^%^n: ^■t^ f' -. M ItlL 7^; 9 -9 ♦ -rfo OkO- :••■ Special Collect folio-? QHll R88 v.l pt.l W^: I^^ \ ' 3f^ TK D. H. HILL LIBß;^ NORTH C;«OLirm ST4TE C0LLC6E COLLECTION^ P-oiio-2 QHll ^ :_R88 v.l pt.l # \^ Beryrath nusseggev. Vorrede. In nachfolgender Schrift übergebe ich dem Publikum die Resultate meiner mehr als fünfjährigen Reisen in Europa^ Asien und Afrika: einerseits eine schlichte Erzählung der Ereignisse, insofern dieselben einiges Interesse haben dürften, andrerseits eine möglichst genaue Darstellung der gemachten naturwissenschaftlichen Beobachtungen und der Folgerungen, zu denen dieselben berechtigen. Gleichwie also die Ergeb- nisse der Reise in zwei Momente sich theilen, in den historischen und den rein wissenschaftlichen, so sey auch der Zweck dieser Schrift ein zweifacher: und zwar soll sie einerseits jene Unterhaltung gewähren, die man fühlt, wenn man an der Hand des Reisenden fremde, ferne Länder durchzieht, zu fremden Völkern gelangt, kurz die ganze Reise mit dem Reisenden durchlebt 5 andrerseits soll sie Aufschluss geben über die Naturerscheinungen, die jenen Ländern eigenthümhch sind, insofern diess im Bereiche der möglich gewesenen Beobachtung lag, sie soll uns jene Gesetze kennen lehren, welche die anorganische Natur dort D, H. HILL LIBRARY 8 beobachtet j um sie mit denen zu veigleiclien und in Ein- klang zu bringen, die uns näher liegen 5 sie soll uns die organische Schöpfung jener Erdstriche vor Augen führen und uns mit dem Wichtigsten daraus bekannt machen, mit — dem Menschen, und zwar mit dem Menschen in seinen sittlichen, religiösen und politischen Beziehungen. Ich hatte anfänglich den Plan, den historischen Theil der Reise ganz von dem wissenschaftlichen zu trennen und jeden für sich zu behandeln. Doch ging ich davon aus triftigen Gründen wieder ab. Der wissenschaftliche Theil der Reise, ganz abstrahirt vom historischen, und isolirt hin- gestellt, wird zu trocken, zu ungeniessbar, selbst für den Ge- lehrten von Fach, wenn er ausser diesem noch für etwas Menschliches Sinn hat. Ausserdem würde es in diesem Falle viele Leser geben, die sich nicht würden orientiren können. Der Autor muss den Leser mit sich reisen lassen, er muss ihn in die fremden, fernen Lokalitäten einführen, dann wird derselbe dort zu Hause sejn, sonst nicht. Andrer- seits entbehrt der historische Theil der Reise, blos für sich hingestellt, ohne Avissenschaftlichen Gehalt, aller Würde, er sinkt zum blossen Roman herab, und einen solchen kann und will ich nicht schreiben. Zwischen diesen Extremen führt die Mittelstrasse, eine sachgemässe Verbindung beider. Ich werde daher jederzeit die Geschichte der Reise vor- ausschicken und wenn der Leser so lokalisirt und im fremden Lande zu Hause ist, dann lasse ich die geogra- phischen, physikalischen und geologischen Beobachtungen, die dieses Terrain betreffen, folgen. Am Schlüsse eines jeden Bandes folgt ein naturwissenschaftlicher Anhang, der 0 von den HH. Kustoden des liiesigen k. k. Naturalien- KabinetSj unter jederzeitiger Beifügung des Namens des Hrn. Verfassers, verfertigt wird. Der Gegenstand eines jeden dieser Aufsätze ist einerseits ein Verzeichniss der im betreffenden Lande gesammelten und überliaupt bekannten Gegenstände aus dem Bereiche der Fauna und Flora, tlieils ein plijsiognomisclier Überblick über die botanischen und zoologischen Verhältnisse des gegebenen Terrains. Den Bearbeitungen des botanischen Theils dieses jemaligen Anhanges unterzog sich Hr. Kustos Fenzl, sowie die zoo- logische Bearbeituno- von den HH. Kustoden Natterer und KoLLAR Übernommen wurde. Zulezt folgt auch jederzeit eine Schilderung des sittlichen, religiösen und politischen Zustandes der Völker. Da ich von dem Grundsatze aus- gehe, dass man den Charakter eines Volkes, gerade so wie den eines Individuums, durchaus nicht erkennen und auffassen kann, wenn man dessen Geschichte nicht weiss, so linde ich es für nöthig, da wo es sich um den Men- schen handelt, die Geschichte des Volkes in Kürze anzu- geben, um Folgerungen daraus ziehen zu können, die mehr als blosse Illusionen sind. Daher wird es auch nöthig, mich der besten Quellen, die mir zu Gebote stehen, hiezu zu bedienen , deren ich auch jederzeit getreulich erwäh- nen werde. Ist die Reise in irgend einem Lande, deren mehrere ich öfters besuchte, z. B. Nubien, Syrien, Egypten etc., als abgeschlossen zu betrachten, so folgt eine Resumirung der im Detail ausführlich gegebenen Forschungen, um dem Leser einen leichten Überblick zu geben und eine logische Haltung ins Ganze zu bringen. 10 Zur An^cliauung und Versiiinlicluuig der dargelegten Daten dient ein eigener Atlas, der die nöthigen geogra- phischen und geognostischen Karten, Gebirgsdurchschnitte und Landschaften enthält, von welchen leztern leider nicht so viele sind als ich wünschte, da ich nicht das Glück hatte, einen eigenen Zeichner mit mir zu haben, und ich nur mit Dank der Hülfe erwähnen kann, die mir in dieser Beziehung von meinem Adjunkten, Hrn. Pruckner, und von meinem ersten Dolmetscher, Hrn. Achmed Kaptan, zu Theil wurde. Der Entwurf der geognostischen Karten und der Durchschnitte, die Aufnahme des Terrains, die physikali- schen und geologischen Beobachtungen, die Führung des ganzen Expeditionsgeschäftes, sowie die Darstellung der Reisebegebenheiten und der sich daran reihenden, geschicht- lichen, geographischen, statistischen u. s. w. Beobachtungen und Folo'erunoen sind meine Arbeit. Die Karten wurden hier nach meiner Aufnahme in Folge der allerhöchsten Bewilligung Sr. Majestät unsers allergnädigsten Kaisers und Herrn in dem Bureau des k. k. Generalquartiermeister- stabes entworfen und gezeichnet. Mein erster Aufenthalt in Egypten beschränkte sich nur auf Unteregypten , und da ich damals noch nicht im Besitze meiner physikalischen Instrumente war, dieselben hin- gegen besass, als ich später ganz Egypten bereiste, so erklärt sich daraus, warum im ersten Bande wohl die geologischen, aber nicht die physikalischen eigenen Beobachtungen über Unteregypten im Detail mitgetheilt sind, die erst im zweiten Bande folgen. Da meiner Arbeit die Ansicht zu Grunde liegt, die 11 Ergebnisse der Reise nur ganz einfach zu erzälilen und die wissenschaftlichen Beobaclitungen mit den sich daraus ableitenden Folgerungen hinzustellen, folglich das Bestreben vorliegt, nur Fakta zu liefern, so umgehe ich soviel mög- lich alles nicht zum Zwecke führende Raisonnement und die Aufstellung von Hypothesen, die den Eingeweihten nichts helfen und den Jüngern nur Vorurtheile in den Kopf setzen, die sie beunfähigen, die Natur anzuschauen. Wahrheit, gänzlicher Mangel an Parteilichkeit und eine freie, durch keine fixe Ideen verunstaltete Darstelluno- sind mit Recht die ersten Anforderungen des Publikums an die Erzählungen eines Reisenden. Je grösser die Ent- fernung jener Länder ist, wohin der Reisende drang, je seltner ein Anderer so glücklich ist, dahin zu gelangen, desto unverzeihlicher, ja unverantwortlicher ist es, wenn die Darstellungen des erstem der Wahrheit entbehren 5 denn es mangelt die Controle, und man muss dem Erzähler geradehin glauben. Unrichtigkeiten, ausgesprochen über Wien, Paris, London etc. sind leicht berichtigt, schnell verbessert 5 wer aber berichtigt Irrthümer, ausgesprochen über das unbekannte Innere eines grossen Welttheils, wo- hin nur selten ein Europäer, selten ein Weisser dringt? Selten dürfte es gewiss der Fall sejn, wie z. B. bei den bekannten Mittheilungen über das Innere von Congo es war, dass der Reisende mit Vorsatz den Leser täuscht: selten sage ich, denn meist ist er selbst der Getäuschte. Hang zur Leichtgläubigkeit, besonders wenn es etwas Ausserordent- liches, Geheimnissvolles betrifft, Mangel an Sprachkenntniss, Mangel an Fähigkeit und gutem Willen, mit dem Volke 12 iiinzugelien 5 BKelkeit, durch die man sich nur im Unge- wöhnlichen gefallt etc., das sind gefährliche und häufige Quellen der Selbsttäuschung. Fruchtbarer aber als alle ist die unrichtige Anschauung. Gleichwie nicht immer der der Sprache auch vollkommen Kundige, Menschen, besonders sogenannte Wilde, zu fragen, d, h. so zu fragen versteht, dass er eine wahre, vernünftige Antwort zu erwarten hat: so kann auch nicht Jeder, selbst mit gesunden Augen, die Natur und die Menschen anschauen. Der Eine sieht die Lichtseite, der Andere die Schattenseite und Keiner den Gegenstand in seiner wahren Beleuchtung, Keiner, der Partei genommen hat. Keiner, dessen Geist in fixen Ideen, in Vor- urtheilen befangen ist. Betrachten wir z. B. die Urtheile über Mehemed Ali, w eiche entsetzliche Widersprüche finden Avir nicht? — und warum? weil die meisten entweder Partei nahmen, oder schlecht sahen, oder im Voraus schon sich vornahmen, was sie sehen müssen, im A'oraus schon sich ein- bildeten, was sie sehen werden. So waren denn Wenige, welche in ihm den ausgezeichneten Geist, den merkwürdi- gen, unerschütterlichen Mann sahen und doch seine Ver- waltung als eine der ungeeignetsten erkannten, welche exi- stiren. Wahrscheinlich den leztern, welche so sahen, kamen die Ereignisse unserer jüngsten Zeit gar nicht unerwartet, wenn sie auch ihre Vermuthungen aus vernünftigen Gründen nicht früher aussprachen. Diese müssen daher recht gesehen haben 5 denn die Geschichte bestättigte ihre Ansicht, und es kam das, was kommen musste. Fixe Ideen, Vorurtheile, die dem Reisenden oft als Wegzehrung mitgegeben werden, von denen er, in blindem Autoritätsglauben befangen, nicht 13 abzugehen wagt: sie sind die Müller aller der ITngelieiier und Kobolde, die wir in der Wissenschaft haben, welche zu vermehren ein Leichtes ist, welche zu vermindern aber einen festen ritterlichen Kampf erfordert, zu dem Jeder verpflichtet ist, der zur Wissenschaft sich berufen fühlt. Irrthümer, auf solche Art geschaffen und in den hei- ligen Tempel eingeführt, pflanzen sich durch Jahrhunderte fort und werden den neuen Generationen schulgerecht ein- geimpft. Derlei Illusionen auszurotten, ist für den Reisen- den ein wahres Verdienst, denn an ihn appellirt die Wissen- schaft, nicht an den, der zu Hause seinen Forschungen weitere Bedeutung gibt; er ist die Quelle, und diese muss rein und klar rinnen; er muss seine Stellung nicht ver- kennen und sich weder zum Träumer, weder zum leiden- schaftlichen Parteigänger, noch zum Lügner herabwürdigen. So sehe ich die Sache an. Der feste Vorsatz, der Wahrheit getreu zu bleiben, liegt meinen Darstellungen zu Grunde, Parleisucht ist mir fremd; ob ich aber alle die Klippen der Selbsttäuschung umgehen konnte, das bezweifle ich: denn in dieser Beziehung versündigt man sich nur gar zu leicht. Stimmung, Krankheit, Leiden, alle die potenzirten Eindrücke auf das Geraüth, besonders in den Jahren, wo noch das Herz seine Ansprüche macht, modi- fiziren den Blick, und man sieht, bei dem besten Willen, nicht immer richtig. Sehr dankbar werde ich daher jede Belehrung annehmen, sehr bereitwillig wird man mich stets finden, weitere Auskunft zu geben, wenn sie im Bereiche meines Wissens liegt. Sollten Differenzen in den Ansichten über diesen oder jenen Gegenstand sich ergeben, so werde 14 ich mich stets daran erinnern, dass die Meinung frei ist und nur der Wahrheit der Sieg gebührt. Nie wird es mir beifallenj zu denken^ dass man mir nahe treten wolle, wenn man meine Meinung nicht mit mir theilt. Es wird vielmehr eine Aufforderung sejn, die meine zu prüfen, ob sie Stich hält. Wer viel gereist hat , der muss eine Welt in seiner Brust zurückbringen, eine Fülle schöner Erinnerungen. Das fühlte ich nie so sehr als jezt, da ich meine Reise bearbeite. Alle die Leiden, Gefahren, Opfer und Verluste, die ich erlebte und ertrug, treten, zurückgekehrt an den heimathlichen Herd, in den Hintergrund, und nur das Schöne bleibt ewig jung. So unterziehe ich mich denn auch meiner Aufgabe mit Lust und Liebe, und lege die Lösung derselben mit der Bitte um freundliche Aufnahme vor das Forum der öflTentlichen Meinung hin. Wien, 14. März 1841. Mussegger. Eüileltiing:. Die grossen Auslagen, die sicli mit Mrheimed Alis Ungeheuern Anstrengungen in lezter Zeit uothwendigerweise verbinden mussten; die Geldopfer, welche er der Verwirk- lichung seiner Plane brachte und die mit der Produktion, mit der pecuniären Kraft der ihm anvertrauten Länder weit ausser allem Verhältnisse standen: die leiteten seine Ge- danken dahin, alle nur möglichen Quellen zu öffnen, um sich neue Zuflüsse zu verschaffen, da die alten nicht mehr zureichten, zum Theil bereits erschöpft waren. So verfiel er denn auch darauf, sein Gliick im Bergbaue zu versuchen, ein Unternehmen, das er für sich rein als Handelsspekulation betrachtete, indem ich unmöglich mich dem Glauben hingeben kann, dass wissenschaftliches Interesse ihn dabei bestimmte. Eine mineralogische Untersuchung seines Landes, rein als solche betrachtet, lag durchaus nicht in seiner Absicht. Er brauchte Blei, Eisen, Kohlen und unter andern auch Gold. Lezteres kam durch den Handel mit den Negern im Innern von Afrika nur sparsam nach Egypten und musste durch den Handel mit Europa und Asien erworben werden. Erstere, so nöthig für seine Flotte, seine Landarmee, seine Fabriken, musste er für enormes Geld aus Europa beziehen, wofür er noch meist nur eine sehr schlechte Waare erhielt. Diese Artikel daher in seinem eignen Lande aufzufinden und zu gewinnen, oder sich zur weniger kostspieligen An- schaffung Wege zu öffnen, das war die Tendenz, die ihn bei Nachfolgendem leitete. Er wendete sich bereits im 16 Jahr 1834 an die österreichische Regierung mit dem An- suchen, ihm bergmännisch unterrichtete Individuen zeitweise zu überlassen, um die wichtigsten Theile seiner Länder zu untersuchen und falls sich bauwiirdige Lagerstätten nutzbarer Mineralien fänden, den Abbau derselben einzuleiten. Als besonders wichtig für den ersten Moment bezeichnete er die in lezter Zeit ihm untergeordneten Gebirgsdistrikte des Taurus im Paschalike von Adana und die Gebirge Syriens. Schon seit längerer Zeit Avurden Bleierzgruben im Taurus bei Güleck ßoghas, Eisenerzgruben in Kassan Oglu am Taurus und solche bei Mar- Hanna auf dem Libanon von den dortigen Bewohnern ausgebeutet und die Erze nach ihrer Weise zu Gute gebiacht. So waren auch die Stein- kohlen-Lagerstätten auf dem Libanon bereits bekannt. Diese Elemente nun mit Eneigie aufzufassen und vortheilhafter nach technischen Grundsätzen zu betreiben, wenn man dieses auf einen beabsichtigten reinen Raubbau beziehen darf, das war vor der Hand die erste und nächste Aufgabe; denn erst später verfiel er auf die Betreibung der tief im Innern von Afrika und weit ausser seinen Besitzungen liegenden Goldwäschen der Neger. Sein Ansuchen bezog sich daher auf die Bildung einer bergmännischen Expedition, bestehend in einem Chef, dessen Adjunkten, einigen Arbeitern und zwei Bedienten für beide erstere, welche sich der Lösung oben ausgesprochener Auf- gabe unterziehen sollten. Der Ausbruch der Cholera im Jahr 1834 und die starke Pest im Jahr 1835 verschob die Bildung einer solchen Expedition , und erst in lezterwähntem Jahre wurde diese Idee wieder aufgegriffen. Die österreichische Regierung willfahrte der Absicht des Pascha auf die zuvorkommendste Weise, indem sie den vorgelegten Plan in einem rein wissenschaftlichen Sinne auffasste und bereits kurz zuvor eine ähnliche Expedition, unter der Leitung des Bergraths Paulini , der Pforte un- mittelbar zur Verfügung gestellt hatte, um die Gewinnung und Verarbeitung der Kupfererze von Tokat bei Trebisonde einzuleiten und die bereits dort bestehenden Manipulationen zu verbessern. n Der von der egyptischeii Vcrwaltniii^ an den Hrn. Rcgieningsratli Prechtel dnrcli das k, k. österr. General- Consulat in Alexandiia g^esandte Koiitraktsentwurf wurde nun, «m eine solche Expedition zu bilden und in den Stand zu setzen, ihre Aufgabe zu lösen, Sr. Durchlaucht Hrn. Fürsten v. Lobkowitz, als Chef des ganzen Münz- und Berg- Wesens unsrer Monarchie, übergeben, der die Sache, durch- drungen von der wissenschaftlichen Bedeutung einer solchen Expedition für die Kenntniss der in dieser Beziehung noch sehr unbekannten, aussereuropäischen osmanischen Besitzun- gen, mit Energie aufgriflF und beförderte. Es wurden Aufforderungen an die untergeordneten Amter erlassen, die den Zweck hatten, sich höhern Orts von jenen Individuen in Kenntniss zu setzen, die sich berufen glaubten, der Expedition beizutreten. Unter denen, die sich meldeten , war auch ich , beseelt von dem Wunsche , bedeutende Reisen zu machen und zur Be- reicherung der Wissenschaft mein Schärflein beizutragen, andrerseits auch veianlasst durch einen höchst schmerzlichen Verlust, der mir durch die steten Erinnerungen an die Vergangenheit meinen bisherigen Aufenthalt zu Gastein un- angenehm machte. Bald darnach erhielt ich die Ernennung zum Chef der Expedition, eine Auszeichnung, die ich nicht Verdiensten, sondern einzig nur der wohlwollenden Güte meines hoch- verehrten Chefs, des Fürsten v. Lobkowitz, verdankte und dessen ünteistützung, dessen thätige Hülfe in Rath und That mir es von Vorne herein hauptsächlich möglich machte, meiner Reise die nachfoloende Ausdehnun»- und für die Wissenschaft jene Bedeutung zu geben, die ich ihr, für mich allein stehend, nie hätte geben können. Durch das- selbe Decret wurde ich nach Wien einberufen , welcher Ort zur Versammlung der ganzen Expedition bestimmt ward. Amtsübergabe, Besuche in der Umgegend verzögerten noch meine Abreise, die endlich am 20. November 1835 statt- fand, an welchem Tage ich von Gastein abging, das mir durch einen vieljährigen Aufenthalt zur zweiten Heimath geworden war. Ich konnte mich einer tiefen Rühning', Russr.cßr.K, Reisen. I. Band. 2 18 einer wahren Wehmuth nicht enthalten, als ich die Berge und Thäler verliess, in denen ich jene schöne Zeit verlebt hatte, wo im frühen Mannesalter die Poesie der Jugendzeit mit der Prosa der ernstern Jahre sich im glücklichsten Einklänge verband. Zum ersten Male trat ich aus meinen Bergen in die eigentlich grosse Welt hinaus; eine Ungewisse Zukunft vor mir, Hess ich denn alles Theure zurück, nur die Erin- nerung nicht. — Von dem Gasteiner Bergbaue nahm ich drei Arbeiter mit: Jacob Langgner als Zimmermann, Mathias MoRTScH und Joseph Pirchner als Häuer, das übrige Personal sollte ich in Wien erhalten, wo ich am 30. November, nach einem kurzen Aufenthalt in meiner Vaterstadt Salzburg, eintraf. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich schon , dass der Zweck der Expedition, somit auch die mir gestellte Aufgabe, in zwei Hauptmomente zerfiel, und zwar erstens in eine wissenschaftliche, besonders geologische und physikalische Untersuchung der Länder, welche unter den Befehl des Vizekönigs von Egypten gestellt waren , und zweitens in spezielle montanistische Untersuchungen, um in dem Interesse Mehemed Ali's und seiner eigentlichen Absicht gemäss, die er mit der Expedition verband, in diesen Ländern Lagerstätten nutzbarer Mineralien aufzufinden und in Betrieb zu setzen. Zur Erreichung beider Zwecke war nun vor Allem nöthig, das Personal der Expedition zu vervollständigen, diebetref- fenden Contrakte abzuschliessen, für allgemeine wissen- schaftliche Tendenz die erforderlichsten Instrumente, Bücher und Karten, für die speziellen montanistischen Untersuchungen aber die entsprechenden Musterwerkzeuge und sonstigen Requisiten beizuschaflfen. Ausser den drei Arbeitern, die ich von Gastein mitge- nommen hatte, wurden nun vorerst von Seite des Präsidiums unserer montanistischen Hofkammer noch ferner zu Expedi- tionsmitgliedern ernannt: Hr. Heliodor Pruckner, k. k. Kontroleur bei der Messing -Fabrik zu Ebenau, als mein Adjunkt; Hr. Theodor Kotschi, von Seite des k. k. INatu- ralienkabinets für Sammlung von Pflanzen und Thieren beigegeben, und die Herren Szlabey und Voitanek, absolvirte Bergpraktikanten von Schemnitz. Leztere drei entschlossen sich, die Reise in der Kato- gorie von Arbeitern mitzumachen , da von der ei^yptischen Behörde ausser mir und meinen Adjunkten keine anderen Chargen zugestanden waren; doch wurden sie ihrer wissen- schaftlichen Stellung gemäss als Bergoffiziere behandelt. So bestand also vorläufig die Expedition mit mir ans acht Personen, denen ich später noch in Triest einen Bedienten, Carl Danelon , und in Athen endlich den Hrn. Doktor Veit, aus 31ergentheim in Wiirtemberg, als Expeditionsarzt beigesellte. Ein Zeichner sollte mir nachgesandt werden ; Umstände verhinderten es jedoch, und so blieb die Zahl der aus Europa abgehenden Expeditionsindividuen auf zehn beschränkt. Hinsichtlich des mit der egyptischen Verwaltung abzu- schliessenden Kontraktes hatte Se. Durchlaucht Fürst v. Lob- KowiTz die besondere Güte, zu verfügen, dass dieses erst in Triest zu geschehen habe, und dass das Gouvernement in Triest ersucht werde, einen der dortigen Gubernialräthe mit diesem Geschäfte zu beauftragen. Die Foluren dieser eben so theilnahmsvollen als weisen Verfügung waren für uns unberechenbar, die ganze Stellung der Expedition zur egyptischen Verwaltung erhielt dadurch eine gewisse, un- verletzbare Würde, eine sichere Haltung, die um so nöthiger war, als damals schon die finanziellen Verhältnisse Egyp- tens in einem sehr schwankenden Zustande waren, und der Europäer, in blossem Privatverbande mit der dortigen Ver- waltung stehend, den Nachtheilen derselben in pekuniärer Beziehung hätte preisgegeben werden können. Die meiste Beschäftigung machte mir die wissenschaft- liche Ausrüstung der Expedition. Doch auch darin fand ich überall die liebreichste Unterstützung, und da die egypti- sche Verwaltung durch ein Handlnngshaus hiezu alle nöthigen Gelder angewiesen hatte, so ging die Sache rasch ihren Gang. Besonders gnädig interessirten sich Se. Durchlaucht Hr. Fürst von Metternich für die wissenschaftliche Tendenz der Expedition, und in Folge Ihrer gütigen Theilnahme wurde mir durch den Hrn. Reglern ngsrath von Baumgartner nicht nur ein Verzeichniss der nöthigsten Instrumente entworfen, 20 vsondern unser ausgezeichneter Physiker besorgte zum Theil selbst die Beischaffung und Nachsendung der bezeichneten Gegenstände und entwarf für den Gang meiner Beobach- tungen eine eigene Instruktion, die den Zweck hatte, mich auf die wissenschaftlich interessantesten Momente aufmerk- sam zu machen und mir Mittel und Wege an die Hand zu geben, die für die europäischen Klimate festgestellten Ge- setze in jenen fernen Gegenden zu prüfen, ob sie dieselben sind, oder Modifikationen eintreten und welche, ob sich aus den Beobachtungen neue Gesetze folgern liessen und welche, und ob es nicht gelingen dürfte, die Wissenschaft von manchem Gespenste zu befreien, das sich in ihre heiligen Hallen durch unzuverlässhche Reiseberichte eingeschlichen hatte. Die speziellere Tendenz dieser Instruktion war: „Untersuchungen des Luftdruckes, der Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit , Luftelektricität, durch längere Zeit fortge- sezt und an Orten eines längern Aufenthaltes, wo möglich von Stunde zu Stunde, um die Gesetze auszumitteln, in denen diese Erscheinungen in jenen Klimaten auftreten, wo alle Funktionen des atmosphärischen Lebens in einer gewissen sich klarer als anderswo aussprechenden Ordnung aufzu- treten scheinen. „Bekanntlich hat man aus stündlichen Beobachtungen des Barometers entnommen, dass der Luftdruck in 24 Stunden zweimal ein Maximum und eben so oft ein Minimum er- reicht, und zur Erklärung dieser Erscheinung die Behaup- tung aufgestellt, es sey dieses Fluthen und Ebben der At- mosphäre das Resultat der Einwirkung der Wärme und Feuchtigkeit. Das Barometer zeigt nämlich den vereinten Druck der trockenen Atmosphäre und der darin enthaltenen Dünste an. Ersterer wird durch die Wärme vermindert, weil diese die Expansivkraft steigert und eine Verdünnung erzeugt ; der Druck der Dünste aber wird durch die Wärme vermehrt, weil bei hoher Temperatur mehr Dünste entstehen und die bereits vorhandenen eine grössere Spannkraft er halten. Aber sowohl die Wärme, als die Spannkraft der Atmosphäre haben täglich nur ein Maximum und Minimum, doch fallen die diesen beiden Ursachen entsprechenden 21 Extreme nicht auf dieselbe Stunde, und es ist wahischeiii- lich, für einige Orte des mittlem Europa's sogar erwiesen, dass aus dem Zusammenwirken der Bewegung der Wärme und der Dunstmenge zwei Maxima und zwei Minima des Druckes hervorgehen. In den Ländern, von denen hier die Rede ist, Egypten , Syrien, Arabien etc., ist die Luft- feuchtigkeit gering, und ihre Variationen sind unbedeutend (?) , die daselbst herrschenden Schwankungen des Baro- meters müssen demnach, wenn jene Hypothese stichhaltig ist, entweder nur ein Maximum haben, oder, wenn deren zwei vorkommen, so muss das eine bedeutend kleiner seyn als das andere *. Wird demnach das Barometer gleich- zeitig mit dem Thermo-Hygrometer, wenigstens einige Tage hindurch, stündlich beobachtet, so lässt sich aus den An- zeigen des erstem die ganze Schwankung des atmosphä- rischen Druckes , aus jenen des leztern die Schwankung der Wasserdünste entnehmen und so die Hypothese auf die Probe stellen. Die Thermo-Hygrometer-Beobachtungen sind selbst schon an und für sich interessant, weil sie den täglichen Gang der Feuchtigkeit in einem dem Einflusse der nahen Wüsten und des Meeres zugleich ausgesezten Lande kennen lehren. Im mittlem Europa ist die mittlere Lufttemperatur gleich jener der konstanten, an der Erd- oberfläche hervorbrechenden öuellen. In Ländern hingegen von geringerer Breite fand man die Quellentemperatur stets etwas tiefer, als jene der Luft. Es wäre daher interessant zu erfahren, wie sich diese Grössen in Syrien und Arabien stellen. „Der Erdkörper scheint in seinem Innern nach den bis- her gemachten Erfahrungen eine eigene, von äussern Ein- flüssen unabhängige Temperatur zu besitzen, und die im mittlem und nordwestlichen Europa, sowie in Nordamerika, gemachten Erfahrungen weisen darauf hin, dass die Erd- wärme mit je SO Fuss Tiefe um 1*^ Reaum. zunehme. Der- lei Untersuchungen hätten ebenfalls viel Interesse. * Diese Vermuthung hat sich durch meine nachfolgenden Unter- suchungen ganz bestättigt. „Die Luftelektiicitüt ändert sich bei uns auf solche Weise, dass sie täglich zweimal ein Maximum und zweimal ein Minimum erreicht. Beobachtungen der Elektricitätin Ländern von so grosser und gleichförmiger Trockenheit müssen das Gesetz der Elektricitäts-Änderung viel reiner darstellen =•'. „Man hat längst die Hypothese aufgestellt, dass einige in Arabien und den Gränzländern herrschende periodische VV^inde, wie der Chamsin etc.. ihre schädlichen Wirkungen der starken elektrischen Ladung der Luft verdanken : Beobach- tungen der Luftelektricität während eines solchen Windes würden auch diese Hypothese auf die Probe stellen **. „Die meisten dieser Beobachtungen sollen zwar ihrer ISatur nach einige Tage hindurch stündlich angestellt werden und sind demnach mühsam und zeitraubend. Allein man kann sich das Geschäft erleichtern, wenn man, anstatt die Beobachtungen stündlich und durch wenige Tage fortzusetzen, sie durch mehrere Monate zu verschiedenen Stunden des Tages und der Nacht unternimmt, so dass man für jede Stunde einige Beobachtungen erhält, wenn auch diese Stunden verschiedenen Tagen angehören. Die Rechnung füllt die offengelassenen Lücken aus und gibt das wahre Gesetz, das sich in den Observationen ausspricht." Um )iun diesen in der Instruktion ausgesprochenen An- sichten entsprechen zu können, erhielt ich nachstehende Instrumente, von denen die meisten jedoch erst angefertigt und mir nach Egypten nachgesandt wurden, so dass ich erst nach 8 Monaten in vollständigen Besitz derselben kam. 1) Zwei Gefäss-Barometer, zum Höhenmessen und zu genauen Beobachtungen der Schwankungen des Luftdruckes eingerichtet. Mit Thermometern im öuecksilber selbst eingesenkt. "1) Mehrere Quecksilber- und Weingeist-Thermometer. :{) Ein Thermometer zur Beobachtung der strahlenden Wärme. 4) Ein Hygro-Thermometer. ' Eine Veimutluiiift., die sicli aus der lleilie iiieiaer BcubutJitungeu riielit iiii bcstättigen scheint. Diucl» meine Beobutlituntren bcstiitti"!. 23 5) Zwei Elektrometer für qualitative und quantitative Beobachtung der Luft-Elektricität, mit einer 30 Fuss langen llutlie sammt Leitungsdraht zur Auffangung derselben. 6) Zwei Thermometer zu hypsometrischen Versuchen, durch Ausmittinng der Differenzen der Siedpunkte des desti Hirten Wassers. Ausserdem erhielt ich zu geographischen Ortsbestim- mungen , mineralogischen und anderweitigen physikalischen Untersuchungen, zu Vermessungen im Detail, zu verschie- denen technischen montanistischen Arbeiten etc.: 1) zwei feine Probierwagen; 2) ein Inklinatorium mit Azimut und Dioptern ; 3) einen elektro-chemischen Multiplikator mit Glasglocke; 4) einen thermo - elektrischen Multiplikator mit Glas- glocke und Schliessungsbogen aus Kupfer-Wissmuth; 5) ein achromatisches Fernrohr von Plössl mit 2zöl- ligem Objektiv; 6) mehrere Handbussolen; 7) Hufeisenmagnete und ein VoLTAi'sches Element mit einem mit Kupferdraht umwundenen eisernen Schlussbogen- Magnet, als Magazin zur Erzeugung magnetischer Kraft und Mittheilung derselben an die im heissen Klima häufig faul werdenden Nadeln ; 8) eine astatische Magnetnadel mit Stativ; 9) ein Plössl'sches Mikroskop mit fünffacher Vergrösse- rung von SOOmal bis2705000mal in Area, sammt Mikrometern ; 10) mehrere Areometer zur Bestimmung der spezifischen Gewichte fester und tropf barfliissiger Körper; 11) vollständiger Löthrohr-Apparat nach Berzelius; 12) Anschlag und Reflektions-Goniometer ; 13) vollständiger chemischer Reagentien-Apparat; 14) Handluppen und kleine achromatische Feldstecher von Plössl, mit denen man am klaren südlichen Himmel die Jupiters-Trabanten ganz deutlich ausnahm ; 15) Bussol-Instrument, Hängering, Gradbogen, Diop- tern und aller Zugehör zu Markscheiden , Vermessungen und Mappirungen; 16) mehrere Nivellen; 17) alle iiöthigen Zeichiiungs- und Vennessiiiigs-Re- quisiteii, Adjustier-Maase etc. 18) zwei Spiegelsextanten mit künstlichem Horizonte; 19) die nöthigen Cluster- Werkzeuge nnd Instrumente zu technischen Arbeiten beim Bergbau und Aufl)ereitungs- Prozesse ; 20) eine Reisebibliothek samnit Karten , unter denen mehrere, sehr interessante, mir von dem Archive des k. k. Hofkriegsrathes verabfolgt wurden *. Diese Instrumente, mit wenigen Ausnahmen, begleiteten mich fast 3 Jahre hindurch auf meinen Reisen vom Taurus bis zu den Gallas, und während dieser ganzen Zeit hatte ich das merkwürdige Glück, keines derselben zu verlieren, ausser ein paar Thermometer, die ich selbst zu zerbrechen das Un- geschick hatte. Mit dem Thermo-Multiplikator , bestimmt zur Ausmittlung von Temperaturen in Schächten , Brun- nen etc., ohne hinabzusteigen , konnte ich nicht arbeiten, weil ich den zur Hälfte aus Kupfer und zur Hälfte aus Wissmuth bestehenden Schlussbogen, bei dem ersten Ver- suche im Josephs-Brunnen zu Kairo verlor und nie mehr einen neuen erhalten konnte. Im Sinne der erhaltenen Instruktion wurden die physi- kalischen Beobachtungen ununterbroclien durch 4 Jahre fortgesezt und sehr häufig, wo es durch einigen Aufenthalt möglich war, von Zeit zu Zeit durch Tag und Nacht stünd- lich vorgenommen. Mit welchen Beschwerden, ich kann wirklich sagen Opfern, diese Beobachtungen oft verbunden waren, ist sich leicht vorzustellen, wenn man bedenkt, dass ich sie meist dann beginnen musste, wenn ich nach einem Tagesmarsche von 10 und mehr Stunden in der glühenden Hitze der tropischen Sonne todtmüde vom Pferde oder vom '■' Von diesen Instrumenten konnte ich ausser einigen Theiinometein nur sehr wenige selbst mitnehmen, da ich ihre Vollendung und Ad- justirung nicht abwarten konnte. Hr. Reg.-Rath Baumgartner hatte die. Güte, mir dieselbe, sorgfältigst gepackt, sogleich nachzusenden : aber erst 10 Monate nach meiner Abreise waren sie sannnt und sonders in meinen Händen, daher konnte ich fortlaufende und umfassendere physikalische Beobachtungen erst bei meinem zweiten Aufentlialf.e im nördlichen Syrien, im Oktober 1836, beginnen. 25 Dromedare stie«^, und dass ich mich oft fieberkrank, müh- sam von einem Instrumente zum andern schleppte. Doch gerade diese Potenzirung' der moralischen Kraft, diese Selbst- verlängnnng- erhielt mich aufrecht und rettete mich in jenen schrecklichen Momenten , in denen zwei Drittel der Expe- ditions-Individuen 5 die mich ins Innere von Afrika beglei- teten, erlagen. Ausser den physikalischen Beobachtungen und dem eigens von mir darüber gefühlten Tagebuche, wurden während tler ganzen Zeit die geognostischen Forschungen als Hanpt- tendenz ununterbrochen vorgenommen, die nöthigen Durch- schnitte und Karten entworfen und alle diese Erfahrungen ebenfalls in eigenen Tagebüchern niedergelegt. In den weniger bekannten Ländern Asiens und Afrika's , wohin mich meine Reise führte, wurden geographische Karten ent- worfen , die nicht nur die genommene Route, sondern das ganze umliegende Terrain, so weit ich es durch eigene An- schauung und fremde, verlässliche Mittheilungen erforschen konnte, zum Gegenstande haben, so dass ich glaube, im Stande zu seyn , eine ziemlich zuverlässige Physiognomik jener Länder vorlegen zu können. Die Sammlungen, welche als Belege zu meinen Reiseberichten dienen , wurden in vaterländische Kabinete niedergelegt, und zwar ist der giösste Theil der mineralogischen Sammlung, die in grosser Voll- ständigkeit das Paschalik Adana, Syrien, das peträische Arabien, Egypten, Mubien, Kordofan, Sennaar und die südl. gelegenen Negerländer umfasst, in dem Kabinete unsrer montanistischen Hofkammer im neuen Münzamtsgebäude auf- gestellt, während einzelne Suiten auch an andere Samm- lungen der Monarchie vertheilt wurden. Die botanische und zoologische Sammlung hingegen ist im k. k. Naturalien- kabinete zu Wien eingereiht worden. — Nachdem meine Rüstungen in soweit zu Ende gebracht waren , empfing ich unsere Pässe und wurde ausserdem noch durch die besondere Gnade Sr. Durchlaucht des Hrn. Fürsten von Metternich mit Empfehlungen in den Orient versehen , in deren Folge ich den Entschluss fasste, auf meiner Hinreise nach Egypten Griechenland zu besuchen , um in Athen mich mit dem 26 österreichischen bevoUmachtioten Minister, Hrn. Prokesch VON Osten 5 zu besprechen, dessen Einsichten in die Ver- hältnisse des Orients, wo er selbst sich längere Zeit auf- liielt und bedeutende Reisen machte, für mich von höchstem Werthe waren und dessen freundschaftlichem Rath ich nicht vergebens entgegensah. Am 20. Dezember 1835 brach die Expedition, von Wien auf. Adjunkt Pruckner erhielt die Weisung, in Triest mit mir zusammen zu kommen , ich selbst ging mit Voitanek über Gvätz und Klagenfurt nach Triest, während die übrigen den nähern Weg über Cilly dahin wählten. In Brück war ich so glücklich, noch einmal Sr. Kaiserl. Hoheit Hrn. Erz- herzog Johann von Osterreich meine Aufwartung zu machen, besah in Grätz die Sammlungen des freudig autblühenden Johanneums, die sich schon zu einer hohen Vollkommenheit aufgeschwungen hatten und musterhaft aufgestellt sind, nahm meinen Weg über Klagenfurt und Laibach, besah in Adels- berg die berühmte Grotte und kam am 30. Dezember in Triest an , wo ich bereits sämmtliche 31itglieder der Expe- dition vorfand. Nachdem ich mich und mein Personal Sr. Excellenz dem Hrn. Gouverneur von Weingarten vorgestellt hatte^ wurde vorerst zur Abschliessung des Kontraktes mit der egyptischen Verwaltung geschritten. Von Seite der öster- reichischen Regierung waren hiezu der k. k. Hr. Gubernial- rath Kaltenegger und der k. k. Hr. Fiskaladjunkt Dr. Kand- LER bestimmt. Von Seite der egyptischen Regierung hin- gegen w ar der Hr. Bankier Pietro Jussuff , Bruder des egyptischen Ministers für das Auswärtige und den Handel, Boghos Jussuff-Bey, von dem Vizekönig mit den nötliigen Vollmachten versehen. Der Vizekönig übernahm die Fort- bezahlung unserer im österreichischen Dienste fixirten Be- soldungen für die Dauer der Expedition, bestimmte ferner gewisse Diätenbeträge nach den verschiedenen Kategorien der Expeditionsglieder für dieselbe Zeit, und übernahm die freie Verpflegung, freie Hin- und Rückreise, freie Reise in seinen Ländern, den vollkommensten Schutz der Per- sonen, freie ärztliche Hidfe und die ebenfalls unentgeldliche 27 Verabfolguiig aller sonstigen Reisebediirfnisse , wie z. B. Zelte, Pferde, Dromedare etc.; die entfallenden Geldbeträge machte der Vizekönig sich anheischig monatlich in Triest durch Hrn. Pietro Jussuff an die dortige Bergwerkspro- dukten - Versclileiss - Faktorie auszuzahlen, welche dieselbe durch die hohe Hofkammer den Bevollmächtigten oder An- gehörigen der Expeditionsglieder zustellte. Für die richtige Einhaltung dieser Vertragspunkte stellte llr. Pietro Jus- SLFF sich als Bi'irge. Durch leztere Verfügungen trat in Folge der wahrhaft väterlichen Fürsorge unsrer Regierung eine vollkommene Sicherstellung unsrer Bezüge ein. Ich hingegen entgegnete dafür für mich und meine Gefährten das Versprechen, stets die in der Absicht des Vizekönigs«; liegende Tendenz der Expedition vor Augen zu haben und nach allen Kräften zu befördern. So wurde der Kontrakt abgeschlossen, von Hrn. Pietro Jussuff und mir unterzeichnet und von Seite des k. k. Guberniums sanktionirt. Ausser diesem Geschäfte vollendete ich noch die Aus- rüstung der Expedition. Es wurden Medikamente, chemische Präparate, Feldbette, Waffen und dgl. beigeschafft. Die Gelegenheit des Aufenthaltes in Triest wollte ich nicht unbenüzt vorbeigehen lassen, ohne Venedig, die meer- geborne Wunderstadt, zu schauen. Ich schiffte mich daher am 7. Januar 1S36 mit einigen meiner Gefährten auf dem Dampfschiffe ein. Die Witterung war stürmisch, es wehte starke Bora, und zum ersten Male in meinem Leben hatte ich den unbeschreiblich erhabenen Anblick des sturm- gepeitschten Meeres. Die prachtvolle Scene, wie der Vapor mit einer gewissen Grazie über die Wogenberge hintanzte, dicke, schwarze Wolken sich auf die unendliche Wasser- fläche senkten und der Sturm im Takelwerke pfiff, würde mich entzückt haben, wäre ich nicht durch ein gewisses ünwohlseyn, welches man prosaisch auch Seekrankheit nennt, in meinen Beobachtungen gestört worden. Durch leztere Unannehmlichkeit erhielt ich den ersten Wink über das LangAveilige und Unangenehme längerer Seereisen und war froh, als nach einigen Stunden die stolze Lagunen- Stadt sich aus den Fluthen hob. 28 Die Reste der alten Pracht und Macht der einstigen Beherrscherin der Meere, des einstigen Hanptstapelplatzes für den Welthandel, glänzten in den ersten Strahlen der Morgensonne und gewährten einen zauberhaften Anblick. Des Sturmes wegen liefen wir durch Malamocco ein und bekamen jene riesenhaften Steindämme, die Murazzi, zu Gesichte, welche die Venetianer durch Geld und Aus- dauer bewerkstelligten und den Wellen des Meeres entgegen- sezten. Nichts Ähnliches existirt , ausser dem beriihmten break water zu Plymouth im praktischen England. Die eigenthümliche, phantastische Bauart, die pracht- vollen Denkmale der Kunst, erfüllten uns, wie wolil jeden Reisenden, mit der höchsten Bewunderung und sind zu be- kannt und zu gut schon geschildert , als dass ich mich da- bei aufhalten sollte. Nachdem wir uns in Venedig umge- sehen, kehrten wir, da das Dampfschiff des fortdauernden Sturmes wegen nicht auslaufen konnte, zu Lande über Palma nuova und Monfalcone nach Triest zurück, wo wir am 10. Januar wieder eintrafen. Da nun Alles in Ordnung gebracht war, so dachte ich ernstlich an unsere Abreise. Pietro Jussüff trug mir zur Reise nach Egypten ein einem dortigen Handelsmann ge- hörendes Schiff an; da ich jedoch entschlossen war, den Um- weg über Athen zu machen und noch mehr Gründe mich bestimmten, so schlug ich dieses Anerbieten aus und nahm für mich und das ganze Personal Plätze auf dem von Triest nach Patrass segelnden österreichischen Paquet-Boote, die Goelette Enrichetta, mit welcher wir am 1(5. Januar, ISiJÖ das schöne Triest verliessen *. Bevor ich nun zur Darstellung meiner Reisen schreite, dürfte es, wie ich glaube, nicht unangemessen seyn, in der Einleitung zum ganzen Werke eine kurze Übersicht der- selben zu geben, um die Leser vorläufig zu orientiren. Man sehe zu dieser Übersicht die kleine, eigens zu diesem Zwecke angefertigte Generalkarte Nr. 1, die quasi als Pro- spektus meiner gesammten Reisen gelten möge. * Damals gingen noch wenige Dampfsclnffe in der Levante und im adriatischen Meere. 29 Um von Triest nach Egypten zu gelangen, nJihlte ich, wie gesagt, den Weg über Griechenland, wo ich in Patrass landete und über Korinth mich nach Athen begab. Von Athen segelte ich, nur Nanplia berührend, direkt nach Alexandiia. Mein erster Aufenthalt in Afrika beschränkte sich auf eine Reise nach Kairo und auf die Bereisinig jenes Theils der libyschen Wüste, welcher unter dem Namen der Makarius- Wüste bekannt ist und in welchem die Natron- seen liegen. Zurückgekehrt nach Alexandria, schiffte ich mich so- gleich wieder ein und begab mich nach Syrien , hielt in Beirut Quarantaine und ging in die nördlichen Provinzen, wo ich mich kurze Zeit in Antiochia und Aleppo aufhielt. Von da reiste ich zur See an die klein -asiatische Küste bei Tharsus und begab mich an den Taurus nach Gülek, welches vor der Hand zum Aufenthaltsorte für die Ex- pedition bestimmt war. Während der Zeit, als man daselbst mit der Eröffnung des Bleibergbaues und Errichtung einer Schmelzhütte be- schäftigt war, besuchte ich den östlich gelegenen Theil des Taurus in den Paschaliken von Adana und 3Iarascli , so wie auch den westlichen in der Umgebung der Cidnus- Thäler. Im Herbst 1S36 trennte ich die Expedition, liess einen Theil derselben zur Fortsetzung der Arbeiten in Gü- lek und ging mit dem andern nach Syrien zurück , wo ich von Beirut aus die Steinkohlen- und Eisen -Minen des Libanon, Baalbeck und Damaskus besuchte und nach Ale- xandria zurückging. Dieser Theil der Reise ist der Gegen- stand des ersten Bandes des vorliegenden Reisewerkes. Mit Beginn des Jahres 1837 trat ich meine Reise ins Innere von Afrika an. Ich ging auf dem Nile durch ganz Egypten, Dendyra, Theben u. dergl. klassische Punkte der altegyptischen Baukunst berührend , nach Assuan an der ersten Katarakte und betrat nun Nubien. Bis Korosko ver- folgte ich den Nil, dann aber verliess ich ihn und zog durch die grosse Wüste, welche zwischen diesem Strome und dem rothen Meere Hegt, bis nach el Mucheireff, der Hauptstadt des Berber Landes , wo ich mich wieder auf dem Nile 30 einschiffte und bis Chardum, der Hauptstadt des ej^yptlschen Antheils von Sudan, fuhr, Chardum liegt am Zusammen- flüsse des blauen und weissen Flusses, die den Nil bilden, und eignete sich ganz dazu, um daselbst mein Hauptquartier aufzuschlagen und von da aus die weiteren Reisen ein- zuleiten. Auf meiner ersten Reise fuhr ich den weissen Fluss bis zu den Schilluck-Negern hinauf, ging dann nach el Obeehd, der Hauptstadt von Kordofan , und von dort südlich durch das ganze Land der INuba's bis nach Scheibun und zum Gebirge Tira. Den Rückweg nach Chardum nahm ich wieder durch Kordofan. Die tropische Regenzeit war nun in ihrer ganzen Ge- walt angebrochen, und ich musste vom 23. Juni bis 1, Oct. ruhig in Chardum liegen bleiben, in welcher Zeit ich allein durch klimatische Krankheiten die Hälfte meiner europäi- schen Gefährten verlor. Anfangs Oktober trat ich meine zweite Reise ins Innere an. Ich ging auf dem blauen Flusse nach Sennaar, der Hauptstadt von Seunaar, und von da zu Lande nach Roserres, wo ich mich mit der kleinen Armee Mustapha Bey's vereinte, der den Auftrag hatte, mich zu den Gold- wäschen der Neger zu begleiten. Mit Beginn des Jahres 1838 traten wir uusern Feldzng an; wir zogen durch Fassoki und durch die Negerläuder Kassan , Kamamil und Schongollo bis zum Flusse Pulchidia an der Gränze der Galla- Völker. Denselben Weg nach Chardum machte ich auch wieder zurück und trat auch bald hernach meine Rückreise nach Alexandria an. Ich fuhr auf dem Nile bis Metämäh, ging von da aus durch die Bahiuda- Wüste an den Dschebel Barkai, auf dem Nile wieder nach Dongola, von da durch die grosse westliche Wüste nach Waddi Haifa und endlich auf dem Nile durch das nördliche Nubien und ganz Egypten nach Kairo und von da nach Alexandria, wo ich wieder am 27. Juli 1838 eintraf. Diese Reise ins Lmere von Afrika bildet den Lihalt des H. Bandes des vorliegenden Werkes. Meine Geschäfte, worunter auch die Auflösuno der 31 Kxpeilition gehörte, liielteii mich bis zum 1. Oktobnr fest, an welchem Tage ich allein, blos von einem Neger und 4 Beduinen begleitet, neuerdings den Wanderstab ergriff, Icli fuhr nach Kairo, ging von da durch die Wiiste über Suez nach dem Sinai, wo ich geraume Zeit blieb. Vom Sinai aus durchbog ich die grosse Wi'iste zwischen diesem Gebirge und Palästina, die unter dem INamen der Wüste des Dschebel Tyh el Beni Israel bekannt ist, in gerader Richtung bis nach Hebron, durchreiste nun ganz Palästina, schiffte mich in Beirut wieder ein und kam am 24. Januar 1S39 nach Alexandria zurück, welches ich aber am T.Februar wieder verliess , um meine Rückreise durch Europa anzutreten ; zuvor jedoch besuchte ich noch Konstantinopel und Smyrna, und erst am 3. März, als ich die öuarantaine zu Syra bezog, konnte ich meine aussereuropäischen Reisen, wenig- stens vor der Hand , als geschlossen ansehen. Diese Reise wird Gegenstand des HI. Bandes dieses Werkes. Von Syra begab ich mich nach Athen und bereiste nun Griechenland im Auftrage Sr. Maj. des Königs Otto. Ich durchzog ganz Rumelien und den ganzen Peloponnes und besuchte im Archipel die Inseln Euböa, Thermia , Serpho, Syra, Naxos, Paros, Santorin, Kimolos, Milos und Porös, und verliess Griechenland anfangs September. Ein österreichisches Dampfschiff brachte mich in die öuarantäne von x\nkona, nach deren Vollendung ich über Rieti nach Rom wanderte. Von Rom ging ich nach Neapel und von da nach Sizilien. Diese Insel bereiste ich während meines einmonatlichen Aufenthaltes ganz und fuhr dann von Palermo wieder nach Neapel zurück. Von da ging ich mit einem Dampfljoote nach Livorno, bereiste die Um- gegend an der Cecina und verliess Florenz mit Beginn des Jahrs 1840. Mein weiterer Weg führte mich über Bologna, Mailand und den Splügen nach Deutschland zurück , ich bereiste einen Theil der Schweiz, Würtemberg und ging den Rhein entlang nach Aachen, wo ich mich längere Zeit auf den dortigen Steinkohlenwerken aufhielt. Von Aachen nahm ich meinen Weg über Lüttich, Brüssel nach Paris und schiffte 32 mich zu Havre nach England ein , ilas ich in London betrat. Im weitern Verlaufe bereiste ich den «rössten Theil von Eijoland und einen Theil der Hochlande von Schott- land und kehrte von Edinburg; wieder nach Deutschland zurück. Ich landete in Hamburg und ging über Lübeck nach Kopenhagen, von wo ich mit dem dienstthuenden Dampf- schiffe nach Christiania abging. In Norwegen besuchte ich die Minendistrikte, reiste über den Dovrefield nach Trondhjem und von da zur See nach Hammerfest, auf weichem Wege ich die englischen Kupferwerke zu Kaaffjord besichtigte. Von Hammerfest ging ich wieder nach Trondhjem zurück und von da nach Schweden. Auf dem Wege nach Stockholm berührte ich Sundsvall, Geffle, Falun, Sala, Dannemora, Upsala. Von Stockholm ging ich auf dem Göta-Kanal über Göteborg, und dann über Lund und Malmö nach Kopenhagen und wieder nach Hamburg zurück. Neuerdings auf deutschem Boden angelangt, reiste ich nun nach Berlin, ging an den Harz und ins Mansfeldische und kehrte durch Sachsen, Böhmen und über Salzburg nach Wien zurück, wo ich glück- lich am 21. Februar 1841 ankam. Meine ganze Reise hatte also gerade 5 Jahre und 3 Monate gedauert. Die Reise durch Europa wird den IV. und lezten Band des ganzen vorliegenden Reisewerkes bilden. IC; E2 M jS C2 in Griechenland, Unteregypten , im nördlichen Syrien und südöstlichen Kleinasien. Ri'sürficr.K, RciNcii. I. Bd. Grister AbseliiiUt. Reise von Triest über Gnechenlaiid nacli Egypten. %y Uie jonisclien Inseln« Patrass* Horinth, Atlien« Es war gerade Mitternacht vom 15. auf den 16. Januar 1836, als ich mit meinen Gefährten bei der Sanitä in die Barke stie»-, um mich an Bord der Enrichetta zu begeben. Einige Fieunde hatten uns dahin begleitet, um uns noch ein herzh'ches Lebewohl zu sagen. Abschiede müssen kurz seyn, sonst quält man sein eigenes Herz : daher beschleunigte auch ich die Scene, die mir nahe ging. Ich fühlte es ge- waltig schwer auf meiner Brust, es war ein für mich höchst wichtiger Moment, der wichtigste vielleicht in meinem Leben, Eine ungewisse Zukunft lag vor mir; alle, die mich zunächst umgaben, waren mir anvertraut, mir übergeben, ich ahnte es gleichsam damals schon, dass sie nicht alle wieder das Glück haben sollten, ihr schönes Heimathland zu sehen. Stumm Sassen wir in der Barke zusammen , Keiner wagte durch ein Wort die Stille zu stören , nur die Herzen schlugeij laut, und unser Sinn zog noch einmal hinüber über die stolzen , schneebedeckten Alpengipfel in die heimathlichen Thäler zu unsern Lieben, die in süsser Ruhe lagen, wäh- rend wir ufis auf den Wogen des adriatischen RIeeres 3* 36 schaukelten. — Jeder Antritt einer grossen . gefalirvollen Reise erweckt in der Brust ein welimüthiges Gefühl, a» dem die Zuriickgelassenen wohl den grössten Theil haben, doch nie ist diess so sehr der Fall, als wenn man sich in dieser Absicht zur See begibt. Die Trennung geschieht in diesem Falle so scharf, so plötzlich; die Barke stösst ab, und wie ein Stich fährt der Gedanke durch das Herz: jezt ist es aus ! Das dunkle Element umgab uns, die Nacht war raben- schwarz, so dass wir kaum die Schiffe erkannten, an denen wir hinruderten , die Luft lau , warm möchte ich sagen, und nur ein leiser Landwind zog. Kaum erinnere ich mich, in einer andern Nacht das Leuchten des ruhigen Meeres so ausgezeichnet gesehen zu haben , als gerade in dieser. Jeder Ruderschlag rief einen Feuerknäuel hervor, die Spur des Kiels war ein Feuerstrom , und Tausende von Funken umgaben uns. Das Licht war weisslichgelb und sehr inten- siv. Ein Tau, in die See geworfen und wieder eingezogen, leuchtete, besonders wenn man es strich. Die Substanz dieses Lichtes ist thierischer Natur, d.as ist wohl so ziemlich erwiesen; ob aber die Entwicklung dieses Lichtes, da das Meer an und für sich diese Substanz stets enthält, aber doch nicht stets leuchtet, von einem gewissen elektrischen Zustande der Atmosphäre oder des Meeres selbst abhängt, darüber mangeln alle Beobachtungen, wenigstens mir sind keine bekannt. Dass hingegen das durch diese unbekannte Ursache und nur zeitweise zu leuchten befähigte Meer die- ses Licht nur dann entwickelt, wenn es bewegt, geschüttelt, geschlagen etc. wird, kurz wenn Reibung unter den Theil- ehen des Wassers statt hat, das ist Thatsache und lässt sich aus dem mechanischen Impuls wohl erklären. Um 7 Uhr Morgens am 10. Januar wurde der Anker gelichtet und die Enrichetta lief aus. Wir hatten zuerst einen ganz leichten Landwind, der aber später contrair wurde, so dass wir erst um Mittag Triest aus den Augen verloren. Heute machte ich erst die Bekanntschaft unserer Offiziere : vortreffliche Männer, die uns die Seereise so an- genehm als möglich machten. Ausser uns war noch ein 37 deutscher Kaufmaim, Namens Ringler, an Bord, der nach Athen ging", um sich dort zu etabliren. Nachmittags standen wir Isola gegeniiher und Abends liefen wir, um bessern Wind abzuwarten , in Pirano auf Istrien ein. Pirano, obwohl an und fiir sich eng und schmutzig, gewährt von der Seeseite einen sehr schönen Anblick, eine der niedlichsten Landschaften des adrialischen Küstenlandes. Daselbst befinden sich einige antike Kiichen, ein sehr interessantes Schloss und prachtvolle Wasserlei- tungen, Bauwerke aus der Römerzeit. Am frühen 3Iorgen liefen wir in Pirano aus und standen um 10 Uhr auf der Höhe von Salvore, das mit seinem Lenchtthurm und seinen mit Dörfern und Landhäusern bedeckten Küsten vielleicht der schönste Theil von Istrien ist. Schöner noch als alles die- ses war der Anblick der Julischen Alpen, die hinter uns ihre riesigen, schneebedeckten Häupter hoch in die reinen blauen Lüfte streckten ; sie schienen unmittelbar vom Meere auszusteigen, da ihr eigentlicher Fuss unter nnserm Horizonte lag. Es war beinahe Windstille, die See glatt wie ein Spiegel, die Luft rein, und bereits fing die Beleuchtung der Gegenstände an, jenen strahlenden, ätherischen Charakter anzunehmen, der dem Süden eigen ist. Es war eine der grossartigsten Seepartieen, die ich je gesehen, und wenn ich so die Alpen betrachtete, konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, wie freudig es ist, ein so schönes Vater- land zu haben. Abends sahen wir auf einem hohen Gebirgs- rücken Istriens die Stadt Buje liegen. Die Farbe des Meeres war ein tiefes Blau. Der Wind war noch immer contrair , wurde aber etwas stärker und änderte sich in der Nacht zu unsern Gunsten, so dass wir uns am Morgen des IS. auf der Höhe von Pola und Mittags am Kap Pro- montorio befanden, wo die Küsten Istriens immer niedriger werden und endlich flach sich als Landspitze ins Meer hin- ein erstrecken. Nachmittags sahen wir bereits die Gebirge Kroatiens, wilde Formen, mit Schnee bedeckt, die schönen Inseln Ossero, Veglia etc., den Meerbusen von Fiume und in seinem Hintergrunde den Krainerberg. Wir traten nun iu den Quarnero ein, jenen Theil des adriatischen Meeres, 38 der sich au der kroatischen Küste liin^ieht und der von den Seefahrern doppelt gefürchtet wird, wegen seiner lang andauernden Windstillen sowohl, als wegen seiner plötz- lichen Stürme. Wir selbst legten diese Strecke glücklich zurück , wir hatten frischen und günstigen Wind , das Meer ging aber etwas hoch , so dass mehrere meiner Ge- fährten seekrank wurden. In der Nacht hatten wir eine Strecke von 50 Seemeilen zurückgelegt und befanden uns am Morgen des 19. Januar auf der Höhe der Inseln Grossa und Coronnata, hinter denen sich die dalmatinische Küste bei Zara unsern Augen ver- barg. Die Inselgruppen, welche man Isole corounate nennt, scheinen, von ferne angesehen, dem Kreidekalk anzugehören. Die Schichtung desselben ist ausgezeichnet, das Streichen aus IV.W. in S.O., das Verflachen in N.O. An den Ufern bemerkt man auffallend grosse Meeresanspülung, ein Beweis des fortdauernd starken Andranges der Wellen durch Strö- mung oder herrschenden Wind. Die Inseln selbst gewähren einen öden, traurigen Anblick und scheinen, wenigstens auf der Meerseite, sehr unfruchtbar und unbebaut zu seyn. Von Zeit zu Zeit begegneten uns Schiffe, ein stets erfreu- liches Intermezzo in dem höchst langweiligen Leben zur See, besonders aber auf hohem Meer, wenn man lange den Anblick des Landes entbehrt. Man eilt auf das Verdeck, grüsst sich, fragt: woher und Avohin? macht einige Glossen darüber und geht wieder auf und ab, um zu gehen, oder verkriecht sich wieder in die Kajüte. Nie fühle icli einen so gränzenlosen Hang zum Müssiggang als zur See, selbst wenn mir auch ganz wohl ist, und ich erachte es für ein grosses Glück, dass, besonders auf englischen Schiffen, ein grosser Theil des Tages an der Tafel zugebracht Avird. Delphine umtanzten unsere Goelette, die mit vollen Segeln ging, wir befanden uns Abends an der Insel Zuri, hinter welcher Sebenico liegt, und kalkulirten schon, ohne Anstand morgen auf die Höhe von Lissa zu kommen. Solche Kalküle sind besonders auf Segelschiffen immer ein Frevel ; denn Wind und Meer ändern sich oft schnell, plötz- lich, und ich kann, um von a nach b zu kommen, ebenso 39 gut einen Tag-, wie zehn Tage brauclien, daher die trockne Ant- wort der Seeleute, wenn man sie fragt : Wie lange brauchen wir noch dahin ? — das weiss Gott ! Das Meer fing an, hoch zu gehen, und als die Nacht anbrach, leuchtete es Avieder sehr stark. Jede Welle war eine Feuerwoge, und am Steuer folgte dem Schifte ein gan- zer Lichtstrom. Der Kapitän wollte die Beobachtung ge- macht haben, dass dieses Leuchten im ad riatischen Meere besonders bei südlichen Winden stattfinde. Die Nacht war schwarz und warm. Gegen 9 Uhr wurde der Wind sehr heftig, die Segel konnten nicht schnell genng einge- zogen werden, so oft die Goelette sich tauchte, schlugen die Wellen am Vordertheil über Bord, die Bewegungen des Schiffes waren höchst unangenehm, und die meisten von uns wurden seekrank. Das Leuchten der See erhöhte sich , wir schwammen buchstäblich in einem Meer von Funken. Alle Luftblasen, die in grosser Menge sich bei dem schnellen Gange des Schiffes entwickelten, leuchteten, und zwar je grösser desto stärker. Es war eine ungemein grossartige Erscheinung. In der Nacht wurde der Wind zum förmlichen Sturm. Er kam aus N.O,, von den Gebir- gen Dahnatiens, und trieb uns in der Nacht SO Seemeilen. Die Masten und das Schiff krachten furchtbar, und lezteres erlitt durch die Wellen solche Stösse, dass es in seinem innersten Verbände zitterte. Die heftigen Bewegungen machten nicht allein mir sehr unwohl, sondern ich sah auch manchen der Seeleute geduldig dem Neptun sein Opfer bringen. Die Wellen schlugen fortwährend über Bord, so dass uns das Wasser auch in den Raum kam. Dabei war unsere Lage in der Nähe von Lissa und mehrerer kleiner Inseln höchst gefährlich. Wir konnten den Kanal von Lissa nicht mehr passiren und suchten in die freiere See zu gelangen: da sah man plötzlich trotz Sturm und Nacht die kleine Insel St. Andrae vor sich. Diesen Moment be- nüzte derPilote, ein junger Grieche, mit ebenso viel Kühn- heit als Lokalkenntniss und führte das Schiff zwischen die- ser Insel und Lissa in die freie See hinaus. Ein Augen- blick Verzögening, und wir wären verloren gewesen. Das 40 Maiiöuvre des Piloten verdiente mit Hecht die vollste Be- wunderung" 5 und wahrlich in solchen Momenten , wo der Mensch dem Sturm der Elemente mit Kühnheit und Geistes- ruhe trozt und selbst die entfesselten noch geschickt zu seinem Vortheil nüzt — da steht er wie ein Gott da, seines Ursprungs werth. Am Morgen des 20. erreichte der Sturm seine giösste Stärke, das Schiff wurde wie ein Ball herumgeworfen und er drohte es in offener See zu zertrümmern. Alles wurde durcheinander geworfen. Tische und Stühle, die Wandkästen sprangen auf und leerten ihren Inhalt aus, einige von uns fielen aus den Betten. Um !) Uhr endlich Hess der Sturm nach, doch behielten wir den ganzen Tag durch sehr hohe See. Ihn Mittag sahen wir noch den südlichen Theil der Insel Lissa, die Inseln Lagosta und Ciirzola, die Landspitze von Sabioncello und in der Ferne die Insel Meleda, so wie die felsigen Gipfel der Gebirge bei Ragusa und Cattaro. Nachmittags standen wir der Insel Meleda gerade gegen- über und sahen auch schon einige von den schneebedeckten hohen Beigen des nördlichen Albaniens. Der Abfall dieser dalmatischen Inseln ist auf der Westseite, gegen das Meer, sehr steil und felsig, daher sie auch daselbst unbebaut und unbewohnt sind, wäh- rend sie auf der Seite gegen das Land das Gegentheil zeigten. Wir waien in der Nacht mit gutem Winde stark ge- segelt und hatten 95 Seemeilen zurückgelegt. Wir hatten Ragnsa und Cattaro vor Tag passirt , was mir sehr leid that; denn die schönen, furchtbar wilden Formen der Kalk- berge bei Cattaro hätte ich sehr gerne näher betrachtet. Noch bevor die Sonne am 21. sich über die Kalkmauern Albaniens erhob, passirten wir auf der Höhe von Budua, Antivari , Duicigno, befanden uns um 8 Uhr der Bucht von Bojana gegenüber und sahen im Hintergrunde die Gebirge bei Scutari und in Montenegro, Alle diese Berge haben höchst interessante, ausdrucksvolle Formen, die mich zum Theil lebhaft an die unsrer Voralpen erinnerten. Sie waren noch sämmtlich mit Schnee bedeckt, und die meisten 41 derselben halte Ich tiiv höher als 5000 Fiiss. Messmioen haben w\v darüber nocli «^ar keine 5 überhanpt »ibt es mehrere Länder ausser Europa, die wir weit besser kennen als das uns nahe liegende Albanien, wozu der ungesetzliche und ungeregelte Zustand des Landes und die Wildheit seiner Bewohner das meiste beitragen, was friedliche Naturforscher abschreckt, ins Land einzudringen, wiewohl diess, mei- ner Ansicht nach, hei gehöriger Kenntniss der albanesischen Sprache, deren Ursprung wir unter andern auch noch nicht ganz kennen, doch vielleicht nicht gar so bedeutende Sclnvie- rigkeiten hätte. LTm Älittag standen wir Durazzo gegen- i'iber, sahen die albanesische Küste bis Aulona und entdeck- ten in weitester Ferne die hohen Berge bei Cliimara am Eingang in die Meerenge von Corfu. Vor ungefähr drei Monaten wurde in der Gegend des Kaps Ligneta an der Insel Sessano ein kleines Kauffarteischiff von den Albane- sen angegriffen und beraubt. Wir sezten daher auch unsere Enrichetta in schlagfertigen Zustand und luden die ö klei- nen Kanonen , welche auf dem Verdecke standen. Hätte uns der Wind so wenig angefochten als die Albaneser es tliaten, so wären wir sehr zufrieden gewesen: aber das war leider nicht der Fall ; denn er wurde in der Nacht wieder contrair. Wh' machten in der Nacht nur sehr wenig Weg und standen am Morgen des 22. vor den Acroceraunischen Beigen, heut zu Tage Longara- Gebirge genannt. Von der Höhe dieses Gebirges zieht sich ein paar Stunden nördlich von Chimara eine Schlucht zum Meere nieder, die mit Geiölle angefüllt ist, welches aus weissen Steinen besteht, deren Farbe man von ferne sieht, deren Natur ich aber nicht näher kenne. Diese Schlucht führt von daher den Namen la Strada bianca. Südöstlich dieser Schlucht erhebt sich der Tschika zu 4230 Wiener Fuss Meereshöhe, eine Kuppe des Chimara- Gebirges, welches noch mit tiefem Schnee bedeckt war. Man sieht an den Bergen zerstreute Bäume und mehrere albanesische Dörfer und Städtchen, wie Drimades, Vuuo, Chimara etc. Alle aber liegen entfernt von der Küste , am 42 steilen, wilden Gehänge. Einzeln stehende Häuser, Höfe bemerkt man gar nicht, was einerseits die Unfruchtbarkeit der kahlen Küste, andrerseits die Unsicherheit, den Mangel an Schutz des Eigenthums zum Grunde haben mag. Um Mittag hatten wir die Inseln Fanö, Samatrachi und 31erlera dicht an uns, und vor uns sahen wir die Hesperiden-Gärten des schönen Corfü; doch war es nicht möglich, in den Kanal, der diese Insel von Albanien trennt, einzulaufen, sondern wir mussten die ganze Nacht zwischen Fanö und Palermo in Albanien kreuzen. Der Physiognomie nach zu schliessen, so bestehen hier die albanesischen Gebirge aus Schiefern, aus Glimmerschiefer und Tliüuschiefer, welche wahrscheinlich wie in Griechenland die grösstentheils unmittelbare Grundlage der Kreidebildungen darstellen, welche sich in einem ungeheuren Maasstabe entwickelten. Das Gebirge fällt ganz isteil ins Meer ab und ist von tiefen Schluchten durchschnitten. Weiter in das Land hinein, ungefähr 14 Meilen von derKiiste entfernt, liegt Janina am gleichnamigen See, wo der berüchtigte Au Pascha hauste, dessen Grausamkeiten ihn bei den Be- wohnern seines Distriktes der Vergessenheit entziehen. Um 10 Uhr Vormittags war heute dieTemperatur der Luft im Schatten = 9,3*^ Reaum., während die Temperatur des Meeres an der Oberfläche 10" Reaum. betrug. Um 3 Uhr INachmittags war die Temperatur der Luft im Schatten = yo, die des Meeres = 10,7«*. In der JNaclit war der Wind nur sehr schwach, das Meer ruhig und glatt wie ein Spiegel. Das treulose Element! wer hätte es ihm da ansehen können, dass es dasselbe sey, welches uns bei Lissa so jämmerlich herumwarf. Der Himmel war sternenhelle, die Luft lau, die scharfen Berg- formen Albaniens standen in einer zauberhaften Beleuchtung neben uns, so nahe, als wollten sie sich über unser Schifflein herüber beugen. Wir blieben die halbe Nacht auf dem Verdecke und konnten uns nicht satt träumen. Diese * Wü nicht ausdriicklicli das Gegciitheil angegeben ist, so sind alle Tlierniouieterangabeii auf Reaumufj alle Hüljeaangaben auf Pariser Fiiss zu beziehen. 43 siidliclien ^[ächte haben etvv.isEigenthümlicIies, was die Saiten des Geiuüthes so sanft berülirt. Auch in uiisern Alpen sah ich auf grossen Hölien, z. B. auf dem hohen Goldberge in Rauris, wo ich oft längere Zeit zubrachte, IN ächte, die an Schönlieit, an Reinheit des Himmels den südlichen nichts nacligaben, und es ist herrlich zu schauen, wenn einen die Eis- und Schnee-Riesen unsrer (jletscher wie Geisterburgen im Mondsciiein umgeben ; der Eindruck ist unendlich gross- artig, aber — kalt, während die südliche Nacht wie ein warmer Hauch uns umfängt und nur, wo Wärme ist, — dort ist Leben ! Wir hatten Tags darauf nur wenig unsern Standpunkt verändert. Sehr nahe vor uns hatten wir die albanische Stadt Palermo, welche aber nichts mit ihrer schönen sicilia- nischen Namensschwester gemein hat. In desto schönerm Kleide prangten die kleinen Inselchen Fanö und Meilera. Sie sind bedeckt mit Ölbäumen und Weingärten, und wunder- hübsche Landhäuschen spähen zwischen ihnen hervor: ein greller Kontrast gegen die albanesisclie Küste, ein Gegen- satz wie zwischen Kultur und Wildheit. Nachmittags näherten wir uns der Nordküste von Corfü, so dass wir alle Gegenstände deutlich ausnehmen konnten. Schöne Waldungen, zum Tlieil aus Ölbäumen bestehend, bedecken diesen Theil der Insel, wechselnd mit Gärten von Orangen- und Citronen-Bäumen, mit Feldern, eingefaiigen mit Rosmarin -Sträuchern; freundliche Dörfer mit blendend weissen Häuschen , auch ein Städtchen , wahrscheinlich Ar- gafus, sah freundlich vom Gebirge nieder. Wir Nordländer konnten uns nicht satt an diesen Dingen schauen, es war der Reiz der Neuheit: denn zum ersten Male sahen wir ja den milden Süden in seinem prächtigen Früblingskleide. Um II Uhr Morgens war heute die Temperatur der Luft im Schatten 8,2"^, die des Meeres 10,3»; um 3 Uhr Nachmittags zeigte das Thermometer im Schatten 0,2*^ , im Meere 10,7". Eine 31enge von Delphinen, die am Abend um unser Schilf her spielten, schienen uns Wind für die Nacht zu \ erkünden, und sie hielten Wort; denn nachdem wir das 44 Fort St. Catharina passii't und den Leuchttluirm von Cas- siopo vor uns hatten, erhob sich ein frisclier Nord. Mit dessen Hülfe liefen wir endlich in den Kanal ein , passirten ßntrinto in Albanien, wo einst Pyrrhiis residirte und von wo er sich mit seinen Elephanten nach Brindisi einschiffte, Corochiana auf Corfn und warfen am 24. um 4 Uhr Morg;ens unsere Anker im Hafen der Hauptstadt, Der Hafen von Corfu ist einer der schönsten, die ich gesehen. Er ist bedeutend gross, kann die grössten Kriegs- schiffe aufnehmen und ist von allen Seiten geschiizt, da der offenen Seite seines Bogens das albanesische Gebirge wie eine Mauer vorsteht. Die Lage von Corfu, welches damals an 20,000 Einwohner haben mochte, ist äusserst schön, wozu besonders die herrlichen Garten- Anlagen in seiner Umgebung beitragen. An der nördlichen Spitze der Hafeneinfahrt liegt auf dem Felsen ein Fort, welches die Engländer erbauten und welches durch maskirte Werke sehr stark seyn soll. Auf der südlichen Spitze der Einfahrt steht ein Leuchtthurm, und man geht mit dem grossartigen, dem Unternehmungsgeiste der Engländer würdigen Plane um, das Fort am Leuchtthurme mit dem gegenüberstehenden durch einen Tunnel .unter dem Meere zu verbinden und so eine Kommunikation herzustellen, die durch nichts gehindert werden kann, als durch die Einnahme des Forts selbst. Die Arbeiten an jenen Forts dauerten damals schon seit mehr als 14 Jahren, und durch die damit in Verbindung stehenden Festungswerke hat man nicht nur Stadt und Insel ganz in seiner Macht, sondern England hat sich dadurch eine Station am Eingange des adriatischen Meeres geschaffen, die für dasselbe nichts zu wünschen übrig lässt. Das Ge- stein in der Umgebung des Forts ist ein weisser, dichter Kalkstein. Da noch kurz vor unsrer Abreise aus Triest daselbst die Cholera geherrscht hatte, so erlaubte man uns am Laude nicht weiter als in die Quarantaine zu gehen, was ich damals sehr bedauerte, denn erst mehrere Jahre darnach kam ich auf meiner Rückreise wieder nach Corfu. Die Stadt selbst mit ihren zwei bedeutenden Festunoen 45 macht einen sohönen Eindruck. Die Strassen scheinen enge zu seyn und uneben, da die Stadt ans tJehänge des Berges angelehnt ist, doch sahen ^vir mehrere grosse und schöne Gehände *. Die Kirchen zeigen den nengriechisclien Geschmack mit ihren gerüstartigen Thürmen u\u\ frei hängenden Glocken. In der Nähe der Stadt erhebt sich der Monte Salvatore zu ungefähr 3000 Fuss Meereshölie, der höchste lierg auf Corfu , auf dem aber des milden Klima's der Insel wegen doch selten Schnee liegen bleibt. Die Temperatur war jezt im Januar so milde, dass wir nnsre Sommerkleider hervorzogen und bereits Wiesen und Sträucher im herrlichsten (iriui prangen sahen. Opuntien und alle Pflanzen des ge-, mässigten Südens gedeihen herrlich, und Cypressen, welche nicht nur alle anderen Bäume, sondern auch die meisten Häuser der Stadt überragen, geben dem Ganzen einen wahrhaft orientalischen Anstrich. Auf den jonischen Inseln lagen damals acht englische Regimenter vertheilt, wovon der grösste Theil natürlich auf Corfu lag. Im Hafen be- fanden sich zwar mehrere österreichische, englische und griechische Schiffe, auch ein paar Dampfschiffe, doch gegen die Masse der Schiffe im Hafen von Triest verschwand ihre Zahl, und der Hafen erschien leer. - tni^f. Das erste Mal gingen wir mit dem Kapitän an das Land, das heisst in das Rastel, wo wir einige Stunden zubrachten. Ein junger Jonier, dem man es ansah, dass er sich für einen Adonis halte, übrigens auch ein recht hübscher Mann war, besorgte uns unsere Einkäufe, die uns mit den gewöhnlichen Formalitäten übergeben wurden. In der öuarantaine machten wir auch in der Person unseres k. k. Generalkonsuls, Hrn. von Meverbach , eine äusserst angenehme Bekanntschaft, die wir leider nicht fortsetzen konnten , da Avir aus unserm Käfich nicht heraus durften. Einige Unterhaltung verschaffte uns das Bunte in der Kleidung der Anwesenden. Der Europäer, das heisst der nicht Icvantinische Europäer, mit seinem Frack, der Grieche in seiner malerischen, theatralischen Landestracht, * Audi hat Corfu, wie icli bei meiner zweiten Anwesenheit sah uuKnehmend schöne Plätze mit Pinmenaden. 46 der Bergscliotte in seiner rothen Uniform mit nackten Knien etc. graben eine herrliche Mnsterkarte. wovon mir das erste Stück, aufrichtig- gesagt, am wenigsten gefiel. Am Abend hörten wir stets die englische Regiments- mnsik in den Forts. Dieselbe, bei uns an etwas Besseres gewöhnt, wollte mir freilich nicht recht gefallen, doch machte sie in Verbindung mit den schönen Abenden, den im Meere tausendfach wiederstrahlenden Lichtern, im Ganzen einen erbaulichen Eindruck. Im Hafen von Corfu beobachteten wir am 24. Januar: Temperatur der Luft um 1 Uhr Nachmittags = 10,0, des Meeres = 7,7. Um 5 Uhr Abends: Temperatur der Luft = 9,0, Temperatur des Meeres = 8,0. 25. Januar : Temp. der Luft um 1 1 Uhr Vormittags = 8,3, des Meeres := 7,2. Um 3 Uhr Nacbmittags: Temp. der Luft = 9,6, des Mee- res = 7,9. Am 26. Januar lichteten wir Vormittags wieder die Anker, nachdem wir von Corfu nichts als die hiibsche Anssen- seite gesehen hatten. Unsere Gesellschaft hatte sich um eine Person vermehrt. Es war der Oberlieutenant Fumanelli von der österreichischen Marine-Artillerie, der von Corfu zu seiner Fregatte, welche in Smyrna lag, zurückkehrte; ein nns sehr angenehmer Zuwachs. V^ie wir ausgelaufen waren, hatten wir schon wieder ganz schwachen Wind, so dass wir nur langsam vorwärts kamen. Um 3 Uhr Nachmittags hatten wir ausser dem Hafen eine Lufttemperatur von 9,6" bei einer Meerestemperatur von 7,8**. Von dieser Seite, namentlich si'idlich vom Leuchtthurme, präsentirt sich Corfu gar wunderhiibsch, indem sich daselbst die meisten Gärten der Stadt mit ihren phantastisch geformten Lusthänsern befinden. Die innere Einrichtung soll jedoch häufig dem äussern Glänze nicht entsprechen. Das wird jedoch gewiss nicht von den Landhäusern der englischen Familien gelten ; denn der ausgebildetste Sinn für Comfort des Lebens ist bei den Engländern zur Nationaleigenthümlichkeit geworden. Am Abend sahen wir durch den Kanal bereits die Berge der Lisel Sta. Maura, konnten aber bis zum folgenden Morgen doch nur an die Insel Paxo kommen, wo wir der Mündung 47 des Aclieron, der sich aus den wilden Befg-en des Ephrus heraus schien Weg- bahnt, gerade gegenüber waren. Da erhob sich der Wind wieder, und Avieder scbwellte er die Segel unsrer Enrichetta und mit ihnen unsere Hoffnung, vor- wärts zu kommen. Wir sahen um Mittag schon in weitester Ferne die Berge auf Cephalonia und hatten dicht vor uns Sta. Maura, da trat wider Windstille ein, und wir konnten des Anblicks des Vorgebirges Capo Bianco auf Korfu nicht los werden, gleich wie uns früher, nördlich von Corfu, die Strada biauca diese Geduldsprüfung auferlegte. Wir standen mit unserem Schiffe zwischen Paxo und Parga in Albanien, wie festgebannt. Paxo liefert unter den jonischen Inseln das beste Ol, hat sehr viele Weinberge und zeichnet sich übeihaiipt durch Anmuth aus, wozu die vielen Windmühlen, die auf ihren Höhen stehen, nicht wenig beitragen. Auch die Küste von Albanien gestaltet sich gegen Prevesa hin bedeutend freund- licher, das Land wird fruchtbarer, ist zum Theil mit Wal- dungen bedeckt und lässt sehr freundlich gelegene Ortschaften wahrnehmen, z. B. Parga mit seiner Festung und seinen Minarets, Fanari, Regniassa etc. .€'!• Um 11 Uhr Vormittags beobachteten wir die Temperatur der Luft = 12,1° ; im Meere zeigte das Thermometer 11,1*^. Um 3 Uhr Nachmittags zeigte das Thermometer im Schatten 12,8°, im Meere 11, 0°. Wenn man die albanesische Küste und die jonischen Inseln betrachtet, so kann mau nicht umhin, auf den Ge- danken zu kommen , dass leztere nur Theile der erstem seyen. Ich will damit nicht sagen , losgerissene Stücke; denn zu dieser Behauptung sehe ich keinen Grund. Nehmen wir, wie es doch wohl am besten sc} u dürfte, die albanesischen Gebirge sowohl, wie die jonischen Inseln, als Emporhebungen an , so gehören leztere offenbar zum System der erstem. Das tiefe Thal zwischen beiden erhob sich nicht bis zur Oberfläche des Meeres, daher dasselbe noch heut zu Tag vom Meere bedeckt, Meerenge ist. Dass aber diese Empor- hebung hie und da ganz nahe bis zur Oberfläche dos Meeres stattgefunden habe, vielleicht noch fortdanre , das beweisen 48 die vielen Untiefen und Sandbänke, die, obwohl sie durch schwimmende Tonnen bezeichnet sind, doch die Schifffahrt zwischen den Inseln und dem Festlande für grössere Schiffe sehr gefahrlich machen. Abends bekamen wir contrairen Wind, der aber in der Nacht umschlug, so dass wir bis Mitternacht 30 Seemeilen machten , um welche Zeit der Wind wieder contrair wurde; jedoch hatten wh bereits die halbe Distanz zwischen Corfu und Patrass zurückgelegt. Am Morgen des 2S. befanden wir uns dicht an der lusel Sta. Maura, die aus demselben dichten weissen Kalk- stein besteht, wie die übrigen bisher gesehenen jonischen Inseln. Wir umsegelten die Südspitze der alten Leokadia, das Kap Ducato, oder den leukadischen Felsen, von dessen Höhe sich einst Sappho in die Fluthen stürzte , eine sehr hohe, ins Meer überhängende Felswand des weissen Kalk- steins, daher auch wahrscheinlich der Name. Die Insel scheint sehr gut bebaut zu seyn. Als wir das Kap Du- cato passirt hatten, liefen wir in den Kanal zwischen Sta. Maura und Theaki ein. Lezteres, das alte Ittaca, um das Ulysses so lange suchte und das er hätte finden müssen, wenn ihm Ernst gewesen wäre, lag uns zur Rechten, so auch der nördliche Theil von Cephalonia am Kap Viscardo. Leztere Insel mit ihren vielen Weingärten, Olwäldern, be- bauten Feldern, den vielen Windmühlen auf den Rücken der Berge und den vielen Ortschaften bietet einen er- freulichen Anblick dar. Die Berge werden im Innern und besonders gegen das Südende sehr hoch , wo der Monte nero bis zu 4000 Fuss ansteigt und noch mit tiefem Schnee bedeckt war. Von der Produktionskraft der Insel kann man sich eine Vorstellung machen, da sie allein im Jahre lSo5 an 100,000 Zentner Korinthen liefeite, welche meist nach Amerika, England und in die österreichischen Pro- vinzen gingen. Wir brauchten des contrairen Windes halber lange, um das Kap Marmacca zu umsegeln , die nördlichste Spitze von Ittaca. Bei dieser Gelegenheit kamen wir ganz nahe an die Insel. Ittaca besizt hohe Berge, die alle eine ge- rundete, gewölbte Form haben und bis auf ihre Gipfel mit 4U Strauchwerk bedeckt sind. Rechts lag- uns iler schöne Kanal von Viscardo und vor uns higen die kleinen Inseln Arcudi und Jotaco, hinter denen die hohen Gebiroe des Festlandes bei Dragomestre , der Prodronuis des alten Akarnanien, emporsteigen. Unser Plan war, zwischen den Inseln Arcudi und Jotaco und der Insel Ittaca in den Meerbusen von Clarenza einzulaufen, doch der Wind gestattete uns nicht vor der Nacht die Ausfiihrung *. Wir kreuzten den ganzen Nachmittag zwischen der Bai Vassiliki auf Sta. Maura und dem Kap Oxoi und der Bai Afrikis auf Ittaca und sahen sogar bei Untergang der Sonne in weiter Ferne Berge des Peloponneses vor uns. Sämmtliche Inseln um uns her, mit Ausnahme von Cepha- lonia, schienen ohne Bäume zu seyn, daher sie ein kahles, ödes Ansehen hatten, obwohl eine Fülle von Strauchwerk, das bereits üppig grün war und ein Juniperüs zu seyn scheint, sie bis auf die Gipfel ihrer Berge bedeckt. Im Kalksteine der Inseln bemerkt man an den steilen Küstenwänden eine Menge Höhlen , deren Eingang meist im Horizonte des höchsten Meeresstandes liegt, daher sie auch wahrscheinlich ihren Ursprung den oft sehr heftigen Meeresbrandungen verdanken. Um 11 Uhr Vormittags beobachteten wir heute die Lufttemperatur = 8,9, die des Meeres aber = 11,0. Um 3 Uhr Nachmittags die Temperatur der Luft = 9,3 , enden , kahlen Beroes ist sehr zackii»- und ähnlich den wilden Kalkberj>en unsrer Voralpen. Auf seiner Spitze steht ein Griechisches Kloster. In S.O. hatten uir die »anze Umochunj>' des Meer- busens von Klarenza vor uns; vom Fort Klarenza, dem alten Hirmina, bis zum Kap Kolof>;ria und in der Mitte des weiten Bog^ens erhob sich der olenische Felsen, heut zu Tag' Sta. Meri, als Beherrscher der umliegenden Berg^e. Weiter östlich \a.^ uns die Einfahrt in den Meerbusen von Patrass, zwischen dem Kap Kologria und «len Sandbänken, Prokopanistos von Älissolonghi in Aetolien, unser heissersehntes Ziel, das wir aber noch lange nicht erreichen sollten. Zur Linken hatten wir das Festland von Akarnanien und Aetolien in der Um- gebung des Kaps Scrophes, zwischen welchem und den weiter nördlich liegenden Busen von Drag;omestre sich eine Menge kleiner felsiger Inseln befindet. Die Gebirge zu beiden Seiten des Aspro Potamos, des Achelous der Alten, des Grenzflusses zwischen Akarnanien und Aetolien, lagten hoch über die Liselgruppen herüber, unter ihnen der Zigos, der alte Aracynlhus in der Gegend von Missolonghi. Eine so herrliche Umgebung-, wie man sie nur selten bei Seereisen findet, hätte eine bessere Witterung verdient, aber diese wurde immer schlechter, und um 3Iittag- war es schlechterdings nicht mehr zum Vorwärtskommen. Wir suchten anfänglich Schutz hinter der Insel Curzolari, ein wilder, zackiger Kalkfelsen, da der Wind aber immer stärker wurde, so mussten wir unser Heil weiter suchen, indem an ein Einlaufen im Golf von Patrass nicht mehr zu denken war. Der Kapitän Avählte anfänglich den Hafen von Drago- mestre als Zuflucht, später aber übernahm unser kühner Pilote die Goelette zwischen den Felseninseln durchzuführen, um sich hinter Curzolari im Hafen der Insel Petala vor Anker zu legen. Die Insel Petala liegt in dem kleinen Archipel der akarnanischen Küste, zwischen Dragomestre 4 - 52 \\m\ Trigartloii (dem alten Enwdes), etwas nördlich von der Mündung^ des Achelous •. Wir fuhren zwischen den Inseln Modi und Macri durch und fanden den Eingang in den Hafen von Petala zwar sehr enge , aber nicht gefährlich. Die Scrophi , kleine Felseninseln , wie die Scheeren an den Küsten Skandi- naviens hier ringsumher angesäet , sind unwirthbare und grösstentheils auch unbewohnte Eilande , deren Vegetation jedoch als eine vortreffliche Viehweide benüzt wird. So sahen wir links des Hafeneinganges eine Menge Schafe, rechts aber Kiihe weiden , von denen einige Glocken am Halse hatten , deren Töne nicht ganz ungeeignet gewesen wären, in uns Gebirgsbewohnern einen leisen Klang von Heimweh zu erregen. Der Hafen selbst ist klein und nur für kleine Schiffe geeignet, gibt jedoch den nöthigen Schutz. Als wir einliefen, lagen im Hafen eine griechische Goelette und ein griechisches Boot; wie dieselben uns sahen, lichte- ten sie die Anker, gingen weiter in den Hafen , wohin wir wegen Mangels an Wasser nicht folgen konnten und legten sich hinter einen Hügel. Diess fiel uns natürlich sehr auf, und waren Seeräubereien an den griechischen Küsten auch nicht mehr an der Tagesordnung , so ereigneten sich doch manchmal solche Fälle. Da die Nacht anbrach, so wurden daher die Kanonen in Bereitschaft gehalten , alle Gewehre geladen, ßajonnete aufgesteckt und die Seesoldaten bezogen ihre Posten, während wir ruhig schliefen und die Griechen ohne Zweifel dasselbe thaten. Heute Mittag um 11 Uhr beobachteten wir die Luft- temperatur = 8,6, Meerestemperatur = 10,3. Um 3 Uhr Nachmittags : Lufttemperatur = 10,0 , Meerestemperatur = 11,2. Die Temperatur der Luft natürlich jederzeit im vollkommenen Schatten beobachtet. * In Betreff der Lage sowohl als auch der Benennung der vielen kleinen Inseln zwischen den jonischen Inseln und Akarnanien hat unsere Generalstabskarte der europäischen Türkei einige Unrichtigkeiten. So z. B. stehen sich die Inseln Modi und Macri bei Weitem nicht so ferne, sondern viel näher, so heisst das Vorgebirge am Aspro Potamus nicht Sorophes, sondern Scrophes etc., Sachen, die jedoch nicht so viele Be- deutung haben, da im Ganzen die Karte vortrefflich ist. 53 Am fiülicn Morgen des 30. hatten sich die Nebel tief j^escMikt und es regnete, das kleinere Boot fuhr uin Wasser, und als es zurück kam, begaben wir uns sämmtlich auf die Insel, da der Himmel sich wieder etwas klärte. Wir ruderten vorerst gerade auf eine Höhle los, die sich im Kalkstein der Ki'iste befindet; als wir sie betraten, fanden wir ein eben ausgegangenes Feuer der Hirten , das diesel- ben mit Lorbeerzweigen unterhielten. Am Fusse des Fel- sens badeten sich Pelikane, ring^s um uns war die Vegetation erwacht, alles g^ri'inte, Veilchen, Rosen, Hyazinthen bliihten, Ginester, Rosmarin, Myrthen, Lorbeer- und Ölbäume in Fülle. Wir glaubten zu träumen, bezaubert zu seyn. Es war das Erstemal , dass wir auf südlichen Boden unsern Fuss sezten , denn in der Quarantaine zu Corfu sieht man nichts Ahnliches. Uns, aus nordischer Heimath kommend, war ein solcher Anblick im Januar ungewöhnlich neu; wir waren daher auch so froh gestimmt, dass wir wie Ziegen auf den Felsen herumsprangen. Grosse Lämmergeier nisteten in den Felsen, sie um- schwärmten uns längere Zeit, wir schössen darnach, waren aber zu ungeschickt, um zu treffen; wir sahen nur, dass sie sehr gross sind und nackte Hälse haben. Ich glaube, dass nicht ein Mensch ist, der zum Erstenmale auf irgend eine Insel kommt und nicht sogleich den Wunsch hegte, eine der Anhöhen zu ersteigen , um sich einmal umzusehen. Von einem solchen Axiom wollten wir keine Ausnahme machen und wählten uns hiezu den höchsten Punkt der Insel. Auf dem Wege dahin , wenn man so sagen kann, denn wir kletterten über Stock und Stein, trafen wir einige albanesische Hirten, die, wie gewöhnlich hier zu Lande, in grobes Leinenzeug gekleidet waren und wollene, weisse Mäntel über die Schultern geworfen hatten *. In ihren • In Griechenland, sowohl auf dem Fcstlande als auf den Inseln, besonders aber auf ersterm und namentlich in Rumelien, .finden sich sehr viele Albaneser, die mit ilirer p^anzen Familie, mit Sack und Pack dahin kommen und sich niederlassen, theils wirklich sich ansässig; machen, thcils als Hirten sich herumtreiben, welches lezterc man mehr und mehr abzubringen bestrebt ist. Daher die Erscheinung-, dass man manchmal in ein griechisches Dorf gelangt, wo kaum eine Seele griechisch versteht. 54 Gürteln triif^en sie Pistolen und lange Messer, sahen daher nicht sehr freundlich aus, um so mehr, da sie von grossen, schwarzen Hunden hegleitet waren. Sie begehrten zu trin- ken, ehi Wunsch, dem wir nicht Avillfahren konnten; wir wollten ihre Waffen besehen , womit sie aber nicht einver- standen waren, folglich war die Konversation kurz und um so einfacher, da wir nicht mit einander reden konnten. Wir sezten unsern Weg fort bis auf die Höhe, wo wir einige alte Eichen fanden, an denen wir unsere Pistolen versuchen wollten ; das Holz war aber so hart , dass die Kugeln ab- prallten und wir beinahe in Gefahr gekommen wären, uns par ricochet zu erschiessen. Die Aussicht von der Höhe der Insel ist allerliebst: man iibersieht den grössten Theil des Archipels zwischen Akarnanien und den jonischen Inseln , die beiden Städte Dragomestre und Trigardon. Auf einer niedern Fläche der Insel waren weit ins Meer hinein Verzäuiiungen angebracht, die dazu dienen, Netze daran zu befestigen und so die Fische hinein zu treiben. Nebenan standen ein paar nette Fischer- häuschen. Der Kalkstein, woraus Petala besteht, ist dicht und weiss und, so weit ich ihn sah, ohne sichtbare Versteinerun- gen. Der Kalk führt eine Menge Höhlen und ist auch im Kleinen voller Drusen, deren Vyände mit Kalkspathkrystal- len ausgekleidet sind. Der Bruch des Gesteins ist splittrig, sich zum Flachmiischligen neigend, und an der Oberfläche ist dasselbe ausserordentlich verwittert, so dass die Felsen von Aussen ein sehr zerfressenes poröses Ansehen haben. Schichtung konnte ich keine wahrnehmen. — Alle die klei- nen Inseln dieses Archipels scheinen derselben Formation anzugehören und dem Systeme des Festlandes beizn rechnen zu seyn , wenigstens ist es ganz derselbe Kalkstein, den ich bei meiner zweiten und grössern Reise in Griechenland als llippuritenkalk bestimmte, und der im grössten Theile von Rumelien das herrschende Gebilde ist. Am 31. um 4 Uhr Morgens erhob sich endlich der Sturm, der uns so lange gedroht hatte, in seiner ganzen Gewalt: er kam aus S.W. und circichte um 8 Uhr eine 5.) solche Stärke, tiass iosser Tlieil der Stadt liej^t in Ruinen ; denn die Tiirken haben im lezten Kriej>e alles zerstört; was daher steht, ist neu. Die Ruinen des Schlosses, auf einein Berge liegend, der die Stadt und die Ebene am Fiisse des Gebir- ges beherrscht, haben eine sehr pittoreske Lage. Unter den neuen Gebäuden waren damals sehr wenig solide und noch weniger hiibsrhe, hingegen sah man sehr viele elende Hütten, grösstentheils aus Lehmziegeln erbaut. Die grössern Häuser hatten alle nur einen Stock, aber sehr hohe Erd- geschosse. Die Strassen waren ungepflastert und unrein. Im Hafen befanden sicli meist nur griechische Barken, ein paar Kanonierboote als Wachschiffe und eine Korvette von 10 Kanonen, deren Kommandant der berühmte Branderführer Kanaris war. Das griechische Militär sah damals schon recht gut aus und glich in Uniformirung und Bewaffnung ganz dem baierischen, auch befanden sich in Patrass selbst noch mehrere baierische Offiziere. Ich hatte anfänglich den Plan, von Patrass zu Lande über Vostitza nach Koriuth zu gehen und bei dieser Gele- genheit das berühmte Felsenkloster von Megalospileon (die grosse Höhle, auch Megaspileoti) zu besichtigen. Man vviderrieth es mir aber allgemein wegen der vielen Räuber, welche die Strasse unsicher machten und die Einzelnen nicht nur beraubten, sondern ihnen auch INasen mid Ohren ab- schnitten. Vor Kurzem hatten sie auch ein englisches Haus in V^ostitza angegriffen und ausgeraubt, wobei jedoch fünf der Räuber gefangen wurden. Da mir nebstdem um Eile zu thun war, so Hess ich mich bereden und wählte den Seeweg, auf welchem ich ohnediess unser zahlreiches Ge- päcke hätte senden müssen , da der Transport zu Lande zu viel gekostet hätte. Übrigens war das Ding niclit gar so arg 5 denn es waren in Allem nur S oder 10 solcher Kerls , und die hätten wir wahrlich nicht Ursache ge- habt zu fürcliten. Doch wenn man gerade so von Hause kommt und nie in ähnlichen Fällen war , so ist man meist so einfältig und leichtgläubig, dass man sich hinten- nach todtärgern könnte. Wie oft habe ich mich dieser Nachgiebigkeit geschämt und wie oft sie belacht, nachdem flO ich fast zwei Jahre lang unter wilden Völkern zugebracht hatte und ein mehr entsclilossener, festerer Takt in mich gekommen war. Ich schloss also mit dem Kapitän der Goelette, die uns nach Lutrachi bringen sollte, einen eigenen Kontrakt. Nachdem dieses Geschäft besorgt war, machten wir einen Gang auf die alte Citadelle. Auf dem Wege dahin hatte ich Gelegenheit zu beobachten, welche Ärmuth, welcher Mangel, gepaart mit ünreinlichkeit, damals in den Hütten des gemeinen Volkes herrschte. 31ehrere Jahre später durchreiste ich ganz Griechenland, hielt mich häufig in Dörfern auf und fand, die Maina ausgenommen, wo es entschieden der unwirthbare Boden und die Lbervölkerung mit sich bringen , nirgends mehr das , was ich damals in einer der ersten Seestädte des Peloponneses gesehen habe. Das ist gewiss ein glänzender Beweis, dass die Wohlfahrt der Bewohner Griechenlands unter der Vorsorge der Re- gierung im vollen Aufblühen begriffen ist. Damals war nicht nur der Peloponnes wegen Räubern gefährlich zu be- reisen, sondern es war ganz Rumelien , besonders die Um- gegend von IMissolonghi in einer solchen Unordnung und so voller Räuber, dass man gegen sie ordentlich zu Felde ziehen musste, Jezt ist alles ruhig und sicher, und schon ich fand im Jahr 1S;>9 nur ein paar Punkte im Peloponnes, wo man von Räubereien redete. Diess ist doch viel von einem Volke, welches kaum ein Jahrzehend aus dem Zu- stande der schrecklichsten Demoralisation , der niedrigsten Sklaverei herausging und in die Reihe der kultivirten Völ- ker eintrat. Der Umfang der Citadelle ist sehr bedeutend, und man sieht in ihrem Umkreise einige alterthümliche Denkwürdig- keiten, als Cisternen, Säulen, den jonischen Löwen in ver- schiedenen Auflagen etc., ein Minaret sammt verfallener Moschee, ein durchschossenes Thor. Doch schöner als all dieses Zeug ist die herrliche Aussicht von oben. Man übersieht die ganze, prachtvolle Umgebung des Meerbusens von Patrass bis hinaus zur Insel Curzolari. In der Citadelle sieht man auch ferner noch die Reste einer alten Wasser- leitung , deren Steine durch einen auffallend festen Kitt Ol zusammeng^ekittet sind, und neben Her sich ein sehr grosser Plafaniis erhebt, der 3 Fuss ober der Erde so dick ist, dass 4 Männer ihn nicht umfassen, und der vielleicht seine 300 Jahre zählt, doch aber noch freudig grünt. Der Felsen, worauf die Citadelle steht, gehört einem nagelflueartigen Konglomerate an, ji'inger als das, welches in den Bergen um Megalospileon eine so grosse Rolle spielt , sich zu Meereshöhen über 6000 Fuss erhebt und den Kreidekalk zu bedecken scheint. Das von Patrass enthält häufig Versteinerungen noch lebender Arten von Meerchonchylien und scheint eher ein Diluvium zu seyn, während jenes in das Bereich der Molasse fallen dürfte. Dieses Konglomerat zieht sich weit hinter das Schloss gegen das Gebirge hin. Die Geschiebe, welche es enthält, sind Trümmer von Hornstein, Jaspis und Porphyren. Das Binde- mittel ist eine sandige Kalkmasse. Die Elemente des Ge- steins stammen aus den Thälern des Gebirges zwischen Kalavrita und Patrass, wo sich dieselben nachweisen lassen*. An Pflanzen sammelte Kotschi in der Umgebung der Citadelle, nach seiner Bestimmung: Astragalus gnmmiferus (Link), Anemone hortensis, Arum pictum, Adianthnm ca- pillus Veneris, Nerium Oleander, Lycopodium helveticum, Statice sinuata, Allium Chamaemoly, Arten von Fumaria und Asclepias, Zu unsrer Reise von hier nach Athen erhielten wir zwei neue Gefährten , die sich unsrer schwimmenden Kara- wane anzuschliessen Avünschten , und zwar Hrn. Timoteo, Lieutenant bei der österreichischen Marine, und Hrn. Oko- NOMO, Kaufmann aus Corfu, die wir natürlich auch sehr gerne aufnahmen. Am 5. machte ich mit Voitanek. Kotschi und ein paar Arbeitern eine Exkursion in das Thal der Lefka, weiche * Dip auf meiner ersten fliichtigen Reise durch einen Tlieil Grie- chenlands fliifhti«? gesammelten Avissenscliaftlichen Notizen sind sowojil ihres innern Werthes halber als ihrer Ausdehnung wegen zu wenig be- deutend, als dass ich sie, wie im Verlaufe der Reise geschclien wird, in eigenen Abschnitten behandeln könnte, ich lasse sie daher im Kontakte der Erzählung mitgehen, wie sie kamen. 62 hier ans den Geblrg-en Äcliaias hervorbricht und eine tiefe Schlucht bildet. Auf dem We^e dahin fanden wir in der Ebene nur Meeresalluviouen in Verbindung- mit denen der Bergströme : Sand, Gerolle, den jüngsten Meeressandstein. Im Eingänge der Schlucht findet man häufig Geschiebe von dichtem Kalkstein, Feuerstein, Hornstein, Thonschiefer u. dgl., bis man endlich an das anstehende Gebirge selbst kommt. Zu Unterst fanden wir einen rothen, schiefrigen Sandstein, der einerseits in Thonschiefer , andrerseits in Hornstein deutlich übergeht. Dieser schiefiige Sandstein enthält mächtige Lagerstätten von rothem, grünem, blauem, weissem und buntem Hornstein, der für sich ausgezeichnet geschich- tet ist und hie und da etwas Kupferkies und ßleiglanz ein- gespiengt enthält. Auf diesen schiefrigen Sandstein legt sich der deutlich geschichtete, dichte Kreidekalk des Pelo- ponneses, der an der Lefka, dort wo wir nämlich ihn sahen, keine Versteinerungen enthält, wenigstens fand ich keine, und der auf JNestern und Nieren Feuerstein und Hornstein in seiner Masse umschliesst. Auch dieser Kalk wird hie und da sandsteinartig. Am 6. war der Jahrestag der Landung Sr. Majestät des Königs Otto, ein INationalfesttag. Alles zog seine Fest- kleider an, die Schiffe flaggten, hängten ihre Signale an die Taue zwischen den Masten und salutirten, jedes mit 21 Kanonenschüssen, während des Gottesdienstes. Auch der Himmel that das Seine, die Sonne stieg rein und klar iiber Hellas auf und belebte es mit Frühlingswärme. Wir machten unsere Besuche am Lande und an Bord der beiden Kriegs- schiffe, beurlaubten uns von unsern Freunden an Bord der Enrichetta und rüsteten uns zur Abreise. Den ganzen Tag hindurch zogen Masken in den Strassen herum, tanzten vor den Häusern und in denselben nach einer höchst misstönigen Musik, die sie mit Trommeln und einer Art Schalmeien zu Stande brachten. Die Masken bezogen sich meist auf my- thologische Gegenstände, Anklänge aus der alten klassischen Heldenzeit, und waren im Ganzen sehr hübsch, so wie über- haupt dem Griechen eine gewisse angeborne Grazie eigen ist. Alle seine Bewegungen, sein Gang, haben einen Grad von (>3 Elastizität, die man niclit leicht bei einem andern Volke und in einem andern liande triflft. Allen diesen siidlicheii Völkern , in denen eine grosse, glorreiche Erinnerung; lebt, ist der Sinn fürs Schöne , fi'ir Grazie in Form und Be- wegung angeboren und eigen. Diess ist auch leicht er- klärlich. Der Grieche, der Italiener, geboren unter einem milden Himmel, lebt in einer warmen Luft, in ein em strahlenden Lichte und sieht von Kindesbeinen an jene Muster der höchsten Kuustvollkommenheit , des vollendet- sten Ebenniasses, die ihm seine Voreltern iiberliessen, und die 5 wenn wir von Originalität sprechen , noch immer unerreicht dastehen. Diese Bilder prägen sich ihm ein, werden ihm zur IVatur , gehen in sein Leben über, daher die lierilichen, wahrhaft ästhetischen Körperformen im Süden. Die V^^issenschaft, das Abstrakte, das ernste Nachdenken fordert einen andern Himmel, ein praktisches Volk. Die Kmisr aber, glaube ich, kann ihre Vollendung nur dort er- reiciien , avo lebensvolle Poesie zu Hause ist, und das wahrhaft Schöne, das Vollendete der Form kommt aus dem Süden, von dem aus die Veredlung des Menschen ging. Abends gingen wir an Bord der Goelette des Kapitäns IVikolo , lichteten bald darauf die Anker und segelten mit einem schwachen Winde in den Meerbusen von Lepanto ab. Der kleine Raum unseres Schiffes, unser vieles Gepäck, wir selbst, aus 15 Personen bestehend, machten unsere Existenz höchst unbequem. Ausserdem war noch eine griechische Familie an Bord , bei der sich eine sehr liebe junge Frau befand, der man natürlich, um ihr die Leiden der Seereise nicht noch mehr zu erhöhen, einen geräumigen, den besten Platz geben musste. Ausserdem hatten wir in unserem Kreise drei Kranke, diese bekamen einen zweiten bequemen Platz, der dritte bequeme Platz war auf dem Verdecke, weitere Abtheilungen existirten nicht. Ich lag neben dem Steuermann, einem alten Kerl mit buschig herabhängenden Angbrannen. Derselbe hatte seine Laufbahn als Mozzo (Schiffsjunge) begonnen, diente später als Seeräuber und befähigte sich in dieser Schule zum Steuermann auf einem Handelsschiffe. Bei der ersten Wendung des Schiffes 64 bemerkte ich, dass von unserer Schiffsmannschaft Jeder kommandirte und Jeder seinem eigenen Kommando Folge leistete, ohne sich um den Andern zu bekümmern. Ich machte dariiber dem Kapitän Vorstellungen, doch dieser fand das ganz natürlich und sagte : Hier hat Jeder zu befehlen, denn wir sind alle gleich , haben das Schiff und die Fracht zu gleichen Theilen. Ich bin nur Kapitän par honneur. Wir fuhren die ganze Nacht und waren den andern Morgen wieder vor Patrass. Diese süsse Überraschung kam auf folgende Art: Wir hatten in der Nacht glücklich die Dardanellen von Lepanto , das Schloss Rhium auf Morea, und das Schloss Antirhium in Rumelien passirt, und waren in den Meerbusen von Lepanto eingetreten, da packte uns die Ebbe, in Folge welcher das Wasser in den Morgenstunden aus dem Golf auszieht, und führte uns, da wir wegen Mangels an Wind nicht widerstehen konnten , wieder zurück. Da keine Aussicht war, vor Abend Lepanto zu erreichen, so Hessen wir das Schiff an die Mauern von Antirhium bringen und gingen ans Land. Wir besahen die Festung, die nicht im sonderlichsten Zustande war, und gingen zu Fuss nach Lepanto , welches nur 1\ Wegestunden entfernt ist. Der Weg führte uns dicht am Meere hin durch Myrthen-Gesträuch, zwischen dem die Anemonen freudig blühten. Es war ein herrlicher Frühlingstag. Auf unserer linken Seite waren die Gehänge des Rigani, hinter dem sich der Corax erhebt, welchen wir aber nicht sahen. Die geognostischen Verhältnisse sind dieselben, wie wir sie in der Lefka bei Patrass beobachteten, nur trat hier unter dem dichten Kalkstein ein grüner Sandstein her- vor, dessen geognostische Stellung, selbst ohne Versteine- rungen als Führer zu haben, wenigstens als wahrscheinlich zu errathen seyn könnte. Da wir bei unserm Eintritt in Lepanto, welches nicht so sehr in Trümmern als in förmlichem Schutt lag, ein Gefühl im Magen hatten, das den Menschen für jede edlere Anschauung unfähig macht, so gingen wir schnurgerade auf das Kaffehaus los, das einzige des Ortes. Ein bescheidenes 65 hölzernes Hüttchen, stand es einsam auf einem Schnttliaufen, schmutzig- zum Zui ückschandeni , aber ganz poetisch mit Myrthen Festons verziert. Lepaiito lag damals ganz in Ruinen, Festung und Stadt, so dass vielleicht nicht mehr als 400 Menschen im ganzen Orte hausten. Die Einwohner waren meist Suiioten, Reste aus der Zeit des Freiheitskampfes, die hier als Besatzung stationirt waren. Abends kam unsere Goelette und zugleich ein englischer Kauffalirer an. Wir gingen an Bord, weil wir am Lande keinen Ort sahen, um unser müdes Haupt hinzulegen. Während der Nacht stürmte es auf der See, wir machten uns alle im Räume zusammen, doch Morgens entstand auf einmal Gewirre unter den Erwachenden, einzelne VerAVÜnschungen liessen sich hören, und Einer suchte über den Andern aus dem nur 4 Fuss hohen Raum hinaus zu kommen. Es regnete nämlich sehr stark, das Wasser sammelte sich auf dem Verdecke und brach auf einmal , da doch nichts vollkommen ist, durch die Fugen des Verdeckes auf unsere Betten herab, so dass wir bis auf die Haut nass waren. Mich dauerten nur die armen Kranken, die liegen bleiben mussten und denen wir durch Aufspannung von Tüchern zu helfen suchten: denn wir andere eilten ans Land. Der Regen dauerte den ganzen Vormittag und auf den hohen Bergen ringsum schneite es. Nach Tische gingen wir auf die Citadelle. Der Weg dahin führte uns durch enge, schmutzige Strassen und über Schutthaufen, zwischen denen Orangen-, Citronen- und Johaniilsbrod-Bäume ihre Äste ausbreiteten. Auch einige Dattelpalmen sahen wir; man sieht es jedoch den Armen an, dass sie ferne von ihrem Vatei lande leben. Längs des W^eges sieht man die Schichten des dichten Kalksteins mit einem schiefrigen, rothen Sandsteine wechsel- lagern und wellenförmig gebogen. Li dem darunterliegenden, ebenfalls rothen und schiefrigen Sandsteine fanden wir ver- kohlte Pflanzenreste, die aber keine Bestimmung zulassen. Die Fernsicht von der Festung, einem Reste der Venetianer, ist zwar durch die hohen Berge von Achaia sehr beschränkt, doch sieht man den Golf hinauf bis Korinth, hat gegenüber RiisNr.GGEit, Reisen. I. Bd. 5 GG die Schneegipfel des Chelmos bei Kalavrifa und Mej^alo- spileon, das freundliche Vostitza, und sieht ausser dein Golf von Lepanto die Stadt Patrass mit den Schlössern von Khiuni und Antirhium *. Der dicht hinter der Festnnj^ lie- gende liohe Gebirgszug nimmt derselben ihre militärische Be- deutung, indem sie von dessen Gehänge aus beherrscht wird. In der Festung befinden sich Reste und Triimmer von Kasematten, Brunnen, einer Moschee, und die eisernen Thore liegen noch so am Boden, wie sie zur Zeit des Sturms fielen. Der Kampf um die von 3000 Türken ver- theidigte Festung dauerte zwei Monate, bis sie durch einige hundert Griechen genommen wurde. Am 9. hatte sich die Witterung in so weit gebessert, dass wir wieder auslaufen konnten, doch geschah diess der Saumseligkeit des Kapitäns wegen erst spät, und wirgeriethen wieder gerade in die Zeit, wo die Strömung uns entgegen war. Wir kamen nur sehr wenig vorwärts, und da Nach- mittags noch iiberdiess Gegenwind kam, so mussten wir hinter der kleinen Insel Trisonia in einen kleinen, ganz abgelegenen Hafen einlaufen. Unser Schiff lag am Fusse des Pindaros, der nicht mit dem Pindus bei Agrapha zu verwechseln ist. Wir gingen sogleich ans Land und betraten das Gebiet von Locri ozoli. Rings herum sahen wir nichts von menschlichen Wohnungen, und da wir in unsrer Küche auf Kaffe und Feigen reduzirt waren, indem unsere Reise in dem Golf schon über Gebühr lauge dauerte und wir in Le- panto den ganzen Vorrath unsres Wirthes aufgezehrt hatten, so sehnten wir uns sehr nach menschlicher Gesellschaft. Wir gingen daher weit umher und fanden endlich albane- sische Hirten, welche, ohne uns nur sehen oder hören zu wollen, davon liefen. Als wir wieder an Bord kamen, bat uns der Kapitän, ja diese Nacht Wache zu halten, denn wir seyen wegen Räubern, von denen seiner Schilderinig nach Rumelien wimmeln sollte, in grosser Gefahr. In der tlberzeuguug, dass diese Aussage des Kapitäns eines starken '"' Auch Rliion und Antiiliion. 07 roiTections-CoeflficIenten liedüife, vertlioilte Ich aber doch der Vorsicht Avegeii die Wachen nnd bezog- selbst die erste mit Pruckner und noch drei Andern. Nicht ohne Bedeutung sah icli oft an das nur wenige Klafter entfernte Land, denn ich hoffte in der Dämmerung iiiclit einen Räuber, sondern irgend ein heruniirrendes Schaf zu sehen. Doch vergebens, ich iibeigab meine Wache an Timotheo nnd schlief gut, erwachte aber wie die Übrigen, jeder mit dem ärgsten Feinde in sich selbst. Am frühen Morgen des andern Tages liefen wir aus, wie wir aber in die Hafeneinfahrt kamen, zog uns der Wind mit einer solchen Sturmesgewalt entgegen und die Mann- schaft manönvrirte wieder so schlecht, indem jeder seinem Kopfe folgte und der Kapitän am Steuerboid auf den Fersen hockte und aus vollem Halse schrie, dass die Goelette beinahe wäre umgeworfen worden. Unsere hübsche Dame sank fast in Ohimiacht, wir fingen uns an dem, was wir erwischten , die Raen des Hintermastes fielen ins Wasser, und wir kehrten also wieder um. Heute liefen die Hirten nicht davon, bald loderten zwei herrliche Feuer, an jedem drehte sich ein Schaf, auch die See spendete ihre Gaben. Es war ein Festmahl auf frischen Rasen, Myrthen und Oleander umgaben uns. Nach Tisch zogen wir auf Entdeckungen aus. Die geognostischen Verhältnisse der Insel sind dieselben, wie die des Festlandes, nur dass hier der dichte Kalkstein Lager eines sehr thonigen 31ergels enthält, der Bruchstücke von Kalkstein eingeschlossen führt. Dicht an der Äleeres- küste findet mau eine Bank von ganz jungem Meeressand- stein, so wie auch einen weissen, dichten Kalkstein mit inwohnenden, lebenden Korallenthierchen — also ein Korallen- riff? Indess getraue ich mir nicht zu entscheiden, ob sich diese Tliiere später hinein gemacht haben, oder ob sie die Bildner dieses Gesteins sind. Unser Kotschi fand, nach seiner Bestimmung, einen Citi- sus, vielleicht creticus, der sich in der Piacht seiner gelben Blumen herrlich ausnahm. Ferner fand er: Pistacea lentiscus, Pistacea terebinthus, Calendula officinalis in voller Blüthe. 5* 68 Am Bord bezogen wir weder iinsre Wache, und am friihesten Morgen des 11. Februars liefen wir endlich aus. Um Mittag waren wir erst Vostitza gegenüber und sahen die herrlich geformten, scharfen Berge bei Megaspileon, welche mit tiefem Schnee bedeckt waren ; zugleich entdeckten wir in der Ferne die blauen Berge bei Lutrachi, unsern Bestimmungsort. Vostitza, auf einer Anhöhe liegend, ge- währt am Fusse der hohen, mit Schnee bedeckten Berge einen um so schönern Anblick, da es recht hübsche Häuser besizt, indem mehrere auswärtige Familien sich dort etablir- ten, und es überhaupt ein Ort ist, der einer vollen Blüthe rasch entgegen geht, in der Nacht beobachtete ich einen schönen Fall von Phosphorescenz eigenthümlicher Art. Ein ausgeworfenes Tau wurde eingezogen; als es noch ganz nass war, strich ich mit der Hand darüber und es leuchtete stark, nahm ich aber ein Metall, z. B. Eisen, und fuhr mit demselben darüber hin, so leuchtete das Tau in'cht. Diess wiederholte ich oft, bis endlich das Leuchten durch Reibung mit der Hand immer schwächer wurde. Das Meer leuchtete nicht in dieser Nacht, doch schien offenbar die leuchtende Materie aus dem Meere gekommen zu seyn, denn die trockenen Taue leuchteten nicht. Warum aber fand keine Lichtentwicklung statt, wenn das Tau mit einem Metalle gestrichen wurde? Hat die Ursache statt, dass ein Metall ein besserer Leiter ist, als der menschliche Körper, so haben wir hier einen Fall, der für das Vorhandenseyn der Elek- trizität, vielleicht als einleitende Ursache der Phosphor- escenz, wenigstens im vorliegenden Falle, spricht. In dieser Nacht leuchteten auch Fischgräten, die auf dem Verdecke lagen, sehr stark und theilten ihr Licht auch andern Kör- pern, z. B. den Kleidern, mit. Zu unsern Leiden — Wein, KaflFe, alles war zu Ende — gesellte sich ein neues, das wir in seiner ganzen Fülle noch nicht gekannt hatten. Uusre Griechen, in der Nacht mit der Leitung des Schiffes be- schäftigt, verfielen auf den Gedanken, zu singen. Wer diese monotonen Nasentöne nie gehört hat, besonders dann, wenn man im Begriffe ist, einzuschlafen, der kennt nicht diese Qual. Wenn Orpheus so gesungen hat — und 69 T\'ahrscheinlich that er diess — so wundert mich nicht, dass er die ganze Natur in Aufruhr brachte. In der Nacht wurde uns der Wind wieder günstig und mit Anbruch des Tages, am 12. , befanden wir uns am Eingange des Golfes von Korinth. Um 10 Uhr standen wir mitten In dem kleinen Meer- busen. Zur Linken hatten wir das felsige Kap von Lutrachl, oder Lutrachori, mit seinen steil ansteigenden Felsenwänden. Vor uns den Isthmus mit geringen Erhöhungen, eine Ebene. Zur Rechten endlich hatten wir Korinth, einst Griechenlands schönste Stadt. Das ist sie nun nicht mehr: denn auch über sie hin ging die Zerstörung; aber ihre Umgebung blieb und ist noch immer eine Zierde des Landes. Am Fusse hoher, mit Schnee bedeckter Berge liegt sie mit ihrer Festung Akrokorinth, in der fruchtbarsten £bene, die Griechenland besizt, vor sie das Meer. Ein weiter Garten ist das ganze Land um sich her, die Heimath der kleinen Rosinen, die unter dem Namen Korinthen in den Handel kommen, eine Traube, die nur auf ganz gutem Boden gedeiht. In dieser schönen Ebene liegen noch mehrere Ortschaften zerstreut. Um Mittag endlich warfen wir vor Lutrachi Anker. Die ganze Ortschaft besteht aus zwei Häusern, wovon das eine eine Kaserne für die Gendarmerie, das andere ein Traiteur-Haus ist. Ausserdem befinden sich noch daselbst die Trümmer einer Moschee und einige Stallungen ohne Dach und Fenster. Ich ging sogleich ans Land, um mich wegen Pferden oder Kamelen * zu erkundigen, um unsre Effekten nach Kalamaki auf die andere Seite des Isthmus zu schaffen. Jedoch die einzigen vorhandenen hatte ein vene- tianischer Comte in Anspruch genommen, der gerade im Begriffe war, mit seinem Doktor und einer Griechin von Corfu dahin abzugehen. Okonomo und Ringlrr begleiteten ihn, lezterer mit dem Versprechen, sich daselbst um Pferde oder Kamele umzusehen. Der Kapitän des Schiffes erhielt * Aus der Zeit der Invasion Ibrahim Pascha's in Griechenland blieben mehrere Kamele zurück, die man zum Waarentransport von Lutraclii nach Kalamaki verwendete. 70 für die Fahrt von Patrass hieher 20 spanische Thuler, und als ich ihm sagte, dass wir, wegen Mangels an einem Quartier, noch eine Nacht an Bord schlafen werden , verlangte er dafür aufs neue 10 span. Thaler. Dieses unverschämte Be- gehren wurde ihm nati'irlich nicht bewilligt, und er war zulezt mit einem Thal er zufrieden. Nicht weniger unver- schämt war der Traiteur; er stieg mit den Preisen seiner Lebensmittel während unserer Anwesenheit um das Vier- fache, und zulezt mussten wir für drei Hühner einen Dukaten bezahlen. Den Rest des Tages verwendeten wir dazu, uns in der Nähe umzusehen. Das herrschende Gestein in Lutrachi ist eiii dichter Kalkstein mit Nestern von Hornstein, und weiter gegen den Isthmus hin legen sich die Meeresdiluvionen dar- auf, welche die Niederung bilden, die beide Meere trennt. Aus dem dichten Kalksteine entspringen in der Nähe der Kasernen warme Quellen, die früher als Mineralbad benüzt wurden. Bei einer Lufttemperatur von -\- 12<* zeigte die bedeutendste Quelle eine Temperatur von + 26<>. Der Ge- schmack des Wassers ist salzig und der Geruch nach Hy- drothionsäure war nicht zu verkennen, besonders wenn man die befeuchtete Hand mit einem Tuche trocknete. Dicht am Meere, also auch in der Nähe der Quellen, legt sich ein Kalktrümmergestein auf den dichten Kalk, Die Quelle kommt aus dem Kalke, das ist entschieden; denn die Kalk- breccie spielt eine ganz unbedeutende Rolle, und ich bin ungewiss, ob ich sie für ein ursprüngliches Meeresdiluvinm ansprechen soll, oder ob sie vielleicht als Breccie in Blöcken von der Höhe durch die Schluchten herabkam und in Stücke zerfiel, die durch Hülfe des Meeres neuerdings zu einer sekundären Breccie vereint wurden. Dass die Quelle keinen Kalkgehalt zeigen soll — wie Dr. Fiedler meint, aber ohne eine Analyse anzugeben" — das ist meiner Ansicht nach kein Beweis gegen ihren Ursprung im Kalke. Sie kann, wie Fiedler richtig sagt , ihren Herd tiefer haben. Dort kann sie aber auch die Bestandtheile erhalten, welche sie •' Ri'jse tlurdi alle Tlieile des Königmclis Gnechcnlaiid ttc. l. Tlicil, S. 'l-iü. Leipzig 1810. . besizt, die ich aber nicht kenne, ohne dass sie auf ihrem Wege durcli den Kalk , vielleicht schon ihrer herab|;^esezten Temperatur halber, mit ihm in chemische Wechselwirkung- zu treten braucht. Ob dieser Herd im Serpentin liegt, dar- iiber könnte auch nur eine Analyse höchstens zu Vermu- thungen berechtigen; denn ob Serpentin wirklich darunter liegt, das weiss man nicht, es könnte auch Thonschiefer, Grünsandstein oder der rothe schiefrige Sandstein von Le- panto seyn, die mit Ausnahme des in Glimmerschiefer iiber- gehenden, offenbar altern Thonschiefers , alle zur Bildung des Macigno, zur Formation des Grüusandstelns und der alten Kreide zu gehören scheinen. Dass jedoch ein vul- kanischer Herd in der Tiefe hier vorliegt, darüber dürfte, glaube ich, kein Zweifel seyn; denn dafür sprechen mehrere Thermen in der Umgebung, vielleicht Zweige eines Stammes mit der von Lutrachi, und vor Allem die nur wenige Stunden entfernte Solfare von Sussaki, die auch im dichten Kalk- steine liegt; denn die übrigen Felsgebilde in ihrer Umgebung sind lauter Zersetzungs- und Ümwandlungs-Produkte der chemischen Reaktion der Dämpfe auf den Kalk und die mit ihm auftretenden, augeführten Straten ; übrigens glaube ich hier auch, den geognostischen Verhältnissen in Griechen- land und überhaupt zufolge und gemäss der vulkanischen Rolle, die der Serpentin in diesem Lande, wie in Toskana ganz entschieden spielt , an sein Vorhandenseyn in grös- serer Tiefe. Am 13. begannen wir mit Tagesanbruch unsere Effek- ten auszuschiffen. Da wir keinen andern sichern Platz hatten, als die Ruinen der alten 3Ioschee, welche zum Theil in eine griechische Kirche umgewandelt war, so Hessen wir alle unsere Koffer und Kisten dahin bringen , Plätze für die Kranken bereiten und quartierten uns endlich selbst dort ein. Ringler kam im Laufe des Vormittags von Kala- maki mit der Nachricht zurück, dass vor zwei Tagen kein Pferd oder Kamel zu bekommen sey. Unsere Lage war etwas fatal. Die Nächte waren sehr kalt , wir und unsere Sachen vi aren auf dem schlechten Schiffe ganz nass gew orden, bei unserem Wirthe waren keine Lebensmittel mehr zu 72 bekommen, und hätten wir uns auch in alle seine Forderungen gefügt; ferner hatten wir drei Kranke, Szlabey, Langgner und FuMANELLi , die natürlich am meisten litten. Da be- schloss ich denn, selbst nach Korinlh zu gehen und durch den dortigen Heparchen Pferde zu requiriren. Einige von den ünsern begleiteten mich, wir waren alle zu Fuss und hatten einen Führer mit seinem Esel mit, der unsere Mäntel trug. Der Weg führte dicht an der Küste des Isthmus hin lind war durcli den starken Regen so schlecht geworden, dass wir nur sehr schwer vorwärts kamen. Die Vegetation zeigte niciits Besonderes. Myrten, Pistaceen, Phlomis und Eupiiorbien bilden über den ganzen Isthmus eine schöne Aue, Eine Stunde vor Korinth ist das Meeresdiluvinm , welches den Isthmus bildet, entblösst. Man beobaclitet 3Teeressand- stein , der sehr grosse Geschiebe von dichtem Kalk und Hornstein führt, die durch ein kalkiges Cäment vereint sind. Einige dieser Bänke sind ganz versteinerungslos, andere enthalten sehr viele Meerkonchylien, und mehrere Muschel- bänke wechseln mit diesen Straten. Alle Konchylien ge- hören noch lebenden Arten an und finden sich in den den Isthmus umgebenden Meeren. Als ich das erste Mal in Griechenland war, befand sich noch viel landesherrlicher Boden in Korinth, der noch keiner ßewirthschaftung unterlag; wegen der ganz vorzüglichen Güte aber war in wenigen Jahren das ganze Terrain ver- theilt und die ganze Gegend ringsumher kultivirt. Der erste Mann, der mir beim Eintritt in die Sänlenstadt begegnete, war seinem Gesichte nach ein Deutscher, und als ich ihn deutsch anredete, sah ich, dass mich meine Physiognomik nicht getäuscht hatte. Er war Schlosser und zugleich Muster-Ökonom, indem er die Wirthschaft eines bedeutenden Grundbesitzers leitete, d. h. sie ganz ruhig so gehen Hess, wie sie auch ohne ihn gegangen wäre. Vorerst bestellten wir uns ein Zimmer im Gasthause, welches wir auch sogleich erhielten, doch waren die Fenster zerbrochen, und es war ohne Tische, Stühle und Betten. Als ich mich besonders nm leztere, wenigstens um Stroh, erkundigte, zuckte der VVirth lächelnd die Achseln und sagte, 73 ßetfen seyen in seinem Gastliause nicht g^ewolinllcli und Stroh fände sich auch iieines. Zugleich aber versprach er uns einen tiichtigen Pilaw mit Hiihnern, wodurch er mich und meine Gefährten ganz für sich gewann ; denn so etwas hatten wir seit Patrass nicht mehr gesehen. Der Heparch, der fertig deutsch und französisch sprach, ging mir mit der grössten Gefälligkeit an die Hand und bestellte sogleich 12 Pferde, um unsere Effekten von Lu- trachi nach Kalamaki zu bringen. So war also die Haupt- sache abgethan und die Nachricht des Gelingens überbrachten sogleich zwei meiner Leute nach Lutrachi zur Tröstung für die Dortgebliebenen. Der Wirth hatte Wort gehalten, ein kleines Tischchen und einige Stühle erschienen, und die Hauptsache mangelte nicht, Nach gepflogener Dessert-Konversation Hess sich Jeder sachte neben seinem Stuhle nieder und stellte sich recht lebhaft vor, er liege in einem Bette. Diese Vorstellungen erhielten mich lange wach, weil ich im Gegenhalt der Wirklichkeit nicht recht damit ins Reine kommen konnte, und vor Tagesanbruch weckten sie mich wieder auf. Das war gerade die rechte Zeit, um nach Akrokorinth hinaufzugehen, was wir denn auch tliaten. Wir gingej] durch die Stadt, welche sich aus dem Schutte schon ziemlich herausgemacht hatte und durch mehrere neue Häuser ganz passabel aussah, an den sieben prächtigen Granitsäulen vorüber, die einst Miuervens Tempel zierten. Eine Strecke lang führte uns der Weg durch lauter bebautes Land, bis wir an die Felsen kamen, auf welchen die Festung steht. Am Fusse des Berges steht das Meeres- diluvium des Isthmus an, wechselnd mit Muschelbänken; weiter nach oben wird das Gestein fester, versteinerungslos und sieht der Nagelflue ganz ähnlich. In der Hälfte des Berges ungefähr stösst man auf eine mächtige Masse von rothem und grünem Hornstein, welche geschichtet ist, N.O. in S.W. streicht und sich in S.O. verflacht. Dieser Hornstein unterteuft den weiter folgenden dichten Kalkstein, dessen unmittelbare Auflagerung man in der Nähe des ersten Thores der Festung ganz deutlich sieht. Mit diesem 74 Honisteiii zugleich tritt ein sehr merkwürdiges Gestein auf, welclies in Griechenland eine grosse Rolle spielt. Ich möchte es fast einen erdigen, sehr Eisenoxyd -haltigen Hornstein nennen, wenigstens steht es demselben in Bezug seiner geo- gnostischen Stellung ganz parallel. An andern Orten fand ich, dass es durch Aufnahme von Diallage oder auch von Hypersten eine sehr grosse Verwandtschaft zu gewissen, sehr eisenschüssigen Abänderungen des Serpentins und Hypersten- felsens zeigt. Wieder an andern Orten , und namentlich auch hier, wird der Gehalt an Eisenoxyd so vorherrschend, dass es als ein sehr armes Eisenerz betrachtet werden könnte. Es spielt zum Theil mit dem Hornstein ganz die Rolle des Serpentins, die lezterm in Griechenland eigen- thümlich ist, das heissteine rein plutonische oder vulkanische, wenn wir so wollen, andrerseits ist es dem dichten Kalk- steine untergeordnet. Meinen bisherigen Beobachtungen zufolge rechne ich es zu den Parallelgebilden des Horn- steins , der als ein Glied der in Griechenland in kolossaler Entwicklung auftretenden Formation der alten Kreide zu betrachten ist, oder wenigstens zunächst daran steht, und als Mittelglied zwischen ihr und den Serpentinen mit den älteren Kalken betrachtet werden kann. Ich werde im IV. Bande dieses Werkes, hei Darstellung meiner Reise durch ganz Grieclienlaud, wieder auf diesen Punkt zurückkommen, und bis dahin hoffe ich, werden auch die Nebenarbeiten, welche die nähere Bestimmung dieses sehr interessanten Gesteins erfordert, im Reinen seyn. Auf diesem Hornsteine liegt, wie gesagt, der dichte K.alk , der selbst wieder Hornstein auf untergeordneten Lagerstätten und Nieren von Feuerstein enthält. Gegen die Kuppe des Berges zu wird der dichte Kalk krystallinisch und weiss. Der Weg zur Festung hinauf ist eine alte, gepflasterte Strasse, die sehr in Verfall ist. Sie ist zum Theil tief in den Felsen eingebrochen, indem man ihretwegen bis zu 3 Klaftern niederbrach. Die Festung selbst hat eine sehr grosse Ausdehnung und zieht sich über den ganzen Rücken des Berges hin. Sie besteht aus o Etagen , die durch Mauern oehennt sind , welche ich aber allesammt ziemlich schnacii fand. Auf einer Anhöhe , Avestlich der «rossen Festung-, steht ein Fort, wodurch der Punkt hesezt ist, welcher der Hauptfestung selbst gefahrlicli werden könnte. In der Citadelle fand ich eine Kompagnie Schweitzer, die sehr er- freut waren, uns Iierumführeu zu können. Das Innere der Festung liegt ganz in Ruinen, doch die Triimmer lassen noch auf die architektonische Prficht schliessen, welche einst die Akropolis des glänzenden Korinths schmückte. Da sieht man noch äusserst geschmackvoll gearbeitete Kapitale aus weissem Marmor, Stücke von Säulen, kolossale Cisternen, unterirdische Gewölbe von giosser Aus- dehnung zur Auffangung und Aufbewahrung des Regen- wassers. Aus neuerer Zeit sieht mau die Reste zweier Moscheen und eines Thurmes , der einem Leuchtthurme ähnlich sieht. Die eine der beiden Moscheen, die den höchsten Punkt von Akrokorinth einnimmt, ist eigentlich der Glanzpunkt des Ganzen, und wer diesen Punkt bei ganz klarem Wetter betritt, wie ich zu haben so glücklich war, der hat eine herrliche Erinnerung mehr. Die Fernsicht ist wirklich be- zaubernd. Zu den Füssen liegt der ganze Isthmus ausge- breitet, und Korinth, einst das Paris von Griechenland, welches in Luxus, Geschmack und feiner Sitte den Ton angab, jezt ein unbedeutender Ort ; einst der schönste in Hellas , sind es jezt 7 Säulen noch, die von alter Pracht Zeugniss geben. Westlich sieht man durch den Golf von Lepanto hinaus bis zur Bai von Salona, östlich öffnet sich unserm Blicke das ägeische Meer. Die Küste des Peloponneses bis nach Nau- plia ; zahllose Inseln gross und klein, Egina, Salamis und in der Ferne Athen mit seiner weithin strahlenden Akro- polis, dem Meisterstück griechischer Kunst. Zwei Meere misst der Blick in Einem Momente, und vor ihm stehen zu- gleich die' heiligen Berge Griechenlands, der Himettus, Pen- telikon , Cithereon , Geraniou , Helikon und der göttliche Parnass mit seinen scharfen Felsgipfelu. Der Eindruck ist wirklich zu grossartig, mau kann ihn nicht fassen, und schon die geschichtlichen Erinnerungen allein, die an einen 76 solchen Punkt sich knüpfen, erdrücken fast die Brust. Man übersieht mit Einem Blicke den Urquell aller europäischen Kunst, Wissenschaft, Bildung und Kultur. Noch stehen sie, die Wohnsitze der Götter, unverändert seit Jahrtausenden, und ich bin fest der Meinung, sie kehren wieder, die Ver- triebenen, in ihr altes Heimathland. Nach Tische ritten wir rasch nach Kalamaki, wo wir nach zwei Stunden ankamen. Wir trafen daselbst die ganze Gesellschaft in einer der zwei hölzernen Baraken einquartirt. Auf unserem Wege dahin sahen wir sowohl an der Westküste des Isthmus, als an seiner Ostkiiste, die Spuren der Kanalarbeiten, welche die Alten unternahmen, um den Isthmus zu durchstechen. Ein gerade sehr schwieri- ges Unternehmen ist nun das, bergmännisch betraclitet, frei- lich nicht, aber nicht Alles, was bergmännisch ausführbar ist, ist desshalb auch finanziell vortiieilhaft. Man weiss eigentlich gar nicht, ob überhaupt ein sehr grosser Vor- theil — ein klingender, meine ich, kein illusorischer — dabei Aväre; denn wie mir scheint , hat noch Niemand dess- vvegen die Feder zur Hand genommen, was doch conditio sine qua non ist. Und gesezt auch, es wäre ein Vortheil dabei, so kann dieser im allergünstigsteu Falle doch immer erst nur nach Vollendung der Arbeit eintreten, d. h. nach- dem durch Jahrzehnte die ungeheuersten Summen aufge- wendet worden wären, ohne eine Post herein verrechnen zu können. Solche Auslagen, solche Unternehmungen sind für Griechenland durchaus nicht an der Zeit. Es ist gar kein ßedüifniss darnach — der sicherste Wink, der Zeit nicht vorzugreifen. Ausserdem hat Griechenland, um sich Festigkeit, Vertrauen, Wohlstand, Kredit in sich selbst, in seinem Lande zu schaffen, so viel zu thun und zu unternehmen, hat bis dato kein einziges überflüssiges Paar Arme und auch kein überflüssiges Geld, dass ich ein solches Unternehmen noch für ungeeigneter halten würde, als die Abzapfung des Kopais- See's. Zum Glücke denkt auch weder die Regierung, noch der gescheidtere Theil der Nation daran, obwohl dieser Plan schon mehrere Auflagen erlebte. Wir Hessen noch Abends unsere Sachen an Bord eines Sclioonei's brint^en, der uns n.icli Athen transportiren sollte, und auf dem wir auch zugleich die Nacht zubrachten. Wegen des Windes konnten Avir nicht abseg^ehi und sahen uns daher wieder in der Umgegend um. Vorerst machten wir einen ßesnch beim Pfarrer, der nebenan in einer kleinen Hütte wohnte, sodann gingen wir auf die Jagd, weil sehr viel Federwild in den Auen des Isthmus hauset. Das kalkige Cäment des Meeres-Diluviums, welches den Isthmus bildet, entwickelt sich stellenweise so vorherrschend, und die Geschiebe treten in diesem Maasstabe so zurück, dass das Gestein in einen förmlichen Meereskalk übergeht, so namentlich am östlichen Rande des Isthmus, wo auch das Diluvium auf einem mergelartigen Gesteine zu liegen scheint, dessen geognostische Stellung ich nicht näher zu bestimmen wage. Wir kamen bei unserer Exkursion zu den Resten der grossen Mauer, welche die Griechen dem Eindringen des Brennos entgegensezten und von der nur wenige Trümmer übrig sind. Nebenan sahen wir Ruinen aus neuerer Zeit, Cisternen , Bögen, Trümmer einer Kirche u. dgl., es musi^ daher ein nicht unbedeutender Ort hier gestanden haben, über den ich nichts Näheres erfragen konnte. Am frühen Morgen des 16. verliessen wir Kalamaki. Das Meer ging hoch, und wir flogen rasch zwischen den paramisischen Inseln hin. Da wurde der Wind plötzlich conträr, und zwar mit einer solchen Heftigkeit , dass wir den Piräus nicht erreichen konnten, sondern auf Egina zu- eilen und in dem Hafen der dortigen Stadt Anker werfen mussten. Tags darauf gingen wir schon am frühen Morgen ans Land. Wir wendeten uns zuerst nordwestlich, besahen die Quarantäne, welche ein sehr niedliches Äusseres hat, und die ihr zunächst oberhalb sich befindenden Ruinen eines Tempels der Schaumgebornen, von welchem aber nichts mehr vorhanden ist, als eine Säule ohne Kapital. Weiter nördlich bildet ein altes Meeresdiluvium, bestehend in sehr kalkigem Meeressandstein und Muschelbänken das Gestein 78 der Küste und ist bedeckt von den jiiiigsteii Meeresgebilden; Sand nnd Schlamm , welche eine Menge Konchyh'en ent- halten, die die Wogen nnd Stiume ans Land treiben. Von hier ans nmgibt ein Halbkreis grosser Windmiihlen die ganze Stadt, die, wenn sie alle in Bewegung sind, einen ganz eigenthiimlichen Anblick gewähren. Die gegenwärtige Stadt besteht erst seit 10 Jahren nnd hat ein recht freund- liches Ansehen, wozu vorzüglich mehrere ganz ordentliche Hänser beitragen, unter denen sich die Kadeten- Schule als ein wirklich schönes Gebäude, welches dem Ganzen Haltung gibt, auszeichnet. Auch das Innere dieses Insti- tuts erscheint, wenigstens bei einem flüchtigen Besuche, als sehr zweckmässig. Die jungen Leute sahen alle recht gut aus und scheinen eine gute Erziehung zu erhalten. Man bewahrt im Institute viele zu Egiiia, Megara und Sa- lamis gefundene Reste des Alterthums, worunter einige in- teressante Stücke sind. Auch ein Museum begründet man, welches aber erst im Werden ist. Keine Art der Waffen- kultur dürfte lohnender für die Regierung seyn, als die Aus- bildung ihrer, wenn auch kleinen Marine. Nationaleigen- thümlichkeiten geben dabei die ersten Winke und fordern dazu auf, jener Waffe die meiste Rücksicht zu schenken, welche die nationeile, die dem Volke angeborene ist. Die See ist das Element des Griechen , besonders des Insel- Griechen. Am Rande der Wogen geboren , auf denselben gross geworden , ist er kühn , verwegen , ausdauernd auf seinem Elemente, und vor Allem genügsam, durch welche Eigenschaft er allein es als Handelsmann zur See mit jeder Nation aufnimmt. Wasser, Oliven und Brod sind die eigent- lichen Hauptbedürfnisse des griechischen Seemanns, mit diesen ausgerüstet, durchstreift er das Mittelmeer und fährt mit einer kleinen , schlechten Hand-Boussole nach Triest und Marseille. Ahnliches fand ich nur bei den Bewohnern des höchsten Norden Skandinaviens, die mit ihren offenen Fischerbarken das stürmische Nordkap umsegeln und Aveit in den Eis-Ocean hinaus sich wagen, um einige Fische zu fangen. Der Molo und der gemauerte Quai am Hafen stammen noch aus der Zeit des Grafen Kapodistria, wo 79 Ej>ina eine weit bedeutendere Rolle spielte, als ihm jezt ziigellieilt ist. Die Geoeiul um Egina ist wiindeiscliöii, wozu besonders die Finchtbaikeit der Insel sehr viel bei- trägt , die alle Pracht entfaltet , welche dem gemässigten Süden zukommt. Die Berge des Innern beherrscht der Eliasberg, der- selbe, der einst anf seinem Riicken den Tempel des Jupiter Panhellenion trng: einer jener klassischen Punkte, die wieder Zeugniss geben von der hohen Poesie, welche die Alten bei Anlegung ihrer öffentlichen Gebäude leitete und die allein hinreicht, ihnen einen solchen Vorsprung vor unserm prosaischen Zeitalter zu geben. Die Höhe dieses höchsten Punktes der Insel betr.ägt an IGOO Fuss iiber dem Meeres- Wivean. Dieser Berg sowohl, als die umliegenden, worunter atich der ist, auf welchem der prächtige Minerva-Tempel sich befindet , gehören zum Theil abnormen Felsgebilden, Porphyren und Tiachj ten an, die in den Niederungen häufig von Ablagerungen aus der subapenninischen Zeitfolge be- deckt werden. Das Nähere darüber bei meinem zweiten Auf- enthalte auf Egina, auf meiner zweiten Reise in Griechenland. Am IS. verliessen wir Egina mit günstigem, aber ganz schwachem Winde, der sich endlich in eine vollkommene Wind- stille umänderte, als wir uns Salamis näherten. Unser Schilt stand in der herrlichen Nacht lange vor dieser Insel, die ihre gigantischen Schatten über die Fluthen hinwarf, auf denen einst Themistokles die Flotte der Perser schlug. So knüpfen sich doch bei diesem seltenen Lande Schritt an Schritt grossartige Erinnerungen; schon ihretwegen muss man es lieben und den Boden verehren, der eine solche Geschichte hat. In der Nacht endlich erhob sich wieder Wind, und wir liefen gerade um Mitternacht im Piräus, dem Hafen von Athen, ein. Am 3Iorgen des 19. erwachten wir im Angesichte der Akropolis, die noch in Trümmern gross, weithin sichtbar ist. Das Leben im Hafen war sehr rege und hatte für uns etwas ganz Neues, der vielen Kriegsschiffe Avegeii. Drei Fregatten kamen an, eine englische, eine französische ujid eine österreichische, eine russische Korvette segelte ab und m eine englische Fregatte nebst einer griechischen lagen be- reits im Hafen, der keineswegs sehr gross, aber sehr schön Ist. Damals befanden sich am Hafen nur einige wenige hübsche Gebäude, einige Jahre später stand eine hübsche Stadt mit sehr ansehnlichen Häusern dort. Damals arbeitete man gerade an einer Strasse nach dem eine Meile landeinwärts liegenden Athen, ein paar Jahre später fuhr schon Wagen an Wagen. Nachdem wir unsere Effekten ausgeschifft hatten und die bei jedem Eintritte in ein fremdes Land stattfindenden Um- ständlichkeiten geendet waren, packten wir unsere Kranken in einen Fiaker, deren schon welche existirten , und wir übrigen sezten uns zu Pferd. Die Strasse, die wir ritten und die durch den Oliven- Wald und meist versumpftes Land* führte, welches die jähr- lichen Fieber für Athen in reichlichem Maase präparirte, war sehr belebt. Reiter und Fussgänger begegneten uns; Kamele, Pferde und Esel, Wagen mit Ochsen bespannt transportirten Kaufmanns-Güter hin und her, kurz man merkte wohl, dassman sich einer Hauptstadt nähere. Bereits sahen wir die Stadt vor uns liegen, wohin einst Weise zogen, um Weisheit zu lernen, wohin einst Künstler wanderten und wandern , um Kunst zu sehen, wohin der stolze Römer ging, um das zu suchen, was ihm sein Rom nicht bieten konnte. Der alte Glanz war verschwunden, klein schmiegte sich die Stadt der Akro- polis an, die wie eine schöne Leiche auf herrlichem Parade- bette vor uns lag und dem Tage der Wiedergeburt ent- gegen sieht. Es war ein herrlicher Moment, als wir am Pnyx vorüber ritten, wo einst Demosthenes im Augesicht der hehren Götter-Tempel und des mit Schiffen bedeckten Meeres zu den Bürgern Athens sprach 5 es war ein unvergesslicher Ein- druck, als im Strahl der Morgensonne die Meisterwerke der Akropolis sich mehr und mehr entfalteten, der schöne Theseus- Tempel in seinem reinen Ebenmaase uns zur Rechten lag; und es war eine sonderbare Überraschung, als wir im sonnigen Morgenlande plötzlich eine Tafel vor uns sahen mit der * Im Jahr 1839 war der Olivenwald gelichtet, das versumpfte Land ausgetrocknet und dadurch der Gesundheitszustand der Hauptstadt bedeutend verbessert. 81 Aufschrift: „Zur Stiidt Müiiclien'. Bis liieher und nicht weiter! sprach der Chor der Reiter; wir stiegen ab und standen in Athen. S) Aufenthalt in Athen. Das, was mir bei meiner Ankunft in Athen für jeden Fall am nächsten la«-, war: sogleich dem kaiserl. öster- reichischen Minister Hrn. Prokesch von Osten meine Auf- wartuiio- zu machen. Von dem mir unver^esslichen Augen- blicke an, in dem ich dem ausgezeichneten Manne und sei- ner durch Geist und Liebenswiirdigkeit gleich hochgestellten Gattin gegeniiber stand , begiimt eine Reihe von Gefilllig- keiten und wahren Beweisen des freundschaftlichsten Wohl- wollens, das mich oft, ferne vom V aterlande, gebeugt durch die unangenehmen Verhältnisse, die mich umgaben, gekränkt durch Misstranen und Intriguen verschiedener Art von Seite mancher Personen , auf deren Hülfe und Schutz ich sicher rechnen zu dürfen geglaubt habe, wieder erhob, mich in Ausführung meiner Plane wieder kräftigte und mich nie verliess, und w ofür laut meinen innigsten Dank auszusprechen ich mir zur heiligsten Pflicht anrechne. Hr. v. Prokesch nahm sich in jeder Beziehung meiner Reise und ihres ZvNCckes auf das Eifrigste an und sorgte vor Allem für die Art und W eise unsrer Überfahrt nach x\lexandria. Da ge- rade die zur Verfügung des Hrn. Ministers in dem Piräus stationirte kaiserl. Korvette Veloce von ihrer Reise nach Smyrna zurückgekehrt war, so bekam der Kommandant, Hr. Major V. Logotheti, die Weisung, sich wieder segelfertig zu machen, um uns nach Egypten zu bringen. Abgesehen von dem Augenehmen und Bequemen, diese Reise auf einem unserer schönsten Kriegsschiffe und in der Gesellschaft un- terrichteter, gebildeter Offiziere zu machen, erhielt die Ex- pedition durch die Ankunft auf einem österreichischen Kriegs- schiffe im Hafen von Alexaudria einen gewissen Nimbus, der ihr zum grossen Vortheil gereichen konnte und auch wirklich gereichte. Im Hause unseres Ministers machte ich viele mir sehr interessante Bekanntschaften , unter denen mich die unsers vielseitig gebildeten Hrn. Geueialkonsuis KiiMscGCEii, Reisen. I. Bd. 0 82 Gp.opirs, der das heutige Griechenland vom Tag^e seiner Geburt an kennt und seine Verhältnisse klar durchschaut und erfasstj'des Hrn. Dr. Röser, Leibarztes seiner Majestät, und des Hrn. Domnandos, meines spätem Gefährten bei Bereisung der griechischen Inseln, besonders anzogen. Die wenigen Tage meines ersten Aufenthaltes in Athen benüzten wir zur Besichtigung all der Reste eines klassischen Alterthums, die, als Zeugen der höchsten Vollendung des Geschmackes in der Periode ihrer Entstehung, im Laufe der folgenden Jahrhunderte Verfall der Kultur, gänzliche Wildheit, Ge- schmacklosigkeit und all die bösen Geister, vor denen der hochgebildete alte Grieche schauderte, in den verschieden- sten Nuancirungen an sich vorübergehen sahen. Wir betraten die Ruinen des Stadiums und des Tempels des Jupiter Olympius unter der lehrreichen Füh- rung des Hrn. v. Prokesch, gingen durch das Thor des Hadrian, zwischen der Altstadt des alten Athen (Stadt des Theseus) und der Neustadt des alten Athens, In welcher der Jupiter-Tempel stand, um die Akropolis herum und gelang- ten zu dem römischen Theater und endlich auf den Pnyx, wo die grössten Redner des Alterthums zum griechischen Vcdke gesprochen. Damals fielen mir die grossen Steine auf, welche die Rednertribüne bilden, und ich fand es in techni- scher Beziehung höchst interessant, auszumitteln , auf welche Weise die Alten derlei Massen handhabten. Als ich später die Riesenfundamente des Sonnentempels von Baalbek gesehen hatte und nach Jahren wieder auf dem Pnyx stand, blieb zwar die Heiligkeit der geschichtlichen Erinnerung dieselbe, aber der technische Nimbus war ver- schwunden und die einst bewunderten Massen kamen mir wie ganz gewöhnliche Bausteine vor. — Wir besahen noch im Laufe des Tages das Gefängniss des Sokrates in der Nähe des Pnyx und gingen auf dem Rückwege in den Tempel des Theseus. Ob jemals Theseus darin gestanden habe oder nicht, ob ein andrer Held des Alterthums Gegen- stand der Volksverehrung daselbst war, und welcher? in derlei Sachen mische ich mich nicht ein; denn sie gehören 83 niclit in das Bereich meines Wissens. Das Innere des lieiilich erhaltenen Tempels wurde damals zu einem Sammel- platze der in der Akropolis von Zeit zu Zeit aufgefundenen Skulpturen und Inschriften beni'izt, unter denen höchst werth- volle Suchen sich befanden. Gerade damals begann Dr. Fiedler aus Dresden, i\en ich in Athen fand , seine bergmännischen Forschun- gen in Griechenland, deren Resultat er gegenwärtig in einem eigenen Werke der Welt übergibt. Durch Heraus- gabe desselben hat Fiedler sich für die Kenntniss von Griechenland ein entschiedenes Verdienst erworben, und ob des vielen Guten , was dieses Werk enthält, kann man manches Mangelhafte desselben, als nicht zum Wesen des Ganzen gehörend , mit ganz gutem Gewissen übergehen, man müsste denn bereits im Superlativ der Gelehrsamkeit jenem Punkte nahe gekommen seyn, wo man Jeden tadelt, nur den nicht, der es oft am meisten verdient, nämlich das liebe ich. Diess geschieht manchmal, wie exempla docent. Dass Fiedler in seinen Vorschlägen den Hang zu einem regen l>ergbaubetrieb in jenem jungen Staate, der zwar freudig aufblüht , aber noch keine pekuniäre Kraft hat, schonungslos voranstellt und auf den Finanzzustand, auf die vielen für Griechenland dringender nöthigen und für den Augen- blick auch nützlichem Auslagen und Unternehmungen keine Rücksicht nimmt, das billige ich, obwohl selbst Bergmann, freilich nicht; aber geschadet ist dadurch ja auch nicht; denn man hat ja nicht nÖthig, derlei Vorschläge jezt zu realisiren, falls sie sich vor einem strengen Geschäftsbiicke nicht bewähren. In den höchst interessanten Abendgesellschaften im Hause des Hrn. Ministers v. Prokesch lernte ich auch den Schweizermaler Wolfersberger kennen , der uns mehrmals durch seine Ansichten von Neapel, Konstantinopel und andern Punkten des südlichen Europas die genussreichsten Stunden verschaffte. Nie, weder später noch früher, sah ich eine so herrliche Ansführnng in Wasserfarben. Seine Manier tasst das Seelenvolle des südlichen Bildes ganz auf, 6* 84 die Wanne seiner Luft, das Ätherische, Strahlende seines Lichtes ist naturgetreu und in höchster Vollendung ausge- fiihrt. Noch nach Jahren schweben mir in der Erinnerung ein Paar Bilder aus dem unvergleichlichen Stambul vor, die ich nie vergessen werde. ' *• Am Morgen des 24. Februars machten wir uns mit Hauptmann v. Abel auf, um den Hymettus zu besteigen. Wir ritten voraus, während unsere Arbeiter, ebenfalls zu Pferd , beauftragt waren , mit den Provisionen , die uns unsere freundliche Wirthin aufs Beste besorgt hatte, nachzu- kommen. Der Weg fiihrte uns über die Ebene des llissos bis zum Fusse des Berges , dessen Form etwas Eintöniges hat, da er einen langen Riicken ohne besondern pittoresken Ausdruck bildet. Wir hielten an dem Klösterchen Syriani, welches mitten in einem Olivenwalde steckt und den Ruhm des alten Hymettus-Honigs grösstentheils noch aufrecht er- hält, indem daselbst unter all den an den Gehängen des Hymettus liegenden Orten die meiste Bienenzucht getrieben wird. Von da an gingen wir nun zu Fuss und Hessen un- sere Pferde am Kloster zuri'ick. Die Besteigung des Hymettus ist keineswegs beschwer- lich , um so weniger, da man häufige Hirtensteige trifft und mittelst derselben ganz leicht über die grossen tiesteinsblöcke wegkommt. Die Vegetation ist sehr spar- sam, wie überhaupt in dem wasserlosen Attika. Am Fusse befinden sich Waldungen von Ölbäumen, höher hinauf al)er siebt man nur verkrüppelte Olivenbäume und kümmernde Stämme von Pinus maritima, in den Schluchten und zwischen den Felsmassen niederes Gesträuch von Myrthen , Lorbeer, Oleander etc. Bis zum Gehänge des Hymettus decken Dilu- vionen die Ablagerungen des untern Kreidekalkes, der nur hie und da in Felsenmassen zu Tage geht. Den Fuss des ganzen Gebirges bildet Glimmerschiefer, der beiläufig das erste Drittel der ganzen Bergeshöhe einnimmt. Seine Ge- steinslagen stieichen aus N.W. in S.O. und verflachen in M.O., untertenfen folglich den körnigen Kalk, der den Glimmerschiefer entschieden bedeckt. Am Fusse des Berges m ist der Glimmerschiefer sehr quarzreich, höher hinauf aber verschwindet der Quarz immer mehr aus dem Gemeng;e, statt seiner tritt kohlensaurer Kalk hinzu, und in der Nähe des körnig^en Kalkes endlich g;e\\t der Glimmerschiefer in einen förmlichen Kalkschiefer über. Der Glimmer ist von weisser, oriiner, selber und tombakbrauner Farbe. Die Gesteinslagen fallen im Durchschnitte unter 40"^ bis 50", aber der Umstand gerade, dass sie in das Gebirge fallen, erleichtert die Ersteioung. Der körnige Kalk hat zum Theil ein sehr kry- stallinisches Gefüge, ist an einigen Stellen weiss und ähnelt sehr dem Marmor des nahen Pentelikon ; meist aber ist er grau oder wenigstens grau gestreift, geht auch sehr häufig in einen dichten Kalkstein von weisser und bläulicher Farbe über, wie am Gebirge Laurion es der Fall ist. Der Kalk- stein von Hymettus ist eine Fortsetzung des Pentelikonkalkes und ebenso gut Marmor wie dieser, nur meist nicht so rein und weiss, gleichwie der Laurionkalk im Süden wieder eine Fortsetzung des Hymettuskalkes ist. Von organischen Resten ist in diesen Kalken nichts zu entdecken , doch deutet der stark bituminöse Geruch, den sie beim Zerschlagen entwickeln, auf solche Beimengung hin. An den Gehängen des R\~ mettus findet man häufig die Spuren alter Steinbrüche, die aber nirgends jene kolossale Entwicklung zeigen , wie die Steinbrüche am Pentelikon. Die Oberfläche dieses Kalkes ist sehr der V^erwitterung ausgesezt und wird dadurch zellig, zerfressen, gefurcht, kurz nimmt eine ganz eigenthümliche verworrene Gestaltung an. Wenn wir die auf meiner bisherigen nur ganz kuizen Reise in Griechenland von Patrass über Lepanto und Ko- rinth nach Athen flüchtig gesammelten geognostischen Be- obachtungen zusammenstellen, so ergibt sich nachfolgendes Schema der Felslagerung von unten nach oben: V, ,, , / Glimmerschiefer und Thonschiefer, Alteste Grauwacken- V ,.,..,,, «7. II . • xi«« ) der in erstem übergeht, gruppe. VielleichtMüR- . i^ u : i. i x •/ u ^ *'^. -. 1 . „ 1 Korniger Kalk, in dichten Kalk cHisoN s Kambrien« / .. , , , [ ubergeliend. «6 ..li; lii'uiil lodi! / Eisenschüssiger, eidig;er Honi- steiii. Reiner Hornstein. Schiefriger, rotlicr, niergelartig;er Sandstein. , ., .. , Thonschiefer in schiefrieen Mer- linippe des brun- 1 , ... i j j i Vi • , "^1 , , , / gel übergehend nnd demselben sehr sandstenis und der al- / " ,. ., ,,. . \ verwandt, ten Kreide, llippuri- \ ^ .. , ^ . ^*^ j Grunsandstein. Dichter Kalkstein mit Nestern von Hornstein und Lagern desselben. Sehr ausgedehnte Entwicklung und hohe Gebirge bildend , die bis zu \ 7000 Fuss ansteigen. Nagelflue, zum Theil die höchsten Gebirge bedeckend mit Kalkbreccie und Kalkkonglomeraten , vielleicht ein Parallelgebikle unserer Molasse. Nicht zu verwechseln mit den Braunkohlen-führenden Mergeln auf Euböa," welche ein jüngeres Gebilde sind. Diluvialablagerungen, jüngere Nagelflue, jüngere Kalk- breccie als Küstengestein, Diluvialmergel, Meeressandstein und Meereskalk. Man sehe die Ablagerungen des Isthmus bei Korinth. Plutonische Gebilde: Porphyre, Trachyte, Serpentine durchbrechen obige Felsbildungen und durchwandern alle Formationen. Ich stelle dieses Schema hier nur auf, um einen Über- blick über die bisher im Texte zerstreuten geognostischen Beobachtungen zu geben. Denn bei der Darstellung meiner später erfolgten Reise durch ganz Griechenland komme ich ohnehin wieder auf diesen Gegenstand zurück und werde die ausgesprochene Ansicht im Detail systematisch darlegen und belegen, was ich jezt nicht thun kann, um Wiederho- lungen zu vermeiden und im Verlaufe der Reise in der Be- übachtungsreihe nicht vorzugreifen. Um 11 Uhr standen wir auf dem breiten Rücken des Hymettus und erfreuten uns einer henlichen Fernsicht. Ganz Attika lag vor uns ausgebreitet, die Thalebene des Kephis- i>os bis zum Pentelikon. zu dessen Seite sich uns ein Theil 87 der Ebene von Marathon zeigte, wo die persische Über- macht unter ^griechischer Tapferkeit zusammenbrach ; die Ebene bei Carcia und das Lauriumoebirge mit seinen reichen Bergwerken bis zum Kap Sunium ; das südliche Euböa vomEgribos bis zum Kap Mantelo, mit dem schönen, schnee- bedeckten Delphi und Ocha. Am weiten Meereshorizonte lagen viele der Archipelinseln vor unsern Blicken, nahe an uns erhoben sich Ägina und Salamis, und weiterhin die Küsten des Peloponneses. Die Festung auf Akrokorinth sah zu uns herüber, und im Bogen umgaben uns Griechen- lands alte Götterberge. Nachdem Geist und Gemüth im Übermaase dieser Seligkeiten geschwelgt hatten, machte der Körper seine profanen Ansprüche. Wir waren sehr hungrig. Sehnsuchts- volle Blicke eilten das Gehänge des Hymettus hinab, unsern Albeitern , oder vielmehr dem Proviantkorbe entgegen. Vergebens, sie kamen nicht. Wir warteten Stunden lang, sie kamen nicht, und so verliessen wir in einer höchst prosaischen Stimmung den Hymettus. Erst zu Hause klärte sich das Räthsel auf. Die Unglücklichen hatten den Weg verfehlt und zogen einer Geseilschaft nach, von der sie sich immer in einer bescheidenen Entfernung hielten. So kamen sie auf die Spitze des Pentelikon, immer in der Meinung, wir ziehen vor ihnen her. Als sie aber die Ver- meintlichen in der Nähe sahen, bemerkten sie denn auch, dass sie sich getäuscht hatten, und erfuhren, dass sie, statt auf dem Hymettus, auf dem Pentelikon stehen, die beide an sechs Stunden von einander entfernt sind. So wurde denn der Rückzug angetreten, und zur Ehre deutscher Treue sey es gesagt, ohne sich an dem Proviantkorbe zu vergreifen, was mir, trotz dem, dass es mir in diesem Falle dumm vorkam, doch sehr gefiel 5 denn die Armen litten förmlich Tantalusqualen. Am 25. wurde der Grundstein zu dem Hause des Hrn. V. Prokesch gelegt, ich wohnte der Feierlichkeit bei, die sich auf einen Kreis von Freunden beschränkte. Freudig war der Eindruck, als ich nach drei Jahren wieder kam und sah das Haus, das schönste in Athen damals, umgeben 88 von einem freundlichen Garten, in welchem si'idliche Wärme einen Znstand in zwei Jahren hervorrief, den wir in unserm Norden kaum in zehn Jahren herheiführen können. Am Abende desselben Tags wurde ich durch Hrn. Minister v, Prokesch Sr. Majestät dem Könige Otto vorge- stellt, der mich auf das Huldreichste zu empfangen geruhte und sich mit vieler Wäime an das liebe Salzburg erinnerte, die (ieburtsstadt Sr. Majestät und zugleich mein schönes Vaterland. Tags darauf kam ich endlich dazu, die Akropolis zu besuchen. Wir besahen unter der höchst lehrreichen und interessanten Führung des Hrn. Dr. Ross die Propyläen, das Parthenon , den Tempel der Minerva, den Tempel des ungefiügellen Sieges und das Theater, wahrscheinlich aus der Römerzeit. Derlei Sachen noch näher beschreiben zu wollen , die als Koryphäen der höchsten Kunstvollendung jedem gebildeten Menschen durch Wort und Bild bekannt sind, wäie freventlich auf die Geduld der Leser gesündigt. Unsere Abreise rückte nun näher. Durch die gütige Theilnahme Hrn. v. Prokkschs und Hrn. Dr. Rösers, meines edlen, unvergesslichen Freundes, lernte ich Hrn. Dr. Veit aus Würtemberg kennen, der den Wunsch hegte, die Reise mit der Expeiiition mitmachen zu können. Sehr gerne er- griff ich diese Gelegenheit, der Expedition zu einem Arzte zu verhelfen , welchen zu besitzen sich dieselbe in jeder Be- ziehung glücklich preisen konnte. Mir wurde noch ausser- dem in Dr. Veit ein wahrer Freund, ein treuer Gefährte in Freud und Leid. Hr. v, Prokesch rüstete mich noch mit Empfehlungen an IßRAHiM-Pascha, an Boghos JussuFF-Bey und an Hrn. Laurin, k. k. Generalkonsul in Alexandria, aus, und so kam denn der Augenblick dei' Abreise. Am 31orgen des 27. Hess ich unsere sämmtliciien EflFekten an Bord der Korvette Veloce bringen, die, um leichter jeden Wind zur Abfahrt benützen zu können, den Piräus verliess und sich an der Insel Salamis vor Ankei legte. Nachmittags ritten wir, begleitet von einigen Freun- den, in den Piräus, erwarteten dort den Generalkonsul Grotiis, der die Reise nach Nauplia mitzumachen beabsichtigte, und 80 bestiegen dann unsere Barke, die uns an Bord der Veloce bringen sollte. 3) Reise von Atlien nacli üTanplia und Alexandria. Des Himmels Prognostikon, das er uns Reisenden stellte, war herrlich. Es A\ar eine der schönsten attischen Nächte, als w'w den Piräns verliessen und an der englischen Dampf- fregatte Medea und der Fregatte Portland voriiber fuhren. Unsere Barke wiegte sich auf silberner Strasse ; denn da Avir den Mond gerade im Rücken hatten, so war es ein Silberstreifen, der uns im Meere den Weg bis Salamis be- zeichnete. Stille war rings um uns, nur unterbrochen dnich den legelmiissigen Ruderschlag der Matrosen. Noch einen Blick warfen wir auf die uns im Zauberlichte umgebenden attischen Berge, die edlen Formen der Akropolis verflossen im duftigen Schleier der Nacht, doch die Erinnerungen an die warme Theilnahme und Freundschaft, die ich in Athen gefunden, stand in hellem Glänze vor mir, und meine Hoff- nung auf ihre ünwandelbarkeit täuschte mich nicht. Spät erst kamen wir an Bord der Korvette an. Am IS. Februar um 4 Uhr Morgens wurden die Anker gelichtet. Wir hatten sehr wenig Wind, passirten erst um !) Uhr den Hafeneingang des Piräns und standen Mittags der Ostseite der Insel Ägina gegenüber. Als wir am Mor- gen von Salamis absegelten, glänzte auf hohen Felsen das einfache Grabmahl der Fürstin Kantakuzeiso, einer gebornen Armansperg, die hier in der ßlüthe ihrer Jahre, auf ihrer Rückkehr von Konstantinopel, ihren Tod fand. Die Wahl des Platzes ist der zarten Blume würdig, die hier ruht. Am Nachmittag begegnete uns das französische Linien- schiff, der Triton, von SO Kanonen. Am Bord befand sich der neue, an den griechischen Hof bestimmte, französische Gesandte. Am Abend war an Bord unseres Schiffes grosses JManöver , soAvohl in Bezug auf Vertheidigung als Füh- rung des Schiffes, wobei die Matrosen, besonders was die Bedienung des Segelwerkes auf den Masten und Raeu betrifft, eine bewunderungswürdige Geschicklichkeit entwickelten. 9Q Mit Einbruch der Nacht befanden wir uns Porös {gegen- über, miissten aber conträren Windes halber die ganze Nacht laviren , so dass wir erst am Mittag des 29. vor Hydra kamen. Um diese Zeit sahen wir ausser dem Kap Sunium , der Südspitze von Attika , die Insehi : Zea , St. Giorgio d'Arbore, Thermia , Serpho und das Festland der Morea mit dem Kap Skilli und der Insel Spezzia am Ein- gange des Golfs von Nauplia. Der conträre Wind dauerte die ganze Nacht durch, und die See ging sehr hoch. Ahends standen wir an der Südseite von Hydra. Um H Uhr Mittags beobachteten wir heute: Lufttem- peratur + 13", Temp. des Meeres -f- 13,.5. Um 3 Uhr Nachmittags Lufttemp. = 14,2, Temp. des Meeres = 13,8. Die niedrere Temperatur des Meeres l)ei lezter Beobach- tung scheint nicht so sehr von einer Untiefe , als dem Um- stände herzurühren , dass der fortwährend dauernde Wind dieses Tages sich plötzlich für einige Momente gelegt hatte und die Lufttemperatur sich momentan hob, bevor die Meeres- fläche den Gesetzen der Wärmevertheilung Folge leisten konnte. Am Morgen des 1. März hatten wir endlich Hydra passirt und befanden uns vor Spezzia, am Eingange des schönen Golfs. Der Wind wurde uns günstiger, und der Himmel war ungemein rein und klar. Hinter uns in S.O. hatten wir das offene, unabsehbare Meer, zur Linken die hohen schneebedeckten Berge von Napoli di Malvasia. Um 11 Uhr Mittags war die Temperatur der Luft = 12,2, die des Meeres = 11,S. Um 3 Uhr Nachmittags die Lufttemperatur = 15,3, die des Meeres = 12,2. Wir hatten Untiefen. Der Abfall der südöstlichen Küste des Peloponneses ist übrigens steil und bildet hohe Felsenwände. Heute erhielten wir von einem Schiffe , welches aus Egypten kam, die erste Nachricht, dass auf der Flotte des Vizekönigs in Alexandria neuerdings die Pest ausgebrochen sey. Mit Anbruch der Nacht hatten wir endlich Spezzia passirt und waren also in den Golf eingetreten, sahen auch schon in der Ferne den Palamides, mussten aber einer sehr stürmischen Nacht halber laviren. 91 Am näclisten Moij^eii endlich waren wir dicht am Palamiiles nnd ankerten im Hafen von Nauplia. Der Palu- mides, ab»esehen von seiner geschichtlichen Denkwürdigkeit, gewährt einen nngemein iniponirenden Anblick. Kühn, wie ein Adlernest, steht die Feste auf der Spitze eines hohen Felsens, der mit ganz senkrechten Wänden gegen die Stadt lind das Meer abfallt. Man sollte glauben, dass eine solche Festung, wenn sie nicht ausgehungert wird, uneinnehmbar wäre, und doch fiel die Felsenbnrg im Kampfe der Griechen für ihre Freiheit nach mehreren vergeblichen Versuchen ohne besondere Kraftanstrengung. Die Absätze der Felsen sind mit Cactus Opuntia bedeckt, was der Partie um die kleinere Festung, am entgegengesezten Ende der Stadt, einen besonders südlichen Charakter gibt. Nanplia selbst ist klein und hätte sich wohl schwerlich mit Beibehaltung des gegenwärtigen Platzes jemals zur Hauptstadt entwickeln können ; doch gewährt es mit seinen hübschen Häusern zw i- scheu den grauen kahlen Felsenwänden des Palamides und dem Meere einen ganz eigenthümlichen, schönen Anblick. Die Stadt spielt in der Geschichte des griechischen Kampfes eine bedeutende Rolle. In den Jahren IS'il und 1822 war sie der Schauplatz der Kämpfe der Griechen unter ihrer Amazone Babolina , unter Demetrius Ypsilanti, Njkitas, KoLOKOTRONis, mit den Türken unter Dram ALi-Pascha, und später, 1825, unter IßRAHiM-Pascha. Sturm, Hunger erschüt- terten den Palamides, aber er fiel nicht, bis diess endlich in der Nacht des 12. Dezembers 1822, wie gesagt, ohne besondere Kraftanstrengung, ganz plötzlich geschah, Nauplia wurde später der Schauplatz wüthender Parteikämpfe, die Griechenland tiefere Wunden schlugen als der Kampf mit den Türken, und die es besonders in moralischer Beziehung entwürdigten. Kapodistria fiel am 9. Oktober 1831 durch Äleuchelmord au der geheiligten Schw eile, und Gewitterstille folgte der verbrecherischen That. Der Himmel hatte jedoch Griechenlands Elend ein Ziel gesczt; mit der Ankunft König Otto's, am 6. Februar 183.*], begann eine schönere Zeit; die lezten blutigen Strahlen warf die Sonne auf die Felsen- gipfel des Taygetos : dann verbreitete sich ihr milderer Schein 92 über Hellas, das nur unter der Ägide des Friedens seiner grossen Zukunft entgegen gehen kann. u-i Nanplia hat eine Umgebung, die klassische Erinne- run«>-en weihen. Im Hintergründe des Golfs das freundliche Tyrinth, über dessen Cyklopen-Mauern der rasende Herku- les einst seinen Freund hinabwarf; links davon Argos mit seiner schönen Citadelle ; im Hintergrunde die Berge des alten Mycene , zwischen denen noch das Mausoleum des Agamemnon dem Wanderer eine heilige Wallfahrtsstelle bietet. Auf der andern Seite die damals schneebedeckten Berge Arkadiens, der Chelmos, Parnon, Parthenius etc., wo zwar noch Hirten singen und Hirtinnen schmachten , aber eine gewisse Knoblauch-Atmosphäre, welche beide umgibt, der idyllischen Annäherung einen Riesendamm entgegen- sext. Im Vordergrunde der arkadischen Berge liegt das freundliche Astros und breiten sich die lernäischen Sümpfe aus. Wir eilten durch die engen Gassen, sezten uns zu Pferd und ritten nach Tyrinth, um die Trümmer der Cyklo- pen-Mauern näher zu besehen. Sie sind aus allerdings sehr grossen Steinen aufgeführt, so dass jeder Maurer vor den Cyclopen einen wahren Respekt empfinden muss. Der eigentliche point scientilique ausser dem hohen j^lter — da diese 3Iauern schon zu Zeiten des trojanischen Krieges in Trümmern gelegen haben sollen — wurde mir nicht klar, und da sich gerade ein frischer Nord erhob, so kehrten wir wieder um, um ja den günstigen Moment, aus dem Golf hinauszukommen, nicht zu übersehen. Abends lichteten wir die Anker, die Segel schwellten sich, die Korvette senkte ihr Vordertheil und hob es wieder, der Kiel furchte die schäumenden Wogen , wir verliessen mit frischem Winde und vollen Segeln unser heimathliches Europa. Die Nacht senkte sich aufs Meer, nur einzelne Lichter noch sahen wir in weiter Ferne, sie flimmerten schwächer und immer schwächer, wie ferne Sterne, die Wogen verschlangen sie, sie waren weg — und ein leiser Schmerz durchzog die Brust. Der Wind blieb uns die ganze Nacht durch günstig, die See ging sehr hoch, wir machten pr. Stunde 11 bis 13 93 Spomeileii. Wir steuerten gerade südlich. Am friilien Moroeii des 3. März sahen wir die Insel Cerigo, hatten dicht zur Rechten die kleine Insel Cerigotto und sahen um 9 Uhr Morgens bereits die nordwestlichsten Vorf^ebirge der Insel Candia. Wir hatten zur Linken Kap Spada und Kap ßnso, ^vo am Forte Grabusa im Jahr löDl die Vene- tianer den Türken die ungliickliche Seeschlacht lieferten und durch Verrath die Festung- verloren , in demselben Jahre , als die Osteireicher die glorreiche Schlacht von Salankenien unter Ludwig von Baden schlugen. Wir näher- ten uns nun der Westküste mehr und mehr, und Nachmittags sahen wir die schneebedeckten Gipfel der Leuka Asprovuna oder des weissen Gebirges ; sahen Abends die Kreideberge der Kiiste, umsegelten Kap Crio oder St. Johann und erblickten noch vor Anbruch der Naelit in der Ferne die hohen , be- schneiten Spitzen des majestätischen Ida, heut zu Tage Psiloriti. Da der Wind conträr wurde , kreuzten wir die Nacht durch an der Si'idküste der Lisel Candia. Um 11 Uhr Mittags beobachtete ich heute die Luft- temperatur = 11,0, die des 31eeres = 12,3. Um 3 Uhr Nachmittags die Lufttemperatur = 12,2, die des Meeres = li,5. Li der Nacht suchten wir freiere See und g;ingen ausser- halb der Insel Gozzo unter den Wind, doch behielten wir des reinen Himmels halber und im hellsten Mondenschein den Ida mit seinem weissen, strahlenden Haupte klar vor uns. Wir blieben lange auf dem Verdecke, denn die Luft war milde, lau. Unser Schiffskommissär Novak spielte Guitarre, deren Töne sanft auf der weiten Meeresfläche verhallten, die ruhig-, Avie ein Spiegel, vor uns lag. Wäre die Erinnerung-, die Himmelstochter, nicht, solche Augen- blicke wären für uns rein verloren , denn ihre Darstellung- liegt ausser der Gewalt des Pinsels und des Wortes. Die Windstille hielt fast den ganzen folgenden Tag an. Die ganze Südküste von Candia lag vor uns, die ganze herrliche Bergkette, die Leuka Asprovuna, der Cignostosoro, der Ida, die Berge von Messara, der Sitia (der alte Dykte) bis zum Vorgebirge Sacro. Welch ein herrliches Land, 94 welch ein himmlischer Himmel ! Merklich gewinnt nm Candia das nordafrikanische Klima die Oberhand , die Be- leuchtung ist so intensiv, dass die Landschaft von den Strahlen der Morgensonne wie vergoldet erscheint. Das Meer zeigte heute eine dunkle smalteblaue Farbe. Um 11 Uhr 31ittags beobachtete ich Lufttemperatur := 14.0, die des Meeres = 13,8. l^m 3 Uhr Nachmittags die Lufttemperatur = 14,0, die des Meeres = 13.8, gerade so wie am Vormittage. Stehen diese Beobachtungsresultate nicht etwa mit der heute bemerkten Farbe des Meers in Verbindung? vielleicht in Folge vorhandener Untiefen? Auf den Gehängen des Ida befinden sich mehrere grie- chische Klöster, als; St. Croce, Asomatos, Georg, Anton, Johann , in dessen Nähe sich das bekannte Labyrinth be- findet etc., alle, wie es scheint, in höchst pittoresken Situa- tionen. Gegen Abend hatten wir wieder günstigen Wind, mit dem wir uns schnell von den Küsten entfernten und der die ganze Nacht durch anhielt. Am Morgen des 5. hatten wir das Land ganz aus dem Gesichte verloren und genossen zum Erstenmal auf unsrer Reise den Anblick der freien , offenen See. Der günstige Wind hielt den ganzen Tag durch au. Um 11 Uhr Mittags war die Lufttemperatur =^ l'^ijO, die des Meeres = 14,8. Um 3 Uhr Nachmittags Lufttemp. = 16,1, Meerestemp. = 10,0. Hier ist von Untiefen nichts bekannt , und es scheint also, dass der Grund der niedrem Meerestemperatur hier ein andrer ist, oder es fanden Be- obachtungsfehler statt. Da die Wärme in den Kajüten in den heissesten Stunden des Tages bereits auf 20*^ stieg, so fiel sie unsern an derlei Temperaturen nicht gewöhnten Körpern sehr lästig, um so mehr, da diese Wärme in den Fugen und Spalten der SchifFswände, besonders zur Nacht- zeit, so manches organische Leben weckte, welches füglich hätte schlummern können. In der Nacht beobachtete ich mehrere schwimmende und stark leuchtende Medusen, konnte aber wegen des schnellen Laufes des Schiffes keiner hab- haft werden. Am 6. kein Land. Es war der erste Sonntag: im Monat 95 1111(1 dalior toierlfolio Parade, Miisternng- und Verlesim*^ der Krieosoesetze. Die Hitze wuchs fühlbar. Um Mittag hatten Avir auf dem Verdecke im Schatten 15" bis 16*^, unter dem Decke aber 25°. Abends trat Windstille ein. Am 7. kein Land. Wir hatten conträren Wind. Am S. kein Land. Der Schiffsreclinuntf nach sollten wir bereits die Küste von Afrika sehen, da aber diess nicht so bald «;eschah, so mussten Fehler in Beobachtun«; des Schifflanfes statt gefunden haben und zwar wahrscheinlich bei Messung der Länge mittelst der Logleine. Diese Ma- 'nier ist an und für sich höchst unrichtig, denn sie beruht auf einem ganz falschen Prinzipe. Man nimmt nämlich an, dass das kleine Brettchen, woran die Logleine befestigt ist und deren Eintheilung beim Ablaufen von der Spindel die Weglänge angibt, seinen Platz im Meere fix behaupte und nur das Schiff sich bewege. Diess ist aber nicht wahr; denn das Brettchen hat auch für sich eine Bewegung und zwar conform der der Wellen, so dass also die Schnnrlänge bei Gegenwind die Summe, bei Wind von hinten die Diffe- renz beider Bewegungen angibt, worauf keine Rücksicht genommen wird. Weit verlässlicher, glaube ich, dürfte es wohl seyn, ein Rad an der Seite des Schilfes so anzubringen, dass es gegen die Einv^irkung der Wellen möglichst ge- scliüzt und seine Bewegung nur von der des Schiffes ab- hängen würde. Ein einfacher Multiplikationszähler würde die Zahl der Umdrehungen geben und diese ausgedrückt durch den Längenwerth dieser Umdrehungen, gleich dem Produkte der Radperipherie in die Zahl der Umdrehungen, müsste die Schiffslänge doch wenigstens genauer als die Logleine geben. Bei Dampfschiffen mit Rädern oder mit archimedischen Schrauben geben diese selbst das Mittel zur Bestimmung der Weglänge so gut als die Logleine an die Hand , nur müssen auch hier Zähler angebracht seyn. Überhaupt kommt mir vor, dass man sich auf Kriegsschiffen aus dem Grunde, die Mannschaft beschäftigen zu müssen, noch mancher sehr unvollkommener mechanischer Vorrich- tung bedient, um gewisse Arbeiten zu verrichten. Dahin zähle ich z. B. die archimedische Ankerwinde zur Lichtung der Anker. Kauffahrer, die immer nur ein iileines Personal besitzen, haben weit vollkommenere Einrichtnngen , um mit weniger Mannschaft dasselbe zu bewirken. Es fragt sieh daher nur, ist wirklich der Grund, die Mannschaft des Kriegsschiffes auf diese Weise zu beschäftigen , ein hin- reichender? Ich bin zwar in dieses Fach nicht eingeweiht, aber mir scheint nicht! Am Morgen sahen wir ein türkisches Schiff, wahr- scheinlich von Alexandria kommend, es Avar jedoch zu ferne, um es anrufen zu können. Am Abend sah ein Matrose vom Mastkorbe Land. Es zeigte sich in S.O. und bestand in zwei kleinen Hügeln. Vom Verdecke sah man nichts. Da die Nordküste von Afrika, wenigstens in Egypten, sehr flach ist, so dass sie oft kaum auf 15 Seemeilen gesehen werden kann , iiberhaupt an der Küste viele Untiefen und Felsen sich betindeji, so ist die Annäherung in der Nacht sehr gefährlich und wir kreuzten daher in oflfenei' See. Mit Einbruch der Nacht vernahmen wir Kanonendonner, er kam von der Citadelle in Alexandria. Also Morgen sollten wir die Küste von Afrika, das Land der Pharaonen, Alexandria, sehen, Hoffnungen genug, um eine solche Neugierde in uns zu erwecken, dass wir kaum schlafen konnten. Am Morgen des 9. März sahen wir nirgends Land. Wir wendeten uns daher in jene Gegend , in der wir es gestern erblickt, und entdeckten es auch bald eine Stunde darauf. Wir sahen die Küste in neblichter Ferne , in grosser Ausdehnung eine weite hügelige Sandebene ohne alle Vegetation — ein schensslicher Anblick. Aus der Ebene ragte ein Thurm hervor, den man für die Pom- pejussäule hielt, der sich aber später als der Thurm der Araber, westlich von Alexandria liegend, zu erkennen gab. Wir wendeten daher das Schiff und fuhren gegen Osten, in welcher Richtung wir um 10 Uhr wieder Kanonen- donner hörten und drei grosse Segelschiffe erblickten , dar- unter zwei Dreimaster. Um Mittag hatten wir das Land wieder ganz aus dem Gesichte verloren, sahen aber bald darauf das Serail des Vizekönigs aus der Wasserfläche 97 emporsteigen, Her erste sichtbare Punkt, wenn man sich Alexandria nähert. Gleich darnach zeigte sich uns rechts vom Palaste der Mastenwald im Hafen, und zwischendurch sahen wir die Stadt mit der Citadelle und der herrlichen Pompejus- Scäule. Um 2 Uhr Nachmittags waren wir der Küste so nahe, dass wir die modernen, weissen, ganz europäisch aussehenden Häuser der Stadt deutlich wahrnahmen, die einen sehr freund- lichen Eindruck machen würden, wäre die Umgebung schöner; aber gleich westlich an der Stadt beginnt die gelblichrothe Wüste, ohne Vegetation, die ganze Küste bildend. Wir entdeckten kaum ein grünes Plätzchen , welche enorme Sterilität auf uns, die wir aus einem der schönsten Alpen- länder kamen, eiuen sehr unerfreulichen Eindruck machte. Die Küste bildet eiu hügeliges Dünenland , nud nur der Rand ist felsicht, aber durch Brandung sehr zerstört. Schon in bedeutender Entfernung bemerkt man in der Farbe des Meeres eine grosse Veränderung. Es wird trübe, schlammig, eine Folge des Kil, des kolossalen Stromes, der bei Rosette und Damiette seine beiden Hauptmündungen hat. Unsre Reise von Triest hieher, ohne den Aufenthalt in Patrass und Athen zu rechnen, hatte also 43 Tage gedauert, während welcher Zeit wir immer zur See waren. Die Überfahrt von Athen nahm 12 Tage in Anspruch. Während der ganzen Zeit war im Ganzen die Witterung schön, wir hatten zwei einzige volle Regentage, aber sehr häufig conträren Wind und ein paarmal Sturm. Der Hafen von Alexandria dürfte, so schön und gross er auch ist, hinsichtlich seiner Einfahrt einer der gefährlichsten seyn. Das Meer ist voll von Klippen, die unter Wasser stehen und einen so schmalen , sich schlängelnden Kanal bilden, dass nicht zwei Korvetten neben einander einlaufen könnten. Dabei hat das Meer so wenig Tiefe, dass Linien- schiffe genöthigt sind, beim Ein- nnd Auslaufen den grössten Theil ihrer Kanonen auszuschiffen und dieselben erst nach zurückgelegter Passage wieder einzunehmen. Mit Aufwen- dung eines bedeutenden Kostens wäre es allerdings möglich, die Einfahrt zu erweitern und auch zu vertiefen; doch der Vizekönig bewahrt mit Recht dieses ihm von der Natur RussERCER , Reisen. I. Bd. 7 dB verlleliene Bollwerk, wodurch bei gehöriger Vertheidigiing eine Einnahme von Alexandria sehr erschwert würde. Ohne Piloten ist daher die Passage sehr gewagt, und auch die egyptischen Kriegsschiffe di'ufen nie ohne Piloten passiren. Kurz vor unserer Ankunft wagte diess ein Kapitän, hatte das Unglück zu scheitern und wurde sogleich kriegsgericht- lich verurtheilt und erschossen. Die Piloten haben , um den Weg durch die Klippen sicher zu finden, gewisse Anhaltspunkte an verschiedenen fixen Gegenständen, z. ß. Minarets, die Pompejus-Säule etc., welche sich in mancherlei Kombinationen bei den verschie- denen Windungen des Schiff'es decken müssen. Viele Kauf- fahrer-Kapitäne, besonders der österreichischen und griechi- schen Marine, kennen genau diese Verhältnisse, doch wagt es selten einer wegen den paar Thalern, die der Pilote für die Führung des Schiff'es auf seine Verantwortung erhält, sein Schiff" sammt Ladung zu riskiren. Wenige Tage vor unsrer Ankunft ereignete sich ein warnendes Beispiel dieser Art, Ein österreichischer Kauffahrer war unter ganz vor- züglich günstigem Wind in 9 Tagen von Triest nach Ale- xandria gegangen. Ein englischer Kanffahrer, denselben Weg kommend, unter gleich günstigen Verhältnissen, wollte es ersterm gleich thun. Er kam am 9. Tage Abends an. Die Zeit, den Piloten zu rufen, war vorüber , er beschloss daher, ohne denselben einzulaufen und verlor Schilf und Ladung. — Als wir an dem Hafeneingang angekommen waren, zogen wir am Vordermast eine Signal-Flagge auf, und das Pilotenschiff, eine grosse Barke, erschien sogleich. Zwei der Piloten kamen an Bord und stellten sich neben den Kapitän, dem sie ihre Weisungen mittheilten und der darnach sein Kommando einrichtete. Alle Manöver wurden mit vieler Präzision und schnell ausgeführt, die Korvette gehorchte wie ein edles Ross, und ich begriff, wie ein Seemann sich ordentlich in sein Schiff verlieben kann. Die Barke der Piloten fuhr unserm Schiffe vor, und wir wandten uns behende zwischen den Klippen durch. Links der Hafeneinfahrt steht das Serail des Vizekönigs, wo auch die höchsten Regierungsstellen sich befinden, ein sehr schönes 99 und fieuiuUiclies Gebäude, rechts der Einfahrt befindet sich eine Reihe von Forts, die noch zum Theil ans der Zeit Napoleons herriihren sollen, aber sehr schlecht nnterhalten scheinen, Anch am Serail steht ein Fort , so dass die Hafeneinfahrt von beiden Seiten bestrichen Averden kann. Neben den Forts der rechten Seite stellt anf einer An- höhe eine Reihe von Windmühlen, die gerade alle in vollem Gange waren nnd dem Bilde eine eigene Lebendigkeit gaben. Die Stadt selbst gewährt einen schönen Anblick. Sie hat die Äusdehnnng einer Stadt von 50 bis (50,000 Einwohnern, was anch, mit Einschlnss von etwa 8000 Enropäern , nnge- fähr ihre ßevölkernng seyn mag. Die Fremden sind meist Malteser, Italiener nnd Griechen, weniger Franzosen, Engländer nnd Deutsche, zum Theil Beamte auswärtiger Mächte, Kanflente u. s. vv. , zum Theil Abenteurer und Vagabunden von allen Völkern und allen Farben, die in Egypten ihr Heil suchen, wohl auch finden, und in ihren Stellungen, meist natürlich auf Kosten des Vizekönigs — der schon durch sie in einem Grade betrogen wurde, wie vielleicht kein zweiter Mensch anf Erden — Pläne durch- setzen , zu denen ihnen in Europa kein vernünftiger Mensch weder Geld noch Raum gegeben hätte. Die Häuser von Alexandria — mit Ausnahme des öuartiers der tür- kischen Bevölkerung- und der elenden arabischen Solda- tendörfer im Herzen der Stadt, diesen wahren Pflanz- schulen der Pest — sind hübsch, modern und grösstentheils in europäischem Geschmacke aufgeführt. Die schlanken Minarets, die Gärten mit Dattelpalmen mitten in der Stadt, die über alles emporragende Pompejus-Säule, geben zwar an nnd für sich ein wahrhaft orientalisches Bild , aber in Verbindung mit den europäischen Häusern machen sie keinen edlen Effekt. Es ist ein Gemische, dem alle Originalität mangelt, eine Stadt, die eigentlich nicht recht orienta- lisch, nicht recht europäisch, von Allem etwas — ein Stück- werk ist. Der Hafen war sehr belebt und voller Schiffe von den meisten handeltreibenden Nationen. Auch die Flotte des Vizekönigs lag da vor Anker. Es waren 10 Linienschiffe 7 * 100 vollständig ainiirt, zwei auf dem Werft im Arsenal und vielleicht an 30 Fregatten, Korvetten, Briggs und Goeletten, nebst einem sehr hübschen Dampfboote. Von aussen sahen diese Schiffe recht artig aus, aber in der Nähe besehen waren sie schlecht, schleuderisch gemacht, aus schlechtem Material, von keiner Dauer, nur zum Scheine hergestellt. Unter den Linienschiffen befand sich eines mit 140 Kanonen, in 4 Batterien vertheilt, eine Grösse, die man mit Recht jezt nicht mehr achtet ; denn diese Kolosse sind zu un- lenksam, zu schwer, und müssen nach Umständen einem leichtern , gut bedienten Linienschiff, ja auch sogar einer stark armirten Fregatte weiclien , die meiner Ansiclit nach die schönste, vortheilhafteste Form von Kriegsschiffen hat. Wir ankerten um 3 Uhr Nachmittags zwischen einer egyptischen Fregatte und dem Dampfschiffe. Mehrere Boote mit egyptischen Soldaten fuhren an uns vorüber. Die Leut- chen sahen sonderbar aus. Gelbbraun und hager, weiss gekleidet in leinene griechische Jacken und kurze grie- chische Hosen , oben weit wie ein Frauenrock , unten an den Waden hingegen sehr enge anschliessend, rothe Tuneser- Mützen (türkisch Fess, arabisch Tarbusch), Säbel und Mus- keten. Alle waren in blossen Fiissen. Der erste Besuch , den wir erhielten , war der des Hafenkapitäns und eines Sanitäts-Polizei-Beamten ; später kam ein Beamter unseres General-Konsulates, der uns die un- angenehmen Nachrichten brachte , dass der österreichische Geneialkonsul Laurin diesen Moigen nach Syrien abgereist und seit gestern die Pest in der Stadt ausgebrochen sey. Lezterer Naclvicht zu Folge wurden natürlich die Pi- loten sogleich vom Schiffe gejagt und dasselbe in Qnarantäne erklärt. Die gelbe Flagge wurde aufgezogen und alle Kommunikation mit dem Lande nur unter den bestehenden Vorschriften zugelassen. Ich übergab alle meine Briefe so- gleich dem Konsulatsbeamten, um dieselben in Ermanglung des Vorstandes dem Kanzler desselben zu übergeben, und beantragte unsere schleunigste Ausschiffung, um die Veloce nioiit unnütz hier festzuhalten und sie entweder einer 101 Kompromittiriing oder doch einer verliingerten Quarantäne in Athen auszusetzen. Abends kam noch Hr. Pavich, der zweite Dohnetscher des Konsulats, ans Schiff, ein Mann, dem ich späterhin manche Gefälli«>kcit zu «hinken hatte und der alles für uns Ihat, was in seinen Kräften stand. Erbrachte mir drei Briefe aus der Heimath, die ich aber leider heute nicht mehr an- nehmen konnte, da wir kein Feuer mehr hatten, um sie zu räuchern, und nach einer gewissen Zeit auf Kriegsschiffen auch keines mehr gemacht werden darf. Er theilte mir zu- gleich mit, dass BocHOS-Bey die für ihn mitgebrachten mich betreffenden Briefe noch heute Nacht übersetzen lassen werde , und dass er übermorgen einer Zusammenkunft mit mir im Serail entgegensehe. Ferner liess er mir sagen, dass morgen durch den Telegraphen die Nachricht von meiner Ankunft nach Kairo an den Vizekönig abgehen werde und ich die Entscheidung desselben an Bord der Veloce abwarten solle. Übrigens war der Bey so galant, seine Besorgnisse auszusprechen, die er der Pest wegen hege, wenn wir uns ausschiffen würden, und dass er es für besser erachte , sogleich ein Kriegsschiff zu beordern, uns nach Syrien zu bringen. Ich drückte ihm dafür meinen lebhaf- testen Dank aus , bemerkte aber zugleich , dass die öster- reichische Regierung uns hieher sende, um uns im Sinne des Zweckes der Expedition dem Vizekönig auf die bestimmte Zeit zur Disposition zu stellen, dass wir also im Dienste unserer Regierung uns zu betrachten hätten und in der Befolgung desselben weder Pest noch sonst eine Gefahr scheuen, dass ich daher auf der beantragten Ausschiffung bestehen müsse. Am Morgen des 10. März salutirte unsere Korvette, die zum erstenmale im Hafen von Alexandria lag, mit 21 Kanonenschüssen , die in gleicher Anzahl unserer Flagge vom Serail-Forte zurückgegeben Avurden. Um Mittag kam Pavich wieder ans Schiff, brachte uns neue Briefe und zugleich die Nachricht, dass Boonos-Bey mich Morgens 9 Uhr im Serail des Vizekönigs erwarte ; zugleich ersuchte er mich, meinen gestrigen Wunsch wegen der Ausschiffung 102 schriftlieli zu wiederhole», in der Voraussetzung, dass der Bey sich durch diese Erklärunj:; vor Verantwortung schlitzen wolle, im Falle sich ein Unfall ereignen sollte. Ich nahm keinen Anstand, diess zu thun, und fügte noch bei, dass ich unmittelbar an ihn und an den Vizekönig an- gewiesen sey, und dass ich daher auch unmittelbar mit ihm und dem Vizekönige das INähere über den Zweck, die Art und die Zeit der Reise nach Syrien besprechen wolle, be- vor ich dahin gehe. I5oGnos-Bey war so artig, neuerdings zu mir zu schicken und sich zu erkundigen , ob ich nicht iigend eines Gegen- standes bedürfe, sey es Geld oder sonst Etwas, für welches freundliche Entgegenkommen ich mich natürlich sehr ver- pllichtet fühlte. Am Nachmittage machte ich die Bekanntschaft mit dem königl. dänischen Generalkonsul, Hrn. v. Dummreicher, an den ich von Triest aus adressirt war. Die Bekannt- schaft mit diesem um das Schicksal so vieler Europäer in Egypten höchst verdienten Manne rechne ich unter die schönsten Momente meiner Reise. Seine herzliche, warme Theiluahme an meinem und meiner Gefährten Schicksal, seine unermüdete, anspruchlose Hülfe bei jeder Gelegenheit bilden füi- mich eine Schuld des Dankes, die ich nie abzu- tragen im Stande bin. Seinen Mittheilungeu zufolge war die Pest, die damals herrschte, von gar keiner Bedeutung und rein nur auf das Arsenal beschränkt. Seinem Rathe zufolge nahmen wir leichte w ollene Binden , um sie auf blossem Leibe zu tragen : ein Umstand, der mir später zur Gewohnheit wurde, die ich nie ablegte, so langeich in heisseii Klimutcn reiste, und was zu thun ich Jedem anrathe ; denn nirgends sind Verkältungen gefährlicher und in ihren Folgen rapider, als gerade in jenen Ländern. 3Iit Dummreicher besprach ich auch ein wichtiges Kapitel, nämlich das Bedürfniss zweier Dolmetscher, einen für mich, der mich stets begleiten, mir stets in Geschäften zur Seite stehen sollte, und einen zweiten für die übrigen Expeditions-Glieder. Für die erstere Stelle bezeichnete mir derselbe einen Marine-Offizier, Achmed EitENDi, einen deutschen Renegaten, der türkisch, arabisch, loa französisch, italienisch und deutsch sprechen, als Marine- Offizier und Professor in der Marine-Schule Vorkenntnisse von Mathematik und Physik besitzen und ein sehr braver, rechtlicher Mann seyn sollte. Da alle diese Eigenschaften meinen Anforderungen (hirchaus entsprachen, so war ich Hrn. V. Dummreicher für diese Empfehlung sehr verbunden, die ich auch späterhin vollkommen gerechtfertigt fand. Die zweite Dolmetscher-Stelle hoffte ich in Kairo zu besetzen. Am andern Morgen fuhren der Kommandant Logotheti und ich ans Land, um in das Serail zu gehen, wo Boghos- Bey uns zu sprechen wünschte. Am hölzernen Molo vor dem Serail empfing uns Pavich, der alle nöthigen Anstalten traf, dass wir mit Niemanden in Berührung kamen, was mir gar nichts ausgemacht hätte, da ich ohnediess in Egypten blieb, für Logotheti aber sehr fatal gewesen wäre, da er sich und natürlich das ganze Schiff einer langen Quaran- täne unterzogen hätte. Mit Pavich erschien zugleich der egyptische Oberst Romei, ein sehr bejahrter Mann, aber ein noch ungemein lebhafter Neapolitaner. Es ist derselbe, der bei der vielmonatllchen Belagerung von Jean d'Acre durch Ibrahim -Pascha, infolge der von ihm eingeleiteten Änderung des ganzen Angriffplans und des darauf folgenden Sturmes, eigentlich die Festung fallen machte, wofür er später, wie ich höre, mit Undank belohnt wurde. Das Serail des Vizekönigs besteht aus vielen, leicht gebauten, aber durch ihr hübsches Äussere ansehnlichen Gebäuden , die auf die Landzunge hingestellt sind , welche die eine Seite der Hafeneinfahrt bildet. Alle diese Gebäude haben durchgehends nur eine Etage und eine auffallende Menge von Fenstern, durch welche die Zimmer nicht allein sehr licht, sondern auch in der heissen Jahreszeit kühl gehalten werden können. Das Audienz-Lokal besteht aus mehreren luftigen Salons, theils mit 3Iarmor gepflastert, theils mit Teppichen belegt, worin aber keine andere Einrichtung zu sehen ist, als die schwellenden Divans längs den Wänden ringsherum. Sonderbar nahmen sich gegen diese edle Ein- fachheit die egyptischen Soldaten in ihren zerrissenen, schmutzigen Uniformen aus, deren einer auf der Wache zu 104 meinem «^rössten Eistannen die unzvveidentigsten Beweise gab, (lass er selbst nicht das einzige lebende Wesen sey, welches in seiner Jacke stecke. Als wir einige Minuten gewartet hatten, erschien Boonos-Bey, ein Mann in vor- geriicktem Alter, mittlerer Statur, lebendig im Gespräche lind vielen Scharfsinn verrathend. Er spricht ausnehmend fertig französisch und italienisch, und zeigt in vielen Dingen eine gewisse europäische Routine. Er ist ein Armenier aus Smyrna und trägt noch das orientalische Kostüm mit Turban, den der Vizekönig selbst, den Reformen zu Liebe, mit dem Fess vertauscht hat. Boghos besizt mit Recht das Vertrauen des Vizekönigs und ist einer von den sehr wenigen aus seiner Umgebung, die ihm wirklich ausgezeichnete Dienste geleistet haben. Boghos ordnete ihm seine Finanzen, unter- warf sie einer geregelten Verrechnung und hob den Handel, besonders den mit Baumwolle, die Hauptquelle aller Ein- nahmen , auf seine damalige Höhe. Nachdem wir die üblichen und umständlichen Kompli- mente gewechselt hatten , Pfeifen und Kaffe gebracht wa.- ren , eröffnete ich dem Bey meine Wünsche in Bezug der Ausschiff'iing, meiner Vorstellung beim Vizekönig, der da- mals in Kairo abwesend war, der Wahl eines ersten Dol- metschers, der Mitreise des Dr. Veit als Expeditionsarztes etc. Die Ausschiff'ung wurde auf Nachmittag festgesezt. Im Übrigen aber behielt sich der Bey vor, an den Vizekönig zu berichten , doch bestimmte er vor der Hand Achmed Kaptan als meinen Dolmetscher. Boghos begleitete uns mit orientalischer Höflichkeit bis zur Treppe , und wir entfernten uns Avieder mit derselben Aufmerksamkeit für den Kommandanten , damit er ja mit keinem egyptischen Wesen in Berührung komme. An Bord angekommen, Hessen wir nun Alles zur Aus- schiffung vorbereiten , und Nachmittags erschien Freund Pavich mit Achmed Kaptan und einem Konsulatsjanitscharen, um uns ans Land abzuholen. Nachdem wir den braven Offizieren der Korvette Lebewohl gesagt, bestiegen wir unsere Barke, und in wenigen Minuten standen wir in Ale- xandria. Das Gewühl der Menschen von allen Nationen 105 1111(1 Farben, das tliätige Treiben derselben am Hafen war sehr gross und für uns höchst interessant. Da waren Europäer mit ihrem Sprachengewirre, die voll Eifer, Unter- nehmungsgeist und Spekulation geschäftig umhereilten: ernste Türken mit bedächtigem Schritte, langsam in Wort und That; lebendige Griechen, die überall durchschlüpften, wo ein Anderer stecken bleibt: gelbbraune Araber, halbnackt oder mit Lumpen bedeckt, die Repräsentanten eines glühen- den Himmels und des herrschenden Elendes ; Araberinnen in weitem blauen Kleide, bis auf die Augen vermummt, die schwarz und brennend hervorblizten ; nackte Neger aus dem fernen Innern, dazu eine Menge Dromedare, die ihre Köpfe dumm umher wendeten und alles anglozten und mit ihrem widerlichen Geschrei die schweren Bürden hin- und herschleppten. Als wir landeten, sammelte sich eine Menge gemeinen Volkes um uns, doch unser Janitschar Mohammed gab uns sogleich ein anschauliches Beispiel der landesüblichen Polizei, er hieb mit seiner grossen Peitsche rücksichtslos um sich, wodurch er uns natürlich Raum ver- schaffte. In unsrer Stellung waren unsere Effekten der Visitation durch das egyptische Zollamt enthoben, und wir betraten sogleich die Stadt. Der Eintritt in Alexandria ist wie in den meisten Städten des Orientes nicht der angenehmste. Die Strassen des Türkenquartiers sind enge und zum Theil sehr unrein. Die Häuser mit ihren platten Dächern und den auf die Strassen zu mangelnden Fenstern machen einen höchst ein- förmigen Eindruck. Die Hauptstrasse, welche in das Fran- kenquartier führt, ist sehr belebt und voller Kaufmannsläden. — Wir traten in dem Gasthof zum Aquila d'oro ab , wo BoGHos-Bey für uns fünf Zimmer bestellt hatte. Der Gast- hof war damals sehr gut eingerichtet, und wir fanden alle Bequemlichkeiten, die wir nur wünschen konnten. Zweiter AbscliiiUt. Reise in Unteregypten. Aufenthalt in Alexandria. Bei der ersten Zusammenkunft mit BoGHos-Bey, bei der ich ihm auch mein ganzes Personal vorstellte, wurde es mir klar, dass die egyptische Verwaltung wohl über die Haupttendenz unserer Expedition im Reinen sey, keineswegs aber über die Art und Weise, die Expedition in eine solche Lage zn setzen , dass die Erreichung jener Tendenz mög- lich werde. Je natürlicher von meiner Seite die Frage war , was man denn eigentlich w olle , welches Terrain des kolossalen Erdstriches, den Mehemed-äli damals in zwei Welttheilen unter seinem Befehle hatte, man der ersten Aufmerksamkeit würdig erachte, oder ob vielleicht schon gewisse Objekte fixirt seyen etc.: um so mehr mnsste ich er- staunen, zu hören, dass man zwar sehr wünsche, Eisenwerke und Steinkohlengruben zu besitzen, auch Gold- und Silher- bergwerke keineswegs zurückweisen würde, aber vor Allem die Expedition nach Suez und zu den Smaragdgruben der Alten am rothen Meere zu senden beabsichtige. Es war leicht einzusehen, dass der Vizekönig in dieser Beziehung einen sehr schlecht unterrichteten Rathgeber gehabt hatte; denn Suez ist ganz ohne bergmännische Bedeutung, und von den Smaragdgruben wusste man nui' gerade so viel, dass lOT sie einst existirt hüben sollen. Um so angenehmer war es mir daher, den Wnnscli des Vizekönigs zu vernehmen, der mich sammt meinen Leuten nach Kairo rief, um mit ihm selbst das Weitere zu besprechen. Jezt sah ich ein, wie «ut ich gethan hatte, nicht sogleich nach Syrien ge- gangen zu seyn, indem es mir dadurch möglich wurde, meinen Hauptplan zu realisiren: nämlich die Arbeiten der Ex- pedition so zu stellen , dass sie nutzbringend für den Vize- könig würden , und dass die Reise die grösstmöglichste Ausdehnung in jenen geologisch noch so wenig untersuch- ten Ländern erhielte. Da übrigens die Jahreszeit zu Reisen in dem heissen Süden schon zti sehr vorgerückt war, auch in Kurzem daselbst die jährliche Periode der Chamsins begann, die in den Monaten April und Mai wehen, so war ich darauf bedacht, unsere Arbeiten in den nördlichem Provinzen, und zwar in Kleinasien, zu beginnen und die Expedition von da nach und nach südlich zu führen , um unsere an das heisse Klima durchaus nicht gewöhnten ISaturen nicht sogleich und so plötzlich dem schädlichen Einflüsse desselben auszusetzen. Wenn man unter Alexandria den Raum versteht, den die Ringmauern der Stadt einschliessen , so gehört eine Promenade in dieser Stadt schon unter die ermüdendem; denn diese Mauern bilden einen viel zu weiten Rock, und Alexandria darf noch lange wachsen , bis es ihn ausfüllt. Die jetzige Stadt nimmt kaum mehr als den vierten Theil des Raumes ein, welchen die Mauern einschliessen, und ist am nördlichsten Theil desselben auf der Landenge zwischen dem alten und neuen Hafen zusammengedrängt, auf drei Seiten vom Meere umgeben. Den übrigen Theil innerhalb der Älauer nehmen grosse Gärten, die Citadelle, Ruinen, Schutthäufen von kolossalem Umfange und einige elende Dörfchen der Soldaten ein. Der alte Hafen , nämlich der westliche, ist der besuchteste. In ihm liegen die meisten Handelsschiflfe und zugleich die Flotte. Der neue hingegen, oder der östliche, schliesst sich dem Frankenviertel unmittel- bar an und ist sehr schlecht, daher auch nur wenige Schiße dahin gehen, indem seit Mehemed-Ali's Herrschaft 108 jedem christlichen Schiffe der Zutritt in den alten Hafen ungehindert erlaubt ist, was das Konversations-Lexicon vom Jahr 1833 wohl hätte berücksichtif^en dürfen, denn gerade die gänzliche Beseitigung aller der intoleranten Bedrückun- gen von Seite der Muhamedaner ist ein glänzendes Verdienst Mehemed-Ali's, das er sich um die Christen ei^warb. Wenn man die Schuttauflagerungen betrachtet und die Trümmer alter Pracht sieht, welche sie bedecken, so ist nicht zu verkennen, dass mehrere Perioden der gewaltsamsten Zer- störungen über das prächtige Alexandria ergangen seyn müssen. Nicht nur das heutige Alexandria scheint sich auf den Trümmern eines frühern erhoben zu haben, sondern auch dieses hat man auf den Trümmern eines vorherge- gangenen erbaut. Durch den Umstand, dass man die Bau- steine für die heutigen Baue aus diesem Schutte liervorsucht, hat man an verschiedenen Orten diese Reste der alten Stadt aufgedeckt. Man findet die prachtvollsten Säulen aus Granit, Porphyr, Syenit, Alabaster etc., edel durch ihre Arbeit und durch ihr Material; man findet grosse Fundameiitbaue , die auf riesenhafte Gebäude schliessen lassen, welche einst da gestanden haben. Doch der interes- santeste Theil dieser unterirdischen Herrlichkeit sind die Überreste der grossen Cisternen, welche einst den ganzen Raum unter Alexandria eingenommen haben sollen, eines der grossartigsten gemeinnützigen Unternehmungen, die das Alterthum aufzuweisen hat. Unter den Heiligthümcrn der alten Kunst, zu denen alle Reisende und die Jünger der neuen Kunst wallfahrten, stehen die Obelisken, welche unter dem Namen der Nadeln der Kleopatra bekannt sind , die Pompejussäule und die Katakomben oben an. Die beiden kolossalen Nadeln befinden sich am östlichen Ende des neuen Hafens in der Nähe des griechischen Klosters. Jede ist aus einem Stück des schönen grobkörnigen Granits mit rothem Feldspathe von Assuan gearbeitet und an allen vier Seiten mit Hieroglyphen verziert, die auf Süd- und Ostseite stark abgewittert sind. Die ganze Länge eines jeden dieser Obeliske ist 71 Fuss, die Länge einer Seite der Hauptbasis 6 Fuss 9 Zoll, die Länge einer Seite der 109 Basis «les obersten, eine kleine Pyramide bildenden Theils 4 Fiiss 10 Zoll. Nach Prokesch * stammen beide Obelisken wahrsclieinlicli ans der Periode der Könige : Thuthmosis III. nnd Ramses-Mi-Amln. Der eine dieser Kolosse steht noch aufrecht, der andere aber liegt am Boden, so vsie ihn die Engländer, denen er vom Vizekönig zum Geschenke gemacht wurde, liegen Hessen. Südlicl» von der Stadt, zwischen ihren Ringmauern und dem See Mareotis , erhebt sich auf einem einzelnen Hügel die sogenannte Pompejussäule**. Ob sie auf ihrem ursprüng- lichen Platze steht, oder früher einen andern behauptete, wage ich nicht zu entscheiden , doch ist mir erstres wahr- scheinlich. Aus dem geschmacklosen und ohne allen Kunst- sinn aufgeführtem Fundamente Hess sich beinahe schliessen, dass dasselbe in einer schon barbarischen Zeit erneuert worden und nicht mehr das ursprüngliche sey. Der Schaft der Säule selbst ist (Vi Pariser Fuss hoch, besteht aus einem Stück rothen Granits von den Katarakten, hat oben 7 Fuss 3 Zoll, unten S Fuss 4 Zoll im Durchmesser und ist, meiner Ansicht nach — obwohl, wie es scheint, nicht ganz vollendet — ein Meisterstück von Ebenmaas. Durch ein höchst glücklich getrofieiies Verhältniss der Verjüngung des Schaftes von unten nach oben, welche nicht gleichmässig ist, indem diess der Säule ein zu spitzes Ansehen geben würde, sondern ober der Hälfte der Schaftliöhe in einem geringern Ver- hältnisse abnimmt, macht sie auf das Auge einen ungemein gefallij^en Eindruck, und ich theile daher keineswegs die Meinung des Mr. Rifaud, die er in seinem Werkchen: Gemälde von Egypten und Nubien, ausspricht. Die Höhe der ganzen Säule sammt Knauf und Piedestal beträgt, nach Hrn. v. Prokesch, 98 Fuss, \ 011 dem Hügel aus , worauf die Pompejussäule steht, hat man eine weite Aussicht. Man übersieht ganz Alexan- dria, den alten Hafen mit seinem Mastenwald und den neuen Hafen , in dem höchtens einige kleine öuaiantaine- schifie liegen. Das Auge ruht mit Lust auf dem wenigen Grün, welches den Hügel rings umgibt, und auf den schönen * Erinneiiingen aus Kleinasien und Egypten. I. Band. Wien 1829. *'■■■ Nach den neuern Forschungen Dioklelianssäulc. 110 Gärten längs des Kanals Maliinudieli; denn ausserdem hat man vor sich die nnbegränzte Fläche des Meers, ringsum die gelbrothe Wüste und hinter sich den weiten fahlen Spiegel des Mareotis, dessen Anblick den Eindruck einer unendlichen Ode und Einförmigkeit bewirkt. Der Mareotis- see hat einen Umfang von mehr als fünfzig Karavvanen- stunden ; denn er eistreckt sich von seinem südlichsten Ende, dem Ras Achmed, bis zum Mittelmeer, und vom Thurme der Araber bis zum Kanal Mahmudieh. Er erfüllt gegenwärtig diese ganze Niederung, die von dem Mittel- meere nur durch ein schmales Felsenriff voller Höhlen, und stellenweise von wenig über 3000 Fuss Breite, getrennt ist. In der frühern Zeit war dieses ganze Terrain gleich- sam eine Oase und war stark kultivirt ; Städte und Dörfer verbreiteten Leben, und nur ein kleiner Sumpf bestand, vielleicht infolge des Eindringens der Meereswasser durch das obenerwähnte Felsenriff erzeugt. Als aber im Jahr 1801 die Engländer den Damm durchstachen, der den Ma- reotis von dem See bei Abukir trennt und über den der Kanal von Älahmudieh jezt hinführt, drangen die Meeres- wasser von dorther in die Niederung ein und machten das ganze Terrain zum See. Später wurde der Damm wieder hergestellt und der besagte Kanal darüber hingeführt. Da derselbe jedoch höher liegt als der Mareotis, so ergiessen sich in der Zeit des hohen Nilstandes nicht nur die Überwasser des Kanals hinein , sondern es fliesst auch viel Wasser durch den grösstentheils sehr schlecht gebauten Damm durch, und der See erhält also fortwährende Nahrung sowohl durch Meer- als durch süsses Wasser. Der Wasser- stand des Sees ist daher abhängig von dem Stande des Nil, er wächst und fällt mit diesem. Die Wasser des Sees, an und für sich salzig durch das eindringende Meer, werden es noch mehr durch die Auslaugung der salzführenden Straten des Tertiär- und Diluvialgebildes, welches das weite Bassin umgibt, und daher kommt es, dass bei der jährlichen Abnahme des Wasserstandes, wenn der Nil fällt, in Ver- bindung mit der die Verdunstung befördernden grossen Sonnenwärme, sich eine sehr bedeutende Salzmenge absezt, 111 welche man in namhafter (Quantität g;evvinnt und für den Landesbedarf verwendet. Von der Pompejnssäule ritten wir anf nnsern fenrigen Arabern, die uns Boonos-Bey zu nnserm Spazierritte gesandt hatte, längs der Stadtmauer an dem Kanal von Malimudieh hin , wobei uns einige nnsrer des Reitens noch nicht sehr kundigen (iefahrten genug zu lachen gaben. Wir passir- ten die grossen Holz- und Baumwollen-Magazine des Vize- königs , viele der erbärmlichen arabischen Hütten , und kamen, der Meeresküste entlang, an der Redoute KafFarelli vorbei, bei der Nekropolis des alten Alexandria, den be- rühmten Katakomben, an. Das Terrain der Katakomben ist kahle Wüste, Felsen- niassen des kalkigen Meeressandsteins aus dünenartigen Anhäufungen von röthlichgelbem Flug- und Meeressand hervorragend. Die Felsen sind voller Löcher, theils solcher, welche von dem Meere ausgespült wurden , theils solcher, welche durch Kunst eingebrochen sind, INlschen für Todte, oder Eingänge zu den grossen unterirdischen Todtenkam- mern, den Katakomben. Mehrere dieser Eingänge werden gegenwärtig vom Meere bespült, zum Theil selbst bedeckt, und da diess wohl schwerlich von Vorne herein so gewesen seyn dürfte, so kommt man anf den Gedanken, dass das Meer hier dem Lande Raum abgewinnt, was, ohne weiters zu künstlichen Erklärungsmitteln Zuflucht nehmen zu müssen, leicht denkbar ist, wenn mau die leichte Zerstörbarkeit des Küstengesteins und den staiken Andrang der Meereswogen berücksichtigt. Eine ähnliche Erscheinung beobachtet man auch auf der Küste nach Abukir. Der grösste Theil der Katakomben -Zugänge und dar- unter auch mehrere Schächte, in deren einigen Treppen niedeigegangen zu seyn scheinen, sind durch den Sand der Wüste erfüllt und bedeckt, der auch in den zum Theil noch offnen den Zugang sehr beschwerlich macht. Wir betraten zuerst jene Kammern, die unter dem Namen der Bäder der Cleopatra bekannt sind: warum? das weiss ich mit so vielen Andern auch nicht; denn schwerlich haben diese Löcher je die schönen Formen ehier badenden Kleopatra o-eselien. Von da krochen wir durch verschiedene Gänge in mehrere dieser Kammern , die mir einst ausgemalt ge- wesen zu seyn schienen , die aber sonst nichts besonders Interessantes darbieten. Das Gewirre der vielen Gänge macht das Ganze zu einem wahren Labyrinthe, und man bedarf, um sich aus diesem finstern Reiche der Todten wieder ans Licht zu finden, in der That des leitenden Faden einer Ariadne, oder, in Ermanglung dessen, doch eines verlässiichen Arabers, deren ohnehin unzählige sogleich dem Reisenden ihre Dienste anbieten. — Die Luft ist in diesen Katakomben an und für sich schwüle und sehr matt, wird aber durch die Fackeln vollends zum Ersticken und erschwert die Besichtigung um so mehr, da die Gänge so enge sind, dass man beinahe fortwährend auf dem Bauche kriechen muss, was eine förmliche Erschöpfung herbeiführt. Gegen- wärtig werden die Katakomben von Hyänen und Schakals' bewohnt, daher die Masse von Gebeinen solcher Thiere, welche von ihnen dahin geschleppt und aufgezehrt werden. Von dem einst so berühmten Pharus sieht man jezt nichts mehr, und so sind denn, bis auf die vereinzelt ge- bliebenen Obelisken und die Pompejussäule, alle Denkmäler der alten Kunst in dem einst prachtvollen Alexandria ver- schwunden. Am 24. JMäiz fingen wir wieder an, uns zu unsrer Abreise nach Kairo zu rüsten. In Bezug der Zuthei- lung Achmed Kaptans* ergaben sich plötzlich neue Schwie- rigkeiten, indem man darauf dachte, dass er Professor an der Marine -Schule sey und als solcher nicht abkommen könne; da man ferner schon anfänglich beschlossen hatte, den zweiten Dolmetscher mir in Kairo erst beizugesellen, so ergab sich, dass ich in dieser Beziehung nun gerade so weit gekommen war, als ich damals war, da ich die * Ich sehe es ein, dass dergleichen Details allerdings einem grossen Theil der Leser etwas langweilig erscheinen werden, doch halte ich mich verpflichtet, sie nicht zu umgehen, damit man ein klares Bild von den Schwierigkeiten und Widersprüchen erhält, mit denen der in jenen Ländern zu kämpfen hat, der in einem amtlichen Verbände mit den dortigen Behörden steht und nicht blos für sich und zu seinem Ver- gnügen reist. 113 Küste von Afrika zuerst sah. Den Antrag-, mir einen ara- bischen Bedienten mitzugeben , welcher der italienischen Sprache mächtitr sey, nahm ich in der Bedeutung^ an, dass ich eines solchen Menschen allerdino;s bedürfe, aber dass ich ihn, schon den gewöhnlichsten Vorschriften der orientalischen Sitte gemäss, nie als Dolmetscher betrachten würde; abgesehen davon, dass ein IMensch von der Bil(hing eines arabischen Bedienten gar keinen Dolmetscher abgeben könne, und be- stand daher auf meiner ersten Forderung. Da half denn Hr. VON Dummreicher aus der Verlegenheit und überliess mir zur Reise nach Kairo und bis zur Zutheilung der gefor- derten zwei Dolmetscher seinen Commis, den Hrn. Pfäf- FiNGER, einen jungen Mann, gleich ausgezeichnet durch Bildung, wie durch anstandvolles, ernstes Benehmen, der mir als wahrer Freund lieb und theuer wurde und dem ich unendlich vielen Dank schulde. Die wenigen Tage, die noch bis zu unsrer Abreise verflossen j nahmen meine Bemühungen, die Expedition flott zu machen — was im Oriente keine Kleinigkeit ist, so dass es sprichwörtlich wurde, nie an dem Tage fortzukommen, an dem man sich abzugehen entschloss — grösstentheils in Anspruch; doch blieben noch einige freie Stunden, um sich in Alexandria selbst und seiner nächsten Umgebung um- zusehen. Der europäische Theil der Stadt, das sogenannte Fran- kenviertel, macht, wie schon gesagt, ganz den Eindruck einer europäischen Stadt, und zwar einer sehr hübschen. Man sieht auf einem grossen weiten Platze durchgehends grosse und schöne Häuser, die zum Theil von IßRAHiM-Pascha und einigen Privaten auf Spekulation erbaut wurden und grösstentheils von den anwesenden Konsulaten der verschie- denen Nationen, beiläutig 20 an der Zahl, beuüzt werden. In der neuesten Zeit haben sich über 40 europäische Handlungs- bäuser in Alexandria etablirt, von denen ebenfalls die meisten in diesem Theile der Stadt ihre Wohnungen und Coraptoirs haben. Die Anlage des ganzen Frankenquartiers ist sehr regel- mässig, die Strassen sind breit, licht, gerade: wie man aber dasselbe verlässt, geräth man entweder in die engen, krummen RiiSNtr.GiiR, Rfiscn. I. Bd. 8 114 Gassen des Türkenviertels, in die scheiisslichen Dörfchen der Soldaten innerhalb der Stadtmauer, oder zwischen die Schutt- haufen des alten Alexandria. Die Pest trat während meiner Anwesenheit in Alexandria nur sehr gelinde auf, wenige Todesfälle ereigneten sich, und die Sanitäts-Behörde — ein Institut durch die europäischen Konsulate herbeigeführt und unter einem Komite mehrerer Konsule stehend — war in voller Thätigkeit. Doch bei dem ersten Blick auf alle die vielen Hindernisse, welche die edlen Bemühungen der Europäer durch die Gleichgültigkeit der Regierung, durch die Stupidität der Bevölkerung, durch das henschende Elend , durch die Widersprüche einer fanatischen Religion etc. finden und zu bekämpfen haben, sieht man, dass es diesen Bemühungen kaum gelingen kann , dem furchtbaren Übel einen kleinen Damm entgegenzusetzen, von Ausrottung ist gar keine Rede. Daher hört die Pest in Egypten nie auf, sondern sie dauert, wenn auch nicht gerade in so schreck- lichen Formen, doch immer fort, erscheint als Typhus z. B., als Pest von gutartigem Charakter, bricht aber bei der ersten Veranlassuug von Aussen in ihrer vollen Wuth als Epidemie aus. Ich werde Gelegenheit haben , auf diesen Gegenstand wieder, und zviar mehr im Detail, bei der Dar- stellung der klimatischen Verhältnisse Egyptens, zurück- zukommen. Noch vor kurzer Zeit war es in den Hauptstädten von Egypten eine Schande, zu gehen, und nur der gemeinste Theil der Bevölkerung that es. Seit der Zeit aber, dass die Europäer, besonders in Alexandria, ein gewisses Über- gewicht bekommen haben , fängt man auch mehr und mehr an, den Gebrauch der Füsse zu üben. Früher war allgemein im Oriente den Christen das Reiten zu Pferde untersagt, und sie waren ausschliesslich auf die Esel hingewiesen ; doch dieser Unterschied hat, seitdem Mehemed-Ali als Gegner des Fanatismus aufgetreten ist, aufgehört, und jezt sind es gerade meist die Europäer, bei denen man die besten und schönsten Reitpferde trifit. Inzwischen ist das Reiten auf Eseln noch immer höchst gewöhnlich , um so mehr , da sie ganz vortrefflich sind und sehr sanft tragen. Demungeachtet 115 innss ich gestehen, ilass ich in meinem enropäischen Eigen- di'inkel und in meiner eniopiiischen Veizogenheit mich eines gewissen nnangenelimen Gefühls nie erwehren konnte, >venn ich auf einem solchen Grautliierlein im allerkürzesten Galopp zum Thor hinaussprengte; besonders aber war diess einmal der Fall, als der Treiber, der hinter mir nachlief, so oft er sein Eselchen antrieb, ausrief: „Geh du (hristen- hund !" Erzürnt kehrte ich mich um und that rasch die etwas dumme Frage, wen er denn eigentlich von uns beiden meine, da sagte er denn auch mit einer höflichen Verbeu- gung: „O Herr! ich meine den Esel, und ihn so zu nennen, ist bei uns üblich ;" mit welcher Ehrenrettung ich mich natürlich zufrieden stellte. Unter den Fabriken des Pascha ist besonders das Ar- senal das Sehenswertheste. Ich besah es aber erst bei meinem zweiten Aufenthalte in Alexandria, da gegenwartig der im Arsenal ausgebrochenen Pest halber der Zutritt untersagt war. Die eisernen Gitter waren geschlossen und Wachen vorgestellt. Auf dem Platze vor dem Eingange war eine unzählige Menge von Weibern und Kindern ver- sammelt— die Angehörigen der im Arsenale eingeschlossenen Soldaten. Es war gerade 3Iittagsstunde, die Soldaten von innen, Kopf an Kopf — die Weiber aussen am Gitter, dicht gedrängt, ihre Kinder auf den Armen. Die Weiber und Mädchen alle in blauen Hemden, einige mit grossen Ringen in den Nasen , einige im Gesichte und auf den Armen tättowirt, einige sehr hübsch. Das entzückende Bild einer schönen Mutter mit ihrem Kleinen auf dem Arme fällt aber hier weg; denn ist die Form der erstem auch noch so erotisch , so ist das leztere meist desto abscheulicher. Wenige Kindersieht man, die man liebkosen möchte; meist sehen sie fahl, kränklich und zum Entsetzen schmutzig aus; Fliegen kriechen in Schaaren um 3lund und Nase, und sie dulden sie mit der üuempfindHchkeit einer Leiche. Dicht an dem Arsenale, und damals ausser dem Be- reiche der (iuarantän-Sperre, befindet sich die Glashütte des Vizekönigs. Sie ist eine Hütte und bietet nichts Be- sonderes dar. S» Alexandria hatte damals sclion einige recht gute Gast- höfe, in denen man ganz narh europäischer Sitte bedient wurde. Auch ein Badehaus nach europäischer Manier wurde etablirt, und ich fand es in einem Zustande, der manchem ßadehause in Europa zum Muster gestellt werden dürfte. Gerade dadurch wurde einem wesenth'chen Bedürfnisse ab- geholfen; denn mögen auch manche Reisende die orientali- schen Bäder noch so sehr loben , so glaube ich , können ihnen doch die \<^enigsten Europäer wirklichen Geschmack abgeninnen. Sie sind gute par-force-Reinigungs-Anstalten, aber gerade wollüstig konnte ich das Striegeln , Ziehen, Kneipen, Zwicken etc. niclit finden; woM fühlte ich da- gegen Ermüdung in Folge dieser Tortur , zulezt auch Wohl- behagen, das sich aber von dem guten Mokka, den man mir reichte, und von dem edlen Latakie, mit dem man meine Pfeife stopfte, herschrieb. 3Iein Freund und Gefährte, Dr. Veit, besuchte mit dem damals in egyptischen Diensten gestandenen Flotten- Arzte, Dr. Koch, das Militär-Spital und fand es sehr reinlich und höchst zweckmässig eingerichtet. Diess ist unter der Ägide des mächtigen Vizekönigs das Verdienst europäischer Ärzte gewesen, d. h. wirklicher Ärzte, nicht jener Köche, Pastetenbäcker und Materialisten, die unter jenem Kamen sich häufig in Egypten vorfinden und schaudervolle Gräuel begehen , wozu ich im Verlaufe der Erzählung so manchen Beleg geben werde. Man darf, um diese Behauptung wahr zu finden, nur die egyptischen Spitäler und das Sanitäts- wesen der Armee in den entfernteren Provinzen betrachten, wo auch sogenannte europäische Ärzte in Verbindung mit Jüngern des Hippokrates aus Abns-abel das Regiment führen, — aber was für eines ! so dass wirklich hie und da, wie ich mich leider nur zu sehr überzeugte, kein Einfluss von Aussen gefährlicher seyn kann, als der der Behandlungsvvcise von manchen dieser Ärzte. Unter den mancherlei interessanten Krankheitsfällen, die Dr. Veit daselbst zu sehen Gelegenheit hatte , fand er die verschiedenen Fälle der egyptischen Augenentzündiuig besonders belehrend. Es gibt Leidende an dieser Krankheit, bei denen das Übel so zunimmt, dass 117 der Augapfel des kranken Auges hervortritt und zerplazt. Auch ein sehr sehenswerther Hermaphrodit befand sich ge- rade im Hospitale; es war ein Knabe. Wir gingen mit Pavich und Achmed -Kaptan an Bord mehrerer Kriegsschiffe , unter andern auch auf das Linien- schiff Nr. 6 , welches Hareddin - Bey kommandirte. Von Seite des Kommandanten und seiner Offiziere ward uns der freundliciiste Empfang , und nach genossenem Frühstücke führte uns ersteicr selbst im ganzen Schiffe herum. Ich muss bekennen, dass das freundliche, zuvorkommende Be- nehmen, das fast an europäische Routine gränzte, die grosse Reinlichkeit, der Glanz und die Pracht, die iiberall herrschten, die Augen fesselten und die Beurtheilung anfanglich sehr unriclitig machten ; denn im Ganzen blieben die Schiffe doch unter aller Kritik schlecht und die Mannschaft ebenso, doch leztere immer noch besser, als auf den türkischen Schiffen. Die Erbauung eines solchen Linienschiffes sammt seiner Ausrüstung kostete den Vizekönig über 1 Million span. Thaler, und die Erhaltung desselben sammt der 1100 Mann starken Besatzung Tag für Tag wenigstens .500 Thaler. Das Schiff führte 100 Kanonen. Von da gingen wir an Bord der Fregatte Egypten , die gerade aus Syrien ge- kommen war, und endlich an Bord des Dampfschiffes, welches damals des Vizekönigs einziges war. Es war in Europa gebaut, die Maschine für 240 Pferdekraft eingerichtet und das Ganze sehr schön arrangirt *. Ausser Hrn. Pfäffinger hatte sich nun unsere Gesell Schaft noch um zwei Bedienten und einen Kabass vermehrt, der von BooHos-Bey als Begleiter mitgegeben wurde, und dessen Geschäft eigentlich war, alles das zu besorgen, was einen amtlichen Anstrich hatte, oder in dessen Aus- führung Prügel, nach Landessitte, sich als unausweichliche Folge ergaben. Natürlich schlägt der Kabass nur die, die unter ihm stehen, diese aber auch ordentlich, und führt da- zu stets die nöthigen Instrumente, Stock oder Peitsche, mit. * Hinsiclitlich der gesrhiclitlichen Nachweisungcn , Alcxaiidria be- treffend . verweise icli auf die kurze Skizze in Dr. Paktheys Werke : Wanderungen durch Sizilien und die Levante. Zwei Bände. Berlin 1840. 118 Am Abende des 1(». März waren iinseie Effekten auf ZAvei a,i'ossen Set^elbarken, sogenannten Dababien, eing;e- sdiifft; wir <>inf»en in Beg,Ieitnno; einioer Frennde ati Bord und fuhren anf dem Kanäle Mahmudieii nach Adfueh ab. Reise von Alexandria nacli Rairo und Anfentitalt daselbst. Wir hatten conträren Wind , die Scliiffe mussteii daher die ganze JXacht gezogen werden. Die Barken ent- sprachen dem schönen Namen el-Dahabia, die Goldene, nicht ganz, Sie waren für so viele Menschen und so viel Gepäcke zu klein und Hessen überhaupt Manches zu wünschen übrig. Kaum hatte die Sonne ihre lezteu Strahlen in den bleichen Spiegel des Mareotis getaucht, so fing es unter dem Kajüten- Boden sich zu regen an, und, begünstigt durch den Schleier der IVacht , erschienen die langgeschwänzten Geister und begannen uns zu necken. Ich sezte mich daher vor die Kajüte und sah unsern Matrosen zu , wie sie gebückt am Ufer gingen und die Barken zogen. Ein einförmiger, aber keineswegs widerlicher Gesang, wenigstens weit hübscher als die Nasen-Melodien der Griechen, begleitete ihre Schritte und hatte nieist ein ganz einfaches Gebet zum Gegenstande. So zogen die Leute die ganze Nacht fort, und ich konnte über ihre Ausdauer nicht genug staunen. Der Araber, wie jeder Sohn eines heissen Landes, ist indolent, faul, kann aber andrerseits viel aushalten und unterzieht sich An- strengungen des Körpers mit einer unbegreiflichen Geduld und Ausdauer. Der Tüike, der jezt Avie ein Klotz auf seinem Divan sizt und sich Mühe gibt, nicht einmal etwas zu denken, sezt sich im nächsten Augenblicke zu Pferd und reitet ein paar hundert Meilen durch brennende Wüsten, all das Nöthigc bei sich auf dem Sattel. Der Araber, auf seinen Fersen hockend , im blossen Hemd, halb nackt im Winter und Sommer, im Sturm wie im Sonnenschein, ohne andere Kost als Brod , Zwiebel, Knoblauch und Wasser, scheint festgebannt zu seyn : er springt aus Ufer, schlingt sich das Seil um den Leib und zieht nun ununterbrochen die halbe Naclit das Schiff gegen Strom und Wind. Der Araber 119 vereint In sich die verschiedensten Elemente, die grössten Widerspriiche, wie jeder Mensch, der abhäno;i^ vom Mo- mente ist, und dahin gehört vor allen der Natnrmensch. Er hat so viele Normen seiner Handlungsweise, als sich ihm Motive darbieten; denn Einheit der Norm in den Handlunoen gibt nur die höchste Kultur, die vollendetste Civilisation, und diess gerade ist die Bedingung, wodurch der Mensch zum Menschen wird, der Geist des humanen Gesetzes, der göttliche Strahl, der vorziiglich vom Christen- thume ausging. Als es tagte, stiegen wir aus und folgten der Barke zu Fuss längs dem Kanal, indem wir Zeit genug hatten, den vielen Tauben und Enten nachzujagen und uns den Braten für die Küche zu schiessen. Das Land ringsum ist ganz eben, so weit das Auge reicht nicht ein Hügel. Nur hie und da ein kleines Palmenwäldchen , die Stelle eines Dorfes bezeichnend, und von Zeit zu Zeit ein kleines Dörf- chen am Kanäle bieten dem Auge einen Ruhepunkt. Diese Dörfchen bestehen aus elenden Lehmhütten , eine an die andere geklebt, die Thüre vertritt zugleich die Stelle der Fenster und des Schornsteins, vor den Hütten der Unratli in hohen Haufen, innen nach unsern Begriffen kaum Raum für drei oder vier Personen , und die Atmosphäre ringsum erfüllt von dem stechenden Qualm des Kamelmistes, des einzigen Brennmaterials der Fellahs. Man kann sich bei diesem Anblicke denken : ländlich-sittlich ; doch der Aus- druck des Elendes im Gesichte der Bewohner dieser ekel- haften Hütten sagt mehr. Der Boden ist Nilschlamm, wie auf dem Delta und wie überhaupt der Kulturboden in ganz Eg7pten5 doch fand ich ihn im Ganzen in der Nähe des Kanals wenig bebaut; wo diess aber der Fall ist, da entwickelte sich auch die üppigste Vegetation. Überall, wo dieser Schlamm nicht bewässert und bebaut wird, bilden sich in demselben Salze und nehmen so an Masse zu, dass er in wenigen Jahren eine Art Wüste bildet, in Staub zer- fällt und höchstens noch den Wuchs von Salikoruien be- günstigt. Die Bevölkerung in der Umgebung des an 24 Stunden langen Kanals hat seit der Zeit, als Hr. v. Prokesch im Egypfeii bereiste, sehr abgenonnnen, und jezt dürfte man selten Stellen finden, von denen aus man so viele Ortseliaften bemerken ^viirde, als es damals der Fall Avar. Schon im Alterthume bestand ein Kanal von Alexandria zum Nile, er ging jedoch in einer mehr südlichen Richtung. Mit dem Erlöschen des Kultur-Aufschwunges in Egypten, und besonders in der barbarischen Zeit der Mameluken- herrschaft, verfiel dieser Kanal ganz, und erst, Mehemed-Ali dieses Hauptbedürfniss des Landes erkennend , war der Schöpfer des neuen Kanals. Er benuzte zum Theil den alten, der gesäubert wurde; weiterhin Avurde er neu gegraben und in küizerer Ausdehnung mehr nördlich geführt , so dass er jezt den Nil bei Adfueh , beinahe Fuah gegen- über, trifft. Zur Säuberung und Ausgrabung des Kanals wurden die Fellahs in grossen Schaaren zusammengetrieben. Man zwang sie, ohne W erkzeuge, die man nicht hatte, zu arbeiten, d. h. den zäiien Schlamm mit den Händen auszuschöpfen. In Folge dieser unmenschlichen Anforderung, durch Hunger, Seuchen und Schläge, ging eine Masse dieser Menschen zu Grunde, nach Einigen 12,000, nach Andern 15,000, nach noch Andern gar 20,000. Kurz, die traurige Wahrheit liegt als Faktum da , dass eine Menge Menschen in Folge barbarischer Behandlung zu Grunde ging. Nun das kann man doch nicht einen Akt der Civilisation nennen ! Wie unter solchen Prämissen natüilich, ist der Kanal schlecht gemacht. Der Damm lässt überall Wasser durch, der Kanal selbst ist seicht und schlecht unterhalten, daher er sich fort- während stark verschlämmt, auch hat er viele Krümmungen, die man wohl hätte vermeiden können. Die Linie der Telegraphen-Thürme zwischen Alexandria und Kairo zieht sich zum grossen Theile entlang dieses Kanals, und sehr häufig findet sich um solche Thürrae ein armes Fellah-Dorf, Übrigens war der Kanal stark be- fahren , und eine Menge Schiffe begegneten uns hin - und zurückgehend. Alle diese Schiffe haben grosse, sogenannte lateinische, Segel und waren meist so sehr bepackt, dass das Wasser beinahe über Bord schlug, so dass die Schiffer vn genothigt waren, eine Lehmwaud zu beiden Selten des Ver- deckes anznbrinoen. In den Vormittagsstunden, beiläufig um 9 Uhr, begann sich in der Ebene Fata Morgana zu zeigen. Ringsbenim sahen wir einen weiten , vom Windhauche leicht bewegten See, aus dem die Dörfer und Palmwäldchen wie Inseln hervor- ragten und in dem sie sieb spiegelten. Die mindesten Er- höhungen des Bodens hatten das Ansehen von (iebirgen, die aber mit dem Luft-See wieder veischwanden, je nälier man diesen Gegenständen kam. Die Bilder waren sehr bewegt, machten aber doch einen höchst einförmigen , trostlosen Eindruck. Ich werde auf diese Erscheinung und auf ihre Ursachen bei meinen Reisen durch die Wüste von Nubien ausführlich wieder zurückkommen. lim Mittag kamen wir in Adfueh an. Daselbst befindet sich die grosse Schleusse , welche den Kanal vom Nile aus mit Wasser versieht und bei niederm Wasserstande zugleich mit der in Alexandria geschlossen bleibt, um das nöthige Fahrwasser im Kanäle zu erhalten, zur Zeit der Überschwemmung aber zugleich mit jener geöffnet wird, wodurch die Wasser vom JNile in der erforderlichen Quan- tität durch den Kanal strömen und zu seiner Säuberung beitragen. Gerade als wir ankamen, wurde an der Schleusse der Kanal gesäubert. Nackte Männer standen bis am Halse im Wasser und schöpften mit den Händen den Schlamm aus, wozu sie natürlich auch untertauchen mussten. So sahen wir also diese uns neue Methode selbst mit eigenen Augen. Zugleich arbeiteten ein paar plumpe Maschinen, durch Menschenkraft bewegt, nebenbei zum gleichen Zwecke. Adfueh ist der Hauptlagerplatz, wo alle aus Oberegypten, Kairo und Rosette kommenden und nach Alexandria be- stimmten Barken ihre Waaren löschen und auf andere Schiffe umladen, indem kein Fahrzeug, ausser ganz schmalen Ruder- barken, die Schleussenthore passiren kann. Nur mit Mühe konnten die Matrosen unsre beiden Barken duich die grosse 3Ienge andrer Barken , welche bei Adfueh im Hafen lagen , durchzwingen, um zur Treppe ara Landungsplatze zu gelangen. Die Masten dieser Barken bildeten einen förmlichen Wald und gaben dein Ganzen einen höchst lebendigen Anstrich. In Adfueh befinden sich ein paar etablirte europäivsche Hänser, ausser diesen die grossen Waarenmagazine des Vizekönigs und ringsnniher die Hütten der hier wohnenden Fellahs in armseligen Dörf- chen grnppirt. Auch wir Hessen nun unsre Sachen auspacken und aut die andre Seite von Adfueh , am linken Ufer des Nils, d. h. seines einen grossen Armes, des von Rosette, bringen, während welcher Zeit der kommandirende Offizier, gespornt durch den Ferman BooHos-Bey's, sich um andre Barken zur Nil reise für uns umsah. Adfueh beinahe gegenüber liegt die Stadt Fuah, die sich mit ihren Minarets ungemein hübsch ausnimmt. Über- haupt ist hier die umliegende Gegend überraschend freundlich und gewährt das erste lebendige Bild einer exotischen Land- schaft. Der Strom hatte jezt gerade seinen tiefsten Stand, und doch war seine Breite, d. h. die des Armes von Rosette, bei Adfueh an 1500 Fuss. Die Strömung war stark, ist aber noch stärker bei hohem Wasserstande. Die Ufer des Delta uns gegenüber prangten im üppigsten Grün, wogende Saaten und das undurchdringliche Schilf am Ufer wurden duich die umfangreichen Kronen mächtiger Sykomoren über- schattet, und darüber hin ragten die Dattelpalmen, ihre Feder- kronen hoch in den Lüften vor dem Windhauche beugend. Im Hintergrunde das stattliche Fuah mit seinen dunkeln sarazenischen Häusern und seinen weissen Minarets, dicht vor uns der heilige Strom, der ernst und stille seine aus den glühendsten Erdstrichen des Innern von Äthiopien kom- menden braunen Wogen dem Meere zuführt, als wollte er sagen : ich, und ich allein bin der Weg', den die Natur euch und der Kultur in jene fernen Landstriche gebahnt hat. Als ich die Landungstieppe an der Schleusse hinaufstieg, durch die Menge micli drängte und nun auf einmal an dem Strome stand, der uiisre Weltgeschichte unter die Perioden der seinen rechnet, die er an sich vorüber gehen sah : da schlug mir laut das Herz, und mechanisch konnte ich nur ausrufen: der Nil! Wäre er auch nicht gewesen, so würde allerdings 12;) die Kultur ihre Wege get^angen seyn: ob sie aber die ge- gangen wäre, die sie durch seine Vermittlung eingeschlagen hat, das ist die Frage. Indische Kultur und indischer Kultus traten nach Afrika iiber*, in Folge der Haudelsuege, die damals, und zwar zur See, beide Eidtheile verbanden, und fassten Wurzel an den Strömen Hochäthiopiens, deren gemein- schaftlicher V^ereinigiingsfaden der Nil ist. An seinen Ufern fanden die fremden Eingewanderlen ihien ersten Ruhepunkt, er Aviirde den Flüchtigen zur zweiten Heimath. Der rauhe Nordländer, der dem indischen Sagenkreise seine Traditionen entnahm, führte dieselben nicht ins Leben ein. Der warme Südländer aber begnügte sich nicht mit der blossen Mythe, er entnahm dem Osten seine Bilder und gab sie Avieder, wenn auch zum Theil in anderen Formen. Er wollte mit Augen sehen, weil er wärmer fühlte als sein ferner nordischer Adams- bruder; er schuf, während der andre träumte. Die Ufer des grossen Stroms wurden zur zweiten Wiege der Kunst, des Kultus: beide stiegen Hand in Hand nieder aus dem hohen Süden gegen Norden, sich Schritt für Schritt veredelnd, huldigten in Egypten der Idee der riesenhaften Pracht, wurden in Hellas , zur Vollendung sich erhebend , Eigenthum der Grazien, in Rom dem Luxus tributär, bis sie endlich im mysteriösen Style des Nordens jene ernsten, bizarren Formen annahmen, die wir unsre Baukunst nennen. Uns ist die Poesie des Lebens nur in einer solchen Dosis eigen, dass wir die Leistungen der Vorzeit ehren, preisen, auch verstehen, aber noch immer nicht erreichen : denn wir gehen einen andern Weg, auf dem die Grazien uns nicht folgen: und wo sie diess willig thun würden, da mangeln uns die lebensvollen Originale, die nur der warme Hauch des Südens schafft, denen der Meissel des Griechen die Schönheit und vollendete Wahr- heit seiner Formen dankt. — Daher beuge dich, stolzer Europäer, vor dem heiligen Strome; denn wäre er nicht, vielleicht würdest du noch als Rothhaut in deinen Wäldern leben und die Rothhaut an deiner Stelle auf Akademien forschen, lehren und dich einen Wilden nennen. * Hierüber in meiner Reise durcli Nnbien. M4 Nach einem kurzen Aufenthalte in Adfueh schifitcn wir uns auf iinsern neuen geräuniis'en Barken ein und segelten mit Einbnieh der Nacht nach Fuah, wo wir landeten. Die Nixen des Stroms in der Gestalt schöner Arabeiinuen , in ihrer ersten Jugendblüthe, machten den Reisenden am Ufer die Honneujs und suchten durch ihre Kunst im tollen Treiben des arabischen Tanzes das Bezauberungsrecht ihres Ge- schlechtes auszuüben , wozu freilich dieses Mittel gerade nicht das beste ist; denn die arabischen Tänze sind ohne Anmuth und zum Theil wahrhaft abscheulich. In Fuah be- finden sich ßaumwollen-Spinnmanufaktiiren, auch eine Fabrik für Tarbusche oder Fesse, die rothen Mützen der Morgen- länder, wobei einige Araber augestellt sind, die in Deutschland ihre Lehrzeit verlebten und sehr fertig deutsch sprachen. Am frühen Morgen segelten wir ab. Das Land rechts und links des Stromes wurde immer schöner: es war au beiden Ufern stark bebaut; Sykomoren, Pappeln und Palmen sind in den niedlichsten Gruppen zusammen gesellt, in ihrem Schatten manchmal ein Dörfchen, das man freilich nicht näher beschauen soll, um die schöne Illusion nicht zu stöieu, manchmal eine niedliche 3Ioschee in acht maurischem Ge- schmacke, manchmal das Grab eines Heiligen mit einfacher Kuppel, lauter allerliebste Bilder, die den Reisenden, noch nicht gewohnt an das eigenthümlich Schöne des Süden, bezaubern, so dass man sich Mühe geben muss, darüber das Elend nicht zu vergessen, das doch überall durchblickt. Beide Ufer waren noch stark bevölkert, und wir fuhren an vielen grossen Dörfern und Städtchen vorüber. Der Nil überschwemmt hier in der Zeit seiner Höhe das Land zu beiden Seiten des Stroms, und um dieses zu befördern, be- stehen zahllose Kanäle, die besonders das Delta in allen Rich- tungen durchziehen und mit Schleussen versehen sind, welche die Regulirung des Wasserstandes zum Zwecke haben. Um je- doch die nöthige Bewässerung, auch ausser der Zeit der Über- schwemmung, herbeizuführen, oder ihr, wenn der Nil nicht hoch genug steigen sollte, nachzuhelfen, bestehen — ein freilich nur schwaches Mittel — eine Menge sogenannter Sakien, Wasser- züge, die mit Ochsen betrieben werden. Es sind gewöhnliche 125 Paternostenverke, ilie in einem Tioo e oder Kanäle {^«»^[iessen, durcli den sodann das VV^asser weiter in die Bewässernngs- g;räben vertheilt wird. Solcher Sakien sind unzälilige an beiden Ufern des Stroms, an allen Kancälen dnrch ganz Egypten, durch ganz Nnbien, in Sennaar und am weissen Flusse, vom Mittelmeere bis beinahe zum 12. Breitengrade. Oft folgen sich diese Sakien in Zwischenräumen von wenigen Schritten auf einander, geben sich schon aus der Ferne dnrch das Geknarre ihrer Räder zu erkennen und werden von Oberegypten an, wo die Ufer des Stroms bereits so hoch sind, dass er in der Zeit der Überschwemmung nicht mehr austritt, als einziges ßewässerungsmittel gebraucht, bis im höhern Süden, von Dongola an, die tropischen Regen zu Hülfe kommen. Der Fellah muss von diesen Sakien eine gewisse Steuer bezahlen , und auch die Frohne wird zum Theil darnach bestimmt: eine sehr schlechte Einrichtung, die hindernd auf den Ackerbau zurückwirkt. Diese Sakien selbst sind fast durchgehends äusserst roh konstruirt und bestehen ganz einfach aus einem horizontalen Kammrade, an dem die Ochsen angespannt sind, und welches einen Trilling bewegt, der an der Welle sizt, um deren eines Ende sich das Seil oder die Kette schlingt, an welcher die Scliöpfliannen angebracht sind. Da der Nil ein äusserst geringes Gefälle hat, so kann er selbst als Betriebskraft für diese Maschinen nicht benüzt werden, Holz ist nicht vorhanden, Steinkohlen sind zu theuer, und man ist also auf thierische Kraft beschränkt, die man allerdings, wenig- stens zeitweise, durch Windkraft ersetzen könnte, besonders wenn man den Maschinen nur eine etwas zweckmässigere Einrichtung geben würde. Wir landeten bei Schibrahit, nachdem wir die grosse Ort- schaft Salamunieh am rechten Ufer passirt hatten. Die Gerste war (18. März) bereits zum Schnitte reif. Unter den Palmen des Dorfes gab ein Marionetten -Spieler seine Vorstellung; dieselbe hatte die Idee des gewöhnlichen arabischen Tanzes zu Grunde, war aber so schmutzig und abscheulich, dass ich derselben schicklich nicht weiter gedenken kann. Wir benüzten den Rest des Abends, um auf die Jagd zu gehen. Rln2;suinlier sahen wir das Land bebaut, eine Menge von Dörfern mit ihren Minarets, umjifeben von Pahnen und Syko- moren , voller Kanäle. Was könnte ein solches Land in den Händen einer humanen Ilegiernng; werden, welche die materiellen Interessen des Volkes g^ehörig; zu würdigen und zu fördern verstiinde , unter deren Schutz der Landmanii sein Eigenthuni besässe, die Früchte seines Fleisses auch ernten dürfte! Doch für dergleichen Ideen hat selbst der alte Vizekönig keinen Sinn, den ich übrigens mit Napier unstreitig; für den gescheidtesten Türken halte. Am Abend sezten wir unsre Fahrt bis zu dem grossen Dorfe Kaflfr- Sejad am rechten Ufer fort, an dem wir die Nacht über liegen blieben. Die Nacht durch regnete es stark, der Morgen aber war wunderschön. Wir brachen früh am 19. auf, die Natur war wie neu belebt, die Ufer des Stroms mit reich bebauten Fluren bedeckt, Minarets und Moscheen stiegen zwischen Palmen und Sykomoren empor, Büffel und Kamele zogen zusammengespannt am Pfluge der wie immer schreienden Araber; denn leztere thun nichts, ohne dahinterher zu schreien. Alles lebte, alles regte sich, und hier sah man es deutlich, dass diess das Land seyn müsse, welclies einst die Korn- kammer der alten Welt war. Jn Nigileh am linken Ufer hielten wir an. Arabische Mädchen sprangen uns entgegen und luden uns in ihre Hütten ein, arabische Frauen gingen zum Nile, auf der Schulter den antiken Krug balancirend, oder ihn auf der flachen , hoch emporgehobenen Hand tragend , jede im langen blauen Hemde , den Schleier über dem Kopfe, ein getreues Bibelgemälde. Der Flachs war in voller Blüthe. Hier sahen wir auch mehrere aus Reisig geflochtene und mit Büfl'elhaut überzogene Kähne, in denen die Araber über den Nil setzen. Diese Kähne sind ausserordentlich leicht. Eine ganze Büifelheerde sezte am Dürfe über den Nil; die Thiere schwammen vortrefflich, und die Hirten sassen auf dem Rücken der Schwimmenden. Wir landeten noch einmal, und zwar am Dorfe Nadir, wo sich schöne Felder, Gärten und Palmenwälder befinden, und fuhren an Ghisahi vorüber, wo eine Menge Taubenschläge und 127 mehrere Ofen zur Aiisbrütung; von Hühnern mittelst künst- licher Wärme angebracht sind. Die Taubenschläoe bihleu einen integrirenden Bestandtheil der Häuser und nehmen den obern Theil ein , wo zu diesem Behüte das flache Dach mit einer Menge Spitzen und Thürmchen versehen ist, durch die sich ein ge^^ isser maurischer Geschmack klar ausspricht. Die Dörfer werden, je näher an Kairo, desto hübscher. Man sieht nur selten hier die abscheulichen Hütten der Fellahs, wie sie am Kanal von Mahmudieh sich befinden, die Häuser werden grösser und haben ein stattlicheres Ansehen. — Abends kamen wir in Terraneh an, wo wir die Nacht über liegen blieben. Terraneh liegt am linken Nil -Ufer, es ist die Einbruchs -Station in die Makarins- Wüste zu den Natron- Seen. Daselbst wohnt der Direktor des Etablissement, welches an den Natron -Seen zur Gewinnung des Natrons begründet ist. Er ist ein Italiener, Namens Baffi, und nicht nur der leitende Beamte für jenen Theil der Natron- gewinnnng, die der Vizekönig auf eigene Regie betreibt, sondern auch selbst Pächter eines Theils dieser Produktion. Da ich im Sinne hatte, auf meiner Riickreise von Kairo eine Tour zu den Natron -Seen zu machen und auch an Baffi von Alexandria aus adressirt war, so machten wir ihm einen Besuch. Wir trafen Baffi mit dem Gouverneur der Provinz Behera und einigen andern Türken auf eine acht patriarchalische Weise auf Teppichen am Ufer des Nil sitzen, wo sie , umgeben von andern Offizieren , von Hausbe- dienten und Neugierigen, ihre Geschäfte abmachten. Wir nahmen Platz, ich iibeigab Baffi, einem herzensguten Alten, einem der liebenswürdigsten Europäer, die ich in Egypten kennen lernte, meinen Brief, worauf er uns einlud, bis zur Beendigung seines Geschäftes in sein Haus einzutreten. Wir thaten diess und wurden bis zu seiner Ankunft daselbst mit Pfeifen und KafFe bedient. — Endlich erschien unser neuer Freund, der vor Allem eine Bowle Punsch bereitete, und nachdem wir auf den Divanen umher Platz genommen hatten, sich anschickte, unser Anliegen zu vernehmen. Er war iiber meinen Plan, selbst zu den Natron-Seen zu reisen, sehr erfreut, gab uns über die dortige Beschaffenheit des 128 Terrain und über die Art und Weise seiner Manipulation vortrefFliche Aufsclilüsse und versprach unsern Reisezweck bei der Rückkehr auf das Thätigste zu befördern , welches Versprechen er auch getreulicli hielt. Spät in der Nacht erst verliessen wir Baffi's freundliches Haus und kehrten anfs Schiff zurück. Kaum waren wir am Morgen von Terraueh abgesegelt, als sich conträrer Wind erhob und Avir genötliigt waren, den ganzen Tag durch an einer Insel im Nile liegen zu bleiben. Die Jagd versüsste uns diese Reiseverzögerung, und zwar fanden wir nicht nur die in Egypten so sehr häufigen Tauben, sondern wir hatten auch sieben Wild- schweine in unsrem heutigen Revier, welche uns nicht wenig zu schaffen gaben , auch trieben wir einen Schakal auf. Nachmittags erhob sich Chamsin. Die Hitze während des- selben war sehr stark und beengend, die Luft war ganz erfüllt mit Sand und Staub. Diese Erscheinung hatte jedoch bei weitem nicht jenen grossartigen Charakter, den die Chamsine in den grossen Wüsten und Savannen * des Innern beobachten lassen. Da sich Abends Avieder günstiger Wind erhob, segelten wir ab und sahen bald vor uns die Wüste bis an den Strom am linken Ufer vordringen. Sie nahm von Süd in West den ganzen Horizont ein , eine röthlichgelbe Wellenlinie, ein eigenthümlicher, ich möchte sagen, trauriger Anblick; denn sie ist der mächtige, un- überwindliche Damm, welchen die Natur dem organischen Leben, der Kultur entgegensezt; jener Sandocean, den keine Macht erobern, den kein Kolonist bebauen kann, der allein dem Beduinen frei eigen ist, der sein grosses Heimathland bildet, aus dem er kommt, man weiss nicht woher, in dem er verschwindet, man weiss nicht wohin. Wir fuhren die ganze Nacht durch, blieben zwar einigemale auf den vielen Schlammbäuken des Nil festsitzen, kanjen aber jederzeit gleich wieder los. '•' Ich bediene mich für jene Ungeheuern Grasebenen zwischen den Tropen, in der trocknen Jahreszeit ein Stoppelfeld, in der Regenzeit ein Graswald, des Wortes Savanne, weil dasselbe allgemein bekannt ist, das arabische Wort Chala aber doch von Wenigem gekannt seyn dürfte. 129 Am Morgen des 21. März, als tlie Sonne ihre ersten Stralilen über ilas Land d«;r Pharaonen hinsandte nnd wir vor die Kajäte g;inoeii, um uns umzusehen, waren wir durch i\en unerwarteten Anblick wie betäubt. Zu unserer Linken lag- Schnbra, das schöne Lnstschloss des Pascha mit seinen Feengärten , zu unserer Rechten erhoben die Pyramiden ihre Häupter hoch iiber Kulturland und Wiiste, vor uns lag am Fusse des Mokattam Kairo ausgebreitet, die prächtige Kalifen-Stadt. Garten an Garten, Gruppen von Sykomoren und Palmen bildeten den Vorgrund, und im Hintergrunde strahlten im Morgenroth die 3Iinarets der Hauptstadt. Wieder ein Blatt im Buche der Erinnerung, das man in der lezten Stunde des Lebens noch mit Wärme betrachtet ! Wie oft, wenn ich als Knabe in meinem Bilderbnche die Pyramiden anstaunte, dachte ich mir: welche Seligkeit mag es seyn, sie mit eigenen Augen zu f,ehen! und jezt als Mann stand ich vor ihnen. Mir war, als wenn ich träumte. Wir waren in der Dunkelheit noch die Landspitze des Delta (bei den Arabern: Batn' el Bagara, der Bauch der Kuh genannt) passirt, wo der Nil sich in die zwei grossen Arme, in den von Rosette und in den von Damiette, theilt, nnd befanden uns nun mitten in dem ungetheilten majestäti- schen Strom, der an den Inseln bciBulak eine Breite von mehr als 2000 Toisen einnimmt und doch noch bedeutend kleiner ist, als er hie und da im siullichen Nubien erscheint. Wir landeten, des conträren Windes halber, ganz nahe au Schnbra. Unsere Effekten wurden in einem Getreidefelde ausgeschifft, und nachdem der Kabass die nöthigen Kamele und Esel herbeigeschafft hatte, brachen wir auf, um unsern Einzug in Kairo zu halten. Wir ritten eine Stunde lang durch die schöne Alee , welche von Schnbra nach der Hauptstadt führt, die eine auch für Kutschen fahrbare Strasse ein- schliesst und die ausschliesslich aus schönen , alten Syko- moren und Akazien besteht. Hitze und Staub waren für uns Neulinge unerträglich lästig, und nur der schöne Anblick des Mokattam mit seiner Citadelle und der zu seinen Füssen ausgebreiteten Hauptstadt tröstete uns. Kairo, bei den Arabern Mahsr genannt, welches auch KussKOUEK, Reiseil. I. Bd, 9 130 der Name des ganzen Landes ist, heisst eigentlich el Kahira, die Siegende oder die Siegreiche, wenigstens gab ihr der Stifter MoAZ diesen Namen. Sie stammt aus den ältesten Zeiten des Islam, aus den Zeiten der fatimitischen Kalifen. Ihre Gründung fällt in das vierte Jahrhundert der Hedschira, ungefähr in das Jahr 984 unserer Zeitrechnung *. Besser kann man kaum den Eindruck schildern, den Kairo auf den Eintretenden macht, als Hr. v. Prokesch es gethan hat, indem er eine Parallele zwischen dieser Stadt und Konstantinopel zieht, da er sagt: „Konstantinopel ist Dorf und Gemisch alter und neuer Barbarei, auf den schönsten Hügeln der Welt, wie znm Scherze hingebreitet, Bau, von Dienern dem gleichgültigen Herrn vorgezeichnet und ausge- führt, Tändelei im Grossen und Prächtigen, keinem Volke, keiner Zeit, keinem Style ausschliesslich angehörend. — Kairo ist Kaiserstadt und Fürstensitz, zwischen Wüste und Wüste geklemmt, ganz aus sich selbst herausgewachsen, ohne irgend eine Beimischung an Stoff, Zeichnung oder Farbe, welche der Einheit des Bildes schadete. Kairo ist weder Europa, noch Asien, noch gelungene oder misslungene Nachbildung griechischer, römischer oder fränkischer Muster. Kairo ist Sarazenenwerk und nichts als das, wie das Münster gothischer Bau in allen seinen Theilen ist." Kairo macht mit einem Worte einen prachtvollen Ein- druck, aber diese Pracht ist von einer ganz eigenen Art, es ist die einer rein orientalischen Stadt, doch nicht wie Damaskus, Aleppo etc., deren ßaustyl ein Gemenge von arabischen, byzantinischen und syrischen Mustern ist. Kairo ist, sowohl im Gesammteindrucke als im Detail, ein Vor- bild der altarabisch-sarazenischen Bauart, ohne Spur eines abendländischen Typus. Hohe Häuser mit platten Dächern und sonderbaren , phantastischen Formen , so dass man un- wiilkürlich an die Mährchen aus tausend und einer Nacht erinnert wird. Die Häuser voller Vorsprünge und Erker, voller Fenster mit engen hölzernen Gittern und Zierrathen, keines dem =•' Die Hpflsdiira zählt vom 16. Juli 622 n. Chr. Geb. 131 andern gleich, nirgends das ängstliche Streben nach Symmetrie, aber im Ganzen doch voll Einklang. Die meisten dieser Häuser sind ans Infttrockenen Lehmziegeln anfgemanert, wenige nur aus Bausteinen aufgeführt, keines aus Holz, und viele derselben bieten in ihrem Innern ein getreues Bild des sogenannten orientalischen Luxus dar. Die eigentliche Stadt, ohne die Vorstcädte Alt-Kairo, Bulak , Schubra, die Kalifenstadt und Dschiseh, ist über anderthalb Stunden lang bei einer Breite von 1 Stunde. Alt Kairo oder Fostat und Bulak, ^\o die Fabriken des Vizekönigs, der Hafen oder eigentlich die Schifl'slende und die Waaren-ÄLigazine sich befinden, sind für sich betrachtet sehr beträchtliche Städte. Die Kalifen-Stadt ist die ^Nekropolis, wo alle Gräber der hier gestorbenen Kalifen und der spätem Herrscher liegen. Auf dem Mokattani befinden ßich die Citadelle, die neue 3Ioschee, alle Bureaux der Regierung, die Wohnungen und der Harem des V izekönigs, welch' lezterer im Sommer seinen Aufenthalt in Schubra aufschlägt, kurz es befindet sich da- selbst das ganze Serail. Dschiseh liegt am linken Lfer des Flusses, Alt-Kairo gegenüber und nimmt ebenfalls einen bedeutenden Raum ein. Zwischen Dschiseh und Alt-Kairo befindet sich im Strome die grosse Insel Roda, mit Gärten und Lusthäusern bedeckt. Diese ganze Masse von Stadt soll (genaue Zählungen finden nicht statt) vor der Cholera von 1S33 und der Pest von 1834 an 500,000 bis «00,000 Einwohner gezählt haben, doch die Wuth dieser Seuchen, wo bei ersteier besonders eine Zeit lang täglich 2000 bis oOOO Menschen zu Giunde gingen und noch mehr als sie, die schonungslose Rekrutirung der leztern Zeit, haben die Bevölkerung auf nahe an 300,000 Menschen herabgebracht. HinsichtlichdesV erhältnisses der Bevölkerung zur Ausdehnung der Stadt muss man sehr berücksichtigen , dass in einer orientalischen Stadt weniger Menschen auf ein und derselben Fläche wohnen, als in einer europäischen; denn es ist im Oriente gewöhnlich und schon im Geiste des Mohammeda- nisnjus liegend , dass jedes Haus nur von einer Familie be- wohnt wird. Hingegen aber kann man auch wieder an- nehmen, dass auf derselben Fläche mehr Häuser stehen, als 9* in einer europäischen Stadt , weil der freien Plätze wenige und die Strassen sehr enge sind. Kairo zählt bei 300 Moscheen, darunter einige von aus- gezeichneter Schönheit. Die zahlreichen, schlanken und mitunter meisterhaft aufgeführten Minarets, geben dem Bilde allein schon jenen eigenthümlichen Ton, der eineVergleichung mit den Städten des Occidentes unzugänglich macht. Wir ritten iiber den schönen Platz von Esbekieh , der zur Zeit der Nil-Uberschvvemmung zum Theil unter Wasser steht und dann besonders zur Nachtzeit einen herrlichen Anblick gewähren soll. Ein grosser Theil dieses Platzes ist mit Bäumen besezt, die förmliche Anlagen bilden, und man arbeitete damals gerade an Herstellung einer Strasse nach dem nahen Bulak: auch hat man in neuerer Zeit den Platz zu erhöhen gesucht, um ihn freier von den Einwiikungen der Überschwemmungen zu machen. Esbekieh ist der schönste Platz von Kairo und zum Theil mit sehr schönen Gebäuden umschlossen. Hier wohnte auch Napoleon mit seinem General- Stab, und man zeigt die Stelle, wo Kleber erstochen wurde. In den Strassen des Franken vierteis, el Moski genannt, wo die christlichen Klöster und sämmtliche Konsulate sich befinden, fanden wir viel Leben. Es war ein Gedränge von Menschen , Kamelen, Pferden und Eseln. Alles reitet, nur der gemeinste Theil des Volkes geht zu Fusse, und man kann annehmen, dass immer 20,000 bis 30,000 Miethesel in Bewegung sind. Die Stadt selbst ist in mehrere Quartiere getheilt, welche in der Nacht durch feste Thore abge- schlossen werden, so dass nur ein kleines Pförtchen bleibt, das von dem Wächter auf Verlangen geöffnet wird. So bildet also jedes Quartier ein für sich ganz abgeschlossenes Ganzes, wodurch die öffentliche Sicherheit in der grossen zur Nachtzeit nicht erleuchteten Stadt ungemein befördert und kräftig erhalten wird. Wir stiegen im Gasthofe des Italieners Zuchi ab, wo wir den zweiten Stock in Beschlag nahmen und nicht nur sehr schöne Zimmer, sondern auch einen vortrefflichen Tisch fanden. Unser erster Besuch wuide dem österreichischen Vizekonsul, Hrn. Champion, gemacht, in dem wir einen biedern, 133 freundlichen Mann kennen lernten , der sich fortwährend unserer auf das tliätigste annahm und dem wir fiir unendlich viele Gefälligkeiten grossen Dank schulden. Hier erfuhren %vir nun auch, dass der Vizekönig bereits nach dem Delta abgereist sey, was uns um so unangenelimer war, als dadurch der interessante Augenblick, diesen merkwürdigen Mann kennen zu lernen, wieder ins Weite fiel. Am Morgen des 22. ritten wir mit Konsul Champion auf die Citadelle, um dem Gouverneur von Kairo, Habib- Effendi, unsere Aufwartung zu machen und mit ihm das Weitere in Betreff unserer Reise zu besprechen. Ein Offizier des Gouverneurs hatte uns zu diesem Zwecke ab- geholt, sowie er uns auch die nöthigen Pferde hiezu sandte. Was leztere betriflft, so hatte man iiberhaupt die Aufmerk- samkeit, mir bei meinem diessmaligen, sowie bei jedem folgenden Aufenthalte, jeden Morgen einige gesattelte Pferde sammt den Stallknechten , die hier zu Lande mitlaufen müssen, zuzusenden, um die nöthigen Exkursionen zu machen. Unter diesen Arabern, welche in einem eigenen Stalle zu ähn- lichen Zwecken besonders gehalten und nur auf eigenen Befehl des Gouverneurs zur Verfügung gestellt werden, be- fanden sich manchmal ausgezeichnete Thiere. Wir ritten durch die engen Strassen von Kairo, was nur im Schritte geschehen konnte, da die Volksmenge immer sehr beträchtlich ist und der Araber mit unserm europäischen Bauern eine Im Gedränge und bei sehr muthigen Pferden etwas fatale Gewohnheit gemein hat, nämlich die, nur auf wiederholtes Schreien oder durch einen Puff des Pferdes sich zum Aus- weichen bewogen zu finden. Besonders waren in der Menge viele Frauen , die zu ihrem Vergnügen oder in Geschäften durch die Strassen zogen, die Armen zu Fusse, die Vor- nehmern auf Eseln oder Mauleseln, bis an die Augen ver- mummt, die brennend schwarz aus der weissen Umhüllung hervorblitzen und deren sprechender Ausdruck die Schönheit der Besitzerin manchmal errathen lässt, manchmal wohl auch zu Trugschlüssen führen mag, so dass mit dem Schleier der schöne Wahn zerreisst. Die Levantinerinnen, d. h. die Damen aus den in der Levante heimischen christlichen 134 Familien, zeichnen sich nocli überdiess durch die grosisen Schleier von schwarzem Taffent aus, welche die ganze Gestalt bedecken und in weitem Faltenwürfe über sie hin- fallen, wodurch sie den Frauen auf Malta ähnlich aussehen und an unsere Nonnen erinnern. Übrigens sind es gerade die levantinischen Familien, in deren Kreisen man die voll- endetsten Schönheiten des weiblichen Geschlechtes findet, Pracht- Blumen, die zwar schnell verbliihen, aber in der Zeit ihrer Bliithe auch den höchsten Reiz entfalten. Da wir in Uniform waren, wussten die Leute nicht, was sie aus uns machen sollten; endlich kam man darin überein, dass ich ein russischer General seyn müsse, der vielleicht gar dem Vizekönige den Krieg anzukünden be- absichtige. So kamen wir endlich, durch eine steil ansteigende Strasse hinaufreitend , an den Mauern der Citadelle an. Im ersten Hofe angelangt, befanden wir uns an jener Stelle, wo im Jahre ISll die Niedermetzhing der Mameluken statt fand, durch welchen Gewaltstreich Mehemed-Ali sieh von jener gefährlichen Soldateska befreite, die ihm stets als Schwert des Dionysiiis über dem Haupte gehangen. Zur Rechten lagen die Ruinen des Palastes Sala-Ed-Dins , nbch in Trümmern prächtig, 34 Granitsäiilen, jede 4.5 Fuss hoch, zeugen noch für den vergangenen Glanz, und an der Innern Wand des Gebäudes bemerkt man noch am Gesimse einen Spruch aus dem Koran eiiigemeiselt, dessen Buchstaben 6 Fuss hoch sind. In der Nähe dieser Ruinen erbaut Mehemed-Ali die herrliche neue Moschee, bei der Marmor, Granit und Alabaster aus den Steinbrüchen von ßeni-Sueff mit verschwenderischer Pracht verwendet werden, und in der Nähe zeigt man auch jene Stelle, wo der einzige Manieluke, der sich aus dem Gemetzel des 1. März ge- rettet, in dem blutigen Momente mit seinem Pferde auf die Mauern der Citadelle an jene Stelle vorritt, wo sie gegen die Stadt hin abfallen: er forcirte das treue Thier, und der edle Araber, keinen andern Willen kennend als den seines Herrn, spiang hinab in die schwindelnde Tiefe. Zerschmettert lag er am Boden, doch der Reiter, eines solchen Pferdes 135 werth, war gerettet. Er wurde vom Vizekönige, der eine kühne That zu würdigen versteht, begnadigt und lebte nocl» bei meiner Ankunft in dem ihm vom Pascha geschenkten Häuschen zu Alt- Kairo, noch gerne an das Gelingen seines Salto mortale sich erinnernd. Am zweiten Thore standen ausser der Militcär- Wache, die hier in der Hauptstadt bedeutend besser aussah, als es in Alexandria der Fall war, auch ein paar Scharfrichter. Dieser Gebrauch mag sehr praktisch seyn, er macht aber einen unangenehmen Eindruck. Übrigens sind diese Leute nicht sehr beschäftigt — denn Hinrichtungen werden nach und nach seltner — und also mehr als ein stehender Mode-Artikel zu betrachten. Im lezten Hofe war eine Menge Volkes versammelt, das seine Geschäfte zu den verschiedenen Departements der Regierung führte; herrliche Pferde mit kostbarem Sattel- zeuge wurden von den Reitknechten der anwesenden Offiziere herum geführt, und auch wir stiegen an der Palast-Treppe ab. Noch grösser war das Gedränge in den Vorsälen des Gouverneurs: da waren weisse, braune, schwarze Menschen im bunten Gemische aller orientalischen Trachten, gegen deren weiten Faltenwurf sich unsere knappen Uniformen sonderbar ausnahmen. Der Audienzsaal ist schön dekorirt, und schwellende Divans ziehen sich an allen Wänden hin, auf deren vordersten Habib sass, ein lieber Alter, der uns aufs freundlichste empfing. Nachdem wir Platz genommen, Kaffe getrunken, die Pfeifen empfangen und eine Menge Komplimente gewechselt hatten, die ebenso nichtssagend als lauo weilig sind, machte mich Habib mit einigen seiner Vorzüge bekannt, Avorunter er die Kunst, vier Style zu schreiben, nämlich: den poetischen, den philosophisch-reli- giösen, den Amts- Styl und den des gewöhnlichen Lebens, einen Hess er aus, dem man in Europa bisweilen bei ge- lehrten Streiten begegnet, nämlich: den groben, obenan stellte. Dann schritten wir zur Verhandlung unserer Geschäfte. Habib theilte mir den Willen des Vizekönigs mit, der dahin lautete, zuerst Ober-Egypten zu bereisen und dann erst nach Syrien zu gehen. Warum diess nicht in meinem 13Ü Plane la«;, habe ich bereits auseiiiandei* jj^esezt, und ich protestirte daher neuerdings dagegen , indem ich Syrien und Karaniaiiien als das Objekt der ersten ßereisung bezeichnete, woiüber Habib sich vorbehielt, neuerdings an den Vizekönig zu berichten. Dr. Veit wurde als Expeditions-Arzt aufge- nommen nnd zu meinem Dolmetscher ein Syrier aus Aleppo, Namens Cassab, vor der Hand bestimmt, der in der öster- reichischen Armee gedient hatte und auch etwas deutsch sprach. Nachdem wir diesen ersten Besuch damit beendet hatten, schickten wir uns an, die Merkwürdigkeiten der Citadelle zu besehen. Zuerst gingen wir zu dem bekannten Brunnen Josephs. Derselbe ist eine viereckige, 42 Fuss im Umfang haltende Cisterue, welche durch die Tertiär- Gebilde des Mokattani bis in den Horizont des tiefsten Nilstandes, nach der fran- zösischen Expedition: lü,27 Pariser Fuss über dem Niveau des MitteJmeers, niedergebrochen ist. Die ganze Tiefe des Brunnens beträgt nach derselben genauen 3Iessung 278,8 Pariser Fuss *. Er besizt zwei Etagen. Durch eine Sakie wird das Wasser aus der Tiefe auf die erste Etage und von da auf dieselbe Weise zu Tage gehoben. Eine in Stein ausgehauene Treppe führt bis in die Tiefe hinab. Dicht an den Ruinen des Palastes Sala-Ed-Din's erhebt sich die neue Moschee, an welcher der Vizekönig schon seit Jahren baut. Von der Plattform hatten wir eine herrliche Aussicht über Kairo und das Nilthal. Rechts Wüste und links Wüste, zieht sich mitten durch ein grüner Streifen des herrlichen Kultur- Landes, ein grosser Garten. Dazu der majestätische Stiom, an dessen rechtem Ufer sich das Häusermeer der Capitale befindet, die Vorstädte, gegen- über die Pyramiden von Dschiseh , die Grcänzwächter der Kultur am Rande der Wüste, in der Ferne die Pyramiden von Sakaara, mitten in die röthlichgelbe Sand -Wüste '•' Wie RlFAUD gemessen liat, der die Tiefe des Josephs- JJrmiiieus /AI 70 Fuss aiigal). kann ich nieht verstehen. Man seiie seine Genw'ilde von Egypten und INubien. iihersezt \ou Wim!mj;k. S. 38. liin<;e{)flaiizt, dazu die stiahleiule südliche Beleuchtung- und der grelle Kontrast z\vischen der iippigen Vegetation und dem fahlen Bilde des Todes — und man kann sich das Eigen- thümliche dieses Anblickes vorstellen. Weiter besahen \\\v in der Citadelle die Gewehr- Fabrik, die Kanonen -Fabrik und das Blech- Walzwerk für die Ma- rine. In ersterer arbeiten über 1000 Menschen, meistens Araber: da jedoch alle Arbeiten mit Menschenhänden durch- geführt werden, so ist es für den Zeitraum von 25 Tagen nur möglich, ein Gewehr auf einen Arbeiter zu rechnen. In der Kanonen -Giesserei werden nur kleine Kanonen von Bronce gegossen. Das Blech- Walzwerk wird durch eine recht hübsche Dampfmaschine bewegt, die unter der Auf- sicht von Engländern steht. Zur Bewegung der übrigen Maschinen wird thierische Kraft angewandt. Das Detail aller dieser Vorrichtungen ist äusserst mangelhaft, und be- sonders schlecht fand ich die Bohrung der Gewehrläufe. Es ist zu wenig Festigkeit im Ganzen, wodurch die Bohrung unsicher, vage wird. Überhaupt, so schön das Ganze Je- manden erscheinen mag, der Jiiclit rechnet und nicht Tech- niker ist, so einleuchtend ist es dem Sachkenner, dass die ganze Fabrik- Anstalt eine reine Illusion ist. Denn berück- sichtigt man, dass der Pascha seine Kohlen und seine Ma- schinen in England , sein Eisen in England, Schweden und Russland kauft, und nun mit diesen in der Ferne gekauf- ten und aus der Ferne herbeigeschafften Gegenständen in Egypten arbeitet, der für ihn zu kostspieligen Dampfk^raft halber und in Ermanglung des Gefälles aber auch noch grösstentheils mit thierischer Kraft arbeiten mnss und als Vorsteher der verschiedenen Fabrik- Arbeiten Europäer be- nöthigt, denen er enorme Löhne zahlen muss : so ergibt sich daraus, dass er wenigstens noch einmal so theuer produzirt, als ihm ausländisches Fabrikat dieser Art zu stehen kommen würde, so dass das Unternehmen als ein offenbarer Unsinn erscheint und es höchste Zeit war, daran zu denken, sich die Materialien zu diesen Fabrikaten im eignen Lande zu verschaffen: denn in diesem Falle Messe sich das Anlegen von derlei Fabriken in dem Bereiche der Besitzungen des Pascha eher entschuldigen, obwohl es nie 138 pekuniär vorflieilhaft erscheint. Die htiinane Idee europäi- scher Stcaaten, auf diese Weise den Verdienst der Unterthaneu zu ei höhen , ihre pekuniären Zuflüsse durch sie selbst zu vermehren, fällt hier weg: denn in Egypteu ist keine Nation, ist kein Fürst; daselbst ist nur ein General -Pächter an der Spitze seiner Sklaven, um deren Wohlstand er sich wahr- haft nicht kümmert. Exempla docent. — Die Redensarten: „Geld im Lande bleiben und Geld im Sacke bleiben" sind hier offenbar identisch, und auch von diesem Gesichtspunkte ausgehend ergibt sich nothwendiger Weise ein nachtheiliger Kalkül, da unter solchen Verhältnissen Fabriken im Laude mehr Geld ins Ausland und für Ausländer erfordern, als für den Erkauf ausländischer Fabrikate ausgegeben würde. Die Münze befindet sich ebenfalls auf der Citadelle. Sie ist unter der Mittelmässigkeit. Man prägt sowohl Gold- als Silber- Münzen mit der Namens -Chiffre des Vizekönigs. Die kleinste Münze ist der türkische Para, der damals nicht in Egypten geprägt wurde, aber als der vierzigste Theil eines Piasters oder als ^^^ Kreuzer pr. Stück iin Kurse stand. Die kleinste Silbermünze, die aus der Münze hervorging, war der halbe Piaster oder 3 Kreuzer Konv.- Münze, die grösste der egyptische Thaler zu 20 Piastern oder 2 fl. Kn.- Münze. Die kleinste Gold -Münze war zu 3 Piaster oder IS kr., die grösste, wenn ich nicht irre, zu SO Piaster oder S fl. Kn. -Münze. Alle diese Goldmünzen begreift man unter dem Namen Clieirien. Wirklich sehr hübsch adjustirt waren die Goldthaler, jeder zu 20 Piaster. Der Münzfuss basirt sich auf die Normen von 1S2G und hat die Annahme zu Grunde, dass der spanische Thaler (von 2 fl. 6 kr. zu 2 fl. 12 kr. Kn.- Münze) im Silberwerthe gleich 15 Piastern sey. Da der wahre Silberwerth des Piasters aber sich zu dem des spanischen Thalers, dem Colonnado, Avie 1 : 21 verhält, d. h. im Wechselgeschäfte 21 Piaster gleich einem spanischen Thaler gestellt sind, so ergibt sich, dass dieses System höchst erschütternd auf die pekuniären Ver- hältnisse des Volkes, besonders aber der Besoldeten, zurück- wirkte, da die Berechnung in spanischen Thalern, die Aus- zahlung aber i;i obigen Münzen geschah, die den ihnen 130 ziij;e8<.liiieljciien vollen Weith nitlit hatten. Ich werde später Jinf dieses Verfalueii, das man mit gutem (ilev\issen einen ßetru«; nennen kann, ansführlicher zurück kommen. Auch ist offenbar zu weni»- kleine Mi'inze noch im Kurse, was wieder, besonders in Betreff der Viktualienpreise, nachtheilig: wirkt. Um die Alabaster- Arbeiten für die neue Moschee an- zufertigen, besteht auf der Citadelle ein eigenes Atelier, wo arabische und maltesische Künstler arbeiten, die mau füglich so nennen kann, denn ihre Leistungen verdienen es. Der Alabaster kommt ans den tertiären Gyps-lJergen, die sich in der arabischen Wüste östlich des Nils und G St. von Benisueff" entfernt befinden. Dieser Alabaster scheint in Europa noch nicht sehr bekannt zu seyn; er ist weiss mit gelben und braunen Wolken, seine Zeichnung- ist keines- wegs brillant, aber ausnehmend schön und vom edelsten Geschmack, Man arbeitet ihn zu kleinern Säuleu, zu Tliür- stöcken, Gesimsen mit Blumen und Arabesken, zu Tisch- platten, Springbrunnen-Bassins etc, und zwar ist die Arbeit geschmackvoll, fest und sicher. — Zulezt besahen wir noch die kleine Menagerie des Pascha, die ausser einer Menge von Löwen nichts Besonderes enthielt. Die Löwen waren in einem eigenen Gemache nur an Ketten gelegt, und man konnte sie daher in ihrer eigenen Behausung besuchen. Von der Citadelle ritten wir unmittelbar durch die ganze Stadt und zum entgegengesezten Thore hinaus nach Bullak. Daselbst befindet sich wieder eine Gewehr-Fabrik, von der alles das gilt, was ich über die auf der Zitadelle befindliche ge- sagt habe. Ausserdem befindet sich daselbst eine arabische und türkische Buchdruckerei , eine sehr schöne und zweck- mässige Anstalt, die nur höchst vortheilhaft auf die Civili- sation des Volkes einwirken kann und diess noch mehr thnn würde, wenn man verständiger in der Auswahl der euro- päischen Schriften, die übersezt werden, zu Werke ginge. Ferner sind in Bullak eine Baumvvollenspinn- und Tuch- Manufaktur. Die befreffenden Maschinen werden auch bei diesen durch Thiere und Menschen bewegt, und da auch hier der Vizekönig sehr hohe Löhne an europäische Arbeiter 140 zu zahlen hat, so beziffert sich aiicli das pekuniäre Resultat dieser Anstalten vor der Hand noch schlecht. Doch, da das rohe Material aus der Produktion des Landes selbst hervoro;elit und die Bevölkeruiii>' auf einen Eiwerbszweij^ hin- gewiesen wird, welcher der INutur ihrer industriellen Stellung vollkommen entspiicht, so tritt hier ganz ein anderer Fall ein, als der ist, Avelcher sich bei Betrachtung der Gewehr- und Kanonen -Fabriken darbietet: denn diese lezteren Anstalten sind dem Lande und dem Volke , das nach seiner Stellung ein Ackerbau und mit den verarbeiteten Produkten seines Bodens Handel treibendes ist, rein unnatürlich. Daher kann man nur wünschen, dass der Vizekönig in Betreff dieser anfänglich ungünstigen Resultate obiger Manufak- turen sich nicht abschrecken lasse, sondern standhaft seinen Weg gehe, sich nach und nach der kostspieligen Hülfe der Europäer entschlage und stets die l*flege der Kultur- und Cereal- Pflanzen als die Hauptquelle, als die Basis der Landes- Industrie betrachte. Dadurch wird er weit siche- rer auf den glänzenden Namen eines Regenerators des Landes der Pharaonen in der Geschichte Anspruch ma- chen können, als durch seine unseligen Kriege mit der Pforte und durch die Illusionen, die ihm aus Westen in grossen, nicht homöopathischen, Dosen beigebracht werden. In Bullak befanden sich damals gerade fünf nach Nord- Amerika bestimmte Dschiraffen, schöne Thiere, bei deren Anblick ich noch nicht wähnte, dass ich sie ein Jahr spä- ter in ihrem eigenen Vaterlande sehen sollte. Länger konnten wir die Pyramiden nicht mehr aus der Ferne anstaunen, unsere Ungeduld, diese Riesendenkmale in der Nähe zn beschauen, war zu gross. Wir brachen am 23. Morgens frühe auf und .ritten nach Alt-Kairo oder Fostat, wie es noch aus der ältesten Zeit heisst. Fostat (das Zelt) nämlich ward schon im 20. Jahre der Hedschira, oder im Jahr 642 unserer Zeitrechnung, also über .300 Jahre vor Kairo, durch Sultan Amru erbaut, sank aber später durch das Emporstieben der jetzigen Capitale, vor- züglich aber in Folge der Zerstörung durch Sultan Schachuar im Jahr 1 1S6 zur Vorstadt herab. In Alt -Kairo halten 141 vorzüglich alle jene Scliifle, die nacli Oher-Egypten ab- gehen. Die Stadt ist belebt, doch nicht in dem Masse w\e Biillak. Hier befindet sich anch der Wasserthnrm am Ende der schönen Wasserleitnnp;^ die von Fostat nach Kairo geht, anf sehr schönen Arkaden rnht nnd bei einer Länge von KjOO Toisen 2,2 Pariser Fnss Gefälle hat. Im Wasser- thnrme werden dnrch eine grosse Sackie die Wasser des Nil 84,2 Pariser Fnss in zwei Etagen, wie am Josejjhs- Brunnen anf dem Mokattam , über den niedersten Flnss- stand oder zu 100,5 Pariser Fnss über das Niveau des mittelländischen Meers gehoben. Wir ritten an der Stelle vorüber, wo der Damm von Kairo jedes Jahr in der Zeit des höchsten Nilstandes durch- stochen wild, um den segenbringenden Fluthen des Stromes den Zutritt ins Land zu gestatten. In der Vorzeit, wie jezt, ist dieser Akt stets mit einer grossen Feierlichkeit verbunden: es ist ein Volksfest. Gleich südlich der Insel Roda befindet sich eine Fähre, um auf das linke Ufer des Nil, nach Dschiseh, überzusetzen, von wo man durch Kultur- Land bis zum Rande der Wüste reitet, wo die Pyramiden sich erheben. Wir hatten nun diese Riesendenkmale schon ziemlich nahe vor uns, und ich fand hinsichtlich des Eindruckes, was schon so viele Reisende vor mir gefunden haben : dass sie nämlich aus grosser Ferne gesehen, wenn sie sich am Hori- zonte erheben, einen weit grossartigern Effekt machen, als in der Entfernung einer Stunde. Ich fand mich unangenehm berührt; denn die schöne Illusion schien wie ein Nebelbild zeifliessen zu wollen, als der so lange und so heiss ersehnte Anblick der Pyramiden an Interesse immer mehr nnd mehr zu verlieren schien, je näher ich kam. Doch als wir endlich am Fasse des Cheops standen und die Gigantenmassen von Steinen mit unsern Händen berührten , hinaufbückten in die schwindelnde Höhe und wir selbst in unserer Winzigkeit als Massstab dienten für das Riesenwerk: da erst fassten •wir di^ Grösse dieses merkwürdigen Banes auf*. Ausser * Man sehe die vortrefflichen und in Kürze jj^egebenen •;eschichni- chen Mittheilungen über die Pyramiden in Dr. Pakthf.y's Wanderungen in Sizilien und der Levante, 2. Bund. Was den teclinüschen Überblick 142 der riieops- Pyramide 5 der grössten und höchsten aus allen, befinden sicli hier noch drei andere kleinere: die Chephren-, die Mykerinos- und eine namenlose Pyramide. Die Cheops- Pvrainide niisst gegenwärtig; 421.^ Pariser Fuss senkrechte Hithe um\ soll einst 445 Pariser Fuss gemessen haben, folglich noch nm 5 Fuss höher gewesen seyn, als das Strassburger Münster. Eine Seite der ursprünglichen Basis mass 71 (}i Pariser Fuss, jczt aber, da die Bekleidung der Pyramide verschwunden ist, misst sie nur noch G96 Pariser Fuss. Die Plattform der Pyramide war ihrer bedeutendem Höhe zu Folge ursprünglich viel kleiner und betrug- nach DioDORiis SicüLus nur 9.^ Pariser Fuss pr. Seite, jezt aber misst eine Seite der Plattform 30 Pariser Fuss, folglich beträgt die Area derselben 900 QFuss und die Pyramide hat 23.i Fuss an Höhe verloren , was eine Folge der bar- barischen Zerstörungen ist, die diese Denkmale in verschie- denen Zeiten und von verschiedenen Völkern erlitten. Die Chephren- Pyramide ist nur wenig niederer als der Clieops, die Mykerinos-Pyramide aber misst nur 163 Pariser Fuss, die vierte ist unhedeutend. Die Mykeiinos -Pyramide, im Kerne aus demselben Gesteine bestehend, wie die übrigen Pyramiden, nämlich aus Nummuliten-Kalk. ist mit Granit bekleidet, welche Be- kleidung sich noch ziemlich erhalten hat. Auch die Chephren- Pyramide war bekleidet, wie noch der Rest dieser Decke an der Spitze deutlich zeigt; ob aber diese aus Marmor, wie Hr. v. Prokesch sagt, oder aus Granit, wie Dr. Parthey anführt, besteht, wage ich nicht zu entscheiden, da ich diese Pyramide selbst nicht erstiegen habe *. Auch die Cheops- Pyramide war ganz ohne allen Zweifel einst von Aussen bekleidet und glatt gewesen; denn die stufenartige Form der Aussenseite scheint bei den Pyramiden auf ihre über Verhältnisse und Dimensionen der Pyramiden betrifft, bitte ich, besonders Hrn. v. Pkokesch Erinnerungen aus Egypten etc. nachzulesen. * Hr. Dr. Schubert in seiner Reise in das Morgenland 2. Band 1839 sagt ebenfalls, dass diese Pyramide mit Marmor bekleidet sey. Vielleicht bestand ihre Bekleidung anfänglich sowohl aus Marmor als Granit« was beim Cheops nach Herodot statt gefunden haben soll. 143 Nicht- Vollenduno; hinzudeuten. Doch ist von der ßekleidnn«- der lezt erwähnten Pjraniide keine Spur mehr voriianden. Das Material der Hauptmasse, nämlich die grossen Quader- steine aus Nummulitenkalk, scheint durchaus nicht, wie Herodot meint, vom arabischen Gebirge herüber gebracht zu seyn; denn das Gestein, woraus diese Hauptmasse besteht, ist ganz dasselbe, worauf diese Pyramiden selbst stehen, nnd es ist die höchste Wahrscheinlichkeit, dass man die nöthigeu Gesteinmassen, um unnützen Transport zu ersparen, an Ort und Stelle gebrochen hat. Durch solche Steinbrüche wurden natürliche Berge geebnet, um künstliche zu schaffen. So glaube ich, dass die berühmte riesenhafte Sphinx, die an den J'yramiden steht, nichts ist, als der liest eines solchen Kalkberges, den man ringsherum als Bau - Material für die Pyramiden abgetragen hat, und dessen lezten, übrig bleibenden Theil man in die Form einer Spiiiux umwandelte und so stehen Hess. Gleich der Aussenseite der Mykerinos- Pyramide bestehen auch einige Theile der grossen Py- ramide, z. B. die Kammer des Königs, der Sarkophag etc. aus Granit von den Steinbrüchen der Katarakten, der auf dem Kile zu Schiffe gebracht wurde. Es ist nicht denkbar und dem Verstände eines Volkes, das solche Monumente baute, nicht zuzumuthen, dass es diese grossen Granit- blöcke durch die schwierig zu passirenden und auch an und für sich zu engen Zugänge der Pyramide hinein gebracht habe, sondern es ist wahrscheinlich, dass man etagenw eise den Kern der Pjramide, diese verschiedenen Kammern, Schächte, Gänge etc. vorerst ausgebaut, die Sarkophage eingesezt, dann die Ummauernng mit Kalksteinmassen vorgenommen und zulezt die Bekleidung mit Granit vorgenommen habe, wo- durch die Arbeit ihren ganz natürlichen Gang ging, ohne auf Unmöglichkeiten oder Absurditäten zu stossen. Auch plagt man sich auf eine unnütze Weise mit Theo- rien über die Art und Weise, wie die Alten ihre grossen Steinmassen bewegten und an Ort und Stelle brachten. Die Steinbrüche belehren uns, dass die Ausarbeitung und Vollendung der Stücke an Ort und Stelle geschah, und Zeichnungen auf einzelnen Monumenten, wenn ich nicht 144 irre, auch in den Königsgräbern von Theben, zeigen, dass der Transport dieser Massen ganz einfach durch Bewegung auf Walzen und Anwendung thierischer oder menschlicher Zuokraft vor sich ging. Das Hinaufbringen auf die höhern Etagen des Baues geschah auf schiefen Ebenen und durch dieselbe Bewegungsvveise. Unbekannter sind die Vorrich- tungen der Alten zur Aufstellung ihrer Obeliske und ihrer wahrhaft kolossalen Kolosse, so wie die Art der Form und der Materie der Werkzeuge, deren sie sich zur Bearbeitung der Gesteine, besonders der harten, bedienten. Über den Zweck der Pyramiden, glaube ich, dürfte wolil kein Zweifel seyn. Denkmale, die mitten in der Todtenstadt des alten Memphis stehen , umgeben von Kata- komben und Gräbern aller Art, die selbst in ihrem Innern ähnliche Kammern und Sarkophage enthalten und von denen Pyramiden, in welchen man an andern Orten, wie z. B. in dem si'idlichen Nubien, Mumien oder Gerippe fand, in nichts ver- schieden sind, als höchstens in der Grösse: solche Denkmale können doch nicht leicht einen andern Zweck gehabt haben, als den, Gestorbene in ihre heiligen stillen Räume aufzu- nehmen. Man entwarf über die Tendenz, welche die Er- bauer dieser Monumente mit denselben verbunden haben mochten, die verschiedensten Theorien und brachte Hypo- thesen zu Tage, die man als Produkte von Geistes -Ver- rücktheit erklären kann. So z.B. kam man auf den Gedanken, die Pyramiden se}en natürliche Krystalle des Kalksteins, sie seyen Brunnen etc. Leztere Idee wurde sogar öfter aufgefasst, ohne zu berücksichtigen, dass die Schachte der Pyramide und ihre Gänge so gestaltet sind, dass sie an eine Vorrichtung zum Heraufheben des Wassers — was doch, glajibe ich, der Zweck eines solchen Brunnens seyn dürfte — gar nicht denken lassen 5 und dass Caviglia, der am tiefsten in den Schachten und Kammern unter den grossen Pyramiden niederdrang, nichts fand, als leere und ganz trockene Räume. Mich erinnern diese Faseleien an eine schätzbare Entdeckung, die in den lezten Jahren ein Europäer in Egypten machte, welcher fand, dass der Granit der Obelisken, Kolosse etc. keineswegs ein natürlicher Granit aus den 145 Katarakten - Bergen von Siene, wofiir wir ihn in nnsrei* Unschuld halten, sondern eine künstliclic Pasta sey, welche die Alten zu hereiten verstanden. Der Urheher dieser Ansicht soll früher, hevor er sicli den Wissenschaften in die Arme warf, ein Koch gewesen seyn! — Das Alter der Pyramiden ist vorgeschichtlich, und ihre Eibannng- fällt in eine Zeit znriick, in der man noch wahrscheinh'ch keine Hieroglyphenschiift kannte. Haben sie vielleicht anch nicht das Alter mancher Monumente von Theben , so zählen sie doch wenigstens über 4000 Jahre und gehören nnstreitig nnter die ältesten Monumente Egyptens. Als wir in die Nähe der Pyramiden kamen und das lezte Dörfchen am Rande des Kulturlandes erreichten, fielen eine Menge Araber, Weiber und Kinder, über uns her, um uns ihre Dienste zur Besichtigung- der Monumente an- zubieten. Sie waren äusserst zudringlich, und unser Dol- metscher mit dem Konsulats- Kabass, der uns begleitete, hatte einen schweren Stand, ans der Menge unsern Führer auszuwählen. Die Ihrigen zu entfernen, die uns mit ihren Dienstanerbietungen die Ohren vollschrieen, half kein Mittel als die Anwendung der landesüblichen Methode, die so populär geworden ist, dass man nur von ihr Abhülfe in solchen Fällen erwarten kann. Wir bestiegen nun zuerst die Cheops • Pyramide, indem wir über die stufeuartigen Absätze der Ausseuseite hinauf- kletterten. Diese Besteigung ist ziemlich beschwerlich, denn die Höhe der Stufen beträgt anfänglich au 5 Fuss. Weiter hinauf werden sie niedriger und sind zulezt nur beiläufig 2 Fuss hoch. Wer dem Schwindel unterworfen ist, darf diese Tour wenigstens allein nicht machen; wer jedoch gleich- gültig in grosse Tiefen zu schauen im Stande ist, für den hat diese Besteigung gar keine Gefahr, da man überall festen Tritt fassen kann. Die Neigung der Pyramide be- trägt an den Kanten 5S*^, daher sie steil genug ist, um einen Fehltritt lebensgefährlich zu machen. Die Fernsicht vom Gipfel der grossen Pyramide ist hezaubernd schön j man übersieht das Kulturland des Nil mit dem majestätischen KirstiEGllEil, Rciseii. I. Ud. 10 14G Strome von der Mitte des Delta bis weit nach Oberegypten. Westlich erheben sich die kahlen Berge der libyschen Wiiste, und unabsehbar dehnt sich die gelbrothe Sandfläche aus; im Ost steht das arabische Gebirge wie eine Mauer da, der Mokattain mit seiner Citadelle und an seinem Fusse das schöne Kairo ausgebreitet, mit seinen zahlreichen Minarets, in einem duftigen Dunstschleier, der den Umfang der gössen Stadt bezeichnet. Zu den Füssen erscheinen die Menschen wie Ameisen im Sande; eine Menge Oitschaften bezeichnen die Ufer des Stroms, rings umher Trümmer verschwundener (Jrösse in der weiten Todtenstadt von Memphis, im Süd die Pyramiden von Sakaara, Gelbroth ist der Ton der Landschaft, so weit die Wüste reicht, in der Mitte ein Streifen des üppigsten Grün. Unsere Gemüthsstimmung auf der Spitze des Cheops war jener beseligende, heitere Sinn, der sich des Herzens auf den Gipfeln hoher Berge bemeistert, und der seinen Grund nur in der Beschauung einer grossartigen ISatur findet, deren Einwirkung auf das Gefühl durch nichts, was Menschen werk ist, so dauernd ersezt werden kann. Wir tranken den mit Wein vom Rheine gefüllten Becher auf das Wohl unseres schönen Vaterlandes, auf das Wohl der fernen Lieben. Das Herab- steigen vom Gipfel der Pyramide ist zwar nicht so beschwer- lich, wie das Hinaufklettern, erfordert aber mehr Vorsicht; denn, wehe dem! der hier straucheln würde. Ein Engländer, der vor einigen Jahren so unglücklich war, diesen Versuch zu machen, wurde das Opfer seiner Unvorsichtigkeit. Wenn man das Andrängen des Flugsandes aus der Wüste betrach- tet, so sieht man, dass zwar die Gefahr des gänzlichen Verschüttetwerdens für die Pyramiden nicht gar so gross, aber auch die Möglichkeit eines solchen Begrabenwerdens nicht ausgeschlossen ist, und dass, wenn der Mensch nicht naciihilft, es geschehen könnte, dass die Pyramiden grosse Sandberge würden. Am Fusse der Pyramide wieder angelangt, betraten wir nun das Innere derselben. Eine Menge von Gängen, Kämmerchen und Schachten, von denen einige tief unter die Pyramide in das feste Gestein niedergehen, wurde mit 147 iinsiioliclier Mühe nnd stellenweise nicht ohne Get'iihv tlnrchkrochen, eine CJefahr, die hesondeis in en dieser Art in das Bereich des Li'i2:enhaf- ten fallen. Doch um auf den Garten zurück zu kommen, so muss ich bemerken , dass derselbe einer der schönsten Gärten ist, die ich im Oriente sah, und dass ich ihn selbst denen zu Schubra und dem des Ismael- Pascha vorziehe. Er ist theils in französischem, theils in italienischem Geschmacke angeord- net und reich an reizenden Baumpartien, zwischen denen sich unsere oben erwähnten Harems- Damen in ihren langen, weiten orientalischen Gewändern sehr interessant ausnahmen. Kleine Hügel stehen hie und da, die ausschliesslich mit tro- pischen Pflanzen besezt sind und alle die Karrikaturen der Kaktus-Welt, in welclier die Natur sich selbst eine Grimasse schneidet, in reicher Fülle entfalten. Da unter dem heissen und immej' klaren Himmel Kairo's alle Tropenkinder aufs üppigste gedeihen, so sind auch die in diesem Garten befind- lichen indischen Bäume von bewunderungswüidiger Schönheit. Zwischen den Bäumen sprangen allerliebste Gazellen herum, in Tempeln und Grotten, deren einige mit vielem Geschmacke mit Muschel-Mosaik verziert sind, plätscherte der krystallene öuell, weite Marmor-Becken umschlossen die spiegelklare Fluth, die I.üfte waren vom Dufte der Blumen durch- drungen — ich möchte beinahe fragen, kann es denn im Paradiese noch schöner gewesen se} n ? — Nachdem wir uns umgesehen, wurden uns von den Gärtnern zur schönen Erinnerung gigantische Blumensträusse präsentirt, wofür sie ein Bakschisch * erhielten und womit unsere Seis (Reit- knechte) beladen wurden. '' Bakscliiscli, Trinkgeld; ist ein Wort,, welches gewiss keinem in 154 All der Südspitze der Insel Roda befindet sich der bekannte Mikias oder Nilniesser. Es ist eine einfache auf- recht in einem gemauerten Bassin stehende Säule. Sie ist achtseitig und hat ein einfaches Parallelepiped zum Knauf. Die Eintheilung ist klar und deutlich an der Säule einge- meiselt. Die Einheit dieser Theilung ist = 0,54 Meter, und jeder dieser Theile hat wieder ö Unterahtheilungen, deren jeder Werth daher = 0,09 Meter = 9 Centimeter ist. Das Niveau des jetzigen Hochwassers liegt 1,12 Meter höher, als das desselben in der früheren Zeit. Daher auch die Säule das Ansehen hat, als sey ein Stück darauf ge- sezt. Eine Stiege führt in das Bassin hinab. In der Nähe dieses Monumentes, das vielleicht aus den frühen Zeiten der Araber stammt, befinden sich die Puiver- mühlen des Vizekönigs, und in einem Garten zeigt man den heiligen Baum der Fatime, einen sehr alten Baum, der durch den Gebrauch, dass Frauen, welche in jenen Zustand kommen wollen, in welchen, wie der Engländer sagt: „jede Frau zu kommen wünscht, die ihren Mann lieb hat", Nägel einschlagen, zu Ehren der Schönen von Kairo bereits ganz in einen Eisenklotz verwandelt ist. Auf dem Rückwege nach Alt-Kairo war einer meiner Freunde nahe daran, den Hals zu brechen. Wir ritten sehr muthige Pferde, und das böse Fatum wollte, dass ein Schimmel mit seinem Herrn durchging. Das Thier rannte schnurgerade in die Gärten vor dem Palaste IßRAmM - Paschas , wo der unglückliche Ritter mit dem Kopfe so furchtbar an einen querüber ste- henden Ast stiess, dass er rückwärts aus dem Sattel fiel. Ej>;y|)ten Reisenden unbekannt bleibt. Das Fordern desselben ist dem Fellah zur zweiten Natur geworden, und oft, wenn ich einen, der Bak- scliisch verlangte, fragte: „warum soll ich dir denn Geld geben, hast du etwas für mich gethan ? und was?" antwortete er: ich kann mich keines geleisteten Dienstes entsinnen, aber ich möchte ein Bakschisch. Ganz kleine Kinder, die wirklich noch kaum den Namen Vater aus- sprachen, schrieen, wenu wir, vorbei ritten: hat Bakschisch! gib mir ein Trinkgeld! Es ist die Central -Idee, um die sich die ganze Kon- versation des Fellah und wohl auch zum Tiieil der Höhern mit dem Fremden dreht. 155 Jiii Momente ties Sturzes hatte icli ihn erreicht und er- kundigte mich mit der höchsten Besorguiss nach seinem Befindei). Zu meinem Tröste hörte ich ihn während des Anfstehcns mit phik)sophischer Geistesrulie die Worte sagen : „Es ist im Ganzen doch gut gegangen!" Früh genug zuri'ick- gekehrt, durchzogen wir noch einige Strassen des ßazars. Das Gedränge war so gross, dass wir zu Pferde kaum durchkommen konnten und Zeit liatten, uns umzusehen. Im ganzen Oriente besteht eine Gewohnheit, die sehr viel Gntes mit sich bringt. Es sind nämlich in den Bazars die einzel- nen Zünfte in gewissen Partien desselben vereint. Man sieht Strassen voll Schneider, andere voll Sattler, andere voll Schmiede, ganze Hallen von Goldschmieden etc. Da- durch wird den Käufern die Übersicht über alle Erzeug- nisse einer Profession ausserordentlich erleichtert. Sie haben eine Auswahl unter den Fabrikaten, sowohl hinsichtlich des Preises als der Güte; sie kaufen wohlfeiler, weil zu hoher Preis für den Verkäufer den Nachtheil bringt, dass man sich von ihm weg sogleich zu seinem Nachbar Avendet. Diese Einrichtung erleichtert die Aufsicht der Polizei, indem sie die ganze Zunft auf einem Punkte versammelt übersieht. Der Kunstfleiss, die Thätigkeit der Produzenten wird er- höht, weil einer die Leistungen des andern sieht, einer durch den andern gespornt wird und jede nachlässige, schlechte Arbeit vor den Augen der ganzen Zunft ans Tages- licht kommt. 3Tan sollte glauben, dass durch einen solchen im Stillen fortdauernden Wettstreit und Brodneid eine Kette von Privatzwisten sich bilde, was aber ganz und gar nicht der Fall ist. Der Handwerker, der Kaufmann sizt in seiner Bude mit untergeschlagenen Beinen, wie eine Bildsäule, die Tabak raucht. Ob man sich an ihn oder seinen Nachbar wendet, das rührt ihn nicht; er bewegt sich nur dann, wenn er etwas vorzeigen muss. Der Bazar ist übrigens in Kairo zwar reich besezt, besonders mit persischen und indischen Waaren, aber sonst gar nicht prächtig; und nicht zu vergleichen mit den schönen Bazars von Damaskus , Aleppo , Konstantinopel etc. Er 15(5 nimmt die genöhnliclien Strassen der Stadt ein, die hei grosser Hitze mittelst Matten von schilfartii^em Dnrra-Stvoh bedeckt werden, die man von einem Hausdache znm andern über die enge Gasse hinzieht, nnd die, da sie hänfig zer- rissen sind , dem ganzen Bihle einen gewissen himpichten Anstrich geben. Die Ansdehnung des Bazars ist übrigens sehr gross und nimmt beinahe den grössten Theil der ganzen eigentlichen Stadt ein. Einen Theil des Bazars bildet der Sklavenmarkt, der sich im Hofe einer grossen Okelle befindet. Der Sklavenmarkt von Kairo ist meist einer der be- seztesten im Oriente. Man bringt dahin tscherkessische, abyssinische und schwarze Sklaven und Sklavinnen ans dem Innern. Die tscherkessischen Sklaven beiderlei Geschlechts werden nicht öffentlich ausgestellt. Sie sind die kostbarsten und werden meist nur auf Bestellung gebracht. Sie dinfen nur von Muselmännern gekauft werden, werden von ihren Herrn als Glieder des Hauses betrachtet, steigen zu Offizieren empor , werden frei und erreichen oft die höchsten Aemter und Würden. Sie haben in ihrer Stellung als Hausoffiziere den Namen Mameluken beibehalten , und viele Paschen und Beys sind früher aus dieser Klasse hervorgegangen. Der ehevalereske Charakter der tscherkessischen Sklaven , die Herrscherrolle, die sie einst in Egypten gespielt haben, und die Schönheit der tscherkessischen Sklavinnen sind sprich- wörtlich geworden. Die braunen abyssinischen Sklaven, meist Gallas und Makadi (abyssinische Christen), sowie die schwar- zen Negersklaven, werden öifentlich an Jedermann, sey er Christ oder Äluselmann, verkauft. Die abyssinischen Sklaven werden meist auf den Gränzmärkten in Calabat , Roserres, Sennaar und Chardum aufgekauft. In ihrem Vuterlande selbst werden sie entweder im Wege des Handels, oder durch Kriege, die in dem in seinem bi'irgerlichen Verhält- nisse ganz zerrütteten Lande häufig sind, erworben. Sie sind sehr gesucht und zwar besonders die abyssinischen Mädchen , die sowohl wegen ihrer wirklichen Schönheit, als wegen der Treue, die man bei ihnen entdeckt haben %vill , gerne gekauft werden. Der Preis einer schönen 157 Abyssiniei'iii steigt in Kairo meist ii her 3000 Piaster (300 fl. Konv.-M.), wäineiul sie von gleiclier Qu.ilitiit in Cliarduni kaum auf 2000 zu stehen kommen würde. Die männlichen Sklaven sind bedeutend wohlfeiler. Die Negersklaven stehen ungefähr im halben Preise der abyssinisehen. Sie werden fast alle durch die grausamen Negerjagden, die jährlich von Kordofan und Seunaar aus, sowohl auf Kosten und Befehl der Regierung, als im Wege der Privatspeknlation unter- nommen weiden, erworben. Diese Sklavenjagden, worauf ich bei meiner Reise im Innern von Afrika ausführlicher zurück- kommen werde, sind unstreitig eines der scheusslichsten Vergehen des 3Ienschen an der Menschheit und ein schwarzer J'leck in dem Nimbus , mit dem man Mehemed-Aü umgab. Sie dauerten entschieden noch im Jahr 1S39 fort, obwohl der Vizekönig bereits ein paar Jahre früher aufs Heiligste versprochen hatte , sie einzustellen. Mit den gefangenen Negein werden zum Theil die in Sudan liegenden Truppen bezahlt, zum Theil Averden sie auf Rechnung der Regierung in Chardum und Kordofan verkauft und von den Sklaven- händlern nach Egypten gebracht. Derselben Behandlung unterliegen sowohl die von den tributären Negerhäuptlingen als Tribut eingelieferten Sklaven, als auch jene, die von l'rivaten gefangen werden 5 nur sind leztere genöthigt, von ihrer Beute aus dem Treibjagen auf Menschen l der Re- gierung unentgeltlich zn verabfolgen. Der erste Anblick des Sklavenmarktes hat für den ge- sitteten Europäer anfänglich etwas Entsetzliches , Grausen- erregendes. Doch muss ich gestehen , dass ich , als ich nach einigen Jahren aus den Negerländern im Innein nach Kairo zuiückkam und den Sklavenmarkt wieder sah, die ganze Sache in einem andern Lichte betrachtete. Der Sklave jeder Farbe wird im Hause des Türken im Durch- schnitt gut behandelt, gut beköstet und gut gekleidet. Er hat es in dieser Beziehung, mit Ausnahme der peisönlichen Freiheit, besser sogar, als in seinem eigenen Vaterlande, wo er nicht nur häufig mit Mangel zu kämpfen hat, sondern auch in beständiger Fehde liegt. Auf keinen Fall ist das 158 Schicksal der Sklaven im Oriente mit der schrecklichen La^e zu vergleichen, in der sie sich unter der Geissel der Europäer, besonders in den amerikanischen Kolonien, befinden. Im Hofe des Gebäudes vsaren eine Menge von INeger- sklaven beiderlei Gesclilechts und von jedem Alter ver- sammelt, einige spielten und scherzten, andere hockten auf ihren Fersen und glozten ins Blaue. Eine Menge Mädchen schäkerten unter sich ganz munter und wählten , als wir eintraten, uns zum Gegenstand ihrer Unterhaltung, d. h. sie lachten uns aus. Ernstere Gefiihle erregte der Anblick einer jungen Negerin, die ihr neugebornes Kind, ihr als Sklave gebornes Knäblein, auf dem Arme hatte und mit einem Ausdruck des tiefsten. Schmerzens vor sich hinstarrte. Gewiss waren ihre Gedanken nicht die, die ich an ihrer Stelle dachte, doch ihre Lage, die ihres Kindes, der Ver- lust ihrer Freiheit, die Sehnsucht nach dem fernen Heimath- lande, nach dem Manne, den sie liebte, nach ihren Eltern, mochten ihr Herz zerreissen. Man hörte im Hofe ein Ge- misch der sonderbarsten , fremdartigsten Negersprachen aus dem Innern, deren manche einen gewissen Wohlklang haben. Glücklich fühlen sich diese gesprächigen Kinder des gUihenden Süden , wenn sie unter sich nur plaudern können; aber welche Lage hat der arme Neger, der aus den entferntesten Ländern denselben Weg kommt und dessen Sprache nicht eine Seele versteht, wie es sich wohl manch- mal ereignet. Die Negerinnen waren bis auf den Rahad, die aus Lederstreifen künstlich zusammengesezte Schürze, die sie um die Hüfte binden , nackt, und man sah darunter viele ausgezeichnet schöne Formen. Die Haut frisch und glänzend geschmiert, die Haare in Hunderten von kleinen Zöpfcheu auf den Nacken herabhängend und mit Glasperlen, zum Theil nicht ohne Geschmack, verziert, erwarteten sie ihr künftiges Schicksal. In der obersten Etage befanden sich mehrere abyssinische Sklavinnen. Sie waren in weite Gewänder gehüllt , junge Gesichtchen im Kostüme alter Mütter. Deutlich zu erkennen war bei ihnen das höher als bei den Negerinnen ausgebildete Gefühl; denn sie unterzogen sich den rücksichtslosen Untersuchungen der Käufer offenbar 159 mit dem Ausdrucke der tief verlezten Schamliaftio;keit, und manche heisse Tliiäne sah ich in den Brei fallen, den man ihnen als Mittagskost vorsezte. Ein Madchen darunter in der ersten Jugendblüthe hätte auch in Europa für schön gegolten. Ihre Farbe war ein lichteres Braun ; die regelmässigen Züge hatten Ausdruck und nicht das Stumpfe, nie es bei jenen afrikanischen Völkern gewöhnlich ist; ihre Formen waren, obwohl es kaum über 10 Jahre zählte, rund und voll, und das sprechende schwarze Auge übte seinen Zauber auch auf die anwesenden, keineswegs zart den- kenden Orientalen aus. Unter die wichtigsten öffentlichen Anstalten orientalischer Städte gehören die Bäder, die besonders in Kairo mit vielem Luxus eingerichtet sind. Ich besuchte mehrere derselben mit unserm tempoiären Dolmetscher Kassab. Die Bauart ist meist die maurische. Eine Menge von Kuppeln lassen durch farbiges oder mattes Glas das Licht von oben in die prächtigen mit Marmor gepflasterten und Mosaik belegten Säle einfallen und verbreiten ein die Sinne sehr ansprechendes Halbdunkel. Im ersten Saale, der mit Fontainen von heissem und kaltem Wasser und mit Ruhebetten rings an den Wänden verziert ist , wird man entkleidet und in grosse weisse Tücher gehüllt. Um den Kopf wird ein Tuch als Turban geschlungen, an die Füsse kommen statt der Schuhe mehrere Zoll hohe Schemel. So in einen des Gehens rein un- fähigen Popanz umgewandelt, wird man von einem Bade- wärter in eine Reihe von Sälen geführt, deren einer immer eine höhere Temperatur hat, als der andere, und gelangt endlich zu einem mit warmem oder vielmehr heissem Wasser angefüllten Marmoibecken. Man wirft die lästige Hülle ab und soll in das Bassin springen, was ich aber in Befürchtung eines Schlagflusses wohlweislich unterliess; denn mir wenigstens kam die Fluth zum Brühen heiss vor. Nach dieser Tortur — das ist sie im Gegenhalt zu einem Bad im Meere oder in unsern spiegelhellen, er- frischenden Flüssen undSee'n — geht man entkleidet in einen Vorsaal , sezt sich auf den schlüpfrigen Marmorboden und wird mit Seife und Bürsten bearbeitet, gestriegelt, zulezt IGO mit Saifeiisclicaum und ganzen Töpfen voll kalten Wassers übergössen. Den Kopf auf das Knie des rolien Stellver- treters einer zarten JNymphe gelegt, der in den Haaren vvlithet, entschli'ipft man endlich seinen Henkerfäusten mit einem Gesichte, ähnlich dem eines armen Pudels, den man zum erstenmale ins Wasser geworfen hat. Nun wird man ge- trocknet und wieder eingewickelt und auf ein Ruhebett gelegt. Kaffe und Pfeifen werden gebracht, und ein Knabe erscheint, der den Körper zu durchkneten, die Glieder zu zielien und zu drehen anfängt, so dass man allerdings dabei anfängt, in einen leichten Schweiss zu kommen. Diess soll, wie die üriejitalen und auch mehrere europäische Reisende behaupten, die eigentlich Avollüstige Partie der ganzen Geschichte seyn. IVoch immer war von Seite des Vizekönigs keine weitere EntSchliessung in Betreff meiner Reise zuriick gekommen. Im Verlaufe dieses Geschäftes wurde ich mit JACUB-Effendi, dem Dolmetsciier des HABiB-Effendi , näher bekannt: einem guten alten Mann, mit dem ich mich sehr gerne unterhielt, indem ich nur zuzuhören und nicht zu reden brauchte. Be- sonders interessant waren seine Mittheilungen aus den Perioden des ersten Auftretens Mehemed-Ali's in Egypten nach der Niedermetzlung der Mameluken; sah auch er, wie natürlich, durch die Gläser seines Herrn, so war doch im Ganzen die Darstellung so getreu, dass man das wahre Licht nicht schwer erkennen konnte. Ein Paar der folgenden Tage benüzte ich zu geognosti- schen Exkursionen in der Umgebung von Kairo, besuchte die grossen Steinbrüche am Mokattam, durch die das ganze Lagernngs-System des dortigen Grobkalkes entblösst ist, der in Egypten eine so bedeutende Rolle spielt, und begab mich mehrmals an den Dschebel Achmar, rechts der Strasse nach Äbu's-abel, wo die tertiären Sandsteine höchst merk- würdige Veränderungen zeigen , die auf vulkanische Ein- wirkung hinzudeuten scheinen. Doch darüber werde ich später bei der Darstellung der geognostischen Verhältnisse von ünteregypten insbesondere Bericht erstatten. Am 27. ritt ich des Morgens zeitlich mit Konsul Champion 101 l^!el!er zu IIabib- Effeiuli auf die ritadellc. Ihisorc Vci- handliiiig beschränkfe sich auf die Feststellung' versrhiedener Normen, nach denen wir während unserer Reisen behandelt werden sollten: (jegeustände, iiher die sich ohnehin der Kontrakt klar ausdrückte; aber gerade desshalb vielleicht und weil im Vertrage so Vielerlei angefiihrt wurde, was entschieden zu uuserm Vortheil sprach und uns sicher stellte, suchte man neue Bedingungen einzuschmuggeln, die ich aber, als unsere Rechte und unser Interesse beinträchtigend, ein für alle Mal zurückwies. Die Konferenz mit den Zwischen -Pausen, welche durch Kafle- Trinken und Tabak- Rauchen ausgefüllt wurden, dauerte bis in die späten Nach- mittagsstunden, und am Ende war im Ganzen doch nichts geschehen. Als Dolmetscher diente mir heute ein Übersetzer aus der medizinischen Schule zu Abus-abel, ein Pole, Namens Suwatowsky, der später mein zweiter Dolmetscher wurde, ein ganz vortrefflicher Mensch, aber in seinem Geschäfte viel zu umständlich, wodurch er nebst seinen vielen Zweifeln und ßedenklichkeiten die Sache ungemein ins Weite zog und die Verhandlungen entsetzlich langweilig machte. Überhaupt ist es in Egypten höchst schwierig', einen brauchbaren Dolmetscher zu finden. Meistens halten sich diese Leute selbst für so umsichtig-, dass es ihnen um die sciiÖnen Ideen, die in ihrem eignen Kopfe auf- tauchen, leid thäte, wenn sie dieselben nicht auch bei Gelegenheit loslassen könnten. Indem sie diess thun, ver- wirren sie das ganze Geschäft, bringen das Thema auf andere Wege, entstellen die Wahrheit und verfehlen den ganzen Zweck. Ein Dolmetscher ist , wenigstens wie ihn der Reisende braucht, eigentlich eine Maschine der Form nach j ohne V erantwortung für das von den Parteien sich gegenseitig- Gesagte ; dem Wesen nach aber ein Mann', der nicht nur den Geist der Sprache, sondern auch den des zu verhandelnden Gegenstandes in sich auf- genommen haben muss, um die Worte in lebendiger Wahr- heit, ohne Verdrehung-, ohne Zuthat, ganz so wie sie kommen und was sie sagten, in den Geist der andern Sprache zu übertragen. *»»> ,erade nicht, wenn sie auch denselben nicht so fremd bleiben, wie die Frauen der mohammedanischen Harems. Sie sprechen daher auch un- streitig das reinste und beste Arabisch und fassen überhaupt den Geist der Sprache, wie den des Lebens im reinsten orientalischen Sinne auf. Ihre Sitten und Gebräuche, ihre Denkweise, ihre Herzensangelegenheiten sind getreue Bil- der aus tausend und einer Nacht, ihr stilles Leben im Harem, ihre Konversation im Bade und bei Besuch umgibt ein Kreis von Sagen und Mährchen, deren tiefer Sinn, deren oratorischer Schmuck wohl werth ist, einen Sultan in selige Träume einzuwiegen. Genien und Geister * umgeben sie an allen Orten, umschweben sie in den Lüften und im Feuer, durchkriechen die Erde wie die Häuser, erscheinen in tausenderlei Gestalten. Ihre Denkweise ist daher voll Aberglauben, aber ihr Aberglaube ist schön, und es liegt in ihm die höchste Poesie. Finis coronat opus! Das bestättigte sich auch heute; denn wir besclilossen unsere galante Salons-Reise bei S Ich war geblendet, als ich eintrat; denn hinter dem Halb- kreis von Müttern, Tanten und Basen, die zum Glück weit genug standen, um durchsehen zu könneji, erhoben sich drei junge Frauen vom Divan, um uns zu begrüssen, die mich glauben machten, dass ausser Mohammed's Paradies noch ein zweites dieser Art existire. Wir hielten uns nicht lange im Salon auf, sondern gingen, nachdem uns die Frauen auf ihren Schemeln durch das ganze Haus geführt, um uns die Älerkwürdigkeiteu desselben zu zeigen, wozu sie auch ihre Schlafgemächer zählten, in den Garten, der von hohen Mauern eingefasst, etwas sehr Beengendes hatte. Hier * Die Genien sind nur halbe Geister ; denn ilire Hi'ille ist storbliili und sie dürften daher in vieler Beziehnni^: gefährlicher seyn, als die rein ätherischen Wesen. 106 winde im Scliatten von Palmen und Bananen — was sich übri- gens besser liest, als sieht: denn in solclien dünnen Schatten kühlt sich's nicht — die Konversation, und zwar zu meinem grössten Vergnügen mit der einen der schönen Dreien italie- nisch fortgesezt. Der Ton , in welchem man sich unterhält, ist sehr frei und fast etwas mehr als ungezwungen , d. h. nach unsern Begriffen über die Wahl des Ausdruckes. Mit Blumen nach orientalischer Sitte beschenkt und den Kopf voller Träume ritt ich fort, durchzog die engen, finstern Gassen von Kairo und gelangte endlich, blos von Cassab begleitet, ins Narrenhaus, Einen grässlicheren Gegensatz hätte ich nicht treffen können. Man sagt im gewöhnlichen Leben, dass die Mo- hammedaner ihre Narren für begeisterte Menschen, ja für Heilige ansehen und verehren. Diess scheint jedoch nur bei jenen der Fall zu seyn, deren Narrheit eine religiöse Tendenz hat, wohin mehr oder weniger ein grosser Theil ihrer Fakirs , Derwische und dgl. zu gehören scheinen. Diese Art Narren hat — abgerechnet den grossen Vortheil, dass sie alles mögliche dumme Zeug ungehindert reden und ausführen dürfen — noch den, dass man gegen alle ihre un- moralischen Handlungen eine ausserordentliche Nachsicht hegt und sie dadurch zu den rohesten, unverschämtesten Kerls macht, Avelche schamlos die sittenlosesten Handlungen und Gewaltthätigkeiten begehen. — Sapienti pauca ! — Ganz anders verhält es sich mit jenen Unglücklichen, die ihrer Verritcktheit nicht obige Richtung geben, sondern im Unglücke noch so unglücklich sind, dass sie mit ihren fixen Ideen ein anderes Feld betreten. Sie werden, wie überall, so auch in Kairo, von der menschlichen Gesellschaft abgesondert; aber gerade in der Art und Weise, diese Absonderung des Unglücklichen auf menschliche Prinzipien zu gründen und ihm dadurch die Rückkehr in die bürgerliche Gesellschaft, den Wiedereintritt in seine Rechte möglich zu machen, darin liegt der grosse Vorzug des gesitteten Menschen und der vernünftigen Verwaltung der bürgerlichen Ordnung. Diess ist dem Mohammedaner und respektive dem Türken nicht gegeben. Unschädlich zu machen und doch menschlich 167 zu verfahren , diese ComhiDatioti ist ihm rein unbeliannt. Das Thier, welches einen Menschen beschädigt, wird »e- tödtet, der Mensch, der das Unglück hat, die Rechte Andrer zu bedrohen, wird zum Vieh herabgewürdigt, und auf diese Grundsätze basirt sich die Behandhing der Narren auch in Kairo. Nie in meinem Leben kam mir eine so gransenvolle, Entsetzen erregende Misshandlung des Menschen vor; der Sklaven -Markt ist nichts dagegen, und selbst die Sklaven- jagd tritt in Hintergrund. Beide Geschlechter sind im Narrenhanse getrennt. In einem engen Hofraume befinden sich ringsherum in der Mauer mehrere finstere, enge Löcher, liur so gross, dass ein Mensch zusammengekauert darin sitzen und am Boden liegend sich ausstrecken kann. Diese Löcher sind mit starken Gittern versehen, und in einem solchen Käfig sich selbst überlassen, ohne Trost, ohne eine liebende Hand, die ihn pflegt, ohne Arzt, ohne ordent- liche Nahrung, ohne körperliche Reinigung, an schweren Ketten, wie ein Tiger, angeheftet, wird der Unglückliche eingekerkert, der den Verstand verloren hat — um ihn wieder zu gewinnen, ich sah in diesen furchtbarsten von allen Zwingern einige und zwanzig nackte und halbnackte Männer angekettet und darunter keinen einzigen wirklich wüthenden Narren. Mehrere dieser erbarmungswürdigen Unglücklichen waren schon über sechs Jahre eingesperrt. Überdiess war der Hof immer voll von Menschen , die roh genug waren, die Narren mit Stöcken, wie wilde Thiere, zu necken. Nimmt man noch dazu den Gestank der empörend- sten Unreinlichkeit, das Ungeziefer, welches die Armen peinigt, und alles diess häufig in einer Temperatur von 30**, so kann man sich das Entsetzen denken, das sich meiner bei diesem Anblicke bemeisterte. Nicht minder schrecklich ist das für das Aveibliche Geschlecht bestimmte Lokal, nur sind daselbst die Käfige höher und haben keine Gitter. Ich sah mehrere Weiber, die im buchstäblichen Sinne des Wortes im Unrathe lagen und deren Gestalt, entstellt durch Wahnsinn, Hunger, Un- reinlichkeit und namenlose Leiden, nichts Menschliches mehr hatte. Ich musste mich schaudernd wegwenden. Nun, 168 ueuu ilus Civilisatioii lieisst, dann möchte ich ßaibaici kemien! INach dem Nairenhause duichguig- ich das Armeii- Spital. — Diess ist doch so eingeriditet, dass Mensclien diiselljst existiieii können. Sind auch hier Unieinlichkeit und Elend bekannte Elemente, so ist doch der Hauptzweck, dem Armen Linderung seiner Leiden zu verschaffen, nicht so total verfehlt, wie am Narrenliause, das nur Narren machen, aber keine heilen kann. So ist der Türke in seinen öffentlichen Anstalten, selbst der neu ci\ilisirte, wenn ihm der Europ<äer, sein Vormund, nicht stets unter die Arme greift. Traurig, wenn lezterer das Interesse der leidenden IVlenschheit nicht für das seine ansieht und sich gar keine Mülie gibt, seinem Zögling auch den Grundsatz beizubringen, dass der leidende Mitbruder uns der nächste ist, wess Glau- bens, wess Landes, wess Volkes er auch seyn möge; eine energische Vorstellung von Seite eines Arztes an den Vize- könig würde, so weit ich ihn zu kennen glaube, den Zweck, gewiss nicht verfehlen. ,; >. ■•,: ,i Die Beirams-Visiten, welche uns orientalische Sitte bei den ersten Würdenträgern zu machen gebot, waren besonders in der Beziehung von höchstem Interesse, dass wir dabei Gele- genheit hatten, beinahe alle Ilacen und Kostüme zu sehen, die dem Islam angehören. So trafen wir bei HABiB-Effendi mehrere vornehme Perser, in ihren langen Kaftanen; Scheriffs von Hedjas jind Jenjen, mit ihren dunkelbraunen, ausdrucksvollen Gesichteiii und glühenden Augen, in bunten Kleidern, kostbaie SiiaA\ls zu grossen Turbanen gewiinden und mit Ungeheuern Dolchen in den Gürteln; Inder mit den langen, gelben, scharf gezeichneten Physiognomien. Ausserdem die egyptischeu Ofli- zicre in ihrer geschmacklosen, rothen Uniform, mit Gold- stickerei überladen — und inmitten all dieser orientalischen Kostüme wir mit unsern europäischen, knapp anliegenden Uniformen, so kann man sich nicht leicht ein bunteres Gemenge einbilden. \ or den Thoreu versammelt sich in den Tagen des Beiranisfestes eine Masse Volks, welches. sich daselbst mit verschiedenen Spielen beschäftigt. Die Hauptunterhaltnngen 169 hikleii Schaukeln vei'schiedener Art, Onck Kästen und vor allem Marionetten. Die VorstelInn<>en mit leztern heschtiuik- ten sich auf das Lieblfnosstiick der türkischen Dramatik: Jrmi nnd Irmi bir (zwanzig- und ein und zwanzig), ein Produkt der allersclimutzigsten Phantasie, welches vor einem dichten Kreise von Männern, Frauen und Kindern, mit der unbegreiflichsten Langeweile den ganzen Tag dnicli bis in die späte Nacht gegeben wurde, und wobei sich die Zuschauer vortrefiriich unterhielten. Die öffentlichen Tänze der Tänzerinnen, Almas, auch Gasiehs, genannt, sind grössten- theils abgekommen, und man sieht sie, seitdem sie öffentlich nicht mehr geduldet werden, nur in Privatcirkeln. Dagegen werden sie bei allen diesen Gelegenheiten durch Tänzer vertreten, Knaben von 10 bis 16 Jahren, welche in Franen- kleidern öffentlich herum gehen. Auch die Abschaffung der Tänzerinnen und die Duldung der Tänzer bilden gegenseitig einen grossen Missgriff der orientalischen Polizei in Egypten. Mau hat ein natürliches Laster zum unnatürlichen potenzlrt und dadurch öffentlich eine der schändlichsten Verirrungen des Menschen, der leider der Orientale und einige südliche Völker seit den Zeiten des frühen Alterthums vorzugsweise anhängen, mit der gesetzlichen Duldung honorirt. Die medizinische Schule befand sich damals noch in Abus- abel. Der Ritt dahin in der kühlen Morgenluft, anfänglich durch kleine Palmen- und Sykomoren-Wälder, weiterhin am Rande des Kulturlandes, links Gärten, rechts die gelblichrothe Wüste, war ungemein angenehm. Der Weg war belebt, wir passirten einige kleine Beduinen-Lager, Reisende auf Kame- len, Pferden, Eseln zogen hin, zogen her. Mach einem etwa dreistündigen Ritte kamen wir in Äbus-abel an. Wir waren an einen Professor der Anstalt durch CLOT-Bey, den Chef des Medizinal -Wesens, empfohlen und fanden daher die freundlichste Aufnahme. C'Lox-Bey, schon seit langen Jahren im Dienste des Vizekönigs, ist ein Mann, der in jeder Beziehung dessen höchstes Vertrauen verdient, ausgezeichnet als Arzt, einer der Wenigen, denen das Interesse des Gebieters, das Wohl des Landes wahrhaft am Herzen liegt, aber leider 170 einer der Vielen, welche oft vergebens geg^en Voriirtlieile und mangelhafte Institutionen ankämpfen. Mit unsäglicher Aufopferung schuf er das schöne, künstliche Gebäude, doch die Aufführung des Grundes lag ausser seiner Macht. Die Schule, die ihm allein ihre Existenz verdankt, wäre gut und schön, wenn ihr andrerseits in die Hände gearbeitet würde, wenn sie als gelehrte Schule das lezte Glied in einer Kette von Civilisations-Anstalten bilden würde, während sie das erste Glied ist und allein da steht. Daher erfüllt auch sie ihren Zweck nicht, die Form wird auch bei ihr für das Wesen genommen , auch sie erhält sich nur durch die Machtsprüche des Herrn, nicht aber, als wenn ihr Geist in das eigentliche Leben der Nation übergegangen wäre und sie als geistiges Kultur -Eigenthum derselben über den Wechsel der Zeit und Umstände erhaben seyn würde. Solche Anstalten erscheinen und verschwinden mit dem Stifter und seinem Mäcenas ; denn für ihre Fortdauer ist das Vorhandenseyn eines gebildeten Volkes conditio sine qua non, und diess wird man doch nicht in Egyplen suchen? Aber die Spuren, glaube ich, werden doch bleiben, und eine spätere Zeit kann vielleicht das Mangelnde ausfüllen. Wir besuchten das chemische Laboratorium, die Bibliothek, das anatomische Theater, das physikalische Kabinet mit dem Hörsaal, in Form eines Amphitheaters, das Medicamenten- Magazin etc. und fanden alles zwar im Werden, doch recht hübsch eingerichtet. — So sind auch die übrigen Hörsäle, das Schlafzimmer, das Speisezimmer der Zöglinge sehr zweckmäs- sig. Lezterer sind gegenwärtig (1836)* über 200, welche nicht nur unentgeltlichen Unterricht, sondern auch Kost, Kleidung und monatlich von 40 bis 100 Piaster an Geld erhalten: eine äusserst schöne Einrichtung, die bei allen Lehranstalten des Vizekönigs statt findet und manchem europäischen Lande als Muster hingestellt werden könnte für die Art und Weise , derlei Anstalten dem Volke zu- gänglich zu machen. Die Vorträge werden französisch * Später wurde die Medizinal -Schule von Abus-abel nach Kairo iibersezt und mit dein Spitale in Cassr el ain vereint. 17t gehalten niid ins Arabische übersezt. Wieder ein grosser Nachtheil: denn der tiang- des Unterrichts wird dadnrch schleppend, unsicher, und wenn der Übersetzer nicht vom Fache ist und an literärer Hildung dem Vortragenden gleich steht, ancli unverständlich. Entweder sollen die Professoren arabisch reden oder die Zög^linge vorerst vollkommen fran- zösisch lernen. Die Spital- Anstalt, worein jeder Inländer aufgenommen wird, nur nicht Militairs, die eig^ene Spitäler haben, ist höchst sehenswerth; die Säle sind hoch, luftig, kiihl. Es herrscht durchaus eine nachahmungswerthe Ord- nung, Reinlichkeit und Disciplin. Die Kranken haben gute Kost, schöne Gärten, reine Betten. Alles diess liegt aber durchaus nicht im Geiste der Verwaltung; denn die Spitäler in den Provinzen sind häufig ganz das Gegentlieil, und das Medizinal -Departement der Armee, besonders der Land- armee, könnte häufig gar nicht schlechter seyn, als es ist. Die gute Einrichtung des Spitals in Kairo ist rein nur das Verdienst einiger Europäer und vorzi'iglich des unternehmen- den CLOT-Jjey und unserer ausgezeichneten Landsleute Pruner und Fischer, die nicht nur als Arzte den deutschen Namen auf das Ehrenvollste vertreten, sondern auch als Menschen zu den angenehmsten Erscheinungen in Egypten gehören und durch zahllose Gefälligkeiten sich Jeden verpflichten, der mit ihnen in ßeriihrnng kommt. Es ist auch das Ver- dienst des Vizeknnigs, der die Bemühungen dieser verstän- digen Männer mit der ihm eigenen Energie unterstüzt und befördert, aber stets den gordischen Knoten zerhaut, nie löst, weil er die Ideen derselben nicht in sich aufnimmt, mit einem Worte nicht versteht, folglich solchen Leistungen keinen festen, sichern Grund zu geben weiss, was nur er allein tliun könnte. In Verbindung mit dieser Anstalt besteht auch eine Veterinär- Schule. Von Abus-abel ritten wir in das nahe Städtchen Hanka zurück, wo wir auf dem schönen Landsitze des Obersten Harrif - Bey ein Paar vergnügte Stunden zubrachten. Nicht zufrieden, uns auf seinem Grund und Boden aufs freundlichste entgegen zu kommen, sezte er 172 sich, als wir abritten, ebenfalls zu Pferd und begleitete uns eine f^rosse Strecke, bei welcber Gele2,"enlieit es die Sitte erforderte, dass wir uns gegenseitio- unsere Reitkünste zum Besten geben mnssten. Diese iiesteiien vorziiolicli in einer rasenden Carriere, verbunden mit scbarfen, momen- tanen Wendungen und, um die Narrheit vollständig zu machen, mit plötzlichem Arretiren des Pferdes in vollstem Laufe. Nachdem wir dergestalt zu gegenseitiger Zufrieden- heit der chevaleresken Etiquette Geniige geleistet, trennten wir uns und wendeten uns nach Heliopolis. Von dem Glänze der alten Hauptstadt der Weisheit ist nichts mehr übrig, als ein Erdwall, der die einstigen Mauern bezeichnen dürfte, und der hohe, schöne Obelisk. In der Nähe sieht man auch jene ehrwürdige Sykomore, deren Anblick Erinnerungen aus unsrer Ileligionsgeschichte hervorruft; denn es soll derselbe Baum seyn , in dessen Schatten Joseph und Maria hier mit dem heiligen Kinde ruhten, als sie auf ihrer Flucht nach Egypten kamen. — Auf dem Rückwege nach Kairo besuchten wir wieder den in geringer Entfernung von der Strasse liegenden Dschebel Achmar (der rothe Berg). Am 2. April, nachdem die Freuden des Beiramsfestes vollkommen vorüber waren und man auch auf der Citadelle wieder ernstere Dinge zur Hand nahm, ritt ich mit Konsul Champion dahin, um unsere Abreise zu betreiben. Man sezte zwar kein Hinderniss entgegen und versprach, dass alle unsere Angelegenheiten, als Geldanweisungen, Firmane, Zelte etc. in Ordnung gebracht würden; doch glaubte ich besser zu thun, zu versichern: Ich v\'erde keinen Fuss aus Kairo setzen, bis alles in Ordnung und mir übergeben wäre. Bei der heutigen Konferenz war ausser IlABiB-Etfendi auch MocHDAR-Bey zugegen", und die Unterhandlungen gingen daher weit rascher, doch dauerten sie bis gegen Abend. Achmed- Kaptan, der oft schon erwähnte Marine -Offizier, wurde zum ersten und Suwatowsky zum zweiten Expeditions- • Er starb im Jalir 1838. 173 Dolmetscher ernannt. Bis daliin ginf»^ Alles leicht, nnn aher kam ein Kapitel, nämlich ilas der Geltlanweisun<:;en für die Expeditionskasse zur Bestreitung," der laufenden Auslaj>en, als Bezahlung- der Bedientenlöhne , Verpflegungskosten sämmtlieher Expeditionsgiicder und dgl., bei dem oben er- wähnte beide Herren Grundsätze durchzusetzen und Normalien aufzustellen suchten, die ich unmöglich billigen konnte. Den Anrrag-, uns ad personam Verpflegungs- Pauschalien zu zahlen, nahm man aus mir unbegreiflichen Gri'uulen nicht an, und den Antrag-, uns die Verpflegung; in natura zu verabfolgen, d. h. uns sogenannte Taim wie den eg;yptischen Offizieren zu geben, wies ich als unwürdig für Beamte einer fremden Macht sogleich zurück. Man durchging neuerdings den ganzen Kontrakt Punkt für Punkt, als wenn er erst geschlossen werden müsste, und zeigte sich mit den einzelnen Punkten desselben unzufrieden. Man wünschte z B., dass wir unsere Diäten in Eg-ypten beziehen sollten, statt dass sie in Triest ausbezahlt würden, man erklärte mir, dass Dr. Veit als Expeditions -Arzt keinen Anspruch auf eine Besolduu«^ hätte, weil im Kontrakt seiner nicht erwähnt würde, worauf ich nichts entgegnen konnte. Ich erklärte daher den Herren: „dass der Kontrakt nicht erst abzu- schliessen , sondern schon abgeschlossen sey, dass derselbe Punkt für Punkt die Sanktion unsier, d. h. der österi'eichi- schen llegierung' habe, und dass daran nicht ein Buchstabe geändert werden dürfe; dass ich zur Begründung einer stau- desmässlgen Verpflegung und zur Beförderung des Fortkom- mens der Expedition von Ort zu Ort die Errichtung einer Ex- peditionskasse für unerlässlich erachte und fest daran halte, und dass ich überzeugt sey, dass der Vizekönig mit einer Bekürznng des bestehenden Vertrags nicht einverstanden seyn könne; würde man daher nicht die gesezten und bereits aner- kannten Bedingungen eingehen, so werde ich mich desshalb an den Vizekönig wenden, mit dem ich ausschliesslich und allein im Betrefft der Expedition zu unterhandeln habe und von dem allein ich weitere Weisungen annehme." Man versprach mir, sich an den Vizeköiii"- zu wenden und ihm meine 174 Ei-kläniiig; vorzulegen. Dadurch entstand eine neue Ver- zöj>erung, die ich wieder zu Exkursionen in der Umoegend von Kairo benüzte *. Der Vizekönig^ war noch immer im Delta abwesend, und man konnte also den Garten von Schnbra, wenn nicht gerade die Frauen sich dort befanden, leicht sehen. Wir Hessen uns desshalb bei HABiB-Eflfeudi melden, und er schickte hin, um uns anzumelden, damit ja keine weibliche Seele sich zur Zeit unseres Besuches etwa im Garten befände. Schnbra liegt eine Stunde unterhalb Kairo, am rechten Ufer des Nils. Eine schöne Allee von alten Sykomoren führt dahin, und die Strasse ist, einige Unebenheiten abgerechnet, für Kutschen fahrbar, deren aber damals in Kairo vielleicht kaum mehr als viere waren. Die Zimmer des Harems konnten wir wegen der Anwesenheit der Frauen nicht sehen, wir mussten uns daher auf den Garten beschränken. Derselbe ist unstreitig einer der schönsten im Oriente, doch schlägt in seiner Anlage der alte französische Styl etwas vor und macht ihn steif, so dass ich im Ganzen, abgerechnet die Bau -Anlagen der grossen Fontaine u. dgl., den Garten des Ibrahim -Pascha auf der Insel Roda vorziehe. Sehr viel ist in Schnbra auf ßlumenkultur, auf Anlegen von Lauben aus Jasmin mit Oleander, auf prächtige Kioske inmitten von Citronen- und Pomeranzen -Wäldchen gesehen; vor Allem aber und wahr- haft prachtvoll ist die grosse Fontaine aus weissem Marmor, an der man damals gerade im Bauen begriffen war, um bedeutende Veränderungen daran vorzunehmen. Von der feenhaften Pracht dieses Meisterstückes gibt Hr. v. Prokesch in seinen Erinnerungen aus Egypten etc., 1. Bd. S. (»3., •'•' Meiner vielen Berufsgescliäfte halber war es mir nicht mög-lich, bei meinem ersten Aufenthalte in Kairo all die Merkwürdigkeiten dieser Kapitale zu sehen; da ich aber öfter nach Kairo kam, holte ich das Versäumte ein uud werde also darauf wieder zuriickkommeu, wie es die chronologische Ordnung bedingt, die ich in dieser Darstellung der Reise beobachte. So lernte ich auch den interessantesten Gegenstand Egyptens in neuester Zeit, nämlich seinen Gebieter, erst bei meinem spätem Aufenthalte kennen. 175 eine jjenaue Beschreibung^. In einer besondem Abtheilnng des Gartens werden Thiere aus dem Innern von Afiika gehalten, die sich hier im verwandten Klima ganz wohl befinden. Der dritte der drei schönen Gärten von Kairo ist der des IsMAEL- Pascha auf der Insel el Koratieh bei Bullak, der sich besonders durch seinen grossen Reichthum tropischer und anderer Bäume fremder Klimate auszeichnet. Ismael- Pascha war der Sohn des Vizekönigs, derselbe, der den merkwürdigen Feldzug ins Innere von Afrika bis; nach Singe uuternalim und für seine Grausamkeiten im Jahr 1822 durch Meck-Nemir (Tiger-König) zu Schendy in den Flam- men seiner Hütte sammt seinen Leuten der Rache der Schwarzen geopfert wurde. Der Garten befindet sich gegen- wärtig in den Händen von Ismaels hinterlassenem Harem. Am 6. April veranstaltete ich eine grössere Exkursion. Wir brachen sehr früh auf und ritten in die Nekropolis von Kairo, in die sogenannte Kalifen -Stadt, welche sich südlich der Citadelle und am Westgehänge des Mokattam hinzieht und ganz aus Monumenten besteht. An der Nord- ost-Seite der Citadelle befindet sich auf der andern Seite des Mokattam eine ähnliche Todtenstadt, bestehend aus lauter Monumenten und Moscheen, auf Gräbern errichtet. Beide Friedhöfe zusammen, denn das sind sie in der wahren Bedeutung des Wortes, befinden sich in der Wüste und nehmen eine mit Grabmalen bedeckte Fläche ein, auf der füglich eine Stadt von 60,000 Menschen stehen könnte. Darunter zeichnen sich die in maurischem Style aufgeführten Moscheenartigen Grabkapellen der Häuptlinge der Mameluken und vieler andrer in der Geschichte Egj ptens berühmter Fami- lien aus. Einige dieser Moscheen sind prachtvolleMeisterstücke der alt-sarazenischen Baukunst, besonders die, welche aus dem 14., 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts stammen, und worunter sich die des Sultans Keitlag und des Sultans Segü als die edelsten auszeichnen. So schön der Araber einst baute und zum Theil noch baut, wie wir an der neuen Moschee auf dem Mokattam sehen, so schlecht unterhält 176 er die mit grossen Kosten caufgeführteii Gebäude, eine Nachlässigkeit, die er mit aileu südlichen Völkern gemein hat und der zufolge auch diese herrlichen Denkmale zum Theil sehr im Verfalle sind. Wie man vor das Bah el Nnssr tritt, hat man rings um die Citadelle nur Behausungen der Todten. Kein Laut unterbricht die feierliche Stille, ausser dem leisen Hauche des Windes, der über die Wüste hinfährt, und dem Geheule der Hyänen und Schakals in der Nacht, die ihrem Raube nachgehen. Diese geheimniss- volle Ruhe ist es aber gerade, die jenes Leben herbeiruft, welches gerne den dunkeln Schleier sucht. Die zahllosen Ruinen sind in der Nacht der Aufenthalt des dach- und fach losen Gesindels aller Art, das in der Hauptstadt nicht geduldet wird, und in den Zeiten, in denen die Religion den Frauen gehietet, die Gräber der Vorangegangenen zu be- suchen, ist es die Liebe, die hier am Rande des Grabes ihre stillen Feste feiert und den Schmerz der Vergangenheit in der Seligkeit der Gegenwart begräbt. In dem südlichem Theile der Todtenstadt befindet sich das Mausoleum des jetzigen Vizekönigs uud seiner Familie. Es ist eine einfache, in dem edlen maurischen Style erbaute Kapelle, die zwei Abtheilungen hat, deren jede eine schöne Kuppel trägt. Düsteres Licht von oben verbreitet ein magisches Helldunkel in den heiligen Räumen der Ver- schiedenen, die unter einfachen Monumenten ruhen. Jedes derselben, aus Marmor verfertigt, besteht in einem Parallel- epiped, worauf ein Sarg ruht, an dessen obern und untern Ende zwei stehende kleine Säulen mit Inschrifteu sich be- finden. Der Fussboden ist durchaus mit Strohmatten belegt, über die kostbare Teppiche ausgebreitet sind. Als wir eintraten , Avar das Innere durch eine Älenge von Hänge- lampen erhellt und mehrere Imams knieten an den Gräbern, die im Chore ihrer schönen Männerstimmen für die Ver- storbenen beteten , so dass das Ganze wirklich einen feier- lichen, rührende« Eindruck machte. Von der Nekropolis ritten wir nach Tora, wo eine Artillerie-Schule und eine grosse Kaserne für die Kavallerie 177 sich befindet und von wo iiiJin eine herrliche Ansicht des Schlosses anf dein Mokattam geniesst. Dicht oberhalb Tora sezten wir mit unsern Pferden auf einer grossen Barke über den Nil und ritten fast 1\ Stunden lang dnrch einen schön gezogenen Palmen - Wald nach Sakaara am Sanme der grossen libyschen Wüste südlich der Gegend , wo einst das alte Memphis gelegen haben soll, von dem Abulfeda vor 500 Jahren noch Trümmer sah. In der Umgegend von Sakaara und in der Wüste gelegen zählte ich 18 deutlich erkennbare Pyramiden, von denen mehrere sich durch die Zerstörung der Zeit und der Menschen in Tumuli-artige Schutthaufen verwandelt haben. Diese Pyramiden sind weder so hoch wie die von Dschiseh, noch mit solchem Material-, Zeit- und Kunstaufwand errichtet. Einige derselben bestehen sogar nur aus an der Sonne getrockneten Lehmziegeln, die nur im regenlosen Himmel von Oberegypten so der Zerstö- rnng durch den Eiiifluss der Elemente zu trotzen im Stande sind. Einige sind aus Blöcken von NummuÜten-Kalk , aber mit einer Art Mörtel zusammengefügt. Alle sind geöffnet, nur ist der Zugang bei mehreren durch die fortschreitende Zerstörung ganz verschüttet und unkennbar. Diejenigen von ihnen, in welche man eintreten kann, haben, wie die von Dschiseh , eine Menge unterirdischer Kammern , Schachte und Gänge, die tief in die Felsen hineingehen. Die Kammern sind zum Theil mit Granit belegt, zum Theil bemalt, und man sieht an mehreren Stellen Hieroglyphen eingegraben, was um so wichtiger und interessanter ist, als man in den Pyramiden von Dschiseh noch niemals Hieroglyphen ent- decken konnte, wodurch man schon auf den Gedanken kam, dass dieselben in der Erbauungsperiode der Pyramiden noch gar nicht existirt haben, was aber im Allgemeinen durch die hier voiliegende Thatsache widerlegt ist. Die Kammern in diesen Pyramiden, in denen man auch noch Trümmer von Granit-Sarkophagen findet, sind mitunter sehr hoch, und Hr. v. Prokesch fand in der dreizehnten seiner Reihe eine Kammer, die hierin alle andern übertrifft, da ihre Höhe beiläufig hundert Fnss beträgt. Hr. v. Prokksch Ri'SM'.GCKlc, Reisen. 1. Bd. 12 zählte vom Gipfel der Pyramide, welche er mit 1 bezeichnete, 21 solcher Pyramiden, während ich deren nur 18 zählte, wobei ich aber bemerken muss, dass ich auf keine dieser Pyramiden hinaufstieg , folglich auch das ganze Terrain nicht so übersehen und mich leicht getäuscht haben konnte. Der Boden um die Pyramiden sieht grässlich aus, wie ein Schlachtfeld , durch die Menge von Gebeinen , Köpfen und Fetzen von Einwickeluiigsleinen, die von den zahllosen Mumien herrühren, welche man durch Jahrhunderte hier ausgrub, plün- derte, und deren beraubte und entblösste Theile man acht barbarisch in alle 4 Winde schleuderte. Das Gebirge und der Felsenboden in der Umgebung der Pyramiden ist ganz durchlöchert von Katakomben , die entweder stollenartige Zugänge haben, oder zu denen tiefe Schächte niederführen. Diese Katakomben sind theils mit Menschen , theils mit Thier-Mumien angefüllt und zum Tlieil in unerschöpflicher Menge. Seit alten Zeiten betrieben die umwohnenden Beduinen und Fellali die Ausgrabungen der Mumien ordent- lich handwerksmässig, wozu sie von den Europäern, ihren einzigen Abnehmern, für jene, welche sie nicht selbst zer- rissen und plünderten, gehörig angeeifert wurden. Gegen- wärtig geschieht diess zwar auch noch , aber lieimHcher, weil der Vizekönig alle diese Ausgrabungen verboten hat. Die Araber verstehen unter andern Künsten dieser Art auch das Nachmachen von Mumien. Hr. Rifaud bemerkte diess schon in seinem Gemälde von Egypten und Nubien und be- ginnt sogar in dieser Beziehung sein Werk mit dem ab- schreckenden Worte : Warnung. Man erzählte mir folgenden Schwank : ein Engländer, der einige Worte arabisch gelernt hatte, sey vor Kurzem nach Sakaara gekommen und habe von den Beduinen eine Mumie gekauft, die äusserst gut erhalten war. Voll Freude über den köstlichen Fund kehrte er mit seinem Dolmetscher und ein paar Trägern den andern Tag wieder, um den Schatz abzuholen. Beim Anblick der Mumie äusserte der Dolmetscher: dieselbe komme ihm so bekannt vor. Höchst erstaunt über diese Worte des kaum dreissigjährigen Mannes, der tausendjährigen Mumie gegen- über, ward sein schöner Wahn aufs härteste erschüttert. 170 Man iinteinsuclite die Sache und fand , dass ein liag^erer Italiener, ein Bekannter des Dolmetschers, mit Ausgrabungen in Sakaara beschäftigt gewesen und daselbst gestorben sey. Die Araber, angezogen durch seine Muniiengestalt, konnten nicht widerstehen, ihn in eine wirkliche Mumie umzugestalten, lind der Engländer war so glücklich , diese Frucht ihrer genialen Betriebsamkeit zu ernten. — Triimmer von Kolossen, die hie und da im Sande liegen , zeigen , dass hier einst bedeutende Tempel oder ähnliche öffentliche Gebäude ge- standen haben müssen, wenn sie nicht, wfis wahrscheinlicher ist, in den Vorhöfen errichtet waren, die einige dieser Pyramiden besessen haben, und wovon man noch die Reste sieht. Wie gewöhnlich eine Barbarei der andern die Hand reicht, so hat man hier, als man den tausendjährigen Schlummer der Älumieu störte und sie ans Tageslicht riss, auch die Hieroglyphen beschädigt, welche die Wände und Eingänge dieser Katakomben zierten. Mehrere Beduinen hatten sich um uns versammelt und l)oten sich an, uns in einige Katakomben zu führen. Sie nahmen zu diesem Zwecke die Hirnschale eines am Boden liegenden Schädels, gössen Ol hinein , rissen einen Fetzen ihres Kleides herab und machten ihn zum Dochte. Mit einer solchen Todtenlampe betraten wir das Reich der Todten, d. h. wir krochen in mehrere dieser engen Räume hinein, wo Mumien und Theile derselben bunt durcheinander geworfen sich befanden, ein Beweis , dass iinserm Besuch schon viele vorangegangen waren. Die hiesigen Beduinen unterscheiden sich sehr von ihren Landbau-treibenden Brüdern , den Fellah. Sie sind gross und zum Theil auch stark gebaut, haben einen sehr dunkeln Teint, glühend schwarze Augen und ein freieres, ungezwun- generes Benehmen, sind auch bei weitem nicht so zudringlich, kurz scheinen physisch und moralisch höher zu stehen. Wir waren noch nicht lange mit ihnen zusammen, so brach- ten sie uns eine ganze Mumie. Es war ein Mann und schien zur ärmsten Klasse gehört zu haben ; denn das Mittel, das man zur Erhaltung der Leiche angewendet hatte, bestand in blossem Pech, und der ganze Körper schien sich 12 * 180 in eine von Pech dnrchdrunj>ene Masse umgewandelt zu haben. Da ausser ein paar Hieroglyphen auf der Leinwand die Mumie nichts Interessantes darbot, so entwickelten wir sie. Die Hcände waren wie gewöhnlich auf der Brust ge- kreuzt, die Knochen so mürbe, dass sie bei leiser Berührung zerbrachen, die LeiuAvand verwest, so dass man sie zupfen konnte. Wir nahmen von der Mumie den Kopf, die Hände und Füsse, steckten den übrigen Körper in ein Grab und zahlten den Beduinen dafür den geforderten Lohn von einem spanischen Thaler. Ich will übrigens nicht behaupten, ob nicht die Hülle dieser Mumie vielleicht ebenfalls einst einem fahrenden Alterthumsgräber angehört haben mag. Bekannt aber kam sie uns nicht vor. Den Rückweg nahmen wir gerade durch das Kultur- land am linken Ufer, das von Dämmen und Kanälen mit Schleusen durchschnitten ist und in Fruchtbarkeit schwelgt, nach dem Dorfe, oder vielmehr Städtchen, Dschiseh, Alt- Kairo gegenüber. In Dschiseh befinden sich mehrere der bekannten Hühner- brutöfen. Das Ausbrüten der Hühner durch gewöhnliche Feuerwärme, oder vielmehr durch erwärmte Luft, ist den ältesten Zeiten der Egypter entnommen. Die Ofen, deren mal) sich zu diesem Zwecke bedient, sind sehr einfach. Es ist ein gemauertes, von allen Seiten geschlossenes Viereck, in welches man, nur durch ganz niedere Offnungen kriechend, Zutritt findet. Um die Temperatur gehörig zusammenhalten zu können, muss auf diese Art das Eindringen der äussern Luft in Masse so viel als möglich vermieden werden. Der innere Raum ist in zwei Reihen von Kämmerchen getheilt, zwischen denen sich ein Gang befindet, dessen Boden mit Stroh und Mist bedeckt ist. Überhaupt wird alles ange- wendet, was dahin zielt, die erwärmte Luft des Innern durch schlecht leitende Körper einzuschliessen, und um die durch die blosse Wärme der die Eier umgebenden Luft, auf einem der geheimnissvollsten Wege, den die Natur geht, bewirkte Entwickelung des organischen Lebens, welches im befruch- teten Eie schlummert, nicht zu stören, wird alles Geräusch sorgfältig vermieden : mau spricht nur ganz leise, und es 181 herrscht eine Stille, in der man das Piken der kleinen, als Waisen geborenen Iliihnclien deutlich vernimmt, nenn sie im Innern der Eier die Hülle durchbrechen^ die sie, eingetreten in die Reihe der lebenden Geschöpfe , beengt. Jedes der obenerwähnten Kämmerchen entliält einen Ofen oder ist vielmehr ein solcher. Die Form des Ofens ist ganz ähnlich der unsrer Silbertreibherde, und auch die Grösse entspricht der mittleren derselben. Seitwärts ist zum Eintragen der Eier und zu HerausschafFung der Schalen eine Öffnung, welche während der ßrütung geschlossen wird ; dagegen befindet sich in der Mitte eine zweite Öffnung, um die Hühnchen, welche ausgekrochen sind und die man nur ein paar Tage in der künstlichen Wärme lässt, herausnehmen zu können. An der Peripherie der vertieften Herdflächen befindet sich eine mehrere Zoll tiefe Randspur, eine Feuergasse, rings- herum. In dieser wird das zur Erhitzung des Ofens er- forderliche Feuer unterhalten. Sobald der Ofen gehörig ausgewärmt ist, werden die Eier, wenigstens tausend auf einen Ofen, eingelegt, das Feuer wird weggeräumt, die Ein- tragöffnung verschlossen und die Brütung ungestört in einer Temperatur von 28^ bis 30° Reaumur fortgesezt. Die Brutzeit beschränkt sich durchschnittlich auf 3 Wochen, in welcher Zeit jedoch die Eier einigemal ganz leise gewendet werden. Da die Öfen an der Decke unter sich in Verbindung stehen , folglich die erwärmte Luft aus jenen Öfen , die gerade geheizt werden, auch in die strömt, in denen ge- brütet wird, so ist zwar eine zufällige Herabsetzung der erforderlichen Temperatur um so weniger zu fürchten, doch erfordert die zweckmässige Leitung derselben viele Geschick- lichkeit. Die Eier bleiben in dem Ofen, in welchem sie eingesezt worden ; eine Übertragung derselben aus einem in den andern findet, so viel ich erfuhr und aus leicht einzusehenden Gründen, nicht statt. Die vortheilhafteste Zeit dieser künstlichen Brütungen ist das Frühjahr, und ich sah sie daher gerade im vollen Gange. Man nimmt an, dass man 60 bis 70^ der eingesezten Eier ausbrütet und die Hühnchen daraus zu Tage fördert, welche, ausgekrochen, allerliebst auf den noch nicht ausgebrüteten Eiern, die ihre 182 Kollei»eii iimschliessen, im Ofen herumhüpfeii und sich des Lebens freuen. Solcher Brutofen dürften etwa 150 in ganz Egypten seyn, die jährlich bei 15 Millionen Hühnchen liefern. Der Brutofen zu Dschiseh allein liefert Jahr für Jahr über 100,000 Stück. Man sieht daraus, dass diese Brütung eine sehr einträgliche Quelle für den Landmann war. Später hat die Verwaltung sich der armen Hühnchen angenommen und ihre Ausbrütung als Monopol erklärt; ob durch dieses ihr allein ein Vortheil zufliesst, oder ob dadurch auch der Fellah, vielleicht sogar die Hühnchen gewinnen, wage ich nicht zu bestimmen. Gewiss ist es , dass der Fellah , bei seiner angeborenen Lidolenz, die Sache nicht in dem Maas- stabe betreiben würde. Bei unserer Rückkelir nach Alt-Kairo besahen wir das koptische Kloster des heiligen Sergius. Daselbst befindet sich die in eine Kirche umgewandelte Grotte , in welcher die heilige Familie einige Zeit gelebt hatte. Nahe daran steht die Moschee Amru, die älteste im ganzen Lande, von Amru, einem Feldherrn des Kalifen Oma.r, erbaut. Der innere Theil bildet einen unbedeckten Hof , den ein Porticus von 24 korinthischen Säulen umschliesst, welche die Bogen- gewöibe der nach innen offenen Seiteugänge tragen. Das für die Waschungen bestimmte Bassin steht in der Mitte des Hofes unter einem von acht Säulen getragenen Dache. Alt-Kairo gegenüber befindet sich auch die Kavallerie- Schule, auf die das bisher über die Lehranstalten Gesagte Anwendung findet, die aber übrigens eine recht hübsche Ueitschule besizt. Endlich war die Antwort des Vizeköm'gs angekommen, die gerade so lautete, wie ich sie von ihm erwartet; er genehmigte nämlich alle von mir vorgestellten Ansprüche und Bedürfnisse der Expedition in dem Sinne des zu Triest abgeschlossenen Kontraktes und gab mir dadurch einen neuen Beweis von der Humauität, die er und der Minister Boghos -Bey Eiuopäern gegenüber zu beobachten pflegen. Wie man jedoch bei den ihm untergeordneten Behörden dem deutlich ausgesprochenen Sinne seiner Weisungen 183 nachkommt, erhielt ich sooleich wieder ein paar Beweise. In BuUak lagen die für mich zur Rückreise nach Alexaudria bestimmten zwei Barken. Ich ritt dahin und besah sie. Man hatte auf denselben Kalk nach Kairo transportirt, woraus sich auf die Beschaffenheit derselben schliesseu lässt, die wirklich scheusslich war. Ich nahm sie daher nicht an, was ich durch den Dohnetscher an HABiB-Effendi sagen Hess, und miethete, ohne mich durch weiteres Nach- fragen neuen Verzögerungen auszusetzen , eine grosse, schöne Barke der englischen Assekuranz - Gesellschaft zur Reise bis Adfueh, welche Barke gross genug war, uns alle sammt unserm Gepäck zu fassen. Statt den vom Vizekönig genehmigten drei grossen und zwei kleinen Zelten wurden mir 5 ganz kleine gegeben , die ich ebenfalls zurückwiess. Der Renegat SoLiMAN-Effendi, der als Vorstand der Schmiede- Werkstätte zu Bullak mit Anfertigung der für den berg- männisclien Zweck der Expedition bestimmten W^erkzeuge beauftragt war und sie auch bereits hatte anfertigen lassen, verweigerte mir die Auslieferung derselben unter dem Vor- wande , dass er allerdings den Befehl habe , diese Gegen- stände für uns anfertigen zu lassen, nicht aber den, sie uns auszuliefern. Alle diese unendlich vielen Schwierigkeiten, die man im Oriente zu bekämpfen hat und die aus der Unwis- senheit, Trägheit und Unredlichkeit Vieler der Beamten, aus dem schleppenden , auf keine gehörig durchdachten Prinzipien sich sützenden Geschäftsgang, aus dem einfachen Grunde , dass man sich dessen , was man eigentlich w ill, nie klar bewusst ist, und aus der daraus hervorgehenden unausstehlichen Unentschlossenheit zu handeln, entspringen, erklären das arabische Sprichwort: du kommst nie an dem Tage fort, den du zur Abreise bestimmt hast. Der Türke, dem Araber in moralischer Kraft nachstehend , kann sich oft schwer zu einem raschen und doch vernünftigen Entschlüsse erheben. Die bekannte Formel : bukra und badi bukra (morgen und übermorgen) ist eine ihm zu theuer gewordene, als dass er sich nicht durch sie dem lästigen Drange entziehen und seiner süssen Indolenz hingeben sollte. Er bleibt stehen , während Andere 184 gehen, oder rennt, ohne sein Ziel zu kennen und ohne sieh umziiselien, Avie ein Rasender vorwärts. Diess allein erklärt die merkwürdige Erscheinung- des Riesenschrittes, mit dem diese Nation in der lezten Zeit von ihrem friihern Glänze herabstieg , getrieben ausserdem durch die fanatischen Lehren einer phantastischen und durchaus unpraktischen Religion. Um meine Zwecke zu erreichen, sezte ich nun beide Dolmetscher in vollste Thätigkeit und belagerte meinen Freund Jakub - Eflendi , der bei meinem wenig Zweifeln Raum gebenden Vortrag den Turban von einer Seite auf die andere schob, zulezt aber, in einem historischen Anfall das Dienstgespräch plötzlich abbrechend , mich fiagte , ob Alexandkr der Grosse ein geborner Römer gewesen sey ; denn fi'ir die alte Geschichte interessirte er sicli ganz be- sonders. Durch ihn und vor allem durch die unermiidliche Theilnahme des Hrn. Konsul Champion erieichte ich endlich doch meine Absicht insoweft, dass der Abreise kein bedeu- tendes Hinderniss mehr im Wege stand. Wenn man in der Lage ist, mit der Verwaltung und den Beamten der- selben in unmittelbare Berührung zu kommen, so kann man nicht umhin, einzusehen, dass die eiserne Rutlie, welche Mehemed-Ali über die Seinen schwingt und die er oft schwer fallen lässt, nicht im Allgemeinen, nicht geradehin zu tadeln ist, wenigstens selten dort, wo sie als moralisches und physisches Erregungsmittel für seine Beamten dient, die häufig nur ihr eigenes Interesse kennen , ihrem Herrn ent- weder gar nicht oder wenig nützen, oder ihn gar schamlos betrügen. Jemehr man die üntaugliehkeit eines grossen Theils seines Personals kennen lernt und berücksichtigt, dass er die hohen Beamten, mit wenig Ausnahmen, nur durch unverhältnissmässig grosse Bezahlungen an sich kettet, er also mit seinen grossen Plauen , mit seiner Geistesenergie und seinem eisernen Willen im Haufen der Gemeinen allein dasteht, und alles Grosse, was geschah, durch ihn geschah, aus ihm hervorging: da kann man ihm doch, wenn ihn auch die Geschichte mit Recht scharf tadelt, die vollste Be- wunderung nicht versagen. Dass das Volk es mit Wohl- gefallen sieht , wenn er seine Beamten mit eiserner Hand 185 ans ihrer Letai«»ie uufiüttelt, wenn er die üiiredliclien straft, ohne dass ührigens dadurch dem Volke selbst ein Bene zukoinnit, ist natinlich, und er ist dadurch, dass er es thut, im Angesichte desselben noch immer in gewisser Be- ziehung' populär, er mag" es auch selbst noch so driicken und pressen. So erinnere ich mich an eine Frau , der ein arabischer Soldat in den Strassen von Kairo einen Sack entreissen wollte, der ihr gehörte. Sie sezte sich zur Wehre und rief: „Wie, ist denn keine Gerechtigkeit mehr? ist denn Mehemed-Ali todt?" Diese Frau war bettelarm infolge des Verwaltnngsystems des Vizekönigs, sie hat vielleicht den Gatten und ihre Söhne hingeopfert im Kampfe für seine Illusionen, und doch nennt sie ihn gerecht! Sie fühlte den Hauptdruck, der von oben kommt, wenn sie auch unter ihm zu Grunde geht, nicht so, wie den Biss des kleinen ßlutigels. Das ist die Macht der Form ! und dieses Ge- heimnisses Herr zu seyn, versteht der alte Vizekönig meisterhaft. Am lezten Tag meines Aufenthalts zu Kairo besuchte ich noch die Schule der Sprachen auf dem Esbekiehplatze. Diese Anstalt ist eine der besten unter allen , die ich in Egypten traf. Es werden die Knaben noch in ganz zartem Alter daselbst aufgenommen, von denen eine gewisse Anzahl, wie in allen diesen Instituten, Kost, Wohnung, Wäsche und Lohn erhalten. Man lernt französisch, arabisch, türkisch, und persisch, und ich traf viele unter den Knaben, die einige dieser Sprachen bereits fertig lasen, sprachen und schrieben. Der Vorstand der Anstalt ist einer von den wenigen Offi- zieren des Vizekönigs, die durch ihren Aufenthalt in Europa wirklich gewonnen haben , und der um die Anstalt sich wesentliche Verdienste erwarb. Hier sieht man auf den ersten Blick, was sich aus dem fähigen Araber, aus dem Natursohn voll gesunden Verstandes machen lässt, wenn man ihn rationell behandelt und mit seiner Bildung dort anfängt, wo man anfangen soll, nämlich: — Vorne. 18G 3) Reise zu den Watronseen in der libysclien tV liste. Am 11. April Nachmittags veiliessen wir Kairo, iiacli- dera unser erster Aufenthalt daselbst 22 Tage gedauert hatte, wobei offenbar nur wir gewannen, da wir Zeit hatten, uns in der schönen Kapitale umzusehen. Unser Schiff lag bei ßullak; wir fanden bereits Alles in Ordnung und fuhren in der Nacht mit günstigem Winde stromabwärts, lenkten wieder in den Arm von Rosette ein und befanden uns am 12. bereits um 9 Uhr 31orgens in Terraneh. In Kairo hatte ich den Wunsch ausgesprochen , von Terraneh aus zu den Natronseen zu reisen, um die Art und Weise der dortigen Natronerzeusfuno: näher zu besichtigen. Blan versah mich daher mit einem Vorweis an den Mamur (Gouverneur) der Provinz , welcher den Auftrag erhielt, uns die nöthigen Pferde zu dieser Exkursion zu stellen. Der Mamur drückte schulgerecht den Vorvveis an seine Stirne , als Zeichen des aufopferndsten Gehorsams; die nöthigen Thiere erhielten wir aber doch erst am andern Tage Abends, bis wo wir uns die Zeit in Baffi's gastlichem Hause vertrieben. Statt der verlangten 10 Pferde sandte der Mamur nur zwei, dagegen 10 Esel und 4 Kamele, mit der Entschuldigung, dass er im Augenblicke nicht so viele Pferde auftreiben könne, sie aber zur Rückreise nachsenden werde. Die Esel hatten keine Zügel, sondern wurden nach Landessitte so geleitet , dass man ihnen , wollte man sie zur Seite lenken, auf der Gegenseite an den Kopf schlug. Wurde dieses Manöuvre mittelst eines Prügels ein paar Mal mit Sachkenntniss durchgeführt, so sah man den glänzenden Erfolg, dass selbst der eselhafteste Esel auf einen blossen Wink gehorchte. Schlimmer stand es mit den Sätteln. Diese, an und für sich viel zu klein, wurden nur auf den Rücken gelegt, konnten aber nicht angeschnallt werden; daher der Reiter beständig die Balance halten musste, wenn er nicht unten liegen wollte. Unzählige Mal geschah es, wäh- rend unserer nächtlichen Ritte , dass einer oder der andere der Reiter den Sand der Wüste küsste, besonders da 187 gegen Morgen der Sclilaf als ein schwer zu besiegender Plagegeist seine Anspriiclie machte. Es war bereits 9 Uhr und Nacht, als wir vor Baffi's Haus aufsassen und der Wüste zuritten. Nachdem wir ungefähr eine halbe Stunde durch das Kulturland geritten waren und unsere Augeu sich an die Nacht gewöhnt liatten, sahen wir erst, dass es bei weitem nicht so finster sey, als wir anfänglich glaubten. — Wir hatten nun die Wüste erreicht. Hell flimmerten die Sterne am Himmel, in einer Pracht, wie wir sie noch nie gesehen: denn es war die erste Nacht, die wir in der Wüste zubrachten. Die Reinheit der Luft war ausserordentlich ; ich sah mit einem kaum fünf Zoll langen Feldstecher von Plössl ganz deutlich die Jupiterstrabanten. Das Licht der Sterne schien daher nicht nur weit intensiver als in unsern Breiten, sondern es war auch sicherer, es flimmerte nicht so. So weit das Auge im Dunkel der Sternennacht reichte, sahen wir nur Sandebene um uns, kein Strauch, kein Baum kein Hügel. Eine Todtenstille herrschte, keili Laut, nicht einmal ein Lüftchen regte sich ; manchmal nur unterbrachen die Araber mit ihren monotonen, klagenden Liedern die Ruhe, oder wir sangen selbst, um uns den Schlaf zu ver- treiben, ein Lied, Klänge aus der fernen Heimath. So zog die Karawane ruhig dahin, ihre Richtjng nach den Sternen nehmend, bis wir um 2 Uhr Morgens, um unsere Thiere etwas ausruhen zu lassen , anhielten. Eine riesenhafte Laterne wurde angezündet und auf den Sand hingestellt, daneben bildeten unsere Gewehre und Säbel eine Pyramide, und rund umher streckten wir uns auf den weichen Sand der Wüste aus , neben uns unsere armen Thiere , die sich im Huugerleiden übten, und die Araber, welche uns beglei- teten. Die Gruppe war höchst interessant und schien uns das beim trügerischen Scheine des Lichtes um so mehr zu seyn, als es das erste Mal war, dass wir unter dem afri- kanischen Sternenhimmel kampirten. Die Ferne vom Vater- lande erschien uns grösser in diesem ernsten , feierlichen Momente, und so sehr uns früher der Schlaf geplagt hatte, so schloss er doch jezt kein Auge ; denn wir waren mit unsern Gedanken im Kreise unserer Lieben. Nachdem wir 188 uns an lierrllchem Mokka gelabt und etwas auso;erufit hat- ten , sassen wii' Morgens 4 Uhr wieder auf und sezten die Reise fort. Um 6 Uhr, mit Anbruch des Tages, sahen wir in weiter Ferne in SW. am falilgelben Horizonte der Wüste einen blauen Saum, es war eine niedere ßergreihe, die Fortsetzung des Mokattam in W. , wo er sich am linken Ufer des Nil in die weite libysche Wüste verliert. Der Schlaf peinigte uns, noch nicht gewohnt an derlei nächtliche Ritte, fürch- terlich, und nur ein rascher Galopp brachte mich manchmal wieder ordentlich zu mir selbst. Diese IN acht erfuhr ich auch schon , wie leicht man sich in der Wüste verirren kann. Da die Karawane , der bepackten Kamele wegen, sich nur langsam vorwärts bewegte, ritten ich und Adjunkt Pruckner, die wir die Sterne unserer Orientirung hinlänglich zu kennen glaubten , auf unsern beiden raschen Pferden voraus und kamen weit vor die Karawane. Wir schliefen endlich auf den Pferden ein, die, den unritterlichen Zustand ihrer Reiter erkennend, zu ihrer Privatuntejhaltung umkehrten. In der 3Ieinung, unsern Weg zu verfolgen, ritten wii* fort und trafen plötzlich zu unserm Glücke die uns begegnende Karawane. Nun handelte es sich darum, wer falsch daran sey. Wir glaubten , unsere Gefährten seyen umgekehrt, diese aber lachten uns aus und beAviesen uns das Gegentheil. Um zehn Uhr kamen wir endlich zwischen zwei Sandhügeln auf eine Anhöhe, und sahen von da aus das libysche Gebirge gerade vor uns, eine lang gedehnte, niedere Bergkette, ohne Ausdruck, ohne Kuppen, wie ein Wall gestaltet, und vor demselben, in dem breiten flachen Thale, einen Hügel- rücken , welchem entlang die Natronseen sich ausdehnen. Der Theil des Thaies, der jenseits dieses Hügelrückens und am Gehänge des libyschen Gebirges sich. hinzieht, führt den Namen: Bachr bela maa (moje) oder Bachr el farich (Strom ohne Wasser oder trockener Strom) , indem alle Anzeichen darauf hindeuten , dass hier einst ein Arm des Nil geflossen sey, der nun eine andere Richtung hat. Der Theil des weiten Thaies aber, in welchem die Natronseen liegen und der von dem Hügelzuge , worauf wir standen, 189 östlitli begränzt uird, hat den Namen der Wüste des heil. RIakarius , von dem griechischen Kloster des heil. Maka- RiL'S, welches in der siid östlichen Fortsetznng dieses Thaies an der Karawanenstrasse nach Kairo liegt und von den Arabern el Magarin oder Abu-Makar (Vater Makarins) g;enannt wird. Unserm Standpunkte gegenüber, jenseits der ]\atronseen und am östlichen Gehänge des mittlem Hügelzuges, liegen noch zwei solche kleine Klöster, die theils von g-riechischen , theils von syrischen Mönchen be- wohnt werden, welche in einer schrecklichen Abgeschieden- heit von der übrigen Welt ein armes Leben voller Ent- behrungen führen und hinlänglich Zeit und Gelegenheit haben, den ernstesten Betrachtungen und geistigen Anschauun- gen sich hinzugeben. Die Namen dieser zwei Klöster sind: Labiat und U-Serian. Andreossy in seinen Mem. sur l'Egypte nennt diese beiden Klöster el ßaramus und Amba-Bichay. Sie sind noch Reste aus dem 4. Jahrhundert, zu welcher Zeit diese Wüste von Mönchen und Klöstern voll war. Vor uns hatten wir Sagig, eine Niederlassung der Beduinen, mit einem kleinen viereckigen , aus Lehm gebauten Kastell (das alte aus Natron [?] gebaute ist längst den Weg der Chemie gegangen), zwischen den Natronseen gelegen und zugleich Sitz des gegenwärtigen Etablissements zur Er- zeugung des Natrons. Das Thal der Natronseen ist eigentlich eine Oase, deren Vegetation aber vorzüglich JIn hohem Schilfe besteht, das sehr grosse Flächen um die Seen herum Einnimmt und beinahe die einzige Pflanze ist, die hier in Menge vorkommt, indem Kotschi ausser ihr kaum mehr als 4 Spezies anderer Pflanzen nachweisen konnte*. Nach weitern 3 vollen Stunden in der drückenden Hitze der Wüste , während welchem sauern Ritte wir melirnials bedeutende Züge von Flamingos aus dem Lande um die Seen aufsteigen sahen, erreichten wir endlich Sagig, nach- dem wir, abgerechnet 2 Stunden Ruhe, volle 15 Stunden im Sattel gesessen hatten. Obgleich während dieser Zeit unsere Thiere weder zu fressen noch Wasser bekamen, waren doch die Pferde zulezt noch so munter, dass es gar Mau sehe über das Gesag-te meine geognostische Karte von Egypten. 100 nicht den Anschein hatte, als hätte sie diese Anstrengung angegriffen. Wir waren von Terraneh aus bestcändig in der Richtung WWS. geritten, so dass die Lage des Dorfes Sagig an den Natronseen , wie sie auch ganz richtig die meisten Karten angeben, in 30" 21' 30" nördl. Breite und 2S<* östl. Länge von Paris fällt. Am Eingange des Dorfes kamen uns Baffi's Schreiber, ein Kopte und mehrere der Beduinen entgegen. Jeder derselben reichte uns seine Rechte und sprach: Selam! aber nicht Selam alecum! (Friede sey mit dir!) was der Muselmann nur zum Muselmann zu sagen pflegt. Nachdem wir müde von unsern müden Pferden und Eseln abstiegen, wurden wfi* in das Haus des Schreibers geführt, wo wir, umgeben von einem gaffenden Publikum , auf Teppichen uns niedersezten. Während wir Erfrischungen zu uns nahmen, bereiteten einige der Beduinen Divans zur Ruhe, die uns sehr nöthig war. Überhaupt war das Benehmen der hiesigen Beduinen höchst freundlich und anständig. Sie sind meist von hoher Statur , stark und sehnig gebaut , haben eine dunkelbraune Gesichtsfarbe und scharf gezeichnete, männliche Gesichtszüge. Ihre Kleidung bestand in leinenen Hosen, die nur bis auf die Kniee reichten , in einem Hemd und dem Bornnss, den sie sich in verschiedenen malerischen Formen um die Schultern zu vv^erfen pflegen. Auf dem fe)pfe hatten sie nichts als die Takia, ein kleines weisses Mützchen von Baumwollenzeug, welches man gewöhnlich unter dem Fess zu tragen pflegt. Ihre Watien bestanden in Pistolen und Musketen mit aufgesteckten Bajonetten. Nachdem wir ein paar Stunden geschlafen hatten, gingen wir mit dem Schreiber in die Manipulationsstätte, wo man sich mit Gewinnung des kohlensauren Natrons be- schäftigt. Bei der Darstellung der geologischen Verhält- nisse Unteregyptens zu Ende dieses Abschnittes werde ich Gelegenheit haben, auf das geognostische Detail der Gegend und auf die chemischen Schlüsse , wozu die beobachteten Fakta berechtigen, ausführlich zurückzukommen, ich befasse mich daher hier nur damit , eine kurze Beschreibung des Terrains und der stattfindenden Manipulation zu geben. 191 In -dem weiten und flachen Thale der Makariuswüste, welche zwischen zwei parallelen Hügelzügen ein Bassin bildet, befinden sich in der Richtung aus SO. in NW. sechs Seen, von nicht unbedeutendem Umfange, aber von nur geringer Tiefe. Sie liegen in ganz geringen Entfernun- gen, in der Zeit des höchsten Wasserstandes sich einander ihre Wasser zusendend , in einer Reihe einer nach dem andern und führen sämmtlich ein stark salziges, ganz un- geniessbares Wasser. Man machte die Beobachtung, dass diese Seen einen periodisch verschiedenen Wasserstand wahrnehmen lassen, und zwar dass das Maximum desselben in jene Zeit fällt , wenn der Nil abnimmt, das Minimum hingegen in diejenige, wenn der Nil zunimmt. Dieses Wider- sprechende in den beiden vervvandten Erscheinungen gab zu den sonderbarsten Hypothesen Anlass, die man darüber hie und da in Egypten äussern hört. Mir scheint jedoch die Sache auf eine ganz einfache Weise erklärlich, nur kann ich, um meine Ansicht mit Zahlen belegen zu können, nicht genug bedauern, dass ich damals noch nicht in dem vollständigen Besitze meiner Instrumente war, um den Höhenunterschied zwischen dem Terrain der Seen, dem des Nilbettes bei Terraneh und dem des Meeres ausmitteln zu können , indem ich dann mit mehr Bestimmtheit aufzutreten mich befähigt fühlen würde. Ganz bestimmt jedoch ist der Höhenunterschied zwischen den Seen und dem in gerader Richtung an 15 Stunden entfernten Nile nur ganz gering, nnd wahrscheinlich liegt der Grund des Bassins, wo er am tiefsten ist, d. h. dort, wo die Seen sich befinden, nicht nur zum Theil im Niveau des höchsten Nilstandes und zum Theil einige Fuss unter demselben , sondern sogar ohne Zweifel an mehreren Stellen nur im Niveau des Mittelmeers. iDie Seen erhalten ihr Wasser auf einem zweifachen Weg, und auf jedem derselben bedingt die Natur nothwendiger Weise dieselbe Variation im Wasserstande. — Erstens liegen die Natronseen noch nördlich des 30. Breitegrades, folglich noch innerhalb jener Parallele des nördlichen Afrika's, bis wohin der nordische Winter dringt, der sich zwar nicht gerade in dieser Form daselbst ausspricht, aber doch als 192 eine Reihe von Regenstiiimen darstellt, die in die Monate iinsrer Winterzeit fallen, d. h. in die Monate Dezember, Januar und Februar, folglich andrerseits gerade in die Zeit, in welcher der Nil theils fällt, theils seinem niedersten Stande nahe ist. Mächtige Straten eines dichten Thons verhindern das Versitzen der atmosphärischen Niederschläge, die Wasser vsammeln sich an, und es ist also sehr natürlich, dass das Niveau des Sees steigt, wenn der Nil fällt, ob- wohl beide Erscheinungen in dieser Beziehung in gar keinem Zusammenhange zu einander stehen. Wenn wir zweitens das Thal der Makarius- Wüste in SO. verfolgen , welches in dieser Richtung mit dem Thale von Bachr-bela-raaa zusammentrifft, so sehen wir, dass dieses Thal sich in der Gegend der Pyramiden von Dschiseh und Sakaara mit dem Hauptthale des Nils vereint und dass die nördliche Fortsetzung des Joseph -Kanalg an den Mün- dungen dieses Thals im Nilthale vorüber zieht. Erreicht nun der Nil seinen höchsten Stand, der 24 bis 25 Pariser Fuss über dem niedersten Wasserstand desselben liegt, so ist es sehr wahrscheinlich, dass ein Theil seines Wassers zwischen den Thon- und den darauf liegenden Sand -Straten des Thaies der Makarius- Wüste eindringt, und, da das Thal Bachr-hela-maa, so wie das der Makarius- Wüste, gegen NW., d, h. gegen das Meer hin, abfallen, in dieser Richtung eine unterirdische Strömung entsteht, welche, vom Sande der Wüste bedeckt, nur dort hervortritt und Seen bildet, wo des Thaies Oberfläche im Niveau dieses Stroms oder gar unter demselben liegt. Die Thonschichten verhindern das Versitzen dieser Grundwasser. Wenn die Wasser des Nils nun wieder fallen und endlich jene Punkte, wo vom Hauptthale aus die Einströmung geschah, wieder trocken gelegt werden , so hört der unterirdische Strom endlich auf, seine Nahrung vom Nile zu erhalten, und versiegt nach und nach. Diese Grundwasser haben vom Hauptthale aus bis zu den Natronseen die lange Strecke von drei Tagreisen zu durchdringen. Nehmen wir das äusserst geringe Gefälle, in Verbindung mit den Hindernissen, welche die Struktur des Bodens dem zwischen seine Schichten eindringenden Wassei* 10$ entgeg^ensezt , so ist es erklarlicli , dass djissclbe sriiievi Weo^ nur äusserst langsam zurücklegen kann, und da sein Eindringen erst erfolgt, wenn der Nil seinen höchsten Stand erreicht hat, so ist es ebenfalls sehr natiirlich, dass diese Wasser im Gebiet der Natronseen erst anlangen, wenn et* schon längst wieder zn fallen angefangen hat, so dass die Seen ihren ans beiden detaillirten Gründen combinirten höch- sten Wasserstand dann eneichen, wenn der Nil am tiefsten steht, d. h. in der Zeit unseres nordischen Wintevs. Ans dem Aufhören des ZnUnsses, sowohl durch unterirdischen Strom, als durch atmosphärische Niederschläge, verbunden mit der starken Verdunstung in der Zeit der Sommermonate, so wie aus dem allmäligen Versitzen des Wassers nach allen Richtungen, besonders aber aus der Neigung des Bodens gegen das Meer hin, eikiärt sich die Wiederabnahme des Wasserstandes der Seen im Beginn des Sommers, d; h. in der Periode des Nilsteigens, so dass im entgegengesezten Falle ihr niederster Wasserstand mit dem höchsten des Nils beiläufig zusammenfällt und der Prozess wieder \n\\ Vorne beginnt. Sowohl durch Auslangnng der Salz führenden Thon- straten des alten Meeresdiluviums, welches hier die Tertiär- bildungen bedeckt, als durch chemische gegenseitige Re- aktionen, Zersetzungen und Bildungen neuer Körper, in Vermittlung der grossen Wärme, des Wassers selbst, der Luft und vorzüglich der vielen organischen Stoffe, welche dabei in Berührung kommen und worüber ich weiter unten im Detail zu sprechen Gelegenheit haben werde, wandeln sich die Wasser der Seen in eine stark salzige Lauge um, die unter mehreren Salzen vorzüglich salzsaures Natron und kohlensaures Natron in bedeutender Quantität enthält. Wenn diese Seen durch klimatische Einflüsse schnell ver- trocknen, ohne dass ihr Wasser Zeit hatte, gehörig auf- lösend auf den Boden einzuwirken und mit den Bestandtheilen desselben in chemische Wechselwirkung zu treten, so lassen sie den Sand der Wüste nur stark von Lange durchdrungen zurück. Das Salz efflorescirt bei der folgenden Austrockniing durch die atmosphärische Hitze, es bildet sich eine aus Sand und Salz bestehende und sich stark blähende Kruste KiüstiGucK, Kcisi'H. I. Bd. 13 194 am Boden, der dadurch sehr uneben whd. Haben hingegen die Wasser vor der Austrocknung längere Zeit auf den Boden auflösend eingewirkt und haben sie mehr Salze in sich aufgenommen, so lassen sie eine dicke, oft einige Fuss mächtige Salzkruste zurück. Wenn hingegen der eine oder der andere See gar nicht austrocknet, sondern das Wasser durch Verdunstung nur allmälig sich zurückzieht, abnimmt, so erreicht die Lauge von Zeit zu Zeit jenen Konzentrations- grad, in welchem sich Salze krystallinisch ausscheiden. Da jedoch diese Ausscheidung in Bezug ihrer Aufeinanderfolge eine verschiedene ist, nach der verschiedenen Krystallisations- fähigkeit des Salzes bei verschiedenen Konzentrationsgradeii der Lauge und sich z. B. das kohlensaure Natron stets früher ausscheiden wird als das salzsaure: so ergibt sich ein schichtenweises Aufeinanderfolgen dieser Niederschläge, und wir sehen daher in diesem Falle Straten von kohlensaurem Natron mit Straten von salzsaurem wechsellagern. Das» Gemenge beider Salze, als Übergangsglieder zwischen den einzelnen Lagen derselben, statt finden, ist natürlich und begründet sich in der Art und Weise, wie dieser Prozess vor sich geht. Man bemerkt diese Erscheinung ganz aus- gezeichnet am Rande und am Boden solcher Seen. Die mit Salz gemengte Sandkruste des schnell trocken gelegten Seebodens, die Salzkruste ausgetrockneter und die lagen weisen Salzausscheidungen in langsamer Konzentrirung ihrer Lauge begriffener Seen und das Wasser dieser Seen endlich selbst bilden das Materiale zur Erzeugung des kohlensauren Natrons. Die Salzkruste und die Salznieder- schläge lässt der Vizekönig für sich gewinnen. Man sammelt sie und verkauft sie in rohem Zustande, ohne auf wei- tere, reinere Ausscheidung des kohlensauren Natrons hin- zuwirken. Das Wasser der Seen selbst wurde zur Zeit meiner Anwesenheit für sich gar nicht benüzt und die Be- arbeitung der mit Salz gemengten Sandkruste, des soge- nannten Erdsalzes, hatte eine Gesellschaft in Pacht genom- men, an deren Spitze, als leitender Beamter, mein alter Freund Baffi stand, und bei der, wenn ich nicht irre, auch der Vizekönig einige Antheile hatte. }05 Dieses Erdsalz nun wird mittelst eines nnukn Steins in einer ganz roh «ebaiitcn 3Iiilile, welclic durch einen Ochsen bewegt wird, fein zerrieben, und dieses feine Mehl sodann in viereckige, liölzerne Kästen geworfen, wo es mit Wasser begossen, fleissig umgeriihrt und so ausgelaugt wird. Hat die Lauge sich geklärt, so wird sie in Reser- voirs abgelassen, aus welchen man sie nach und nach in die Krystallisatious- oder Anschiess- Tröge vertheilt. Man gibt der Lauge durch die Auflösung des Erdsalzes, dessen Quantum man natürlich in seiner Macht hat, und durch eine Art Konzentration im Wege der Verdunstung in den Re- servoirs selbst, bevor man sie in die Krystallisations-TrÖge ablässt, eine Sättigung von 28** Beaume, was einem spe- zifischen Gewichte = 1,2394 entspricht und darthut, dass, wenn man es hier mit blossem salzsaurem Natron zu thun hätte, eine solche Lauge bei 15** Reaumur gegen 30{j an Salz enthalten müsste. Man sieht daher, dass man hier mit sehr reicher Lauge arbeitet, was nicht geradehin zu loben seyn dürfte. Die Anschiess- oder Krystallisatious- Tröge, deren ich 600 zählte, sind auf vier Plätze vertheilt. Jeder dieser Tröge ist sechs Fuss lang, drei Fuss breit, und die anfängliche Tiefe der Lauge wird zu zwei Zoll gehalten. Der ganze Prozess wird ohne Brennmaterial geführt, und die Wärme der libyschen Sonne allein ist hinreichend, den obenbesagten Konzentrationsgrad herbeizuführen, was um so leichter natürlich geht, da man es von Vorne herein mit einer sehr gesättigten Lauge zu thun hat. Nach 24stündiger Ruhe in den Anschiesströgen bildet sich ein krystallinischer Niederschlag, der vorwaltend aus kohlensaurem Natron be* steht, aber noch Antheile von salzsaurem Natron und andern Salzen enthält. Man lässt die Mutterlauge, die nun vor- waltend salzsauies Natron , aber noch immer auch einen bedeutenden Anthell kohlensaures enthält, unbenüzt abfliessen und sammelt den krystallinischen Niederschlag des kohlen- sauren Natrons, der als solcher besonders in Holland in den Handel kommt. Ein Theil des zerriebenen Erdsalzes, der mit Salzen durchdrungenen Sandkruste, wird für sich als natürliche la* 106 Soda verkauft, so auch das eingesammelte efflorescirte Salz, welches ziemlich reines, kohlensaures Natron ist. Auch wird ein Theil dieses Erdsalzes zerrieben und mit reinem, feinem öuarzsande der Wüste gemengt, befeuchtet und zu Ziegel geformt, welche als solche an Glasfabriken, beson- ders an die der Glasperlen zu Venedig, verkauft werden. Die ganze Manipulation ist so zu sagen noch in der Kindheit und liefert meist nur sehr unreine Produkte. Die Lauge, wie ich glaube, kommt in einem zu sehr konzentrir- ten Zustande in die Anschiesströge ; die Krystallisation der Salze wird dadurch zu sehr forcirt und mit dem kohlen- sauren Nation scheidet sich zugleich eine Menge des salz- sauren aus. Würde man ärmere Lauge anwenden, so würde sich bei der Ruhe und fortdauernden Verdunstung bereits früber schon kohlensaures Natron, und zwar in grosser Rein- heit, ausscheiden, welches man als eine Waare erster Güte betiachten könnte. Der Prozess würde zwar länger danern, aber man würde viel reinere Produkte darstellen. Ferner halte ich die Anschiesströge für viel zu klein; denn würde man der Lauge bei gleicber Tiefe eine grössere Oberfläche geben , so würde die Verdunstung und die krystallinische Ausscheidung schneller vor sich geben und man wiirde an Arbeit bei dem oftmaligen Füllen und Ausleeren dieser Tröge ersparen. Das Ablaufenlassen der Mutterlauge, ohne weitere Benützung derselben, sehe ich ebenfalls als einen Missgriflt" an, und man würde, glaube ich, um den grössten Theil des kohlensauren Natrons zu erhalten, der in der Mutterlauge sich noch befindet, sehr gut thun, wenn man dieselbe zur Auslaugung des Erdsalzes benützen würde. Überhaupt aber sollte man dabin wirken , Produkte von verschiedener Güte zu erzeugen, um dem betreffenden Nach- fragen einerseits zu begegnen und andierseits nicht durch Vermengung der Salze die nöthigen Nacharbeiten zur Raf- tinirung des Handelsproduktes zu erschweren. Als wir von unserer Besichtigung der verschiedenen Mauipulations- Plätze zurückkamen, fanden wir bereits im Hause des Schieibers, oder vielmehr vor demselben auf der Tenasse, ein kleines orientalisches Tischchen gedeckt. Man 197 bewirtliete uns mit Pilan , g-csottenen Tauben * und einem •»anzen gebratenen Schaf, welches zwei Männer auf einer grossen eisernen Platte herbeitrugen. Ein Beduine scblug seine weiten Ärmel zurück, packte das Schaf mit den H.änden und zerriss es, indem er Jedem seine Portion vorlegte, wobei er in Betreff des Quantums eine genaue Rangordnung beobachtete. Wir sassen noch lange im traulichen Kreise beisammen, denn die milde Nacht war zu schön und unsere Umgebung, die Beduinen mit ihren Waffen, die Stille der Wüste, der Spiegel des Salzsees waren so acht afrikanisch. Die Beduinen gaben uns die Entfernung von Sagig nach Terraneh zu zwei Tagereisen , die nach Alexandria zu drei und die nach Siwa zu fünf an. Leztere Angabe er- scheint besonders im Gegenhalt der ersten viel zu gering, und wenn auch die Tagezahl die richtige ist, so ist doch die Stundenzahl, welche auf eine solche Tagreise kommt, eine viel grössere. Am folgenden Tage streiften wir in der Umgegend herum. Die Jagd Avar des hohen und sehr dichten Schilfes halber ungemein beschwerlich, und ich verirrte mich in einem Sumpfe, aus dem ich micli nur mit Mühe wieder heraus- fand. Die Gegend ist übrigens von Thieren sehr belebt. Wir trafen mehrere sehr schöne Arten von Enten , ganze Schaaren von Flamingos, Geyer mitunter von bedeutender Grösse und viele kleinere Vögel. Von Vierfüssern finden sich viele Schakals, Hjäiien (Hyäna striata, nicht die grosse gefleckte, welche wir in Seiniaar fanden) und mehrere Arten von Gazellen. In Bezug der vielen Scorpioneu und Schlangen ist die Umgebung von Sagig selbst bei den Arabern etwas verrufen, und unter erstem findet sich häufig jene sehr giftige Art von schmutzig grünlich weisser Farbe, bis zur Grösse eines kleinen Bachkrebses, welche der Aral>er Agrab el melch, den Salzscorpion, nennt, weil sich derselbe vor- züglich in salzigem Boden findet. In der Nacht war ein arabischer Schech mit vortreff- lichen Pferden angekommen, welche uns der Mamur zur Rückreise gesandt hatte. Wir ritten daher Nachmittags 198 wieder ab, lagerten durch ein paar Stunden in der Nacht in der Wüste und kamen am 16. vor Aufgang- der Sonne -wieder in Terraneh an, wo wir sogleich aufs Schiff gingen und um 10 Uhr mit günstigem Wind nach Alexandria absegel- ten. — Tags darauf verlless uns der günstige Wind Avieder und wir hielten einige Stunden bei Nikle an, wo der Mamur des Distriktes Mahmudieh wohnt. An der Wohnung des- selben befindet sich ein von ihm angelegter, schöner Garten und nicht weit davon eine Ziegelfabrik, wo man aus dem Nilschlamme Ziegel verfertigt. Zu einem Kalkofen , der in der Nähe der Ziegelhütte steht, führt man die Kalksteine von Kairo. Am 18. gelangten wir schon am Morgen nach Adfue, wo wir zur Kanalreise eine der dortigen Assekuranz-Barken mietheten. Der Wind war günstig und sehr stark, wir flogen dahin und kamen bereits in der Nacht vom 18. auf den 19. April, nach einer Abwesenheit von 33 Tagen, wieder in Alexandria an. 4) K^veiter Aufenthalt in Alexandria* Die Rüstungen der Expedition zur bevorstehenden Reise nach Syrien und Karamanien gingen durch Bocuos-Bey's Verwendung rasch vorwärts. Er oitschuldigte die Reise- verzögernngen, welche die Benehmungsweise der Verwal- tnngs- Vorstände in Kairo herbeigeführt hatte, durch den Mangel an Pouvoir, welches denselben in derlei Angelegen- heiten, und wie mir scheint nicht mit Unrecht, nur höchst beschränkt ertheilt ist, und versicherte mich, dass die gute Sache r.ur dort rasch gefördert werde, wo der Vizekönig oder er selbst ihren unmittelbaren Einfluss Jiusüben, was auch ganz buchstäblich wahr ist. Alle verlangten (iegen- stände, als Zelte, Werkzeuge etc., kamen von Kairo an, ein Schiff wurde in Bereitschaft gesezt, um uns nach Syrien zu bringen, wozu man die Korvette Pelenk Djihaad von 24 Kanonen wählte. Da der Gesundheitszustand in Ale- xandria damals noch immer etwas verdächtig- war, so mnssten alle Reisende, Avelche von da nach Syrien gingen, bevor sie die Bewilligung erhielten, das Land zu betreten, in 199 einem syrischen Hafen Quarantalne lialten. Wir macliteu also den Plan, znerst nach ßeirnt zu gehen, dort am Bord der Korvette unsere Kontumazzeit auszuhaken und dann nach Suedie zu sej>eln, um Ibrahim -Pascha, der damals in Antlochia sich aufhielt, uns vorzustellen und von ihm die weitern Verfüg'ungen in J'ezug der Expedition, da ihn die Sache als Gouverneur von Syrien unmittelbar anging-, zu vernehmen. Sobald ich mich von der Verfahrungsweise der egypti- schen Verwaltung durch eigenen Anblick nur in Etwas un- terrichtet hatte, so gewann ich anch die Überzeugung, dass schwerlich ein Beamter einer fremden Macht, der in seinem Vaterlande durch seine amtliche Stellung sein Fortkommen begründet sieht, sich würde entschliessen können, seine Dienste für lange Zeit oder gar für immer jenem Lande zn weihen, wenn ihn nicht geradehin pecuniäres Interesse hiezu triebe; da ich aber auch einsah, dass alle unsere Ent- deckungen in spe der egyptischen V ervvaltung nichts nützen, wenn sie nicht brauchbare Leute hätte, die im Stande wären, die Bergbau- und Hütten -Manipulationen nach technischen Regeln und mit Beobachtung der den Bedürfnissen der Zeit und des Landes entsprechenden Prinzipien einer verständigen, durchdachten W^irthschaft zu leiten , so machte ich durch BoGHOs-Bey dem Vizekönig den Vorschlag: zehn seiner fähigsten Eleven aus der polytechnischen Schule zu Kairo auszuwählen und sie der Expedition zuzutheilen. Die Reisen derselben mitzumachen, bei dieser Gelegenheit im Allge- meinen das praktische Thun und Tieiben des Bergmanns mitanzHsehen und so einen, wenn auch nur oberflächlichen, Blick in ihren künftigen Beruf zu thun, war die Tendenz, die ich ihrer anfänglichen Verwendung gab. Nach Jahres- frist hoffte ich über ihre Befähigung ein gegründetes Urtheil abgeben und die fähigsten unter ihnen zur weitern Ausbildung bezeichnen zu können. Diese beantragte ich sodann mit einem der türkischen und arabischen Sprache mächtigen Lehrer nach Osterreich zu senden , sie daselbst vorerst deutsch lernen und überhaupt erziehen zu lassen und sie dann zu ihrer technischen Ausbildung an die polytechnische 200 Schule zu Wien und auf die JBeigschule zu Sehemnitz zu senden. Dadurch "winde der Vizekönig sich Beamte aus seinen eignen Landeseingebornen heranziehen, die, gewohnt an Klima und Sitte ihies Landes, der heirschenden Religion zugethan, der Sprache des Volkes mächtig, weniger hohe Anspriiclie machen winden, als die Europäer es aus. be-^ greiflichen Gründen thun, und vielleicht ihm ebenso viel nützen könnten. Das Richtige dieses Voi'schlages Avurde vom Vizekönig, der noch immer auf dem Delta herumreiste, sogleich anerkannt, und in wenigen Tagen kamen zehn Eleven von Kairo an, darunter einige recht hoffnungsvolle, junge Araber, die auch ohne weitere Zögerung meiner Obhut übergel)en wurden. Mit der speciellen Leitung des nicht technischen Theils ihrer Verwendung, mit der ünterrichtung- in den Anfangsgründen unserer Sprache und mit Besor- gung ihres Haushaltes beauftragte ich den Dolmetscher SUWATOWSKY *. ,j Ausser diesen zehn Arabern vermehrte sich der Per^, sonalstand der Expedition auch um den als Kunstschlosser und Waffenschmied in Alexandria lebenden Ludwig Reichard, aus Holstein, der durch BoGHOs-ßey als Ouvrier ihr zuge- theilt wurde **. , Während der Zelt als dieses vorging, hätte die egyptische Unabhängigkeit, die als Illusion damals des besten Wohl- seyns sich erfreute, bald einen Todesstoss erlitten. Auf den Werften des Arsenals befand sich ausser drei Linien- schiffen auch eine Fregatte. Die arbeitenden Soldaten, den vereinten Qualen der Quarantäne, einer schlechten Behand- lung, eines zehnmonatlichen Soldrückstandes etc. ausgesezt, legten Feuer in die Fregatte. Zum Glücke wurde dasselbe sogleich wahrgenommen und gelöscht, sonst wäre nicht nuif das Arsenal, sondern auch die ganze Flotte und die Stadt ,. * IVIi'ljrere tlieser Eleven wurtlen auch während der Zeil meiner Abwesenheit im Innern von Afrika wirklich nach Österreich geschickt.. Die Art und Weise, wie man die Sache einleitete, stimmte allerdings nicht ji,aiiz mit meinem Plane, doch höre ich, dass diese jungen Leute, die sich gcja^enwärtig noch in Graz befinden, mit vielem Erfolge iluer*- Ansbilduiig obliegen. =»!!>^ {iKiwnAHu starb zu Gi'ilek in Karamanicn im Jahr 1839, 201 in die grösste Gefahr gekoinnieii , und ein ünj^Iück dieser Art, das die Flotte betroffen, Iiätte in ihr eines der grössten Schreckmittel , dessen der Vizeköni«- sich üejrcn seinen Herrn und Gebieter bediente, mit einem Male vernichtet. Bevor ich die Lokalitäten an Bord iinsrer Korvette besuchte, ging; ich mit AcHMED-Kaptan auf die Admiralität, Avo ich den Admiral MusxAPHA-Pascha, den Vizeadmiral BfissoN-Bey und den Contreadmiral HASSAN-Bey beisammen- traf. BEssoN-Bey , ein gcborner Franzose , ein rechtlicher l)iederer Mann und ausgezeichnet als Militär, leitete eigent- lich das Ganze*; denn MusTAPHA-Pascha, ein zwar ausge- zeichneter Mariner, eignete sich doch mehr zu einem wackern Steuermann, als zum Admiral. HAssAN-Bey hatte gar keine Bedeutung und scheint dnrch seine Reise um das Kap Hörn wenig profitirt zu haben. Die Korvette war gut eingerichtet und stark bemannt. Mir wurde der Salon zur Wohnunj^ eingeräumt. Mit Einschluss der zehn Eleven und eines arabischen Koches, den ich in Dienst genommen hatte, bestand nun die ganze Expedition aus 25 Individuen. Am 2S. April Vormittags begaben wir uns, ausgerüstet mit allem Nöthigen, an Bord des Pelenk Djihaad ; um 2 Uhr Nachmittags schwellten sich mit frischem Landwinde die Segel der Kor- vette, und wir verliessen die Kiiste von Afrika. * BEssoN-Bey starb im Jahr 1838. Irritier Abschnitt. Wissenschaftliche Bemerkungen über Untercgypten. en und denen anderer Reisender folgern. Unteregypten , zwischen den Parallelen des 30. und 31. ßreitengrades liegend, »;ehört uoeh g;anz, was die jähr- lich sich periodenweise wiederholende Aufeinanderfolge der Jahreszeiten betrifft, dem Systeme des südlichem Europa's an, nur nati'irlich mit jenen Modifikationen, die den wärmern Himmelstrichen eigen sind. So hat Unteregypteu seinen Sommer in der Zeit des unsrigen , eben so seinen Winter, nur mit dem Unterschiede, dass lezterer sich dort als Regen- zeit ausspricht, die in unsere Wintermonate fällt. Frühling; und Herbst verschwinden in heissen Klimaten fast ganz und man kennt dort nicht diese herrlichen Ubergänge vom Winter in Sommer und umgekehrt, deren wir uns in ge- mässigtem Zonen erfreuen. Man hat in tropischen Ländern nur Sommer^und zwar einen, der ganz trocken ist, und einen, während dem es mehr oder weniger regnet. Diese Regen erstrecken sich dort auf die eine Hälfte des Jahrs, während sie in Egypten, wie der nördliche Winter, nur auf wenige Monate sich beschränken. Sie bedingen natürlich nicht jenen Winterschlaf der organischen Schöpfung, besonders der Vegetabilien , der den Winter unsers Nordens charak- terisirt, sondern erheben vielmehr die ganze Pflanzenwelt zur höchsten Potenz ihrer Lebensentwicklung, zur herrlich- sten Entfaltung aller ihrer Reize. Daher auch Egypten eigentlich nie schöner ist als in der Zeit, wenn die Natur bei uns in Schnee und Eis starrt. Dieser Wechsel der zwei Hauptjahreszeiten, des Sommers und Winters, ver- treten durch die trockene Jahreszeit und die Regenzeit, ist jedoch in der Ordnung, wie wir sie in Europa besitzen, nur dem Küstenlande des nördlichen Afrikas eigen, und namentlich beginnt in Egypten , südlich der Parallele des 30. Breitegrades, jene merkwürdige Zone, die sich bis zum 18. Breitegrad, .also durch 12 BrV^itegrade erstreckt, und die ich, der seltnen atmosphärischen Wasserniederschläge halber, die sich innerhalb ihrer Gränzen ergeben, die regen- 204 arme Zone nenne. In das Bereich derselben fällt Afrika's Wüsfenlandj das dort, wo die tropischen Regen be^jinnen, die aber im Norden des Äfiuators in nnsern Sommer fallen, nämlich siidlich des IS. Grades, wieder endet nnd dem Savannenlande des Innern, den in Frujchtbarkeit schweli>en- den Gegenden an den Ufern der dortigen grossen Ströme Platz macht *. Nicht selten findet man in Darstellungen der klimatischen Verhältnisse Unteregyptens von verschiedenen Reisenden ganz kühn die Behauptung hingestellt, dass es in Kairo nicht regne. Das ist denn, einfach gesagt, nicht wahr und eine Behauptung, die zu jenen Ungeheuern gehört, welche die Wissenschaft den anmassenden Aussprüchen der Nicht- berufenen, der Leichtgläubigkeit, der Selbsttäuschung ver- dankt. Es gibt in Egypten und Nubien keinen Distrikt, wo es gar nicht regnet, d. h. für den Physiker gar nicht regnet ; denn der Bauer, der natürlich mit ein paar Tropfen" nicht zufrieden ist, der urtheilt anders, und seine Aussage bedarf eines starken Korrektions-Koeffizienten , um sie der Wahrheit näher zu bringen. Es gibt aber Distrikte, wo es sehr selten regnet, und auch unter leztere ist Kairo mit seiner Umgebung nicht einmal zu rechnen, indem es daselbst Jahr für Jahr in unsern Wintermonaten Gewitter gibt, die selten ohne Regen verlaufen. So wie die Jahre 17(51 und 1762, in welchen Niebuhr in Kairo** beobachtete, unstreitig zu jenen gehören, welche sich durch die Menge der atmo- sphärischen Wasserniederschläge auszeichneten und sogar desshalb zu den Ausnahmen zu zählen seyn dürften, so gibt es andrerseits wieder Jahre, wo diese Niederschläge seltner als je sind, welche Jahre daher auch wieder als Ausnahme zu betrachten sind. Beide Extreme können wir daher nicht * Meine Abhandlung;: über meteorologische klimatjsclie VerbäKnisse des afrikanischen Tropenlandes in Dr. Hoj.ger's Zeitschrift für Physik und verwandte Wissenschaften. 6. Bd., 2. Heft. Wien 1840; und Beiträge zur Physiognomik und Gcograpliie des afiikaniscJicn Tropen- landes in V. Leokhabd's Jahrbuch für Mineralogie etc. Jahrgang 1840. Stuttgart. ** Karsten Niebuhr's Reisebeschreibung- nach Arabien etc. Kopen- hagen J774. 1. Bd. 205 als Leitfaden zur ßeurtlieilmig; der jiilirlielien Regenmengen im Älittel gebrauchen, und Angaber., die sich .ausschliesslich auf eines oder das andere derselben beschränken, sind daher unrichtig. Die jährh'chen Regenmengen nehmen si'idlich von Kairo gegen den Wendekreis zu stufemveise ab, ivobei jedoch in der Nähe des grossen Flusses , d. h. im eigent- lichen ISilthale selbst, der Regen mehrere beobachtet Aver- den, .als in den VViisten zu beideii Seiten des Stroms. Nördlich von Kairo hingegen erstrecken sich die Erschei- nungen des eigentlichen Küstenkllma's nicht nur auf das Delta, sondern auf die Wüsten östlich und westlich des- selben , wie EnRENBERG und Hemprich in Begleitung des (Jenerals v. Minutoli auf ihrer Reise zur Oase des Jupiter Ammon * erfuhren, wo sie durch heftige Regen nicht wenig zu leiden hatten. In früherer Zeit scheint dieses Klhna, welches jezt ünteregypten als Küstenland angehört, weit südlicher sich erstreckt zu liaben ; denn man findet in Ober- egypten, sowohl in den Thälern des arabischen als libyschen (iebirges, d. h. des Gebirges östlich und westlich des Nils, die unverkennbarsten Merkmale st.attgefundener gewaltiger Regengüsse, nämlich viele ausgetrocknete ßette von Giess- bächen, die den Gescliieben zufolge, die sie mitführten, und der tiefen Schluchten wegen, die sie ausrissen, tief und reissend gewesen seyn müssen. Beobachtungen des Luftdruckes haben nur dann Werth, wenn sie so veranstaltet sind, dass man aus ihnen die Ge- setze desselbeu klar und deutlich entnehmen kann. Es handelt sich daher keinesv^egs blos darum, die Barometer- Beobachtungen so zu veranstalten, dass damit 2- oder omal des Tages ängstlich eine gewisse Stunde eingehalten Averde, wodurch ich nur Resultate erhalte, tanglich für Bestimmung von NiveausdifFerenzen oder der nach den Jahreszeiten sich ergebenden Schwankungen der Luftsäule, aber keineswegs tauglich zu dem , worum es sich eigentlich von Vorne "" Rri.se zum Tempel des Jupiter Ammoin in der libysclicn AVüsfc vtc, von Frlirn. v. Miivutoj.i. Berlin 1824. — Reisen in Egypfen, Libyen, Nubien und Dongula. Von Hempkich und Ehkkisbekg. 1. Bd., 1. Heft, Berlin 1828. 20« herein handelt und woraus der Kalkül das Weitere abstrahirt, nämlich zur Bestimmung der stündliehen Oszillationen des Barometers, zur Ausmittlun» der atmosphärischen Ebbe und Fluth, welclie wie die des Meeres binnen jeder Umdrehung der Erde zweimal ein Maximum und zweimal ein Minimum erreicht. Barometerbeobachtungen müssen daher, wenn sie diesen Zweck erfüllen sollen , von Zeit zu Zeit stündlich durch Tao' und Nacht voroenommen werden : ausserdem aber täglich, so oft als nur möglich, ohne sich ängstlich an gewisse Stunden zu binden, was ohnehin auf weiten und beschwerlichen Reisen nicht leicht thunlich wäre. Je ver- schiedener die Stunden der Beobachtung an verschiedenen Tagen sind, besonders wenn noch damit öfter Beobachtun- gen zu jenen Zeiten statt haben, in denen die Extreme ein- treten, desto sicherer stellt sich das Gesetz dar; denn füllt man die Lücken eines jeden Tages durch Interpolation mit Hülfe der durch die Beobachtung gegebenen Werthe aus, so ist die Richtigkeit der Kalküle im Falle ihrer Überein- stimmung um so schlagender, je verschiedener ihre Elemente sind. In diesem Sinne wurden später alle meine Barometer- Beobachtungen ausgeführt, und ich werde auf dieselben im Detail zurückkommen , wenn es sich um die klimatischen Verhältnisse von ganz Egypten handeln wird. Vor der Hand will ich nur durch summarische Angaben der Beob- achtungen früherer Reisenden im Allgemeinen durchschnitt- liche Werthe für den Luftdruck in Unteregypten auf- stellen, um ein Bild dieses höchst wichtigen Prozesses i m atmosphärischen Leben , so weit es jenes Land betrifft, zu erhalten. So beobachtete Cailliaud * zu Kairo im Jahr 1819 im Monate Oktober aus 16 Tagen, jeder mit 3 Beobachtungen : höchster Barometerstand 7(55,1)5 MM. niederster „ 761,35 „ höchste Temperatur 27,8® Ceiitigrade, niederste „ 20,9<> „ * • Voyage a Meroe, au fleuve blanc , au de lä de fasokl cct. par Mr. Caiuaavd. Tome IV. Paris 1827. 207 ferner Im April 1820 aus 15 Tagen : höchster Barometerstand 767,25 MM. niederster „ 754,30 „ höchste Temperatur 28,8'' Centigrade, niederste „ 14,2** „ Nehmen wir aus diesen Extremen die Mittel, so ergibt sich für Kairo: Barometerstand = 762,21 MM., mittlere Temperatur des Monats April, dessen Temperatur der mitt- lem des Jahres am nächsten kommt = 21,5** C. oder 17,20'' R., so weit Cailliaud's Beobachtungen ausreichen. Cailliaüd machte seine Beobachtungen um 7 oder 8 Uhr Morgens, 12 Uhr Mittags und 4 bis 5 Uhr Abends, folglich, leztere ausgenommen, nie zur Zeit, wenn eines oder das andere Extrem eintritt; da wir daher in seiner Reihe die Wendungspunkte der sti'indlichen Schwankungslinie nicht kennen und das Gesetz, da keine Interpolation statt haben kann, unmöglich ausmitteln können, so haben wir hier gleich einen Beweis des früher Gesagten. Derselbe U beistand ergibt sich leider bei dem publicirten Theil von Dr, Rüppell's Be- obachtungen, da er in sein sonst so schätzbares Reisewerk * das Detail seiner physikalischen, mit so vieler Sachkenntniss durchgeführten Beobachtungen nicht aufnahm, was doch höchst interessant gewesen wäre. Bei seinen Barometerständen, die er nur summarisch angibt, wurde bereits die Korrektion wegen der Kapillarität und die Reduktion auf die Normaltemperatur von 10" Reaum. vorgenommen und so war: zu Alexandria im Januar 1831 aus 6 Tagen : Um 7 h. 30' Morgens Barometer = 338,62'" Paris. Lufttemperatur = 11,79 Reaum.; um 12 h. 5' Mittags Barometer=: 338,55'" Paris., Lufttemperatur= 14,10 Reaum.; um 3 h. 55' Abends Barometer = 338,(»9"' Paris., Luft- temperatur = 13,79'' Reaum. In Kairo beobachtete Rüppell im Februar und März 1831 im Älittel: Um 9 h. 6' Morgens Barometer = 338,579"' Par., Lufttemperatur = I4,07o Reaum.; um 12 h. 32' Mittags Barometer = 338,143'" Par., Thermometer = 18,26« R. ; * Pvcise in Abyssinicn von Dr. E. Rüppell, li. Bd. 208 lim 3 li. 31' Abends Barometer = 338,785'" Par., Thermo- meter = 19,290 R, Es ist längst anerkannt, dass die Erscheinunoen in unsrer Atmosphäre, namentlich der tägliche Gang- der Wärme und des Lnftdrnckes in heissen Klimaten , besonders aber zwischen den Tropen , was wir später sehen werden , eine bewunderungswiirdige Klarheit ihrer gesetzlichen Anordnung wahrnehmen lassen und in einer Regelmässigkeit auftreten, von der man in unsern nördlicheren Breiten nichts Ähnliches aufzuweisen hat, so dass, wie meine Beobachtungen in den Tropengegenden zeigen werden, in der trockenen Jahreszeit der Barometer als eine förmliche Stundenuhr zu brauchen ist. Es ergibt sich bei stündlichen Beobachtungen des Barometers sogleich, und zwar scharf bezeichnet, [das Gesetz: dass in Egypten , wie überall, wo ich in Afrika und Asien zu beobachten Gelegenheit hatte, der Lnftdruck täglich zweimal ein Maximum und zweimal ein Minimum erreicht. Die Maxima treten um 10 Uhr Morgens und 10 Uhr Abends ein, die Minima von 4 bis 5 Uhr Abends und Morgens kurz vor Sonnenaufgang , zusammentreifend mit dem Minimum der Tageswärme. Sind auch die Differenzen der nächtlichen Extreme manchmal sehr klein, stets bedeu- tend kleiner als die des Tages, so tritt der Fall, dass sie ganz unkenntlich bei scharfer Beobachtung und vorzüglichen Instrumenten vorüber gehen, nur selten ein. Es ist daher nicht ganz richtig, wenn Dr. Mädler in Dr. Rüppell's Reise nach Abessynien, 2. Bd., S. 441 sagt, dass die Beobaclitungs- zeiten Rüppells mit denen der Extreme der stündlichen Schwankungen des Barometers zusammenfallen, wenigstens ist es bei der Beobachtungszeit am Abend nicht der Fall. Noch weniger aber gibt das Mittel der beiden Extreme des Luftdruckes das Mittel des täglichen Barometerstandes, und der Stand der Quecksilbersäule zu Mittag kann nur zufällig dem täglichen Mittel desselben annäherungsweise gleichkommen. Nur das arithmetische Mittel ans allen den Tag hindurch gemachten Beobachtungen kann uns als Mittel des täglichen Barometerstandes dienen. Der sonderbare Umstand , dass bei den Beobachtungen Rüppell's in Kairo 209 der Barometei-staiul um 3 h. 31' Abends = :13S,785'" Pur., ein höherer ist, als der mn 9 h. ß' Mort^ens = 33S,5(>9'" Par., was dem sich aussprechenden Gesetze gerade zuwider läuft, lässt eine momentane Stöiun«- der Schwankungen des Luft- druckes durch Wind oder dgl. vermuthen und macht es um so wiuischensvverther, dass mein verehrter Freund seine Beobachtungen im Detail bekannt mache. Die tägliche Wärme zeigt in Unter-Egypten, wie meines Wissens überall, täglich nur zwei Extreme, nämlich ein Maximum und ein Minimum, ersteres tritt in den Nachmittagsstunden von 2 bis 3 Uhr ein , lezteres kurze Zeit vor Aufgang der Sonne. Egypten gehört zu den heissesten Ländern der Erde, die ausserhalb der Tropen liegen, doch gilt diess eigentlich nur von Oberegypten ; denn Unteregypteu , als Küstenland, ist der kühlenden Einwirkung der Seewinde zu sehr ausgesezt, als dass diese die Temperatur nicht herab- setzen sollten. In Alexandria und auf dem Delta steigt die Temperatur des Tages nur selten auf 30*' Reaum.; in Kairo hingegen, dem Seewinde nicht ausgesezt und zu beiden Seiten Wüste habend , ist die Temperatur bedeutend höher und steigt häufig auf 30*^ Reanm. und darüber im freien Schatten eines vollkommen opaken Körpers. Die mittlere Temperatur von ünteregypten können wir zu 17 — 18^ Reaum. annehmen. Da mit Einbruch der Nacht sich grösstentheils Nordwind erhebt, so sind die Nächte im Verhältniss der Tageswärme empfindlich kühl, und es ergeben sich oft Differenzen der Wärme des Tages und der Nacht von 10 — 12** Reaum., die zwar unbedeutend sind gegen die Teniperaturdifferenzen zwischen Tag und Nacht im Äquatoriallande von Afrika, aber sehr bedeutend gegen dieselben Erscheinungen in Europa. Bei herrschenden Nordwinden, damit verbundener starker Herabsetzung der Temperatur und nach gefallenem Thaue , der besonders zur Zeit der Nordwinde erscheint, geschieht es öfters, dass, besonders auf der weiten Fläche der Wüste, die dünne Decke der Feuchtigkeit, die am Morgen auf dem Boden liegt, gefriert und wir also die Erschei- nung der Eisbildung in den Wüsten Afrikas auf einem ganz einfachen Wege eintreten sehen. Würde auch iu KrsscnaEn, Reisen. I. lid. 14 diesem Falle die Temperatur der Atmosphäre keineswegs so niedrig seyn , dass durcli sie unmittelbar ein Gefrieren des Tliaues bewirkt würde, so geschieht diess durch die Herabsetzung der Temperatur in der flüssigen Schicht und der sie zunächst umgebenden Luft selbst, durch die rasche Verdunstung, die in Folge des schnellen Wechsels der Luftschichten, bedingt durch den herrschenden N. , sich er- gibt, und so sehen wir die Eisbildung nicht nur in den Wüsten Egyptens , sondern sogar, obwohl seltner, in den Wüsten des Innern von Afrika vor sich gehen. Wie die Nordwinde einerseits die Temperatur herab- setzen , so wird dieselbe andrerseits durch die Südwinde erhöht, zu welch leztern auch, hinsichtlich seiner Richtung, der ( liamsin gehört. Diese Erhöhung ist nicht unbeträcht- liih und beträgt einige Grade Reaumur , so dass sich das Thermometer in Kairo beträchtlich über 'SO^ hebt- aber gar so stark, wie sie Einige angeben, dürfte denn diese Erhöhung wohl doch nicht seyn , wenigstens ist sie es nicht in süd- licheren Breiten, wo ich die Chamsine lange und genau beobachtete und wo diese Erscheinung höher potenzirt ist als in Egypteu. Manchmal setzen hingegen Südwinde in Egypten die Temperatur gleich den Mordwinden herab, was dann geschieht, wenn in den tropischen Gegenden frühe nud sehr starke periodische Regen eintreten. In l'ezng der während meines gegenwärtigen Aufent- haltes in Egypten im Monat April zu Kairo und Alexandria beobachteten Temperatur der Luft im Schatten und an der Sonne lege ich die folgende Tabelle bei, wo auch die damit verbundenen Beobachtungen über Windrichtung, Wolken und Witterung eingetragen sind *. * Die MorjEfPiisfuiidpii (M.) sind von Mitteniarlit bis Mittag-, die Abendstiiudeu (A.) von Mittag bis Mitternacht ffoieclinet. ill i E t c a 1 c Ö a • wp UB -uijaiix 23,3 27,6 29,3 26,3 29,6 27,2 26,5 22,3 31, 29,5 32. 31,2 32,5 c •9 EU K S a o o aa c CS •apiiiug 05C^(00(NtOO)C100J?JI(00)5<«00>S<<00>e^<0 •(lazsaSsx s s^ oj c^ Ol Cl 0> C* <£> B<^< g s^s-< ^ ^ 2 'S «s .3 s s e 'S .i« CS S CS i^ tooicioojteoc»« -s< =S © e»S © ©" XClOtOODM^O^tO »rroo"i-^otrr-^oD~Qo"o(r H s i: 4> ~ •*< F^ "O «i = X "O es ü o>(re^tcos^®iMoo>OJiM C<0>C'N05« S0 -HM rt»d<»rt«ot^ '9 E 8 l 1 ! •» d Y 214 Wir sehen daraus keineswegs die Gesetze des trägliclicn Ganges der Temperatur; denn erstens mangeln die Beob- achtungen zur Zeit des Minimums und zweitens sind in der Reihe der Glieder zu wenig, um mit Sicherheit zu kalkuliren. Die sjjäteren Beobachtungen mit mehr Müsse und, aufrichtig gesagt, mit mehr Lust und Liebe durchgefiihrt, da ich im vollen Besitze meiner Instrumente war, umgehen diesen Mangel ganz, und wir werden daher diese Gesetze bei meinem spätem Aufenthalte in Egypten kennen lernen. Wir sehen aber aus diesen Beobachtungen so ziemlich nahe das Maximum der täglichen Temperatur und ilire Abnahme beiderseits gegen die Zeit des Minimums hin. Die im Monat April zu Kairo beobachtete höchste Temperatur im Schatten ist = 27,;j lleaum., in der Sonne r= 31,8, die niederste im Schatten = 14,1, in der Sonne = 19,0; die beobachteten Differenzen daher = 13,2 und 12,8. Diese Differenzen sind aber nicht die der Extreme, weil die Beobachtung des Minimums mangelt, daher auch aus ihnen, wenn man anders aus Extremen ein Mittel neh- men kann, kein brauchbarer Durchschnitt sich ergibt, so wie auch nicht aus der Reihe der Beobachtungen selbst, weil deren zu wenige sind. In Alexandria war im April die beobachtete höchste Temperatur im Schatten = 20,0 Reaum., in der Sonne = 28,2 ; die niederste im Schatten = 14,3 , in der Sonne = 23,0, folglich die Differenzen = 5,7 und 5,2, bedeutend kleiner daher als in Kairo, was zufällig mit dem Gesetze im Einklänge steht, dem gemäss diese Differenzen mit der Annäherung zum Äquator wachsen, während die Differenzen der Extreme des Luftdruckes abnehmen. Nehmen wir aus allen Beobachtungen im Schatten um 9 Uhr Morgens, beiläufig 3 Stunden nach dem Minimum, das Mittel, so ist es für Kairo: für Alexaadria: 16,7 16,9 aus allen Beobachtungen um 2 Uhr Nachmittags, also um. die Zeit des Maximums, ergibt sich: 215 für Kairo: für Alexandria: 23,1 18,5 folglich sind die Differenzen: 6,4 1,6 und die Mittel aus den Mitteln der beiden gleichstündij^en Beobachtungsreiiien für den April: 19,9 17,7 Ileaum. Die Temperatur des Flusses zeigte sich meist der mittlem des Tages so ziemlich entsprechend, obwohl natür- lich der Einfluss so vieler Einwirkungen von Aussen auf den Riesenstrom ein so potenzirter ist, dass wir aus der Beobachtung seiner Temperatur nicht geradehin solche Folgerungen ableiten können, wie bei einer Quelle. Betrachten wir Beobachtungen der Temperatur in Unteregypten durch ein ganzes Jahr geführt, so sehen wir, dass die Monate Juli und August jene sind , welche die höchsten Thermometerstcände besitzen, der Monat Februar aber jener, den die niederste Temperatur charakterisirt. Diess ist ein Gang der Temperatur, der ganz an Europa erinnert. Mr. Caillaud beobachtete zu Kairo im Okto- ber 1819 *: höchste Temperatur 22,2 R. niederste „ 16,7 „ Differenz 5,5 „ Mittel der Extreme 19,5 „ im April 1820: höchste Temperatur 23,0 R. niederste „ 11,4 „ Differenz 11,6 „ Mittel der Extreme 17,2 „ NiEBUHR gibt in seiner Reisebeschreibung für das Jahr 1759 und 1760 die täglichen Durchschnitte der Temperatur- beobachtungen eines gewissen Hrn. Boyer in Kairo nach Reaumur, Da dieser jedoch die Beobachtungen selbst Aveder zu bestimmten Stunden vornahm, noch die Beobachtungszeiten * Caillaud beobachtete jeden Tag um 8 Uhr Morgens, um Mittag und um 4 Uhr Abends, also niemals in der Zeit eines Extrems, wed^r des Maximums noch des Minimums. 216 aufgezeichnet hatte, soiuleni sich nur erinnerte, täglich dreimal beobachtet zu haben, da er ferner sein Thermometer statt im freien Schatten in einem Zimmer aufgehängt hatte und sich überhaupt aus dem Ganzen nicht viel Sachkenntniss heraus- stellt, so übergehe ich diese Beobachtungen als unverlässlich. Ganz anders verhalten sich JViebuhr's eigene, vverthvoUe Temperaturangaben , die sich auf Beobachtungen stützen, welche er mit dem Fahrenheit'schen Thermometer zu Kairo täglich dreimal , und zwar Morgens meist zur Zeit des Minimums, Nachmittags in den Stunden zunächst dem Ma- ximum und Abends, machte und vom 14. Movember 1761 bis zum 24. August 1762 täglich fortsezte. Damit verband derselbe Angaben der Windrichtung und mit Schluss eines jeden Monats die Entfernung der Sonne vom Zenith am Mittage. Diese Beobachtungen sind mit höchster Sach- kenntniss durchgeführt und stellen Reihen dar, welche, da sie die beiden Wendepunkte der Temperaturkurve in sich schliessen und ein Mittelglied haben , welches zu verschie- denen Stunden beobachtet wurde, vollkommen sich dazu eignen, durch Interpolation die bestehenden Lücken auszu- fiiUeu. Niebnhr beobachtete die niederste Temperatur in den Morgenstunden des Februars mit 42,0" Fahrenh. = 4,44*^ Reaum. , die höchste im Monat Juni und Juli mit lOP F. = 30,66*^ R., und zwar das erstemal bei Süd-, das andere- mal bei Nordwind. Die Differenz dieser beiden Hauptextreme ist daher = 26,22" R. = der Hauptscbwankung der Tem- peratur in der Zeit von S bis 10 Monaten; das Mittel hin- gegen aus diesen beiden Hauptextremen der beobachteten Temperaturen ist = 17,55" R. , was ziemlich nahe der für Unteregypten angenommenen mittleren Temperatur kommt. Die Beobachtungen Niebuhr's sind die einzigen zu Ab- leitung der Gesetze brauchbaren Angaben über Temperatnr- verhältnisse von Kairo, die bisher aufgestellt wurden. Sie bestätigen den Gang des Thermometers, der täglich ein Maximum und ein Minimum erreicht, ersteres kurz vor Sonnenaufgang, lezteres ein paar Stunden nach Mittag. Ich habe sie daher einem besondern Kalkül unterzogen , das Thermometer Fahrenheit auf Reaum ur übersezt und durch 217 sie mit inönliilister (ieiLiiiif^keit die mittlere Temperatur von Kairo auszinnitteln gesucht. Ich unternahm diese Arbeit auch aus dem Grunde, um in Niebuhr's Beobachtungen und den sich daraus ergebenden Folgerungen eine Controlle für meine eigene Arbeit zu besitzen, die im zweiten Bande dieses Werkes im Detail folgen wird, und die viel Interesse schon dadurch haben dürfte, da ich der Erste gewesen bin, der stündliche Beobachtungen des Luftdruckes und der Temperatur in Egypten anstellte, so dass es bei meinen Beobachtungen leichter und sicherer gelingt , die dabei stattfindenden Gesetze zu erkennen. Diesem nach ergaben sich aus JNiebuur's Tabellen im ersten Bande seiner Reisen nachstehende Daten : Arifhniet. Mittel der Mittel der Mittel der Teniper. im Gniizeii. Maxiiiia. Minima. November 1761 . . 15,33 . . . 17,37 . . . 14,03 Dezember „ . . 1J,S6 . . . 15,28 . . . 9,86 Januar 1762 . . . 10,71 . . . 13,86 .... 8,62 Februar „ ... 11,46 . . . 15,16 . . . 9,02 März „ ... 15,37 . . . 19,42 . . . 12,58 April „ . . . 16,84 . . . 21,06 . . . 14,88 Mai „ ... 20,40 . . . 22,27 . . . 18,62 Juiy >, . . . 22,27 . . . 26,53 . . . 19,06 Juli „ . . . 23,69 . . . 2S,22 . . . 20,58 August „ ... 24,62 . . . 28.35 . . . 21,68 Mittel .... 17,25 . . . 20,75 . . . 14,89 Betrachten wir diese lezteren summarischen Durch- schnitte der gemachten Beobachtungen, die wir füglich als die jährlichen Mittel ansprechen können, so sehen wir, dass das arithmetische Mittel der Jalnestemperatur mit der mittlem Temperatur des Monats April am nächsten übereinstimmt. So stimmen auch die jährlichen Mittel der Maxima und Minima, das erste mit der mittlem Temperatur des Monat Mai, das leztere mit der des Monats März am nächsten überein. Das arithmetische Mittel aus den jährlichen Durch- schnitten der beiden P^xtreme beträgt 17,82 , was wieder ziemlich genau mit dem arithmetischen Mittel der gesammten gemachten Beobachtungen stimmt, so dass wir die Grössen 218 17,25 lind 17,82; besonders aber erstere als die mittlere Temperatur von Kairo annehmen können: was mit meinen früheren imd nur ganz allgemein hingestellten Daten stimmt. Zieht man die obigen jährlichen Durchschnitte der Extreme von einander ab, so erhält man die Differenz = 5. So, welche uns zugleich den mittlem Umfang der jährlichen Schwankting der Temperatur anzeigt. Dr. CLOT-Bey gibt uns in seinem Appercu general sur l'Egypte, Tome I, die tabellarischen Durchschnitte der me- teorologischen Beobachtungen des Destouches , augestellt zu Kairo in den Jahren von 183.5 — 1839. Da diese Beobachtungen nur monatliche und jälirliche Durchschnitte geben, wir daher die täglichen und stündlichen Veränderim- gen des Luftdruckes, der Temperatur, der Luftfeuchtig- keit etc. daraus nicht ersehen, so leiden auch diese Beob- achtungen an den schon öfter gerügten Mängeln. Hingegen geben sie uns sehr genaue monatliche und jährliche Durch- schnitte und sind daher immerhin höchst werthvoll. Äu^ dem Durchschnitte der fünf Beobachtungsjahre ergibt sich für Kairo ein mittlerer Barometerstand von 760 IMM. und eine mittlere Lufttemperatur von 17,9^ Reaum. Auch Clot- Bey fand bei seinen Beobachtungen ;die grösste Hitze durch- schnittlich im Monat Juli, dessen mittlere Temperatur *24® Reaum. beträgt ; die niederste Temperatur zeigte sich aber im Monat Januar, dessen mittlere Temperatur z. B. im Jahr 1836 nur 9^ Reaum. betrug. Destouches veranstal- tete auch Hygrometerbeobachtungen , bei denen jedoch Dr. CLOT-Bey zufällig vergisst die Bedeutung der Zahlwerthe anzugeben. Man weiss nicht, mit was für einem Hygrometer beobachtet wurde, man weiss nicht, mit was für einer Ein- theilung man zu thun hat, kurz die an und für sich gewiss sehr werthvollen Beobachtungen sind durch dieses Versehen leider unbrauclibar gemacht. Die Richtungen der Winde in den verschiedenen Mo- naten stimmen mit dem bereits Gesagten überein ; interes- sant aber sind die Zahlenwerthe der Frequenz dieser Winde. Während den fünf Beobaehtungsjahren wehten zu Kairo irti Mittel per Jahr: 517 MorduiiKle^ 33 Ostwinde, 13S Westwinde, 45 Südwinde, 141 ]\()idostwinde, 144 Noidvvestwinde, 0 Südostwinde, 74 Südwestwinde, 11 Ciiamsinwinde, woraus man das entscliiedene Voiliensclien der Winde aus den beiden nördlichen Quadranten deutlich ersieht. Die Beobachtungen der Regen sind selir interessant, sie fallen in ünteregypten durchaus in das Bereich unsers Winters und ereignen sich vom Monate Oktober bis März und April, besonders im November, Dezember und Januar. In den übrigen Monaten regnet es zum Theil gar nicht. Die Regenmengen sind nach den Regenhöhen oder vielmehr Regentiefen zu beurtheilen, die Destouches in Metern angibt. So fand er die Regentiefe im Jahr: 1S35 = 0.0599 Meter, 1836 = 0,0251 „ 1837 = 0,0501 „ 1838 = 0,0271 „ 1839 = 0,0079 >, im Mittel = 0,0340 Meter. Wir sehen daraus, wie geringe im Ganzen die Regen- niederschläge in Kairo sind, während sie an der Küste mehr als das Zehnfache betragen. Aus dem fünfjährigen Durcli- sclmitte ergeben sicli ferner im Mittel für ein Jahr in Kairo : 12 Regentage. Drücken Avir die Beschaffenheit des Himmels in Zahlen aus, so ergeben sich uns für Kairo folgende VV^erthe: Klarer Himmel 720, wolkigter „ 245, bedeckter „ 95, iiebligter „ ..... 25, und zwar ebenfalls aus dem Mittel der fünf Jahre. 220 In dem Jahre 1837 im Monat Januar und März beob- achtete Destouchks zwei Erdbeben, wovon das erstere mit dem grossen Erdbeben in Syrien zusammentraf. Ich befand mich damals in Benisueff und merkte nichts. Beobachtungen über den Feuchtigkeitszustand der Luft wurden, meines Wissens, von früheren Reisenden gar nicht angestellt, wenigstens kann ich in den mir vorliegenden Werken nur allgemein hingestellte Behauptungen finden, die zwar zum Theil ganz ihre Richtigkeit haben, sich aber, da sie keine bezifferten Daten sind, zu keinem Kalkül eignen. Bei meiner zweiten und dritten Anwesenheit in Egypten habe ich die hygrometrischen Beobachtungen mit einem genauen Thermohygrometer in derselben Reihenfolge ausgeführt , wie die Beobachtungen über Luftdruck und Temperatur. Wenn ich daher im Laufe des Textes auf meine iu grosser Anzahl vorliegenden Beobachtungen zu sprechen kommen werde, so werde ich nicht nur dieselben, so wie sie sind, dem physikalischen Publikum vorlegen, .sondern dort, als am geeignetsten Orte, auch die Gesetze über die Ab- und Zunahme der Spannkiaft der Wasserdünste in der Atmosphäre als Funktionen des Luftdruckes und der Wärme für die betreffenden Länder auseinander setzen und nach den bestehenden Grundsätzen, die uns die Mathematik an die Hand gibt, festzustellen bemüht seyn. Der Gang des Thermo -Hygrometers hielt sich genau an den der Temperatur und erreichte mit ihr täglich sein Maximum und sein Minimum, ersteres in den ersten Stunden des Nachmittags, lezteres kurz vor Sonnenaufgang. Je grösser also die Temperatur der Luft ist, desto grösser ist die Spannkraft der in derselben verbreiteten Dünste, welche, so lange erstere sich nicht ändert, wie bekannt, konstant dieselbe bleibt. Je höher ferner die Temperatur der Luft und die Expansivkraft der in ihr verbreiteten Dünste ist, desto stärker ist aber auch das Bestreben der Luft, neue Dunstmengen in sich aufzunehmen, was so lange geschieht, bis sie sich mit Dünsten gesättigt hat und dieselben das Maximum ihrer Expansivkraft erreichen. Jede Verminderung 221 des Raums, jede Herabsetzung der Temperatur bewirkt nun über diesen Punkt hinaus einen Niederschlag des Dunstes, der sich nicht mehr in dem Räume, den er erfüllt, als solcher halten kann. Je stärker Raumverminderung oder Temperaturherabsetzung sind, desto stärker ist natürlich der Niederschlag, der so lange fortdauert, bis die in der Luft rückständige Dunstmenge sich in dem Zustande der Expansivkraft wieder befindet, der der Temperatur und dem Raumverhältnisse zukommt. In diesem Momente ist die Luft wieder mit Dunst gesättigt; wächst nun die Temperatur der- selben, so wächst mit ihr die Expansivkraft der Dünste wieder; neue Dünste steigen wieder auf und der Prozess wiederholt sich von Neuem. Wir können daher für jeden Ort der Beob- achtung jenen Moment, in dem das Vermögen der Luft, Dünste in sich aufzunehmen, ein Grösstes ist, den des Ma- ximums der Lufttrockenheit dieses Ortes nennen, und wir sehen, dass er mit dem Maximum der Temperatur und mit dem der Differenz beider Thermometer am Thermo -Hygrometer zu- sammenfällt. Ganz unter denselben Verhältnissen erscheint uns der Moment des Maximums der Luftfeuchtigkeit, d. h, jenes Momentes, in welchem das Vermögen der Luft, Dünste in sich aufzunehmen, ein kleinstes ist und der mit dem Minimum der Temperatur und der Differenz der beiden Thermometer am Thermo -Hygrometer zusammenfällt. Je nachdem nun das eine oder andere dieser Extreme sich vorherrschend ausspricht, ergibt sich ein Anhaltspunkt zur ßeurtheilung der Luftfeuchtigkeit verschiedener Orte, und wir sehen Obigem zufolge die Trockenheit gegen den Äquator zunehmen , dieselbe gegen die Pole hin abnehmen. Küstenländer und solche Gegenden warmer Klimate, die einen grossen Wasserreichthum in Flüssen oder Seen be- sitzen, bieten uns beide Extreme in einem hohen Grade dar, während die wasserarmen Länder der heissen Zone zu den trockensten, Küstenländer und wasserreiche Distrikte der gemässigten und kalten Zone hingegen zu den feuch- testen überhaupt gehören. Wenden wir diese Grundsätze bei ßeurtheilung der 222 klimntlsclicn Erscheinungen Egyptens an, so erklären sich .uns manclie Eige n th iim lieh k ei ten derselben auf eine einfache, d. h. naturgeinässe Weise. Unteregypten ist Küstenland, und /war ein heisses. Einerseits vom Meere begränzt, ist es andrerseits von einem grossen Strome des ersten Rangs, dessen Armen und zahllosen Kanälen durchschnitten, die eine ausgedehnte Fläche zur Verdunstung darbieten. Die hohe Temperatur des Tages steigert die Expansivkraft der Dünste, welche die Luft bereits aufgenommen hat, und bedingt dadurch die fortdauernde Aufnahme einer grossen Menge neuen Dunstes, die in den heissen Stunden des Nachmittags, auf irgend eine bestimmte Zeit berechnet, ihr quantitatives Maximum erreicht. Dadurch kommt eine solche Dunstmasse In die Atmosphäre, dass dieselbe, wenn in der Nacht und besonders in den Morgenstunden vor Sonnenaufgang sich die Temperatur bedeutend herabsezt, die Expansivkraft des Dunstes folglich sinkt, in den der Erde zunächst liegenden Schichten mit Dünsten ganz gesättigt erscheint und bei der mindesten fortdauernden Herabsetzung der Temperatur die- selben nicht mehr halten kann, worauf ein starker Nieder- schlag erfolgt, ein Thau, der in mancher Beziehung die Stelle des Regens vertritt und in Alexandria oft am Morgen, wie nach Regen, als Wasser auf den Altanen liegt und die Strassen nass macht. Nordwind befördert diese Thaubildung sehr, weil er, von der Seite des Meeres kommend, eine grosse Menge Dünste zuführt. Südwind hingegen vermindert die Thaubildung, weil er, aus den trocknen Wüsten des Innern kommend, die entgegengesezte Erscheinung hervor- ruft. Bei Nordwinden, bei denen die Luft sich mit den vom Meere aufsteigenden und von da herzugeführten Dünsten erfüllt, ist dieser Thau oft salzig und zwar so stark, dass die Kleider im Freien mit einer dünnen Salzhaut bedeckt werden. Bei Südwind hingegen fällt oft gar kein Thau. In Bezug des vegetabilischen Lebens wirkt dieser Thau, wenn er nicht gar zu viel Salz enthält, sehr wohlthätig und befördert wie ein Regen das Wachsthum der Pflanzen. Auf den menschlichen Organismus aber äussert er durch Erkältungen, die , er leicht herbeiführt, durch Aft'ektioii 2*23 der Haut mittelst seines S.alzpi-ehaltes etc., wie wir später sehen werden, einen naclitheiligen Kinflnss, obwohl vielleicht nicht in dem Grade, wie man anznnehmen o;ewohnt ist. Aus dem früher Gesagten erklärt sich auch, warum in ünteregypten in den Sommermonaten stärkere Thaue fallen, als in den Wintermonaten , weil nämlich in erstem die Expansivkraft der Dünste in der Luft die gTössere ist und dieselbe im Verlaufe des wärmern Tages eine bedeutend grössere Dunstmenge aufnimmt. Wenn wir uns von der Küste entfernen und dem Strome nach ins Innere gehen, so sehen wir, dass in dem Verhältnisse, als die Grösse der Wasserfläche abnimmt, die täglich der Verdunstung bloss- gestellt ist, auch die Menge des Thaues abnimmt. So fällt schon in Kairo weniger Thau als in Alexandria und wieder weniger in Oberegypten als in Kairo. Entfernen wir uns aber beim Vordiingen ins Innere auch zugleich von dem grossen Strome, so tritt diese Abnahme des Thaues noch stärker auf und in den grossen Wüsten Nubiens und auf den Savannen von Kordofan und Sennaar sah ich gar keinen Thau fallen, ausser in der Nähe der Flüsse und da selten. Noch weiter südlich aber in Abyssinien und den gebirgigen JNegerländern, in der Nähe des Äquators, wo wieder grosser Wasserreichthum ist und die Temperatur einen ausseist extremen Gang beobachtet, sah ich Thau wieder öfters fallen. • • Auch diese Erscheinung ist ganz leicht zu erklären. Die grosse Hitze, die in den wasserarmen Gegenden des Innern herrscht, steigert die Expansivkraft der Dünste in der Luft aufs höchste, und es findet fortwährend das sehr potenzirte Vermögen der Luft statt, neue Dünste in sich aufzunehmen. Da diese aber nicht vorhanden sind, so kann nie jener Sättigungsgrad der Luft mit Wasserdunst eintreten, selbst bei bedeutender Herabsetzung der Temperatur, dass die Expansivkraft dieses Dunstes ihr Maximum erreichen würde, und folglich kann sich auch kein Niederschlag bilden. Daher bildet sich auch so selten Regen in jenen regenarmen Gegenden, indem die Luft die Dünste, welche sie von den Wolken empfängt, die mit Nordwind gegen Süden ziehen, in sich aufnimmt, ohne, Avas nur selten geschieht, dadurch 224 die Expansivkraft des früher schon in ilir enthaltenen Dunstes aufs Maximum zu steigern. Kommen diese Wolken jedoch jn jene Gegenden, wo das Dunstquantum, welches die Luft in sich aufgenommen hat, bereits ein so grosses ist, dass durch Hinzufügung der neuen Dunstmengen die Expansiv- kraft des früher vorhandenen Dunstes ihr Maxiraum erreicht nnd Sättigung der Luft mit Wasserdunst eintritt, so erfolgen wieder Wiederschläge, wir sehen im tropischen Sommer wieder Thau fallen nnd haben im tropischen Winter, in welchem die nördlicher herrschenden Nordwinde die Dünste im Äquatoiiallande zurückhalten und die südlicher herrschen- den Winde neue Dünste von Süden herbeiführen, die tropische , Regenzeit. Wenn dieses Zurückhalten des Zuges der Dünste von Süden nach Norden durch Nordwinde nicht statt hat, wie z. B. in den Monaten April und Mai, wo selbst in ünteregypten häufig Südwinde herrschen, da sehen wir tropische liegen sehr weit vordringen und sich in Gegenden entleeren, wo sonst nur selten stärkerer Hegen fällt; wie aber die Nordwinde wieder beginnen und den Zug der Dünste aus Süden nach Norden \\ieder aufhalten, so be- schränken sich die tropischen Regen auch rein wieder auf die Länder vom Äquator bis höchstens zum 18** n. ßr. Ähnliches findet auch auf der südlichen Erdliälfte statt, doch werde ich dann darauf zurückkommen, wenn ich über die tropivschen Regen im Allgemeinen sprechen werde. Feuch- tigkeit der Luft und so auch Regen sind daher vom Zug der Winde sehr abhängig. Was die herrschenden Winde betrifft, so ist, mit Ausnahme höchstens zweier Monate, der Nordwind mit seinen Nebenwinden gegen Ost und West bei weitem der vorwaltende. Es findet fast das ganze Jahr hindurch eine Luftströmung vom Meere nach dem Innern statt, bedingt durch die Verschiedenheit der Temperatur und durch den verschiedenen Gehalt der Luft an Wasser- dunst. Es erscheint gleichsam wie das Einströmen äusserer, dichter und kalter Luft in ein Zimmer, in welchem die Luft durch Wärme expandirt wird. Interessant jedoch ist es, dass zum Theil zu derselben Zeit, wenn in Egypten und namentlich in ünteregypten die Nordwinde vorherrschen, 225 in höhern Breiten, im Tropenlande nämh'eh, durchaus Süd- winde wehen. In nachfolf^ender Tabelle gebe ich die Rioh- tnngen der Winde in Unteregvpten nach den verschiedenen Monaten , fuge aber auch , um das Vorhergesagte besser würdigen zu können . die Richtung der Winde im Tropen- lande NubienSj und zwar in der Parallele des 15. Breiten- grades, bei. Monat. In üntcregyptcu. Im Tropcnlande. Januar . . . . N. NW. W. . . . N. NO. NW. Februar . . . . N. NW. W. . . . N. NO. NW. März NW. W. S. . . . N. NO. NW. April S. SO. SW. . . . N. S. SW. SO. Mai S. N. O. W. . . . S. SO. SW. Juni N. NO. . . . S. SO. SW. Juli N. NW. NO. . . . S. SO. SW. O. August . . . . N. ... S. SO. SW. W. September . . . N. O. ... SW. SO. O. . Oktober . . . O. N. ... O. SO. NO. November . . . O. N. ... N.NO.NW.W. Dezember . . . N. WN. W. . . . NW. NO. N. Wir sehen daraus, dass in Unteregypten das ganze Jahr hindurch N. , NO. und NW. mit geringen Unterbre- chungen aus O, und W. wehen und nur in den Monaten April und Mai Südwinde sich einstellen. Im Tropenlande hingegen, und zwar in der Parallele des 15. Breitengrades, wehen fast sechs Monate hindurch Nordwinde, wie z. B. in einem Theil des Oktobers, im November, Dezember, Januar, Februar und Älärz, die andere Zeit wehen hingegen beinahe beständig Südwinde, die mit den südlichen tropischen Regen vom Äquator gegen Norden vorrücken, so in den Monaten: April, Mai, Juni, Juli, August, September und zum Theil im Oktober. Diese Nordwinde sind es wahrscheinlich also, wie ich vorhin sagte, welche die Dunstmengen, welche sich im Tropenlande selbst bilden, oder durch die Regen- stürme aus Süden dahin gelangen, oder durch die Nordwinde selbst zugeführt werden, dort zurückhalten und mitunter einen Grund bilden, dass die tropischen Regen in ihrem Rrssr.nccR, Reisen. I. Bd. 15 226 Vorschreiten gegen Norden eine gewisse Gränze behaupten und dieselbe nur dann überschreiten, wenn die Südwinde durchaus ihren freien, ungehinderten Zug haben, d. i. in den Monaten April und Mai, welche Periode manchmal einerseits im März, andrerseits im Juni hinübergeht. Während meiner ersten Anwesenheit zu Kairo im Monat April wehte aus- nahmsweise nie Südwind. In diese Zeit der Südwinde, nämlich in die Monate April und Mai, fällt nun auch die Zeit der Chamsine *. Der Chamsin hat seinen JNamen von Ohamsin (fünfzig), weil die Araber sagen, dass er aus- schliesslich während einer Periode von fünfzig Tagen mehr- mals wehe. Er wird mit dem Samum häufig verwechselt, von dem er doch wesentlich verschieden ist. Der Chamsin ist ein periodischer, jährlich wiederkehrender Wind, der stets aus Süd und Südost, seltner aus Südwest kommt, seine Entstehungsnrsache und seine ganze Wirkungsweise scheint rein elektrischer Natur zu seyn, während der Samum ein in seinem Entstehen gewöhnlicher Sturm der Wüste ist, der sich an keine Zeitperiode fixirt und an keine bestimmte Richtung hält, sondern aus ganz entgegengesezten Welt- gegenden oft kommt. Er ist durch seine Hitze, durch seine Gewalt als Sturm, durch die Menge von Sand und Staub, die er mit sich führt, furchtbar. Die Gefahr, die sich mit dem Chamsine verknüpft, ist eine ganz andere, als die eines heissen , sandbringenden Sturms , häufig ist er sogar kein Sturm, sondern es ist eine ihm eigenthümliche und wahrscheinlich in der ausserordentlichen Anhäufung von Luftelektrizität sich begründende, positiv schädlich auf den Körper einwirkende Eigenschaft. Ist der Samum ** stark, so ist er als Wind der Wüste, indem er hinfahrend über den 'brennend heissen Sand sich «ehr erhizt, an und für sich fast unausstehlich und durch die Massen von Sand und Staub, * Das Ch schai'f ausgesprochen wie das x im Spanischen , in den Wörtern Mexico , Quixote etc. ""•' Samnni, vielleicht eine türkische Verstümmelung des arabischen Wortes Semen, Gift, mit welchem Namen der Araber auch manclimal die Eigcnscliaft des Chamsins bezeichnet und aus welchem Grunde auch vielliicht die so häufige Verwechslung der beiden Worte: Samum und Chamsin, hervorging. 227 die er mitfuhrt und zu ßerj^en aufliänft, Karavancn auch wirklich gefährlich. Die Thiere werden t\Hd , werfen ihre Ladunf^en ab, der Mensch verliert die Besinnung, auf die Art wie auf hohen Gebilden bei heftigen Schneestürmen, er findet sich nicht mehr zu Reciit, er ermattet und erlie^'ir können nicht umhin, die Pest als eine Funktion der klimatischen Ereignisse und der damit in Egypten verbundenen Erscheinungen zu be- trachten und sie für heimisch in diesem Lande zu erklären. Wie ich schon früher sagte, so hin ich vollkommen der Ansicht, dass Unreinlichkeit, Elend und dergleichen Umstände die Ausbreitung der Pest befördern. Was ein zweckmässiger Kordon und scharfe Quarantaine- Anstalten vermögen, das hat, glaube ich, Österreich dem ganzen Europa mehr als irgend eine andere Nation bewiesen. Keine Kosten scheuend, hat es allein der Pest auf dem Festlande jenen merkwürdige» Damm entgegengesezt, der als Kordon die Militärgränze gegen alle türkischen Nachbarprovinzen umzieht, eine Einrich- tung, durch welche sich unser Vaterland die ganze europäische Menschheit zum Schuldner gemacht hat. Dass eine solche Quarantaine-Anstait, ein Kordon, seinen hohen Zweck aber ganz erfülle, dazu ist das harmonische, kräftige Znsammen- wirken iiiler polizeilichen Massregeln unumgänglich notli- wendig', und gerade diess ist die Klippe, an der alle die edlen Aufopferungen und Bemühungen der Europäer unter den Orientalen scheitern. So lange der Türke Türke ist, so lange sich seine auf Fatalismus, Fanatismus und unver- ständliche Dogmen stützende Religion erhält und er an ihr hält, so lange diese allein das positive Gesetz und das Band der bürgerlichen Ordnung bildet, so lange ist an eine energische Begegnung der Pest, auf deren sichern Erfolg gerechnet werden könnte, nicht zu denken. Welcher Arzt z. B., welcher Diener der Sanität dringt in die Geheimnisse des Harems, wenn daselbst die Pest ausbricht? und wenn der Herr, wie es häufig der Fall ist, fest an den alten Dogmen und Gebräuchen hängt? Ich war einst während der Pest in Jerusalem. Eine aus drei Europäern bestehende und mit der nöthigen Militärwache versehene Kommission wurde dahin gesandt, um die Absperrung und Bewachung kompromittirter Häuser und Personen vorzuuehmen und uo 242 dem Übel am Orte seiner Entstehung Gränzen zu setzen. Die Anzeigen von Pestfällen in den Familien jedoch, be- sonders in den türkischen, ergingen an diese Kommission meistens dann erst, wenn sclion der Tod erfolgt war, weil ohne Bewilligung der polizeilichen Behörde keine Beerdigung stattfinden durfte. Die Kommission erschien , sah den Leichnam in der Mitte der klagenden Verwandten, die sich häufig schon in seine Kleider und seine übrige Hinterlassen- schaft getheilt hatten, und war also genöthiget, die Ab- sperrung vieler Personen statt der einer einzigen vorzunehmen. Zulezt endete die fieschichte mit einer Durchprügelnng dieser Kommission von Seite der Einwohner, wenn ich nicht irre, im nahen Bethlehem, wo auch die Pest war, und mit einer EinSchliessung der unglücklichen Stadt mittelst eines engen Kordons. Wie diese Kordons die Idee der Absperrung auffassen, sah ich ebenfalls auf eine Weise, die es ganz ausser Zweifel sezt, dass man eigentlich nicht weiss, was man will. Ich ritt mit einigen Arabern von Jerusalem nach Jaffa. In ersterer Stadt war die Pest, leztere war rein. In Ramiah war der Kordon gezogen. Jch und meine Araber waren als kompromittirt betrachtet und hatten einen Sol- daten als Quardian bei uns , der uns bis zum Kordon begleitete. Auf dem Wege nach Ramiah holten wir mehrere Bauern ein , welche aus umliegenden , ausser dem Kordon sich befindenden Dörfern waren , in denen sich bisher noch keine Pest gezeigt hatte. Diese Leute vermischten sich mit meinen und kamen zusammen am Kordone an. Erstere wurden durchgelassen, leztere, aus Jerusalem kommend, mussten bei mir zurückbleiben. Der Abschied war zärtlich und ungeniit, in Gegenwart des Kordonoffiziers. Später wurde Markt am Rasteil gehalten, die Kompromittirten rechts, die Bürger von Ramiah links, in der Mitte die egyptischen Soldaten mit ihrem Offizier, der eine Amtsmiene machte, die nichts zu wünschen übrig liess. Die Soldaten hielten dem andringenden Volke die Bajonnete vor und drohten jeden zu erstechen, der die Vor- schriften der Sanität übertrete, und ihre grimmigen Gesichter verbürgten, dass es ihnen Ernst war. Wir wollen unsere 243 Früchte verkaufen, schrieen die einen; wir wollen sie kaufen, schrieen die andern. So gebt denn eure Tücher her, sa{>te der Offizier, sich des Gedankens freuend, der in ihm auf- loderte. Die Soldaten nahmen den Ramlahern die Tücher ab und gaben sie den Kompromittirten vor der Skela, diese banden ihre Früchte hinein, und die Soldaten übergaben, ohne Anstand zu nehmen, die Packe den Ramiahern. Das Geld, welches zjirückkam, wurde früher in Wasser geworfen. Ist das im Sinne einer öuarantainanstalt? Noch gräulichere Dinge sah ich im Jahr 1S3S und 1839 in Alexandria. Der Admiral Mustapha- Pascha traf bei Grundgrabung für sein neues Haus am Serail einen alten Todtenacker. Leichen wurden ausgegraben und lagen <)ften da, das Haus jedoch wurde demungeachtet an dieser Stelle aufgeführt. Auf dem Wege von dem österreichischen Kon- sulate nach dem europäischen Bade befand sich auf einem Platze mitten in der Stadt ein Kirchhof. Dieser Platz wurde für die Anlage eines Dörfchens für die Familien eines Theils der Garnison benüzt. Man sezte die Hütten auf den Kirchhof, und die Leichensteine befinden sich jezt unter Dach und Fach. Unter der Erde schläft ein Mensch seinen ewigen Schlaf, wenige Zolle darüber schläft ein anderer den zeit- lichen, bei dem man sich Naclits niederlegt und Moigens aufsteht. Kann unter solchen Umständen, und ich möchte sagen bei solchen Barbareien, von den Bemühungen der europäischen Sanitätsbehörden der gehoffte Erfolg zu er- warten seyn? Sind denn solche Quarantaine-Änstalten nicht als eine Satyrezu betrachten, und ist das Egvptens berühmte Civilisation der neuesten Zeit? Diese Frag^en drängen siqli doch notliwendig auf. Eine andere Egypten, und namentlich ünteregypten, cigen- thümlich angehörende und, wie ich glaube, aus seinen klima- tischen und örtlichen Verhältnissen hervorgehende Krankheit ist die Ophthalmie oder die egyptische Augenkrankheit. Sie tritt in Egypten zu jeder Jahreszeit auf und bindet sich nicht an gewisse Zeitperioden , wie die Pest. Durch äus- sere Einflüsse erhöht, durch Umstände, wie Unreinlichkeit, schlechte Nahrung, Hitze etc. befördert, nimmt sie manchuial 16* 244 einen äusserst bösartigen und formlicli epidemischen Cha- rakter an, in wehhera Grade sie furchtbare Verwüstungen bedingt. Man sehe z. B. die Geschichte der französischen Kxpedition unter Napoleon, wo sie in den Reihen def Armee wiithete. Jedem, der Egypten betritt, ist die Menge der Einäugigen und ganz Blinden auffallend, welche man be- merkt und die an manchen Orten über 20 und 30 Prozent der ganzen Bevölkerung betragen. Die eg)'ptische Augen- krankheit hat sich, nur nicht in so rapider Intensität und nicht in so schrecklichen Formen, auch ausser Egypten, so in Europa gezeigt. Ob örtliche Verhältnisse, denen in Egypten ähnlich, sie daselbst erzeugten, ob Ansteckung sie hervor- rief, diess zu entscheiden, gebort nicht in den Bereich meiner Forschungen, liegt auch nicht in dem Kreise meiner Kenntnisse. Die Entzündung, die das höchste Stadium der Krankheit durch eine gewaltige Auftreibung des Augapfels charakte- risirt, wird oft so heftig, dass dieser ganz hervortritt und zerplazt. Erblindung erfolgt oft schon in kurzer Zeit, und auf jeden Fall rufen die namenlosen Schmerzen des Leidenden in ihm einen verzweiflungsvollen Zustand hervor. Die Türken und Araber sind der Krankheit mehr unterworfen, als die Europäer, die Bewohner der Küste mehr, als die des Innern, die Bewohner des Kulturlandes ausschhesslich, nicht die der Wüste: denn unter den Beduinen ist sie eine Seltenheit, die Bauern mehr, als die Städter. Wenn man nun die Umstände, denen die genannten Klassen in den erwähnten Örtlichkeiten ausgesezt sind, näher analysirt und jene be- sonders hervorhebt, welche sie als eigenthümlich wahrnehmen lassen und nicht mit den übrigen theilen, so glaube ich, kommt man auf den Weg, die Grundursache zu finden, die in jenen Umständen also, umgekehrt geschlossen, niclit liegen kann, die alle diese verschiedenen Klassen und Örllichkeiten mit einander gemein haben. Der Umstand, dass Türken und Araber mehr der Krank- heit unterworfen sind, als Europäer, ist sehr wichtig und liegt nicht in der Verschiedenheit der Lebensweise: denn die ist im Oriente häufig gleich ; sondern es muss ein andrer Grund seyn, und ich suche ihn in einem diesen Völkern 245 eigenen Veig^elien ^egeii die Natnr, wozu die bei ihnen lienschende Mode treibt, welche der Europäer im Durch- schnitt nicht mit ihnen theilt; ich meine den Gebranch, den Kopf ganz zu lasiren und nur einen kleinen Zopf am Hinterhaupte zu tragen. Wir bemerken in allen heissen Klimaten einen besonders stark hervortretenden Andrang des Blutes und andrer in unserm Organismus sicli beständig ausscheidender Flüssigkeiten zum Kopfe; wir beobachten die sich höher potenzirende Bestrebung des Kopfes, sich be- ständig in einem gewissen Grade von Ausdünstung zu befinden, und wissen, dass uns die Natur die Haare als die natürlichen Ableitungswerkzenge gab, womit ihre Röhrenstruktnr über- einstimmt. Der Türke und Araber beraubt sich dadurch, dass er sich den Kopf rasirt, von selbst dieses ihm von der INatur dargebotenen Hülfsmittels und vermehrt den schädlichen Einfluss dadurch, dass er seinen Kopf beständig bedeckt hält, folglich die freie Ausdünstung desselben hindert und ihn in beständiger Berührung mit dem scharfen Schweisse lässt, der nie verdunsten kann. Daher sehen wir bei ihnen die häufigen Krankheiten der Kopfhaut, eine Menge von Grindköpfen. Die Beduinen, seltener die Nubier und die Neger, rasiren sich zwar auch am Kopfe, tragen aber denselben meist ganz unbedeckt oder nur sehr leicht bedeckt, daher der Hautausdünstung kein Hinderniss entgegengesezt wird , und bleiben von den Hautkrankheiten des Kopfes ungleich mehr verschont. So gut sich nun der schädliche Einfluss dieser gestörten Ausdünstung und der gänzlichen Unterbrechung der Absorption durch die Haare auf das Hautsystera äussert, so gut kann er sich, nur in andrer Form, auf das durch Hitze, Andrang des Blutes, Staub, intensives Tageslicht, Feuchtigkeit der Luft etc. mehr zur Entzündung gestimmte Auge äussern. Die Bewohner der Küste sind der Einwirkung der sal- zigen Dünste der Atmosphäre in einem hohen Grade aus- gesezt, so namentlich in ünteregypten und in Syrien. Der Salzgehalt der Dünsteist, wie gesagt, oft so gross, dass'er schon durch den Geschmack des Thaues stark sich zu er- kennen gibt, und CS kann nicht fehlen, dass derselbe auf 246 den Kopf und dessen edelsten Tlieil einen höchst naeh- theiligen Einfluss, besonders auf Menschen, äussert, die viel im Freien schlafen, wie die Fellahs. Im Innern von Syrienr hinge{>en schhäft man ini Sommer dnrchgehends im Freien, so auch in Abyssinien und im afrikanischen Tropenlande, in den Wi'isten etc., und dieser schädliche Einfluss zeigt sich daselbst doch nirgends, wahrscheinlich, weil der grosse Salzgehalt der Dünste in der Luft mangelt. Ich selbst habe mit meinen Gefährten auf meinen Reisen in Syrien , in Arabien und im Innern von Afrika Jahre lang beständig kampirt und häufig nicht im Zelte, sondern im Freien ge- schlafen, und doch keine Unbequemlichkeit davon verspürt. Der Sand der Wüste irritirt unstreitig das Auge, je- doch kann er keine bedingende Ursache der Ophthalmie geradehin seyn, sonst müssten derselben die Beduinen unter- worfen seyn , was nicht der B'all ist. Eine grosse Rolle jedoch und, wie ich glaube, die grösste spielt zur Begründung dieser Krankheit der Staub des Kulturlandes. Das Kulturland Egyptens besteht durchgehends aus Nil- sschlamm, der die charakteristische Eigenschaft hat, dass ier, wenn er nicht beständig bewässert ist, zu einem äusserst feinen Staub zerfällt, der durch den leisesten Windzug sich hebt. Wie die Bewässerung des Nilschlamms mangelt, bildet .sich in ihm sogleich eine Masse von Salzen, vorzüglich salzsaures Natron, schwefelsaures Natron, kohlensaures Natron, Salpeter etc., deren quantitative Menge immer zunimmt und endlich dem Boden, wenn er nicht stark be- wässert wird, seine ganze Produktionskraft nimmt. Diese Salze heben sich mit dem feinen Staube in die Luft und bilden ein sehr mächtiges und nothwendigerweise Entzün- dungen hervorrufendes Reizmittel für die Augen. Daher sehen wir den Bauern mehr leiden als den Städter, daher sehen wir die Ophthalmie beinahe ausschliesslich auf das Kulturland beschränkt, daher sehen wir sie in Unter- egypten vorherrschender als in Oberegypten, weil daselbst dieser salzige Staub noch mit anderen bedingenden Ursachen dieser Krankheit zusammenfallt, nämlich mit den salzigen t)ünsten der Atmosphäre. — Diesen salzigen Staub, ganz 247 eigentliümlich für Egypten, halte ich daher für das Haupt- erregiingsprinzip der Ophthalmie, und sehe Egypteii als die eigentliche Heimath dieser Krankheit an. Dieser salzige Staub, und noch mehr die salzigen Dünste der Atmosphäre, bedingen auch noch eine andere Kranklieit, nämlich jenen eigenthümlichen Hautausschlag, der besonders in Alexandria vorkommt und von den Arabern daselbst das Esch min Mahssr (Brod von Kairo) genannt wird. Derselbe bildet sich durch den Eiufluss dieser Salze auf die durch die Hitze, die starken Schweisse und die weit geöffnete» Poren im höchsten Grade irritirbar gewordene Haut. Diese Krankheit spricht sich in kleinen Beulen aus, welche die Haut bedecken, besonders im Gesichte und auf den Händen und Armen. Diese Beulen schmerzen, entzünden sich und gehen in Eiterung über. Das Beschmieren der Haut mit Ol, a,ls Präservativ angewendet, hilft, weil es mechanisch die Haut von der Einwirkung der salzigen Dünste schüzt. Diese Krankheit findet sich auch an den grossen Strömen im Innern von Afrika, besonders in der Regenzeit, tritt aber nicht so heftig auf und scheint mehr Folge der grossen Hitze, der scharfen Schweisse und des Genusses des trüben, Salze-haltigen Wassers zu seyn. Die Eingebornen schützen sich durch Einschmieren mit Ol.. Durch den Genuss eines schlechten salzigen Wassers wird auch, glaube ich, diese Krankheit in Alexandria auf das Höchste gesteigert; denn in den Zeiten des tiefsten Nilstandes, in der Zeit unseres europäischen Winters, trinkt man das stehende, durch or- ganische Materie grün gefärbte, stinkende Wasser des Kanals Mahmudieh, welches zu dieser Zeit einen bedeufendern Salzgehalt zeigt, als in der Zeit des höhern Nilstandes, weil da das Wasser des Nils durch den Kanal zieht. Man fürchtet diese Krankheit übrigens nicht, sondern sieht sie vielmehr als eine sehr heilsame Reaktion des Körpers an. Ausser diesen erwähnten Krankheiten gibt es noch mehrere, die vorzugsweise in Egypten und namentlich in Unteregypten auftreten, die aber, da sie auch andern Klimaten und Ländern angehören, nicht zu den klimatischen Krankheiten Egyptens zu zählen sind. Dahin gehören verschiedene Arten voa 248 Aussatz, von Fiebern, die Elephantiasis, Gehirnentzündungen inf<)lg;e von Sonnenstich, Blattern etc., von denen einif^-e oft sehr verheerend auftreten; so wie überhaupt in heissen Klimaten der Verlauf vieler Krankheiten weit rapider ist, als im Norden, während für andere Krankheiten, wie z. B. für die Syphilis, das egyptische Klima, besonders weiter süd- lich, sich äusserst günstig- zeigt, so dass man fast nie Miss- staltiingen durch dieselbe sieht, wie sie einst im Norden so häufig- waren und hie und da zum Theile noch sind. Der Schutz gegen alle diese Krankheiten und gegen die schädlichen Einflüsse des Klima's ist theils ein geistiger, theiis ein physischer. Unter den erstem zähle ich eine gänzliche Furchtlosigkeit, heitern Lebenssinn , Vertrauen auf eine liöhcMe Macht und fortdauernde angestrengte Beschäftigung des Geistes, kurz Entwicklung hoher moralischer Kraft. Zu den physischen Schutzmitteln rechne ich: fortwährende starke Bewegung, besonders zu Pferd, nicht mehr als den nöthigen Schlaf, keine Ruhe, die in ein dumpfes Hinbrüten übergeht, keine ängstliche Änderung der gewohnten Lebensweise, grosse Massigkeit im Genüsse geistiger Getränke, aber durchaus keine gänzliche Beseitigung derselben, das fort- dauernde Tragen einer leichten Flanellbinde auf blossem Leibe, tägliche Bäder in frischem Wasser, wo es nur seyn kann, tägliches und, wenn möglich, wiederholtes starkes Waschen des Kopfes und der Brust mit frischem Wasser, so kühl als möglich: überhaupt die grösste Reinlichheit; öfteres Auswaschen der Augen, besonders bei Wind, der Staub trägt; öfteren Genuss säuerlicher Getränke, besonders von Tamarinden -Decoct, um die Entleerungen des Körpers stets in Ordnung zu erhalten, indem Verstopfungen in heissen Klimaten höchst gefährlich sind, daher man gegen eine solche, wenn sie vorfällt, längstens am dritten oder vierten Tage energisch mit einfachen Purgiermitteln, am Besten mit Ricinusöl, zu Felde ziehen muss ; einen hinlänglichen Vorrath von schwefelsaurem Chinin für Wechselfieber und von Brechweinstein und Kalomel für gallichte, bösartige Fieber. Die Lancette und der Schnepper sind nie zu ver- gessen; denn Aderlässe sind es oft einzig und allein, die 249 schnell und sicher retten. Der Homöopath hat hei dem äusserst rapiden Verlauf der Krankheiten nie oder selten Zeit, den Triumph seiner Heilmethode zu selien. Sor<:^fältij>;e Vermeid unj;' von Erkältungen und des Schlafes im Freien, und zwar voizüolich in ünteregypten. Hiitun«- vor positiver Ansteckun«*; in den Zeiten der Pest, daher Vermeidung- der Berührung mit fremden Personen, besonders aus der niedeni Volkskhasse. Sorgfältige Berathnug- mit einem wirklichen Arzte gleich in den ersten Momenten einer Erkrankung. Viele dieser Maasregeln sind von der Art, dass sie jeder Verni'inftige, lebe er nun in was immer fi'ir einem Klima, selbst beobachtet. Wie sehr die Beobachtung derselben für meine körperliche Beschaffenheit entsprechend war, beweist der Umstand, dass ich nach Beendigung meiner mehr als fünfjährigen ununterbrochenen Reise von der Nähe des Äqua- tors bis Jenseits des Polarkreises keinen Abgang an körper- licher Kraft und Gesundheit verspüre und mich ebenso fühle, als damals, wo ich die Reise antrat, obwohl diese selbst unstreitig zu den beschwerlichsten und mitunter auch zu den gefährlichsten gehört, die man auf der Erde machen kann. 3) Pliysiog-noniie und f^-eog-nostisclio V erliältiiisse von Untereg-ypten. ünteregypten stellt sich uns in zwei Extremen dar: theils ist es eine ganz unwirthbare Sandwüste, theils ein in höchster Fruchtbarkeit schwelgendes Kulturland. Eine flache, sandige Küste, die stellenweise dem Auge nur in der Entfernung weniger Seemeilen sichtbar ist und die daher für Schiffe, besonders bei stürmischer Witterung, die An- näherung sehr gefährlich macht, bildet In einer Ausdehnung von 27 Miiiametern, gleich .'i6,4 geographischen Meilen * oder beiläufig 7.'J Stunden, von der Canopischen Nilmündung bis zur Pelusischen, den Nordrand von Ünteregypten. Zwei grosse Arme des Nil , der von Rosette und der von Dami- ette, schliessen gegenwärtig ein Terrain ein, welches seiner * 1 Miriametor = 10,000 Meter = 1,348 geographisclic Meilen, 15 auf einen Grad des A(|iiatürs. l geographische Meile ist also = 0,742 Miriametcr und auch = 2 g-eogfraphischen Stunden. 250 Fonii nach unter dem Namen Delta hinlänw^Iicli bekannt ist. Diese Arme sind gegenwärtig die beiden einzigen, in denen sich der Nil seinen Weg als Strom zum Mittehneere bahnt; denn von den im Alterthume bekannten 7 Armen existiren die meisten nur mehr stellenweise und als Kanäle. Unter diesen 7 alten Nilmiindungen gibt nns Herodot zwei als gegraben an. Ihre Namen waren aus West in Ost gezählt: Die Kanopische Mündung natürlich, bei Abukir, „ ßolbitinische „ gegraben, Arm von Rosette, „ Sebennitische „ natürlich, „ Bukolikische ,> gegraben. Arm von Damiette, „ Mendesische „ natürlich, „ Tanitische „ natürlich, „ Pelusische „ natürlich, an der Landenge von Suez. Dass die ßolbitinische und Bukolikische Nilmündung gegrabene und nicht natürliche Flussbette waren, müssen wir Herodot glauben; denn von einer künstlichen Entstehung dieser Flussarme ist jezt nichts mehr wahrzunehmen. Da» ganze Land zwischen diesen Flussarmen, zwischen dem änssersten Avestlichen, dem kanopischen und dem äussersten östlichen, dem pelusischen, das damalige Delta nämlich, war ein grosses Netz zahlloser Kanäle, welche die Frucht- barkeit des Bodens aufs Höchste steigerten und das Land zu einem grossen, prachtvollen Garten machten. Früher scheint dieses Nildelta eine noch grössere Breite gehabt zu haben, indem es aller geologischen Anschauung zufolge keinem Zweifel unterliegt, dass ein Theil des Nil durch jene Partie der libyschen Wüste abgeflossen sey , welche wir unter dem Namen der Thäier der Natronseen und des Bacher bela maa bereits kennen. Dieser Arm scheint sich westlich vomThurm der Araber ins Meer ergossen zu haben^ und daher fiel ein grosser Theil der jetzigen libyschen Wüste in den Bereich des damaligen Kulturlandes innerhalb des Fliissgebietes der Arme des majestätischen Stroms. Das eigentliche heutige Delta, das Land zwischen dem Bulbiti- nischen und Bukolikischen Arme, oder zwischen dem Arme von Rosette und dem von Damiette, ist daher viel kleiner als das einstige. Seine Dreiecksbasis, d. h. die Länge der. 251 Küste zwischen den beiden Mündungen, ist nach ihren Krüm- muna^en nur beiläufii>- 14 Miriaineter, = 19 geographischen Meilen, = 38 Stunden, und die gerade Länge des Dreiecks vom Mittelmeere bis zum Theilungspnnkte des ISil bei Batn el Bagära, drei Meilen nördlich von Kairo, beträgt 15 Miriameter, = 20,2 geographischen Meilen, woraus sich für das heutige INildelta ein Flächeninhalt von 200 DMeileii beziffeit. Da das Land westlich und besonders östlich dieses Stromdelta's durch viele Kanäle noch immer in einer Aus- dehnung kulturfähig erhalten wird*, die der des Delta zu Herodot's Zeiten (des Landes zwischen dem kanopischen und pelusischeu Arme) ziemlich gleich kommt, so begreife ich unter dem Namen von ünteregypten auch heutzutage noch diesen ganzen Landstrich, zwischen der libyschen und arabischen Wüste eingeklemmt, ein grosses Dreieck, dessen Basis oder Küstenlänge von Alexandria bis zur Stelle des alten Pelusiums, wie früher gesagt, 36,4 geographische Meilen, dessen Länge aber vom 31® 35' 30" n. Br. bis zum 30® n. Br., vom Mittelmeere bis Kairo, 17 Miriameter oder gegen 23 geographische Meilen beträgt. Sein beiläufiger Flächeninhalt berechnet sich daher nahe auf 400 DMeilen **. Dieser ganze Landstrich, nämlich ünteregypten, in der so eben angegebenen Ausdehnung, ist eine weite Ebene, ohne alle nur irgend bedeutende Erhöhung, mit einer äusserst geringen Erhebung über der Meeresfläche und einzig und allein gebildet durch die Anschwemmungen des Nil, der die weite Bucht zwischen den Hügelzügen der libyschen Wüste, westlich des kanopischen Arms, und den Bergen der arabischen Wüste mit den welligen Sandflächen der Meer- enge von Suez, östlich des pelnsischen Arms, mit kultur- fähigem Schlamm ausfüllte , diese Ausfüllung noch fort- während vergrössert und gegen das Meer hin ausdehnt. Auf diese Weise schuf er das Land, das durch Jahrtausende zu * Man sehe das System dieser Kanäle und überhaupt das des Strom- gebietes in Ünteregypten in Professor Ritter's klassischem Werke: die Erdkunde im Verhältniss zur Natur und zur Geschichte des Menschen» I. Band. *■' Man sehe die geojjnostlsohe Kurte von Egyptea. 252 den fi'nclitbai'sten der Erde g^ehörte, das noch heutzutage trotz den Stürmen der Zeit und der Barbarei, die über dasselbe hereinbrachen, mit Dörfern, Städten und Feldern bedeckt ist und noch jezt unter dem Segen einer weisen Regierung seinen alten Ruhm behaupten könnte. Denkt man sich ein grünes Saatfeld in der Form eines Breiecks, bedeckt mit zerstreuten Ortschaften, durchschnitten von zwei grossen Stromarmen, jeder einen Strom des ersten Ranges darstellend, durchschnitten ausserdem von zahllosen Kanälen, links hüge- lige, fahlgelbe Sand wüste, rechts ebenso, nur mit einigen schärfer gezeichneten Bergformen, so hat man, das Ganze in einem grossen Massstabe gedacht, ein klares Bild von Unteregypten. Wenn man die Anschwemmungen des Nil, welche das Kulturland bilden, näher untersucht, so sieht man: Erstens: dass die Sedimente der jährlichen Anschwem- mungen aus wechselnden Bänken von Sand nnd Gruss uud aus fruchtbarem Nilschlamm bestehen, was den Gesetzen der Schwere vollkommen entspricht, indem jedes Jahr das Alluvium des Stroms aus diesen Elementen zusammengesezt ist, von denen sich jederzeit der Sand und Gruss zu unterst absezt, während sich eine Strate Schlamm darüber hinbreitet. Diese Anschwemmungen, welche das Nilthal ausfüllen (man sehe die beiliegende Zeichnung), haben häufig einen merk- würdigen Durchschnitt. Wir sehen in der Mitte den Nil nnd zu beiden Seiten Erhöhungen des Bodens a, wie zwei Dämme, die dem Fluss parallel laufen und seine Ufer bilden. Über diese hinaus vertieft sich der Boden wieder und bildet Einsenkungen b, die meist tiefer liegen als das Strombett, so dass dieses gleichsam auf einem grossen Damme sich befindet. Diess erklärt sich dadurch, dass der Strom in seiner unmittelbaren Nähe mehr Alluvium aufhäuft, welches aber grösstentheils aus Sand und Gruss besteht, während er in grösserer Entfernung an Stellen, wo er nur zur Zeit der Überschwemmung hingelangt oder durch Kanäle hinge- führt wird, weniger Alluvium im Ganzen aufhäuft, da er aber längere Zeit hindurch dort ruhig steht, mehr frucht- baren Schlamm absezt; daher die vermehrte Fruchtbarkeit 253 des Kulturlandes gegen die Wüste hin, daher die mächtigern Schiammablagerungen daselljst, die mächtigern Sandstraten aber in der Nähe des Strombettes. Wir liommen auf diese Erscheinung bei den Oasen zurück. Das Materiale, welches der Strom dabei aus seinem eigenen Bette nimmt, ist das, was er dem Meere zuführt und wodurch er ihm Platz ab- gewinnt. Der JNilschlamm hat eine dunkelaschgraue Farbe und ganz das Ansehen eines magern Lehms. Nach Professor John, der einen vielleicht Jahrhunderte alten Nilschlamm aus einer Wand zu Theben analysirte und nach Regnault, der zur Analyse frischen Nilschlamm aus einem Kanäle, 500 Klafter vom Flusse entfernt, nahm, besteht derselbe in 100 Theilen *: nach nach John Rkgnault I) Sand, Wasser und durch Eisen- oxyd gefärbter Thon mit kleinen Körnern von Quarz und Glimmer- hiättchen 76 2) kohlensaurer Kalk ..... 10 ... 18 3) kohlensaure ßittererde .... 1 . . . 4 4) Eisenoxyd 3 . . . 6 . 5) schwefelsaurer Kalk 3 6) in kohlensaurem Kali auflöslicher Extraktiv -Stoff 5 . 7) in Wasser auflöslicher Extraktiv- Stoff 2 8) Wasser. In Nr. 1 nach John . — ... 11 9) Kohlenstoff. Wahrscheinlich Nr. (5 und 7 nach John — ... 9 10) Kieselerde. In Nr. 1 nach John . — ... 4 II) Thonerde. In Nr. 1 nach John — . . . 4S 100 100 lung nach mehr John's Analyse hat offenbar meiner Mei chemischen Werth an sich, obwohl sie auch durchaus nicht den Charakter der Genauigkeit an sich trägt, den die Wissen- schaft fordert und fordern kann; Regnault's Analyse aber * Reise zum Tempel des Jupiter Ammon etc., von Freiherrn von Mjm;tui.i. Berlin 1824. 254 hat das für sich, dass sie frischen Nilschlamm zum Gegen- stand nahm, während es John mit sehr altem zu thun hatte, der im Laufe der Zeit mannigfaltigen, wechselseitigen che- mischen Reaktionen seiner Bestandtheile in Berührung mit Luft und Wasser ausgesezt war. Ich kann, ohne die Herausgabe meines Reisewerkes zu sehr zu verzögern, die Analysen der von mir selbst mitgebrachten öuantitäten von INilschlamm und andern ver- wandten Gegenständen nicht abwarten, da dieselben durch die vielen Berufsgeschäfte des General-, Land -und Haupt- Münzprobirers , meines Freundes Löwe, der diese Analysen vorzunehmen die Gefälligkeit hat, verzögert werden. Sobald die Resultate dieser Arbeiten festgestellt sind, werde ich nicht ermangeln, sie dem geehrten Publikum mitzutheilen. Aus Jühn's und Regnault's Analysen sehen wir jedoch deutlich, dass die Bestandtheile des Schlamms, ausser der aufgenommenen organischen Materie, grösstentheils aus den Bestandtheilen des Grobkalkes und seiner ihm untergeordneten Straten bestehen. Der Grobkalk und die in ihm auftretenden Schichten von Eisenoxyd führendem Thon, von Gyps etc. spielen unter den Felsgebilden Egyptens die Hauptrolle. Sie sind es, welche die zur Bildung des so zusammenge- sezten Schlamms nöthigen Quanten von Thonerde, Gyps, kohlensaurer Bittererde, Eisenoxyd, Kieselerde und mancher- lei Salzen abgeben, während die Qnarzkörner ihr Vorhanden- seyn wahrscheinlich der Zerstörung oberer tertiärer Sand- steine, die den Grobkalk bedecken, verdanken und die Glimraerblättchen vielleicht aus den Granitbergen der Kata- rakten von Assuan stammen. Überhaupt bin ich nicht der Ansicht, dass der Strom seine Alluvionselemente sehr weit, wenigstens nicht von Abyssinien bis Egypten, über 1000 geographische Meilen, fortschleppe, sondern dass er sie früher absezt und grösstentheils neue dafür aus seinem Bette und seinerJUmgebung empfängt; wenigstens sehe ich in der Analyse John's und in der Regnault's einen Beweis, dass der untersuchte Schlamm zum grössten Theile aus der Zer- störung der Tertiärgebilde und der krystallinischen Felsarten der Katarakten hervorging. 255 Ferner erkUärt sich aus den beiden Analysen die Be- fäliigung dieses Schlamms zur höchsten vegetabilischen Pro- duktion, so wie aus seiner Zusammensetzung; das Bestrel^ii hervorgeht, unter gewissen Verhältnissen Salze zu bilden, welche ursprünglich nicht in ihm enthalten zu seyn scheinen. Befeuchtet und durchdrungen von Salze führendem Wasser, ausgetrocknet in einer hohen Lufttemperatur und nicht fort- während bewässert, d. h. ausgelaugt, treten die Elemente zur Salzbilduug und zum Theii auch die Salze als solche, namentlich salzsaures Natron , schwefelsaures Natron nnd kohlensaures Natron gegenseitig in chemische Wirksamkeit. Trennungen, neue Verbindungen erfolgen, die organischen Stoffe zersetzen sich, und ihre Elemente gehen neue Ver- bindungen ein ; so sehen wir salpetersaures Kali in ihm durch Vermittlung seiner organischen Bestandtheile in Berührung uiit Luft und Feuchtigkeit und durch Begünstigung der hohen Temperatur sich bilden. Dass erstere drei Salze, die noth- wendigerweise Bestandtheile des Nilwassers durch x^nslau- gung des Bodens sind, bei einer sorgfältigem Analyse sich in ihm gar nicht erkennen lassen sollten, kann ich kaum glauben. Bei Betrachtung der Nilanschwemmungen des Delta, deren Mächtigkeit man gar nicht kennt, sehen wir zweitens: Dass das Delta den jüngsten geologischen Bildungen, dem Alluvium, angehört, dass seine erste Entstehung weit über den Bereich jeder geschichtlichen Überlieferung hinaus- geht, dass sich aber seine fortdauernde Vergrösserung mit geschichtlicher Genauigkeit nachweisen lässt. Die Fakta einiger Örtlichkeiten, z. B. der Städte Rosette und Damiette, die einst am Meere gelegen haben, jezt sich aber in be- trächtlicher Entfernung davon befinden, sind zu bekannt, als dass ich derselben näher hier erwähnen sollte; nicht so aber kann ich Girard's höchst interessante Forschungen umgehen; denn sie stützen sich ebenfalls rein auf Thatsachen, die er der genauesten Würdigung durch Kalkül unterzog*. Durch eine genaue Untersuchung und Vergleichung des jetzigen höchsten Nilstandes mit dem frühem an deu * GiUARDS obiervations sur TEgypte. 25G Kilometern auf der Insel Elephantine und auf der Insel Rlioda bei Kairo zeigte sich — da wir die Wassermasse des IVil durchsclinittlich dieselbe nennen können, die sie vor Jahrtausenden war — dass sich das Nilbett und die Umgebung des Nil durch die jährlichen Überschwemmungen fortwährend erhöhen müssen; denn der höchste Stand des Flusses nimmt gegenwärtig ein weit höheres Niveau ein, als früher. Noch schlagender für diese Annahme war aber eine andere That- sache, welche erstere zur vollsten Gewissheit erhob. Wenn mau nämlich die Moniimente von Theben, die alten Dämme von Siut, den Obelisken von Heliopolis etc. betrachtet, so sehen wir, dass der Nilschlamm oder, überhaupt gesagt, das Allu- vium des Nil, an diesen Gegenständen bis zu einer gewissen Höhe reicht, sich um sie herum abgelagert hat und ihren Fuss bedeckt, was früher natürlich der Fall jiicht war. GiRARD unterwarf diese Fakta den genauesten Messungen und scharfsinnigsten Berechnungen und fand nachstehende Resultate: An der Insel Elephantine hat sich der Boden seit Septimus Severus, in 1600 Jahren, um 2,11 Meter erhöht, folglich berechnet sich für diesen Theil von überegypten eine Bodenerhöhung von 0,i;}2 Meter auf jedes Jahrhundert. Bei Kairo hat sich der Boden seit dem Kalifen Mota- WAKEL*, d. i. seit dem Jahr 847 n. Cli. G., um 1,149 Meter erhöht, folglich berechnet sich auf das Jahrhundert eine Bodenerhöhung von 0,120 Meter. Aus der Betrachtung der Monumente von Theben be- rechnet sich eine Bodenerhöhung für das Jahrhundert von 0,106 Meter für die Ebene der Thebais. So ergab sich aus der Tiefe der Verschlammung des Obeliskes zu Heliopolis eine Bodenerhöhung für das Jahr- hundert von 0,150 Meter, welche man, gering angeschlagen, auch für das Delta annehmen kann, da offenbar, des geringen Gefälles wegen, die Anschwemmung daselbst stärker seyn muss, als in Oberegypten, wo der Strom ein weit stärkeres Gefälle hat. * Ritters Erdkunde elc. T. Bd. Marcel, niemoircs sur l'Egypte. Tom. II. •i57 GiRARD maclit mm ans diesen Ergehnissen seliiei- For- scliunj^cn Rücksclilüsse auf das Alter der Älununieiite und fol{>ert z. ß. für die Erriclitung- von Schutttenassen, worauf das alte Theben seiner Ansicht nach gestanden hahe , ein Alter von 4TC0 Jahren, für die Erbauung- von Luxer, welches er, uie ich glaube, irrig von Theben trennt, ein Alter von 3200 Jahren etc. Diese leztern Schlüsse halte ic!i aber für falsch, und die Angaben betragen vielleicht nur einen grossen Thcil des ivirklichen Alters dieser weit über alle Geschichte und die ältesten Traditionen hinausreichenden kolossalen Niederlas- sungen des nierkvvüidigsten Volkes, das je die Erde trug; denn wir können doch unmöglich denken, dass die Ver- schlammung der Monumente sogleich nach ihrer Errichtung begann, sondern dürfen wohl eher glauben, dass sie durch mächtige V^^asserbaue vielleicht durch Jahrtausende vor jedem Andränge des Stroms gesichert, im Glänze ihrer Vollendung^ dastanden. Auch die sogenannten Pharaonenringe deuten auf ein weit höheres Alter hin, doch davon später. Geschwindigkeit und Wassermasse sind beim Kil nach seinem verschiedenen Stande veischieden. Messungen zu Siut in Oberegjpten zeigten nach Gu^ard, dass der Nil, wenn man das Quantum berücksichtigt, was er bereits ober- halb au Kanäle abgibt, in der Zeit seines höchsten Wasser- standes beiläufig 20ii\al mehr Wasser führe, als in seinem nieder- sten Stande, indem er im ersten Stadium in jeder Zeltsekunde 10247 kubische Meter in Maxinio, im zweiten Stadium aber (»70 kubische Meter Wasser in Miiiimo dem Meere zusendet. Die mittlere Geschwindigkeit der Strömung beträgt zu Siut bei niederstem Wasserstande 1,21 Meter, bei höchstem Wasser- stande bis 1,97 Meter auf die Zeitsekunde. In üuteregypteu nimmt diese Geschwindigkeit des geringern Gefälles wegen ab und die Differenz der Wassermassen in den beiden Hauptströmen ist wegen der Vertheiluug des Wassers in einer Menge von Kanälen bedeutend kleiner, so dass sie im Durchschnitt beiläufig nur 9mal grösser bei höchstem Wasserstand, als bei niederstem ist. So dass im Durch- schnitt bei erstem! in der Zeitsekunde 6.'>24 Cubik-Meter, bei leztern aber 7S2 kubische Rieter Wasser passireu. Ri'ssEtiUEr., Rcistn. I. Bit. 17 258 Die Erhebung des KuUnrlandes in Unteregypten über die Fläche des mittelländisohen Meeres, welches den Er- g^ebnissen der französischen Expedition zufolge 30,5 Pariser Fnss unter dem Spiegel des rothen Meeres liegt, ist äusserst gering, und ein grosser Theil des Landes würde bei heftigen Nordwinden der Überschwemmung von Seite der Meeres- wogen ausgesezt seyn, wenn nicht die ISatur denselben in den Felsenriffen der Küste einen Damm entgegengesezt hätte. Dabei' kommt auch der bedeutende Einfluss der Nordwinde auf die Überschwemmung des Landes bei hohem Nilstande, indem dieselbe die Wasser des nur wenig Ge- fäll habenden Flusses oft sehr bedeutend zurückschwellen. In der Periode des höchsten Wasserstandes liegt der Spiegel des Nil zu Bulak bei Kairo, folglich 23 geographi- sche Meilen in gerader Linie ujid 3'2 geographische Meilen den Krümmungen der beiden Ströme entlang von der Küste entfernt, nur 40,77 Pariser Fuss ober dem Niveau des Mittelmeers und bei niederstem nur 16,27 Pariser Fusa, Daraus berechnet sich auf die geographische Meile im ersten Falle ein durchschnittliches Gefall von 1,27, im zweiten Falle von 0,51 Parise;- Fuss, was natürlich äusserst gering ist. Dieses Gefäll des Flussbettes gibt uns zugleich den Massstab zur ßeurtheilung der Neigung des Kulturlandes von Unteregypteu gegen das Meer. Da der Platz am Josephs- brunnen auf der Citadclle zu Kairo 296 Pariser Fuss und das Ende der Wasserleitung, welche in Alt-Kairo beginnt, nämlich ihre obere Linie, 98,48 Pariser Fuss in Kairo über dem Mittelmeere liegt, so dürfte man der Wahrheit ziemlich nahe kommen, wenn wir die mittlere Erhebung des Bodens von Kairo über das Mittelmeer zu 60 Pariser Fuss annehmeny folglich zu 30 Pariser Fuss über dem Spiegel des rothen Meeres. Aus den Kalkülen der französischen Expedition u«d aus meinen spätem Beobachtungen ergibt sich nachfolgen.de Übersicht der Erhebung mehrerer interessanter Punkte zu und um Kairo über das Mittelmeer: 250 Par. Fuss. der niederste Nllstand 1C,*27 „ mittlere „ 28,.'J2 „ höchste „ 40,77 Spiegel des rotlien Meeres 30,5 Tas> kränz des Josephs - Brunnen auf der Citadelle Ü9(J,27 Gipfel des Mokattam 4t>0,0 „ „ Dschebel Achmar . . . * . SOO^O der höchste Punkt der Wasserleitung am Wasserthurm zu Alt-Kairo .... 100,5 oberes Ende dieser Wasserleitung zu Kairo 98,5 der Mikias auf Roda, oberes Ende der Treppe 38,8 Dorf Dschiseh am linken Ufer des Nil . , 37,S „ Kuneisch „ „ „ „ » . . 3i>,l> „ Talbieh „ „ „ „ „ . . 29,7 „ Neslet el Aktaam link. „ „ „ . . 33,1 Gränze des Kulturbodens an der libyschen Wüste 40,0 die grosse Sphinx 85,4 Fuss der grossen Pyramide 170,1 mittlere Linie der Stadt Kairo .... 60,0 E n t f e r n t e r e Punkte. Plateau der libyschen Wiiste, nach Ehren- berg, im Mittel 400 Unter dem Mittelmeer. Die bittern Seen auf dem Isthmus von Suez 20 die Oase Siwah, nach Cailliaud . . . . 9G Diese Differenz des Niveau des mittelländischen und rothen Meers wurde häufig als- ein Haupthinderniss ange- geben, das sich der Vereinigung der beiden Meere durch einen Kanal entgegenstellt. Dass es dasselbe nicht i.st, das würden ein paar angebrachte Schleusen bald darthun und dass diess Hinderniss in früherer Zeit nicht gefürchtet wurde, beweisen die grossartigen Unternehmungen der Alten, die diese Verbindung schon bewerkstelligt hatten, indem sie einen Kanal von ßubastis, heutzutage Teil ßusta, über Serapeum und durch die sogenannten bittren Seen nach 17* t>co Ai'sinoe li englische Meilen nördlich von Snez gezogen liatten *. Die gerade Riclitung- von den änssersten Punkten des rothen Meeres" zu denen des niittelländischen beträgt 75 englische Meilen. Will man jedotli, v^ie natürlich, mit einem Kanäle all die schwierigem Stellen nmgehen und die gelegnem aufsuchen, so diirfte ein solcher Kanal an 92 englische Meilen betragen. Alan fing schon an, die uirkliche Existenz dieses merkwürdigsten der Kanäle, der Afrika zur Insel machte, zu bezweifeln, al)er die Franzosen 171)9 sezleii das Vorhandensein der Reste des Kanals ausser allen Zweifel, und Jeder, wie ich mich selbst an Ort und Stelle überzeugte, wird von der Richtigkeit ihrer Angaben wirklich durch- drungen seyn. Der Kanal mündete sich bei Bubastis im pelnsischen Arme. Er fühlte durch Kulturland, wenigstens jezt ist es solches, 12 englische Meilen nach Waddi Abaseh. Von da lässt sich der alte Kanal durch Waddis zwischen flachen Hügelzügen der Wüste, namentlich durch das lange Waddi Tumilat 40 englische Meilen lang verfolgen, während welcher Strecke man fast immer im gleichen ISiveau mit dem Nile bei Bubastis und folglich auch im fast gleichen Niveau mit dem mittelländischen Meer sich befindet. Auf diesem Weg berührte der Kanal Hieropolis, ging an dem Bacher el Temsach (Krokodilsee) vorüber und traf bei Serapeuni in das weite, 27 englische Meilen lange uud 0 Meilen breite Bassin der bittern Seen ein. Diese bittern Seen, el Mamleh genannt, bilden sich durch eine^ Depression des Bodens von 20 Pariser Fuss unter das Niveau des Mittelmeers, folglich von 50 Fuss unter das des rothen Meers. Von hier an ging der Kanal durch ein Waddi 131 englische Meilen lang gerade zum nördlichsten Ende des Meerbusens von Suez bei dem alten Arsinoe. Man sieht noch die Spuren der Dämme. Diese lezte Strecke scheint mir die wichtigste zu seyn, denn sie ist jene, in welcher ohne Anstand die Aus- gleichung der Niveaudifferenz zwischen dem rothen und mittelländischen Meere durch einige Schleusen vorgenommen werden könnte, so dass man im Bassin der bittern See» *■ Rüssel, Gemälde von Egypten in alter und neuer Zeil. Leipzig 183ö. 201 den Kanal bereits In das Niveau des Nil bei Bubastis oder, da derselbe daselbst nidit nielir fliegst, in das des nächsten Punktes des Arms von Dannette legren könnte. Hiczu eignet sich die Kürze der lezlen Strecke und voizüglich die tiefe Laoe der bittern Seen, wodurch man zur Niveauausgleichung; ganz freie Hand erhält. Überhaupt sehe ich der Änlaj^e eines Kanals zwischen dem mittelländischen Meere oder eifj;entlich dem Nile und dem rothen Meere in der angege- benen Richtung^ der Alten, unstreitig; der zweckmässigsten, ausser lang;en Dammbauen sich kein schwieriges Hinderniss entgegenstellen. Das Terrain ist fest genug-, um den Dämmen haltbaren Grund zu geben, und nicht zu fest, um sich durch- zuarbeiten: denn einerseits kann man den alten Kanal be- nützen, andrerseits hat man es nur mit den obern tertiären Gebilden ünteregyptens zu thun. Von Versandung des Kanals ist keine Rede; denn die Wüste ist daselbst ein fester Sand- und Gruss-ßoden und kein Flugsand. Ob je- doch ein solcher Kanal kostenlohnend seyn würde, woran ich übrigens gar nicht zweifle, das müssen genaue Kalküle darthun, wozu mir die Daten mangeln. Hätte übrigens Mehemed-Ali jene Summen, die auf zum Theil sehr unver- nünftige Weise zur Regulirung des Nilstandes, zur An- bringung der Dock yards in Alexandria und auf hunderterlei andere Weise ins Wasser geworfen wurden, mit Sachkennt- niss und Ausdauer auf die Anbringung dieses Kanals ver- wendet, so glaube ich denselben bereits vollendet. Vielleicht fürchtete er die Ersäufung eines Theils von ünteregypteii im Falle eines Kriegs durch Niederreissung der Schleussen oder stimmten ihn andere politische Gründe dagegen. Die oben angegebene Flächenausdehnung des Kultur- landes von Unteregypten, von beiläufig 400 geographischen DMeilen, wird durch die Menge grosser Lagunen, die sich besonders längs der Küste finden, sehr herabgesezt. Die durch ihre Glosse ausgezeichnetsten Salzseen dieser Art sind: der Mareotis, der See von Abukir, der See Burlos, der See Menzaleh, der grösste von allen und die jedes Jahr mehrere Monate durch überschwemmte Ebene von Dakhelieh. Die Länge des Menzaleh beträgt von dem Vorgebirge 262 bei Pamiette bis Rlias el Moje 15, die grösste Breite 5,4 peofi^in pilische Meilen. Kleinere Seen sind: die INationseeii der Makarius- Wüste, der Birke el Hadsclii bei Abus-abel, der Bacher el Temsach. Alle diese Seen haben nur »anz geringe Tiefe und ein Theil derselben trocknet in der trocknen Jahreszeit aus, Sie erhalten ihren Salzgehalt theils durch ihre Verbindung mit dem Meere, theils durch Auslaugung des Salze-haltigen Bodens. Eine bedeutende Veränderung des Habitus seiner Ober- fläcl e erlitt Egypten durch das Andringen des Flugsandes aus der libyschen Wüste. Seine Monumente wurden ver- schüttet, das Kulturland stellenweise bedeckt, zurückge- drängt, selbst in Wüste umgewandelt. Man hört daher häufig die Besorgniss aussprechen, dass ganz Egypten einst im Sande begraben werde. Nun diese Gefahr sehe ich denn so nahe noch nicht und glaube überhaupt, dass der Sand jezt nicht stärker andringe, als er früher angedrungen habe; denn die Wüste war immer Wüste und bleibt Wüste. Der Mensch aber stellt sich ihr weniger kräftig entgegen, weniger kräffig durch das jezt in Egypfen herrschende Entvölkerungs- system, Würde das Kulturland vorgerückt, würden die alten Kanäle geöffnet, die Gränzen stets durch Palmenwälder geschüzt, die Bewässerung ausgedehnt — denn Wasser ist in diesen Breiten der grösste Feind der Wüste — so würden Avir stat eines Vordringens ein Zurückweichen der Wüste sehen, und (Hess würde ich eine Regeneration des alten Landes der Pharaonen nennen, tibrigens sezte die Katur selbst dem Andringen des libyschen Sandes durch das tiefe Thal des Bacher bela Maa, das aus SO. in NW. längs des ganzen Landes sich hinzieht, einen gewaltigen Damm ent- gegen, an dem sich der Flugsand der Wüste abstösst. Die Gefjshr dioht also nur von dem Theil der Wüste, der zwischen dem Bacher bela Maa und dem Nil liegt, und da ist sie nicht gross, weil der Boden dieser Wüste sehr viein'g aus- gedehnt, sehr fest und kein Flugsandboden ist. Grösser d'üifte diese Gefahr wohl an einigen Punkten Cberegyptens »eyn. Die ganze Küste von Unteregypten, vom Thurni der Araber bis zur pelusischen Mündung am Isthmus von Suez, 263 bildet ein hie und da von Dünen -Sand bedecktes Felsen- lifF. Das Gestein dieser Riffe, die sich den Wogen des Meers wie ein njüchfiger Damm entf>egenstellen, ist eine fortdauernde Felshikhing, ein aus hinter zerriebenen Kon- chylienschalen und mikroskopischen Konchylien zusammen- gesezter jüngster Meeressandstein. Man findet unter den organischen Resten, welche diesen Meeressandstein bilden, aiich häufig Süsswasser- und Landkonchylien, die beide vom Nil ins Meer geführt und vom Meer, gemengt mit Meerkon- chylien, wieder an die Küste getrieben worden. Se. Excellenz der Herr Vizepräsident v. Hauer hatte die Güte, den von der Küste von Alexandria durch mich mitgebrachten Meeres- sand auf mikroskopische Schalthierchen zu untersuchen und fand: Polystomella cripsa. d'Orb. , Rosalina Beccarii ,, Troncatulina tuberculata „ Triloculina, Qninqueloculina, Peneroptis, Rotalina, Serpnla, Cornubina Ehrenbergii. Münster, Rotalia subrotnnda? ferner mikroskopische Echinusstacheln und Warzen; walzen- artige und schraubenarlige, unbestimmte Konchylien; Poli- parien, Schneckendeckel, Krebsscheren und dergleichen Trümmer von Schalthieren. Die Farbe dieses Meeressand- steins ist ein schmutziges Granüchweiss, seine Konsistenz ist nicht sehr stark, doch stellenweise so fest, dass er als Baustein benüzt wird. Die Alten haben in diesem Gestein zahllose Katakomben ausgebrochen, darunter auch die so- genannten Bäder der Kleopatra. Ein eigenes Interesse gewinnt dieser Sandstein durch die vielen Bohrmuscheln, die ihre Wohnung in ihm aufsclilagen und durch die Zer- störungen durch Meeresbrandnng, infolge der er ein zer- fressenes, zelliges Ansehen^ gewinnt. Das Kulturland Uuteregyptens wird, wie gesagt, zu 204 beiden Seifen von der Wüste begiänzt und zwar östlich von der arabischen und westlich von der libyschen ; die erstere ist die nördliche Fortsetzung^ der Wüste, welche in j»aiiz Efiypten und Nnbien bis zur Gränze der tropischen Regen das Land zwischen dem Nil und dem vothen Meer einnimmt. Sie spricht sich in Egypten als eine Bergkette aus, die den Nil am rechten Ufer durch das ganze Land begleitef und unter dem Namen „das arabische Gebirge" bekannt ist. Sie gehört dem Gebirgssystem der Küste des rothen Meeres an und besteht ihrer Form nach aus lauter Ausläufern desselben, Zweige, die sich aus Südost nach Nordwest erstrecken und im Nilthale enden. In Bezug der geognostischen Struktur aber ist dieses Gebirge von seinem Stammgebirge am rotheu Meere wesentlich verschieden. Wir haben es hier, von üntereg)pten ausschliesslich han- delnd, nur mit dem Theile der arabischen Wüste zu thun, die sich von Kairo, von der Gruppe des Mokattam, nördlich über den Isthmus von Suez bis zum Mittehneer erstreckt. Unsere Untersuchung beginnt daher mit dem Waddi el Tyh (das Thal der Veririung), das sich, südlich vom Mokattam, aus Nordwest in Südost erstreckt und eine Länge von 15 geographischen Meilen hat. Nördlich dieses Thals steigt das Gebirge des Mokattam empor, welches dicht an Kairo oherl'.a'b der Citadelle seine grösste Höhe von 420 Pariser Fuss über das Älittelmeer erreicht und sich ebenfalls durch eine fortlaufende Reihe niederer Berge den höhern Gebirgen der Westküste des rotheu Meers, namentlich dem Dschebel Attaka, anschliesst. Weiter nördlich reiht sich an den Mo- kattam die isolirte Berggruppe des Dschebel Achmar (der rothe Berg), rechts der Pilgerkaravanen-Strasse von Hank a nach Suez, und noch nördlicher beginnt ein welliges Hügel- land, wechselnd mit Ebenen, von denen einige unter dem Horizonte des Meeres liegen und welche zusammen den Isthmus bis zur Nordküste konstituiren. Die Gebirge am rothen Meere, und zwar Suez gegenüber an der afrikanischen Kiiste, unter denen übiigens nur der Dschebel Attaka innerhalb der uns hier gesezten Glänzen fällt, gehören der Krcitle an, deren Straten hier die tiefste, für Unteregypten 205 iiaclnveisbare Fclsablagenm^ darstellen. Weiter westlich sowohl als nördlich laj^ern sich sogleich tertiäre Bildungen auf, die Kreide wird in ganz ünteregypten nirgends mehr sichtbar, hingegen ist es der Grobkalk, der die ganze Gruppe des Mükattam und seine mit ihm verbundenen Berge des Waddi ei Tyh zusammensezt. Gegen Nord und besonders auf dem hügeligen, welligen Terrain des Isthmus, ist der Grobkalk von Sandsteinen bedeckt, die zu ^en jiingsten Tertiärsandsteinen gehören mögen, die ich aber für Meeres- diluvium, jünger als die snbapenninischen Bildungen, ansehe. Ich will nun, indem ich bei meiner Reise nach Arabien ohne- hin auf die Kreideberge an den Küsten des rothen Meers wieder zurückkomme, mich hier vorzüglich mit den Grobkalk- und Sandstein-Ablagerungen der arabischen Wüste in Unter- eg}pten beschäftigen und dann auf die libysche Seite übergehen. DcK 31okattam erhebt sich dicht an der Ostseite von Kairo, und ein Theil seines Gehänges wird theils durch die Stadt selbst, theils duich die Citadelle eingenommen, theils ist er durch Ruinen und Schutt bedeckt. Hinter der Citadelle befinden sich ausgedehnte Steinbrüche, die seit der Zeit, als Meuemed-AH der barbarischen Zerstörung der Monumente Einhalt gethan hatte, das Baumaterial für die Kiipitale liefern. Diese Steinbrüche sind für den Geognosten der geeignetste Punkt, die Lagerungsverliältnisse des Mokattani zu studiren. Zu unterst bemerkt man daselbst einen dichten, hie und da etwas erdigen, meist schmutziggelb gefärbten Kalkstein, der eine Menge von Versleinerungen, besonders Nunimuliten, führt*. Da sich dieses Auftreten der Nummuliten in einer obern Bank wiederholt, so nannte ich diesen Kalk- stein den untern Nummulitenkalk des Mokattam. Seine Schich- ten liegen horizontal, und nur stellenweise schien es mir, als sey eine schwache JNeigung derselben gegen Nord zu beobachten. Nach diesem Schichtensystem richten sich ZAvai* die Straten der darauf liegenden Felsgebilde in Bezug ihrer Lage, doch scheint nach der Bildung des untern Nnmmnliten- kalkes eine Pause eingetreten zu seyn; denn wir sehen die wellenförniigen Biegungen desselben ohne Einfluss auf die * jMuii sehe de» bciiitÄendeii Durdiscluiitt. 266 zmiäclist foli^enden Ablagerungen in Bezug ilirer geognosti- sclien Struktur. Die organischen Reste, die dem untern Nnmmulitenkalk angehören, sind nicht durch die ganze Masse desselben zerstreut, sondern meist auf stockartigen Räumen vereint, die zwar eine gewisse Anordnung in Bezug des Niveau, welches sie einnehmen, zeigen, aber durchaus nicht als Muschelbänke ihrer Form nach betrachtet werden können. Sehr häufig umschliesst der untere Nummulitenkalk Nester von Feuerstein, Hornstein, Jaspis, Karniol, Gypsspath und von einem eigenthümlichen, schwarzen, Basalt ähnlichen liestein. Alle diese Einflüsse, leztere vielleicht ausgenommen, scheinen Konkretionen der Gemengtheile dieses Kalksteins selbst zu seyn. Der Gypsspath kommt besonders häufig vor und ist mitunter in Massen bis zur Grösse eines halben Kubikfusses ausgeschieden. Einen höchst interessanten be- sondern Einschluss dieses Kalksteins, sowie der obern darauf liegenden Straten bildet das sogenannte fossile Holz der Wüste, welches nicht allein dieser Formation angehört, sondern auch in den darauf liegenden Sandsteinen und in den wahrscheinlich altern Sandsteinen vonJNubien in grossen Massen auftritt. Dieses fossile Holz besteht meist aus Stamm- stücken, zum Theil von kolossaler Grösse und regellos durcheinander geworfen, seltner geregelte Straten bildend. Die eigenthümliche Struktur des Holzes, welches in eine hornsteinartige, viel kohlensauren Kalk haltende Masse umgewandelt ist, ist zwar nicht zu verkennen, doch war ich geneigt, viele Arten des Vorkommens desselben nur für Konkretionen der kieseligen Materie in der Felsmasse zu halten und die holzähnlichc Struktur dieser Konkretionen zwar nicht für zufällig — denn konstant sich wiederholende Formen solcher Konkretionen können nicht zufällig seyn, — aber doch für unabhängig von einer frühern organischen Natur derselben anzusehen. Als ich meine Sammlung hier auspackte, wälilte ich gerade solche Stücke aus, von denen ich ihren organischen Ursprung am meisten bezweifelte und übergab sie meinem verehrten Freunde, dem hier anwesenden Bergrathe und Professor Heidinger. Dieser Hess die Stücke in dünne Platten schneiden und poliren, wobei denn die 207 Jahirlnge und alle ßedingnisse der llolzstruktür so ausge- zeichnet liei\orti'aten , dass an dem organischen üisprnng dieses fossilen Holzes durchaus kein Zweifel mehr seyii kann. Die Stämme sind ihrer Struktur nach gilt erhalten lind scheinen meist Dikotyledonen anzugehören, was bei denen, die man näher untersuchte, dem Gesagten zufolge, sich ganz entschieden dartliat. Sehr häufig liegen die Sti'icke dieses fossilen Holzes zerstreut auf dem Boden der Wüste nmher und bedecken grosse Flächen derselben. Es ist diess ganz dieselbe Erscheinung;, wie bei dem Vorkommen der losen Wüstenkiesel. Wir sehen nämlich oft in den Wüsten grosse Flächen derselben mit losen Stücken von Karniol, Jaspis, Feuerstein, Agat etc. ganz dicht besäet, so dass oft solche Flächen sich schon in grosser Feine durch ilire dunkle Farbe mitten in dem röthlich gelben Thon der Wüste zu erkennen geben. Ihrer rundlichen Form wegen sah man diese Wüstenkiesel für Geschiebe au und suchte wie ge- wöhnlich die Erklärung ihres Vorkommens im Weiten, wäh- rend sie doch so nahe lieg;t. Es sind nämlich nichts anders, als die kieseligen, stets rundlich gestalteten Konkretionen der Tertiärbildurgen der Wüste. Das Gestein verwittert, zerfällt zu Staub, der durch die heftigen Wüstenstürme weiter geführt wird , während die kieseligen Einschlüsse, als schwer verwitterbar, liegen bleiben und das lläthsei auf die einfachste Weise lösen. So wie diese Einschlüsse sich, in unserm untern Nummuliterikalk z. B., nur stellenweise häufig- vorfinden, stellenweise aber gar nicht darin voikoni- men, so findet man auch die Wüstenkiesel nur stellenweise wie angesäet, stellenweise aber wieder gar nicht. Derselbe Fall ist es mit dem fossilen Molze, dessen Masse ebenfalls eine kieselige, folglich schwer verwitterbare ist. Das Ge- stein zerfällt zu Staub, dieser wird vom Wind weggeführt, häuft sich als Flugsand in Thälern und Schluchten an, das fossile Holz aber bleibt in Stücken liegen. Auf dem untern INummulitenkalke laegt eine 26 Fuss mächtige Schicht eines schneeweissen, erdigen, Kreide ähn- lichen Kalksteins, der, was das Vorkommen organischer. Reste betrifft, sich in zwei scharf «etrennte Straten scheidet 268 Die untere führt sehr viele Versteinerunsi^en, besonders Nnm- inuliten, scliliesst sich also dem nntern Nummniitenkalke an, während die obere Strate sehr wenig Versteinerungen ent- hält, mitunter ganz frei davon ist, folglich ein scharf aus- gesprochenes Älittelglied zwischen dem untern und oberu Niiramulitenkaike darstellt. Dieser Kalkstein hat gelinge Festigkeit, ist zerreiblich, enthält als Einschlüsse Nester von Feuerstein, Hornstein etc., und zwar vorherrschend in seinen untern Lagen. Unter diesen stock- und nesterförmigeii Einschlüssen zeichnet sich ein ganz eigenthümlicher öuarz- sandstein aus, der von Eisenocker und Eisenoxydhydrat so durchdrungen ist, dass ich ihn füglich einen Eisensandstein nennen kann. Auf den ersten Blick eiinnert dieser Eisen- sandstein sehr au den Sandstein der Tertiärzeit am Nord- rande unserer Alpen, am Saume der baierischen Ebenen, wo derselbe bei Achthal z. B. durch den linsenförmigen Thon- eisenstein sich auszeichnet, der einen seiner vorwaltenden Gemengtheile daselbst bildet. Die obern Schichten dieses weissen erdigen Kalksteins zeichnen sich ausserdem, dass sie bedeutend ärmer an kieseligen Ausscheidungen und Verstei- nerungen sind, noch dadurch aus, dass sie gegen ihre obere Gränze zu häufig Nester von einem sehr eisenschüssigen Thon, der in einen erdigen Thoneisenstein übergeht, führen. Auf den erdigen, weissen Kalk folgt eine IS bis 20 Fuss mächtige Schicht eines sehr festen, dichten, gelblich grauen, von kieseliger Materie ganz durchdrungenen Kalk- steins, der hie und da das Ansehen eines kalkhaltigen Hornsteins gewinnt. Dieser Kalkstein führt Versteinerungen, theils durch seine ganze Masse verbreitet, theils wechselt er mit mehrere Zolle mächtigen Mnschelbänken und mit Lagen von gelbem und grauem, versteinerungslosem Thon. Das Vorkommen von Dentalium, wahrscheinlich mehrere Species, aber schwer zu bestimmen, da man nur Steinkerne findet, ist für diesen dichten, kieseligen Kalkstein bezeich- nend; da er aber auch NummuJiten in grosser Menge führt, so nannte ich ihn im Gegensatze zur untersten bekannten Ablagerung des Mokattam den obern Nummulitenkalk des- selben. 2(59 Eine drei Fiiss im Diirclischnitt mäc!itij»:e Scliiclit von sandigem und sehr eisenschijssigem Thoii bedeckt diesen mit Muschelbänken und Thonstraten wechselnden Kalkstein in seiner ganzen Ausdehnung. Dieser gelbe, eisenschüssige Thon enthält, so viel ich sah, keine organischen Reste, ist aber salzfi'ihrend und von diinnen Gypslage::, parallel der Schichtung, durchzogen. Er tritt stellenweise in den zunächst darunter liegenden Kalkstein über und wechsellagcrt in diesem Falle mit demselben. An manchen Stellen nimmt seine Mächtigkeit bis zu sechs Fuss zu, während sie an andern wiedei* bis auf einen Fuss herabsinkt. Auf dieser Thonstrate endlich, und die oberste Abla- gerung des Mokattam bildend, liegt ein 40 Fuss mächtiger, dichter, ins Körnige übergehender Kalkstein, der so von Kieselmasse durchdrungen ist, dass er am Stahle Funken gibt, beim Zerschlagen wie Hornstein klingt und einen flach muschligen Bruch hat. Er ist ziemlich reich an organischen Resten, welche aber bei weitem nicht so gut erhalten sind, als die der unterhalb liegenden Straten. Charakteristisch jedoch für ihn sind Lager von ockerigem Thoneisenstein mit vielen G} psspath-Krystallen, welches Mineral ohnehin häufig in ihm vorkommt. Bas bedeutendste dieser Lager von Thoneisenstein geht in einer Mächtigkeit von 6 bis 10 Zoll auf dem Gipfel des Mokattam zu Tage und lässt sich auf eine weite Strecke verfolgen. Au der Oberfläche zeigt sich dieser Kieselkaik durch Verwitterung stark zerfressen und in tiefe Spalten gerissen, die sich j egellos nach allen Rich- tungen durchkreuzen. Der Mokattam also* besteht durchaus * Ich habe im Verlaufe meiner Reise, vorzüglich um im Falle eines Uuj^h'ickes das Verlorengehen meiner gesammcilen Daten zu um- gehen, von Zeit zu Zeit geognosfische Skizzen in deutsche gelehrte Journale einrücken lassen. Skizzen sage ich, denn mehr sind sie nicht und sollen sie nicht seyn. Jezt, da ich die ganze Sache mit Müsse durcharbeite und mich durch meine europäische Reise mehr dazu vor- bereitet habe, sehe ich so manchen Gegenstand ganz anders an und sehe zugleich ein, dass icii offenbar niehimals eine ganz irrige Ansicht hatte. AVo sidi daher Differenzen zwischen meinen gegenwärtigen An- sichten und meinen frühern ergeben, bitte ich jene als die begrün- deteren anzusehen und für meine jezt gewonnene Übeizcugung gelten zu lassen. 270 ans tertiären Ablagernngen, die, Avenn wir auf die Ver- steinerungen sehen, sehr viele Ahnh'chkeit mit den Meeresgebilden über der Kreide im südlichen Frankreich zeigen , die uns Marcel de Serres beschreibt. Besonders tritt eine Ähnlichkeit mit den dortigen thonigen, blauen Mergeln hervor, welche der subapenniiiischen Periode an- gehören, so wie mit den dortigen gelben Kalkmergeln und mit dem Calcaire moelon. Ich glaube, dass wir es beim Mokattam mit einer ausgedehnten, mächtigen, ans unter sich in ihrem mineralogischen Habitus verschiedenen , in ihren Versteinerungen aber ganz übereinstimmenden Straten bestehenden Ablagerung von Grobkalk zu thun haben, der jedoch nicht mit dem des Pariser Beckens von gleichem Alter, sondern jünger seyn und vielleicht den subapennini- schen Gebilden näher stehen dürfte. Diese Grobkalkbildnng liegt unmittelbar auf den Ablagerungen der Kreide am rothen Meere. Was die Versteinerungen betrifft, so zeigen zwar die Straten des Mokattam jene Eigenthümh'chkeit, dass sie eine oder die andere Art vorwaltend in sich aufgenommen haben, aber ausschliesslich eigen ist keine derselben irgend einer bestimmten Schicht, sondern sie durchwandern, nur im ver- schiedenen quantitativen Massstabe des Vorkommens, das ganze Gebilde, daher ich sie auch, sowie sie mir bisher bekannt geworden sind, zusammen anführe. Die Bestimmungen der nachstehenden Arten sind nach unserm verdienstvollen Brgcchi* vorgenommen und theils nach selbst gesammelten Exemplaren, theils nach solchen, die sich in der schönen Sammlung des Apothekers Zucchi zu Alexandria fanden. Das Verzeichniss ist bei weitem nicht vollständig; denn viele der Versteinerungen sind, da sie nur Steinkerne bilden, sehr schwer, manche vielleicht gar nicht zu bestimmen. Sobald ich einmal die hiesige Sammlung in Ordnung haben werde und im Stande bin , unsern Autoritä- ten in der Petrefaktenkunde die zweifelhaften Gegenstände * Der ausgezeichnete Reisende Brocchi starb zu Chardum im Laude Sennaar. Er wurde ein Opfer jener bösen klimatiscbcn Fieber, durch die auch ich meine Leute verlor und zwar an demselben Orte. 271 vorzulegen, hoffe ich ausführlichere Verzeichnisse mittheilen zu können, daher ich dieses nur vorläufig übergebe. Versteinerunoen des Mokattam : Cardiuin clodiense. Voluta scrobiculata. Bulla striata. „ ovulata. Serpula amonoides. Chama intermedlaria. Orgaline Laque. Echinus spinosus. Beleinnites, uubest. Spezies. Dolium, 2 „ » Nummulus, 2 „ » Strombus, 1 „ » C'assis, 1 „ » Cyclostoma, 1 „ „ Dentalinm, Avenigstens 2 un- bestimmte Spezies. Nerita helicina. Conus virginalis. „ pirula. „ tnrricula. „ Aldrovandi. Buccinum orbicnlatnm. „ gibbum. „ piugnosum. „ 2 u übest. Arten, Venus islandica. „ circinnata. yy senilis. Area inflata. Mia glabrata. Anomia biplicata. „ radiata. Murex intermedius. In dem untern Nummulitenkalk fanden sich bei meinem zweiten Aufenthalte zu Kairo zwei Arten fossiler Krebse, Knochen mehrerer Wirbelthiere, Zähne eines Hippotherium Cequns caballus?) und Zähne von einer Art Squalus. Fische und Pflanzenreste, mit Ausnahme des bäu6g- vorkommenden fossilen Holzes der Wüste, bekam ich nie zu sehen. Dieselben Felsformationen, welche wir am Mokattam sehen, setzen auch das arabische Gebirge weiter südlich zusammen, wie wir bei meiner Reise nach Oberegypten sehen werden. Zunächst dem Mokattam im Süden und so zu sagen einen Theil desselben bildend, liegt das Gebirge bei Turra, durch welches sich das schon erwähnte Waddi el Tyh als die unmittelbare südliche Gräiize des Mokattam gegen das rothe Meer hinzieht. In diesem Waddi Cfh^'^D sehen wir den erdigen weissen Kalk des Mokattam und den obern Nummulitenkalk mit dem Kieselkalk, der die oberste Ablagerung des Mokattam bildet und hier unmittelbar auf dem obern Nummulitenkalk liegt, als die herrschenden Gebilde, 272 die zwischenlie^enden Straten scheinen hier sehr wenig; entwickelt. Das Gebirge ist anscrezeichnet geschichtet, die Schichten zeij>en eine Mächtigkeit von 1 bis 2 Fuss «ud sind sehr sanft in JSO. geneigt. In diesem Thale sind "auch jene zwei merkwürdigen Punkte, welche unter dem Namen des versteinerten Wahles bekannt sind. Der erste Punkt liegt eine Stunde östlich vom Dorfe Besettin, im Anfang des Waddi, wo eine Menge dieses fossilen Holzes in einem tiefen Thaleinschnitte liegt, als hätte ein üiessbach dasselbe dort zusammengeschwemmt. Zugleich mit dem fossilen Holze findet man daselbst eine Menge der scbönsten Wüstenkiesel lose am Boden liegen. Der zweite Punkt liegt in demselben Thale weiter östlich, ungefähr sieben Stunden von Kairo entfernt, wo das fossile Holz, mitunter in mehr als 70 Fuss langen Stämmen, die am Boden liegend meist die Richtung aus NO. in SW. haben, die ihnen wahrscheinlich durch die Fluth gegeben wurde, welche sie hier entweder umwarf oder zusaramenschwemmte, in weit grösserer Menge sich findet, als an der erst er- wähnten Stelle. Auch hier kommen mit dem fossilen Holz eine Menge Wüstenkiesel vor. Da dieses fossile Holz sich hier nicht nur im Thalgrnnde selbst, sondern auch auf den Höhen umher in der Ausdehnung einer QMeile findet und man die Stämme nicht nur liegend, sondern auch noch, obwohl sehr selten — man müsste denn die von den Arabern als Wegzeiger aufgestellten dafür ansehen — aufrecht im Kieselkalke und obern Nummiilitenkalke beobachtet, so bin ich der Ansicht, dass, wenigstens hier, das fossile Holz nicht angeschwemmt ist, sondern sich an seiner ursprüng- lichen Stelle, dort, wo es zu Grunde ging, befinde und man es daher mit einem wirklichen versteinerteu Walde zu thun habe. Hier scheinen die Stämme einer Vegetation angehört zu haben, der heutigen ganz ähnlich, nämlich aus Sykomoren und Palmen bestehend, mit denen aber auch Bambusrohrartige, gigantische Schilfrohre vorgekommen sind. Nördlich und östlich vom Mokattam werden die Glieder des Grobkalks durch einen Sandstein bedeckt, der grössten- theils aus Uuarz, Agat, Feuerstein, Chalzedon , Hornstein 273 lind Kieselschicferköinen» besteht, fast dnrcligeliends ein mittleres Korn zeif>t, mitunter selir Ijedeiitende Festigkeit besizt, sehr wenige Versteinerungen von Meeresthicren führt und meiner Ansicht nacli ein altes Meeresdiluvium ist. Dieser Sandstein bildet meist ein flachhügeliges Plateau, steigt aber auch hie und da zu isoh'rten Berggrupj)en empor, deren Höhe jedoch die des 3Iokattam nicht erreicht. Er ist das herrschende Gestein des ganzen Isthmus und wird an der Küste vom jüngsten Meeressandstein überlagert, von dem ich bereits gesprochen habe. Dieser Sandstein führt kieselige Einschlüsse, von der erwähnten Natur, in grosser Menge, besonders auch fossiles Holz, das durch ihn ganz in eine kieselige Masse umgewandelt ist. An manchen Stellen lässt dieses Felsgebilde merkwürdige Umwandlungen wahrnehmen, von denen man beim ersten Anblicke fest überzeugt seyn könnte, sie seyen auf vulkanischem Wege herbeigeführt. Die Körner des Sandsteins nämlich zeigen sich zusammengebacken, wie gefrittet, eine rein kieselige Masse scheint das. Gemenge zu durchdringen, das durch sie immer homogener wird, bis endlich eine harte, hornstein- bis obsidianartige Masse daraus entsteht, von einem flach- muschligen Bruche und beim Zerschlagen klingend, wie Phonolith. Das Ansehen dieses Gesteins ist zum Theil ausserordentlich schön, es lässt alle Farben wahrnehmen, in einem Glänze, der zviischen Fett- und Glasglanz mitten Inne steht. Die grössern Einschlüsse zeigen sich wenig* verändert, doch sind sie an ihren Rändern mit der ganzen Masse wie verflossen, das Gestein hat frappante Ähnlichkeit mit Sandsteinen, welche eine lange Zeit hindurch im hohen Ofen oder im heftigen Feuer eines Glasofens einer sehr hohen Temperatur ausgesezt waren, so dass der reine Quarz und seine verwandten Stoffe eine Art leichter Schmelzung erlitten. In dieser Form bedeckt dieser gefrittete und halb geschmolzene Sandstein grosse Flächen der Wüste und sezt ganze Berge zusammen. Wir sehen diese Erscheinung nicht nur im Bereiche des Diluvialsandsteins von ünteregypten, sondern auch in dem der tertiären Sandsteine Oberegyptens, des rothen Sandsteins am Sinai, der tertiären, bunten und lliuisr.oui.it, Ucisfi«. 1. üd. 18 274 rothcn Sandsteine von Nubien, und zwar, ünteregypten aus- genommen, häufig in der Nähe von Durchbrüchen abnormer Felsgebilde, als Granite, Porphyre, Trachyte etc. Dieser leztere Umstand besonders ist es, der uns beim Anblick dieser merkwürdigen Erscheinung an Vulkanismus denken macht, besonders da wir einmal von der Idee ausgehen und auch zum Theil ausgehen müssen , dass bei der Bildung der erwähnten krystallinischen Felsarten Feuerskraft mit im Spiele war. Doch kommen wir häufig wieder an Stelleu, wo es wirklich ieiner grossen Anhänglichkeit an eine vor- gefasste Idee bedarf, um Spuren von vulkanischer Thätigkeit entdecken zu können. Wo sich uns ganz dieselbe Erschei- nung in der weiten Ebene der Wüste, weit entfernt vött sogenannten abnormen Felsgebilden, ohne Spuren einer Er- hebung, einer Zerklüftung, eines Durchbruches, darbietet, wo ist da der Herd vulkanischer Kraft gewesen? Es scheint daher, dass wir es hier mit zwei Kräften zu thun haben, die, an und für sich verschieden, auf ver- schiedenen Wegen dieselben Wirkungen nach sich geführt, dieselben Erscheinungeil bedungen haben. Für den einen dieser Wege halte ich den des vulkanischen Einflusses, der in der INähe krystallinischer Felsgebilde vielleicht stattge- funden hat und mit ihrem Emportreten verbunden waj*. Der andere Weg scheint der eines Ausscheidens der kieseligen RIaterie im Sandsteine, ein Zusammentreten derselben an gewissen Stellen zu seyn , avo sie die Gemengtheile des Sandsteins zu einem mehr oder weniger homogenen Gebilde vereinte und so denselben Akt hervorrief, der der Bildung der kieseligen Konkretionen zu Grunde liegt. Nur mit dem Unterschiede, dasS die Konkretion im gewöhnlichen Sinne ein Zusammentreten dieser sich ausscheidenden Materie für sich ist, folglich einen mineralogisch einfachen Körper bildet; während die Konkretion in unsrer leztern Bedeutung die Erscheinung darbietet, dass die sich ausscheidende Materie nicht für sich allein zusammentritt, sondern gemeinschaftlich mit den unveränderten oder veränderten Gemengtheilen des Felsgebildes, in welchem dieser Akt vor sich geht, einen neuen Körper, ein neues zusammengeseztes Gestein darstellt, 275 das um so homogener ersclieint, je s^iösser in Masse und Wirkung auf die Gemengtlieile die sich aussclieidende Ma- terie erwies. Welchen Weg die Natur von diesen beiden in einzelnen Fällen gegangen ist, wage ich nicht zu entscheiden, und ich setze es mir daher zur Aufgabe, so oft sich dieser Fall darbietet, die Umstände der Lokalität so zu detailliren, dass Jeder, der sich mit dem reinen Faktum nicht begnügt, sich seine Hypothese, seine Theorie, oder wie wir es nennen wollen , selbst ableiten kann. Einer der interessantesten Punkte für das Vorkommen dieses verglasten Sandsteins ist der Dschebel Achmar (der rothe Berg), nördlich vom Mokattam und nur durch eine Schlucht voH ihm getrennt *. Man sieht diesen in scharfen, spitzen und zerrissenen Formen bis zu 360 Pariser Fuss Meereshöhe ansteigenden Berg rechts von der Strasse, welche von Kairo nach Abus-abel führt. An diesem Berge scheinen Spuren eines vulkanischen Durchbruches wirklich deutlich zu erkennen zu seyn. Schon aus der Ferne angesehen zeichnet er sich durch seine Kegelberge aus und zieht durch seine, gegen das fahle Gelb d.er Wüste sehr abstechende braunrothe Farbe das Auge gleich auf sich. Der Dschebel Achmar besteht eigentlich ganz aus verglastem Sandstein und bildet eine kleine Gruppe von Kegelbergen für sich. In der Mitte dieser Kegelberge befindet sich eine weite, Krater-ähnliche Vertiefung, deren Boden grosse Unebenheiten zeigt und die gegen NW. und SO. offen ist. Die Haupt- grnppe, welche den Krater, wenn wir ihn so nennen wollen, umgibt, hat einen Umlang von beiläufig 4000 Klaftern. Am * Schubert in seiner Reise in das Morgenland, Bd. 2, S. 245, nennt diesen Berg Dschebel Ascher; warum, ist mir unbekannt; denn ich hörte diesen Namen nie, häufig aber liörte ich ihn Dschebel Asrak (blauer Berg) nennen, was keinen Sinn hat; denn er ist ja nicht blau. Der Kalife Omar jedoch (Abdallatif, Descr. de l'Egypte ed. de Sacy 4, p. 10, not. 11) nennt ihn Dschebel Jahmuni, d. h. der rothe Berg, und da dieser Benennung die Bedeutung „Achmar" ganz identisch ist, so glaube ich den richtigem Namen in jedem Fall zu geben, wenn ich ihm den unter dem Volke üblichen, nämlich Dschebel Achmar, beilege; mu so mehr, da er, von Ferne angeaehen, wirklich roth gefärbt erscheint. 18 ♦ 276 Grunde dieses Kraters befinden sich mehrere Löcher von mir unbekannter Tiefe, vielleicht Gesteinspalten, die bei der Eruption, wenn anders eine solche statt gefunden hat, ein wichtige Rolle gespielt haben mögen. Die Wände dieser schräge niedergehenden Kanäle sind vollständig verglast, und von einer Entstellung oder auch nur einer JSachhiiife durch Kunst ist keine Rede. Eine dieser Spalten ist noch in eine bedeutende Tiefe offen, dann aber trilit man sie verbrochen. In der umliegenden Wüste sind noch mehrere solcher Kegel nicht nur bekannt, sondern man sieht deren viele vom Dsche- hel Achmar aus; keiner davon kann sich aber mit diesem an Umfang messen. Es scheint wirklich, dass hier der ganze Boden unter der Grobkalkablagerung des Mokattam in vulkanische Thätigkeit gerieth und dass sich die geschmol- zenen Massen an vielen Orten Durchbruch verschafften und sich über die Oberfläche ergossen, wobei neue sekundäre Schmelzungen und Veränderungen der Gesteine statt gefunden haben. Daher sehen wir ausser den verglasten Sandsteinen am Dschebel Achmar mehrere Gebilde, die ganz und gar nichts anders zu seyn scheinen, als die verglasten und halb geschmolzenen Gesteine des Mokattam *. Wir sehen im Ganzen daselbst den Sand der Wiiste zusammengefrittet, geschmolzen, so auch den Diluvialsandstein des Isthmus. Wir sehen den sandigen, eisenschüssigen Thon, der zwischen dem Kieselkalk und dem obern Nummulitenkalk liegt, gebrajint und geschmolzen. Wir sehen geschmolzenen und verglasten Kieselkalk, verglasten erdigen, weissen Kalkstein und ebenso geschmolzenen Nummulitenkalk mit allen seinen Einschlüssen und seinen — durch Feuer umgeänderten Versteinerungen, Wir fanden ausserdem in dem halb geschmolzenen, eisen- schüssigen Thon fossiles Holz, dem gewöhnlichen des 3Io- kattam und seiner Umgebung ganz ähnlich, aber durch und durch in Hornstein umgewandelt; ferner ein weisses, körniges * Die Hauptsanitniung, welche alle während der ganzen Reise gesammelten geognostischen Suiten enthält und die einen vollständigen Überblick des nordöstlichen Afrika's vom 31. bis zum 10. Breitengrad gibt, befindet sich in den Händen der k. k. Hofkammer im Münz- und Bergwesen zu Wien und ist im Haupt- Miinzanite aufgestellt. 277 (iiiaiv.oestein , {jefiittet, vielleicht ein «^esclimolzener, tiefer lieoeiuler Sandstein; fernerfanden wir endlich Basalt-ähnliche Gesteine, alier ohne Olivin, daher ihre basaltische Natnr allejdinf>s etwas zweifelhaft ist: anch sie scheinen aus {Grös- serer Tiefe zu kommen: denn anstehend sah ich sie nicht. Berücksichtijo^e ich, dem Gesagten znfoloe^ das Ansehen der Lokalitäten, das Vorkommen aller der Gesteine des Mokattam, aber in einem veräiulerten und, wie es scheint, durch Feuer veränderten Zustand; berücksichtige ich endlich nicht so sehr die Area, welche diese merkwiudige Fels- bildnng einnimmt, .als ihre Masse, die Kliifte in dem Krater- ähnlichen Becken mit verglasten Wänden u. dgl., so kann ich mich einerseits nicht dem Gedanken hingeben, dass wir es hier mit Konkretionsgebilden der kieseligen Materie allein zu thun haben, noch weniger glaube ich an ehemalige Ein- wirkung jezt versiegter Thermen ; andrerseits mangeln mir, um mich entschieden auf die Seite vulkanisch.er Entstehung hinzuneigen, viele Kriterien des vollendeten Vulkanismus. Ich vermisse bis auf die wenigen basaltischen losen Trümmer jedes Gestein erloschener oder noch thätiger Vulkane, jede eigentliche Lavabildung, sogar jedes sogenannte plutonische Gestein. Ich vermisse einen klar als solchen sich ausspre- chenden Krater, Bildung von Strömen etc., kurz die Über- einstimmung mit einem oder dem andern der später von mir gesehenen Vulkane, in Bezug auf Gesteinsnatnr, auf Bau, kurz in Bezug des ganzen Habitus. — Sollten wir es hier mit einer Umwandlung des Gesteins durch heisse Dämpfe zu thun haben? Mit einem Prinzipe, dem ähnlich, welches auf Milos den Thon in Porzellan- Jaspis umgestaltet hat? Ich glaube jeden Reisenden von geologischem Berufe, der das Pyramidenland betritt, auffordern zu dürfen, den Besuch des Dschebel Ächmar ja nicht zu beseitigen; denn ich, der erste, der meines Wissens diese Stelle vom Gesichts- punkte der Wissenschaft aus betrachtete, ich bin, aufrichtig gestanden, keineswegs von der Richtigkeit meiner Ansicht überzeugt, was Jeder verstehen wird, der die Stelle betritt, aber vorurtheilsfrei betritt. Im Westen wird ünteregypten von dem nördlichen Theil 278 der libyschen Wüste begiänzt, ein Stück des \A'eiten Wüsten- landes, Avelches die grosse Bucht von Afrika zwischen seinen GebirgSvSystemen am atlantischen Ocean und am rothen Meere erfüllt, eine Fortsetzung der Sahära, der grössten Wüste der Welt. Die libysche Wüste zeigt an den Gränzen von Unteregypten dieselbe geognostische Konstitution, wie die arabische Wüste daselbst, welche wir bereits kennen *. Die Bergkette, welche in der Richtung SO. in NW. \o\\ dem Gebirgssy Sterne der Westküste des rothen Meeres aus- geht und wovon der Mokattam am rechten Ufer des Nils bei Kairo einen Theil bildet, sezt auf dem linken Ufer des Stroms fort, bildet weiter in NW. die Thäler Bacher bela maa und die Makarinswüste, schliesst sich an das Wüsten- plateau, welches die grossen Bassins der Oasen umgibt, an ** und verliert sich im hügeligen Wüstenlande der nordafrika- rischen Küste. Nirgends erhebt sich diese Kette zu der Höhe des Mokattam, sondern bildet einen niedern, höchstens zu 300 Fuss über das Mittelmeer ansteigenden Bergrücken, ohne pittoresken Ausdruck, wie eine Mauer gestaltet, der Östliche Abfall des Plateau's der libyschen Wüste, rechts lind links ein weites, röthlichgelbes Sandmeer. Das herr- schende Felsgebilde ist die tertiäre Ablagerung des Mokattam, Nummuliten- und Kieselkalk, beide, wie in der Wüste des Isthmus, überlagert von Meeresdiluvium. Die interessanten Felsformen des verglasten Sandsteins, wie wir ihn am Dschebel Achmar kennen lernten, sah ich auf meiner Route nirgends, was aber natürlich sein Vorkommen nicht ausschliesst . * Über die Hauptgebirgssysteme Afrika's werde ich nach Beendung meiner afrikanischen Keisen sprechen. ''* Über die Theile der libyschen Wüste zwischen Unteregypten und der Regentschaft von Tripolis sehe man: Reisen in Egypten, Libyen, ISfubien und Dongola von Eheenberg und Hemprich. Berlin 1828. Reise zum Tempel des Jupiter Ammon in der libyschen Wüste etc. Von Baron v. Minutoli. Berlin 1824. Voyage a Meroe, au fleuve blanc etc. ä Syouah et dans cinq "lautres oasis par Msr. Cailliaud. Paris 1826. Reise in die Gegend zwischen Alexandria und Parätonium etc. von I)r. Scholz. Leipzig 1822. 279 Südlicli dieses Zuges bei den Pyramiden von Dscliiseli und Sakaara schlicsst sicli die Foitscfziing- des lihjschen Gebirges an, Avelcbes den Nil an seinem linken Ufer bis zu i\en Gränzen Nnbiens begleitet. In der Umgebung- der Pyramiden tritt, ausser den beiden NMUimulitenkalken und dem Kiesel- kalke des Mokattam, vorzüglich der weisse, erdige Kalkstein auf, der ebenfalls Nummnliten führt und hier an Ort und Stelle das Material zu den Riesenbauen der Pharaonen lieferte. Die Wüste, welche diese Denkmale umgibt, zeichnet sich, wie ihre Nachbarin am rechten Stromnfer, durch die in Menge vorkommenden Karniole, Agate, Feuersteine etc. aus, welche sie oft auf weite Flächen bedecken und wor- unter Stücke von fossilem Holze nicht mangeln. Ein grober Wüstensand, dem Winde leichter widerstehend, als der feine, bedeckt weiter uöidlich alle höher liegenden Ebenen der Wüste, während der ftine als Flugsand die Thäler erfüllt. Beide, grösstentheils ein Glied des Meeresdiluviums bildend , zum Theil auch entstanden durch die Zerstörung des jungen Sandsteins, bedecken häufig die altern Ablage- rungen der Tertiärgebilde, so dass man ihre Lagernngsfolge, die übrigens ganz dieselbe ist und mit denselben Versteine- rungen vorkommt, wie am Mokattam, nur in den tiefern Thaleinschnitten des libyschen Gebirges verfolgen kann. Die interessantesten Theile dieser Fortsetzung des Mokattam in NW. sind das Thal Bacher bela maa und das Thal der Natronseen, beide Lokalitäten habe ich in der Darstellung meiner Reise in die 3Iakarius-Wüste bereits so beschrieben, dass ich den Leser als orientirt ansehen kann, und ich wende mich daher jezt mehr zur geognostischen Auffassung' des Gegenstandes. Das Plateau der libyschen Wüste wird an seinem Ost- rande durch das tiefe Thal des Flusses ohne Wasser (Bacher bela maa) abgeschnitten und begränzt, wodurch dasselbe sozusagen als Sandfang für die libysche Wüste betrachtet werden kann und daher auch mit grossen Massen von Flug- sand erfiillt ist. In diesem quellenlosen Thale, das sich längs der libyschen Fortsetzung des Mokattam in NW. erstreckt, findet sich das schon oft erwähnte fossile HoIä 280 in grosser Menge nnd zum Tlieil in Stämmen von 40 Fuss Länge, die in eine hornsteinartige Masse umgewandelt sind. Die französischen Gelehrten sollen in diesem Tliale i\(in Rückenwirbel eines grossen Fisches gefunden haben, dessen nähere Bestimmung mir aber unbekannt ist. Wüstenkiesel finden sich in Menge. Von dem Tliale der Natronseen oder der Makarius-Wüste ist das Thal des Flusses ohne Wasser durch einen niedern Bergrücken geschieden , der zum Theil mit Sand bedeckt ist und eine Breite von l^ Stunden hat. — Das Thal der Natronseen, von dem östlichen Gehänge dieses Bergrückens angefangen, an dem die Klöster liegen, bis zu der Reihe der Sandhügel, welche die östliche Gränze bilden, hat eine Breite von mehr als 7000 Meter und besizt in seinen Niederungen jene Wasserbehälter, die wir als die sogenannten Natronseen kennen gelernt haben und über deren wahrscheinliche Abhängigkeit vom benachbarten Nile in Bezug ihres Wasserstandes ich bereits ausführlich sprach. Übrigens ist das Vorkommen solcher Salzseen in den Wüsten nichts Seltenes, es ist vielmehr für sie charakteristisch, und da sich dabei fast immer dieselben Verhältnisse wahrnehmen lassen, so kann man auf eine grosse Verbreitung jener Formation schliessen, die eigentlich die Bildung dieser Seen bedingt. Bei einer spätem Reise in die Makarius-Wüste* untersuchte ich die Lagerungsverhältnisse der obern Straten des Diluviums durch einen Schacht und fand meine bei der ersten Anschauung der Natronseen gefasste Ansicht be- stättigt. Auf dem Quarzsandsteine, der die Tertiärbildungen der Wüste bedeckt, und den wir als das Meeresdiluvium, welches den Isthmus bildet, bereits kennen, liegt eine im " Mehemed-Ali kam im Jalire 1838, als ich gerade nach Arabien abgehen wollte, auf den Gedanken, in der Makarius-Wüste müsse Gold seyn. Vergebens waren meine Vorstellungen, er drang in mich, dasselbe zu suchen. Ich ging also dahin ab, in Begleitung eines Generals, Rhustan- Bey, dem ich das Unsinnige unseres Unternehmens endlich begreiflich machte. Doch geschehen musste etwas und ich Hess einen Schacht ab- teufen, dort wo es RnusTAN-Bcy zu bleibea Vergnügen machte; denn mir war die Wahl dos Platzes ganz gleichgültig. Durch diesen Schacht hatte icli Gi Icgenheit, das Lagernngsverhällniss des Salzthons der Wüste etwas iiälicr kouue:i zu Urnen. 281 Durchschnitt 20 Fiiss mächtig; gefundene Lag-e von Thon. Dieser Thon liat eine schwärzlichoraue Farbe und ist stellen- Aveise sehr kompakt. Seine untern Schichten siiwl stark von Salz durchdrungen und führen vielen G\ps, welch lezterer in den obern Schichten mehr und mehr verschwindet, in denen sich a\ich der Salzgehalt bedeutend veimindert. Auf diesem Thon liegt wieder der Sand der Wüste, in den ISiedernngen von grosser, auf den Plateau's nur von geringer, oft kaum zwei Fuss betragender Mächtigkeit *. Dieses Lageningssystem des Diluviums ist nicht nur beckenartig, Vertiefungen der Wüste eigen, sondern zeigt sich auch auf den Plateau's, nur dass an erstem Orten die M.ächtigkeit der Thone wahrscheinlich eine viel bedeutendere ist, so dass wir dieses geognostische Bild als den Typus der Lagerungs- verhältnisse der Salz-führenden Wüste in dieser Gegend ansehen können. Die Lagerung des Salzthons ist der Ge- stalt des Terrains zufolge wellenförmig, sie hebt und senkt sich mit dem Boden und sehr wahrscheinlich findet zwischen dem Salzthone und dem Sandsteine und Sande der Wüste Wechsellagerung statt, so dass sich diese Thonbildungen nach unten mehrmals wiederholen dürften. Der Gyps tritt entweder in einzelnen Krystallen zerstreut in der ganzen Masse des Thonsauf, oder, was besonders die untern Straten des Thons auszeichnet, er wechselt mit demselben in ganz dünnen Lagen, gemengt mit Wüstensand und Salz. Der Gyps ist theils von dichtem, theils von körnigem Gefüge, theils in grossen Tafeln krystallinisch auftretend, theils bildet er ein Bindemittel, indem er den Sand zu einer Art Gyps- sandstein, möchte ich ihn nennen, verbindet, in den becken- artigen Vertiefungen des Terrains, die im Niveau des Nils, häufig auch unter demselben, ja unter dem Niveau des Meeres, liegen, sammeln sich durch atmosphärische Nieder- schläge und durch das Eindringen des Nils nach der bereits im ersten Kapitel dieses Abschnittes besprochenen Weise, die Wasser an, die durch die mächtigen Thonstraten zu versitzen gehindert, auslaugend auf die Masse des Salzthons wirken und so die Natronsecn bilden, deren aus SO. in ''' Man sehe den bciliti'eiuleii Diiiclisehiiitt. 282 NW. sechs in einer Reilie liegen, von denen man aber vorzi'iglicli nur die mittleren, Birke el Diiahr genannt, Avelciie auch schou beschrieben wurden, zur Darstellung des Natrons benüzt. Interessant ist es, dass man ganz nahe an den Natronseen solche Wasseransammlungen trifft, oder mit Brunnen in geringer Tiefe erbaut, die, man kann zwar nicht sagen ein süsses, aber doch ein trinkbares Wasser enthalten. Entweder gehören diese Wasser andern, nicht salzführenden Straten an und dringen nur hier empor, oder sie befinden sich in einem schon ausgelaugten Terrain, oder ein und derselbe Thon, der hier ihre Unterlage bildet, ist lokal nicht salzführend. Der Thon zeigt durchgehends einen bedeutenden Gehalt an kohlensaurem Kalk. Das Wasser wirkt, wie es auch ganz naturgemäss ist, nicht sogleich auf den Salzthon ein, sondern man beobachtet, dass die Seen nach der Zeit, in der sie sich bilden, noch lange nicht jenen Gehalt an Salz erhalten, der sie zur Benützung befähigt, sondern dass dieses erst nach und nach geschieht. Die Salz-haltigsten Seen sind daher jene, deren Wasser nie ganz vertrocknet, sondern die kontinuirlich auf den Salzthon und seine Bestandtheile einwirken können. Diese Einwirkung ist aber nicht bloss eine mechanische, nicht blos eine Auflösung der Salze im Salzthone, sondern es geht hier durch Vermittlung des Wassers, der starken Sonnenwärme und vielleicht auch der organischen Körper, welche in dem Wasser der Seen ihrer Verwesung entgegen- gehen, z. ß. eine Menge des Schilfes, welches die Ufer einfasst, ein rein chemischer Akt vor sich. Die Körper heben die Verbindungen ihrer Bestandtheile zum Theil gegen- seitig auf, neue Verbindungen bilden sich. Der kohlensaure Kalk, das schwefelsaure und salzsaure Natron des Salzthons zersetzen sich theilweise, es bilden sich schwefelsaurer Kalk, salzsaurer Kalk , kohlensaures Natron. Beide leztere lösen sich mit dem nicht zersezten salzsauren Natron und schwefel- sauren Natron im Wasser der Seen auf, welches daher eine Lauge bildet, die salzsaures Natron, kohlensaures 283 schwefelsaures Natron , Salzsäuren Kalk enthält, womit Lowe's vorliuifioe qualitative Analyse des Erdsalzes der Natronseen vollkommen übereinstimmt. Dieses Erdsalz ist nicht zu verAvechseln mit obigem Salz, welches im Wege der Krysfallisation aus der künstlichen Lauge, entstanden durch Auflösung eben dieses Erdsalzes, durch Kunst erzeugt wird, oder welches die Natur selbst durch Verdunstung der natürlichen Lauge, aus dem Wasser der Seen krystallinisch ausscheidet. Diese Salze nämlich sind frei von unauflöslichen oder nicht krystallisirbaren Sub- stanzen, sollten es wenigstens von erstem seyn, wenn genau gearbeitet wird, und enthalten also nur obige Bestandtheile mit Ausnahme des schwerer krystallisirbaren Salzsäuren Kalkes. So enthält nach Laugier die egyptische Soda kohlensaures Natron 0,2244 schwefelsaures „ 0,1835 salzsaures „ ..... 0,3804 Wasser 0,1400 Unreinigkeiten 0,0000 0,9043 Verlust 0,0057 1,0000 Ganz anders verhält es sich aber mit dem Erdsalz, welches sich nicht durch krystallinische Ausscheidung aus einer künstlichen oder natürlichen Lauge bildet, sondern welches der Riickstand einer ganz verdunsteten Lauge, eines aus- getrockneten Salzsee's ist und folglich alle löslichen und nicht löslichen, schwer, leicht und gar nicht krystallisirbaren Substanzen , gemengt mit Thon und Sand , enthält und als Kruste den Boden bedeckt. Dieses Erdsalz ist es also, welches uns, wie ich glaube, den meisten Aufschluss über den Weg geben niuss, den hier die Natur geht, um unsere geognostische Theorie darauf zu bauen *. Im Erdsalze? * Ich gehöre zu jener Sekte, die eine jede Theorie aus dem Be- reirhe der GeoloKie, welche vor dem Richterstuhle der Chemie positiver Widersprüche halber nicht besteht, für schwankend halte. Mau erklärt diig'e^en nichts durch Elokfriz;ität, Maonetismus u. dgl. Zauberkräfte; denn ^ie sind es ja gerade, die untrer Chemie zu Grunde liegen, die 284 welches man zur Darstellung des kohlensauren Natrons sowohl, als auch für sich im rohen Zustande zur Glas- fabrikation benüzt, müssen wir alle Verbindungen also treffen, welche hier statt haben. Um so mehr machte es uns staunen, dass bei der qualitativen Analyse Lowe's sich keine Spur von Ammoniaksalzen zu erkennen gab, die sich, der organi- schen thierischen Substanzen halber, wenn auch in geringer Menge, hätten vermuthen lassen, und noch mehr mussten wir staunen, als sich im Erdsalze ein Körper fand, der entweder ein Arseniksalz oder eine eigenthümliche organische Ver- bindung zu seyn scheint. W^o der Arsenik ursprünglich herkommen sollte , das ist schwer zu bestimmen. Viel- leicht führen uns nachfolgende sorgfältige Analysen aller der Körper, welche hier in chemische Thätigkeit treten und treten können und in deren Besitz ich bin, ihm auf die Spur. Ist er vielleicht in den Raseneisensteinen enthalten, die hie und da in ganz kleinen Quantitäten mit dem Salz-führenden Thon auftreten? oder sollte er sich, was ich kaum zu denken wage, unter besondern, uns nicht bekannten Umständen bilden? Von einer zufälligen Verunreinigung mit Arsenik kann bei der Sorgfalt, mit der ich selbst die Flaschen füllte, nicht leicht die Rede seyn. Wie, in welcher Ver- bindung aber ist er vorhanden ? Darüber werden uns die Analysen den gehörigen Aufschluss geben, vor der Hand sey es mir nur erlaubt, meine Vermuthungen da- rüber auszusprechen. Die räthselhafte Substanz ist in Wasser löslich und ohne Zweifel als Säure an eine Base ge- bunden. Dieses arseniksaure, arsenigesaure oder organische Salz muss aber sehr schwer krystallisirbar seyn, weil es sich in den durch Krystallisation bei langsamer Verdunstung der Laugen ausgeschiedenen Salzen nicht findet. Sollte es also vielleicht arsenigesaures Natron seyn , welches in dem Wasser der Seen aufgelöst sich befindet und beim gänzlichen Verdampfen derselben mit allen übrigen Salzen zurückbleibt? vielleicht die lezte Potenz derselben bilden, nur im Gesetz wirken und iiur gesofzlicli auftreten und keine Ausnahme zulassen, ausser scheinbar dort, wo drr Verstand der Verständigen ni«:ht ausreicht und wo es keine Schande ist, zu sasren : ich weiss es nicht! 285 Durch das Vorkommen des Arseniks würde sicli übrioens sehr nati'irlich das Gesuchtsejn des Erdsalzes zur Glasfabrikatioii erklären. Auch könnten dadurch, und zwar besonders beim Vorkommen von arseiiigesaurem Natron, zwei andere inter- essante Fakta eine Erklärung- finden. In dem Wasser der Nalronseen befindet sich nämlich ein dunkelgefiirbtes Sand- sediment, welches einen sehr unangenehmen Geruch hat, der einerseits zwar einen Gehalt von Hydrothionsäure zu verrathen scheint, andrerseits aber doch ganz etwas Eigen- thümliches an sich hat. Die Hydrothionsäure könnte sich allerdings durch die Verfaulung organischer Substanzen er- klären lassen, aber sie ist es nicht allein, die hier die Ge- ruchsorgane affizirt. Ferner zeigt das Wasser einiger Seen und namentlich das desjenigen, wo ich das Erdsalz ein- sammelte, eine röthliche Farbe, die bis ins Purpurrothe geht und schon von Ferne auffällt, da ein See mit rothem Wasser, umgeben von gelblichröthlichem Sande der Wüste, einen eigenen Eindruck macht. Ich hielt diese Erscheinung anfänglich für die Folge eines organischen Pigmentes, um so mehr, da mir die fette Substanz nicht entging, welche dabei wie eine dünne Haut das Wasser bedeckt, obwohl von Erdöl hier ringsherum keine Spur ist. Auch diess erinnert an die gelblichen, stinkenden Flüssigkeiten, welche arsenik- saures Natron, Kali und Ammoniak bilden *. — Wenn wir das über die geologischen Verhältnisse ünteregyptens Gesagte durchgehen, so sehen wir das ganze Terrain in vier scharf l^etrennte Distrikte zerfallen und zwar; a) Die Küste. Dünensand und jüngster Meeressandstein. Fortdauernde Bildung. b) Das Delta. Kulturland, blos durch Nilschlamm, Sand und Gruss gebildet. Fortdauernde Bildung. c) Die östliche oder arabische Wüste. Tertiärgebilde: Grobkalk, Nummulitenkalk. Diluvialsand und Sandstein. Vulkanische? Umwandlung, Verglasung des Sandsteins und der tertiären Felsarten. d) Die westliche oder libysche Wüste. Tertiärgebilde: * Die näheren Unfersiicluing-en dieses Salzes werden in Bälde unternommeu und ihr Resultat uls Anhang; zu diesem Bande gegeben. 286 Nummulitenkalk, Grobkalk. Diluvialsand niul Sandstein mit Salzthon. Salzseen. 3) lieber Beiträjn'e zur F'anna und Plora voja. Unteres yiiten. Mit Absicht gab ich diesem Kapitel die Aufschrift: „über Beiträge«, denn es ist hier durchaus nicht meine Sache, selbst Beiträge zu liefern, sondern nur ein paar Worte über das, was von ünteregypten bekannt ist, im Allgemeinen zu sagen, ünteregypten ist seit der Zeit der französischen Expedition, seit dem Anfang unsers Jahrhunderts viel mehr untersucht und zum Theil auch bearbeitet worden, als mancher Bezirk unseres heimathlichen Europa's, z. B. Al- banien, einige türkische Provinzen, der höchste Norden von Norwegen etc., und infolge dessen ist es auch so be- kannt, dass es in vielen, ja den meisten Abtheilungen der Thier-und Pflanzenwelt, sehr schwer seyn dürfte, die Wissen- schaft mit etwas Neuem zu bereichern. Die Herren Kustoden des hiesigen k. k. Naturalienkabinetes, welche für mich so freundlich denken, dass sie die Bearbeitung der botanischen und zoologischen Verhältni.sse der betreffenden Länder über- nehmen, welche Arbeit einen schönen Anhang dieses Werkes bilden wird, haben mit Recht ihr ganzes Augenmerk auf Karamanien und das Innere von Afrika geworfen, aus deren Bereich wir viel, zum Theil sehr viel Neues mitbrachten. Da jedoch diese Abhandlung über das Innere von Afrika nothw endigerweise, um etwas Ganzes zu seyn, Egypten als den Punkt, woran sich die weitern Untersuchungen reihen, nicht umgehen darf, so werden wir darin eine wissenschaft- liche Beleuchtung des bisher über die Fauna und Flora dieses Landes Gelieferten nicht vermissen. Ich gebe daher hier nur eine ganz leichte Skizze der organischen Physiognomie des Terrains von ünteregypten, sowie sie ein Uneingeweihter dem Theil des Publikums vorlegen kann, der auch sozusagen nicht vom Fache ist, sich aber doch, wie recht und billig, dafür interessirt, und verweise die Sachkundigen auf die am Schlüsse dieses Bandes folgende ausführlichere Arbeit. Die Erkenntniss dieses Landes in Bezug auf den Habitus 287 seiner oro^anisclien Natiii* ist leicht zu überblicken ; denn e» ist, was Mannigfaltigkeit der Organismen betrifft, nicht so reich als manch anderes Land. Es enthält z. B. an Pflanze» zusammen nicht mehr als 500 bis 600 Arten. Der vegeta- tionsfähige Boden ist durchaus in Kulturland umgewandelt, und wir haben es daher nur mit wenig Pflanzen zu thun, die nicht in der Reihe der Kulturpflanzen stehen. Die Ve- getation der Wüste ist ärmlich, weil sie die einer Wüste ist , w as aber ihr Interesse nicht ausschliesst. Die An- siedelungen der 3Ienschen , ihre häufigen i Nachstellungen, haben die wilden Thiere zuiückgedrängt: kein Löwe brüllt mehr in der libyschen Wüste, kein Krokodil, kein Hippo- potamus haust mehr in den trüben Fluthen des JNils iii ünteregypten. Erstere erscheinen erst in Oberegypten, und leztere findet man erst im südlichen Nubien. Nur jene Thiere sind geblieben, die entweder der Mensch sich unter- warf und die zum grossen Theil dieselben sind wie in Europa, oder jene, die wegen ihrer Unbedeutenheit in Be- zug auf Grösse und pekuniären Gewinn seiner Verheerungs- wuth weniger sich aussetzen. Manche der europäischen Hausthiere ändern mit dem Klima und den Gewohnheiten des Menschen ihre Stellung zu ihm. Manche veredeln sich zur höchsten Vollkommenheit, die ihrem Geschlechte zu- kommt, z. B. das Pferd; andere steigen herab und nähern sich wieder mehr ihrem ursprünglichen Znstande, d. i. dem « der Wildheit, so der Hund; beide doch, wenn der Mensch versteht, sie an sich zu ziehen, zu den schönsten Erobe- rungen gehörend , die er im Thierreiche gemacht hat. Unter den naturwissenschaftlichen Arbeiten aus dem Bereich der organischen Natur von Egypten, und namentlich von Ünteregypten, stehen die unserer ausgezeichneten Lands- leute Ehrenberg und Hemprich oben an. Ausser ihnen sind es vorzüglich Hasselquist, Forskal, Geoffroy, Rüppell, Delile , ViviANi , VisiANi Und deren mehrere , welche durch sehr verdienstvolle Arbeiten* uns die Schöpfungen dieses * Literatur für Bot aiiik Egyptens, ausser den vielen in Journalea zerstreuten Abhandlungen: Prosfer, AjLrmus, de plantis Egypti liber: 1S92. 288' Landes kennen lehren. Kulturboden und Wüste sind in Egypten scharf getrennt; beide begränzen sich, ohne Über- gänge zn bilden ; und ebenso scharf trennt sich ihre Vege- tation. In der Wüste hat die Natir freie Hand, im Kiiltur- lande hingegen haben wir es häufig mit Pflanzen zu thun, Vehling, de plantis Eo;ypfi observafiones; 1638. Dapper, afiikänschc Gewehten van Egypten; 1668. Petiver, plantaruin egyptiacarum icones; 1717. FoRSKAL, Peter, floia egyptiaco-arabica; 1775. Nectoux, voyage dans la haute Egypte, avec des observations sur les diverses esptces de Sene repaiidus dans Ic commerce; Paris 1808. Dei,ii.e, flore d'Egypte, faisant partie de voyage etc. ViviANi, plantaruni egyptiacarum decades: Genua 1834. VisiAKi, plantse qusedam Egypti ac Niibiae enumeratoe atqiie illustratae) Patavis 1836. Museum Senkenbcrgianum. Annales des sciences naturelles, n. S. ; 1835. Cailliaud, centurie des plantes d'Afrique du voyage k Meroe; Paris 1826, (Dieses Werk umfasst ausschliesslicher Theile der südlichem Flora.) Für die Zoologie Egyptens haben wir ausser den in Zeitschriften zerstreuten Arbeiten: Belon, Pierre, ob.«ervations de plusieurs singularites et choses me- morables trouvees en Grecque, Asie, Indie, en Egypte etc.; Paris 1553—1555. - Lebrun, Corneille, voyage au Lcvant, en Egypte et en Syrie; Amster- dam 1714. Lucas, Paul, voyage dans la Turquic, l'Asie, la Tauric, la Palestine, la haute et la basse Egypte; Paris 1719. Hasselquist, voyage en Palestine et en Egypte; Stockholm 1757. FoRSKAL, descriptiones animalium, quse in itinere orientali observavit; Kopenhagen 1775. Geoffroy, voyage en Egypte par l'ordre de l'Enipereur Napoleon. Grosses Werk der Expedition. Ehrenbekg und Hemprich, symbola physira; Berlin. De Joannis, observations sur les poissons du Nil, in Güerins Magazin de Zoologie; 1835. Museum Senkenbergianum. Mehr nur für die Fauna südlicherer Gegenden bestimmt sind nach- stehende Werke: RüppEL, Eduard, neue Wirbelthiere zur Fauna von Abyssinien gehörend ; Frankfurt am Main 1835. Zoologischer Atlas; Frankfurt 1829. Cailliaud, voyage .'i Meroe etc. etc. 2S9 welche der Mensch durch Kunst heranzo£^ und die sich, wie manche Thiere, so an seine pflet>ende Hand l)anden, dass sie den wilden Znstand zum Theil ganz verlassen haben. Der heisse Himmel Ef>vptens eignet sich bei •::e- höriger Bewässerung für alle tropischen Pflanzen und der herrschenden Nordwinde wegen und des Regenwinters halber gedeihen auch solche des südlichen Europa's. CLOT-lJey zählt uns in seinem Appercu general sur l'Egypte 4ö Arten der interessantesten exotischen Pflanzen auf , welche in Unteregypten, d. h. im Freien, gedeihen, und worunter die meisten Bäume sind, die Früchte tragen. So sah ich iin Garten des IßRAHiM-Pascha sehr kräftige Exemplare von Anona squamosa, von Bambus, Kaffe , Tamarinden etc., eine Erscheinung, die mich an Siziliens glücklichen Himmel er- innert, wo man z, ß. im Cavten des Fürsten von Butera neben unsern nordischen Bäumen die Kinder der heissen Zone sieht, so frisch und gesund, als ständen sie in ihrem Vaterlande. Weniger gut gedeihen unsere Obstarten von Mitteleuropa, unsere Birnen, Aepfel, Trauben etc., bei denen es aber, wie ich glaube, nicht so sehr am Klima, als an der Behandlung und der Wahl der Stammbäume liegt. Gut dürfte es allerdings für diese Gewächse seyn, wenn sie erst nach und nach acciimatisirt würden, wenn man sie nicht sogleich in das heisse Klima bringen , sondern ÄTittelsfa- tionen , z. ß. die griechischen Inseln, wählen möchte. Von einheimischen Bäumen, von denen zwar auch einige exo- tischen Ursprunges sind , aber bereits das Bürgerrecht i« Egypten sich erwarben, zählen wir zusammen beiläufig 40 Arten, von denen aber manche, wie z. ß. die Akazienarten, nicht dem Kulturlande ausschliesslich angehören , sondern sich auch in den Thälern der Wüste finden, obwohl stets in einem kümmernden Zustande. Die Oasen- Vegetation dürfen wir nicht mit der der Wüste verwechseln , indem jene der des Kulturlandes des Delta bei weitem ähnlicher, ja häufig ganz dieselbe ist. Ich spreche hier natürlich nur von den Oasen in den Breiten -Parallelen ünteregyptens. Unter den einheimischen Arten von Bäumen beobachten wir ferner 4 Monokotyledonen, nämlich die Mnsa paradisiaca Ki'KxcucEK Kcisvii, I. li<). X9 290 (die Baiicane), die Phönix dactylifera (Dattelpalme), die Cucifera thebaica (Dom oder lliebaisclie Palme), sie begiinit erst in Obeiegypteii, und die Chamerops humilis (die euro- päische Fächerpalme). Selbst an Akazienarten ist Ej^^ypteii arm, obwohl eigentlich Afrika das Vaterland einer Menge, ja der meisten Akazien und Mimosenarten ist. Wir sehen daselbst vorzüglich nur die Acacia nilotica Willd.^ die Acac. farnesiana und die Acac. Lebekk. Witld. Wir haben nur eine Tannenart, die Pinus halepensis, und diese sehr sparsam vorkommend. Hingegen sahen wir nebst der Dattelpalme die Sykomore (Ficus sycomorus) häufig die Hauptrolle unter den Bäumen Unteregyptens spielen. Der Ölbaum, olea europaea, der früher in Egypten ganz unbekannt war, wurde erst durch Mehemed-Ali nebst der Baumwollenstaude, der Seidenzucht etc. eingeführt, wobei er im Kampfe gegen absurde Vorurtheile der Menge mit einer Festigkeit ver- fuhr, die man bewundern muss. Das Zuckerrohr (Sacharum ofHcinarum) wird an 12 Fuss hoch und besonders häufig in Cberegypten gebaut. In ßhadamun existirt eine Zucker- und Rum-Fabrik, die nicht allein auf die Deckung des Be- darfes im Lande hinarbeitet, sondern auch einige geringe Quanten in den auswärtigen Handel, besonders nach Syrien und Arabien, bringt, im Ganzen aber doch pekuniär keines- wegs glänzend gestellt ist, theils wegen der unentsprechenden Bewirthschaftung, theils in Folge der in Egypten mit dem Mangel an Brennmaterial, mit dem System der hohen Be- soldungen höherer Beamten und Ausländer von vornherein verbundenen theuern Produktion. Von Getreidearten und Hülsenfrüchten findet man in Unteregypten an 20 Arten. Darunter befinden sich unsere sämmtlichen Cerealien , die unter jenem schönen Himmel in ausgezeichneter Vollkommen- heit gedeihen und bei denen die Produktion unter dem Zu- sammentreffen der günstigsten Umstände bis zum hundert- fachen Korne steigt. Wir haben unter den Getreidearten Unteregyptens sechs Hirsearten und darunter die für Afrika charakteristischen, die Dura (Sorghum cernuum und Sorgli. vulgare Linn.') und den Dochen (Sorghum saccharatum LinnOf die sich, besonders lezterer, bis ins tiefste Innere erstrecken 291 und in Kordofan , Scnnanr eto. die allein lienschcndcn Getreidealten bilden. Die sog^eiianntc weisse Dura (S. cernuum) ist ein Herbstgetreide. Die Kultur des Reises bescliiiinkt sieb, der erforderliclien Lokalität wej^en, Be- >vässerun<>; balber vorzüolicli auf Unterej^ypten. Mehemid» Ali beabsichtigte den Reisbau in Seniiaar einzuführen. Es inuss aber bei der Absicht «eblieben seyn ; denn ich sah bei meiner Anwesenheit keinen Erfolg. Unter den Hülsen- friichten spielt die faba satiNa Linn. die grösste Rolle, in- dem sie nicht nur einen der ersten Nahrungsgegenstände des Landes, sondern auch einen nicht unbeträchtlichen Aus- fuhr-Artikel bildet. Ausser diesen bisher erwähnten Pflanzen zählt uns Dr. CLOT-Bey noch 212 Arten auf, die dem, Kulturlande Unter- egyptens angehören, was aber zu wenig seyn möchte, da ihre Zahl ausser den schon Erv\ ahnten doch an 300 be- tragen dürfte. Weniger gelehrt als zweckmässig fasst er die Darstellung und Aufzählung derselben von einem mehr populären Gesichtspunkte auf und theilt sie nach ihrer Ver- wendungein, wodurch er auch dem nicht botanischen Publikum, das doch die Mehrzahl bildet, ein klares Bild der Vegetation des Landes vorlegt, das nicht ohne Verdienst ist. Unter diesen Pflanzen stehen in Bezug ihrer Wichtigkeit für das industrielle Leben des Landes der Hanf, der Flachs und die Baumwolle oben an. Leztere, Gossypium vitifolium Linn., wurde ebenfalls erst durch den Vizekönig eingeführt und bildet jezt eine der Haupteinnahmequellen des ganzen Landes, eines der wichtigen Arkana, durch welche das kleine Unteregypten es ist, welches die ungeheuren Kosten der ganzen Landarmee, der Seemacht, des Beamten-Status etc. zum grössten Theil trägt, und sie ist es, durch deren Verkauf der Vizeköin'g zum Theil im Stande war, bisher seine dro- hende Stellung seinem rechtmässigen Herrn gegenüber zu be- haupten. Bis zum Jahr 1823 beschäftigte man sich aus- schliesslich mit dem Anbau der gemeinen Baumwolle, von da an aber warf man sich ganz auf die Kultur der soge- nannten Mako oder Jümel-Baumwolle, und zwar gleich mit einer solchen Kraft, dass ihr Verkauf von 1S24 auf 1825 19* 292 schon nahe an 5 Milh'oneii Thaler Ertrag abwarf und sie im Jahr lS2ö die gemeine Baumwolle schon verdrängt hatte. Unter den Färberpflanzen zeichnen sich der Saflor (Carthanuis tinctorius Z.) als Handelsartikel, die Henne (Lawsonia alba) durch ihre eigenthiimliche Verwendung und die Indigo-Pflanzen (Indigofera argentea und Polygonnin tinctorinm Linn.^ dadurch aus, dass ihre Anwendung zur Farbe- Erzeugung in Egypten auch erst durch Mehemed-Ali ins Leben gerufen wurde, aber in Bezug des Klima und günstiger Lokalitäten vorzüglich auf Oberegypten und Nubien be- schränkt bleibt. Die Henne ist, wie bekannt, die Pflanze, mit welcher sich die egyptischen Damen die Fingernägel und die innere Fläche der Hand gelb färben; weniger be- kannt ist es aber vielleicht, dass sie getrocknet, zerstossen und mit Wasser zu einem dicken Brei angemacht, auf Brand- wunden, durch Feuer entstanden, gelegt, ein vortreffliches Heilmittel ist. Von Tabak- Pflanzen haben wir in Egypten die Nico- tiana tabacum und die Nicotiana rnstica Linn.^ die an und für sich gut gedeihen, aber in Bezug des Tabaks, de» sie liefern, weit hinter den Tabakarten ans Syrien, hinter denen von Latakia und denen von Dschebel zurückstehen, welche beide leztere den vorzüglichem der amerikanischen Sorten zur Seite gestellt werden können. Auf Zierpflanzen hält der Orientale sehr viel, und namentlich stehen sie unter dem besondern Schutze der Frauen, was ganz naturgemäss auch in anderer Herren Ländern der Fall ist. Im Oriente jedoch sind Florens liebliche Kinder so recht bedeutungsvoll in das stille Leben der Frauen übergegangen , sie bilden so zu sagen einen Theil ihres gemüthlichen Seyns und sind in ihrer Farbenpracht die geeignetsten Boten ihrer Gefühle. Wir sehen in Egyptens Gärten nicht nur alle Blumen des mittlem und südlichen Europas , sondern auch viele tropische im Freien wachsen und gedeihen , worunter besonders viele Ostindier sind. Die Kultur der Rosen, besonders der Centifolia, wird sehr betrieben und ist in Fajum so stark, dass nach C'LOT-Bey im Jahr 1S33 nahe an 40,000 Pfd. Rusenwasser von 203 verschiedener Qualität sollen erzenp^t worden seyn. Die Zahl der offiziiielleii Pfljuizen ist sehr <>r().ss im Gej^eiihalt der übrigen Veo;etati<»n und beträgt nach CLOT-Bey allein über hundert Arten. Viele darunter sind exotisch, gedeihen aber in Egypten so gut als in ihrem Vaterlande, so z. IJ. die Cassia fistula, die nebst noch vier andern Cassia- Arten ganz heimisch in Egypten geworden ist. Man findet das namentliche Verzeichniss aller dieser Ptiauzen im 1. Bd. von CLOT-ßey's Werk. Spärlicher, aber auch interessanter, ist die Flora der Wüste, zu welcher alles Terrain zu rechnen ist, welches nicht im strengsten Sinne zum Kulturlaude des Delta oder der Oasen gehört; denn Egypten hat keine Wälder, keine Auen, keine Wiesen, keine Alpen, kurz es hat, wie gesagt, nur Acker- land und Wüste. CLOT-ßey zählt uns aus dem Bereiche der Wüsten einige und achtzig Spezies auf, durch welche Anzahl er jedoch nur die wichtigern derselben umfassen kann. An den Natronsee'n sind die vorherrschenden Pflanzen: Arundo donax und Typha latifolia, in ihrer Umgebung aber: Kitraria Schoberi Linn. und Hyoscyamus datura Forsq. Nach MiNUTOLi finden sich in der libyschen Wüste an der Küste : Liehen prunastri auf Licium barbarum , einige Arten Asparagus , Reaumuria vermicularis, Echium Reu- woltii, Salsola fragus und mehrere Salsola-Arten , ein En- jigium u. dgl. m., worüber Ehrenberg's und IIemprich's schätz- bare Forschungen nähern Aufschluss geben. Tiefer im Lande finden sich in 6en Thälern, aber höchst sparsam und immer kümmernd, wie es der Charakter der Wüste mit sich bringt: Phönix dactylifera, Chamerops humilis, Mimosa ni- lotica , Hedysarum Alhagi, und an feuchten, morastigen Stellen die Poa multiHora etc. Im Ganzen genommen zeigt die~ Pflanzenwelt, in Bezug auf Mannigfaltigkeit der Arten, jene Entwicklung in ünteregypten, die der Meditteran-Flora eigenthümlich ist. So wie die Kultur des Bodens die Pflanzen in ihrer freien Entwicklung, man kann zwar nicht sagen hindert, doch in gewisse Formen zwingt, ihre Anzahl auf eine gewisse, dem Menschen und seinen Bedürfnissen ge- rade zusagende, reduzirt, so auch in der Thiervveit. Die 294 wilden Thiere fliehen, die zälimhareii werden zu Hjiustliieren, und deren Zahl hinsichtlich iliier Arten richtet sich wieder nach dem Willen des Menschen und nach seinen Bedürf- nissen. Unter den Vierfüssern sind es vorzüglich zehn Haupt- arten, die als Hausthiere unser Interesse in Anspruch nehmen, und darunter stehen in Bezuj^ auf üntere^ypten das Pferd und das Kamel oben an. Ersteres ist von der edelsten Race, achtes anatolisches oder arabisches Blut. Über die Güte des arabischen Pferdes wurde bereits so viel gesprochen «nd geschrieben, dass man es kaum glauben sollte, dass über dieses Thier noch so unrichtige Ansichten herrsche» sollten , wie es wirklich zum Theil der Fall ist. Häufig hört man die Äusserung, z. ß. dass das arabische Pferd sehr klein sey, was durchaus nicht der Fall ist. Ein kleines Pferd ist freilich überall klein, so auch ein kleines arabisches; wer aber die prächtigen Dongola-l^ferde, die edlen Racen von den Ufern des Euphrats, die feurigen Braunen aus Jemen in Masse und nicht blos in einigen miserablen Exemplaren, wie man sie von jeder Race und in jedem Lande findet, gesehen hat, der kann dieser Meinung nicht an- hangen. Das arabische Pferd leistet das Höchste, was ein Pferd nur leisten kann, aber in seinem Vaterlande, in seinem Klima. Dreissig Stunden gesattelt zu seyn, ohne zu fressen und zu saufen, fünfzehn Stunden in der glühenden Hitze der afrikanischen Wüste zu laufen, ohne Nahrung, ohne Wasser zu erhalten, drei bis vier Stunden im Galopp zu rennen, ohne dass Jhm Ruhe gegönnt wird, das sind Auf- gaben, die ein arabisches Pferd löst, abei' nur, glaube ich, in seinem Vaterlande löst. Daher halte ich alle Vergleiche mit europäischen Racen in der Art unsicher, wenn sie Proben be- stehen müssen ausser dem Bereiche ihres von Jugend an gewöhnten Klima's. Ich glaube, in England wiid das arabische Pferd gegen das englische verlieren, und umge- kehrt das englische gegen das arabische in Arabien. Es handelt sich daher, dabei anszumitteln, ob das englische Pferd in England Das leisten kann, was das arabische in Arabien leistet, und in diesem Falle, glaube ich, dürfte der 295 Sieg' dem arabischen werrlen , welches icl» wenigstens fi'ir (las vollkommenste, vollendetste (iescliöpf seines Geschlechts halte. — Welchen Einfluss der Mensch nnd sein Benehmen anf die Thieie haben, zeigte sich mir bei diesen Pferden recht ano-enscheinlich ; denn während der vier Jahre, während Avelcher ich beständig anatolische oder arabische l^ferde ritt, kam mir fast kein einziges wahrhaft boshaftes, störrisches, nnartiges Pferd vor, sondern ich fand es ganz bnchstäblich wahr, dass das aiabische Ross im Dnrchschnitt keinen andern Willen hat, als den seines Reiters, der es zu behandeln versteht, und dass der Araber vollkommen Recht hat, wenn er sagt, dass sein edles Ross ihn durch Feuer und Wasser trägt. Dem Pferde zunächst hinsichtlich des Gebrauches, nnd noch weit iiber demselben hinsichtlich seines zweckmässigen Baues für seinen ihm von der Natur gegebenen Zweck steht das Kamel. Das egyptische Kamel ist identisch mit dem arabischen und sehr verschieden von dem baktrischen, das eigentlich dasjenige zu seyn scheint, welches man in Europa unter dem Namen Dromedar bezeichnet, eine Benennung, die der gemeine Araber gar nicht kennt. Als wesentliches Unter- scheidungszeichen gibt man dem Dromedar zwei, dem Kamel aber einen Höcker: das baktrische hingegen hat fast durch- gehends zwei Höcker, während das arabische nur einen besizt, der oftmals sehr lang gedehnt ist und manchmal nur sich theilt, was aber der Araber sehr naturgemäss für keinen zureichenden Grund ansieht, zwei verschiedene Arten zu bilden. Er uuterscheidet nur den Hegin oder Hed- schin, einen Schnelllänfer, einen Bassgänger, der nur zum Rei- ten dient, und das gewöhnliche Kamel, gemmel oder Dschemmel genannt , welches ausschliesslich nur zum Lasttragen ver- wendet wird. Der leichtern Sattlung wegen richtet man durchgehends die Kamele mit langgedehnten Rücken oder mit gespaltenem Höcker zum Reiten ab , während man die mit eineoi Höcker als Lastkamele betrachtet. Das Last- kamel macht bei grossen Wüsten -Reisen mit einer Last von 3, höchstens 4 Zentner täglich 10 Stunden im Schritte, wobei man, ohne es zu forciren, alle 4 oder 5 T.ige doch 29Ö auf einen Wasserlag; nnd alle S — 10 Ta^^e auf längere Ruhe rechnet. Das Reitkamel hingegen geht einen ßass, dem ein Pferd nur im schärfsten Trab oder Galopp folgen kann. Auf diese Weise kann es nn einem Tage auch 15 bis 20 geo- graphische Meilen zurücklegen; macht es hingegen täglich in 10 bis 12 Stunden nur 10 bis 15 geograph. Meilen, so kann man bei sehr guten Thieren auf eine Ausdauer wie beim Lastkamele rechnen. Der gewöhnliche Schritt des Lastkamels ist so, dass man in der Ebene auf 1 Grad des Äquators beiläufig 24 Kara\anen-Stunden rechnen kann. So wenig der Lappländer auf seinen unwirthbaren Bergen und in seinen schneebedeckten Thälern sein Nomaden- leben leben könnte, wenn er nicht das Ilennthier besässe, so wenig wäre der Araber der freie Sohn der Wüste, wen» die INalur ihm nicht das Kamel gegeben hätte. Nur durch dieses Thier allein ist er im Stande, die weite Wiiste zu durchziehen und den Sandocean seine weite Heimath zu nennen, in der er für europäische Waffen ewig unerreichbar bleibt. Die nördliche Gränze des Vorkommens des Kamels als einheimischen Thiers ist uns genau bekannt, nicht so aber sind es die Hindernisse, die sich weiter im Süden seiner Ausbreitung entgegen stellen. Jenseits der ßreiteii-Paral- lelen von Kordofan und Sennaar, jenseits des 1.3. Breite- grades ungefähr, ist es schwer, und weiter südlich fand ich es fast unmöglich, das Kamel fortzubringen. Bei bestem Futter, hinlänglichem Wasser und geringer Anstrengung- wird es matter und matter, erholt sich bei wochenlanger Ruhe nicht und stirbt, wie ich glaube, rein durch den Ein- fluss des Klima. Das arabische Kamel ist ein Thier der Wüste und für die Wüste geschaffen. Gewohnt an reine trockne Luft und salziges Wasser, findet es in jenen feuchten, tropischen Gegenden mit durchaus süssen, zürn Theil harten Wassern viele der gewohnten Elemente des Lebens nicht und erliegt. Die Eingebornen, wie wir bei meiner Rei.se ins Innere sehen werden, sind der Meinung, dass es, in jene» Gegenden kleine Fliegen gebe, denen sie verschiedene Namen beilegen, die vorzugsweise nur die Kamele stechen, Menschen, Fferde und Esel aber verschonen, und deren Stich 297 Ko p'ftif^ ist, dass die Kamele daran sterben. Nicm.iiid hat noch diese Fliej>e wirklich «eschen, nnd ich weiss daher niciit, ist sie nur ein Phantasiegehilde oder existiit sie in der That; das Faktnin bleibt, dass das Kamel in jenen Breiten anf eine auffallend rapide Weise unterliegt. Meine Vermutlinnj^ bestättigt sich auch noch durch den Einflnss jenes Klima's auf den Menschen und die übrigen Thiere, z. B. anf das arabische Pferd, das sehr häufig- in jenen Gegenden seine Haare verliert nnd nackt wird, was doch nicht im Stiche von Insekten begründet seyn kann. Die übrigen Hausthiere sind der Esel, das Maulthier, der Ochs, (1er Büflfel, mehrere Arten von Schafen, besonders das mit dem Fettschwanze, Ziegen, darunter die kleine, äusserst niedliche Sennaarziege, Hunde, Katzen und Schwei- ne, leztere nur bei den nicht mohammedanischen Einwohnern. Der egyptische Hund ist meist wild, scheu, an den Menschen nicht gewohnt und aufgewachsen in allen Ungezogenheiten eines Gassenhundes, nicht zu vergleichen mit seinem ge- sitteten nordischen Kollegen. Er ist meist von mittlerer Grösse, stockhaariger Spitz, von röthlicher Farbe. Die Katzen sind fi'ir l^^gypten in den Zeiten der Pest ein sehr gefährliches Thier; sich von Haus zu Hans schleichend, alle Vorschriften nnd Einrichtungen der Quarantaine kühn umgehend, tragen sie das t bei von Ort xi] Ort, daher auch sehr häufig bei solchen Gelegenheiten eine Art sizilianischer Vesper unter diesem Geschleclite abgehalten wird. Unter den wilden vierfüssigen Thieren ünteregyptens haben wir: den Schakal; die Hyäne (Hyäna maculata, nicht striata: leztere ist viel grösser und findet sich erst im süd- lichen Nnbien), beide in ziemlicher Menge; den Fuchs, nach Clot-Bcv den europäischen Wolf, was ich fast bezweifeln möchte; wilde Schweine; Gazellen; den Erzählungen der Araber zufolge wilde Schafe, was ich, für Unteregypteii wenigstens, ebenfalls bezAveifle; Igel, Marter, Ichneumons, zwei Arten von Luchs, zwei Arten von Springhasen (dippus, Jerboa), Hasen, Ratten und überhaupt mehrere und zum Theil sehr interessante Arten von ISagern und Flatterfüssen. Durchaus aber keine grössern reissenden Thiere. 298 Unter den Hausvögeln treffen wir in ünteregypten unsere bekannten ans Europa wieder, besonders eine wirk- lich ung-eheure Anzahl Tauben und Hühner. Unter den im wilden Zustand lebenden Vögeln sind die meisten wohl Strich- und Zugvögel, theils aus Norden kommend, theiis ans Süden, wenige nur dürften wahrhaft einheimisch seyn. Afrika ist ein wahres Asyl für Raubvögel aller Art, und besonders sind es die Länder des Innern, doch triff't man auch in Egypten schon von Geyern 5 bis 0 Arten, mehrere Arten von Adlern und wenigstens 8 bis 9 Arten von Falken. Erstere, besonders der gemeine und stinkende Catharthes percnopterus, der sich in ganzen Schaaren findet, von der Jfatur angewiesen, den Menschen in Aufrechthaltung der Reinlichkeit in den Strassen der orientalischen Städte zu vertreten, werden allgemein als nützliche Thiere geschont und geachtet. Dadurch werden sie mit dem Menschen vertraut und so zahm , dass man sie in den Strassen von Kairo fast mit den Händen fangen kann. Sie sind die steten Begleiter aller Karavanen, da sie, besonders bei grössern Wüstenreisen, täglich etwas aufzuräumen haben, und ich vermuthe fast, dass die Adler Gottes, die Herr V. Lamartine in Syrien über seinem Haupte zu sehen glaubte, eben solche Aasgeier gewesen seyen. Von Fischadlern (Pandion) finden wir in Unteregypten drei Arten, ausserdem sieht man Bussards, Stösser, Milan etc. in mehreren Spezies. Zahlreich ist ebenfalls das Ge- schlecht der Eulen, man zählt deren bis 10 Arten, die in den Monumenten nebst den Fledermäusen das Unterkommen finden, das ihnen am meisten zusagt. Von Caprimnigus schoss ich in Egypten zwei Spezies. Auch dieses Geschlecht wird weiter ins Innere sehr reich an Arten. Von Sperlings- vögeln findet sich eine sehr grosse Anzahl von Arten, die zwar gi'össtentheils Wanderer sind, von denen aber doch viele für gewöhnlich nicht zu uns nach Europa kommen; für gewöhnlich sage ich, denn manchmal machen Vögel ausserordentliche Züge, so dass man nicht einmal ein Ver- schlagenwerden durch Sturm in dem Grade annehmen kann. In dem Naturalienkabinele zu Christiania, wenn ich nicht 299 irre, aber g-anz bestimmt in einem norwej>ischen Kabinete, sah ich z. B. zwei Ibisse von jener stahlgrünen Spezies, weiche ich nnr am weissen FInsse im Innersten von Afrika getroflFen hatte nnd die in Norwegen selbst geschossen wnrden. Diese Ibisse hatten also wenigstens 50 Breitengrade mir in geiader Richtung passirt. Viele der Sperlingsvögel Egyptens tragen bereits die schönen südlichen Kleider, und zugleich mit dem Auftreten derselben bemerkt man bereits ein Abnehmen unserer lieben nordischen Sänger, was, je weiter man in Süden kommt, desto fühlbarer wird. Sehr bedeutend ist die Anzahl der Arten von den Hühnervögeln und noch bedeutender die der Stelz-, Sumpf- uud Wasservögel, da leztere die Sandbänke des Nils, besonders weiter im Süden, in Schaaren von Tausenden bedecken und aufgeschreckt sich in Wolken erheben. Au den Nutronseen findet man häufig den Flamingo (Phöni- copterus ruber L.), imd in den libyschen Wüsten triflft mau als Repräsentanten der Rennvögel bereits den gemeinen Strauss (Struthio Camelus), der Afrika in seiner ganzen Ausdehnung bewohnt. Die Insekten sind zahlreich, aber ebenfalls bereits sehr bekannt, seltner sind Conchylien. Unter den Landkouchylien trifft man vielleicht nur Helix irregularis, an den Ufern des Nils finden sich Paludinen und in ihm selbst leben: Unio, Iridina, Cyrena etc. Charakteristisch als Nilbewohner ist die Trionyx egyp- tiaca, die weiche Nilschildkröte, die sich weiter im Süden häufiger findet und die ganz kleinen Krokodile verzehrt, von den grossen aber selbst gefressen wird. Beides fällt in Unteiegypteu weg, da sich daselbst gar keine Krokodile finden. Sie wird zwei bis drei Fuss laug und ist ein starkes, wehrhaftes Thier. Unter den Sauriern finden wir den Waran, und zwar sowohl den Varanus niloticus als den Varanus terrestris. Leztrer bleibt an Grösse hinter ersterm zurück, der fünf bis sechs Fuss lang wird, ist aber kühner, und ich erinnere mich, dass ein solcher Waran, Aen ich einst in der libyschen 300 Wüste mit einigen meiner Gefährten zu Pferde in die Enge trieb, meinem Pferde an die Beine sprang, um es zu beissen. Ferner haben wir einige x\rten von Stellio, Agama, Gecko, Chamaeleon, bei 10 Arten von Skink und mehrere Arten von Eidechsen; rechnet man nun dazu noch das in Ober- egypten auftretende Krokodil, so sehen wir, in welchem ganz andern Massstabe das Geschlecht der Saurier sich an den Flüssen Afrika's entwickelt, während wir in Europa, wo einst die Giganten der Saurier lebten, rein auf die Gattung Lacerta beschränkt sind. Welch eine gewaltige Umänderung in Klima, ßodengest.alt, hydrographischem Verhalten, kurz im ganzen Habitus unseres Welttheils hat da stattgefunden. Dieses geschah ohne Zweifel nicht plötz- lich, sondern in einer Reihe von Übergängen, und in dieser, glaube ich, waren wir auf einem Punkte, wo unsere einstigen Stromthäler denen des heutigen Nils, Senegals, Nigers etc. hinsichtlich der Physiognomie der organischen Natur sehr glichen, und zwar bedeutend mehr als ähnlichen Lokalitäten andrer Welttheile. Das Geschlecht der Schlangen tritt in ünteregypten, so häufig sie auch erscheinen, nicht in vielen Arten auf. So haben wir von Eryx eine Art, von Coluber vier oder fünf Arten, ferner die gehörnte Viper und die durch die Gauklerkünste der Schlangenbeschwörer bekannte Brillen- schlange, die Najahaje. Ferner die Scythale der Pyramiden und noch ein paar andere Arten. An Fischen ist hingegen ünteregypten wieder bedeutend reich. Die der Lagunen an der Küste sind dieselben, wie die des Mittelmeers. Von den Selaciern ist es besonders der gemeine Hai (Squalus Carcharias L.), der die Küste des Mittelmeers häufig besucht und in Alexandria z. B. sich so oft einfindet, dass er den Badenden sehr häufig gefährlich wird und nicht selten Unglücksfälle sich ereig-nen. Von den Fischen des Nils zählt uns Dr. CLox-Bey in seinem Werke 52 Arten auf. Darunter befinden sich der elektrische Aal und der phantastisch gestaltete Tedron lineatus, eine Art der Gattung Fahaka, aus der Ordnung der Kngelfische. |)ie von Clot Bcy gegebene Zahl der Arten dürfte wohl ;}oi nicht vollstiindij»; seyii, und ich 5>laube, dass im Bereich der NiKische den Natiiifoi\scheni noch mehr Raum t;e«^eben ist, neue Entdock.mij>en zu machen. Auch gehören mehrere der im ervvähiiteti Verzeichnisse angegebenen Fische Oberegypte» ausschliesslich an. 4) Oer .^enscli in Ilntereg-ypten und seine bürg^erlichen VerliUituisse« Wenn wir von der Geschichte Egj-ptens reden , ist es offenbar die Geschichte ünteregyptens. Hier in der Nähe des Meeres, unter den Mauern des alten Memphis und der einst prächtigen Alexandria, fand der grosse Wechsel der Begebenheiten statt , hier lebte Egypten seine neuere Ge- schichte durch. Oberegypten, dessen Vorzeit der graue Schleier der Mythe deckt, stand später nie für sich separirt da und hatte nie mehr eine getrennte Geschiclite, sie war stets mit der ünteregyptens aufs engste verknüpft. An den Pyramiden und an den Küsten des Mittelmeers drängte sich die ganze Reihe der Ereignisse zusammen, hier geschah Alles, das Alte, Avie das Neue. Ich halte es hier durchaus nicht für an Ort und Stelle, eine Übersicht der politischen Verhältnisse des Landes, des Volkes und sei«ier Herrscher zu entwickeln und dabei einen Blick auf die Ereignisse der neuesten Zeit zu werfen, in- dem ich Unteregypten nur als einen kleinen Theil eines Länderkolosses ansehe, dessen Geschichte in Eins verflossen ist und die darzulegen erst dann Zelt ist, wenn wir einmal die ganze Masse dieser Länder kennen , die sie betrifft, wenn wir einmal die bürgerliche Stellung, die Bedürfnisse, die Meinung des Mensclien kennen , der in diesen Ländern lebt, und wenn wir einmal durch Erfahrung des Details die Lage kennen , in die sich die ganze Masse zur übrigen Welt gesezt hat. Alles diess kann daher erst den Schluss meiner Beobachtungen über die unter den Befehlen des Vize- königs zur Zeit seiner grössten Machtentwicklung gestan- denen Länder bilden, und ich beschränke mich hier nur auf die Darlegung der bürgerlichen Verhältnisse des in Unteregypten lebenden Menschen. 302 Die Gescliiclite Eg'vptens j>ehöi't, was die Interessen der Menschheit betrifft, unter die folgenreichsten, was die geistig^e Ausbildung der iibrigen Welt anbelangt, ist sie, zunächst der indischen , vielleicht selbst die folgenreichste gewesen, indem sie mit ihr die grossen Ereignisse späterer Jahrhunderte hervorrief, jene gewaltigen Reformen in der Kulturgeschichte des Menschen, die eine Welt zum Schau- platz hatten und leztern der höchsten geistigen Veredlung entgegenführten, deren er fähig ist. Völker haben sich um das herrliche Land gestritten, es als Perle ihrer Besitzungen betrachtet, sie sind im Drange der Zeitereignisse gekomnieu und gegangen. Aus allen Perioden der Geschichte Egyptens sehen wir noch Reste, und der Mensch der ältesten Zeit i.st nicht spurlos verschwunden; denn die riesenhaftesten Monu- mente der Erde stehen seit Jahrtausenden als Zeugen seiner Kraft, und noch können Jahrtausende iiber sie hingehen, bevor sie verschwinden. Wir sehen in Egypten noch heute Kopten, Berber, Araber, Türken, Levantiner und Europäer als Abkömmlinge der verschiedenen Völker, die sich nach einander in den Besitz des Landes theilten. Die Kopten sieht man fast durchgehends als die Reste der alten Egypter an und sucht diese Hypothese auf mancherlei Weise zu begründen. Volney's Meinung über die ursprüngliche Identität des grie- chischen Wortes 'ydi-yiinriog mit dem arabischen Kubti (Qoubti) ist in der That sinnreich und hat viel für sich. Man findet Ähnlichkeiten der Physiognomien der heutigen Kopten mit den Gesichtern der alten Egypter, wie wir sie auf ihren Monumenten als Skulptur und gemalt häufig sehen, sowie überhaupt diese Abbildungen die Darstellung mehrerer Völker, welche das Land der Pharaonen bewohnt zu haben scheinen, oder, an die Triumphwagen der Sieger gekettet, dahin gebracht wurden , zum Gegenstande haben. So finde ich eine grosse Ähnlichkeit zwischen dem Kopfe des heutigen Berbers in Nubien und dem des alten, braunen Egypters der Monumente, eine Ähnlichkeit, die frappant auffällt und die sich sogar auf die Art und Weise, die Haare zu tragen, erstreckt, welche vor 303 4000 Jahren ganz dieselbe war, wie wir sie noch hent zu Tao^e in Nnhien bei den Berbern beobachten. Vorzüo;lich aber bestimmt mich ein negativer Grund zur Theihiii»; der An- nahme, dass die Kopten die Nachkommen des alteo^yptischeii Volkes seyen , nämlich der , dass ich mir durchaus nicht denken kann, was sie denn sonst seyn sollten. Die Idee, dass sie eine Mischung- aus verschiedenen Racen sind, ist meiner Ansicht nach o^anz unstatthaft; denn der Kopte hat eine nationeile, stetige, von jeder andern Race scharf gesonderte Physiognomie ; in ihr ist nichts Variables, nichts Vages, was die Mischlinge bezeichnet. Von einer Wegerabkunft kann gar keine Rede seyn. Mit all de» Völkern, die über Egypten sich in älterer Zeit schon ver- breiteten , mit den Persern , Griechen , Römern , Arabern haben sie nichts, gar nichts gemein, weder in ihrem körper- lichen Habitus , noch in ihrer Sprache. Ans zweiter wären doch Klänge geblieben , und sie wäre kaum , bei ihrer ihnen eigenen Abschliessung ihrer Kaste , spurlos verwischt und gegen eine andere eingetauscht worden. Doch der Kopte steht ganz abgesondert da, der Rest eines unbekannten Stammes. Als die Macht der Pharao- nen, 542 vor Christus, unter Psammenit durch den Einfall der wilden Perser unter Kambyses gebrochen war, blieb das egyptische Volk bis zur Eroberung Egyptens durch Alexander den Grossen, im Jahre 33.1 vor Chr., unter dem Drucke der Perser. Die Epoche der Ptolemäer unter Griechenlands Herrschaft machte noch einmal den Genius der Kultur, der Künste und Wissenschaften aus den bluti- gen Trümmern der Perserherrschaft auftauchen, doch es war der Grieche , der da waltete , der Egypter blieb ein untergeordnetes, erobertes Volk. Im Jahr 29 v. Chr. dehnte Roms Weltherrschaft seine Riesenarme auch über Egypten aus, das Christenthum fand im ersten Jahrhtuidert Zutritt, und fand natürlich von vorne herein, bis dessen beseligende Lehre allgemein erfasst wurde, den meisten Eingang; bei dem armen beherrschten Volke, das Trost und Hülfe in jeder Änderung suchte, so fand es auch in Egypten seine 304 ersten Erobenin«fen in der Klasse der Eingebornen. Die spätem und zum Tlieil blutigen Religionsstreitiokeiten, welche die Christen in Parteien spalteten , die sieh unter den Byzantinern mit Wort uud Schwert wüthend bekämpf- ten, obwohl keine der Parteien die Dogmen, um deren ver- schiedene Deutung sie sich balgten , klar verstand oder verstehen konnte, trennten auch die Eingebornen — noch haben wir immer Egypter und deren Herren — • von der Masse der übrigen Christen und stellte sie isolirt. Die Schwäche des römischen Reichs, ein abgelebter Koloss, dessen Theile morsch sich vom Ganzen trennten, das seinem Verfalle mit Riesenschritten entgegenging, war so weit gediehen, dass es nur eines gewaltsamen Stosses von Aussen bedurfte, um ganz darnieder zu stürzen. Dieser Stoss ge- schah zuerst im Süden und trennte Egypten von der Römer- und Byzantiner -Herrschaft. Des Islams Feuer hatte sich in Arabien entzündet und mit der ganzen Kraft des Fana- tismus verbreitete sich die neue Lehre mit Feuer und Schwert. Noch sassen die nächsten Anverwandten des Propheten auf dem Throne der Kalifen , sie und ihre Araber waren des Islams Vorfechter, sie waren auf dem geraden Wege zu dem höchsten Gipfel des Ruhms , der Macht, des Glanzes des arabischen Namens, ihrem Schwerte widerstand niclits. Amru, der Feldherr Omars, der Gründer von Kairo, führte, 640 n. Chr., seine sieggewohnten und kampflustigen Araber nach Egypten , eroberte es durch Kraft der Waffen und durch die Stimmung des damaligen Statthalters Makaukas, eines der angesehensten Egypter, eines Kopten, der diese Gelegenheit mit Freuden ergriff, sich vom Drucke der Römerherrschaft los zu machen. Alexandria fiel, verlassen von den Eingebornen, von den Arabern Kopten genannt, nach verzweifeltem Wider- stände der Griechen (Byzantiner), wurde von diesen wieder jgenomraen, fiel wieder, der Kampf um die prachtvolle Stadt wiederholte sich, und sie fiel endlich unter Konstans H. und unter Amru und Makaukas arabischer Seits dem Heere tler Verbündeten für immer zu. Dieses bestand aus Arabern und Kopten, den Eingebornen des Landes. Der 305 Araber Herrschaft war anfänglich kraftvoll und weise, doch auch sie ging den Weg des Irdischen. Egypten kam 1250 unter die Herrschaft der Mameluken, noch waltete das arabische Prinzip. Im Jahre 1.517 aber eroberte Sultan Selim Egypten , stiirzte den Thron der Kalifen , und die Dynastie der tscherkessischen Mameluken , die der der baharitischen gefolgt war, hatte ihr Ende erreicht. Woch blieb zwar die Herrschaft Egyptens bis zu dem Blutbade auf der Citadelle zu Kairo im Jahr 1811 in den Händen der Mameinken Häuptlinge und ihrer Vasallen, jedoch war Egypten tiirkische Provinz geworden, der Sultan war der Oberherr, und an die Stelle des arabischen Prinzips trat das türkische und blieb bis auf den heutigen Tag. In den Perioden der Araber - und Türkenherrschaft sinken die Kopten mehr und mehr in ein moralisches und physisches Nichts herab, wir sehen sie, deren Voreltern noch unter Makaukas auf den Mauern von Alexandria gekämpft und die Lorbeeren mit den Söhnen der V^üste getheilt hatten, zulezt als die Rechnungsführer der türkischen Beamten-Soldateska mit dem Hauptbestreben, das im Oriente zur Dienstangele- genheit geworden zu seyn scheint, mit dem Bestreben nämlich , den Herrn zu betrügen , wie und wo es möglich ist. Wir haben keinen Grund, zu vermuthen , dass die Kopten unserer Tage andere Kopten ihrem Ursprung nach seyen, als die, welche an der Seite Amrü's fochten; wir haben keine Ursache zu behaupten, dass die als die Einge- bornen des Landes von den Arabern bezeichneten Kopten andere Eingeborne seyen, als die, welche die Perser und Grie- chen sich unterwarfen, kurz ich sehe in dem Ubeiblicke der Ge- schichte den besten Beweis, dass die Kopten wirklich die Ab- kömmlinge der alten Egypter seyen , ich sehe in der Ge- schichte gleichsam die Stammtafel dieses Volkes. Dass dessen Sitten, dessen Sprache, dessen körperlicher Habitus sogar sich geändert haben, das ist, blicken wir nur auf die Ge- schichte anderer Völker, nicht zu verwundern. Der Eroberer besteht nie neben dem Eroberten , beide ihre Originalität behaltend. Einer oder der andere, meist beide zugleich, ändern sich , sie assimiliren sich gegenseitig zu einem Ru-ssr.GüKit, Reisen. I. Bd. 20 306 neigen Ganzen , dessen Tlieile üher ihr einstig^es selbststän- tliges Seyn nur Winke geben. Der Kopte hat seine Sprache noch nicht verloren , aber für die arabische umgetauscht. Seine heimatlilichen Töne sind ihm fremd geworden, er ver- steht selbst, mit Ausnahme einiger Priester, die Bücher nicht mehr, die noch in seiner Sprache bestehen und in derselben beim Gottesdienste gelesen werden. Gesprochen wird das Koptische seit ein paar Jahrhunderten nicht mehr. Selbst die Lehre des Christenthnms ist bei den Kopten nicht in ihrer Reinheit geblieben; denn ihre Religion ist ein Gemenge desselben mit dem Glauben Israels und den Lehren des Islam. So kann ich mich erinnern , dass öfter Kopten sich weigerten, mit uns zu speisen, weil wir die Thiere auf eine andere Art schlachten als sie; doch wenn sie sahen, dass wir Wein zu Tische tranken, so beschwich- tigten sie meist die religiösen Zweifel , die anfänglich in ihnen aufgestiegen waren. Der Kopte ist aber nur zum Theil Abkömmling der alten Egypter; denn das Land der Pharaonen war auch schon in den ältesten Zeiten von mehreren Völkerschaften bowchnt. Wir unterscheiden in den Abbildungen auf den Monumenten drei scharf gesonderte MenschenraiSsen, nämlich weisse, braune und schwarze. Die lezten sind Neger und also solche Völker, die als Sklaven aus dem Innern nach Kgypten gebracht wurden, damals wie heute, Überwundene, Kriegsgefangene: denn unter dem egyptischen Himmel hat die Bildung von Negervölkern wohl nie stattgefunden. Die braunen sind , wie ich glaube , den unteren Klassen ange- liörig gewesen , Landvolk und nomadisirende Hirtenvölker,' wahrscheinlich die Blemier der Alten , wie man auch aus den bildlichen Darstellungen sieht. Sie sind d(Mii heutigen Berber in Nubien so täuschend ähnlich, dass es unmöglich ist, diese frappante Ähnlichkeit nicht aufzufassen. Züge, Farbe und, wie schon gesagt, die Methode, die Haare zu tragen, alles stimmt ganz genau. Ich sehe daraus , dass der heutige Berber ehemals in Egypten lebte, dass dieser Rasse die sogenannte untere Volksklasse angehörte und dass sie wahrscheinlich ein älteres, später unterjochtes Volk geweseu 307 ist. Die Partei der Sieger sciieint die weisse Rasse ge- Avesen zu seyn ; dieselbe, von der unsere Kopten stammen, dieselbe, der die hoben Kasten, Priester, Krieger efc, angehörten. Di'irfte nicht die braune Hasse , also Ägyp- tens ürvolk 5 identisch mit den alten Äthiopiern ge\vcs(Mi seyn ? und können wir nicht den Berber in Nubien als den Nachkömmling- des ältesten Volkes in Egypten und allgemein gesprochen in Äthiopien betrachten? Ist der weisse Egypter der Monumente, den wir in unserm Kopten wieder finden , nicht der später in Egypten eingewanderte Mensch, der das Land eroberte und das braune ürv»)lk sich unterwarf? Doch wo kam er her, sollte er indisclien Ur- sprungs seyn und vielleicht mit dem Kultus der alten Egypter, der entschieden indischen Charakter an sich trägt, von der Ostküste Afrika's ins Innere eingedrungen seyn, die Priester- Staaten im südlichen Nnbien , Meroe etc, gestiftet , die Felsentempei des nördlichen Nubiens gebaut haben und von da aus als Eroberer dem Nil entlang nach Egypten gegangen seyn, dem Lande neue Götter, neuen Kultus, neue Verfassungs-Ideen bringend ? Ich glaube, wir werden in der Folgezeit dahin kommen, diese Fragen beantworten zu können, und wie ich so bei mir selber dachte, wenn ich zwischen jenen Trümmern unnennbarer Grösse, die nach Jahrtausenden rechnen, heriuu ging, werden wir sie mit Ja ! beantworten. In Egypten sehen wir in der ganzen Reihe seiner Riesen- Denkmäler nichts Gemeines, nichts Rohes , nichts mit einem Worte , was auf eine totale Kindheit der Kunst hindeuten möchte, wir sehen nur Hohes, Herrliches, Vollendetes. Ein Volk, welches solche Werke liefert, muss heiangczogen werden durch Jahrhunderte, durch Jahrtausende, wenn seine Werke original sind , wie die egyptischen, und dann wird man nicht nur die Werke seiner Meisterschaft sehen , sondern den ganzen Gang seiner Ausbildung noch in den Trümmern entnehmen können. Da diess aber in Egypten entschieden nicht der Fall ist, so muss das Volk , dessen V^erke wir anstaunen , schon in der höchsten Knnstausbildung dahin gelangt seyn, und gehen wir den Strom hinauf, so linden wir den Weg, den es 20 ♦ 308 wahrscheinlich machte , wie wir später sehen werden. Berber trifi't man in ünteregypten als eigentliche Volks- masse gar nicht, nur im südlichsten Theile von Oberegypten nehmen sie einzelne Dörfchen ein, in Nubien aber bilden sie die vorherrschende Bevölkerung, sich in verschiedene Stämme theilend , die wir in jenem Lande selbst näher kennen lernen werden. Das herrschende Volk ünteregyptens wie Egyptens überhaupt sind der Anzahl nach die Araber. Sie sind seit ihrem ersten Auftreten unter Amru im Jahre 640 allgemein im Lande verbreitet, obwohl jezt den Türken unterthan. Sie theilen sich ihrer Lebensweise nach in Ackerbau trei- bende Stämme (Fellahs, Bauern) und in nomadisirende Hirten- völker (Beduinen, Bedaui). Die Fellahs sind, wie es oft bei den an bestimmte Plätze gebundenen Völkern der Fall ist, eine sehr gemischte Rasse, der Beduine hingegen ist Araber von reinem Blute, die weite Wüste ist seine Heimath. Der Stolz auf seine Freiheit, die Eifersucht, mit der er für die Reinheit seines Stammes wacht, erklären die Erscheinung, dass er durch Jahrtausende derselbe blieb. Die Hirtenvölker der alten Egypter waren zwei Haupt- nationen angehörend, der der Hyksos und der der Blemier. Beide wesentlich von einander unterschieden, beide aber Nomadenvölker, in ihrer Lebensweise als solche einander gleich. Beide standen der geregelten Verfassung Egyptens feindlich gegenüber, wie noch heut zu Tage der Natursohn der W^üste der geborene Feind der ansässigen, Ackerbau treibenden Volksklasse ist, die er in seinem ungezügelten Hang zur Freiheit verachtet, verfolgt, beraubt. Ich kenne meiner Ansicht nach nur einen Beduinen, den Nomaden. Wenn derselbe vom flüchtigen Dromedare steigt und nicht mehr wandert, den Pflug ergreift und eine Hütte sich baut, statt die Wüste zu durchziehen und sein Zelt aufzuschlagen, so ist er kein Beduine mehr, er wird Fellah, d. h. Bauer. So sieht auch der Araber die Sache an. Der Beduine Egyptens ist der der arabischen und libyschen Wüste, derselbe wie der der Sahära, wie der der Raubstaaten, wie der Arabiens, wie der aus der Wüste 300 Syriens, derselbe, der vom atlantischen Ozean bisznm persischen Golfezieht, derselbe in Sitten, körperlichem Ansehen, Sprache, wenn auch leztere in g;anz verschiedenen Dialekten redend. Er ist der Kern der arabivschen Nation, die reinste arabische Rasse. Der Hjksos ist der Vorfahre des hcntiij,en Arabers, er ist der alte Araber, der wandernde Chaldäer, dessen Pferde schnellfiissiger sind, wie die Leoparden, dessen An«>e scliärfer sieht als der Wolf des Abends, dessen Reiter sich weit ansbreiten und von Ferne kommen, fliegen wie die Adler zum Frasse. So sagt der Prophet, nnd treffender kann man den Bedninen nicht schildern. Die Bibel gibt uns überhaupt in ihren Darstellnngen " des Nomadenlebens eines Abrah/lM und der übrigen Stammväter das klarste Bild der Lebensweise dieser Hvksos und ihrer direkten Abkömmlinge unsrer heuti- gen Beduinen, di^seit Jahrtausenden dieselben geblieben sind, durch und durch in ihrer Denkweise, wie in ihrem Äussern. Die Hyksos bedrängten die Pharaonen oft stark, ihre Einfälle erstreckten sich verheerend über das Land, und stets kamen sie aus Ost und Nordost, und oft, obwohl nach langen und blutigen Kämpfen, w nrden sie wieder dahin zurück- geworfen. Zweitausend Jahre v.Chr. brach ein solcher Schwärm von Hyksos aus Osten in Egypten ein und behauptete sich in den Wüsten am rothen Meere durcb fast 300 Jahre, bis es den Pharaonen gelang, sie zu vertreiben. Dergleichen Einfälle mussten auch von W^esten her befürchtet worden seyn , daher die Spuren von Mauern und Wällen gegen das libysche Gebirge zu, z. B. in der Gegend von Theben. Beiläufig 1300 Jahre v. Chr., wieMANETHo und die griechi- schen Geschichtschreiber der ersten christl. Jahrhunderte sagen, geschah ein neuer Einfall der Hyksos, die der Pharao, Sethos und Rhamses aus der 19, Dynastie wieder nach Syrien zurücktrieb. Solcher Einfälle der Hyksos waren mehrere und sie scheinen sich mehr und mehr in den Wüsten, welche Egypten einschliessen, festgesezt zu haben. Sie wurden von dem Strome der Araber, die im 17. Jahr- hunderte sich über Egypten ergossen, nicht unterjocht, nicht * V. Prokesch's trefFliclie Scliilderung der Beduinen in E3;yptcn, in seinen Erinnerungen aus Egypten und Kleinasien. Bd. 2. 3:o vertrieben. Natürlich — denn sie waren ja selbst Araber, Zwci^ eines und desselben Slamins. DieBIemier sind mit den Hyksos und ihre Nachkommen mit denen der Hiskos, mit unfern heutigen ßedninen, nicht zu verwechseln. Die ßlcmier kamen stets aus Süden, waren nicht arabische, sondern äthiopische Nomaden, eine braune Rasse. Wir finden sie heut zu Tage in Nnbien wieder; denn allen Kriterien zufolge sind die Bischariin, Kababisch, Hassanieh, Hadcndoas, Schukoje, Hauauits, Bagaras etc. die direkten Abkömmlinge dieser innerafrikanischen Wander- völker. Sie reden ihre eigene Sprache, ähnlich der der Berber, aber durch die arabische verändert, von der sie eine Menge Worte aufgenommen haben. Auch sie standen Egypten stets feindlich gegenüber und ihre Einfälle waren den Pharaonen nicht weniger ge- fährlich, als die der Iljksos. Sie kamen mit den Äthiopiern «ach Egypten, stifteten unter Sabako die 25. Dynastie und wurden erst unter Stephinatis (nach Manetho), dem ersten Könige der 26. Dynastie , der von Sais , etwa C74 v, Chr. Avieder vertrieben. Ein zweiter Einfall der Äthiopier geschah in den lezten Zeiten der schwächer und schwächer werdenden Römerherrschaft, doch Fetroniüs warf sie in die Sandwüsten Nnbiens ziirück nnd eroberte ihre Hauptstadt Napata. Di« Blemier erschienen zwar später ncHerdings in Oberegypten, wurden aber neuerdings zurückgeworfen. So verschwand das eine dieser Hirtenvölker, die Blemier, wieder ganz aus Egypten, das andere, aber die Hyksos, blieb bis auf den heutigen Tag. Seit der Eroberung Egyptcns durch Sultan Selim im Jahre 1517 sind die Türken die Herren des Landes und treten unter den Nationen auf, die wir in Egypten finden. Sie bilden jedoch keine Volksmasse, sondern sind rein die Eroberer; über das Land hin zerstreut, weder Bauern, noch Handwerker, gehören sie keiner der produzirenden Klassen an, sind sie ausschliesslich die herrschende Klasse, alle be- deutendem Stellen in der Armee und im Civildienste ein- nehmend. Der Äi aber hasst sie mit dem Gefühle des Unter- drückten, der Türke verachtet die Araber mit dem -Stolze 311 des Uiiterdinckers. Die Indolenz, mit der der Türke alles heticibt, wjis nicht geiJide in das Bereitli seines von vorne lierein clievaleieskcn CharaJiteis fällt; die Unwissenheit, in der er bcliarrt und andrerseits die ueit höhere moralische Kraft und Entwickinnp; des Arahers, der eine (>;länzende Periode in seiner Geschichte hat, die der Türke nie erreichte, machen, dass der Araber doch immer im Stillen eine gewisse g;eistigc Oberherrschaft ausiibt; und jene Umstände werden das arabische Princi]) erhalten, wenn das türkische längst seinen Untergang gefjinden haben wird. Das einzige Band, was beide Völker an einar.der hält, ist die Religion, und der fanatische HaSvS gegen alle jene, die nicht der- selben Meinung sind; dei' einzige Grund, der das eine Volk dem andern nnterthan erhält, ist die Furcht vor der grössern militärischen Kraft , durchaus nicht Anhänglichkeit. Der Araber ist noch der alte Araber im Kampfe gegen die Feinde seines Glaubens ; er sieht noch im Gelechte, wie der Koian sagt, vor sich das Paradies, hinter sich Tod und Teufel. Der Türke sieht alles durcheinander und weiss nicht wohin. Eine missverstandene Civilisation hat ihm den Kopf verrückt; seine Sultane haben ihre mehr patriarchalische Stellung aus dem Auge verloren, die eilizige, die der Nation, wie sie ist, angemessen wäre; sie haben sich aus den Reilieu des V^olkes weg hinter Formen geflüclitet und mit Formen umgeben , die der Natur des Türken als solchem zuwider sind, und Änderungen, auf welche die Nation moralisch nicht vorbereitet war, haben den Nerv der alten Sarazenen -Kraft unheilbar durchhauen. So stehen in Egypten arabische und äthiopische Völker den Türken gegenüber; von allen gehasst, ist es in Unteregypten einerseits die Furcht vor der grössern Anzahl derselben , welche das Band erhält, andrerseits ist der Fellah der zahlreichste der Bewohner, durch Druck und Elend so herabgekommen und so ent- würdigt, dass er eigentlich gar keine Meinung mehr hat und ihm nichts Schreckliciieres begegnen kann , als dass man ihn geradezu todtschlägt. Anders ist es weiter im Süden, wo die Macht der Türkeu mehr und mehr zerstreut, folglieh weniger gefürchtet ist. Daher die kleinen Revolte 312 die sich liäufig in Oberogypten zutragen, daher die Stimmung, die allgemein im Innein, in Niihien, Sennaar und Kordofau gegen die Türken herrscht, so dass in diesen Ländern es nur eines sehr geringen Impulses bediirfte, um die Ein- wohner zu einem Versuche zu bewegen , das Joch der fremden Eroberer abznschiitteln. Der Name: Mehemed-Ali ist vorzüglich der mächtige Talisman, der den Zauber fort- während festhält; Avie er sich löst, wenn jener Stern er- bleicht, das muss die Zukunft leiiren. Man sehe auf die neuesten Ereignisse in Syrien und Arabien. Die Levantiuer bilden einen nicht unbeträchtlichen Theil der Bevölkerung Egyptens, sie sind nebst den Kopten, die man grösstentheils zu ihnen rechnet, die Rajas. Theils stammen sie noch aus den alten Zeiten , als die christliche Religion in jenen Ländern Wurzel schlug, theils sind es später eingewanderte christliche Familien, die theils un- mittelbar unter der türkischen Herrschaft stehen, theils sich unter den Schutz der einen oder andern der europäischen Mächte, respective ihrer Konsulate, gestellt haben. Nur die erstem werden zu den Rajas gerechnet. Die andern nennt man österreichische, französische, englische etc. ünter- thanen, je nachdem sie dem Konsulate der einen oder andern Nation untergeordnet sind. Sie gehören ihrer Abstammung und ihrer Religion nach verschiedenen Völkern an, und wir sehen unter ihnen Griechen, Armenier, Syrier, Katholiken, Maroniten etc. Alle reden sie, ausser ihrer Nationalsprache, auch ' arabisch und italienisch*. Ihr vorherrschendes Ge- schäft ist der Handel, weniger gehören sie dem eigentlichen Handwerker-Stande an. In ihren Händen ist die meiste pecuniäre Kraft, und unter ihnen sind sehr achtbare und reiche Häuser, daher sie auch auf die öffentliche Verwal- tung keineswegs ohne Einfluss sind, der mitunter sogar sehr bedeutend ist. Ihre Sitten tragen ganz die Farbe des Orientes, und erst in neuerer Zeit fangen sie an, den Kaftan mit dem Frack, den Turban mit dem Hute zu vertauschen, bleiben aber doch Levantiuer. * Die sof^piiaiintc Lingua franca ist nichts anders als ifalicniscli, eine Sprache, diu sicli ans dcrZcit der Venedaiier und Geuucscr-Herrtichafl in der Levante hfrsclireibt. 313 Den Levantinern stehen in vieler Beziehung- die Juden sehr nahe. Sie sind seit den ältesten Zeiten in Egypten, kleiden sich wie die Rajas, bekleiden oft hohe Posten, sogar Konsulate , und unter ihnen herjsrht zum Theil sehr viel Wohlstand. Wie iiberall leben sie al)t>cschlossen für sich lind vermischen sich nicht leicht dnrrh Ileirathen mit andern Völkern, die nicht ihres Glaubens sind. Ihr ansschliessliches Geschäft ist der Handel. Mit den Levantinern theilen sie eine Eigenthümlichkeit, das ist die Schönheit ihres weiblichen Geschlechtes, die man in Kairo wirklich auffallend findet. Ihre bürgerliche Stellung ist nicht die angenehmste; denn Türken und Araber hassen und verachten sie, und sie können diesen Verfolgungen nichts entgegenstellen, als Ränke und Geduld. Seit dem Einfall der Franzosen, im Jahr 170S, steht Egypten den Europäern ungehindert oflfen , die bei ihrem Scharfblicke und ihrem industriellen Unternehmun2S2:eiste auch sogleich die ganze Wichtigkeit des Aufenthalts in diesem Lande für den Handel im Mittelmeere und die Ver- bindung Europa's mit Ostindien erfassten. Anfänglich er- schwerte zwar der Fanatismus der Mohammedaner die Exi- stenz der Franken, wie man alle Europäer nennt, und sie mussien sich so manche Kiänknng gefallen lassen. Später aber, durch die eiserne Hand Mehkmed-Ali's in Schranken gehalten, hörten alle diese Beleidigungen, Verfolgu)igen und Erpressungen auf; der Europäer geht jezt ruhig seinem Erwerbe nach , ruhig durchreist er das Land von einem Ende zum andern. Während er früher starke Bedeckung brauchte, um vor die Mauern einer Stadt hinausgehen zu können, macht er jezt allein Reisen, die früher sammt Be- deckung ein W^agestück gewesen sind. Mau trifft in Unter- egyyten, namentlich in Alexandria, Enropäer von allen Nationen, vorzüglich aber Griechen, Malteser, Italiener, Franzosen eAc, von denen, ausser den Konsuln der ver- schiedenen Mächte und deren Beamten, die meisten sich mit dem Handel und mit Betreibung von Handwerken be- schäftigen. Viele der in Egypten auftretenden Europäer sind reine Abenteurer, vertriebene Vagabunden, der Streuge 314 des Gesetzes in ihrem Vaterland Entflohene etc., tlic in E{>ypten ihr Glück suchen und dasselbe manchmal auch finden. Durch das Monopolsystem des Vizekönigs und die durch den vermehrten Zufluss der Europäer erweiterte Kon- kurrenz ist zwar jene goldene Zeit verschwunden, wo der Franke in kurzer Zeit ein reicher Mann werden konnte; aber noch immer ist Gelegenheit für jeden arbeitslustigen, ordentlichen Menschen, besonders für Handwerker, sich ein bedeutendes Verniögen zu sammeln. Betrachten wir, welchen Schutz der Franke in Egypteii geniesst, wie viele Europäer in Egypten Ruhe, Glück, Reich- thum fanden, so können wir nur sagen, dass alle Nationen Dem dafür verpflichtet sind, von dem diess Alles ausging, und diess ist einzig und allein der Vizekonig, der sein Land gastlich Jedem öffnete — deji er brauchte, wird man viel- leicht sagen — und wenn auch, sey das Motiv, welches es seyn möge, von dem Faktum haben Tausende von Europäern Nutzen gezogen, und eine Menge derselben würde vielleicht iu Armuth zu Grunde gegangen seyn, hätte sie nicht dieses Land freundlich aufgeuommen, wo ihre Ideen mit Gold auf- gewogen wurden, Ideen, zu deren Realisirung sie in dem kenntniss- und erfahrungsreichen Europa weder Vertrauen noch Geld erhalten hätten. Der Europäer untersteht den türkischen Rehörden, überhaupt den Landesbehörden gar nicht, sondern steht unmittelbar nur unter dem Konsulate seiner eigenen Regierung und unter den Gesetzen seines Landes oder dessen, dem er sich in die Arme warf. In Ausübung ihrer Religion sind die Europäer gänzlich unbe- schränkt; sie haben in Kairo und in Alexandria ihre eigenen Kirchen, Kirchhöfe, Priester, Klöster, Schulen, Missionäre, kurz alle Zugeständnisse, die sie vernünftigerweise in einem Lande ansprechen können, dessen herrschende Religion dem Christenthum so feindlieh gegenübersteht. Alle diese Vor- theile haben sie aber nicht wegen eines Vorgerücktseyns der Mohammedaner in der Kultur des Geistes zu geniessen — keineswegs: denn die sind in neuerer Zeit wie angewurzelt stehen geblieben, trotz des Genius der modernen Civilisatiou, der sie umflatterte; .sondern deöswegcn, weil der VizekÖBijj; 315 es so wollte und vor seinem Worte sich Alle beugten, vom Taurns bis zu den Mimosenwäldern von Kordofan. Es ist kein Land in Europa, wo der Mensch einer solchen Freiheit ge- iiiesst, als der Europäer in Egypten. keines, wo er einer solchen Freiheit geniessen kann; denn sein Zustand daselbst glänzt ans Gesetzlose, daher die scheusslichen Handlungen, die mau von einigen Europäern in Egypten begehen sieht, unter denen ich nur auf den abscheulichen Sklavenhandel, mit allen seineu Gräueln, den einige im Grossen betreiben, aufmerksam mache. Angaben iiber die Bevölkerung Egyptens in quantitativer Beziehung zu geben, ist sehr schwer, da Volkszählungen mangeln. Man schäzte damals, als ich in Egypten mich befand, die ganze Bevölkeiuug auf beiläulig 3 Millioneu Älenschen, was der Wahrheit auch so ziemlich nahe kommen mag. Auch CLOT-Cey nimmt diese Grösse beiläufig an und theilt nun die Bevölkerung nachstehend ein: Fellahs und überhaupt egyptische Mohammedaner 2.000,000 Beduinen 70,000 Türken 12,000 Kopten 150,000 Negersklaven 20,000 Berber 500ii Abyssinische Sklaven 5000 Tscherkessische,^ mingrcl. u. gnorische Sklaven 5000 •Juden 7000 Syrier 5000 Griechen | Bajas, Levantiner 3000 Armenier) 2000 Europäische Griechen 2000 Italiener 2000 Malteser 1000 Franzosen 800 Engländer 100 Österreicher 100 Ru;A>en 50 Spanier 20 Von den übrigen europäischen Staaten . . . 100 2,890,1.^0 316 Diese Angaben sind, wie gesagt, nicht offiziell, und die Summe dürfte gegen den wirklichen Bevölkeriingsstand um wenigstens 100,000 Seelen zu gering seyn. Namentlich stehen die Angaben der Anzahl der Rajas und Europäer gegen die Wirklichkeit sehr zurück, indem z. B. in Ale- xandria allein wohl an 7000 bis 8000 Europäer, mit Einschluss der Malteser und europäischen Griechen, leben dürften. Von dieser summarischen Bevölkerung Egyptens kann man im Verhältnisse des Kulturlandes für Oberegypten ein Drittheil, für ünteregypten, mit Einschluss von Kairo, zwei Drittheil rechnen. Merkwürdig ist aus dieser Übersicht das Verhältniss der türkischen Bevölkerung zur arabischen, der herrschenden zur beherrschten, wobei man sieht, dass erstere in quantitativer Beziehung gegen leztere fast verschwindet. Eine in einem starken Verhältnisse vorschreitende Ent- völkerung des Landes seit der Besitznahme durch die Türken lind besonders in den lezten Perioden der Mamelukenherr- schaft und in der neuesten Zeit ist nicht zu verkennen. Viele Gründe wirken auf diese Erscheinung ein, von denen einer den andern hervorzurufen scheint. Auf die zügellose Herr- schaft der Mameluken, die die Kultur des Landes nicht im mindesten vor Augen hatte, Kanäle verfallen liess, dem Lande die Bewässerung entzog und der Wüste selbst das fruchtbarste Land der Erde zum Verschlingen darbot: auf diese Gräuelperiode folgte, als Mehemed-Ali die Ziigel mit sicherer Hand ergriff, eine Epoche des Aufschwungs, der Kultur und der Bevölkerungszunahme. Kanäle wurden ge- graben, das Land wurde zweckmässiger vertheilt, bestimmte Vorschriften regelten dessen Bewirthschaftung, der Ölbaum, die Seidenzucht, die Baumwollenkultur u. dgl. wurden ein- geführt, und Egyptens blutgedüngter Boden verwandelte sich wieder in ein üppig grünendes Land. Doch so konnte es nicht lange bleiben; die Produktion und der dadurch sich beziffernde Erlös standen in keinem Verhältnisse zum Bedarf. Die Vermehrung der Lasten stieg ins Unglaubliche. Die grosse Armee forderte eine Menge gesunder Arme, sie wurden dem Landbau entrissen, schonungslos, barbarisch ent- rissen. Die Entvölkerung während der schlechten Wirthschaft 317 der Mameluken war planlos, zufällig-, stückweise; nun wurde sie systematisch, .allgemein, jezt erst wurde sie Entsetzen-erregend und das ganze Land erscliütternd. Dazu kommen schwere Heimsuchungen des Himmels, Missjahre, Pest, Cholera, die das Volk zu Tausenden hinrafften. Kein Wunder also, wenn das Elend des Landes aufs Höchste gesteigert wurde und die Entvölkerung mit Riesenschritten vor sich ging. — Nur durch ein Mittel wäre Egypten zu retten gewesen, dadurch, wenn Mehemed-Ali alle seine Eroberungs-, seine Unabhängigkeitspläne aufgegeben oder rasch durch- geführt hätte; diess geschah jedoch bei seinem eisernen Willen einerseits und durch die obwaltenden Umstände andrerseits nicht, und das Land ging darüber zu Grunde. Unteregypten wurde in neuester Zeit in vier Gouver- nements eingetheilt, deren jedes einen Äindir zum Chef hat, daher man sie Mudirlik nennt. Jedes dieser Mudirliks wurde wieder in Provinzen , diese in Departements und diese endlich in Bezirke eingetheilt. Das erste Mudirlik umfasst die Provinzen Bache- rieh, Dschiseh und Keljub. Mit den bedeutenden Städten : Alexandria mit 60,000 Einwohnern, Abnkir, Derut, Teraneh, Ranime, Daschknm , Dschiseh, Sakarah, Kairo*, Schnbra, Hanka, Abus-abel, Materieh etc. Das zweite Mudirlik umfasst die Provinzen Menuff lind Garbieh. Bedeutendere Städte sind : Menuff, Rosette, mit 1.5,000, Damiette mit 28,000, Mehalet el Kibir mit 18,000 Einwohnern etc. Das dritte Mudirlik beschränkt sich auf die Provinz Mansurah mit den Städten Fareskur , el Arisch, Tine, Mansnra etc. Das vierte Mudirlik endlich umfasst die Provinzen Scharkieh und Adfeh, mit einigen weniger bedeutenden Städten. Zur Handhabung der Justiz, Eintreibung- der Steuern, Aufrechterhaltung einer gewissen polizeiliclien Oidnung in " Kairo steht nicht unter dem Mudir, sondern Iiat seinen eigenen Gouverneur. Ci-ox-Bey gibt dessen Bevölkerung- zu 300.000 Seelen an, welclie Angabc ich zu gering finde, wie ich schon erwähnt habe. 318 allen diesen Theilen des Landes stehen unter dem Mndir cder (iloiivenieur die Mamurs als Chefs der Provinzen, unter diesen die Nasirs als Chefs der Departements, unter diesen endlicii für die einzelnen Beziike und Ortschaften die Schechs el ßeied, d. h. die riäuptling^e des Landes. Die höheren (Chargen dieser Beamten sind alle durch Tiiiken oder Frei- «>elassene von tscherkessischer, georgischer oder niingreli- scher Ahkunft hesezt, die früher Sciaven hei diesem oder jenem Pascha oder ßey waren und durch Anhänglichkeit, Ceschicklichkeit oder sonst auf irgend eine Art, wie es im Oriente gewöhnlich ist, sich die Gunst ihrer Herren erwaihen, frei wurden und von Stufe zu Stufe stiegen. Der Schech el Beled ist der unmittelbare Vorgesezte des Fellah , er ist das ihm nächstgestellte Mittelorgan zwischen der eigentlichen Volksmasse und ihrem Beherr- scher, dem Vizekönig. Er wacht für die Aufrecliterhaltung; jK)lizeilicher Ordnung in seinem Bezirk, nimmt alle kleinern Streitigkeiten und Prozesse auf und legt sie entweder im Wege der Ausgleichung bei, oder bringt er sie vor die höhere Behörde. Er sammelt die Steuern ein. Diese Schechs sind durchaus Eingeborne. Die Nasirs wachen für die Exekution des Urtheils, welches vom (jerichte des Mamur gesprochen wurde, haben aber übrigens mehr die Stellung als Kameral-ßeamten denn als politische Behörden. An sie gehen die Steuern des ganzen Bezirks, sie führen Aufsicht und Rechnung bei allen öffentlichen Bauten. Die Kultur des Landes steht unter der unmittelbaren Aufsicht des Mamur. Er nimmt die Vertheilung der Län- dereien vor, bestimmt die einzelnen Kulturzweig'« für diese oder jene Abtheilung des Terrains. Er überwacht die Ein- treibung der Steuern und die Ablieferung der Landes- produkte in die Schonen oder öffentlichen Magazine der Regierung. Der Mudir empfängt unmittelbar seine Befehle vom Vizekönig oder vom Conseil; er ist die höchste Mittelsperson zwischen dem Volke «ind der Person des Vizekönigs, in seioen Händen liegt die ganze Ausübung der Justiz, er übt 310 illo höchste Aufsicht ans iiher Kultur des Landes, Poh'zel, Stenenvesen etc. Der Mutlir sowohl als der Maiyur !e«;eii ihre Wochenberichte dem Ministerium vor, von dem die Entscheiduno- des Vizekönigs dariiber eingeholt Avird. Die Miidirs sind durchaus Türken, unter den Mamurs jedoch finden sich" auch Eingeborne und sogar Christen , wie na- mentlich in Oberegypten, wo die Mehrzahl der noch exi- stirendcn Kopten sich befindet. Ausser dem Schech el Beied ist noch in jedem Bezirke ein eigener Choly oder Vorstand der Landeskultur, der zugleich die Ausmessung des Terrains, Behufs der Knltivirung desselben, über sich hat. Ausser diesem hat jeder Bezirk seinen Seraf, welcher die Geldbeträge der Steuern oder sonstige Abgaben in Empfang i)immt und an den Staatsschatz abführt. Jedes Gouvernement hat seinen Kadi oder Oberrichter, und diese Kadi's haben wieder ihre Abgeordnete, Schaheds, in allen Bezirken, die gleichsam die Stelle von Advokaten vertreten, und deren Aussprüche, als die der Gesetzkundigen, bei allen Gerichtssitzungen gelten. Dieses ganze Gebäude von Justiz- und Kameral -Beamten untersteht eigeneu Minister- konseils, deren zu meiner Zeit (1835 — IS:?9) folgende waren, als: Konseil des Kriegs, Konseil der Marine, das des Handels, das der Landeskultur und des Öffentlichen Unter- liclits, das des Sanitätsvvesens , das des Inuein oder der Staatsrath, in dessen Bereich die ganze Justiz und Kameral- Vervvaltung des Landes fällt. Alle Verhandlungen , das Äussere betreffend, waren entweder ausschliesslich vom Vizeköuig sich vorbehalten , wobei er häufig Konsule der auswärtigen Mächte, die gerade sein Vertrauen genossen, zu Rathe zog, theils waren sie dem Minister des Handels, dem gewandten BoGHos-JussuFF-Bey, zugewiesen. So war das ganze Gebäude auf dem Papiere wirklich schön anzu- sehen, einfach, umfassend, den Bedüifnissen des Larjdes und des Volkes ganz angemessen. Aber auch hier fand wieder das orientalische Stammübel statt, das überall be- bemerkt wird, wo man kultivirt, ohne selbst kultivirt zu seyn : es w urde nämlich die Form für das Wesen genommen. Im Bereich der Justiz ist der Koran die Grundlage, auf 3-20 welche sich die ganze Rechtsveiw.iUung stiVzt; er allein existiit als eigentliches Gesetzbuch in den Händen der Mohauiinedaner; denn die Übersetzungen der europäischen (iesetzhiicher, des Code Napoleon etc., waren die Flüchte von Illusionen und traten nie ins Praktische des bürgerlichen Lebens ein; es war die Geschichte des Bauern, der sich ein Gesetzbuch kauft und nun ausruft: jezt brauche ich keinen Juristen mehr! Nie kamen diese Gesetze in Anwendung, wer hätte sie anwenden sollen ? Der Türke denkt nur tür- kisch ; um aber ein europäisches Gesetz anzuwenden und mit Erfolg anzuwenden, muss man europäisch denken. Der Koran samnit den vier übrigen religiösen Büchern des Islam ist ein buntes Gemenge christlicher und jüdischer Dogmen mit den eigejien Ansichten des Propheten in dem Kleide des Mysticismus, voll Phantasie, voll Fanatismus; ihm mangelt die positive Klarheit und Bestimmtheit, die dem Gesetze zu Grunde liegen müssen, die gänzliche Aus- schliessung einer jeden andern Deutung als der gegebenen. Er könnte das Material zu einem Gesetzbuche werden, aber selbst ist er es nicht. Daher kommt es, dass jeder theils das Gesetz auslegt, wie es gerade die Zeit und die Bedürf- nisse erfordern , theils gar keinen Anhaltspunkt hat und sich rein auf die eigene Ansicht des Gegenstandes verlässt. Das Gesetz der Mohammedaner ist aus einer Zeit, als der wilde Araber glühend von Hass gegen Andersmeinende, begeistert von einer südlichen Phantasie, seine siegreichen Waffen weithin ausdehnte ; unverändert stüzt er sich jezt noch in einem Zeitalter darauf, wo sein Glanz längst ver- schwunden ist und er dem kalt berechnenden Europäer gegenüber steht, der ilin nicht mehr fürchtet. — Die Geschäfts- männer des Orientes werden in den Divans ihrer Befehls- haber gebildet. Schweigend steht der Sklave vor seinem Herrn, hört und sieht, wie er Gerechtigkeit übt und spricht, was er hört und sieht wird Norm für sein Leben, er hat keinen andern Anhaltspunkt als ein Buch, das er nicht versteht, das zum Theil der selbst vielleicht nicht verstand , welcher es schrieb. Er wird frei , aus dem Sklaven wird ein Ma- meluke, später ei« Offizier. Nun übt er selbst Gerechtigkeit, $21 so wie sein Herr einst getlian hat, ebenso dumm oder eben so gesclieidt in bekannten Fällen , willkürlich in unbekannten. Das sind, mit Ausnahmen , dio sogenannten praktischen Geschäftsleute des Orientes. Noch schlechter steht es mit vielen tlieoretischen. Aufgewachsen zum Knaben unter der Herrschaft des Frauenrockes in der Stille des Harems, den Kopf voll Eigendünkel und Fanatis- mus, gewohnt an Ränke aller Art, tritt er in die Welt. Er besucht eine Schule und lernt viel, was er ohne Vor- bereitungsstudium nicht lernen soll. Mit verschrobenen Ansichten wird er nach Europa gesandt. Das Leben behagt ihm, er legt den Türken bei Seite und macht sich alle Laster des Europäers eigen , nur dessen Tugenden nicht. An fremde Sitten und fremde Normen gewöhnt, ist er seinem Volke fremd geworden und bleibt ihm fremd, wenn er nicht zu seinem alten Schlendrian zurückkehrt, was meist geschieht. Daher sehen wir im ganzen Justiz- verfahren nirgends Einheit , nirgends Übereinstimmung; daher sehen wir überall Willkür , Abhängigkeit vom Ein- druck des Momentes, vorwaltendes Bestreben, seinen eigenen V ortheil zu Rathe zu ziehen und sich zu bereichern , was überall der Fall ist, wo der Mensch keine Garantie für die Dauer seiner Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft hat. Dort, wo der rein theoretische Europäer organisirte, steht es meist nicht viel besser. Der Ankömmling kennt die Sitte, die Sprache, die Bedürfnisse des Landes nicht, er überhäuft den Natursohn mit einem Chaos von Formen, er fängt dort an, wo man aufliören sollte, und erstickt den Neuling mit Doktrinen , ihn , der nur durch die Energie und Kraft der That zu fesseln ist. Daher das Blissverhältniss zwischen Wesen und Form in den euro- päisch organisirten Zweigen der egyptischen Verwaltung, z. ß. im Sanitätswesen, namentlich dort, wo die Ausübung nicht in den Händen verständiger, europäischer Ärzte ist. Wozu sind z. B. in den entferntem Provinzen , wo jene zum Theil durch Pfuscher , durch Abenteurer von allen Farben ersezt werden , all die Ordiuations - Vorschriften, KussEGGcn, Reisen. I. Bd. * 21 322 pliarmazeufischen und Rechnungsformularien in den Feld- apotheken , in denen selten , mitunter aucli nie , Medi- kamente sich fanden ? wozu die auf Menschlichkeit und Civih'sation sich stützenden Vorschriften für die Spitäler, wenn man in denselben , mitten im Frieden , die armen Kranken elend , auf blosser Erde liegend , zu Grunde gehen lässt ? — Selbst gesehen ! — Mehemed-äli konnte sich mit seinen weit aussehenden Eroberungs- und ünab- hängigkeits- Ideen nie einem ruhig denkenden, piaktischen Geiste ganz in die Arme werfen; denn hätte dieser wirken sollen, so hätte er jene aufgeben müssen. Es waren daher häufig Träumer, die ihm am meisten zusagten, man umfing ihn mit einem Schleier von Illusionen und in diesen ging der ausserordentliche Mann unter, weil er den Zeitpunkt ver- kannte , für den jene Träume gepasst haben könnten und der — noch nicht gekommen war. Noch tianriger , als mit der Justiz , steht es mit der Finanzverwaltung des Landes, die hinsichtlich ihrer Wir- kung auf die Bevölkerung wohl eher den Namen eines Auspressungssystems verdiente *. Die Einkünfte des Landes, oder vielmehr des Vizekönigs, fliessen aus dem Grundbesitz, aus den Handelsmonopolien , aus den ordentlichen Steuern, die sich in direkte und indirekte theilen, und aus den ausser- ordentlichen Auflagen. Der Vizekönig ist der ausschliess- liche Grundbesitzer des Landes, Egypten ist sein, nicht in der Idee eines europäischen Regenten , sondern mehr in der eines Gutsbesitzers, der im Gebrauche seines Eigenthums keiner Einschränkung unterworfen ist, welchen Namen sie immer habe. Die Idee Landesherr und Volk nach unsern civilisirten '•' Da Egypten und nanienflich Untercg3'pten nur einen kleinen Theil der ganzen Ländei niasse bildet, über die Mehkmed-Ali's Herrschaft sich erstreckt, so können wir viele, mit Zahlen belegte, Wirkungen der Verwaltungsweise erst kennen lernen, wenn %vir ein klares Bild der ganzen Masse in ihrem jetzigen Zustande aufgcfasst haben werden, daher ich auch Obiges nur als eine vorläufige Skizze des Systems ia Bezug acif üntcregypten zu betrachten bitte. 323 Beo;riffen findet daher liier durchaus nicht statt. Wir sehen in Egypten nur den Herrn des grossen Gutes und dessen Dienstiente, oder nach dortigen Be«>iiffen den Herrn und seine Sklaven. Durch die Abhängif>keit von der Pforte, die aber eigentlich nur auf dem Papiere bestand und sich höchstens in der Entrichtung- eines Tributs aussprach, zu welcher der Vizekönig meist im Wege der Drohung angehalten werden musste , wurde er eigentlich nach unsern Kechtsbegiiffen in die Stellung eines Pächters ver- sezt, aus der er sich jedoch in die des unabhängigen Herrn zu versetzen stets bemiiht war, als welchen er sich auch ansah. Wie sich diese Verhältnisse nun durch Zurückführung in die anfängliche Stellung durch die Waffengewalt der Alliirten gestalten werden, mnss die Zukunft lehren, ich spreche von der Periode meiner Anwesenheit in Egypten. Die Aufhebung des sämmtlichen Griindeigenthums der ünterthanen im Jahr ISÜS und die Einziehung des Grund- eigenthums der Äloscheen und frommen Stiftungen in den Jahren 1810 bis 1812 sind zwei Gewaltthaten, die einerseits, wenn wir das Gewagte, besonders der lezten Unternehmung, einem fanatischen Volke gegenüber nehmen, einen Mnth von Seite des Vizekönigs voraussetzen, der Bewunderung erregen muss, andrerseits hingegen sich durchaus nicht billigen lassen, wenn wir nur als Europäer denken; betrachten wir aber Egypten und sein Volk wie es war und wie es ist, so scheint mir dieser Schritt des Vizekönigs bei weitem nicht so tadelnswerth, und ich glaube Manches zu sehen, was zur Entschuldigung der Sache, aber nichts, was zu der der Form, wie dieselbe behandelt wurde, dienen könnte. Vor Allem stellen wir das Prinzip auf: der Vizekönig wollte sein Land kultiviren, gleichviel, aus welchem Grunde, er wollte es kultiviren. Er wollte die Kultur der Baumwolle, der Seide, des Olivenbaums, des Indigo etc. einführen, gleichviel für unsern Fall, „warum?« er wollte es so. Das Land war sehr herabgekommen, der Fellah ist indolent, faul im höchsten Grad, es war unmöglich, die Idee zu re- alisiren, so lange dieser Herr und Grundbesitzer seines Bodens 21* 324 blieb. Anstatt einer zweckmässigen Vertheilung des Landes, anstatt der Aufstellung eigener Kulturgesetze und der schar- fen Überwachung der Befolgung derselben, wählte der Vize- könig den kürzesten Weg, ganz nach türkischem Ideengange, und erklärte sich zum ausschliesslichen Besitzer des Bodens. Die Güter der Moscheen wurden auf eine schändliche Weise verwaltet. Die Einkünfte waren durch Betrügereien und Diebstähle auf alle mögliche Art geschmälert. Der Vize- könig brauchte Kulturland, um die Einkünfte des Landes aufs Höchste zu potenziren, da fasste er die Idee, sich die Vortheile, welche andere daraus ziehen, selbst zukommen zn lassen, und wohl wissend, dass durch diese Stiftungen die eingehenden Summen nicht ins Leben treten, nicht in Vej'kehr kommen , streckte er kühn seine Hand auch nach diesen Gütern aus und zog sie ein. Auf diese Weise ver- wirklichte er seine Idee in einer Art, wie es vor ihm in jenem Lande schon öfter, z. B. unter den Pharaonen zu Moses Zeiten, geschehen war, und sein Schritt ist daher geschichtlich keineswegs neu. So machte sich also Mehemed-Ali zum alleinigen Be- sitzer des Grund und Bodens in ganz Egypten und den Fellah zu seinem Taglöhner. Vor dieser Zeit war der Fellah im freien Besitze seines Landes zwar nicht rechtlich geschüzt, er war aber doch theils Pächter, theils wirklicher Besitzer und die Kultur seiner Grundstücke war ganz seiner Wahl überlassen. An Abgaben war es vorzüglich die Grundsteuer, die er von den der Überschwemmung ausgesezten Grund- stücken, die künstlich bewässerten ausgenommen, zu ent- richten hatte. Von übrigen Auflagen war er nominell frei, unterlag aber allen willkürlichen Erpressungen und Ge- waltthätigkeiten der Mameluken. Leztere hörten nun aller- dings mehr auf, als Mehemed-Ali an die Spitze trat. Der Fellah wurde nun nicht mehr blos nach den Launen eines Mameluken-Bey'Sj sondern regelmässig und systematisch aus- geplündert, so dass er im Ganzen doch nicht bei diesem Tausche gewonnen haben dürfte. Anfänglich liess man dem Fellah einen Theil der ihm zugewiesenen Äcker frei, um 325 dieselben mit Cerealien zu bebauen, deren Vervverthung; und eigenen Verbranch man seiner Disposition überliess. Es wurde nämlich die Zuweisung" des Ackerlandes so eingetheilt, dass f desselben mit den für die Regierung bestimmten Kulturpfianzungen, als Baumwolle, Zucker, Indigo, Hanf, Flachs, Safflor etc. besezt werden mussten, während ^ dem Fellah blieb, das er mit Getraide, Bohnen, Gemiisse u. dgl. bebauen konnte. Späterhin wurde die Area dieser sogenannten Freiäcker schmäler, man belegte endlich die Erzeugnisse derselben mit Steuern, besonders wurde die Grundsteuer darauf radicirt, die der Fellah merkwiirdiger- weise entrichten musste, ohne Grund zu besitzen. Bei Systemisirung der Bearbeitung der dem Vizekönig nun zu- gefallenen Grundstücke ging man von dem Grundsatze aus, dass der Fellah mit dem Betrage eines Piasters, d. i. 6 kr. Konv.- Münze, mit seiner Familie des Tages leben könne, wornach sich beiläufig der Betrag des Lohns belief, den man ihm als Taglöhner für die Bearbeitung des Bodens per Tag berechnete. Ausserdem wurde ihm für jenen Theil der Bodenproduktion, welchen die Regierung ausschliesslich in Anspruch nahm, eine gewisse Vergütungssumme berechnet, so betrug diese für die gereinigte Baumwolle z. B. in den Jahren 1S27 bis IS.'JO in loco des Magazins, wohin der Fellah sie bringen musste, per Centner von 11 bis 15 fl. Konv. -Münze. Ähnliche Beträge wurden den Fellahs auch für die übrigen der Regierung gehörenden Erzeugnisse be- rechnet, sie änderten sich jedoch nach Zeit und Umständen. Die zur Bestellung der Äcker nöthigen Thiere und Werk- zeuge erhielt der Fellah gegen Verrechnung von der Re- gierung. Von diesen dem Fellah zugeschriebenen Beträgen wurden die indirekten Steuern abgeschrieben, und er erhielt für den Rest einen Schein auf den zu vergütenden Geld- betrag. Die auf den Theilen des Ackerlandes, welches dem Fellah zu seiner Disposition blieb, erzeugten Cerealien stehen demselben zwar zum Verkaufe frei, auf ihrem Betrage jedoch lastet die Grundsteuer, und beim Verkaufe des Restes hat sich der Fellah allen den indirekten, mitunter enormen 320 Auflag^en zu unterziehen, deren Betrag sich auf (50 bis 80§ des Werthes vom Ganzen beläuft. Betrachten wir dieses System, so sehen wir sogleich, dass es eine veränderliche Funktion des Betrages der Steuern und Auflagen ist, die, wenn sie be- trächtlich höher werden, woran sie nichts hindert, als der Wille des Vizekönigs, den Erlös des Fellah nicht nur auf Null herabsetzen, sondern ihn sogar negativ machen, d. h. den Fellah in Schulden stürzen können, was auch häufig geschieht. Ein solches System könnte nur bei der väter- lichsten Fürsorge, in der Idee einer Vormundschaft und bei der weisesten Einschränkung der Verwaltungsauslagen sich mit dem Wohle der den Boden bearbeitenden Taglöhner- klasse vereinen lassen. Beides aber wird man doch nicht in den Institutionen der egyptischen Regierung suchen wollen? Nehmen wir ferner auch an, dass nach Abzug aller direkten und indirekten Steuern und der ausserordentlichen Auflagen beim Verkauf der Produktion etc. sich fiir den Fellah eine Vergütungssumme beziffert, die seine Existenz sicher stellen möchte, von Wohlstand will ich gar nicht sprechen, so existirt eine solche Gutschreibung doch rein nur auf dem Papier; denn hier haben wir es mit der Verwaltung eines Landes zu thun , die durch das ungeheure Missverhältniss ihrer Einnahme zu ihren Auslagen so herabgekommen ist, dass sie den Sold der Truppen, ihre einzige und ausschliess- liclie Stütze, bis zu zwei Jahren in Ausstand lassen musste, dass sie die Besoldungen ihrer Beamten, auf deren Ehrlich- keit und Ergebenheit sie ihre pecuniäre Existenz wenigstens zum Theil grimden sollte, ebenso lange rückständig blieb, und wir können uns df^her leicht vorstellen, dass eine solche Verwaltung sich nicht sehr beeilen wird, die pecuniären Anforderungen der Fellahs zu befriedigen, einer armen Volksklasse, die sie bei ihrer militärischen Stellung und Macht nicht fürchtet, nicht berücksichtigt, die sie als Sciaven betrachtet. Selbst für den Fall aber, wenn es dem Fellah denn doch gelingen sollte, eine seiner Anweisungen zu realisiren und den auf jeden Fall kleinen Betrag zu erheben, so sind eine Menge von Bediensteten, die mit ihm theilen. Von den höchsten Beamten bis zu den niedersten herab sind, 327 mit wenigen Ausnahmen, im Oriente alle der ßestecluing melir oder weniger zugänglich, sehen sie sogar ganz ungeuirt und offen als eine ihrer Einnahmequellen an. Nasir und alle die vielen kleinen Blutegel, wie sie da heissen mögen bis zum Kabass, Tschausch und gemeinen Soldaten herab, wollen beschenkt seyn. Der Fellah mnss geben , will er nicht eine Zukunft voller Prügel vor sich haben. Was bleibt ihm nun, frage ich, was hat er seinen nackten, hungernden Kindern nach Hause zu bringen? Man muss länger in jenem Lande gelebt, muss das Volk kennen gelernt haben, seine Sprache reden und sich in seinen Verhältnissen um- sehen , um das Prahlende und Lächerliche solcher Äusse- rungen würdigen zu können, wie einst MoKOAR-Bey mir eine machte, indem er sagte: „der egyptische Bauer lebt glücklicher als der französische (einen andern kannte er nicht), Alles, was er einliefert, wird ihm vergütet etc." Ein solcher Galimatias kann doch nicht als Beleg für die Glück- seligkeit eines Landes oder Volkes dienen ! Die pekuniäre Wirkung der Einziehung des Grund- eigenthums durch den Vizekönig war in Egypten ausser- ordentlich; sie verdoppelte sogleich, in Verbindung mit den übrigen Finanz - Operationen , die Einnahmequellen , deren Betrag aber doch mit den Kosten in keinem Verhältnisse stand, welche die Idee der Erlangung der politischen Selbst- ständigkeit über das unglückliche Land brachte. Durch den Besitz des Grund und Bodens hat sich der Vizekönig der Erzeugung der hauptsächlichsten Landesprodukte be- mächtigt, durch das Hände Is-Monop 0 l sichert er sich den grossen Gewinn, der aus der Verwerthung dieser Produkte entspringt. Das Monopol dehnt sich zwar nicht auf alle Gegenstände der Bodenkultur aus, umfasst aber doch alle die, welche einige Bedeutung haben, als: Baumwolle, Reis, Gummi, Indigo, Zucker, Hanf, Flachs, Safflor, Opium etc., so dass die Reihe der dem Monopole nicht unter- stehenden Artikel ausser den Cerealien und einigen Hülsen- früchten von keiner Bedeutung ist. Durch das Monopol- system wurde der Handel Egyptens nicht gehoben, sondern dar- nieder gedrückt. Wenn auch Aus- und Einfuhr sich beträchtlich 328 vermehrten, so gino- dadurch dem Lande gar kein Vortheil zu; denn alle Ansfnhr-Artikel von Bedeutung nahmen ihren Weg durch die Hände des Vizekönigs, dem, sowie einige« der von ihm begünstigten Handelshäuser, denen er z. ß. die Baumwolle fiir einen gewissen Preis überliess, der ganze un- geheure Gewinn zufiel, wodurch diese Handelshäuser sich auch in kurzer Zeit zu einem mehr als gewöhnlichen Reichthura aufschwangen. Hätte dieser Handel selbst als Monopol des Vizekönigs allgemeiner sich in der Klasse des Handels- staiides verbreitet, hätte der Vizekönig z. B. bei der Ver- abgabung der Baumwolle in den weitern Verkehr, statt nur einzelne wenige Häuser damit zu bedenken, den Weg der Pluslizitation eingeschlagen , so hätte nicht nur er selbst vielleicht einen höhern Gewinn errungen, sondern der hohe Betrag, der für die endliche Ausfuhr der Baumwolle in die europäischen Häfen in Egypten einging, hätte sich mehr unter der europäischen Bevölkerung vertheilt und folglich mehr auf das allgemeine Wohl der ganzen Bevölkerung zurückgewirkt. Die Einfuhr ging rein durch die Hände der europäischen Häuser, und ihnen allein, nicht der Bevölkerung^ im Allgemeinen, die ihrer Armuth wegen auch daran nicht Theil nehmen konnte, floss der Gewinn zu, der aber durch den Vizekönig wieder dadurch herabgesezt wurde, dass er die einheimischen Kaufleute zwang, die theuern und schlechten Fabrikate seiner eigenen Fabriken und Manufakturen in Handel zu bringen. Hohe Zölle vertheuerten die europäischen Handelsartikel , die Krämer in den Provinzen waren die gezwungenen Abnehmer der inländischen Fabrikate, jede Verarbeitung der Landesprodukte, z. B. der Baumwolle, war den Einwohnern untersagt, und so kam es, dass der Fellah das Hemd, welches die von ihm gepflanzte und eingelieferte Baumwolle werden Hess, nicht selbst erzeugen durfte, sondern eigentlich dem Vizekönig abkaufen musste; kurz das ganze System wirkte drückend auf das Volk zurück und schuf für dasselbe eine Reihe der unglückseligsten Kombinationen. Unter leztere gehören unstreitig die Geldspekulationen des Vizekönigs hinsichtlich des von ihm eingeführten Münz- fnsses, indem er zweimal eine ihrem effektiven Werth 329 nach zn niedrig stehende Münze in Uinlanf sezte. Als Anhaltspunkt wurde der allgemein im Oriente im Knrs stehende spanische Thaler ( Säiilenthaler , il colonnado) zu Grnnde gelegt. Im Anfang seiner Regiernn;> gab der Vizekönig Silber -Miinzen aus, die den Piaster znr Einheit hatten. Sie kamen mit Riicksicht auf den spanischen Thaler = 1 : 4 in Kurs, vier derselben waren nämlich einem spanischen Thaler gleichgesezt. Der wirkliche VVerth war aber 1 : 15, den sie endlich in den Jahren 1824 und 1825 im Knrse erhielten. Wucher sezte sie noch weiter herab. Im Jahr 1820 kamen diese Piaster ausser Kurs, und es wurden neue Silber-Münzen ausgegeben mit Rücksicht auf den span. Thaler = 1 : 15 , ihr wahrer Werth aber war 1:21. Bei meiner Anwesenheit in Egypten war ihr Nenn- werth wieder gleich dem wirklichen. Zugleich waren damals einige kleine Goldmünzen im Uralauf, die ebenfalls um einige dreissig Prozente zu gering ausgeprägt waren. Diese Geld-Manipulationen waren für die Bevölkerung, besonders für die von der Regierung bezahlte Klasse, ein entsetzlicher Schlag, denn alle ins Land kommenden europäisclien Waaren niussten mit wirklichen Thalern bezahlt werden , wodurch sich hinsichtlich der in Piastern ausgezahlten Beträge von Seite der Regierung ein grosser Verlust ergab *. Die Steuern, welche der Bevölkerung auferlegt sind, zerfallen in ordentliche und ausserordentliche; erstere wieder in direkte und indirekte. Von direkten Steuern haftet auf jenem Theil des Kulturbodens, der den Fellahs zu ihrer Disposition überlassen bleibt, also respektive auf der Produktion der Cerealien und Hülsenfrüchte etc. , die Entrichtung des Grundzinses für den dem Fellah im Ganzen zur Kultivirung iibergebenen Grund und Boden. Derselbe beträgt auf den Feddan im Durchschnitt 10 Franken '•* oder beiläutig 4 fl. Konv. -Münze, der ganze Betrag dieser Grund- * Ich verweise hinsichtlich dieser nnd ähnlicher Verhältnisse auf die vortreffliche Abhandlung des Hrn. Dr. Rüppel in seiner Reise nach Abyssinien, I, Bd. Eiüleitiing, in wciclicr derselbe mit vieler Wahrheit dieser Umstände im Detail gedenkt. ** 1 Feddau = 40j833, ares = 4083,33 . . . DMeter. 830 steiler dürfte sich für Egypten auf 28 bis 30 Millionen Franken belaufen. Als die zweite direkte Steuer, welclie auf dem dem Fellah gebührenden Ablösungsbetrage für die eingelieferten Quantitäten von Baumwolle, Indigo'^ Zuckerrohr, Hanf, Flachs etc. lastet, welche davon abgerechnet wird, und welcher auch die andern ünterthauen unterworfen sind, haben wir in Egypten die Personen- oder Kopf-Steuer. Sie ist eine zwei- fache: der Firdet el rnss wird von Muselmännern und Rajas entrichtet und zwar ohne Unterschied der Religion von 15 bis 500 Piaster oder von 1 fl. :J0 kr. bis 50 fl. Konv.-Münz., in grossen Städten nach den Individuen, in den Dörfern und kleinen Städten nach den Häusern. Diese Steuer be- trägt in Egypten zwischen 8 und 9 Millionen Franken. Die zweite Art ist der Karatsch; diesen zahlen die Rajas noch insbesondere und zwar mit 8 bis 10 Piaster oder 48 kr, bis 1 fl. Kon v.-M Unze per Kopf, eine Summe für Egypten von nahe an 100,000 Franken ausweisend. Ausser diesen beiden direkten Steuern sind mit Ab- gaben belegt und zahlen indirekte Steuern: Verkauf des Schlachtviehes, dessen Häute überdiess an die Regierung abgeliefert werden müssen, 20 bis 70 Piaster oder 2 bis 7 fl. Konv.-31ünze per Stück. Kamele und Schafe per Stück 4 Piaster, die Barken, die auf dem INile gehen, 200 Piaster oder 20 fl. K.-M. per Jahr, die Dattelbäume 1 bis 2 Piaster per Stück jährlich. Leztere Abgabe, so klein sie scheinbar ist, wirkt so drückend und entmuthigend auf den Landmann zurück, dass ich mehimals die herrlichsten Palmen umhauen sah, blos um dieser Steuer zu entgehen. Ausserdem geliören zu den indirekten Steuern die Zölle, welche an Spekulanten verpachtet sind. Solche sind nicht nur von den Waaren, welche der Ein- und Ausfuhr unter- zogen werden, in verschiedenem Masse zu entrichten, sondern auch von den Waaren, welche Gegenstand des Binnen- handels sind, und von allen Viktualien, welche die Fellahs zu Markte biingen. — Die europäischen Waaren zahlten an Einfuhr 3^, die türkischen 5^; beide, wenn sie nach Kairo kamen, neuerdings 4 g. Die Karavanen-Artikel, wenn 331 sie nach Kairo kamen, 9^. Bei der Ausfuhr zalilcn die Artikel 3 — 5 y. Der Binnenhandel ist vorliältnissmrissi«^ noch mehr heiastet ; denn von Kairo nach Ohercg^ypten zahlt jede Kameiladun^' 25 Piaster oder 2 fl. ;J0 kr. Kon.-IMi'inze und umgekehrt 10^. Auf dem weitem Wege nach Nnhien zahlen diese Artikel wieder neue Zölle. So sind auch die Artikel, welche aus dem Innern Afrika's kommen, eigenen Zöllen unterworfen. Dieser einst so bedeutende Karavanen- Handel mit Darfnr, Kordofan und Sennaar hat jezt, seit der Zeit als die Verwaltung die Sklaven, Gold, Elfenbein, Gummi , Straussfedern etc. für gute Prise erklärt hat, beinahe ganz aufgehört, und nur nach sehr langer Zeit kam vor ein paar Jahren einmal wieder eine Darfur-Karavane in Siut an. Die Viktualien, welche die Fellahs zu Markte bringen, sind enormen Auflagen unterworfen, die beinahe, wie schon gesagt, 60 bis SO ^ betragen 5 so zahlten noch, als ich nach Egypten kam, 1 Ardep* Waizen 2 fi. 24 kr. Konv.-Münze, 1 Artep Bohnen 1 fl. 44 kr. in loco Kairo , während ihr Mittelpreis circa 4 fl. und 2 fl. S kr. Konv.-Miinze betrug. Zu den ausserordentlichen Besteurungen und Lasten gehören die IVatiirallieferungen, welche nach Umständen den Fellahs auferlegt Averden und von denen einige sogar konstant sind, wie Dattelbast-Stricke, Körbe, Matten, Brenn- material, Fourage aller Art für die Viehtransporte aus dem Innern, von denen und ihren schrecklichen Folgen ich in meiner Schilderung von Nubien Gelegenheit haben werde zu sprechen, und vor Allem die die Kultur des Bodens ins Innerste störenden Frohndienste. Lezteie werden gar nicht bezahlt, für erstere wird eine Vergütung gutgeschrieben, die unter dem Produktions- Werthe steht. Bei der Beurtheilung der Wirkung dieser Abgaben- masse auf die Bevölkerung müssen wir nicht vergessen, dass wir es hier nicht mit Bauern zu thun haben, die freies Eigenthum besitzen und frei über die Verwerthung ihrer ßodeiierzeugnisse disponiren können, sondern dass es der ägyptische Fellah ist, der vor uns steht, der den Werth '•' 1 Aitlcp = 184 Litics, = 130,088 österr. Mass. 332 seiner Arbeit nicht erhöhen kann, sondern den Betrag da- für 7A\ nehmen hat, den die Verwaltung- bestimmt, und dass der Rest, wenn von diesem Ablösiingsbetrage alle Abgaben »ind Erpressungen abgezogen sind, dass dieser Rest es ist, der iiin, sein Weib und seine Kinder ernähren soll, und i( h glaube nicht zu Vibertreiben , wenn ich sage : der egyp- tische Landmann und der nubische Fellah sind wohl unter die ärmsten, erbarmenswürdigsten Menschen der Erde zu zählen. Nehmen wir ferner , dass der ogyptische Fellah gerade von der Regierung gezwungen ist , jene Kultur- pflanzen am meisten anzubauen, die fortwährende Bewäs- serung, ununterbrochene Arbeit fordern, so können wir das Störende einsehen , welches die häufigen und schonungs- los geforderten Frohndienste herbeifiihren , zu denen natiir- lich die Leiste im buchstäblichen Sinne des Wortes zu- sammengeprügelt werden, und die mit Barbareien verknüpft sind, von denen man sich keine Vorstellung machen kann. Willkürliches Wegnehmen der Kamele, Pferde, Schiffe etc., selbst von solchen Individuen , die gerade auf einer Reise begriffen sind , die also mir nichts dir nichts unterbrochen wird. Zusammentreiben alter Männer, schwangerer Weiber, zarter Kinder zum Schiffziehen : das sind Unbilden, die ich fast täglich sich ereignen sah, die aber stets nur den Armen, den Fellah treffen. Dazu kam noch in den lezten Jahren das Schrecklichste der Schrecken: Cholera, Pest und eine sehr häufig alle menschlichen Rücksichten bei Seite setzende Rekrutirung, durch die der Vater aus der Mitte seiner schreienden Kinder, der Gatte aus den Armen seines weinenden Weibes, der Sohn vom Herzen der Mutter weggeprügelt wurden, und man wird sich nicht wundern, auf menschen- leere Dörfer zu stossen und zu sehen, dass die Einwohner das fluchtbare Land verlassen und im glühenden Sande der Wüste Schutz und Ruhe suchen. Als eine denkwürdige Raffinerie des Despotismus er- scheint die Verfiigung des Vizekönigs, dass bei den einzelnen Dörfern alle Bewohner des Dorfes zusammen für die Schuld eines jeden einzelnen verantwortlich sind , so dass der eine oder andere, der das seltene Glück hätte, sich durch das 333 Labyrinth der Abgaben durchzuwinden und soviel zu er- übrigen, dass er seinen und der Seinigen Unterhalt bestreiten könnte, durch einen Andern, mit dem er in gar keiner weitem Berührung steht, in Schulden gestürzt wird. Da es bei den ungemein verzögerten Abzahlungen der den Fellahs ge- bührenden Reste von Seite der Verwaltung gar nicht möglich ist, dass dieselben ihren Bedarf an Brod und der notli- wendigsten Bedeckung ihres Körpers fortdauernd bestreiten können, so sind Rückstände derselben ganz unvermeidlich, lind der Fall ereignet sich gemäss oben ausgesprochener Verfügung häufig, dass ganze Dörfer verschulden und ihre Abgaben nicht mehr zahlen können. Wenn auch der Fellah für sich niemals seine ihm angewiesene Stelle verlassen darf, um eine andere zu wählen, wo er sich ein besseres Aus- kommen veisprechen könnte, so nimmt doch die Regierung keinen Anstand , in obigen Fällen den Weg der Exekution schonungslos eintreten zu lassen, und die Verwaltung spielt also hier die Rolle des dunklen , Unheil schweren Fatums, dem der Fellah nicht entgehen kann. Kabasse und derlei Diener der Gerechtigkeit werden in das arme Dorf geschickt, wo sie denn Vieh , Geräthschaften , Fourage, Lebensmittel, wenn welche da sind, kurz alles, alles wegnehmen, was sie finden, und zulezt die Fellahs mit ihren Weibern und Kindern nackt, hi'ilflos hinaus in die Wüste stossen. Das sind nicht leere Worte, sind nicht blose Phrasen, das sind Thatsachen, die mir Keiner abläugnen kann, und ich weiss recht gut die Stelle, wo ein Konsul einer der ersten Mächte, der den Pascha nach Oberegypteu begleitete, eine solche herz- ergreifende Scene durch seine energischen Vorstellungen unterbrach. Nicht der Vizekönig treibt die Fellahs mit eigener Hand aus, nicht er prügelt sie, nicht er plündert sie selbst, aber es geschieht im Bereiche seiner Herrschaft, es geschieht mitunter vor seinen Augen, und er ist das Oberhaupt des Landes. In wie ferne er als Solches für derlei Handlungen verantwortlich seyn kann, überlasse ich Jedem selbst zur Beurtheilung. Man kann , ausschliesslich den Etat von Egypten betrachtend, die Revenuen dieses Landes auf beiläufig 63 Millionen Franken anschlagen. Im .134 Gegenhalt mit den Auslagen von circa 50 Millionen zeigt sich daher ein Überschuss von 1.3 Millionen. Abgesehen davon , dass diese Zusammenstellung sich nur auf die gün- stigste Kombination der Umstände basirt, müssen wir be- denken, dass obige Bilance sich auch nur auf Egypten, in soweit es möglich ist, die Beträge für dasselbe allein zu stellen, bezieht, und dass das Ganze eine andere Gestalt gewinnt, wenn wir, um den Finanz-Zustand der ganzen Masse zu beurtheilen, auch die übrigen Länder mit in Betracht ziehen. Ein grosser Theil der gesammten Un- kosten ist zwar in obiger Ausgabe-Summe von 50 Millionen mit einbegriffen, welche eigentlich, nm der Wahrheit näher zu kommen, repartirt werden sollten, wenn es sich um Egypten ganz allein handelt. Keines der übrigen den Befehlen des Vizeköiiigs unterstehenden Länder weist in finanzieller Bedeutung ein so günstiges Resultat aus; Kandia kostete der Verwaltnng jährlich 10,000 bis 12,000 span. Thaler* in Folge der unverhältnissmässig hohen Bezahlung der obersten Beamten nnd Offiziere und in Folge der wirk- lich sehr moderaten und schonenden Behandlung dieser Insel von Seite des Vizekönigs. Karamanien erfreute sich, ich möchte fast vermuthen der kriegerischen Stellung sei- ner Bergbewohner wegen , eben solcher Rücksichten und trug dem Vizeköuig, ausser Schiffsbauholz, um so weniger, da gerade damals sehr bedeutende Festungsbaue diesem Lande zur Last fielen. Syrien gehört, ausgenommen die Ebenen des Orontes, die Ebene von Esdralon nnd Kanaan, das Thal von Baalbek , einige Punkte im Antilibanon nnd die Küstenebene von Beyrut bis Gasa , keineswegs zu den fruchtbaren Ländern. Die Kultur jener Ebenen steht sehr weit zurück, und um so weniger kann der Ertrag dieses Landes ein sehr bedeutender seyn , da die Stimmung der Einwohner stets die Aufrechtcrhaltung einer bedeutenden Armee erforderte. Arabien kostete den Vizekönig jährlich eine bedeutende 31enge Menschen und grosse Summen Geldes, und von den beiden Vortheilen , die er aus diesem Besitze zog , war der eine , der Besitz von Mekka und * Im Jahr 1830. 335 Mcdina, rein illusorisch, der andere, das Kaffe-Monopol von Jemen, oder eigentlich von Mokka, war hinsichtlich des Ertrags nicht von gar hoher Bedeutung. Nubien ist theils von Natur eine Wüste, theils wurde es dazu gemacht und trug nichts. Sennaar und Kordofan, an und für sich sehr fruchtbare Länder, sind schlecht ku'.tivirt und haben sich noch nicht von den Gräueln der Feldzüge iBRAuiM-Pascha's, IsMAEL-Pascha's und MouAMED-Bey's el Defterdar erhellt, sie liefern der Verwaltung Sklaven, womit sie grössten- theils ihre Truppen zahlt, Gummi und einige weniger be- deutende Artikel; dafür erfordert der Besitz dieser Länder ein grosses Beamten-Personal und eine nicht unbedeutende Armee, kurz der Ertrag kann auch hier nicht so beträcht- lich seyn, dass sich nicht im Ganzen mit Ausnahme Egyp- tens , ein bedeutendes Defizit ausweisen sollte, welches obiger Überschuss von 13 Millionen Franken nicht zu be- heben vermag. Auf jeden Fall ist daher Egypten und namentlich das kleine ünteregypten das Land, welches die Lasten des ganzen Kolosses zu tragen hat , unter denen die Erhaltung einer Armee von mehr als 250,000 Manu (die Regimenter vollzählig gerechnet und mit Einbegriff der Flotte, aller irregulären Truppen, National -Garden, Fabrikarbeiter und Militärschulen) doch gewiss obenan steht. Kein Wunder daher, wenn das Land auf einer Stufe von Elend sich befindet, welches vielleicht für den gegenwärtigen Zeitpunkt beispiellos ist. Egypten und namentlich ünteregypten ist durch die Verhältnisse, in welche es seine Lage und die Beschaffenheit seines Bodens versezte, ein reines Ackerland und seit Jahr- tausenden darauf hingewiesen gewesen , einzig und allein auf die Kultur seiner Bodenerzeugnisse hinzuwirken. Seine Lage an zwei Meeren , sein Durchschniltenseyn von einem Strome ersten Ranges und von einer Menge schiffljarer Kanäle geben ihm eine Stellung, in der es im Welthandel eine der ersten Rollen zu spielen angewiesen ist. ünter- egypten hat allein ein kultiviibares Terrain von 3,800,000 Feddan , von denen anderthalb Millionen noch gar nicht 330 liultivirt sind *, sein Kulturland ist also bedeutend ausge- dehnter als das von Oberegypten, und beiderseits wäre es ganz an Ort und Stelle, Menschen herzuziehen, um den in Fruchtbarkeit schwelgenden Boden in produktionsfähigen Zustand zu versetzen. Durch diesen entschiedenen Mangel an Armen zur Bebauung des Landes von Vorne herein wird das Ungereimte des eingeleiteten Entvölkerungs- systems erst recht auffallend. — Durch das Monopol- system des Pascha wurde ferner i'iberJiess dem raschen Aufblühen einer industriellen Thätigkeit so recht ins Leben gegriffen und dasselbe im Keime erstickt. Es ging ihm, wie einem Bauer, dessen Landgut zu gross ist, und welches zu bebauen er weder Knechte noch Vermögen hat. Hätle Egypten seine Stellung nie verkannt, hätte es nie aufgehört bloss auf die Erzeugung von Ackerprodukten hinzuwirken, und hätte es nie aufgehört, die Ausfuhr seiner ßodenerzeug- nisse als die höchste Richtung seines Handels anzusehen, hätte es sich höchstens herbeigelassen, einen Theil seiner Bodenproduktionen selbst zu verarbeiten und diess vorej'st nur fiir den eigenen Landesbedarf, so wären dem Pascha Millionen in der Tasche geblieben und sein Land , hätte er die Freiheit des Handels nur etwas mehr begünstigt, wäre ohne Zweifel in die Reihe jener glücklichen Länder eingetreten, die sich einer vernünftigen Verwaltung erfreuen. Statt dem aber gab der Vizekönig den Schwindeleien und Hlusionen unpraktischer Menschen Gehör, die ihm Ideen von Unabhängigkeit, den Ruhm eines Civilisators , eines Wiedererbauers des Throns der Pharaonen etc. in den Kopf sezten. Er fasste den Entschluss, sich nicht nur politisch unabhängig vom Sultan, sondern in jeder Beziehung auch frei von Europa zu machen. Erstere Idee richtete ihn und das Land zu Grunde**, wie wir in der Geschichte des ausserordentlichen Mannes sehen werden, leztere Idee führte ihn in ein Labyrinth von Abwegen , die ihm neue Millionen kosteten , ihm aber das Bewusstseyn verschaffen * Oberegypten besizt 3,214,000 Feddan kultivirbares Land, von denen etwa nur 1,607.000 Feddan wirklich kultivirt sind. ** Ich weiss reclit gut, dass die Zukunft ein dunkler Sclilcier deckt. 337 komiten, wie ich wiederholt behaupte, so betrogen worden zu seyuj wie vielleicht noch kein zweiter Mensch auf Erden betrog;en wurde. Unter diese Mystifikationen rechne ich auch die Er- weckung des Gedankens im Pascha, alle Bedürfnisse des Landes und der Armee: Eisenwaaren, Gewehre, Waflcn aller Art, alle Arsenalbedürfnisse etc. selbst zu erzeugen. Die Bilder, die man dem Vizekönig vorzanberte, waren zu schon , als dass er sich nicht im Geiste schon als einen der ersten Fabriksherren der Welt angesehen hätte, selbst das grosse England hinter sich. Einer acht türkischen Schlussfolge gemäss, dass das, was im Lande A Vortheil bringt, es auch im Lande B thun müsse, wurden die Fabriken er- richtet. Fabriken in einem fernen Lande, welches kein Holz, keine Kohlen, kein Gefälle für Maschinen hat, welches Brenn- material, i"ohesProdukt zur Verarbeitung, Maschinen, Arbeiter, kurz Alles, Alles aus einem andern Welttht^ile muss kom- men lassen! Und doch gab es Leute, die man für ganz vernünftig halten muss, die diesen Einfall des Pascha ganz besonders klug fanden und ihn durch ihien Beifall in der Verfolgung des Weges zum Absniden nur noch ermnthigten. So wurden nun die ungeheuersten Summen hinausgeworfen, um Fabriken und Manufakturen zu begründen , um Artikel zu erzeugen, die man für das halbe Geld und besser hätte aus Europa beziehen können. Das : „Prächtig !" oder: „wie in Eng- land!'* der Europäer, welche sehr häufig, ohne die Sache zu ver- stehen, diese Anstalten betraten, wurde zu hoch angeschlagen. Doch trotz der pecuniären Nachtheile dieser Einrichtungen, hatten sie den grossen Vortheil, dass die Araber, oder respective die Egypter, mit den Leistungen des gebildeten Europa bekannt w urden und Eindrücke erhielten , die nie mehr verschwinden werden. Das moralische Übergewicht des Europäers gewann dadurch ungemein. Aber nicht die Fabriken allein waren der Gegenstand der extra- vagantesten Geldauslagen des Pascha , dahin gehören auch einige der riesenhaften Bau-Unternehmungen, durch die er im buchstäblichen Sinne des Wortes enorme Summen ins Wasser warf. So z. B. die Errichtung der Dock-yards nach dem Systeme KitssEQQER, Reisen. 1. Bd. 22 338 der Bassins in den Schiffswerften zu Plymouth, die, wie' mir scheint, das Hanpthinderniss an der geringen Befähi- gung des hiezu verwendeten Personals fanden , ferner der Bau jener Schleusen, die den ganzen JNil abdämmen sollten, um die Regnlirung der Überschwemmung in der Hand zu haben. Ein Schleusenban von einer so gigantischen Ausdehnung im unergründliclien Schlammboden ! Das Chimä- rische dieses Bauplanes Hess die Idee nie ins Leben treten, trotz der hierauf verwendeten Summen, die in einem Lande, das kein Holz , keine Bausteine in der Nähe hat , enorm seyn mussten. Der Vizekönig konnte als Türke die Idee nie fassen , dass dergleichen industrielle Unternehmungen, wie Fabriken , Manufakturen u. dgl. sind , vom Volke aus- gehen müssen, dass die Regierung dabei keine andere Rolle spielen soll, als ermunternd, die Interessen befördernd, die Freiheit des Veikehrs aufrecht erhaltend, belehrend auf das Ganze einzuwirken ; er konnte die Idee nicht fassen , dass in solchen Fällen die Regierung stets theurer arbeitet, dass sie in Bezug der Verwerthung der Erzeugnisse im offen- baren Nachtheile den Privaten gegenüber stehe und dass sie daher nie selbst der Unternehmer seyn solle. Man kann einwenden , dass das egyptlsche Volk nicht auf der Stufe sey, solche Anforderungen an dasselbe zu machen. Ganz richtig, es ist diess auch der Fall, und wir haben darin nur einen neuen Beweis , dass überhaupt diese Einrichtungen für jenes Land noch nicht an der Zeit waren, dass der Vizekönig sein Volk erst hätte erziehen , erst vorbereiten sollen , um die Civilisation , die Himmelstochter , im Lande aufnehmen zu können, dass er, bis diess geschehen, vor Allem das Volk nicht aus jener Sphäre hätte herausreisseu sollen, die ihm die Natur angewiesen hat, und die ist: der Ackerbau. Was der Vizekönig für Volksbildung gethan hat, die Beschaffenheit der von ihm errichteten Schulen u. dgl., diese Gegenstände habe ich bereits im Laufe meiner Reiseerzählung im Detail abgehandelt und gezeigt, dass allerdings für die Kultivirung des egyptischen Volkes , wenn auch nicht in der Absicht, es civilisireu zu, wollen, blos der Civilisatioii. 339 zu liebe, sehr viel f;escliah, dass aber aus den schon mehr- mals angeführten Gründen auch ;,hier wieder der Erfolg nicht der Erwartung entsprach und nicht entsprechen konnte. Hinsichtlich der nächsten und neuesten Details der Bodenproduktion Egyptens, seiner Ein - und Ausfuhr, über- haupt seines Handels, sowie hinsichtlich der Leistungen seiner Fabriken und Manufakturen, verweise ich auf Clot- Bey's mehrmals citirtes Werk : Apercu general sur l'Egjpte etc. und bemerke nur, dass das Licht, in dem die übrigens äusserst schätzbaren Mittheilungen aufgetragen sind, ein südliches ist , d. h. ein ausnehmend glänzendes und dass die Gegenstände in unsrer mehr ruhigen, nicht so strahlen- den Beleuchtung des INordens angesehen, eine etwas andere Ansicht gewinnen. Was die reh'giösen Gebräuche, dieEigenthümllchkeiten des egyptischen Volkes bis ins kleinste Detail betrifft, bleibt mir nach dem, was CLox-Bey und Schubert in seiner Reise ins Morgenland darüber sagen, nichts mehr zu sagen übrig; denn sie erschöpfen den Gegenstand, und ich ver- weise daher auf ihre Mittheilunsfen. Vierter AbschiiUt. Reise in das nördliche Syrien und nach Karainanicn. 1) Reise von Alexandria nacli lleiritf und naclt Suedie am Orontes. Am 28. April 1837 hchtete der Pelenk Dsehihaad seine Anker. Wir verliessen um 2 Uhr Nachmittags mit frischem Winde den Hafen von Alexandiia nnd hatten Abends 5 Uhr die Küste von Afrika aus dem Gesichte verloren. Um unsere Quarantainezeit in Beirut dadurch abzukürzen, dass uns die Tage der Reise mit angerechnet würden, nahmen wir einen Guardian des Sanitäts-Bureau in Alexandria mit, der unsern Gesundheitszustand während der Reise beobach- tete und ausserdem aus Privatneigung der Schiffsmannschaft einen Hanswursten abgab , die einer solchen Erheiterung nöthig zu haben schien ; denn unser Kapitän Ismael, dessen seemännische Kenntnisse wir im Verlaufe der Reise kennen lernten, hatte die für seine Leute lästige Gewohnheit, jeden Tag einige derselben durchprügeln zu lassen , wobei er, an seinem Rosenkranze spielend, ganz gemüthlich zusah. Diese Prügel, die, wenn sie recht dicht fielen, hinsichtlich ihrer Zahl kaum gezählt, sondern nur geschäzt wurden, wurden in ein eigenes Buch eingetragen , welches der Kapitän bei seiner Rückkehr der Admiralität vorzulegen verbunden war. Durch 341 diese weise Einrichtung, versicherte mich ein Offizier, werde jede Un£^erechtij>keit vermieden ; denn der Gepriigelte, nimmt auch keine Macht der Erde mehr den unangenehmen Eindruck zurück, den sein Fell erlitt, hat doch die Beruhi- gung, dass die erhaltene Tracht der vorgeschriebenen Ver- rechnung unterzogen wurde. Unser Kurs war nördlich, bis wir am Abend des I.Mai die Siidküste der Insel Cypern entdeckten. Wir wendeten uns, und unser Kurs wurde nun östlich, gerade an die syrische Küste zu. Mehrere Vögel, wahrscheinlich vom Winde verschlagen und zu matt, um ihre Lnftreise fortzusetzen, fielen auf das Verdeck und wurden mit den Händen ge- fangen. Darunter befanden sich eine INachtigall und meh- rere schöne Arten von Spechten. Eintretende Windstille verzögerte unsere Reise. Den ganzen 2. Mai kreuzten wir auf der Höhe der Südküste von Cypern in einer Entfernung von beiläufig 30 Seemeilen und sahen die niedern, lang- gezogenen Berge in blauer Ferne, in ihrem Hintergrunde den Monte Croce. In der Nacht erhob sich wieder günsti- ger Wind , mit dem wir schnell vorwärts kamen , so dass am Morgen des 3. Mai die Küste von Syrien vor uns lag. Es war der ganze Strich zwischen Seide (Sidon) und Beirut und die ganze Fronte des Libanon mit seinen höchsten Gipfeln. Macht auch dieses stattliche Gebirge, wegen Mangel an scharfen Formen, bei weitem nicht jenen Eindruck, den die Alpen z. B. hervorrufen, so ist doch seine Höhe, die höch- sten Gipfel steigen zu 9000 Paris. Fuss und darüber an, auf jeden Fall imposant, so dass der Eindruck auf das gefühlvolle Herz eines sentimentalen Reisenden , dessen Buch ich gerade in der Hand hatte, einst so gewaltig war, dass er, sich zurückbeugend, die Gipfel der Berge — im Zenite sah! Was sind gegen solche Anschauungen selbst die Phantasien eines Münchhausen ? — Wir näherten uns gegen Abend der Küste so w eit, dass wir schon die Häuser und Gärten von Beirut unterscheiden konnten, mussten aber der einbrechenden Nacht halber wieder offene See suchen. Am frühen Morgen des 4. Mai segelten wir auf der Rhede von Beirut der Küste entlang , hingerissen von 342 den Reizen der herrlichen Lage. — Die Morj2^ensonne ver- goldete die hohen , mit Schnee bedeckten Gipfel des Liba- non, die See war ruhig- und glatt wie ein Spiegel. Zwischen dem frischen Griin der Bäume der weit in der Ebene längs des Gebirges ausgedehnten Gärten von Beirut glänzten die freundlichen Landhäuser, und der Blüthenduft der Orangen- und Citronenbäume erfüllte die milde Morgenluft. Hoch iiber die Bäume weg ragten die Minarets des Städtchens und die Gipfel des üschebel Sannin, des Dschebel Kennise und der lange Rücken des Dschebel el Drus * bildeten den Hintergrund der paradiesischen Landschaft. Welch ein Unterschied gegen Egyptens unwirthbare Küste! Um 7 Uhr Morgens warfen wir die Anker am Lazarethe und erklärten unser Schiff durch Aufziehung der gelben Flagge in Quarantaine. Von den Sanitätsbeamten, welche ans Schiff kamen, um unser Gesundheitspatent einzusehen, erfuhren wir, dass IßRAHiM-Pascha sich im nördlichen Syrien und zwar wahrscheinlich in der Gegend von Aintab befinde. Ich richtete daher meine für ihn bestimmten Papiere zusam- men und meldete ihm in einem beigelegten Schreiben unsere Ankunft , mit der Bitte , mir in Betreff meiner nächsten Reisebestimmung seine Weisung zu ertheilen. Zugleich ersuchte ich ihn, mir zu erlauben, mich ihm persönlich vor- zustellen, um mit ihm, als Gouverneur von Syrien und Karamanien , die Verhältnisse der Expedition mündlich be- sprechen zu können. Um nun dieses Paquet durch einen eigenen Courier IßRAHiM-Pascha zuzusenden, fuhr ich selbst ans Land. Die Annäherung in der Gegend des Lazarethes war der vielen Felsen und der starken Brandung wegen sehr gefährlich und unsere Miihe vergebens , denn es war nicht möglich, einen der Sanitätsbeamten ausfindig zu machen. Mit dem Frühesten des nächsten Morgens gingen wir mit unserer Barke wieder ans Land , aber diessmal statt zum Jtiazarethe, direkt ins Rastel an der Stadt, in dem kleinen * Theile des Libanon , in der Kette zwischen Beirut und Seide, die im Arabischen Dschebel el Drus, Berg der Drusen, genannt wird; das u in dem Worte Drns sehr kurz ausgesprochen, so dass es hei- uahc wie Drs lautet. »43 alten Hafen, der nur für Barken und bei stürmischer See, der vielen Felsen nnd alten Mauern vveoen, auch für diese mit Gefahr zugänglich ist, wovon vsir selbst einen Beweis hatten; denn als wir einliefen, fehlte wenio- , dass, die Brandung nicht unser Boot an den Ruinen der Hafenfesturig zerschellte. Im Rastel ana^ekommen , war denn wieder keiner der dienstthueuden Beamten sichtbar, und es blieb nichts übrige, als durch die anwesende Wache ganz kate- gorisch einen derselben rufen zu lassen. Durch dieses im Oriente so sehr wirksame Mittel gelang es uns endlich, einen dieser bequemen Herren ansichtig zu werden , dem ich nun alle meine Depeschen zur weitern , unverzögerten Beförderung an den hier anwesenden österreichischen Konsul Laurella übergab. Von uns selbst durfte nämlich noch keiner ausserhalb des Gitters erscheinen, welches das Rastel umgibt. Während wir mit dem Einkauf von Lebensmitteln beschäftigt waren, lernten wir mehrere der hier anwesenden Europäer kennen, unter diesen auch Herrn Laurella, den k. k. Konsul, der unterdessen unsere Ankunft erfahren hatte und mir mit der grössten Gefälligkeit entgegenkam, und mich überhaupt während meines wiederholten Aufent- haltes in Syrien durch die Art und Weise , wie er meinen Reisezweck beförderte, aufs höchste verpflichtete. Da wir es vorzogen, an Bord unserer Korvette öuarantaine zu machen, statt in das schmutzige Lazareth zu gehen, wo wir überdiess doch hätten im Freien unter Zelten bleiben müssen, so richteten wir uns denn für die Zeit unsrer Gefangenschaft so ein, dass wir wenigstens die Langeweile nicht zu fürch- ten hatten. Unsere Bücher wurden hervorgesucht, Briefe geschrieben und täglich unter Aufsicht unsers Quardians eine Partie ans Land gemacht, wo wir uns in der Mündung des Nacher * Beirut badeten. Hinsichtlich der Seebäder muss man der vielen Haifische wegen , wie an den Küsten von Egypten, besonders in der Nähe bewohnter Orte, sehr aufmerksam seyn und vor Allem felsige Orte wählen, welche diese Ungeheuer scheuen. Ich selbst wurde einmal * Naclier oder Nachar, syiiscli, der Fluss. 344 in der 'Sähe von Beirat von einem solchen TIn'ere, während idi zwischen den Felsen des Riffes badete, sehr in Schrecken gesezt. Dassell)e erhob sich plötzlich in geringer Entfernung von mir ausser din Felsen aus dem Wasser und spielte mit einem Fische, den es geraubt hatte. Ich, ganz wehrlos in der Nähe der Bestie, sprang- natürlich ohne auf die schar- fen Kalkkhppen zu achten, die mich umgaben, von Fels zu Fels ans Ufer, wobei meine an dergleichen Übungen nicht gewöhnten Füsse sich nicht wenig verwundeten. Die lezten Tage unserer Qnarautainezeit wurde die Witterung sehr stürmisch , es regnete stark und auf den Höhen des Libanon fiel neuer Schnee. Die Kälte war empfindlich und das Schaukeln des Schiffes auf der off"enen Rhede höchst lästig. Trotz der schlechten Witterung* machten wir , in Begleitung eines öuardians der Sanitäts- anstalf, eine Exkursion tiefer ins Land. So weit wir kamen, war alles ein Garten, eine ununterbrochene Anpflanzung von Weinreben und Maulbeerbäumen, die eigentlich die lianptzahl der Bäume ausmachen, da die Seidekultur einen der Haupterwerbszweige des Landes umher bildet. Viele Dattelpalmen geben der Vegetation einen eigenthümllch ßchöneji Ton, den Charakter des hohen Süden, doch tragen sie in dieser Breite nie reife Früchte. Unter den Schatten dieser Bäume lagerten sich mehrere maronitische Familien, die auf ihrer Rückkehr aus der Stadt auf das Gebirge begriffen waren. Rosse und Maulthiere weideten im Freien, während die Männer und Frauen mit ihren Kindern, in der bunten Tracht ihres Landes, im Grase ruhten. Das Ganze sah idyllisch aus, nur der hässliche Kopfputz der Frauen störte die Illusion. Sie tragen nämlich auf dem Kopfe ein mitunter über zwei Fuss langes Hörn, das nach auf- wärts gerichtet, sich etwas nach Vorne neigt und bei Wohl- habenden aus Silber verfertigt ist. Über dieses Hörn wird der Schleier geworfen, den jedoch die nicht-mnhammedani- ßchen Syrierinnen weniger sorgsam gebrauchen , so dass sie auch auf den Strassen nur selten ihr Gesicht dem Blicke des Begegnenden entziehen und am wenigsten natürlich, wenn sie schön sind. Der Weg durch die Gärten führte 345 lins zum Naclier Beirut, dessen Mündung geoenüher unsere Korvette vor Anker lag. Nicht ^veit von seinor Mündung ist über ihn eine steinere IJrücke in sieben Bogen gebaut, die, noch aus den lezten Zeiten der Kreuzzüge stammend und aus behauenen Steinen aufgeführt, einst ein sehr schönes Werk gewesen seyn mag, das aber jezt, wie es überhaupt bei den Tüiken Sitte ist, so vernachlässigt wird, dass der vielen Löcher wegen man zu Pferde nur mit grosser Auf- merksamkeit passiren kann. Die Lage der Brücke ist übrigens sehr reizend, denn sie ist ganz umgeben von dich- tem Oleander-Gebüsche , welches sich damals gerade in voller Blüthe befand. Auch die Wege zwischen den Gärten sind zwar gepflastert, aber seit der Zeit ihrer Errichtung wurde vielleicht kein Stein mehr berührt, daher sie bei starkem Regen eine Reihe von tiefen Sümpfen bilden, die um so schwieriger zu passiren sind, als die Steine des Pflasters durch den Gebrauch abgerundet und polirt wer- den. Es ist überhaupt eine merkwürdige Eigenschaft der neuem südhchen Völker, dass sie das, was sie mit enormen Aufwand an Zeit und Kosten, mit edler Phantasie und mit vollendetem Knnstgeschmacke aufführen, nicht unteihalten, sondern rücksichtslos den Zerstörungen der Zeit überlassen. Am Morgen des 13. Mai endete unsere Gefangenschaft, indem die Sanitäts- Kommission erschien und uns bnona pratica ertheilte. Wir machten auch sogleich von unserer Freiheit Gebranch und gingen ans Land , machten Hrn. Laurella Besuch , und dann begab ich mich mit Achmed- Kaptau zum Gouverneur, einem alten, flüstern Türken. Daselbst befand sich bereits unser Kapitän Ismael , der den Gouver- neur bewogeii hatte, uns die vom Minister Boonos-Bey auf ausdrücklichen Befehl des Vizekönigs zur Verfügung gestellte Korvette zu nehmen, uns ein andres Schiff zu geben und dieselbe nach Alexandria mit Truppen zurückzusenden. Dieses wäre ganz im, Sinne IsMAEL-Kaptans gewesen, dessen Wunsch es war, sobald als möglich nach Egypten zurück- zukehren. Bei diesem Schifitausche wären wir auf jede» Fall zu kurz gekommen ; denn statt des bequemen Kriegs- schiffs, welches uns der fanatische Gouverneur missgönnte, 040 hafte man nns ^anz bestimmt ein kleines, elendes Schiff gegfehen. Ich war daher bei Eiöffnnno; dieses Vorhabens von Seite des Gonverneurs sehr entrüstet und wies diese Znmuthun^ mit der Bemerkung; zurück, dass sie den Befehlen des Vizekönigs gerade entgnfven sey und ich sie noch über- diess als eine Beleidignn»- für die Expedition ansehe. Der Konsnl, dem ich die Sache sogleich mittheilte, unterstüzte durch ein kräftiges Schreiben an den Gouverneur meine Angelegenheit, und wir behielten die Korvette, die auf der Rhede so lange vor Anker zu liegen hatte , bis von Seite IßRAHiM-Pascha's Antwort auf mein Schreiben erfolgt seyn würde. Unterdessen hatten wir Zeit, in Beirut und seiner nächsten Umgebung uns umzusehen. Beirut, das alte Bei7thos, liegt auf dem Vorgebirge gleichen Namens und zwar an der INordküste desselben. Dieses Vorgebirge ist ein Theil der Küstenebene, welche sich längs des Libanon in Süd über Seide hin erstreckt. Im Süden der Stadt und ihrer sie auf drei Seiten umschliessen- den Gärten breitet sich eine ein paar Stunden breite Sand- ebene aus , Dünenland vom Meere angeschwemmt , dessen Sand sich aber mehr und mehr ausbreitete und den Gärten gefährlich zu werden begann. Da verfiel man auf den Gedanken, an dem Rande dieser Duodez- Wüste einen Wald von Pinus maritima anzupflanzen. Diese Baumart gedieh in dem Sande vortrefflich, die Bäume wurden in kurzer Zeit hoch und kräftig und bildeten einen uatürlichen Damm, der dfis Vordringen des Sandes in das kultivirte Land verhinderte. Als ich Beirut im Jahr 1S36 zum Erstenmale sah, mochte es über 8000 Einwohner gehabt haben , es war jedoch im raschen Aufblühen begriffen, und bereits hatten sich mehrere ansehnliche europäische Häuser daselbst etablirt. Beirut, unter den Phöniziern schon als Handelstadt berühmt, stand damals freilich an Rang den ersten Handelstädten der Welt , Sidon und Tyrus (Seide und Sur) , nach , denn die kleinen Schiffe der Phönizier fanden in den künstlichen Häfen der beiden leztern Städte hinlänglichen Schutz, Als aber diese längst ihren Glanz verloren hatten, als sie end- lich zu dem Nichts herabgesunken waren, in dem wir sie 347 in «nsrer Zeit erblicken, als die Scliifffahrt für die' grosser und giösser werdenden Schifte auch grössere Häfen oder Rheden erforderte, da gewann Beirut an Bedeutung. Seine Rhede bietet den Schiffen , wenn auch wenig, doch einigen Schutz, den sie auf der ganzen syrischen Küste, mit Aus- nahme von Alexandrette , dessen Hafen-Umgebung aber höchst ungesund ist und daher, wenn möglich, gemieden wird, nirgends linden. — Von den alten Zeiten der Phönizier und Griechen dürften wohl kaum mehr Reste von irgend einer Bedeutung übrig seyn ; wohl aber sehen wir in den Blauern am Hafen, in dem Kastelle daselbst, in den zum Theil grossartig angelegten Stadtmauern, in den Gewölben, in welchen heutzutage die Seidenarbeiter ihre Werkstätte aufgeschlagen haben, ßaureste aus den Zeiten der Kreuz- fahrer , die Beiruts Bedeutung vollkommen erkannten und zu wi'irdigen wussten. Dahin gehört auch die schöne Brücke über den Nacher el Beirut, deren ich schon erwähnt habe. Beirut ist der Hauptstapelplatz für Damaskus , für die Ebenen von Cölesyrien, für den ganzen Libanon und den nördlichen Theil von Palästina, in dessen südlichem Theile wir Jaffa haben, das aber nicht nur keinen Hafen, sondern eine höchst gefährliche Rhede besizt. Gasa, Acre, Sur und Seide haben für den Handel vor der Hand gar keine Be- deutung. Durch seine Verbindung mit Damaskus kaujj Beirut der Stapelplatz für den Karavanenhandel mit Persien und Indien werden, insoferne derselbe nicht seine Richtung nach Aleppo und Snedie nimmt. Kurz , meines Erachtens kann Beirut eine schöne Zukunft bevorstehen, und von welchem Einfluss die zerstörende Katastrophe des gegenwärtigen Jahrs für die aufblühende Stadt war, das muss die Zukunft lehren. Der Hauptgegenstand der industriellen Thätigkeit ist gegenwärtig die Seidenzucht und die Verarbeitung der Seide. Daher auch die Masse von Maulbeerbäumen nicht nur allein rings um Beirut, sondern auf allen Gehängen des Liba- non. Das Klima erlaubt, die Würmer in blossen Laubhütt- chen im Freien zu haben, welche man in den Gärten selbst anbiingt. Der Verbrauch der Orientalen an Seidenzeugeii 348 aller Art ist sehr g^ross, und ihr Geschmack ist sehr auf das Bunte der Farbe hingerichtet. So werden in Beirut jene schönen mit Gohl und Silber durchflochtenen schweren Seidenzeuge gev^eht, die besonders beim wohlhabenden Theil des Landvolkes in Syrien das Hauptstück zu festlichen Kleidern bilden, indem daraus Kaftane verfertigt werden, die wirklich eine schimmernde Pracht an sich haben. Ausser- dem verfertigt man in Beirut in besonderer Schönheit die Leibbinden , die oft bei einer Breite von 1,5 Ellen eine Länge von 10 Ellen haben, ein schwerer Stoff und doch so fein verfertigt sind, dass sie sich in ein Päckchen zusammen- legen lassen , das man fast mit beiden Händen bedecken kann. Ein sehr wichtiger Zweig des Erwerbes kann auch einst der Weinbau, besonders im Libanon, werden. Wie der Grieche, so weiss auch der Syrier die Gabe der Natur nicht zu benützen; denn er kann weder die Rebe, noch weniger den erhaltenen Wein behandeln, nur selten trifft man ein gelungenes Erzeugniss, während doch die Rebe sich mit denen Siziliens und Spaniens messen kann. Ich erinnere dabei nur an den sogenannten Vino d'oro. Eine fernere Quelle des Wohlstandes für das holzarmc und an allen Gehängen seiner Berge kahle Land könnte das Vor- kommen von Steinkohle seyn, das sich an vielen benach- barten Stellen des Libanon findet und wovon ich später Gelegenheit habe, ausführlicher zu reden. Lberdiess ist die herrliche Küstenebene, besonders weiter südlich, durch ihre Fruchtbarkeit auf Ackerbau hingewiesen, der, wenn er daselbst und übereinstimmend auch in den andern kultur- fahigen Punkten von Syrien betrieben würde, das Land aus dem IVothstand herausreissen könnte, in den es beinahe jährlich versezt wird. So rechnet aber die Verwaltung, das türkische System nicht. Augenblickliche, gänzliche Aus- pressung und viele Soldaten erfordert die unsichere Stellung, die keine Garantie für ihren Fortbestand in sich selber hat. Beirut, so paradiesisch schön seine Aussenseite ist, ist von Innen wie alle orientalischen Städte, wenigstens die meisten, unrein, finster, hat enge Gassen, schlechtes Pflaster mit zahllosen Gräben und Löchern, so dass man arabischer 349 Pferde bedarf, um in solchen Strassen spazieren zu reifen. In Beirut hat sich in neuester Zeit ein Genueser, ein g^ewisser Signore Battista, niedergelassen, der einem der wesentlichsten Bedürfnisse für Reisende abhalf, nämlich einen Gasthof begründete, wo man zwar in Betreff des Quartiers etwas beschränkt ist, aber einen sehr guten Tisch findet. Das Haus des äusserst dienstfertigen und sehr billigen Mannes ist der Zusammenkunftsort aller der in Beirut anwesenden, aber nicht ansässigen Europäer, meist in dem Style, wie sie sich in Egypten finden. Unter diesen Exemplaren traf ich auch einen Mann, der einst Sekretär bei Lord Byron war. Ein bejahrter Mann, der viele europäische. Sprachen mit grosser Fertigkeit sprach und schrieb, höchst ideal aussah und in einem steten Zustand von Begeisterung sich befand. Ein anderer hatte die Ehre gehabt, von der be- kannten Lady Esther Stanhope, welche ein paar Stunden von Seide auf dem Libanon wohnte und die wir aus Herrn V. Lamartine's Mittheiluugen näher kennen, wenn auch nicht im wahren Lichte aufgefasst, in Dienst genommen wordiMi zu seyn, wurde aber sogleich wieder fortgejagt, und wie ich vermuthe, nicht zum Verlust für die gute Lady. So mehrere, die alle dem Vizekönig, für theures Geld natürlich, ihre Dienste antragen, gleichviel ob als Arzte oder als Ökonomen oder als Offiziere in der Armee oder als Erzieher, das ist alles einerlei; denn sie fühlen in sich alle Elemente zu diesen Stellen vereint. Was das Innere der Stadt noch etwas erträglich macht, sind einige grosse Brunnen, die nach orientalischer Sitte mit Bäumen umpflanzt sind, in deren Schatten sich's recht gemüthlich sizt. Wenn man aus Egypten kommt, fällt einem der schöne Menschenschlag, der in Syrien allgemein verbreitet ist, wohlthuend auf. Die Kinder sind wieder herzlich lieb, frisch und rosig, nicht jene abscheulichen, ekelhaften Vogelscheuchen der Fellahs in Egypten, von denen ich mich oft mit Grausen abwendete. Die Männer, besonders die Bewohner des Liba- non, die Maroniten sowohl als die Drusen, sind gross und stark, freundlich und zuvorkommend gegen Fremde und haben in ihrem Benehmen einen gewissen angebonien, edlen, freien 350 Anstand, gegeii den sich das Benehmen des Fellah höchst gemein ausnimmt. Unter den Frauen sah icK, besonders anf meinen spätem ausgedehnten Reisen im Gebirge, weniger schöne Gestalten, meist waren sie stark mit harten, derben Gesichts/Aigen , zum Theil eine ursprüngliche Folge ihrer mit so vielen körperlichen Anstrengungen verbundenen Lebens- weise. Unter den mehr Geschonten, in den wohlhabenden Familien nämlich, findet man hingegen ausgezeichnet schöne Gestalten, deren weisser Teint und sprechendes schwarzes Auge sie sehr vortheilhaft hervorhebt *. Das rasche Empor- kommen Beiruts in neuerer Zeit fällt vorziiglich in die Periode seit der Besitznahme Syriens durch die Waffen Mehemed-Ali's, und ivSt ein Beweis der Kraft, mit welcher er in dem , früher in die grauenvollste Anarchie ver- sunkenen Lande Ordnung schuf und erhielt. Wir werden später Gelegenheit haben, die Licht- und Schattenseite seiner Regierung in Syrien deutlicher vor uns zu sehen, aber die- selbe auf Beirut reduzirt, sehen wir erstere unstreitig vor- herrschen. Sein starker Arm schüzte das Eigenthum der Europäer, schüzte sie selbst vor allen den unzähligen Pla- ckereien, Insulten und Erpressungen der Pascha's, Agas und wie sie da heissen. Wir sehen es in den Ereignissen der lezten Tage neuerdings bestättigt, dass nur er es war, der da Oi'dnung halten konnte und durch seinen Sohn Ibrahim auch hielt. In dieses ürtheil stimmten auch alle Europäer ein, die schon seit langer Zeit in Beirut leben und Zeugen von allen den Veränderungen waren, die die Geschichte der neuesten Zeit in Syrien herbeirief. Unter den Europäern, die ich in Beirut kennen lernte, war mir eine der angenehmsten Bekanntschaften die des königl. griechischen Konsuls Thisee (Theseus), an welchen mein Freund, der Arzt der Expedition, Dr. Veit, adressirt war. Dieser Mann überhäufte uns mit der artigsten Ge- fälligkeit, und ich verdanke ihm manchen Aufschluss über das interessante Land. * Über die Bewohner des nördUcheu Syriens und besonders über die des Libanon norde ich nach meinem zweiten Aufenthalte in Sydeu uuäüHiriicher sprechen. 351 In Beirut besitzen alle christlichen Nationen, die sich in Syrien vorfinden, ihre Kirchen oder doch wenigstens ihre Kapellen. So die Griechen, die Katholiken mit den Maroniten, die englisch-amerikanische Gemeinde etc., die Katholiken allein haben zwei Kirchen , nämlich die des sardinischen Konsulates und die der Kapuziner, der terra sancta. Erstere ist eine recht freundliche Kapelle , leztere ist liedeutend grösser und sieht mehr einer Kirche ähnlich. Ich besuchte unsern Gottesdienst an einem Sonntage und fand mich sehr iiberrascht durch die Mannigfaltigkeit des anwesenden Pu- blikums. Sonderbar nahmen sich die anwesenden europäischen Damen mit ihren Pariser-Moden gegen die dem Gottes- dienste beiwohnenden syrischen Katholiken aus, die alle ihr Haupt mit Turbans oder Fess bedeckt hatten. Auch die Europäer, welche Fess tragen, sonst aber sich europäisch kleiden, behalten dieselben Avährend des Gottesdienstes auf, was auf mich den Eindruck des Unschicklichen machte. Die syrischen Frauen haben ihre eigene Loge, in die jedoch Jedermann eintreten kann. Der Gottesdienst in diesen Kirchen w ird von den Priestern der verschiedenen Religions- Parteien versehen , die in Beirut ihre Klöster haben und denen die Verpflichtung- obliegt, die Pilger und die Reisenden zu beherbergen und zu verpflegen, die sich darum anmelden. Wie ich schon anfänglich sagte, so ist in Beirut das Interessanteste seine prachtvolle Umgebung'. Um diese etwas näher kennen zu lernen, machten wir eines Tages mit Konsul Thisee einen Spazierritt. Wir ritten am nord- östlichen Thore hinaus und zogen auf der Strasse nach Damaskus bis zur Brücke, welche über den Nachar el Beirut führt. Auf dem Wege dahin passirten wir mehrere tür- kische Kalfehäu«er , sogenannte Chans , wo Kafte und geistige Getränke gereicht werden. Die Eigenthümer dieser Chans sind hier durchaus Christen, die Gäste sind aber sehr gemischt, trinken und rauchen in friedlicher Eintracht. Bei- nahe in allen diesen Kaffehäusern produzirten sich Tänzer nach einer Älusik, die so beschaff"en ist, dass Jedem da- durch wohl alle Lust zum Tanzen benommen, in keinem aber, der nicht türkische Ohrea hat , hervorgerufen werden 352 dürfte. Zmückreiteiid vejliesseii wir die Strasse und wen- deten nns dem Dimitriiis-Berge zu, ein kleiner ßerg^ aiisser- halb der Stadt, mit Gartenanlagen bedeckt und mit einer herrlichen Aussicht über die ganze Umgegend. Wir standen lange auf dem höchsten Punkte und konnten uns nicht trennen von dem herrlichen Anblick, in dem sich alles vereint, um ihn unvergesslich zu machen. Das tiefe Blau des Himmels mit seinem starken, strahlenden Lichte, der schneebedeckte Libanon dicht vor uns, besezt mit den Klöstern und Kirchen der Maroniten, unter uns die Ebene um Beirut, ein grosser Garten und die weite, unabsehbare Fläche des Meeres. Das tiefe Gefühl Lamartine's wählte sich hier ein Ruhe- plätzchen , eine Grotte, vor der man eine schöne Ansicht des ganzen Bildes hat; noch schöner aber ist dieselbe vor der kleinen Kirche des heiligen Dimetrius, wo sich auch einige Gräber befinden, deren Anblick in einer solchen Umgebung, haben wir auch ihre Bewohner nicht gekannt und sind sie uns nicht nahe gestanden , etwas tief Ergreifendes hat. Es liegt so viele Poesie in dem Gedanken an einer solchen Stelle, den lezteu Schlaf zu schlafen! Die Antwort IßRAHiM-Pascha's auf mein Schreiben blieb noch immer aus, und ich beschloss daher, um keine Zeit zu verlieren , ihn selbst aufzusuchen. Die Korvette bekam daher Ordre, sich wieder segelfertig zu machen und uns nach Suedie zu bringen, von wo ich meine Reise über Antiochia nach Aleppo fortzusetzen beschloss, in der Hoffnung, an einem oder dem andern Orte Ibrahim bestimmt zu finden. Mehrere Europäer wünschten sich uns anzuschliessen , da diese Wünsche aber nicht ganz mit den meinen stimmten, so bewilligte ich nur einem derselben , einem französischen Artillerie-Offizier , der seine Familie in Suedie bei Konsul Parker hatte, uns dahin zu begleiten. Am 17. Mai lichteten wir Abends die Anker und verliessen das freundliche Bei- rut. Wir segelten mit gutem Wind«, mehrere Schiffe be- gegneten UHS, die meisten unter österreichischer Flagge, die so frisch und traulich mit ihrem heitern Weiss und Roth im Winde flatterte, dass sie jederzeit, wenn wir ihrer an- sichtig wurden, ein freudiges Gefühl in uns hervorrief. Am 353 Abend des darauf folj^einleii Ta2;es waren nir Tripolis gegenüber. Plötzlicli trat Windstille ein, nnd wir blieben den 19. dnreb wie festgebannt auf unserer Stelle. Tripolis (im Arabischen Tarabios) liegt am Fiisse der börlisten Erbebungen des Libanon, und von da führt ein Weg i'iber die hochgelegenen Dörfer Eden und Bischere nach den berühmten C'edern , die man weiter im Meere aussen , bei gehöriger Lokalkenntniss , auch sehen kann. Sie liegen gerade unter dem höchsten Gipfel, dem Dschebel-IMakmel, etwas in SW. in einer weiten Einsattelung des Gebirges. Ausser dem Makmel lagen vor uns noch mehrere der höch- sten Kuppen des Libanon-Gebirges, wie der Dschebel-Aker, der Dschebel Arnette, el Hemmel etc., alle mit Schnee be- deckt. Die höchsten Punkte steigen zu 9000 Fuss und dari'iber über das Meer an, und da sie sich hier vom Spiegel desselben an zu erheben scheinen, so ist der Eindruck, den sie hervorrufen, wirklich imposant. Der Abend, den wir mit unserer Korvette vor Tripolis zubrachten, war wunderschön, schwere Gewitterwolken lagen auf dem Libanon, der West war rein , und deutlich sahen wir die Berge vom Kap St. Andrä auf Cypern in den lezten Strahlen der untergehenden Sonne. Die IVacht senkte sich mehr und mehr aufs Meer, hoch i'iber den Wolken sahen wir noch den Schneegipfel des Makmel glühend im Abendroth, die Muselmänner standen in zwei Reihen am Vorderdeck und beteten mit ihrem Imam. Wie durch Zauberschlag warfen sie sich bei den Worten Allall heper (Gott ist der Grösste) auf ihr Angesicht nieder vor dem höchsten Wesen , das Alle ahnen , Alle verehren, zu dem Alle hoffen, das Keiner begreifen kann, und in der heiligen Stille, die da herrschte, und im Anblicke der un- endlich grossen Natur, gegen die alle Tempel der Erde Nichts sind, hallte es in unserer aller Herzen wieder. Ja! er ist der Grösste ! Am Abende des 20. kamen wir mit schwachem Wind wieder etwas vorwärts, wir waren der Insel Ruad (Aradus der alten Griechen) gegenüber, eine der wenigen und wenig bedeutenden Inseln, die sich an der Küste von Syrien finden. Als die Nacht anbrach, nahte sich uns ein Schiff unter RuisRCGER, Reisen. I. Bd. *23 354 egyptischer Flagge ober dem Wind und hielt sich an unsere Seite. Man rief es an und fragte woher und wohin? Es gab an von Alexandria und nach Latakia bestimmt zu seyn, um daselbst Bauholz zu laden. Da uns jedoch um seine Gesellschaft gerade nicht zu thun war, gab man ihm die Weisung, sich sogleich zu entfernen, was es sich denn auch, unsern Feuerschlünden gegenüber, nicht zweimal sagen Hess. Die Berge der Umgegend von Latakia verlieren an Aus- druck , die Spitzen und Kuppen gehen in langgedehnte Rücken über, die mir jedoch , von ferne gesehen, ziemlich stark bewaldet schienen. Am Morgen des 21. befanden wir uns dicht vor Latakia (Laodicea) und so nahe dem Lande, dass wir alle Gegenstände deutlich wahrnehmen konnten. Die Stadt, von einer grösseren Ausdehnung als Beirut, wie mir schien, hat eine sehr schöne Lage, in einiger Entfernung von der Küste und am Fusse eines mit Wald bedeckten Berges. Ich zählte in der Stadt 11 Minarets und eine auf einer Anjiöhe liegende grosse Moschee. Die Umgegend ist wie in Beirut ein grosser Garten mit vielen Landhäusern. Der Hafen, an und für sich nur ein ganz kleiner Einfang, ist durch Vernachlässigung so ruinirt, dass er für grössere Schiffe ganz unbrauchbar ist. Dem ungeachtet hat Latakia einen niclit unbedeutenden Handel * und zwar vorzüglich mit * Hinsiclitlifli der Naclischlagung über weitere Detail-Vei'Iuiltnissi» von Syrien und Karamanien berufe ich mich hier ein für allemal auf nachfüig'ende Werke : PiOBiNsoiv , Palästina und die südlich angränzenden Länder, 3 Bände ; Halle 1841. Ein höchst schätzbares Werk. VoLNEY, Reise nach Syrien und Egypten , 2 Theile; Jena 1788. C. NiEBUHu, Reise nach Arabien und andere angränzende Länder, 3 Bände; Hamburg 1837. BuRKHARDT, Ptciscn in Syrien und Palästina, 2 Bände; Weimar 1823. Dr. M. RussKL, Palästina, 2 Bände ; Leipzig 1836. V. PKOKEscH-Osten, Pieise in das heilige Land; Wien 1831. Dr. ScHoi^z, Reise nach Palästina und Egypten ; Leipzig 1822. Dr. ScnuBERT, Reise in das Morgepland, 3 Bände ; Erlangen 1840. VisiNO, Wanderung nach Palästina ; Passan 1840. Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei; Berlin 1841. Beaifort, Karapnania or a bref description ol the South coast of Asia minor; London 1817. ;]55 Tabak, der hier in einer Giite jjcdeiht, wie man ihn nirg;entls sonst im Oriente trifft. Dem Tabak von Latakia zunächst steht der von Dschebel, anf der Rontefnach Tripoh's liegend. Auch mit Wein macht Latakia Gescliäfte, aber nicht mehr so bedentend wie in älterer Zeit. Den Hinterorjiud der Landschaft in Ost bildet der langg^ezoo^ene Dschebel Nus- sairie, iiber den wir einige hinterlie«ende, noch zum Libanon- znoe oehörende, hohe Spi|zen emporragen sahen, welche mit Schnee bedeckt waren. INördlich erblickten wir den hohen /und spitzen Dschebel Okra , der das Kap Possidi bildet und die Bucht des Orontes in Siid begränzt. Weiter nördlich sahen wir die Berge um Antiochia und den hohen Aman und Legan, welche das Kap Chanzir (Schwein- Vor- gebirge) bilden, das die Bucht des Orontes, wo Suedie liegt, nördlich begränzt. Leztere Berge scheinen sehr hoch zu seyn und dominiren so zu sagen den ganzen Hinter- grund. — Obwohl wir am Morgen des 22. Mai das Kap Possidi noch nicht passirt und die ganze Landschaft von Gestern noch vor uns liegen hatten, auch ein Blick auf die Karte dem Kapitän hätte zeigen sollen , was für den Moment unsere Position wäre, so ging er in seiner Unwissen- heit doch so weit, eine vorliegende kleine Bucht südlich des Kapes Possidi für die des Orontes anzusehen und in sie einzulaufen. Das Senkblei gab 1 Seemeile von der Küste mit SO Klafter Grund, augenblicklich darauf aber verminderte sich die Tiefe auf 25 und 12 Klafter und wir hatten daher AiNSwoRTH, Researches in Assyria, Babylonia and Chaldaca; Lomlon 1838. Carne, Syria and Ihe lioly Land; London, in pittoreskei' Bezicluiiig- durch die vielen Stahlstidie ein Praclitwerk. wShaw, observations relaling; (o several parts of tlic Levant; Edin- burgh 1808. PocüCKE, Description of the East, 3 Bände; London 1743. Seetzen, Briefe, zerstreut in Zachs monatlicher Korrespondenz. CiiATEAUBRiAisD, Hincrairc de Pari.s ä Jerusalem; 3 Th., Paris 1811. Salzbacher, Erinnerungen aus meiner Pilgerreise; Wien 1839. V. Rauimei'., Palästina; Leipzig 1838. Ritter, Erdkunde, als klassisches Werk von hohem Werth. Ein vollständigeres Vcrzriehniss der bestehenden, besonders altern Quellen findet man in Robin.sons Palä.stina, I. Bd. 23 * 356 höchste Zeit, die Anker zu werfen. Zwei Boole gingen ans Land, nm sich zu erkundigen, wo wir eigentlich seyen, denn unbekannter konnte dem Kapitän die chinesische Kiiste nicht seyn , als es diese war, obwohl er sie im Dienste schon öfter befahren hatte. Vom Orontes und von Suedie war keine Spur zu entdecken, und die Menschen, welche man an der Küste traf, sagten natürlich, dass man, um nach Suedie zu kommen, erst das Kap Possidi umsegeln müsse. Wir lichteten daher um Mittag wieder die Anker und wendeten uns nördlich, unsern frühern Weg verfolgend. Die Kiiste gewährte hier einen sehr schönen Anblick. Die Bucht war mit Auen, bebauten Feldern, grünen Wiesen eingefasst, hohe und steile Berge umschlossen sie, bis auf ihre Gipfel mit Wald bedeckt. Man scheint hier viel Bau- holz zu gewinnen; denn eine beträchtliche Menge desselben lag an der Küste aufgehäuft. Ludavig (so nannten wir unsern Reichard), der in dem einen Boote mit ans Land gegangen war, konnte uns die Schönheit desselben nicht genug rühmen. Er hatte daselbst viele Gazellen herum- springen sehen und brachte uns mehrere Schildkröten, eine Ziege und Hühner mit, mit welch leztern ihn die freundli- chen Leute am Ufer beschenkten. Bei unserer ümseglung des Kaps Possidi hielt sich der Kapitän so nahe an die senkrecht aus dem Meere auf- steigende und mit Felsenriffen unter dem Wasser besezte Küste, dass wir es für nöthig hielten, ihn, der ganz ruhig auf dem Hinterdecke sass und rauchte, auf die Gefahr aufmerksam zu machen, der uns seine Stupidität preisgab, indem Wind und Strömung das Schiff ans Land trieben. Da aber unser Reden nichts half, Hessen wir ihn machen, was er wollte. Nicht lange darnach war unsere Korvette nur noch wenige Kabellängen von den Felsen entfernt, da erinnerte ihn AcuMED-Kaptan , d.ass er dem Reglement zu Folge erschossen würde, im Falle das Schiff auf eine so elende Weise zu Grunde gehen sollte. Nun wurden endlich die Segel eingezogen, und man warf einen Anker, er hielt nicht ; man warf den zweiten , er hielt nicht. Nur wenige Klaftern noch und das Schiff sizt auf den Felsen. Man »57 wart den dritten Anker und der hielt. Schon naren wir entschlossen j>e\vesen , unsere Papiere und wichtigsten Sachen zusammen zu packen , um uns im Falle einer Scheiterniig sogleich auszuschiffen. Für unser Leben war ohnehin nichts zu fürchten 5 denn das Land war so nahe, dass im Fall der Noth es jeder von uns schwimmend zu erreichen hoffte. Jezt handelte es sich aber wieder darum^ aus unserer Lage herauszukommen. Es wurde ein Boot ausgesandt, das in einiger Entfernung Anker warf, zu dem hin man nun das Schiff mittelst der Ankerwinde und des Ankerseils zog. Bei diesem Manövre brach in dem Momente, als wir fast den Ankerboy erreicht hatten , das Seil und wir trieben nun neuerdings den Feisen zu. Ein neuer Anker rettete uns wieder und so ging die Arbeit bis 10 Uhr Nachts fort, zu welcher Zeit es erst gelang, das Schiff" so weit von der Küste zu entfernen , dass vsir einen leisen Landwind benützen und die Segel spannen konnten, um das Weite zu suchen. Am frülien Morgen des 23. Mai liefen wir endlich in die Bucht des Orontes ein. Sein Daseyn ergibt sich bereits durch die Trübung des Wassers auf eine grosse Strecke ins Meer hinaus zu erkennen. Auf unserm Ankerplatze hatten wir in der Entfernung einer Seemeile vor uns die schöne Küste mit der Mündung des Orontes , des grössten Flusses in Syrien. Weiter ins Land liegen zerstreute Häuser der Landleute, der Distrikt Suedie , ein fruchtbares , reich- bebautes Kulturland mit einer Menge von Gärten. Rechts von uns stieg der Dschebel Okra, ein äusserst schöner Kegelberg zu 5341 engl. Fuss (nach Ainsworth), gerade aus dem Meere empor. Er ist die höchste Kuppe des Cassius-Gebirges im Süden des Orontes-Thales. Zur Linken hatten wir, die nördliche Einfassung des Orontes-Thales und der Ebene von Antiochia bildend, das Gebirge Pieria (wie Cassius, die Benennung der Alten; vielleicht von der Felsenstadt Seleucia, Seleucia Pieria, den IN amen habend), welches mit dem Dschebel Toloss das Cap Chanzir bildet. Als Fortsetzung desselben erheben sich weiter in NO. die Kuppen des Amman (M. Amanus) und des Legan , deren 358 liöchste dem Okra ziemlich gleich Bteheii und hei Beilaii zu 5337 engl. Fuss Meereshöhe sich erheben. Weiter in N. verbindet sich die Kette des Aman und Legan , unter dem Namen Giaur oder Javvur Dagh, mit den Vorbergen des Taurus in Karamanien *. Die südlichen Vorberge des Aman im Thale des Orontes, gerade oberhalb der Felsenstadt Seleucia, bezeichnet man mit dem Namen Mussa Dagh oder Dschebel Mussa. Der Cassins im Süden des Orontes ist eigentlich als eine Fortsetzung des Gebirges Aman, von dem er durch die höchstens 2 Stunden breite Thaiebene getrennt ist, in Süd zu betrachten. Er verbindet sich weiter südlich mit dem Gebirge Nossairieh und schliesst sich durch dasselbe der Kette des Libanon an. So sind also sämmtliche Berge in der Umgebung von Antiochia und Suedie als Mittelglieder zwischen der NS.-streichenden Kette des Libanon in Syrien und der OW.-streichenden Kette des Taurus in Karamanien anzusehen. Als wir in die Bucht von Suedie einliefen, mussten wir es uns alle gestehen, d"ass die Umgegend derselben an Scliönheit noch Alles übertrifft, was wir bisher in Syrien gesehen hatten, selbst Beirut nicht ausgenommen. Sind die hohen Gipfel des Cassius und Aman zwar nicht so hoch wie die höchsten des Libanon , so sind sie doch weit aus- drucksvoller, schärfer, pittoresker gezeichnet. Während der Libanon ganz kahl ist und höchstens vereinzelte Häufchen von Pinien wahrnehmen lässt, sind die schönen Berge am Orontes bis zu höchst hinauf theils bewaldet, theils mit der herrlichsten Alpenflora bedeckt. In der Mitte ist das weite Thal gegen Antiochia hin ganz offen und steigt terrassenartig, aber ganz sachte, dahin an. An der südlichen Seite der grossen Ebene tritt zwischen den Bergen des Cassius der Orontes hervor aus engen, wilden Schluchten; tobend gelangt er in die Ebene, doch gleich legt sich seine Wuth und er eilt ruhig und stille dem nur zwei Stunden entfernten Meere zu. Seine Ufer sind freundliche Auen und blumenreiche Wiesen, Äcker zu beiden Seiten, Gärten * Mau behiB meine Kuite von dtm Taiuus in Karuniuuien. 35«) und frcuii(lliclie Iläiisclien, woliiii man blickt. Lezteie. nicht zu vergleichen mit den scheussJichen Pestliöhlen der Fellah in Egypten . sind rein und haben eine ganz europäische Bauart, nämlich duichaus Giebeldächer, >vas seinen vor- züglichen Grund darin haben mag, dass oft im Winter sehr tiefer Schnee fällt, der die flachen Dächer eindrücken winde. Ungefähr eine Stunde' von der Küste entfernt und nördlich des Orontes drängen sich die freundlichen Häus- chen mehr zusammen und bilden in der grossen Gartenebene eine Art Dorf, welches so zu sagen den Hauptort des Di- striktes bildet, den man unter dem Namen Suedie begreift und der an der Mündung des Orontes zwischen diesem Flusse nnd dem Mussa Dagh und dem alten Seleucia liegt. In der Nähe dieses Fleckens befindet sich der schöne Land- sitz des englischen General-Konsuls Parker , wo dieser vortreffliche Mann seine ,Tage in der Ruhe eines höchst idyllischen Landlebens beschliesst. An der Küste liegen einige wenige Gehöfe. Die türkische Sprache fängt hier bereits an vorherrschend zu werden und besonders unter dem Landvolke, das meist aus Turkomanen besteht. Mehr nördlich gegen Karamanien hin ist dieses noch mehr der Fall, und sie wird dort die alleinherrscliende Sprache. Ich sandte sogleich einen Theil unserer Leute ans Land , um frische Lebensmittel zu reqtiiriren , Ludwig aber bekam, seiner Kenntniss des Arabischen halber, den Auftrag, nach Antiochia zu reiten und Ibrahim- Pascha, im Falle er sich dort befände, ein Schreiben von mir zu überbringen, worin ich ihm unsere Ankunft anzeigte und ihn um nähere Weisung in Betreff unseres nächsten Reiseziels ersuchte. Zugleich gab ich ihm alle meine Briefe an den k. k. österr. General-Konsul Picciotto mit, um dieselben nach Aleppo zu senden. Da jedoch Ludwig erfuhr, dass IßRAniM-Pascha sich nieht in Antiochia, sondern in Aleppo oder Aintab be- findet, so blieb er bei Parker in Suedie und erwartete mich für den nächsten Tag am Lande, da Abends die See sehr hoch ging und die Kommunikation mit der Korvette er- schwerte. Lezterer Übelstand fand auch am nächsten Mojgen statt, doch Hessen wir uns nicht dadurch abschrecken, 360 sondern bestiegen unsere Barken. Wir fuhren gerade in die Mündung des Orontes und verfolgten ihn fast eine Stunde aufwärts. Der Fluss hatte gegenwärtig sehr viel Wasser und stellenweise eine Breite von nahezu 300 Schritten. Das Wasser war trübe und schlammig, es hatte eine starke Strömung und schien tief zu seyn. Von der Felsschlucht des Gebirges an, wo der Orontes in die Ebene von Suedie tritt , hat er sich sein Bett in vielen Windungen in dem tiefgründigen Kulturlande gegraben, daher ein häufiges Nachstürzen der Ufer stattfindet. Auffallend ist die Menge von Schildkröten , die im Flusse herumschwimmen. Das geschichtliche Interesse des Flusses durch das Schicksal des Friedrich Barbarossa, der am 10. Juli 1190 zu Pferde hier den Strom durchschwömmen und ertrunken seyn soll, ist bekannt. Übrigens ist man hinsichtlich des Ortes, wo dieses Unglück geschehen seyn soll, nicht im Klaren. Einige bezeichnen als solchen den Kalykadnus bei Seleucia an der Südküste von Kleinasien , andere den Orontes, andere den Cydnus bei Tharsus. Das Faktum ist, dass es in einem Flusse an den Grenzen von Syrien und Cilicien geschah. Wir stiegen an einem kleinen Bretterhüttchen aus, das die Duane vorstellt, wo alle Aus- und Einladungen der ankom- menden und abgehenden Schiffe vor sich gehen, indem die Küste keinen eigentlichen Hafen besizt. Unser Weg zu Parkers Landhaus führte uns querfeldein. Wir gingen durch Getreidefelder und Wiesen ; Feigen- und Granatäpfel- bäume , mit ihren prächtigen rothen Blumen , gelbe Lilien in voller ßlüthe und wilde Reben , die einen sehr guten Wein geben, bildeten die Einfassung der Wege, die nur für Reiter oder Fussgänger beantragt sind. Auf den Feldern sahen wir mehrere sehr grosse Geier, unter denen welche 7 — 8 Fuss bei ausgespannten Flügeln messen mochten, und Scharen von Flamingos, die sich mit dem Weiss und Roth ihres Gefieders im Scheine der Sonne prachtvoll aus- nahmen. Die auf den Feldern uns begegnenden Laud- leute, lauter Turkomanen, waren durchaus reinlich und sehr ordentlich gekleidet , sie grüssten uns alle freundlich und benahmen sich überhaupt mit vielem Anstand, der der 301 schönen , rein türkischen Kasse eigen ist nnd wodurch sie auffallend gegen den weit fähigem, aber tiickischeu, schlei- clienden Araber absticht. Parker empfing uns aufs herz- lichste, wie alte Freunde. Er ist schon lange Zeit im Oriente und diente früher als Generalkonsul seiner Nation in Ale- xandria. Seine Frau, eine geborne Levautinerin und im orientalischen Costume, wie er selbst schon hoch in Jahren, besizt einen Grad von Bildung, der mir bei orientalischen Frauen noch nicht vorgekommen war. Ausserdem trafen w ir im Hause ein Paar von Parkers Söhnen , von denen der eine Agent der nordamerikanischen Freistaaten ist, eine im Mause angenommene junge Griechin und eine sechszehn- jährige Engländerin, die Frau unsers Reisegefährten von Bei- rut, des Artillerie-Offiziers Aminete. INie in meinem Leben ist mir im Oriente eine mit mehr Eleganz geführte Landwirth- schaft vorgekommen, als die Parkers, Die weiseste Ver- bindung des Comfortes, wie ihn der Orient und der Occident darbieten, eine herrliche Natur und eine schöne Umgebung voll klassischer Erinnerungen Hessen mir hier die Seligkeit des Landlebens in der höchsten Vollkommenheit vor Augen treten. Parkers Stellung war damals von Wichtigkeit 5 denn die Verbindung Englands über Aleppo und Bassora mit Indien , der Betrieb der Euphrat-Expedition und der damit sich in Verbindung setzenden Aussichten für die Zukunft, führten einen gewissen Aufschwung der Geschäfte nothwendi}>er Weise herbei. Die neuesten Zeiterei2:nisse haben die Verhältnisse umgestaltet, der Krieg warf seine Fackel auch in jene Gegenden, und Parkers und der Seinen Schicksal ist mir seit meiner Abreise aus dem Oriente unbekannt. Parkers Landsitz, mitten im Thale von Suedie, dessen südlichen Rand der Orontes, heutzutage Nacher Assi genannt, durchströmt, besteht aus vielen Gehöfen und dehnt sich sehr weit aus. Der Boden, zu den fruciitbarsten gehörend, die es geben kann, lässt alle europäischen Kultur- gewächse aufs üppigste gedeihen, so wie man in den Gärten im Freien eine Menge exotischer Pflanzen, besonders aus China und Japan, denen das Klima von Suedie sehr zusagt, trifft, die blühen und Früchte tragen, wie in ihrem Vaterlande. 362 Da ich mit Bestimmtheit IßRAHiM-Pascha's Aufenthalt nicht eifahren konnte, so beschh)ss ich, selbst nach Antlochia und Aleppo zu reisen , um ihn in einem oder dem andern Orte zu treffen. Ich ordnete daher für den nächsten Tag die Ausschißung der Zelte und des nothigsteu Bedarfes an j übergab meinem Adjunkten die Leitung- der Geschäfte in meiner Abwesenheit, Avählte AcHMED-Kaptan als Dolmet- scher, den Arbeiter Pirchner und meinen Bedienten Carl zu meinen Begleitern und trug den übrigen auf, an irgend einer ihnen angenehmen Stelle am Laude, in der JNähe von Parkers Wohnung, Lager zu schlagen und meine Rückkehr daselbst abzuwarten. Parker bestellte die für meine Reise nöthigen 7 Pferde für den nächsten Morgen. 2} Reise vou Suedie über Antiocliia nacli Aleppo und zurück. Mit Anbruch des Tages schifften wir uns am 25. Mai bei der Duane am Orontes mit unsern Zelten aus, sortiiten dieselben und legten das grösste , von 24 Fuss im Durch- messer, für meine Reise zur Seite. Dem gewöhnlichen Schlendrian zu Folge kamen unsere sieben Pferde erst Mittags an. Ich liess sogleich drei derselben mit dem Zelte und unsern wenigen übrigen Bedürfnissen bepacken, die andern vier satteln und gleich nachher sassen wir auf. Wir zogen am rechten Ufer des Orontes hinauf, passirten SO. Parkers Wohnung in geringer Entfernung und verliessen an jenem Punkte, wo der Orontes sich wendet und aus einem engen Thale des Cassius-Gebirges in die Ebene von Suedie hervorbricht, die Strasse, welche nach Antiochia führt, und wählten den nach dem Ge- birgsdorfe Sananieh führenden Seitenpfad, welchen Hr. Parker seiner pittoresken Gebirgspartien halber uns be- sonders angerathen hatte. Wie wir früher in der Ebene den Strom aus West in Ost verfolgt hatten , so geschah es jezt, als wir das Gebirge betraten, aus Nord in Sjid, uns immer an seinem rechten Ufer haltend. Kaum waren wir in die Thalschlucht gekommen, in welcher der Orontes die Kette des Gebirges Cassius, östlich vom Dschebel Okia, durchbricht, so wurde der We« furchtbar schlecht, doch unsere an derlei Strapazen j;e\vöhnten syrischen Pferde gin5>en eben so leicht als sicher über die Stein- massen Aveg, über die der holperige Weg am Ufer hin- führte. Die Berge zu beiden Seiten des Flusses nähern sich mehr und mehr, und das Orontesthal wird immer enger. Die Ansichten, uelche dasselbe darbietet, sind herrlich. Die Felspartien sind wild, und schroffe, senk- rechte Felswände engen den Fluss ein, in kühn gethürmten Massen hoch über ihn ansteigend; doch das Wilde wird durch die üppige Vegetation in den Schluchten nächst des Weges sehr gemildert. Besonders schön ist jene Partie, wo sich der hier sehr leissende Strom um eine Felswand, die voller Höhlen ist. beinahe rechtwinklig herumbieat und seine frühere Richtung aus N. in S. wieder in die Richtung aus W. in O. umändert. Der Weg führt gerade diese Felswand hinan, die eine scharfe Ecke mitten in dem engen Thale bildet, und zieht sich ebenso, in einer Menge Win- dungen , am andern Gehänge dieser Kuppe wieder zum Orontes hinab. Längs des Weges wachsen ganz wild Feigenbäume, Weinreben, Johannisbrodbäume, Maulbeer- bäume und die Menge der blühenden Rosenstränche, Oleander und Lilien machten in dieser Jahreszeit das Thal zu einem der schönsten Gärten, die ich je sah. Ln^ war, um mich eines klassischen Ausdruckes zu bedienen, kannibalisch wohl, und fröhliche Weisen aus unserm Alpenlande singend, ritten wir die steile Wand hinan. Die Kuppen des Cassius, die Schluchten des Orontes hallten in langem Echo die heimath- lichen Töne wieder. Sie thaten das Ihrige; denn auf solche Weise für gewöhnlich gefeiert zu werden , sind sie nicht gewohnt. Jenseits der vorspringenden Felswand erweiterte sich das Thal. Beide Gehänge sind bebaut und mit Feigeri- und Maulbeerbäumen, durch Reben verschlungen, besezt. Niedliche weissgetünchte Landhäuschen laden zur Ruhe ein. Auch die turktunanischen Bauernhäuser tragen ein ganz europäisches Ansehen an sich , sie haben durchgehends Giebeldächer von Ziegeln, aus- und inwendig rein, keine Spur von Armuth und Druck, die Leute freundlich, dem 364 Fremden mit herzlicher Gastfreundschaft entgegenkommend. Man wundert sich , wenn man den grellen Gegensatz in Egjpten gesehen hat, hier in diesem Lande, das auch zu Mehemed-Ali's Besitzungen gehört, ich möchte wohl sagen so einen Wohlstand zu sehen. Diess erklärt sich übrigens sehr einfach. In Egypten hat man es mit dem durch Jahr- hunderte gedri'ickten , zum Vieh entwürdigten Fellah zu thun, am Orontes ist es der in Waffen geborene, die Waffen nie ablegende Turkomane , der frei auf seinen ihm alle Bedürfnisse des Lebens darbietenden Bergen herumzieht, der nicht Sklave, sondern Eigenthümer des Bodens ist, den er bebaut, der einer vorsichtigem Behandlung benöthigt, will man seinen kriegerischen Geist nicht wecken. Diess aner- kennend ging man mit Schonung zu Werk und beschränkte sich höchstens darauf, das Volk nach und nach auf den Segen der egyptischen Herrschaft vorzubereiten, in welchem Vorhaben man im südlichen Syrien , wo man weniger zu fürchten hat als im nördlichen, da dasselbe der türkischen, folglich der feindlichen Gränze nahe liegt , bereits weiter vorgeschritten war. In der Nähe des Dorfes Sananieh lagerten wir uns, um unsere durch den schlechten Weg ermüdeten Pferde ausruhen zu lassen, für einige Augenblicke, und sezten dann, mittelst einer Fähre, auf das linke Ufer des Orontes über. Dicht daran steht eine Mühle, in die wir eintraten. Die Frau, umgeben von einer Schar kleiner, rothbäckiger Turkomanen, kam uns, die wir, wie immer, europäisch gekleidet waren, auf das freundlichste entgegen , ohne im mindesten bemüht zu seyn, sich zu verhüllen und überhaupt ohne die mindeste Scheu vor uns Fremden zu zeigen. Sie trug uns Milch an , und als wir sie nicht nahmen , so nöthigte sie uns, wenigstens einiges Obst mitzunehmen. So geringfügig dieser Fall an und für sich ist, so hatte er für uns dadurch Bedeutung, dass eine mohammedanische Familie es war, die den Fremden, den Christen, so treuherzig entgegenkam. Ich lernte später die Turkomanen näher kennen und lebte längere Zeit unter ihnen, doch nie schwächte ihr Benehmen den schönen Eindruck , den mein erstes Zusammentreffen 365 an den Ufern des Orontes in mir hervorrief. In dem eigent- lichen türkischen Volke lebt ein edler Stoff, es ist ein edler Kern in einer rauhen Schale, und Schade wäre es, sollte er, durch die geschehenen Missgriffe ihn zu entwickeln, untergehen. Das Thal wurde nun immer weiter und belebter. Eine Menge Dörfer liegen an seinen beiden Gehängen zerstreut, man hat jedoch Miilie, sie zu entdecken, weil die Häuschen ganz zwischen hoben , dicht belaubten Bäumen versteckt liegen. Nur aus dem starken Anbau des Bodens lässt sich auf die bedeutende Bevölkerung schliessen. Als die JNacht anbrach, schlugen wir unser Zelt in der Nähe eines Bauern- hauses an einem Bache auf. Die Nacht war warm und der Mond leuchtete helle am reinen Himmel , wir sassen lange vor dem Zelte und hörten dem Geheule der Schakals zu, die im nahen Gebüsche herumstrichen und einen Lärm machten, ähnlich dem weinenden Geschrei der kleinen Kinder, bis wir mit einem Schrot-Schusse dem Spektakel ein Ende machten. Wir hatten bereits am Tage sehr häufig eine Tempe- ratur von einigen und zwanzig Graden Reauni. im Schatten. Die Hitze, verbunden mit den salzigen Ausdünstungen des nahen Meers, erzeugte auf unserer Haut den in Syrien sehr häufigen Sonnenausschlag, bestehend in rothen Flecken, die entsetzlich jucken und uns manche leidenvolle Nacht verursachten. Nichts hilft, als wiederholte kalte Wa- schungen, die wenigstens für den Moment Linderung ver- schaffen. Nicht weit von unserm Nachtlager liegt auf einem Berg das Dorf ßed el maa (el moje, das Haus des Wassers), in dessen Nähe sich einige Ruinen befinden, die man für die des alten Daphne hält. Auch ist daselbst eine wegen ihres ausserordentlichen Wasserreichthums berühmte Quelle, unter einer durch Alter, Schönheit und Grösse ausgezeich- neten Platane. Überhaupt findet man nicht leicht ein Volk, das eine solche Aufmerksamkeit und eine solche Vorliebe für Ausstattung öffentlicher Brunnen an den Tag legt, wie das türkische. Die Brunnen werden mit Mauern eingefasst lind mit Bäumen umpflanzt, meist Platanen und Nussbanme, die Jahrhunderte hiiidurcli geehrt, geschüzt, geheiligt möchte ich sagen, häufig eine riesenmässige Grösse erhalten nnd in deren dunklem Schatten die Quelle rauscht. Es liegt in dieser entschiedenen Vorliebe des Türken sehr viel Poesie, Stundenlang sizt derselbe auf seinem Teppich dort, schmaucht seine Pfeife und trinkt von dem in diesen Gebirgen, besonders aber am Taurus, häufig köstlichen Wasser und überlässt sich seinen Träumen. Sehr r)ft sind in der Nähe solcher Brunnen Chans oder Karavanserais angebracht, Unterstands- häuser fi'ir Reisende, worin dieselben aber nur Obdach fiir sich und ihre Pferde finden, für den Lebensunterhalt aber selbst sorgen müssen. Zum Tlieil ist es für Häuptlinge oder überhaupt Personen von Bedeutung Sitte geworden, einen oder den andern solcher Brunnen anzulegen, der da- durch von ihnen einen entsprechenden Namen erhält. Auch die Chans, meist von solchen erbaut und von ihnen benannt, sind eigentlich als Stiftungen für das öffentliche Wohl zu betrachten. Man trifft zum Theil unter diesen Chans pracht- volle Gebäude, im alten sarazenischen Styl oder im arabi- schen Geschmack aufgeführt, aber durchaus schlecht unter- halten, so dass sie fast alle beim ersten Anblick den Eindruck von Ruinen hervorrufen. Mit der Sonne traten wir unsere Reise wieder an, das Thal mündet sich in der weiten Ebene von Antiochia, und nach einer Stunde lagen bereits die Minarets der Stadt vor uns. Bevor wir daselbst anlangten, passirten wir dicht daran das Palais Ibrahim- Pascha's, der sich damals für gewölmlich hier aufhielt, ein ganz einfaches, nettes Haus, dem Landhause eines im Bauaufvvande sich auf das Nöthige beschränkenden Gutsbesitzers ähnlich. Gegen- über liegt die neu gebaute, grosse Kaserne. Wir betraten die Stadt nicht, sondern ritten hinter dieser Kaserne den Berg hinan und schlugen auf der Kuppe eines Hügels, am Fuss der alten Festung, unser Zelt auf, an einem Platze, von dem aus wir die ganze Stadt nebst der herrlichen Umgebung überblicken konnten. Antiochia, heutzutage Antakia, hat eine wunderschöne Lage. Es liegt am linken Ufer des Orontes und lehnt sich an das nördliche Gehänge 307 des Gebirges Cassius, dessen Rücken die Ruinen der von den Kreuzfahrern in einer Erstaunen erregenden Ausdehnung; erbauten Festung trägt. Die Nordseite der Ebene begränzt in dei' Richtung aus Ost in West die Kette des Aman und Legan mit ihren hohen und schön geformten liergen. Glitten durch die Thalebene schlängelt sich der Orontes, zu seinen beiden Ufern das gesegnetste Kulturland. Die Stadt, welche gegenwärtig 10,000 bis 12,000 Einwohner zählen mag, macht durch ihre Minarets und Äloscheen, durch ihre Gärten einer- seits den Eindruck einer orientalischen Stadt, andrerseits aber durch den Anblick der Giebeldächer von Ziegeln, auf allen Häusern, bewogen, glaubt man, eine europäische Stadt vor sich zu sehen. Das Innere der Stadt ist hingegen rein orientalisch, die Strassen enge und unrein, in der Mitte ein tiefer Wassergraben, zu den Seiten furchtbar schlechte Trottüirs. Die Häuser haben nur ein Erdgeschoss und auf die Strasse keine Fenster, von Innen aber stets einen Hof, der, wenn er nicht ganz Garten ist, doch einige und meist schöne Bäume besizt. Die Festung oberhalb der Stadt, an ihrer Südseite, gewährt einen höchst pittoresken Anblick. Man sieht noch ihre Hauptmauer und viele der Thürme. Erstre erstreckt sich auf dem Rücken des Cassius parallel mit dem Hauptthale eine Stunde lang, hat zwischen den Thürmen eine Dicke von 10 Fuss und ist an ihren beiden Aussenseiten aus Quadersteinen aufgeführt, der innere Raum ist aber mit IMörtelmauer ausgefüllt. Das Ganze bildet eine sehr feste 3Iasse, welcher der Zahn der Zeit und die Zerstö- rungswuth der Menschen bisher nur sehr wenig anhaben konnten. Die Mauern der Festung sind sehr hoch und von ihren Zinnen geniesst mau eine herrliche Fernsicht. In dem tiefen Graben, der sich von der Stadt zur Festung hinaufzieht, sieht man in den Kalksteinwänden eine Menge Höhlen künstlich ausgearbeitet. Jede derselben bildet einen viereckigen Raum mit einer Thüröffnung und Licht- und Luftlöchern. Da überdiess in einer jeden dieser Höhlen eine, meist aber zwei Schlafstelleu im Felsen ausgearbeitet sind, so müssen sie entweder Wohnungen oder Gefängnisse gewesen seyu. Unterhalb der Festung und in der Nähe 368 dieser Trogloditen-Behausungen führt eine aus Quadersteinen gebaute Brücke in mehreren Bogen iiber die Schlucht. Die durchdringenden Wasser haben den Mörtel der Mauerung aufgelöst, und es bilden sich nun grosse Stalactiten, welche in den Bogenräumen als Festons herabhängen. So stellt sich uns Antiochia jezt vor Augen, die Stadt, welche in der Geschichte unserer Religion eine so bedeutende Rolle spielte, im Jahr 1097 selbst in die Hände der Christen fiel, nach ein paar Jahrhunderten aber wieder von den Sarazenen erobert wurde, und die alle Gräuel des Kriegs und der Zerstörung durch Erdbeben über sich ergehen sah. Mein erster Gang mit AcHMED-Kaptan war zum Musselim (Gouverneur der Stadt), einem jungen, freundlichen Mann. Durch ihn erfuhr ich, dass Ibrahim -Pascha sich in Aintab befinde und man ihn in Aleppo erwarte. Ich beschloss, ihm dahin entgegenzureisen, und bestellte daher beim Musselim die nöthigen Pferde bis künftigen Morgen, die er mir auch versprach. Von ihm weg ging ich zu Hrn. Diep, dem unbesoldeten englischen Konsul und Freund und Beschützer aller christlichen Nationen zu Antiochia, dessen Haus gast- freundlich jedem Europäer ohne Unterschied offen steht und dessen Gastfreundschaft im Lande fast sprichwörtlich ge- worden ist; denn er übt sie in einem solchen Massstab aus und sie wird so missbraucht, dass sogar seine Vermögens- verhältnisse merklich dadurch erschüttert wurden. Leider fand ich den guten Alten nicht zu Hause, er war nach Scanderun abgereist, statt seiner aber machten sein Sohn, der fertig englisch spricht, und der Dolmetscher die Honneurs. Nach diesem Besuch ging ich wieder zum Gouverneur, der nun seinen Sinn geändert hatte und der Pferde wegen ver- schiedene Ausflüchte machte; da ich aber auf meiner For- derung bestand, so erneuerte er endlich das Versprechen, sie mir morgen früh zu senden. Da ich den ganzen Vormittag des 27. Mai vergeblich auf die versprochenen Pferde wartete, so sandte ich Achmed- Kaptan zum Musselim, um Erkundigung einzuziehen. Dieser erklärte ersterm nun geradezu, dass er keine Pferde ver- abfolgen könne, ohne darüber höhern Ortes anzufragen. 3>iiniii;l(, Kciscii. i. IM. 25 386 nobei ich ilim zugleich versicherte , dass er von mir die reine , ungeschmückte Wahrheit hören werde. Er ver- sprach mir, in Kürze selbst an den Taurus und zwar nach Gülek ßoghäs (Pass von Gülek) zu kommen , bis daliin riefh er mir, daselbst nichts zu unternehmen, sondern nur schweigend zuzusehen, indem er mich auf meine kiinftige schwierige Stellung, zwei Europäern gegenüber, denen durch meine An\yeseiiheit nicht sehr gedient seyn werde, und inmitten eines beständig zur Empörung geneigten und höchst reiz- baren Volkes, aufmerksam machte. Hierauf entliess mich Ibrahim auf eine höchst freundliche Weise. Den folgenden Tag Abends ging ich mit AcHMED-Kaptan wieder zu ihm. Er war gerade bei Tisch , rief mich aber sogleich zu sich, wie er mich durch die offene Thür im Vorsaale eintreten sah. Mit ihm ass ein General. Ibrahim hatte zum Speisen einen rothen Mantel umgeworfen und ass nach europäischer Sitte mit Messer und Gabel , der General aber ganz unge- nirt mit den Fingern. Die ganze Tafel bestand in 3 oder 4 europäisch zubereiteten Gerichten 5 getrunken wurde nichts als Wasser. Ibrahim war besonders guter Laune und sprach sehr viel. Er befragte mich um eine Menge Gegenstände auf eine Art und Weise, dass er seine gänzliche ünkennt- niss derselben darlegte, und dass er mich hinsichtlich der Antwort oft nicht wenig in Verlegenheit sezte. So wollteer wissen, wie viel gold- und silberhaltige Waschgezeuge und Erze jährlich in Amerika gewonnen, wieviele verschmolzen, wie viele amalgamirt werden etc. ; um Ähnliches fragte er mich über den üial. Als ich bemerkte, dass ich durch ein aufrichtiges: „Ich weiss es nicht" der Meinung, die er von mir hatte, zu nahe trete, gab ich ihm denn Zahlen an, die mir gerade beifielen und über die ich selbst lachen musste. Endlich kamen wir auf politische Gegenstände zu sprechen, d. h. ich liess ihn sprechen und hörte zu. Interessant war mir, wie er seine Kräfte überschäzte, und dass er wirklich von der Überzeugung durchdrungen war, dass das Bischen europäisches Exerzitium , das man seinen Truppen einge-" prügelt hatte , wirklich die ganze Kriegswissenschaft mit sammt ihrem Zugehör in sich fasse. Er brannte vor 387 Bepei'do, sich mit einer ciiropiüsrlieii Armee zu schlagen, nnd stellte sich, durch seine Sie{;e in der Moiea, in Kleinasien, Syrien nnd Arabien külui gemacht, ganz getrost einem Napoleon, VV^ellington etc. an die Seite. Er bedachte nicht, dass er stets nur nndisziplinirten , zerstreuten , uneinigen, schlecht he\vafrneten Feinden gcgeniiher gestanden hatte, hei Koniah nnd Nissibaber die schlechteste Armee und die schlech- testen Feldherrn, welche fast die Geschichte kennt, vor sich sah, dass er in Akre mit IßOO Amanten nur zu thnn ge- habt hatte, die der Hunger aufrieb und deren Antheil an dem Ruhme durch ihre hochherzige Vertheidigung grösser war, als der seine durch die Erstiirmung. Kurz er hatte keinen Begriff, was es heisse, europäisch exerzirten , disziplinirten und moralisch ermuthigten Truppen-Massen gegenüber zu stehen. Übiigens fand ich, dass er mit Recht vielen Werth auf die arabische Nation als kriegführende legte, und ich möchte fast sagen , er denkt mehr arabisch , als sein Stief- vater Mkhemed-Ali. Schliesslich eröffnete mir Ibrahim- Pascha, dass er im Sinne habe, schon in ein paar Tagen a1)znreisen und über Beilan und Skanderum (Alexandrette) nach Adana und Gülek Boghas zu gehen, und dass er wünsche, von einem meiner Bergoffiziere auf diesem Wege begleitet zu werden. Ich stellte mich selbst zu seiner Dispo- sition ; da er jedoch erklärte, dass meine persönliche An- wesenheit am Taurus nothwendiger sey und er mich recht bald dort angelangt zu sehen wünsche, so bestimmte ich zu seiner Begleitung meinen Adjunkten Pruckner und den Dolmetscher Suwatowsky und schickte sogleich einen Kourier nach Suedie ab, um beide hieher zu berufen. Am nächsten Tage, den 9. Juni, trafen bereits Pruckner, Dr. Veit und Suwatowsky in Antiochia ein und stellten sich sogleich Ibrahim- Pascha vor. Ibrahim war wieder sehr gesprächig und warf sich heute mit besonderer Vorliebe auf die Geographie. Mit vieler Mühe erklärte er einem anwesenden Stabs-Offizier die grosse Ausdelinung Russlands und sezte ihm recht gut auseinander, wie Rnssland und Amerika fast zusamraen- stossen und nur durch eine Meerenge getrennt seyen. Der hohe Effendi hörte das Unerhörte mit gebührendem 25* 388 Erstaunen an, konnte sich aber nicht recht in die Idee hin- einfinden und schien die Sache mehr als einen guten Spass seines Gebieters anzusehen. Auch wir machten uns zur Abieise fertig und ritten am 10. Juni Nachmittags, indem wir Pruckner mit Suwatowsky bei IsRAHiM-Pascha zurück- liessen, durch die Stadt auf das rechte Ufer des Orontes und durch das Hauptthal hinaus nach Suedie, wo wir am Abend in unserm aus S Zelten bestehenden Lager wieder eintrafen. Die Zahl unserer vierbeinigen Lagergenossen htitte sich unterdessen um zwei Stücke vermehrt, nämlich um zwei grosse Schäferhunde, von denen wir den einen Asslan , den andern Kaplan * nannten, und die uns als Wächter die herrlichsten Dienste thaten. 3) Zweiter Aufentlialt zu Suedie und Reise nach O iilek in Karauianien* Den folgenden Tag bestimmte ich zu einer gemein- schaftlichen Exkursion nach den Ruinen von Seleucia, nörd- lich der Miindung des Orontes und ungefähr 1 Stunde von da entfernt. Wir bracljen frühe auf und ritten der Küste entlang. Das Meer bildet hier SandanhäufungeUj welche die Vertiefungen des Bodens der Küste abschliessen und so Lagunen, kleine salzige Küstenseen, bilden. Zwischen jedem solchen See und dem Meere ist also ein natürlicher Damm von Meeressand, der häufig fest ist, so dass man darüber wegreiten kann, zum Theil aber ist dieser Boden höchst trügerisch, das Meer dringt durch die unteren Schichten des Sandes ein undT erhält sie ganz locker, so dass die obern , festern Schichten so zu sagen schwimmen. Bricht man durch, so kann man so tief einsinken, dass ein Pferd und vielleicht auch der Reiter verloren seyn können. Diesen Ubelstand sollte ich nun selbst näher kennen lernen. Jn tiefe Gedanken versunken und das Meer zur Linken , ritt ich meinen anatolischen Schimmel , ohne mich viel um den Weg umzusehen. Angekommen auf einem solchen Sanddamm und ein bedeutendes Stück der übrigen Gesell- schaft vorausgeeilt, fühlte ich plötzlich mein Pferd sinken. * Im Till kisclien : Löwe untl Tiger. 389 Schon war es bis auf den Bauch eingesunken und konnte sich nicht mehr regten , ringsherum drang- das GrnndvAasser empor. Meine Gefahr sogleich erkennend, sprang ich vom Pferde, um ihm seine Bewegungen zu erleiciitern und sank zwar selbst fast bis an die Kniee im Sande eiii , doch ge- lang es mir mit vieler Mi'ihe mein Pferd , das vor Furcht zu toben anfing, in soweit frei zu machen, dass ich es wieder zurück auf festern Boden brachte, bevor ich fremde Hülfe anzusuchen nötliig hatte. Dadurcii gewarnt, ver- liesseu wir den Weg an der Küste und wendeten uns mehr landeinwärts. Bald kamen wir an ein mit Dämmen einge- fasstes Bassin, welches mit Recht, Avie ich glaube, als der einstige Hafen des alten Seleucia betrachtet wird. Er liegt nun ganz trocken, und die Turkomanen bauen dort ihr Ge- treide, wo einst die Schiffe der Phönizier ihre Anker warfen. Es scheint, dass wir es hier mit einer Emporhebung des Landes oder einem Zurücktreten des Meeres zu thun haben, und dass mau analoge Erscheinungen auch an andern Punkten der syrischen Küste nachweisen kann ; wenigstens will man an der Mündung des Nacher el Kelb (Hundefinss) Löcher in den Felsen gebohrt, die zum Befestigen der Schiffe dienten, in einer bedeutenden Entfernung von der jetzigen Küste ge- funden haben. Man sieht im Hafen von Seleucia noch die aus ungeheuren Quaderstücken bestehenden Mauern, welche ihn einfassten , ferner die Reste eines grossen Molo, der in die See hinausging und vielleicht einen Leuchtthurra oder ein anderes Signal trug. In der Umgebung des Hafens sind die Ruinen einiger Thürme, wahrscheinlich die Trümmer von Forts ans einer spätem Zeit. Der Weg in die Gebirgs- schlucht, durch welche die alte Felsenstrasse von Seleucia ans Meer führte und die der interessanteste Gegenstand ist, der hier von dem Unternehmungsgeiste der Alten Zeugniss gibt, zieht sich über die Trümmer eines dieser Thürme hin. Es handelte sich nun darum, unsere Pferde darüber weg- zubringen , was uns denn auch , obwohl mit grosser Mühe, gelang, und nachdem wir wenige Schritte die Ruinen hin- abgeklettert waren, standen wir am untern Ende des merkwürdigen Felsenwegcs , eines der grossartigsten Bau- 390 untenielimungen dieser Art, die mir je vorkamen. Der Weg von hier nach dem alten Seleucia, dessen ich später er- wähnen werde, ist eine Stunde lang in dem Kalkstein- felsen eingebrochen , grösstentheils von Tage nieder , dort aber wo das Gebirgsgehänge am höchsten war, ist man mit einem Tunnel durchgefahren. Die Breite dieses Weges wechselt zwischen IS und 24 Fuss *. Die geringste Tiefe des Einbruches, d. h. die Höhe der zu beiden Seiten des Weges senkrecht stehenden Kalksteinwände, ist wechselnd nach der Beschaffenheit der Boden-Oberfläche und beträgt von wenigen Fuss bis zu 48 Fuss, die grösste Tiefe aber be- trägt ISO Fuss. Dieser Theil des Weges , ungefähr 19 Theile der ganzen Länge, ist von oben niedergebrochen, daher auch das Tageslicht von oben einfällt. Im dritten Viertel ungefähr, vom Meere an gerechnet, ist man aber mit dem Wege durch das ganze Gebirge gefahren. Die Länge dieses Durchschlages oder Tunnels beträgt 6Ü0 Fuss, ist 24 Fuss im Mittel hoch und 24 Fuss breit. Die Strecke, wo der Weg als offene Gallerie ISO Fuss tief in den Felsen niedergebrochen ist, hat allein eine Länge von 480 Fuss und gewährt an und fiir sich einen sehr imposanten Anblick, der aber noch dadurch gesteigert wird, dass gerade da ein Brückenbogen über die tiefe Spalte führt und ein dichtes Oleandergebüsch, damals gerade in voller Blüthe , sich zu beiden Seiten darüber hinneigt und so ein Dach von Blumen bildet. Das Herrliche, das Feenhafte dieses Anblickes für den, der unten in der Schlucht steht und nach oben blickt, geht über alle Vorstellung. Die Enge der Gallerie schon für sich und noch mehr das erwähnte Gebüsch, welches sie bedeckt, bewirken ein nur sparsames Eindringen des Tageslichtes. Es herrscht ein Halbdunkel , welches den pittoresken Ein- druck des Blumendaches und des Brückenbogens über dem Kopfe aufs höchste steigert. In den mittlem Theilen des Tunnels ist es so ziemlich finster, und würde die durchführende Strasse befahren, so müsste eine künstliche Beleuchtung nothwendiger Weise stattfinden. Dort wo der offene Ein- bruch oder die ofiene /Gallerie am tiefsten ist, bemerkte '■'' Wicner-Mass. 391 ich eine Treppe, die, in Felsen eingehauen, von oben nach unten auf den Weg niederfiihrte. Gegenwärtig könnte die- selbe aber nicht mehr benüzt werden, da der grösste Theil derselben hereingefallen ist. Dieser Felsenweg endet in einer engen Gebirgsschlucht am Gehänge des Dschebel Mussa, in deren Nähe die Reste des alten Seleucia beginnen und sich gegen S.O., gegen das Hauptthal, forterstrecken. Den eigentlichen Zweck dieses Felsenweges kann ich noch nicht recht einsehen; denn sollte es sich nur um eine Verbindung zwischen der Stadt und dem Meere gehandelt haben, so würde dieselbe an den Gehängen der -Berge hin wahrschein- lich doch weniger hoch zu stehen gekommen seyn. Von einem Kanäle kann zwar keine Rede seyn , denn das Ge- fälle des Felsenweges ist zu stark, um auf diese Idee zu kommen, und von Schleusen , die doch hätten seyn müssen, wenn man z. B. das Wasser des Orontes hier durchgeleitet hätte, sieht man keine Spur. Auf jeden Fall ist es ein Unternehmen, das, was Ausdehnung und Überwindung loka- ler Schwierigkeiten betrifft, unter die grossartigsten Arbeiten dieser Art gehört , welche die Erde aufzuweisen hat , und das Durchschläge, wie das Posilippo in Neapel, das neue Thor in Salzburg , die meisten der Eisenbahn-Tunnels etc. weit hinter sich zurücklässt. Um so auffallender ist es mir, dass ich in keinem der Reise werke , die von diesen Gegenden handeln und in deren Besitz ich bin , selbst in denen, die entschieden die besten sind, wie die von BuRKHARDT , NiEBüHR , VoLNEY etc. , den einzigen Pococke ausgenommen , etwas über diesen Felsenweg finden kann. Die alten Schriftsteller, wie z. B. Curtius*, drücken sich über die Engpässe, Fusssteige, Schluchten etc. Ciliciens so allgemein und unbestimmt aus, dass sich daraus für solche Ortlichkeiten nichts Bestimmtes, Klares entnehmen lässt, und durchgehe ich Pococke's Schilderung genau, so kommt es mir gerade vor, er könne die Sache unmöglich selbst ge- sehen haben ; denn sonst müsste er sie treuer darstellen. Ich will übrigens durchaus nicht behaupten, als sey dieser * Q. CuKTiüs Rufus de rebus «'cstis Alexaiulri M. 392 Felsenvveg nicht bereits besser beschrieben worden , ich sage nur, dass mir keine solchen besseren Beschreibungen bekannt sind. In der engen Gebirgsschlucht, wo wir, nachdem wir eine Stunde in dem Felsenwege geritten waren, wieder ins Freie kamen, fanden wir ein einzelnes, kleines Häuschen zwischen hohen , wilden Felsen, beschattet von Aprikosen-, Feigen- und Citronenbäumen. Der Eigenthümer, umgeben von einer Menge lieber und kerngesunder Kinder, liess uns nicht vorüberreiten, sondern nöthigte uns, abzusteigen, um uns mit Früchten zu bewirthen, die unterdes^sen seine Frau herbeibrachte. Der Moment war zu idyllisch, als dass wir nicht mit Vergnügen eingewilligt hcätten. Mir kam das Hüttchen vor , wie eine neu entdeckte Insel im Ozean, bewohnt von zufriedenen , folglich glücklichen Leuten. ^Michts von Aussen stört die stille Ruhe dieser Schlucht, deren Vorhandenseyn Niemanden kümmert. Niemand be- neidet den Besitzer, Niemand verdrängt ihn und wenn die vielen Panther nicht wären , die hier herum hausen , und ihm seine Hühner und Ziegen stehlen, so hätte er am Ende gar keine Feinde. Gleich unterhalb des Hüttchens beginnen nun die Reste des alten Seleucia *, die sich in zwei wesent- lich verschiedene Theile sondern ; die eigentliche Stadt nämlich, von der man nur ein verworrenes Gehäufe von Mauer- trümmern sieht, die durchaus kein besonderes architektonisches Interesse darbieten, zog sich längs des Gehänges des Dschebel Mussa aus NW. in SO. ; der bei weitem wichtigere Theil der Stadt aber, die Nekropolis, war oberhalb und in der- selben Richtung in den Felsenvvänden des Mussa selbst ausgehauen. Man sieht noch jezt in der Wand die Ein- gänge zu unzähligen solcher Katakomben, und durch sie erhält jene das Ansehen eines Wespennestes. Stiegen waren eingehauen, welche die einzelnen Gräber an der Aiissenseite unter sich in Verbindung sezten, die Zeit hat sie zerstört und viele dieser Katakombenzugänge in der senkrechten Felswand sind nun ganz unzugänglich, ihre Form ist theils * Ziemliclj gute Abbildungen dieser Ruinen und der Felsengräber «ieht man in Jühn Carre's Syria and tlie holy Land. 2 Vol. pag. 18 et 73. 393 die eines einfachen Parallelogramms, theils tue eines flach- gedrückten Bogens, auch von Innen sind die Katakomben theils einfach viereckige Räume, theils Gewölbe mit Pfeilern, die in den leicht zu bearbeitenden Kalkgesteinen nicht schwer herzustellen waren. Ihre innerliche räumliche Ausdehnung ist im Allgemeinen nicht sehr bedeutend und nur bei einigen sind mehrere solcher Gewölbe unter sich in Verbindung, so dass sie, stets mit einer Art Vorhalle versehen, ein geräu- miges Ganze bilden. Das eigentliche Grab steht in der Mitte, ein Gewölbe im Gewölbe bildend. In einigen dieser Gräber findet man noch Sarkophage aus Kalkstein gemeisselt, darunter sah ich einen, der sehr geschmackvoll mit kleinen Amoretten verziert war, auch die Eingänge sind zum Theil mit Skulpturen dekorirt. Einige dieser Gräber tragen die Spuren, dass sie noch vor Kurzem bewohnt waren, und öfters wählen sich Eremiten eines oder das andere derselben zu ihrem Aufenthalte. Wir ritten von Selencia auf einem entsetzlich schlechten Wege zur Küste zurück und kamen erst Abends wieder im Lager an. In der Nacht waren einige Schakals so frech, mitten ins Lager zu kommen, doch unsere beiden Hunde säumten nicht, die ungebetenen Gäste anzugreifen und schlugen sie auch mit einem Lärm, der uns alle auf die Beine brachte, in die Flucht, Die Temperatur erieichte in den ersten Stunden des Nachmittags an der Sonne bereits 38** lleaum., und die Hitze fiel uns, besonders in den Zelten, sehr beschwerlich. Am Abende des l'i. Juni schifften wir uns wieder an Bord unserer Korvette Pelenk Dschihaad ein , um an die Küste von Karamanien zu segeln. Da jedoch der Kapitän, trotz dem, dass er so lange vor Suedie vor Anker gelegen hatte, sich erst zulezt um Lebensmittel für seine Mannschaft umsah und desswegen am lezten Tage erst einen Offizier ans Land schickte, so kam es, dass wir bis zum 15. noch stille lagen und wahrscheinlich noch länger nicht fortge- kommen wären, hätte ich nicht die Abfahrt, um doch früher in Gülek anzukommen als Ibrahim - Pascha , kategorisch 394 betrieben. Während dieser paar Tage ging das Meer beständig sehr hoch und leuchtete stark in jeder Nacht. Am Nachmittag des 15. Juni lichteten wir die Anker und gingen nordwärts. Wir hatten die ganze Nacht durch massigen Wind. Am 1(5. des frühen Morgens zeigte sich uns kein Land ; um Mittag sahen wir jedoch die Küste von Klein-Asien. Ein dichter Nebel verhüllte uns die Spitzen des Taurus und wir sahen nur die niedrige , grösstentheils sandige Küste. Ein wenig erfreulicher Anblick. Um 2 Uhr Nachmittags ankerten wir bei Kasanlie auf der Rhede von Tharsus, nächst Adana die gegenwärtig bedeutendste Stadt des alten Ciliciens, eines Theils von Karamanien. Die Rhede ist so zu sagen allen Winden offen und gibt also den Schiffen wenig Schutz , daher sich dieselbe auch nie lange hier aufhalten können. An der Küste sahen wir das Dorf Kasanlie , in dem Hintergrunde eines kleinen Waldes und sonst nichts als öde Ebene, an der Küste mit Sand, weiter nach Innen mit Gras bedeckt. Als wir geankert hatten , kam der Kapitän zu uns in den Salon, wo wir gerade speisten, und verlangte in be- leidigenden Ausdrücken , dass wir uns sogleich ausschiffen sollten ; denn da wir ihn gestern zur Abreise getrieben hätten, so sey heute e r nicht gesonnen, uns länger an Bord zu behalten. Wohl wissend, wie man Türken in solchen Fällen behandeln müsse, trat ich sogleich auf ihn zu und Hess ihm durch AcHMEo-Kaptan sagen: „der Vizekönig habe der Expedition die Korvette zur Disposition gestellt , ich werde daher so lange an Bord bleiben oder mich ausschiffen, so lange und wenn es mir beliebe. Sobald ich das Land betrete , werde ich sogleich dem Vizekönig über sein Be- nehmen Bericht erstatten, und ich mache ihn verantwortlich für alle die traurigen Folgen , die sich ergeben , wenn er oder ein andrer aus seiner Mannschaft es wagen sollte, mir oder einem meiner Leute persönlich nahe zu treten." Das Eisenfresser-Gesicht Ismael's, das ich bei meiner keinem Zweifel Raum gebenden Rede scharf ins Auge gefasst hatte, wurde sanfter und verwandelte sich endlich in ein ziemlich dummes , mit dem er sich empfahl , während wir unsere 395 niiterbrochene Mahlzeit fortsezteii. Voitanek und Ludwig gingen, um Lebensmittel zu kaufen, ans Land, konnten aber des liolien Meeres halber nicht mehr an Bord zuriickkehren und waren bei einem Versuche, diess zu thun, nahe daran, ihr Leben zu verlieren. Am frühen Morgen des 17., als das Meer ruhiger ge- worden war, begannen wir mit der Ausschiffung und be- endeten dieselbe bis Mittag. Als unsere Zelte am Strande aufgeschlagen waren, kam Ismael und entschuldigte sich seines gestrigen ßeneimiens halber. Es war ihm nämlich offenbar darum zu thun, dass dieses Vorfalles in dem Zeug- nisse, welches ich ihm zur Bestättigung, dass er die Expe- dition sicher an Ort und Stelle gebracht habe, auszustellen hatte, nicht erwähnt würde. Ich betrachtete, auf seine Bitten, die Geschichte als abgethan und vergessen und erwähnte in dem Zeugnisse keines ümstandes, der ihm nur im min- desten hätte Nachtheil bringen können. Schon Nachmittags sandte der Gouverneur von Tharsns 40 Pferde und mehrere zweirädrige Karren mit Büffeln bespannt, um unsere Effekten dahin zu bringen. Die Büffel , deren man sich hier als Zugthiere allgemein bedient, sind weit grösser als die in Egypten und überhaupt eine ganz andere Varietät , nicht unähnlich einigen Arten der wilden Büffel in den Wäldern des Innern von Afrika, nur sind sie hier grösser und stärker. Die Hörner einiger dieser Büffel waren 1| Fuss lang und nnten an der Wurzel sehr breit gedrückt , so dass der grössere Durchmesser daselbst über 7 Zoll betrug. Im Verlaufe der schönen Mondnacht wurden die Kisten auf die Karren vertheilt, die Reitpferde von den Packpferden abgesondert, und die Karawane mit dem Gepäcke sezte sich nach Mitternacht in Bewegung, wir aber ritten erst am frühen Morgen des 18. aus dem Lager nach Tharsus ab. Der Morgen war wunderschön, die grosse, sumpfige Ebene zwischen Kasanlieh und Tarsus lag mit leichtem, wolligem Nebel bedeckt, wie ein Landsee vor uns. Die ersten Strahlen der Morgensonne rötheten die hohen Schnee- gipfel des Taurus uns zur Linken , scharf ausgedrückte, höchst interessante Formen, hinter uns lag unbegränzt das 396 weite Meer *. Das Land wurde mehr und mehr bebaut, rechts und links der fahrbaren Strasse waren die Turkoma- iien mit ihren Feldarbeiten beschäftigt, während wir in der frischen Kühle der Morgenluft auf unsern vortrefflichen Pferden in lustigem Galoppe auf Tarsus zueilten, das wir auch in zwei Stunden erreichten. Vor der Stadt, die ganz zwischen Gärten versteckt liegt, fanden wir an einem Brun- nen , eigentlich eine ekelhaft aussehende Lache , unsere in der Nacht Torangegangene Kaiawane versammelt, die uns erwartete. Ich Hess dieselbe mit dem übrigen Theile der Expedition zurück und ritt mit AciiMED-Kaptan allein voraus, um ein öuartier zu requiriren. Die am Cydnus, dessen Fluthen einst Alexander dem Tode nahe brachten, liegende Stadt macht einen traurigen Eindruck. Einst die Hauptstadt von Cilicien, berühmt durch Gelehrsamkeit und Handel, der Geburtsort des Apostels Paulus, fasst sie jezt kaum mehr als 20,000 Menschen und ist ein in Armuth , Schmutz und Ruinen versunkenes IN est. In der Zeit der Triumvirn und später in der der römischen Kaiser, in ihrer grössten Blüthe stehend, war sie der Schauplatz des höchsten Luxus, eines schwelgerischen Lebensgenusses. Nach der Schlacht' bei Philippj zog die schönste Frau ihrer Zeit, Egyptens lezte Kleopatra, umstrahlt von Jugendreiz und Grazie, als Venus auf goldenem Throne in einem prachtvollen Schiffe mit purpurnen Segeln den Cydnus hinauf nach Tharsus und der Besiegerin eines Cäsars konnte kein Antonius wideistehen. Beinahe den grössten Theil der eigentlichen Stadt nehmen heutzutage die Kirchhöfe ein, zu deren Vergrösserung das böse Klima, eine Folge der Versumpfung der Ebene durch das fast stehende Wasser des Cydnus, wie in Skanderum jährlich seine Beiträge liefert. Wir ritten vorerst zum Musselim, der in seinem elen- den Hause uns aufs Freundlichste empfing und uns zum Militär-Gouverneur von Tharsus, zu RusTAN-Bey, begleitete. Er bewohnte ein eben so elendes Haus wie der Musselim und auch in ihm fanden wir einen recht herzlich uns * Ansicht de» Taurus von Kaüaiilie aus getielien. 397 enf{;egeii kommenilen Mann, der alles aufljot, sich uiis«;efällig" zu zeigen. Man liaffe fi'ir uns bereits ein Quartier in dem Hause bereitet, welches Tier österreichische Agent Comassini beuohnt, der gerade auf einer Reise nach Aleppo abwesend war. Statt seiner empfing uns ein Italiener, Namens Maramso, ein Drechsler seiner Profession, dem die Schli'issel des Hauses iibergeben waren. Ein paar Stunden nach unsrer Anknnft standen bereits 12 Kamele und 35 Pferde im Hofe, und wir sezten noch denselben Abend die Reise fort. Da die Karawane sich nur sehr langsam bewegte, so ritt ich mit einigen Begleitern voraus. Der Weg; führte uns anfänglich durch die Ebene an den Ufern des Cydnus hin . dann betraten wir hügeliges Land und endlich die Vorberge des Taurus. Die Nacht war dunkel, der Mond konnte die dicliten Wolken nicht durchdringen , es blizte stark in den nahen Gebirgen. Wir mussten die Pferde ruhig ihren Schritt gehen lassen; denn der Weg führte uns an Abgründen hin, die bei dem trügerischen Leuchten des Blitzes weit schrecklicher aussahen als sie waren. Nach Älitternacht sahen wir in der Ferne Feuer, das uns bald hinter Felsen und Bäumen verschwand, bald wieder erschien. Endlich kamen wir nahe, es war der Brunnen Hülük Küjünin Paschi, und in dem Lichtkreise eines Lagerfeuers sahen wir zwei Männer sitzen , der eine ein Turkomane , bis an die Zähne bewaffnet , der andere — mir hüpfte das Herz im Leibe — wai- unser Koch Achmed, der voraus geeilt war, um einiges Ziegenfleisch für uns zu braten. Der Kerl hatte etwas mir höchst Fatales an sich, schon desswegen, weil er einen stets nur mit einem Auge ansah , aber in solchen Fällen hätte ich ihn küssen mögen. Kein ordent- licher Orientale reitet die lezten Schritte, bevor er absteigt, mit vernünftigei' Ruhe, sondern er jagt, was das Pferd sich strecken kann. So rasten denn auch wir, um dem unbekannten Turkomanen eine hohe Meinung Von uns bei- zubringen, wie Besessene über Stock und Stein dem Feuer zu und wären dem Koche, der mit dem einen Auge den Braten, mit dem andern den Fremden an seiner Seite fixirte, fast in die Pfanne gesprungen. Wir waren sehr müde, .'J98 kaum hatten wir unsere Pferde anjj^ebiinden und den Inhalt der Pfanne nälier untersucht, so lep^ten wir uns auf die Erde hin, unsere Sättel unterm Kopf, die Mäntel über uns, und als wir erwachten, war die Sonne bereits aufgegangen und unsere Karawane ang^elangt. Das Pferd Pirchner's hatte sich in der Nacht losgemacht und im Walde verlaufen. PiRCHNER suchte dassclbc und gini^ uns dabei selbst verloren. Ich gab daher einigten der Kieven den Auffrag-, ihn wieder zu suciien , indem mir sein Ausbleiben um so mehr Sorge machte, da ei" , nur deutsch redend, sich mit Kiemanden, der zu ihm kam, verständigen konnte. Sie ritten den halben Tag in den Schluchten herum, bis sie ihn mit seinem Pferde ■fanden und in der Nacht in unser Lager nach Gülek brach- ten. Wir übrigen sezten die Reise fort. Dei- Weg;, den wir ritten, war ung;emein schön, er schlängelte sich durch Gebüsch das hohe Gebirge hinan , die Vegetation verlor mehr und mehr ihren südlichen Charakter und näheite sich der unseres Nordens. Es zeigten sich Pinien mit europäi- schen Lanbhölzern und vor uns erblickten wir dunkle Tannenwälder. Ein bewaldetes Thal öflfnete sich und plötz- lich standen im Hintergrunde desselben die zackigen Schnee- gipfel des Tanrus ganz nahe vor uns. Es war ein unbe- schreiblicher Anblick, der mich lebhaft an ^en unsers Ankogls im Hintergrunde des Anlaufthaies erinnerte. Die Sehnsucht nach der schönen Heimath war im höchsten Grade aufgeregt und mich beseligte in diesem Augenblicke und in diesem fernen Winkel Asiens ganz nur der Gedanke: wenn auch Alles hinter uns liegt, was uns lieb und theuer ist, so verlässt uns doch die Erinnerung nicht ! — Wir ritten an- haltend neun Stunden durch. Der Weg zog sich immer höher ins Gebirge hinan und führte manchmal sehr steile Berge hinauf. Wo wir hinblickten , sahen wir Wald und malerische Felspartien , in tiefen Thälern und Schlnchten brausten die ßergströme, hie und da ein einzelnes, hölzernes Bauernhaus am steilen Gehänge , von Reben , Feigen und Maulbeerbäumen beschattet 5 kurz, das Ganze war ein leben- diges Bild aus unsern Alpen, nur in dem warmen Tone des Südens aufgetragen. Endlich gelangten wir in ein 399 liocligclegenes Thal . in dessen Hinterj^nind die kuppen- arfigen Gipfel des ßiilg^ur Dagli ihre Häupter üher die Schneelinie erhoben , rechts am Gehänge erblickten wir, zwischen Felsen und riesenmässigen Nussbäumen versteckt, ein tnrkomanisches Dorf, und hoch dariiber ragten auf steiler Felsenspitze , wie ein Adlernest , die Ruinen einer alten Feste empor. Vor uns lag ein grosses gemauertes Gebäude mit hohem Schornstein . eine Menge Menschen beschäftigten sich ringsherum. Wir waren in Gülek ange- langt und standen vor der neu erbauten Schmelzhiitte des dortigen Bleiberg- und Hütten-Werkes, an dem Orte unsrer gegenwärtigen Bestimmung *. "" Um flüchtig, wohl aber bedingnissweisCj hingestellte VermuthungeH nicht im Laufe der Zeit zu einer Hypothese gross zu füttern, benütze ich diesen Baum zu einer nofhwendigcn Berichtigung. S. 284 und 285 dirses Bandes erwäline ich, dass Hr. Löwe bei seiner qualita- tiven Untersucliung des Erdsalzes der Natron-See'n in Unteregypten eine Verbindung erhielt , die entweder ein arseniksaures Salz oder ein organisch-saures Salz zu seyn scheine. Woher der Arsenik? — darüber, sowie über die Natur der organischen Verbindung, äusserte ich so manche Vermutiiuixgen, die sich durch Folgendes beheben. Zurückgekehrt von einer Dienstreise, griff Hr. Löwe die Untersuchung wieder auf und fand, dass jene Verbindung allerdings ein arseniksaures Salz sey, dass aber der Arsenik niciit im Erdsalze der Natronsee'n , sondern, gegen alles Ver- mutiien , in der bei der Analyse angewandten Salzsäure zu suchen scy, welche durch Schwefelsäure erzeugt wurde, die man aus arsenikhaltigen Kiesen dargestellt hatte. Hier ging also ein grosser Theil der in der Schwefelsäure ursprünglich vorhandenen Arseniksäure in die Salzsäure über und kam durch sie ers^t in unsere S. 284 und 285 besprochene Ver- bindung: ein neuer Beweis, wie vorsichtig man bei chemischen Unter- suchungen und besonders bei gerichtlichen seyn muss! Fünfter Abschnitt Wissenschaftliche Bemerkungen über den nördlichen » Theil von Syrien. 1) Pliysiltalisclte TerUüItnisse, mit besonderer Riicksicltt auf die Klimatolog-ie des I^andes» Auch hier, so wie bei meinem ersten Aufenthalte in Unteregypten, ist es mir nicht mögh"ch geworden , hinsicht- lich der Erkenntniss der physikalischen und insbesondere der klimatischen Verhältnisse des Landes bestimmte Daten zu geben , die sich nur aus einer Reihe eigener oder frem- der genauer Beobachtungen folgern können. Zu erstem mangelten mir bei meinem ersten Aufenthalte in Syrien die iiöthigen Instrumente, und was leztere betrifft , so will ich keineswegs die Existenz derselben abläugnen, aber ich muss gestehen, dass solche im Zusammenhange durchgeführt und in rein wissenschaftlichem Geiste aufgefasst , mir nicht be- kannt sind. Da übrigens das Klima des nördlichen Syriens das Summarium der meteorologischen Eigenthümlichkeiten dieses Landes, mit dem des mittleren und südlichen Theiles in einer grossen Übereinstimmung steht und ich bei meinen späteren ßereisungen dieser Distrikte eine ununterbrochene Reihe von Beobachtungen mit guten Instrumenten zu einem der Hauptzwecke meiner Forschungen machte, so werde ich ohne- dies» später auf diesen wichtigen Gegenstand wieder im Detail 401 eiinick kommen , und beschränke mich hier nur auf die Angabe einiger allgemeiner Daten , wie ich sie während meines ersten , ganz kurzen Aufenthaltes zu sammeln im Stande war. Das Klima des nördlichen Syrien steht dem des südli- chen Europa und des gebirgigen Theiles von Kleinasien sehr nahe und bildet einen Übergang zu dem der südlicher sich anschliessenden Länder. Diess ist jedoch vorherrschend nur in der westlichen Partie des Landes der Fall, welches entweder Küstenland oder von hohen Gebirgsketten durch- zogen ist, während die östliche Partie der grossen Wüste angehört, die von den Vorbergen des Taurus bis Arabien und von den Bergen Syriens bis zum Euphrat sich erstreckt. Trägt auch diese sogenannte grosse syrische Wüste durch- aus nicht überall den Charakter einer eigentlichen Sand- wüste an sich, sondern bildet sie zum Theil eine weite von isolirten Bergen unterbrochene dürre Ebene, das, was der Araber Chala nennt, die in der Zeit der Winterregen eine als Viehweide hinlänglich benutzbare Vegetation darbietet und von Beduinen mit ihren Herden durchzogen wird, im Sommer jedoch unbewohnt, verbrannt und bis auf wenige salzige Brunnen wasserlos sich vor dem Wanderer ausbreitet: so steht ihr Klima doch dem der eigentlichen Sandwüsten weit näher, als dem des westlich von ihr liegenden Kultur- landes. Der Einfluss der Seewinde, der des Meeres, der, den alle hohen Gebirgsketten auf ihre Umgebung ausüben, hören auf zu wirken, die heissen Winde aus den nahen südlichen Sandwüsten üben dafür ihre Macht, der Wechsel der Jahreszeit ist unmerklicher, die Witterung ist mehr dem konstanten Sommer südlicherer Breiten ähnlich. Im Küstenlande und an den hohen Bergen des nörd- lichen Syriens hingegen bemerken wir, wenn auch nicht ganz so scharf, bereits den angenehmen Wechsel unsrer vier Jahreszeiten. Syrien hat seinen brennenden Sommer, aber auch seinen Winter, der in manchen Gegenden, z. B. um Antiochia, in den Thälern des Libanon etc. dem euro- päischen ganz ähnlich ist und sich oft durch starken Schnee- fall als solchen zu erkennen gibt , w.as in den Wüsten Rusi.r.r.'i>:K. Riiseii. 1. Bd. 26 402 Syriens als g;rosse Seltenheit zu betrachten ist. Zwischen beiden Hauptmoraenten, dem Winter und dem Sommer, hat man auch in Syrien Friihjahr und Herbst, jedoch ist die Daner dieser Übergänge kürzer und sie treten nicht so charakteristisch bezeichnet hervor, wie z. B. in Mitteleuropa. Dass ein Land unter der Breite, wie Syrien, dessen hohe Gebirge auf der einen Seite unmittelbar vom Meere .auf zu einer Meereshöhe \on nahe zu 9000 Pariser Fuss empor- steigen, auf der andern Seite hingegen sich in ein weites Wüstenplateau verflcächen , den Wechsel der vier Jahres- zeiten eigentlich zu jeder Zeit darbietet, ist natürlich und man findet diess an vielen Bergländern der Erde wieder- holt, so in Abyssinien , am Ätna, an den Kordilleren etc., wo häufig die hohen Gipfel der Berge im Schnee und Eis des Winters starren, während in den Ebenen zu ihren Füssen der Sommer und Frühling in der ganzen Pracht des Südens prangen. So sehen wir z. B. im Monate Dezember und Januar den Libanon mit tiefem Schnee bedeckt, während in den Gärten von Beirut, Tripolis etc. alle Blumen des mittlem und südlichen Europa's blühen. Im nördlichen Syrien beginnt der Winter mit Ende Oktober und Anfang November. Es regnet stark, besonders in den Monaten Dezember und Januar, in allen Niederungen und an der Küste, so dass das Land fast unwegsam wird. Auf den Hochebenen von Huran, Damaskus, Baalbeck etc. schneit es und mitunter sehr stark. So auch in der Umgebung von Antiochia, auf dem Chalaka, bei Aleppo etc., wo nicht so sehr die hohe Lage hiezu beiträgt, als der Umstand, dass diese Gegenden dem Anfall der Nordwinde, die von den in dieser Jahreszeit mit tiefem Schnee bedeckten Bergen des Taurus herkommen , unmittelbar ausgesezt sind. Die Regen enden wieder mit dem Monate März, der Sommer beginnt allmälig von den Kiisten und Ebenen ge^en die Höhen der Berge hinanzurücken , doch auf den höchsten Gipfeln des Libanon schmilzt der Schnee nie ganz weg. Die Winterregen sind, wie überhaupt im Süden , meist mit starken Gewittern verbunden, und heftige Stürme unterbrechen 4on zu dieser Zeit die Seefahrt längs der ganzen, ohnehin ge- fUhrh'chen Küste. Beobachtungen über Luftdruck, Temperatur und Luft- feuchtigkeit sind mir, hinsichtlich des nördlichen Syriens, nicht bekannt, und ich kann auch daher hinsichtlich der Gesetze , unter denen diese Funktionen der Thätigkeit der Atmosphäre auftreten, nichts Bestimmtes sagen. Allen Vermuthungen zu Folge aber, die sich mir bei Beschauung des Ganzen ergeben, sind diese Gesetze ganz dieselben, die sich aus meinen Beobachtungen bei meinen spätem Reisen in Mittel- und Süd-Syrien ergaben, besonders bei jenen, die ich im Libanon und Antilibanon , zwischen Beirut und Damaskus, vornahm. Wo der Barometer, wie z. B. in einigen euro- päischen Häusern der bedeutendem Städte, als Wetter- prophet versteht sich, beobachtet wird, findet man seinen Stand im Verlaufe des Winters, wie überall zur Zeit hef- tiger Stürme, sehr unregelmässig, im Sommer hingegen höchst konstant, eine Erscheinung, die immer charakteristi- scher hervortritt, je mehr man sich dem Tropenlande nähert, wo sie den höchsten Punkt erreicht. In einem Lande , das eigentlich einen hohen Gebirgs- rücken bildet, der einen grossen Theil des Jahres hindurch mit Schnee bedeckt ist, und der einerseits vom Meere, andrerseits von der Wüste begränzt wird , ist ein grosser Wechsel im Gange der täglichen Temperatur naturgemäss. Die Seewinde, der Schnee der nahen Berge, die starken Regen machen, dass das Thermometer in den Wintermonaten, besonders in den höher gelegenen Thälern und Ebenen, häufig unter den Gefrierpunkt fällt, während im Sommer die grosse Sonnenwärme bei stets klarem Himmel, die warmen Landwinde, die heissen Winde der Wüste etc. nicht minder häufig eine Lufttemperatur bedingen , die 30** Reaum. im Schatten übersteigt und in den Ebenen der Wüste eine tropische Höhe erreicht: selbst in den Küsten- ebenen wird die Hitze im Sommer höchst drückend, doch die kühlen Nächte und Morgen stärken wieder den Körper, während derselbe in den heissen Nächten des tropischen Afrika, während der Regenzeit, fast erliegt. Die herrschenden 26* 404 Winde Syriens halten , wie in den meisten Gegenden der Erde, eine gewisse Ordnung inne. So sehen wir Mitte Septembers den NW. beginnen, der bis zum November dauert. In den leztern Stadien seiner Periode wechselt er, besonders mit O. und geht während des Winters bis Februar in NO. über, der öfter mit W. und SW. wechselt. Mit Ende Februars treten konstante NO.-, SO.- und O.-Winde ein, die im Sommer in N.-Winde übergehen , welche vor- herrschend bis zum Herbste wehen , aber besonders zur Zeit des längsten Tages durch Winde aus allen Gegenden des Horizontes unterbrochen werden, welche Störungen je- doch nie von langer Dauer sind. Ganz lokal sind die im Sommer meist mit Untergang der Sonne beginnenden Land- winde, die vom Gebirge herabkommen und einige Meilen in die See hinein reichen. Die Zeit der Stürme , die an Syriens Küste oft sehr heftig auftreten, ist eigentlich im Oktober und November. Die stärksten sind die ans NW. kommenden und zugleich für die Schifffahrt gefährlichsten, weil gegen sie die ohnehin off'enen Rheden der Küste am wenigsten geschüzt sind. Zu dieser Zeit sind jene Art Wirbelwinde, welche auf der See die sogenannten Wasser- hosen bilden, nichts Seltenes, und man kann diese interessante Erscheinung an den Küsten häufig sehen. Die Mehrzahl der Gewitterstürme des Winters kommt vom Meer her. Die Wolken hängen sich an die hohen Kuppen des Libanon, und meist folgt einem solchen Gewitter ein mehrere Tage andauernder und ungemein heftiger Landregen , während dessen die Temperatur selbst in den sonst wärmeren Ebenen sich bedeutend herabsezt. Diese Herabsetzung der Lufttemperatur bewirkt auch, dass im Winter kein Thau fällt, sondern bei der grossen Menge der vom Meere zugeführten Dünste in der Atmosphäre und bei der raschen Herabsetzung der Temperatur an den hohen mit Schnee bedeckten Bergen, erreichen dieselben so schnell das Maximum ihrer Expansivkraft, dass sie sich als Regen niederschlagen. Aber auch im Sommer fällt in Syrien be- deutend weniger Thau als in Egypten , und auch davon, glaube ich, müssen wir die Ursache in den hohen Bergen 405 suchen, welche die aufsteigenden Dunstmassen schnell an sich ziehen , sie so aus dem Bereiche der Ebenen bringen und auf ihren Höhen so zu sagen einsaugen, da durch die niedere Temperatur daselbst die Expansivkraft dieser Dünste ihr Maximum erreicht und sie sich als dichte nasse Nebel auf die Berge legen. In den östlichen Wüstenebenen hin- gegen, wo hohe Berge mangeln und die ganze Dunstmasse sich, wie in Egypten, auf die Ebene legt, ist starker Thau eine häufige Erscheinung. Die wenigen Beobachtungen , die ich ohne Instrumente, ausgenommen einige Thermometer, während meines ersten kurzen Aufenthaltes im nördlichen Syrien machte , lasse ich hier tabellarisch folgen, da sie, obwohl im höchsten Grade unzureichend, doch nicht ganz ohne Interesse seyu dürften. 400 IM'.li J5 £rt 2 ;c itx-^ s £^-^ « s N a 11 ei . B u 41 ^ (> 93 TS T5 ^ .Z— lU ~ s t c< ja Ä -< < ►s H <; j ^ - ^ -^ rtcnx<0'-ie^ W "OQ C; 3 'S •« pa •apunjs Oi e< to o> 'fiazsauBx •9bX ')BIIOJ^ S< "S Cl o (M O) C< O) g < ^ < S-^S ' o ■9 E 8 T ! « I\I 407 9 J sä s s r „ ^ ^ ,. ^.a 4) 1 *• "^ S "3 u ^ CO c t: " « rt . • M u u ^ ^ es !« «'G ^■^ uÖ(» CO --CS 12; e = «9 CO . S •" o ^ s =»^^ ^ s & "' ^ ^co .6 ; • (/) OooJ OooocÄ?« CO CO CS Ä o ^ g y j. g -. 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Die Ebene von Cölesyrien stellt also einen sehr flachen Sattel dar, dessen höchster Rücken beiläufig in dem Önerdnjchschnitte des Thaies liegt, der durch das Kloster Deir el Achmar (das rothe Kloster) geführt wird. Der nördliche Theil des Thaies von Baalbek gehört also zum Flussgebiete des Assi oder Orontes, der vor Homs den See Bacher el Kades bildet und dann seinen Weg weiter in die Gebirge, östlich des Dschebel Nossalrieh verfolgt. Das Thal erreicht am nördlichen Ende zwischen dem Libanon und Antilibanon bei el Dschussi eine Breite von beiläufig 3 bis 4 Stunden. Der südliche Theil des Thaies von Baalbek, das ganze Bekaa, gehört zum Flussgebiete des Leontes, dessen Quellen südwestlich von Baalbek und etwa eine Stunde von dieser Stadt entfernt, am Dorfe Temnin foka, liegen. Der Leontes durchströmt das Bekaa, das obere, wie das untere nach ihrer ganzen Länge und tritt bei Kalaat el Schukif unter dem Namen Nacher el Tanni in die Ebene von Sur, wo er dann weiter als Nacher Kasimieh erscheint. Das untere Bekaa verengt sich bei Sefa zu einer ganz engen, tiefen Schlucht. Die ganze Hochebene von Baalbek ist ein schönes Kulturland, aber bei weitem nicht so bebaut, als es seyn könnte. Der südliche Theil, besonders in der Gegend von Sachle, ist stark bewohnt, nicht so der nördliche. Der Charakter des Antilibanon , mit Ausnahme des Gebirgsstockes des Dschebel el Schech , ist noch weniger in scharfen Formen ausgedrückt, als der des Libanon. Die Umrisse seiner Berge sind sanft, wellenförmig, lang- gezogene Rücken mit gerundeten Kuppen. Die vorherrschende Formation des Zuges sind Glieder der Kreide-Reihe, mit lokalen tertiären Auflagerungen. Das westliche Gehänge des Antilibanon * ist weniger steil, als das östliche und auch mehr mit Vegetation bedeckt, besonders bieten seine hohen Joche ein schönes Alpen -Weideland dar. Der südliche '•' Von den Arabern auch Dschebel el Wust oder Dschebel es Scliark genannt. 425 Tlieil des Westgeliäng-es des Antilibanon ist stärker bewohnt jils der nördliche; aber auch erstrer ist hinsichtlich der Be- völkerung^ mit dem Westgehänge des Libanon gar nicht zu parallelisireii. Das Wassersystem des Westgebänges ist ganz unbedeutend und besteht höchstens in einigen unan- sehnlichen Bächen , die theils dem Leontes , theils dem Orontes zueilen , wie z. B. der Nacher el Kanni nördlich von Baalbek. Die Höhen der Antilibanon-Kette nehmen, wie schon erwähnt, vom Dschebel el Schech gegen Norden sehr ab, und seine höchsten Punkte daselbst übersteigen kaum 5000 Par. Fuss Meereshöhe. Steil fällt der Antilibanon in die östlich ihn begränzenden Ebenen ab. An seinem süd- östlichen Ende hat dieser Hauptzug eine grosse Masse von Vorbergen, die sich bis an die Mauern von Damaskus er- strecken und sich weiter in Süd mit dem hügeligen Terrain des Waddi el Adjem vereinen, das in Osten des Dschebel el Schech liegt. Diese Gruppe von Vorbergen, zwischen dem Antilibanon und Damaskus, umfasst das Flussgebiet des Barrada mit seinen Zuflüssen, der sich östlich von Damaskus in dem Binnensee oder Sumpf Bacher el Merdsch verliert. Herrliche, weite und fruchtbare Thäler, stark bewohnt und bebaut, bezeichnen charakteristisch diese Vorberge, die reich an den herrlichsten Naturscenen sind, welche sich aus der Kom- bination einer wilden, grossartigen Natur mit der Kultur ergeben. Ich erwähne vorläufig nur in dieser Beziehung des Felsenpasses el Suck, des Falls des Barrada, der herr- lichen Gegend von Sebdani mit ihren Pappelhainen etc., Punkte, welclie Avir alle bei Darstellung meiner Bereisung des Antilibanon näher kennen lernen werden. Weiter in Osten, über Damaskus hinaus, schliesst sich die grosse syrische Wüste an. Nachdem ich in Vorstehendem bemüht war, ein möglichst getreues Bild der physiognomischen Verhältnisse des nördl. Syrien zu geben , eile ich zu einer detail lirten Darstellung des geognostischen Baues dieses Landes, mit Ausnahme des Libanon und Antilibanon , die wir in dieser Beziehung nach meiner Rückkehr aus Karamanien nach Syrien näher kennen lernen werden, und wo ich nicht ermangeln werde, 426 zur Entwerfung eines geognosfischen Hauptt57pns des §^anzen Landes, die vorausgeschickten Einzeln lieiten zu resumiren *. Wo in der Umgebung von Beirut, mit weichem Terrain ich diese Reihe geognostischer Beobachtungen iiber das nördliche Syrien beginne, die Küste schroffe und hin- länglich entblösste Punkte zeigt, bemerkt man Ablage- rungen von Meeres- Diluvionen und Tertiär-Gebilden, die sich als das häufig herrschende Gestein des Küstensaums längs dem Libanon hinziehen. Die jüngsten Glieder dieser Formation sind Meeressand und Meeresschutt, stellenweise so compact werdend , dass sie als jüngster Meeressand- stein auftreten; die älteren Straten bestehen in Mergel, mergeligem Sandstein und einem sehr sandigen Kalke, der gewissen Varietäten des Grobkalkes sehr ähnlich ist. Lez- tere Gebilde wechseln unter sich, und häufig treten mit ihnen zugleich Bänke von Meeressand auf; Versteinerun- gen aber war ich nicht so glücklich zu finden, woran übrigens nur die Kürze meines ersten Aufenthaltes Schuld seyn dürfte. Die Schichtung ist deutlich. Die Straten streichen aus NO. in SW. und fallen unter einem flachen Winkel von höchstens 30*> in SO. Die Mächtigkeit derselben ist sehr verschieden nnd beträgt von wenigen Zollen bis zu mehreren Füssen. An mehreren Punkten, besonders in der Nähe des Lazarethes, beobachtet man eine schou von Ferne auffallende, wellen- förmiae ßie2:un2: der Schichten, die stellenweise einen sehr grotesken Charakter annimmt. Die Zerstörung des Gesteins durch die Brandung, die besonders bei Nordwest-Stürmen sehr heftis: ist, ist der weichen Beschaffenheit des Gesteins halber sehr vorgeschritten , daher die vielen losgerissenen Felsen, die grossen Äbsonderungs-Massen, das zerfressene zerrissene Ansehen der Küste. Der Meeressand des Strandes enthält Konchylien; aber er ist nicht so reich daran, als der an den Nordküsten von Afrika und noch weniger als * Jene Lücken, die sich mir boi der geognostischen Schilderung des nördlichen Syriens und der Tauruskettc in Karamauien durch Mangel eigener Anscliauung ergaben, füllte ich durch die Benützung der Daten aus, die Mr. Aiissworth in seinem schätzbaren Werke: Researches in Assyria, Babylonia and Chaldaea etc., London 1838, gibt. 427 der des rotlien Meeres. Dei* sandige Kalkstein, so wie der Mergel sind fest genug, um als Baustein zu dienen. Mit den altern Ablagerungen der Küstenbildung tritt ein dunkel- bläulich-graugefärbter, plastischer Thon auf, der zum Theil mit den älteren Straten wechsellagert, zum Theil nur als untergeordnetes Glied erscheint. Die Verwitterun»- der mergeligen Straten scheint einen der Vegetation höchst günstigen Boden zu bilden, daher die schwelgende Frucht- barkeit der umliegenden Gegend. Westlich der Stadt und in der Fortsetzung der sich in das Meer hinaus erstreckenden Landzunge, tritt ein dichter, weisslichgrauer Kalkstein auf, der von den früher erwähnten Gebilden bedeckt wird und der alle die höheren und mehr landeinwärts liegenden Theile der Umgegend von Beirut zusammensezt. Dieser Kalkstein bildet auch an vielen Punkten das herrschende Gestein der Küste und steigt selbst am Westgehänge des Libanon zu bedeutenden Höhen empor, was wir später in Betrachtung ziehen werden. Charakteristisch für diesen Kalkstein sind die vielen Knollen und Nester von Feuerstein , die in ihm vorkommen, auch fand ich einen Ammoniten von mehre- ren Zollen im Durchmesser , blosser Steinkern , daher schwer zu bestimmen. Die durch die Brandung ganz zer- rissene Küste enthält sehr häufig Höhlen , die gegen das Land hin offen sind, in der Tiefe aber mit dem Meere co- muniziren , daher das Steigen und Fallen des Meeres in diesen bruniienartigen Vertiefungen , verbunden mit einem eigenthümlichen Geräusche, ähnlich dem eines starken Cylinder- Gebläses. Auch der sogenannte Demetrius-Berg, die Beirut eigentlich beherrschende Anhöhe und dicht an der östlichen Seite der Stadt, mitten in den Gärten, die sie umgeben, liegend, ist eine Ablagerung des erwähnten dichten und hier besonders Feuerstein-reichen Kalkes. Seine Schichten streichen wie die des kalkigen Sandsteins der Kiiste ausJNO. in SW. und verflachen in SO. Die diesen Feuerstein- führenden Kalk bedeckenden tertiären Ablagerungen trennen sich in 1 Hauptformen , in Sandstein mit Straten von Mergel, harten Thon und plastischen Thon und in einen sandigen, weissen Kalkstein. Erstere dürften wir als die ältesten 428 Schichten dieser tertiären Lagerungsfolge ansehen und sie vielleicht den Braunkohlensandstein parallel stellen, lezterer charakterisirt sich als wahrer Grohkalk. Die Sandstein- straten , welche mit dem Grobkalke wechseln, dürften ent- schieden jiinj^er seyn, als die dem System zu Grunde liegenden Sanristeine mit plastischem Thon , die dem Feuerstein- führenden Kalke unmittelbar aufgelagert sind. Wie wir im Verlaufe dieser Abhandhing sehen werden , so wieder- holt sich dieser Feuerstein-führende, dichte Kalkstein gegen die Nordgränze Syriens hin mehrmals , und wie sich aus unsern weitern Forschungen ergeben dürfte, so gehört ei* wahrscheinlich der Kreide-Reihe und zwar den obersten Gliedern derselben an. Dasselbe Gestein bildet auch vor- herrschend die Küste bis zum Dschebel Keraad, südlich des Vorgebirges Possidi. Bei Tripolis und bei Latakia heben sich steile , schroffe unÄ wild zerrissene Felsen unmittelbar vom Meere auf. Ihre Farbe ist ein helles , weithin sicht- bares Weiss, ihre Schichtung deutlich, nur scheinen die Schichten weiter nördlich von Beirut statt in SO. in NW. einzufallen, so dass in dieser Distanz von Beirut bis Latakia eine Siebung dieses Kalksteins nothwendigerweise stattge- funden haben muss, wodurch die Schichten zu beiden Seiten dieses Sattels in entgegengesezter Richtung abfielen. Wahr- scheinlich fallt dieser Punkt in das Terrain der Bai von Kesruan, wo der tiefer liegende Kalk des Libanon bis zur Küste vorspringt und sehr wahrscheinlich diese Erscheinung bedungen hat. Auch sind vulkanische oder sogenannte plu- tonische Gesteine dieser Gegend keineswegs fremd; denn in der Nähe von Eden am Libanon sollen nach Dr. Roth (in Schubkrt's Reise in das Morgenland, Bd. .'{) Basalte vorkommen. Ein sehr schönes Schichtungs-Verhältniss sah ich an der Küste zwischen Tripolis und Latakia, wo sich die Straten des dichten Kalksteins konzentrisch um Kerne ordnen: eine Erscheinung, die hier im Grossen zeigt, was man im Kleinen an Handstücken häufig beobachtet *. Gegen den Dschebel Keraad hin, nördlich von Latakia und südlich vom Vorgebirge * Man sehe die Zeiciinung unter dem DurchschniUc zum I. Bande. 429 Possidi, zieht der hohe und schroiTe Kiistensaiim sich mehr und nielir zurück, statt der kahlen Wände dehnen sich ■wieder gesegnete Fluren aus, und im Innern des Landes erheben sich hohe, weit ausgedehnte Gebirge mit spitzen Häuptern , die IJerge am Orontcs und nördlich desselben, gegen die Gränzen des alten Cilicien hin. Man sieht es schon von Ferne an den Formen, dass man nun bald ein ganz von dem bisherigen verschiedenes geognostisches Terrain betreten werde. Wenn man längs der Küste Syriens, aus Süden in Norden gehend, die Parallele des Waddi Hossn passirt hat, wo der Libanon , als die bisher von Seide an ununterbrochen sich in Norden erstreckende Bergkette, mit dem Dschebel Akkar plötzlich ein Ende nimmt, sieht man in der Verlängerung seines Zuges eine neue Bergreihe auftauchen, die sich, ob- wohl viel niederer, als die Fortsetzung des erstem betrachten lässt, die überLatakia hinaus weiter in Nordensich erstreckt. Es ist der Dschebel Nossairieh, der sich in Westen durch ein flaches, welliges Hügelland an die Küste erstreckt, in Osten aber steil in das Thal des Orontes abfällt. Soweit die Kette bekannt ist, besteht sie durchgehends aus dichtem, feuer- steinführendem Kalkstein, der allem Ansehen nach ebenfalls der Kreide-Reihe zuzuiechuen sev" dürfte. Zwischen dem Dschel)el Nossairieh und dem Dschebel Keraad, der, dicht an der Küste liegend, den südlichen Theil des Kaps Possidi bildet und die Fortsetzung des Dschebel Okrah oder des Kassius in Süden darstellt, dehnt sich das Thal von Bedami aus, das sich nordwärts bis an den Orontes bei Dschessr ei Hadid , östlich von Antiochia liegend, erstreckt. Am Dschebel Keraad sieht man einen dichten, harten Kalkstein in regelmässigen Straten mit einem weichen, erdi- gen wechsellagern. Das Verflachen dieser Schichten ist jn Betracht seiner Richtuiig ein sehr verschiedenes, immer aber ist die Neigung nur ganz sanft. Durch die fortschrei- tende Verwitterung sind die Straten des erdigen Kalkes stärker angegriffen, als die des harten, sie sind zum Theil ganz zerstört, während das Ausgehende des harten Kalksteins 430 »inverändert blieb, daber derselbe in langen Kämmen wie g;rosse Gänge, längs des Tliales, Mauern gleicb, emporragt. Mr. AiNSWORTH rechnet diese ga/ize nnd sehr interessante Formation zur Kreide, nnd auch ich bin derselben Meinung, denn schon eine nur oberflächliche Betrachtung lässt die grosse Ähnlichkeit, ja Gleichheit möchte ich sagen, dieses Terrains mit dem in Toskana in der Umgebung von Vol- terra nicht verkennen , und von lezterem scheint es doch nachgewiesen zu seyn, dass es der Kreide angehört. Da der Kalk des Dschebel Keraad entschieden jünger ist, als der dichte, von Serpentinen häufig durchbrochene und von Schiefern begleitete, graue, harte Kalkstein der Berge bei Antiochia, und dieser, wie wir sehen werden, wahrscheinlich der untern Kreide angehört, so scheinen wir zu d3m Schlüsse berechtigt zu seyn, dass der Dschebel Keraad ebenfalls den Gebilden der obern Kreide anzurechnen seyn dürfte. Diese Kreidebildung des Keraad und des Thaies von Bedami, auf das nächste verwandt mit der des Dschebel Nossairieh, wird ringsherum in allen Niederungen des Ter- rains von Tertiär-Gebilden bedeckt, deren mannigfache Glieder in merkwürdigen Beziehungen zu einander stehen. In NO. von Bedami, bei Dschisser Schiiger, ist die For- mation des Keraad bedeckt von einem Gyps-fiihrenden Mergel, der eine lange und merkwürdig andauernde Kette, wie einen Felsenwall längs der ganzen Westseite des Orontes, so weit man nur sehen kann, bildet. Das Orontes-Thal selbst, sowohl in der Gegend von Dschisser Schnger als südlicher gegen die Ebenen von Cölesyrien hin, ist eben oder höchstens nur von ganz niedern Hügelzügen durchzogen, die theils aus verhärteten und in sphärische Massen (erinnernd an den thonigen Sphärosiderit der tertiären Mergel auf Euböa) abgesonderten Thon, theils aus ganz dünnen thonigen Kalk- straten bestehen, die grösstentheils horizontal abgelagert sind und sehr den tertiären thonigen Kalkschiefern in Sizilien ähnlich sehen. Am westlichen Rande des Orontes -Thaies und von Dschissr Schuger aufwärts, zieht sich ein Zug niederer Hügel llln, deren Seiten grösstentheils ganz flach geneigt, hie und 431 da aber scharf aboebrocheii sind. Sie bestehen aus deutlich geschichteten Sandstein- und Thon-Straten, welche Gebilde eine Menge von Ostraceen unischüessen. Diese Formation bedeckt südlich von Bedami unmittelbar die Kieide-Bildungen am Dschebel Keraad, so wie die Serpentin-Massen, die im Süden des Kassius und seiner Verlängerungen auftreten. In den Vertiefungen des Terrains bilden daselbst diese Ab- lagernngen von tertiärem Sandstein mit Thon ganz niedere' Hügel-Reihen, welche oft, was sehr interessant ist, eine förmliche kreisartige Gestalt annehmen. Diese Formation sezt weiter nördlich auf das östliche Ufer des Orontes über und bedeckt daselbst bei Armenas einen eig^enthümlichen Kalkstein, der haubenartig die höchsten Gipfel der Berge und Hügelreihen von den Ehenen Cölesyriens an bis zum Dschebel Okrah bildet. Er formirt die höchsten Schichten auf dem Festungsberge bei Antiochia, südlich des Orontes, und erstreckt sich von da auf den Höhen der Berge über Daphne und dem Oidu Dagh bis zum Okrah, wo er zu einer Meereshöhe von mehr als 5300 engl. Fuss emporsteigt. Dieser Kalkstein liegt also entschieden zwischen den Sand- steinen von Armenas und dem untersten dichten Kalksteine der Hauptkette des Kassius, denn er wird von ersterem daselbst bedeckt und bedeckt viieder leztern an vielen Orten in den Bergen südlich des Orontes. Ef hat eine meist weisse und gelblichweisse Farbe, einen unebenen oft flach- muscheligen Bruch , ist dicht und hart. Stellenweise wird er thonig , in welchem Falle seine Textur eine weniger homogene Masse darstellt. In den Ebenen sowohl, als an den Gebirgen, ist er meist ausgezeichnet geschichtet, aber dort, wo er mehr die Masse isolirter Berge und besonders dort, wo er die Masse solcher Berge bildet, die sich durch ihre konische Form auszeichnen , wird seine Schichtung undeutlich, und er bildet ein mehr massiges Gestein. W^ahr- scheinlich ist natürlicb diese Änderung der Textur nicht eine Folge der konischen Gestalt der Berge, sondern um- gekehrt ist eher die Form der leztern eine Folge der Textur des Kalksteins. Die organischen Reste sind im Ganzen, be- sonders in den dichten und harten Varietäten dieses Kalksteine 4.12 selten, werden aber in den weicheren und thomVeren Straten dieses Gebildes häufiger und sind klarer ausgesprochen. Sie bestehen durchgehends in Arten ans dem Geschlechte (!onus und Pecten , daher wir diesen Kalkstein, um ihn näher zu bezeichnen , mit Ainsworth zwar Konniten-Kalk nennen wollen, übrigens uns für überzeugt halten, dass er nichts anders ist als der Stellvertreter der obern oder sogenannten weichen Kreide. Am Nacher el Dsclie bei Antiochia und weiter nördlich an dem Brunnen Zoiba, treten mit diesem Kalkstein zugleich fossile Schaalthier- Reste führende, thonige Mergelschichten auf, die stellenweise auch mit ihm wechsellagern. Dasselbe Gebilde treffen wir, wenn man von Antiochia sich gerade südlich wendet, in dem ersten Thale jenseits des Festmigsbeiges, also in der Partie zwischen dem Kassius und Dschebel Kosseir: Ablairerunffen von einem mergeligen, Versteinerungen führenden Kalkstein, auf welchem eine Kalk-Breccie liegt, die wieder von zer- streuten, unter sich zusammenhängenden Ablagerungen von Kieselkalk bedeckt wird. Dieser dem Meuliere von Paris ganz ähnliche Kieseikalk ist ein reines Lokal-Gebilde, ein Süsswassererzeugniss. Er ist voll Höhlen , wasserreich, bildet aber keine zusammenhängende Fclsablagerung. Noch weiter südHch hingegen treff"en wir wieder unsern Konniten- Kalkstein von Arraenas, einen Rücken bildend, hinter dem sich niedere Hügel mit flachen Gipfeln anreihen , die a«s einem weichen und sehr versteinerungsreichen Kalksteine bestehen, der sich auf Mergel und ßreccia-Bänken auflagert. Diese Versteinerungen bestehen vorzüglich in Pecten, Ostra- ceen, Cardiaceen und zwar Cardinm, Venus, Donax, Lucina, Tellinites ; ferner €erithien , Pyrula und zahlreiche Echino- dermen. Woraus wir den Schluss folgern, dass auch diese Schichten unseres sogenannten Konniten-Kalkes, die mit kreideartigen Mergeln wechseln und Bänke von einer Kalk- Breccie enthalten, der obern Kreide angehören. Weiter östlich in den hohen Gebirgen, an der Süd- seite des Orontes und westlich vom Dschebel Okrah sehen wir den Konniten-Kalkstein, der die Hauptmasse des Kassius, dichter Kalkstein mit Durchbrüchen von Euphotid-Gebilden, 433 ähnlich den Ablag^enmgen der alten Kreide mit Serpentinen bei Volterra in Toskana, bedeckt, wieder überlagert von einer weissen, kreideartigen ßreccie, die mit kreideartigen Mergeln wechselt. So unter andern bei Beit el Maa (Moje, das Haus des Wassers, das alte Daphne). Hier werden diese 3Iergel und ßreccien stellenweise wieder von Kiesel- kalk bedeckt. Si'idlich von Beit el Maa, in dem Thale zwischen dem Kassius und dem Dschebel Kosseir, und namentlich in der Nähe des Dorfes Schech Gui, gewinnt dieser Kieselkalk eine sehr bedeutende Entwicklung und bildet selbstständige Hü- gelzüge. Die Formen dieser Kieselkalkmassen sind wild und zerrissen, und die Felsen erheben sich in wahrhaft phan- tastischen Formen, senkrechte Abgründe einscliliessend. Man sieht am Dorfe den darunterliegenden kreideartigen Mer- gel zu Tage gehen. Ein paar Stunden südlicher aber en- den diese Tertiärbildungen an mächtigen Bergen der Enpho- tidformation , die, wie es den Anschein hat, die Straten der erstem bei ihrem Durchbruche umstülpten ; wenigstens sind dieselben aus ihrer Lage gebracht und überworfen. Nördlich von Beit el Maa und dicht am Orontes trifft man lokale Ablagerungen von reinem und sehr krystallini- schem Gypse, der die kreideartigen Mergel bedeckt und Cy- kladen nebst andern Süsswassermuscheln führt. Eine ganz ähnliche Gypsbildung sehen wir in dem Hügelterrain nord- westlich von Dschisser Schuger. Diese bisher hier angeführten tertiären Bildungen, wie überall Bassinausfüllungen mit denen anderer Orte, z. ß. mit denen von Paris, Wien, London u. s. w. vollkommen parallelisiren zu wollen, ist, besonders bei den wenigen vor- liegenden Beobachtungen , eine ebenso schwierige als auch vielleicht gar nicht ausführbare Arbeit. Als entschieden be- trachte ich zwar die gleiche geognostische Stellung unsers Kieselkalkes von Antiochia und Schech Gui mit der des Meuliere um Paris; aber ausserdem haben wir hier noch mehrere Formen , die offenbar den Charakter der Tertiärzeit an sich tragen und die doch von allen ihnen verwandten Gliedern anderer Länder sich wesentlich unterscheiden, Kcs8e(:i;cR, Reisen. 1. Bd. 28 434 Daliin rechne ich z. B. ch'e mächtig'en Ablagerungen von Sand- stein mit hartem und plastischem Thon, der zwar bei Arme- iias sich als die Grundlage der ganzen Tertiärformation des nördlichen Syriens zu behaupten scheint, aber, wie wir spä- ter sehen werden, mit den Gypsen und mit dem gewöhn- lichen Grohkalke in einer so engen geognostischen Verbin- dung steht, dass er nicht leicht davon zu trennen ist, sondern dass vielmehr das ganze hier in Rede stehende tertiäre Ge- bilde als ein System parallel stehender Ablagerungen von Sandstein, Mergel, Thon, Gyps und Grobkalk zu betrachten ist. Wollen wir unter den einzelnen Gliedern dieser For- mation eine bestimmte Altersfolge annehmen, so können wir liöchstens die Thone und thonigen Kalke von Dschisser Schu- ger als die jimgsten Formen dieser Reihe gelten lassen, welche Stellung aber noch sehr zu bezweifeln ist. Beit el Maa liegt bereits mitten in den Bergen der Kette des Dsche- bel Okrah oder des Kassius, welche hier das Thal des Oron- tes einschliessen. Wenden wir uns von da gerade nach We- sten, so stossen wir auf die Hauptkette dieses Gebirges, die sich längs der Küste südlich bis zum Dschebel Keraad er- streckt und an ihrem nördlichen Ende ihre höchste Erhebung, nämlich 5341 engl. Fuss über dem Meere, in der pyramida- len Spitze des Dschebel Okrah erreicht, der am südlichen Ufer des Orontes sich dicht am Meere von der Küste auf erhebt. Alle Berge, die östlich dieser Kette liegen, bis zu dem Thale , das sich südlich von Antiochia erstreckt und das im Osten vom Dschebel Kosseir begränzt wird, gehören zum Zuge des Okrah und sind Theile desselben, folglich auch alle Berge, welche das Orontesthal von Suedie bis Antiochia umscliliessen. Okrah oder Akrah ist der arabische oder vielmehr syrische ISame dieses Gebirges, welches sich in der Länge von der Mündung des Orontes bis zum Vor- gebirge Possidi, in der Breite vom Meere bis nach Antiochia lind daiüber hinaus bis in das Thal von Schech Gui erstreckt. Der alte Name dieses Gebirges hingegen ist Kassius und , strigosus. „ lactea. Cyprea rufa. Venus verrucosa. Triton intermedium. C'ardium sulcatum. Pyrula ficoides. „ edule. Fusus subulatus. Pecten operculum? Uerithium tricinctum. Natica glaiicina. Pecten scabrellus, Trochus fagiis. und so viele cindere nicht Turritella tornata. bestimmte, wodurch sich diese Bildung des Grobkalkes und des Mer- gels den Bildungen aus der sub apenn i nischen Zeit- folge sehr nahe stellt. Weiter nach Südwesten trifft man nun Mergel, obern ver- steinerungsarmen und untern versteinerungsreichen Grobkalk * Auf mikroskopisclie organische Reste müssen diese Fcisgebildc erst untersucht werden. 443 in beständiger Weclisellageniiig, bis endlich das ganze Ge- bilde auf dem die H.iiiptmasse des Dschebel Miissa bilden- den Kieidekalke anfliegt. Verfolgt man die Richtung del* Thäler noch weiter, so sieht man, dass alles Gerolle in selbigem nur aus Dioiitgeschieben besteht. Auch auf dem Wege zwischen Antiochia und Suedie fallen dem Beobach- ter die ungeheure Menge von Diorit- und Serpentingeschie- ben auf, die endlich , als die integrirenden Theile der dor- tigen Schuttkonglomerate so überhand nehmen, dass sie alle übrigen ausschliessen , woraus sich folgern lässt, was wir auch später bestätigt sehen werden, dass am Dschebel Mussa, gegen Beilan hin, grosse Ablagerungen von krystallinischen oder sogenannten abnormen Felsgebilden sich befinden müs- sen, deren Vorhandensein ich daher im Durchschnitte einst- weilen nur bedingungsweise angegeben habe. üebrigens vserden diese tertiären Felsbildungen am Kara Tschai, Dschebel Mussa und Dschebel St. Simon sehr häufig und bis zu Meereshöhen von 400 Fuss von den bereits er- wähnten Schuttkonglomeraten in grossen Massen bedeckt. Aus dem hier Erwähnten geht hervor, dass die Thal- ebene von Antiochia einst Meeresbucht gewesen sey und aus der gegenwärtigen Stellung der selbst jüngsten Sedi- mente der Tertiär- und Diluvialzeitfolge: nämlich aus der aufgerichteten Lage ihrer Schichten sowohl, als aus der gegenwärtigen Lage der ganzen Masse dieser Ablagerungen über dem Horizonte des Meeres sehen wir, dass hier eine gewaltige Emporhebung oder ein Zurücktreten des Meeres stattgefunden haben müsse; für das eine wie für das andere, je nachdem man sich zur einen oder andern Theorie hin- neigt, sieht man viele Beweise an dem Küstenlande Syriens. So sehen wir den frühern Hafen von Seleucia Pieria trocken und vom Meere entfernt, und wo einst die Schiffe der Phö- nizier vor Anker lagen , säet jezt der Turkomane sein Ge- treide. So sehen wir in den Flnssthälern , welche sich bis ans Meer ziehen, jene terrassenartigen uud grösstentheils aus snbmarinischen Trümmergesteinen bestehenden Abfälle, die ich ganz denen analog fand, welche ich später in den Küsten- Thäleru des höchsten Nordens von Skandinavien und in den 444 dortigen Fjords kennen lernte. Ein Terrain , von dem man mit Bestimmtheit anzunehmen sich berechtigt glaubt, dass es noch in einem fortdauernden Erhebungsprocesse sich befinde. Betrachten wir summarisch die ganze Reihenfolge der Ablagerungen über der Kreide im Thale von Antiochia und Suedie, so dürfte sich folgendes Schema eigeben: 1) Süsswasser- und Meeresalluvionen , fortdauernde Bildung. 2) Schuttkonglomerate und Diluvialsand mit Sandstein. 3) Süsswasserformation : blauer Thon, Sand, Mergel. 4) Jüngste Tertiärbildung: wahrscheinlich subapenni- nische Zeitfolge. 5) Tertiärformation : Grobkalk, Sandstein, Gyps. (i) Kreidereihe. Wenn wir von der Mündung des Orontes bei Suedie nicht durch das Hauptthal über die terrassenförmigen Ab- fälle nach Antiochia hinaufgehen, sondern den Lauf des Flusses direkt durch die Thäler bei Beit el Maa verfolgen, so bekommen wir in der beiläufigen Richtung von Nordost nach Südwest von Antiochia zur Küste nachfolgenden schönen Durchschnitt*. Am östlichsten Rande der Ebene von Antiochia, die sich in dieser Richtung gegen Aleppo hin erstreckt, erhebt sich der Chalaka oder Amgiili Dägh, das Gebirge, welches die Ebene des Orontes oder vou Antiochia von der Hochebene der Wüste trennt, auf der Aleppo liegt. Die Berge, welche den Chalaka formiren, bilden die nördliche Fortsetzung der niedern Bergketten von Armenas, und bestehen durchaus und in einer ermüdenden Einförmigkeit aus dichtem, weis- sem Kalkstein, der sehr höhlenreich ist, an manchen Stellen durch kieselige Beimengung einen -liohen Grad von Härte erlangt und dem Hippuritenkalke Griechenlands in seinem ganzen Habitus auf das täuschendste ähnlich sieht. Der Chalaka erhebt sich an seinen höchsten Punkten kaum über 1500 Fuss über das Meer, und die Oberfläche seiner Berge ist in seiner ganzen Breite von '26 Stunden, mit Ausnahme * Mau tiehe die Zciclinung unter den Durchschnitten zum I. Band. 445 einiger Hochebenen, wild, kahl, ein Gehäufe von Blöcken oder eine vegetationslose Steinfläche, ganz ähnlich unserm Karste zwischen Laibach und Triest. Die Schichten dieses Kalksteins dürften vorherrschend von Nordost nach Südwest streichen, ihr Fallen ist sehr verschieden, doch meist in Südost unter circa 20"; überhaupt aber scheint ihr an- fängliches Lagersystem manche Störung erlitten zu haben. Versteinerungen war ich bei meiner zweimaligen Tour über den Chalaka nicht so glücklich zu finden; doch glaube ich diesen Kalkstein durch die Analogie mit gleichen Formen am Dschebel Okrah und au mehreren Punkten des Orontes- thales bestimmt als ein Glied der Kreidereihe ansehen und ihn zu den untern, wenig Feuerstein führenden Ablagerun- gen derselben rechnen zu dürfen. Der Chalaka bildet mehrere Plateau's, die sich terras- senartig, eins über das andere, von Westen nach Osten an- steigend erheben, und deren höchstes sich weiter nach Osten sanft gegen die Hochebene von Aleppo verflacht. Auf die- sen Plateau's, wo Winde und Regen, von denen besonders erstere hier sehr heftig sind, die Anhäufung der Dammerde nicht verhindern, herrscht die dem glücklichen Klima Sy- riens zustehende üppige Vegetation. Das höchste dieser Plateau's auf der Route von Antiochia nach Aleppo ist das von Deerhab. Von der Ebene dieses Namens herabsteigend hat man vorzüglich Gelegenheit, die Merkmale der grossen Revolu- tionen zu sehen, die diese Felsgebilde von Zeit zu Zeit er- schütterten; Höhlen, Gebirgsbrüche, tiefe Spalten und ein gänzliches Durcheinandergeworfenseyn der Schichten bieten sich dem Auge häufig dar. Man befindet sich , wenn nicht in einem vulkanischen, doch in einem vulkanisch-bewegten Terrain , und ich erinnere in dieser Beziehung nur auf das Erdbeben im J. S22 , welches Antiochia und Aleppo total verwüstete, und so stark war, dass sich in der Nähe von Antiochia tiefe Spalten öffneten, aus denen sich heisses Wasser ergoss und die sich später wieder schlössen. Einige der anaeoebenen Störunsren in den Schichten des Chalaka können daher vielleicht ganz neuen Ursprungs seyn. Am 446 westlichen Fusse der Terrasse von Deerhab dehnt sich die zweite von Cedentung, die von Danna, aus. Diese Hoch- ebene, unterbrochen von kahlen Hiigelzügen, muss einst sehr stark bevölkert gewesen seyn ; denn sie ist im buchstjib- lichen Sinne des Wortes mit Ruinen bedeckt, die meist aus der Zeit der Kreuzfahrer stammen. Dieses Plateau , rings umschlossen von einem Kreise kahler Berge, ist eine frucht- bare und reichbebaute Ebene, von der man über einen star- ken Abfall und durch wüste, nicht tiefe Thäler, unmittelbar auf die Ebene des Orontes oder von Äntiochia hinabgelangt, wo der Kreidekalk des Chalaka unter den die ganze Ebene bildenden Tertiärgebilden und Süsswasserdiluvionen verschwin- det. Der Onmtes fliesst bei seiner grossen Wendung durch Tertiärgebilde und Diluvium; wie man aber, von Aleppo kom- mend, die Brücke von Dschessr el Hadid passirt hat, steht man wieder an den Ablagerungen der Kreide. Sie charak- terisirt sich hier als ein dichter, gelblichweisser Kalkstein, der stellenweise sehr von kieseliger Masse durchdrungen, und ganz so wie in Griechenland, einen hornsteinartigeii Charakter annimmt. Sie zeichnet sich durch viele Einschlüsse von Feuerstein aus und gehört also zur obern Reihe der hiesigen Kreideablagerung. Dieser Kreidekalk zeigt in sei- nen obersten Straten eine mehr erdige Struktur, wird tho- nig und gewinnt ganz das Ansehen der gewöhnlichen, obern, weissen Kreide. Er ist bedeckt von einer Breccie, die aus Bruchstücken eben dieser obern Kreide, verbunden durch ein ebenfalls kreideartiges Bindemittel, besteht, und die ich zu der obersten Schicht der obern Kreide rechnend im Durch- schnitte als Kreidebreccie bezeichnete. Die obere Kreide zieht sich in kahlen, schroffen Felsengehängen, einen hohen scharfen Kamm bildend , bis zum Festungsberge von Än- tiochia, der dieser Bildung angehört. Die Berge der obern Kreide tragen auf ihren Rücken eine reiche Vegetation und geben dadurch im Gegenhalte ihrer kahlen Felswände eiu sehr pittoreskes Bild. Die Schichten streichen östlich des Dschebel Okrah von Nordost nach Südwest und verflachen sieh gegen Nordwest unter steilen Winkeln, die oft mehr als 50** lictragen. Sie richten sich also gegen den Häuptzug des 447 Kassius auf. Wo die obere Kreide kieselig wird , ist sie arm an Versteinerungen, wo sie sich aber in ihrem Habitus mehr der gewöhnlichen weissen Kreide nähert, dort um- schliesst sie häufiger oiganische Reste. Unter den Pflan- «enthieren, die einen grossen Theil dieser Einschlüsse bil- den, sind es vorziiglich Bruchstücke von Apiocriniten und Pentacriniteu ; zahllose Echinodermen und darunter Echino- neus lampas de la B. , Arten von Cl) peaster und ein sehr schöner Cidaris mit ganzem , wohlerhaltenen Schild , eine vielleicht ueue Species; ferner viele Gattungen von Tubi- poren, darunter Species von Tavosites, unter denen alcyo- nium Defr. deutlich zu erkennen seyn dürfte *. Die obere Kreide bei Äntiochia enthält, wie schon er- wähnt, sehr viel Feuersteine, theils in Nieren, theils auf Nestern, aber nicht durch die Älasse zerstreut, sondern in Form grosser linsenartiger Körper vereint, die sich in einer gewissen Richtung in gangartigen Zügen aneinanderreihen. Diese Züge liegen dem Streichen der Schichten ganz pa- rallel, zeigen am Festungsberge durchaus ein sehr steiles Verflachen und wechseln in der Mächtigkeit von der einiger Zolle bis zu der eines Fusses und darüber. In dem Festungsgraben, gerade oberhalb der Stadt, sieht man eine zwischen die Schichten der Kreide einge- keilte Lagerstätte des Serpentins von beinahe 150 Klafter Mächtigkeit zu Tage gehen. Der Serpentin selbst ist ge- schichtet, wenn ich mich die'ses Ausdrucks bedienen darf, und die Lagen streichen der Kreide conform von Nordost gegen Südwest mit nordwestlichem Verflachen. Jn der Nähe ian, meist sein- sandig-, so dass er stellenweise in einen fönnlichen Sandstein übergeht, deutlich und dünn ge- schichtet und seine Straten liegen fast ganz horizontal. Er Avechsellagert mit dem :\ bis 4 Zoll mächtigen, weissen und schmierigen Lehm. Der dem Thone aufliegende Grob- kalk entwickelt sich in einer Mächtigkeit von .5 bis (i Klaf- tern. Der Thon , wechselnd mit dem Lehm, ist in Wasser- jissen auf 9 bis 10 Fnss Tiefe entblösst und lässt keine tiefere Unterlage wahrnehmen. Die hypothetische Grund- lage der ganzen Formation dürfte wohl die Kreide des nahen Chalaka seyn. Die einzelnen Lagen dieses Thons wechseln in einer Mächtigkeit von 3 und 4 Zoll bis zu 5 Fuss. Häutig ist der Thon von Klüften durchzogen, in die der aufliegende Grobkalk als Ausfüllung eingedrungen ist. Dieser Thon muss sehr von der thonigen Masse unter- schieden werden, welche durch gänzliche Verwitterung und Auflösung der vulkanischen Gebilde entsteht , von denen wir gleich sprechen werden, und die schon dadurch zu er- kennen ist, dass sie Feidspathkrystalle eingeschlossen ent- hält , die ihr sehr oft selbst ein porphyrartiges Ansehen geben. Das interesäanteste Felsgebilde dieses Tenains jedoch ist eine ihrem ganzen Habitus nach vulkanische Masse, welche theils das Tertiär-Gebilde bedeckt, theils zwischen demselben hervortritt und die Vertiefungen der ßodenfläche erfüllt. Die Natur dieser Felsbildung hinsichtlich ihrer Bestandtheile ist eine sehr verschiedene : sie besteht grössten- theils ans einem basaltischen Gesteine, eine Grundmasse von Feldspath und Augit, die Bestandtheile theils doleritisch anseinandertretend, theils aufs innigste gemengt. Olivine konnte ich nicht entdecken. An manchen Stellen entwickelt die Masse eine ausgezeichnete Porphyrstruktur und kann als Augit-Porphyr angesprochen werden; an andern zeigt sie ganz den Bau der Mandelsteine, wird porös, blasig, die Räume mit Zeolith und Kalkspath ausgefüllt; wieder an andern Punkten nimmt sie Diallage auf und gleicht mehr einem ganz dichten Serpentine. Mit den Porphyren erscheint als zufälliger Gemengtheil auch glasiger Feldspath , das 454 Gestein wird trachytisch und enthält in kleinen Partikelchen Kupferkies und Eisenkies eingesprengt, was zu der Be- hauptung Anlass gegeben haben mag, dass in der Nähe von Aleppo Kupfererze brechen. Wo diese vulkanische Masse in Berührung mit dem Thone steht, sieht er wie eine gebrannte, schlechte Ziegel- tnasse aus und hat an Festigkeit bedeutend gewonnen. Auf der Strasse von Aleppo nach Antiochia sieht man an zwei Stellen sehr deutlich, dass der Grobkalk auf der vulkanischen Masse liegt, dass dieselbe also zwischen ihm und dem Thon hervorgebrochen ist, oder sich früher auf dem Thone abge- lagert hatte und später erst vom Grobkalke bedeckt wurde. Lezteres ist um so mehr das Wahrscheinh'chere, da im Ganzen die Schichtung des Grobkalkes keine Störung erlitten zu haben scheint, die doch bei einem gewaltsamen Durch- bruche hätte statt finden müssen ; auch ist der Grobkalk an der Berührungsfläche mit dem vulkanischen Gestein bei weitem nicht in dem Maase verändert, wie der Thon. Auf- fallend aber ist, wie die Figur zeigt, das Eindringen der basaltischen Masse a in den Grobkalk b selbst, eine Er- scheinung, die man auf dem Wege nach Antiochia und ganz nahe an Aleppo beobachten kann, und die, wenn sie nicht das Resultat einer nachfolgenden Aufblähung les vulkanischen Gesteins ist, offenbar auf ein Eindringen des- selben zwischen Thon und Grobkalk hindeuten würde. In der Nähe dieses Punktes trifft man auch tiefe Erdspalten, wahrsclieinlich in Folge heftiger Erdbeben , die hier häufig sind. So öffnete sich im 11. Jahrhunderte während eines fürchterlichen Erdbebens in der IVähe von Aleppo die Erde an mehreren Stellen und warf Flammen aus. So wurde am 13. August 1822 in der Nacht und dann durch die 40 Tage fortdauernden wiederholten Stösse Aleppo vom Grunde aus zerstört. Die Spuren dieser furchtbaren Katastrophe liegen noch heut zu Tage vor Augen. Bei lezterm Erdbeben war es interessant, dass fast alle Stösse perpendikulär geschahen, was die zerstörenden Folgen höher potenzirte, da die Ge- bäude förmlich in die Höhe geworfen wurden und in sich selbst zerfielen , was vielleicht auch ein Beweis der Nähe des , wenn auch tief liegenden , vulkanischen Herdes seyn dürfte. In Berührung mit dem Grobkalke zeigt die vulkanische Masse sich stark zersezt und in einen förmlichen Thon zum Theil aufgelöst, was wieder auf ein Vorhanden- seyn vor der Ablagerung des Grobkalkes hindeuten dürfte. Die grossen Stücke sandigen Thones und Grobkalkes, die die vulkanische Masse selbst umschliesst, die sie in sich eingewickelt hat, dürften vielleicht aus tiefern Ablage- rungen abstammen ; denn w ahrscheinlich wechselt auch hier, wie am Dschebel Mussa der Grobkalk mehrmals mit Thon und Sandstein. Von einem Eruptions-Kegel oder von einem Krater ist in jener Gegend nichts zu sehen, das Hervor- dringen der vulkanischen Masse scheint vielmehr aus einer grossen Spalte der ersten Terrasse, westlich von Aleppo, und zwar an mehreren Punkten , erfolgt zu seyn. Wenn wir uns von Aleppo in der Richtung des Euphrat- Laufes nordöstlich gegen die Grenzgebirge Syriens wenden, so treffen wir zuerst, wenn wir die grosse Ebene el A^vas- sem verlassen und den Sedsch-su passirt haben , das Hügelland von Nissib. Die Gegend von Nissib gegen Ain- tab ist ein kahles Land, voll niederer, runder Hügel mit tiefen Thal-Einschnitten. Der Haupttypus in geognosti- scher Beziehung ist das Vorkommen der obern Glieder der Kreidereihe mit Durchbrüchen von krystallinischen Fels- gebilden, meist Feldspath und Augitgesteineti. So bestehen die Hügel bei Nissib (berühmt durch seine Olivenwälder und 456 durch die Schlacht zwischen Ibrahim - Pascha und IIafis- Pascha) , nördwestlich von ßiu am Euphrat , aus gelbem, schiefrifrem Kreidekalk , dessen Schichten häufig- in ganz entgegengesezter Richtung fallen. So sehen wir sie in den Schluchten westlich von Tel Balkis in Nordwest, in dem Thale von Kersin aber in Südost verflachen, eine ähnliche Erscheinung wie zwischen Szanina und Suedie am untern Orontes. In dem Thale von Kersin ist die Kreide sehr thonig, und die rundlichen Hügel, welche sie formirt, sind an manchen Stellen , wie z. ß. bei Ras-hild , mit Kreide- breccie bedeckt. Im Kaffer Dagh, der Gebirgskette, welche sich von Nissib gegen Aintab hinzieht und ein siidlicher Ausläufer des Giaur Dagh, des Grenzgebirges zwischen Syrien und Cy- licien, ist, bildet die harte, kieselige Kreide die vorherr- schende Felsablagerung. Sie überlagert die weiche, gelb- liche Kreide, bildet kahle sehr schroffe Klippen und Wände und enthält Arten von Konus, Pectcn und Ostraea. So gehören auch alle die niedern Berge um Aintab der Reihe der obern Kreide an, deren oberste Schichten, welche auf der gelben Kreide von Nissib liegen und parallel der harten, kieseligen Kreide stehen dürften, eine weisse Farbe, ein erdiges Gefüge im Kleinen, im Grossen aber eine schiefrige und in Platten spaltbare Struktur besitzen. In dieser Formation befinden sich viele Höhlen, deren oberste Wände und Decken mit grossen Crinoideen bedeckt sind. Diese Fels-Bildung ist häufig von tiefen Spalten durchzogen, deren Ausfüllung theils Feuerstein , theils Thoneisenstein bildet. Westlich von Aintab trifft man bei Karak Weyu zuerst die krystalliiiischen Felsgebilde. Sie durchbrechen die Kreide in runden isolirten Hügeln, die sich nach Nord und Süd erstrecken und aus basaltischen und angitischen Gesteinen bestehen, in den Formen, wie wir sie bei Aleppo sahen. Die schiefrige Kreide, welche diese krystallinischen Gebilde nmgibt, ist sehr hart, die Thäler derselben durchschneiden sich fast unter rechten Winkeln, werden enger und die Gehänge derselben steiler. Zu Kawis treten die erwähnten 457 abnormen Gesteine neuerdings auf, wiederholen sich in kur- zen Zwischenräumen , bis sie endlich ein paar Stunden westlich von Kilis die Kreideformation ganz verdrängen und die allein herrschende Felsbildung sind. Bei Kilis selbst lagern sie sich sowohl auf die Kreide, als dringen zwischen die Schichten derselben ein. Sie scheinen also mit ihr zu wechsellagern, kurz, spielen ganz dieselbe Rolle, wie der Serpentin im Tliale des Orontes, Die Basalte sind nach AiNswoRTH die vorherrschende Bildung dieser .abnormen Gesteine bei Kilis. Ohne Zweifel jedoch, da er sich nebst- bei, nach Art und Weise einiger englischer Geognosten, nur des sehr allgen^Binen Namens Trap bedient, sind augitische Gesteine, z. ß. Porphyre mit Augitmasse, Dolerite etc. da- selbst nicht minder vorherrschend, als wirkliche Basalte. Die Massen dieser Felsbüduno-en zeiiren im Gro.ssen häufig Neigung zu der ihnen eigenthümlichen säulenförmigen Struk- tur, sind aber doch meist nur in grosse, rundliche Körper abge- sondert. Unter diesen Feldspath- und Augitgesteinen liegt bei Kilis die Kreide, an den Berührungsflächen etwas um- geändert, nämlich wie gebrannt und zugleich mit den kry- stallinischen Gesteinen in Nord einschiesseud. Unter der Kreide treten leztere wieder auf, aber zugleich mit kalk- haltigem Schalstein und mit Porzellan- Jaspis, welche in die Kreide selbst eindringen. Wo diess geschieht, ist sie grün- lichgelb gefärbt, hat dei\ Habitus eines thonigen Kalkes, ist dicht und hart und gibt einen prächtigen Baustein ab. Am Fiisse der Hügel von Kilis und zwar gegen Süden und Südwesten ist die ganze Ebene durch eine sehr ausge- breitete Formation des Schalsteins, eine Art Wacke von dioritischer Grnndmasse und sehr kalkhaltig, gebildet, welche, je nachdem sie mehr oder' weniger nahe an diesen Hügeln liegt, auch einen sehr verschiedenen Habitus zeigt. So sehen wir sie in der Nähe als ein rothes eisenschüssiges Gestein auf- treten, welches auf i\en Bruchfläciien einen glasigen Über- zug von Brauneisenstein wahrnehmen lässt uiicl eine 3Ienge von Kalkspathnieren enthält, welche in sehr verschiedener Uuantifät in der Masse vertheilt sind und deren Grösse von der einer Erbse bis zu der eines Hühnereies wechselt. Diese /158 Nieren findet man auch in dem Schalstein, der die entferntem Theile der Ebene bildet. Diese merkwürdige Wacken-Forma- tion liegt auf Kalken, die jünger zu seyn seheinen als die Kreide. Die Formation der obern Kreide behauptet übrigens die Ebene westlich von Bir am Euphrat bis zum Sedsch-Su oder Se- schnr, wie Einige schreiben. Daselbst wird sie von einem Kalk-Konglomerate bedeckt, welches in Westen verflächt und wahrscheinlich der Kalkbreccie am Orontes parallel steht, die ich als oberste Strate der obern Kreide ansehe und welches hier die Kreide von Nissib von der sehr aus- gedehnten Grobkalkbildnng trennt, welche die ganze Ebene des nördlichen Syriens his zum Chalaka, Aleppo und längs dem Euphrat bildet, meist kultivirt werden könnte, zum Theil auch ist und nach Thomsons Messung sich im Mittel zu 1300 Fuss über das Meer erhebt. Dieser Grobkalk ist sehr reich an Versteinerungen und enthält besonders Arten von: Conus, Voluta, Ostraea , Cardium, Cytherea, Lucina, Cerithium , Fusus, Pyrula etc. Westlich dieser Grobkalk- bildung und am rechten Ufer des Kneik oder Chalus erhebt sich unterhalb Assass, südlich von Kilis, die obere Kreide neuerdings und zwar als unser früher erwähnter Konniten- Kalk. Er bildet einen Zug von niedern, massigen Bergen wie Aufblähungen, die sich aus Norden in Süden erstrecken und sich zu ungefähr 500 Fuss über die Ebene erheben. In der südlichen Ausdehnung geht dieser Konniten-Kalk in die obere , harte , kieselige Kreide mit Feuersteinen über. Dieser Zug hat in seiner nördlichen Fortsetzung den Namen Lelin Dagh und verbindet sich mit dem Dschebel Scliich und Dschebel Saffjun, gegen Süden hingegen bildet er den Dschebel Semann, den Monte Simone bei Schech Barakat, den ganzen Chalaka oder Amguli Dagh und sezt bis Arraenas fort, wo wir dieses Kalksteins zuerst erwähnt haben. In den Thälern bei Basul und nördlich von Gindäris, nordwest- lich von Assäs, sehen wir diesen Kalkstein wieder von Feld- spath-, Augit- und Wacken-Gesteinen durchbrochen und verändert. Das Thal des Affrin, der bei Basul und Gindäris etwa 500 Fuss über dem Meere vorüberfliesst, ist von dem des 450 Kara-Sn (Koros, Sclnvarzwasser) durch den Dschebel Schlch getrennt, ein in seinen Formen höchst einförmiger Kreide- Zng, der an seinem Fusse an mehreren Stellen von Feld- spath und Angit-Gesteinen durchbrochen ist, unter denen zwischen Assäss und Kara-Su sich an mehreren Orten ein Porphyr auszeichnet , der eine fleischrothe und graue Feld- spath-Grnndmasse mit Krystallen Ton grüner Hornblende und Uralit besizt. Verwandte Bildungen erscheinen bei Murad l'ascha in der w estlich vorliegenden Ebene und südlich bei el Hamam in der Ebene des untern Affrih, der sich in den See von Antiochia, el Bochaire, ergiesst. Das Gestein bei el Hamam (warme öuelle) ist Augit- Porphyr, eine biauhch- graue, matte Grundmasse mit Augit -Krystallen. Das Gestein von Gnl Baschi oder Murad Pascha aber ist Basalt. Eine ähnliche Grundmasse mit Olivin-Krystallen, mit Krysolith und lichtbraunen Granaten. Stellenweise wird das Gestein sehr dunkelfarbig, eisenschüssig, blasig, geht in Mandelstein über und gewinnt zum Theil ein Ansehen wie gewöhnliche Lava. Bei el Hamam, wie schon der Name sagt, entspringen aus dem Augit-Porphyr warme öuellen. Man zählt deren vier, die sammt und sonders erst in neuerer Zeit in Folge von Erdbeben sollen hervorgetreten seyn. IßRAHiM-Pascha liess daselbst, wie bei derheissen Quelle am See von Taberieh, ein Badhaus errichten. Die Quelle, welche beim lezten Erd- beben hervorgebrochen seyn soll, hat eine Temperatur von 99,5® Fahrknh. und beherbergt Konferven, Frösche und Schild- kröten *. Eine zweite, ältere Quelle zeigt 98,7** Fahrenh. und entwickelt viel Schwefelwasserstotf. Eine dritte hat eine Temperatur von 98'' und eine vierte von 77** Fahrrnh. Nach Reaum. Skala sind diese Temperaturen nach der ge- gebenen Reihe = aO*> ; 29,640 ; 29,330 ; 20**. Beide leztere ohne sichtbare Gas-Exhalatlonen. Diese warmen Quellen liegen ungefähr 400 Fuss über dem Meere. Wenji wir den Lauf des Affrin nach aufwärts verfolgen, * Ainswoth's Angaben sind natürlich so lu deuten, duss diese Thiere in dem Thermal-Wasser leben^ aber nicht dass sie mit dtr Quelle eu Tasre treten. 460 so treffen wir westlich von Kilis, wie schon erwähnt, die obere harte Kreide von vulkanischen Trümmergesteinen und kalkhaltigen Wacken durchbrochen. Die Gesteine fallen im Durchschnitt hier nach Südosten ein. Ungefähr 3 Stunden westlich von Kilis ist die Kreide von Ostraciten-Sandstein bedeckt, ein Parallelgebilde unseres tertiären Sandsteins aus der Grobkalk-Gruppe des Dschebel Mussa bei Suedie. Die Schichten desselben haben sehr geringe Mächtigkeit und verflachen mit ungefähr 7*^ nach Südosten. Der Sand- stein ist thonig-quarzig, grobkörnig und leicht zerreiblich und dehnt sich in zwei Reihen niederer Hügel längs dem Ufer des Affrin aus, Jenseits des AfFrin, an seinem rechten Ufer, tritt die Kreide wieder hervor und bildet ein hügeliges, nicht un- fruchtbares Land, das von tiefen Thälern und Schluchten durchzogen ist, in welchen man die Schichten der Kreide meist in- Südost verflachen sieht. Dieses subalpinische Ter- rain ist durchaus mit Eichen-Wäldern bedeckt, und wenn man dasselbe in der Richtung gegen das Thal des Kara-Su durchkreuzt, findet man, dass die Kreide ihren Charakter ändert. Sie wird zwischen den Dörfern Karkin und Kur- sisli thonig, nimmt einen schieferigen Charakter an, wird stellenweise sehr anthrazitisch, einem dunkelfarbigen Thon- schiefer ähnlich und enthält Gänge von Feuerstein und lydischen Stein. Es ist eine Formation, dem Macigno Italiens ähnlich, der den Gliedern der untern Kreide-Reihe angehört. Die Berge bei Kursisli bestehen aus thonigem Kalkstein, der von einem dichten, festen Kalkstein bedeckt wird. In den Niederungen bei Raju Köi liegt ein kleiner See und ist sumpfiges Land, das zum Reisanbau kultivirt wird. Das Thal des Kara-Su trennt das Flussgebiet des Aff'rin, welches wir so eben betrachtet haben, von dem nordwestlichen Ende des Jawur Dagh oder Giaur Dagh , von dem Amanus, Alma oder Akma Dagh, der Syrien von Cilicien scheidet. In der Breite von Raju-Köi sehen wir im Thale des Kara-Su die Feld- spath- und Augit-Gesteine wieder zu Tage gehen. Der Fluss trennt sie von den Ablagerungen des thonigen Kalksteins, die gegenüber bei Kara Baba einige Hügel konstituiren. Die 461 ausgedehnte Fonmitioii dieser massioen , abnormen Felsge- bilde, Avclclie dieses ganze Terrain bilden, eihebt sich keines- wegs zn hohen Beigen, sondern stellt vielmehr eine weite Hochebene dar. Wir sehen hier wieder den Basalt von Mnrad-Pascha mit einer lichten, bläulichen (irnndmasse, mandelsteinartig. von Blasen durchzogen, mit Olivin, Chrysolith und braunen Giana- ten. Die vorherrschende Natur dieses Basaltes war urspriing- iich amorph, und wir haben es hier mit wirklichen Strömen zu thun, welche überflössen und sich in mächtigen Lagen aus- breiteten oder in unregelmässigen Hügelzügen erhoben. Die zunächst folgende Struktur war erst die der regelrechten Anordnung, die Annäherung zur regulären polyedrischen Form; meiner Ansicht nach stets ein gewisser Akt von Kry- stallisation und nicht bloss einer rein mechanischen Absonde- rung, welche leztere auf Säulenbildung des Basaltes, auf die prismatische Trennung vieler Trachyte etc. durchaus nicht jene Anwendung hat, die man ihr häufig gab. Hier ist nichts Zufälliges, Alles ist gesetzlich und nur Gesetzliches liegt zu Grund. Ob die Anordnung der Theile aus dem flüssigen oder aus dem festen Zustande geschah, das stört, glaube ich, den wahren Begriff von Krystallisation nicht. Die Ober- fläche der Ebene, welche dieser Basalt erfüllt, ist in jeder Richtung polyedrisch so getheilt, dass sie das Ansehen eines gewürfelten Pflasters hat, eigentlich aber ein System von senkrecht stehenden Prismen ist. Die ganze Erscheinung ist hier wirklich höchst überraschend. Eine dritte Art der Struktur dieser Basalt-Massen ist die konzentrisch-schalige. Auch sie ist hier gar nicht selten und auch wieder offenbar nicht eine blosse kugelige Absonderung oder das zufällige Vor- kommen solcher kugeligen Massen, umgeben von konzentri- schen Lagen, sondern sie ist das Resultat des allgemeinen Be- strebens der Basalt-Masse, ihre integrirenden Bestand-Theile in polyedrischen Körpern von unendlich vielen Seiten, d. h. in Kugeln anzuordnen, worauf auch das Vorkommen der grossen kreisrunden Höhlungen in dieser Formation hindeutet. Die konzentiischen Lagen wiederholen sich in bedeutenden räumlichen Verhältnissen , die Vollkommenheit ihrer Form 46!2 aber ist nicht nur durch wellenförmige Ablösungsflächen, sondern auch durch Gänge von Basalt und Reihen unvoll- kommen ausgebildeter Säulen unterbrochen , leztere haben meist eine geringe Neigung in Nordwest. An einigen Stellen bildet die Ebene eine blasige, konvexe Oberfläche, die aber in der Richtung der Achse ihrer grössten Konvexität zer- borsten ist und Klüfte von verschiedener Ausdehnung bildet. Sehr interessant ist das Vorkommen von welligen, flach- gernndeten Hügeln , die isolirt sich auf dieser ßasaltebene von 500 zu 800 Fnss Höhe erheben. Diese Hügel bestehen ans Diallage-Felsen , Enphoditen , Serpentinen und Talk- Bchiefer, die sich aber in einem sehr aufgelösten Zustande befinden. Meiner Ansicht nach sind diese Gesteine das vielleicht mit emporgehobene Grundgebirge dieses vulkanischen Terrains, was wohl auch das Materiale zur Bildung der Basalte abgegeben haben dürfte. Diese Formation trennt sich südlicher vom Amanus durch die schöne, fruchtbare Ebene von Chateli, tritt aber an der Bergkette beim Dorfe Ada Burum wieder auf, nur unter andern Formen. Der Basalt ist kieselig und begleitet von öuarzfelsen , er tritt zum Theil in seigern Gängen in einer Art Wacke auf und seine Blasenräume sind mit Chal- cedon erfüllt. Wir wenden uns nun wieder norowestlich und zwar zum Amanus oder Akma Dagh. Dieses Gebirge erhebt sich im innersten Theile des Golfes von Alexandrette oder Skanderun unmittelbar vom Meere auf und erstreckt sich anfänglich als Akma Dagh, dann als Dschebel Beilan und Dschebel Mnssa aus NO. in SW. bis an den Orontes, ein Gebirgszug, den die Alten mit dem generellen Namen Amanus bezeichneten und der westlich vom Meere, östlich von der Ebene von Antiochia, von der Ebene von Chateli und dem Kara-Su begränzt wird. An seinem nördlichsten Ende , wo der Meerbusen von Alexandrette mit den Gränzen Ciliciens und Syriens zu- sammenstösst, trifft der Akma Dagh mit dem Jawur oder Giaur Dagh, d. i. mit der Hauptkette, mit dem Rhosus der Alten, zusammen. Lezteres Gebirge erstreckt sich 4G3 dem erstem fast ins Kreuz aus Westen in Osten, in seiner ganzen Strecke die Gränze ZAvisclien Syrien und Ci- lieien, oder zwischen den Paschaliken Adana und Marasch nordwärts, Aleppo und Orfa südwärts bildend. Auch er tritt, wie wir schon gesehen haben, unter verschiedenen Kamen nach den verschiedenen Lokalitäten auf. Dem INiamen nach, wie Ainsworth, dessen Angaben überhaupt den Charakter der Wahrheit in hohem Grade an sich tragen, sehr richtig bemerkt, sind beide Bergketten, der Jawur Dagh und Akma Dagh, durch den Pass von Beilan getrennt, aber in der Wirklichkeit nicht; denn sie bilden eine ununter- brochene Kette in dem Sinne, dass der Akma Dagh als ein südlicher Ausläufer des Giaur Dagh sich darstellt. Die Berge des Akma Dagh , besonders die an seinem nördlichen Ende und die des Dschebel Beilan, erheben sich zu weit bedeutenderen Höhen als die des Giaur Dagh. Leztere steigen zu kaum mehr denn 5000 englische Fuss, erstere aber zu nahe an 6000 englische Fuss Meereshöhe an. Nach Barometer-Messungen hat der Pass von Beilan 15S4 die Ruinen einer christlichen Kirche in der Region von Valonea und Quercus aegilops nebst andern Eichen 2698 Dorf Kurtlu . 4068 der Gipfel des Beilan : . . . .5^37 englische Fuss Meereshöhe. Die Gipfel des Jawiir oder Giaur Dagh sind ausge- zeichnet scharf und nadeiförmig, zackig wie eine Säge, wech- selnd mit grossen Massen ohne besondern Ausdruck der Form, mit gerundeten Umrissen. Der Akma Dagh hingegen hat vorherrschend mehr gerundete Berge und zwar besonders an seiner östlichen Seite, während er an seinem westlichen Gehänge gegen die See zu mehr den Charakter des Ja- wur Dagh, wie er gerade dargestellt wurde, annimmt. So ist er am Dschebel Kaiserik oder Kaiserik Dagh, der Theil des Akma Dagh am Golf von Skanderun, nicht minder zackig und phantastisch zerrissen, als der Jawur Dagh. 464 Das südvvestlicliste Ende des Akma Dagh, oder eigent- lich der ganzen Kette des Amanns, bildet der, uns zum Tlieil schon bekannte , Mnssa Dagh oder Dscliebel Mnssa, nördlich von Snedie im Phissgebiete des Orontes. Der Hanptstock des Dschebel Mnssa, der sich weiter nördlich gegen ßeilan zu mit dem Dschebel ßeilan verbindet, besteht aus krystallinischen und massigen Gesteinen, aus Talk und Chloritschiefer , öuarz - Schiefer , Euphodit und Serpentin, Glimmerschiefer, Feldspath- und Augit-Gesteinen, zum Theil mit trachytischem Charakter, bedeckt von Kalksteinen der Kreideieihe und von tertiären Bildungen. Leztere tieteu besonders an seinem südwestlichen Ende, avo er als Dsche- bel Siman das Hiigelland bei Suedie bildet, ausgezeichnet hervor und ziehen sich am Rande der Ebene bis zur Küste hin, den grössten Theil seines südlichen Gehänges bildend. Das durch die Riiinen und die in Felsen ausgearbeitete Nekropolis von Seleucia Pieria bekannte senkrechte Fels- gehänge am südlichen Theile des Mussa Dagh gehört in das Gebiet der obern Kreide und besteht zum Theil aus hartem Kalkstein. Ich habe dieser Tertiär -Gebilde schon früiier ausführlich gedacht und meine Darstellung mit einem Durchschnitte belegt, ich wende mich daher jezt mehr zur Hauptmasse dieses Gebirges und seiner nördlichen Fort- setzung, mich dabei vorzüglich auf Ainsworths Aijgaben und die Untersuchungen meines Adjunkten Pruckner stützend, der mit IßRAHiM-Pascha zusammen die Landreise von Antio- chia über Beilan , Alexandrette und Baias nach Adana machte, während ich die Expedition zur See an die Kiiste von Karamanien führte. Der Glimmerschiefer ist eine der im ganzen Amanus seltener vorkommenden Felsarten, Er bildet vorzüglich die Centralmassen der ausgedehnten Ablagerungen von Serpentin und andern Diallage-Gesteinen, zum Theil in dieselben selbst übergehend. ' AiNSwoRTH will überhaupt die interessante Beobachtung gemacht haben, dass in unserm Terrain Felsgebilde mit vorherrschendem Thonerde-Silikat, so z. B. Feldspathgesteine, Thonschiefer u. s. w\ sich vorherrschend als Basis jener 465 IJeigketteii entwickeln, die aus Phonolit, Thonstein, Thoii- schiefer, Wacke und Porphyren bestehen ; eine Erscheinung-, die wir auch in England an den Pentland - und Cheviot- Bergen beobachten. Fels-Arten hingegen mit vorherrschen- dem Bittererde-Silikate bilden meist die Basis von Ablage- rungen des Euphotids, Serpentins, Talkschiefers und ver- schiedener Diallage- Gesteine. Alle die lezteren Felsbil- duugen sind in der Kette des Amanus die vorherrschendsten. Die Diallage-Gesteine bestehen meist in einem Gemenge von Diallage-Krystallen, theils von metallischem Ansehen, theils grün gefärbt. Mit den Serpentinen trifft man den Ophiolit gar nicht selten, und sehr häufig zeigt sich eine ganz eigenthümliche Varietät des Serpentins, die einen porphyrartigen Charakter an sich trägt. Es ist eine ganz dichte und homogene Serpentin- Masse, welche zerstreute Krystalle von Diallage enthält. Die als Geschiebe in den Gerollen der Bäche dieses Gebirgszuges vorkommenden Stücke von Hornblende, Syenit, Heliotrop, Jaspis, OphicalcitBaoNGNiART, Quarz etc. gehören Lagerstätten an, die dem Gebiete des Euphotids und Serpentins unterge- ordnet erscheinen. Alle diese Gebilde lassen , je nach ihren verschiedenen örtlichen Verhältnissen und Beziehungen, unter sich höchst interessante Veränderungen und Umwandlungen wahrnehmen. So sehen wir die Serpentine in Thonschiefer und Talkschiefer übergehen. Leztere werden anthrazitisch. So sehen wir am Dschebel Kaiserik beiläufig 5000 Fuss über dem Meere Lager- stätten von Anthrazit und Pechstein. j!*iicht minder merkwürdig ist der Übergang dieser Serpentine durch Vorwalten desThon- erde-Silikates in Thonschiefer und aus diesen in Sandsteine, die den Charakter der Tertiär-Zeit an sich tragen. Diess sehen wir z. B. in der tiefen Schlucht an der Stadt Beilan in dem Passe desselben Namens. Der Serpentin geht »n Thonschiefer über, der von Kalkspath-Gängen durchsezt ist, darauf liegt dasselbe Gestein, nur hat es Glimmer in seine Masse aufgenommen, und dieses geht, durch Zersetzung auf mechanischem Wege, in einen grobkörnigen , thonigen Sandstein über. Geschah nun diese Zersetzung submarinisch oder unter der Bedeckung von Süsswassermassen, so ist es RvsM;OGr.it. Reiso:i. l. Bd. iJO 4C0 in jedem dieser Fälle erklärlich, dass ein solcher Sandstein, immerhin ein reines Lokalj^ebilde , alle Merkmale einer tertiären Formation , org-anische Reste nicht ansschliessend, darlegen kann, ohne den hestehenden und durch Erfahrun« festgestellten Ansichten zu widerstreiten. Die Thonschiefer sind in Begleitung- des Talkschiefers von einer licht-sciimutziggrünen Färbung, dort aber, wo leztere anthrazitisch werden, nehmen sie eine dunkle, meist schwarze Farbe an. Wo diese Gebilde in Berührung mit den Diallage-Felsbildungen stehen, führen sie auch auf unter- geordneten Lagerstätten Jaspis und Porzellan-Jaspis , ohne Zweifel Umwandlungserzeugnisse desselben Prinzipes, das an solchfen Stellen nur in einem höhern Grade wirksam gewesen seyn dürfte. Am östlichen Fusse des Amanus kennen wir bereits aus der Gegend von Ada Burum, Bajas gerade gegenüber, welches am westlichen Abfalle des Gebirges liegt, die dort anstehenden kieseligen Basalte, Chalzedon-führenden Wacken und Quarzfelsen. Hinsichtlich lezterer habe ich daher nui- zu erwähnen, dass sie an und für sich theils von körnigem, theils von dichtem Gefüge durch eine ähnliche mechanische Zersetzung und Aufliebung ihres Zusammenhanges in Sand- stein übergehen. In der INähe von Pagras sind diese Ge- bilde von harter Kreide und Kreidebreccie bedeckt, worauf tertiärer Sandstein liegt. Die Verbindungen der Formationen des südlichen Ab- hanges des Akma Dagh oder des Amanus der Alten mit denen der Ebenen von Antiochia und Snedie habe ich schon im Detail behandelt. Wir sehen im sikllichen Bereiche des Mussa Dagh die Ablagerungen des Euphotids und Serpentins noch in mehreren hundert Fuss Höhe von Kreide und Tertiär- Straten bedeckt, während diese weiter in Norden fast ganz zurücktreten und ein rein plutonisclies Terrain sich konstituirt. Dem leztern gehört auch der Dschebel Kaiserik bei Alexan- drette ganz und gar bis auf seine höchsten Gipfel an. Die höchste Eriiebnng dieses Gebirges ist nach Kapt. Beaufort 5550 engl. Fuss über dem Meere. Nach AiNSAvoRTHS barometrischen Messungen haben wir nachfolgende Höhenpunkte des Kaiserik bestimmt, wie: im östlicher Gipfel 5326 Erster westlicher Gipfel 5216 Zweiter „ „ 5091 Gräiize der Pinien-Wälder 2750 Lajierplatz 21)75 engliche Fuss iiber dem Meere. Westlich des Kaiseriks dehnt sich die Küstenebene von Arsus und Rhesus aus, die sich nördlich mit der von Skan- dernn oder Alexandrette verbindet. Erstre ist durch ter- tiäi-e Ablagerungen von Sandstein mit Gyps, der entweder in ganz dünnen, oft nur wenige Linien mächtigen Straten oder in Nestern und Nieren ausgeschieden vorkommt, ge- bildet, welcher Sandstein wieder durch Schuttkonglomerat bedeckt ist. Leztere, die Ebene von Alexandrette, ist des allerjüngsten Ursprungs und eigentlich eine fortdauernde Bildung. Es ist ein Stück Land, das durch die allmälige Emportretung sandiger Sedimente des Meeres fortwährend anwächst, die Bucht ausfüllt und die See zurückdrängt. Da die Bank von Dünen am Ufer höher liegt als der zunächst daran stossende Theil des innern Landes , so haben Gewässer der dortigen zahlreichen Quellen keinen Abzug, sie häufen sich daher zu ausgedehnten Sümpfen an und bilden jenes infernalische Terrain , welches die Luft von Alexandrette so furchtbar verpestet. Der schlammige Boden dieser sumpfigen Ebene enthält viel Raseneisenstein und Anodonten nebst andern Süsswasser-Muscheln. Die unterhalb liegenden Meeresge- bilde von Sand- und Mergel-Diluvionen sind durch die Gräben entblösst, welche als Abzugskanäle gezogen wurden. In dieser Gegend lässtsich die Erhebung des Bodens so ziemlich geschichtlich nachweisen: In einer alten italienischen Karte, Avelche Ainsworth zu Gebote stand, ist das alte Kastei des Godefroy de Bouillon dicht am Meere angegeben, während es jezt eine halbe Stunde davon entfernt liegt. Hier haben wir es mit einer reinen und auf dem Standpunkte ruhiger, vorurtheilsfreier Beschauung wohl kaum zu bezweifelnder Emporhebung des Landes zu thun; denn das mittelländische Meer, und besonders in dieser Gegend , lässt nie die 468 Erscheinungen von Fluth und Ebbe wahrnehmen. Mechanische Anhäufungen von Meeressedimenten durch crstre und dadurch begründetes Anwachsen des Landes kann daher niclit statt- finden, und geschieht ein solches Anwachsen dennoch,^ so kann es nur Folge eines Emporhebens des Bodens oder eines Zurücktretens des Meeres seyn. Nördlich von Alexandrette und dicht an der Küste liegt die sogenannte syrische Pforte Sakal Tutan an der Ebene von Kersus oder Merkets-Su. Es sind niedere Hügel in der Nähe der See , gebildet von einem groben Kalkstein- Konglomerate, ein Meeresdiluvium. Der Weg fiihrt heut- zutage nicht mehr durch diesen, an und für sich bedeutungs- losen, aber aus Alexanders und Xenophon's Zeiten geschicht- lich interessanten Pass, sondern ist weiter oberhalb angelegt. Die Ebene von Kersus, dessen gleichnamiger Fluss die syrischen Thore des Xenophon bespült, besteht in Alluvionen der jüngsten Perioden. Die Ebene von Baias ist bedeutend mehr erhoben , als die bei Skanderun oder Alexandrette. Sie bildet zwei Absätze, das gegenwärtige Ras Baias und Eski Ras Baias. Zwischen dem erstem Absätze und der Ebene von Kersus bildet ein geschichtetes Konglomerat das Gestein der Küste. Es besteht aus Quarz , Jaspis und Serpentin-Geschieben, verbunden durch ein kalkig-kieseliges Cement. Die Bänke liegen ganz horizontal und sind durch Zerklüftungen in parallelepipedische Stücke so getheilt, dass das Ganze wie ein Damenbrett aussieht; dieses Konglomerat ist ohne Zweifel ein Meeresdiluvium. Übrigens bildet ein ganz ähnliches Konglomerat, bestehend aus eckigen Bruch- stücken und Geschieben von Kalkstein und andern Felsarten die ganze Ebene von Baias und den untern Theil des Fluss- gebietes des Issus oder Deli Chai. Am Vorgebirge des Issus erhebt sich dieses Konglomerat zu Hügelzügen und bildet das höher liegende Land von Köi Chai und Ursili. Bei Eski Rhas Baias ist Kalkbreccie durch ein sandig-kalkiges und schieferiges Konglomerat bedeckt, und zu Arsus liegt in gleicher Weise eine ähnliche Kalkbreccie an den Hügeln südwestlich vom Hafen auf einem Konglomerate, welches aus Serpentin und Diallage-Stücken in einem kalkig-kieseligen 469 Cemente besteht. Meiner Ansicht nach hat man es hier (Ini'chaus nnr mit älteren nnd jüngeren Meeres-Diluvionen zu thnn, die vom Alluvium der heutigen Zeit zum Theil be- deckt werden. Noch einmal wiederholt sich am Issus, dem Grcänzflusse Syriens und Ciliciens, die Formation der Feldspath- und Augit- Gesteine. Alluvial-Ebenen trennen das Dorf Ursili von den Ruinen von Issus oder INikopolis, die am Rande einer schwarzen und dürren Reihe vulkanischer Felsmassen stehen. Anfänglich bildet der Distrikt eine Ebene, bald hernach aber wird er in Norden steinig, hügelig und erhebt sich in Massen von basaltischen Mandelsteinen, Basalten, Doleriten, Wacken und Trapp-Tuff, ein entschieden vulkanisches Terrain dar- stellend. Der Expeditionsadjunkt Pruckner hatte mir, als er nach seiner Reise mit IßRAHiM-Pascha sich wieder in unser Lager bei Gülek Boghäs begab, nachfolgende vier sehr Interessante Durchschnitte aus der Gegend zwischen Adana und Antiochia, also aus den Thälern des Mussa Dagh, Kai- serik Dagh und dem eigentlichen Jawur oder Giaur Dagh uiitgetheilt, die ich hier zur Ergänzung des früher Gesagten beifüge *. * Man »che die Zcichnun<>- unter den Durclischnitten zum I. Band, Inhalt. Seite Vorrede • • 7 Einleitung t . 15 Erster Abschnitt. Reise von Triest über Griechenland nach Egyplen. 1) Die jonisclien Inseln. Patrass, Korinth, Athen 35 2) Aufenthalt in Athen 81 S) Reise von Athen nach Nauplia und Alexandria 89 Zweiter Abschnitt. Reise in Unteregypten. 1) Aufenthalt in Alexandria 106 2) Reise von Alexandria nach Kairo und Aufenthalt daselb.st . 118 3) Reise zu den Natronseen in der libyschen Wüste .... 186 4) Zweiter Aufenthalt in Alexandria 198 Dritter Abschnitt. Wissenschaftliche Bemerkungen über Unteregypten. 1) Klimatische Verhältnisse des Landes und damit verbundene Erscheinungen , 202 2) Physiognomie und geognostische Verhältnisse von Unteregypten 249 3) Über Beiträge zur Fauna und Flora von Unteregypten . . 286 4) Der Menscli in Unteregypten und seine bürgerlichen Verhältnisse 301 Vierter Abschnitt. Reise in das nördliche Syrien und nach Karamanien. 1) Reise von Alexandria nach Beirut und nach Suedie am Orontes 340 2) Reise von Suedie über Antiochia nach Aleppo und zurück . 362 3) Zweiter Aufenthalt zu Suedie und Reise nach Gülek in Ka- ramanien 388 Fünfter Abschnitt. Wissenschaftliche Bemerkungen über den nördlichsten Thcil von Syrien. 1) Physikalische Verhältnisse , mit besonderer Rücksicht auf die Kliniatologie des Landes 400 2) Beiträge zur Physiognomie und Geologie des nördlichen Syrien 412 ►■■ \-j<^\\'-r'-'Jimmm Q \ %ff; \ ^ftt&te