horizont des Auges emporra- gende Erhöhungen, Ich will jenes von Pflanzenwuchs entblöfsten Bodens hier nicht gedenken, der sich wie grofse Seen mit wellenförmiger Oberfläche darstellt. Von dieser Erscheinung, die am frühesten beobachtet worden ist, erhielt die Luftspieglung, in der Sanscrit- sprache, den ausdrucksvollen JNamen des f^erlangens (des Durstes) der Antilope, Wir bewundern bey den indischen, persischen und arabischen Diclitern häufige Anspielungen auf diese zauberhaften Wirkungen der *) Siehe oLen , Tb. 3. Kap. i5. S. 462—473. li a p i t e l XVIl. 281 irdischen Stfahlenbrecliung. Den Griechen und Rö- mern waren sie kaum bel;annt. Des Reichthuins ihres Bodens und- der milden Tempei'atur ihres Kliina's froh? konnte die Poesie der Wüste nur geringen Heiz für sie haben. Diese ward in Asien erzeugt. Die Dichter des Orients haben sie aus der Natur des von ihnen bewohn- ten Landes geschöpft^ und der Anblick dieser ausge- dehnti^n Einöden, die sich wie Meerengen und Buchten, zwischen die von der IValur mit reicher Fruchtbarkeit ausgestatteten Landschaften einlegen — war es, der sie tegeisterte. Mit Sonnenaufgang ward die Ebene belebter. Das Vieh, welches sich die Nacht über längs der Sumpf- stellen oder unter den iMurichi - und Rhopala - Gebü- schen gelagert hatte, sammelte sich jetzt heerdenweise^ und diese Einöden bevölkeiten sich mit Pferden, Maul- thieren und Ochsen, Avelche, wir wollen nicht sagen als wilde, aber als freye Thiere, ohne feste VVohnstät- ten , die Pilege und den Schutz der Menschen verach- tend, hier ihren Aufenthalt haben. Die Ochsen, ob- gleich von spanischer Herkunft, wie die der kalten Pla- teaus von Quito, besitzen in diesen heifsen Erdstrichen einen milderen Character. Der Reisende gefährdet nicht von ihnen angegriffen und verfolgt zu werden, wie uns dies bey unsern Ausflügen auf dem Rücken der Cor- dilleren öfters begegnet ist, wo das Klima roh und hef- tigen Stürmen unterworfen ist, wo die Landschaft ein wilderes Aussehen hat und die Nahrung sparsamer ist. Unweit von Calahozo sahen wir Rehheerden , die mit- ten unter Pferden und Ochsen friedlich weideten. Man nennt dieselben Matacani: ihr Fleisch ist sehr gut. Sie sind etwas gröfser als unsere Rehe, und gleichen den Damhiischen mit sehr glattem, braunfalben und weifs- gedupften Hautbaar. Ihre Geweihe schienen mir ein- 282 Bach VI. fache Spiefse zu sftyn. Die Gegenwart des Menschen schreckte sie nur wenig-, und unter den Heerden von 3o bis 40 Stücken bemerkten wir mehrere vCliig weifse. Diese unter den grof-en Hirschen der kalten Ai^den-Kli- mete ziemlich häufige Spielart mufste uns in diesen niedrigen und heifsen Ebenen befremden. Seilher ver- nahm ich, dafs selbst auch der Jaguar der heifsen Land- schaften von Paraguay zuweilen Alliinos- Spielarten dar- bietet, deren Kleidung so gleichförmig wcifs ist, dafs die Flecken oder Ringe nur beym Widerschein der Sonne sichtbar werden. Die IMatacani oder kleinen Damhirsche *) sind in den Llanos so zahlreich, dafs mit ihren Häuten Handel getrieben werden könnte. '"•''') Ein geübter Jäger mag über zwanzig in einem Tage er- legen. Allein die Trägheit der Einwohner ist so grofs, dafs man sich öfters nicht einmal die Mühe giebt, ihnen die Haut alizuziehen. Eben so verhält sich's mit der Jagd der Jaguars oder grofsen americanischen Tiger, deren Haut in den Steppen von Varinas nur einen Piaster gilt, während sie in Cadix mit vier und fünf Piaster be- zahlt wird. Die Steppen, welche wir durchwanderten, sind hauptsäclilich mit Grasarten , die zu den Gattungen Killingia, Cenchrum und Paspalum gehören /•'*'••'), be- wachsen. Diese Gräser erreichten in der gegenvvärti- *) Venados de tierra caliente. **) Dieser Handel wird wirklich , aber nur sehr im Kleinen, zu Carora und zu Barqnesimeto betrieben. '***) Kvllingia monocephala, K. odorata, Cenchrus pilosus^ Vilfa tenacissima , Andropogon plumosus ^ Panicum micranthumy Poa reptans ^ Paspalurn leptostachyum ^ P. conjugatum, Aristida recurvata. Siehe unsere Not^a Gentra et Spec.^ Tom. I, p. 84' — 345« Kapitel XVIL 283 gen Jahrszeit, in der Nähe von Calabozo unil St. Hie- ronymus del Pirltal, kaum die Höhe von 9 bis 10 Zoll. In der Gegend des ApureÜusses und der Portuguesa ha- hen sie hey vier Fufs Höhe, so dafs drr Jaguar sich darin verstecken kann, um desto unhemerkter die durch die Ebene wandernden Maulthiere und Pferde im Sprun- ge zu iiberlallen. Den Grasi'rn sind einige Gewächse aus der Dicotyledonen- Classe untermischt, Turnera's, Malvaceen, und, was sehr merkwürdig ist, kleine Mi- mosen "^ mit reizbaren Blättern, welche von den Spa- niern Dormideras genannt werden. Die gleiche K.uh- race , welche in Spanien mit Klee und Esparcctte ge- mästet wird, findet hier in krautartigen Sensitiven eine vortreffliche Nahrung. Die Weiden, auf denen diese Sinnpflanzen in grofser JVIenge wachsen, weiden zu hö- heren Preisen verkauft. In den östlich gelegenen l^lu' iios von Cari und Barcelona ragen die Cypura und die Craniolaria, **) deren schöne weifse Blume 6 bis 8 Zoll JLänge hat, aus den Gräsern einzeln hervor. Die Vieh- weiden sind am ergiebigsten , nicht nur um die den Ueberschwemmungen ausgesetzten Flüsse her, sondern auch überall, wo die Stämme der Palmbäume näher bey- sammen stehen. Wo gar keine Bäume wachsen, da sind sie minder fruclitbar, und die Versuche, sie ertragbarer zu machen, würden wolil gutentheils vergeblich seyn. Man kann diesen Unterschied nicht dem Schutz der Palmbäume zurechnen, welche die Sonnenstrahlen ab- halten und die Austrocknung oder Dürre des Bodens hindern. In den Wäldern des Orenoko habe ich zwar Bäume, die zu dieser Familie gehören, angetroffen, wel- •) Turnera gujanensis, Mimosa pjgra,, M. dormiens. *0 Cv-pura graminea, Craniolaria annua (die Scorzonera d«r £inwohner). 28+ Buch VI. che ein dichtes Laubwerk besalsen , aber vom Palni- baum der Ltlanos^ von der Palma de Cobija, *) ist I^ein Schatten zu rühmen , da er nur wenige fähige und ha ndl. Irin ige ßhitter besitzt^ die denjenigen des Cba- inajrops gleichen , und von denen die unteren auch allezeit vertrocknet und dürr sind. Es war uns aulFal- lend, fa'^t alle diese Corypha Stämme von gleicher Höhe anzutreffen. Sie betrug 20 bis 24 Fufs und der Durch- messer des Stamms nahe am Boden 8 bis 10 Zoll. Es giebt wenige Arten der Palmen, die in so ungeheurer Menge vorkommen. Auf Tausenden von Stämmen, die mit olivenförmigen Früchten beladen waren , fanden wir etwa l-.undert, welche keine Frucht trugen. Soll- ten vielleicht einzelne Stämme mit blos einhäusigen (monoicjues) unter den Stämmen mit Zwitterblülhen vorkommen? Die Ltlaneros , oder die Einwohner der Ebenen, sind der Meinung, diese niedrigen Bäume alle seven mehrere Jahrhunderte alt. Ihr Wnchsthum ist fast unmerklich, und der Unterschied von 20 oder 3o Jahren mag kaum wahrgenommen werden. Uehrigens liefert die Palma de Cobija ein vortrefHiches Bauljolz. Es ist dasselbe so hart, dafs man Mühe hat einen INagel einzuschlagen. Die fächerartig gefalteten Blätter wer- den zur Dachbedeckung der in den Llanos zerstreuten Hütten gebraucht, und diese Dächer dauern über 20 Jahre. Die Blätter werden durch Krümmung des End- stücks der Blattstiele, die zuvor durch Quetschung zwi- schen zwey Steinen mürbe und biegsam gemacht wor- den sind, befestigt. Aufser den vereinzelt stehenden Palmbäumen kom- men auch hin und wieder Palmgruppen, eigentliche Bos- *) Dachpalme (Palmler Sc toiture oder couverture) S. oben, Kajp. 16. S. i58. Kapitel XFJL a85 kets (Palmares) vor, in denen die Coryplia mit einem Baume aus der Proteaceen- Familie gemeinsam wuchst. Der lotziere wird von den Eingebornen Chaparro ge- nannt, und er bildel eine neue Art der ünttung Rho- pala *} mit harten und klingenden Blättern. Die klei- nen Rhopala- W äldchen heilsen Chaparrales, und es wirdj wie leicht zu erachten, in einer ausgedehnten Ebene , wo nur zw ey oder drey Baumarten wachsen, der Chaparro , um seines Schattens willen, als ein sehr küstliclies Gewächs betrachtet. Die Corypha - Palme dehnt sich in den Llanos von Caracas von der Mesa de Paja bis zum Guayaval aus; weiter nördlich oder nordwestlich , in der Gegend von Guanare und von San Carlos, ersetzt ihn eine andere Art der nämlichen Gat- tung, welche gleichfalls locherfürmige, aber gröfsere Blätter hat. Sie führt den IVamen Palma real de los ]^lano9, **) Südwärts von Guayaval sind wieder andere Palmbäume vorherrschend, voraus die PiW/u- Palme mit gefiederten Blättern, ***) und die I\lnrichi-^a\me iJMoriche^ , die der Pater Gumilla unter dem Namen des Ltehensbaums (arbol de la vida^ gepriesen hat. t) *) Dem Embothrium verwandt, von dem wir auf dem n*uen Festland Keine Art gefunden lia}jen. Die EmLotnrium wer- den in der americanischen Pflanzenwelt durch die Gattungen Lomalia und Oreocallis vertreten. Siehe unsere AW. Gen.f Tom. II, p. i54. **) Diese Palmenart der Ebenen darf nicht mit der Palma real von Caracas und von Curiepe, mit gefiederten Blättern, verwechselt werden. Nov. Gen. , Tom. 1, p. 5o5. ***) Vielleicht ein Aiphanes. t) Muriche oder Quiteve, Mauritia flexuosa. Siehe oben, Th, I. Kap. 9. S. 201. CGumilluy Orinoco illustrado, 1745, Toni- I, p. 163 — iya. Gili, storia A/riMric.., Tom. I. p. 168. 286 B u c k VI. Es ist dies der americanische Sagobaum _, welcher vic' tarn et amictnm, *) Mehl, Wein, Fasern zu V;u fertigung von Hängematten, Kürhen, fSetzen und Khidern gibt. Seine tannzapfenförmigen und mit Scbuppoii bekleide- ten Früchte gleichen vollkommen denjenigen des Cala- mus Pvolang. Sie besitzen etwas vom Geschmacke der Aepfel. Bey voll ger Reife ist ihre Farbe von Innen gelb und auswärts roth. Die Araguaten-Aßen sind sehr lüstern darnach, und die Nation der Guaraons, deren ganze Existenz so zu sagen an das Daseyn der Miirichi- Palme geknüpft ist, bereitet sich daraus ein saueriicbtes, sehr kühlendes, gegohrnes Getränk. Es behält dieser Palmbaum, auch in der Jahrszelt der gröfsten Trocl'.en- hcit, das schöne Grün seiner glänzenden und fächerför- mig gefalteten Blätter. Sein Anblick allein scbon ge- währt ein angenehmes Gefühl von Kühle, und es bildet die mit ihren schuppigen Früchten beladene IMiirichi' Palme einen sonderbaren Contrast mit dem traurigen Aussehender Palma de Cobija , deren Blätter allezeit grau und mit Staub überzogen sind. Die Lianeros glau- ben, die erstere ziehe die Dünste aus der Luft an sich **) und darum finde man allezeit Wasser um sie her, wenn man in einiger Tiefe darnacii gräbt. Es waltet aber hierbey eine Verwechslung zwischen Ursache und Wir- kung ob. Die ilfiiricÄf- Palme wächst vorzugsweise an feuchten Orten, und man könnte vielmehr sagen, das Was- ser ziehe den Baum an. Durch ähnlichen Tnigsclilufs geleitet, halten die Eingebornen am Urenoko dafür, die *) Plin. , lib. XII , c. VII. **) Wäre die Murichi - Palme mit einer dichteren Blälterkrone versehen , als gewöhnlidi der Fall ist , so liel'se sich eher annehmen , ilir Schatten JjewaJire dem üoden um sie her seine Feuciilii'kcit. Kapitel XVII. 387 grofsen ScMangen unterhalten die Feuchtigkeit eines Bezirks. Ein alter Indier von Javita erklärte uns sehr ernsthaft: ;»Wir uürden umsonst Wasserschlangen su- chen, >vo kein Sunipfland ist 5 denn es sammle sich da kein Wasser, wo man die Schlangen, welche solches anziehen, unvorsichtiger Weise tüdtel.'* Die Hitze fiel uns auf dem Weg durch die Mesa de Calahozo sehr beschwerlich. Die Temperatur der Luft ward, so oft der Wind zu wehen anfieng, bedeu- tend erhöhet Die Luft war mit Staub erfüllt, der Wär- memesser stieg während solchen Windstofsen auf 40° und 41° an. Wir kamen nur langsam vorwärts, in- dem es gefährlich gewesen wäre, die mit unsern Instru- menten beladenen Maultliiere zu verlassen. Die We«-- o weiser riethen, unsere Hüte mit Blättern des Rhopala auszufüllen, um die Wirkung der Sonnenstrahlen auf Haare und Scheitel zu schwächen. Wir fühlten uns in der That durch dies Verfahren erleichtert, noch mehr aber alsdann, wenn wir Blätter vom Pothos oder einer andern Pflanze der Aroideen -Familie erhalten konnten. Man kann unmüglich diese sengenden Ebenen durchwandern, ohne sich zu fragen, ob sie allezeit im gleichen Zustand gewesen, oder durch irgend einö Natur- Kevolution ihres Pflanzen wuchses beraubt wor» den sind. Die Erdschichte, welche gegenwärtig die- selben deckt, ist allerdings nur seht dünn. Die Lan- deseingebornen glauben, die Palmares und die Chapa- rales (die kleinen Palmen- und Khopala - Wäldchen) seyen vor Ankunft der Spanier zahlreicher und ausge- dehnter gewesen. Seit die Llanos bewohnt und mit verwildertem, Vieh besetzt sind-_ wird, zu Verbesserung der Weide, die Savane öfters ange7,ündet, und mit den Gräsern gehen alsdann zufällig auch zerstreute Baum- gruppen zu Grund. Im fünizehnten Jahrhundert waren 288 " B u c h FI. ohne Zweifel die Ebenen so naclU nicht, wiß sie gegen- wärtig sind 5 inzwischen haben auch sclion die ersten Conqaistadores , welche von Coro her kamen , diesel- ben als Savancn beschrieben, worin man nur Himmel und Rasen erblickt, auf denen gutcntheils. keine Bäume wachsen, und die um des Zarückstrahlens des Bodens willen beschwerlich zu durchwandern sind. Warum dehnt sich die grofse Waldung des Orenoko nicht nörd- lich aufs linke Flufsgestadc aus ? Warum befafst sie den weiten, sich bis zur Cordillere des Küstenlandes erstre- ckenden und durch viele Flüsse fruchtl)aren Baum nicht? Diese Frage hängt mit allem, was auf die Ge- schichte unsers Planeten Bezug hat, zusammen. Will man sich geologischen Träumen überlassen, und anneh- men, es seyen durch einen Einsturz des üceans die Steppen America's und die Wüste von Sahara ihres Pflan- zenwuchses beraubt worden, oder sie haben ursprüng- lich die Grundfläche eines Landsees gebildet, so begi-eift man, dafs Jahrtausende unzureichend warerl , um das Vorschreiten der Bäume und Sträucher vom Rande der nackten oder mit Gras bedeckten Ebenen gegen den Mittelpunct zu bewirken, und eine so ausgedelsnte Ebe- ne zu beschatten. Es ist schwieriger den Urrprung der nackten, in den Wäldern eingeschlossenen Savanen zu erklären, als die Ursachen auszumitteln, welche die Wälder und die Savanen, gleichmäfsig wie die Festlande und die Meere, innerhalb ihrer alten Grenzen zurück- halten. Zu Calabozo wurden wir im Hause des Verwalters der Pieal Hacieiida , Don IVliguel Consin mit der ge- fälligsten Gastfreundschaft empfangen. Die, zwischen den Gestaden des Guarico und des L'rltucu ^^'legene Stadt zählte damals nur noch 5ooo Einvvo'mer, aber Alles verkündigle einen zunehmenden Wohlstand. Der Reich- Kapitel XFII. 289 Relchthum der meisten Einwolmer besteht ia Heerden, die von Pächtern besorgt wei'den, welche Hateros hei- fsen, vom Worte Hato , das im Spanischen ein auf" den Viehweiden ein/.ehi stehendes Haus oder Meyerey be- deutet. Weil die in den Llanos zerstreute Bevölkerung sich auf ifcwissen Puncten , vorzüg-lich um die Städte her anhäuft, so befinden sich um Calabozo her bereits fünf Dürfer oder Missionen. Man berechnet das auf den Weiden zunächst bey der Stadt befindliche Vieh auf bevläufig 98,000 Stücke. Es hall übrigens sehr schwer, sich eine richtige Vorstellung von den Viehheerden zu machen, welclie auf den Lilaiios von Caracas, von Bar-: celona, von Cumann und vom spanischen Guiana ihren Aufenthalt haben. Hr. Depons, welcher länger als ich in der Stadt Caracas verweilte und dessen s^tatistische Angaben meist genau sind, zählt in diesen weitläuftigen Ebenen , von den Mündungen des Orenoko bis zum See Maracayho, 1,200,000 Ochsen, 3,ooo,ooo Pferde und <)0,ooo Maullhiere. Den Ertrag der Hoerden bereclv net er zu 5,ooo,ooo Fr., wobey neben dem W^erth der Ausfuhr auch die im Lande selbst verbrauchten Häute in Anschlag gebi'acht sind. ^•') In den Pampas von Buenos-Ayres halten sich, wie man annimmt, 12,000,000 Kühe und 3, 000,000 Pferde auf, dasjenige Vieh unge- rechnet, welches für herrenlos geachtet wird. *'-'3 Ich will hier keine so allgemeinen, ihrer Natur nach sehr unzuverlässigen Berechnungen wagen, hin- gegen aber die Bemerkung machen, dafs die Besitzer der grofsen Halos den Betrag ihres eigenen Viehstan- des gar nicht kennen. Sie kennen nur die Anzahl des jungen Viehs, welches alljährlich mit einem Buchsta- *) Deports f voyage a la Terre-Fermc ^ Tom. I. p. 10. **) Azzara^ Voyage au Paraguay ^ Tom. 1. p. 3o< Mex. V. Hu'.iiboldii hist. Reiitn Hl jn 29Ö Buch VI. berij oder mit dem jeder Heerde eigcntbümlichen Merk- mal bezeichnet wird. Die reichsten Eigenthüiner zeich- nen jähilich bis auf 14,000 Stücke^ von denen hinwie- der fünf- bis sechstausend verkauft werden. Amthchen Urkunden zufolge *) betrug die Ausfuhr der Thier- häut« der ganzen Capitania general jährlich, nur al- lein für die Antillen - Eilande ; 174,000 Ochsen- und li,5oo Ziegen - Häute. Bedenkt man nun, dafs diese Angaben auf den Douanen-Hegistern einzig nur be- ruhen, welche die durch den Sohleichhandel ausgeführ- ten Häute nicht befassen, so wird man geneigt zu glau- ben, die Berechnung von 1,200,000 Stücke Hornvieh,, welche sich in den J^lanos vom Rio Carony und vom Guanapiche bis zum Maracaybo-See aufhalten, sey viel zu niedrig. Der Hafen von la Guayra zählt für sich allein nur, von 1789 bis 1792, alljährlich 70,000 bis 80,000 auf den Douanen- Büchern verzeichnete Häute, wovon kaum ein Fünftheil für Spanien. Zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts betrug die Ausfuhr von Bue- nos-Ayres, nach der Angabe von Don Felix d'Azarra, 800,000 Häute. Auf der spanischen Halbinsel werden die Cai'acas- Häute denen von Buenos -Ayres vorgezo- gen, weil diese letzteren, der längeren Reise wegen, beym Gärben zwölf vom Hundert Abgang leiden. Der südliche Theil der Savanen, gewühnlich Lilanos de arriba genannt, erzeugt viele Maullhiere und Ochsen j weil indefs seine Weiden überhaupt minder gut sind, SQ ist man genöthigt, die Thiere zur Mästung, ehe sie verkauft werden, in andere Ebenen zu bringen. Der Julano de Monai und alle Lilanos de ahaxo nähren weniger zahlreiche Heerden, aber ihre Weiden sind so *) In forme del Conde de Casa- Valencia ^ t'me schon öfter» von uns angeführte Handschrift. H a p i t e 1 XVII. ÜQI fruchlliar, Hafs sie für Hen Kiistenlied.irf Fl.'^ischwaai'e von vortrefflichem Gehalt liefern. Die Maulthiere, welclie im fünften Jahr erst zur Arbeit tüchtig werden und alsdann IMnIas de Saca heifsen, werd.-n schon hier mit 14 bis 18 Piaster bezahlt, und im Hafen ^ uo n»an sie einschifitj mit 25 Piaster, während auf den An- tillen-Eilanden ihr Preis üflers auf 60 bis So Pia>ter an- steir;t. Die Pferde der L>laiios stammen von der schö- nen spanischen Hace her und sind von kleiner Statur. Ihre, meist einförmige Farbe ist rüthlichbraun, oder die boy \Ailden Thieren gewöhnliche. Wechselweise durch Trockenheit und Ueberschwemmungen geplagt, von Insectenstichen und den Bissen der grofsen Fleder- mäuse goquält, führen sie ein beschwerliches und un- ruhiges Leben. Ihre guten Eigenschaften entwickeln sich und werden spürbar, wenn sie zuvor einige Mo- nate der Pflege des Menschen genossen haben. Ein wildes Pferd wird in den Pampas von Buenos - Ayres mit ^ bis i Piaster bezahlt 3 in den L,Ia7ios von Caracas mit 2 bis 3 Piaster 3 der Preis der Pferde steigt, im Verhältnifs wie sie gezähmt und für landwirthschaftli- che Arbeiten brauchbar geworden sind. Schaafe giebt es keine, und wir haben solche nur auf dem Plateau der Provinz Quito angelrofl'en. Die Hatos des Hornviehs haben in den jüngsten Zeiten durch herumstreifende Horden viel gelitten^ wel- che die Steppen durchziehen und die Thiere tödten, einzig um ihre Haut zu verkaufen. Es haben sich diese Räubereyen vermehrt, seit der Handelsverkehr mit dem untern Orenoko blühender geworden ist. Ein halbes Jahrhundert lang waren die Gestade dieses grolsfen Stro- mes, von der Ausmündüng des Apure bis zum Angostu- ra, den Missionarien- Mönchen einzig nur bekannt Die Viehausfuhr geschah ausschliplslich aui den Häier- 292 Back VI. der Nortlküste, durch Cumana, Barcelona, Burburuta und Porto -Cabello. Gegenwärtig hat sich diese Kü- sten-Abhän^lükeit wesentUch vermindert. DerSüdtheil des flachen Landes hat vielfähige Verbindungen mit dem untern Orenoko angeknüpft, und dieser Verkehr ist um so lebhafter, als die, welche sich damit abgeben, den Verfügungen der Prohibitiv- Gesetze leicht entgehen mögen. Die gröfsten in den Llanos von Caracas vorkom- menden Heerden sind jene der Hatos von Merecure, ia Cruz, Belen, Alta Gracia und Pavon. Das spanische Vieh ist über Coro und Tocuyo in die Ebenen gekom- men. Die Geschichte hat den Namen des Colonisten aufbewahrt, welcher zuerst die glückliche Idee fafste, diese Weiden, worauf damals nur Damhirsche und eine grofse Art desAguti, Cavia Capybara, hier zu Lande CÄi^Hire genannt, angetroffen wurden, mit Hornvieh zu bevölkern. Christoval Rodriguez sandte die ersten Stücke davon, um's Jahr 1648, in die Lilanos. *) Er war ein Einwohner der Stadt Tocuyo, und hatte sich lange Zeit in Neu Granada aufgehalten. Wenn man von der „zahllosen Menge^'^ Hornvieh, Pferde und Maulthiere, die in den americanischen Ebe- nen leben, reden hört, so denkt man gewöhnlich nicht daran, dafs im civilisirten Europa, auf ungleich be- schränkterem Räume und bcy Ackerbau treibenden Völ- kern, nicht minder grofse Schaaren vorkommen. Frank- reich ernährt, nach Hrn. Pcuchet's Angaben, 6 Millionen Stücke grofses Hornvieh, worunter 3,5oo,ooo Zugoch- sen. In der österreichiscben Monarchie berechnet Hr. von Liechtenstern die Zahl der Ochsen, Kühe und *) Fray Pedro Simon ^ Not. 5. Cip, 14, >'o. J. p. J/i. Kapitel XVII. 293 Kälber auf 18,400,000 Stücke. Paris allein nur ver- braucht jährlich i55,OüO Stücke Hornvieh. *) Deutsch- land bezieht jährlicl» i5o,ooo ungarische Ochsen. Die in kleinen Heerden lebenden Hausthierc werden bey tlen Ackerbau treibenden Völkern als ein untergeordne- ter Theil des Staalsvermügens betrachtet. Auch regen sie. die Phantasie gar viel weniger auf, als die uni1)er- •chweifenden Horden von Ochsen und Pferden, welche die einzige Bevölkerung des tuibebauten Landes der neuen Welt ausmachen. Die Civilisirung und die ge- sellschaftlichen Einrichtungen sind wie der menschli- chen Bevölkerung, so hinwieder der Vermehrung nütz- licher Thierarten günstig. ZuCalabozo, mitten in den Llanos^ fanden wir eine Electrisir- Maschine mit grofsen Scheiben, Electropho- re , Batterien, Electricitätsmesser, einen Apparat bey- nahe eben so vollständig, wie unsere Naturforscher in Europa besitzen. Alle diese Werkzeuge waußn nicht in den vereinten Staaten gekauft; sie waren die Arbeit eines Menschen, der nie ein solches Instrument gesehen hatte, der Niemand darüber zu Bath ziehen konnte, und dem die Erscheinungen der Electricität einzig nur durch das Lesen der Schrift von Sigand de la Fond und aus Franklin s Denkschriften bekannt geworden waren. Hr. Carlos del Pozo Cdies ist der Name des ach- tungswerthen und sinnreichen Mannes) hatte anfangs cylindrische Electrisir- Mascliinen verfertigt, wozu er grofse Glasglocken gehrauchte, denen er die Hälse ab- *) Darunter sind 72,000 Ochsen, 9000 Kühe, 74,000 Kälber, der amtlichen Z.ihlung von 1817 zufolge, wo die Bevölke- rung von Paris auf 715/766 Individuen anstieg. Danehen verbraucht Paris 528,000 Schaafe und 74,000 Schweine; ins gesammt 77,500,000 Pfunde Fleisch. 294 Buch VI. bracli. Seil etlichen Jahren erst war es ihm gelungen, sich ühei' Philadelphia zvvey Glasscheiben zu verschaf- fen^ mittelst deren er eine Scheiben- Maschine verferti- gen und ansehnlichere elechische Wirkuniren erzielen konnte. Man kann sich leicht vorstellen, wie ^rofse Schwierigkeiten Hr. Pozo zu überwinden halte, nach- dem ilim die ersten Schriften über die Electricität be- kannt geworden waren, und er den muthigen Ent- schlufs gefafst halte, sich durch eigene Anstrengung alles dasjenige, was er in den Büchern beschrieben fand, zu verschaffen. Bis dahin halle er nur allein das Er- staunen und die Bewunderung genossen, welche seine Versuche bey völlig rohen ununterrichtelen Personen, die nie aufser die einsamen Ltlanos hinausgekommen waren, hervorbrachten. Unser Aufenthalt in Calabozo gewährte ihm ein ganz neues Vergnügen. Es mufste, wie leicht zu erachten, die Meinung zweyer Heisender, iwelche seine Vorrichtungen mit den in Europa ge- bräuchlichen vergleichen konnten, einigen Werth für ihn hal)en. ich führte mehrere Electrometer, von Stroh, von Korkkugeln und geschlagnen Goldblättchen bey mir, auch eine kleine Leydner Flasche, die man nach dem Verfahren von Ingenhoufs dürcli Reibung la- den konnte, und die ich zu physiologischen V^ersuchen gebrauchte, Hr. Pozo drückte seine Freude lebhaft aus, als er zum erstenmal Instrumente sah, welche er nicht verfertigt hatte, und die den seinigen nachgeahmt schie- nen. Wir zeigten ilnn auch die Wirkung der Berüh- rung ungleichartiger Metalle auf (He Nerven der Frösche. Galvani's und Volta's Namer waren in diese weiten Ein- öden noch nicht vorgedrungen. Nach den electrischen Apparaten, welche der sinn- reiche Kunstflelfs eines BevA ohners der L,Ianos verfer- tigt halle, konnte in Calabozo nichts unsere Theilnahme Kapitel XVII. 296 lebhafter Anregen als die Gymnoten, Uelclie belebt« electrisohe Vorrichtuikgen sind, iieil langen Jahren, >o zu sagen alltngllcli, mit den Erscheinungen der galvani- schen Electricität beschäftigt j dem Enthusiasmus hin« gegeben, der zum Nachforschen anspornt, aber das Entdeckte richtig zu sehen hindert, und naciideni ich, ohne daran zu denken, wirkliche galvanische Säulen Cpiles^ durch das Aufeinanderlegen metallischer, mit Muskelsubstanz oder einer andern feuchten Z^vischen- lage wechselnder Scheiben *) verfertigt hatte, war mir gleich nach der Ankunft in Cumana sehr angelegen electrische Stahle zu erhalten. Man hatte uns oft solche versprochen, und jedesmal ward unsere Hoffnung ge- täuscht. Das Gold sinkt in seinem Werthe, im Ver- hältnisse wie man sich von den Küsten entfernt 5 und womit soll man das unerschütterliche Phlegma des Volks überwinden, wenn die Gewinnsftcht nicht aufgeregt werden kann? Die Spanier bezeichnen mit dem Namen Temhla- dores (^die Zittern machen, eigentlich Zitterer} alle electrischen Fische. Es finden sich solche in dem Antil- len-Meer an der Küste von Cumana. Die Guayquerier- Indianer, die glücklichsten und geübtesten Fischer in diesen Gegenden, brachten uns einen Fisch, der, wie sie behaupteten, ihnen die Hände betäubte. Dieser Fisch steigt den kleinen Flufs Manzanares hinauf, und bildet eine neue Art der Rochen (Raja), an welcher die Seitenflecken nur wenig sichtbar sind, und der dem galvanischen Krampffisch ziemlich ähnlich ist. Die Zit- terrochen, mit einem ihrer durchsichtigen Haut wegen von aufsen sichtbaren electrischen Organ versehen, bil- *^ Siehe meine Versuche über die gereizte Muskelfaser. B. I, S. 74. Taf. 3. 4- 5. 596 Buch VI. den eine von den eigentlich sogenannten Rochen ver- schiedene Gattung oder Gattungs- Abtheilung. *> Der Krampffi'^ch von Cumana war ungemein lebhiift und in seinen Muskelbewegungen sehr kräftig, dennoch aber leiglen sich die electrisQiien Krschütterungen, die wir von ihm spürten, nur überaus schwach. Sie wurden, stärker, als das Thier durch Berührung von Zink und Gold galvanisirt ward* Andere Temhladores , wahr- hafte Gymnoten oder Zitteraale, halten sich im Rio- Co- lorado, im Guarapiche und in mehreren kleinen, durch die Missionen der Cbaymas- Indianer fliefsenden Gewäs- sern auf. Sie finden sich 7,war auch in den grofsen americanischen Flüssen, dem Orenoko, dem Amazo- nenstrom und dem Metaj allein die starke Strömung und das tiefe Wasser machen es den Indianern Yinmög- lich, sie zu fangen. Sie sehen diese Fische auch selte- ner, als sie hingegen beym Schwimmen oder Baden inj Flufs elcctrische Erschütterungen von ihnen crlialten. In den L,h(nos ^ und sonderheitlich in der Gegend von Calabozo, zwischen den Meyereyen von Morichal und den Missionen de arriha und de ahaxo sind die Sumpf- wasser und die Gewässer, welche sich in den Orenoko ergiefsen (der Rio-Guarico, die Connos von Rastro, Be- rito lind Paloma) mit Zitteraalen angefüllt. Anfangs wünschten wir, die Versuche in unsrer Wohnung zu Ca- labozo selbst anzustellen 5 aber es herrscht unter den! *) Cui>ier^ Regne animaly T. 11. p. iJiG. Im Miltelmeer kom- mpn , nach der Angabe des Hrn. Risso, vier Arten des Zitter- aales vor , die vormals alle unter dem Tiamon Raja torpedo - vermengt waren, nämlich: Torpedo «a/Av, T. unimacu/atOj T. galuajiii und T. marmorata. Der Zitteraal vomVorgebirg der guten Hoffnung, mit welchem Hr. Todd neuerlich Versu- che angestellt hat, ist ohne Zweifel eine noch unbeschriebene Art. Kapitel XVIL 2^7 Volk eine so grofso unfl übcrtrlAlipne Furcht vor rlen electrischcn Erschütterungen des Zitteraales, dafs wir (Irov Tage lang dpien keine erhülton konnten^ ohgleich ihr Fang sehr leicht ist, und nir für jeden efrofsen und starken Fisch den Indianern zwey Piaster verheifsen hat- ten. Diese Scheue der Eingebornen ist vini so auffallen- der, als sie ein IVIittel nicht anzuwenden versuchen, von dem sie doch mit vieler Zuversicht sprechen. So oft sie nämlich über die Wirkungen der Temhladores befragt werden , so versichern sie die wcifsen Menschen jedesmal, man könne, wenn man Tabak kaut, jeno ohne Nachtheil berühren. Dies Mährchen vom Ein- flufs des Tabaks auf die thierische Electricität ist auf dem FestJand des südlichen America eben so allgemein vei'breitetj wie unter den Matrosen der Glaube an dia Wirkung des Knoblauchs und des Unschlitts auf die Magnetnadel. Des langen vergeblichen Wartens müde, und weil ein lebendiger, aber schon geschwächter Krampffisch, den man uns gebracht hatte, nur sehr unsichere Er- gebnisse darbot, verfügten wir uns nach Canno deBera, um daselbst im Freyen und am Ufer selbst unsere Ver- suche anzustellen. Am ig. März früh Morgens bega- ben wir uns in das kleine Dorf Rastro de abaxo : von da führten uns die Indianer zu einem fliefsenden Wasser, das die trockne Jahrszeit über einen, von schonen Bäu- men, *) von Clusien, Amyris und wohlriechenden Mi- mosen eingefafsten Behälter schlammigten Wassers bil- det. Es hält sehr schwer die Zitteraale mit Netzen zu fangen, um der aufserordentlichen Behendigkeit dieser Fische willen, die gleich Schlangen sich in den Schlamin *) Amyris laterljlora , A. coriacea, Laurus Pichurin, Myroxy- lon jecundunif Malpigliia reiiculata. 29S Buch VI. vergraben. Den Rarhasco wollte man niclit fi^ebrau- cKen ; worunter die Wurzeln der Piscidia erilhryna, dftr Jacqulnia armillaris und einiger Arten des l^hyllan- thus verstanden werden, welche, in ein Snmpfwasser geworfen, die darin befindlichen Thiere betäuUen, und woduich die Zitteraale wären geschwächt worden. Die Indianer sagten uns, sie wollen mil Pferden fischen^ emharhasciir con cavalLos, *') Wir hatten Mühe uns einen Begriff von diesem aufserordentlichen Fischfange lu machen, sahen aber bald unsere Führer von der Sa-i vane zurückkommen, wo sie ungezähmte Pferde und Maulthiere zusammengetrieben hatten. Sie brachten derselben etwa dreyfsig, die nun in den Sumpf zu gehen genüthigt wurden. Der aufserordentliche , durch das Stampfen der Pferde verursachte Lürm treibt die Fische aus dem Schlamm hervor und reizt sie zum Gefecht an. Diese grofsen, wie Wasserschlangcn aussehfnden, grün und gelben Aale schwimmen auf der Oberfläche des Was- sers und drängen sich unter den Bauch der Pferde und Maulthiere. Ein Kampf zwischen Thieren von so ganz verschiedener Bildung gewährt ein höchst malerisches Schauspiel. Die Indianer mil Harpunen und langen und dünnen Bambusstäben versehen , umzingeln den Sumpf; einige von ihnen steigen auf Bäume, deren Aeste sich wagerecht über die Wasserfläche ausdehnen. Durch ihr wildes Geschrey und mittelst ihrer langen Hohre hindern sie die Pferde sich aus dem Wasser an's Ufer zu retten. Die Zitteraale, vom Lärm betäubt, verthei- digen sich durch wiederholte Entladungen ihrer electri- achen Batterien. Eine geraume Weile scheint es, aU *) Eigentlich die Fische vermittelst der Pferde einsahlä/ern oder beiaiuchen. K a p { f r [ XVIL 299 ob sie den Sieg davon tragen sollten. Viele Pferde er- liegen unter der Stärke der unsichtbaren Schläge, die sie von allen Seiten her an den empfindlichsten Lebens- organen erleiden : durch die Stärke und Menge der Schlä- ge betäubt, verschwinden sie unter dem Wasser. Mit gesträubter Mähne schnaubend, mit wilder Angst im lunkelnden Axige stehen andere wieder auf, und su- chen dem tobenden Ungewitter zu entfliehen. Aber die Indianer treiben sie in's Wasser zurück : nur ein- zelne mögen der wachsamen Aufsicht der Fischer ent- gehen 5 diese retten sich alsdann an's Ufer, straucheln bey jedem Schritt, dehnen sich, matt und erschüpft lind die Gliedmafsen von den electrischen Erschütterun- gen der Gymnoten betäubt, auf dem Sand aus. In weniger als fünf Minuten fanden sich zwey Pfer- de ertränkt, Der fünf Fufs lange Zitteraal drängt sich verschlagen unter den Bauch der Pferde, und es erfolgt eine Entladung in der ganzen Länge seines electrischen Organs, die gleichzeitig das Herz, die Eingeweide und den plexus caliacus der Nerven des Unterleibs trifft. Begreiflich mufs die Wirkung, die das Pferd davon er- leidet, ungleich viel heftiger seyn , als die der Schlag des nämlichen Fischers in dem Menschen verursacht, wenn er nur eines seiner äufseren Glieder berührt. Die Pferde sind wahrscheinlich nicht todt, sondern nur be- täubt. Sie ersaufen, weil der fortdauernde Kampf zwi- schen den übrigen Pferden und den Gymnoten ihnen das Aufstehen unmöglich macht. Wir zweifelten kaum mehr, es werde der Fisch- fang sich mit dem aufeinander folgenden Tod aller da- für gebrauchten Thiere endigen; aber nach und nach läfst die Wuth des ungleichen Kampfes nach 3 die er- müdeten Gymnoten zerstreuen sich. Sie bedürfen einer Zoo Buch P'J. langen Rulie *) und einer rcichliclien Nahrung, um wieder zu sammeln, was sie an galvanischer KTaft ver- schwendet haben. Die Maulthiere und die Pferde er* holten sich von ihrem S'chrecken, ihre Mähne sträuhte sich nicht mehr, und ihr Auge funkelte nicht länger angstvoll. Die Gymnoten näherten sich furchtsam dem Ufer, wo sie durch kleine, an langen Stricken l)efesligte Harpunen gefangen wurden. Wenn die Stricke völlig trocken sind, so fühlen die Indianer, während sie den Fisch emporheben, keine Erschütterung. In wenig Mi- nuten besafsen wir fünf grofse Aale, die meist nur leicht verwundet waren. Andere wurden gegen Abend auf gleiche Weise gefangen. Die Temperatur des Wassers, worin die Gymnoten sich gevvühnlich aufhalten, beträgt 26 bis 27 Grade. Man behauptet, ihre electrische Kraft nehmein kälte- rem Wasser ab 5 und sehr bemerkenswerth ist es, dafs überhaupt, wie bereits von einem berühmten Natur- forscher bemerkt worden ist, die, mit electrischen Werkzeugen, deren Wirkungen dem Alenschen fiihl- hiv werden, versehenen Thiere nicht in der Luft, son- dern in einer, die Electricilät leitenden Flüssigkeit vor- J^ommen. Der Zitteraal ist der grüfste unter den elec- *) Die Indianer Lcliaupten. wenn dir Pferde zwey Tage hin- tereinander in ein mit GyninnJen angefülltes Snmpf>vasser ge- trieben werden , so gehe am zweyien Tag keines derselben 7,u Grund. Man vergleiche über den Gymnotenfang und über das ISäherc der in Calabozo gemachten Versuche eine besondere Abhandlung, die icli in meinen Obscrvations de Zoologie , T. 1. p. 59 — 92 geliefert habe , und meine Ansicht ten der Natur ^ B. I, S. 5; — 40. Hier konnte ich neue, auf eine genauere Kenntnifs der Wirkung der elcctromo- torischen Vorrichtungen gegründete Betrachtungen hinzu- fügen. Kapitel XVII. 3oi trischen Fischen ; ich liahe solche gemessen , die fünf Fufs bis XU fünf Fufs.drey Zoll lang waren. Die India- ner versicheiten ^ noch grüfscro gesehen zu haben. Wir fanden , dafs ein drey Fufs und zehn Zoll langer Fisch zwölf Pfund an Gewicht Jiielt. Der Ouerdurch- schnitt des Körpers betrug (die in Gestalt eines Kiels verlängerte hintere Flofsfeder ungerechnet) drey Zoll fünf Linien. Die Gymnoten von Canno de Bera haben eine schöne olivengrüne Farbe 5 Aar Unterthcil des Kopfs ist gelb und rothgefleckt. Zwey Reihen kleiner gelber Flecken laufen symmetrisch längs dem Rückea vom Kopf bis an's Schwanzende. In jedem dieser Fle- cken üHnet sich ein Ausleerungsgang : auch ist die Haut des Thiers beständig mit einem Schleim überzogen, der, wie V^olla dargethan hat, ein zwanzig- und dreifsig- mal besserer Leiter der Electricität ist, als reines Was- ser. Ueberhaupt ist es bemerkenswerth, dafs von allen, bisher bekannten *) electrischen Fischen der verschie- denen Welttheile kein einziger eine Schuppendecke hat. *) Mit einiger Zuverlässigl'.eit kennt man bisher nur sieben «lectrische Fische: Torpedo narke Risso , T. unimaculata^ T. marrnorata, T. gahanii, Silurus e/ectricus , Tetraodon electricus ^ G^mnotus electricus. Es scheint noch unentschie-/ den, ob der Trichiurus indicus eiectrische Eigenschaften be- sitzt (Cuvicr, regne animal^ T. 2, p. 247). Allein die Gat- tung Torpedo ist von den eigentlich sogenannten Rochen, (Raja) sehr verschieden; viele Arten derselben leben in den Aequalorial-Meeren und wahrscheinlich giebf es mehrere spe- cifisch verschiedene Gymnoten. Die Indianer erzählten uns \o\\ einer dunhelscliv.arzen und überaus krilftigeii Art, die in den Sumpfwassern von Apure wohnt und nie über zwey Fufs lang wird, die wir uns aber nicht verschaffen konnten. Der Raton vom Piio de la Magdalena , welchen ich unter dem ISamen Gymnotos aequi/abiaius (Olis. de Zool. .. T. I. pl. «o. flg. 1.) beschrieben habe« bildet eine eigene Gattungsabthei- 302 Buch VI. Der Zitteraal mag, gJoicli unseren Aalen, auf Jer Oberfläche des Wassers gern Luft verschlucken und einathinen. Es darf jedoch hit^raus nicht mit Hrn. Bajon gefolgert werden, dafs der Fisch, wenn er nicht Atliem holen könnte, zu Grund gienüC. Unsere Aale verwei- len einen Theil der Nacht auf Wiesengründen, woge- gen ich einen sehr starken Zitteraal, der sich aufser den Wasserbehälter geschwungen hatte, auf dein trock- nen Boden sterben sah. Hr. Provencal und ich h.nhen in der Abhandlung über das Atheinholen der Fische dar- gethan, dafs ihre feuchten Kiemen die gedoppelte Ver- richtung leisten können , einerseits die atmosphärische Luft zu zersetzen und anderseits sich den im Wasser aufgelösten Sauerstoff anzueignen. In der Luft wird ihr Athemholen nicht untfjrbrochen 5 sie ahsorbiren aber den gasförmigen Sauerstoff, wie ein mit Lungen verse- henes heptil thut. Die Karpfen werden bekanntlich fett, wenn man ihnen aufser dem Wasser Nahrung reicht und von Zeit zu Zeit ihre Ki Miien mit feuchtem Moo- se benetzt, um das V^ertrocl'.nen derselben zu hindern. Die Fische dehnen ihre Luftmündungen im Sauerstoff- gas stärker aus, als im Wasser, ihre Temperatur bleibt indefs die nämliche, und sie leben eine gleich lange Zeit in der Lebensluft und in einer Mischung von 90 Theilen Stickluft und 10 Theilen Sauerstoff. Wir ha- ben gefunden, dafs Schleihen CCyprinus tinea) unter Glasglocken, die mit Luft angefüllt waren, innerhalb einer Stunde einen cubischen hallien Centlmeter Sauer- stoff verschlucken. Diese Verrichtung geschieht aus- lung ; er ist ein ungesclnippter Carapo , ohne electrisches Or- gan. Dieses letztere mangelt auch völlig hejm hrasiliauischen Car«po, so wie hev allen Rochen, die Hr. Cuvier auf mein Ansuchen nochmals im untersuchen die üefallisJ^tit halte- Kapitel XVII. 3o3 schliefslich durch die Kiemen; indem Fische, denen man Halsbänder von Kork unilegt, uad deren Kopf aulscr donj njil Luft ^efiillltMi Geläise bleibt, durch ihren übri- gen Küi-per niclil auf den Sauerslofl' wirken. *) Die Schwimmblase des Gymnoten, **) deren Da- seyn Hr. Bloch mit Unrecht geläugnet hat, ist bey ei- nem drey Fufs und zehn Zoll langen Fische zwey Fufs und fünf Zoll lang. Von der äufseren Haut ist sie durch eine Fettmasse gesondert, und sie ruht aut den electri- schen Organen, die über zwey Drillheile des Thieres anfüllen. Die gleichen Gefäfse, welche sicli zwischen die Blätter oder Platten dieser Organe einschieben und dieselben bey Querdurchschnitten blutig machen, geben auch der äufseren Oberfläche der Schwimmblase zahl- reiche Aeste ab. Ich habe in hundert Theilen der Luft der Schwimmblase 4 Theile Sauerstoff und qö Theile Stickstoff gefunden. Die Marksubstanz des Gehirns zeigt nur eine schwache Aehnlichkeit mit dem eyweifs- artigen und gallartigen Stoff der electrischen Organe; hingegen erhalten beyde Substanzen gleichmäfsig eine grofse Menge Pulsaderblut, das in ihnen desoxidirt wird. Wir wiederholen bey diesem Anlafs die Bemer- kung, dafs durch eine sehr verstärkte Thätigkeit in den Verrichtungen des Gehirns der Andrang des Blutes zum Kopf gleichmäfsig vermehrt wird, wie durch die *3 Memoires de la SociHk cC Arcueil, T. 2 , p. 398. Ge-r schiebt etwa das Aibeinholen in der Luft mittelst der Dazwi- schenkunft einer sehr dünnen Wasserschichle , welche die Kiemen Lefeuchtet? **) Hr. Cuvier hat mir, seit ich in Europa zurücli bin, gezeigt, dafs heytn GymnoCuj electricus^ neben der grolsen Schwimm- blase, eine zweyte nach vorn liegende kleinere vorkömmt, die der gehörnten Schwimmblase gleicht, welche ich vom Gymnotui ae(juilubiacus abgebildet habe. 3o4 Buch ri. Tliätifflliclvliche Absonderung einer sich im Zellgewebe verbreitenden Flüssigkeit), die Verbindung seiner Or- gane mit der Haut nur auf einen sehr engen Kaum zu beschranken. Das Vermögen des Gymnoten (durch Gehirn - und ^^erveneinüufs) , seine Schläge nach Willkür zu schleu- dern und zu leiten, wird vollends aufs unzweydeutigste durch die mit völlig zahmen Gymnoten in Philadelphia Und Itürzlich in Stockholm *^ angestellten Versuche *J Durch die Herren WilÜamson und FahlLerg. Der letztere meldet in einer den Vetetiih. Acad. ny handl. quart. 2. (1801), pag. 122 — i56 einverleibten Nachricht Folgendes: ,,Der Gymnote. der dem Hrn. fsorderling aus Surinam nach Stock- holm gesandt ward, hat länger als vier Monate in einem Zu- stande vollkommner Gesundheit geleht. Seine Länge betrug 3 7 Zoll, und die Schläge, tvelche er versetzte, waren, vorzüg- lich in der Luft, so heftig, dafs ich beynahe nicht wufste, wie ich mich bevm Fortbringen des Fisches von einem Ort zum andern durch nichtleitende Korper dagegen schützen solltfe. Sein Magen war «ehr klein : er frafs nur wenig auf einmal; 3o5 B n c h ri erwiesen, Naclidem man sie lange hatte hungern las- sen, lötlteten sie kleine Fische, die in den Zuber ge- brac})t wurden, aus der Entfernung. Sie wirkten von weitem her, das will sagen, ihr clectrischer Schlag durchzog eine sehr dichte Wasserschichte. Man darf sich nicht wundern, dafs man in Schweden an einem einzigen Gvmnoten beobachten konnte, was wir an ei- ner grofsen Zahl derselben in ihrem Vaterland nicht sahen. Weil die electrische Wirksamkeit der Thiere eine L^ehensverrichtiing und ihrem Willen unterworfen ist, so hängt sie nicht ausschliefslich von ihrer Gesund- heit und Stärke ab. Ein Gymnote, der die Ueberfahrt vor^ Surinam nach Philadelphia gemacht hat, gewöhnt sich an das Geftingn fs, auf das er beschränkt ist 5 im Zuber nimmt er allinählig wieder seine früheren Ge- tvohnheiten der Flüsse und Sumpfvvasser an. In Cala- bozo ward uns ein im Netze gefangener electrischer Aal gebracht, der mithin völlig unverletzt war. Er frafs Fleisch und verursachte den kleinen Schildkröten und dagegen aber öfters. Lebendigen Fischen näherte er sich, indem er (aus der Entfernung) einen Schlag gegen sie schleu- derte , dessen Stärke mit ihrer Gröfse in Verhällnifs stund, ISur selten tättschte sich der Gymnote in seinem Urtheil; ein einziger Schlag war fast immer hinreichend, um den Wider- stand zu überwinden (die Hindernisse nämlich , welche die je nach der Entfernung mei)r oder weniger dicliten VVasser- schichtcn der electrischen Strömung enlgegenselzlen). Wenn ihn stark hungerte , so schleuderte er auch wohl Sciihige ge- gen die Person ab , welche ihm täglich gekochtes oder rohes Fleisch brachte. An Giiederflufs Leidende kamen und berührten ihn, in der Hofl'nung geheilt zu werden. Wenn er beym Hals und Schwanz zugleich gelafst ward, so erfolg- ten stärkere Erschütterungen, als hey der Berührung mit einer Hand. Kurze Zeit vor seinem Tod halte sich die electri- sche Kraft beinahe ganz verloren." ^^ n a p i t e l XVII. 3o9 Fröschen, die, imit der Gefahr unbekannt, sich ver- traulicli auf den Kücken des Fisches setzen wollten, nicht geringen Schrecken. Die Frosche empfiengen die Erschütterung nicht eher, als in dem Augenblick, wo sie den Körper des Gymnoten berührten. Als si» wieder zur Besinnung kamen, flüchteten sie sich aus dem Zuber 5 und nie sie nochmals in die Niihe des Fi- sches gebracht wurden , entsetzten sie sich über seinen blolsen Anblick. Von einer mittelbaren Wirkung (ac- tion en distance) bemerkten wir damals nichts 5 unser eben erst gefangener Gymnote war aber auch nicht hin- länglich zahm, um Frösche anzugreifen und zu verzeh- ren. Wenn ein Finger oder Metallspitzen auf eine halbe Linie Entfernung von den electrischen Organen gehal- ten wurden, so war keine Erschütterung fühlbar. Viel leicht nahm das Thier die Nähe eines fremden Körpers nicht wahr, oder wenn es sie bemei'kte, so ist wahr scheinlich, dafs die im Anfang seiner Gefangenschaft ihm anwohnende Furchtsamkeit es abhält, kräftige Schlä- ge auszustofsen, die niclit eher erfolgen, bis es sich durch unmittelbare Berührung stark gereizt fühlt. Ich habe, während der Gymnote sich im Wasser befand, meine Hand mit oder ohne MetallbevvafTnung seinen electrischen Organen auf wenige Linien genähert, ohne durch die Wasserschichten irgend eine Erschütterung zu erhalten, während Hr. Bonpland das Thier durch unmittelbare Berührung kräftig reizte, und sehr heftige Stöfse von üim erhielt. Hätte ich die uns bekannten empfindlichsten Electroscopcn, die zugerichteten (prä- parirten) Frösche, in nahe Wasserschichten gebracht, so würden sie ohne Zweifel im Augenblick, wo der Gym- note seinen Schlag anderwärts zu richten schien, Zu- sammenziehungen verspürt haben. Zugerichtete Frö- sche,^ die unmittelbar auf den Körper eines Krampf- 3io Buch VI. fisches gebracht werden, erleiden, naCh Galvani's Zoug"- Hifs, bey jeder Entladung^ des Fisches starke Zusam- menzieliungen. Das electriscbe Organ der Gvmnolen ist nur unter dem unmittelbaren Einflufs des Gehirns und des Her- zens wirksam. Wenn ich einen sehr kräftigen Gymno- ten mitten durchschnitt, so erhielt ich vom äufseren Theil allein nur Erschütterungen. Die Stärke der Schlägeist die nämliche, an welchem Theile des Kör- pers der Fisch berührt werden mag: inzwischen erfol- gen dieselben ain ehesten, wenn die Brustflofsfeder, das electrische Organ, die Lippen, die Augen, oder die Kiemen gekneipt werden. Ztiweilen sträubt sich das Thier heftig gegen den, wtlcher es am Schwanz hält, ohne die mindeste Erschütterung zu ertheilen. Ich empfand davon eben so wenig etwas, als ich in de^'Nähe der Brustflofsfeder des Fisches einen leichten Einschnitt machte und die Wunde durch einfache Berührung mit Zink- und Silber -Bewaffnung galvainsirte. Der Gym- note zog sich krampfhaft zusammen; wie durch eine ganz neue Empfindung erschreckt, streckte er den Kopf aus dem Wasser hervor 5 hingegen fühlte ich keine Erschütterung in den Händen, welche die Armaturen liielten. Die heftigsten IVIuskelbewegungen sind nicht immer von elffctrischen Entladungen begleitet. Die Wirkung des Fisches auf die Organe des Men- schen wird durch die nämlichen Körper geleitet und unterbrochen , welche auch die electrische Strömung eines geladenen Conductors , Loydner Flasche, oder einer Voltalschen Säule leiten oder unterbrechen. Ei- nige Abweichungen, welche wir wahrzunehmen glaub- ten, lassen sich leicht erklären, wenn man sich erinnert, dafs selbst die Metalle C^vie dies ihr Erglühen durch die Säule beweist) dem Durchgang der Eleclricität ein Kapitel XVII. 3i» leichtes Hindernifs entgegen stellen , und dafs ein schlechter Leiter die Wirkung einer schwachen Electri- cität auf unsere Organe vernichtet. M'ährend diejenige einer sehr starlicn durch ihn übertragen wird. Da die abstofsende Kraft, welche Zink und Silber zwischen einander darstellen, ungleich stärker ist als diejenige von Gold und Silber, so habe ich wahrgenommen, dafs, wenn ein präparirter und mit Silber armirter Frosch unter dem Wasser galvanisirt wird, der Leitungshogeri von Zink alsbald Erschütterungen hervorbringt, wenn einer seiner Endtheile auf drey Linien Entfernung sich den Muskeln nähert, während ein Bogenleiter von Gold keine Erregung der Organe hervorbringt, sobald diu zwischen Gold und Muskel befindliche Wasserschichte über eine halbe Linie dicht ist. Hinwieder, wenn man sich eines, aus zwey an ihren Enden zusammengelüthe- ten Zink- und Silber -Stücken bestehenden, Bogenleiters bedient, und das eine Ende des metallischen Bogens wie zuvor an den Hüftbeinnerven legt, so mufs, um Zusammenziehungen zu erzielen , das andere Ende des Leitungsbogens, nach Mafsgabe der abnehmenden Reiz- barkeit der Organe, den Muskeln stets mehr genähert werden. Gegen das Ende des Versuchs ist schon die dünn;te Wasserschichte hinreichend, uin den Ueber- gang der electrischen Strömung zu hindern, und nur die unmittelbare Berührung des Bozens und der Mus- kein mag Zusammenziehungen bewirken. Ich erinnere wiederholt an diese auf drey wandelbaren Verhält- jiissen beruhenden Umstände : jene sind der Grad der Wirksamkeit des electrischen Apparats, die Leitungs- fähigkeit der Zwischendinge, und die Reizbarkeit der die Eindrücke erhaltenden Organe. Der Mangel satt- sam wiederholter V^ersuche, mit Hinsicht auf diese drey wandelbaren Grundlagen^ ist die Schuld, dafs man in 3i2 Buch VI. Beurtheilung der electrischen VVirksamIteit der Gymno- ten und Krampffische zufällige Umstände für solch© nahm, ohne welche die electrischen Erschütterungen nicht statt finden. Bey verwundeten Gymnoten, welche schwache, aber sehr gleichartige Erschütterungen liefern , fanden wir diese jederzeit stärker, wenn der Fisch mit einer metall- hewaffneten Hand berührt ward, im Gegensatz der Be- rührung mit der nackten Hand. Sie erzeigen sich hin- wieder auch stärker, wenn statt der Berührung mit ei- ner nackten oder mit keiner Metall- Bewaffnung verse- henen Hand heyde Hände zugleicli , nackt oder be- waffnet, aufgelegt werden. Diese Verschiedenheiten können, ich wiederhole es, alsdann nur wahrgenom- men werden, wenn man eine hinreichende Zahl Gym- noten besitzt, um die schwächsten darunter wählen zu können, und wenn die vollkommene Gleichheit der electrischen Entladungen den Unterscheid zwischen den wechselnden Empfindungen der mplallbewaffneten und der unbewaffneten Hand, einer oder beider nack- ter, einer oder beider metallbewaffneter Hände, wahr- zunehmen gestattet. Eben so sind auch nur bey klei- nen, schwachen und gleichförmigen Erschiilterungen die Schläge empfindlicher, wenn der Gymnote durch ieine Hand (ohne Kettenverband) mit Zink, als hinge- gen, wenn er mit Kupfer oder Eisen berührt wird. Die Harzsubslanzen , das Glas, das wolil getrock- nete Holz, das Hörn und sogar auch Knocken, die man gewöhnlich für gute Leiter hält, hemmen die Wirkung der Gymnoten auf den Mensch.en. Es war mir befremd- lich , nicht die mindeste Erschütterung zu fühlen, als ich mit nassen Siegellack&tangen die Organe des Fisches drückte, während das nämliche Thier, mit einem me- öUischen Stabe gereizt, mir die heftigsten Schläge ver« Kapitel XVII. 3i3 setzte. Hr, Bonpland fulilte Erscliütterungon, als er einen Griiinoten auf zwey aus Palmfasern gedrehten Stricken tru«-; die wir fi":r vüllio- trocken g-ohalten hat- ten. Eine starke Entladung hahnt sich einen Weg- durch sehr unvollkommene Leiter. Vielleicht wird auch durch das im Loitunirshoo[^en vorhandene Hindernifs die Ex- plosion Tim desto schmerzhafter. Ich hahe ohne Erfolg den Gyrnnoten mit einem nassen braun- irdenen Topfe berührt j und hingegen heftige Schläge erhalten, als ich den Gvmnoten in den nämlichen Topf legte, weil die Berührung gröfser war. Wenn zwey Personen^, isolirt oder nicht isolirtj sich die Hand geben , und alsdann nur die eine den Fisch mit di^r nackten oder metallbevvaffneten Hand berührt, so werden die Erschütterungen meist beyden Personen fühlbar seyn. Docli geschieht es auch wohl, dafs bey den scbmerzliaften Schlägen einzig nur die in unmit- telbarer Berührung mit dem Fisch stehende Person den Stofs empfindet. Wenn der Gymnote dermafsen er- schöpft oder seine Erregbarkeit also geschwächt ist, dafs er, mit einer Hand allein gereizt, durchaus keine Schlä- j^e mehr ertheilen vviil , so mag man mittelst der Kette und der Anwendung beyder Hände nochmals lebhafte Erschütterungen erhalten. Jedoch findet selbst in die- sem Fall der electrische Stofs nur mit dem W^illen des Thieres statt. Zwey Personen, von denen die eine den Schwanz und die andere den Kopf hält, können den Gymnoten nicht zwingen, den Schlag zu ertheilen, wenn sie sich iey der Hand fassen und eine Kette bilden. Erscheinungen der Anziehung und Abstofsung konnte ich, auch bey der mannigfach veränderten An- wendung sehr empfindlicher Electricitätsmesser, bey 3i4 B u c h FL Isolirung derselben auf einer Glasscheibe, u.nd während ich ungemein starke^ durcli i{en Electrometer gcleitole Erschütterungen erhielt, niemals wahrnehmen. Die Beobachtungen des Hrn. Fahlberg in Stocliholm tref- fen hiermit zusammen. Dieser iNaturforscher hat in- zwischen, wie vor ihm Walsh und Ingenhoufs in Lon- don, einen electrischen Funken bemerkt, wenn der Gymnote sich in der Luft befand, und die Leitungs- kette durch zwey auf Glas geklebte und eine Linie ab- stehende Goldbliittchen unterbrochen ward. Dagegen hat Niemand jemals einen aus dem Körper des Fisches selbst herausgehenden Funken bemerkt. In Calabozo haben wir ilin zur Nachtzeit und in völliger Finsternifs lange anhaltend gereizt, aber niemals irgend eine leuch- tende Erscheinung wahrgenommen. Als ich vier Gym- noten von ungleicher Stärke so ?.usammen gereiht hatte, dafs ich die Erschütterung des stärksten aus ihnen durch Coinmiinicalion y das will sagen, durch die Berührung eines der andern Fische empfieng, so bemerkte ich an diesen keine unruhige Bewegung, im Augenblick wo die Strömung durch sie geleitet ward. Vielleicht nimmt diese Strömung ihren We^ nur durch die feuchte Ober- „ fläche der Haut. Wir folgern jedoch hieraus keines- wegs, dafs die Gymnoton für die Electricität unempfäng- lich seyen, oder dafs sie im Grund der Sumpfwasser nicht gegeneinander ankämpfen können. Ihr Nervensystem jnufs den gleichen Einwirkungen unterliegen, wie die Kerven anderer Thiere. Ich habe auch wirklich die Beobachtung gemacht, dafs, wenn ihre Nerven nackt gelegt werden, sie bey der einfachen Berührung un- gleicher Metalle Muscalar - Zusammenziehungen er- leiden, und Hr. Fahlberg in Stockholm beobachtete, dafs sein Gymnote in ki'ampfhafte Bewegungen gerieth, wenn er sich in einem kupfernen Zuber befand, und h a p i t e l XVIL 3i5 schwache Entladungen einer Leydner Flasche durch seine Haut geschahen. jNach aIhMi V^ersuclien , die ich mit den Gymnoten anaeslollt halte , w&r es mir hev der HücKkehr in Eu- ropa sehr wrclitig', die Verhaltnisse genau zu kennen, unter wolclion ein andorer electrischer Fisch ^ der Zit- lerrochü unserer Meere, Erschütterungen ertheilt oder nicht ertheilt. Unerachlet der von sehr vielen JMatur- forscliern mit ihm vorgenommenen Untersuchungen fand ich doch alles noch sehr schwankend, was von seinen electrischen Wirkungen bekannt geworden (ist. Man hat völlig willkürlich angenommen, dafs er wie eine Leydner Flasche wirkt, die man nach Belieben entladet, indem man sie mit beyden Händen berührt, und diese Voraussetzung scheint die Beobachter, wel' che sich mit diesen Forschungen abgaben, irre geführt zu hal>en. Auf unserer Heise durch Italien haben Hr. Gay - Lussac und ich zahlreiche Versuche mit den im Golf von Neapel gefangnen Zitterrochen angestellt. Diese Versuche bieten naehrere von den auf die Beobach- tungen der Gymnoten gegründeten ziemlich abweichen- de Er:rebnisse dar. Wahrscheinlich liejjt die Ursache dieser Verschiedenheiten mehr in der Ungleichheit der electrischen Kraft bey der Fische, als in der verschiede- nen Einrichtung ihrer Organe. '••') Wenn gleich die Kraft des Zitterrochen mit der des Gymnoten nicht zu vergleichen ist, so reicht sie doch hin , um sehr schmerzhafte Empfindungen zu ver- ursachen. Eine an elcctriiche Erschütterungen ge- wöiiute Person hat Mühe, einen zwölf bis vie/zehn Zoll langen, seine ganze Stärke besitzenden Zitterro- *y Ge^ffroy de St- Bilaire , in den Annales du Museum , T. I, p. 592 — 407. 3i6 Buch FI. chen in dor Hand zu halten. Wenn das Thier im Was- ser nur nocli sehr schwache Schläge ertheilt, so wer- den die Erschütterungen fühlharer, sobald man es über die OborüücKe des Wassers emporhebt. Beym Gulva- nisiren von Fröschen habe ich diese Erscheinung öfters bemerkt. DerZitterroche bewegt die Brustfiofsfedorn krampf- haft, so oft er einen Schlag ertheilt, und dieser Schlag ist mehr oder minder schmerzhaft, je nachdem die un- mittelbare Berührung eine mehr oder minder breite Fläche einnimmt. Wir haben oben bemerkt, dafs der Gymnote, wenn er die stärksten Erschütterungen ertheilt, mit üen Füfsen, dem Kopf und den Flofsfedorn keine Bewegung macht. *} Beruht dieser Unler>ehied auf der Lage des electrischen ürganes, das beym Gymnoten nicht doppelt ist? Oder geht aus der Bewegung der Brustflofsfedern des Zitterrochen der unmittelbare Be- weis hervor, dafs der Fisch das electrische Gleichge- wicht durch seine eigene Haut herstellt, dafs er sich durch seinen eignen Körper entladet, und dafs wir über- äU nur dje Wirkung eines Seitenstofses verspüren. Weder ein Zittcrroche noch ein Gymnote lassen sich also willkürlich entladen, wie man eine Leidner Flasche oder eine Voltai^cbe Säule willkürlich entladen kann. Man fühlt niclit jederzeit eine Erschütterung, selbst al-dann nicht, wenn ein electrischer Fisch mit beyden Händen ergriffen wird 5 er mufs erst gereizt werden, wenn eine Erschütterung von ihm ausgehen soll. Diese Verrichtung ist im Zitterrochen wie im Gymnoten eine Lebensverrichtung 5 es hängt dieselbe *) IVur die hinlere Flofsfeder bewogt sich heym Gymnoten merklich . wenn man diese Fische unter dem Bauck^ da w© das electrische Organ beluidlich ist, reizt. Kapitel XVIL 3i7 Äusschllefslich vom Willen des Thieres ab, das viel- leicht seine elßctrischen Organe niclit immer geladen hält, oder auch die Wirksamkeit seiner Nerven nicht jederzeit zur Unterhaltung der Kette zni.^clien den posi- tiven und negativen Polen anwendet. So viel ist gevvlfs, dafs der Zitterroche mit erstaunensvverther Schnellig- keit eine lange Heihe von Erschütterungen bewirken kann , sey es dafs die Scheiben oder Blätter seiner Or- gane nicht jedesmal ganz erschöpft werden, oder dafs der Fisch sie alsbald wieder neu zu laden vermaß-. Der electrische Schlag wird fühlbar, wenn das Thier zu dessen Ertheilung geneigt ist, sey es dafs man mit einem einzigen Finger nur eine einzige Oberfläche der Organe berühre, oder dafs man mit beyden Hän- den seine beyden Oberflächen, die obere und die untere, gleichzeitig umfasse. In beyden Fällen ist es völlig gleichgültig, ob die Person, welche den Fisch mit ei- nem Finger oder mit beyden Händen berührt, isolirt sey oder nicht. Alles, was über die Nothwendigkeit eines Zusammenhangs durch den feuchten Boden für die Erzielung einer Kettenverbindung gesagt worden ist, beruht auf unzuverlässigen Beobachtungen. Hr. Gay-Lussac hat die wichtige Beobachtung ge- macht, dafs, wenn eine isolirte Person den Zitterrochen mit einem einzigen Finger berührt, ein unmittelbarer Coötact durchaus erforderlich wird. Man berührt den Fisch mit einem Schlüssel oder mit irgend einem andern metallischen Werkzeug, ohne Erfolg und ohne eine Er- schütterung zu verspüren, sobald ein leitender oder nicht leitender Körper zwischen dem Finger und dem electrischen Organ des Zitterrochen inne liegt. Dieser Umstand bietet einen grofsen Unterschied zwisclien dem Zitterrochen und dem Gymnoten dar, indem der letz- 3i8 B u c h VI. tere seine Stüfse durch das Mittel eines mehrere Fufs langen Eisenstabs ertheilt. Wird ein Zilterroclie auf eine ganz dünne Metall Scheibe gelegt, so dals die Scheibe die untere Flüche seiner Organe unmittelbar berührt, so fühlt die Hand, Avelche die Scheibe hält, niemals eine Erschütterung, wenn gleich eine zweyte isollrte Ferson das Thier reizt, und obschon die krampfhaften Bewegungen der Brust- flof-federn sehr starke und wiederholte Entladungen darthun. Wird hingegen der auf der Metallscheibe liegende Zitterroche, wie im vorhergehenden Versuch, von Je- mand mit der linken Hand gehalten, und die nämliche Person berührt nun mit der rechten Hand die obere Fläclie des electrichen Organs, so wird alsdann eine kräftige Erschütterung in beyden Armen verspürt. Die Empfindung i^t die nämliche, wofern der Fiscii sich zwischen zwey Metallschoiben befindet, deren Bänder sich einander nicht berühren, und wenn alsdann beyde Hände gleichzeitig an diese Scheiben gelegt werden. Die Dazwi'chenkunft einer Metallscheihe hemmt die MitthciluniT, wenn diese Scheibe nur mit der einen Hand berührt wird, wogegen die Da7,wi>chenkunft zweyer Matallscheibpn die Erschütterung nicht mehr hindert, sobald beyde Hände an jene gelegt werden. Im letzteren Fall bleibt kein Zweifel mehr ühriif, dafs die (^irculation der Flüssigkeit durch beyde Arme ge- schieht. Wofern bey eben dieser Lage des Fisches zwischen beyden Metallscheiben irgend ein unmittelbarer Zu- sammenhang zwischen den Bändern der zwey Scheiben statt findet, so hürt jede Erschütterung auf Die Kette z\Aischen bevden Oberflächen des clectrischi n Organs wird alsdann durch die Scheiben gebildet, und die neuo K a pi t e l XVII. 319 Verbindung, welche durch diö Berührung beyder Hän- de mit den Scheiben zu Stande kommt, bleibt ohne Wirkung. Wir haben den Zitterrochen zwischen zwey Metallscheiben getragen, und seine Schlage nicht eher verspürt, bis die beyden Scheiben sich an ihren Rän- dern nicht mehr berührten. Beym Zitlorrochen wiebeym Gymnoten wird nichts bemerkt, woraus nian auf t'ine veränderte electrische Spannung der sich in der JNähe des Thiers befindlichen Kurper schlii^fsen könnte. Auch der empfindlichste Electrometer zeigt keine V^eränderung, wie man ihn immer anwenden mag, sey es dafs er den Organen ge- nähert wird, oder dais der Fisch isolirt, mit einer Me- tallscheibe bedeckt und diese durch einen Leitungsdraht mit dem Volta'schen Condensator verbunden wird. Wir haben diese Versuche, wodurch man die electrische Spannung in den Organen des Zitterrochen fühlbar zu machen suclit, mit Sorgfalt und unter vielen Abwechs- lungen wiederholt, allein jederzeit ohne Erfolg, so dafs dieselben dasjenige vollkommen bestätigen, was Hr. Bonpland und ich, während unsers Aufenthalts im südlichen Amerika, hinsichtlich der Gymnoten beobach- tet hatten. Die electrischen Fische wirken , wofern ihre Kraft völlig ungeschwächt ist, mit gleicher Stärke unter dem Wasser und in der Luft. Diese Beobachtung hat uns in den Stand gesetzt, die leitende Kraft des Wassers zu prüfen, und wir fandun, dafs, wenn mehrere Perso- nen die Kette zwischen der obern und untern Fläche der Organe des Zitterrochen bilden, die Erschütterung nur alsdann fühlbar wird, wenn jene Personen sich die Hände benetzt haben. Die Wirkung wird nicht unter- brochen, wenn zwey Personen, die mit ihren rechten Händen den Zitterrochen halten, statt sich einander 320 B HC h VL mit der linken Hand zu fassen , jede ein metallnes Stab- chen in einen auf einem isolirenden Körper befindlichen Wassertropfen einsenken, \\ ird der Versuch mit einer JLiichtflanime statt des Wassertropfens gemacht, so ist die JVlittheilung unterbrochen, und sie stellt ^ich, wie Leym Cymnoten, nur dann wieder her, wenn beyde IVletallstäbchen sich im Innern der Flamme unmittelbar einander berühren. Es sind uns zuverlässig die Geheimnisse der electri- schen Wirkung der Fische, welche durch den EinHufs des Gehirns und der Nerven modificlrt wird, noch lan- ge nicht alle enthüllt 5 allein die bisher aufgezählten Ver- suche thun hinreichend dar, dafs dir-se Fische durch eine ferj/e///eElectriciti;t(el('Ctricite dissimulee) wirken, und durch electrische Vorrichtungen (appareils electro- moleurs) von eigenthümlicher Zusammepsetzung^ die mit ausnehmender Schnelligkeit ihre Ladungen wieder- holen. Hr. Volta nimmt an, dafs bey den Zitterrochen sowol als bey den Gymnoten, die Entladung der entge- gengesetzten Electricitäten durch ihre eigene Haut ge- schieht, und dafs in dem Falle, wo wir sie nur mit der einen Hand oder mittelst einer Metallspitze berühren, wir die Wirkung eines Sc.ilenslofses fühlen, indem die electrische Strümunijr ihre Kichtung^ nicht ausschlicfs- lieh auf dem kürzesten Wege nimmt. Wird eine Leyd- ner Flasche auf ein nasses Tuch gestellt, Avelchos ein schlechter Leiter ist, und wird hierauf die Fla.-che also entladen, dafs das Tuch in dem Bogen einbegriffen ist oder dazu gehurt, so zeigen zugerichtete und in ver- schiedener Entfernung hingelegte Frösche durch ihre Zusammen/iehungen, dafs die Strömung sich auf dem ganzen Tuch in allen möglichen Hichtungen verbrei- tet. Dieser Analoi^ie zufolge wäre der stärkste Schlag, Welchen ein Gymnote in die Ferne schleudert, nur ein schvva- Kapitel XVII. 321 sch\raclipr Theil desjenigen Schl;iges, der das Glrlcli- gewiclit im iniunen des Fi'^ches herstellt. *) V'\ eil der Gviiiiiole seine r lüssigl.eil nach W illkür leitet, so niufs man aucli zugeben^ dafs die Entladung nicht gl ich- zeitig über die ganze Haut erfolgt^ und dafs da« gereizte Thier, vielleiclit mittelst der Absonderung einer in ei- nen Theil des Zellgewebes ergoesenen Flüssigkeit, die Verbindung zwischen seinen Organen und diesem oder jenem Theil seiner Hauptfläche willkürlich anordnet. Es ist begreiflich , dafs ein Seitenslofs aufser dem Bogen unter zwey V^erliältnis^en unmerklich werden niufs, nenn entweder die Entladung nur sehr schwach war, oder wenn die ßeschafienheit und die Länge des Leiters ein sehr «rofses Hindernifs in den We^r Ici'en. Dieser Betrachtungen unerachtet kommt es mir ilocli nicht wenig befremdlich vor, dafs anscheinend fe!;r starke Ersoliütterungen des Zitterrochen nicht in die iriaud *3 Die imgleicliarligen Pole der doppellcn elcctrisohon Or- gtine müssen sich in jedem Organe vorfinden. Hr. Tolt hat neuerlich durch Versuche, die an ZiUcrrochen vosn Vorge- Lirgc der guten HoHnui g angesleilt wurden , dorgelhan, dals das TJiier auch nach der Ausschneidung des einen Or- ganes forlfolu't, starlie ErschüUerungen zu gehen. Hinge- gen wird, imd dieser schon von Galvaui erläuterte Um- stand ist von der gröfslen Wichtigkeit, jede electrische Wir- I 555 lin. 6. Diese Zahlen liefern Abiveichungen der relativen Höhe: die Correction zur Rcduction des Barome- ters auf der H*>he der IMeeresflache zu 557 lin., 8, ist nicht angewandt worden. Für die absoluten Höhen siehe mein© Obj. ajLr.^ Vol. I, p. 297 und jCy. Kapitel XVII. 327 Meyerhofe gedient^ und war von seiner Herrschaft ver- abscliiedet worden^ weil es in Fol>^e einer überstande- nen langen Krankheit zur Arbeit minder brauchbar erachtet ward. Unser Bitten und Drohen w.ir vergeb- lich: für Leiden unempfindlich, wie die übrigen Glieder seines Stammes, und mit der Gegenwart einzig nur be- schäftigt, ohne künftige Gefahren zu fürchten, beharrte CS auf dem Entschlufs , sich in eine der indischen Mis- sionen in der Nähe von Calabozo zu begeben. Wir reinigten seinen Krug vom Sand und füllten ihn mit Wasser. Das IVIädchen setzte seinen We^ in den Step- pen fort, noch ehe wir wieder zu Pferd safsen, und bald hatte uns eine Staubwolke von ihm getrennt. In der Nacht setzten wir über den Rio Uritucu *^ durch die Furt; der Flufs enthält ein zahlreiches, seiner W^ildheit wegen sehr merkwürdiges Crocodilgesclilecht, Man rieth uns, die Hunde nicht aus dem Strome trinken zulassen, weil öfters geschieht, dafs die Crocodile des Uritucu aus dem Wasser hervorkommen und die Hunde am Gestade verfolgen. Diese Kühnheit ist um so auf- fallender, als die Crocodile des Rio Tisnao, in einer Entfernung von nicht mehr als sechs Meilen, ziemlich furchtsam und wenig gefährlich sind. Die Sitten der Thiere wecliseln bey der gleichen Art, nach Maisgabe Örtlicher schwer auszumittelnder Verhältnisse. Man zeigte uns eine Hiitte oder vielmehr eine Art Ueberdach (hangard), worin unser Wirth von Calabozo , Don Mi- guel Cousin, Zeuge eines ganz aufserordentlichen Vor- falls gewesen war. In Gesellschaft eines seiner Freunde und auf eine mit Leder überzogene Bank gelagert, hatte er hier die Nacht zugebracht, als er früh Morgens. •) Fasso de Uritucu,. 328 Buch VI. durcli heftige Stöfse und einen farclitbarPn Lärm ge- weckt ward. Erdschollen wui'den bis mitlen in die Hültf frp^chleudert. Bnld !ey Tliieren von warmem und kaltem Blut vorkommt, so wird man es weniger auftauend finden, dafs diese fceyden Classen hinwieder auch Beyspiele des Sommer- Schlafes darbieten. Wie die Crocodile des südlichen America, so verleben auch die Tenrecs *) oder mada- gascarischen Igel, mitten in der h'eifsen Zone, drey Mo- nate des Jahrs im lethargischen Zustande. Am 25. März kamen wir durch den ausgezeichnet ehenen Theil der Steppen von Caracas, die Riesa de Pavones , auf welcher gar keine Corypha oder Muri- che Palmen angetroffen werden. So weit das Auge reicht, erblickt man keinen, auch nur fünf Zoll hohen Gegenstand. Die Luft war rein und die Farbe des Him- mels sehr dunkelblau, aber am Horizont sah man den Wiederschein eines blassen und gelblichten Lichtes, ohne Zweifel als Wirkung des in der Atmosphäre schwe- tenden Sandes. Es begegneten uns zahlreiche Vieh- heerden und in ihrem Gefolg Schwärme von schwarzen in's Olivenfarbe spielenden Vögeln, die der Gattung Crotophaga angehören. Wir haben dieselben öfters «uf dem Rücken der Kühe sitzend gesehen, wo sie Bremsen und andere Insecten aufsuchen. **) Gleich mehreren Vögeln dieser Einöden scheuen sie die Nähe der Menschen so \yenig, dafs die Kinder solche zuwei- len mit der Hand fangen. In den Thälern von Aragua, wo sie in Menge vorkommen , setzten sie sich auf un- *) Centenes, Illiger (Erinaceus ecaudatus, Lin.). **) Die spanisrhen Colonisten nennen den Crotophaga Ani Za- murito (kleiner Vultur aura) oder Garapalero ^ der Gara- -putas speist t Insekten aus der jMilbeu- Familie. Kapitel XVn. 33i sere Hängemallen, während wir am hellen Tag darin rubelen. Zwischen Calabozo, Uritucu und der Riesa de Pavones erkennt man überall, nvo Menschenhände einige Fufs tief die Erde öftneten, das geologische Ver- hältnifs der Ljlanos. Eine Bildung von rothem Sand- stein *■) (oder altem Conglomerat) dehnt sich über meh« rere tausend Geviertmeilen aus. Wir werden sie in der Folge iji den weiten Ebenen des Amazonenstroms, am östlichen Ende der Provinz Jaen de Bracumoros wieder antreffen. Diese ungeheure Ausdehnung des rothert Sandsteins in den Niederungen, die sich auf der Ostseile der Anden befinden, ist eine der merkwürdigsten Er- scheinungen, welche mir das Studium der Gebirgsar- ten in den Aequinoctialländern dargeboten hat. Der rothe Sandstein in den L/lanos von Caracas findet sich in mnldenjörmiger Liagerung **) zwischen den Urgebirgen des Küstenlandes und denen von la Pa- rime. JNürdlich scliliefst er sich den Uebergangsschie- \ fern an; **'*) südwärts ruht er unmittelbar auf den Gra- niten des ürenoko. Wir fanden darin abgeründeto Bruchstücke von Quarz, von Kieselschiefer und vom lydischen Stein, die durch einen eisenhaltigen braun- licht - olivenfarbenen Thon verkittet sind. Es ist völlig die nämliche Formation wie das tote Liegende in Thü- ringen. Der Kitt hat zuweilen eine so hellrothe Farbe, dafs die Landbewohner darin Zinnober zu sehen glau- ben. In Calabozo machten wir die Bekanntschaft eine$ •) Rothes totes Liegende oder ältester Flötzsandstein der ScJiule von Preyberg; Poudingue psammitique der Herr«! Brongniard und Binard. '*) Gisement concafe. '*) Zu Malpasso und Piedras Azules. Siehe oben Kap. 17. S. >St. 33i B u c h VI, Kapuziner -Mönchs, der sich viele vergehliche Mühe gegeben hatte, um Quecksilber aus diesoin rothen Sand- stein zu gewinnen. In der JMesa de Paja enthält diese Gebirgsart Lagen eines andern quarzichten und sehr feinkörnigen Sandsteins: ni^hr S'idwärts enthält dieselbe braune Eisenmassen und Bruchstücke von versteinertem Holz au^ Gewächsen der Monocotyledonen -Familie ; dagegen fanden wir keine Cpnchylien darin. Der rothe Sandstein, welchem die J^laneros Aen IN amen Piedras de arrecifes *) geben, ist allenthalben mit einer Thon- schichtc bedeckt. An der Sonne verhärtet und ausge- trocknet, spaltet sich dieser Thon in einxelne pi'ismati- sche, fünf- oder sechsseitige Stücke. Gehört jene viel- leicht zur Trapp -Formation von Parapara? Es wird dieselbe dicker und mit Sand vermengt, nach Mafsgabe, wie man dem Rio Apure näher kommt: denn in der Gegend von Calabozo beträgt ihre Dicke eine Toise, und in der Gegend der Mission von Guayaval fünf Toi- sen, welches auf die Vermuthung führen könnte, es seyen die Lager des rothen Sandsteins südwärts gesenkt. In der JMesa de Pavbnes haben wir kleine INester von blauer Eisenerde **) im Thon zerstreut angetroffen. Ueber dem rothen Sandstein lagert, zwisclien Tis- nao und Calabozo, ein dichter, grauweilser Kalkstein, welcher im Bruche glatt und der Formation von Ca- ripe y =••'•'*) mithin auch derjenigen des Jura sehr ähn- •) Pierre de ricage, oder d'ecnpüs; Ufer- oder Klippen -Steint. **) Fer azuri^ fer phosphale bleu. •**) Siehe oben Th. 2. Kap. 6, S. gj; Kap. 8, S. 149; Kap. 11, S. 5i5. Enthält diese Formation von Secondar - Kalkstein der lVohntc, weil noch kein Pfarr- hof erbaut war. Der junge Mann empfieng uns mit zu- vorkommender Gefälligkeit, und gab über alles, was ich ^vün?chte, Auskunft. Sein Dorf oder, um den unter den Mönchen üblichen Namen zu gebrauchen, seine Mission war ein schwieriges Amt. Ihr Stifter, welcher kein Bedenken getragen hatte, eiue pulperia für seinen iVutzen zu errichten, das will sagen, in der Kirche selbst Pisangfrüchte und Guarapo zu verkaufen, war in der Auswahl seiner neuen Colonisten mit eben so wenig Vorsicht zu Werke gegangen. Viele Landstreicher aus den Lilanos hatten sich in Guayaval angesiedelt, weil die Bewohner der Missionen sich dem weltlichen Rich- ter entziehen können. Hier, wie in Neu-Holland, darf man sich nur von der zweyten oder dritten Geschlechts- folge gute Colonisten versprechen. Wir setzten über den Bio Guarico, und biwackteix in den Savanen südwärts von Guayaval. Sehr grofsa Fledermäuse, die ohne Zweifel zur Familie der Fhyl- lostomen gehören, schwärmten wie gewöhnlich einen guten Theil der Nacht über unsern Hängematten. Man glaubt jeden Augenblick, sie werden sich aufs Gesicht anklammern. Früh Morgens setzten wir unseren Wog durch niedriges und öfters überschwemmtes Land wei- ter fort. Zur Regenzeit kann man zwischen dem Gua- rico und dem Apure wie über einen See im Kahne fah- ren. Ein Mann, welcher alle Meyereyen (^hatos) der Kapitel XVIJ. 335 Lilanos besucht hatte , um Pferde zu kaufen . ward un- ser Begleiter. Er hatte für looo Pferde 2200 Piaster bezahlt. Die Preise *) werden, wie leicht zu erachten, niedriger bey beträchtlichen Ankäufen. Am 27. März trafen wir in der Filla de San Fernando ein, die der Hauptort der Kapuziner-Missionen in der Provinz Va- rinas ist. Es war dies das Ziel unserer Heise auf deni /lachen Land, denn die drey Monate April, May und Juny brachten wir auf den Strumen zu. Achtzehntes Kapitel. San Fernando de Apure. — Venehlingangen und Gabeltheilungen der Strömt von ylpure und Arauea. — Schiffahrt auf dem Rio Apure. Die Namen der grofsen Ströme des Apure, Paya- ra, Arauea und Meta waren bis zur zweyten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts in Europa beynahe gar nicht *) In den Llanos von Calabozo und Guayaval wird ein jnnger Ochse von 2 bis 5 Jahren mit einem Piaster bezahlt. Ein verschniltner (das Verfahren ist im sehr heifsen Klima mit bedeutender Gefahr verbunden) kostet 5 bis 6 Piaster. Eine an der Sonne getrocknete üchsenhaut gilt dritthalb Reales de plata Ci peso :== 8 reales); ein Huhn 2 Reales 5 ein Schaf in ßarquesimefo und Truxillo , denn ostwärts von diesen Städten giebt es keine mehr, 3 Realen. Da diese Preise sich nolh- wendig verändern werden, im Verhäitnifs der ansleigendon Bevölkerung der spanischen Colonien, schien es mir der Mühe werlh, Angaben hier aufzuzeichnen, die in der Folge staats- wirth?ohaftlicheii Unternehmungen zum Grund gelegt werden können. 336 B u c h VI. Bekannt; weniger noch denn in den zwey vorlierj^e- gangonen Jahrhunderten, als der tapfere Filipe de Urre und die Eroherer von Tocuvo die i^lanos durciizogen, um jenseits des Apure die grofse Stadt vom Dorado und das reiche Land der Oineguas, das Tombouctou des neuen Festlandes, aufzusuchen. So kühne Unter- nehmungen mochten nur unter dem Schulze von Kriegs- rüstungen ausgeführt werden. Auch wurden die Waf- fen, welche nur zum Schutze der neuen Colonislen dienen sollten, aHezeit gegen die unglückliclien Lan- deseingebornen gebraucht. Als den Zt-ilen der Ge- ■waltthätigkeit und gemeiner Noth friedlichere Zeiten gefolgt waren, bemächtigten sich zwey ausgezeichnete Indianer -Stämme, die Cabresen und die Cariben vom Orenoko, der nämlichen Landschaft, welche die Con- quisladores früher verwüstet halten. Von da an durf- ten nur noch arme Mönche südwärts in den Steppen vordringen. Eine unbekannte Welt öffnete sich iSierL spanischen Colonislen jenseits des Uritucu, und die Ab- kömmlinge der muthigen Krieger, welche ihre Erobe- rungen von Peru bis an die Küsten von Neu- Granada und zur Ausmündung des Amazonenslroms ausgedehnt hatten, kannten die Wpge nicht, welche von Coro zum Bio Mela führen. Das Küstenland von Venezuela blieb abgesondert, und die langsamen Eroberungen der Je- suiten-Missionare waren nur längs den Ufern des Ore- noko mit Erff lg begleitet. Diese Ordensmänner waren bereits über die grofsen Cataracten von Atures und Maypuros vorgedrungen, als die andalusischen Kapu- ziner kaum noch von der Küste und aus den Thälern von Aragua in die Ebenen von Calabozo gelangt wa- ren. Ein solcher Abstich dürfte sich wohl schwerlich aus der verschiedentlichen Einrichtung und Verfahrens- weise beyder Mönchsorden erklären lassen 3 die Be- schaf- Kapitel XVIIL 33? ScliafTenlieit des Landes ist es vielmehr^ welclie den sclmolleren oder langsainerei^ Erfolg- der Missionen zunächst bopründ;-t. Sie rücken im Innern des Lfin(!e<, in Ber^^egenden odnr Stoppen, überall, wo sie nicht längs einem Flusse ihren Weg- nehmen kön- nen , nur langsam vor. Man begreift kaum , wie es gescheljen konnte, dafs die Stadt San Fernaüdo de Apu- re . die in gerader Hichtung nicht über 5o Meilen von dem am frühesten bewohnten Küstenort von Caracai entfernt liegt, erst im Jahr 1789 gegründet ward. Es ward uns eine pergamentne Ui künde gezeigt, voll schö- ner Malereyen, welche die Stiftung (privilege) der klei-' nen Stadt enthielt. Sie war auf das Gesuch der Mön- clse a\is Madiit eingetroffen, als nur nocli wenige Kohr- büttenein grofses, in der Mitte des Fleckens aufgerich- tetes Kreuz umgaben. Weil den Missionarien und den Wrlllichfn Vorstehern gleichmäfsig daran gelegen istj üliertriebene Vorstellungen von dem Erfolg ihrer Be- mühungen für die Cultur und Bevölkerung der jenseits des Meeres gelegenen Provinzen in Europa geltend zu machen, so geschieht öfters, dafs die Namen von Städten und Dörfern geraume Zeit, ehe diese noch vorhanden si'id, in die Verzeichnisse der neuen Ervoer' bimsten aufgenommen werden. Es wird Anlafs geben, an den Gestaden des Orenoko und des Cassiquiare Er- wähnung von solchen zu machen, die eine lange Zeit l)indurcii zwar beabsichtigt warert , niemals aber zum Daseyn gekommen sind, aufser auf den in Rom und zu Madrit gestochenen Charten der Missionen. Die Lage von San Fernando &n einem grofsen schifFljaren Strom, nahe an der Ausmündung eines an- deren Flusses, der die ganze Provinz Varinas durch- läuft, ist dem Handel ausnehmend günstig. Die sämmt- liclien Erzeugnisse dieser Provinz, ^ Häute , Cacao^ Altx. V. fiitmboldti bist Btistn. Uh 32 ^38 Such VI. Baumwolle und Indigo von Mijagual, welcher vom be- sten Gehalt ist, gelangen durch diese Stadt an die Mün- dungen des Orenoko. Während der Regen/.eit kommen grofse Fahrzeuge von Angostura bis San Fernando de Apure und auf dem Rio Santo Domingo bis nach To- runos in den Hafen der Stadt Varinas. Gleichzeitig wird die Landschaft in einer Ausdehnung von 400 Ge- viertmeilen durch Ueberschwemmungen der Flüsse, welche ein Labyrinth von Verilecatungen zwischen dem Apure, dem Arauca, dem Capanapuro und dem Sinaruco bilden, unter Wasser gesetzt. Hier ist die Stelle, wo der Orenoko seine Richtung ändert und nicht durch anstehende Berge, aber durch die Erhöhung der Gegenhänge seinen Lauf östlich nimmt, statt die frühere Richtung in derjenigen eines Meridians zu verfolgen. Betrachtet man die Oberfläche des Erdballs als ein aus verschiedentlich geneigten Flächen gebildetes Polye- dron, *) so ergiebt sich schon aus der blofsen Ansicht der Charten, dafs zwischen San Fernando de Apure, Cavcara und der Ausmündung des Meta, der Durch- schnitt dreyer gegen JNorden, gegen Westen und Sü- den **) aufsteigender Abhänge eine bedeutende Vertie- fung zur Folge haben mufste. Die Savanen werden in diesem Becken mit zwölf bis vierzehn Fufs Wasser be- deckt, und sie stellen in der Regenzeit das Bild eines gro- *) Siehe die Abhandlung^ über die Kunst der Canal • Zeichnun- gen von den Herreu Dupuis-Torcv und Brissot, im Journal de l'F.cole poh techaique , Tom. VII , p. 265. **) Die Erhöhungen gegen IN'orden und gegen Westen schliefsen «ich in znev Giebel-Linien ^ den Bergen von Villa de Cura und von Merida an. Die dritte von INorden nach Süden ge- richtete .Senkung ist diejenige der Erdzunge zwischen dem An- den-G^birg und der Kette von Parime. Sie bestimmt die all- gemeine ISeigung des Orenoko von der Mündung desGuaviare bi« zu derjenigen des Apure. Kapitel XFIII, 339 fsen Sees dar. Die Dürfer und Meyereyen, welch* auf liüheren Standpuncten erbaut sind, heben sich kaum. 2 oder 3 Fufs über der WasserHäche. Alles erinnert hier an die Ueberschwemniungen von Unter- Egypten und von der Laguna de Xarayes, welche einst in den Erdbeschreibungen so berühmt war, obgleich sie nur einige Monate im Jahr Bestand hat. Die Anschwel" lungen der Ströme des Apure , des Meta und dei Orenoko sind gleichfalls periodisch. Die Pferde, wel- che in der Savane wild leben, und beym Eintritt der Re- genzeit nicht schnell genug die Plateaus oder erhüheten Ebenen der JLlanos erreichen, gehen bey Hunderten zu Grunde. Man sieht die Stuten mit ihren Füllen '') einen Theil des Tages schwimmen, um sich von Pflan- zen zu nähren, die mit ihren Spitzen nur über das Was- ser emporreichen. In dieser Lage werden sie von den Cro* codilen überfallen, und es ist gar nicht selten, dafs man an ihren Schenkeln die Spuren der Zähne dieser fleisch- fressenden Reptilien wahrnimmt. Die Aase von Pfer- den, Maulthieren und Kühen locken eine grofse Men- ge Geyer herbey. Die Zamuros *> sind die Ibis oder vielmehr die Aasgeyer dieses Landes. Sie haben völlig das Aussehen des Pharao- Huhns und leisten den Be- wohnern der Llanos die gleichen Dienste, wie der Vul- tur Percnopterus den Einwohnern von Egypten. Man kann den Wirkungen dieser Ueberschwem- mungen nicht nachdenken, ohne die ungemein grofse Biegsamkeit der Organisation d,er Thiere zu bewundern, welche der Mensch seiner Herrschaft unterworfen hat ^ *) Die Füllen ertrinken in Menge, weil sie im Schwimraen schneller ermüden, und ihren Müttern überall hin folgen wollen , wo diese allein nur sich auf den FüTsen halten könneru '*} VuUur aurea, L 340 B n c h yi. In Grönland speist der Hiind die Ueberbleibsel des Fischfangs, und in Ermangelung von Fischen nährt er sich von Meergras. •'Der Esel und das Pferd, die aus den kalten und dürren Ebenen von Ober -Asien ab- stammen, begleiten den Menschen in die Neue Welt, kehren daselbst in den Zustand der Wildheit zurück, und führen unter dem heifsen tropischen Himmel ein unru- higes und beschwerliches Leben. Wechselweise vonx Uebermafs der Trockenheit und der JNässe gedrängt, suchen sie entweder zur Stillung ihres Durstes ein© Lache mitten in dem nackten und staubigen Erdreich, oder sie fliehen vor dem Wasser und den Ueberschwem- mungen der Flüsse, wie vor einem sie von allen Seiten umzingelnden Feind. Den vTag über von Bremsen und Moustiko's geplagt, werden Pferde , Maulthiere und Hornvieh des JNachts von sehr grofsen Fledermäusen überfallen, die sich auf ihren Rücken anklammern, und um so gefährlichere Wunden verursachen, weil solche alsbald von Milben und andern schädlichen Insecten wimmeln. Zur Zeit der grofsen Trockenheit werden selbst die stachlichten Meiocuclus *) von den Maul- thieren benagt, um ihren erfrischenden Saft fast gleichsam wie aus einer vegetabilischen Quelle zu trinken j zur Zeit der grofsen Ueberschwemmungen leben diese näm- lichen Thiere als wahre Amphibien, von Crocodilen, Wasserschlangen und Seekühen (Lamantins) umgeben. Dennoch aber (so wollen es die unwandelbaren Gesetze der Natura erhalten sich ihre Ka^en im Kampf der Ele- mente mitten unter so mannichfacben Leiden und Ge- *) Die Esel besitzen eine ganz eigne Geschicklichkeit, um sich des im Cactus Melocactus enthaltenen Saftes zu bemächtigen j sie drücken mit den Fiifsen die Dornen seitwärts, mitunter bleiben sie auch von dieser Qjperation her hinkend. Kapitel XVIII. 34t fahren. Wenn die Gewässer ablaufen und die Flüsse'irt ihre Betten zurücktreten, überzieht sicli die Savahe mit zarten und wohlriechenden Kräutern 5 und es schei-^ nen die Thiere, welche aus dein alten Europa und aus Hochasien abstammen, im Millelpunct derheifsen Zone die Rückkehr der Vegetatiou des Frühlings eben so Aviff in ihrem Vaterlande zu geniefsen. Während des hohen Wasserstandes werden von dert Einwohnern, zu Vermeidung der Gefahr starker Strö- mungen und der davon fortgeschwemmten Baumstämme^ die Strombetten vermieden, und sie fahren mit ihren Kähnen über die Savanon. Um von San Fernando^ iri die Dörfer San Juan de Payara, San Raphael de Ata- maica, oder San Francisco de Capanaparo zu gelangen, fährt man in südlicher Richtung, als hätte maa über ei- nen einzigen zwanzig Meilen breiten Strom zu setzen. Durch den Zusammenflufs des Guarico, des Apure, des Cabullare und des Arauca mit dem Orenoko bildet sich in einer 160 Meilen betragenden Entfernung von den Küsten von Guiana eine Art Binnen -Delta (Delta in- terieur), deren in der alten Welt wenig ähnliche vor- kommen. Dem Quecksilberstand im Barometer zufolge beträgt der Fall der Gewässer des Apure in San Fernan- do bis zum Meer nicht über 84 Toisen. Es ist ein eben so unbeträchtlicher Fall, welcher von den Mündungen des Ossage und des Missoury bis zur Sandbank des Mis- sissipi vorhanden ist. Die Savanen von Unter- Louisia. na erinnern überall an die Savanen vom untern Ore- noko. Wir verweilten drey Tage in der kleinen Stadt San Fernando, und wohnten daselbst bey dem Kapuziner-Mis- sionar, der in grofsem Wohlstand lebt. Der Bischof von Caracas hatte uns an ihn empfohlen, und er bezeigte sich ausnehmend gefällig. Er zog mich über die Arbei- 341 Buch VI. ten zu Ratli, welche man begonnen halte, tim cfair Ufer, worauf die Stadt erbaut war, gegen das Untergra- ben durch die Gewässer des Flusses zu schützen. Der Eintritt der Portuguesa in den Apure drängh diesen süd- ostwärts, und, anstatt dem Strom freyeren Abflufs zu verschaffen, hatte man ihn durch Wuhrungen und Dämme mehr einzuengen versucht. Dal's diese Werke beym höheren Wasserstand um so schneller würden weggeführt werden, weil man durch Wegnahme der für die Wasserarbeiten gebrauchton Erde hinter den Dämmen das Ufer geschwächt hatte, war leicht vor- herzusagen. San Fernando ist durch die grofse Hitze, welche den gröfsten Theil des Jahrs durch daselbst angetroffen wird, berüchtigt; und ehe ich zu der Erzählung un- serer langen Stromfahrt übergehe, will ich noch einige Thatsachen vorausschicken, welche die Meteorologie der Tropenländer einigermafsen zu beleuchten geeignet sind. Wir begaben uns, mit Thermometern viirsehen, auf das mit weifsem Sand bedeckte Gestade in der Nähe des Apurestroms. Um 2 Uhr Nachmittags fand ich die- sen Sand allenthalben, wo er der Sonne ausgesetzt ist,*) auf 5*°? 5. Zu 18 Zoll Erhöhung über dem Sand aeigte der Wärmemesser 42°, 8> zu 6 Fufs Erhöhung 38°?' 7- Die Lufttemperatur im Schatten einer Ceiba war 36°, 2. Diese Beobachtungen wurden bey völlig stiller Liiift gemacht. Sobald der Wind zu vvej»en an- iieng, stieg die Temp ''atur der Luft um 3°: dennoch waren wir von keinem Sandwind eingehüllt. Es warea Luftschichten, die mit einem stärker erwärmten Boden in Berührung gestanden, oder durch welche SanJtrom- peten gezogen waren. Dieser westliche Theil der Lala' *) Auf 42" R. Kapitel XVin. 343 nos ist der wärmste, weil er die Luft empfängt, welche zuvor sclion die übrige dürre Steppe durchzogen hat. Der gleiche Untprscliied ist zwischen den üstliciien und westlichen Theilen der africanischen Wüsten da bemerkt worden, wo die Passatwinde wehen. Die Hitze nimmt in den L,lanos während der Ro- genzeit bedeutend zu, vornämlich im Julius, wenn der Himmel bedeckt ist, und die ausstrahlende Wärme der Erde zurücksendet. Während dieser Zeit hört der Ost- wind völlig auf, und zufolge sorgfältiger, von Hr. Pozo angestellter Beobachtungen steigt der Thermometer im Schatten *) auf 89° und 89°, 5, wenn derselbe auch mehr denn i5 Fufs über dem Boden erhöhet ist. Im Verhrlltnifs wie wir den Gestaden der Portuguesa, des Apure und des Apurito näher kamen, ward die Luft um der Verdunstung einer so beträchtlichen Wasser- masse willen kühler. Diese Wirkung ward vorzüglich nach Sonnenuntergang verspürt; den Tag über wird die Wärme von den mit weifsem Sand bedeckten Strom- ufern auf eine unerträgliche Weise, und gar viel mehr als von dem thonartigen braungelben Brdreich von Ca- l^bozo und Tisnao zurückgestrahlt. Am 28. März, bey Sonnenaufgang, befand ich mich am Gestade, um die Breite Tles Apure zu messen, welche 206 Toisen beträgt. Der Donner rollte von allen Seiten her. Es war das erste Gewitter und der erste He- gen der Jahrzeit. Die Wasser des Stromes wurden vom Ostwinde emporgehoben, bald jedoch ward es wieder windstill , und alsbald fiengen grofse Cetaceen aus der Familie der Blaser (Souffleurs), und die denMeerschvvei- nen unserer Meere völlig gleichen, ^""0 in langen Rei- *) Auf 5i°, j oder 5i , 6 R. **) DeJphinus phocaena, h- 344 Buch VI. hen auf der Oberfläche des Wassers ihre Spiele an. Die langsamen und trägen Crocodile scheinen die Nähe die- ser lärmenden und in ihren Bewegungen ungestümen Thiere zu fürchten. Wir sahen sie untertauchen, wenn die Blaser ihnen nahe kamen. Es ist eine aufjerordent- liche Erscheinung, in dieser Entfernung von dfn Kü- sten Cetaccen anzutreffen. Die Spanier der IVlisnoner^ ijezeichnen sie, wie die Meerschweine des Ozeans, durch den Namen Toninas. Ihr indischer Name he;ii*st Ori- nucnu. *y Ihre Lärtge beträgt drey bis vier Füfs,. und indem sie den Rücken krümmen Mnd den Schwanz ge- gen die untern Wasserschichten anstüt/en, wird ein Theil des Rückens und der Rückenflofsfeder sichtbar. Ich konnte keines dieser Thiere habhaft werden, ob- gleich ich die Indianer wiederholt aufforderte, theilt, gewährtes ein grofses Interesse, den Gang der meteorologii>chen Erscheinungen im Ueber- gang ron der einen zur anderen Jahrzeit zu verfolgen. Bereits hatten wir vom 18. und ig, Hornung an in den Thälern von Aragua gesehen, wie sich beym Eintritt der Nacht Wolken bildeten. Zu Anfang des Monats März ward die Anhäufung der bläschenartigen dem Auge sichtbaren Dünste, und damit zugleich die Zei- ehen der atmosphärischen Electricität mit jedem Tag Ledeulender. Wir sahen am südlichen Himmel Wetter- leuchten , und Volta's Electrometer zeigte allezeit bey •) In der Majpure - Sprache Camoti , eigentlich glänzende Hitze (der Sonne). Die Tamanaken nennen die Zeit der Trocl;enhcit Uamuy die Zeit der Jltuschrecken. *) Tn der Tamanaken-Sprache Canepo. Das Jahr wird bey verschiedenen Nationen durch den IVamen einer der zwey Jahrzeiten bezeichnet. Kapitel XVIII. 347 Sonnenuntergang Glas-Electricität. Das Voneinander- weichen der kleinen Kork - Kügelchen , welches d» n weiteren Tag über nicht zu bemerken war, betrug hey Eintritt der Nacht drey bis vier Linien , od r das drey- fache dessen, was ich mit dem gleichen Werkzeug in Europa '■•') bey heller Witterung gewöhnlich beobacu- tet halle. Endlich, vom 26. May an, schien das eltc- trische Gleichgewicht der Atmosphäre gänzlich zerstört zu seyn. Ganze Stunden lang war die Electricität Zero, dann ward sie sehr bedeutend, 4 bis 5 Linien, und bald darauf war dieselbe wieder völlig unbedeutend. De- luc's Hygrometer zeigte fürdauernd eine grofse Tro- ckenheit ■••*) von 33° bis 35°, und doch schien die At- mosphäre nicht mehr die gleiche zu seyn. Mitten unter diesem beständigen Wechsel der electi'ischen Ladung der Luft fiengen die ihrer Blätter beraubten Bäume bereits wieder an frisches Laub zu entwickeln und vom nahenden Frühling gleichsam ein Vorgefühl zu haben. Die hier beschriebenen Veränderungen sind nicht etwa einem einzelnen Jahrgang eigenthümlich. In dec Aequinoctial-Zone folgt Alles mit wunderbarer Gleich- förmigkeit aufeinander, weil sich die lebendigen Kraft© der Natur nach leicht erkennbaren Gesetzen einander begrenzen und aufwiegen. Folgendes ist der Gang der atmosphärischen Erscheinungen im Binnenlande ostwärts *) Zu Salzburg, zu Baireulh und tn Jena in Deutschland, in der Ebene von Saint -Denis hey Paris, und auf dem Plateau von Casfilien. Siehe die Darstellung meiner Versuche über die Electricität der Atmosphäre im Journal de Physique, Tom. XLVIIl, p. J93. ••) Von 68° zu 70" , 8 des Saussur'schen Hygrometers bey 23» bis 26" Reaum. , welches die Trockenheit der Luft in der Ae- quinoctial • Zone darthut. 348 Buch VI. der Cordilleren von Merida und von Neu- Granada in den Li/anos von Venezuela und vom Bio Meta^ vom 4. zum 10. Grad nordlichor Breite, überall wo die Hegen- zeit vom May bis zum October anbäit, und demnach die, Monate der gröfsten Trockenheit den Julius und August befafsten. *) Nichts gleicht der Reinheit der Atmosphäre vom December bis zum Februar. Der Himmel erscheint alsdann beständig wolkenlos, und wenn eine Wolke sich sehen läfst, so ist es eine Erscheinung, welche die ganze Aulinerksamlicit der Einwohner beschäftigt. Die öst- liche und ost-nord - östliche Brise bläst heftig. Weil die durch sie herheygeführte Luft stets einerley Tem- peratur hat, so können die Dünste durch Erkältung nicht sichtbar werden. Gegen Ende Februars und zu Anfang des Märzmonals ist das Himmelsblau minder dunkel gefärbt, der Hygrometer deutet allmälig auf gröfsere Feuchtigkeit, die Sterne sind zuweilen von einer leichten Dunsthülle verdeckt, ihr Licht ist nicht mehr ruhig und plai^etarisch : man sieht dieselben von Zeit zu Zeit auf 20° Erhöhung über dem Horizont fun- keln. Die Brise weht um diese Zeit minder stark und weniger regelmäfslg, sie wird öfterer durch PVind- stUle unterbrochen. In Süd-Süd-(3st sammeln sich Wolken. Sie erscheinen wie ferne Berge mit sehr be- stimmten Umrissen. Zuweilen sieht man, wie sich die- selben vom Horizont losmachen und das Himmelsge- •} Auf den Küsten hingegen , f u Cumana , in la Guayra und auf der henachbarten Margarellien- Insel trifft ^as Maxi- mum der Wärme erst im September ein*, und die Regen, wofern man einige zuweilen niederfallende Tropfen Wasser so nennen kann , werden erst im October und fSovember fceobachlet. Kapitel XFIII. 349 ivülbe "mit einer Schnelligkeit durchlaufen^ die der Schwäche des in den unteren Luftschichten herrschen- den Windes keineswegs entspricht. Zu Ende des März ^yird die südliche Kegion der Atmosphäre durch kleine electrische Explosionen erleuchtet. Es sind wie phos- phorescirende^ auf eine einzige Dunstgruppe beschränk- te Fiuiken. Von da an treten von Zeit zu Zeit und mehrere Stunden anhaltend West- und Süd- West- Winde ein. Dies ist ein sicheres Zeichen des Anrückens der Hegenzeit, die am Orenoko gegen Ende Aprils beginnt. Der Himmel fängt an bedeckt zu werden , die Azur- bläue verschwindet, und eine gleichförmige graue Fär- bung ersetzt dieselbe. Gleichzeitig nimmt die W'ärme der Atmosphäre mehr und mehr zu, bald sind es nicht blofse iWolken nur , sondern verdichtete Dünste , die das ganze Himmelsgewölbe decken. Die Brüllaffen fan- gen an ihr klagendes Geschrey schon lange vor Tages- anbruch hören zu lassen. Die atmosphär sehe Electri- cität, welche während der grofsen Trockenheit vom December bis zum März, fast beständig, den Tag über 1,7 bis 2 Linien des VoLtaschen Electrometers betra- gen hatte, wird vom iMärz an höchst abwechselnd. Ganze Tage durch ist dieselbe völlig null, hernach für etliche Stunden weichen die Korkkugelchen des Volta'- schen Electrometers um 3 bis 4 Linien von einander. Die Atmosphäre, welche überhaupt in der hoifsen Zone, wie in der gemäfsigten, sich im Zustand der Glas-EIec- tricität befindet, geht wechselnd 8 bis 10 Minuten lang in den Zustand der Harz-Electricität über. Die Hegen- zeit ist die Zeit der Gewitter, und doch haben zahl- reiche, im Lauf von drey Jahren angestellte Versuche mir dargethan, dafs gerade in dieser Jahrzeit der Ge- witter in den unteren Hegionen der Atmosphäre eine geringere electrische Spannung voi-handen ist. Sind 35o Buch VI. die Gewitter das Ergebnifs dieser ungleichen Ladung dei- verschiedenen übereinander liegenden Luftschicht ten? Was hindert die Ülectricität in einer seit dem Monat Miirz feuchter gewordenen Luft gegen die Erde herabzusteigen ? statt gleichförmig durch die ganze Atmosphäre vertheilt zu seyn , scheint die Electricität in diesem Zeitpunct auf der äufseren Hülle, auf der Oberfläche der Wolken angehäuft. Es ist, wie Hr. Gay-Lussac glaubt, die Bildung der Wolken selbst, welche die Flüssigkeit nach der Oberfläche hinführt. Das Aufsteigen- des Gewitters erfolgt zwey Stunden nach dem Durchgang der Sonne durch den Meridian, mithin kurze Zeit nach dem Moment des Maximums der Ta- geswärme unter dem Tropenhimmel. Hücbst selten nur läfst sich im Binnenlande der Donner in der Nacht oder am Morgen hören. Die Nacht- Gewitter sind nur gewissen Flufsthälern , welche ein besonderes Clim« haben, eigen. Welches sind nun aber die Ursachen dieser Zer- störung des Gleichgewichts in der electrischen Span- nung der Luft, dieser beständigen Verdichtung der Dünste in Wasser, dieser Unterbrechung der periodi- schen Winde, dieses Anfangs und dieser Fürdauer der Begenzeit? Ich zweifle, dafs die Electricität auf die Bildung der bläschenartigen Dünste Einflufs habe. Es ist vielmehr die Bildung dieser Dünste, welche die elec- trische Spannung vermehrt und verändert. Nördlich und südlich vom Aequator geschehen die Gewitter oder grofsen Explosionen gleichzeitig in der temperirten und in der Aequinoclial-Zone. Gif^jt es eine Wirkung^ wel- c'ie sich durch den grofsen Luft-Ocean aus der ersten dieser Zonen gegen die Wendekreise fortpflanzt? VVie mag man sich's erklären, dafs unter dieser Zone, wo die Sonne beständig zu so grofser Höhe über den Hori- Kapitel XFIII. göz lonl ansteigt, der Durchgang dieses Gestirns durch das Zenith einen so bedeutenden Einflufs auf die meteoro- logischen Veränderungen äufsert? fch vermuthe, die Ursache, welche den Anfang der Hegenzeit unter den Wendekreisen bestimmt, ist nicht örtlich, und eine ge- nauere Keniilnifs der oberen Luftschichten würde die dem Anschein nach so verwickelten Aufgaben vcreinfa- clien. Wir können nur dasjenige beobachten, was in den unteren Kegionen der Atmosphäre vorgeht. Die Anden sind über 20üo Toisen Erhöhung fast gar nicht bewohnt, und auf dieser Höhe haben die Nähe des Bo- dens und die Bergmassen, welche die Untiefen im Luft- Ocean darstellen, einen bedeutenden Einflufs auf die in ihrer Nähe befindliche Luft. Was man auf dem Pla- teau von Antisana beobachtet, ist von dem verschieden, was auf gleicher Höhe in einem Luftballon über den Lt/anos oder über der Fläche des Weltmeeres schwe- bend wahrgenommen werden könnte. Wir haben so eben gesehen, dafs die Jahrzeit der Regen und der Gewitter, in der nördlichen Aequinoc- tial-Zone, mit den Sonnen - Durchgängen durch das Zenith *) des Ortes, irAi dem Aufhören der Brisen oder Nord -Ostwinde, mit dem öfteren Eintreten der Windstillen und der ßendavales , welches süd-östliche und süd-westliche stürmische und mit überzognem Him- mel *'•') begleitete Winde sind, zusammentrefi'en. Ich glaube, man wird^ beym Nachdenken über die allge- meinen Gesetze des Gleichgewichts der gasartigen Mas- *) Diese Durchgänge geschehen unter den 5° und lo* nörd- licher Breite, zwischen dem 3. und lo. April und zwischen dem 37. August und 8. September. •) Vergl. meinen Etsat politique sur la NouvcUe - Efpagn». Tum. II, pa^. 38a, 712 und 767 352 Buch ri. sen, aus denen unsere Atmosphäre bestellt, in der Unter- brechung der von einem gleichnamigen Pole herkom- roenden Strömvxng, in dem Mangel der Erneuerung der Luft unter der heifsen Zone, und in der anhallen- den Wirkung der aufsteigenden feuchten Strömung, eine sehr einfache Ursache des Zusammentrefliens dieser Erscheinungen finden. Walirend nordwärts vom Ae- quator der Nord -Ostwind (brise) in seiner vollen Kraft weht, hindert derselbe die, die Aequinoctial- Lande und Meere bedeckende Atmosphäre sich mit Dünsten zu sättigen. Die warme und feuclite Luft der heif^on Zone steigt in die Höhe und neigt sich den Polen zu, während die unteren Polar- Strömungen durch herbey- geführte trocknere und kältere Luftschichten die auf- steigenden Luftsäulen beständig ersetzen. Durch dies anhaltende Spiel zwey entgegengesetzter Strömungen wird die Feuchtigkeit, weit entfernt, sich in der Aequa- torial - Region anzuhäufen , vielmehr den l-.alten und temperirten Regionen zugeführt. Während dieser Zeit der Nord-Ostwinde, wo die Sonnein den mitläglichen Zeichen ist, bleibt der Himmel in der nördlichen Ae- quinoctial-Zone stels heiter. Die bläschenartigen Dün- ste verdicken sich nicht, weil die beständig erneuerte Luft von ihrem Sättigungs - Punct weit entfernt ist. Nach Mafsgabe wie die Sonne beym Eintritt in die mit- ternächtlichen Zeichen sich gegen das Zenith erhebt, fängt die Nord-Ost-Brise sich zu legen an, bis sie nach vmd nach gänzlich aufhört. Die Verschiedenheit der Temperatur zwischen den Wendekreisen und der ge- mäfsigten nördlichen Zone ist alsdann die möglichst kleine. Es ist diefs der Sommer des Nordpols 5 und wenn die mittlere Temperatur des Winters unter den 42° und 52° nördlicher Breite um 20° bis 26° des hun- derttheiligcn Thermometers geringer ist, als die Aequa- to Kapitel XVIIL 353 torial-Hitze^ so beträgst dieser Unlorscliied im Sommer haum 4° bis 6°. Wenn die Sonne im Zenitli stellt und die Brise sich fi^elegt hat, werden die Ursachen, welche die Feuchtigkeit begründen und dieselbe in der nördli- chen Aequinoclial-Zone anhäufen, gleichzoitig wirksa- mer. Die Luftsäule, die anf dieser Zone ruht, sättigt sich mit Dünsten , weil sie durch die Polar- Strömung nicht mehr erneuert wird. Die Wolken bilden sich in dieser gesättigten und durch die Tereinbarten Wirkun- gen der Strahlung und der Ausdehnung der aufsteigen- den Luft erkälteten Atmosphäre. In dem Verhältnifs ihrer V erdünnung wird die Capacität der Luft für die Wärme gröfser. Mit der Bildung und Gruppirung der bläschenartigen Dünste häuft sich die Electricität in den oberen Hegionen der Atmosphäre an. Die Nieder- schläge der Dünste sind den Tag über andauernd. Sie hören die Nacht durch auf, öfters schon mit dem Un- tergang der Sonne. Die Regengüsse erfolgen regelmäs- sig am stärksten und mit electrischen Explosionen be- gleitet, kurze Zeit nach dem IXlaximum der Tages- wärrne. Dieser Zustand bleibt unverändert, bis die Sonne in die mittäglichen Zeichen tritt. Damit fängt in der nördlichen gemäfsigten Zone die Kälte an. Von da an beginnt auch die Strömung des Nordpols wieder neuerdings, weil der Unterschied der Wärme zwischen der Aequinoctial- und der gemäfsigten Region von Tag zu Tag gröfser wird. Die Nord- Ost -Brise weht kräf- tig, die Luft der Tropenländer erneuert sich nicht, und sie mag den Sättigungspunct nicht mehr erreichen. Der Regen fällt demnacli auch nicht länger, der bläs- chenartige Dunst löst sich auf, und der Himmel erhält neuerdings seine Reinheit und seine azurne Färbung. Electrische Explosionen finden jetzt keine mehr statt, ohne Zweifel darum, weil die Electricität in den höhe- ^Ux. V. Ilnwho'da hist. Btistn III 23 35:^ Buch VI. ren Luft Rogionen jene Gruppen bläschenartiger Dün- ste, ich möchte fast sagen, jene Nebelhüllen, worauf die FJüssigl;ionen hegleitet werden, und als wahre Stof:-winde, ein Zurückschlagen, eine schnelle und plötzliche Störung des Gleichgewichts im Luft-Ocean darlhun. Wir haben hier eine der wichtigsten Erscheinun« gen der Meteorologie der Tropenländer in ihrer gröfs- fen Allgemeinheit betrachtet. So wie die Grenzen der der üicifscn Zone, gegen den Wendekreis des Krebses, dei* Unterschied auf ö'' und 9" ansteigt, *) In Leyden gemäfsiglcn Zonen verliert die Luft ihre Durch- sichtigkeil . so oft der Wind vom ungleichiuimigeii Pole her weht, das will sagen, von dem Pole, dessen IName mit der Haihktijfel. worin der Wind Verspiirt wird, nicht gleichen Na- men iVilnf. 350 B u c h VI. regelmäfsigen Winde {vents alises') keine Parallelkreise mit dein Aequator bilden *), so stellt sicli auch die Wir- kung der Polar- Strömungen unter verschiedenen Meri- dianen ungleich dar. In der nämlichen Halbkugel ha- ben die Bergketten und das Küstenland öfters entgegen- gesetzte Jahrszeiten. Wir werden in der Folge Anlafs finden, mehrere Beyspiele solcher Anomalien anzufüh- ren j um aber die Naturgesetze zu ergründen, mufs, bevor die Ursachen der örtlichen Störungen erforscht werden, das Durchschnitt - Verhältnifs der Atmospliäre und der beständige Typus ihrer Abweichungen ge- kannt seyn. Die Gestaltung des Himmels, der Gang der Elec- tricität und der Schlagregen am 28. März verkündigten den Eintritt der Regenzeit: inzwischen ward uns an- noch gerathen, von San Fernando de Apure durch San Francisco de Capannparo über den Kio Sinaruco und den Ilato von San Antonio, das erst kürzlich naho an den Ufern der Meta errichtete Dorf der Otomakera zu erreichen, tmd uns etwas oberhalb Carichana auf dem Orenoko einzuschilfen. Dieser Landweg geht durch ein ungesundes und fiebriges Land, Ein alter Pächter, Don P'rancisco Sanchez, bot sich uns gefällig zum Führer an, teine Kleidung verrieth die grofse Sitten- Einfalt, welche in diesen fernen Ländern herr- schet. Er besafs über 100,000 Piaster im Vermögen^ und stieg jedoch mit nackten Füfsen und mit grofseni silbernen Spornen zu Pferde. Da wir aus einer Erfah- rung mehrerer Wochen die traurige Einförmigkeit der Vegetation der L,larios sattsam kannten, so zogen wir den längeren Weg auf dem Kio Apure zum Orenok» *j Siehe oben, Th. I, Kap. 3, S. 297, 358, und mein Memoirs sur les lignes isochermes, p. 114. Kapitel XVIIL 35? vor. Wir uälilten dafür eine der sehr breiten PIrogen, welche die Spanier lanchas lieifsen. Ein Steuer- mann *) und vier Indianer reichten für die Bedienung des Fahrzeuges hin. Im Hintertheil desselben ward, in ctliclien Stunden , eine mit Corypha- Blättern bedeckte Hütte errichtet, die geräumig genug war, um einen Tisch und Bänke zu fassen. Diese bostund(>n aus stark ausgespannten und auf eine Art Hahmen von antillischeni Brasilienholz genagelten Ochsenhäuten **}. Ich führe diese kleinliciien^Umstände hier &n, um darzuthunj dafs unsere Lage auf dem Rio Apure von derjenigen sehr Terschieden war, auf die wir in den schmalen Kähnen des ürenoko beschränkt waren. Die Piroge ward mit Lehensmitteln für einen Monat versehen. In San Fer- nando sind Hübner, Byer, Pisangfrüchte, Maniocca- mehl und Cacao im Ueberflufs zu haben. Der gütige Kapuziner- Pater ***) vei'sah uns mit Xerez- Wein, mit Oraniren und Tamarinden- Frücliten, um kühlende Li- xnonaden zubereiten. Wir konnten voraussehen, dafs ein aus Palmblättern verfertigtes Dach sich in einem breiten Flufsbette, wo man fast immer den senkrechten Sonnenstrahlen ausgesetzt ist, ungemein erhitzen werde. Die Indianer rechneten weniger auf die von uns ange- ltauften Lehensmittel, als auf ihre Angel und Garne. Wir nahmen auch einige Schiefsge wehre mit, welche •) El patron, **) Wir bezahlten fiir die Fahrt von San Fernando de ipure nach Carichana am Orenoko Cacht Tagreisen Entfernung), zehn Piaster für die lancha , und darüberhin den Taglohn, welcher einen halben Piaster oder 4 Realen für den Steuer- mann , und zwey Piealen für jeden der indianischen Ruderer beträgt. '*) Fray Jose Maria de Malaga. 35S Buch VI. bis in die Gebend der Cataracten ziemlich alh;einein ffe- braucht werden 5 wogegen mehr südwärts die ungentein starke Feuchtigkeit der Liuft den Missionarien den Ge- brauch der Flinten untersagt. Der Hio Apure nährt Die Miiscular-Zusammen/iohung (die Entladung des INervs in den Muskel) wird von einer chyniischen Veränderung der Bcstanddieile Jbegleitcl. Der Sauerslofl' des arteriellen Blutes wird absorbirt, und während dieser Einsaugung schwärzt und verkühlt sich die Muskeliieber. **) Ich habe mittelst Meridian Höhen des a >'<>'" Hrouze am Siidhinimel, die Breite der iStndt San Fernando de Apiire (Wohnung des Missionars) 7" 55 12" gefunden {Obs. asbr.^ Tom. 1, {>. 2 1Ö). Die chronometrische Länge war 70" 21' lo", die IncJination der M.Tgnelnadel 36", 71 (hunderlth. Scale). Die Intensität der magnetischen Kri.fte zeigte, wie in CalaliQzo, 222 Schwingungen in z.clin Minuten Zeit. Der IS.Tine von San Fernando ist auf den neueren (Jhailen noch nicht zn iinden , xum ße^.spiel auf den schönen (Jliarten der Herren Arrovvsmilh und ßrue. oh ich gleich vor zwölf Jah- ren schon in dem Conspectus iongitudinurn et lutiludinum Fl a p i t e f Xrilf. 359 3o. März um 4 Uhr Abends, bey tingomein grofser Hitze 5 der Wärmeniesser stieg im ScI.atten, des sehr heftigen Süd- Ostwindes unerachtet, auf 34°. ßey die- sem Gegenwind konnten dio Segel nicht aufgezogen werden. Wir wurden während dieser ganzen P»i,ise auf den» Apure^ dem Urenoko und dem Rio INegro, von dem Sc!iwas:er des Stattliallers der Provinz, Varinas, Don ISicolas Sotto, begleitet, welcher kürzlich von Ca- dix einffetroHen war und eine Kei^e nach San Fernando r genjacht hatte. Um die der riulmerksamkeit eines Euro- päers so sehr würdige Landschaft kennen zu lernen, stund er nicht an, sich in unsrer Gesellschaft 74 Ts^ge durch in einen engen mit ]Mosqiiito.s angefüllten Kahn zu verschliefsen. Sein liebenswürdiger Geist und sein munterer Character haben uns öfters die Beschwerden einer nicht allezeit gefahrlosen Schiffahrt vergessen ge- maclit. Wir kamen bey der Mündung des Apurito und längs der gleichnamigen, vom Apure und Guarico ge- bildeten Insel vorbey. üs ist dies Eiland eigentlich nur ein sehr niedriges Erdreich, das von zwey grofsen Flüs- sen eingefafst wird, die sich beyde in kleiner Entfer- nung von einander, und nachdem sie sich unterhalb San Fernando durch eine erste Gabelthcilung des Apure ver- einigt hatten, in den Orenoko ergiefsen. Die Isla del Apurito ist 22 Meilen lang und 2 bis 3 Meilen breit. Sie wild durch den Canno de la Tigrera und den Canno del Manati in drey Stücke abgetheilt, wovon die zwey Endtheile die Namen Islas de ßlanco und de las Garzi- tas heifsen. Ich verweile bey diesen Angaben ^ weil auf allen bisher erschienenen Charten der Lau! und die Verflechtunü^en tler Flüsse zwischen dem Guarjco Americae aequinoctialls die astionoim'sclie Tage des^elhen bekannt gemacht habe. 36o Buch Vi und dem Mela -'), auf die seltsamste Weise entstellt sind. Unterhalb dem Apurito ist das rechte Ufer des Apui'e etwas besser angebaut als das linke , \vo die Ya- ruros- (oder Japuin-) Indianer aus Rohren und Palniblät- tersten^eln einige Hütten erbaut haben. Sie leben von der Jagd und vom Fischfang ; und weil sie die Jaguare mit vieler Geschicklichkeit erlegen, so sind sie es vor- züglich, welche ihre, in Europa unter dem Namen der Tigerfelle bekannten, Häute in die spanischen Dürfet bringen. Die einen dieser Indianer sind getauft; sie besuclien jedoch die christlichen Kirchen niemals. Sie werden als Wilde angesehen, weil sie unabhängig blei- ben wollen. Andere Stämme der Yaruros leben unter der Herrschaft der Missionarien, im Dorfe Achaguas, südwärts vom Rio Payara. Die Individaen dieser Na- tion, die ich am Orenoko zu sehen Gelegenheit hatte, be- sitzen; einige Züge der Physiognomie, welche irriger Weise die tartarische genennt wird, und die einem der Stämme von mongolischer Race angehört. Ihr Blick ist ernst, die Augen hervorstehend, die Backenbeine, vorzüglich aber die Nase, der ganzen Länge nach sehr vorragend. Sie sind von gröfserer Statur, dunkler braun gefiirbt und weniger untersetzt, als die Chaymas- Indianer. Die Missionarien rühmen die Geistes- Anla- gen der Yaruros, welche vormals ein mächtiges und zahlreiches Volk an den Gestaden des Orenoko, zumal in der Gegend von Caycara, unterhalb der Mündung des Guarico gewesen sind. Wir übernachteten im Dia- mattte , einer kleinen Zuckerrohr- Pflanzung, die der Insel dieses Namens gegenüber liegt. Während der ganzen Heise von San Fernando nach San Carlos de Rio Negro und von da bis in die Stadt *) Siehe meinen Atlas geogr. , PJ. XVIII. Kapitel XFIII. 36i Angoslura, war icli heflissen, Tag für Tag, entweder zu Scliilfe oder im Nachtlagor, alles Bemerkensn ertlie aufzuschreiben. Heftiger Kogen und die ungeheure Menge der IMosqmi.os , von denen die Luft an den Ge- staden des Orenoko und des (>assiquiare wimmelt, mufs- ton unvermeidliche Lücken in diese Arbeit bringen. Ich habe dieselben wenige Tage nachher ausgefüllt. Die folgenden Blätter sind Auszug meines Tagebuchs. Alles was im Angesicht der Dinge selbst, die man schil- dern will, geschrieben ist, trägt einen Character von Wahrheit (ich möchte sage^h von Individualität^», wel- cher auch den unwichtigsten Dingen Reiz verleiht. Zu Vermeidung unnutzer Wiederholungen habe ich dem Tagebuch mitunter Angaben beygefügt, die mir später erst über die darin behandelten Gegenstände zugekom- men sind. Je grüfser und imposanter sich die Natur in den von unermefslichen Strömen durchzogenen Wäl- dern darstellt, desto mehr müssen die Naturgemäldo dem einfachen Character treu bleiben, welcher das vor- züglichste und öfters einzige Verdienst der ersten Ent- würfe ist. Am 3i« März wurden wir durch widrigen Wind bis Mittag am Gestade zurüclgänge geöffnet, aus denen sie am Strome zu trinken hervorkommen. Weil die«e wilden Thiere die INähe eines Kahnes nur wenig scheuen, so hat man alsdann das Vergnügen, sie geraume Zeit länüTS dem Ufer hinstreichen 7,n sehen, ehe sie durch eine der hin und wieder im Gebüsch vorliandenen Oeff- nungei^ im Walde verschwinden. Ich gestehe gern, dafs dieser Anblick auch nach öfterer ^Viederholung allezeit "j Hennesia castancifolia. Es isl eine neue , dir Alcliornea von Swarz verwandte Gattung. ( Siehe unsere tluntes iquin.'x.., Toni. I, p. i65 , PI. XLVI). h a p i t e l XVIII. 363 nn^piniMii an/ieliond für mich geblieben ist. Das Ver- gnügen, welches inan flabey fühlt, berulit nicht nur auf der Theilnahme, die dor Naturforscher an den \ or- würfen seiner Untersuchungen nimmt; es geht d.isseli)e aus einem riefühh; hervor, das allen in den Gevvöhnxin- gen civilisirler Völker erlogenen Menschen gemeinsam ist. Man sieht sich in Berührung mit einer neuen Welt, mit einer wilden und ungczähmten Natur. Bald i?t es der Jaguar, das schöne americanische Panterthier, das sich am Flufsgestade zeij^t; bald erscheint der Hocco '■•) mit schwarzem Gefieder und hehaubtem Kopf, längs dem Sanso langsam einherschreitend. Thiere der ver- schiedensten Classen folgen eines dem andern. ,,Es corno eil el Paraiso^' **), sagte unser Steuermann, ein alter Indianer aus den Missionen. Wirklich erinnert hier alles an jenen Ur Zustand der Welt, dessen Unschuld und Glück durch alle und ehrwürdige Ueberlieferungen allen Völkern verkündet sind; bey sorgfältiger Beach- tung der Verhältnisse der Thiere zu einander, nimmt man indefs bald wahr, dafs sie sich gegenseitig fliehen und ßijrchten. Das goldene Zeitalter ist verschwunden, und in- diesem Paradies der americanischen Wälder hat, wie überall, eine lange und traurige Erfahrung allen Geschöpfen den Beweis geliefert, dafs Milde und Stärke nur sehen vereinbart gefunden werden. Wo das flache Ufer eine bedeutende Breite hat, da stehen die L5rt^^i^o - Hecken vom Strome entfernt. Das Zwi-^chenland dient den Crocodilen zum Aufenthalt, und man sieht nicht selten acht bis zehn derselben auf dem Sande gelagert. In unbewegliclier Stellung und mit rechtyvinklicht geöffneten Kinnladen ruhen sie ne- *» Crax alector, C. Pauxi. **j ,,Es ist wie im Paradiese." 364 ^ Buch VI. beneinander hingestreckt, ohne sich irgftnd einos jener Zeichen freuiuUicher Zuneigung zu ertheilen, die man bey tnndern gesellig lebenden Thieren wahrnimmt. Die Truppe geht ausi^inander, sobald sie das Ufer i'erläfst. Es ist indefs wahrscheinlich, dafs sie aus einem einzigen männlichen und vielen weiblichen Thieren besteht; denn wie dies Hr. Decourtils, welcher die Crocodile von Saint- Domingue sorgfaltig erforscht hat, «chon vor mir beobachtete. Jis sind die männlichen Thiere ziem- lich selten, weil sie zur Zeit ihrer Brunst sich einander be- lU gewesen. Die Indianer versicherten, in San Fernando vergehe selten ein Jahr, wo nicht zwey oder drev erwachsene Personen^, meist Weiher, die a?n. Strome Wasser schöpfen, diesen flelsclifressenden Eidech- sen zur Beule werden. IVlan erzählte uns die Geschichte eines Mädchens aus Uritncu, das sich mit aulserordent- licher Geistesgegenwart und Unersclirocl Mungo- Parks ItuC Mission lo ^frica^ iöi5, png ^9 Kapitel XVIII. 367 ihnen beym Stroinabwärtssclnvimnien das schnelle Um- drehen schwer wird. Ein grofserHund, welcher auf der Heise von Caracas an den Rio Negro unser Begleiter war, sah sich einst schwimmend von einem sehr grolsen Crocodil verfolgt^ und moclile seinem Feind nur da- durch entgehen, dals er sicli schnell umwandte und stromaufwärts scliwainm. Das Crocodil machte nun zwar d^t" gleiche Bewegung, aber viel langsamer als der Hund, welcher glücklich das Ufer erreichte. Die Crocodile vom Apure- Strom finden eine reich- liche ISahrung in den Chigaire's ■') (den Wassersclnvei- nen der Naturforscher), welche in Heerden von 5o bis 60 Stück am Stromufer leben. Diese unglücklichen 1 hiore, von der Gr^fse unserer Schweine, besitzen kei- ne Watfe, mit der sie sich vertheidigen könnten : sie schwimmen etwas besser als sie laufen. Indefs werden sie im Wasser ein Kaub der Crocodile , und auf dem festen Land eine Beute der Tiger. Man begreift kaum, wie es müglich ist, dafs sie, von zwey so mächtigen Fein- den verfolgt, dennoch in so grofser Zahl vorkommen j aber sie ptlanzen sich eben so schnell fort, als die (jO- bayas oder Meerschweinchen, die wir aus Brasilien er- halten haben. Unterhalb der Mündung des Cauno de !a Tigrera, in einer Bucht, die f^iielta de Joval heifst, hielten uir *) Cavia Capybara , Lin. Das Wort Chiguire gehört der Pa- Icnken - und Cumanagoten - Sprache an. C^ieJ^e oben Th. 2, Kap. 9, S. 241.). Die Spanier nennen das Thier Guur- dcUinaja y die Cariben Catigua^ die Tamanaken Cappiva. die Maypuren Chiato. IVach Azzara giebt man ihm in Bue- nos A^res die indianischen IN amen Capijgua und Capiguara. Diese verscliiedenen INamen bieten eine auffallenUe Arhnl;rh- keit zwischen den Sprachen vom Orenoko und denjenigen vom 2iiQ de Ja PJata dar. 36S B u e h VI. an, um die Sclitielligkeit des Wassers auf seiner Ober- fläche zu messen, sie betruj^ niclit mehr als 3;) 2 Fufs *) iii der Secunde, was 2, 56 Fufs mittlererer Schnelle giebt. Die harometrischen Höhen , mit Berücksichti- gung dffr kleinen Stunden- Variationen, zeigten höch- stens einen Fall von 17 Zoll auf die Meile (von 950 Toi- Sen). Die Schnellit»keit ist ein gleichzeitiges Ergebnifs der Senkung des Bodens untl der Ansammlung der Ge- wässer durch das Steigen in den höher gelegnen Thei- len des Stroms. Wir sahen uns nochmals von den Chi- guires umgeben, welchc;, Kopf und Hals über dem Was- ser emportragend _, wie Hunde schwimmen. Am ge- genüberliegenden Ufer erblickten wir mit Befremdea ein grofses Crocodil, unbeweglich und schlafend, mit- ten unter diesen Nagthieren. Bey der Annäherung un- serer Piroge erwachte es und bewegte sich hierauf lang- sam dem Strome zu, ohne dafs die CJiignire's scheu wurden. Unsere Indianer erklärten diese 01eicl)ijüllior- keit aus der Dummheit des Thiers j es ist jedoch wahr- scheinlicher, dafs die Chiguires aus langer Erfalirung wissen, das Crocodil vom Apure und vom Orenoko greife auf dem Land nicht an, wofern der Gegenstand seines Raubes sich nicht unmittelbar am Wege findet, wenn es dem Wasser zugeht. In der Nähe von Joval erhält die Landschaft einen imposanten und wilden Ciiaracter. Hier sahen wir auch den grüfsten Tiger, der uns noch vorgekommen war. Selbst die Landes -Eingebornen waren über seine ganz , aus- *) Zu Ausmittiung der Schnelligkeit derStröme auf ihrer Was- serflache hahe ich gewöhnlich am Ufer eine Länge von 2S0 Fufs gemessen, und &xii Chronometer die Zeit bezeichnet, welche ein dem Strom liherlassener schwimmender Körper brauchte , um den nämlichen Raum zu durchlaufen. Kapitel XVIII. 369 aufserordentliche Länge erstaunt 5 sie übertraf'diejenliie ftllor indianischen Tiger, welche ich je in den europäi- sch»n Menagerien gesehen habe. Das Thier lag im Schalten eines grolsen Zamctui:^ '-') hingestreckt. Es halte eben erst ein Chigiiire erlegt, seinen Raub aber noch nicht vorzehrt, sondern eine seiner Tatzen stützte sich darauf. Die Zmnnros , eine Art Geyer, welche wir weiter oben mit den Percnopteres von Unter- Egyp' ten verglichen haben, hatten sich haufenweise versam- melt, um, was vom Mahle des Jaguars übrig bleiben würde, zu verzehren. Durch eine seltsame Mischung von Kühnheit und Furchtsamkeit gewährten sie uns ein anziehendes Schauspiel. Sie näherten sich bis auf zvvey Fufs dem Jaguar, aber die mindeste Bewegung dessel- ben schreckte sie zurück. Um die Neigungen dieser Tliiere in der Nähe zu beobachten, setzten wir uns in den kleinen Kahn, der unsere Firoge begleitete. Es ge- schieht höchst selten, dafs der Tiger Kähne angreift, wel- che er schwimmend erreichen kann, und er thut dies einzig nur, wenn andauernder' Nahrungsmangel seine \Yildhcit gesteigert hat. Das vom Schlagen unsrer Hu- der verursachte Geräusch bewog das Thier, langsaxn von seinem Lager aufzustehen und sich hinter Aen Sauso- Gebüschen, die das Ufer einfassen, zu verbergen. Die Geyer wollten diesen Augenblick benutzen, um das Chi- gulre zu verschlingen. Allein der Tiger sprang, der Nähe unsers Kahns unerachtet, mitten unter sie, und trug in einem Anfall von Zorn, welchen die Geberden und die Bewegung des Schwanzes auszudrücken schie- nen, seinen Haub in den Wald. Die Indianer bedauer- ten, ihre Lanzen nicht bey sich zu haben, um landen und den Tiger verfolgen zu können. Sie sind an dies» *) Eine Art der Münos?. Alex. ». Humboldts hist. fieistn. HI-. 2^ 370 Buch VI. Waffe gewöhnt, und sie hatten recht , sich auf unsere Flinten niciit zu verlassen, welche in einer so ausneh- mend feuchten Luft öfters den Schufs versagten. Weiter unten am Strome trafen wir die grofse Heer- de der Chiguire an, welche der Tiger in die Flucht ge- jagt und aus der er seine Beule geholt hatte. Diese Thiere salien unserer Landung ruhig zu. Einige waren gelagert und liatten ihre Blicke auf uns geheftet, wäh- rend sie, nach Art der Kaninchen, die Oherlippe beweg- ten. Den Menschen schienen sie nicht zu fürchten, aber der Anblick unsers grofr^en Hundes jagte sie aus- einander. Weil ihr Hinterbug höher ist, so laufen sie im kurzen Galopp, aber so langsam, dafs wir zwey derselben fangen konnten. Das Chiguire , welches mit der gröfsten Behendigkeit schwimmt, stufst im Laufen kleine Seufzer aus, wie von gehemmtem Athemholen. Es ist das gröfste Thier aus der Familie der JNagerj es vertheidigt sich nur im äufsersten Nothfall, wenn es gefangen und verletzt ist. Weil seine Backenzähne *), vorzüglich die hintern, ungemein stark und ziemlich lang sind, so kann es durch seinen Bifs die Tatze eines Tigers oder das Bein eines Pferdes verwunden. Sein Fleisch hat einen ziemlich unangenehmen Bisamgeruch. Es werden jedoch im Lande Sciiinken daraus bereitet, und es kann dies gevvissermafsen den Namen J^Vasser- Schwein rechtfertigen, welchen einige ältere Naturfor- *} Wir haben auf jeder vScile 18 Scheidewände C'ames) gezählt. An den Hinlertüfsen, oben awi Milteiknochen, findet sich eine Schwiele, 3 Zoll lang und l Zoll breit, die unbehaart ist. Be^m Sitzen ruht das Thier auf diesem Theil. Ein aus- wärts sichtbarer Schwanz ist nicht vorhanden ; biegt man aber die Haare zurück, so nimmt man einen Hübcl wahr, eine nackte runzlige Fleischmasse, von kegelförmiger Ge- staltung und einen halben Zoll lans. H a p { t e I XVIII. ' 371 scher dpin Chiguire ertlieilt liaben. Die Mi^sionarien- Möüclie machen sich kein Bodenken , während der Fa- stenzeit von diesen Schinken zu speisen. Ihrem zoolo- gischen Systeme zufolge komiiien das Gnrtellhier (Ta- tou), da^ (hionire und die Seekuh (Lamantin) nehen die Scinifllu'vile zu stehen 5 das erste, weil es mit einer har- ten Decke, einer Art Schale versehen ist, die zw ey an- dern, weil j^ie Ampi ihien sind. An den Gestaden der Ströme Santo Domingo, Apuie und Arauca, in den Sümpfen und üherschwemmlen Savanen der Lilanos *) kommen die (yhiguires in solcher Menge vor, dafs die Viehweiden darunter leiden. Sie verzehren das Kraut, von dem die Pferde am leichtesten fett werden, und das den jNauien Chignirero (Kraut des Chiguire) führt. Sie nähren sich hinwieder auch von Fischen, und wir sahen mit Erstaunen, wie das Thier, durch einen annähernden Kalm geschreckt, heym Eintauchen acht his zehn Mi- nuten unter dem Wasser hlieb. Die Nacht brachten wir, wie allezeit, tmter freyem Himmel zu, obgleich in einer Pßanuing , deren Be- sitzer sich mit der Tigerjagd abgab. 'Er war beynahe vüllio- nackt und braunschwär/lich wie ein Zambo. was ihn aber keineswegs hinderte, sich zur Caste der weissen Menschen zu zählen. Seine Frau und seine Tochtei", die eben so nackt wie er selbst giengen, nannte er Donna l«abela und Donna Manuela. Obgleich er nie die Gestade des Apure verlassen hatte, äufserte er eine lebhafte Theilnahme ,,an den Neuigkeiten aus Ma- drit, an den immerwährenden Kriegen und an all* den Dingen von dort unten (todas las cosas de allä).'^' Er wufsle, dafs der König von Spanien bald zum hesuch *) Nahe bey Urifucu, im Canno dcl RavanaJ., sahen v.ir ein«. Heerde von 80 bis loo Stücke». 3/2 Buch FL y,dev Herrlidikeiten der Landschaft Caracas^' kommen würde; inzwischen setzte er scherzhaft hinzu, ,,\veil die Hofleute nur Weizcnbrod essen, so dürften sie wohl nie Aveiter als bis in die Stadt Victoria kommen, und hier zu Land werde man von ilinen nichts sehen." Icli hatte ein CJiigiiire mitgebracht, und wollte dasselbe braten lassen; tinser Wirth aber behauptete, nos ostros cavel- leros blancos, weifte L/aute wie er und ich wären nicht gemacht, um „indianisches Wild^^ zu speisen; er bot uns einen Hirsch an , welchen er Tags zuvor mit einem Pfeile erlegt hatte, denn Pulver und Schiefsgewehr be- safs er nicht. Wir vermutheten, ein nahes Pisangwäldchen berge die Hütte der Meyerey; es fand sich aber, dafs dieser auf seinen Adel und seine Hautfarbe so stolze Mann sich die Mühe nicht gegeben hatte, aus Palmblättern einen Schoppen zu errichten. Wir wurden eingeladen, unsere Hängematten neben die seinen, zwischen zwey Bäumen aufzuhängen; beynebens versicherte er, mit einiger Selbstzufriedenheit, wir würden, wenn wir wäh- rend der Regenzeil zurück reisten, ihn unter Dache '") finden. Wir kamen bald in den Fall, die Nachtheile einer, der Trägheit so günstigen und den Menschen für die Bequemlichkeiten des Lebens gleichgültig- ma- chenden Philosophie inne zu werden. Wach Mitter- nacht erhob sich ein heftiger Sturmwind, Blitze durch- zogen den Horizont, der Donner rollte, und wir wurden bis auf die Haut durchnäfst. Während des Gewitters ergab sich ein seltsamer Zufall, der uns einen Augen- blick erlustigte. Die Katze der Donna Isabela hatte sich ihr Nachtlager auf dem Tamarindenbaum gewählt, unter dem wir bivvackten. Sie fiel in die Hängematt» *) Baxo techo. 11 a p i t e l XVIII. 3?3 eines unsrer Begleiter herab, vvelclier, von flen Klauen der Katze ^'erletzt und aus iiei'em Schlaf aufgeweckt, sich von einem wilden Thier überfallen glaubte. Wir eilten auf sein Geschrey herbey, und konnten ihn nur mit Miihe A^on dem Irrthume überzeugen. Während der Hegen in Strömen auf unsere Hängematten und auf die ans Land gebrachten Instrumente niederfiel, be- glückwünschte uns Don Ignacio, dafs wir, statt am Ge- stade zu übernachten, uns auf seinem Gute befänden und in Gesellschaft weifser Menschen von Stande, „en- ire gente blanca y de trato." Durchnäfst wie wir wa- ren, fiel es uns schwer, die Vortheile dieser Lage ein- zusehen, und wir hurten nur mit einiger Ungeduld der langen Erzählung zu, die uns unser Wirth von sei- nem vorgeblichen Kriegerzug an den Rio Meta machte, von der Tapferkeit, welche er in einem blutigen Ge- fecht mit den Guahibos- Indianern erwiesen, und „von den, durch Wegnahme von Kindern C^os Indiecitos'), die er aus der elterlichen Heimath in die Missionen brachte, Gott und seinem König geleisteten Diensten/' Welch eine seltsame Erscheinung in dieser unermefsli- chen Einöde , alle eitlen Anmafsungen, jedes erbliche Vorurtheil und alle Verkehrtheiten einer alten Civilisa- tion bey einem Manne anzutrefi'en , der von europäi- scher Herkunft zu seyn glaubt, und aufser dem Schat- ten eines Baumes kein anderes Obdach besitzt. Am 1. April bey Sonnenaufgang verabschiedeten •wir uns vom Sennor Don Ignacio und von der Sennora Donna Isabela, seiner Gemahlin. Die Luft war abge- kühlt, und der Thermometer, der meist den Tag über 3o° bis 35° zeigte, war auf 24° gesunken. Die Tem- peratur des Flusses wechselte nur wenige sie blieb sich immer gleich zwischen 26° und 27°. Eine Menge 374 Buch PI, Baumstämme schwammen den Strom herab. Man sollte denken^ in einem ganz flachen Lande, wo das Auge nirgends den kleinsten Hügel entdeckt, liülte sich der Fluis , durch die Gewalt seiner Strüniung, einen Ca- nal in gerader Richtung gegraben. Ein Blick auf die pharte, die ich durch Aufnehmen mit der ßoussole ge- zeichnet habe, bezeugt das Gegentheil. Die beyden vom Wasser angegriffnen Ufer setzen ungleichen Wi- derstand entgegen, und fast unmerkliche Unebenheiten der Oberfläche reichen liin, um grofse Krümmungen zu veranlassen. Unterhalb dem JovuL jedoch, wo das Flufsbelt sich einigermafsen erweitert, bildet dasselbe einen Canal, der völlig nach der Schnur gezogen scheint, und zu beyden Seiten von sehr hohen Bäumen beschattet wird. Diese Abtheilung des Stromes wird Caniio ricco genannt 5 ihre Breite betrug i36 Toisen. Wir kamen bey einem flachen Eilande vorbey, das von unzählbaren Flamingos, rosenfarbigen Löfl'elreihern, Fischreihern und Wasserhühnern bevölkert war, deren Gefieder das bunteste Farbenspiel darbot. Diese Vögel fanden sich dermalsen dicht zusammengedrängt, dafs es schien, als könnten sie sich kaum bewegen. Das von ihnen bewohnte Eiland lioifst Isla de Aves. Weiter unten kamen wir bey der Stelle vorbey, an welcher der Apure einen Arm (den Rio Arichuna) dem CabuUare sendet und dadurch eine beträchtliche Wasserniasse ver- liert. Wir hielten am rechten Ufer, bey einer kleinen indischen Mission an, die von einem Stamme der GuU' mos bewohnt wird. Sie bestand nur noch in i6 bis 1^ aus Pahnbaunxbiältcrn erbauten Hütten; in den statisti- schen Tabellen aber, welche von den Missionarien dem Hof jährlich eingereicht werden, führen diese beysam- men stehenden Hütten den Namen der DorJ'schaJt von Santa Barbara de Arichuna. Kapitel XFIII. 375 Die Gnamos'^ sind ein Indianer- Stamm, der nicht leicht an bieibeiide W ohnstätlen gewöhnt werden mag« Ihi'e Lebensweise hat viel AtJinlichkeil Jiiit den Sitten der yicliagnas , der Giiajihos **) und der Otomaco.v, denen sie an Unreinlichkeit^ Kachsucht und in der Wei- sung zum Herumstreichen vollkommen gleich stehen 5 ihre Sprache hingegen ist wesfutlicli vtn-schiedcn. Die grofse Mehrzahl dieser vier Stämme nährt sich mit Fi- scherey und Jagd in den öfters überschwemmten, zwi- schen dem Apuro, dem Meta und dem Guaviare gele- genen Ebenen. Die Beschaifenheit des Landes selbst acheint das unstete Leben seiner Bewohner zu veranlas- sen. Wir werden bald sehen, dafs beym Eintritt in das Gebirge der Cataracten vom Orenoko unter den Pi- raoas , den Macos und den Maquiritares mildere Sitten, Neigung zum Landbau und eine grofse Rein- lichkeit im Innern der Hütten angetroffen wird. Auf dem Kücken der Berge, mitten in dichten Wäldern ist der Mensch genöthigt^ ein kleines Stück Erdreich an- zubauen und darauf sein Obdach zu suchen. Dieser Anbau erheischt nur geringe Anstrengung, während in einer Landschaft, worin Flüsse die einzigen Strafsen bilden, die Lebensart des Jägers schwierig und müh- sam ist. Die Guamos der Mission von Santa Barbara konnten uns die Vorräthe, welche wir wünschten, nicht geben. Sie pflanzen nur etwas Maniocj übrigens schie- nen sie gastfreundlich zu seyn, und als wir in ihre Hüt- ten traten, wurden uns gedörrte Fische nnd Wasser (in ihrer Sj)rac:ie cuh^ angeboten. Das Wasser war in po- rösen Gefäfben abgekühlt. *) Der Pater Gili hehauptel , ihr indischer IVamc sey Uanut und Fau^ und sie haben ursprünglicl» am obcrn Ainpure gewohnt. **) Ihr indischer !S"anie ist Guaii'a (auszuspreclien Guahii'o). 37^? Buch VI. UnterLaib Viielta del Cochino roto, an einer Stelle, wo der Strom sich ein neues Bett gegraben hatte, brach- ten wir die Nacht am unfruchtbaren und sehr ausgedehnt flachen Gestade zu. Die dichte Waldunsr war so iinzu- gänglich j dafs wir die gröfste Mühe hatten, trockneg Holz zum Anzünden der Feuer zu erhalten, in deren Nähe die Indianer sich gegen die nächtlichen Angriffe des Tigers gesichert glauben. Unsere eigne Erfahrung scheint diese Meinung zu unterstützen ; Hr. Azara hin- gegen meWet, zu seiner Zeit und in Paraguay habe ein Tiger einen Manschen, welcher bey einem in der Sa- vane angezündeten Feuer safs, überfallen und fortge- schleppt. Die Nacht war still und heiter, bey schönem Mond- schein. Die Crocodile lagen am Ufer hingestreckt. Sie hatten sich also gelagert, dafs sie in's Feuer schauen konnten. Wir haben zu bemerken geglaubt, dafs sein Glanz dieselben eben so mächtig anzieht, wie die Fische, die Krebse und andere Bewohner des Wassers. Di»,^ In- dianer zeigten uns im Sand die Tritte von drey Tigern, unter denen zwey noch ganz junge. Ohne Zweifel war es ein weibliches Thier, das seine Jungen zur Tränke an den Strom geführt hatte. Weil nirgends l^ein Baum zu finden war, liefsen wir unsere Huder in die Erde stecken , um die Hängematten daran zu befestigen. Al- les blieb ruhig bis um eili Uhr Nachts 5 alsdann aber erhob sich aus dem nahen Wühl ein so furchtbarer Lärm, dafs es beynahe unmügUch ward ein Auge zu sthliefsen. Von der Menge wilder Thierstimmen, welche gleich- zeitig ertönten, mochten unsere Indianer nur diejenigen unterscheiden, die sich auch vereinzelt hören liefsen. Es waren die leisen Flötenlöne der Sapaju's, die Seuf- zer der Alouaten, das Geschrey des Tigers, dos Coxx- guars, oder des americanischen Löwen ohne Mähne, Kapitel XVIII. 377 des Blsainschweins, des Faulthiers, des Hocco^ des Parraqua und einiger anderer Vogel aus dem Hüliner- fioschlecht. Wenn die Jaguars dem Saum des Waldes nahe harnen, fieng- unser Hund, der zuvor beständig e;ebellt iiatte , zu heulen und sich unter den Hängemat- ten zu verkriechen an. Zuweilen, nach langer Stille, er- tönte das Brüllen des Tigers von den Bäumen herab, und alsdann folgte ihm das schneidend anhaltende Pfei- fen der Affen , welche der sie bedrohenden Gefahr zu entfliehen schienen. Ich stelle diese Nachtscenen in ihren einzelnen Zü- gen dar, weil sie im Anfang der Wasserfahrt auf dem Apure uns noch neu waren. Wir gewöhnten uns daran, nachdem sie ganze Monate lang sich wiederholt hatten, überall wo die Waldung dem Strombette genähert ist. Die Sicherheit, welche die Indianer zu Tage legen, flöfsi den Reisenden Zutrauen ein. Man beredet sich mit ihnen, die Tiger scheuen alle das Feuer, und ein Mensch, der in seiner Hängematte liegt, werde nie von ihnen angegriflTen. Wirklich sind die Fälle, wo solche Angriffe geschahen, äufserst selten, und während eines langen Aufenthalts im südlichen America erinnere ich mich des einzigen Beyspiels eines Lälanero, welcher, den Achaguas- Inseln gegenüber, in seiner Hängematte zerfleischt gefunden ward. Die Landes- Eingebornen, wenn man sie um die Ursache fragt, warum die Waldthiere zu gewissen Stun- den in der Nacht einen so furchtbaren Lärm machen, geben die lustige Antwort: „Sie feyern den Vollmond.'^ Ihre Unruhe rührt, wie ich denke, meist von einem Streit her, der sich im Innern des Waldes erhoben hat. Die Jaguars zum Beyspiel verfolgert die Pecari's und die Tapir's, welche sich nur durch ihre Menge verthei- digen, in gedrängten Schaaren fliehen und das Gebüsöh 3^8 B II c h VI. auf ihrem We^ye 7,erdrüclr nach Mafsgabe der weiteren Entfernung von ihren Quellen schwächeren Fall haben, und demnach mehr Geschiebe unterwärts ablegen als weiter oben, so erleiden dann auch manche Ströme der heifsen Länder, gegen ihre Ausmündung hin, einen bedeutenden Ver- lust in ihrer Wassermasse. Hr. Barrow hat diese merk- würdiffon Ergebnisse des Sandbodens im nördlichen Africa an den Ufern des Orange-Flusses beobachtet, und es sind dieselhen auch sehr wichtige Momente für die Würdigung der verschiedenen Hypothesen über den Lauf des Wigerstromes geworden. Nahe bey der Uuella de Basilio, wo wir um Pflan- Kapitel XVIIT. 38l Ten zu sammeln landoton, ])omerkten wir Im Gipfel ei- nes Baumes zwey niedliclie kleine AfTen, pechschwarz, von der GriJfse des Sai, mit 'A ickelschwänzen. Ihre Gesichtszüge und Bewegungen zeigten hinlänglich, dafs sie weder Co«i/rt'*, noch Chamek's waren, noch über- haupt zu den Atece- A^inn gehörten. Selbst unsere In- dianer hatten noch nie solche gesehen. Es finden sich in diesen Wäldern eine Menge den europäischen Natur- forschern noch unbekannter Sapajus 5 und weil die Affen, zumal die rottenweiso bevsammen lebenden und darum auch verwe^tüenern, zu gewissen Zeiten grofse Wande- rungen imternehmen, so geschieht öfters, dafs beym Ein- tritt der Regenzeit die Eingebornen in der JNähe ihrer Hütten solche Arten entdecken, die sie zuvor nie wahr- genommen haben. Am nämlichen Ufer zeigten unsere Führer uns ein Nest junger Leguanen, die nicht über vier Zoll lang- waren. Man mochte sie von der ffemei- nen Eidechse kaum unterscheiden, die Wampe unter- halb der Kehle war einzig noch ausgebildet; die Kü- ckendornen hingegen, die grofsen aufstehenden Schup- pen und alle die Ansätze, welche dem Leguan, wenn er die Länge von 3 bis 4. Fufs erreicht hat, eine so monströse Gestalt verleihen, waren gleichsam nur noch im Keime vorhanden. Wir fanden das Fleisch dieser Eidechse in allen Ländern, die ein trocknes Clima ha- ben, sehr schmackhaft, auch da, wo uns andere Nahrung keineswegs fehlte. Dasselbe ist sehr weifs, und gehört nach den Fleisch des Tatou oder Armadills, welches hier Cachicamo heifst, zu den besten, die man in dea Hütten der Landes -Eingebornen antrifft. Gegen Abend regnete es. Vor dem Regen flogen die Schwalben, welche den unsrigen völlig gleichen, dicht über der Wasserfläche hin. Wir sahen auch einen Flug Papagayen Cperruches), die von kleinen nicht ge- 382 Buch VI. schöpften HaLichten verfolgt wurden. Das l^reischende Geschrey der_ Papageyen bildet einen seltsamen Contrast mit dem Pfeifen der Haubvögel. V^'ir brachten die Nacht im Freyen am Ufer zu, unfern von der Cari/.alun-Insel. Verschiedene, mit Pflanzungen umgebene Hütten der Indianci befanden sich in der iNähe. Unser Steuermann sa^te voraus, wir würden den Jaeuohnt und der Gegend, worin die Einrichtung getroffen ward). So sagt man San Jose de Alaypures , Santa-Cruz de Cachipo , San Juan iNcpomuccno de los Atures, u. s. w.* Diese zusammengesetzten PSamen iverden aher in amtlichen Schriften der Urkunden nicht gebraucht; die Einwohner be- dienen sich nur des einen, und gewöhnlich, wofern er wohl- lautend ist, des indischen ISamens. Weil die Heiligen- !Sa- nien in nahe beysammen liegenden Orten mehrinals ange- wandt werden, so veranlassen diese Wiederholungen eine grofse Verwirrung in der Erdbesclueibung. Die INamen San Juan , San Pedro und San Diego erscheinen auf unsern Charten wie zufällig h:nge;vorfen. Die Mission von Guaja stellt (wie man versichert) ein sehr seltenes Beyspiel der Zusammensetzung zweyer spanischer Worte dar. Das Wort Encaramada bedeutet, was übereinander lipgt, von encara- niar, attolere. Man leitet es von der Gestaltung des Tepu- pano und der benachbarten Fclsstücke her: Vielleicht ist es nur ein in«Jischcs Wort CCaramanä), worin man, wie in Maiiali , durch EfymoIogiL-nsucht geleitet, eine spanische Bedeutung zu findea geglaubt hat. Kapitel XrX. 401 cliana *')? de'^'pn Enlfornunnr von Rncaramafla 40 Mei- len betragt, als von einem weit ei.tfernlen Urlo spricht, und dafs er niemals bis /um er.^ten (>nlarnct des Stromes, von dem er die Beschreibung unternonjmon hat, ge- langt ist. Im Hafen von Encaramada trafen wir Carlbon aus Panapana an. Bs war ein Cnzil-.e, der in seiner Plroge den Orenoko liinauffuhr, um dem berühmten Sclild- kroten-Everfanü;^ bey/uwohncn. Der Hintei thoil «meiner Piroge war wie ein Bongo abgerundet, und von eip.em kleineren Kahn, der CHr/ar« heifst, begleitet. Er safs unter einer Art Zelt {loldo), das gleich dorn Segel aus Palmbauml)lättern verfertigt war. Sein kaller und stum- mer Ernst, so wie die Ehrfurcht, mit der seine Begleiter ihn bedienten, deuteten die Wichtigkeit der Person an. So'ist tru"^ der Cazike keine andere Kleidun«- als seine D O Indianer. Sie waren nämlich alle nackt, mit Bogen und Pff'il bewaffnet, und mit 0/ioto , dfm fiirltenden Satimehl des Kocon, bemalt. Der Häuptling, seine Die- ner, die Geräthschaften und die Segel, Alles war roth gefärbt. Diese Cariben schienen uns Menschen von fast athletischer Gestaltung zu seyn: wir fimden sie gar viel schlanker, als die Indier, welche uns bisher zu Ge- sicht gekommen waren. I!)re glatten und dichten Haare, an der Stlrne wie bey den Chorknaben aligeschiiitlin, ihre schwarz gefiirbten Augenbraunen, ilir finsterer, je- doch kräftiger Blick erthrllen ihrem Gesicht einen Aus- druck grofser Häito. Wir liatlen bis dabin nur die in den europ;iischen Sammlung n auf beu alirten Schüdel einiger Cariben von ^\en Antillen Ellanden gesehr n^ und waren de«nahen befremdet, bey die^^en l.;dlern vom Urstamme die Slirne ungleich gewülbter (plus bombe^ *) Saggio dl Stnria Americann^ Tom. I5 p. 122. Alex. u. Humboidts hist. Reisen. JJI. 26 4oz Buch VIL anzutreffen, als solche uns v.nren beschrieben 'worden. Die sehr grofsen, aber ekelliaft schmutzigen Weiber trugen ihre Kleinen Kinder auf dem Rücken ; um die Schenkel und Beine waren diesen letztern breite Bande von Baumwollluch in einiger Entfernung von einander umgelegt. Das unter dem V erband stark zusammenge- prefste Fleisch war in den Zwischenräumen aufge- schwellt. Ueberhaupt bemeikt man, dafs die Cariben auf ihr Aeufseres und auf ihren Schmuck so viele Sorg- falt wenden, als nackte und rolh bemalte ISlenschtn nur immer thun können. Sie legen auf gewisse Leibesfor- men einen grofsen Werth, und eine Mutter würde der Gleichgültigkeit gegen ihre Rinder beschuldigt, wenn sie der Wade niclit die Gestalt, welche die Landessitte heischt, zu geben bemüht wäre. Da keiner unserer In- dianer vom Apure die Caril)cn?prache verstund, so konnten wir bey dem Caziken von Ponama auch keine Erkundigungen über die Lager einziehen, welche man zum Behuf des Einsammelns der Schihlkrüten- Eyer in dieser Jalirszcit auf verschiedenen Inseln des Orenoko veranstaltet. In der Nähe von Encaramada wird der Strom durch ein sehr langes Eiland in zwey Arme gelheilt. Die Nacht brachten wir in einer Felsenbucht zu, der Mün- dung des Rio Cabullare gegenüber, der aus dem Payara und dem Atamaica gebildet und zuweilen als ein Arm des Apure angesehen wird, weil er mit diesem durch den Rio Arichuna zusammenhängt. Der Abend war schon und der IVIond beleuchtete den Gipfel der Granit- felsen. Der feucliten Luft unerachtet war die Wärme so gleichförmig verlheilt, dafs kein Funkeln bemerkt wurde, selbst zu 4° oder 5° Erhöhung über dem Hori- zont. Das Licht der Planeten war ausnehmend gc- schwächt5 und wofern ich nicht^ um der Kleinheit des Kapitel XIX. 4o3 scheinbaren Dnrclimessers vom Jupiter willen, einen Irrthmii in der Lieobachtun^ zu mutliinarsen verajilafst wäre, würde ich sagen, dafs wir hier zum erleimial die Scheibe dos Jupiters mit unbewairnetem Auge zu unterscheiden glaubten. Gegen Mitternacht ward der Nord -Ost -Wind sehr heftig. Kr führte keine Wolken herbey, aber das Himmel gewülbe üher/og sich zuse- hends n^it Dünsten. Es traten starlie Wliidstüfse e.n, welche für die Sicherheit unserer Piroge ßesoTj^nisse erregten. Diesen ganzen Taof über hatten wir nur ue- nige Crocodile gesehen, die aber alle von ausnehmen- der Gröfse, 20 bis 24 Fufs lang waren. Die Indianer behaupteten, die jungen Crocodile ziehen die Lachen und die woniger hreitin und weniger tiefen Ströme vor; sie häufen sich sondi rheitlich in don Cannos an, und man wäre versucht auf sie anzuwenden, was Abd-Allatif von den INil- Crocodilen sagt: *) j^Sie wimmeln wie Würmer in den Untiefen des Stroms und um die unbe- wohnten Inseln her/' Am 6. April ward die Fahrt den Orenoko hinauf fortgesetzt, anfangs in südlicher, hernach in süd- west- licher Richtung, urid wir bekamen die Südseite der Seri'ania oder Bergkette von Encaramada zu Gesicht. Der dem Strom nächstgolegene Theil ist nicht über 140 bis 160 Toisen erhöhet 5 allein durch ihre steilen Ab- hänge, durch ihre Lage mitten in einer Savane, durch ihre in uaregelmäfslge Prismen gehauenen Felsenspitzen erhält die Serratia ein sehr hohes Ausgehen. Ihre gröfste Breite beträgt nicht über drey Mellon ; den mir von den Indiern der Pareka-Nation ertheilten Anzeigen zufolge breitet sich dieselbe ostwärts beträchtlich wei- ter aus. Die Gipfel der Encaramada bilden das n'ird- lichste Glied einer Berggruppe, welche das rechte Ufer *) Descripl. de lEgyplc, trad. par M. S^lvestre de Sacy, p. 141. 404 B u c h VII. des Orenoko, zwischen Hern 5° und dem ^° J der Breite, von der Mündung des Rio Zania bis zu derjenigen des Cabullare begränzt. Die versc'uiedenen Theile^ aus de- nen diese Gruppe besteht, sind durch kloine begraste Ebenen von einander gesondert. Es bestellt kein volU kommner GK^chlauf zwischen iluien, indem die nörd- lichsten die Hichtung von West nach Ost, die südlich- sten hin^i;egen diejenige von INordwest nach Südost ha- ben. Dieie veränderte Hichtung erklärt die Breitezu- nahme hinlänglich, welche in der Cordillere von la Pa- ritne osl •. ärts, zwi'^chon den Quellen des Orenokö und des Bio Paru.-pa, wahrgenommen wird. Bevm Vorrü- cken über die grofsen Cataracten von Atures und May- pures hinaus, werden wir eine Reihe von sieben Haupt- gliedt'rn der Kette aufeinander folgon sehen, die von Encaramada oder Sacuina , von Chaviripa, vom Bara- guan, von Carichana, von Uniama, von Calitamini und von S papo. Diese Ueber?icht mag einen allge- meinen Begrili der geologischen Beschaffenheit des Lan- des gewähren, lieber den ganzen Erdball erkennt man ein Streben nach regelmäfsigen Formen in den Ge- birgen , welche am uuregehnäfsigsten gruppirt schei- nen. Jedes Glied stellt sich den Schiflahrern auf dem Orenoko, in einem Querdurchschnitt, als ein abgeson- derter Berggipfel dar 5 allein diese Absonderung i^t nur scheinbar. Die Regelmäfsigkeit in der Richtung und Trennung der Glieder scheint, nach Mafsgabe wie man ostwärts vorrückt, abzunehmen. Die Berge von Enca- ramada sc-iliefsen sich an die des Mato an, auf denen der Rio Asiveru oder Cuchivero entspringt; diejenigen von CSaviripa dehnen sich durch die Granitgebirge von(yaros«l^ von Amoco und von Muscielago bis zu den Quellen vom Erevato und Ventuari aus. Durch dieses Gebirgland^ das von Indianern l>e- Kapitel XIX. 4o5 WoTint wird, die milde Sitten habon and sich mit (fem Landliau beschäftigen *) , hatte der General Iturriage zur Zeit des Grenz- Zugs das für die Versorgung der neuen Stadt San Fernando de Atabapo bestinmjte Horn- vieh führen lassen. Die Bewohner von Encaramada zeigten damals den spanischen Soldaten den Weg des Rio Manapiari **"), der sich in den Ventuari ausmün- det. Führt man diese zwey Ströme herab, so gelangt mafi in den Orenoko und in den Ataliapo, ohne den gröfsen Cataracten zu begegnen, welche dem Fortbrin- gen des Viehes fast unübersteigliche Hindernisse entge- gensetz«». Der Unternehmungrgeisty welcher die Ca- Sfcillanen zur Zeil der Entdeckung von America in so vorzüglichem Grad ausgezeiclmet hatte, trat un> die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts für einige Zeit neuerdings hervor, als König Ferdinand VI. die wahren Grenzen seiner ausgedehnten Besitzungen kennen woll- te , üh'd als in den Wäldern von Guiana, diesem classi- schen Boden der Lüge und mährchenhafter Ueberlie- ferungon, die Schlauheit der Indier jene trügerischen Eeurüfe von den Keichtliümern des Dorado, welche die Phantasie der ersten Eroberer so mannichfach beschäf- tigt hatte, nochmals in's Leben rief. Man fragt sich mitten in diesen Bergen von Enca- ramada, die gleich den meisten grobkörnigen Granit- felsen keine Erzgänge haben , woher die Goldgeschiebe *) Die Mapoycs-, Parecas-, Javaranas- und Curacicanas-IntUaner, die schöne Pflanzungen Cconucos) in den Savanen haben, mit n M iüston Insehi des stillen Oct-ans, ist es jedesmal der höchste und nächste Berg^, auf den sich die Uelierreste des Gesclihchts der Menschen ge- rettet hahen, und das Ereignifs ersclieint in dem Ver- hältnisse jünger, als die V{;h'ter ungehihh'tcr sind, und als das, was sie von sich selh-^t wissen, auf engeren Zeit- raum heschränht ist. Wer die mexicanischen Alterthii- ner aus den Zeiten, welche der Entdeckung der neuen Welt vorangiengen, aufmerksam erforscht, wer mit dem Innern der Wälder des Orenoko, mit der Kleinheit und Vereinzelung der europäischen Einric'itungen, und hinwieder auch mit den Verhältnissen der unabhängig gebliebnen Vülkerstämme bekannt ist, der kann un- möglich versucht seyn, die bemerkten Aehnlichkeiten dem Einflufs der Missionarien und des Christenthums auf die National- Ueberlleferungen zuschreiben zu wol- len. Gleich unwahrscheinlich ist es , dafs der Anblick von Seekürpern, die auf den iierghöhen vorkommen, un- ter den V^ülkern am Orenoko die Vorstellung der gros- sen Ueberschwemmungen erzeuj^^t haben sollte, durch welche die Keime des organischen Lebens auf dem Erd- tall für einige Zelt sind erstickt worden. Die Land- schaft, welche sich vom rechten Ufer des Orenoko bis zum Cassiquiare und Pvio Negro ausdehnt, ist ein dem Urgeblrg angehöriges Land. Ich fand darin eine kleine Sand- oder Conglomerat- Formation 5 aher keinen Se- condar- Kalkstein und keine Spur von Versteinerungen, Ein frischer Nord Ost-Wind brachte uns mit vollen Segtln nach der boca de la Torliiga. Um eilf Uhr *') Siehe meine Monnmens des peuples indigenes de rAmeri' que, p. 204, 206, 223 und 227. 4to Buch VlI. Vormittags landeton \vir auf einer Insel, welche die Indianer der Mission Uruana als ihr Eigenthuni betrach- ten, und die mitten im Flusse liegt. Das Eiland ist durch den Schildkröten-Fang berühmt, oder durch die jährlich darauf veranstaltete cosecha, SchUdkruien - Eyersammlung. Wir trafen daselbst eine über drey- hundert Personen starke Gesellschaft von Indiern an, welche unter Hütten aus Falm!iaumbliUt?rn gelagert waren. Die unter ihnen herrechende lebhafte Bewegung mufste uns um so mehr auffallen , weil wir seit San Fer- nando de Apure nur öde? Hüstenland zu sehen gewohnt waren. Aufser Aen Guamos und tUomacos von Uruana, die als zwey wilde und ftörrige Stämme gelton, hatten sich, auch Carihen und andere Indianer vom untern Ore» noko eingefunden. Jeder Stamm war absonderlich ge- lagert, und zeichnete sich durch eigenthümliche Haupt- färbung aus. Wir fanden mitten unter dem lärmenden Haufen etliche weifse Menschen, hauptsächlich pulpe- ros oder Krämerleute von Angostura, die den Strom heraufgekommen waren, um das Gel der Schildkröten- Eyer von den Einwohnern zu kaufen. Der aus Alcala de Henarez gebürtige Missionar von Uruana kam uns entgegen, und war über unsere Erscheinung nicht wenig befremdet. Nachdem er unsere Instrumente bewundert hatte, machte er uns eine übertriebene Vorstellung der Beschwerlichkelt-n, denen wir beym'A »steigen des Ore- noko, über die Cataracten hinauf, ausgesetzt seyn wür- den. Der Zweck unserer Reise däuchte ihm sehr ge- heimnifsvoll. „Wer wird glauben, sagte er, dafs ihr euer Vaterland verlassen habet, um euch auf diesem Strome von den Mosquitos verzehren zu lassen , und um Länder zu vermessen, die nicht euer sind?*^ Wir waren glücklicher Weise mit Empfehlungen des Pater Guardian der Franciscaner - Missionen versehen, und Kapitel XIX. 41t der Scliwager des Stallhaltors voa Varinas, welcher uns begipitt'te , beseitigte bald vollends das Mifstrauen, XTclclies unsere Kleidung, unsere Mundart und unser Eintreffen auf diesem sandi^'^en Eyland hey den Weifsen veraiilafst hatten. Der Missionar lud uns zu seinem aus Pisangfrüchten und Fischen bestehenden einfachen Malil ein. Wir vernahmen von ihm, dafs er für die Zeit der Eyer- Ernte in's Lager der Indianer gekom- men sey, j;Um jeden Morgen unter frevem Himmel eine Messe zu lesen, um sich das zum Unterhalt der Kirchen Lampe erforderliche Oel zu verscliaft'en, haupt- sächhch aber um diese repuhlica de Indios y Caslel- lanox, worin jeder für sich allein nur benutzen möchte, was Gott Alien geschenkt hat, in Ordnung zu halten.'' Wir machten einen Garn»; um die Insel in Gesell- Schaft des Missionar und eines pntpero , der sich rühm- te , nun bereits seit zehn Jahren das Lager der Indier und die pesca de lortugas besucht zu haben. Es wird diese Gegend am Gestade desOrenoko ungeüihr eben so besucht, wie bey uns die Messen von Frankfurt oder von Beaucaire. Wir befanden uns in einer vollkommen flachen Sand -Ebene. ,,So weit ihr am Ufer hin sehen könnt, sagte man uns, liegen Schildkröten- Eyer unter der Erdschichte." Der Missionar hielt eine lange Stan- ge in der Hand. Er zeigte uns, wie man durch Sondi- ren mit dieser Stange (varcO die Ausdehnung der Eyer- schichte ungefähr eben so ausmlttilt, wie der Bergmann die Grenzen eines Lagers von Mergel, Ortstein (fei* limoneux) oder Steinkohlen bezeichnet. Beym senk- rechten Eindrücken der Stange nimmt man an dem plöt/.Uch aufhörenden Widerstände wahr, dafs man in die Höhlung oder Schichte des lockeren Erdreichs ge- langt ist, worin die Eyer enthalten sind. Wir sahen diese Schiclile so allgemein und gleichförmig verbreitet, 412 Buch FII. dafs in einem Umkreis von zehn Toisen um eine be- zeichnete Stelle her die Sonde solche üh^'rall antrifit. Auch spricht man hier nur von Geviert- Riüften Even es ist gleichsam ein Grubenland, das in Loose vertheilt und auf« reaelmöAigste bebaut wird. Jedoch ist es lang© nicht der Fall, dafs die ßyerschlck/e sich über die ganze Insel auadehnt: wo der Boden plötzlich anstei'.;t, da kommt dieselbe nirgends vor, well die Schihlkrüte /u jenen etwas erhüheten Plätzen nicht gelangen niag. Ich erzählte meinen Fülirern die schwülstlo^en Anaraben des Pater Gumilla *) , welcher versichert, die Geetade dos Orenoko enthalten nicht so viele Sandkörner, als der Strom Schildln nennen die Scliildkröte von Uruana Achen : die Tamanal;cn Peje. *} Oder Curucuruparu. Icli liabe heyin Herunterfahren des Oreno]vel<;he von zwey seil langer Zeit durch die Erzählungen der Missionarien so herühinten und durch den ' INuly.en- «elcliendie Einwohner davon ziehen, so merkwür- digen Schildlaöten zu gclien ^ersuchl wurden. Man bemerkt an den in der Sammlung iles Ja' diu du Hoi helindlichen Indi- viduen, dafs Ley der Tesludo fuuLriata (zu 25 Piandschuppen) die OeflTnung des Afters hevnahe die gleiclie l.age hat , wie hey den zvvev Schildkröten vom Orenoko , deren ünterschei- dungs-Merkmale ich hier angehe, und wie bev Trvonix wgvp- tiaca , nämlich auf l vom Endlheil des Schwanzes. Es ver- dient diese Stellung des Alters die Aufmerksamkeit des Zoolo- gen j sie nähert, eben so wie das Daseyn eines verlängernden Rüssels im Malamala, die Cheliden den Tryonix; diese Gat- tungen sind hingegen durch die Zahl der tSägel und durch die Festigkeit der Scliale von einander verschieden. Hr. Geofl'roy hatte, durch andere Griinde geleitet, diese Verhältnisse be- reits auch angenommen {Aiuiales da Museum^ T. Xl\ , p. 19.). Bev den Che;onien, den Land -Schildkröten und den wahren Emvden beiindel sich der After an der Stelle, wo der Schwanz anf.'ngl. Ich habe in meinem Tagebuch nur ganz junge Indi- viduen der 'ifsL'tdo Arrnu liescbrieben. Des Rüssels geschieht dabev keine Erw;ilinung; uiul wofern ich mich auf mein Ge- däch'nils verlassen konnte , wurde ich .».ageu , die erwachsene ^rrav -Schildkröte sey nicht, wie die M atamaca^ mit einem Bussel versehen. Es darf übrigens nicht vergessen werden, dafs die Gattung Chclys nur bev der Kennlnifs einer einzigen Art ist gebildet worden, und d.ifs also, was der Art angehört, mit den Hennzeichen der Gattung verwechselt werden l;onnle. Die wesentlichen Oharactere der neuen Gallnng Gheiys beste- hen in der Gestalt des Mundes und in den hautigen Anhäng- seln fies Kinns und des Halses. Die wahre Testudo fimbriata voh Gayennc, deren Schuppen kegeiförmig und jtvramidalisch sind, habe ich in America nie angetroffen, und ich bemerkte mit um so mehr Verwunderung, dafs der Paler Gili, Missionar in Encamarada, aujf 5ao Meilen Enllernung von Gayenne., be- reilR Kapitel XIX. 417 zusammen. Da der Orenoko vom FrühUng3 - Aequi- noctiuin an zu wachsen beginnt, so liegen seine nie-» drigston Gestade A'on Ende Jänners bis zrum 20. oder 20. ISIärz trocken. üie ^^/v'««-Schild!irüten , welche vom Jänner an in Rotten zusammenhalten, kommen alsdann aus dem Wasser hervor und wärmen sich an der Sonne, irjdem sie sich auf den Sand legen. Die Indianer glauben, eine beträchtliche Wärme sey der Gesundheit des Thieres unentbehrlich, und das Sonnen beföidere das Eyerlegen. Man trifft die ^i/vf/H- Schild- liröle den ganzen Hornung durch auf dem Gestade an. Zu Anfang März versammeln sich die zerstreuten Rot- ten, und schwimmen auf die nicht zahlreichen Inseln hin, wo sie ihre Eyer zu legen gewohnt sind. Wahr- scheinlich besucht die gleiche Schildkröte alljährlich aucli das nämliche Gestade. Um diese Zeit und einig« Tage, ehe das Eyerlegen seinen Anfang nimmt, zeigen sich diese Thiere bey Tausenden in langen Reihen an den Ufern der Inseln Cucuruparu, Ui'uana und Para- ruma mit ausgestrecktem Hals und den Kopf über dem Wasser emporhaltend, um zu sehen, ob von Tigern oder Menschen keine Gefahr droht. Die Indianer, de- reits in einem 1788 ausgegebenen Werke die Arraii- und Terehay -Sc\\'i\AkTÖ\c von einer viel ls Faches beJ-.annt war, so darf man an» nehmen, er habe die Matamata vom Orenoko so beschrieben) wie er sie gesehen hat. Aus diesen Forschungen erhellet, dafs drey verwandte Arten, die Arrau, die Terekay und die Testudo fimbriata auf dem neuen Festland nahe beysammen vorkommen. 4U». V. Hii/nboldtt hist. fitittn. Ut. j» 4i8 Buch f^'JJ. nen es wichtig ist, dafs die A-ersammelten Piotten voll- ständig bleiben, dafs die Schildkröten sich nicht zer- streuen und dafs das Eyerlegen ruhig und ungestört vor sich gehe, stellen in gewissen Entfernungen am Gestade Schildwachen aus. Die Schlflleute werden erinnert, ihre Fahrzeuge in der Strommitte zu halten, und jedes Geräusch, das die Schildkröten schrecken könnte, zu vermeiden. Das Everlegen geschieht immer zur Nacht- zeit, und liJngf gleich nach Sonnenuntergang an. Da? Thier gräbt mit seinen sehr langen und mit gekrümm- ten Nägeln versehenen Hinterpfoten eine Grube, wel- che drey Fufs Durchmesser hat und zwey Fufs tief ist. Der Angabe der Indianer zufolge wird zu Befestigung des Ufersandes dieser mit dem Harn der Schildkröte befeuchtet. Man glaubt dies am Geruch wahrzuneh- men, wenn man ein kürzlich gegrabenes Loch, oder, wie man hier sagt, ein Eyernest (Nidada de huevos) öffnet. Der Drang zum Eyerlegen ist bey diesen Thie- ren so grofs , dafs einige sich dafür der Lücher bedie- nen, die von andern gegraben, aber noch nicht mit Erde wieder ausgefüllt worden sind. Sie bringen alsdann auf die schon in der Grube vorhandene eine zweyle Eyerlas^e. Bey der lärmenden Unruhe werden eine grofse Menge Eyer zerschlagen. Der Missionar zeigte uns, indem er den Sand an verschiedenen Stellen auf- rührte, dafs dieser Verlust einen Drittheil der ganzen Ernte betragen mag. Das Gelbe der Eyer trägt, in- dem es vertrocknet, dazu bey, den Sand zu verkitten, und wir haben sehr ansehnliche verhärtete Massen von OuarzUörnern und zerbrochenen Muschelschalen ange- troffen. Die Zahl dieser am Ufer die Nacht über arbei- tenden Tliiere ist so grofs, dafs man des Morgens noch Manche mitten in der unvollendeten Arbeit überrascht. Sie sind alsdann vom doppelten Bedürfnils, des Eyer- 1{ a p i t e l XIX. 419 legens und des Zudeckens der gegrabenen Lücher, da- mit der Tiger sie nicht Wtihrnehnicn möge, gedrängt. Für sich selbst kennen diese im Kückstiind gebliebenen Schildkröten keine Gefahr. Sie set/.en ihre Arbeit in, Gegenwart der Indier, die das Gestade am frühen Mor- gen besuchen , fort. Man nennt sie thöriclite Schild- hrölen (tortu. s folles). Der Heftigkeit ihrer Bewegun- gen unerachlet lassen sie sich leicht mit der Hand fangen. Die drev Lager, welche die Indier an den obbe- zeiclmeten Orten be/.iehen, nehmen zu Ende März und in den ersten Tagen des Aprils, ihren Anfang. Das Everlesen geschieht überall gleichförmig und mit der- jenigen Hegelmäfsigkeil, die den mönchischen Anstalten eigenthümlich ist. Ehe die Missionarien an diesen Ge- staden eintrafen, ward das von der Natur in solchem Ueberflufs hier niedergelegte Erzeugnifs gar viel weni- ger benutzt. Jeder Volksstamm wühlte den Boden nach Gutfinden auf, und eine ungeheure Menge Eyer ward unnütz zerbrochen, weil man beym Nachgraben unvor- sichtig zu Werke gieng, und weil mehr Eyer gefunden als weggebracht werden konnten. Das V^erhältnifs war ungefähr das nämliche, wie dasjenige einer von unge- schickten Bergleuten bearbeiteten Grube. Den Jesuiten- Vätern gebührt das Verdienst, Regel und Ordnung- in die Arbeit gebracht zu haben; und obgleich die Fran- ciscaner- Mönche, die Nachfolger der Jesuiten in den Missionen am Orenoko, den Pfad ihrer Vorgänger zu verfolgen sich rühmen, so gehen sie doch leider keines- wegs mit der erforderlichen Vorsicht dabey zu Werke. Die Jesuiten gestalteten nicht, dafs das ganze Ufer durchwühlt werde : sie liefsen einen Theil desselben unberührt, aus Besorgnifs , es könnte die Race der ^r- raii- Schildkröte wo nicht vertilgt^ doch bedeutend ver- 420 B IL C ft f'JI. mindert werden. Jetzt wird diese Vorsicht nicht mehr brobachtet^ und man glaubt auch bereits zu bemerken, dafs die Ernte von Jahr zu Jahr abnimmt. Wenn das Lager eingerichtet ist, so ernennt der Missionar von Uruana seinen Statthalter odtr Cominis^ sar , welcher den eyerhaltenden Boden in verschiedene Portionen tlieilt, nach der Zahl der indischen Stämme, die an der Ernte Theil nehmen. Sie sind alle Indianer der Missionen , so nackt und völlig roh als die India- ner der TVülder: man nennt sie reducidos und neofitos, weil sie, wenn die Glocke läutet, zur Kirche gehen, und weil sie gelernt haben, während der Segnung nieder- knieen. Der Stalthalter oder comissionado del Padre be- ginnt seine Verrichtungen mit dem Sucher Qsonde^. Ei* untersucht, wie wir oben gesagt haben, mit einer lan- gen hölzernen Stange oder mit einem Bambus -Rohr, wie weit die Eyerschichte sich ausdehnt. Unseren Mes- sungen zufolge erstreckt sich dieselbe bis 120 Fufs vom Stromufer. Ihre Tiefe beträgt im Durchschnitt drey Fufs. Der comissionado steckt Zeichen aus zu Bestim- mung des Puncts, wo jeder Stamm mit seiner Arbeit ein- halten soll. Mit einigem Erstaunen hört man den Er- trag der Eyer- Sammlung wie denjonij^en eines gut be- bauten Ackers wcrthen. Ein genau gemessener ^rea von 120 Fufs Länge und 5o Fufs Breite mochte wohl 100 Schilfkriige, oder für eintausend Franken üel ertra- gen. Die Indianer graben die Erde mit den Händen auf; die ausgehobenen Eyer legen sie in kleine Körbe, wel- che Mappiri heifsen; sie tragen diese ins Lager, und werfen den Inhalt in lange hölzerne Tröge voll Wasser, In diesen Trögen bleibendie mit Schaufeln zerbrochenen und umgerüttelten Eyer der Sonne so lange ausgesetzt, bis das Geibc (der ölige Theil), welches oben schwimmt. Kapitel XIX. 421 Sich verdichtet li.it. Nach Mafsgahe, wie dieser ülig'e Theil sich auf der Oherflächo des Wassers sammelt, wird derselbe ahgepchüpft und über einem starken F'euer gekocht. Man behauptet, dieses thierische Oel, das. die Spanier manleca de tortugas ') nennen, ei'kalte sich um so besser, je einer stärkeren Kochune^ es un- terworfen worden ist. Gut zubereitet, ist dasselbe klar, g^eruchlos und nur von schwach gelblichter Farbe. Die ^lissionarien vergleiclien es dem besten Oliven- Oel, und man gebraucht es nicht nur für die Lampe, son- dern vorzüglich auch zur Bereitung der Speisen, denen es keinerley widrigen Geschmack ertheilt. Es hält in- dessen ziemlich schwer, sich ein völlig reines Eyer-()el zu verschafl'en. Gewöhnlich hat dasselbe einen faulifftcn Geruch, welcher von der Beymischung solcher Ever lierrührt, worin durch die andauernde Sonnenhitze die, jungen Schildkröten (los tortiigudlos') bereits ausgebil- det sind. Dies Mifsgeschick erfuhren wir vorzüglich Jjey unsrer Rückkehr vom Rio Negro, wo wir uns eines Iraun und stinkend gewordenen flüssigen Fettes bedie- nen mufsten. Ein fasei'iger Stoff hatte sich auf dem Bo- den der Gefäfse gesammelt, ui^d man erkennt hieran die Unreinigkeit des Schildkröten- Oels. Ich will hier einige statistische Angaben einrücken, die ich auf Ort und Stelle theils von dem Missionar von Uruana und seinem Statthalter, theils von den Krämern aus Angostura zu erforschen im Fall war. Das Gestade von Uruana liefert jährlich 1000 botijas ^^) *) Schildkröten-Fett. Die Tamanaken-Indianer, geben ihm den IN amen carapa; die Maypurcn nennen es timi, **) Jede botija enthält ^5 Flaschen: sie beträgt 1000 bis 1200 -Cttbik-Zoll. 422 Buch FlI. oder Schifr! Oder 5211 Meters, oder GsSo J''arat. ***) Girard , sur la Vallee d'Egypte , p. 1 %. "***;) In der südlichen Halbkugel. 43z Buch HL Gewisser des Orenoko, sowol nahe am Lfer_, wo sie in dichtem Schatten fliefsen, als im Thohneg , mitten im Strome, his auf 2t)°,5 ansteigen *) , und nicht unter 27°j5 sinken *■'*): es betrug aher auch die Tempei-atur der Luft in diesem Zeitraum, vom April his zuui Ju- nius, den Tag über meist zwischen 28° und 3o^ ; de? Nachts zwischen 24° und 26° ; während sich im Thale von Congo die Temperatur von ö Uhr früh bis Mit- tags, zwischen 20°,6 und 26^,7 erhielt. Das westliche Gestade des Orenoko bleibt niedrig, bis über die Ausmündung des Meta hin, wogegen sich von der Mission Uruana an die Berge dem östlichen Gestade mehr und mehr nähern. Weil die Stärke der Strömung, nach Mafsgabe wie das Flufsbett enger wird, zunimmt, so ward der Lauf unsers Fahrzeugs nun be- deutend langsamer. Wir segelten zwar weiter strom- aufwärts, aber die hohen und waldigen Küsten entzo- gen uns den Wind. Zuweilen sandten die engen Ge- birgsschluchten, bey denen wir vorbeykamen , heftige Stofswinde, die jedoch nur von kurzer Dauer waren. Die Zahl der Crocodile vermehrte sich unterhalb der Vereinbarung des Kio Araiica, vorzüglich dem grofseii See von Capanaparo gegenüber, welcher mit dem Ore- noko zusammenhängt, wie die Laguna von Cabullarilo zugleich mit diesem und dein Kio Arauca in Verbin- dung steht. Die Indianer sagten uns, diese Crocodile kommen aus dem innern Lande bor, wo sie im trock- nen Schlamm der Savanen begraben lagen. Sobald die ersten Schlagregen dieselben aus ihrer Erstarrung we- cken, sammeln sie ^ich rottenvveise und laufen dem Stro- •) Bis auf 2.30,6 R. **; »30,0 R. Kapitel XIX. 433 Strome zu, um sich darin wiodor zu vertheilen. Hier, in der Aequinoctial - Zone, ist es die Zunahme der Feuclitigkeit , welche sie ins Lelx'n zurückruft; in Georgien und in Florida, im g-emäfsigten Erdstrich, ist es die steigende Wärme , wodurch diese Thiore aus einem Zustand von Schwäche des INcrven- und Muskel - Systems, während dessen die Thätigkeit des Aihemho- lens entweder unterbrochen oder aufserordentlich ver- mindert Avar , erweckt werden. Die Zeit der grofsen Trockenheit, welche uneigentlich der Som??ic7' der heijsen Zone genannt wirdj trifft mit dem Winter der gemäfsigten Zone zusammen, und es gewährt eine merl'xwürdige physiologische Erscheinung, die Alliga- toren des nördlichen America durcli die strenge Kälte zur gleichen Zeit in den Winlerschlaj vei'sunken zu sehen , wo die Crocodile der l^lanos hinwieder ihren Sommerschlaf machen. Wäre es wahrscheinlich, dafs diese der nämlichen Famihe zugehürlgen Thiere vor- mals die gleiche nördliche Landschaft hewohnt hätten, so könnte n)an glauben, sie fühlen Leym Vorschroiten gegen den Aequator, nach einer sieben- bis achtmonat- lichen Muskulär -Bewegung, das Bedürfnifs der Ruhe, und behalten unter einem neuen Erdstrich Gewöhnun- gen "'') , die mit ihrer Organisation sehr innig zusam- menhängen. Nachdem wir bey den Mündungen der Canäle vor- Leygekommen waren, die mit dem See von Capanaparo in Verbindung stehen, gelangten wir in eine Gegend des Orenoko, wo das Strombett durch die Berge von ßciragnan verengt wird. Es ist eine Art Engpafs, der sich bis zum Zusammenflusse des Rio Suapure verlän- *) Siehe oben, Kap. i5, S. 77. jilex. V. Humboldts hist. fleisen. III. •^S 434 Buch VII. gert. Von diesen Grariitbergen hatten vormals die Ur- Klnwohner dem zwischen den Mündungen des Arauca und des Atabaj>o gelegenen Theil des Orenoko den Na- men ßaragiuui ertljeilt. Bey den wilden Völkern füh- ren die grolsen Ströme abweichende Namen in verschie? denen ihrer Abthi ilungen. Der Baraguan - Pofs stellt eine sehr malerische Landscliaft dar. Die Granitfelsen sind senkrecht abgestutzt: da sie eine von Nord- West gen Süd-Osl laufende Pveilie von Bergen Jjilden, und der Strom diesen Damm gleichsam im rechten Win- kel durchschneidet, so stellen sich die Berggij»fei als abgesonderte Spitzen dar. Ihre Erhöhung beträgt im Ganzen nicht über 120 Toisen 5 aber ihre Lage mitten in einer Idcinen Ebene, ihre abgestutzten Wände, ihre nackten Abhänge ertheilen ihnen einen imposanten Cha- racter. Es sind allezeit die Ungeheuern Granitmassen, welche in Gestalt von Langwürleln , aber mit abgerun- deten Händern, über einander gehäuft sind. Die Blöcke haben öfters So Fufs Länge, auf 20 bis 3o Fufs Breite. Man könnte sie durch irgend eine äufsere Gewalt auf einander gethürmt glauben 5 wenn die Nähe einer Fels- inasse von gleichartiger Zusammensetzung, die aber keineswegs in Blöcke zertheilt, sondern mit Gängen '•) durchzogen ist, nicht darthäle, dafs die Parallelepipe- den-Form einzig nur Ergebnlfs der atmosphärischen Einwirkungen seyn kann. Diese zwey bis drey Zoll dichten Gänge unterscheiden sich durch einen feinköi'- *) llire Dlrcction jsi meist St. 5. Ich sah auch viele solcher Gän- ge, deren Riclilung St. 6 — 11 ist, im Winterhafen (P-'/er^o rf auf 5o°,2. Der Boden schien durch die Wirkung der Luftspieglung in wellenförmiger Bewegung zu seyn, ohne dafs irgend ein Wind spürbar war. Die Sonne stund nahe am Zenith , und ihr vom Wasserspiegel des Stroms zurückgeworfenes, schimmerndes Licht contra- stirte mit dem rüthlichen Dunst, der alle in der Nähe Lefindlichen Gegenstände umhüllte. Es ist ein mächti- ger Eindruck, welchen, um die Mitte des Tages, in diesen heifsen Erdstrichen die Stille der Natur hervor- bringt. Die Waldthiere bergen sich im Dickicht, die Vögel im Laubwerk der Bäume oder in Felsspalten. So- bald man inzwischen, während dieser scheinbaren Stille, mit aufmerksamem Ohr den schwächsten, durch die Luft herbeygeführlen Tönen lauscht, so vernimmt man ein dumpfes Rauschen, ein ununterbrochenes Ge- sause und Summen der Inseclen, von denen alle unte- ren Luftschichten, so zu sagen, voll sind. Nichts kann geeigneter seyn, dem Menschen den Umfang und die Macht des organischen Lebens fühlbar zu machen. Myriaden Insecten kriechen über den Boden und schwärmen um die von der Sonnenhitze verbrannten Pflanzen. Ein verwirrtes Gesause ertönt aus jedem Ge- büsch, aus faulenden Baumstämmen, aus Felsspalten, aus dem von Eidechsen, Tausendfufsern und Cecilien *) Allamanda SallciJoUa. **) 40°,i Reaum. n et p i t e l XIX. 437 wnlerliölillen Botlcn. Es sind diese Tüne eben so viele Stimmen, die uns verkünden, dafs Alles in der Natur «itliniet, dafs unter tausend verschiedenen Gestalten das Leben im staubigen, dürren) und zerspaltenen Erdreich eben so allgemein verbreitet ist, wie im Schoofse des Wassers und in der uns umgebenden Luft. Die Em- pfindungen, an Welche ich liier erinnere, sind denen nicht fremd, die, ohne sich dem Aequator zu nähern, Italien, Spanien oder Egyplen besucht haben. Es be- schäftigt dieser Contrast von Bewegung und Stille, dieser Anblick einer zuf'l'iich ruhi.i '^ ^ind ' ?'vehten Na- tur die Phantasie des Reisenden alsbald beym Eintritt in das Becken des Mittelmeers, in den Erdstrich der Olivenbäume, des Chamasrops und der Dattelpalmen. ■ Wir bivvackten auf dem östlichen Gestade des Orenoko, am Fufse eines Granithügels. In der Nähe dieser Einöde war ehemals die Mission von San Regis gelegen. Wir hätten gern in Baraguan eine Quelle ge- funden. Das Flufswasser hat einen Bisamgeruch und einen süfslichen, höchst widrigen Geschmack. Im Ore- noko, wie im Apure, ist der Unterschied des Wassers am dürren Gestade in den verschieden-eri Abtheilungen des Stromes sehrauflallend. Am einen Ort ist dasselbe' sehr trinkbar, während es am andern mit gallertigen Stoffen übersättigt zu seyn scheint. «jDie Ptinde t[die lederartige Decke) der faulenden Caymans ist daran Schuld, sagen die Eingebornea. Je älter der Cay- man ist, desto bitterer wird seine Ptinde/^ Ich glaube wohl, dafs die Aeser dieser grofsen Reptilien, diejeni- gen der Seekühe, welche fünf Centner wiegen, und die Gegenwart der Meerschweinchen (^toniv(is) mit schlei-" miger Haut, das Wasser, zumal in Buchten und Krüm- mungen, wo der Stromlauf schwächer ist, allerdings verderben können. Indefs fand sich das stinkende Was* 435 Buch ril. ser nicht immer da, wo wir tOflte Thiere am Ufer an- gehäuft sahen. Wenn man sicli in diesen heifsen Regio- nen, wo der Durst beständig quält, auf das Stroniwasser Jjeschränlit ^icht, dessen Temperatur 27° bis 28° he- träot, so ist der Wunsch, ein so warmes und sandige« Weisser möchte geruchlos seyn, niclit zu verargen. Am b. April kamen wir auf der Ostseite der Mün- dungen von Suapure oder Sivapuri und von Caripe , so wie auf der Westseite der Mündung des Sinaruco vor- über. Nach dem Kio Arauca ist dieser letztere Strom der beträchtlichste zwischen dem Apure und dem Mela. Der Suapure, voll kleiner Wasserfalle, ist bey den In* diern durch den vielen wilden Honig berühmt, wel- chen die benachbarten Wälder liefern. Die Mellponen hängen ihre Ungeheuern Stöcke an die Baumäste. Der Pater Gili hat im Jahre 1766 den Suapure und den Tu- riva , welcher sich in den erstem ergiefst, befahren. Er hat daselbst Stämme von dem Volke der Areverier angetroßen. Wir biwackirten etwas unterhalb der Insel Macupina. Am Q. April trafen wir frühmorgens am Gestade von Pararuma ein. Wir fanden hier ein Lager von Indiern, demjenigen ähnlich, das wir auf der hoca de la Tortiiga gesehen hatten. Sie waren versammelt, um den Sandboden aufzuwühlen, Schildkröten -Eyer zu sammeln und ihr Oel zu gewinnen 5 allein unglückli- cher Weise waren sie um mehrere Tage zu spät ge- kommen. Die jungen Schildkröten •') waren aus ih- ren Schalen gekrochen, che die Indier ihr Lager gebil- det hatten. Dies Versäumnils machten die Crocodil« und die Garzes, eine Art grofser weifser Reiher, sich wohl zu Nutz. Diese nach dem Fleisch junger Schild- *) Los tortuguillos* I\ a p i l e l XIX, 459 leym Transport der Käline durch die Raiidales Hülfe leisten, ist so klein, dafs wir, ohne die Gegenwart eines Missionars, Gefahr liefen, wochen- lang in diesen feuchten und ungesunden Gegenden aiif- gehalten zu werden. An den Gestaden des Orenoko •werden die \Yäldor vom Rio Negro für ein herrliches Land gehalten. \A irklich ist die Luft dort frischer und gesunder. Der Strom enthält nur selten Crocodile; man kann darin unbesorgt baden, und zur Nachtzeit so- wohl als bey Tage wird man an seinen Ufern weniger als am Ürenoko durch Insectenstiche gequält. Der Pater Zea hofi'te durch den Besuch des Missionaren vom Piio INegro seine Gesundheit herzustellen. Er spx'ach davon mit dem Enthusiasmus, den man in allen Colonien des Festlandes für entfernte Dinge fühlt. Die in Pararuma versammelten Indianer regten neuerdings die Theilnahme in uns auf, welche die Be- trachtung-des wilden Menschen und das Studium der all- mähligon Entwicklung seiner Geisteskräfte beym culti- virlen Pvlenschen anspricht. Es halt schwer, in dieser Kindheit der Gesellschaft, in diesem Haufen finsterer, stiller, gleichgültiger Menschen den Urcharacter un- sers Geschlechts zu erkennen. Die menschliche Watur stellt sich hier nicht in jenen Zügen der milden Einfalt dar, wie sie von Dichtern in allen Sprachen so reizend ist geschildert worden. Der Wilde vom Orenoko schien uns eben so häuslich zu scyn , wie der Wilde am Missis- sipi, den der philosophische Reisende *) geschildert hat, welcher die Menschen der verschiedenen Erdstriche am trefl'endsten zu zeichnen verstund. Man beredet sich gern, es seyen diese Landes -Eingebornen, die um ei- nen Feuerheerd hocken, oder auf grofsen SchildkrÖt- *) Hr. von Volney. 442 Buch FII. Schalen sitzen, mit Erde oiler Fett beslrlclien sinJ, und stundenlang den dummen Blick auf das Getränk heften, dessen Zubereituno- sie teschäftiijt, keineswegs der Ur-Tvpus unsers Geschlechts^ sondern vieliriehr ein ausgearteter Stamm^ und die schwachen Ueherreste von Völkerscljaftfn^ die durch langen und zerstreuten Auf- enthalt in den Wäldern in Barbarey zurückgesunken sind. Das Piothmalen dient den Indianern unjrefahr statt aller Kleidung, und man unterscheidet zwey Arten des- selben bey mehr oder minder wohlhabenden Personen. Den gemeinen Schmuck der Cariben, dei-Otomaken und der Jaruros liefert das Onoto *), welches die Spanier yichole , und die Colonisten auf Cayenne Piocoii nen- nen. Es ist dasselbe der Färbestoif, den das Mark der Bixa orellana •'") gewährt. Um das Onoto zu bereiten, werfen die. indi-^chen Weiber die Saamen der Pflanze in eine mit Wasser gefüllte Kufe. Sie rühren dieses Wasser eine Stunde lang um, und lassen hornacli das farbigte Sat/.mehl, dessen Farbe ein sehr dunkles Ziegel- rolh ist, ruhig niederschlagen. Das Wasser wird abge- gossen, das Satzmehl herausgenommen, mit den Händen ausgedrückt, mitÜel von Scliildkrüten-Eyern geknätet, und darai>s runde Kuchen,' drey bis vier Unzen schwer, verfertigt. In Ermanglung von Schildkrut-Oel bedie- *) Eigenllich Anoto. Dies Wort gohört der Tamanalien-Spra' che an. Die .Maypuren nennen das Rocou Majepa. ' Die spanischen Missionare sagen onotarse^ sich die Haut mit Ro- cou heraalen, s'onotcr. **J) Das ^Yort Bixa sogar, das die Botanilier aufgenommen hahen, ist aus der alten Sprache von Haily oder St. Do- iiiingue entlehnt. Rocou kommt vom brasih'anischen Wort Urucu her. Kapitel XIX, 443 nen sicli einige Stämme des Fetts der Crocodile, wel- ches sie dem Oiiolo beymisclien. Ein anderer, ungleich kostbarerer Färbestofl'wird aus einer Pflanze erhallen, die zur Bignonien-Fainilie gehört, und welche Hr. Bonpland unter dem Namen der Bignonia Chica *) Ijeschrieben. bat. Die Tamanaken heirsen sie Craviri , die Maypu- ren Chirraviri. Sie erklettert die höchsten Bäume und befestigt sich daran mittelst ihrer Ranken. Ihre zolllan- f>,en, zwey lippigen Blumen sind schön violett geftirbt^ und stellen zu zwey oder drey beysammen. Die dop- pelt gefiederten Blätter werden beym Vertrocknen rüth- licht. Die Frucht ist 6ine mit geflügelten Saamen be- setzte Schote, von zwey Fufs Länge. Diese Bignonie wächst wild und in grofser Menge in der Gegend von Maypures, und aufwärts am Orenoko, jenseits der Mün- dung des Guaviare, von Santa-Barbara bis zu dem ho- ben Berg von Duida, vorzüglich in der Nähe von Esme- ralda. VVir haben sie hinwieder auch an den Ufern des Cassiquiare angetrofien. Die rothe Farbe des Chica wird nicht wie das Oiioto aus der Frucht, sondern aus den im Wasser eingeweichten Blättern erhalten. Der Farbestofl^ sondert sich in Gestalt eines überaus leichten Slaubes ab, weicher ohne Zumischung von Schildkröt- Oel^ in kleinen, 8 bis g Zoll langen und 2 bis 3 Zoll ho- }ien, an den Enden abgerundeten Brüdchen vereinbart wird. Erwärmt, dünsten diese Brüdchen einen ange- nehmen Benzoingeruch aus. Beym Destilliren verrälh das Chica kein flüchtiges Laugensalz. Es ist dasselbe keine slickgashaltige Substanz, wie der Indigo. In Schwefel - und Salz -Säuren, und auch sogar in den Alealien löst es sich leicht auf. Mit Oel abgerieben. •) Plantes equinoxlales^ Tom. I, p. 108. PI. XXXI. G'diy Sag- gio, Tom. 1, p. ^18. 444 ' Buch VIL liefert das Chica eine rothe, etwas lackartige Farbp. Auf Wolle angewandt, konnte sie leicht mit der rothen Firappfarbe vei'wechselt werden. Es liegt aiifser Zwei- fel, dafs das vor unserer Heise in Europa unbekannte Chica in den Künsten nützliche Anwendung leiden mag. Die Völker am Orenoko, welche diese Farbe am besten zubereit, n, sind die Salivas, die Guaypunaves, die Ga- reres und die Pivaoas. Das V^erfahren der Aufgüsse und der Einu eichungen ist überhaupt unter allen Völkern am Orenoko «ehr al'gemein verbreitet. Die Maypuren führen ihren Tansclihandel mit P«r/j/na -Brüdchen, die aus einem vegetabilischen Satzmehl bestehen, welches auf ähnliche Art, wie der Indigo, getrocknet wird, und eine sehr dauerhafte gelhe Farbe liefert. Die Scheidekunst der Wilden beschränkt sich auf Zubereitung von Farbe- stofien, von Giften, und auf die Versüfsnng der stärk- mehlhaltigen Wurzeln von Pflanzen aus den Aroideen - und. Euphorbiaceen - Familien. Die meisten Missionarien am Ober- und Unter- Orenoko erlauben den Indianern ihrer Missionen, sich die Haut zu färben. Einige sind niederträchtig genug, aus der Nacktheit der Ur- Einwohner Gewinn zu zie- hen. Weil ?le ihnen weder Jjeinwand noch Kleider verkaufen können, so treiben die Mönche mit der ro- then, bey jenen so beliobten Farbe einen Handel. Ich habe öfters in ihren Hütten, welche pomphaft conven- /oj *) heifsen, Niederlagen von Chica gesehen, wovon der Kuchen, die liirla, bis zu 4 Franken verkauft wird. Um einen richtigen Begriff von dem Luxus zu geben, den die nackten Indianer mit ihretn Schmucke treiben, bemerke ich hier, dafs ein grofsgewachsener Mensch *) In den Missionen heilst der Pfarrhof das Kloster ., es ist die Casa del Fadre. Kapitel XIX. 445 Mülie hat, In zwey Woclien mit seiner Arbeit so viel in verdienen, als er bedarf, um das nölliige Chica einzu- tauschen, womit er sicli roth fiirbt. Auch ist es der Fall, dafs, so wie man in yemiirsigten Klimaten von einem armen Menschen sagt: „er ist so arm, dafs er sich nicht kleiden kann,^'^ so hört man die hidianer am ürenoko sagen: „dieser Mensch ist so elend, dafs er sich nicht einmal am halben Leib zu malen ionoter, majepayer') verma{j/^ Der kleine CA/ra- Handel fin- det hauptsächlich mit Aen Stammen am Lanier- Orenoko statt, deren Landschaft die Pflanze nicht erzeugt, wel- che diesen köstlichen Stofi" liefert. Die Cariben urd die Otomaken malen sich nur Kopf und Haare mit Cldca, die Saliven hingegen besitzen diesen Färbestoff im Ue- berflufs, so dafs sie den ganzen Körper damit färben- AVenn die Missionarien fiir ihre Rechnung kleine La- dungen von Cacao/ Tabak und Chiqiii-chiqiii '■') vom Rio Negro nach Angostura senden, so legen sie allezeit auch Chica- Kuchen als eine sehr beliebte Waare bey. Einige Personen von europäischer Herkunft gehrauchen dieses i'othe, im Wasser aufgelöste Satzmehl als ehi vortr{?ff. liebes harntreibendes Mittel **). — Die Gewohnheit sich zu färben, ist bey den verschiedenen Vi'ilkerstämmen am Orenoko nicht von gleichejn Alter. Sie hat sich allge- meiner verbreitet seit dem Zeitpunct, v/o das mächtige Volk der Cariben öftere Einfälle in die Landschaft machte. Sieger und Besiegte waren beyde gleich nacktj *} Seile, die aus den Stielen eines Palmbauins mit gefiederlea Blättern verfertigt werden, von denen nachher die Rede seyn wird. **) Das Mark des Hocou und auch das Chica sind zusammen- zieiiend und gelind ohführend. 445 Buch VII. und, um dem Sieger gefallig zu werden, mufsle man sich malen wie er, und seine Farbe annehmen. Heut- zutage, nachdem der Einflufs der Cariben aufhörte, und sie zwischen den Flüssen von (>arony, von Cuyuni und von Paraguamuzi begränzt sind, hat die Carihe n-JMode , den ganzen Leib zu ftirben, sich dennoch erhalten. Die Sitte hat die. Eroberung überhbt. , Ist der Gebrauch dos Onolo und des Chica aus Ge- fallsucht und aus jener Neigung zum Putz hervorgegan- gen, die avich unter den wildesten Völkern so allgemein ist, oder soll m:.n vielmehr annehmen, es beruhe der- selbe auf der Erfahrung, dafs die farbigen und öligen Stoffe, womit man die Haut einreibt, diese gpgen die 7\^o^^jn7o.y-Sliche schützen? Ich habe diese Frage in den Missionen vom Orenoko und überall in den Tro- penländern, wo die Luft von giftigen Insecten wimmelt, öfters aufwerfen und viel darüber sprechen gehurt. Man bemerkt, dafs der Caribe und der Saliva, die sich roth färben, durch die IMosquilos und die Zanciidos gleich arg mifshandelt werden, wie die Indianerstämme, wel- che sich den Leib nicht färben. Bey den einen und andern verursacht der Stich der Insecten keine Ge- schwulst 5 nur selten entstehen hcy ihnen jene Pusteln undkleinen Beulen, welche den neu angekommenen Eu- ropäern ein so schmerzbaftes Jucken verursachen. Aber den Eingebornen und den weifsen Menschen schmerzt der Stich gleiclnnäfsig, so lange das Insecl den Siuge- rüssel nicht aus der Haut zurückgezogen hat. Nach vielfältigen andern vergeblichen Versuchen haben Hr. Bonpland und ich unsere Arme und Hände mit Croco- dil-Fett und mit dem Oel der Schildkröten -Eyer einge- rieben, ohne irgend eine Erleichterung davon zu ver- spüren ; wir wurden nachher eben so häufig gestochen, wie vorher. Ich weifs woJil, dafs Oel und Fett von Fl a p i t e l XIX. 447 den Lapplnndern als sclir '.v irksame Scliulzniittel ge- riibmt werden ; aber die Insecten der nördlichen Län- der sind von d-enen am Orenoko verschieden. Der Ta- Lak^ranch vertreibt unsere Schnaclten, g^g*''"' tlie Zan- cndos lungr<*^L-n wird er ohne Erfolg" angewandt. Weni^ der Gebrauch fetter und zusainincnzieliencler Stoffe die unglücl^lichen Bewoliner dieser Länder gegen die Plage der Insecten schül/en würde , wie sollte der Ge- Lrauch^ sich zu färben, an diesen Gestaden nicht allge- mein ge.vonlen seyn? wie konnte man alsdann wohl so viele nackte Völker *) antreffen, welche sich nur das Ge- sicht färben, und doch unmittelbar neben denen woh- nen '••'*), die sich den ganzen Leib färben? Es ist aufiallentl, dafs die Indianer am Orenoko, gleich den L^r- Einwohnern von Nord- Amerika, die ro- then Färbestoffe allen andern vorziehen. Sollte diese Vorliebe sich auf die Leichtigkeit gründen, womit der ^\ilde sicli die ockerfarbigen Erden oder das färhendq Satzmehl des liocou und des Chica verschärfen kann? Ich zweifij sehr daran. Der Indigo wird in einem gros- sen Theil der amerikanischen Aequinoclial-Länder wild- wachsend angetroffen. Diese und viele andere Schoten- Cevvächse konnten den Eingebornen Pigmente zum lilaufärben eben so wie den alten Bretagnern darbie- ten ^'^*). Wir hnden jedoc!» keine blaugefärbten ameri- kanischen Völkerslämme. Mir ist wahrscheinlich, wie ich bereits oben angedeutet habe, dafs die Vorliebe der Amerikaner für die rolhe Farbe am meisten auf der *) Di« Guaypunaves, die Caveres, die Guahibes. "**) Die Cariben , die Saliven , die Tamanaken und die May- puren. ***) Die halbnackten Völl.er der gemfifsigten Zone fiiirben sieh die Haut öfters mit der Farbe ilirer Kleidunsr. 448 Buch VII. herrsclienden Neigung der Völker beruht, alles dasje- nige schön zu finden, was ihrer National-Physiognoini© eigenthüinlicli ist, Menschen, deren natürliche Haut- farbe Lraunroth ist, liehen die rothe Farbe. Diejeni- gen, welche mit einer flachen Stirne und mit einem eingedrückten Kopf zur Welt Itommen, suchen ihren Kindern die Stirne noch flaclier zu drücken. Unter- scheiden sie sich von andern Völkern durch einen sehr geringen Bart, so trachten sie auch die wejiigen Bart- haare, die sie haben, noch auszureifsen. Sit? irlauben um so viel schöner zu seyn, als sie die Characterzüge ihres Stammes oder ihrer National- Bildung vorherr- schender machen können. hn Lager von Pararuma war es uns auffallend zu hemerken, dafs sehr alte Weiber ungleich mehr Sorg- falt auf ihren Putz verwandten, als die jüngsten. Wir sahen eine Indianerin vom Stamme der Otoinalten, die sich ihre Haare mit dem Oel von Schildkröten-Eyern einreiben, und den Rücken niit Ünoto und Caruto*^ be- malen licfs : es waren zwry ihrer Töchter, die dies Geschäft verrichteten. Die Malerey bestund in einer- Art Gitterwerk, kreuzweise gezogener, schwarzer Stri- che auf rolhem Grund. Jodes der kleinen Viereck.a hatte einen schwarzen Punct in der Mitte. Es war eine Arbeit, die ungeheure Geduld erheischte. Wir kamen von einem lani^en botanischen Spaziergang zurück, und die Malerey war noch nicht zur Hälfte beendigt. Man *) Das schwarze und «tzende Pigment des Caruto (Genipa americana) widersteht jedoch dem Wasser lange, wie wir, zu unserm nicht geringem Leid , an uns seihst erfahren ha- ben, als wir uns, mit den ludiern scherzend, einst Flecken und Zeichen von GaruCo im Gesicht machen liefsen. Sie waren noch sichtbar, als wir nach Angoslura zu den euro- päischen civilisirten Menschen zurückkamen. li a p i t e l XfX. 44() Man erstaunt um so mehr üLcr oinon so ausgesuchten Putz, wenn man bedenkt, clafs die Bilder und Züge nicht durch das beym Tuloirireu gehi'äucljliche Verfah- ren zu Stande gebracht si'ul;, sondern dafs die mit so vieleilVIühe gelertigten Maleroyen durch starken Regen, •wenn der Indianer sich unvorsichtig demselben aussetzt, zerstört werde. Es gieht Völker, die sich nur für ge- wisse Feste malen j andere erscheinen das ganze Jahr durch gefärbt, und bey diesen wird der Gebrauch des Onoto für so unentbehrlich geachtet, dafs Männer und Weiber sich vielleiclit minder schämen würden, ohne Giitiyuco als unbemalt zu erscheinen. Diese Guayucos vom Orenoko bestehen z\im Theil aus Baumrinde, zum Theil aus Baumwolltuch. Die Miinner tragen breitere als die Weiber, welche (dem Zeugnifs der Missiona- rien zufolge) überhaupt ein geringeres Sc'jamirefühl ha- ben, tine ähnliche Bemerkung iiatte auch schon Chri- stoph Columbus gemacht. Sollte diese Gleichgültig- keit, dieser Mangel an weiblichem Schamgefühl bey Völkern, unter denen keine grofse Sittenverd« rbnifs herrscht, nicht auf Kechnung der V^erwilderung und Sclaverey zu bringen seyn, welchem im südlichen Ame- rica das weibliche Geschlecht durch Unbill und Mifs- brauch der Stärke von Seite der Männer unterlie<>t. o Wenn in Europa von einem Ur-Einvvohncr aus Guiana die Redeist, so stellt man sich einen Menschen vor, welcher an Kopf und Gürtel mit schönen Aras -, Toucans-, Tangaras- und Colibri - Federn geschmückt ist. Unsere Maler und Bildhauer haben seit langer Zeit solchen Putz für das auszeichnende Alerkmal des Ame- *) Das Wort gehört der CarJben - Sprache an. Das perizoma der Indier arn Orenoko ist eher ein Bändchen als eine Scliürz«. Siehe oben TJj. 2. S. 196. ^I*x. V. Humboldts hist. Reisen. III. 2Q 45o Buch VU. rikaners ^»^elialten. Wir waren erstaunt, weder in den Chavmas- Missionen, noch in den Lagern von Uruana und Pararuina, ich könnte fast sagen, auf allen Gestaden des Orenoko und des Cassi(juiare, die scliönen Federbü- sche und die aus Federn verfertigten Schürzen anzutref- fen, welche von Reisenden so häufig aus Cayenne und Demerarv heinigebracht werden. Uie meisten Völker von Guiana, st-lbst solche , deren Geistcsliräfte ziemlich entwickelt sind, die Nahrungspflanzen anbauen und Kaum wollge webe verfertigen, sind eben so nackt *), eben so arm, vind eben so schmucklos, wie die Einge- bornen von Neu Holland. Die grofse Hitze der Atmo- «phäre, die übermäfsigen Schweifse, welche den Tag und einen grofsen Theil der IVacht durch andauern, machen die Kleidung unerträglich- Putzsachen, vor- züglich Federbüsche, werden nur zum Tanz und bey festlichen Anlässen gebraucht. Die Federbüsche der Guaypunaves '"''O sind durch die Auswabl der schönen Federn der Manakino's und der Fapagaien vorzüglich berühmt. Die Indianer begnügen sich nicht immer mit ei- ner gleichniäfsig vertheilten Farbe, und sie ahmen zuweilen in ihren Hautmalereyen auf's Seltsamste die »Kleidungen der Europäer nach. In Pararuma trafen wir solche an, die sich eine blaue Jacke mit schwarzen Knöpfen hatten maclien lassen. Die Missionarien er- zählten uns von Aen Guaynaven am Hio Caura sogar, sie seyen gewohnt, sich mit Onolo zu färben und längs dem Körper breite Querstreifen zu machen, worauf sie *) Zum Beispiel die Macos und die Piraoas. Die Cariben ma- chen eine Ausnahme, indem das perizoma hey ihnen ein so Lreiles ßauniuolltuch ist , dafs es die Scliulter decken kann. **) Sie stammen von den Gestaden des Inü'ida , einer der Zu- llüsse des (Juaviare her. Kapitel XIX. 461 Bliittclien von sllberfarlienein Glimmer befestigen. Wenn man diese nackten Menschen von ferne erblicht , so glaubt man sie in galonnirt;>n Kleidern zu sehen. Hätte man die gemalten f'ölker so sor''lalti^ l)eobaclitet , vvie die heJdeideten Völker, so würde man gefunden ha- Lon, dafs die fruchtbarste Phantasie und die beweirlich- ste Laune sich in den Malereyen der einen, wie in der Beklcitiung der andern, zu Tage legen. Malerev und Tatouirung sind in beyden Festlanden veder auf einen einzigen Stamm, noch auf eine oinzis^e Zone beschränkt. Diese Putzarlen werden bey der ma- hn ischen und amerikanischen Kace häufiger angetroffen 5 aber zu den Zeiten der Körner fanden sie sich auch bey der weifscn l^ace im Noidon von Europa. So wie die nanz vorzüülich maierisc!;en Kleider und Trachten im griechischen Ai-chipelagiis und im nördliclicn Asien an- getroffen werden, so finden sich die vollendetsten Mu- ster von Malerey und Tatouirnng bey den Insulanern der Südsee -) Einige belvleidcte Völker malen sich arinoch Hände, Nägel und Gesicht. Die Malorev en^cheint hier auf die einzigen nacl;t bleibenden Tlieile beschränkt; nmd während das Srliminken, welches an den wilden Zustand der Menschen erinnert, in Europa nach und nach verschu^indet, fflauben di.-: Frauenzimmer einiarer Provinzen von Peru, ihre übrigens sehr feine luid sehr Wftifse Haut durch Bedeckung i\n\. Lirbenden Pflanzen- stoffen, n)it Stärke. Eyweifs und Mehl zu verschönern. IVachdem man lange Zeit unter den mit Oiioco und C/iicfi gcfirblen Alenschen gewohnt hat, so erstaunt man nicht wenig, die Ueberresle einer allen BarbareV mitten unter allen Gewühnunjren der Civilisirun'r an- noch wahrzunehmen. *) Im Arcfiipelagus der Mendoza-EvJande. 4'52 -0 n c k in. Das iiidlsclie Lager von Pararuma verscIiafTte uns Gele«>enlieit, mehrere Thiere, die wir bis dahin nur in den europäischen Sammhiifgen gesehen halten, zum erstenmal lebendig zu beobachten. Diese kleinen Thiere gehören zum Handel der Alissionare, welche Tabak, il/«/ii-Harz, C//i6'« - Pigment, Gallitos imanakin'syy Titis, Kapuziner- und andere in den Küstenländern sehr beliebte Allen gegen Tücher, Nägel, Beile, An- geln und Stecknadeln eintauschen. Die Erzeugnisse vom Orenoko sind um niedrige Preise von den India- nern erkauft worden , welche in Abhängigkeit von den München leben, und diese nämlichen Indianer sind es hinwieder auch, die von den IVIönchen, aber zu sehr hohen Preisen, aus dem bey der Kverernle erlösten Geld die Fischerey- und Garten - Geräthschaften wieder einkauften. \^ ir kauften mcjirere Thiere, die uns auf unserer übrigen Slrömiahrt begleitet haben, und deren Lebensart wir indcfs beobachten konnten. Ich habe diese Beobaclilungen in einem andern Werke bekannt gemacht; weil ich aber zweymal von dergleichen Sache sprechen muls, so beschränke ich mich hier auf sehr gedrängte Angaben, denen ich die ßen)erkung beyfüge, welche ich seither in unsern Heise- Tagebüchern zer- streut fand. Die Gallitos oder Coqs de roclie , welche zu Para- ruma in hübschen kh'inen, aus Palmblattstielen verfer- tigten Käfichen verkauft werden, sind an den Gestaden des Orenoko und im ganzen PSord und West der Aequi- noctial -Gegenden von Amerika überaus viel seltener, als in dem französischen Guiana. Sie sind bis dahin ein- zig nur in der Gegend der iSIission von Encaramada und in den Kaudales oder Cataracten von Maypures ge- funden worden. Icii sage absichtlich in den Cataracten, Acnii es sind die Spalten der kleinen Granitfelsen, wel- n a p i t e l XIX. 453 die quor durch den Orcnoko sireichen und die zahlrei- chen Cascaden bilden, die diese Vügol sich vorzugsweise» für ihre Woliiiungon wähl.'n. Wir haben ?ie öfters am INIorgen mitten in den Schaunnvellon des Stromes ihre Weibchen hcrbeyrufen und Kämpfe bestehen sehen, wie unsere Hiiline thun, und indem sie den doppelten he- weglichen Kamm, der ihren Scheitel schmückt, in Fal- ten legen. Da die Indianer nur selten erwachsene Gal- litos einlaniien, und in Europa nur die Männchen ge- schätzt werden, die vom drillen Jahr an zierlich hoch- gelb gefärbt sind, so müssen Käufer sich in Acht neh- men, um nicht statt junger Männchen junge W^eibchen zu erhalten. Beyde haben eine braune Olivenfarbe, €iber der pol/o oder das Hähnchen unter':cheidet sich bereits noch ganz jung durch seine Gröfse und durch die gelben Füf*e. Das Weibchen behält allezeit eine düstere, dunkelbraune P'arbe, und nur die Spitzen und Unterflächen der Vögel sind gelb ••')• Wenn der männ- liche und erwachsene Hahn in unsern Sammlungen die schöne Farbe seines Gefieders behalten soll, so darf er dem Licht nicht ausgesetzt werden. Seine Farbe erblafst gar viel schneller, als in andern Gattungen der Sper- lings - Familie. Die jungen Hähnchen haben, wie bey den meisten Vögeln der Fall ist, das Gefieder oder die Kleidung ihrer Mutter. Mich wundert, dafs ein so vor- ■züglicher Beobachter, wie Hr. le Vaillant **), es in Zweifel setzen konnte, ob wirklich das Weibchen be- ständig: seine düstere , olivensrrüne Farbe behält? Die Indianer der Piavdalen versicherten mich übereinstim- mend, nie ein aurorafarbenes Weibchen gesehen zu haben. *) VorzügWrh der Tlieil . den die Ornithologen le poigneb nennen. **) Oiseaux de Paradi«, Tom. II, p. 61. 45(^ B a c h III. Unter flcn Affen, welclie die Indianer auf den Markt vonParaiumo gebracht hatten, bemerkten wir verschie- dene Spielart« a des Sai *), die der kleinen Gruppe der Brüllaffen, uelche in den i-paniscbcn Colonien i\/«/- chi heifsen, angfliürenj Mamarimondes **} oder roth- bauchige Alelesj Titis und f^iiiditas. Die zwey letzte- ren beschäftigten un?.?rc Aufmerhsaniheit vorzüglich, und wir kauften dieselben , um sie nach Europa zu sen- den ^**). Der Oui^'liti **■■•') von Buffon, welcher der Titi des Hrn. von Arzara irt, der Tili von Carthagena in hidien Und von Darien t)? welcher Buffons Pinche ist, und der Tili vom Oreno!;o {t), welcher der Sai- luari der franzüsiscben jNalui forscher ist, dürfen nicht mit einander verwechselt werden. Der Name Titi wird in den verschiedenen spanischen Colonien an Affen er- theilt, welche drey verschiedenen Unterabiheilungen ttt) angehören, und in der Zahl ihrer Bachenzähne von einander abweichen tttt)> Die Zahl dieser letzteren schliefst auch den schönsten der drcy Titi, denjenigen vom Orenoko, von der Gattung aus, welche llr. jlliger *) Simia capucina. Ueber die ^'emi^^ung, welche in der Sv- nonvmik des Sai und der verwandten Arten ]ierrsclit,//t7/(? mei- ne Ohseru. de Z ologie. Tom. I, p. jaj — 525, 5j6 u. 555. **) Simia ßelzcluilii. ***) Zu Pararuma Ii///pn/. Er ist südwärts der Ca- taracten sehr gemein. Sein Gesicht ist weifs : ein klei- ner schwnrzblauer Fleck deckt das Maul und die Spitze der Mase. Die am zierlichst gebildeten und schonst ge- färbten (mit goldgelbem Pelzwerk) Titis kommen vom Gestade dos Cassiquiare. Diejenigen, welche man an den Lifern des Gnaviare fängt, sind grofs und nicht leicht y.ahm zu machen. Kein anderer Affe hat ein solches Hindorgesicht wie der Titi: er zeigt den nämlichen Aus- druck von Unschuld, das gleiche schalkhafte Lächeln, den gleich schnellen Uehergang von der Freude zur Trauer. Seine grofsen Augen füllen sich mit Thränen, sobald er in Furcht geräth. Er ist ausnehmend lüstern nach Insecten , vorzüglich nach Spinnen. Der Scharf- sinn dieses kleinen Thiers ist so grofs, dafs eines der- selben, welches wir in unserm Kahne nach Angostura führten , die verschiedenen dem Tahleaii elenicntaire dhisloire nalnrelle des Hrn. Cuvier angehängten Kupfer- tafeln recht gut unterschied. Die Kupfer der Werke sind nicht farbigt, und dennoch streckte der Titi seine kleine Hand schnell aus, in der Hoffnung, eine Heu- schrecke oder eine W^espe zu erhaschen, so oft wir ihm die eilfle Tafel vorlegten, auf der diese Insecten abge- 456 Bach ril. bildet sind. Er blieb hingegen völlig gleicbgiiltig, \TCnn ihm die Aboihlungen der Gerippe oder Köpfe von Säug- thieren *) gezeigt wurden. Wenn mehrere dieser klei- nen Affen, im nämlichen Käfich verschlossen, dem Re- gen ausges( tzt sind, und die gewohnte Temperatur der Luft plülzlich um zvvey oder drey Grade sinkt, so bie- gen sie ihren Schwanz, der doch kein VVickelschwanz ist, sich um den Hals, und schlingen Arme und Beino in einander, um sich wechselseilig zu \-\ armen. Die indischen Jäger erzählten uns, man treffe öfters im Wald Gruppen von zehn bis zwölf solclier Affen an, die ein jämmerliches Geschrey hören lassen, weil die auswärts betindlichen in's Innere des Knauls zu dringen versu- chen^ um daselbst U arme und Obdach zu finden. Schiefst man mit in gescliicüchtes Gift *'•') getauchten Pfeilen nach einem solchen Knäuel, so kann man eine grofse Zahl jung'er Aflen auf einmal lebendig fangen. Der Titi bleibt im Fallen an seiner Mutter liängen, und wofern er durch den Fall nicht verletzt ist, so verläfst er die Schulter oder den Hals des getüdteten Thiers nicht mehr. Die meisten derer, welche man lobendig in den Hütten der Indianer antrifft, sind auf diese Weise von den todten Müttern weggenommen worden. Die erwachsenen, von einer ungefährlichen Wunde geheil- ten Thiere gehen meist zu Grund, ehe sie zu Haus- *) Ich bemerke bey diesem Anlafs, dafs icli nie gescbcn habe, dafs ein Gemälde , wclclics Hasen und Pielie in n.itiirlichpr Oröfse und aufs Allerbeste darstellte, den mindeslcn I'indruck auf Jagdhunde, deren Versland vorzüglich entwickelt schien, gemacht hätte. Kennt man ein zuverlässiges Bevspiel eines Hundes, der das Bild seines Herrn in ganzer Figur erkannt hätte? In all' diesen Fällen wird das Gcsiclil vom Geruch nicht unterstützt. **) Curare dgstemplado. li n p i t e l XIX. 45?^ lliieren gewohnt sind. Die Titi's sind üLerlianpt zarte und furchtsame kleine Thi:'re. Es hält sehr scliwer, sie von den Mis-^ionon am Orenoko an die Küsten von Caracas und Cumana zu vorpHanzen. Sie werden traurig- und niedergeschlagen, sobahl man die Kegion der Waldun- gen verläfst und in die Hanos übergeiit. Diese Verän- derung kann nicht auf der geringen Zunahme der Tem- peralur beruhen, und sie scheint eher von einer gröfse- ren istärke des Lichts, von einer minderen Feuchtigkeit und von irgend einer chyniischen Eigenschaft der Kü stenluft herzurühren. Die Saimiri's oder Titi's vom Orenoko, die At'eles, die Sajous und andere seit langer Zeit in Europa ge- kannte Vierlüinder bilden einen grofsen Contrast in Hallung und Betragen mit dem IMacavahs *), den die INIissionare Vindita oder Traaerivilfioe nennen. Dies kleine Thier hat feine, glanzende, schÖH schwarze Haare. Sein Antlitz ist mit einer viereckigten, weifslichten und in's Blaue spielenden Larve bedeckt. Diese Larve be- greift Augen, INase und .Mund. Die Ohren haben eine Kandleibtej sie sind klein, niedlich und beynahe ganz unbehaart. Der Hals der JVitlioe ist vorn mit einem weifsen, einen Zoll breiten Streif besetzt, der einen Halbring bildet. Die hintern Füfse oder vielmehr Hän- de sind gleich dem übrigen Körper schwarz, aber die Vorderhände sind auswendig weifs und inwendig glän- zend schwarz. An diesen weifsen Zeichen oder Flecken glauben die Missionavien den Schleyer , das Halsluch, und die Handschuhe einer Tranerwittive zu erkennen. Der Character dieser kleinen Affen, der sich nur zum Fressen auf den Hinterpfoten aufstellt, kündigt sich *) Es ist dies der maravitanische IS'ame des Siiiiia lugens. Si^ke meine Obs. dt Zoologie. Tom. I| p> äig* 458 B u c h VII. durch seine Haltung nur wenig; an. Er lial oin sanftes und schüchternes Aussahen; dio ihm dargehotene Nah- rung verweigert er öfters auch dann , wenn er von grofsein Hunger gequält wird. Er meidet dcMi Upi. gang mit andern AfFcn, und sclion der Anhlick des Jst überlassen ist, wird die Vindita beym Anblick eines Vogels wüthend : sie klet- tert und läuft alfdann mit erstaunender Schnelligkeit j sie springt wie eine Katze auf ihren Haub los, und er- würgt, was sie erhaschen l;ann. Dieser sehr seltene und sehr zarte Affe findet sich am rechten Ufer desOre- nolten Ligen, be- rechnet; aber die Beine reiclitn weit unter der Decke hervor, und wenn es regnet, wird man am lialben Leib durchnäfst. Dazukommt, dafs man auf üclisenhäuten oder Tigerfellen liegt, und dafs die Baumäsle, über welche die Häute ausgebreitet sind, «lurch die dünne Decke schmerzhaft drücken. Den Vorderllieil des Schif- fes besetzen die rudernden Indianer, mit drey Fufs lan- gen, löflelfürmigen pagaies versehen. Sie sind völlig nackt, sitzen paarweise und riuh^rn im Tact ungemein harmonisch. Ihre Gesänge sind traurig und eintönig. Die kleinen Käfiche, worin unsere Vugol und AflVn ver- wahrt waren, und deren Zahl sich nach und nacli mehr- te, waren die einen am toldo, die andern aui Vorder- iheil des Schlßes befesJigt. Sie bildeten unsere wan- dernde IMenagerie. Der häufigen Einbufsen unerach- tet, die durch Zufälle, und vorzüglich durch die ver- derbliche Wirkung des Sonnens (insotatioiO veranlafst wurden, besafsen wir vierzelm dieser kleinen Thie- re bev unscn'er Rückkunft vom Cassic|uiare. Natur- wissenschaflliche Samn>ler, welche lebendige Thiere nach Europa zurückbringen wollen, könnten in beyden an den Gestaden des Orenoko und des Amazonen-Stroms gelegenen Hauptstädten, in Angoslura oder in Grand- Para^ eigene Pirogen verfertigen lassen , deren erster Drittheil zwey Reihen vor der Sonne gedeckter Käfiche enthalten würde. In jedem INachtlager, wenn wir un- sern Biwack einrichteten, bildeten die JMenageiie und unsere Instrumente den Mittelpunct: ringsum kamen dann unsere Hängematten , hernach die Hängematten der Indier, und auswendig die Feuer, welche man, um Kapitel XIX. 463 den Jaguar zu verscheuchen, für unentbehrlich hält. Ge- Äen Morien eru'iedorten die Allen unserer Käficije den Ruf der Allen im Walde, Diese Mittlieilunffen zwischen Thleren gleicher Art, die mit einander synipatliisiren, ohne sich zu sehen, und von denen die einen die Frey- heit genlofsen , deren die andern beraubt sind, haben etwas Trauriges und Kührendos. In einer so engen Pirooe, die keine drev Fufs breit war, Konnte für die getroclineten Pflanzen, für die Man- telsäcke, für einen Sextant, für die Inclinalions- ßous- sole und die meteorologii-chcn Werkzeuge kein anderer Raum übrig bleiben, als der Unterboden des Gitters, auf dem wir den gröfsten Tlieil des Tages in gezwungener Stellung gelagert waren. Um irgend etwas aus dem Felleisen zu holen, oder um ein Instrument zu gebrau- chen, mufste man landen und auspacken. Diesen Un- bequemlichkeiten allen gesellte sich annoch diePIage der JMosquitos hinzu, welche sich unter dem niedrigen D«- che anhäufen, und die Hitze, die von den Palmblättern ausgellt, deren Obertheil derSonne beständig ausgesetzt ist. Wir suchten jeden Augenblick, aber allezeit um- sonst, unsere Lage zu be'.sern. Während der j'ine zum Schutz gegen die Inseclen ein Tuch über sich drckte, verlangte der Andere, man solle grünes Ho!/, unter dem toldo anzünden, um die mosquilos durch den Rauch zu vertreiben. Das Brennen der xAugen und die Zu- nahme der ohnedies schon erstickenden Hitze mach- ten die Anwendung beyder Mülfsmittel gleich unthun- lich. Mittelst einiger natürlicher IVJtinterkeil, durch Verhältnisse wechselseitigen Wohlwollens, und mit ei- nem lebhaften Gefühl für die hehre Pracht der Natur in diesen grofsen Flufsthälern , mag der Reisende die allmählig gewöhnten Beschv/erden leichter erduld n. Ich habe diese kleinlichen Umstände hier nur erwähnt. 464 ^ « c /i VIL um die Verhältnissa der Schiflalirt auf dem Oronoko zu schildern^ und um darzuthuni^ warum Hr. Bonpland TUid ich boym bestem Willen wälirend dieses Abschiiills unserer Heise so vielfältige lieobachlungen niclit ma- chen konnten, als unsere merkwürdigen Umgebungen erheischt halten. Die Indianer zeigten uns die Stelle, wo auf dem rechten Stromufer vormals die von den Jesuiten um das Jahr 1733 gegründete Mission von Pararuma gelegen war. Eine Pockenseuche, die unler den Salivas'- India- nern grofse Verheerungen anrichtete, war die Haupt- ursache der Zerstörung der IVIission. Die wenigen Ein- wohner, welche die bösartige Seuche überstunden, wur- den dem Dorfe Carichana einverleibt^ das wir nun bald besuchen werden. In Pararuma war es, wo, dem Zeug- nifs des Pater Roman zufolge, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, während eines heftigen Gewitters, Schlös- sen gefallen sind. Es ist dies beynahe das ein/.ige mir bekannte Bey^piel, in einer Ebene, die mit dem Meere fast wagerecbt steht 5 denn unter den Wendekreisen fällt unter 3oü Toisen Erhöhung gewöb.nlich kein Hagel ••'). Wofern er sich in gleicherHöhc über den Thal-Ebenen und *) Siehe oben, Th. 2, S. 596. Thibaiilt de Clianralon nirft in einer sehr soiiarfsinnigen Aliliandlung über die Meteorologie der 'IVupenl.ndor und der genialVigtcn Zone die Frage auf: warum die Gewitter iti den Ebenen nur im geniaisigleu Erd- striche mit Schloisen begleitet sind? ^Die Wanne der Ebe- nen, heincrkt er, kann kein Hindcrhirs der Entstehung des Hagels seyn. In Europa ist derselbe in der heiiscn Jahreszeit am häufigsten.'' Er meldet, man habe auf Martinique nur «inmal, im Jahr 1721. auf den Irlbenen Schloisen l'ailen gese- hen. {Voy (Ige ä la Martinique^ ji. i55, INro. -lO). Diese An- gabe scheint jedocli unzuverlässig. (^Moreau de Jonnis-, sttr le sämat des Antilles, p. 49) Kapitel X.IX.. 465 und Berghohen Cplaleaiix) hildet, so mufs man anneh- men, es schmelze im Niederfallen beym Durchgang der untersten Schichten der Atmosphäre, d(^ren mittlere Temperatur (zwischen o ^ und 3oo ^) 27°,5 und i!^^ des hunderttheiligen Thermometers beträgt Ich ge- stehe, dafs es beym gegenwärtigen Zustand der Meteo- rologie schwer halt, zu erklären, warum in Philadel- phia, in Rom und zu Montpellier Schloffen niederfal- len in den wärmsten Monaten, wo die mittlere Tempe- ratur auf 20° bis 26° ansteigt, während die gleiche Er- scheinung in Cumana, in la Guayra und überhaupt in den Aequatorial -Ebenen nicht wahrgenommen wird. In den vereinten Staaten und im südlichen Europa (un- ter 40° und 43° der Breite), ist die Hitze der Ebenen im Sommer ungefähr die nämliche, wie unter den Wen- dokreisen. Auch die Abnahme der Wärmestofli'e wech- selt, meinen Untersuchungen zufolge, nur wenig ab. Wenn also der Mangel an Schlofsen unter dem heifsen Himmelsstrich, in der Meereshühe, vom Schmelzen der Hagelkörner beym Durchgang der unteren Luftschich- ten herrührt, so mufs man annehmen, es seyen diesel- ben, im Augenblick ihrer Bildung, im gemäfsigten Erd- striche gröfser als im heifsen. Die Verhältnisse, unter denen das \V asser in einer Gewitterwolke in unserm Clima gefriert, sind uns noch zu wenig bekannt, um urtheilen zu können, ob die gleichen Bedingungen auch unter dem Aequator, über den Elenen vorhanden sind. Ich zweirie, dafs die Sclilofsen allzeit nur in einer Luft- region gebildet werden, deren mittlere Temperatur Zero ist, und welche bey uns im Sommer nur auf der Höhe von i5oo oder 1600 Toisen angetroffen wird. Die Wolken, in denen man die Schlofsen vor ihrem Nieder- schlag gegen einander stofsen hört, und die sich wage* recht bewegen, schienen mir allzeit gar viel niedriger ^Ux. V. Humboldts hist. Reisen. HI. 'JO 466 B n c h rn. zu seyn 5 und auf diesen minderen Höhen Begreift man^ dafs aufserordentliche Erkältungen durch die Ausdeh- nung der aufsteigenden Luft, welche an Fassungsvermö- gen für den Wärmestoff zunimmt , durch aus einer hö- heren Breite kommende Strömungen kalter Luft und insondt^rheit (nach Hrn. Gay-Lussac) durch die Strah- lung der ohern Wolkenfläche ent^:tellen können. Ich werde Anlafs hahen, auf diesen Gegenstand zurück zu liommen , wenn ich yon den verschiedenen Formen spreche, unter welchen Schlofsen- und Graupenhagel auf dem Rücken der Anden bey 2000 und 2600 Toiserx sich darstellen, und wenn ich die Frage untersuche, ob man die Wolkenschichle, welche das Gebürge einhüllt, als eine wagerechte Fortsetzung derjenigen Sciiiclite be- trachten kann, welche wir unmittelbar über uns in den Ebenen erblicken. Der mit vielen Inseln besetzte Orenoko beginnt sich in mehrere Arme zu theilen, deren westlichster den Jän- ner und Hornung durch trocken bleibt. Die Gesammt- brcite des Stromes beträgt über aöoo bis 3ooo Toisen. Der InselJavanava gegenüber bemerkten wir östlich die Mündung des Canno Anjacoa. Zwischem diesem Can- no und dem Kio Paruasi *) oder Paruati wird das Land zusehends holzreicher. Mitten aus einem Wald von Palmenbäumen, unfern vom Orenoko **), erhebt sich ein abgesonderter Felsenrücken von überaus malerischer Gestaltung. Es i. li a p i l e l XIX, 469 aber und die geislllchen Bekehrungen durch Bayonnetle waren ein, dem auf schnelle Vergröl'scrung der Missio- nen berechneten Reo;imenle innvvohnendes, Gebreclien« Es ist tröstlich zusehen, dafs die Franciscaner-, Domi- nicaner-und Augustiner- Mönche, welche gegenwärtig ausgedehnte Landschaften beherrschen, und durch die Milde oder die Rohheit ihrer Sitten einen so mächtigen Einflufs auf das Schicksal so vieler Tausenden der Ur- Einwohner ausüben , jenem Systeme nicht huldigen. Die bewaffneten Ueberfälle sind beynahe völlig abge- schafft; und wo sie noch stattfinden, da werden sie von. den Vorgesetzten der Orden mifsbilligt. Wir wollen in diesem Augenblick nicht entscheiden, ob diese Ver- besserung der mönchischen Einrichtungen einem Man- gel an Thätigkeit und einer trägen Lauheit, oder, wie man eher wünschen möchte, vermehrter Aufklärung und würdigeren, dem wahren Geist des Christernthums besser entsprechenden Gesinnungen müsse zugerechnet %v erden. Von der Mündung des Rio Paruasi an verengert der Orenoko sich neuerdings. Sein mit kleinen Insfln und Granit- Blöcken angefülltes Bett stellt nun die rapi- des oder kleinen Cascaden *) dar, deren erster Anblick den Reisenden durch den beständigen Wasserslrudel be- unruhigen kann, die jedoch den Fahrzeugen in keiner Jahreszeit gefährlich sind. Man mufs wenig iu Schiff gewesen seyn, um mit dem Pater Gili **), welcher sonst so genau und verständig ist, zusagen, ^^e terribile pe jnolti scogli il tratto del fiiime tral Castello e Caric- ciana.'* Eine Rrihe Klippen, welche beynahe durch die ganze Breite des Stroms läuft, führt den Warnen •) Los rgmolinof, **) Tom. I, p. II, 470 Bach VII. Mandat de Marimara '••)• E.\n enffer Canal geht zwi- sehen durch, worin das Wasser zu sieden scheint, wenn • es untcrhall» d«r P/eJ/-« de iMarimara , einem dichten Granitfekcu von So Fufs Höhe und 3oo Fufs Umfang, ohne üpalten oder J^pur von Schichtenbildung, urtge- strau hervorkömmt **). Der Strom dringt lief landein- wärts, und bildet geräumige Buchten in dem Felsen- ufer. Eine dieser Buchten, die zwischen zw^ey nack- ten Vorgebirgen eingeschlossen ist, heifst der Hafen von Carichana***y. Die Gegend hat ein wildes Ausse- hen. Die Felsküste wirft Abends ihre langen Schatten über die Wasserfläche des Stroms. Das Wasser erscheint schwarz, indem es die Bilder dieser Granitmassen zu- rückwiift, die, wie wir schon bemerkt haben, durch das Colorit ihrer äufsern Oberfläche bald den Steinkoh- 3en, bald demBleyerze gleichen. Wir übernachteten in dem kleinen Dorfe Carichana, wo uns, auf die Empfeh- lung des guten Missionars, Fray Jose Antonio de Torre, im Pfarrhof oder convento Aufnahme zu Theil ward. Wir hatten seit vierzehn Tagen unter keinem Dache ge- schlafen. Am 11. April. Um den der Gesundheit oft so nach- theiligen Folgen der Ueberschwemmungen zu entgehen, ward die Mission von Carichana in der Entfernung von Dreyviertel- Meilen vom Strom angelegt. Die India- "jier gehören zu dem Stamme der Salivas: sie haben ei- nen widrigen JN äsen -Ton. Ihre Sprache, von welcher *) Man crl;ennt diesen Namen in demjenigen des Berges von Castillo, neleher MnrimaTuta oder Marimarota heifst. {Gu- milla^ Tom. I, p. 283.) **3 Diese Gegenden werden in den spanischen Colonien choT' reras genannt. •**) Fietra j piierto de Carichana* H a p i f e l XIX. 471 clor Jesuit P. Anisson eine handschriflHcli geblieben« Sprachlehre verfertigt hat, ist, neben der Cariben-, Ta- manaken-, JVTaypuren-, Otomaken-, Guahiven- und Jaruro- Sprache, eine der am Orenoho am weitesten verbreiteten Mutter- Sprachen. Der Pater Gili *) hält das Ature, Piraoa, Guayna oder Mapoje nur für Dia- lecte der Saliva. Meine Reise war viel zu schnell, als dafs ich die Richtigkeit dieser Angabe beurtheilen könnte ; wir werden aber bald sehen, dafs in dem, durch diein sei- ner Nähe befindlichen grof?;en Cataracten berühmten Dorf Atures heutzutage weder die Saliva -, noch die '> ture -, son- dern die Maypuren-Sprache geredet wird. In der Saliva- Sprache von Carichana heifst der Mann cocco, das Weib gnacii, das Wasser cf'gH«, Aa.%¥e\xGvegnssa, die Erde sehe, der Himmel **) innmeseke (das Oberland), der Jaguar impü , das Crocodil cuipöo , der Mais^zo/n«, die Pi- sangfrucht paractiinct , die Manioccawurzel peipe. Ich will eine der beschreibenden Zusammensetzungen anführen, welche die Kindheit der Sprache zu bezeich- nen scheinen, obgleich sie sich auch in einigen sehr ausgebildeten Idiomen erhalten haben ***). Wie in der Basken - Sprache , wird der Donner das Krachen der TVolken iodotscO genannt; die Sonne heifst in der Sa- liva-Sprache mume- sehe- cocco, das will sagen, Mensch (jcocco) des Landes isehe') droben (miime'). Der älteste Wohnsitz des S.iliva- Stammes scheint das weltliche Gestade des Orenoko zwischen dem Rio Vichada **■*) und dem Guivare sowohl, als zwischen *) Tom. Iir, p. 2o5. **) Tom. III, p. 212. **♦) Siehe oben Th. II, Kap. 9, S. 200. ****) Die Mission Salive, am Rio VichaJa, ward durch die Cai-iben zerstört. ^Casaiüy Uist. Gen., Cap. XXVl, p. 168.) 47* Buch VlI. dem Meta und dem Rio Pante gewesen «u seyn. HeuK- zuta:>e tr'iTt man Menschen vom Saliva- Stamme nicht nur in Carichana an , sondern auch in den Missionen der Provinz von Casanare, in Cabapuna, in Guanapale, in Cahinna und in Macuco. Dieses letztere, im Jahr j^3o durch den Je«uiten- Pater Fray Manuel Boman ge- gründete Dorf zählt i3oo Einwohner. Die Salivas sind ein getelliges^ sanftes, fast schüchternes, und leichler) ich will nicht sairen zu cullivirendes , aher zu unterjo- chendes Volk, als die übrigen Stämme am Orenoko. Um der Herrschatt der Cariben zu entgehen, haben die Salivas sich den ersten Missionen der Jesuiten willig angeschlossen. Darum rühmen dann auch diese Ordens- leute in ihren Schriften überall den Verstand und die Gelehrigkeit derselben "■•'). Die Salivas sind grofse Freunde der Tonkunst; sie bedienen sich, von sehr alten Zeiten her, der Trompeten aus gebrannter Erde, welche vier bis fünf Fufs lang sind und mehrere kugel- förmige Bauchungen haben, welche durch enge Boh- ren zusammenhängen. Die Töne dieser Trompeten sind überaus kli^glich. Die Jesuiten haben die natürlichen Anlagen der Salivas für die Instrumental- Musik ausge- bildet y und die Missionarien vom Rio Meta haben so- gar auch seit Auflösung des Ordens in San Miguel de Macuco eine schöne Kirchen- Musik und den musikali- schen Unterricht der indischen Jugend beybehalten. Ganz neuerlich noch war ein Reisender verwundert, die Ur-Einwohner die Violine, das Violonzell, den Trian- gel, die Guilarre und die Flöte spielen zu sehen. *""') *) Gnmilla, Tom. I, Cap. XIII, p. 309 — 224. Gili , Tom. I, p. 57 5 Tom. II, p. /j4. **) Diario del Fresbilero Josef Cortes ßladaiiaga en su viag9 de Santa- Fe de Bogota por el Rio Meta a Caracas C>8'Q» /o/. i5. (HandschrifQ. Kapitel XIX. 473 Diß Verhältnisse der abgesonderten Missionen am OrenoKo sind den Fortscliritten der Sittigung und der Zunaliine der Bevölkerung der Salivas so günstig nicht, wie die von den Augustiner -Mönchen in den Ebenen von Casanare und vom Metastrom befolgten Einrich- tungen '0. In Macuco haben die U:* -Einwohner ihr© Verbindungen mit den Weifsen benutzt, welche im nämlichen Dorf wohnen und fast alle Flüchtlinge au» Socorro sind **). Am Orenoko wurden zur Zeit der Jesuiten die dr^v Dürfer von Pararuma, von Castillo oder Marumarutu und von Carichana in ein einziges, nämlich dasjenige von Carichana verschmolzen, welches dadurch eine ansehnliche Mission ward. Im Jahr 1769, als die Forlaha de San Francisco Xavier und ihre drey Batterien noch vorhanden waren, zählte der Pater Caulin ***> in der Mission von Carichana 400 Salivas. Im Jahr 1800 fand ich ihrer kaum i5o. Von dem Dorfe sind nur noch einige aus Lehmerde erbaute Hütten übrig, welch ein symmetrischer Ordnung ein ungeheuer hohes Kreuz umgeben. •) Recoletos, vom grofsen Collegiuin de la Candelaria de Santa • Fe de Bogota abliängend. **) Die Stadt Socorro, südlich vom Rio Sogamozo, und nord- nord- östlich von Santa -Fe de Bogota, ^var der Miltelpuncl des Aufruhrs, welcher im Königreich Neu- Granada, im Jahr 1781, unter dem Erzbischof, Vicekönig Gongora , um der Bedrückungen willen, welche das Volk durch Einführung de» Tahakspachts erlitten hatte, ausgebrochen ist. Viele gewerb- fleifsige Einwohner wanderten damals in die Llanos der Äleta aus, um den Verfolgungen zu entgehen , welche im Ge- folge der vom Hof zu Madril ertheilten allgemeinen Amne- stie eintraten. Diese Auswanderer werden in den Missionen Socorrennos refugiados genannt. *'**} Hut, corogra/ieaf p. 71. A74 Buch VIL IVIitten unlpr den Salivas- Indiern trafen wir ein Weib an von weifser Herkunft, die Schwester eines Je- suil?n aus Neu-Granada. Das Vergnügen ist unaus- sprechlich grofs, welches man fühlt, wenn man mitten unter Völ!;ern, deren Sprache man nicht kennt, ein Geschöpf antrifft, init dem eine Unterredung ohne Dol- metscher geschehen kann. Jede Mission hat wenig- stens zwpy solcher Dolmetscher, lenguaraies. Es sind Indianer, etwas weniger dumm als die übrigen, und durch welche die Missionarien am Orenoko, die sich nur selten Mühe gel)en die Landesspraclien selbst zu er- lernen, mit den Neubekehrten Unterredung pflegen. Diese Dolmetscher haben uns auf unsern botanischen Spaziergiingen meist begleitet; sie verstehen jedoch das Castiüanische eher, als dafs sie solches sprechen können. In ihrer trägen Gleichgültigkeit beantworten sie jede an sie gerichtete Frage, gleichsam aufs Gerade- wohl, aller allzeit mit einem gefälligen Lächeln durch ein : ;«, mein Puter ^ nein , mein Pater. Man stellt sich leicht vor, wie ungeduldig solche Gespräche ganze Monate lang machen müssen, wenn man gerne Aufklä- rung über Dinge hatte, die eine lebhafte Theilnahme erregen. Oeflers sahen wir uns genöthigt, gleichzeitig mehrere Dolmetscher und verschiedene Uebersetzungen nacheinander zu gebrauchen, um mit den Ur -Einwoh- nern uns unterhalten zu können. '0 *) Um sich von «Ten Verlegenheiten, welche diese INIillheilun- gcn durch Dolmelscher begleiten , einen richtigen Begriff zu machen , müfs man daran denken . \v\e auf der Reise von Le- wis und Clarel« an den Rio Columbia der Capilain Clark, um sich mit den Chapnnish- Indianern zu unterhallen, mit ei- nem seiner t.eute Englisch sprach; dieser übersetzte die Frage dem Chabaneau französisch ; Chabaneau übersetzte seiner in- dianischen Frau das Französische in die Minetarru-lSlusiinr\\ Kapitel XIX. 475 ^jUeLcr meine Mission hinaus, sagte der gute Or- densinann von Uruana, werden Sie wie Stumme rei- sen/'^ Diese Vorlior?agung ist ungefähr in Erfüllung gegangen^und um nicht allen Vortheil^ der aus dem Um- gang auch mit den rohesten Indianern gezogen werden magj zu verlieren, hahen wir bisweilen die Zeichen- sprache vorgezogen. Sobald der Landes -Eingebor'ne wahrnimmt, dais man sich keines Dolmetschers bedie- nen will, sobald man ihn durch Hinweisung auf die Gegenstände unmittelbar fragt, so legt er seine gewohnte Gleichgültigkeit ab, und verräth eine nicht gemeine Ge- wandtheit, sich verständlich zu machen. Er wechselt mit den Zeichen ab, spricht die Worte langsam aus, xmd wiederholt sie auch, ohne dazu aufgefordert za werden. Seine Eigenliebe scheint sich durch die Ach- tung geschmeichelt zu fühlen, welche ihm dadurch be- zeugt wird, dafs man sich von ihm unterrichten läfst. Diese Leichtigkeit, sich verständlich zu machen, zeigt sich besonders auffallend beym unabhängigen Indianer und in den- cl.risllichen Ansiedelungen 5 ich empfehle den Reisenden, sich vorzugsweise an die seit Kurzem erst be kehrte filJr-Winyirohner oder an solche zu wenden, welche von Zeit zu Zeit in die Wälder zurückkehren, um ihre vormalige Freyheit zu geniefsen '"■). Es unter- liegt keinem Zweifel, dafs die unmittelbaren Verhält- nisse mit den Ur-Einwohnern gar viel belehrender und die Frau üLersclzte dies hinwieder einem Gefangenen in die Shosshonee : und der Gefangene dann endiicli in die Chapu' rj/jÄ- Sprache. Dafs durch die fünf aufeinander folgenden Uebersetzungen der Sinn der Frage zuweilen gefälscht ward, läfst sich wohl mit Recht befürchten. *} Indios neuvamente reducidos ; Lidios medio • reducldoSy va' gosj que vuelven almonte. 476 Buch VIL zuverlässiger sind, als die, welche durch Dolmetscher geschehen ■'), sobald man die Fragen zu vereinfachen weifs, und sie mit zweckmäfsigen Aenderungen mehre- ren Personen nacheinander vorlegt. Die Verschieden- heit der Mundarten, welche an den Ufern des Meta, des Orenoko, des Cassiquiare und des Rio Negro ge- sprochen werden, ist übrigens dermafsen grofs , daft ein Reisender, wie ausgezeichnet auch sein Sprachta- lent seyn mag, sich niemals schmeicheln dürfte, so viele zu erlernen, als erforderlich wäre , um sich längs den schiffbaren Strömen, vom Angostura bis zum Fortin von San Carlos del Rio INegro versländlich zu machen. In Peru und in Quito ist die Kenntnifs der Qquichua odei? der Incas- Sprache liinreichend ; in Chili genügt dai Araucanische ; in Paraguay das Guaranysche , um sich dem gröfsern Theil der Bevölkerung verständlich zu machen. Anders verhält es sich in den Missionen des spanischen Guiana, wo die Völker verschiedener Stämme im gleichen Dorfe vermischt beysammen leben. Hier Itönnte es sogar noch nicht genügen, die Cariben oder (Jarina, die Guamo, die Guahlve **), die Jaruro, die Otomaken, die Maypuren, die Saliva, die Marivitan, die Maquiritare und die Guaica, alle diese zehn Spra- chen erlernt zu haben, von denen nur unförmliche Sprachlehren vorhanden sind, und deren Verwandschaft zu einander geringer ist, als diejenige zwischen dein Griechischen, Deutschen und Persischen. Wir fanden die Umgebungen der Mission von Cari- chana überaus angenehm. Das kleine Dorf liegt in ei- ner der mit Gras bewachsenen Ebenen, welche vom En- caramada bis jenseits der Cataracten von Maypures alle *) Siehe oben Th. 2, Kap, 9, S. 20J. **y Wird ausgesprochen guaslua , im Spanischen guajiva. K et p i t e l XIX. 47- Glieder des Cranitgcbirges von einander trennen. Die Waldgränze stellt sich nur in der Ferne dar. Der Ho- rizont erscheint von Bergen begränzt^ die, zum Theil mit U aldung l)e\vachsen, ein düsteres Aussehen haben, zum Tiieil nackt sind, mit Felsengipfeln gekrönt, die vom Glanz der Abendsonne vergoldet werden. Was dieser Landschaft einen eigenlhümlichen Character er- theilt, das sind die beynahe alles Pflanzenvvuchses ent- blüfjten Felsen -Bänke *), welche oft über achthundert Fufs Umkreis haben, und kaum einige' Zoll über die umliegende Savane erhöht sind. Sie bilden gegenwär- tig einen Theil der Ebene. Man fragt sicii erstaunt, ob irgend eine aufserordentliche Umwälzung die Erde und die Pflanzen von ihnen weggeführt hat, oder ob der Granit-Kern unsers Planeten sich nackt darstellt, weil die Keime des Lebens noch nicht auf allen Puncten sich entwickelt haben. Das nämliche Phänomen scheint sich auch im S/tamo darzubieten., welches die Mongolei voa China trennt. Diese abgesonderlan Felsenbänke in der AVüste werden Tsy^ genannt. Es würden, denk' ich, wahrhafte Plateaus seyn, wenn die umliegenden Ebenen von Sand und von der Erde, die sie decken, und dio durch das Wasser an den niedrigsten Stellen angehäuft wurden, entledigt wären. Theilnehmend verfolgt man auf diesen Stein - Plateaus von Carichana die Anfänge des Pflanzenwuchses in den versciüedenen Stufen seiner Entwicklung. Man nimmt flechtenartige Pflanzen wahr, welche den Stein zu spalten anfangen, und die in mehr oder minder dichten Krusten vorhanden sind j in klei- nen Häufchen von quarzigem Sand ernähren sich Saft- gewächse 5 und endlich in Schichten von schwarzer Erde, welche in hohlen Spalten abgesetzt, und aus U«- *) Laxas. 478 B n c h ril. berbleibseln von Wurzeln und Blattern gobildet ist, waclisea Büsche von schattigen, immergrünen Sträu- cliern. Ich würde unserer Gärten und der schüchter- nen Werke der Kunst nicht gedenken, wenn von gros- sen Nafurscenen die Rede wäre; dieser Conlra?t aber von Felsen und blumigten Gebüschen, diese in der Sa- vane zerstreuten Buschwerke kleiner Bäume erinnern unwillkührl:ch an das, was unsere Garlenanlagen Man- nigfaches und Malerisches darbieten. Man könnte glau- ben, der Menscii habe , durch ein inniges Gefühl der Schönheiten der Natur geleitet, die wilde Rohheit die- ser Gegenden zu mildern versucht. In der Entf<»rnung von zwey bis drev Meilen von der Mission stellt sich in diesen durch Granithügel von einander gelrx?nnten Ebenen ein eben so reicher als mannigfaltiger Pflanzenwuchs dar. Vergleicht man die Gegend von Carichana mit derjenigen aller Dorfschaf- ten oberhalb der Cataracten, so erstaunt man über die. Leichtigkeit, womit das Land durchwandert wird, ohae den Stromufern zu folgen , und ohne durch die dichten Waldungen aufgehalten zu werden. Hr. Bonpland hat mehrere Ausflüge zu Pferd gemacht, die ihm eine rei- che Pflanzenernte gewährten '■*). Ich will nur des Para- guatan gedenken, einer prächtigen Art des Macrocne- nium, deren Hinde roth ftirbt**); des Guaricamo mit giftiger Wurzel***), des Jacaranda obtusifolia ****), und *) Camhroyvkm fraric'daefoliurn ^ Bi|Tnonia carlchanensis ., B. fluvialiJis, B. salivifoUa., Hypericum Euge/üae/o/i um , Convol-' vulus disco/or, Casearia cap:tata, Spathodia oriuoceiuisy Heliolropiuin cinereum^ H. Jiliforme^ etc. **) Macrocnemum tinctorium. ***) Ryania coccinea. ****) Siehe unsere PlcuUcs eqiiin., Tom, I, p. 63, tab. i8. Kapitel XIK. 479 des Serrnpe oder Jiorst. Man kann ihn mit der Donau vergleichen, nicht hinsichtlich der Länge seines Laufes, wohl aber seiner Wassermasse. Seine mittlere Tiefe beträgt 36 Fufs, die höchste erreiciit 84. Die Vereinbarung beyder Ströme gewährt, einen sehr imposanten Anblick. Verein- zelt stehende Felsblöcko erheben sich am östlichen Ge- stade. Uebereinander liegende Granitblöcke sehen von ferne zertrümmerten Schlössern gleich. Ausgedehnte Sandufer entfernen die Grenze der Waldungen vom Strome; aber mitten unter denselben erblickt man über dem Horizont einzelne, am Himmelsraiim sich darstel- lende und die Berggipfel krönende Palmenbäume. Wir verweilten zwey Stunden auf einem grofsen, mitten im Orenoko befindlichen Felsen , welcher der Stein der Geduld "-^ heifst, weil die stromaufwärts fah- renden Pirogen zuweilen zwey Tage brauchen, um den von diesem Fels herrührenden Wasserstrudel zu- rückzulegen. Es gelang mir meine Instrumente daselbst aufzustellen. SonnenhöI)en gaben mir **) für die Län- ge der Mündung des Meta 7o°4'29''. Diese chronome- trische Beobachtung zeigt^ dafs an dieser Stelle d'An- *) Piedra de la Vac'iencia. **) Siehe meine Obs. astr., Tom. I, p. 222. Der Pater Caulin hat da, wo er der im Jahr 1756 auf der Reise von Iturria- ga und Solano gemachten Beobachtungen gedenkt, ausdrück- licli bemerkt, der Breitegrad der Ausmündung des Meta sey 6°, 20' (Hist- corogr. ^ p, 70), und dennoch findet sich der- selbe auf den nach eben diesen Beobachtungen gezeichneten Charten, denjenigen von Survüle und von La Cruz zu 6°7' Hnd 6° 10' angegeben. 488 B n c h vn. ville's Cliarte des südlichen Amerika hinsichtlich der Länge beynahe durchaus richti^«^, in der Breite hinge- gen um einen Grad fehlerhaft ist. Der Rio Meta, welcher die weiten Ebenen von Casanare durchströmt und bis an den Fufs der Anden von INeu- Granada schiffbar ist, wird einst für die Ein- wohner von Guiana und Veftezuela eine grofse politische Wichtigkeit erhalten. Vom Trauergolf und von der Mündung des Drachen mag eine Flottille den Orenoko und den Meta bis zu i5 oder 20 Meilen Entfernung von Santa -Fe de Bogota ansteigen. Das Getreidemehl von ISeu-Grauada kann hinwieder auf gleichem Weg herab- kommen. Der Mota ist gleichsam ein Verbindungsca- nal zwischen Ländern, die unter gleicher Breite liegen, deren Erzeugnisse aber so verschieden sind, wie dieje- nigen von Frankreich und von Senegal. Dieser Um- stand macht die genaue Kenntnifs der Quellen eines auf unsern Charten so fehlerhaft gezeichneten Stromes wichtig. Der Meta entsteht durch die Vereinbarung zweyer Ströme, die von den Pax-amos de Chingasa und Von Sunia Paz herkommen. Der erste ist der Kio Negro, welcher tiefer unten den Pachaquiaro aufnimmt ; der zwey- le ist der Rio de Aguasblancasoder Umadea. Ihr Zusam- jnenflufs geschieht in der Nähe des Hafens von Marayal. Vom Passo de la Cabulla, wo man den Rio Negro ver- läfst, beträgt die Entfernung der Hauptstadt von Santa - Fe nur 8 oder 10 Meilen. Ich habe diese merkwürdi- gen Angaben, so wie ich dieselben von Augenzeugen sammelte, in der ersten Ausgabe meiner Charte vom Rio Meta verzeichnet *). Die Beschreibung der Reise *) Atlas geogr., PI. XIX. li et p i t e l XIX. 489 des Canonicus Don Jost^f Cortes Madariaga hat niclit nur meine ersten Ansichten über die Quellen des Meta Leslätigt^ sondern mir auch für die Vervollkommnung meiner Arbeit höchst schätzbare Materialion geliefert. Von den Dörfern Xiramena und Cabullaro bis zu den- jenigen von Guanapalo und Santa Rosalia de Cabapuna, auf einer Länge von 60 Meilen, sind die Gestade des INIela bevölkerter, als des Orenoko. Man findet da 14 christliche, zum Theil sehr zahlreiche Niederlassun- gen 5 aber von den Mündungen des Pauto und des Casa- nare an wallen in einer Strecke von mehr denn 5o Mei- len die Wilden Guahibos -0 an den Gestaden des Meta. Zur Zeit der Jesuiten und vorzüglich während der Reiseunternehmung Iturriaga's im Jahr 1756 war die Schiffahrt auf diesem Strome gar viel thätiger, als sie gegenwärtig nicht ist. Missionarien des gleichen Or- dens herrschten damals an den Gestaden des Meta und des Orenoko. Die Dörfer von Macuco, von Zuri- niena und Casimena waren gleichmäfsig durch Jesuiten gegründet worden , wie diejenigen von Uruana, Enca- ramada und Carichana. Es lag im Plan dieser Väter, eine Reihenfolge von Missionen zu gründen, die sich voTn Zusammenflufs des Casanare mit dem I\Ieta bis zum. Zusammenflufs des Meta mit dem Orenoko ausdehnen sollte. Ein schmaler Strich angebauten Landes hätte die ausgedehnte Steppe durchzogen, welche die Wäl- der der Anden -Guiana von j\eu- Granada trennt. Aus- ser den Mehlvorräthen von Santa -Fe sah man damals, zur Zeil der Ernte der Schildkiöten-Ever, auch day *) Man schreibt Guajibos, Guahiuos, und Guagiuos. Sie selbst nennen sich Gua-ii>a. 490 'Bach ni. Salz von Chita , die Bauinwolltiiclier von San Gil und die farbigen Decl^en von Socorro den Slrom her.il) schif- fen. Um den kleinen Krämern, die sich mit diesem Binnenhandel ahgaben, einige Sicherheit zu verschaf- fen, wurden vom Cnslillo oder Fortin von Carichana von Zeit zu Zeit Ausftille gegen die Guahibos- Indianer gemacht. Weil der nämliche Weg, welclier den Handel der Erzeugnisse von Neu- Granada begünstigte, auch den Schleichhandel der Küsten von Guiana erleichtert, so hat der Handelsstand von Carlhagena in Indien von -'er Regierung Mafsnahmen ausgewirkt, welche den freyen Handel auf dem Meta ungemein beschränken. Der gleiche Monopolien- Geist hat den Meta, den Rio Atracto und den Amazonenslrom verschlossen. Seltsame Staats- lilugheit, welche die Muttorstaaten glauben macht, dafs ihr V"orth(;il erheische, Länder unbebaut zu lassen, in welchen die Natur die Keime jeder Fruchtbarkeit nie- dergelegt hatte. Die wilden Indier haben sich die man- gelnde BeA-ülkerung überall zu Nutz gemacht. Sie ha- lben sich den Strumen genähert, sie beunruhigen die Durchreisenden, und sie suchen wieder -ii erobern, was sie seit Jahrhunderten eingebüßt hatten. Um die Guahibos im Zaum zu halten, wollten die Kapuziner- Missionarien, die in den Missionen am Orenoko den Jesuiten folgten, an der Ausmündung des Meta*) eine Stadt erbauen, die den Namen f'il/a de San Carlos führen sollte. Trägheit und die Furcht vor Wechsel- fiebern haben de Ausführung dieses Planes gehindert. *) Oestlich von f.ahranza grande und nord- westlich von Pore, der jetzigen Hauptstadt der Provinz Oasanare. H n p i t e l XIX. 49i und es ist von der Stadt VIUa de San Carlos nie etuas anders vorhanden gewesei».;,. als ihr auf schünein Perga- ment gemaltes Wappen? cliiJJ, und ein ungeheuer hohes am Gestade des Mela errichtetes Kreuz. Die Guahihos, deren Zahl, wie man hehauptct, aui* einige Tausend© ansteigt, sind so frech geworden, dafs sie hej unserer Durchreise in Carichana dem Missionar hallen hedeu- ten Kassen, sie würden aui- Flüfsen kommen, um sein Dorf zu verbrennen. Diese Ftüfse (valzas'y, die wir zu sehen Gelegenheit hallen, sind auf zwölf Fufs Läng© kaum driy Puls breit. Sie tragen mehr nicht ais zwey oder drey Indianer 5 aber i5 oder 16 solcher Flöfso werden mit Stengeln der Paullinia, der Dolichos und anderer Rankenpflanzen aneinander gebunden. Es Ist beynahe unbegreiflich, wie diese leichten Fahrzeug© beym Durchgang der rapides unzerstürt und mit ein- ander verbunden bleiben. Viele Flüchtjinge aus den Dörfern Casanare und Apure haben sich den Guahiboa angeschlossen 5 sie haben diesen die Sitte, das Ochsen- fleisch zu speisen und die Ochsenhäut^ zu benutzen, übei'liefert. Die Meyereyen von San Vicento, vom Ru- bio und von San Antonio haben durch die Ui^berfälle der Indier einen grofsen Theil ihres Hornviehs einge- büfst. Sie sind es hinwieder auch, welche die Pieisen- den, die den Mela aufschiflen, bis zum Zusamraenflufs des Casanare am Gestade zu übernachten hin<'/era. Zui? Zeit der niedrigen Gewässer geschieht es öfters, daf» Meine Krämer von IN eu- Granada, deren einige noch das Lager von Pararuma besuchen, durch die vergifte- ten Pfeile der Guahihos gel jdtet ^-^ e; uen. Von der Ausmündung des Mela an schien uns der Orenoko weniger Klippen und Felsenhiöcke zu entbal- tcr« Wir schiliten in einenj yoo Toisen breiten CauÄl. 49^ B u c h VIL Die Indianer ruderten in der Piroge, ohne sie zu ver- holen und ohne ihre Arme stark anzustrengen; hin- gegen ermüdeten sie uns durch ihr wihles Geschrey. Wir kamen westlich bey den Cannos Vita und Endava vorbey. Es war bereits Nacht, als wir vor dem Pian- dal de Tahaje eintrafen *). Die Indier wollten es nicht wagen den Wasserfall vorbey zufahren, und wir über- nachteten am Lande an einer höchst unbequemen Stelle, auf einer über 18° eingesenkten Felsenbank, die in ih- ren Spalten einer Scliaar Fledermäuse zum Aufontlialt diente. Wir hörten die ganze Nacht durch das Ge- schrey des Jaguars völlig in der Nähe. Unser grofser Hund beantu ortete dasselbe durch ein anhaltendes Heu- len. Ich hofite vergebens auf die Steniej der Himmel war von furchtbar dunkler Schwärze. Das dumpfe Ge- tös der Wasserfälle des Orenoko contrastirle mit dem Knall des Donners, der fern gegen den Wald hin rollte. Am i3. April kamen wir frühmorgens bey den Wasserfällen von Tahaje vorbey, dem Ziel der Heise des Pater Gumilla ""'O; und wir stiegen hier wieder an's Land. Der Pater Zea, welcher uns begleitete, wollte in der seit zvvey Jahren errichteten neuen Mission von San ßorja Messe lesen. Wir fanden daselbst sechs von nicht - catechisirten Guahibos bewohnte Häuser. Sie waren von den wilden Indiern durch nichts unterschie- den. Ihre ziemlich grof^en und schwarzen Augen drückten mehr Lebhaftigkeit aus, als die Augen der in *) Tai'aje^ olme Zweifel Atavoje. **) Ort-ncgiie ilhisLre (franz. Uel)er3.) , Tom. I. p. '19 und ;?f. Gumilla verndierl jedocji, p. CG, auf dem Tjnaviare g!».«chiilt zu haben. Er giebt für den Raudal de Jabaje 1° 4 UrJite «n, wobey eine Irrung von 5° 10' wallet. Kapitel XIX. 493 den allen Missionen wohnenden Indianer. Wir boten ihnen vergebens Branntwein anj sie wollten ihn auch nicht einmal scliinecken. Die jungen Mädchen hatten alle runde und schwarze Flecken im Gesicht. Man hätte sie für Schönjlechchen halten können, deren sich vor- mals die Frauen in Europa bedienten, um die Weifse ihrer Haut damit zu erliühen. Der übrige Körper der Guahibos war nicht bemalt. Melirere hatten Barthaare, sie schienen stolz darauf zu seyn 5 und, indem sie uns beym Kinn fasten , gaben sie durch Zeichen zu verste- hen, sie seyen gebildet wie wir. Ihr Wuchs war über- haupt schlank. Hier neuerdings, wie bey den Salivas und Macos, befremdete mich die wenige Einförmigkeit der Gesichtszüge dieser Indianer vom Orenoko, Ihr Blick ist finster und traurig; er zeigt weder Härte noch Wildheit. Ohne einigen Begriff von den Gebräuchen der christlichen Religion zu haben (der Missionar von Carichana liest in San Borja nicht mehr als drey oder vier Mal im Jahr Messe), war ihr Betragen in der Kir- che überaus anständig. Die Indianer lieben Alles, was Ansehen giebt Cla representation) ; sie unterziehen «ich gern für eine kurze Weile allem Zwang und Unterwür- figkeit, wofern sie nur bemerkt zu werden versichert sind. Im Augenblick der Einsegnung gaben sie einan- der durch- Zeichen zu verstehen, der Priester werde jetzt den Kelch an seine Lippen b?ingen. Diese Liewe» gung ausgenommen, blieben sie völlig still in unbtör- barer Gleichgültigkeit. DieTheilnahme, mit der wir die Verhältnisse die- ser armen Wilden untersuchten, ist vielleicht Ursache der Zerstörung der Mission geworden. Einige aus ih- nen , die ein umherziehendes Leben den Arbeiten des Landbaues vorzogen, beredeten die übrigen nach de» 49^ Buch VII. Ebenen des Meta zurückzukehren. Sie sagten ihnen: ,,Die weilsen Menschen würden nach San Borja zurück- l-^-^fe!f*£^ * ■ wy^