^CVn r f\i aIh v^O ^^ r Q ä*^ \i HO ■ -ö^^ > \ y • 1 '^ t ^^ oV: ^ t ^ ^«.^ r\- K# u^ r^ O&^iP oV^ ^' ^om^'^ m D. H. HILL im,^ NORTH CyßOLirm ST4TE C0LLC6E CIAL COLLECTlIOi OHll .:r88 V.2 pt.l # \|l-^'uliau. Erster Theil. Erste Rci^c durch E»;ypten und'JNubieii. STUTTGART. E. Seh weizerbart'sche Verlagshandl ung;. 1S43. REISE in Egypten , Nubien und Ost -Sudan, mit besonderer Rücksicht auf die naturwissenscliaftlichen Verhältnisse der betreffenden Länder, Hiiternommen in den Jaliren 1.§3G , 1839 und m3§. Joseph Mussegger^ k. li. österr. Bergratli etc. ERSTER THEIL. MxX 1 flC0flnofltffljcn J^artc »0« iWittel-Stjrlfit, 1 flcoflno|1tfd)i'« 1 ^afel mit }Pard)fd;uittcn. STUTTGART. E. Schweizerbart'schc Verlag^shandlung. 184;}. Vorrede zum zweiten Bande. Ich übergebe hier dem verehrten Publikum den zweiten Band meines Reisewerkes, der, des vielen vorliegenden Materials wegen^ wie der erste Band, welcher meine Reisen in Unter-Egypten, Syrien und Klein-Asien umfasst , ebenfalls in zwei Theile zerfällt. Die äus- serst gütige Aufnahme, die der erste Band dieses Werkes fand, ermu- thigt mich zur Hoffnung, dass diese auch diesem Bande zu Theii werde, um so mehr da der Gegenstand, den er hauptsächlich behan- delt, nämlich das Innere von Afrika, schon desswegen von hohem Interesse ist, weil wir darüber so wenige, auf wissenschaftUche Anschauung begründete, Nachrichten haben. Will ich auch keines- wegs meine gemachten Beobachtungen für durchgehens korrekt halten, so sind sie doch als Beitrag zur Erkenntniss jener Landstriche unter Afrika's glühender Tropensonne immerhin dem Forscher nicht unv/ill- kommen. Meine Stellung, durch Mehmed-Ali's wirklich grossmü- thige Theilnahme und Förderung meiner Zwecke, war von der Art, dass ich viele Gefahren, denen andere Reisende im höchsten Grade ausgesezt waren , die den nachtheiligsten Einfluss auf den Fortgang ihrer Bestrebungen , der Wissenschaft zu nützen , ausübten und denen sie zum grössten Theile unterlagen, nur dem Namen nach kennen lernte. Nie trat der Hunger in mein Zelt, nie streckte der Durst uns ohnmächtig auf den Sand der Wüste hin, nie hatte ich Ursache, für mein Leben durch feindlichen Angriff ernstlich besorgt zu seyn ; denn gut bewaffnet und von hinlänglicher Mannschaft begleitet, kamen wir zwar in die Lage, uns unserer Haut wehren zu müssen, wir waren aber auch in der Lage, diess thun zu können, und da soll kein Mann, den höhern Zweck vor Augen, an Furcht für das Leben denken. Meine Reise verliert dadurch an Poesie , die Anschauung der sich darbietenden Gegenstände gewinnt hingegen an Wahrheit; denn wie Courage sehr vom Zustande des Magens abhängt, so auch, in beschei- dener Gränze, das wissenschaftliche Streben, und so wahr auch das Sprichwort: „plenus venter non studet libenter" ist, so wahr ist es auch , dass die Seele mit dem Körper leidet und der arme , durch Russegger, Reisoii. II. Btl. l. ThI, ] Hunger und Durst zu Boden gedruckte, durch feindliche Hand verwun- dete, misshandelte Reisende, mehr als ein gewöhnlicher Held ist, wenn er in solchen Momenten und allein in weiter Ferne , bei wilden Völkern, wohin kein lieber Hauch aus der Heimath dringt, noch die Stärke seines Geistes beibehält. Darum beuge ich mich mit so viel Achtung vor den Namen eines Mungo Park, eines Browne, eines Burkhardt, eines Clapperton, Denham, Oudney und so vieler jener Opfer, die der Wissenschaft auf afrikanischem Boden fielen. Durch die Begünstigung des Schicksals erhöhen sich die Ansprüche, die die gelehrte Welt auf meine Forschungen macht, ich fühle es, und nur die Ermuthigung, die mir von allen Seiten zu Theil wird, und wor- unter die allerhöchste Gnade Sr. Majestät meines Kaisers den wesentlich- sten Einfluss nimmt, indem nur sie es ist, die es mir möglich macht, die wichtigen Karten , die das Werk begleiten , in einer höhern Voll- endung beizugeben, als es mir allein je möglich gewesen wäre; diese Ermuthigungen, sage ich , sind es , die mich ohne Bangen meinen Weg fortsetzen lassen. Aber nicht Gefahren durch Feindes Hand, nicht Elend, Hunger, Durst, Wunden sind es, die dem Reisenden im Innern von Afrika allein sich entgegenstellen, sein schrecklichster Feind , schrecklicher als in jedem andern Lande der Erde, ist das Klima, gegen dessen schädhchen Einfluss keine Macht der Erde schützt und das in Ver- bindung mit Gefahren aller Art die Hälfte jener Europäer hinweg- raffte, die es gewagt haben, das Innere von Afrika zu betreten. Nichts schüzt gegen diesen Feind als Vertrauen auf eine höhere Macht, Energie des Geistes, freudiger Muth und leichter Sinn , stete Thätigkeit, Massigkeit und weise Vorsicht in Benützung der Erfah- rungen Vorhergegangener. Auch in dieser Beziehung hatte ich sel- tenes Glück. Acht Europäer traten wir die Reise ins Innere an. Zwei ergriff das Klima so , dass sie in Chardum umkehren mussten, sechs blieben , und von diesen sechsen blieben zulezt nur ich und Kotschi übrig; denn drei starben in der ersten Regenzeit und der vierte bald nach Vollendung unserer Reise und an den Folgen der- selben. Oft und schwer erkrankt, oft dem Tode nahe, jedoch nie den Muth verlierend, gelang es uns, von den Küsten des Mittelmee- res an einundzwanzig Breitengrade ins Innere vorzudringen, demnach in gerader Richtung nächst Major Denham, auf seinem Zuge nach Mandara, weiter, als bisher es einem Europäer gelungen war *. Ein geheimnissvoller Schleier deckt aber noch immer zum gros- sem Theile das Innere von Afrika, und nur theilweise kann es gelin- gen und gelingt es, kleine Fortschritte zu machen und so nach und nach zu erreichen, was mit einem Zuge hier durchaus nicht erreicht werden kann , nämlich vollkommen geographische Kenntniss dieses wun4erreicheft Welttheils. Klima, Mangel an Bevölkerung und Wasser * Meine Beiträg^e zur Pbysiog'iiomie etc. des afrikanisclien Tropen- Landes. Leonhard-u. Bronn, N. Jahrb. f. Min. etc.; Jahrgang 1840, I.Heft. in den glühenden Sandwusfen und auf den unabsehbaren Savannen * des Innern, wilde Völker anderseits, machen die Lösung der grossen Aufgabe, Afrika in seiner grössten Ausdehnung aus Nord in Süd zu durchziehen, für jede Expedition in Masse unmöglich. Zweimal gelang es uns , durch die kräftige Unterstützung des Vizekönigs von Egypten und durch die Übermacht europäischer Waffen, das eine Mal* aus Rordofan, das andre Mal aus Sennaar bis zum 10. Grad der nördlichen Breite vorzudringen. Das eine Mal zwang uns die tropische Regenzeit, das andere Mal nöthigten uns die wiederholten Angriffe der Schongollo-Neger zur Rückkehr. Nur durch Vorrücken der Kolonien, durch fortgesezte Eroberungen und durch Gründungen von Etablissements, so dass man einst dort wird anfangen können zu reisen, wo man jetzt aufhören muss, wird das weitere Vordringen für Expeditionen möglich werden, von denen die "Wissenschaft Gewinn erwarten kann. Was der Mehrzahl jedoch , der Gewalt nicht für den Moment jezt möglich ist, das könnte allerdings, wie es auch sonst im Leben manchmal der Fall ist, dem Einzelnen möglich werden. Sollte es aber auch unter den gegenAvärtigen Verhältnissen einem wissen- schaftlichen erleuchteten Mann, kühn von Geist und gesund an Kör- per, gelingen, Afrika vom Vorgebirge der guten Hoffnung bis zum Mittelmeer zu durchreisen, welchen Gewinn kann die Wissenschaft davon erwarten? Ohne Instrumente mitnehmen zu können, ohne durch Waffen sich zu schützen, ohne seine Beobachtungen aufzeich- nen und ohne Sammlungen veranstalten zu können, wird er Jahre lang, von Stamm zu Stamm, von Volk zu Volk mühsam sich fort- schleppend, allen den Misshandlungen der wilden Völker preisge- geben seyn, alle Leiden, die das Klima, Hitze, Wassermangel u. s. w. über ihn herbeiführen, ertragend, wird er nichts an Ort und Stelle bringen, als einen wunden, siechen Körper und schwankende Erinnerungen. Doch selbst diese wären eines so ungeheuren Opfers werth! — Als ich in Fassoki war und mich bereits mit den dortigen Negerhäuptlingen mehr bekannt gemacht hatte, auch der arabischen Sprache in soweit mächtig war, dass ich ohne Dolmetscher das Gewöhn- lichste mit Arabern sprechen konnte, stieg wirkHch der riesenhafte Gedanke in mir auf, auf alles Verzicht zu leisten, was das Leben schön macht, allein in Fassoki zurück zu bleiben, einige Negerspra- chen zu erlernen und dann allein das Wagestück, Afrika von dort bis zum Vorgebirge der guten Hoffnung zu durchwandern, zu unter- nehmen. Jedoch von Seite meiner Regierung dem Vizekönig zur Erreichung seiner Zwecke in Bergbausachen zur Disposition gestellt, * Der Araber nennt die Savanne „Chala", in der Regenzeit ein Graswald, in der trocknen Jahrszeit ein versengtes Stoppelfeld. Da das Wort „Chala" nur wenig' bekannt ist, so bediene ich mich des allgemein bckunnten Wortes „Savanne". 1 * war ich durch Kontrakt an ihn gebunden, durch einen Vertrag, den ich füglicher Weise nicht auflösen konnte, und so kam ich von einem Gedanken wieder ab , für dessen Gelingen ich zwar keine Wahrscheinlichkeit, aber doch eine ferne Möglichkeit im Geiste vor mir sah. Das Wenige, was wir vom eigentlichen Innern Afrika wissen, hat viele Opfer gekostet; denn mehr als die Hälfte der Reisenden, die dahin eindrangen, starben den Rlartyrer - Tod für die Wissen- schaft; aber, Ehre der Menschheit! es gab stets und immer gibt es für ihr Fach begeisterte Männer, die blos dos höhern Zwetkes willen frei- wiüig auf das verzichten, was man gewöhnlich Lebens-Genuss zu nen- nen pflegt. Die Geschichte der Erforschung des Innern von Afrika durchlebte ihre Perioden. Man scheint im hohen Alterthume und besonders zur Zeit, als die Griechen ihre Colonien bis ins südliche Kubien vorrückten , von einzelnen Theilen Afrika's eine sehr genaue Kcnntniss gehabt zu haben und die Angaben eines Herodot, eines Strabo, eines Plinius, eines Diodorus Sikülus haben noch heute ihren hohen bleibenden Werth, besonders die des ersten, durch ihre rich- tige Auffassung, durch die strenge Wahrheit in der Darstellung, durch die schmucklose- Einfachheit des Ausdruckes. Ptülemäus gibt uns in seiner Karte von Ätiopien die ersten Daten über den Ursprung der beiden Arme des Nil, und zwar ist seine Position der Quellen des blauen Flusses, des Tschad-See's * und einiger anderer Punkte auffallend richtig. Viel Phantasie liegt den Daten zu Grunde, die er über die Lage der Quellen des westlichen Stroms oder des weissen Flusses, über die Lage des Mondgebirges und mehrer Punkte gibt, und sie beruhen offenbar auf den unsichern Angaben der Ein- gcbornen; sehr übereinstimmend hingegen mit den in neuester Zeit gemachten Entdeckungen ist zum Theil seine Darstellung des Laufes eines andern grossen wesllichen Stroms, den wir für unsern Niger seiner Lage nach halten müssen. — Mit geringen Modifikationen blieben die Kenntnisse des Innern von Afrika durch eine Reihe von Jahrhunderten dieselben , ohne dass eine besondere Bereicherung statt gehabt hätte; denn die geographischen Schriftsteller der Ara- ber, als: Abulfedda, Edrisi**, Makrisi, Abdalla-tif u. s. w. nahmen nur grösstentheils die altern Daten auf, und was sie von neuen und interessanten Entdeckungen enthalten, bezieht sich vorzüglich auf die Länder zunächst der Küste und weniger auf das eigentlichs Innere. Sie übersezten die Montes Lunac des Ptolemäus in den Dschebel Komri und Dschebel el Kamar, unter welchen Namen dieses Gebirge noch jetzt bei den Arabern besteht und woraus die Europäer ihre Mondberge machten, ohne dass man darüber in spätem Zeiten mehr gewusst hätte, als Ptolemäus wusste. Da man sich überdiess * Pahis ocfidcntalis Nili nach Ptolemäus, der Nilides PHiiii V, 9 unser heutif^er Tscliad. ** Edrisii Afrika, Curavit Joannes Melch. Hartmann. Gottingae 1796. nicht begnügte, die Angaben dieses gelehrten Geographen und Astronomen sus dem 1. Jahrhunderte unserer Zeitrechnung in ihrer ursprünglichrn Einfachheit zu belassen, so entstanden über die Lage dieser Mondberge und den Lauf des grossen westlichen Stroms, des einen Arms des Nil, unsers Bacher Abiad nämlich, die mannig- faltigsten ÄIcinungen, wozu sich noch die über den räthselhaften Lauf des Mger gesellten, wobei für die Kombination aller dics?r Ansichten den Geographen sich ein weites Feld eröffnete, auf dem sie unsicher umherirrten und worauf wir leider uns noch nicht wie zu Hause ansehen können. In dem Zustande allgemeiner Aufregung des Orientes und des nördlichen Afrika durch die Einfälle der Araber, durch die Kreuz- züge u. s. w. blieben alle Erforschungen des Innern dieses Erdtheils bei Seite, wenigstens wurde darüber nie etwas bekannt, nach der UmschifTung des Vorgebirges der guten Hoffnung aber durch die Portugiesen, nachdem sie nach Entdeckung des neuen Seeweges nach Ostindien den indischen Handel fast ganz in ihre Hände gebracht hatten und sich an den Küsten Afrika's südlich vom Aequator häufige Niederlassungen dieses Volkes bildeten , nachdem vom Ende des 15. bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts die portugiesischen Missionäre in Abessinien festen Fuss gefasst halten und jenes Land in allen Richtungen durchstreiften , da fand für Afrika eine Periode statt, die, wenn sie im Geiste der Wissenschaft wäre gehörig benüzt worden, zu den glänzendsten Resultaten geführt hätte. Die Nieder- lassungen der Portugiesen auf der Ostküste in Mosambique sowohl, als jene auf der "Westküste in Angola, Kongo, Benguela u. s. w. reichten beiderseits durch mehrere Längengrade ins Innere des Landes, und noch im 17. Jahrhunderte und selbst später gingen portugiesische Sklavenhändler zwischen den äusscrsten Forts in Mosambique und denen in Nieder-Guinea in der Breiten-Parallele von beiläufig 15*^ südlich des Aequators mehrmals durch Süd-Afrika seiner Breite nach durch. Ausser einigen Länder- und Völker-Namen jedoch, von denen erst zu erwei- sen wäre, ob sie wahr sind, haben wir, das Innere betreffend, aus jener Zeit in wissenchaftlicher Beziehung sehr wenig Nachrichten, und wir sind noch heut zu Tage über die Beschaffenheit jener Binnen- völker und Binnenländer, über die Grösse und Lage des grossen Marawi-See's, über die obern Flussgebiete des Congo oder Saire, des Cambambe, des Sambesse u. s. w. und ihrer Nebenströme theils in Zweifel, theils in gänzlicher Ungewissheit. Die Jesuiten in Abes- synien, denen wir bis auf die neuesten Reisenden, die ersten und um- ständlichsten Nachrichten über jenes interessante Hochland verdanken, und worüber aus ihrer Zeit sehr viele Schriften, besonders in religiöser Beziehung, bestehen, dehnten ihre Wanderungen nur in Süden von Abessinien, in die Länder der Gallas, aus, in denen sie ungefähr bis in den 9. Grad nördlicher Breite gekommen sind, folglich nicht weit genug, um auf einige der wichtigsten geographischen Fragen 6 das nordliche Afrika betreffend, mit Bestimmtheit antworten zu können. So ging diese wichtige Periode vorüber, ohne dass für die Wissen- schaft und Kunde des Innern Afrika's, mit Ausnahme Abessiniens und der angränzenden Länder, etwas wahrhaft Erhebliches geschehen wäre. In neuerer Zeit jedoch, in der Zeit des allgemeinen Vor- wärtsschreitens , wurde die Erforschung des Innern von Afrika von Reisenden aller europäischen Nationen mit Wärme aufgegriffen. Mit edler Begeisterung für die Wissenschaft zogen von Anfang des 18. Jahrhunderts bis heute Viele dahin, jeder mit kühnen Plänen , deren leztes Ziel keiner erreichte. Die meisten fielen als Opfer ihres Stre- bens, entweder durch das infernalische Klima, oder in Folge der aus- gestandenen Leiden, oder unter den Waffen wilder Völker. Neue Reisende traten an ihre Stelle, ohne alle Furcht und Scheu wegen des traurigen Schicksals ihrer vorangegangenen Gefährten, doch auch sie konnten ihre Absichten in ihrer ganzen Ausdehnung nicht errei- chen, keiner konnte ganz durchdringen und ihre Forschungen blieben auf einzelne Länder jenes Welttheils beschränkt. Daher haben wir noch heut zu Tage das Innere von Afrika in einer Strecke von 35 Breiten- und Längengraden, im Maximo der örtlichen Ausdehnung dieses Welttheils gerechnet, noch so unbekannt, dass wir zum grossen Theile nicht einmal die Namen der Länder jenes Erdstriches und nicht die der Völker, welche dieselben bewohnen , wissen. Die Süd- spitze von Afrika bis zur Parallele des südlichen Wendekreises wurde von vielen Reisenden von den Kolonien des Kaps aus und in ver- schiedenen Richtungen erforscht, und wir besitzen darüber die herr- lichsten Arbeiten ; die örtliche Ausdehnung der Länderfläche jedoch, die sie umfassen, ist nur sehr klein gegen das Ganze. Doüville's Darstellung der Binnenländer von Nieder-Guinea, sich auf seine Reise gründend, die 1832 in Paris erschien, ist so viel be- stritten worden *, dass ich trotz seiner Rechtfertigung doch fast Anstand nehmen möchte, allen seinen Angaben Glauben zu schenken, übri- gens sey es mit der Richtigkeit der Quelle wie es wolle, so ist doch durch Dolville's Arbeit und durch seine Benützung portu- giesischer Angaben viel zur Erkenntniss der Länder Congo, Angola u. s. w. geschehen. Reisen von Bedeutung und unternommen von der Ostküste aus ins Innere sind mir im Süden des Aequators aus neuerer Zeit gar keine bekannt. In Bezug meiner mir in diesem Werke gesezten Aufgabe handelt es sich ausschliesslich um den nördlich vom Aequator liegen- den Theil von Afrika. Zahllose Reisen wurden zur Erforschung der an die Meeresküsten gränzenden Länder unternommen. Ober-Guinea, Senegambien, die ganze Berberei, Egypten, Nubien und Abessinien wurden von Reisenden aller Nationen in verschiedenen Richtungen * Kritik iibpr Doüville's Reisewerk im Foreign Quarterly Review, X, 60 wie DuuviLLii's Rechtfertigung in: Trente mois de ma vie. Paris 1833. ? durchkreuzt, und wir besitzen über diese Länder, besonders über Abes- sinien, Senegambien , die Berberei und, wie bekannt, vorzüglich über Egyplen nicht nur ausgezeichnete, sondern auch wirklich pracht- volle Arbeiten. Seltener jedoch drangen Reisende , deren Bemühungen von Erfolg für die Wissenschaft gewesen wären , in das eigenthche Innere des nördlichen Afrika ein, und die es thaten, wurden auch meist die Opfer der namenlosen Gefahren und Strapazen, mit denen sie zu kämpfen hatten. Die Lösung der wichtigsten Aufgaben in Betreff der Geographie von Nord-Afrika, die Erforschung nämlich des Laufes des Nigers , der Lage und Grösse des Tschäd-Sees (nach dem Ca- spischen Meere , dem Aral und den grössern Seen der nordameri- knnischen Freistaaten der grösste See der Erde), der Lage des Mondgebirges der Alten, des Laufes Ctts weissen Flusses oder des grossen westlichen Arms des Nils, des Quellenlandes des blauen Flusses oder des östlichen Nil-Arms u. s. w. geschah daher ent- weder nur stückweise oder kam bis heutigen Tags nicht zu Stande. Der Lauf des Nigers wurde durch die sich aufopfernden Be- strebungen der Reisenden Mungo -Park, Clapperton, Laing, Lander u. s. w. , wenn auch nicht ganz aufgenommen, doch in so weit ausgemittelt, dass sich darüber keine gegründeten Zweifel mehr erheben können; so gelang es auch Clapperton, Denham und OuDNEY, die Lage des Tschad-Sees * und seine Grösse zu bestim- men, und Bruce hat, wie bekannt, das Quellenland des blauen Flusses am Dembea-See in Abessinien mit Erfolg ausgeforscht. Was jedoch das Quellenland des weissen Flusses und die Lage der Mondberge, oder überhaupt ihr Vorhandenseyn betrifft, so haben wir darüber nur Vermuthungen ; denn kein Europäer hat weder das eine, noch die andern jemals gesehen und die Daten selbst der neuesten Karten waren mehr oder weniger nur Variationen der alt^n Hypothese des Ptolemäus. Diese beiden Fragen zu lösen war einer der Hauptzwecke meiner Reise ins Innere von Afrika, Existiren nun das Quellenland des weissen Flusses und das Mond- gebirge dort, wo die Karten beide angeben, oder dort, wo sie meinen Bestimmungen zu Folge liegen dürften, so bin ich denselben in jedem Falle viel näher gekommen , als es je einem Europäer vor mir gelang, und ich sehe mich, wie wir hören werden, allerdings im Stande, gegründetere Vermuthungen hierüber auszusprechen, als es frühe- ren Reisenden möglich war , doch dieselben zur evidenten Gewissheit * Den Bestimmungen Denhams, Clappertons und Oüdneys zu Folge ergie.ssen sich zwei grosse Flüsse in den Tschad , der Schäry und der Jeöu: aber ein Abfluss des Sees ist nicht bekannt. Diess bringt mich auf die Vermulhung. dass der Tschad-See nicht nur eine sehr bedeutende Depres.sion des Landes an und für sich, sondern auch vielleicht, wie das kaspische und todte Meer, eine Depression des Landes unter die Mec- resfläche überhaupt sey; Avas zu ermitteln gewiss von höchstem Interesse wäre. 8 ru erheben, gelang mir leider auch nicht; denn auch ich hatte das Schicksal der frühern Reisenden , und nachdem ich fast mein ganzes Personal geopfert hatte, nachdem ich mich in der festen Hoffnung des Gelingens den Gefahren hingegeben hatte, die sich dort dem Reisenden, in was immer für einer Lage er sich auch befin- den möge, entgegenstellen, sah ich mein Unternehmen das eine Mal durch den Einfluss des Klima's, das andere Mal an der Barbarei und Dummheit derer scheitern, die auf meiner zweiten einem förm- lichen Feldzug ähnlichen Reise die Truppen befehligten. Der Idee, irgend ein fernes, von wilden Völkern bewohntes, Land zu erforschen, folgt bei bereits civilisirten und mit den nöthigen Mitteln ausgerüsteten Völkern die Idee, dasselbe physisch oder moralisch zu erobern, um pecuniären Gewinn daraus zu ziehen oder es ebenfalls zu civiHsiren, auf dem Fus^e nach. Häufig verbinden sich beide Absichten, noch häufiger tritt erstere allein hervor und am seltensten ist diess letztere wohl bei der Absicht einer blossen, auf Prinzipien der MenschUchkeit gegründeten, Civilisation der Fall. So sehen mir die Eroberungen der Egypter, Perser, Griechen, Römer, Araber und die neuesten durch Mehemed-Ali weit ins Innere von Afrika vordringen, so sehen wir die zahllosen Bemühungen der christlichen Mis- sionäre in Abessinien, so das Vorschreiten der Kolonien in Senegam- bien, in beiden Guinea's, am Vorgebirge der guten Hoffnung u. s. w. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachten wir die Eroberungen der Franzosen in den Raubstaaten, und das edle Bestreben Englands, den Sklavenhandel dadurch in der Wurzel auszurotten, dass man sich bemüht, den Segen des Christenthums und der Civilisation ins Herz von Afrika, in die Mitte wilder Negervölker zu verpflanzen. In dem heissesten und wasserarmsten Lande der Erde, gegen dessen Sandwüsten alle andern Wüsten der übrigen Welttheile an Grösse und trostloser Unwirthbarkeit verschwinden, sind grosse Ströme, wie der Nil und Niger, die naturgemässen Wege, welche die Kultur auf ihren Wanderungen einschlägt. Diess sehen wir in Egypten und Nubien schon von den ältesten, vorgeschichthchen Zeiten her bestätigt. Alle jene Meisterwerke eines classischen Alter- thums, seyen sie nun im Laufe der Zeit Strom-abwärts oder Strom- aufwärts ihrer höchsten Vollendung zugeeilt, oder, was doch un- wahrscheinlich, ihrem Verfalle entgegen gegangen, sehen wir aus- schliesslich an den Ufern des grossen Stromes noch nach Jahrtausenden als die Zeugen alten Glanzes und alter HerrUchkeit, während zu beiden Seiten der Tod der Wüste seinen ewigen Schlaf schläft, unempfind- lich gegen den Impuls der Civilisation und ungestört durch den flüchtigen Hufschlag des Nomaden-Rosses, durch das Dahineilen des Dromedars , durch den Ruf des Beduinen , sey er nun Hiskos , Blemier oder Araber, immer Nomade und der einzige Bewohner der Wüste, 60 lange sie Wüste bleibt. England hat diese Wahrheit längst eingesehen. Dem Nile konnte 9 es, als im Besitze einer andern Macht, nicht die Aufmerksamkeit schenken, die dieser mächtige Nerve von Afrika verdient, es wen- dete sich daher mit Kraft zu dem nicht minder wichtigen Niger * und den in tropisclier Fruchtbarkeit schwelgenden Ländern am Sene- gal und Gambia. Das nach und nach erfolgende Vorrücken der Kolonien ins Innere längs diesen Strömen war der geeignetste Weg, still und geräuschlos der Kultur den Weg dahin zu bahnen, da man jedoclä den nach dem Klima bedeutendsten Hauptfeind derselben, den Sklavenhandel, an der Wurzel fassen und ihn in seinen Stamm- ländern ausrotten wollte, kam die lezte Nigorexpcdition zu Stande, die in ihrem Prinzipe England Ehre macht, in der Ausfuhrung aber leider missglückte. Auch wir Deutsche haben dabei einen harten Verlust in der Person des Dr. Vogel zu bedauern , der auf Fernando Po dem Klima als Opfer fiel. Der Suche der Menschheit willen wollen wir hoffen, dass England diesen grossen Plan nicht aufgibt. Sehr gut dürfte es jedoch seyn, wenn zu einer zweiten Expedition dieser Art nur Leute benüzt würden, die bereits durch ein paar Jahre sich in den Niederlassungen am Senegal und Gambia an das Tropen-Klima gewöhnt haben und dabei die Vorsicht gebrauchen mögen, zu Anfang der trocknen Jahreszeit so schnell als möglich das Delta des Niger zu verlassen und in seine obern Gebiete, wo das Klima gesünder ist, vorzudringen. So wenig die Wüsten des nördlichen Afrika sich eignen, der Bodenkultur zu gest-Hten, festen Fuss zu fassen , so sehr eignet sich Sudan dazu, unter welchen allgemeinen Namen man das ganze Innere des nördUchen Afrika zwischen dem 10. und 20. Grad nördlicher Breite, bis wohin beiläufig die jährlich periodisch eintretenden tropischen Regen sich erstrecken , versteht. Das ganze Sudan , wel- ches man in das westUche, mittlere und östliche eintheilen kann, wovon erstres die Länder der Fellatahs, Biru, Tombuctu u. s. w., zweites die Länder in der unmittelbaren Umgebung des Tschad-Sees und drittes die Länder Bornu, Borgu, Darfur, Kordofan und Sennaar in sich greift, ist fruchtbares Savannen- und Gebirgsland, welches unter tropischem Himmel und unter Begünstigung der tropischen Regen zum grossen Theile der Kultivirung , besonders an den Ufern der grossen Ströme, fähig ist. Mit der Parallele des 18. bis 20. Breitengrades, bis wohin beiläufig die tropischen Regen nördlich des Aequators vordringen, hören im Durchschnitte die Wüsten, wenigstens die Sandwüsten, auf, der Mensch verliert zum Theil mehr den Nomaden-Charakter seiner nördlichem Nachbarn , er siedelt sich an und wird dadurch der Kultur zugänglicher. Der Gedanke daher, Nordafrika von den Küstenländern des Mit- lelmeeres aus zu civihsiren, wie er von Seite Frankreichs in Bezug seiner Eroberungen in den Raubstaaten mehrmals ausgesprochen "* In der Landessprache „DsciioUba Quorra". 10 wurde, scheint mir gerade nicht der glücklichste, wenigstens nur bedingnissweise praktisch ausführbar zu scyn. Die nahe Wüste sezt der Kultur ein^Mi unübersteigiichen Damm entgegen, und gehen wir in der Geschichte zurück, so weit wir wollen, so finden wir, einzelne Oasen und grosse Niederlassungen für den Zwischenhandel ausgenommen, die eigentlichen Wüsten, unter die doch der grösste Theil der Sahara zu zählen ist, nie von Völkern aus der Reihe der Gebildeten bewohnt. Stets waren es Nomaden, die den Sand-Ocean durchstreiften, und der Natur der Wüste zu Folge war das Wander- leben immer die erste und unerlässliche Bedingung zur Existenz dieser Völker, eine Bedingung, die so an die Natur des Landes ge- knüpft ist, dass sie davon nie getrennt werden kann, nie, so lange die Wüste eine Wüste bleibt, was stets der Fall seyn wird, sowie es stets seit Jahrtausenden der Fall war. Civilisation und Wanderleben sind aber , wie die Geschichte aller Zeiten und aller Völker lehrt, unvereinbar, und es mag im Laufe einer unabsehbaren Zeit vielleicht gelingen, durch die Niederlassungen der Franzosen in den Raub- staaten die Küstenländer zu kultiviren und ihre Bewohner nach glücklicher Bekämpfung ihrer religiösen und politischen Vorurtheile zu civilisiren; es mag gelingen, die wilden Beduinen, nach und nach bekannt werdend mit den Annehmlichkeiten eines gesetzli- chen, humanen Lebens, der Wüste zu entziehen, sie zur ruhigen Ansiedelung in den fruchtbaren Landstrichen der Küste zu bewegen und sie so in den Kreis der Civilisation herein zu ziehen; leztere aber über das Wüstenland selbst auszudehnen, die Beduinen in ihrem eigenen Vaterlande, in der regenlosen, vom Chamsin durch- Strichenen, nur für wandernde Völker zugänglichen Wüste zu civilisiren, wird nimmer mehr gelingen und bleibt eine Illusion, deren Aus- führung gegen die Gesetze der Natur streitet. Selbst wenn die Handelswege aus dpm Innern, der kürzern Strecke wegen, zum Theil durch die Wüste selbst sich hinziehen und in einer fernen, unge- wissen Zukunft einst zahllose Karavanen sie betreten, arthesische Brunnen, die auch nur dort resuitiren dürften, wo Oasen sind, die Route bezeichnen, selbst dann ist von einer Kultivirung der Wüste keine Rjde und das civilisirte Leben wird sich im günstigsten Falle auf die Stationen der Karavanenstrasse beschränken und ringsumher bleibt der Tod der Wüste. Mehemed-Ali hat mit seinen Arabern durch Erobe- rung des südlichen Nubien und der Länder Kordofan und Sennaar, sowie durch die Bändigung all der Nomaden-Völker, die die zwischen- liegenden Wüsten durchziehen, für die Wissenschaft Ausserordentli- ches geleistet. Er hat jene Länder zugänglich gemacht, die früher von einem Weissen theils gar nicht, theils nur mit der grössten Gefahr, betreten werden konnten, und noch sind kaum mehr als 20 Jahre verflossen, so gehörte eine Reise zu den grossen Katarakten nach Dongola, oder gar nach Sennaar oder Kordofan, zu den aller- grössten Wagestücken , während man in den lezten Jahren ganz IJ sicher und ruhig, nur von Wenigen begleitet, jene Länder in jeder Richtung durchziehen konnte. Hätten des Defterdars MEHEMED-Bey's und IsMAEL-Pascha's viehische Grausamkeiten und die Fortsetzung derselben durch die von der egyptischen Regierung bis heute fort- betriebenen Kasuas oder Sklavenjagden die Negervölker der südlich von Sennaar und Kordofan liegenden Länder nicht in einen Grad von Aufregung gegen jed'3n Weissen gebracht, der so gross ist, dass jeder verloren ist, der ohne eine hinlängliche Bedeckung von wenigstens mehreren hundert Mann sich dahin begeben wollte , so glaube ich, hätte man die Eri'ovschung jener Länder noch viel weiter ausdehnen können, als mir zu thun es möglich war. Der früher ausgespro- chene Grundsatz , dass das Innere von Afrika nur durch das fol- genweise Vorrücken der Kolonien und Eroberungen weiterhin zu- gänglich gemacht werden könne, um einst dort anzufangen zu reisen, wo man jezt aufhören muss; dieser Grundsatz hat sich durch die Eroberungen Mehemed-Ali's bestätigt. Der Reisende bedarf zu sei- nem Zuge in unbekannte Länder, wie der Feldherr einer Armee, sein Haupt-Quartier, sein Haupt-Depot für alle seine Vorräthe, seine Sammlung(»n u. s. w. eine sichere Stelle, wo er ruhig leben, sich erholen, sich neuerdings zu neuen Zügen ausrüsten, seine Bemer- kungen ordnen kann. Wie einst Reisende von Kairo aus ihre Züge zu den Alterthümern Ober-Egyptens und zu den Katarakten von Siene unternahmen, später von Assuan aus durch Nubien bis nach Abessi- nien vordrangen, noch später von Dongola aus nach Kordofan und Sennaar zogen und man jezt Sennaar selbst, oder Chardum oder El-Obeehd zum sichern Aufenthalts-Orte während der Dauer der tropischen Regen, in welcher Zeit das Reisen im Innern von Afrika fast unmöglich zu nennen ist, wählen kann, so wird einst unsere Kcnntniss des Landes wieder um einen grossen Schritt gewinnen, wenn Reisende ihr Haupt-Quartier in Fassoki, in Scheibun oder am Tira aufschlagen und von dort ihre Züge weiter nach Süden vorneh- men werden können. Der Massstab für dieses stückweise Vorrü- cken ins Innere ist durch die Dauer der trocknen Jahrszeit gegeben, innerhalb welcher der Reisende von dem äussersten Punkte seiner Route wieder in sein Haupt-Quartier zurückkehren muss , ausser es gelänge ihm durch Unterhandlungen mit den wilden Völkern, sich einen fernliegenden Aufcnthalts-Ort für die Regenzeit auszumitteln, was fast nicht wahrscheinlich ist, da die Neger mit den Völkern arabischen Stammes und überhaupt mit den muhamedanischen Natio- nen des Innern, mit denen man von Vorne herein in engster Berüh- rung steht, in steter Fehde sich befinden*. '■' E.S ist kaum nötlii};, zu bemerken, dass die Erzählung eines ge- wi.ssen Tauriinius , der durch ganz Afrika, vom Vorgebirge der guten Hoffnung bi.s Kairo, g^ereist zu haben vorgab, in da.s Bereicli absurder Lilien gehöi t , denen die Spekulation irgend eines Verlegers da.s Daseyn gab. Unter die.se Klasse von Rei.senden dürfte, wenigstens was die Tour von dem Vorgebirge der guten Hoffnung bis Alexandria betrifft, auch 12 Mehemed-Ali konnte sich daher für die Wissenschaft ein unsterbliches Verdienst erwerben, wollte er, ohne die Neger durch seine empörenden Sklavenjagdcn in Wuth zu bringen, seine Erobe- rungs-Pläne statt nach Norden, nach Süden richten, in Fassoki, am Tira oder in Scheibun militärische Niederlassungen gründen, die jedem Reisenden also, bereits in einer nördlichen Breite von 11 und 10 Graden liegend, einen sichern Aufenthalts-Ort in der Zeit der tropischen Regen darbieten würden*, und wollte er vor Allem seine Eroberungen auch auf das an Kordofan gränzendc Darfur ausdehnen, auf dieses noch immer so unbekannte Land, das bisher nur ein einziger Europäer, nämlich BROWt;E, im J. 1793 besuchte, und das, nördlicher als Kordofan liegend, einerseits an die Länder gränzt, welche unmittelbar den grossen Tschad-See an seiner Ost- seite umgeben, anderseits durch seine regen Handels-Vcrbindungen im Süden mit dem Dar el Nnhas ** und mit den an dem gros- sen westlichen Strome, dem vermeintlichen Bacher el Abiad oder meinem Keilak, liegenden Ländern den sichersten Weg darbietet, das Quellen-Land und den obern Lauf jenes Flusses zu erforschen und endlich diese grosse geographische Frage von dieser Seite evident zu lösen. Nach Darfur zu gelr.ngrn war zur Zeit meines Aufent- haltes in Kordofan gar nicht schwtr, aber fast unmöglich wurde es geinacht, dasselbe wieder zu verlassen. So waren es damals bereits 14 Jahre, dass Sultan Fahdel in der Stadt Kobbe einen egypti- schen Obersten, der in Geschäften dahin gesandt wurde, als Gefan- genen zurückbehielt. Ob den Neger-Völkern des Iimern übrigens die genaue Bekanntschaft mit der egyptischen VcrAvaltung im Inter- esse der Menschheit zu wünschen wäre, lasse ich hier, wo es sich nur um das Interesse der Wissenschaft im engern Wortsinne handelt, dahin gestellt, glaube aber doch, dass diese Frage beja- hend beantwortet werden könnte, da die egyptischc Verwaltung, trotz Vjkckkt le Bj.a>c zu rcdincn scyii, und viclloirlit ist das Buch des Tau- HiNius nur eine Transfiguration der Angaben des leztern Reisenden, der zu Ende des 16. Jaiirlumdcrts in Abessynien gewesen seyn will. Sein Werk erschien durch Pikkke Bekgeron unter der Ägide des M. de Pieuesk zu Paris im Jalir 1649. * Bei der famosen Expedition des Vizeköni{^s zu den von mir und Caiemaud entdeckten Goldminen in Fasoki im Jalir 1S39 wurde wirklich daselbst eine Art militiiiisclier Niederlassunq; br fj^iiindet, der die Begleiter ]V1ehemi;u-Aei's als Stadt den hochtrabenden Titel Mehemedopolis gaben. Wie alle Anslalten für das Gelingen dieser Expedition übereilt und ohne alle Kenntniss vorgenommen wurden und man sie mit den iiber.spanntesteii ITofFnungen, die sich unmöglich realisiren konnten, unternahm, so war auch die Gründung dieses Etablissements mehr ein Kind der Laune als des Denkens. Die Expedition scheiterte an Umständen, denen .sie leicht hätte begegnen können, und von Mehemedopolis ist seit der Zeit nichts mehr zu hören. ** Dar im arabischen Dialekte des Sudan bezeichnet „das Land", daher Dar Für: das Land Fnr, Dar el Nahass: das Kupferiand, von den dortigen Kupferminen der Neger so benannt. 1^ des ungeheuren Druckes und des Elendes, das ihr auf dem Fussö folgt, doch durch die kr!;fligc Methode Ruhe und Sicherheit in den ihr untergebenen Ländern zu erhalten und durch die über ganz wilde Völker doch hervorragende Intelligenz der Befehlshaber ihrer Truppen als ein Schritt nach Vorwärts in der Civilisation zu betrach- ten wäre und wir denn doch ein für allemal mit einigen Philoso- phen nicht bezweifeln wollen, dass die Civilisation die Grund- lage des zukünftigen Glückes eines jeden Volkes sey. Meine Reise ins Innere von Afrika umfasst die Periode von meiner Rückkehr aus Klein-Asien und Syrien nach AleTcandria, vom 11. November 1836 an bis zu meiner Rückkehr aus dem Innern wieder nach Alexandria, am 27. Juli 1838, folglich einen Zeit- raum von einem Jahr und 8^ Monaten. Während dieser Zeil durch- wanderte ich Egypten, Nubien, Kordofan, das Land der Nubas, Sennaar und die in Südwest von Abessinien liegenden Negerländer. Da die tropische Regenzeit die Reise unterbrach und ich zweimal von Chardum * aus nach Süden ging, so theile ich auch den vor- liegenden 2. Band meines Reisev/erkes in zwei Theile: Der 1. Theil beginnt mit meinem Aufenthalte in Alexandria nach meiner Rückkehr aus Asien und enthält im weitern Verlaufe meine Reise durch Unter- und Obercgypten , die Reise auf dem Nile bis Korosko im nördlichen -Nubien, von Korosko durch die grosse östliche nubische Wüste nach el MucheircfF im Lande der Berber im südlichen Nubien, von da wieder auf dem Nile bis Chardum und meinen ersten Aufenthalt daselbst. Weiter behandelt der 1. Theil meine Reise auf dem weissen Flusse bis zu den Inseln der Schil- luck-Neger, meine Reise durch Kordofan in das Land der Nuba- Neger bis zum Gebirge Tira und meine Rückreise nach Chardum, wo ich am 23. Juni 1837 zum Zweitenmale eintraf und während der Zeit der tropischen Regen bis zum 1. October 1837 verblieb, an Avelchem Tage ich meine zweite Reise nach Süden antrat. Der 2. Theil enthält meine Reise den blauen FIuss hinauf durch Sennaar und Roserres bis Fassoki, dem Tumat entlang durch die Negerländer Ackaro, Fabauo, Kassan, Kamamil bis zum Chor ** Pulchi- dia und in das Land der Schongollo-Neger, an der Gränze der Gallas im Südwest von Abessinien ; ferner meine Rückreise nach Chardum und von da auf dem Nile nach Mätämme, durch die Bahiuda-Wüste an den Dschebei Barkai und auf dem Nile bis Dongola im südlichen Nubien, durch die grosse westliche Wüste Nubiens nach Waddi Haifa an der grossen Nil-Katarakte und von da auf ■* Chardum, am Zusamrapnflu.sse des weissen und blauen Flu.sses, ist die jetzip^e Haujttstadt f'es r gvptistlicn Antiieils von O.st-Sudan '"* Clior im aiabisclun Dialekte von Ost-Sudan, „ein Regenstrom", ein Fiussbelt. das nur in der Regenzeit Wasser führt, auch tiberbanpt in der Bedeutung: Fluss, Bergstrom, Bach etc. 14 dem Nile durch das nördliche Nubien und Egyptcn zurück nach Alexandria. Wie im ersten Bande, werde ich jederzeit der Erzählung der Reise durch ein Land die Darstellung der physikalischen und me- teorologischen Verhältnisse desselben, seijier geographischen Phy- siognomie und seiner geologischen Beschaffenheit, einen aligemeinen Überblick über seine Flora und Fauna und eine Schilderung des sittlichen, religiösen und politischen Zustandes der innewohnenden Völker mit einem kurzen Hinblicke auf die Geschichte derselben folgen lassen und dabei nicht nur meine eigenen Beobachtungen, sondern auch die in den besten bisher erschienenen Reisewerken niedergelegten Erfahrungen, mit genauer Angabe der Quellen , be- nützen, wodurch sich von selbst eine kritische Beleuchtung des bis- her Geleisteten ergibt, insoferne anders dieselbe in meinen Kräften liegt. Ein Anhang dieses Bandes enthält die umständlichen Arbeiten der Herren Dr. Fenzl, Heckel, Kollar, Natterer und Fitzinger vom hiesigen K. K. Naturalien-KaLinete, über die durch meinen Reisegefährten Kotschi eingelieferten Sammlungen im Bereiche der Flora und Fauna , mit genauer Diagnose der neu entdeckten Gat- tungen und Arten und mit einem kurzen systematischen Überblicke auf die in dieser Sphäre vorlicrgegangenen Leistungen. Der Theil des ganzen Atlas, der dieses Werk begleitet, enthält in Bezug auf diesen Band eine geographische Karte von Nubien und eine von Ost-Sudan, eine gegnostische Karte von Egypten , eine solche von Nubien und eine von Ost-Sudan, ferner Abbildungen der neu entdeckten Gattungen und Arten aus dem Gebiete der Flora und Fauna, viele geognostische Gebirgs-Profile und mehrere Landschaften. Theils um die Leistungen meiner Vorgänger mit mehr Umsicht zu beurthcilen , theils um einen Überblick über das zu erhalten, was bisher zur Erforschung von Nord-Afrika, mit besonderer Rücksicht auf das von mir bereiste Terrain, geschehen ist und theils in der Überzeugung, dass besonders Jenen, die sich weiter in das Studium dieser Länder hinein arbeiten wollen, diese Mittheilung nicht unan- genehm seyn dürfte, lasse ich hier in Bezug der Literatur von Nord-Afrika ein Verzeichniss jener Werke folgen, die bisher, unsern Jiier gegebenen Gegenstand berührend, erschienen sind. Weit ent- fernt, dieses Verzeichniss für vollständig zu halten, sey es eigentlich nur als ein Beitrag zur Literatur von Nord-Afrika zu betrachten. Ich beschränke mich daher auch zunächst nur auf jene Schriften, die auf Egypten, Nubien, Sennaar, Kordofan und die südlich an- gränzenden Länder Bezug haben, lasse daher alle jene Werke, die Süd-Afrika betrefTen oder die mit dem gegebenen Terrain in gar keiner Berührung stehen, wohin eine Menge über Senagambien, Ober-Guinea, die Raubstaaten u. s. w. handelnde Reisebeschreibungen und naturhistorische Schriften gehören, bei Seite und ziehe nur 15 diejenigen mit in das Verzeichniss ein, die, obwohl sie eigentlich die Verhältnisse benachbarter Länder betreffen, doch einen wesent- lichen Einfluss raif die Bcurtheilung meiner eigenen Beobachtungen nehmen. Dahin gehören z. B. die Schriften über Abessynien, über Darfiir, über die Lage des Tschäd-See's , über den Lauf des Nigers und den des weissen Flusses etc. Ich umgehe ferner die namentliche Anführung der altern, vor dem 18. Jahrhunderte er- schienenen Werke über diese Theile von Nordafrika und beschränke mich auf die in neuerer und neuester Zeit erschienenen Arbeiten. In Betreff der älteren Schriftsteller über Nordafrika, der ara- bischen Geographen und Reisenden Ldrisi, Makrisi, Abdulfkdda, Ibn Batuta etc. sehe man die Bemerkungen über Literatur in dem I. Bande von : Robinson, Palästina und die angrenzenden Länder im Jahr 1838. Halle 1841. Die Literatur der Erdbeschreibung bei den Arabern. Von Dr. Fero. Wl'.STEKFKLn. Zeitschrift für vergleichende Erdkunde vun J. G. LtiDDE. 1. Band, 1. Heft. Magdeburg 1842. sowie in: Leon Delaborde. Voyage en Abyssinie. Analyse critique etc. Paris 1838. In diesem leztern "Werke findet man auch eine Angabe der von den portugiesischen Missionären im 16. und 17. Jahrhunderte besonders über Abessinien erschienenen Schriften. Werthvoll für die Geographie und Literatur hinsichtlich Nordafrika und Afrika überhaupt sind : HuGH MüRRAY, historicjil account of discoveries and travels in Africa, from the earliest agfs to the present time. Edinburgh 1820. BuRNEY, a chronolügical history ot north eastein voyages and discove- ries. London 1819. Kühn, Sammhing; merkwürdiger Reisen ins Innere von Afrika. Recherchcs geojiiaphiqHe sur linterieur de l'Afrique, par C. A. Wal- KENAER Paiis IS21, und Compietees par los remarques et recherclies geographiques sur le voyage de IM. Caili-e, de M. Jomard. Paris 1830. Proccedings of the assorialions for prouioting the discovery of Africa. London 1790 etc. Falkknstein , Gescliithte der wichtigsten Entdeckungsreisen. Dres- den 1828. .ToniARP. sur les decouvertes dans l'interieur de I'Afriqup. Paris 1826. Larenaudiere, essais sur les progres de la geogr. de Pint. de l'AfrJque. Paris 1826. Efude de geographique critique sur une partie de l'Afrique septentrio- nale, par M. Avezac. Paris 1836. Ukert, Erdbeschreibung der Nordhälfte von Afrika. Weimar 1834. Mannert, Geographie der Griechen und Römer. Leipzig 1831. Ritter, die Erdkunde im Verhältniss zur Natur und zur Geschichte des Menschen. Berlin. Wird forfgesezt. (Der erste Band di(\ses klassischen Werkes entliält Afrika.) Berchaus. Gruiidriss der Geographie. Breslau 1842. So wie dessen Annalen der Erd-, Völker- und Länderkunde, nebst seinen übrigeo geographischen Schriften. 1() A. BAr.Ei , melirorc seit einer laniji'pn Reihe von Jahren erschienene, wprtlu'ollo Schriften ans flcin Gebiete der Geop^riiphie. H. Tj;iiivaux CoIVIPA^"s. Bibliotlick asiuli(|iic et africaiiie ou catalogiie dos ouvranpes relatifs ä l'Asie et ä l';^friqiie etc. Paris 1841. Ph. H. Küle, vollsländigr, systematische Literatur aller Reisen. 2 Bde. nnter der Presse. 1. Bd. 1842 erschienen. Von den in neuerer Zeit, namentlich im Laufe des 18. und 19, Jahrhunderts, erschienenen Reisen und naturhistorischen Werken, worunter einige sehr wcrthvolle sind *, betreffen die von mir be- reisten Länder unmittelbar oder mittelbar, dadurch, dass sie sich auf die benachbarten Staaten beziehen: Poncet, Voyage in Ethiopia, made in the years 1698 — 1700. Lond. 1709. Hegling, sonderbarer Lebenslauf und Reise nach Ediiopien. Halle 1724. Bruce, Reisen zur Entdeckung der Quellen des Nil. 5 Bände. Leip- zig 1790. W. Jones, Conversation with Abrani, an Abyssinian, concerning the city of Gwender and the sources of the Nile. Aseatik Researches L Calcutt.t 1788. TiRABoscHi, Memoria sulle cognizioni, che si avevano delle sorgenli del Nilo, prinio del viaggio de! Syn. Bruce. Mcm. Maiitova. I. Danvilj.e , Dissertation sur Ics sources du Nil. Mem. de l'Acad. tom. 26. DouKiN, Dissertation on the course and probable iermination of the Niger. London IS29. JoMARP, sur la comniunication du Nil des Noirs avec Ic Nil de l'Egypte. Sowie mehrere Abhandlungen verschiedener Autoren über diesen Gegenstand , die meist jedoch durch die später erfolgten Entdeckungen widergelegt wurden. The life and adventnres of Nathaniel Pearce, wiitten by himself, duving a residonce in Abyssinia. 1810—1819. togother with Mr. CoFFiNS, Account of Ins visil to Gondar. 2 Vol. London 1831. CoMBES et Tamisier , voyagps en Abessinic , dans le pays de Galla, Choa et d'Isat. Paris 1838. Journal d'un Scjour en Abcssinie, pendant les annees 1830 — 1832, par Sam. Gobat. Geneve 1834. ViscouKT Valentia , voyagcs and travels to ludia, Ceylon, the read Sea, Abyssinia and Egypte. 1802—1806. London 1809. RussüL , Nubia and Abyssinia, comprehending the civil history, anti- quities, arts, literature etc. London. Desvergbs, Abyssinie dans l'üniverse pittoresque Afrique. Paris 1831. Röchet d'Hericoürt , voyage dans le pays d'Adei et le royaume de Choa Paris 1841. RÜPPELL, Reise in Abcssinien. 2 Bände. Frankfurt a. M. 1838. Satt, voyage to Abyssinia and travels into the inteiior. London 1814. V. Katte, Reise in Abessinien im Jahr 1836. Stuttgart 1838. BoTTA, voyage dans l'Iemen. Paris 1841. * Einige derselben sind es auch nicht. Nur die werlhvollsten der- selben wurden von mir im Laufe der Arbeit beniizt. Wo diess geschehen ist, wird es genau angegeben und ich enthalte mich daher hier, blos ein trocknes Verzeichniss gebend , jeder weitern Beurtheilung des .speziellen Werthes dieser Schriften. Die Bemerkungen melirerer der als Opfer der Wissenschaften gefallenen Reisenden , und darunter leider auch die des kühnen Laing, sind mit ihren Verfassern verloren gegangen. 17 Joincn, als dasNubion und Al)(\';sinipn geeoniibcilio«Tende Küslcn- laiul, ist fi'ii" die Ocognosie der afrikanischen Küsten wichtig. CoHDKH) the modern Traveller. London 1830 '. PooocKB, Beschreibung- des Morgenlandes nnd einiger andrer Länder. Aus dem Englischen. Erlangen 175-1. JViKBüHK. Reisebeschreibung nach Arabien und den umliegenden Ländern. 3 Bände. Kopenhagen 1774. Voi.NKY, Reise nach Syrien und Egypten. Jena 1788. TiioM. Shaw, Travels or ohservations relafing to several parfaofBar- bary and Levanf. Edinburgh 1808. Das nach den verschiedenen Gegenständen in verschiedene Sektionen zerfallende Prachtwerk : Descriplion de TEgypte ou rec. des observat. et rechcrches qui ont ete faites en Egypte pendant i'expedilion de Tarmee frangaise. Zweite Auflage. 25 Bände. Paris 1824. An diesem einzig in seiner Art dastehenden Werke arbeiteten : Bertiiolet, Costaz, Desgenettes, FouRiEii, GiuARD, Monge, Coste, Laurent, Jomard, Jällois, Jacotin, Denon, Delille, Uevilliers u. ni. a. der ausgezeichnetsten Gelehrten ihrer Zeit. Einzelne Theile dieses durch seine Atlasseso kostbaren Werkes erschienen auch für sich. Jacotin, Mcm. sur TEgypte. Denon, voyage dans la basse et la haute Egypte. Mit Adas etc. Paris 1802. Hop.NEiMANN. Tagebuch der Reise von Kairo nach Mursuk. Weimar 1802. BixzüNi , iVarrative of tbe Operations and recent discoveries with tlie Pyramids , temples , tomijs and excavafions in Egypt and Nubia. and of a journey to Ihc coast of the read Sea , in search of the ancient Bcrenice and another to the oasis of Jupiter Ammon. London 1821. WiLKiNsoN, Manners and custonis of the ancient Egyptiens. London 1837. — — Topography of Thebes an general View of Egypt. London 1835, Ar,i-Bey, Travels in Marocco, Egvpt Arabia etc. London 1816. Ikby and Mangles , Travels in Egypt and Nubia etc. 1817—1818. London 1822. Nicht im Buchhandel. Maddkn, Travels in Turkey, Egypt, Nubia and Palsestina. London 1829. Hennikkr, Notes during a visit to Egypt, Nubia etc. London 1823. Ader, histoire de l'expedition d'Egypte et de Syrie. Paris 182fi. Histoire scientifique et milit. de Texpedition franyaise en Egypte. 12 Vol, Paris 1830. R. Wij.son, history of the british expedition to Egypte. 2 Vol. Lon- don 1802. M, RussEL, Gemälde von Egypten. Leipzig 1836. Pkokesch von Osten , Erinnerungen aus KIcinasien und Egypten. 3 Bände. 1829. Schneidawind, Geschichte der Expedition der Fi anzosen nach Egypten und Syrien in den Jahren 1798—1891. Zweibrucken 1830. MiNUTOLi, Reise zum Tempel des Jupiter Ammon und nach Obcr-Egypten. Berlin 1824. Ehrenberg und Hemprich , Reisen in Egypten , Libyen , Nubien und Dongüla. (Leider nur das erste Heft erschienen.) Berlin 1828. •' Über Abessinien bestehen noch mehrere, auch neuere, Schriften, welche jedoch alle hier anzuführen ich für überflüssig erachte. Russegger, Rcistn. II. Bd. I. Tlil. 2 18 CnAMroLiJON d. j., Briefe aus Egypten und Nubicii. Leipzio- 1835. Owen, narrative of voyages to oxplore tlie shorcs of Africa, Arabia etc. London 1833. Lane, acconnt of the manners and custonis of tlie modern Egyptians. London 1836. Parthey, Wanderungch durch das Nilthal. Berlin 1840. CLOT-Bey, apergu general sur l'Egypte. 2 Vol. Bruxelles 1840, ScHLBEKT, Reise in das Morgenland. Erlangen 1840. Egypten, wie es jezt ist, von r. Leipzig 1841. Champoi.uon-Figeac , Geschichte und Beschreibung von Egypten. Stutt- gart 1840. Morgenland und Abendland, vom Verfasser der Cartons. 3 Theile. Der zweite Theil enthält Egypten. Stuttgart 1841. Robert, Emma, nutes of an overland Journey , trough France and Egypt to Bonibey. London 1841. Le Marechal Duo de Ragusa (Marmont), voyage en Hongri . . . ,, en Syrie et en Egypte. 5 Vol. Bruxelles 1841. RiFAUD, Gemälde von Egypten, Nubien und den umliegenden Gegenden. Aus dem Französischen. Wien 1830. Sowie mehrere Schriften, deren bei meinen Bemerkungen über Syrien im Bande I dieses Werkes an mehreren Orten gedacht wurde, sich auch auf Egypten beziehen. So bitte ich, hinsichlHch der Flora und Fauna von Egypten, Nubien und Abessynien, jene Werke nach- zusehen, die ich Band I, S 288 angegeben habe und die das Wichtigste enthalten, was wir bis jezt haben. BuRKHARDT, Rciscn in Nubien. Aus dem Englischen. Weimar 1820. Gau, Antiquites de la Nubie. Paris 1822. James, St. John, Egypt and Mohammed-Ali. Travels in the Valley of the Nile. London 1834. Interessant sind dessen Mittheilungen iibcr die vulkanischen Gebirgs-Arten in Unternubien. Theil I, S. 399, 467. Boteler, voyage of discovery to Africa and Arabia, under the Com- niand of Capt. Owen. London 1835. Relation historique des feuilles operees dans la Nubie par le Dr. Jos. Ferlini de Bologna. Ronie 1838. HosKiNS, Travels In Ethiopia. London 1835. Caijlliatjd, voyage a Meroe, an fleuve Blanc, au de Ik de Fasoki etc. 4 Vol. Paris 1826. Prokesch von Osten , das Land zw^ischen den Katarakten des Nil. Wien 1831. RÜPPELL, Reisen in Nubien und Kordofan etc. Frankfurt a. M. 1829. Browne, Travels in Africa, Egypt and Syria. London 1799. (Beson- ders wichtig für Darfur.) Caille, Journal d'un voyages ä Tombouctou et ä Jenne. Paris 1830. Mac Laird and Oj^dfield, narrative of an expedition into the interior of Africa by the River Niger. 1832—1834. London 1837. Leod, Voyage to Africa. London 1821. Lyon, narrative of travels in northern Afrika. London 1821. MoLLiEN, voyage dans l'interieur de l'Afrique, aux sources du Senegal et de la Gambia. Paris 1820. Mungo Park, Reisen im Innern von Afrika. Berlin 1800. — — zweite Reise ins Innnere von Afrika. Sondershausen 1821. (Beide aus d«m Englischen.) Denham, Clapperton and Oudney, narrative of travels and discoveries in Northern and Central-Africa. London 1826. 19 Cf.iPPKRTON, Tagebuch der zweiten Reise ins Innere von Afrika. Au» dem Englisclien. Weimar 1830. Richard Lander, Tagebiuli seiner Reise nacli Clappkrtons Tod. Als Anlianu des vorij>;en Werkes. BoDwicH, Mission der enoliscli-afrikanisclien Kompagnie von Cape Coast Castle nach Asiiantee. Aus dem Englischen. Wien 1826. LiJAitr-K , Reisen am Senegal, in den Jahren 1784 und 1787. Wei- mar 1802. (Interessant wegen den Nachrichten über die Gold- bergwerke im Lande Banibuk.) Einzelne Abhandlungen über die Geschichte und die natur- wissenschaftlichen Verhältnisse jener Länder, deren Beschreibung nun folgen wird, finden sich in vielen Zeitschriften zerstreut. Viele dieser Abhandlungen sind für den Gegenstand, der hier zu behan- deln ist, von Wichtigkeit und ich erlaube mir daher einige derselben anzuführen : LRFkvKK, über die Geologie des Nilthals bis Chardnm. Bullet, de la Soc. geolog. Vol. 10. Alabaster des Dschebel Ourakam (Urakam), Bullet de la Soc. geol. Vol. 8. über die Gelogie von Sennaar. Bull, de la Soc, gcol. Vol. 10. RussEGGER, Beiträge zur Physognomie, Geognosie und Geographie des afrikanischen Tropenlandcs. In v. Leonhard's und Bronn's neuem Jahrbuche für Mineralogie, Geognosie etc. Jahrgang 1840. — — über meteorologisch-klimatische Verhältnisse des afrikanischen Tropcnlandes. In Dr. Holgers Wiener Zeitschrift für Physik, Chemie u. s. w. 1. Band. Wien 1840. zerstreute Aufsätze über einzelne Theile von Afrika: in Bezug bergmännischer Verhältnisse in Karstens Archiv für Mineralogie u. s. w. Jahrgänge 1836 — 1841. geognostische Notizen, in v. Lkonhards und Bronn's neuem Jahrbuihe für Mineralogie u. s. w. Jahrgänge 1836—1841. — — physikalisclie Skizzen, in Baumgartnek's Zeitschrift für Pliysik und verwandte Wissenschaften. Jahrgänge 1836—1838, etc. Cordier, Faluns d'Aboukir. Bullet, de la Soc. geol. Vol. L Berghaus Annalen der Eidkunde n. R. Band 10. Aebaddie, über die Geologie von Abessinien. Bulle', de la Soc. gcol. Vol. 10. Daselbst auch Notizen über die Geologie Arabiens. Letronne, sur l'Isthme de Suez. Le Canal de jonction des deux mers sous les Grecs, les Romains et les Arabes. In der Revue des Revues des deux niondes etc. Jahrgang 1841. No. 7. Juli-Heff. Röchet d'Hericourt, voyage dans l'Abessinie mcrid. Journal inedit, und Nestor l'Hote, Icttres sur l'Egypte. Cosseir. Les mines des eme- raude. — Beide Aufsätze in der Revue des Revues des deux raondes etc. Jahrgang 1841. No. 6. Juni-Heft. Acerei DI Castelgofredo, Materiali per servire ai progressi dela geo- grafia del' Afrika centrale. In der Bibliotheca italiana. Jahro^ng 1840. No. 291. März-Heft. WiLKiNsoN, Notes on a part of the eastcrn desert of Egypfe; wifh a mape of the egyptian desert between Kenneh and Suez. In dem Journal of the R. Geograph Soc. in London. Jahrffan«- 1832. .. Vol. 2. ^ ' Über den grossen Fluss in Südwest von Abessinien. Brief aus Ango- lalla, im Ausland, Jahrgang 1841, Nr. 296. Ausland. Mai 1842, Nr. 140 und 141. Palme über die Nuba-Neger. 20 Röchet d'Hericourt, über Vulkane und vulkanische Ei-schcinuirgen im siidliclien Abessiiiien. Poggendorff's Annalen, Jahrgang 1841, Nr. 8. Unter den Karten über Egypten und Nubien nebst Ost-Sudan und Abessinien sind wohl die vorzüglichsten der bisher erschienenen, die von der französischen Expedition, von Berghaus, Rüppel, Prokesch, Kailliaud etc. Was die südlich von Nubien liegenden Länder anbelangt, so enthalten alle sie betreffenden Karten bedeu- tende Unrichtigkeiten, was aus der geringen Bekanntschaft mit jenen Ländern sich leicht und natürlich erklärt. Was jedoch Nubien für sich betrifft, so kann Berghaus Karte, die RtfPPELS und Ehrenberg's Daten aufnahm, als sehr verlässlich gelten und der Lauf des blauen Flusses von Cailliaud, von Chardum bis Fassoki bearbeitet, hat grossen geographischen Werth. Ich erlaube mir hier ausserdem auf folgende zwei englische Karten, Nubien betreffend, aufmerksam zu machen, als : Mape of Ihe Nile , from Waddi Haifa to Meraui. By Waddington. London 1822. Mape of Nubia, comprehending the conntrie between tbc first and second Cataracte of Nile. By Parke and Sholes. London 1829. Als die erste _Karte über den Lauf des weissen Flusses von Chardum bis Alleis ist interessant: LiNANT , Cour.se of the Bacher el Abiad, or tbe withe River, from it.s junction witb tbe blue River, or the Bacher el Absrak, as far soutbward of Allels. Mehemed-Ali's welthistorisches Auftreten in unserer neuesten Zeit, die Stellung, die er durch lange Zeit der zur Todesschwäche herab- gesunkenen Pforte gegenüber mit Glück behauptete , die Frage seiner politischen Existenz , durch die von ihm und durch ihn allein errun- gene Macht zur europäischen Angelegenheit geworden , das Inter- esse, das jeder gebildete Mensch für diesen ausserordentlichen Mann fühlt, der, allein handelnd und schaffend, nur von Wenigen unterstüzt, in Mitte von Indolenz, Fanatismus und Thorheit steht, bewirkten wie natürlich eine Bewegung der Federn aller politischen Farben. Einige wurden seine Lobredner, andere seine Tadler, leider, dass also beide Parteien den Mittelweg verliessen und, aufgeregt durch die Gegner, so Vieles sagten, was sie in ruhiger Lage nie gesagt haben würden. Gewiss ist es, dass jeder, der selbst an Ort und Stelle sah , trotz dem Elend , das der greise Vizekönig durch seine ungezügelte Eroberungssucht, durch seine weit aussehenden Pläne, durch die Fehler, die er beging, über sein Land brachte, doch eine gewisse Hochachtung für den Mann fühlen musste , der es wagte, sich einer Masse von Vorurtheilen entgegenzustellen; der zuerst, sey es nun aus was immer für einer Absicht geschehen, denn nur das Faktum soll hier reden, nach einer langen Reihe von Jahren den Orient aus seinem Schlafe aufrüttelte, seinem Lande die Möglichkeit zur Civilisation eröffnete, wenn er es auch keineswegs selbst civilisirte, es Europäern zugänglich machte, sein Haus als Zuflucht so vielen Ilülfebedürftigen hingab , die es zum grossen Theile reich verliessen, und der zuerst Ordnung und Sicherheit dort einführte, wo man sie früher nicht dem Namen nach kannte. Ich bin keineswegs Mehemed-Ali's Lobredner, ich will aber auch nicht zu denen gehören, die an ihm nur die Schattenseite sehen; in mei- nen Augen ist er kein Mark Aurel, aber auch kein Nero. Gerecht, glaube ich, soll man ihn beurtheilen, und um diess zu thun, muss man vor Allem die Geschichte seiner Tage bis ins kleinste Detail kennen und von einem vernünftigen Gesichtspunkte aus betrachten. Ich rede daher hier nicht von Jenen, die nur schrieben, ohne den Schauplatz zu betreten, sondern von Jenen, deren Arbeiten uns über die Fakta der lezten Tage belehren, sie uns zum grossen Theile selbst als Augenzeugen vorführen, und wenn sie auch den Charakter der Parteilichkeit nicht sammt und sonders von sich abwälzen können, doch des Schätzbaren so viel enthalten. Unter die vorzüglichsten und neuesten Schriften über ÄIehemed- Ali und sein Verwaltungs-System gehören ausser den bereits im I. Bande bei Syrien angegebenen Werken von Perrier, Kadalvene, POUJOULAT, CLOT-Bey, Marmont u. s. w. Herrmann, Mkhemed-Ali, Pascha von Egypten. Leipzig 1833. Mengin, histoire de TEgvpte sous le gouvernement de Mehemed-Ali, avec notes par MM. Langles et Jomard. Paris 1839. Dr. BowRiNG, Bericht an das Parlament über den Zustand von Egypten im Jahr 1838. Fürst Plcklek-Muskau , Mittheilungen während seiner Reise im Orient in verschiedenen Zeitschriften. Urquhart, la Turquic, ses resources son Organisation municipale, son commerce, suivi de consideration sur l'etat du commerce anglais dans le Levant. Bruxeiies 1841. Lamartine, vues , discours et articles sur la guestion d'Orient. Bru- xeiies 1841. Michaud et PoujouLAT, correspondence d'Orient. Paris 1836. Waghorn, Egypt as it is in 1837. London 1837. Dr. RÜPPELL, Egyptens politischer Zustand unter MEHEMEO-ALi-Pascha. In seiner Reise nach Abessinien. I. Band. Frankfurt a. M. 1838. Cadalvene et Breuvery, L'Egypt et la Turquie de 1829—1834. Paris 1836. Wien, 1. Mai 1842. Russegge»; Einleitung. Aitfeutlialt zu Alexandrla und Kairo bis zur Abreise In das Innere von Arrika. Am 11. November 1836 waren wir, von unserer Reise nach Syrien und Kleinasien zurück, wieder in Alexandria eingetroffen. Mein erstes Geschäft war, der egyptisclien Regierung; in der Person des Vizekönigs meine Berichte über die Resultate der lezten Reise neuerdings bekannt zu geben, über die Fortsetzung derselben seine Bestimmungen einzuholen und überhaupt mich in Kenntniss aller der An- forderungen zu setzen, die man in Bezug meiner Reise in das Innere an mich zu machen gesonnen war. Obwohl ich schon seit längerer Zeit im Sinne hatte, meine Reise so weit als möglich gegen den Aequator hin auszudehnen und wenn es die Umstände erlauben würden, wenigstens in die Länder der Callas, im Südwesten von Abessinien, einzudringen, so erachtete ich es doch für zweckmässig, da bei diesem Plane ein grosser Theil der Reise ausserhalb der Besitzungen des Vizekönigs liegen würde, vor der Hand meine Absicht niclit in ihrer ganzen Ausdehnung selbst auszusprechen, sondern vielmehr indirekt zu erwirken , dass dieser Plan von Seite des Vizekönigs ausgesprochen werde, was mir auch im Ver- laufe der Verhandlungen gelang. Zu meinem grossen Leidwesen befand sich Mehemed- AiA damals in Kairo und obwohl BoGHOS-Bey wie immer sich der Sache thätig annahm, und mich auch sammt mei- nen Gefährten mit alter Freundlichkeit empfing, so entstand doch durch den schriftlichen Verkehr, welchen Weg Boghos D^ H. HILL LIBRARY North Carolina State Coibga 23 für unsere Angelegenheit wählte, anstatt uns ohne Verzö- gerung nach Kairo abreisen zn lassen, eine Zeitversäumniss, die dem um so schmerzlicher fällt, der den Werth der Zeit zu beurtheilen weiss. Die zweckmässige Benützung einer Sache oder eines Menschen , in Bezug seiner Leistungen und innerhalb einer gegebenen Zeit,- rasch und in der gan- zen Ausdehnung des Wirkungskreises ist dem Orientalen bei seinem angenommenen schleppenden Geschäftsgang einer- seits und andrerseits bei seinem nicht die Folgen berech- nenden zu hastigen Einschreiten nicht gegeben und er bil- det sich selbst die grössten Hindernisse, die an und für sich nicht in der Natur der Sache liegen und deren Hinwegräu- mung ihm die selbst geschaffenen und grössten Schwierig- keiten macht. So war es auch jetzt der Fall , und obwohl die günstigste Jahreszeit, um weiter nach Süden zu gehen, schon weit vorgerückt war, wurden wir doch zum grössten Theil durch keineswegs zum Zwecke führende und entschie- den unnütze Rückfragen und sonstige Verzögerungen lange in Alexandria aufgehalten. In meinem Reise- Plan, den ich durch BoGHos dem Vizekönig zusandte, beantragte ich die Reise vorläufig nur bis nach Nubien , und zwar bis zu den Porphyr- und Granit-Zügen der nubischen Wüste, auszudeh- nen, von da nach Kenneh zurückzugehen und in Kosseir an die gegenüber liegende Küste von Arabien überzusetzen, um sowohl das Vorkommen des Goldes in den Küstenge- birgen* von Jemen zu untersuchen, als auch überhaupt in * Über das Vorkommen des Goldes in Jemen gab mir in Bezug auf Lokalität Dr. Gand, ein ergrauter Krieger aus der Zeit Napoleons, der mit der Armee des IßRAHiivi-Pascha lange in Hedjas und Jemen stand und selbst an Ort und Stelle war, auch Proben von dort mitbrachte, die zu schönen Hoffnungen berechtigten, schätzbare Nachrichten. Die Sache konnte jedoch, da die feindliche Stellung der Araber des Innern das Eindringen so sehr erschwerte, nicht weiter verfolgt werden. Der Angabe des Dr. Gand zufolge befindet sich an der Küste von Jemen, zwischen Mocha und Gon- fudda, ein Dorf Schegig, von erstcrm Orte ungefähr 50 Meilen entfernt, wo ein Schech residirt (im J. 1833) Namens Scherif-Ali. Zwei Tag- reisen von Schegig ins Innere existirt ein Gebirge Namens Akabat el Meskin und jenseits desselben das Städtchen Mene Hader. Von Mene Hader in Südost beiladet sich ein Thal, in welchem man nach einem u der Absicht, die geologischen Verhältnisse des Küstenlandes von Mocha bis zum Sinai zu erheben, ein etwas grossartiger Plan , dessen wirkliche Durchfiihrung ich aber eigentlich erst nach Vollendung meiner innerafrikanischen Reise vor- hatte. Ausser zur Realisirung meines Reise-Plans machte ich auch die erforderlichen Schritte in Bezug einer angemes- senen pecuniellen Stellung der am Taurus zurückgelassenen Expeditions-Mitglieder und zur Dahinsendung eines Arztes, was der unterdessen erfolgte Tod des Dolmetschers Suvva- TOWSKY zur unerlässlichen Bedingung machte. Die Antwort des Vizekönigs blieb bis zum 26. November aus, was um so natürliclier war, da damals gerade die Kaflfee-Monopols- Frage mit England im Zuge war, welches den Handel mit Mocha-Kaffee gerne freigegeben gesehen hätte und welche Angelegenheit nicht nur Boghos in sichtbare Verlegenheit sezte, da sie dem egyptisclicn Fiuanzsysteme ziemlich nahe ging, sondern auch die Gedanken der Verwaltung ganz und gar für die Beilegung dieser wichtigen Differenz in An- spruch nahm. Die Antwort des Vizeköjiigs war, wie ich ohnehin erwartet hatte, ganz nach meinem Wunsche ausge- fallen. Er bewilligte die Reise in der Ausdehnung, die ich für dieselbe beantragt hatte, berief mich aber, um das Nähere darüber zu besprechen, zu sich nach Kairo, zu welchem Zwecke eine Dahabie in Bereitschaft zu halten angeordnet wurde. Ferner wurde die Anfertigung der nöthigen Werk- zeuge und Rlaschinen-Thelle zur Bleiliütte am Tauvus in der Giesserei zu Bulak genehmigt und die Absendung eines ei- genen Arztes nach Güleck versprochen. Besonders interes- sirte sich Mehemed-Ali in Bezug der von Kairo an den Ritte von ungefähr j Stiiaden zu einem gTOssen Felsen gelangt. Vun diesem Felsen etwa 30 Schritte in Ost stellen einige Mimosen-Bäume und daselbst geht der goldtiihrendc Erzgang zu Tage. Ausser gediegen Gold sollen die Gänge des Gebirges aucl« Kupfer- und Silber-Erze führen. So \iel ich aus Dr. GA^D, als nicht Geognosten, herausbringen konnte, so »scheint das Gebirge aus schiefrigen Felsarten mit Grünstein-Ziigen zu bestehen und in den Vorbergen, wahrscheinlich tertiär, sollen sich grosse JLiagei' von Alabaster befinden. 25 Taut'iis niit^enommeiien Eleven; über deren Befäliignng für die weitere Ausbildung- in den montanischen Fäcbein und ihre Absendnng nach Deutschland zu diesem Zwecke ich ange- legentlich befragt wurde. In Bezug dieses Schreibens des Vizekönigs wurden nun von Boghos die nöthigen Gelder zur Ausrüstung der Expedition für die neue Reise angewie- sen und unsere Abreise auf den 1. Dezember festgesezt. Alles diess war jedoch noch keineswegs hinreichend, uns flott zu machen, denn jezt wurde erst wieder an den Vize- könig geschrieben, ob denn auch wirklich die Dahabie auf den ]. Dezember bereit gehalten werden dürfe, wodurch natürlich ein neuer Zeitverlust entstand und eine Verlän- gerung des Aufenthaltes herbeigeführt wurde, während dem für die egyptische Regierung gar nichts geschah. Ich stellte diess BoGHOs vor, und machte ihn ausserdem darauf auf- merksam, dass die Verpflegung eines so grossen Personals, während des ganz unnützen Aufenthaltes in Alexandria, ei- nen nicht unbeträchtlichen Kosten herbeiführe und zwar um so mehr, da ich, einem Verwaltungssysteme gegenüber, wel(^iies, wie mich mein erster Aufenthalt in Kairo belehrt hatte, keinen Augenblick eine Gelegenheit unbenüzt lassen würde, uns in unsern Vertrags-gemässen Ansprüchen zu bekürzen, ernstlich darüber wachen müsse, dass wir an gar nichts Mangel zu leiden hätten, was wir unsern europäi- schen Gebräuchen zufolge vernünftiger Weise fordern könn- ten. Alle Vorstellungen konnten jedoch den Gang der Ver- handlungen nicht befördern. Da die Expedition für eine Reise nach Nubien, abgesehen von der grössern Ausdehnung, die ich derselben zu geben beabsichtigte, sich wenigstens auf 6 Monate mit Lebensmitteln und allem Nöthigen ver- sehen musste, so wurden neue Subsidien-Gelder zur Reise selbst nöthig, was, da die Regierung sich noch immer nicht zu Pauschalien für die Expeditionsmifglieder verstehen konnte und ich Natural-Lieferungen ein für allemal zurückgewiesen hatte, neue Schwierigkeiten machte. Ein aiulerer Umstand, den ich durchaus vor unserer Abreise in Ordnung wissen wollte, war unsere Feld-Apotheke, in Bezug der wir endlich, nach langem und ganz unnützem Hin- und Herfragen, die 2« Weisung erhielten , dieselbe in Kairo selbst In Ordnung zu bringen. Am 7. Dezember, also nach dem wir beinahe ei- nen vollen Monat ohne Beschäftigung in Alexandria zuge- bracht hatten , theilte mir Boghos mit, dass das erste Schiff des Vizekönigs, das von Kairo herab in Adf'ne ankommen werde, zu meiner Disposition gestellt werden solle. Recht gut wissend, dass diess neuerdings eine Verzögerung von mehreren Wochen vielleicht nacli sich ziehen werde und nicht mehr gesonnen , liinger zwecklos für meine eigentliche Bestimmimg In Alexandria zu bleiben, um so mehr, da ich mit Recht und gegründet vermuthen konnte, dass die Intri- gueu einiger Europäer mit Im Spiele seyen, so machte ich ungesäumt den lezten mir zu Gebote stehenden Schritt.. Ich sandte durch das k. k. österr. Generalkonsulat ein Schreiben an BoGHos , worin ich erklärte , dass ich dem Beschlüsse des Vizekönigs zufolge keine weitere Verfügung mehr ab- zuwtirten habe, sondern sogleich die eine Barke der englisch- amerikanischen Assekuranz-Gesellschaft miethen und nach Kairo abreisen werde, um mich mit dem VIzekönIge über die Fortsetzung meiner Reise selbst zu besprechen. Tags darauf erhielt ich die erforderlichen Gelder für die Expedi- tions-Relsekasse, die Anweisung an die Giesserel in Bulack zur Anfertigung der nöthigen Werkzeuge und Maschinen- Theile für die Bleihütte zu Güleck, und am !). Dezember traten wir auf der von mir wirklich gemietheten Assekuranz- Barke unsere Reise auf dem Kanäle Mahmudieh nach Adfüe an, nachdem wir also volle 29 Tage der günstigsten Jah- reszeit in Alexandria im wahren Sinne des Wortes für die egyptlsche Regierung verloren hatten; zum Glück Im vollen Besitze unserer Instrumente, blieb diese Zeit wenigstens für die Wissenschaft nicht unbenüzt, indem eine lange und an mehreren Tagen von Stunde zu Stunde durch Tag und Nacht fortgesezte Reise von Beobachtungen über Luftdruck, Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, magnetische Neigung etc. das Resultat unserer physikalischen Forschungen war. In Bezug des socialen Lebens hatte sich in Alexandria von der Zeit unserer Abreise nach Syrien und Klein- Asien bis zu un- serer Rückreise so Manches verändert. Die Geselligkeit n liiitte Nicli «»eliuben; duicli des hulläiidisclieii General-KoiisuKs Kkinlein Bemühungen und durch sein rastloses Mitwirken war es oelunj^en, ein französisches Dilettanten-Theater zu arrangiren, dessen Mitglieder vortrettlich spielten ; ausserdem waren hei Heinlein wöchentlich Konzerte, eine italienische Gesellschaft hatte ein zweites Theater etablirt , und so wurde ein sehr angenehmer Geist in das sonst so einförmige Leben des Kanfmanns-Standes, des vorherrschenden in Alexandria, ge- braciit. Für Fremde hatten diese Gesellschaften das Ange- nehme, dass sie dabei Gelegenheit fanden, die schöne Welt der alten Ptolemäer-Stadt zu bewundern , in der der Nach- hall von Kleopatra's Reizen keineswegs verschwunden war; denn eine schöne Spanierin, die Tochter des spanischen General-Konsuls, glänzte damals mit Recht als ein Stern erster Grösse, und unter den griechischen Familien entdeckte man so manche Gestalt, über die der warme Süden seinen ganzen ihm eigenen Reiz ausgegossen hatte. Der schwe- dische General-Konsul Anastasio führte, wie immer, sein grosses Haus, in welchem sich die haute volee von Alexan- dria versammelte. Der dänische General -Konsul v. Dum- REicHER, der seltene £hrenmann, dem ich so vielen Dank schulde, war nebst seinem Commis, unserm Freund und Landsmann Pfäffinger, nicht nur aufs eifrigste bemüht, mich in allen Verhandlungen mit der egyptischen Regierung nach Kräften zu unterstützen, sondern bot auch Alles auf, um uns unsern Aufenthalt in Alexandria so angenehm als möglich zu machen. — Die Umgebung von Alexandria ist Wüste im ganzen Sinne des Wortes, doch aber gelang es einigen Besitzern der längs dem Kanäle Mahmudieh liegen- den Landgüter, den dürren Sandboden in einen blühend schö neu Garten zu verwandeln, dessen üppiges Grün zu beiden Seiten des von unzähligen Segelschiffen befahrenen Kanals, gegen den fahlen, unabsehbaren Spiegel des Mareotis auf der einen und gegen die wüste Fläche auf der andern Seite einen sonderbaren Kontrast bildet und zugleich den Beweis gibt, dass diesem Boden, fast durchaus Nil-Alluvium, nur Wasser und die pflegende Hand des Menschen mangelt, um ihn in einen Garten zu verwandeln. Das schönste dieser 28 Landgüter, schön sowohl durch die wirklich degante und sogar prächtige Einrichtung des Landhauses selbst, als auch durch die grossen Gärten, welche dasselbe umgeben, Ist das des griechischen Handelsmanns Sitzino, einer der reichsten Spekulanten von Alexandria. Zu Ende No- vember sahen wir in diesen Gärten Bananen, Tuba, Rosen, die prachtvollen Kinder Indiens, und alle Blumen des südlichen Europa im Freien und in voller Blüthe; Feigen, Granaten, Orangen, Dattelpalmen beugten sich unter der Last der reifen Früchte. — Unter die interessantesten Be- kanntschaften, die ich in Alexandria machte, rechne ich auch die des schwedischen Naturforschers Dr. Hedenborg, der vor Kurzem von einer Reise zurückgekommen war, welche er ins Innere von Afrika unternommen hatte. Chardum als sein Hauptquartier betrachtend, war er den blauen Fluss hinauf bis Sennaar und Roserres gegangen, durchwanderte das Land zwischen dem blauen und weissen Fluss in der 13. Breiten-Parallele und hielt sich längere Zeit zu Men- scherah am weissen Flusse auf, wo er seine Sammlung, die ich später zu Stockholm sah, aus der tropischen Fülle der dortigen Pflanzen - und Thiervvelt sehr bereicherte. Die schätzbaren Mittheilungen dieses Reisenden waren mir nicht nur höchst willkommen, sondern bestärkten mich in meinem schon lange heimlich gefasstei) Plane, so weit nach Süden zu gehen als möglich. Eine wahrhaft freudige Überraschung war es mir, als am Morgen des 28. November ich die Nachricht erhielt, dass der k. bayer. Hofrath v. Schubert mit seiner Reisegesell- schaft im Hafen von Alexandria angekommen sey. Ich fuhr sogleich mit einer Barke dahin, wo ich den durch seine tiefe Gemüthlichkeit und durch Wissenschaft gleich ausgezeich- neten Mann mit seiner liebenswürdigen Reisegesellschaft an Bord eines türkischen Schiffes fand, das zugleich hundert Hadji, Pilger nach Mekka, beherbergte. Da das Schiff, von Konstantinopel kommend , in Quarantaine erklärt war, so durfte ich dasselbe leider nicht betreten , und musste also die Schranken einer bestimmten Entfernung mir ge- fallen lassen. Eine Quarantaine von 21 Tagen und das 29 Znsainmenlebcn wiilirend derselben mit 100 schmiitzio^eii Hadjis in dem engen Räume eines Schiffes, hatten natürlich für H. V. Schubert nichts Anziehendes, und ich war daher sehr froh als es gelang-, bei der Sanitätsbehörde die Bewilligung zur Ausschiffung sämmtlicher Hadjis in das Lazareth zu er- wirken, wodurch II. v. Schubert in die alfeinige Disposition des Schiffes versezt wurde. Während meines Aufenthaltes in Alexandria waren in Kairo einige Rechtsfälle vorgekommen , die ich hier aus dem Grunde umständlich und so erzählen will, wie sie mir aus authentischer öuelle zugekommen sind, well sie damals einiges Aufsehen erregten, und einen sichern Beweis ab- geben , dass die von Manchen so sehr gerühmte Civilisation von Egypten sich denn doch nicht bis zur Justiz-Pflege er- streckt zu haben scheint und dass trotz der Übersetzung europäischer Gesetze ins Arabische noch immer alle Ele- mente der anfänglichen Barbarei vorhanden sind, die nur eines leisen Impulses bedürfen, um sich in ihrer gjinzen Ah- sclieulichkeit zu zeigen. Dass diese Impulse sich seltner ereigneten, als früher, war nicht Folge der Nachäff"ung eu- ropäischer Formen, sondern Resultat des eisernen Willens des Vizekönigs, dem, besonders in leztrer Zeit, wenig Grau- samkeiten, an einzelnen Individuen verübt, persönlich zur Last zu legen sind, sondern der vielmehr, so schrecklich auch der Druck war, den er auf die 3Iasse des Volkes aus- übte, dem Einzelnen meist sein Recht werden liess und wor- in eigentlich das Geheimniss bestand, seinen Namen selbst in der Mitte von Elend und Noth geehrt zu machen, wäh- rend die bittern Klagen seiner ünterthanen auf die Beam- ten und Offiziere fielen , die sein , denn doch von Vorne herein von ihm gegebenes, System der Verwaltung in Aus- führung brachten. In Kairo lebte ein levantinischer Handelsmann, Namens Arnesti. Dieser wurde des Verkaufes falscher Diamanten angeklagt. Der Diwan in Kairo liess die Sache untersuchen und als man fand, dass die vermeintlichen Diamanten sich, einem heftigen Äluffelfeuer ausgesezt, verflüchtigen, erklärte man sie für falsch . indem ein wirklich edler Stein , der ao Ansicht des Diwans zufolge, diese Eigenschaft nicht besitzen dürfe, und verui'theilte den Kaufmann zum Tode. Das österreichische Generalkonsulat requirirte hingegen Arnesti, als einen unter österreichischem Schutze stehenden Unter- thanen und forderte nicht nur die Erneuerung des ganzen Pro- zesses, sondern auch die Beiziehung von Sachverständigen. Der Festigkeit und dem Eifer, mit der diese Behörde dabei zu Werke ging, gelang es auch, den Arrest dieses Kauf- manns, in den Händen der egyptischen Justiz, in eine Kon- sulatschaft umzuwandeln und ihn späterhin, bei erneuerter Untersuchung des Gegenstandes, auf freien Fuss zu setzen. Der zweite Fall ereignete sich ebenfalls kurz vor mei- ner Ankunft in Kairo. Nessli, die Wittwe des durch seine Grausamkeit berüchtigten Defterdars MEHEMEo-Bey, des Ver- wüsters von Kordofan und Sennaar und des Rächers Ismael- Pascha's, die Tochter des Yizekönigs 31ehemed-Ali, besass eine junge und schöne griechische Sklavin. Das arme Mäd- chen erfuhr Etwas von dem zwischen den Grossmächten ab- geschlossenen und zu Gunsten Griechenlands lautenden Trak- tate, der unter andern auch auf die Freiheit der in egypti- sche Gefangenschaft gerathenen griechischen Unferthanen Bezug nahm. Um ihre Freiheit zu erringen, floh das Mäd- chen aus dem Harem der Nessli und suchte im Hause des da- maligen* griechischen Vizekonsuls zu Kairo den Schutz an, den sie von Rechtswegen von ihm verlangen konnte. Nessli war über den Verlust der schönen Sklavin wüthend. Sie Hess sie durch ihre Kabasse in Kairo suchen. Diese er- fuhren, dass sich das Mädchen im Hause des griechischen Konsuls befinde und forderten sie zurück. Die Auslieferung wurde anfänglich vervi'eigert, als aber die Kabasse mit dem Auftrage ihrer Gebieterin zurückkehrten, das Mädchen dem Konsule mit Gewalt zu entreissen, da war derselbe schlecht genug und lieferte ihnen die Ärmste aus. Sie schleppten sie in den Harem zurück, aus dem sie nie mehr zum Vor- scheine kam. Die feige Verletzung der heiligsten Pflicht eines Kon- suls, die Unterthanen seines Landes und seiner Regierung * Im J. 1836. 31 in ihren Rechten zu schützen, erregte um so mehr den Un- willen aller Uesserdenkenclen, da die KabaKse nie es oe- wagt haben würden, Gewalt zu brauchen, wenn die Konsule von Österreich, England und Frankreich in Kairo, frühzeitig von dem Vorfalle unterrichtet, sich ins Mittel gelegt hätten, was auch sicher geschehen wäre. Der dritte Fall betraf einen Rechnungs-Beamten des Diwans in Kairo, einen Raja. Bei üntersuchnng der Kasse zeigte sich ein Geldabgang, der zufällig mit dem Betrage der monatlichen Besoldung dieses Beamten, die er vor Kur- zem erhoben hatte, übereinstimmte. Man verfiel auf den Gedanken, dass dieser Beamte, der krank zu Hause lag, seine Besoldung zweimal erhoben habe. Man sandte daher einen Kabass zu ihm und Hess den zu viel erhobenen Be- trag zurückfordern. Der Beamte betheuerte , nicht mehr empfangen zu haben, als ihm gebühre und worüber er die Quittung ausgestellt habe. Vei'gebens, der Kabass erschien wieder und zwar mit dem Auftrage, dem armen Kranken 500 Prügel zu geben, wenn er das zuvielerhaltene Geld nicht zurückstelle. Der Beamte stellte dem Kabass vor, dass in dem Falle, wenn er seine Besoldung zweimal erhalten habe, auch zwei Quittungen sich vorfinden müssen und wäre diess demuugeachtet nicht der Fall, so treffe offenbar die Kasse- führer die Hauptschuld, da sie das Geld ohne Empfang ei- ner Quittung ausgezahlt haben würden. Der Kabass sah die Richtigkeit dieses Beweises ein und raportirte, ohne vor der Hand die Prügel auszutheilen, die Sache dem Präsiden- ten des Diwan, dem Habib Effendi. Lezterer Hess diesen Gegenstand neuerdings untersuchen und es fand sich , dass ein ganz gewöhnlicher Rechnungsfehler die Ursache des in diesem Falle nur scheinbaren Kassa- Abganges war. Was wäre also geschehen , wenn der Kabass nicht menschlicher gedacht hätte, als der ganze Diwan? und hat man, fragt sich weiter, in diesen aus einer zahllosen Menge hervorge- hobenen Fällen auch nach dem Code Napoleon entschieden, der ja, wie wir in neuerer Zeit gehört haben, bei Entschei- dungen in besonders schwierigen Justizfällen in Egypten nebst dem Koran als Grundlage angenommen worden? oder 32 hält man vielleicht derlei Fälle nicht für besonders schwie- rig? Wir werden auf ähnliche Ereignisse im Verlaufe mei- ner Reiseerzählung noch oft stossen und bei ihrer Summi- rung wird die Aburtheilung über den Grad der Civilisation, der in Egypten herrscht, nicht sehr schwer fallen. Wie schon im ersten Bande gesagt wurde, so war man damals bemüht, aus den Schutthaufen des alten Alexandria ein neues hervorzurufen, indem man in den Trümmern, die Jahrtausende aufgehäuft hatten , nach Bausteinen suchend, eine Art Bergbau betrieb. Bei dieser Gelegenheit stiess man von Zeit zu Zeit auf Reste der frühern Pracht, und es ist zu bedauern , dass diese Nachgrabungen nicht von einem Sachverständigen beaufsichtet wurden; denn es hätte dadurch manches kostbare Denkmal der Zertrümmerung entzogen werden können. Zur Zeit meiner Anwesenheit wurden die Reste eines Tempels entblösst, wenigstens hielt ich es der Bau-Anlage nach für einen Tempel ; denn bestimmt war dar- über nicht zu entscheiden, da ausserdem Fussboden und einigen grossen Säuleji, griechischen Styls, aus dem schönen Granite der Katarakten von Syene verfertigt, nichts zu sehen war. Bei einem Spazierritte an den See Mareotis, aus dem jährlich eine sehr bedeutende Quantität Salz gewön- nen wird, nahm ich zur Untersuchung des spezifischen Gewichtes des See- Wassers eine kleine Quantität desselben mit mir. Bei einer Temperatur der Luft von 15^ Reaum. zeigte das Wasser des Mareotis, welches selbst eine Tem- peratur von IS*' Reaum. besass, ein spec. Gewicht von 1.003. Das spec. Gewicht des reinen Meerwassers hingegen , von einer Temperatur = 14,2 Reaum., betrug bei derselben Luft- Temperatur 1,029. Das geringere spec. Gewicht des Was- sers aus dem Mareotis erklärt sich dadurch, dass es dort, wo es geschöpft wurde, mit dem aus dem Kanal Mahmu- dieh eindringenden Süsswasser gemengt ist. Am 9. Dezember begaben wir uns Abends, an Bord un- serer grossen und schönen Barke. Einige Freunde beglei- teten uns dahin. Keiner von meinen Gefährten ahnete da- mals wie weit diese Reise gehen und wie lange sie dauern sollte, nur in mir stand der Plan fest, so weit nach Süden 3.J 7,11 oelieii als mögllcli iiiid sollte ich ancli oIUmii mich dem Unteniehmen iiiiteizieheii. Wie uiul mit welchen Mitteln tliess aber oeschehen solle, ilaiübei* war ich freilich mit mir seihst noch nicht im Klaren. Die in das Innere abgehende Expedition hestand, ausser mir, in meinem Adjunkten Prikk- NEii, dem Dr. Veit, dem Botaniker Kotschi, dem Dolmetscher AchmedKaptan, dem Arbeiter Mortsch, meinem Bedienten Danelon, also aus 7 Europäern und einigen ar.abischen Be- dienten. Es war wenig- Wind und die Barke musste gezo gen werdeu , wir fuhren daher nur langsam zwischen den elenden Hiitten der Soldateu-Famillen und Fellahs hin, weJ che den Saum von Älexandria bilden, und mit Anbruch der Nacht Avareu wir noch g^aiiz nahe au derSfadt, dfe meiircre von uns in diesem Momente zun*! Lezteiuuale sahen , und die sich froh im herrlichsten Mondenlichte zum Äbeudmalile sezten, nicht ahnend, dass das ferne Land ihr Grab werden wird. Wie gut es doch ist, dass ein dunkler Schleier die Zukunft deckt! Auch si6 hätten unl diesen mouicntanen Genuss we' ntgcr gezählt, hätten sie ilii' Schicksal gekannt?. Airi öinderit Morgen wai^en wii' ersf in Bfi'Ke, ein kleines Dörfchen am Kanäle, bewohnt von Gesindel aller Art und ein Lieblings-Aufenthalt von Aphroditens Piiesterinnen, ^\e\u\ sie sich aus dem Drange des Lebens der Hauptstadt \\i die stille Einsamkeit zuriickziehety. Es erhöh steh' ein' fri- scher Nordwest und wir dnrchflog;ei]/ dfe zwelfte Hälfte des Kanals bis nach Ädfue. Von einer Dahahie* des VizekO- nigs ^\lH' Nichts zu s^hen, ausser ich hätte dAfiir die schmutzigen Transportschiffe desselben ansehen wollen und ich erhielt daher einen sehr gegriVndeten' Beweis, vvie gut Tcli gethan hatte, den hiir fn AlexandiMa gemachten Verspre- chungen nicht zu traiiien. Alle diese fiVr den Transport der Beamten und Oftiiiere, niedern und holien Ranges, bestiiiinV-' teu Schiffe haben iwav Kajüten lind Vercfeck, sind aber vieriiiif^ gehörendes Scliid" briiii»eii und üheroal) die Aufsicht desselben nnserm Kabass mit dem Anftiage, sich mit seinem Schiff stets in der Nähe des nnsern zu halten. Wir blieben den Tag* durch noch in Ädfue liegen und unterhielten uns mit Promenaden an den Ufern des Nil, dem schön gelegenen Fuah, mit sei- nen schlanken Minarets nnd Palmen, gegenüber, theils be- schäftigten uns einige schwarze Augen, die auS blassen, aber sehr schönen Gesichtern hervorblizten, welche einigen Frauen eines auf der Reise begriffenen Harems angehörten, der in die enge Kajiite eines nebenan liegenden Schiffes eingezwängt war und dessen weniger interessanter Eigen- thiimer anf dem K.ajüten - Dache seine Pfeife schmauchte, mit einem sichtbaren Wohlbehagen ob des Besitzes, den er hütete. Am Morgen des 11. Dezember fuhren wir mit starkem Nordwinde von Adfue ab. Es war empfindlich kühl und das Thermometer zeigte noch um 9 Uhr 10** Reaum. im Schatten. Wir segelten sehr gut, Dörfer und Bäume flogen an uns vorüber und Abends erreichten wir bereits Säl-Had- jar, an welchem Dorfe wir die Nacht hindurch liegen blie- ben. Der Abend, den wir daselbst zubrachten, war wun- derschön. Die milde Luft, der intensive FarbentoU der AbendrÖthe, die von einem leichten Winde bewegten Pal- men am breuuend-rolhen Horizonte, die schwarzen Dörfchen zwischen Bäumen am Ufer und später der Silberspiegel des majestätischen Stroms im Mondenlicht, die Stille der Nacht unter Egyptens reinem Himmel machten einen unvergessli- chen Eindruck auf uns Alle, der noch durch die Freude er- höht wurde, dass wir, aus dem ermüdenden Hinwarten in Alexandria befreit, wieder in das gewohnte, rege Leben der Reise versezt waren. Am frühen Morgen gingen wir in den nahen Palmen- Wald auf die Tauben-Jagd, die ziemlich ergiebig ausfiel. Das Thermometer zeigte um 9 Uhr im Schatten 8,2^ Reaum. und unsere durch Hitze bereits verwöhnten Körper fanden diese Kühle sehr empfindlich, so dass wir es vorzogen, ein gut Stück Weg zu Fuss zu gehen , bis die mit vollen o * 36 Segeln uns nacheilende Barke uns einholte. Wir segelten mit sehr gutem Winde den ganzen Tag und die ganze Nacht durch und fanden uns am 13. Morgens bei Terraneh^ wo wir sogleich unsern Freund Baffi wieder besuchten. Derselbe empfing uns mit Heralichkeit, als alte Bekannte, in seinem Hause und zeigte uns, als ein neues Produkt sei- nes Etablissements an den Natronseen , Krystalle von koh- lensaurem Natron von ausgezeichneter Reinheit. Er ver- sicherte uns, dass diese Waare das neuere Resultat seiner Unternehmung sey und dass er gegenwärtig den Au»laug- Prozess des Erdsalzes nicht mehr mit dem Wasser der Seen, sondern mit süssem Wasser >ornehme. Da er diess zum Theil wenigstens auch schon früher that, sich aber in daS' Nähere seiner Methode, als ein Alchymist der ältestei> Schule, nicht einlassen wollte, so bin ich nicht im Staude^ darüber Bericht zu geben , wodurch auch nichts verloren seyn dürfte; denn schöne Krystalle reinen kohlensauren Na- trons aus dem Erdsalz der Natronseen zu erzeugen, ist wohl kein Geheimniss. Unsere Reise schnell fortsetzend, sahen wir am Abende bereits die Pyrami-den von Dschiseb am Ho- rizonte bis zu mehr al« § ihrer Helie, was mir auffiel, da wir in gerader Richtung wohl noch an (5 Meilen von ihnen; entfernt seyn mochten, und ich glaube, dass die Lichtbre- chung zur HebuRg des Bildes über den Horizont hier be- deutend beitrug,.. Am Morgen des 14. Dezember, nachdem wir die ganze Nacht durch gefahren waren, passirten wir Batn el Bacher*, hatten die Pyramiden ganz nahe in W.W.S. an unserer rechten Seile, vor uns den Mokattäm mit der Citadelle, an dessen Fusse wir die Mfnarets von Kairo erblickten, und' um Mittag hielten wir in Bullak an, bei welcher Gelegen- heit unsere grosse Segelbarke das kleine Schiffchen eines armen Arabers überfuhr und zerbrach, der sich jedoch gar * Die Araber nennen die Spitze des Delta: „Batn el Baclior. den- BaucU des Flusses", und ich glaube mit Rcchl, wenigstens ist dieser Name der sinnigere, als Batn el Bagära (der Bauch der Kuh), welthen» Naiuea man auf mehreren Karten findet.. 37 nicht viel daraus zu machen schien, ,so g^ut hatte ihn schon die eg-yptische Humanität dressirt. Wir Messen den gröss- ten Theil unseres Gepäckes im Magazine ßocnos-Beys und nahmen nur das Nöthige mit nach Kairo. Da man von un- serer Ankunft schon unterriclitet war, so erschienen kurz nach unserer Ankunft durch liebevolle Sorge des österreichi- schen Konsuls Champion die nöthigen Reitpferde und Last- thiere, mit denen wir unsern zweiten Einzug in Kairo hiel- ten, wo die nöthigen Zimmer im Gasthofe des Italieners Garanti bereits bestellt waren. Es war gerade Ramadan. Die Stadt wimmelte von Pilgern , die nach Älekka zogen. Unser erster Gang war zu unserm gefälligen Konsul Cham- pion, der trotz der Störung in seinem häuslichen Kreise, herbeigefiihrt durch die schwere Krankheit seiner liehens- wi'irdigen Frau, der dieselbe auch späterhin unterlag, Alles aufbot, uns in unsern Angelegenheiten mit Rath und That an die Hand zu gehen. Im Ramadan werden, wie bekannt, bei allen muhamedanischen Völkern die Geschäfte mit Un- tergang der Sonne begonnen und tief in die Nacht fortge- sezt. Die Tagesordnung wird umgekehrt und im wahren Sinne des Wortes aus Nacht Tag gemacht. Der gläubige Muselmann beginnt während des Ramadan seine Fasten vor Aufgang der Sonne mit dem Rufe des Imäm und sezt sie bis zum Sonnenuntergänge in dem Maase fort, dass er sich auch nicht den Genuss von Tabak oder Kaffe erlaubt; manche nehmen sogar nicht einmal ein Glas Wasser zu sich. Wie daher die sonore Stimme des Imäms in dem Momente vom Minaret herab ertönt, in welchem die Sonne am Horizont verschwindet, in demselben Augenblicke be- ginnt in allen- Strassen das regste Leben. Die Kaufläden und Speisehäuser öffnen sich. Alles fällt mit Heisshunger über das lang ersehnte Abendmahl her und ist es beendet so eilt Alles rasch an seine Geschäfte. Die Beamten in ih- ren Kanzleien sind in voller Thätigkeit, die ßazare sind mit Käufern und Verkäufern gefüllt, die Müssiggänger schlen- dern durch die Menge, die Almes singen und tanzen in den Häusern, die Liebe geht unter dem Schleier der Nacht ihre geheimen Wege, kurz Alles lebt, Alles regt sich. Der 38 Anblick dieses iiäclitliclieii Tliuns und Treibens in einer gros- sen und belebten orientaliscben Stadt, wie Kairo ist, hat etv\.as ungemein Interessantes, die engen und stark beleuch- teten Strassen, das Gedränge der Menschen in den mannig- faltigsten Kostümen des Orientes, die Besuche machenden Türken zu Pferd und im glänzenden Schmuck der Waffen, mit vorgetragenen Fackeln oder Kienlichtern, Alles diess hat etwas frappant Eigentliümliches, welches den Abend- länder anfänglich befremdet und kam noch dazu in den späten Stunden der Nacht das Singen der Gebete der Imams von den Minarets der Moscheen, deien herrliche Stimmen weit hin über el Kaiiiia im tiefen Dunkel der Nacht, wel- ches Strom und Wüste deckt, verhallen, so machte das Ganze auf mich stets einen wahrhaft erhebenden Eindruck. — Kurz vor Tagesanbruch wird von den Muselmännern häufig neuerdings zu Tische gegangen, um sich auf die nach- folgende strenge Fasten des Tages vorzubereiten. Dieser Gebrauch jedoch ist für ein Kliman in welchem sich jede Überladung des Magens rächt, rein unpraktisch und daher die Beobachtung der Aerzte, dass in der Zeit des Ramadan die herrschenden Krankheiten, z. B. Pest, Dissenterie etc. stets in raschem Zunehmen begriffen sind. Indem ich mich in Betreff einer Schilderung von Kairo und des dort gewöhnlichen sozialen Lebens auf das herufe, was ich im I. Bande, 1, Theil S. 130 — J86 über diesen Gegenstand gesagt habe, will ich nur einzelne Momente aus der Gesciiichte meines zweiten Aufenthaltes in der alten Sarazenen-Stadt hervorheben, und darunter stehen die Audienz bei Mehemed-Ali und die weitern Verhandlungen mit der egyptischen Regierung in Betreff meiner Reise natürlich oben an. An dem zweiten Abend nach unserer Ankunft in Kairo ritten wir mit jionsul Champion in vojler Galla, mit vorge- tragenen Kienfackejfi *, d^rch die wogendie Volks-Masse * Das };evvüliiiliclic Gelciiclite bei solclicii Gclc^eiilicitcii sind kleine eiseine Köibc. auf Stangen 2:ehagen und mit flanmiendeni Kienholz j-etiillt. 39 der Strassen von Kairo auf die Citadelle, voll Erwartung, den Mann zu sehen, der Europa in Bewegung sezte, der von den Einen für den abscheuliciisten Tyrannen, von den An- dern für einen der Aveisesten Fürsten erklärt wurde; den Mann zu sehen, der seine siegreichen Waffen vom Euphrat bis zur libyschen Wüste, von den Schneegipfeln des Taurus bis in die brennenden Savannen-Ebenen von Kordofan und Sennaar trug; den Mann, der seinen Illusionen sein ganzes Volk hinopferte, dasselbe in beispielloses Elend stürzte, es aber mit der Idee der Civilisation bekannt machte und in der Ausführung ihm zeigte, was man nicht thun soll, und dass die süsse, aber hoclihängende Frucht sich nicht im Sprunge haschen lässt , die Frucht, die vom Baume des Lebens dem Besonnenen selbst in die Hände fällt, der ihre Reife abwartet; den Mann zu sehen, der aus Ehrgeiz nach dem Höchsten, aus Habsucht nach dem Gemeinsten hascht, der ebenso entschlossen die Hand auf den Thron von Stam- bnl legt, als er sieb erniedrigt, die Hühnereier der Fellahs einzustecken, um sie in Dschiseh auszubrüten. An den Stufen der Schlosstreppe der Citadelle stiegen wir von unsern muthigen Arabern, die HABiB-Eff'endi uns zu diesem Besuche gesandt hatte und betraten die geräu- migen Appartements des Vizekönigs. Die Vorhalle des Au- dienzsaals war mit Menschen von allen Farben-Nuancen, vom dunkelschwarzen Sudan-Neger bis zum Tscheikessen, angefüllt, die, einen Imam an der Spitze, ihr Abendgebet verrichteten. Der Sekretär und Dolmetscher des Vizekö- nigs, der Armenier AaTiM-Bey, meldete uns und wir traten durch einen Vorhang in den Audienzsaal ein. Von soge- nanntem orientalischen Luxus ist in der Ausstattung dessel- ben keine Rede, doch herrscht ein gewisser edler Geschmack, der, in Verbindung mit grosser Einfachheit, dem Auge wohl thut. Rings an den Wänden sind Diwans angebracht, in der Mitte der Decke hing ein grosser, schöner Hängeleuch- ter und auf dem Boden standen auf riesenhaften silbernen Tellern vier ebenfalls silberne hohe Armleuchter mit Arm- dicken Wachskerzen. In der Mitte des Salon stand Mehe- med-Ali und unterhielt sich mit dem toskanischen General- 40 Konsul RosETTi und seinem Dolmetscher ARTJM-Bey *• Kohsm! Champion stellte nns »lern Vizekönige vor, der uns äusserst fienndiicli willkoninien liiess und un§ einlud l*latz zu neli- luen. Er sezte sich nach orieutaliscjjer Sitte niij; unterge- schlagenen Beinen auf den Eli^'eiiplajtz ijj p'ipe Ecke des Piwan, ^vir ührige nehen ihn, ypr niis standen als Dolmet- scher ARTiM-lJey und ÄciiMED-Epfjindi. ÄIehemed-äli war da- mals (im «f. J83.0) ei" Mann von 67 Jahren, strotzend ypn Gesundheit, riistig und lebhaft in allen seineu Bewegungen. Von kleiner Statur un(| starkem, unters^zten Körperhau, fand ich in seiner GcvStalt ihirchaus uichts Jmponirendes. !piu scliueeweisser Bart gibt ihm ein ehrAviirdiges Auseheii, seine sprechenden, lebhaften Augen liegen etwas tief und haben den unyerkeniibarsten Ausdruck grosser S^hl^iuheit, geben aber eheu desswegen seinem Gesichte keine edle llaltuug. Während dem die gewöhnlichen Komplimente ge- wechselt wurden, servirte man K äffe in reich mit Diamanten besezten Tassen, die iijber}iaupt auc|i an Pfeifenröhren und Mundstücken, an seiner Tabaksdose u. s. w. mit verschvven- <^erischer Pracht angebracht wäre«. Das Gespräch drehte sich vorzi'iglich um die Angelegenheiten am Taurus, und ich sah, dass der Vizekönig vou dem ganzen Sachverhalte da- selbst äusserst stlijecht unterrichtet war, woraus ich schlies- seu konnte, dass man ihm entweder meine Berichte gar nicht voigelegt hatte, oder sie in der Übersetzung so ver- unstaltete, dass er sie nicht verstehen konnte, wozu noch das beitrug, dass er sein nördliches Gränzgebiet am Taurus noch nie bereist hatte, folgiicdi sehr schwer zu lokalisireu war. Durch (Jen Verlust eines seiner kleinen und allerlieb- sten Knaben war der Vizekönig sichtbar ergriffen und in einem Momente, als er den kleinen Knaben des |*Consuls Cham- pion, der nus begleitet hatte, zu sieh rief und ihn herzte, war es nicht zu verkenneu, dass eine tiefe lli^hrung sich seiner beraeisterte. Wir blieben ungefähr eine Stunde bei. '^ MKUKMtD-Ai.r "»priclit, ^\'\v bekannt, mii' türkisf li: iBRAHiM-Pasclia aber spruilit ausser tler tiiilviscluMi 8|)iael fasste, enichtet: die Zufulir der Materialien Avar im Gange nnd (» Ziegelschläger, Araber, die wir hiezu abgerichtet hatten, verfertigten taglich 700 Stiick Ofenziegel nach den angefertigten Lehreji. Kurz die Expedition hatte für die kurze Zeit seit meiner Abreise mehr gethan, als man mit Sachkenntniss hätte voraussetzen sollen. Mit den Bemühungen der dort angestellten Euro- |)iier=' jedoch standen die Verfügungen der Regiernng schon dadurch im grellsten Widerspruch, dass dieselbe die fünf- monatlichen Lohnrückstäiide der Arbeiter noch immer unbe- zahlt liess und die Expedition, wollte sie anders das Aus- einanderlaufen des ganzen Personals, Revolte u. dgl. ver- hindern, genöthigt war, Vorschüsse aus ihrer, nur für ihren Unterhalt allein bestimmten, Kasse zu leisten. Zudem kamen noch höchst unangenehme Auftritte zwischen den Expeditions- Mitgliedern und den Soldaten der Gülecker Garnison , her- beigeführt durch den Fanatismus und Ungehorsam der Lez- tern, welche den Christen nicht gehorchen wollten, die wahr- scheinlich aber auch dieselben nicht zweckmässig behandelten und den nötliigen kathegorischen Imperativ vielleicht bald zu viel, bald zu wenig- angewendet haben dürften. Achmed- Pascha begegnete diesen Störungen auf eine Art, die die Expedition daselbst biosstellte und der Gefahr, misshandelt zu werden, aussezte, um so mehr da eine bedeutende Ver- grösserung des Personals bevorstand, indem der Pasc a beabsichtete, nach Einstellung- des Festungsbaues in Güleck- ßoghäs, mit Ende Oktobers, alle dort befindlichen Arbeiter zum Hüttenbau nach Güleck zu beordern. Ich nahm den technischen und administrativen Theil dieser Anzeige in meinen Bericht an den Vizekönig- auf, wendete mich aber in Bezug- der übrigen Gegenstände an den k. k. General- Konsul Laurin zu Alexandria, dem ich den Inhalt des gan- zen Berichtes mittheilte. — Bereits am sechsten Tage, nach- dem ich meine Anträge dem Vizekönige vorgelegt hatte, übergab mir JAKUB-Effendi einen kolossalen Firman dessel- ben, dem gemäss mir die Bewilligung- ertheilt wurde, im "* Die Expedition am Taiii US bestand damals aus den Hciien Szlabky und VoiTANEii und aus den Arbeitern PiEicHHAnDi, Pirchisür und LANGG^BK, 44 Interesse der lleg^ieruiig Egypten, Ariibien, Nubleii und Su- dan, in so wert es der Botmässigkeit Mehemed-Ali's unter- stand, zu bereisen, und wodurch allen Gouverneurs aufgetra- gen wurde, mich mit Allem, was ich brauche, mit Geldern, Pferden, Schiffen, Lebensmftteln u. s. w. ohne weitere Rück- frage zu versehen und zugleich für meine und meiner Ge- fährten persönliche Sicherheit alle mögliche Rücksicht zu nehmen, daher mich mit den nöthigen Bedeckungen zu versehen und mir die verlässlichsten Führer zu geben. Zu- gleich erhielt ich durch ARxiM-Bey den mündlichen Auftrag des Vizßkönigs, so weit nach Süden vorzudringen, als es nur möglich sey und vor Allem die Goldvv<äschen der Neger ge- nau zu untersuchen. Ein glänzenderes Resultat über meine Anträge hätte ich nicht erwarten können und es gab mir neuerdings einen Beweis, wie energisch der Vizekönig Pläne dieser Art auf- fasst, wie schnell die Entscheidungen folgen, wenn man mit ihm unmittelbar zu thun liat und wie leicht sich in dem engsten Kreise, dessen Mittelpunkt er ist, Hindernisse be- seitigen lassen , die sich dem Reisenden in grösserer Ent- fernung \on ihm von Seite seiner Beamten und Offiziere fast unüberwindlich entgegenthürmen. Der Firman des Vize- königs war für mich ein zu wichtiges Dokument, als dass er mich nicht mit der grössten Freude hätte erfüllen sollen ; denn durch ihn sali ich auf einmal mir die Möalichkeit ire- geben, meine Lieblings-Pläne in Ausführung zu bringen, durch ihn ward mir die Aussicht eröffnet, meine Reise nutz- bringend für die Wissenschaft und vortheilhaft für das In- teresse des Vizekönigs zu maciieh, und der Güte, mit wel- cher der Vizekönig meine Unternehmung beförderte und unterstüzte , verdanke icli hauptsächlich die nachfolgenden Resultate derselben; durch ihn ward meine Stellung in der Art sicher und günstig, wie sie wohl kein Privat-Reisender, ausser mit dem ungeheuersten Geldaufvvande, würde erlan- gen können. Zugleich mit dem Firman erhielten wir unsere Barke, die uns bis Assuan bringen sollte, angewiesen, und der zu unserer Reise bis nach Chardum als Begleiter be- stimmte Kabass stellte sich, ein ernster, finsterer Türke, 45 1inen am Taurus zu betreiben, und da- selbst die Fabriken zu errichten, von sich selbst aufdrängen sollte. Während der Zeit unsers damaligen Aufenthaltes in Kairo kam auch Boreani von Tarsus daselbst an. Er sprach den Wunsch aus, wieder nach Güleck zu kommen und da ich nicht zweifelte, dass er diesen Wunsch auch realisiren werde, so erstaunte Ich um so mehr, als ich, wie wir sehen werden, in dem fernen Sennaar wieder mit ihm zusammen- traf. Die Silberführung der Bleierze von Güleck kam wie- der zur Sprache und ein in Kairo seit langer Zeit anwe- sender Franzose, Namens Aime, der eine kleine chemische Produkten-Fabrik des Vizekönigs dirigirte, untersuchte das aus den Gülecker Erzen ausgebrachte Blei und fand eben- falls, meine Behauptung bestätigend, keine Spur von Silber. Aime war unter andern mit dem Vizekönige Mitbesitzer der Alaun -Werke auf den grossen Oasen Chardschech und Dachel, welche erstere vier Tagreisen, die zweite sechs Tagreisen westlich von Theben in der grossen libyschen Wüste liegen. Er dirigirte daselbst die Er2Jeugung des Alauns, die in einem einfachen Auslau- gungs-Prozesse jener Erdschichten besteht, in denen der natürliche Alaun als Efflorescenz, als krustenartiger Über- zug der Oberfläche etc. vorkonfmt und welcher Prozess viele Aehnlichkeit mit dem hat, durch welchen man auf der Oase der Natronseen das kohlensaure Natron gewinnt. Ich werde am geeigneten Orte ausführlich auf dieses Vorkommen des Alauns, so wie überhaupt auf die interessanten Oasen der libyschen Wüste zurückkommen, daher ich hier nicht vor- greifen will. Aime gab mir mehrere Stücke sowohl des natürlich vorkommenden Alauns, als des künstlich durch Auslaugung der Alaun-haltigen Erde Erzeugten ; beide Ar- ten von grosser Schönheit*. * Alle diese Stücke befinden sich gegenwärtig in dem Mineralien- Kabinete der Hofkanimer im Münz- und Bergwesen, das, unter der Auf- sicht des ausgezeichneten Mineralogen Bergrathes Haidinger im Haupt- 54 Zur Zeit unseres damaligen Aufenthaltes in Kairo be- gann AßBAs-Pascha, der Sohn des Tussum-Pascha und Enkel Mihizamfs-Gebäude aufgestellt, in Bezug der topograpliisilien Mineralo- gie der österreichischen Monarchie einer Vollkommenheit entgegeneilt, mittelst der dasselbe nicht nur den Anforderungen des Auges, sondern auch denen der Wissenschaft geniigen dürfte. Unter diese if von Aime mir mitgetheilten Mineralien befinden sich auch mehrere Stücke gediege- nen Schwefels von der Insel Sziwan in der Strasse Bab el Mandab. Diese Insel, auch Schi%van, Sziwo, Dschebel Tor oder Insel Tor genannt, liegt in IS** 34' nördl. Breite und 39" 37' östl. Länge von Paris, zwi- schen den Küsten von Abessinien und el Jemmen. Sie ist ein noch bren- nender Vulkan, von dem mir zwar keine Eruption bekannt ist, dessen nnunterbrochene Thätigkeit sich aber durch das Vorhandenseyn mehrerer Solfaren beurkundet und durch den Rauch, der aus einzelnen Spalten des Berges, der den Kern der kleinen Insel bildet, sich fortwährend er- heben Süll. Auf Veranlassung IBRAHIM-Pascha's sandte der Gouverneur vo« Lohcia einen Franzosen, der sich als Pharmazeute daselbst aufliielt, Namens Achueux, nach dieser Insel, und derselbe fand, seinen An- gaben nach, daselbst 7 Schwefellager, von denen Nro. 1 10, Nro. 2 6, Nro. 3 20, Nro. 4 40, Nro. 5 15, Nro. 6 80, Nro. 7 18 g Schwefel enthielt. Das äusserst Mangelhafte, was ich über diese Forschungen des AcHREUx vornahm, lässt mich vermuthen, dass obige Proben nicht von förmlichen Lagerstätten , sondern eben von verschiedenen Solfaren genommen wurden, um welche herum das Terrain, mehr oder weniger von Schwefeldämpfen durchdrungen, sublimirten Schwefel enthält. Auch er- wähnte Achreüx, Bornxsäure gefunden zu haben, ohne Zweifel ebenfalls als vulkanisches Sublimations-Produkt. Der Schwefel auf der Insel» Tor bleibt indess niclit ganz unbenüzt ; denn die Aiaber stellen daselbst (wahr- scheinlich durch einen Absehwefeiungs-Prozess des Solfaren-Schuttes) eine Art Stuckschwefel (unreiner, graulichgelber Schwefel) dar, welchen sie in kleinen viereckigen Stücken, an deren Seiten noch die Eindrucke der Brettchen zu erkennen sind, mittelst denen sie diese Formen bildeten, in den Handel bringen. Diese Stücke sind offenbar Produkt einer Schmel- zung und zeigen in ihrem Innern öfters jene merkwürdige Krystallform, deren Mitschurlich i^ den Annales de Chemie, Vol. XXIV, p. 264 erwähnt und deren Vorhandenseyn Bergrath Haidinger in einem der von mir mitgebrachten Stücke nachwies. Während nämlich die Grundform des in der Natur vorkommenden Schwefels ein Oktotyp von 106" 38', 84® BS' und 143" 17' ist, sehen wir an unserm Schwefel von der Insel Tor die hemiprismatische Grundform und zwar meist schiefwinklichte Prismen von 90" 32', 90" 32', mit geneigter Basis., unter 95" 46' gegen die stumpfe Kante des Prisma. Auch ein horizontales Prisma ist gewöhnlich sichtbar vpn 90" 18'; meist Zwillinge. Haidiivger, dem ich die§e Winkclmessungen verdanke, ist geneigt, die lezterwäbnte und bisher sls nur auf dem Wege der Kunst erzeugt beobachtete , hemiprismatische 55 des Vizekönlgs, sich bemerkbar zu inacheii, wozu er aber leider einen Weg einschlug, der' nicht so sehr vielverspre- chend erschien. Es war ein hoher Grad von Rohheit, der sein Benehmen charakterisirte und unter andern sich in ei- ner sonderbaren Manie, sich unbeliebt zu machen, aussprach. Er gefiel sich nämlich vorzüglich darin, mit einem Einspän- ner wie rasend durch die engen und mit Menschen er- füllten Strassen von Kairo zu fahren, ohne auf die, welche Im Wege standen, auch nur die Rücksicht zu nehmen, die der gemeinste europäische Kutscher zu nehmen pflegt. Früh schon als Knabe seinen eigenen Diwan haltend und von Kabassen umgeben, durch die er sein Dienst-Personal nach Gefallen prügeln lassen konnte, glaubte man die Anlagen zum höhern Staatsdienste noch mehr in ihm zu entwickeln, wenn man ihm das Gouvernement von Kairo an der Stelle des alten und gebrechlichen HABiB-Effendi übergeben würde, was später auch zum grossen Missvergnügen der Europäer wirklich geschah. Unter die Barbareien seiner spätem Verwaltung ist auch die Art und Weise zu rechnen, mit der er gegen die Almes oder Tänzerinnen verfuhr. Durch die Misshandlun- gen, die er den atmen Mädchen zu Theil werden liess, ei- nige derselben sollen sogar auf seinen Befehl ertränkt wor- den seyn, suchte er, obwohl selbst ein höchst ausschweifen- der Mensch, dem Überhandnehmen der ünsittlichkei.t zu steuern, oder vielmehr sie aus der Hauptstadt in die Pro- vinzen zu versetzen, was durch die Verbannung der Almes dahin, ohne ihnen vveiters eine Beschäftigung zu geben, auch geschah. Unter den Tänzerinnen, die sieh damals «och in Kairo befanden, waren einige von ausgezeichneter Schönheit. Die schönste aus allen jedoch war Safie, die in Europa gewiss mehr Glück gemacht haben würde, als es den indischen Bajaderen zu Theil wurde. Ihr edler, regel- mässiger Wuchs, ihr zum Bewundern schönes Gesicht, ihr Grundform des Schwefels auch dem natürlich vorkommenden zuzurech- nen. Dahin gehören, seiner Ansicht nach, die Formen des braunen Schwefels von Radoboy und die von Svoszowice. Lezterer lässt durch eine eigene Zerstörung rundliche Räume im Mergel zurück, deren Wände mit prismatischen Schwcfel-Krystallen und Kalkspath besezt sind. 56 dunkles sprechendes Auge verband sich mit dem Teint einer Neapolitauerin und wurde erhöht durch einen Grad vou Anstand im Benehmen, der Mädchen von dieser Klasse sel- ten eigen zu seyn pflegt. Die Verhältnisse, in denen sie stand, erlaubten ihr damals nicht mehr, in Privat-Häusern zu tanzen, vi^as sie in dem Grade öffentlich, wie die übrigen Almes, ohnediess nie that, und es war schwierig, sie kenneu zu lernen. Ihr trauriges Schicksal, sie wurde nämlich spä- ter bei Vertreibung vieler Almes ans Kairo, nicht nur auch nach Esne verbannt, sondern noch vorher auf der Citadelle fast lahm geschlagen, erregte allgemeines Bedauern, und man hörte sehr oft äussern, dass von Seite AßBAS-Pascha's Eifersux^^ht bei dieser barbarischen Behandlung mit im Spiele gewesen sey. Am 29. Dezember war endlich der Tag der Abreise ins Innere von Afrika gekommen. Unsere Gesellschaft hatte sich um zwei Individuen vermehrt, nämlich um den Italiener Giov. ViGMou*, den wii' als Koch gedungen hatten, und um einen jungen Menschen europäischer Abkunft, Namens Raimund, aus Alexandria, der Hr. Kotschi als Gehülfe beglei- tete. Es waren also mit mir 8 Europäer, die wir zusammen die weite Reise antraten. Wir speisten noch mit einigen Freunden in Bullak zusammen und als wir an Bord unserer schönen Barke gingen, an deren Hintertheil blutigroth die Flagge des VizekÖnigs mit dem aufgehenden Monde Avehte, fuhr mir die Aeusserung unseres freundlichen Konsuls Cham- pion: „wenn Sie zurückkommen, werde ich Sie zählen und es wird mich sehr freuen, wenn Keiner fehlt'^, wie eine böse Ahnung durch die Brust, und wirklich warien wir bei unserer Rückkehr leicht gezählt, * Starb im Jahr 1837 als Ojjfci des l^liniü's ay 4eu Utcni des ivri-ssen Flusses. erster Abisclinitt. Reise in Ober-Egypten. 1) Reise von Kairo iiacli Tlteben. Am 29. Dezember 1836 um 4 Uhr Nachmittags war die Mannschuft unserer Barke in voller Thätigkeit, der Schiffs-Steg ward hereingezogen, mit langen Stangen wurde das Schiff" vom brüchigen Schlamm-Ufer des Stromes abge- stossen, die losen Segel flatterten, doch bald gespannt, bläh- ten sie sich voll und straff" mit günstigem Nord, die grosse rothe Flagge wehte am Steuerbord, und unser elegantes zweimastiges Schiff glitt wie ein edler Schwan sanft den majestätischen Nil hinauf. Wir standen vor und auf der Kajüte, noch lange unsern am Ufer stehenden Freunden herzliche Grüsse zuwinkend. Unsere zwei kleinen Kanonen, die wir an Bord hatten, thaten unter Kotschi's Kommando, der mit dem Range eines Oberfeuerwerkers bekleidet wurde, ihre Schuldigkeit und der kleinen Dinge grosser Knall hallte an den Häuser-Massen von Alt -Kairo und Bullak wieder, der schönen Kalifen -Stadt Lebewohl sagend, deren Wald von Minarets, voll grosser Erinnerungen aus alt-arabischer Helden- und Sagenzeit, sich am Fusse des Mokattäm vor unsern Blicken ausbreitete. Der Anblick von Kairo, oberhalb Alt-Kairo, der der Citadelle auf dem Mokattäm. der Feen- Gärten auf Rhoda. 58 der Paliiienwäldcheii zu beiden Selten des kolossalen Stroms, der nngetheilt hier die ganze Masse seiner braunen Fluthen dem Mittelmeere zuvvälzt, geben die Elemente zu einem Pracbtbilde, das den Sinnen des Glücklichen, der es jemals sah, nimmermehr entschwindet. Nachts 11 Uhr landeten wir am rechten Ufer bei Turra, wo wir die Nacht durch liegen blieben. Mit Sonnenunter- gang hatten wir von den Pyramiden von Dschiseh Abschied genommen. Die ernsten Todten-Denkmale sahen am pur- purrothen Horizonte über die Palmenvvälder des Ufers zu uns herüber, stumme Zeugen einer grossen Zeit. Die Nacht senkte sich auf das arabische Gebirge mit seinen zahllosen Katakomben und Steinbrüchen, leise rauschten die Wasser des fernen Südens an uns vorüber, das Rufen der Araber verhallte, nichts störte die Stille der Nacht, als das einför- mige Knarren der Wasserräder an den Sackien *. Der Mo- ment war ergreifend, unsere Gedanken flogen zurück in jene Zeit, als noch an den Ufern uns gegenüber das stolze Mem- phis stand , nächst der hundertthorigen Thebais die erste und grösste Stadt des Landes und damals vielleicht der Welt; zurück in jene Zeit, in der an diesen Ufern im Glänze der Hauptstadt ein, wenigstens zum Theil , hochgebildetes Volk lebte, dessen Riesendenkmale Jahrtausende durchleb- ten, der Zeit und ihrem blutigen Drange trozten, und heute wie Götter-Werke neben den Kothhütten der armen Fellahs stehen. Hier auf den Ebenen von Memphis schlugen sich fast alle Völker der alten Zeit: Egypter, Hyskos und ßle- mier, Perser, Griechen und Römer, Araber und Türken; hier wagte es der Eine, von Gott Erleuchtete, mit gewaff- neter Hand einem grossen Reiche einen grossen Theil sei- nes Volkes zu entführen ; hier siegte französische Tapferkeit und Civilisation über die Blüthe der Mameluken und Alles dieses sahen diese Pyramiden an sich vorübergehen, und sie stehen noch ! — Am Morgen des folgenden Tages richteten wir in den Kajüten unserer Barke das physikalische Observatorium * Sackie , „Wasscizug" , meist ein sogenanntes Paternoster- Werk, oder einfaches Schöpfzeug. 59 ein. Die Barometer liingeu 2 Fuss über dem Niveau des Flusses und die Beobachtungen wurden nun während der ganzen Nil-Reise bis Assuan fortgesezt und nur selten durch starke Bewegung der Barke bei heftigem Winde unterbro- tlien. Vor der ersten Kajüte befand sich unser Salon. Da war ein Zelt gespannt, ein Tisch angebracht, da wurde ge- speist und Gesellschaft gegeben. Unsere beiden Begleiter vom Taurus, Ahslan und Kaplan, mussten leider hier ans Land gesezt und ihrem Schicksale überlassen werden. Der eine von den beiden Hunden war durch das egyptische Kli- ma so angegriffen, dass er ein heftiges Gichtleiden bekam, welches ihm die fürchterlichsten Schmerzen verursachte, der andere war durch das Thun und Treiben auf der Barke, durch das Schiessen besonders, so scheu geworden, dass er uns von selbst davon lief. Unsere INilfahrt ging des schwachen Windes halber njir langsam vorwärts und um Mittag befanden wir uns erst den Pyramiden von Sakaara gegenüber. Sie stehen auf dem Plateau der Wüste und man sieht sie mehrmals durch den Palmenwald des Ufers von der Spitze bis zum Fusse, ein sonderbares, acht afrikanisches Bild. Ein gelbrother Hintergrund, der Sand der Wüste, ein grüner Vordergrund, die Palmen am Ufer, ein kolossaler Strom gleich einem grossen Landsee und eine strahlende Beleuchtung, gegen die unser schönster Sonnenschein nur trüber Tag ist. Pal- men, Wasser und Sand, das sind die Hauptzüge, gelb und rotli mit einem schmalen grünen Streifen sind die Haupt- farben der Landschaft. Oberhalb Sakaara beschreibt das arabische Gebirge* * Alle Berge und die Wüste am recliteii Ufer des Nils in Egypteii liaben bei den Europäern allgemein den Namen arabische Gebirge und arabische Wüste erhalten, während Berge und Wüste des linken Ufers mit dem Beinamen „libysch" bezeichnet werden. Erstre Benennung ist von den Europäern eine willkürliche Erfindung, wie die Eintheilung Egyptens in Unter-, Mittel- und Ober-Egypten, leztere hingegen ist ein Rest des Alterthums. Von keiner dieser Benennungen weiss der Eingc- borne etwas, und was die Eintheilung seines Landes betrifft, so kennt er nur ein Unter-Egypten (Baciierie) und ein Ober-Egypten (Said oder Sais), und Kairo liegt gerade an der G ranze brider. GO einen weiten Bogen und das Niltlial wird sein* breit, das Kulturland ist aber dessenungeachtet nur ein ganz schmaler Streifen zu beiden Seiten des Flusses. Noch als Prokesch von Osten reiste (1826 und 1827), stand Dorf an Dorf und ein reges Leben erstreckte sicii längs den beiden Ufern des Nil von den Katarakten von Syene bis zum Mittelmeer, und wir finden Alle diese Dörfer im 1. Bande seiner Erinnerun- gen etc. angegeben. Als ich die Reise machte, halte sich die Scene geändert; die Dörfer standen noch, ja es waren sogar neue dazu gekommen, aber eine giosse Anzahl der- selben war leer, und wo man Menschen fand, waren es meist Greise, Kinder, Weiber, Krüppel, mit den unverkennbarsten Kennzeichen des entsetzlichsten Elendes, das einen um so grässlicheren Eindruck machte, da die Lebensmittel auf den Basaren keineswegs mangelten und die Preise derselben nach unsern Begriffen sehr wohlfeil waren. Reisende, die daraus folgern , dass kein Elend in Egypten herrsche , ma- chen meiner Ansicht nach einen ganz verfehlten Schluss, und eben so unrichtig, als wenn man bei einem Lande, in welchem die Lebensmittel theurer als in einem andern sind, darauf auf grössere Armuth daselbst schliessen wollte. Das Volk hat keinen Verdienst, daher auch keinen Verkehr. Der arme Fellah muss das Wenige, was er sich von sei- nem und seiner Familie Munde weg erspart, um einen Spott- preis weggeben, um seinen iibrigen Lebensunterhalt bestrei- ten zu können , daher die Wohlfeilheit. Der Schluss von der Wohlfeilheit der Lebensmittel und ihrer Menge auf Märkten auf den glücklichen Zustand des Volkes ist in Egypten in seiner Anwendung eben so wie anderswo ganz unrichtig. Wir gelangten Abends nach Masguhne, wo wir anhielten. In prachtvoller Klarheit stieg am lezten Tage des Jah- res 18H6 die Sonne über das arabische Gebirge empor. Am Tage vorher hatten wir in der Nacht einen Thau, so stark, dass man am Morgen auf dem Verdecke hätte glauben kön- nen, es habe geregnet. In leztcr Nacht hingegen fiel kein Thau und doch war es am 31. Dezember Morgens so kalt, dass das Thermometer auf + 7*^ Reaum. herabsank und 61 wir alle Kolik bekamen. Da diess eine im hohen Si'ulen seiir gefähiiiche Sache ist, so suchten wir sogleich unsere feinen wollenen Leibbinden hervor, die wir fortan auf blos- sem Leibe trugen und die ich während der ganzen Zeit meines übrigen Aufenthaltes in den Ländern des heissen Klima nie mehr ablegte. Im Süden von JVIasguhne ist das Kulturland des Nil- thals breiter und die Ufer sind bedeckt mit ZuckeiTohr- und Indigopflanzungen. So besonders in der Nähe der Dörfer: Gamaseh el Kibir, el Hai etc. Die Ufer sind hier stark be- wohnt und der Anblick der vielen Dörfer, in Verbindung mit dem der Pflanzungen, gibt der Landschaft viel Leben. Um Mittag befanden wir uns an Kaffr-Lajat, ein kleines Dorf mit einigen Dattelpalmen und einer ungeheuren Anzahl von Tauben. Leztere sind von verschiedenen Arten und im ganzen Nilthale in einer solchen Menge vorhanden, wie vielleicht nirgendwo, ihre Jagd, so wie die der wilden Enten und Nil-Gänse , ist eigentlich die Hauptbeschäftigung aller Reisenden, wenn sie den Fuss von der Barke an sol- chen Punkten ans Land setzen, wo keine Reste des Alter- thums oder andere wichtigere Gegenstände die Aufmerksam- keit fesseln. Auch unsere Flinten verschafften uns täglich frischen Braten und die Fellahs sind in Bezug dieser Mordlust der Franken so liberal, dass sie uns mehr als einmal einluden , auf ihre ebenfalls in unzähliger Menge vorhandenen zahmen Tauben zu jagen, uns sogar erlaubten, in die Taubenhäuser hineinzuschiessen, was wir natürlich , als eines ehrbaren Jägers unwürdig, zurück- wiesen. Sie jedoch konnten nicht begreifen, wie man so eigensinnig seyn könne, einen Schuss nicht machen zu wol- len, dessen Ziel so sicher zu treffen ist. Nachmittags waren wir den Pyramiden von Magatsieh gegenüber. Sie stehen am linken Ufer des Nil, in der Wüste. Zeit und Menschen haben sie in Schutthäufen verwandelt. Als wir Abends am Dorfe el SafF am rechten Ufer hielten , sahen wir am lin- ken, weit im Lande, die Pyramide von Meidün , eine der südlichsten in Egyptcn. 62 Es hat auf den ersten Anblick etwas Anffallendes, wenn wir sehen, dass in ganz Egypten alle Pyramiden ant dem linken, in Ober-Nnbien anf dem rechten Nil-üfer ste- hen nnd dieser Umstand hat, wenn ich nicht irre, so man- che Hypothese ins Leben gerufen. Vom technischen Ge- sichtspunkte aus betrachtet, scheint mir die Sache nicht schwer zu erklären. Es ist Thatsache, dass alle alten, vom klassischen Geiste beseelten, Völker ihre Kraftentwicklung im Bauwesen vorzüglich nur auf öffentliche Gebäude, auf Tempel, Theater etc. richteten. Leztere scheinen den alten Fgyptern fremd gewesen zu seyn , wenigstens finden wir keine Spuren davon. Desto mehr verwendeten sie jedoch, bei ihrer ausserordentlichen Achtung fiir die Todten, auf die Gräber und, wo sie nur konnten, bereiteten sie jenen, mit einem zum Theile ungeheuren Aufwände, die kostbar- sten und unvergänglichsten Ruhestätten, entweder in Kata- komben, die sie im festen Gebirge ausarbeiteten, oder, wo ihnen dieses mangelte, in künstlich aufgefühiten, kolossalen Massen, in Pyramiden. Daher sehen wir in Ober-lNubien, wo die herrschende Sandstein-Formation zu ausgedehnten Katakomben selten die erforderliche Gänze darbietet, häufig Pyramiden, als Todtendenkmale, die, der Nähe des Bau- Materials halber, sämmtlich am rechten Ufer stehen, wozu auch vorzüglich der Umstand beigetragen hat, dass, wie es scheint, die grossen Städte der Alten daselbst gelegen haben. In Unter-Nubien jedoch, wo der Sandstein grosse Berge und dichte Felsmassen bildet, treffen wir keine Pyramiden, son- dern nur Katakomben und viele Felsentempel. In Egypten ist derselbe Fall. Von den Felsengräbern von Beni Hassan an südlich, wo die Berge hoch und der Felsen hinlänglich ganz ist, sehen wir keine Pyramiden mehr, sondern nur Katakomben ; nördlicher, wo der gleiche Fall am arabischen Gebirge statt hat, sehen wir auch daselbst, d. i. am rechten Ufer, wieder nur Katakomben, am linken Ufer hingegen treffen wir dort, wo das libysche Gebirge weit entfernt, niedrig und auch häufig seiner Struktur nach zu ausgedehnten Felsengräbern wenig geeignet ist und zum Theil sich nur hügeliges Land befindet, wieder eine Menge kolossaler 63 Pyramiden, zu deren Anlage ohne Zweifel auch die Nähe des alten Memphis und vor Allem der als Fundament für so riesige Denkmale nöthige Felsboden das Ihrige beigetragen haben mögen. Wir blieben bei el Saff liegen und feierten die Neu- jahrnacht von 1836 auf 1S37 mit einer Bowle Punsch, dem Donner unserer kleinen Kanonen , der an den arabischen Bergen und in Libyen zugleich wiederhallte und mit manchem herzlichen Hoch, das unsern fernen Lieben im schönen Heimath- lande galt. Es war gerade die Nacht, in der ein furcht- bares Erdbeben in Syrien hauste und die in der vulkanischen Linie jenes Landes liegenden Städte Tabarie und Saffed vom Grunde aus zerstörte. In Egypten merkte man davon gar nichts und ich erfuhr das Nähere dieses Ereignisses fast ein Jahr später erst aus den Blättern der allgemeinen Zeitung, die mir nach Sennaar nachgesandt wurden. Am 1. Januar 1837 hatten wir Mittags die Pyramide von Meidün in SSW. gerade vor uns. Sie steht auf einem Sandhügel der Wüste und ist terrassenförmig in drei Absätze eingetheilt, scheint aber in einem sehr zerstörten Zustande zu seyn. Bei Righa el Kibir verloren wir, als wir längs dem Flusse auf Enten, Tauben und weisse Eulen jagten, unsern Dolmetscher AcHMED-Kaptan , der, in der Meinung, dass die Barke vorgeeilt wäre, zu weit stromaufwärts ging, so dass wir erst am Abend wieder mit ihm zusammentrafen. Wir waren seinetwegen sehr besorgt ; denn das Volk ringsumher soll aus einem sehr diebischen Gesindel bestehen und in dieser Gegend sollen Angriffe auf einzelne Reisende nicht .so sehr selten seyn. Die Dörfer des Nilthals oberhalb Kairo schienen mir übrigens besser gebaut und sie liegen fast alle ungemein niedlich in Palmen-Wäldchen am Ufer zerstreut. In der Nähe beschaut, reisst freilich auch hier der schöne Wahn zum grössten Theil entzwei und man findet Elend und Schmutz in einem Massstabe, der für den Europäer empörend ist. Die Menschen fand ich hingegen im Durchschnitte stärker, grösser, schöner mit einem Worte, und vor Allem fiel mir auf, dass die Kinder hier weit besser aussehen, als in Unter- 64 Egypten , in den Dörfern zwischen Alexaiidrfa und Kairo, wo sie wirklich abscheuerregende, ekelhafte Gestalten sind, von deren Anblick man sich oft unwillkürlich abwendet. An dieser Erscheinung mögen wohl zum Tlieil die klima- tischen Verhältnisse Ursache seyn, denn der Druck ist im ganzen Lande derselbe. Da der Wind etwas conträr wurde, so kreuzten wir auf dem majestätischen Strome , gelangten Abends nach Delabit el Half und hielten für die Nacht an dem grossen Dorfe Sol el ßurum bil, am rechten Ufer, in der Nähe der Insel el Gar. Von Meidün, am linken Ufer, landeinwärts, spricht sich die libysche Bergkette als ein niederer Hügelzug aus, jen- seits welchem, eine Tagreise vom Nile entfernt, sich die Provinz Fajum befindet, nächst dem Delta der fruchtbarste Landstrich von Egypten. Fajum * ist eine Oase, ein Bassin des libyschen Gebirges, ein in Fruchtbarkelt schwelgendes Terrain, von Bergen der Wüste umschlossen, der Form nach ein länglichrundes Thal , das sanft aus Süd in Nord ver- flächt und in lezterer Richtung mit dem Wüstenthaie Bacher bela maa (der Strom ohne Wasser) in direkter Verbindung stellt. Lezteres Thal, das wir bereits aus dem L Bande, 1. Theil dieses Werkes kennen , durchzieht die libysche Wüste in geringer Entfernung westlich von den Natro-n- see'n und erstreckt sich bis an die Küste des Mittelmeeres. Es ist allgemein die Sage, dass einst der Nil oder ein Arm desselben in diesem Thale geflossen sey, eine Ansicht, die der Struktur des Bacher bela maa und dem nachfolgenden gemäss sehr viel für sich hat. An der Westseite des Bassin von Fajum bildet der Boden eine grosse Depression , eine Vertiefung, die beständig mit Wasser gefüllt ist, welches unter dem Namen „Birket el Karün" (der See des Charon) einen grossen See bildet, der heutzutage noch einen Umfang von 36 Stunden hat. Aus alter Zeit ist diese Wasser- ansammlung unter dem Namen See Moeris hinlänglich be- kannt und als solcher durch seine Geschichte, seine Grösse, die riesenhaften Kanal-Anlagen, welche die Alten mit ihm * Von den Arabern aus dem altegyptisrhen Piom oder Phaioni, „eine sumpfige Niederung" gebildet. 65 in Verblndmig biachteii, die Baiuienkmale, die sich an seinen Ufeni eihobei) haben und worunter sich das beridunte La- byiinth befand, immerhin einer der interessantesten Gegen- st.ände Egyptens nnd ein Beweis, was manche Pharaonen fiir Land nnd Volk geleistet haben *. Der Möris-See hatte in früherer Zeit einen weit be- deutendem Umfang. Nach Herodot betrug derselbe 3(500 Stadien oder nahe DO geogr. Meilen = 180 Stunden, niusste sich also über einen grossen Theii des heutigen Fajum er- streckt haben. Ob Herodot diese ungeheure Ausdehnung durch- schnittlich oder nur für die Zeit der Inundation des Nil gel- tend annimmt, darüber finden wir nichts. Mehrere Reisende des vorigen Jahrhunderts behielten in ihren Schätzungen theils einen herodotischen Massstab bei, theils sezten sie, wie z. B. Browne, die Grösse dieses See's bedentend herab. Lezterer gibt seine Ausdehnung zu 30 — 40 engl. Meilen Länge und 0 engl. Meilen Breite an, was mit dem oben angegebenen Umfange von 30 Stunden so ziemlich stimmt. Diess ist auch der Fall mit Jomards Angabe, der dem See einen Umfang von 2.5 Lieues gibt. Die verlässlichsten und umständlichsten Nachrichten besitzen wir durch die fran- zösische Expedition. Ihren Forschungen zufolge kann man die frühern Ufer des See's insoweit mit Sicherheit nach- weisen, dass daraus sein früherer Umfang zu beiläufig 40 Lieues oder 54 Stunden sich ergibt, was natürlich die Mög- lichkeit einer noch bedeutendem einstigen Grösse nicht aus- schliesst. Ungeachtet der grossen Tiefe von 300 Fuss, die Herodot diesem See gibt, nimmt er doch den Mittheilungen zufolge, die er an Ort und Stelle erhielt, an, dass dieser See ein künstlich ausgegrabenes Becken erfülle, und schreibt dieses Riesenunternehmen dem Möris zu, den wir aus den Listen in hieratischer Schrift als den grossen Thotmosis HI, '•' Martin, Descr. hydrogr. des provinces de BenysouefFet du Fayoiim. Grossos Werk der fraiizösisclien Expedition. Vol. XVI. JoMARD, Mein, snr le lac Moeris. Ant. niem. VI. Sowie die in der Vorrede angegebenen Werke von CHAiviror.uoN. FiGEAC, Rüssel, Rifaud, Ritter, Belzoni etc. R ussegger, Reisen. II. Bd. I. Tlil. 5 60 kennen , der seinen Namen durch die grössartigsten Denk- male verlierrliclite. Es sclieint ans dem bekamiteii egyp- tischen Manusciipte , welches sich im Museum zu Turin befindet*, hervorzugehen, dass dieser grosse König um das Jahr 1725 v. Chr. , also vor ungefähr 3507 Jahren, regiert habe. Zeitangaben über Begebenheiten vor den positiven Zeitrechnungen der alten Völker sind zwar höchst unsicher und es ist ihnen, wenn sie aller Kontrolle des Vorschreitens natihlicher Erscheinungen in Zeit und Raum entbehren, aller- dings wenig Glauben zu schenken. Gerade die Kalküle der ältesten Geschichtschreiber aber , die offenbar zeitlich der Quelle am nächsten standen, folglich die verlässlichsten sind, wie z. B. Manetho**, der Grosspriester imter Ptolemäus Phila- DELPHUS, beiläufig 300 Jahre v. Chr., erfreuen sich der Be- stätigung im Wege lezterwähnter Kontrolle am meisten, wie wir auf den Trümmern von Theben sehen werden. Auf jeden Fall ist die künstliche Ausgrabung eines Bassins von solchem Umfange, wie Herodot dem Möris- See gibt, wenn auch logisch möglich, doch physisch gerade- hin unmöglich, und die Frage: „wo sind die Gebirge von ausgegrabener Erde hingekommen , die eine Folge dieser Arbeit seyn mussten ?" lässt sich durch gar keine rationell begründete Hypothese beantworten und — mit Zahlen be- legen. Der Ansicht aller alten Schriftsteller zufolge war der Zweck dieses Unternehmens der, dass man dem Nile durch Kanäle einen Abfluss in das Becken von Fajum ver- schaffte und dasselbe gleichsam als ein Reservoir benüzte, nm dadurch die Beantwortung der Lebensfrage für Egypten, die periodischen Überschwemmungen des Nil, in seiner Hand zu haben. Dafür sprechen auch die natürliche Verbindung, die das Thal von Fajum durch das Thal Bacher bela Maa mit den Niederungen der Kiiste hat, dafür die Form des letztern Thaies selbst, welches ganz die Gestalt eines Flussbettes hat und dessen Boden unter dem Flugsande Champollion-Figkag, Geschicli(e von Egypten, S. 351. *'•' Wir kennen seine Daten aug den Auszügen des Josephis und Syncelmis. aus dem ersten Jahrhunderte nach Chr. 67 «ler Wüsfft mit tiefem Nilschlamme crfiillt ist *, dafür end- lich die vielen und orossartioen Reste von Kanälen und Dämmen, die wir noch heute als Zeuj^en einer grossen Ver- oang;enheit in Fajum und am Rande des Bacher bela Maa hewundern. Thatsache ist es, dass Möius oder Thotmosis III dessen Namen wir auf den meisten der kolossalsten Denk- male injigypten und Nubien nieder finden, ungeheure Werke ins Leben rief, Thatsache, dass die alten Egypter den Haupt- Nerv ihres Landes, den Nil, in einer Ausdehnung, mit einer Kenntniss dessen, was Noth thut, und mit einem Auf- wände benüzten, wie kein anderer Strom der Erde und von keinem Volke alter und neuer Zeit benüzt worden ist; That- sache ist es ferner, dass die höchste Anstrengung industrieller ThäJigkeit der Natur, der Local- Verhältnisse zufolge, hei den alten Egyptern vorziiglich dem linken Uferlande des Nils galt. In jeder Beziehung ist die Umgebung des Möris-See's für die Kenntniss altegyptischer Leistungen des religiösen und indu- striellen Geistes, der jenes grosse Volk beseelte, ein klassisches Terrain. An den Ufern jenes Sees stand einst das Labyrinth mit seinen 3000 Gemächern**, nach Herodot das glänzendste Denkmal Egyptens , in Pracht und Grossartigkeit der Anlage noch Pyramiden und Tempel übertreffend, vor deren Trüm- mern wir uns heute noch beugen. Am Möris standen Pyra- miden, und eine ausgedehnte Nekropolis mag sich jenseits des See's befunden haben, an dessen Ufern Todtengeiichte der alten Egypter statt fanden und über dessen Fluthen der Kahn des Charon *** die Verstorbenen zur ewigen Ruhe ge- leitete. Indem ich mich in Bezug der Kenntniss dieser Reste des Alterthums, oder wo diese mangeln, in Betreff der Ver- muthungen hierüber, auf die bereits erwähnten Werke berufe, erlaube ich mir hier nur meine Meinung über die Ent- stehung des Möris-See's und die damit verbundenen Er- scheinungen auszusprechen. Auf diese Bodea-Veilialtni,s.sc komme ich olmcliin bei meiner Dar- stellung der Geologie von Ober-Egypten wieder ziinitk. 2' Nach Hekodot, 1500 Gemäclier über und 1500 unter der Eide. Ich verweise auf den Iieutigcn arabisclien Namen des Müris- Sec's: Bitket el Karum. 08 Die Niederungen von Fajuni , des von den libyschen Bergen nmschlossenen Bassins, sind eine sehr bedeutende Depression des Bodens, ohne Zweifel sogar, wori'iber mir jedoch keine näheren Bestimmungen bekannt sind, eineDepres- sion unter die Oberfläche des Meeres, wenigstens ist diess für den Theil des weiten Thaies gewiss, den der Möris-See auch in der Periode seines niedersten Wasserstandes nimmt, da die Haiiptstadt von Fajum, Medinet el Fajum, den Baro- meter-Beobachtungen Cailliauds zu Folge, beiläufig im Hori- zonte der mittlem Niveau-Linie von Kairo , 60 Par. Fuss über dem 3Ieere liegt. Dieser Position gemäss war daher Fajum nicht nur von jeher eine Oase, ein Bassin, in dem sich die atmosphärischen Niederschläge ansammelten , durch die Thonstraten des tertiären Felsgebietes am Versitzen verhindert wurden, und also, von Wüste umgeben, hier organisches Leben hervorrieten, sondern es war eben desswegen ein Landstrich , ganz zu menschlichen Niederlassungen geeignet. Durch die Nähe des Flusses musste auch, vermöge des unterirdischen Eindringens des Wassers, wie bei den Natron-Seen (Band 1, Theil 1), von jeher die tiefste Niederung von Fajum theils See, theils Sumpf gewesen seyn und daher der altegyptische Name Piom oder Phaiom. Wegen der tiefern Lage des Flussbettes aber in früherer Zeit und aus Mangel einer direkten Verbindung mit dem Flusse durch Kanäle, war die Ausdehnung dieses See's ursprünglich entschieden kleiner, und bebautes Land und reiche Städte mochten dort gelegen haben, wo Hekodot nur mehr Wasser und die Reste versunkener Orte fand. Daher kam es, dass er im Möris-See jene zwei Pyramiden mit kolossalen Bildsäulen sah, deren ganze Höhe er zu 600 egyptischen Fuss angibt und die seiner Aussage nach ebenso tief unter dem Wasser standen, als sie darüber emporragten. Es ist nicht denkbar, dass diese Pyramiden in den See hinein gebaut wurden, sondern es ist natürlich, dass der See erst in der Grösse, wie ihn Herodot sah, später entstand und die Pyra- miden umgab. Der ursprüngliche See von Fajuni ist daher auch, meiner Ansicht nach, natürlichen Ursprungs, und die 09 erwähnten zwei Pyramiden niocliten lange vor Möris erbaut woriJen seyn, in einer Zeit, vor deren x\ng;abe dem mensch- lichen Verstände schwindelt. Der ursprüngliche See ist aber auch kleiner gewesen als der heutige , das beweisen die Reste von ßaudenkmalen, die man noch heute in ihm sieht und die von einem vernünftigen Volke, für das wir die alten Egypter ansehen müssen, gewiss nicht ins Wasser gesezt oder respective geworfen wurden. Die Periode , in welcher der See die herodotische Grösse erreichte, liegt daher zwi- schen der seines ursprünglichen Zustandes und der, wie er heute ist, und diese seine Grösse wurde auf eine sehr natür- liche Weise durch Verbindung mit dem Flusse hergestellt, ohne hiezu ein Becken von ISO Stunden Umfang und 300 Fuss Tiefe, wie Hkrodot meint, ausgegraben zu haben. Einerseits mochte die Fruchtbarkeit des Landes den Gedan- ken erregt haben, dieselbe durch Kanäle zu erhöhen, ander- seits gab die natürliche Gestalt des Beckens von Fajum, seine Tiefe und seine Verbindung mit dem Bacher ßela Maa, als ein von der Natur hingestellter Abfluss-Kanal, einem erleuch- teten Volke und in einer Periode, in der man des Grossen Grösstes unternahm, die Idee ein, dieses Becken als ein Wasser- reservoir zu benützen, in w elches man bei zu grosser Wasser- menge des ISil sein Uberwasser ableiten, und aus dem man, bei nicht zureichender Wassermenge der natürlichen perio- dischen Überschwemmung, vorräthiges Wasser zu einer künstlichen erhalten könne*. Möris bewerkstelligte diese riesenhafte Unternehmung durch die Verbindung des Thal- Beckens von Fajum mit dem Nile durch Kanäle, oberhalb und unterhalb, an der Verbindung dieses Thaies mit jenem des Bacher Bela Maa, durch Anbringung von Schleusen zur Regulirung des Zu- und Abflusses und durch kolossale Dämme, von denen man noch Reste sieht. Das Uberwasser des Nil floss daher in jener Zeit durch Fajum theils durch Kanäle, die nach Ünter-Egypten führten, wieder in den Nil zurück, * Nach Fajum hätte Mehemed-Ali bei der Unternehmung; seiner illusorischen Nildämme blicken sollen. 70 tlieils (IiiitIi den Bacher Bela Maa der Küsle unmittelbar zu. Dadurch wurde zwar der niedrigste Theil von Fajuni, z. B. jener, wo die herodotischeu Pyramiden standen, er- säuft, der übrige, höher liegende und ohne Zweifel umfangs- reichere Thfeil des Thaies, der früher vielleicht Wüste Avar, %vurde in Kultur-Land umgewandelt, und die Zukunft Egyp- tens war für jenen Moment sicher gestellt und wurde es später noch mehr, als man die Niederungen , die anfänglich ersäuft wurden, zum Theil durch kolossale Dämme wieder trockner zu legen begann und wieder in Kultur-Land umwan- delte. So hatte Möris dem See die Grösse gegeben, welche Herodot fand, und so hatte er das grossartigste und segensreichste Unternehmen durchgeführt, was vielleicht je ein Mensch im Kanalwesen begonnen hat. Die übrigen grossartigen Kanalbaue, am linken üferlande des Nil, wurden, wie ich glaube, erst später mit dem Kanalsysteme des Möris- Sees in Verbindung gesezt. Dahingehören die grossen und in verschiedenen Distanzen von einander parallel dem Flusse laufenden Kanäle, von denen der Joseph-Kanal mitten durch Fajnm geht, sich dort in unzählige Äste verzweigt und einen Theil seiner Wasser an den Birket el Karun abgibt. Diese Hauptkanäle , die in alter Zeit ohne Zweifel alle unter sich in Verbindung standen und eine grosse Kanal-Linie längs des Flusses bildeten, erstrecken sich aus Süd in Nord, von Farschut, zwischen Dschirdscheh und Kenne, bis nach Ter- raneli inünter-Egypten, durch fast 5 Breitengrade, der Krüm- mungen wegen in einer Länge von beiläufig 200 Stunden, bei einer Breite von 000 bis 200 Fuss und bei einer Tiefe, die für die grössten zweimastigen Barken durchaus hinreichen dürfte, wenn die Kanäle ordentlich geschlämmt würden. Dazu kommen erst die unzähligen Nebenkanäle und Verbin- dungs-Arme dieser Kanäle unter sich und mit dem Nile, und das in seiner Ausdehnung ausserordentliche Kanal -Netz des Delta und seiner anliegenden Uferländer. Würden diese Kanäle und die damit in Verbindung stehenden Schleusen oi'dentlich inne gehalten, so hätte man die Folgen der Über- schwemmungen des Nil für Egypten ganz in seiner Gewalt, 71 aber leider ist diess nicht der Fall. Kriege, innere Unruhen, barbarische Regierungen und Mehemed-Ali's Haschen nach Illusionen Hessen diese Meisterwerke in Verfall gerathen und der See des grossen Älöris in Fajum sank wieder mit dem Hauptzweig' der Industrie, auf den Egypten naturgemäss hingewiesen ist, mit dem Ackerbau. J3as Wasser des heutigen Möris, des ßirket el Karun, ist sehr salzig, was sich durch die Auflösung der Salz-füh- renden Thon-Straten erklärt, die dem tertiären Fels-Gebiete jener Gegend eigen sind. Demungeachtet wimmeln die Ufer des Sees von Wassergeflügel, und im See werden bedeutende Quantitäten Fische gefangen, welcher Fang zwar nicht mehr so bedeutend ist, als zu den Zeiten der Perser, in denen derselbe während der sechs Monate der Nilschwelle täglich 1900 fl. Konv.-Münze oder beiläufig 1 Talent dem Staate eingetragen habensoll, was allerdings gerade nicht zu ver- bürgen se)n dürfte; aber er ist doch noch immer Gegenstand einer sehr bedeutenden Erwerbs-Quelle. Das gegenwärtige Abnehmen der Wassermasse ist nicht nur Folge des gerin- gern Wasserzuflusses durch den Ruin der Kanäle, welche den See mit dem Nile in Verbindung setzen, sondern auch Folge jener Massen von Schlamm und Schutt, welche durch das während der Nilschwelle oft sehr stark einströmende Wasser in den See gebracht werden und daselbst als Land sich absetzen und die Tiefe des Sees vermindern. So fand RiFAUD durch seine Sondirungen im Jahr 1826 die durchschnitt- liche Tiefe des Birket el Karun = 20 französische Fuss, was ich jedoch für zu gering ansehe. Diese Abnahme des Wassers und respective Zunahme des Landes ist sehr be- deutend und in neuerer Zeit auf den Tag, möchte ich sagen, nachweisbar. So liegt z. B. das Dorf Sennure gegenwärtig über zwei Stunden vom Ufer des Sees bei seinem höchsten Wasserstande entfernt, während der Reisende Wansleben im J. 167;) sich da- selbst unmittelbar auf dem See eiuschiff'te. Zur Verminderung des Umfangs der Wassermasse dieses See's haben auch unstrei- tig von Vorne herein die angebrachten Dämme, welche das Volk 72 dem Joseph der. Bibel zuschreibt, sehr viel beigetrag^eii , und irian hat dadurch einen grossen Theil jenes Landes, welches MöRis vielleicht etwas zu leichtsinnig seinem grossen Zwecke hingeopfert hatte, wieder gewonnen. Die Gefahr einer Wie- derersäufung des gewonnenen Terrains hat sich in neuerer Zeit wiederholt, und man war gezwungen, an den Kanälen, zur Verhinderung des Zuflusses zu grosser Wasser- Massen vom Flusse aus, neue Schleusen anzulegen. An seinem Nordost-Ende scheint der See frulier bis zum Dorfe Tamieli gereicht zu haben, w elches am Eingange des Bacher Bela Maa und 2i Stunden von seinem Ufer entfernt liegt. Diese steten Veränderungen im Niveau dieses Sees, und der Umstand, dass sein Wasserstand mit dem des Nil steigt und fällt, folglich der eine Reisende ihn grösser, der andere kleiner sah, mögen allerdings viel zu den so sehr verschiedenen Angaben seines Umfangs beigetragen haben. Fajum, das Land der Rosen, ist noch heut zu Tage, wie schon gesagt, einer der schönsten Theile von Egypten. Das Klima dieses Landes ist vortrefflich, die Pest kommt höchst selten dahin, und geschieht es, so wüthet sie nie in dem Masse, wie in Ünter-Egypten. W orin diese Eigenthümlichkeit sich begrün- det, wage ich nicht zu entscheiden, vielleicht trägt das gänzliche Eingeschlossenseyn von Wüste und die dadurch herbeigeführte höhere Trockenheit der Luft wesentlich dazu bei. Ein wichtiger Umstand dürfte dabei nicht zu übersehen sejn, nämlich der, dass in Faj«im Regen keineswegs so selten sind, wie in den übrigen Theilen von Ober-Egypten, und dass daher auch der Boden daselbst nach der Inundation des Nil nie in dem Masse austrocknet, folglich meiner Ansicht * nach, da er gleichförmiger befeuchtet bleibt, auch nicht so viele Miasmen entwickelt, weder im Momente der Wasser- bedeckung durch die Überschwemmung, noch in dem, wenn die Wasser sich wieder zurückziehen. Was Fruchtbarkeit betrifft, so wetteifert Fajum mit den besten Distrikten des Delta. Baumwolle, Reis, Zuckerrohr, * 1. Band 1. Tlicil. 3. AbstliniU. 73 Indigo, Hanf, Flachs, Datfelpalmen , Rosen , Oliven etc. gedeihen daselbst nach der Verschiedenheit des Bodens in üppiger Fülle, so auch der Weinstock und alle Arten des Obstes des gemässigten Südens. Die Gewinnung dieser Natur-Erzeugnisse und ihre theihveise Verarbeitung beschäf- tigt die Bewohner, die aber davon keinen Gewinn ziehen, weil die schwere Hand des Monopols in der Ausdehnung, die wir beieits kennen, darauf liegt. Das Kulturland von Fajunj beschränkt sich seiner grösg- ten Ausdehnung nach vorzüglich auf jenen Theil des flachen, weiten Thals, der auf der Ost- und Süd Ost-Seite des Bir- ket el Karun liegt. Daselbst befindet sich , ausser einer Menge von Dörfern, die Hauptstadt der Provinz : Medinet el Fajum (die Stadt von Fajnm). Sie lieget am Josephkanale oder Bacher Jusuff, in der schönsten Partie des Landes, an der Stelle des alten Krokodilopolis oder des Ärsinoe der Ptolemäer. Die Zahl der Einwohner dürfte sich auf 12,000 belaufen. Diese Stadt war einst der Hauptzufluchts- Ort der Mameluken, deren Aufenthalt auf das dortige Volk sichtbar verschönernd eingewirkt hat. Das schönst gelegene Dorf in Fajum und in der INähe der Hauptstadt liegend, ist Fiddemin, das zur Hälfte von Arabern, zur Hälfte von Kop- ten bewohnt wird. Die Umgebung dieses Dorfes ist im wahren Sinn des Wortes nur ein weiter, grosser Garten. Fajum ist in den Zeiten der Pest ein Hauptzufluchtsort der Bewohner von Kairo, für dieselben, seiner Schönheit und ge- sunden Luft wegen, ein überhaupt beliebter Aufenthaltsort, und für die Toilette der schönen Frauen der Kalifen- Stadt, durch die blasse von Rosen wasser, Rosenessig und Rosenöl , welche daselbst jährlich erzeugt wird , ein wich- tiges Land. Früh am 2. Januar veiliessen wir Sol el Burumbil. Wir machten des konträren Windes halber sehr wenig Weg, und die Barke musste grösstentheils gezogen werden. Diese so höchst beschwerliche Arbeit versehen denn auch die Araber mit einer Ausdauer, die an das Unglaubliche gränzt. Mit ein Paar Zwiebel tmd einem Stück Brod 74 genährt, einen Schluck Nihvasser zum Getränke, wirft der Araber das Schiffseil sich um Hals und Brust und zieht nun, blos auf AugenbJicke manchmal anhaltend, den ganzen Tag an der Barke und zwar nicht etwa stumm und mit sauerm Gesichte, sondern heiter, froh, fortwährend singend und schreiend , so dass manche Reisende in Versuchung kamen, diese Aeusserungen aufgeregter, südlicher Charaktere für die entschiedensten Beweise des Glückes und des Wohls dieses Volkes unter den Befehlen seines Gebieters anzu- sehen. Ober Sol el Burumbil wird das Nilthal wirklich schön. Das arabische Gebirge nimmt an Höhe zu und gewinnt an Ausdruck der Form, die Dörfer zu beiden Seiten haben in ihrer unmittelbaren Nähe dichte Palmenwäldchen, von denen sie anch zum Theil umgeben sind. Der Nil lag vor uns, wie ein grosser Landsee, auf dem Segel sich an Segel drängte, ein grossartiger Anblick eines höchst lebensvollen Bildes; Schade, dass als das belebende Prinzip hier nur das Interesse eines Pascha, das des Einzelnen und nicht das einer Nation, eines ganzen Volkes die Maschine bewegt; Schade , wenn in einem so schönen Bilde der einzige ver- fehlte Pinselstrich der Mensch in seinen bürgerlichen Ver- hältnissen ist. Bei el Wuasta bekamen wir endlich wieder günstigen und starken Wind. Wir flogen an dem Dorfe Karamat vorüber, wo die Wüste des rechten Ufers bis an den Nil reicht und lange, gelblichrothe Sanddünen bildet, die sich mehrere Stunden weit stromaufwärts wie die Wogen des sturmbewegten Meers aneinander reihen. Wir passirten das seiner Diebe wegen von jeher berühmte Dorf Benechder am linken Ufer und gelangten bald darnach an das kopti- sche Convent St. Anton oder Deir el Meinum am rechten Ufer. Dieses Kloster besteht nur in einem grossen Hofe, der, umgeben von einer Mauer mit einem Thürmchen, die Wohnungen der Geistlichen einschliesst. Wüste ist rings- um und nur ein schmaler Streifen von Dattelpalmen ist die 75 einzige Vegetation, die das Ange bemerkt. Am Kloster hatte sich eine solche Menge wilder Gänse gelagert, dass sie Im Auffliegen, wir gaben ihnen nämlich eine gewaltige Salve, eine förmliche Wolke bildeten. Dieses wilde Geflü- gel mochte wohl die einzige Gesellschaft der in St. Anton wohnenden Mönche seyn, welches Kloster auf mich nicht, wie die Wi'isten-Klöster des Sinai, den Eindruck einer wohl- thnenden, sondern einer wirklich zur Verzweiflung treiben- den Einsamkeit machte, was die Mönche jedoch gewiss nicht fühlen. Sie sind bettelarm, total unwissend und rob wie der gemeinste Fellah. Sie lassen sich zu allem ge- brauchen, was Geld einbringt und, wie bekannt, sind sie an einigen Orten Ober-Egyptens, wie wir später sehen werden, jene Scheusale, die so zu sagen ein ausschliessendes Privi- legium auf die Verfertigung der Eunuchen ausüben. Oberhalb des Klosters sahen Avir eine schöne, kleine Dahabie mit vollen Segeln uns nachjagen. Wir legten bei, sie näherte sich uns und wir erkannten MocnoAR-Bey, den damaligen Präsidenten des Justlzhofes und der öffentlichen Bildungsanstalten. Er reiste in Geschäften nach dem uns ganz nahen ßenisueff* und lud mich ein, ihm dahin Gesell- schaft zu leisten. Ich ging daher mit Achmed -Kaptan an Bord seiner Barke. Es wurde vorerst Kaff^e getrunken und geraucht, nach dieser konversationeilen Einleitung aber Raki, ein starker Anisbrainitwein, servil t. Das Gespräch drehte sich um Mancherlei. Er hatte eine ziemlich genaue Kenntniss der Ereignisse der Julius-Revolution und detail- lirte mir dieselben mit Randglossen, die nicht hieher gehö- ren, haarklein, ging von da auf die Verfassung von Egyp- teu über, dri'ickte sich mit viel Enthusiasmus über den Segen humaner Regierungen aus, lobte viele unserer Einrich- tungen, besonders die stabile Stellung der Beamten*, das Pensions-System etc. und suchte mir endlich, als der Raki, den er in Masse genoss, mehr und mehr den Geist seiner Rede entflammte, auch zu beweisen, dass der Fellah in * Er selbst (it'l ^leitli (laniiit bei dem Vizekonige in Ungnade. 7« Egypten denn doch weit glücklicher lebe, als der Bauer in Frankreich. Mit Eifer sprach er gegen den Missbraiich im CJenusse der geistigen Getränke von Seite der Türken, nahm aber mit einer kühnen Wendung der Rede den Raki aus, dem er besondere Tugenden unterlegte und rieth mir freundlich, mich mehr an dieses Getränk zu halten und es dem schädlichen Weine vorzuziehen. Mir stiegen, als mich viele Fellahs umgaben, die um Bröd bettelten und denen das Brandmaal des tiefsten Elendes unverkennbar aufgedrückt war, neue Zweifel an dem grossen Glücke dieser Menschen um so mehr auf, da sie auf Mochdars Befehl sogleich durch seine Kabasse weggeprügelt wurden, um mir aus den Augen zu kommen. — Diese Zweifel wur- den auch keineswegs dadurch vermindert, als am andern Morgen, der für Ober-Egypten sehr kalt war, die Fellahs des Ortes schaarenweise an unser Schiff kamen. Wahre Hunger-Gestalten, nackt und zitternd vor Kälte, mit ihren Kindern standen sie am Schiffe und schrien um Brod. Das waren nicht die Stimmen, nicht die Gebärden der Bettler von Profession, das war die Stimme des bittersten Elendes, des wüthendsten Hungers, die um Hülfe ruft. Auch in Be- nisueff' waren die Basare voll mit Lebensmitteln, auch dort sangen Weiber am Ufer, und doch solche Auftritte! Man muss nicht sehen wollen, oder entsetzlich dumm seyn , um solche Klekse in dem Prachtgemälde zu verkennen, das MocHDAR-Bey mir den Tag zuvor von dem Zustande dieses Volkes gab. Benisueff gewährt in der Ferne gesehen einen ausser- ordentlich niedlichen Anblick. Das Palais des Pasciia, die Kaserne der Kavallerie, die Militärschule, die Manufakturen für Teppiche, Decken, verschiedene Baumwollenzeuge und Wollen-Spinnereien gewähren zwischen den schönen Akazien und Palmen einen entzückenden Anblick. Das rechte Ufer gegenüber ist bedeckt mit Palmenwäldchen und Dörfern, und das arabische Gebirge im Hintergrunde, welches unterhalb Benisueff bis an den Nil vorspringt, hat ausdrucksvolle 77 Formen. Seine schönen, scharfen Gipfel von dunkler Fär- hnnir steinen his zu ßOO Fuss iiber das Nilbett an. Um Benisueff herum liegen viele und ausgedehnte Zuckerrohr- pflanzungen , und oberhalb dieses Ortes beginnt im Flusse eine Inselreihe, worunter sich die Insel Bajadieh durch ihre schönen Zuckerrohr-, Tabak- und Baumwollen-Pflanzungen und durch einige Dörfer auszeichnet. BenisueflF steht durch einen Seitenarm des Josephkanals mit Fajum in Verbindung und zählt gegenwcärtig an 6000 Einwohner. Am rechten Ufer des INil, Benisueff gegenüber und 7 Stunden vom Flusse in östlicher Richtung entfernt, liegen am Dschebel Urakam im arabischen Gebirge die Alabaster- Steinbrüche, welche den herrlichen , meist braunwolkig" auf weissen Grund gezeichneten Alabaster zur neuen Moschee auf der Citadelle in Kairo liefern. Oberhalb Benisueff wird der Nil sehr breit, das arabi- sche Gebirge zieht sich in weitem Bogen zuriick, behält seinen scharfen, ausdrucksvollen Charakter bei und Palmen- gruppen zieren die Ufer. Am Mittag passirten wir As mantn el Halebieh am linken Ufer. Der Wind wurde wie- der conträr und hob sich bis gegen Abend zum förmlichen Sturme, der eine so grosse Menge des Sundes aus der liby- schen Wüste mit herüberführte, dass wir uns unter den Schutz des linken Ufers begaben und am Dorfe Malechie el Kibir für die Nacht anlegten. Dasselbe ist von Bedui- nen bewohnt, die sich daselbst ansässig gemacht hatten. Ungeachtet des Sturms gingen wir auf die Jagd, die sehr ergiebig ausfiel, und als wir zurückkehrten und ans Lfer gelangten, konnten wir uns nicht genug wundern, den Strom voller Felsen zu sehen. Unsere Verwunderung stieg aber noch mehr, als wir sahen, dass diese vermeintlichen Felsen ihre Stellung ändern, und jezt erst bemerkten wir, dass diess lauter Büffel waren, die sich badeten, und, im Strome umherschwimmend , nur ihre schwarzen Köpfe hervorragen Hessen. Abends erschien an unserm Schiffe ein Medak oder 78 Mährchcii-Erzäliler, dessen Kunstfertigkeit wir zwar niclit zur (jeniige benrtlieilen konnten , da wir damals noch zu wenig arabisch verstanden, jedoch konnten wir bemerken, dass er die arabische Sprache ausgezeichnet rein und ge- wählt redete. Eine Menge Volk versammelte sich , der bilderreichen Worte lauschend , und darunter zeiclineten sich einige arabische Mädchen durch ihre wirklich schönen Körper-Formen aus. Wir erfreuen uns unstreitig in unsern Ländern der schönern und geistvollem Gesichter in der Frauen- welt, was jedoch Ebenmass und Grazie der Form überhaupt anbelangt, da ziehe der Künstler hin in jene Länder, wo der Mensch unter einem ewig heitern Himmel, in den Strahlen einer wärmern Sonne gedeiht, wo sein Körper, unentweiht durch Mieder und Schnürleib, emporwächst als üppiger, freier Stamm, und er wird nicht manchmal, sondern sehr häufig Formen treffen, in jenem alten klassischen Style, wie sie ein Phidias, ein Praxiteles vor sich hatten, als sie ihre Götterbilderschufen, den Inbegriff aller Grazie, aller Würde, Alles wahrhaft Schönen. Nicht die Kunst ist in unsern Generationen ver- schwunden , der Meissel lebt noch in kunstgeübter Hand, aber die lebensvollen Originale mangeln , und wo sie sind, werden sie dem Äuge durch den Kram der Mode entzogen, der sie einwickelt; die Phantasie wird objektiv nicht fest- gehalten, sie errathet häufig nur, anstatt zu sehen, sie ge- räth auf Abwege und schafft meist Üppiges, wo sie Schö- nes bilden sollte. Unsere Schiffsleute, hingerissen durch den Zauber der Mährchen, voller Genien und fahrender Saraze- nen-Ritter, himmlischer Prinzessinnen und tadelloser Prinzen, veranstalteten auch ihrerseits eine grosse Phantasie*, d.h. sie sangen ihre monotonen, an Poesie reichen, an Musik armen Lieder bis tief in die Nacht. Am 4. Januar ging es mit frischem Nord und vollen Segeln wieder lustig vorwärts. Die Dörfer bekamen mehr und mehr das Ansehen eines gewissen Verfalls durch Man- gel brauchbarer Hände und man vermisst in einem hohen =' Der im Oriente alis^moine Ausdruck für Unterhaltung-, Feierlich- keit, Fest etc. 79 Grade eine kräftige, arbeitsfällige Jugend, die ganz ver- schwunden schien 5 denn ein Übel der Verwaltung, ärger als Pest nnd Cholera, die doch nie stetig wirken, das schonungs- lose Rekrutirnngs-System des Vizekönigs hatte sie wegge- rafft. Eine Stnnde ober el Baranka nähert sich das arabi- sche Gebirge wieder dem Flusse, das Kulturland beider Ufer ist ein schmaler Streifen, zwischen Wüste eingeklemmt, das rechte Ufer wird felsig nnd auf der vorspringenden Ecke des Dschebel Abu el Nur* steht hoch ober dem Strome das Grab des heiligen und berühmten Nilfahrers Schech Ibrahim. Das ganze rechte Ufer ist weiterhin Wüste und das Kulturland beschränkt sich ganz auf das linke. Um Mittag wurde der Nordwind sehr stark, die Barke flog und wir legten bis gegen Abend an 20 Stunden Wegs zu- rück. Auf den grossen Sandbänken bei Beheb** war eine solche Menge weisser und schwarzer Störche, Reiher, Enten, Gänse etc. versammelt, dass man sich davon keine Vorstel- hing macheu kann. Vielleicht waren ihrer eine Million. So weit das Auge längs diesen Strombänken flussaufwärts reichte, war alles dicht besäet, Vogel an Vogel, und als wir einige Kugeln unter sie sandten und die ganze Masse in grossen, dichten Wolken sich erhob, war ihr Geschrei wirklich betäubend. Früh am Nachmittage sahen wir am linken Ufer, i St. vom Flusse entfernt, die Minarets von Feschn. Der Nil ist wieder sehr breit und voller Inseln. Am rechten Ufer reicht das arabische Gebirge bis an den FInss vor und bildet dort eine eine Stunde lange, senkrechte nnd hohe Felswand, an der man hie und da Spuren alter Steinbrüche sieht. Diese pittoreske Wand, an der wir die Lagernngsverhältnisse des Gesteins scharf gezeichnet beob- achteten, beginnt am Dorfe Saraschen und reicht bis gegen- über von el Hibbeh, wo wir die ersten aus Schilfrohr geflochteneu Hütten der Fellah trafen, die bis dahin aus Lehm zusammengeklebt sind. Oberhalb tritt das Gebirge Vater des Liclites. ■ '•' Von den Arabern Nassleh Dschedid petali Bebeh oder „das vor- treftlithe Gehöfte von Bebeh" o:enannt. 80 wieder zurück, die Wüste nimmt das ganze rechte Ufer ein und die Berge erheben sich in äusserst schönen Formen, 500 bis 600 Fuss über den Flnss ansteigend, terrassenartig hintereinander. Mitten zwischen den kahlen Kalkfelsen der leblosen Wüste klebt ein arabisches Dörfchen , aus Lehm geformt, an der Felswand , und oberhalb demselben stehen auf einem Hügel 5 Heiligengräber mit ihren niedlichen klei- nen Kuppeln. Ungefähr eine Tagreise vom linken Ufer ent- fernt erhebt sich das libysche Gebirge in ziemlich hohen Bergen unter dem Namen Dschebel Makraun, jenseits wel- chem, aber in einer noch bedeutendem Entfernung, die so- genannte kleine Oase, „Waddi el Baharieh" liegt. Bei Ma- janeli, einem grossen Dürfe am linken Ufer, tritt das gegen- überliegende arabische Gebirge wieder bis an den Strom vor und bildet den 800 Fuss hohen Dschebel Umbärrah. Die Bergformen sind sehr pittoresk, wild zerrissen, die Schichten verworren. Am Fusse der nackten Felsen lag eine Dahabie mit englischer Flagge, und ein einzelner Eu- ropäer stieg am Gehänge herum. Man bemerkt alte Stein- brüche von grosser Ausdehnung und viele Katakomben. Abends gelangten wir nach Sclieraune am rechten Ufer. Das arabische Gebirge tritt wieder In weitem Bogen zurück, der breite und mächtige Strom hat einen ganz geraden Lauf und seine wie Silber glänzenden Fluthen verloren sich vor uns am Horizont. An beiden Ufern Palmen wälder, in denen grosse Heerden von Kamelen weideten. Der Wind war günstig und wir benuzten einen Theil der hellen Nacht, passirten die Insel Abu Dschirdsche, den Ort gleichen Na- mens am linken Ufer, und hielten um Mitternacht am Dorfe Schech Hassan am rechten Ufer. In einem Gehöfe dieses Dorfes sieht man als eine Merkwürdigkeit die erste Dom- oder Tum-Palme (Cucifera thebaica), die weiter in Süden sehr häufig wird, und im hohen Süden, z. B. in Roserres, im 12, Grade der nördl. Breite, ausgedehnte Waldungen bildet, hier aber als kümmernder Zwerg im fremden Lande steht. Bei Schech Hassan nähert sich das arabische Gebirge in wilden, nackten Felsmassen wieder dem Strome und 81 bildet den Dschebel Hassan . an dem man auso-edehnte Stein* brüche und eine Menge von Katakomben beobachtet. Wir stiegen am Fusse des Berges aus, schössen mehrere Wiisten- hübner und sahen sehr grosse Geyer, deren wir aber keinen habhaft werden konnten. Als wir später am linken Ufer bei Olloh Sahne für einen Augenblick landeten, be- merkten wir am Volke eine auffallende Veränderung. Die Menschen waren bereits von bedeutend dunklerer Färbung, als wir sie in den bisher durchzogenen Theilen von Egypten sahen, und die halbnackt herum gehenden Weiber trugen grosse kupferne oder messingene Ringe in den Käsen, was ihnen nicht nur einen widerlichen, sondern auch einen sehr wilden Anstrich gibt Weiter im Lande des linken Ufers sahen wir den hoben Minaret von Samalut, und am rechten Ufer gegenüber bildet das arabische Gebirge den Dschebel Teier (Vogelberg), eine senkrechte und 7 Stunden lange Felswand, auf deren höchstem Kamme sich ein koptisches Kloster zur heiligen Maria befindet, dem Ansehen nach ein sehr ärmliches Ge^ bände, theils aus Stein, theils aus Lehm erbaut. Mehrere Mönche standen oben am schwindelnden Rande der Fels- wand und liefen uns um Almosen an, und da wir uns ihnen mit dem Schiffe nicht häbern konnten, eilte einer derselben durch eine halsbrecherische Schlucht zum Strome herab, sprang in die Fluth und suchte unser Schiff schwimmend zu erreichen, was ihm aber bei der grossen Entfernung und bei dem schnellen Gange der Barke nicht möglich war. Der Dschebel Teier ist voll alter Steinbrüche und Katakom- ben, und Tansende von schwarzen Enten sassen in langen Reihen auf den Hervorragungen der Felswand, den Namen des Gebirges bewährend» Bei Minieh zieht sich das arabische Gebirge wieder weit zurück, das Nilthal wird sehr breit, und der Strom gleicht wieder einem grossen Landsee, dessen Ufer Palmen- Wälder einfassen. Ich schätze die Breite des Stroms bei Minieh auf mehr als tausend Klafter. Wir kamen Abends in Minieh an und salutirten den Uuifsegger, Ilcisen. 11. Bd. 1. TIil. 6 82 Platz mit unsern beiden kleinen Kanonen. Die Stadt sieht, ans einiger Ferne angesehen, sehr liühsch aus. Man bemerkt mehrere grosse , in orientalischem (ieschmacke aufgeführte Gebäude, die zwischen Palmen und Sikomoren einen höchst malerischen Anblick gewähren. Inwendig besizt Minieh einige recht hübsche Plätze, zwar enge, aber regelmässige und ziemlich reine Gassen und einen bedeutenden Basar. Die Stadt hat viel Handel mit Ober-Egypten und besizt eine grosse Baumwollenspinnerei und Baumwollenzeug-Manufak- tnr, die natürlich dem Vizekönige gehören. Die Gegend ist durch die umliegenden Gärten und Palmenwäldchen nicht nur höchst freundlich, sondern durch den grossen Strom und das pittoreske gegenüberliegende arabische Gebirge auch grossartig. Die Bevölkerung besteht theils aus Arabern, theils aus Kopten, die in schwarze Mäntel gehüllt und mit schwarzen Turbanen finster durch die finstern Strassen schlichen, ein schönes Volk, aber, wie die meisten christ- lichen Völker des Orientes, moralisch durch Druck und Un- wissenheit, durch Sektengeist und Parteisucht entwürdigt und erniedrigt. Als wir so durch die Strassen schlenderten, fanden wir einen Briefboten des Pascha, der gerade von Kairo mit Depeschen kam und nach Kenne eilte und sich mit einem grossen, mit Eisen beschlagenen Stock unbarm- herzig Platz durch die Volksmenge machte. Bevor wir noch am Morgen des 6. Januar unsere Reise von Minieh fortsetzen konnten , hatten wir einen Streit zu schlichten, der sich zwischen unsern Matrosen und dem Vor- steher des vizeköniglichen Getreide-Magazins entspann. Er- stere Avollten nämlich am frühen Morgen vor der Abreise ihr Brod fassen und gingen zum Magazinvvärter. Dieser jedoch, zu faul, um so frühe aufzustehen, hless sie warten und schimpfte sie. Die Matrosen sahen sich sogleich um unsern Kabass um, um ihien weitern Schritten einen gewis- sen rechtlichen Anstrich zu geben, und dieser, durch einen tüchtigen Morgenschluck zu jeder richterlichen Handlung im tüikischen Justizsinne ermuthigt, begleitete sie und prü- gelte mit ihnen zusammen den Nasir des Magazins entsetzlich 83 durch , so class wir uns ins Mittel leeren mussteii. Nun wurde das Brod den Matrosen ohne Anstand verabfolgt, und wir fuhren ab. Oberhalb Minieh wird das Thal des JNil wieder sehr breit, und das arabische Gebirge tritt zurück. Der Nord- wind erhob sich mit einer solchen Gewalt, dass der Nil hohe Wellen warf, und die Matrosen fuhren nur auf mei- nen wiederholten Befehl vorwärts. Die VVindstösse kamen «anz plötzlich, waren kurz und von furchtbarer Heftigkeit, sogenannte RaffalH ; an ein Einziehen der Segel war in ei- nem solchen Momente nicht zu denken, man konnte sie jederzeit höchstens nur flattern lassen und dem Schiffe die Richtung unter den Wind geben. So geschah es, dass wir einige Mal hintereinander, und so zu sagen fast mit vollen Segeln, auf den Strand liefen, was jedoch bei der Weiche des Nilschlamms ohne allen Schaden geschah. Endlich ge- lang es, alle diese Hindernisse zu besiegen, und wir kamen um Mittag' am Dschebel el Beni Hassan an. Dieser mächtige Vorsprung des arabischen Gebirges ist voller Steinbrüche und Katakomben aus den verschiedensten Perioden des alt-egyptischen Volkes. Wir zählten 38 Ka- takomben-Eingänge in einer Reihe und auf ein und dersel- ben Gesteinsschicht angebracht, die sich ihrer Gänze wegen vorzüglich zu diesen grossartigeu Excavationen eignete. Die Hypogeen von Beni Hassan sind nächst denen von Bab el Moluk bei Theben, denen sie zwar an Zahl der Kammern und an Grösse derselben, überhaupt an Grossartigkeit der Anlage, weit nachstehen, die interessantesten von ganz Egyp- ten und höchst wichtig für die Geschichte jenes alten denk- würdigen Volkes. Das 19,, 20. und Tl. dieser Felsengräber, von oben nach unten der Reihe nach gezählt, sind die merkwürdigsten, theils ihrer Grösse wegen, theils vorzüg- lich der Malereien halber, die sämmtlich das industrielle, religiöse, kriegerische und häusliche Leben der alten Egyp- ter betreffen, nach vergangenen Jahrtausenden uns einen klaren Blick in ihr Seyn und Wirken gestatten und heute 84 noch in einer Farbenfrische pranoen, als wären sie von {gestern •\ Wir sehen an ihren Wänden den alten Eg^ypter vor seinen Göttern, in der Schlacht und im Drang^e des Sturms, auf seinen Schiffen, in seinem Hause, als Gewerbsmann, als Künstler, beim Transporte seiner Kolosse, in allen Funk- tionen seines bürgerlichen Lebens. Wir sehen, eine reiche Quelle für Hypothesen, verschiedene Völker, mit denen der Egypter durch politische Ereignisse, durch Verkehr und durch die Macht der Waffen in Berührung kam. Einige dieser Tableaux sind, was Figuren-Anzahl betrifft, in einem grossartigen Maasstabe ausgeführt, so sehen wir in der be- kannten Darstellung des Ringens zweihundert Ringer-Paare. Die Gemälde sind Wasser-Malereien, fein und korrekt aus- geführt, aber, wie alle des egyptischen Typus, ohne Per- spektive, daher sie auch auf den ersten Anblick einen mehr bizarren als schönen Eindruck machen. Die Korrektheit in der Form soAvohl, als in der Farbenwahl, ist bei einigen Thier- bildern auffallend , so dass man sie in Fresko fast nicht besser machen könnte. Eines der wichtigsten Tableaux stellt den Moment dar, in welchem Kriegsgefangene vor ^Nehothphs gebracht werden. Männer und Frauen sind reich gekleidet, in alt- griechischem Geschmack, weiss von Ge- sichtsfarbe im Gegenhalte der Egypter, die Männer haben spitze ßärte, schöne, kaukasische Gesichtsformen , sind be- waffnet mit Bogen und Lanzen und einer hält eine griechi- sche (?) Leier in seiner Hand. Wer sind diese, woher, wel- chem Lande gehören sie an? Man machte sie zu Griechen, Juden, Indern etc., baute diese Hypothesen auf Voraus- setzungen und begründete diese wieder durch andere Voraus- setzungen, Man ist in neuerer Zeit dahin gekommen, dass Alter dieser alt-egyptiscben Monumente herabzusetzen, und, '^ Uinständliclie Beschreibungen dieser Hypogeen in den erwähnten Werken von: Prokesch, II. Bd. S. 21. — Champollion d. j., S. 47. — Parthey, II. Bd. S. 517. — CLox-Bey, II. Bd. S. 412. — Champoloon- FiGEAC. S. 190. — MiNUTOLij S. 237, so wie in den Werken von Ru.s.SKi.7 Hamilton etc. 85 wie ich glaube, ist man in der Veijrnigenuig derselben eben so extrem verfahren, als man früher bemüht war, enorme Zahlen für ihr Alterthum anzugeben. Wir brauchen uns nicht vor Zahlen zu fürchten, und nie stehen wir kleiner da, als wenn wir, einer riesigen Vergangenheit gegen- über, mit zu grosser Ängstlichkeit das genealogisch ad- justirte Rechentäfelchen zur Hand nehmen. Ich möchte fast glauben, dass es keine Nothwendigkeit sey, jene schönen Gefangenen für Griechen oder Juden, wenigstens nicht für erstre, zu halten, sondern, dass wir sie eben so sicher für ein anderes älteres Volk Asiens ansehen können, mit dem Egypten einst im Kriege stand. Den Entzifferungen der Hieroglyphenschiift zufolge haben die Hypogeen zu ßeni Hassan nicht die Bestimmung gehabt, Leichen der Könige und ihrer Familien , wie die zu Bab el Moluk, aufzunehmen, wenigstens nicht ausschliesslich, daher auch Ihie geringere Pracht , — sondern sie waren Familien- Grüfte, und gehörten den edelsten und angesehensten Ge- schlechtern des Landes. Man trifft in ihnen sogenannte Pharaonen- Ringe und zwar unter andern den des Osor- TASEN L, aus der 23. Dynastie*, ferner die der Könige Amenoph l. und IL, Osortasen IL etc., welch leztere die sechszehnten und fünfzehnten Vorfahren des grossen Rame- siDEN, Ramses 111.**, sind, wie Herr v. Prokesch in seinem schätzbaren Werke angibt. Den von Manetho gegebenen und von Josephus, Eusebius und Julius Afrikanus weiter überlieferten Daten zufolge aber, die mit den Angaben der Tafel von Abydos und den historischen Papyrus-Handschrif- ten, die sich im Museum von Turin vorfinden, stimmen, ist die 23. Dynastie, nie zweite Tanitische, S51 vor Christus, und jener Osortasen I. muss also mit seinem Namens- bruder aus der 16. Dynastie nicht verwechselt werden und dürfte wohl mit Osorthon identisch seyn. Amenoph L * Derselbe Ring, den Lord Pkudhoc an den Ruinen aufdeiuSarra bit petah Hadern, auf der Halbinsel des Sinai, fand. Prokesch II. Bd S. 29. *'•' Sesositris. 86 und U. geliöreii der 18. Dynastie oder der 9. thebalnischen an und iliie Regierungen fallen nach Manetho in die Jahre ISl'l und 1723 vor Chr. Osortasen II. ist ein König aus der 17. oder 8. thebainischen Dynastie, die um 2082 vor Chr. zur Regierung kam. Ist es uns also erlaubt, das Vorhanden- seyu dieser Ringe oder Wappen auf den Monumenten als Dokumente zu betrachten, die darthun, dass dieser oder jener König damals gelebt hat, als dieses oder jenes Monument errichtet wurde, das seinen Ring trägt, so können wir die Existenz der ältesten Hypogeen von Beni Hassan bis zu Osortasen II. zurückverfolgen, und es berechnet sich für jenes Felsengrab, welches diesen Namen trägt, ein Alter von 3924 oder beiläufig 4000 Jahren, und diese Hypogeen, wenn auch jünger als die ältesten Monumente von Theben und jünger als mehrere Felsentempel Nubiens, gehören doch den ältesten Monumenten Egyptens an, was auch, wie mir scheint, der Styl beurkundet, in welchem sie aus- geführt sind. Einige Eingänge dieser Hypogeen sind mit förmlichen Portalen, in Felsen ausgehauen, versehen, die Kammern sind meist gewölbt, und die Decken der grössten derselben werden durch Säulen unterstüzt, die in rein egyptischem Geschmacke ausgearbeitet sind. Das grösste dieser Gemä- cher ist nach Rüssel 66 englische Fuss lang, 40 englische Fuss hoch und wurde durch 10 Säulen unterstüzt, von de- nen noch 6 stehen. Von mehrern dieser Gemächer gehen tiefe Mumien-Schächte nieder , die nach der furchtbaren Ausplünderung, denen alle diese Prachtdenkmale bereits ausgesezt waren, auch schwerlich noch etwas Interessantes darbieten dürften. Von Beni Hassan an werden die Palmenwäldchen an den Ufern dichter, die Sikomoren seltner, dagegen die Dom- Palme, obwohl hier, wie die Dattelpalme, noch immer Kul- turpflanze, häufiger. Wir kamen Nachmittags am Dorfe Schech Äbähdeh an, hinter dem an der Stelle, wo sich einst das herrliche Antinoe erhob, jezt die Wüste sich ausbreitet*. * V. PnoKEscH. I. Bd. S. 121. 87 Wir stiegeil ans Land, ein Hanfe Fellahs näherte sich uns, mit langen, keuienartigen Stöcken bewaffnet, die uns an die Stelle begleiteten, wo einst Hadrians Stadt, Antinoe, sich erhob. Die Römer -Stadt ist nicht mehr, sie ist in Staub und Trümmer zerfallen, und man sieht wenig mehr von den Resten, die noch v. Prokesch bei seiner Anwesen- heit im J. 1827 beobachtete. Die Ebene bedeckt ein Chaos von Schutthaufen , einige Granitsäulen am Boden liegend, einige Säulen-Knäufe, aus dem Sande hervorragend, sind Alles, was von Antinoe blieb. Wir bestiegen den hinter den Ruinen sich erhebenden Dschebel es Schech Abähdeh und besuchten die dortigen Katakomben, die aber nichts Besonderes darbieten. Grosse Aloen bliiiiten am Dorfe im Freien, wir sezten uns in den spärlichen und dünnen Schat- ten der Dattelpalmen und sahen nach dem gerade gegen- über liegenden Hermopolis magna*, das wir bei unserer Rückreise zu besuchen im Sinne hatten, aber nicht besuch- ten. Überhaupt rathe ich jedem Reisenden, den in Egypten stehenden Grundsatz, die Monumente nur auf der Reise Fluss-abwärts zu besehen, die Fahrt Fluss-aufvvärts aber, wegen der Benützung des günstigen Nordwindes, nicht zu unterbrechen , nicht gar zu ängstlich zu befolgen und sich eine genauere Besichtigung der Monumente zwar allerdings auf die Rückreise zu sparen , einen flüchtigen Blick aber wenigstens auf jedes dieser Denkmale schon auf der Hin- reise zu werfen , denn das Gesehene geht nicht mehr ver- loren, wohl aber oft das Ungesehene, durch Umstände, die man früher nicht vermuthen konnte, durch nöthige Eile, Krankheit etc., so wie es auch bei mir in Bezug auf Her- mopolis der Fall war. In der Nähe der Schutthaufen des alten Hermopolis steht das heutjge Städtchen Achnunieyn mit 7 bis 8000 Einwohnern. Von Schech Abähdeh bis Me- laui gegenüber zieht sich das arabische Gebirge am Flusse hin und ist in der ganzen Strecke voller alter Steinbrüche und Katakomben, aus deren Ausdehnung man wohl einen * V, PttOKESCH, 1. Bd. S. 114. 88 Schluss auf die einstige enorme Grösse der nahe liegenden Städte machen darf. Vor Melaui passirten wir die am linken Ufer liegenden Zucker- und Rum-Fabriken des Vizekönigs: Rhadamun, Rhoda und Sakie el Mussa. Erstere, die älteste von die- sen drei Fabriken, wurde im J. 1818 nach dem Vorbilde der westindischen von dem Engländer Mr. Brine errichtet. Im J. 1833 wurden zu Rhadamum 12,995 Rhoda 3,200 Sakie el Mussa 5,200 also zusammen '21,395 Quintaux oder 38,211 Wiener Zentner Rohzucker nebst einer beträchtlichen Quantität Rum erzeugt. Da diese drei Zucker^ Fabriken die einzigen des Landes sind und nach Minutoli im J. 1820 Rhadamun allein 11,000 Zentner raffinirten Zucker erzeugte und für das J. 1821 auf 20,000 Zentner präliminirte; da ferner von 1818 bis 1820 die sämmtlichen Fabriken eine Produktion von Roh- und raffinirtem Zucker per 80,000 Zent- ner auswiesen, so ergibt sich, dass die Zucker-Produktion Egyptens In neuerer Zeit nicht zu-, sondern abnahm. Die Stellung des Landes, als hingewiesen auf Bodenkultur, die Fruchtbarkeit desselben (man rechnet auf 1 Feddan mit Zuckerrohr bestellten Landes = 4083 Quadrat-Meter 1 Zent- ner Roh-Zucker), lassen die Anlagen der Zuckerfabrik im Lande als ein sehr rationelles Unternehmen von Vorne her- ein betrachten. Die Resultate jedoch entsprechen auch hier den Erwartungen nicht. Die Konsumtion im Lande ist verhältnissmässig gering; denn Türken und Araber lieben mehr den Syrup als den Zucker und fangen erst seit Kur- zem an sich des leztern häufiger zu bedienen. Dieser Um- stand wäre aber keineswegs das Haupthinderniss, dasselbe liegt vielmehr in der kostspieligen und, wie ich hörte, nicht sehr zweckmässigen Gebahrung dieser Fabriken , in den hohen Besoldungen der angestellten Europäer und in dem gänzlichen Verfalle der Kultur des Zuckerrohrs, der in neue- ster Zeit durch die stürmisch eingeleitete Entvölkerung mehr und mehr überhand nahm. Die Fabriken müssen, um mit den Kolonien Conkurrenz zu halten, sich selbst 89 durch Preisherabsetzung- drücken, können ihre Produktion nicht auf eine Höhe bringen, die Gewinn abwerfen würde, und leiden also unter dem allgemein verfehlten Verwaltungs- System , was man den ungemein niedlichen Anlagen dieser Fabriken von aussen freilich nicht ansieht, •r Wir kamen Abends in Melaui am linken Ufer an, in dessen Nähe, bei Darut el Scherif, gegenwärtig der Joseph- Kanal, beginnt, der nach Fajum sich erstreckt. Am 7. Januar verliessen wir früh Melaui. Das arabi- sche Gebirge, von gelbbrauner Farbe, nackt und wüste, bildet fortwährend das rechte Ufer des Stroms und als Dschebel Abu el Fehdäh, unterhalb Monfalut, eine 5 bis 6 Stunden lange, senkrechte, bei 400 Fuss hohe Felswand, voller Katakomben und der Lieblings-Aufenthaltsort zahl- loser Schaaren kleiner schwarzer Enten , deren Koth die Wand stellenweise mit einer weissen Kruste ganz überzieht. Der Streifen des Kulturlandes zwischen dieser Felswand und dem Flusse ist äusserst schmal. Wir fuhren an zwei schönen Schechsgräbern mit edel geformten Kuppeln vor- über, passirten die Dörfer Beni Amramm und el Gherch am linken Ufer und fanden den Nil voll von Inseln, die zum Theil eine bedeutende Grösse haben und ganz mit Wassergeflügel der verschiedenen Arten bedeckt waren, die sich in Egypten finden. Der Nordwind ging sehr stark und noch um Mittag war die Kälte so empfindlich für uns, dass wir dicht in unsere Mäntel gehüllt am Tische sassen. Vor Monfalut sieht man mehrere Dom-Palmen am rechten Ufer stehen, die nun immer häufiger werden. Fellahs bewohnen die Katakomben der nächsten Felswand. Um 3 Lhr des Nachmittags gelangten wir nach Monfalut. Die Stadt dürfte nach CLOT-Bey .5000 Einwohner zählen. Sie liegt am lin- ken Ufer des Nil und zwar so nahe am Flusse, dass ein grosser Theil der vordersten Häuser, die sämmtlich aus Lehm erbaut und ohne festen Grund nur auf die Dammerde hingestellt sind, bereits ins Wasser fielen und ein andrer Theil derselben täglich denselben Weg zu gehen droht. Die Stadt hat vier Moscheen, sieht aber elend aus. Oberhalb Monfalut zieht sich das arabische Gebirge wieder zurück, 99 der Nil fliesst durch ebenes und stark kultlvirtes Land, macht viele und sehr scharfe Wendungen und ist daher stets etwas schwierig' zu passiren, weil man günstigen Wind nicht kon- stant in Einem Zuge benützen kann. Am Abende hörten wir am rechten Ufer zum Erstenmale Hyänen-Geheul. Es Ist die kleine nordafrikanische Art*, die hier ihr Unwesen treibt. Um Mitternacht landeten wir bei Siut. Der Morgen des S. Januar war mild und herrlich; in der Nacht war starker Thau gefallen, er wirkte belebend wie Frühlings-Regen auf das reiche Kulturland ringsumher. Kaum röthete die Sonne die obersten Scheitel des arabi- schen und libyschen Gebirges, so nahmen wir unsere Flin- ten und wanderten gemächlich über die üppigen Saatfelder der beiläufig 4 Stunde vom Ufer entfernten Stadt zu. Es war gerade Sonntag und zugleich Beiramsfest, folglich ein Festtag, den nicht nur Christen und Türken heiligten, sondern welchen auch die Natur in ihrem südlichen Farben-Schmucke feierte. Siut wird seiner Grösse und Bedeutung als Handels- Stadt halber für die Hauptstadt Ober-Egyptens angesehen *. Die Zahl der Einwohner beträgt zwischen 18,000 und 20,000, worunter sich sehr viele koptische Christen befinden. Die heutige Stadt erhob sich auf den Trümmern des alten Ly- kopolis. Siut war einst der Hauptzufluchtsort der Mamelu- ken, als sie aus den nördlichen Theilen von Egypten ver- trieben wurden. Gärten mit netten Anlagen, Wälder, Al- leen und die herrlichsten Felder wechseln in dem ebenen Terrain zwischen Fluss und Stadt, und leztere gewährt aus der Ferne einen sehr schönen Anblick. Fünfzehn schlanke und weiss getünchte Minarets, von denen drei Moscheen von besonderer Schönheit angehören, erheben sich stolz aus einer Masse schwarzer, ernst aussehender Häuser, zwischen denen Palmen und Sikomoren ihre Häupter emporstrecken und dadurch der Stadt jenen eigenthüm liehen Anstrich ge- ben, der nur orientalischen Städten zukommt. Die Strassen sind breiter und reinlicher gehalten, als es in den meisten * Nicht die grosse H. striata aus Sennaar. ** Siut liegt 27" 13' 14" nördl. Breite und 28" 23' 17" östl. Länge von Paris. 91 egyptischeii Städten der Fall ist, die Basare sind gross und gut besezt. Unter den Gebäuden zeichnen sich die drei er- wähnten Moscheen, der Palast des IßRAHiM-Pascha und die mit der Moschee desselben Namens verbundenen Bäder des Defterdar-Bey aus. Siut besist eine Indigofahrik, eine ßaumwollenspinnerei und eine Baumwollenzeug-Manufaktur. Als die Haupteinbrnchs-Station der Karavanen aus Kordofan und Darfur in dem Nilthale und als Lagerplatz für alle zu Schiffe von Assuan herabkommenden Karavanen aus Sen- naar, hatte Siut für den Binnen-Handel von je eine hohe Bedeutung, und diess war noch mehr in jener Zeit der Fall, als die Karavanen aus Kordofan und Darfur fast jährlich daselbst eintrafen und die unglückselige Handels-Politik und Monopol-Sucht Mehemed-Ali's den Handel mit jenen fernen Megerländern noch nicht theils ganz aufgehoben, theils ihn eine andere Richtung zu nehmen gezwungen hatte. Der Karavanen-Zng zwischen dem Sudan und Siut war theils durch lange Jahre unterbrochen, theils, da der Hanptgegen- stand desselben von je der Sklavenhandel war, wurde diese Handels-Verbindung mit Kordofan und Sennaar in dem Sinne, wie sie früher bestand, dadurch ganz aufgehoben, dass der Vizekönig nach Eroberung jener Länder im J, 1824 selbst den Sklavenhandel als gute Prise erklärte und als llaupt- Entrepreneur dieses inner-afrikanischen Industrie-Zweiges auftrat. Darfur, bis wohin sich der Segen der egyptischeu Verwaltung noch nicht verbreitet hatte, und das seine Ne- gerjagden noch auf seine Faust vornahm, seinen Karavanen aber seit dem J. 1827 die Richtung nach den Raubstaaten gegeben hatte, griff" in neuester Zeit diesen frühern Han- delsvveg wieder auf, und, wenn ich nicht irre, so erschien im verflossenen Jahre wieder, nach langer Zwischenzeit, eine grosse Darfur-Karavane in Siut, die ihre gewöhnlichen Waa- ren : Sklaven, Kamele, Elephantenzähne, Rhinozeroshörner, Strausfedern , Giraffenhäute, Tamarinden, Gummi, Thier- häute verschiedener Art, Papageie etc. mitbrachte und Rückfracht nahm. Mit den Sennaar- und Kordofan-Karavanen kam früher auch gediegenes Gold, als Staub (Tiper), und in Ringen gegossen, nach Egypten. Nach Besitznahme des 92 Landes durch die Truppen des Vizekönigs aber wurde der Austausch dieses Metalls in jenen Ländern selbst auf das Eifrigste betrieben und die Produktion desselben von der Verwaltung selbst, wie wir sehen werden, ins Auge gefasst. Dieser Verbindung mit den Negerländern wegen wimmelte die Stadt früher von Negern, und die Basare, die sich durch die ganze Stadt hinziehen, waren gefiillt mit Waaren aus dem Innern. Gegenwärtig sah ich jedoch vorzüglich viele Soldaten und Freudenmädchen, darunter viele Verbannte aus Kairo, und auf den Basaren, ausser Lebensmitteln und europäischen Waaren, wenig Erhebliches. Unverändert schön hingegen ist die Umgebung der Stadt geblieben. Auf dem Hinwege umgingen wir leztere und wendeten uns ge- rade dem libyschen Gebirge zu, welches sicli ^ Stunde hin- ter der Stadt und jenseits des Kanales erhebt, der einst eine südliche Fortsetzung des Joseph-Kanals gewesen zu seyn scheint, bei Farschut, zwischen Dschirdscheh und Kenne, be- ginnt und zwischen Siut und Monfalut sich gegenwärtig im Nile mündet. Er läuft in geringer Entfernung vom Flusse und demselben parallel. Durch eine lange Allee, in der sich des ßeirams wegen bereits am frühen Morgen eine Menge Menschen bewegten, besonders viele Frauen zu sehen waren und arabische Pos- senreisser mit abgerichteten Affen das Publikum unterhielten, das, aus weissen, braunen und schwarzen Gesichtern ge- mengt, alle möglichen Nuancen darbot, gingen auch wir von der Stadt westlich dem Gebirge zu, passirten den Ka- nal auf einer schönen, steinernen Brücke und gelangten jenseits derselben in die Nekropolis des modernen Siut , in den Friedhof der heutigen Stadt. Derselbe macht durch seine Grösse und die Schönheit seiner Gräber einen impo- santen Eindruck und man glaubt in einiger Entfernung eine bedeutende Stadt vor sich zu sehen. Jedes Grab ist von einem gemauerten Vierecke umgeben, das mehrere Quadrat- Klafter Flächenraum umschliesst. Diese Mauern sind meist über sechs Fuss hoch, blendendweiss getüncht und ihr oberer Rand bildet eine Reihe verzierter Spitzen, so dass sie wie gefranst aussehen. Solcher Gräber ist eine grosse 93 ]Men«e , und sie. nehmen einen bedeutenden Flächen-llauni ein. Der Anblick ist eiji^entlich nicht orientalisch, im ge- wöhnlichen Sinne des Wortes, er ist gawz eigenthiimlich bizarr, und erinnert daran, dass man nicht mehr in jenen Ländern sich bewegt, die der Europäer unter der Benennung „Orient" umfasst. Der Friedhof war mit Frauen angefüllt, die mit heulenden Stimmen ihre Todten beweinten und nur durch unsere Gegenwart als Fremde in ihrem jammernden Schmerz gestört wurden. Diese Störung schien ihnen aber nicht so gar unangenehm zu seyn; denn alle sahen sich um und viele derselben, das heisst die Schönern und Jüngern, lüf- teten ihre Schleier, um uns besser zu sehen. Wir achteten den Ort und den Moment, konnten jedoch unmöglich an ei- nigen vorübergehen, deren sprechende, schwarze Augen nicht ins Reich der Todten passten, ohne ihnen etwas Schö- nes zu sagen , was sie auch mit freundlichem Lächeln auf- nahmen, und mit dem Heulen, bis wir fort waren, aushiel- ten. So ist der Mensch in gewisser Beziehung doch in jeder Zone gleich! Je lauter sich sein Schmerz über einen erlittenen Verlust ausspricht, desto weniger tief, wahr und innig ist er und desto leichter findet der Trost Eingang, wenn er auch noch so seichte ist. Das libysche Gebirge ist voller Katakomben , in denen man viele Mumien von Ibissen, Hunden, Katzen und Kroko- dilen findet. Wir erstiegen das Gebirge vom Friedhofe aus und gelangten über eine steinerne Stiege zuerst zu einem Schechs-Grabe, von wo man eine schöne Ansicht der Stadt geniesst. Von da gingen wir auf den Gipfel des Dschebel el Siut, der sich zu .570 Pariser Fuss über den Nil erhebt und bereits ganz in der Wüste liegt. Wir hatten um Mit- tag (8. Januar) eine Temperatur in der Sonne von 21^ Reaum. Die Fernsicht von oben ist wunderschön. In Ost erhebt sich das arabische Gebirge, in West hatten wir die hügelige libysche Wüste und zwischen beiden Wüsten das herrlich schöne Nilthal, reich bebaut, jezt gerade in der üppigsten Vegetations-Pracht prangend , mit dem majestäti- schen Flusse und dem grossen, schönen Kanäle an seinem linken Ufer-Lande, zwischen beiden Siut mit seinen Minarets 94 und Palmen-Gärten und zu unseni Füssen die Nekropolls. Den Rückweg; nahmen wir durch die Stadt, deren mitunter grosse Häuser aus gebrannten und ungebrannten Lehmziegeln erbaut sind, und ein ernstes, finsteres Ansehen haben. Wie Kairo ist die Stadt in eine Menge öuartiere abgetheilt, die diu-ch Thore in der Nacht abgeschlossen werden. In den Strassen war der Aufenthalt des vom Winde bewegten Staubes halber fast unerträglich und die Hitze höchst lästig. An Lebensmitteln war auf den Basaren kein Mangel, sie waren erstaunlich wohlfeil und besonders fiel mir die 3Jenge Vieh auf, welches zum Verkaufe ausgestellt war, das aber grösstentheils ein erbärmliches Aussehen hatte. Von Siut, so wie von Monfalut, gehen Wege durch die Wüste in SW. nach den grossen Oasen : Waddi el Dachet und Waddi el Khardscheh, die an vier bis fünf Tagreisen entfernt liegen. Des Handels wegen waren auch einige Europäer damals in Siut ansässig, der grösste Theil der Anwesenden jedoch stand im Dienste der Regierung. Oberhalb Siut ist das Nilthal sehr breit, gut kultivirt und die Ufer sind geschmückt mit den herrlichsten Baum- gruppen von Palmen, Akazien und Sikomoren. Gemengt mit Laubholz geben überhaupt die hohen, emporragenden Palmen der Landschaft einen edlen, wahrhaft südlich schö- nen Ton, stehen sie aber allein, wie häufig in Egypten, so machten sie auf mich stets einen höchst unerfreulichen Ein- druck, denn ihre kleinen Federkronen auf hohen, hagern Stämmen nehmen sich armselig aus, und geben keinen Er- satz für die Pracht «nsrer heimathlichen Tannen , Buchen, Eichen etc. Wir fuhren an dem malerisch gelegenen Grabe des Schech el Nudda am rechten Ufer vorüber, bekamen um Mittag sehr günstigen Wind und passiren Katieh am linken Ufer. Bei Katieh häufen sich die Akazien zu freund- lichen Wäldchen an beiden Seiten des Stroms. Man ver- wendet das Holz dieser Bäume zum Brennen von Kohlen, die man in loco zu 12 bis 14 Piaster (1 fi. 12 kr. — 1 fl. 24 kr. Konv.-Mze.) per Sack, ungefähr gleich 1 Zentner, verwerthet. Vor Sadfeh am linken Ufer wurden wir durch Windstösse sehr bedroht, sie waren so stark, dass sie einige 95 Mal drohten, die Barke iimzmverfen, und wir uns nur mit Mülie im Strome erlialtcn konnten, Sie kamen stets vom arabischen Gebiroe, d. h. aus Ost, und waren besonders heftig' bei el ßarut, wo sich in jenem ein weites Thal öffnet, das, theils Wüste, theils bebaut, von steilen Kalkwänden eingeschlossen wird, und aus dem der Wind, wie aus einer Gebläse-Düse herausfuhr. Im Vorgrunde dieser Thalschlucht liegt das Städtchen Kau (ansgespr. Au), ein elendes Nest. Hier erhob sich einst Antäopolis mit seinen Tempeln, doch heute entdeckt das Auge keine Spur mehr; der ISil hat es verschlungen, der überhaupt in ganz Egypten stark nach der rechten Ufer-Seite drängt. Oberhalb Kau beginnt in den Dörfern eine eigene Bau- art der Häuser, die wir bisher noch nicht bemerkt hatten und die sich auch weiter südlich wieder verliert. Jedes Haus, aus Lehm, wie gewöhnlich, erbaut, und oft von aussen ge- tüncht, hat die Form einer abgestuzten Pyramide. Die Dachterrasse hat einen hohen Rand von Mauerwerk und ist mit einer Menge Zacken, Zinnen und ähnlichen Zierathen versehen. Der obere Theil dieser phantastisch geformten Häuser ist den Tauben eingeiäumt, den untern bewohnt der Fellah mit seiner Familie, der als Hausbesitzer nur rufen kann: Glückliches Land, in dem es nicht regnet! — denn würde es regnen, so würden auch die Lehm-Pyramiden des heutigen Pharaonen-Landes bald den Weg des Irdischen gehen ; denn sie sind nicht für Jahrtausende gebaut. Das libysche Gebirge, wie das arabische, zeigen hier wenig Aus- druck, weiter südlich jedoch tritt lezteres als Dschebel el Harrid * Avieder bis an den Strom vor und bildet eine steile Felswand. Am Fusse der senkrechten Wand liegt das Dorf Ra- haine, oberhalb desselben das Grab des Schech Hassan, und der Fels daselbst soll in seinen Umrissen täuschend dem Spbynx von Dschiseh ähnlich sehen, was mir zu entdecken nicht gelang. Am linken Ufer, etwa 1 Stunde vom Strome * El Harrid heisst im Arabisclien „der Einsiedler", und ich weiss daher nicht, warum Einige Dschebel el Harrid mit „Teufelsberg" übersetzen. Man scheint hier el Harrid mit el Affrid (der Teufel) zu ver%verhseln. 96 entfernt, liegt das Städtchen Taehta, und etwas weiter süd- lich befindet sich im Flusse die Insel Dschesitah el Scliatin- dauil. Wie alle diese Vorsprünge der arabischen Bergkette, so ist auch der Dschebel el Harrid voller Katakomben. Es war bereits Nacht, als wir am obersten oder südlichsten Ende dieser Felswand anlangten. Der Mond leuchtete, die Lagerfeuer der Araber loderten am entgegengesezten Ufer, der Nordwind ging sehr stark, und als wir den lezten Vor- sprung passirt hatten, erfolgte Stoss auf Stoss mit solcher Heftigkeit, dass wir die Barke kaum vor dem ünwerfen bewahren konnten. Wegen der Nähe der Felsen war die Gefahr, in der wir schwebten, sehr gross, und noch miss- licher wurde unser Zustand durch die Naciit und das trüge- rische, täuschende Licht des Mondes. Da endlich ein Wind- stoss unsere Barke einigemal im Kreise herumdrehte, die Wellen über Bord schlugen und wir dem Felsen auf ein. paar Klafter nahe getrieben wurden, so getrauten wir uns nicht mehr Strom zu halten, wir begaben uns unter den Wind und liefen mit vollen Segeln ans linke Ufer, wo wir am Dorfe el Maräga anhielten. Der Gefahr entronnen, konnten wir uns nun ruhig in der klaren, stillen Mondnacht umsehen. Neue Sternbilder fingen an am südlichen Himmel aufzutauchen, die nördlichen, von Jugend auf zu sehen ge- wohnten, fingen an zu sinken, ein Akt, der die grosse Ent- fernung von der Heimath recht fühlbar macht. Uns gegen- über stand , starr und zauberhaft wie eine Geisterburg be- leuchtet, die graue Felswand des Harrid, der , entlang noch vor weiligen Augenblicken unser Schifflein mit vollen Segeln dahin flog, während der Kiel die Wogen, die brausend an die Felswand schlugen, schäumend furchte. Dort drohte uns das Element, hier der Mensch in seinem feindlichen Begin- nen. Es waren nämlich Beduinen in der Nähe, denen man nichts Gutes zutraute, und das Dorf stellte uns eine Sicher- heits-Wache von 12 Mann. Die Gefahr mag wohl nicht gross gewesen seyn, und wahrscheinlich lag den Fellahs, die so um unser Wohl besorgt waren , mehr an den paar Pia- stern, die der Wache gegeben wurden, als an den Bedui- nen und an uns. Wir schliefen gut und fest, und die Wache, denke ich, that dasselbe. Der Morgen des 10. Januar war für uns so kalt, dass wir zitterten, und doch stand das Thermometer nur auf-j-ö^ Rcaum. Ober el Maräj^a nähern sich das arabische (iebirge sowohl ^ als das libysche dem Strome; beide Ketten bilden schöne Vorgebirge und ziehen sich dann wieder ins Innere zurück. Wo das libysche Ge- birge dem Strome am nächsten steht, liegt das Städtchen SauAvatsch in einer niedlichen Grnppe von Palmen und Mi- mosen, mit einigen hübschen Gebäuden und einem Minaret. Es befindet sich daselbst eine grosse Kaserne und eine der schönsten Schleusen von Egypten, die eine Länge von 120 Klafter hat und dem Kanäle angehört, der ins Innere führt. In der Moschee el Harif, die ganz nahe am Flusse steht, ist das Grab des MuRAD-Bey , des einstigen Mameluken- Häuptlings. Um 11 Uhr kamen wir bei Akmim am rechten Ufer vorüber. Die Stadt hat 2 Minarets, an 10,000 Einwoh- ner, und von Ferne angesehen eine freundliche Lage; in der Nähe betrachtet, reisst jedoch der schöne Wahn ent* zwei. Obeihalb Akmim erreicht das arabische Gebirge eine grössere Höhe, als wir bisher sahen, und es steigt zu 700 bis SOO Fuss über die Ebene des Nil-Thals empor. Einsam steht daselbst, von Wüste umgeben, das koptische Kloster Deier* Embagsag, ein gemauertes Viereck mit ein Paar Kuppeln, in der Mitte ein Baum, der einzige in der ganzen Umgebung, das Ganze allerdings geeignet, um, zurückgezo- gen aus dem Taumel der Sinnenwelt, zu höherer Kontem- plation sich zu befähigen. Bald darauf passirten wir Man- schieli en Nide am linken Ufer, ausgezeichnet durch seine Menge von Taubenschlägen, die den obern Theil der Häu- ser einnehmen. Am rechten Ufer tritt das arabische Ge- birge wieder bis an den Strom und bildet den Dschebel es Schech Mussa. Am Fusse der steilen Felswand liegt das Grab des Schechs. Wie man das Vorgebiige passirt hat, so sieht man in der Ferne die Minarets von Dschirdscheh. Das Gebirge tritt wieder zuri'ick, der Nil durchfliesst eine * Deier, im Arab. ein Kloster. Nach der Aussprache des egyptisch- arabischen Dialektes „Der". Russegger, Reisen. II. Bil. l.Thl. 7 98 weite Ebene, sezt eine Menge von Sandbänken ab, nnd auf einer derselben sahen wir die ersten Krokodile. Es waren zwei dieser Riesen-Eideclisen. Die eine lag auf dem Rücken und sonnte ihren schmutzig-gelben Bauch, die andere lag auf dem Bauche und sperrte den Rachen weit auf. — Jedes dieser Krokodile mochte ungefähr 10 bis 12 Fuss lang seyn, bei der Dicke eines gewöhnlichen Mannes. Da ich mein Kugelgewehr nicht schnell genug zur Hand hatte, so schoss ich mit einer Pistole nach ihnen. Das eine regte sich gar nicht, das andere sah nur ein bischen in die Höhe, um den Störer seiner Ruhe zu entdecken. Wir waren zu entfernt, und der blosse Knall bewog sie nicht zum Auf- stehen, was mich sehr wunderte, denn die Krokodile sind sonst in Egypten ausserordentlich scheu. Der Wind trug eine Menge Wüstensand über den Fluss, und wir mussten uns in unsere Kajüten zurückziehen. Um 3 Uhr Nachmittags ka- men wir in Dschirdscheh an, lösten unsere Kanonen und zogen die vizekönigliche Flagge auf. Wir trafen europäi- sche Reisende daselbst mit zwei Barken. Ein dickes We- sen, ein zweiter Fallstaflf, kam gerade auf einem Eselein von Abydos angezogen, sein Gesicht glühte kirschroth, und die Dynastien der Pharaonen mussten ihm noch stark im Kopfe herumgehen, denn noch betäubte Schwindel seine Sinne. An dem Sattel hingen ein Paar leere Flaschen. Dschirdscheh ist nach Kairo und Alexandria die grösste Stadt von Egypten, hat aber, nach CLox-Bey, nicht mehr als 10,000 Einwohner. Unter diesen befinden sich bei 600 Christen. Dschirdscheh war früher die Hauptstadt von Ober- Egypten. Man zählt 8 Minarets und findet einen ausgedehn- ten Basar, eine Baumwollenspinnerei, ein Konvent der ka- tholischen Missionäre und mehrere ansehnliche Gebäude. Die Gassen sind eng und finster, voll Staub, die Häuser aus Lehmziegeln erbaut, schwarz, wie Festungen, mit Ring- mauern und engen, niedern Thoren. In Dschirdscheh fiel uns das herrschende Elend in Egypten mehr auf, als es seitdem dass wir Unter- Egypten verlassen hatten, noch der Fall war. Elend hat Demoralisation unmittelbar zum 09 Gefolge "^ Das bcstättigt sich auch hier. Die Stadt wim- melt von Freudenmädchen. Die ärmere Volksklasse geht, ohne Unterschied des (Geschlechtes, theils halb nackt, theils nur mit wenigen Lumpen bedeckt. Die Hautfarbe ist ein dnnkles Braun, das Haar der Frauen ist theils in einen Zopf geflochten, theils hängt es wild um die Stirne. Einige Raubanfälle, die in der lezten Zeit stattgefunden haben sollen, machten, dass man uns, unaufgefordert, in der Nacht eine starke Wache ans Schiff stellte, die keine Barke in der Nähe landen liess. Zur Aufrechterhaltung einer schar- fen Fluss-Polizei lag in Dschirdscheh auch ein vizekönigl. Kanonenboot. In der Breite von Dschirdscheh wird die Dom- Palme bereits häufig , und man sieht es ihrem Wüchse an, dass man ihr Vaterland erreicht hat. Bei Bardiss, am lin- ken Ufer, ziehen sich die beiden Bergketten, welche den Strom begleiten, wieder zurück, und ungefähr vier Stunden oberhalb Dschirdscheh und beiläufig li Stunden landein- wärts bildet das libysche Gebirge einen scharf abgeschnit- tenen V'orsprung, ein weithin sichtbares Vorgebirge. Dort, am westlichen Ufer des Kanals von Farschut und in der Nähe des Dorfes Arab el Madfuni, stand einst Abydos. Wenige Trümmer sind von der Stadt noch übrig, die, im Alter mit Theben rivalisirend , bereits vor 7700 Jahren, nach Manetho, königliche Dynastien** ins Leben rief. Die Trümmer, welche man heute noch sieht, stammen aus der Periode der IS. Dynastie. Sie tragen die Namen * Wenn man die, Europäer mit Recht in Erstaunen versetzende, Wolilfeilhcit der Lebensmittel betrachtet, so kann man wirklich bei dem ersten, flüchtigen Hinblicke auf das Volk und seine Lage nicht begrei- fen, woher denn das grosse Elend kömmt, das doch effektive stattfindet. In der Gegend von Dschirdscheh z. B. kauften wir damals 12 bis 14 Stück Brod, jedes beiläufig zu 5 Loth im Gewichte, für 6 bis 7 Para oder einen Kreuzer Konv.-Mze, Ein Volk, das bei solcher Wohlfeilheit hungert, ist doch als erwerbs- und folglich verdienstlos zu betrachten, ja es ist ein Beweis, dass man es förmlich beraubt, sonst mi'isste der Mensch von dem Segen leben können, den ihm die Natur bereitete. ''^ Die tinitisch-thebainischen Dynastien, die 17 Könige zählten, welche durch 549 Jahre herrschten. Abydos hatte in ältester Zeit den Namen „This". 7* 100 des zweiten und dritten Rhamses, zeigen also, diesem zufolge, ein Alter von wenigstens 3420 Jahren (nacIiMAKExiio). Der in- teressanteste dieser Reste ist die bekannte Tafel von AJjy- dos, der merkwiirdigste und AAiclitigste Beleg, den wir flu* die Gesciiichte eines Volkes ijesitzen, das weit über unsere Zeit-Rechnung- hinaus datirt. Diese Tafel gibt uns, so weit sie heut zu Tage noch entzifferbar ist, die Namen von oO Königen von Rhamses III. aufwärts*. Sie befindet sich an der Wand eines jener Gemächer, die zwischen den beiden präclitigen Granit-Tiioren liegen. Diese Thore sammt den Gemächern sind wahrscheinlich die Reste eines Palastes lind nebst den Triimmern eines andern Palastes oder Tem- pels, von meist riesenhaftem Umfange, und gegenwärtig grösstentheils vom Flugsande der Wüste verschüttet, das Einzige, was von der alten Osiris -Stadt uns blieb. Um Älittag kamen wir mit starkem Nordwind an die scharfe und gefährliche Nilwendung zwischen Abu Dschusa und Limbir. Wir sassen gerade unter dem vor der Kajüte aufgespannten Zelte beim Mittagsmahl, als wir mit vollen Segeln auf eine Sandbank liefen. Die Barke erhielt einen furchtbaren Stoss, und wir stürzten fast mit dem Tische zusammen. Das Schiff legte sich zur Seite, die Wellen schlugen über Bord, kurz alle Aussichten auf ein höchst unwillkommenes Bad waren vorhanden, als es zum grössten Glücke durch plötzliches Loslassen aller Segel gelang, die Barke wieder aufzurichten. Nach kurzer Anstrengung wa- ren wir wieder flott und stiegen bald darauf an der Insel Naknak aus, um zu jagen, während unsere Matrosen, des an der Wendung konträren Windes halber, das Schiff auf- wärts zogen. Am Rande des Ufers sonnten sich ein Dutzend Krokodile, die, durch unsere Kugeln in ihren Betrach- tungen gestört, sich blitzschnell in die Fluth stürzten. Eines darunter war sehr gross, und der Reis sagte uns, dass es sich schon seit 7 Jahren beständig an dieser Stelle aufhalte. Die Menschen, die auf den Feldern herum arbeiteten, waren alle nackt und von einer sehr dunkelbraunen Farbe, auch * Man sehe über die Tafel von Abytlos die Werke von Prokesch, den beeiden Champollions etc. 101 schien mir der Schnitt der Gesicliter im Allgemeinen nicht nielir den rein arabischen Typus an sich zn tragen, wie man ihn in Unteregypten und in Kairo so ausgezeichnet beob- achtet, es war bereits darin eine Vermischung der beiden Nachbar-Rassen, der arabischen mit der nubischen zu be- merke n. Oberhalb der Insel Naknak nähert sich das arabische Gebirge wieder dem Strome und bildet den schönen Dsche- bel el Schech. Wir passirten das Städtchen Farschut oder Farschjut am linken Ufer, in dessen Nähe der grosse Kanal beginnt, der sich bis Sint erstreckt und einst mit dem Joseph- Kanäle in Verbindung stand, und legten für die Nacht am Dorfe Sach el Abu Sabad an. Gegenüber liegt der Dsche- bel Monieh , ein hohes Stück des arabischen Gebirges mit einem grossen Plateau anf seinem Rücken. Der Anblick dieses Gebirges in der hellen Mondnacht war ausnehmend schön; seine senkrechten Wände, kahl und zerrissen, die Spitzen wie Thürme emporragend, gaben ein herrliches Bild. Die Dompalmen werden in dieser Gegend bereits sehr häufig. Man sieht unter ihnen schöne, kräftige Bäume, und sie bil- den mit den Dattelpalmen zusammen wahrhaft malerische Gruppirungen. Aus Tamarix africana werden in der Um- gebung Kolilen gebrannt, zu welchem Zwecke man sich kleiner Gruben bedient, die man eigens hiezu ausgräbt. Am 12. Januar gelangten wir am frühen Morgen an die zweite gefährliche Stelle des Nil unterhalb der ersten Ka- tarakten, es ist die zwischen Hau am linken und Kassr Sajäd am rechten Ufer. Die Gefahr besteht in einer gäben Wendung des Stioms und in einer Menge von Sandbänken. Wir passirten die Stelle ohne Anstand mit frischem Winde und vollen Segeln. Das arabische Gebirge zieht sich anfänglich dem Strome entlang, oberhalb Kassr Sajäd abei'-Avieder ins Land zurück. Das Nilthal entwickelt eine Vegetationsfülle, die Avir bisher inEgypten, einige Thelle von Ünter-Egypten ausgenommen, nicht gesehen hatten. Es ist schön, wie ein grosser Garten, und das linke Ufer ist bis zum libyschen Gebirge eine stark bebaute Ebene. Das arabische Gebirge spriclit sich in schönen, scharfen Formen aus, Gruppen von 102 Dattel- und Dom-Palmen begränzeu beide Ufer. Bei Samata salien wir wieder Krokodile. Sie waren uns bereits nicht mehr nen; denn täglich bekamen wir welche zu sehen, alle w aren aber so scheu, dass sie sich sogleich , als die Barke sich näherte, ins Wasser stürzten. Die Furchtsamkeit die- ser Thiere ist, wenn sie sich ausser dem Wasser befinden, eine allgemeine Eigenschaft derselben, besonders gross aber ist dieselbe bei denen in Egypten, was auch erklärlich, da jeder Reisende, der an ihnen voriiber fährt und im Besitze eines Schiessgewehres sich befindet, ihnen auch regehuässig ein paar Kugeln spendirt. Gegen Sonnenuntergang passir- ten wir el Machgar am linken Ufer. Das libysche Gebirge nähert sich dem Strome und die gelbrothe Sandvvüste bildet von hier bis gegen Denderah, Kenne gegenüber, das ganze linke üferland. Das Gebirge ist voll Katakomben. Bei el Machgar sahen wir unter andern sehr schöne Wasserzüge oder Sakien zur Bewässerung des Bodens, welche der Vize- könig erbauen liess. Um 9 Uhr Abends kamen wir in Kenne an. Einer unserer Matrosen, ein Nubier aus dem Berber-Lande, ein junger schöner Schwarzer und, wie fast alle seine Landsleute, äus- serst zart gebaut, erkrankte uns heute an der Ruhr und zwar gleich so heftig, dass wir für sein Leben besorgt wa- ren. Unser Dr. Veit, der ihn sogleich in Behandlung nahm, hatte mit seinen Patienten einen äusserst harten Stand; denn ungeachtet der für diesen Fall hinlänglichen Sprach- kenntniss konnte er aus dem Berber, der vollkommen seiner Sinne mächtig war, nichts herausbringen. Es ist diess ein bei den Schwarzen von mir häufig beobachteter Fall. Wie sie erkranken, so werden sie stumm und in sich gekehrt, und weder durch Bitten noch durch Drohungen ist von ihnen Aufschluss über ihren Zustand zu erhalten. Auch wies der Arme die dargereichten Arzeneien zurück i;nd überliess sich den abergläubischen Mitteln seiner Gefiihrten, die ihm daini das Wasser zu trinken gaben, womit sie die auf ein Brett geschriebenen Sprüche aus dem Koran abgewaschen hatten, und dgl. m. Von Kenne aus bestellten wir auch in Kairo einen zweiten Transport von Lebensmitteln, die wir zu 103 unserer weitern Heise von Charduni aus benöthig;ten und die daher den weiten Weg- bis dahin zu maclien hatten. Am nächsten Morgen gingen wir in die ^ Stunde vom Strome entfernte Stjidt, die, in der Ferne gesehen, durch ihre Palmen und Mimosen-Gruppen und durch das grosse weisse Fabrik-Gebäude des Vizekönigs, seine Baumwollen- Spinnerei nämlich, sich allerdings freundlich ausnimmt; be- tritt man aber das Innere, so sieht man, wie gewöhnlich in Egypten, einen Haufen von Schutt, von halb verfallenen Häusern, eine Menge von Schmutz und Elend. Wir erkun- digten uns* nach den Agenten unserer Nation, und man führte uns über den Markt, wo eine Menge schöner Kamele zum Verkaufe ausgestellt waren, zu einem arabischen Kaufmanu Namens Hussein. Eine wahrhaft patriarchalische Gestalt, gross, mit edlen Gesichtszügen und schneeweissem Barte, neben sich seinen Enkel, einen hübscheu Jungen von 14 Jahren und schon verhelrathet, empfing er uns auf das zuvorkom- mendste und versicherte uns, dass er zu gleicher Zeit Agent von Osterreich und von England sey. Wir hatten noch nie nöthig gehabt, uns um die Persönlichkeiten der dortigen Agenten zu erkundigen und glaubten daher wirklich bei dem österreichischen Agenten auf Besuch zu seyn. Erst später, und fast ein Jahr nach diesem Besuche, erfuhr ich * Kenne ist der eine Endpunkt der Handelsstrasse von der Küste des rothen Meers an den Nil, in direkter Verbindung mit Kosseier, dem Emporium des arabischen Handels an der afiikanischen Küste des rothen Meers, und folglich in merkantilischer Beziehung wichtig für Egypten sowohl, als für die mit Ostindien in Verbindung stehenden europäischen Nationen. England hat daher hier einen eigenen Agenten. Dass Öster- reich in Kenne ebenfalls einen Agenten besizt, obwohl sein Handelsin- teressc daselbst keineswegs einen solchen erfordert, kömmt daher, weil die Propaganda in Rom mehrere Missionen in Ober-Egypten etabiirte und diese unter österreichischen Schutz gestellt waren. Es war daher ei« Agent als Mittelorgan zwischen diesen Missionen und dem Schutzherrn, respectivc dem österreichischen Generalkonsulate in Alexandria, nöthig, und dieser Agent, der, wie häufig, von seinem Posten keine andern Be- züge genoss, als dass er im Schutze der europäischen Macht stand, der er zugehörte und nicht unbedeutende Handels-Begünstigungen erhielt, wählte Kenne, als für seine Privatgeschäfte am geeignetsten, zu seinem Aufenthalts-Ortc. 104 (liireh einen Brief, der mir in Seniiaar zukam, dass unser Gastfreund keineswegs der österreichisclie Agent, sondern der englische gewesen sey, nnd dass er uns nur desswegen im Irrthnme gelassen, nm die Ehre zu haben, uns Fremde in seinem Hause zu sehen. Gouverneur von Kenne war Scha- WAN-Bey, ein noch junger, kleiner, dicker und sehr jovialer Mann, der gerade Diwan hielt, als wir zu ihm kamen. Wir hätten gerne den Verhandlungen einige Zeit beigewohnt, jedoch es drängte uns, das Kenne gegenüber am linken Ufer des Nil liegende Denderah zu sehen, und wir fuhren daher Mittags mit einer Barke über den Strom. Der Plügel, worauf einst Tentyra stand, ist fast eine Stunde vom Ufer entfernt. Wie wir ans Land stiegen, waren auch schon die Fellah des nahen Dörfchens mit ihren Eseln da, und nun ging es in kurzem Galopp der Wüste zu. Am Rande der- selben, auf einem Hügel, rings umgeben von Schutthaufen, zum Theil bedeckt von dem Flugsand der Wüste und von den garstigen Resten der garstigen Baukunst der heutigen Egypter, sahen wir auf einmal den besterhaltenen der alt- egyptischen Tempel, den Prachttempel von Tentyra vor uns. Sehr verschieden ist der erste Eindruck dieses herrlichen Monumentes, wenn man es vor den Tempeln von Theben sieht, oder später. In lezterm Falle, nach dem Anblicke der riesenhaftesten Denkmale, die die Erde aufzuweisen hat, scheint Aphroditens Heiligthum* zu Denderah zwar minder grossartig in seiner Anlage, aber seine Schönheit, die glückliche Milderung des egyptischen Ernstes durch griechische Klarheit und Grazie im Baustyl, bleibt immer gleich; in ersterm Falle jedoch erscheint er dem Fremdling aus dem fernen Norden nicht nur schön, sondern auch gross. So ging es uns, und wir standen staunend an der Schwelle, einmüthig von dem Gedanken beseelt: das haben wir nicht erwartet. Ohne hier mit einer eio:enen Beschreibuns: dieser Reste einer klassischen Zeit weiter zu belästigen, berufe ich mich in dieser Beziehung auf die in der Vorrede er- wähnten Werke von Prokesch, beiden Champollions, * Dass der Tempel zu Denderah einst der Venus (Hatlior) und nirlil der Isis gewcilit war, ist längst dargctiian. 105 MiNUTOLi, Rüssel, Parthey etc. und werde nur eiiilo^e der In- teressantesten Gegenstände einer besondern ßetraclitun»- un- terziehen. Das grösste und wichtigste Denkmal alter Kunst zu Denderah ist der grosse Tempel der Venus, dessen ältester Theil, in Bezug; der Periode der Erbauung, in die Zeit der reizenden Kleopatra, in das 1. Jahrhundert vor Christo fällt. Bevor man zu dem praclitvollen Portikus gelangt, der den eigentlichen Eingang des Tempels bildet, passirt man ein freistehendes Thor, der Struktur nach einer römischen Triumphpforte nicht unähnlich. Dasselbe vertritt hier die Stelle der Pilonen an den altern und ältesten Tempeln von Egypten und ist, meiner Ansicht nach, schon desshalb ein Beweis für den Jüngern Ursprung dieser Denkmale, weil daran die Annäherung des altegyptischen Baustyls an den neuern der Griechen- und Römer-Zeit nicht zu verkennen ist. Die Höhe dieses Thores beträgt an 41 Fuss, bei einer Breite von 32 und einer Tiefe von 17 Fuss. Die Wände sind mit Sculpturen bedeckt, die, weniger schön als reich, mit einem Aufwände ausgeführt sind, der Erstaunen erregt. Wie man durch dieses Thor tritt, sieht man den Portikus des grossen Tempels dicht vor sich. Derselbe besteht in 24 Säulen, jede von 7 Fuss im Durchmesser und 32 Fuss hoch. Diese Säulen stehen in zwei Abtheilungen zu beiden Seiten des Einganges, vier Reihen hintereinander bildend. Die vorderste dieser Reihen ist durch eine Halbmauer ver- bunden, die nur den Eingang in der Mitte offen lässt. Die beiden Säulenreihen zu Seiten des Einganges bilden so zu sagen das Portal des Tempels und die bei mehrern Tempeln von Egypten beobachtete Eigenthümlichkeit, dieses Portal dadurch zu konstruiren, dass kürzere, Pfeiler-artige Säulen an die innere Seite der grössern am Eingange angelehnt wurden, bewährt sich auch hier in ihrer ganzen, wahrhaft ästhetischen Würde und Schönheit. Die Seitenwände die- ser Säulenhalle, so wie die Säulen selbst sind mit Reliefs bedeckt, Götterbilder und Hieroglyphen. Dem schönen Ge- sichte der Kleopatra und dem Bilde ihres und Cäsars Soiin begegnen wir in vielerlei Formen. Einige der Sculpturen 106 sind schön gehalten, und besonders sind die Profile der Frauen-Gesichter äusserst lieb und sinnig, doch die im Gan- zen kalten, viereckigen und spitzwinklichten Figuren ohne Perspektive mit den warmen lebenvollen Götterbildern der Griechen zu vergleichen, wäre, wie ich glaube, zu weit ge- gangen, so wie auch Champollion d. j. zu weit geht, da er, von Theben kommend, diese Reliefs abscheulich nennt. An der Decke dieses Portikus befindet sich der grosse Thier- kreis, der kleinere, der nach Paris wanderte, befand sich in einem der obern Tempelgemächer. Beide Thierkreise waren der Gegenstand eines langen Kampfes der Theorien. Man berechnete auf bei den Haaren herbeigezogenen Grün- den fiir den Tempel ein Alter von nahe 16,000 Jahren, und manche Gelehrte stellten sich in ihren illusorischen Zahlen- Angaben auf eine Höhe, die kein Kriterium für ein ruhiges, besonnenes Urtheil abgibt. Wie ein Strahl des Lichtes durchdrangen daher die Nacht der Hypothesen die Unter- suchungen von Visconti und Letronne*. Sie thaten a priori dar, dass dieses Monument in Bezug seiner Entstehung höchstens in die Zeit von Christi Geburt fallen könne. Sehr sinnreich, bewiesen sie, dass der Thierkreis keine astronomi- sche, sondern eine astrologische Bedeutung hatte, und dass selbst dann, wenn man seine Zeichen-Stellung einer besondero chronologischen Würdigung unterzieht, der Umstand, dass beide Thierkreise mit dein Löwen beginnen, für ihre Be- hauptung spricht; denn um die Zeit von Christi Geburt musste das egyptische Jahr mit dem Zeichen des Löwen begonnen haben^ Die von Visconti und Letronne aufge- stellten Behauptungen wurden von Vielen anerkannt; Viele, die nicht recht den Muth hatten, sich auf die eine oder an- dere Seite zu stellen, suchten par juste milieu durchzukom- men, bis endlich Champollion d. j. mit Bestimmtheit ge- sciiichtlich nachwies, dass die ältesten Theile des Tempels * Observat. critiques etarchaeolog. sur l'objet des representations Zodiacales qui nous restent de ranfiquite. Paris 1824, GouuANOF, Bemerkungen Über den Thierkreis von Denderah. Dres- den 1832. Lalakte, über die Berechnungen des Visconti in den Connaissances des tcuis vom J. 1807 etc. 107 der Zeit dei' lezten Kleopatra und die jüng-eni der späterer löinisclier Imperatoren angehören, und so Avard die Ansicht des Visconti und Letronne ghänzend gereclitfertigt. Viel zu diesem Wirrwarr trugen die unrichtigen Ahbildungen des Thierkreises bei, die durch die französische Expedition ver- breitet wurden, die das merkwürdige Denkmal so darstellt, wie sie es gemacht haben winde , wenn sie den Auftrag hiezu gehabt hätte, und nicht so, wie es ist. Man legte den alten Egyptern eine Kenntniss der Astro- nomie bei, die sie im geringsten Falle uns gleich stellt, und sie würden erstaunen, zu sehen, dass sie ohne unsern Herschel, DoLOND, Fraunhofer, Plössl etc. auch schon so weit ge- wesen seyn sollten , als wir jetzt sind. Das Erstaunen ist aber auch füglich auf unserer Seite, wenn wir aus den Worten eines der lezten Reisenden (aligemeine Zeitung vom J. 1842) vernehmen , dass w i r die Schiefe der Ekliptik noch nicht kennen, und dass desswegen die deutschen und italienischen? Karte«! die Lage von Assuan unrichtig angeben. Das Innere des Tempels besteht aus vier Sälen und einigen Seitenge- niächern. Die Decke des ersten Saals, Gewölbe waren den alten Egyptern unbekannt, tragen sechs Säulen mit Palmen und Lotus-Knäufen, alles mit Rehefs bedeckt, die, wie überhaupt in den egyptischen Tempeln , bemalt waren und Zeugniss von einer imponirenden Pracht geben, die da einst geherrscht liat. Stiegen führen zu den obern Tempelgemächern, deren Wände mit religiösen und astrologischen Reliefs bedeckt sind. Es lassen sich uoch zehn solcher Gemächer, obwohl einige in höchst ruinirtem Zustande, nachAveisen. Die Aussenseite des Tempels ist mit Sculpturen bedeckt, und wir begegnen wieder den Bildern der Hathor (Venus) und ihrer würdigen Repräsentantin auf Erden, der schönen Kleopatra nebst ihrem Sohne, in mannigfaltigen Wiederholungen. In wie ferne manche dieser Bilder Darstellungen der Isis zum Gegenstande haben, wage ich nicht zu entscheiden. Auch darüber wurde schon viel gestritten, und es scheint, das man in dem kolossalen Bilde dieser Königin ein Bild der Isis gesehen haben will. Ausser dem grossen , der Hathor geweihten Tempel sieht man im Bereiche der Ruinen, innerhalb der Tempel- 108 Uinwallung- noch die Trümmer zweier kielner Tempel. Der eine, liinter dem grossen Tempel liegend, war der Isis ge- weiht, der andere, vordere, dem Typlion*. Im Typhonium stehen noch 10 Säulen und Pfeiler mit Palmen und Lotus-Knäufen, in der zierlichsten Ausfühiung, so dass sie einen noch freundlichem Eindruck machen, als die Säulen des grossen Tempels, An den Kapitalem ist an jeder Säule viermal das Bild des Typhon, eine furchtbare Fratze, aber hübsch gearbeitet. Es scheinen noch mehrere aus der Zeit der Imperato- ren stammende Gebäude in der Nähe des grossen Tempels gestanden zu haben, und sämmtliche Monumente des alten Tentyra scheinen von einer viereckigen Umwallung, von un- gefähr 1000 Fuss Seite, nmgeben gewesen zu seyn. Man bemerkt noch die Reste dieser Umwallung oder Mauer, die wenigstens 30 Fuss Höhe und 14 Fuss Dicke gehabt hahen muss. Sie ist aus rohen Ziegeln erbaut und hat ganz das Ansehen eines römischeu Festungsbaues. Sie dürfte, in Be- zug ihrer Erhauung, zusammen mit den jüngsten Theiien des Tempelbaues in die Zeit der Imperatoren Tiberius, Nero, Trajan etc. fallen. Auf dem Dache des grossen Tempels befinden sich die Trümmer eines Fellah-Dorfes, ein scheuss- licher Kleks der Gegenwart auf dem Glänze einer grossen Vergangenheit. Wüste umgibt heut zu Tage den Hügel von Tentyra, die einstige Akropolis dieser Stadt, deren Grösse noch aus den Schutthäufen errathen werden kann, die die Tempel umgeben. Zwischen den Ruinen und dem Flusse liegen nieii- rere Palmen-Wäldchen, wo , als wir durchritten , halbnackte, *■ Die alten Egyptcr hatten ein gutes und ein böses Prinzip. Lez- terem, dem Typhon, errichteten sie stets kleine Tempel neben ihren grös- sern, den guten Göttern geweihten, um ihn gleichsam in gutem Humor zu erhalten. Es scheint in vieler Bezieluing, dass diese Idee der getrenn- ten Prinzipe alle Zeiten und Völker durchwanderte, sie lebt in den Dogmen des Zoroastcrs, in der Religion der Griechen und Römer, und lässt sich bis zum Teufel verfolgen. Erst durch die göttliche Lehre des Christen- thums, durch deren Liebe und Milde, wurde jenes böse Agens ganz in den Hintergrund gestellt, und seine Verehrung fiel, einem allmüchtigen und allgiitigeu Wesen gegenüber; als unnatürlich weg. 109 schwarzbraune Fellali ihre ßüffelheerden im Schatten der Dom- und Dattelpahnen hüteten, ein licht exotiscliei- Anblick. Von den Ruinen weg- machte ich mit Pruckner und Mortsch einen Ritt in die Wüste , bis zum nahen libyschen Gebiroe. Wir erstieoen die höchste der uns zunächst Heißenden Knp- pen und sahen jenseits ein tiefes Thal und darüber hinaus wieder Berge der W^üste. Nie noch in meinem Leben hatte ich eine trostlosere, schauerlichere Gegend gesehen, als jenes Thai, ein wahres Bild des Todes. Nichts als Sand und Ge- rolle, wild zerklüftete Felsmassen, kein Baum, kein Strauch, kein Grashalm, keine Spur eines kriechenden Mooses, jede Vegetation erstorben. Auf dem Rücken des Gebirges schoss ich einen schönen Caprimnigus, eine jener launigen Phan- tasie-Geburten der Natur, die dem hohen Süden vorzüglich eigen sind. Die Sonne war schon untergegangen , als wir das Ge- birge verliessen, und wir legten den zwei Stunden langen Weg bis zum Ufer im hellen Mondschein zurück. Grabesstille hatte sich auf Wüste und Kulturland gelagert, die Trüm- mer von Tentyra warfen lange Schatten auf die Sandebene hin, wie Geistertöne fuhr der Nachtwind durch die weiten Säulenhallen, die Götterbilder sahen ernst auf uns hernieder, nichts störte den tiefen Schlaf der Jahrhunderte, die in Glanz und Pracht, im Drange des Krieges, in Druck und Elend an diesen Monumenten vorüber gegangen waren. Auch wir ritten schweigend unsern Weg, es war ein ernster und schö- ner Augenblick. Als wir auf unserer grossen Barke wieder anlangten, fanden wir unsern armen Berber schon todt. An der Stelle, wo er nach kurzem Leiden starb, hockte ein Schech , der die ganze Nacht durch Gebete sprach, um die Rückkehr des Verstorbenen zu hindern. Die Matrosen hatten die Leiche ihres Gefährten nach dem nächsten Dorfe gebracht, und am folgenden Morgen fand die Beerdigung statt. Wäh- rend unserer Abwesenheit war auch eine zweite Barke mit einer englischen Familie angekommen , die auf ihrer Rückreise von Ostindien nach England nicht nnterliess, eine Wallfahrt nach Theben zu machen. Kenne soll nach CLOT-Bey eine Bevöl- kerung von 10,000 Seelen haben, was ich jedoch kaum glauben 110 kann , und ich vermntlie, dass dieselbe kaum mehr als die Hcälfte betrao;en dürfte. Übrigens ist die Stadt zur Zeit, wenn die grosse Pilger-Karavane jährlich nach Mekka zieht, voll- gepfropft von Fremden, da ein grosser Theil der Pilger statt des beschwerlichen Landweges von Kairo über Siies und längs der Küste von Arabien die bequemere Heise auf dem INile nach Kenne, von da die nur drei Tagreisen betragende Route nach Kosseier und von dort die Überfahrt nach Djedda wählt, wo sich die sämmtlichen Karavanen versammeln , um prozessionsweise nach Mekka, zu ziehen. Im Alterlhume soll der Nil bei Kenne mit dem rothen Meere bei Kosseier durch einen Kanal verbunden gewesen seyn , von dem man aber keine Reste mehr entdecken kann. Ein Haupt-Industrie- Zweig der Bewohner von Kenne ist Verfertigung der Bar- daken oderGules, Thonkrüge zur Aufbewahrung des Wassers. Da diese Krüge, die meist eine antike und höchst zierliche Form haben, weder gebrannt noch mit Glasur bedeckt, son- dern nur an der Sonne getrocknet werden und so fest sind, dass sie im Wasser nicht mehr zerfallen, so erfüllen sie einen doppelten Zweck. Sie lassen nämlich einen Theil des trüben Wassers durchsickern, das sich dadurch filtrirt und ganz klarwird. Theils erzengen sie durch die Verdunstung des durch- sickernden Wassers an ihrer äussern Oberfläche eine bedeu- tende Herabsetzung der Temperatur, durch die der bei wei- tem grössere Theil des Wassers, der in ihnen zurückbleibt, kühl erhalten wird und die in einem heissen Klima so nöthige Erfrischung darbietet. Das in den Bardaken zurückbleibende Wasser klärt sich, wenn auch unvollkommen, durch ruhiges Stehenbleiben, oder man klärt es durch klein zerschnittene Mandeln oder Bohnen, die man in ein Stückchen Zeug ein- wickelt, womit man einige Mal im Wasser herumfahrt. Nach wenigen Minuten tritt die Kiänung ein, eine merkwürdige und in Egypten allgemein bekannte Methode , die man beson- ders bei den grossen, bis zu li Eimer fassenden Wasser- krügen anwendet, die den Trinkwasserbedarf eines ganzen Hauses für jeden Tag fassen, und die nach Bedarf der An- zahl stets an solche Orte des Hauses gestellt werden, wo den ganzen Tag hindurch frischer Luftzug statt findet. Die 111 Art und Welse diese Bardaken flussab^väl•ts zu transportireii ist zum Tlieile ganz eigentliümlicli. Mehrere Hunderte der- selben werden nämlich, mit der Öffnung- nach unten gekehrt, mitDattelbast-Stiicken zusammengebunden und durch Balken in einem viereckigen Räume, wie ein Floss, zusammenge- halten, auf diese Lage ladet man nun die übrigen Bardaken. Der Gegendruck der Luft auf das Wasser in den Bardaken der untern Lage erhcält die Vorrichtung schwimmend, die durch ein paar Männer, die oben darauf sitzeu, auf ihrem Wege gelenkt wird*. Es mag diess wohl, so wie die Bardaken- Anfertigung an und für sich, eine Erfindung der ältesten Zeit seyn, die erwähnte Art des Trausportes jedoch wird In neue- ster Zeit, bei der starken Zunahme der Barkenzahl, immer seltner , da man den Transport auf Schilfen doch bequemer und sicherer findet. Die Bardaken sind ein wesentliclierHauptbestandtheil jeder egyptischen Haushaltung, und jeder Araber, auch der ärmste, hat deren ein paar. Sie sind des grossen Verbrauches halber ausserordentlich wohlfeil, und ein Stück der kleinern Art, un- gefähr 1 Maas haltend, kostet nicht mehr als ^ Kreuzer Konv.-Mze. Vor unserer Abreise besuchte uns am frühen Morgen der vermeintliche österr. Agent Hussein. In seinem Gefolge war ein Zwerg, der bei einem Alter von ungefähr 3ü Jahren nicht mehr als 3^ Fuss Höhe hatte und gut gebaut war. Er begleitete den alten Hussein gleichsam als Lustigmacher. Li dessen Gefolge befand sich aber auch eine andere nicht uninteressante Gestalt, nämlich ein durch die Siphylls zu Grunde gerichteter Araber , der in einen erbärmlichen Zustand versetzt war. Solche Verunstaltungen und ein solcher Grad dieser Krankheit ist in den heissen Ländern des Innern von Afrika etwas Seltenes. Die Natur scheint durch die starke und fortdauernde Ausdünstung, der sie den Älenschen in jenen Himmelsstrichen unterwirft, den zerstörenden Einfluss des Krank hei ts-Stoff'es auf den Organismus sehr zu mindern, daher * Eine ein beiläufiges Bild eines solchen Transportes gebende Ab- bildung enthält Tafel XXV zu Miivutom's Reisewerk. 112 clieseKranklieiten zwar sehr hiuifigchionisclnverden, aber nicht leicht eilten bösartigen Cliarakter annehmen. Wir waren ein- mal an dem Tage bestimmt, die Menschen- von der leidenden Seite kennen zn lernen , denn bald hernach bekam eine jnnge Araberin in der Nähe des Schiffes einen Anfall von Veits- tanz in hohem Grade, im Ganzen zwar mit denselben Sympto- men, wie er in Europa auftritt, nur, wie überhaupt im Süden es bei den meisten Krankheiten dieser Art der Fall ist, heftiger und wirklich Entsetzen erregend. Um Mittag- brachen wir auf und sezten mit frischem Nordwinde unsere Reise nach Theben fort. Oberhalb Kenne nähert sich das libysche Gebirge dem Nile bis auf eine halbe Stunde. Die Berge beider Ketten werden höher, steigen meiner Schätzung nach bis zu 1000 Fuss Meereshöhe an und haben scharfe und höchst pittoreske Formen. An den Ufern stehen kräftige Pahneii-Wälder. Am Dorfe Abu Nud sahen wir vor uns die Berge von Theben, der hundertthorigen Götter- stadt, und ein heiliges Gefühl durchbebte uns bei dem Gedan- ken , bald die grössten und herrlichsten Älonumente zu sehen, die die Zeit durch Jahrtausende als Zeugen eines, mensch- liches Vermögen fast übersteigenden Kraft- und Geist-Auf- wandes uns aufbewahrt hat. Wir passirten Keft, das alte Koptos, und Kus, das alte Apollinopolis parva, am rechten Ufer, einst blühende Handelsstädte an der Hauptstrasse vom Nilthale nach Berenice am rothen Meere, jezt Dörfer voll Schmutz und Elend. Ein Kanal durchzieht die Ebene vor dem arabischen Gebirge. Wir hielten für die Nacht am Dorfe Neslet el Tooch. Die Nacht war schön und mild, der Schlaf wollte nicht kommen, die schönen Sternbilder glänzten in ihrer hier nie getrübten Reinheit. Wir bereite- ten uns im Geiste schon auf die Herrlichkeiten der nächsten Tage vor. In der Gegend von Tooch sahen wir eine ganz eigene Schafrasse. Sie sind dunkelbraun und schwarz, grob, aber so dickwollig, dass sie, besonders um die Füsse, unsern schwarzen Pudeln ganz ähnlich sehen. Mit Tagesanbruch des 15. Januars kamen wir an die 113 lezte der drei gefahrlichen Stellen des Nil vor Theben. Die Gefahr besteht in einer Menge von Untiefen, welche die Fahrt sehr erschweren, sie wenigstens sehr langweilig machen ; wir stiegen daher, während das Schiff gezogen wurde, ans und ergözten uns mit der Jagd. Das Land scheint sehr frucht- bar zu seyn, ist aber, ohne Zweifel wegen mangelnder Be- völkerung, doch nur stellenweise bebaut. Um Mittag befanden wir uns bei Nagadi am linken Ufer. Sennaar-Ochsen arbeite- ten an den Sakien. Ungeheure Thiere , an Grösse die grössten ungarischen Ochsen noch übertreff^end , die ich je sah. Sie haben auf dem Rücken grosse Höcker, die man beim Ein- spannen als Stützpunkt für die Last benüzt, wie man au andern Orten die Stirn oder den Nacken des Ochsen hiezu in Anspruch nimmt. Mit Sonnenuntergang lagen die libyschen Berge bei The- ben dicht vor uns, des schwachen Windes halber ging es aber nur langsam vorwärts. Wir zappelten vor Ungeduld. Die Sonne sank hinter die Berge und warf ihre lezteu Strah- len in das weite Nilthal und auf den herrlichen, über 1200 Klafter breiten Strom. Um 9 Uhr befestigte man unsere Dahabie am Ufer bei Kurnu. Araber umgaben uns, ihre Dien- ste für den folgenden Tag als Führer zu den Ruinen anbie- tend; wir waren in Theben. Es war gerade ein Jahr, dass wir uns in Triest eingeschiff"t hatten. Welche Masse von Erinnerung-en aus dieser kurzen Zeit! "&' S) Tlteben. Als die Sonne am 16. Januar ihre ersten Strahlen auf die Trümmer von Theben warf, sassen wir schon zu Pferd und Esel , um unsere Runde im Bereiche der grössten Stadt des Alterthums* zu beginnen. Den Resten zufolge, die uns von der alten Götterstadt geblieben sind und die wir noch heut zu Tage in der 2 geogr. Meilen breiten Thalebene zwischen dem arabischen und * Zahlenangaben, deren objektive Begründung wir nicht sehen oder nachweisen können, rechne ich nicht. Theben ist die grösste Stadt des Alterthums, unter allen denen, deren Ausdehnung wir heut zu Tage noch beurtheilen können, ohne sie geradehin blos glauben zu müssen. K Ufcs egger, RiiN'.n. II. BiU 1. Thl. 8 114 libyschen Gebirge zerstreut sehe», muss Theben, welches zu beiden Seiten des Stromes lag', einen Umfang von wenigstens 5 geogr. Meilen gehabt haben, folglich grösser als Paris gewesen seyn *. Der grössere Theil von Theben scheint am rechten Ufer des kolossalen Stroms gelegen zu haben, der, sammt seinen Inseln, in einer grössten Breite von wenigstens 1200 Klafter, die Stadt mitten durchfloss. Dort befanden sich, nächst den riesenhaften alten Tempelbauten von Indien, die gr.össten Tempel und Paläste der Welt, an Grossartigkeit in Idee nnd Ausführung Alles weit hinter sich zurücklas- send, was der Mensch je in diesem Fache geschaffen hat**. * Paris hat einen Umfang von 3 gcogntphischen Meilen; London, die Weltstadt, aber einen solchen von 6 geogr. Meilen, zu welcher riesen- mässigcn jiusdelinung die grossen Plätze, Gärten, Bassins und dermäch- tige Strom in ihrer Mitte viel beitragen. *'' Die alt-indischen Tempelbauc, rein buddhistischen Ursprungs und wohl kaum ein Alter von 3000 Jahren erreichend, stehen an ästhetischer Pracht des Baustyls, und besonders der innern und äussern Ausschmückung, von unserm Gesichtspunkte aus betrachtet, den Tempeln von Theben unstreitig nach, jedoch sind unter erstem einige, welche an Grösse des Unifange.s und der Oberfläche die Haupt-Tempel von Karnak und Luxor, einzeln genommen, noch übertreffen, so z.B. die Pagode Schwe Madou in Pegu, ein roher Riesenbau, dessen Basis eine Area von 840,401 Paris. DFuss einnimmt, der auf 2 Terrassen steht und zu einer Höhe von 339 Paris. Fuss sich erhebt; die gigantischen Felsentcmpel von Jonagrah Girina, aus demselben Fels gehauen, auf dem sie stehen, und bekannt durch die Masse von Granit- und Syenit-Säulen, die sie stützen; die schonen Tempel auf dem Arbuda bei Sirohi, der Olymp von Raipu- tana, nicht so sehr durch ihre Grösse ausgezeichnet, als durch Kostbar- keit des Materials und Schönheit des Styls bekannt, die ersten Tempel Indiens; die Felsentempel von Udajagiri in Cuttak, die in Dhauli, die von Ellora, Elefante, Salsette, Mahamalaipuram, Somnath und so mehrere andere. Betrachten wir hingegen die ganze Tempelmassc, welche auf der Terrasse von Karnak und nur innerlialb der Umwallung steht, als ein zusammenhängendes Ganzes, Mas es auch ist, berücksichtigen wir, dass diese Tempelmasse eine Area von mehr als 3 Millionen Paris. DFuss einnimmt, auf welcher Fläche ein Pracht-Gebäude sich ans andere drängt und alle miteinander in Verbindung stehen, und blicken wir noch hin auf die Fundamentbaue, die der Errichtung dieser Tempel-Massen vor- hergehen mussten, und die so gigantisch sind, dass ihre Schilderung uns mährchcnhaft klingen müsste, wären wir nicht von ihrem wirklichen 115 Der am linken Ufer gelegene Theil von Theben war schmä- ler als der gegenüberliegende, aber auch ihn zierten die herrlichsten Tempel und Paläste, und in sein Bereich gehö- ren die bekannten Memnons-Kolosse. Die ganze Stunden breite Thalebene war also theils mit Stadt bedeckt, theils bebaut, wofür die Spuren der vielen Kanäle Zeugniss geben, die heut zu Tage wasserlos die wasserlose Wüste zwischen dem grünen üferland und dem libyschen und arabischen Gebirge noch stieckenweise durchziehen*. Die eine der beiden Bergketten , welche diese Stadt, oder, vielleicht besser gesagt, diese Masse von Städten in weiterer Begränzung eingeschlossen haben , das libysche Gebirge nämlich, ist von Katakomben und Gallerien ganz durchlöchert, und in einer Längenerstreckung von fast zwei geogr. Meilen sieht man am Rande der Bergkette nur Grab an Grab, wohl die grösste Nekropolis bildend, die bekannt seyn durfte. Der wichtigste und interessanteste Theil dieser Todtenstadt sind die Hypogeen in den Thälern Assassiff und Bab el Moluk (die Pforte der Könige). Die Schlucht von Bab el Moluk oder Bab el Melek zieht sich nordwestlich von Kurnu mit verschiedenen Krümmungen ins libysche Ge- birge hinein, das Thal von Assassiflf aber erstreckt sich von Kurnu aus in West und ist im Hintergrunde von dem Thale Bab el 3Ioluk nur durch ein schmales Gebirgs-Joch getrennt. Vorhandenseyn überzeugt; so sehen wir, avic weit Indiens Riesenbaue selbst an Grüsse des Unifangs und der Anlage den Denkmalen von The- ben zurückstehen. Über die Baue der alten Inder sehe man: Hoffmann, allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste. 17. Band. Leipzig 1840. Ritter, Erdkunde etc. Die Bände-Reihe von Asien. Ritter, die Stupas, oder die architektonischen Monumente an der gros- sen Königsstrassc Indiens. Berlin 1838. V. Bohlen, das alte Indien. 2 Bde. Königsberg 1830. Tod, Annais of Rajasthan. Montgomery M., history of the british Colonies. Viele Abhandlungen in den Asiatic Researches und in den Transactions of R. Asiat. Society etc. * Plan von Theben im Atlas zu Ritters Erdkunde, I. Band und im Atlas zu Pabthbt „Wanderung durch das Nilthal." 9* UV» Diese Todtenstadt lag-, wie es überhaupt bei den Städten der alten Egypter der Fall war, ausserhalb der ümwallung; der bewohnten Stadt. In dieser ganzen Ausdehnung- des alten Thebens treffen wir lieut zu Tage noch, nach verflossenen Jahrtausenden, die Reste der riesenhaftesten und prachtvollsten Bauten je- nes merkwürdigen Volkes zerstreut, das einst dieses Land bewohnte. Die wichtigsten Punkte in dieser Bedeutung sind folgende. Am linken Ufer aus Nord-Ost in Süd-West: Kurnu. Reste von Palästen und Tempeln. Medi net Abu (die Stadt des Vaters), das Memnonium oder der Tempel des Osimandias. Isistempel. Die Memnons- Kolosse und andere Bildsäulen. Der Tempel des Rhamses Meiamun und ein anderer kleinerer Tempel. Das Hippo- drom, umgeben von den Trümmern einer Masse von Ge- bäuden, aus lufttrocknen Ziegeln aufgeführt. Am rechten Ufer bemerken wir aus Nord in Süd gehend : Karnak. Mit den Resten der grössten Tempel und Paläste von Theben. Mit den Resten von Sphinxenalleeu, Säulengängen, mit Kolossen und Obelisken, mit den Resten von Bassins und einer Menge alter Gebäude der verschie- densten Perioden. Luxor. Mit seinem Pracht-Tempel, mit Kolossen und Obelisken. El Bajadieh. Östlich vom Dorfe eine grosse vier- eckige ümwallung, vielleicht ein Hippodrom. Am arabischen Gebirge, nordöstlich von Karnak, die Reste eines Tempels bei Medamot. Indem ich in Bezug der näheren Beschreibung und Würdigung dieser Monumente auf die Werke von beiden Champollions, von der franz. Expedition, von Belzoni, Pro- KESCH, Parthey, Rüssel, Ritter etc. verweise, werde ich versuchen, in Kürze auch unsere Wanderungen durch dieses Gebiet eines fast alle Vorstellung überschreitenden Geistes darzustellen, der da gelebt und gewirkt hat. Wir ritten zuerst über die Schutthaufen von Kurnu. 117 Dicht an dem elenden Dorfe stehen die Trümmer eines kolos- salen Palastes, welchen Champollion für ein Menephtheuni er- klärt. Ob das Gebäude wirklich ein Palast oder ein Tem- pel gewesen sey, dürfte bei der grossen Zerstörung, die über dieses Monument ergangen ist, allerdings schwer zu bestim- men seyn, doch die ganze Bauanlage spricht vorherrschend für das Erstere. Die Pilonen liegen in Trümmern, die Rei- hen von Spiiinxen sind bis auf wenige Reste verschwunden, und das erste, was zu Gesichte kömmt, ist ein Portikus, von dem noch 10 Säulen stehen. Leztere sind von meisterhafter Hand, Ebenmass und Form sind wunderschön. Die Schäfte ^ sind gefurcht, die Knäufe stellen umgekehrte Blumenkelche vor. Die mittlere der drei Thüren führt in einen grossen und schönen Saal, der vielleicht an 20 Nebengemächer hatte, von denen aber nur noch 13 sich mit voller Bestimmtheit erkennen lassen. Säulen, Pfeiler, Wände, Alles ist mit Hieroglyphen und Reliefs bedeckt, die von einer Schärfe des Ausdruckes und von einer Schönheit sind, wie sie nur an einigen andern Tempeln und Palästen von Theben ihres Gleichen finden und einen Beweis geben, dass sie aus einer Zeit abstammen, in der die Skulptur der alten Egypter auf der höchsen Stufe stand. Alles ist hier rein egyptisch, da findet sich kein Name der Ptolemäer, keiner der Imperato- > ren. Die Pharaonen-Wappen gehen an diesem Monumente bis zu den ersten Rhamesiden zurück, und sind dieselben ein Beweis für das Alter der Monumente überhaupt, so berech- net sich das dieses Palastes, nach den Dynastientafeln des Manetho, auf ungefähr .3460 Jahre. Als wir aus dem Palmenwalde traten, der Kurnu um- gibt, sahen wir in der Ebene gegen Süd die beiden Mem- nonskolosse sitzen. Es war ein höchst überraschender An- blick, kaum wollten wir unsern Augen trauen. Erst jezt sahen wir uns so recht mitten in den Kreis der alt-egypti- schen Sagenwelt versezt. Was wir bisher gesehen hatten, verschwand gegen solche Riesenwerke. Hier umgab uns keine Zuthat, keine Ummodelung neuerer Zeit, hier weht kein griechischer, kein römischer, kein arabischer Geist, es ist das Staramland der ältesten Pharaonen-Dynastien, und 118 Pharaonen- Werke sind es, vor deren zauberhafter Grösse unserem Geiste hier schwindelt. Wir standen auf den Trüm- mern jener Riesenstadt, die ihre Glanzperiode bereits durch- lebt hatte, als ein Rom zu werden begann; wir standen auf dem Platze, wo ein gesittetes, hochgebildetes Volk die grössten Tempel und Palastbaue der Erde vollbrachte, Meisterwerke in einer Pracht und Grösse , dass selbst das ans Grosse gewohnte Alterthum sie nur Geistern, Göttern, aber keinen Menschen zuschrieb. Hier lehrten Priester die höchsten Wissenschaften, hier lebte der Mensch bereits als Biirger eines gesetzlich geordneten, humanen Staates, voll weiser und erhabener Institute , lange vorher, bevor Lykurg und SoLON begannen ihre wilden Hellenen zu Menschen heranzuziehen. Ein wahrhaft heiliger Ort! Es war mir, als wenn ich träumen möchte; denn ich konnte es kaum fassen, wirklich auf den Boden dieses Urquell aller Kunst, alles Wissens, alles rechtlichen und sittlichen Znstandes der Völker, kurz aller Kultur, zu stehen. Wir Hessen die Ebene mit ihren Kolossen vor der Hand zur Linken , zogen an der nördlichen Mündung des Thaies Assassiff, des Thals der Gräber und Katakomben, vorüber und wendeten uns nach Nordwest ins Gebirge, in das Thal von Bab el Moluk. Es ist die Pforte der Könige, durch welche die grössten der Pharaonen aus Thebens Glanz in die Stille ihrer Grabes- hallen wanderten, um nach JJOüO Jahren wieder ans Licht zu treten. Das Ansehen des Thals entspricht seiner Bestim- mung, es führt zu Gräbern, zu Todten, und es ist selbst still und öde, wie das Grab, ein wahres Bild des Todes. Keine Pflanze ist zu sehen, kein lebendes Wesen, nichts grünt hier, nichts athmet. Man sieht nur nackte Kreidefel- sen und Sand, in wild durcheinander geworfenen Massen, senkrechte Steinbruchwände, GOO bis 700 Fuss hoch zu beiden Seiten des Weges, das Thal mehrmals bis zu einer nur 1.5 Klafter breiten Schlucht veiengend. Wir ritten in glühender Sonnenhitze ungefähr eine Stunde lang im Thale fort und gelangten endlich im Hintergrunde desselben in ein kleines Becken, von senkrecht scarpirten Felswänden eingeschlossen, voll ungeheurer Schutthaufen. Hier schliefen "* • 119 die grossen Pharaonen ihren hingen Schlaf, hier shid die Königsgräber. Jedes dieser Gräber bildet eine Reihe nach einer schief- niedersteigenden Linie ins Gebirge eingebrochener Zimmer und Säle, die unter sich mittelst Treppen in Verbindnng stehen. Strabo kannte dieser Gräber 40, die egyptischen Annalen sprechen von 47, wir kennen heut zn Tage, vor- ziiglich durch Belzoni's eben so muthige als kenntnissvolle Bemühungen, 22 solcher Hypogeen , von denen aber nur lö bemalt sind und zum Thell mit Reliefs bedeckte Wände und Pfeiler haben. Jedes dieser Gräber Avar ausschliesslich für einen König bestimmt, der den Bau seines Grabes zugleich mit seiner Regierung beginnen Hess. Da dieser aber auch damit endete und der König nach sei- nem Tode in das lezte der fertig gewordenen Gemächer seines Hypogeon gebracht wurde, so gibt die Grösse dieser Gräber annäherungsweise einen Anhaltspunkt, einerseits zur Beurtheilung der Dauer der Regierung dieses Königs, an- drerseits zur Beurtheilung der ihm zu Gebote gestandenen Mittel, deren Umfang gewiss manchmal in kürzerer Zeit ein grösseres Werk hervorrief. Sämmtliche Gräber gehö- ren den thebainischen Dynastien, der IS., 19. und 20., an, und gehen also in ihrem Alter bis nahe an 3700 Jahre zu- rück. Die Kingänge führen sogleich tonnlag von Tage nie- der, sind verliältnissmässig klein und ohne allen architekto- nischen Schmuck, schwer zu finden unter den kolossalen Schutthaufen und unter dem Gerolle der trocken liegenden Bette alter Giessbäche. Niemand ahnet, oben am Tage im Kreise dieser Gräber stehend, die Herrlichkeit, die sich ihm im Schosse der Erde aufthut und gegen die, was Grossar- tigkeit der Anlage und Aufwand betrifft, alle Mausoleen der Erde verschwinden. Die Königinnen dieser Dynastien hatten ihre eigenen Gräber. Sie liegen, 24 an der Zahl, südlich von Bab el Moluk, am Rande des libyschen Gebirges und der Thalebene von Medinet Abu, in einem Thale Namens Bab el Hadschi Hammed. Auch sie sind beraubt, sehr beschädigt und \on vorne herein nicht so prächtig ausgeführt. 120 Noch weiter entfernt, und zwar südwestlich von Bab el Moluk, oder fast westlich ^ Stunde von Medinet Abu ent- fernt, liegt im libyschen Gebirge das Thal Gabanet el Cherut, wo sich ebenfalls kleine Hypogeen mit Äffen-, Katzen- und anderen Mumien finden sollen. Vielleicht Haus- thiere jener Herrscher, denen man nach dem Tode derselben jenes Ruheplätzchen in der Wüste gönnte, da auch ihnen die Pietät der alten Egypter eine Zukunft gab*. Vielleicht war ein rein religiöser Zweck dabei, wie bei der Mumisi- rung der Ibisse, der Krokodile etc. Wir sassen einige Zeit am Eingange des grössten die- ser Gräber, das Belzoni fand und öffnete. Es ist das grösste und schönste. Welch ein feierlicher Moment mag es ge- wesen seyn, wenn des Königs Leiche im vollen Pompe vor dem Eingange in die Felsenhallen, die seine zweite Heimatli werden sollten, vor dem Volke ausgesezt wurde. Welche Stille mag in diesem Augenblicke und in diesem wüsten Thale unter der zahlreichen Versammlung geherrscht haben, wenn das Todtengericht begann und die Stimme der Nach- welt entschied, ob dem Verstorbenen die lezte Ruhe werden sollte? welch ein erschütternder Moment, wenn diese Frage mit Nein! beantwortet und der Name des niiiül)ergegange- nen auf den Monumenten gelöscht wurde"". Was würde * Eine blosse Beobachfimg^ von Sanitäts-Vorschriften, wie Einige annehmen, kann bei den Alten als Tendenz für die Mumisirung der Thierleichen nicht vorgeleg'en haben. Hätten die Alten keine andere Ab- sicht dabei gehabt, als die Leichen zur Verhütung von Miasmenerzeugung aus dem Kreise der Menschen wegzuschaffen, so hätten sie dieselbe nur in den glühend heissen Sand der Wüste verscharren dürfen, da verfaulen nämlich die thierischen Körper entweder gar nicht, sondern vertrocknen nur, oder der Prozess der Zersetzung geht ausserordentlich schnell vor sich und an eine Verpestung der Luft ist bei den häufigen und starken Winden der Wüste gar nicht zu denken. Darauf hätten die alten Egyp- ter in diesem Falle gewiss Rücksicht genommen, denn sie waren ein gcscheidtcs Volk. "* Als ein Nachhall dieser Todtengerichte ist der Gebrauch unter den Arabern in Egypten zu betrachten, dass der Imam an der in der Moschee ausgesezten Leiche laut die Anwesenden zum Zeugniss über das Leben des Verstorbenen auffordert, die dann zu sagen haben: „er ge- hörte unter die Guten!" Als 1824 der durch seine Grausamkeiten 121 das Volk, von der Heiligkeit der Handlung durchdrungen, gedacht haben, hätte es geahnet, wie barbarisch die Ruhe seiner Herrscher einst gestört werden wird. Jezt sind die (iräber leer, die Könige und ihre Schätze sind verschwun- den, auf den Schutthaufen heult zur Nachtzeit die Hyäne, und in der ewig reinen Luft kreist der Geyer. Man beobachtet mehrere solcher Namen- Verlöschungen auf Monumenten, doch rühren die meisten von eigenmächti- gen Eingriffen und Besitznahmen nachfolgender Herrscher her. Der Tod hatte auch damals nicht immer jeden Hass getilgt und das; „de mortuis nil nisi bene" wurde auch da- mals nicht immer beachtet. Diess scheint der Fall mit dem Grabe des Königs Rhameri zu seyn, welches früher der Thaoser, der Tochter des Menephtha H. und Gemahlin des SiPHTHA Menephtha (vor 3340 Jahren) gehörte. Ihre Wappen wurden vertilgt, aber die in der Eile ungeändert gebliebenen Hieroglyphen geben noch Zeugniss von dieser Schändlich- keit *. Das von Belzoni eröffnete Grabmahl , das wir nun näher besahen, ist das des Pharao Menephtha 1. aus der 18. Dynastie (3452 J.). Menephta 1. ist identisch mit der Person des Pharao Osirei I., mit den Beinamen: Nubei, Athoti, Amonei etc. Er war der Sohn und Nachfolger Rhamses 1. und der Vater der beiden Brüder Rhamses II. und Rhamses HI. (der grosse Sesostris), folglich im Grunde allerdings der zweite Rameside, wie ihn v. Prokesch nennt. Eine Treppe von 29 Stufen führt zum Eingange des Hypogeon hinab, hierauf folgt ein sanft in die Tiefe ge- neigter Korridor, hierauf wieder eine Stiege und darauf wie- der ein geneigter Korridor, an dessen Ende man durch eine Art Vorzimmer in den ersten Saal eintritt, der, von 4 Pfei- lern getragen, eine Länge von 27 Fuss und eine Breite von 25 Fuss hat. Bis dahin sind alle Wände mit Hieroglyphen berüchtigte ALi-Bey zu Kairo durch Feuer umkam und der Imam, an der entstellten Leiche stehend, diese Frage that, wagte Niemand die Todten- stille zu unterbrechen, die da herrsclite. Man hörte nur, wie Schubert erzählt, ein leises Murmeln in der Menge, und der Imam musstc die Ce- remonie mit den erschütternden Worten schliessen : „Gott sey ihm gnädig- !" * WiLKINSON , ChAMPOLU«N. 122 und bildlichen Darstellungen en bas Relief bedeckt, die durchaus in grösster Reinheit ausgeführt sind. Mit dem ersten Pfeiler-Saal beginnen die prächtigen Fresko-Gemälde, die eigentlich den Glanzpunkt dieser Felsengräber bilden. Der Kalkstein, Kreide von dichtem, feinem Gefüge, ist mit einer dünnen Schicht von feinem Mörtel, der zu gleichen Theilen aus Kalk und Gyps besteht^ bedeckt, der eine Flä- che wie geglättetes Papier gebildet haben musste und noch heut zu Tage ganz glatt ist. Theils sind die Reliefs, deren Umrisse dieser feine Anwurf mit aller Schärfe erkennen lässt, bemalt, theils sind die Gemälde, wie gewöhnliche Fresko -Malereien, auf diesen Überzug der Wände ganz einfach aufgetragen. Wirklich imponirend ist die Farben- Frische dieser Malereien, die heute, nach mehr als 3000 Jahren, noch in einem Glänze prangen, als wären sie von gestern *. Diese Erscheinung an Wasserfarben , bestehend aus Pflanzenpigmenten und Metalloxyden, mit Zusatz von Kreide und Magnesia und aufgetragen mit Leimwasser, oder in seltenen Fällen mit Wachs, hat etwas höchst Überraschen- des; denn hätten nicht so zahllose mechanische Beschädi- gungen dieser Gemälde durch frevelnde Hände stattgefunden, man würde wirklich wähnen, in ganz frisch ausgemalte Salons einzutreten. Eine solche Erscheinung kann sich nur unter dem Einflüsse eines egyptischen Klima's, eines ewig klaren Himmels und der trocknen Luft der Wüste ergeben. Es kann hier durchaus nicht meine Aufgabe seyn, die ganze 3Iasse von Gemälden zu beschreiben, die sich in den Hypogeen von Bab el Moluk finden. Es bestehen darüber vortreffliche Arbeiten, und ausser den Beschreibungen, die uns V. Prokesch, Wilkinson , Belzoni, Parthey, Minutoli etc. hierüber geben, sind es vorzüglich die Forschungen Champollions d. j., die durch ihren Reichthura an Geist, durch die korrekteste Phantasie und durch Wahrheit und tiefe Kenntniss der Hieroglyphen-Schriften sich ganz beson- ders auszeichnen. Ich erlaube mir hier nur Reisende, die '" Man sehe über die Mörtel, Farben, Glasschmelze etc. der alten Egypter die cliemischen Untersuchungen des Prof. Jornv in Minutoli's Reise zum Tempel des Jupiter Auuuon etc., S. 330 etc. Berlin 1824. 123 nach mir jene heiligen Hallen betreten, auf die interessan- testen Gegenstände ganz knrz aufmerksam zu machen. Un- ter den Gemälden des ersten Pfeilersaales, die Wände, Pfeiler und Decke einnehmen, ist das wichtigste die Dar- stellung der vier Menschenrassen nach der Vorstellung der alten Egypter. Wir sehen an der Spitze den rothbraunen Egypter, das leibhaftige Portrait des heutigen Nubiers, den Asiaten (Chaldäer, Araber, Hebräer), den Neger und den Kaukasier, damals noch ein in Thierfelle gekleideter Wil- der. In andern Hypogeen von Bab el Moluk, in denen sich dieses Bild wiederholt, ist der Charakter des Asiaten deutlicher entwickelt, und man unterscheidet Assyrier, Me- der, Perser etc. in ihren reichen Kleidern, immer aber pro- duzirt sich der Kaukasier, unser europäischer Repräsentant, als ein vollendeter Wilder. In einem Saale, zunächst dem vorigen, sind die Bilder erst ang^ezeichnet und noch nicht bemalt, der Pharao hat also seine dunkle Wohnung früher bezogen, als sie ganz vollendet werden konnte. Aus dem ersten Pfeilersaal führt eine Stiege in einen Korridor hinab, aus diesem wieder eine Stiege in einen Vor- saal mit zwei Seitengeraächern. Alle Wände sind auf das herrlichste gemalt und enthalten durchaus Darstellungen religiösen Inhalts. Aus diesem Vorzimmer tritt man In den untern Pfeiler- saal, der 31 Fuss lang und 26 Fuss breit ist. Decke und Wände sind mit reh'giöseu Bildern bemalt. In diesem Saale fand Belzoni den herrlichen Sarkophag von reinstem Ala- baster, 9' Ct" lang, 4' 7" breit und 2" dick, ganz durchschei- nend und bedeckt mit Skulpturen en haute Relief. Der Deckel lag zerbrochen am Eingange, der Pharao war fort und der Sarkophag wanderte nach London. Dieses Grab wurde wahrscheinlich in der ältesten Zeit schon geplündert, vielleicht durch die Perser. Die damaligen Räuber hatten jedoch die Rücksicht genommen, die entweihten Räume wie- der gut zu schliessen, was bei denen der neuesten Zeit nicht beobachtet wird. Diesem Gemache folgen wieder mehrere Zimmer und Säle, in einem derselben, von vier Pfeilern getragen und noch 124 unvollendet, fand Belzoni einen mumisirten Apis und eine Menge Idole. Unter leztere gehören wohl auch vielleicht die zahllosen kleinen Mumienbilder aus Sykomorenholz und mit Erdpech bestrichen , welche sich in einem Seiten- gemache der obern Etage zu Tausenden aufgeschichtet be- finden. Der Zweck dieser kleinen Mumienbilder ist nicht bekannt und sie dürften allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach als Votivbildchen vom Volke geopfert worden seyn, als des Königs Leiche beigesezt wurde. Eines der treff- lichsten Gemälde der untern Etage ist das an der Decke eines der Säle, welches den gestirnten Himmel vorstellt. Das Firmament prangt im reinsten Lazurblau, die Stern- bilder sind weiss, mit einer Nettigkeit und Schärfe gezeich- net, die Bewunderung en-egt. Das ganze Grab des Meneph- THA I. hat, vom Tage an gerechnet, eine Länge von 300 Par. Fuss und eine seigere Tiefe von 84 Par. Fuss. Unter den grösstentheils vollendeten und mit besonde- rer Pracht ausgeführten Hypogeen sind das des Amenoph III. (Memnon, 3529 J.), das des Rhamses Meiamun (Rhamses IV., aus der 19. Dynastie, 3316 J.) j das des Rhamses V., Rhamses I., Rhamses III. (der grosse Sesostris, 18. Dyna- stie, 3413 J.) und das von Rhamerri usurpirte der Thaoser die wichtigsten. Übrigens unterliegt es keinem Zweifel, wie Champollion glaubt, dass in Bab el Moluk bei weiteren Nachforschungen und durch Wegräumung der grossen Schutt- haufen am Fusse der senkrechten Felswand, wo die Gräber niedergehen, auch die Hypogeen der altern Pharaonen der IS. Dynastie, der beiden ersten Amenophe und der vier Thotmosis entdeckt werden könnten; ja er glaubt mit Sicher- heit, dass in diesem Thale auch die Gräber der Könige der frühern thebainischen Dynastien sich finden dürften, und man fand bereits im Hintergrunde des Thals das Grab eines the- bainischen Pharaonen, Namens Skhai, der allen Erhebungen zufolge einer altern Dynastie, als die 17., augehörte, und der, wenn wir ihn nur zur 16. Dynastie, die eine thebaini- sche war, rechnen, vor ungefähr 4112 Jahren gelebt haben muss. Das Grab Rhamses I. Hess Champollion offnen. Er fand 125 den Granitsarkophag, der, mit Malerei bedeckt, noch heute zu sehen ist. Rhamses aber war auch schon fort. Dieses Hypogeon zeichnet sich durch seine seltene und edle Ein- fachheit aus. In dem dritten Grabe, zur rechten Hand, wenn man das Thal der Gräber betritt, erkannte Champollion die Rulie- stätte des grossen Sesostris (Rhamses III.) j es ist jedoch verschüttet, und man konnte nur bis in den ersten Saal drin- gen, aus dessen Anblick Champollion auf die Pracht und Ausdehnung dieses Hypogeons schloss. In der Nähe des Grabmahls des Sesostris und in einer Seiten-Schlucht des Bab el Moluk liegt das schöne aber nicht vollendete Felsengrab des Menephtha II., des Sohns des Sesostris und des Vaters der Königin Thaoser. Das lezte Grab im eigentlichen Bab el Molnk ist das unvollen- dete des Menephtha III., des Bruders der Thaoser, und zunächst daran liegt das H3pogeon des Pharao Rhamerri, des lezten der 18. Dynastie, des Sohns von Menephtha III., der, wie ich schon erwähnt habe, so unzart dachte, seine Tante nach einer zwanzigjährigen Ruhe aus ihrem Asyl zu ver- treiben. Sein Nachfolger Rhamses Meiamun (Rhamses IV., der erste König der 19. Dynastie) baute sich das grösste und prachtvollste Felsengrab in ganz Bab el Moliik. Es hat eine Ausdehnung von 380 Paris. Fuss Länge bei 28 Paris. Fuss Tiefe, und- besteht aus mehreren Korridoren, Sälen und Seitenkämmerchen. Unter den Gemälden sind die merkwürdigsten : Die beiden Harfenspieler, deren schon Bruce erwähnt; die Haushaltung des Königs; das symbolische Bild des egyptischen Jahrs, die Erzeugnisse eines jeden Monats darstellend; die Darstellung der königl. Küche, Vorrathskammer, Waffensammlung, Meubles, Garderobe etc. Viele dieser Gemälde, meist von allegorischer Bedeu- tung, erscheinen als konstante Verzierung bei allen diesen Hypogeen. Sie enthalten Verheissungen der Götter an den Pharao für Jenseits und, um ihn bei dem schauerlichen Anblicke seines Grabes zu Lebzeiten zu trösten , auch für Diesseits; ferner allegorische Darstellungen der Verklärungs- 12« stufen, die der König nach seinem Tode durchwand eit, symbolische Darstellungen astrologischer Deutungen etc. So sehen wir am Eingange des Grabes Rhamses V., als Einleitung zum Ganzen und, wie es an allen Gräbern der Fall ist, eine allegorische Vergleichung der königl. Würde, in der Person des verstorbenen Königs, mit der Sonne in ihrem verschiedenen Stande am Himmel. In die- sem Bilde 5 das sich in den Hypogeen in vielerlei Formen und oft wiederholt, liegt ein tiefer und heiliger Sinn, der den alten Egyptern zur Lieblings-Idee geworden zu seyu scheint, und für eine höchst erhabene, reine Phantasie zeugt. Wie die Sonne am Tage Leben und Licht verbreitet, so der König in seinem Leben, wie die Sonne am Abende hin- ter die westlichen Berge sich senkt, um verjüngt im Osten wieder aufzugehen, so steigt der König am Ende seiner Tage in die Grabeshallen der westlichen Berge nieder, um nach 3000 Jahren geläutert, veredelt, zur Verklärung geeignet, wieder zu erwachen und ans Licht zu treten. Dass diess, wie Champollion sagt, keine Phantasie der heutigen Tage ist, sondern dass der Gegenstand so und nicht anders von den alten Egyptern angesehen wurde, geht aus ihren übri- gen bildlichen Darstellungen dieses Gegenstandes entschie- den hervor*. * Wenn auch noch immer das Studium der Hieroglyphen-Schriften ein weites Feld zur Forschung übrig lässt, so hat man sich doch darüber erhoben, nicht mehr Alles blos errathen zu müssen, sondern Vieles mit Bestimmtheit entziflern zu können. Die Hieroglyphenschrift trennt sich, wie bekannt, in die hieratische, mit symbolischen Zeichen, in die enchorische, mit symbolischen Zeichen und Buchstaben und in die phonetische mit Buchstaben. Über alle 3 Arten dieser Schrift haben die Gelehrten viel gedacht und viel geschrieben, und Young, Champollion d. j., De Sacy, QüATREMERE, ACKERBLAD, BÖCKH, KOSEGARTEN, BüTTMANN Ctc. haben sich durch ihre Forschungen hierüber besonders hervorgethan. Vorzüglich zeichneten sich aber beide erstere aus, die dem schwierigen Fache sich mit eben so viel Gelehrsamkeit als Geist unterzogen. Durch diese For- schungen gelangte man endlich zur theilweisen Kenntniss der alt-egyp- tischen Sprache und erkannte ihre grosse Verwandtschaft mit der kop- tischen , was meine im ersten Bande dieses Werkes ausgesprochene Be- hauptung, dass die Kopten Abkommen der alten Egypter seyen, nur bestättigt. Man sehe über Hieroglyphen und ihre Entzifferung: 127 Auf den Basreliefs im ersten Korridor wird der König; von Osiris und Plire für das irdische und himmlische Leben gesegnet. In dem daran liegenden Gemache befinden sich die Bilder der 75 Begleiterinnen, deren jede eine der 75 Zonen der Unterwelt beherrscht, die der König weiterhin auf sei- ner Reise durchzieht. Sie wiederholen sich daselbst wieder, wo diese Zonen und ihre Bewohner dargestellt werden, und zwar jede an der Spitze ihrer Region stehend. Die folgen- den Gänge und Gemächer enthalten nun eine lange Reihe von Bildern, die an den zunächst gegen Ost gekehrten Wän- den den Gang der Sonne am Tage, d. i. in der obern He- misphäre, an den entgegenstehenden Wänden aber den Gang der Sonne in der Nacht, oder in der untern Hemisphäre darstellen. Der erstere Sonnenlauf gibt ein allegorisches Bild des Königs während seines irdischen Lebens, der zweite ein solches des Königs auf seiner Wanderung nach dem Tode, im Reiche der Schatten. Der Lauf der Sonne am Tage, oder respective die Lebensreise des Königs, ist in 12 Folgen getheilt, die 12 Stunden des Tages, jede bezeich- net durch ein Thor, welches durch ein schlangenartiges Un- geheuer von bestimmtem Namen bewacht wird. Am Anfange dieses Rundgemäldes steht der Tag von 24 Stunden, mit einem Sterne auf dem Haupte, in mensch- licher Gestalt, vorschreitend nach dem Hintergrunde des Grabes, also die Richtung angebend, in der die Reise des Königs, als Sonnengott dargestellt, sich bewegt und in der sich auch der Beobachter zu bewegen hat, um das Rund- Gemälde zu schauen. Ausser diesen Figuren sieht man bei jeder der 12 Stundenabthellungen das Bild des Nachens Fritsch, Übersicht der wichtigsten Versuche zur Entzifferung der Hie- roglyphen. Leipzig 1828. CHAnipoLr.ioN, Precis du Systeme hieroglyphique des anciens Egypliens. Paris 1828. YouNG, Egyptian diotionary. London 1831, KosEGARTiiK , Conimentatio prima de prisca Aegyptiorum literatura. Wei- mar 1828. YouNG, Account of some recent discoveries in hieroglyphical literature, London 1823, und so mehrere. 128 des Gottes oder des Lebensschiffes des Königs, wie es auf dem Urg-ewässer oder Äther fahrt, zur Seite die begleiten- den Götter. Man sieht die Wohnungen der Himmlischen und in jeder Stunde eigene mythische Scencn *. An den entgegengesezten Wänden durchwandert der Sonnengott in den 12 Stunden der Nacht die 75 Zonen der Unterwelt, deren jede von einer der im ersten Gemache am ersten Korridor gemalten 75 Begleiterinnen der Sonne er- öffnet wird. In diesen Äbtheilungen sieht man die Qualen der Verdammten dargestellt, welche dieselben in der Hölle zu erdulden haben. Der Gott selbst, oder respective der Kö- nig, ist ganz schwarz dargestellt. Was die dualen betrifft, so entwickelten die Alten in diesen Bildern die grauenvollste und ausschweifendste Phantasie, die man sich nur denken kann. Die armen Seelen werden geschunden, man reisst ihnen die Herzen aus den Leibern, man siedet sie ganz und stückweise in Kesseln etc. Erinnert das nicht ganz an P. KocHEMs Höllen-Theorie und Höllen-Phantasie aus dem ver- flossenen Jahrhunderte? Es ist doch merkwürdig, wie sich solche Phantasien durch Jahrtausende erhalten, sich in den entferntesten Welttheilen , bei den verschiedensten Völkern wiederholen und durch keine Glaubenslehre, sey sie auch noch so rein, ganz ausgemerzt werden können. Diese ganze psychologische Gallerie, beurkundend den Glauben der alten Egypter an eine Unsterblichkeit der Seele, an einen Ort der Belohnung und an einen Ort der Strafe, wiederholt sich an den Decken der ersten Korridore und Säle dieses Hypogeon, nur in einem ganz andern Sinne, nämlich als astronomische Allegorie, ist als solche wissen- schaftlicher Gegenstand, und daher auch regelmässiger durch- geführt. Diese Darstellungen sind sehr interessant und die Deutung derselben, die ihnen Champollion gibt, ist äusserst geistreich. Noch wichtiger aber sind die zunächst sich an- schliessenden Deckengemälde. Es sind Bilder, welche die Stellungen der Himmelskörper und ihren Einfluss auf den "■ Champollion d. j. und Parthey geben höchst anziehende nähere Beschreibungen dieser allegorischen Bilder. Ferner .sehe man darüber; RossKLLiNi, Monunienfi doli' Egitfo e della Nubia. Pisa 1833. etc. 129 Menschen für alle Stunden des Tages und der Nacht eines jeden Monats im Jahre vorsteilen. Sie sind also rein astro- logischen Sinnes nnd geben einen Beweis, wie ausgebildet diese Wissenschaft schon im grauen Alterthume bei den Egyptern war. Diese Bilder erinnern an den goldenen Kreis des OsiMANDiAS, von dem Diodorus Siculus sagt, dass er nebst den Stunden des Aufganges der Constellationen auch ihre Einflüsse angab. Es sind 24 solcher astrologischer Tafeln. In den folgenden Gängen und Gemächern sind symboli- sche Darstellungen der verschiedenen Sonnenstände, welche Bilder jedoch in den andern Gräbern entweder o-anz weeae- lassen sind, oder doch andere Plätze einnehmen. In dem Gemache vor dem Saale des Sarkophages, also gerade vor der eigentlichen Begräbnissstelle des Königs, befindet sich die Darstellung des Todtengerichtes, welches die Götter über den Verstorbenen ergehen lassen. Man sieht die 42 Beisitzer des Osmis , von denen jeder mit der Untersuchung eines eigenen und namentlich angezeigten Ver- brechens betheilt ist. Zwischen diesen strengen Richtern ist die Rechtfertigung des Königs angebracht, die natürlich glänzend ausfiel. Wir haben also hier ein zweites Todten- gericht. Das erste wurde von den Priestern und dem ver- sammelten Volke vor dem Eingange des Grabes gehalten, das zweite hielten, als oberste Justizbehörde, die Götter selbst. Es wäre höchst interessant zu wissen, ob dieses zweite Todtengericht, oder vielmehr die bildliche Darstel- lung desselben, blos eine leere Form war und man also dieses Gemälde wirklich noch zu Lebzeiten des Königs verfertigt hat, in welchem Falle ein grosser Widerspruch zwischen den Erkenntnissen beider Gerichte, des wirklichen und des gemalten, sehr leicht möglich gewesen und erstres dadurch zur Komödie herabgewürdigt worden wäre; oder ob die Priester ein solches zweites Todtengericht im Na- men der Götter wirklich veranstalteten und das Gemälde erst nach erfolgtem Erkenntnisse des Gerichtes angefertigt wurde. Wahrscheinlich war diese bildliche Darstellung nur ein allegorisches Bild des vor dem Eingange des Grabes Riissegsor, Rcis.ii. U. Bd. I. Tlil. () 130 wirklich abgehaltenen Todtenpjericlites, ohne weitere Bezug- nahme auf eine geschehene Wiederholung desselben. Neben diesen Abbildungen befanden sich im Grabe des Rhamses Meiamun Darstellungen der Hauptsündeu, von de- nen jedoch nur noch drei sichtbar waren, nämlich die Un- keuschheit, die Trägheit und die Gefrässigkeit, menschliche Gestalten mit den Köpfen eines Bockes, einer Schildkröte und eines Krokodils. Der Saal, der den Sarkophag selbst umschloss, enthält die Wiederholung des Sonnenlaufes in den beiden Hemi- sphären, in psychologischer und astronomischer Beziehung, so wie wir ihn in den ersten Gemächern und Korridoren des Hypogeon sehen. Diese Idee scheint einmal die Grund- idee bei allen Verzierungen dieser Gräber gewesen zu seyn, nur ist sie hier im Grossen wie in einzelnen Theilen besser und umständlicher ausgefiihrt. Zahllose Hieroglyphen und Reliefs bedecken ausserdem die Wände des Grabsaals. Es sind Erklärungen, Grundsätze über die Entstehung der Welt, über verschiedene Zweige der IVaturlehre; kurz Gegenstände, die ein sehr langes Studium um so mehr erfordern, da der Geist des Mysticismus in vollen Zügen sie durchweht. Demungeachtet dürfte man bei näherer Erforschung so man- che physikalische, astronomische, kosmogenische Annahme und Wahrheit darin entdecken, so dass wir einerseits stau- nen müssten zu sehen, wie weit man in einzelnen Rich- tungen damals schon vorgedrungen war, andrerseits staunen über das Gleichbleiben menschlicher Irrthümer, indem viel- leicht so manche unserer gelehrten Machtsprüche und an den Haaren herbeigezogenen Hypothesen auch schon vor mehr als 3000 Jahren bestanden haben mögen. Die Pfeiler in einigen der Säle dieser königlichen Gräber sind mit Bildern jener Götter bedeckt, die über das Schicksal der Seelen wachen, nämlich Phtha-Socharis , Atmu , Meresochar, Osiris und Anubis. In diesem Tipus sind die Verzierungen aller Königs- gräbor in ßab el Moluk ausgeführt, da jedoch nur sehr wenige derselben als vollendet zu betrachten sind, so sieht man häufig an andern Gräbern auch nur einzelne Theile dieser Darstellungen gehörig ausgebreitet und die übrigen 131 fehlen ganz. Manche der Gräber lassen die sichtbare Eile, mit der sie, ^vahrscheinlich des schnellen nnd nnvorher- gesehenen Todes des Königs wegen, beendet und in brauch- baren Stand gesezt werden mussten, nicht verivennen. Wenige Gemächer, oft selbst nur eines, blosse Skizzen, an- statt den sonst so fleissig ausgeführten Gemälden , roh ausge- arbeitete Sarkophage etc. sind ein sicherer Beweis dafiir. Die umfangsreichsten und schönsten Hypogeen gehörten ent- schieden jenen Königen an, die am längsten regierten, das sehen wir an den Grabmälern des Amenoph III., Menephtha. 1,, Rhamses 111., Rhamses IV. und Rhamses V. Jeder von diesen drei Königen regierte nach Manetho iiber 30 Jahre. Unter allen den Stellen , die Reste des höchsten Alter- thums enthalten, und deren Alter weit über jede Geschichte, weit sogar über unsere Zeitrechnungen hinausreicht, und die allein im Stande sind, uns nähern Aufschluss über ein längst verschwundenes, geistig und bürgerlich hochgestelltes Volk zu verschaffen, dürften wenige seyn , bei denen fernere Nach- suchungen mehr zu empfehlen seyn dürften und bei denen sich ein sicherer Erfolg voraussetzen lässt, als es bei den Königsgräbern in Bab el Moliik der Fall ist. Von der ganzen Zahl dieser Hypogeen, deren die egyptischen Annalen und die alt-griechischen Schriftsteller erwähnen , kennen wir heut zu Tage noch nicht die Hälfte; denn Berge von Schutt bedecken ihre Eingänge. Das Grab des Sesostris kennen wir zwar, es ist jedoch inwendig verschüttet und daher im Innern un- zugänglich. Die Schutthaufen wegzuschaffen, ist eine Riesen- arbeit, bei welcher, wollte man den Schutt nicht sehr weit wegbringen, man sich dem Ubelstande aussetzt, andere vor- handene Katakomben nur um so viel tiefer zu verschütten. Um dieses leztere zu umgehen, als ein Umstand, der da sehr ins Auge zu fassen ist, und um doch den Hauptzweck zu errei- chen, nämlich die Öffnung aller noch unbekannten Hypogeen in Bab el Moluk, habe ich eine zweifache Ansicht, und zwar: Erstens den Schutt ganz wegzuräumen und ihn mit- telst einer kleinen Eisenbahn, Avie solche inunsern Gruben und Steinbrüchen sich befinden, von Bab el JMoluk durch das Thal bis in den Fluss zu laufen, oder wenn diess der Schifffahrt 9* 132 lind des Laufes des Stromes vsegen, der oliiiediess mehr das rechte Uferland als das linke angreift, nicht tlumlich seyn sollte, den Schutt irgendwo in der Ebene bei Kurnu, wo er keinen Schaden macht, abzustürzen. Zweitens könnte man den Schutt an Ort und Stelle lassen und die Zugänge der Kata- komben mittelst eines Stollens suchen, der zwischen Schutt und Felswand und am Fusse der leztern, in dem Becken von Bab el Moluk, herum geführt werden mi'isste. Diese Methode wäre unstreitig die wohlfeilere, erfordert jedoch mehr Kennt- nisse und ist auch nicht ohne Gefahr, doch würde ich ihr ohne Bedenken den Vorzug geben, und zwar um so mehr, da die Schuttmassen so ungeheuer sind, dass ich fast glauben möchte, ein im festen Gestein selbst aufgefahrener Suchbau , mit Raison betrieben, dürfte nicht höhere Kosten veranlassen, als die Wegräumung jener Schuttberge. Kine solche Ent- hüllung- der tiefsten Geheimnisse des egyptischen Alterthums, ein solcher Beitrag zur Geschichte jenes grossen Volkes, wäre eine schöne Aufgabe für Mehemed-Ali, durch deren Lösung er, wenn auch nicht Schätze erwerben (denn wahrschein- lich sind alle diese schon längst ausgeplündert), doch seinem Namen eine edle Bedeutung geben würde. Nachdem wir, triefend von Schweiss und todtmüde vom Durchwandern der Katakomben, voll dumpfer aber trock- ner Grabesluft, uns im Freien ausgeruht und in der Um- gebung in geognostischer Beziehung umgesehen hatten, ritten wir auf einem schmalen Felssteig die Berghöhe im Hintergrunde von Bab el Moluk hinan. Auf dem Rücken des Vorsprunges des libyschen Gebirges , der das Thal Bab el Moluk vom Thale Assassiff trennt, wendet sich der Weg und führt in lezteres Thal hinab. Ein Laut des Erstaunens war es, als wir weiter vor kamen und auf einmal die ganze Ebene von Theben , mit dem majestätischen Strome in der Mitte, wie eine Karte zu unsern Füssen ausgebreitet sahen. Mit einem Blicke übersahen wir die Riesentempel von Luxor , Karnak und Medinet Abu. In der Thal-Ebene unter uns sassen die beiden Memnonkolosse, die Gesichter gegen Aufgang der Sonne gewendet. Selbst wenn man alle Reste von Griechenlands klassischer Baukunst gesehen , wenn man auf den Trümmern 133 von Baalbeck gestanden, wenn man die präclitig-sten Tempel von Egypten und Nnbien durchwandert und in Roms Ruinen eine grosse Vergangenheit bewundert hat, selbst dann noch niiiss dieser Anblick tief ergreifen. Diese weite Ebene nahm einst Theben ein, die Wunderstadt, die Stadt der Monumente, wie keine andere auf der weiten Erde war und ist, von den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage. Welch ein Leben muss da einst geherrscht haben, welch ein Treiben, wenn bei reli- giösen Festen der Strom mit Segeln bedekt war, Volks- massen sich zu den Tempeln drängten , zu den Gräbern wall- fahrteten. Welch eine Vergangenheit und welch eine Gegen- wart. Still und öde liegt jezt die mit Trümmern bedeckte Ebene, der zerlumpte Araber schleicht durch die Prunksäle der Paläste, durch die Tempelhallen. Das grosse Volk , das diess alles schuf, ist fort, selbst seine Gräber stehen leer und entweiht. Die Memnonsäule sielit noch, wie vor Jahr- hunderten, der aufgehenden Sonne entgegen, doch ihre Strah- len wecken kein Leben mehr in ihr, ihre Sprache ist ver- loren und der Stein bleibt stumm. Wir ritten das Gehänge des Gebirges hinab in das Thal Assassiff. Der ganze Abhang ist hohl, Katakombe lieg-t an Katakombe, Grab folgt auf Grab. Der Weg mündet sich zwischen Felsen thalabwärts, und rechts und links desselben liegen die Gebeine der Mumien zerstreut, welche die Hab- sucht, als solche und unter dem Schleier der Wissenschaft; ihrer langen Ruhe entriss, misshandelte und zerstörte, um ein paar Skarabäen oder ein ßisschen Gold zu finden. Nicht nur aber das eigentliche Gehänge der libyschen Bergkette ist voll von Gräbern, sondern auch alle Hügel um Medinet Abu in der Nachbarschaft des Memnoniuras sind zu diesem Zwecke durchwühlt. Der Unterschied der Stände theilte die ganze unermessliche Nekropolis von Theben , zu deren Detailstudium, der Ungeheuern Anzahl der Gräber wegen, Jahre erforderlich wären, in gewisse Gruppen. Wie wir in Bab el Moluk nur Gräber von Königen gesehen haben, so sehen wir in Bab el Hadschi Hammed nur Gräber von Königinnen. In dem Thale Assassiff und in den Hügeln bei Schech Abd el Kurnu und Kurnet Moral sieht man grosse 134 FamiliengTÜfte, und zwar grösstentheils von Priestern, doch an lezterm Orte auch Gräber aus späterer griechischer Zeit. Der Hiigel bei Dra Abu Naga, zwischen dem Thale Assassiff und dem Thale Bab el Moluk enthält die Gräber von Priestern, Kriegern und Kaufleuten. Die ganze fast i Stunden lange und breite, hügelige Ebene zwischen Schech Abdel Kurnu und Kassr el Dakaki ist mit Gräbern der untern Volksklasse erfüllt, ein eigentlicher Armen-Kirchhof. So trifft man auch zer- streut einzelne Gruppen der Gräber von Schiffern und Hand- werkern verschiedener Art. In Gabanet el Cherut endlich ist der Sitz der Mumien von Affen, Katzen und verschiedenen Gegenständen, die, wie Dr. Partiiey sagt, man sonst keines besondern Begräbnisses zu würdigen pflegt*. Die Familiengrüfte bilden zum Theil wahre Labyrinthe von ausserordentlicher Ausdehnung, deren Lokalitäten nur den Arabern von Kurnu bekannt sind , die als Trogloditeu einen Theil dieser Hypogeen bewohnen und rein nur von der Entweihung der Gräber und der Beraubung der Mumien leben. Ihre Beute verkaufen sie den Reisenden, bewachen eifersüchtig die Fundgruben ihres Erwerbes und sind gar nicht ungeneigt, das Experiment, das sie an den Todten üben, auch an einzelnen Lebenden zu versuchen, die ihnen gerade in die Hände fallen**. Stollen von mehr als 300 Fuss Länge bilden den Zu- tritt zu diesen Familiengrüften , zu beiden Seiten Grabes- kammern. Stiegen führen in die Tiefe, wo neue Gallerien und Katakomben sich befinden, bis endlich Schutthaufen und verbrochene Strecken ein weiteres Vordringen hindern. " Wie ganz eigcntliiimlicli in vieler Bezicluino; die Ansichten und Meinungen jenes merkwürdigen Volkes waren, kann man aus der mumisirten Beilage jener schönen Mumie des Priesters Phaiset entnehmen, die sich im Berliner Museum findet. Dergleichen Trennungen der Bc- standtheile vom Ganzen waren vielleicht eine materielle Entsinnlichung beim Übergänge in die andere Welt. '•"•' Einer dieser Araber kam, »m uns eine kostbare Papyrus-Rolle zu verkaufen. Er wollte sie zur Besichtigung nicht abwickeln lassen, indem er vorgab, sie sey dazu zu zart und konnte zerreissen. Als wir es aber dennoch thaten, fanden wir, dass die Aussenseite nur ein ganz kleines Blatt Papyrus bildete, die Innenseite aber aus lauter arabischen Empfangs- .«icheinen und derglcidicn neuen unbedeutenden Papieren bestand. 135 Zahllose Fledermäuse bewohnen diese iiineni Räume. Die Bas- reliefs enthalten meist die DarstellHng der Beschäftignns;" der Kaste, der der Eigenthiimer des Grabes angehörte. Die Mumien der Vornehmen wurden in Särge gelegt, deren Anzahl bis zu fünf stieg und die meist mit grossem Auf- wände bemalt waren *. Zu den Mumien wurden in die tirabeskammern die hauptsächlichen Werkzeuge und Requi- siten des Gewerbes beigelegt , dem der Lebende angehörte, ausserdem Idolen, Schmucksachen etc., die man ihm auf die grosse Reise mitgab **. Am Hügel von Knrnet Morai steht der kleine Isistempel aus der Ptolemäer-Zeit, Er hat wenig architektonisches Interesse und ist nach Champolhon ein Werk des fünften Ptole- mäers, folglich ungefähr 20.50 Jahre alt. Dieser gelehrte Forscher weist überdiess nach , dass dieser Tempel nicht der Isis, sondern den beiden identischen Gottheiten Thmei und Hathor (Venus) geweiht war. Eines der schönsten Priestergräber im Thale Assassiff ist das des Petamenoph. Die Wände der vielen Gallerien, Treppen und Säle sind mit den feinsten Freskogemälden bedeckt. Die Gemächer gross, geräumig, von 4 bis 8 Pfeilern unterstüzt, sind prachtvoll. Von diesem Grabe führt eine an 1500 Fuss lange Allee von Sphinxen , 50 zu jeder Seite , aber alle zertrümmert, zu einem Tempel in tiefstem Hintergründe des Thals, von den Ara- bern Deir el ßacherie genannt (das Kloster der Schiffer). Er stammt nach Champollion aus der Zeit des Amenenthe, des zweiten Gemahls der Königin Amense (3600 J.), der Schwester des Thotmosis II., folglich aus der Blüthezeit der egyptischen Baukunst, was auch die Feinheit seiner Reliefs beurkundet. x\us dem Thale Assassiff sezten wir unsere Wanderung nach Medinet Abu fort. Die dortigen Ruinen sind die süd- lichst gelegenen auf der Westseite des Thals der Thebais. Champollion bezeichnet uns dieselben, den hieroglyphischen Texten zu Folge, als das Rhameseum des Meiamun. Sie bestehen in den Trümmern eines grossen Palasttempels des * Eine sehr schöne Sammlung solcher Mumiensärge sali ich im Berliner Museum. 136 RhamvSes Meiamun (Ramses IV. aus der 19. Dynastie) und aus denen zweier anderer Tempel, die zusammen ein sehr unregelmässig gestelltes Ganzes bilden, das sich auf einer Schuttterrasse von 1200 Euss Lauge bei 700 Fuss Breite erhebt. Die Länge des Palasttempels mit seinen Vor- und Nebenbauten beträgt über 900 Fuss, die Vorhalle ist an 170 Fuss lang, das eigentliche grosse Tempelgebäude selbst, ohne die Zubaue, misst an 500 Fuss Länge bei einer Breite von 1.50 Fuss. Der vorderste, gegen den Flnss gewendete, Theil der Ruinen von Medinet Abu ist ein unregelmässiger Bau, ein Flickvverk von Höfen und Pilonen a«is der Zeit der Griechen und Römer. Wir bemerken an den Resten des Baues die hieroglyphischen Wappenschilder des Antoninus Pius, des Ptolemaus JNeos Dyonisos und des PtolemÄus Lathurus (SoTER !!.)• Da man jedoch auch die Namen von Nektanebus, aus der 30. (sebennitischen) Dynastie, dann von einem äthio- pischen Könige, dessen Schilder den Namen Taharaka (der TiRHAKA der Bibel) tragen, der aus der Zeit der äthiopischen Herrschaft über Egypten (8 Jahrhunderte vor Chr.) stammt, und der sich hier durch ein paar Pilonen Zwerge verewigte, da mau ferner auch den Namen des Priesters Petamenoph, dem die schöne Familiengruft im Thale Assassiff gehörte, ent- deckt und Reste aus der 26. Dynastie, der zweiten saitischen, findet, so geht daraus hervor, dass hier bereits ältere Baue be-' standen hatten , die erst in späterer Zeit wieder ausgebessert und vermehrt wurden. So sieht man auch in dem eigentlichen Heiligthume dieses vordem Tempels Wappenschilder der ältesten Pharaonen der 18. Dynastie, gemengt mit neuem bis herab auf die Ptolemäer, und häufig beobachteten Cham- pOLLioN und WiLKiNSON, dass ciu Pharao den Namen des andern, seines Vorgängers z. B. , wegmeisseln Hess, den seinen an die Stelle sezte, oder sich zwischen die Namen der altern hineindrängte, kurz, es ist ein chronologisches Gewirre, in welchem der Name des Thotmosis IH. (Möris) am öftesten erscheint. Auf diesen Tempel folgt wieder ein Vorbau, ein Vorhof, dessen Skulpturen den Namen Rhamses IV. (Meiamum) tragen und den König als den 137 Besiegter vieler anderer Könige nnd Völker, so wie In seinem häuslichen Kreise, zwischen seinen Kindern und Franen vor- stellen. Dieser Vorhof ist unter dem JNamen Pavillon be- kannt, und vielleicht stand er, wie es häufig der Fall war mit dem nun folgenden grossen Tempel durch eine Allee von Sphinxen in Verbindung, von denen man jedoch nichts entdeckt, da die Trümmer einer koptischen Stadt diesen ganzen Zwischenraum erfüllen. Die grossen Pilonen des Haupttempels von Medinet Abu, ein Prachtbau aus der blü- hendsten Periode der egyptischen Kunst, sind von aussen und innen mit Reliefs bedeckt, welche die Feldzüge des Pharao Rhamses Meiamun darstellen, die er nach Wilkinson bis zu den Moschausch am kaspischen Meere ausgedehnt haben soll. Von der Freiheit der alten Egypter, mit der sie die sogenannten Säulenordnungen behandelten, hat man in der Baukunst späterer Zeit kein Beispiel, und wo ein solches stattfindet, ist damit jederzeit ein so grobes Vergehen ge- gen Schönheit verbunden, dass ein solcher Fall mit dem egyptischen Geschmacke in keine Parallele zu setzen ist. Von der ängstlichen Eintheilung der Säulen nach fünf Ord- nungen wussten die Egypter nichts. Sie hatten solcher Ordnungen unzählige und stellten häufig die verschiedensten derselben auf einem Platze neben einander hin und doch ist die Idee solcher Zusammenstellungen voll Majestät und ent- spricht allen Anforderungen des Begriffes „Schönheit«. Es liegt etwas Kühnes in der Idee dieser Kombination heterogener Formen, was das kunstgeübte Auge durchaus nicht beleidigt. Der Eindruck des Ganzen gewinnt an Gross- artigkeit, so wie z. B. im Gegentheil eine gar zu regelmäs- sig und mit einem ängstlichen Haschen nach Symmetrie er- baute Stadt gerade nicht den freundlichsten Eindruck macht, sondern, wie ich fast sagen möchte, im Gemüthe eine ge- wisse Leere bedingt. Der Geist, der jedoch solche schein- bare Unregelmässigkeiten zu unternehmen wagt, muss von der Idee des Ästhetischschönen ganz durchdrungen seyn und die Unregelmässigkeit muss genial seyn, sie darf ihre Quelle nicht im Gemeinen haben. So sehen wir auch hier im ersten, kolossalen Tempel- i;j8 hofe, dass die Säulen der einen Seite eine ganz andere Form haben, als die der andern, auf der einen Seite stehen nainlich Säulen mit Palmenknäufen, auf der andern Pfeiler- kolosse, und doch ist das Ganze prachtvoll, und das Un- regelmässige verschwindet dem Äuge im Verhältnisse znm ganzen Räume. Auf diesen Hof folgt wieder ein zweites Pilonenpaar, bedeckt mit Basreliefs in kolossalem Mass- stabe. Sie stellen den Akt dar, wie Rhamses Meiamun drei Reihen von Gefangenen in die Tempel des Amon Ra und der Mauth führt. Die Gefangenen tragen, nach Wilkinson, indischen Tipus, worüber ich nicht zu urtheilen wage, so wahrscheinlich es auch mir an Ort und Stelle vorkam. Durch ein prächtiges Granitthor gelangt man in den zwei- ten Tempelhof. 18 Säulen von 7 Fuss Durchmesser und 16 Kolosse als Pfeiler, mit 7 Fnss im Quadrat am Piedestal, bilden ringsumher eine Gallerie, auf deren Trümmern sich einst eine christliche Kirche erhob, von der man noch die Reste sieht. Die Reliefs, welche diesen Tempel hof zieren, sind von hohem Interesse und sehr schön ausgeführt. Man sieht Feldzüge des Rhamses Meiamun mit Darstellungen im Style von Persepolis, barbarische Siege des Pharao, bei denen viele Tausende der Feinde verstümmelt wurden *. * Der barbarische Gebrauch des Verstiinimeliis der gefangenen und gebliebenen Feinde findet noch heut zu Tage in ganz Hoch- Äthiopien statt. Salt erzählt, dass nach dem Siege der MAKADi-iiber die Galla im J. 1806 im Lager von Singilla (Abessinien) 1865 Gebliebene entmannt und die Gcschlechtstlieile vor den Sieger hingeworfen wurden. In dem Treffen bei Kalabat, während meiner Anwesenheit in Sennaar im J. 1837, wurden die Gefangenen egyptischen Offiziere von den Makadis (Name der christlichen Abessinier) nach Gondar geführt, die gefangenen gemei- nen Soldaten aber, lauter Neger, wurden verstümmelt. Zwei von diesen Unglücklichen, denen das Leben gerettet wurde, sah ich selbst mehrmals. Denselben Gebrauch fand ich bei allen den wilden Negervölkern im Lande Pert. Die Operation ist ebenso eigenthümlich als grässlich , und ii:h werde bei meiner Reise in Sudan auf diesen Gegenstand zurück- kommen, der, wie wir an den alten Egyptern sehen, ein klarer Beweis ist, dass die höchste Kultur mit der tiefsten Barbarei zusammen beste- hen kann, und ein Beweis, dass geistige Ausbildung nicht vor Wild- heit schü/.t, wenn nicht von religiöser Seite ein veredelnder Impuls auf das Gemüth erfolgt. Dieser Impuls geschah ausschliesslich durch das 13» An der Wand gegenüber ist der Trlumplizug des Khamses Meiamun dargestellt, eine Darstellung in vielen hundert Figuren, voll Wärme und Leben, deren Deutung von Champollion mit Sachlie'untniss und Scharfsinn meister- haft durchgefi'ihrt ist. Den Schluss macht die Krönungs- feierlichkeit des Pharao, nach der er im höchsten Pomp mit der Sichel eine Korngarbe schneidet, ein schönes Bild, dass nach dem Drange der Schlachten und Siege der Ackerbau wie- der seine Segnungen über das ruhmbedeckte Volk verbreitet. Ähnliche Festzüge bedecken die übrigen Wände des Hofes, der, historisch wiclitig, Gegenstand eines eigenen Studiums ist. Der eigentliche Tempel ist verschüttet und die Trüm- mer eines Fellah-Dorfes decken mit Unrath den Glanz ver- flossener Jahrhunderte. Was von Bildern noch zu sehen ist , sind fernere Darstellungen der Kriege und Schlachten des Rhamses Meiamun , und zulezt folgt ein Kalender aus der Zeit dieses Pharao, mit der Angabe aller Tempelfeste, Opfertage etc. Nach diesem Prachtgebäude folgt gegen Siid wieder ein kleinerer Tempel aus der Zeit der Ptole- mäer. Er ist zu nachlässig in allen seinen Theilen ausge- führt, um neben dem grossen Tempel, den wir so eben ver- lassen hatten, noch schön zu erscheinen. Eine Stunde weiter in Südwest, am sogenannten Hippo- drom, heut zu Tage Birket el Abu genannt, ein viereckiger Platz von 7000 Fuss Länge und 3000 Fuss Breite und um- geben von Trümmern aus Lehmzügeln aufgeführter Gebäude, finden sich noch mehrere Reste eines Tempels aus der Rö- merzeit in schlechtem Style einer verunglückten Nachah- mung und ohne besondern Werth. Von Medinet Abu wendeten wir uns in Ost, gerade zu den, einzeln in der weiten Ebene sitzenden, beiden Memnons- kolossen. Die Stelle , wo sich dieselben befinden, wird von den Arabern Kum el Hettan genannt. Man bemerkt daselbst noch die Spuren eines Tempels von riesenhaftem Umfang, Cliristentlumi, nur nicht dort (Abcssiuicn z. B.), wo sein humaner Geist durch die Formen des schcusslichsten Aberglaubens und Scktcngeistcs erdrückt wird. 140 der dem von Karnak an Grösse wenig nacligej^eben haben mochte, der aber bis auf die lezten Spuren verschwunden ist. Die beiden Kolosse scheinen diesem Tempel angehört und, analog der Stellung so vieler anderer Kolosse bei an- dern Tempeln, als Thürhüter vor dem Portale oder vor den Pilonen gesessen zu haben. Champollion sezt das Memno- nium oder Amenophiura an diese Stelle und bezeichnet den grossen Palast, in dem sich die kolossale Bildsäule des OsiMANDiAs findet, aus Gründen, die wir später hören wer- den, als Rhamesseum, und, wie ich glaube, sehr mit Recht. Innerhalb des Raumes, den das Memnonium einnahm, findet man noch 18 Kolosse, keiner unter 10, mehrere 30 Fuss lang, aus Granit, Syenit und jenem eigenthümlichen Sand- steine von gefrittetem Ansehen verfertigt, der sich am Dsche- bel Achmar bei Kairo und an mehreren Punkten der Wüste, namentlich auch bei Assuan, als anstehendes Gestein findet. Ausserdem findet man zwei schöne Sphinxe, aus dem Diorite der Katarakten verfertigt, Trümmer von Mauern und Pie- destalen und an 66 Säulen Basen, die einem gegen Nord- west liegenden Tempelhofe angehört zu haben scheinen. Alle diese Trümmer sind in Schutt vergraben oder liegen auf der Erde, nur die beiden Kolosse, von denen hier eigent- lich die Rede ist, sitzen noch aufrecht mitten in der Zer- störung und den Trümmern, die Jahrtausende um sie herum anhäuften, und können noch Jahrtausende so sitzen. Die jährliche Überschwemmung umgibt sie, und ihre Fundamente werden daher von Jahr zu Jahr mehr verschlämmt. Die Ara- ber bezeichnen beide mit den Namen Schama und Tama, oder auch mit den Namen „Salamat*", was allerdings, wie Parthey so schön bemerkt, an die Mythe der tönenden Memnonsäule erinnert. Beide Kolosse stehen 56 Fuss von einander entfernt und haben so ziemlich die gleiche Höhe. Das Material, aus dem sie verfertigt wurden, ist der erwähnte Sandstein von gefrittetem Ansehen. Ein ausserordentlich hartes Ge- stein, welches beim Zerschlagen stark tönt, klingt und eine Menge kieseliger Einschlüsse enthält. Das Fundament * Sclani; der Gruss, der Friede. Selaniatcxier Salaiuat, sey gegrüsst! 111 bestellt bei jedem aus einem einzigen Blocke von 33 Fuss Länge und 17 Fuss Breite, von denen aber jeder nur etwa 7 Fuss aus dem Schuttlande hervorragt. Die Höhe eines jeden dieser Kolosse mag im Ganzen 60 Fuss betragen, da ein Unterarm z. B. mit der Hand allein 10 Fuss misst. Der südliche dieser Kolosse Ist, mit Ausnahme des Fundamentes, aus einem einzigen Stiicke gehauen , auch bei dem nördli- chen mochte diess der Fall seyn , doch er wurde in der Mitte zerbrochen und später erst wieder mit grossen Werkstücken ergänzt. Die Gesichter beider Kolosse sind bis zum Un- kenntlichen beschädigt, sie sind gegen OOS. gerichtet und ihre Stellung ist die gewöhnliche dieser sitzenden Bildsäu- len der alten Egypter, nämlich aufrecht, ernst und ruhig, die Hände auf die Kniee gelegt. Dass der nördlicher gelegene Koloss die einst zur Zeit des Sonnenaufganges tönende Memnonstatue war, ist wohl nicht zu bezweifeln, diess bestättigt die Masse von Inschrif- ten der Griechen und Römer , die sich an ihrem Piedestale finden, und diess geht auch daraus hervor, dass die hiero- glyphische Inschrift an der Rückseite des Sitzes ausdrück- lich sagt, dass dieser Koloss den Pharao Amenoph Hl. oder Memnon (3529 Jahre) aus der IS. Dynastie vorstelle*. Auch der südliche Koloss war eine Bildsäule des Amenoph HI., er tönte aber nie. Dass beide Monumente aus der blühend- sten Zeit , der Pharaonen stammen, das geht entschieden aus dem Style hervor, in welchem sie ausgeführt sind, wer aber ihr eigentlicher Urheber war, das ist unbekannt; so ist es auch nicht mit Gewissheit nachgewiesen, wer, nach geschehener Zertrümmerung der einen JJildsäule, dieselbe zuerst wieder herstellte. Nach Pausanias (I, 42) und nach einer griechischen Inschrift auf dem linken Beine (Prokesch I, S. 3.53) soll Kambyses die Bildsäule zertrümmert haben. Dass diese Statue ihre Stimme schon in früherer Zeit be- sessen habe, darüber schweigen sowohl die Überlieferungen des egyptischen Alterthums, als auch die altern Geschicht- schreiber Herodot und Diodorüs Siculus, die von der * Über die Meninonsäule sehe mau das Memoire von Letronne: La Statue vocalc de Memnon. Paris 1833. V 142 Erscheinung' gar nichts zu wissen scheinen. Nach äIanetho soll eine Wiederherstellung der Statue durch die Ptolemäer geschehen seyn, aber auch er gibt dari'iber keine historische Gewissheit. Die Bildsäule ist entschieden egyptisch, die daran sich knüpfende Mythe aber ist rein griechisch. Die vorzügliche Berühmtheit dieser Statue fällt in die Periode der Römerherrschaft. Nach Strabo, dem man die erste Nachricht über den Klang der Säule, w enn die ersten Strah- len der Morgensonne sie trafen, verdankt, wurde sie durch das grosse Erdbeben, 27 vor Chr., das Theben zerstörte, in ihrer Stellung verrückt und der obere Theil des Kolos- ses wurde herabgeworfen. Strabo sah wenige Jahre vor Christi Geburt die beiden Kolosse, der eine war ganz, der andere aber, der nördlicher liegende also, zerbrochen. Er hörte den Ton in der ersten Stunde des Tages, wiisste aber nicht, komme er aus der Basis, aus dem stehen gebliebenen Stumpfe des Kolosses, oder von einem der Umstehenden, kurz , er schenkte der Erzeugung des Tons aus dem Stein wenig Glauben. Pausanias fand 150 Jahre nach Strabo die Kolosse in demselben Zustande. Er hörte den Ton des Meni- non und sagt ausdrücklich, dass er aus dem stehen geblie- beneu Theile des Kolosses kam und dass dieser in dem Momente, als ihn die ersten Strahlen der Sonne trafen, wie eine zerreissende Saite einer Leyer klang. Wir haben also die ersten Daten über das Tönen des Kolosses aus der Zeit seines nachgewiesenen Zerbrochenseyns. Sehr natürlich ist es, angenommen: „die gebrochene Bildsäule tönte", dass dieser Ton sich wieder verlor, als man die Wiederherstel- lung des Kolosses mittelst der grossen Werkstücke unter- nahm und so durch die zusammengesezte Masse des Auf- satzes hindernd auf die Ausdehnung und die Fibrationen des Gesteins einwirkte, und erstere gleichsam conipensirte. Dieses Verstummen der Memnonsäule fällt entschieden in den Anfang des dritten Jahrhunderts nach Christi Geburt, und Parthey sagt, ohne jedoch seine Gründe näher zu bezeich- nen, dass es historisch gewiss seyn dürfte, dass diese Wie- derherstellung der Statue durch grosse Quadern unter dem Kaiser Sf.ptimius Severus (200 nach Chr.) vorgenommen 143 wurde. Auf den eisten Blick ersieht man, dass liier in den Allgaben der Gescliiclitscli reiber ein Widerspruch zu herr- schen scheint; denn nach Manetho wurde die Statue unter den Ptolemäern wieder hergestellt, während sie nach Strabo erst nach dieser Periode zerbrach. Nach Pausanias, der jedoch von der Wiederherstellnng unter den Ptolemäern nichts erwähnt, indem er die Memnonsäule ebenfalls zer- brochen fand, fällt die Zeit der Beschädigung in die Periode der Perserherrschaft, nacli Strabo erst in das Jahr 27 vor Chr. Es scheint also, dass entweder Pausanias der Angabe des Strabo nicht Folge gab, oder dass hier von zwei ganz verschiedenen Beschädigungen und Wiederherstellungen der Memnonsäule die Rede ist, von denen die eine vor die Zeit fällt, aus welcher wir Nachricht über den Ton haben, den sie von sich gab, die andere aber mit der Zeit, in welcher dieses Ereigniss stattgefunden liaben soll, in so ferne zusammentrifft, dass mit der geschehenen Beschädi- gung die Fähigkeit zu tönen, begonnen, mit der Wieder- herstellung aber geendet zu haben scheint. Abgesehen da- von, dass Kambyses für die Kunstwerke Egyptens als zer- störendes Prinzip betrachtet Avnrde, so wie man andrerseits bei den Kunstwerken anderer Zeiten und Völker gewisse Herrscher als schaffendes Prinzip zu allgemein bezeichnet, so z.B. Sesostris, Salomon etc., und ihnen Tliaten zuschreibt, die sie nie begingen, Werke, die sie nie ins Leben riefen, so scheint hier, uns an den Buchstaben haltend, dass die Zerstörung, oder, besser gesagt, die Beschädigung der Mem- nonsäule durch Kambyses mit jener durch das Erdbeben im J. 27 V. Chr. und die Wiederherstellung unter den Pto- lemäern mit jener unter Septimids Severüs gar nichts mit einander gemein haben. Sehr wahrscheinlich haben beide Tlieile Recht, und, wie ich glaube, dürfte der Verlauf der Sache ganz einfach dieser gewesen sejMi: die Memnonsäule wurde durch Kam- byses, dessen an Geistesverwirrung glänzendes Thun und Treiben in Egypten historisch nachgewiesen ist, zum Theil zertrümmert, und blieb in diesem Zustande 1)is auf die Pto- lemäer. Unter den eisten Köniaen dieser Dynastie, der» 144 Zeitgenossen des Manetho, \>urde die Statue wieder herge- stellt, und zwar wahrscheinlich in einer ähnliclien Art, wie wir sie noch heut zu Tage sehen. In diesem Zustande blieb sie bis zum Erdbeben im J. 27 v. Chr., durch dessen mäch- tigen Impuls es sehr erklärlich ist, dass der Aufsatz von Werkstücken wieder herabgeworfen wurde. Die Bildsäule stand nun wieder als Stumpf bis in die Zeit des Septimius Severus , der in dem Bestreben durch Begünstigung des Heidenthums dem Christenthum, das mit Riesenschritten um sich griff, einen Damm entgegenzusetzen, die Erneuerung des Monumentes dadurch vornehmen liess, dass die durch das Erdbeben herabgeworfenen öuadern wieder aufgesezt wurden. Für die Erklärung jenes merkwürdigen Tons, den die Memnonsäule in den Momenten von sich gab, wenn die ersten Strahlen der Sonne sie einige Zeit beschienen hatten, und an dessen einstigem, faktischen Vorhandenseyii wir den vielen Zeugnissen hierüber zufolge nicht zweifeln können, ist es vorerst nöthig, die Erscheinung historisch festzustellen. Die Memnonsäule war den alten Egyptern kein Götter- bild, sie war ihnen nur das Bild eines ihrer Könige, sie hatte keine besondere Bedeutung, wurde nirgends besonders erwähnt und über ein Tönen derselben finden sich bei kei- nem der altern Geschichtschreiber Nachrichten, weder bei Herodot, noch bei Manetho, noch bei Diodorus Sikulus. Der egyptische Memnon, weder der ganze, noch der zerbrochene, noch der zusammengeflickte, keiner von diesen dreien tönte, die Egypter scheinen diese Eigenschaft an ihm gar nicht entdeckt zu haben und sie knüpften keine Mythe an das Königsbild. Erst als die Bildsäule durch das Erdbeben im J. 27 v. Chr. neuerdings zertrümmert wurde, fing der Stumpf des Kolosses an , jenen Ton von sich zu geben, der- selbe Stumpf, der früher von Kambyses bis zu den Ptole- mäern, durch 200 Jahre geschwiegen hatte. Diess Faktum ist für die Erklärung der Erscheinung von hoher Wichtig- keit. Der Memnon tönte nun, als Stumpf dastehend, durch mehr als 200 Jahre, gehört von zahllosen Besuchern, gehört von den ersten und verlässlichsten Geschichtsforschern ihrer Zeit, Strabo und Pausanias. Erst als die Wiederherstellung 145 der Bildsäule durch Septimius Severus statt fand, erst dann verstummte Memiion und blieb stumm bis auf den heutio^en Tag. Ich besah mir den Memnon ganz genau und gelangte zu der Überzeugung, dass sich jener Ton nur auf natürli- chem Wege, von physikalischem Gesichtspunkte aus, erkla- ren lässt, und dass die von Vielen bereits gegebene Erklä- rung, mittelst Annahme einer plötzlichen Ausdehnung des Gesteins bei erhöhter Temperatur, die beste ist, die gege- ben werden kann. Der Sandstein des Kolosses ist ein sehr hartes, leicht zerspringbares Gestein, das bei einem mecha- nischen Impulse, bei dem leichtesten Schlag, z. ß. mit dem Hammer, stark klingt. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die plötzliche grosse Erwärmung des Gesteins durch die Sonnenstrahlen, uach einer verhältnissmässig kalten Nacht, eine Ausdehnung desselben hervorbringt, die, da die Masse nicht homogen ist, sondern aus sehr verschiedenarti- gen Tlieilchen besteht und verschiedenartige Einschlüsse enthält, nothwendigerweise ungleichförmig seyn muss und daher Fibrationen in den Agregat-Theilen der Masse, Tren- nungen durch für das Auge nicht zu entdeckende Haar- klüftchen, kurz lauter Impulse bedingt, die im Stande sind, dieses Gestein tönen zu machen. Sehr wahrscheinlich tönten unter ähnlichen Verhältnissen auch andere Älonumente, aus diesem Gestein verfertigt, aber man beachtete diess nicht, weil die neuern Griechen und Römer mehr zu Mystifikatio- nen dieser Art geneigt waren, als die frühern Egypter, und die weitere Forschung durch den einmal angenommenen Wunderglauben beschränkt wurde. Das Phänomen des Klingens und Knisterns mancher Gesteine bei Temperatur- veränderung ist eine längst beobachtete und häufig bekannte Thatsache und muss in einem Klima um so sprechender hervortreten, in welchem die Differenzen zwischen Tages- und Nacht-Temperatur so scharf und so bedeutend sind, wie es in den Ländern der Fall ist, welche in der heissen Zone oder nahe an derselben liegen. Schwerer erklärbar, als dieser Ton, ist wohl die Er- scheinung, dass der Stumpf des Kolosses erst nach dem Erdbeben im J. 27 v.Chr. zu tönen anfing und wir wenigstens K »ssegger. Reisen. II. r.d. I.TliI- 10 146 für seine schon früher gehabte Befiihigiing- hiezii auch nicht einen Beweis haben. Es scheint also, dass die mächtige Erschütterung-, die der Koloss in seiner Masse durch das Erdbeben erlitt, durch das eigentlich vorzüglich der nord- wärts liegende, unser singender Memnon, in Anspruch ge- nommen wurde, eine Veränderung im Zusammenhange der integrirenden Theilchen herbeiführte, die die Fähigkeit des Gesteins, bei plötzlich eintretender Ausdehnung durch höhere Temperatur zu tönen, potenzirten, was z. ß. durch die Bil- dung zarter Haarklüfte , die fast unsichtbar das Gestein durchziehen, auf sehr natürlichem Wege geschehen konnte. Dass die Säule nicht mehr klang, als man die herabgefal- lenen Werkstücke wieder aufsezte, ist wohl sehr einleuch- tend, wie ich schon dargethan habe; denn durch diese Wie- derherstellung wurde desMemnons Stimme im wahren Sinne des Wortes gedämpft. Wahrhaft lächerlich und eine gänzliche Unkenntniss mit dem Speziellen des Faktums verrathend ist es, wie man häufig liest und hört, zu behaupten , dass diese Er- scheinung nur in dem Trug der alt-eg^ptischen Tempel- Priester bestanden habe. Die alten Egypter kannten erstens die Stimme des Memnon gar nicht, die derselbe erst kurz vor Christi Geburt erhob und wo waren also Memnons Tempel und Priester, als Memnon sang? Herodot wandelte in The- ben bereits vor mehr als 2000 Jahren zum Theile schon auf Ruinen. Die Erstürmung der Stadt unter Ptolemäus Lathürus nach dreijähriger Belagerung und das Erdbeben im J. 27 zerstörten noch den Rest vollends, den Kambyscs gelassen hatte, und als Strabo und Pausanias zum Memnon wallfahrteten, war er ein im Freien, in weiter Ebene isolirt sitzender, von Trümmern umgebener Stumpf eines gewese- nen Kolosses, von noch geringerer Vollkommenheit der Form als heut zu Tage. Selbst das vage, das unsichere des Tons, den der Eine so beschreibt, der Andere so, das Ungewisse in der Angabe der Stunde, in der man ihn hörte, und der Umstand, dass er meist mit dem Tone verglichen wurde, den eine abspringende Saite von sich gibt, und dass er immer eine geraume Zeit nach Sonnenaufgang sich hören 147 liess, also nach bereits erfolgter bedeutender Erhöhung der Temperatur, alles diess deutet darauf hin, dass unsere Er- klärung richtig ist und dass dieses Faktum nie der Bestimmt- heit eines menschh'chen Willens, weder der Zeit noch dem Wesen nach, unterworfen war. Die Inschriften von mehr als hundert Personen , aus denen, die den Memnon gehört haben, decken die Aussen- Seite des Kolosses, hochgestellte Wiirdenträger, selbst der Kaiser Hadrian und seine Gemahlin Sabina befinden sich darunter. Viele dieser Inschriften gibt Pococke in seinem Werke. Ein langer Friede, das Herausreissen des Men- schen aus dem stürmischen Drange des Lebens, wo die ra- sche That ihm nicht Raum gibt, seinen Träumen nachzuhän- gen, die Ruhe, der schwelgende Wohlstand, bedingen, wie uns die Geschichte lehrt, sehr oft abnorme Richtungen des Gemiithes, und dahin gehören der Mysticismus, der Hang zum Wunderglauben etc. Dieser war zu Hadrians Zeiten auf der liöchsten Stufe, und in diese Zeit fällt auch die grösste Beriihmtheit der Memnonsäule. Viel dazu trug auch die zarte Schönheit der bekannten hellenischen Mythe bei, welche sich an diese Erscheinung knüpfte, und dass die Idee des klagenden Tons des in blühender Jugend gestor- benen Sohnes, im Augenblicke, wenn der flüchtige Kuss seiner vorüberschwebenden Mutter, der göttlichen Eos, seine Lippen berührt, besonders in der Frauenwelt viele Erobe- rungen machte, ist in der Natur des menschlichen Herzens begründet, daher sehen wir auch unter diesen Inschriften die einiger römischer Damen, die die Stimme des Gottes mehrmals gehört zu haben bestättigen. Auch in neuester Zeit will man einen eigenthümlichen Ton des Memnon ei- nigemal vernommen haben, trotz der dämpfenden Quader- steine des Septimius Severus, und Minutoli gibt in seinem Reisewerke S. 262 mehrere und darunter berühmte Namen von Europäern, die seine Stimme gehört haben wollen. Dass auch die Phantasie ihren Antheil bei solchen Beobach- tungen hat, ist wohl nicht zu läugnen, und ich erinnere mich dabei eines in Egypten wohnenden und sonst ganz vernünftigen Europäers, dem, seiner ernstlich gemeinten 10* 148 Angabe gemäss, nach durchwachter Nacht am Morgen Mem- non, anstatt zu singen, ein Gesicht geschnitten hat. Diess muss freilich dem guten Memnon, da er kein Gesicht mehr hat, sauer bekommen seyn. Uns that er weder das eine noch das andere, und wir sezten daher unsern Weg fort und ritten zu Champollions Rhamesseum, von Einigen Memnonium, von Andern das Grab des Osimandias, von den Arabern Kassr el Dakaki genannt. Der ganze Bau war ein Werk Rhamses 111., des grossen Sesostris (34i;i Jahre), und desswegen nennt ihn CiiAMPOLLioN Rhamesseum. Die Skulpturen an den Wänden sind Bilder der Feldzüge dieses ausse rordentlichen Pharao *. Auch die Seitenflächen der zerstörten Pilonen sind mit Schlachtenbildern im grossartigsten Maasstabe bedeckt. In dem daran folgenden Hofe liegen die Trümmer des grössten egyptischen Kolosses, bekannt unter dem Namen „Bildsäule des Osimandias"^ den Nachweisungen Champollions zufolge aber stellt dieser Koloss den Rhamses 111. oder Sesostris vor. Derselbe ist aus einem Stücke des schönen Granites der Katarakten von Siene verfertigt und hatte ursprünglich die sitzende Stellung der Memnonsäulen. Der Koloss hatte für sich eine Höhe von 35 Pariser Fuss, die Entfernung von Schulter zu Schulter beträgt 21 Par. Fuss, die Länge des Kopfes 31 Fuss, die eines Ohrs 3 Fuss. Die ganze Bildsäule kam daher in ihren Dimensionen den Kolossen, die vor dem Portale des Tempels von Ibsambol in Nubieu sitzen, so ziemlich nahe. Leztere jedoch bestehen aus Sand- stein und sind an Ort und Stelle ausgehauen, während die Statue des Sesostris aus Granit besteht und einem weiten Transporte unterzogen werden musste. Das Piedestal dieser Bildsäule bildete ein z^weiter Monolith von Granit, dessen Länge, da er abgeschlagen ist, gegenwärtig nur 28 Fuss beträgt. Champollion schlägt sie jedoch im ursprünglichen Zustande auf 33 Fuss an. Die Breite beträgt 18 Fuss und '•' Der Name „Pliavao" ist übrigens inv Munde des gemeinen Araber» heut zu Tage keineswegs ein Gefeierter; denn mit dem Schimpfworte „Pbaraun" bezeichnet er den Inbegriff eines lumpichten Ganners der er- sten Klasse. 149 ilie über dem Schutte hervorragende Höhe 8 Fnss. Dieser Monolith kommt also in seinen Dimensionen gleich nach den Riesenqnadern von Baalbeck, doch auch hier ist zu berück- siclitigen, dass leztere aus Kalkstein bestehen, während je- ner Granit ist. Nach DioDOR von Sizilien (I, 47), soll diese Bildsäule die hochtönende Inschrift getragen haben: „Ich bin Osiman- DiAS, König der Könige, wer wissen will, wie gross ich war und wo ich ruhe, der zerstöre eines meiner Werke." Wenn man auch von dieser Inschrift nichts mehr entdeckt, so sind doch jene, welche man unter so vielen andern in den Galle- rien des Rhamesseums findet und die da sagen: „ich bewil- lige, dass dein Gebäude so dauerhaft sey als der Himmel", und weiter: „ich will, dass dein Palast ewig bestehe" etc., nicht weniger hochtrabend und haben sich nicht bestättigt; denn heute liegt der Riesenbau in Trümmern, der Koloss mit zerschlagenem Gesichte auf der Erde, an dem deutlich zu ersehen ist, dass man anfing, es durchzuschneiden. Einige spra- chen diese Statue als die desMpjMNÖNan, doch ohne allen Grund. Die zweiten Pilonen, die mehr zerstört sind, tragen ebenfalls historische Reliefs, die grössten derselben enthält jedoch der zweite Hof, der wahrscheinlich von einem Por- tikus von 8 Pfeilerstatuen und 52 Säulen umgeben war, und wo die Schlachtenbilder eine Grösse und einen Schwung erreichen, der mit Recht unser Erstaunen erregt, und von denen Wilkinson sagt, dass sie die Grundidee zu Homers Schlachtenbildern gegeben hätten. Eine Fortsetzung dieses Portikus liegt um 12 Stufen höher und besteht wieder aus 8 Pfeilern und 22 Säulen. Über dem grossen Schlachten- bilde im Portikus befindet sich die Stammtafel von 12 Vor- fahren des Sesostris. Sie geht bis auf Menes zurück , der der erste König der ersten oder tinitisch-thebainischen Dynastie und der Erbauer von Memphis war. Er soll, den Angaben des Manetho zufolge, vor 7709 Jahren regiert ha- ben. Wahrscheinlich stellen diese 12 Vorfahren des Seso- stris nur eine, eine gewisse Beziehung habende, Elite der Pharaonen aus den Dynastien dar, welche der 18., der Sesostris angehört, vorhergingen. Die erste Dynastie folgte, 150 wie bekannt, unmittelbar auf die Regierung^ der Götter und Halbgötter, welchen die Gründung des alten Theben zuge- schrieben wird. Wer bedenkt, dass die Monumente Thebens, ohne die frevelnde Hand des Menschen, ohne die histo- risch nachweisbaren Zerstörungen durch das Erdbeben im Jahr 27 v.Chr. und durch die Erstiirmung des Ptolem. Lathu- Rus sich unter jenem Himmel seit Herodot, also seit mehr als 2000 Jahren, fast um gar nichts geändert haben würden, der wird auch anfangen, solche Zahlen, als innerhalb den Gränzen der Wahrscheinlichkeit liegend, zu begreifen. Aus dem Portikus tritt man durch ein Thor von Syenit in den ersten Tempelsaal. JNoch bemerkt man 36 Säulen, es können deren aber auch mehrere gewesen seyn. Die mittlem, welche bei ß Fuss Durchmesser 40 Fiiss Höhe ha- ben, besitzen Blumenkronen, die übrigen Blumenkelche als Kapitaler, alles in höchster Symmetrie und im feinsten, voll- endetsten Geschmacke. Das Portrait der Tauai, der Mutter des Sesostris, die Bilder seiner 23 Söhne und die Erstürmung einer Festung sind die vorzüglichsten Reliefs dieses Saals. Der eigentliche Tempelraum, das Heiligthum, besteht aus neun Gemächern, von denen alle bis auf zwei zerstört sind. Das eine von diesen besizt acht Säulen und die Re- liefs stellen durchaus gottesdienstliche Handlungen vor. Höchst merkwürdig ist jedoch der lezte, ebenfalls achtsäulige Saal, dessen Granitthor, den darauf befindlichen Inschriften zufolge, mit Gold belegt war. Diodor (I, 47) spricht von einer Bibliothek des Osimandias, deren Vorhandenseyn eine gelehrt scheinen wollende Eigenmächtigkeit später für eine Fabel erklärte, und siehe, Champollion entdeckt auf den Thürpfosten die Darstellung des Thot mit dem Ibiskopf, den Erfinder der Buchstaben, ein grosses Auge, das Ge- sicht, und die Göttin Saf mit der Beischrift: Herrin der Buchstaben und Vorsitzerin des Büchersaals. Nach einer solchen Bestättigung der Angaben der Alten kann man auch den von Kambyses geraubten goldenen, astronomischen oder vielmehr astrologischen Ring auf dem Dache des Osi- mandeums für keine leere Fabel halten. Auch im Bereiche der Trümmer des Rhamesseum findet man mehrere Kolosse, 151 die zwar dem grossen au Umfaiig- nachstehen, aher, wie er, sehr schön g^earheitet sind. Sie bestehen theils aus einem schönen sehr liornblendereichen Syenite, theils aus dem Sandsleine von gefrittetem Ansehen. Als wir vom Rhamesseum an unser Schiff zurückkehr- ten, hatte sich daselbst eine Anzahl halbnackter, schwarz- brauner Araber versammelt, Troglodyten aus den Grabeshöh- len um Kurnu, die mit ihren langen Lanzen inmitten die- ser grossartigen Trümmer der Baukunst eines hochgebilde- ten Volkes, das einst die Thebais bewohnte, einen sonder- baren Eindruck machten. So musste denn so viel Schönes und so viel Grosses untergehen, um endlich solchen Barba- ren Platz zu machen ! ein für die Zukunft unserer modernen Monumente niederschlagender Gedanke. Die Araber von Kurnu boten uns verschiedene Gegenstände zum Kaufe an, namentlich ausgestopfte Thiere: Krokodile, INilschildkröten etc., die aber sämmtlich in einem scheusslichen Zustande waren. Wir mussten diessmal Theben im Fluge sehen, und begaben uns daher sogleich ans rechte Ufer, um das Grossartigste zu schauen, was die Baukunst aller Völker und Zeiten schuf, die Tempelmassen von Karnak und Luxor. — Wir hielten an Karnak. Die Ruinen, von Palmengruppen umgeben und mit dem arabischen Gebirge zum Hintergründe, haben eine sehr malerische Lage, die in dem seelenvollen, mit südlicher Wärme dargestellten Bilde, welches Dr. Parthey da- von in seinem kleinen Atlas gibt, vortreffHch aufgefasst ist. Der Zutritt zum Riesentempel von Karnak ist noch in Trümmern wahrhaft grandios und es schwindelt dem mensch- lichen Sinne vor der Idee der Grösse und Pracht, die da einst geherrscht haben muss. Eine Reihe von Portalen und Pylonen, sowohl auf der Flussseite, als gegen Luxor hin, führen zum Linern des Tempels, eine Perspective darbietend, die man gesehen haben muss, um ihre Richtigkeit und ihre Schönheit nach Verdienst viürdigen zu können. Das Haupt- gebäude ist der grosse Palasttempel, an den sich eiue Menge anderer Bauten, als: Tempel, Thore, Kolosse, Obe- liske , Sphinxenreihen etc. ringsum anschliessen. Die Zer- störung ist greulich, Wände, Pylonen und Säulen liegen in 152 Trümmern, Schutt erfüllt die Gemächer und manche Steilen sind fast unzugänglich, indem man genöthigt ist, höchst ge- wagte Sprünge von der scharfen Kante des einen Zimmer grossen Blockes auf die eines andern zu machen. Von der Flnssseite her gelangt man über eine niedere Terrasse zu einer Doppelreihe von Widdersphinxen, die zu einem Thore von fiO Fnss Höhe führen. Dieses liegt zvsi- schen zwei Pylonen, die bei einer Länge von 170 Fuss und einer Breite von 40 Fuss eine Höhe von 170 Fuss erreicht haben mögen, jezt aber nur noch 136 Fuss hoch sind. Alle diese Pylonen, der eigenthümliche Vorbau der egyptischen Tempel, haben die Form abgestuzter Pyramiden, gegen in- nen oder gegen das Thor steiler, gegen aussen mehr geneigt abfallend. Der innere Raum ist mit Gemächern erfüllt und über Stiegen gelangt man auf die Plattformen, von denen man meist eine herrliche Aussicht geniesst. Duich das Thor tritt man in den Tempelhof ein. Der- selbe besass zu beiden Seiten einen Portikus und in der Mitte eine Gallerie von Säulen, deren jeder Durchmesser 9 Fuss beträgt. Die Knäufe sind Lotusblumen. An der Südwest). Seite dieses Hofes steht ein getrennter Tempel, der, bei einer Länge von 100 Fuss und bei einer Breite von 76 Fuss, unter die grössern egyptischen Tempel gehört, doch hier neben den übrigen kolossalen Räumen nur wie eine Kapelle erscheint. Die Wände dieses Tempels sind mit Skulpturen bedeckt, die der ersten Pylonen jedoch und die Säulen stehen nackt. Der Vorhof dieses Tempels bildet für sich einen Portikus, von 18 Kolossen getragen, die sich an Pfeiler lehnen. Zwi- schen diesem Tempel und dem zweiten Pilonenpaar befindet sich, und zwar ebenfalls in der südwestlichen Wand des grossen Vorhöfes des Haupttempels , ein Thor in grandio- sem Style und ebenfalls mit Skulpturen versehen. An die- sen Vorhauen bemerkt man unter andern die Königsnamen : TlRHAKA, PSAMETICH L, PtOLEMÄUS PhILOPATOR, ScHESCHONK, Rhamses hl und Osorkon. Vor dem zweiten Pylonenpaar stehen zwei Kolosse, wenn ich nicht irre, aus dem Sandsteine gleich dem der Memuonsäule verfertigt. Sie sind 21 Fuss hoch. Das Thor 153 zwischen beiden Pylonen und die Sknipturen an denselben zeig;en kolossale Dimensionen. Durch dieses Thor tritt man nun in jene beriihmte Säu- lenhalle ein, die ihres Gleichen nicht auf der ganzen Erde hat. Sie ist das grösste, was je die egyptische und jede andere Baukunst lieferte und wovon Reste bis auf unsere Zeiten blieben. Noch stehen in dieser einzigen Halle 134 Säulen. Zwölf davon, jede ö5 Fuss hoch über den Schutt emporragend, jede von 12 Fuss Durchmesser, bilden den ungefähr 150 Fuss langen Durchgang der Halle, sechs an jeder Seite, von Thor zu Thor. Die übrigen 122 Säulen, jede über 45 Fuss aus dem Schutt emporragend und jede von 9 Fuss Durchmesser, ordnen sich zu beiden Seiten des mittlem Säulenganges in 14 Reihen. Die Säulen sowohl als die Seitenwände der Halle, von denen jede der längern eine Fläche von wenigstens 20,000 Quadratfuss darbietet, sind von oben bis unten mit Skulpturen bedeckt. INimmt man das aus den Monumenten der alten Egypter sich er- gebende Verhältniss des Säulenschaft- Durchmessers zur ganzen Säulenhöhe, Piedestal, Schaft und Kapital zusam- mengerechnet, im Durchschnitte ungefähr =1:6 und = 1 : 7 an, so können wir auch mit Sicherheit annehmen, dass die eigentliche Höhe dieser Säulen sammt Piedestal und Knauf bei den kleinern über 60 Fuss, bei den grössern SO Fuss betrug, welche Höhen also auch zugleich die der Halle an den Seiten und im mittlem Durchgange waren. Die Dimensionen dieser Säulen , aus denen der Pompejussäule in Alexandria zu berechnen, ist, wie ich glaube, ein Miss- griff, denn die thebainischen Säulen sind nach egyptischem Style konstruirt, die Pompejus - oder Diokletiansäule hin- gegen ist griechischer Bau. Sie nähert sich am meisten der korinthischen Ordnung und bei ihr ist das Verhältniss des Durchmessers zur ganzen Säulenhöhe ungefähr:^ 1: 12, daher ihr schlankes Ansehen und daher im Ganzen der freie Schwung, der in jeder griechischen Säule überhaupt athmet, während der egyptischen Säule etwas Schwerfälli- ges, Düsteres durchaus nicht abzuläugnen ist. Die Knäufe der kleinem Säulen stellen Blumenkelche dar, die der grössern 154 Lotiisblumen. • Das Baumaterial, mit einziger Ausnahme der Kolosse, einiger Sphinxe und der Obeliske, ist durch- aus der Sandstein der Thebais, daher auch die Säulen- schäfte niclit aus einem Stücke bestehen , sondern aus meh- reren, jedoch ohne im mindesten das Auge zu beleidigen, zu- sammengesezt sind. Diese Riesenlialle, deren innere Länge 300 Par. Fuss bei einer Breite von 150 Par. Fuss beträgt, die an beiden Seiten des Durchganges eine Höhe von 60 und in der Mitte von 80 Par. Fuss hatte und einen Wald der grössten Säulen, die existiren, enthält, trug einen ko- lossalen Oberbau, der ebenso sinnreich als über alle Vor- stellung kühn konstruirt ist. Jede Säulenreihe ist ihrer Länge nach mit Architraven verbunden, die beiderseits im Mittelpunkte der Kapitaler aufliegen , darüber liegt quer eine zweite Reihe und darauf lag ein Boden von Marmor- platten. Wo die beiden äussern Säulenreihen sich an die Reihe der innern, um 20 Fuss höhern Säulenreihe anschlies- sen, sind auf den Überlagen starke vierseitige Pfeiler er- richtet. Auf diesen Pfeilern und den Architraven der mitt- lem Säulen liegen die Verbindungsüberlagen und darauf erst die Decksteine, welche dem Marmorboden des mittlem Säulenganges zur unmittelbaren Unterlage dienen. Da je- doch die mittlem Säulen grössere Zwischenräume haben, als die weniger hohen Säulen zu beiden Seiten, so ergibt sich, dass viele dieser Verbindungsüberlagen auf die Mitte der Architraven zu liegen kommen, wo dieselben nicht unter- stüzt sind und also den ungeheuren Druck dieser kolossalen Massen nur durch ihre Tragkraft, durch ihren relativen Widerstand, aushalten müssen. Der Monolithe, welche die Bedachung der mittlem Reihe bilden, sind viele, die, bei 28 Paris. Fuss Länge, eine Breite von 8 Fuss und eine Dicke von 4 Fuss haben. Sie bilden eine Brücke im Lichten von mehr als 20 Fuss Weite von einer Unterlage zur andern. — Die Kühnheit dieses Baues ist so enorm, so gewagt, dass man es nicht begreifen kann, wie derselbe sich durch Jahr- tausende erhalten konnte , denn noch ist ein grosser Theil des Tenipeldaches ganz und gibt auf jeden Fall einen Be- weis, mit welcher Anstrengung und mit welcher Solidität 155 von den Alten die Fnndamentbaue auf ihren Sclinttterrassen müssen ausgeführt worden seyn. Beim Anblicke dieses Baues, gegen den alle unsere neuern Werke dieser Art verschwinden, kann man Avahrlich nicht fragen: welcher Pharao ist der Erbauer? Wir mi'issen vielmehr fragen: wie viele Dynastien, wie viele Generationen haben an die- sem unbeschreiblich prachtvollen Monumente gearbeitet? die nördliche Seitenwand dieser Halle deckt ein grosses Schlachtenbild. Der König, in kolossaler Grösse, zertritt Haufen der Feinde; Sieg, Triumph und Opfer folgen. Im Innern des Tempels und namentlich an den Säulen sind die Gegenstände der Sculpturen religiösen Inhalts, besonders treffen wir häufig die Anbetung des Priaps in, nach unsern Begriffen, sehr indecenten Darstellungen. Die übrigen Wände und die Aussenseite des Tempels decken wieder Schlachten- bilder, religiöse Feste, Triumphzüge, Dankopfer etc., durch- aus Darstellungen voll Phantasie und Leben, wiewohl ohne Perspektive. Sie sind umständlich beschrieben in Prokesch (I, S. .'ill etc.), in Wilkinson und mehreren andern. Nach Prokesch tragen die meisten Schilder den Namen des Rham- SES Sesostris. Nach Wilkinson wurde der Bau der Halle unter Menephta I. (Osirei, 3452 Jahre vor der gegenwärti- gen Zeit) begonnen. Champollion bezieht die Reliefs, die im Innern des Tempels zum Theile noch in den schönsten Farben prangen, auf die asiatischen Feldzüge der Pharao- nen : Menephta I., Rhamses Sesostris, Sesonchis etc. — Im Hintergrunde der Riesenhalle erhob sich das dritte Pylonen- paar, welches fast ganz zerstört ist. Ausser demselben befanden sich zwei Obeliske aus Granit, von denen der eine, 70 Fuss hoch, noch steht, der andere aber zertrümmert am Boden liegt. Er trägt die Namen Rhamses VIII. und IX. Durch das vierte Thor tritt man in einen Vorhof mit einem Portikus. Dieser Vorhof ist durch ein in seiner Mitte an- gebrachtes Thor in zwei Theile getheilt. Der Portikus des einen besteht in 19 Pfeilerkolossen, der des andern in 16, Priesterstatuen mit gekreuzten Armen, den Nilschlüssel in der Hand. In der zweiten Abtheilung dieses Vorhofes stan- den wieder zwei Obeliske, der eine ist umgestürzt, der 156 andere steht noch aufrecht, ist aus einem Stücke Granit gearbeitet und besizt eine Höhe von 95* Fnss. Er trägt die Namen Amon Ra, Amunneitgori und Thotmosis I., scheint also in jedem Falle ein Alter von wenigstens 3630 Jahren zu besitzen (nach Manetiio gerechnet). Aus diesem Hofe mit dem Portikus von Kolossen führen zwei hintereinander liegende Thore in den Hof des Heilig- thiims, und aus diesen mehrere Thore in die angränzenden Gemächer, die aber alle zerstört sind. Das Heiligthum , in zwei Gemächern bestehend, ist aus Granit aufgeführt, wurde aber von einem zweiten Bau umgeben, von dem ich nicht mehr anzugeben weiss, besteht er aus Sandstein oder Kalk- stein. Vor dem Heiligthume stehen zwei kleine Obeliske von 18 Fuss Höhe. Die Reliefs an den Wänden sind fein und schön ausgeführt und prangen zum Theil noch mit sehr lebhaften Farben. Die Darstellungen sind alle religiösen Inhaltes. Die Decke des Heiligthums war blau mit golde- nen Sternen. — An der Hinterseite sitzen die Wandstatuen der Götter Amon, Mendes und Ra**. Die Granitblöcke, aus denen das Heiligthum besteht, sind kolossal und messen zum Theil bei 17 Fuss Länge, 3 Fuss Breite und 6 Fuss Höhe. Der Umbau des Heiligthums war ein Saal, denn er ist gedeckt und seine Decke stellt ebenfalls den gestirnten Himmel vor. Der Gründer des Heiligthums ist wahrschein- lich Thotmosis Hl., man findet jedoch auch spätere Namen. Hinter dem Heiligthume folgt in der bisher beibehaltenen Richtung aus NW. in SO. ein grosser Hof, grösstentheils mit Schutt und Trümmern angefüllt. Am Ende dieses Ho- fes betritt man neuerdings eine gedeckte Halle mit 5'2 Säu- len- und Pfeilerkolossen, von denen leztere die erstem um- geben und einen grandiosen Portikus bilden. Ausser diesem Portikus folgt wieder ein anderer, klei- nerer, der 32 Säulen besass, von denen noch 15 stehen***. * Dei' lateranischc in Rom ist 99 Fuss hoch, besteht aber aus drei Stücken. *'■' V. PllOKKSCH. *'•"* Giundriss des Tempels von Karnak im Atlas zu Paktheys Reise- nerk. 157 Zu beiden Seiten des Thors, welches in den Hof der äussern Umwaliung- führt, befinden sich 7 Gemächer und ausser die- sen 14 Gemächern sind noch 42 zu beiden Seiten des gros- sen Hofes, in welchem das Heiligthum steht, vertheilt. Wa- ren es Priesterwohnungen oder Zimmer für die Dienerschaft des Tempels, oder für die eines Pharao? Sie waren sämmt- lich mit Skulpturen prächtig geziert und einige derselben hatten Säulen. Die Eingänge waren nach innen und mün- deten sich in dem Säulengang, der sich rund herum zog. Keines der Gemächer hatte Fenster und jedes erhielt also sein Licht durch die offene Thüre. In einem dieser Gemä- cher, welches von 8 Säulen getragen wird , sieht man den Namen Osortasen 1.*, ein Name, der uns in eine Zeit von mehr als 4000 Jahren, in die Periode der 16. Dynastie (nach Manetho) zurückführt. Der grosse Hof, welcher zu- nächst der äussern Umwaliung liegt, enthält in der Mitte einen kleinen Portikus von 12 Säulen, dann folgt ein Säu- lengang von 24 Säulen und endlich das grosse, über 60 Fuss hohe Thor der Umwaliung, eine doppelte Ummauernng, die das ganze Haupttempel-Gebäude mit den unmittelbar daran liegenden übrigen Tempeln und Palästen umschliesst. Die Nordwestseite dieser Umwaliung, deren äussere Mauer aus Backsteinen aufgeführt ist, ist gegen den Fluss hin offen. Sie ist daselbst bis zum Unkenntlichen zerstört; den- ken wir uns sie aber in der Linie der vordersten Pjlonen vom Flusse her geschlossen, so sehen wir ein ummauertes Trapez von Tempeln und Palästen, an der vordem, längern Seite 2000 Par. Fuss, an der hintern, kürzern Seite 1700 Par, Fuss lang, 1700 Fuss breit und folglich von .3 Millio- nen DFuss Oberfläche, ungerechnet noch die kolossalen Anbaue ausser dieser Umwallung. Das Haupttempel-Gebäude allein hat, aus Nordwest in Südost, eine Länge von 1700 Paris. Fuss bei einer grössten Breite von ungefähr 400 Par. Fuss. Wo hat die Erde einen ähnlichen Riesenbau aufzuweisen**? * WiLKINSON. *"■ Die Peterskirche iii Rom ist 581 Par. Fu.ss lang und 424 breit. Die Paulskirdie iu London 497 Par. Fuss lang- und 280 breit. Der Dom in Mailand 419 Par. Fuss lang und 325 breit etc. 158 Durch die ümwallung des Haupttempels von Kaniak führen mehrere Thore zu den Tempeln und Palästen, wel- che diese ümwallnng' von Aussen umgeben. So sehen wir an den beiden längern Seiten, an denen gegen Nordwest und Südost nämlich, an jeder ein Thor. In der nordwest- lichen Seite sehen wir drei, in der südwestlichen zwei Pforten angebracht, jede ungefähr 60 Fuss hoch und die meisten mit Bildern bedeckt und mit Seitenkapellen und Gemächern versehen. Bevor wir die Bauten besichtigten, die sich an die äus- sere Umwallung des Haupttempel -Gebäudes anschliessen und die sich ausser diesem noch innerhalb der Umwallung befinden, bestiegen Avir die Dachung der Riesenhalle des grossen Tempels und genossen den Überblick über den gan- zen Complex der Tempel und Paläste von Karnak, dessen gesammter Umfang, so weit zusammenhängende lluinen reichen, nahe an 12,000 Paris. Fuss beträgt, und diess war nur ein kleiner Theil von Theben ! der Oberbau der Riesen- halle enthielt wahrscheinlich nur Gemächer, deren Fenster nach Aussen gingen und die besonders interessant sind ; denn sie sind mit aus Sandstein ausgemeisselten, fein bear- beiteten Gittern versehen. Als wir auf dem Schutte des Tempeldachs herum stiegen und in den Säulenwald der Riesenhalle staunend hinabblickten, sahen wir einen Euro- päer, der uns in unserer Muttersprache anredete und in welchem wir den schwedischen Major Kronstrand kennen lernten. Derselbe bewohnte schon seit 7 Monaten allein ein kleines Hüttchen auf der Plattform des Tempels und beschäftigte sich mit der Aufnahme der Reliefs, worüber er uns vortreff- liche Arbeiten zeigte. Wir blieben den Tag zusammen und die Bekanntschaft mit diesem hoch gebildeten Offiziere ward eine schöne Erinnerung mehr, deren Nachball wir im Jahr 1841 feierten, als ich Kronstrand, von meiner Reise zurückgekehrt, wieder in Wien traf. An der Nordostseite der Tempelumwallung befindet sich ein ausgedehnter Bau von grosser Bedeutung. Es sind die Reste eines Tempels, dessen Achse auf der Längenarhse des Haupttempels, innerhalb der Umwallung, senkrecht steht. 159 Man sieht noch zwei Säulenhallen, jede von acht Säulen, mehrere Säle, den Saal des Heih'f^thums, einen Sänlengang mit vielen Gemächern und viele Kolosse mit Thierköpfen. An der Aussenseite dieses Tempels, gegen NO., standen zwei Oheliske, die in Triimmern liegen, und von ihnen weg führte, ehenfalls nach NO., eine hei 500 Fuss lange Allee von Löwen-Sphinxen zu einer äussern Pforte, die wahr- scheinlich einer, für diesen Bau separat errichteten Ura- wallnng angehörte. Ringshernm eine Masse zertrümmerter Gehäude. Die Schilder an diesem Tempel tragen die Na- men Amenoph 111. , Rhamses II. und zweier Ptolemäer. Der ganze Raum, zwischen der üitiwallung des Haupt- tempels und der nordöstlichen Seite desselben, der ganze nördliche Hof der Umwallung nämlich, ist mit Trümmern grossartiger Gebände bedeckt. Die Zerstörung ist jedoch zu weit vorgeschritten, um den Zusammenhang dieser Reste ausmitteln zu können. Bei weitem schöner und besser erhalten sind die Reste jener kolossalen Tempel und Paläste, die sich dem Haupt- tempel gegen SO. , gegen Lnxor hin, anschliessen. Schwer ist es, hier die Linie der ümwallung genau zu bestimmen; denn ein Chaos von Trümmern beschränkt den Blick. Zwei Pforten führen, wie gesagt, durch die südwestli- che Seite der UniAvallung. Die mehr gegen West liegende, d. i. die dem Flusse nähere, nennt Parthey die „schöne Pforte" und Prokesch die „obere Pforte" , warum nicht Beide sie lieber die Pforte von Luxor nennen, wundert mich. Wäre nicht die Masse von Ruinen hier herum so chaotisch, so käme es auf das scharf Bezeichneude des individuellen Na- mens nicht an, aber in diesem Gewirre ist es wirklich wün- schenswerth, darauf Rücksicht zu nehmen. Die weiter ge- gen Ost, also vom Flusse entfernter liegende Pforte nennt Prokesch „die Granitpforte", Parthey nannte sie „die Pal- menpforte", und um nicht stets, um leicht verstanden zu werden, alle Namen dieses Thors angeben zu müssen, nenne ich sie die Pforte „des Typhoniums", da sie geradehin zu diesem herrlichen Baue führt. Beide Thore liegen entschie- den in der Umwallnng. 160 Das Thor von Luxor ist die schönste Pforte, die ich je gesehen. Sie ist im herrlichsten Ebenmaasse, wie die meisten i'ibrigen, zu 60 Fuss Höhe aufgeführt und von innen und aussen, nur die Nordwest- und die Südost-Seite aus- genommen, wo die Umvvallung ungestossen hat, mit den schönsten Skulpturen bedeckt. Die Reliefs waren bemalt und einige haben ihre Farben unter dem ewig reinen Him- mel Ober-Egyptens mit voller Frische erhalten. Die Bilder haben durchaus religiöse Beziehung, und merkwürdigerweise sind daran alle Köpfe der Figuren, selbst der kleinsten, auf eine wahrhaft barbarische Art und, der Höhe des Thores halber, mit grosser Anstrengung zerstört. Der Weg von diesem Thore nordostwärts zu dem ab- gesonderten Tempel, an der Innern Seite der Westecke der ümwallung, führt durch eine Allee von 40 Sphinxen, die sämmtlich bemalt waren. Sie bildet eine Fortsetzung der grossen Sphinxen-Allee, die von Luxor herführt und an die Süd Westseite des Thors angestossen ist. Hierauf folgen die Pylonen des Tempels. Sie sind zerstört, man sieht jedoch aus den Trümmern, dass sie mit Reliefs bedeckt waren. Unmittelbar an diese Pylonen stösst der Vorhof des Tempels, der 28 Säulen besass, die zwar nur 12 Fuss aus dem Schutte emporragen, da sie aber einen Durchmes- ser von 6 Fuss besitzen, wohl an 40 Fuss ganze Höhe ge- habt haben mögen. Wände, Säulen, alles ist mit den schön- sten Skulpturen bedeckt. Aus dem Portikus dieses Vor- hofes führen zu beiden Seiten zwei Thore in anstossende Säle, ein mittleres führt aber in den Hauptsaal, der acht Säulen besizt. Die Wände sind mit Bildern bedeckt und deren Gegenstand ist religiös. Um die Farben besser auftragen zu können, hat man den Stein mit einer dünnen Schicht von feinem Mörtel überzogen. An dem rechtwinklioten Absätze des Tempeldaches, der dadurch entsteht, dass, wie in der Riesenhalle, die mittlem Säulen höher sind, als die äussern, sind Fenster angebracht, deren jedes ein Steingitter mit 12 länglich rechteckigen Offnungen besizt. Hierauf folgt das grösstentheils zertrümmerte Heiligthum, dessen Reliefs eine besondere Schönheit und Schärfe haben. KU Nordwestlich an die Pylonen dieses Tempels angeleluit steht: ein Nebentenipel, ein Typhoniiim des eben erwähn- ten Tempels, das aber mit dem weiter in SO. lieg^enden |>rossen Typlioiiium des Hanpttempels nichts gemein hat. Dieses kleine Typhoninm besteht ans einem Saale mit vielen Seitengemächern und ist bedeckt mit religiösen Bildern. Es ist neuern Ursprungs, worauf vorziigÜch der Umstand hin- deutet, dass es auf einer Stelle steht, wo wahrscheinlich früher einst die Fortsetzung der nordwestlichen Seite der Haupttempel -ümwallung sich befand, und es ist daher mit Recht auffallend, ausser den Namen von Ptolemäern und Imperatoren auch den alten Thotmosis I., wie von Prokesch 1, S. 344 sagt, daselbst zu finden. Iß bis 17 Jahrhunderte kann dieser Zwergbau nicht gedauert iiaben, und eine solche Inschrift auf einem solchen Bau kann also nur ein Beweis seyn, welche Missbräiiche sich die Alten mit den filtern Pharaonen -Namen manchmal erlaubten. Der Tempel an dem Thore von Luxor, der also mit sammt seinem kleinen Typhonium noch ganz innerhalb der Umwallung liegt, trägt die Namen Rhamses VI II. und Bochoris, das Thor selbst den Namen des Ptol. Evergetes I. *. Von dem so eben beschriebenen Thore von Luxor führte bis zu den Pylonen des Tempels in Luxor selbst eine über 7000 Fuss lange Allee von wenigstens 1200 bis 1400 Sphin- xen. Diese Strasse hatte eine Breite von 45 Fuss tind ist in ihrer ganzen Erstreckung nachzuweisen. Die Sphinxe sind zum grössten Theile nicht mehr zu sehen, bedeckt von Schutt oder von Kulturland, sind die meisten verschwunden, die übrigen sind zertrümmert, namentlich sind allen die Köpfe abgesägt oder abgeschlagen. In der Nähe des Tho- res von Luxor zu Karnak sind diese Sphinxe grösser, sie haben bei 11 Fuss Länge, eine Höhe von 4 Fuss und eine Breite von 5 Fuss. Die entferntem sind nur 7 Fuss laui.;. Im Anfange stehen sie sehr dicht aneinander, dann aber werden die Zwischenräume grösser, kurz alles ist auf eine vollendet schöne Wirkung der Perspektive dieser Wundör- strasse abgesehen. Die ganze Strasse, welche an einem * WiLKINSON. r.iissegger, Reisen. 11. Bi). |. Till. H 1C2 Bassin vorüber führt, das ^egenuäitig-, da das Wasser des Nils dahin eindringt, zur Bev\ässenuig beiiüzt wird, war mit grossen Steinplatten gepflastert. Der Anblick dieser Spliin- xen- Allee mit den Riesen-Tempehi und Palästen an iliren beiden Enden, den hohen Pylonen nnd schlanken Obelisken, m'ss, belenchtet von dem strahlenden, ätherischen Lichte des hohen Südens, in dieser reinen, warmen Lnft, umgeben von einem hochkultivirten Lande, wo Kunst und Ackerbau auf der Stufe der Vollendung sich die Hände boten, zau- berhaft, mnss ergreifend gewesen seyn. Wenden wir uns nun weiter östlich zum Thore des grossen Typho- niums, das ebenfalls in der alten Umwallnng liegt. Zwischen diesem Thore, also zwischen der ümwallung nnd der Riesen- lialle des Haupttempels, liegen drei mächtige Pforten mit Pylonen, die einst mit Seitenmauern verbunden waren. Das Thor des Typhoniums verbindet sich durch die erwähnten Pfor- ten unmittelbar mit dem grossen Portikus der Kolosse im Haupt- tempel, der, zunächst der Riesenhalle desselben, in SO. an- gebaut ist und den wir bereits kennen. Wahrscheinlich be- standen zwischen den Pylonen, von denen jeder über 150 Fuss Höhe hatte, Vorhöfe, wenigstens deuten die Seiten- niauern darauf hin, von denen man noch die Reste zwischen dem ersten und zweiten, und zwischen dem dritten und vier- ten oder lezten Pylonenpaare, welches das des Thores des Typhoniums in der Haupttempel-Umwallung ist, bemerkt. Alle acht Pylonenriesen waren von oben bis unten mit Skulpturen bedeckt ! Mag seyn , dass die Pharaonen die Handlangerdienste bei ihren fast übermenschlichen ßauten durch Kriegsgefangene, durch Sklaven verrichten liessen, bei der Anordnung ihrer Baue aber, bei der Ausführung ihrer Skulpturen nnd ihrer Fresko-Gemälde, kurz bei all dem Detail, welches wir in unserer Kleinheit mit Erstannen bewundern, müssen ihnen Mittel zu Gebote gestanden seyn, von denen wir keinen Begriff haben. Sie können unmöglich Armeen von Künstlern zu Gefangenen gemacht, unmöglich Armeen von Baumeistern als Sklaven gehalten haben, ab- gesehen davon, dass ein Kunstsinn in solchem Maasstabe, wie ihn keine Zeit und kein Volk der Erde aufzuweisen 163 liat, sich niclit aus Sklaverei entwickelt. Sklaven mögen Kanäle o;raben, mögen ßerg-e aufhänfen, mögen Plantagen bauen, aber die Tempel von Theben konnte nur die höchste Humanität ins Leben rufen. Jahrtausende, die an diesen Pylonen, ^velche die Schilder AmenophII. und III. (liSCSJ.) tragen, voriibergingen, vermochten nicht die Farben einiger jener Reliefs zu zerstören. Vor dem ersten Pylonenpaar, vom Haupttempel her, standen zwei Obeliske und vor den Pylonen selbst sassen zwei Kolosse aus Granit. Vor dem zweiten Pylonenpaar sassen vier Kolosse, jeder nahe an 30 Fuss hoch. Zwei davon bestehen noch , der eine aus dem Sandsteine von gefrittetem Ansehen, der andeie aus weissem Kalkstein (Kreide aus Bab el Moluk) und bemalt. Trümmer von Granitkolossen sieht man am dritten Pylonen- paar, und am vierten, dem des Thors des Typhoniums, sassen zwei Kolosse zu beiden Seiten desselben und zwar je einer rechts und einer links des Durchganges, und jeder von den vieren war an 40 Fuss hoch. Diesen leztern sind die Köpfe abgesägt*. Zwischen der üniwallung und dem Haupttempel, an der Ostseite dieser Pylonenreihe , befindet sicli ein aus Quader- steinen aufgemauertes Wasserbecken , welches bei einer Breite von :J60 Fuss über 400 Fuss Länge hat und wahr- scheinlich ein Bad war, da die Quadersteine dieses Bassins mit Aufwand verziert sind. Auch trifft man an der östli- chen Verbindungs-Mauer zwischen dem dritten und vierten Pylonenpaar einen kleinen zierlichen Tempel, mit Portikus, Säulenhalle und verschiedenen Gemächern. Dieser kleine und schöne Tempel trägt den Namen Amenoph IL (3565 J. nach Manetho). Das Thor des Typhoniums in der Umwal- lung des Haupttempels besteht ganz aus Granit, hat eine sehr edle Form, aber wenig Skulpturen. Von dem Thore des Typhoniums in der ümwallung führt eine Allee von 120 Widder- Sphinxen gerade zu dem grossen Typhonium. Vor der ersten Pforte dieses mächtigen Tempelgebäudes trennt sich diese Allee in zwei Arme, der '•' In PococKE, 1. Tlieil, 11. Buch, §. 20 etc. die nähere Angabe der Dimensionen. 11* 164 eine fuhrt rechts, ist 020 Fnss lang- und verbindet sich mit der grossen Sphinxen-AIlee, welche vom Tempel von Luxor aus gerade nach Karnak zum Thore von Liixor führt, der andere Seitenaim zieht sich links ujul verliert sich unter den Tri'immern. Wahrscheinlich führte diese Strasse zu dem Tempel, der sich dicht an der Südecke der Haupttempel- Umwallung, und zwar ausser derselben, befindet. Ist lezteres der Fall, so haben die Sphinxen-Alleen, die vom Thoie des T5'phoniums in der ümwallung zum Typhonium ausser der- selben führen , und ihre beiden Seitenarme zusammen über 400 Sphinxe enthalten. Die meisten dieser Sphinxe tragen den Naman Osirei II. (Menephta III. ?). Durch die erste Pforte des Typhoniums gelangt man in einen viereckigen Hof, der von einer 36 Fuss breiten üm- wallung eingeschlossen ist. Mitten durch führt eine Spalier von 20 Sphinxen, von denen die diei ersten Paare Widder- köpfe, die sieben andern Paare aber Menschenköpfe haben, oder eigentlich hatten 5 denn sie sind alle geköpft, zu mehreren Sälen, die eine zweite Pforte umgeben, durch die man auf eine erhöhte, viereckige, von drei Seiten mit einem tiefen Wassergraben umgebene Halbinsel gelangt. Vor diesem Ein- gange liegen die Trümmer gewaltiger Kolosse von Granit, ijud sechs Paare von Widdersphinxen bewachen ihn. Unter den Skulpturen des Einganges bemerkt man den Typhon. Das Rechteck der Halbinsel war mit einem Gange einge- fasst, der nach innen offen, einen viereckigen Hof bildet. An (W.n vier Seiten desselben sitzen mehrere Hunderte von weib- lichen Statuen , Kolosse von fast doppelter menschlicher Grösse, aus Diorit herrlich gearbeitet, mit Löwen-, Katzen- und Hundeköpfen versehen. Die meisten sind unter Schutt begra- ben und man sieht jext kaum mehr als 50 derselben. Von diesen Kolossen, die dicht aneinander gedrängt sitzen, sind sehr viele in europäische Museen gewandert, und man trifft sie fast allent- halben. Was hatten diese Kolosse für eine Bestimmung, waren es nicht etwa Opferstatuen reicher thebainischer Familien ? Die Säle zwischen dem ersten und zweiten Eingange, in deren grösstem man die Reste von 24 Säiilen bemerkt, scheinen die Tempelhallen gewesen zu seyn, und der Hof mit 165 den erwähnten vielen Kolossen scheint das Ileiifgthnm ge- bildet zu haben ; iibiigens ist es sehr schwer, hierüber eine bestimmte Meinung abzugeben; denn die Zerstörung ist wirklich ungeheuer, und ein geregeltes Ganzes herauszufin- den, dürfte kaum gelingen. Eine grosse ümwalluiig von quadratischer Form umgibt endlich das ganze Typhoninm mit allen seinen hiezu gehö- renden Gebäuden, und in derselben liegt auch, wie schon gesagt, die erste Pforte, die durch die erwähnte Spalier von 120 Sphinxen mit dem Thore des Typhoniums in der Umwalinng des Haupttempels verbunden ist. Dieses ganze grosse Quadrat, von nahe 800 Fuss Seite, ist mit Trümmern von Gebäuden bedeckt, und man beobachtet, ausser den gerade erwähnten uud wichtigsten Bauten, noch Reste von grossen Bauten, mit Schlachtenbildern innerhalb der nord- östlichen und südwestlichen Ecke dieser quadratischen Um- wallung, und überall, wo man nur hinblickt, die Trümmer von Kolossen, Säulen, Graiiitpforten und Sphinxen, und es scheint hier einst mancher prachtvolle Portikus bestanden zu haben. Im Typhoninm gehen die Königsnamen hinauf bis zu Thotmosis III. (3578 J.) und herab bis auf Ptolemaüs Philadel- PHUs*. Rings um dieümwallung des Haupttempels von Karnak ziehen sich Berge von Schutthaufen und Reste von Bauten. Ausser den bereits beschriebenen gehören unter die bedeu- tendsten derselben auch die Reste des Tempels, der an der Südecke der grossen ümwallung und gerade ausserhalb derselben stand, nnd der wahrscheinlich mit der Sphinxen- Allee, die vom Thore des Typhoniums in der ümw^allung zum Typhoiiium selbst führte, mittelst des östlichen Seiten- arms derselben in Verbindung stand. Man sieht von diesem Tempel noch mehrere Säle. Von Karnak in OON. fast li Stunden entfernt liegen am arabischen Gebirge die Ruinen von Medamot. Wahr- scheinlich lagen sie ihrer Entfernung wegen nie im eigent- lichen Bereiche von der Stadt Theben. Ich habe diese Ruinen nie besucht. Von 5(i Säulen stehen, nach Wilkinson, noch * i ber flic Reihe der Erbauer des Tempels von Karnak und seiner IS'ebcngebüudc sehe luau von PnoKi^äCU I; S. 337 etc. 166 9, und man bemerkt die Spuren von Pylonen. Die Königa- namen beschreiben einen Zeitraum von fast 17 Jahrhunder- ten ; denn man findet welche derselben von Amenoph 11. bis auf die römischen Imperatoreu. Wir verliessen Karnak durch das Prachtthor von Lnxor und wanderten durch die über i geographische Meile lange Sphiuxen-Allee zu den Tempeln von Luxor, während unser Schiff ebenfalls dahin absegelte. Der Tempel von Luxor, nach dem grossen Tempel von Karnak der grösste in Egypten, erstreckt sich aus ISO. in SW. in einer Länge von mehr als 700 Fuss bei einer grös- Kten Breite von ungefähr 200 Fuss. Vor dem gegen Karnak hin gerichteten Haupteiugange standen zwei Obeliske, von denen sich der eine gegenwärtig auf dem Platze de ia Concorde in Paris befindet. Jeder ist aus einem Stücke des schönsten Granites der Katarakten angefertigt. Sie sind in ihrer Höhe nicht gleich 5 denn der noch stehende misst 74 Paris. Fuss, der nach Paris transportirte 70 Pariser Fuss. Die Seiten der Basis verhalten sich zu einander wie 6 : 7. Das höch- ste Ebenmaass in der Ausführung beurkundet den edlen Ge- schmack und den Scharfsinn der alten Egypter, und die Idee, jede Seitenfläche des Obelisken nicht ganz eben zu machen, iSondern ihr eine leichte Wölbung zu geben, die z. B. auf eine ganze Höhe von 70 Fuss nur 1,5 Zoll beträgt, ist so fein auf Effekt berechnet, dass man über einen solchen Schönheits-Sinn wirklich erstaunen muss und man sich nicht genug darüber wundern kann, dass dieses Volk in seinen Zeichnungen nicht auch die Perspektive kannte. Beide Obe- liske sind von oben bis unten mit Hieroglyphen bedeckt, die im harten Gestein mit einer bewunderungswürdigen Schärfe und Nettigkeit ausgearbeitet sind. Auf einem Obe- lisk stehen ungefähr 800 solcher Zeichen. Was sind unsere Inschriften auf Marmor gegen solche Arbeiten in Granit? Die Obeliske tragen die IN amen Rhamses 11. und Rhamses 111. (bis 3419 J. zurück). Hinter den Obelisken und unmittelbar vor den Pylonen Sassen vier Granit-Kolosse, von denen zwei durch die Hütten der Fellahs verbaut, zwei, aber sehr verstümmelte, noch 107 sichtbar sind. Sie scheinen zu sitzen, ragten aber gegen- wärtig- nur bis zu den Schultern aus dem Schutte empor. Ihre ganze Höhe mag ursprünglich wohl über 40 Fuss be- tragen haben. Die Lehnen sind mit Reliefs verziert, auf den Schultern stehen die l^amen des grossen Rhamses. Die majestätischen Pylonen, die ursprünglich bei 90 Fuss Höhe gehabt haben mögen, haben zwischen sich die erste Tempelpforte von 30 Fuss Höhe und 12 Fuss Breite. Schlachtenbilder, Darstellungen von Sieg und Triumph be- decken die Seitenflächen der Pilonen , in einer Entwicklung von Ausdehnung und Charakter, die ein eigenes Studium erfordern. Hamilton in seinen „Aegyptiaca" gibt die Anzahl der menschlichen Figuren auf diesen Reliefs zu 1500 an*. — Innerhalb des ersten Thors befindet sich ein grosser Tem- pelhof, in welchem gegen v^ artig ein Theil des schmutzigen Dorfes sich befindet. Dieser Hof hatte an seinen Seiten ringsherum einen Portikus von mehr als 70 Säulen, von denen nur 18 der dem Eingange zur Linken stehenden unter Schutt und ünrath zu erkennen sind. Die Pylonen des zweiten Thors sind ganz zerstört und man beobachtet nur die Reste zweier Granitkolosse. Die er- stem scheinen zu beiden Seiten Säulengänge gehabt zu haben, die wahrscheinlich einen zweiten grossen Tempelhof ein- schlössen. Von den Säulen zur Linken lassen sich noch bei 20 erkennen. Die Wände dieses Portikus waren mit Bildern bedeckt. Unmittelbar an diese Pilonen stösst in einem schiefen Winkelein Säulengang, dessen 14 Säuleu eine Spalier bilden und in Bezug ihrer Glosse und ihrer Pracht zunächst den Säulenkolossen in der Riesenhalle zu Karnak stehen. Wie ich glaube**, so bildeten diese Säulen einen Durchgang durch den grandiosen Portikus des zweiten Tempelhofes, dem auch die noch erkennbaren 20 Säulen zur Linken der Pilonen des ■•* Nälierc Beschreibungen dieser Bilder in Prokbsch, Parthey und Champollion-Figeac. *'* Plan des Tempels von Liixor in dorn kleinen Atlas zu Partheys Weik. Der Plan im grossen Werke der französischen Expedition hat sehr bedeutende Uiaichtio-keiteu. 108 zweiten Tempeltliors, deren ich vorhin erwälmte, angeliört ha- ben mögen, und ich kann den von Prokesch hier bezeichnete» dritten Tempelhof nicht erkennen, da der zweite und dritte Hof, nach seiner Angabe, in einen zusammen fallen. Jede von die- sen zum grossen Theil verschütteten 14 Säulen hat 10 Fnss Durchmesser, und demnach glaube ich , dass ihre ganze Höhe (Pledestal, Schaft und Knauf) wenigstens 60 Fnss beträgt; denn bei der Höhe von 46 Paris. Fnss, die Parthei angibt und die ich des Schuttes wegen nicht beobachten konnte, wäre die Form der Säulen zu gedriickt, als dass sie dem Sinne ästhetischer Schönheit, der in diesem ganzen Tempelgebäude lebendig hervortritt, entsprechen sollte. Die Kapitaler bilden Blumen-Kelche. Diese Säulen waren mit kolossalen Bildern bedeckt. Am Ende dieses prachtvollen Säulenganges scheint das dritte Pilonenpaar gestanden zu haben , es ist jedoch ver- schwunden. Hierauf folgt wieder ein Tempelhof mit einem Portikus von 44 Säulen, je 22 zur Linken und Rechten, und dann betritt man eine Vorhalle mit 32 Säulen. Alle Säulen und Wände mit Skulpturen bedeckt und gemalt! Schöner und grösser lässt ja doch selbst die schöne Scheherasade ihre Genien nicht bauen! Ihre Darstellungen besänftigten den wüthenden Sultan, hier aber möchte der Anblick des heutigen Zustandes dieses Prachtgebäudes einen Engel rasend machen, denn zwischen die Säulen, auf die Plattformen, überall hin haben die Fellahs ihre scheusslichen Nester ge- baut. Wenn dieses der Anfang des neuen Pharaonen-Rei- ches, eine Phrase aus neuester Zeit, seyn sollte, so muss seine weitere Entwicklung zu sehen nicht uninteressant werden. Auf diese Halle mit 32 Säulen folgt ein eben so grosser Hof, voll Schutt und Trümmern, und nach demselben beginnt erst das eigentliche Tempelgebäude. Man betritt einen Saal mit vier Säulen, der von Gemächern umgeben ist, deren man noch zwanzig deutlich ausnimmt und in denen allen die Decken von Säulen getragen wurden, deren man in einigen dieser Neben- säle bis zu zwölf zählt. Jede Säule stellt einen gegürteten Bündel vor, auf dem ein kubischer Knauf liegt. Diess scheint 160 eine der ältesten Formen zu seyn. — In Mitte dieses Sy- stems von Sälen und Gemäcliern, das im Ganzen eine Länge von nahe an 150 Fiiss bei einer Breite von 100 Fnss hat, lie«t der Saal des Heiligthums, der nicht nur beschädigt und voll Schutt, sondern so beschmnzt ist, dass eine nähere Besich- tigung keine geringe Selbstverläugnnng erfordert. Hinter dem Heiiigthum liegt ein Saal von 12 Säulen und dann folgen wieder einige Gemächer mit Säulen , worauf Berge von Schutt und Trümmern diesen Prachtbau enden. Alle Wände und Säulen aller dieser Säle und Gemächer, die das Heiiigthum umgeben und den eigentlichen Tempelbau bilden, sind mit Reliefs bedeckt und waren einst bemalt und zum Theil mit Gold belegt. In manchen Sälen ist nicht ein Fleck, den man mit der Hand decken könnte, der nicht Skulpturen ent- hält und alle diese Bilder sind mit einer Korrektheit, mit einer Wärme gegeben , mit einer Nettigkeit und einem über- menschlichen Fleiss ausgeführt, welche zu bezeichnen mir die Worte fehlen. Eine Beschreibung der wichtigsten dieser Bilder , durchaus auf religiöse Gegenstände sich beziehend, gibt VON Prokesch in seinem Werke I, S. 294 etc. Nach CiiAMPOLLiON theiit sich der ganze Tempelbau von Luxor in Bezug seiner Urheber in zwei Theile. Amenoph III. (Memnon. 3529 J.) baute das Ileiligtlium und die Säulen- hallen mit Einschluss jener 14 Riesensäulen : Ruamses Sesostris hingegen baute den übrigen Theil des Tempels bis zu den Obelisken. Dass einzelne Pharaonen und spätere Könige manches Einzelne zu dem herrlichen Ganzen hinzufügten, unterliegt wohl kaum einem Zweifel. So sagt auch von Prokesch, dass der ganze Tempel das Werk neun auf ein- ander folgender Könige sey. Leider droht dem Prachtgebäude durch das Andrängen des Flusses auf die arabische oder rechte üferseite ein sicher vorauszusehender Untergang, und bereits ist der Damm weggerissen , durch den die Alten dieses Monument geschüzt hatten*. Diess ist der Gang der * Es zieht sich am Flusse , in der Gegond des Siidendes des Tem- pels, ein starker Damm von Quadersteinen gegen 80 Klafter lang hin. Spiitcr fügte man einen über 20 Klafter langen Sporen aus Backsteinen hin2U. 170 Natur, wen» irican ihr nicht kräftige Schranken entgej^en- sezt. Aber bereits im J. 1826 wäre der Tempel bald der türkischen Barbarei im Wege der Kunst unterlegen; denn man war ernstlich daran , dieses schöne Denkmal zu zer- stören 5 um die Schutthaufen auf Salpeter benützen zu können. Wollen wir, bevor wir das hundertthorige Theben verlas- sen, noch einen Blick auf diese Masse von Tempeln und Palästen werfen, die wir gerade durchwanderten. Die Reste jener Prachtgebäude, die wir noch heute in Trümmern bewundern, stammen zum grossen Theile aus den blühendsten Perioden der Pharaonen -Zeit, aus den Zeiten der 18., 19. und 20. Dynastie. Wir können ihr Alter aus den vorhandenen In- schriften und übereinstimmend mit den Listen des Manetho zurück bis auf Osortasen 1. aus der 16. Dynastie und bis auf Thotmosis I., dem zweiten Könige der 18. Dynastie, verfolgen, und also für dieselbe ein Alter von mehr als 4000 Jahren nach- weisen. Abgesehen davon, dass Tempelmassen von solchem Umfange, wie sie kein zweites Volk der Erde lieferte, Gebäude von solcher Pracht, dass ihre Schilderung mährchenhaft klingt, wenn man sie nicht selbst betrachtet, nur die Meister- stücke einer lang geübten und tief empfundenen Kunst, einer hohen Bildung, nicht aber das Pfuschwerk eines An- fängers, seyn können, so haben wir auch positive Belege, dass der Entstehung dieser Denkmale die ganze Kunstge- schichte eines grossen Volkes vorhergehen musste. Egypter, Griechen , Römer mussten kommen , raussten uns die ver- wirklichten Ideale ihres Kunstsinns vorlegen , um darin zu wählen und als Resultat unserer Wahl endlich jene Denk- male hervorzurufen, die wir, und mit Recht, die Meister- stücke unserer Zeit nennen. Was sind jedoch Baue wie unsere Peterskirche, wie unsere Paulskirche, wie die Dome von Mailand , Strassburg , Köln etc., wie die Moscheen von Stambul, Kairo, Damaskus gegen jene Riesentempel, die auf den Terrassen von Karnak und Luxor stehen * ? Wel- che Reihe von Jahrtausenden musste da vorübergegangen seyn, dass Meisterstücke von solcher Vollendung entstehen * Mau sehe uur die "■•'"rebciieu Dimeiisionru. 171 konnten? Wenn wir auf den Trümmern von Karnak und Luxor herumsteigen , so sehen wir Iiäufig-, dass zu den Ge- bäuden Bausteine früherer Bauten verwendet wurden. Aus den Trümmern eines alten Theben stieg also zum Theil das neue, ein verjüngter Pliönix, empor, und da dieses für uns an der Grenze der Weltgeschichte liegt, welchen Zeiten, wel- chen Völkern gehörte dann jenes frühere Theben an ? und war dieses das Erste? Die Tempel und Paläste von Theben stehen auf künst- lichen Schuttterrassen 5 welche die ersten Begründer dieser Monumente errichteten, um sie vor der Überschwemmung des Nils zu sichern. Für die Periode, in welcher diese riesenhaftesten Terrassen der Welt errichtet wurden, mangeln uns die historischen Angaben der Zeit. Ihre Entstehung ist vorgeschichtlich, fällt, nach dem frommen Glauben der alten Egypter, in die Periode der Götterherrschaft , nach den Macht- sprüchen der Unwissenden in das Reich der Träume, für den, der die Natur anschaut, in eine noch messbare Zeit. Die alten Naturforscher haben das Anwachsen und die Erhöhung des Landes durch den Nil erkannt, und Herodot sagt, dasSj den Angaben der Priester zufolge, in ältester Zeit, also vormemphitisch, das Land von Fajum bis zum Bleere nur ein weiter Sumpf gewesen sey. Die französische Expe- dition wies zuerst diese Erhöhung des Bodens durcli die Alluvionen des Nils mit Evidenz nach und belegte die An- gaben mitzählen, die von spätem Forschern grösstentheils bestättiget wurden und in Bezug derer ich mich auf das berufe, was ich in diesem Werke Band 1, S. 255 etc. hierüber sagte. Demnach fand man durch Nachgrabungen, dass die künst- lich erbauten Schuttterrassen von Theben eine Höhe von 6 Meter, 1S,5 Paris. Fnss durchschnittlich über die damalige Thalsohle erreichten *. Ferner fand man durcli Nachgra- bungen und durch historische Überlieferungen **, dass die * Die Schuttterrassc , worauf die Tempel und Paläste von Karnak und Luxor, samnit den Sphinxen-Alleen stehen, scheint allein einen Um- fang von 26,000 Paris, Fuss zu haben. '■'* 50 Jahre nach Christi Geburt war das Steinpflaster der Terrasse des Moninoniunis und das g;anze Piedcstal des Meninonskolossi's , das jezt 6 Paris. Fuss tief wenigstens verschläiumt ist , noch sichtbar. 172 Erhöhung" des heutigen Thalbodens über das oberste Niveau dieser Schuttterrassen, d. h. also über die Grundfläche, wor- auf die Monumente stehen, wieder 1.924 Meter durcli- schnitth'ch mit Anfang unseres Jahrhunderts betrug, daher wir, auf die heutige Zeit reduzirt, sie = 2 Meter oder = 6,2 Paris. Fuss setzen können. Daraus ergibt sich flir die Erhöhung des Bodens bei Theben seit der Zeit, als die Schnttteirassen errichtet zu werden begannen, eine gesammte Boden-Erhöhung von S Meter = 24,7 Paris. Fuss. Aus der Gegenüberstellung der Erhöhung des Thalbodens über das höchste Niveau der Schuttterrassen = 1,924 Meter und der historisch nachweisbaren Zeit, die hiezu erforderlich war, ergab sich für das Nilthal bei Teben der Werth dieser ßodenerhöhung oder Änschlämmung des Nils für jedes Jahrhundert = 0,106 Meter, welche Ziffer wir, um noch sicherer zu gehen = 0,1 Meter = 0,31 Pariser Fuss oder = 3,7 Paris. Zolle setzen wollen. Diese Daten stimmen mit denen von Girard ganz* über- ein. Nicht so aber mit denen von Roziere **, der den Bo- den in einem Verhältnisse anwachsen lässt, das historisch nicht gerechtfertigt werden kann. Der fernere Kalkül aber, den Girard auf seine vorangeschickten Daten stüzt, mit denen, wie gesagt, die hier angegebenen ganz übereinstimmen, und welchem nach er für die Erbauung von Luxor ein Alter von 3200 Jahren und für die Begründung der Schuttterrassen ein solches von 4760 Jahren folgert, ist sowohl der Ziffer als der Theorie nach falsch***; denn: 1) Schon die Schilder der Pharaonen weisen historisch für die Errichtung der gegenwärtig in Trümmern liegenden Tempel von Luxor ein Alter bis zu 3500 Jahren , für die von Karnak ein solches bis zu mehr als 4000 Jahren nach. 2) Aus der summarischen Bodenerhöhung des Nilthals bei Theben := 24,7 Paris. Fuss im Gegenhalt der Boden- erhöhung, die sich für jedes Jahiliundert berechnet, = 0,31 * Oljscrvafions siir I'Egyptc. *'* Const. phys. de I'Egyptc. Für I Jalnliiindert = 6 Zoll = 0.16 Meter. *** Uand I, S. 257. J73 Paris. Fiiss, erj^ibt sich für die Begriindun»- der min mit 2 Meter tiefem I^ilsclilamm bedeckten Scliuttterrassen ein Alter von 7970, oder gerade aus von achttausend Jahren. Die Einrichtung- der Schuttterrassen von Theben fällt demnach nur 261 Jahre vor Mrnes (7709 J. nach Manetho, welches nahe Zusammentreffen mit einer Periode, in der auch die kolossalen Baue von Memphis sollen begonnen haben, nicht uninteressant ist. Wie oft mögen die auf dieser Terrasse stehenden Tem- pel zerstört und erneuert worden seyn ? Und wie lange mag Theben schon bewohnt gewesen seyn, wie lange mag es schon Tempel und Paläste gehabt haben, bis es, durch die Überschwemmungen des Flusses gezwungen, seine Prachtgebäude auf die erwähnten Terrassen sezte? Wie lange endlich muss ei» Volk heran gezogen werden , bis es sich physisch und moralisch zu Unternehmungen befähigt sieht, die unsere Zeit in ihrer imaginären Grösse gerade- zu für unmöglich erklären würde? Wenn wir dieses be- trachten, so erscheinen uns die Zahlenangaben Herodots gewiss nicht mehr bjos als eitler Wahn, und am Ende dürfte der Vater der Geschichte doch Recht gehabt haben. Er sezt die erste Begründung von Memphis in die Periode des 341. Königs vor Psametich. Die Priester zeigten ihm nämlich die Bilder und Liste von 341 Königen und 34;> Oberpriestern (II. 142), die von Menes, dem Erbauer von Memphis, bis Psametich regierten. Rechnen wir im Durchschnitte auf die Regierungdauer eines dieser Könige 15 Jahre, was den höch- sten Grad der Wahrscheinlichkeit für sich hat, so entspricht jener Reihe von 341 Königen ein Zeitraum von 51 15 Jahren, rech- nen wir hiezu die Zeit von heute bis Psametich I., den Herodot meint, = 2495 Jahren, so berechnetsich das Alter von Memphis, nach den Angaben Herodots, auf 7GI0 Jahre, was mit unserer frühern Angabe, nach Manetho, überraschend übereinstimmt, indem die Differenz nur 99 Jahre beträgt, die durch eine etwas grössere nur 0,3 Jahre mehr betragende, durchschnittliche Dauer der Regierungen leicht erklärt und behoben ist. Als Memphis entstand, war Theben schon gross und blühend, und seine riesenhaften Schuttterassen hatten sich schon erhoben. 174 Schon war es ein längst organisirter humaner Staat, von dem Kiinste und Wissenschaften auf das jugendliche Memphis iihergetragen wurden, wo sie sich sogleich in einer Bedeu- tung erhohen, die von keinem erst civilisirten Volke aus- gehen, sondern nur Folge der Übertragung eines seit langer Zeit gebildeten Volkes seyn konnte. Fiir die Zeit über die Periode der Erbauung der Schuttterrassen hinaus gibt uns aber weder die Natur einen 3Iassstab, noch die Tra- dition ein Faktum, es öffnet sich das Thor der dunklen Mythe ! 3) Reise von Tlielien naclt Assiian uiifl Aufentlialt daselbst. Wir verliessen Theben noch am 17. Januar 1S37, uns die genaueie Besichtigung seiner Denkmale auf die Rückkehr sparend und traten die Fortsetzung unserer Reise INil-auf- wärts an. Sandbcänke durchziehen oberlialb Theben den Fluss und wir fuhren eine kuizö Strecke von Luxor Fluss-aufvvärts mit solcher Heftigkeit an einer derselben auf, dass das Bett un- seres Kochs über Bord flog und ich fast dasselbe Schicksal getheilt hätte, wäre nicht ein rettendes Tau zur Seite gewe- sen. Unsere Matrosen , sämmtlich rüstige Schwimmer, spran- gen dem Bette nach, und bald daiauf hörten wir einen der- selben jämmerlich schreien. Ein Krokodil war in seiner Nähe und nur sein in wahrer Todesangst ausgepresstes Geschrei schien es von der nähern Bekanntschaft mit ihm abzuhalten. Ein Beweis, wie sehr entmuthigt bereits in Egypten die Kro- kodile durch die Verfolgungen der Menschen sind , oder sollten sie einer andern Art angehören, als die wilden, kühnen Kro- kodile im südlichen Nubien ? Am linken Ufer sahen wirErment, das alte Hermontis, von dessen Grösse nichts blieb als die Trümmer zweier Tem- pel aus der Ptolemäer- und Römerzeit und ungeheure Schutt- haufen. (Prokesch 1, S. 272.) Oberhalb Erment nähern sich das arabische und das libysche Gebirge zugleich dem Strome , zwischen sich ein Thal von ungefähr 1000 Klafter Breite offen lassend. Das 175 arahisclie Gebirg-e tritt uniniftelhar an den Strom selbst vor, auf der libyschen Seite aber steht weiter vom Ufer entfernt ein von der Hauptmasse getrennter, lioher Fels, ant scharfer Spitze das Grab eines Heiligen tragend. Der Araber nennt diese Gegend sehr bezeichnend: Dschebelein oder Dsche- belin , d. i. der Dnal von Dschebel und heisst: die beiden Berge. Man sieht an den Felsen die Spuren alter Steinbriiche und einige Katakomben. Spät kamen wir in Esne, dem alten Latopolis, an 5 wo wir wieder europäische Reisende trafen. Esne gegenüber liegt am rechten Ufer Tand (Contra- oder Anti-Latopolis). Man sieht daselbst noch die Reste zweier kleiner Tempel, ohne besonderes Interesse, in Esne selbst hingegen steht einer der schönsten Tempel von Egypten, keineswegs ausgezeichnet durch Grösse, aber ausgezeichnet durch vollendeten Geschmack, der sich in dem edlen Bau- style desselben ausspricht. Parthey (!I, S. 399) neigt sich in Bezug des Alters dieses schönen Denkmals auf die Seite der altern Forscher und hält dasselbe für eine Arbeit aus der Pharaonenzeit. Champollion d. j. (dessen Briefe S. 132) versezt die Erbauung des Tempels in verschiedene Perioden der Ptolemäer - und Römerzeit, Prokesch hingegen erklärt ihn (Band I, S. 259) rein für Römerwerk , und das scheint er den Inschriften halber auch zu seyn. Er ist eine der gelungensten Nachahmungen des edlen Pharaonenstyls, und ich glaube, man kann, ohne ungerecht zu seyn, den Römern jene Fülle des Geschmacks nicht absprechen , die dazu ge- hört, um schöne Vorbilder mit Glück nachzuahmen. Der Name eines Pharaonen entscheidet meiner Ansicht nach, wenn er sich vereinzelt findet, in Bezug des Alters nichts, denn was hinderte die Römer, einen altern Namen auf eines ihrer Werke zu setzen? Der schöne Tempel dient gegenwärtig als Baumwollen- Magazin, seine Wände sind von aussen mit Nilschlamm be- worfen und die schmutzigen Lehmhütten des Basar kleben an seinen Seiten, wie stinkende Pilze. 24 Säulen, jede 40 Fuss hoch, bilden den Portikus, der eine Länge von 112 Fuss bei einer Breite von 53 Fuss hat. Der Durchmesser der Säulen ist ungefähr gleich 5i Fuss, die Kapitaler aller dieser 170 Säulen sfelleu Blumenkelche vor, oder Sträusse von Blättern vcrseJiiedener Bäume. Jedes Kapital ist nach einer andern Idee ausgeführt, und doch erzeu<;t das Ganze den wohlthnenden Eindruck der vollendetsten Harmonie. Von den übrigen Hallen und Gemächern , die zum Ganzen eines egyptischen Tem- pels gehören , ist nichts mehr zu sehen. Das ganze Gebäude ist aus Sandstein aufgeführt, und Säulen sowohl als Decke und Wände des Portikus sind mit Skulpturen bedeckt, im Gegenhalte derer von Theben von mittelmässiger Ausführung. Unter den Bildern der Decke befindet sich ein Thierkreis, der, ■wie jener von Denderah, den Forschungen der französisciien Expedition ein fruchtbares Feld für Hypothesen darbot. Über diese Bilder gibt v. Prokesch umständliche Auskunft. Den nördlich von Esne am libyschen Gebirge liegen- den kleinern Tempel sah ich selbst nicht. Er ist jedoch in Bezug des Werthes der blossen Namen auf den egyptischen Denkmalen nicht ohne Interesse. (Parthey U, S. 402.) HALiL-Effendi, der Gouverneur des Landes an den untern Katarakten, hatte den Auftrag, für unsere Reise durch die grosse nubische Wüste bis nach el Mtich-Heireff im Lande der Berber Sorge zu tragen. Wir gingen daher zu ihm, um das Notlüge unserer Reise wegen zu besprechen. Es wurde festgesezt, dass wir in Assuan die erforderlichen Last- und Reit -Kamele erwarten, darni zu Schiffe nach Korosko in Nubien gehen und dort wieder so lange warten sollten , bis unsere zu Lande dahin abgehende Karawane sich versammelt haben wird , um sodann die Reise durch die grosse Wüste anzutreten. In der Gegend um Esne bildet das Nilthal eine weite Ebene, gut bebaut und von pittoresken Bergformen in Ost lind West begränzt. Die Stadt selbst, klein und schmutzig, ist doch freundlicher als Monfalut, Kenne etc. Trotz der für uns erstaunlichen Wohlfeilheit der Lebensmittel * und ihrer Menge auf dem Basar ist eine ausserordentliche Armuth der untern Volksklasse ganz unverkennbar, Esne fing da- mals an von der Regierung, als einer der Haupt-Exilplätze * Z. B. 1-20 Stück Eier für 3 Piaster = 18 kr. Konv.-Münze; ein üchöncs Scliaf für '1 fl. 42 kr. Konv. -Münze etc. 177 für jene Almas und Freudenmädchen betrachtet zn werden, die sie von Zeit zn Zeit aus Kairo vertrieb. Die Unglück- lichen bewohnten ein eij>enes Stadtviertel, wo Armuth und Mangel an Beschäftig nn« sie gewiss nicht besserte. Das ist aber auch nicht die Tendenz der Regierung-, die vielmehr bei diesen Verbannungen von der Idee ausging, dadurch befördernd auf die Zunahme der Bevölkerung einzuwirken, ein Beweis, dass sie die physischen Nachtheile dieses Gewerbes so wenig auf- fasst, als die moralischen. An der Siidseite der Stadt befand sich ein Dörfchen, von Nubiern bewohnt. Es mochten etwa 30 Familien sejn, die sich theils von Feldbau, theils von Korb- flechtarbeiten, von Verfertigung sehr schöner Matten von Durahstroh und dergleichen Gegenständen nährten. Einige dieser schönen Körbchen sind so dicht geflochten, dass man Milch, Wasser und dergleichen ohne Verlust darin transportiren kann. Wir besuchten die guten Leute, die in Hütten, ilus Dulahstroh geflochten, wohnen. Der eigenthümliche Anblick dieser Menschen erinnerte uns lebhaft, dass wir bereits nahe waren, das eigentliche Innere von Afrika zu betreten. Dunkelbraun von Farbe, beide Geschlechter bis auf kleine Schürzen nackt, konnten wir nicht genug über die schönen Kör- performen dieser Menschen staunen. Besonders waren mehrere Frauen und Mädchen, die an Schönheit des Körperbaus wirklich ideal zu nennen waren. Dabei erinnern ihre in Hunderten von kleinen Zöpfchen geflochtenen und stark geschmierten Haare so lebhaft an die Darstellungen der alten Äthiopier auf den Monu- menten, dass man nicht umhin kann, sie in ein und dieselbe Reihe mit jenen zu stellen. Die Mädchen trugen als Schmuck die Zähne von Krokodilen und anderen Thiereu, um Hals, Arme und Lenden gebunden, deren Blendendweiss auf der dunkel- farbigen , zarten Haut sich gut ausnahm. Esne ist für den Binnenhandel mit dem Innern von Afrika noch immer von grosser Bedeutung. Darfur- sowohl als Sennaar-Karawanen richteten früher oft ihren Zug dahin , und noch heut zu Tage hat Esne den bedeutendsten Kamelhandel mit den Bischarins und andern nubischen Nomadenvölkern, und liefert die schön- sten Kamele in ganz Egypten. In Esne sahen wir auch zuerst die Eingebornen , auf kleinen Schilfbündeln sitzend , über den RuKsegger, Rvis.jn. II. Cd. l, Till. 12 178 majestätischen Strom setzen. Die Stelle des Rnders vertritt ein Stock, an dessen einem Ende das Stück eines Palmen- blattes befestiot ist. Diese Vorriclitnn^ gebrauchen sie sowohl, um ihr wohlfeiles Fahrzeng zu regieren, als auch, nm die Krokodile zu verschenchen, die bei dem Umstände, dass der Körper des Fahrenden zur Hälfte fast unter Wasser ist, aller- dings versucht werden könnten, einen Fang zu wagen; wie mich diese kiihnen Schiffer aber versicherten, so fiirchten jene Thiere den Schlag der Ruder ausserordentlich. Am 19. verliesspn wir Esne mit Tagesanbruch. Um Mittag sahen wir am linken Ufer hinter den Dörfern Maleh und Psaliha die siidlichste Pyramide von Egypten. Sie ist treppen- artig aus Werkstücken mit Mörtel aufgeführt, ihre Basis kann CO Fuss Seitenlänge haben und ihre Höhe 40 Fuss betiagen. Als ich später die Pyramiden des südlichen Nnbiens kennen lernte, gewann ich die Überzeugung, dass wir die Pyramiden- baue jener Länder füglich in zwei Hauptklassen theilen können, und zwar dem Style nach, indem sie aufgeführt sind in äthio- pische und in memphitische. Beide sind Grabesdenkmale in Idee und Ausführung, das ist uniäugbar, aber in der Form sind sie wesentlich verschieden. Die äthiopischen Pyramiden, wohin die von Assur, Barkai und einige egyp- tlsche gehören, sind aus Werkstücken mittelmässiger Grösse mit und ohne Mörtel aufgeführt. Hire Höhe beträgt mehr als die Länge einer Basisseite, und ich fand dieses Verhältniss meist ungefähr wie 14 : 12. Sie haben daher ein sehr schlankes Ansehen. Wenige derselben dürften über 60 Fuss Höhe haben. Der Eingang befindet sich am Fusse und hatte in der Verlängerung nach Aussen oft einen kleinen Portikus. Sie stammen offenbar aus einer Zeit, als die Kunst schon sehr im Verfalle war und sich nur mehr zu ohnmächtigen Versuchen, die Gigautenbaue der Vorfahren nachzuahmen, herbeilassen konnte. Die memphitischen Pyramiden, ans einer Zeit herstammend, in der sich die Kunst in fast übermensch- lichen Werken aussprach und wie gewöhnlich Kolossales bil- dete, bis sie veredelt auf das Schöne überging, haben ein anderes Verhältniss der Höhe zur grössten Seitenlänge der Basis, dieses ist am Clieops z. B. = 89 : 143, die grösste 179 Läng;e einer Basisseite ist daher viel bedeutender als die Höhe, und da diese in dem riesenhaften Massstabe, in welchem diese Baue geführt sind, bis zu 445 Paris. Fuss ansteigt, so ist es natürh'ch, dass solche Massen, in einer gewissen Entfernung be- trachtet, wie Berge erscheinen müssen. Das Höhenverhält- niss der äthiopischen Pyramiden hätte, in einem solchen Mass- stabe ausgeführt, einen viel gimstigern Eindruck hervorrufen müssen , diesem stellten sich jedoch bei solchen Höhen tech- nische Hindernisse von mancherlei Art entgegen. Die memphi- tischen Pyramiden, v*ohin die von Dschiseh, Sakära, Daschür und die meisten in Egypten gehören, sind zum Theil, wenig- stens die grössern, ans kolossalen Massen ohne Mörtel auf- geführt, abgesehen, dass ihre Grösse gestattete, den Grabes- kammern im Innern eine Ausdehnung und Entwicklung zu geben , an die bei den kleinen äthiopischen Pyramiden gar nicht gedacht werden konnte. Die Pyramide von Psaliha gehört ihren Verhaltnissen nach zu der Art der memphitischen Pyrami- den, ihrer Zusammensetzung nach aber nähert sie sich den äthio- pischen, und scheint ebenfalls einer spätem Zeit anzugehören. Eine kurze Strecke weiter flussaufwärts liegt am rech- ten Ufer das Dorf el Kab , in seiner Nähe sieht man die wenigen Trümmer, die von der alten pharaonischen Eilethya übrig blieben *. — Nach Parthey erkennt man noch in der Um- gebung die Spuren mehrerer kleiner Tempel, die nach Champol- LioN bis in die Zeit der Königin Amense aus der 18. Dynastie (3600 J. nach Manbtho) zurückführen. Vielleicht noch älter und von höchstem Interesse sind die Hypogeen am arabischen Gebirge hinter el Kab. Sie sind nach denen bei Theben und Beni-Hassan wohl die merkwürdig- sten von Egypten, und zwar besonders desshalb, weil die Bilder, welche ihre Wände zieren, nicht einförmige Darstellungen der egyptischen Mythologie, sondern solche des häuslichen Lebens deralten Egypter, von seinen verschiedensten Seiten betrachtet, sind, und daher wieder eineu Blick in die Sitten und Gebräuche dieses merkwürdigen Volkes gestatten. Die grössten dieser Fel- sengräber bestehen aus mehreren kleinen Hallen, und der Hügel uördlich des Dorfes ist voll derselben. Die Gräber liegen theils * Prokesch 1, S. 245. Parthet II, S. 397. . 12' 180 neben , theils unter einander nnd sind im leztern Falle dnrch Schächte verbünden. An den Decken und Wänden sieht man Darstelliino;en des Hirtenlebens, des Handels, des Ackerbaues, des Weinbaues, Jagd, Fischerei, Schifftährt auf dem Nile etc. In einem der Priestergräber fand Champollion das bekannte Drescherlied. Oberhalb el Kab sind beide Ufer des Nils Wüste, das libysche Gebirge ein lang gezogener Rücken ohne Ausdruck, das arabische Gebirge hingegen zeigt scharfe, schöne Formen. Die kahlen Felsen treten bis an den Nil vor und mehrere Schechsgräber schauen mit ihren niedlichen Kuppeln von der melancholischen Einsamkeit der gelblichgrauen Felsenspitzen auf den belebten Strom herab. In der Nähe von Edfu gewinnt das Kulturland wieder an Ausdehnung, Palmenvväldcheii wechseln mit Getreidefeldern und schönen Ricinuspflanznngen, und als die Sonne sich hinter die libyschen Berge senkte, rötheten ihre lezten Strahlen die Riesenpylonen des Horus-* Tempels von Edfu (Apollinopolis magna). Der Tempel von Edfu ist nach den Tempeln von Karnak und Luxor der grösste in Egypten. Die beiden Pylonen erheben sich am Eingange des Temjiels zu 90 Fuss Höhe, jeder besteht von innen aus 10 Stockwerken und beide sind an ihren Aus- senseiten mit herrlichen Reliefs, grösstentheils religiösen In- halts, bedeckt. Zwischen beiden Pylonen befindet sich das an 20 Fuss breite Tempelthor, ebenfalls mit Skulpturen verziert. Durch dieses Thor tritt man in einen Tempelhof, der von einem herrlichen Portikus von 32 Säulen umschlos- sen ist. Auf diesen Hof folgt eine Halle von 18 Säulen und weiterhin betritt man nun durch ein schönes Portal das eigent- liche Tempelhaus, das aber grösstentheils verschüttet ist. Wie in Esne hat auch hier jede Säule einen andern Knauf und andere Bilder, demungeachtet aber macht das Ganze den Eindruck von vollendeter Schönheit, und es liegt gewiss etwas sehr Grossartiges in der Art und Weise, mit der die klten Egypter sich über das Ängstliche einer pedantischen Symmetrie hinaussezten, ohne im mindesten die Gesammtheit * Nacli Champollion den drei Göttern: Havhat, Haihor und Harsont Tlu» (Hüius) geweilit. 181 des Eiiidiucks und die Harmonie der Tlieüe unter sich zu beeinträchtigen. — Vom Innern des Tempelhauses kann man des Schuttes we^en nichts ausnehmen als einen zwölfsäuli- gen Saal. Alle Theile des Tempels und seiner Vorhöt'e , alle Säulen, sogar die Mauer, aus grossen Uuadersteinen, welche den Tempel umgibt, sind von Aussen und Innen mit Sculptu- ren bedeckt. (Man sehe über die Menge und Deutung dieser Bilder: Prokesch I, S. 234. Champollion d. j. Briefe, S. 126.) Neben dem grossen Tempel steht ein Typhoninm. Wir bestiegen die Plattform eines der grossen Pylonen und hatten eine herrliche Fernsicht durch das Nilthal bis zu den Gebirgen der ersten Katarakten, zu iinsern Füssen die Säulenmasse des herrlichen Tempels , der eine Länge von mehr als 400 Fuss bei einer Breite von 150 Fuss besizt und dessen Anlage äusserst regelmässig ist. Auf dem Dache des Tempelhauses befindet sich gegen- wärtig ein arabisches Dorf. Nach Champollion finden wir an dem Tempel eine Reihe von Namen won dem Imperator Klaudius an bis hinauf zum alten Tkotmosis III.; die Erbauung dieses Prachtgebäudes aber fällt dem gelehrten Forscher nach ganz in die Periode der Ptolemäer. Oberhalb Edfu nähern sich die arabische und libysche Bergkette dem Strome, man passirt die am rechten Ufer liegende kleine, aus Lehm erbaute Festung Siloe el Sararie aus der Zeit der Mamelukenkriege, und hat plötzlich vor sich den schönen Anblick des Strompasses am Dschebel Selseleh *. Frei der Fesseln, die die Natur dem mächtigen Strome anlegt, bricht er mit Gewalt aus der Enge des Passes her- vor und dehnt sich in der weiten Thalebene ans, eine Menge kleiner Inseln bildend, sämmtlich bebaut oder mit schönen * „Dschebel Selseleh oder Hadjar Selseleh", der Berg oder Stein des Erdbebens. Miwutoli und mehrere Andere schreiben „Silsili", was Berp oder Stein der Kettou bedeuten wnide. Ersterer Name erinnert an eine grosse Naturerscheinung, lezterer an eine einst statt gefundene Sperrung dieses Strompasses durch Ketten. Beide Fälle sind mögliche Ereignisse und für beide lassen sich Wahrscheinlichkeiten durch die Anschauung der Gegend ableiten. Welche Schreibart daher die rirhtigc ist, wage ich nicht zu bestimmen, nur muss ich gestehen, dass ich von den Arabern nie einen iindern Nainen dieser Gegend, als „Selseleh" nennen hörte. 182 Bäumen besezt. Die ganze Gegend gewinnt mehr und mehr tropischen Charakter, die bekannten Formen der Pflanzen- welt fangen an sich nach und nacli zu verh'eren und neue treten auf. Unter dem Volke wird das nubische Prinzip vor- herrschend und das arabische fängt an zurück zu treten. Statt den heisern, arabischen Kehllauten hört man häufig in den Dörfern die volle, gerundete Berbersprache. In der Nähe des Dschebel Selseleh verliert sich das Kulturland wieder und die Wüste bekommt neuerdings wieder die Oberband. Die Leute in den Dörfchen auf wüsten, braunen Sandsteinfelsen, in ihrer natürlichen Armuth eine wenig beachtete Lock- speise für die egyptische Verwaltung, sehen kräftiger und besser aus, als die Fellahs der fruchtbarem Gegendeu. Das arabische Gebirge spricht sich in scharfen, schönen Formen ans, besteht, wie da«^ libysche, aus Sandstein und gibt durch seine gelbbraune Farbe der Landschaft einen eigenen Ton. Wir hielten mit Anbruch der Nacht dicht vor dem Strom- passe des Selseleh am Dorfe Hamam. Am frühen Morgen des 21. Januar, während unsere Barke mit vollen Segeln die Stromenge hinauffuhr, folgten wir ihr zu Fusse am linken Ufer. Die Vorsprünge des arabischen und libyschen Gebirges verengen am Dschebel Selseleh das Nilthal auf eine Breite von ungefähr 120 Klafter, durch welche Schlucht der grosse Strom reissend seinen Wes^ verfolgt. Die Berge, welche den Slrompass zu beiden Seiten einschliessen, bestehen aus Sand- stein, und schon in bedeutender Entfernung bemerkt man die ungeheuren Steinbruchsarbeiten, die von den alten Egyptern zu ihren Tempelbauen hier voigenommen wurden. Nicht nur aber diese alten Steinbrüche machen diesen Pass interes- sant, er ist es auch in geschichtlicher Beziehung durch einige höchst wichtige Denkmale*. Es scheint, als wenn hier zu- gleich eine Landesbegränzung stattgefunden hätte, wozu sich auch die Gestalt des Terrains ganz eignet, indem der Fluss durch die Höhen an seinen beiden Ufern und durch seine so geringe Breite leicht zu sperren ist. Die Steinbruchs- arbeiten haben, wie gesagt, eine ungeheure Ausdehnung. "■•= WiLKiNSON, S. 440. Paüthuy II, S. 394. PnoKKSCH I. S. 229. Champollion d. j. Diicfe S. 120 etc. Am linken Ufer und dicht ober dem Stromspiegel sind im Felsen drei Kapellen aiisgehauen und mit Reliefs verziert. Der Gegenstand ihrer Darstellungen ist durchaus religiös, und im Alter reichen sie bis in die Periode der ältesten Pharaonen der 18. Dynastie hinauf. Weiter flussabwärts finden sich viele Katakomben, Giäber von solchen Aufsehern und Beam- ten, nach Champollion, die bei den Steinbrucharbeiten ange- stellt waren. Der grösste Theil der Steinbriiche liegt auf der Ostseite des Flusses und der interessanteste Theil der ganzen Partie ist eine grosse ki'justliche Aushöhlung, die, wie Champolijon glaubt, unter Pharao Horüs aus der 18. Dy- nastie (vor 3.500 Jahren) zu dem Zwecke begonnen wurde, um einen Tempel daraus zu machen. Die Reliefs, welche die Wände des Eingangs und derGallerien zieren, sind durchaus geschichtliciien Inhalts und daher von um so grösserem Werthe. Die ältesten dieser Bilder beziehen sich auf die Feldzüge des HoRus nach Norden und Süden, und unter den übrigen fand Champolhon Inschriften, die mehrere Prachtgebäude Egyptens namhaft machen, zu denen aus diesen Steinbrüchen das Material geholt wurde; z. B. für den Palast von Medinet Abu, für die grossen Tempel von Theben, für den Sonnen- tempel zu Memphis, der spurlos verschwunden ist, und für mehrere andere. Von dem Gipfel des Dschebel Selseleh, am rechten Ufer auch Dchebel Abu Schech genannt, hat man das Nilthal hinauf eine schöne Fernsicht bis zu dem Gebirge der Katarakten bei Assuan, man sieht die Ruinen der Tempel von Kom Ombos am rechten Ufer ganz nahe vor sich liegen, wo wir um 3 Uhr Nachmittags anlangten. Die Tempel des alten Ombos, des heutigen Kum Ombu, haben unter allen Tempelruinen Fgyptens die pittoreskeste Lage. Sie liegen auf dem Rücken eines Hügels, der sich dicht am rechten Ufer des Flusses erhebt. Das Nilthal selbst ist breit, die Berge treten zurück. Das rechte Uferland ist zum grossen Theile Kulturboden , das linke aber Wüste. Wir landeten am Tempelberge. Schwarze Nubier, die Bevölkerung des Dörfchens Ombu bildend, standen am Ufer, und an ihrer Spitze ein kleiner Junge mit einem ungeheuren Schwerte, der denn anch nicht unter denen fehlte , die uns 1S4 zum Tempel begleiteten. Der Nil drängt hei Ombos stark au die arabische Seite, und bereits ist der Hügel, worauf die Tempel standen, so unterwaschen, dass der eine fast ganz herabstürzte, Trümmer den Abhang bedecken, im Flusse selbst liegen und dasselbe Schicksal jezt den noch stehenden Tem- pel bedroht. Wird derselbe nicht durch üferbaue geschüzt, so ist es ganz gewiss, dass diese Denkmale spurlos verschwin- den werden, und so der Nil seine eigenen Kinder wieder ver- schlingen wird*. Im grossen Tempel von Ombos spricht sich ein ganz eigenthümlicher Baustyl ans, den man in ganz Egypten und in ganz ISiibien bei keinem Monumente trifft und den ich als den ersten und ältesten Anklang 7a\ unsern heutigen zusammen- gcsezteu Kirchenportalen betrachte. Parthey nennt den Tempel von Ombos, den übrigen Tempeln Egyptens gegen- über, s«hr bezeichnend einen „Doppeltempel". Man gelangt zuerst in eine Halle mit 15 Säulen, je 5 in einer Reihe. In der vordersten derselben sind zwischen den mittlem drei Säu- leu Jjwei Thüren als Eingänge angebracht. Diesen beiden Thüren gerade gegenüber führen wieder zwei Eingänge in die zweite Halle mit lO Säulen, auf diese Halle folgen nun 4 (iemächer nach einander, von denen das letzte das Heilig- thum ist. Jedes dieser Gemächer hat zwei Eingänge neben- einander, die mit jenen Paarweise so aufeinander fol- gen , dass sie zusammen im ganzen Tempel zwei gerade Reihen von Thiireu bilden, und man durch jeden der beiden vordersten Eingänge und durch alle Thüren seiner Reihe hin- duvch bis zurück ins Heiligtlnim sehen kann. Lezteres selbst ist in zwei Zimmer getheilt. Da die Pylonen des Tempels und die Sphinxen verschwunden sind, so lässt sich nicht mehr ijacUweiseu , ob den doppelten Eingängen der ersten Halle, wie es doch de»" Symmetrie nach seyn sollte, auch doppelte Vylonen und Sphinxen-Reihen entsprochen haben oder nicht. Der Flugsand der Wüste hat den grössern Tempel zum gros- se«, Theile bis an die Knäufe der Säulen verschüttet, doch konnte Champoi,lion von den Skulpturen so viel ausnehmen, * Man sehe über Kom Ombcs: PAr.THEif 11, S. 389. Prokesch I, S. il2, CiiAiviroixioN Briefe, S. 114 ttc. 183 dass es ihm möglich war, das Alter des Tempels zu bestimmen. Seiner Ansicht nach fällt die Erbauung desselben in die Zeit der Ptolemäer und zwar in die des Epiphanes, des Philomk- TOR und EvERGETES. Dcu Weiteren t^orschungen dieses Gelehr- ten zu Folge wurden im grössern Tempel von Ombos zwei Triaden von Göttern verehrt, und zwar jede für sich in einer der beiden Tempelabtheilungen, wodurch sich auch der son- derbare ßaustyl des Tempels erklären dürfte. Der kleinere Tempel, der näher dem Ufer steht, ist zum grössten Theile bereits in die Fluthen hinabgestürzt. Unter den Reliefs, die ihn zierten, fand Champollion auch den Namen des Thotmosis Hl. (Möris 3578 J.)? und es scheinen dalier hier ältere Baue bestanden zu haben , ans deren Trüm- mern erst die Ptolemäer diesen kleinem Tempel errichteten, den Champollion für ein Eimisi oder IVlammisi erklärt, d. h. für ein heiliges Gebäude, an der Stelle erbaut, wo Göttinnen geboren hatten. Was übrigens den Geschmack betrifft, mit dem beide Tempelbaiie ausgeführt wurden, so gehören dieselben unter die vollendetsten und edelsten Monumente der Egypter. Sie tragen den Charakter jener Periode an sich, in der der Ernst des altegyptischen Baustyls bereits durch griechische Grazie gemildert war. Eine Stunde oberhalb Korn Ombos sahen wir am rechten Ufer die Stadt Deraui, die Uaupteinbruchs - und Zoll-Statiou aller Karawanen, die aus Sennaar, Äbessinien und den Küsten- ländern Nnbieus am rothen Meere durch die grosse nubische Wüste, östlich des Nils, uach Egypten ziehen. Dieser Ort hatte daher früher, als der Karawanenhandel mit jenen Län- dern noch stark im Zuge war, eine hohe Bedeutung und war ein Hauptstapelplatz für alle Dschellabs (Sklaven- händler), Deraui liegt in einer weiten Ebene, umschlossen von Dattelpalmen, wie ein Garten mitten in der Wüste, dessen Minaret freundlich zwischen den Bäumen emporsteigt. Auch das Dorf el Konä, wo wir für die Nacht durch anhielten, liegt in einem schönen Palmenvvalde. Übrigens ist das Nil- tbal daselbst schon wieder bedeutend enger, das Kulturland bildet an beiden Ufern nur zwei schmale Streifen; die gelb- ISG rothe Wüste bekränzt den Horizont rechts und links und ojibt der Landschaft nicht blos einen wannen, sondern wirklioii fieis- sen Ton. Oberhalb el Kona beginnen Felsen im Flusse zu erscheinen, anfang^lich, selbst bei niederm Wasserstande, nur unter dem Wasserspiegel und daher desto gefährlicher für die Schiffe , weiterhin aber werden sie häufiger und grös- ser, schwarze Granit- und Syenitmassen treten als Inseln hervor, und es beginnt das Terrain der untern Katarakte. Am 22. Januar um Mittag erblickten wir auf einer kuppe des libyschen Gebirges die Ruinen der Burg Kobbet el Hauwa (oder el Habuba, das Schloss des Windes), bald darnach, in dem mit kahlen Felseninseln besäeten Strom, die Insel Elefantine , bedeckt mit Palmen und Fruehtfeldern , wie ein kostbarer Smaragd in der trostlosen Einfassung der Wüste, und endlich das heutige Assuan , das alte Siene, am Gehänge eines kahlen , in kolossale Massen zertrümmerten Granitber- ges, der die Reste des frühem Assuan, nach den Angaben der Araber seit 400 Jahren zerstört, trägt, und zu der Kette des Kataraktengebirges gehört, dessen wilde, kahle Granitberge sich dicht vor uns in schroffen, scharfen Formen, bis zu 200 Fuss über den Fluss ansteigend, erhoben und uns die weitere Aussicht nach Süden, über die Grenze Nubiens, verschlossen. Um 1 Uhr landete unsere Barke bei Assuan, der Grnss unserer kleinen Kanonen verhallte in den Bergen der Katarakten von Siene, Egypten war hinter uns und wir standen an der Grenze von Nubien. Unsere Reise von Kairo hieher hatte gerade 24 Tage gedauert und gehörte also, wie in jeder Bezie- hung, so auch in Betreff des Zeitaufwandes, zu den glück- lichsten. Assuan liegt am rechten Ufer des Nils in 24*^ S' 6" nörd- licher Breite und 30" :J4' 39" östlicher Länge von Paris, ist Egyptens südlichste Stadt und enthält gegenwärtig nngeflihr 4000 Einwohner. Als Gränzstadt Egyptens gegen Äthio- pien hatte Assuan in den ältesten und altern Zeiten, so- wohl in militärischer als merkantiler Beziehung eine grosse Bedeutung. Die alte pharaonische Siene, die Herodot noch kannte, ist verschwunden und mag wahrscheinlich dort ge- legen haben, wo heute die Reste von Alt-Assuan liegen, 187 d. h. südwestlich der heutigen Stadt, vom Ufer des Nils bis nahe zu den Steinbrüchen. Auf den Trümmern der egypti- schen Siene stieg die römische empor, die wahrscheinlich an derselben Stelle und aus dem Materiale ihrer Vorgänge- rin entstand. Beide Städte mochten eine grosse Ausdeh- nung gehabt haben, und nach Strabo lagen drei Kohorten rö- mischer Truppen als Gränzbesatzung dort. Von der römischen Siene beobachtet man noch einige Reste. Dahin gehören: die alten Gebäude am Südwestende der heutigen Stadt, wahr- scheinlich Bäder, vielleicht auch in Verbindung mit einem Nilometer, wenigstens erregte der Anblick der Stiegen, auf denen man zum Strome niedersteigt, diesen Gedanken in mir; oder sollte hier der berühmte Brunnen gewesen seyn, in welchen zur damaligen Zeit die Strahlen der Sonne am Tage der Sonnenwende senkrecht hinabfielen? Ferner finden sich in dem kleinen Thale zwischen dem heutigen und dem alten Assuan die Reste eines kleinen Tempels in egyptischeni Style, aber aus römischer Zeit und in architektonischer Be- ziehung ohne besonderes Interesse, Champollion fand in diesem Tempel den hieroglyphischen Titel des JNerva und zugleich den hieroglyphisch-phonetischen Namen von Siene, nämlich „Suan", diess ist auch die koptische Benennung des Ortes, aus welchem Worte das griechische Syene nnd später das arabische Äs-Snan oder Assuan entstanden. Die Araber, die militärische Wichtigkeit des Platzes er- kennend, schienen die Festungswerke noch mehr ausgedehnt und zum Theil auch auf das andere Nilufer verpflanzt zu haben, wenigstens erhoben sie die Stadt, unter dem Namen Assuan, z\i einem Glänze, gegen den die heutige Namens- schwester sonderbar absticht. Die Warten anf den Bergen beider Ufer ringsumher wurden ausgebessert, mehrere schöne Bloscheen erhoben sich und eine Menge Grabesdenkmale, in reinem maurischen Style der Kalifenstadt von Kairo, nur weniger grossartig nnd prachtvoll, geben, einsam in der Wüste stehend, noch heute das Zeugniss, dass Assuan einst unter den Arabern nicht nur eine stark bevölkerte, sondern auch eine reiche Stadt war. Einige dieser alten Moscheen und Gräber im Süden der heutigen Stadt sind noch gut 1S8 erliaUen, doch ist es nicht zu verkennen, dass Feuer und Schwert hier grausam müssen gewüthet haben. Assuan war als be- deutende Gränzfestuug der Platz, von dem aus die Araber ihre Raubzüge nach Nubien unternahmen, es war aber auch als Gränzfestung der Platz, der bei dem plötzlichen Einfalle der Nubier nach dem Falle der fatlmitischen Kalifen zuerst in ihre Hände fiel und durch sie zum grossen Theile von Grund aus zerstört wurde. Unter Selim, dem Eroberer, wurden die Nubier wieder hinter die erste Katarakte zurückgewor- fen und Assuan fiel in die Hände der Türken, die es, als die Eroberer des Landes, auch heute noch behaupten. Das alt- arabische Assuan erstand nicht mehr, sondern es bildete sich an seiner Nordseite die heutige Stadt, die von Ferne mit ihrem Dattelwalde im Vordergrunde und mit den Ruinen und den schwarzen Granitbergen im Hintergrunde ein sehr male- risches Bild gibt, in der Nähe hingegen zu einem armseli- gen , schmutzigen Neste herabsinkt. Bei Assuan nähern sich das libysche und das arabische Gebirge ganz dem Strome, beide bestehen aus Sandstein, uud dort, wo sie sich zu vereinen scheinen und den Strompass der ersten Katarakte bilden, brechen die wilden, vegetations- losen, schwarzen Granitberge hervor, die das Nilthal gegen Süd schiiessen. Die libyschen ßei'ge des linken Ufers sind bedeutend höher als die des rechten, und von ihrem Rücken aus, auf dem sich die Ruinen der alt-arabischen Burg Kobbet el Haüwa erheben, hat man allein eine Fernsicht über die ganze zwei Stunden lange Katarakte, die sich von keinem andern Punkte sonst, weder des rechten noch des linken Ufers , in ihrer- ganzen Länge überblicken lässt. Der Nil ist mit Felseninseln wie besäet, und zwischen denselben liegt die Insel Elefantine, von den Arabern Dschesireh el Sag genannt. Als wir landeten, umgab uns eine Menge des neugie- rigen Volkes, um die vermeintlichen Inglis zu sehen. Der allen Wallfahrtem nach Philä neuester Zeit bekannte Mohammed Hassan drängte sich an uns und zeigte uns einen ganzen Pack Zeugnisse, die er alle von Europäern erhalten hatte, welchen er als Cicerone diente um\ die üeine Eigenschaften in diesem Fache sehr rühmten. Wir nahmen ihn daher auch 189 sogleich in Dienst, nm noch denselben Tfto^ eine Exknrsion in die nächste Umgebnng- der Stadt zu machen. Plötzlich regte es sich in der Volksmenge, die Masse trennte sich und SeiD-ßey, der Kommandirende von Ässuan, erschien, um uns zu begrüssen. Ich hatte als Knabe öfters das Portrait eines böhmischen Wirthes gesehen, der so dick war, dass seine Weste einem mittelmässigen Menschen zum Mantel hätte dienen können , und jetzt sah ich jene Gestalt neuerdings ver- körpert vor mir. Ein ganz kleiner Kopf sass auf einem Fleisch- koloss, der sich kaum bewegen konnte und den man nicht ohne Mühe in unsere Kajiite brachte. Unter beständig^em Gäh- nen gab uns SeiD-Bey die traurige Nachricht, dass wir die von Esne zu erwartenden Kamele bis nach el Mucheireff zu nehmen genöthigt seyn werden , weil es kaum wahrschein- lich ist, in Abu Mamed, wo man die grosse nubische Wüste wieder verlässt, neue Kamele auftreiben zu können, dass darüber wieder nach Esne geschrieben werden müsse und uns daher ein Aufenthalt von 8 bis 10 Tagen in Assuan so viel als gewiss sey. Ein allgemeines Gähnen war die Wirkung, die diese Nachricht, unter SEiD-Bey's Vorsitz, auf uns hervor- brachte, und nur die Versicherung Mohammed-Hassans , dass hier sehr viele heidnische Alterthümer zu sehen seyen, konnte uns für den Augenblick trösten. Wir machten uns auch so- gleich auf den Weg, besahen die Reste der römischen Stadt am Südwestende des heuligen Assuan, gingen durch die Trümmer der alt-arabischen Stadt zu den obenerwähnten rö- mischen Tempeln und von da zur Nekropolis, die mitten in der Wüste zu beiden Seiten des Weges nach Philä liegt. Viele der maurischen Grabesdenkmale mit ihren zierlichen Kuppeln und Aufschriften sind noch recht gut erhalten. Von den arabischen Gräbern weg wanden wir uns in die Granit- steinbrüche der alten Siene, in technischer Beziehung die interessantesten von allen Steinbrüchen im Nilthale; denn sie lieferten jene gigantischen Monolithe zu den Obelisken und Kolossen verschiedener Art, und zwar nicht nur fiir Egypten, sondern auch für manche Baue in Syrien, Klein-Asien und im eüdiiclien Europa. Die Steinbrüche dehnen sich von Assuan gegen Süd, längst den Katarakten bis nahe an Philä und 190 weit nach Ost in die Wüste ans. Sie nehmen, meiner An- vschainmg" zu Fol^e, fast einen Flächenraum von zwei deutschen tiuadiatmeilen ein. Das Granit- und Syeuit^ebirge der Ka- tarakteu erstreckt sich als ein Arm des Küstengebirgs- systems des rothen Meers aus Ost in West in die libysche Wüste. Wo der Nil dasselbe durchbricht, hat es eine Breite von zwei Tagreisen und bildet die natürliche G ranze zwischen Egypten und Nubien. In der Umgebung der Katarakten be- steht dieser ganze Granit- und Syenitzug aus lauter isolirten Kuppen, die im Allgemeinen in der angegebenen Richtung liegen, unter sich abei' in einem besondern, Gebirgsketten-ähn- lichen, Zusammenhange stehen. Diese Kuppen steigen höch- stens zu 200 Fuss über den Fluss an, siud selbst wüste und von Wüste umgeben, ganz kahl, zertrümmerte Felsmassen, gigantische Steinhaufen, deren Schluchten uud Thäler der gelbrothe Sand der Wüste ausfüllt, an wenigen Orten nur kümmernde Mimoseiibäumchen oder einen dürren Grasschopf, als einzige Spur des vegetabilen Lebens, ernährend. Die Aus- senseite des Gesteins bildet eine schwarze glänzende Kruste, die die Granitblöcke wie ein Schmelz überzieht, ihnen zum Theil das Ansehen gibt, als wäreu sie verglast, und die nichts anders ist, als die Wirkung der atmosphärischen Einflüsse auf die Oberfläche des Gesteins, seit einer ausser den Gränzeu menschlichen Fassungsvermögens liegenden Reihe von Jahr- tausenden. Im Bereiche der Steinbrüche ist fast keine dieser Kup- pen zu sehen, die nicht das merkwürdige Volk zum Gegen- stande seiner ausserordentlichen Bemühungen gemacht hätte, überall die Spuren der menschlichen Hand, theils zur Ge- winnung der grossen Blöcke für die Monumente, theils um durch Skulpturen diesen oder jenen Namen, diese oder jene Idee zu verewigen. Bis in die ältesten Zeiten bekannter Pha- raonen-Dynastien dürften diese Skulpturen , wenn sie genau durchgangen w ürden , zurückführen, viele unbekannte Namen kommen vor, doch gegen die Rechnung der Natur verschwin- den diese menschlichen Kalküle. Die Bruchflächen des Grani- tes der Steinbrüche aus den ältesten Pbaraonenzeiten pjangen noch im eigenthümlichen Roth des Gesteins , sie sind , wie 191 Hr. V. Prokesch trefflicli sagt, noch zu jun^, um jene Rinde der Zeit angenommen zu haben. In einem zunächst der Stadt liegenden Steinbruche fan- den wir einen fast fertigen Obeh'sken noch fe>st auf seinem Lag;er. Er war auf eine Länge von einigen 80 Fuss vom Sande entblösst und bis auf die Lostrennung vom Lager und die Ausführung der Skulptnren ganz fertig*. Sowohl an die- sem Obelisken als an den Lagern anderer Monolithe , die aus diesen Steinbriichen geholt wnrden, sieht man deutlich, wie die alten Egypter bei der Lostrennnng derselben von der g;anzen Gesteinsmasse verfuhren. Sie nahmen diese Arbeit durch Keilung vor. Um Massen nämlich zu trennen, bra- chen sie an der zu beabsichtenden Trennnngslinie ringsher- um Löcher aus , jedes einen halben Fuss und darüber lang-, bei 2 bis 4 Zoll Höhe der Öffnung- und 4 bis S Zoll Tiefe. In diese Löcher vom rechwinklichten Querschnitte schlugen sie ohne Zweifel hölzerne Pflöcke, Keile, die sie begossen und durch deren Anschwellung' die Trennung der Masse erfolgte. Um der Trennungslinie sicherer Herr zu seyn, machten sie den Abstand von einem Loch zum andern höchstens 2 Fuss, verbanden diese Löcher durch einen leichten Schramm und gaben den Querschnitten dersel- ben die Gestalt länglicher Parallelogramme, mit den län- gern Seiten der Trennungslinie parallel, wodurch die gefähr- lichen Seitensprünge des Gesteins so viel als möglich verhin- dert wurden, üemungeachtet mochte durch leztere eine grosse Anzahl Monolithe bei der Lostrennung unbrauchbar geworden seyn. Diese Manipulation bewirkte nur die Bil- dung einer Trennungskluft , die ganze und vollständige Tren- nung der Masse aber geschah nachhülfsweise durch Keile, die in die gebildete Trennungskluft eingetrieben wuiden, wovon man viele Spuren findet. Wie aber haben die alten Egypter diese Löcher eingebrochen , geschah diess mit ei- sernen oder mit kupfernen Werkzeugen ? Darüber dürfte schwerlich etwas Genaues bekannt seyn. Wenn sie er- stere nicht gekannt haben sollen, so müssen sie lezte- ren eine Härte zu geben verstanden haben ; die erstau- iienswürdigist ; denn, wie bekannt, sind alle Skulpturen der 192 alten Egypter in Granit nnd Syenit mit einer Sohärfe nnd Sicherheit ansj^eführt, die auch mit nnsern besten Stahlinstru- menten nicht zu übertreffen ist. Der Transport der Mono- lithe geschah zu und von den Schiti'en, wie aus den Gemäl- den der Monumente bekannt ist, auf Walzen, und man sieht in den Steinbrüchen von Ässuan mehrere solcher Wege, die dem Flusse zu führen. Überhaupt lässt sich voraussetzen, dass ein so praktisches Volk sich der einfachsten Mittel auch bei Aufstellung der Kolosse und Obeliske bediente, und es klingt sonderbar, es unbegreiflich zu finden, wie sie diess be- Averkstelligten, da wir selbst es auszuführen verstehen und in der Mechanik der festen Körper die alten Egypter, ihren riesenhaften Monumenten zu Folge, unmöglich sogar weil zurück gewesen seyn können. Als wir von den Steinbrüchen weg den Berg bestiegen, auf dessen Gipfel, südlich von Assiian, eine Moschee, und in deren Nähe eine schöne Warte sich befindet, trafen wir in dem wiisten , lautlosen Thale der Nekropolis einen einzelnen Nubier von dem Volke der Bischarin , eines der grössten Waudervölker jenes Landes. Derselbe wanderte mit unbedeck- tem Kopfe nnd blossen Füssen , nackt bis auf ein grosseji Tuch, das er um die Hüfte geschlungen hatte und das ihm nach Umständen als Mantel oder Decke diente, fröhlich über den heissen Sand. Auf seinem Rücken trug er ein grosses zweischneidiges Schwert zu seiner Vertheidigung, einen klei- nen, höchstens 3 Maas haltenden Wasserschlauch, und im Tuche eingewickelt ein paar Hände voll geröstetQ Durahirse. Er .war mit einem Kamel -Transporte nach Kairo gekom- men und nun auf dem flückwege nach seinem Vaterlande begi'iffen. Er hatte (sein Stamm hält sich an der abessini- schen Grenze auf) von Kairo bis in sein Heimathland eine Strecke von wenigstens 1.3 Breitegraden zu durchwandern, von denen er in Assnan noch nicht ganz die Hälfte zurück- gelegt hatte. Die zweite Hälfte seines Weges führte ihn gröss- tentheils durch wasserarme Wüsten oder Savannenland, die er- ste Hälfte konnte er längs dem Flusse zurücklegen. Wie klein erscheint in einer Beziehung dercivilisirte Mensch mit allen sei- nen unzähligen Reisebedürfoissen und Bedenk lichkeiten gegen 193 diesen Nubier, der, so Avie er war, eine Fiissreise von mehr als 400 Stunden allein , unter einer glühenden Tropensonne, mit dem Wenig^sten ansgeriistet, mit dem der Mensch aus- gerüstet seyn kann, durch Wasser und Menschenarme Wü- sten unternahm. Er bat uns um eine Hand voll Tabak, mehr verlangte er nicht von uns. Wenn Entschlagung aller nicht wesentlichen Bedürfnisse zum Begriffe „Freiheit" vor- /ZÜglich gehört, so war dieser Bischari gewiss frei. Von der Moschee ans, die auf der höchsten Kuppe süd- lich von Assnan steht, hat man eine unbeschreiblich eigen- thümliche Ansicht der Umgebung der ersten Katarakte. Zu den Füssen den mächtigen , dunklen Strom , voll schwarzer Felseninseln und wie besäet mit kahlen Klippen, zwischen denen durch der Strom sich schäumend seine Bahn bricht, so dass man in Assuan, obwohl fast eine Stunde entfernt, an ruhigen Abenden und wenn der Wind flnssabwärts zieht, das Tosen der Brandung recht deutlich vernimmt*. Man '* Wie bekannt existirten die Katarakten des Nils im Begriffe von gewöhnlichen Wasserfällen nur in den Köpfen jener Schriftsteller, die dar- über sclirieben, ohne sie gesehen zu haben. Der Nil hat keinen einzigen senkrechten oder wenigstens sehr stark geneigten Wasserfall , vom Meere an hinauf, so weit er nur Nil heisst, aber er hat viele Stromschnellen, von den Arabern Schellal genannt, und dasselbe was wir Europäer mit dem Namen „die Katarakten des Nils" bezeichnen; Stellen, an denen der Strom ein starkes Gefälle und höchstens nur schiefe Abstürze von 2 bis 3 Fuss Höhe hat, wo sein Beet voller Felsen ist, an denen sich die Wellen schäu- mend brechen und über die daher die Schifffahrt mit beladenen Barken theils ganz unmöglich, theils bei hohem Wasserstande flussabwärts zwar möglich, aber immer höchst gefährlich ist. Die nördlichste Katarakte ist die hei Assuan. Sie hat eine Länge von 2 Stunden. Die zweite Ka- tarakte ist die sogenannte grosse. Sie liegt bei Waddi Haifa in Nu- bien. Mit ihr beginnt eine Reihe von Schellals, die mit nicht sehr bedeutenden Unterbrechungen bis nach Dongola, also ungefähr 120 Stunden w^eit, anhält. Die dritte ist die vom Dschebel ßarkal in Nubien. Sie erstreckt sich ebenfalls, doch mit Untelbrechungen, durch mehr als 80 Stunden vom Dschebel Barkai über Abu Hamed bis nahe an el Muchei- reff. Weiter südlich folgen noch mehrere solcher Schellals, sie haben aber nicht jene Bedeutung, wie die bereits erwähnten , und wir werden sie im Verlaufe der Reise alle kennen lernen. Erst in den Hochgebirgen der Gallas hat der blaue Fluss wirkliche Wasserfälle, die aber nicht näher bekannt sind. Der obere Lauf des wei.ssen Flusses ist noch unerforcht. Husspgger, Reisen, 11. üd, 1, Till. j^j 194 übersieht von der Moschee aus nur den untersten Theil der Katarakte. Zu beiden Seiten ist Wüste, gelbrother Sand ohne Vegetation 5 durchbrochen von einer Menge schwarzer Gra- nit- und Syenitkuppen. Gegen Süd und Ost sieht man nur Berge der Wüste, ein Chaos dunkler Felsenmassen. Gegen West sperrt das libysche Gebirge die Fernsicht. Auf seinem Rücken stehen Warten und Trümmer alter Burgen und in einem Thale sieht man das alte verlassene christliche Klo- ster, dessen Pococke I, S. 191 erwähnt. Das libysche Ge- birge besteht aus Sandstein und der Flugsand steigt zum Theil in den Thälern und Schluchten, wie der Schnee in un- sern Alpen, zu den höchsten Gipfeln empor. Wie die Alpen ihre meilenweit ausgedehnten Schneefelder haben , so spielt hier der Sand dieselbe Rolle. Der Farbenton der Land- schaft an beiden Seiten des Stromes ist gelbroth und schwarz, und beleuchtet von dem strahlenden Lichte jeuer Breiten, ist das Bild blendend und heiss. Mit Freude sieht man daher nach Norden, wo das freundliche Grün der Insel Elefantiue dem Auge einen Ruhepunkt gewährt und wo sich unterhalb Assuan das Kulturland des rechten Ufers hinzieht und eine Menge von Wasserzügen zur Bewässerung dem Bilde wieder Leben geben. Als wir die Kuppe verliessen, um uns zu unserm Schiffe zurück zu begeben , sah ich zu meinem nicht geringen Er- staunen einen unserer Araber mit über den Nacken geschlun- genen Händen auf dem Platze vor der Moschee sich über den Sand hinwälzen, was er mit einer eigenen Geschicklichkeit und grossen Schnelligkeit bewerkstelligte. Ich hatte grosse Lust, ihn für verrückt zu halten, doch Mohammed Hassan sagte mir, dass diess ein approbirtes Mittel gegen Kreuzschmerzen sey, natürlich nur im Territorium des Heiligen angewendet, der in dieser Moschee oder darneben begraben liegt. Ein schweisstreibendes Mittel schien es mir wenigstens zu seyn, und in dieser Beziehung möchte ich allerdings auch glauben, dass es hilft. Auf dem Rückwege besahen wir die alte Römerstrasse, die von Siene mitten durch die Steinbrüche und durch die später entstandene arabische Nckropolis nach der Insel Philä 105 in Nubien, am obern Ende der Katarakte, führt. Sie wird an ihrem westlichen Rande von einer dicken Maner eine weite Strecke im Thale begleitet. Die Mauer ist ans nng^ebrannten Ziegehi aufgeführt und stellenweise noch gut erhalten. Die Errichtung dieser Mauer dürfte nach Letronne in die Zeit des Kaisers Diokletian fallen, der Philä gegen die wilden Ble- mier (Bischarin , Scheikie, Berber etc.) befestigte und diesen festen Platz mit Siene in Verbindung sezte. Strabo, der die Strasse zwischen Siene und Philä zu Wagen befuhr, erwähnt dieser Mauer noch nicht. Vielleicht ist sie der Rest einer Lagcrumwallung, und es ist sehr wahrscheinlich, dass die grosse römische Besatzung von Assuan in diesem Thale ein Feldlager bezog, das sich mit dem Rücken an die östlichen Berge der Steinbrüche lehnte und vor sich gegen West diese Mauer hatte, dass die Heer- strasse durch das Lager ging und sie auf diese Art be- wacht und geschüzt wurde, was beides, dicht an der nu- bischen Gränze , wohl auch sehr nötliig war. Die Strasse selbst ist mit Granit gepflastert und zum Theil vom Sande der Wüste bedeckt. Die grosse Kaserne, welche der Vizekönig östlich der Stadt und in geringer Entfernung davon erbauen iiess, als er bei seiner Eroberung von Sennaar und Kordofan den Ge- danken fasste, Negerregimenter in Egypten zu errichten, hatte wegen ihrer grossen Ausdehnung, da sie über 500 Ge- mächer zählt, grosse Summen und viele Arbeit gekostet. Als sie fertig war, wurde sie nicht benüzt, im J. 1S27 war sie bereits verlassen und ich sah sie im Verfalle. Am 23. Januar machte ich mit Mortsch und Mohammed Hassan eine Exkursion nach Nubien, nämlich nach der zwei Stunden von Assuan entfernten Insel Philä, am obern Ende der Katarakte. Der Weg führte uns der erwähnten alten Strasse nach durch Wüste und zwischen Granitfelsen hin. Nachdem unsere Eselchen sich zwei Stunden im heissen Sande müde gezappelt hatten, bogen wir um eine Felsenecke. Vor uns, und zwar bereits in Nubien liegend, erhob sich eine schwarze , glänzende Granitwand , ganz in Blöcke der un- geheuersten Dimensionen zerfallen und in den kühnsten 13* Gruppirnnj^en aiifg;otlinrmt *. Ber^^e, wild und schroff, oline alle Spnr von Vegetation, in den Tliäleiii der gelbrothe Sand der Wüste. Zwischen diesen Bergen ist der Nil eiii«:e- zwängt, ein dunkler Spiegel, wie nnsere Alpensee'n. Links sahen wir den Minaret der Moschee von Anbea, rechts das nnbische Dörfchen el Gianieh und zwischen beiden eine Insel mit Palmen, über deren Gipfel hoch empor die Pylonen der Tempel ragten, umgeben von Säulen und Trümmern. Es ist Philä, die Zauberinsel. Den Eindruck zu schildern, den der erste Anblick dieser Insel hervorbringt, ist keiner Feder möolich, man mnss sie sehen diese vpilden, schwarzen, chao- tisch durcheinander geworfenen Felsmassen, man mnss ihn sehen den dunkelgrünen Wasserspiegel, sie sehen die ko- lossalen Prachtgebäude, das frische Grün der Palmen in der wüsten, dunklen Schlucht, die der Strom sich bahnte, der hier ISubien verlässt, nachdem er es von der Grenze Sennaars an in einer Strecke von mehr als 250 deutschen Meilen durch- zog, man muss es sehen das unbeschreiblich schöne Bild, «m es aufzufassen. Ausser Philä liegen noch viele Felsen- inseln im Strome und eine kurze Strecke unterhalb hegin- nen die Katarakten , der Strom zertheilt sich in viele Arme und man sieht in jenes Gemenge von Felsen und Wasser hinab, das den Begriff Schellal im grossartigsten Mass- stabe bezeichnet. Wir eilten dem Strande zu , wo einige nubische Segelschiffe angelandet hatten und einige elende nnbische Lehm- und Strohhütten stehen. Die Bewohner sind durchaus Nubier, von sehr dunkelbrauner, fastschvvarzer Farbe. Nackt und halbnackt, höchstens ein Tuch um die Hüfte ge- schlungen, hatten die Männer nichts an sich, als an den linken Armen kleine Dolche und Amulete. Die Weiber waren nicht besser gekleidet und dieMädchen trugen ihre Rahäds, lederne Gürtel, die über den Hüften festgebunden werden und deren dichte Lederfranzen, Schnüre und öuasten bis über die Mitte der Schenkel herabreichen und die nöthige Bedeckung noth- dürftig gewähren. Beide Geschlechter stark geschmiert, waren besonders die Köpfe dieser Nubier, die häutig ein sehr * FoI{?c der nntiirHclipn Absonderung des grobkörnigen Granites und Syenites der Katarakten von Siene. 197 iippjorer Haarwuclis auszeichnet, so mit Butter g^eträiikt, dass dieser AnMick, da er uns damals noch ganz neu war, wirk- lich etwas Zurückschreckendes hatte. Dabei waren die Be- wohner jenes Dörfchens, was ich später auch bei den übrigen Nubiern längs den Katarakten von Philä bis Assuan traf, die unverschämtesten und zudringlichsten Bettler, die mir bis dahin noch vorgekommen waren. Theils ist es Gewohnheits- Bettelei, erzeugt und genährt durch die mehreren Fremden, die in neuerer Zeit die Katarakten besuchen und die denn auch jederzeit gehörig in Kontribution gesezt werden, theils aber zwingt sie die dringendste Noth zum Betteln. Ein un- wirthbares Land bewohnend , welches ihnen unmöglich den nöthigen Lebensunterhalt darbieten kann, einer Regierung unterthan, die für sie nicht nur gar nichts thnt, sondern durch ihr selbstsuchtiges Spekulatlonssj stem , durch die Monopo- lisirung der Schifffahrt, des Handels und des Ackerbau's, sie ganz zu Boden drückt, sind sie rein auf den Bettel in allen seinen Formen hingewiesen. Dass mehrere dieser Leute verhungern, geschieht häufig, wie mich sogar die türkischen Beamten selbst versicherten, und wie gross ihre Noth damals war, als ich nach Nubien ging, erhellt aus dem Umstände, dass ich auf der Insel Philä einen Nnbier mit seiner Familie traf, der mich dringend bat, ihm seinen kleinen Sohn abzu- kaufen, weil er ihn nicht ernähren konnte. Solche Akte finden sich wohl, auch ohne dass solche Noth vorliegt, bei ganz wilden Völkern, wie ich selbst erlebte, aber den, mo- ralisch weit höher als die egyptischen Fellahs stehenden, nördlichen Nubiern sind solche Handlungen, ohne jenen ver- zweifiungsvollen Grund, durchaus fremd. Wir wählten einige dieser Leute, die uns in einem Kahne nach der Insel Philä hinüber brachten *. * Über die Insel Philä: Parthey^ U» S. 354. CHAMPOjaloN d. j. Briefe, S. 108. Gau, Autiquit. de la Niible. Iiisciiptions copiees en Nubie etc., S. 21. V. Prükesch, das Land zwischen den Katarakten des Nils, S. 56. Letrokne, Piccherches etc., S. 151. JoMARD, Descr, de l'Egypte. Anc. II und Meni. sur les inscr. anc. LETRorsNE, uiatcriaux pcui Thistoire du Chiiötianisaie. Paus 1833. S. 74 u. s. ui. a. 198 Die Insel Philä, das Grab des Osiris und der Isis, wurde in den Zeiten der Pharaonen, Ptolemäer und zum Theil auch noch der Römer als ein ah<>esehlossener, besonders heiliger, dem Dienste der Isis geweihter Platz betrachtet. Von der Natur auf eine Weise ausgestattet , die ernste, heilige Ge- fühle in der Brust erweckt, an die Grenze der Länder zweier mächtiger Nationen hingestellt, als Insel mitten in dem grossen Strome hingezanbeit, eignete sicli diese Stelle vor- züglich dazu, die in politischer Beziehung feindlich gegen- überstehenden Völker in ihrer einen und gemeinschaftliche» Tendenz, in der Ausübung des innigst verwandten religiösen Kultus zu vereinen. Nach Champollion und v. Prokesch fällt die Erbauung der Tempel auf Philä in die Zeiten der Ptolemäer, und da Herodot und Diodor des Kultus erwähnen, der auf dieser Insel bereits in den Zeiten der Pharaonen ausgeübt wurde, so ist es sehr wahrscheinlich, dass die dortigen Pharaonendenkmale durch die barbarischen Ver- wüstungen der Perser ihren Untergang fanden, wofür auch die Thatsache spricht, dass auf den Tempeln von Philä ausser dem Namen des Nektanebes aus der 30. Dynastie (vor 2206 Jahren nach der Rechnung des Manbtho), der mit den Persern im beständigen Kampfe lag, kein anderer Pharaonen- name sich findet. Parthey hingegen sucht aus dem höchst interessanten Verhalten der zahllosen Inschriften , die die Denkmale von Philä bedecken, zu den altern Hieroglyphen- bildern derselben, nachzuweisen, dass diese Tempel selbst aus den alten Zeiten der Pharaonen stammen, dass Ptole- mäer und Römer nur manches Neue zu dem bereits Bestan- denen hinzufügten und, wie er sagt, nicht so sehr eine neue Auflage lieferten, als vielmehr nur dem Werke ihrer Vor- fahren ein neues Titelblatt gaben. Diese Ansicht theile ich gerade nicht, aber doch geht aus Parthey's Darstellung neuerdings hervor, wie wenig man den blossen Namenauf- schriften jener Monumente trauen darf, wenn nicht das „erbaut" oder ein anderer faktischer Beleg, der darauf oder auf die Geschichte des Monumentes und seiner Zeit Bezug hat, ausdrücklich beigesezt ist. Dem Wechsel der politischen Verhältnisse zufolge 199 wurde Pliilii bald zu Nubien , bald zu Efii^ypten gerechnet, nimmt mau aber die Katarakte als die natiuliche Gränzmarke beider Länder , wie es auch in neuerer Zeit geschah , so ge- hört Philä zu INubieu. Im Westen von Philä liegen noch zwei, bedeutende Berge bildende, Felseuinseln im Strome, die Inseln Hesseh und Begheh (Bagheh, Bidscheh, das Snem der alten Egypter nach Champollion). Erstere bietet nichts Interes- santes dar, auf lezterer jedoch steht ein kleiner Tempel der Hathor. Die Einführung des Isisdienstes auf der Insel Philä geht in das graueste Alterthum der Pharaonenzeit zurück und der Beginn desselben iässt sich historisch nicht nachweisen. Dem nach Süden gekehrten Landungsplatze und Ilaupteingauge des grossen Tempels zu Folge glaubt Parthey, dass die Begründung desselben in eine Zeit fällt, als Philä unter nubischer oder, besser gesagt, äthiopischer Herrschaft stand. Als die Insel jedoch zu Egypten kam, wurde, seiner Ansicht nach, dem Tempel der östliche Eingang gegeben , wo der für die von Siene kommenden Pilger be- quemere Landplatz sich befand. Auch über diese Äloraente mangeln Zeitangaben. Der Isisdienst erhielt sich auf Philä am längsten , nämlich bis zum J. 5üO nach Chr., in welchem Jahre die Blemier von Narses, dem Feldhenn Justinians, aufs Haupt geschlagen und der heidnische Gottesdienst in Philä abgeschafft wurde. Diese lange Aufrechterhaltnng des Heidenthums an diesem Orte, noch nach der Abschaffung desselben in ganz Egypten unter Kaiser Theodosius im J. 391 , hatte seineu Grund in einem alten Vertrage mit den damals noch sehr gefürchteten Blemiern, die diesem Vertrage gemäss jährlich aus Philä die Isisbilder mit grossen Feierlichkeiten abholten, in ihrem Laude Orakel sprechen Hessen und dann wieder nach Philä zurückführten. Die Blemier, denen die Römer sogar seit Diokletian Tribut zahlten, wurden von Maximinus in den Jahren 450 — 457 totah geschlagen, und er schloss mit ihien Häuptlingen auf Philä Frieden, welcher Feierlichkeit der Geschichtschreiber Priskus beiwohnte. Wiederholte Einfälle machend, wurden sie vom Statthalter Florus neuerdi:igs geschlagen, und endlith wurde, wie erwähnt, unter Jl'stiman 200 ihrem religiösen Vertrage in Betreff des IsisHienstes ein Ende gemacht. Nicht lange nach diesem Ereignisse fasste das Christen- thum , welches im südlichen Nnbien, z. B. am Nordrande der Bahiuda, sich schon sehr ausgebleitet hatte, auch auf Philä Fuss, der Isistempel wurde durch den Bischof Theo- DORus in eine Kirche des heiligen Stephan umgewandelt und die Mauerumwallung der heiligen Insel unter Justinus II. 577 wieder hergestellt. Die Eroberungen der Araber in der Zeit um 642 vertrieben die Christen wieder aus Philä, der Halbmond begnügte sich jedoch daselbst mit der Ver- wüstung, er regenerirte die heiligen Stellen nicht, die Tem- pel gehören jezt keinem Glauben, keinem Kultus an, wir sehen sie heute noch als schöne Leichen, als stumme Zeu- gen eines steten W^echsels von Civilisation und Barbarei. Da die ganze Insel Philä nur eine Länge von 1200 Fuss und eine Breite von 420 Fuss hat, wie aus der Messung des Hrn. v. Prokesch hervoigeht, und da der grosse Tempel- bau fast ein Drittel der Oberfläche der ganzen Insel ein- nimmt, ausser diesem auch noch andere und kleinere Tempel auf der Insel standen und die ganze Masse der religiösen Gebäude durch eine bis 48 Fuss hohe Mauer aus Quader- steinen von der Aussen weit getrennt war, auch der Dienst der Göttin mit geheimnissvollen Misterien den Augen des Volkes entzogen wurde, so kann meiner Ansicht nach von einer Stadt, im gewöhnlichen Sinne des Wortes, die nach Einigen auf Philä existirt haben soll, gar keine Rede seyn, und findet man ausser den Tempeln Spuren anderer Gebäude, so können es höchstens nur Priesterwohnungen und solche des Dienstpersonals der Tempel, das allerdings gross war, gewesen seyn. Das Priesterkollegium zu Mesaurat im südlichen Nubieii ausgenommen, ist mir längs des Nils kein so unregelmässig angelegter Bau der Alten bekannt, wie der des grossen Tempels v^on Phüä ist, des grössten Denkmals aus der Pe- riode der Ptolemäer. Überall bemerkt man das Entstehen in verschiedenen Zeiträumen und nach verschiedenen Plänen, keine ein geregeltes Ganzes gebende Anordnung der Theile, 201 und an wenij^en Elementen nur eine vollendete Änsfühning bis ins kleinste Detail. Nur eine Idee ist durch«; reifend, die einer nnbesclireiblichen , erbebenden Pracht und Würde der einzelnen Theile, und Champollion d. j. muss eine sehr böse Stunde g^ehabt haben, als er die Skulpturen des Tem- pels barbarisch finden konnte, indem ich hinsichtlicii einer g^en.aueren Beschieibung der Monumente auf PJiilä mich auf die Darstellung^ des Hrn. v. Prokesch * berufe, erlaube ich mir, nur die wichtigsten Theile dieses merkwiirdioeu Baues hier ganz kurz ins Auge zu fassen. "* Das grosse Tempelgebäude erstieckt sich aus NO. in SW., den westlich von der Längenachse der Insel liegenden Theil derselben einnehmend. Betritt man den Tempel vom Nile aus an seiner SW.-Scite, so stösst man zuerst auf die 48 Fuss hohe Umvvallung aus Quadersteinen, auf welcher sich ein Portikus von 6 Säulenlängen befindet; nebenan steht ein kleiner Obelisk von 22 Fuss Höhe, dessen Gefährte verschwunden ist. Von diesem Portikus führt eine Stiege an den Landungsplatz. Weiter in NO. folgt ein zweiter Portikus von höchst unregelmässiger Anlage. Seine beiden Längenseiten konvergiren ^^gen den Aufgang vom Flusse her. An der westlichen Seite stehen noch 32 Säulen , an der östlicjien , offenbar die später entstandene und nicht vollendete, erheben sich 16 Säulen. Die westliche Seite steht ganz auf dem westlichen üferdamme der Insel. Die Knäufe ihrer Säulen sind unter sich verschieden , jeder ist anders gestaltet und doch macht das Ganze einen nicht un- gefälligen Eindruck. Säulen, Decke und Wände sind mit Bildern bedeckt, an denen die Farben noch in einer unbe- greiflichen Frische prangen. Die Säulen der östlichen Seite tragen keine Skulpturen und mehrere derselben sind gar nicht vollendet. Beide Seiten schliessen einen grossen Tempelhof ein **, in dessen Hintergrund das eiste Paar der kolossalen Prionen sich erhebt. Ausser dem Namen des * Das Land zwischen den Cafarakten etc. S. 56. '•'* Man sehe den Plan des Tempels auf Philä im Atlas des Reise- weikcs des Dr. PARTiiEr. Denon's Abbildunf;^ von diesem Tempelgebäude ibt ganz unrichtig. 202 Nektanebes, trägt der grosse Portikus nur Namen von Pto- leniäern und römischen Kaisern. Vor den beiden Pylonen standen zwei Obeliske , von denen der eine zertrümmert wurde 5 der andere nach England wanderte, und vor den beiden Obelisken sasseu zwei Löwen aus schönem, ro- them Granite verfertigt, die ebenfalls in Trümmern lie- gen. Die Seiten dieser Pylonen sind mit kolossalen Skulpturen religiösen Inhalts , meist auf Isis und Osiris sich beziehend, prachtvoll verziert 5 die Treppen und Ge- mächer sind noch in ganz gutem Zustande, so dass es keine Mühe kostet, die oberste Plattform zu ersteigen und von ihr aus eine der schönsten und eigenthümlichsteu Fern- sichten zu geniessen, die Egypten und Nubien aufzuweisen haben. Zwischen ihnen befindet sich das mit Hieroglyphen verzierte Hauptthor, dessen Bilder ebenfalls bemalt waren, wie die noch frisch erhaltenen Farben darthun. An der Vorderseite des östlichen der beiden Pylonen und recht- winkelicht auf dieselbe gestellt befindet sich ein zweites Thor, nämlich der Eingang zum Tempel von der üstseite der Insel her. Da man mit der Anordnung der Reliefs an dieser Vorderseite des östlichen Pylonen auf die Stellung des erwähnten Seitenthors durch ein merkliches Zusammen- drängen der Figuren Rücksicht genommen hat, so schliesst Hr. V. Prokesch daraus auf die gleichzeitige Erbauung der Pylonen, des nach S. gekehrten Hauptthores und des nach O. gekehrten Nebenthores. Über die Lage des alten Pha- raonenterapels und seiner Zugänge mangeln uns alle Daten, und alles , was man bisher an den Resten der spätem pto- lemäischen Baue auf Philä beobachtete, erlaubt mit Sicher- heit keinen Rückblick auf jene Zeit. Es ist möglich , dass man damals schon den Haupteingang des durch die Perser zerstörten Tempels gegen Süden anbrachte, Thatsache aber ist es, der ganzen Bauanlage nach, dass diess unter den Ptolemäern geschah , die , wie wir an den Resten des von ihnen erneuerten Tempels sahen, demselben die Richtung aus NO. in SW. gaben und den Haupteingang ohne Zwei- fel gegen den altpharaonischen Landungsplatz an der Süd- seite der Insel hin wendeten. Ob sie dazu der grosse 203 Äntlieil bewog, den die Blemier am Isisdienste anf Pliilä nahmen, lasse icli dahin gestellt. Dass die Ptolemäer, bei ihrem hohen Kinistsinne und vollendeten Geschmacke , zu- gleich mit Erbauung der Pylonen denselben auch das nach O. gewendete Thor angeklebt haben sollten, kann ich nicht glauben, ich vermuthe aber auch zwischen der Errichtung beider Thore keinen so grossen zeitlichen Zwischenraum, wie ihn Dr. Parthey annimmt Sehr wahrscheinlich waren die Pylonen einige Zeit schon vollendet, bis man anfing, sie mit Bildern zu zieren, und sehr wahrscheinlich verfiel man wäh- rend dieser Zeit, das Ungeeignete des siidlichen Einganges fiir die aus Egypten kommenden Pilger und für die Verbin- dung mit den Befestigungsarbeiten am rechten Ufer einsehend, darauf, dem Tempel jenen zweiten Zugang gegen Ost zu eröffnen und brachte das erwähnte Nebenthor in jener, ein Kunst gewolintes Auge wirklich beleidigenden Stellung an. Eine Pfuscherei im Bauwesen zieht immer einen Schweif von lfuscbe;eien nach sich, und daher kam es, als man später die Vorderseite des östlichen Pylonen mit Bildern zierte, dass man dieselben, um sie in übereinstimmender Kntwickelung mit dem westlichen Pylonen anzubringen, nothwendigerweise des Thores wegen zusammendrängen musste. Die linke Seite des Haupteinganges zwischen den beiden Pylonen ist bedeckt mit gemalten Bildern, die rechte Seite ist leer geblieben, und an dieser Stelle wurde die Inschrift angebracht, welche das Vordringen der französischen Armee bis zur ersten Katarakte veiewigt. Das Hanptthor führt in einen grossen Tempelhof. Im Hintergrunde desselben steht eii) zweites Pylonenpaar mit dem Eingange in das eigentliche Tempelhaus und nicht ganz so kolossal wie das erste. An der Ostseite des Hofes sehen wir einen Portikus von 10 Säulen und hinter ihm eine Reihe von Gemächern. An der Westseite hingegen steht ein kleiner abgesonderter Tempel, der in einer Heihe von drei Gemächern besteht , von einem äusserst zierlichen Portikus umgeben ist und überhaupt als ein Meisterstück des egyptisch - ptolemäischen Baustyls zu betrachten ist. 204 Nach Champollion war dieser niedliche Tempel der Hathor und der gebärenden Isis geweiht, so uie auch ans den Skulp- turen hervorgeht, dass Ptolkmäus Evergetes II. der Erbauer ist. Das zweite Pylonenpaar, durch das naan in das eigent- liche Terapelhaus tritt, ist mit Reliefs reich verziert, das schönste aber und unstreitig im Allgemeinen einer der schönsten Reste des egyptischen Alterthnms , ist die erste Halle des Tempelhauses innerhalb des zweiten Pylonen- paars. Zehn herrliche Säulen mit Lotus , Palmen und Pa- pyrusknäufen tragen die Decke, Säulen und Wände sind mit den herrlichsten Bildern bedeckt, an denen die Farben sich fast so frisch erhielten, als läge zwischen der Entstehung dieser Bilder und unserm Blicke keine Zeit, alles athmet in diesem Räume Pracht, Majestät und heilige Ruhe , alles zeugt für den vollendetsten, edelsten Geschmack. Auf diese prachtvolle Säulenhalle folgen die zwölf Gemächer des Heiligthnms. Ein mysteriöses Dunkel erfüllt diese Zimmer. Welch ein feierlicher Ernst, welches Gefühl vor den mäch- tigen, in Dunkel gehüllten Göttern mag hier den Gläubigen durchdrungen haben, welch ein Unterschied gegen den freien aufgeklärten Kultus der Griechen in ihren von Licht durch- drungenen Tempeln. In einer Öffnung der östlichen Wand des ersten Gemaches haben die französischen Gelehrten die Bestimmung der geographischen Lage von Philä angebracht, der zufolge diese Insel in 24® l\' 45" nördl. Breite und 30® 16' 22" östl. Länge von Paris liegt. Im innersten Gemache liegt umgestürzt der Altar, im Gemache rechts befindet sich noch eines jener Monolithtempelchen, in denen wahrscheinlich die ßlemier die Isisbilder transportirten, wenn sie dieselben jährlich in ihr Land abholten. Ein ähnliches Tempelchen befand sich in dem Gemache des Altars , es wurde auch abgeholt, aber nicht von den Blemiern, sondern von englischen Alterthumsfreunden. Die innen- und Aussenwände desTempei- hauses sind mit Bildern und Reliefs verziert, alles war be- malt und fast an allen Stellen , aber besonders im Innern hat die Zerstörungswuth gefrevelt. Gefährlicher für die Monumente als der religiöse und politische Fanatismus ist kein Element ; denn sein Hauptzug ist Barbarei. An den 205 Tempeln von Philä wirkte der Fanatismus stellenweise in der Käserei sog,ar erhaltend, indem z. B. Bischof Theo- DORUS sich die Mühe nahm, die herrlichen Bilder mit einem Gemische von Lehm und Stroh zu verkleistern, wodurch manche von ihnen fernerer GewaUthat entzogen wurden. Seine Knrzsichtigkeit gah dem Kleister eine Dauer einer Ewigkeit, und er hat wohl kaum geahnt, dass viele dieser Bilder nach mehr als 1000 Jahren im alten Glänze wieder auferstehen würden. Auf dem Tempelhause sind Gemächer verschiedener Art und Grösse angebracht, Wohnungen für Priester, Magazine für Tempelgeräthe etc. Ausser dem Haupttempel sieht man auf der kleinen Philä noch mehrere Reste sehr interessanter alter Bauten. Dahin gehören: ein Thor an der Westseite des grossen Tempels mit Tempelresten, Spuren von Terrassen, errichtet auf der grossen, der Insel Begheh gegenüberliegenden, Ufer- umwallung. Eine römische Säulenhalle an der Ost- seite des Haupttempels, mit vier Säulen an den kürzern und fünf an den längern Seiten und mit einer Terrasse bis zum Kile. Welche Mühe mag es dem Reisenden Robert- son gekostet haben , seinen JNamen an das Gesimse der Halle hijiaufzuschreiben. Er hat ihn wenigstens hinlänglich hoch gestellt. Weiter nördlich ein sehr niedliches Tempelchen mit Hieroglyphen und Bildern verziert, noch nördlicher Reste alter Gebäude. Auf der Felseninsel Begheh, weit grösser und höher als Philä und davon nur durch einen 50 Fuss breiten Arm des Flusses getrennt, führt eine breite Treppe zu den Resten eines dem Cnnphis und der Hathor geweihten Ptolemäer- Tempels empor. Champollion weist nach, dass Begheh identisch mit der alten, heiligen Insel Snem ist und er fand die Reste des alten Pharaonentempels aus der Zeit des Amenoph III. (Memnon. 3530 Jahre), nebst einer kolossalen Statue dieses Königs. Die Insel Begheh ist ausserdem des schönen, rosafarben Granites wegen , der daselbst bricht und auf dem die Alten mehrere Steinbrüche betrieben, bekannt. Ähnliche Steinbruchsarbeiten ßnden sich auch auf mehreren Felsen der Katarakten und des angrenzenden Festlandes, 206 so wie man viele Inschriften mit Pharaonennamen zerstreut in jenem Felsenmeere heobachtet, theils reh'giösen , theils geschichtlichen Inhalts, Siege der Pharaonen etc. bezeichnend; Inschriften, die nach Champollion bis zu Thotmosis IV. (3540 JahrO und Wahrscheinlich noch weiter hinaufreichen. Als wir die Insel Philä wieder verlassen hatten, nahmen wir iinsern Rückweg am rechten Ufer des Nil längs der Katarakten. Diese gewähren, vom Ufer angesehen, einen keineswegs grossartigen Anblick, und man muss sie befahr£n, nm sie kennen zu lernen. Das Auge sieht an ihnen nichts als ein Hanfwerk von Felsen, zwischen denen der Strom pfeilschnell dahineilt, eine starke Brandung, die gewaltig tobt und schäumt, und man glaubt nicht, wie sich das an* ders gestaltet, wenn man selbst zu Schiffe mitten in diesen Wirbeln und Wellen sich befindet. Wir passirten zuerst Messid, der Hauptlandnngsplatz für nnbische Schiffe, eine Viertelstunde unterhalb Philä liegend und der erste Ort in Egypten, sodann Koror Mechala und meh- rere von Nnbiern bewohnte Dörfer erbärmlichen Ansehens, überall wurden wir nicht nur angebettelt, sondern förmlich angefallen, insoweit diess, obne etwas Bosses im Schilde zu fuhren, geschehen kann. Die kleinsten Kinder, die Mütter auf ihren Armen trugen und die kein anderes Wort noch Jaüen konnten , riefen vernehmlich: Backschisch ! * Die Alten brüllten hat Backschisch ! Kurz die Armuth wird dort zur w ahren Komödie , woran nur das öftere Erscheinen von Rei- senden mit Ursache ist, die geben müssen, sie mögen wollen oder nicht. Wahrhaft komisch waren Kriegsscenen, die die Jiackte nnbische Jugend vor uns aufführte, wobei sie die gros- sen zweischneidigen Schwerter ihrer Väter schwangen und man es ihnen ansehen konnte, wie sauer es den armen Leuten ward, einmal recht wild zu seyn. Sehr interessant hin- gegen ist die ausserordentliche Schwimmfertigkeit dieser Men- schen, die Alles übertrifft, was man in unsern Schwimm- schulen zu sehen bekommt. Wo wir uns den Katarakten näherten, standen schon Schaaren von Kindern bereit, die wie Frösche von den Felsen weg in den Strom hüpften und sich * Belohmuig', Trinkgeld, aiicli Almosen. Hat, gib! 207 durch die stärkste Brandung durcharbeiteten. Viele der Kna- ben und mehrere Erwachsene sprangen oberhalb dem Bab Araschkol * hinein und schwammen die tobende Stromschnelle herab, Avobei noch mehrere auf grossen Holzpriigeln zum Spasse ritten. Am untern Ende war es wirklich ein grauen- hafter Anblick, die Schwimmer in der hochaufspritzenden Brandung zwischen den Felsen zu sehen ; bald hoch auf den Wellen, bald verschwunden, glaubt man, sie mi'issen zer- schmettert seyn , doch plötzlich sieht man sie munter durch das ruhige Fahrwasser heran kommen. Wie man bei einem solchen Hin- und Hergeworfen werden in schäumenden Wel- len, zu allen Seiten von Felsen umgeben, den Ortssinn und das klare Bevvusstseyn alles dessen, was man thut und thun soll, beibehalten kann, ist schwer zu begreifen und verdient wirklich Bewunderung. Keine Kunst kann das geben, was hier die JSatur schon den kleinen Kindern gibt, das vollste Vertrauen mit dem Elemente, das mir je vorgekommen ist. An Bord unserer Dahabie trafen wir Weli Kascheff, den Vorstand der administrativen Behörde in Assuan, ein mun- terer und gesprächiger Mann , der ein besonderer Freund geographischer Forschungen zu seyn scheint; denn wir waren noch nicht lange zusammen, so sandte er einen seiner Skla- ven fort, um eine arabische Übersetzung einer Geographie flir Kinderschulen , in Fragen und Antworten abgefasst , zu ho- len, die seine stehende Lektüre seyn musste ; denn er vvusste sie zum grossen Theile auswendig. Duich ein paar Stunden mussten wir dem heillosen Genüsse uns hingeben, den In- halt dieses Büchleins mit den Randglossen des KaschefFs an- zuhören; denn es war, ohne Gewalt anzuwenden, nicht mehr möglich, ihn davon abzubringen, und er konnte uns Neuig- keiten, wie die: dass Italien einem Stiefel gleiche, dass Europa drei Kaiserreiche zähle, dass die Engländer sehr viel Handel treiben etc. nicht genug einschärfen. Der Anblick der Katarakten , das Beispiel früherer Rei- sender, alles zusammen war zu einladend, als dass wir nicht auf den Gedanken hätten kommen sollen, die Fahrt zu ver- suchen. Der Wasserstand des Nils war sehr klein , die Reise * Eine der grössten Stromschnellen der Katarakten. 208 daher nicht ohne Gefahr, doch «in lezteres nicht viel den- kend, bestellten wir den Reis der Katarakten (der oberste Pilote) und beschlossen die Fahrt hinauf zu machen, um die Katarakte recht mit IMnsse besehen und doch auch i'iber die Möglichkeit ihrer Schiffbarmachung^ ein ürtheil fällen zu können. Am frühesten Morgen des 24. Januar erschien der Reis, ein nubischer Älter, hoch in Jahren, mit dunkelkastauienbrau- iiem Gesichte und schönem schneeweissem Barte, eine jener Avüidigen Figuren, zu denen man sogleich Zutrauen fasst, wie man sie sieht. Er forderte für die Fahrt hinauf mit einer kleinen Segelbarke 100 Piaster oder 10 fl, Konv.-Münze, eine wahre Kleinigkeit, wenn man berücksichtigt, das zu einer sol- chen Fahrt flussaufwärts und mit einer kleinen, leichten 15arke wenigstens 50 bis 80 Menschen erforderlich sind, um an den schwierigsten Stellen das Schiff zu ziehen. Diese Mannschaft stellen die Dörfer an den Katarakten , an denen die Fahrt vorüber geht und dieselbe erhält von den Reisen- den ein unbedeutendes Backschisch, da ihre eigentliche Be- zahlung der Reis selbst für obige Summe übernimmt. Um die Unternehmung auszuführen, ritt ich mit Kotschi und MoRTScn nach Mechala, wo die kleine Barke uns erwartete. Der Reis sezte sich ans Steuerruder, wir neben ihn. Sechs lüstige Nubier ergriffen die Ruder, alles schwieg, der Reis allein gab kurz und mit lauter Stimme seine Befehle, die Matrosen gehorchten, wie Maschinen, jedem Wink, der Ru- der war nur ein Schlag und nie noch habe ich sie geübter und erfolgreicher handhaben gesehen, als in den Händen der dunklen Söhne der Katarakten. Eine 3Ienge Volk stand am Ufer und sah uns zu. Viele befanden sich schwim- mend bereits im Flusse, auch wir machten uns, für den möglicheu Fall eines unwillkommenen Bades, leicht. Mit vol- lem Segel fuhren wir eine kurze Strecke der Strömung ent- gegen, passirten dabei em paar kleine Stromschnellen oder Schellals und schlugen , als wir aus der Mitte des Stromes weg die rechte Uferseite zu gewinnen suchten, so anfeinem Granitblocke auf, dass wir schon ein frühzeitiges Ende un- serer Expedition befürchteten. Nun waren wir in der un- tersten der grossen Stromschnellen , im Bab Orscharti, 209 angelangt. Diese Stromsclinelle, die längste von allen, hat nur eine Breite von 50 bis 60 Fuss, eine Länge nngefähr von 200 Fuss, nnd, nach der Angabe des Reis, ein Gefäll von 6 bis 7 Fuss. Der Strom eilt zwischen Felsen mit fnrclitbarer Schnelligkeit tobend dahin. Unser Segel wurde herabgelassen, die Barke von den Nnbiern am Ufer ans Seil genommen nnd dicht an den Felsendes rechten Ufers, der starken Strömung wegen, mit erstaunlicher Anstrengung hinaufgezogen. Besonders schön und wirklich grossartig zeigt sich der Strom dieses Schellais an dem Punkte seines stärksten Abfalls. Der Vordertheil des Schiffes hob sich in der Brandung, das Seil war zum Abspringen straff gespannt , die Nubier zogen mit Riesenkraft, und schlangen das Seil von Zeit zu Zeit, um nur einen Augenblick sich zu erholen, um grosse Granit- blöcke, und verhinderten dadurch das Zurlickgleiten der Barke. Doch konnte ich nicht verhehlen, dass der Zustand des schwachen Seils aus Dattelbast mich öfter bewog, mit dem Wunsche darauf hinzusehen, wenn es doch stärk<;r wäre ; denn das Abreissen des Seils hätte an dieser Stelle nnth- wendigerweise unsern Untergang zur augenblicklichen Folge gehabt. Um scharfe, gefährliche Felsenecken zu umfaliren, musste das Schiffchen mehrmals in den stärksten Strom ge- stossen werden , die Wellen schlugen hoch am Bord auf, doch alle Manöver wurden mit Kraft nnd Ruhe ausgeführt, und wir kamen glücklich hinauf Auch eine zweite Partie dieser Art wurde überwunden und wir gelangten in ein wahres Felsenlabyrinth, das wir bei gewaltigem Andränge der Strö- mung im Ziczack durchfuhren. Die Barke wurde fortwährend gezogen, wobei die Nubier eine bewunderungswürdige Ge- schicklichkeit und Behendigkeit bewiesen. Wie Gazellen leicht sprangen sie von Fels zu Fels, zogen das Schiff nach, befestigten das Seil an irgend einem der zahllosen Granit- blöcke, schwammen mit einem zweiten Seile durch Brandung und Wirbel, und zogen nun von der andern Seite, dabei waren wir von den rüstigsten Schwimmern umgeben , die bestän- dig ober den Stromschnellen hineinsprangen und dann mit lautem Bakschischgeschrei pfeilschnell am Schiffe vorüber schwammen. So näherten wir uns der zweiten der grossen Russegger, Reisen. II. Bd. 1. ThI. I* 210 Sfromschnellci) , dem Bah Araschkol , der gefährlichsten aus allen. Der Nil, d, h. das Fahrwasser desselben, presst sieh in gewaltiger Masse und in einer Breite von ungefähr 30 Fuss zwischen zwei schwarzen Granitfelsen hervor, das Ge- fälle mag auf 100 Fuss 10 bis 12 Fnss betragen. Wir wurden an den links liegenden Granitblöcken bis dicht unter den grössten Absturz hingezogen , da wir jedoch auf dieser Seite nicht hinauf gelangen konnten , so handelte es sich darum, an die Seite des rechten Ufers mitten durch die stärkste Strom- schnelle hinüber zu kommen, was weiter unterhalb, der vielen Felsen unter Wasser wegen, unmöglich ist. Auf ein vom Reis gegebenes Zeichen wurde von den Nubiern , die die Barke am Seile hielten , dasselbe plötzlich losgelassen , ein paar schnelle und kräftige Ruderschläge brachten uns mitten in den stärksten Strom, der Schaum der Brandung umgab uns, die Ruder hielten inne, die gewaltige Strömung riss blitzschnell das Vordertheil des Schiffes herum, das auf den Weilen tanzte, die Ruder schlugen ein, ein kräftiger Zug lind wir waren durch Wirbel und Brandung, zwischen un- geheuren Granitblöcken durch, ins ruhigere Fahrwasser der rechten Uferseite gelangt. Das Ganze war eigentlich das Werk eines Augenblickes, und unsere 31annschaft entwickelte dabei einen so besonnenen Muth und eine solche Geschick- lichkeit, dass wir in laute Bewunderung ausbrachen. Die Barke wurde nun den Schellal vollends hinaufge- zogen. Nach einer kurzen Fahrt am Seile und nachdem wir eine kleinere Stromschnelle passirt hatten, gelangten wir zum Bab Kuduchol , der dritten gefährlichen Stelle. Das Fahrwasser ist breiter, da aber das Gefäll, von 8 bis 10 Fuss auf 100 Fuss, sehr ungleich vertheilt ist und an einer Stelle, an dem eigentlichen Bab*, allein plötzlich 3 Fuss einbringt, der Strom also einen förmlichen Abfall bildet und reissender ist, als irgend an einer andern Stelle der Katarakte, so ist die Passirnng dieses Schellals, wenn nicht am gefährlichsten, doch gewiss am schwierigsten unter allen. Als wir an der reissendsten Stelle angelangt waren, wurde ein langes und bei 2Ji- Zoll im Durchmesser haltendes * Bab, das Thor, die Pforte. 211 Seil gebracht und an dei' Barke befestiget . mehrere Hülfs- seile waren für den Fall bestimmt, wenn das grosse Seil reissen sollte. An lezterm zog- eine Menge von Älenschen, die uns längst des Ufers gefolgt war und die immer mehr anwuchs, da die armen Leute in dieser anstrengenden Ar- beit einen ihrer Haupterwerbe finden. Das Schiff stieg am Abfalle mit dem Vordertheil hoch auf, die Wogen des Stroms drängen sich im Bogen zwisciien den Felsen hervor, die Ober- fläche des förmlich gepressten Wassers bildet einen gekrümm- ten Spiegel, der Andrang ist ungeheuer, das Tosen der Brandung betäubend, die Wellen schlugen iiber Bord , doch Seil und Nubier hielten gut, wir passirten auch diese Stelle glücklich, und langten, zwei Stunden nach unserer Abfahrt von Mechalah , wohlerhalten an dem Orte Messid, unterhalb Philä, an, wo wir unsere Gefährten fanden, die später die- selbe Fahrt machten und mit denen wir wieder nach Assuan zurückkehrten. Sind also die Katarakten von Siene schiflFbar zu machen, oder nicht? Darauf glaube ich mit Bestimmtheit antworten zu können: Ja, sie sind sowohl selbst schiffbar zu machen, als auch mit einem Kauale zu umgehen. Unwillkürlich dringt sich dabei aber die Frage auf: warum wurde dieses in jenen Zeitperioden nicht schon bewerkstelligt, als ein berühmtes Volk die grössten und schwierigsten Bauender Welt ausführte und Monumente errichtete, deneji wir nichts Gleiches zur Seite stellen können? Diese Frage beantwortet sich theils aus der politischen Stellung Egjptens zu Äthiopien in der Periode gleichzeitiger Grösse und aus der später erfolgten Abnahme beiderseitiger Kultur und des Sinnes für grossar- tige Unternehmungen , so Avie aus den sich aufdringenden finanziellen Rücksichten auf die anzuhoffenden Resultate. So wie wir aus der Geschichte der alten Egypter, so weit uns dieselbe nur zugänglich ist. entnehmen, so stan- den sich beide Reiche theils feindlich entgegen , mit wech- selndem Waffenglück, theils übte bald das eine, bald das andere die Rechte des Eroberers aus, immer jenes Land als das Mutterland betrachtend , von dem die Eroberung aus- ging. In beiden Fällen war die Sicherung der natürlichen 14* 212 Glänze das Hauptaugenmerk der Foi'schei' und das» diese Tendenz durch eine EröfFnung- der Katarakten zur ungeliiu- deiten Scliifffahrt nicht befördert worden wäre, ist einleuch- tend, so klar als es ist, dass Mehemed-äli in seiner politi- schen Stellung sich kaum bewogen fühlen dürfte, den Zu- gang in den Hafen von Alexandria durch Wegsprengung der untermeerischen Felsenriffe weniger schwierig zu machen. Als nach den Siegen der Römer die Unterjochung Nubiens, des nächst gelegenen Theils des äthiopischen Ländercom- plexes, eine bleibende wurde, und Egypten seine Macht un- gehindert dahin ausdehnen konnte, war auch der hohe Sinn eines klassischen Alterthumes für solche Riesenunterneh- mungen mehr und mehr im Abnehmen, und ging endlich im Drange stürmischer Zeitverhältnisse ganz unter. Zudem ging die Kultur Nubiens und Äthiopiens überhaupt nach den jüng- sten Eroberungen der Römer und den später folgenden der Araber mit solchen Riesenschritten ihrem Verfalle zu, dass sie bald einer förmlichen Wildheit Platz machte, zu der der Stoff in jenen stets von Wandervölkern durchstreiften Län- dern reichlich gegeben war. Das Bedürfniss einer solchen Verbindung ging damit zu Grabe, und selbst der schwindelndste Unternehmungsgeist konnte in ihr keinen finanziellen Vor- theil mehr erblicken. Von einem praktischen Gesichtspunkte aus betrachtet, erscheint daher auch in unserer Zeit eine so kostspielige Unternehmung, wie die Schiff barmachung der Katarakte von Siene wäre, als ein Unding, und zwar umso mehr, da sie nicht die einzigeist, da in Niibien selbst weit grössere und weit schwieriger zu besiegende Katarakten vorliegen und im günstigsten Falle durch diese Schiffbar- machung nur jene Strecke Nubiens, die zwischen Assuan und Waddi Haifa sich befindet, zugänglicher gemacht würde; denn am leztern Orte beginnt jener gewaltige Riegel, den die Natur durch eine 120 Stunden lange Reihe von Kata- rakten vorgeschoben hat, der durch menschliche Kraft, in einer für Menschen erreichbaien Zeit, wohl kaum zu eröff- nen seyn dürfte. Das Land zwischen Assuan und Waddi Haifa ist eine fortdauernde Wüste, die nichts produzirt. Die wenigen Menschen, die daselbst leben, können kaum 2ia dem Boden so viel abringen, um kümmerlicli ihr Leben zu fristen. Alle ihre Bedürfnisse beschränken sich auf etwas Getreide und auf einige Stücke Zeug-, fast weniger, um ihre Blosse zu bedecken , als um sie erst auffallend zu machen, ihre Lust zum Luxus ist durch ein Hemd , ein buntes Sack- tuch, ein paar Glaskorallen gestillt. Auf keiner höhern Kul- turstufe stehen die innerafrikanischen Sudanländer. Sie sind zwar zum Theil stark bevölkert, ihre Bewohner aber theils wild, theils halbwild. Die Ausfuhr dahin ist ganz unbedeutend, die Einfuhr von dort nach Egypten bleibt zum grossen Theil, und besonders wenn einst, wie doch zu ver- muthen steht, der barbarische Sklavenhandel auch in Egypten aufhören sollte, in den Händen des Karawanenzuges, theils der so sehr bedeutendem Kürze des direkten Weges zu Lande durch die Wüsten halber, theils weil die die Waaren trans- portirenden Lastthiere , die Kamele nämlich, selbst zum grossen Theil Handelsartikel sind. So lange daher Nubien und die Sndanländer sich nicht auf eine hohe Stufe der Kultur erschwingen , die Bedürf- nisse der dortigen Völker nicht ganz andere seyn werden, so lange vor Allem nicht Egypten in den Händen eines ge- bildeten Volkes seyn und der Segen der Civilisation von dort nach dem Strome hinauf vordringen wird , so lange halte ich die Schiffbarmachung der Katarakte für die Geburt einer leeren Hlusion. Auch militärische Rücksichten können nicht dafür sprechen, weil, wie gesagt, der Flussweg der längste Weg ist und eine Armee von Assuan fast in der halben Zeit nachChardum und an die Gränzen benachbarter Länder, z.B. Abessir.ien, Kordofan etc. versezt werden kann, in der es ihr möglich ist, diesen Weg auf dem Flusse zurückzulegen, auf dem .sie ausserdem allen Hindernissen durch Witterung, Wind etc. stets ausgesezt seyn wird. Das ganze Gefäll der Katarakten von Siene , in der zwei Stunden langen Strecke von Assuan bis zur Insel Philä, beträgt, meinen Barometermessungen zu Folge, nur 80 Pa- riser Fuss. Zur Schiffbarmachung der Schellals, welche in dieser Strecke liegen, bieten sich in technischer Beziehung drei Wege dar, das Fahrwasser am linken oder libyschen 214 Ufer, das Fahrwasssr am rechten Ufer und das Thal zwischen Philä und Assuan , durch welches sich die alte Heeistrasse der Römer hinzieht. Am schwierigsten , besonders schon desshalb , um dem Wasserandrang- während der Arbeit zu be- gegnen, ist der Weg des Fahrwassers auf der rechten üferseite, wo man die ungeheuersten Sprengarbeiten würde vornehmen müssen und zndem dem Kanäle keine gerade Linie geben könnte. Weniger schwierig dürfte der Weg des Fahrwassers auf der linken Uferseite seyn , denn erstens hat der Lauf des Flusses daselbst eine weit geradere Richtnng, die Fel- sen bestehen nicht ganz aus Granit, sondern es steht znm Theile Sandstein an, und die Hanptschwieiigkeit scheint mir daselbst nur in der Regulirung des Finflnsses zu liegen, wel- chen der Strom durch Gerolle versclilossen hat. Der sicherste Weg ist der, dem Fahrwasser einen ganz neuen Lauf zu geben und zur Anlage eines Kanals das erwähnte Thal zwi- schen Assuan und dem rechten Stromufer bei Philä zu be- nutzen. Kostbare Sprengarbeiten im festen Granite würden auch hier nicht zu vermeiden seyn, besonders wenn der Ver- hältnisse der ßodenoberfläche wegen der Kanal tief ein- geschnitten werden müsste; doch da man auf dieser Strecke mehrmals Sandstein trifft und da der Sand der Wüste, der die Thalsohle bedeckt, wahrscheinlich tief hinab anhält, sich vielleicht im Thale sogar auch Flussschlamm unter dem Sande vorfindet, wie im Bacher Bela Maa in Unter-Egypten, da es gar nicht unv^ahrscheinlieh ist, dass einst ein Theil des Flusses durch dieses Thal seinen We^ nahm, so bieten sich allerdings mehrere Momente dar, die auf eine bedeutende Erleichterung dieses Unternehmens hoffen liessen. Des ge- ringen Gefälles wegen dürften wenige Schleusen genügen. Als ich im Jahr 1840 den Gotha- und Trollhättakanal zwischen Stockholm und Göthaborg befuhr und die neuen Kanalarbeiten* besah, die den Zweck haben, anstatt dem * Der bisher beniizte Kanal zur Umgebung des berrlichen Trollbätfa- Wasserfalls wurde im J. 1793 begonnen und 1800 mit einem Kosten von 360,000 Tbaler vollendet. Er ist 1410 Wien. Klafter lang. 22 Fuss breit, am wenigsttiefen Orte 9 Fuss tief, und bat ungefähr ein Gefall von 115 Fuss. Fast durchaus im festen Granit ausgebrochen , hat er 9 Schleusen , jede r.H 13 Fuss Tiefe. 215 bisherigen Kanal einen neuen von solchen Dimensionen im testen Granite auszusprengen, dass ihn Schiffe von der Grösse der Kriegskorvetten pavssiren können, worüber ich bei meiner nordischen Reise Gelegenheit haben werde zu sprechen, so verglicli ich diesen riesenhaften Kanalbau, dessen Kosten auf ungefähr 800,000 fl. Konv.-Münze beantragt sind und der in 7 Jahren vollendet seyn soll, mit dem Kanalbaue, den die Schiff'baimachung der Katarakten von Siene auf dem leztangegebenen Wege erfordern würde, und glaube ge- funden zu haben , dass, da lezterer Kanal bei weitem nicht jene Dimensionen der Breite und Tiefe erfordern würde, die Kosten eines solchen Kanals jene, welche für den Trollhätta- kanal beantragt sind , kaum um das Doppelte übersteigen würden, obwohl er viel länger, nämlich nahe an 4000 Klaf- ter lang, seyn müsste. Wie wenig mau in Egypten selbst die technischen und finanziellen Schwierigkeiten kennt, die sich einem solchen Unternehmen nothwendigerweise und stets in den Weg stellen, erhellt daraus, dass der Vizekönig, als ich aus Sennaar nach Älexandria zurückkam und er sich bereit machte, die bekannte Reise nach Fassoki anzutreten , mich fragte , ob er die Kata- rakten mit seinem eisernen Dampfschiffe passiren könne. Ich antwortete: Unmöglich! theils wegen der zu starken Strö- mung, theils wegen den vielen Felsen unter Wasser, und theils der vielen und scharfen Wendungen des schmalen Fahr- wassers wegen, die ein Schiff von solcher Länge, Breite und Tiefe nie passiren kann. Ich gab ihm eine genaue Beschrei- bung dieser Katarakte und stellte ihm vor, dass noch andere und weit grössere weiter südwärts sich befinden, gegen die die Katarakte von Siene an Ausdehnung verschwinde. Fiin anwesender hoher Offizier des Vizekönigs näherte sich mir und flüsterte mir bedeutungsvoll die Worte zu : Se. Hoheit werden sich durch die Katarakten gar nicht hindern, sondern die Felsen aus dem Wasser hinaus werfen lassen. Einem solchen Wahne von der Allmacht seines Gebieters war kein belehrendes Wort entgegenzustellen, und ich erwiederte nur, dass es sehr interessant seyn werde, dieses Experiment nicht unversucht zu lassen. So geschah es auch zum Thoil; denn 216 als der Zug in das Goldlaiid nach Assiian kam , wurden zwar die Granitblöcke doch etwas zu schwer gefunden, um sie so geradezu hinaus zu werfen, aber der Versuch, die Ka- tarakten mit dem Dampfschiffe hinauf zu fahren , unterblieb nicht, und den eingegangenen Nachrichten zu Folge musste das schöne Schiff, sogleich beschädigt, zurückgelassen und die Reise auf gewöhnlichen Barken fortgesezt werden. Von der Gefahr, die Katarakten mit grössern Barken und besonders mit beladenen zu passiren, erhielten wir während unseres zweiwöchentliclien Aufenthaltes in Assuaii schlagende Beweise, indem drei Dahabien mit englischen Reisenden, die mit der Besichtiguiig der Katarakten auch die Bequemlichkeit verbinden wollten, ihre Schiffe nicht zu wech- seln und alles Gepäcke mitzunehmen, anstatt es den kurzen Weg zwischen Assuan und Philä zu Lande zu senden , kurz nach- einander scheiterten, und zwar die eine in Folge des Seil- reissens beim Hinauffahren, die beiden andern durch un- sanfte Berührung mit den Granitblöcken beim Herabfahren. In keinem dieser Fälle jedoch ging, Dank der Schwimm- fertigkeit der Nubier, ein Menschenleben verloren. Am 26. Januar hatten wir die für Assuan seltene Erschei- nung eines Gewitters. Es regnete durch eine Stunde sehr stark und auf Philä fiel Hagel. Die Leute versicherten uns, durch drei Jahre keinen Regen gehabt zu haben, und es war Interessant, zusehen, wie sehr sie sich davor fürchteten, zu welcher Furcht sie bei der Bauart ihrer Lehmhäuser wohl auch einigen Grund haben mögen. Da von den Kamelen, die uns durch die nubische Wüste bringen sollten, noch immer nichts zu vernehmen war, so blieb uns Zeit, unsere Exkur- sionen in der Umgebung von Assuan, besonders in geogno- stischer Beziehung, fortzusetzen. Auf einem dieser Ausflüge gelangten wir in die südlich und südöstlich von Assuan lie- gende und sehr gebirgige Wüste, el Hammer genannt, und tra- fen daselbst die Reste einer alten sehr schönen, an den mei- sten Stellen 18 Fuss breiten, durchaus mit Granit gepfla- sterten und stellenweise ganz aus Granitquadern aufgeraauer- ten Strasse. Sie ragt an einigen Punkten mehr als ö Fuss hoch über den Sand der Wüste empor und ist an vielen Orten 217 noch recht gut erhalten. Inschriften sahen wir keine, auch konnten wir sie nicht his Assnan verfolgen , da sie sich im Sande der Wüste verh'ert, ich vermuthe aber, dass es die Reste der Hauptstrasse sind, welche von Siene nach Berenice am rothen Meere fiihrte. Andere Forschungen hierüber sind mir nicht bekannt. In der Wüste el Hammer tritt der Charakter einer ge- birgigen Wüste ganz hervor. Ein wildes Gemenge von schwätzen, glänzenden Granitfelsen, Berge von oben bis unten in kolossale Blöcke zerfallen. Berge von geschichtetem Sandstein, gelb undroth, Flächen von Sand, Plateaus, die den Ausdruck vulkanischer Bildung deutlich an sich tragen, nirgends Vegetation, kein Leben regt sich. Wir ruhten in einer engen, kaum 4 Klafter breiten Schlucht, zwischen zwei senkrechten , au 30 Klafter hohen, Granitwänden , duich die wir eine herrUche Aussicht auf den Nil und die Insel Philä genossen. Ein zweiter Ausflug führte uns auf die Insel Elefantine, Assuan geiade gegenüber und mitten im Strome, der von hier ruhig, ohne weitere Störung seines Laufes, dem fernen Meere zueilt. Die Insel ist kaum mehr als eine \ Stunde lang und etwa 200 Klafter breit, ziemlich gut bebaut, trägt zwei kleine von Nubiern bewohnte Dörfchen und hat hüb- sche Gruppen von Palmen und Sikomoren. Die Tempelge- bäude, welche Reisende noch zu Anfang unseres Jaluluin- dertes bewunderten, sind verschwunden, sie sind unter dem Schutze jener Verwaltung, die mau fast geneigt schien für das regenerirte Reich der Pharaonen, wenigstens für eine gelungene Vorrede dazu, anzusehen, theils in die Kalk- öfen gewandert, theils gaben sie die Bausteine zu dem Land- gute des Mohammed Las* auf der Insel Sedia unterhalb Ele- fantine, zur Kaserne in Assuan und zu andern Militärge- bäuden ab. An der Südspitze der Insel steht noch ein Tbeil der kolossalen üfermauer, der Beginn jener Terrasse, die einst Tempel und Paläste trug. Daselbst befand sich auch der berühmte INilmesser (Kilometer), den Girard auffand, und der ihm Stoff zu seinen scharfsinnigen Kalkülen über die Kriettsminisfer im Jaliic 18i7. 218 eg^yptischeii Mnase und über die Anschweiiimuno^eii des Nil- flials gab. Von diesem wichtigen Denkmale besteht nur noch die Stiege, die zum Flusse führt. Römische Inschriften bezeugen die Sorgfalt, die damalige Statthalter den Monu- menten widmeten, so wie das Verschwinden der leztern die Barbarei bezeugt, mit der die gegenwärtigen gegen diesel- ben verfahren, oder doch vor Kurzem noch verfuhren; denn jezt sind auf energische Vorstellungen der Europäer diese Verwüstungen eingestellt, da sie sich denn doch mit dem Glänze von Civilisatiou , den man über das misshandelte Land zu verbreiten bestrebt ist, durc'iaus nicht vertragen würden. Ausser diesen Resten sieht man nur noch einige Säulen- trümmer, die Reste eines Granitthors , das man zum Kalk- brennen nicht füglich brauchen konnte, eine Statue und dgl. Namensinschriften auf zerstreuten Werkstücken oder auf solchen, die im Uferdamme eingemauert sind, führen in die Zeiten der ältesten Pharaonen der 18. Dynastie zurück. Diess ist Alles, was uns von der berühmten Gränzfeste der alten Egypter gegen Äthiopien blieb. Von Elefantine sezten wir auf das linke Ufer des Stroms hinüber und bestiegen von dem Thale aus, in welchem das seit Jahrhunderten verlassene christliche Kloster steht, das libysche Gebirge. Von der Spitze aus, die sich gerade ober- halb einem alten Schechsgrabe , Alt-Assuan gegenüber, er- hebt, hatten wir eine schöne Ansicht der Katarakten von ihrem Anfange bis zu Ende, nur steht man fast etwas zu hoch, um ihr Detail von dort aus ganz beurtheilen zu können. Eine weitere Exkursion von Assuan aus, nach Nord- ost, nach dem 1\ Stunden von dort entfernten Dorfe Waddi Hadidschaab, hatte eine rein geognostische Tendenz, nämlich die Untersuchung der dortigen Eisenerze und des plastischen Thons, so wie des interessanten, isolirten Berges Marrvva, der ganz aus dem reinsten, schönsten öuarz besteht. Da die Kamele noch immer nicht ankamen und ich sie durchaus früher sehen wollte, bevor sie nach Korosko in Nubien vorausgesandt würden, um uns dort zur Wüsten- icise zu erwa'ten, so sandte ich einen Boten zu SAiD-Bey, 219 der nach Deiaiii gereist war und liess ihm sagen, dass wenn sie nicht in längstens 4 Tagen ankommen, ich die Reise zu Schiffe nach Waddi Haifa fortsetzen nnd er die dadurch entstehende Zeitversäumniss vor dem Vizekönige zu verant- Avorten haben Averde. Unterdessen liess ich unter jenen ober- halb den Katarakten bei Messid nnd Philii liegenden Schif- fen zwei Dahabien zur Reise nach Korosko aussuchen , und die gefundenen, eine kleine und eine sehr grosse, auf der all unser Gepäcke Raum fand, radikal reinigen. Als diess geschehen war, wurde auch all unser entbehrliches Gepäcke nach den zwei Stunden entfernten Schifften durch Kamele zu Land transportirt, eingeschiff't und Wachen dazu ge- stellt. Einer unserer Matrosen, der zweite seit unserer Ab- reise von Kairo, erkrankte an der Ruhr, erschlug alle ärzt- liche Hülfe aus, und es wurden zwei Schechs gerufen, die sich zu ihm sezten , ihm den ganzen Tag Sprüche aus dem Koran vorsagten und dabei in seine Ohren spuckten. Tr.otz dieser treff"lichen Mittel starb der Araber, und die beiden Schechs sezten ruhig ihren Weg fort, um, wahrscheinlich auf dieselbe Weise, einen andern Kranken zu heilen. Noch kurz vor unserer Abreise kam aus Kairo ein Schiff au, welches mit Pharmazeuten befrachtet war, die nach Sennaar und Kordofan bestimmt waren, um den dortigen Militärapothe- ken, die wir im Laufe der Reise werden kennen lernen, vor- zustehen. Auch den Inhalt dieser Barke werden wir in Su- dan wieder sehen, und zwar in seinem Wirkungskreise, daher ich hier nicht vorgreife. Am 2. Februar war endlich SAiD-Bey mit den nöthigen Last- nnd Reitkamelen angekommen, die wir auch sogleich unter Begleitung eines eigenen Kabasses nach Korosko in Nubien, von Assuan zu Lande durch die Wüste beiläutig 3ö deutsche Meilen entfernt, voraussandten , da von dort der Einbruch in die grosse nubische Wüste beschlossen war. Während wir gerade desshalb in Unterhandlung standen, wurden wir auf eine eigene Art unterbrochen. Unser Reise- gefährte KoTSCHi, den wir auf der Barke schon einmal als Oberfeuerwerker in Aktivität sahen, schoss mit der Absicht, Unglück beim Transporte zu verhüten, mehrere, seit längerer 220 Zeit <>eladene, Gewehre ab. Er stand dabei dicht an uns. Die Reihe kam an eine Doppelpistole mit zum Anschrau- ben eingerichteten Läufen. Ein furchtbarer Knall mit einem dnrchdrinf*^enden pfeifenden Ton erfolgte, unwillkürlich bück- ten wir uns alle und jeder fuhr mit seinen Händen um den Kopf. Als ich mich um Kotschi umsah, stand er blass neben mir, in der Hand nur noch ein Stück des zertrümmerten Schaf- tes. Der eine Lauf war in unzählige Trümmer zersprungen, die in verschiedenen Richtungen , ohne dass auch nur einer wäre verlezt worden, zwischen uns durchflogen und an ver- schiedenen Stellen tief in die SchifFswand drangen. In den INachmittagsstunden erhob sich eine Art Samum von bedeutender Stärke*. Er kam aus Südwest, war zwar der Jahreszeit wegen nicht von bedeutender Hitze, erfüllte jedoch die Atmosphäre so mit feinem Staube und Sand , dass das Athmen sehr erschwert wurde. Noch am 3. Februar Morgens, als wir von Assuan abreisten, war die Luft ganz trübe und ein dichter Staubnebel bedeckte die ganze Um- gebung. Wir kamen um Mittag bei Philä an und schifften uns auch sogleich auf unsern Barken ein. Ich mit Pruckner, dem Kabass und einem Bedienten, bezog die kleine Dahabie, die übrigen meiner Reisegefährten wurden auf der grössern einquartirt, und so traten wir um 4 Uhr Abends, im Ange- sichte der Tempel von Philä, unsere Reise durch Nubien an. * Der Chamsin weht nur in den Monaten April und Mai. Zweiter Abiscliiiitt. Wissenschaftliche Bemerkungen über Oher-Egyplen. 1) Beitrüg-e zur pltysikalisclien und. insbesondere kli- ■natolog-isclien Erkenntnis^ von Egypteu, nanientlicla von Ober-Eg-ypten* Bereits im ersten Bande dieses Werkes S. 202 etc. ent- wickelte ich die kUmatischen und meteorohigischen Verhält- nisse von Unter-Eoypten. Des damaligen Mangels an Instru- menten halber koinite ich jedoch nur den kleinsten Theil mei- ner Angaben auf eigene Beobachtungen giiinden, und ich rausste daher zur Ausmittlung der Gesetze des Luftdruckes, der Lufttemperatur und der Luftfeuchtigkeit, zu den Beobach- tungen anderer Forscher, Zuflucht nehmen, und benüzte zu die- sem Zwecke die Daten eines Niebuhr, Clot-Bey , Hüppel, Cailliaud etc. Als ich jedoch gegen Ende des Jahrs 1S36 aus Syrien wieder nach Egypten zurückkehrte, war ich mit (^en nöthigen Instrumenten vollkommen ausgerüstet, und ich konnte meine Beobachtungen durch ganz Egypten bis Nubien ungeliiudert fortsetzen. Die Resultate meiner Beobachtungen in Alexandria und Kairo lasse ich daher in nachfolgenden Tabel- len ganz einfach folgen, und enthalte mich, um Wiederho- lungen zu vermeiden , aller Folgerungen , die sich daraus er- geben, da ich bereits im ersten Bande umständlich hierüber sprach, und sie sich mit dem früher im Allgemeinen Gesagten 222 in vollkommenem Einklang befinden. Diess hat jedoch nur Bezug' auf die über Luftdruck. Lufttemperatur und Luftfeuch- tigkeit angestellten Beobachtungen ; denn jene , welche Luftelektrizität und die Funktionen der magnetisciien Kraft betreffen, verdienen in Nachstehendem näher zur Sprache zu kommen. Wie wir aus dem im 1. Bande Gesagten er- sehen haben, so hat UnterEgypten, mit den seiner südliche- ren Breite entsprechenden Modifikationen natürlich, ein süd- europäisches Klima. Ganz anders ist diess mit Ober-Egypten, welches in seiner ganzen Länge von Kairo bis Assuan , also in einer Strecke von ö Breitengraden, in der sogenannten regenlosen Zone Afrika's liegt und einen Theil jenes grossen Wüstengürtels bildet, der das nördliche Afrika zwischeit den Küstenländern und dem Savannenlande des Innern in einer Breite von beiläufig 14 Breitegraden durchzieht. Wenn auch der Ausdruck: „regenlos" nicht in seinem engsten buchstäb- lichen Sinne zu nehmen ist und sich allerdings, wie wir aus den Tabellen schon ersehen, Regen in Ober-Egypten in Folge von Gewittein ergeben, so ist doch die Masse solcher at- mosphärischer Niederschläge so geringe und ihre Anzahl im jährlichen Durchschnitte so klein, dass jener Ausdruck andern Ländern gegenüber sich wohl rechtfertigen lässt. Ober- Egypten ist ein langes Thal , zwischen dem arabischen und dem libyschen Gebirge , das durch die Schlucht der Katarakten von Siene naA Nubien in Süd fortsezt, sich gegen Nord unterhalb Beni Suef öff"net und bei Kairo in den Ebenen von Ünter-Egypten verliert. Dieses Thal durch- fliesst der Nil, ein Strom erster Grösse, der jährlich durch seine bekannte Überschwemmung Segen über das Land ver- breitet, das seine Ufer zunächst begränzt. Vorzüglich ist diess bei ihrer geringen Höhe in Ünter-Egypten , namentlich im Delta, der Fall, welches ganze Land durch eine Menge von Kanälen in ein Getreidefeld umgewandelt ist. Li Ober- Egypten jedoch, wo die Ufer je weiter südlich, desto höher werden, erstreckt sich von Kairo bis Theben die Über- schwemmung des Flusses nur auf die nächst anliegenden Niederungen des Ufeilaiides, besonders des westlichen. Durch Kanäle und Wasserzüge muss die Hand des Menschen 22» nachhelfen. Von Theben bis zn den ersten Katarakten werden die Ufer so hoch , dass der Fhiss anch bei seinem höchsten Stande nur an wenigen Stellen auszutreten vernia»- und die Bodenbewässerunj^ zum grössten Theile auf der Handhabung , der Wasserziige beruht. Aus diesen Veiiiiiltnissen ergibt sich ganz natürlich, dass Ober-Egypten In Betreff" seines Kul- turbodens nur einen schmalen grünen Streifen zn beiden Seiten des mächtigen Flusses bildet, so weit nämlich im na- türlichen oder künstlichen Wege die Bewässerung durch den Fhiss reichen kann. Weiterhin liegt zu beiden Seiten die Wüste, in deren Sandmeer die sparsamen atmosphäri- schen Niederschläge, wenn nicht andere Bedingungen, z. B. die Grundwasser der Oasenniederungen, zu Hülfe kommen, kein vegetabiles Leben in grösserm Masstabc hervorrufen können, und die starken Nachttiiaue höchstens nur hinreichen, hie und da ein vereinzeltes, kümmerndes Mimosenbäumchen in seiner dürstenden Lage am Leben zu erhalten. Ein so eigen- thümlich konstruirtes Land zeigt auch eigeuthümliche kli- matische Verhältnisse. Wir sahen noch in Unter-Egypten, als Küstenland, den Wechsel der vier Jahreszeiten, wenn auch in ganz andern Formen als in Europa; in Ober-Egypten verschwindet jedoch derselbe und der jährliche klimatische Durchschnitt ist selbst einförmiger als im Tropenlande, wel- ches seine Regen- und seine trockene Jahreszeit besizt, wäh- rend Ober-Egypten eigentlich nur einem beständigen Sommer unterliegt, der während der nordischen Wintermonate nur durch die herrschenden konstanten Nordwinde Kühlung er- hält. Ich schliesse hier in tabellarischer Form die bei mei- ner zweiten Reise in Egypten angestellten meteorologischen Beobachtungen an , um als Belege für die Folgerungen zu dienen , die ich darauf gründen zu dürfen glaube. 224 ale in Aquila Paris, esspie- rizonte uf dem uf dem =3 N , aus blitzte, -en. i Nord- •^ ■a i2 S «* o «s «s c-d s O TS K s_ _ £Z ^■ä-'« 1 1 cä &X) o a - es .S 'S -2 SS tM -X .3 3 .. -S "C Si- 3 C« Ol i- B /} 3 ^ T. «" 2 «3 Ol 3 W 41 n S**^ ??'^ g « c c *-^ ÖD . 5J3 , ^1 a: 3 93 5^ Q 3 . ■-" bt CQ o O »2 o B "ü «j .Ä "O > S 'S o S '''.S -51 •s S S TS 13 &- :: DD B :0 :3 _ ^ ^ ^ ^ 3 »3 C R "2 t »3 _bxi 5^3 Ü * R s s 1 Im 's] X !-i 3 ÖC u 1 - - - - - " S TS u -o 3 o -.'S *■ " 2 'S - ÖC ^6 SS ü .t; s ft s 2 ?^" R S 9 ^ S E •r ^ ^^^ * R R R S s c s s 2 ^ •lutiüay ipuii niiu Jap li« jajauioiuja OS IX in X N in oT o' (N IN N ^ M CO o te N to *< to X o O) t^ to to r- © o o o> C •uazuojajKJQ (M C^ -H IN « iN »N (M « -H Ci rt M -H -^ ^ IN CI iN — E •I|nt|Uin ?!Ui lUJ 't — ^ IN X Cl O X X to (N «5 X X © M C< (V) CO lO OD »MX «:* Tf ^ M "* •* "* •y I(3-HU «5 »* O o •;j< -* CO O »* »* N "* irt ^ to O C« M fO ^ •iniaqx •lU'W-^^s 0 'PS 1-1 (O t~. to CO CO to to to CO CO CO CO CO to •uiiiHay \\3V.a uajj« t- o o ^ ift CO X M X in M CO t- kO iO ^ t» t^ CO X Udiajj UM jojaiuouuaqx O 1-1 rH «o CO CO CO to to to CO to to O CO to to to CO CO •4ua3 IM jajaiu h- t^ M on M t- X -H X >0 M >n CO in lo xn to CO 1-- X -oiijg Ulli J9)aiuoiuJaii.T. 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Sonnen- blicke, sehrschön, trübe. o 12 dto. dick. Neb. B o 1 'S a heiter. cirr. cum. heiter. , bedeckter Himmel. s 3 bedeckt. e s CO c 3 'S O 6 ^ _aj "S i; "tfl a a a a 'uincpy i|oeu aiiuog J9p U« Ja)3UIOUIJ3I|X ©^ ^tc>Min «*o ci n n ^ cö ci" CO ^ ^ «vT"*" t^© ej^ •H 113BU laSnji ja; -Iinilinii Jim uuaqx cT-j'-Ti.rorcrorQc'ofr oo«» 00 •* to K •y MDBU «O^ (O^ »* 00^ 00^ p_ 05^ t~^ CO ''t,^ -H 11 iH uaidJj Oll aajaiuoniinux «so" 00^ cf «5^ kfl^ -^ ©^ k«_ 00^ CJ^ ■\\!U0]/^ •9 £81 JaqiwaoaQ 232 n » bJi e a j< 1 aa d. S H OJ" II b. a. iNilwnssers = 12,2. In Kairo observirt in der Lokanda des Garandi, 1. Stock 119 Fuss über dem mittlem Stand des Nil. Am 19. Dez. um l\ ö. Ab. am Tagkranz des Jo- sephbrunnen auf der Cita- deile beobachtet. Barometer 28,00 Par. Zoll. Luftteniperat. 17,2 Reaum. Quecksilbertemp. 19,.3 Cent. Das Thermometer mit ge- schwärzter Kugel zeigte an der Sonne: Am 15. M. 12. Cent. 30,0. „ „ A. 2. „ 33,7. „ „ ,1 3. „ 29,5. „ 16. .M. 9. „ 24,0. >} » » 11' » 30,3. „ 18. „ 11. „ 21,8 „ 20. „11. „ 20,0. Am 24. Nachmitt. Donner- wetter mit Regen. Um 7 ' C S 1 S S C i. • .:» ^ ^ ^ ^ ^ ^^ ü' :0 ^ "O tt. CS J3 o eo > .»"^r^b ^ ^ ^ ^ ^ ^% (U ^ ~ - - - -^ «3 X 3 u Ol heiter. bedeckt. heiter. diclit. cum. am Horiz. heiter. 13 e O SRsSSRSft CO 'lunU;«^{ i|ovu 3UU0«; jap 11» J3|aiuuiuj9i|x 16,3 27,9 26,0 t-^ Cl^ 00 ©^ "5^ »O im" ■tT «T «T to" «d^ IM IM r« C> IM ?< 'S 5 7d 'iiazuajagiQ -linqiuii jua -injaqx 00 M^^©tOM000000C^«* oTcrcToocrcr-^-^crcr ?<5'criM"e-rM^iM"lM"cr — 'c^ •lujaiix qaiiuiiOMao o>ao^i»:^iOQO^©-ji oiM U9I3JJ tU! J3)9iaOUJ3l{X ^.iot»»n>rt'*© ©OD© ©^©©co»Aoo©to *^<^ ■|ii33 UI ja^am 1-1 «o'to'ort-^o^crooQö'orcr <» r«_ M 00^ O iC 00 «* "^ ® 031>.OOQOOO)0>0 C>0) 'IPZ ■•'^d "! Jis43inoJ^a C) (30 ?« ©-J©XtO"5y » 3- » 30,0. Bei der Fahrt auf dem Nile wurde in der Kajüte meiner Barke beobaclitet. Alle Instrumente hingCii frei, der Barometer 2 Par. Fuss über dem Niveau des Nils. Am 30. Dez. 1836 vor tu e s "o •iiitnjay qavu aunog Jap IIB jisi^ainonijaqj;, in c X -uazuajaj)!(j © oo to •y ipua laSn^i jaj .jiniiinn ;iin -ui.iaiix •y ijDBn •tuj3i|X •qoHU'lfiAvaO •uineay iiobu nani-'qas uaiajj IUI ja)auioin.iai|j, f T» (X> ^ — ,1 ©^'*^ u^ 00^ t^ ^ •juoo ui jajaiu -ojBa HIB Jia4a«noiuJai|X © 1-1 ■lIo^'JBjn? ja^aiuojeg ff» t- «o — d -^ ^.oi'oo-^ 00 S^ ff» 28,21 0,11 28,23 ^28,18 28,20 0,05 28,205 28,34 28,08 CD o U] a 2 .s cg .a o u n o S CS "a S => _: 39 Beobachtungen. 2. Mitt.dertägl.Maxima. 3. „ „ „ Minima. 1 s 0! 3 CS 'S 1 der Extreme des Tages. i. Differ.d.tägl. Extrem. 5. Mitt. d. nächtl. Maxim. 7. „ „ „ Minima. ?. Mittel ans den Mitteln der Extreme der Nacht. ). Differenzen der nächt- Ii( hen Extreme. }. Mittel aus den sum- marisch. Mitteln d. Ex- tremed. Tag. u.d. Nacht. 1. Höchster beobachteter Stand. 2. Niederster beobachtet. Stand. TS u c w s ^^ T* TH IH 234 n ei) a 9 •s 9» s ea Sonnenaufgang bei dichtem Nebel fiel Thau so stark wie feiner Regen. Am 31. kein Thau. Am 1. Januar 1837 wenig Thau am Morgen; um Mit- tag am Zenit ausgezeich- neter Cirr. Cum. Am 2. Jan. Kein Thau am Morgen. Um 12 Uhr Mittags die Temperatur des Flusses 2 Fuss unter der Oberfläche = 13,5 Reaum. Am 3. Januar. Temperatur des Flusses: um 8^^ M. = 11,5 Reaum. „ 12 „ = 13,0 „ Das Thermometer mit ge- schwärzter Kugel zeigt an der Sonne um 12 Uhr M. = 22,0 Cent. Am 4. Jan. Der Regen hielt iu kurzen Absätzeo schön. trübt sich, schön. cuo B 9 iH schön. » trübe. schön, trübe. Wolken. bisl0U.M. dicht. Neb. dann heit. heiter. cirr. cirr. cum. heiter. heiter. bedekter Himmel. heiter. bedeckt sich. dto. s ^ S R S Ö s s W. » stille. starker N. ■lunes^ ipeu suuog jdp iie jai3iuouijai|x Z c •U3ZU3J3jJI(I o M e» "* c X © ^ CO CO ^ ^ CO *^ t^ M M f*J <0 -H •* •y i|OEu laSn^ Jaj -||iii|iun )!ui •uijoiix 7,4 9,7 10,8 5,5 8,0 10,3 10,2 6,3 12,1 16,3 7,3 12,4 13,8 14,2 •y qsBu •U1J3I|X •qD!lUl|OM39 11,4 13,0 14,0 6,9 12,2 14,1 14,2 10,0 16,4 20,6 11,6 15,0 15,9 17,6 U3I9JJ Uli J3)3UIUUUai|X 11,0 14,0 14,0 8,1 12,2 14,7 15,3 11,0 16,8 21,0 11,9 16,0 16,2 18,0 'liia,-) ui J3)aiu • ojug luu ao|3iuüiuj3i|x 13,0 15,4 17,7 9,4 15,0 17,8 18,2 12,7 19.9 29,6 13,8 18,3 19,9 21,8 •1102 ««d UI a3)3moJBa 28,30 28,26 28,24 28,21 28,21 28,19 28,16 28,14 18,10 28,07 28,15 28,19 28,19 28,16 « s 3 K O o Auf d. Nile. Bei Sakhara. „ Masguh- ne. „ Achsass. „ Kaffr Layat. „ Magat- fieh. dto. Bei Meidun. Sol el Bu- rumbil. El Wuasta. Karramat. Beni Suef. '3pun)v^ •H C< "5 00 C1 CO »o © rH ^ 00 O (M «» •;!3zs3aiBx S S^ ^S ^ i k!H a, '— t- O < ±.-; -r S '''^' ^ 5^S- s -^ »J — = O ^ ,y- C* 5-' ^ = — CS H = s ■^ s 3 n " Q ^ •• S S S »! 4* o S 'J a S >"'^ '-.'^ ^ = = >^ _5 ""5 ^ Ü = S s « « s c :r'^ H ö 3 'S -I^ rtca hJO 'S 5 <%A'6 fe» d ^ s == = •-.£: «-' . • i aj <0 O O (51 OD O O 1-I' »4" cC ^ M~ W «T 1« r* o c» o> eo o M o •* 00 o — •* O IT« U5 C< ts r!« — 00 o o> o O O «O O X -" 00 e« « o> to <* © X ® r^ © © ^* «4 X c< c« 'S' p» ^4 ^4 ^4 »^ •^ ^< —1 <-i ^4 •^ -H ^4 ^4 •H M CI c» © el •-< «« © —1 X »h' c( (»^ c< d fo" M «f •^ u) ^ e« © •* ^ t» CO O © M t" *« ^ M mm n Ol » — X © © c< r» d C< T^ *» fO M >* C< «^ -H ^ ^ ^ ^ ^ © ff» X X X X X X X X X X X X XXX X X X X X X X c« c< c< C« M e« C^ C« (N « e« c* ff* c< e< ff* ff« ff< ff« ff* ff« e< «3 *; i» « i; 5 ^ I -t f :-2 « s « ►*, « — < S Cd c ^ 3 a j 2 ^ «s 5 ~ (» CS -= O ^ X ^ ii • .'-Ö a-**-2 — i''T3>^-».'C H •— W ^ l;ar — CS ;ä «5 c^ « ns 4) 3 es J5 a > o u es CS >v X ff* -IM X -4 »fl « —IM ff« «O X X X © t» Ol o -tM O -4 0> ff« ff« —1 C S ^ -^ s<^ <;S S-tiSS SS sss SSSSS<<3 W "* >o «O t- X © © -H M 1" <0 — 1 -< .M ■i£8l JBOUBf 236 « an s 3 S 9 M Am 18. Jan. Temp. des Flusses: Um 12 Uhr M. ^ 11,4 R. Am 14. Jan. Temp. des Flusses : Um 12 Uhr M. = 11,4 R. Am 18. Jan. Temp. des Flusses: Um lOl Uhr M. = 12,4 R. iil - a es o> es R Flusses: Um 4 Uhr A. = 15,5 R. Jeden Morgen fiel starker Thau. Am 22. Jan. Temp. des Flusses: Um 10 Uhr M. = 12,8 R. >» ^2 ,y A. = 15,1 „ Am 23. Jan. Um 11 Uhr Morg. auf der Insel Philä beobachtet : Barometer =: 28,0 Par. Zoll. SD B 3 !3 :0 5 ^ ^ S R S R R R R R RT§ schön. Strich- regen. .-^i s a R 2 in N. cirr. heiter. R o R R R R aj heiter. Gewitter- wolken. Wind. ^ S C 5 stark NO. stille. N. » R R R R— «3 'uiiiBa\{ i|3L'if onuog o ©^ M c c h SD -U3ZU3J9])!Q ^ © t- t~ .* C« rt « CS e< es es e< es M X «o r» o 00^ t>^ t-._^ r-^ X r^ t-T t^ t^ t~r CS es es es es B 3 Ja o V 3 S S = CO Gesira. Edfu. Dschebel Selseleh. Woadha- simm. = R R R R <5 apunjs -1» O IM ® t^ ^ OC CO •* © CO t~ so PO X X C< c^ WS O •jjazeaSBx S S < S «s5 < S -si s < <^ S -ai S* S<^ SS« 'S & u :s 1" "S ~ P ^ -* ?< piOm :0 0 V3 bedeckt. wird heit. iieitcr. »> Morgens trüb., spät. heiter. starker N. Sturm aus stille. N. «vT »0 ff? P5 ».'S ©^ ff«" ©^00 (» QO^O to «c , worin cp die magnetische Breite des Ortes bezeichnet. Da jedoch der magnetische Äquator wenig bekannt und veränderlich ist, so gibt die Formol keine genauin Resultate. Haksteen in seinen „Unter- suchungen über dfn Magnetismus der Erde" gibt Formeln über die Inkli- nation aus den geographischen Längen und Breiten eines Ortes. Ihr Gebrauch ist ab«+" nicht nur äusserst langwierig, sondern die Resultate derselben sind auch %\xm Theil um lö bis 12 Grade gegen die Beobach- tung differirend. Am genauesten sind die Inklinations-Werthe durch die GAUss'schen Formeln dargestellt. Siehe: „Allgemeine Theorie des Erd- magnetismus" (Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Ver- eins im Jahr 1838), so wie in „Atlas des Erdmagnetismus von Gauss und Weber", welcher Atlas nicht nur die magnetischen Kurven, sondern auch Tafeln für die Deklination, Inklination und horizontale Intensität enthält. Der grösste Unterschied der nach diesen Tafeln berechneten Inklinationen beträgt, den beobachteten gegenüber, bei sehr entlegenen Orten höchstens 4,5 Grade. Nach diesen Tafeln berechnete mein hoch- verehrter Freund, Dr. Kreil in Prag, bekannt durch seine schätzbaren Arbeiten über Erdmagnetismus, für nachstehende Orte die magnetische Inklination und fand für: Geograph. Breite. Geograph, bstl. von Länge Paris. Inklination Beirut . . . 330 49' 45" . . 33» 5' 43" . . 40» 67' Alexandria . 31» 12' 53" . . 270 32' 35" . . 38" 9' Kairo . . . 30® 2' 4" . . 28*^ 55' 12" . . 35« 64' Chardum . . 150 34' 0" . . 30" 10' 43" . . 7" 43' el Obeehd . . 13« 11' 1" . . 27** 48' 15" . . 4» 5' vwelche mit mathematischer Begründung erhalteneu Resultafe als Kontrolle 24G Wie wir aus den in den Tabellen eingetrag^enen Be- «baclitungen erselien , so spreclien sich in denselben die Gesetze des Luftdruckes, der Lufttemperatur und der Luftfeuch- tigkeit für Kairo weit klarer und bestimmter aus, als für A^exaiidria. Meiner Ansicht nach liegt die Ursache davon in dem geringern Einflüsse des veränderlichen Küstenklima's, der in den Wintermonaten, namentlich in den dem Meere für naclvstehende Beobachtiiogcn angesehen werden können. Die Beob- achtungen wurden mit einem eigens für meine Reise in Wien angefertig- ten und mit Azimutkreis und Dioptern versehenen Inklinatorium angestellt = ^ Inkli lation. ?s iL H •a c es E a 55 as H 0 / ~\r M. 8 37 30 A. 2 37 25 » 8 37 10 13 M. 8 36 20 A. 8 40 30 14 M. 8 36 30 A. 2 36 45 15 M. 8 36 45 A. 5 36 45 *o 16 lyr. 7 37 rt M 10 36 50 00 » 11 37 30 M A. 4 38 20 » 6 38 u 1;7 M. ; 7 40 13 V yf 8 40 15 ^ » 9 38 30 B » 10 38 30 «1 » 11 37 50 > » 12 37 45 o 18 » 8 38 15 ^ 19 » 7 37 15 » 9 37 15 20 M 10 37 5 )> 11 37 30 }} 12 37 30 A. 7 37 30 22 M. 9 34 30 A. 4 34 » 5 34 35 » 6 34 45 et s o 'S S OD a ■o s 3 Inklination. 0 1 22 A. 10 35 )) 12 35 23 M. 8, 35 30 » 10 36 5 A. 1 37 30 » 3 37 30 jf 9 37 15 to 24 m. 8 37 30 n » 10 38 5 00 A. 1 39 r^ » 4 39 Sa » 10 42 30 «i 25 >} 10 41 10 ,a » 11 41 50 s »» 12 41 55 0) 26 M. 1 42 > »> 2 3 41 41 35 30 a 4 5 41 42 35 » 6 41 40 » 9 41 50 27 A. 5 42 28 M. 8 41 55 29 »> 9 42 25 » 10 42 45 ^ 1 M. 9 40 15 s o 3 12 12 40 42 56 30 Q A. 3 42 30 mittel aits 61 Beoljtc^chtungen: 38 4,a t247 nahe oder gar dicht daran liegenden Orten ein weit stär- kerer ist, als tiefer im Lande. Aus den im Monate Decemher 1«36 abgefüiirten 39 Ba- rometerbeobachtungen spricht sich das im ersten Bande die- ses Werkes für den Luftdruck und seine stündlichen Oscil- lationen ausgesprochene Gesetz ganz deutlich aus, und die vier Extreme treffen fast stündlich genau ein; nur in den Stun- den der Nacht lässt sich das Streben der auecksilbersäule, in ihrem Stande stationär zu bleiben, nicht verkennen, eine Erscheinung, die die scharfe Zeitbestimmung des nächtlichen Maximums sehr erschwerte. Der Barometerstand betrug zu Kairo während der Beobachtungsperiode im Mittel 28,212 Par. Zolle = 338,5 Par. Linien = 762,48 M. M. Der Durch- schnitt der Extreme des Tages, und zwar der der Maxima, beträgt 28,27 Par. Zolle, der der Minima 28,16 Par. Zolle, folg- lich die Differenz 0,11. Der Durchschnitt der nächtlichen Ma- xima ist gleich 28,23 Par. Zolle, der der Minima = 28,18; folg- lich die Differenz = 0,0.5, woraus wir w ieder den Beweis ziehen, dass der Umfang der Oscillationen des Luftdruckes am Tage ein weit grösserer ist, als der in den Stunden der JNacht. Der höch- ste beobachtete Barometerstand betrug 28,34 Par. Zolle, der niederste 28,08; folglich die Differenz = 0,26. Halten wir die in Kairo gemachten Beobachtungen denen in Alexan- dria gegenüber, so sehen wir an erste rm Orte einen klei- nern Betrag der ganzen Schwankung des Luftdruckes wäh- rend der Beobachtuugsperiode, so wie einen kleinern Diffe- renzwerth der Extreme des Tages, hingegen einen grossem der Extreme der Nacht. Diese Erscheinung ist ganz ana- log den über den Luftdruck aufgestellten Gesetzen, und wir sehen daraus, dass je näher der Beobachtungsort dem Äquator liegt, desto kleiner werden die Unterschiede der Extreme des Barometerstandes im Allgemeinen und desto kleiner wird der Umfang der ganzen Schwankung, der aus den absoluten, nicht periodischen Extremen ab- geleitet wird. Einen nicht minder regelmässigen Gang beobachtete ich in der Lufttemperatur. Die Extreme traten regelmässig zu den bestimmten Zeiten ein. Der Durchschnitt der im 248 Monate December vorgenommenen Beobachtungen gab für die Temperatur der Luft im freien Schatten einen WertU von 14,64 R. und an der Sonne von 23,52 R. Der Durchschnitt der Maxima war = 15,2, der der Minima =12,8, folglich die mittlere Differenz der Extreme = 2,4 R. Die höchste beobach- tete Temperatur betrug am 23. Dec. 4 Uhr A. 16,5, die niederste am 19. Dec. 7 Uhr 31. 11,8, daher die Differenz der ganzen Schwankung während den 39 Beobachtungen 4,7 Reaum., und sie war folglich viel geringer als die, welche sich aus meinen früheren Beobachtungen zu Kairo im Mo- nate April ergab *. • Wenn wir diese im Monate December 1836 zu Kairo abgeführten Temperaturbeobachtungen dem Durchschnitte entgegenhalten, der sich laut I.Band S. 217 aus Niebuhrs Beobachtungen im Jahr 1761 für den Monat December er- gibt und der 11,86 R. beträgt, so sehen wir, dass unser Resultat gegen jenes um 2,78 Reaum. differirt, nämlich grös- ser ist. Diess ist auch der Fall im Vergleiche mit den Be- obachtungen der französischen Expedition * und denen des Hrn. Destouches in den Jahren 1835 — 1839, indem unser Resultat erstere um 1,68, leztere um 2,24 Reaum. übersteigt; da hingegen dasselbe auch den von Destouches für den Mo- nat December 1836 ausgemittelten Durchschnitt = 13.04 Reaum. um 1,6 übersteigt, so vermuthe ich, dass in meiner Beobachtungsreihe zu wenig Beobachtungen auf die frühen Morgenstunden fallen, um bei so wenigen Gliedern einen verlässlichen Hauptdurchschnitt zu erhalten, und ich sehe da- her in diesem Falle das aus den Extremen in meinen Tabel- len sich ergebende Durchschnittsresultat = 14,0 Reaum. für zuverlässiger an. Der Gang des Psychrometers zeigte zu Kairo eine schöne Übereinstimmung mit den Schwankungen der Lufttemperatur und denen des Luftdruckes. Es spricht sich darin das Ge- setz aus, dass das Vermögen der Luft, neue Dunstmengeii in sich aufzunehmen , mit der Temperaturzunahme wächst, •' I. Band, S. 214. ** 1. Band, S. 218. CLOT-Bcy, Apergu geiieral sur l'Egypte. S. 91 ff. 249 mit der Zunahme des Luftdruckes aber sinkt; daher sehen wir mehrmals bei einer geringern Lufttemperatur eine stär- kere Verdunstung, weil in diesem Falle zugleich eine be- deutende und überwiegende Abnahme des Luftdruckes statt hatte, und gerade in diesen scheinbaren Unregelmässigkeiten spricht sich das Naturgesetz am klarsten aus. Im Durch- schnitte aus 39 Beobachtungen ergab sich eine Differenz der beiden Thermometer am Psychrometer = 3,20 Reaum. Die Differenzen der Minima in den Morgenstunden und der Ma- xima in den Nachmittagsstunden betrug im Mittel 1,20 Reaum., der höchste beobachtete Unterschied war = 6,1, der nieder- ste = 2,5, folglich der Werth der ganzen Schwankung = 3,0 Reaum. Substituiren wir die in den Tabellen aus den Be- obachtungen sich resultirenden Grössen in den AuGUsx'schen Formeln, so erhalten wir folgende Werthe zur Beurtheilung der Luftfeuchtigkeit in Kairo, während der Beobachtungszeit: Im arithmetischen Mittel betrug: 1) Die Expansivkraft der Wasserdünste in der Atmo- sphäre = 9,S4 M.M. 2) Die Temperatur des Thaupunktes = 8,1 Reaum. 3) Die Feuchtigkeit der Luft = (>09, das Maximum = 1000 gesezt. 4) Das Gewicht des Wasser dunstes in 1 Kubikfuss Raum = 9,5 Gran. Für den höchsten Di ff erenzenstand am Psychro« meter am 23. December 4 Uhr A. war : 1) Die Expansivkraft der Wasserdünste in der Atmo- sphäre = 7,25 M.M. 2) Die Temperatur des Thaupunktes = 4,3 Reaum. 3) Die Feuchtigkeit der Luft = 353, das Maximum = 1000. 4) Das Gewicht des Wasserdunstes in 1 Kubikfuss Raum = 6,45 Gran. Für den niedersten Differenzenstand am Psych- rometer am 15. December um 8 Uhr M. 1) Die Expansivkraft des Wasserdunstes in der Atmo- sphäre = 9,70 M. M. 2) Die Temperatur des Thaupunktes = 7,9 Reaum. 3) Die Feuchtigkeit d. Luft = 674, das Maxim. = 1000. 250 4) Das Gewicht des Wasserdunstes in 1 K.' Raum = 9,5 Gr. Aus diesen Daten folgert sich, wenn raafi sie denen für Alexandria gefundenen entgegen hält, dass durchgehends, sowohl iin Mittel als in den Extremen, die Luftfeuchtigkeit in Kairo zu derselben Jahreszeit bedeutend geringer ist, als an der Küste, was auch mit den Lokalverhältnissen ganz übereinstimmt. Während wir für die Luftfeuchtigkeit in Alexandria, das Maximum derselben = 1000 gesezt, im Mittel, Maximo und Minimo der psychrometrischen Diffe- renzen die Werthe : 761 • 526 . 828 erhielten, ergab sich uns für Kairo: 609 . 353 . 674 woraus sich die Differenzen: 152 . 173 . 154 folgern , um welche Beträge die Luft in denselben Verglei- chungsmomenten zu Kairo trockner war, als in Älexandria. Dass es höchst interessant wäre , die Beobachtungen des hygro- metrischen Zustandes der Luft in beiden Orten mit dem so leicht zu handhabenden Psychrometer durch längere Zeit, wenigstens durch ein Jahr, fortzuführen, und sonach das Gesetz der Luftfeuchtigkeit daselbst mit Bestimmtheit aus- zumitteln, unterliegt keiner weitern Erörterung. Während den 13 Beobachtungstagen des Monats December zu Kairo herrschte fast fortwährend Windstille, nur ein einziges Mal wehte Südwest an einem Gewittertage, und zu 10 ßeobach- tungsstunden Nordost bei ganz heiterm Himmel. An 3 Tagen nur war der Bimmel bedeckt, einmal lag am Abend dichter INebcl, und einmal, nämlich am 24. December, hatten wir ein Gewitter mit starkem Regen.; Die Inklinationsnadel machte zu Kairo, wenn man sie aus ihrer Ruhe brachte und wieder einspielen liess, 23 Schwin- gungen In der Minute, und die Inklination selbst betrug am: 14. December lOi Uhr A. . 30» — 15. „ 8' „ M. . 330 30' 15. „ 12 „ M. . 410 30/ 15. „ 3 „ A. . 330 15. 17. „ 10 „ M. . 410 30/ 20. yy 6 >, A. . 410 20^ folglich im Mittel . 370 51'. Ein Resultat, das mit der nach den GAUss'schen Formeln 251 anf theoretiscliem Weg-e entwickelten Inklination nicht so g^enau stimmt, als es bei den zn Älexandria abgeführten Beobaciitnngen der Fall war. Übrig'ens ist die Zahl dev abgeführten Beobachtungen offenbar zu klein, um irgetul eine Meinung in Betreff dieses Gegenstandes mit Bestimmt- heit aussprechen zu können. Wie wir aus dem weitern Ver- laufe meiner physikalischen Mittheilnngen über das Innere von Afrika sehen werden , so nimmt mit der immer südlicher werdenden Lage der Beobachtungspunkte die Abweichung der wirklichen Beobachtung von der Theorie bei der magne- tischen Inklination in einem starken Verhältnisse zn , so dass die beobachtete Neigung in der Breite von 15 bis 10 Gra- den nördlich des Äquators und ungefähr in dem 30. Längen- grade östlich von Paris das Drei- und Vierfache der berech- neten Neigung beträgt. Weit entfernt von dem Gedanken, meine Beobachtungen für infallibel halten zu wollen, finde ich es doch sehr auffallend, dass diese beobachteten Nei- gungen der Magnetnadel nicht nur unter sich so sehr stimmen, sondern sich auch in ihnen das Gesetz der Abnahme der Inklinationswerthe bei zunehmender Annäherung an den geo- graphischen Äquator so klar und deutlich ausspricht. Dieses Verhältniss der Abnahme, wie es sich aus den positiven Beobachtungen folgert, ist jedoch ein anderes, als das, wel- ches die Rechnung gibt, und zwar ein bedeutend geringeres, wie wir an Ort und Stelle sehen werden. Ich glaube kaum, dass vor mir in Nubien, Sennaar, Kordofan etc. jemals physikalische Beobachtungen in der Ausdehnung angestellt worden sind, wie ich zu thun Gelegenheit hatte, wenig- stens sind mir keine Resultate solcher Beobachtungen be- kannt, und ich finde es daher immer im Interesse der Wis- senschaft, meine Beobachtungen in diesem Falle selbst dann mitzutheileu , wenn sie auch nicht mit der Theorie stimmen. Sind sie unrichtig, so werden spätere Reisende sie berich- tigen können, und Niemand freut sich mehr darauf als ich selbst. Sollten sie sich aber als richtig erweisen , was auch nicht unmöglich ist , da wir den magnetischen Äquator noch keineswegs genau kennen, so ist der Wissenschaft durch ihre Bekanntmachung ein effektiver Dienst geleistet. 252 Während der vierundzwanzig Tage langen Reise auf dem Nile von Kairo bis Assuan wurden die Beobachtungen fortgesezt. Dem steten Wechel der Lokalitäten zu Folge eignen sich natürlich die abgeführten 46 Beobachtungen zu keinem Durchschnitte und erlauben durch die Daten, die sie uns an die Hand geben, nur eine mehr allgemeine Wiirdigung der stattgehabten Naturerscheinungen , so wie sie auch zur Darstellung eines barometrischen Nivellement des ganzen Nillaufes in Eg}pten benüzt werden können. Für unsern Zweck ist es hinlänglich, aus den Durchschnitten der Baro- meterstände in Kairo und Assuan zu gleichen Stunden den Höhenunterschied beider Orte anszumitteln, der nach der LAPLACE'schen Formel und den vorliegenden Daten 282 Paris. Fuss beträgt. Da nach 1. Bd. S. 258 die Höhe von Kairo über dem Mittelmeere gleich 60 Paris. Fuss ausgemittelt wurde, so ergibt sich also für Assuan eine Meereshöhe von 342 Paris. Fuss, mit welcher Angabe auch die gauze Reihe der längs dem Nile in Ober-Egypten beobachteten Barometer- stände übereinstimmt. Die während dieser Flussreise beobachtete höchste Tem- peratur ergab sich zu Äleidun am 1. Januar 1837 um 4i^ Uhr A. mit 21,0 Reaum. im freien Schatten, die niederste Temperatur am 10. Januar um 7 ühr M. zu Sauwatsch mit 6,2 Reaum., welche Daten bereits als die ersten Anklänge der im hohen Süden herrschenden grossen Temperaturdiffe- renzen gelten können. Übereinstimmend mit der Lufttemperatur und dem Luft- drucke war der Gang des Psychrometers. Die höchste Diffe- renz seiner beiden Thermometer ergab sich zu Meidun am J. Januar um 4^^ Uhr A. mit 5,3 Reaum. bei einem Luft- drucke von 28,07 Paris. Zollen und einer Lufttemperatur :^ 21,0 Reaum. ; die niederste Differenz hingegen am 20. Januar um 8^ M. zu Edfu mit 0,9 Reaum. bei einem Luftdrucke = 28,21 Paris. Zollen und einer Lufttemperatur = 15,4 Reaum., wobei in der Nacht starker Thau gefallen war. Die Nacht- und Morgenthaue waren überhaupt während der Zeit der Reise häufig und stark , namentlich fiel am 30. December in den frühen Morgenstunden bei dichtem Nebel 253 und Wind der Tlian so stark , dass es am Boden den An- Sfliein hatte, als wäre Regen gefallen, eine Erscheinung, die man übrigens in den nordafrikanischen Wüsten häufig beobachten kann. Während der Reise wurde 29 Mal Nord -, Nordost und Nordwest- Wind , 4 Mal Südost und 3 Mal Westwind b e- obachtet. Die Nordwinde Hessen besonders in Bezug der Zeit des Eintreffens und Äufhörens eine grosse Regelmässig- keit beobachten. An jedem Morgen wehten diese Winde nur mit geringer Kraft, oder es war gänzliche Windstille. Einige Stunden nach Sonnenaufgang hingegen erhoben sie sich stärker und ihre Kraft wuchs gegen Abend so an, dass sie zu dieser Zeit öfter zum förmlichen Sturme wurden. In der Nacht legten sie sich wieder allmälig und gegen Mor- gen trat wieder Windstille ein. An den Gebirgen, beson- ders an den Mündungen der Seitenthäler arabischer Seite, waren plötzliche Windstösse von grosser Heftigkeit häufig und oftmals gefahrdrohend. In den 24 Reisetagen sahen wir den Himmel nur S Mal getrübt und da nnr meist für kurze Zeit. Diese Erscheinung ist überhaupt nur in den Win- termonaten zu beobachten; denn ausser dieser Jahreszeit ist der Himmel fortwährend klar und heiter und die sternhellen Nächte, besonders aber zur Zeit der Mondhelle, sind wirk- lich unbeschreiWich prachtvoll. Am 4. Januar hatten wir zwischen Malachie el Kibir und el Baranka einen leichten Regen, der durch die ganze Nacht anhielt*. Regen sind allerdings für Ober-Egypten eine grosse Seltenheit, und ich rechne daher dieses Land auch besonders zur sogenannten regenlosen, oder besser gesagt regenarmen Zone Nord- Afrika's. Wie die so oft aufgestellte Behauptung, dass es in Egypten nicht regne, zu deuten sey, habe ich bereits im 1. Bande S. 204 gezeigt. Dass die Regen durch Jahrzehnte hindurch manchmal so sparsam fallen, dass durch sie das vegetabile Leben des Nilthals durchaus nicht sich erhalten könnte, und dass es Jahre gibt, wo in vielen Orten nur ein * Das grosse Erdbeben in Syrien am 1. Januar 1837 licss auf die meteorologischen Zustände Ober - Egyptens" gar keinen Einfliiss wahr- nehmen. 254 paar Mal Regen, und da nur für g-anz kurze Zeit, fallt, ist eine uiiläugbare Tliatsache, aber eben so wahr ist es, dass man in vielen Thälern der arabischen , wie der libyschen Bergkette die unverkennbarsten Beweise in den tiefen Wasser- rissen, in den Beeten alter Giessbäehe, in den Massen von ßachgeröllen etc. findet, dass daselbst einst ausserordentlich starke Regengüsse stattgefunden haben müssen. Diess ist z. B. ausgezeichnet in den Thälern des libyschen Gebirges bei Theben, bei Denderah, bei Siut etc. zu beobachten. Die Lokalverhäitnisse haben hinsichtlich der Regen, wie überall, einen grossen Einüuss. So waren den eingezogenen Erkun- digungen zufolge in Kenne seit einer langen Reihe von Jaliren in den Winterszeiten nur wenige und ganz kurze Strichregen gefallen, und während es im Jahr 1S36 an der Küste des rothen Meeres bei Kosseir sehr stark regnete, fiel an der Westseite des arabischen Gebirges kein Tropfen. Bei Esne soll ungefähr im Jahr 1821 ein sehr starkes Ge- witter mit Regen sich entleert haben, bei dem die dürren Wasserrisse des libyschen Gebirges zu reissenden Giess- bächen wurden. Seit jener Zeit jedoch gehört ein selbst leichter und kurzer Regen auch dort zu den nur ganz selten eintretenden Erscheinungen, die sich, wie überhaupt in Ober- Egypten, nur zur Zeit des nordischen Winters ereignen. In Assuan versicherte man mich, dass ein ähnliches Unge- witler, wie bei Esne, sich daselbst vor 30 Jahren, also ungefähr Im Jahr 1807, entleerte, und dass, von da ange- fangen , jährlich nur höchst selter« Regen falle, während es an der Küste des rothen Meeres auch in jener Breite häu- fig regne. Diese Angaben scheinen mir, was die nähere Zeitbestimmung jener Regengüsse betrifft, höchst unzuver- lässig zu seyn. Vielleicht ist das Gewitter, von dem man mir in Esne erzählte * und jenes , von dem ich in Assuan erfuhr, eines und dasselbe. Erkundigungen über derlei Ge- genstände führen in einem Lande, in welchem das Volk sich wenig für solche Ergebnisse interessirt, da die Existenz des "" Auch BuRKiiARDT erwähnt in seinem Reisewerke eines sehr starken Gewitters, das zu Esne im Julir 1813 — 1814 stattfand und während dem es 2 Stunden heftig regnete. 255 Landmanns nicht davon abliäng-t und wo dasselbe in einer solchen ünAvissenheit sich befindet, dass seiir oft die Ein- theihmg; des Tages in Stunden , die INamen benachbarter Orte H. do;I. unbekannte Dinge sind, nur zu oft zu unrich- tigen Resultaten, die besonders dann oft ganz zu absurden werden, wenn Reisende, wie es häufig" geschieht, der Landes- sprache nicht mächtig- sind. Die Temperatur des Flusses erhielt sich ziemlich nahe der mittlem Tagestemperatur, daher das Wasser in den Morgenstunden stets wärmer, in den Abendstunden kühler als die Luft war. In Assuan konnten im Verlaufe von 12 Tagen nur 19 Beobachtungen gemacht werden, da die geognostischen Ex- kursionen in dem höchst interessanten Gebirge der Katarakten fast die ganze Zeit in Anspruch nahmen. Die hinsichtlich der Schwankungen des Luftdruckes, der Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit sich aussprechenden Gesetze sind auch hier, wie weiter in Süden, die bereits oft erwähnten. Im Mittel der Beobachtungen ergab sich ein Baro- meterstand von 27,92 Par. Zoll = 335,04 Par. Linien = 754,7 M. M., eine Lufttemp. = 16,2 Reaum. im Schatten und 32,5 R. an der Sonne. Der höchste beobachtete Barometerstand war = 28,09, der n iederste = 27,76, folglich die ganze Schwankung nur 0,33 Par. Zolle. Die höchste beobachtete Temperatur der Luft war am 29. Jan. um 12^ Uhr A. = 21,1, die niederste am 27. Jan. um 7i Uhr M. = 11,6, folglich die Differenz = 9,5 R. Die Differenz der beiden Thermometer am Psy- fiirometer betrug im Durchschnitte 2,0 R., im Maxime aller Beobachtungen am 23. Jan. um 3 Uhr A. 2,7 R., bei einem Luftdrucke =^27,95 Par. Zolle und 19,5 R. Luft- temperatur, im Minimo aller Beobachtungen hingegen am 26. Jan. um 6 Uhr A. nach einem Gewitter und am 27. um 71 Uhr M. war sie = 1,2 das erste Mal bei 27,86 Par. Zoll Luftdruck und 15.5 R. Lufttemperatur, das zweite Mal bei 27,99 Par. Zoll Luftdruck und 11,6 R. Lufttemp. Wenn man aus diesen Daten für Assuan alle jene Werthe, die zur vollständigen Beurtheilung der Luftfeuchtigkeit nöthig sind, nach den AuGUSi'schen Formeln berechnet, so ergibt sich: 256 j* li S E ;: sis ^1 2 ts «1 s u s *: S = o 2 o t- « QHCU Reaum. ■5 «s »J-^ C J= 3 Moment. £3 u c 0,3 E 2 » 3 «S M.M. Reaum. M.M. Reaum. Gran. Im Durchschnitt 754,7 13,2 2,0 13,2 11,8 761 13,0 Im Maximo * , 755,4 16,0 2,7 16,1 14,40 716 15,55 Im Minimo. 1. Fall . 753,0 13,8 1,2 14,5 13,0 853 14,4 Im Minimo. 2. Fall . 756,5 9,8 1,2 10,4 8,8 829 10,4 Mittel der beiden Fälle des Minimum . . 12,45 10,90 841 12,4 Aus diesen Resultaten ersehen wir, dass während dem Laufe der Beobachtungen zu Assuan im Monate Januar die Luft an diesem Orte bedeutend feuchter war als während der Beobachtungen zu Kairo im Monate December, und dass die Werthe für Assuan denen zu Alexandria ausgemittelteu viel näher stehen. Heben wir die Ziffer der Luftfeuchtigkeit, das Maximum = 1000 gesezt, in den Momenten des Mittels (a), des höchsten beobachteten Differenzwerthes am Psychro- meter (b) und des niedersten (c) heraus, so ergibt sich uns für alle 3 Orte und zwar: a. b. c. 761 . 526 . 828 609 . 353 . 674 761 . 716 . 841 1) Für Alexandria 2) „ Kairo 3) „ Assuan . Differenz von 1 u. 3 . + 0 . + 190 . + 13 u. 3 . + 152 . + 363 . + 167 was oben ausgesprochene Behauptung- mathematisch be- gründet. Würden die Beobachtungen zu Assuan durch ein ganzes Jahr fortgesezt, so würde der hygrometrische Zustand der Luft für Assuan den Lokalverhältnissen zufolge gewiss bedeutend geringer ausgewiesen, nämlich die Luft trockener gefunden worden seyn, als in Kairo. Gerade in der Zeit des nordischen Winters hingegen scheint dieses Verhältniss sich umzukehren, was dadurch erklärlich ist, dass die Luft in dem kurzen Stadium der Nachmittagswärme eine grosse * Unter Maximum und Minimum sind irier die beiden absoluten Extreme der psychrometrischen Differenz während der ganzen Beobach- tungszeit verstanden. 257 Menge Dünste in sich aufnimmt, da jedoch unmittelbar dar- auf eine bedeutende Abnahme der Temperatur erfolgt, deren Unterschied gegen die früher stattgefundene das Doppelte und Vierfache von den in Kairo und Alexandria ausgemittelten Temperaturdifferenzen beträgt, so erfolgt natürlich eine solche Steigerung der Expansivkraft des in der Atmosphäre schwe- benden Wasserdunstes, dass die noch weiters erfolgende Ab- nahme der Temperatur in den Stunden der Nacht starke Thauniederschläge zu Folge haben muss , die auch in dieser Jahreszeit häufig erfolgen. Dadurch steht aber auch die Expansivkraft der Dünste in der Luft fast fortwährend ihrem Maximo nahe, wenigstens bedeutend näher, als in Kairo, die Luft entwickelt also weit weniger das Vermögen, neue Dunstmengen in sich aufzunehmen, sie zeigt sich in einem bereits mehr damit gesättigten Zustande, mit einem Worte, sie ist feuchter. Auf die sich ausweisenden hohen Differenzen der tag- liehen Temperatur in dieser Jahreszeit dürften einerseits der mächtige Strom, die Nähe der Katarakten, in denen der Fluss durch den mechanischen Impuls, den er ei:leidet, stets neue Flächen zur Dunstbildung darbietet, die Nähe des un- wirthbaren Kataraktengebirges, anderseits die Nähe der grossen Wüsten, von denen Assuan ganz umgeben ist, wohl das meiste beitragen, und zwar die erstem Momente herab- setzend , lezteres erhöhend auf die Temperatur einwirkend. Übrigens bemerke ich noch einmal, dass eine längere Reihe von Beobachtungen, welche auch die Erscheinungen in andern Jahreszeiten umfassen würden , nothwendioerweise ganz andere durchschnittliche und vergleichende Re- sultate zwischen Assuan und Kairo geben müsste; denn meiner Vermuthung nach beschränkt sich die überwiegende Luft- feuchtigkeit an ersterm Orte nur auf eine kurze Zeit des Jahrs. Auch hier wäre also für einen Physiker noch viel zu thun. Während der Zeit unseres Aufenthaltes zu Assuan hatten wir entweder Windstille oder beständigen Nordwind und gröss- tentheils heitern Himmel, nur am 26. Januar hatten wir die für Assuan seltene Erscheinung eines Gewitters, und zwar in einer Stärke, wie sie seit drei Jahren nicht mehr statt- Russegger, Reisin. II. 15(1. I. ThI. 4 t» 258 oeftinden hatte. Am frühen Morgen war der ganze Himmel, besonders aber der südliche Horizont, mitschAvarzen Gew.tter- Molken bedeckt. Um 9 Uhr regnete es westlich im libyschen Gebirge nnd mii 10 Uhr in Assuan. Donner nnd Blitz waren heftis: der Regen unbedeutend. Um 11 Uhr aber fiel der Re-en mit einem Sturme aus Nord durch eine Stnnde sehr stark, die Luftelektrizität, deren Verlauf in der Tabelle zu ersehen ist, wechselte aus + in - und umgekehrt, und war zum Theil so stark, dass die Strohhalme am Glase anschlu- gen und keine Messung stattfinden konnte. Nachmittags zog das Gewitter sich in das arabische Gebirge, wo es bis zum Abend blieb und sich gewaltiger Donner hören liess. Zwei Stunden von Assuan entfernt, stromaufwärts an der Insel Philä , fiel während des Gewitters durch eme Zeit von fünf Minuten starker Hagel. Die Körner hatten 4 bis 5 Linien Durchmesser und waren reines Eis. Die Kalte soll daselbst nach den Gewittern sehr empfindlich ge- wesen seyn. ^ t ^ j. - ^^ Am 2. Februar hatten wir Chamsin. Die charakteristi- schen Kennzeichen dieses Windes traten jedoch in keinem sehr bedeutenden Massstabe auf. Nachdem ich nun im Vorstehenden meine eigenen, in Unter- und Ober-Egypten angestellten, meteorologischen Beobachtungen vorgelegt habe, erübrigt mir noch, um so zu sagen ein meteorologisches Netz über ganz Egypten zu legen und daraus die Schlussfolgen zu ziehen, jener Beobach- tungen zu erwähnen, die andere Reisende in jenem Lande und in dieser Beziehung gemacht haben , und unter denen sich jene von CLOT-Bey und Cailliaud* unstreitig am besten zu diesem Zwecke eignen, besonders leztere, ihrer grossen lokalen Ausdehnung halber. Zu Folge des 19. Bandes des grossen Werkes der fran- zösischen Expedition beobachtete dieselbe zu Kairo während eines ganzen Jahrs den durchschnittlichen Barometerstand von 28,17 Paris. Zolle und eine mittlere Temperatur von 17,7 R. Die Messungen in dem 278,8 Paris. Fuss tiefen * CLOT-Bey, Apergu general sur l'Egypte. 1. Band, S. 83 ff. Cailliaud, Voyage ä Meroe, au flcuve blanc etc. 4. Band. 259 und bis zum niedersten Niveau des Nilstandes niedergehen- den Josephsbiuniien auf der Citadelle ergaben daselbst im Tiefsten eine durchschnittliche Temperatur von 17 bis 18 R., also ganz iibereinstimmend mit der mittlem Tagestempera- tur. Auf der Insel Philä hingegen fand die Expedition das Thermometer in den Sommermonaten häufig auf 33,5 bis 34,5 R. steigen, und will sogar daselbst an der Sonne eine Temperatur bis zu 54 R. beobachtet haben , eine Tempera- tur, die mir selbst im Tropenlande nie vorgekommen ist. Aus diesen Beobachtungen nun, im Gegenhalte der neuesten vou Destouches in Kairo abgeführten, zieht CLOT-Bey den Schluss, dass das Klima von Egypten sich seit 40 Jahren um Nichts geändert habe, ein Schluss, den ich nicht für ganz richtig erkennen möchte, da eine der wichtigsten Potenzen der klimatologischen Erscheinungen , nämlich der hygrome- trische Zustand der Luft, dabei zu wenig berücksichtigt ist, und gerade in dieser Beziehung scheinen , insoferne man den eingezogenen Erkundigungen trauen kann , doch einige Ver- änderungen eingetreten zu seyn. Ich habe darüber bereits im 1. Bande gesprochen, wo ich auch der übrigen Beobach- tungen erwähnte, welche wir über Ünter-Egypten besitzen, daher ich mich hier ausschliesslich auf Ober-Egypten be- schränke*. Nach CLOT-Bey steigt das Thermometer zu Siut bis 27, zu Assuan bis 30 R. im Schatten, im Sande hingegen soll sich dasselbe an lezterm Orte bis zu 56 und in Kairo bis zu 40 R. erheben. Erfahrungen, die meinen eigenen weitern Beobachtungen gemäss nicht zu bezweifeln shid, ja für Siut und Assuan sind die Angaben der Temperaturextreme noch zu geringe, indem an beiden Orten zur Sommerszeit das Thermometer gewiss über 30 R. steigt. Noch seltener als die Regen sind für Ober-Egypten die Hagelwetter, in jenen beiden Fällen aber, deren CLOT-ßey aus dem Laufe unsers Jahr- hundertes erwähnt , fiel der Hagel in sehr grossen Körnern. * Nachträgliih zu Uiiter-E»'yptcn glaube ich hier noch beifügen zu müssen, dass nach Ci,OT-Bey die Temperatur auf dem Delta überhaupt im Winter 9—11, im Fiühliiige 15 bis 19 , im l^^omnier 18 bis 23 und im Herbste 14 bis 19 R. betrage. 17* 200 Im Jahr 18;J3 fiel an den Küsten des Mittehneers nnch Schnee, und dieses merkwürdige Ereigniss ging also den darauf fol- genden Cholera- und Pest-Epidemien voraus, dessen ich nur so im Vorbeigehen erwähne, ohne desswegen irgend eine Vermuthung in Bezug des Einflusses jener Witterung auf diese Epidemien aussprechen zu wollen. Dass die Thaue im Winter selten seyn sollten , habe ich wenigstens für Ober- Egypten ganz und gar nicht bestätiget gefunden, wie man ans meinen Beobachtungen sehen kann. Im Jahre 1824 reg- nete es zu Kairo durch 8 Tage sehr stark. Aus Cailliaud's zahlreichen Beobachtungen, die er im vierten Bande seines Reisewerkes gibt, hebe ich folgende durchschnittliche Resultate als besonders interessant heraus und wähle hiezu die tabellarische Form: 0£ Barometerstand Lufttemperatur Monat. er. s 3 Beobachtungsort. in M. M. nach Keaiim. je n ü u ,j £ 1 -: a o "2 .- i :0 ■o S ca 'ä 1819 November. 6 Mediiieli el Fajum. 766,7 763,0 764,8 22,8 16,5 19,6 December. 12 Oase Siwa. 770,9 759,7 765,3 19,8 9,4 14,6 Novemb. u. 21 Zwischen Fajum und 769,6 743,1 756,3 24,6 6,5 15.5 December. Siwa. December, 9 Zwischen Siw-a und Bacherieh. 770,7 746,1 758,4 13,8 0 6,9 1820 Januar. 31 Oase Waddi el Bache- rieh. Zwischen den Oasen 762,3 751,7 757,0 28,4 4,P 16,6 Februar. 29 763,9 725,4 744,6 24,6 2,3 13,4 Bacherieh u. el Char- dschch. März. 31 Auf der Route von Chardscheli n. Kairo. 765,8 734,2 750,0 28,6 8,5 18,5 Mai. 6 Kurnu (Theben). 756,1 751,6 753,8 27,9 20,8 24,3 Juni. 30 dto. 756,2 749,8 753,0 32,5 22,7 27,6 Juli. 14 » 754,8 749,4 752,1 31,5 22,8 27,1 1822 )) 24 » 33,2 24,5 28,8 August. 12 j» 34,0 26,0 30,0 1820 November. 2 Assuan. 755,5 752,7 754,1 19,1 13,0 16,0 50 Mittel für Kurnu aus 755,7 750,2 752,9 30,6 22,1 26,3 obigen Daten. ■ 1 Die Wichtigkeit dieser Resultate aus den Forschungen des trefflichen Cailliaud liegt vorzüglich darin, dass sie, in Verbindung mit meinen eigenen Beobachtungen längs des 261 Nils, sozusagen ein ganzes barometrisches Nivellement vom Niltliale und seinen westlich liegenden Oasen und Wüsten geben , folglich für die Erkenntniss der Physiognomie des Landes hohen Werth haben. Es ist nur zu bedauern, dass wir für den östlich zwischen dem Nile und dem rothen Meere liegenden Theil Egyptens keine cähnliche Arbeit besitzen. Im übrigen stimmen meine eigenen barometrischen Beobach- tungen in jenen Orten, wo ich ebenfalls durch einige Zeit zu beobachten Gelegenheit hatte, mit den Resultaten, die jener Reisende 16 bis 19 Jahre früher erhielt, ganz genau überein. Aus den Beobachtungen Cailliauds geht ferner das Re- sultat hervor, dass er in einer Reihe von 227 ßeobachtungs- tagen in Ober-Egypten und in den Oasen der libyschen Wüste, und zwar im Verlaufe des Sommers und Winters , 239 Mal Nord-, Nordost- und Nordwestwind, 6 Mal Ost-, .37 Mal West- und 11 Mal Süd-, Südost- und Südwestwind beobach- tete, neuerdings ein schlagender Beweis über das Vorherr- schen der Nordwinde in Egypten. Regen wurden beobachtet während 227 Tagen : Am 12. December 1819 zu Siwa schwach. Am 23. Dec. 1819 zu el Bagara schwach durch 6 Stunden. Am 4. Jan. 1820 zu Ain el Belled einige Tropfen. Am 16., 19. und 22. März 1820 zwischen Rahdemun und Kairo. Jedesmal nur einige Tropfen. Besonders interessant aber sind folgende Beobachtungen : In der Nacht vom 26. auf den 27. December 1819 gefror das Wasser auf der Reise durch die Wüste zwischen Siwa und Waddi el Bacherieh, in der Nähe von el Bachreiii , so wie überhaupt in den nächst vorhergegangenen und zunächst ge- folgten Nächten starker Frost stattfand. In den Nächten des 16. und 18. Januars 1820 bei es Sabu (geogr. Breite: 28» 21' 47") hatte sich Reif gebildet und doch war an den folgenden Morgen das Thermometer nicht unter 5 R. gefallen und der beidesmal herschende West- wind war nur schwach. Dass die überraschend hohen Differenzen im Laufe des Tages , w eiche ich in südlicheren Breiten so oft beobachtete, auch in Ober-Egypten nicht ungewöhnlich sind, geht aus den *i62 Beobachtungen Cailliauds entschieden hervor, und Ich er- laube mir hier nur eines der besonders interessanten Bei- spiele diessfalls anzuführen : in der Nacht des 14. auf den 15. Januar 1820 sank das Thermometer zu es Sabu auf der Oase el Bacherieh unter 0 und es bildete sich Eis. Den darauf folgenden Morgen um 8 Uhr stand das Thermometer auf 2,4 : zu Mittag hingegen stand es auf 22,3 und um 3 Uhr Nachmittags auf 28 R. Es zeigte sich also für ein und denselben Tag eine Temperaturdifferenz von 25,6 R. — In wiefern solche enorme Differenzen der Lufttemperatur schädlich auf den menschlichen Körper einwirken oder nicht, hierüber mögen Ärzte entscheiden. Im hohen Süden, vor- ausgesezt, dass man den Unterleib vor Verkühlung schüzt, bringen sie durchaus keinen Nachtheil hervor, ja es ist ge- rade im Gegentheil die trockene Jahreszeit, in der, wie wir sehen werden, die grössten Temperaturdifferenzen stattfin- den, die gesündeste Zeit, weil sich in den kalten Nächten der durch die Hitze des Tages erschöpfte Körper durch ruhigen, gesunden Schlaf erholt, welch lezterer in der Regenzeit durch die Hitze der Nächte ganz gestört wird. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den kalten Nächten Egyptens und denen des Tropenlandes von Ost-Sudan und Nubien, in Bezug ihrer Einwirkung auf den menschlichen Körper, liegt jedoch in dem ganz verschiedenen Grade der Luftfeuchtigkeit dieser Erdstriche. In Egypten ist zur Zeit der grossen täglichen Temperaturdifferenzen, wie wir ge- sehen haben , die Luft besonders zur Nachtzeit sehr feucht, es bilden sich oft Thauniederschläge und in seltenen Fällen auch Regen. In dem Tropenlande südlich von Egypten hin- gegen ist zu jener Zeit, in welcher die Temperaturdiffe- renzen aufs höchste steigen, die Luft trocken, Thaue sind zwar keine Seltenheit und an den Ufern grosser Ströme und See'n finden sie sogar häufig statt, sie sind aber nicht so stark, als in Ober-Egypten und nicht so salzig als in Unter- Egypten. Regen fällt in der trockenen Jahreszeit in den Tropenländern gar nicht, oder höchstens nur in Folge eines schnell vorüber ziehenden Gewitters. Ich glaube daher aller- dings , dass die kalten Nächte Egyptens, verbunden mit der 203 herrschenden Luftfeuchtigkeit und den atmosphärischen Nie- derschlägen , eine schädliche Einwirkung auf den Körper zeigen, besonders wenn man sie ohne Dach im Freien zu- bringt, wie ich schon im 1. Bande gezeigt habe. Die Folgerungen, die sich aus dem hier vorausgesandten Detail der gemachten Beobachtungen ergeben, sind ihrer Tendenz nach dreifach. Entweder beziehen sie sich auf die physiognomischen Verhältnisse des Landes, auf die Erhe- bungen und Vertiefungen des Terrains, oder auf die Gesetze der Funktionen der Atmosphäre , auf die des Luftdruckes, der Lufttemperatur, der Luftfeuchtigkeit etc., oder endlich auf die klimatische Beschaffenheit des Landes im engern Sinne und auf deren Rückwirkung auf die organische Welt. In ersterer Beziehung spricht sich der Inhalt des nächsten Kapitels aus, in zweiter berufe ich mich auf das im 1. Bande dieses Werkes, 3. Abschnitt S. 202 fT. Gesagte, was auch auf Ober-Egypten Bezug hat , in lezterer Beziehung aber glaube ich durcli die gewonnenen Erfahrungen zu nachste- henden Schlüssen berechtigt zu seyn. Das Klima Ober-Egyptens ist ein von dem Ünter-Egyp- tens wesentlich verschiedenes. Das des leztern Landes ist das des Küstenlandes von Nord-Afrika überhaupt. Es ist das des südlichsten Europa mit all den Modifikationen, die aus einer noch südlichem Lage entspringen. Unter-Egypten hat seinen Sommer und seinen Winter, die Jahreszeiten beobachten die Folge wie in Europa, nur verschwinden die Mittelglieder: Frühling und Herbst, mehr und mehr, je süd- licher man kommt, und der nordische Winter wird zur Regen- zeit. Ober-Egypten kennt diesen Unterschied nicht, es hat, den Tropen nahe liegend, wie die Tropenländer, nur einen steten Sommer, aber nicht, wie diese, einen solchen, in dessen einer Hälfte es gar nicht , in der andern aber sehr viel und periodisch regnet, sondern einen ewigen, trockenen Sommer, in dessen Verlauf ein Regen immer als Seltenheit zu be- trachten ist, einen Sommer, der nur in der Zeit der nor- dischen Wintermonate durch die herrschenden starken Nord- winde eine verhältnissmässig starke Temperaturherabsetzung erleidet und der sich von dem des Tropenlandes durch die 204 starken Thaue unterscheidet, die das Klima von Egypten cliarakterisiren. Ünter-Egypten hat viel Kulturboden , es ist zwischen seinen beiden mächtig-en Stroinarmen ein mit Vege- tation bedecktes , reich bebautes Land. Ober-Egypten ist grösstentheils Wüste und hat das Klima der Wüste, der schmale Streifen Kulturland längs dem kolossalen Strome, ein grünes Band im gelben Sand der Wüste hingebreitet, könnte als solches ohne künstliche Bewässerung gar nicht existiren. Ober-Egypten trägt übrigens , meiner Ansicht nach, die unverkennbarsten Spuren an sich, dass der klima- tische Zustand einst ein anderer gewesen seyn muss. Die tiefen Thäier und Schluchten in den Gebirgen der Wüste, offenbar die Wirkungen wilder Bergströme, wie die tiefen Bette der Chors oder Regenbäche im tropischen Afrika, deu- ten darauf hin, dass es hier einst oft und stark geregnet haben müsse : denn einzelne Gewitterregen , wenn auch noch so stark , aber doch immer eine meteorologische Seltenheit, können diese Einwirkung auf die Terraingestaltung nicht hervorgebracht haben. Dass Egyptens Klima, als dieses Land in seiner Blüthe stand, als es stark bevölkert, von zahllosen Kanälen durchschnitten war, die Kultur des Bodens weit über die heutige Gränze der Wüste hinausging und der Mörissee noch seinen riesenhaften Umfang hatte, ein anderes als das heutige gewesen seyn muss, lässt sich a priori mit Sicherheit behaupten, doch glaube ich, dass die Verschiedenheit der Klimate von jezt und damals nicht so gross war, um die Bildung jener Regenthäler der Wiisten zu erklären, eine Erscheinung, die zu allgemein iiber einen grossen Theil der Erde verbreitet ist und die man in den dürstenden Schluchten der Sahara und in den wasserlosen Thälern Nord-Arabiens so gut beobachtet, wie in den Wüsten, welche zunächst an Egypten anliegen. Die Zeit, in der die Regen im heutigen Ober-Egypten häufig waren , in der sie jenes Terrain furchten und jene tiefen Thäier bildeten , in denen man sich heute vergebens nach den Bächen umsieht, die da gewirkt , Gerolle geschaffen , Kaskaden gebildet haben, jene Zeit, glaube jch, geht weit über alle Geschichte und alle Daten der egyptischen Vorzeit hinaus, für sie sind selbst 205 die 8000 Jahre alten Schuttterassen von Theben noch zu jung. Sollten einst die nördlichen Winterregen so weit süd- lich gedrungen seyn ? oder sollten nicht vielmehr die perio- dischen Regen der Tropenländer ihre Gränze damals viel weiter nördlich gehabt haben und diese Erscheinung nicht mit all den Spuren eines einst wärmern Klima zusammen- treffen, die man gegenwärtig selbst in sehr nördlichen Ge- genden der Erde noch triff"t, wo einst die si'idlichen Kinder der Flora und Fauna gedeihten und jezt nur die des rauhen Norden leben? Ob wir wohl diese Fragen einst werden beantworten können ! Von einem Lande, das sich durch 6 Breitengrade ausdehnt und in seinen einzelnen Theilen den verschiedenen Einflüssen eines Stroms des ersten Ranges und naher Wüsten unterliegt, einen allgemeinen Durchschnitt des Luftdruckes, der Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit zu geben, wäre im waliren Sinne des Wortes eine Illusion, und ist im vorliegenden Falle, wegen Mangel an Daten, zum Theil sogar eine Unmöglichkeit. Der geringen Erhebung des Landes von der Küste bis zu den ersten Katarakten wegen ist die Differenz des Luftdruckes, aus örtlichen Beziehungen beurtheilt, nur eine geringe und dürfte kaum über S bis 10 M. M. betragen. Die mittlem Temperaturen des Jahrs sind nach den verschiedenen Lokalitäten verschieden, da jedoch im Ganzen Ober-Egypten im Bereiche der Isotherme von 25'' Cent, oder 20° R. liegt *, so wollen wir auch 20° R. annähe r u n gs- weise als die mittlere Temperatur des Jahrs in Ober-Egypten annehmen, obwohl der Durchschnitt pr. 18,2 R. aus Cailliaud's durch 8 Monate hindurch gemachten 481 Beobachtungen nicht damit stimmt; was auch leicht erklärlich ist, da erstens die Beobachtungen dieses Reisenden sich nicht gerade auf den Strich der Isothermen-Kurve beschränken, sondern grössten- theils nördlich derselben liegen, und zweitens derselbe nicht immer seine Beobachtungen auch auf die Zeit des Temperatnr- maximum ganz genau ausdehnte. Ober-Egyqten gehört da- her entschieden zu den heissesten ausserhalb der Tropen * A. V. Humboldt ,. Fragiiiciitc einer Geologie und Klimatologie Aliens. Berliu 1832. 2C0 liegenden Ländern, so wie Ost-Sudan ein Glied der heissesten Tropenländer bildet. Die aus meinen Beobachtungen sich ergebenden Resul- tate bezüglich des herrschenden hygrometrischen Zustandes der Luft sind theils aus den Tabellen ersichtlich , theils habe ich bereits im Vorstehenden mich, so weit es meine wenigen Beobachtungen zulassen, hierüber umständlich aus- gesprochen. Einen Jahresdurchschnitt zu geben ist unmög- lich , da wir keine Beobachtungen haben , die den Gang der Luftfeuchtigkeit während eines ganzen Jahrs umfassen möchten und mir überhaupt in Betreff von Ober-Egypten keine hygrometrischen Beobachtungen ausser den meinen be- kannt sind. Wenn man aus den während meiner Reise von Kairo nach Assuan gemachten 46 Beobachtungen die mittlem Wer- the des Barometerstandes, der Lufttemperatur und der Diffe- renz am Psychrometer nimmt und selbe in den Augüst- schen Formeln substituirt, so erhält man für die in den Mo- naten December und Januar zwischen Kairo und Assuan gemachten Beobachtungen bezüglich der Luftfeuchtigkeit fol- gende Resultate : 1) Die Expansivkraft der Wasserdünste in der Atmo- sphäre = M. M. 14,69. 2) Temperatur des Thaupunktes: R. 13,2. 3) Feuchtigkeit der Luft, das Maximum =: 1000 ge- sezt, = 6T2. 4) 1 Kubikfuss Raum enthält an Wasserdunst 14,05 Gran. Wenn uns auch dieses Resultat nichts anders an die Hand gibt als einen Durchschnitt für die genannte Beobach- tungszeit von 24 Tagen, so sehen wir daraus doch gleich- sam die Annahme bestätigt, dass die in Assuan ausgemit- telte Luftfeuchtigkeit nur ausnahmsweise gerade für diese Zeit so gross zu seyn pflegt , und sich die Luftfeuchtigkeit von Ober-Egypten überhaupt im höchsten Falle nicht grösser zeigt, als die von Kairo; der höhern mittlem Jahrestempe- ratur gemäss aber ist sie, wie schon gesagt, ohne Zweifel weit geringer. Das Vorherrschen der Nordwinde ist in Ober-Egypten 267 noch überwiegender als in Unter -Egypten, und besonders wehen sie in den Wintermonaten fast ausschliesslich und mit grosser Gleichförmigkeit. Die Chamsine treten in Ober- Egypten schon im Monate Februar und März ein, und dauern, wie in Unter-Egypten , und wie dort, mit grossen Unterbre- chungen, durch ungefiihr zwei Monate. Was die Einwirkung des Klima auf das vegetabile Le- ben im ISilthale, und also auf die Kultur des Bodens betrifft, so gilt auch fiir Ober-Egypten im Ganzen alles das, was ich im 1. Bande S. 228 ff. über Unter-Egypten sagte. Dass die Reife aller Früchte und überliaupt das raschere Gedei- hen der Pflanzen unverkennbar schneller und intensiver vor sich geht, ist eine natürliche Folge der zunehmenden süd- lichen Lage. Das frühere Eintreten der Ernten ist bei eini- gen Kulturpflanzen sehr bedeutend , und während z, B. das Zuckerrohr in Unter-Egypten erst im Monate Januar ge- schnitten wird , geschieht diess in den wärmsten Theilen von Ober-Egypten bereits im Monate Juni. Sehr erschwerend auf Bodenkultur wirkt jedoch der Umstand ein, dass die Ufer des Flusses in Ober-Egypten eine solche Höhe haben, dass nicht, wie in Unter-Egypten, eine Überschwemmung un- mittelbar vom Flusse aus erzielt werden kann. Alle Bewäs- serung, wenige Landstriche in den grössten Ausweitungen des Nilthaies ausgenommen, muss daher künstlich geschehen. Kanäle müssen die segenspendenden Fluthen dem vom Flusse entfernter liegenden Kulturboden zuführen und zahllose Wasserzüge das Wasser auf die Felder heben. Dass einst, als Egypten ein gut organisirter Staat war, als eine auf weise Prinzipien gestüzte Verwaltung die Interessen des Lan- des kräftig ins Auge fasste, als ein Netz von Kanälen das reiche Land bedeckte und es die Kornkammer der Welt war, die künstliche Bewässerung in einem ganz andern Massstabe geschah, als in späterer und in neuester Zeit, wo die durch- dachtesten und segenvollsten Institutionen der Alten iu der Unwissenheit und Barbarei der türkischen Verwaltung und in den Träumen 3Iehemed-Ali's zu Grunde gingen , ist wohl nicht zu läugnen. Durch den Umstand, dass Ober-Egyp- ten der Überschwemmung des Flusses nicht unmittelbar 268 ausgesezt ist und die Bewässerung- auf künstlichem Wege stattfinden muss, diese aber in dem von Menschen ^ntbiös- ten Lande nur sehr unvollkommen geschieht, kommt es, dass dieses einst blühende Land dem Auge heute nichts darbietet , als einen schmalen Streifen Kulturland im bren- nenden Sande der Wüste. Die Wirkungen des grellen Sonnenlichtes auf den er- hizten Boden der Wüste bedingen fast täglich das Erschei- nen der Luftspiegelbilder, die sich übrigens ganz so verhal- ten, wie ich bereits im 1. Bande und in Bezug auf ünter- Egypten dargethan habe. 3) Hie pliysiog^iiomisclien und g-eolog:isc]ieu Verliältnisse von Ober-]t;g:ypteu. (ireog^iiostisclter Typus des g-anzen liandes. Egypten zerfallt, wie schon im 1. Bande dieses Werkes gezeigt wurde, sowohl seiner Terrainbildung nach, als auch g;eniäss der von den Landeseinwohnern und der bestehenden Regierung angenommenen politischen Eintheilung, in zwei Haupttheile, nämlich in Unter- und in Ober-Egypten. Unter ersterm begreift man das Land der Küste und das zwischen den beiden Nilarmen liegende und vom Nile geschaffene Delta; unter Ober-Egypten hingegen das Gebiet des Nils von Kairo bis nach Assuan an der Gränze Nubiens, von 30^ 2' 4" bis 24^ 8' 6" nördlicher Breite, also in einer Ausdehnung von nahe 6 Breitegraden, welche der mächtige Strom in einer Länge von ungefähr 120 geogr. Meilen * aus Süd in Nord durchfiiesst. Östlich vom Flusse wird Ober-Egypten vom rothen Meere begränzt, dessen Küste den Strom fast parallel und in einer mittlem Entfernung von 5 Tagreisen, oder beiläufig 26 geogr. Meilen, vom Dschebel Otabi, der östlichen Fortsetzung des Gebirges der Katarakten von Siene, bis nach Sues be- gleitet. Gegen West sind die Gränzen unbestimmt, sie ver- lieren sich, physisch betrachtet, im unermesslichen Sand- oceane der libyschen Wüste und reichen politisch so weit, so weit sich die Arme des Herrschers von Egypten einerseits, die der Regentschaft von Tripolis andrerseits ausstrecken und * 15 ^ 1 Grad fies Äquators. 209 in so ferne sich tlie Bewohner der zwischenliegenden Oasen die eine oder andere Oberherrschaft gefallen lassen. Da jedoch die Oasen : Chardscheh , Dachel, Farafreh nnd Baclia- rieh direkt zu Egypten gehören und von dort aus regiert werden, die grosse Oase Siwah * aber seit dem J. 1S20 an Mehemed-äli tributär ist, so nimmt man für Egypten jene Bergkette als westliche Gränze gegen die libysche Wüste an, welche den Oasenzug von der grossen libyschen Wüste trennt, und somit erstreckt sich Egypten bezüglich seiner Aus- dehnung, der geogr. Länge nach, vom 22. Grad bis ungefähr 34. Grad östlicher Länge von Paris. Da die physiognomischen und geologischen Verhältnisse von Ünter-Egypten bereits im 1, Bande dieses Werkes um- ständlich dargestellt wurden, so beschränke ich mich hier nur auf Ober-Egypten. Seiner Struktur nach zerfällt Ober- Egypten in drei Elemente, und zwar in das Nilthal, in die arabische Wüste östlich des Stroms und in die libysche Wüste westlich desselben. Der Totaleindruck, den Ober- Egypten im Ganzen macht, ist höchst einfach : Wüste mit Bergen rechts und Wüste mit Bergen links, in der Mitte ein Strom des ersten Ranges und an seinen beiden Ufern zwei grüne Streifen Kulturland. Betrachten wir Ober-Egypten sammt den dazu gehörenden beiden Wüsten zur Seite, in- soweit dieselben egyptischer Herrschaft unterstehen, ihrer Form nach, so haben wir eine Trapezfläche vor uns von un- gefähr 7110 geogr. DMeilen area. Betrachten wir ferner, dass die Oberfläche des kulturfähigen Landes in Ober-Egyp- ten, insoweit dasselbe als wirklicher Grundbesitz des Vizekönigs betrachtet wird, 3,214,000 Feddans beträgt, folglich um 586,000 Feddans weniger, als Unter-Egypten besizt, und berücksich- tigen wir, dass von jenen 3,214,000 Feddans nur 1,607,226 Feddans wirklich kultivirt sind**, beinahe eben so viel aber, nämlich 1,606,774 Feddans, ohne Kultur liegen, so sehen wir welch einen kleinen Theil des ganzen Terrains das heu- tige Kulturland bildet. Wenn man zu jenen 3,214,000 Fed- dans noch das Kulturland der grossen Oasen rechnet und Oase des Jupiter Anioti. "* CLOT-Bey, Apergu general etc. II. 203, 270 iiberhaupt jene Area mit in Anschlag bringt, welche kiilti- virbar ist, ohne gerade im engen Sinne des Worts Grnnd- eigenthnm des Vizekönigs zu seyn, so dürften wir der Wahr- keit ziemHch nahe kommen , wenn wir die ganze Kulturfläche Ober-Egyptens zu 4 Millionen Feddans = oder zu 10,33:» Mil- lionen D Meter annehmen. Diese = 297 geogr. D Meilen gesezt, ergibt sich das Resultat, dass die ganze kultur- fähige Fläche von Ober-Egypten nur Jy oder 0,04 der gesammten Landesoberfläche beträgt. Alles Übrige ist un- wirthbare Wüste. Das Nilthal , gebildet durch die arabische Bergkette am rechten und durch die libysche am linken Ufer, welch beide wie zwei mächtige Wälle den ]\il aus Süd in Nord begleiten, hat eine sehr verschiedene Breite, indem sowohl die eine wie die andere dieser Ketten sich bald dem Strome nähert, bald sich wieder im weiten Bogen zurückzieht. Die grösste Breite hat das Nilthal zwischen Minieh und Beni-Suef , wo dieselbe nahe an 4 geogr. Meilen beträgt; am schmälsten aber ist dasselbe am Dschebel Selseleh, wo der Nil sich durch einen Strompass durchzwingt, der nicht breiter als 300 Schritte ist. Im Durchschnitte kann man eine Thalbreite von 1 bis 2 Meilen annehmen. Das libysche Gebirge mit dem linken Uferlande verflächt sich viel sanfter gegen den Fluss hin, als das arabische Gebirge. Es wirkt daher auf die Stromrichtung wie ein Talus und wirft dadurch den An- drang des Wassers ganz auf die arabische Seite. Daher kommt es, dass in ganz Ober-Egypten das rechte Ufer so stark angegriffen wird, dass das libysche Gebirge meist ein ebenes Uferland von beträchtlicher Breite vor sich hat, wäh- rend das arabische Gebirge sich häufig mit senkrechten Fels- wänden dicht am Ufer erhebt, höher erscheint als das liby- sche Gebirge und der Nil nur an wenigen Stellen mitten im Thale fliesst. Sowohl in seiner Breite als in Bezug der Anzahl und Grösse von Inseln zeigt sich der Nil in Egypten nicht von jener Mächtigkeit, die er z. B. im südlichen Nu- bien erreicht, und er ist dem Ansehen nach weniger gross dort , wo er dem Meere näher ist , als entfernter davon im * 1 Feddan = 4083,3 DMeter. 1 geogr. Meile = 7420 Meter. 271 Innern des Landes. Diese merkwürdige Erscheinung dürfte vorzüglich darin begiündet seyn , dass dieser Strom von der Mündung des Atbara an, in IT** 38' nördl. Breite, bis zu seiner eigenen Älündung im Mitteimeere, in 31" 25' nördl. Breite, also in einer Strecke von beinahe 14 Breitegraden keinen Seitenfluss mehr aufnimmt, folglich auf diesem langen Wege durch die, dem heissen Klima gemäss, sehr starke Verdunstung, viel an Wassermenge verliert. Ausserdem wird dem Strome in Egypten ein grosses Wasserquantum durch Kultur entzogen, indem allein die Kanäle, welche dasselbe nach verschiedenen Richtungen ins Innere vertheilen, eine Wasser- masse von nahe 100 Millionen Kubik-Meter fassen. Ein grosser Theil des Stromwassers versiegt ferner und bildet die Grund- wasser der Oasen, so dass die allmälige Verminderung der Wassemasse des Nils bei seiner Annäherung zum Meere als eine ganz natürliche Folge sich darstellt. Die Breite des Stroms in Ober- Egypten dürfte nirgends über 1500 Klafter be- tragen und die Area aller seiner Inseln im Bereiche jenes Landes ist ungefähr gleich 20 geogr. DMeilen. Das INilthal hat ein sehr sanftes Ansteigen und der Fluss daher ein sehr kleines Gefälle, so dass er bis dicht an die Katarakte von Assuan nirgends als Kraftwasser für Maschinen benüzt werden kann. Der Höhenunterschied zwischen Kairo und Assuan beträgt nicht mehr als 282 Paris. Fuss, und ver- theilt man diesen auf die Länge des Stroms zwischen beiden genannten Punkten pr. 120 geogr. Meilen, so berechnet sich für jede geogr. Meile im Durchschnitte ein Gefäll von 2,35 Paris. Fuss. Stellt man hingegen die Meereshöhe von As- suan = 342 Paris. Fuss, der ganzen Stromlänge pr. 150 geogr. Meilen von Assuan bis zu den INilmündungen gegen- über, so berechnet sich für jede geogr. Meile ein Strom- gefälle von 2,28 Paris. Fuss. Der Boden des JNilthals be- steht theils aus Nilschlamra, über dessen Natur ich schon im 1. Bande dieses Werkes sprach, theils aus dem Sande der Wüste , entstanden durch die Verwitterung der anliegen- den Gebirge und stellenweise in dünenartigen Hügeln durch die Winde der Wüste aufgehäuft. In den Bergen der arabischen Kette liegt mehr Ausdruck 272 der Form als in denen der libyschen. Leztere bilden einen langgezogenen Rücken nnd erheben sich einförmig wie eine Maner , nur an wenigen Orten zu Kuppen und Spitzen von schärfern Umrissen emporsteigend. Die libyschen Berge, kahl und von aller Vegetation entblösst wie die arabischen, bilden den Rand eines grossen Wüstenplateaus, welches öst- lich gegen den Nil, westlich gegen die Oasen zu abfällt. Wenige Seitenthäler von Bedeutung durchsetzen dieses Ge- birge rechtvvinklicht auf die Richtung des Nilthals, w^ohl aber liegt jenseits seines westlichen Abfalls ein grosses Längen- thal , welches aus Süd in Nord mit mannigfachen Krümmungen durch ganz Egypten sich hinzieht und welchem Längenthale die sämmtlichen Oasen und das Bassin von Fajum angehören. Das arabische Gebirge lässt häufig eine sehr pittoreske Ge- staltung seiner Formen wahrnehmen. Scharfe Spitzen, senk- recht gegen den Nil zu abfallende und desswegen so hoch erscheinende Felswände, v/\\de tiefe ßergschluchten, phan- tastisch gebogene und gekrümmte Schichten , verbunden mit der äussersten Nacktheit, geben ihm neben dem Grün der Saaten im Nilthale eine ganz eigenthümliche Schönheit und einen in Mondbeleuchtung fast zauberhaften Anstrich. Das arabische Gebirge bildet nicht, wie das libysche, den Rand eines Plateaus, sondern es erhebt sich wie ein steiler Kamm, vor sich das Nilthal , hinter sich tiefe Längen- und öuerthäler zwischen einem Chaos von Bergen , die es von dem Küstengebirgssysteme des rothen Meeres trennen. Einige Seitenthäler durchsetzen dieses Gebirge rechtwinklicht auf das Stromthal des Nil, unter welchen von besonderer Be- deutung natürlich jene sind, die vom Hauptthale bis fast zur Küste des rothen Meeres die ganze arabische Wüste der Breite nach durchschneiden, z. B. das Waddi el Tyh, oder das Thal der Verirrung, bei Kairo, ferner das Thal, wel- ches sich von Kenne nach Kosseir zieht, und jenes, welches von Edfu gegenüber sich in der Richtung- nach dem alten Berenice erstreckt. Beide Gebirgszüge vereinen sich in Süd mit dem Hauptgebirgsstocke der Katarakten, der Egypten von Nubien trennt, und der unmittelbar mit dem Gebirgs- systeme der Küste des rothen Meeres zusammenhängt. Von 27;j da ziehen sie sich längs dein Fhisse und parallel mit dem- selben aus Süd in Nord bis in die Gegend von Kairo, Dicht an der Hauptstadt bildet der Mokattani das nörd- lichste Vorgebirge des arabischen Zuges am Rande der gros- sen Ebenen von Ünter-Egypten, die das Gebirgssystem des östlichen üferlandes scharf abschneiden. Der libysche Berg- zug hingegen wendet sich bei Daschur und Sakarah nord- westlich gegen die Natronseen, verliert sich im Hügellande des libyschen Wüstenplateaus und endet mit dessen Abfalle gegen die Küste. Das arabische Gebirge zeigt im Ganzen keine beträchtlichere Höhe als das libysche und man kann für beide eine durchschnittliche Erhebung über das Nilthal von 600 Paris. Fuss annehmen. Beide Gebirgszüge nehmen gegen Süden an Höhe zu. Am Dschebel Umbarrah Ond am Kloster Embagsag steigt das arabische Gebirge zu Höhen von 700 bis 800 Fuss über das Strombett an und nahe die- selbe Erhebung dürfte auch das libysche Gebirge am Dsche- bel Makraun und mehreren andern Punkten erreichen. Süd- lich von Kenne werden die Berge beider Ketten niederer, erheben sich aber wieder bei Theben, und zwar steigt das libysche Gebirge sowohl als das arabische, meiner Schätzung nach, daselbst zu 1000 Paris. Fuss über das Nil- thal empor. Von Theben an sinkt die Höhe beider Gebirgszüge wieder bedeutend herab und zwar die des arabisclien mehr als die des libyschen. Sie bilden in der Nähe der Katarak- ten nur mehr ein niederes Hügelland von kaum 200 Fuss Höhe, und erst an den Katarakten selbst erheben sie sich wieder, das libysche mehr als das arabische, zu einer be- trächtlichem Höhe. Die Berge der arabischen Wüste neh- men an Höhe gegen das rothe Meer hin zu und werden in der Nähe der Küste am höchsten. Die Berge der libysclien Kette hingegen nehmen gegen Westen hin ab, und verlieren sich endlich in den hügeligen Ebenen der grossen libyschen Wi'iste *. Auch darin sehen wir also wieder einen Beweis für die doppelte Neigung des Terrains im nordöstlichen Afrika, nämlich die Neigung von Süd nach Nord und die von Ost nach "^^ Man sclie meine gcognostisrhe Karte von Eoypten. Russegger. Kcisrii. II. Uw jiyjji,! ggjje jjj^g zunächst vorhergegangene Kapitel und Cailliaup Voyage & Meroe etc. 4 Vol. 279 Diesem Thale gehören die Oasen der libyschen Wüste an ihrem Ost- und Nordrande an, wie ein Blick auf die Karte lehrt. Jenseits der Berg- und Hügelkette, welche die West- und Südgränze dieses Thaies oder des Oasen- zuges bilden , liegt die grosse Sandebene der libyschen Wüste, die mit der weiter westlich liegenden Sahara einer und derselben Bildnngsperiode angehört. Beide Wüsten bilden eine grosse, nur wenig über das Meer sich erhebende oder in gleichem Niveau mit demselben liegende Sandfläche, welche the^s von isolirten , inselartig sich erhebenden Berg- gruppen durchbrochen ist , theils mehrere bassinartige Ver- tiefungen enthält, die aus denselben Gründen, wie die egyp- tischen Oasen, einen kulturfähigen Boden darstellen und von sesshaften Völkern bewohnt werden, so z. B. Fessan und die übrigen zwischen Fessan und Mittelsudan liegen- den Kulturländer, welche die libysche Wüste von der Sahära trennen. W enn wir diesen physiognomischen Habitus des grossen libyschen Beckens genau in's Auge fassen, und damit die geognostische Struktur, in so weit sie bekannt ist, in Ver- bindung bringen, so sehen wir, dass nicht nur dieses Becken, sondern das ganze Bassin von Nordafrika noch zur Zeit der jüngsten Tertiär- und altern Diluvialablagerungen Mee- resgrund war. Das Meer erfüllte die grosse Bucht zwischen dem Küstengebirgssysteme des rotlien Meeres und dem der afrikanischen Westküste, der Atlas lag als Insel am Eingange. Die Längenausdehnung dieser Bucht hatte die Richtung aus SO, in NW. Die Küsten hoben sich, oder das Meer zog sich zurück, das libysche Plateau trat her- vor, das Savannenland des Innern von Afrika, höher lie- gend, war schon sichtbar und bildete bereits die Vorebene, das Küstenland des äthiopischen Hochlandes, so wie der innere Abfall des libyschen Wüstenplateaus die Küste der grossen Meeresbucht an ihrer Ost- und Nordseite bildete und selbe vom Mittelmeere trennte, wie heut zu Tage die Felsenriffe der egyptischen Küste z. B. den See Mareotis vom Mittelmeer trennen. Noch ergossen sich die grossen 280 Stiönie von Sudan direkt in die nordafiikanische Bucht, Riffe zogen sich stellenweise längs den Küsten hin und zwischen ihnen und den steil ansteigenden Ufern hewegte sich in der Bucht eine starke Strömung , die dasselbe bewirkte, was wir an so vielen Küsten sehen, dass näm- lich innerhalb der Riffe bedeutend tieferes Meer ist , als gleich ausserhalb derselben , folglich die Depression des Meeresbodens dicht an der Küste grösser ist , als weiter davon entfernt. Diese Wirkung sprach sich, mechanischen Grundsätzen zufolge, an den steilen Küsten des libyschen Wüstenplateaus stärker aus, als an der sanft geneigten Küste des innerafrikanischen Hochlandes , nämlich jenes Theils von Central-x\frika, wo sich die beiden grossen Küsten- gebirgssysteme dieses Welttheils einander nähern. Daher kam es aber auch, dass sich längs dem westlichen und südlichen Abfalle des libyschen Wüstenplateaus submarinisch ein Thal bildete, welches mit dem des heutigen Oasenzuges ein und dasselbe ist. Meiner Ansicht nach sehen wir also in dem westlichen und südlichen Abfalle des libyschen Wi'i- stenplateaus die alte Meeresküste der libyschen Bucht, in den Vorbergen an der West- und Südseite der Oasen die Riffe, Avelche diese Küste begleiteten, und im Oasenzuge selbst das alte submarinische Strömungsthal, Die fortdauernde Erhebung der Küste , oder respective Zurücktretung des Meeres, trennte endlich die nordafrika- nische Meeresbucht auch vom atlantischen Oceane und es entstand ein grosses Binnenmeer, analog dem kaspischen, welches das ganze Innere von Nord - Afrika erfüllte. Die Strömungen hörten auf, die Alluvionen der grossen süd- lichen Flüsse, die fortdauernde Erhebung des Bodens und die starke Verdunstung der grossen Wässeifläche , unter der Einwirkung einer tropischen Sonne, legten endlich die- ses Meer trocken. Der iNil, entstanden durch die Vereini- gung des blauen mit dem weissen Flusse , versperrte sich bei Verminderung des Gefälles den anfänglich nordwest- lich gerichteten Weg in den Binnensee durch seine eige- nen Alluvionen und wendete sich nordwärts, zu welcher 281 RicIjtiin'^sveräiHlerung- die, wie wir sehen werden, entschieden sehr späte Erhebnng des vnlkanisciien Gebirf;sstockes in der Bahiiidawi'iste wesentlich beigetraoen haben mag. Zu obigen Austrocknnngselemcnten kam daher auch noch eine Ver- minderung des Zuflusses, und von dem ehemaligen Binnen- meere blieb endlich nichts als trockener Wüstenboden und als Rest der Wassermasse der Tschaadsee. Dieser erfüllt noch heut zu Tage die wahrscheinlich tiefste Niederung des nordafrikanischen Beckens, und eine hypsometrische Ausmittlung seiner Lage wäre daher in wissenschaftlicher Beziehung von höchstem Interesse. Sehr wahrscheinlich ist der See mit seiner Umgebung eine bedeutende Depression des Bodens unter die Meeresfläche. Er hat starken Zufluss durch mehrere Ströme, die in ihn münden, und doch keinen Abfluss. Wie am todten Meere in Syrien und am kaspischen Meere hält daher die Verdunstung seiner an 700 geogra- phischen DMeilen umfassenden Wasserfläche dem Zuflüsse das Gleichgewicht, ja übertriff"t ihn sogar, indem Major Den- HAM die fortdauernde Verminderung des Wasserstandes des Tschaadsees durch positive Beobachtungen dargethan hat*. Als der Nil seinen nördlichen Lauf durch das Berber- land begonnen hatte, fand er diesseits des 19. Breite- grades an den Granit- und Porphyrzügen der grossen nubi- schen Wüste arabischer Seits sehr bald ein Hinderniss, das er nicht überwinden konnte; er folgte daher der bereits erwähnten ostvvestlichen Neigung des Bodens und nahm eine südwestliche Richtung, indem er wieder bis zum 18. Grad der Breite zurückfloss. Dieser Moment scheint für den Stromlauf des Nils ein höchst wichtiger gewesen zu seyn, denn damals scheint er das, einen Seitenarm des Oasenzuges bildende und westlich des jetzigen Nillaufes liegende Waddi Kap in Dongola angetroffen und längs dem- selben und der Fortsetzung des Oasenzuges seinen Lauf durch die libysche Wüste bis zum Mittelmeere verfolgt zu haben. Man findet längs des ganzen Oasenznges noch an mehreren '' Denham, Clapperton and Oudney narrative of travels and dis- tovcries in Northciii and Central- AfVikd. London, 1826. 282 Stellen unverkennbare Beweise des Laufes eines grossen Stromes auf der Westseite des libyschen Wüstenplateaus, Beweise, die zwar auf die ursprüngliche Bildung des Oasen- thales keinen Bezug- nehmen, welche aber die Annahme der alten Geographen von einem grossen libyschen Strome recht- fertigen dürften. Doch auch diesen Weg versperrte sich später der Strom durch seine AUuvionen und er wählte jenen Lauf, der ihm das gleichförmigere Gefälle darbot, nämlich den jetzigen, gerade nach Norden gerichteten, der östlich des libyschen Wüstenplateaus liegt und durch den er sich das heutige Nilthal in seiner gegenwärtigen Form konstruirte, oder vielmehr umstaltete; denn sehr wahrscheinlich war einst unser heutiges Nilthal auch ein submarinisches Strö- mungsthal und das arabische Gebirge einst der Küstenrand, wie später bei fortdauerndem Zurückziehen des Meeres das libysche Wüstenplateau denselben bildete. Dafür spricht ganz entschieden die Terrassenform der jüngeren Felsablagerungen in Egypten und das Konstante in der Richtung dieser Ter- rassen. Die weiter nördlich in Egypten sich vorfindenden unverkennbaren Merkmale eines Stromlaufes im Bacher bela Maa , von Fajum bis in die Gegend der Natronseen, bewei- sen , dass einst in dieser Richtung ein Theil des grossen Stromes in Unter-Egypten abfloss, der westlich von den Natronseen in dem alten Flussthale des libyschen Stromes oder in dem Thale des Oasenzuges mündete und durch die- ses zum Mittelmeere gelangte. Ich glaube jedoch, dass der Strom diese Richtung sich keineswegs selbst gab, sondern dass sie ihm durch jene riesenhaften Wasserbauunterueh- mungen künstlich gegeben wurde, welche die alten Egypter in dem Bassin von Fajum , ebenfalls ein Seitenarm des Oasen- zuges , einst vorgenommen hatten. Der Verfall dieser Baue und die Versandungen des Flussbettes durch den Fluss selbst legten den Bacher bela Maa wieder trocken und zv^angen die ganze Wassermasse , in das gegenwärtige Strombett und in das seiner Kanäle zurückzukehren *. * Man sehe liieriiber den 1. Band und den ersten Abschnitt des 2. Bandes dieses Werkes. 283 Da nun dem Gesagten zufolge der ganze Oasensug eine Depression des Bodens und zum Theil sogar unter die Mee- resfläclie bildet, indem die bisher statt gefundene Erhebung des Koutineiites von Afrika noch nicht weit genug vorschritt, um jenes Thal ahsolut in ein höheres Niveau zu bringen, dasselbe aber relativ immer niederer bleibt, als das nahe Strombett des Nils, welches, wenn die Hebung noch fort- dauern sollte, sich wenigstens in demselben Masse heben dürfte, so sehen wir daraus, dass der Oasenzug eine Reihe natürlicher Bassins bildet, in welchem sich nicht nur die atmosphärischen Niederschläge, sondern auch alle von dem nahen Nile zusitzenden Grundwasser ansammeln und in den Orten, wo es ihnen die Lokalverhältnisse möglich machen, als Quellen hervortreten , d. h. die ihrem Empordringen durch hydrostatischen Druck mechanisch sich entgegenstel- lenden Hindernisse, als Reibung, Gegendruck der ßoden- decke u. s. w. , überwinden. Wo Wasser ist, ist Leben. Ein für heisse Klimate steheuder Grundsatz. Daher sehen wir in den Oasen vegetabiles Leben , zwar nicht in tropi- sche Fülle ausgesprochen, aber doch immer in einem solchen Grade entwickelt, dass jene Reihe beckenartiger Vertiefungen im grossen Sandoceane von den Alten mit Recht als die Inseln der Glücklichen bezeichnet wurden. Wer vou der göttlichen Erhabenheit der Natur in den Alpen durchdrungen, wer entzückt von der bizarren Pracht tropi- scher Urwälder plötzlich in die Oasen versezt würde , den würden allerdings die nackten Palmen und die einförmigen Saaten wenig entzücken, wer aber aus dem glühenden Sande der Wüste weg die Oase betritt, dem ist sie ein Paradies, den begeistert ihre Pracht. W^o in dem Oasenzuge auch immer gegraben werden mag, findet sich W^asser, folglich das Mittel zur Kultur, die auch mehr oder weniger alle diese Brunnen umgibt. In den tiefsten Niederungen treten die Grundwasser als Quel- len und Bäche hervor, und zwar nach den Lokalverhältnis- sen der Schichten , die sie durchdringen , als salziges oder süsses Wasser, und nach den mechanischen Hindernissen, 2S4 die sie auf ihrem Wege zu übeiwiuden haben . nach der In- tensität, Art und Weise chemischer Reaktionen, die sie auf diesem Wege einleiten oder erleiden, als Thermal- und Mineral- oder als gewöhnliche Quellen. Wo die Grundwasser in solcher Menge hervortreten, entwickelt sich natürlich das Kulturland in einem viel grösse- ren Massstabe. Der Mensch siedelte sich an , Dörfer und Städte beleben die Oasenthäler , die Trümmer alter Pracht- gebäude der Egypter , Griechen und Römer zeigen , dass auch hieher die Kunst ihren Weg fand, alle Getreide-, Ge- müse- und Obstgattungen Egyptens gedeihen, Gruppen von Falmeji , Mimosen , Sikomoren , Orangen , Feigen und derlei Bäume geben den Gärten , dem Lande ein gefälliges Ansehen und ein um so mehr eigenthümliches , da rings umher der Tod der Wüste lauert. Die Alten vvussten das Streben der Grundwasser, durch den hydrostatischen Druck emporzusteigen , treftlich zu be- nützen. So finden sich in der Oase Waddi el Bacherieh oder Waddi el Gablieh die Reste grosser Wasserleitungen und artesischer Brunnen. Jene Oasen, welche dem Theile des Oasenzuges ange- hören, der sich von der Gränze der Bahiuda längs dem Nile und in einer mittleren Entfernung von vier bis fünf Tagereisen parallel dem Strome aus Süd in INord hinzieht, em- pfangen ihre Bewässerung fast ausschliesslich durch Infiltra- tion der Grundwasser vom Nile her, indem die Masse der atmosphärischen Niederschläge daselbst sehr geringe ist. Die Grundwasser sitzen vom Nile ab und senken sich der sanften Neigung der Gesteinsschichten des libyschen Gebirges nach in West, durch Thonstraten an ihrem weiteren Versitzen gehindert, und da die Gesteinschichten im Thaleinschnitte des Oasenzuges horizontal liegen, die Thalsohle daselbst aber entschieden tiefer liegt als das Strombett des Nils, so wird das freie Hervorbrechen der Quellen und die Leichtigkeit ihrer Erbauung durch artesische Brunnen * nur um so * Dass die Alten wiiklicli artesische Brunnen in den Oasen be- sessen haben, iind zwar solche von sehr bedeutender Tiefe, und dass aus 285 einleuchtender. Jene Oasen hingegen, welche dem nördlichen Theile des Oasenzuges angehören , der das Küstenland von Word-Afrika von den grossen Wi'isten des Innern trennt, un- terliegen dem Klima des Ki'jstenlandes und haben also die starken Winterregen, die daselbst lierrschen. llire Bewäs- serung geschieht daher mehr durch die Aufsammlung der grossen TMasse atmosphärischer Niederschläge in ihren bas- sinartigen Vertiefungen, als durch die Infiltration und das Emporsteigen von Grundwassern. Ein ähnlicher Umstand fin- det bei den si'idlichen Oasen statt, welche an den Gränzen von Darfur und ßorgu liegen und den Einwirkungen der tro- pischen Regen ausgesezt sind. Die in Meereshöhen von nahe 1000 Pariser Fuss und auch darüber liegenden Vorebenen des äthiopischen Hoch- landes, die Länder Borgu , Darfur und Kordofan, so wie jene Länder, welche sich im Süden vom Tschaadsee gegen die atlantische* Küste hin erstrecken, können durchaus nicht, wie man in sehr vielen geographischen Werken noch findet, als Oasen bezeichnet werden , da sie mit denselben nichts gemein haben. Diese Länder liegen bereits ganz ausser dem Bereiche der Wüsten und ihre Ebenen sind keine Sand- flächen, sondern ein wahres Savannenland, welches in der Zeit der tropischen liegen eine üppige Vegetationsfülle ent- wickelt, in der trockenen Jahreszeit aber dort, wo Quellen und Flüsse mangeln , dürre liegt. Sie bilden keine Depres- sionen der Erdoberfläche, wenige derselben haben eine bas- sinartige Form, und wo sie statt findet, ist sie nur ganz lokal und von keiner weiteren Ausdehnung, am wenigsten von einem Zusammenhange mit dem Oasenzuge, sie umschliessen den innersten Theil der grossen alten Meeresbucht und waren ihrer höheren Lage gemäss schon lange trocken gelegt, als die Berge des Oasenzuges grösstentheils noch hoch mit diesen die Grundwasser reiclilich zu Tage traten, darüber finden sich Naihweisungen des Olympiodor in der „Bibliothek des Photius" von Bkkker. Berlin 1825. S. 61. In der geographischen Lange des Tschaadsees reicht die aUe nordafrikanische Meeresbucht am tiefsten in das Innere des Kontinentes. 286 Meer bedeckt waren. Diese Savanneiiebenen sind der Nord- rand des äthiopischen Hochlandes, einst die flache Siidkiiste des grossen nordafrikanischen Meerbusens, sie sind der Be- ginn des öuellenlandes der innerafrikanischen grossen Stiöme, das sanft nach Süden ansteigt, den höchsten Rücken des Kontinentes bildet und in seiner südlichen Fortsetzung mit dein steilen Abfalle der Gebirgssysteme der Ost- und West- küste endet, die sich der Südspitze von Afrika nahe mehr und mehr vereinen. Dieser Rücken, als höchster Wasser- theiler des afrikanischen Hochlandes, bildet, wie wir aus dem Überblicke über ganz Afrika sehen werden , ein Pla- teau, das nördlich vom Äequator aus NW. in SO. , südlich desselben aber aus N. in S. sich erstreckt, wahrscheinlich der zuerst trocken gelegte Theil von Afrika war, den Grund- typus zur Bildung dieses Welttheils gab, und nach allen Seiten hin abfällt. Daher eilen seine Flüsse entweder dem Fluss- systeme des Nigers , oder dem des Tschaadsees , oder dem des Nils, oder endlich dem der Südost- und Südwestküste zu. Wenn wir wieder zu dem Oasenzuge der libyschen Wüste zurückkehren und diesen aus Süd in Nord verfolgen, so treffen wir auf eine grosse Anzahl von Oasen, kleinere und grössere, welche alle in dieser Linie liegen und so den Lauf der alten Meeresküste Schritt vor Schritt bezeichnen. Alle diese Oasen sind unter sich durch Wüsten getrennt , Erhebungen des Bodens, die die Depressionen desselben unterbrechen, ohne ihre Richtung zu verändern. Unter den grossen Oasen der libyschen Wüste sind die bedeutendsten in Nubien die Oasen: Waddi Kapp, Selima und Kurkur, alle drei unbe- wohnt und nur einen Theil des Jahres hindurch von Wan- derstämmen als Weideplatz benüzt. Weit bedeutender sowohl durch ihre Grösse als durch ihre Anzahl und dadurch, dass sie seit ältesten Zeiten be- wohnt sind und der Geist alter Kunst und alter Bildung sich einst über sie verbreitete, sind die Oasen von Ober- Egypten. Sie sind, diesem Lande innerhalb der gegebenen Begränzung angehörend , ausschliesslich der Gegenstand unserer gegenwärtigen Betrachtung. Die bedeutendsten 287 der libyschen Oasen in Ober- Egypten sind aus Süd in Nord: Chardscheh , Dachel , Farafreh, Bacberieh, Fajum und Siwab. Die Aveiter östlicb liegenden Oasen: A-Udsche- läb , Maradeh u. s. w. geboren nicbt mebr in das Bereich egyptiscber Herrschaft , folglich auch nicbt in die vorlie- gende Abhandlung. - W^enn man die Barometerbeobacbtungen Cailliauds, die er bei seiner Bereisnng der Oasen machte, mit denen, die ich in Alexandria, Kairo und entlang" dem Nilthale anstellte, in Rechnung- bringt, so bekommt man nachstehendes hyp- sometrisches Tableau des ganzen oberegyptischen Oasen- zuges, Avelches zwar, da man mit keinen gleichzeitigen Beobachtungen zu thun hat, sondern nur durchschnittliche Mittel in Rechnung nehmen kann , kein streng genaues Re- sultat gibt, aber immerhin ein solches, das uns ein klares Bild des Gegenstandes verschaflFt und die Wahrheit meiner so eben allgemein hingestellten Ansicht auf eine hinlänglich genügende Art darthut. Erhellung über dem Niveau des Mittel- meeres. Depression unter das Niveau des Mittel- meeres. In ungefähr derselben Breiten- Parallele liegt der Nil höher um : P a r i s e r Fi l s s. Niederungen der Oase Shvah . . Niederungen des Oasenziiges zwischen Siwah und Waddi el Bacherieh; oder die kleinen „Oasen ßacherein" . Niederung von Fajum Niederung der Oase Waddi el Bache- rieh 109 103 170 320 92 156 11 150 251 80 40 Niederung der Oase Farafreh . . Niederung der Oase el Dachel . . Niederung der Oase el Chardscheh . 97 100 20 Beim üeberblicke dieser Daten drängen sich uns ver- schiftdene Beti*achtungen auf, die für die Terraingestaltung von grosser Wichtigkeit sind. So sehen wir, dass die grösste Depression des Bodens gerade dahin fällt, wo der Oasen- 288 ziio* Hie Wendung ans seiner siulnördlichen Richtung- in die ostn estliche macht, also gerade dahin, wo die einstige Meeresströmung eben dieser Wendung der Ki'iste wegen den stärksten Angriff machen musste und also auch auf Bodengestaltung den stärksten Impuls ausübte. Wir sehen ferner, dass der Nil von der Gränze INubiens oder der Brei- ten-Parallele von Assuan auf seinem gegenwärtigen Laufe nicht nur eine kürzere Strecke, sondern auch mehr Gefälle einbringt , als wenn er seinen Lauf längs dem Oasenzuge verfolgen würde. Daher erscheint die Wahl seines gegen- wärtigen Weges zum Mittelmeer, der Theorie der Bewegung des Wassers in Flussbetten zufolge, als eine höchst natür- liche und nothwendige. Wir sehen aber auch, dass eine temporäre Ableitung des Stromes in das Bassin von Lybien und durch dasselbe zum Mittelmeere mittelst eines drei bis vier Tagereisen langen Kanals in dem Falle keine physische Unmöglichkeit wäre, wenn das gegenwärtige Strombett durch einen Damm geschlossen würde, dessen Höhe mehr betrüge als die Gefälldifferenz der beiden Stromrichtnngen, eine Arbeit, wegen deren wirklichen Ausführung Egypten nicht zittern darf. Der Oasenzug hat, wie man aus obiger Tabelle entnimmt, eine Hanptneigung ^egen Korden, die aber kei- neswegs eine gleichförmige ist, sondern mehr eine wellen- förmige. Auch die zweite Hanptneigung von Nordost-Afrika, nämlich die aus Ost in West, spricht sich in den hypso- metrischen Verhältnissen des Oasenzuges klar aus. — Dass in den Oasen durch artesische Brunnen die günstigsten Re- sultate zu erwarten stünden , dass durch sie in diesen Nie- derungen des libyschen Sandmeeres ein Hauptelement zur höchsten Bodenkultur gegeben würde, daran kann kein Sach- verständiger zweifeln , und die Alten haben diess in der ganzen Bedeutung der Sache aufgefasst. Die Einwohnerzahl der Jupiterammonsoase oder Siwah mag gegenwärtig COOO betragen. Die bebauten Theile sind ein Palmengarten , und Mensch und Boden bieten viel Interes- santes dar , worüber ich , so wie über die Reste alter Kul- tur und alter Kunst, auf die in der Vorrede dieses Bandes 289 angegebenen Werke von Browne, Hornemann, Belzoni, Cail- LiAUD, MiNUTOLi, Ehrenberg, Scholz u. s. w. vei'weise. Fajum kennen wir bereits aus dem eisten Abschnitte dieses Bandes , S. 64 u. s. w. Die Oase Waddi el ßacherieh oder el Gablieh , auch die kleine Oase genannt, untersteht seit dem Jahre 1S13 der egyptischen ßotmässigkeit. 3Ian findet daselbst, ausser den bereits erwähnten Resten grosser VV^asserleitungen und artesischer Brunnen, Hyppogeen, Trümmer alter Städte, die eines Triumphbogens römischen Ursprungs u, dergl. Farafreh enthält die Reste eines alten Kastells und el Dachel, erst bekannt in der wissenschaftlichen Welt seit 1819, die Reste eines Tempels aus der Zeit der Imperatoren. Eine der wichtigsten Oasen durch ihre Grösse und ihre einstige Kultur ist Chardscheh. Sie ist zugleich die südlichste Oase in Ober-Egypten und erstreckt sich bis an die Gränze von Nubien, bis zur Breiten- Parallele von Assuan , und nimmt also ihrer Längenausdehnung nach einen Raum von li Breitegrad ein. Ihr Kulturland gehört einem Thale an, das an 12 Meilen lang und 2 bis 3 Meilen breit ist, meh- rere Städte und Dörfer enthält und 7000 bis 8000 Einwohner zählen soll. Auch im Alterthume hatte sie hohe Bedeutung. Man trifft in ihrem Bereiche, und zwar bei dem Hauptorte der Oase, bei Chardscheh selbst, die Reste mehrerer Tem- pel aus der Zeit der Ptolemäer und der Imperatoren , von denen der grösste bei 500 Fuss lang ist. In der Nähe die- ses Tempels befinden sich Tlypogeen. Aehnliche Tempel stehen südlich bei Kas.r el Waddi, bei Kasr es Sian, bei Dusch el Chala und nördlich von Chardscheh bei Ain el Mur. Ausserdem findet man an mehreren Stellen Reste römischer Schlösser, alter Städte und fast überall Spuren des Christenthums , das auf den Oasen allgemein verbreitet gewesen zu seyn scheint. Mehrere der Oasen enthalten Seen, mitunter von be- trächtlichem Umfange und meist salzigem Wasser. Eine mit der Depression ihres Bodens natürlich verbundene Er- scheinung. Vorzüglich zeichnet sich in dieser Beziehung Siwah durch die Anzahl seiner Seen, Fajum durch die Kussegger, Reisen. 11. Bd. 1. ThI. 19 290 Grösse seines Sees cMoeris oder Birket el Kanni , den wir schon kennen) und Baclirein durch die tiefe Depression sei- nes Sees unter das Niveau des Mittelmeeres aus. Durch die tiefe Lage dieser Seen bedingt sich bei ihnen dieselbe Erscheinung, wie am todten Meere, sie haben nämlich kei- nen Abfluss, sondern die Verdunstung hält dem Zuflüsse das Gleichgewicht. Das libysche Wüstenplateau hat in der Umgebung des Oasenzuges eine sehr verschiedene Erhöhung über die Mee- resfläche. So fand ich die östlichen Randgebirge desselben bei Siut sich zu 570 Pariser Fuss über das Strombett des Nils erheben, während einige Stunden westlicher Cailliaud diese Höhe nur gleich 372 Fuss fand. Lezterer bestimmte die Höhe der Berge, welche den Ostrand der Oase von Chardscheh bilden, zu 697, die des Wiistenplateaus bei Ain el Mur aber zu 1143 Pariser Fuss über die Fläche des Oasenthaies*. Der geognostische Typus der libyschen Wüste mit In- begriff des Oasenzuges ist dem des Nilthals ähnlich. Wir sehen am nördlichen Abfalle des libyschen Wüstenplateaus die Küstenformation von Ünter-Egypten , die wir bereits aus dem ersten Bande kennen. Weiter in das Innere herrschen * Umständliche Nachrichten über die Natur und die Bewohner der Oasen von Egypten, so wie über die Kunstreste, die sich daselbst finden , geben : Idelek, Abhandlung über die Oasen der libyschen Wüste in den Fund- gruben des Orientes. IV. Wien 1814. LiNANT, Account of a journey into the oasis of Siwah. London 1S22. Edmonstoise, Journey to the oases of upper Egypt. London 1823. Cailliaud, Voyagc ä l'Oasis de Thebes. Paris 1821. Voyage ä l'oasis de Siouah, public par M. Jomard , d'apr^s !es ma- teriaux recueilles par M. Drovettx et par M, Cailliaud. Cailliaud , Voyage ä Meroe etc. I. Paris 1826. Ritter, Erdkunde. I. HosKiNs, Visit to the great oasis. London 1837. WiLKiNSON, Top. of Theb. Berghaus , Annalen. VII. Parthey, Wanderungen durch das Nilthal. Berlin 1840. Russell, Gemälde von Egypten. II. Leipzig 1836. 90 wie HoRNEMANN, Brown£ , Belzoni, MmuTOLi, Ehrenbero u. s. m, «. 291 Glieder der Tertiärzeit, stellenweise bedeckt von Meeres- diluvium. Das Grundgebirge, die Kreide, tritt weiter süd- lich hervor und lagert in der Umgebung der Oasen Dache! und Chardscheh auf dem Sandsteine der Katarakten , ein Parallelgebilde des Grünsandsteins, der wieder weiter süd- lich von dem Granite und Syenite durchbrochen wird, der die westliche Fortsetzung des Gebirgszuges der Katarakte von Assuan bezeichnet. Wir werden auf das geognosiische Detail dieses Landstriches später wieder zurückkommen und gehen nun zum rechten üferlande des Nils, zur arabischen Wüste , über. Die arabische Wüste Egyptens, wahrscheinlich wegen ihrer östlichen Lage zwischen dem Nile und dem arabischen Meerbusen oder dem rothen Meere so genannt, zeigt sich unter ganz andern physiognomischen Verhältnissen, als die libysche Wüste. Sie erstreckt sich zwischen dem Nilthale und dem rothen Meere, von der Parallele von Kairo und Sues an bis zu dem Gebirgszuge der Katarakten von Assuan, in einer mittleren Breite von 26 geographischen Meilen und einer Länge von ungefähr 6 Breitengraden. Sie ist ein wildes Gebirgsland, ein chaotisches Gehäufe von Bergen und Felsmassen, getrennt durch tiefe mit Sand erfüllte Thäler und Schluchten , ohne Ebenen von grosser Ausdehnung und ohne Oasen. Die arabische Wüste ist sehr wasserarm, sie enthält wenige Quellen , und die, welche zu Tage treten , verlieren sich nach kurzer Strecke wieder im Sande der Wüste, oder münden im ganz nahen Meere. Kein Fluss, kein See, kein Kanal bringt das nothwendige Element der Kultur in ihr wüstes Land. Hoch über das Meer und das Strombett des Nils ansteigend, besizt sie keine Niederungen , wo meiner Ansicht nach aufsteigende Grundwasser, selbst mit tiefen Bohrlöchern, zu erwarten wären, und zwar um so weniger, da, die Küste ausgenom- men, atmosphärische Niederschläge selten sind und die ver- sitzenden Grundwasser des Nils alle der libyschen Wüste sich zuwenden , wohin sie das aus Ost in West gerichtete Gefälle des nordöstlichen Afrika * und das westliche * Ich habe hereits dargcthan . dass der stärkere Andrang des Nil» 19' 292 Verflachen der Gesteinschichten an der Westseite des Nil- tliales ableiten. Der kulturfähige Boden des rechten Uferlandes des Nils beschränkt sich daher grösstentheils nur auf das Ufer selbst, und zwar in einer meist sehr geringen Ausdehnung, so weit nämlich natürliche und künstliche Bewässerung reichen. Alles Übrige, die mit Mühe herangezogenen Gärten an den we- nigen Klöstern und einige Punkte der Meeresküste ausge- nommen, ist sterile Wüste. Nur in einigen Thälern zeigt sich eine kümmerliche Vegetation , bestehend in Mimosen und wenigen Palmen und in einem dürren Weideland für die Kamel - und Ziegenheerden der wandernden Beduinen- horden. Die arabische Wüste, das Ufeiland des Nils und wenige Punkte der Meeresküste ausgenommen, ist daher, wie einst von den Hyskos, auch heut zu Tage von Wander- stämmen bevölkert, und als feste Wohnsitze kann man nur die zerstreuten Klöster betrachten , in denen koptische und griechische Mönche in einer wilden Einsamkeit dem Drange und den Genüssen des Lebens entsagen. Dieselbe Bildung massiger und krystallinischer Gesteine, die wir gegenwärtig an den egyptischen Küstenbergen des rothen Meeres und an den Katarakten von Assuan beobach- ten, sehen wir auch wieder an der Westküste von Arabien und am Gebirgstocke des Sinai. Die West- und Ostküste des rothen Meeres gehört daher meiner Ansicht nach ein und derselben ßi Idungsperiod e an. Die Centralkette des arabischen Gebirges zwischen dem Niltiiaie und dem rothen Meere bildet ein mächtiger Rücken krystallinischer, sogenannter primitiver Gesteine, der die jüngeren Auflagerungen an seinen beiden Seiten durchbricht und den Wassertheiler längs dem ganzen Küstenlande bildet. Es ist der alte Hochrücken des Ostrandes von Afrika, der seijie Zweige nach Westen ausbreitet, sich bis zur Pa- rallele des Sinaigebirges in Nord erstreckt und steil gegen Osten abfällt, entweder unmittelbar die Küste bildend oder an die arabische Wüste nur eine Folge der örtlichen Gestaltung des libyschen Gebirgsabfalls, aber nicht die einer Hauptneigung des Ter- rains ist. 293 dmch tenasseiiartige , jüngere Ablagerungen vom Meere getrennt. Mehrere Seitentliäler durchschneiden das Gebirgsland der arabischen Wüste. Sic ziehen sich vom Nilthale bis zum Gebirgszuge, der den Rand des Küstenlandes bildet, und durch die bedeutendsten derselben zogen sich einst die alten Handelsstrassen von Memphis nach Arsinoe (Sues), von Coptos (bei Kenne) nach Myos Hormos (bei Kosseir) und von Apollinopolis (Edfu) nach Berenice und zu den Smaragdgruben am Saburah. Ausser dem Tempel im egTp- tischen Style und zwei kleinen Speos bei Berenice, den Smaragdgruben am Dschebel Saburah* zwischen Kosseir und Berenice, von denen ich später sprechen werde, den Resten eines Ptolemäertempels im Waddi el Miah und den Trümmern einiger alter Städte, den verlassenen alten Bergbauen und Hüttenwerken und einigen Inschriften an Felsen längs der alten Handelsstrasse , dürften sich wenige Reste alter Kunst und Industrie in diesem unwirthbaren Terrain zeigen, wo sich auch die einstige Kultur nur auf die Nähe des Nilthals, auf die wenigen Handelsplätze am rothen Meere, auf die Umgebung der Steinbrüche und Berg- baue und auf die der alten Handelsstrassen beschränkte**. * Von Cailliaui» im Jahre 1816 Avicdcr aufgefunden und dann bc- suclit von Belzoni 5 Wii.kikson, Nestor l-Hote u. s. w. '■"* Über die arabisclie Wüste Egjptens, ihre Natur und Kunstdenk- male findet man Nacinicbfen in: Cailliaud, Voyage ä Toasis de Thebcs et dans les deserts situe h Toricnt et ä Toccident de la Tliebaide. Paris 1821. RriTER, Erdkunde. I. RiFAtD, Gemälde etc. und in seinem grossen Werke: Voyage cu Egypte et en Nubie. Paris 1827. sammt Atlas. Rüssel j Gemälde von Egypten. II. WiLKiNSON, Top. of Thcb. und in dem Journal of thc geogr. Sor. of London. Vol. II. 1832. Belzom, Narrative etc. II. Parthey, Wanderungen etc. II. Marmont, Voyage. IV. Nestor l'Hote in der Revue des Revucs. 1841. CLOT-Bey und in mehreren Werken, deren ich in der Vorrede dieses Bandes erwähnte. Die Nachrichten, die wir jedoch über die arabische Wüste 294 Nachdem ich es im Vorstehenden versuchte , einen all- g^emeinen Überblick der Gestalt von Ober-Egypten, beson- ders in geologischer Beziehung, zu geben, werde ich nun das geognostische Detail dieses Landes anreihen , so wie sich dasselbe theils aus meinen eigeneii Beobachtungen, theils aus denen anderer Reisender ergibt, und beginne mit der geognostischen Struktur des Nilthals*. Oberhalb Kairo liegt das libysche Gebirge, welches sich gegen Nordwest in die Wüste zieht, weit vom Strome ent- fernt, das arabische Gebirge aber, die Fortsetzung des in gcologisclicr Bczieliinig; besitzen, sind Im Gegenhalte jener über das Nilthal und Libyen im Ganzen nur sehr sparsam zu nennen. * Man sehe meine geognostische Karte von Egypten. Die hier folgenden Details reihen sich unmittelbar an die, welche ich im ersten Bande dieses Werkes über Untor-Egypten vorgelegt habe. Ich berufe mich daher darauf in Bezug des Anschlusses der gleichartigen Formationen und mache bei dieser Gelegenheit nur noch auf folgende Mittheilungen, Untcr-Egypten betreffend, aufmerksam, die mir bei meiner gegenwärtigen Arbeit unter die Hände gekommen sind und das bereits Gesagte nur bestätigen. CoRDiEB, Faluns d'Abukir. Bulletin de la Soc. geol. de France. Vol. I. p. 239. Auch in: Berghaus, Annalen der Erdkunde, n. R. Bd. 10, S. 316. Letronne, sur l'Istmc de Suez. Le Canal de jonction des deux mcrs sous les Grecs, les Romains et les Arabes. In der Revue des Revues des deux mondes etc. Jahrgang 1841, No. 7. Juliheft (sehr interessant). Die während der Zeit vorgenommenen qualitativen Analysen der Pro- dukte der Natronseen in der Makariuswüste gaben als Resultat, dass das künstlich erzeugte und zum Handel bestimmte Salz, so wie jenes, welches als reines Sediment der Seen nach ihrer Verdunstung zurückbleibt und, wie jenes, welches aus dem Boden der Wüste cfflorescirt, nur aus kohlensaurem , salzsaurem und schwefelsaurem Natron besteht. Das un- reine Erdsalz zeigt dieselbe Zusammensetzung, nur ist es durch Extrak- tivstoff graugelb gefärbt, der auch das färbende Princip des schwach rosenrothen Wassers der Seen ist. Das sandige, unlösliche Sediment der Natronseen besteht nur aus Quarzsand mit cisenoxydhaltigcm Thone. Das stinkende und untrinkbare Cisternenwasser nächst den Natronseen, von bräunlicher Farbe, alkalischem Geschmacke und nach Schwefelwas- serstoff riechend, enthält kohlensaures, schwefelsaures, salzsaures Na- tron und freies Schwefelwasserstoffgas. — Woi-auf ich bei dieser Ge- legenheit nicht unterlassen kann, aufmerksam zu machen, ist, dass ich 295 Mokattam, zieht sich in gering-er Entfernung längs dem Strome hin und bestellt ganz aus denselben Ablagerungen der Ter- tiärzeit , wie der Mokattam selbst. Die Berge steigen ungefähr zu 400 Pariser Fuss über das Strombett empor und bilden geradlinige, einförmige Rücken, Plateaus, die sich in reoelmässiffen Terrassen erheben. Am Rande der untersten Terrasse sieht man mehrere einzeln stehende und kegelförmig gestaltete Berge , von denen sich besonders einer, wie nachstehende Figur zeigt, durch seine regel- mässige Form auszeichnet. SO. Sehr wahrscheinlich bestehen diese Kegelberge aus dem- selben Sandsteine , aus dem der Dschebel Achmar bei Kairo besteht, aus jenem eigenthümlichen Sandsteine von gefrit- tetem und verglastem Ansehen , der auf den ersten Blick sich als vulkanisch umgeändertes Gestein darstellt, bei ge- nauerer Untersuchung aber, wie ich schon gezeigt habe, doch aus manchen Gründen seinen vulkanischen Ursprung bezweifeln lässt. Das sekundäre Vorkommen versteinerter, in eine klesellge Masse umgewandelter Stämme, von Diko- tyledonen und thlerischer Reste, die zum grössten Theile unter den vielen vom Mokattam bei Kairo (Grobkalk) mitgebrachten Ver- steinerungen auch das Stück eines Hippuriten fand. Derselbe ist der Form nach dem Hipp, cornu vaccinum sehr ähnlich, jedoch sehr platt ge- drückt. Nähere Bestimmung i.^t an diesem Steinkerne, dem Anfang und Ende mangeln, nur schwer möglich. In lezter Zeit wurden in den un- tern Schichten des Mokattam auch fossile Krebse gefunden, die näheren Omstände sind mir jedoch hierüber nicht bekannt. In den obern Schich- ten machte, wie bekannt, Caij.i.iaud besonders auf Vulsella lingulata, Placuna placenta, Ostrea flabellula aufmerksam und an den Pyramiden fand er Steinkerne von sehr grossen Cerithien. 290 den tieferliegenden Felsgebilden , den altern Ablagerungen, ursprünglich angehört zu haben scheinen , lässt diesen Sand- stein als Dilnvialsandstein ansprechen. Ob jedoch seine merkwürdige Umstaltung auf vulkanischem Wege durch Schmelzung oder durch heisse Dämpfe, ob sie durch be- sondere Anhäufung und Ausscheidung des kieseligen Binde- mittels an gewissen Punkten erfolgt sey, oder vielleicht gar keine Umstaltung statt hatte, sondern die gegenwär- tige Form dieses öuarzsandsteines seine anfängliche von vorne herein gewesen ist, das Avage ich nicht zu entschei- den. Vielleicht haben wir es mit ähnlichen Resultaten zu thnn, die von der Natur auf ganz verschiedenem Wege er- reicht wurden. Übrigens gibt die Kegelform der Berge , so häufig sie auch im vulkanischen Gebiete vorkommt, für sich kein Recht zum Schlüsse auf die vulkanische Entstehung eines Kegelberges; denn dass der Impuls der Meeresströ- mung und Meeresbrandung die Bildung ähnlicher Formen bedingt, werden wir bei Betrachtung des Küstenlandes der Halbinsel des Sinai sehen. Der wichtigste Beweggrund, vulkanischen Einfluss als das wirksam gewesene Agens bei Umstaltung einiger dieser Diluvialsandsteine, z. ß. am Dschebel Achmar bei Kairo, anzusehen, bleibt immer die grosse Ähnlichkeit dieser Sandsteine mit solchen, bei denen die Gewalt vulkanischer Einwirkung, meiner Ansicht nach, sich effective nachweisen lässt, wie z. B. in der Bahiuda- wüste. Bei Gamaseh el Kibir tritt das arabische Gebirge vom Strome zurück ins Innere, und das Nilthal wird sehr weit, aber schon bei Sol ei Burunibil nähern sich die Berge dem Strome wieder. Ihre Formen werden ausdrucksvoller, die Plateaus werden von schärferen Gipfelformen unter- brochen und weit im Innern sieht man auf den Plattformen der Berge und ihren langgezogenen Rücken wieder die erwähnten Kegelberge, sie scheinen jedoch, von Ferne an- gesehen, nicht alle dem Sandsteine anzugehören, sondern zum grossen Thelle aus Grobkalk zu bestehen, der, wie amMokattam, auch hier die Masse der Berge bildet. Zwi- schen Sol el Burumbii und Beni Suef steigen die arabischen 297 Berge bis zu 600 Fuss über das Strombett an, libyscher Seite hingegen sieht man in der Entfernung einiger Stunden niedere Berg- und Hiigelzüge, Avelche das Nilthal von der Oase Fajum trennen und derselben Formation angehören, wie das arabische Gebirge. Ober Karamat treten am rechten Ufer Berge und Wüste bis an den Strom, leztere Hügelzüge von Sanddünen bildend. Libyscher Seite ist Kulturland. Wo Felsen ans dem Sande der Wüste hervorbrechen , gehören sie entweder den Straten des Grobkalkes des Älokattam an, oder sie bestehen aus einem weissen, horizontal ge- schichteten und sehr feuersteinreichen Kalkstein von erdigem Gefüge, der vielleicht bereits den obersten Ablagerungen der weissen, erdigen Kreide angehören dürfte, die wir süd- licher mehr entwickelt treffen. Bei Beni Suef zeigen die Berge der arabischen Kette scharfe Formen mit Kuppen und Spitzen , die bis zu 700 Fuss über das Stromthal ansteigen. Sie gehören den tertiären Bildungen des JViokattam und einer harten kieseligen Kreide, die das Grundgebirge bildet, an. Alle Gehänge und Höhen sind mit kieseligen Konkre- tionen , Feuerstein, Jaspis, Karniol, Agat u. s. w. in den mannigfaltigsten Formen und Nuancen bedeckt, daher ihre dunklere Farbe im Gegenhalte der weissen Kalkberge. Auf dem Rücken beobachtet man wieder einige Kegeiberge, wahr- scheinlich von derselben Felsbildung, wie die fiüher er- wähnten *. Sechs bis sieben Stunden ostwärts von Beni Suef im arabischen Gebirge bricht am Dschebel Urakam ** auf einem Lager im tertiären Gebiete jener herrliche orientalische Ala- baster, der zu den vortrefflichen Bildhauerarbeiten für die neue Moschee in der Citadelle auf dem Mokattam zu Kairo * Den giinsfig^eii Wind zur Reise stromaufwärts benutzend, nahm ich mir vor, diese Gegend auf der Rückreise genau zu untersuchen, doch die Umstände erlaubten mir dicss niclit, da ich die Rückreise durch Egypten in grosser Eile machen musste, und es bestätigten sich die Worte unseres Dichters: „Die versäumte Minute bringt keine Ewigkeit zurück". ** Auch erwähnt von Lefevre im Bulletin de la soc. geolog. Vol. 8. p. 262. 298 damals (1S37) bearbeitet wurde und wahrscheinlich noch be- arbeitet wird. Dieser Alabaster ist von reiner weisser Farbe mit lichtbraunen und gelblichen wolkenartigen Zeichnungen in verschiedenem Farbenton. Dieses schöne Gestein war schon den alten Egyptern bekannt; denn die bekannten antiken Alabastervasen sind aus demselben verfertigt. Die Steinbrüche der Alten befanden sich jedoch nicht am Dsche- bel Urakam , wo sie erst in neuester Zeit eröffnet wurden, sondern an der Stelle des alten Alabastropolis, nach Clot- Bey: in der Parallele von Minieh 15 Lieues vom rothen Meere und 40 Lieues vom Nile entfernt *. Von Beni Suef bis nach Feschn besteht das arabische, wie das libysche Gebirge aus dem Nummulitenkalke des Mokattam und zwar grösstentheils aus den obern Schichten desselben. Die Num- muliten, Nummulites nummiformis u. m. a. , die bezeichnen- den Reste organischer Natur für diese Grobkalkbildung, finden sich sowohl in grosser Menge, als auch von bedeutender Grösse. Ich glaube unter ihnen drei bis vier Arten unter- scheiden zu können, da man es aber zum grossen Theile nur mit Steinkernen zu thun hat, so hat ihre Bestimmung ziemlich viel Schwieriges **. Oberhalb Feschn, bei Hippaeh, treten die Terrassen des arabischen Gebirges amphitheatralisch im weiten Bogen übereinander und geben einen malerisch-schönen Anblick. Südwestlich von Feschn, libyscher Seite, sieht man die nörd- liche Fortsetzung des Dschebel Makraun oder Makrum, des östlichen Randgebirges der Oase Bacherieh , und derselben Formation angehörend wie das arabische Gebirge. Dem Dorfe Majaneh gegenüber steigt der Nummulitenkalk, mit mächtigen Thonstraten wechselnd, am Dschebel es Schech Umbarah zu mehr als 600 Fuss über das Strombett an. Diese Thone * Diese Distanzen beziehen sich offenbar auf die Reiserouten , alle Umwege in den verschiedenen Waddis mit eingerechnet ; denn die gerade Entfernung ist viel geringer. ** Eine grosse Reihe der Petrefakten des tertiären und Kreidegebiefes in Egyptcn findet sich in der von mir im Haupfmünzamte zu Wien nieder- gelegten geognostischcn Sammlung, wo sie zu Jedermanns Ansicht bereit stehen. 299 sind salzhaltig wie am Mokattam, und wie dort brechen mit ihnen in Schichten von geringer Mächtigkeit ockerige Thon- eisensteine. Am Schebel Umbarah ist der vordere gegen den Nil gewendete Tiieil des arabischen Gebirges abgerutscht und es ergab sich dadurch folgende Schichtenstellung; Es entstand ein Thal a, und der von c losgetrennte Gebirgstheil b bildet nun gegen das Nilthal eine überhän- gende Felswand. Die Ursache oder vielmehr das bedingende Mittel dieser Trennung scheint eine mächtige Thonkluft zu seyn, welche im Thale a, seiner Länge nach, durchsezt und so der Trennungsspalte die fernere, bestimmte Richtung gab. Am Dschebel es Schech Hassan bildet das arabische Gebirge neuerdings einen mächtigen Vorsprung in das Stromthal. Das Uferland zwischen dem Fusse des V^orgebirges und dem Strome ist Wüste und mit Nummuliten so besäet, dass man sagen kann, sie bilden daselbst fast den alleinigen Bestand- theil des Wüstensandes. Diese Sanddecke ist ungefähr 1 Fuss mächtig und unter ihr liegt eine Strale sehr reinen Koch- salzes, von hoher Weisse und ausgezeichnet krystallinischem Gefüge. Diese Salzlagerstätte ist an mehreren Orten l Fuss mächtig und wäre durch eine einfache Abraumarbeit sehr leicht zu gewinnen. Wahrscheinlich wiederholen sich ähn- liche Lagerstätten, wechselnd mit dem Nummulitenkalke, in grösserer Teufe , doch schwerlich das Salz in solcher Rein- heit führend, sondern ohne Zweifel mit Thon gemengt, als Salzthon. Auch diese obere, unmittelbar unter dem Nummu- litensande liegende Salzstrate scheint einst nur Salzthon gewesen zu seyn, der durch darüber stehendes und in den Niederungen des Ufers sich lange haltendes Wasser, dessen weiteres Versitzen die Thonstraten des Nummulitenkalkes hindern , ausgelaugt wurde. Nach erfolgter Verdunstung 300 des Wassers und krystalllnlscher Ausscheidung seines Salz- gehaltes in dieser natürlichen Koktur, wurde die Salzschicht später vom Sande der Wi'iste wieder hedeckt. Diese Mei- nung wird durch die Lokalverhtältnisse des dortigen Wüsten- bodens ganz bestätigt. Derselbe trägt nämlich alle Anzeichen der geschehenen Auslaugung und hierauf erfolgter un- vollkommener Wiederausfüllung der Räume deutlich an sich. Wo die Wasser des Stromes noch gegenwärtig zur Zeit der üeberschwemmung hingelangen können, wird dieser Akt unter der Sanddecke fortgesezt. Es bilden sich leere Räume und der Boden dröhnt unter den Füssen, Der Kalkstein des Gebirges ist in einzelnen Straten so voll Nummuliten, dass man sagen kann, sie allein, blos durch ein kalkiges Cäment verbunden , bilden die Gesteinsma«ise. Ausser den Nummuliten finden sich aber auch häufig sehr grosse Osträen und viele Arten von Cerithium , Trochus, Turbo und denen im 1. Bande S. 271 aufgezählten Ge- schlechtern. Die Straten liegen horizontal und scheinen den obersten Ablagerungen des Mokattam- Grobkalkes anzuge- hören. Der Nummulitenkalk umschliesst Nester des schön- sten Alabasters. Auf dem Boden der Wüste fand ich Geschiebe eines schwarzen, basaltischen, mandelsteinartig gebildeten Gesteins. In der ganzen Umgebung und stromaufwärts ist mir keine ähnliche Felsbildung bekannt, und ich vermuthe daher, dass diese Findlinge von den Küstengebirgen des rothen Meeres, aus der Umgebung des Porphyr- und Granitgebirges ab- stammen und aus den Schluchten der Wüstenberge durch Regenströme einst hierher gebracht wurden. Am Dorfe Olloh Saneh beginnt arabischer Seite die 7 Stunden lange Felswand des Dschebel Teier, welche senkrecht gegen den Nil abfällt, sich Minieh gegenüber aber wieder ins Innere zurückzieht. Durchgehends horizon- tale Schichtung des Numraulitenkalkes, durch Kunst * und Natur ausgezeichnet interessante Bergformen, dürre, wasser- arme Waddis zwischen nackten Felsen der gelbbraunen Kalkberge. "' Durcli zahllose Steiubrüthc der Alten nämlich. ;joi Bei Belli Hassan und Schecli Abalideh fällt der Nurnmu- litenkalk wieder in senkrechten Wänden gegen den Nil hin ab, gegen Osten hingegen reiht sich Hügel an Hiigel und Berg an Berg so weit das Ange reicht. Fels und Wüsten- sand sind voll von Nnmmniiten , doch die Salzstraten des üferlandes von Schech Hassan fand ich hier nirgends. In einer Entfernung von 4 bis 5 Stunden sieht man am linken Ufer die libysche Bergkette, welche derselben Formation angehört. Der Nummulitenkalk des Dschebel es Schech Abähdeh enthält eine Menge kieseliger, hörn- und feuersteinartiger Konkretionen von dunkelgrauer und brauner Farbe, theils in Knollen und Nestern, theils in bedeutenden Straten von 1 bis 2 Fuss Mächtigkeit. Diese kieseligen Massen dringen zum Theil in die Masse des Kalksteins, theils findet sehr häufig der umgekehrte Fall statt, kurz man hat es meiner Ansicht nach hier mit einer ganz contemporären Bildung zu thun. Die kalkig -thonige Masse des Nummulitenkalkes unterliegt der Verwitterung sehr stark, sie löst sich zu Staub und Sand auf, wird durch die heftigen Wüstenstürme weg- geführt und häuft sich andern Orts in den Niederungen der Thäler und am Fusse der Berge zu hohen Sandhügeln an, die das Wandern in den Wüsten oft sehr erschweren. Die kieseligen Straten und Einschlüsse des Kalkes, als schwerer verwitterbar, bleiben auf den Kuppen, Plateaus und Rücken der Berge und auf den dem Andränge des Windes stark ausgesezten Flächen der Wüste zuriick *. Ihre Oberfläche, dunkel gefärbt, porös und zerfressen aussehend durch die leer gewordenen Räume, welche früher die Kalkmasse er- füllte, trägt stellenweise das Ansehen eines erstarrten, dick- flüssigen Lavenstromes täuschend an sich und bedingt die dunkle Färbung dieser Berge, die sie schon in der Ferne auszeichnet. Dieselbe Beschaffenheit lässt das arabische Gebirge auch bei Melaui el Gherch und am Dschebel Abu el Fehdah be- obachten. Leztrer Berg, eine 5 bis 6 Stunden lange und hohe Felswand längs dem Nile bildend , lässt sehr interessante * Band I, S. 267. 302 Schichtstellung-en des Nummilitenkalkes wahnielimeii, unter denen ich , inicli auf die beiliegenden Durchschnitte berufend, folgende besonders hervorhebe *. Die Schichten des Dschebel Abu el Fehdah liegen durch- schnittlich theils horizontal, theils neigen sie sich sanft in Nordwest. An mehrern Punkten sind sie wellenförmig ge- bogen. Ungefähr 2 Stunden unterhalb Monfalut beobachtet man (Durchschnitt I) einen grossen Rücken a, der die ho- rizontalen Schichten zu seinen beiden Seiten durchsezt. Die- ser Rücken, der ebenfalls ans Nummulitenkalk besteht und dessen Schichten sehr steil in Nordwest einschiessen, hat oben an seinem Ausgehenden eine Mächtigkeit von S Lach- ter, unten, so weit er sichtbar ist, eine solche von ',iO Lachter. Die Gebirgsschichten in einiger Entfernung von diesem Rücken liegen ganz horizontal , wie sie aber in seine Nähe kommen, neigen sie sich, wie die Zeichnung zeigt, beiderseits und stürzen sich gegen denselben zu. In der Nähe dieses Punktes zeigt der Nummulitenkalk mehrere Höhlen und eine derselben, ein natürlicher Tunnel, führt bis auf die Höhe des Gebir- ges. Weiter südlich folgen noch mehrere solcher Rücken, die jedoch , da ihre Ulmen senkrecht stehen , nicht wie im vorerwähnten Falle die Rolle von Verwerfen! spielen. Auch die Massen dieser Rücken sind sehr zertrümmert und voller Höhlungen. Weiter südlich zeigen die Schichten des Nummu- litenkalkes am Dschebel Abu el Fehdah die in Zeichnung H dargestellte Lage, Sie sind wellenförmig gebogen und auf den konkaven Flächen dieser Biegungen lagern sich wieder horizontal geschichtete Massen. Noch interessanter ist die Schichtung dieses Gebirges ungefähr 1 Stunde unter Monfalut. Zwischen den Bergen b nämlich (Zeichnung IH und IV), deren Straten ganz ho- rizontal liegen, befindet sich das Vorgebirge a, dessen Schichten einen sehr zusammengesezten Durchschnitt geben. In der Fronte des Gebirges, von der Ostseite nämlich an- gesehen , zeigen sie eine wellenförmige Krümmung mit der konkaven Seite nach oben, im Profile jedoch betrachtet, * Man sehe die Durchschnitte des Dschebel Abu el Fehdah bei Monfalut: 1, II, III und IV. a03 sieht man die Schichten, wie sie sich dem steilen Abfalle des Gebirges in das ^ilthal nähern, sich plötzlich stürzen* nnd mit einer Neignng von 70 bis 80^, also fast stehend, gegen den Strom verflachen. Es scheint, dass man es hier mit einem abgerntschten Theile des Gebirges zn thnn hat, was ancli zum Theil durch die Masse grosser Felstrümmer bestätigt wird, die man am Fnsse des Berges beobachtet, so wie es überhaupt das Ansehen hat, dass dieses Gebirge einst den Einwirkungen zwar lokaler, aber sehr heftiger Natnrrevolutionen ausgesezt war. Was die wellenförmigen Biegungen dieses Nummuliten- kalkes sowohl, als der Felsgebilde überhaupt betrifft, welcher Formation sie auch angehören mögen , so berufe ich mich auf das, was ich im 1. Bande dieses Werkes S. 615 über ge- bogene und gekrümmte Schichten der schiefrigen Kalke und Thonschiefer im Taurus gesagt habe. Diesemnach, glaube ich , sind auch die gebogenen Schichten des Nummuliten- kalkes in Ober-Egypten nicht so sehr als das Resultat gewalt- samer mechanischer Einflüsse von aussen, sondern vielmehr als die anfängliche Struktur des Gesteins von vorne herein zu betrachten. Die meisten wellenförmigen Schichtenbiegungen nnd Krümmungen , die ich in drei Welttheilen gesehen habe, lassen sich als Theile conzentrischer, einen gewissen Kern umgebender Schalen, und zwar sehr oft mit mathematischer Schärfe, nachweisen. Das System dieser Anordnung, selbst in dem Falle, wenn die Kerne dieser conzentrischen Lagen in eine unsichtbare Tiefe, oder, wie es z. B. bei nach auf- wärts gekehrten Konkavitäten öfters der Fall ist, in die L»ft fallen, folglich materiell nicht mit irdischen Händen berührt werden können, bleibt immer dasselbe. Die Kerne mangeln der Form nach nie, und je mehr man Fälle dieser Art beobachtet, desto mehr lernt man einsehen, dass hier ein wichtiges Naturgesetz zu Grunde liegt und dass der Akt ein durchaus regelmässig verlaufender ist und keines- wegs das Resultat einer blos zufälligen Störung von aussen. Auch diese Schichtenstellungen des Nummulitenkalkes sehe ich zum Theil als ein Resultat eines von der Natur im * Wie die Kreideschichten am Dschcbel Salehieh bei Damaskus. 304 grössten Massstabe, der ihr mir zu Gebote steht, eingelei- teten KrystaUisationsprozesses an, ähnlich dem, der die regel- mässig geformten Konkretionen vieler Felsgebilde hervor- ruft, der die conzentrisch schaligen Strukturverhältnisse bedingt, der in allen, weder durch nachweisbare Auftieibung von unten, noch durch nachweisbare Ausfüllung ^on oben, sondern, allen Merkmalen nach, durch contemporäre, chemische Ausscheidung einzelner Felselemente entstande- nen Gängen und Lagern und deren Erzführungen ein und dieselbe Form hervorrief, die sich auf das Rhomboeder M — 00 oder die sogenannte Linse zurückführen lässt, und der desswegen nicht als unstatthaft zur Seite gestellt werden kann, weil es noch nicht gelungen ist, seine Funk- tionen in ein bereits bestehendes System hineinzuzwingen. Diese Annahme hat wenigstens die natürliche und folglich vernünftige Wahrscheinlichkeit für sich, ein Vortheil, des- sen sich so manche unsrer glorreichen Hypotiiesen nicht in demselben Masse erfreut. Übrigens bin ich weit ent- fernt, Biegungen, Krümmungen und derlei Erscheinungen als Störungen anfänglicher Schichtenanordnungen durch äus- sern mechanischen Impuls abzuläugnen, ja ich habe im Verlaufe dieses Werkes deren schon so viele selbst an- geführt, und wo ich sie anführte, glaube ich auch überall die bedingende Ursache, z. B. Rutschung, Hebung. Sen- kung, Verwerfung durch Klüfte u. s. w, nachweisen und die Erscheinung selbst auf mechanische Prinzipien zurück- führen zu können. Doch diese Fälle sind viel seltner, als man gewöhnlich glaubt, und dass man in der Erhebungs- und Auftreibungsmanie zu weit gegangen ist und das g;ftiz Lokale zu voreilig allgemein machte, das ist jedem ruhig denkenden Forscher und namentlich jedem Berg manne nur zu bekannt. Je grösser die Autorität ist, von der eine Hypothese ausgeht, die denn am Ende doch nicht Stich hält, desto gefährlicher ist sie; weil Schaaren von Jün- gern nicht ermangeln, des Meisters Kind zum Ungeheuer gross zu füttern. Bei Siut nähert sich das libysche Gebirge dem Strome und steigt zu einer Höhe von 570 Pariser Fuss über das 305 Niltlial an, dürfte also etwas höher seyn, als das gegenüber- liegende arabische Gebirge. Am Dschebel Sint, der sich in geringer Entfernung Avestlich der Stadt, jenseits des Joseph-Kanals, erhebt, bemerkt man die JNummulitenkalke und übrigen Straten des Mokattam , in deren Terrain wir uns bisher bewegten , nicht mehr. Die herrschende Formation bildet daselbst ein weisser, erdiger Kalkstein, der voll von Kiesel- und Kalkcongretionen ist und Steinkernei von Echi- nus-, Trochus-, Pachymya-, Hippurites-, Inoceramus- u. s. w. Arten führt, folglich allem Ansehen nach der Kreidereihe, und zwar den obern Gliedern derselben , angehören dürfte. Ehrenberg trennt zwar in seiner geognostischen Karte des Nilthals * diesen Kalk scharf von den nördlicher liegenden Ablagerungen des Nummulitenkalkes, bezeichnet ihn aber mit Unrecht als „versteinerungslosen Kalk<^ Lefevre ** hin- gegen, obwohl er das Eigenthümliche dieses Kalksteins keineswegs unberührt lässt, vermengt ihn zu sehr mit dem ge- wöhnlichen Nummulitenkalke, von dem er schon durch seine organischen Reste sich scharf unterscheidet. Genau den Punkt anzugeben, wo die Ablagerungen der obern Kreide als selbst- ständiges Gebirge hervorzutreten beginnen , ist mir nicht möglich, doch dürfte derselbe nicht sehr weit nördlich von Siut gelegen seyn. Dem Ansehen nach gehört auch das arabische Gebirge, Siut gegenüber, der gleichen Formation an, wie das libysche. Die zahllosen Konkretionen der Kreide am Dschebel Siut bilden nicht, wie im Nummulitenkalke, zum Theil zusammenhängende Straten , sondern treten nur in Knollen und Nestern von verschiedener Grösse auf. Die Masse der kieseligen Konkretionen bildet vorherrschend Feuerstein , unter der Masse der kalkigen Konkretionen aber unterschied ich zwei Arten, erstens eine graue, hornstein- ähnliche und eine zweite weisse, sehr reine Kalkmasse. Beide Konkretionsmassen sind sehr hart und klingen stark beim Zerschlagen. Die Formen des Vorkommens dieser Konkretionen haben manches Interessante. Meist treten sie in knollenartigen Massen zerstreut und vereinzelt in der * Ehrenberg und Hemprich, Reisen in Egyptcn, Libyen etc. *" Bulletin de la soc. geolog. de France. Vol. 10, p. 144 u. s. w. Rus»egg5r, Keinen. lI.Brf. 1. Thl. 20 306 Kreide auf, manchmal aber ordnen sie sich, ein Knollen an den andern, in Reihen, die auf grosse Strecken eine konstante Richtung; beibehalten und mich an ein ähnliches Vorkommen der Feuersteine in der Kreide des Antilibanons erinnerten. Ein anderes, sehr bezeichnendes Vorkommen für diese Kreidebildung ist das versteinerte Holz der Wüste. Es sind Dikotyledonen- Stämme, mitunter von bedeutender Grösse, umgewandelt in eine kieselige, fenersteinartige und in eine hornsteinartige Kalkmasse, jedoch mit Beibehaltung der ausgezeichnetsten Holztextur. Dieses versteinerte Holz fin- det sich in der Kreide der Umgebung von Sint in grosser Menge. Die Stämme erscheinen regellos durcheinander ge- worfen und stets liegend. Der Periode der Umwandlung scheint eine gewaltige Zerstörung vorangegangen zu seyn. Da aber auch einige kieselige Konkretionsformen der Kreide dem äussern Ansehen nach eine holzähnliche Struktur zei- gen, ohne versteinertes Holz wirklich zu seyn, so sind Ver- wechslungen mit diesen sehr häufig. Um sich von der Iden- tität des versteinerten Holzes genau zu überzeugen, darf man nur eine dünne Tafel von einem solchen Stamm- oder Ast- ende rechtwinklicht auf dessen Längenachse abschneiden und schleifen lassen, wobei die Jahresringe des Holzes, wenn es ein solches ist, unfehlbar zum Vorscheine kommen. Das ähnliche oder vielmehr gleiche Vorkommen solcher in eine kieselige Masse umgewandelter Dikotyledonen-Stämme in den Ablagerungen des Diluvialsandsteins von Egypten ist wahrscheinlich nur ein sekundäies. Die Reste ausgedehnter Dikotyledonenwälder gehören in jenem Lande ausschliesslich den Sandsteinen, die unter der Kreide liegen und dem Grün-, dem öuadersandsteine und dem Wealderthon parallel stehen dürften, der Kreide selbst und den auf ihr liegenden Ab- lagerungen des Nummuliten- und Grobkalkes, als primäre Ein- schlüsse, an. Die Diluvialzeit scheint zerstörenden Einfluss auf die Oberfläche der altern Felsgebilde ausgeübt zu haben. Die Kalkschalen und Kalkkerne der fossilen Meeresthiere verschwanden zum grossen Theile , die kieselige Masse der Dikotyledoneu-Stämme aber widerstand, und sie wurden von 307 dem aus dieser Periode als Resultat hervorgehenden Sand- stein ueuerding^s umhüllt und eingeschlossen. In der Kreide bei Siut setzen Thonstraten auf, deren plastische Masse zur Fabrikation der berühmten Siuterpfeifen- köpfe verwendet wird, welche einen wichtigen Handelsartikel für den ganzen Orient bilden. Das arabische Gebirge von Siut bis zum Dschebel-es-Schech Harride gehört der Kreide an, von derselben Beschaffenheit wie am libyschen Gebirge bei Siut. Die Schichten liegen thcils horizontal, theils sind sie wellenförmig gebogen. Bei el Barub öffnet sich im ara- bischen Gebirge ein weites Thal; der Abfall des Gebirges gegen den Strom ist fortwährend steil und stroff. Am Dsche- bel-es-Schech Harride * lassen die Schichten der Kreide eine sehr interessante Stellung wahrnehmen. Sie liegen in den untern Theilen des Berges horizontal , richten sich aber nach oben auf der Seite des Nilthals immer mehr auf, bis sie endlich am Gipfel dieses Vorgebirges der arabischen Kette, den bisher beobachteten^Schichtenlagen gerade entgegen g-esezt, sehr steil gegen Ost, d. h. gegen das Innere des Landes, einschiessen. Der ganze Berg ist übrigens bedeckt mit den Trümmern und Knollen kieseliger Kalkkonkretionen und zeigt in seinem ganzen Habitus viele Ähnlichkeit mit dem liby- schen Gebirge bei Siut. Am Kloster Deir Embagsag, ober- halb Akmim, steigt das arabische Gebirge zu einer Höhe von 700 bis 800 Paris. Fuss über das Stromthal an , folglich mag dessen Meereshöhe ungefähr 1000 Paris. Fuss betragen. Manschieh el Neil gegenüber Hegt ein gewaltiger Vor- sprung des arabischen Gebirges, der Dschebel es Schech Mussa, der gegen den Nil eine hohe, fast senkrechte Fels- wand bildet. Die Schichten der Kreide, von 1 Fuss bis 2 Klafter Mächtigkeit, liegen daselbst meist horizontal, und nur an wenigen Punkten sind sie etwas wellenförmig gebogen. Es ist die erdige, weisse Kreide des libyschen Gebirges, voll der oft erwähnten Konkretionen. Zwischen Dschirdscheh und Farschiut lässt das libysche Gebirge an seinem Vorsprunge bei Abydos dieselben Ver- hältnisse wahrnehmen. • Mail sehe auf Tafel III dfn Duithsthuitt Nro. 2 20* 308 Die senkrechten Wände des Dschebel es Schech Monieh, arabischer Seite Farschiut gegenüber, die zu 500 Fuss iiber das Strombett ansteigen, bieten durch ihren wilden, zer- rissenen Bau einen sehr interessanten Anblick dar. Zacken wie Thürmchen reichen in die Luft und tiefe Schluchten ziehen sich wie Furchen von der Höhe zum Strome nieder. Die ganz horizontal liegenden Straten der Kreide sind daselbst viel mächtiger als sie bisher waren und ebenfalls voller Kon- kretionen. Der Rücken dieser Berge bildet ein lang ge- zogenes, einförmiges Plateau. Dasselbe Verhalten beobachtet man bei Kassr Sajad arabischer Seite und am libyschen Ge- birge bis nach Denderah (Tentyra). Man hat es bereits mit tiefer liegenden Straten der Kreide zu thun, die als ein dichter gelblichgrauer und weisslichgrauer Kalkstein auftritt, Von grosser Festigkeit und Härte. Die schroffen und wilden Formen der Berge um Den- derah und Kenne, nämlich libyscher und arabischer Seite, fallen schon in bedeutender Ferne auf. Die Schichten sind mächtig, die Absonderungen senkrecht, es ist ein im Gegen- halte der nördlichem Ablagerungen neuer Felsbau. Die hügelige Ebene der Wüste zwischen den Tempelruinen von Tentyra und dem libyschen Gebirge ist mit kieseligen Kon- kretionen besäet, die aus Feuerstein , Kalzedon, Karniol, Jaspis, Agat etc. bestehen, und die mannigfaltigsten Farben- scherze, die sonderbarsten Formen zeigen*. Leztere , so bizarr sie auch für den ersten Anblick zum Theil erscheinen mögen, sind keineswegs als zufällig zu betrachten; denn wo Millionen von Individuen nach denselben Verhältnissen geformt sind, da ist kein Zufall, da herrscht ein Gesetz. Beim An- blicke der Konkretionen am Dschebel el Denderah gewann ich für mich die feste Überzeugung, dass man es mit den * Die egyptischen Jaspise bestellen aus fein verkleinerten , unreg^el- niässigen braunen Körnchen, verkittet durch halbdurchscheinenden Quarz, wie in den Kreidefeuersteinen. In diesen Jaspisen findet sich eine Menge pratlit voller Foraminiferen , ähnlich denen der Kreidefeuersteine und denen im Grignoner Grobkalke vorkommenden Arten, Leonhard und Bkonn, neues Jahrbuch für Mineralogie etc. Jahrgang 1842, S. 620. aus: Scott Bowerbank in Ann. and Mugaz, of. nat. bist. London 1842. VIII, S. 460—464. 309 Resultaten eines Krystallisations-Prozesses zu thun Iiahc. der durchaus innerhalb den Grenzen gesetzh'cher Formenverhält- nisse sich bewegt, und sich besonders in Erzeugung- polyhe- drischer Körper von unendlich vielen Seiten ausspricht. Eine der vorherrschenden Formen der in Feuerstein iibergehenden kieseligen Kalkkonkretionen ist ganz eigenthümlich. Sie bilden kreisrunde Scheiben von \ bis 4 Zoll Dicke und l Zoll bis 1 Fuss und darüber an Durchmesser. Diese Körper für fossile Reste organischer Wesen anzusehen , dazu kann ich mich nicht verstehen; denn wie erklären sich dann jene Kombinationen derselben, jenes Zusammentreten mehrerer Individuen, die wir für Zwillingsgestalten ansehen müssen, und zwar für gesetzlich geformte, da sie mit ihren Achsen stets rechtwinklicht aufeinander gesezt sind. Diese Scheiben bestehen durchgehends aus einem kugeligen oder linsen- förmigen Kern , welchen ein Ring derselben Masse konzen- trisch so umschliesst, dass der Kern an der obern und untern Fläche der Scheibe hervorragt und folglich einem Sphäroide, von einem massiven Ringe umschlossen, nicht unähnlich sieht. Besonders häufig finden sich diese Konkretionen mit dem fossilen Holze der Wüste zusammen. Am Fusse des Gebirges passirten wir ungeheure An- häufungen von Flugsand, der ganz locker war. In den Thä- lern und Schluchten der Wüstengebirge spielt dieser Sand gleichsam die Rolle des Schnees in unsern nordischen Ge- biigen. Der Wind, sich seiner bemeisternd, häuft ihn auf den Höhen zu Massen an, die drohend über den kahlen, schroffen Felswänden hängen *, und nicht selten sah ich solche Massen als Lavvinen in die Thäler niederstürzen, freilich gegen die Lawi- nen auf meinen heimathlichen Bergen nur solche en miuiature. Die graue harte Kreide des Dschebel el Denderah unter- teuft die nördlicher vorkommende weisse, erdige Kreide, ist manchen Kreidekalken des Taurus und Libanons sehr ähn- lich, viel reicher an Konkretionen kieseliger Natur, aber auch viel ärmer an Versteinerungen, indem ich während meiner Wanderung nur den Steinkern einer Ostrea fand "*. * Wie die Sclinecgchäuge oder Windhbretter in den Alpen. "^'^ Wahrscheinlich Ostrea diluviana Linn. »10 Von der Höhe des Gebirges oberhalb Denderah sah ich in Südwest und West nur wieder Gebirge, und zwar in erstrer Rlchfnng solche von ganz eigenthümlichen Strukturverhält- nissen. Es sind senkrecht zerklüftete, dem Ansehen nach ungeschichtete Felsmassen, die auf ihren Gipfeln ein horizon- tal geschichtetes Gestein als Decke zu tragen scheinen. Die einbrechende Nacht hinderte mich, mich an Ort und Stelle zu begeben, und es kann daher allerdings eine Täuschung zu Grunde liegen. Übrigens halte ich jene in Südwest ge- sehenen Bergformen für nichts anders, als für Bildungen der Kreide, nur unter besondern Schichtungsverhältnissen. Das libysche Gebirge nimmt oberhalb Kenne auf eine kurze Strecke einen sehr schroffen und wilden Charakter an, man bemerkt keine Schichtung. Bald aber treten die früheren Formen wieder hervor und man sieht wieder die langen Rücken mit ihren einförmigen Plattformen , doch immer wieder unter- brochen durch sehr pittoreske Berggestalten. Bei Theben steigt das Gebirge beiderseits zu grosser Höhe an und er- hebt sich zu wenigstens 1000 Paris. Fuss über das Stromthal oder zu nahe 1300 Par. Fuss über das Meer. Zwischen Denderah und Theben beobachtet man am östlichen Abfalle des libyschen Gebirges an mehreren Stellen ganz lokale Ab- lagerungen eines jungen Sandsteins, der die Kreide bedeckt. Erbestehtaus Kalkstein und Feuersteinbruchstücken, die durch ein kalkiges Cäment verbunden sind. Dieser Sandstein oder vielmehr dieses Kalktrümmergestein, meiner Meinung nach den ältesten Alluvionen des ISilthals angehörend, hat mit den weiter südlicher auftretenden Sandsteinen nichts gemein. Im libyschen Gebirge bei Theben durchwanderte ich die Thäler AssassifF und Bab el Moluk*, welche beide bei Kurnii sich im Hauptthale münden. Die Ebene zwischen dem Strome und dem Gebirge ist theils Alluvium des Stromes und Kulturland, theils ist sie mit dem Schutte der hundertthorigen Thebe erfüllt. Aelter als die Geschichte, die vsir haben, zeigt dieser Schutt eine merkwürdige Erscheinung. Er ist nämlich durch die Länge der Zeit stellenweise so fest zusammengebacken, dass er * Das Thal der Königsgräb«r. 311 sich förmlich zu einem neuen Fels regeneiirte. Jene Be- standtheile. die als leichter verwitterbar früher zu Staub zerfielen, gaben das Material znni Cämente dieses eigen- thümlichen Triimmeroesteiiies her. Atmosphärische Einflüsse thaten das Ihrige, da jedoch diese, was wenigstens die nassen Niederschläge betrifft, hier weit geringer sind, als an den meisten andern Orten der Erde, so dürfte diese Um- wandlung auch hier gewiss mehr Zeit erfordert haben, als es anderswo bei ähnlichen Bildungen der Fall ist. Am östlichen Saume des libyschen Gebirges, in der wei- ten Thalebene von Theben, sieht man den Alluvialsandstein von Denderah die Kreide bedecken. Er besteht wie dort aus Feuerstein und Kreidetrümmern und Geschieben, steigt aber hier an den Bergen zu einer Höhe von 200 bis 300 Fuss über das Stromthal an. Im libyschen Gebirge bei Theben sah ich kein anderes Felsgebilde als nur Kreide, und zwar jene tiefer liegenden Straten derselben, die wir bereits von Denderah her ken- nen. Auch das gegeniiber liegende arabische Gebirge gehört derselben Bildung an. Das Gestein ist ein grauer, sehr harter Kalk , flachmuschelig im Bruche und sehr an man- chen unserer sogenannten Alpenkalke und an die Kreide- kalke des- Libanon , des Taurus etc. erinnernd. In den Thälern Assassiff und Bab el Moluk führt dieser Kalkstein eine grosse Menge von Feuerstein und ist stellenweise da- mit so überhäuft, dass die Kalkmasse beinahe zurücktritt. Die Feuersteine bilden theils Knollen und grosse unförm- liche Massen , theils zusammenhängende Straten bis zur Mächtigkeit von mehreren Füssen, besonders aber tafelför- mige Einlagerungen von wenigen Zollen Dicke, die sich zwar in gewissen Richtungen an einander reihen , aber ohne Zusammenhang unter sich stehen, folglich unterbrochene Straten darstellen. Die Farbe des Feuersteins ist meist schwarz, mit braunen und grauen Nuancen und sehr mannig- faltigen Zeichnungen. Die scheinbaren senkrechten Abson- derungen , die man hier an mehreren Orten beobachtet, sind, wenigstens zum grossen Theile, Folge von den zahl- losen Steinbruchsarbeiten, die die Alten hier unternahmen. 312 Im Hintergründe des Thaies von Bai) el Moluk zeigen die Kreidestraten mehr Abänderungen. Einige derselben sind mergelig, beinahe versteinernngsieer*, haben eine schiefeiige Textur und lassen sich in dünnen Tafeln spalten. Die unter- sten, durch Steinbrucharbeiten entblösten Schichten der Kreide sind ein harter, weisslich grauer, im Bruche musche- liger Kalkstein, der fast ganz aus Schalthierresten besteht, die zwar dem Gestein hie und da einen eigenthümliche» Perlmutterglanz verschaffen, im Übrigen aber durch ein inniges Verwachsen mit der ganzen Masse so unkenntlich geworden sind, dass kaum mit Schärfe die Genera be- stimmt werden können. Die meisten dieser Schalthierreste gehören dem Geschlechte Pekten an, welches stellenweise in einer solchen Entwicklung auftritt, dass es die Felsait eigentlich konstruirt. Da die Schichten dieser untersten Felsablagerung, welche meiner Ansicht nach der grauen, harten Kreide angehören, in N. und NW. sich verflachen, so bedecken sie die grosse, südlicher und ganz nahe an Theben auftretende Sandsteinformation, deren Terrain wir nun bald betreten werden. Wenn man im Hintergrunde von Bab el Moluk auf dem Wege nach Medinet Abu das Gebirge hinansteigt, so findet man 5 dass die mergeligen Kalke der Kreide, die tiefer liegend als fast versteinerungsleer bezeichnet wurden , nach oben wieder mehr und mehr organische Reste umschliessen, bis man endlich auf der Höhe des libyschen Gebirges diese Kalke voll von Arten der Genera Cardium, Cardita, Pla- giostoma und deren trifft, die ich in der erdigen, weissen Kreide bei Sint fand, daher wohl auch diese Schichten jenem Felsgebilde zugerechnet werden dürften. Auf diesem Wege passirt man auch mehrere jener tiefen Schluchten, deren Entstehung unverkennbar die Folge der durch heftige Regen- güsse entstandenen Giesbäche war und worüber ich bereits im Vorigen mehrmals gesprochen habe. * Diesen Ausdruck bitte ich nur auf jene Versteinerungen zu be- zieben, die das freie Aug^e sieht; denn mir sind Ehreivbergs auf posi- tive Anschauung begründeten und Epoche machenden Forschungen zu bekannt, als dass mir beifallen könnte, jenem Ausdrucke, und zwar namentlich bei der Kreide, eine weitere Ausdehnung geben zu wollen. 313 Bei Dscliebele-in *, oberhalb Theben, nähert sich das arabische mid das libysche Gebirge dem Strome so, dass sie das ganze Thal auf ungefähr 1000** verengen. Das arabische Gebirge bildet am Strompasse eine hohe Spitze, das libysche hingegen ein grosses , abgelöstes und von allen Seiten freies Gebiigsstiick , was auch seinem Ursprünge nach wohl eher dem arabischen Gebirge , als der libyschen Kette angehören diufte. Beide Berge liegen in derselben Kreideformation, die wir bereits bei Theben kennen lernten. Das Nilthal gewinnt bei Esne wieder sehr an Breite. Das libysche Gebirge zieht sich weit ins Innere des Landes zurück , das arabische hingegen begleitet den Strom. Beide Ketten haben sehr an Ausdruck der Form verloren, bilden langgezogene, einförmige Rücken, jedoch gehören sie noch immer der Kreide von Theben an, reich an kieseligen Kon- kretionen, die alle Gehänge bedecken. Bei Kau, dem alten Eilethya, zieht sich auch das arabische Gebirge ins Innere zurück, und beide Ketten scheinen auch da noch der Kreide anzugehören, die in horizontalen Straten von geringer Mäch- tigkeit abgelagert und voller Konkretionen ist. Sowohl bei Eilethya (Kau) am rechten Ufer**, als auch gerade gegenüber am linken Ufer, bei der südlichst gelege- nen Pyramide Egyptens, zwischen Maleh und Psaliha , be- ginnen zwischen dem Strome und den beiden Bergketten niedere Hügelzüge, die weiter gegen Süd an Höhe zuneh- men und eine mächtigere Entwicklung zeigen. Diese Punkte bezeichnen meiner Ansicht nach die nörd- liche Gränze der grossen und wichtigen Sandsteinformation Ober-Egyptens und Nubiens, die durch mehr als 10 Breiten- grade die herrschende Formation bleibt und nur durch jene ßergzüge krystallinischer Gesteine durchbrochen wird, die als Zweige von dem Gebirgssysteme der Küste des rothen Meeres ausgehen, oder wie Inseln sich im Sandsteine erheben. Jene niedern Hügelzüge in der Parallele von el Kau, zwischen Esne und Edfu , sind also das erste und nördlichste * Dual : die beiden Berge. ** Nämlich am Dorfe el Hillal, zwischen dem alten Eilethya und der Insel £ddoaiarieh bei el Kau. 314 Hervortreten dieses Sandsteines im Nilthale. Er wird von der Kreide bedeckt, die noch immer die Hauptzüge des arabischen und libyschen Gebirg^es bildet, von denen sich aber ersteres über Waddi el Miah gegen das rothe Meer, lezteres gegen die Oase el Chardscheh zurückzieht. Der Sandstein bildet also im Nilthale eine, in die Kreideformation hinein reichende Landzunge, die gegen Süd immer breiter und höher wird und das allein herrschende Felsgebilde des Nilthals bis zu den Katarakten darstellt. Dieser Sandstein umschliesst aber auch das Gebirge der Katarakten von der Nord-, West- und Südseite, dringt in dasselbe ein, erfüllt seine öden Waddis und bildet seine Plateaus, er ist die älteste sichtbare Ablagerung geschichteter Gesteine in Egypten* und die krystallinischen Felsgebilde brachen sich durch seine Masse ihren Weg, ver- änderten ihn zum Theilund hoben ihn zumTheil mitsich empor. Nachdem ich während zwei Jahren diesen Sandstein in Egypten, Nubien und am Sinai in den verschiedensten Lokal- verhältnissen beobachtete, bei meiner später erfolgten Reise in Europa so manchen Vergleich anstellen konnte und von den ausgezeichnetsten Forschern im Gebiete der Natur so manchen belehrenden Aufschluss erhielt, kam ich dahin, meine vor einigen Jahren über diesen äusserst schwierig zu bestimmenden Sandstein ausgesprochenen Irrthümer zu berich- tigen und meine spätere Ansicht als fest gestellt zu betrach- ten , dass dieser Sandstein dem Gebiete der untern Kreide sich anschliesst und somit den Ablagerungen des Grünsandsteins, des Quadersandsteins, der Wealdgebirgsarten etc. parallel steht, eine Meinung, die , wie ich glaube, wir durch das fol- gende geognostische Detail meiner Reise im Central -Äfiika nur bestätigt sehen werden. Bei Edfu bildet dieser Sandstein bereits die Berge bei- der Ufer und das herrschende Gestein der arabischen und li- byschen Wüste, so weit man vom Nilthale aus sich überzeugen kann. Am Dschebel es Selseleh oder Hadjar es Selseleh**, wo der Nil durch die Berge beider Ufer in eine Schlucht * Und auch , die Gebilde der Grauwackenzeit im Berberlande mis- genommen, die älteste in Nubien. ''"■ Der Berg oder Stein des Erdbebens. 315 Ton nur 300 Schritt Breite znsanimeng;edränsft wird , Ist die- ser Sandstein ausgezeichnet geschichtet. Seine Straten , in einer Mächtigkeit von 3 Zoll bis 3 Fiiss, liegen horizontal. Es ist ein quarziger Sandstein, in welchem das Auge kein Bindemittel entdeckt, der viele Glimmerblättchen enthält und durch Verwitterung leicht zu feinem Sande zerfällt. Er ist feinkörnig, von weisslichgrauer Farbe, und am Selseleh fand ich einige lose Stücke, welche Parfikelchen von Bleiglanz und Kiesen eingesprengt enthielten , iiber deren eigentliches Vor- kommen jedoch ich nichts Näheres erforschen konnte. Die- ser Sandstein wechselt, ohne übrigens seine Natur zu än- dern, mit Straten von grosser Konsistenz, die ein festes und hartes Gestein bilden, das der Verwitterung ausser- ordentlich widersteht und das Baumaterial zu den meisten Tempeln der Thebais lieferte, an deren Skulpturen, selbst an den schärfsten Kanten derselben, wir noch, nach vor- übergegangenen Jahrtausenden, keine Veränderungen des Gesteins wahrnehmen können. Die Berge dieser Sandsteinbildung sind sanft gerundet, bilden niedere Plateaus und steigen selten zu mehr als 200 Fuss über das Strombett an. Die Höhe der Berge nimmt von der nördlichen Sandsteingränze gegen Süden, also strom- aufwärts, ab, so dass sie znlezt nur sanfte Rücken der ara- bischen und libyschen Wüste bilden. An der südlichen Sand- steingrenze Egyptens jedoch, nämlich unmittelbar am Gebirge der Katarakte von Assuan , erheben sich die Sandsteinberge neuerdings und erreichen libyscher Seite sogar eine grös- sere Höhe, als die krj^stallinischen Felsgebilde. Der Sand- stein ist voller kieseliger Konkretionen , die meistens sehr eisenschüssig sind , durch ihre schwere Verwitterbarbeit fast alle Gehänge seiner Berge wie mit einer Kruste bedecken und ihrer Oberfläche ein schvvarzgraues Ansehen geben , das sie schon in grosser Ferne auszeichnet und gegen die röth- lichgelbe Farbe des Sandes, des Produktes der mechanischen Zerstörung dieses Felsgebildes, seltsam absticht. Diese Konkretionen sind sehr hart, geben am Stahle Feuer, klingen beim Zerschlagen und finden sich selten in Knollen, sondern meist in Straten von l" bis 1' Mächtigkeit, 310 welche mit den übrigen Schichten des Sandsteins wech- sellagern. Der Eisengehalt dieser Konkretionsstraten nimmt stellenweise so zu, dass sie ein ganz eigenthümliches Ge- stein bilden, welches ich einen Eisensandstein nennen möchte. Am rechten Ufer des Strompasses am Selseleh zeigt der Sandstein dieselben Verhältnisse, an keiner der beiden Stel- len aber konnte ich im Sandsteine eine Versteinerung finden. Oberhalb dem Dschebel Selseleh ziehen sich die Berge beider Ufer weit zurück und die wellige Oberfläche der Sand- wüste tritt öfter bis an den Strom. Bei Fatireh am rechten Ufer, zwischen dem Dschebel Selseleh und Kum Ombu (Kom Ombos), sieht man in einer ungefähr 800 Klafter langen Strecke die weisse feinerdige Kreide, von flachmuscheligem Bruche, wie sie sich in den Bergen bei Theben findet, in Straten von 2 bis 3 Fuss Mäch- tigkeit dem Sandstein horizontal aufgelagert. Sie bildet einen kleinen Hügel, eine isolirte, auf dieses Lokale be- schränkte Ablagerung. Einige nackte Nubier betrieben daselbst, zum Bedarfe der dortigen Kalköfen , Steinbrucharbeit. Dieser Punkt ist sehr wichtig; denn er thut klar dar, dass die Kreide diesem Sandsteine aufliegt. Bei Kum Ombu bilden niedere Hügelzüge des Sandsteins beide Ufer und am linken sieht man einige schöne Schichten- stellungen entblösst * Besonders interessant ist die Ver- werfung der Schichten a, b und c durch die offene und höcli- stens 6 Zolle mächtige Gangspalte d. Als sich diese bil- dete, hat sich sichtbar das ganze Hangendgebirge gesezt und alle Hangendschichten bekamen durch Rutschung ein tieferes Niveau. Im Durchschnitte Tafel HI sind nur drei der mächtigsten und kennbarsten Straten hervorgehoben, um den Vorgang zu versinnlichen. Die Rutschung selbst be- trägt ungefähr 3 bis 4 Fuss. Die niedern Hügelzüge von Kum Ombu setzen zu beide« Seiten des Flusses bis Assuan fort , wo sie sich dem Syenit- und Granitzuge des Kataraktengebirges anschliessen, welches Egypten von Nubien trennt. '■' Man sehe die Durchschnitte Tafel III, Nro, 3. 317 Der Gebirgszug- der Katarakten von Assuan geht von dem Gebirgssysteme der Küste des rothen Meeres aus und erstreckt sich als ein Zweig desselben aus Ost in West, in einer Breite von 2 Tagreisen, Die Hauptmasse dieses Ge- birgs besteht vorherrschend in Granit, mit dem sich, wie bekannt, auch Syenit findet. Beide Gesteine stehen in einer so innigen geognostischen sowohl, als oryktognostischen Ver- wandtschaft zu einander und bilden so mannigfaltige gegensei- tige Übergänge, dass ich sie nicht trennen zu können glaube, sondern sie als ein und dieselbe Formation, nur nach Lokal- verhältnissen unter verschiedenen Formen auftretend, be- trachte. Am linken oder westlichen Ufer des Nils verliert sich der Granit und Syenit des Kataraktengebirges unter dem Sandsteine der libyschen Wüste. Die Granit- und Syenitmasse hat den Sandstein durchbrochen und sich aus Spalten erhoben. Das ganze Gebirge der Katarakten hat auf den ersten Blick die Gestalt eines in die Länge gezogenen Gebirgsstockes, eines Chaos von Bergen. Der Sandstein, welcher das Granit- gebirge umgibt und dasselbe in weiten Thälern durchzieht, ist zum Theil mit dem Granite emporgehoben, denn er bildet an einigen Stellen Haubenauflagerungen auf den Granitkuppen und weite Plateaus auf ihren Rücken. Die Veränderungen, die mit dem Sandsteine und den ihm untergeordneten Mer- geln bezüglich des innern Habitus dort vorgegangen sind, wo sie mit dem Granite in Benihrung stehen, oder ihm wenigstens doch nahe liegen, und die denen vollkommen glei- chen, welche in demselben Sandsteine durch Felsgebilde von entschieden vulkanischem Ursprünge, z. B. durch die Ba- salte und Porphyre der Gebirge in der Bahiuda- Wüste, be- wirkt wurden, berechtigen zu der Folgerung, dass mit dem Akte des Emportretens dieses Granites und Syenites aus der Masse des Sandsteins Erscheinungen müssen statt gehabt ha- ben, die, wenn nicht wirklich vulkanischer Natur, doch die- ser sehr ähnlich gewesen sind, und dass namentlich viele Merkmale einer stattgefundenen sehr hohen Temperatur vor Augen liegen. Bereits ein paar Stunden unterhalb Assuan bemerkt man zuerst das Auftreten des Granites au zerstreuten Felsmassen 318 im Strombette. Diese werden immer häufiger, der Strom wird wie besäet mit Felseninselii , bis man endlich in Assuan am Fusse der Granitberge, die zu ungefähr 200 Fuss über das Strombett ansteigen, selbst steht. Sandsteinberge bil- den die libysche Kette am linken Ufer des Nils längst dei* ganzen Katarakte*; am Ufer des Stromes aber tritt unter diesem Sandsteine der Granit hervor, bildet das herrschende Gestein des Strombettes, zahllose, zerstreute Felseninseln und steigt am rechten Ufer zu Bergen empor, die den Strom längst der ganzen Katarakte begleiten. Östlich dieser Reihe von Granitbergen liegt ein Thal , das sich von Philä bis As- suan zieht , durch welches die alte Heerstrasse der Griechen und Römer von Siene nach JNubien führte, mit Ablagerungen des Sandsteins erfüllt ist und, wie das weiter östlich darauf folgende Thal , vielleicht einst Flussbett war. Zwischen die- sen beiden Sandsteinthälern liegt ein zweiter Zug von Granit- bergen , vielleicht einst eine grosse Strominsel. Er beginnt dort, wo sich das Thal, durch welches der Weg von Assuan nach Philä führt, plötzlich erweitert und man zuerst den Anblick der Zauberinsel geniesst. Dieser Zug endet an den grossen Steinbrüchen östlich des heutigen Assuan. Ostlich des zwei- ten Sandsteinthals erhebt sich die Wüste el Hammer, ein Sandsteinplateau mit häufigen Granitdurchbrüchen und um- geben von Granitbergen. Den Ostrand von el Hammer bil- det eine Masse von Granitbergen mit zwischenliegenden tie- fen Thälern und Schluchten. Einzelne und weiter gegen Ost entfernte Granitkuppen steigen bis zu 1000 Fuss über das INilthal an. Diese Masse von Granitbergen sezt unabsehbar gegen Ost fort und schliesst sich ohne Zweifel den Granit- bergen an der Küste des rothen Meeres an , wenigstens be- stätigen diess die Angaben aller Reisenden , welche jenen Theil der arabischen Wüste durchzogen haben. Auch im Süden der Katarakte von Assuan entwickelt sich die Granit- und Syenitformation in einer grössern und durch zwischen liegende Sandsteinablagerungen weniger getrennten Ausdeh- nung. Es ist ein zwei Tagereisen breiter Zug von regellos * Mau sehe meiae jjeognostische Karte von Egypten und den Plan der Nilkatataktcu von Siene iiu Atlas su {littevs Erdkunde, I. 310 gehäuften Granit- und Syenitbergen , deren nähere Bekannt- schaft wir in den geognostischen Mitthei hingen über Nubien machen werden , zu w elchein Lande sie bereits gehören. Als ich einige Jahre später die Küsten Skandinaviens bis in den höchsten Norden von Europa hinauf bereiste und oft an den wilden Felsenküsten stand und dem Spiele der Meeresbrandung zusah, jene zahllos hingesäeten Felseninsel- chen betrachtete, die die Küste wie ein Spitzen Saum be- gränzen und die unter dem Namen „Scheeren" ohnehin bekannt sind, so musste ich mich unwillkürlich an die Kata- rakten des Nils zurückversetzen. Dasselbe Gestein*, die- selben abenteuerlichen Felsformen, Denke ich mir, auf einer Granitkuppe an der Katarakte von Siene stehend , an- statt des Sandes der Wüste und den Ablagerungen des Sand- steins, das Meer in seiner weiten Fläche, wie es diese Granitfelsen umgibt, wie es die Waddis erfüllt und lange Fjords bildet, wie seine braunen Wogen sturmgepeitscht an den schwarzen Klippen sich zerschellen, sie runden und glät- ten, so steht die ferne nordische Küste im Geiste vor mir. So muss einst das Land der Katarakten ausgesehen haben, als von Afrika noch nichts über das Meer emporragte, als die Rücken seiner jetzigen Küstengebirgssysteme , und diese vor sich jene zahllosen Felseninseln von Granit hatten , zwi- schen denen sich der heutige Nil durchwindet. Nach diesem allgemeinen Überblicke der Umgebung der Katarakten von Assuan, gehe ich auf das Detail meiner da- selbst angestellten Beobachtungen über. Südlich der jetzigen Stadt und dicht daran, wo einst das alte Assuan stand, bildet der Granit das steile rechte Ufer des Stroms. Seine Masse ist in Blöcke von ungeheu- ren Dimensionen aufgelöst und seine Berge sind im wahren Sinne des Wortes nur Haufen solcher Blöcke. Steinbruch- arbeiten haben dabei allerdings Manches gethan, aber ihr Wirken verschwindet zu Nichts gegen das Wirken der Na- tur. Der Granit ist grobkörnig und sehr krystaUinisch. Der Feldspath ausgezeichnet fleischroth , blätterig mit Perlmutter- * Der Scheerengranit und der Katarakteugrauit sind in Haudstücken »ehr häufig nicht zu unterscheiden. 320 glänz, zumTheil vollkommene Krystalle, meiner Ansicht nach nur selten Albit. Der Quarz, wasserhell und weisslichgrau. Der Glimmer in schwarzen und schwärzlichg;rünen ßlättchen. In quantitativer Beziehung betrachtet, ist der Feldspath der bei weitem vorwaltendste Bestandtheil , dann folgt der Quarz und zulezt der Glimmer. Hornblende bildet einen ausser- wesentlichen Gemengtheil , mit dessen Zunahme der Glimmer zurücktritt und sich der bekannte Übergang in Syenit bildet. Diese Übergänge aus Granit in Syenit sind so allmälig, dass es sehr schwer seyn würde, zu bestimmen, wo der eine anfängt lind der andere aufliört. Näher am Ufer des Stroms nimmt der Granit ein sehr feinkörniges Gefüge an. An der Ost- seite des Stadtberges zeigt der Feldspath dieses Gesteins eine blaulichgraue Farbe und es tritt bedeutend mehr Glimmer ins Gemenge, überhaupt hat es den Anschein, dass dieser graue Granit nur eine untergeordnete Lagerstätte des rothen bildet. Südlich von den Ruinen der alten Stadt und in geringer Entfernung sieht man im Granite mehrere Dioritgänge auf- setzen, unter denen sich einer besonders auszeichnet, der h. 1 — 2 streicht, eine Mächtigkeit von 4 Fuss besizt und gegen das Nebengestein sehr scharf begränzt ist. Der Dio- rit hat eine schwärzlichgrüne Farbe, zum Theil blätterige Textur, in welchem Falle die Lagen entweder parallel dem Hangend- und Liegendblatte liegen, oder, wie an mehrern Stellen , eine konzentrisch schalige Struktur zeigen , eine Neigung zur polihedrischen Absonderung*. Der untere Theil des Berges, südlich von Assuan, auf dessen Rücken eine Moschee und eine Warte stehen , ist Granit, zu oberst jedoch hat derselbe eine Haube vom Sand- steine der Umgebung. Dieser dem Granite fast horizontal aufgelagerte, dem Anschein nach durch ihn emporgehobene Sandstein hat eine sehr interessante Umstaltung erlitten. Er ist nämlich in der Berührung mit dem Granit und in der Nähe desselben wie gebrannt und hat ganz das Ansehen wie Sandstein, der lange einer heftigen Glühhitze ausgesezt * Meiner Ansicht nach kann hier von einer Absonderung im be- schränktesten Sinne des Wortes woiil nicht die Rede scyn. 321 war. Stellenweise erscheint er wie gefriftet, ja sogar wie geschmolzen und bildet in den beiden leztern Fällen Gesteins- arten, die denen des Dschebel Achmar bei Kairo bis zum Verwechseln gleichen*. Der mit den diinncn Schichten die- ses Sandsteins Avechsellagernde Mergel erscheint ebenfalls wie gebrannt. Die prachtvollen Farbennüancen dieser Sand- steine, ihre Härte und ihr Glanz, den sie durch Politur er- halten können , machte sie zu einem bei den Alten gesuch- ten Gesteine zu Götter- und Königsbildern, jedoch die Schwie- rigkeit, grosse Monolithe von hinlänglicher Gänze zu finden, machte die Anwendbarkeit selten. Dieser Sandstein klingt bei mechanischem Impulse, z. ß. beim Schlage des Hammers, sehr stark, und die Folgerungen, die aus dieser Eigenschaft beziiglich des Klingens dieser Steine bei plötzlichen Tem- peraturveränderungen sich ergeben, habe ich bereits bei meiner Betrachtung über die Memnonsäulen, die ans die- sem Sandsteine bestehen, näher auseinander zu setzen Ge- legenheit gehabt**. Siidiich des Moscheenberges, der das Thal mit den ku- fischen Grabmonumenten und der Strasse, die von Siene nach Philä fiihrte, vom Nile trennt, verschwindet der Sandstein ganz und der Granit bildet ausschliesslich die Berge des rechten Ufers der Katarakte. Am Wege längs der Kata- rakten trifft man die herrlichsten Abänderungen des Granites; zum Theil ist er so grosskörnig, dass seine einzelnen Feld- spath- und Quarz-Partien bis zur Grösse eines Kubikfusses auAvachsen, andrerseits ist er vom feinsten Korne und nimmt ein gneissartiges Gefüge an. Die Aussenseite der Granit- blöcke und überhaupt die der Granitfelsen hat einen ganz dünnen, dnnkelschwarzen, starkglänzenden Überzug, der ihnen das Ansehen gibt, als wenn sie gepecht wären. Dieser Ubefzng ist so dünne und mit der Masse des Gesteins so ver- flossen , dass er davon nicht getrennt werden kann. Besonders bemerkt man diesen Überzug, den ich für Eisenoxydul halte, an den Felsen im Strome und nahe demselben, und ich sehe * Als Belog- hierüber dient meine im Hauptmünzanite zu Wien auf- gestellte geognostisclie Sammlung-. *'" 1. Abschnitt dieses Bandes. Rux^eg5;er, Reisen. II. Bd. I.Thl. 21 322 ihn für ein Produkt der durch den gemeinsamen Einfluss des Wassers und der Atmosphäre bedungenen langsamen Zersetzung des Gesteins an. Auch die Felswand der Granitberge , welche sich längs der Katarakte gegen Philä hinzieht, ist von einer Menge von Diorifgängen durchsezt, die sich vom Strome bis zu den höchsten Rücken hinaufziehen und wie schwarze Bänder auf dem rothen Granite einen eigenthümlich schönen An- blick gewähren. Einer dieser Gänge hat eine Mächtigkeit von 15 Klafter. Eine halbe Stunde nordwestlich von Philä häufen sich diese Gänge, ihre Mächtigkeiten betragen 2 bis 4 Fuss, ihr Streichen ist meist Ost- West, ihr Verflachen sehr steil. Die Gangmasse ist vom Nebengestein meist scharf getrennt, und nur in wenigen Fällen scheinen sie in einander zu verfliessen. In der Nähe dieser Gänge zeigt der Granit eine senkrechte, prismatische Absonderung, und zwar vom Ufer bis zu den höchsten Rücken der Berge hinauf, sonst erlitt das Nebengestein keine Veränderung. Am ersten Dorfe von Philä nach Assuan trifft mit diesen Gängen von schwärz- lichgrünem Diorit, der nur selten Krystalle von Feldspath enthält, ein 4 bis 5 Fuss mächtiger Gang von dichtem Feld- spathgestein (Feldstein) zusammen. Derselbe streicht h. 4—5, fällt unter 15» in Süd-Ost, und spricht sich klar und scharf begränzt in der Granitmasse aus. Dieser Gang muss im Streichen und Verflachen den nächsten Grünsteingang tref- fen, da jedoch ungeheures GranitgeröUe das Ausgehende der Gänge weiterhin bedeckt, so konnte ich ihr Verhalten zu einander nicht erforschen, daher auch zur Beurtheilung ihres relativen Alters keinen Anhaltspunkt mir verschaffen. Die Insel Philä , so wie alle übrigen Strominseln in ihrer Umgebung, bestehen aus demselben Granite. Wenn man von Philä gegen Assuan das Thal verfolgt, in welchem sich die kufischen Grabesmonumente befinden, d. h. den gewöhnlichen Weg der Karawanen zieht, so trifft man nach einer Stunde im Granitterrain eine höchst interes- sante Stelle. Am westlichen Thalgehänge nämlich ist da- selbst der Granit nach allen Richtungen zerklüftet und von vielen sehr flach fallenden Gängen durchsezt. Die Masse 323 dieser Gänge besteht aus Diorit und Gneiss, die in dünnen Lagen miteinander wechseln. Die Mächtigkeit eines dieser Gänge beträgt 1 Klafter. Ist hier vvirivlich Diorit und Gneiss zusammen die Ausfüllungsmasse dieser Gemenge? oder sind es vielleicht nur parallele Dioritgänge von geriuger Mäch- tigkeit und der zwischen ihnen liegende Granit, das Neben- gestein, durch sie etwa in Gneiss durch blosse Texturver- änderung umgewandelt worden? In der Nähe dieser Stelle beobachtet man ausser den Dioritgängen auch Feldspath- gänge und einen Gneissgang im grobkörnigen Granite, welch leztere Lagerstätte ich wohl für ursprünglich contemporär mit ihrem Nebengestein ansehen möchte. VS'^enn man von Assuan in der Richtung gegen Ost und Südost in die arabische Wüste vordringt, so passirt man zu- erst das Thal, welches sich von Assuan nach Philä hinzieht. Die Thalsohle sowohl, als auch den untern Theil der Ge- hänge zu beiden Seiten, bildet Sandstein, der zum Theil mit Sand und Grauitblöcken bedeckt ist. Der Sandstein trägt überall die Spuren der erlittenen Umwandlung an sich. Das östliche Gehänge dieses Thals bildet ein zweiter Granitzug, der sich wie jener, welcher das rechte Ufer der Katarakte bildet, aus Nordost in Südwest gegen Philä hinzieht. In diesem Zuge, der ungefähr eine Breite von 1500 Klafter ha- beu mag, wurden von den Alten sehr ansehnliche Steinbrüche betrieben , in deren einem man noch einen halbfertigen Obe- lisken von 90 Fiiss Länge liegen sieht. An der östlichen Grenze dieses Granitzuges sieht man den Granit deutlich unter dem Sandsteine hervortreten. Der Sandstein ist horizontal geschichtet, von graulichweis- ser Farbe und ziemlich feinem Korne. Die Straten haben geringe Mächtigkeit. Auf diesem Sandsteine liegt horizon- tal ein zweites Sandsteingebilde abgelagert , welches ich zum Unterschiede von dem untern Sandsteine der Ka- tarakten den Obern nennen will. Dieser obere Sand- stein ist in Bänke von 1 bis 2 Klafter Mächtigkeit getheilt, der Zusammenhano- seiner conaruirenden Theile ist lose und das Auge entdeckt kein Bindemittel. Er ist sehr grobkörnig und besteht aus (iuarz, Karniol, Jaspis, Agat, Feuerstein, 21 * 324 Kieselscliiefer, Hornsteinkörnein und Brnclistücken, vorwal- ttMid jedoch ist Quarz. Die Grösse der Körner steigt bis zu ein und zwei Knbikzollen , die Form derselben ist theils kantig-, theils geschiebeartig abgerundet. Der Quarz meist von weisser, gelber und fleischrother Farbe. Diese grös- seren Körner sind nicht gleichförmig durch die ganze Masse des Sandsteines vertheilt, sondern sie sammeln sich meist zu besonderen Straten und durchziehen als solche das Ge- stein auf eine Weise, die sie schon in einiger Entfernung bemerkbar macht. Verwittert oder zerfallt vielmehr der feinkörnigere Theil des Sandsteins oberhalb einer solchen grobköinigen Strate und wird der dadurch entstandene Sand vom Winde weggefiihrt, so bleiben die gröberen schwereren Körner auf ihrer Unterlage liegen und zahllose Wiisten- kiesel, wie man sie nennt, bedecken die Oberfläche, sey diese nun Granit, oder der untere Sandstein, oder der Sand der Wüste. Daher der interessante Anblick, dass man oft bedeutende Flächen des Granitgebirges mit bunten, losen Quarzkörnern bedeckt sieht. Die Auflagerung auf den un- tern Sandstein bezeichnet den obern an und für sich als ein jüngeres Gebilde, und obwohl der Mangel an Versteinerun- gen * eine scharfe Bestimmung seiner geognostischen Stel- lung höchst schwierig macht, um so mehr, da er die oberste Gesteinslage bildet und nur vom Sande der Wüste bedeckt w ird, so glaube ich doch , dass man ihn wegen der Analo- gie seiner Lagerungsveihältnisse mit denen der Trümmer- gesteine des lybischen Gebirges bei Theben und wegen der lageweise statthabenden Ablagerung von Bänken gröbern Korns, oder von sogenannten Schuttkonglomeraten, als ein Gebilde der A 1 1 u v i a 1 z e i t ansprechen und annehmen dürfte, dass er durch die Zerstörung des tiefer liegenden Sandsteins und durch die Regeneration des daduich entstandenen San- des zum neuen Fels entstand. Der Granit ist an der Grenze des Sandsteins besonders reich an Dioritgängen und der Sandstein selbst zeigt an diesen Orten jene merkwürdige Umstaltung, deren ich schon öfter gedacht habe und der man wenigstens das Ansehen eines erlittenen vulkanischen Wei)igsten.«i mir gelang es nicht, vvclclic zu finden. ;{25 Einflusses nicht Wdlil abspreclien kann. Zuisclien diesem zweiten Gianitznge und dem weiter östlicli folgenden dritten, der ebenfalls NO. in SW. streicht, liegt ein an 500*^ breites Sandsteinthal. Der dritte Granitzng tritt unter denselben Verhältnissen aus dem Sandsteine hervor, deren ich schon erwähnte, nur beobachtet man in seiner Nähe, sein westliches Gehänge ausgenommen, keine Ablagerungen des obeni Sandsteins. Der untere dem Granite aufliegende Sandstein zeigt senk- rechte Zerklüftung. Der Granit dieses Zuges, seiner Masse nach von viel geringerer Entwicklung, als der beiden frühe! erwähnten, ist sehr reich an Diorit- und Feldspatligängen Oestlich von diesem Granitzuge* gelangt man in ein last 2000 Klafter breites Waddi, welches die Araber zu jenem Theile der arabischen Wüste rechnen, den sie mit dem Namen Waddi el Hammer bezeichnen. Der Boden dieses weiten Wüstenthaies ist bedeckt mit quarzigem und gelb rothem Sande und mit Bruchstücken von Granit und Diorit, so wie mit Geschieben dieser Felsgebilde. Am Ostrande dieser Thalebene erhebt sich endlich un- ser vierter Granitzug, über dessen Breite ich keine Unter- suchung anstellte, so viel ich aber von den Kupj3en de» Granitberge aus, welche ich erstieg, sah, so dehnt sich derselbe als ein mächtiger Gebirgsstock, als ein verworre- ner Haufen zahlloser Berge, dinchschnitten von tiefen engen Schluchten, so weit das Auge reicht, nach Ost aus, Waiu- scheinlich steht dieser Gebirgsstock in seiner östlichen Aus- dehnung ebenso mit den Küstengebirgen des rothen Meeres in Verbindung, wie er sich gegen Süd mit jenem ausgedelni- ten Granitgebirge vereint, welches jenseits der nubischen Grenze sich zu beiden Seiten des Nils erhebt und sich in SO. mit dem Dschebel Otabi vereint, der bereits dem Küsten- gebirge Nubiens am rothen Meere angehört. Am Ostrande des Waddi el Hammer ist der Granit dieser Berge fein- körnig und geht durch Aufnahme von Hornblende bei * Zur Versinnlichuiig der hier angegebenen Lokalveihältnisse diciic der Durclisch uitt des Katarakt engebir^es in dei Ricbtiing von AsNuaii aus Nordwest nach Südost. Tafel. HI der Durchscliuitte Nio. 4, 326 sichtlichem Zurücktreten des öuarzes In vollendeten Syenit über. Lokale Umwandlungen des Granites in Gneiss sind nicht sel- ten, sie behaupten aber stets nur eine geringe Entwicklung. Der Granit ist hier von dem obern Sandsteine der Katarak- ten bedeckt, dessen Schichten horizontal liegen und zwischen denen man sehr häufig Lagen von losen , gelb - und roth- gefärbten öuarzbruchstücken und RuUstücken beobachtet. Auch dieser Sandstein trägt in Berührung mit dem Granite die unverkennbarsten Merkmale derselben Umwandlung an sich, die wir in diesem Falle an dem untern Sandsteine bemerken 5 meiner Ansicht nach ein Beweis, dass hier die Erhebung des Granites erst sehr spät, und zwar erst nach geschehener Ablagerung dieses Alluviums, vor sich ging. Die Übergänge des Granites in Syenit meliren sich weiter gegen Osten ins Gebirge. Quarz und Glimmer sind ver- schwunden, der Feldspath röthlich, weiss- und lauchgrüne Hornblende tritt ins Gemenge ; doch bald erscheint der Gra- nit wieder in seiner hier gewöhnlichen Form und bildet ein durch seine Wildheit merkwürdiges Kesselthal. Ein niede- res, kümmerndes Älimosenbäumchen und ein einzelner klei- ner Vogel waren die einzigen lebenden Wesen in dieser furchtbaren Einöde. Berge von Granitblöcken mit glänzend schwarzer Aussenseite, kühn aufeinander gethürmt und jeden Augenblick dem Einsturz drohend, umschliessen dieses Thal, dessen Boden der gelbrothe Sand der Wüste deckt. Nur mit grosser Mühe konnten wir über die ungeheuren Granit- blöcke in dieses Thal hinabklettern, in welchem wir häufige Beweise von der starken Einwirkung einstiger Regengüsse auf dieses Terrain fanden. Einer der alten Giessljäche bahnte sich seinen Weg durch eine tiefe, enge Schlucht, die den einzigen Zugang in dieses Kesselthal bildet. Der Granit, welchen das Thal umgibt, ist voll von Dioritgängen. Die Schlucht, durch die wir hinabstiegen, ist ungefähr 800 Klafter lang und wird von zwei senkrechten Granitwänden gebildet, die an 30 Klafter Höhe haben und zwischen sich nur einen Raum von 4 — 7 Klafter Breite offen lassen. Die Granitmasse, welche die Felswände dieser Schlucht bildet, ist senkrecht zerklüftet, und wo diese Kluftflächen 327 eine Neigung besitzen, ist selbe stets gegen die Schliiclit geiiebtet. Am Ausgange dieser Scbludit, die gegen Philä hin in einem weiten Wüstenthaie mündet, sieht man an der nordöstlichen Felswand, im Granite mit fleischrotheni Feld- sputhe und glänzender, wie polirter Oberfläche, einen dunkel- schwarzen und drei Fuss mächtigen Dioritgang von der Thalsohle bis auf die Höhe, durch die ganze Wand hin- auf aufsetzen und ein sehenswerth schönes geognostisches Bild geben. Wir wendeten uns von dieser Schlucht weg wieder mehr östlich und gelangten steil ansteigend auf ein Pla- teau des arabischen Gebirges, das mehrere Meilen im Um- fange hat und vier Stunden südöstlich von Assuan liegt. In Ost und Südost liegen hohe Berge der arabischen Kette vor*, deren Höhe aber in der strahlenden, südlichen Be- leuchtung wohl beträchtlicher erscheinen mag, als sie wirk- lich ist; denn ich glaube kaum, dass sie sich zu mehr als 1000 Pariser Fuss über das Nilthal bei Assuan, oder zu mehr als 1300 bis 1400 Pariser Fuss Äleereshöhe erheben dürften. Die Formen dieser Berge sind höchst malerisch, sie bilden steile, zerrissene Gipfel mit senkrecht abfallenden Wänden und scharfen Felskämmen. Wahrscheinlich gehö- ren sie alle der Granit- und Syenitformation der Katarakten an, zwischen sich in ihren Thälern den bekannten Sandstein umschliessend. Das Plateau, welches beiläutig im Niveau des Gipfels des Moscheeberges bei Assuan, d. h. 200 Fuss ober dem Strombett des Nils liegen mag, besteht aus dem untern und obern Sandsteine der Katarakten, der durch eine zahllose Menge kleiner Granitkegel von 20 bis 100 Fuss Höhe durchbrochen ist, welche zum Theil ganz in Blöcke zerfallen sind. Diese merkwürdigen auf der ganzen Ebene des Sandsteinplateaus zerstreuten Hügel ord- nen sich unter einander in Linien, die grösstentheils un- ter sich parallel laufen und die Richtung aus NO. i» SW. vorherrschend behaupten. Man muss bei diesem An- blicke unwillkürlich an die Eruptionskegel denken, die ich später an mehreren erloschenen und noch thätigen Feuer- ''' Der Dsthebcl Baiaai. 328 bergen zu beubacliten Geleg^enheit hatte und die, wie be- kannt, die Richtungen grosser unterirdischer vulkanischer Spalten bezeichnen und aus diesen emporgetreten sind. Der Sandstein des Plateau's ist total verändert. Er trägt ganz das Ansehen an sich, als wäre er lange Zeit hindurch einer sehr hohen Temperatur ausgesezt gewesen. Er ist wie stark gebrannt, gefrittet, halbgeschmolzen , seine Mergel zeigen sichtbar dieselben ümwandlungsphasen. Kurz ich kann nicht umhin anzunehmen, dass hier der Granit auf vulkanische Weise durch grosse und lange Spalten im Sandsteingebirge em- porgetreten ist und so jene gangartigen Reihen von Kegelber- gen, fa wahrscheinhch auf die gleiche Weise das ganze Gebirge der Katarakte, bildete. Dass solche Gangbildung in einem grossen Massstabe hier stattfand, das beweist auch das Vor- kommen eines sehr grossen Ganges am Westrande dieses Plateau's, in der Nähe der vorhin erwähnten Granitschlucht, die wahrscheinlich selbst nichts anders, als ein noch offener Gangspalt ist. Jener Gang, dessen Ausgehendes als 20 bis 30 Fuss hoher, scharfer Felsenkamm sich auf eine Strecke von 400 Klafter verfolgen lässt , besteht aus Quarz und Feld- spath, die ein hornsteinartiges Gemenge bilden. Er streicht h, 24, hat eine mittlere Mächtigkeit von 12 I)is IS Fuss und verflächt unter 60'' in Westen. Gegen Norden und Süden verliert dieser Gang an Mächtigkeit und er scheint sich in diesen Richtungen auszukeilen. Die Gangmasse zeigt am Hangenden und Liegenden grosse Festigkeit, in der Mitte aber ist sie stark aufgelöst. Da ich in der Gangmasse an mehreren Stellen fein eingesprengten Schwefelkies fand und mehrere Kennzeichen mich zu der Vermuthung berechtigten, dass dieser Gang fein eingesprengt gediegen Gold fiihren dürfte, sandte ich eine Probe hievon nach Älexandria, die ich jedoch späterhin nicht mehr zu sehen bekam. Wenn man von Assuan auf das linke Ufer des Nils hinübersezt, so passirt man die Insel Elefantine und eine Menge kleiner, im Strome zerstreuter Felseninseln, die sämmtlich der Granitbildung angehören. Granit bildet auch das Gestein des rechten Uferrandes, aber nur in geringer Breite: denn in der Entfernung weniger Klafter vom Strome 329 verschwindet der Granit unter dem horizontal aufgelagerten Sandsteine der libyschen Bergkette. Dieser Sandstein ist ganz derselbe, wie er sich am rechten Ufer zeigt, und vvie dort, lässt er auch hier dieselben Unnvandlungen in der Nähe des Granites Avahrnehmen. Auch auf dem Rücken des Ge- birges, Assuan gegenüber, nördlich und südlich jenes Punk- tes, wo das Schechsgrab steht und von wo ans allein man eine schöne üebersicht über die ganze Katarakte geniesst *, zeigt der Sandstein sich verändert und zwar halbgeschmol- zen zu einem Gestein vom herrlichsten Farbenweclisel, ganz in der Art wie am Dschebel Achmar bei Kairo. Doch steht aber daselbst dieser Sandstein in keiner unmittelbaren Be- rührung mit dem Granite, sondern ist durch eine an 200 Fuss mächtige Masse wenig oder gar nicht veränderten Sandsteins davon getrennt, woher nun diese Veränderung? Nördlich von Assuan dehnt sich an beiden Ufern des Stromes, wie wir schon wissen, die Sandsteinformation aus. Anderthalb Stunden nordöstlich der Stadt befindet sich am rechten Ufer und am Rande der Wüste das Doif Waddi Hadid- schaab. Dicht an demselben liegen die kahlen Vorberge der arabischen Wüste, horizontal geschichteter Sandstein, feinkör- nig, quarzig, von gelblichweisser und gelblichgrauer Farbe. Die Straten dieses Sandsteins wechseln mit Thonstraten. Der Thon, von gelber, rother, blauer, grauer und weisser Farbe, zeigt auf den Ablösungen schöne dendritische Zeichnungen. Diese Thone haben eine sehr feste Konsistenz und der graue ist ausgezeichnet plastisch. Ich glaube, er dürfte seiner Rein- heit wegen und wegen seines Vorkommens in quarzigen, kalkfreien Sandsteinen ein feuerfestes und sehr geeignetes Material für Oefen und Ziegel abgeben , die sehr hohen Temperaturgraden ausgesezt werden. An den Ablosnngs- flächen dieser Thonstraten fand ich mehrmals einen federi- gen, wolligen Anflug von Aluminit. Die Mächtigkeit dieser Thonstraten des Sandsteins wech- selt von 5 bis 12 Fuss. Ein solches Thonlager von lezterer * Kuppet el Haua, der Gipfel des Windes, oder die Windkuppe; BuRKHARDT übcrsczt cl Iiowa, Mie er nach englisclicni Sprutligebrauche schreibt, die „Hohe". 330 Mächtiokeit bildet hier die sichtbar tiefste Felsablagerung;, und schon seit geraumer Zeit gewinnen die Dorfbewohner diesen Thon durch eine Art Pfeilerabbau für die Thonpfeifen- fabrik zu Siut. Am Hangenden dieses Thoniagers, nämlich zwischen demselben und dem Sandsteine, der das Dach bildet, liegt eine Fuss mächtige Schichte von körnigem, linsenförmigem Thoneisenstein, der, obwohl dem Ansehen nach an 40 Procent Eisen haltend, unbenüzt liegen bleibt und bleiben muss, da in ganz Egypten und Nubien sich weder Holz noch Kohlen'' linden, um mit Vortheil eine Hütte etabliren zu können, selbst wenn dieses Erz in hinreichender Menge vorhanden seyn sollte. In diesem Sandsteine, der mit bunten Thonstraten wech- selt, fand ich eine Cyklas (Faba. Münster? Steinkern mit einem kleinen Theil der aufsitzenden Schale), die einzige Versteineruug, die ich ausser Dikotyledonenstämmen in die- sem Sandsteine in ganz Egypten und Nubien zu finden Ge- legenheit hatte. Eine halbe Stunde nordöstlich von Assuan und östlich des Weges, der nach dem Dorfe Hadidschaab führt, befindet sich der Dschebel Marwa. Derselbe besteht aus ganz rei- nem, glasigen Quarze, von milchweisser Farbe und durch- scheinend, ohne alle fremde Beimischung und ein treffliches Material zur Glasfabrikation. Diese öuarzmasse, ein mäch- tiger Gang, tritt zwischen dem Sandstein und dem Granite hervor, bildet einen an 26 Fuss hohen Felsenkamm, ist dem Streichen nach aus INW. und SO., also den Granitzügen ins Kreuz, an 100 Klafter weit zu verfolgen und hat eine mitt- lere Mächtigkeit von ungefähr 90 Fuss. Die Schichten des Sandsteins sind am Quarze geneigt und stark verändert, alle jene Umwandlungsformen zeigend, die wir bei Assuan beobachteten. Hiemit beenden sich meine im Nilthale gemachten geo- gnostischen Beobachtungen und ich werde nun in gleicher * Die Hoffnung Kohlen, namentlich im Nilthale und an der Küste de« rothen Meers durch tiefe Bohrungen in den untersten Schichten der Krcidc- kalke und des Sandsteins oder zwisciicn den tertiären und Krcidegebil- den zu finden, lässt sich denn doch meiner Ansicht nach nicht so ganz a priori absprechen. »31 Richtung', nämlich ;ius Noi'd in Süd, die «eognostischen Verhältnisse der libyschen und arabischen Wiiste darzu- stellen versuclien , niuss aber liiezn, um das geognostische Bild des ganzen Landes zu vervollständigen , dort , wo mir die eigene Anschauung mangelt, die Beobachtungen anderer Reisender, namentlich von Ehrenberg, Cailliaud, Minutoli, WlLKlNSON, RlFAUD, BeLZONI, LeTRONNE, NeSTOR l'HoTE U. S. VV. zu Hülfe nehmen. Die libysche Wiiste mit dem Oasenzuge. Die Betrachtungen über die geognostischen Verhältnisse desjenigen Theils der libyschen Wüste, welchen man gemäss der im Eingange dieses Kapitels gegebenen Erklärung zu Ober-Egypten rechnen kann, reihen sich unmittelbar an jene Darstellungen an , die ich im ersten Bande dieses Werkes über die geognostische Beschaffenheit der Wüste der Natron- eeen und des Küstenlandes von Unter-Egypten gab. Nach Ehrenberg und den übrigen Reisenden, welche die libysche Wüste in der Breite von der Meeresküste bis zum 29. Breitengrade und gegen Westen über die Oase Siwah bis zur Gränze der Regentschaft von Tripolis durchzogen, dehnt sich die Tertiärformation des Nilthals über diesen ganzen Landstrich aus. Wie an der Küste von Alexandria, so bilden auch weiter im Westen, und zwar nachgewiesen bis zum Rhas Chalem, bei Kassr Eschdaebi, oder bis zum Cathabathmus magnus, Meeresalluvieu , besonders kalkiger Meeressandstein, von zahllosen Pholaden durchlöchert und durch Brandung zerrissen, das Gestein des Küstenrandes. Unmittelbar daran aber und das ganze, 300 bis 500 Fuss über das Meer sich erhebende Wüstenplateau zwischen der Meeresküste und dem Oasenzuge bildend, treten die tertiären Kalke Egyptens in einer ausserordentlichen Ausdehnung auf. Das eigentliche Wüsteuplateau, welches nördlich zum Meere, südlich gegen die Oase Siwah und ihre östliche Fortsetzung abfällt , besteht in horizontalen Kalksteinstraten , die mit Schichten von Mergeln und Gyps wechsellagern. Diese Kalke führen die Versteinerungen des Mokattam , Korallen, Echi- nodermen, ein- und zweischalige Mollusken , enthalten aber 332 nach Ehrenberg keine Numinullten und keine egyptisclie Jas- pise (Kieselkonkretionen ?). Diese Felsgebilde dürften also den obern Kalk-, Thon- und Gypsablagerungen des Mokattam an- gehören, welche daselbst den obein Numniuliten-Kalk bedecken. Am westlichen Rande des Wüstenplatean's, nördlich von Siwah bei Disinendul el Kibir, fand Ehrenberg den Boden des Felsteirains mit einer Menge kieseliger Konkretionen bedeckt. Es sind Kalzedone und Karniole , die lose herum liegen und häufig Eindriicke von Konchylien wahrnehmen lassen, oder selbst Steinkerne von solchen zu seyn scheinen. Ein Beweis, dass also Kieselkonkretionen diesen Tertiär- ablagerungen doch nicht ganz fremd sind, so wenig als die- ses bei ihren Parallelgebilden am Mokattam und an den Pyramiden der Fall ist. Am Süd- und Westrande des libyschen Wüstenplateau's, also einerseits das herrschende Gestein des nördlichen Theils des Oasenzuges (Siwah, Ain-Uwara, Fajum, Bachrein, Bache- rieh u. s. w.) bildend, andererseits sich ohne Unterbrechung gegen Osten bis zum Nilthale erstreckend, tritt der Nummu- litenkalk auf, derselbe, den wir bereits kennen. Seine Schich- ten liegen horizontal, und da sie am Mokattam entschieden unter denselben Schichten des Grobkalkes liegen, die hier das Plateau bilden, so ist kein Grund voihanden , dasselbe hier nicht zu vermuthen. Dieser Nummulitenkalk ist hori- zontal geschichtet, führt, nebst zahllosen Nunimuliten, die ubri gew Versteinerungen des Mokattam, und enthält stellenweise, so z. B. im Waddi Lebuk, versteinerte, in eine Kieselniasse umgewaiulelte Monokotyledonen- und Dikotyledonenstämnie in grosser Anzahl. Die sogenannten egyptischen Jaspise bedecken den Boden der Wüste dieses Terrains in unzähli- ger Menge und, so wie im Nilthale, von vielen Nuancen der Grösse und der Farbe, Das in der Oase Siwah efflorescirende Erdsalz besteht nach der Analyse des Professors John aus Gyps mit 10 bis 20 Procent Kochsalz und ist ein Resultat der Salzauswitterung aus den Thonstraten, welche dem Nummulitenkalke unterge- ordnet sind *. * MlKliTOU S. 179. 333 JVlit den Beobachtungen Ehrenberg's stimmen die des verdienstvollen Reisenden Cailliaud's ganz iiberein. Die Beobachtungen sind treffend nnd >vahr. Cailliaud traf in dem Nnmmnlitenkalke bei er Rajan . anf dem Wege von Fa- jnm nacli Siwah, jenen schönen fossilen Nautilus*, den man im Atlas zu dessen Reisewerke Vol. II, Tafel 65, Fig 1 nnd 2 abgebildet findet. Der Dschebel Gardcramak zwischen er Rajan und Ain Uwara besteht aus horizontalen Kalkschich- ten voll von Konchyiien. Häufig entdeckt man anf der Ober- fläche der Wüste Efflorescenz von Kochsalz, und der Boden ist bedeckt mit Wüstenkieseln und Trümmern von verstei- nerten Monokotyledonen- und Dikotyledonenstämmen. Der- selben Formation gehört auch der isolirt stehende Kegelberg Dschebel Mut, nordwestlich von Siwah, an, wo Cailliaud mehrere Hypogeen ** fand , so wie der Dschebel Drar Abu Berik , ostsüdöstlich in geringer Entfernung von der Stadt Siwah. Auch in leztern Bergen bildet der an Versteinerun- gen reiche Kalk mehrere kegelförmige Kuppen, oben mit Plattformen, wie sie sich überhaupt sowohl in der Wüste, als im Nilthale mehrmals finden, und meiner Ansicht nach, in Bezug ihrer Formen, das Resultat der Einwirkung der Strömungen darstellen , die sie einst umgaben. Der produktionsfähige Boden der Oase Siwah ist ein sandiger Thon. Auch lässt das häufige Vorkommen des salz- sauren Natrons in der ganzen Umgebung der Oase auf das Vorhandenseyn grosser Ablagerungen von salzfi'ihrendem Thon, wie ich ihn an den Natronseen fand , scliliessen. Das Salz efflorescirt aus dem Boden der Wüste, mengt sich mit dem Sande derselben und bildet so eine Art ganz eigenthüm- licher Kruste. Wie in der Oase Selima, so findet man auch hier oft grössere Partien von reinem, krystallinischem Salze im Sande, das Produkt einer geschehenen Auflösung, durch Regen z. B. , und der Wiederkrystallisirung. Alle Seen der Oase führen Salzvs asser, doch mitten aus diesem mit Salz durchdrungenen Boden brechen, wie an den Natron- Seen, Quellen von süssem Wasser hervor. Westlich von ~' Nautilus lineatus. -■ 1, S. 68. XU Siwali sollen die Bewohner, ihren Erzählungen zu Folge, einst auf Schwefel gebaut haben, der also hier in Bezug seines Vorkommens dem Tertiärgebiete angehören dürfte. Dieses Vorkommen des Schwefels wird durch die vielen Schwefelquellen, die im Gebiete der Oase zu Tage treten, sehr wahrscheinlich, und überhaupt deuten mehrere Erschei- nungen darauf hin, dass vulkanische Ereignisse diesem Ter- rain keineswegs fremd sind. Dahin gehören z. ß. die öfter sich ereignenden Erdbeben, in Folge deren im J. 1811 z. B, ein Theil des alten Tempels von Om Beida einstürzte. Wir sehen aus diesen Beobachtungen Cailliauds, dass das herrschende Gestein des Oasenzuges von Fajura bis Siwali der versteinerungsreiche Nummulitenkalk des Nilthals ist, wechselnd mit Lagen von Gyps und Thon, grösstentheils Salz führend , voll von Wüstenkieseln der verschiedensten Art und in Niederungen bedeckt vom Sande der Wüste. Die Berge dieses Terrains steigen nirgends zu mehr als 300 Paris. Fuss Meereshöhe an. Wenn wir uns von Siwah südlich wenden und den Oasen- zug bis an die Grenze von Nubien verfolgen, so erhalten wir folgenden Überblick der Gebirgslagerungen in den Län- dern westlich des Nils. Südöstlich von Siwah, bei Meimat el Bacher, am Dsche- bel Mertosek, auf der Route nach Bacherein, fand Cail- LiAUD den Kalk voll von Nummnliten und darunter viele von 2 Zoll im Durchmesser. Dieser Nummulitenkalk bjldet da- selbst zahllose in der Wüste zerstreute Felshügel, wahr- scheinlich einst die Felsenriffe der alten Meeresküste des grossen libyschen Beckens. An mehreren Stellen bedeckt den Nummulitenkalk daselbst der Diluvialsandstein mit seinen Kie- selkonkretionen , den wir ebenfalls bereits aus dem Nilthale kennen. In der Umgebung des Salzsees, den Cailliaud in der Oase Bacherein entdeckte, ist der Boden bedeckt mit Natronsalzen und Gypskrystallen, folglich eine ähnliche Er- scheinung darbietend, wie an den Natronseen der Makarius- Wüste. Nicht weit von diesem Salzsee befindet sich eine Quelle von süssem Wasser. Dieses Auftreten von Süsswasser- Quellen mitten im salzführenden Terrain wnd in der Nähe 335 grosser Salzseen hat etwas Überraschendes, und ich kann mir diese Erscheinung nur dadurch erklären, dass diese Quellen tief unter dem salzführenden Boden ihren Ursprungs nehmen und mittelst starken Hochdruck die Kanäle schnell passiren, die sie sich durch die salzführenden Straten hin- durch auf ihrem Wege zu Tage gebahnt haben. Ihre un- mittelbar sie umschliessenden Gesteinslagen haben sie bereits längst ausgelaugt und sich weiter auszubreiten , entfernter- liegende mit Salz geschwängerte Partien des Bodens aus- zulaugen und so neuerdings Salze in sich aufzunehmen, da- ran hindert sie eben das rasche Empordringen, mit dem sie den einmal erhaltenen Weg verfolgen. Daher sehen wir Süsswasserquellen mitten im Salzterrain, daher und aus ähn- lichen Gründen sogar mitten im Meere, und daher kann ich mir auch die Möglichkeit denken , dass von zwei nahe bei- sammen liegenden Ästen einer und derselben tief liegenden Süsswasserquelle, je nach dem Wege den sie machen, je nach den Hindernissen, die sie auf diesen finden, der Ge- schwindigkeit, mit der sie ihn verfolgen etc., der eine als Süsswasser, der andere als Salzwasser zu Tage tritt, da- her glaube ich aber auch, dass die meisten der Süsswasser- quellen jener Salzwüsten ursprünglich einst Salzquellen ge- wesen sind. Am Dschebel Garah el Amrah scheint den Angaben Cailliaud's zu Folge der Diluvialsandstein das herrschende Felsgebilde zu seyn. Der sandige Boden ist von Salz durch- drungen und kleine Salzteiche liegen in der Niederung des Oasenthaies. Der Boden der Wüste ist bedeckt mit Wüsten- kieseln und mit Ostreen *. Weiter östlich, gegen die kleine Oase oder Waddi el ßacherieh zu, erhebt sich wieder der Num- mulitenkalk, voll von Ostreen und Echinodermen. Zwischen Garb el Scheriff und Ain el Beled hat der INummulitenkalk ei- nen hohen Grad von Festigkeit und führt Straten von ockerigem Thoneisenstein. Offenbar hat man es also hier wieder mit den obersten Schichten des Mokattam zu thun. Jenes Gestein, wel- ches Cailliaud ** daselbst als eine Quarzbreccie bezeichnete, * Ostrea flabellula. Caiixiaud Atlas, Vol. II, Tafel 65. "* I, S. 143. 33() ist ohne Zweifel nichts anderes, als unser Sandstein vom Dschebel Achniar bei Kairo, in seinen schönen, bunten Um- wandlungsformen und mit seinen sonderbar gestalteten , ei- senschüssigen Konkietionen, Der an Ecliinodermen leiche Nummulitenkalk des Oasenzuges wird westlich der kleinen Oase und in geringer Entfernung von el Kassr von Sand- stein verdrängt. Derselbe ist horizontal geschichtet, von weisser und durch Eisenoxyd rothgestreifter Farbe. Die niedere Bergkette, welche die Oase mitten durchzieht und in zwei Thäler theilt, gehört ebenfalls diesem Sandsteine an. Auf dem Rücken dieser niedern Sandsteinberge lagert sich nach Cailliaud ein vulkanisches Felsgobilde in einer Mächtigkeit von 4 bis 8 Meter, besonders interessant durch die Lokalverhältnisse, in denen dasselbe auftritt und seiner Beschreibung nach nichts Anders, als gefrittete und verglaste Sandsteine des Dchebel Achmar bei Kairo, von dessen wirk- lich vulkanischem Ursprung aber ich mich noch keineswegs für überzeugt halte. Die Partie von Bergen, welche den Nordrand der Oase bilden, gehört einem harten, kieseligen, von Eisenoxyd durchdrungenen Kalksteine an, der sich stel- lenweise in Platten spalten lässt und ganz der obersten Schicht des Mokattam entspricht. Auf der Höhe bei Kassr besizt dieser Kieselkalk eine weisse Farbe. Ich kann allen vorhan- denen Angaben zu Folge diesen Sandstein für keinen andern ansehen, als für den Dil u vi alsan dstei n des Nilthals, und ich halte daher Cailliaud's Behauptung, dass dieser Sandstein von Waddi el Bacherieh unter dem dortigen Kalksteine liegen soll, für eine Täuschung, die sich um so natürlicher ergab, da die Schichten beider Felsgebilde hori- zontal liegen. Meiner Ansicht nach findet gerade der ent- gegengesezte Fall statt, d. h. der Sandstein liegt auf dem Kalke und füllt die Bassins, Mulden und Thäler zwischen seinen Bergen aus. Südöstlich von es Sabu bildet derselbe Sandstein kleine Berge. An einer Stelle, welche die Araber el Marun nennen, und die nordwestlich von es Sabu liegt, entspringt eine Ther- malquelle. Cailliaud fand am 9. Januar 1820 Mittags die Temperatur derselben = 31,2 bei einer Lufttemp. von 22,0 Cent. 337 Unter mehreren Mineralquellen dieser Oase ist besonders die von Mendiscli bemerkenswertli. Sie entspringt im Ge- biete des Sandsteins und erfüllt ein grosses Bassin , vielleicht der Rest einer alten Wasserleitung. Das Wasser ist stark eisenhaltig, hat eine röthlichgelbe Farbe, guten Geschmack und zeigte am 6. Dec. 1819 um 4 Uhr Abends eine Temperatur = 27,6 bei einer Lufttemperatur von 18 Cent. Leichte Ra- senstücke, wahrscheinlich Haufen von Algen und verwandten vegetabilen Bildungen, sah Cailliaud durch den Wind bewegt als kleine Inselchen auf dem Wasser herumschwimmen. Zu Mendisch beobachtet man mehrere unterirdische Was- serleitungen und südlich von el Kassr fand Cailliaud mehr als dreissig derselben. Diese sichtbaren Reste des frühern Knlturstandes lassen zugleich einen Schluss ziehen auf die grosse Bevölkerung, die einst diese Oase besass. Die mei- sten dieser Wasserleitungen erstrecken sich aus Süd in Nord und die Wasser, die sie führen, rinnen natürlich in dieser Richtung. Ein sehr einfacher Beweis, dass man die Quellen am Südrande der Oase erbaute und sie derselben entlang und dem natürlichen Gefälle des Bodens nach zur Bewäs- serung des Terrains g^egen Nord führte; aber durchaus kein Anhaltspunkt, um daraus einen Schluss auf eine unter- irdische, natürliche Strömung der Grundwasser aus Süd in Nord zu ziehen, ein Schluss, der auch jene Behauptung hervorgerufen haben mag, dass in den alten artesischen Brunnen dieser Oase eine ähnliche Strömung beobachtet worden sey!? Wie weit sich diese unterirdischen Wasserlei- tungen ausdehnen, ist nicht bekannt. Einer der interessan- testen Punkte dieser Art liegt zwischen el Kassr und el Ba- uity. Mehrere warme Schwefelquellen sind daselbst mit vier unterirdischen Kanälen gefasst und das Wasser ist aus ver- schiedenen Richtungen in eine Höhle geleitet, deren Raum, nach Cailliaud*, 22.5 Meter Umfang und 12 3Ieter Tiefe hat. Da man die Ausdehnung dieser Leitungen nicht kennt, so kennt man auch den eigentlichen Ursprung dieser Quellen nicht und die Kanäle selbst sind zu S(^hr verschüttet, als dass man weiter in sie eindringen könnte. Cailliaud beobachtete * Voyage k Meroe I. 178. Atlas II. T%b. 37 und 38. Riisi.egger, Reisen. M. Bd. I.Tlil. 22 338 am 8. Febr. 1820 um 5 Uhr Abends bei einer Lufttemperatur = 17,2 C. die Temperatur des Wassers, welches aus den bei- den westlichen Kanälen zuströmt = 33,8, und die desjenigen, welches aus dem südlichen und nordwestl. Kanäle zuströmt = 30 0 Cent. Die Höhle hat nach oben zwei Lichtlöcher. Eine noch gTossartigere Wasserleitung dieser Art entdeckte Cailliaud südwestlich von el Kassr. Daselbst liegen zwei Kanäle übereinander, in die man leicht hinein gehen kann. Wahrscheinlich hat man mit dem einen von beiden nicht die hinläno^liche Menge Wasser oder dasselbe nicht mit dem er- forderlichen Falle erhalten, und daher einen zweiten ange- bracht. An der Quelle machten die Alten eine Höhlung von 15 Meter Umfang bei 8 Meter Tiefe, und auf die Kanallänge von 5.5 Meter brachten sie 10 Lichtlöcher an, ein Beweis, dass sie ohne Geleuchte arbeiteten. Diese Wasserleitung fand Cailliaud trocken, also die Uuelle wahrscheinlich verschüttet. Sehr wahrscheinlich haben die Alten die Quellen dort, wo sie zu Tage traten, mit Stollen gefasst und ihrer Richtung nach in das Feste hinein verfolgt, einerseits um sich ihren Be- sitz mehr zu sichern, als es im Sande möglich war, anderseits wohl auch, um die warmen Quellen wärmer, die kalten kälter zu erhalten. Da man noch viele Spuren solcher unterirdi- scher Reservoirs in dieser Oase trifft, die zum Theil viel- leicht auch dazu gedient haben, den aufsteigenden Quellen nach in die Tiefe zu gehen und dadurch ein grösseres Was- serquantum zu erzielen, den mit Hochdruck emporstreben- den Wassern mit einem Worte nach denselben Grundsätzen Luft zu verschafften, nach denen wir es mit unsern arte- sischen Brunnen thun , so berechtigt diess zur Annahme, dass die meisten dieser Wasserleitungen in solchen künst- lichen, zum Theile unterirdischen Teichen enden. Dass in der Oase el ßacherieh wirklich artesische Brunnen von den Al- ten, und zwar mit dem günstigsten Erfolge, nieder getrieben wurden, weiss man durch die Mittheilungen des Olympiodor, wie ich bereits erwähnt habe, schon seit langer Zeit; die bestimmte Nachweisung derselben aber, so wie die mit dem glücklichsten Erfolge vorgenommene Wiedereröffnung meh- rerer derselben durch den Franzosen Ayme, fällt in die Zeit .139 der leztverflossenen Jahre*. Bei der WiedereröflFining mehrerer dieser alten artesischen Brunnen fand Ayme, dass die Alten mit viereckigen Bohrschächten von 2 — 3 Meter Seite das Taggebirge: Dammerde, Thon, Mergel etc. in einer Mächtigkeit von ungefähr 60 bis 80 Paris. Fuss durchfuhren und diese Schächte bis auf den festen Kalkstein, der Unter- lage des Diluviums, mit Palmenholz auszimmerten. Den Kalkstein (unser Nummulitenkalk, sammt der darunter liegen- den Kreide), welchen die Araber den Hadjar el Moje (Stein des Wassers, Wasser führender Stein) nennen, durchfuhren die Alten mit dem Bohrer; ob mit dem Seil oder mit Ge- stänge ist unbekannt. Die Mächtigkeit dieses Kalksteins wechselt von 300 bis 400 Paris. Fuss, und unter denselben erbohrte man Sand und zugleich mit demselben das Grund- wasser. Die Tiefe dieser artesischen Brunnen wechselt da- her von 360 bis 480 Paris. Fuss**. Der Sand, dem das Grundwasser angehört, scheint die tiefste Ablagerung der Krei- dereihe zu seyn, und ich glaube ihn für nichts Anderes, als für die obersten Schichten des südlicher zu Tage gehenden Sandsteins der Katarakten ansehen zu müssen, der als ein Parallelgebilde des Grünsandsteins , Quadersandsteins, Weal- derthons etc. zu betrachten ist. Die Mächtigkeit dieses San- des ist nicht bekannt. Er führt die INilwasser unter die Niederung des Oasenzuges, und während einerseits seine Thone und Mergel das weitere Versitzen derselben hindern, wirken die Thone und Mergel der Kreide und der tertiären Kalke ihrem Empordringen entgegen , d. h. spannen sie. Aus dem Durchschnitte der Felsablagerungen , wie sich der- selbe aus diesen Bohrlöchern ergibt, und aus dem Umstände, * Man sehe hierüber : Ann. de chim, et de phys. Tom. 71, p. 201. PoGGE^DonFF, Annalen der Physik und Chemie. Zweite Reihe. Bd. 21, S. 164. L'institut, 1^ sect. scicnces mathematiques, physiques et naturelles. Paris X aunee. 1842. ** Olympiodor gibt die Tiefe der Brunnen zu 200 bis 500 Ellen an. Da eine alfegyptische Elle oder 1 Cubitus =: 0,541 M. ist, so berechnet Ml h also die Tiefe auf ungefähr 330 bis 800 Par. Fuss, und man scheint dahei die tiefsten dieser Brunnen noch nicht zu kennen. oo * 340 dass eine zwischen den tertiären Kalken und der Kreide liegende Sandsteinbildung im ganzen Nilthale unbekannt und nirgends zu beobachten ist, erhellt aber auch, dass Cailliaud's Behauptung: der in dieser Oase zu Tage lie- gende Sandstein sey von dem Kalksteine bedeckt, nicht Stich hält. Dieser Sandstein ist ein Glied des 00 bis 80 Fuss mächtigen Diluviums und liegt, wie die Bohrungen zeigen, entschieden auf dem Kalksteine. Der mehrere hun- dert Fuss tiefer, unter den Tertiärkalken und der Kreide liegende Sandstein ist ein ganz anderer. Er ist, wie ge- sagt, unser Kataraktensandstein und tritt erst 2 Breiten- grade südlicher, an der Oase Dachel, sichtbar zu Tage. Die Alten gaben den Bohrlöchern einen Durchmesser von 4 bis 8 Zoll und scheinen durch dieselben mehr als ein hin- längliches Wasserquantum erhalten zu haben, wenigstens deutet darauf die Einrichtung hin, die sie trafen, um die- selben willkürlich öffnen und schliessen zu können. Die ar- tesischen Brunnen der Oase boten bei ihrer Wiedereröff- nung eine sehr seltene Erscheinung dar, von der, meines Wissens, bisher nur zwei Beispiele existiren und zwar bei dem artesischen Brunnen zu Bochum in Westphalen und bei dem zu Elbeuf in der Normandie*, sie warfen nämlich lebende Fische aus, die, wie mich Ayme versicherte, Arten angehören, die im Nile leben; dass dieses geschah, will ich durchaus nicht bezweifeln, aber dagegen, dass Hr. Ayme noch immer seine Tafel mit diesen Kindern der Unterwelt versorge, wie Lefevre berichtet, darüber wage ich doch einige Zweifel zu hegen. Vielleicht bringt man auch jene Fische auf Rechnung der artesischen Brunnen, die sich in den Wasserleitungen finden, und die einmal von Menschen oder durch die artesischen Brunnen dahin gebracht, sich in jenen unterirdischen Bassins , deren ich vorher erwähnte, durch Jahrhunderte der gänzlichen Ausrottung entziehen können. Wenn ich berücksichtige, dass die Holzstücke, mit wel- chen die Alten ihre Bohrschächte auszimmerten, noch nicht * V. Lbonhard, Geologie oder Naturgeschichte der Erde. Stuttgart 1840. III, 122. 341 ganz zerstört seyn sulleu, dass sie an jenen Steinkegeln, mit denen sie ihre Bohrlöcher nacli Willkür öffneten und schlössen , eiserne Ringe anbrachten , dass wir von artesi- schen Brunnen auf den egyptischen Denkmälern, auf denen wir doch Abbildungen aller Handwerke und Künste der alten Egypter sehen, keine Erwähnung finden, dass Olympiodor von Theben, der im Anfange des fünften Jahrhunderts, also mehr als 200 Jahre vor dem Einfalle der Araber in Egyp- ten, lebte, der erste war, der über diese artesischen Brunnen Nachricht gibt, und dass die früheren griechischen und rö- mischen Geschichtschreiber von diesem Gegenstände schwei- gen, so glaube ich der Ansicht seyn zu müssen, dass die Einnihrung artesischer Brunnen , dieser altchinesischen Erfindung, erst in den Zeiten der Römerherrschaft in den Oasen geschah und keineswegs als ein Werk der alten Egypter betrachtet werden könne. Wahrscheinlich wurden diese Brunnen in den Kriegen der Araber mit der christli- chen Bevölkerung der Oasen wieder zerstört und blieben es in der Barbarei der lezten Jahrhunderte. Sehr interes- sant ist der Umstand *, dass noch heut zu Tage die Bewäs- serung der Oasen in Oman, namentlich der von ßedjah, auf eine ganz ähnliche Weise mit artesischen Brunnen und Kanälen mit Lichtlöchern bewirkt wird. Haben die Ara- ber von Oman diese Erfindung unmittelbar von den Chine- sen sich angeeignet, oder erhielten sie selbe von iJiren Glau- bensbrüdern in Egypten aus dem dortigen byzantinischen Nachlasse ? Beides ist möglich **. — * Welstead Travels in Arabia, the peninsuln of Sinai etc. London. 1838. PoGGENDORFF, Annalen der Physik und Chemie. 2te Reihe. Bd. 21, S. 167. ** Uebcr die artesischen Salz- und Feuerbrunnen in China sehe man : Humboldts Fragmente einer Geologie und Klimatologie Asiens. Berlin, 1832. S. 90. Bei Kia-ting-fu z. B. befinden sich in einem Ter- rain von 10 Meilen Lange und 4 — 5 Meilen Breite 20,000 Salzbrunnen, gewöhnlich von 1500 bis 1800 Paris. Fuss Tiefe bei 5—6 Zoll Weite. Der grosse Feucrbruunen bei der Saline von U-thung-Khiao besizt eine Tiefe von mehr als 3000 Fuss. In China ist alles alt, und so reicht auch die Kunst, solche Riesenbrunnen zu bohren, ins graueste Alterthum xurück. 342 Wichtig in wisseiiscliaftlicher Beziehung für den Ver- kehr der Oasenbewohner ist das Vorkommen des Alauns in der Oase el Bacherieh. Derselbe findet sich in natür- lichem Zustande und den mir von Ayme gegebenen Auf- schlüssen zu Folge theils als Efflorescenz des Thon- und Mergelbodens des Diluviums, gemengt mit Sand , theils als krusten artiger Absatz stehender Wasser nach ihrer Verdun- stung, kurz, mit einem Worte, als ein Erdsalz des Diluvial- sandsteins und seiner untergeordneten Thonstraten. Die Bildung dieses Alauns ist eine einfache Zersetzung und Um- bildung der salzsauren und kohlensauren Natron - und Kali- salze des Diluvialthons durch die Bestandtheile der warmen Schwefelquejlen, wobei sich schwefelsaures Natron, schwefel- saures Kali und schwefelsaure Thonerde bilden, welche un- ter sich die Verbindung zu jenem Doppelsalze eingehen. Ayme besizt in der Oase eine Aiaunfabrik, in der das Erd- salz ausgelaugt und der Alaun, durch Verdunstung der Lauge an der Sonne und durch Krystailisation als Handelswaare erhalten wird*. Das Erdsalz besteht nach der qualitativen Analyse des Hrn. Löwe aus schwefelsauren und salzsauren Thonerde-, Natron-, Kali- und Kalksalzen; der Rückstand ist reiner Quarzsand. Der daraus erhaltene und in Handel kommende Alaun ist reiner Kalialaun ; denn er besteht nur aus schwefelsaurem Kali + schwefelsaurer Thonerde, ein Be- weis, dass man die Konzentration nur bis zur krystallini- schen Ausscheidung des Kalialauns treibt, die leichter lös- lichen salzsauren Salze und der Natronalaun aber, wenn das Natron anders in dieser Verbindung zugleich mit dem Kalialaun im Erdsalze auftritt, woran ich nicht zweifle, in der Mutterlauge aufgelöst zurückbleiben. Heber die quanti- tative Produktion des Alauns konnte icli nichts Näheres erfahren. Die Berge, welche die äusserste Südgrenze der Oase Bacherieh bilden, bestehen, nach Cailliaud, wieder aus Num- mulitenkalk, und es erscheint denn daher die ganze Sand- jsteinformation dieser Oase als eine Beckenausfüllung, die * Sdiöne Stücke dieses Erdsalzes sammt des daraus erzeugten Han- delttlauns legte ich iu der Sammlung^ des Wiener Hauptmünzamtes nieder. 343 von allen Seiten von Kalkbergeii umschlossen ist. Südlich dieser Kalkberge ist Diluvialsandstein die herrschende Felsart. Siidlich von el Hais* erheben sich wieder Kalkberge aus dem Sandsteine und die dortige Wiiste (28. Breiten- parallele) hat eine starke Neigung gegen Osten. Der Kalk- stein bildet ringsumher das Terrain bei el Saira und seiner Formation gehören zum Theil die westlichen Berge, Dschebel el Gus Abu Seid, so wie die östlichen Berge, der Dschebel em Makrun, an. Im Kalksteine finden sich häufig Krystalle von Kalkspath (Doppelspath). In geringer Entfernung nördlich von Ain el Waddi verschwindet der Nummulitenkalk und die dortigen Berge, zwar ebenfalls Kalkstein, gehören einer andern Formation an, die von hier bis zum Beginne des Sandsteinterrains der Katarakten die herrschende ist. Dieser Kalkstein ist hart, lässt sieh poliren, enthält auf Lagern von geringer Mächtigkeit Brauneisenstein und Eisenocker und ist, da Cailliaud von Versteinerungen gar nicht spricht, wahrschein- lich versteinerungsarm. Der Beschreibung nach, die dieser Reisende von dieser Formation macht, gehört dieselbe der Kreide von Siut an, die zunächst unter den Tertiärgebilden Egypteus liegt. Derselben Felsbildung ist auch der süd- lichere Theil der westlichen Berge, des Dschebel el Gus Abu Seid, dessen isolirte Felsformen höchst bizarr erschei- neu , voll von knppelartigen und thurmartigen Erhöhungen. Der Boden des Oasenthaies fällt merklich aus Süden gegen Norden und hat eine leichte Neigung in Westen, demselben Kalksteine gehören die isoliiten Berge bei Abu Somat und Karascheff an. Von Karascheff bis nach Akaba el Dachel, der Bergschlucht, die in das Oasenthal el Dachel hinab- führt, bietet der Kalksteinboden eine interessante Eigen- thümlichkeit dar. Derselbe hat nämlich eine wellenförmige Obeifläche, löcherig, wie durch Brandung zerrissen, die wei- lenartigen Erhöhungen aus Süd in Nord sich aneinander reihend. Es ist offenbar alter Meeresboden und die Form desselben, meiner Ansicht nach, eine Folge der einstigen Strömung in der Richtung des jetzigen Oasenzuges. Der * Nach Bekühaus „d Hez". 344 Kalkstein ist hart, zum Theil feinkörnig- glänzend , marmor- artig-, durchfahren von kleinen Klüften mit Eisenoxyd. Eine zweite Art des Kalksteins (höher oder tiefer liegend?) hat ein zarteres, mehr erdiges Gefüge. In der Ebene sind viele isolirte Kegelberge zerstreut, von scharfem, wildem Ansehen. Vielleicht die Reste der Felsenriffe, die einst hier die Küste der libyschen Meeresbucht begleiteten. Die Berge, welche die Oase Dachel umgeben, bestehen aus Kalkstein, und nur hie und da bemerkt man kleine Hü- gelchen von horizontal geschichtetem Sandstein mit theils grünlichen, tlieils durch Eisenoxyd rothgefärbten Thonstra- ten. Mitten im Dorfe Kassr el Dachel geht eine Thermal- quelle zu Tage. Cailliaud fand am 24. Februar 1820 um 1 Uhr Nachmittags die Temperatur derselben = 38,5 bei ei- ner Lufttemperatur = 21,9 Cent. Bei den Ruinen von Teneideh (Tendah) stösst man neuerdings auf kleine Hügel- züge von Sandstein, der mit Thon wechselt und von einem Kalkstein-Konglomerate von geringem Zusammenhange sei- ner congruirenden Theile bedeckt wird. Das Plateau Akaba Unag, welches die Oase el Dachel von der Oase el Chardscheh trennt, besteht aus Kalkstein, der versteinerte Dikotyledonen führt. Die Oberfläche der Kalkfelsen ist mit welligen Linien gefurcht, die sich in der Richtung SN. erstrecken, wie es bei den Furchen der Kalk- steinflächen zwischen Farafreh und el Dachel der Fall ist. Sollten wir es hier nicht wieder mit Strömungsfurchen zu thun haben? Die Neigung des Terrains ist in Nord gerich- tet. Auf diesem Plateau und in der Umgebung des Dsche- bel Abu Tarier beobachtet man zerstreute Hügel, die aus Schichten von hartem, mit Eisenoxyd durchdrungenem Kalk- stein und Schichten von geädertem Thone bestehen. Bei Ain el mur erreicht das Plateau die Höhe von 1143 Paris. Fuss über die Thalfläclie der Oase (nach Cailliauds Baro- meter-Messung) und von dort steigt man in die Oase el Chardscheh hinab. Auf dem Wege dahin findet bei Osch el Gar wieder Sandstein anstehen. Derselbe führt, nach Cailliaud , kieselige und stark eisenschüssige Konkretionen iu grosser Menge, theils lose und Rollstücken ähnlich, theils 345 in Schichten von sehr geringer Mächtigkeit und ganz das- selbe Gebilde, wie der von mir so benannte Eisensandstein am Dschebel Selseleh. Gegen Norden und Nordosten be- grenzen hohe Kalkberge die Oase Chardscheh. Die Fläche der Oase fällt aus Süden in Norden und aus Osten in Westen ab. So gewiss es ist, dass dieser Sandstein der Oase Waddi el Chardscheh und der der Oase el Dachel*, von Äkaba el Dachel angefangen, kein anderer ist, als unser Sandstein der Katarakten, eben so gewiss ist es, dass der Kalkstein, welcher in hohen Bergen die Oase el Dachel und zum Theil auch die Oase el Chardscheh umgibt, kein anderer als der Kreidekalk von Theben ist. Die Stelle, wo die untern Kreideablagerungen (Kalkstein von Theben) und die oberen Kreideablagerungen (Kalkstein von Siut) sich einander be- grenzen, d. h. leztere die ersteren bedecken, dürfte eben bei Akaba el Dachel liegen, da auch Cailliaud sagt, dass daselbst ein dichter, harter und ein zarter, mehr erdiger Kalkstein zusammen vorkommen **. Der Sandstein der Oasen Dachel und Chardscheh liegt unter dem dortigen Kalkstein, er ist mit dem Sandstein der nördlicheren Oasen, ein wahres Diluvium, durchaus nicht zu verwechseln, er ist, wie gesagt, derselbe wie jener der Katarakten und gehört den tiefsten Ablagerungen der un- tern Kreidereihe an, der auch der Kalkstein dieser beiden Oasen zuzuzählen ist. Das Kalkstein -Konglomerat, wel- ches bei Teneideh den Sandstein der Oase bedeckt, ist eine ganz lokale Bildung, die keine Ausdehnung von Bedeutung besizt, ein rein örtliches Alluvium, dem höchstens eine ent- fernte Ähnlichkeit mit den Kalk - und Feuerstein-Trümmer- gesteinen bei Denderah und Theben abgewonnen werden könnte. Bei Kassr Dschebel el Sont, am nördlichen Ende der Oase Chardscheh, fand Cailliaud im Thale den erwähnten Sandstein, die nördlicher vorliegenden Berge aber bestehen aus Kalkstein, dessen Oberfläche auf dem zu 697 Paris. Fuss * Der Araber bezeichnet sehr richtig jede Oase mit dem Namen „Waddi", d. h. Thal. ** Man sclie meine geognostische Karte von Egypten. 346 über die Oase ansteigenden Plateau des Dscliebel er Rain- lali wieder die schon melirniais erwähnten, aus Süd in Nord gerichteten, Ströniungsfurchen zeigt. Dieser Kalkstein ist voll runder, kieseliger Konkretionen, kleine isolirte Berge treten wieder in Menge auf und man befindet sich wieder im Gebiete des Kalksteins von Siut, das ist, meiner Ansicht nach, wieder im Gebiete der obern Kreideablagerungen von Ober-Egypten. Die Neigung des Wüstenplateau's zwischen Chardscheh und Siut ist stark aus Süd in Nord und dem Nite näher, auch aus West in Ost gerichtet. Der Kalk- stein wird immer reicher an Feuerstein, bis man bei Siut über den östliclien Abfall des Plateau's in die Ebene des Nilthals hinabsteigt und sich wieder in dem Gebiete seiner bereits beschriebenen Felsformationen befindet. Die ganze Bergkette, welche den Ostrand der Oase Chardscheh bildet, ist Kalkstein. Die Kreide von Siut erstreckt sich ungefähr bis zu den Breitenparallelen von Abydos im Nilthale und des Dschebel Uamlah , am Nordende der Oase, weiter in Süd herrscht der Kreidekalk von Theben, das ganze Ter- rain zwischen der Oase und dem Nilthale einnehmend. Er enthält nebst den Versteinerungen, die sich bei Theben fin- den, viele Echinodermen-*, Palmen- und Dikotyledonenstämme und erstreckt sich in Süd bis zur Sandsteingrenze zwischen Esne und Edfu, bis zum Dschebel Gurgur (Kurkur) und bis zum südöstlichsten Rande der Oase. Jenseits dieser Grenze beginnt der Sandstein der Katarakten , der weiter in Süd nach Nubien als herrschende Felsformation fortsezt. Dieser Sandstein umgibt das Südende der Oase Chardsche, bildet die ganze Bergkette des westlichen Randes derselben und zieht sich gegen Norden bis zu den Kalkbergen, welche der Oase el Dachel angehören. Von dort verliert sich dieser Sandstein gegen Westen in die grosse Wüste. Diese Oase ist also durch die Längenachse ihrer grössten Ausdehnung aus Nord in Süd in zwei geognostische Hälften getheilt, von denen die östliche der Kaiksteinbildung, die westliche der Sandsteinbildung angehört. Zu Beyris geht eine sehr wasserreiche Thermalquelle mit einem solchen Hochdrucke * Dai'unler, nach Cailuaüd, Clypeastcr Gaymai di. iU7 zu Tai»c, ilass man, will man zum Grunde des Beckens nle- dei'tauclien, zurück emporgelioben wird (so Cailliaud). Es scheint, dass also hier artesische Brunnen nur die erfreu- lichsten Resultate haben könnten. Broavne fand auf seinem Zuge nach Darfur zwischen der Oase el Chardscheh und der Oase Seiima in Nubien nichts als Sandstein, und da überhaupt in der Nähe der ersteren Oase und zwar in südwestlicher Richtung- vom Brunnen Gurgur, am Dschebel Dongon , nur ein einziger Durchbruch des Granites der Katarakten bekannt ist, so scheint es fast, als wäre dieses Auftreten des Granites auch das lezte Auftauchen des Kataraktengebirges in seiner Richtung aus Osten in Westen, und es ist zu vermuthen, dass am Dschebel Dongon der mächtige Ausläufer des Küsten -Gebirgssystems vom rothen Meere gegen Westen ganz sein Ende nimmt, und dass die Granitbildung der Ka- tarakten, über die Linie des Oasenzuges, zu Tage gehend, nicht hinausreicht. Am SO.-Gehänge des Dschebel Dongon sollen sich Ei- senerzlagerstätteu befinden, die wahrscheinlich dem Sand- steine untergeordnet und derselben Formation sind, wie die Eisenerze von Hadidschaab bei Assuan, Was es mit dem an der Westseite des Dongouberges auf der Karte von Berghaus bezeichneten „Salpeterberge" für eine Bewandt- niss habe, ist mir unbekannt geblieben. — Die arabische Wüste, oder der östlich vom Nile liegende Theil Ober-Egyptens, beginnt an der Landenge von Sues, und die folgende Darstellung reiht sich demnach un- mittelbar an die Bemerkungen, die ich im ersten Bande dieses Werkes über den Isthmus, der Afrika mit Asien ver- bindet, mitgetheilt habe. Wenn man die arabische Wüste in der Breitenparal- lele von Kairo auf der gewöhnlichen Karavanenstrasse nach Sues durchzieht*, so bleiben der Dschebel Mokattam und die dunklen, schroffen Spitzen des Dschebel Achmar zur Rechten. Wir kennen bereits die dem Grobkalke parallel * Diirclisclinitt der Wüste zwischen Kairo und Sues. Taf. IIL Fig. 5. — Ich durchwanderte dieses Terrain im Herbste 1838. 348 stehende Bildung des erstem, wie auch die eigerithüm- liehen Sandsteine von gefritteteni und verglastem Ansehen des leztern. An ihrem Fusse betritt man die Wüste und verfolgt sie unausgesezt längst dem ganzen Isthmus bis Sues. Ostlich vom Dschebel Achmar dauern die tertiären Bildun- gen des Mokattam fort, bis sie am Waddi Herch Mar von Ablagerungen eines grobkörnigen Quarzsandsteins mit kal- kigem Cemente und voll von Schalthierresten noch leben- der Arten, von einem Meeresdiluvium nämlich, bedeckt wer- den. Die tertiären Kalke, und zwar die obersten Straten des Mokattam olme Nummuliten, sind voll von Feuersteinen. Zwischen Herch Mar und Waddi el Firn erscheinen Ablagerungen jenes Diluvialsandsteins , den wir bereits aus dem Nilthale kennen. Er bildet selbstständige Hügelzüge der Wüste, ist jedoch den tertiären Kalken stets und sicht- bar, entweder horizontal oder doch mit sehr geringem Ver- flachen aufgelagert. Dieser Sandstein ist stellenweise sehr fest, bildet eine fast homogene Masse, enthält eine Menge kieseliger Konkre- tionen, besonders Feuerstein in Knollen, und umschliesst Dikotyledonen-Stämme, die ebenfalls in eine kieselige Masse umgewandelt sind. An mehreren Stellen fand ich im Sandsteine hohe Kämme desselben Sandsteins gangartig zu Tage gehen und sich in bestimmten Richtungen auf weite Strecken ausdehnen. Der Sandstein dieser gangartigen oder schichtenartigen Gebilde ist dem Ansehen nach wie durch vulkanischen £influss um- geändert, er erscheint wie gefrittet, halbgeschmolzen, das Cement verschwindet und die Quarzkörner treten zur homo- genen, klingenden, glasigen Masse dicht zusammen. Da jedoch am INebengesteine gar keine Veränderung zu bemer- ken ist und überhaupt keine wirklichen Belege für Vulka- nismus vorliegen, so halte ich auch diese Schichten nur für Konkretionsstraten kieseliger Natur, wie wir sie z. B. auch ganz nahe in den tertiären Ablagerungen des Waddi Firn wieder treffen. Dicht an leztgenanntem Wüstenthaie nämlich sieht man zwischen den Straten der tertiären Kalke und mit diesen 349 ffleich gelagert die ausgehenden Schiehtenköpfe eines kie- seligen Kalksteins, desselben, der die oberste Lage des Mo- kattani bildet, wie Gangkämme hervorragend auf weite Strecken fortsetzen. Dieser kieselige Kalk ist voll von ter- tiären Schalthieren und sein Hervorragen ist eine Folge seiner schweren Verwitterbarkeit, der schneller vorschrei- tenden Zerstörung seines Nebengesteins gegenüber. Von Waddi el Firn bis zum Dschebel Auewet ist die Wüste eben und bedeckt von einem grobkörnigen Sande voll von Feuersteinen, ohne Zweifel das Resultat der Zer- störung des Diluvialsandsteins. Der Auewet, ein niederes Gebirge der Wüste, nördlich der Karavanenroute nach Sues, besteht wieder aus den tertiären Schichten des Mo- kattam; ein weisser, erdiger, sandiger, Feuerstein führen- der Kalk, voll von Schalthieren, worunter besonders häufig Arten von Dentalium sind. Die Oberfläche dieses Grob- kalkes ist stark verwittert und lose Feuersteine bedecken die Gehänge der Berge in grosser Menge, so dass sie die weisse Farbe der Kalkstraten dem Auge ganz entziehen und den Bergen eine dunkelbraune Färbung geben. Im Waddi Mäntele stösst man wieder auf Findlinge des kieseligen, glasigen Sandsteins und eines Kieselkalkes, der wie halbgeschmolzener Grobkalk aussieht und voll von Schalthieren ist. Das anstehende Gestein aber, welches diese Findlinge lieferte, sah ich daselbst nicht. Die west- liche, oder egyptische Küste des rothen Meeres bilden hohe und wilde Kreideberge. Zunächst unserer Route und süd- westlich von Sues liegt der Dschebel Attäka, weiterhin südlich der Dschebel Chalalla. Beide Gebirge, zu 800 bis 1000 Paris. Fuss Höhe ansteigend, fallen mit fast senkrechten Felswänden gegen die Küste ab. Die gegenüber liegende Küste des peträischen Arabiens, die wir später näher wer- den kennen lernen, ist eine sanft in Ost ansteigende Wüsten- ebene, begränzt von einem ungefähr zu 300 Fuss Meeres- liöhe ansteigenden Kreideplateau, dem Dschebel Raacha, der die unterste Terrasse des Dschebel Tyh bildet. Die Umgebung von Sues ist eine theils flache, theils sanft hü- gelige, vegetationslose Wüste, die aus Meeressand und 350 Meeresschuft besteht. An der Küste sehen wir Riffe von jüngstem Meeressandstein, jüngstem Meereskalk und \ot\ Korallenbildung, Alluvionen fortdauernder Entstehung. Alle diese jungen und jüngsten Meeresgebilde sind voll von Kon- chylien noch lebender Arten, Die Sand- und Schutthügel der Wüste um Sues reihen sich zu Dünen an einander und reichen als solche über eine Meile weit ins Land, den ehe- maligen höhern Stand des Meeres beurkundend. Die fort- dauernde Umbildung des Meeressandes zum vollendeten Sand- steine lässt sich an der Küste Schritt vor Schritt verfolgen. Das kalkige Cement, wodurch sich der Sand zum Sand- steine regenerirt, besteht ganz aus geriebenen Konchylien- schalen. Manche Kalke der Riffe bestehen ebenfalls ganz aus SchalthieiTesten; kurz man sieht allerseits, welche wich- tige Rolle die organische Schöpfung des Meeres in Bezug auf Felsbildung spielt. Der Meeressaudstein ist stellen- weise so fest, dass er als Baustein benüzt werden kann. In diesem Falle wird er durch Zunahme des kalkigen Cemen- tes mehr zu einem sandigen Meereskalk, fast Grobkalk ähn- lich und sehr eisenschüssige, so dass er z. B. nördlich der Stadt durch Eisenoxyd ganz roth gefärbt erscheint. üeber den einst bestandenen Kanal zwischen dem ro- then Meer und dem Nile, oder respective zwischen jenem Meere und dem Mittelmeere, und über die Möglichkeit, diese wichtige Verbindung neuerdings herzustellen, habe ich be- reits im 1. Bande dieses Werkes Seite 260 gesprochen. Durch die nachgewiesene Erhöhung des Nilthals, seit der Zeit, als der Kanal in Verfall gerieth, ergibt sich, dass die Wiederherstellung^ desselben gegenwärtig mit weniger Schwierigkeiten zu kämpfen haben dürfte, als es bei der ursprünglichen Eröffnung der Fall war, und ich glaube, dass Le Pere der Wahrscheinlichkeit sehr nahe kommt und seinen Kalkül eher zu hoch als zu niedrig stellt, indem er den ver- muthlichen Unkosten hierüber auf 24 bis 30 Mill. Frank, an- schlägt. Die Errichtung des Kanals fällt in die älteste Zeit, und alle Nachrichten, die wir darüber haben, deuten darauf hin, dass er, wie es auch 'nicht anders möglich war, mittelst Schleusen befahren wurde. Herodot kannte 460 v. Christi 351 diesen Kanal als bestehend nnd spricht über denselben a!« Augenzeuge. Später scheint der Kanal in Verfall g^erathen nnd lange Zeit nicht mehr beschifft worden zu seyn. Hi- storisch nachweisbar ist hingegen seine Wiederherstellung und die neue Benützung desselben, nach Letronne, von der Zeit des Ptolemäus Philadelphus durch 500 Jahre bis Sep- TiMius Severüs und durch weitere 127 Jahre unter der Herrschaft der Araber. Amru Ben Alas Hess um 640 den versandeten und verschütteten Kanal wieder reinigen : aber so wie die Wiederherstellung-, so ist auch der gänzliche Untergang dieses herrlichen Denkmals nationaler Industrie ein Werk der Araber und ereignete sich in den Jahren 762—767, als der Kalife Abu Giafar el Mansur den Ka- nal verschütten Hess, um den Rebellen Mohammed Ben Ab- dallah in Mekka die Zufuhr der Lebensmittel aus Egypten abzuschneiden. Welche Wichtigkeit dieser Kanal im Alterthura hatte, geht zum Theil aus dem Erstaunen erregend grossartigen Betrieb der Steinbrüche in der arabischen Wüste, am Dsche- bel Dochän und Dschebel Fatireh hervor. Die Steinbrüche am erstem Gebirge lieferten jenen herrlichen rothen Por- phyr*, der zu Kunstdenkmalen nach Rom, Neapel, Konstan- tinopel und in die ganze alte Welt versandt wurde. Der rothe Granit des Fatireh glich ganz dem der Katarakten und auch er war ein wichtiger Handelsartikel nach den Städten Kleinasiens und des südlichen Europa. Die zu die- sen Baudenkmalen gebrochenen Monolithe wurden der Lokal- Verhältnisse wegen nicht in das Nilthal transportirt, sondern nahmen den nächsten We^ zur Küste des rothen Meers nach Myos Hormos, wurden zur See nach Sues und sodann auf dem Kanäle und dem Nile nach dem Mittelmeer ge- bracht. Wenn man die arabische Wüste, das Land zwischen dem Nile und dem rothen Meere, aus Nord in Süd verfolgt, so sieht man im nördlichst gelegenen Theile derselben und bis in die Parallele von Beni Suef an der Küste eine hohe steile Kette von Kreidebergen, die Dschebels Attäka und * Porfido rosso untico der italienischen Baukiinstler. 352 Chalalla, die bis an den Rand des Meeres vorspringen und nur durch das Waddi el Tyh (das Thal der Verirrung), das sich aus West in Ost vom Nile zum Meere zieht, von einander getrennt werden. Westlich von dieser Kreidekette und im Waddi el Tyh breiten sich die tertiären Bildungen des Mokattara und die darauf abgelagerten Diluvialsand- steine bis zum Nile aus. Am Südgehänge des Dschebel Chalalla bei Reigata Mireeh, also fast in derselben geographischen Breite, in welcher man auf der Halbinsel des Sinai die nördlichsten Porphyrdurchbrüche beobachtet, fand Wilkinson in dem dortigen Hügellande die Reste sehr bedeutender alter Kupfer- gruben. Da derselbe jedoch die Felsformation, in welcher sich daselbst die Kupfererze finden, und auch diese selbst nicht näher bezeichnet, so kann man nur aus einer wahr- scheinlichen Analogie mit den weiter südlich betriebenen Kupferbergbauen der Alten schliessen, dass auch diese hier im Granit- und Schiefergebirge umgegangen seyn mögen. Hier wäre daher das nördlichst gelegene Auftreten des Granites und Schiefers in Egypten. Die Kupfererze, wahr- scheinlich Kupferkiese, scheinen auf Gängen vorzukommen. Man findet noch Reste von Gebäuden, Spuren von Schäch- ten und Schlackenhaufen, ein Beweis, dass daselbst auch geschmolzen wurde *. Das Gestein der Küste bei Saffarana, südöstlich von Reigata Mireeh, ist Meeresalluvium , eine Breccie mit kal- kigem Bindemittel und voll von Schalthienesten , die mit dem Fels fest verbunden sind, so dass Wilkinson sich vergeblich bemühte, welche davon zu trennen. Die Dschebels Chalalla Goesim, Dthatal, Anaina und el Ascher, parallele, aus Nord in Süd sich ziehende Bergketten,' die südlich in der Breite von Minieh , im Gebirge Mesauaki, sich wieder vereinen, gehören der Kreide an und sind die Fortsetzung des * Da die Alten ohne Zweifel mit Holz oder Holzkohlen geschmol- zen haben, so fragt es sich : wo fanden sie das zum Betriebe der Hütte nothige Holz ? Gegenwärtig würde die erforderliche Brennstoffmenge in ganz Egypten nicht aufzutreiben seyn. Sollten in dortiger Gegend, wo jczt nur Wüste ist, einst Wälder gestanden haben und zwar in einer noch historisch nicht so fernen Zeit ? 353 Cimliilla, von welchem sie «liirch das grosse Waddi Araba o;etreiint sind , das als Fortsetzung- der Ebene Bagara bis zum Meere sich erstreckt. Die Kreide dieser Berge geht stellenweise in Dolomit iiber, worauf schon Ehrenberg aufmerksam machte, wori'iber ich selbst aber keine Erfahrungen habe, da ich jenes Terrain nie betrat. Drei Stunden südlich von dem koptischen Klo- ster Mar Bolos fand Wilkinson am Gehänge dieser Kreide- berge Amnioniten, beschreibt aber selbe nicht näher. Zwischen dem Dschebel Chalalla-Goesim und dem Meere zieht sich ein Streifen tertiärer Kalke hin , voll von Schalthieren und Salz führend. Die Küste bei Mar ßolos selbst aber bildet das Meeresalluviura, jene ßreccie, der wir schon erwähnten. Das Terrain zwischen diesen Kreidebergen und dem Nile ist tertiär, nämlich Nummulitenkalk mit stellenweise aufgela- gertem Diluvialsandstein. Im Waddi Dthatal, welches sich am Südost- und Ost- gehänge des Dschebel Chalalla-Goesim bis zum Meere erstreckt und dieses Gebirge von dem Dschebel Tenasep trennt, beginnt jener hohe und mächtige Zug krystallinischer Gesteine, so- genannter abnormer Felsgebilde, der sich längst der Küste des rothen Meers bis zum Gebirgsstocke der Katarakten und von da weiter südlich bis zum Gebirgsstocke von Abes- sinien hinzieht. Nördlich vom Waddi Dthatal erheben sich die Kreidefelsen des Chalalla-Goesim, südlich die Gneiss- und Glimmerschieferberge des Tenasep. Am südlichen Ende des Thals, wo man in das Waddi Chrasheka niedersteigt, wer- den die Felsgebilde des Tenasep von einem Sandsteine ** begrenzt, der, nach der Analogie mit dem auf der Ostseite des Meerbusens von Sues gegenüber liegenden Sinaigebirge zu schliessen , ein Glied der untern Kreidereihe, der Sand- stein der Katarakten von Assuan, seyn dürfte. Am Dschebel Howaschia und am Dschebel Hemm Te- labd, in dessen Nähe sich alte Kupfergruben befinden, ist Granit die herrschende Formation , so wie auch der schöne und zu .5800 Pariser Fuss Meereshöhe ansteigende Dschebel * „Grit", nacli WI^KI^•so^. r.iissosg.jr, Kei-,011. ll.B.l. l.Tlil. 2.3 354 Gareb ganz ans Granit besteht. An dem Giaiiitberge Dara, siullich vom Gareb, fand Wilkinson die Ruinen altei* Schmelz- hütten, Schackenhaufen nnd Granitmlihlsteine , die \vahi'- scheinlicli zum Zermalmen der Erze gebraucht wurden. Drei Stunden südlich vom Dara liegen im Granitzuge alte Kupfergruben, die von weniger Bedeutung gewesen zu seyn scheinen, als die nördlicher liegenden. Man erkennt noch einige Schächte. Wahrscheinlich wurden die Erze von da nach den Hütten am Dschebel Dara gebracht, iim dort verschmolzen zu werden. Es ist auffallend, dass Wilkinson, der jene Gegenden besuchte, der Erze gar keine Erwähnung macht, die sich daselbst finden und die die Alten bearbei- teten, und es ist schwer denkbar, dass man weder Erze im anstehenden Gesteine, noch vorräthige bei den Ruinen der Hütten finden sollte, um die Gezeuge doch näher kennen zu lernen, mit denen die Alten dort zu thun hatten. Mein dem Vizekönige gemachter Vorschlag, die arabische Wüste in Egypten und den Golddistrikt in Jemen in bergmännischer Beziehung zu bereisen, fand nicht die Würdigung, die er verdiente. Vom Dschebel Dara sezt der Granitzug in südlicher Richtung, die Dschebel Garab, KuflFär, Sbeir etc. bildend, bis zum Dschebel Dochän , ungefähr in der Parallele von Siut liegend, fort. Die westlich dieses Granitzuges liegenden Dschebels Ammameit und Kiauleh sind Fortsetzungen des Kreidekalkes des Chalalla und des Chalalla- Goesim, welche Formation von da in Süd, zwischen dem Granitzuge und dem Nilthale die herrschende vsird. Die Bucht hingegen zwischen dem Nilthale, den Bergen des Chalalla-Goesim, dem Dschebel Am- mameit, dem Dschebel Kiauleh und den Bergen am rechten Nilufer, Siut gegenüber, erfüllt der Nummulitenkalk. Weit interessanter ist die geognostische Zusammen- setzung des Terrains des Küstenlandes an der Ostseite des Granitzuges. Vom Dschebel Gareb zieht sich ein Kreidezng nach Südost und bildet die Vorgebirge Es-Seit und el Dschim- seh. Dieser Kreidezug wird an seiner Westseite von Granit begrenzt, an seiner Ostseite hingegen haben sich zwischen 355 llmi und dem Meere iniiclitige Meeresallnvionen anfgelap;ert. Südöstlich vom Dscliehel Gareh sollen sich in diesem Kreide- zn<>e Schwefellager befinden, die ancli einst bearbeitet wnr- den. INäheres ist mir jedoch hieri'iber nicht bekannt. Viel- leicht treten diese Schwefellager der dortigen Kreide unter ähnlichen Verhältnissen auf, wie in der Kreide von Sicilien, worauf auch das Vorkommen der salzführenden tertiären Kalke bei Mar Bolos und das Vorkommen der alten Meeres- allnvionen, muschelreiche Breccien, hinzudeuten scheint, ein Verhalten, das mich in meiner Meinung nur bestärken kann, dass nämlich in Egypten trotz der vielen Gegenbehaup- tungen, wenn nicht Schwarzkohlen, doch wenigstens Braun- kohlen sich noch finden werden *. Am südöstlichen Ende dieses Kreidezuges, am Rhas es Seit**, brechen aus dem Kalke Naphtaquellen hervor und es findet sich Erdpech. Südöstlich vom Dschebel Dara und also zwischen dem westlich vorliegenden Hauptzuge des Granites und der Sei- tengranitkette, welche den Dschebel es Seit au seiner West- seite begrenzt, also ganz im Granitgebirge liegend, erhebt sich ein zweiter und höherer Zug von Kreidekalk, als der der Küste ist. An seinem östlichen Rande und an seinem südöstlichen Ende liegt dieser Kreidezug auf Sandstein und zwar auf dem Sandsteine der Katarakten. Dieser Sandstein bildet südlicher am Waddi Enned das ganze Terrain zwi- schen den beiden Beigketten des Granites und erstreckt sich in südwestlicher Richtung bis zum Moje Messaid und bis zum Kloster Amyossnr am Dschebel Dochän. In süd- östlicher Richtung aber wird dieser Sandstein in der Fort- setzung der Bergkette, welche er bildet, am Dschebel Abu- Fehdina, wieder von Kreidekalk bedeckt, dem auch dieses so eben genannte Gebirge ganz angehört und welcher sich bis zum alten Tadnos bei Myos Hormos erstreckt. In West dieses Kreideberges liegt der Hauptgranitzug, in Ost hingegen, die "^ Bohrungen in der Kreide siidöstlich vom Dschebel Gareb und am Dschebel Kibrit, südöstlich vom Dschebel Sabiirah. wären meiner An- sicht nach für Egypten von Iiöchstcr Wichtigkeit. '■'" Oder Dschebel es Scddie (.Erdpech). Marmont. Vovage etc. IV. p. 155. u. s. w. 2»* »50 Küste um Myos Hormos bildend , lagert sieh wieder das alte Meeresalluviiim, die erwähnte Kalkbreocie, auf*. Ob sich hier der Sandstein der Katarakten und die darauf liegende Kreide muldenförmig zwischen den beiden Granitketten abgehigert haben, oder ob nicht viehuehr der Granit beide jene Felsgebilde durchbrochen und sich als Spaltenansfüllung erhoben hat, ist allerdings erst auszumit- tehi, doch möchte ich bei Betrachtung dieses Terrains, das die Kennzeichen vulkanischer Einwirkung vielfach an sich trägt, mich wohl vor der Hand lezterer Ansicht hingeben. Der Dschebel Dochan besteht durchaus aus rothem Feld- steinporphyr. Dieses Gebirge, der Mons porphyrites der Alten, lieferte jenen herrlichen rothen Porphyr, den wir, zu Kunstdenkmälern verarbeitet, in der ganzen altklassischen Welt verbreitet finden. Die Steinbrüche, welche die Alten daselbst betrieben haben, sind ins Ausserordentliche ausge- dehnt und geben, mit so vielen anderen Punkten der arabi- schen Wüste, einen Beweis, welch ein reges Bergmannslebeii einst in jenen Distrikten geherrscht haben mag. Aber auch nur der Bergmann war auf jenes Terrain hingewiesen; denn dem Ackerbau war der heisse Sand der Wüste damals wohl so wenig zugänglich, als er es jezt ist. Nach Letronne und WiLKiNsoN finden sich am Dschebel Dochan** noch die Reste der Bergarbeiterkolonien, Trümmer von Gebäuden, die das Vorhandenseyn einer ganzen Stadt beurkunden, fertige und liegen gebliebene Monolithe etc. Südlich vom Dschebel Dochan, der als vereinzelter Porphyrberg mitten im Granitterrain dieselbe Rolle spielt, wie der Porphyr am Dschebel Katharina mitten im Granit- stocke des Sinai, sezt der Granitzug Aveiter in Süd fort und bildet bis zu dem öuerthale, welches sich von Kenne nach Kosseir erstreckt, die Dschebels Thondebog, Gut- tär, Gessa, Memfajah, Fatireh ***, Kabasch, Sefajah, Siga, '" Ob dieses Triimmergestein nicht etwa tertiär ist, lässt sich ans den vorhandenen Daten nicht bestimmen. "* Dochan, der Ranch, '■■''■'" Am Dschebel Fatircli bestehen ebenfalls grosse Steinbrüche der Alten. 357 Ankeit etc., westlich begiäiizt vun der Kreide, die bis zum Nilthale alle Berge und Thäler bildet, östlich von dem Meeresalluvium, dem Gestein der Kiiste. Die Wüstenebene, welche vom Dschebel Fatireh sich südlich zieht, trennt den Granitzug- von den Kreidebergen. — Wenn man vom Nile aus das öuerthal durchzieht, wel- ches sich von Kenne nach Kosseir erstreckt und welches mitten durch die arabische Wüste führt, so durchwandert man das Gebiet der Kreide mit aufgelagerten Kalktrümmer- gesteinen, die mit den Schuttkonglomeraten in den Tliälern des libyschen Gebirges bei Denderah dieselbe geognostische Stellung haben dürften. Die Berge der Kreide steigen zu 300 Fuss über das INilthal an. Östlich von dem Brunnen Legeta bei Maksur el Benat wird die Kreide durch ein eigenthümliches Trümmergestein verdrängt, welches das ganze Terrain um den Brunnen Ha- mamat herum bildet und sich selbstständig zu Bergen von 500 bis 600 Fuss Höhe erhebt. Es ist ein Dioiittrümmer- gestein, Rolistücke von Granit und verschiedenfarbigen Por- phyren, verbunden durch einen dioritischen Teig. Die grosse Festigkeit dieses Gesteins, seine Härte, die es zur schön- sten Politur geeignet macht, die herrliche grüne Farbe des Bindemittels und die schönen wechselnden Farben der eingeschlossenen Granit- und Porphyrrollstücke machten die- ses Felsgebilde bei den Alten zu einem gesuchten JVIateriale für Bauverzierungen und kleinere Banmonumente, Säulen, Sarkophage etc. Hier brach man z. ß. viele der schön- sten Arten des sogenannten Verde antico, die ßreccia d'Egitto und andere schöne Breccien , denen man heut zu Tage, zu Kunstgegenständen verarbeitet, noch in vielen Kunstsammlungen begegnet. Zwischen Hamamat und Waddi el Fakir geht, nach den Angaben des Nestor l'Hote, Basalt zu Tage, dasselbe Gestein, aus dem die vielen Götterbilder im Typhonium zu Karnak, viele Sarkophage etc. angefer- tigt wurden. Dieses Gestein ist aber kein Basalt, son- dern ein dunkelfarbiger Diorit, der sich zwischen der Kreide und dem weiter östlich folgenden Schiefergebirge, so wie zwischen der Kreide und den Graniten erhob. Es ist derselbe. 358 der bei Hainamat die Granit- und Porphyrtrüninier nmliiillte und sie zur oben erwähnten Breccie verband*. Östlich von Hainamat werden diese Diorittrümmerg-esteine von feinkör- nigen Graniten durchbrochen, und weiterhin werden die Dioritgesteine überhaupt von mächtigen Ablagerungen des Schiefergebirges (Gneiss, Glimmerschiefer und Thonschie- fer) , w elches hier den Granitzug des Küstengebirgssystems repräsentirt, ganz verdrängt. Die Schiefer sind in allen Richtungen von Quarzgängen durchfahren und bilden wilde, scharf geformte ßergformen mit tiefen engen Schluchten. In Nord sieht man die ganz nahen Granitberge. Diese Schie- fer bilden das ganze Terrain um die Brunnen von el A-ueh. Ihre Gesteinslagen sind bald ^egen Süden verflächend, bald scheinen sie horizontal zu liegen. In der Gegend der Brun- nen von ßeder, in der ganzen Umgebung der Quellen von Lambageh, überhaupt in der Nähe der Meeresküste, ver- schwinden die Schiefer unter den Auflagerungen von Kalken, die mit Gyps vvechsellagern. Die Kalke führen eine grosse Menge von Ostreen, ja scheinen stellenweise ganz aus sel- bem zu bestehen. Roziere ** fand, dass unter diesen Ostreen die Ostrea dilnviana Lin. die vorherrschende Art sey. Ist diess der Fall, so müssen wir diese Kalke und Gypse von Lambageh den untersten Ablagerungen der Kreidereihe, dem Grünsande, zurechnen. Auch hier sieht man in Nord und Nordwest ganz nahe die Granitberge der Hauptkette, deren Trümmer als Findlinge über den jüngeren Auflagerungen zerstreut vorkommen. Der anstehende Granit ist prismatisch zerklüftet. An der Küste des Meeres bedecken Meeres- alluvionen die Ablagerungen der Kreide und zahllose Korallen- Klippen finden sich weit hinaus in die See. " Der Brunnen von Hamaniat hat mannigfaches Interesse. Seine Oeffnung niisst 25 Fuss im Durchmesser und man steigt auf Stiegen, freilich nicht auf den bequemsten, in die Tiefe. In seiner Nähe findet man von den Alten zurückgelassene Monolithe, die man zu Götterbildern, Sarkophagen etc. bestimmt hatte. Kurz es scheint , dass hier eine Hauptniederlage für die in den nahen Steinbrüchen erzeugten und hier- her transportirten Kunstgegenstände war. (Nestor l'Hote). "* RoziEHK, Dcscript. mincral. de la Vallec de Kosseir in den Mcm. sur TEgyptc. III. p. 2J7. 359 Von der im AlteitliUiiie stattgefiindeiieii Veibliidmig des Wils mit dem rotheii Meere mittelst eines Kanals von Kenne nach Kosseir * wurde viel geschrieben, und man sieht so- <»ar die Kanallinie auf einigen älteren Karten verzeichnet. Den neuern Forschungen zu Folgte hat diese Kanalverbindung- jedoch nie existirt und alle für Reste derselben angesehe- nen alten Arbeiten im Felsterrain scheinen nichts als die Herstellung- eines zweckmässigen Landweges für die vielen Karavanen, die einst diese Strasse zog-en, zum Zwecke ge- habt zu haben. Einem Kanalbaue würden sich ohnehin hier grosse Schwierigkeiten entgegenstellen. Der Nil liegt bei Kenne ungefähr 170 bis 200 Fuss höher als das rothe Meer, das Wasser würde daher in dieses abtüessen, und zur Mög-- lichmachung^ einer Schifffahrt mi'issten viele Schleussen an- gebracht werden, deren Herstellung, so wie die eines gros- sen Theils des Kanals, in einem festen Gesteine sehr be- deutende Auslagen erfordern würde. Alle diese Schwierig- keiten finden bei einem Kanäle zur Durchstechung- des Isth- mus bei Sues entweder gar nicht, oder doch in einem viel geringern Massstabe, statt. Einen weitern Durchschnitt der arabischen Wüste, süd- lich von dem Querthale ZAvischen Kenne und Kosseir, erhal- ten wir durch die Wanderungen der Reisenden Cailliaud, * BercniLC und i\lyos Hormos sind in den Stürmen der Zeitcrciy;- nisse untergegangen. Kosseir ist jezt nebst Sues der einzige besuchte Hafen der egyptiscben Küste am rotben Meere, und als sokber schlecht, tbeils weil er zu offen ist und daher zu wenig Schutz gewährt, theils weil die zahllosen Korallenriffe, wie an der ganzen Küste des rotlieu Meeres, die Schifffahrt höchst schwierig machen. Kosseir, noch elender als Sues, zählt höchstens 1500 Einwohner und holt sein schlechtes Trink- wasser aus einer Gstündigen Entfernung. Demungeachtet bildet es einen wichtigen Platz für den Handel mit Arabien und hat so zu sagen die Roll« des alten Bcrenice übernommen, ohne seinen Reichthum zu erben. Die Hauptausfuhr beschränkt sich auf die des Getraides nach Hedjas, und der Transport der vielen Pilger nach Mekka von da in den Hafen von Djedda ist jährlich sehr bedeutend. Der Hauptgegenstand der Einfuhr war frü- her der KafTe aus Jemen, doch diese Waare beginnt in Egypten .seit der Besitznahme von Aden durch die Engländer seltner zu werden, sie scheint einen andern We^ zu gcIien. und der Handel von Kosseir hat sich dadurch um Vieles verschlechtert. 360 Belzoni, WiLKiNSON, RiFAUD , JNcstoi' l'Hote ctc, dic durch das öueertlial bei Edfu nach den Sinaragdgiuben am Sabu- lah und nach den Ruinen von ßerenice zogen. Von Edfu durchwandert man über Waddi Miah oder, wie Einige schrei- ben, „Minah", den Sandstein der Katarakten bis zum Waddi Bisak, wo man, ungefähr drei Tagreisen vom Nile entfernt, den ersten Granitberg trifft. Weiterhin gelangt man wie- der in das Terrain des erwähnten Sandsteins , einige Stun- den östlich von Samunt aber beginnen die Granite und Schiefer des Hauptgranitznges des Küstengebirgssystems, dem der Dschebel Saburah mit seinen Nebenbergen an- gehört. Die Granit- und Schieferformation des Hauptgebirgs- zuges dehnt sich bis nahe an die Küsten des rothen Meers aus, wo sie von Ablagerungen aus der Kreidereihe wie bei Kosseir bedeckt wird und worauf die Meeresalluvio- nen folgen, welche den Strand bilden und denen die zahl- losen Korallenklippen daselbst zuzurechnen sind. Nestor l'Hote, so wie Cailliaud, fanden in den Bergen des Granitzuges die unverkennbarsten Wirkungen vulkani- schen Einflusses. Sie fanden mächtige Durchbrüche von Dioriten und basaltischen ? Gesteinen, mit aufgelagerten vul- kanischen Tuffen, deren Mächtigkeit Cailliaud zu 10 bis 20 Fuss angibt. Zu den vulkanischen Erscheinungen dürfte auch das Vorkommen des Schwefels am Dschebel Kibrit zu rechnen seyn, Avelcher südöstlich vom Dschebel Saburah an der Küste liegt. Der Kibrit gehört mit seiner Lmgebung- derselben Formation an, die wir bereits bei Kosseir kennen lernten und als ein Glied der untern Kreidereihe betrachte- ten. Er besteht aus Kalk, der mit Gypsstraten wechsel- lagert und umschliesst am nördlichen Gehänge eine Lager- stätte von gediegenem Schwefel, die zwar keine bedeutende Ausdehnung zu haben scheint, aber doch von Zeit zu Zeit von den Eingebornen bearbeitet wurde. In der Nähe dieses Schwefellagers bricht eine warme Schwefelquelle hervor, die zu Fussbädern benüzt wird. Dieses Vorkommen des Schwefels erinnert neuerdings an ähnliche Verhältnisse, unter denen er in Sicilien auftritt, was, auf das vorliegende 3G1 Lokale angewendet, und die bergmännische Hoffnung zur Auffindung niächtigerer Lagerstätten von Scliwefel in grös- serer Teufe nur erhöhen kann. Der Gyps , welcher mit dem Kalke wechsellagert, ist grösstentheils sehr rein, durch- scheinend, mit Seidenglanz. Auch diese Kreidegebirge fand Cailliaud mit* vulkanischen Tuffen stellenweise bedeckt. Mit dem Granite des Hauptzuges und mit demselben in ebenso inniger Verwandtschaft stehend, wie am Sinai- gebirge, tritt Porphyr sehr häufig auf. Besonders ist diess der Fall in der Fortsetzung des Hauptgebirgszuges, nordseits des Dschebel Saburah, wie z. B. bei Bender el Sorcheia am Nordgehänge dieses Berges. Der Porphyr besteht da- selbst aus einer rothen Feldsteingrundmasse mit Krystallen von weissem und röthlichweissem Feldspath, ein Gestein, das wir in den Porphyren der Vorberge des Sinai, welche den dortigen Sandstein* durchbrechen, wiedererkennen. Wenn wii* das so eben Gesagte zusammenstellen und damit des trefflichen Burkmardts Beobachtungen in Verbin- dung bringen, so ergibt sich für die egyptisch- arabische Wi'iste südlich des Querthals von Kosseir folgender Tipus : Der Hauptgebirgszug, bestehend aus Granit, Gneiss, Glimmerschiefer und Thonschiefer mit lokalen Ablagerungen, wahrscheinlich vulkanischen Durchbrüchen und Ergiessungen, von Diorit, basaltischen Gesteinen, dioritischen Trümmergestei- nen und vulkanischen Tuffen erstreckt sich vom Queerthale von Kosseir und in seiner ganzen Breite, die er zwischen Legeda und Lambageh einnimmt, nach Süd, bildet die Ebene Koraim, die Berge bei Samunt, den Dschebel Saburah und Arate, so wie das Gebirge Olaki, die südöstliche Fortsetzung des Sa- burah. Am Dschebel Olaki dehnt sich dieser Gebirgszug zu einer grossen Breite aus, indem er sich ostseits, der Küste parallel, gegen Rhas el Anferstreckt, sich dann südlich wendet und sich mit den Granitbergen des Dschebel Otabi in Nubien verbindet, westseits aber einen weiten Bogen beschreibt, das Waddi el Schech Schadeli und das Waddi Akaba durchsezt und sich bei Assuan mit dem Granitgebirge • Der Sinaisandstein ist ein Parallelgebildc des Kataraktensand- steiae. folglich eines der untersten Glieder der Kicidcieihc. ;i62 der Katarakten vereint. Das «»anze Terrain innerhalb dieser Grenzen gehört den benannten Felsgebilden des Haupt- gebirgsznges an, die in Thälern und Niederungen, so nie bei Assnan , sehr häufig vom Sandsteine der Katarakten bedeckt werden, und zwar im Centrale des Zuges und an allen höher als die Berge der Katarakten liegenden Punk- ten, ausschliesslich nur von dem Untern. Die Bucht zwischen dem Nilthale und diesem Haupt- gebirgszuge erfüllt bis zur Parallele von Eilethya (el Kab) die Kreide von Theben, weiter südlich hingegen der Sand- stein der Katarakten. An seinem Ostrande, von Kosseir bis Mirsa Habesch, wird dieser Hauptzug von Kreideablagerun- gen begleitet, Kalk wechselnd mit Gyps, welche die Vor- berge der Dschebel Aias und Akaba, das Rhas el Anf und die Umgebung von Berenice bilden. Den Strand der Küste bilden Meeresalluvionen und Korallenriffe. Die interessantesten Punkte des Hauptzuges sind: die Berge bei dem alten Nechesia, wo sich nach Cailliaud Blei- minen finden sollten, der Mons Niger Lapis der Alten an der nubischen Grenze, wahrscheinlich ein Dioritkegel, der Dsche- bel Baram östlich von Assuan , wo einst Kupferminen im Granite bestanden haben sollen, und vor Allem der Dschebel Saburah, 4 bis 5 Tagreisen südlich von Kosseir , der be- rühmte Fundort der egyptischen Smaragde. Der Saburah besteht ans Granit und Gneiss mit unterge- ordneten Lagerstätten von Glimmerschiefer, Chloritschiefer und Thonschiefer. Der Granit führt Granaten und Hornblende. Schon in alten Zeiten scheint man am Saburah auf Sma- ragde gebaut zu haben, wenigstens ist es den zerstreut in den römischen und griechischen Schriftstellern* vorfindigen Nachrichten nach gewiss , dass diess unter den Ptolemäern geschah. In späterer Zeit wurden die Gruben von den Ara- bern wieder gewältigt und nach den arabischen Schriftstel- lern** bis zum Jahre 1358 fortbetrieben, von wo an sie in totalen Verfall geriethen und unbekannt blieben bis die * Nxr.ABO; Pj.imvs etc. '* RiTTEKS Erdkunde 1. S. 670. Haiipti>Tnben im Jalir 1816 von Cailliaüü wieder entdeckt AViirden *. Die Smaragde sind den Ang:aben Cailliauds und seiner Nachfolger zu Folge Eigentluim gewisser Gesteinslagen eines chloritischen Glimmerschiefers und des damit vorkom- menden Quarzes. Dass sich wirkliche Smaragde am Sabnrah Hnden, unterliegt der von Cailliaud gegebenen Abbildung zu Folge keinem Zweifel, obwohl die zwei Handstücke, de- ren ich habhaft werden konnte, eigentlich Berylle sind, ein- gesprengt in weissen öuarz, ganz ein cähnliches Vorkommen, wie das des Berylls auf dem Kreuzkogel in Gastein. Der von Cailliaud abgebildete Smaragd im chloritischen Glimmer- schiefer erinnert an das gleiche Vorkommen desselben am Sedl im Heubachthale im Salzburgischen, wo sich die Sma- ragde zwar oft in einer schön smaragdgrünen Färbung nnd in ausgezeichneten Krystallen fanden , nie aber eine bedeu- tende Grösse und Reinheit der Farbe und vor Allem nie jenes herrliche, den peruanischen Smaragden eigene Feuer erreichten. Auch am Sedl tritt der Smaragd oft in jener Varietät auf, in der wir ihn als Beryll bezeichnen. Ob sich am Saburah nicht auch Gesteine finden , die mit Smaragd verwechselt wurden, ohne es zu seyn, eine Verwechslung, die nur bei grosser ünkenntnlss der Sache stattfinden kann, will ich nicht entscheiden. Das Vorkom- men der Smaragde und Berylle daselbst unterliegt keinem Zweifel, und es kann sich daher nur darum handeln, ob man einst Smaragde von grösserer Schönheit und in grösserer Menge fand, als jezt sich zeigen. Diese Frage ist an und für sich leicht mit Ja zu beantworten, wenn wir den Um- fang bergmännischer Arbeiten am Saburah dem Umstände entgegenhalten, dass man gegenwärtig höchstens nur Spu- ren dieses Edelsteins daselbst findet und dass verrückte Generationen durch Jahrhunderte ihren Spuck dort getrieben haben müssten, hätten sie solche Arbeiten für Nichts und zu Nichts unternommen. Ausserdem geben die arabischen Bruce (1769) scheint einige alte Quiben am Nordgehänge des Saburah getrofteii zu liabcn und viellciclit ist sein „Sc^gera" identisch mit „8oicheia" (Sik-et-Lendcr el Soicheia}. 364 Schriftsteller possitive Nachrichten von schönen Smaragden, die am Saburah gefunden wurden. Das Misslingen der durch Cailliaud eingeleiteten Untersuchungen beweist gegen das Vorkommen der Smaragde Nichts. Die getroffenen Anstal- ten waren ganz im Sinne der egyptischen Verwaltung, d. h. man wollte etwas, ohne über das Was und Wie weiter nachzudenken. Man sandte eine Menge Leute hin, die in den alten Gruben planlos herumwühlten, Cailliaud entfernte sich, Belzoni fand die Arbeiter bereits im traurig- sten Zustande, die Regierung, da sie nicht augenblicklich die herrlichsten Smaragde scheffelweise erhielt, dachte gar nicht mehr an sie, man liess die armen Leute in der Wüste fast verhungern, sie empörten sich, sollen ihre Aufseher erschla- gen haben und liefen endlich davon, woraus man in Kairo das Resultat zog, es finden sich keine Smaragde. Die Smaragde und Berylle am Saburah sind Eigen- thum gewisser Lagen des chloritischeu Glimmerschiefers, die sich in einer 31ächtigkeit von 3 bis 4 Fuss dem Ver- flachen nach steil ins Gebirge senken. Sie kommen wie in' Pinzgau und an andern Orten im Gesteine zerstreut einge- sprengt vor, und man hat, sie zu finden, keine sicheren Anhaltspunkte. Der Bergbau ist daher ein sehr gewagtes Unternehmen, und es handelt sich dabei einerseits um blos- ses Glück zur Auffindung solcher einzelner Krystalle, and- rerseits, um einem solchen Glücke nur halben Wegs ratio- nell entgegen zu kommen, um die grösstmöglichste und aus- gedehnteste Aufschliessung des hoffentlichen Gesteins. Man hat daher die Möglichkeit vor sich, durch Glück in kurzer Zeit einen ausserordentlichen Gewinn zu machen, der sich im Voraus durchaus nicht beziffern lässt, andrerseits sieht man die Möglichkeit vor sich, Jahre lang die grössten Sum- men unnütz zu verwenden, ein Übelstand, dem sich nur Aus- dauer und sachverständige Leitung entgegenstellen lassen. Die bergmännischen Arbeiten der Alten waren durch die grosse Anzahl der begonnenen Gruben sehr ausgedehnt. Sie gingen mit ganz engen Schächten dem Verflachen des Smaragd führenden Gesteins nach in die Teufe, der Angabe nach bis zu 500 Fuss, und geriethen sie durch planloses 365 Hernnnvühlen In der Umgebung; eines solchen Scliachtes In VVetterstocknng- und Veibruclssgefahr, mit Wasserandrang; hatten sie dort ohnediess nicht zu kämpfen , so verliessen sie eine solche Grube und fingen eine neue an. Diess war der Grundtypus des Bergbaus der Alten hier, «so wie über- all, da ihnen zu weit aussehenden unterirdischen Aufschlies- sungs- und HofFnungsbauten sowohl die Kenntnisse, als die Mittel mangelten. Interessant wäre die Gewältigung der alten Gruben am Saburah ganz gewiss, aber als vortheil- haft kann ich diese Unternehmung fiir die egyptische Ver- waltung nicht bezeichnen, denn ich finde sie nicht an der Zeit in einem Lande, das in solches Elend gestürzt ist. Spuren des alten Bergbaues, Reste grossartiger Kunst- strassen, Bassins in Granit ausgehauen, als Regenbehälter, kurz Beweise eines sehr regen Betriebes finden sich am Sa- burah an vielen Stellen, und Cailliaud fand die Ruinen zweier grosser Niederlassungen der Bergleute, die eine, Sik-et- Bender el Kibir, in der INähe der 60 Hauptgruben am Süd- gehänge des Saburah, die andere, Sik-et-Bender el Sorcheia*, am Nordgehänge desselben Berges. Die Trümmer ersterer Stadt sah Cailliaud sonderbarer Weise für die Ruinen des alten Berenice an, was doch bekannter Weise eine Seestadt war, deren Reste später Belzoni an der Küste, südwestlich von Rhas el Auf, entdeckt^*. Wenn wir die im Vorstehenden über ganz Egypten ge- gebenen Details in ein Ganzes*** schliesslich zusammen- * Sik-et-Bender el Kibir: „der Weg der grossen Stadt". Sorcheia „Klein". ""'' Berghaus Karte: Arabia und das Nilland, enthält hier einige be- deutende Unrichtigkeiten. So ist Siket-el Sorcheia (soll heissen Siket- Bender el Sorcheiah) anstatt am Nordgehänge des Saburah, an seiner Südseite angegeben, und Sik-et-Bender el Kibir, was an lezterer Stelle stehen sollte, ist als heutige Benennung des alten Berenice, was es kei- neswegs ist, drei bis vier Tagreisen %veiter in Südost an die Küste ver- pflanzt. Über die Ruinen des schön gelegenen Berenice , des einstigen Emporiums des egyptisch- arabischen und indischen Handels sehe man Belzoni, Wilkinson und Nestor l'Hote. (Die in der Voirede angegebenen Werke.) >;:>'? ]yjjj„ j;pi,p. Meine geognoslische Karte von Egypten. Diese Karte, so wie meine übrigen gcognostisclien Karten von Ländern, über welche in 300 fassen, so sehen wir ein sehr einfaches geognostisches Bild jenes merkwürdigen Landes. Ein mächtiger Zng sogenannter primitiver Gesteine, bestehend ans Granit, Gneiss, Glimmer- schiefer, Porphyren nnd Diorit , kommt ostseits des Nils ans Nubien ,. nimmt in der Parallele von Assuan das ganze Terrain zwischen dem Strome und dem rothen Meere ein, verschmälert sich aber weiter nördlich, den östlichen nnd westlichen Jüngern Auflagerungen Platz machend und zieht als eine hohe, bis nahe zu COOO Fuss Meereshöhe anstei- gende und sich scharf aussprechende Gebirgskette, die For- mationen des Nilthals von denen der Küste des rothen Meeres trennend , gegen Nord bis ungefähr zur Parallele des 19. Breitegrades, wo sie unter den Auflagerungen geschichteter Gesteine verschwindet. Die unverkennbarsten Beweise ein- stiger vulkanischer Thätigkeit berechtigen zu dem Schlüsse, dass wir in dieser Kette eine mächtige Spaltenerhebung vor uns haben, welche die Jüngern, geschichteten Gesteine durchbrach. Da wir die höhern Gipfel und Rücken der Berge dieses Centralzuges grösstentheils unbedeckt, oder wie in dem geognostisch innigst verwandten Sinaigebirge nur von dem u n tern Sandsteine der Katarakten bedeckt sehen, so dürfte man daraus weiter folgern , dass die anfängliche Erhebung dieser Kette zwischen die Perioden der Ablage- rungen der untersten und deiwobern Kreidebildungen fällt. Da wir ferner aber auch die niedern Gipfel und Pla- teaus der Granitberge an den Katarakten, wo die Schiefer- bildungen und Porphyre mangeln, von dem obern Kata- raktensandsteine bedeckt sehen, so fällt die Erhebung die- ses Theils des Centralzuges in eine weit spätere Zeitperiode, gleicher Ausdehnung noch ni chtsÄlinliches existirt, haben nur den Zweck, ein allgemeines geognostisches Bild des Landes zu geben, das sie be- treffen. Höhere Ansprüche als Resultat einer, wenn auch mehrjährigen Reise können sie nicht machen , was gewiss Jedem klar ist, der die Kon- struktion einer geognostischen Karte von solcher Ausdehnung des Terrains zu würdigen weiss und der bcriicksiclifigt, dass diese Karten meines Wis- sens die ersten geognostischen Hanptkarten jener Länder sind , die der OflVntliihkeit übergeben werden und w edcr langjährige Studien und Er- fahrungen noch ältere Karten zur Foststcllung der eigenen Anschauungen vor sich haheii. 367 nämlich in die der ältesten Diliivien , und wir haben es also hier mit zwei verschiedenen Einporhehnngskatastrophen zu thnn. Zunächst dieser Granit- und Schieferkette angelagert, erscheinen Glieder der untersten Kreidereihe. Sie finden sich nicht nur am Ost- und Westrande der Hauptkette, son- dern in ihr selbst, indem sie, als friiher schon vorhanden, mit ihr emportraten. Die Glieder, welche die untersten Ab- lagerungen der Kreide repräsentiren, sind der Sandstein der Katarakten, die Ostreen führenden und mit Gyps wechsel- lagernden Kalke au der Küste des votlien Meers und der harte, g^raue, Feuerstein führende Kalk von Theben und Denderah. Der Sandstein der Katarakten verbindet in geognostischer Beziehung Eg) pten mit Nubien auf dieselbe Weise westlich des Nils, wie der Granit der Katarakten dieses östlich des Stroms thut. Der Sandstein erfüllt das ganze Terrain, mit wenigen Durchbrechungen des Granites und Auflagerungen des Kreidekalkes, von der nubischen Grenze bei Philä bis nach Eilethya , schliesst sich Östlich an das Küstengebirge an , umgibt westlich den südlichen Rand der Oasen Chard- scheh und Dachel und tritt in den Sandocean der libyschen Wüste über. In einzelnen Thälern , auf niedern Plateaus kann man Ablagerungen dieses Sandsteins im Centrale des Granit- und Porphyrzuges bis zum Dschebel Gareb verfolgen und findet ihn weiter nördlich wieder und zu bedeutenden Höhen mit emporgehoben am Sinai-Gebirgsstocke. Der Ost- reen führende und mit Gyps wechsellagernde Kalkstein be- gleitet die Centralkette an ihrem Ostrande, längs der Küste des rothen Meers. Vorkommen von Schwefellagern und Ther- men, Schichtenstörungen und Bedeckungen mit vulkanischen TuflFen weisen auf vulkanische Einwirkungen hin, die dieses Gebilde erlitt. Die gegen die westlichen Auflagerungen ver- hältnissmässig geringe Breite dieses KreidestreiferiS ist eine natürliche Folge der Terrain Verhältnisse. In West hatte die Centralkette die weite Meeresfläche der libyschen Bucht vor sich, und weit ausgedehnt, wie sie einst war, sehen wir heute ihren Boden, die ffi'ossen Wüsten von TNord-Afrika 3(J8 vor uns, die der Ansdehniiiig der Felsformationcii keine Grenze sezten. In Ost hingegen ist es ein tiefer Spalt mit Meer erfiillt, der Egypten von Arabien trennt; der steile östliche Abfall der Centralkette liess zwischen seinem Ge- hänge und dem Meere nnr wenig Raum, und die Breiten- ausdehnung der aufgelagerten Jüngern Gebilde kann daher nur eine sehr beschränkte seyn. Die Kalke von Theben, ebenfalls der untern Kreidereihe angehörend, reihen sich unmittelbar an jene an, die wir ihrem ganzen Habitus und den organischen Resten nach , die sie umschliessen , für ein Glied der obern Kreide ansehen müssen und die mit jenen zusammen , nördlich des Sand- steins der Katarakten, das Terrain der libyschen Wüste bis zur Parallele des Dschebel Makrum, das des Nilthals bis zu den Bergen von Siut und das der arabischen Wüste, die Centralkette an ihrem Westrande und an ihrem nördlichen Ende umschliessend , bis zu dem Querthale von Kairo nach Sues bilden. Am Ostgehänge der Centralkette treten diese Kalke nur sparsam auf und in der bedeutendsten und ihre geogncstische Stellung klar beurkundenden Ablagerung se- hen wir sie nur in der grossen Granitmulde südöstlich des Dschebels Gareb. Die durch die nördliche Begrenzung dieser Kreidefor- mation sich bildende weite Bucht , und zwar libyscher wie arabischer Seite, und längs des Nils bis in die Nähe der Küste am Mittelmeer, erfüllen tertiäre Ablagerungen und zwar namentlich Nummulitenkalk. Auflagerungen von alten Meeresdiluvionen bedecken lokal die tertiären wie die Kreide- bildungen und dringen selbst in das Gebiet des Sandsteins der Katarakten vor. Diese Diluvien zeigen, je nachdem sie am Ost- oder Westrande der arabischen Kette auftreten, eine verschiedene Natur und sind offenbar Resultate einer lokal verschiedenen Meeresbildung. Meeresalluvionen verschiedener Altersfolge und fortdauern- der Bildung schliessen das geognostische System von Egypten am Strande des Mittelmeers wie an dem des rothen Meers, und bedecken auch an vielen Stellen des Innern die altern Ge- bilde. Der mächticeNil erhöht noch immer den Boden seines in 3(50 E«>ypten 150 Meilen laiioon Stromtlials durch seine Allnvionon und vergrösseit das dmch sie den Wellen des Meeres ab- <>cMun^ene Delta. 8) Oeinerliuug-cii in Betrv^ff der F'auna uuil F'Iora v€»ii 4f her - Kgypteii. Die Erforscliuni>" der organisclien Schöpfung, Avie ^^ir sie mit allen ihren Eigentliümlichkeiten in dem Lande treffen, das zunächst Gegenstand unserer Anschauung ist, betrachtete ich im Verlaufe dieses Werkes bisher aus einem zweifachen Gesichtspunkte und zwar in Bezug auf den Totaleindruck, den die Gesammtlieit der Individuen der Thier- und Pflanzen- welt auf uns hervorbringt (botanische und zoologische Phy- siognomie des Landes) und in Bezug der Erkenntniss dieser Individuen selbst in ihrer Einzelnheit und in ihren charakte- ristischen Eigenthümlichkeiten. Diesen Grundsatz auf Ober-Egypten angewandt, muss ich in lezterer Beziehung, als selbst nicht vom Fache, mich auf jene naturhistorischen Schriften berufen , die ich im 1. Bande S. 2SS und S. 801 namhaft machte*, vor Allem aber auf die naturhistorischen Arbeiten der Herren: Dr. Fenzl, Natterer, Kollar, Heckel und Fitzinger hinweisen, welche, Avie es beim 1. Bande der Fall war, auch den Anhang die- ses 2. Bandes bilden und in denen vom Standpunkte der Wissenschaft aus nicht nur die von Hrn. Kotschi, Mitglied der Expedition , gesammelten Pflanzen und Thiere aufgezählt und die neuen Arten beschrieben und abgebildet werden, sondern in denen auch überhaupt des Neuesten Erwähnung geschieht, welches wir den Bemühungen anderer Reisender ÄU danken haben. , In Bezug des Totaleindruckes, den die Anschauung der gesammten organischen Welt in Egypten hervorbringt, habe ich bereits im 1. Baude dieses Werkes S. 229 bis 231 und S. 286 bis .301 mich umständlich ausgesprochen. Alle da- selbst angegebenen Erfahrungen haben zum grossen Theiie * Neu erschienen und von Itoheni Interesse ist: M. le Cointe Jaubcrt et M. Ed. Spach. Illustrationrs planturuni oricn- talium. Paris. 1842, wird fortgesezt. i; i!sspg"cr, Reispn. M, Kcl. I. ThI. 24 370 auch ihre Anwendung auf Ober-Egypten , daher ich jede Wiederholung- füglich umgehen kann. Da jedoch die Pflan- zen - und Thiervvelt Ober-Egpptens in vielen Beziehungen die Übergänge aus der der afrikanischen Mediteranländer in die von Nubien und der Länder Central-Afrika's bildet, und leztere viele Ähnlichkeiten mit den Schöpfungen am Senegal in Abessinien und selbst am Vorgebirge darbietet, so kann ich es nicht umgehen, hier wenigstens jener Eigenthümlich- keiten, die die Flora und Fauna von Ober-Egypten von der in Unter-Egypten im Allgemeinen unterscheiden , mit wenigen Worten zu erwähnen. Am auffallendsten zeigt sich dieser Unterschied dem Auge eines jeden Beobachters bei Betrachtung des Kultur- landes und nach Passirung der Breite von Kenne, d. h. beim Eintritte in die alte Thebais, von wo an der Charakter der Pflanzenwelt sich mehr als ein nubischer auszusprechen beginnt. In dem Masse, wie die egyptische Flora, gegen Süden gehend, sich nach und nach in die nubische umstaltet, so zeigen sich ähnliche Übergänge auch in anderer Rich- tung und die Ähnlichkeit der Pflanzenwelt in der egyptisch- arabischen Wüste mit der des benachbarten Küstenlandes von Arabien, die Übereinstimmung der Flora der Oasen mit der des grossen libyschen Beckens überhaupt, so wie die der Flora von Unter-Egypten mit der vom südlichen Syrien, ist nicht zu verkennen. Das Pflanzenleben ist in der Wüste ein möglichst kurzes. Schnell entwickelt ein Gewitterregen, oder der starke Thau aus dem im Sande liegenden Körnchen das vegetabile Leben, schnell aber stirbt es in der Gluth des Bodens wieder. Pflan- zen, an solchen Stellen wachsend , wo der Sand der Wüste auf Thonstraten liegt und diese die Feuchtigkeit des Bodens durch längere Zeit zurückhalten, oder solche, d ie in Vertiefungen des Bodens gedeihen, oder durch die von unten aufsteigende Fenchtigkeit der Grundwasser genährt werden , können sich ein oder höchstens zwei Jahre lang erhalten , dann sterben auch sie und ihre INachkommen treten an ihre Stelle. Nur die Mimo- sen und Palmen scheinen eine Ausnahme zu machen und ich sah sichtbar alte Stämme der erstem im dürrsten Sandboden, zwar 371 kümmernd, aber doch lebend*. Palmen hingegen findet man in den Thälern der Wüste, ausser an ßrunnen und Stellen, wo der Boden die erhaltene Feuchtigkeit, wenn auch nur kurze Zeit, bewahren kann, sehr selten und nie tragen solche Find- linge geuiessbare Früclite. In den Oasen, wo natürliche und künstliche Bewässerung dem Leben der Pflanzen zu Hülfe kommt, und der Boden der Kultur zugänglich ist, verschwindet der Typus der Wüste und wir sehen eine freudige, kräftige Vegetation, die sich aber, wie im Nilthale, grösstentheils nur auf Feld und Gar- ten-Kulturpflanzen, besonders auf Cerealien, Dattelpalmen, Indigoferen und andere Färbepflanzen, Fruchtbäume verschie- dener Art etc. beschränkt. Aus der Reihe der wild in den Wüsten und Oasen Egyptens gedeihenden Pflanzen gibt CLOX-Bey ** ein Verzeich- niss von 83 Arten. Die wild wachsenden Bäume beschrän- ken sich ausschliesslich auf Mimosen und Tamarixarten, in- dem es von den Dattelpalmen (Phoenix dactilifera. Lin.) und von den Dompalmen (Cucifera thebaica. Delile) noch sehr zweifelhaft ist, ob sie sich in Egypten wirklich im wilden Zustande befinden. Die Vegetation der nördlicher liegenden Wüsten und Oasen, reich an Salsoleen, ist der Vegetation in der Umgebung der Natronseen in Unter-Egypten ähnlich, während die in den südlichen Oasen und Wüsten Ober-Egyp- tens ganz der gleicht, die sich im Nilthale bei Siut und Kenne und in den daranliegenden Wüsten befindet. Die Vegetation des Nilthals gewinnt in den Breiten von Siut und Kenne einen Charakter, der sie, je weiter man südhch vordringt, desto mehr von der egyptischen entfernt. Die in Unter-Egypten sich vorfindenden Pflanzen gedeihen zwar, mit sehr wenigen Ausnahmen , auch im Nilthale von Ober-Egypten, doch es gesellen sich eine Menge neuer hin- zu und zwar durchgehends Fremdlinge aus Nubien, die mit dem Nile dahin wandern und sich dort sesshaft machen, so dass in der Nähe der Katarakten von Assuan die Flora '^ Z. B. Acacia Seyal. Delilc. ^* Apercu geiieral. I, S. 164. 24* 372 Nuhiens die vorlienscheiide wird. Cailliaud* und Lippi geben ein Veizeichniss nubischer Pflanzen, bearbeitet von Delile, von denen die meisten sich in Ober-Egypten befinden und unter denen die Leguminosen, Synanthereen, Apocineen, Atripliceen, Gramineen, Malvaceen und Urticeen besonders vorherrschen. Besonders auffallende Veränderungen, auch für den Nichtbotaniker, gehen in der Baumwelt dadurch vor, dass von dem 27. Grad der Breite an die Dompalme erscheint und bereits mit dem 2G. Grade, also in der Nähe des alten Theben, so häufig uird, dass sie den Beinamen die „The- baische« erhielt und an Zahl der Individuen stellenweise der Dattelpalme gleichsteht. Mit dem Auftreten der Dompalme schien mir die Sykomore (Ficus Sycomorus. Lin.) seltner zu werden. Ähnliche Verschiedenheiten, Avie in der Pflanzen- welt, zeigen sich in der Thierwelt von Ober-Egypten , der Fauna von Unter-Egypten ** gegeniiber. Diese Verschieden- heiten erstrecken sich aber nur auf einige im wilden Zu- stande lebende Thiere : denn die Hausthiere sind in beiden Provinzen dieselben. Eigenthiimlich fiir die Oasen und die westlichen Wüsten ist das Vorkommen mehrerer Antilopenarten, der Otis arab. (Huwara) und des afrikanischen Strausses. Lezterer, ein Vogel der Ebenen, mangelt in der gebirgigen arabischen Wiiste östlich des Nils ganz, so wie sich auch die Otis nur selten daselbst findet und überhaupt die arabische Wüste ihres grossen Wassermangels wegen an Thieren äimer ist. Das Nilthal von Ober-Egypten enthält dieselben IVSammiferen, deren wir bereits im 1. Bande erwähnten, nur werden die wenigen reissenden Thiere, die Egypten überhaupt angehören, häufiger, da ihnen die nahen Berge und Thäler mehr Schutz vor den Verfolgungen der Menschen gewähren. Dahin ge- hören vorzüglich die Schakals und Hyänen. Das Krokodil, welches sich schon seit langer Zeit in Unter-Egypten nicht mehr findet, beginnt in Ober-Egypten mit der Breite von Siut und wird weiter gegen Süden immer häufiger. Den beständigen Verfolgungen der Menschen aus- - Cailliaiid» Voyagc a Mcroc IV, p. 293. -•• 13an(l T. y. 294 etc. 373 o^esezt, lii steter Unruhe durch die zahllosen Barken, die ohne Unterbrechung- den mächtigen Strom furchen, ist dieses Thier entmuthigt und, was seine Raubgierde betrifft, seinen südli- chem Kollegen gar nicht gleich zu stellen. Unglücksfälle, herbeigeführt durch Krokodile, sind in Obcr-Egypten eine solche Seltenheit, dass Niemand daran denkt, sich vor die- sen Thieren zu hüten, im südlichen Nubien hingegen, und noch mehr am blauen und weissen Flusse, ist die strengste Vorsicht beim Baden und Wasserschöpfen uöthig, und trotz derselben geschehen Unglücksfälle häufig, wie ich mich selbst überzeugte. Das in Ober-Egypten vorkommende Krokodil scheint nur der Art Crocod. vulgaris anzugehören, südlich jedoch beobachtete ich Individuen von so verschiedenen Ab- weichungen ihres Baues, besonders der Struktur des Kopfes, dass ich bestimmt mich überzeugt halte , der alte Nil birgt mehrere Arten dieses wilden Sauriers in seinen trüben Fluthen. Das in Egypten lebende Krokodil erreicht nie jene monströse Grösse, die die Krokodile im südlichen Nubien erlangen, unter denen ich sehr oft ganz alte Exemplare sah, die an 24 bis 30 Fuss Länge bei 3 Fuss und darüber grössten Durch- messer massen. Der übrigens in Ober-Egypten sich finden- den und zum Theil für Egypten im Allgemeinen charakte- ristischen Vögel, Amphibien, Insekten und Fische habe ich bereits im 1. Bande erwähnt. Die Kenntniss der Fische des Nils bedarf indess noch mannigfaltiger Erweiterung, und diese Thierklasse ist es insbesondere, welche in jenem Lande noch ein weites Feld zu Entdeckungen darbietet. Von Insekten gibt Cailliaud* in seinem Reisewerke ein Verzeichniss von 3*2 Arten, die er zwar meist in südlicheren Gegenden sam- melte, von denen jedoch viele auch in Ober-Egypten sich finden. Dass dieses Verzeichniss im Gegenhalte der sich vor- findenden Lisektenarten nur sehr klein zu nennen ist, ersieht man aus dem Anhange dieses Werkes, doch enthält es immer- hin so manches Interessante. Nicht weniger wichtig sind die Entdeckungen , die Cailliaud im Bereiche der Süssw asser- Mollusken jenes Landes machte. So fand derselbe theils im Josephkanal in Fajum, t'ueils in den übrigen Kanälen und in '•' Voyaf^c ii iMcrou IV. S. '^71 etc.. bt-aibeitct von Latuiiili.e. 374 den Oasen : die schöne Iridina nilotiea, die Anodonta rubcns, Anodonta arcuta, Cyrena consobrina Oliv., ünio aegyptiacus, ünio niloticus, Ampullaria caiinata Oliv., Ampullaiia ovata, Paludina bulimoides, Paludina unicolor, Melania fasciolata, Helix irreg^ularis. Die meisten dieser Arten sind sehr weit verbreitet und man findet sie wieder im Nile im südlichen Nubien, so wie in dem blauen und weissen Flusse*. 4) ]9as Volk in Ober-Kg-ypten in seiner nationalen Individualität und als IJntertlian der eg-yptisclien Ver^valtung-» Von den 20 Millionen Menschen, die Eg-ypten, nach den arabischen Schriftstellern , zur Zeit der Besitznahme durch die Araber enthalten haben soll , sehen wir heut zu Tage kaum 3 Millionen in diesem Lande verbreitet, von welcher Summe, wie ich bereits im 1. Bande erwähnte, wir 2 Millionen auf Ünter-Egypten und 1 Million auf Ober-Egyp- ten rechnen können. Ob die Angabe der arabischen Geo- graphen und Historiographen richtig ist, möchte ich nicht verbürgen, ja mir scheint dieselbe, in Betracht des Landes und der möglichsten Ausdehnung eines Kulturbodens, sogar unwahrscheinlich. Betrachtet man hingegen die Denkmale und Trümmer alter Städte von riesenhafter Ausdehnung, bei denen, wie z. B. in Theben, aber wohl berücksichtigt wer- den muss, dass sie mehr eine Zusammenstellung mehrerer kleiner Städte mit grossen Zwischenräumen gewesen zu seyn scheinen , als eine Stadt nach unsern heutigen Ansichten mit Haus an Haus; betrachten wir ferner die Ausdehnung der alten Kanalarbeiten und die Spuren der frühern Aus- dehnung des Kulturlandes, berücksichtigen wir, in Anschauung der Reste alter Städte, Tempel und Kastelle die einst sehr bedeutende Bevölkerung der Oasen, die der reichen Küstenstädte : Arsinoe , Myos - Hormos und Berenice , die Kolonien von Bergarbeitern und Steinbrechern in der arabischen Wüste bei den Kupferbergwerken, an den Schwefelminen, bei den Smaragdgruben am Saburah und bei den Steinbrüchen * Cailliaud o^ibt die Abbildungen dieser Mollusken, so wie des In- teressantesten aus seinen übrigen zoologischen und botanischen Eroberungen im Atlas zu scincui Rciscwcrke. Vol. II. 375 am Dücliaii , Fatireli und Haiumata, su wie ciidlich die Be- völkerung der Zvvisclienstationen an den Handelsstrassen, die vom Nilthale zum rotlien Meere führten, so sehen wir, dass die Angaben Strabo's und Diodor's, welche die Bevöl- kerung ganz Egyptens zur Zeit der Rhamessiden wie der Ptolemäer und mit Ausnahme der Wandervölker auf 7 bis 8 Millionen anschlagen, der Wahrscheinlichkeit näher stellen und den Angaben der Araber gegenüber eher zu klein, als zu gross seyn dürften. Wir können in jedem Falle und mit Sicher- heit annehmen, dass Ober-Egypten einst in der Zeit seiner Blütiie allein mehr Einwohner besessen habe, als man jezt in ganz Egypten zählt. Bereits im 1. Bande Seite 302 etc. habe ich umständ- lich dargethan, dass die Bevölkerung des heutigen Egyptens sich nach ihren nationalen Verschiedenheiten in Türken, Ara- ber, Berber (Nubier), Kopten, Levantiner und Europäer tlieilt. Was in Betreff dieser Nationen in Bezug auf Unter- Egypten gesagt wurde, gilt zwar auch für Ober-Egypten, nur ist in diesem Lande der Massstab der Entwicklung die- ser Völker der Masse nach, in der sie auftreten, ein ganz anderer. Türken, Levantiner und Europäer bilden den geringsten Theil der Bevölkerung Ober-Egyptens. Erstere, die lezten Eroberer des Landes, beschränken sich einzig nur auf die Offiziere und Beamten der Regierung, vertheilt in den ver- schiedenen Städten des Nilthals, zur Aufrechthaltnng der Ordnung, zur Ausübung der administrativen und gerichtlichen Gewalt, zur Eintreibung der Steuern. Die Levantiner , sich grösstentheils nur mit dem Handel beschäftigend , ziehen es vor, sich in den Seestädten der Küste von Unter -Egypten und in der Hauptstadt des Landes zu etabliren , und über- lassen den Binnenhandel Ober-Egyptens, die Verbindung mit Nubien, Sennaar, Abessinien und Darfur, d. h. den südlichen Karavanenhandel , ihren arabischen und koptischen Fachs- verwandten. Der Europäer findet sich in Ober-Egypten in sehr geringer Anzahl, nur als Angestellter der Regierung bei den wenigen Fabriken oder als Reisender. Der Araber liingegen ist, wenn nicht seiner politischen 376 Stellun«^ doch der Zahl nach, der Herr des Landes, indem seinem Volke wenigstens nenn Zehntheile der ganzen Bevölke- rung angehören. Als Handwerker und Kaufmann wohnt er in den Städten der Oasen , des Nilthals und in den wenigen Niederlassungen am rothen Meere, als Fellah (Bauer) be- wohnt er die Dörfer und Städte der Oasen und des Nilthals, als Beduine durchwandert er die Wüsten westlich und öst- lich des Nils. Der Fellah , wie sein Bruder in Unter-Egypten , ist seit der Aufhebung- des Grundeigenthums und seit der Ausdeh- nung des Monopols über die Erzeugnisse des Bodens nicht ünterthan im humanen Sinne des Wortes, sondern einerseits Dienstknecht des Pascha , um kargen Lohn arbeitend , dessen Bestimmung in der Willkür des Herrn liegt, der ihn vom Pfluge wegjagen kann, wann er will, anderseits ist erSclave des Pascha im ganzen Umfange des Wortes ; denn er steht nicht unter dem Schutze positiver Gesetze, und wenn solche je gegeben wurden, so kamen sie nie in Ausführung, sind längst vergessen und haben auf jeden Fall keine andere Garantie als den Willen des Gebieters, d^r, wie uns die Geschichte der neuesten Zeit lehrt, dem Wechsel der Zeit und Lmstände nur zu sehr unterworfen ist. Der Fellah hat keinen andern Schutz, als den zufälligen Gerechtigkeitsinn, das zufällige Mitleid'seines Herrn , er ist also im günstigsten Falle nicht weniger elend , als der Fellah in Unter-Egypten, doch leider ist er es sehr häufig noch mehr. Der Fellah in Unter-Egypten bewohnt ein grosses Saatfeld , das der Nil mit seinen Kanälen in allen Richtungen durchkreuzt. Die segen- spendenden Fluthen treten jährlich und zum Theil ohne seine Zuthat über die niederu Ufer und befruchten die ihm zugewie- senen Äcker. Nicht so in Ober-Egypten. Hohe Ufer verhin- dern das Austreten des Stroms, und die Bewässerung kann nur auf künstlichem Wege durch Wasserzüge (Sakien) bewirkt werden. Zur Bewegung derselben sind Zugthiere nothwendig^, die man dem Fellah entweder gar nicht gibt, oder die ihm, wenn er sie erhält, nach Willkür wieder genommen werden; zur ßewässciung ist Zeit nothwendig, die der Fellah, bei der iibrigcn*Bestellung des Ackers, bei den zahllosen Frohn- i 4 arbeiteil, zu denen er nicht blos aufgefordert, sondern geprii- gelt w'u'd, nicht gewinnen kann; es sind Arme nöthig, die sich nicht finden, da Gross und Klein, Gerade und Krumm, alles was von der männlichen Bevölkerung nur die Waffen tragen kann, unter jene Armee gesteckt wurde, deren vermeintliche Bestimmung war, selbst Europa zu erschüttern. Kein Wun- der also, wenn man Dörfer trifft, die nur von Weibern und Kindern, von Greisen und Kriippeln bewohnt sind. Kommt dazu noch die Folge jener höllischen Erfindung, der solida- rischen Haftung bei Entrichtung der Steuern und Abgaben, die Jahre lang unterbleibende Auszahlung der dem Fellah gebührenden Ablösung für eingelieferte ßodenerzeugnisse etc., so darf es Niemand wundern, in Ober-Egypten Reihen von Dörfern zu finden , die von Menschen verlassen sind , Fellahs zu sehen, die mit Weib und Kind in die Wüste fliehen, Men- schen zu treffen j die im fruchtbarsten Lande der Erde vor Hunger sterben, wundern aber muss man sich, wie der Ara- ber des Nilthals durch langen Druck und Elend der Erin- nerungen seines alten Waffenruhms so weit verlustig werden konnte, dass kein Versuch, der Macht des Häufleins der Eroberer sich zu entziehen , mit Erfolg gekrönt wurde. Das System der Entzweiung, welches die Stämme einander ent- fremdet, die Vortheile, welche einzelnen Häuptlingen ein- geräumt werden , die Zugänglichkeit des Orientalen für Be- stechung, die Stärke der Armee, sind die Talismane, durch die der Pascha jenen Zauber auszuüben meisterhaft versteht. Er entreisst den Soldaten der Hütte des Fellah, kleidet ihn, gibt ihm zwar Jahre lang keinen Sold und nährt ihn schlecht, macht ihn aber stolz und fremd dem heimathlichen Herd, und des Arabers ärgster Feind ist der Araber selbst, wenn an- deres Interesse seine Handlung motivirt. In einem ganz andern V^erhältnisse steht der Beduine Egyptens zur dortigen Verwaltung. Mehemed-Ali unterwarf sich die wilden Söhne der Wüste durcii eine wahrliaft mei- sterhafte Politik, er entzweite sie unter sich selbst, sclnvächte sie, zog sie herein in das Bereich seiner Macht, verknüpfte ihr Interesse mit dem seinen und band sie an Egyptcn. Er gewann sie durch Vertrauen, erschreckte sie durch einige 378 scharfe Züchtigungen zur rechten Zeit, kurz, er unterwarf sie seinem Willen , ohne sie zu unterjochen *. Diese Unter- werfung ist bei den Beduinen der arabischen Wüste weit be- merkbarer, als bei denen der libyschen Wüste und der Oasen. Lezterer lebt mehr im Ziistande seiner alten Freiheit, sein Interesse bindet ihn weniger an die egyptische Verwaltung, er lebt durch seinen eigenen Besitz, handelt mit seinen ei- genen Erzeugnissen, die grosse Wüste steht ihm offen und verspricht ihm Schutz gegen jede Verfolgung. Ausser dem Rechte, die wenigen Karavanen von den Stapelplätzen des Nilthals in die Oasen und zurückzuführen und die jährlich aus den Raubstaaten kommende Pilgerkaravane zu begleiten, gehen ihm vertragsmässig von aussen wohl wenige Vortheile zu, und das Band, das ihn an Egypten knüpft, ist ein sehr lockeres, ein Umstand, den die egyptische Regierung wolil auffasst und der dem Reisenden in Libyen durch das kühne, sichtlich sich eines hohen Grades von Unabhängigkeit be- wusste Benehmen des dortigen Beduinen sogleich auffällt. Die Beduinen der libyschen Wüste, insoweit sie zu Egypten zu rechnen ist, theilen sich in 24 Stämme, die im Stande sind, 14 — 15,000 bewaffnete Männer und darunter über 3000 Reiter zu stellen, theils mit Pferden, theils mit Dromme- daren beritten. Von diesen 24 Stämmen kommen auf Ober- Egypten allein 20 Stämme mit einer wehrhaften Mannschaft von ungefähr 11,000 Köpfen. Anders ist es mit dem Beduinen der egyptisch-arabischen Wüste, derselbe lebt vom Mittelmeere bis zum Gebirge der Katarakten, eingeschlossen vom Nilthale einerseits, vom rothen Meere anderseits. Während der Beduine Libyens seinen ganzen Rücken frei hat, kann der der arabischen Wü- ste sich nur nach Nubien oder nach Synen wenden. Beide Passagen können ihm durch Truppen gesperrt werden, und er ist also von vorne herein mehr auf das Land beschränkt, in dem er sich gegenwärtig aufhält. Aber auch in Bezug sei- nes Interesse ist er weit mehr an die egyptische Verwaltung gebunden , als sein freizügiger Nachbar auf der andern Seite des Nils. Er bewohnt eine rauhe, wasserarme, grösstentheils * V. PuuKEscH, Ei'iunerung'cu. 11, S. 230 etc. 371» mit unwirtli baren Bergen bedeckte Wüste, die nichts produ- cirt, als kümmerliche Weide für seine Heerden, deren Er- trag, in Verbindung mit dem Fischfange an der Küste, seinen Lebensunterhalt nur theilweise deckt. Er ist zur Befriedi- gung seiner Lebensbedürfnisse genöthigt, sich um Erwerb umzusehen und findet diesen in der Besorgung des Trans- portes der vielen Karavanen, die der Handel mit Syrien über den Isthmus, der Handel mit Arabien zwischen Kenne und Kosseir und der Handel mit Nubien, Abessinien und den Ne- gerländern im südlichen Theile Ober-Egyptens in Bewegung sezt. Dadurch ist er abhängig von dem, in dessen Händen fast ausschliesslich dieser Handel liegt , d. h. vom Pascha, dadurch ist er unterwürfiger, gehorsamer; denn sein Inter- esse erfordert es und , dass die egyptische Verwaltung diess zu benützen versteht und ihn mehr nach ihren Prinzipien behandelt, die sie dem Fellah gegenüber in Anwendung bringt, kann dem Beobachter nicht entgehen. Die egyptisch - arabische Wüste wird in ihrer ganzen Ausdehnung, mit Ausnahme sehr weniger Plätze an der Küste, nur von Beduinen bewohnt. Ihre Anzahl ist daher weit grös- ser als libyscher Seite , wo die Bevölkerung der Oasen vor- züglich in Ackerbau treibenden Arabern, in Fellahs, besteht. Man zählt am rechten Uferlande des Nils 26 Beduinenstäm- me, die ungefähr 28,000 waflfenfähige Leute und darunter über 3000 Reiter aufbringen dürften. Von dieser Anzahl kann man auf Über-Egypten nur 4 Stämme mit ungefähr 3000 Streitern rechnen. Unter diesen Stämmen sind die be- deutendsten die Beui Wassel im nördlichen und die Ababde* im südlichen Theile der arabischen Wüste. Demnach be- trägt die ganze Anzahl der waffenfähigen Beduinen in Egyp- ten ungefähr an 43,000 Individuen, und ich glaube, obwohl es sehr schwer ist, hierüber etwas Gewisses zu sagen, dass * Die Ababde reden ihre eigene, jedoch stark mit der arabischen gcmisclite Sprache. Sie scheint eine niibischc zu seyn, so wie überhaupt die Ababde auch an Farbe, Sitten und Körperbau mehf den nubischen Be- duinen , besonders den Bischarin, gleichen, als den arabischen, und da- her, wie jene, ein dem Ursprünge nach nubisches oder eigentlich ethio- pisches Volk seyn dürften. Dieser Ansicht ist auch RtPPELi, (Reisen in Nubien, Kordofan etc. S. 212). 380 CLOT-Bey*, der die gesammte Beduiiienbevölkeniii}^ zu 70,000 anschlägt, zu geringe daran ist, indem sie wohl eher das Doppelte betragen diirfte. Der Berber aus Unter-Nubien, wo wir ihn in seinem Vaterlande unter dem Namen Barabra** werden kennen ler- nen, tritt in Unter-Egypten nur als der wegen seiner Treue und Geschicklichkeit beliebte Bediente, in Ober-Egypten aber bereits , obwohl in sehr kleiner Anzahl , als Bewohner eini- ger Dörfer, besonders zwischen Esne und Assuan, auf. Lange Zeit berücksichtigte die egyptische Verwaltung die geringe Masse dieses schönen und fähigen Volkes, das in seinem Vaterlande kaum mehr als 130,000 Seelen zählt und ver- schonte dasselbe mit der Geissei der llekrutirung, welche dem Lande den Todesstoss gegeben hätte, würde der Sta- tusquo noch länger gedauert haben. Doch kurze Zeit vor den lezten Kraftanstrengungen der egyptischen Armee fing man auch an in die Reihen dieses kleinen Volkes zu greifen. Welche Wirkung eine egyptische Rekrutirung unter solchen Umständen hervorbringt, bedarf keiner weitern Erklärung***. * 1. Band, S. 315. ** Barabra ist der Plural von Berber. "•''■** Zur Auffassung des Charakters der egyptisclieii Rekrutiruiif? und somit auch der Civilisation der dortigen Regierung diene folgende That- sache: Im Jahr 1837, als es galt, die Truppenmasse in Syrien so schnell als möglich zu vermehren und man später sogar auf den komischen Ge- danken verfiel, in Egypten eine Nationalgardc zu errichten, da wurde denn auch in Ober-Egypten noch einmal der Versuch einer Rekrutirung gemacht. Schonungslos die innigsten Familienbande zerreissend, ohne Rücksicht auf Alter, Kränklichkeit, Nothwendigkeit zur Besorgung des Ackerbaues etc. brachte man mit Mühe eine Heerde von Krüppeln zusam- men, indem die Mamurs die wenigen brauchbaren Leute, die sich noch gefunden hätten, durch Bestechung der Regimentsärzte zurück zu halten wussten. Diese hinkende und schielende Trujjpe wurde nach Kairo trans- portirt oder respective geprügelt. Um die Verpflegung der unglücklichen Opfer kümmerte sich Niemand, man Hess sie Tage lang ohne Brod, d. h. ganz ohne Nahrung, und mehrere erlagen schon auf dem Wege. In der Citadelle zu Kairo angekommen, Hess man die Novizen des Ruhms, in einem engen Räume zusammengesperrt, drei Tage lang ohne Nainung. Der Typhus brach aus und befreite Viele von ihren Leiden. Die llbnggc- bliebencn wurden eingereiht. Am Tage, in der grössten Sonnenhitze, Hess man sie excrziien, des Nachts, da sie in ihrer Unwissenheit das 381 Der Kopte findet sich in Ober-Eo^ypten verliältniss- mässjo- in grösserer Anzahl, als in llnter-Egypten, von wo aus wir ihn bereits kennen *. Wir trafen ihn dort vorzüg- lich als Schreiber nnd Rechner im Dienste der federfaulen Türken und als Kaufmann. Ein verschmiztes, vor seinem Herrn kriechendes, denselben nach Kräften betrügendes Ge- schlecht, das im Gegensatze den Untergebenen bis zu einem Entsetzen erregenden Grade drückt und quält, kurz, ein Volk, das, seiner sittlichen Stellung nach, tief herabgewür- digt ist und eine unglückliche Rolle spielt. Der Kopte hat sich alle Fehler des Türken und Araber eigen gemacht, ohne seine Tugenden zu erben. Dass ich über dieses Volk nicht zu hart urtheile, brauche ich nur zu erwähnen, dass sie, als Christen, es sind, die an mehreren Plätzen von Ober-Egypten das greuliche Geschäft, die durch die Sclavenhändler dahin gebrachten kleinen Negerknaben von acht bis neun Jahren zu Eunuchen umzugestalten, fast auschliesslich besorgen, ein Akt , zu dessen Vollführung die höchste Rohheit des Gemüthes erforderlich ist, eine Rohheit, die man bei den wildesten Völkern häufig nur in der Wuth des Kampfes oder als unmittelbare Nachwirkung derselben trifft. — Die Kopten in Ober-Egypten stehen theils im Dienste der Regierung als Schreiber und Rechnungsbeamte, theils sind sie als Kuufleute, besonders in den Städten des Nilthales, etablirt und beschäf- tigen sich mit dem Binnenhandel im Grossen sowohl als im Glorreiche ihrer Bestimmung nicht einsahen und eine lebhafte Neigung zur Desertion entwickelten, sperrte man sie zu 80 und 90 in kleine Hütten ein, warf ihnen einige Brode vor und schob einige Nachtstülile hinein. Wenn am Morgen diese Gefängnisse eröffnet wurden, fand man zugleich mit den Lebenden auch einige Todte. Der Typhus, wie nicht anders zu vermuthen, brach nun in einer furchtbaren Stärke aus und das Spital zu Cassr ei ain ward mit Kranken so überfüllt, dass sogar alle Gänge, alle Stiegen, selbst die Dächer, mit denselben besezt wurden. Das ist unläugbare Thatsache, das geschah in Kairo, im Centro der egyp- tischen Civilisation. - 1. Band, S. 302 etc. Als weitere Begründung des daselbst über die Identität der koptischen Sprache mit der altegyptischcn Gesagten sehe man : RosKi.iM, EIrmcnta liiiquae aegyptiacac. vulgo copticae. Romac 1837. 382 Kleinen. In den Küstengegenden am rothen Meere, so wie an mehreren Punkten im Nilthale, bestehen koptische Klöster, in -denen die Mönche in Armuth und Entbehrung, in der trostlosen Einsamkeit der Wüste, ernster Betrachtung sich hinzugeben hinlänglich Gelegenheit hätten, wenn ihre Roh- heit und Unwissenheit sie dazu befähigen möchte. Sie leben von dem Ertrage ihrer kleinen Gärten und vom eingehenden Almosen, abgeschlossen von der Aussenwelt, ohne wohl- thätige Rückwirkung auf die Kultur. Ober-Egypten umfasst zwei Mudirliks oder Gouverne- ments. Zu dem ersten gehören die Departements : Beni Masär, Minieh, Sakie et Mussa, Derut, Melaui, Kusieh, Monfalut, Dueir, Cheruk, Siut, Suhäss, Tachta, Akmin, ßardiss, Dschirdscheh, Farschiut und Faubas mit den gleich- namigen Städten. Zu dem zweiten Mudirlik gehören die Departements Kenne, Esne, Edfu. Die Oasen werden durch die Schechs el Beled aus der Mitte der Bewohner regiert, nur in der sogenannten kleinen Oase oder in der Oase Waddi el Bacherieh, wo der Franzose Ayme die Alaunfabrik er- richtete, soll diesem, dem Vernehmen nach, die Administra- tion von Seite des Vizekönigs übertragen worden seyn , wo- durch die Bewohner nur gewonnen haben können ; denn die Herrschaft der Schechs el Beled in Egypten ist für die Ara- ber nicht weniger drückend, als die der Türken selbst. Was die Administration und Rechtspflege in der Aus- übung überhaupt anbelangt, so findet Alles, was ich hier- über im 1. Bande dieses Werkes S. 317 bis 339 bezüglich auf Ünter-Egypten umständlich auseinander sezte, auch auf Ober-Egypten seine Anwendung, da beide Länder ganz nach demselben Systeme behandelt werden. — In dieser Gleich- stellung bei einer sehr verschiedenen Produktionsfähigkeit der beiden Provinzen , glaube ich aber gerade einen der wesentlichen Mängel der Verwaltung zu sehen. Ünter- Egypten bietet dem Auge ein Netz von Kanälen dar, die das Land nach allen Richtungen durchziehen und es fast durchaus ohne besondere Schwierigkeit der periodischen Überschwemmung des Nils, die für die Bodenkultur Egyp- tens die conditio sine qua non ist, zugänglich machen. In 383 Ober-Egypten besteht arabischer Seite und im südlichen Theile des Landes, der Terrainverljältnisse wegen, gar kein Kanal von bedeutender Ausdehnung, und das ganze Kanal- system beschränkt sich nothwendiger Weise auf das libysche Ufer, wo wir es denn auch in der langen Strecke zwischen Farschiut und Kairo durch fast 4 Breitengrade meisterhaft ausgefiihrt sehen. Demungeachtet sind es jedoch nur kurze Strecken, wo niedere Ufer die Bewässerung so leicht gestat- ten, wie in Unter-Egypten, und an den meisten Orten müs- sen daher Wasserzüge errichtet werden, um diese Schwie- rigkeit zu überwinden. Der Rückwirkung dieses ümstandes auf die möglichste Benutzung des Bodens und also respec- tive auf den Landniann in Ober-Egypten , habe ich bereits erwähnt. Im Ganzen sind die in Egypten sich gegenwärtig befindenden Kanalanlagen mit den damit verbundenen Däm- men , theils zur Bildung von Bassins der Regulirung der Überschwemmung wegen, theils zur Innehaltung des Nils innerhalb seiner Ufer bei zu starkem und zu plötzlichem Ansteigen desselben von einer erstaunenswürdigen Ausdeh- nung. Nach CLOT-Bey's Angaben * beträgt die ganze Masse der unter Mehemed-Ali in Egypten ausgeführten Kanalarbei- ten und Abdämmungen mehr als 104 Mill. Kubikmeter, wo- von auf Unter-Egypten 80, auf Ober-Egypten 24 Mill. sich berechnen. Die blossen Verdammungen des Nils, um sich so weit als möglich streckenweise zum Herren seiner Über- schwemmung zu machen, betragen an 28 Mill. Kubikmeter. Da nun CLOT-Bey in seinem Kalküle weiter darthut, dass in einem Zeiträume von 6 Jahren in Egypten jährlich an 355,000 Menschen mit diesen Arbeiten beschäftigt waren, dass, seiner eigenen Angabe nach, die Flotte, die Landarmee, die Fabriken und Schulen 276,043 Menschen auf den Bei- nen erhalten und dass eine ungeheure Menschenmasse bei den Fabriken, im Arsenale, bei der Flussschifffahrt etc. mit temporären Frohnarbeiten ** beschäftigt istf, so ergibt sich, * Apercu gen. II, S. 358 bis 369. ** Die Maurangen an Kanälen, Dämmen, Brücken etc., die Me- HEMED-Au vomeluncn Hess, umfassen allein bei 3 Mill. Kubikmeter, die unter den vorigen Angaben nicht mit einbegriffen sind. 384 (lass von der gesaminten Bevölkerung- von kaum .'J Mill. Menschen fast der dritte Tlieil in Anspruch genommen und jeder andern Beschäftigung' entzogen wurde. Wie unter solchen Bedingungen die Kultur des Bodens, worauf Egyp- ten von der Natur ausschliesslich hingewiesen ist, einen er- freulichen Fortgang- nehmen sollte, ist unbegreiflich und alle die Erscheinungen von menschenleeren Dörfern , von nicht kultivirten Äckern und von Elend, wo man hinhlickt, wer- den dadurch erklärlich. Icli kann es nicht glauben, dass die Verwaltung- jemals darauf Riicksicht nahm; denn wozu waren iiir die riesenhaften Kanalbauten, wenn die Arme fehlen , ihr Resultat zu beniitzen. Bodenkultur von solcher Ausdehnung und eine Truppenlast von solcher Stärke kön- nen in Eg-ypten nie zusammen existiren. Eines oder das andere muss aufgegeben werden. Grossartig' war dieses Beginnen, verständig" aber war es nicht. Ganz abstrahirt von Recht und Unrecht, kann man dem Vizekönigo vor Allen das vorwerfen, dass er zwei Richtungen zugleich ein- schlug, die ganz entgegengesezt sind. Den Sieg durch Kul- tur seines Volkes zu erringen, dazu war die Zeit noch lange nicht gekommen, und er überschäzte in dieser Beziehung, vielfach getäuscht, seine Kraft; den Sieg durch den schnel- len Impuls der Gewalt zu erkämpfen, dazu, glaube ich, hat er den giinstigen Moment verfehlt, in welchem das Glück ihm lächelte, den Moment nach der Schlacht von Koniah. Die Anzahl der Fabriken und Manufakturen in Ober- Egypten war stets bedeutend geringer, als in Unter-Egypten. Zur Zeit meiner Anwesenheit bestanden Baumwollenspinne- reien zu Beni Suef, Siut, Minieh, Farschiut, Tachta, Dschird- scheh , Kenne und Lueh ; Zucker- und Rumfabriken zu Rahdamun, Sakie et Mussa und Rudah. Indigofabriken zu Abutig, Tachta, Siut, Melani, 3Ionfalut und Fechn; Ölmüh- len an mehreren Orten. Die Erzeugnisse sämmtlicher Fa- briken und Manufakturen sind Gegenstand des Monopols *. '* Die Aiiflicbung dieses drückenden Monopolsystenis wird die Auf- gabe der EinniiuuHfj des neuen Handelst raktates zAvisclicn England und der Pforle sevn. Mit welcher Härte und Unbilligkeit der Pascha in der Ausübung der Monopole der Produktion und des Handels verlahrt. erhellt 385 Die Resultate der Bodenkultur von Ober-Eoypten , für sich betrachtet, sind mir iiiclit bekannt, aber ich «laiibe nicht lästig- zu fallen, wenn ich hier der Produktion Egyptens an Bodenerzeugnissen im Allgemeinen erwähne, so wie Clot- Bey* sie im Jahr 1833 angibt, der aus sehr verlässlichen Quellen schöpfen konnte. Wien. Metzen. Getraide (Waizen) 4,348,840 Bohnen . . . Gerste . . . Mais . . . Dura , , . Linsen . . . Kichererbsen . 2,099,440 1,948,480 479,872 2,249,400 209,944 74,980 Baumwolle Zucker Safran . Henneh . Flachs . Indigo . Opium . Seide Wien. Centn. . 91,143 0,8 40 4(ir» . 27,842 . 14,328 . 16,953 330 143 Lupinen (Bohnenart) 59,984 Reis 239,936 Leinen, Lattich, Se- sam und Karthamus- samen zur Oelerzeu- gung .... 148,460 Hornklee** , . 179,952 Der Handel Egyptens ist im Ganzen passiv, und zwar, wie ich glaube, vorzüglich des drückenden Monopolsystems, der verminderten Bodenkultur und der Bedürfnisse jener Fabriken wegen, die ich bereits im 1. Bande als höchst unzweckmässig für dieses Land bezeichnet habe, da die Erzeugnisse schlecht sind und theurer zu stehen kommen, als wenn man sie fertig aus dem Auslande bringen würde. Die vielen und in grossartigem Massstabe betriebenen Baue im Arsenale, zu denen europäisches Bauholz bezogen wer- den musste, trugen nicht minder ihr Schärflein bei, und so kam es, dass im Jahr 1836 z B. an genügend daraus, dass die Waaren auf seine Rechnung mit einem Ge- winne von melir als 100 Proz. verkauft weiden, dass das Einkaufsmaas der Verwaltung um 20 bis 25 Proz. grösser ist, als das Verkaufsmaas und dass die erste Verkaufsqualität bei pinigen Waaren dem Erzeuger beim Einlöse nur als zweite Qualität vergütet wird. ^ '■ Apercu gen. II, S. 221. - '>'> Foenum graccum Lin. *■* Cj.oT-Bey, II, S. 251. Rii>seg<>er, Reisen, II. Btl. I. Tlil. 25 380 Bauholz für .... 3,450,000 fl. Eisen „ .... I,533,.'i00 >. Kohlen „ .... 498,3:i0 „ zusammen für . 5,481,630 Ü. Konv.-Mze. eingeführt wurde. Betrachtet man weiter, dass in Egypten, dessen Aus- fuhr an Baumwolle im Jahr 1836 9,200,000 fl. Konv.-Mze. betrug, doch in demselben Jahre für 6,133,300 fl. Konv.-Mze. an Banmwollenzeugen aus dem Auslande bezog, so ergibt sich daraus ein beachtenswerthes Missverhältniss und die Schlussfolge, dass Egypten besser thun würde, seine Roh- produkte, unter denen die Baumwolle oben an steht, selisst, und so weit es der Bedarf erfordert, zu verarbeiten, wozu ihm alle Mittel gegeben sind, als sich auf den Betrieb von Fabriken zu werfen, zu denen alle Mittel von Aussen be- zogen werden miissen, dürfte eben nicht schwer zu ziehen seyn. Die Vertheidiger des leidigen Fabrikensystems des Vicekönigs behaupten, dass sich derselbe dadurch von Eu- ropa unabhängig machte. Diess ist nun ebenso ganz wahr nicht; denn würde Europa die Ausfuhr der Kohlen, des Eisens und des Bauholzes nach Egypten sperren, so würde die Fabrikunabhängigkeit Egyptens einen traurigen Platz behaupten. Dieses Unternehmen war vielmehr ein schwe- rer Tribut, den der Vicekönig an Europa entrichtete. Er fühlte für den Moment das Peinliche der Lage, wurde aber mit Hoffnungen bethört, und das üngegründete derselben durchblickte er nicht. Ausser der Baumwolle besteht die Hauptausfuhr Egyp- tens in Reis, Gummi, Getraide, Leinenzeugen, Indigo, Natron (Soda), Datteln, Hülsenfrüchten, in einem Gesammtwerthe von beiläufig 6 Mill. Gulden Konv.-Mze. Die gesammte Einfuhr nach Egypten betrug im Jahr 1836 an 25 Mill., die gesammte Ausfuhr an 21 Mill., folg- lich das Passivum des Handels 4 Mill. Gulden Konv.-Mze. * * Die jährliche Ausfuhr aus Egypten nach Oesteneich betragt im Durchschnitte der leztcn Jahre 3 bis 4 Mill., die Ausfuhr aus Oester- rcich dahin 2 bis 3 Mill. Gulden Konv.-Mze., welcher Handel grössten- Ihcils in den Händen von Triest >ifh befindet. Sollte der zwischen England 387 Unter den einführenden Flag-gen stand die englische oben an, dann folgte die österreichische, die tinkische, die toskanische, die französische. Die Ausfuhr hatte ihre vor- zi'iglichste Richtuns; nach Oesterreich, weiters in die Tinkei, nach Frankreich, nach England, nach Toskana etc. Der beiderseitige Handel ging natürlich fast ausschluss- weise über Alexandria, in dessen Hafen im Jahr 1S36 1235 Segel mit l.'iSjHS Tonnen ein- und 1147 Segel mit 134,000 Tonnen ausliefen. — In Bezug der nähern Details dieses Handels verweise ich auf CLOT-ßey's schätzbares Werk. Der ßinnen-Handel beschäftigte in den lezten Jahren auf dem Nile und seinen Kanälen zwischen 3000 bis 4000 Barken *, von denen die meisten im Besitze der Regierung waren, oder wenigstens von ihr beniizt wurden. Diese Bar- ken gehen vom Meere bis zur ersten Katarakte, avo sie von den nubischen Segelschiffen abgelöst werden. Der Landtransport geschieht durchgehends mit Kame- len , denn ausser der schönen Sikomorenallee von Kairo nach Schubra und der Route von Alexandria nach Abukir nnd Rossette, ist mir in Egypten keine fahrbare Strasse bekannt, ausgenommen man betrachtet die Wüsten als solche, da selbe zum grossen Tiieil, z. B. die von Kairo bis Sues, mit leichten Lastwägen wohl passirt werden könnten. Über die Verbindung des rothen Meers mit dem Mittelmeer durch einen Kanal habe ich mich bereits im vorigen Abschnitt aus- gesprochen. Ich sehe kein wesentliches Hinderniss in tech- nischer Beziehung sich der Ausführung eines solchen Planes entgegenstellen, so wenig als der Errichtung einer Eisen- bahn zwischen Sues und Kairo, wozu das Terrain ganz ge- eignetist**. Ob jedoch beide Unternehmen in dem pecuniellen und der Pforte im Jahr 1838 abgeschlossene Handelstraklat ii^ Egyp- ten ins Leben treten, so dürfte, obwohl der neue Tarif für dieses Land und seine Verhältnisse als höchst unzweckmässig erkannt wird, der auswärtige Handel durch die Herabsetzung der Preise der Landes- produkte doch einen neuen Aufschwung erhalten. '^ Darunter mehrere Dreimaster bis zu 500 Tonnen Grösse und ein paar Dampfschiffe. '^* Marschall Marmont ist der entgegengesezteii Meinung, doch seine Gründe dürften sith durch die Erfahrung nicht rechtfertigen. 25* 388 Interesse der egyptischen Verwaltung liegen. Ist eine andere Frage, zu deren Beantwortung nicht nur eine vollständige Kenntniss des europäisch-egyptischen Handels, sondern auch des europäisch -indischen und arabischen Handels gehört. Wahrscheinlich dürfte, wenn anders sich ein Vortheil für eine solche Verbindung ergibt, derselbe sich auf die Er- richtung einer Eisenbahn hinneigen. Die dem Vicekönige zu wiederholten Malen vorgelegten Pläne zur Abdämmung der beiden grossen Nilarme an der Spitze des Delta, der Erbauung von Brücken, zusammen mit 96 Bogen und Schleusenthoren , und der Errichtung von Bewässerungs- kanälen, um die jährliche Überschwemmung für das ganze Land in seiner freien Gewalt zu haben, halte ich für praktisch unausführbar*. Abgesehen, dass die egyptische Verwaltung gar nicht die Mittel hat, bei dem gegenwärtigen Zustande des Landes diesen riesenhaftesten Damm-, Brücken- und Kanalbau der alten und neuen Welt zu unternehmen, so glaube ich in technischer Beziehung, dass es unmöglich ist, den Dämmen, welche man diesem Strome des ersten Ranges entgegen setzen würde, in dem unergründlichen Al- luvialschlammboden die nöthige Haltbarkeit zu geben. Durch Brechung der Dämme, durch den Andrang des Stromes, Ausbrüche desselben besonders libyscher Seite, würden kaum umgangen werden können. Will man jedoch dieses Unter- nehmen nicht aus dem Auge lassen, so glaube ich, sollte man die Sage, dass der alte Möris Fajum zu diesem Zwecke als Reservoir benüzte, welches Bassin weit leichter und sicherer abzudämmen ist, nicht als eine blosse Chimäre be- trachten **. In Bezug der gesammten finanziellen Resultate der ägyptischen Verwaltung in den lezten Jahren , die sich für ■* Barragcs du Nil. CtoT-Bey. Apergu, II, S. 369, sammt Plan. Diese, meiner Ansicht nach, bei dem gegenwärtigen Zustande Egyptens fast lächerliche Idee wurde in aller neuester Zeit wieder aufgewärmt. Man schlug, wenn ich nicht irre, den ganzen Kosten auf 7 Mill. Franken an, ich glaube aber kaum, dass man mit dem zehnfachen Betrage ausrei- chen würde. ** Wollte man aber diesen Weg einschlagen, so miisste man das blü- hende Fajum opfern, eine Perle Egyptens! 389 Ober-Egypten ebenfalls nicht separat darstellen lassen, ver- weise ich auf meine Abhandlung im ersten Bande dieses Werkes *. * Bevor icli zur Reise in Nubien übergehe, erlaube ich mir, hier schliesslich auf einige Arbeiten aufmerksam zu machen, die auf den Ge- genstand dieses Werkes Bezug nelimen und dem in der Vorrede dieses Bandes gegebenen Literaturverzeichnisse anzureihen seyn dürften. Raynal, Histoire philos. et polit. des etablisscments et du commerce dans l'Afriquc septent. 2. Vol. l'aris, 1826. Letronnb, Regueil des inscriptions grecques et latincs de l'Egypte. Paris, 1842; wird fortgesezt. Waddington and Hambury, Journal of a visit to some pnrls of Ethio- pia. London, 1822. Wilson, Travels in Egypt and the holy Land. London, 1823. BussiERE, Lettres sur l'Egypte. 2. Vol. Paris, 1829. LiNANT, Journal of a Voyage on the Bacher el Abiad or the white Nil, with some general notes on that river, and some remarks on the district of Atbara. made in a tour from Hartoum. In dem Journal of the R. geogr. Soc. of London, 1832. Vol. II. RösERj Dr. Jak , Tagebuch meiner Reise nach Griechenland, in die Türkei, Egypten und Syrien. Mergentheim, 1836. 2 Bde. Wittmann, Reisen in der europäischen Türkei, Egypten und Syrien. 2 Bde. Leipz. 1805. (Dessen werthvoUer klimat. und nieteorolog. Beobachtungen in Syrien und Egypten werde ich weiterhin er- wähnen.) SoNNim, Voyage dans la haute et la basse Egypte. Paris, 17Ö9. Cella, Reise von Tripolis nach Egypten. Weimar, 1821. Lech, Reise durch Egypten. Weimar, 1818. P.ALME, im Ausland No. 301, 1842. Vermuthungen über den Lauf des weissen Nils. Keatinge, Travels in Europa and Africa. London. 1816. Das Grenzgebiet zwischen Sennaar und Abessiuien. Im Ausland No. 277, 1842. Reise durch Nubien, von Assuan bis Chardum. 1) IVilreise von der Insel Philä bis Horosko. Am 3. Februar 1837 verliessen wir Philä und traten unsere Reise durch JSubien an. Es war schon Abend und die Granitfelsen des linken Ufers warfen ihre langen Schatten über den dunkeln Strom, der glatt wie ein Spiegel vor uns lag. Der Eintritt in Nubien hat einen eigenen Reiz. Von beiden Seiten mit schwarzen, kahlen, glänzenden Granit- felsen eingefasst, die in den abenteuerlichsten Formen zu Bergen von 200 bis 300 Fuss Höhe ansteigen, liegt der Nil , ruhig wie ein Landsee. Die öde Wüste der beiden Ufer beleben zwei schmale, stellenweise nur wenige Schritte breite Streifen von Kulturland, am Rande mit Dattelpalmen bepflanzt, deren Federkronen sich im Winde wiegen, wenn der engen Passage wegen auch keine Welle den schönen Strom bewegt. Noch sieht man hinter sich die alte Philä, deren grosser Tempel , in einiger Entfernung von Süden angesehen , sich unbeschreiblich prachtvoll ausnimmt. Die Araber nennen sie: Anas el Wodjud *, und man muss ge- stehen , dass ihr Wodjud einen ungemein erhabenen Ge- schmack hatte. * Die Lust (los Wodjud : nach den arabischen Sappen der Erbauer der Tempel von Philä. 3«! Wir tiaten nun in den Tlieil des nördlichen Nubiens ein, den die Alten mit dem Namen Dodekaschoenus bezeich- neten und der von den heutigen Bewohnern: Waddi el Kenuss genannt wird und sich von den Katarakten Assuans bis in die Gegend von Ibsambol (Abusimbil) erstreckt, wo das Nilthal den Namen : Waddi Halta oder Waddi Nuba zu tragen beginnt. Diese ganze Strecke des Nilthals * ist von den Barabra bewohnt, einem Zweige des grossen äthio- pischen Volksstammes, der die heutige Bevölkerung von Nubien zum Theile bildet und der ausser seinem Glauben und vielen Worten der arabischen Sprache, die er in die seinige, in die sogenannte Berbersprache, aufnahm, mit sei- nem Nachbar, dem Araber in Egypten , wenig gemein hat ** und mit dem Berber im nordwestlichen Afrika nicht zu ver- wechseln ist. Die Wüsten, welche östlich und westlich das Waddi el Kenuss begrenzen, sind von den Wanderstämmen der Ababde bevölkert, ein ethiopisch- arabisches Waiidervolk, das ebenfalls seine eigene, stark mit Arabischem gemischte Sprache redet und in seinen Sitten ^als nubischer Beduine dem Berber so gegeniiber steht, wie der arabische Beduine in Egypten dem Fellah. Die Matrosen unserer beiden Barken waren Barabra, ein schön gebauter Menschenschlag von dunkel kastanien- brauner, fast schwarzer Farbe. Ihre zarten , gerundeten, fast weiblichen Formen unterscheiden sie wesentlich von den athletischen Figuren , die man hie und da unter den Arabern trifft und die bei den nördlichem Völkern häufig sind. Ihre Physiognomie hat nichts Negerartiges, nichts Stumpfes, aber auch nicht das scharf Gezeichnete des ara- bischen Kopfes , nicht das Schlaue im Ausdrucke des ara- bischen Gesichtes, sie hat etwas Offenes, Freundliches und macht einen angenehmen Eindruck. Die Kleidung unserer Barabra war höchst einfach und bestand nur in einer ganz kurzen weissen Hose aus Baumwollenzeug, in einem grossen * Man sehe die Kaitc von Nubieii. •"^ Ich werde auf die Eigenthünilichkeilei. dieses aieiknindigeu Vuikcs «später am geeis:iieten Oite /urüi^^kkoiniucn, 392 weissen oder blauen Hemde von demselben Zeuge und in einem gleichen , grossen , weissen Tuche , das sie in den mannigfaltigsten und malerischsten Lagen um ihren Körper zu werfen verstehen. Auf dem Kopfe tragen sie kleine weisse Käppchen, die arabische Takia , nach Umständen einen weissen Turban, und Jeder am linken Oberarme einen kleinen Dolch. Bei der Arbeit, der sie sich mit der gleichen Unverdrossenheit, wie der arabische Matrose, aber, der ge- ringeren physisclien Stcärke wegen, nicht mit derselben Er- stannen erregenden Ausdauer unterziehen, gingen sie, bis auf ihre kleinen Hosen oder eine Schürze, nackt. Als wir am Dorfe Ibschir für die Nacht anhielten, wollten wir die in Ober-Egypten stets nöthigen Vorsichts- massregeln treffen, um Diebereien von Seiten der Eingebornen zu hindern, doch unser Kabass Mustapha-A. * gab den Ba- rabra das ehrenvolle Zeugniss, dass hier zu Lande Dieb- stcähle etwas ganz Ungewöhnliches sind, und in der That kam mir auch, so lange ich unter diesem Volke war, kein solcher Fall vor. — Wir schliefen ruhig, ohne Wache, im Vertrauen auf dieses Zeugniss, und nie hatten wir Ursache, dasselbe unter den armen Barabra in Kenuss zu bereuen. Des andern Tags um Mittag kamen wir am Dorfe Debu oder Dubu am linken Ufer an, hinter welchem in der Wüste die Ruinen des ersten nubischen Tempels liegen. Der kleine niedliche Tempelbau hat eine schöne, freie Lage, und man geniesst von ihm aus die Aussicht auf einen grossen Theil des Nilthals, das sich hier erweitert. Alles Felsen und Wüste, so weit das Auge reicht, nur an den beiden Ufern des breiten Stroms ziehen sich zwei ganz schmale Streifen von Kulturland hin **. „MüSTAPHA-A." die gewölinlithe Abkürzung von „MusTAPHA-Aga". "* Über den Tempel von Debu: Prokesch, das Land zwischen den Katarakten, S. 77. Parthey, Wanderungen, II, S, 353. Champoluon, Briefe. S. 77, 108. BüRKHARDT, Reisen in Nubien. S. 182 etc. Sehr gelungene Abbildungen aller nubischen Tempel im Nilthale in den praclitvollen Werken: Gai'. Antjquites de la Nubic. ;J93 Der Tempel bietet jibiioens kein besonderes arebitek- toniscbes Interesse dar und obwobl sich in ihm nach Cham- POLLioN der Name des äthiopischen Königs Athar Ramon oder, nach Wilkinson, Aschar Amun findet, so ist seine Voll- endung- doch entscliieden ein Werk späterer Zeit, und zwar, den übrigen Aufschriften zufolge, der Zeit der ersten Impe- ratoren. Den Aufgang zum Tempel bildete ein eigener Molo, eine Terrasse und drei freistehende Thore. Der Tempel selbst besteht aus einer Vorhalle mit acht Gemächern und das Ganze sammt den drei Thoren war mit einer Mauer umgeben. Im Heiligthnm standen einst zwei Monolith-Tem- pelchen aus rotheni Granit, das eine ist fort, das andere zertrümmert. Von den kleinen Pylonen sieht man noch die Spuren. Von Skulpturen findet man wenig und grössten- theils nur in den innern Gemächern. Sie sind schlechte Nachahmungen edler Vorbilder und aus einer Zeit, in der die altegyptische Kunst schon ihrem Verfalle entgegen ging. Aus dem Tempel gingen wir auf die nahe liegenden Sandsteinberge, wo sich alte Steinbrüche und mehrere Hy- pogeen befinden. Mit vieler Mühe kroch ich in eines dieser Felsengräber, fand aber die unverzierten Gemächer nur mit Sand und Knochen erfüllt, von denen ich mir einige Schädel aneignete. 3Iit fiischem Winde fuhren wir von Debu ab, passirten Kardass am linken Ufer, mit den Resten eines römischen Standlagers und einem kleinen Tempel *, nach Champollion ebenfalls aus der Römerzeit , und kamen Abends in Teffah an. Daselbst beginnt der Strompass von Kalabsche, durch welchen der Nil sich seinen Weg zwischen den Granitfelsen bahnte, und da diese Passage nicht ohne Gefahr für die Schifffahrt ist, so legten wir für die Nacht an und besuchten R0SEM.1N1, I nionimienti dell' Egitto e della Nubia disegnati della spe- dizione scientifico-letteraria toscaua in Egit(o. Pisa. Begonnen 1832, wird noch fortgesezt. Grimdriss der niibischcn Tempel : In dem kleinen Atlasse zu Dr. Parthevs Wanderungen, und in der Karte des Landes zuischcn den Kataiakten von Prokksch. Prokesch, S. 83. — Parthey, II, S. 352. - Burkhardt. S. 178. — Champollion. 8. 107. ;J94 noch Abends die beiden kleinen Tempel von TeflFah am linken Ufer *. Diese beiden Baudeiikmale der Römerzeit sind wie die zu Kardess und Debu ohne besonderes Inter- esse. Wie die Verehrung der Gottheit, in so verschiedenen Formen sie auch auftreten mag, bei allen Völkern sich meist an dieselbe Stelle bindet und einen Beweis gibt, dass das Heilige des Ortes bleibt, auch bei verschiedener Meinung und im Drange eines mit Blut bezeichneten, fanatischen Gegensatzes, so auch in JNubien, wo wir an den genannten, wie fast an allen übrigen Tempeln, durch Gemälde und andere Zeichen die unwiderlegbarsten Beweise finden, dass das spätere Christenthum Besitz von diesen Tempeln nahm, die heidnischen Gottheiten zwar daraus verbannte, die ge- heiligte Stelle aber zur Ausübung des christlichen Kultus beibehielt. Die Bewohner von Teffah sollen sich sogar, nach BuRKHARDT **, noch den Namen Woalet el Nassara (Christen-Söhne) geben. Nach der Tempel-Beschauung bestiegen wir noch eine der nahen Granitkiippen und hatten eine pracbtvolle Ansicht des engen Strompasses von Kalabsche, d. h. der nahen, wilden Granitschlucht, durch die der Nil aus Süden herab- kommt und die einen grossartigern Eindruck auf mich machte als der Pass der Katarakte von Assuan. Zugleich lernten wir aber auch hier, in der Nähe des Wendekreises, den Werth der kurzen Dämmerung in den Tropenländern wür- digen ; denn noch auf der Kuppe überfiel uns unvermuthet schnell die Nacht und das Herabsteigen zur Barke war halsbrecherisch. Am 5. Februar, früh am Morgen, fuhren wir in den Strompass von Kalabsche mit vollen Segeln ein. Hohe, senkrechte Granitwände, in wild über einander gehäuften Felsmassen aufgethürmt, schliessen den Strom bis auf eine Breite von 300 Schritten ein. Der Anblick ist grossartig und die schwarzen , glänzenden Granitblöcke in zahlloser * Prokesch, S. 185. — PartheV, II, S. 35'2. — Burkhardt. S. 177. — Champollion, S. 107. "■'" Der gläuzendeu Wahihcit, die Bukkhardxs Angaben chaiaktpii- *irl, brauche ich wohl nicht eist zu erwähnen. ;595 Menge in und neben dem Strom, die oanzliche Vegetations- losigkeit der Gegend machen einen unvergesslichen Eindrnck. Der Schellal ist wegen der vielen und scharfkantigen Felsen unter Wasser, besonders am südlichen Ende, und nur eine Stunde unter Kalabsche gefahrlich zu passiren, und unsere kleine Barke, welche Pruckner und ich eingenommen hatten und die als Sclniellsegler der grossen Barke , auf der sich meine übrigen Reisegefälu'ten befanden, voranging, wäre ohne MüSTAPHA-Aga's rastloser Aufmerksamkeit bald an einem solchen Felsblocke gescheitert. Am südlichen Aus- gange des Schellal, wo das Nilthal sich wieder zu erweitern beginnt, liegt die Insel Darnuf mit den Ruinen eines Dorfes, und bald darauf sieht man die Pylonen des Tempels von Kalabsche und die wenigen Palmen, die ihn umgeben. An allen Plätzen, wo das Stromthal sich erweitert und ein ebenes Ufer, wenn auch nur von ganz geringer Breite, die Möglichkeit eröffnet, dem Flusse in der Zeit der Über- schwemmung einiges Alluvium abzuringen, haben dieBarabra eigene Wassersporne angebracht; grosse, trockene Mauern aus Granit- oder Sandsteinblöcken, 1 Klafter breit, 1,5 Klafter hoch und ungefähr 10 bis 15 Klafter weit, und rechtwinklicht auf die Stromrichtung, in den Fluss hinein- reichend. Durch diese Mauern hemmt man den Zug des Wassers in der Nähe des Ufers und schwellt es zurück, wodurch man einerseits mehr Wasser an die Sakien bringt, wo solche bestehen, andrerseits nach denselben Grundsätzen, nach denen wir die Ströme zwingen , durch ihre eigenen Alluvionen die angerichteten Verwiistungen wieder gut zu machen , den Fluss nöthigt , einen Theil seines Schlammes sitzen zu lassen und so an den Ufern, die weit wüster sind, als ich sie irgendwo in Egypten traf, nach und nach einen Streifen von Kulturland zu bilden , oder das bereits gebil- dete jährlich zu überschwemmen und somit zu befruchten. Wir erreichten Kalabsche noch zeitlich am Vormittage, hielten an den Treppen des grossen Tempels , der hinter dem Dorfe * am linken Ufer steht und begannen sogleich '•' Den glciihen Namen „Kalabsche'' tiäj^t daselbst die g^aiize Gegend und zwar sowohl am rcclileu als linken Ul'cr. 396 unsere Runde in den Tiümmein dieses edlen Baudenkmals, des schönsten aus der Römerzeit, das Egypten und Nubien aufzuweisen hat *. Der grosse Tempel von Kalabsche wurde, nach Cham- poLLiON, zueist unter Amenoph II. erbaut, unter den Ptole- mäern erneuert und ist, wie wir ihn gegeuwärtig in Trüm- mern vor uns sehen, ein tlieils sehr gelungenes, theils über- eiltes, in jedem Falle nicht vollendetes Werk aus der Zeit der römischen Imperatoren August , Kaligula und Trajan. Eine grosse steinerne Treppe führt vom Nile auf eine Ter- rasse und eine zweite Treppe auf eine zweite Terrasse, auf der die Pylonen des Tempels sich erheben. Das Tempel- gebäude ist mit einer doppelten ümmauerung eingefasst, die äussere Mauer schliesst sich an die Pylonen an, die innere umgibt das eigentliche Tempelhaus und zwischen beiden umgibt das leztere auf drei Seiten ein freier Hof mit einem Brunnen und Trümmern einiger Gebäude. Die ganze Länge des Tempelgebäudes beträgt nach Parthey 530 Paris. Fuss bei einer Breite von 220. Durch das Thor der Pylonen gelangt man in einen Portikus mit 14 Säulen, worauf sogleich das Heiligthum folgt, welches ein im inner- sten Hofe, dessen vordere Seite der erwähnte Portikus ein- nimmt, isolirt stehendes Gebäude darstellt, das aus einer Halle mit acht Säulen und drei darauf folgenden Gemächern, jedes mit zwei Säulen, besteht. Die Verwüstung ist greulich, Decke und Säulen sind grösstentheils zertrümmert und die Blöcke, welche das Innere erfüllen, sind von einer solchen Grösse, dass man nur mit Mühe und durch gewagte Sprünge über sie hingelangt. An den äussern Theilen des Tempels beobachtet man nur wenige Bilder und Hieroglyphen , die Wände der innersten Gemächer sind jedoch ganz damit bedeckt und an vielen derselben sind die Farben noch mit erstaunenswerther Frische erhalten. Die Bilder sind reli- giösen Inhaltes, die Architektur ist edel und geschmackvoll * Über die Tempel von Kalabsche; Parthey. II, S. 346. — Prokesch, S. 88. — Burkhardt , S. 165. — WiJ.KiNsoN , Top. ofTheb. S. 482. — Chaivipolliü>. S. 102. — Abbildungen in GaU und Rosellim. 397 gehalten. An den Wänden bemerkt man liänfig' Bilder ans der Zeit des Cliristenthums , das später Besitz von diesem Tempel genommen hat. Nordwestlich von dem grossen Tempel liegt in geringer Entfernnng der kleine Tempel, den die Eingebornen Bed el Walli nennen. Nach Burkhardt heisst die Stelle Dar el Walli , welche Benennung , wenn wir statt Dar „Deir" setzen, sich mit ersterer ganz vereint, indem dann dadurch der Sinn >,Haus oder Kloster des Hei- ligen" ausgesprochen wird. Dieser Tempel besteht nur aus einem kleinen Vorbau und drei kleinen Felsenkammern und ist sowohl als der nördlichste Felsentempel Nubiens, als auch durch sein hohes Alter und durch die Bilder geschicht- lichen Inhaltes, die seine Wände zieren, von höchstem Inter- esse. Nach Champollion fällt seine Erbauung in die Zeit Rhamses II. und III. (Sesostris), und das Alter des Tempels beträgt somit ungefähr 3420 Jahre. Die Bilder sind ge- schichtliche Darstellungen der Feldzüge des grossen Sesostris oder seines Vaters gegen die ethiopischen Völker, der Be- siegung lezterer und ihrer Huldigung. Unter den Gaben, die sie darbringen , zeichnen sich besonders die mit vieler Kunst und Wahrheit ausgeführten Thiergestalten aus, unter denen von Prokesch auch eine Darstellung des Einhorns entdeckt wurde , die naturgeschichtliches Interesse hat , da sie dem Glauben an die Fabelhaftigkeit dieses Thieres ent- gegentritt. In den Sandsteinbergen, hinter den Tempeln von Ka- labsche , liegen die Steinbrüche der Alten , aus denen sie zu jenen Bauten das Material holten. Von dem Gebirge aus überblickt man nur Wüste und zwar gegen W. sanfte, wellige Hügel, gegen O. scharfe, ausdrucksvolle Bergformen, die Vorberge des Dschebel Otabi. Die Bewohner des heu- tigen Talmis (Kalabsche) sind ein über jeden Begriff armes Volk , das sich in Löchern und in aus einigen Steinen zu- sammengesezten Hütten, grösstentheils ohne Dach, an der Auvssenseite des grossen Tempels herum, an der Schvielle alter Pracht, angesiedelt hat. Das steinige Ufer gestattet nur eine sehr unbedeutende Bodenkultur und die zudring- lichste Bettelei lässt sich bei einem Blicke auf diese 398 Miivvirthbaren Felsen wohl entschuldigen. Beide Geschlechter g^ehen nackt und nur bei den Erwachsenen sind die Schain- theile bedeckt. Die Männer schneiden ihr schwarzes, krau- ses Haar kurz , die Frauen und Mädchen hingegen lassen es in unzähligen kleinen Zöpfchen hängen , die ihnen bis zum Nacken reichen und so mit Fett getränkt sind , dass die Atmosphäre, die sie umgibt, etwas Zurückschreckendes hat. Der Haarputz der Frauen ist übrigens ganz derselbe, den wir häufig an den Köpfen der Bilder auf den altegyp- tischen Denkmalen beobachten, wo wir auch den Physiogno- mien dieses altethiopischen Volkes so oft begegnen. Mit frischem Nord verliessen wir Kalabsche * und bald darauf, in einer ungefähr zweistündigen Entfernung von diesem Orte , passirten wir mit vollen Segeln und einem warmen, herzlichen Lebewohl, das wir dem fernen deutschen Vaterlande und unseren Lieben in der Heimath brachten, den nördlichen Wendekreis und traten unter den Salven unserer kleinen Artillerie, die die Berge der Wüste beant- worteten , in die heisse Zone Afrikas ein. — Der Tempel von Garb Meroe, Dandur gegenüber, blieb uns am linken Ufer zur Seite und spät Abends kamen wir in Gerf Hussein oder Dschirdscheh an **. Daselbst befindet sich am Berggehänge des linken Ufers der für die Geschichte des egyptischen Kultus und der egyptischen Architektur hochwichtige Felsentempel, der nach dem grossen Felsentempel von Ibsambol der bedeutendste * Nach RÜPPELL in 23** 33' 0,1" Nordbreite. ** Über den Tempel von Garb Meroe oder Dandur, das alte Tiilzis : Prokesch, S. 102. — Parthey, S. 345. — Wilkinson , S. 487. — Champoli^ion, S. 102. Der Tempel ist Rönierwerk. Auch hier findet wieder der Umstand statt, dass die Gegenden bei- der Ufer mit demselben Namen bezeichnet werden, nämlich mit Dandur, obwohl die Stelle, wo der Tempel steht, eigentlich Garb Meroe heisst. Es erinnert diess einerseits an den Gebrauch der Alten, den Ort, der dem Hauptorte gegenüber stand, mit demselben Namen, über mit Vor- setzung des Wortes „Contra" zu bezeicimen , z. B. Talmis — Contra Tahnis, Latopolis — Contra Latopoh's. 399 des Landes ist *. Er besteht, wie alle diese Speos, aus dem eigentlichen Felsentempel nnd ans einem Vorbaue. Um leztereu anznbringen, wnrde zu Gerf Hussein im Sandsteinf eis eine Nische von 37 Fuss Höhe, 70 Fuss Breite und 56 Fuss Tiefe ausgear- beitet und zfir Vorhalle umgeschaffen. Diese war nach Aussen dnrch eine Brustwand geschlossen, in deren Mitte sich der Ein- gang befand, zu welchem, der Steile des Gehänges wegen, eine Treppe führte, die wahrscheinlich zwischen einer bei- derseitigen Spalier von Kolossen und Sphinxen sich befand, da man deren Trümmer noch am Abhänge findet. In der Vorhalle selbst scheint ringsherum an ihren Wänden ein bedeckter Gang bestanden zu haben, der mittlere Theil der- selben aber wurde von vier Säulen und acht Karyatiden getragen und an der Hinterwand stieg man über einige Stufen zum Eingange in den eigenthchen Felsenbau hinan. Dieser ganze Vorbau liegt in Trümmern. Die Karya- tiden waren entweder kolossale Darstellungen des Sesostris, dessen Namen sie tragen, oder Priesterstatuen, was lezteres, wie wir sehen werden , wohl wahrscheinlicher ist. Alle Wände, Pfeiler und Säulen sind mit Hieroglyphen bedeckt. Das Heiligthum des Tempels , der eigentliche Felsenbau, besteht aus sieben Kammern, die, in die Masse des Gebirges eingebrochen, kein anderes Licht von Aussen erhielten, als das durch den Eingang, welches aber so gering ist, dass, wenn der Kultus nicht im Finstern ausgeübt wurde, noth- wendigerweise eine künstliche Beleuchtung stattgefunden haben rausste. In der ersten dieser Felsenkammern stehen sechs an 24 Fuss hohe Kolosse, welche die Decke tragen, Priester- statuen, an denen man noch die Farben bemerkt, mit denen sie bemalt waren. Jede Seitenwand hat vier Nischen , die Hinterwand deren zwei und in jeder dieser Nischen stehen drei Gestalten in Stein gehauen, von ungefähr mensch- licher Grösse , wahrscheinlich Götterbilder. Alles scheint mit Hieroglyphen bedeckt gewesen zu seyn, doch jezt macht sie die dicke Rauchkruste , welche Pfeiler und Wände * Prokesch, S. 106. — Parthey, S. 345. — Champoliion, S. 101. — BlRKHARDT. S. 158. — WlI.KINSON. S. 487. 400 überzieht, fast unkenntlich. Der Anblick dieser Halle mit ihren Kolossen und Götterbildern macht einen ungemein schauerlichen Eindruck, besonders bei der flackernden Be- leuchtung der Fackeln. Welchen Eindruck müssen diese Gestalten erst auf den Gläubigen gemacht haben, der in ihnen seine mächtigen Götter sah? Der Kultus, welcher hier geübt wurde, kann kein freundlicher, milder, beseligender gewesen seyn. Wie ganz anders fühlt und denkt der Mensch in den lichtvollen Tempeln der Griechen, wo Alles Aufklä- rung athmet und die Grazien walten. Der zweite Saal, hinter dem eben erwähnten, wird von zwei Karyatiden gestüzt und gleich darauf folgt das Aller- helligste. Die übrigen vier Felsenkammern sind zu beiden Seiten vertheilt. In der Mitte der kleinen Kammer, welche das Allerheiligste bildet, steht, wie zu Ibsambol, ein vier- eckiger Opferaltar und hinter demselben sitzen ernst und schwelgend vier Götterbilder in Stein gehauen. Alles ist mit Hieroglyphen bedeckt. Was das Alter betrifft, so erklären Champollion und WiLKiNSON diesen merkwürdigen Tempel für ein Werk des grossen Rhamses 111. (Sesostris) und dem Phtha geweiht. Dieser Ansicht stimmt v. Prokesch in so ferne bei, dass er die Vollendung dieses Werkes allerdings dem Sesostris, dessen Name sich daselbst überall findet, zuschreibt, den Beginn des Tempels aber sezt er in eine viel frühere Zeit, vielleicht ein Jahrtausend vor jenem grossen Pharao. Die- sem stimmt auch Parthey bei und Bürkhardt ist meines Wissens der erste, der auf die Ähnlichkeit des Baustyls am Felsentempel von Gerf Hussein mit dem der altindischen Felsentempel bei Surate aufmerksam macht. Den Ansichten der lezten gelehrten Reisenden stimme auch ich , blos vom technischen Gesichtspunkte ausgehend, vollkommen bei. Wenn man den Felsentempel von Gerf Hussein genau betrachtet, so kann einem, wie (aber nur zum Theil) auch bei den Felsentempeln von Ibsambol *, das Plumpe und Rohe des Styls und der Ausführung aller Skulpturen unmöglich entgehen, überall leuchtet die Kindheit '•' Die ich im .Talirr 1838 auf nipiiier Rückreise bcsiulite. 401 i]er Kunst unläiisjbav hervor, die (iötferhilHer und die Kolosse als Karyatiden sind ualire Popanze, die Hiero«>lvj)lien sind tief und ohne Schwungs und die Säulen , deren Höhe zum Durchmesser sich wie 3 : l verhält, machen einen so schwer- fällig^en Eindruck . wie man ihn in solchem Grade an den ^gewöhnlichen egyptischen Baudenkmalen nirgends trifft. Nimmt man dagegen , dass die altegyptische Baukunst zur Zeit des Sesostris in der schönsten Periode ihrer Blüthe war, dass damals schon die grössten Meisterwerke Egyptens standen oder gerade ins Leben traten, dass Karnak, Luxor, Medinet Abu etc. bereits ihre Tempel und Paläste hat- ten, so ist es nicht denkbar, dass Sesostris in die Nähe jener Prachtmonuraente solche plumpe, rohe Felsenbaue hingestellt haben würde, er, dem Scharen von Baukünstlern und Steinmetzen zu Gebote standen, er, dessen Geschmack, seinen übrigen Werken nach, ein höchst ästhetischer, ge- läuterter war. — Wahrscheinlicher ist es doch, dass Seso- stris auf seinen Kriegszügen in Ethiopien diese Tempel schon vorfand, und nichts hinderte den Eroberer, den fremden W'erken seinen Namen aufzudrücken. Das Tiefe und Un- sichere der Hieroglyphenskulptur deutet darauf hin , dass man das Gestein schon in einem Zustande oberflächlicher Verwitterung fand , man sie daher so tief graben musste und ihnen die, gerade Sesostris Zeitperiode charakterisirende Schärfe nicht geben konnte, die man an Jüngern Monumen- ten, in demselben Sandsteine ausgeführt, bewundern muss. Ich glaube daher, dass v. Prokesch sehr Recht hat, das Alter dieser Felsenbaue weit über Sesostris hinaus zu datiren, und wenn wir die Geschichte der Kunstentwicklung bei andern Völkern und in andern Ländern betrachten, so dürfte ein Zeitraum von 1000 Jahren zwischen dem rohen Felsenbau und den Prachttempeln von Theben gewiss nicht als zu gross erscheinen, kleiner Ansicht nach hat man in Gerf Hussein ein Baudenkmal vor sich , an dem wohl an 5000 Jahre vorübergezogen seyn mögen. Was das zweite betrifft, die Ähnlichkeit mit indischen Felsentempeln nämlich, so scheint Burkhardt ebenfalls sehr recht gesehen zu haben, und vergleicht man Valentia's und R II SS egger, Keisen. II. UJ. I.Thl. 20 402 Daniells Zeicliniinoen einig^er der indischen Felsentcmpel mit unsern nnbischen, so ist die Ähnlichkeit der Phantasie, die da lebte nnd schnf, nicht zu verkennen, und es konnte höchstens die Frage entstehen, „ob die Idee, welche diesen Bauten zu Grunde liegt, aus Indien nach Ethiopieu oder umgekehrt gewandert sey ?" Wahrscheinlich ist wohl das erstere der Fall, in welchem allerdings anzunehmen ist, dass mehrere der indischen Felsbaue weit älter sind , als die grossen indischen Tempel, deren ich Seite 114 dieses Bandes erwähnte. Auf jeden Fall theile ich bis auf weitere Be- lehrung ßuRKHARDTs Änsicht , dc),ss der Felsentempel von Gerf Hussein das Monument ist, an dem der Nil-aufwärts- ziehende Wanderer dem Charakter der indischen Phantasie zuerst begegnet. Die Bewohner der alten Felsenhallen störten unsere Nachtruhe ; Gerf Hussein hatte alle seine Geister losgelas- sen, die in Gestalt von Schakals die ganze Nacht hindurch ihr langweiliges Geheul hören Hessen und unser Schiff um- schwärmten , ja sogar eines geschlachteten Schafes wegen an Bord kamen. Erst der graue Morgen machte diesem Hexenreigeu ein Ende, brachte aber auch eine Kälte, die uns und noch mehr unsere armen Nubier in ihren dünnen Baumwollenhemden zittern machte. Noch um 9 Uhr zeigte das Thermometer eine Temperatur von 10,7 Reaum. , eine Temperatur, die man in unserem Norden gewiss sehr auge- nehm ßndet, die im Tropenlande aber nichts weniger als das ist. — Wir fuhren rasch mit starkem Nord , ringsum flache Wiiste, vor uns schöngeformle Kegelberge. Nach wenigen Stunden hielten wir am linken Ufer bei Dakkeh. Einige wenige Dattelpalmen, ein kleiner Streifen Kulturland , ein armseliges Barabradorf und ein schöner Tempel mit seinen stolzen Pylonen mitten im Sande der Wiiste bezeichnen die Stelle *. '" Champollion, S. 98. — Prokesch, S. 114. — Parthey , S. 339. — WiLKiKsoN, S. 488. — BuRKHARDT, S. 154. — Gau , Tafel 33 etc. In dem Plan general scheint die Phantasie des Verfassers irre geleitet, wenigstens ist das ganze Bild ein Traum und die alten Priester von Dak- keh durften sich wundern, dass ihr Tempel einst so sollte ausgesehen haben. 4o:$ Die Pylonen stehen fi-ei, sind zwar höchstens nnr 40 Fuss hoch, maciien aher dnrch die schlanken Verhältnisse ihrer Theile einen sehr edlen Eindiuck und erscheinen fnr den ersten Anblick höher, als sie wirklich sind. Unmittelbar anf die Pylonen folgt das Heiliothnm , welches ans vier Gemä- chern besteht, deren Wände mit Hieroglyphen bedeckt sind. Nach Champollion fällt die Erbanung dieses Tempels in die Zeit des äthiopischen Königs Ergamenes, des Zerstörers der theokratischen Verfassung von Meroe und Zeitgenossen des Ptolemäers Philadelphus, die Vollendung jedoch in die Periode der lezten Ptoleniäer und des Kaisers Augustus. Champollion sieht ferner den Tempel von Dakkeh als das südlichste Denkmal aus der Ptoleniäer- und Kaiserzeit an und schliesst weiter daraus, dass die Eroberungen der Griechen und Römer in Nubien sich höchstens nur bis Ibrimni bei Derr erstreckten, und dass von Dakkeh bis Theben, mit Ausnahme der Felsentempel von Gerf Hussein und ßed Walli, alle Pharaonentempel von den Persern zerstört wurden und die gegenwärtigen Tempel nur zweite Auflagen sind, welche die Ptolemäer und Imperatoren auf und aus den Trümmern der vorigen und mit Beibehaltung derselben Göt- ter und desselben Kultus schufen *. Der Tempel in seiner Ausführung ist klein, was aber seine erste Anlage betrifft, so scheint ein sehr grossartiger Plan vorgelegen zu haben. Schade , dass er nicht durch- geführt wurde. Ein solcher Riesenbau auf der lautlosen * Auf die Gleichheit des Kultus der alten Egypter und Nubier, auf die vollständige Übereinstimmung- ihrer religiösen Ideen und auf die mir gewordene Ansicht, dass Kunst und Kultus jener alten Völker von dem Lande zwischen den Katarakten Unter-Nubiens ausgegangen zu seyn und sieh zugleich stromaufwärts nach Ethiopien und stromabwärts nach Egyp- ten gewendet zu haben scheinen, werde ich am geeigneten Orte später zurückkommen, da wir gegentvärtig nur erst den einen Endpunkt dieser Linie, den Sitz der theokratischen Verfassung und der daraus her- vorgegangenen Pharaonen -Herrschaft in Egypten gesehen, den andern Endpunkt der Linie aber, den Sitz der ethiopisch- theokratischen Verfas- sung des Priesterstaates von Meroe, noch vor uns liegend haben und sei- nen Glanzpunkt am Dschebel Barkai, wahrscheinlich das alte Napata, erst auf der Rückreise betreten. 20 * 404 Fläche der gelben Sandwüste, in der Nähe des mächti'^en Stroms nüisste sich eigenthümlich grossartig ausnehmen. Der Tempel ist aus Sandstein und nicht aus Kalkstein ge- baut, denn lezterer mangelt im Nilthale von Unter- IN ubien ganz. Die Wandbilder prangen noch in frischen Farben und auch hier sieht man neben den Göttern der Vorzeit die bild- lichen Darstellungen des Christenthums. ISie hatte ich in Unter-Nubien so viele Skorpionen ge- sehen , als in der Umgebung des Tempels von Dakkeh. Unter jedem Stein , den wir aufhoben , befanden sich welche, und zwar einige von 3 bis 4 Zoll Länge. Die Einwohner machten sich ein Vergnügen daraus, sie für uns zu fangen, indem sie dieselben ganz keck am äussersten Ende des hoch emporgehobenen Schwanzes packten und sich so des gefähr- lichen Stachels bemeisterten. Auf unserer weitern Fahrt flussaufwärts liessen wir den kleinen Tempel bei Kesseh oder Korti* am linken Ufer lie- gen , berührten die gut bebaute Insel Sorar oder Derar, nach BüRKHARDT, uud gelangten nach Meharaka, welchen Namen wieder beide Ufer tragen. An der Stelle des linken Ufers, welche die Barabra Offedinah nennen , liegt der für die alte Geographie interessante Tempel **. Er steht nämlich sehr wahrscheinlich an der einstigen Grenze des römischen Welt- reiches gegen Ethiopien, also am südlichsten Ende von Roms Herrschaft. Die in den römischen Itinerarien gegebenen Entfernungen lassen mit Recht vermuthen, dass hier einst Hierosycaminon, das südliche Gränzlager des Dodekaschönns, gestanden habe, und Champollion's Behauptung, dass die griechischen und römischen Eroberungen in Nubien höchstens bis Ibrim gereicht haben, bestättigt sich auch dadurch, dass dieser Tempel das südlichste Monument ist, an dem sich griechische Inschriften befinden. In architektonischer Bezie- hung hat dieser Tempel keine Bedeutung und er ist allem Ansehen nach aus einer sehr späten Periode der Römerzeit und aus den Trümmern eines früheren Gebäudes zusammen- * PaRTHEV, S. 339. — BüRKHARDT, S. 154. ** BüRKHARDT, S. 150. — Prokesch, S. 121. — Parthev, S. 337. 405 gesezt; daher die zerstreuten Spmeii von Hieroo^Iypheii, die im Ganzen sonst diesem Tempel man<>eln. Abends hielten wir an dem Doife Sialla am rechten Ufer, welches zwar ebenfalls in der Wüste lieot, aber ge- gen die übrig^en niibischen Dörfer, die wir bisher sahen, ein stattliches Ansehen macht. Das Dorf ist fast eine halbe Stunde lang, die Hänser liegen zerstreut und sind aus Lehmziegeln gut gebaut, einige, mit weiss getünchten Wänden, sahen so- gar ganz freundlich ans. Sialla ist der Sitz eines Kascheffs. Da es noch Tag war, Jagten wir auf den ganz nahen Bergen der Wüste und Pruckner erlegte ein schönes Exemplar von Vnltur fulvus, welches mit ausgebreiteten Flügeln 9 Fuss mass. An den Bewohnern des Dorfes, zum Theile Bischarin, die sich hier ansässig gemacht hatten , bemerkten wir eine Art Kultur, die sie vortheilhaft von den ßarabra auszeich- nete, die wir von den Katarakten bisher getroffen hatten. Die Bischarin sind ein schöner, grosser Menschenschlag, von dunkelbrauner, fast schwarzer Farbe, mit ausdrucks- vollen Physiognomien und sprechendem Blicke. Die Männer mit ungeschorenem, krausem Haare, das den Kopf wie eine grosse Perücke in üppiger Fülle umgibt und das weibliche Geschlecht mit derselben antiken Frisur, die wir bei den Barabra bemerkten. Alle, die viir sahen, waren entweder mit Hemden bekleidet, oder trugen grosse Tücher in idea- lem Faltenwurfe um den Leib geschlungen, die Köpfe un- bedeckt, zwar geschmiert, aber nicht in dem ekelhaften Masse wie die ihrer Nachbarn. Im Umgange freundlich und lebhaft, verriethen sie viele Lokalkenntnisse der Länder zwi- schen dem rothen Meere und dem Nile, eine Folge der Wan- derungen ihres Volkes, das jenen grossen Länderstrich von der Küste bis zum Stromthale des Nils und vom Atbara bis zum Waddi Olaki durchzieht. Die Bischarins sind einer der bedeutendsten Beduinen -Stämme Nubiens, ein ethiopisches Volk, ein Theil der Blemyer der Alten, das zwar im Laufe der Zeit viel des arabischen Prinzipes in sich aufnahm, aber noch mehr seiner eigenthümlicheu Sitten und seine eigene Sprache bewahrte, die mit der der Barabra dem Gehöre nach Ähnlichkeit hat, voll von Gurgeltönen ist und nicht 406 nnano^enehm klingt*. Oberhalb Sialla beginnt das Nilthal wieder enger zu werden und die Sandsteinberge nähern sich endlieh dem Strome so, dass nur ein Pass von 250 bis 300 Schritt Breite für den gewaltigen Fluss bleibt, den er mit starker Strömung durcheilt. Die Berge sind zwar nur wenige hundert Fuss hoch, haben aber schöne, scharfgezeichnete Formen und sind aller Vegetation entblösst. Die Fahrt durch den Strompass ist oiine Gefahr, da sich keine Klippen unter Wasser befinden, und der geringen Breite wegen setzen die Kubier hier häufig, auf blossen Stücken von Holzstämmen reitend, oder auf kleinen Flössen, auf denen höchstens zwei Menschen sitzen können, von einem Ufer zum andern über. Sie thun diess ohne alle Furcht vor den Krokodilen, da sie hier sehr selten sind und wir z. B. von den Katarakten von Sieue an bis hieher gar keine zu sehen bekamen. Die Füsse lässt der Nubier bei einer solchen Fahrt im Wasser liängen und dirigirt sein leicht bewegliches Fahrzeug mit einem ganz kleinen Ruder. Das Umschlagen des ersteren kümmert den nackten, kühnen Schwimmer wenig. In Sebu trafen wir am linken Ufer wieder ein Denkmal der ältesten Zeit, einen Tempel des Sesostris **. Dieser Tem- pel ist ein Hemispeos, d. h. halb Felsenbau und halb Tag- bau. Auf den ersten Blick sieht man, dass sich dieser Bau in zwei von einander sehr entfernte Zeitperioden theilt. Von dem Flusse weg führte eine Treppe das Ufer hin- auf und ein mehr als 100 Schritte langer Weg zwischen zwei Reihen von Sphinxen und Kolossen zog sich in schnurgera- der Richtung zum Tempel hin. Von den Sphinxen sahen wir nur fünf und von den Kolossen vier, alle übrigen sind vom Sande der Wüste bedeckt. Vor den Pylonen, die eine gedrückte, plumpe Form haben, befinden sich wieder vier Kolosse, die das Thor in ihrer Mitte bewachen, dnrch das man in das eigentliche Propileon des Tempels eintritt. Die Decke dieser Vorhalle wird von 10 Karyatiden getragen und die '* Auf die Eigenthiiralichkciten dieses Volkes werde ich am geeig- neten Orte zurückkommen. *'' Parthey, S. SZi. — Wilki>"son, S. 490. — CuAMroLUOK , S. 97. — PUCKESCH, S. 124. — BüRKHARDT, S. 147. 407 architektonische Ausführung ist das schlechteste, was ich noch bisher in Eoypten und Nubien sah. Die Mauern sind aus alten Werkstücken früherer Bauten und mit Zuhülfenahme von Mörtel zusammeugesezt, aber, ohne alle Rücksicht auf die Stellung der alten Hieroglyphen und Bilder, in einer höchst nachlässigen Weise. Die neueren Hieroglyphen sind schlecht und zum Theil nur auf dem Mörtel aufgetragen, mit dem man die Wände überzog. Diesen ganzen Bau halte ich für sehr neuer Entstehung-, und höchstens können die Sphinxe und Kolosse älter seyn und vielleicht bei dem frü- heren Baue der Propileen schon gedient haben. Diese Theile des Tempels waren, als wir ankamen, allein sichtbar ; denn der übrige Theil war hoch mit Sand bedeckt, durch weichen hindurch jedoch die anwohnenden INubier auf Verlangen so- gleich einen Weg eröffnen. Auf diese Halle mit den Karyatiden folgt ein zweites kleines Pylonenpaar, und man betritt einen Saal, der von zwölf Pfeilern getragen wird und der die Vorhalle des alten Tempels darstellt. Dieser besteht aus sechs tiemächern, in Felsen gehauen, in deren hinterstem und zugleich mittlem die drei Götterkolosse sitzen. Die ganze Länge des Tempel- baues beträgt, nach Parthey, 400 Fuss. Die Wände des Heiligthums sind mit Hieroglyphen verziert, von bedeutend besserer Arbeit, als die des Vorbaues sind, üeberall, auf den Sphinxen und Kolossen, wie an den Wänden des Tem- pels, findet man den Namen Sesostris (Rhamses Hl.), daher Champollion , wie die übrigen gelehrten Reisenden, diesen Tempel als einen Bau des grossen Pharao betrachten. Die- ser Ansicht bin ich nun gerade nicht und ich glaube viel- mehr, dass Sesostris mit diesem Tempelbaue gar nichts zu thun hatte. Meiner Meinung nach ist der Felsentempel mit der Vorhalle und dem kleinen Pylonenpaar weit älter und die vordere, grössere Halle mit dem grössern Pylonenpaar viel jünger. Wahrscheinlich hat hier Sesostris auf seinem ethiopischen Eroberungszuge ganz als Eroberer gehandelt und dem längst bestandenen Werke , wie zu Gerf Hussein, nur seinen Manien aufgedrückt. Der vordere Bau hingegen ist ein Flickwerk der spätem Zeit, als die Kunst schou 408 ganz gesunken war, vielleicht ein Werk aus der lezten Periode der Römerzüge gegen die Blemyer und die Frucht einer kurzen Besitznahme dieses Terrains. Das Land um Sebu oder Waddi Sebu, wie die Eingebornen es nennen, ist Wüste und das Kulturland beschränkt sich auf das Ufer des Stroms, wo die w^enigen Menschen, die da wohnen und die meist Wander- stämmen angehören, etwas Weniges Baumwolle, Waizen und Bohnen bauen. Dattelpalmen und Dompalmen sind nur wenige, hingegen sieht man längs dem Ufer häufig die Mimosa habbas, die Mimosa sensitiva , ganze Gebüsche bildend , und mehrere schöne Passifloren. Als wir vom Tempel zuinckkamen, fanden wir HAssAN-KascheflT von Derr, der Hauptstadt von ünter- Nubien, der daslNilthal bereiste, um in den Dörfern den Tribut einzutreiben. Er ist Berber und aus der Familie Kusi , die früher das Land der Barabra von Waddi Haifa bis Assuan regierte. Nach der Eroberung Nubiens durch den Vizekönig liess man zwar diese Familie an der Spitze der Verwaltung, unterwarf sie jedoch dem Oberbefehle der egyptischen Re- gierung und unterordnete ihren Distrikt dem Mamur von Esne. Hassan mnsste den jährlich festgesezten Tribut ent- richten , die Lasten der Truppenmärsche tragen und alle die vielen Nebenabgaben leisten, war aber hingegen in Bezug seines Einkommens auf die Unterthanen hingewiesen. Da die egyptische Verwaltung dem jezeitigen Kascheff von Derr, oder Gouverneur von Unter-Nubien, nicht nur die Quote der Abgaben diktirte, sondern auch die Form der Besteuerung und ihre einzelnen Objekte vorschrieb, so war das Volk allen den Unannehmlichkeiten des egyptischen Verwaltungs- systems und zugleich den willkürlichen Erpressungen der Kascheffs ausgesezt. Mit HASSAN-Kascheff schien man jedoch im Ganzen zufrieden zu seyn und auch auf mich machte der kolossal gebaute Nubier, der uns sogleich auf unserer Barke besuchte, einen freundlichen Eindruck. Hassan war ein Mann schon hoch in Jahren und muss einst eine impo- nirende Erscheinung gewesen seyn ; denn noch nahm sich sein kräftig schönes Gesicht von dunkelbrauner Farbe unter dem weissen Turban Ächtung gebietend aus. Wir bewirthe- ten Hassan mit Kaffe und Pfeifen und er schenkte uns 409 dafür beim Forto^eheii, nach Landessitfe, eiii Schaf. Der Be- snclj des Kascheffs hatte eine Reihe anderer Besuche zur Folge, die wir von den Eingebornen erhielten und die alle damit endeten , dass sie uns in ärztlicher Beziehung uin Ratli fragten, oder um etwas Tabak baten, den sie beständig kauen. Zu diesem Zwecke wickeln sie häufig einen kleinen Stein in das Blatt, wahrscheinlich um den kostbaren Gegen- stand nicht zu sehr der Einwirkung ihrer schonen, weissen Zähne auszusetzen. Auch wir besuchten einige nahe liegende Hütten, in denen wir mehr Reinlichkeit als bei den egyp- tischen Felialis traten. Da der Abend anbrach, so waren die meisten beschäftigt, ihr ßrod zu bereiten ; in dem sie die auf einem Stein zu grobem Mehl geriebene Dura mit Wasser und ohne Salz zu einem Brei anmachen und diesen auf ei- ner eisernen Platte, die sie bei ihien Wanderungen bestän- dig mitschleppen, auf Kohlen backen. Dieses Brod bildet mit gekochten Linsen, Bohnen, Bamien etc. einen Haupt- bestandtheil der gewöhnlichen Nahrung und schmeckt gar nicht schlecht. Da sich guter Wind erhob, so fuhren wir noch Abends von Sebu ab, passirten die am rechten Ufer liegenden ho- hen Berge Sewadorah und Singari und kamen am 8. Febr. früh am Morgen , also fünf Tage nach unserer Abreise von Philä, in Korosko an, von welchem Orte aus wir unsern Einbruch in die grosse nubische Wüste, östlich des Nilthals, beschlossen hatten *. Korosko liegt am rechten Ufer des Nil und als der nörd- liche Endpunkt des Hauptkaravanenzuges durch die grosse nubische Wüste ist es ein für den Handel und besonders für die Truppentransporte wichtiger Punkt. Die vielen Schellals oder Katarakten, die den Strom in den Ländern : Batn el Hadjar, Sukot, Mahass und Dongola durch eine Strecke von 120 Stunden und in den Ländern der Scheikie, in Monassir, Robafat und Berber durch eine Strecke von SO bis 90 Stunden für grössere Barken nur in der Zeit des höchsten Wasserstandes, für beladene Schiffe Korosko liegt in 22** 38' uördlicher Breite und 30° 2' östlicher Län^e von Paris. 410 hingegen stellenweise gar niclit passirbar machen, sind ein mächtiges und der ungeheuren Kosten bei geringer Con- currenz wegen kaum zu überwindendes Hinderniss. Ich sah in Chardnm leere und in Kairo gezimmerte Dahabien von dort ankommen, die zu dem bei 800 Stunden langen Wasser- wege sieben Monate der Reise gebraucht haben. Verfolgt man den Kil zu Lande von Korosko aus durch Dongola bis Ambukol und durchschneidet man daselbst, um die grosse Flusskrümmung zwischen Ambukol und cl Mucheireff zu umgehen , die Bahiuda-Wüste bis Äletämraäh und benüzt man zu Schiffe das freie Fahrwasser in Egypten , ünter- IVubien , Dongola und Berber, so kann man den Weg von Kairo bis Chardnm in drei bis vier Monaten zurücklegen ; geht man hingegen von Kairo bis Korosko zu Schiffe, durch- schneidet man von dort die grosse nubische Wüste bis Abu Hammed, geht weiter zu Lande längs dem Nile bis el Mu- cheireff und von dort zu Schiffe nach Chardum, so dauert die Reise nur zwei bis drei Monate, und Couriere pflegen diesen Weg abwechselnd zu Schiffe und zu Dromedar in 40 bis 45 Tagen zurückzulegen. Daraus erhellt die grosse Wichtigkeit der Karavanenstrasse über Korosko, besonders für Truppentransporte, bei denen es sich um das möglichst schnelle Fortkommen handelt. Die Handelskaiavanen aus Berber und Sennaar, die ihre Kamele zum Theile selbst als Waare nach Egypten bringen , und daher nicht zu Schiffe gehen können, wählen zwar meistens den geraden Weg durch die grosse nubische Wüste über den Dschebel Schigre von el Mucheireff' nach Assuan oder Derani in Ober- Egypten, da man auf dieser Route mehr und öfter Wasser findet, als auf der westlicher liegenden, die von Korosko nach Abu Hammed führt*. Da jedoch auf dem Wege über den Schigre der Strom in zwei langen Strecken , in Berber und Unter- !Nubien, nicht benüzt werden kann, folglich diese Route mehr Zeitaufwand fordert und eine Armee den mit jedem Zuge durch die Wüste verbundenen Unfällen mehr aus2:e- sezt seyn wüide, die zum Tlieil, z. B. Wassermangel, um so gefährlicher sind, je mehr Menschen und Thiere in der '-" Dcii Weg; über den Dschebel Sdiigre ist Bürkhardt gezogen. 411 Kaiavane sich befinden, so wird der Weg- über den Schigre für Truppentransporte gar nicht benüzt. Seit der Erohei'nng- des südlichen Nnbien und der Länder Kordofan und Sennaar durch die egyptischen Trup- pen unter IßRAHiM-Pascha, IsMAEL-Pascha und MonAMMED-Bey- el-Defterdar, in den Jahren 1820 bis 1825, ist daher Korosko als die Haupteiiibruchsstation in die grosse nubische Wüste auf dem Wege nach Sennaar betrachtet, und es bildete sich daselbst eine Niederlassung von Nubiern und Arabern, die in elenden Stroh - und Lehmhütten wohnen und dem dür- ren Sandboden ein Bischen Getraide abnöthigen. Es wur- den einige Waarenmagazine der Regierung angelegt und ein kleines Detachement egyptischer Soldaten daselbst sta- tionirt, was alles sich jedoch in einem elenden, erbärmlichen Zustande befindet. Wir beschlossen hier unsere bereits vor uns aus As- suan abgegangenen Kamele und Führer zur Reise durch die VV^üste zu erwarten, entliessen daher unsere Schiffsleute, mit denen wir sehr zufrieden waren, und die auch uns ein herzliches Lebewohl sagten , und schlugen dicht am Ufer unsere Zelte auf. Vier einzeln stehende Palmen, zwischen denen ein Segel als Dach aufgestellt wurde, bildeten unsern Speisesaal und Salon, und wir fühlten uns ganz glücklich im Rückblicke auf die schönen Erinnerungen und in der Er- wartung dessen, was uoch kommen sollte. Die wenigen Tage, die wir in Korosko zubrachten, ver- flossen uns recht angenehm, wir schrieben Briefe in die Heimath, packten unsere Mineralien und sandten sie zurück nach Egypten, machten geognostische Exkursionen, physika- lische Beobachtungen mit unseren Instrumenten, die im be- sten Zustande waren und gingen nebstbei fleissig auf die Jagd. Dicht an Korosko erheben sich die wilden keimloseii Sandsteinberge der nubischen Wüste, unter denen die schar- fen Spitzen des Dschebel el Korosko zu 580 Par. Fuss über den Horizont des Nilthals ansteigen. Prückner und ich be- stiegen ihn und massen mit dem Barometer die Höhe seiner beiden Hauptkuppen. Die Aussicht von oben ist ganz ei- genthümlich grossartig. Das Auge sieht zwar ringsherum 412 nur Wüste, aber nicht eine trostlose, einförmige Sandebene, sondern ein wunderbar gestaltetes Gebirgsland. Man denke sich eine Fläche von gelblichrothem Sande, die sich wel- lenförmig hebt und senkt, und darauf unzjihlige schwarze, felsige Kegelberge, alle isolirt, keine zusammenhängende Kette bildend, zerstient, als wenn es einst Berge geregnet hätte. Besonders auffallend tritt dieser merkwürdige Typus in der grossen Wüste östlich des Stromes hervor , welche in einem Chaos von isolirten Bergen besteht, die, so weit man sieht, zwar nicht höher als zu 500 bis 600 Fuss über das Stromthal ansteigen dürften, aber deren scharfe, spitze Kegelformen in ihren isolirten Stellungen und in der strah- lenden südlichen Beleuchtung weit höher erscheinen. Der Eindruck, dass hier vulkanische Kräfte gewaltet haben und diese sonderbare Gestaltung des Terrains herbeiführten, dringt sich beim Anblicke dieser Kegelberge, zwischen denen sich enge , tiefe und mit Sand erfüllte Spaltenthäler und Schluchten in allen Richtungen hinziehen, unwillkürlich auf, und wie wir in der geologischen Abhandlung über Nubien sehen werden, nicht mit Unrecht. Fast alle diese Sandstein- berge sind mit einer schwarzen, schlackenartigen Kruste über- zogen, gebildet zum Theil durch jenen eigenthümlichen, eisen- schüssigen Saudstein, auf den wir ebenfalls später umständ- lich zurückkommen. Bei dem Anblicke dieser wilden Fels- massen wurde es mir klar, warum der Araber die Wüste häufig mit dem Namen „Dschebel", „Gebirge", bezeichnet, denn wenigstens im nördlichen Tlieile von Nubien, in Ober- Egypten, in der arabisch-egyptischen Wüste und in der des peträischen Arabiens spricht sich der Charakter eines Ge- birgslandes deutlich aus *. * Jene mit Gras- und Mimosenwäldern bedeckten, unermesslichen Ebenen des innern Afrika , in der Regenzeit ein blühendes Weideland, in der trockenen Jahreszeit ein dürres Stoppelfeld, bevölkert von Wander- stäinmen und einer zahlreichen Thierwelt , ein wahres Seifenstück zu den südamerikanischen Savannen, nennt der Araber „Chala". Verlassene, öde, fclsichte Distrikte, die zwar Vegetation darbieten, die aber nur von wilden Thicren benüzt wird und die der Landeseinwohner mit seinen Hecrden nur selten und nur auf kurze Zeit besucht , nennt der Araber „Akaba" (antik, verlassen, alt>. Für die eigentliche Wüste hat er sehr 41.'5 Mitten zwischen diesen wiisten Sandsteinberg-en nnd ihren sandeifüllten Thäleni liegt in heiliger llnhe bedcn- tHngsvoH der grosse Strom, der mächtige INerv, der Leben in dieses Reich des Todes bringen könnte , winde er ver- ständig nnd mit Umsicht benüzt, so aber sind es nur ein paar g-rüne Fleckchen , einige hagere Palmen und wenige elende Stroh- und Lehmhütten, die das Auge an seinen Ufern entdeckt. Nicht der Reiz des Landes ist es also, der den Nubier an den Boden bindet, den er sein Vaterland nennt, es ist das beseligende Gefühl, das die INatur in unsere Brnst legte und mit dem sie uns an den heimatlilichen Boden kettet, sind es nun die Schneegipfel unserer Alpen oder der Wiiste unwirthbares Land. Bei dem Kubier wie bei den Beduinen spricht sich das (jefühl für das Vaterland weit wärmer aus als bei dem Fellah in Egypten, ein Beweis, dass beide moralisch höher stehen. Kotschi war mit Mustapha am 10. Februar Abends ge- rade nach Derr abgesegelt, um Lebensmittel für die Reise zu kaufen, als wir aus dem nächsten Wüstenthaie drei Reiter auf weissen Kamelen flüchtig über den Sand auf unsere Zelte zueilen sahen. Als sie dicht an uns waren, machten sie im schärfsten Trapp , dem ein Pferd kaum im Galoppe hätte folgen können , einige rasche und scharfe Wendungen, deckten sich mit ihren grossen, runden Schil- dern * und schwangen ihre Lanzen wie zum Kampfe, eine Ehrenbezeugung, die uns galt. viele Benenmino^en. Enthält dieselbe Berge, Thäler und bassinartige Vertiefungen, entweder mit blossem Sand erfüllt oder mit einer spärlichen Vegetation bedeckt, so heisst sie „Dschebel", d. i. Gebirge, und die Thäler und Bassins (Oasen) nennt man, wie schon gesagt, „Wa ddi", was überhaupt Thal im Allgemeinen bezeichnet, Ist die Wüste hügelig oder ganz eben und bietet sie dem Auge nichts dar als Sand, so nennt der Araber ein solches Terrain: „Atmur, Achkaf, Rani Iah, Bacher bela Maa etc., wovon die zwei lezten Benennungen die bezeichnendsten sind, indem sie „Sand uud Meer ohne Wasser" bedeuten. Die Araber selbst verwechseln in der gewöhnlichen Umgangssprache diese Au.>;drücke häufig miteinander. '■' Die.se Schilder, von runder oder ovaler Form, werden aus Büffel- lcder und aus der Rückendecke mehrerer grosser Antilopenarten verfertigt. Häufig ist das Leder mit gepressten Figuren geschmackvoll verziert. Sie 414 Es waren ein Scliech ans Berber, zii nnserm Führer lind Begleiter bis el Miicheireft bestimmt, und zwei seiner Leute. Sie waren ausser mit ihren Lanzen und Schildern noch mit «rossen zweischneidigen Schwertern bewaffnet, die sie an breiten Riemen über die linke Schulter gehängt titigen. Diese Schwerter sind eine Lieblingswaffe der Völ- ker in Ost-Sudan. Sie sind meist deutscher Arbeit und wer- den jenen durch den Karavanenhandel zugeführt. Die Klin- gen werden scharf gehalten, sie sind jedoch schlecht, ohne Stahl , von blossem Eisen und haben im Lande selbst als Handelsartikel nur einen Werth von 30 bis 40 Piaster (2 bis 4 fl. Konv.-Münze). Die Scheiden von rothem Leder und, wie alle Lederarbeiten der Sudanvölker, stark und mitunter schön gearbeitet , verfertigen sie sich entweder selbst, oder sie erhalten dieselben von Kairo. Der Anblick dieser drei schwarzen, schönen ßarabra in blauen Hemden mit rothen Turbanen, der Anstand, mit dem sie ihre krie- gerischen Bewegungen machten , gab ein wahrhaft ritter- liches Bild und erinnerte an die Mohrenritter der alten Sarazenenzeit. Sie verkündeten uns die Ankunft der Ka- mele für den nächsten Tag und konnten uns nicht genüge von den Strapazen und Gefahren der bevorstehenden Reise erzählen , wobei das arabische und nubische Lügenprinzip natürlich in seinem vollsten Glänze hervortrat und die Ab- sicht auf ein gutes Geschenk klar hervorleuchtete. Als wir ihnen diess sagten , stimmten sie ebenso plötzlich den Ton um, doch blieb es dabei, dass wir anf einer Strecke von acht starken Tagereisen nur einmal und zwar sehr schlechtes, salziges Wasser finden werden, eine allerdings nicht tröst- liche Nachricht , die uns für die Mitnahme einer grossen Quantität Wasser Sorge tragen hiess. Am 11. kamen unsere Kamele an und zugleich kehrte auch Kotschi mit seiner Ladung von Derr zurück , dessen sind gross genug, um Kopf und Brust zu decken und stark genug , um einen tüchtigen Schwerthieb oder eine geworfene Lanze mit Sicherheit zu pariren. Abbildungen solcher Schilder, so wie vieler Waffen der nubischen und Negervölker am blauen Fluss bis Schongollo , gibt Cail- ciAUD im Atlasse zu: Voyage h Meroe etc. Vol. IT, Tafel 56.^ 413 schöjie Lao;e in einem Palmetnvalde er rühmte mul uns eine kurze Besclireibuno^ der Tempel in Derr und Hammada «»ab, welche wir späterhin auf der Rückreise selbst besuchten. Bei der Rückkehr unseres Freundes ergab sich ein seltsamer Auftritt. MusTAPHA-Äga *, ein Kurde, stürzte in das Zelt, zog- seinen Säbel und fiel mir mit den Worten zu Füssen : Haue mir den Kopf ab! Da ich billigen Anstand nahm, seinen Wunsch zu gewähren, riss er seine Pistolen aus dem Gürtel, gab sie mir und bat mich, ich sollte ihn wenigstens eischiessen. Aufgefordert, die Ursache seines seltsamen Benehmens an- zugeben, erzählte er mit weinerlicher Stimme, dass Kotschi sich über ihn geärgert und ihm im Laufe des arabischen Dialoges auch das französische Wort „Sakrament" zugerufen habe, wodurch er sich so beschimpft halte, dass er unmög- lich mehr leben könne. Wir gaben uns natürlich alle Mühe, dtas aufgeregte Gemüth zu besänftigen, was auch bald ge- lang. Abends hatten wir in den nördlich von unserra Lager liegenden Bergen ein starkes Gewitter, es donnerte und blizte eine Viertelstunde lang heftig, mehrere Blitze schlu- gen in den Sand der Berggehänge und es regnete wenige Minuten in starken Tropfen. Nach Kurzem war der Him- mel wieder rein , nur der Sturm dauerte durch die ganze Nacht und zwar so heftig, dass wir jeden Augenblick be- fürchten mussten , unsere Zelte über den Haufen geworfen zu sehen. Am 12. hatte der Sturm, der aus W. kam, den Charakter eines förmlichen Samum angenommen. Die Tem- peratur der Luft war zwar nicht bedeutend erhöht, sie wai» aber so mit Wolken von Staub und Sand erfüllt, dass das Athmen sehr erschwert wurde und man den Mund fast nicht öffnen konnte, ohne sogleich eine hinlängliche Portion Sand zu erhalten. In wenigen AugenbUcken waren unsere Hänge- matten mit dicken Lagen von Sand bedeckt und der Staub drang durch alle Fugen ins Innerste der Koffer. Donner und Blitz begleitete die heftigen Wiudstösse, es regnete aber nicht. Eine kleine, von Abu Hammed angekommene Karavane brachte die unangenehme Nachricht, dass in Dongola und Sennaar die Cholera hensche. Es blieb jedoch bei dem * Unser Kabass. 41G Besclilnsse der Reise, einer höheren Macht vertrauend, und da nun alle Kamele, Führer und Begleiter beisammen waren, so wurden die Ladungen vertheilt, die Wasserschlänrhe gefüllt, die Sättel in Ordnung gesezt, die Waffen untersucht und alles zum Aufbruche der Karavane für den nächsten Tag vorbereitet. 3) Reise von Horosko durcli die g^rosse nubisclie ^¥Uste, östlicli des IVils, uaela AUu. Hauiined, itnd von dort nacli el JÜIuciieirefT, der Hauptstadt des Herber- landes. Am 13. Februar Vormittags Hess ich die Karavane aufbrechen. Sie bestand aus .56 Reit- und Lastkamelen, die sämmtlich zu unserer Verfügung bestimmt waren. Mit diesen zugleich erschienen zu Assuan 35 Mann, um uns als Führer, Begleiter und Kameltreiber auf der Reise zu dienen , und wir bildeten daher im Ganzen eine wehrhafte Mannschaft von 45 Köpfen. Unsere Begleitung repräsentirte einen Theil der Völker, welche Nubien bewohnen, und der ganze Zug war , so zu sagen , eine nationale Musterkarte. Dawaren Ababde - und Bischari- Beduinen, Barabra aus Berber, Negersclaven und Araber aus Assuan zusammen mit Italienern, Deutschen und einem Kurden. Wir ritten auf Hegins , d. h. zum Reiten abgerichteten Kamelen * , zu denen man, der sicheren und festeren Sattelung halber, immer die mit langen, flachen, wo möglich in der Mitte etwas ver- tieften Höckern wählt. Zu Reitsätteln wurden die gewöhn- lichen Lastsättel mittelst Polstern und Teppichen umgewandelt, und nur ich war, durch die Aufmerksamkeit des Schech Hussein aus el Mucheireff, unseres obersten Führers, im Besitz eines eigentlichen arabischen Reitsattels , auf^ dem man , da er die Gestalt eines Stuhls ohne Lehne und eine muschelförmig gehöhlte Sitzfläche hat, mit gekreuzten Beinen so bequem sizt , als es auf einem Kamele nur immer seyn kann. An dem vordem und hintern Sattelknopfe werden die Waffen und ein kleiner Wasserschlauch angehängt, der * Der eigentliche Dromedar ist das baktrische Kamel und findet sich weder in Arabien noch in Egypten und Nubien. 417 den Bedarf des Tages enthält. Alles Riemen- nnd Zaninzeng; war neu nnd verlässlich, eine wesentliche Sache, da die Hegins oft sehr muthig, sogar böse sind, in welchem Falle man ihnen ausser dem gewöhnlichen blos um Kopf und Hals geschlungenen Zaume noch eine lederne, leichte Sclmur durch die Nase zieht, deren ruhiger und verständiger Ge- brauch das Thier äusserst lenksam macht. Sämmtliche bei der Karavane anwesende Araber und ein Theil der ßarabra waren Handelsleute , erstere in Assuan und Deraui, leztere in el Mucheireff ansässig. Jeder von diesen hatte seinen Bedienten und zu seiner Bequemlichkeit einen Esel, der die Aufgabe hatte, seinen Herrn durch die Wüste zu schleppen. Pferde werden von Reisenden, des grossen Wassermangels wegen, durch diese Wüste nur selten genommen. So mannig- faltig wie die nationale Mischung der Karavane war die der Kostüme. Wir in leichten Sommerkleidern mit grossen Strohhüten, die Araber und Barabra in blauen Hemden mit weissen und rothen Turbanen oder mit blossen Takien auf ihren kahl geschorenen Köpfen. Die schwarzen Söhne der Wüste hingegen , halb nackt und zu Fusse neben ihren Kamelen gehend, alle mit Lanzen, Schwertern, Schildern und kurzen Dolchen bewaffnet und mit Sandalen an den Füssen, sezten sich mit unbedeckten Köpfen der nubischen Sonne aus. Ihre üppigen, krausen, zum Theil wie Perücken von enormem Umfange gestalteten und mit Butter getränkten Haare geben nicht nur Schutz gegen die heftigen Wirkun- gen der Sonnenstrahlen, sondern ertheilen ihnen auch ein wirklich furchtbar wildes Ansehen, so dass wir uns anfäng- lich an den sonderbaren Gestalten dieser uuserer neuen Gefährten nicht satt sehen konnten. Jeder von ihnen hatte in dem verfilzten Haarknaul, der seinen Kopf umgab, einen oder zwei lange Stachel vom Stachelschwein stecken, die ihm dazu dienten , Ruhe und Ordnung unter den Insassen seiner Perücke zu halten , wenn sie anfangen sollten , ihm durch ihre Umtriebe lästig zu fallen *. ■^' VortreflFIiche Abbildungen der nubischen Völker und ihrer Ko- stüme in: HosKiNS travels in Etbiopia. London 1835. Worunter auch einige sehr gelungene Portraits von Häuptlingen .sich befinden. Russegger, Reisen. U. Bd. I.Thl. 2T 41S Früh am Morgen begann schon das mit dem Aufbruche einer jeden Karavane verbundene Lärmen und Schreien. Nachdem der Zank um die Ladungen , um die Stricke etc. bereits ein paar Stunden gedauert hatte und im Ganzen noch gar nichts geschehen war, auch keine Ermahnung nüzte, so Hessen wir unserm Mustapha freie Hand und es ging sogleich; da er aber bei der uothgedrungenen Exeku- tion wenig Auswahl machte und auch einem der Schechs * fühlbare Beweise seiner Ungnade gab, da erhob sich Schech Hussein und rief: „Ich stehe nicht gut, ob ihr nicht in der Wüste ermordet werdet". Diese Äusserung, laut von dem angesehensten Nubier in der Karavane und in Gegenwart der wilden Bischarin und Ababde ausgesprochen , konnte die unangenehmsten, traurigsten Folgen haben. Alle die Misshandlungen, die Burkhardt, Browne und so viele jener trefflichen Männer, die der Wissenschaft als Opfer fielen, von diesen Völkern erleiden mussten , fielen mir ein. Ich konnte die Ursache des Streites vom humanen Gesichtspunkte aus durchaus nicht billigen , doch das Faktum war einmal geschehen und es galt, die Wirkung von Hi:sseins Worten sogleich zu paralysiren , bevor die Übrigen den Sinn der- selben ganz erfassen konnten. Schnell trat ich daher auf Hussein zu und Hess ihm durch AcuMED-Kaptan sagen: „dass er mit seinem Kopfe dafür zu bürgen habe, dass wir sicher nach Berber gelangen , dass Mustapha auf meinen Befehl gehandelt habe und dass wir stark genug seyen, um Jeden von ihnen 5 der nicht gehorchen wolle, sogleich bestrafen " Schech heisst im Arabischen eig'cntlich das „Haupt eines Stammes, der Häuptling", wird aber auch im Sinne von „gelehrt, angesehen, heiJ ig, fromm etc." gebraucht, und wird in dieser Be- deutung, wie unser deutsches „Herr", den Eigennamen vorgesezt. In diesem Gebrauche ist es von dem Worte „Hawadschi" sehr zu unter- scheiden, und lezteres bezeichnet eigentlich „Herr" im engern Sinne, als Titel mit Rücksicht auf den Rang des Individuums in der bürgerlichen Gesellschaft , aber ohne Rücksicht auf dessen intellektuelle Befähigung. „Scheik", wie man häufig liest, habe ich unter den Arabern nie ge- hört und, ohne es jedoch behaupten zu wollen, halte ich dieses Wort für eine verstümmelte Schreibart von „Schecii", die Einer dem Andern iiachahmtc. 419 zu lassen. Was das Ermorden beträfe, so sey seine Äusse- rung unsern Waffen und uns, die wir keine Furcht kennen, gegenüber nur lächerlich und werde ihm daher verziehen". Hussein näherte sich mir, legte seine Hand auf die Brust und an den Kopf und versprach bei Gott und dem Propheten, uns sicher nach Berber zu bringen und er hielt Wort. In weniger als einer Stunde war aufgepackt, die Kamele hoben sich, noch einmal sandten wir dem Nil ein Lebewohl zu und betraten die Wüste zum Erstenmale, um sie in einer bedeutenden Strecke zu durchwandern. Wir Europäer ritten mit Schech Hussein und den übri- gen Führern der Karavane vor, die Kamele folgten im langen Zuge, eines hinter dem andern, die Nachhut bildeten unsere Bediente mit den Kameltreibern. So zogen wir im Schritte durch die mannigfach sich krümmenden und ver- zweigenden Waddis zwischen wilden, nackten Sandstein- felsen, drei Stunden in der Hauptrichtung S. , bis wir an einem einzeln stehenden Felsen Haltmachten, um auszuruhen*. Ein paar dürre Mimosensträucher war Alles, was wir von Vegetation in diesen Sandthälern sahen. Zu beiden Seiten des Weges, bezeichnet durch die Spuren der häufig wandern- den Karavanen, lagen Gerippe von Kamelen in einer solchen Menge, dass es gar nicht möglich wäre, die Richtung zu verfehlen. Diese Tliiere fallen in Folge des Wassermangels und der Strapazen, und zwar desto häufiger, je länger die * Enffernung'en nach dem Schriftc der Kamele , d. h. mit andern Worten nach dem Zeitaufwande der im Gange sich befindenden Kaiavane, z« messen , ist sehr schwierig und nur bei oft wiederholten Versuchen und Prüfungen der Annahmen annähernd verlässlich. Aus meinen oft und auf dem verschiedensten Boden wiederholten Beobachtungen ergab sich mir, dass bei einer eben dahin, oder nur wenig bergauf und bergab - steigenden, langsam ziehenden Karavane 30 Karavanen- stunden, bei einer in ganz günstigem Terrain schneller wandern- den Karavane 24 Karavanenstunden auf einen Grad des Äquators ge- rechnet werden können. Im Gebirgslande, bei steilem An- und Ab- steigen, ist eine allgemeine Angabe der Entfernungen aus dem Gange einer Karavane u n möglich, und es wird zu jeglicher Schätzung, wenn sie anders nur im entferntesten annähernd verlässlich seyn soll, ein eigener Versuch benöthigt. 27* 420 Reise dauert, und daher am häufigsten an den Endpunkten der Karavanenrouten. Am Nachmittage ritten wir wieder 4 Stunden in SSO, und schlugen mit Sonnenuntergang unser Lager im Schutze einer Felswand auf. Der erste Tag der Wüstenreise war hinter uns. Wir waren todtmüde. Unsere Knochen waren durch den erschütternden Schritt der Hegins, den wir noch nicht gewohnt waren , wie zerbrochen *. Unser körperli- ches Befinden war also keineswegs das angenehmste; desto schöner und erhabener aber war die Natur, die uns umgab. Der Mond leuchtete im intensivsten Lichte am dunkel- blauen, klaren Himmel, die südliclien Sternbilder funkelten mit einem Glänze, der uns in unserem grauen Norden un- bekannt ist, die nahen Berge warfen sclnvarze Schatten weithin über den gelben Sand der Wüste, die schweigend uns umgab. Dazu der Anblick unserer Zelte, der Lagerfeuer, der nach den Mühen des Tages ruhenden Thiere, das Bunte der Kostüme, und wir lernten einsehen, dass die Wüste nicht allein Schrecken, sondern auch viel unendlich Schönes, Erhabenes an sich hat, und begreifen es, warum der Araber und Nubier sie nicht minder liebt, als der Gebirgsländer seine Berge. Wer die Wüste nie durchwanderte, kennt ihre Schrecken nicht , kennt aber auch nicht das Schöne, * Der Trapp der Heg;iiis ist viel erträglicher uiul bei gut abgerich- teten Thieren angenehmer zu reiten, ais der eines niitteiniässigrn Pferdes. Beladene Thiere müssen aus begreiflichen Gründen im Schritte gehen, und dürfen, will man nicht Alles zertrümmert sehen, nicht zu sehr forcirt werden. Späterhin, vertraut geworden mit der Wüste und ihren Eigen- thümlichkeiten , ritten wir der Karavane im scharfen Trappe oft weit vor, erwarteten sie bei einer Pfeife und einer Tasse Kaffe im Schatten eines Felsens oder auf dem Sande hingestreckt und ritten ihr sonach im Trappe wieder nach. Eine sehr zweckmässige Methode , wenn die Ka- ravane nicht aller wehrhaften Arme zu ihrem Schutze bedarf. Eine aweite Unbequemlichkeit bei Reisen zu Kamel ist anfänglich das Auf- und Absitzen, wozu sich das Thier niederknien muss und wobei dasselbe so unangenehme, stossende Bewegungen macht, dass man nur im Zweifel ist, ob man nach vorne oder nach hinten herabstürzen wird. Auch die- ses Übel beseitigen eine ruhige, leichte, ungezwungene Haltung und die Übung vor Allem endlich ganz. 421 was sie darbietet, und unter dem ihr reiner Sternenhimmel, das glänzende Licht ihrer Mondnächte obenan stehen. Nie ist die Erinnerung an die fernen Lieben wärmer als in sol- chen Momenten. In der Nacht sahen wir eine auffallende Menge von Sternschnuppen und g('gen Morgen wurde es empfindlich kalt. Am 14. Februar brachen wir mit der Sonne auf und ritten vier Stunden in SSO., immer zwischen Sandsteinbergen und durch Sand erfüllte Waddis. Längs dem Wege, den wir verfolgten , lagen Kamelgerippe in Menge , hie und da ein Menschenschädel, zerstreute Knochen und ganze Menschen- gerippe, die Reste von Unglücklichen, die dem Wassermangel und noch häufiger der tödtiichen Ermattung erlagen , die eine Folge der andauernden Anstrengung zur Erreichung des Ziels und des Mangels an Ruhe und Schlaf ist. Be- sonders häufig sind solche Unglücksfälle bei Karavanen, die im Sommer oder Spätfrühjahre durch diese Wüste ziehen, zur Zeit, wenn im höhern Süden die tropischen Regen herr- schen. Die Hitze am Tage ist dann, wie in den südlichem Tropenländern, zum Verschmachten und die Hitze der Nacht erstickend , so dass der ermattete Körper zu keiner Zeit eine Erholung findet. Überfällt nun in solchen Momenten den erschöpften Wanderer ein heisser Wind, ein Samum oder, noch schlimmer, ein Chamsin *, und muss er, der sich ohnediess kaum mehr fortschleppen kann, noch gegen glühenden Sand, gegen eine durch Staub verfinsterte Atmosphäre, gegen den Andrang eines brennend heissen Sturmes ankämpfen, der seine Kehle trocknet, ihm Schwindel verursacht und hat er Nichts, um in einem solchen furchtbaren Älomente sich zu stärken, so sinkt er um und ein Schlagfluss endet sein Leben oder er stirbt vor Mattigkeit, ohne dass sich Jemand seiner liebend annimmt; denn Jeder hat mit sich selbst zu thun, und freundliche Theilnahme in solcher Noth muss man überhaupt bei den Karavanen in der Wüste nicht suchen. Besonders häufig unterliegen die armen Sclaven '"* Über den Unterschied zwischen äainimi und Chamsin: 1. Band, S. 226 etc. 422 diesen Leiden. Gezwungen, zu Fusse im glühenden Sande den Kamelen zu folgen, geprügelt, schlecht genährt und nur sparsam mit schlechtem, salzigem Wasser erquickt, unterliegen sie der Barbarei und dem klimatischen Einflüsse. Kalt geht die Karavane vorüber, die Seufzer des Sterben- den dringen in kein Herz, er ist ja nur ein Sclave! Grass- lieh aber wahr! übrigens ist ja der rohe Mensch überall roh, und theilnehmend im Unglücke, mit Selbstaufopferung, ist der Naturmensch selten. — Wir hatten im Laufe des Tages einen Anblick, den ich nimmermehr vergesse. Dicht am Wege lag das Gerippe eines Kamels und daran das eines Menschen. Zwischen beiden ein zerrissener , verwitterter Wasserschlauch. Vielleicht hat der Unglückliche noch den lezten Tropfen herauszupressen versucht , um seinen bren- nenden Durst zu stillen, bevor Ohnmacht seine Augen um- hüllte und er neben dem Kamele niedersank. Unter gewissen Bedingungen, z. B. bei herrschenden heissen und sehr trockenen Winden, verfault in der Wüste keine Leiche. Der Körper trocknet aus und wird zur na- türlichen Mumie, indem eine dicke, lederartige Haut die Knochen bedeckt. Häufig werden die wilden Thiere durch die Leichen herbeigezogen, und sie sind es, welche die Kno- chen weit umher über den Sand der Wüste ausstreuen. Be- sonders findet diess in der Nähe von Brunnen und von Stel- len statt, wo das Regenwasser sich in Felsenspalten durch längere Zeit hält; denn alle reissenden Vierfüsser saufen viel und lieben die Nähe des Wassers, daher ich auch glaube, dass sich im Innern grosser und wasserarmer Wü- sten und weit entfernt von Wasserplätzen, ausser Raub- vögeln und Schlangen, Eidechsen u. dgl. keine wilden , we- nigstens keine reissenden Thiere befinden dürften. Wir hatten den ganzen Tag hindurch bedeckten Himmel, eine Seltenheit, und starken Westwind, der uns durch den vielen Flugsand , den er mitführte , sehr beschwerlich fiel. Wir ritten Nachmittags 6 Stunden in SSO. , fortwährend zwischen Sandsteinbergen , hatten Abends , bei Untergang der Sonne, ein prachtvolles Abendroth, das ein magisches Licht über die endlose Wüste um uns her verbreitete, stiesseii 423 in den Waddis auf eiiiig^e dürre Grasschöpfe , begegneten einer kleinen von Abu Hamnied kommenden Biscbari-Kara- vane und lagerten uns für die Nacht an einem isolirten Felsen. Am 15. Febniar ritten wir des Morg-ens vier Stunden in SSO., passirten zu Ende der Route einen engen Pass zwischen Sandsteinfelsen, das sogenannte Bab el Korosko (das Thor von Korosko) und traten in ein weites Wüstenthal, bei den Arabern „Atmur Bacher bela Maa", „das Meer ohne Wasser", genannt, dessen Sandfläche als unabsehbare Ebene vor uns sich ausbreitete. Das bisher durchwanderte Gebirgsland der W^üste hatte für uns das Angenehme der steten Abwechslung der Bergformen des Sandsteins , durchaus isolirt stehende Berge von 100 bis .100 Fuss Höhe und zum Theil höchst phantastisch gestaltet , nun aber lag die weite Sandfläche in gähender Einförmigkeit vor uns, wodurch alle Unbequem- lichkeiten einer Wüstenreise doppelt fühlbar werden , da man Zeit hat, darüber nachzudenken. Die Handelsleute aus Berber und Ober-Egypten, welche uns begleiteten und in deren Gesellschaft wir entweder der Karavane vor oder nachritten , hatten sämmtlich diese «nd andere Wüsten oftmals und in verschiedenen Richtungen durchkreuzt. Besonders unser erster Hapir (Führer), der Schech Hussein, wusste uns viel davon zu erzählen. So grell die Farben waren, mit denen die südliche Phantasie dieser Leute ihre Erzählungen ausschmückte , so blieben die Schilderungen der Schrecknisse der Wüste, wie sie die- selben darstellten , noch weit hinter denen zurück , welche man von Europäern hie und da hört und liest. Dass die Wüste ihre zahlreichen Opfer fordert und erhält, das be- stätigen allerdings die zahllosen Menschen- und Thiergerippe, die längs des Karavanenweges liegen , dass aber die Schil- derungen mancher älterer Reisenden von der furchtbaren Wirkung der Chamsine und Samume, von der Verschüttung ganzer Karavanen durch Sandwolken etc. höchst übertrieben sind, und solche Fälle wohl öfter mögen erzählt worden seyn, als sie sich wirklich ereigneten, ist eben so gewiss *. Unter * Hierüber: 1. Band, S. 227. 424 diese Erzählungen gehört auch die bekannte vom Aufschneiden der Kamele in höchster Wassernoth , um sich mit dem in den Mägen sich findenden Wasser zu laben. Alle Araber und Nubier, die ich darum fragte und die stets zu höchst übertriebenen Darstellungen sehr aufgelegt sind, versicherten mich, dass sie davon nur als von ausserordentlichen Fällen reden gehört, dieselben aber nie selbst erlebt haben. Auch bemerkten sie sehr richtig, dass das in den Mägen der Kamele sich findende Wasser eine so abscheulich stinkende und mit halb verdautem Futter gemengte Jauche bilde, dass es selbst bei dem brennendsten Durste kaum möglich wäre, sie zu trinken , da sich die Natur unbezwinglich dagegen sträuben vviirde. Jene Erzählungen scheinen offenbar in die Kategorie der Sagen von Gemseujägern zu gehören, welche sich die Fersen aufschneiden, um durch das Kleben des Blutes festern Stand auf den steilen Felsenplatten unserer heimathlichen Hochgebirge fassen zu können. Auf der weiten Saudebene Atmur Bacher bela Maa, die wir nun betraten und die ausser einigen kleinen und ganz isolirten Bergen, dem Auge keinen Ruhepunkt dar- bietet, sahen wir von 10 Uhr Morgens bis 4 Uhr Abends herrliche Fata morgana *. Wir sahen um uns her auf dem vvasserlosen Sande der Wüste Wasser in Menge und in den verschiedensten Formen. Da waren Flüsse, Teiche, Seen und unabsehbares hohes Meer, dessen Wellen vom Winde bewegt wurden. Die Berge, welche in der Wüste zerstreut liegen , erschienen kUns als Inseln und in dem Wasserspiegel, der sie umgab, erblickten wir ihre Bilder in verkehrter Lage. Ferne, einzeln stehende Felsen erschienen uns, mit Zuhülfenahme einiger Einbildungskraft, als Schiffe mit vollen Segeln, sie bemühten sich vom Flecke zu kom- men, es gelang ihnen aber nicht. Unter besonders günstigen Umständen wurde diese Luftspiegelung oft so stark, dass wir uns dem vermeintlichen Wasser bis auf weniger als 100 Schritte nähern konnten, da zerfloss das Bild plötzlich wie durch Zauberschlag, und nichts lag vor uns, als der '' Die Luftspiegelung vom physikalüchen Gesichtspunkte aus be> trachtet in Band I, S. 231 etc. 4*25 gelbe , Iieisse Sand der Wüste. Welche Höllenqiial muss eine solche Täuschung auf den aruieu Wanderer ausüben, der im Todeskampfe der Ermattung nach einem Tropfen Wasser lechzt. Es ist das Wasser des Satans, das Bacher el AflTrid des Arabers. Besonders schön zeigte sich diese Luftspiegelung um die Mittagszeit. Wir waren bei Untersuchung einiger Felsen lind einer Tasse Kaffe ungefähr eine Stunde hinter der Karavane zurückgeblieben und gerade im Begriffe, ihr nacii- zueilen. Langsam zog sie vor uns her, alle Kamele in eine Fronte gereiht, wie es die Nubier gerne thun, wenn es das Terrain erlaubt. Plötzlich sahen wir Menschen undThiere meh- rere Klafter hoch in der Luft oder vielmehr auf dem Wasser- spiegel gehen. Je näher wir kamen, desto tiefer sank die Erscheinung, der Höhenunterschied zwischen uns und der Karavane wurde geringer, der Sehwinkel grösser, und als wir ganz nahe kamen , gingen die Kamele wie andere Kamele auf der Erde und die Bischarin und Ababde schlen- derten singend neben her. Diese stete Veränderung der Bilder ist angenehm, so lange man das Bewusstseyn hat, gutes und viel Wasser zu besitzen und nicht darauf hinge- wiesen ist , vergebens nach jenen Flüssen und Seen des Satans schnappen zu müssen. Leider war erstres bereits nni- zum Theil der Fall; denn schon fing unser Wasser in den mit Theer preparirten Schläuchen, am dritten Tage der Sonnenglut ausgesezt, zu stinken an und erregte Ekel*. Man musste die Vorsicht gebrauchen , jederzeit für den Moment die Schläuche zu benützen, die auf der Schatten- seite der Kamele hingen , aber auch in diesen war das Wasser so lauwarm , dass es nicht mehr erquickte , und mit Sehnsucht hofften wir auf den Genuss der Salzlauge * Man bedient sich zum Wassertransport zweier Arten von Schläu- chen : Grosse, aus Rindsleder vcrfertio-t, Pici genannt. Von diesen fasst einer li bis 2 Eimer und zwei bilden eine Kamel ladiing' bei einer wei- tern Reise; ferner kleine, aus Bock- oder Schafbäutcn verfertigt und Girbeli genannt. Von diesen fasst einer 15 bis 20 Mass im Durch- sciniitto und aciit derselben bilden eine gewöhnliciie Kamelladung. Die bessere Art der Schläuche sind die Rei ; doch ist zufälliger Wasserverlust bei einem so grossen Schlauche um so fühlbarer, da er gross ist. 42(5 von Mur hat el Mora , welcher Brunnen aber noch zwei Tag;reisen vor uns lag*. Nur am Morgen konnten wir einen erfrischenden Zug thun. Wir füllten nämlich Abends unsere Pataken oder die Thonkrüge ans Egypten , welche wir noch besassen , mit Wasser und stellten sie ins Freie. Der Nachtwind der Wüste, in Verbindung mit der Ver- dunstung des durch das Gefäss ausschwitzenden Wassers, kühlte jenes, welches zurückblieb, so ab, dass dessen Tem- peratur am Morgen um mehrere Grade tiefer stand, als die der Luft, folglich dasselbe, trotz dem üblen Gerüche, der bei abgekühltem Wasser weniger bemerklich war, sehr erquickte. Am Nachmittag ritten wir 6 Stunden in S. Mehrere grosse Geyer folgten unserer Karavane, hoch aus den Lüf- ten ihr Augenmerk auf uns richtend. Wenn man bedenkt, welche Tendenz eigentlich diese Thiere mit ihrer Anhäng- lichkeit verbinden und dabei die ringsumher auf dem Sande zeistreuten Knochen betrachtet, so kann ihre stete Gegen- wart eben keinen freundlichen Eindruck machen , und wir sandten ihnen, im gerechten Zorne , manche Kugel hinauf, jedoch vergebens, ihre Erwartung war zu gespannt. Im übrigen vertrieben wir uns die Zeit mit Untersuchung der Parasiten auf der Haut unserer Hegins , deren steter Anblick uns ohnediess etwas genirte , sammelten welche von den Würmern , die die Kamele von Zeit zu Zeit aus- warfen und thaten sie in Weingeist, schössen ein paar grosse Raben, die uns mit gleicher Liebe, wie die Geyer, ihre Auf- wartung machten, sahen einige schöne Eidechsen und tödte- ten eine Viper mit plattgedrücktem, dreieckigem Kopfe, die, obwohl nur 18 Zoll lang, doch einen ganzen Jerboa (Spring- hasen) im Bauche hatte, und nahmen unser Nachtlager an einem isolirt auf der weiten Sandfläche stehenden Felsen, dem wir im Scherze den Namen „Gasthof zum Sajidwirth" gaben, wo man zwar äusserst billig, aber entsetzlich schlecht lebt. Mit Untergang der Sonne sahen wir vor uns in S. in blauer Ferne eine hohe Bergkette aus dem Sandraeere auftauchen, die Kette des Dschebel Refft. Am 16. Februar sezten wir unsern Weg über die 427 Sandfläclie fort mnl ritten 4^- Stniuleii in SSO. Die Ebene ist voll von isolirten, kleinen Felsliiigeln, die aus dem Sande emporragten. Lezterer ist grobkörnig*, und bildet einen festen Boden, auf dem die Thiere sehr leicht gehen. Übrigens bemerkt man eine auffallende Menge kleiner Löcher, welche die Wohnungen unzähliger Mänse, Jerboas und Kidechsen bilden, welche diese öde Sandfläche bewohnen und wobei es nur schwer zu begreifen ist, woher dieselben ihre Nah- rung erhalten. Der Himmel war wieder ganz klar, der Morgen kalt, der Wind ging stark aus O., die Hitze war übrigens, selbst in den ersten Nachmittagsstiinden, erträglich, da das Thermometer im Schatten noch nie in diesen Taoen sich auf 20^* Reanm. erhoben hatte. Demungeachtet wur- den nnsere Kamele, die seit unserer Abreise von Korosko kein Wasser bekommen hatten , bereits so matt , dass wir sie öfter mussten ausruhen lassen. Als die Sonne höher gestiegen war, sahen wir wieder, wie gestern, ringsumher Fata morgana. Der böse Geist der Wüste schien heute in unsere Leute gefahren zu seyn. Während wir an einem Felsen ausiuhten, verfiel unser Koch Giovanni in eine förmliche Berserker- wuth gegen einen andern unserer Bedienten, der ihn belei- digt hatte. Seinen Hut vom Kopfe nehmen, ihn in tausend Fetzen zerreissen und mit demselben in der Hand voraus in die Wüste laufen, war das Werk eines Angenblicks, und wir sahen dem Unglücklichen noch verblüfft nach , als ein paar unserer Nnbier, in einiger Entfernung von uns, sich ebenfalls zu zanken anfingen. Nach kurzem Wortwechsel warfen sie ihre Oberkleider ab, zogen ihre grossen Schwerter, deckten sich mit ihren Schildern und schlugen sich mit all der ritterlichen Grazie, die man nur von ein paar Gentlemen erwarten konnte. Noch bevor wir die Rolle der Vermittlung übernehmen konnten, hatte der eine von ihnen bereits einen Hieb in die Schulter erhalten , worauf der Streit sogleich sein Ende nahm. Um nicht weiter Raum zu solchen Auf- tritten zu geben, mnsste die Karavane sogleich ihren Weg fortsetzen. Bald holten wir unsern Koch Giovanni wieder ein , der auf dem Sande lag und heftiges Fieber hatte. 428 Er wurde auf sein Kamel gesezt und unter Aufsicht ge- iiomnien, da wir uns, des drolienden Wassermangels wegen, unter keiner Bedingung verweilen durften. Wir ritten wieder 41 Stunden in SSO. und erreichten die bereits gestern Abend gesehene schöne Kette des Dschebei Refft, eine Reihe von schroffen Porphyr- und Granithergen, die sich aus NO. in SW. erstreclit und deren Kuppen zu 800 bis 1000 Paris. Fuss über die Ebene ansteigen. Die schwarzen , prallen, senkrecht ansteigenden Porphyrwände dieser Berge , die wie eine gewaltige Mauer aus der weiten Sandflräche sich erheben, nehmen sich prachtvoll aus. So weit das Auge reichte, sahen wir die Bergkette in W. fortsetzen , und da wir ihr Ende auch gegen O. hin nicht absehen konnten, sie vielmehr in dieser Richtung noch höher und mächtiger wird, so unterliegt es keinem Zweifel , dass die Bergkette des Dschebei Refft in östlicher Richtung mit dem Gebirge Schigre , woriiber einst Bruce und Burkhardt * wanderten lind das nur 30 Stunden ungefähr seitwärts von unserer Route liegt, im Zusammenhange steht. Die Berge zwischen dem Dschebei Refft und dem Dschebei Schigre, hohe und spitze Formen , führen den Namen Derb el Fokän. Auch gegen W. sezt, den Angaben der uns begleitenden Nubier nach, die Kette des Refft weit fort, und da in dieser Rich- tung der Nil an 60 bis 70 Stunden entfernt liegt und das Zwischenterrain noch nie von einem Europäer durchwandert wurde, so wissen wir zwar über die Fortsetzung dieser Kette bis zu den hohen Gebirgen des Nilthals in Batn el Hadjar und Dar Sukot nichts Bestimmtes, doch ist es höchst wahr- scheinlich, dass diese Fortsetzung wirklich besteht und zwar «m so mehr, da ich von einer Bergkuppe unserer nächsten Station aus Berge in einer Entfernung von 20 bis 30 Stunden gegen W. selbst gesehen habe. Übrigens bildet die Kette des Refft keineswegs einen ununterbrochenen Bergrücken, sondern nur eine Reihe von Berggruppen, die unter sich getrennt und durch zum Theil sehr breite und mit Sand erfüllte Waddis isolirt gestellt sind. Wir ritten zwischen '•' BuRKHAKDT, Rciseii in Nubien. S. 266. Bruce, Reise zu den Quellen des Nils. IV, 562. 429 den Berten des Refft eine Stunde in siidlirlier Richtnno;-, wendeten uns dann westlich in eine enge Schlucht und la«»ei- ten an einer Stelle , welche den Namen Taläh el Goendi führt und wo einst OsMAN-ßey mit seinen Truppen gelai>ert hatte, als er dieselben e;eo;en Sennaar und Kordofan führte. Hohe Porphyrfelsen timgaben unser Lager, einzelne und uralte Mimosen stehen im Thale, und viele im Sande zer- streute Menschenknochen beweisen, dass hier bereits so Man- cher seine lezte Ruhe hielt und Erlösung von den Leiden der Wüstenreise fand *. Pruckner erkrankte Abends an Kolik, Giovanni lag am Fieber darnieder. Wir waren von Korosko 37 Stunden entfernt, ringsherum wasserlose Wüste, und die einzige Labung, die wir unsern Kranken bieten Jionnten , geistige Getränke, Kaffe etc., wären in diesem Klima für sie tödtlich gewesen, war das warme, ekelhafte, stinkende Wasser, das sich noch in einigen unserer Schläuche fand. Es war unsere erste Wüstenreise und jezt erst lernten wir den hohen Werth einer weisen Wasserökonomie ein- sehen. Wie gewöhnlich hatten die Araber und Nubier, um ihre Kamele nicht zu sehr zu belasten , einen Theil ihrer Schläuche nicht gefüllt , sondern rechneten auf den Inhalt der unsrigen. Ein grosser Theil von unsern Schläu- chen war überdiess schlecht und es ging eine Menge Wasser verloren, kam ferner einer unserer Begleiter, z. B. in der Nacht, um Wasser aus einem Schlauche zu stehlen, so Hess er oft, in der Furcht, ertappt zu werden, den Schlauch offen und der ganze Rest ging verloren. Ausserdem ist der Trinkbedarf bei einer Wüstenreise, der Hitze und Anstren- gung wegen, ausserordentlich gross, und man kann mit dem Bedarf zum Kochen immerhin vier Mass auf einen Menschen täglich wenigstens rechnen. So kam es, dass wir, obwohl in Korosko 15 Kamele mit Wasser beladen wurden , nur ganz wenig mehr davon übrig hatten, und dieser Rest war kaum mehr trinkbar. Hätten wir die Brunnen von Mur hat el Mora, unsere morgige Station, trocken gefunden, was sich manches Jahr um diese Zeit ereignen soll, so wäre * Im Jahr 1836 ging liier ein Transport von 13 Soldaten wegen Ermattung nnd Wassermangel zu Grunde. 430 unsere Lage fürchterlich gewesen ; denn die geringste Ent- fernung von dieser Station vom Nile, die in der Richtung nach Korosko, beträgt 44 Stunden *. Ich verbot daher den Gebrauch des Wassers zum Waschen des Gesichts und der Hände, eine neue Annehmh'chkeit der Wüste, und stellte die Vcrtheilung der Wasser-Rationen unter Aufsicht. In den Gebirgen zwischen Taläh el Goendi und Mur hat el Mora beiinden sich zwar mehrere Stellen, wo in der Regenzeit und einige Zeit nach derselben sich Wasser in Felsenspalten und natürlichen Bassins findet, z. B. zu Kept und Medine westlich und zu Om-risch und Sufir östlich von unserer Route **, aber gegenwärtig waren alle diese Brunnen trocken und zwar um so gewisser, da es in diesem Theile der Wüste, den Angaben unserer Führer zu Folge, seit vier Jahren favSt gar nicht geregnet haben soll. Am 17. Februar war die Luft des Älorgens , obwohl das Thermometer + lO*^* Reaum. zeigte, empfindlich kalt, und unsere Nubier fror so, dass ihnen die Zähne klapperten. Unsere Kranken hatten sich durch das energische und kennt- nissvolle Einschreiten unseres Freundes, Dr. Veit, so ge- bessert, dass wir die Reise ungehindert fortsetzen konnten. Wir ritten zwischen den Bergen des Dschebel Refft noch eine Stunde in südlicher Richtung und betraten wieder eine weite Sandfläche, ein grosses Waddi, welches die Kette des Refft von der bei Mur hat el Mora trennt. In 4^ Stun- den hatten wir diese mit kleinen, isolirten und kegelförmigen Felshügeln wie besäete Ebene der öuere nach durchritten '' Bei linsern spätem Wüstenreisen wurden jederzeit die Führer und Kameltreiber gezwungen , ihre Schläuche zu füllen, und es wurde ihnen vor Antritt der Reise bekannt gemacht, dass Keiner und unter keiner Bedingung (was freilich manchmal eine Ausnahme finden musste) von unserm Wasser etwas erhält. Unser Wasserbedarf bildete hinsicht- lirh des Transportes eine eigene Abtheihing der Karavane. mit eigener Eskorte und unter Aufsicht eines unserer Bedienten. Zu gewissen Zeiten des Tages wurde Wasser gereicht, und zum Empfange desselben hatte Jeder seinen kleinen Schlauch (Semsamie) hinter sich auf dem Kamele. Ausser dieser Zeit durfte kein Schlauch im Transporte geöffnet werden. Des Nachts wurden die Schläuche strenge bewacht. ** Man sehe meine Karte von Nubien. 431 und st.anden nun vor der zweiten Porphyrkette, vor der von Mur hat el Mora. Sie streicht, wie die ersteie, ans ^'O. in SW. , vereint sich wahrscheinlich in östlicher Richtuiio' ebenfalls mit dem Gebirosstocke des Dschehel Schiore und sezt in westlicher Richtung; sichtbar so weit fort, als das Ange reicht, daher auch sie wahrscheinlich, wie die Kette des Dschebel RefFt, bis in die Nähe des Nilthals fortsetzen dürfte. Zwei Stunden bevor wir die Porphyrkette von Mnr hat el Mora erreichten, trafen wir auf der Sandebene, welche diese Kette von der des Dschebel RefFt trennt, eine Stelle, die ganz das Ansehen einer Oase hat. Düries Gras und Strauchwerk bedeckt den Boden, und ein Waldstreifen von Palmen, die recht frisch und gesund aussahen, gewährte inmitten der Wüste einen reizenden Anblick. Der Boden scheint hier eine Depression zu bilden, die das Ansammein der atmosphärischen Niederschläge in der Vertiefung und auch das Aufsteigen von Grundwassern begünstigt, wenn an- ders sich solche hier befinden, wodurch die Pflanzen sich am Leben erhalten und wodurch es auch vielleicht möglich viäre, hier durch Brunnengrabung Wasser zu treffen. Den Angaben unserer Führer zufolge ist hier, wenn es regnet, in wenigen Ta- gen Alles grün und dann finden sich auch sogleich Bischarin mit ihren Heerden ein , um die Weide zu benützen. Man nennt diese Stelle „Dilet el Dom" (der Schatten der Dompalmen), ob aber diese Palmen auch wirklich Dompalmen sind, ist eine andere Frage, indem sie, in der Nähe betrachtet, wesent- liche Verschiedenheiten zeigen. Der Stamm der Dompalme hat Aste, der Stamm dieser Palme aber nicht, er ist viel- mehr dem der Dattelpalme ähnlich und alle Blätter sind in einer einzigen Krone vereint. Die Blätter sind an den langen, holzigen Stengeln fächerförmig, wie bei der Dompalme, grup- pirt, die Fächer aber sind nicht, wie bei lezterer, nach einer Seite hingebogen, sondern gerade wie bei Chamerops hurai- lis. Die reifen Früchte sind wie Pflaumen gestaltet, von schwarzbrauner Farbe, von der Grösse der Wallnüsse, kurz kleiner und auch anders geformt, als die der Dompalme. Von einer Verwechslung dieser Palme mit Chamerops oder 4;i2 mit der erst im 13. Grad der Breite erscheinenden maje- stätischen Delebbpahiie kann keine Rede seyn. Kotschy sammelte Früchte und Blätter dieser vielleicht neuen Pal- menart. Unter den Palmen von Dilet el Dom trieben wir einige Gazellen auf und wir hatten über den Anblick dieser lieben Thiere, mitten im Grauen der Wüste, eine solche Freude, dass wir vergassen , auf sie Jagd zu machen , obwohl wir unter den dualen des allerstrengsten Fastengebotes schmach- teten und auf Reis und Bohnen , mit stinkendem Wasser gekocht, reducirt waren *. Nachdem wir zwischen den Porphyrbergen eine Stunde in OSO. geritten waren , langten wir bei den Brunnen von Mur hat el Mora an, die in einem weiten Kesselthale, von Porphyrbergen umschlossen, liegen, welche 100 bis 300 Fuss über die Tiialebene emporragen. Sie sind die einzigen Brunnen auf der ganzen 83 Karavanenstunden ** langen Strecke zwischen Korosko und Abu-Hammed, auf deren * Nach HosKiN, Iravels in Ethiopia, S. 23, sollen sich drei Stunden östlich von Dilet el Dom , also im Gebirgszuge von Mur hat el Mora, Spuren von ausgebeuteten Goldniinen (appearances of exhausted gold niines), von Wohnungen der alten Bergleute und Reste von den Erzen, die sie verarbeiteten, finden. Ob dem so ist , kann ich nicht behaupten, wenigstens von meinen Leuten konnte mir Niemand etwfts darüber sagen. Dass übrigens diese Route schon in den ältesten Zeiten und zwar viel mehr als jezt passiit wurde , beweisen die Merkmale von künstlicher Erweiterung des Weges zwischen den Porphyrbergen von Mur hat el Mora und der Umstand, dass Hoskins (S. 23 und 24) an den Felsen, in der Umgebung der Brunnen, hieroglyphische Inschriften entdeckte. "" Der Breitenunter.schied zwischen Korosko und Abu-Uammed be- trägt nahe 3** 10' oder 47,5 geographische Meilen = 95 Stunden (15 Aleilen auf einen Grad des Äquators gerechnet). Nehme ich im Gegen- halte 24 Karavanenstunden = 1" des Äquators, Avie bei Konstruirung meiner Karte von Nubien geschah , so berechnet sich die Distanz von 83 Stunden zu ungefähr 52 geogr. Meilen = 104 Stunden. Die geringe Differenz von 4,5 geogr. Meilen erklärt sich durch die Abweichung der wirklichen Reiseroute, von der geraden Richtung eines oder des andern Meridians der beiden Endpunkte. Reducirt man daher die Länge der Reiseroute auf die Meridianlinie, mit welcher sie einen Winkel von nahe 15" einschliesst, so stimmt der durch die Route sich ergebende Breiten- Unterschied mit dem astronomi.^'ch ausgemittelten fast ganz genau. 4:j3 Hülfe man ausserderReg^enzeit mit einiger Sicherheit rechnen kann. Sie sind in den lezten fnnf Jahren nie versiegt, ob- wohl es dnrch vier Jahre, wie bereits erwähnt, fast nie geregnet hat. Das Wasser findet sich oberhalb einer Lage von Thon, ungefähr 10 Fuss tief unmittelbar unter dem Sande, der das Thal erfüllt, sie bestehen daher auch nur in blossen Gruben und enthalten ein warmes , stark mit Thontheilchen gemengtes, folglich trübes, eisenhaltiges und salzig bitteres Wasser. Vier solcher Gruben waren zum Gebrauche offen, aber niu- eine enthielt ein für Menschen trinkbaies Wasser. Das der übrigen Gruben war für uns schlechterdings nicht geniessbar und man tränkte damit die Kamele, die seit fünf Tagen keinen Tropfen Wasser be- kommen hatten und diese Lauge begierig sofen. Nach diesem badeten sich unsere Nubier in den Brunnen. Nach einer vorgenommenen qualitativen analytischen Untersuchung dieses Wassers * enthält dasselbe salzsaure und schwefel- saure Natron-, Kalk-, Kali- und Thonerdesalze mit Spuren von Eisenoxyd, folglich ist es natürlich, dass es auf Men- schen , die an den Genuss desselben nicht gewöhnt sind, eine purgirende Wirkung äussert und Koliken verursacht. Am Tage unserer Abreise, am 18. Februar, Morgens 7^ Uhr, zeigte das Wasser des Brunnens, woraus unsere Schläuche gefüllt wurden, bei einer Lufttemperatur von 13*^ Reaum. eine Temperatur von 14^ Reaum., welche wir ungefähr als die niederste desselben zu dieser Jahreszeit annehmen können. An den Brunnen haben sich einige Bischarinfamilien angesiedelt, die daselbst von Seiten der egyptischen Verwal- tung mit der Aufrechterhaltung der Brunnen beauftragt sind und die Pflicht auf sich haben , die gefallenen Kamele zu scheeren und die Haare als Tribut einzuliefern. Ihren Unter- halt finden sie in den freiwilligen Gaben der Karavanen, die meist in Lebensmitteln bestehen und ihnen als Erkennt- lichkeit für das erhaltene Wasser geschenkt werden. Bleiben daher die grösseren Karavanenzüge zufällig längere Zeit * Durch Hrn. Löwe. Da mehrere von mir gefüllte Flaschen beim Transporte zerbrachen, so war die Wassermenge zu einer quantitativen Analyse zu gering. RuKsegger, Reiisen. U. Bd. I. ThI. 28 434 ans, so leiden diese Menschen oft furchtbare Noth, und sie kommen manchmal in die Lage, sich mit den Geyern in die g-efallenen Kamele zu theilen und das Aas dieser Thiere zu verzehren. Ihr Stamm nomadisirt weit im Siiden am Atbara und sie sind bei all ihrer Armuth auch noch genöthigt, einen kleinen Geldbetrag des Almosens, das sie von den Karavanen erhalten, an das Oberhaupt ihres Stammes zu verabfolgen. Die Bischarin wohnen an den Brunnen in Zelten von Strohmatten, deren Eingang so nieder ist, dass man fast nur auf allen Vieren eintreten kann. Von Innen sind diese Zelte sehr reinlich gehalten und der Boden ist mit Matten belegt. Die Farbe dieser Leute ist die «iner dunklen Bronze. Bis auf ein grosses Tuch , welches sie um den Leib schlingen und damit die Schamtheile bedecken, gehen beide Geschlech- ter nackt. Ist die Luft rauh, wie es in der Wüste, beson- ders am Morgen, häufig der Fall ist, so dient dieses Tuch als Hemd, ist es hingegen sehr heiss, oder arbeitet der ßi- schari, so wirft er es ganz weg, oder bindet es sich als Turban um den Kopf. Die Bischarin der Wüste schneiden ihre schwarzen, grausen Haare nicht ab, sondern lassen sie entweder frei um den Kopf herumhängen, oder theilen sie in zwei Partien, wovon die vordere, an der Stirne, in einem dicken Schöpfe gerade aufsteht, die hintere aber auf den Nacken herab hängt, was ihnen ein vollendet wildes Ansehen gibt. Die Frauen und Mädchen schmieren ihre Haare stark mit Butter und flechten sie in unzählige kleine Zöpfchen, die sie frei herabhängen lassen und nach Um- ständen mit Glaskorallen und Bernsteinkügelchen, und zwar keineswegs ohne Geschmack, verzieren. Die Bischarin am Brunnen Avaren mittlerer Grösse, schön gebaut, aber nicht nervig. Sie sprachen, nebst ihrer eigenen Sprache, fertig arabisch. Wie alle ihres Volkes, bekennen sie sich zum Muhamedanismus, mit dessen Vorschritten sie es aber nicht sehr genau zu nehmen scheinen. Die Frauen und Mädchen der Bischarin sollen, nach Burkhardt, an Schön- heit den Abessinierinnen nicht nachstehen und erscheint Recht zu haben; denn als wir uns in den Zelten an den Brunnen umsahen, wurden wir überrascht, in dem Zelte des Schechs 435 Hieser kleinen Niederlassnnjj ein Mädchen von etwa zwölf Jahren zu finden, das, im heissen Süden schnell anf^ehlüht, eine Vollendung; der Körperforni zeig^te, die ideal «genannt werden konnte. Dabei war ihr Gesicht schön, ihr dunkles Auge sprechend, ihr Benehmen züchtig*. Sie hatte weder Nase noch Ohren durchbohrt, wie erstres die Weiber und lezteres die Männer dieses Volkes thun, um diese Theile mit metallenen Ringen zu zieren. Anstatt des Tuches um den Leib, trug- sie den Rahäd, einen ledernen Gürtel mit herabhängfenden Franzen und Quasten, die bis zur Mitte der Schenkel reichen und die Stelle des Feigenblattes ver- treten *. Nachdem die Bischarin mit Lebensmitteln reichlich be- schenkt und alle unsere Schläuche mit der garstigen Lauge von Mur hat el Mora gefüllt waren, auch die Kamele auf neue vier Tage vorgetrunken hatten, brachen wir am 18. Februar Vormittags wieder auf. Der Weg führte uns eine Stunde lang in südlicher Richtung durch ein Thal, rechts und links von steilen Felswänden eingeschlossen. An dessen Ausgange gelangten wir wieder auf eine grosse Sandebene, welche mit kleinen , isolirten Felshügeln wie besäet ist. Obwohl diese Sandebene eine Breite von 10 Karavanen- stunden hat, so sahen wir doch die schön geformten Berge des Abu Seacha, der dritten Porphyrkette auf unserer Route von Korosko, klar und deutlich vor uns. In südwestlicher Richtung entdeckten wir zugleich den Dschebei Älandura, und östlich, in weiter Ferne, die hohen Spitzen des Gab- kava, durchgehens isolirte Berggruppen im Sandraeere, jezt noch das, was sie einst waren, nämlich Inseln, nur mit dem Unterschiede, dass sich einst die Meeresbrandung an ihren Felsen brach, jezt aber der heisse Sand der Wüste sie umgibt. Heute, da es Windstille war, fühlten wir die * Der Raliäd wird, besonders von den Mädchen, bei allen Völkern des südlichen Nubiens und bei vielen Negervölkern allgemein getragen. Er ist das einzige Kleidungsstück am Körper in der Hütte oder im Zelte, und grösstentheils auch ausserhalb derselben. Eine vorne angehängte Cyprea (Porzellanschnecke) dient als Zeichen der Jungfrausthaft. Abbil- dungen von Rahäds in Caiixiaud's Atlas Vol. II, Tafel 57, Fig. 14 und 15, 28* 4:^0 Sonnenhitze melii*, als es noch bisher anf unserer Wüsten- reise der Fall war. Das Thermometer stieg- Nachmittags 1 Uhr im Schatten auf nahe an 30® Reaum. und die Tem- peratur des Sandes war zu derselben Zeit 36,2" Reaum. Schon zeigten sich die üblen Folgen vom Genüsse des schlech- ten, salzigen Wassers. Die meisten meiner europäischen Begleiter bekamen Diarrhöe, und ich, der mit diesem Übel verschont blieb, bekam von Zeit zu Zeit Üblichkeiten, so dass ich mich oft nur mit Anstrengung im Sattel halten konnte. Dabei waren wir alle von einem furchtbaren Durste geplagt. Wir ritten sieben Stunden lang über die trostlose Sand- ebene, umgeben von den Tantalusbildern der Fata Morgana. Voran schritt Ali, der Bediente des Schech Hussein und nach orientalischer Sitte sein Vertrauter, ein guter Kerl, der mich aber durch die Kriegslieder, die er fortwährend in einer weinerlichen und höchst monotonen Arie sang, fast nervös machte. Der Gegenstand seiner Poesien waren die Helden- thaten IßRAHiM-Pascha's , und da er im Vortrage wie rasend gestikulirte, so fand er bei unsern Arabern und Nubiern den höchsten Beifall. Ali hatte zugleich die Oberaufsicht über die beiden Barometer, die beständig, so lange ich in jenen Ländern reiste, getragen wurden. Zu diesem Geschäfte waren fortwährend ein paar Mann bestimmt, die sich ablösten. Für die Mühe erhielt jeder täglich einen Piaster, und da wir ihnen sagten, dass es Talismane seyen, die, wenn sie zer- brochen oder auch nur umgedreht würden, alles Unheil über uns bringen könnten, so hatten sie davor einen gewaltigen Respekt. Es war gerade Zeit zum Ablösen des einen Ba- rometerträgers. Ali befahl einem Ababde, das Instrument zu übernehmen, dieser weigerte sich, und da Ali weiter in ihn drang, zog er das Schwert und wollte nach jenem hauen. Zum Glücke war ich gerade in der Nähe. Ohne mich wei- ter zu bedenken 5 hieb ich den Ababde mit der Reitpeitsche über die Schulter und drohte mit vorgehaltener Pistole, ihn sogleich niederzuschiessen , wenn er es wagen würde, den Ali zu verletzen. Dieses argumentum ad homiuem verfehlte seine Wirkung nicht, der Ababde steckte sein Schwert ein , nahm den Barometer und wurde später einer der 437 verlässlichsten und g^iitwillig^sten Träger dieses Talismans. Wir nahmen unser Nacliflager auf dem Sande der Ebene, und sclion gewohnt, das herrliche Sternenzelt als unser aller Dach anzusehen , winde Abends kein Zelt gemacht. Am Morgen des 19. Februar ritten wir noch drei Stun- den über die Ebene in SSO., bis wir den Dschebel Kopp, die Vorberge des Abu Seacha, erreichten. Heute, wie nun jeden Tag, sahen wir wieder Fata Morgana. Sie begann jeder- zeit um !J bis 10 Uhr Morgens und dauerte bis 3 und 4 Uhr Abends, Durch ein schönes mit vielen Mimosen bewachsenes Thal traten wir in die Forphyrberge des Abu Seacha ein. Das- selbe erstreckt sich zwischen diesen zwei Stunden lang bis zum südlichen Gehänge der Bergkette und durchschneidet also diese ihrer ganzen Breite nach. Wir trafen in dem Waddi viele Ga- zellen und grössere Antilopen, konnten aber keine zu Schusse bekommen. Den vielen Spuren und der Losung nach, die rings- um den Boden bedeckt und einen starken Moschusgeruch ent- wickelt, müssen sich diese Thiere hier in grosser Menge tindeu. Da sie jedoch häufig bei Gelegenheit der durchziehenden Ka- ravanen gejagt werden, so sind sie ungewöhnlich scheu*. Die Bergkette des Dschebel Abu Seacha streicht aus Ost in West, scheint aber bei weitem die geringere Längen- ausdehnung zu haben, als die Bergkette des Refft und die von Mur hat el Mora. Die Kuppen steigen, meiner Schätzung nach, zu 800 Fuss über die Ebene der Wüste empor, doch muss ich hier bemerken, dass ich für die genaue Richtig- keit dieser Angabe keineswegs Bürge bin. Selbst Gebirgs- * HosKiNs in seinen travels in Efhiopia etc. S. 28 erwähnt des Abu Seacha, den er Absah nennt, und sagt: zwei Stunden östlich der Kara- vanenroute befinden sich Spuren von Goldminen und Reste von Wohnun- gen, wie bei Diiet el Dum. Hier aber scheinen die Wohnungen nicht sehr alt zu seyn. Auch sollen sich Brunnen dort finden, die aber um diese Zeit trocken liegen. Im Weitern erwähnt Hoskins, dass ein gewis- ser BoNOMi diesen Platz besucht, und gefunden habe, dass die Gruben so ausgebeutet seyen, dass sich eine fernere Bearbeitung nicht mehr zah- len würde. Die Richtigkeit dieses Befundes lasse ich dahingestellt und erwähne nur zu meinem Bedauern, dass ich bei meiner Reise durch die Wüste in gar keiner Kenntniss dieser Saiiie war und dass ich sie zum l^rstcnmale aus Hoskins Reisewerk erfuhr. 438 länder, in den Alpen aufgewachsen und durch viele Höheii- inessung'en geübt, hat zwar mein Auge in nördlichem Breiten einen sehr richtigen Massstab zur Schätzung von Berghöhen besessen , jedoch die klare und reine Atmosphäre der Wüste, die strahlende, intensive Beleuchtung der Gegenstände ge- ben anfänglich in Tropenländern häufigen Täuschungen llaum, nnd meistens erscheinen Gebirge , aus einiger Entfernung gesehen, näher liegend und höher, als sie wirklich sind. Später wurde mein Auge auch im hohen Süden daran ge- wöhnt und meinen spätem Höhenschätzungen, in Ermanglung einer wirklichen Messung, traue ich daher weit mehr Ver- lässlichkeit zu, als den gegenwärtigen. Als wir die Kette des Abu Seächa passirt hatten und an seinem südlichen Gehänge unsere Thiere ausruhen Hessen, sahen wir wieder eine drei bis vier Stunden breite Sand- ebene vor uns, und jenseits derselben erbeben sich die kühn gebauten Bergspitzen des Adrauebb. Es ist diess die vierte Bergkette, oder eigentlich ßerggruppe, von Bedeutung, die wir auf unserem Wege von Korosko hieher trafen. Sie er- streckt sich aus Ost in West, hat fast dieselbe Ausdehnung wie der Abu Seächa, besteht aber aus Porphyr und Syenit, und hat nicht nur bedeutend schönere , ausdrucksvollere, schärfere Bergformen, sondern auch die höhern Kuppen, in- dem einige derselben wohl zu mehr als 1000 Fuss über die Ebene ansteigen dürften und die höchsten sind, die wir nächst denen des Gabkava in der nubischen Wüste noch bisher ge- sehen hatten. In einem engen , fast drei Stunden langen Thale durchritten wir die Bergkette des Adrauebb und lager- ten uns am Abende an seinem südlichen Gehänge. Wir sahen vom Lager aus in Ost den Dschebel Magel, und vor uns erhoben sich aus der weiten Sandebene die drei herrlichen Kegelspitzen des Gereibaad *, deren Scheitel im Abendrothe glühten. Am 20. Februar brachen wir früh am Morgen auf und ritten 4 Stunden in SSO. bis zu dem ganz isolirt stehenden Dschebel Gereibaad , wo wir ruhten. Am heutigen Tage *' Wegen seinen drei Spitzen von den Aiabeiii auch der „Dsche- bel talati Gereibaad'' genannt. 439 sollten wir die Strapazen der Wüste näher kennen lernen, als es bisher der Fall war. Die Hitze hatte, seitdem wir Mur hat el Mora verliessen , bedeutend zuj>enonimcn und um Mittag stand heute das Thermometer auf 30*^ Ilcaum. im freien Schatten. Der Wind ging heiss, als käme er aus einem Ofen und dabei war das Sonnenlicht, welches der gelbe Sand der Wüste reflektirte, so grell, dass es uns vor den Augen flimmerte. Schon am Morgen fielen uns fünf Ka- mele um , von denen zwei augenblicklich starben. Unsere Leute ermatteten und wir konnten sie nur mit Mühe so zu- sammenhalten, dass uns keiner derselben zurückblieb. Hitze und Anstrengung verursachten uns einen brennenden Durst und mit Begierde würden wir in einem fort getrunken haben, aber das Wasser in unsern Schläuchen war zum Entsetzen ekelhaft geworden. Von vorne herein trübe, salzig und warm, hatte es, in den Schläuchen durch den ganzen Tag der Sonne ausgesezt, einen fauligen Geruch angenommen, der uns nach jedem Schlucke, zu dem man ohnediess eini- gen Muthes bedurfte, eine solche Neigung zum Erbrechen verursachte, dass wir nur schnell jederzeit einen Schluck Rum mussten folgen lassen, der uns aber andrerseits wieder zu stark erhizte. Alle litten wir durch den Genuss dieses Wassers an Kolikschmerzen , alle Mischung mit anderen Flüssigkeiten, mit Essig, Rum, Wein und dergleichen war vergebens, ja es wurde vielmehr durch sie dieses Wasser noch untrinkbarer. INur eine starke Punschessenz, von der wir jedoch nur ein paar Flaschen besassen , milderte in et- was den Übeln Geschmack. Filtration machte zwar das schwarze, dickschlammige Wasser etwas klarer, der Geruch aber blieb, weil die faule thierische Substanz, die aus den Schläuchen in das Wasser übergetreten war, mit durch das Filtrum ging. Vom Dschebel el Gereibaad ritten wir wieder 4| Stun- den in SO. über die weite Sandfläche, auf der uns die Fata Morgana ungemein lästig fiel. Plötzlich sahen wir am Ho- rizonte eine Reihe von Reitern erscheinen. Das Begegnen von Menschen hat in der lautlosen, weiten Wüste immer etwas eigenthüuilich Befremdendes. Der erste auftauchende 440 Gedanke ist jederzeit der, einen Feind vor sich zu sehen, und die nöthige Anstalt znr Verthcidigung ist die nächste und vernünftigste Folge desselben. Wir übergaben die Kamele unsern Bedienten und Nnbiern und ritten mit unseren Füh- rern rasch den Kommenden entgegen. Als wir uns densel- ben näherten, sahen wir, dass es sich hier um keinen Feind handle; denn es war die Karavane einer Frau des CHURSCHiD-Pascha von Chardum und ihres Sohnes, der nach Kairo zu seiner weitern Ausbildung ging, wohin ihn seine Mutter begleitete. Die Dame sass in dem gewöhnlichen, hühnersteigenartigen Reisekäfig der orientalischen Frauen, durch seidene Vorhänge dem neugierigen Blicke entzogen. Wir sprachen einige Zeit mit ihrem Sohne* und den ihn be- gleitenden Offizieren und sezten unsern Weg weiter fort. Der Schwäche unserer Thiere und Kameltreiber wegen, welche leztere seit der verflossenen Nacht gar kein Wasser mehr bekommen hatten, eine Folge ihrer schlechten Wirth- schaft, mussten wir neuerdings ausruhen. Noch waren wir von Abu Hammed, also vom Nile, an 13 bis 14 Karavanen- stunden entfernt und es war sicher voraus zu sehen, dass noch ein Marsch in der Hitze des Tages uns nicht nur einen bedeutenden Verlust an Kamelen zuziehen würde, sondern wohl auch traurigere Folgen haben könnte. Nach einer Be- rathung mit unseren Führern iiess ich daher, mit Ausnahme einer kleinen Quantität zu unserm dringendsten Bedarfe, den ganzen Wasservorrath unter unsere Nnbier vertheilen, die mit Jubel darüber herfielen und mit Begierde die abscheu- liche Jauche tranken. Sodann trennte ich die Karavane, hiess die Lastthiere mit dem ganzen Trosse und in Beglei- tung einiger Führer die ganze Nacht durch bis Abu Ham- med ziehen , daselbst das beste Kamel mit frischem Was- ser des Nils beladen und schnell mit selben in die Wüste zurück uns entgegen kommen. Wir übrige mit Schech Hussein ritten noch langsam bis Mitternacht vorwärts und * Im Jahre 1840 wurde ich im Salon des Mr. Jomard zu ParLs von einem jungen Manne arabis« li angesprochen. Es war derselbe Sohn CnuRSCHiD-Pascha's, dessen Bekanntschaft ich drei Jahre früher in der Wüste von Niibien im Angesichte des dreispitzigen Geieibaads gemacht halte. 441 streckten uns dann erschöpft auf den Sand hin. Die Nacht war kühl, das Thermometer stand g;leich nach llntero^ang der Sonne auf M'^ Reanm., zeif;te also gegen die Tempe- ratur Mittags eine Differenz von J6^ Reaum. Der Untergang der Sonnenscheibe am Horizonte, von dem Momente der Berührung des untersten Randes bis zum Verschwinden des obersten, dauerte volle 7 Minuten. Die Kühle der Nacht liess uns zwar schlafen, wir wurden aber von fürchterliclien Träumen gepeinigt. Wir standen an den krystallenen Quellen unserer heimathlichen Alpenthäler, tranken den Göttertrank, tranken in einem fort, der Durst aber blieb brennend wie zuvor, und wenn wir erwachten, lag die Hand auf dem Sande der Wüste. Wir wollten zu unserer Lauge Zuflucht neh- men, es war nicht möglich, die Natur sträubte sich und wir bekamen Neigung zum Erbrechen , wenn wir den Schlauch nur ansahen. Es war eine wahre Höllennacht ! — Am 21. Febr. sassen wir mit Sonnenaufgang wieder auf, tranken mit Schandern unsern Mokka, der mit dem stinken- den Wasser gekocht war, und wie eine garstige Arznei schmeckte, erquickten uns mit etwas hartem ßiscuit, das jeder auf dem Sattelknopfe seines Hegins zerschlug, und ritten vorwärts. Wir zogen sechs Stunden in SO. , die Hitze war dieselbe, wie gestern, doch war sie uns weit empfind- licher. Wir fanden auf dem Wege drei unserer Kamele der vorangegangenen Karavane, die in der Nacht gefallen wa- ren. Der Durst quälte uns auf eine furchtbare Weise, ei- nige meiner Gefährten wurden sehr unwohl, auch mich be- fielen Üblichkeiten. Wir versuchten Wein zu trinken, doch er vermehrte den Durst und machte uns heftigen Kopf- schmerz. Schon entschloss ich mich um Mittag, ganz er- schöpft, wieder zu der garstigen Lauge meine Zuflucht zu nehmen, jedoch der blosse Gedanke erregte Ekel. Da ent- deckte der Schech Hussein am fernen Horizonte der Sand- ebene einen schwarzen Punkt, und bald erkannte das scharfe Auge des Nubiers denselben für ein beladenes Kamel. Das war ein Jubel. Lust zum Leben und froher Lebensmuth waren auf einmal in unsere Herzen wieder zurückgekehrt, wir fühlten uns stark, und was unsere Hegins sich nur 442 strecken konnten, ritten wir dem Kamel entgegen. Hussein hatte Recht gesehen, es war einer unserer Leute, der uns eine ganze Kamelladung frisches Nilwasser brachte. Wir sprangen von unseren Thieren , öffneten die Schläuche und tranken zum Zerplatzen, ohne zu bedenken, das uns das schaden könnte. Wenn es das Leben gegolten hätte, glaube ich, würde man uns nicht haben zurückhalten können. Es war eine Götterwonne! War auch das Nilwasser trübe und lau, gegen unsere Schlauchjauche war es ein Nektar, uud nie in meinem Leben hat mir ein Trunk besser ge- schmeckt. Wir ritten nun in scharfem Trabe nach SSO. vorwärts. Nach einer Stunde entdeckten wir Palmen, bald darauf sa- hen wir den majestätischen Strom wieder, den wir mit einem lauten Hurrah! begrüssten, und um 4 Uhr Abends laugten wir in dem heiss ersehnten Abu Hammed an. Eine Wüstenreise von bedeutender Ausdehnung hat in mehrfacher Beziehung Ähnlichkeit mit einer weitern See- reise. Ohne Vorbereitung, ohne eine Reihe von üebergän- gen sieht sich der Reisende plötzlich in ein anderes Land versezt. Er sieht neue Völker, neue Sitten, neue Pflanzen, neue Thiere. Die Zwischenzeit wird zum Traume und alle Leiden sind verschmerzt und vergessen im Genüsse der Gegenwart, nur die Erinnerung an das Schöne bleibt ewig jung. — Abu Hammed im südlichen Nubien, im Lande Robatat, liegt am rechten Ufer des Nils und an dem Punkte, wo dieser Strom auf seinem Laufe nach Norden an dem Fels- terrain der nubischen Wüste ein Hinderniss fand, das er nicht zu durchbrechen vermochte, er kehrt daher um und fliesst durch mehr als anderthalb Breitengrade in südlicher Richtung zurück und verfolgt seine nach Norden weisende Bestimmung, konstant, erst von Dongola aus. An dem Wen- dungspunkte des Stromes liegt in demselben die grosse, eine starke Tagreise lange Insel Mograt, besezt mit einigen Dörfern, bebaut und mit einer tropischen Vegetation be- deckt, welche gegen die öde Sandwüste des rechten Nil- ufers seltsam absticht. 44» Wie Korosko am Nordende der Kar.avanenroute dnrch die g^rosse nubische Wiiste als Stapelplatz, Ein- und Äns- bnichsstation zu betrachten ist , so ist es derselbe Fall mit Abu Hammed am andern Ende. Dasselbe hat daher in mer- kantiler und besonders militärischer Beziehung dieselbe Bedeutung;, in seiner innern Beschaffenheit aber g;ewährt es, wenn möglich, einen noch elendern Anblick; denn ei- iiijre Lehmhiitten und einige Mattenzelte, von Bischarin bewohnt, die sich fast das ganze Jahr hindurch hier auf- halten, sind alles, was der VeiHiehr des Sudans mit Egyp- ten auf dem g;elben Sande daselbst bisher hervorzauberte. Die übrigen ansässig^en Bewohner von Abu Hammed und der Insel ]>Ioo;rat sind Ababde und Robatat*, Eing-eborne des Landes Robatat und Abkömmlinge der aus Hedjas und Jemen eingewanderten Araber. Wir schlugen unsere Zelte am Ufer auf, Küche, Kanz- lei, Observatorium, kurz die Werkstätte körperlicher und gei- stiger Nahrung, verlegten wir aber, grösserer Kühle wegen, in die verlassene Lehmhütte eines Schechs. Die Karavane hatte der Ruhe sehr nöthig und Menschen wie Thiere wa- ren angegriffen durch den Ritt durch die nubische Wüste. Wir blieben daher zwei Tage in Abu Hammed. Während dieser Zeit beschäftigten wir uns theils mit physikalischen Beobachtungen, über deren Resultat ich im nächsten Ab- schnitte sprechen werde, theils mit der Jagd. Die Zahl der Einwohner der Insel Mograt dürfte kaum über 300 betragen. Da die tropischen Regen nur selten bis zu dieser Breite (19^ 28') vordringen und oft mehrere Jahre hindurch ganz ausbleiben, die Ufer der Insel stellenweise hoch sind und ein niederer Felsrücken sie mitten durchzieht, folglich auf eine Überschwemmung ihres Kulturbodens nicht * Sehr häufig trifft man in ganz Nubien Mischlinge der Araber mit den acht nubischen Stammvölkern altelhiopischen Ursprungs, an denen eigentlich sowohl der ethiopische, als der arabische Grundtypus verloren ging und die Mischung eine neue schöne Race zu Folge hafte, die man oft als „Araber" bezeichnet, was sie aber, meiner Ansicht nach, eigent- lich denn doch nicht sind, überhaupt bietet Nubien für Völkerkunde ein weites und zum Theil noch wenig bebautes Feld dar. 444 gerechnet werden kann, so sind die Einwohner aof die künst- liche Bewässerung hingewiesen, zu welchem Zwecke unge- fähr 40 Sakien bestehen. Für diese Sakien und überhaupt für die Benützung des Kulturlandes zahlen die Bewohner dieser Insel der egyptischen Verwaltung an systemisirten Abgaben den Betrag von ungefähr 1000 fl. Konv.-Mze. und in natura beiläufig 200 Wien. Metzen Getraide*. Rechnet man dazu die übrigen Steuern, die ausserordentlichen Abga- ben, IVaturalliefenuigen , die Wirkung der Monopole, die mit aller möglichen Brutalität gemachten Forderungen eines jeden durchziehenden Soldaten, Kabasses oder sonstigen Bediensteten, so haben wir den ersten Massstab zur Beur- theilung des Segens, den die egyptische Verwaltung über Nubien verbreitet. Die Insel bietet übrigens einen zum Ent- zücken schönen Anblick dar. Die Vegetation entwickelt sich in einer Fülle, von der wir in Egypten und INubien noch nichts Ähnliches sahen. Viele uns damals noch unbekannte Pflanzen prangten gerade in ihrer vollen Blüthenpracht, Schlingpflanzen bildeten blumige Festons von Baum zu Baum und erinnerten mich an die Worte eines grossen Reisenden, der über tropische Vegetation sprechend sagt: ein Baum bietet Stoff zu einem Herbarium. Besonders auffallend ist die Grösse der dortigen Dompalmen, deren einzelne Blätter eine Länge von '.i bis 4 Fuss erreichen und die zusammen Fächer bis zu 6 Fuss im Durchmesser bilden. Die zahllosen Mimosen sind der Lieblingsaufenthalt einer Menge kleiner Vögel, die, da ihnen die Natur die liebliche Stimme unserer Waldsänger versagte, den Verlust durch ihr zum Theil wirklich prachtvolles Gefieder ersetzen. Hier sahen wir die ersten Sennaarenser und unter ihnen die ersten Sui-Manga (Cynniris), die KoHbris der alten Welt, die also zu dieser Jahreszeit, in welcher im hohen Süden, nördlich vom Äqua- tor, bereits die Regenzeit begonnen hat, bis hieher zu wandern scheinen**. Das Klima soll, den Angaben der * Oder 80 Ardop, l Ardnp = 184 litrcs = 2,5 Wien. Metzen. "** Über die Wanderuno;en der Vög^el von Central- Afrika hat der schwedische Naturforscher Hedknborg in Alexandrien schätzbare Daten gesammelt. Das Flussgebiet des blauen und weissea Flusses scheint, 445 Eino^ebornen zu Folge, liier selir o;esiitul seyn, iinH die hösen Fielfervon Semiaar zeigen sich auf Mogiat niemals. Viel mag dazu die Nähe der Wi'iste, der Mangel der tropischen Re- gen und die raschere Bewegung des Stroms beitragen, da ober- und unterhalb der Insel Schellals in seinem Bette liegen. Zur Kommunikation mit dem festen Lande bedienen sich die Insulaner entweder mit Luft gefüllter Schäuche oder eigener Kcähne. Erstere binden sie sich um den Leib und schwimmen und bringen aiif diese Art selbst Kamele von einem Ufer zum andern. Leztere, die Kähne, verferti- gen sie aus zwei hohlen Baumstämmen und zwei Seiten- brettern, das Ganze mit Stricken von Palmenbast zusam- men bindend. Die Fugen stopfen sie mit etwas Moos und Lehm, dem ungeachtet aber dringt das Wasser in solchen Strömen ein, dass es bei einer etwas weitern Fahrt Furcht erregen müsste. Als Ruder dienen die gewaltigen Blatt- stiele der Dompalmen, und ist der Wind günstig, so werfen schnell einige Nubier ihre Hemden ab und machen daraus ein Segel, das sie, wie es die Luft bläht, mit den Hemden gespannt erhalten. Oft schlagen diese in jeder Beziehung bedenklichen Fahrzeuge um, das kümmert aber die rüstigen Schwimmer wenig. — Während unseres ganzen Aufenthaltes in Abu Hammed wurden wir durch heftigen Ost- und Nordostwind gepeinigt, der den Sand und Staub der Wüste in ganzen Wolken über unser Lager trug, unsere Feldbetten, Koffer etc. reichlich anfüllte und durch die kleinsten Fugen eindrang. Die Tageswärme erhielt sich dabei fortwährend auf 21 bis 28** Reaum. im Schatten. Ein als Courir von Kairo nach Chardura durcheilender Kabass nahm Briefe von uns an den kommandirenden Bey in el MuchcirefF und an CnuRSCHiD-Pascha in Chardum mit. Ersteren ersuchten wir um Bereithaltung zweier Barken zur Flussreise von el Mucheireff nach Chardum, lezterem gaben wir von unserer baldigen Ankunft Nachricht. so zu sagen, ein Sammelplatz von den tropischen Vögeln der alten Welt zu seyn: denn es finden sich zu gewissen Zeiten Abessinier mit Sene- galensern, Kapensern und vielen aus dem fernen Indien zusammen. 440 Eine Karavane aus Berber brachte Nachricht, dass auf dein Weg-e von Abu Hainmed bis el Mucheireff" sich Bischarin- ränber gezeigt haben, welche einen Gevvehrtransport über- fielen, plünderten, und nun besser armirt, ihr Handwerk in einem ziemlich grossen Massstabe betreiben sollten. Unsere Nubier befiel ein panischer Schrecken und Schech Hussein konnte nicht satt werden, uns mit seinen Bedenklichkeiten müde zu reden. Schon kannten wir die Gewalt der Phan- tasie unserer Leute und wussten auch beiläufig den Muth der Feinde zu würdigen, den wir von ihnen, unsern ver- lässlichen Gewehren gegenüber, zu erwarten hatten, und es blieb daher beim „Vorwärts". Am 24. Februar, am frühen Morgen, brachen wir, durch Ruhe gestärkt, von Abu Hammed auf, und zogen längst dem Ufer des Flusses, der voller Felsen ist, 5 Stunden in Süden bis Muschra Dehesch. Ungefähr eine halbe Stunde östlich von dieser Stelle und mitten in der Wüste steht isolirt der Pschebel Hassri. Der Uferand des Flusses ist mit riesenhaf- ten Palmen und Mimosen besezt, gegenüber sahen wir noch die Baumgruppen und Felder der Insel Mograt. Die Dattel- palme beginnt hier bereits sehr selten zu werden, die Dom- palme hingegen wächst wild und ohne alle Kultur. Die al- ten Blattstiele mit ihren gewaltigen Stacheln und Haufen von Bast umgeben die uralten Stämme, vergrössern ihren Umfang ins Kolossale und machen sie unbesteiglich. Von Muschra Dehesch sezten wir unsern W^eg längs dem Strome, immer die Wüste zur Linken, 3^^ Stunden weiter in Süden fojt und nahmen unser Nachtlager in dem Palmenwald, der das am Nile liegende Dorf Gegyh umgibt. Der Boden ringsumher war mit wilden Melonen bedeckt, die gebraten von den Eingebornen gegessen werden, aber schlecht schme- cken. Vom Lager aus in SO. sahen wir den isolirt in der Wüste stehenden Dschebel Berk el Anak und gegenüber eine kleine bebaute Insel, die ebenfalls den Namen Gegyh führt und auf der einige Sakien sich befinden*. In Gegyh * Nach HosKiNs enthält diese Insel sechs Sakien, wofür die Ein- wohner an systemisirten Abgaben ungefähr 170 fl. Konv. -Mze. und 30 Wiener Hetzen an Getraide entrichten. Die Bevölkerung beläuft sich höchstens auf 50 Menschen. 447 liegten, der durchziehenden Transporte we^en, einige <'ffyp- tische Soldaten stationirt, die eigentlichen Bewohner aber sind Ababde und Robatat, einst ein sehr kriegerischer Stamm, der das Land Robatat, zu dem das ganze Nilthal von el Kah über Abu Hammed bis zum Schellal von Tomantotul gerechnet wird, sehr unsicher für Reisende machte. Am 25. Februar Hessen wir auf unserm Zuge am rech- ten Ufer und fortwährend in der Nähe des Flusses reitend, den Dschebel Berk el Anak ganz nahe zur Linken und ge- langten nach drei Stunden an das Dorf Abu Diss. Zwischen hier und Gegyh delint sich die lange Insel Kurgos im Strome aus. Sie ist, wie fast alle Flussinseln in dieser Gegend, bebaut. Abu Diss gegenüber, am linken Ufer, liegt das Dorf Etmun *. Das Terrain ist felsig, doch da es in den Niederungen vom Nile überschAvemmt wird, stellenweise demungeachtet nusserordentlich fruchtbar, aber sehr wenig bebaut. — Die Vegetation am Ufer ist äusserst üppig und prangt in tropi- scher Fülle. Vögel in der glänzendsten Farbenpracht ** wie- gen sich auf den Palmenblättern und auf den Zweigen der Mimosen, zur Linken aber liegt starr und schweigend die Wüste. Mehrere Karavanen, mit Getraide beladen, begeg- neten uns, eine derselben führte ein schwarzer Berber, ganz nackt auf seinem Dromedare sitzend, mit einer langen Lanze in der Hand. Hinter ihm sass ein nackter Junge, auf dem- selben Thiere reitend, der Schild und Schwert trug — sein Schildknappe. Nach einem weitern Ritte von drei Stunden " Etniun ist nach Hoskins von Barabra bewohnt unel besizt 11 Sa- kien. Mit diesen und den 12 Sakien auf der weiter stromaufwärts liegenden Insel, Mero oder Meri. sind zusammen 23 Sakien. Für jede 7 Menschen gerechnet, ergibt sich eine Bevölkerung von 161 Seelen, welche an Abgaben bei 800 fl. Konv. -Münze und 230 Metzen Dura leisten. ** Besonders häufig Frirgilla Orix mit seinem hell feuerrothen Kleide. Das Roth der Federn dieses prachtvollen Thierrhens ist oft so brennend, dass ich mehrmals eine einzeln am Buden liegende und von der Sonne beschienene Feder für eine glimmende Kohle hielt. Auf der Spitze eines Durastengels und in den Strahlen der Sonne sitzend erscheint dieser Vogel wie ein Flämmchen. 4.18 in SO. gelangten wir, nachdem wir die Insel Mero pas- sirt hatten, in das grosse Dorf Abu Hasehimm , von einem Pahnenhain umgeben, in welchem wir lagerten. Am 26. Februar, als wir in unseren Zelten erwachten, hatten wir eine sehr unangenehme Jagd, wir fanden näm- lich eine Menge Skorpione am Boden , und viele derselben hatten sich sogar in unsere Kleider einquartirt. Sie gehör- ten jener Art an, die der Araber „Agrab el Melch«, den Salzskorpion, nennt. Sie haben eine schmutzig gelbgrüne Farbe, eine Länge von 2 bis 3 Zoll und sind wegen ihres heftig wirkenden Giftes sehr gefürchtet* Die Eingebornen gebrauchen gegen den Stich nichts, als dass sie die gesto- chene Stelle, die sich augenblicklich entzündet und an der man höchstens nur ein ganz Meines Pünktchen bemerkt, mit einem Messer durch kleine Schnitte wund machen und das Blut aussaugen. Am besten ist es, sogleich auf der wundgemachten Stelle Ammoniak einzureiben und auch eine ganz kleine Quantität desselben, ß — 10 Tropfen mit Wasser, innerlich zu gebrauchen. Wir führten daher von nun an jeder zur Vorsicht ein ganz kleines Fläschchen mit diesem Mittel fortwährend bei uns. Der Stich dieses Skorpions er- zeugt einen betäubenden, stossartig die Nerven durchzucken- den Schmerz, der sich gleich nach dem Gebrauche des Am- moniaks etwas beruhigt. Heftige Fieberanfälle folgen und die Eingebornen versicherten mich, dass Kinder und schwäch- liche Personen mit sehr reizbaren Nerven nicht sehr selten in der Periode der Fieber an den Folgen des Stiches sterben. Abu Hasehimm ist von Barabra und Ababde bewohnt lind ein sehr bedeutendes Dorf, dessen kleine, wie die Py- lonen der alten Tempel geformte Lehmhäuser sich zwischen den Palmen zerstreut sehr gut ausnehmen. Jedes Hans ist von einem Hof umgeben, der von einer Leiimmauer um- schlossen wird, eine Bauart, die man in ganz Robatat be- obachtet. Von iimen sind diese Häuser sehr rein gehalten * Eine nicht minder giftige Art von Skorpionen findet sich häufig in den Häusern von el Mucheireff. Sie ist bedeutend grösser als die obenerwähnte und der Schwanz ist zur Hälfte gelb, während der ganze übrige Körper schwarz gefärbt ist. 449 lind überhaupt zeigen die Bewohner, §jegen den Fell.ih in Egvpten betrachtet, einen gewissen Grad von Kultur, der dem Reisenden wohl thiit und der sich auch schon in ihrem freundlichen , offenen Entgegenkomnien ausspricht. Eines der vorzüglichsten Meubles dieser Wohnungen sind die An- garebbs. Im ganzen südlichen Nubien und in den Neger- ländern von Ost -Sudan nämlich schlafen die Eingebornen selten auf der blossen Erde, indem sie, wie in Egypten, nur eine Matte ausbreiten, sondern bedienen sich hiezu eigener Bettstellen, welche sie Ängarebb * nennen. Der Angarebb ist ein hölzerner, viereckiger Rahmen von 5 bis 8 Fuss Länge und 2 bis 4 Fuss Breite, je nach Bedarf der Person. An den vier Ecken dieser Rahme sind vier Füsse von 1 bis Iri Fuss Länge eingezapft. Über den Rahmen werden gitter- artig Streifen von nassem , ungegerbtem Leder gespannt, die, sobald sie trocknen, sich so straff anziehen, dass dieses Metz, wie die Haut einer Trommel, eine stark elastische Fläche bildet, auf welcher sich, wenn ein Teppich darüber hingebreitet wird , in jenem heissen Klima herrlich schläft. Durch die Erhöhung des Gestelles über den Boden ist man vor Schlangen und Skorpionen sicher, und hat man ausser diesen , wie es weiter im Süden häufig der Fall ist, auch noch mit Ameisen oder Taranteln zu kämpfen, so ist es rathsam , den Angarebb mit seinen Füssen in hölzerne, mit Wasser gefüllte Gefässe zu stellen. Anstatt eines Kopf- polsters bedienen sich die Eingebornen zum Schlafen häufig kleiner hölzerner, oben krückenartig gebogener, fünf bis sechs Zoll hoher Ständer, die auf den Angarebb gestellt werden und in deren Krümmung man den Kopf oder den einen Arm legt, um den Kopf darauf zu stützen **. Diese Einrichtung, für einen Europäer nicht besonders zu empfeh- len , ist wegen ihres hohen Alters merkwürdig , indem ich * Fast jeder Reisende schreibt dieses Wort anders. Ich niuss aber gestchen , dass mein Ohr den Laut desselben stets nur „Angarebb" ge- hört lind aufgefasst hat. Abbildung des Angarebb in Cailliaud's Atlas. Vol. II, Taf. 57, Fig. 2 und 3. * ' Abbildung in Cailmaud's Atlas. Vol. 11, Taf. 57. Fig. 5. RusÄCgger, Reiscu. II. Bd. l. Tbl. 'iü 450 ein ganz gleiches Kopfgcstell sah, welches in einem alten Muiuiengrabe gefunden wurde. In den warmen Nächten schläft man durchaus im Freien. Das Volk von Abu Haschimm ist, wie fast alle Nubier, schon gebaut, und man sieht unter den Gesichtern der Män- ner, besonders der vornehmern Klasse, viele, die durch Schärfe und geistigen Ausdruck wahrhaft interessant sind. Auch unter dem weiblichen Geschlecht, das ohnehin durch einen vollendet schönen Körperbau sich auszeichnet, trifft man Physiognomien, die man auch in Europa reizend finden würde. Der gegenseitige Umgang beider Geschlechter ist bei den Völkern im südlichen Nubien , wenige Wanderstämme aus- genommen, zwangloser, als mir noch je bei Muhamedanern vorgekommen war und überschreitet häufig die nach unsern Begriffen bestehenden Schranken der Sittlichheit. Seit der kurzen Zeit von Burkhardts Anwesenheit in Nubien haben sich die Ansichten des weiblichen Geschlechts daselbst be- deutend geändert. Er, obwohl bekanntlich ein schöner Mann und ein Bild männlicher Kraft, sah sich als Weisser ver- spottet, verabscheut. Jezt, gewohnt Weisse zu sehen und angezogen durch ihr entschiedenes und doch dabei den Nu- biern gegenüber zarteres Benehmen, sind die nubischen Da- men den Europäern sehr hold. Dabei fand ich bei einigen dieser Völker, namentlich bei den Dongolaui, ßarabra und Hassanieh eine Toleranz von Seite der Männer, die bei süd- lichen Völkern mit Recht Staunen erregt und entweder ein Beweis von ganz besonderer Geistesgrösse oder von mora- lischer Verdorbenheit ist. In allen Städten und grössern Dörfern des südlichen Nubiens sind öffentliche Mädchen in Menge, und da die Nubier, nebst dem Umgang mit denselben, auch den Ge- nuvss geistiger Getränke: Merissa oder Busa , Bilbill * und Dattelbranntwein bis zum Übermasse lieben und meist in * iWerissa oder Busa und Bilbill werden durch Gährung des mit Wasser angerührten Durainehls erzeugt, sind dem Waizonbiere nicht iin- uhnlich und wirken, massig genossen , sehr erfrischend. Die Busa oder die Merissa wird durcii kalten Aufguss erzeugt, Bilbill aber wird ge- braut, ist weit stärker und schmeckt sehr angenehm. 451 Gesellschaft trinken, so ist an skandalösen Auftritten, die je- doch meines Wissens selten mit ernstlichen Kämpfen enden, Parade kein Manoel. Burkhardt schildert dieses Lehen in jenen tropischen Kneipen so wahr, dass ich nur veisicher» kann, dass seit jener Zeit es nicht besser geworden ist. Das Uferland des INils bei Abu Haschimm schwelgt in Fruchtbarkeit und der Boden in der Nähe des Dorfes ist gut bebaut. Besonders zeichnen sich in dieser Beziehung die Inseln im Strome aus. Der Waizen war zur Zeit un- serer Anwesenheit bereits reif und zum Theile schon ge- schnitten. Die Aehren sind voll und schwer, der Halm jedoch sehr kurz. Die Mimosen waren gerade in voller Blüthe und die gelben Blumen derselben bildeten mit denen , den Blüthen der hochrothen Fuchsia nicht unähnlichen Blumen ei- ner häufig vorkommenden Schlingpflanze einen schönen Anblick. In geringer Entfernung, südlich von Abu Haschimm, wo wir die Nacht zugebracht hatten, liegt ein zweites Dorf des- selben Namens, auf Berghaus' Karte Aha Haschimm be- zeichnet, und noch etwas weiter stromaufwärts das Dorf Amur. Auf dem Wege von Amur nach Tarfejah mussten wir, eines Fieberanfalls wegen, der meinem Freund Pruckner das anhaltende Reiten unmöglich machte, am Dorfe Schi reg anhalten. Im Flusse liegt die Insel Artol und gegenüber, am linken Ufer des Stroms , liegen die Dörfer Bedjem und Abusol. Das Land ist, ausser einigen wenigen hügeligen Er- hebungen , ringsherum eben und besteht meist aus Kultur- boden, der stärker bevölkert und mehr bebaut ist, als uns bisher in Nubien auf unserer bisherigen Route noch vorge- kommen ist. Die Dörfer liegen sämmtlich in geringer Ent- fernung vom Strome und jedes derselben hat am Rande der ^egcn Osten sich ausdehnenden Wüste seinen eigenen Gottes- acker. Die Sorgfalt, welche das V^olk auf die Gräber der Voran^ gegangenen verwendet, hat etwas Rührendes. Jedes Grab wird nämlich mit einem prismatischen Erdhaufen bedeckt, dessen obere scharfe Kante man mit weissen Steinchen und Nilmuscheln verziert. Auf vielen dieser Gräber fanden wir Thonkrüge , die , nach den Aussagen der Eingebornen , zu gewissen Zeiten mit ßusa gefüllt werden, welche den 29 *= 45-2 vorüberziehenden Wanderern und den Armen zur Erfriscliung dient nnd wofür dieselben für den Verstorbenen , der ihnen diese Gabe spendet, beten. Bei Schiie«^ ist der Strom vol- ler Felsen, die einen, zwar nicht ausgedehnten, aber des starken Gefälles wegen für Barken schwer zu passirenden Schellal bilden. Der Fluss gewinnt wieder einen ganz an- dern Charakter, er ist zusammengedrängt und reissend, nicht der mächtige Strom Egyptens, von Saatfeldern begränzt oder von Wüste umgeben , aber auch nicht der wilde , finstere Wasserpass zwischen den Bergen der Katarakten, von keim- losen Felsen eingeschlossen. Er ist voller Felseninseln, aber fast alle sind mit Palmen und Mimosen bewachsen und ei- nige bebaut, schwarze Felsen begleiten seine Ufer, aber über sie erhebt sich eine ungebändigte, kraftvolle Vegeta- tion, er ist ein ürstrom, an dessen Schönheit noch nie des Menschen Hand gekünstelt hat. Abends gelangten wir nach dem Dorfe el Bager, nach HosKiNS el Baghära, wo wir unser Nachtlager aufschlugen. Der Nil macht hier eine starke Wendung ans Osten in We- sten, und am westlichen Ende derselben, an dem linken Ufer, liegt das Dorf Abu Egli, dessen geographische Lage Cail- LiAUD und Letorzec astronomisch bestimmten und die nörd- liche Breite = 18° 44' 5", die östliche Länge von Paris = 31° 16' berechneten. Auch bei el Bager ist der Strom voller Felsen, die ei- nen Schellal bilden , und mitten in ihm beginnt die lange Insel es Sabne , die sich ungefähr zwei Stunden stromauf- wärts bis zum Dorfe Neddi, am rechten Ufer, erstreckt und bebaut ist. — Von el Bager bis zu der Dörfer-Reihe von el Engrejab führt der Weg, der starken Flusskrümmung wegen, durch Wüste und zwar durch eine fast 10 Stunden lange Strecke in einer bedeutenden Entfernung vom Strome. Diese Strecke war es nun, in der wir, wie Schech Hussein mit seiner leb- haften Phantasie keinen Augenblick zweifelte, ganz gewiss von den Bischarinräubern angegriffen werden sollten. Ob- wohl ich mich nicht minder gewiss überzeugt hielt , dass dieses nicht geschehen werde, erfordeite doch eine ruhige Überlegung alle Vorsichtsanstalten , die in derlei Fällen 453 erforderlich sind. Es wurde beschlossen, sich in dem bis an den Strom reichenden Streifen der Wi'iste nicht i'jher Nacht aufzuhalten , sondern ihn mit einem forcirten Tagesmarsche rasch zu dmchziehen. Die Karavane erhielt den Befehl, sich dicht zusammen zu halten, und wir Europäer sezten unsere Waffen in Bereitschaft und bildeten theils den Vortrab, theils zerstreuten wir uns in hügeligem Terrain zu beiden Seiten unserer Karavane, um ihre Flanken zu decken, was uns an- fänglich, bis wir es satt bekamen, vielen Spass machte. Um 3 Uhr Morgens brachen wir auf und betraten die Wüste, welche hier den Namen Homär el Waheisch führt und sich weiter in Osten an die Sandsteinhügel anschliesst , welche das Waddi el Homar (Eselsthal) umgeben. In diesen Ge- genden sollen sich öfter Heerden wilder Esel finden, was wir schon von Burkhardt wissen und dessen mich auch die Ein- gebornen unzähligemal versicherten. Hoskins * sah in die- ser Gegend selbst drei dieser Thiere unter den Akazien am Ufer des Nils, konnte aber keines derselben, da sie sehr scheu zu seyn pflegen, habhaft werden. Derselbe Reisende behauptet auch, dass sich den Beschreibungen der Einge- bornen zu Folge Zebras hier finden , und da ich ganz die- selben Nachrichten erhielt , so zweifle ich auch , besonders in Betreff des Vorkommens der wilden Esel , daran keinen Augenblick, nur muss ich gestehen, dass ich selbst nie so glück- lich war, in jenen Ländern eines dieser beiden Thiere zu sehen. Von dem ersten Lichtstrahle an gerechnet, der in Osten sichtbar wurde, bis zum Aufgang der Sonne dauerte die Morgendämmerung gerade eine Stunde, daher die Annahme, nach der man auf 1 Grad der Breite 3 Minuten Zeit für die Dämmerung rechnet, sich hier ungefähr zu bestätigen scheint. Um Mittag gelangten wir an den Dschebel Netilt el Nuss, wo wir in dem dünnen Schatten von ein paar kümmernden Mimosen ausruhten. Auf dem Nachmittags-Marsche Hessen wir den Dschebel Abu Wan rechts, nämlich zwischen uns und dem Nile, liegen und gelangten an den Strom am Schel- lal von Tomantotul. Der Nil hat ein mit wilden Felsen '•' Travels etc. S. 41. — Auch LI^A^T sah am Atbara in der Ge- gend von Gus Radjeb sehr oft Rudel wilder Esel zu 20 bis 25 Stück. 454 cingefasstes Bett, und Felsen im Strome bilden den grossen Scliellal, der als fünfte Katarakte bezeichnet wird, jedocli mit Unrecht, da der Katarakten oder Schellals bis dahin, von Assnan an gerechnet, mehrere sind. An dem Ufer prangt eine blumenreiche, üppige Vegetation, von hohen Palmen überragt, und gegenüber dehnen sich die «liedern, lang ge- zogenen Berge des Dschebel Amrüm ans. Unterhalb des Schellal liegen die Inseln Kei mi , Melur und Droge (nach Berghaus Karte Drekek und Drek). Wir verliessen den Strom neuerdings und zogen wieder drei Stunden durch Wüste. Wir hatten nun Dar Robatat veilassen und betraten Dar Berber , einst ein nubisches Königreich , nun eine türkische oder vielmehr egyptische Provinz. Auf unserm Ritte durch den lezten Streifen der Wüste schössen wir mehrere Hüh- ner von der Gattung Perdix , die etwas kleiner als unsere Repphühner sind und eine gelbiichbraune Farbe besitzen, welche der der Wüste so ähnlich ist, dass diese Thiere, in einiger Entfernung auf dem Sande sitzend, nur für ein sehr scharfes Auge zu entdecken sind. In der Mähe erscheinen die Federn im Sonnenlichte wie mit Goldlack überzogen. Am Abend sahen wir wieder die Palmen und Mimosen, welche den Lauf des Nils bezeichnen und bald darauf eine lange Reihe von Dörfern , die alle zusammen mit dem Namen Engrejab bezeichnet werden, ein allgemeiner Name für diese Gegend, der sich auch auf das andere Ufer des Flusses er- streckt. Daselbst liegen ebenfalls mehrere Dörfer, z. B. es Solimanieh am Schellal von Tomantotul, Abu-Schehr et- was südlicher u. s. w. , welche Lokalitäten aber auf Berg- haus Karte um etwas zu nördlich gegen die Position von el Mucheireff angegeben sind. Wir schlugen an dem ersten Dorfe, Geninieta (der Platz der Gärten) genannt, unser Nacht- lager auf. Alle diese Dörfer liegen vom Strome^ entfernt an der Gränze der Wüste, indem die Eingebornen sich theils ihr Kulturland durch den Häuserbau nicht verschmälern wollen, theils weil sie, und, wie mir scheint, sehr mit Aecht, behaupten, dass die Luft an der Gränze der Wüste weit gesünder sey, als in der Nähe des Flusses und der üppigen Vegetation, die ihn umgibt. Diess ist, wie wir 455 seilen vvertlen, ein im südlichen Nubien und Ost -Sudan allgemein geltender Grundsatz und erinnert an die anderer Orten gemachten Erfahrungen iiber die Lngesundheit des Aufenthalts in den Tropenwäldern. Die Bischarin hatten uns also, wie ich schon vermuthete, in Ruhe gelassen und der Schech des Dorfes erzählte uns, als wir ankamen, und Schech Hussein, seiner Sicherheit be- wusst, sich kampflustig um den Aufenthalt der Räuber er- kundigte, dass denselben durch die Soldaten des energischen AßBAs-Bey zu el Mucheireif das Handwerk schon lange ge- legt worden war. Einst, sagte der Alte, konnte man nicht sicher bis ins nächste Dorf gelangen , jezt aber reise ich mit dem Golde auf offener Hand bis nach Seunaar, und mein etwas naseweiser Zusatz: „wenn man in der andern Hand eine geladene Pistole hält" , welche Worte ihm Achmed- Kaptan zum Überflusse getreulich übersezte, hätte ihn bald gekränkt. Wahr ist es übrigens, dass in dem Lande, wo früher Könige und Völker sich beständig in den Haaren la- gen, wo es zeitweise von Räubern wimmelte, wo es in der That nicht möglich gewesen wäre, eine kurze Strecke ohne starke Bedeckung oder ohne schmählichen Tribut zu zahlen, zu reisen, man jezt so sicher zieht, dass ein Angriff^ von räuberischer Hand etwas sehr Seltenes ist. Diese Sicherheit der Person und des Eigenthums in jenen Ländern hervor- gerufen zu haben, eine Sicherheit, die grösser ist als in manchen Theilen von Europa, das ist ausschliessliches Ver- dienst des Mehkmed-Ali und seines kräftigen Willens. Hos- KiNS bezeichnet in seinem Reisewerke das erste dieser Dörfer, in welches er gelangte, als er aus der Wüste kam, mit dem Namen Gululab *, und das, wo er lagerte, mit dem Namen Granata. Beide von Hoskins genannte Lokalitäten liegen stromaufwärts von Geninieta , mir jedoch sind sie nicht nä- her bekannt. Die BEROHAUs'sche Karte sowohl, als die von Hoskins gibt auch die Lage dieser Dörfer um einige Minu- ten zu nördlich an und zwar Granata ungefähr um fünf und el Abu Dieb um zehn. Dieses bestätigt sich dadurch, dass die Entfernung von Geninieta nach el Abu Dieb eben so viel "^ Auf BfRCHAUS Karte: „Guhiba". 45Ö beträgt, als von lezterem Orte nach el Mucheireff, nämlich beiderseits gerade fünf Stunden im ganz ebenen Terrain. Alle diese Dörfer sind von ßarabra bewohnt. Ohne BuRKHARDTS Meinung' zu theilen , nach der diese BarabrR ein arabisches Volk seyn sollten , während ich sie für ein ethiopisches Stammvolk ansehe, das sich aber mit den Ara- bern vermischt hat, glaube ich doch mit dem berühmten Reisenden , dass die Barabra im Lande Berber ein anderes nubisches Volk seyen, als die Barabra im Lande Kenuss im nördlichen Theile von Nubien. Berber oder im Plurale Bara- bra ist eine sehr allgemeine Benennung für diese nubischen Völker; denn sie selbst trennen sich nnd sollen sich, nach BüRKHARDT, im Lande Berber den Namen „Nuba", im Lande der Katarakten zwischen Ibrim und Assuan den Namen „Kenuss" geben, A>ovon ich mich selbst jedoch nie über- zeugte, da ich stets nur den Namen „Berber" hörte. Beide Völker zeigen wesentliche Verschiedenheit in ihrer Bildungs- form. Die ßarabra in Kenuss stehen den Dongolaui näher, haben viel Arabisches in ihren Zügen nnd besitzen eine dunkelbraune , bronceartige Farbe. Die Barabra in Berber hingegen sind sehr häufig schwarz wie Neger nud ähneln in ihren Zügen mehr den Abessiniern und den an Abessi- uien gränzenden Wandervölkern. Sie haben weniger des ara- bischen Prinzips in sich aufgenommen und reden eine Sprache, die zwar Ähnlichkeit mit der in Kenuss gesprochenen hat, aber doch sehr viel Verschiedenes wahrnehmen lässt. Der Kulturboden, den die Bewohner der Dörferreihe von Engrejab bebauen, liegt zwischen den Dörfern und dem Flusse nnd wird durch kleine Kanäle bewässert, die mit den Sakienin Verbindung stehen, welche sich unmittelbar am Ufer befinden. Am 28. Februar machten wir einen sehr kurzen Tage- marsch von 5 Karavanenstunden bis el Abu Dieb *, wo wir unser Lager aufschlugen, da wir uns für den morgigen Ein- zug in die Hauptstadt vorbereiten wollten. *" Wenn sich zwisclicn der Sclircibart der Ortsnamen im Texte und der auf der Karte Differeuzpii zeigen , so bitto ich , zu beriicksichd'gen, dass die Karten bereits auf Stein vollendet waren, als der Text nocli in Arbeit war und dass sich Abänderungen in der Schreibart hie und 457 Auf dem Wege dahin passirten wir gut bebautes Land, einige Mimosenwäldchen, mehrere kleine Dörfer und sahen in Osten die Wüste sich mehr und mehr zurückziehen. Abu Dieh ist ein grosses, von Barabra bewohntes Dorf mit rein- lichen und geräumigen Lehmhäusern. Die Einwohner sahen recht gut und vergnügt aus und unterhielten sich mit uns in einer muntern und recht gefälligen Manier. Bis auf die Schechs und die Wohlhabendem, die mit Hemden bekleidet sind, gehen beide Geschlechter nackt, die Mädchen mit den Rahads, die Männer und Frauen mit Tüchern um die Hüfte. Nicht lange nach uns kam die Karavaue des Schech Mahmud von el Mncheireff an. Sie bestand aus mehr als 100 Kamelen und vielen Sciaven und Sciavinnen. Der Schech, bis an die Zähne bewaffnet und mit einer Mnsqnete in der Hand , besuchte uns sogleich in unserem Zelte. Ein gelbes hageres Gesicht mit tiefliegenden Katzenaugen, dessen Eigen- thümer, wie Walter Scott sagt, nicht so oft vom Galgen gefallen zu seyn scheint, als er vielleicht verdient hätte, oben zu hängen. Mahmud ist ein Barbareske * aus Algier, ein Mann von 50 bis 60 Jahren und seit seiner Kindheit im ägyptischen Dienste. In der lezten Zeit war er Anführer einer Schaar irregulärer egyptischer Kavallerie, d. h. An- führer einer Horde arabischen Gesindels , das sich bei den abscheulichen Sclavenjagden die empörendsten Greuelthaten gegen die armen Neger erlaubt. Da er sich einiges Ver- mögen erraubt hatte, kehrte er mit seinen Schätzen nach Egypten zurück, um, wie er sagte, als Freund und Rath- geber an der Seite des Mehemed - Ali zu verbleiben. Die Erzählungen seiner Reisen und Heldenthaten in den Neger- ländern blieben hinter denen eines Münchhausen nicht zurück, nur nahmen sie sich in den Kraftausdrücken der arabischen Sprache fast noch besser aus**. da durch fortgeseztes Studium und durch Vergleichung mit den Angaben anderer Reisender allerdings ergeben haben. Ein Mograbi. In Egypten nennt man alle Araber, die aus We- sten, aus den Raubstaaten, kommen „'Wograbiner". ■■'*' Einen Grosssprerher dieser Art, die man unter den Arabern sehr häufig trifft, nennt der Araber einen Celbäs. 458 Von unserem Nachtlager aus sahen wir in SO. , am gegenüber liegenden Ufer, den Dschebel ISachara, einen schönen Hintergrund der anmnthigen Landschaft bildend. In der Nacht weckten mich Flintenschüsse, die nicht ferne vom Zelte fielen. Eine solche Störung der Ruhe in jenen Län- dern ist immer von einer ernsthaften Seite zu betrachten, wir griffen daher sogleich zu den Waffen und waren , da man so immer in Kleidern schläft , im Augenblicke schlag- fertig. Wir patrollirten um unsere Zelte und fanden, dass eine aufbrechende, in der Nähe gelagerte Karavane sidi diesen Spass machte, für den wir übrigens sehr dankbar seyn mussten ; denn als wir zum Lager zurückkehrten und den prachtvollen Sternenhimmel betrachteten, sah ich das süd- liche Kreuz zum Erstenmale am Himmel glänzen. Wir befanden uns ungefähr 10 bis 12 Minuten nördlich des IS. Breitegrades, es war Mitternacht vorüber und das gegen Osten geneigte Kreuz war noch im Aufsteigen begriffen. Dieses späte Aufgehen dieses Sternbildes zu dieser Jahres- zeit war Ursache, warum wir es bisher nicht entdeckt hat- ten, da es am Tage über dem Horizonte stand. Später, auf der Rückreise durch Nubien , sahen wir die obern Sterne desselben noch deutlich in der Nähe des Wendekreises. Zu- gleich sahen wir viele Sterne des ersten Ranges aus dem Bilde des Schiffes , im Norden glänzte der grosse Bär und nahe dem Horizonte der Polarstern. Die Sterne des fernen Südens und die des heimathlichen Nordens, die, je südlicher wir kamen, tiefer und tiefer sanken, mit einem Blicke! es war ein unvergesslicher Moment. Der Anblick des südlichen Kreuzes, das Siegeszeichen unsers Glaubens, wenn es hoch am tiefblauen tropischen Himmel im reinen, unbeschreib^ liehen Glänze strahlt, hat etwas sehr Ergreifendes, und in der feierlichen Stille jener Nacht begriff ich die Begeiste- rung, die Humboldt empfand, als er dieses schönste aller Sternbilder zum Erstenmale sah. Früh am 1. März IS.*)? sassen wir schon auf unsern Hegins , die trotz der langen und anhaltenden Reise noch vielen Muth in sich verspürten, und eilten der Hauptstadt' von Berber, nächst Neu-Dongola, der grössteii Stadt in 459 Niibien, zu. Der Weg" führte uns über eine einförmige, er- inüilende Ebene, die zwar durchaus kulturfahiger Boden, aber sehr wenig" bebaut ist. Einige einzelne Mimosen ma- chen die Oede nur noch fühlbarer, und geplagt von einer Hitze von oO'* lleaumur im Schatten , getäuscht durch die zitternden Luftwellen der Fata Morgan a , die uns den Nil hundertmal zeigten, wo er nicht ist, waren wir herzlich froh, als wir am Horizont einen langen Streifen kleiner Lehm- häuser und Strohhütten, mit einem grauen Minaret in ihrer Mitte, erscheinen sahen und bald darauf in el Mucheireff anlangten. Wir hatten von Korosko hieher , mit unseiem Aufenthalte in Abu Hammed , 17 Tage gebraucht und wa- ren während dieser Zeit 128 Karavanenstunden oder 80 geo- |;;raphische Meilen (15 auf 1*' des Äquators gerechnet) fast grösstentheils durch Wüste geritten. Auf unserem Wege von Abu Dieh nach Mucheireff hat- ten wir mehrere Dörfer zur Rechten gelassen, unter denen man mir Fieriecha, Tangil und el Hassa bezeichnete. Hos- KiNS zählt mehrere dieser Dörfer auf und nennt sie: el Fer^- rakah, el Dankel, ei Hassan, el Haue, el Cadawab, Husch, Mahanifa undDitsch. Am entgegeiigesezten Ufer folgen sich in gleicher Reihe die Dörfer: Engrejab , Abselam (A-Üssi nach Berghaus Karte), En Nachara, Deksit. Waddi Schekir (beide in Berghaus Karte unter dem Namen: Dekket-wad-Thikeyr) und Hoely-et-Waddi Gadallab. Diese Verschiedenheit der Namenangaben, die sich theils auf Missverständnisse, theils auf die bei verschiedenen Rei- senden verschiedene Gabe, die Töne der arabischen Sprache aufzufassen, begründen, erstreckt sich auch auf den Namen der Hauptstadt. Burkhardt nennt sie „Ankheyre«, warum? ist mir unbekannt ; denn ich habe im Lande selbst diesen Namen nie gehört. Cailliaud schreibt: „el Mekheyre", so auch Berghaus. Hoskins nennt die Hauptstadt „el Makkarif" und ich habe sie von den Eingebornen nie anders nennen gehört als: „el Muclicirefi« und „el Mecheireff". Offenbar sind die Landeseingebornen , welche die Hauptbevölkerung" bilden, also in diesem Falle die Barabra, die erste Autori- tät, und dass der Name anders klingt, wenn man einen 460 Bischari, Ababde etc. fragt, finde ich ganz analog so vielen ähnlichen Fällen In andern Ländern. Die Türken sind in diesem Fache die unverlässllchste Quelle; denn gleich den Franzosen besitzen sie die Gabe, fremde Namen so zu ver- stümmeln, dass der wahre Laut darin durchaus nicht mehr zu erkennen ist. Durch die grosse Anzahl der Dörfer, welche immer mehr zunahm, je näher wir der Hauptstadt kamen, scheint es zwar, als wäre diese Gegend sehr stark bewohnt, dem ist aber nicht so; denn viele dieser Dörfer in der Nähe von elMucheireff sind fast ganz verlassen, indem die Bewohner, um dem Drucke der egyptischen Verwaltung zu entgehen, entweder nach Abessinien , oder zu den Wandervölkern am Atbara, oder in die südlicher liegenden Negerländer entflohen sind. 3) Aiifeiitlialt zu el Muclieireff uiitl Reise von da auf dem Siile bis Cliardniii im Ijaude Sennaar. Mucheireff, die Hauptstadt von Berber, liegt in 17^ .58' 58" n. Br. und 31^ 36' östlicher Länge von Paris*. Die Umgebung von Mucheireff ist eine unabsehbare und höchst einförmige Ebene, theils Wüste, theils Kulturland. Wenige Mimosen ausgenommen , erfreut kein Baum , kein Strauch das Auge mit seinem Grün, trübe wälzt sich der breite Strom durch das ausdruckslose Land. Derselbe fliesst gegenwär- tig in der Entfernung einer halben Stunde an der Stadt vor- über, obwohl er noch vor 16 Jahren in einer Entfernung von 300 Schlitten von der äussersten Häuserreihe vorüber ge- flossen seyn soll **. Gewaltige Bänke von Schutt und Schlamm, die der Fluss schon seit einer langen Reihe von Jahren am rechten Ufer aufhäufte, brachten endlich den ganzen Wasser- * In einer Enlfernung; von ^ einer geogr. Meile südlich von Mu- cheireff Hegt am rechten Ufer des Nils das Barabradorf „el Gus" („Gooz" nach Berghaus' Karte). Bruce bestimmte astronomisch die Lage des- selben zu 17" 57' 22" n. ßr. und die Länge zu 34" 20' 30" östl. Green- wich. Durch die Beobachtungen Rüppkls und Cailmaud's corrigirt Berg- haus die Länge auf 31" 35' 30" östl. Paris und aus diesem Resultate leitete ich für die gcogr. Lage der ganz nahe liegenden Stadt obige Wert he ab. ""•' Cailliaud II, S. 100. 461 andraiis^ an das linke Ufer hinüber, wodurch sich die Er- scheinung sehr einfach erklärt. — Das Innere von el Mn- cheireff ist nicht reizender als die Aussenseite. Zwei »grosse, breite Strassen , voller tiefer Gruben und »rosser Schutt- haufen, in der Regenzeit ein Sumpf von Koth, in der trock- nen Jahreszeit ein unerschöpfliches Magazin von Staub, durchziehen die Mitte der Stadt. Überall herrscht die grösste Unreinlichkeit, Leichen von Thieren, welche wegzuräumen Niemanden beifällt, liegen aller Orten herum, und es ist nicht zu wundern, wenn der an und für sicji schlimme Cha- rakter der jährlich hier herrschenden bösartigen Fieber der Bevölkerung äusserst gefährlich wird. Zu beiden Seiten jener Strassen stehen die kleinen Häuser ohne alle Ordnung, grösstentheils aus Lehmziegeln gebaut, die an der Sonne getrocknet werden, meist nur mit einem Erdgeschosse, we- nige einen Stock hoch, alle mit platten Lehmdächern. Zwi- schen diesen Lehmhütten stehen Strohhütten der armem Klasse, von allen Formen, wie sie die Laune und der Ge- schmack der Bewohner hervorrufen. Sehr häufig jedoch haben diese Hütten die Gestalt liegender, halber Kugeln, eine Bauart, die ich weiter im Süden nicht mehr fand und die dem Zelte des Beduinen ähnlich ist, aus dem sie her- vorgegangen seyn durfte. Die Stadt hat eine einzige Mo- schee mit einem kleinen Minaret, ebenfalls aus Lehm erbaut. Die grösste Zahl der Bewohner, die sich im Ganzen auf un- gefähr .5000 belaufen mag, bilden die Barabra, ausser denen die Bevölkerung aus Ababde, aus Arabern ans Egypten und Arabien, die zum Theil als Kaufleute hier leben, und aus Bischarin besteht, welche zur BeischafFung ihrer Bedürfnisse aus der Wüste hieher kommen *. " HosKiNS S. 55 theilt die Ababde in zwei grosse Stämme, in die: Maleykab und in die Haschibani und betrachtet sie als Araber. Als leztere betrachtet Bukkhardt auch die Bewohner von Berber überhaupt, d. h. die der Hauptstadt, und nt-nnt den Stamm, dem sie angehören: iVJey- refab. Was die Identität dieser Völker als Araber betrifft, bin ich die- ser Ansicht nicht, wie ich srhon erwähnt habe, und so wie ich in el Mu- cheireff die berberische Bevölkerung von der arabischen scharf trennen zn müssen glaube, so werde ich auch später meine Meinung, dass die Ababde eine Mischung der Bischarin mit den Arabern und die Barabra 4C2 Über die Sitten der Bewohner der Hauptstadt des Ber- berlandes geben Burkhardt, Cailliaud und Hoskins in ihren Reisevverken * so umfassende und wahre Schilderung^en, dass mir in dieser Beziehiinf^ nichts zu sagen erübrigt. Der Zu- stand der Sittlichkeit ist in Berber seit der Besitznahme durch die Türken nur noch schlechter geworden, weil die Armuth sich noch höher gesteigert hat. !m Volke liegt ein grosser Hang zu Diebstählen, der, verbunden mit ihrer krie- gerischen Neigung, zahllose Räubereien und Raubzüge in die INachbarländer zur Folge hatte. Besonders waren die Scheikie und Robatat, so wie die ßischarin, gefürchtet im ganzen Lande, und leztere, ihren Raubzügen den Charakter des offenen Krieges gebend, drangen noch in neuester Zeit vom Dschebel Olba bis in die Ebenen von Dongola, und ge- schehen heut zu Tage noch, obwohl selten, räuberische An- griffe gegen Karavanen, so gehen sie auch meist von diesem Wandervolke aus, das, wie der Beduine, die weite Wüste seine Heimath nennend , am schwersten zu bändigen ist. Bei den ansässigen Bewohnern des Nilthals hingegen haben die Aufhebung ihrer alten aristokratischen Verfassung, nach der sie vielen unabhängigen Häuptlingen ** unterworfen waren, die untereinander beständig in Fehde lagen, ferner die von IsMAEL-Pascha, Ibrahim- Pascha und besonders von MoHAMED-Bey el Defterdar begangenen Gräuelthaten, die jezt nach 15 bis l(i Jahren noch im frischen Andenken ste- hen, einen solchen Schreck in das Volk gebracht und der Name des Pascha von Egypten , Mohammed- Ali, wirkt so mächtig, die Vorstellung von seiner Macht erreicht eine solche illusorische Grösse, dass diese Völker zwar als ein- geschüchtert, aber nicht als gebessert zu betrachten sind. Die Fehden der Meleks ruhen: denn sie selbst sind sammt ein nubisches Stanimvolk sind, welches allerdings durch den Einfall der Araber Manches von seiner frühem Figenthümlichkeit verloren haben mag. näher begründen. * BuRKHAHDT , Reise in Nubien. S. 291—343. — Hoskins, travels in Ethiop. S. 44—62. — Cailmaud, voyage ä Meroe. II. S. 99—121. ** „Meleck", oder abgekürzt „Meck", d. i. König, genannt. Plural „Moluk". 403 und sonders ihres Ansehens berauht, sie leben von dem kar- g-en Solde, den ihnen die egyptische Vervsaltun»- zahlt und eine handvoll Türken und egyptische Soldaten, kaum mehr als 400 bis 500 Mann stark, hält Ruhe unter dem einst so kriegerischen Volke, das man zu entwaffnen sich nicht einmal die Mühe nahm. Wenn es wahr wäre, wie jeuer Scliech sagte, dass man jezt mit dem Golde in offener Hand \on Berber nach Sennaar gehen könne, ohne beraubt zu werden, so ist diess einzig und allein nur das Resultat der Furcht, aber durchaus nicht einer Veiedlung der Sitten. Der frü- here Hang zum Raub und die häufig clievalereske Ausübung desselben hat mehr dem Trieb zum Stehlen Platz gemacht, welches Laster denn auch in Berber sehr im Schwünge geht nnd mit grösster Gewandtheit ausgeübt wird. Ks ist ganz dieselbe Erscheinung wie bei dem Fellah in Egypten. Ans den Räubern sind nämlich Diebe geworden. Wesentlich zur Demoralisation des Volkes trägt der Umstand bei, dass der JHauptimpuIs zur ünsittlichkeit von oben, d. h. von den Angesehensten des Volkes, ausgeht; denn wie in Seunaar, so sind auch hier die Meleks und Schechs diejenigen , die mit den Reizen ihrer Sclavinnen ein offenes Gewerbe treiben, indem diese, dem allgemeinen Gebrauche übergeben, ver- pflichtet sind, ihrem Herrn monatlich eine gewisse Abgabe dafür zu entrichten. Diese Mädchen, von abessinischer Ab- kunft, Negerinnen oder zum grossen Theile eingeborne braune Sclavinnen, von Nubiern mit Negerinnen erzengt, so- genannte Moalets , sind häufig schön, und da sie zugleich die Bereitung von Busa, Biibill und dergleichen geistigen Getränken über sich haben, deren Genuss sich das Volk mit Ausschweifung ergibt, so ist dieses für die Häuptlinge un- würdige Geschäft allerdings ein einträgliches, und die Dul- dung desselben in einem Lande, dessen Bevölkerungszahl im Abnehmen sich befindet, ist eben so unklug als inconse- quent von Seite der egyptischen Verwaltung, derselben, die in dem stark bevölkerten Kairo die Freudenmädchen in den Nil werfen Hess, oder sie ins Exil schickte. Die Bevölke- rung des Berberlandes, dessen Herrscher einst ihr Gebiet stromaufwärts über Schendy und stromabwärts bis Dougola 464 ausbreiteten und dessen lezter Merk, der greise Nüsr ed DiN , einst der rüstig^ste Kämpe seines Volkes, nun vor AßBAS-Bey in el MucheirefF auf den Knien liegt, beträgt im Ganzen, mit Ausnahme der Wandervölker, nicht mehr als 30 bis 40,000 Menschen. Unter den Wandervölkern, welche die grosse Wüstenstrecke zwischen dem Nile und dem ro- then Meere, von der Grenze Egyptens bis zum Orray Lan- gay * und das Savannenland an beiden Seiten des Atbara bis zur Grenze von Abessinien durchstreifen und welche die egyptische Regierung durch eine lange Reihe von Kämpfen seit der Eroberung des südlichen Nubiens sich tributär machte, sind die Bischarin durch Anzahl und kriegerische Stimmung, so wie durch ihren ungebändigten Hang zur Frei- heit die bedeutendsten. Ihnen folgen in dieser Beziehung die Ababde, dann die weniger zahlreichen Hadendoa, Halengaund Schukorie oder Schukoje. Diese Wandervölker entrichten ihren Tribut an die egyptische Behörde in el MucheirefF, und wie man mich daselbst versicherte, kann man die Anzahl der Bischarin auf ungefähr 200,000 und die der in Nubien wan- dernden Ababde auf 100,000 Seelen anschlagen. Rechnet man dazu noch jene Anzahl von den übrigen der genannten Wandervölker, welche ihren Tribut nach Berber abführen, ebenfalls zu 100,000, so dürften wir der Wahrheit ziemlich nahe kommen, wenn wir die ganze Bevölkerung der nubi- schen Wüste östlich des Nils bis zum rothen Meere und die des Waidelandes am Atbara bis zu den Grenzen von Sennaar und Abessinien zusammen auf 400,000 Menschen anschlagen. Von einer Volkszählung und von festen politi- schen Landesgrenzen ist natürlich in solchen Ländern gar keine Idee und die meisten Schätzungen der Stärke die- ser Wandervölker, von Seite der Eingebornen selbst, sind gewöhnlich übertrieben und gehören, wie die Angabe von den '200,000 Zelten der Bischarin, die mau Hoskins machte und wie der einsichtsvolle Reisende selbst erkannte, ins Fabel- hafte. Nubien, das Nilthal und die Grasebenen am Atbara ausgenommen, ist ein durchaus wüstes Land, ein Meer von Sand und Felsen, folglich auch äusserst dünn bevölkert, "■ Bischarisch, „das Gebirge Langay". 465 Grösser als Frankreich, hat Niihien kaum mehr Einwohner wie Paris. Dass die Bevölkerung- dieses Landes seit dem Beginn der egyptischen Herrschaft bedentend abgenommen hat, lässt sich faktisch nachweisen. Im Nilthale, so weit dasselbe dem Gouverneur von Berber untersteht, also von Abu Hammed bis zum Dschebel Gärry (Grenze des alten Königreiches Sennaar), umfasst das kultivirte Land nur eine Area von 3830 Joch, welche vorzüglich mit Baumwolle und Dura, nebstbei aber auch mit andern Cerealien , Indigo u. s. w. bestanden ist. Vor der Eroberung durch die Trup- pen Mehemed- Ali's befanden sich auf dieser Strecke über 800 Sakien, jezt sind deren kaum 500. Die Heerden der ansässigen wie der Wandervölker sind mehr als decimirt, die Menschen selbst entfliehen häufig nach Abessinien -. in die südlichen Negerländer und in das weite Savannenland am Atbara. Die Ursachen dieser mit Gewalt um sich grei- fenden Entvölkerung treten in den westlicher liegenden Pro- vinzen, namentlich in dem von der Natur so sehr begünstig- ten Dongola, noch greller hervor, und ich erspare mir da- her die nähere Auseinandersetzung derselben bis dahin, wenn wir ganz Nubien, wie es jezt ist, werden gesehen haben. In el Mucheireff befanden sich damals eine Indigo- fabrik, die, 1828 errichtet, bereits 300 Centner Farbe jährlich lieferte, eine Rohgerberei und eine kleine in den lezten Zügen liegende Zuckerfabrik , durchaus Unternehmungen der Regierung. Mit der Verfertigung grober Baumwollen- zeuge befassen sich die Eingebornen selbst. Als wir in el Mucheireff anlangten, wurden wir in dem Hause eines egyptischen Handelsmanns einquartirt, der an- fänglich uns den Zutritt verwehrte, durch die Kabasse des Bey aber, nach Landessitte, eines Bessern belehrt, uns am Ende sein Haus, ein kühles, luftiges Lokale, wie alle mit einem Hofe umgeben, der den Thieren und Bedienten zum Aufenthaltsorte dient, brummend einräumte. In der Stadt herrschte die Cholera, sie war jedoch bereits im Abnehmen und es starben des Tages nur mehr 10 bis 15 Menschen. Von einer ärztlichen Hülfe für die Einwohner war keine Rede, Riissegger, Reisen. II. Bd. I. Tbl. 30 4G6 denn europäische Ärzte befanden sich nicht daselbst und die arabischen sind ebenso unwissend als indolent. Als wir des andern Tags den Gouverneur AßBAS-Bey besuchten, sahen wir, durch die Stadt wandernd, anch den Basar. Derselbe ist sehr klein und ärmlich, doch aber mit Waaren aus Kairo und Europa besezt. Unter leztern bil- deten bunte, baumwollene Sacktücher, bemalte Gläser und alle jene Gegenstände, die zum Handel mit den Wander- und Negervölkern dienen, z. B. Glaskorallen, Szimbel (Va- leriana celtica) *, Malleb u. dgl. stark riechende Substanzen die als Parfüm unter das Fett gemischt werden, mit dem man die Haut beschmiert, die Hauptartikel. AßBAS-Bey empfing uns auf das freundlichste. Ich lernte in ihm denselben energischen, kraftvollen Mann kennen, wie ihn bereits Hoskins schildert und was die vielen Gefällig- keiten betrifft, die er mir während meiner kurzen Anwesen- heit erwies, kann auch ich ihn zu jenen chevaleresken Tür- ken von altem Schrot und Korn rechnen, an die man sich nur gerne erinnert, denn bei ihnen liegt in rauher Schale ein edler Kern. Wir blieben mit ihm bis zum Abend zusam- men, rauchten, schwazten, tranken eine Tasse Kafie nach der andern und verdankten ihm manche wichtige Nachricht über das Land, das er durch und durch kannte. Bei Tische er- schien ein Zwerg aus der Dienerschaft des Bey als Lustig- macher. Er war höchst phantastisch gekleidet, trug eine Schellenkappe und spielte seine Rolle als Hanswurst sehr gut, wenigstens konnten die Anwesenden nicht genug über seine Witze lachen. Ich jedoch verstand damals noch gar zu wenig arabisch, um dieselben gehörig würdigen zu kön- nen. In seinen Ansichten war AßBAS-Bey, was die Regie- rung des Landes betrifft, ganz Türke. Aus angeborner Biederkeit tadelte er zwar die übermässigen Bedrückungen, die die egyptische Verwaltung auf das dortige Volk ausübt und er wünschte lezteres in bessern Verhältnissen zu sehen, anderseits aber war ihm das altosmanische Kopfabschneider- * Der stark riechende Speik unserer südteutschen Hoclialpen , der getrocknet als solir gesuchte Handciswaare bis in das tiefste Innere von Afrika geht. 467 System keineswegs fremd, und er behauptete g;evadezu: „LsMAEL-PascIia hätte noch viel gransamer seyn sollen, dann hätten ihn die Schwarzen nicht ihrer Rache geopfert." Mo- HAMMED-ßey el Defterdar war ihm ein Stern erster Grösse *. Einst kamen wir gerade in einem Momente zu ihm, als er einem Dieb 500 Prügel diktirte. Wir erschraken ob der Stärke dieser Dosis, die Anwesenden jedoch trösteten uns damit, dass in einem solchen Falle jederzeit 300 nachge- lassen werden. AßBAS-Bey wollte das Gute, war aber von dem Gedanken nicht abzubringen, dasselbe auf dem Wege einer an Grausamkeit gränzenden Strenge erreichen zu müssen. Dabei war er gegen die öffentliche Meinung keiijeswegs gleichgültig, und sichtbar war sein Bestreben, uns zn bewegen, eine ^ute Meinnng von ihm nach Europa zurück zu bringen, das er, ohne es zu kennen, über alle Massen lobte. Zum Schlüsse zeigte er uns seine kleine Menagerie, seine schö- nen Dongola-Pferde, seine Waffen, grosse Ringe von mas- sivem Golde, die er aus seinem Harem herbei holen liess, und als wir nach Hause kamen, fanden wir Geschenke von Lebensmitteln, die unsern Bedarf bis Chardnm deckten. Tags darauf wurde Dr. Veit zum Bey geladen , welcher in bat, eine seiner Anverwandten zu besuchen , die in seinem Harem wohne und gefährlich krank wäre. Die Leidende war tief ver- mummt und nicht zu bewegen , dem Doctor ihr Gesicht sehen zu lassen, obwohl sie sonst, jedoch stets durch einen Vor- hang vor jedem Blicke geschüzt, sich all den Untersuchungen bereitwillig unterzog, welche die Anwendung der Heilkunde für nöthig erachtete. Diese uralte, nicht auf weibliches Zartgefühl, sondern auf die Eifersucht des männlichen Ge- schlechtes begründete, aber den türkischen und arabischen Frauen zur Gewohnheit gewordene Sitte, die bei den Ara- berinnen in Egypten bis ins Lächerliche geht, indem ich mehr- mals am Flusse Frauen und Mädchen, in blossen Hemden traf, die gar keinen Anstand nahmen, sich derselben zur Verhüllung ihres Gesichtes auf eine Art zu bedienen, die ■^^ Bekanutlich ein Mann, bei dem sich Züge von Gerechtigkeit und Wohlthätigkeit gegen Arme mit Zügen der rohesten Barbarei vereinten, vor denen jedes menschliche Gefühl sich nur mit Schaudern abwenden kann. .30* 468 «lern Zwecke keineswegs zu entsprechen schien, ist bei den Nubierinnen in Berber bei weitem nicht so gewöhnlich. Die Kranke litt an einem bösen Fieber, das hier und bes(»nders in den Niederungen am Atbara zu Hause ist, oft in sehr gefährlichen Formen auftritt und epidemischen Charakter annimmt. Durch die Anwendung von Calomel bald wieder auf den Weg der Besserung gebracht, bat uns der Bey, ihm einige Pfunde dieses Mittels zu überlassen, um es in solchen Fällen im Kreise der Seinen anwenden zu können. Die tropischen Regen dringen jährlich in den Monaten Mai und Juni bis zur Breite von el Mucheireff vor, doch ist die Stärke und Dauer derselben sehr verschieden, indem sie oft durch mehrere Jahre hindurch so sparsam fallen, dass der Boden in Bezug seiner Kultivirung rein auf die künstliche Bewässerung und in den Niederungen des Ufer- landes, wie in Egypten, auf die Überschwemmung hingewie- sen ist. In geringer Entfernung, ungefähr 20 Minuten süd- licher, treten hingegen die tropischen Regen regelmässig und gleichförmiger auf, und ich glaube daher, dass Cail- LiAUD ganz richtig die Gränze der konstanten periodischen Re- gen gegen Nord in die Breite der Mündung des Atbara, ungefähr in 17" 39' n. Br., versezt. Ungeachtet dieses Um- standes wäre die Umgebung der Stadt, bei der leichten Be- nützbarkeit des Stroms, durch zweckmässige Behandlung in den blühendsten Zustand zu versetzen, und nicht nur dem Acker- baue, sondern auch der Viehzucht auf den nahe liegenden Grasebenen am Atbara ein weites Feld zu öffnen. Die Ra- cen der Hausthiere sind hier von einer ganz vorzüglichen Güte, das schöne Dongolapferd findet in Berber alles, was es in seinem Vaterlande zur vollendetsten Ausbildung bedarf, die Schafe sind von seltener Grösse und Güte des Fleisches, sie ähneln in einer Beziehung mit ihren hohen Beinen und lang herabhängenden Ohren dem Guinea-Schafe, anderseits mit ihren kurzen, einen Fettklumpen bildenden Schwänzen dem fettschwänzigen Schafe, die Ochsen sind von der Sen- naar-Race, die grösste, die ich je gesehen habe, wahre Ko- losse, mit einem Höcker auf dem Vordertheile des Rückens und meist von dunkler Farbe. 409 Mit der Breite von Berber beginnen die Nilpferde im Strome häiifig; und heimisch zu werden. Weiter in Nord ver- hindern die vielen Schellals ihre grössere Verbreitung, eine Lokalität, welche sie, wie die Krokodile, nicht zu lieben scheinen, da sie sich vorzüglich dort aufhalten, wo der Strom ruhig dichte Waldungen oder Kulturland durchzieht. Man findet zwar Nilpferde auch in Dongola, doch jezt, zu- rückgedrängt und ausgerottet durch die Verfolgungen der Menschen , immer seltner. Nach Süden nimmt ihre Zahl sehr zu und am häufigsten traf ich sie im weissen Flusse. Auch die Krokodile beginnen in Berber häufiger vorzukom- men, übertreffen an Grösse und Wildheit ihre nördlichem Kollegen weit und werden ebenfalls nach Süden immer zahl- reicher. In den Wäldern am Atbara finden sich Löwen und Leoparden in Menge und dieElephanten erscheinen, aus Süden kommend , jährlich mit der Regenzeit. Erstere kommen oft bis in die Nähe der Dörfer bei Mucheireff, bei leztern je- doch scheint der Atbara die äusserste Gränze ihres gegen- wärtigen Vordringens gegen Nord zu seyn. Von el Mucheireff rechnet man 14 bis 15 Tagreisen bis Sauakin , der einzigen Küstenstadt an der ganzen nubi- schen Küste auf eine Längenerstreckung von 5 ßreitegraden *. Der Weg dahin führt am nördlichen Ende des Orray Langay und des Dschebel Djaab vorüber. Der Handel über Sauakin ist von geringer Bedeutung, und der wichtigste Gegenstand dieses elenden , mit einer kleinen egyptischen Garnison be- sezten Hafenortes ist der jährliche Pilgertransport nach Mekka. Besonders wählen die Takruri, die Negerpilger aus dem Innern von Afrika, Sauakin zur Einschiffung nach dem Hafen von Djedda. Die Hitze wurde während unsers Aufenthaltes zu el Mucheireff bereits sehr lästig, sie stieg täglich über So» Reaum. im Schatten und auf 38° bis '69^ an der Sonne. * Auf der ganzen afrikanischen Küstenstrecke des rotlien Meeres besizt die ägyptische Regierung nur drei Niederlassungen, die für den Handel von einiger Bedeutung sind, nämlich Kosscir in Egyptcn, Sau- akin in Nubien und Massowa in Abessinicn. Man sehe über Sauakin Burkharot's Reise in Nubien. 470 Das Klima übte an mir , der ich vielleicht die festeste Körper- konstitution unter allen meinen Gefährten besass, zuerst seine Rechte aus und ich bekam den Tag vor unserer Ab- reise Fieber, so dass ich nicht mehr im Stande war, mich auf den Beinen zu erhalten und mich legen musste. Unsere drei Barken waren zur Abreise bereit, wir Hessen daher am 5, März unsere Sachen an Bord bringen, verliessen noch Abends die Stadt und schliefen die Nacht am Strande im Freien auf unsern Angarebbs, die wir nun fortan statt unse- rer Hängematten gebrauchten, welche für dieses Klima bei weitem nicht so praktisch sind. Die Nacht war lau, der majestätische Strom glänzte vor uns im Sternenlicht, glatt wie ein Spiegel, kein Lüftchen regte sich, das südliche Kreuz stand bereits um Mitternacht fast senkrecht am Himmel, die Masten unserer Barken ragten wie Polypenarme in die Luft, der Schlaf floh mich und die Phantasie malte mir jenes Leben und jene Kultur, die einst an diesen Ufern ge- herrscht haben mögen, als der Priesterstaat von Meroe, dessen Centralpunkt uns bereits nahe lag, in lebenskräftiger Blüthe stand. Welcher Wechsel der Dinge liegt in den Händen der Zeit, Meroe blühte in höchster Kultur, während Kuropa in der Nacht der Barbarei begraben lag — und jezt herrscht Europa in geistiger Übermacht. Der nackte Nu- bier und der stumpfe Türke gehen an den Pyramiden von Assur und an den Tempeln von Naga vorüber. Sie küm- mern sich nicht darum; denn die Zeit, die mächtige, hat die Rollen gewechselt. Am Morgen des 6. März machten wir mit günstigem aber schwachem Winde Segel. Der Strom wird schmäler und voller Sandbänke, die Ufer sind eben und wüste, bald aber breitet sich die Wassermasse wieder aus, die Ufer werden bewaldet, das Land ist kultivirt und riesenmässige Mimosen ragen zwischen Pflanzungen von Zuckerrohr empor. Das Fieber stellte sich bei mir wieder ein und zwar hefti- ger als früher, so dass ich erst Abends mein Lager verlassen konnte. Meine Gefährten sahen mehrere Krokodile auf Fel- sen im Strome liegen und darunter eines, dessen Länge sie zu melir als 24 Fuss anschlugen. Am Abend kamen wir 471 oberhalb der Insel Sidin zu einem kleinen Scliellal. Der Stiom ist voller Felsen und die Fahrt nicht ohne Gefahr. Wir passirten die Stelle mit frischem Winde, bei welchem Man ö vre meine kleine Dahabie fast von einer unserer grös- sern Barken übersegelt und auch beschädigt wurde, eiu Stoss, den ich in meinem Fieber-Leiden gerade nicht ange- nehm fand. Nach anderthalb Stunden weiter stromaufwärts hielten wir am südlichen Ende des Schellal an einer kleinen Jnsel bei dem Dorfe el Dachla. Wir schliefen am Laude, ich nahm eine tüchtige Gabe Chinin und erwachte am Mor- gen frisch und munter. A m 7. März. Von el Mucheireff bis zur Insel el Dachla hatten wir gestern die Dörfer: el Kubuschi, er Raleh und Sauechtab elAkaba am linken Ufer, el Gus, Haued, el Kagesan, Sidin (am WaddiRauel)* Karmim (wahrscheinlich Kennur nach Berghaus), Sajal (wahrscheinlich er Rehamab nach Berghaus) und el Dachla am rechten Ufer passirt. Um 10 Uhr des Morgens gelangten wir an die Mündung des Atbara, des ersten der drei Haupt- arme des Nils. Am Zusammenflusse beider Ströme ist der Nil voller Untiefen, eine Folge des Zusammentreffens dieser beiden Flüsse und des Umstandes, dass der Atbara zur Zeit der Überschwemmung so viel Schutt und Schlamm zuführt, dass der zwar mächtigere Nil sie doch seines geringen Ge- fälles wegen nicht gewältigen kann. Der Mündung des Atbara gegenüber liegt eine Insel im Nile und an derselben beginnt ein Schellal, der sich zwei Stunden weit aufwärts zieht, jedoch ohne alle Gefahr zu passiren ist. Am linken Ufer des Nil und also jenseits jener Insel liegt das Dorf Om- mater, die ganze Gegend führt daselbst aber den Namen Damer, ein Umstand, der abermals zu einer Namensver- wirrung führen könnte, da Damer eigentlich der Name einer * Das Vorgebirge zwischen dem rechten Ufer des Atbara und dem rechten des INils nennen die Eingebornen Rhas el Waddi. Die Vcrwir- rnng, die in den Lokalnamen existirt, ist hauptsächlich auch darin begrün- det, dass die Araber, wie die Nubier, dieselben Lokalitäten oft mit ver- schiedenen Namen und verschiedene Lokalitäten oft mit denselben Na- men belcgeu. 472 Stadt am rechten Ufer des INil ist, die wir bald werden kennen lernen. Am rechten Ufer des Atbara liegt das Dorf el Fädle, welches zu Rhas el Waddi gehört. Beide Ufer dieses Flusses, dessen ßett hier an der Mündung bei 200 Klafter Breite hat, sind mit Gebüsche bedeckt. Die erwähn- ten Dörfer sind von ßarabra bewohnt, in den Ebenen hin- gegen ringsherum noniadisiren die Djaalein , ein Beduinen- Volk, rein arabischer Abkunft, von dem auch das Land am linken Ufer des Nil, vor der egyptischen Besitznahme, den Namen: „Dar el Djaal trug. Der Atbara ist der Astabo- ras der Alten, der Takasse der Abessinier, der Mogren des BuRKHARDT , der Mareb des Bruce. Ersterer Name ist der im Lande selbst allgemein gebrauchte und das ganze Gebiet seines linken Uferlandes, bis zur Gränze von Abessinien und bis zum Flussgebiete des Bacher el Alisrak nennen die Eingebornen : Dar el Atbara, das Land des Atbara. Nach Pearce und Kuppel entspringt der Atbara als Takass^ im Gebiete der abessinischen Gallas in der Provinz Lasta, öst- lich des Dembeasees, ungefähr in 12*^ nördlicher Breite und 36*' 45' östlicher Länge von Paris. Sein Lauf ist zu- erst aus Süd in Nord gerichtet, er umfliesst den Gebirgs- stock des Simen an seiner östlichen Seite , wo er bekannt ist, wendet sich in Wasagia im Lande Tigris nach West, berührt die Länder Waldubba und Walkeit an ihrem Nord- rande (Rüppel), nimmt, selbst ein mächtiger Bergstrom, der immer Wasser führt, eine Menge Bergströme des abessini- schen Hochlandes in sich auf, verlässt in Walkeit das Ge- birgsland, durchfliesst die Südspitze der Ebenen im Lande Bedja und erreicht bei Sofie die Gränze zwischen den Län- dern der Makadi Cchristlicher Abessinier) und dem Gebiete der Schnkoiie in Dar el Atbara, von wo an er den Namen Atbara führt. Von dem Simengebirge bis hieher ist sein Lauf nur theilweise näher bekannt. Bei Sofie wird seine Richtimg nördlich , er ist auf eine kurze Strecke bis Kosle wieder bekannt, wendet sich dann nordwestlich und durch- zieht die Ebenen von Beied el Taka zwischen dem Gebiete der Schukorie und dem der Halenga und Hadendoa, ohne näher bekannt zu seyn, bis Gus Radjeb. Von da an , genau 473 bekannt durch Burkmardt nuH Linant, sezt er seinen Lauf in nordwestlicher Richtung bis zum Dorfe Atbara fort, wen- det sich dann wieder in West und mündet, wie wir bereits wissen, zwischen Rhas el Waddi und Damer im Nile, nach einem zuriickgelegten Wege von wenigstens 140 geograph. Meilen. Von dieser Strecke kann man annehmen , dass der Atbara durch 80 geographische Meilen ebenes Land durch- fliesst, welches er in der Zeit der Überschwemmung, als Folge der tropischen Regen, zum grossen Theile unter Wasser sezt, wie es namentlich in den angränzenden Ebenen, von Bedja angefangen , durch ganz Taka und bis zu seiner Mün- dung der Fall ist. Dadurch wird das Land ringsumher zu fruchtbarem Weideland, das die genannten ethiopischen No- madenvölker in allen Richtungen mit ihren Heerden durch- ziehen. Dadurch wird aber auch, besonders kurze Zeit nach der Überschwemmung, der Aufenthalt in jenen Niederun- gen höchst ungesund und die bösen Fieber wüthen daselbst fast noch ärger als in Sennaar. Ausser der Regenzeit, folglich bei vermi n d ertem Wasserzuflusse in den Hoch- gebirgen Abessiniens , versizt das Wasser des Atbara in dem Alluvialboden der genannten weiten Ebenen so, dass sein Bett oberflächlich in der trocknen Jahreszeit auf weite Strecken ganz trocken liegt und das Wasser sich theils nur unter dem Sande und in geringer Tiefe findet, oder in den tiefern Punkten, in sogenannten Tümpeln, stehen bleibt, wel- che, wie mich AßBAs-Bey in el Mucheireff versicherte, von Nilpferden und Krokodilen wimmeln sollen. Die Ebenen , welche den Atbara umgeben , sind nur zum Theil mit Gras bewachsen und eigentlicher Weide- boden, zum grossen Theile sind sie mit Wäldern von gros- ser Ausdehnung und tropischer Vegetationsfülle bedeckt. Zahl- lose Heerden von Eiephanten und Antilopen, Rhinocerosse, Löwen , Leoparden , verschiedene Arten von Affen , wilde Esel, Hyänen etc. und eine zahlreiche Vogelwelt bevölkern jene Landstriche, die noch nie von einem Europäer erforscht, zum Theil noch von keinem gesehen , gewiss einem Natur- forscher die reichste Ausbeute liefern und der Wissenschaft manches Neue schenken würden, besonders im Gebiete der 474 Flora , der kleinern Mainalien , der Fische , Insekten und Amphibien. In einem Lande , wie das Innere von Afrika ist, in welchem die Natur die launigsten Formen schafft, die an Grimasse nur denen von Neuholland nachstehen , kann man auch erwarten, dass sich ganz unbekannte, grössere Säugethiere, die man für längt erloschen hält, noch erhal- ten haben. Sollte sich daselbst nicht etwa das Einhorn finden? Araber, Nubier und Neger erzählten mir oft und viel von der wirklichen Existenz dieses Thiers, das ihrer Beschreibung nach entweder einer Antilope oder einem wilden Esel im Baue gleicht. Diese Erzählungen enthalten zu viele Widersprüche und zu viel Unsinn, als dass ich sie hier weiter erörtern möchte , doch geht daraus immer der Refrain hervor, dass dieses Thier noch existirt, und wenn ich es irgendwo suchen würde, so ginge ich vorerst in die Wälder am obern Atbara. Das Einhorn für ganz fabelhaft, für eine reine Geburt der Phantasie zu halten, ist ein abge- schmackter Machtspruch, und es ist wohl zu bedenken, dass unser Elcphant, unsere Giraffe, selbst unser Kamel, sollten sie einst ausgestorben seyn, ihrer sonderbaren Form wegen eben so gut als fabelhafte Thiere angesehen werden könnten. Übrigens tragen die Ebenen des Atbara ganz den Cha- rakter der Savannen in Kordofan und Sennaar, weite unab- sehbare Flächen mit isolirten Bergen von geringer Höhe, aber steil, felsigt, meist Granit oder Porphyr, und in grossen Entfernungen von einander. Ausser den Schnkorie, Hadendoa, Halenga nomadisiren noch im Lande Atbara die Bischarin und die Djaalein, jedes dieser Völker in mehrere Stämme getheilt und zum Theile bekannt aus den Berichten von Burkhardt, Linant, Bruce und anderer Reisender. Alle sind, meiner Ansicht nach, theils rein ethiopisches Wandervoik, wie die Bischarin , theils Mi- schungen nubischer Völker mit den Arabern, wie die Haden- doa, Halenga, theils rein arabischen Ursprungs und zum Theil vielleicht schon lange vor dem Aufflammen des Jslam aus Arabien über das Meer eingewandert, wie die Schnkorie und Djaalein. Burkhardt, der freilich zu einer andern Zeit und in andern Verhältnissen reiste, spricht diesen Völkern 475 eben nichts Rühmliches zu. Linant lernte sie von der bes^ sein Seite kennen, und insoweit ich mit einigten derselben Bekanntschaft machte, möchte ich mich v\ohl auch zu einem mildern ürtheile über sie hinneigen. Linant war bisher der einzige Reisende, der von Chardum aus* über Mandera, Rera, Gus Radjeb nach Schendy zog, der einzige Reisende, der über die an den drei erstgenannten Orten sich befinde« sollenden Ruinen, die man, weil man sie nie gesehen hat, nicht prächtig genug machen konnte, gründlichen Aufschluss gab, nämlich den, dass sie gar nicht existiren, durch welches Faktum allerdings die ßehauptungen einiger neuerer Schriftsteller und die darauf gebauten Hypothesen einen starken Schlag erhielten. Linant fand in Mandera einen kleinen isolirten Berg von Granitblöcken, einige unbedeu- tende Bassins zur Sammlung des Regenwassers, grössten- theils natürlichen Ursprungs, sonst Nichts; in Rera (der glückliche, nicht, wie Berghaus schreibt, der heilige Ort) eine Hügelreihe von Granitblöcken aus Ost in West, viele Bas- sins und Reste einer alten Mauer, of a Avall which appe- ars ancient, sonst Nichts. Beide Plätze bilden Hauptnieder- lassungen der Schukorie. Bei Gus Radjeb am Ätbara und sieben Tagreisen von el Älucheireff entfernt sah Bürkhardt** auf dem Gipfel eines Granitberges etwas, das wie ein Gebäude aussieht und , entsprechend der Wahrheitsliebe dieses vor- trefflichen Mannes, sezt er bei, dass seine natürliche Kurz- sichtigkeit und später, als er dem Berge näher vorüber zog, die Dunkelheit der Nacht und vor allem der Umstand , dass er der Hadendoa-Räuber wegen , die den Berg besezt hiel- ten , denselben nicht besteigen konnte , ihn ungewiss Hessen, was er eigentlich gesehen habe. Linant kam viele Jahre später nach Gus Radjeb und bestieg den Berg in Begleitung des Schechs dieser Hadendoa-Räuber, die in dieser Zwischen- zeit die egyptische Regierung etwas zahmer gemacht hatte. Er fand nichts als Granitblöcke, die in der Ferne wirklich wie Mauern aussahen und auf dem Gipfel eine natürliche Grotte bilden, die den Räubern zum Aufenthaltsorte dient * Linant in dem Journal of the R, geogr. Society of London. IL 1832, pag. 188 etc. — ** S. 525. 476 und von der sie, wie von einer Warte, weit über die Ebe- nen hinsehen. Von Kuinen keine Spur. Bevor ich die Ufer des Atbara verlasse, finde ich es am geeignetsten, hier, zur weitern Verständlichung- des Wach- folgenden, ganz kurz der Lage des altethiopischen Priester- staates von Meroe zu erwähnen. Herodot erwähnt bereits des Priesterstaates von Meroe in Ethiopien, des ältesten In- stitutes der Civilisation auf jenem klassischen Boden , älter als Thebens Tempel , älter als alle übrigen Denkmale Ethio- piens. Die Alten gaben diesem Lande den Namen „Insel Meroe" verstanden aber, wie hent zu Tage noch Jie Araber und Nubier, unter ihrem „Dschesirah" (Insel), keineswegs mit dem Worte Jnsel ein vollkommen und von allen Seiten von Wasser umschlossenes Land , sondern jeden zwischen zwei oder drei Strömen zum grössten Theile seines Umfanges ein- geschlossenen Landstrich, so sehen wir noch heute eine Dschesirah el Hoje (Sennaar) zwischen dem blauen und weis- sen Flusse , eine Dschesirah el Dschesireh zwischen dem blauen Flusse, dem Rahäd und dem Dender, eine Dschesirah (Mesopotamien) zwischen dem Euphiat und Tigris etc. Je näher natürlich das Quellengebiet zweier solcher Ströme unter sich liegt, desto mehr entspricht der erwähnte weitere Begriff" des Wortes Insel, dem engern Sinne desselben, wie wir abendländische Völker ihn heut zu Tage nehmen. Spä- ter gaben Agatharchides und Strabo * die Lokalität dieser Insel Meroe so scharf bestimmt an, dass man nicht begrei- fen kann , wie in der Folgezeit solche Zweifel darüber ent- stehen konnten. Sie versetzen nämlich dieselbe zwischen dem Astaboras (unserm Atbara) und dem Astapus (unserm Nil oberhalb der Mündung des Atbara und dessen Fort- setzung, dem Bacher Ahsrak), folglich an denselben Platz, den heut zu Tage Dar el Atbara einnimmt, welches von vier Strömen auf drei Seiten umflossen wird, nämlich vom Atbara (Takasse), vom Nile, vom Bacher Ahsrak und vom Rahäd, und welches daher, im w eitern Sinne des Wortes: „Insel", wie ihn die Alten nahmen und ihn die Araber noch heute * Über die Aiisklitcn der Alten von der geographischen Lage der Insel Meroe: Hoskins S. 66 etc. 477 nahmen, eine Insel war und eine Dschesirah ist. Dieser Ke«>;iiff einer Insel kommt anch der eng^ern Bedeutung die- ses Wortes um so näher, da das Qnelienland des Nils am Dembea-See, sey es nun das des blauen Nils, nach Bruce, oder das des weissen Nils, nach meiner Ansicht, die ich an Ort und Stelle umständlich darlegen werde, von dem Quellenlande des Ätbara oder Takasse kaum mehr als 30 geographische Meilen in gerader Richtung entfernt ist. Wie bekannt*, so erfuhr man durch die alten arabi- schen Geographen und Geschichtschreiber, namentlich durch Makrisi, der den Selim el Assuani in diesem Falle zu seinem Gewährsmanne hat, durch Said ben Batrik etc., dass am Zusammenflusse des blauen und weissen Nils ein christliches Königreich existirte, Namens „Aloa" oder „Insel Aloa". Selim el Assuani nennt die Hauptstadt dieses Lan- des Subit, und bestimmt ihre Lage ganz genau, indem er sagt: Suba liegt im Osten der grossen Insel (offenbar Dschesirah el Hoje oder Sennaar), an ihrer (der Insel) Nordseite, vor dem Zusammenflusse des weissen und blauen Nils (Rhas el Chardum), und im Osten dieser Stadt (Suba) liegt der schlammige Fluss (Atbara), der austrocknet und dessen Bett dann bewohnt wird (die jährlich von ihm iiberschwemmten Ebenen von Beled el Taka). Diese Lage stimmt nun mit der von Sobah bei el Elefun am rechten Ufer des Bacher Ahsrak ganz überein , und abgesehen von der Gleichheit des Namens**, ist die Identität des Platzes dadurch ausser allen Zweifel gesezt, weil sich wirklich daselbst, wie ich mich selbst überzeugte, Rui- nen einer ausgedehnten Stadt finden. Die mitunter sehr grossen Häuser sind .aus lufttrockenen Backsteinen erbaut, arabische Bauart, und tragen in ihren Trümmern so ziemlich das Ansehen der Ruinen des altarabischen Assuans, so dass sie mit Rücksicht auf das Klima, wo bereits die tropischen Regen herrschen, wohl an 300 Jahre alt seyn mögen. Dass aber Sobah bereits lange geblüht haben und schon zur Zeit * Ritter, Erdkunde, I. S. 564 etc. *" Mit den Vokalen nehmen es die Araber nicht so genau, wie die abendländischen Völker. 478 des altetliiopischen Priesterstaates von Meroe ein bedenten- der Ort gewesen seyn kann, bestätigt der Umstand, dass Cailliaud nnter diesen Trümmern einen Sphinx in egypti- schem Style fand. Die Angabe der arabischen Schriftstel- ler sind historisch ganz gerechtfertigt, denn wir wissen, dass das (hristenthum sich bis zum zwölften Jahrhunderte bereits über ganz Nubien, Abessinien und sogar einem Theile von Sennaar ausgebreitet hatte. Selim elAssuani erstattete seinen ßericht über Sobah bereits in der Mitte des zehnten Jahr- hunderts, und also genau 400 Jahre nach der Einführung des Christenthums, auf der Insel Philae* an der Nordgrenze von Nnbien. Die Christen in Ethiopien gehörten der jakobiti- schen Sekte an, und ich möchte fast vermuthen, dass das Christenthum früher aus Abessinien** nach Nubien vorge- drungen sey und sich am Nordrande der Bahiuda, wo ich sehr alte christliche Monumente fand , und im Königreiche Aloa festgesezt hatte, bevor es gelang, demselben unter den v\ilden Blemiern im Waddi Kenuss festen Fuss zu verschaffen ***. Die Einfälle der Araber erstreckten sich kurz nach der Eroberung von Egypten auch auf Nubien, nachdem schon früher ohne Zweifel Einfälle dieses Volkes von der Küste des rothen Meeres her stattgefunden hatten. Im südlichen Nubien und Sennaar hingegen scheinen die Araber als s esshaftes Volk und mit ihnen die Lehre des Islams erst mit dem zwölften Jahrhunderte festen Fuss gefasst zu haben t, und zwar nicht so sehr, wie es scheint, durch das Schwert, als durch moralisches Übergewicht und durch langsames, allmäliges Vermischen mit den uubischen Völ- kern, wenigstens spielten in Sobah noch im zehnten und eilften Jahrhunderte die Muhamedaner nur eine unter- geordnete Rolle. Doch endlich erhob sich der Halbmond auf den Trümmern des Kreuzes, das Christenthum wurde * S. oben S. 99. "■"' Im Jahr 333 ungefähr in Abessinien eingeführt. RÜPPEL, Reise in Abessinien, II. S. 342. *"■•' Waddington and HuMBVRy Journal of a visit to home parts of Ethiopia, Appendix III. t Bruce, Reise zu den Quellen des Ptils. IV, «S. 458, 479 aus dem südlichen und nördlichen Nnbien g^anz verdrängt * und der Islam herrschte in Sennaar und sonach auch in Aloa bis zum secliszehnten Jahrhunderte. Da geschah jener merkwürdige Andrang der Fungi aus West, die sich im Jahr 1504, nach Bruce, des Königreiches Sennaar bemeister- ten ** und in welchem Sturme, wie ich glaube, auch Sobah unterging. Doch auch die Fungie unterlagen, zwar nicht in physischer Beziehung, doch in moralischer, bald dem über- wiegenden Einflüsse der Araber, sie wurden aus Heiden Mo- hamedaner; die Dynastie ihrer Könige aber erhielt sich bis zur Eroberung von Sennaar durch die egyptischen Truppen des Mehemmed- Ali. Dieses ein kurzer Überblick der Geschichte des alten Königreiches Aloa, auf die wir am geeigneten Orte, als höchst folgenreich für jene Länder, umständlicher zurück- kommen werden. Dieses Aloa und namentlich Sobah, des- sen Trümmer übrigens nicht den mindesten Anstrich von altethiopischer Grösse und Kultur haben, wurde die Basis einer lange währenden Verwirrung hinsichtlich der Bestim- mung der Lage der alten Insel Meroe. Man verliess den so richtig vorgezeichneten Weg der griechischen und römischen Geographen, Hess sich durch d'Anville's richtige Ansicht des Gegenstandes nicht zurecht führen , nahm den Begriff „In- sel" in einem offenbar zu engen, dem Sprachgebrauche nicht entsprechenden Sinne, und konnte sich zum Theile von der Idee nicht lossagen , das Sobah müsse auf den Trümmern des uralten Meroe erbaut seyn. Da biachte endlich die Entdeckung der Tempel und Pyramiden am Dschebel Barkai im Dar Scheikie und noch mehr die Auffindung des Konfluenzpunktes altethiopischer "■ Mir sind wenigstens gegenwärtig in ganz Nubien keine einheimi- schen Christen bekannt. '•"* Sehr mit Unrecht verwechselt Bruce die Fungi mit den Schilluk, mit denen sie doch gar Nichts gemein haben. Die Scliilluk sind ein wildes, hässliches Negervolk, die Fungi hingegen ein dunkelbrnunes, schönes Volk, gleich den Abessiniern und den Barabra. Wahrscheinlich stammen sie aus Kordofan und Darfur, und sehr wahrscheinlich sind sie ein Zweig des grossen Gondjarcn-Stunimes aus Darfur, der sich zum Herrn von Kordofan machte. 480 Kultur durch Cailliaud, die Entdeckung nämlich der Pyra- miden von Assur, der Tempel von Messaurat, Nag:a und Waddi Bed Naga oder Woadd Naga, so wie die Entdeckung des im egyptischen Style ausgeführten Basrelief im Schendy, durch Brocchi, Licht in das Dunkel. Die Lage der präch- tigen Denkmale der Nekropolis bei Assur stimmte zu genau mit der von den griechischen und römischen Schriftstellern angegebenen Lage von Meroe überein, als dass man noch länger an der Wahrheit ihrer Angaben hätte zweifeln kön- nen, und es wurde daher unser heutiges Dar Atbara als die Insel Meroe der Alten und die erwähnten Denkmale für die Reste der alten Hauptstadt dieses Landes gleichen Na- mens erkannt. Durch diese Bestimmung von Meroe bestimmte sich auch ein zweiter wichtiger Punkt, dessen Lage bis dahin eben- falls in Zweifel gestellt war, nämlich Napata, die alte Hauptstadt von Nubien. Plinius rechnet von Napata bis zur Insel Meroe 3(50,000 Schritte oder ein Schritt (passus der Römer), zu 5 Fuss gerechnet, ungefähr 340 englische Mei- len * Nun aber beträgt die wirkliche Entfernung vom Dschebel Barkai, wo die prachtvollen Tempelruinen und die Reste einer ausgedehnten Nekropolis die einzige Existenz einer reichen und mächtigen Kapitale ausser allen Zweifel setzen, dem Sti-ome nachgerechnet, bis zum Beginne von Dar Atbara (Insel Meroe) bei Damer 207 und bis zur Ne- kropolis von Assur (Stadt Meroe) 322 englische Meilen, meinte Plinius also entweder den Anfang der Insel Meroe oder ihre Hauptstadt selbst in seiner Angabe, so ist die Differenz im ersten Falle = 73 und im zweiten = 18 eng- lische Meilen. Dem Nachfolgenden gemäss lässt sich hier mit Sicherheit vermuthen, dass Plinius die Entfernung von 360,000 Schritten von Stadt zu Stadt nahm, und in diesem Falle ist die Differenz von 18 englischen Meilen bei solchen Entfernungen und bei der Unsicherheit der Schätzung, die doch gewiss, wenigstens stellenweise, die wirkliche Messung vertrat, als sehr unbedeutend zu betrachten, und es ist kein Zweifel , dass die Trümmer der Denkmale am Dschebei * HOSKFNS, S. 67. 481 Baikal die Reste von Napata der alten Kapitale Nubiens seyen *. Für die Richtigkeit der Annahme, dass die Insel Me- roe mit dem heutigen Dar Atbara identisch sey, haben wir noch mehrere sehr gegründete Beweise. Wie bekannt, ging unter Nero eine Expedition römischer Prätoren und Tribu- nen von Siene nach Meroe, und aus ihrem Itinerar ergab sich, nach Plinius, die Distanz von Siene bis zur Insel Me- roe = 874,000 Schritten oder = 817 englischen Meilen**. Nun beträgt aber die wirkliche Entfernung dem Strome ent- lang, nach HosKiNS und mir, 850 bis 8G0 englische Meilen, folglich ist die Differenz gering. Ferner gibt Plinius die Entfernung der Stadt Meroe vom Anfange der Insel Meroe zu 70,000 Schritten oder 66 englischen Meilen an. Ich fand die Distanz von der Landspitze an der Mündung des Atbara bis zu den Pyramiden bei Assur = 55 englischen Meilen, bei HosKiNS beti'ägt sie nach dem Texte (S. 67) 60, nach seiner Karte aber ebenfalls 55 englische Meilen , folglich wieder nur eine aus der Differenz der Masse, aus den Schwankungen der Schätzung etc. um so leichter erklärbare Differenz, da die Kapitale allerdings auch einige englische Meilen südlich der Nekropolis gelegen haben mag. Eine ähnliche Übereinstimmung ergibt sich, wenn wir die Karavanen - Route zwischen Assuan und Assur, d. h. zwischen Siene und Meroe, in der Richtung, in welcher HosKiNS und ich sie gezogen sind, mit den Angaben der alten Reisenden vergleichen, die denselben Weg gegangen waren. Ich fand diese Distanz beider Orte ungefähr = 5S4 engl. Meilen , wie sie auch Berghaus gibt, nach Hos- KiNS beträgt sie aber im Texte 560, der Karte nach 550 engl. * Warum Hoskiiss S. 67 die grösste Entfernun» vom Dschebpl Bar- kai bis zur Insel Meroe nur zu 240 englischen Meilen, also entweder um 27 oder, wenn er unter Meroe ,^ssur" verstehtj gar um 82 englische Mei- len zu gering anschlug, ist mir auffiilicnd, und icli sehe den von ihm ge- zogenen Schluss, dass das alte Napata weiter stromabwärts bei Dungola geddim (Alt Dongola) zu suchen sev, als unrichtig an. und zwar um so mehr, da daselbst durchaus keine Reste zu sehen sind, die auf die Exi- stenz einer einstigen Hauptstadt zu schliessen berechtigen könnten. "* HosKiNs, S. 67. Die Piei.se g"sc!iah ohne Zweifel dem Strome naeii. Kii8«egger, RoiKcn. II. Bd. I. Thl. 31 482 Meilen. Unter den vielen Ang^aben der alten Reisenden * sind die von Eratosthenes und die von Artemidorus die be- stimmtesten. Nach ersterm berechnet sich die Entfernung von Siene bis Meroe (Stadt) auf 590, nach lezterm auf 568 engl. Mei- len, folglich ergeben sich Differenzen, die bei der Länge der Strecke, gegenüber der Unsicherheit der Bestimmungsweise, immerhin als ausgleichbar angenommen werden können **. Ich erachte diese etwas weitläufige Darstellung der Si- tuationsverhältnisse von Meroe für nothwendig, um uns auf dem klassischen Boden zu orientiren , den wir nun bald be- treten werden , und kehre daher jezt wieder an die Mün- dung des Atbara zurück, um meine Reise fortzusetzen. Des conträren Windes halber wurden unsere Barken den Schellal hinaufgezogen und wir kamen , da wir an einem Felsen mitten im Strome auch noch auf die übrigen beiden Barken warten mussten, erst spät am rechten Ufer bei Da- mer an. Dieses Städtchen liegt auf der Landzunge, welche den Atbara vom Nile trennt und ist noch jezt ein wegen seiner Schulen und seiner Gelehrsamkeit halber in Nubien berühmter Ort. Damer war noch zu Burkhardt's Zeiten (1814)*** ein leiser Nachklang aus der Zeit des Priesterstaa- tes von Meroe, ein kleines Ländchen, grösstentheils nur von arabischen Fakis (Schriftgelehrten) bewohnt, wo sich, um- geben von barbarischen Völkern, in ganz Nubien am ruhigsten, sichersten lebte und von wo aus die Faki, ganz im Frieden, ein grosses moralisches Übergewicht über alle die wilden Stämme ringsherum ausübten. Die Regierung von Damer war in den Händen des Gross-Faki, und die Schulen, in denen Le- sen, Schreiben und der Koran gelehrt wurde, waren so be- rühmt, dass junge Leute aus allen Gegenden des mohame- danischen Theils von Sudan , besonders aber aus Darfur, * HosKiNs, S. 66. ** Zwei der berülimlesten Reisenden in Ethiopien, Bruce und Bitrk- HARDT, zogen dicht an den Ruinen von Meroe vorüber, ohne sie zu Ge- sichte zu bekommen , beide ahneten aber bereits die grosse Wichtigkeit jenes Terrains in Bezug auf die alte Geschichte. Es gibt diess einen Be- weis, wie wenig man sich darauf verlassen kann, von den Eingeborneu auf derlei Gegenstände aufmerksam gemacht zu werden. *** BuRKHARDT, Reiscii , S. 355. — Ritter, Erdkunde I, S. 543. 483 Senn.aar, Kordofan nach Damer zogen, um dort Weisheit zu lernen und sodann in ihrem Vaterlande als Rechts- und Gottes- n^elehrte die Stellen von Fakis und Gross-Fakis anzutreten. Die weltliche Macht dieses kleinen hierarchischen Staates ist im Sturme der egyptischen Eroberung untergegangen, doch die Schulen von Damer haben ihren alten Ruhm keineswegs ganz verloren und sind noch immer sehr besucht. Als wir Damer verlassen hatten, passirten wir die Dörfer Mehemed Sill und Ambori am rechten, und Hassal , Abuselam und An- gar am linken Ufer, an welch lezterm wir die Nacht durch anhielten. Krokodile sahen wir nun täglich in grosser Menge und von monströser Grösse. Sie lagen oft scharenweise am sandigen Strande mit weit aufgesperrtem Rachen und sonnten sich. Häufig getroffen von unsern Kugeln, konnten wir doch keines erhalten , weil sie , stets dicht am Rande liegend, sich sogleich auf den Schuss ins Wasser stürzten und verschwanden. Am 8. März lag am Morgen ein leichter Nebel auf der Gegend ringsumher, der uns umsomehr auffiel, da die Luft einen Zustand von grosser Trockenheit wahrnehmen Hess, als wir jedoch die Sache näher untersuchten, fand sich, dass dieser Nebel blos ans Staub und Sand bestand , den der Wind in der Nacht gehoben hatte und der noch immer in der Luft schwebte. Da Windstille herrschte, musste das Schiff gezo- gen werden. Das Ziehen der Schiffe besorgt in Egypten die Bemannung einer jeden Barke selbst, in Nubien hingegen wird das Landvolk zu dieser Arbeit gebraucht, und da das- selbe, theils aus natürlicher Trägheit, theils der Versäum- niss der wichtigeren Feldarbeiten wegen, sich nicht gerne hiezu gebrauchen lässt, so werden die Leute von den Sa- kien weggenommen und zu diesem Frohndienste auf eine bar- barische Art zusammengeprügelt. Daher ist es auch natür- lich, dass die üferbewohner die Annäherung eines jeden sol- chen Schiffes fürchten, und es sich häufig trifft, dass man, indem die ganze Bevölkerung entflieht^ die grössteii Dörfer leer findet. Unsere Schiffsmannschaft war höchst erstaunt, als wir ihr jenen Unfug nicht gestatteten und sie zwangen, die Barken selbst zu ziehen. Gegen Mittag erhob sich ein 31 * 484 frischer Nord, wir spannten alle Segel und unsere Barken flogen den n[ia,jestätischen Strom hinauf. Am Dorfe Sedah, am h'nken Ufer fanden wir eine Anzahl Araber und Nubier im Dienste der egyptischen Regierung;, beschäftigt ans Aka- zien- und Mimosenholz Barken zu bauen, die bestimmt wa- ren, nach Egypten gebracht zu werden. Später wechselte der Wind neuerdings, und da die Schiffe gezogen werden mussten, so hatten wir hinlängliche Zeit, am Lande zu ja- gen, bei welcher Gelegenheit wir die ersten Strausse sahen und eine sehr schöne Huwära* (Trappenart) schössen. Im Laufe unserer Nachmittagsfahrt liessen wir den Dsche- bel el Geremäde am linken Ufer einige Meilen weit im Lande liegen, sahen Abends vor uns das Gebirge el Egedah , wel- ches weiter nach dem Innern zu mit Geremada in Verbin- dung zu stehen scheint und hielten für die Nacht am Dorfe Amphar, am linken Ufer, dem Dorfe Aliab, am rechten Ufer gegenüber. Hoskins erwähnt in seiner Reise zwischen Angar, unserer gestrigen, und Amphar, unserer heutigen Nacht- station, der Dörfer Mechalreb, er Raueh und el Ferakah am linken Ufer, Husseiah und el Hanieh am rechten Ufer, so wie der Inseln im Strome: Essedräb, Gunnabra und Dum- fär. Die Ufer des Stroms sind gut bebaut; herrliche Baum- gruppen von Mimosen und Palmen und undurchdringliches Gebüsch wechseln mit Getraidefeldern und Zuckerrohr-Pflan- zungen. Die schöne Vegetation, die runden Hütten der Ein- gebornen mit ihren kegelförmigen Schilfdächern, die kolos- salen Rinder in den Einfängen, die knarrenden Räder der Sakien am Flusse, gaben in der Beleuchtung des brennen- den Abendrothes ein unvergesslich schönes Bild dieser ächt- afrikanischen Landschaft. Am Morgen des 9. März hatten wir starken Nordwind, der Flnss warf Wellen wie ein grosser Landsee, wir fuh- ren rasch mit vollen Segeln. Unsere Matrosen steckten in der Richtung des Windes einen Dolch in den Mastbaum, um dadurch jenen zu verhindern, seine günstige Richtung zu ändern oder gar zum Sturme anzuwachsen. Nachdem wir den Dschebel Egedah am linken Ufer * Otis orab. 4S5 hinter uns hatten , passirten wir die einstige Gränze zwi- schen Dar Djaai und Dar Schendy , der südlichsten Provinz von Nubien, die unmittelbar an das alte Sennaar gränzt. Der Fhiss hat hier eine ausserordentliche Breite,» so dass man in der Zeit des höchsten Wasserstandes von einem Ufer zum andern nur die Wipfel der emporragendsten Bäume ent- deckt. Das Land ist übrigens an den Ufern verhältnissmäs- sig stark bewohnt und bebaut. Je mehr wir weiter strom- aufwärts kommen , desto näher folgt Dorf auf Dorf, wir pas- sirten die grossen Ortschaften : Szamo Szegati am rechten und Abu Nub am linken Ufer, sahen bald darauf die Dsche- bels Bagross und el Mali und betraten um Mittag bei dem Dorfe Bedjerauie, dicht an Assur am rechten üter liegend, den klassischen Boden von Meroe. HosKiNS gibt in seinem Reiseberichte S. 64 und 65 die Reihe der zwischen Bedjerauie und Amphär liegenden Dör- fer und Inseln Folgendes an Linkes Ufer. el Egedah. Kitejab. el Eggagrab. en Nuba. Effadnieh. Ednamaad. Es Szegati. el Chamir. el Hölalla (Hoely el Alla). Em Machmiah. Inseln. el Egedah. Nama. Waddi JusuflF. Hoely el Gerf. Bagromeh. es Szegati. Em Machmiah. Es Schellal. Taadra. Rechtes Ufer. Dschibata. Waddi Abdallatif. el Ekarit. Ed-Deiga. Gul em Mut-mur. Bitasaat. Schutaib. Dschebel Immeli. Assur, Dankelah. Bagromeh *. * Mehrere dieser Namenangaben habe ich nach dem Klange geän- dert, den ihre Aussprache von Seite der Eingebornen in meinem deutscheu Ohre mich wahrnehmen licss. Dass HosKms, als Engländer, auch ciii 486 Wie wir ans Land getreten waren, entdeckten wir auch in der Wüste gegen Ost auf einem Hügel sogleich die erste Pyramidenreihe der Nekropolis des alten Meroe. Sie liegt am westlichen Abhänge einer niedern Kette von Sandstein- bergen, welche sich aus Nord in Süd erstreckt und von den Eingebornen uns mit dem Namen Abu-gun-an bezeichnet wurde. Die brennende Sonnenhitze konnte uns nicht abhalten, ungesäumt unsern Weg dahin anzutreten. Wir wanderten ^ Stunde über Kulturland und | Stunden durch Wüste bis zu den ersten Pyramiden, die wir vom Ufer aus gesehen hatten. Es sind deren dasselbst 96 auf einem Platze bei- sammen, wovon jedoch die meisten bis auf den Grund zer- stört sind. Weiter in Nord -Ost liegen in geringer Entfer- nung, auf zwei Hügeln und in einem Bogen, der gegen Ost offen ist, zwei andere Pyramidengruppen, die zusammen 80 Pyramiden enthalten , von denen ebenfalls die Mehrzahl zerstört ist. Im Ganzen zählt man also, wie auch Cailliaud sehr richtig bemerkt, 170 solcher Denkmale. Der Eindruck, den der Anblick einer solchen Menge von Mausoleen, auf einem Terrain von so geringer Ausdehnung, hervorruft, ist höchst imponirend und lässt mit Recht auf die grosse Bedeu- tung einer Stadt schliessen , welche eine Nekropolis von so und denselben Laut anders schreibt, ist ganz natürlich und liegt in der Natur der Sprachverschiedenheit. Auf meiner Karte fand ich es nicht nöthig, allediese Namen anzuführen. Ich gab nur jene nach meiner Schreib- art an, über welche ich aus eigener Erfahrung Rechenschaft zu geben im Stande bin und entnahm die übrigen, so wie sie sind, der Berghaus'- schen Karte, die sich auf die Reiseberichte von Burkhardt, Rüppejll und Cailliaud stüzt, welchen ich nicht weniger Glauben beizumessen mich für berechtigt halte, als jenen von Hoskins. Bagromeh des HosKms halte ich ganz bestimmt für identisch mit meinem Bedjeraui^h und entscheide mich was richtige Schreibart betrifft, für lezteres. Mehrere der von Hoskins angegebenen Ortschaften entgingen mir ganz, da ich erst lange nach voll- endeter Reise zu Liverpool in Besitz seines schätzbaren Werkes kam. As- sur und das am linken Ufer des Nils gegenüber liegende grosse Dorf Gur- kab sind zwei astronomisch bestimmte Punkte und zwar berechnet sich für er st res nach Cailluud und Letorzec eine nördliche Breite von 16** 56' 55" und eine östliche Länge von Paris» von 31® 34' 5"; für das zweite hingegen nach Rüppell eine nördliche Breite von 16® 54' 63" und eine örtliche Länge von Paris von 31" 29' 16". 487 gi'ossartigem Massstabe besitzen konnte. Übrigens ist es nur die Zahl dieser Monumente, welche den Reisenden über- rascht nnd keineswegs ihre Grosse; denn in dieser Bezie- hung sind sie neben den Riesen von Dschiseh und Sakaara nur Zwerge zu nennen. Alle diese Pyramiden sind ihrer Spitzen beraubt, indem sie abgetragen scheinen, oder viel- leicht von selbst eingestürzt seyn mögen. Die gröss- ten derselben messen an der Basis 36 bis 40 Wiener Fuss Seite und haben eine Höhe von 60 Fuss, wenige derselben mögen ursprünglich um einige Fuss höher gewesen seyn. Im Ganzen glaube ich bei ihrem Anblicke das S. 178 dieses Bandes für die ethiopische Pyramiden- Architektur im Durch- schnitte gegebene Verhältniss der Höhe zur Basisseite = 14; 12 bestättigt zu finden. Durch dieses Verhältniss der Haupt- dimensionen erklärt sich das schlanke Ansehen dieser Denk- male im Gegensatze zu den Kolossen von INord - Egypten. Alle diese Pyramiden sind aus Sandsteinquadern ohne Mör- tel aufgeführt, theils an den Kanten abgerundet, theils scharf, die Steine bei einigen treppenartig übereinander gelegt, so dass man viele an den Kanten sowohl als an den Seiten- flächen besteigen kann. Jede Pyramide hat an ihrem Fusse, und zwar an der nach Ost gekehrten Seite, einen ungefähr 2 Klafter langen Eingang mit einem kleinen Vorbau, eine Art Portikus oder ein blosses Portal , von innen und aussen mit Basreliefs und Hieroglyphen verziert. Erstere haben meist Darstellungen des religiösen Kultus zum Gegenstande, ganz desselben, den wir in Egypten finden, dieselben Götter, dieselbe Weise, sie zu verehren. Dr. Ferlini aus Bologna, der sich längere Zeit als Militär- Arzt im Dienste der egyptischen Regierung zu Chardum auf- hielt, öffnete mehrere dieser Pyramiden* und war der erste Europäer, der uns über das Innere dieser Grabesdenkmale Aufschluss gab. Er durchwühlte die mit Schutt erfüllten Kammern und fand die Reste ihrer Bewohner, aber merk- würdigerweise keine Mumien, sondern, wie er mich bei meiner Anwesenheit in Bologna im Jahr 1840 versicherte, * Dr. Ferlini, Cenno siigli scavi etc. Bologna 1837. Fouilles de la Nubie etc. Rome 1838. 488 dnrcligehends Gerippe und zwar in sitzender Stellnng. Hier Iiätten wir also eine wesentliche Abweichung in den religiö- sen Gebräuchen der Ethiopier von denen der Egypter, inso- ferne dieses Wort auf die Beerdigung der Todten Anwendung hat. Ferlini bildete sich von den Schätzen, die er in die- sen Grabeskammern fand, und worunter sich sehr schöne imd reiche Goldgeschmeide befanden, ein höchst interessan- tes und werthvolles Museum. Die egyptische Phantasie ist in der Form dieser Gegenstände (Ringe, Armbänder, Vasen etc.), wie die seinen Fouilles de la Nubie beigefügte Abbil- dung zeigt, allerdings nicht zu verkennen, doch kann auch anderseits nicht geläugnet werden, dass sehr viel von griechi- scher und römischer Manier darin liegt. Genaue Beschreibungen des Äussern dieser Pyramiden und Abbildungen der Basreliefs und Hieroglyphen, die ihre Gänge zieren, finden sich in Hoskins und Cailliaüds Reise- werken so umständlich und umfassend, dass mir hierüber Nichts zu sagen übrig bleibt. Auch Rüppell erwähnt dieser Denk- male, doch die Zeitverhältnisse, unter denen er reiste, er- laubten ihm nur einen sehr flüchtigen Blick darauf zu werfen*. Das alte Meroe, die Stadt selbst nämlich, scheint zwi- schen der Nekropolis nnd dem Ufer des Nils gelegen zu haben, was sich vorzüglich dadurch bestätigt, dass man in der Nähe der Dörfer Assur, Dankelah und Bedjerauie häu- fige Spuren alter Gebäude aus Sandsteinquadern und Back- steinen trifft, welche ungefähr den Flächenraum von ^ bis yV D Meile einnehmen mögen, und unter denen Cailliaud die Reste einiger Tempel zu erkennen glaubte. Ich sah nichts als Trümmer, in denen ich nur die Reste alter Mauern erkennen konnte , über deren einstige Rolle ich mir kein ürtheil erlaube. Aiich glaube ich nicht , dass Jemand im Stande seyn wird, aus dem, was an der Oberfläche liegt, ein wohlbegründetes ürtheil zu fällen. An Meroe hat die * RiippEix, Reisen in Nubien etc. S. 114 etc. Atlas, Tafel 5. Cailliaud, Voyage ä Meroe etc. II. pag. 146—176. III. pag. 162—168. Dessen Atlas 1, Tafel 31 — 47. HosiKiNS, Travels etc. S. 66—86 und S. 284-367. Tafel 5—12 und Tafel 53. Die Abbildungen zeichnen sich durch ihre Korrektheit aus. 489 Geschichte von Jahrtausenden gerüttelt, in den tropischen Regeiistürmen sind seine Trümmer sozusagen in Atome zer- fallen. Hier können nur Nachgrabungen Licht verschaffen, die müssten aber auch , verständig geleitet , von höchstem Interesse und vielleicht von glänzendem Erfolge seyn. Nach dem Anblicke der Pyramiden von Assur kann ich HosKiNS Ansicht von dem hohen Alter dieser Denkmale, die gegenwärtig in Trümmern vor uns liegen, nicht theilen. Seiner Meinung nach stammen diese Monumente aus der Zeit vor Tirhaka*, dessen Namen wir auf den Monumenten am Dschebel ßarkal werden kennen lernen, folglich müssten sie ein Alter von wenigstens 'i'iOO Jahren haben. Wenn wir diesen Gegenstand vorerst vom physikalischen Gesichts- punkte aus betrachten , so sehen wir, dass wir es im süd- lichen Nubien mit einem ganz andern Klima, folglich mit einer ganz andern Dauerhaftigkeit der ßaumaterialien zu thun haben, als in Egypten, und dass lezteres Land in Be- urtheilung des Alters der Monumente durchaus nicht zum Massstabe für ersteres genommen werden kann. Unter dem ewig heitern, regenlosen Himmel Ober-Egyptens und dem nördlichem Theil von Nubien trotzen die Monumente durch Jahrtausende den Einwirkungen der Atmosphäre und die im Sandsteine der Tempel von Theben ausgeführten Skulpturen sehen wir noch heute in all ihrer ursprünglichen Schärfe bis in das kleinste Detail erhalten. Nicht so im südlichen Nubien, jenseits des 17. ßreitegrades, wo die periodisch je- des Jahr eintretenden und fast durch ti Monate andauernden Regenstürme dasselbe Gestein, den Sandstein der Katarakten nämlich , in einer viel kürzern Zeit mechanisch zerstören, w elcher Einfluss sich besonders an den scharfen Kanten der Scnlpturen ausspricht. Nun aber sehen wir in dieser Be- ziehung geringen Unterschied zwischen jenem Theil dieser Monumente, der seinem ganzen Charakter nach entschieden jüngerer Entstehung ist, und dem altern, folglich kann auch die Altersdifferenz keine so bedeutende seyn. Betrachten wir aber auch den Gegenstand in architek- tonischer Beziehung, so glaube ich, dass wir in den Pyramiden ** Aus der 25. ethiopi&cheu Dynastie, die auch über Egypteu herrschte. 490 von Assnr, denen von Egypten gegenüber, nur Nachahmung aber nicht Original sehen. Die Zierlichkeit und die damit ver- bundene, wirkliche ästhetische Schönheit der Form dieser Denkmale ist eine natürliche Folge des gewählten Verhält- nisses ihrer Dimensionen und des Materials selbst, aus dem sie bestehen. Dieses, der Sandstein nämlich, kann in den Steinbrüchen Nubiens , wo er meist dünn geschichtet ist, nie in so grossen Massen gewonnen werden, wie der Nummuli- tenkalk und die Kreide in Ober-Egypten, nie können daher Monolithe von so enormer Grösse beim Baue angewendet wer- den, wie dort, und nie können also solche Riesenmassen von Pyramiden mit der Aussicht auf eine Jahrtausende umfas- sende Dauer derselben hergestellt werden , wie die von Dschiseh und Sakaara sind. Das Zierliche der Pyramiden von Assur sehe ich daher nicht minder in der gegebenen Nothwendigkeit begründet, als in dem seine Zeitperiode charakterisirenden Styl. Fast überall sehen wir, dass die Kunst in ihrem ersten Erwachen sich in der Schöpfung des Kolossalen gefällt und erst durch die höhere Weihe des Geschmackes auf das wahrhaft Schöne übergeht, und ich glaube daher, abgesehen von der physischen Unmöglichkeit des Gegensatzes, dass die ethiopischen Pyramiden wohl eher Nachahmung der memphitischen als umgekehrt seyen. Dass die Handhabung der egyptischen Baukunst in den Händen späterer Jahrhunderte Schönes zu schaffen im Stande war, beweisen die Kunstdenkmale aus den Zeiten der Ptole- mäer, und dass nicht jedes Monument, über das die Grazien ihre Huld ausgiessen, auch desswegen schon sehr alt seyn müsse, das, glaube ich, dürften wir uns durch das Studium der Kunstgeschichte wohl überzeugen können. Übrigens ist es auch nur die Form dieser Pyramiden, welche wirklich geschmackvoll genannt werden muss, nicht aber die Ausfüh- rung der an ihnen angebrachten Sculpturen. Diese fand ich schlecht im Gegensatze der lebensvollen Gestalten auf so vielen Monumenten Egyptens. Es ist aber nicht das Rohe, Ungeübte, der noch nicht geläuterte Geschmack, wie sie sich in den Sculpturen der uralten Felsentempel in Unter-Nubien aussprechen, nein! Es ist das Schleuderische, Nachlässige 491 der neuern Zeit. Der Meissel schien müde seines Gegen- sthuer*. Nur Aveiiij^e dieser Hiinser sind ans lufttrockenen Lehniziegeln erbaut, die meisten sind blosse Tognls, d. b. ans Stroh oder Schilf erbaute, runde Hütten mit konischen Dächern desselben Materials, von 12 bis 18 Fuss innerm Durchmesser uiidman chmal an den Wänden von innen und aussen mit Lehm verputzt. Mehrere solcher Hüt- ten, durch eine Hecke eingeschlossen, bilden die Wohnung j»rösserer Familien. Das ansehnlichste Gebäude ist das Ma- gazin der Regierung mit der Wohnung des Gouverneurs, welches dicht am Flusse liegt und das Ausehen einer Fe- stung hat, mit ümwallung und Bastionen. Schendy brachte früher alle inner-afrikanischen Artikel in Handel, gegenwärtig aber, da derselbe grösstentheils zum Monopol wurde und Gegenstand des Verkehrs auf den Haupt- stapelplätzen von Ost-Sudan, Chardum und el Obeehd ge- worden ist, beschränkt sich der Handel von Schendy gröss- tentheils auf Sclaven und Vieh , wofür aus Egypten Baum- wollenzeuge, Messer, Seife, Datteln, bunte Tücher, Färbe- artikel, wie: Antimon und Henne, zum Schwarzfärben der Angenlieder und Rothfärben der Hände, Glaskorallen und dergleichen Putzsachen, Tabak, Zucker, Parfüm etc., aus Abessinien aber vortreflFIicher Kaffe zugeführt werden. Durch den Umstand, dass die egyptische Verwaltung in neuerer Zeit den Sclavenhandel auf eigene Regie b 'trieb, die ab- scheulichen Sclavenjagden wie einen Industriezweig betrach- tete und mit den Sclaven die Soldrückstände an die Truppen tilgte, nahm auch dieser Handel bedeutend ab. Die Preise der Sclaven waren zu meiner Zeit beinahe wie in Chardum. Ein männlicher Neger kostete von 25 bis 70 fl. Konv. -Mze., eine Negerin bis zu 200 fl., eine schöne Abessinierin bis zu 300 und 350 fl. Konv.-Mze. Das Vieh auf dem Markte von Schendy ist vortrefflich, Kamele kosteten von 20 fl. bis zu 100 fl.; die theuersten darunter sind gut abgerichtete Reit- * Astronomisch bestimmte Lage von Schendy: nach Bruce 16" 38' 35" nördl. Br,, 3l" 4' 30" öst. L. von Paris; nach Cailuaud und Lktor- ZEC 16" 41' '26" nördl. Br., 31° 15' 8" östl. L. von Paris; nach LINA^T 16® 37' 30" nördl. Br. 494 kamele, sog-eiiannte Heg^ins, welche die Wandervölker vom Athaia und besonders die Biseharin in einer seltenen Güte heran zu ziehen verstehen *. Von nicht minderer Güte ist das Hornvieh und der Preis der kolossalen Sennaar-Ochsen steigt von 20 zu 60 fl. und selbst darüber pr. Stück, wäh- rend der Preis eines schönen Schafes selten den Werth von 1 fl. Kon.-Mze. erreicht. Die Ra^e der im Lande g^ezogenen Pferde ist von vorzüglicher Schönheit und übertrifft in die- ser Beziehung noch jene von Dongola, ist aber ebensowenig wie leztere ausdauernd , besonders nicht in einem fremden Klima. Die in Schendy im Kurse stehende Geldsorte ist, wie in ganz Nubien, Sennaar und Kordofan, der egyptische Piaster in allen seinen Kombinationen , doch am gesuchte- sten als Cheirie von 9 Piaster (Goldstück zu 54 kr.) und als blosses Piasterstück (Silber- Münze zu 6 kr.). Ausserdem ist, wie vorzüglich in ganz Abessinien, der österreichische Älaria-Theresia-Thaler ** unter Bedingungen gangbar, auf die wir später zurückkommen werden. Mit den Wandervölkern wird grösstentheils Tauschhan- del getrieben. Industriezweige der Einwohner von Schendy bilden die Verfertigung schöner Lederarbeiten, Peitschen aus Hippopotamushaut (sogenannte Kurbatsch), Stricke aus Le- der, die äusserst dauerhaft sind, vorzügliche Reifsättel für Pferde und Dromedare, Silber- und Goldschmid-Ärbeiten und Matten, Körbe und konische Deckel auf die Schüsseln , in de- nen die Speisen aufgetragen werden, aus Stroh oder Palmen- blättern, welche leztere sie zu diesem Zwecke mit den Finger- nägeln in ganz schmale Streifen spalten. Diese Flechtarbei- ten aus lezterm Materiale sind häufig von bewunderungswür- diger Schönheit, sowohl in Bezug der Feinheit des Geflechtes, als der Farbenpracht, die sie diesen Streifen der Palmenblätter * Bei Mek Souman, dem Häuptling von Roserres, fand ich einen Hegin, den er für 300 fl. Werth eingetauscht hatte, das Thier lief im Trabe so schnell, dass man es zu Pferde im Galopp nur schwer mit ihm auf- nehmen konnte, dabei trug es sehr sanft und konnte in diesem Tempo Tage lang aushalten. ** Den spanischen Thaler, den sogenannten Collonato, habe ich in jenen Ländern als eine unter dem Volke gangbare Münze nirgends ge- troffen. 495 zn g-eben verstehen und des Geschmackes, mit dem sie die verschieden «gefärbten Streifen zn manniofaltigen Figuren ordnen. Die äusserst netten Körbchen sind so dicht, dass man sie für kurze Zeit zum Transporte von Milch oder Was- ser gebrauchen kann. Eine schöne Matte, 6 Fuss lang und 3 Fuss breit, kostet in Schendy selbst 30 bis 80 Piaster (3 bis 8 fl. Kon.-Mze.). Die Bewohner von Schendy sind fast durchaus arabischen Ursprungs und zwar vorzüglich aus den Stämmen der Djaalein und el Hamdeh. Den geringern Theil der Bevölkerung bilden Ababde, Dongolaui und Fungi, erstere beide als Kauflente daselbst wohnend, leztere ein Rest aus jener Zeit, als Schendy eine Proviuz des Königreiches Sennaar war. Über die Sitten dieser Völker, über den frü- hern Verkehr von Schendy und besonders über den Sclaven- handel, bevor die egyptische Verwaltung als Theilnehmer des- selben auftrat, geben Bürkhardt*, Cailliaud und Rüppel umständliche Nachricht. Die Sitten der Bewohner von Schendy gleichen im Ganzen denen des Volkes in el Mucheireff. Gleich leztern gehen die fast schwarzen Schendy-Araber theils ganz nackt und bedecken nur ihre Schamtheile, theils kleiden sie sich nur in ein Stück BaumwoUenzeiig, das sie in mannig- faltiger Weise und meist mit sehr viel Grazie über die Schul- tern zu werfen verstehen. Nur die Wohlhabendem besitzen Hemden. In Bezug der Sittlichkeit stehen sie noch niede- riger, als die Bewohner von Berber und dürften allerdings zn de» ausschweifendsten in ganz Nubien gehören , wozu un- streitig die Häuptlinge des Landes, durch die grosse Menge öffentlicher Mädchen, die sie sozusagen als eine ihrer Einkunftsquellen betrachten, das Meiste beitragen mögen. Unter dem weiblichen Geschlechte der arabischen Bevölke- rung von Schendy, dessen grosse Schönheit mit Recht ge- rühmt wird, ist der Gebrauch der Ausschneidung fast allge- mein. Diese uralte Gewohnheit, allgemein verbreitet bei den meisten Völkern des südlichen Nubiens, bei den muha- medanischen Nationen in Darfur, Kordofan und Sennaar, und genau beschrieben von Bürkhardt S. 454, ist, meiner Ansicht " Bürkhardt, Reisen in Nubien etc. S. 372 — 497. — Rüppell, S. 106—113. — Cailliaud, III, S. 104—122. 490 nacli, rein eine Erfindung si'idlicher Eifersuchf, und ihr prakti- scher Nutzen lässt sich um so weniger einsehen, da der Heiz des Beischlafes weiblicher Seite durch diese Opeiation nothwen- digerweise vermindert und dadurch der Zunahme der Bevöl- kerung entgegen gewirkt wird. Auch die scheinbar noth- gedrungene Enthaltsamkeit im Umgange mit dem andern Geschlechte, vor der Ehe, wird dadurch keineswegs all- gemein erreicht, da mir mehrere Fälle bekannt sind, dass Mädchen, auf diese Art präparirt, die Aufschneidung an sich vornehmen liessen, späterhin aber dem Akt der Aus- sciineidung, nur mit weniger Umständlichkeit verbunden, sich neuerdings unterwarfen, eine neue Veruarbung herbeiführten und ohne Anstand als jungfräuliche Phönixe ein eheliches Bündniss eingingen. Die Ansschneidung der Clitoris und des Randes der Vagina wird bei den Mädchen im zarten Kindesalter vorgenommen und die Vernarbung geschieht voll- ständig bis auf eine kleine Öffnung, für das natürliche Be- dürfniss. Die Aufschneidung vor dem Konkubinate, durch eigene ihrer Sache kundige Frauen vorgenommen , ist ein festlicher Akt, bei dem oft Trommellärm und Singen den Schmerzensschrei der Armen übertönen, für die diese Ope- ration oft keineswegs ohne Gefahr ist. Wesentlich unterschieden von dieser Operation, aber ans gleicher Quelle entsprungen und zu gleichem Zwecke dienend, ist eine andere Art der Verschliessung des puden- dum muliebre, die bei vielen Negervölkern in Darfur, Kor- dofan und Sennaar häufig vorkommt, besonders bei denen, die sich für Muhamedaner halten. Bei den Kindern weib- lichen Geschlechts wird nämlich in einem Alter von 6 bis 8 Jahren die blutige Naht angewandt, mit Nadel und Faden oder feinem Draht, aber ohne Ausschneid ung, auf welche Weise man die gänzliche Schliessung der Lahiae bis auf die früher erwähnte kleine Öffnung bewirkt. Die übrigen Umstände sind sich hiebei gleich, nur dass hiedurch dem Willen der Natur doch weniger entgegen gewirkt wird, anderseits aber der Betrug noch leichter gemacht ist. Solche Mädchen, die wenn sie nicht heirathen oder sonst zur Auf- schneidung bewogen sich fühlen, oft durch ihr ganzes Leben 497 in diesem Zustande bleiben, nennt der Araber Much-Hajaad (Vernähte). Browne beschreibt leztern Gebrauch*, den er iu Darfur traf, dürfte sich aber darin geirrt haben, dass er die Anwendung der blutigen Naht im reif er n, bereits mann- baren Alter der Mädchen als allgemein bezeichnet. Diess ist, so weit meine Erfahrungen reichen, nur bei Sklavinnen höchstens der Fall, um ihren Geldwerth durch zufällige Schwan- gerschaften nicht herabzusetzen. Dass dieser Gebrauch, und zwar der erst erwähnte wie der zweite, mit der religiösen Mei- nung jener Völker, bei denen ich ihn traf, in keiner Verbin- dung steht und am allerwenigsten mit den Lehren des Islam, auch von der blossen Beschneidung des weiblichen Geschlech- tes, ein Gebrauch, den man auch in Egypten theilweise in An- wendung findet, wohl zu unterscheiden ist, glaube ich ganz bestimmt versichern zu können, und zwar um so mehr, da die Eingebornen selbst dieser Ansicht sind. Bis auf die Eroberung des südlichen Nubiens durch die egyptischen Truppen im Jahr 1821 wurde Schendy durch seine eigenen Meks regiert, von denen uns Cailliaud ** eine chronologische Liste gibt, welche bis in das Jahr 1586 zu- zückführt. Dieser nach kam dieses Land ungefähr im Jahr 16.58 durch die Eroberungen der Fungi unter die Oberherr- schaft von Sennaar, unter der es bis auf die neueste Zeit verblieb, und selbst mehrere Fürsten aus der Familie derer von Sennaar besass ***. Der lezte Herrseher von Schendy * Reisen in Afrika, Egypten und Syrien. Weimar 1800, S. 410 etc. ** III. S. 106. #■■?» Wenn man die chronologische Liste der Meks von Schendy, die Cailliaud gibt, kritisch beleuchtet und mit dem Faktum in Verbindung bringt, dass Bruce (IV, S. 532), als er im Jahr 1773 zu Schendy war daselbst die Fürstin Sittina (vornehme Frau im Arabischen) , die Mutter, des Mek Idris Woadd el Faal traf, welche die Regentschaft führte und Idris bestimmt war, dieselbe erst nach ihrem Tode zu übernehmen, so Hjuss man mit Recht staunen, wie Cailliaud den Regierungsantritt die- ses Mek bereits in das Jahr 1718 setzen konnte. Offenbar ist das Zeug- niss des Bruce, des Zeitgenossen und Augenzeugen, dasjenige, was mehr Glauben verdient. Die Angaben der Regieriingsdaiier der spätem Für- sten scheint Cailliaud zu gross, die der frühern zu klein angenommen zu haben. Übrigens verfährt auch Bruce, besonders in etymologischen Ableitungen, manchnidl sriir gewallsum, so erinnere ich nur iu dieser Rh »»egger, Reisen. II. Bd 1. Itil. 3il 498 war der bekannte Mek Nemer (Tigerkönig), welcher im Jalir 1821 durch Ismael- Pascha seiner Herrschaft beraubt und zum Vasallen der egyptischen Landesverwaltnng gemacht wurde. Der Hass gegen die Unterdrücker war gliihend, und als Ismael - Pascha im Jahr 1822 im Oktober aus Senuaar zurückkam und den Meiek Nemer mit türkischer Brutalität persönlich misshandelte und neue Kontributionen von uner- schwinglicher Grösse forderte, da schlug die Stunde der Rache. Melek Nemer und Melek Missajad von Metämäh leiteten im Geheimen die Anstalten, und noch denselben Abend wurde IsMAEL-Pascha sammt seinen Mameluken in der Hütte verbrannt, die er zu Schendy bewohnte. Kaum war die That geschehen , so drang der dumpfe Ton der Nogära * weit- hin durch die Stille der Nacht auf das gegenüber liegende Ufer, wo man in Metämäh bereits seiner wartete, um über die dortigen Türken herzufallen. Sie wurden niedergemetzelt, es war eine Art sizilianischer Vesper, und noch einmal erhoben sich die Nubier gegen ihre Unterdrücker, doch schnell eilte MEHEMED-Bey el Defterdar aus Kordofan her- bei. Melek Missajad fiel im offenen Kampfe, Nemer entfloh nach Abessinien, wo er während meiner Anwesenheit in Sennaar noch lebte und im grossen Ansehen stand. MEHE- MED-Bey wüthete in Schendy und Metämäh wie ein Vieh, die Schwarzen wurden zu Hunderten geschlachtet, Schendy wurde verbrannt und ein grosser Theil der Einwohner mit. So gelang es ihm, das Volk einzuschüchtern und es blieb eingeschüchtert bis auf den heutigen Tag, der Hass aber gegen die Türken lebt fort, er glüht und jede Gelegenheit der Nachgiebigkeit von Seite der Eroberer würde ihn jezt zur Flamme anfachen. Der Name Mehemed-Ali's wirkt wie Bezieliung an die Ableitung; des Wortes Schendy von Candace, der berühm- ten Königin von Ethiopien unter Cäsar Augustus (IV, S. 532), ein hi- storisch höchst wichtiger Moment, auf den wir bei dem Überblicke über die Geschichte Nubiens zurückkommen werden. '^ Eigentlich : „Die Glocke" , hier aber die grosse Negertrommel, welche bei festlichen Gelegenheiten geschlagen wird und deren tiefer Ton feierlich und ernst sich in langsam folgenden Schlägen wiederholt. Über die nähern Umstände der Ermordung Ismael- Pascha's: Riippel S. 110; HosKins S. 91. 499 ein Zauber auf jene Volker und die Folgezeit muss lehren, was geschieht, wenn dieser Stern erlischt, ein Moment, der bei dem hohen Alter dieses Mannes nicht ferne seyn kann. Ich glaube nicht, dass sich die egyptische Gewalt in jenen Ländern erhält; denn in der Denkweise des Volkes lebt für sie auch gar keine Garantie. Schendy und seine Umgebung ist altklassischer Boden. Bereits oben erwähnte ich des Basreliefs im eg)'ptischen Style, das BRoccm* in dieser Stadt fand. Noch weit wichtiger aber sind die Trümmer grosser Baudenkmale, die in der Umgebung liegen, die keiner der frühern europäischen Rei- senden vor Cailliaud besucht hat und die darauf hindeuten, dass hier herum grosse Städte oder wenigstens höchst be- deutende Tempel und Institute des alten Priesterstaates von Meroe gelegen haben müssen. Verfolgt man den Fluss am rechten Ufer von Schendy aus ungefähr 6 geographische Meilen oder 12 Stunden weit aufwärts, so gelangt man zu einem Dorfe, welches die Ein- gebornen Waddi Bed Naga (das Thal des Hauses Naga) oder Woadd Naga (den Sohn oder Abkömmling von Naga) nennen. Leztere Benennung scheint mir die richtigere zu seyn, wenigstens ist sie dem Geiste des arabischen Sprach- gebrauches angemessener und entspricht mehr dem Fol- genden. Nordwestlich von diesem Dorfe, ungefähr eine Stunde entfernt, also dicht am Wege von Schendy dahin, befinden sich die Spuren eines Tempels und einer aus lufttrockenen Backsteinen erbauten Stadt. Der Tempel ist antik und zwei noch stehende Karyatiden beweisen , dass er ein Typhonium war**. Diese Stelle nennen die Araber Abu Naga (den Vater von Naga) oder Kenise el Faki Mesaurat (die Kirche des Faki Messaurat). Der Tempel war aus Sandstein er- baut. Hieroglyphen sind nicht zu sehen und die Phantasie in den Darstellungen des eselohrigen Typhon erinnert ei- nigermassen an indischen Typus. Sie ist so roh ausgeführt, * V. Prokesch , das Land zwischen den Katarakten. S. 173. '•"* Genaue Beschreibung mit Abbildungen in : HOSKINS, S. 112—115. Cau-liaud, Ul. S. 100 etc. Atlas 1. Tafel 9 und 10. 32* 500 dass man allerdings auf ein sehr hehes Alter dieses Bau- denkmals zu schliessen berechtiget ist. Ungefähr zwei Stunden nördlich von den Ruinen von Abu Naga fand Hoskins die Spuren eines alten Kanals, der vom Nile weg in das Innere führte. Die Vermuthung die- ses Reisenden , dass dieser Kanal bis Mesaurat , oder bis Naga am Dschebel Ardan gereicht habe, hat die grösste Wahrscheinlichkeit für sich, denn ohne Zweifel war zur Zeit der Blühte des Priesterstaates von Meroe die ganze lJm«ebung von Schendy bis zu den Bergen der Wüste kulti- virt, während gegenwärtig sich die Kultur des Bodens auf die allernächste Umgebung der Stadt beschränkt, und auch da nicht besonders zu nennen ist. Von Schendy in gerader Richtung nach Süd , ungefähr 9 Stunden von dort entfernt und von Woadd Naga in OOS., fast in derselben Entfernung, liegen die merkwürdigen Reste von Messaurat* mitten in der nur von zahlreichen Löwen, Leoparden, Hyänen und Antilopenarten bevölkerten Wüste. Weitere 6 Stunden in SW. von Messaurat und ungefähr 8 Stunden von Woadd JNaga am Nile in SO. entfernt, lie- gen die Teinpelruinen von Naga an dem isolirten Dsche- bel Ardan , ebenfalls mitten in der Wüste. Zwischen Naga am Dschebel Ardan und Messaurat, und zwischen diesem Punkte und Schendy befinden sich Reste kleinerer Tem- pel von geringerer Bedeutung, wahrscheinlich einst Kapel- len oder sogenannte Filialkirchen der Haupttempel. In den Namenangaben herrscht zwischen Hoskins und Cailliaud eine unangenehme Verwirrung, auf die ich nothwendigerweise aufmerksam machen muss. Die Stelle, welche Cailliaud mit dem Namen Mes- saurat sehr richtig bezeichnet, nennt Hoskins: Waddi Owa-Taib und die Stelle am Dschebel Ardan, welche den Namen Naga führt, wie wieder Cailliaud sehr richtig sagt, '^' Nach den astronomischen Bestimmungen von Cailliaud und Le- TüRziic liegt Messaurat in : 16** '25' nördl. Br. und 31** 8' 30" östi. Länge von Paris; daraus berechnet sich, mit Zugrundelegung der Itinerarien für Naga am Dschebel Ardan 16° 16' 30" nördl. Br. und 31° 2' 30" östl. Lunge. 501 nennt HosKiNs: Messaurat. Daher erklart sich, dass lez- terer Reisende sehr mit Unrecht klagt, nicht in Messaurat gewesen zu seyn , da er doch wirklich dort war und das Gesehene gerade so beschreibt, wie es auch Cailliaud fand. Was HosKiNS der vielen Löwen wegen nicht zu sehen be- kam , ist kein anderer Ort, als Nagaam Dschebel Ardan. In das grosse Waddi Messaurat mündet sich das Waddi Haua Taib, d. h. das Thal mit guter Luft, und dasselbe liegt ganz nahe an den Ruinen von Messaurat. Offenbar ver- wechselten die arabischen Führer des Hoskins die beiden Namen, und er machte aus Haua Taib, als Engländer, sein Owa Taib. Cailliaud transfigurirte den Namen weit schlim- mer, denn das Waddi Haua Taib ist nichts anders als sein Ouady Aoua Tebes (la vallee du vent de Thebes)*, was schwerlich ein arabisches Ohr versteht und was, figürlich genommen, ein Unsinn ist. Solchen Fehlern setzen sich je- doch Reisende, selbst die, welche arabisch verstehen, bei den unzähligen und so sehr verschiedenen Dialekten dieser Sprache nur zu leicht ans, und gewiss sind auch viele mei- ner Ortsnamen nicht von ähnlichen Mängeln frei. Nach den Angaben der Araber befinden sich in der Wüste südöstlich von Schendy bis nach Abessinien, d. h. im Lande Atbara, der alten Insel Meroe, noch mehrere Plätze mit den Resten alter Baudenkmale. Blicken wir jedoch auf das Schicksal der illusorischen Ruinen von Gus Radjeb, 3Landera und Rera durch die positiven Forschungen Linants, so muss das Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben gewaltig sinken. Übrigens wäre die Sache einer Untersuchung ge- wiss im höchsten Grade werth. Die Ti'ümmer von Messaurat zeichnen sich durch ihre Ausdehnung aus**, welche die der meisten egypti.schen Monumente, mit Ausnahme der Riesentempel von Theben, * Cailliaud, III. S. 123. *" Nähere Details hierüber: Hoskins, pag. 94—111, Tafel 14 und 15. Plan Tafel 13, nebst vielen Vignetten. Cailijaüd, III. pag. 140 — 160. Atlas I. Pläne und Abbildungen. Ta- fel 22—31. 502 weit übertrifft. Ausser einio^en Nebengebäuden von minde- rer Bedeutung ist es in Messaurat besonders der wegen seiner einst gehabten Bestimmung noch immer räthselhafte Complex von Tempeln, Höfen, Korridors und Wohnzimmern, eingeschlossen in einer Mauerumwallung von 2500 Paris. Fuss, der die Aufmerksamkeit des Beobachters ganz in An- spruch nimmt. Die äussere Begränzung des Gebäudes bil- det, einige Voispri'inge und Unregelmässigkeiten abgerech- net, die Gestalt eines Rechteckes. Drei Eingänge an der Nordwestseite führen in das Innere der ümmauerung, zuerst in einen grossen Hof und von dort, dem mittleren Eingange gegenüber, durch einen langen Korridor gerade zu dem Haupt- tempel , welcher der Mittelpunkt des ganzen Gebäudecomple. xes bildet. Ausser diesen Haupteingängen bemerkt man noch mehrere Nebeneingänge in der Umwallung. Von dem Haupt- tempel weg führt ein zweiter langer Korridor in Nord-Ost zu einem kleinen Tempel, der den zweiten Hauptpunkt der ganzen Masse darstellt. Um diese zwei Tempel herum und das Innere der Umwallung ausfüllend , sind ohne alle Ord- nung und Symmetrie eine Menge von Korridors, Zellen und Höfen angebaut, bei deren Überblick im Grundrisse man sich an das Innere grosser griechicher Klöster aus der alt- christlichen Zeit erinnert, und ich glaube, dass z. B. das Katharinakloster auf dem Sinai, wenn es einmal durch Jahr- hunderte in Trümmern gelegen haben sollte, ganz den näm- lichen Anblick gewähren müsste. Hieroglyphen sind nicht zu sehen, die Götter und Königsbilder an einigen Säulen und Wänden aber deuten darauf hin , dass man es hier mit einem Gebäude aus der Zeit des egyptischen Kultus zu thun hat. Der Baustyl der Ptolemäer, der der Griechen und Rö- mer und die grosse Ähnlichkeit einiger Baudetails mit denen, die man in den jüngsten Tempeln von Egypten und Nubien beobachtet und die sich hier überall deutlich aussprechen, beweisen, dass die Entstehung dieses Gebäudes sich nicht über die Zeit der Ptolemäer hinaus datirt, oder auf die ethio- pische Geschichte reduzirt, nicht über die Zeit des Erga- MENEs. Wahrscheinlich dürfte der älteste Theil dieses Ge- bäudes erst in den Zeiten der Imperatoren entstanden seyn 503 und das Älter von 2000 Jahren nicht erreichen. Jede ge- nauere Angabe ist, in so lange nicht Inschriften entdeckt werden, unmöglich. Auffallend sind die Skulpturen an ei- ner Säule*, welche nackte Nubler ganz so darstellen, wie sie heute noch mit ihrer perückenartigen Fiisur und mit ihren runden Schildern bewappnet vor uns stehen. Cailliaud hält dieses Gebäude für ein Priesterkollegiuni, HosKiNS für ein Jagdschloss der ethiopischen Könige, Hee- ren für ein Orakelgebäude des Jupiter-Amon etc. Ich schliesse mich unbedingt ersterer Meinung an und halte das Gebäude zu Messaurat für ein grosses Kloster der Priester des hier- archischen Staates von Meroe. Nicht minder interessant, als die Trümmer von Messaurat, sind die Terapelreste zu Naga am Dschebel Ardan**. Ausser den Spuren und Trüm- mern vieler Gebäude, Mauern und Säulen, die auf eine einst hier gestandene grosse Stadt hindeuten, linden sich die Reste von sechs Tempeln, den Skulpturen nach aus der Periode des egyptischen Kultus , dem Style nach zum grossen Theile aus der Zeit der griechischen und römischen Kunst in £thiopien, der Phantasie nach theils offenbar dieser Zeit angemessen, theils mit indischem Anstriche, wie z. B. die Figur auf Ta- fel 18 bei Cailliaud, mit drei Löwenköpfen und vier Ar- men***. Der Portikus Tafel 13 trägt ganz römischen, das Portal Tafel 20 ganz egyptischen Charakter, die übrigen Bilder sind egyptisch-ethiopische Idee im griechisch-römischen Gewände. Wir haben es hier offenbar mit Kunstwerken ans sehr verschiedenen Zeiten zu thun, doch dürften auch hier die ältesten dieser Denkmale, der Analogie in der Ausfüh- rung nach, nicht über die Ptolemäerzeit hinausreichen, ja wahrscheinlich jünger seyn. Die Darstellung der Königin, Tafel 16, die mit höchst eigener Hand Feinde köpft, erinnert, wenn es anders das Bild einer Königin und nicht blosse Allegorie ist, an die kriegerische Candace in den lezten Jahrzehnten vor Christi Geburt, die, obwohl eigentlich zu '' Cauj-iaud, Atlas I, Taf. 30. ** Umständliche Details hierüber: Cailliaud, III. pag^. 122—140. Atlas I, Tafel 11—22. "'"■" Ebenfalls erwähnt von Dr. Parthey, II. S. 308. 504 Napata (Dschebel Barkai) residirend, wohl auch vielleicht ihre Macht zeitweise bis hieher erstreckt haben mag. — Hieroglyphen finden sich an diesen Denkmalen, die aus Sand- stein verfertigt sind, nach den Angaben von Hoskins und Cailliaud nicht; ihre Abwesenheit halte ich aber auch durchaus für keinen Beweis des hohen Alters dieser Monu- mente. Aus vormemphitischer Zeit sind dieselben entschie- den nicht, das lässt sich physisch begründen, sie können daher nur aus der Zeit .abstammen, in der man die hiero- glyphischen Schriften auf Monumenten anzuwenden pflegte, was, wie bekannt, noch zu den Zeiten der Imperatoren ge- schah; oder aus späterer Zeit, als man keine Hieroglyphen mehr anwandte. Lezteres scheint jedoch nicht der Fall zu seyn , da die Bilder an ihren Säulen und Wänden das Be- stehen des ethiopisch-egyptischen Kultus zur damaligen Zeit beurkunden. Es bleibt daher nur der Schluss übrig, dass die Priester im südlichen Nubien, also auch die von Meroe, die Hieroglyphen nicht kannten, oder dass es nicht im Geiste ihres Kultus lag, dieselben anzuwenden. Beides ist nicht der Fall, denn wir sehen ja hierogly- phische Inschriften an den Pyramiden von Assnr*, und wis- sen auch anderseits, dass die Priester von Meroe die Hiero- glyphenschrift kannten und sie anwendeten. Haben daher Hoskins und Cailliaud recht gesehen, und befinden sich wirklich keine Hieroglyphen auf jenen Denkmalen von Mes- saurat und Naga am Dschebel Ardan, so haben wir es bei diesen Monumenten mit ehier interessanten Eigenthümlich- keit zu thun, für die sich auf dem gegenwärtigen Standpunkt des Wissens schwer eine genügende Erklärung finden lässt. Wir verliessen Schendy am Abend und hielten am ge- genüber liegenden Ufer bei Metämäh. Diese Stadt, einst die Hauptstadt von Dar Metämäh, wurde zugleich mit Schendy von MEHEMED-Bey el Defterdar verwüstet, erhob sich aber späterhin wieder und wurde durch ihre Stellung als Haupt- einbruchsstation in die Bahiudawüste und als ein Hauptsta- pelplatz des Handels zwischen Dongola und Chardum, wich- tiger als Schendy. Metämäh liegt eine kleine Stunde vom * HosKirvs, Tafel 10. 505 Flusse entfernt in der Wüste und hat einen eigenen Kascbeff. An Grösse steht es gegewärtig Schendy nicht mehr nach und durch seine bedeutendere Anzahl von Lehmhäusern, die mitunter eine beträchtliche Grösse haben , ist sein Ansehen stattlicher. Übrigens stehen die Häuser in Metämäh eben so unregelmässig in der Wüste zerstreut, wie die Toguls von Schendy. Das Land herum ist nur ganz wenig bebaut, und die Einwohner, durchaus schwarze Araber und Dongolaui, nebst einer grossen Anzahl von Negersklaven, beschäftigen sich grösstentheils mit Handel, Viehzucht und den bei Schendy erwähnten industriellen Erzeugnissen. Metämäh wurde frü- her von einem eigenen Mek regiert, der aber, so wie der von Schendy, unter der Oberherrschaft von Sennaar stand. Der Markt von Metämäh ist gegenwärtig bedeutender als der von Schendy. Wir verliessen jene Stelle noch spät am Abend und segelten bis zum Dorfe Görry am linken Ufer, den Dörfern Schurgejeh am rechten gegenüber *. Die Ebene bei Görry ist bedeckt mit Gebüschen von Calotropis gigan- tea**, welche hier zu 15 bis 16 Fuss hohen ßäumchen an- wächst, die Toguls der Schwarzen beschattet und nebst dem Miste der Kamele ihr einziges Brennmaterial bildet. Diese schöne Pflanze, mit acht tropischem Habitus, findet sich schon in Ober-Egypten und bildet hier im südlichen Nubien die vor- herrschende Vegetation der sandigen Ebenen. Verkohlt gibt sie ein herrliches Material zur Schiesspulvererzeugung, Un- ter den Bewohnern dieses Dorfes, meist Hauauit-Äraber, fanden wir die bei den Bewohnern des südlichen Nubiens, Sennaar und Kordofan gewöhnliche Mode, sich das Gesicht, Brust, Bauch und Arme durch Schnitte in der Haut zu ver- zieren, bereits ganz allgemein, und zwar bei beiden Geschlech- tern. Diese Sitte reicht durch ganz Nubien, wenigstens von *' Berghaus gibt in seiner Karte und zwar ungefähr an derselben Stelle die Dörfer Heiled Schaykye (sollte wohl heissen Höly es Scheikie) am linken Ufer und el Guba am rechten Ufer an. Ich habe beide Punkte in meine Karte aufgenommen, kann aber über ihre Position keine weitere Auskunft geben. *=" Früher zu Asklepias gerechnet. Ein Tropfen des milchigen Saf- tes dieser Pfianze in ein Auge gebracht, reicht hin, um für immer zu ei blinden. 506 Einzelnen angewendet , bis zu den Arabern in Ober-E^pten, die jedoch die Schnitte meist nur auf die beiden Wan<>;eu beschränken, deren jeder an sie mit einem Rasiermesser drei oder vier derselben bis zur Länge eines Zolls anbringen nnd dadurch bleibende Narben erhalten. Diese Mode ver- tritt hier die Stelle des Tättowirens bei andern Völkern und melirere der Schwarzen in Görry waren am ganzen Körper mit solchen Narben bedeckt, die in einer gewissen symmetri- schen Ordnung vertheilt waren. Zum Theil verbindet man damit aber auch eine ärztliche Tendenz. Blutentziehungen sind nämlich bei allen Bewohnern dieses heissen Klima ein sehr beliebtes Mittel in verschiedenen Krankheiten, und sie werden bei den leichtesten Veranlassungen angewendet, aber stets lokal, theils dadurch, dass man blos tiefe Schnitte mit einem Messer in die Haut macht und den Patienten dabei weiter keiner andern Behandlung unterzieht, oder dadurch, dass man auf diese Wunden noch ein Hörn aufsezt, daraus durch ein Loch an der Spitze die Luft aussaugt, und so das bewirkt, was wir mit unsern Schvöpfimgen erzwecken. Sey der Zweck nun /ezterer, oder der einer blossen Verschöne- rung, so kann ich den stoischen Gleichmuth, mit dem sich diese Leute dieser etwas schmerzhaften Operation unterzie- hen , stets nur bewundern. Auffallend schön und kolossal fanden wir das den Bewohnern von Görry gehörende Horn- vieh. Wir sahen darunter ein paar Stiere der Sennaar-Rasse, mit grossen Höckern , von denen jeder an 9 Fuss Länge und vom Boden bis auf den Rücken, am Vordertheil des Körpers, beinahe 6 Fuss Höhe mass. Ungeachtet, dass sie den schwe- ren Dienst bei einer Sakie versehen mussten, waren sie so fett und stark, wie gemästet. Am 11. März, kurze Zeit nach unserer Abfahrt von Görry, hatten wir ein Spektakel von ganz eigenthümli- cher Art. Ein Nilpferd, wahrscheinlich im Begriffe gewe- sen aufzutauchen, kam zufällig unter die Barke, auf der unser Dr. Veit fuhr. Das Ungeheuer, in ausserordentlicher Angst des Hindernisses wegen, das sich ihm auf einmal in den Weg stellte und das es des ganz trüben Wassers halber früher nicht bemerkt haben mochte, machte einen solchen 507 Lärm, dass den Leuten in der Barke mit Reclit unwoiil da- bei wurde, da jedoch das Ganze die Sache eines Augen- blickes war und das Nilpferd, ohne die grosse Barke um- stürzen zu können, wieder darunter heraus kam, so war auch der Schreck bald wieder vorüber. Um Mittag gelangten wir an den Dschebel Warnäga am linken Ufer. Er bildet einen Vorsprung der Bahiuda- Wüste an den Strom, erhebt sich zu höchstens 100 Fuss über den Spiegel desselben und zieht sich als Plateau weit in Nordwest. Wir bestiegen den höchsten Theil dieses Rückens, um von ihm aus mit der Boussole mehrere der umliegenden Punkte und die Stromrichtung aufzunehmen. Gegen Süden sahen wir unabsehbare Ebene, am linken Ufer, ringsum den Warnäga, Wüste, am rechten Ufer, gegenüber, bei Woadd Naga, Kulturland, und weiter im Innern des Dar Atbara, gegen Ost und Südost, die Bergzüge von Messaurat und Naga am Dschebel Ardan. Mehrere Nilpferde trieben sich im Strome umher und auf den Sandbänken lagen Krokodile in grosser Menge. Gegen Abend gelangten wir zu Stellen, wo der Fluss vol- ler Felsen ist und die Schifffahrt im Dunkel der Nacht Gefahr drohte. Es ist der Anfang des Schellal vom Dschebel Gärry, der die eigentliche Südgrenze von Nnbien gegen Sennaar bildet, eine natürliche Grenze, die um so interessanter ist, da dieses Land also sowohl an seiner Nord- als Südgrenze durch Schellals oder sogenannte Katarakten von seinen Nach- barländern abgeschlossen ist. Die südliche Grenze von Nubien ist hier zugleich dieselbe, die vor der egyptischen Eroberung die Länder Schendy und Halfaja von einander trennte. Dar Halfäja, oder Dar Halfäi genannt, erstreckte sich nicht nur vom Schellal am Dschebel Gärry dem Nile entlang aufwärts bis zum Rhas el Chardum , sondern auch an dem blauen Flusse hinauf bis über Elefun und am weissen Flusse auf- wärts bis zu dem Dschebel Gar-en-Nebbi. Dar Halfäi war der nördliche Theil des alten Königreichs Sennaar, zu wel- chem es in politischer Beziehung, als tribntärer Staat, ob- wohl, wie Schendy, von einem eigenen Mek beherrscht, stets gerechnet wurde. Der Name Halfäi und noch mehr der Name 508 des Dorfes Eiefiin oder Halfün, am blauen Flusse, dicht an den Ruinen von Sobah *, erinnert an den Namen des alten Königreichs Aloa, dessen von den arabischen Geographen angegebene Lage genau mit der von Dar Halfäi überein- stimmt. Die altethiopische und später christliche Bevölkerung dieses Landes scheint ganz in die eingewanderten arabischen Stämme übergegangen zu seyn, denn man findet davon keine Spur mehr, indem die heutige Bevölkerung durchaus aus schwarzen Arabern von verschiedenen Stämmen und aus Fungi besteht. Wir hielten am Anfange des Schellal am Dorfe Geri- schaab, auf dem linken Ufer des Flusses, und sahen von da aus in Süd die noch fernen Berge des Dschebel Gärry. Die Barken, auf denen Dr. Veit und Kotschi fuhren, waren zu- rückgeblieben und ich benüzte daher die noch frühen Abend- stunden, um denselben entgegen zu gehen und bei dieser Gelegenheit vielleicht ein Krokodil zu erlegen. Ich kam auch öfters zu Schusse, nie aber gelang es mir, eines so tödtlich zu verwunden, dass es im Rauche, wie der Jäger sagt, liegen geblieben wäre, sondern jederzeit stürzte sich das getroffene Thier blitzschnell ins Wasser, wohin ihm nachzufolgen ich keinen Beruf in mir fand. Als ich zurückkehrte , war es schon dunkel, und ich schlenderte allein, mich meinen Ge- danken überlassend , das Gewehr auf der Schulter, meines Wegs. In geringer Entfernung lag ein alter Palmstamm vor mir, und kaum mehr als zehn Schritte mochte ich noch da- von entfernt seyn, als dieser vermeintliche Stamm plötzlich aufsprang. Ich gestehe es aufrichtig, mir entfuhr ein Schrei des Entsetzens , doch aber war ich in demselben Momente schussfertig und die Kugel schlug in den Fluss, wohin das ungeheure Krokodil sich gestürzt hatte, das an mir wahr- scheinlich nicht weniger erschrocken war, als ich an ihm. Übrigens kehrte ich nicht oline Beute zurück, denn ich schoss einen schönen Wasservogel , in der Grösse einer kleinen Ente, am Rücken schwarz, am Bauche weiss, mit einem 4 Zoll langen und 1 Zoll hohen , rothen Schnabel, der gerade so gestaltet ist, wie zwei aufeinander liegende, * Welche Lokalitäten wir später werden kennen lernen. 509 scharfe Messerklingen. Die Füsse des Vog-els sind klein, roth und mit ganzen Schwimmhäuten versehen. Das Land lim Gerischaab ist schön und fruchtbar. Am Morgen des 12. März kamen endlich unsere zurück- gebliebenen Barken an. Dr. Veit lag schwer am Fieber krank, was uns um so mehr besorgt machte, da es mit ner- vösen Symptomen begleitet war. Auch Adjunkt Pruckner und mein Bedienter litten an starken Fieberanfällen und das Klima suchte also mehr und mehr seine Rechte an uns gel- tend zu macheu. Der Kranken wegen hielten wir uns noch einige Zeit in Gerischaab auf und suchten, um denselben Suppe und uns Fleisch zu verschaffen, ein paar Schafe von den Eingebornen zu kaufen, jedoch vergebens, sie liesseii uns keine ab , obgleich sie deren in Menge hatten. Nach langem Bemühen riss uns die Geduld entzwei und wir nahmen das mit Gewalt, worum wir früher ersucht hatten, und zahl- ten sodann die genommenen Schafe so, wie sie unsere Schiffs- leute taxirten. Als die Schwarzen solchen Ernst sahen, be- nahmen sie sich eben so feig, als sie anfänglich impertinent waren, und wir erprobten späterhin dieses Mittel oft und mit gleichem Erfolg, als das Einzige, wodurch wir uns Lebens- mittel in vielen Fällen verschaffen konnten. Wie oft man unter Barbaren in die Lage kommt, nothgedrungen vom Ideengange der Humanität abweichen zu müssen , weiss nur der, welcher unter Barbaren gelebt hat. Bei unserer Abreise von Gerischaab fingen wir am Ufer unweit des Dorfes eine grosse Trionyx, ähnlich der Trionyx aegyptiaca (Nilschildkröte), deren pergamentartiger Rücken- panzer über 2 QFuss Oberfläche mass und die so wehrhaft um sich biss, dass wir sie erschlagen mussten, um ihrer habhaft zu werden. Der Wind wurde uns sehr günstig und wir fuhren 4 Stunden lang mit vollen Segeln den Schellal hinan. Die Ufer gewähren einen herrlichen Anblick, wild und felsig, sind sie streckenweise demungeachtet mit einer Fülle von Vegetation bedeckt, die Erstaunen erregt. Riesenmässige Mimosen, zwischen dichtem Gesträuch , sind durch Schling- pflanzen wie mit einem Netz umflochten, so dass diese 510 Waldungen wahrhaft undurchdringlich sind. Nachmittags kamen wir an der nördlichen Seite des Dschebel Gärry an. Der Nil hat daselbst eine Menge grosser und grösstentheils felsiger Inseln, welche wir auf der Rückreise näher werden kennen lernen. Das Bett des Stroms besizt an der Stelle, wo derselbe aus dem Strompasse des Dschebel Gärry her- vorbricht und sich plötzlich in den Ebenen von Dar Schendy ausbreitet, eine Breite, wie man sie von der Mündung desselben im Mittelmeere bis nach Chardum nirgends be- obachtet. Ich schätze seine ungetheilte Breite, zwischen den Inseln Mesket und Woadd Hessuni auf wenigstens 2000 Klafter, und rechnen wir auch das Gebiet dazu, welches die Inseln selbst einnehmen und betrachten wir den Strom in seinem höchsten Wasserstande, wenn er die angrenzen- den Niederungen überschwemmt, so wächst seine Ausdehnung bis zu einer Breite von '2 bis 3 geogr. Meilen. Der Nil durchbricht die Porphyr- und Granitkette des Gärry an ihrem westlichen Ende. An ihrem südlichen Ge- hänge, am Rande der Ebenen von Halfäi, theilt sich der Strom in zwei Arme, jeder für sich einen bedeutenden Schel- lal bildend. Diese zwei Arme umschliessen ein Stück der Gärrykette selbst, nämlich den Dschebel Rojän, und machen ihn dadurch zur Insel, deren höchster Punkt zugleich einer der höchsten der Kette zu seyn und zu .500 Fuss über das Strombett anzusteigen scheint. Unterhalb der Dschesira er Rojän vereinen sich die beiden Arme und brechen als mäch- tiger Strom durch den engen Pass des Gärry in die Ebenen von Schendy hinaus. Wie man sich dem Strompasse selbst nähert, glaubt man sich neuerdings an die Katarakte von Siene, an die Nordgrenze Nubiens, versezt, nur die Zauberinsel Philä fehlt mit ihren prächtigen Tempeln. Dagegen aber ist der Anblick des Gärry-Schellal, durch die wilde, üppige Vege- tation , welche die vielen Felseninseln und die Ufer des Stromes bedeckt und über welche die dunklen, kahlen Por- phyrberge hoch emporragen , meiner Ansicht nach noch weit erhabener. An der Katarakte von Siene ist es ei- gentlich Philä j eine prächtige Leiche, die dem Bilde einen 511 unvergessliclien Eindruck verschafft, hier am Gärry aber ist es die Natur in voller ung^ezi'igelter Lebenskraft, die das Geinütli tief ergreift. Die Durchfahrt durch den Strompass der Gärry- kette ist ungefähr 6 Stunden lang und die senkrechten Fels- wände, welche den majestätischen Strom zu beiden Seiten einschliessen, nähern sich an einigen Stellen bis auf eine Distanz von kaum mehr als ;J00 Schritte, ja am nördlichen Ende des Passes, wo der Strom sich zwischen Felseninseln vertheilt, sind Passagen, die nur für eine Barke Raum geben. Wir hatten frischen Wind und legten die Strecke des vielfach sich windenden Passes in 3 Stunden zurück. Als wir das südliche Ende desselben erreicht hatten , Hessen wir den sehr pittoresk geformten Inselberg er Rojan zur Linken und es dehnten sich vor uns die schönen , fruchtbaren und am Ufer des Stroms bebauten Ebenen von Dar llalfai aus. Nur am rechten Ufer des Stroms sieht man hinter dem Kui- turlandc einen gelbrothen Wüstensaum, und mitten in der Wüste steht der isolirte Granitkegelberg el Melechat, oder der salzfdhrende, da in dem Alluvialboden, der ihn umgibt, sich Kochsalz findet, welches die Schwarzen gewinnen. Das Strombett fanden wir auch im Süden der Gäriykette noch immer voller Felsen und die Schifffahrt daher gefährlich. Am Abend gelangten wir an die Insel Welet Aglb*, wo wir für die Nacht durch anhielten. Die Ufer des Stroms sind zum Theil dicht bewaldet und in den Gebüschen auf der In- sel fanden wir ganze Schaaren von wilden Perlhühnern, Numida meleagris, durch die wir unsere Küche reichlich ver- sorgten. Wir Sassen gerade in der lauen, reinen Monden- nacht am Ufer bei unserem Nachtmahle, als sich ganz nahe im Flusse ein gewaltiger Lärm erhob. Es waren ein Paar im Wasser spielende oder streitende Nilpfeide. Das laute Schlagen des Wassers, das Stampfen dieser Thiere, ihr furchtbares , grunzendes Gebrüll , das sich von ferne wie das Streichen des tiefen E auf einer ßassgeige anhört, aber die Luft nicht so erschüttert, wie das Lövvengebrüll, wel- ches viel greller tönt, gaben uns in der Stille der Nacht und im Echo an den Felsen und Wäldern der nahen Ufer * Woaietj Weletj Woadd der Knabe, der Abkömmling. 512 ein Schauspiel, mit dem sich nichts in der Welt verg^leichen lässt. Endlich merkten die Thiere unsere Nähe und zog^en sich mehr in die Ferne, wo sie ihr Unwesen tief in die Nacht hinein forttrieben. Am 13. März. Oberhalb Welet Ag^ib gewinnt der Nil wieder eine imponirende Breite und gleicht einem grossen Landsee. Er ist voller Inseln und Felsen und dabei sehr seichte, so dass sich der Schifffahrt, wie ich auf der Rück- reise selbst erfuhr, bei niederem Wasserstande ausserordent- liche Schwierigkeiten entgegenstellen. So weit wir sahen, hatten wir in Süd unbegrenzte Ebene vor uns. Nachdem wir vom Dorfe Gerischaab an, nördlich vom Dschebel Gärry, 11 Stunden lang den Schellal von Dar Halfai hinaufgefahren waren, erreichten wir Vormittags das südliche Ende dessel- ben und damit auch wieder freies Fahrwasser. Auf den Felsen und Inseln herum sahen wir Tausende von Pelikanen und Nilgänsen, die, wenn wir unter sie schössen, sich in Wol- ken erhoben und ein betäubendes Geschrei machten. Gegen Mittag erhob sich starker Sturm, die Wellen gingen hoch wie auf einem grossen See , einige unserer Leute wurden durch die starke Bewegung der Schiffe förm- lich seekrank und unsere Nubier mussten alle Aufmerksamkeit auf die Segel verwenden, nm zu verhüten, dass bei besonders starken und plötzlichen Windstössen nicht die eine oder andere Barke umgeworfen wurde. Wir begegneten einer kleinen, mit 15 schwarzen Arabern bemannten Barke, die für die nächste Nacht auf die Nilpferdjagd auszog. Sie waren sämmtlich mit grossen Lanzen , die sie als Harpunen ver- wenden, ausgerüstet und mit Stricken versehen. Nachmittags passirten wir die niedere Bergkette des Dschebel Chereri am linken Ufer, so wie mehrere Dörfer an beiden Seiten des Flusses, die man aus der Karte ersieht und sahen auf den Sandbänken eine grosse Menge Krokodile, die hier ganz besonders wild und böse seyn sollen. Be- sonders gefährlich sind sie den Leuten, die an das Ufer kommen, um Wasser zu schöpfen und sich zu tief in den Fluss hinein wagen. Übrigens sollen die Schwarzen in der Jagd dieser Thiere ausserordentlich kühn seyn und man 513 erzählte mir oft, class solche Jasper dem auf dem Sande schlafenden Krokodile von hinten leise znschleichen, mit weit ausgebreiteten Beinen , folglich den Körper des Krokodils zwischen den Füssen habend, ohne ihn jedoch zu beriihren, dem Kopfe sich nähern und das fürchterliche Thier mit einem plötzlichen und kräftigen Keulenschlage so betäuben , dass sie es mit wiederholten Keulenschlägen und Lanzenstichen vollends tödten können. Ich habe dieses Manönvre nie selbst gesehen, finde es aber sehr wahrscheinlich, wenn ich be- denke, dass das Krokodil manchmal wirklich sehr fest schläft und dass man die erstaunliche Fertigkeit der Nnbier und Negervölker, einem selbst weit wachsameren Wilde, z. ß. einer Antilope, unbemerkt nahe zu kommen, gesehen haben muss, um sie ganz zu begreifen. Übrigens ist dieses Todt- schlagen der Krokodile noch bei weitem nicht so gefährlich, wie das Knebeln derselben nach vollbrachter Harpunirung, das uns RtjppELL * als Augenzeuge beschreibt. Der Zweck der Krokodiljagd von Seite der Eingebornen ist theils die Erlangung ihres Fleisches, das gegessen wird und, wie ich mich selbst überzeugte , den starken Moschusgernch abge- rechnet, gar nicht übel schmeckt, theils und zwar vorzüglich die Erlangung der vier Moschusdrüsen , wovon sich zwei am Unterkiefer und zwei am After befinden , und die eine Sekretionsflüssigkeit enthalten, welche im Gerüche dem stärk- sten Moschus ähnlich ist, als Parfüm mit Fett gemischt von den Schwarzen allgemein zum Schmieren der Haut ange- wendet und theuer bezahlt wird. Um 4 Uhr Abends passirten wir die Stadt Halfäi am rechten Ufer des Nils, die ehemalige Hauptstadt der gleich- namigen Provinz des Fungireiches Sennaar und nun unmittel- bar zu Chardum gehörend. Halfäi oder Halfaja liegt nach Cailliaud und Letorzec in 1.5^ 44' 20" nördl. Br. und 30<^ 22' 15" östl. Länge von Paris; nach Bruce in 1.5^ 45' 54" nördl. Br. und 32^ 49/ 15" östlicher Länge von Green wich. Die Stadt ist ungefähr eine Viertelstunde vom Flusse entfernt und liegt in einer " Reise in Niibien etc., S. 51. Knsse;:gvr, Kciscn. II, Bd. 1. Tlil. 3;J 514 sterilen, wenig bebauten Ebene. Sie hat, da sie grossten- theils aus Lehrahäusern besteht, ein besseres Ansehen als Sehendy , ist aber kleiner , wegen der grossen Nähe Char- duins für den Handel von noch geringerer Bedeutung und Zcählf gegenwärtig kaum 3000 Einwohner, soll aber nach Cailliaud vor dem Einfall der Scheikie, der der egyptischen Eroberung durch IsMAEL-Pascha gerade vorherging und also vor der Begründung von Charduin eine Bevölkerung von 8000 bis 9000 Seelen gezählt haben. Durch die regellose Zerstreuung der Häuser in der Ebene hat die Stadt einen grossen Umfang, der über eine Stunde betragen mag. Die Häuser aus Lehmmauern mit platten Lehmdächern geformt und mit grossen Höfen umgeben, haben nur Erdgeschosse und überhaupt die Bauart wie in den Städten des südlichen Nubien. D,er vorzüglichste Gegenstand des um.liegenden Landbaues ist Durahirse. Die Bewohner der Stadt sind zum grossen Theile schwarze Araber von verschiedenen Stämmen und zum kleinern Theile Abkömmlinge der Fungi. Die auf beiden Seiten des Flusses umwohnenden arabischen Wandervölker sind auf dem linken Ufer: Kababisch, Hauauit, Beni Gerar, Djaminabi etc., auf dem rechten Ufer vorzüglich Hassanieh und Abdallah. Alle diese Völker werden wir später genauer kennen lernen. Cailliaud gibt in seinem Reisewerke * ein Verzeichniss von 17 Schechs oder eigentlich Meleks, welche Dar Halfai regierten und deren Reihe ungefähr einen Zeitraum von 300 Jahren umfasst. Diese Reihe reicht also in jene stürmischen Zeiten zurück, in denen die Fungi das Reich Sennaar er- oberten, die Hauptstadt Sennaar gründeten und Dar Halfai bald darauf zur Provinz dieses Landes machten. Der lezte dieser Meleks, dem IsinAEL-Pascha im Mai 1S21 die Herr- schaft entriss, hiess Woadd Agib (d. h. der Sohn oder Nach- kömmling des Agib). Durch Verunstaltung der Namen wurde auch hier wieder ein arges Missverständniss herbeigeführt, das in unsere neuesten Karten überging und dessen ich daher hier erwähnen muss. Die Völker arabischer und ethiopischer Abstammung haben die Gewohnheit, dem Namen ■ 111, S. 96. 515 des Landes meist auch den Namen des jezeitigen ober- sten Häuptlings beixufüo;en, und diesem zufolge nannten sie daher das Land Halfai : „Dar Halfai Woadd Agib«. Daraus machte Cailliaud sein: „Dar Halfay ou Ouad-Aguib", und Berghaus übersezte dieses allerdings schwer Verständ- liche mit : „Wadi Agib" und sagt: „Dar Halfay, Wadi Agib«. Lnstreitig steht das Wort Wadi dem Waddi (Thal) näher als dem Woadd und wir haben also auf der BESGHAus'schen Karte ein Thal Agib, das wenigstens dort, wo es angegeben ist, entschieden nicht existirt. Die Gegend von der Stadt Halfai am rechten Ufer des blauen Flusses hinauf bis zum Dorfe el Elefun führt ganz richtig, wie auch beide Karten sagen, den besondern Distriktsnamen: Giiba Ojeli, so wie der Distrikt zwischen dem Gärry und Chereri am linken Ufer des Nils den besondern Namen: Akaba Gärry führt. Eine halbe Stunde nach unserer Abfahrt von Halfai sahen wir den Minaret von Chardum, der jetzigen Hauptstadt des egyptischen Antheils von Osts-Sudan und erst gegründet seit der in den Jahren 1821 bis 1824 durch die Generale Mehemed-Ali's bewerkstelligten Eroberung jenes Landes. Cailliaud kannte diese Stadt noch nicht, sondern erwähnt nur des Rhas el Chardum, jener Landspitze nämlich, an der der blaue Fluss (Bacher Ahsrak) und der weisse Fluss (Bacher Abiad) sich vereinen und den eigentlichen Nil bilden. Viele Reisende unterscheiden daher auch den weissen und blauen Nil, eine Benennung, von der die Eingebornen nichts wissen ; denn ausser obigen arabischen Benennungen belegen sie nur manchmal den Bacher Abiad, als den bedeutendem der beiden grossen Ströme, mit dem Namen Nil geradeweg, nie aber den Bacher Ahsrak , den sie mehr nur als einen untergeordneten Strom, ähnlich dem Takasse, betrachten. Der Nil ist an seinem Ende sehr breit , die Ufer sind eben und theils kultivirt, theils mit Gebüsch und grössern Bäumen bedeckt. Um 5 Uhr Abends befanden wir uns an der Landspitze Rhas el Chardum *, wo die beiden grossen Ströme sich " Rhas el Chardum nach Cailliaud und Letorzec in 15° 37' 10" iiördl. Br. und 30" 17' 20" üstl. Länge, nach Liisant io 15" 34' nürdl. »3 * 516 vereineil, jeder so mächtig, wie der Rhein bei Köln und jeder fähig, die grössten Segelbarken zu tragen. Wir Hessen die Mündung des Bacher el Abiad rechts liegen, hatten die Inseln Umdum und Tuti zur Linken und liefen in die Mün- dung des blauen Flusses, des Bacher el Ahsrak ein. Charduni mit seinen Lehmhäusern und seiner langen Reihe von Segel- barken lag nun am linken Ufer des Bacher el Ahsrak dicht vor uns, gegenüber am rechten Ufer desselben das Dorf Kube. Der Wind hatte nachgelassen und wir kamen auf der kurzen Strecke nur langsam vorwärts. Erst als der Imam vom Minarete der Moschee die Gläubigen zum Abend- gebete rief und die Sonne jenseits des weissen Flusses sich in die unermessliche Savannenebene von Kordofan senkte, konnten wir unsere Barken dicht an der vordersten Häuser- reihe von Chardum am Ufer befestigen. Unsere Reise von Kairo hieher hatte also gerade 2^ Monate gedauert. Br. und 30® lO' 43" östl. Länge von Paris. An der Landspitze kommt der Eacher Ahsrak aus OOS., der Bacher Abiad hingegen aus SSW. Tierter Abschnitt. Wissenschaftliche Bemerkungen über den östlich vom Nile liegenden Theil von Nubien *. 1) Cber die Pltysiog-nomie des Liaudes und dessen kll- matolo^lsche und ineteorolog^isclie Verhältnisse* Um Nubien in klimatologischer Beziehung, so wie im folgenden Abschnitt in geologischer, zu betrachten und diessfalls die Physiognomie dieses Landes klar aufzufassen, theile ich dasselbe seinen örtlichen Verhältnissen zufolge in das östliche und westliche. Ersteres, welches hier allein '* Um nicht später, nach Beendigung meiner Reisen in Nubien, mit der Masse des beobachteten Details auf einmal und in einer zu gros- sen Ausdehnung den Leser zu belästigen, trenne ich die in Nubien gemachten geologischen und kliraatologischen Forschungen , analog meinen beiden Reiserouten durch jenes merkwürdige Land , in solche das Terrain östlich vom Nil und in solche das Terrain westlich des- selben betreffend. Erstere reihe ich hier an, die zweiten folgen der Darstellung meiner Rückreise, und beide werden sich dort auf dem natür- lichsten Wege zu einem geschlossenen Ganzen vereinen. Nicht so kön- nen die Beobachtungen über organische Natur, über die Geschichte des Landes , über seine nationellen und politischen Verhältnisse getrennt werden. Ihre Darstellungen würden durch einen solchen Zwang nur leiden and unklar werden. Die Beobachtungen über Fauna und Flora dieses Landes, über seine geschichtlichen, nationellen und politischen Verhältnisse lasse ich daher erst in ihrer Gesammtheit der Rückreise durch Nubien und nach vollendeter Auffassung Alles hiezu erforderlichen Materials folgen. 518 in Betrachtung gezogen wird, umfasst den Länderstrich zwi- schen der Küste des rothen Meers und dem Nilthale , das zweite hingegen die Länder zwischen diesem und den grossen Wüsten, welche, als Theile der libyschen und Sahärawüste, Nubien von den Ländern der Tibbus und von Dar Borgu trennen. Beide Theile von Nubien, der östliche sowohl als der westliche, unterliegen in denselben Breiteparallelen, das Gebiet der Küste ausgenommen, demselben Haupttypus des Klimas , nämlich dem der nordafrikanischen Wüsten oder dem tropischen der weiten Savannenebenen von Central-Afrika. Nubien in seiner ganzen Ausdehnung vom rothen Meere nach Westen, wo dieses Land, politisch und natürlich un- begrenzt, sich im weiten Sandozeane des Innern von Nord- nfrika verliert, und in seiner Ausdehnung von der egyptischen Grenze am Kataraktengebirge bei Assuan bis zu jener Breite, in der die jährliche Erscheinung der tropischen Regen kon- stant zu werden beginnt, also durch eine Strecke von mehr als 6 Breitegraden und zu beiden Seiten des Stroms , ist Wüste, theils gebirgig, theils eine weite Sandfläche, nur von niedern, wellenförmigen Hügelzügen oder isolirt stehen- den, kahlen Felsbergen unterbrochen. Das Kulturland des Innern von Nubien , nördlich der tropischen Regengrenze, beschränkt sich hauptsächlich nur auf das Nilthal und zwar von Assuan bis zur Grenze von Dongola ausschliesslich nur auf die nächste Umgebung des Stroms, in so weit nämlich es den Bewohnern möglich ist, die künstliche Bewässerung des Bodens auszudehnen. In Dongola hingegen, bis wohin manchmal auch die tropischen Regen auf ihrem Zuge nach Norden vordringen und die niedern Ufer mehr den jährlichen Überschwemmungen des Flusses streckenweise ausgesezt sind, gewinnt der kulturfähige Boden an Breite, er erstreckt sich theilweise mehrere Stunden weit seitwärts des Stroms, und der Umstand, dass er nicht bebaut wird und so seiner Umwandlung in Wüste entgegen geht, ist nicht Folge des Klima, sondern der beispiellos schlechten Landesverwaltung, desselben Übels, welches die einst blühenden Provinzen von Berber, Schendy und Halfai devastirt. Die Entwicklung des kulturfähigen Bodens im Oasenzuge 519 der westlichen Wüste von Niibien ist unbedeutend im Gegen- halte der Ausdehnung des Kulturlandes der egyptischen Oasen, beschränkt sich nur auf das Waddi Kapp, Waddi Seüma und auf die Akaba Kurkur, und seine spärliche, natürliche Produktion wird nur von Wandervölkern, aber nicht von sesshaften Bewohnern, benüzt. Der Ostrand der östlichen nubischen Wüste hingegen, der Gebirgszug nämlich, der, wie in Egypten so auch in Nubien, die Küstenlinie des rothen Meeres begleitet, unterliegt dem klimatischen Einflüsse der so nahen grossen Wassermasse , welche diesen Theil Afrikas von Arabien trennt. Atmosphärische Niederschläge, Regen und Thau, sind daher längs des Küstenstriches nicht nur häufig, sondern periodisch sich wiederholend. Jener Theil des Küstenlandes, der innerhalb der tropischen Regen- greiize liegt, hat seine trockene Jahreszeit und seine Regen- zeit, welch leztere sich hinsichtlich ihres Beginnens nach der geographischen Breite des Ortes und dessen örtlicher Beschaffenheit lichtet. Der Orray Langay* und der Dschebel Djaab bilden in dieser Beziehung eine merkwürdige Grenze des Klima. Im Süden dieser mächtigen Gebirgsstöcke des Küstenlandes nämlich beginnen die tropischen Regen, der nördlichen Breite, ungefähr IT*', entsprechend, zu Ende Mai und Anfang Juni, im Norden dieser Berge hingegen und namentlich zu Sauakin, 19*^ nördl. Breite, treten die perio- dischen Regen erst mit Mitte Juli, folglich um ganze sechs Wochen wenigstens später ein **. Während Bürkhardt auf den Ebenen des Bedja durchaus Ostwinde vorherrschend fand 5 war diess an der Nordseite des Orray Langay mit den Nordwinden der Fall, während derselbe Reisende auf den Ebenen an der Südseite dieses Gebirges, die Ufer des Atbara ausgenommen, nie Thau bemerkt hatte, fiel derselbe an der Nordseite jede Nacht und zwar je näher der Küste desto stärker. Hier sehen wir also offenbar in dem Orray Langay und in dem Dschebel Djaab eine scharfe Grenze, welche die Natur zwischen dem Klima der Küste und dem der Savannen und Wüsten des Innern zog. Das späte •' Orray in der Biscliarispraclie : „das Gebirge". "**' BuRKHARDTj Rcisc in Nubien, S. 590. 520 Eintreten der tropischen Regenzeit in dem Kiistenlande, in der Breitenparallele von Sauakin, macht, dass die Regen daselbst bereits in die Zeit der nordischen Stürme fallen, welche auf dem rothen Meere in den Monaten Juni , Juli und August eine solche Stärke erreichen, dass sie bis über die Strasse von Bab e! Mandeb hinaus, bis nahe an die Grenze des SW. Monsun sich erstrecken *. Ich glaube auch, dass gerade die zu dieser Jahreszeit auf dem rothen Meere besonders herrschende Stärke der Nordwinde es ist, welche das langsame Vorrücken der tropischen Regenzeit gegen Nord an den Küsten bewirkt und sie an solchen Stellen, wo ihr Anfall einen besonders starken Impuls ausübt, wie z. B. an Gebirgsrücken, die ihnen gerade im Wege stehen, auch im Stande sind, den tropischen Regen sogar für längere Zeit Stillstand zu gebieten. Drei Viertheile des Jahres herrschen im südlichsten Thelle des rothen Meeres anhaltende Südwinde, ihr Bereich erstreckt sich aber nicht viel über die Breite von Mocha gegen Nord. Sie sind daher auch für das Küstenland von Nubien höchstens nur von mittelbarem Einflüsse. Im nörd- lichen Theile des rothen Meeres hingegen herrschen die Nord- winde fast das ganze Jahr hindurch. Sie sind, wie in Egypten, von grösstem Einflüsse auf die klimatischen Erscheinungen, indem sie den tropischen Regen auf ihrem Zuge gegen Norden im Innern des Landes und in Verbindung mit der dort herrschenden grossen Trockenheit der Luft gänzlichen Stillstand gebieten und ihnen eine bestimmte Grenze geben, die sie nur ausnahmsweise überschreiten, andrerseits an den Meeresküsten die nordafrikanische Regenzeit (unser euro- päischer Winter) der tropischen Regenzeit (unser europäischer Sommer) näher bringen , beide mit einander verbinden und so eine in die andere übergehen machen. Das Resultat ist, dass es in dem ganzen Küstenstriche des rothen Meeres jährlich zu bestimmten Zeiten regnet und zwar in den nörd- lichen Theilen in der Zeit unsers Winters, in den südlichen in der Zeit unsers Sommers *. * Wellsteds Reisen in Arabien. Halle 1842. II, S. 231. '•"' NiEBUHRs Reisebcsclireibung nach Arabien etc. Kopenhagen 1774. I, Anhang. 521 Im Innern des Landes ist das Bereich der nördiicheri Reo;en von dem der südliciien durch die sogenannte regen- lose Zone, das Terrain der Wiisten , getrennt, woliin wir ganz Ober-Egypten und das ganze nördh'che Nubien bis un- gefähr zum 18. Breitengrade rechnen müssen. Warum in diesem Länderstiiche starke atmosphärische Niederschläge so selten sind, habe ich bereits im I. Band, S. 223, um- ständlich dargethan, und aus den dort angegebenen Gründen erklärt sich auch, dass das Küstenland des rothen Meers nicht denselben INatnrgesetzen unterliegen kann und wir dort keinen, so zu sagen regenlosen Landstrich kennen, der das Gebiet der tropischen Regen von dem der nördlichen trennt. Die grosse Nähe des Meeres bewirkt, dass die Dunstmenge , w eiche die Luft an den Küsten in sich auf- nimmt, meist eine so grosse ist*, dass durch die Hinzu- fügung neuer Dnnstmengen ein hoher Sättigungsgrad der Luft mit Wasserdunst eintritt und somit die Expansivkraft desselben dem Maximo so nahe steht, dass bei der minde- sten Herabsetzung der Temperatur und respektiven Ver- minderung des Raums ein Niederschlag erfolgen muss, welche Bedingnisse vorherrschend im nördlichen Thelle des Küsten- landes am rothen Meere zur Zeit unsers nordischen Winters und der Regen an der Nordküste von Afrika, im südlichen Theile zur Zeit der tropischen Regenstürme eintreten. Aus diesem durchaus gesetzlichen Gange der Luftfeuch- tigkeit und der damit verbundenen Erscheinungen erklärt sich auch der Umstand, dass durch ihren überwiegenden Einfliiss die tropischen Regen im Küstenlande viel nördlicher vordringen , als im Innern des Landes. Während daselbst die Grenze ihres konstanten Auftretens höchstens nnr bis zum 18. Grad nördl. Breite reicht, sehen wir sie noch in allen ihren charakteristischen Kennzeichen und nur der Zeit ihres Erscheinens nach mehr und mehr zurückbleibend und der Zeit des nordischen Winters sich nähernd, in der Breite von Sauakin und nördlicher bis vielleicht in den '21. Grad dei' Breite sich erstrecken , wo bereits die aus Norden ent- gegenkomnieiide uordafrikanische Regenzeit ihren Einflnss "'* In den Wüsten des Innern findet aerade das Gej;entlicil statt. 522 unverkennbar ausübt. Durch dieses häufige und regelmässige Erscheinen der Regen ist aber auch der Charakter des Küstenlandss bezüglich seiner Produktionsfähigkeit ein ganz anderer , als der des Innern des Landes in der gleichen Breite und namentlich nördlich der tropischen Regengrenze. Während das innere nur eine wasser- und vegetationslose Wüste darstellt, sind die Berge des Küstenlandes und ihre Tiiäler, besonders in der Periode der Regen, ein an Weide- boden keineswegs armes Land. Der flache und hügelige Rand der Küste, zwischen dem Meere und den Küstengebirgen, ist zwar ein dürrer unwirthbarer Felsboden , wie in Ober- Egypten , die Berge selbst aber, und namentlich viele ihrer Waddis, lassen eine weit stärkere Vegetationsentwicklung Avahrnehmen, als es in den Küstengebirgeu von Ober-Egypten der Fall ist. Daher haben die Ababde den Distrikt des Dschebel Otabi, zwischen Berenice und dem Dschebel Olba, die Bischarin den Dschebel Olba und die Berge bis nahe an Sauakin, die Hadendoa den Orray Langay und den Dschebel Djaab zu ihren Hauptsitzen gewählt, wo sie den grössteu Theil des Jahres hindurch Weide für ihre Heerden finden. Nach BuRKHARDT *, der den Orray Langay und den Dschebel Djaab der ganzen Länge nach durchzog, sind die dortigen Waddis voller Bäume und voller Weideplätze, auch finden sich viele Brunnen und Quellen, besonders im Cen- trale dieses Gebirgsstockes. Der produktive Boden erstreckt sich bis nahe an die Küste, wird aber daselbst von dem unwirthbaren Korallenfelsbodeu und den von Salz durch- drungenen Meeresalluvionen verdrängt. Wesentlich verschieden von der Struktur und der kli- matologischen Beschaffenheit des nubischen Küstenlandes ist die des Innern von Ost-Nubien , die derselben örtlichen Ver- hältnisse wegen und mit geringen Abweichungen dieselbe ist, wie die der westlich vom Nile liegenden Landstriche. Das ganze Land zwischen dem Gebirgszuge der Küste und dem Nilthale und bis zu der Grenze der tropischen Regen zwischen dem 17. und 18. Breitengrad ist, wie bereits * I. S. 588. 523 g;esagf, eine sterile Fels- und Sandwiiste, die höchstens in den einzelnen Waddis ihrer Gebirge eine ki'iminerliche Vegetation, zerstreute Mimosen, Palmen und ein dürres Weideland wahr- nehmen lässt, welch Jezteres grösstentheils nur dann für die Wandervölker benutzbar wird, wenn die Regen von den Küstengebirgen oder einzelne Gewitterstürme vom Nilthale her sich bis dahin erstreckt hatten, was aber bei weitem nicht alle Jahre geschieht. Der nördliche und Egypten zunächst liegende Theil der grossen östlichen nubischen Wüste ist als ein geschlossenes Gebirgsland von ganz eigen- thümlicher Art zu betrachten. Dasselbe besteht nämlich aus unzähligen unter sich isolirt stehenden Bergen und Fels- gruppen, die zu höchstens 800 Pariser Fuss absoluter Höhe ansteigen, gegen West sich mit den Bergen im Nilthale verbinden, gegen Ost hin aber sich mit dem mächtigen Gebirgsstocke des Dschebel Otabi vereinen, welcher dem Küstengebirgssysteme angehört und südlich von Berenice bis zu einer Meereshöhe von 4000 Fuss ansteigt. Dieses Gebirgsland, welches den Nordrand der östlichen nubischen Wüste bildet, wird in der Breite des Bab el Korosko* von einem grossen Wüstenthaie, dem Atmur Bacher bela Maa, abgeschnitten, und es beginnt nun eine Wüstenebene von ungeheurer Ausdehnung, die sich his zur Grenze der tropi- schen Regen forterstreckt und die nur durch isolirte, zer- streute Berggruppen und durch zwei Gebirgszüge unterbrochen wird, die ohne Zweifel vom Dschebel Olba, dem höchsten Gebirgsstocke des nubischen Küstengebirgsystems ausgehen, sich wahrscheinlich bis zum Nilthale erstrecken und ebenfalls aus lauter isolirten, aber in einer konstanten Richtung sich aneinander reihenden Berggruppen bestehen **. Diesen beiden westlichen Ausläufern des ostafrikanischen Küstengebirg- systems gehören die Berggruppen des Dschebel Schigre, des Dschebel Reft, der Berge bei Mur-hat-el-Mora, des Abu Seacha und des Adrauebb an, die sämmtlich nur zu höchstens 1000 Par. Fuss über die Wüstenebene ansteigen und die '■' Mail seile meine Karte von Nnbien. '•' Die iiütiisten Oijjfel dos Dschebel Olba an der Küste erheben sich, Wkij-steds Mesbung zufolge, zu 8000 engl. Fuss über die MeeresAache. 524 wir bereits aus dem voranstehenden Reiseberichte näher kennen. Dieser ganze Wüstenstrich kann mit Recht als der südliche Theil der regenlosen Zone Nord-Afrika's* betrachtet werden; denn starke atmosphärische Niederschläge sind im Bereiche dieser Wüsten, wenn nicht die Regen des Küsten- landes oder die ephemeren Gewitterregen des Nilthals bis dahin dringen, in manchem Jahre und oft sogar mehrere Jahre hintereinander, etwas so Seltenes, dass man sich über die Aussage der Eingebornen : es habe seit einigen Jahren gar nicht geregnet, Avi|klich nicht wundern darf. Die Winde ans Nord sind in diesen Wüsten fast das ganze Jahr hin- durch die vorherrschenden und sie sind es eben, wie ich bereits früher dargetiian habe, die in Verbindung mit der dortigen grossen Trockenheit der Luft die tropischen Regen in ihre bestimmten Grenzen zurückweisen **, und ihr nörd- liches Vordringen scharf abschneiden, öuellen, perennirende nämlich, sind mir auf meiner Route durch die nubische Wüste keine, und auf der, die Burkhardt und Bruce weiter östlich über den Dschebei Schigre gezogen sind, nur sehr wenige bekannt; denn die meisten Brunnen, die sich finden, erhalten ihr Wasser durch die Regen, die als Resultat der Gewitterstürme aus dem Nilthale und besonders aus dem Küstenlande wohl fast alle Jahre, aber äusserst unregel- mässig, dahin gelangen. Wenn daher zufällig diese Regen mehrere Jahre hintereinander nur sehr spai-sam und sehr selten eintreffen, was allerdings Öfters geschieht, so wird der Wasser- mangel dieser Gegenden dem Reisenden allerdings Gefahr drohend , und diese Wüste dadurch zu einer der schreck- lichsten, die Nord-Afrika aufzuweisen hat, wodurch sich der von Burkhard! zu allgemein hingestellte Grundsatz, dass '■' Dass hier iinler dem Ausdrucke: „regten los" nur der Mang'el perio- disch zu derselben Zeit jährlich wiederkehrender Regen verstanden wird, derselbe aber das seltene Erscheinen epheme r e r Gewitterregen durch- aus nicht ausschliesst und also nur als Gegensatz für die Winterregen des mediterranen Küstenklima's und für die tropischen Regen der Äquatorial- länder zu gelten habe, ist von mir bereits öfter angedeutet worden. '•*' Band I, S. 223. 525 die nubischen Wüsten hinlänglich Wasser enthalten, keines- wegs bestätigt. Thaue sind in der nubischen Wüste eine ebenfalls seltene Erscheinung, und ihr Klima unterscheidet sich dadurch wesentlich von dem des Küstenlandes und dem der Gegenden im Nilthale und am Atbara, indem besonders an der Küste die Thaue sehr häufig und sehr stark sind. Die Lnftspiegelbilder zeigen sich auf den glühenden Sand- flächen der Wüste in einer Stärke, wie ich sie anderswo auf meinen Reisen nirgends traf, und ich verweise diessfalls auf das hierüber im vorigen Abschnitte Gesagte. Mit der Grenze der tropischen Regen ändert sich der Charakter des Landes, die sandigen Flächen der Wüste be- ginnen sich allgemein , nicht mehr blos in einzelnen Niede- rungen und Waddis, mit Gesträuche, Bäumen und dünnem Grase zu bedecken und gehen durch allmähliche Zunahme der Produktionsfähigkeit des Bodens in ;vahres Savannenland über, wie wir es in Sennaar und Kordofan treffen werden und wie es längs des Atbara besteht. Die Wüsten, im eigentlichen Sinne des Wortes, enden mit der Grenze der tropischen Regen, doch nicht plötzlich, sondern nur allmäh- lig in jenes Terrain übergehend, das in der Regenzeit eine mit dichtem Grase bewachsene Fläche , in der trockenen Jahreszeit ein dürres Stoppelfeld darstellt und zum Theil mit Mimosenwäldern von ungeheurer Ausdehnung bedeckt ist. Diesen Übergang der Wüste in Savannenland, als haupt- sächliche Folge der starken und langen periodischen Regen, werden wir am klarsten auf der Rückreise durch die Bahiuda wahrnehmen. Übrigens mangeln allerdings auch mitten im Savannenlande keineswegs Landstrecken von grosser Aus- dehnung, die gänzlich wüste liegen, nur ist diess grössten- theils keine Folge, dass der Boden daselbst, wie der der eigentlichen Wüste, von vorne herein ein gänzlich unwirth- barer ist, er ist kulturfähig und wartet nur der menschlichen Nachhülfe, um seine Produktionskraft entwickeln zu können, und ich möchte daher solche Strecken lieber Steppen als Wüsten nennen. Naturgemäss entwickelt sich das vegeta- bile Leben zuerst und in seiner grössten Kraft, der stärkern Feuchtigkeit der Luft und den desshalb stärkern und häufigeru 526 atmospliärisclien Niederschlägen vveg;en, an den Ufern der giossen Ströme , die das Land durchziehen, und wir sehen daher im südlichen Nubien und in Ost-Sudan an den Ufern des Atbara, des Nils, des blauen und des weissen Flusses eine Vegetation, die in all jener prachtvollen, schwelgerischen Fülle prangt, die dem hohen Süden unter solchen Bedingungen eigen ist. Wie man sich von den Strömen entfernt, nimmt daher auch die Produktionskraft des Bodens ab und besonders merklich dann, wenn diese Ströme die ihnen zunächst lie- genden Niederungen überschwemmen und daselbst das vege- tabile Leben auf den höchsten Giad der Entwicklung steigern. Daher wird auch das buchtenartige und inselförmige Ein- dringen der eigentlichen Wüste in die kulturfähigen Flächen der Savannenebenen erklärlich. So sehen wir die nubische Wüste die Bucht zwischen dem Orray Langay und dem Atbara bis zum Gebiete von Beled el Taka ausfüllen, so sehen wir zwischen dem Atbara, dem Nile und dem blauen Flusse, zwischen den fruchtbaren und jährlich vom Atbara überschwemmten Ebenen des Landes Taka und dem Kultur- laiide von Sennaar, eine inselförmige Wüste vom Abu-gun- au bei Scheudy über Rera und bis über Mandera sich hin« anserstrecken, so sehen wir eine ähnliche Wüsteninsel zwischen dem blauen und weissen Flusse, südlich von Chardum und so die grosse Wüstenbucht der Bahiuda zwischen dem Nile, dem weissen Flusse uud den Grasebenen von Kordofan. Weiter in Süden, wo das Land beginnt, nach allen Richtungen von Regenströmen durchschnitten zu werden, verschwinden auch die Wüsten ganz und gar. Die tropischen Regen beginnen im 17. ßren sind Südwinde vorherrschend , ausser ihrer Periode aber Nordwinde. Die starken und häufigen atmosphärischen Nieder- schläge während der Regenzeit nnd noch mehr die heftigen nnd verhältnissmässigkaltenJNordwiiide während dertrockeiien Jahreszeit bedingen bereits in Nubien und besonders im Küstenlande, in der Nähe hoher Gebirge und an den Ufern der Ströme, Temperaturdifferenzen von erstaunlichem Um- fange und dass man nach einer Tageshitze zum Verschmachten in der Nacht und noch mehr gegen Morgen vor Frost zittert, ist eine sehr gewöhnliche Erscheinung. In höhern südlichen Breiten fand ich diese klimatische Eigenthümlichkeit der Tropenländer in einem noch weit höhern Grade , aber wie empfindlich auch im südlichen Nubien diese Nachtkälte der unausstehlich heissen Tagestemperatur gegenüber ist, wissen wir aus den Erfahrungen, die Burkhardt am Orray Langay nnd LiNANT am Atbara machten. Ausser der Zeit der perio- dischen Regen regnet es auf den Savannenebenen und Wüsten- strichen des südlichen Nubiens, jenseits der tropischen Regen- gienze, also in nnserm europäischen Winter, für gewöhnlich gar nicht, und Thaue sind in den von den Flüssen entfernt liegenden Gegenden eine grosse Seltenheit. Von der ganzen Strecke des Nilthals in Nubien fällt nur jener Theil von Assuan bis Korosko und jener von Abu Hanimed bis Chardum in das Bereich meiner gegenwärtigen ersten Reise durch Nubien. Die erstere Strecke fällt ganz und von der leztern der Theil von Abu Hammed bis el Miicheireff in das Gebiet der Wüste. Die örtlichen Ver- hältnisse bedingen jedoch auch hier eine wesentliche Ver- schiedenheit, da die grössere Luftfeuchtigkeit in der unmittel- baren Umgebung des Stroms und seine natürliche Anziehungs- kraft, die er besonders dort, wo er von hohen Bergen eingeschlossen wird, auf die Dunstmengen in der Atmosphäre * Die tropische Refjenzeit in üireni interessanten Verlaufe werden wir in Chardum und Kordofan genau kennen lernen. 528 «nd auf die Regenwolken ausübt , die der Wind in seine ISälie bringt , auch eine grössere Frequenz atmosphärischer Niederschläge herbeiführen. Wir sehen daher im Nilthale, besonders zur Zeit der Nordwinde, öftere Thaue, während sie in der vom Strome entfernter liegenden Wüste fast ganz mangehi, nie aber fallen die Thaue auch am Nile in Nubien so häufig und so stark wie an der 31eeresküste und auch nicht in dem Masse wie im Nilthale Egyptens , besonders Unter Egyptens. Dieselbe Ursache, nämlich die von Vorne herein statthabende grössere Luftfeuchtigkeit in der näch- sten Umgebung des Stroms und das Vermögen desselben, dort, wo er von Bergen eingeschlossen ist, auch andere Dunst- mengen an sich zu ziehen, bewirken, dass oftmals Gewitter- wolken, besonders solche, die aus NW., N. und NO. in der Zeit der Nordwinde dahin ziehen , sich im Stromthale ent- laden und daselbst Regen fällt, während die anliegenden Wüsten keinen haben. Diese ephemeren Regen fallen daher meist in die Periode unser» nordischen Winters und sie sind weit häufiger im nördlichen Theile des nnbischen Stromthals, im Waddi Kenuss, ßatn el Hadjar etc. als im südlichen, in Dar Robatat und Dar Berber. Die hohen Ge- birge, welche den Strom im nördlichen Nubien einschliessen, scheinen daher dort einen wesentlichen Einfluss auf diese Erscheinung auszuüben. Auffallend ist es, dass diese in ganz unregelmässiger Folge auftretenden Gewitterstürme sich weit seltner im Nilthale von Egypten ereignen, als in dem von Nubien ; während bei den Thauniederschlägen doch der umgekehrte Fall statt zu finden scheint. Was die Thaue anbelangt , so glaube ich die Ursache ihres häufigem Er- scheinens und ihrer Stärke in Egypten vorzüglich in der Nähe der zwei Meere begründet, welche jenes Land von zwei Seiten einschliessen, während Nubien nur auf einer Seite vom Meere begrenzt wird und eine höhere mittlere Temperatur, folglich eine stärkere Expansion der Dunstmasse in seiner Luft, besizt. Was jedoch jene ephemeren Gewitter- regen anbelangt, so mag die Ursache ihrer grösseren Frequenz im Stromthale des nördlichen Nubien eine sehr zusammen- gesezte und wahrscheinlich sowohl kosmischer als terrestrischer 529 Natur seyn. In erstrer Beziehung- scheint es, da diese Ge- witterregen vorzüglich in der zweiten Hälfte des europäischen Winters eintreffen, folglich zu einer Zeit, in welcher am Äquator bereits die tropischen Regen nach Nord vorzurücken beginnen und Südwinde herrschen, dass die mit Nordwinden über Egypten nach Süden ziehenden Wolken in den hoch- gelegenen Schichten der Atmosphäre auf Südwinde stossen, die sie zurückhalten und in den Gegenden des nördlichen Nubiens, angezogen durch die dortigen Gebirgsmassen, auf- häufen, wodurch die wesentliche Einleitung zu starken atmo- sphärischen Niederschlägen getroffen ist. Eine weitere Ursache zur häufigem Gewitterbildung im nördlichen Nubien ist die daselbst herrschende Luftelektrizität. Aus meinen folgenden Beobachtungen geht nämlich hervor, dass die elektrische Spannung der Luftschichten untereinander mit der Annähe- rung an den Äquator bedeutend zunimmt und da wir an- nehmen können, dass mit jeder Ausgleichung dieser Spannung, mit jeder Neutralisation dieser verschiedenartigen Elektrizität der Luftschichten unter sich , eine Herabsetzung der Tem- peratur verbunden ist und diese, wenn sie langsam vor sich geht, mehr zur Erzeugung von Thau , geschieht sie aber tumultuarisch und momentan, mehr zur Erzeugung von Regen geeignet ist, so ist es erklärlich, dass Gewitter mit elektri- scher Entladung in Nubien häufiger sind , als in Egypten, und dass also auch Regengüsse in Folge dieser Entladungen unter den gegebenen Voraussetzungen im nördlichen Nubien sich öfter ereignen, als in Egypten. In Beziehung der tere- strischen Einflüsse, welche das öftere Erscheinen von Regen im Nilthale des nördlichen Nubiens mit begründen, glaube ich folgende Momente besonders hervorheben zu dürfen : die Granit-, Porphyr- und Schieferberge scheinen im Allge- meinen eine weit stärkere Anziehung auf die in der Atmo- sphäre ziehenden Dunstmengen auszuüben, als die Kalkgebirge, daher sich dieselben auch an den Bergen von Waddi Kenuss, ßatn el Hadjar etc. ehei* anhäufen, als im Nilthale von Ober-Egypten ; einen ähnlichen Eliifluss dürfte das engere und höher liegende Stromthal in Unter- Nubien, das fast in seiner ganzen Länge Schellnis enthält, in denen die Wasser- Uiis.5.eggei-, Rpiseii. II. Bd. 1. llil. 34. 530 masse in steter und starker Bewegung ist, ausüben, während in Egypten der Strom durcli ein breiteres , tiefer liegendes Thal und weit weniger bewegt dahin zieht. Der südlichste Theil des Nilthals in Nubien , nämlich sein Uferland südlich der Mündung des Atbara und das ganze Stromgebiet des Atbara selbst, liegen jenseits der tropischen Regengrenze und besitzen also auch ein acht ti'opisches Klima, das sich von dem der von ihren Ufern entfernter liegenden (liegenden nur dadurch unterscheidet, dass die periodischen liegen an den Flüssen in grösserer Masse fallen , und da- selbst während der trockenen Jahreszeit auch Thaue stattfinden. Wenn wir das Ganze, was hier über das Klima von Ost-Nubien im Allgemeinen hingestellt wurde, überblicken, so sehen wir, dass dieses Land dem Einflüsse verschiedener, zum Theil wesentlich verschiedener Potenzen unterliegt und sich die klimatischen Erscheinungen in vier Haiiptmomente theilen lassen. Wir sehen, örtlich betrachtet, a) das Klima des Küstenlandes mit seinen periodischen Regen, die theils aus der tropischen Regenzeit, theils aus den Winter- regen der nordafrikanischen Küstenländer hervorgehen. Thaue sind häufig und stark, Nordwinde vorherrschend, b) Das tropische Klima jenseits der periodischen Regengrenze mit den jährlich wiederkehrenden Regen ; Nordwinde in der trockenen Jahreszeit, Südwinde in der Regenzeit, Thaue grösstentheils nur an den Ufern der Flüsse, c) Das Klima der Wüste. Grosse Trockenheit der Luft, keine perio- dischen Regen und Thaue, beide selten auch als ephe- mere Niederschläge; meist Nordwinde, d) Klima des Nilthals nördlich der tropischen Regengrenze; Nordwinde vorheirschend und mit ihnen Thaue. Keine periodischen Regen, aber öfters und unregelmässig erscheinende Gewitter- stürme , schnell vorübergehend , weiter nach Süden seltner werdend, vorzüglich nur im nördlichsten Theile des Nilthals und meist mit Nordwinden ; die Luft feucht im Gegenhalt der der Wüste. Die Beobachtungen auf meiner ersten Reise durch Nubien geben einen meteorologischen Durchschnitt dieses Landes in der Linie der Reiseroute und für die Monate Februar und März. Sie folgen in nachstehenden Tabellen; 531 st s 3 E n Auf der Reise bis Ko- rosko wurden die Beobach- tungen am Lande, nicht auf der Barke gemacht. — In Korosko selbst hingen Ba- rometer und Thermometer unter den Palmen im kon- stanten Schatten, 18 Fuss ober dem Flusse, die übri- gen Beobachtungen wurden in der Barke, 2 Fuss ober dem Wasserspiegel, vorge- nommen. — Zwei Minuten südlich von Kalabsche pas- sirt man den nördlichen Wendekreis und tritt in die heisse Zone ein. Am 6. um 9 Uhr M. die Temperatur der Luft im Schatten = 10,7 Reauro. Am 13. das Nilthal ver- lassen und die grosse nu- bische Wüste betreten. Die cm B S «1 1 schön. veränderl. Gewitter- drohend, veränderl. schön. » heiter. wird trüb. inW.,SW. Regenw. Hör. cum., Cenit cir. cum. dto. wird heit. N. u. NW. cum. dto. heiter- Slossw.N. N. Stossw. N. NO. NO. stark. NO. N. u. NW. N. stark. N. » ■uinv,3>] H3VD auuos Jap u« j3)aiiiomj9qx 0^ 1 c u X •uazaajaju!a Ol <0 <9 t^ >0 C< Ol •y qaBU laSnn aaj -lliimnn Jim -uiiaqx 13,9 8,9 16,2 10,1 10,7 12,7 14,9 •y qDBu •rajaqx 'luie^so 16,8 12,5 18,6 11,8 12,2 13,9 16,8 udisJj m! J3)3uiouu8qx •4033 UI jajam -ojeg lov ja)auiuuiJaqx •1102 ••i^d "! iaiawoJBH cj»rt«o «ooot-toao — rt tf) t^ 00 Ol 0 •JviiüM! iSöI JBnjqa^ 532 s UI e s hl Ol e ca Beobachtungen wurden aus- ser den Zelten im vollkom- men opaken Schatten der- selben vorgenommen. Am 11. ein Gewitter in N. Es blizt und donnert sehr stark. Durch kurze Zeit Re- gen in grossen Tropfen. Starker Westwind, bis zum Sturme. Das Gewitter zieht in dreistündiger Entfernung dem iNile entlang in 15 Mi- nuten vorüber. Die Blitze schlagen in die Sandebene derWüste. Abends der ganze Horizont heiter, im Zenite cum. Westwind hält an. Am 12. Nachts der West zum Sturme mit ganzen Wol- ken von Sand und Staub, mit Blitz und Donner, aber ohne Regen. Jeden Tag in Korosko freie s a 1 B _ (0 'S s 'S t^'S "6 a ^ -^ . K £ a ~ " " "5 M ^ j<)p iiv jsjsuoniasqx iO CO 5 u X 'U3zu3Jagi(j •g qoBU taSn^ Ja4 -linqinu ijoi -iniaqx 0)©U5(0t~t0t^OO •y qsBU •injaqx 'q^nuiö^^'O 5^ -H^sn^O ©^ -^<*_0 iisiajj UM jaomouijaqx aT oT oT öT oT O! Ol i>^ i>^ to od rti»r~00C5iM •JBUOW j •1£8T JBnjqaj 533 ^5; ='= es g O B! o S '- ^ = ^ - — c . c > : o u - 5 t^ -^ TS — S != a — «s □ ^ = II '^ = 3 w — S i_ 'I « ^ es = i- = P3 ^ OJ s ., i"^i^K- = ä"? 5 ^<- « 'S ^ .^ "^ £ = o- K I . a 'S N X 6C i2 ^ 3 Ca -c ■< s ej - .5 S ^ o U J m 4J N 3 6f ^ Ol s s 'r. Sa 3 '^V «1 ü £ 5» . 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Februar den Tag hindurch den Barometer, Ther- mometer und Psychrometer* von Stunde zu Stunde und es ergaben sich hieraus folgende Resultate: der Luftdruck erreichte sein Maximum täglich von 9 bis 10 Uhr M., sein Minimum um 3 Uhr Abends, und wenn wir das Gesetzliche im Gange desselben mit den zunächst vorhergegangenen und zunächst nachfolgenden Beobachtungen in Verbindung setzen, so können wir mit Sicherheit schiiessen , dass das 2. Maxi- mum um 10 Uhr Abends und das 2. Minimum des Luft- druckes ein paar Stunden vor der Zeit des Sonnenaufganges stattfinde. Die Differenz der beiden beobachteten Extreme des Luftdruckes betrug 0,095 Paris. Zolle, die der beiden nicht beobachteten, bei dem constanten des stündlichen Baro- meterstandes aber annäherungsweise zu bestimmenden Ex- treme kann hingegen nicht die Hälfte jener Grösse erreicht . haben. Der höchste zu Korosko beobachtete Barometerstand .^"ei;gab sich am 9. Februar um 8 Uhr Morgens mit 27,91 Paris. Zoll, der niederste am 10. Febr. um 3 ü. Abends mit '^27,81 Par.Zoll, so dass die ganze Schwankung der Quecksilber- 'sänle sich innerhalb 0,10 Paris. Zolle bewegte. Der Durch- schnitt aus allen 18 Beobachtungen ergab für den Luftdruck 27,S(» Paris. Zolle. Den auf den beiden Spitzen des Dsche- bel el Korosko vorgenommenen Barometerbeobachtungen zu Folge ergibt sich für die vordere Spitze eine Höhe von 440, für die hintere von 580 Paris. Fuss über das Dorf von Ko- rosko, welches 18 Fuss über dem Niveau des damaligen Flussstandes liegt. Beide Kuppen sind die dominirenden der nächsten Umgebung. Das Maximum der Lufttemperatur trat am 10. Februar während der stündlichen Beobachtungen, mit 19,7 Reaum. um 4 Uhr Abends ein, die Temperatur um 7 Uhr Morgens betrug an demselben Tage 12,0 R., folglich die Differenz 7,7 R.; diese ist aber bedeutender und dürfte nahe an 10^ betragen, da das wirkliche Minimum früher, nämlich kurz vor Sonnenaufgang, eintritt. Das Mittel der Lufttemperatur aus allen 18 Beobachtungen betrug 18,3 R. Der Gang des Psychrometers war dem der Temperatur * Thermohygiometer. 537 vollkommen conform. Die g^rösste Differenz der beiden Thermometer 5 des gewÖluiliclieii und des befeuchteten, folg- lich die grösste Trockenheit der Luft , trat am 10. Februar um 4 Uhr Abends mit 2.8 R. ein, naturgemäss zusammen- treffend mit dem Maximum der Lufttemperatur und nahe auch mit dem Minimum des Luftdruckes. Die kleinste Diffe- renz am Psychrometer hingegen fand zugleich mit dem Mi- nimo der Lufttemperatur vor Sonnenaufgang statt, erhielt sich über 9 Uhr Morgens bis nämlich die strahlende Wärme der Sonne auf die Dunstmasse in der Atmosphäre zu wirken begann, constant und betrug 1,7 R., welche Grösse uns als ÄLaasstab für die grösste Luftfeuchtigkeit an jenem Tage dient. Der Unterschied der beiden Differenzen, oder die Schwankung des Luftfeuchtigkeitszustandes an jenem Tage betrug somit 1,1 R. des Psychrometers. Die grösste Diffe- renz der beiden Thermometer wurde im Ganzen am 9. Febr. um 8 Uhr Morgens mit 3,8 R. bei einer Lufttemperatur von i:J,S R. und bei starkem NO.- Winde beobachtet. Im Durch- schnitte aller 18 Beobachtungen ergab sich die psychrometeri- sche Differenz von 2,3 R., und behandelt man die hierauf Bezug nehmenden Daten der Tabelle nach der AuGusr'schen For- mel (S. 242 dies. Bandes), so erhält man für die Luftfeuch- tigkeit zu Korosko im Durchschnitt der angegebenen Beobachtungszeit folgende Werthe: 1) für die Expansivkraft der Dünste in der Atmosphäre = 15,0 M.M. 2) Die Temperatur des Thaupnnktes = 13,5 Reaum. 3) Die Feuchtigkeit der Luft = 757, wenn man das Ma- ximum = 1000 sezt. 4) Das Gewicht des Wasserdunstes in 1 Kub.-Fuss Raum = 14,7 Gran. Woraus wir ersehen, dass die zu Korosko ausgemittelte Luft- feuchtigkeit nur um 4 weniger beträgt (das Max. = 1000 gesezt) als die zu Assuan gefundene*, folglich zu dieser Jahreszeit wenigstens viel grösser ist, als die zu Kairo, und fast so gross wie die zu Alexandria gefundene. Wir sehen aber auch, dass im Gegenhalte zu Assuan der höhere Stand * S. 256 dieses Bandes. 538 des Thaupunktes und die grössere Masse des Dunstes in gleichem Räume, dem Gewichte nach, den Dunstkreis der Atmosphäre in Korosko im Durchschnitte weit mehr zu ei- nem wässerigen Niederschlage bei einer plötzlichen Herab- setzung der Lufttemperatur befähigten, und wirklich erfolgte auch Gewitterregen daselbst, während unserer kurzen An- wesenheit. Die Luftelektrizität war zu Korosko während un- seres ganzen Dortseyns an den Elektrometern deutlich wahr- zunehmen, aber nie messbar. Sie war stets possitiv. Die Neigung der Magnetnadel betrug zu Korosko im Mittel 30*^ 50', ein Werth der gegen den, welchen die Theo- rie hiefür beziffert, sehr bedeutend differirt*. Aus der Ruhe gebracht, zählte ich im Durchschnitte an der Inklina- tionsnadel 21 Schwingungen, bis ihr Stand wieder statio- när wurde. Den Chamsin kennt man, den Versicherungen der Ein- gebornen zu Folge, in der Umgegend von Korosko nicht. Regen fallen in unserem Frühjahr mit Gewittern, aber nie anhaltend und im Ganzen in Korosko selbst selten. Stär- ker regnet es in den Bergen der Wiiste, welche dem Strome zunächst liegen, was auch die vielen trocken liegen- den Bette der Giessbäche beurkunden, die man daselbst findet. Den auf meiner Reise durch die grosse Wüste von Korosko bis Abu-Hammed laut Tabelle beobachteten Baro- meterständen zu Folge bildet das Land wellenförmige Erhebungen und Vertiefungen. Eine solche Einsattlung des Bodens befindet sich bei Mur-hat-el-Mora, daher es sich erklärt, dass sich daselbst in geringer Tiefe unter der Oberfläche Wasser findet, selbst wenn in der umgeben- den Wüste einige Jahre hindurch fast kein Regen ge- fallen seyn sollte. Wenn daher an irgend einem Orte mei- ner Route von einem Bohrloche auf Grundwasser ein gün- stiges Resultat zu erwarten seyn sollte, so wäre es dort, und zwar in dem Thale, wo die gegenwärtigen Brunnen liegen. Südlich von Mur hat-el-Mora hebt sich der Boden der Wüste wieder, bis er sachte gegen das Nilthal bei Abu Hammed abfällt. Im Ganzen jedoch steigt die Wüste von * S. 245 dieses Bandes. 539 Korosko bis dahin sehr sanft an und* das blosse Äuge kann keine Niveaunnterschiede der Wüstenebene bemerken. Dass jährlich manche Gewitterstürme, sowohl vom Nil- thale her, als auch vom Küstenlande herüber, und zwar meist mit NW. oder NO.-Winden, sich auf die nubische Wü- ste erstrecken, habe ich bereits erwähnt, dass sicli aber auch manchmal tropische Regenstürme, wenn sie über ihre Gränze hinaus nach dem Nilthale nordwärts ziehen , was aller- dings bisweilen geschieht, sich dahin verirren, darüber er- fuhr ich durch Boreani, der im Jahr 183S vor mir Sennaar verliess und durch die grosse nubische Wüste nach Korosko und Egypten zurückkehrte, einen merkwürdigen Fall, bei dem sich besonders die mit diesen Gewitterstürnien gewöhn- lich verbundene starke Lnftelektrizität auf eine höchst auf- fallende Weise bemerkbar machte **. Es war im Juni 18.18 als Boreani mit seinem Bogleiter und seiner kleinen Karavane einst Nachts nördlich von Mur- hat-el-Mora in der Wüste reiste. Die Nacht war raben- schwarz und nur von starken Blitzen erhellt, die von einem Gewitter kamen, das in WWS. gegen den Nil zu stand. Ein heftiger Sturm erhob sich, die Luft erfüllte sich mit Sand und Staub, dumpfer Donner rollte in den nahen Ber- gen. Boreani spuckte zufällig aus, und war erstaunt, als er den fallenden Speichel mit einem blau liehen Lichte schwach, aber deutlich leuchten sah. Die übrigen wiederholten das Experiment und bei allen zeigte sich dieselbe Erscheinung. Zugleich fühl- ten sie sämmtlich an Händen und im Gesichte ein Prikeln, wie schwache Nadelstiche. Die Haare der Esel und Kamele knisterten, jedoch ohne Lichterscheinung, und die Empfindung, welche sie in diesem Momente hatten, musste ihnen sehr un- angenehm gewesen seyn, denn sie wurden scheu und waren nur schwer vom Durchgehen abzuhalten. Als darauf Regen * Im ganzen Gebiete des Nils, so weit er Nil heisst und südlicher bis zum 10. Grad der Breite, westlich von Abessinien, existirt keine einzige terrassenförmige Erhebung des Bodens und die Angaben von einer Sennaartcrrasse, einer Fassokiterrasse etc. sind lauter Illusionen. '"^' Fälle von solcher starken Luftelektrizität werden wir bei meinem Aufenthalte in Kordofan näher kennen lernen. 540 eintrat, waren auch alle diese Erscheinungen plötzlich ge- endet. In Abu Hammed, wo wir zwei Tage verweilten, konnte ich des gewaltigen Sturmes aus Ost und Nordost und des Staubes und Sandes wegen, der überall eindrang, nur den Barometer und Thermometer beobachten, was ich denn auch von Stunde zu Stunde des Tages hindurch that. Der Sturm schien auf den Luftdruck und somit auf die öuecksilbersäule gar nicht zu wirken ; denn der Gang des Barometers w ar so regehnässig, dass er besonders in den Vormittagen der beiden Beobachtungstage zu gleichen Stunden auf dieHundert- theile eines Pariser Zolles übereinstimmte *. Auch zu Abu Hammed ergab sich dasselbe Gesetz des Luftdruckes aus den stündlichen Beobachtungen , wie zu Korosko, und die beiden Extreme des Tages traten genau um 10 Uhr Morgens und 4 Uhr Abends ein. Die Differenz dieser beiden Extreme betrug 0,12 Paris. Zolle und der durchschnittliche Luftdruck während der 14 Beobachtungs- stunden 27,11 Paris. Zolle. Das Maximum der Temperatur fand am 23. Februar mit 25.0 Reaum. um 4 Uhr Abends statt, das Minimum fiel, wie gewöhnlich , in die Zeit zunächst vor Sonnenaufgang. Um S Uhr Morgens war die Temperatur der Luft bereits auf 17,3 Reaum. gestiegen und die Schwankung derselben betrug daher bis 4 Uhr Abends 7,7 Reaum. Als Durch- schnitt ergab sich für die zu Abu Hammed , während dem 22. und 23. Februar, beobachtete Lufttemperatur 22,9 Reaum. Den starken O. und NO. behielten wir während der ganzen Reise bis Abu Dieh bei und erst daselbst gestaltete er sich in einen constanten N. und NO. um , der während unseres viertägigen Aufenthaltes zu el Mucheireff mit gerin- ger Unterbrechung und bei meist heiterem Himmel aushielt. An diesem Orte hatte dieser Wind das Eigenthümliche, dass er stossweise eine grosse Hitze entwickelte, stossvveise aber wieder kühlte. Er kam direkt aus der ganz nahen * Wir werden in hohem südlichen Breiten und in der trockenen Jahreszeit den Gang des Barometers oft viele Tage hintereinander so regelmässig finden, dass er fast als eine Uhr gebraucht werden könnte. 541 Wüste, und ich verniuthe daher, dass er daselbst zu gleicher Zeit als heisserWind, als Samum, wie ihn die Türken nennen, geherrscht haben mag-. In el Mucheireff machte ich während unseres viertägigen Aufenthaltes .11 Beobachtungen und zwar an zwei Tagen von Stunde zu Stunde. Auch an diesem Orte verhinderten mich und meinen Adjunkten Fieberkrankheit und Fieber- schvväche an Beobachtungen im Verlaufe der Mächte, welclie ich daher erst in Charduni und el Obeehd, zur ganz schar- fen Ausmittiung der nächtlichen Extreme, vornehmen konnte. Die in Abu Hammed und Korosko, so wie überhaupt bisher ausgemittelten Gesetze der stündlichen Schwankungen des Luftdruckes sprachen sich in el Mucheireff nicht ganz in derselben Klarheit aus, wie an den beiden erstgenannten Orten, indem die Barometerstände zwar zu denselben Zeiten ihre Extreme allerdings erreicht hatten, aber auch, besonders in den Abendstunden, einige Zeit zuvor und einige darnach so stationär geworden waren, dass der Wendungspunkt der Kurve des Luftdruckes zeitlich nicht scharf genug bestimmt werden konnte *. Die Differenzen der Extreme des Tages betrugen con- stant 0,08 Paris. Zolle und der Verlauf der Oscillationen war überhaupt ein höchst gleichförmiger, so dass auch der summarische Werth der ganzen Schwankung während der Beobachtungstage gleich der Differenz der einzelnen Tages- extreme blieb, folglich dieöuecksilbersäule im Ganzen höchst unbedeutend stieg und fiel. Die Differenzen der nächtlichen Extreme des Luftdruckes waren noch kleiner und überstiegen entschieden nicht den Werth von ü,OS Paris. Zoll. Der durchschnittliche Barometerstand zu el Mucheireff während 31 Beobachtungen an 4 Tagen im Monate März betrug 27,0 Par. Zolle. * Einen Theil der Schuld an der erschwerten Wahrnehmung des eigentlichen Moments des Extrems trug dieEintheihuig der Skala, mit deren Noniiis nur Zehntheile eines Pariser Zolles mit Bestimmtheit abgelesen wer- den konnten. Ich wählte daher von meinem zweiten Aufenthalte inChardiim an eine in Milimeters getheilte Skala, mit deren Nonius ich Zehntheile eines M. M. ganz genau ablesen und Hunderttheile verlässlich tichätzen konnte, wodurch natürlich die Bestimmung au Schärfe gewann. 542 Das Maximum der Temperatur trat regelmässig täglich um 3 Uhr Abends ein, das Minimum kurz vor Sonnenauf- gang. Die DiflFerenzen der beiden täglichen Temperatnr- extreme schwankten zwischen 10,9 und 12,5 Reauni. Die höchste beobachtete Temperatur am 4. März 3 Uhr Abends war = 29,5, die niederste am 2. März G Uhr Morgens = 15,8; folglich betrug die ganze Schwankung während der Beobachtungszeit 13^7 Reaum. Der Durchschnitt aller Be- obachtungen der Lufttemperatur gab 24,0 Reaum. Der Gang des Psychrometers stimmte mit dem des ge- wöhnlichen Thermometers in el MucheirefF nicht in der Art und Weise, wie es in Korosko und in Abu Hammed geschah. Merkwürdiger Weise trat an diesem Orte das Minimum der Differenz der beiden Thermometer am Psychrometer einige Zeit, bis 3 Stunden, nach dem Minimum der Lufttem- peratur ein, das Maximum dieser Differenz fiel jedoch mei- stens mit dem der Lufttemperatur zusammen auf 3 Uhr AbendvS. Sollte vielleicht der in den frühen Morgenstunden immer sehr stark wehende undin den Vormittagsstunden nachlassende Wind diese Abweichung erwirkt haben? Die täglichen Diffe- renzen der beiden Thermometer am Psychrometer betrugen von 1,2 bis 2,8 Reaum., die ganze Schwankung dieser Diffe- renzen aber , da die höchste derselben am 3. März 3 Uhr Abends mit 5,8, die niederste am 4. Abends mit 2,2 beob- achtet wurde, war gleich 3,6. Der durchschnittliche Differenz- weith während den vorgenommenen 31 Beobachtungen be- trug 3,7 Reaum. Wenn wir die in der Tabelle angeführten Durchschnitts- werthe dem weitern Kalküle nach der AuGUsr'schen Formel unterwerfen , so ergeben sich uns für die Luftfeuchtigkeit in el Mucheireff während der Beobachtungszeit nachfolgende Weither 1) für die Expansion des Wasserdunstes in der Atmo- sphäre 21,0 M. M. ; 2) für die Temperatur des Thaupunktes = 17,9 Reaum.; 3) für die Feuchtigkeit der Luft = 077, das Maximum = 1000 gesezt; 543 4) für das Gewicht des Wasserdunstes in 1 Kubikfiiss Raum = 20,1 Gran. Woraus wir ersehen, dass der Grad der Luftfeiichtjokeit, der sieh aus unsern zu el Mucheireff gemachten Beobacli- tuiig;en ergab, dem sehr nahe steht, den wir in Kairo im Monate Dezember voriges Jahr erhielten , nur ist zu be- rücksichtigen, dass die Beobachtungszeit zu Kairo in jene Zeit fiel, in der dort atmosphärische Niederschläge öfters sich ereignen , hingegen zu el Mucheireff in jene Zeit , in der solche Niederschläge eine ausserordentliche Seltenheit sind. Ich halte daher das Klima von el Mucheireff fiir be- deutend feuchter, als das von Kairo, was sich durch die grosse Nähe des Nils , durch den nicht weit entfernten Athara und durch das nahe Savannenland erklären dürfte. Die Tempeiatur an der Sonne betrug während der Be- obachtnngszeit 33,8 Reaum. im Durchschnitte, fiel aber bei dem Aufenthalte im Freien, des steten Windes halber, nicht so lästig, als die Hitze im Schatten und im Schutze des Hauses oder Zeltes. " Regen fällt in el Mucheireff alle Jahre, aber sehr un- gleich und manchmal nur unbedeutend. Es sind tropische Gewitterstürme j die, dem Flusse entlang, hier über ihre nördliche Grenze hinaus reichen und stets mit Ende Mai oder Anfangs Juni beginnen. Die Neigung der Älagnetnadel betrug in el Mucheireff im Durchschnitte 26^ 30' und die Inklinationsnadel machte in einer Minute 20 Schwingungen. Wenn wir berücksichtigen, dass der Gang des Barome- ters im Tropenlande ein ausserordentlich gleichförmiger ist, dass seine stündlichen Oscillationen sich in einer Regel- mässigkeit aussprechen , die in nördlichem Klimaten etwas ganz Ungewöhnliches ist, und dass der Umfang der stündli- chen Schwankungen sowohl als der mehrere Wochen um- fassenden sehr geringe genannt werden kann, so sehen wir, dass uns die mittleren Barometerstände mehrerer Orte, in nicht sehr von einander verschiedenen Zeiten, Daten zur Be- rechnung ihrer Höhenunterschiede geben, die uns zu so be- ruhigenden Resultaten führen, welche ßarometermessungeu 544 in Ermanglung ganz gleichzeitiger Beobachtungen nur ver- schaffen können. Wenn wir diesemnach die durchschnittli- chen Angaben vorstehender Tabellen nach der LAPLACE'schen Formel und den GAuss'schen Tabellen im Berliner Jahrbuch für ISIS * dem Kalküle auf Niveauunterschiede unterziehen, so erhalten wir für nachstehende Punkte folgende Höhen- differenzen : Korosko; über Assuan 108, über dem Meere 450 Paris. Fuss **. Abu Hammed; über Korosko 513 und über dem Meere 96:i Paris. Fuss. El Muc hei reff; über Abu Hammed 368 und über dem Meere 1331 Paris. Fuss. Chardum***; über el Mucheireft" 100 und über dem Meere 1431 Paris. Fuss. Wenn wir diese Niveauunterschiede mit den Stromlängen zwischen den einzelnen Punkten vergleichen, so erhalten wir für das Gefälle des Nils, dessen Grösse auf klimatische Erscheinungen, namentlich auf die Frequenz des Gewitter- zuges dem Stromthale entlang, von grossem Einflüsse seyn dürfte, nachfolgende interessante Daten: * Prof. Stampfer, Tabellen zum Höheniuessen mit dem Barometer. Salzburg 1818. ""•' Zur Ausmittlung der Höhen diflFerenz zwischen Korosko und Assuan •wurde das Durchschnittsresultat der Beobachtungen in Assuan und auf der Insel Philä genommen. •:.:•.=:> p^j. Chardum wurde der im Monat März ausgemittelte Durch- schnitt mit 26,876 Paris. Zolle für den Luftdruck, mit 28.92 Cent, für die Temperatur des Quecksilbers und mit 24,443 Reaum. für die der Luft in den Kalkül genommen. Die von mir in meinem Aufsatze: „Bei- träge zur Physiognomik, Geoguosie etc. des afrikanischen Tropenlandes", iu V. Leonhabd und Bkonns Jahrbuch für Mineralogie etc., Jahrgang 1840, angegebenen Meereshöhen von Chardum mit 1060 Par. Fuss und von el Oheehd mit 1160 Paris. Fuss beruhen auf beobachteten Differenzen der Siedepunkte des destillirten Wasser.s. Nachträgliche und lange andauernde Versuche belehrten mich aber, dass das Hypsothermometer , wenigstens für Tropenklimate, seiner grossen Mängel wegen unanwendbar sey, und ich erkläre somit auch jene, durch dieses Instrument erhaltenen Pvesultate für unrii htig und bitte , sich an die hier angeführten und nachfolgenden barometrischen Ergebnisse, als an die viel verlässlichern, zu halten. 545 Das Stromgefälle beträgt auf eine geographische Meile reducirt: zwischen Assnan und Korosko (bei ungefähr 30 Meilen Stromdistanz) 3,6; zwischen Korosko und Abu Hammed (bei ungefähr 150 Meilen Stromdistanz) 3,4; zwischen Abu Hammed und el Muc hei reff (bei ungefähr 28 Meilen Stromdistanz) 13,0; zwischen el Mucheireff und Chardum (bei unge- fähr 50 Meilen Stromdistanz) 2,0, und endlich im Ganzen : zwischen dem Mittelmeere bei Rosette und Chardum (bei ungefähr 40S geographischen Meilen Stromdistanz) nur 3,5 Paris. Fuss. Daraus sehen wir auch, dass der Nil in Nubien im Ganzen ein weit stärkeres Gefälle hat, als in Egypten, indem im erstem Lande der Fall des Flusses auf eine geographische Meile 4,2 , im l e z t e r n Lande aber nur 2,3 Paris. Fuss beträgt. Die Vermuthungen, welche daher unser Landsmann, Dr. RüppELL, über das geringe Ansteigen des Bodens von Central- Afrika, von den Küsten des Mittelmeers bis in die Gegend des Äquators, schon lange vor mir aussprach *, haben sich durch meine positiven Beobachtungen bestätigt, und ich glaube der erste Europäer zu seyn, dem es gelang, ein baromet- risches Nivellement von den Küsten des Mittelmeers dem Nil- thale entlang bis nach Sennaar und Kordofan und von dort bis zum 10. Grad nördl. Breite auszudehnen. Ähnliches gelang den englischen Reisenden Denham, OuDNEY und Clapperton auf ihrer Reise von Tripolis an den Tschaadsee. Ihren Beobachtungen zufolge ergab sich für Tripolis ein Barometerstand von durchschnittlich 28,52 Par. Zolle (?), anf der Wüstenreise von Mursuk nach Jeou ein solcher von 26,72, und zu Kuka, an der Westseite des Tschaadsee's und 5 bis 6 Stunden von dessen Ufern ent- fernt, von 27,21 Paris. Zollen. Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass auch auf Denhams und seiner Begleiter * RüppELf., Reise in Abessinipn. l, S. 380 ; II, Vorrotlo. S. 9. JJ 11 «>vegg er, Reisen. II. BJ. I. Till. 35 54G Route das Terrain von Central-Afrika nur sehr allmählig an- steigt, (lass das Land zwischen dem Tschaadsee und dein Mittelnieere bedeutend höher liege als die Küsten des leztern und die Ufer des erstem , und dass also der Tschaad eine weite Depression des innerafrikanischen Bodens erfüllt. Wie gross nun diese Depression ist, ob der Seeboden, wenigstens an seinen tiefsten Punkten, nicht vielleicht selbst tiefer liege als das Niveau des Mittelmeers, was ich, wie schon gesagt, vermuthe , geht aus Denhams Beobachtungen nicht hervor, und er selbst sagt, dass zu Kuka der Barometerstand nicht regelmässig beobachtet wurde und das Instrument nicht verlässlich war. Es ist daher auch der oben für Kuka angegebene mittlere Luftdruck von 27,21 Paris. Zollen für die Bestimmung der eigentlichen Depression des Tschaad- see's nicht anwendbar, da Kuka nicht unmittelbar am Ufer liegt und Sondirungen zur Ausmittlung der Tiefe jener un- geheuren Wassermasse meines Wissens ganz mangeln. Die mittlere Jahrestemperatur von Kuka, das in 12° 54' nördl. Breite liegt, fand Denham = 22,94 Reaum. Dieser, einen ganz andern Theil von Central-Afrika betreffenden Daten würde ich hier nicht erwähnen , wenn nicht ein anderer Umstand sich damit verbinden möchte , der für das bisher über die nördliche Grenze der tropischen Regen in Nubien Gesagte von hoher Wichtigkeit wäre. Wir haben nämlich gesehen, dass in dem nubischen Küstenlande des rothen Meers die tropischen Regen ungefähr bis zum 20. und 21. Breitegrade reichen, dass sie sich im Nilthale periodisch nicht über den 18. Breitegrad hinaus erstrecken und aus Denhams Reise- bericht ersehen wir, dass sie in der geographischen Länge des Tschaadsee's (10 bis 1.5 Grad östlich von Paris) perio- disch nur bis zum 16° nördl. Breite vordringen, da nun dieselben aber wieder an der Westküste sich über den Senegal hinaus ungefähr bis zum 20. Grad der Breite, bis in die Nähe von Kap Blanko, bis zum Beginn der regenlosen Zone, des Südrandes der Sahara, erstrecken, so bildet also die Nordgrenze der tropischen Regen in Nord-Afrika eine Kurve, deren beide am weitesten nach Norden reichende Schenkel mit den beiden Küstenländern zusammenfallen, 547 deren Scheitel aber ungefähr 4° südlicher im Norden des Tschaad und im Herzen von Afrika liegt. Ich glaube, dass die Ursache dieser allerdings auffallenden Erscheinung ganz einfach in dem Unterschiede der Küstenklimate und der des Binnenlandes bezüglich der dort herrschenden Luftfeuch- tigkeit liegt, dass die wahre Regengrenze die des innersten Binnenlandes ist , dass das Vorwärtsdringen der tropischen Regen in den beiden Küstenländern nur als eine Folge der grössern Dunstmassen erscheint, die die Atmosphäre an den Küsten beständig in sich aufnimmt, und dass sich daher die Grenzlinie der Regen in dem Verhältnisse südlich zieht, in welchem sie sich von den beiden Meeresküsten entfernt. Übrigens beobachtet man am Tschaad den Einfluss der unabsehbaren, über 2 Breitengrade und über 3 Längen- grade sich erstreckenden und mit ihren vielen Nebensee'n und Sümpfen des Uferlandes über 840 geographische Quadrat- meilen umfassenden Wasserfläche auf die Dauer der Regen- zeit recht auffallend ; denn dieselbe beträgt, mit dem Monat Juni beginnend, fast 11 Monate, indem es laut Denhams Bericht * blos vom Anfange Augusts 1S23 bis Anfangs Mai 1824 zu Kuka an den meisten Tagen regnete und oft Gewitter- stürme mit Donner und Blitz stattfanden. Diese für die Breite des Tschaadsee's allerdings sehr auffallen de Erscheinung halte ich rein nur in der grossen Diinstmasse begründet, die diese Wasserfläche fortan entwickelt und daher für blos lokal **. Hier kann von keiner Verbindung der tropischen * Narrative of travels etc. im Anhange. Ferner über die Regennieng^en in Tropenländern: Berghaus, Grundriss der Geographie. S, 184 etc. ** Auch im westlichen Hochlande Abessinicns, in der Nähe von Bergmassen , die zu 14,000 Paris, Fuss , also über die Schneegränze in dortiger Breite, ansteigen, beobachtet man, den Ebenen des Innern von Afrika gegenüber, bedeutende Abweichungen der Regenperioden, indem daselbst nicht nur die tropischen periodischen Regen fallen , sondern es auch nach Rüppeli., II, S. 322, vom November bis Juni, also in der trockenen Jahreszeit, fast alle acht Tnge einmal regiwt. Was es mit der von Ruppeix, II, S. 314, für Massowa an der Küste angegebenen Regenzeit vom Monat Dezember bis April für eine nähere Bewandt- niss hat, ist mir unbekannt, und wir hätten es also auch dort, wenn dem so ist, mit einer auffallenden Abweichung des tropischen Kliinu zu thun. 35* 548 Reo;enzeit mit der nordafrikanischen des Küstenlandes die Rede sejn; denn nicht ganz zwei Breitengrade nördlich des Nordrandes des Tschaadsee's heginnt die regenlose Zone der Wüsten. Kehren wir nun wieder zu jenen ßeohachtun- gen zurück, welche ausschliesslich das Klima von Nubien zum Gegenstande haben. Nach den voraus gesandten eigenen Resultaten meiner meteorologischen Forschungen während meiner Reise von Assuan bis Chardum erübrigt mir zur Ausmittlung möglichst genauer Durchschnitte nur noch der Leistungen früherer Reisenden zu erwähnen jaber leider sind diese, so schätzbar sie auch in anderer, besonders geogra- phischer Beziehung sind, gerade in diesem Fache sehr mangel- haft. Beobachtungen über Luftfeuchtigkeit sind mir ausser meinen eigenen, Nubien betreffend, gar keine bekannt; von Beobachtungen über Luftdruck kenne ich nur die wenigen, die Cailliaud auf seiner Reise von Assuan bis Duma (Tomas) bei Derr machte *, von solchen über Lufttemperatur aber besitzen wir von ebendemselben Reisenden eine äusserst interessante Reihe von Assuan bis Rhas el Chardum. Da er täglich dreimal, nämlich um 7 Uhr Morgens, 1 Uhr Nach- mittags und 5 bis 6 Uhr Abends beobachtete, so eignen sich seine Beobachtungen vollkommen zu einem verlässlichen Durchschnitte der in den Monaten November bis Juni herr- schenden Temperatur und Witterungsverhältnisse dieses Landes. Das Detail dieser Beobachtungen legte Cailliaud im 4. Bande seines Reisewerkes nieder, und ich begnüge mich, hier nur die monatlichen Durchschnitte derselben anzugeben, um dadurch die Reihe meiner eigenen Beobachtungen zu ergänzen und zu vervollständigen, und zwar sowohl derer, welche ich so eben näher auseinandergesezt habe, als derer, die auf meiner Rückreise von mir gemacht wurden und die im 3. Theile dieses 2. Bandes folgen werden. ' Daselbst, laut I, S. 314, verlor Cauijaud durch die Nachlässigkeit seiner Leute seinen Barometer. 549 = cfri « >> £ i^£ >■ o o> D s •- m «^ « u ■ "^ ÖC GC 3 U t- C es N ■"-t: ^ = _ J5 »• Ö.S X es o t4 .• t4 'ö O) O 13 o -c o ^ 'S 2 s :0 6£.-S P3 n P3 eq M ^ a S ^bc I S Hc2 J. & s es 2 iE ,• '^ e- ."S , &. 'S ^O --1^ ^: « ^1 r ^ ^ ■— t-l •= CS O "^ P N « ^ < ■J. 'A g TS Zi t O) — Ol ^ «' rH •= ^ £ i: :^ ^i •zu9jajj!a 'luniniuii^ 'lunuiiKvm ao t^ ^ © XI o 00 o> ^ «o U) O) 00 c^ ift o CI M «o ^ m >n <£> (M 00 o c* ff« <^ n M •* "l-'^JW s -c <>5 u9onn]i{3equd(| ■•>M«f csM S 3 •Je-- £t3 a « s S O C! c es CC •3 '^ *: 6E-S *g ü t. C_es_.».ej^x cc ^• Kü s s O 4= >td a. 550 s s an'« CO = u :c3 ÖD « a> S (ß (Ja .*^ r Co • P— ^ '^ ■^1^ u cj a « ^ CS -« = > u 02 •- oa - "ü — 'z -^H"« 0) •3§ ^ « = s i^ .5 =■ C fe /S — e ü ? 4) ^'C ÜD §-5-5 ^ «s rt o N "5= = ►5 &c usäuntqaeqoag •JM«f ff« CO in e (M OD 5 QO 551 Aus dieser tabellarischen Übersicht der Beobaclitungeii des Reisenden Cailliaud sehen wir, bezüglich der mittleren Barometerstände von Asstian bis Kalabsche und der Tem- peraturdurchschnitte, insoferne sie nahe eine und dieselbe Lokalität betreffen, eine sogleich ins Auge fallende Über* einstimmung mit meinen Angaben, die z. B. bei dem mittlem Barometerstande in Assuan bis in die Hunderttheile eines Pariser Zolls, bei dem Hauptdurchschnitte der Temperattir von Nubien bis in die Zehntheile eines REAUMUR'schen Grades reicht. Da Cailliaud seine Beobachtungen 16 Jahre vor den meinen angestellt hat und leztere, insoweit sie gegen- wärtig vor uns liegen, nur einen sehr kurzen Zeitraum um- fassen, so können wir darin nur einen neuen Beweis sehen, mit welcher Regelmässigkeit der Verlauf der Funktionen der Atmosphäre in den Tropenländern vor sicJi geht. Aus Cailliauds Beobachtungen, wie aus den meinen, geht hervor, dass die mittlere Lufttemperatur von Nubien zwischen 21 und 22® Reauin, fällt. Bestimmt jedoch wird die Ziffer dieser durchschnittlichen Temperatur erst dann angegeben werden können , wenn wir auch die auf meiner westlich des Nils vorgenommenen Riickreise gemachten Be- obachtungen vor uns liegen haben, was der Ordnung wegen erst im dritten Theile dieses Bandes geschieht. So werden uns auch daselbst die mittleren Barometerstände , wie sich dieselben aus den Hauptstationen der Reiseroute folgern, einen Anhaltspunkt an die Hand geben, die mittlere Erhebung des Landes längs dem Nilthale auszumitteln. Werfen wir nun noch einen Blick auf die Wirkungen, die das Klima in Nubien auf die organische Welt daselbst hervorbringt. Wie wir aus den Durchschnitten der Tem-« peraturbeobachtungen ersehen, so gehört Nubien zu den heissesten Ländern der Erde, und der südliche Theil dieses Landes, der bereits innerhalb der Grenzen der tropischen Regen liegt und wo der monatlicheTemperaturdurchschnitt^ nach Cailliaud, im Beginne der Regenzeit bis 30** Reaum. und selbst darüber steigt, dürfte bezüglich seiner durch- schnittlichen J ahrestemperatur kaum von den Län- dern des Sudan übertroffen werden. Dass eine solche Hitze 552 in ihrer Rückwirkung auf den Boden , je nachdem derselbe zur Entwicklung des vegetabilen Lebens die nöthige Be- wässerung findet oder nicht, eine höclist extreme Einwirkung hervorbringen niuss, ist in der Natur der Sache begründet, und wir sehen daher in Nubien von seiner Nordgrenze bis zu der Grenzlinie der tropischen Regen neben dem Strome eine glühende Sandwüste , im Stromthale selbst aber ein dürres, nur unmittelbar an den Ufern desselben kultivirbares Felsengebiet. An der Kiiste jedoch , wo atmosphärische Niederschläge häufiger vorkommen, sehen wir, den von Salzen durchdrungenen Strand ausgenommen , in den Thälern der Gebirge ein reiches Weideland, und jenseits der Regengrenze dehnen sich ungeheure Savannenebenen aus, denen nur die menschliche Hand zur Kultivirung mangelt und die im Strom- thale selbst streckenweise die Pracht jener Vegetation ent- wickeln, die den Tropenländern eigen ist, wenn sie hinläng- liche Bewässerung finden. Die organische Welt Nubiens trägt, besonders im Süden, den Typus des Tropenlandes bereits ausgezeichnet an sich. Der weisse und lichtbraune Araber Egyptens erscheint nur mehr als Fremdling, der dem Lande nicht eigenthümlich angehört. Der Einheimische hingegen, sey er nun vom ethiopischen Stamme, dem uralten Bewohner des Landes, oder vom arabischen, dessen Ein- wanderungen aus Jemen vielleicht schon vor zwei Jahr- tausenden stattfanden , ist von dunkelbroncebrauner Farbe bis ins Schwarze. Während Egypten , früher ein reichbe- völkertes und in allen seinen Theilen hoch kultivirtes Land, nie mehr in den frühern Naturzustand zurückkehrte und sein kulturfähiger Boden wenigstens zum grossen Theile noch heute Gegenstand des Ackerbaues ist, ist Nubien rasch vom Gipfel seiner einstigen Kultur wieder in einen gewissen Znstand ursprünglicher Wildheit zurückgetreten. Wander- völker durchstreifen die Wüsten des Norden , die Thal er der Küste, die Grasebenen des Südens, und die Kultur des Bodens ist auf den schmalen Strich des Stromthaies zurück- gedrängt. Die Mimosenwälder am Atbara , die Savannen von Taka, die Steppen der südlichen Bahiuda sind von zahl- losen Antilopenheerden , von Löwen , Hyänen , Leoparden, 553 Giraffeiij Straussen etc. bevölkert, in den Wcäldeni des obern Atbara findet sich bereits der Elephant und das Rhinozeros, im Nilthale von Robatat bis Berber und am Atbara leben bereits Affen , die beiden Flüsse wimmeln von Krokodilen und das Hippopotamos ist häufig. Auf den Sandbänken bansen Millionen von Wasservögeln und auf den Asten und Blättern wiegen sieb bereits die buntfarbigen Kinder der beissen Zone. Das Kulturland erzeugt alle Vegetabilien, die des Menschen Hand in Egypten heranzieht, nur sind unter den Cerealien die Hirsearten noch weit bedeutender. Die Dompalme und die Dattelpalme erscheinen in gleicher Bedeutung, im Süden des Landes ist die erstre Palme jedoch die vorherrschende in ihrer Entwicklung *. Mimosen sind bereits die vorherrschenden Bäume der Wälder; die Siko- moren verschwinden. Die schönen Fruchtbäume des ge- mässigten Südens, die Rebe, Orange, Citrone etc. kümmern unter der glühenden Sonne jenes Landes, sie werden nur mit Mühe künstlich in Gärten fortgebracht und ihre Früchte sind schlecht, zum Theile nngeniessbar, die Trauben wässerig und fade, die Orangen und Citronen sehr klein und ausser- ordentlich sauer, sie bleiben grün und im Beginne des Gelb- werdens ihrer Schale tritt meist Fäulniss ein. Überhaupt hat die Natur, was die erquickende Güte der Früchte be- trifft , nur über den gemässigten Süden ihr Füllhorn aus- geschüttet, das heisse Binnenland des tropischen Afrika aber höchst stiefmütterlich bedacht. Tropische Länder, besonders die des Innern von Afrika, wo eine fast regenlose Zone einem Landstriche die Hand bietet, in welchem es durch mehrere Monate des Jahres bindurch sehr viel regnet, weit mehr, als wir in unsern nördlichem Breiten zu sehen gewohnt sind , solche Länder bieten im Verlaufe ihrer klimatischen Erscheinungen und Einwirkungen selten jene sanften Übergänge dar, die ge- mässigte Klimate auszeichnen, sie bewegen sich nur in Gegen- sätzen und zwar meist in sehr scharfen. Dahin gehören voi* Allem jene auffallenden und ans Unglaubliche reichenden "■ Hinsichtlich der wahrschrinlich neuen P.ilmenart von Mur hat el Mora verweise ich auf den natuihistoiischen Anhang zum 2- Bande. 534 Differenzen der Tages- und Nachttemperatur, wodurch es geschieht, dass man in Ländern, deren mittlere Jahrestempe- ratur 21 bis 22 Reaum. beträgt, vor Frost oftmals zittert, eine Erscheinung, die mit grösserer Annäherung an den Äquator wir noch auffallender werden hervortreten sehen. Dass diese grossen Temperaturunterschiede vorzüglich einer- seits auf die geographische Lage und die Höhe der Sonne im Verlaufe des ganzen Jahrs, andrerseits auf die vorherr- schenden Nordwinde, auf die Höhe der Küstengebirge , die bis zu 8000 Fuss ansteigen, auf die häufigen atmosphärischen Niederschläge im Küstenlande und in der tropischen Regen- zeit , auf die Nähe der Hochgebirge Abessiniens , auf die Wassermasse der Riesenströme jener Länder, auf die jähr- lichen Überschwemmungen, denen die ebenen Ufer von Ober- Nubien durch den Nil und den Atbara ausgesezt sind , je nach dem Vorwalten dieser Potenzen im Einzelnen genom- men sich gründen, ist klar, aber nicht minder klar ist, dass dieselben auf den Menschen eine höchst verschiedene Ein- wirkung hervorbringen müssen, und dass wir Landstriche, deren schädlicher Einfluss auf die Gesundheit ein höchst rapider ist, dicht an solchen liegen sehen, deren Klima an- erkannt vortrefflich genannt werden kann. Vor Allem ist es wohl der sehr verschiedene Grad der Luftfeuchtigkeit, den jene Potenzen bedingen und durch den sie, in Verbin- dung mit der ebenso verschiedenen Feuchtigkeit des Bodens und seiner mehr oder weniger positiv schädlichen Ausdünstung auch ganz verschieden auf den Körper einwirken, der den wesentlichsten Antheil an der Beschaffenheit des Klima's jener Länder in sanitätlicher Beziehung hat *. Die Wüsten des nördlichen Nuhiens und die wilden Felsthäler in der unmittelbaren Umgebung des Stroms erfreuen sich eines sehr gesunden Klima's. Nie dringt die Pest aus Egypten bis dahin, bösartige, typhöse Fieber sind eine Selten- heit und die Ophthalmie kennt man nur dem Namen nach aus dem Nachbarlande. So habe ich auch den Aussatz da- selbst, der in Egypten so häufig ist, nur selten bemerkt. Intermittirende Fieber und Dissenterie erzeugen sich in Folge * S. 238 etc., die klimutischeii Einwirkungen in Egypten betreffend.. 555 von Verkühlung^eii , denen die Eingebornen bei der p-ossen Differenz der Tages- nnd Nachttemperatur um so mein* ansgesezt sind, da sie ihre leichte Kleidung; oder der g;änz- liche Mangel derselben nur wenig davor schüzt. Die Cholera fand auf ihrer Wanderung; nach Süden auch den Weg; nach Nnbien , ihr epidemischer, bösartiger Charakter sprach sich aber in Unter-Nubien, wo die Wasser- masse durch eine Menge von Schellals stark bewegt ist und ein steter Wechsel der Luftschichten im Stromthale statt findet, nur in einem geringen Grade aus, während im südlichen Nnbien, bis Sennaar und Kordofan hinauf, sie sich in ihrer ganzen, furchtbaren Gestalt entwickelte und ich sie daselbst noch fast zwei Jahre nach ihrem ersten Auftreten mit epidemischen Charakter traf. Das Blatterngift fordert auch in Unter-Nubien seine Opfer und die Syphilis ist keines- wegs selten, doch verhindern die hohe Lufttemperatur, die beständige Ausdünstung des Körpers und die nothgedrungene Diät der Eingebornen, dass sie jene grässlichen Formen an- nimmt, wie in nördlichem Klimaten, und nie sah ich Ver- stümmelungen in Folge derselben. Wir können also in Unter- Nubien nur Dissenterien und intermittirende Fieber, die ohne- diess weit seltner sich ereignen als erstre und zu denen der Stoff bereits meist von anderwärts mitgebracht wird, als klimatische Krankheiten betrachten, vor denen übrigens der Körper durch regelmässige Lebensweise, durch zweck- mässige Kleidung, besonders durch stetes Tragen einer feinen, wollenen Binde auf blossem Leibe und durch massigen Ge- nuss geistiger Getränke leicht zu schützen ist. Anders verhält es sich in jenen Theilen des südlichen Nubiens, wo entweder die jährlichen Überschwemmungen des Nils das Uferland, wenigstens zum Theil, unter Wasser setzen und ephemere Regen den Boden befeuchten , wie in Dongola, oder wo die tropischen Regen diess in einem weit höhern Grade thun, oder besonders wo beide Potenzen zu- sammenhelfen. Regen und Überschwemmungen, wie es am- Atbara und vorzüglich in Beied el Taka der Fall ist, wel- ches Land als das ungesundeste in ganz Nubien betrachtet werden kann. 556 In diesen Ländern sehen wir zwar, wahrscheinlich der mittlem Temperatur wegen, die weit höher ist als inEgypten, keine Pest; wir sehen wegen Mangel salziger Dünste in der Atmosphäre und wegen dem geringern Salzgehalte des Staubes des Kulturbodens keine Ophthalmie*, wir sehen aber einheimische intermittirende Fieber von ausserordent- licher Stärke und nicht intermittirende, perniciöse, gallichte Fieber, die typhösen Charakter annehmen, ansteckend und höchst gefährlich sind und an die egyptische Pest in mehr- facher Beziehung erinnern dürften , wir sehen endlich Dis- senterie und jene nicht klimatischen Krankheiten, deren ich in Ünter-Nubien erwähnte. Dass der Kulturboden von Nubien an und für sich we- niger Salze schon von Vorne herein enthält , als der von Egypten , und dass ihm auch die Elemente zu einer nach- träglichen Salzbildung in einem weit höhern Grade mangeln, als jenem, ist eine sehr natürliche Folge der Bedingungen, unter denen er sich bildet und derer, durch welche er sich erhält. Der Kulturboden entsteht theils durch Zerstörung und mechanische Auflösung der Felsgebilde, die das Terrain bilden, theils durch Anschwemmung fremder Alluvialmaterie und durch Aufnahme thierischer und vegetabiler Stoffe zur Umarbeitung in jene Elemente, die als die Grundlage seiner Produktionsfähigkeit angesehen werden müssen. In erstrer Beziehung sehen wir, dass Egypten, wenigstens das Strom- thal, zum grossen Theile im Gebiete tertiärer Felsgebilde liegt , die an Straten von Salzthon und salzigen Mergeln sehr reich sind. Dieses ist in Nubien nicht der Fall ; denn daselbst liegt das Stromthal entweder im Bereiche der quar- zigen Sandsteine, die das unterste Glied der Kreidereihe bilden, zwar auch Salze führende Mergelstraten enthalten, aber bei weitem nicht In solcher Bedeutung, wie es bei den Tertiärgebilden Egyptens der Fall ist, oder es liegt im Be- reiche krystallinischer Felsgebilde , die ohnediess nicht als Salze führende betrachtet werden können. Was die An- schwemmung fremder Alluvialmaterie anbelangt, so sehen wir, dass der Strom, je weiter wir ihn nach Süden verfolgen, * I, S. 243 etc. 557 nenig;er und weniger mit Salze führenden Felsg-ebilden in Beiüliiung kommt und dass endlich seine grossen Quellen- gebiete zum Theil erwiesen, zum Theil höchst wahrschein- lich , ganz im Bereiche krystallinischer Felsocbihle iietJ-en, und dass somit seine AUuvien nach aufwärts notiiwendiger- vveise immer salzärmer werden müssen. Die gleiche Er- scheinung- wird durch die dem Strome beigemengten auf- löslichen Salze und auflöslichen organischen Stoffe herbei- geführt. Dieselben erhalten sich eben ihrer Aufiöslichkeit halber am längsten in der Wassermasse, werden daher auch am weitesten mit ihr fortgeführt und setzen sich erst in einem grössern Verhältnisse bei grosser Verminderung des Gefälls, bei zunehmender Verdunstung des Auflösungsmittels mechanisch mit dem feinen Schlamme ab, der die lezten Alluvionen des Nils bildet , bevor er sich mit dem Meere vermählt. Rechnet man dazu noch den grossen Salzgehalt, der dem Boden in Egypten und besonders dem in ünter- Egypten durch die Salzmasse zukommt, die mit dem Wasser- dunste der beiden nahen Meere sich fortwährend in der Luft befindet und sich von Zeit zu Zeit als salziger Thaii oder mit Regen niederschlägt, so ist es sehr erklärlich, dass wir in Unter-Egypten die Elemente der Produktionsfähigkeit des Bodens in einem höhern Grade vorhanden , aber auch die Elemente zur Erzeugung der ophthalmischen Krankheits- formen und vieler anderer, selbst der Pest, wie ich im 1. Bande gezeigt habe, in grösserer Menge und Intensität gegeben sehen, als in Ober-Egypten und noch mehr als in Nubien. Auf ähnlichen Prinzipien beruht im tropischen Nubien die lokale Vertheilung der Fieber und zwar namentlich die des nicht intermittirenden, gallichten Fiebers, dem vielleicht nur gleiche klimatische Einflüsse und ein höherer Grad der Potenzen mangelt, die es hervorrufen, um es aus dem ty- phösen Charakter, der ihm häufig eigen ist, zu den der vollendeten Pest zu steigern. Es ist eine allgemein bekannte Sache, dass in tropischen Ländern jene Gegenden am ungesundesten sind, und Fieber sich dort am meisten erzeugen, deren Luft am feuchtesten und wo die Vegetation am üppigsten ist, daher, was Gefahr des 558 Aufenthaltes betrifft, die undurchfliinglichen Tiopeinvälder an den Ufern grosser Ströme obenan stehen. Es ist ferner eine vveiters bekannte Sache , dass die feuchte Sumpfluft, in so lange der Boden des Sumpfes mit Wasser bedeckt ist, bei weitem nicht so schädlich auf die Gesundheit wirkt als dann, wenn er anfängt auszutrocknen und besonders dann , wenn er anfängt bearbeitet zu werden und durch Kanäle der atmosphärischen Luft Zutritt in sein Inneres, den Miasmen aber, die sich in ihm in diesem Zustande beson- ders entwickeln , der ungehinderte Austritt gestattet wird. Dieses sind unumstössliche Erfahrungen, und von ihrem Ge- sichtspunkte aus können wir nachstehende Erscheinungen ganz ungezwungen erklären. Wir sehen nämlich , dass das böse Fieber (Soeben der Araber und Wrda der Nubier) sich ausschliesslich an die Ufer der Flüsse und an die feuchten IViederungen des Bodens hält, mehr im Kulturlande und auf den grasreichen Savannenebenen erscheint, als auf den Step- pen und am häufigsten und gefährlichsten dort ist, wo die Vegetation am meisten schwelgt. Wir sehen ferner das böse Fieber nie in der trocknen Jahrszeit und seltener in der Periode kurz aufeinander folgender, starker Regen, sondern vorzüglich nur und besonders gefährlich im Beginne der Regenzeit und zu Ende derselben; also in der Zeit, wenn der durch sechsmonatliche, glühende Hitze lechzende und von tiefen Spalten durchzogene kulturfähige Boden durch Regen oder Überschwemmung Wasser aufzunehmen beginnt oder derselbe, nach sechsmonatlicben Regen sumpfig gewor- dene Boden wieder auszutrocknen anfängt und Spalten nach al- len Richtungen und von grosser Tiefe bekommt. In beiden Fä- len ist mit diesem Akte und der dabei stattfindenden che- mischen Wechselwirkung der organischen Bestandtheile des Bodens unter sich und herbeigeführt durch Wasser und Luft- zutritt eine heftige Miasmenbildung verbunden und die Erd- spalten sind die Kanäle , aus denen diese Miasmen zu Tage treten. Mit der vorwärts schreitenden Austrocknung enden die Exhalationen des Bodens und mit ihnen enden die bö- sen Fieber. Dass die Eingebornen, ohne die eigentliche Ursache zu 559 kennen, instniktinässlg- den Wink der Natur auffassen und ihn befolgen, beweist, dass sie sich nur selten und nur durch ganz besondere Umstände bewogen , an den Flüssen selbst ansiedeln, sondern meist ihre Niederlassungen von denselben oft über eine Stunde entfernt in die dürren Steppen des In- nern verlegen, um in das Bereich einer trocknen Luft und wenn möglich in das einer verringerten Bodenansdünstung zu kommen , ahnend , dass der Boden je mehr sie sich vom Stromthale entfernen, desto weniger reich an organischer Materie ist. Wenn es daher die Umstände erlauben, rücken sie ihre Städte und Dörfer ausser die Grenze der Lfervege- tation und bis an den Rand der Wüste vor. Nur die Tür- ken in ihrer fatalistischen Stupidität kämpfen gegen den Wink der Natur und bauen ihre Städte unmittelbar an die Ufer, z. B. Chardum, in denen denn auch die jährliche Sterblich- keit ungeheuer ist. Sehr häufig ziehen es die Eingebornen , besonders die an den Ufern des weissen Flusses wohnenden, vor, ihr Trink- wasser nicht unmittelbar aus dem Strome zu holen, sondern in bedeutender Entfernung vom Ufer Brunnen zu graben, aus denen sie folglich das Wasser des Flusses in einer Art filtrirten Zustandes erhalten. Häufig lassen sie dasselbe auch noch vor dem Gebrauche zum Trinken lange in Gefäs- sen , sogar an der Sonne , stehen. Meiner Ansicht nach also liegt die Ursache der bösen Fieber, deren Form und Beliandlung wir bei meinem Auf- enthalte in Sudan, im nächsten Theile dieses Bandes, nä- her werden kennen lernen, vorzüglich in den Miasmen, die aus dem Boden im Beginne und zu Ende der Regenzeit, weniger während ihrer stärksten Periode, entweichen, und ich kann daher Rüppell's Ansicht*, der nach diese Fieber vorzüglich in dem Genüsse des mit Infusorien erfüllten Trink- wassers ihren Entstehungsgrund haben sollten, keineswegs theilen. Wenn sich in stehenden Gewässern, in Brunnen, Teichen , Gefässen etc. unter dem Einflüsse einer tropischen Wärme Infusorien in grosser Menge bilden, woran ich durch- * Reisen in Niibien etc. S. 297 bis 306. 560 ans nicht zweifle, und der Geniiss derselben schädlich aut den Körper wirkt, was allerdings erst zu beweisen ist, was ich aber vor der Hand nicht läugnen kann, so ist es doch sehr natürlich, dass dieses auch in allen den stehenden Ge- wässern der Wüsten und Steppen geschieht, und dass der- selbe Fall mit dem Wasser statt hat, welches von Vorne herein durch den Mist der Thiere verunreinigt, warm, trübe, stinkend in lederne Schläuche gefüllt wird und in diesen, viele Tage einer glühenden Sonne ausgesezt, sich endlich in eine Lauge verwandelt, vor der der durstigste Mensch zurückschaudert. Warum also sind die bösen Fieber, selbst bei dem lang anhaltenden Genüsse solchen Wassers, doch der Wüste und den dürren, trockenen Steppen fremd, war- um beschränken sie sich nur auf die Nähe der Flüsse und Teiche, warum vorwaltend auf 'tiefgründiges, kultivirtes oder mit einer üppipen Vegetation bedecktes Land, warum erschei- nen sie vorzüglich im Beginne und zu Ende der Regenzeit, und warum endlich vorzüglich auch an solchen Orten, wo die Leute kein oder nur wenig stehendes Wasser trinken, sondern dasselbe unmittelbar aus dem Strome schöpfen, wie z. B. in Ciiardum, in Woadd Medineh, in Sennaar, in Neu-Dongola etc. ? Intermittirende Fieber sind von den nicht intermitti- renden, bösen Fiebern scharf zu trennen. Den erstem entgeht man in den Tropenländern wohl in keinem Falle, d. h. wenn man eine Regenzeit daselbst zubringt ; denn wer diess nie gethan hat, kennt ohnehin den Nachtheil des tro- pischen Klima nicht. Die Ursache der intermittirenden Fie- ber sind höchst mannigfaltig und oft genügt die mindeste Ver- anlassung, eine kleine Verkühlung, ein Diätfehler und dgl., um dieser Krankheit preisgegeben zu seyn. Finmal der Körper hiezu disponirt, kann man Jahre wandern und Welt- theile durchziehen, bis man sie wieder verliert. So trug ich jene intermittirenden Fieber, die ich mir in Karamanien ge- holt hatte und die in Sudan ihre grösste Höhe erreichten und mich mehrmals dem Tode nahe brachten, Jahre lang mit mir, schleppte sie durch 61 Breitengrade und verlor sie erst ganz im höchsten Norden von Europa, weit jenseits des Polarkreises. Die bösen Fieber hingegen sind in ihrem 561 Ursprunoe lokal und bleiben es in ihrem Verlaufe. Verän- (leiiinf>- des Ortes, oft nur wenij^c linndert Schritte betra»en(l, liülft meistens, wie ich mich selbst iiberzeuj>te. Ich habe mit meinen Leuten wochenlang- das stinkende Wasser der Schläuche g-etriinken , Ta^e lan»- mich auf das Pfiitzenwas- ser im Lande der Muba's beschränkt gesehen, in welchem sich die Elephanten badeten, das grün und faul war, ich rausste am Chor el Baba in Fassoki das Wasser trinken, in welchem gefallene Pferde verwesten und das zulezt so stank , dass wir die Fische daraus nicht mehr geniessen konn- ten: es geschah ohne das Wasser zu filtriren oder sonst zu präpariren , jedoch wir befanden uns dabei theils in der Wüste, theils im Gebirgslande, theils im Verlaufe der trock- nen Jahreszeit, und kein Mensch erkrankte, obwohl diese Wasser nicht frei von Infusorien waren , wie nur ein Blick in unser PLÖssL'sches Mikroskop darzuthun im Stande war. Ich reiste im Gegentheile auf dem weissen Flusse und trank mit meinen Leuten nur das Wasser des Stroms, ich blieb wäh- rend einer Regenzeit durch vier Monate in Chardum, und wir tranken nur das Wasser des schnell rinnenden blauen Flusses, filtrirten und klärten es in beiden Fällen , obwohl von Vorne herein keine Infusorien darin zu entdecken waren und doch erkrankten wir Alle, und von uns sechs Europäern wurden vier die Opfer der bösen Fieber während dieser beiden Reise- perioden und in Folge derselben. In den Wassern für sich liegt nicht der Grund der bösen Fieber, daher auch das Fil- triren derselben nicht hilft, und Aveit mehr als in lezterer Vorsicht mochte Rlppell's und mehrerer anderer Reisender glückliche Rückkehr aus jenem infernalischen Klima darin begründet seyn , dass sie sorgfältig den Aufenthalt an fieber- gefährlichen Stellen zu meiden suchten und keine Regen- zeit* im südlichen Nubien oder in Sudan zugebracht haben. Das Anschwellen der Flüsse in Folge der tropischen Regen, deren Stärke und Dauer gegen den Äquator hin in einem gros« sen Verhältnisse zunimmt und durch die besonders in den Hoch- gebirgen von Abessinien , in denen des Landes el Pert und in '■' RiprKix, S. 303. Bekanntlidi trat Dr. Rühpell seine Reise nach Abessinien erst später an. Kiis^PL'S'.T. l\(is.ii. II. Bd. 1. Till. 36 5(>2 denen der Galla-Länder nnoelienreWassernifissen dem Haupt- gebiete der Ströme zugeführt werden, trifft im südlichen Nu- bien zufällig mit der Periode zusammen, in welcher daselbst die tropischen Regen beginnen, n<ämlicli im Durchschnitte mit der zweiten Hälfte des Mai. Die drei Hauptströme aber, der Atbara, der Bacher el Ahsrak und der Bacher el Abiad, welche den Nil bilden, beginnen ihr Ansteigen keineswegs zu gleicher Zeit. Am frühesten bemerkt man dasselbe beim At- bara, nach einigen Tagen am Bacher el Ahsrak und erst meh- rere Tage darnach am Bacher el Abiad. Die Ursache dieser Abweichung liegt nahe. Alle drei Ströme, wenigstens erwie- sen die beiden ersten, entspringen im Hochgebirgslande, durch- schneiden dasselbe in einer grossen Strecke , diirchfiiessen aber sodann in einer noch viel längeren Strecke ebenes Land. Ihren ersten und bedeutendsten Wasserzufluss erhalten sie daher in ihren südlicher liegenden öuellengebieten und im Terrain ihres obern Laufes, wo die Regen früher beginnen und stärker sind; in dem Gebiete ihres untern Laufes aber, wo sie die weiten Ebenen durchziehen, erhalten sie nicht nur den Wasserzufluss der nördlichem Lage wegen später und in geringerm Masse, sondern sie geben bei ihrem dor- tigen geringern Gefälle und bei dem Umstände , dass sie, namentlich der Bacher el Abiad , grosse Niederungen des Terrains erfüllen, ohne Zweifel grosse Binnenseen bilden, eine Menge Wasser, das sie in ihrem obern Laufe bereits erhalten hatten , wieder an das sie begränzende dürstende Land ab und steigen der Niveauausgleichung wegen unter- halb um so langsamer, je mehr sie oberhalb sich ausbreiten und je weniger Gefälle sie besitzen, d. h. mit andern Wor- ten der anfänglich vom Quellenlande ausgehende Impuls des vermehrten Zuflusses wird an den Mündungen dieser Flüsse, folglich im südlichen Nubien, um so später bemerkbar, je weiter derselbe vom Quellenlande entfernt liegt, je länger also der Lauf des Stromes ist und je länger er sich im ebe- nen Lande bewegt. Da diese Potenzen am Bacher el Abiad am meisten, weniger am Bacher el Ahsrak und am wenig- sten am Atbara in Wirkung treten , so ist die Differenz der Zeit ihres Anschwellens wohl ganz klar begründet. 503 Chamsiiie sollen im Nilthale von Unter-Nubien, vielleicht des stark beweg-ten Stroincs Ave|>eii, eine Seltenheit seyn, dass sie aber in den anlie<;enden Wiisten stattfinden, wissen nir ans Bruce's und Birkuardts Reiseberichten. Im siidlicheii Nubien hino^egen herrschen sie, wie ich mich desselben spä- ter selbst überzengtc , im Beginne der Regenzeit. S) C^eog-iiostisclie Verliftltnisse von Ost-!N^iibien '''. Da ich bereits in dem znncächst vorhergegangenen ersten Kapitel dieses Abschnittes einen physiognoniischen Umriss des betreflenden Theils von JNnbien gegeben habe, so kann ich hier, um Wiederholung^ zu vermeiden, sogleich zur Dar- stellung der geognostischen Struktur dieses Landes schrei- ten. Keiner der bisherigen Reisenden hat sich, seiner übri- gen Bestimmungen wegen, bei seinen Wanderungen in Nubien die Erforschung" der geognostischen IVatur des Landes zur Hauptaufgabe gestellt, und es sind daher aphoristisch hin- geworfene, in vielen Werken zerstreute und zum Theil wohl auch entschieden unrichtige Bemerkungen Alles, was wir in Bezug- dieses Gegenstandes bisher besitzen. Die im Nach- stehenden angegebenen Beobachtungen beruhen daher auch grösstentheils auf eigener Anschauung", und nur durch eine sehr sorgfaltige und miihevolle Erhebung jener Daten, die, häufig" nur mit wenigen W^orten angedeutet, solche Reisende lieferten, welche Gelegenheit hatten, Theile von Nubien zu sehen**, welche ich selbst nicht bereiste, gelang- es mir, die eigenen Erfahrungen weiter auszudehnen und ein geo- gnostisches Bild des ganzen Binnenlandes, nämlich meine geognostische Karte von Nubien , zu entwerfen. Dass unter solchen Umständen und bei den zahllosen Schwierigkeiten mannigfacher Art, die sich dem Forscher in solchen Ländern entgegenstellen, diese Arbeit nicht ohne Mängel seyn kann, ist klar, und ich glaube daher, dass ich, als der Erste, der sich dieser Aufgabe unterzog, wohl das Recht habe, auf eine * Man sehe meine geognostische Karte von Nubien. ■''^ Z. B. LiNAiST am Atbaia und nach Mandera; Burkhardt im Küsten- lande und in Taka. 36* 504 billige und nachsichtsvolle lieuitheilung meiner Leistung- An- spruch zu machen, und dass man von meiner geognostischen Karte nicht mehr fordern werde, als ich damit beabsichtige, nämlich eine allgemeine klare Übersicht der geognosti- schen Verhältnisse des interessanten Landes zu geben, eine Übersicht, durch die die Arbeit nur begonnen, keineswegs aber beendet ist, eine Übersicht, die nur als Aufforderung für zukünftige Reisende dienen soll, meine Beobachtungen zu erweitern, zu berichtigen oder festzustellen. Wir kön- nen, wie wir im vorigen Abschnitte gesehen haben, Ost- Nubien zum Zwecke unserer Betrachtung in drei Theile thei- len, nämlich in das Nilthal , in das Küstenland * und in die Landstriche, welche jene beide von einander trennen und also das eigentliche Binnenland umfassen. In das Bereich mei- ner ersten Reise durch Nubien, und somit in das der gegen- wärtigen Abhandlung, fallen: das Nilthal von Assuan bis Korosko, die grosse Wüste im Osten des Nils und das Nil- thal von Abuh Hammed bis Chardum**. Zur möglichst voll- ständigen Erkenntniss der geognostischen Struktur des Theils von Nubien, der östlich vom Nile liegt, benüzte ich ausser meinem eigenen Hauptdnrchschnitte des Landes von Assuan über Korosko und Abu Hamed bis Chardum : Burkhardt's Reise von Deraui in Egypten über den Dschebel Schigre nach Schendy, ferner Linant's Reise nach Mandera und Rera, Burkhard's Reise von Schendy längs dem Atbara , durch Be- led el Taka an den Orray Langay und bis Sauakin und endlich für das nördlich von Sauakin liegende Küstenland: * Um Raum für das interessante Terrain des Binnenlandes zu >j^c- winnen, glaubte ich auf meiner Karte von Nubien das Gebiet der Meeres- küste umsomehr weglassen zu dürfen, da wir in geographischer Bezie- hung die bekannte schöne Karte der englisch-ostindischen Kompagnie be- sitzen, welche in Folge der mehrjährigen Küstenaufnahmen entstand, und der geognostischen Daten zu wenige sind. ■■* Auf meiner Rückreise durch Nubien erstreckten sich meine geo- gnostischen Forschungen auf die. Bahiuda- Wüste, auf das Nilthal vom Dschebel Barkai bis Korosko und auf die grosse Wüste westlich des Nils. Die dahin einschlägigen Beobachtungen sind daher Gegenstand des dritten Theils dieses Bandes und ihnen schliesst sich consequent der allgemeine Überblick über die geognostischen Verhältnisse des ganzen Landes an. 5ü5 Wellsted's Reisen aii den Küsten des lotlien Meers. Dadurch erhalten wir mehrere Durchschnitte des Landes in verschie- denen Richtungen, deren Suiniuarinm uns das Bild des geo- gnostisclien Gesannnthabitus dieses Theils von Nuhien giht, insoferne der Entwurf desselben den bisherigen Beobach- tungen nach möglich ist. Durch den Umstand, dass unser hier zu behandelndes Terrain im Norden an Egypten, im We- sten an das Nilthal und die westlichen Wi'isten, im Süden an Sennaar und Abessinien und im Osten an das Meer gränzt, reihen sich die Beobachtungen hierüber an jene an, welche, Ober-Egypten betreffend, bereits im zweiten Abschnitte die- ses Theils behandelt wurden, an jene, welche bezüglich aui" das westliche Niibien und auf Seniiaar im weitern Verlaufe dieses Werkes folgen werden, und endlich an jene, die wir Dr. RüppELL über Abessinien zu verdanken haben. Leztere, die Felsbildungen des nächsten Nachbarlandes betreffend, sind zu wichtig, als dass wir sie, um ein vollkommen ge- schlossenes Ganzes darzustellen , nicht mit dem vorliegenden in Verbindung setzen und an geeigneter Stelle einer genauem wissenschaftlichen Würdigung unterziehen sollten. Wenn wir, als Einleitung zu dem nachfolgenden Detail, einen all- gemeinen Überblick auf Ost-Nubien werfen, so sehen wir ein sehr einfaches , geologisches Gebäude. Wir erblicken längs der Küste, wie in Egypten, eine hohe Gebirgskette, die sich dem Meeresufer parallel im Ganzen aus Süd-Ost in Nord- West erstreckt, von dem Gebirgsstocke Abessiniens ausgeht , sich in Nord mit den Küstengebirgen Egyptens vereinigt und ein Element des grossen Küstengebirgssystenis der afrikanischen Ostküste bildet. Diese Gebirgskette des Küstenlandes gehört, wie ihre nördliche Fortsetzung in Egyp- ten, vorwaltend der sogenannten primitiven Felsbildung an. Sie besteht nämlich zum grössten Theile aus krystallinischen Felsarten, aus Granit, Gneiss, Glimmerschiefer und Thon- schiefer, und nur an ihrem südlichen Ende, wo sie sich am Dschebel Djaab und Orray Langay mit den Küstengebirgeii des abessinischen Bedja, dem Dschebel Nedschib und den Ha- bab-Bergen im Norden des abessinischen Hochlandes verbindet, tritt eine mächtige Entwicklung einer Kalksteiuformation auf, 5GG von der wir aus Burkhardt's Reise nicht mehr wissen, als tlass sie existirt, die aber, den im Berberlande vorkommenden Felsar- ten nach zu schiiessen, welche Ausläufer dieser Gebirgspartien nach Westen zu seyn scheinen, der Grauwackenzeit angehören dürfte. Ihre höchste Erhebung erreicht die Centialkette des Küstenlandes zwischen dem 21. und 22. Grad der Breite am Dschebel Olba, dessen Meereshöhe Wellsted zu 8000 engl. Fuss bestimmte. Vom Olba gegen Nord nimmt die Höhe des Küstengebirges wieder ab, es bildet den höchsten Rü- cken des Dschebel Otabi, der bereits dem Binnenlande an- gehört, und vereinigt sich als Dschebel Elbe in Bergen , de- ren grösste Höhe Wellsted gleich 4200 engl. Fuss fand, mit dem Küstengebirge von Ober-Egypten in der Nähe des alten Berenice. Eine ähnliche Abnahme der Höhe des Ge- birges findet von den Gipfeln des Olba, des höchsten Ber- ges Nubiens, auch gegen Süd statt und die Kuppen des Djaab und Orray Langay, besonders die der Kette, welche sich gegen das Thal des Mareb im Lande Taka nach Süden erstreckt, dürften, insoweit es sich aus Burkhardt's Reise errathen lässt, zu Meereshöhen von 4000 bis 5000 Fuss emporsteigen. Gegen Ost springt die Centralkette des Küstenlandes theils in steilen Vorgebirgen bis an das Meeresufer vor, theils ist sie vom Meere selbst, und zwar an den meisten Stellen durch einen oft mehrere Stunden breiten Streifen jüngerer Felsgebilde, getrennt, die entweder, der Tertiärzeit angehö- rend, ein niederes Gebirgsland, oder als Triebsand und Ko- rallenbildung , kurz als Meeresalluviura , einen unwirthbaren, von Salzen durchdrungenen, ebenen oder hügeligen Strand bilden. Das ganze Terrain des Binnenlandes von Ost-Nubien verflächt sich gegen das Nilthal, mehrere Gebirgsketten, als Ausläufer des Küsteugebirges, durchsetzen dasselbe quer durch aus Ost in West und verlaufen sich entweder in den Sandebenen der Wüste , oder reichen bis zum Hauptthale des Stromes und vereinen sich mit den Bergen, die ihn um- schliessen. Zum Theil treten diese Querzüge als zusammen- hängende Bergketten auf, zum grössten Theile aber geben 507 sie sich nur durch isoliit aus der Decke , die die Jüngern Felsabhigerungeu bilden, hervorragende Herggruppeu zu er- kennen, die in diesem Falle sich stets in einer mehr oder weniger konstanten Richtung verfolgen lassen, und zwar, wie gesagt, durchschnittlich aus Ost in West. Die wichtigsten dieser Quergebirgszi'jge des Küsten- gebirgssystems sind : das Kataraktengebirge, welches Nubien von Egypten trennt, die Kette des Dschebel Schigre mit den Bergen bei Mur-hat-el Mora und die Gebirge zwischen Abu Hammed und el MucheirefF. Nur die lezten scheinen mit dem Stamme, von dem sie wahrscheinlich ausgelien, mit dem Dschebel Djaab und dem Orray Langay nämlich , und zwar auch nur zum Theile, einer und derselben Formation zu seyn , alle übrigen sind zwar ebenfalls krystallinischer Na- tur, Granite, Porphyre, Grünsteine etc., aber docii, wie ich glaube, jüngerer Entstehung und aus sehr verschiedenen Pe- rioden der Bildungsgeschichte unserer Erde, Wenn es über- haupt erlaubt ist, Vergleiche zwischen den Felsgebilden sehr entfernter Länder anzustellen, möchte ich die krystallinischen Felsgebilde des Centralrückens der Küstengebirge zum gros- sen Theile denen des Centralrückens unserer süddeutschen Alpen, die der Querzüge des Binnenlandes aber theils den krystallinischen Felsbildungeu und den ältesten geschichteten Formationen der Übergangszeit der Voralpeu zur Seite stel- len, theils müssen sie entschieden zu den jüngsten Durcli- brüchen krystallinischer GevSteine in die Perioden der Kreide und herab bis zu der Diluvialzeit versezt werden. Die wei- ten Ebenen und das niedere Gebirgsland zwischen diesen Querzügen erfüllt buchtenartig der Sandstein von Nubien. Er bildet die Masse isolirter Bergkuppen des Dschebel Otabi am Nordrande von Ost-Nubien, jenes ganz eigenthüujlich ge- stalteten Gebirgterrains \ oller einzeln stehender Kegelberge, dessen Anblick im Grundrisse lebhaft au den einer Mond- karte erinnert. Der Otabi erstreckt sich ans Ost in West, vom Küstengebirge bis zum Nilthale und von den Granit- bergen des Kataraktenzuges bis zur weiten Sandebene des Atmur Bacher bela Maa, nimmt eine grösste Breite von fast zwei Breitengraden ein und sezt am entgegengesezten Nilufer 568 nach Westen fort. Derselbe Sandstein bildet die weiten Wi'istenebeiieii, theils nackter FelS, theils von losem Sande bedeckt, er bildet das Grnndgestein der dürren Steppen und wabrscheinlicb auch zunächst das der türasebenen am !Nile und Atbara* , bedeckt daselbst durch Kulturboden von unbe- kannter Tiefe. Seine Berge sprechen sich mehr in Haufen isolirter Massen , als in Ketten von anhaltender Längenrich- tung aus. Seine g;rösstentheils nur wenig geneigten oder ganz horizontal liegenden Schichten werden, ausser von den erwähnten Querzügen des Küstengebirgssystems , von vielen ganz isolirt und ausser allem sichtbaren Zusammenhange unter sich stehenden , auch in keiner bestimmten Richtung zu verfolgenden Berggruppoi von grobkörnigem Granite mit rothem Feldspathe, ähnlich dem der Küsten von Skandina- vien, und von krystallinischen Gesteinen durchbrochen, wel- che entschieden vulkanischen Charakter an sich tragen, wie Phonolite, Basalte, Basaltporphyre, Augitgesteine etc. Sie veränderten zum Theil den Sandstein in ihrer Umgebung, er erscheint gebrannt, gefrittet, zur vollendeten glasigen Lava geschmolzen, er ist durch sie stellenweise emporgehoben und bildet unter diesen Umständen haubenartige Auflage- rungen ihrer ganz freistehenden , den Sandstein durchbre- chenden Bergmassen. Die Berge des Sandsteins, für sich, erreichen bei weitem jene Höhe nicht, die denen der vulka- nischen Felsgebilde zukommt. Die höchsten Sandsteinberge des östlichen Nubiens dürften die Meereshöhe von 1800 Paris. Fuss wohl kaum erreichen, während die höchsten Gebirge der krystallinischen Felsbildung im Küstengebirgsznge zu 8000 und im Binnenlande zu 2000 bis 3000 Paris. Fuss Mee- resböhe ansteigen, und die vulkanischen Berggruppen im westlichen Nubien , wie wir auf der Rückreise sehen wer- den , lezt erwähnten an Höhe nicht zurückstehen **. Der Sandstein von Nubien ist derselbe wie der von * Nicht so in Kordofan und Sennaar, wo, wie wir sehen werden, das mächtige Alluvium und Diluvium unmittelbar auf den krystallinischen Felsgcbilden liegt. '"' So namentlich die Kuppen des vulkanischen Centralstockcs von Nubicii, das Gekdul in der Bahluda. 509 Ober-Egypteu, den wir .am Ndidrande des Katarakteno^ebirges im zweiten Abschnitte dieses Tbeiles kennen lernten. In beiden Ländern zeigt er dieselben cliarakteristischen Eigenthi'imlicli- keiten, dnrchans qnarzige Elemente seiner Znsamniensetznng, bunte Färbung-, Einschlüsse von Eisensandstein, Feuerstein, Agat, Jaspis, Karniol und Chalzedonkonkretionen, Reste von Dikotyledonen und Monokotyledonen in kieselige Materie umgewandelt, Straten von bunten Mergeln und Thon, stel- lenweise Salz führend , von Eisensandstein und von ocke- rigem Thoneisenstein und vor Allem die gleichen Lagerungs- verhältnisse. Wie in Egypten , so liegt er auch in Nubien entweder unmittelbar auf krystallinischen Felsgebilden, oder, wie im Berberlande, auf Felsgebilden , die, meiner Ansicht nach, der ältesten Übergangszeit zuzurechnen sind. Er wird am Nordrande der Oase Selima im westlichen Nnbien und nach RüppELL * bei Sanafe , Agometen und Gantuftufe im östlichen Abessinien , wo er eine sehr bedeutende Rolle spielt , von Kalksteinen der Kreidezeit bedeckt. Diese Bedeckung von Kreidekalkstein ist jedoch, meines Wis- sens , in Nubien und in dem benachbarten Abessinien nur an den erwähnten beiden Lokalitäten bisher beobachtet worden, an den meisten Orten hingegen, wo er nicht durch Alluvialbildungen bedeckt ist, geht dieser Sandstein frei zu Tage , und nur hie und da sieht man jenen grob- körnigen, quarzigen, Quarzgeschiebe von verschiedenen Far- ben und verschiedener Grösse umschliessenden Diluvialsand- stein aufgelagert, den wir ebenfalls bereits aus der vorher- gegangenen Darstellung der geognostisclien Verhältnisse von Unter- und Ober- Egypten kennen, in welchen Län- dern er zum grossen Theile als Decke der dortigen Tertiär- bildungen auftritt. Wie in Egypten, so sind auch in Nu- bien die bunten Quarz- und Kieselgeschiebe entweder mit der Masse dieses Sandsteins gemeng-t, oder in eigenen Bän- ken, als sogenannte Schuttkonglomerate, ausgeschieden. Wir haben also in Nubien, so wie in dem südlichsten Theile Ober-Egyptens, namentlich im Bereiche des Kataraktenge- birges, zwei Sandsteine zu unterscheiden, was freilich, da sie * Reise in Abessinien II, S. 316. 370 unmittelbar anfeinander lieg^en und da auch die oberen Schich- ten des untern Sandsteins selbst häufig ein sehr grobkörniges Gefüge besitzen und verschiedenfarbige Quarzgeschiebe uin- schliessen , oft sehr schwierig ist. Die geognostlsche Stel- lung dieser beiden Sandsteine sehe ich als ganz parallel mit der an, welche jenen In Ober-Egypten zukommt, und glaube sonach, dass der untere dieser Sandsteine, der den grössten Theil von Nubien bedeckt, den ältesten Abla- gerungen der Kreidereihe, dem Grünsandsteine, Quadersandsteine, Wealderthon etc. zuzurechnen, der obere hingegen als ein altes Meeres dl 1 u vi u ra zu betrachten seyn dürfte. Der Umstand, dass ich In ganz Nu bleu In diesen beiden Sandsteinen keine fossilen thie- rischen Reste und von vegetabilischen nur die erwähnten Dy- kotyledonenstämmeund einige Monokotyledonen (Palmen) fand, macht allerdings eine ganz scharfe Bestimmung ihrer geogno- stlschen Stellung sehr schwer, und ich kann mich dabei, wie ich bereits im zweiten Abschnitte gezeigt habe, vorzüglich nur auf Analogien mit andern Ländern der Erde stützen. Als ganz er- wiesen glaube ich ansehen zu dürfen, dass der untereSand- stein von Nubien In keinem Falle jünger ist, als die Kalkablagerungen der Kreide zeit. Das Meer erfüllte einst das weite Becken von Nublen und die westlichen Querzüge des Küstengebirgssystems, die kry- stallinischen Felsgebilde, welche aus der alten Sandsteindecke bereits hervorragten, bildeten thells die Vorgebirge, zwischen denen sich die Buchten gegen das heutige Nilthal hin öffne- ten , thells Inseln , einst auf der grossen Wasserfläche zer- streut, wie heute auf den unabsehbaren Wüsten und Savan- iienebenen. Die Diluvialsandsteine Nublens entstanden aus (dem Materiale der vorhandenen altern Sandsteinformation «nd lagerten sich unmittelbar auf Ihr ab, und erst nach die- ser Zielt begann in Nublen die Hauptperiode der vulka- nischen Umstaltung, wie wir bereits im Gebirge der Ka- tarakten von Assuan sahen und wie wir nicht minder deut- lich ausgesprochen am Gekdul In der Bahinda sehen wer- den. Alles dieses dürfte wohl Jedem klar werden, der ei- nen Blick auf jenes Terrain wirft. Es sind jedoch zwei 571 andere Fragen, die sich dem Hcohacliter aiifdri'mjien und de- ren Beantwortung manche Sclnvierigkeit in sich schliesst. Warum sehen wir im Norden der Katarakten von Assuan die Kalkhildung- so vorherrschend entwickelt, warum sehen wir in Egypten die Kalke der Kreide- und Tertiärzeit in ei- ner so grossen Masse abgelagert, während wir sie im Sü- den der Katarakten, in Nubien nämlich, fast ganz vermissen und, von jiingern geschichteten Gesteinen, den unter der Kreide liegenden Sandstein als allein herrschendes Felsge- bilde treffen? Warum, zweitens, ist dieser Sandstein von Nubien, der doch entschieden seiner Entstehung nach in die Periodefallen dürfte, in der bereits organisches Leben herrschte, so ausserordentlich arm an fossilen thierischen Resten, wäh- rend die Kalke Egyptens so reich daran sind ? leztere Er- scheinung ist rein lokal und kann desshalb nur dann viel- leicht genügend erklärt werden, wenn wir einst die ganze Lokalität kennen, über die sie sich erstreckt, nämlich zu- nächst Nubien. Erstere Erscheinung hingegen scheint mir als Beweis zu dienen, dass auch in jenen Ländern wieder- holte Überfluthungen und nachträgliciie Hebungen des Ter- rains stattgefunden haben. Die Ablagerungen des Grün- sandsteins in Nubien und an den Katarakten von Assuan scheinen beim Zurückzuge der Wassermasse aus der gros- sen libyschen Bucht von Nord- Afrika bereits trocken gele- gen zu haben , als über dem nördlicher liegenden Egypten und über den Niederungen des Oasenzuges noch tiefes Meer stand und die Kalke der Kreidereihe und endlich die der Tertiärzeit, die mechanischen Sedimente jener Infusorienwelt, welche einst in jen&n Wässern lebte und zum Theile im heutigen Meere noch fortbesteht, sich erst absetzen mussten. Nach der Vollendung der Kreide- und Tertiärbildungen scheint eine zerstörende Fluth sich aus Nord und Nordwest bis über Nubien erstreckt zu haben, welche stellenweise die Ablage- rungen des altern Sandsteins von Neuem bedeckte und aus der jene Diluvien hervorgingen, deren wesentliche Bestand- theile den Charakter der Lokalität, in der sie sich bildeten, und den der altern Felsbildungen, aus deren Elementen sie entstanden , in hohem Grade an sich tragen. So sehen wir 572 in Nubieii nur quarzigen Diluviaisandstein den altern Sand- stein bedecken, so sehen wir im Gegentlieile in Egypten, und zwar je nördlicher desto ausgezeichneter, die Kalkfelsbildun- gen von einein zwar quarzigen aber nebstbei kalkhaltigen Diluvialsandsteine bedeckt, der endlich am Küstenrande in das Meeresalluvium der jetzigen Zeit, in den jüngsten san- digen Meereskalk und kalkigen Meeressandstein übergeht. Der allgemeinen tjberfluthnng dieser lezten Periode und jener, welche ihr unmittelbar folgte, gehören die vulkani- schen Lmjiestaltunoen des Terrains und wahrscheinlich in Ver- bindung mit ihnen und als weitere Folge derselben die He- bungen des Bodens au, durch die die Bergzüge von Egyp- ten, das Terrain der Katarakten und ein grosser Theil des Nilthals in Nubien und der Bahiuda ihren heutigen Ausdruck, ihre gegenwärtige Form erhielten und durch die die einzelnen Rücken und Kuppen der Kalkformationen Egyptens, beson- ders die der Kreidereihe, sich hoch über das Niveau der altern Sandsteinablagerungen in Nubien erhoben haben, über ein Terrain, dem sie, mit Ausnahme der Niederungen des Oasenzuges, von Vorne herein, seit der Periode ihrer Ent- stehung, stets fremd geblieben waren. Nachdem ich nun ein allgemeines Bild der geologischen Physiognomie des östlichen Nubiens entworfen habe, gehe ich zu dem geognostischen Detail desselben über und beginne mit dem Durchschnitte des Binnenlandes, der das Resultat meiner Reise von Assuan über Korosko, Abu Hanimed und el 31ucheireff nach Chardum ist und aus dem die Lagerungs- verhältnisse der Felsbildungen dieses Landes sich überein- stimmend mit dem früher Gesagten entnehmen lassen. Das Stromthal ist dicht oberhalb der Lisel Philä bereits ganz vo-n Granitbergen eingeschlossen und der Sandstein von Nubien * bildet nur hie und da kleine kuppenartige Auf- lagerungen auf den Spitzen und Rücken derselben. Die grös- sere» Ablagerungen des Sandsteins aber, die bei Assuan das herrschende Gestein am linken Stromufer bilden, ziehen sich von der Kuppet el Haua an in das Innere der libyschen Wüste zurück, und es ist diess daher der erste Punkt, an * Gleichbedeutend mit : „Sandstein der Katarakten". 573 dem das Granitgebirge der Katarakten anch auf dem linken Ufer an x\us(lclinnn«- gewinnt. Ungefähr eine Stunde ober- halb Philä beobachtet man am rechten Ufer eine grosse Granit- wand von vielen und mächtigen Griinsteingängen durchsezt, unter denen sich besonders die vier am siidlichsten gelege- nen durch ihre scharfe Begränzung und die Reinheit ihres Ausdruckes auszeichnen und ein sehr schönes geognostisches Bild g;eben. Sie haben eine Mächtigkeit von 5 Fuss bis zu einer Klafter und lassen sich als schwarze Bänder auf rothem Grunde vom Ufer an bis auf die Höhe der Granit- berge verfolgen, welche 200 bis 300 Fuss iiber den Strom emporragen. Zwei dieser Gänge scharren sich und der eine wird dadurch ganz regeimässig im Hangenden des Verwer- fers auf drei Klafter verworfen. Bei Ibschirr, am linken Ufer des Nils, zeigt der Granit eine mehr gneissähnliche Struktur. Diesem Dorfe gegen- über am rechten Ufer und ungefähr drei Stunden landein- wärts, folglich eine Tagreise südlich von Assuan entfernt, soll Gyps brechen, der, wenn diess wirklich der Fall ist, wahrscheinlich eine untergeordnete Lagerstätte des Sand- steins bildet, der hier die Niederungen und Thäler des Granit- Terrains ausfüllt. Bei Debu bildet der Granit der Katarakten das herr- schende Gestein am rechten Ufer des Stroms und steigt da- selbst in Bergen zu 300 bis 400 Fuss Höhe über das Niveau des Flusses an, am linken Ufer hingegen bildet er nur die Felsen unmittelbar am Strombette, erhebt sich nur zu we- nig Klafter Höhe und wird sodann vom Sandsteine bedeckt, der das Gestein der Wüste, westlich des Stromes, bildet, so weit nur das Auge reicht. Besonders schön sieht man diese Auflagerung des Sandsteins auf dem Granite in dem kleinen Steinbruche, der sich hinter dem Tempel von Debu befindet. Zu oberst liegt in einer Mächtigkeit von 1 bis 2 Klafter Sandstein von grobem Korne, mit schönen bun- ten Wüstenkieseln, sodann folgt Sandstein in zwei wesent- lich verschiedenen Abtheilnngen. Die obere, 2 bis 3 Fuss mächtig, von weisser Farbe, ist durch Saalbänder vom hangen- den und liegenden Gesteine getrennt. Die Masse dieser 574 ungefähr 1" mächtigen Saalbänder bildet ebenfalls ein feinkor- niger Sandstein, aber von intensiv pfirsiehblütiienrotlier Farl»e und mit Ausscheidungen von Eisenoxyd. Die untere Abthei- lung bildet röthlichgelber Sandstein in grosser Mächtigkeit. Die Straten dieser Sandsteine, die sämmtlich dem untern Sandsteine von Nubien anzugehören scheinen, liegen hori- zontal, und nirgends konnte ich Versteinerungen bemerken. Mit den Straten des grobkörnigen Sandsteins wechseln dünne Schichten einer eigenthümlichen, kieseligen, stark eisenhal- tigen Masse, deren Oberfläche das Ansehen einer zerfresse- nen, schlackenartigen Lava hat. Dieses sonderbare Gestein ist, da es vorwaltend aus quarziger 3Iasse besteht, sehr hart und klingt beim Zerschlagen. Ob wir es hier blos mit Schich- ten kieseliger Konkretionen zu thnn haben, oder mit Strö- men geschmolzenen Sandsteins, der sich aus Klüften ergoss und wieder von gewöhnlichem Sandsteine bedeckt wurde, wage ich nicht zu entscheiden. An der ßerührungsgränze mit dem Granite lässt übrigens der Sandstein keine erlittene Veränderung wahrnehmen. Der Granit zeigt bei Debu, ob- wohl der Glimmer bedeutend zurücktritt und stellenweise fast ganz verschwindet, ein kÖrnigschiefriges, gneissartiges Gefüge. Der Quarz desselben ist wasserhell und milchweiss, der Feldspath roth und an der Oberfläche des Gesteins häu- fig zu Kaolin verwittert. Bei Teffah und Kardass, am Ein- gange des wilden Felsenpasses von Kalabsche steigt der Granit, derselbe wie der von Assuan, wieder an beiden Ufern zu Bergen von 200 bis 300 Fuss Höhe empor, welche das Stromthal bis auf eine Breite von ungefähr 150 Klafter ver- engen. Der Fluss selbst ist voller Felsen und Granitblöcke, die grossartigste Zerstörung der Felsmassen gibt sich von allen Seiten kund, die Wände sind in den mannigfaltigsten Richtungen zerborsten, die Berge in Blöcke zerfallen und der eine Stimde lange Strompass bildet eine schauerliche Schlucht, durch die der gewaltige Nil sich seine Bahn brach. Auch hier ist der Granit wie an der Katarakte von Assuan mit jener schwarzen, pechartigglänzenden Verwitterungs- kruste wie mit einem Schmelz überzogen. Eine Stunde unterhalb Kalabsche erweitert sich das 575 Sti'dmtlial wieder, der Granit bildet nur mehr das Uferg^e- steiii und wird weiter ins Land zu jeder Seite des Flusses vom Sandsteine bedeckt. Bei Kalabscheli selbst liin«>egen verschwindet der Granit ganz und der Sandstein ist die herr- schende Felsforniation der beiderseitigen Wüsten, die den Strom umgeben. Von den Bergen hinter dem Tempel sieht man das Terrain des Sandsteins in wellenförmigen Hüoel- ziigen zu sanft ansteigenden Plateaus sich erheben, dasselbe ist auch am rechten Ufer der Fall, und nur tiefer im Innern, in Ost und Siidost der Wüste des Otabi, sahen wir einen Zug von Granitbergen, der sich aus Nordost in Südwest er- streckt und dessen schön gebaute, scharf ausgedrückte Spitzen wohl zu 600 Fuss über den Nil ansteigen dürften. Für hö- her halte ich sie nicht, obwohl sie in dem reinen, ätherischen Lichte des Südens und in Ermanglung vergleiciibarer Höhen das Ausehen sehr hoher Bergmassen haben. Es ist diess die Granitkette , welche sich von Waddi Om Hebal über Waddi Damhit bis an die Dschebels Hereisel und Heisorba erstreckt und welche wir aus Burkhardt's Durchschnitt der nubischen Wüste werden näher kennen lernen. Diese Granit- berge gehören ihrer lokalen Lage und ihrer geognostischen Beschaffenheit nach noch zu dem Kataraktengebirge an der Nordgränze Nubiens. Der untere Sandstein von Nubien ist um Kalabsche der vorwaltende. Er ist ausgezeichnet geschichtet und seine 1 bis 6 Fuss mächtigen Straten liegen horizontal. Seine ihn konstruirenden Elemente sind zwar durchaus quarziger Natur, doch enthält er viele Einschlüsse sphärischer Massen von hartem, buntem Thone und hie und da etwas Glimmer. Er ist feinkörnig, zerreiblich, von weisser und schmutzig- gelber Farbe. Südlich von Kalabsche werden die Sandsteinberge des Nilthals immer niederer, erheben sich bei Dandur kaum zu mehr als 100 Fuss über das Niveau des Flusses oder zu höchstens 500 Fuss Meereshöhe und bilden sanft ge- rundete Hügel und Hügelreihen mit langen schmalen Pla- teaus. Bei Gerf Hussein werden diese Sandsteinhügel noch 576 niederer. Sie erheben sich zu kaum mehr als 30 Fuss iiber den Strom und verlieren sich endlich ganz in der Ebene der Wüste. Der um Dakeh herum das Gestein der Wüste bildende Sandstein zeigt häutig eine dunkelrothe oder schön bunte Färbung. Am Nil fand ich daselbst Geschiebe von einem dioritischen Gesteine mit grossen Feldspathkrystallen , dessen Ursprung mir aber unbekannt blieb. Südlich von Dakeh durchzieht eine Reihe sehr interessant geformter Berge die nubische Wüste aus NW. in SO. Sie stehen unter sich getrennt und isolirt auf der weiten Wüstenebene, haben scharfe Kegelfornien , steigen zu höchstens 500 Fuss über den Fluss an und gewähren mit ihrer dunkeln , braunen Oberfläche auf dem gelbrothen Sande der Wüste einen düstern Anblick *. Die Berge und ihre Umgebung bestehen ganz aus Sandstein. Er ist horizontal geschichtet und die oberste Strate bildet auch hier jenes eisenoxydulreiche, lavaartige , harte , kieselige Gestein , dessen ich bereits früher erwähnte und worüber ich sagte, dass es schwer z»i entscheiden seyn dürfte, ob es vulkanischer Natur oder eine blosse eisenhaltige, kieselige Konkretion sey. In dem Kataraktengebirge von Assuan und am Dschebel Gekdul in der Bahiuda ist der vulkanische Charakter dieses Ge- steins und verwandter Gesteine, als Umwand lungsformen des Sandsteins, wohl nicht zu bezweifeln, und auch hier bei Dakeh , glaube ich , haben wir es offenbar mit den Resul- taten vulkanischer Erscheinungen zu thun. Dafür sprechen auf den ersten Blick jene in ihrer Richtung kon stau ten Reihen von Kegelbergen, deren bestimmte Richtung eben hier offenbar auf Spalten Wirkung hindeutet, daher sie von jenen zufälligen und zerstreut, ohne bestimmte Anordnung, vorkommenden Kegelformen der Felsen wohl zu unter- schei(ien sind , welche hie und da die Meeresbrandung schafft. Es scheint, dass hier submariniscb der Er- hebung dieser Berge Ergüsse von geschmolzene m u n d * Man sehe den DiirdiNchnitt Nro. 6 auf Tafel 3. 577 halbgesch molze 11 em Sandsfeine vorhergingen , dass sich Ströme dieser vulkanischen Materie , welche wir der Kürze wegen S a n d s t e i n 1 a v a nennen wollen , ans Spal- ten ergossen und weithin über den Sandstein ausgebreitet haben , dass die Eniporhebung jener Kegelberge in der Richtimg der Eruptionsspalten als zweite Episode jener Feuerperiode zu hetrachten ist und dass später neuerdings erfolgte Sedimente von Diluvialsandsteinen und Sand diese Spalten zum grossen Theile wieder erfüllten und bedeck- ten und uns nur die Sandsteinlava blieb, die als eine schwarz- braune, halb verglaste, klingende und äusserst schwer ver- witterbare Kruste die Oberfläche jener Kegelberge und grosse, vom Sande und Jüngern Diluvien unbedeckt gebliebene Strecken der Wüste bedeckt. Auch den früheren Reisen- den , namentlich Cailliaud und James St. John, fiel der vulkanische Charakter dieser Felsbildungen bereits auf, und lezterer vergleicht die Kegelberge bei Dakeh mit der Form des Vesuvs , welcher Behauptung ich nicht beipflichten kann, und erwähnt der so eben berührten Lavaströme des Sand- steins *. Die bisherige Anordnung der Mineraliensamm- lung der k. k. Hofkammer in Wien, in der ich meine geognostische Sammlung niedergelegt habe, verhinderte bisher den Vorstand derselben , meinen verehrten Freund, Bergrath Haidinger, diese Sandsteinlaven chemisch und mineralogisch näher zu untersuchen. In Bälde jedoch wird diess geschehen und die Resultate werden getreulich , sprechen sie nun pro oder contra meiner Ansicht, bekannt gemacht werden. Dass diese Laven des Sandsteins von Nubien sich wesentlich und chemisch sowohl als mineralogisch von den Laven anderer erloschener und noch thätiger Vulkane unter- scheiden und unterscheiden müssen , ist natürlich ; denn die innere und äussere Beschaffenheit einer Lava hängt off"en- bar von der Natur des Gesteins, durch dessen tlmschmelzung sie sich bildet , von dem Temperaturgrade , von dem Drucke der Schmelzsäule und der Dämpfe, von der chemischen Rückwirkung derselben und von so vielen andern Potenzen Jamks St. John. E^ypt and M.^hohimed- Am. Travels in the Valley of the Nile. London 1834, I. p. 401. Kus» egger. KeiNdi. II. lt.'.. I. Tbl. 37 578 ab, die, lokal verschieden, auch verachledene Produkte zur Folge haben. Die Herde der Vulkane ändern ihre Lage, ihre Ausdehnung, die Wirkung- des Feuers erstreckt sich auf verschiedene Felsbildnngen bei verschiedener Höhe des Herdes und zu verschiedenen Zeiten , wir sehen daher ganz verschiedene Laven durch ein und denselben Vul- kan in verschiedenen Zeitperioden entstehen , je nachdem die das Tiefste seines Herdes bildenden Grundgesteine, oder höher liegende Schichten solcher Felsbildungen , die bereits eine Umwandlung durch Feuer, vielleicht schon eine Schmelzung erlitten haben, also in diesem Falle bereits schon Laven sind , zum Gegenstande seiner erneuerten Thätigkeit werden. Daher sehen wir die Laven der alten, längst erloschenen Vulkane nicht mehr unter den Produkten der heutzutage noch thätigen , daher sehen wir das alte Leuzitgestein des Monte Somma nicht mehr unter den gegen- wärtigen Laven des Vesuvs, die Angitgesteine des alten Ätna nicht mehr unter seinen neuen Erzeugnissen , daher bauen so viele Vulkane auf ihren trachytischen und basalti- schen Fundamenten mit andern Materialien fort. Daher unterscheiden sich die Produkte der alten Feuerberge, deren Thätio-keit sich auf die unmittelbare ümschmelzung ihres krystallinischen oder geschichteten Grundgebirges erstreckte, so wesentlich von denen der heutigen Vulkane, die nur mit den bereits durch Feuer umgewandelten Stoifen arbeiten, daher kommt auch ohne Zweifel die so sehr interessante mineralogische Mannigfaltigkeit der alten Laven und ihrer wesentlichen ßestandtheile im Gegenhalte der Einförmigkeit der neuen Laven. Dass ein Vulkan , dessen Herd im Be- reiche von Granit und Gneiss liegt, andere Produkte liefert, als ein solcher, dessen Herd in Kalkstein oder Schiefer- bildnngen liegt und dieser andere als ein solcher, dessen Herd im Bereiche schon gebildeter Lava arbeitet , ist natur- gemäss, und daher muss auch ein vulkanischer Ausbruch in und durch Sandstein alle jene Eigenthümlichkeiten in sich schliessen , welche der Natur dieses Gesteins bei Umwand- lung desselben in sehr hoher Temperatur zustehen und die Produkte desselben können nur mit denen anderer Vulkane, 579 die sich ebenfalls im SanHsteiiie befinden nnd zwar in dem verwandten , vei«Iiolien werden. Solche Vulkane sind nn'r ausser den län«»;st erloschenen Spaltenvulkanen Nubiens keine bekannt, doch glaube ich keineswegs, dass diese Er- scheinung vereinzelt dasteht , es deuten vielmehr viele Er- fahrungen , die Reisende , namentlich im nördlichen Afrika, machten , entschieden auf ganz ähnliche Lokalverhältnisse hin. Dahin rechne ich auch die geschmolzenen Sandsteine im Kataraktengebirge von Assuan, und vielleicht sind auch dahin der Sandstein des Dschebei Aclimar bei Kairo und dessen verwandte Formen in Egypten zu zählen, wobei ich wiederholt bemerke , dass es sich hier nicht um Durchbrüche fremder vulkanischer Gesteine durch den Sandstein , sondern ausschliesslich nur um die Ergi'isse des im vulkanischen Wege geschmolzenen Sandsteins aus Spalten, die sich in derselben Formation öffneten , handelt. Die Sandsteinlava, wie wir sie in Nubien vor uns sehen, gehört den Erzeug- nissen der dortigen längst erloschenen Feuerberge, oder, besser gesagt, Fenerspalten , an, und dürfte im Bezug ihrer Entstehungsperiode den Basalten, Porphyren, Augitgesteinen etc. Nubiens , wie wir am Gekdul in der Bahiuda sehen werden, ganz nahe stehen und mit denselben in die Zeit der Ablagerungen der Kreidereihe und in die der untersten der Diluvialzeit fallen. Allem Anscheine nach traten nach solchen Aeusserungen vulkanischer Thätigkeit Pausen ein, in denen die Sandsteinbildung ruhig ihren Fortgang nahm , bis lokal ein neuer Ausbruch erfolgte, daher das Verhältniss einer scheinbaren Wechsellagerung der Sandsteinlava mit den Straten der Sandsteine beider Perioden. Nirgends zeigen sich bei diesen Spaltenergüssen Wiederholungen des Aus- bruches, sondern es scheint vielmehr, dass jederzeit mit dem einen Ausbruche lokal die Sache abgethan war , und ein neuer Ausbruch nur wieder an einer neuen Stelle er- folgte. Diese Erscheinung scheint für einen hochliegenden, aber sehr ausgedehnten vulkanischen Herd zu sprechen. Bei Offedinah sind die Sandsteinberge beider Ufer sehr nieder und ihre Rücken bilden lauter Platean's, weiter südlich bei Sialla hingegen erheben sich die Berge 37* ,580 wieder bedeutend und steigen am Unken Ufer bis zu 400 und 500 Fuss über das Niveau des Stromes an. Dicht hinter Sialla , am rechten Ufer, erhebt sich ein ungefähr 50 Fuss hoher Sandsteinrücken, wie eine Mauer, auf dem sich oberhalb eine weite Ebene ausbreitet. Daselbst sieht man den obern und untern Sandstein in horizontalen Schichten abgelagert. Ersterer spricht sich nur wenig aus, lezterer aber zeigt eine mächtige Entwicklung. Es ist reiner Quarzsandstein , buntfarbig, meist weiss und roth , fein- körnig und enthält nierenförmige Einschlüsse von hartem Thon und Thoneisenstein. Sehr charakteristisch für ihn sind die zahlreichen Einschlüsse kugeliger Konkretionen, die aus einem sehr eisenschüssigen Sandsteine von dunkelrother, branner und schwarzer Farbe bestehen und sehr fest sind. Die Gebirge stromaufwärts von Sialla gewinnen wieder sehr an Ausdruck der Form, besonders ist diess von da an am rechten Ufer der Fall , wo die Berge bis zu 600 Fuss über den Strom, also zu 1000 Fuss Meereshöhe, ansteigen und die bereits erwähnte Kegelform wieder häufig zu sehen ist. Am linken Ufer hingegen bildet der Sandstein ein lang ge- dehntes Plateau längs dem Strome. Drei Stunden unterhalb Sebu beobachtete Mr. Hogg (nach James St. John) an der mauerförmigen Erhebung des Sandsteinrückens (also am linken Ufer?) * einen aus einer Spalte hervorgedrungenen Lavastrom. Allem Anscheine nach ist diess wohl reine Sandsteinlava, doch ist mir die Lokalität selbst, deren St. John erwähnt, nicht bekannt, da ich erst ein paar Jahre nach meiner Reise dessen viel- seitig schätzbares Werk in meine Hände bekam **. * James St. John. I, 402. "'=■ Aus gleichem Grunde lernte ich auch eine andere, noch bei weitem wichtigere , Lokalität des nördlichen Nubiens nicht kennen , deren James St. John I, S. 467 erwähnt: Dem Tempel von Abusimbil (Ib- sambol) fast gegenüber Hegen am rechten Ufer des Flusses die Ruinen einer alten Feste : Kalat el Addi. Von diesem Punkte in S. sich wendend, stösst man bald auf einen ^ engl. Meile breiten Strom von Sandstein- Lava, der, an mehreren Stellen dem Boden entstiegen, theils eine mächtige Decke, theils nur eine dünne Kruste des Sandsteins bildet. Seine Masse ist glasig, hart, klingend. Dicht »n diesem Strome liegt 581 Beinahe in derselben Entferniinu nuidlicli von Sebu beobachtete ich aber im dortigen Sandsteine eine andere sehr interessante Erscheinung-. Mit den Straten des ge- wöhnlichen untern Sandsteins wechseilagern nämlich Schich- ten jenes eigenthümlichen Eisensandsteins, dessen ich schon einmal erwähnt habe. Derselbe ist quarzig, ziemlich fein- körnig, besizt ein sehr eisenschiissiges, thoniges Cement und dadurch eine rothbraune oder schwarze Farbe. Er ist fest und schwer verwitterbar, zerfällt zwar in lose Stücke bis zur Faustgrösse, löst sich aber nicht so leicht wie der gewöhnliche Sandstein zu losem Sande auf. Daher bedecken die dunkelfarbigen Trümmer dieses Sandsteins alle Kuppen und Gehänge der umliegenden Wüstenberge und geben ihnen dadurch ein Ansehen, das seltsam gegen den gelbrothen Sand der Wüste absticht. Durch die Zunahme am eisen- schüssigen Cemente und durch die Zunahme des leztern selbst an Eisengehalt wird dieser Eisensandstein zum förm- lichen Eisenerze. Wäre dieses jedoch noch so reich, so bliebe es nothwendiger Weise unbenüzt in einem Lande, das keinen Brennstoff darbietet und aus dem der Wasser- transport, der Katarakten oder Schellals wegen, solchen eine tiefe , gähnende Schlucht, die St. John ihres furchtbaren Anblickes halber ,,Waddi Dschehenna", d. i. das Hüllenthal, nannte. Diese Schlucht erstreckt sich seiner Schilderung^ nach über die ganze Ebene vom Flusse bis zu den Bergen der Wüste , sie ist 50 bis 60 Fuss tief und hat nur 8 bis 14 Fuss Breite. Am Boden des Abgrundes liegt loser Sand bis y,u einer unbekannten Tiefe. Diese Schlucht ist rein vulkanischen Ur- sprungs. Sie hat viele Seitenschluchten , wie Aeste von einem Stamme ausgehend und sie scheint hauptsächlich mit das vulkanische Materiale, die Sandsteinlava, geliefert zu haben, deren Trümmer die ganze Ebene bedecken. Am Fusse der Sandsteinberge , von denen diese Schlucht ausgeht , fand St. John einen versteinerten Stamm und nebenan im Sande eine Masse verkohlter Späne ? (a mass of carbonated chips). Niemand machte mich , als ich auf meiner Rückreise durch Nubien in Ibsambol war, auf diesen merkwürdigen Punkt aufmerksam und so über- sah ich zu meinem Leidwesen die Stelle, die bezüglich auf Vulkanismus, nach dem Gekdul in der Bahiuda vielleicht die wichtigste in ganz Nu- bien ist und die zugleich einen Beweis liefert, dass nicht alle jene Spalten im Bereiche des Sandsteins von Nubien die Sandsteinlava aus- warfen, sich auch wieder geschlossen haben. Vielleicht ist sie neuerer Entstehung. — 582 Schwierigkeiten unterworfen ist. Merkwürdig ist das Ver- häitniss des Gefüges dieses Sandsteins zu seinem Eisen- gehalte. Ist der Sandstein nämlich grobkörnig, so tritt das Cement mehr und mehr zurück und die Farbe nähert sich dem schwarzen, ist die Textur aber feinkörnig, so nimmt das Cement sogleich zu , es wächst dessen Eisengehalt und es scheidet sich in kleinen Partien reiner, ockeriger Braun- eisenstein und Thoneisenstein aus, die sehr manganhaltig zu seyn scheinen. Von Sebu bis Korosko begleiten 500 bis 000 Fuss hohe Sandsteinberge den Nil an seinen beiden Ufern , ein wüstes, wildes Gebirgsland , jedoch mit ausdrucksvollen , scharf ge- zeichneten Formen. Die höchsten Punkte dieser Strecke dürften der Sewadoräh und Singäri am rechten Ufer, dicht vor Korosko, seyn. Der Sandstein bildet auch die ganze Umgebung von Korosko an beiden Ufern des Flusses, ein Gebirgsland, dessen höchster Punkt, der Dschebel el Korosko , am rech- ten Ufer und dicht am Dorfe gleichen Namens, sich zu 580 Pariser Fuss über das Ufer, folglich zu 1030 Pariser Fuss über das Mittelmeer erhebt. Die Masse dieses Berges besteht aus Schicliten des untern Sandsteins, weiss und buntfarbig, wechselnd mit Eisensandstein und mit Straten harten, bunten Thons und weisser, grauer und bunter Mergel. Auch diese Mergel und Thone zeichnen sich stellenweise durch ihren starken Eisengehalt aus und unterhalb der hintern, höhern Spitze des Dschebel el Korosko sah ich den Sand- stein mit einem thonschieferartigen , sandigen und an Eisen- oxydhydrat sehr reichen Mergelschiefer wechsellagern, der stellenweise in förmlichen Thoneisenstein übergeht. Die Straten dieses Gebildes liegen mit denen des Sandsteins parallel, haben aber nur eine Mächtigkeit von 2 Zoll bis zu 1 Fuss. Am Fusse des Berges bilden die obersten Schichten des untern Sandsteins ein Gestein von seltener Farben- pracht. Er ist grobkörnig, von zitronengelber Farbe, mit rothen und blauen Streifen, enthält viel Glimmer und führt untergeordnete Schichten von geringer Mächtigkeit, die aus 583 «grossen Quarzköniern und öuarzgeschieben von den ver- scliieilensten Farben bestehen. Am Ausgange des grossen Waddi Olaki , welches nach Burkhardt vom Nile bis zum rothen Meere gehen soll, ein Umstand, den Ich sehr be- zweifle, wird dieser untere Sandstein von dem obern, dem der Diluvialzelt, bedeckt. Derselbe besteht aus grossen, Geschieben des schwer verwitterbaren Eisensandsteins, ver- bunden durch den compakt gewordenen Sand der Wüste, (n dem Sandsteine, der unmittelbar unter diesem Diluvium liegt, ßnden sich häufig Konkretionen des Eisensandsteins von kugeliger und elliptischer Form. Ihr innerer Raum ist mit losem , viel Eisenoxyd haltendem Sande angefüllt und die Dicke der Schale, welche diesen Kern umschliesst, be trägt von wenigen Linien bis zu mehreren Zollen. Der sogenannte Eisensandstein , für sich betrachtet, lässt in der Umgebung von Korosko höchst interessante Eigenthümlichkeiten wahrnehmen. Er ist meist feinkörnig und sein ockeriges, thoniges Cement dabei so vorwaltend, dass er stellenweise in braunen Thoneisenstein mit dichtem Gefüge übergeht. Ich beobachtete ihn vier bis fünfmal mit dem untern Sandsteine wechsellagernd und jederzeit in Straten von 1 bis höchstens 2 Fuss Mächtigkeit. Das Be- streben der Masse , sich in regelrechten Formen auszu- sprechen , lässt sich dabei nicht verkennen. Wir bemerken nämlich in diesem Eisensandsteine Konkretionsmassen von ausgezeichnet concentrisch schaliger Textur, wobei die einzelnen Ringe theils Zwischenräume unter sich wahrnehmen lassen, theils sicii so dicht aneinander schliessen , dass sie im öuerbrnche das Ansehen der Jahresringe von versteiner- ten Holzstämmen täuschend an sich tragen. Eine Verwechs- lung dieser Art ist hier um so leichter möglich , da sich in dem Eisensandsteine sowohl , als in den beiden gewöhn- lichen Sandsteinen, in dem untern wie in den obern, aber vorzüglich in ersterem , versteinerte Stämme von Dikotyle- donen und Monokotyledonen häufig finden , an denen die Holztextur und bei erstem sogar noch die Aste deutlich wahrzunehmen sind. Das Holz ist in dem gewöhnlichen Sandsteine in eine harte , kieselige , feuersteinartige Masse 584 s umgewandelt, die im Cisensandsteine einen starken Eisengeiialt zeigt und eine mehr sandige Textur hat. Die eigentlichen Konkretionen des Eisensteins haben auch meist eine kuge- lige oder elliptische Form und unterscheiden sich dadurch wesentlich von den vereteinerten Hölzern , die , wenn auch ihre Masse zum Theil ganz gleichartig mit der der Kon- kretionen ist, doch in ihrem äussern Habitus die charakte- ristische Form von Stamm- oder Aststücken fast stets au sich tragen. Zwischen den beiden Spitzen des Dschebel el Korosko sieht man solche Konkretionen des Eisensand- steins von riesenmässiger Grösse und dieses Gestein selbst lässt dort eine auffallende Eigenthümlichkeit wahrnehmen. Es ist eine grobkörnige , schwarzblaue Sandsteinmasse, die voll kleiner im Querschnitte kreisförmiger und elliptischer Räume ist, die wie Blasenräume aussehen und mit losem weissem Sande , mit Brauneisenstein oder Brauneisenocker ausgefüllt sind. In den Niederungen des Terrains zwischen der vordem und hintern Spitze des Dschebel el Korosko findet sich auch 5 und zwar unmittelbar unter dem Sande der Wüste und auf der obersten Schichte des Eisensandsteins liegend, eine Ablagerung von weichem , plastischen , buntfarbigen Thone , der , wie ich glaube , hier die oberste Strate des untern Sandsteins bildet und als eine durch die Ansamm- lung der Wässer atmosphärischer Niederschläge in diesen Niederungen herbeigeführte Umwandlung einer dem Sand- steine untergeordneten Thonschichte zu betrachten seyn dürfte. Von der hintern Spitze des Dschebel el Korosko über- sieht man die Wüste zu beiden Seiten des Stromes in einem weiten Umfange , dessen grösster Durchmesser wenigstens 15 geogr. Meilen beträgt. Das ganze Terrain ist Gebirgs- land und gehört der Formation des Sandsteins an. Die Berge sind im wahren Sinne des Wortes wie angesäet, lauter Kegelformen zu 200 bis 500 Fuss über das Strom- thal ansteigend, viele auch bedeutend niederer, alle ent- weder in eine scharfe Spitze auslaufend, oder oben abge- rundet, oder abgeplattet und ein kleines Plateau tragend. 585 Jeder dieser KejSfelberge stellt isolirt, höchstens dass sich 2 oder 3 derselben unter sich mittelst eines niedern Joches verbinden , man sieht in diesem Chaos von Bergen nicht eine einzige Kette. Tiefe Schluchten mit steilen Gehängen und Felswänden und zum Theil erfüllt mit gelbrothem Sande der Wüste, dem Spiele der Winde, trennen die vereinzel- ten ßergmassen , es ist der seltsamste Anblick eines Ge- birgslandes, den ich je genossen habe, und ein Blick auf die Karte zeigt, dass mein Vergleich des Bildes mit einer Mondkarte gewiss nicht ungeeignet ist. Wir haben auf vulkanischem Wege gestaltetes Terrain vor uns , doch dass auch die Wasser in der Formung desselben ihre Rolle spielen , beweisen die Spuren von Regenströmen und die Wasserrisse, die man häufig zw ischen diesen Bergen findet. Wenn man sich von Korosko auf dem Wege nach Abu Hammed südlich in die Wüste wendet und das Stromthal verlässt , so wandert man bis Bab el Korosko, am Nord- rande der Wüstenebene Atmur Bacher bela Maa, ununter- brochen zwischen den einzeln stehenden Sandsteinbergen, durch mannigfaltig sich wendende, grossentheils enge Wad- dis. Wenige Stunden südlich von Korosko zeigt sich der Sandstein * sehr dünne geschichtet. Die Straten haben nur eine Mächtigkeit von 1" bis 1" und liegen theils horizon- tal, theils sind sie geringe nach SO. verflächt. Mit den Sandsteinstraten wechsellagern Straten des Eisensandsteins. Die Berge werden niedrig und erheben sich kaum über 100 Fuss über die mittlere Ebene der Thäler. In der Gegend unseres ersten Nachtlagers treten diese isolirten Kegelberge weiter auseinander und zerstreuen sich in der Wüste, die mehr den Charakter einer Ebene erlangt , aber noch vor unserm zweiten Nachtlager sahen wir das Terrain sich wieder mehr schliessen. Die früher ganz vereinzelten Berge ver- einen sich zu Gruppen , es bilden sich kleine Ketten in ver- schiedenen Richtungen und zwischen ihnen Thäler, die bis * Wenn sich des Ausdriirkes „Sandstein" ohne Bezeichnung seiner Stellung als oberer oder unterer bedient ist. so ist darunter jederzeit der untere (das unterste Gebilde der Kreiderrihc) als die in dem grüssten Theilc von Nubien herrschende Felsbildung zu verstehen. 586 zu einigen Stunden Länge anhalten. Ausser einigen kleinen, halbverdorrten Mimosenbäumchen zeigte sich keine Vegeta- tion. Die Schichten des Sandsteins sind stellenweise aus- gezeichnet wellenförmig gebogen und voll von Konkretionen des Eisensandsteins. Diese Konkretionen scheinen einzelnen Straten , welche aber ihrer Natur nach sonst von den übrigen sich nicht unterscheiden , ausschliesslich anzugehören. Sie sind ihrer Form nach theils regelmässige Kugeln , theils nähern sie sich der Kugelgestalt, theils liegen sie ver- einzelt im Sandsteine , theils sind sie in grössern und klei- nern Partien zusammengewachsen und bilden traubige , nieren- förmige Massen. Ihrem Umfange nach beobachtet man sie von Bohnengrösse bis zur Grösse eines Menschenkopfes. Sie sind inwendig hohl und ihre von wenigen Linien bis über 1 Zoll dicke Schale besteht aus einem sehr harten, kieseligen , zum Theil in Brauneisenstein und Thoneisenstein übergehenden Eisensandstein , während der innere Raum entweder leer, oder mit losem, meist weissem Sande er- füllt ist. Sie liegen auf dem Boden der Wüste oft in solcher Menge zerstreut, dass es den Anschein hat, als befände man sich auf einem Schlachtfelde, wo das heftigste Kartet- schenfeuer gewüthet habe. Man kam auch bereits ernst- lich auf den Gedanken, die grösseren, ganz vollkommenen Kugelgestalten dem Vicekönig als Kanonenkugeln zu re- Jkommandiren. Bei vielen dieser Kugelkonkretionen befindet sieh an der Aussenseite und die Peripherie eines grossen Kreises bildend, eine wulstartige Erhöhung, die die Ober- fläche der Kugel in zwei Hälften theilt und die ganz der sogenannten Naht gleicht, welche man beim Gusse der Kugeln dort beobachtet, wo die beiden Hälften der Form aneinander stossen. Um der Phantasie noch mehr Spielraum zu geben , besitzen viele dieser Kugeln in Verlängerung eines Halbmessers dieses ringförmigen Wulstes auch noch einen Aufsatz, der ganz dem Theile des Gusses entspricht, der sich im Halse der Form zu bilden pflegt. Man hat es hier, wie ich glaube, mit Konkretionsformen zu thun, die als Resultat eines eigenthümlichen Krystallisationsprozesses hervorgehen , bei welchem der Beginn , oder die wirkliche 587 Vollendung von Zwillingsbildung, sonderbare, aber nur scheinbare Abvvelchnnoen von der konstanten (jrnndform, der Kugel oder dem EUipsoide, bedingt. Die Waddis zwischen den Bergen sind grossentheils mit Flugsand angefüllt, der sich zu Bergen aufhäuft. Der Sandstein ist feinkörnig, mit schöner bunter Streifung, Hauptfarben: gelb und roth. Nachdem man 21 Stunden südlich von Korosko zwischen den Sandsteinbergen des Dschebel Otabi hingezogen ist, betritt man die 16 Stunden breite Ebene des Atmur Bacher bela Maa. Die ganze Fläche ist mit Sand bedeckt und nur einzelne kleine Kegelberge \on Sandstein ragen insel- artig aus diesem Sandmeer empor. Alle diese Kegelberge der Ebene, wenigstens die, welche ich sah, gehören dem untern Sandsteine an. Die Erhebung dieser Ebene über das Niveau des Meeres dürfte ungefähr 600 Pariser Fuss betragen , folglich erreichen die höchsten Kegelberge derselben nur eine Meereshöhe von 900 Fuss, die Mehrzahl aber ist viel niederer, indem ihre Erhöhung über die Ebene kaum mehr als 50 bis 70 Fuss beträgt. Die horizontale Lage der Sandsteinschichtuug dauert fort und der kugelförmigen Konkretionen von Eisen- sandstein findet sich stellenweise eine überraschende Menge. Von Süd angesehen stellen sich die isolirten Kegelberge des Otabi als eine zusammenhängende Kette aus Ost in West dar, voll scharfer, höchst ausdrucksvoller Formen. Viele der in der Ebene zerstreuten Berge des weiss und roth gestreiften Sandsteins sind sehr reich an Höhlen, haben sehr scharfe Spitzen und lassen die abenteuerlichsten Ge- stalten wahrnehmen. Ich sah manche dieser Höhlen ganz durch den Berg durchgehen, so dass es den Anschein hat, als wäre ein solcher Berg in der Mitte mit einem Fenster versehen *. Der Sandboden des Atmur Bacher bela Maa * Hielier gehört auch der Hadjar el Tenisach, ein isolirter auf einer sehr kleinen Basis freischvvcbender grosser Fels , der seinen Namen von der Ähnlichkeit mit einem Krokodile erhielt. Da dieser Stein mir östlich meiner Route lag, so sah ich ihn , von seinem Daseyn nicht unterrichtet 5 selbst nicht, doch Herzog Paul von Württemberg zeichnete denselben auf seiner Reise nach Fassoki. 588 Ist fest und Fingsand findet sich nur in den flaelien Waddis angesammelt 5 als eine Wirkung der heftigen Wüstenstürrae. Am Si'idrande dieser Ebene , also 37 Stunden von Ko- rosko entfernt, gelaugt man, seit dem man das Gebiet der Katarakten von Assuan verlassen hat, wieder zu einer Bergkette krystallinischer Gesteine, nämlich zur Kette des Dschebel Refft mit seinen nördlichen Vorbergen bei Taläh el Goendy. Die Kette des Refft verbindet sich in Ost mit dem Dschebel Schlgre und weiterhin wahrscheinlich durch die Kette des Schigre, wie auch Burkhardt angibt, mit dem Centralrücken des Küstengebirges und mit dem Haupt- stocke desselben , dem Dschebel Olba. Gegen West ziehen sich die Berge dieser Kette, den Angaben der Araber zu Folge, bis an das Nilthal, worüber ich jedoch keine volle Gevvissheit habe. Die Bergspitzen des Dschebel Refft steigen zu 800 bis 1000 Pariser Fuss über die Ebene, folglich ungefähr zu 1400 bis 1600 Fuss über das Meer an und geben schon in weiter Ferne durch ihre herrlichen, scharf gezeichneten Formen, durch ihre schwarzen, senkrecht in Nord abfallen- den , wilden Felswände ihren Charakter kund. Die ganze Kette gehört der Porphyr- , Syenit- und Dioritbildung an, wenigstens so weit ich sie überblicken konnte, und zeigt im Einzelnen die mannigfaltigsten Abänderungen dieser Ge- steine. Der Sandstein reicht bis an den Fuss der Bergkette und bedeckt daselbst unmittelbar die krystallinischen Fels- gebilde, zeigt aber weder in seiner horizontalen Schichtenlage, noch in seiner innern Beschaffenheit die mindeste Verände- rung. Ein Beweis, dass dieser Querzug des Küstengebirgs- systems bereits bestand , als der Sandstein am Fusse desselben sich ablagerte. Der Sandstein im Norden der Porphyrkette wechselt mit gering mächtigen Straten von hartem buntem Thon und enthält sehr häufig Dikotyledonen- und Monoko- tyledonenstämme , die in eine kieselige Masse umgewandelt sind. Der gelbe Flugsand der Wüste zieht sich in den engen, schwarzen Schluchten der Berge zum Theil bis zu den höchsten Rücken hinauf, in den Thälern stehen dürre Mimosen , sonst ist alles kahler Fels. 589 Die erste Äblasfernng- krystallinischer Gesteine am Nord- rande des Dscliebel Refft bildet Feldsteinporpbyr in niederen Hiigelzügen , Feldspathteig' von rötbliehgelber, röthlicb- weisser , schwarzer nnd graner Farbe, mit Krystallen von rotbem Feldspathe. Dicht daran erheben sich Bergmassen von Diorit, Dioritporphyr und syenitartigen Porphyren, ähn- lich dem Trachyte granitoide des Beudant. In der maleri- schen Schlucht von Talüh el Goendy nehmen dielezterwähnten Porphyre vielen Quarz in ihr Gemenge auf, die Hornblende erscheint in grossen und ausgezeichneten Krystallen und es bildet sich so ein Gestein, das in gewisser Beziehung dem Trachyte amphibolique des Beudant sehr ähnlich ist *. Be- stimmt ausgesprochene Lagerungsverbältnisse konnte ich bei diesen Gesteinen unter sich nicht wahrnehmen , sie scheinen vielmehr, da sie geognostisch und oryktognostisch gegen- seitige Übergänge bilden und da sie eine in der andern auf Gängen erscheinen , ein und derselben Bildungsperiode anzugehören und contemporär zu seyn , nur pflegen jene syenitartigen Porphyre ** meist die höchsten Punkte ein- zunehmen. Die Gesteinsmassen , besonders aber die Dio- rite und Dioritporphyre, sind durchaus senkrecht und pris- matisch abgesondert. Die Absonderungsflächen haben meist die Richtung NW. — SO. und die Mächtigkeit der Äb- sonderungsmassen beträgt durchschnittlich 5 bis S Fuss. Dicht an Taläh el Goendy erheben sich die höchsten Kuppen des Dschebel Refft. Sie gehören derselben Formation an und von ihrem Fusse aus sieht man in Ost den Dschebel Derb el Fokän , das Verbindungsglied des Refft mit dem Schigre. Ein Beweis für die Fortsetzung der Porphyre andrerseits bis zum Nilthale dürfte wohl auch das Vor- kommen derselben im Nilthale selbst seyn , wie wir auf meiner Reise sehen werden. Die Gehänge der Berge des Refft sind bedeckt mit Blöcken und Gerolle , erstere sind * Voyage inineralogiquc et geologique cu Hongrie, par Beudant. Paris 1822. *"" Der wirklich (rachytischc Charakter spricht sich meines Erachtens an diesen Gesteinen nirj^ends aus. es mangeln der glasige Feldspatli und ein . wenn auch nur dein bewaflneten Auge, sichtbares Bindemitt«;!. 590 jedoch nicht von so gig^antischen Dimensionen, wie die der Granit- zuge an den Katarakten von Assuan und auch nicht mit jener schwarzen, pechglänzenden Haut überzogen. Gegen den süd- lichen Rand des Dschebel Refft, den wir, ein enges Waddi ver- folgend, querdurchschnitten, treten einige wesentliche Gesteins- veränderungen auf. Der Feldsteinporphyr nimmt sehr viel Quarz auf und besteht stellenweise nur aus einem Feldspatli- teige mit eingewachsenen Quarztafeln. Der Grünstein und der Grünsteinporphyr werden schiefrig und mit ihnen er- scheint Syenit. Das erwähnte Waddi mündet sich in eine 4 bis 5 Stun- den breite, lange Ebene, die den Dschebel Refft, wie der Atmur Bacher bela Maa an der Nordseite, so an der Süd- seite begränzt, in Beziehung der geognostischen Struktur aber von jener Ebene sehr wesentlich verschieden ist. Die Gesteine nämlich, welche diese Ebene bilden und woraus auch die kleinen, gerundeten Felshügel bestehen, die sich ganz isolirt auf ihr erheben, sind Diorit, Dioritporphyr und Syenit. An vielen Orten beobachtete ich an diesen Gestei- nen eine ausgezeichnet schief rige Textur, wodurch sie, wie geschichtet, in ganz dünne Lagen getheilt sind, die häufig nicht mehr Mächtigkeit als ^ bis 2 Zolle haben. Diese Ge- steinslagen streichen fast durchgehends aus Ost in West oder aus Nordwest in Südost und verflachen sehr steil, unter 60 bis 70 Graden, in Süd und Südwest. Da diese Gesteine dort, wo sie ganz im Frischen anstehen, jene schiefrige Tex- tur und jene scheinbare Schichtung nur höchst selten wahrneh- men lassen, so möchte ich fast glauben, dass diese Erscheinung sich nur auf den Beginn der Zersetzung der Gesteinsmasse grün- det und so zu sagen die erste Periode derselben bildet. Die konstante Richtung dieser Gesteinslagen ist wohl nur eine Folge der Ablosungsflächen der schon vorherbestandenen Absonderungsmassen, die gewissermassen als Einleitung des ganzen Aktes zu betrachten sind. Bei vorwärts schrei- tender Zersetzung wird dieser Diorit- oder Syenitschiefer ganz thonschieferartig und zerfällt endlich zu Schutt. Die Grund- masse des Diorites ist hellgrün, sehr fest und hart, theils sind Krystalle von weissem Feldspathe porphyrailig eiuge- 591 wachsen, tlieils bildet derselbe einen sichtbaren Geinengtheil der Hanptniasse. Ob dieser Feidspath , der in das Gemenge der Gesteinshanptmasse eintritt, Albit oder gemeiner Feid- spath ist, muss die weitere üntersnchung der Handstücke lehren. Der Syenit besteht ans gewöhnlichem weissen Feld- spathe mit Krystallen von lauchgrüner Hornblende. Der Diorit und der Syenit sind reich an Quarzgängen , welche stellenweise eine sehr bedeutende Mächtigkeit entwickeln. Die Niederungen der Ebene sind theils mit losem Sande, theils mit einem ganz lokalen Alluvium bedeckt, mit einem Schuttkonglomerate, zu dem die umhegenden Berge das Ma- teriale hergaben. Am südlichen Rande dieser Ebene erhebt sich eine zweite Bergkette krystallinischer Felsgebilde, die ebenfalls aus Ost in West streicht, mit dem Dschebel Refft zu dem Querzuge des Schigre gehört und also, wie jener, als ein Zweig des Küstengebirgssystems zu betrachten ist. Es ist die Kette von Mur hat el Mora, die in ihrer westlichen Erstreckung, wie der Reflft eine lange Reihe isolirter Berggruppen bil- dend , sich wahrscheinlich bis zum Nilthale erstreckt und, so weit ich dieselbe kennen lernte, aus Diorit, Syenit, Diorit- porphyr und Feldsteinporphyr besteht. So wie man die Ebene verlässt und die Berge bei Mur hat el Mora betritt, deren höchster Gipfel zu ungefähr 800 Fuss über die Ebene oder zu 1500 bis 11600 Fuss Meereshöhe ansteigen, so ver- liert sich die schiefrige Textur der Diorit- und Syenitgesteine, die wir auf der Ebene beobachteten ; wir sehen wieder den Feldsteinporphyr in ihrer Begleitung und die Gestalt der kuppeiförmigen Vorberge macht im Gegenhalte der kleinen, spitzen Kegelberge auf der Ebene einen scharfen Abschnitt. Wir betraten die Kette von Mur hat el Mora in dem Waddi Dilet el Dom , welches seine Namen von den Palmen hat, die daselbst gedeihen, die aber keineswegs Dompalmen sind, sondern sehr wahrscheinlich einer eigenen und zwar neuen x\rt angehören. Dieses Waddi verfolgend, durchschnitten wir dfis Gebirge und fanden ungefähr eine Stunde nordwestlich der Brunnen ausgezeichneten Syenit. Sein Gefüge ist kör- nig, der Feidspath weiss, die Hornblende lauchgrün. Auf der 59*2 Oberfläche ist dieses Gestein stellenweise sehr verwittert und der Feldspath in Kaolin umgewandelt, welches Verwit- terungsprodukt die Oberfläche des Thalbodens auf bedeutende Distanzen bedeckt. In der beckenförmigen Erweiterung die- ses Thals, welche sich mitten in der Bergkette befindet, liegen die Brunnen, die wir bereits im vorigen Abschnitte kennen gelernt haben. Die Berge rings um dieselben sind Diorit und Dioritporphyr, die Thalsohle selbst aber besteht aus Diluvialsandstein und Schuttland. Der Boden dieses Beckens bildet, wie aus meinem barometrischen Nivellement hervorgeht, eine nicht unbedeutende Depression in Bezug auf das umliegende Terrain, und sehr wahrscheinlich befin- det sich unter den Alluvionen und Diluvionen , die die Thal- sole bilden, der untere Sandstein mit seinen Thonstraten abgelagert. Da die Depression des Terrains das Zusitzen des Wassers der atmosphärischen Niederschläge, besonders der ephemeren Regen , befördert, die Thonstraten aber das weitere Versitzen desselben hindern, so ist es, wie ich schon auseinandergesezt habe, sehr natürlich, dass sich in jenem Thale in geringer Tiefe unter dem Sande selbst dann noch Wasser findet, wenn es sogar einige Jahre hindurch nur ganz wenig geregnet haben sollte. An ein Zusitzen der Grundwasser vom Nile aus ist hier nicht zu denken und eben- so wenig an konstante Ouellenbildung. Dass dieses Was- ser der Brunnen von Mur hat el Mora salzhaltig ist, ist wohl eine natürliche Folge der Auslaugung des Salzgehaltes tiefer liegender Thonstraten des Sandsteins , und dass das Schuttland, welches die nur 6 Fuss tiefen Brunnen umgibt, Kochsalz enthält, ist wieder eine weitere Folge des Salz- gehaltes des Wassers, welches dasselbe, so lange es ein höheres Niveau behauptet, durchdringt. Besonderes Inter- esse dürften die Ouarzgänge, welche sowohl im Diorite als im Syenite aufsetzen , in bergmännischer Beziehung haben, und bei der Ähnlichkeit dieser Felsbildungen mit denen vie- ler erzführender Distrikte in Ungarn, Mexiko und am Ural dürfte eine genaue bergmännische Untersuchung dieser Ge- birgszüge der nubischen Wüste vielleicht nicht ohne V^i- folg seyn. Eine solche Untersuchung aber müsste eben der 593 VV^üste wegen Gegenlstand einer eigenen Expedition seyn, der alle Mittel zu Gebote stünden, sich durch längere Zeit in der Wüste ohne Nachtheil erhalten zu können; denn eine Expedition, wie die unsere war, die einem bestimmten, fernen Reiseziele zueilen musste und sich bezüglich des nöthigen Trinkwassers auf den für den Tag berechneten Vorrath hingewiesen sah, kann sich einer solchen Aufgabe mit einiger Hoffnung auf Erfolg durchaus nicht unterziehen. Ich machte desswegen dem Vizeköuige die geeignetsten Anträge, doch es kam, entweder weil man die Sache nicht verstand oder nicht verstehen wollte, zu keiner Ausführung. Dass bereits in früherer Zeit dergleichen bergmännische Un- tersuchungen hier stattfanden und zwar östlich von Dilet el Dom und weiter südlich in der östlichen Fortsetzung des Abu Seacha, wo man an beiden Orten auf goldfüh- rende Lagerstätten gebaut haben soll , habe ich bereits im vorigen Abschnitte umständlich dargethan. Die Berge um Mur hat el Mora zeigen nicht jene schar- fen Formen, wie die des Dschebel Refft, sondern es sind durchaus sanft gerundete Dome, die, abgesehen von dem gänzlichen Mangel an Vegetation, sehr an die Formen vie- ler Porphyrberge in Nieder-Üngarn erinnern. Die senkrechte prismatische Absonderung der Gesteinsmassen ist ebenso herrschend, wie in der Kette des Dschebel Refft. Wenn man von den Brunnen in Mur hat el Mora sich südlich wendet und das Thal weiter verfolgt, welches die- ses Gebirge seiner ganzen Breite nach durchzieht, so be- merkt man neuerdings am südlichen Gehänge, wie am Dsche- bel Refft, dass der Feldsteinporphyr sehr viel Quarz aufnimmt und sich theils in Pyromerid umwandelt, theils durch zuneh- menden Kieselerdegehalt seiner Grundmasse in vollendeten Hornsteinporphyr übergeht. Am südlichen Rande der Berg- gruppe von Mur hat el Mora gelangt man neuerdings auf eine Wüstenebene, die sich in einer Breite von 10 bis 12 Stunden den Bergen entlang aus Ost in West erstreckt. In den ersten 2 bis 3 Stunden unscrs Rittes über diese Ebene , die mit kleinen isolirten Felshügeln wie besäet ist, sahen wir Diorit, schiefrigen Diorit und Syenit als herrschende Kus>ej;t:c r. IUm-.oii. II. liil. I. Tlil. 3Ö 594 Gesteine. Der Syenit entlmlt viele nnd selir mächtige Quarz- gänge und führt auf kleinen Klüften derben Epidot. Wei- terhin besteht das Gestein der Ebene ausschliesslich in Sye- nit von körnigem Gefüge; Feldspath weiss, Hornblende grün lind schwarz. Es tritt nicht nur sehr viel Quarz in das Geinenge dieser Felsart, sondern die dem Syenite unterge- ordneten vielen Quarzgänge erreichen auch eine wirklich ausserordentliche Mächtigkeit und bilden durch gegenseitige Vereinigung förmliche Stockwerke von Quarz, Ich unter- suchte das Schuttland in der Umgebung dieser Gangbildnngen an mehreren Punkten, war aber nicht so glücklich, auch nur eine Spur von Gold zu entdecken. Sehr häufig, und wie ich auch hier glaube, als Anfang der beginnenden Zer- setzung des Gesteins, zeigt der Syenit Absonderung in sehr dünnen Lagen, Platten, die meist eine senkrechte Stellung ha- ben. Gegen Süd wird diese Ebene neuerdings von einem mächtigen Zuge krystallinischer Felsgebilde, nämlich von der Bergkette des Abu Seacha, begränzt, die, wie die zunächst darauf folgende des Ad ran ebb, aus Ost in West streicht, in lezterer Richtung sich wahrscheinlich bis zum Nilthale er- streckt, in ersterer hingegen sich mit dem Dschebel Schigre und durch diesen mit dem Küstengebirgssysteme verbindet, folg- lich gleichfalls einen Qnerzng desselben darstellt. In West Hes- sen wir den Dschebel Mandura, ein nördliches Vorgebirge des Abu Seacha, liegen nnd in Ost sahen wir die scharfen Spitzen des Dschebel Qabkawa, der sich zu ungefähr 2000 Paris. Fuss Meereshöhe erheben dürfte und das Mittelglied zwischen dem Abu Seacha und dem Schigre bildet. Diese ganze Gebirgskette besteht aus einzelnen, sehr bedeutenden, aber unter sich doch g-anz isolirt stehenden Berggruppen , die sich in der angege- benen konstanten Richttmg aus Ost in West verfolgen lassen. Die Vorberge des Abu Seacha, der sogenannte Dsche- bel Kopp, sowohl, als die Centralberge desselben bestehen aus Diorit, Dioritporphyr und jenen syenitartigen Poiphyren, die wir bereits vom Dschebel Refft aus kennen. Die höchsten Spitzen des Abu Seacha erheben sich zu ungefähr 800 Pa- ris. Fuss über das Meer. Ihre Formen sind äusserst prall und ihre schwarzen, senkrechten Felswände geben ihnen 595 ein selir wildes Ansehen. Die Gehän£>e sind mit Gerollen von sehr grossen Blöcken bedeckt, fast wie die der Granit- beige, und das Gestein lässt allseitig den Hang zur pris- matischen Absonderung erkennen. Die Absonderungsmassen stehen senkrecht, ihre Ablosungsflächen haben die Richtung- NW. — SO. und ihre Mächtigkeit beträgt durchschnittlich (» Fuss. Zwei grosse parallele Thäler; jedes über \ Stunde breit, durchziehen die Kette aus Nord in Siid in ihrer gan- zen Breite, die ungefähr 2 bis 3 Stunden beträgt. Zwischen dem Abu Seacha und dem zunächst südlich folgenden Adrauebb dehnt sich eine 4 Stunden breite Ebene aus, deren Ende gegen Ost nicht abzusehen ist, die aber in West durch Zwischengebirge begränzt wird, welche den Abu Seacha mit dem Adrauebb verbinden. Am Nordrande dieser Ebene sieht man Porphyre und Syenit zu Tage gehen, der bei weitem grössteTheil derselben aber ist mit gelblichro- them Sande bedeckt, theils Flugsand bildend, der in alle V/addis der nahen Gebirge eindringt, theils einen festen Kiesboden dar- stellend, und ich glaube daher, dass sich hier unter dieser Sand- decke der untere Sandstein wieder befindet und die krystallini- schen Felsgebilde bedeckt. In den Porphyren und Syeniten des Nordrandes der Ebene setzen mächtige Quarzgänge auf und der Boden ist mit einer Menge Trümmer von Rosenqnarz bedeckt. Die Richtung des Adrauebb ist, Avie die der früher er- wähnten Bergketten der nubischen Wüste, aus Ost in West. Er begränzt die vorhin erwähnte Ebene an ihrer Südseite und seine Gipfel erreichen unter allen den Bergen, die ich in der nubischen Wüste sah, die grösste Höhe; denn sie steigen zu wenigstens 1000 Fuss über die Ebene, oder zu ungefähr 1900 Fuss über das Meer an. Die Formen seiner Berge tragen den Charakter verschiedener Formationen an sich und von den abenteuerlichsten, zerrissenen Kämmen der Kalk- alpen an bis zu den majestätischen Trachytdomen sieht man die mannigfaltigsten Gestalten. Wären diese Berge nicht von aller Vegetation entblösst, so würde ich sie zu den schönsten rechnen, die ich in Afrika sah. In der östlichen Fortsetzung des Adrauebb sahen wir in weiter Ferne die kühn emporragenden Zacken des Dschebel Magel, des 38* 59G Verbindungsgliedes mit dem Scliigre . der sonach sehr nahe an der BuRKHARDT'schen Reiseroute liegen muss. Die Vorberge des Adninebb am Rande der nördlichen Ebene bestehen aus Syenitporphyr, wie bei Talah el Goendy; quarzreich , mit rothem Feldspathe und schwarzer Horn- blende, und aus Feldspatligesteineii mit sehr mannigfaltigen Abänderungen. Diese Feldspathgesteine enthalten eine Menge von Gängen, deren Ausfüllungsmasse wieder Feldspath- gesteine, und zumTheil mit ganz eigenthümlicher Zusammen- setzung, bilden. So sah ich daselbst Gänge, mit einem Gemenge von krystallinischem Feldspathe mit grünem Glimmer erfüllt, welche Masse von zahllosen Kiüftchen durchzogen wird, welche Spatheisenstein und Blende führen. Die Central- felsbildung des Adrauebb besteht aus Diorit, Syenit, aus mancherlei Arten von Feldsteinporphyr und aus wirklichem Trachyt. Der Teig des leztern ist eine sehr feinkörnige, in's Dichte übergehende, dioritische, grünlichschwarze Masse , welche Krystalle und regellos geformte Trümmer von gemeinem rothen Feldspath und von glasigem Feldspath umschliesst. Das Lagerungsverhältniss dieses Trachytes zu den übrigen Felsbildungen ist mir unbekannt. Der Adrauebb wird durch ein 2 Stunden langes Thal der Quere nach durchsezt , in welchem wir, als wir dem- selben entlang ritten , die Spuren mehrerer Bergströme trafen, die sich zur Zeit starker Gewitterregen von den Bergen niederstürzen. Von Vegetation sahen wir nichts, ausser einigen halbverdorrten Mimosenbäumchen. Als wir den süd- lichen Abhang des Adrauebb erreicht haften, standen wir am Nordrande der grossen Sandebene, die sich von hier in einer Breite von 17 Stunden bis Abu Hammed am Nile ausbreitet. Einzelne Berggruppen ragen zerstreut aus der weiten Fläche wie Inseln empor, unter denen sich besonders in SO. der Dschebel Abnu Bara und in S. der Dschebel el talati Gereibaad , mit seinen drei herrlichen Kegelspitzen, bemerkbar machen. Lezteres Gebirge erhebt sich zu un- gefähr 350 bis 400 Fuss über die Ebene, oder zu 1300 Fuss über das Meer. Eigentliche Bergketten sind nirgends sicht- bar, ausser beim Rückblicke auf den Adrauebb. Lezteres 507 Gebilde nahm sieti aber auch mit seinen >vil(Ien , zerrisse- nen Formen , seinen Kuppen , Ke«elspitzen und Zacken und seinen dunkeln, senkrechten Felswänden , am Rande der unabsehbaren , gelbrothen VVüstenebene zauberhaft schön aus und gab in heller, südlicher IVlöndennacht und bei der tiefen Ruhe, die auf der weiten Sandfläche herrschte, ein ergreifendes, unvergessUches Bild. Die herrsclienden Ge- steine der Ebene sind: schiefriger Diorit, Syenit und Por- phyr, der Gereibaad hingegen, an dem wir dicht vorüber- zogen , besteht ganz aus Granit von verschiedenen Formen. Einige Abänderungen dieses Gesteins mit schönem, rothem Feldspathe und grünem Glimmer gleichen ganz den Grani- ten der Katarakten von Assuan mit grobkörnigem Gefüge, in andern ist lezteres wieder ausgezeichnet feinkörnig, der Feldspath weiss, der Glimmer schwarz, deröuarz wasserhell und in unregelmässigen Massen. Lezteres Gestein nimmt durch Dichterwerden seiner Textur und durch Aufnahme von Feld- spathkrystallen ein porphyrartiges Ansehen an, ja geht förmlich in Porphyr über , beurkundend die geognostische Verwandt- schaft dieser beiden Felsgebilde. Interessant ist am Gerei- baad die Emporhebung des Granites mitten im Porphyrterrain. Weiter in Süd passirten wir, ihn westlich zur Seite lassend, den kleinen isolir^en Dioritberg, Dschebel el Ferud, fanden die Ebene voller mächtiger öuarzgänge, die in allen Richtungen das Terrain durchziehen , und gelangten endlich zu einer Reihe vereinzelter Porphyrberge, den Dschebels Cheleilat, Hadjar em .Mukran und Burgatän , die in süd- westlicher Richtung sich bis zum Nile erstrecken und zu höchstens .300 Fuss über die Ebene, oder zu 1200 Fuss über das Meer , ansteigen. Schuttland und Sand bedecken die Ebene bei Abu Hammed am rechten Nilufer und nur einzeln hervorragende Felspartien zeigen , dass auch hier Diorit und Dioritporphyr, nebst einem rothen Feldspathgestein mit gneissartigem Ge- füge, die herrschenden Felsgebilde sind. Unzählige öuarz- stücke bedecken die weite , wüste Fläche *. * Man sehe den Durclischnitt der grossen nubischen Wüste östlich des Nils vom Bab el Koiosko bis Abu Hammed. Tafel III, Nro. 7> 598 Verfolgt man den Lauf des Nils am östlichen Ufer von Abu Hammed aufwärts, so findet man in einer Strecke von zwei Stunden ausschliesslich Diorit und Üioritporphyr als anstehendes Gestein. Beide Felsgehilde lassen plattenförmige Absonderung wahrnehmen und ihre Gesteinslagen streichen constant aus Ost in West und verflachen sich unter SO** in Süd. Ungefähr zwei Stunden südlich von Abu Hammed stösst man plötzlich auf einen an 2000 Klafter brejten Zug von Kalkstein , der eine felsige Ebene bildet und die erste Kalkfelsformation in Nubien ist, die ich von den Katarak- ten von Assuan an bis hieher in einer Strecke von mehr als 4^ Breitengraden getroff"en habe. In der Nähe des Diorites, der diesen Kalkstein unter- teuft, ist derselbe von ausgezeichnet krystallinischem Ge- füge, in giösserer Entfernung davon aber wird er dicht. Die Färbung dieses Kalksteins ist sehr mannigfaltig und meist weiss, gelb, blaulichgrau und buntgefleckt oder ge- streift. Leztere Färbung, besonders wo sie sieh in weissen, blauen, grauen und rothen Streifen ausspricht, die unter- einander wechseln, gibt dem Gesteine ein ungemein schönes Ansehen, und da dasselbe politurfähig ist, so würde es sich ganz vorzüglich als Marmor zu Monumenten etc. eignen. Der Kalkstein scheint geschichtet zu seyn, doch konnte ich hierüber in der Ebene keine zuverlässliche Beobachtungen machen. Auf diese mächtige Ablagerung von Kalkstein folgen wieder Diorit und Dioritporphyr, und sie bilden die herr- schende Felsbildüng bis Muschra Dehesch , 5 Stunden süd- lich von Abu Hammed entfernt. Der Diorit ist sehr grob- körnig und führt die grüne Hornblende mitunter in grossen Partien ausgeschieden. Zahllose Quarzgänge durchsetzen diese Felsbildung und zeichnen sich sowohl durch ihre 3Iäch- tigkeit als durch ihre constante Streichuugslinie aus. Der Kalkstein und die Dioritbildung begränzen sich gegenseitig zwar scharf, aber die Linie der Gesteinsscheidung behauptet keineswegs eine gerade Richtung, sondern man sieht vielmehr häufig den Diorit, vorgebirgsartig , weit in 59y die Kalksteiiibilduii^ sich hiiieiiierstrecken und so umgekehrt. Der Zu«» des Kalkes sowohl, als der der Dioritbildun«^ , er- streckt sich aus Mordost in Südwest. In Muschra Dehesch beobachtet man einen zweiten Zug^ von Kalkstein , ganz von derselben Beschaffenheit wie der früher erwähnte , aber nur 20" mächtig. Der Kalk ist hier ausg;ezeichnet g;eschichtet und die Lagen streiclien der Riclitung^ des ganzen Zuges parallel aus NO. in SW. , mit einem südöstlichen Verflachen. All seinem Hangenden wird dieser Kalkstein von einem 2^ mächtigen Lager eines graulichweissen , sehr wässerigen tiuarzes begleitet , w orauf wieder Diorit von der bisher be- obachteten ßescliaffenheit und in einer Breitenausdehnung * von ungefähr 4000» folgt. Der Diorit zeigt hier grosse Neigung zur schiefrigeu Textur und ist ausgezeichnet in Gesteinslagen getheilt, die sehr geringe Mächtigkeit be- sitzen, dem Zuge parallel aus NO. in SW. streichen und in SO. verflachen. Das Gestein geht stellenweise in Diorit- porphyr über und ist voll unzähliger Öuarzgänge , die sich in allen Richtungen kreuzen und deren Trümmer weite Flä- chen bedecken. Auf diesen Dioritzug folgt wieder Kalk- stein in einer Mächtigkeit von 20 bis 30^ , hierauf wieder Diorit und Dioritporphyr und endlich wieder Kalkstein , der aber in grossen Felsmassen zu Tage geht und eine Reihe kleiner Berge bildet. Der Kalk dieses Zuges ist ausge- zeichnet geschichtet und die Gesteinslagen streichen aus NO. in SW. mit einem südöstlichen Verflachen von 40*^ bis 50**. Auch dieser Kalkzug wird wieder von Diorit begränzt, der hierauf neuerdings folgende und SO^ mächtige Kalkstein aber hält bis zum Dorfe Gegyli an , wo sich endlich das Räthselhafte der geognostischen Stellung dieses beständig mit Diorit und Dioritporphyr scheinbar wechsellagernden Kalksteins aufklärt. In den Ebenen vor Gegyh sieht man diese Gesteine, da sie sich nur selten in grössern Fels- massen aussprechen , auch nur wenig zu Tage gehen , und da überdiess die Wüste ringsumher mit Sand und Wüsten- kieseln bedeckt ist, so ist es um so mehr erklärlich, dass * Scheinbare Mächtigkeit. 600 BiTRKHARDT, der ohnehin nicht Geognost war, anf seiner Route vom Schigre nach Berber, geplagt von Durst und Erschöpfung, und überdiess viel zur Nacht reisend, diese ganze Felsformation übersehen zu haben scheint *. Der Sand und die Wüstenkiesel, weiche den Boden der Wüste längs unserer Route bedecken, sind, wie ich glaube, der Rück- stand des alten Meeresdiluviums, des obern Sandsteins der Katarakten , welches einst dieses Terrain bedeckte und später im Laufe der Zeit den atmosphärischen Einflüssen unterlag und zu Sand zerfiel. Der feinere Theil desselben wandert nun mit den Winden der Wüste als Flugsand , der gröbere Theil aber , namentlich die Feuerstein -, Agat-, Karneolgeschiebe etc. behauptet noch immer , den Stürmen und weiterer Zersetzung widerstehend , seinen Platz. Südlich von Gegyh und dicht am Dorfe stösst man auf einen grossen , an zwei Stunden breiten Zug eines grob- körnigen, dem rothen Todtliegenden und manchen Arten der Grauvvacke und des old read sandstone selir ähnlichen Konglomerates , in dessen Mitte sich grobkörniger und sehr glimmerreicher Granit erhebt, der an dem isolirt in der Ebene stehenden Dschebel ßerk el Anak, welcher östlich unserer Route blieb , zu ungefähr 500 Fuss über die Ebene oder zu 1600 Fuss über das Meer ansteigt. Wenn dieses Konglomerat nicht deutliche Geschiebe von öuarz, Feld- spath , Kieselschiefer , Diorit etc. enthalten und nicht ein stellenweise klar zu erkennendes, sandigthoniges Binde- mittel führen würde, so könnte man es stellenweise eher für den durch Zersetzung umgewandelten Granit, den es umgibt, ansehen, als für ein wirklich regenerirtes Gestein. Das Vorwalten der granitischen Bestandtheile, der Quarz und Feldspathkörner , so wie der Glimmerblättchen und der seltnere Einschluss von wirklichen Geschieben, am seltensten von denen des Diorites, lassen aber immerhin mit Recht auf die ausschliessliche Abhängigkeit dieses Ge- steins von dem erwähnten Granite schliessen. Die Farbe dieses Konglomerates ist graulichroth. Für eine Emporhebung * Bhuck spricht von Marmorarten bei Aniboia. 00 1 des Granites und des damit verbundenen Konolomerates nicht nur hier, sondern in mehreren Punkten dieser Formation , sprechen die oftmaligen Änderungen im Ver- flachen der Gesteinsschichten, die diese Granit- und Konglo- meiatziige beoräuzen. So lassen alle Felsablaurerunoren nördh'ch des Dschebel Berk el Anak ein südliches, die süd- lich desselben aber liegenden ein nördliches Verflachen wahrnehmen. Der Granit, der zugleich mit den grauwacken- ähnlichen Gebilden auftritt und den wir \n Kordofan wieder treff^en werden, ist von dem des Küstenlandes in Ober-Egyp- ten und von dem der Katarakten bei Ässuan wesentlich verschieden. Er ist sehr grosskörnig, der Feldspath erscheint in grossen Partien von weisser, löthlichweisser und blaulich- weisser Farbe, der Quarz farblos und krystallinisch , der Glimmer, stellenweise sehr vorwaltend , von silberweisser und spangrüner Farbe und häufig in grossen Partien aus- geschieden, blätterige Massen von mehreren Quadratzollen Oberfläche bildend und in grossen Tafeln aus dem Ge- steine hervorragend. Dass unter den oben angegebenen Umständen die grobkörnigen , grauwackenartigen Konglome- rate Übergänge in diesen Granit selbst bilden, ist natürlich; denn sie sind, meiner Ansicht nach, aus der mechanischen Zerstörung desselben hervorgegangen , haben sich ihr Binde- mittel aus sich selbst erzeugt und sich durch dasselbe zum neuen Fels regenerirt. Wo also diese Potenzen weniger energisch sich aussprachen und in einem geringern Massstabe sich entwickelten, dort können auch Annäherungen der Umstaltungsform zur ursprünglichen Form nicht mangeln. Eine wichtige Frage, die sich bei Betrachtung dieser interessanten Felsformation, bestehend in wechsellagernden Bildungen von körnigem und dichtem Kalkstein, von Diorit und Dioritporphyr, von Granit, von grauwackenartigen Kon- glomeraten und von damit verwandten Schieferbildungen, sich uns aufdrängt, betriff"t die relative Bildungszeit der- selben , d. h. ihre geognostische Stellung und ihre lokale Ausdehnung. Da ich weder in den Kalksteinen, noch in den Schiefern, noch in den körnigen Konalomeraten irgend eine Versteinerung 002 zu finden so glücklich war und mir daher eine oanz scharfe Bestimmung- der ßildungszeit, in so lange dieser Umstand nicht gehoben ist, als unmöglich erscheint, so erlaube ich mir zur Analogie meine Zuflucht zu nehmen. Die grosse Ähnlichkeit, die sich bezüglich unserer vorliegenden For- mation darbietet, ist die mit den Kalkstein- und Grauvvacken- bildungen am Fichtelgebirge, in England, in Mexiko, in Nieder-Ungarn etc., und namentlich dort, wo dieselben mit Graniten , Syeniten , Porphyren und Trachyten zusammen- treffen. So wie für jene Felsbildungen *, allen vorhande- nen Anzeichen nach, es angenommen ist, dass sie sammt und sonders der Übergangszeit zuzurechnen sind , so glaube ich auch , insolange nicht eine schärfere Bestimmung uns eines Bessern belehrt, bei den erwähnten Felsbildungen in Dar Robatat und Dar Berber annehmen zu dürfen , dass sie ingesammt der Übergangszeit, und zwar der ältesten Grau wacke n per iode , angehören und dass wir es bei den dortigen körnigen Konglomeraten und Schiefern mit wirk- lichen Grauwackengebilden zu thun haben. Der Mangel an Versteinerungen lässt mich eine Parallelstellung mit Murchison's Cambriansystem vermutlien , jedoch diess mit Sicherheit behaupten zu können , ist die flüchtige Beobach- tung eines bloss Durchreisenden wohl nicht genügend. Die Ausdehnung dieser Ubergangsformation ist sehr beträchtlich. Ich beobachtete ihr Vorkommen aus Nord in Süd von Abu Hammed bis zu den grossen Älluvialebenen des Atbara und des Nils in der Umgebung von el Muchei- reif. In West erstreckt sich dieselbe auf das westliche Nilufer und wahrscheinlich bis zu den Porphyr- und Grün- sandsteingebilden der Bahiuda. In Ost ist ihre Ausdehnung zum Theil unbekannt, da Burkhardt auf seiner Route von Schigre nach Berber hievon keine Erwähnung macht. Da man aber ferner , nach den Angaben des berühmten Reisenden, ganz ähnliche Gebilde auf der Route von Taka nach Saua- kin trifft und dieselben das ganze Gebirge des Orray Laugay * Beudant, Voyages en Hongrie. Deutsche Bearbeitung. S. 143. MuRCHisoN, thc Siluiiansystem etc. 2 Vol. London 1839. De LA Beche, Report on tlie geology of Cornwall, Devou etc. Lond. 1839. 003 lind wahrsclielnlicli auch die nördliche Fortsefziino^ dessel- ben, den Dschebel Djaab , bilden, so hege ich die j>eg;riin- dete Vermuthnnjr ^ dass unsere Übergangso^ebilde in Dar Robatat und Berber ein Querzng des nubischen Küsten- gebirgssystems, d. i. ein westlicher Ausläufer des Orray Langay und des Dschebel Djaab sind nnd folglich lokal dieselbe Rolle spielen , die den Porphyrketten der nubischen Wüste zwischen Korosko und Abu Hamuied zukommt. Ich vennuthe weiter, dass diese Übergangsgebilde über Waddi Amur, Waddi Abu Selam, ümboia, Dschebel Ebenaat etc. nach Ost fortsetzen, und dass Burkhardt sie , wie schon erwähnt, entweder ganz einfach übersehen hat , oder dass sie dort, wo seine Route ihren Zug durchsezt, durch Sand und Diluvialsandstein bedeckt sind, was auch beiläufig aus seinem Reiseberichte hervorzugehen scheint. Ist dieses der Fall, so bekommen auch wahrscheinlich, wie wir später sehen werden , die Schiefergebirge Nord-Abessiniens eine ganz andere geognostische Stellung, als die ist, die man ihnen bisher gab, und vielleicht sind auch sie zum Theil den tiefsten Ablagerungen des silurischen Systems zuzurech- nen. Der mit den Grauwackengebilden vorkommende Diorit- nnd Dioritporphyr scheint gangartig zwischen den Straten der geschichteten Grauwackengesteine und Kalkbildungen eingeschoben zu seyn , daher also eigentlich das Verhältniss der Wechsellagerung , welches man so häufig beobachtet, nur ein scheinbares ist. Höchst wichtig wäre die Unter- suchung der besonderen Lagerstätte dieser Übergangsforma- tion bezüglich ihrer Erzführung. Doch meine hierüber dem Vizekönig gemachten Anträge blieben ohne Beachtung. Wenn man den Zug der körnigen Grauwacke bei Gegyh ungefähr 2 Stunden weit quer durchschnitten hat, so be- merkt man eine wesentliche Veränderung ihrer Natur , sie fängt nämlich an schieferig zu werden und geht endlich in Grauwackenschiefer über, der durch 4 Stunden bis zum Dorfe Abu Haschim anhält. Der Grauwackenschiefer ist von grauer und röthlich- grauer Farbe, sehr kalkhaltig, häufig sehr glimmerreich und durchgehends ausgezeichnet geschichtet. Bei Abu Diss 604 beobachtete ich das Streichen seiner Schichten aus NO. in SW. gerichtet, bei einem nordwestlichen .Verflachen von 20 — 25'*. Stellenweise bemerkt man an diesem Gesteine einen merkwürdigen Übergang. Das Bindemittel bildet nämlich eine dichte, homogene Masse, wird vorwaltend und es ent- steht ein körnigschieferiges Gestein , das wie Feldstein aus- sieht und andererseits manchen Arten dioritischer Gesteine nicht unähnlich ist. Im Liegenden der Grauwackenschiefer von Abu Haschim erscheint neuerdings eine mächtige Ablagerung von Diorit und Dioritporphyr , worauf weiter südlich, und ungefähr 1 Stunde entfernt, am Dorfe Amur eine ausgedehnte und über 1000 Klafter mächtige Entwicklung des oben erwähn- ten, grobkörnigen und glimmerreichen Granites folgt. Auch hier zeigt der Granit zahlreiche Übergänge in körnige Grau- wacke und auch hier beurkundet sich leztere als ein Gestein, das rein nur als eine Folge der örtlich stattgefundenen Zer- störung des erstem zu betrachten ist. Der Granit enthält viele und zum Theile sehr mächtige Gänge von weissem krystallinischen Quarz und ist ausgezeichnet geschichtet. Die Richtung der Schichten ist konstant aus NO. und SW. bei einem nordwestlichen Verflachen von ungefähr 35**. Allem Anscheine nach hat man es hier mit einer wirklichen Schich- tung zu thun und nicht bloss mit einer Theilung in Gesteins- lagen, als Folge der durch den Glimmer bedungenen Fels- struktur, indem lezterer vielmehr ausser allem Einflüsse auf dieses Verhältniss zu seyn scheint, und sich die Schich- tenrichtung keineswegs nach der Lage der Glimmerpartien richtet, sondern die mannigfaltigsten Abweichungen zeigt. Im Grossen betrachtet, scheint mir dieser Granit der Grau- wacke als geschichtetes Gestein weit näher zu stehen, als dem wirklichen Granite, der stets nur als ein massiges, zwar regelmässig abgesondertes, aber nie wahrhaft ge- schichtetes Gestein erscheint. Ich sehe daher auch diesen Granit in seiner geognostischen Stellung als wesentlich ver- schieden von den Graniten an , die wir bisher nördlich von Abu Hammed in Nubien beobachtet haben und so wenig ich an seinem Hervortreten durch Emporhebung zweifle , so 605 sehr bezweifle ich , dass dieses Gestein auf feuerfliissigem Wege gebildet worden sey, da auch gar keine sichtbaren Beweise zu diesem Schluss berechtigen. 3Iir erscheint er vielmehr als ein Agregat von Quarz, Feldspath und Glimmer- roassen , auf ganz mechanischem Wege erzengt , auf dem auch ohne Zweifel sich die Grauwacke bildete. Zwar lässt dieses Agregat kein Bindemittel wahrnehmen, es ist aber auch andererseits die krystallinische Bildung seiner Bestand- theile häufig nur als zufällig, nur als eine übernommene zu betrachten und keineswegs als eine wesentliche, stets zur Natur des Gesteins gehörende und in ihm selbst er- zeugte, wie es z. B. bei den Graniten der Katarakten der Fall ist, wo die schönen Feldspathkrystalle sich nur erst in der bereits gebildeten Gesteinsmasse entwickelt haben können. Der Granit bei Amur bildet einen Zug von niedern Bergen, die zu höchstens 100 Fuss über die Ebene, oder zu 1200 Fuss ungefähr über das Meer ansteigen , sich jedoch durch ihre scharfen , schroffen und zerrissenen Felskämme schon in bedeutender Entfernung bemerkbar machen. Im Liegenden dieses Granites, oder vielmehr dieser graniti- schen Grauwacke , folgt ein viermaliger Wechsel dieses Gesteins mit Diorit und Dioritporphyr , bis jenes neuerdings eine sehr bedeutende Entwicklung gewinnt und eine grosse, felsige Ebene bildet, die durch den vielen auf der Ober- fläche lose liegenden Glimmer in den Strahlen der Sonne den Anblick gewährte, als wäre sie mit Silber bestreut. Bei Tarfeyeh ist die Mächtigkeit der wechsellagernden Diorit - und Granitzüge nur ganz geringe und schwankt zwischen 30 und 50 Klafter, südlich dieses leztern Ortes aber gewinnt der Diorit an Ausdehnung und bildet das eine Stunde breite Terrain bis zum Dorfe Schireg. Bei Tarfeyeh beobachtet man den daselbst vorkommenden Diorit in regel- mässige Lagen getheilt , die aus NO. in SW. streichen und in NW. verflachen. Der Granit führt auf schmalen Gängen reinen, graulichgelben Talk. Am Dorfe Schireg erheben sich der Granit sowohl als der Diorit in kleinen, aber sehr schroffen Hügeln aus der 60C Ebene, bilden einen Schellal im Flusse, ein Geliäufe von Felsen, zwischen denen sich der vielfach zertheilte Strom durchwindet, und setzen auf seinem westlichen Ufer wei- ter fort. Die Niederungen der Ebene, welche die Felsrücken der bisher in Dar Robatat und Dar Berber beobachteten Übergangs- gebilde umgibt, sind bedeckt mit dem aus der Zerstörung des Diluvialsandsteins hervorgegangenen Sande, und nur stel- lenweise beobachtet man den Sandstein selbst, in seiner ur- sprünglichen Konsistenz zu Tage liegend. Dass dieser Sand- stein in diesem Distrikte häufig Trümmer und Geschiebe von den umliegenden Felsbildungen enthält, ist eine natürliche Folge der Lokalverhältnisse, unter denen sich dieses Dilu- vium gebildet hat. Interessanter aber ist die Salzführung desselben. Das Kochsalz findet sich unmittelbar unter der Sanddecke, oft nur in einer Tiefe von einem Fuss, und ist entweder mit Thon gemengt oder durch einen bereits von der Natur eingeleiteten Auslaug- und Krystallisationsprozess in fein krystallinischen, losen Massen ausgeschieden und mit dem Sande gemischt. Die Salzthonstraten sind vielleicht Eigenthum des Diluviums von Vorne herein und die Aus- laugung wurde lokal erst später durch die Überschwemmungen des Flusses, dort wo er der üferhöhe wegen austreten kann und durch Wasseransammlungen, in Folge starker atmosphä- rischer Niederschläge , bewirkt. Die Eingebornen sammeln theils das reine Salz, theils laugen sie den salzführenden Thon und Sand künstlich aus und stellen das Salz durch Verdunstung dieser Lauge mittelst Sonnenwärme als Han- delswaare dar*. Südöstlich von Schireg beginnt eine sehr ausgedehnte Ablagerung von Grauwackenschiefer, der end- lich weiterhin bei zunehmendem Gehalt an kohlensaurem Kalk in Kalkthonschiefer und in wirklichen Thonschiefer übergeht. Lezterer besizt eine braune und bläulichgraue Farbe, zeigt auf dem Längenbruche einen ausgezeichneten Seidenglanz und ist ganz durchfahren von contemporären * Wir werden auf die von den Eingebornen beobachtete Methode zur Darstellung' des Kochsalzes aus dem Diluvium am geeig;neten Orte wieder zurückkommen. 607 Quarzlageii. deren Trümmer die Ebenen ringsherum bedecken. Diese Schiefer sind ausgezeichnet geschichtet. Die Straten streichen aus Nordost in Si'idvvest, fallen unter ungefälir 45° in Nordwest und iiaben nur eine geringe, kaum meiir als 3 Zoll betragende Mächtigkeit. Bei el Bacher tritt wieder Diorit auf, der auch die Felsen im Flusse , den Schellal nämlich , daselbst bildet. Schöne Feldspathgesteine, von den verschiedensten Farben und mit- unter von schiefriger Textur, treten auf untergeordneten Lagerstätten in diesem Diorite auf, der siidöstlich vom Dorfe von der mächtigsten Kalkablagerung verdrängt wird , die ich in Nubien getroffen habe. Wir brauchten gerade 4 Stun- den, um diesen Kalkzug der Quere nach zu durchreiten, wor- aus sich für den unter 4.5** verflächenden Kalk eine Mäch- tigkeit von ungefähr 5000 Klafter annehmen lässt. Die Fär- bung dieses Kalkes ist vorherrschend sehr dunkel , meist braun und schwarz, seltener grünlichgrau, und am seltensten sieht man lichte, weiss und bläulich gefärbte und gestreifte Straten, die atich stets nur eine sehr geringe Mächtigkeit wahrnehmen lassen, im Liegenden dieses Kalkes sehen wir denselben durch Aufnahme von vielem Glimmer in Kalkthon- schiefer übergehen, dessen Schichten aus NO. in SW. strei- chen und in NW. fallen. Auch diese Schiefer ruhen wieder auf dichtem , dunkelfarbigem Kalkstein, der aber gegen den vorerwähnten nur eine sehr geringe Mächtigkeit zeigt und bald von der Diorit-, Dioritporphyr- und Feldsteinporphyr- bildung des Dschebels Netilt el Nuss verdrängt wird. Die Berge dieser Formation zeigen eine ausserordentlich massige Absonderung, und man glaubt der Grösse der Blöcke nach im Terrain des Kataraktengranites zu wandern, und zwar um so mehr, da diese Diorite und Porphyre auch noch eine andere Eigenthiimlichkeit mit den erwähnten Granitgebilden theilen, nämlich jenen schwarzen, pechartig glänzenden Ver- witterungsüberzug, jenen Schmelz, der die Granitblöcke der Katarakten von Assuan so wesentlich auszeichnet. An den hinterliegenden Bergen , die zu 300 Fuss über die Ebene, oder zu ungefähr 1600 Fuss Meereshöhe ansteigen, ist der Diorit in regelmässigen Gesteinslagen abgesondert. 60» Auf die Diorit- und Porphyrbildung des Dscliebel Netiit ei Nuss folgt neuerdings ein Kalksteinzug und hierauf eine sehr ausgedehnte Ablagerung von Thonschiefer, der bisTomantotul anhält, die Felsen des dortigen Schellals bildet, den gan- zen Dschebel Abu Wan am rechten Ufer coustituirt, auf das linke Ufer übersezt und dort den schönen , lang gezo- genen Dschebel Amrün formirt. Am Abu Wan streichen die Schichten dieses Thonschiefers aus N. in S. und verfla- chen in West. Ihre Richtung macht daher mit der der vor- erwähnten Felsbildungen einen Winkel von ungefähr 40**. Südlich von Tomantotul sieht man Thonschiefer und Kalk- stein mehrmals in Ablagerungen von geringer Mächtigkeit wechsellagern. Hierauf wechseln durch eine Strecke von mehr als 2 Stunden Thonschiefer und Diorit, bis ersterer endlich wieder vorherrschend wird, die Berge von Nochara am linken Ufer bildet und mit ihm bei Engrejab die Fels- bildung der grossen nubischen Wüste unter den Alluvionen des Kulturlandes und denen der nahen Wüste auf den wei- ten Ebenen, die el Mucheireff umgeben, verschwindet*. Die Ebenen des Atbara und des Nils, theils Wüste, theils bebaut, daher mit Sand oder mit Kulturboden bedeckt, gehören in der ganzen Niederung des ßerberlandes der;jüngsten Allu- vialzeit an und sind zum Theile noch fortdauernder Bildung. Nur die in dem zwei Stunden langen Schellal an der Ver- einigung des Atbara mit dem Nile zu Tage gehenden Fel- sen zeigen, dass man sich noch immer in dem Bereiche der zulezt durchwanderten Ubergangsfelsbildung befindet, indem auch hier wieder Diorit, Dioritporphyr und Feldsteinporphyr, verbunden mit Granit und körnigschiefrigem, grauwacken- ähnlichen Konglomerate auftreten und untereinander im Ver- hältnisse der Wechsellagerung zu stehen scheinen. Nördlich von dem Dorfe Aliab, am rechten Ufer des Stroms, sieht man Kalktuff anstehen. Er spielt daselbt ganz die Rolle eines Alluviums fortdauernder Bildung; denn er wechsellagert nicht nur mit dem tiefer liegenden Schuttlande, sondern sogar mit den Straten des jährlich sich absetzenden * Man sehe hierüber den Durchschnitt des Nilthals von Abu Ham- med bis el Mucheireff. Tafel III. No. 8. C09 Nilschlamms und scheint sich in Folge einer Konzentration der im Sclilamm enthaltenen Kalktheilchen fortan zu bihlen, eine Bildungsvveise , durch die einst auch der Eisensandstein und ßrauneisensteiu im Grünsandsteine Nubiens hervorge- gangen seyn mag. Aus dem Alluvialschutt und Lehm, ober- halb und unterhalb dieser jüngsten Kalkbildung , gewinnen die Eingebornen durch künstliche Auslaugung Kochsalz. Wollte man annehmen , dass dieser Salzgehalt der Alluvial- schichten des Stromes dadurch entstehe, dass derselbe in dem Gebiete des weiter südlich herrschenden Sandsteins Ab- lagerungen von Salzthon zerstöre und das geW'onnene Ma- terial hier wieder anhäufe, so stossen wir schon der Auf- lösbarkeit des salzsauren Natrons in der Wassermasse des Riesenstroms wegen auf eine Menge von Widersprüchen, und es erübrigt uns nichts als die Annahme, dass das salz- saure Natron sich fortwährend in dem Alluvium selbst er- zeugt, als Folge einer fortdauernden chemischen Thätigkeit *, einer fortdauernden Zersetzung des mit organischer Materie überhäuften Nilschlamms und der hiedurch eingeleiteten Re- produktion neuer Verbindungen. Es bilden sich unter Mit- wirkung des Wassers Salze, die anfänglich im Schlamme in dieser Form nicht enthalten waren, sie bilden sich auf eine Weise wie Raseneisensteine in nicht Eisen-führenden Alluvien , wie Kyanverbindungen an hohen Ofen, bei nicht Kyan-haltenden Erzen, Zuschlägen, Kohlen etc.; sie bilden sich nämlich aus den gegebenen Elementen und auf eine Weise, die wir noch nicht erfasst haben. Nur dessen glaube ich dürften wir fast gewiss seyn, dass wenigstens hier das salzsaure Natron auf vulkanischem Wege nicht entsteht. Weiter flussaufwärts sahen wir am linken Ufer den Dschebel Abu Geremada und die kleine Bergkette des el Egedah, die sich zu ungefähr 300 Fuss über den Strom er- hebt und wahrscheinlich weiter in West sich mit dem Ge- remada vereint. Noch weiter in Süd kommen am rechten Ufer die kleinen Ketten des Dschebel Bogross und el Mali aus der Wüste und erstrecken sich in der RichttmgNO. — SW. bis an den Strom, ebenfalls eine Höhe von ungefähr 300 * Band I, S. 253 ff. RusHcgger, Reisen. II. Bd. I. ThI. 39 610 Fuss über die üferebene erreichend. Das Auge entdeckt l.an2;g;ezogene Plateaus, runde und sanfte ßero;formen , und viele isolirte Regelberge , kurz raan sieht die Gestalten des Sandsteins von Nubien * wieder, der hier neuerdings be- ginnt, indem er die weite Bucht zwischen den Gebirgszügen krystallinischer Felsgebilde der nubischen Wüste, des west- lichen Hochlandes von Abessinien, des Hochlandes im Süden von Sennaar und des von Kordofan erfüllt. Die Straten des Sandsteins liegen wieder horizontal, sind häufig senkrecht zerklüftet und abgesondert und die Gehänge seiner Berge sind wieder bedeckt mit den wohlbekannten Konkretionen. Bei Assur und Bedjeranie am rechten Ufer bilden Kalk- tuff und Alluviallehm (Flnssschlamm) abwechselnd das üfer- land. Ungefähr eine Meile weit im Innern erstreckt sich eine ungefähr zu 400 Fuss über die Ebene, oder zu 1700 Fuss über das Meer sich erhebende Bergkette ans Nord in Süd. Es ist der Abu-gun-an, an dessen Fuss die Trümmer der Nekropolis der alten Hauptstadt von Meroe liegen. Diese ganze Bergkette, die sich südwärts mit den Bergen bei Naga am Dschebel Ardän verbindet und sich weiterhin in den Ebenen der Wüste verliert , besteht aus dem untern Sandsteine von Nubien , dessen Konkretionen von Eisen- sandstein und Brauneisenstein die Ebene zwischen dem Strome und der genannten Bergkette bedecken. Der Sandstein des Abu-gun-an ist von gelber und rother Farbe, sehr häufig auch bunt gefärbt und roth, gelb und weiss gestreift. Er ist sehr glimmerreich, zeigt, zu Tage gehend, wenig Zusammenhang, in grösserer Tiefe aber, wie man in den nahen Steinbrüchen beobachtet, hinlängliche Festig- keit, um In jenem Klima als Baustein angewandt, Jahr- hunderten zu trotzen. Die Sti-aten des Sandsteins liegen durchaus horizontal und wechsellagern mit Schichten eines plastischen, gelb und roth gefärbten Thons, so wie mit Schichten von Eisensandstein und Brauneisenstein. Ver- steinerungen sah ich keine. Unterhalb der nördlichsten Py- ramide von Assur beobachtet man folgendes Lagerungsver- hältniss : zu ober^ liegt Eisensandstein in einer Mächtigkeit '•"' Parallel dem Grünsandstein. 611 von 2 Fuss , dann folgt -J Fuss mächtig; ein ganz eigenthüm- liches Gestein, das ich in diesem Sandsteine sonst nirgends beobachtet habe. Es ist ein Gemenge von kohlensani-ein Kalk, von Thon und Eisenoxydhydrat, das durch Zunahme von Eisengehalt einerseits einem schaligen Brauneisensteine g^leicht, andererseits die lagenweise Struktur des Travertino und ähnlicher öuellenbildungen zeigt, mit denen es über- haupt viele Ähnlichkeit wahrnehmen lässt. Mich erinnert dieses Vorkommen lebhaft an die , vorwaltend aus kohlen- saurem Kalk und Eisenoxyd bestehenden , Absätze der Ther- men von Lipsö auf der Insel Euböa, welche nicht nur die Ebene der Küste bedecken, sondern auch kleine Berge bilden , wie ich im vierten Bande dieses Werkes näher er- örtern werde. Meiner Ansicht nach hat man es auch hier mit solchen Thermenabsätzen , mit sogenanntem Quellen- sinter zu thun , eine Bildung , herbeigeführt durch Thermen, welche zwischen dem Eisensandstein und dem darunter liegen- den Sandsteine mit seinen Thonen sich einst ergossen haben und nun längst versiegt sind. Vielleicht verdanken auch selbst mehrere Arten unseres Eisensandsteins derselben Ur- sache ihre Entstehung. Unter dieser Thermenbildung liegt in der Mächtigkeit einer Klafter ein hochroth gefärbter, plastischer Thon , der auf dem gewöhnlichen Sandsteine ruht. Nachfolgender Durchschnitt dient zur Versinnlichung dieses Lagerungsverhältnisses : a. Eisensandstein, b. Thermenbildung, c. Rofher plastischer Thon. d. iSandstein. Bezeichnend für den Sandstein , der die Hauptmasse 39* 612 dieser Berge bildet, sind auch hier, wie in der nubisclien Wüste, nördlich der Porphyrzüge, die zahllosen Konkre- tionen von Eisensandstein nnd Brauneisenstein, die theils als Straten von geringer Mächtigkeit den Sandstein durch- ziehen, theils als unförmliche Knollen, nierenfönnige Massen Vnd ausgezeichnete Sphäroide in seiner Masse zerstreut sind. Am westlichen Abhänge des Hügels, worauf die Hauptgruppe der Pyramiden steht, und zwar am Fusse desselben , beobachtet man zugleich mit dem Eisensandstein neuerdings die vorhin erwähnte Thermenbildung. Sie besteht auch hier aus einem Gemenge von Eisenoxydhydrat, Thon und kohlensaurem Kalke, eine Masse von schaliger Struktur und die sonderbarsten Formen bildend, die jedoch sammt und sonders nur als Theile ein und derselben Schicht zu betrach- ten sind. Man sieht Nieren- und Trauben-förmige Gewächse, Massen von blasigen Schalen und sphäroidischen Körpern in mancherlei Gruppen, dentritischen Foimen, kurz lauter Gestalten, die mich in meiner Meinung nur bestärken können. Auch im Schuttlande bei ßedjerauie wird auf Salz ge- graben und dasselbe durch künstliche Auslaugung des Nil- Alluviums dargestellt. Südlich von Assur fliesst der Strom durch eine weite Ebene , die in der ganzen Umgebung von Schendy und Me- tämmä Schuttland, wechselnd mit KalktufF und Aluvial- Sandstein, sehr grosse Geschiebe krystalünischer Felsgebilde enthaltend , zur Grundlage hat und wenigstens in der Nähe des Stroms von kulturfähigem Boden bedeckt wird, Woadd Naga gegenüber tritt am rechten Ufer des Flusses aus der Bahiuda eine Masse von Bergen bis an den Strom vor, bildet ein Vorgebirge der Wüste und nöthi- get jenen dadurch zu einer sehr bedeutenden Wendung seines Laufes. Der nördlichere und bedeutendere Theil dieser Berggruppe führt den Namen: Dschebel Gos el Basabir, der südliche , bei weitem kleinere hingegen , ist der Dschebel Warnaga. Die ganze Masse gehört dem Sandsteine von Nubien an , und erbebt sich im Ganzen nur zu höchstens 100 Fnss über die Ufcrehene, oder zu ungefähr 1450 Fuss über das Meer. Der Gos el Basabir besteht aus drei unter 613 sich parallel streichenden Hügelzügen, die zusammen eine Breite von ungefähr 2 Stunden einnehmen. Die Schichten des Sandsteins liegen grösstentheils horizontal, höchstens eine nur ganz geringe Neigung nach Nordwest zeigend. Am südlichen Gehänge des Basahir sieht man den Sand- stein unmittelbar auf Granit aufgelagert, der weiter südlich als herrschende Felsbildung auftritt, gegen Nord aber, wie wir bereits gesehen haben , von den Jüngern Ablagerungen eine lange Strecke hindurch bedeckt wird. Dort, wo beide Gesteine aneinander gränzen , zeigt der Sandstein alle die merkwürdigen und auf vulkanischen Einfluss hindeutenden Umstaltungen , die wir an ihm im gleichen Falle in dem Gebirge der Katarakten von Assuan wahrgenommen. Der zu unterst und unmittelbar auf den krystallinischen Felsgebilden liegende Sandstein hat eine gelblichrothe Farbe, besizt sehr wenig Glimmer, ist grobkörnig und hat ein thoniges Bindemittel. Er wechsellagert mit Schichten von Thon und Eisensandstein. Nach oben wird der Sandstein immer grobkörniger bis er endlich jene Art desselben bildet, die voll von öuarzrollstücken von weisser , gelber und rother Farbe ist, welche auf bedeutende Strecken als VVüstenkiesel die Oberfläche der Wüste bedecken und zum Theil in eige- nen Bänken als Schuttkonglomerate die Hauptgesteinsmasse durchziehen. Meiner Ansicht nach ist dieser Sandstein von dem tieferliegenden wohl zu trennen und ich möchte ihn eher für eine alte Diluvialbildung halten , wozu der untere Sandstein das Material hergab. Die oberste Schichte dieser Sandsteinablagerung bildet ein eigenthümliches Gestein , das allem Ansehen nach ein in vulkanischem Wege geschmolzener Eisensandstein zu seyn scheint. Dasselbe hat sich über den Sandstein hin ergossen, denselben an der Berührungsfläche gebrannt, und ihm das Ansehen gegeben , als wäre er längere Zeit hindurch einer sehr hohen Temperatur ansgesezt ge- wesen. Die Wüstenkiesel, welche zur Zeit der Bildung dieses Gesteins schon lose herumgelegen zu haben scheinen, wurden von demselben umhüllt und eingeschlossen, Avodurch sich eine Art von Trümmergestein bildete, das wir in der Nähe der Porphyrberge des Gekdul neuerdings und in viel 614 grösserer Ausdehnung treffen werden. Die eigentlich dem Ansehen nach geschmolzene Masse des Eisensandsteins ist von sehr geringer Mächtigkeit und bildet nur eine höchstens 1 Zoll dicke Lage , die einem streng flüssigen Glasflusse nicht unähnlich sieht, an ihrer untern Fläche sich mit dem rothgebrannten Sandsteine fest verband und in grossen Massen zertrümmert zu Tage liegt. Dieses Gestein ist seiner Natur nach offenbar der früher erwähnten, sogenannten Sand- steinlava von Sebu und Abusimbil gleich zu stellen, ob wir es aber auch hier mit einer nachweisbaren Ergiessung aus vulkanischen Spalten zu thun haben , kann ich nicht ent- scheiden , halte es jedoch für wahrscheinlich. Der Eisen- sandstein des Basabir scheidet sein eisenschüssiges Bindemittel häufig als vollendeten Brauneisenstein aus, welcher theils kleine Straten bildet, theils in nierenförmigen Massen sich in dem Gesteine vertheilt befindet. Von dem Rücken des Warnaga aus sahen wir östlich des Nils und mehrere Meilen weit im Lande eine schöne, scharf ausgedrückte Bergkette, die aus NO. in SW. sich erstreckt und fast den ganzen östlichen Horizont einnimmt. Es sind die Sandsteinberge von Messaurat und Naga, die sich nördlich an die Bergkette des Abu-gun-an , südlich an die Granit- und Porphyrberge des Gärry anzuschliessen scheinen und deren höchste Gipfel zu 700 bis 800 Fuss über die Ebene, oder zu ungefähr 2200 Fuss über das Meer, ansteigen mögen. Vom Dschebel Warnaga südwärts sieht man im Strome stellenweise Granit und Gneiss zu Tage gehen und isolirte Felsmassen bilden. Ohne Zweifel liegt bereits hier das Alluvium der Ebenen an beiden Ufern unmittelbar auf den krystallinischen Felsgebilden , wenigstens konnte ich keine Ablagerungen des Sandsteins mehr bemerken. An dem Dorfe Gereschaab am linken Ufer, dem Dorfe Habesch am rechten Ufer gegenüber, beginnt der 8 Stunden lange Akaba Schellal , der die südliche Gränze von Nubien gegen Sennaar formirt und sich fast bis zu dem Dschebel Gärry erstreckt. Der Strom wird nun voller Felsen, die sämmtlich der Granit und Gneis8!)ildung angehören. Der Granit ist grobkörnig, 615 arm an Glimmer, mit rotliem Feldspath und wasserhellem öuarze. Der Gneiss ist nur bezüglich seiner Textur von dem Granite verschieden, enthält aber ausserdem edle Gra- naten in grosser Menge und zum Theile von bedeutender Grösse. Uebrigens befinden sich beide Gesteine in einem hohen Grade von Auflösung. Wo die Felsen mit dem Wasser in Berührung stehen, hängen sich die Flussaustern in grosser Menge an, und da diess sonderbarer Weise nur in einer gewissen Höhe geschieht, ungefähr 5 bis 6 Fuss unter dem höchsten Wasserstande, so bilden die an den Felsen kleben- den Austernschalen sozusagen eine gerade , auf grosse Ent- fernuno-en zu verfolgende Linie in einem bestimmten Niveau, und man glaubt von weitem eine Austernbank mitten im Granite zu sehen. — Nachdem man den Akaba Schellal 4 Stunden weit auf- wärts verfolgt hat, gelangt man mitten im Granit- und Gneiss- terrain zu einem Porphyrzug, der am linken Ufer den kleinen Dschebel Isereg bildet, ein höchstens 200 Fuss hoher Rücken, welcher sich U Stunden lang aus NW. in SO. erstreckt. Das Gestein des Isereg ist ganz derselbe Porphyr, wie der des Gärry , den wir bald kennen lernen werden , nur ist er an ersterm Orte in einem weit aufgelösteren Zustande und die Bero^e der kleinen Kette erscheinen dort nur als ein grosser Haufe von Trümmern. Südlich vom Isereg treten wieder Granit und Gneiss als die herrschende Felsbildung des Akaba Schellals auf. In der Nähe des Porphyrs am Isereg, und zwar nord- seits wie südseits desselben, beobachtet man den Granit, sehr häufig von Diorit- und Porphyrgängen durchsezt , eine Erscheinung, die meine am Gärry gewonnene Ansicht, dass der Porphyr den Granit und Gneiss gangartig durchbrochen habe, nur zu bestätigen scheint. Am südlichen Ende des Akaba Schellal erhebt sich die Bergkette des Dschebel Gärry, durch welche hindurch sich der^Nil seinen Weg gebahnt hat. Der Gärry bildet eine 3 bis 4 Stunden breite Kette , die an ihrem westlichen Ende von dem, den Krümmungen des Flusses nach gemessen 6 Stunden langen, Strompasse durchschnitten wird. Die 616 Richtung dieser Bergkette erstreckt sich aus NW. in SO. Sie verliert sich am linken Ufer des Stroms gegen West in den dortigen weiten Ebenen, gegen Ost hingegen, am rechten Uferlande des Nils, scheint sie sich mit den Sandsteinbero-en bei Naga , am Dschebel Ardan, zu verbinden. Seine grösste Höhe erreicht der Gärry an seinem nordöstlichen Ende, wo er als Vorgebirge in die nordseits liegende Ebene vor- springt und zu ungefähr 600 Fuss und darüber, oder zu nahe 2000 Fuss Meereshöhe, ansteigt. Die durchschnittliche Er- hebung des Gärry dürfte an 1700 Fuss Meereshöhe be- tragen. Am Nordrande des Gärry beobachtet man den Granit und Gneiss des Akaba Schellal als tiefste Ablage- rung, welche die Felsen im Flusse bildet und an mehreren Punkten des Strompasses unter dem Porphyr zu Tage seht. Wie man aus den grossen Ebenen von Schendy durch das majestätische Felsenthor am Nordrande der Gärrykette in den schönen Strompass eintritt, sieht man zuerst den Granit und Gneiss von einem Porphyrtrümmergestein überlagert, das sich durch seine grossen Porphyrgeschiebe auszeichnet. Unmittelbar darauf folgt der Porphyr in mancherlei Ab- änderungen, der die Hauptmasse der ganzen Bergkette bildet und sich vorwaltend als Feldsteinporphyr mit chokolade- braunem Feldspathteig und Krystallen von weissem Feld- spath und Avasserhellem Quarze, in grosser Menge beige- mengt, ausspricht. Das Gestein ist hochfest und hart, theils zeigt es die gigantischen, massigen Absonderungen des Granites, theils eine höchst regelmässige prismatische Absonderung. Die Prismen stehen fast durchgehends senk- recht, nur an zwei Punkten des linken Ufers im Strompasse sah ich liegende Säulen, die einen schönen Anblick ge- währen. Die Berge des Porphyrs, meist hohe Kuppeln und lange Rücken darstellend, sind durch tiefe Schluchten von einander getrennt und gewinnen dadurch einen auffallenden Charakter des Alleinstehens. Die Gehänge der Porphyr- berge sind mit Schutt und Trümmern bedeckt. Wirklich scharfe Bergformen sieht man am Gärry wenige, und wo sie auftreten, sind sie eine Folge der erwähnten prismati- schen Absonderung. 617 Am südlichen Rande des Giüry erscheint neuerdings Granit nnd Gneiss als herrschende Formation , und zwar nicht blos die Felsen im Flusse bildend , sondern in Bergen bis zu einer Meereshöhe von ungefähr 2000 Fuss ansteigend. Die höchste Kuppe des südlichen Granitrandes bildet der eine Insel im Strome darstellende Dschebel er Kojän oder Dschebel el Dschesirah. Er ^vird an zwei Seiten von Por- phyr begränzt und an diesen beiden Gesteinsscheidungen ge- lang es dem mächtigen Strome, in die Porphyrkette einzu- brechen. Der schöne Dschebel er Rojän bildet zugleich das südwestliche Ende der Gärrykette , die ich als einen gang- artigen Durchbruch des Porphyrs durch den Granit betrachte. Dicht am südlichen Rande dieser granitischen Vorberge des Porphyrzuges beginnt im Flusse ein neuer Schellal, der sogenannte Gärry Schellal. Seine im Strome zerstreute» Felsmassen bestehen durchgehens aus Granit und Gneiss. Hat man diesen lezterwähnten Schellal durch 2 Stunden aufwärts verfolgt, so gelangt man in ein Terrain, Avelches für den Geognosten von höchstem Interesse ist, nämlich in die Umgebung des Dschebel em Melechat, der am rechten Ufer und ungefähr 1 Stunde vom Strome entfernt, sich ganz isolirt aus der Ebene erhebt. Die Höhe dieser schönen, kegelförmigen Kuppe dürfte ungefähr 1900 Fuss über das 3Ieer betragen. Granit und Gneiss bilden hier nicht nur die Felsen des ausgedehnten Gärry Schellals, sondern gehen auch an mehreren Punkten der Ebene, die den Melechat umgibt, zu Tage. Zum grössten Theile jedoch ist dieses Grundgebirge bedeckt von Alluvialschlamm und Sand, der seinem Ansehen nach durch die Zerstörung jenes grobkörni- gen Diluvialsandsteins entstanden zu seyn scheint, den wir bereits an mehreren Punkten als die oberste Lage der grossen nubischen Sandsteinformation bezeichneten , und dessen cha- rakteristisches Kennzeichen jene Schuttbänke von Wüsten- kieseln, jene gelben, rothen und weissen öuarzgeschiebe bilden, die auch hier in Menge umherliegen. Wo dieser Sand mit Nilschlamm wechsellagert, führt das Alluvium Kochsalz, und zwar in solcher Menge und fein durch die ganze Masse zertheilt, dass die Eingeboinen mit G18 grossem Vortheile dasselbe zur Salzerzeugung benützen. Sie laugen zu diesem Zwecke den gegrabenen Schutt in kleinen mit Lehm ausgestauchten Bassins aus , conzentriren die Lauge in thönernen Gefässen und lassen dann das salz- saure Natron herauskrystallisiren. Das auf diese Art er- haltene Kochsalz ist unrein und stark mit kohlensaurem Natron und andern Salzen gemengt *. Der Dschebel em Melechat besteht zu ^ seiner absoluten Höhe , oder beiläufig 400 Fuss von der Ebene an gerechnet, aus Granit und Gneiss, dieselbe Felsbildung, die wir am Dschebel er Rojän und an mehreren Punkte» der Ebene beobachten und die am Melechat ganz isolirt aus dem Schuttlande emporragt. Das lezte Fünftel der ganzen Berg- hohe, die Kuppe des Melechat also, bildet eine hauben- förmige Auflagerung von Sandstein , die an der Südseite, wo ich den Berg erstieg, an 100 Fuss senkrechte Höhe hat, an der West- und Nordwestseite desselben aber sich weiter hinab zieht und daselbst eine senkrechte Höhe von wenig- stens 300 Fuss einbringt , wodurch diese Haube eine schiefe Lagerung bildet, deren Neigungsrichtung mit der derSand- steinstraten im südlichen Nubien überhaupt übereinstimmt. Der Sandstein , welcher die Haube des Melechat bildet, gehört den grobkörnigen, obern Straten der nubischen Sandsteinformation an. In der innern Beschaffenheit dieser Sandsteinmasse ist eine totale Veränderung vor sich ge- gangen. Die Körner sind stark zusammengebacken , wie gefrittet, die Masse hat stellenweise das Ansehen eines un- vollkommenen , weissen und buntgefärbten Glasflusses, ganz so wie die Sandsteine am Dschebel Achmar bei Kairo. Man kann von der dem Sandsteine ursprünglich zukommenden Textur an bis zur Glasfluss-ähnlichen Masse alle Übergänge nachweisen und findet alle möglichen Zwischenglieder. An mehreren Punkten dieses scheinbar halb und ganz geschmolze- nen Sandsteins sieht man die diesem Sandsteine zukommenden * Von der arabischen Benennung des Salzes : ,,Melch , Melach, Melech" kommt auch der Name : Dschebel el oder em Melechat, der Berg, wo Salz vorkommt. 619 Nester von Brauneisenstein theils in ihrer ursprünglichen ßeschaifenheit inne liegen , theils hat das Eisenoxytl eine dunkel gelbrothe Farbe und durchaus ockerige Konsistenz, ja hie und da scheinen diese Eisenerzparzellen selbst ge- schmolzen und mit der Gesteinsmasse in Eins verflossen. Man findet in diesem Sandsteine viele Geschiebe von Kiesel- schiefer, von dunkelschwarzer Farbe , und Quarzmcissen von glasartigem Obsidian-ähnlichen Ansehen. Der Granit und Gneiss, welche den Fuss , die Haupt- masse des Melechat, bilden, sind theils grobkörnig und führen rothen Feldspath, theils sind sie feinkörnig, mit schwarzem Glimmer und sehr quarzreich. Beide Textnrverschiedenheiten bilden unter sich zahlreiche Übergänge. Der Granit sowohl als der Gneiss, zwei meiner Ansicht nach hier ganz con- temporäre Bildungen, sind durch unzählige Quarz- und Feldspathgänge durchsezt , die meist aus NO. in SW. streichen und sehr steil verflachen. Die Masse des Sandsteins ist in allen Richtungen zertrümmert, seine ursprüngliche Schichten- stellung ist theilweise überworfen und bildet jezt sonder- bare, bizarre Felspartien von malerischer Schönheit, doch lässt sich im Ganzen, bei genauer Beschauung, wahrnehmen, dass die ursprüngliche Richtung der Sandsteinstraten eine norduordöstliche, mit einem Verflachen von ungefähr 15<* in WWN. gewesen seyn mochte. Mit dieser Erscheinung stimmt das grössere Herabsinken des Sandsteins von der Kuppe an der West- und Nordwestseite des Berges ganz iiberein , so wie sie auch der Richtung der Gesteinslagen desGneisses und Granites entspricht, wie wir dieselbe an den Felsen im Schellal, zwischen dem Melechat und er Rojän, beobachten. Das Streichen dieser Gesteinslagen ist nämlich daselbst ebenfalls in NNO. gerichtet, so wie das Verflachen in WWN. unter 45 bis 50^ Neigung. An der Nordwest- seite des Melechat, und zwar in dem Sandsteine, der die Kuppe bildet, befinden sich, ungefähr 40 Fuss unter der höchsten Spitze, mehrere Höhlen dicht nebeneinander. Sie haben sämmtlich die Gestalt cyliudrischer Röhren von I bis 5 Fuss Durchmesser , erstrecken sich aus N. in S. und steigen in leztcrer Richtung an. Eine deiselben geht durch 620 die glänze Kuppe hindurch, so dass man von beiden Seiten Tageslicht sieht. Dass man es hier mit einer Emporhebung des Sand- steins mittelst des Granites und mit einer Umstaltung des , erstem im Wege höherer Temperatur zu thun hat, glaube ich nicht bezweifeln zu können, und der Melechat bildet, den Gekdul und die Vorberge des Sinai ausgenommen , eines der schlagendsten Beispiele dieser Art, die mir auf meinen ausserenropäischen Reisen vorgekommen sind. Die Erhebung des Melechat scheint, der Natur des mit emporgehobe- nen Sandsteins zu Folge, erst in der Diluvialzeit vor-' gefallen zu seyn. Vom Gipfel des Melechat * sahen wir die Ebene in Ost ganz besäet mit kleinen, spitzen und isolirten Kegelbergen, die theils in der Verlängerung der Gärrykette, theils in der des Rojän liegen, und daher entweder dem Porphyre, oder dem Granite angehören mögen, weiterhin sich aber wahrscheinlich mit den Sandsteinbergen südlich von Naga verbinden. Der Gärry Schellal erstreckt sich im Ganzen an vier Stunden vom Südrande des Gärry weiter nach Süd und in dieser ganzen Richtung bilden Granit und Gneiss die aus- schliessliche Felsformation im Strombette. Das rechte Ufer- land ist eine weite Ebene, bedeckt durch Kulturboden und durch den Sand der Wüste, am linken Ufer hingegen spricht sich die Formation unseres Sandsteins von Nubien wieder klar aus. Schon eine Stunde südlich vom Melechat trifft man am linken Ufer den kleinen Dschebel el Kemaad. Derselbe besteht aus dem Sandsteine von Nubien. In den untern, feinkörnigem Scliichten fand Pruckner versteinerte und in eine kieselige Masse umgewandelte Dikotyledonenstämme, so wie Schichten des bekannten Eisensandsteins. Die obern, grobkörnigen Schichten erscheinen wie gefrittet. Die Ebene um den Kemaad bilden die Alluvionen des Flusses, durch kleine Sandsteinhügel unterbrochen. *■' Ich bestieg diesen Berg auf meiner Rückreise von Scnnaar im Jahr 1838. 621 Fünf Stunden südlicher erhebt sich auf der Ebene des linken Ufers ein ähnlicher kleiner Berg, der Dschebel el Faki-deib, und eine Stunde weiter flussaufwärts gelangt man zur Bero^kette des Dschebel Chereri , der lezten Tenains- erhöhuug vor Chardum, von deren Rücken aus man be- reits den Minaret der jetzi}>;en Hauptstadt von Ost-Sndan erblickt. Sandstein ist bei beiden die allein herrschende Felsbildung. Der Chereri ist eine aus Ost in West sich erstreckende Bergkette, die am rechten Ufer sich nur in einigen unbe- deutenden Hügeln ausspricht , am linken Ufer hingegen eine 3 bis 4 Stunden lange Bergkette bildet, deren langge- streckte , ausdruckslose Rücken sich zu höchstens 300 Fnss über die Ebene, oder zu 1700 Fuss über das Meer, erheben und eine wellige Form, wie Dünenhügel, haben, die durch die Ebene mehrmals unterbrochen werden. Der Sandstein des Chereri wechselt mit Eisensandstein und seine obersten, grobkörnigen Lagen zeigen sich, gleich am Kemaad , wie gefrittet. Die Ebene ringsherum bildet das Alluvium des Flusses und der Sand der Wüste, die aber nicht mehr den trostlosen Anblick gewährt wie die Wüsten Nord-Afrika's, sondern bereits stellenweise mit dürrem Grase und einzelnen Mimosenbäumen bedeckt erscheint. Südlich von Chereri bis Chardum tritt der Sandstein nur einmal noch zu Tage, indem er Felsen im Flusse bildet, sonst ist Alles bis dahin eine vseite unbegränzte Ebene, ge- bildet durch die Alluvionen des "Nils , des blauen und weissen Flusses, theils Kulturland, theils Savannenebene, und als solche kulturfähig , oder stellenweise mit losem Sande bedeckt * Nachdem ich im Vorstehenden einen geognostischeu Durchschnitt von Nubien in der Richtung meiner Reiseroute von Assuan über Korosko und Abu Hammed nach Chardum gegeben habe, finde ich es nur noch r.öthig, um das geo- gnostische Bild von Ost-Nubien, so viel es im Bereiche unsers "■ Man sehe den Durchschnitt des Nilthals vom Dschebel Gos el Basabi r bis zum Dschebel Chereri. Tafel Ilf . Nr. 9, V 622 Wissens liegt, zu erg-änzen , die von den Reisenden Burk- HARDT, CaiLLIAUD, LlNANT , BrUCE , RüPPELL , WeLLSTEDT, HosKiNS etc. gemachten geognostischen Beobachtungen in so weit anzuführen , als dieselben ein Terrain ties ostseits vom INile h'egenden Theiles von Nubien betreffen, das ich selbst zu besuchen nicht Gelegenheit fand. So z. B. die Küstengegend des rothen Meers , die Ebenen am Atbara, die nubische Wüste am Schigre, das Land Taka, den Orray Langay etc. Die geognostische Beschreibung von West- Nubien und somit der geognostische Überblick über das ganze merkwürdige Land kann erst Gegenstand des dritten Theils dieses Bandes seyn. Die meisten Beobachtungen im geognostischen Fache, das Östliche Nubien betreffend, verdanken wir, unter den früheren Reisenden, dem trefflichen Burkhardt. Sind auch dieser Beobachtungen im Ganzen wenige, so haben sie den grossen Werth einer unbefangenen, pünktlichen Wahrheit. Burkhardt reiste von Deraui in Ober- Egypten über den Dschebel Schigre durch die grosse nubische Wüste, östlich meiner Route , bis el Mucheireff und Schendy. Von da an den Atbara , nach Gus Radjeb , nach Filik im Lande der Hadendoa und Halenga, Beled el Taka genannt, und über den Orray Langay und Dschebel Djaab nach Sauakin. Seinen Angaben nach liegt Waddi Hudh (nach Berg- baus W. Had), der erste Lagerplatz südlich der egyptischen Gränze und am Südgehänge des Dschebel Baram, mitten im Granite der Kataraktengebirge. Drei Stunden weiter gelangte Burkhardt wieder zu Sandsteinfelsen, die von vielen öuarzgängen durchsezt werden. In der Umgebung von Waddi Habel oder Om el Habel (die Mutter der Schnur, nach Berghaus el Kebal) steht jedoch wieder der Granit von Assuan an , dessen Blöcke den bereits viel besprochenen , schwarzen und pechglänzenden Überzug zeigen. Die Granitberge von Waddi Habel steigen zu 200 bis 300 Fuss über die Thalebene an. Auch bei Damhit bestehen alle Felsen aus Granit. Zwischen den Granitbergen von Damhit und denen des Gebirges Om Hereisel liegt die 623 Iiügelige Ebene Birket Sochan, deren Felsbildnno; Sandstein mit Quai'zgän{;en ist. Der Granit des Om Hereisel hat nach B. eine dunkelgraue Farbe. Dieses Grauitfelsterrain hält bis zii den isolirt in der Ebene stehenden Felsen Beiban an, in deren Granit man nach B. grosse Massen von Feldspath ent- deckt. Zwischen den Beibanfelsen und dem Brunnen el Hai- mar wird der Granit oftmals vom Sandsteine bedeckt. Der Dschebel Hairaar besteht aus Granit, die Berge und die Ebene jenseits aber ,• die Akaba flaimar , bildet Sandstein mit isolirt durchbrechenden Granitfelsen. Nirgends sah B. regelmässige Schichtung. Alles ist zertrümmert und zerbrochen , es schei- nen die heftigsten Erderschütterungen hier gewüthet zu haben. Bei Ghedeyer, el Mora, im Waddi Olaky ujid bis Om Gat scheint dem ßuRKHARDTSchen Reisebericht nach Sandstein zu herrschen , die Berge des W. Om Gat aber bestehen aus Granit, und zwischen diesem Punkte und dem W. Tovva- schi befindet sich ein zwei Stunden breiter Zug von Grün- stein. Bis zur Ebene Gob el Cheyl (nach Berghaus Keyel) scheint B. den Sandstein als herrschende Felsformation ge- troffen zu haben , daselbst aber erwähnt er wieder einzeln hervorragender Granitfelsen, von eben so phantastischen For- men, wie die sind, welche er in Waddi Damhit traf. Von Gob el Cheyl bis zum Nordgehänge des Schigre scheint wieder Sandstein vorzuherrschen und nur hie und da von Granitfelsen und isolirten Granitkuppen durchbrochen zu seyn. Die Vorberge des Schigre bestehen nach B. an seinem Nord- rande sowohl als am Südrande des Gebirges aus Granit, das Centrale desselben hingegen aus rothem Porphyr, dicht- körnig, mit kleinen Klüftchen von Feldspath. B. ist hier in seinen Daten etwas unklar; denn erstens trennt er die Porphyrberge, die den Brunnen Schigre um- geben, von dem eigentlichen Dschebel Schigre, was nicht der Fall ist, da diese Brunnen mitten im Gebirge Schigre liegen , zweitens gibt er über die Beschaffenheit des Granites der südlichen Vorberge, die ß. speziell mit dem Namen Dschebel Schigre bezeichnet, so wie über die desjenigen, der die nördlichen Vorberge bildet, gar keine nähere Aus- kunft, und ich vernuithe, dass dieser Granit des Schigre nichts 624 Anderes ist, als der Syenit nnsers Dschebel Refff. Ist dieses der Fall , so haben wir am Schigre einen neuen Beieg- zu ei- ner wichtigen g'eog^nostischen Thatsache, die wir bereits an mehreren Orten meiner eigenen Route zu sehen Gelegenheit hatten , nämlich die , dass die Porphyre Nubiens an den Rändern ihrer Gebirge häufig von Granit und Syenit um- schlossen sind. Es scheint daher, dass entweder der Por- phyr späterer Entstehung ist und er die Granitmassen Gang- artige durchbrach , oder dass Porphyr und Granit nur ver- schiedene Formen einer und derselben Formation sind nnd dass ihre Texturverschiedenheit, ja selbst das mehr oder weniger Hervortreten eines oder des andern integrirenden Bestandtheiles, so wie das Erscheinen neuer Mineralsub- stanzen nur als Resultate von Umwandlungen und chemischen Reaktionen der Massen unter sich angesehen werden müs- sen , die aus dem verschiedenen Grade der Abkühlung, ihres zeitlichen Verhältnisses, des Druckes, dem sie aus- gesezt sind, der polarischen Anziehung der Theilchen , die an verschiedenen Stellen der Masse auch eine verschiedene ist etc. hervorgehen. Dass diese Potenzen an der Aussen- seite der Berge sich in einem ganz andern Massstabe wirk- sam zeigen, als in ihrem Innern, ist naturgemäss. Ich neige mich indess bis auf weitere Belehrung zur erstem An- sicht hin. Über das Terrain vom Schigre bis zum Brunnen Ned- jem finden wir, was die geognostische Beschaffenheit des- selben betrifft, in Burkhardt's Reise gar keine Notiz, ausser dass derselbe über eine grosse Sandfläche mit Kieselstein- ? Boden und kleinen Quarzkieseln hinwanderte. Die Felishü- gel, welche den Brunnen Nedjem umgeben, bestehen, nach Burkhardt, ans Chlorit und Felskiesel ? Sollte er mit dieser sehr unbestimmten Bezeichnung nicht etwa , was gar nicht unwahrscheinlich ist, die schiefrigen Diorite und die grob- körnigen Konglomerate unserer Übergangsformation in Dar Berber und Dar Robatat meinen? Zwischen Waddi Holhob und Waddi Amur beschreibt B. die Wüste als ganz eben, den Boden kieselig und bedeckt 025 mit kleinen schwarzen Feuersteinen und Felskieseln? eine grosse dunkle Wüste, die viel Ahnliches mit einigen Theilen der Wüste des Tyh (zwischen dem Sinai und Hebron) hat. Nirgends sieht man Berge oder Hügel. Hie und da unter- brechen bloss kleine Felsen von Granit, Quarz und Syenit die traurige Einförmigkeit. Burkhardt's Feuersteine dürften wohl dem Sande der Wüste angehören, der, wie sclion ge- sagt, aus der Zerstörung des Dilnvialsandsteins entstand. Was er eigentlich mit seinen Felskieseln meint, weiss ich nicht, wahrscheinlich sind es öuurzgeschiebe. Sein Quarz deutet auf das Vorhandenseyn der Schieferformation hin und sein Syenit dürfte wohl der Dioritporphyr von Dar Robatat und Dar Berber seyn. Zwischen Waddi Netile ist der Sandboden der Wüste mit Granit und Gneissblöcken bedeckt. Von Waddi Horaar bis Waddi ßelem ist die Ebene mit schwarzen Steinen? mit egyp tischen Kieseln und Quarz be- deckt, es scheinen daher daselbst Auflagerungen von Dilu- vium und zwar des obern Sandsteins von Nubien zu bestehen. Vier Stunden nördlich vom Atbara, auf dem Wege von el Mucheireff nach Schendy, traf B. Hügel von Sand und Kieseln . also wahrscheinlich Diluvialsandstein. Von Schendy bis zum Dorfe Atbara am Atbara durch- wanderte B. nur Sandebenen, so auch am rechten Ufer die- ses Flusses, und die ersten Berge, auf welche er auf der Route nach Sauakin stiess, waren die Granitberge bei Gus Radjeb. Diese Berge, zwei an der Zahl, stehen ganz isolirt am rechten Ufer des Atbara in der Ebene und erheben sich zu ungefähr 400 Fuss über dem Flusse. Der Granit ist grobkörnig mit rothem Feldspath, prismatisch und in Massen abgesondert, auf dem Gipfel wie eine senkrechte Mauer sich darstellend, daher die Täuschung Burkhardt's, der in der Ferne Ruinen auf der einen Kuppe zu sehen wähnte. Ungeheure Blöcke bedecken die Gehänge und sind nach Li- NANT bis auf die Kuppe hinauf wild übereinander gethürmt, so dass sie oben geräumige Höhlen bilden , die von Haden- doaräubern bewohnt wurden. Der Abfall dieser Berge gegen den Atbara ist senkrecht. Von Gus Radjeb bis Filik, einem Russe!;;; er. Reisen. II. Bd, I. Th). 40 f»2« Haiiptlag-erplatz der Hadeiulo.i, beobachtete B. tlie weite Ebene, grösstentheils aus sehr gutem Kulturboden bestehend, der ehi Alluvium des Atbara ist und ganz durch den Flussschlamm desselben gebildet wurde und noch gegenwärtig in Folge der jährlich sich ergebenden Überschwemmungen, die sich fast iiber das ganze Beied el Taka erstrecken, fortan erhöht wird. Vier bis fünf Stunden nordöstlich von Filik endet das Kulturland des Atbara und es beginnt wieder die Wiiste. Bald darauf sah ß. in Ost hohe Berge, die sich, seiner Schätzung- nacli, zu 2000 bis 3000 Fuss über die Ebene, also gewiss zu nahe an 5000 Fuss über das Meer erheben. Sie bilden die südliche Fortsetzung des Orray Langay und er- strecken sich in Süd gegen das Quellengebiet des Mareb. ''^ Am Waddi Lado sah B. Sandstein anstehen , der mit rosenrothem Quarz wechsellagert und einen unebenen felsi- gen Boden bildet. Ob nicht dieser Sandstein unser grob- körniges, Grauvvacken ähnliches Konglomerat ist, oder jener Grauwackenschiefer, welche beide wir bereits aus Dar Ber- ber kennen? Bei dem eigentlichen Sandsteine von Nubien ist mir eine Wechsellagerung mit Quarz nirgends vorgekom- men. Von Waddi Lado bis Waddi Ody * ist griessaudige Ebene, nördlich von Waddi Ody hingegen beginnt neuer- dings Kulturland, und man sieht in Ost wieder hohe Gebirge, die ebenfalls zum Orray Langay gehören. Der Hauptrücken des Orray Langay hat den Erkundi- gungen zu Folge, welche B. einzog, eine Länge von unge- fähr 10 Tagereisen und gehört, sammt seiner nördlichen Fortsetzung, dem Dschebel Djaab, zum Küstengebirgssysteme von Nubien. Die Spuren gewaltiger Wassergüsse und die trockenen Bette verheerender Giessbäche fand B. in diesem Gebirge allenthalben, übrigens ist dasselbe aber in seinen Thälern voller Weideplätze. Die Berge des Orray Langay fand B. durchgeheuds aus Kalkstein bestehend, nirgends konnte derselbe Granit entdecken , aber auch nirgends bemerkte er •' Diese Punkte fallen bereits östlich ausser meine Karte von Nu- bien hinaus, der ich, der Entwicklung des wichtigern Terrains wegen und um nicht das Blatt gegen die übrigen Karten unverhältnissmüssig gross zu machen, keine grössere Ausdehnung geben konnte. 627 fossile Reste organischer Körper, kleiner Ansicht nach hat man es hier wieder mit den Übergaiigsgehihlen von Dar Robatatund Darßerberzu thun, und wahrscheinlich sind letz- tere eine westliche Verzweigung^, ein Ausliinfer jenes mäch- tigen Gebirgsstockes. Am nordöstlichen Gehänge des Orray Langay, der sich aus Nord in Süd erstreckt, und vor dem Waddi Osnit (Osait nach Bergmaus), bemerkte Burkhardt Fel- sen aus Öuarz und Diorit bestehend. Am Waddi Schintereb fand B. , seit den Bergen von Gns Radjeb, wieder den ersten Granit. Er bildet den Ost- rand des Dschebel Djaab und ist von einer grauen Farbe. Zwischen Waddi Schintereb und dem Dschebel Gangerab. einem östlichen Ausläufer des Dschebel Djaab, durchwan- derte B. eine buchtenförmige Auflagerung; jüngerer Felsge- bilde, wahrscheinlich tertiär, und ganz durchdrungen von Salz. — Der Gangereb gehört zur Formation des Djaab. LiNANT fand auf seiner Reise von Chardum nach Man- dera, Rera und an den Atbara die isolirten Berge von Man- dera und Rera, ganz aus grobkörnigem Granit mit rothem Feldspathe bestehend. — Bruce in seinem Reisewerke* sagt: „Wir sahen heute, nachdem wir Rhas el Seach passirt hatten (Südgehäng^c des Schig-re), g^rosse Blöcke und Schich- ten von weissem Marmor, der jenem von Faros an die Seite gesezt werden könnte." Wenn Bruce recht g;eseheii hat, und wahrscheinlich hat er dieses, denn eine Verwechs- lung; des körnigen Kalkes mit öuarz, die einzige hier denkbare, ist doch etwas schwer zu glauben, so reicht hier die Ubergangsfelsformation von Dar Robatat und Dar Berber, wahrscheinlich vorgebirgsartig;, fast bis an die Granitbil- dungen des Schig;re. IVördlich vom Schigre erwähnt Bruce grosser Felsen grauen Granites bei Om Dum. In den Sand- steinablagerungen um Waddi Nabeh und Waddi Towaschi fand derselbe Reisende viel Steinsalz in losen Blöcken auf der Erde liegen, und südlich von Om Gat fand er im buntgefärbten Sandsteinemit bunten Mergeln (Marmor nach seiner Nomen- klatur) versteinertes Holz. Auch Bruce erwähnt des von Burkhardt südlich des Brunnens von Om Gat aufgefundenen * Deutsche tJ'bersetziinp^ von Voi.kmann IV, S. 562. 40 G28 Diorites unter dein Titel: grüner Marmor, und sagt ausdrück lieh, dass der Felsen oberhalb des Bassins, ^veIches das Wasser enthält, aus diesem Gesteine bestehe. Nach Cailliaud's Angaben gehört der Dschebel Knruni am linken Ufer des Nils und westlich der Insel Philä dem Sandsteine von Nubien an, so wie derselbe die herrschende Felsbildnng des linken Uferlandes von Ässuan bis gegen- über von Rorosko und weiter südlich bildet. Nur bei Kalab- sche ist der Sandstein häufig von Granitfelsen durchbrochen. Die Berge bei Messaurat und Naga im südlichen Nnbien ge- hören der oft besprochenen Sandsteinformation an. Die wenigen Bemerkungen, die Hoskins während seiner Reise durch die grosse nubische Wüste östlich des Nils über die geoo-nostische Beschaffenheit des dortigen Terrains machte, stimmen ganz mit den meinen überein, daher ich sie hier füglich mit der Hinweisung auf sein in mehrfacher Beziehung höchst interessantes Reisewerk umgehen kann. Die Berge der Insel Mograt bei Abu Hammed bestehen nach seinen Angaben aus Granit, Hornblendegesteinen und öuarzfels. Die bedeutende Entwicklung des körnigen und dichten Kalksteins, desKalkthonschiefers und der Grauwacken- artigen Konglomerate zwischen Abu Hammed und el Muchei- reff hat Hoskins, dessen Route ich doch im jenem Terrain Schritt vor Schritt verfolgte, merkwürdigerweise ganz über- sehen, indem er nur der Hornblendegesteine, des Granites, des Quarzfelses und des Sandsteins erwähnt. Hoskins hat sich die geognostische Erforschung jener Länder nicht zur Aufgabe gemacht, und wer weiss, wie unangenehm es ist, wenn man durch die glühende Hitze erschöpft, durch das anhaltende Reiten auf dem Hegin körperlich angegriffen, noch beständig das so lästige Manöuvre des Auf- und Ab- sitzens wiederholen muss, der wird mit dem verdienstvollen Reisenden seines Ubersehens wegen gewiss nicht rechten wollen. Die Berge bei Messaurat, Waddi Hauadeib und Woadd Naga, zum Theil nur unbedeutende Hügel, gehören dem Sandsteine von Nubien an, und zwar vorherrschend dem untern, feinkörnigen. 629 Über das Küstenland von Nubieii sind wir bezüglich seiner speziellen geognostischen Strnktur äusserst arm an Nachrichten, Ausser den Angaben Burkhardts auf seiner Reise von Schendy über den Orray Langay nach Sanakin sind meines Wissens nach die wenigen Notizen, die wir aus Wellsteds Reise an den Küsten des rothen Meeres erhielten, das einzige, was wir hierüber wissen. Den Strand der Küste bilden fast durchgehends Meeres- Alluvien, Korallenfels und weiter im Lande tertiäre Ablage- rungen. Hinter diesen scheint sich unmittelbar die Central- kette des Küstengebirgssystems zu erheben, und, wie in Egyp- ten , aus Granit, Gneiss , Glimmerschiefer, Chloritschiefer und ähnlichen Centralalpen-Gebilden zu bestehen. Im nörd- lichen Theile des nubischen Küstenlandes, an den Gebirgen des Otabi und des Olba, des Kulminationspunktes dieser Formation , gewinnen diese krystallinischen Felsgebikle ihre grösste Ausdehnung der Breite nach, springen einerseits bis an die Meeresküste vor und erstrecken sich andrerseits weit ins Innere des Landes. Weiter gegen Süd scheint sich diese Felsbildung bedeutend zu verschmälern, sie nähert sich mehr der Küste, während im Innern theils die Sand- steinablagerungen, theils besonders die Bildungen jüngerer Granite mit Dioriten und Porphyren an Entwicklung gewin- nen. Bereits bei Sauakin beschränkt sich jene Centralfor- mation des Küstenlandes nur auf das Gebirge zunächst der Küste und die höhern mächtigem Bergzüge des In- nern, der Dschebel Djaab und der Orray Langay, die zu- nächst daran glänzen, gehören bereits der Ubergangsforma- tion von Dar Berber und Dar Robatat an, die sich durch das ganze östliche Niibien bis zum Nile erstreckt. Die Küste von Bedja ist meines Wissens nach in geognostischer Beziehung unerforscht, doch scheint es, dass die Granit-, Gneiss- und Schiefergebilde daselbst wieder an Ausdehnung gewin- nen, und vielleicht gehören ihrer Formation der Dschebel Nedschib und die Hababberge an, durch welche sich die Cen- tralkette des Küstenlandes dem Hochlande des Gebirgsstockes von Abessinien anschliesst. Wenigstens sehen wir diese Felsgebilde in der Breite von Massowa sich dicht an der Küste 630 erheben, einem oewaltigen Damme «leieli , schnell zu «e- waltigen Höhen emporsteigen und sich weit ins Innere des Landes erstrecken. Am Dschebel Olha sollen, nach Wellsted, die Alten auf Silbererze gebaut haben, und die Gruben , die eine sehr bedeutende Ausdehnung hatten, sollen noch ersichtlich seyn. LiNANT hat, wie Wellsted angibt, diese alten Grubenbaue besucht, und gefunden, dass sich dieselben mit Vortheil würden bearbeiten lassen, wenn daselbst nicht so ein ausser- ordentlicher Wassermangel stattfände. Mir ist übrigens über diese Forschungen Linants nichts Näheres bekannt. Von höchstem Interesse wäre es, den Gegenstand genau zu unter- suchen; denn es ist nicht denkbar, dass die Alten daselbst ganz ohne Wasser gebaut haben sollen, und zwar um so we- niger, da man dort noch Reste von Trögen findet, deren die Alten sich wahrscheinlich zum Waschen des Erzes bedienten. So wie ich nach Betrachtung der geognostischen Verhält- nisse von West-Nubien versuchen werde, das Felsgebäude dieses Landes mit dem der weiter westlich vorliegenden Län- der in Verbindung zu setzen, was um so leichter zu bewerk- .stelligen ist, da wir aus Denhams Reise von Mursuk an den Tschaadsee die geognostische Struktur der dortigen Länder bereits kennen und wissen, dass selbe derjenigen sehr ähnlich ist , welche ich in den Wüsten von Nubien traf und deren hervorragendster Zug das Vorhandenseyn des Sandsteins aus der ältesten Kreidezeit und aus der Diluvialperiode, mit Durchbrüchen krystallinischer und vulkanischer Gesteine, ist, so will ich jezt, um das geognostische Bild von Ost-Nubien, das wir an den Gränzen Egyptens begonnen haben , an den Gränzen Abessiniens zu beschliessen , noch kurz der geogno- stischen Verhältnisse dieses Landes im Allgemeinen erwäh- nen, so wie dieselben uns Rüppell darstellt, indem er sagt *: „Jenseits des flachen Meeresufers (durchaus Korallenfels und Meeresalluvium, das Tehama ** der Araber), und in geringer Entfernung von der Küste erhebt sich ein mit Reise in Abcssinien. II, S. 314. ■■.::> D'Abbadie über das Tebania im westlichen Arabien. Bullet, de la Soc. geolog. X. 121. Leonhard, Jahrbuch 1842, S. 859. cai diesem ziemlich paralleler (icbii'gszug- * von imposanter Höhe, welcher 10 Stunden landeinwärts bereits im Durch- schnitte 8000 bis 9000 Fuss über die Meeresfläche empor- raf!;t. Er besteht durchgehends aus Schiefer und Gneiss; an seiner östlichen Basis aber erblickt man mehrere Trachyt- lavaströme, isolirte vulkanische Kegel tauchen aus dem Al- luvium des Annesleygolfes bei Afte und Sula hervor, und bei Amphila findet sich, nach Salt, Obsidian. — Westlich von diesem Küstengebirge bildet durchaus das nämliche Schiefer- gebilde den Kern der ganzen Landschaft und wird in allen tiet eingewüJilten Strombetten beobachtet **." Diese Schieferformation ist mit einem weitverbreiteten horizontal geschichteten Sandsteinplateau *** bedeckt , das aber durch spätere vulkanische Thätig^keit auf eine merk- würdige Weise theils senkrecht gespalten und verschoben, theils verschiedentlich emporgehoben wurde. An mehreren Orten, z. B. an den beiden Berg;en Alloqua in den Pro- vinzen Ategerat und Schire, durchbrach die Lavamasse die bereits sehr zerarbeitete Sandsteindecke und erhob sich, isolirte zugespizte Kegelberg;e bildend, über dieselbe; ander- wärts, wie in der Umgebung- von Axura, entstanden durch diese Lavaergiessungen zusammenhängende vulkanische Hügel- züge f; stellenweise endlich senkte sich eine weite Strecke entlang* die ganze Sandsteinformation etc. „Diese Einförmigkeit (?) sah ich nur durch zwei andere Gebirgsformationen unterbrochen. Die eine derselben sind * RÜPPELL spriclit hier von dem Terrain in der Breite von Massöwa und von der Durclischnittslinie von dort an das hohe Seni^ngebirge. ** Dieser Ansicht bin ich nicht; denn alle von mir über diese Schie- ferbildungen des Innern von Abessinien eingezogenen Nachrichten deuten darauf hin, dass viele dieser Schiefer weit jüngerer Bildung sind. Sie scheinen vielmehr mit unsern Übergangschiefern in Dar Berber und Dar Robatat, so wie mit den Felsgebilden des Orray Langay und des Dschebel Djaab parallel zu stehen , was auch der Terraingestaltung entspricht. Sind diese Jüngern Schiefer des Innern niclit vielleicht silurisch? .•,>:;■:> Allem Anscheine nach unser unterer Sandstein von Nubien (Grün- sandstein). t Diese vulkanischen Felsbildungen erinnern an die Durchbrüchc und Ergüsse des geschmolzenen Sandsteins in der Sandsteinformation von Aubien. 632 die aus Kreide und Kalkmergel bestehenden Höhen *, welche zu Sanafe zu Tage kommen und die ich ausserdem noch auf dem Wege von Adöwa nach Halai zu Ägometen und Gantuftufe sah **." „Die andere Ausnahme bilden die Gianit- massen, welche, theils als stark verwitterte kolossale Blöcke, theils als plumpe Massen, bei Magab und Schire sichtbar sind ***.« „Der Kulminationspunkt Abessiniens, das imposante Si- mengebirg im Westen des Takasse, von dessen Gipfeln einige die Gränzc des ewigen Schnees erreichen. (Sie sind noch höher und steigen bis zu 13,000—14.000 Fuss über das IMeer an), ist durchaus vulkanischer Natur. Zu ihrer Basis haben die vulkanischen Gebilde die Schieferformation, von Sandstein überlagert. Lezterer durchbrochen von vulkanichen Lava- kegeln." „Woggera und alle von mir in der Umgebung des Zana- oder Dembeasees beobachteten Bergzüge bestehen ganz aus vulkanischen Gebirgsniassen etc." In der Betrachtung der starken und fortbestehenden Zer- setzung der vulkanischen Felsmassen Abessiniens geht IIlp- PELL, wie ich glaube, zu weit, wenn er sagt, dass die Al- luvionen des Nils, die das Kulturland von Egypten und Nubien bilden, als Resultat derselben und des Transportes der zur Erde zerfallenen Massen zu betrachten sind , oder wenn er gar annimmt, dass die Wiistenkiesel, Agat- und Kalzedon- Gerölle (?) Egyptens und Nubiens einst in den ßlasenränmen abyssinischer Lavamassen sich befunden haben. Ersteres lasse ich mir noch gefallen, aber letzere Ansicht kann ich nicht theilen , und ich stelle nur die Frage entgegen : Wie kommt es, dass diese Gerolle sich in Sennaar, in Roserres, in Fassoki nirgends im blauen Flusse finden, in Ländern, die * Laut I, S. 324 führen die Kalkmergel Feuersteiniiiereii und die jiranzc Kaliibiidung liegt auf eisenhaltigem Sandstein (doch wohl unser Sandstein von Nubien ?) =•"•= Den Kalkstein von Gantuftufi nennt Ritppell II, 306 tertiär, und lässt ihn unmittelbar auf den Schiefern liegen. ^'^'^ Laut 1, S. 356 und 358, II, S. 265. Diese Granitc scheinen kolos- salen und weit anhaltenden Gängen im Sandsteine anzugehören. (Wie zum Theil auch in Nubien.) G33 (locli Abessiiiien weit näher liegen, .als Nubien oder g-ar Egypfen? und warum fangen sie erst dort an, wo zngteicii die Sandsteine, Kreidekalke und Tertiärgebilde Nubiens und Egyptens beginnen? Ein Strom, der von den Gränzen Sen- naars bis zum Mittelmeere durch eine Strecke von 16 ßreite- graden im Durchschnitte wenig mehr als 3 Paris. Fuss Gefälle auf die geographische Meile hat und sich stellenweise zu enormer Weite ausdehnt , kann den bestellenden Naturge- setzen gemäss Gerolle unmöglich hunderte von Meilen hindurch transportiren. Wie wir wissen, sind diese Wüstenkiesel, Agate, Karniole, Kalzedone etc. ursprünglich Konkretionen in den Sandstein-, Kreide- und Tertiärgebilden Egyptens und Nubiens, an Ort und Stelle schon gegeben, ihr Auftreten als Rollstücke in den Diluvial- und Alluvialbildungen jener Länder ist ein sekun- däres, und damit ist durchaus kein weiter Transport von ihrer ersten Lagerstätte aus verbunden. Die Erklärung ihres Vorhandenseyns liegt dahier weit näher*. So ist auch das Vorkommen des Asphaltes in der Lava am Buahat** nicht nur etwas ganz Neues, sondern auch etwas sehr Auffallendes. Sollten jene der Lava inneliegenden Kugeln nicht etwa Obsi- dian seyn ? und man es vielleicht nicht so sehr mit einer Lava, als mit einem vulkanischen Tuffe zu thun haben? ohne den mineralogischen Ansichten des Hrn. von Katte huldigen zu wollen , möchte ich doch, und zwar namentlich den Schiefer- bildungen Abessiniens, seyen sie nun sogenannte primitive oder silurische, die Erzführung nicht so geradehin abspre- chen , oder es müsste nachgewiesen werden , dass diese Schieferformationen allerorts erzarm seyen, was, wie ich glaube, schwer halten dürfte. Wenn wir das bisher über Ost-Nubien in geognostischer Beziehung Gesagte überblicken und damit die an den beiden Endpunkten dieses Landstriches, in Egypten und Abessinien, gemachteji Erfahrungen in Verbindung setzen , so ergibt sich uns folgendes, für die Struktur von Nordost- Afrika hochwichtiges Resultat: Wir sehen einen hochansteigenden I, S. 387. RüppELi, ferner II, S. 289. Der Sandstein am Gas- darbi ist in der Nälie der Lava ge.schniolzen. "■•' RÜPPKLI. I, S. 413. 634 Gebirgszug- sogenannter primitiver Gesteine , wie schon oben erwähnt, von dem Gehirgsstocke Ahessiniens ausgehen und sich nach Nord erstrecken. Er trennt die ßinnenländer von Nubien und Egypten vom rothen Äleere, endet in Nord mit dem Sinaigebirge und schliesst sich in Süd theils an das Hochland von Abessinien, theils an das des Innern von Central - Afrika , des südlichen Küstenlandes der einstigen libyschen Meeresbucht, an. Die Fluthen, welche das grosse Bassin von Nord -Afrika erfüllten, scheinen aus Nord und Nordwest gekommen zu seyn und sich auch in dieser Rich- tung zurückgezogen zu haben , wenigstens deuten die Lage- rungs-Verhältnisse der geschichteten Gesteine darauf hin. Das Innerste, den südöstlichen Winkel dieser grossen Meeres- bucht, sehen wir erfüllt mit sogenannten Übergangsgebilden, Glieder vielleicht des silurischen Systems, körnige und diclite Kalksteine, Schiefer, Granite, Konglomerate, die sich gegen Süd an den vulkanischen Gebilden Ahessiniens und den pri- mitiven Felsablagerungen von Sclioa und den Ländern am Tumat abzuschneiden scheinen, gegen Nord aber fast in die Breite des Dschebel Schigre fortsetzen und östlich des Nils das ganze Terrain zwischen dem Stromthale und dem Küstengebirge einnehmen. Hierauf lagerte sich eine grosse Sandsteinformation , die in Ost weit in die Hochgebirge Ahes- siniens vordringt und in Plateaus zu grossen Meereshöhen ansteigt, in Süd an den krystallinischen Felsbildungen von Kordofan und Sennaar endet, gegen Nord an der Ostseite des Nils bis zum Sinaigebirge vordringt und gegen West sich wahrscheinlich durch ganz Central-Afrika durch erstreckt. Auf diesen Sandstein folgt eine ausgedehnte Ablagerung der Kreidekalke und Mergel , sie beginnen in ihrer Hauptent- vi'icklung mit der Gränze des Sandsteins in der Breiten-Paral- lele von Esne, erfüllen einen grossen Theil Egyptens, erstrecken sich in Nord bis in die Niederungen des Isthmus , der Afiika mit Asien verbindet , und bilden gegen West einen grossen Theil der libyschen Wüste und der Sahära. Den übrigen Raum zwischen dieser Formation und dem Mittelmeere er- füllen tertiäre Bildungen, Diluvien und Alluvien als die lezten Bildungen des sich mehr und mehr zurückziehenden Meers. 635 Vulkanische Durchbrüclie, Emporhebimgeii und die diesen Katastrophen an«>ehörenden Felsbildnngen durdnvandeni alle die erwähnten Formationen, und man beobachtet sie soAvohl in dem Bereiche der Übergangszeit, als in dem der Diluvial- periode. Die jüngsten Äusserungen erloschener vulkanischer Thätigkei.t dürften wohl die Laven in Abessinien seyn, und dass die Kraft, welche da wirkte und schuf, zum Theile noch nicht ganz erloschen ist, beweisen uns die vulkanischen Berge von Adel und Schoa , unter denen der Dofän, wahr- scheinlich eine Solfatare , noch brennen soll *, die heissen Quellen jenes Landes, die von Abessinien, von Nubien, am Sinai und vielleicht auch die der Oasen. " Röchet d'Hericoxjrt, Voyage dans le pays d'Adel et le Royaume de Choa. Paris 1841. S. XV, 263 und 322. Die Vorrede dieses mehr- fach interessanten Werkes gibt einen allgemeinen geognostischen Über- blick der Länder Adel und Schoa. Weitere Nachrichten über die Vul- kane von Abessinien und Schoa finden sich in: PoGGENDOFF, Anualcn , 1841. Nro. 8. Abbadie in Bullet, de la Soc. geolog. Vol. 10, p. 122. Revue desRcvues. Juniheft 1841. Mittheilungen des Roch. d'Hericourt. Inhalt. Seite Vorrede ...... 1 Einleitung. Aufeiitlialt zu Alexandria und Kairo bis zur Abreise in das In- nere von Afrika '-ti Erster Abschnitt. Reise in Ober-Egypten. 1) Von Kairo nach Theben . . . \ 57 2) Theben 113 3) Reise von Theben nach Assuan und Aufenthalt daselbst . . 174 Zweiter Abschnitt. Wissenschaftliche Bemerkungen über Ober-Egypten. 1) Beiträge zur physikalischen und insbesondere klimatologi- schen Erkenntniss von Egypten, namentlich von Ober-Egypten 221 2) Die physiognomischen und geologischen Verhältnisse von Ober- Egyplen. Geognostischer Typus des ganzen Landes . . . 268 3) Bemerkungen in Betreff der Fauna und Flora von Ober- Egypten 369 4) Das Volk in Ober-Egypten in seiner nationalen Individualität und als ünterthan der egyptischen Verwaltung .... 374 Dritter Abschnitt. Reise durch Nubien , von Assuan bis Chardum. 1) Nilreise von der Insel Philä bis Korosko 390 2) Reise von Korosko durch die grosse nubische Wüste, östlich des Nils, nach Abu Hammed, und von dort nach el Muchci- reff, der Hauptstadt des Berberlandes 416 3) Aufenthalt zu el Mucheireff und Reise von da auf dem Nile bis Chardum im Laude Scnnaar 460 Vierter Abschnitt, Wissenschaftliche Bemerkungen über den östlich vom Nile liegenden Theil von Nubien. 1) Über die Physiognomie des Landes und dessen klimatologi- schc und meteorologische Verhältnisse 517 2) Geognostische Verhältnisse von Ost-Nubien 563 Qk'vSf ^^dO V^'o, «0 >^^ .•^ <»: ^^->^- •jj^V l^~^^ ^^: