^R ?-3 /iL? o Heinrich von Rosenberg. Rennreiten. Praktische Winke für Rennreiter und Manager von K. von Tepper -Laski. Zweite, verbesserte Auflage. Mit 28 Tafeln. BERLIN. Verlagsbuchhandlung Paul Parey. Verlag für Landwirtschaft. Gartenbau und Forstwesen. SW., Hedemannstrasse 10. 1903. Alle Eeclite vorbelialten. Dem Andenken Sr. Exzellenz des Generals der Kavallerie Heinrich von Rosenberg gewidmet vom Verfasser. Vorwort zur ersten Auflage, Wie die Reitkunst im allgemeinen^ so läfst sich auch das Rennreiten aus Büchern nicht lernen. Da ich aber häufig von angehenden Sportmen über verschiedene auf das Rennwesen bezügliche Fragen um Auskunft gebeten wurde, so benutze ich einen freien Wintermonat, um einige meiner auf diesem Gebiete in beinahe 25 Jahren in verschiedenen Ländern ge- machten Erfahrungen zu Papier zu bringen. Für etwaige schriftstellerische Unebenheiten dieser Aufzeichnungen lasse man als Entschuldigung gelten, dafs deren Verfasser sehr viel mehr Zeit im Sattel als am Schreibtische zugebracht hat; wenn aber passionierte junge Reiter durch dieselben etwas orientiert und zu einem Versuch auf der Rennbahn ermutigt, andere als Rennreiter, Besitzer oder Manager von Rennpferden einiges Brauchbare daraus entnehmen würden, so wäre der Zweck derselben vollständig erreicht. Hoppegarten, Frühling 1897. Vorwort zur zAveiten Auflage. Das in Anbetracht des beschränkten Interessenten- kreises schnelle Vergriffensein der ersten Auflage, so- wie vielfache Anerkennungsbeweise berechtigen mich zu der Annahme, dafs Torliegende Schrift ihren Zweck so ziemlich erfüllt hat. Durch gründliche Verbesserungen und Erweite- rungen — z. B. in Behandlung der amerikanischen Reitweise, die in der ersten Auflage nur gewisser- mafsen vorgeahnt war — ferner durch Vermehrung der Illustrationen, welche auch manchen jüngeren Herrenreitern ein Denkmal bilden sollen, hoffe ich auch fernerhin das Interesse an vorliegender Arbeit w^ach erhalten zu sehen. Berlin, Winter 1902/3. K. von Tepper-Laski. Inhalt. Seite Über den Eiuflufs der Keunreiterei auf die Soldatenreiterei 1 Bahn- oder Terrainreiten 1 Einflufs der Rennreiterei auf die Reitkunst . . 3 Mittelpositur 8 Führung 5 Gewichstverteilung 7 Ausbildung der Pferde 9 Gehorsam des Pferdes 10 Sport oder Handel! 11 Einflufs auf die Ausbildung des Kavallerie- offiziers 12 Pferdekenntnis und Training 12 Beherrschung der Xerven 13 Der Offizier als Vorbild der Leute 14 Reitergeist 16 Weshalb Offiziere Rennen reiten 18 Rennreiten . . . , 21 Wer eignet sich zum Rennreiter? 21 Lebensweise und Training des Rennreiters 23 Anzug und Benehmen des Rennreiters 27 Sattel und Zäumung 33 Kenntnis des Terrains 38 Kenntnis des Rennreglements 43 Allgemeine Reitfertigkeit 45 Wie erlernt man das Rennreiten? 48 Sitz und Hilfen 54 a) Auf normalen Pferden 54 b) Auf schwierigen Pferden 56 c) Beim Springen 64 d) Die sogenannte amerikanische Reitweise .... 72 VIII Inhalt. Seite Das Rennen 77 a) Aufsitzen 77 b) Der Aufgalopp 81 Der Start 85 Die Startmaschine 92 Yerhalten im Rennen 94 Platz im Rennen 94 Beurteilung der Pace 97 Besondere Umstände im Rennen 99 Endkampf 101 Fehler der Anfänger 112 Rückkehr zur Wage 115 Hürdenrennen 116 Jagdrennen 118 Wendungen 121 Eigentümlichkeiten der Pferde beim Springen .... 123 Das Fallen 127 Besondere Vorkommnisse 134 Management 140 Grofser Flachrennstall 142 Engagements der Jährlinge 143 Die zweijährigen Pferde 146 Dreijährige und ältere Pferde 147 Auswahl des Reiters 148 Instruktion des Reiters 150 Proteste 1-52 Allgemeine Dispositionen 155 Nennungen 157 Management gemischten Materials 160 Unterschied der Beanlagung für Hürden- und Jagdrennen 162 Management des einzelnen Pferdes 164 In und aufser Form befindliche Pferde 166 Schonung guter Pferde 168 Distanzenbestimmen 169 Handicaps und Wetten 173 Ein Musterwettcoup 176 Kenntnis fremder Rennreglements 179 Laufen mehrerer Pferde in einem Rennen 181 Schlufs 183 Verzeichnis der Tafeln*). nach Seite Herr von Wilamowitz-Moellendorif auf „Anvil" 8 Graf G. Lelmdorif auf „Godolphin" 12 Herr von Kramsta auf „Tourist" 16 Herr von Heyden-Linden auf „Buscliiri". — Herr von Kayser auf „Welle 11" 20 Herr von Sydow auf „Wellgunde" 24 Mr. R. Gore auf „Red Prince". — Herr 0. Suermondt auf „Meistersinger" 28 Herr von Eynard auf „Potiniere". — Herr von Graevenitz auf „Zelus" 82 Graf Westphalen auf „Buscliiri". — Graf Bredow auf „Sanduhr" 86 Graf S. Lehndorff auf „Bastard". — Graf W. Königsmarck auf „The Rake" 40 Herr K. von Zingler auf „Flieder". — Graf zu Solms auf „Bavarian" 44 Graf A. Eulenburg auf „Bavarian". — Herr W. von Rosen- berg auf „Formosa" 48 Herr F. A. von Gofsler auf „Fragile". — Herr M. Lücke auf „ Schwarz wald" 52 Herr von Schmidt-Pauli auf „Pestilenz". — Herr von Bach- mayr auf „Papi" 56 Herr F. Schmidt-Benecke auf „Zinshahn" 60 Herr 0. Suermondt und Frhr. von Reitzenstein 64 Herr von Graevenitz I und Graf W. Königsmarck .... 66 Herr W. von Rosenberg auf „Formosa" (moderner Sitz im Sprunge). — Herr K. von Zingler und Herr F. Schmidt- Benecke 68 *) Nach Momentphotographien, welche Herr Franz Kühn, Behren- strafse 27, gütigst zur Verfügung stellte. X Verzeichnis der Tafeln. nach Seite Unterschiede im amerikanischen Keitsitz (Stern, modifiz. engl.-amerik. Sitz. — Reiif, rein amerikanischer Sitz) . 72 Jockey F. Martin im amerikanischen Sitz. — Jockey Hill im amerikanischen Sitz auf „Kolibri" 72 Rennen zu Longchamp. Umsehen im amerikanischen Sitz 74 Jockeys im alten englischen Sitz in Longchamp .... 76 Start mit der Startmaschine. „Ab" 92 Endkampf von Jockeys im Karlshorster Handicap zu Hoppe- garten 100 Endkampf zwischen „The Yillain" und „Flot H" in der IX. Berliner internationalen Steeplechase zu Karlshorst — Graf F. Königsmarck auf „Skate" 102 Endkampf zwischen „Bastard" und „Lotte" in der IL Inter- nationalen Steeplechase zu Karlshorst 106 Koppelrick mit Graben in Karlshorst. Gruppierung eines Feldes im Jagdrennen 118 Offener Graben, im Orcadian- Jagdrennen zu Karlshorst. „April Fool" unter Herrn von Graevenitz II springt zu früh ab und fällt 128 Als Einleitung zu meinem Thema habe ich, besonders i\ weil es den militärischen Teil der Leser inter- essieren dürfte, eine schon im Winter 1874^75 ab- gefafste, vom damaligen Major von Rosenberg auf- gegebene, inspirierte, und eigenhändig hierunter be- urteilte Arbeit : „über den Einflufs der Rennreiterei auf die Soldatenreiterei '' gewählt, die die Ansichten des bedeutendsten unserer damaligen Rennreiter und Kavallerieführer widerspiegelt und nach denen sich die meinigen gebildet haben. BahU" oder Terraiureiteu. Es gehört viel dazu, das ganze weite Gebiet der Reitkunst zu beherrschen und nicht nach einer oder der anderen Richtung hin in Extreme zu verfallen. Die einen suchen das Wohl nur in der Reitbahn und reiten jahrelang seiteugängelnd , abbrechend , ver- sammelnd auf einem Tier herum, kommen sie aber in eoupiertes Terrain, so kann weder Reiter noch Pferd auch nur mäfsigen Anforderungen genügen. Die anderen sind gegen alle Bahnreiterei, kaufen sich einen geschulten Steepler und glauben grofse von Tepper-Laski. 2. Aufl. 1 2 Einleitung. Reiter zu sein, wenn sie darauf über ein paar Hinder- nisse hinwegjagen. Die Erkenntnis ihres Irrtums kommt erst im Rennen selbst , wenn sie ohne Atem , ohne Besinnung immer wackliger auf dem Pferde werden, endlich das unvermeidliche Accident erleben und froh sind, sich mit heilen Knochen aus dem Sumpfgraben erheben zu können ; oder sie wollen einen rohen Gaul zum Steepler machen und gehen sofort, ohne Herr über denselben zu sein, in schwieriges Terrain, reiten sehr schneidig und sind nach einiger Zeit soweit, dafs sie das Tier weder halten noch regieren können und froh sind, dasselbe ohne grofsen Schaden loszuwerden. Nach der kriegerischen Zeit zu Anfang unseres Jahrhunderts zog man sich vom Felde in die Bahn zurück, gefiel sich in gröfster Gleichmäfsigkeit der Form, Künstlichkeiten und falsch verstandener Feinheit. Man nahm Zusammenstellungen des Pferdes vor, welche den Zwecken der Soldatenreiterei nicht entsprachen, und gefiel sich in abgekürzten Tempos, die dem Lebens- prinzip der Kavallerie — der Geschwindigkeit — voll- kommen entgegenstanden *). Da, in den dreifsiger Jahren, kam die Renn- und Jagdreiterei als ein neues Element aus England zu uns herüber und übte einen wohltätigen Einflufs auf unsere Soldatenreiterei aus, die sie aus der dumpfen Bahn wieder aufs freie Feld führte. Viele aber erklärten nun die alte Bahnreiterei für *) Fr. V. Krane, Anleitung zur Ausbildung von Kavallerie- Remonten. Einleitung. 3 abgestanden, warfen sich ausschliefslich der neuen Art Eeiterei in die Arme und erreichten dadurch nur Un- ordnung und struppierte, ungehorsame Pferde. Der wahre Reiter steht über jeder Zeitströmung und schwärmt weder endlos für die Bahnreiterei noch steht er der anderen unverständig entgegen. Die Rennreiterei an und für sich zerfällt nun in Rennen auf flacher Bahn und über Hindernisse. Erstere bedingen einen anderen Sitz der Mittel- positur und erfordern bei weitem nicht den Gehorsam •des Pferdes als die letzteren. Da für Offiziere das Reiten von Jagden und Jagd- rennen die Hauptsache ist, so mag hier nur der Ein- flufs dieser Art der Rennreiterei auf die Soldatenreiterei zur Sprache kommen, ohne dabei der Rennen auf freier Bahn zu vergessen. Einflufs der Rennreiterei auf die Reitkunst. Mittelpositiir. Betrachten wir zunächst den Einflufs der Renn- reiterei auf die Reitkunst. Die wichtigste Positur beim Reiten bleibt die Mittelpositur, denn nur derjenige kann gut reiten, der sie allein zum Sitz benutzt. Dazu gehört, dafs das •Gesäfs nach vorn geschoben wird uni nicht auf dem Sattel herumfliegt und dafs das inwendige Knie (die innere Fläche des Knies) unzertrennlich am Pferde fest anliegt. Bei keinerlei Reiten wird man mehr veranlafst, richtig mit der Mittelpositur zu sitzen als beim Steeple- 1* 4 Einleitung. chasereiten , denn hier mufs man das Gesäfs still halten, wenn man nicht sich und das Pferd ermüden und jede Einwirkung verlieren will. Das inwendige Knie ist der einzige Teil des Körpers, mit dem sich der Reiter festhalten darf; be- nutzt er dazu die Unterpositur, so verliert er die Mög- lichkeit, damit auf das Pferd einzuwirken, und stört dasselbe fortwährend. Der Jokey steht nur deshalb im Bügel und hält mit festanliegenden Knien das Gesäfs über dem Sattel, weil er so das galoppierende Pferd bei dem Auf- und Abwölben des Rückens am wenigsten inkommodiert; kommt es jedoch zum Treiben, so setzt er sich in den Sattel und wirkt nun vereint mit dem Gesäfs und der Unterpositur auf die Hinterhand des Pferdes ein, d. h. er treibt dieselbe an die Zügel heran, um auf diese Weise die höchste Anstrengung des Pferdes, natürlich nur auf kurze Strecken, zu entwickeln. Da viele Pferde der Peitsche besser gehorchen als dem Sporn, so wird der gute Reiter dann lieber erstere benutzen , um im Verein mit dem Gesäfs die Hinterhand vorzutreiben. Der Steeplechasereiter kann allerdings, wenn kein Hindernis und kein unebenes Terrain gerade zu überwinden ist, auch in den Bügeln stehen, mufs jedoch verstehen, sich, wenn es notwendig wird, vorsichtig wieder in den Sattel zu setzen, ohne das Pferd dabei zu stören. Kommt der Reiter an ein Hindernis, so mufs er allein mit der Mittelpositur sitzen, um die Unterpositur zur Disposition zu haben; ist er des Gehorsams seines Einleitung. 5 Pferdes sicher, so braucht er sie nicht, fühlt er da- gegen, dafs es sich weigern will, so mufs er mit beiden Schenkeln resp. Sporen einwirken. Der schlechte Reiter wird in diesem Augenblick wahrscheinlich an einem Zügel ziehen und die Unter- positur als Gegengewicht benutzen, d. h. mit vor- gestreckten Unterschenkeln dagegenstemmen , während der gute Reiter den Gegendruck, den er momentan braucht, nicht in den Bügeln, sondern in dem Gewicht des Körpers, dem Gesäfs und dem inwendigen Knie suchen wird. Das liegt in dem richtigen Gebrauch der Mittelpositur. Bei unserer Soldatenreiterei wird diese wichtige Positur sehr leicht vernachlässigt, weil sie nicht so ins Auge fallend ist als z. B. die Formen der Oberpositur, weil ferner in kurzen Gangarten der unruhige Sitz nicht so nachteilig wirken kann als in schnellen. Aufserdem sind die Truppenpferde nicht so fein- fühlend wie das edlere Rennpferd, und schliefslich wird beim gewöhnlichen Reiten die durch unruhigen Sitz bewirkte unnötige Vergeudung der Kräfte nicht so deutlich hervortreten als im Rennen. Der Oberpositur liegt es ob, das Pferd zu führen und das Gewicht richtig zu verteilen, worauf später noch zurückzukommen sein wird. Fttliruug. Die gute Führung ist für jeden Reiter aufserordent- lich wichtig ; an ihr scheitern viele, sowohl in der Bahn als im Terrain und im Rennen. In der Bahn soll das Pferd daran gewöhnt werden, (5 Einleitung. die Hauptlast mit der Hinterhand zu tragen, damit sich das Tier länger konserviert und geschickter wird ; dazu ist es nötig, dafs durch die Einwirkung der Unterpositur die Hinterhand vorsichtig untergeschoben wird , so dafs sich das Pferd allein trägt und sich nicht auf die Zügel stützt, ohne jedoch hinter denselben zu sein. Im Rennen kommt es auf augenblickliche Kon- servierung nicht an, denn der Reiter will gewinnen, mufs also bei gröfster Schnelligkeit möglichst Kräfte sparen; das erreicht er, wenn das Pferd hinten nicht gebogen wird und in den Zügeln den fünften Fufs findet ; dazu gehört eine stärkere Anlehnung. Die gute Führung besteht nun darin, dafs das Pferd stets Ge- fühl im Maul behält und den Hilfen willig folgt; die schlechte zeigt sich dadurch, dafs dasselbe tot im Maul wird, den Hilfen widerstrebt und schliefslich ganz fest wird, weil der schlechte Reiter eben zu fest hält. Die Anlehnung, die das Soldatenpferd an das Mund- stück nehmen mufs, ist eine geringere als die des Rennpferdes, und es gehen in dieser Hinsicht die beiden Reitereien etwas auseinander; sie finden sich aber wieder in dem Gefühl, mit dem ein Pferd geführt werden mufs. Der Soldat, der sein Pferd ohne Gefühl festhält, wird dasselbe bald ruinieren und kann den Ansprüchen der kurzen Paraden und Wendungen nicht genügen; das Soldatenpferd hinter dem Zügel hat keinen Gang und kann im coupierten Terrain gar nicht gehen. Das Rennpferd, das ohne Gefühl fest gehalten wird, läuft sich zu Anfang müde und hat hernach Einleitung, 7 keine Kräfte mehr zum Kampf; hinter den Zügeln kann es gar nicht laufen. Es könnte nun als ein nachteiliger Einflufs der Rennreiterei angesehen werden, wenn man glaubte, jeder Rennreiter verlange, dafs sein Pferd im Dienst ebenso stark an die Zügel gehe als im Rennen. In der Praxis stellt sich jedoch die Sache anders. Derjenige, der sich darin übt, in scharfen Gangarten mit Gefühl zu führen, wird bald dahin kommen, dafs er sein Pferd durch Zungenschlag oder Schenkel zu stärkerer Anlehnung bewegen mufs, und dies ist das richtige. Wer aber mit stärkerer Anlehnung gut führt, wird mit geringerer erst recht gut führen; Reiter jedoch, die stets nur Pferde reiten, die wenig Anlehnung bean- spruchen, werden im Gebrauch einer stärkeren ohne Übung bleiben und in Verlegenheit geraten , wenn sie auf ein Tier kommen, das eine solche nimmt. Es ist wohl kaum anzunehmen, dafs ein Offizier von seinen Untergebenen verlangen wird, dafs sie ihre Pferde mit so starker Anlehnung reiten, als er selbst im Rennen geritten ist oder hat reiten sehen; ist er aber so unerfahren, es zu tun, so wird er gerade durch die Rennen, wenn er öfter reitet, zu der Über- zeugung kommen, dafs ein Pferd mit zu starker An- lehnung weder hier noch da mit Erfolg zu gebrauchen ist. Gewichtsyerteilimg. Von grofser Wichtigkeit beim Reiten ist die rich- tige Gewichtsverteilung. Oberst Krane sagt in seiner „Anleitung zur Aus- 8 Einleitung. bildung der Kavallerieremonten" , nachdem er vorher bedauert hat, dafs die Gewichtshilfen sehr in Mifskredit gekommen wären: „Erst durch die Renn- und Jagd- reiterei wurde die Aufmerksamkeit auf deren bedeutende mechanische Wirkung wieder neu belebt." Über die Gewichtshilfen sind die Ansichten noch heutzutage sehr verschieden, und das liegt zum grofsen Teil darin, dafs diese Hilfen falsch gegeben werden. Gefühllose Reiter suchen dieselben im Austreten der Bügel oder im Herumwerfen des Oberkörpers. In kurzen Gangarten, besonders in der Bahn, übertönen auch die Schenkel- und Zügeihilfen leicht die Gewichts- hilfen und es wird deshalb weniger darauf geachtet. Dennoch sind dieselben von grofser Wichtigkeit. Richtig angewendet, liegen dieselben nur in dem Ge- fühl , die Last des Körpers nach Bedürfnis vor- und rückwärts oder auf einen der beiden Gesäfsknochen zu verlegen, ohne dieselben zu verschieben. Im Rennen spielt die richtige Gewichtsverteilung eine grofse Rolle und ist die alleinige Motivierung der Redensart: A. reitet x Pfund besser als B. Wer im Rennen mit einem Zügel um eine Ecke zieht, reitet falsch; das Pferd biegt den Hals, schlägt sich leicht mit den Knochen und wendet viel schlechter als das durch Gewichtsverlegung gewendete. Bei jedem Hindernis, bei jedem Bergauf- und Berg- abreiten, bei jedem Straucheln des Pferdes erspart die geschickte Gewichtsverteilung Kräfte, verbraucht da- gegen die ungeschickte. Die meisten Stürze würden durch gewandtes Reiten Einleitung. 9 vermieden, viele köiiüen durch falsche Gewichtsverteilimg hervorgerufen werden. Die richtige Gevrichtsverteilung ist also beim Renn- reiten von so grofser Wichtigkeit, dafs jeder, der nur den geringsten Anspruch auf ein leidliches macht, sich dieselbe durch Übung zur zweiten Xatur gemacht haben mufs. Sitz, Führung, Einwirkung und Gewichtsverteilung, mit einem Worte die zum guten Eeiten überhaupt er- forderlichen Eigenschaften, mufs der Rennreiter im höchsten Grade besitzen, sonst ist er eben ein schlechter. Wer glaubte, das Rennreiteu bestehe nur in schneidigem Dahinjagen, der wird sich gewaltig wundern, wenn er in Gesellschaft guter Reiter reitet : er wird vor sich selbst erröten, und es wird sich ihm eine neue Welt in der Reiterei auftun, von der er bis dahin nichts geahnt hat. Sich nun in diese neue Welt hineinzuarbeiten und das Reiten zu erlernen, davor schrecken die meisten zurück; darum gibt es so wenig gute Rennreiter. Wer es aber versucht, der wird bald ein ganz anderes Verständnis für die Reitkunst erlangen, das auch auf seinen Wirkungskreis in der Soldatenreiterei den segens- reichsten Einflufs haben wird. Ausbildung der Pferde. Die Ausbildung, die der Trainer seinen jungen Pferden gibt , ist in Hinsicht der zu stellenden An- forderungen allerdings eine andere, als die der Offizier seiner Remonteabteilung angedeihen läfst, und es wäre gewifs ein nachteiliger Einflufs der Rennreiterei, IQ Einleitung. wenn ein Offizier dadurch zu dem Glauben verleitet würde, man müsse die Kemonten ähnlich behandeln wie ein Trainer seine zwei- und dreijährigen Pferde. Geliorsam des Pferdes. Letzterer verlangt nur die Ausbildung des Galopps und leidlichen Gehorsam und hat die Vorteile des starken Futters, der leichten Reiter und des guten Materials; ersterer mufs auf unbedingten Gehorsam hinarbeiten, die Pferde in allen Gängen gehörig aus- bilden und in die richtige Haltung bringen; dabei er- hält das Tier wenig Futter, trägt einen schweren Reiter und ist häufig schlecht gebaut. Anders schon stellt sich das Verhältnis bezüglich der Ausbildung eines Pferdes zu Jagd- und Steeple- Chase-Zwecken. In England und Frankreich werden dazu die Pferde probiert und nur diejenigen benutzt, die von Hause aus sehr viel Anlage und unbedingten Gehorsam zeigen. Die Leute sind dort eben reich genug, um sich Mühe und Arbeit zu ersparen, und haben sehr viel gute Pferde. Kauft sich dagegen bei uns ein Offizier ein Rennpferd, so will er auch einen Steepler oder w^enig- stens ein gutes Jagdpferd daraus machen. In den meisten Fällen ward er auf Widerstand stofsen und dann, wenn er nur einigermafsen Ver- ständnis hat (und solche Offiziere haben wir jetzt recht viele in der Armee), das Tier in die Bahn nehmen und durch Abbiegen, Schenkelweichen etc. die volle Herrschaft über dasselbe zu gewinnen suchen, um her- Einleitung. H nach in das Terrain zu gehen und das Pferd allmählich an Unebenheiten und Hindernisse zu gewöhnen. Auf diese Weise aber lernt ein Offizier, auch wenn er nicht so viel Verständnis oder Pflichtgefühl haben sollte, um sich alle einem Instrukteur notwendigen Kenntnisse (anderweitig) anzueignen , jedenfalls das Gefühl , ein Pferd gehorsam zu machen , und das ist für uns Soldaten gewiis die Hauptsache. Nur der Kavallerist hat Zuversicht und Mut zur Attacke und gefährlichen Patrouille, der auf einem gehorsamen Pferde sitzt, denn der Gehorsam und das Vertrauen zu seinem Reiter bringt das Pferd über die Hinder- nisse hinweg in das Karree der Feinde. Bei der jetzigen Kriegführung braucht unsere Armee in dieser Hinsicht ausgebildete Offiziere zu Hunderten. Zum Erlangen dieser Ausbildung aber ist der Rennsport ein gewifs nicht zu unterschätzender Hebel. Sport oder Handel! Wenn Oberst Krane in seinem vorerwähnten Werke bedauert, dafs in Offizierkreisen der kleine Pferde- handel dem Sport habe weichen müssen, und meint, dafs dadurch der Soldatenreiterei Abbruch geschähe , so läfst sich dagegen doch folgendes anführen : Der Offizier, der auf dem Handel kauft und reitet, bedenkt alles andere mehr als das , was er von seinem Pferde zur Kampagne braucht. Beim Kauf wird nur auf schöne Figur, auffallende, wenn auch unpraktische Bewegungen, gröfste Frömmigkeit (ohne Leistungen , sonst ist der Einkaufspreis zu hoch) und den gerade zur Zeit modernen Schnitt gesehen. 12 Einleitung. Bei dem sogenannten Zureiten dieser Pferde wird nur leidliche Kopfstellung und unbedingte Frömmigkeit verlangt, nie unbedingter Gehorsam. Im Terrain wird das dicke Tier so gut wie nie geritten; es könnte sich ein Haar krümmen, die Haut verletzen oder sonst einen Schönheitsfehler zuziehen. Es wird der Kosten halber nur mit der Ration gefüttert, dafür aber auch nicht angestrengt. Ob solch ein Pferd, oder ein Steepler resp. ein billiger Jagd- gaul, den Anforderungen einer Kampagne besser ent- spricht, ist wohl leicht zu entscheiden; welcher der beiderseitigen Besitzer entscheide jenes Wort: „Zeige mir deine Pferde, und ich kenne dich als Kavallerist." Einflufs auf die Ausbildung des Kavallerie- offiziers. Pferde selbst trainieren ist eine der lehrreichsten Beschäftigungen für den jungen Offizier, denn er lernt Pferdekraft beurteilen und empfindet den Nachteil jeg- licher Überanstrengung. Pferdekenntnis uud Training-. Der Verfasser einer neueren Schrift — „Gedanken über die Kavallerie der Neuzeit" — schreibt: „Die Kriege 1866 und 1870 haben uns im Friedensleben überrascht. Die Pferde der meisten Kavallerieregi- menter waren auf diesen schnellen Wechsel nicht vor- bereitet. Die meisten befanden sich nicht in Kondition, da in manchen Regimentern noch die Unsitte des Dick- fütterns bestand. Von gemästeten Pferden können Einleitung. J^ 3 Da türlich keine Leistungen verlangt werden. Unsere Pferde mit dem geringen Futter dick zu machen, kann nur durch Päppeln und Nichtstun auf Kosten der Aus- bildung und Kriegstüchtigkeit ermöglicht werden." Man glaubt gar nicht, was ein Pferd bei rationeller Vorbereitung zu leisten im stände ist. Das Zuviel ist ebenso gefährlich wie das Gegenteil und ist schädlich für das Material. Hierin nun die goldene Mittelstrafse zu halten, wird jedenfalls dem Offizier am besten ge- lingen, der sich in seiner Jugend geübt hat, Pferde nach ihrem Leistungsvermögen, Temperament, Futter- zustand etc., sei es durch Tourenreiten, sei es durch andere Art von Training, anzustrengen, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen. In dem ganzen Ge- biete der Pferdekenntnis wird er dadurch am ehesten ausgebildet und lernt, wie wichtig die oft vernach- lässigten kleinen Aufmerksamkeiten und Kunstgriffe in der Wartung und Pflege des Pferdes, im Winter sowohl als nach besonderen Anstrengungen, für die Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Konservierung der- selben sind. Das Steeplechasereiten der Kavallerieoffiziere ist von grofser Wichtigkeit für die dauernde Brauch- barkeit der Kavallerie zur Kampagne im Fall eines langen Friedens. BeheiTScliimg der Nerven. Der Steeplechasereiter lernt im scharfen Galopp und angesichts der Gefahr, welche die Hindernisse bieten, denken; denn er muss seine Nerven beherrschen, und beherrschte Nerven erlauben ein ruhiges Denken. 14 Einleitung. Er lernt, schnell zu urteilen , schnell zu sehen , er ge- wöhnt sich daran, nicht planlos einherzujagen , sondern mit kaltem Blute den Zweck seines Reitens im Auge zu behalten. Er lernt, einen gefürchteten Gegner besiegen und sich nicht durch den Nimbus, den dieser vielleicht um sich zu breiten weifs, beeinflussen zu lassen. Alles dieses sind Eigenschaften, die der Kavallerie- führer in der Kami^agne braucht. Kann ein Spiel auch nie annähernd den Ernst er- reichen, so steht ihm dieses jedenfalls am nächsten, abgesehen davon, dafs es das ritterlichste und schönste der Jetztzeit ist. Ein General hat einst geäufsert: „Die gescheitesten Leute machen mitunter die gröfsten Fehler." Zu Hause am Schreibtisch hätten sie diese wohl kaum begangen ; ihr Geist war eben durch etwas Neues, was sie um- gab, nämlich die Gefahr, benommen. In solchen Lagen aber ist der Steeplechasereiter, der hundertmal einer unvorhergesehenen Gefahr zu be- gegnen gehabt hat, zu Hause. In der Geschichte ist es übrigens mehrfach zu verfolgen, dafs Völker, deren Jugend an gefahrvollen Spielen keinen Reiz mehr fand, auch ihre Blütezeit hinter sich hatten. Der Offizier als Yorbild der Leute. Es ist durchaus notwendig, dafs der Offizier dem Manne als Vorbild diene und ihm imponiere; die neuesten Veränderungen im Exerzierreglement deuten mit Bestimmtheit darauf hin. Einleitung. X5 Es wächst in der Wirklichkeit der Mut der Leute im Vertrauen auf die richtige Führung der Vorgesetzten. Die Bahnreiterei aber macht wenig Eindruck auf den gemeinen Mann; mag der Vorgesetzte auch noch so kunstgerechte Seitengänge und Volten reiten; der Mann versteht deren Feinheit nicht und bildet sich ein, das auch zu können; wenn er aber selbst mit Mühe einen achtfüfsigen Graben überwindet und sieht den Offizier leicht einen doppelt so breiten springen, so imponiert ihm das, denn er weifs, er kann das nicht. Hört der Mann von seinem Offizier, derselbe habe ge- wettet, in so und so viel Zeit eine gewisse Quantität Champagner auszutrinken, so denkt er, das könnte ich auch, wenn ich nur den Wein dazu hätte; sieht er denselben aber eine Steeplechase gewinnen oder auch nur schneidig mit reiten , so imponiert ihm derselbe, und das Zutrauen wird erweckt. Zu Zeiten des grofsen Königs war das Steeple- chasereiten bei uns noch nicht eingeführt; dafür ritten die Offiziere weite Touren und machten gefahr- volle Kunststücke. Man denke nur an Seydlitz, der zwischen den Flügeln einer gehenden Windmühle hin- durchritt und beim Hetzen über Bauernwagen hinweg- sprang, was im Grunde genommen dasselbe bewirkte als das jetzige Steeplechasereiten , nämlich die Ver- achtung von Strapazen und Gefahren. Steht aber der Offizier mit dem Manne, was den Schneid anbetrifft, auf gleicher Höhe, so ist kein Vor- bild und keine Anregung mehr da und das Ganze sinkt bei einem längeren Frieden, trotz Bahnreiterei, immer tiefer in den Leistungen für die Kampagne. 16 Einleitung. Keitergeist. GaDZ besonders nutzbringend erscheint endlich der Einfliifs der Rennreiterei auf die Soldatenreiterei durch den Reitergeist, der durch den Sport in die Offizier- korps gebracht wird. Reitergeist I Was ist Reiter- geist? Reitergeist liegt nicht in der Bahn, nicht auf dem ebenen Exerzierplatz, er liegt in dem fröhlichen Galopp im Terrain. Geht ein Schwadronschef mit der Eskadron über schwieriges Terrain und auf den Ge- sichtern der Leute ist zu lesen: das war wohl unnötig, dabei brechen wir uns Hals und Beine — da herrscht kein Reitergeist; sondern da, wo, wenn auch einige fallen, doch Mut und Fröhlichkeit aus den Mienen spricht. Die Disziplin tut viel, aber der wahre Reitergeist kommt nur durch das Beispiel der Offiziere. Einer Kavallerie, in deren Offizierkorps ein solcher Geist weht, kann man getrost das weittragende Schiefsgewehr in die Hand geben; sie wird die Ansicht, dafs dadurch der zu unseren Erfolgen mehr denn je nötige ungestümeSchneid verloren gehen werde, schlagend widerlegen. Die heutige Bewaffnung des Feindes hat auf die Verwendung der Kavallerie im Felde einen grofsen Einflufs ausgeübt. Gegen schlechte Schiefswaffen oder auf Kavallerie zu attackieren, war nicht gar so schwierig, und leicht konnte ein schneidiger General eine Truppe begeistern. Jetzt soll eine Armee von einer halben Million Soldaten durch die Kavallerie verschleiert werden. Das kann Einleitung. 27 nicht ein schneidiger General, dazu gehören Hunderte von schneidigen Offizieren, die selbständig auftreten. Der dazu erforderliche Schneid, die Umsicht und Geistesgegenwart wird nicht durch Instruktion und Tradition erhalten, sondern nur durch das fortwährende Üben des Verhaltens in Gefahren, wie sie auch der Hindernissport bietet; nur dadurch wird das Über- winden derselben zur Gewohnheit und geht in das Blut über, und nur mit dahin ausgebildeten Offizieren kann man den Ansprüchen der modernen Kriegführung ge- nügen. Um dies zu beweisen , wollen wir die Gedanken vergleichen, die sich bei einer schwierigen Rekognos- zierung dem Schulreiter und dem Rennreiter unvermerkt aufdrängen werden. Wie komme ich wieder zurück? wird ersterer überlegen, wenn die Chaussee abgeschnitten wird, wie mag das Terrain seitwärts beschaffen sein? Werde ich auch nicht von schnellerer und stärkerer feindlicher Kavallerie angegriffen werden ? Das schnelle Laufen ist nicht Sache meines Braunen. Für heute habe ich wohl genug gesehen, vielleicht sieht ein anderer morgen mehr; auch fangen die Pferde wohl schon an müde zu werden etc. Der Steeplechasereiter kennt solche Gedanken nicht, oder er ist keiner. Dessen Charakter ist dahin ausgebildet und geübt, die Pointe zu erfassen und die Schwierigkeiten der Nebenumstände zu überwinden: er denkt: Im coupierten Terrain hat sich der Feind nicht so gut sichern können, da kann ich besser rekognos- zieren als auf der Chaussee. Ich mufs noch weiter vordringen, denn ich will etwas sehen; im schlimmsten von Tepper-Laski. 2. Aufl. 2 1 g Einleitung. Fall verliere ich ein paar Leute — ich komme schon durch , denn ich bin besser beritten als der Feind — entweder mit Nachrichten zurück oder gar nicht! Das sind aber die wahren Gedanken für einen rekognoszierenden Offizier; in denen liegt der Sieg und nicht in jenen. So geben wir uns denn der Hoffnung hin, dafs in unseren Offizierkorps die Jagd- und Rennreiterei — als Gegengewicht für die unumgängliche Schulreiterei — immer mehr Verbreitung finden möge, und sie wird es, denn das Wagliche und Kühne derselben und die öffent- lichen Triumphe haben für frische und mutige Herzen ihren besonderen Reiz. Das Klare in dem, was sie will, und die einfache und praktische Art, in der sie sich die Erfolge sichert, steht dem Unklaren, Un- bestimmten , Verschwommenen , vielfach phrasenhaft Traditionellen, der schnörkelhaften und mattherzigen Art der Schulreiterei glänzend gegenüber. Weslialb Offiziere Reuueii reiteu. Das Bedenken, dafs Offiziere den Sport dazu be- nutzen könnten, um Geld zu verdienen, ist gänzlich hinfällig, denn es ist wohl nirgends schwieriger zu profitieren, als gerade im Sport, und jeder Offizier, der Rennen reitet, würde unzweifelhaft mit Freuden auf den Vorschlag eingehen, auf pekuniäre Vorteile zu verzichten, wenn er dafür gegen die Nachteile gesichert würde. Die ritterliche Passion des Kampfes Mann gegen Mann, die Konzentrierung aller Kräfte, die unbedingte Hingebung in die Gefahr mit der Absicht, darin nicht Einleitiiiig. 19 nur nicht umzukommen, sondern zu siegen, die An- spannung des Geistes, den Gegner durch List und Ge- schick, sei es durch richtige Pace oder gewandte Über- windung der Hindernisse oder scMaue Benutzung des Terrains, zu übervorteilen, vor allem aber der Ruhm, aus allerhöchster Hand den Ehrenpreis zu empfangen — das sind die Gründe, weshalb Offiziere Rennen reiten. Die in diesem Kampfe hervortretenden Charakter- züge spiegeln sich im Kriege genau wider, nur dafs dort der Preis, um den man kämpft, nur der der Ehre ist und nicht das leidige Geld eine Rolle spielt; aber unsere, d. h. der Kavalleristen Pflicht ist es, uns im Frieden zu solchen Charakteren auszubilden, und des- halb lafst uns die Jagd- und Rennreiterei nach Kräften üben und fördern. Hannover, den 16. Februar 1875. you Tepper-Laski, Sekondeleutnant im 1. hannoverschen Ulanenregiment No. 13. 20 Einleitung. Vorstehende Arbeit wurde von dem jetzigen General der Kavallerie, Exzellenz Herrn von Rosenberg, seiner Zeit wie folgt beurteilt: Der Yerfasser zeigt, dafs er iu der kurzen Zeit seiner kavalleristischeu Laufbahu die aufserdienst- lichen Gespräche sowie die dieustliclien Instruktionen seiner älteren Kameraden mit grofsem Interesse und Verständnis aufgefafst hat. Sein sehr gutes, persönliches, üher alles Lob erhabene schneidige Reiten zeigt, dafs die hier gesagten Worte yon ihm richtig gefühlt und yerstanden werden und der wahre Reitergeist, der zu einem jungen Offizier notwendigerweise gehört, in ihm weht. Wenn Leut- nant von Tepper mit dem Eifer, Yerständnis und Geschick wie bisher sich bemüht, die Reiterei zu erlernen, so ist die Annahme berechtigt, dafs er einstens etwas Grofses darin leisten wird. Obgleich die Beantwortung der Aufgabe noch lange nicht erschöpft ist und die Gredanken nicht immer ganz logisch geordnet sind, so kann sie doch nur als sehr gut bezeichnet werden. Hannover, 1. März 1875. von Rosenberg, Major. Herr von Heyden- Linden auf ,,Buschiri' Herr von Kavser auf „Welle 11". Wer eignet sich zum Renureiter? Es ist ein Irrtum, wenn man annimmt, claTs eine ganz besonders technische Beanlagung dazu gehört, um mit Aussicht auf Erfolg Rennen reiten zu lernen. Freilich wird die höchste Stufe dieser Kunst nur denen erreichbar sein, die neben ausreichender Übung auch ein angeborenes Talent für jede Art von Reiten und gewisse andere körperliche und geistige Eigen- schaften besitzen, aber den Durchschnitt zu erreichen und Rennen zu gewinnen, sollte fast jeder befcähigt sein, der auf die Bezeichnung „Reiter" Anspruch macht, selbstverständlich also jeder Kavallerieoffizier, An Passion dafür fehlt es gewifs wenigen ; wo also nicht Gewicht oder Geldbeutel ein Veto einlegen, kann es nur Mangel an Selbstvertrauen und eine über- triebene Vorstellung von den Schwierigkeiten oder Fähr- lichkeiten des Rennreitens sein, die den jungen Reiter abhalten, sich den höchsten auf diesem Gebiete denk- baren Genufs zu verschaffen. Wer einmal das wundervolle Gefühl kennen gelernt hat, auf einem guten Pferde über eine faire Bahn ge- flogen oder gar als erster in einem Rennen eingekommen zu sein, der wird so bald nicht davon lassen können und gern die körperlichen Anstrengungen und Ent- 22 "Wer eignet sicli zum Eennreiter? hehrimgen in den Kauf nehmen, ohne die nun einmal Aufsergewöhnliclies nicht zu erreichen ist. Wie viele junge Reiter mag es geben, die Hervor- ragendes im Rennsattel leisten würden, wenn sie ihre Fähigkeiten nur einmal auf die Probe stellen wollten! Oft ist es nur der Zufall, der ein verborgenes Rennreittalent ans Licht bringt — wie das in anderen Fächern ja auch häufig vorkommt — , und dann herrscht allgemeine Überraschung, und man hört wohl sagen: „Wer hätte das gedacht; in der Bahn ritt er gar nicht besonders!" Letzterer Fall gerade kommt häufig genug vor. Also nur Mut, und den Versuch gewagt. Man wird einwenden: Wer setzt denn einen An- fänger auf ein Pferd? Darauf kann ich nur erwidern, dafs allerdings zu einem Debüt meist ein eigenes Pferd gehört, dafs aber w^ohl auch der erste Versuch in einem für Anfänger ausgeschriebenen oder kleinen Reitervereinsrennen gemacht werden oder ein solcher durch irgend welche Um- stände, wie Mangel an Reitern, leichtes Gewicht etc. gele- gentlich sich herbeiführen lassen kann; wenn der W^unsch nur recht dringend ist, findet sich auch die Gelegenheit. Schliefslich ist es ja aber nichts Unmögliches, sich ein für den Zweck geeignetes Pferd — oft sogar ganz wohlfeil — anzuschaffen, besonders für Offiziere, die- ja doch meist zwei eigene Pferde halten und sehr wohl eins davon ä deux mains gebrauchen können. Vielleicht interessiert es einige Leser, wenn ich hier kurz erzähle, wie ich selbst zum Rennreiten ge- kommen bin. Lebensweise und Training des Rennreiters. 23 Anfang der siebziger Jahre vom IL Garcleregi- ment nach Hannover versetzt, hatte ich — ich glaube — als einziges Pferd einen fiir ein Spottgeld im Tausch erworbenen alten Wallach „Blücher", der schon ohne jeden Erfolg früher in einigen Ofiizierrennen gelaufen war. Ein halbes Jahr nach meinem Eintritt ins Regi- ment fanden Reitervereins-Frühjahrsjagdrennen statt, und der damalige Hauptmann v. P. '^), dem an einer zahlreichen Beteiligung lag, redete mir solange zu, mitzureiten, bis ich mich endlich dazu entschlofs, ob- schon „Blücher" in keineswegs sachgemäfser Vorbe- reitung war. Der Zufall wollte, dafs ich gewann, und damit war denn Selbstvertrauen und Passion erweckt und bald so stark geworden, dafs all mein Dichten und Trachten darauf ging, in gröfserem Mafsstabe Rennen zu reiten, die Verwirklichung meiner Träume mich Tag und Nacht beschäftigte und ich alles an dieses Ziel zu setzen beschlofs. Ich habe diesen Entschlufs nie bereut. Lel)ensweise imd Training des Eenureiters. Wie für alle körperlichen Übungen, so sind Kraft, Gesundheit und gute Nerven Haupterfordernisse zur Erreichung aufserge wohnlicher Pvesultate im Eenn- reiten. Eine naturgemäfse , gesunde Lebensweise ist daher für den, der sich dieser Beschäftigung auf längere Zeit hingeben will, unerläfslich. Wer von einer sogenannten unsoliden Lebensweise, wie z. B. Trinken, Spielen, geschlechtlichen Aus- *) Jetzt Minister der Landwirtschaft. 24 Lebensweise und Training des Rennreiters. Schweifungen und dergleichen nervenschwächenclen An- gewohnheiten nicht lassen kann, der soll sich auf Rennreiten lieber nicht einlassen, denn die Anstren- gungen und Aufregungen, die dasselbe mit sich bringt, erfordern ein ungeschwächtes Nervensystem und einen gestählten Körper, wenn die Erfolge mehr als ge- wöhnlich und die Gefahren verhältnismäfsig gering in Aussicht gestellt werden sollen. Einfache, kräftige Kost, viel Bewegung im Freien, zeitig Aufstehen und früh Schlafengehen, das wird stets die beste Vorbereitung für körperliche Anstren- gungen sein und für manche, die ihr Beruf oder Neigung oft und lange zu Pferde hält, schon genügen, um in die zum Rennreiten erforderliche Kondition zu gelangen. Anderen wird das freilich mehr Mühe machen und ohne viel Gehen, Turnen, Jagd- oder Arbeits-Galopps- reiten nicht ganz gelingen. Von dem übertriebenen persönlichen Sichtrainieren, besonders zum Zwecke der Gewichtsreduktion, rate ich aber im allgemeinen entschieden ab. Besser ist es, mit einigen Pfunden Übergewicht zu reiten als durch eine die Gesundheit angreifende Reduzierung des Körper- gewichtes ermattet für ein vielleicht anstrengendes Rennen in den Sattel zu steigen. Ist es durchaus notwendig, ausnahmsweise leicht zu reiten, so fange man mit der Vorbereitung dazu mindestens acht Tage vorher an. Die Art und Weise des Trainings hierfür wird allerdings nicht für alle Naturen die gleiche sein dürfen. Im allgemeinen empfiehlt es sich, neben einer ge- eigneten Diät (wenig Essen und Trinken, eventuell Herr von Sydow auf „Wellgunde" Lebensweise und Training des Rennreiters. 25 letzteres erst anderthalb Stunden nach dem Essen. Vermeiden von Brot, Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Süfsig- keiten etc.) das Hauptgewicht auf eine reichliche Schweifsabsonderung zu legen, Dieselbe sollte aber durch körperliche Anstrengung — Schwitzgehen — , nicht durch römische Bäder bewirkt werden; letztere können allenfalls zum Nach- schwitzen nach ersterem benutzt werden. Zum Schwitzgehen wählt man am besten natür- lich einen warmen, windstillen Tag, doch wird man gewöhnlich nicht in der Lage sein, auf einen solchen zu warten. Man sucht dann tunlichst vom Winde ge- schützte Wege auf, bekleide sich mit warmen wollenen Unterkleidern und je nach der Temperatur mit mehr oder weniger warmen Oberkleidern; wer schwer in Schweifs gerät, mufs sich natürlich um so wärmer an- ziehen und um so länger gehen. Länger als zwei Stunden sollte kein Schwitz - gehen dauern; anderthalb Stunden w^erden meistens genügen. Wichtig ist es, dafs von Anfang an in einem guten Tempo gegangen wird, weshalb es sich empfiehlt, einen guten ^Marschierer als Begleiter mitzunehmen. Es wird sich zwei- bis dreimal während des Gehens ein Gefühl der Müdigkeit einstellen, welches über- wunden werden mufs, ohne im Tempo nachzulassen. Gerade die Forcierung des letzteren, gegen Ende des Schwitzgehens, wenn die Ermattung zum Nach- lassen verleitet, ist es, welche die Hauptwirkung her- vorbringt. Einigermafsen wohlgenährte Personen können durch 26 Lebensweise und Training des Rennreiters. den ersten Schwitzgang ziemlich 3—4 Kilo verlieren, bei dem nachfolgenden 2 — 3 Kilo, beim dritten 1 — 2 Kilo. Mehr als drei Schwitzgänge in der Woche ist es nicht ratsam zu unternehmen; die angegebene Gewichts- reduktion ist auch schon sehr beträchtlich und ohne Gefahr kaum zu erhöhen. Ein römisches Bad mit darauffolgender Massage und kühlen (nicht kalten) Duschen ist nach dem Schwitzgehen ebenso angenehm als nützlich; nur hüte man sich, dem naturgemäfs danach stark auftretenden Durstgefühle nachzugeben, weil dadurch die Haupt- wirkung des Schwitzens, die Flüssigkeitsabsonderung, wdeder aufgehoben wird. Ein Glas Tee oder Wasser , langsam getrunken, genügt, um den Durst, der sich nachher von selbst verliert, zu stillen. Durch geeignete Purgiermittel kann tags vor dem Rennen noch nachgeholfen werden. Das ist aber schon alles ein Training, der nur ausnahmsweise angewendet werden darf, wenn nicht die Gesundheit gefährdet werden soll. Personen, die kein überflüssiges Fleisch resp. Fett — sozusagen nichts zuzusetzen — haben, ist von jedem derartigen Versuche zur Reduktion des Körpergewichts entschieden abzuraten. Am Renntage selbst sollte man es einzurichten suchen , die letzte Mahlzeit mindestens zwei Stunden vor dem Rennen, und auch diese nicht zu reichlich, zu sich zu nehmen. Der Genufs von Spirituosen vor dem Rennen ist zum mindesten unnötig und, wenn er zur Angewohnheit wird, nachteilig. Anzug und Benehmen des Eennreiters. 27 Alizug und Benehmen des ßennreiters. Wenn Kleider Leute machen , so kann man dies von den Manieren wohl mit demselben Recht behaupten, weshalb beides füglich in ein Kapitel zusammengefafst werden kann. Was den Anzug anbetriift, so braucht derjenige kaum einen Bat, der in der Lage ist, sich bei den besten englischen Firmen zu equipieren. Man kann sich aber anständig und zweckent- sprechend auch für die Hälfte oder noch weniger dessen kleiden, was man für das Renommee dieser Lieferanten zu zahlen hat. Wenn man nicht zufällig einen Schneider und Schuhmacher kennt, der gut nach englischem Muster zu arbeiten versteht, so verschalFe man sich gut- gearbeitete Sachen, die man von gewandten Hand- werkern nachmachen lassen kann. Natürlich ist es not- wendig, dafs dieselben zur Kopierung des Schnittes auseinandergetrennt werden. Bei einiger Übung und sorgfältiger Beschaffung devS Materials werden die gelieferten Sachen sich von den englischen nur wenig unterscheiden und jedenfalls dem Zwecke völlig entsprechen. Das Hauptaugenmerk richte man auf die Bein- kleider, damit keinerlei Spannung empfunden und das leidige Durchreiten möglichst vermieden werde. Dazu gehört, dafs dieselben von oben bis unter das Knie eine mehr als genügende — man mufs auf etwas Einlaufen durch Waschen rechnen — Länge und Weite besitzen, unter dem Knie dagegen so fest anliegen, dafs die Knöpfe , die vorn am äufseren Schienbeinknochen 28 Anzug und Benehmen des Rennreiters. liegen müssen, ohne Zuhilfenahme eines Knöpfers schwer zugeknöpft werden können. Hat man sich trotzdem unterm Knie durchgeritten , was nicht immer zu ver- meiden sein wird, so legt man auf die betreffende Stelle ein handgrofses Stück Verband watte , die man durch einen Gummikniestrumpf befestigt. Die Stiefel müssen bequem sein und vom besten Leder angefertigt. Die Bluse, die von Seide oder Atlas, im Winter auch von gestrickter Wolle, gefertigt wird, sollte, wenn man deren nicht mehr als zwei, die man selbst ge- braucht, anschaffen will, von mehr als genügender Länge und Weite sein, damit sie zur Not auch einem gröfseren Reiter dienen kann, ohne aus den Beinkleidern herauf- zurutschen. Dieselbe kann man sich auch übrigens nach einem Muster zu Hause oder von einer Schneiderin anfertigen lassen , wodurch man , ohne schlechter angezogen zu sein, sehr viel Geld sparen kann. Die Kappe mufs über die Ohrenspitzen gezogen und so fest zugebunden sein, dafs sie nicht verloren werden kann , was stets einen schlechten , dilettanten- haften Eindruck macht. Man mufs mindestens zwei vollständige Rennanzüge besitzen, von denen der eine, wenigstens was Beinkleider und Stiefel anbetrifft, von stärkerem, der andere von möglichst leichtem Material angefertigt sein sollte. Den ersteren, der natürlich dauerhafter ist, benutzt man für gewöhnlich , den letzteren nur zur Aushilfe und wenn man sehr leicht reiten mufs. Was die Unterbeinkleider betrifft, die man stets iMr. R. Gore auf „Red Prince' ^ J ^^^^m^^^si'^^^SUR m M W^^S^^'^ißß^ ^iipiiw^ijigi lJ jW\ j/ Herr O. Suermondt auf „Meistersinger". Anzug und Benehmen des ßennreiters. 29 nach dem Renneu ausziehen sollte, so haben sich sehr gut sitzende Trikotunterhosen oder bis über die Knie reichende ebensolche Strümpfe am besten bewährt; ebenso trage man unter der Bluse eine mehr oder minder warme Trikotunterjacke. Um den Hals trägt man einen weifsen sogenannten Piquejagdschlips oder ein als Schlips zusammengelegtes Seidentuch, das mit einer Doppelnadel (nicht Tuch- nadel) zusammengehalten wird. Man kann dann das Hemd vollständig weglassen, was auch den Vorteil hat, dafs das Umziehen nach dem Rennen vereinfacht wird. Als Sporen — die beiläufig bemerkt — nur aus- nahmsweise angelegt werden sollten, wähle man mäfsig lange silberne oder neusilberne Anschnallsporen, die so hoch über der Ferse sitzen müssen , dafs man auch rankleibige Pferde, ohne besondere Mühe, an der richtigen Stelle (möglichst dicht am Gurt) treffen kann. Die Peitsche soll aus gutem Material gearbeitet und nicht zu biegsam sein. Über dem Rennanzug trägt man einen langen, mög- lichst aus etwas regendichtem Stoff gearbeiteten Paletot, den man erst beim Aufsitzen ablegt. Für schmutziges Wetter mufs man Überschuhe in Bereitschaft halten, denn nicht nur, dafs der Rennreiter immer sauber zu Pferde steigen sollte (wenn er auch noch so schmutzig wieder absteigen wird), so ist es auch lästig, geballten nassen Lehm an den Füfsen zu schleppen, was ohne Überschuhe manchmal unvermeid- lich ist. Ich kann nicht umhin, zu erwähnen , dafs die für 30 Anzug und Benehmen des ßennreiters. Offiziere in Deutschland zum Rennreiten vorgeschriebene Uniform ein recht unzweckmäfsiger Anzug dafür ist. Abgesehen davon, dafs es für das Publikum schon bei klarem Wetter nicht leicbt ist, die Pferde unter gleich oder ähnlich angezogenen Pieitern zu erkennen, so wird dies bei dunklem Wetter oder auf gröfsere Entfernungen geradezu zur Unmöglichkeit. Dafs es nebenbei sehr kostspielig ist, wenn man in Uniform — die an einem schmutzigen Tage verdorben werden kann — stets sauber erscheinen will, liegt auf der Hand. Der übliche Militärhosenschnitt ist auch wohl der ungeeignetste, der zum Reiten erfunden werden konnte, denn er behindert die freie Bewegung im Knie und befördert das Durchscheuern; Offizieren kann ich daher nur raten, ihre Rennbeinkleider möglichst nach dem oben beschriebenen Schnitt anfertigen zu lassen. Auch von den angeschraubten Sporen mufs ich diesen Herren abraten; denn erstens empfiehlt es sich nicht, jedes Pferd dieselben fühlen zu lassen, was un- willkürlich doch geschieht — sieht man doch sogar oft starke Verletzungen an den Schultern davon — , zweitens sind diese fest und dicht über dem Stiefel- absatz sitzenden Sporen sehr geeignet, das Hängen- bleiben im Bügel, die gröfste Gefahr beim Stürzen, zu befördern. Wer ein Liebhaber von Luxus und Eleganz ist, der wird sich mit obigen Andeutungen freilich nicht be- gnügen , wird aber bald Gelegenheit finden , sich über Toilettenfragen zu orientieren. Wichtiger aber als der Anzug scheint mir, wie Anzug und Benehmen des Rennreiters. 31 Überhaupt im Leben so auch für den Rennreiter, ein angemessenes Benehmen. Dafs ich das nicht als selbstverständlich voraus- setze, kommt daher, dafs selbst sonst wohlerzogene Leute sich zuweilen nicht gleich recht in die richtige Art eines öftentlichen Auftretens finden können, wie mich die Erfahrung gelehrt hat. Vor allen Dingen mufs alles vermieden werden, was einer Schauspielerei ähnlich sieht; dazu gehört jedes auffallende Benehmen, wenn man sich im Rennanzug, der an und für sich schon die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, im Publikum befindet. Man vermeide also peinlich allzu lautes Wesen, Witze zu machen, Zigaretten rauchend aufzusitzen u. dergl. Auf Fragen von selten des Publikums antworte man möglichst kurz und gebe niemals eine ganz bestimmte Antwort, wenn man nach den Chancen seines Pferdes gefragt wird : denn da man sich sehr oft irren mufs, so kann man sich durch eine Angabe, durch deren Nutzanwendung die Fragesteller vielleicht Geld ver- lieren, Unannehmlichkeiten zuziehen ; der unglückliche Wetter ist ja stets geneigt, zu glauben, dafs er „hinein- gelegt" worden ist. Wie häufig passiert es aber, dafs man bestimmt erwartet, ein Rennen zu gewinnen, und täuscht sich, und beinahe noch öfter, dafs man keine Chance zu haben glaubt und doch gewinnt! Den Leuten, die wetten, ist es dann kaum zu verdenken, wenn sie sich ärgern und ihrem Ärger — je nach ihrem Bildungs- grade mehr oder weniger höflich — hinterher Aus- druck ojeben. 32 Anzug- und Benehmen des Eennreiters. Wenn das sich ereignet — und welchem Reiter wäre es noch nicht passiert — so ist es entschieden das beste, so zu tun, als hörte man nichts, oder aber, wenn man einen der Schreier bestimmt erkennt, ihn nachher dem Vorstand so zu bezeichnen, dafs er zur Verant- wortung gezogen werden kann. Im allgemeinen sollte man, einmal zu Pferde, von dem Publikum überhaupt keine Notiz mehr nehmen, und logisch ist es daher, dafs man ebenso, wie man Äufserungen des Mifsfallens überhört, etwaige Beifalls- bezeugungen nicht beachtet, die überhaupt wohl be- zahlten Schauspielern , Stierfechtern und allenfalls Jockeys, nicht aber Amateurs zukommen. Nocli eins möchte ich hier erwähnen, besonders für die Herren, die auch im Auslande reiten wollen. In Deutschland ist es Sitte, dafs jüngere Herren, die mit älteren zusammen reiten, sich diesen vorstellen; doch sollte das vor dem Aufsitzen und lieber gar nicht, als am Start geschehen. Auch dem Richter läfst man sich hierzulande bekannt machen, was — besonders auf kleinen Plätzen — auch ganz zweckmäfsig ist. Im Auslande geschieht das jedoch im allgemeinen nicht, und da man dadurch Befremden erregen könnte, unterbleibt es besser. Es ist aber allenthalben gang und gäbe, unbe- kannterweise mit jedermann bei Gelegenheit zu sprechen und ohne Vorstellung angesprochen zu werden, was wieder den preufsischen Leutnant im Auslande anfäng- lich befremdet. Es ist dies eine von den Gewohnheiten anderer Länder, die den unserigen vorzuziehen sind und sich in j 1 /Ü ■piLgrv i^ SP^^^^rTTii^BMI ^^rlf/ I^i^t ; -^^^^II^SkJI ■^^ l^^^^l HQT HE i C ^^^^^^Bl^PiA'^ ^ T^ St^' ^^ ' '''" ^^Hfcx.-^ "^^ \-^ ^^***-*v ' j<- Herr von Eynard auf „Potiniere' Herr von Graevenitz auf ,,ZeIus- Sattel und Zäumung. 33 absehbarer Zeit, wie manches andere, wohl auch hier einbürgern dürfte. Hoffentlich gehört dazu auch die Bescheidenheit, die sich z. B. in der in England üblichen Ausdrucks- weise für unser: „Ich habe so und so viel Rennen gewonnen," doku- mentiert, welche lautet: „I rode so many winners" (ich habe so und so viel Sieger geritten). Liegt darin nicht ein ganz charakteristischer Unter- schied in der Auffassung? Der Engländer hat das Glück gehabt, auf dem Pferde zu sitzen, welches gewann; der Deutsche „hat gewonnen", er selbst. Sehr leicht bildet sich jemand ein, er sei als Reiter den übrigen überlegen, während er vielleicht nur auf einem besseren Pferde gesessen und herzlich schlecht geritten hat. Jedenfalls liegt in der englischen Redewendung die Bescheidenheit, die den Wert jeder Leistung erhöht, stets angenehm berührt und im Wesen und Benehmen des Rennreiters nie vermifst werden sollte. Sattel und Zäimiimg. Es versteht sich von selbst, dafs nur der allerbeste und dauerhafteste Sattel zur Benutzung für Rennen sich eignet; denn abgesehen von der Gefahr, die durch ein Schadhaftwerden entstehen kann, so ist nichts ärger- licher, als ein Rennen durch einen Umstand zu ver- lieren, der sich unschwer hätte vermeiden lassen. von Tepper-Laski. 2. Aufl. 3 34 Sattel und Zäumung. Es ist keine Seltenheit, dafs durch Platzen der Gurte, Reifsen der Bügelriemen, Zerbrechen der Bügel oder dergleichen ein Rennen aufgegeben werden mufs oder doch nur unter erschwerenden Umständen zu Ende geritten werden kann. Natürlich ist diese Gefahr bei den leichten Sätteln gröfser als bei den schwereren, und schon aus dem Grunde mache man sich zum Prinzip , stets auf dem gröfsten Sattel zu reiten, den das zu reitende Gewicht erlaubt. Wenn dieser bei einer soliden Firma gearbeitet — und nur von solchen sollten Ausrüstungsgegenstände zu Rennen bezogen werden — und wenigstens dreimal zu Hause probiert worden ist, so ist die Gefahr des Accidents beinahe ausgeschlossen; bei den ganz leichten (3 Pfund-) Sätteln ist dieselbe es bei Hindernisrennen niemals ganz, und Herren, die nicht sehr viel Übung und besondere Weichheit im Sitz haben und selbst schwer sind, möchte ich doch von Benutzung dieser leichten Sättel im Hindernisrennen ganz abraten. Der Vorteil der 1—2 Kilo, die sie ersparen, wird durch den Nachteil eioes unbequemen, ungewohnten Sitzes und die Möglichkeit eines Accidents mehr als aufgewogen. Was die Fasson des Rennsattels betrifft, so mufs er für den Reiter (mehr als für das Pferd) passen : daher müfste jeder Rennreiter seine eigenen Sättel haben, auch wenn er fremde Pferde reitet. Ein Reiter mit grofsem Gesäfs darf keinen zu kleinen Sattelsitz, einer mit langen Beinen keine zu kurzen Seitenblätter haben; die letzteren sollten mög- Sattel und Zäumung. 35 liehst schräg nach vorn gerichtet sein, wodurch man unter Umständen mit kurzen Bügeln reiten kann, ohne mit den Knien auf die Pauschen zu geraten. Wer sich aber gewöhnt hat, auf anderen, steiler geschnittenen Seitenblättern zu reiten und das bequem findet, der ändere nichts daran, denn: „Eines schickt sich nicht für alle." Vermeiden sollte man aber auf gröfseren Renn- plätzen schlecht aussehende, geflickte und etwa gar mit Bügeln für die Packtaschen versehene Militär- dienstsättel. Ebenso kann ich die wildledernen Sättel nicht gutheifsen, obgleich oder vielleicht gerade weil ich früher selbst viel darauf geritten habe. Wenn man sehr schwer reiten mufs, so empfiehlt «ich ein sogenannter Bleisattel, der, bis zu 15 kg schwer, jetzt viel gebraucht wird und den grofsen Vor- teil hat, das Gewicht absolut festliegend und gleich- mäfsig zu verteilen , ohne , wie schwere Bleidecken, einen Druck auf die Rippen des Pferdes auszuüben; dies gilt besonders von den üblichen grofsen Decken, •die mit zuschnallbaren Taschen zur Aufnahme der Eleiplatten versehen sind. Die Bleidecken, welche die Form kleiner Sattel- decken haben sollten und vorn und hinten beiderseits je eine, im ganzen also vier, mehr oder weniger starke Bleiplatten eingenäht enthalten, müssen vom besten Material gefertigt sein. Wenn man sechs Stück davon liat, von V2 — 5 Kilo, drei Sättel von ca. 2V2 kg, 5 kg und den Bleisattel von ca. 15 kg, so kommt man wohl .ganz gut aus. Für die Sättel, dereu jeder einzelne zur Aufbe- 36 Sattel und Zäumung. waliruDg und zum Transport einen Bezug aus Segel- tuch haben sollte, beschafft man sich eine grofse lederne Tasche, um dieselben auf Reisen nicht zu beschädigen ; natürlich nimmt man nur diejenigen zum Reni^platz mit, die man voraussichtlich brauchen wird. Was Zaumzeug und Zäumung betrifft, so würde es den Rahmen dieser Ausführungen überschreiten, wenn ich auf die geeignete Auswahl desselben für ver- schiedene Pferde hier näher eingehen wollte. Die für jede Art Rennen naturgemäfseste ist eine dicke, hohle Ringtreuse, die in das Kopfgestell ein- genäht oder eingeschnallt ist und ein (nicht zu kurz geschnallter) Martingal mit Vorderzeug, welches, am Sattel angeschnallt, ein Zurückrutschen desselben ver- hindert. Bei gurtentiefen , wesi)enleibigen Pferden ist. das ganz unerläfslich, denn bei diesen kann selbst mit. festgezogenen Gurten ein völliges Rückwärtsgleiten des Sattels eintreten; man mufs in diesem Falle an- halten und das Rennen aufgeben, wenn man nicht in der nächsten Minute unfreiwillig vom Pferde kommen will. Den Martingal halte ich, wenn man nicht sein. Pferd genau kennt, für durchaus notwendig, denn er verhindert dasselbe an gänzlichem Aufwerfen des Kopfes- (mit Gefahr für die Nase des Reiters verknüpft) und schützt so vor dem Verluste jeder Gewalt über einen, Sterngucker. Die Zügel, in die man sich bei Hindernisrennen, niemals einen Knoten machen darf und die auch die für Puller so beliebten Knötchen nicht haben dürfen (damit man sie beim Sprunge durch die Hand gieitea Graf J. Westphalen aut „Buschiri'\ Graf Bredow auf „Sanduhr". Sattel und Zäumnng, 37 lassen kann), sollten mäfsig lang, vom besten Kern- leder geschnitten und natürlich stets doppelt sein. Es ist also der in England beliebte einfache, durch den Martingal gezogene Zügel unzweckmäfsig, denn er nimmt dem Reiter die iMöglichkeit, dem Pferde den Kopf hochzunehmen , was in manchen Fällen — z. B. beim Bocken — notwendig ist; aufserdem kann auch ein Zügel platzen, was in Ermangelung von Doppel- zügeln verhängnisvoll werden kann. Bei Regenwetter werden Lederzügel sehr schlüpfrig und man sollte auf alle Fälle stets ein Paar Gurten- zügel mitnehmen, die man im Bedarfsfalle einschnallt und die überhaupt für Puller zu empfehlen sind. Reithalftern, scharfe Trensen, Kandaren, Schlauf- zügel, Nägel Scheiben, Scheuklappen und was dergleichen Instrumente mehr sind, sind eigentlich alle zu verwerfen, da sie — wenn überhaupt — nur anfänglich etwas nutzen und dann das Übel, dessenthalben sie zur An- wendung kommen, gewöhnlich nur verschlimmern. Fremde Pferde, die mit dergleichen Werkzeugen aus- gerüstet, einem zum Reiten angeboten werden, besteige man lieber nicht, ohne vorher die gewöhnliche Trense und Martingal aufgelegt zu haben. Meist gehen sie, dankbar für ersparte Schmerzen, dann besser als sonst, wie ich öfters erfahren habe. Die Beine der Pferde müssen vor Greifen und An- schlagen durch Bandagen* oder Gamaschen geschützt werden. Wenn die ersteren nicht sehr gut umgelegt werden, sind letztere — gut passend — entschieden vorzuziehen , denn es liegt auf der Hand , dafs durch 38 Kenntnis des Terrains. eine im Rennen sich lösende Bandage ein böser Sturz herbeigeführt werden kann. In Deutschland und Frankreich, wo fast überall feste Gegenstände, wie Mauern, Koppelricks u. s. w. zu. springen sind , sollten auch die Hinterbeine mit Ga- maschen zum Schutz der Schienbeine versehen werden. Abgesehen von den entstellenden Verdickungen , die durch Verletzungen der vorderen Fläche derselben entstehen, kann auch eine Knochenhautentzündung die Folge sein, die weiteres Arbeiten oder Laufen eine Zeitlang unmöglich macht. Kenntnis des Terrains. Es ist durchaus notwendig, dafs der Reiter das Terrain, auf dem er ein Rennen reiten will, genau kennt. Das gilt nicht nur für Jagdrennen, sondern auch für Hürden- und Flachrennen. Abgesehen davon, dafs die Kenntnis auch mancher Flachbahnen wegen Bodenverhältnissen, etwaigen Un- ebenheiten, Biegungen u. s. w. demjenigen Vorteil bieten kann, der dieselben sorgfältig besichtigt hat, so sind sogar zuweilen auf kleinen Plätzen die die Bahn be- zeichnenden Stangen in so weiten Zwischenräumen und so unzweckmäfsig gestellt, dafs man sich ohne Kennt- nis der Bahn leicht irren und ein Rennen dadurch ver- lieren kann. So ist es mir beispielsweise passiert, dafs der mir gehörige Sieger eines gröfseren Flachrennens disquali- fiziert wurde , weil der Jockei , obgleich er schon zwei Tage auf dem betreffenden Platze galoppiert hatte. Kenntnis des Terrains. 39 schon an der ersten Biegung eine etwas aus der Rich- tung gestellte Bahnstange ignorierte"^). Im Hindernisrennen ist das sogenannte „Verreiten", wozu ich nicht nur Einschlagen einer falschen Bahn, Verfehlen der Wendeflaggen und dergi., sondern auch jede Art von unbeabsichtigtem Umwege rechne, selbst- verständlich viel häufiger. Es ist daher für diese Rennen meist ein Termin angesetzt, an dem das Terrain offiziell gezeigt wird. Dabei sollte kein Reiter fehlen, es sei denn, dafs er dasselbe schon ganz genau kennt und sich vergewissert hat, dafs keinerlei Veränderungen vorgenommen worden sind oder werden könnten. Für besonders komplizierte Steeplechasebahnen, wie sie in Deutschland nicht eben selten sind, genügt sogar ein einmaliges Abgehen des Terrains in der Regel nicht, besonders wenn man die Absicht hat oder genötigt wird, das Rennen zu führen. In scharfer Gangart und in der Erregung des Rennens ist es nicht ganz leicht, sich auf einem nicht genau bekannten Terrain so zurecht zu finden , dafs man über die Richtung und den besten Weg zum Galoppieren und die beste Stelle zum Springen nie- mals im geringsten Zweifel ist, welcher den Gewinn- chancen jedenfalls zum Nachteil gereichen würde. Besonders gilt dies für etwas kurzsichtige Herren, auch wenn dieselben mit Augengläsern reiten, denn diese können bei Regenwetter oder durch von vor- weg vorgaloppierenden Pferden geworfenen Schmutz leicht unbrauchbar werden. Aus diesem Grunde *) Bastard im Jahre 1894 in Neufs. 40 Kenntnis des Terrains. empfiehlt sich übrigens das Tragen eines Monocles (vor- ausgesetzt, dafs man daran gewöhnt ist), weil man das- selbe jederzeit fallen lassen kann. In Bezug auf den einzuschlagenden Weg sollte man sich — sofern man seiner Sache sicher ist — nur auf sich selbst verlassen, nicht auf die voranreitenden oder auf etwaige Rufe der, folgenden Herren. Ich habe mich, soweit mir erinnerlich, unter circa tausend Rennen nur zwei oder drei Mal verritten, bezw. Umwege gemacht; das war, als ich — als Anfänger — hinter Herren herritt, die ich für unfehlbar hielt und später einmal, als ich es nicht für nötig gehalten hatte, eine eigentümliche Flachbahn ordentlich zu be- sichtigen. Niemals also steige man zu Pferde, ohne die Bahn, die man zu reiten hat, so genau im Kopfe zu haben, dafs man sie beiuahe im Finstern linden könnte und vor dem Aufsitzen und während des Reitens zum Start überhöre man sich zu diesem Zwecke wiederholt darüber. Durch unvorhergesehene Umstände, Verspätungen, Einspringen für einen verhinderten Reiter und dergl., kann es allerdings ausnahmsweise notwendig werden, ganz ohne die Bahn gesehen zu haben, reiten zu müssen. Zum mindesten wird man sich dann durch die Gefällig- keit eines Kollegen auf dem Wege zum Start etwas orientieren lassen, besonders das letzte Ende zum Ziel flüchtig ansehen können und dann, so gut es geht, sich hinter einen zuverlässigen Mitreiter legen, im übrigen aber eine sehr unterhaltende Jagd reiten. Ich habe zweimal, ganz ohne das Terrain zu kennen, gewonnen, das letzte Mal eigentümlicherweise vielleicht Grat S. Lehndoiil auf ,, Bastard". Graf W. Königsmarck auf ,,The Rake". Kenntnis des Terrains. 41 gerade deshalb; denn naturgemäfs hinter dem ge- schlossenen Felde liegend, sah ich, wie dasselbe, durch den innenliegenden Reiter verführt oder behindert, die letzte Wendeliagge in grofsem Bogen umschiffte , was ich natürlich vermied, zwanzig Längen und damit das Rennen gewann. Wie man durch sorgfältige Kenntnis des Terrains ein Rennen gewinnen kann, lehrt folgendes Vorkommnis. Der damalige Major von Rosenberg hatte im Jahre 1874 im Grofsen Badener Jagdrennen mit Red Nob wenig Chancen, des Baron Gramm Fantome zu schlagen. \0Y dem bekannten Badener Anberge liegt sumpfiges Terrain, um welches man auf einem Feldwege im rechten Winkel herumreiten mufste; Major von Rosen- berg fragte sich nun, ob es nicht möglich sei, statt auf den Katheten dieses Dreiecks, auf der Hypotenuse, also quer durch den Sumpf zu reiten, wodurch man mindestens 50 Längen gewinnen mufste. Er probierte das auf einem anderen Pferde aus und fand einen solchen ziemlich praktikabeln Streifen, den er sich mit Reiskörnern markierte. Im Rennen benutzte er diese Spur, profitierte, obschon langsamer reitend, doch über 20 Längen, ritt mit aller Macht nach Hause und schlug Fantome unter dem jetzigen General v. Mossner doch nur um einen Kopf. Seitdem ist an der Spitze des fraglichen Dreiecks eine Wendeflagge angebracht worden. Ähnlich machte ich es einige Jahre später, als ich Major von Rosenbergs Trikolore im Badener Armee- jagdrennen ritt. 42 Kenntnis des Terrains. Das Rennen führte damals auf halbem Wege durch ca. 300 Meter Wald, in dem nur zwei, bei dem plötz- lichen Wechsel von Sonnenlicht in Waldesdunkel schwer zu bemerkende Wendeflaggen standen. Um daher führend den Wald mit Vertrauen in voller Fahrt zu durchqueren, liefs ich mir kurz vor dem Rennen mit Kalk den einzuschlagenden Weg auf der Erde und an den Bäumen bezeichnen. Ich gewann dadurch gegen meine mir zaghafter folgenden 12 Gegner mindestens zwanzig Längen und das Rennen. In demselben Walde passierte übrigens durch Mangel ähnlicher Vorsichtsmafsregeln einige Jahre später ein recht ernster Unglücksfall. Durch besondere Umstände — es war ein Jockei- rennen — hatte ich mich veranlafst gesehen, meinen mit allerersten Chancen ins Rennen gehenden Le Beau von dem verstorbenen Herrn 0. Oehlschläger reiten zu lassen. Im Walde wollte genannter Herr plötzlich einen anderen Weg als sein Vordermann einschlagen. Le Beau verstand entweder die Hilfe nicht oder wollte dem vor ihm galoppierenden Pferde folgen, kurz, Herr Oehl- schläger fühlte plötzlich, dafs er einem Baum in vollster pace nicht ausweichen konnte. Um seinen Kopf zu schützen, hielt er den Arm vor, der ihm vollständig am Ellbogen zersplittert wurde und fiel rückwärts her- unter. Das Rennen war verloren und der Reiter auf ein langwieriges Krankenlager geworfen. Kenntnis des Rennreglements. 43 Keiiiituis des Eeunreglements. Vorteile bieten sich auch dem Reiter eines Rennens zuweilen, und Weitläufigkeiten lassen sich vermeiden durch genaue Kenntnis des Rennreglements. Es ist eigentümlich, wie gleichgültig hieigegen sich oft nicht nur Herren , sondern auch Jockeis zeigen. Für letztere, die für ihre Dienste bezahlt werden, ist es geradezu unverantwortlich, wenn sie sich aus purer — besonders Engländern eigentümlicher — Dickfellig- keit nicht vollständig mit den Regeln vertraut machen, deren Aufserachtlassung ein Rennen kosten, deren Kennt- nis eins gewinnen kann. Ich will hier nur einen Fall erwähnen. Fehlt irgendwo, an einem Hindernisse oder an einer Wendung, eine Flagge, die nicht etwa durch einen Reiter resp. ein Pferd in demselben Rennen um- geworfen, so gilt dieselbe als nicht vorhanden, und man iiat nicht nötig, die Stelle, wo sie hingehörte, zu respektieren, kann also bei einem Hindernis vorbei, oder um eine Wendung auf dem kürzesten Wege reiten, dabei also eventuell ungezählte Längen gewinnen. Freilich gehört dazu Kopf und Geistesgegenwart. Mehr- fach ist etwas Ähnliches bei Hürdenrennen, in denen es vergessen worden war, die Wendungen der Flachbahn auszuflaggen, vorgekommen, und ein diesbezüglicher Protest hat, dem Reglement gemäfs, stets zu Gunsten des Abschneidenden entschieden werden müssen. Da nach dem Rennreglement nur die Flaggen und keine mündlichen Vorschriften von selten des Vorstandes oder Terrainzeigenden bindend für den Reiter ^4 Kenntnis des Rennreglements. sind, so lasse man sich, wenn etwa auf einem kleinen Platze die Wendeflaggen für die Hürdenbahn fehlen und nicht rechtzeitig aufgestellt werden können, nur dann darauf ein, sich z. B. zu verpflichten, die Markierung der Flachbahn zu respektieren, wenn sämtliche Kon- kurrenten schriftlich dasselbe versprechen, also kein Protest in dieser Hinsicht zu befürchten ist. In Bezug auf Wertlosigkeit mündlicher Erläute- rungen ist mir vor Jahren auf einem grofsen Platze folgendes begegnet: Als ich das Terrain abging, welches, soviel ich mich erinnere, schon vorher oder gar nicht offiziell gezeigt worden war, fand ich am Ende eines die Fkich- bahn umziehenden Abzugsgrabens eine weifse Fahne; rechts von derselben war der Graben zu Ende oder überdämmt. Die Wendung, die von dieser Stelle zur letzten Hürde führte, war sehr gering, aber eher nach rechts als nach links; als linke Wendeflagge hatte die Fahne also keinen Zweck. Bekanntlich bezeichnen in Deutschland rote Flaggen, die rechts bleiben müssen, Rechtswendungen, weifse Linkswendungen ; ebenso sind die Hindernisse rechts rot, links weifs ausgeflaggt. Da ich nun ein sehr sicher und aufmerksam springendes Pferd reiten wollte und man besser gegen die letzte Hürde kam, wenn man, ohne die Flagge zu beachten, den Graben sprang, so fragte ich den die Bahn offiziell zeigenden Beamten, was die weifse Flagge bedeute, da doch keine Linkswendung dort bezeichnet werden könnte. Er antwortete, es sei auch keine Wendeflagge, sie solle nur die Stelle bezeichnen, wo der Graben auf- Herr K. von Zingler auf „Flieder". Graf zu Solms aut „Bavarian". Allgemeine Reitfertigkeit. 45 höre ; meine Frage, ob man denn nicht also den letzteren springen dürfe, bejahte er ausdrücklich. Ich tat es also, gewann leicht, es wurde protestiert und mein Pferd disqualifiziert trotz aller Argumente, die ich bis zum obersten Schiedsgericht zu meinen Gunsten anführte. Das Reglement sprach gegen mich. Allgemeine ßeitfertigkeit. Die Grundsätze der Reiterei gelten , wie früher erwähnt, im allgemeinen für jeden Zweig derselben und sind mutatis mutandis der Schulreiterei, der Kampagne- reiterei, der Jagd- und Rennreiterei gemeinsam. Da nichts Vollkommenes auf dieser Welt existiert, so gab es, gibt es und wird es kaum je einen Menschen geben, der alle Zweige der Reitkunst gleichmäfsig voll beherrscht, schon weil die zur Erreichung höchster Fertigkeit auf den verschiedenen Gebieten notwendigen Eigenschaften und Kenntnisse eben ver- schieden und deren Aneignung zu zeitraubend ist, als dafs ein Individuum dieselben in sich vereinigen und vollständig beherrschen könnte. Wie auf manchen anderen Gebieten, so ist auch in der Reiterei die höchste Leistung von einer gewissen Einseitigkeit schwer zu trennen. Die beiden Extreme, die Schul- und Rennreiterei, berühren sich aber in der Kampagnereiterei; in der Theorie würde also jemand, der es in letzterer zur Perfektion gebracht hat, auch ein vortrefflicher Schul- und Rennreiter werden können; denn er mufs sowohl die allgemeinen unerlälslichen Eigenschaften — Sitz, Hand, Einwirkung — als die speziellen — Geduld und feines 46 Allgemeine Eeitfertigkeit. Gefühl des Schulreiters, Geistesgegenwart und Energie des Rennreiters — besitzen. Vollkommen sind aber, wie gesagt, diese Eigen- schaften in einer Person niemals vorbanden bezw. aus- gebildet, und deshalb finden sich in der Praxis keine auf allen Gebieten der Reiterei gleichmäfsig hervor- ragende Koryphäen. Wenngleich es auch für die Rennreiterei gilt, dafs viele berufen, aber wenige auserwählt sind, so gilt doch auch das Sprichwort: „Übung macht den Meister." Zunächst mufs man natürlich auf dem Pferde über- haupt sich schon zu Hause fühlen, womöglich von Jugend auf geritten haben und ein guter Naturreiter sein. Das ist vorteilhafter, als wenn man schlechten Reitunterricht genossen und dadurch an Reitergefühl verloren hat. Das erste, was erlernt werden und auch später niemals ganz ungeübt gelassen werden sollte, ist die Sicherheit des Sitzes durch Gleichgewicht (Balance) und daraus folgend die Unabhängigkeit der Hand, die Führung. Das ist nicht anders zu erlernen, als durch Reiten auf Decke oder Sattel ohne Bügel und Zügel und bildet die Grundlage jeder aktiven Reiterei. Mit einiger Anlage und mehr oder weniger Übung wird jeder gutgebaute Mensch es darin zu einer gewissen Fertigkeit bringen können. Wer Kavallerist gewesen ist, wird dieselbe häufig schon besitzen und hat dann nur hin und wieder darin und in den sehr nützlichen Yoltigeübungen zu Pferde sich zu überhören und in Kondition zu erhalten. Für Herren, die das Reiten ohne Bügel und ohne Allgemeine Reitfertigkeit. 47 Zügel nicht oder nicht richtig erlernt haben, bemerke ich, dafs die Hauptsache dabei ist, dafs man sich übt, die Erhaltung des Sitzes durch Gleichgewicht (Balan- cieren) zu erreichen, nicht etwa durch sogenannten Schlufs oder gar Festklemmen mit den Unterschenkeln. Die letzteren müssen vielmehr ebenso wie die Füfse natürlich herabhängen, damit alle Gelenke und Muskeln losgelassen und alle krampfhaften Spannungen vermieden werden. Um das Herunterfallen zu verhüten, was zwar kein Unglück ist, halte man sich anfänglich im Vordeizeug oder Mähne fest, sobald man fühlt, dafs die Balance verloren geht. Erst wenn der Eeiter so weit ist, dafs er ohne Bügel und mit „Hüften fest" in allen Gang- arten und beim Springen seinen Sitz nicht mehr ver- liert, ist er überhaupt befähigt, aktiv zu reiten bezw. einzuwirken. Dazu braucht man die Schenkel und die Fäuste, und es liegt wohl auf der Hand, dafs, wenn man sich derselben bedient, um den Sitz nicht zu verlieren, man sie nicht stets zu aktiven Hilfen bereit haben kann und aufserdem das Pferd unwillkürlich beeinflussen und inkommodieren mufs. So selbstverständlich dies ist, so sündigen hierin doch viele Reiter, die von ihrer Reitfertigkeit eine um so höhere Meinung haben, je weniger Gefühl sie be- sitzen, um zu wissen, w^as ihnen fehlt. Am deutlichsten ist das beim Springen zu beob- achten, und man kann z. B. getrost den Reiter, dessen Pferd dabei öfters mit dem Kopfe nach oben ruckt, in 4g Wie erlernt man das Eennreiten? obige Kategorie zählen, zu der die Engländer ein grofses Kontingent stellen. Diese Leute kommen meist gar nicht auf den Ge- danken, durch oben erwähnte Übung den Sitz zu er- lernen oder zu vervollkommnen; denn darin, sowie in vielen anderen hippologischen Dingen halten sie alles Lernen für überflüssig, die Kenntnisse und die Be- fähigung dafür hat ihnen allen eine gütige Fee in die Wiege gelegt. Sie reiten drauf los, die Mehrzahl natürlich ohne Sicherheit im Sicherheit im Sitz und Kenntnis des Hilfen ; sind die Resultate dann ungünstig, so ist das Pferd schuld oder sonst etwas; selten ahnt der Empiriker, welchen Unfug zu Pferde er treibt, wenn er irgend etw^as Besonderes unternehmen will. Nachdem in vorstehendem festgestellt worden, welchen Grad von Reitfertigkeit jeder, der an Renn- reiten denken will , sich zuvor angeeignet haben sollte, wenden wir uns nunmehr zum Rennreiten selbst. Wie erlernt man das ßennreiten? Die nächstliegende Antwort hierauf lautet, wie aus dem Vorstehenden schon entnommen werden konnte : „Durch Übung". Vorauszugehen haben der Hauptübung aber Vor- übungen und Studium. Was zunächst das letztere anbetrifft, so ist dessen Wichtigkeit nicht zu unterschätzen. Allerdings verstehe ich darunter nicht literarische Studien, denn noch weniger als jeder andere Zweig der Reitkunst läfst sich die Rennreiterei theoretisch erlernen. Ich meine damit nur, dafs man sich mit dem Grat A. Eulenburg aut ,,Bavar]an' Herr W. von Rosenberg auf „Formosa". Wie erlernt man das Rennreiten? 49 Wesen derselben vertraut geinacM haben sollte, weifs, worauf es ankommt, technische Details und Ausdrücke kennt und so viel aus eigener Beobachtung von Rennen und Rennreitern herausgefunden hat , dafs man das Richtige vom Falschen zu unterscheiden versteht, mit einem Worte : einem Rennen so zusehen kann, dafs man die einzelnen Phasen desselben und die Leistung von Reiter und Pferd, besonders die Fehler der ersteren, einigermafsen richtig beurteilt. Es ist das gar nicht so schwierig und selbst Laien, wenn sie nur ein intensives Interesse daran haben, in höherem oder geringerem Grade erreichbar. Den Beweis dafür bietet die im allgemeinen richtige Beurteilung des grofsen — besonders des wettenden — Publikums von Reiter und Pferd. Es ist geradezu er- staunlich, wie genau dasselbe nach und nach aus eigener Anschauung sich zu orientieren und die Fähigkeiten von beiden meist richtig zu taxieren vermag. Die gewöhnlichsten Fehler der Anfänger, wie Um- wege machen, zu weit aus dem Rennen liegen, unnötig treiben und dergleichen, wird derjenige kaum begehen, der oft gesehen hat, welche Folgen solche Fehler haben und wie dieselben von guten Reitern vermieden werden. Man sollte also nicht eher öffentliche Rennen reiten, ehe man nicht als Zuschauer wenigstens das Beurteilungsvermögen gewohnheitsmäfsiger Rennbahn- b( Sucher sich angeeignet hat. Weifs man einmal, wie eine Sache gemacht werden soll, was richtig und was falsch ist, so ist es leichter, herauszufinden, was einem f( hlt und was man also zum besonderen Gegenstand der Übung machen soll. von Tepper-Laski. 2. Aufl. 4 50 ^^^iö erlernt man das Eennreiten? Das Nächstliegende ist der sogenannte „Rennsitz", dessen Korrektheit eine gewisse Routine voraussetzt. Die meisten Anfänger biklen sich ein, dafs es ge- nügt, wenn sie sich die Bügel kurz schnallen, sich in dieselben stellen, den Oberkörper vornüber neigen und losgaloppieren. So einfach ist es nun doch nicht, und die An- gewohnheiten verschiedener, zumal diffiziler Pferde werden den angehenden Jockey bald überzeugen, dafs das nicht immer geht. Eine feste Regel für den Sitz und die Länge der Bügel läfst sich absolut nicht aufstellen. Der Gesichts- punkt, von dem man dabei ausgehen mufs, ist der, dafs man durch den Rennsitz es dem Pferde so leicht als möglich machen mufs, zu galoppieren, ohne dabei die Einwirkung auf dasselbe zu verlieren. Es liegt auf der Hand, dafs sich derselbe also je nach Figur, Reitfertigkeit und Kraft des Reiters, sowie nach dem Gebäude und den Eigentümlichkeiten des Pferdes modifiziert. In der Tat sehen wir nicht nur, dafs gleich gute Rennreiter grofse Verschiedenheit im Sitz haben, sondern auch dafs dieselben je nach Umständen den- selben verändern und sich verschiedenen Pferden und Situationen anpassen *). *) Anmerkung. So ritten z. B. Herr v. Wilamowitz und Graf F. Metternicli mit sehr kurzen, Graf G. Lehndorff und Herr v. Rosenberg mit ziemlich langen Bügeln, und alle vier Herren gehörten zur besten Klasse der Rennreiter. Mit Bezug auf das Bild des ersteren Herrn, das die Unterschrift „Auf meinem Anvil" trägt, existiert eine Anekdote, "Wie erlernt man das Rennreiten? 51 Als Vorschrift möchte ich also nur das gelten lassen, dafs jeder sich nach seiner Figur, Kraft, An- gewohnheit und seinem Pferde den Sitz, der ihm der behaglichste ist, angewöhnt und denselben je nach Be- darf und Gefühl modifiziert. So habe ich Reiter, die anfänglich mit kurzen Bügeln zu reiten für nötig hielten, allmählich, mit zunehmender Übung und Kraft, dieselben verlängern sehen und das Umgekehrte zu meinem Leidwesen an mir selbst erfahren. Es wird also ein Gegenstand der Übung sein müssen, sich da auf verschiedenen Pferden, die keines- wegs Rennpferde sein müssen, im Jagdgalopp den Sitz anzueignen, der für Reiter und Pferd der geeignete ist, und das geschieht für Hindernisrennen am besten auf Jagd, sei es hinter lebendem Wikl, hinter Schlepp- hunden oder auf Schnitzeljagd; Gelegenheit zu einer von dieser Art Jagden findet sich ja häufig genug. die icb denjenigen meiner Leser, welche dieselbe nicht kennen, nicht vorenthalten will. Herr v. Wilamowitz war in den fünfziger Jahren einer der bekanntesten unserer Herrenreiter, und sein Bild auf ., Anvil" wurde sehr bekannt, da man damals nur selten dergleichen Porträts zu sehen bekam. Da geschah es, dafs er mit „Anvil" in einem Jagdrennen so zu Fall kam, dafs er eine Zeitlang unter das Pferd zu liegen kam, ohne sich jedoch weiter zu verletzen. Bald darauf brachte ein Witzblatt das bekannte Bild „Anvüs" mit der Unterschrift: „Auf meinem Anvil", dazu aber •ein Pendant , in dem obiger Sturz dargestellt wurde mit der Unterschrift; „Auf meinem Wilamowitz". 4* 52 ^Vie erlernt man das Rennreiten? Ehe man nicht ein firmer Jagdreiter ist, sollte man an Kennreiten nicht herangehen. Gewöhnlich finden auch im Anschlufs an die Jagden kleinere Eennen statt, und es ist sehr vorteilhaft, wenn man bei solcher Gelegenheit den Übergang vom Jagd- zum Rennreiten übt, ehe man sich öffentlich produ- ziert. Geht das gut, sollte man sich erst noch auf kleinen Plätzen ein wenig Routine aneignen, ehe man auf einer gröfseren Rennbahn auftritt, die ein durch Wetten und häufiges Zusehen so sportlich gebildetes Publikum besitzt, dafs eine augenfällige Inferiorität leicht dessen Spott hervorruft. Läfst es sich einrichten , so ist es gewifs sehr zweckmäfsig, wenn man aufser den Jagden auch noch Galopps auf Rennpferden , womöglich unter Aufsicht eines erfahrenen Herrn oder Trainers, zur Übung mit- reiten kann; meist geniigen schon einige Wochen, wenn man täglich einige Pferde in der Arbeit mitreitet — je mehr verschiedene, desto besser — , um sich, über den Sitz und die Behandlung derselben in schnellen Gangarten zu orientieren. Das einzige, worin es schwer ist, zu genügender Übung zu gelangen, ist der Finish oder das Ausreiten, und doch ist es gerade das, was der Übung bedarf, denn wir sehen, dafs bei sonst gleichwertigen Reitern, derjenige immer sehr im Vorteil ist, der vor dem andern die Praxis voraus hat, wie das z. B. von den meisten englischen Herren uusern Anfängern gegen- über gilt. Auf die Technik des Finish-Reitens komme ich bei späterer Gelegenheit zurück. Hier möchte ich nur Herr F. A. von Gossler auf „Fragile". Herr M. Lücke auf „Schwarzwald". Wie erlernt man das ßennreiten? 53 noch erwähnen, dafs das Üben desselben auf Reit- pferden oder sogar auf Ponys keineswegs zu verachten ist; die sind doch schon eher zu beschaffen als Renn- pferde, welche zu solchen Übungen kein vernünftiger Mensch gebraucht resp hergibt. Für das leidige Verlieren eines oder beider Bügel, welches wohl ein Rennen kosten kann, macht die Länge oder Kürze derselben keinen grofsen Unterschied aus; Reitern, denen das leicht passiert, empfehle ich sehr, um die Fufsgelenke einen fadendünnen Gummi- ring — wie er in Geschäften zum Umschnüren von kleinen Paketen benutzt wird — zu legen, der ein Yerlieren des Bügels beinahe unmöglich, das Wieder- fangen eines verlorenen allerdings schwer macht. Hat man aber in Hindernisrennen einen oder beide Bügel verloren und ist nicht sehr geübt im Reiten ohne Bügel, so suche man, wenn irgend möglich, die- selben vor dem nächsten S]jrung wiederzubekommen, wozu man sich seitwärts herunterneigen und den Bügel- riemen fassen mufs. Ist es aber nicht gelungen, oder befindet man sich so nahe am Ziel, dafs man sich damit nicht aufhalten kann — und ohne das geht es gewöhnlich nicht ab — , so ergreife man das Vorder- zeug oder die Mähne des Pferdes, um die Stütze für den Sitz zu behalten, die man sonst leicht im Maul desselben suchen müfste. Durchaus unsportlich und unkavalleristisch ist es, ein Rennen wegen verlorener oder eines zerrissenen Bügels aufzugeben, es sei denn, dafs die Schwierigkeiten des Pferdes dadurch alle Gewinnchancen aufheben. Ich habe schon manches Rennen mit fehlendem Bügel 54 Sitz und Hilfen. gewinnen sehen, z. B. die grofse Steeplechase zu Sandown Park von Bailot Box — wenn ich nicht irre — unter A. Kightiugale, dem schon auf halbem Wege beide Bügelriemen geplatzt waren. Sitz und Hilfen. a) Auf normalen Pferde n. Hat man sich in den im vorigen Kapitel besprochenen Übungen hinreichend befestigt, dafs man sich öffent- lich sehen lassen kann, so ist es sehr vorteilhaft, wenn man auf einem bequemen Pferde debütieren kann, da- mit man nicht durch äufsere Schwierigkeiten den eigentlichen Zweck der Übung, das Gewinnen des Kennens, aus den Augen verliert. Aufserdem ist der erste Eindruck, den man macht und empfcängt. oft entscheidend für die ganze Zukunft. Es gibt Pferde, deren harmonisches Gebäude, natür- liche Haltung und stetige Anlehnung an das Gebifs im Galopp den Reiter schon zurechtsetzen und sich zu Hause fühlen lassen. Auf diesen wird ein Yornüberneigen des Ober- körpers und Stellen in die Bügel bei anliegendem inneren Knie, senkrechtem Hang der Unterschenkel und tief stehenden Fäusten sich von selbst ergeben. Diese Haltung wird in Flachrennen und, wenn das Pferd gut springt, auch über kleine Hindernisse das ganze Rennen hindurch beibehalten werden können. Leider gehören diese Pferde aber doch zu den Ausnahmen, und es wird für die Mehrzahl der Reiter nicht immer möglich oder richtig sein, diesen Sitz ein- Sitz und Hilfen. 55 zunehmen bezw. beizubehalten. Meistenteils wird man je nach Gebäude und Angewohnheiten des Pferdes den- selben modifizieren müssen. Ich bin ein Freund von vornübergeneigtem Sitz, weil er dem Pferde angenehm sein mufs und ihm das Auf- und Abwölben des Rückens im Galopp und das Vorbringen der Hinterhand erleichtert. Die bekannten Baucherschen Versuche*), durch Wiegen eines auf zwei Wagen stehenden Pferdes fest- zustellen, wie grofs die Gewichtsverschiebung r^uf Vor- und Hinterhand durch den Sitz des Pteiters wird, haben für ein Pferd in der Bewegung um so weniger Gültig- keit, je schneller die letztere ist. Dieselbe stellt doch eine fortgesetzte Verschiebung des Schwerpunktes dar, und da das galoppierende Pferd zur Erhaltung des Gleichgewichts genötigt ist, mit der Hinterhand denselben zu stützen, so kann und mufs es mit derselben um so mehr vorgreifen , je weiter derselbe nach vorn liegt. Da die Entlastung der Vorhand aber hauptsächlich durch das Biegen und Vorgreifen der Hinterhand ge- schieht, so irrt sich der Reiter, der sich einbildet, auf der Hinterhand zu reiten, wenn er sich hintenüber legt, ohne dafs dieselbe sich biegt. Man kann also darin nicht einmal eine Schonung der Vorderbeine erblicken, worauf es ja übrigens im Rennen nicht ankommt. *) Dieselben sind kürzlich, wiederholt nnd deren Resultat als etwas ISTeues in Sportblättern besprochen worden zum Beweise dafür, dafs die amerikanische — ausschliefslich die Vorhand des Pferdes belastende — Reitweise ruinierend auf die Vorderheine wii^ken müfste. 5(5 Sitz und Hilfen. Es wird aber manchmal nicht möglich sein, vorn- über geneigt oder selbst gerade zu sitzen, und zwar wenn man ein Pferd nicht halten kann oder einen Sturz vermeiden will, auch w^enn die Ermüdung des Pferdes so grofs ist, dafs die Erhebung der Vorhand durch die vorgreifende Hinterhand demselben schwer fällt. Dann mufs die erstere durch Gewichtsverlegung des Reiters entlastet werden, wennschon auf Kosten der Vorwärtsbewegung. b) Auf schwierigen Pferden. Nicht so leicht und einfach stellt sich die Sache auf schwierigen Pferden. Wenn das Pferd der Einwirkung des Gebisses auf die Hinterhand sich widersetzt, so sagt man, dasselbe sei nicht am Zügel, sondern hinter dem Zügel. So ist also, ebenso wie das Pferd, welches nicht an das Gebifs herangeht, auch der gefühllose Puller „nicht am Zügel". In langsamen Gängen und bei scharfer Zäumung wird sich das oft deutlich zeigen , indem er die An- lehnung an dieselbe scheut; sobald aber die Schnellig- keit der Gangart eine Anlehnung an das Gebifs nötig macht, wird diese so stark genommen, dafs dem weniger geübten Reiter die Herrschaft über das Pferd häufig verloren geht. Andere Pferde lümmeln sich schon im Trabe so auf die Zügel, meistens allerdings nur auf einen, dafs man fühlt, dafs jede Durchlässigkeit fehlt. Die Art und Weise, Puller zu halten, richtet sich zu sehr nach dem Gefühl und den Fähigkeiten des Herr von Schmidt-Pauli auf ,, Pestilenz" Herr von Bachmayr auf „Papi" Sitz und Hufen. 57 Reiters, sowie den Eigentümlichkeiten des Pferdes, sich den Einwirkungen des Gebisses zu entziehen, als dafs bestimmte Regeln dafür aufgestellt werden könnten. Dem besten Reiter wird das naturgemäfs am ehesten gelingen, da ihm sein Gefühl der beste Wegweiser für die anzuwendenden Hilfen sein wird. Kraft, nicht nur der Arme, sondern auch Beine und besonders der Rückenmuskeln ist aber ein Haupt- erfordernis zum Halten, In der Kraft liegt die Weich- heit und Ruhe der Hand. Nur damit, in Verbindung mit viel Routine, wird es in den meisten Fällen ge- lingen. Scharfe Zäumungen sind fast immer verkehrt und machen, wenn sie auch anfänglich nützen, das Übel nur schlimmer. Wenden wir uns also der ersten Kategorie zu, die im Trabe nicht ans Gebifs gehen und durch Heftigkeit, Kopfschlagen und plötzliches Wegbohren andeuten, wessen wir uns im Galopp zu gewärtigen haben. Gewöhnlich sind dieselben mit leichtem Hals oder schwachem Rücken und Hinterbeinen versehen und werden es uns Dank wissen, wenn wir durch Vornüber- neigen des Oberkörpers dieselben entlasten. Im Rennen oder bei einem guten Galopp kann man das Pferd oft auf diese Art ruhig laufen lassen; in den meisten Fällen wird das Pullen nicht so schlimm sein, als man erwartet hat und nach einigen hundert Metern häufig aufhören. Es ist dies jedenfalls besser, als durch Würgen und Reifsen das Pferd halten zu wollen, was, selbst wenn es gelingt, mit mehr Aufwand 58 Sitz und Hilfen. an Kraft desselben verknüpft ist, als wenn man es ruhig galoppieren läfst, wobei man noch dazu an Terrain gewinnt und oft auch die Laune desselben günstig beeinflufst*). In der Arbeit freilich behandelt man diese Art Pferde anders, denn da man nicht immer schnelle Galopps geben kann, so mufs man versuchen, sie zu- nächst im Trabe etwas an die Zügel zu bringen, und wenn man vorsichtig angaloppiert hat, die Face nur so viel zu verschärfen, als man der Möglichkeit, dieselbe wieder zu verkürzen, gewifs ist. Die von Trainern meist gegebene Instruktion : „die Hände heruntersetzen", ist gänzlich wertlos, denn so können nur überaus kräftige Reiter überhaupt pullende Pferde halten; um dieselben in der Gewalt zu behalten, mufs ja doch der Kopf, natürlich mit den Händen, immer wieder höher genommen werden, besser also man läfst ihn gar nicht zu sehr herunter, was mit „hands down" unvermeidlich ist ; aber die Hände so ruhig als möglich zu halten, sollte man sich einüben. Wie schon früher bemerkt, sind übrigens manche Pferde dieser Art merkwürdigerweise hinter anderen leichter zu halten, als wenn sie allein bezw. vorn gehen. Die andere Art von Pullern, die sich meist auf einen Zügel auflegen, sind nur dadurch zu halten, dafs man sie verhindert, den Kopf ganz nach der weichen Seite herumzuwerfen. Es wird dies ohne Kraftaufwand freilich nicht *") Keuerdings durch die amerikanische Eeitweise bestätigt. Sitz und Hilfen. 59 abgehen, obschon mau auch hier mit dem Gefühl weiter kommt als mit roher Gewalt. ;Mit der weichen Seite des Maules kann man nämlich wenig machen; man ist also fast ganz auf die feste Seite zum Halten und Lenken angewiesen. Es liegt auf der Hand, dafs das um so wirksamer geschehen kann , je mehr man sich Gefühl und Nach- giebigkeit erhalten oder angeeignet hat. Der vornüber geneigte und selbst der senkrechte Sitz wird dabei allerdings nur von aufsergewöhnlich kräftigen und gefühlvollen Reitern beibehalten werden können; die meisten werden genötigt sein, durch Hintenüberlegen des Oberkörpers einen Ausgleich für die fehlende Kraft und durch Annehmen und Nach- geben zu verhindern suchen, dafs das Maul gefühllos wird. Wenn man das Pferd nicht kennt, welches man im Eennen reitet, so mufs man sich vorher, womöglich bei Leuten, die es geritten haben oder kennen, über dessen Eigenschaften zu orientieren suchen. Manch- mal wird man dadurch einen nützlichen Fingerzeig erhalten können. In Flachrennen oder — springt der Puller ganz sicher — auch im Hindernisrennen ist ruhig vorn gehen lassen oft zweckmäfsig, selbst wenn ein Warterennen für die Chancen das beste scheint; man kann ja ganz gut vorn warten, besonders wenn es durch anfängliches Raschgehen gelungen ist, die Mit- reitenden über die Pace zu täuschen. Manche Pferde gehen am besten im Haufen, be- sonders die auf einem Zügel liegenden, lassen sich auch da eher am Ausbrechen verhindern oder denken über- (30 Sitz und Bülfen. haupt gar nicht daran, wenn sie zwischen anderen Pferden sich befinden. Die meisten Puller aber, besonders wenn sie noch obendrein herzlos sind, was sehr häufig vorkommt, sind weitaus am leichtesten zu halten, wenn man ganz hinten im Rennen geht. Bisweilen wird es nötig sein, schon am Ablauf allmählich und hinter dem Felde abzureiten, weil sie sich sonst nicht zurücknehmen lassen — der einzige Fall, wo ein Terrainverlust am Start gerechtfertigt ist, aber natürlich nur für längere Hindernisrennen in Be- tracht kommen kann. Es ist merkwürdig, wie ruhig dann manchmal ein heftiger Puller hinterhergaloppiert und ohne die sonst übliche Aufregung und Spannung geht und springt, wo- durch er natürlich dann zu Ende des Rennens frischer ist und über die letzten Sprünge mehr Energie und Geh- lust zeigt, als den Konkurrenten lieb ist, denen er zu- letzt an den Kopf geht. Ein gutes Pferd, welches obengenannte Eigentüm- lichkeit zeigte, war „ Adare", die bekannte Schimmelstute des Prinzen G. Radziwill. In England allmählich durch Festhalten immer mehr verdorben, war sie endlich so weit, dafs sie schief und langsam sprang, denn je mehr sie pullte, desto mehr wurde durch Reifsen und Hintenüberwerfen ihr das Abspringen erschwert. Als sie so schlecht lief, dafs es aussichtslos schien, ein Rennen mit ihr zu gewinnen, konnte ich sie endlich erstehen, was längst mein Wunsch war. Darauf kam der Jockey, der sie so malträtiert hatte, — aus Menschenfreundlichkeit — Sitz und Hufen. 61 ZU mir , um mir zu sagen , wie diese schwierige Stute geritten werden müfste. Ich konnte mich nicht ent- halten, ihm zu antworten, dafs ich noch nicht wüfste, wie dieselbe zu behandeln sei, dafs ich aber ganz genau wüfste, wie es nicht geschehen dürfte. Ich glaube kaum, dafs er mich verstanden hat. In der Tat hatte „Adare" eigentlich sehr wenig Schwierigkeiten und war, einmal mit der Hand ihres Reiters vertraut gemacht, keineswegs schwer zu reiten, doch nahm ich niemals mit ihr einen guten Start, da sie hinterher geritten viel ruhiger ging und sprang. Mr. W. H. Moore, zweifellos ein vorzüglicher Reiter, konnte sich aber dazu nie recht entschliefsen und hatte daher immer etwas mit Halten zu kämpfen, was für das Temperament der Stute bezw. Wachrufen unangenehmer Erinnerungen nicht zweckmäfsig war. Nur einmal entsinne ich mich, mit „Adare" mit einem fliegenden Start abgesprungen, das ganze lange Rennen geführt und leicht gewonnen zu haben; das war im grofsen Berliner Jagdrennen 1885. Dies aber hatte den Grund, dafs gefährliche Gegner im Rennen waren, deren Kondition und Stehvermögen ich anzuzweifeln Ursache hatte, während ich dessen bei meiner Stute, die überdies weniger Gewicht trug, gewifs war. Ähnliche Pferde wie „Adare", die ich, unter ähn- lichen Umständen in England verdorben, wohlfeil kaufte^ waren „Lady Mary II", „War Gry", „Lady Tempest" und andere, die sämtlich unschwer zu korrigieren, schliefslich leicht zu reiten waren und gute Rennen gewonnen haben. Schwieriger war „Idea", ein Hengst, der eine so Q2 Sitz und Hilfen. unbiegsanie Hinterhand hatte, dafs er in schneller Face seine Haltung völlig verlor und für alle Hilfen gefühl- los blieb. In England galt er daher für lebensgefähr- lich und war es auch wirklich. Erst ganz allmählich, nicht ohne längere Pilarenarbeit, wurde er so durch- lässig, dafs er in langsameren Gangarten (Jagd) geradezu bequem, im Rennen wenigstens dirigierbar wurde, wenn man ihn nicht völlig sich strecken und am Start all- mählich sich in Gang setzen liefs. Einer der stärksten Puller, die ich geritten, war „Cal- rossie", Mutter u. a. von „Casanova" (der auch pullen kann), eine leichte, heftige Stute, die gerade umgekehrt hinten nicht vernünftig gehen wollte. Da sie aber sehr sicher in schneller Pace sprang, habe ich stets mit ihr geführt und gar nicht versucht, sie zu halten, weil das sie irritierte. Die Rennen, in denen sie lief, wurden daher immer sehr schnell gelaufen ; einen Fehler aber hat sie niemals gemacht, obschon sie über die schwierigsten Bahnen Deutschlands gegangen ist. Für einen geübten Reiter war sie vorn keineswegs unangenehm zu reiten, im Gegensatz zu „Adare", die bequem nur hinten zu reiten war. Den Gegensatz zu dieser Art von Pferden bilden d ejenigen, die aus Faulheit oder Laurigkeit und Herz- losigkeit nicht an das Gebifs herangehen. Es ist meiner Ansicht nach viel schwieriger, diese Sorte richtig zu behandeln und Sitz und Hilfen heraus- zufinden, um dieselben an die Zügel zu bringen. Selbst wenn man es versteht, die vortreibenden Hilfen — besonders Peitsche und Sporen — richtig umzuwenden, so ist es doch lästig und ermüdend, das Sitz und Hilfeu. 63 fortwährend tun zu müssen, und doch gibt es faule Pferde, die das so gewöhnt sind, dafs sie ohne energische Mittel nicht vorwärts gehen. Hier ist ein guter Start oft von grofser Wichtig- keit, denn selbst manche sonst keineswegs faule oder feige Pferde neigen dazu, wenn sie hinten gehen, laurig zu werden und — wenn sie dadurch vielleicht noch die ersten Hindernisse lässig gesprungen und Terrain verloren haben — so widerwillig zu galoppieren, dafs sie nicht mehr ins Rennen zu bringen sind. Sowohl bei Flach- als bei Hindernisrennen mufs man also in der Regel gut abzukommen und durchaus, selbst unter Anwendung von Peitsche und Sporen, das faule Pferd auf dem Platze zu halten suchen, auf dem man reiten will. Sehr oft geht dasselbe allmählich besser, wenn es merkt, dafs der Reiter ernstlich gesonnen ist, die Faulheit nicht zu duklen. Häufig wird auch das lässige oder laurige Pferd lebhafter und williger, wenn es vorn geht, wenigstens so, dafs es die Nase stets etwas vorn behält ; es erwacht dann oft der Ehrgeiz, der durch falsches Reiten, Bummelei oder Mifshandlung erstickt schien. Auch durch Vornüberneigen des Oberkörpers seitens des Reiters habe ich manche derartige Tiere unendlich besser gehen sehen, als es durch alles Einsitzen und vortreibende Hilfen gelang, gegen die sie gleichgültig, wenn nicht gar widersetzlich geworden waren. Fühlen sie aber, wie der Reiter es ihnen bequem macht und sie nicht mifshandelt, so gehen sie mitunter willig und sind gar nicht wiederzuerkennen.*) Die Reiter, die hier immer *) Neuerdings durch die amerikanische ßeitweise bestätigt. (34 Sitz und Hilfen. das Richtige zu fühlen und auszuführen verstehen, sind allerdings recht selten. Herzlose Pferde, besonders solche, die den End- kampf verweigern, werden, besonders im Flachrennen — meistens mit Scheuklappen — gewöhnlich ä tout prix vorweg geritten, häufig unter fortwährendem Treiben. Das halte ich nicht unbedingt für richtig. Erstens macht man dieselben durch übertriebene pace leicht müde und dadurch jedenfalls nicht williger zu energischem Galoppieren, und ferner werden sie trotz Scheuklappen doch ganz genau merken, wenn ihnen die äufserste An- strengung vor Erreichung des Zieles zugemutet wird und sich derselben um so mehr zu entziehen suchen. Ich habe selbst Pferde geritten, die noch sehr frisch und führend um die letzte Ecke galoppierten, dann aber plötzlich das Gebifs loslit fsen und , ohne auf die vortreibenden Hilfen zu reagieren, förmlich darauf warteten, dafs andere ihnen vorbeigingen. Es scheint mir zweckmäfsiger zu sein, nach einem guten Start derartige Pferde gehen zu lassen, wie es ihnen beliebt, am besten mit einer leichten Anlehnung an das Gebifs auf einem guten Platz im Rennen zu bleiben. Sehr oft bekommen dieselben, besonders wenn sie einer guten Klasse angehören , dadurch Gehlust, dafs sie sich den andern überlegen fühlen. Man sollte dann aber doch das Rennen nicht zu früh forcieren, also nicht ehe man sicher ist, mit diesem einen Vor- stofs auch das Ziel zu erreichen. c) Beim Springen. Es gibt so leicht zu reitende und so gut springende Pferde, dafs jeder, der auf die Bezeicbnung Rennreiter Sitz und Hilfen. 65 Anspruch erheben kann, imstande ist, dieselben in guter Manier über eine Hindernisbahn zu dirigieren. Es gehört dazu weiter nichts, als dafs man sich so passiv wie möglich verhält, um das Pferd nicht zu stören. Der Sitz im Sprunge mufs dem Rennreiter so geläufig sein, dafs er denselben nie verlieren darf, wenn nicht das Pferd einen so groben Fehler macht, dafs der Verlust des Gleichgewichts unvermeidlich wird. Am richtigsten ist es, wenn man gar keine Ver- änderung am Sitz des Reiters wahrnimmt, wenn er gegen ein Hindernis geht, vorausgesetzt, dafs letzteres oder das Pferd keine besonderen Schwierigkeiten bietet. Unter gewöhnlichen Umständen empfiehlt es sich , um dem Pferde die Tätigkeit der Hinterhand zu erleichtern, zum Abschwunge derselben das Gesäfs ein wenig aus dem Sattel zu heben. Jeder Reiter hat aber darin seine eigene Manier und Gewohnheit, und es w^äre falsch, wenn er den Sitz anderer nachahmen wollte, die vielleicht eine andere Figur, Kraft und Angewohnheit haben. Aufserdem wird sich der Sitz und das Reiten über Hindernisse über- haupt dem Pferde anzupassen haben und läfst sich schematisch nicht vorschreiben, wie dies bei Gelegen- heit der Besprechung über lange und kurze Bügel betont worden ist. Auch die Art der Zügelhaltung ist Gewohnheits- sache und nicht nach militärischem Muster vorzu- schreiben; es empfielilt sich aber, die Zügel so zu fassen, dafs man eine Hand — gewöhnlich die rechte, welche die Peitsche führt — loslassen kann, ohne dafs von Tepper-Laski. 2. Aufl. 5 QQ Sitz und Hilfen. eine Veränderuug im Maule des Pferdes derart ein- tritt, dafs man mehr mit einem Zügel wirkt; das könnte zu Ausbrechen, Anreiten oder dergleichen führen. Im übrigen kommt es nur darauf an, dafs man dem Pferde, schon ehe es sich zum Sprunge hebt, „Luft läfst", wie der recht unpassend gew^ählte terminus technicus der Reiterwelt lautet. Es ist darunter nur das zu verstehen, dafs das Pferd durch die Zügel bezw. durch die Hand des Reiters in keiner Weise behindert wird, die Hinterbeine zu gebrauchen und sich im Halse auszustrecken. In dieser einfachen Vorschrift liegt das Geheimnis, weshalb manche Pferde unter einigen Reitern besser und schneller springen als unter anderen. Wie das „Luftlassen" technisch ausgeführt wird, ist an sich gleichgültig ; doch ist das richtigste jeden- falls, wenn man die Zügel, soweit es das Pferd ver- langt, durch die Finger gleiten Läfst, um sie nachher wieder zu verkürzen ; es ist dies fast bei jedem Sprunge notwendig, bei dem man sich zum Landen hintenüber- neigen, dabei aber dem Ausstrecken der Vorderhand des Pferdes volle Freiheit lassen mufs. Im Gegensatz zu manchen gegenteiligen Ansichten also glaube ich : Wer nach einem g r o f s e n und weiten Sprunge seine Zügel nicht wieder kürzer zu nehmen genötigt ist, hat in der Regel eher Tadel als Lob ver- dient, denn er hat höchstwahrscheinlich die Zügel nicht soweit durchrutschen lassen, als zur völligen Streck- freiheit der Vorderhand des Pferdes nötig war. Hieraus folgt, dafs die Knötchen in den Zügeln Sitz und Hilfen. (37 oder das Zusammenknoten derselben durchaus falsch ist, wenn man springen will. Bei geringeren Hindernissen genügt allerdings meist schon das Ausstrecken der Arme, dem Pferdekopf und Hals die nötige Freiheit zu geben, da das Zurückbiegen des Oberkörpers beim Landen hierbei gewöhnlich nicht nötig ist. Selbst bei größeren Sprüngen kann man das bei •einigen — und nicht den schlechtesten — Reitern beob- achten. Am auffallendsten war dies bei dem jMnjor von Kramsta, der infolgedessen oft beim oder vielmehr nach dem Landen nach dem Sprung eine Neigung mit ■dem Oberkörper nach vorn zeigte. Ob das richtig ist oder nicht, will ich dahingestellt sein lassen; Tatsache ist jedenfalls, dafs fast alle Pferde gern und auffallend gut unter ihm sprangen und er niemals eins im Kreuz verletzt hat. Nicht hervorragend talentierten Reitern möchte ich aber nicht raten . das nachzumachen , denn Yorn- überfallen und Vornüberfallen sind zweierlei und quod licet u .s. w. Unter der jüngeren Generation von Rennreitern liabe ich den vornübergeneigten Sitz, auch im Sprung, in ähnlicher Vollkommenheit nur bei Leutnant Graf W. Königsmarck beobachtet *). In England sieht man dergleichen niemals, und das übertriebene Hintenüber- neigen vor, während und beim Landen nach dem Sprung ist da fast durchweg üblich. *) l^eiierdings aucli bei Leutnant K. t. Zingler, Herrn .Schniidt-Benecke , Leutnant v. BachmaA'r u. a. S. Tafel. 68 Sitz und Hilfen. Im allgemeinen ist es durch die Beschaffenheit der englischen SteeplechasesprüDge ja auch gerechtfertigt und bewahrt müde Pferde oft vor einem Sturz. Auch zum Durchflitzen durch den oberen undichteren Teil eines hohen Sprunges ist es entschieden zweckmäfsig^ denn es erhöht die zur Perkussion notwendige Spannung und verhindert eine unerwünschte Gewichtsverschiebung zu Ungunsten der Vorderhand. Anfang der achtziger Jahre ritt ich in Croydon bei London einen sehr gut springenden Hengst ,,Mam- brin" und fühlte am vorletzten Sprunge, dafs ich da& Rennen gewinnen würde. Es war eine einfache, hohe Hecke mit Graben dahinter. Der Hengst sprang etwas früh ab, nicht ganz hoch genug und strauchelte beim Landen ; hätte ich hintenüber gesessen, wie es die eng- lischen Reiter taten, so wäre nichts passiert; so aber rifs ich mein Pferd, das obendrein noch mit einem anderen karambolierte, vollends um, indem ich ihm auf den Hals fiel. Hier war der „Präservativsitz" gewifs am Platze. Wenn er aber auch bei den Wassersprüngen — ein bis zwei Fufs hohen Hecken mit flachem Wassergraben dahinter — angewendet wird, wie ich in England vielfach gesehen, so ist das entschieden falsch und zwecklos; ebenso bei Hürdenrennen in der Regel, denn die englischen Hürden sind so schwach und so lose aufgestellt, dafs es einer besonderen Perkussions- kraft nicht bedarf, um dieselben zu zerbrechen oder umzuwerfen. Das geschieht auch sehr häufig, aber durch Festhalten des Pferdes und Hintenüberneigen des Ober- Sitz im Sprunge. Herr W. von Rosenberg auf ,,Formosa'". Ä.,^A. il^i'äiiiiilfilWftiii Herr K. von Zingler und Herr F. Schmidt-Benecke. I Sitz und Hilfen. 69 Ivörpers vor dem Sprunge werden die Pferde an schnellem und sicherem Springen geradezu verhindert. Hauptsächlich dadurch erkläre ich mir z. B. fol- gendes : Ich kaufte Anfang Dezember 1895 in England einen dreijährigen Hengst „The Little Miller", nachdem er mehrfach schlecht über Hürden gelaufen war, in öifent- licher Auktion für 30 Lstrl. nach einem Verkaufshürden- rennen. Etwa 14 Tage darauf schon gewann der Hengst €in solches Rennen unter meinem Jockey W. H. Jones, der ihn genau nach meiner Methode ritt, hauptsächlich durch schnelles Springen, gegen 10, darunter recht nützliche Pferde. Er wurde für 85 Lstrl. gefordert und ist seitdem wieder vier- bis fünfmal in ähnlicher Gesellschaft stets unplaciert gelaufen. Am 22. Februar 1896 ist er end- lich nach einem neuen erfolglosen Versuche nach dem Rennen wieder für 40 Lstrl. verauktioniert worden. — Ich führe diesen Fall nur an, weil er der aktuellste ist ; ähnliche habe ich schon öfters beobachtet. Ein sehr charakteristisches Beispiel hierfür war auch „Furley", ein Pferd, welches bis Mitte der siebziger Jahre in England eine grofse Form gezeigt hatte, dann absolut nicht mehr springen wollte und von dem ver- storbenen Herrn 0. Oehlschläger angekauft worden war. Von diesem erstand ich ihn, nachdem er in Han- nover nicht über die Bahn zu bringen gewesen, und hatte anfänglich die gröfste Mühe, ihn überhaupt zum Springen über kleine Hindernisse zu bewegen. All- mählich bekam er Vertrauen und ging schliefslich recht gut über ihm bekannte Sprünge. Man mufste aber 70 Sitz und Hilfen. ganz vornüber sitzen , denn sobald man das Gegenteil versuchte, blieb er stehen, wahrscheinlich in der Be- fürchtung, im Rücken inkommodiert zu werden. Aufser- dem fürchtete er sich, hinter anderen Pferden zu springen^ warum weifs ich nicht, vielleicht war er einmal über ein gestürztes Pferd gefallen. Wie dem auch sei, mit mir, der ich ihn genau kannte, ging er, stets führend, vorzüglich, vorausgesetzt, dafs er die Bahn kannte, die ich ihm also immer vor dem Rennen zeigen mufste. Ich gewann mit ihm mindestens 12 Steeplechases, wurde nur zweimal durch Zufall geschlagen; unter anderen Herren und Jockeys lief er inzwischen auch mindestens 12 mal, ohne je zu gewinnen, meistens refü- sierend. So notwendig es also sein kann, bei grofsen Sprüngen auf müden Pferden das Gewicht nach hinten zu legen, um die nachgebenden Muskeln der Vorder- hand beim Landen möglichst zu entlasten, so verkehrt ist es unter besonderen Umständen, bei kleinen Sprüngen und bei offenen Gräben, die das Pferd anzieht, um schnell darüber hinwegzukommen; bei letzteren auch noch deshalb, weil jeder Fehler der Hinterhand für das Pferd verhängnisvoll werden kann, wenn der Reiter das Gewicht auf das Kreuz wirft in einem Augenblick, in dem die Hinterhand völlig entlastet werden müfste. Kreuzlahmheiten und Kreuzbrechen kann die Folge davon sein, was in den meisten Fällen hätte vermieden werden können und wenn schon durch völlige „Tren- nung" des Reiters vom Pferde. Sitz und Hilfen. 71 Man ersieht hieraus, dafs der fühlende Eeiter je nach der Verschiedenheit der Hindernisse und der Ver- schiedenheit des Pferdes seinen Sitz modifizieren, auf eine schwache Hinterhand ebenso wie auf eine schwache oder müde Vorderhand Kücksicht nehmen mufs, und hei etwas Anlage wird es niemandem schwer fallen, das Richtige allmählich herauszufühlen und auszuführen. Vorteilhaft ist es natürlich, wenn die ersten öffentlichen Versuche auf guten Springern unternommen werden, die den Reiter über die Hindernisse tragen, ohne dafs er besondere Rücksichten in Bezug auf seinen Sitz oder auf Eigentümlichkeiten des Pferdes zu nehmen hat. Die meisten guten Reiter haben im Anfange ihrer Laufbahn solch ein Pferd als Schulmeister gehabt und haben ihr Hauptaugenmerk infolgedessen frühzeitig nur auf das Gewinnen des Rennens zu richten sich gewöhnt, statt auf das Überwinden der Hindernisse. Ich entsinne mich nicht, ein in dieser Hinsicht besseres Pferd geritten zu haben als des damaligen Majors von Rosenberg „Tricolore", einen sehr gut ge- machten französischen Fuchshengst. Derselbe spitzte schon fünfzig Schritt vor dem Hindernis die Ohren, zog dasselbe dann an, wobei man fühlte, wie er sich den Galoppsprung einteilte ; es stimmte dann aber auch immer, so dafs er niemals weder zu früh noch zu spät absprang, was nicht nur für die Sicherheit über grofse Sprünge, sondern auch für das schnelle Springen von grofser Wichtigkeit ist. Der Reiter kann da eben ganz passiv bleiben, und alles geht fliefsend und ohne Kraftvergeudung vor sich. 72 Sitz und Hilfen. Leider sind aber nicht alle Pferde so beanlagt und geübt im Springen, und wir müssen uns mit deren Eigentümlichkeiten eben so gut als möglich abzufinden suchen. d) Die sogenannte amerikanischeReitweise. Dem aufmerksamen Leser obiger Ausführungen wird der wiederholte Hinweis auf die Vorteile eines vornübergeneigten Sitzes nicht entgangen sein, und da bald nach Erscheinen der ersten Auflage vorliegender Schrift diese Vorteile in weitgehendster und über- zeugendster Art durch die sogenannte amerikanische Reitweise bestätigt worden sind, so sei dieselbe hier kurz besprochen. Es tauchten gegen Ende des vorigen Jahrhunderts zunächst in England einzelne amerikanische Jockeys auf, die mit Rennpferden aus der neuen Welt herüber- gekommen, durch ihren affenartigen, vermutlich Neger- jungen abgesehenen Sitz — mit kurzen Bügeln und Zügeln auf den Hals des Pferdes geneigt — zunächst allgemeinen Spott hervorriefen*). Als ihre Erfolge, die anfänglich als zufällige be- trachtet wurden, sich aber häuften, infolge davon auch von englischen Rennställen Versuche mit ihnen an- gestellt wurden, bei denen sich auffallende Verbesse- rungen der Form derartig gerittener Pferde ergaben, da wurden die Gesichter der Spötter, die die englische Suprematie auf diesen Gebieten für unantastbar ge- halten, länger und länger. *) S. Tafel. iß- w^ I^Hks. : i f K yH^WSl ^ C/D .tr! C g £ 5 . •- a